SFUM LIBRARY
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SJgn.TT^
inv.
ARCHAKOLOGISCH ■ EPIGRAPHISCHE
MITTHEILUNGEN
AUS
OESTERREICH-UNGARN
HERAUSGEGEBEN
VON
0. BENJSDOßF UND E. BOßMANN
JTJJys-
JAHRGANG IX
MIT 6 TAFELN
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WIEN
DRUCK UND VERLAG VON CARL GEROLD'S SOHN
1885
JHE J. PAUL GETT,' MUSEUM LIBRARY
INHALT
Seite
Domaszewski Inschriften aus Kleinasien 113 — 132
Frankfurter Epigraphischer Bericht aus Oesterreich . . 135 — 144 u. 250 — 268
Gregorutti Inschriftfunde in dem Gebiet von Aquileja 248 — 250
G. Hirschfeld Das Gebiet von Aperlai 192—201
0. Hirschfeld und Schneider Bericht über eine Keise in Dalmatien 1 — 84
Klein Bathykles 145-191
Petersen Die Irisschale des Brygos 85 8<
Schuchhardt Die römischen Grenzwälle in der Dobrugea .... 87 — 113
Wälle und Chausseen im südlichen und östlichen Dacien 202—232
Szanto Zur Sammlung Millosicz 132 — 134
Tegläs und Domaszewski Inschriften aus Dacien 237 — 248
T o r m a Das Amphitheater zu Aquincum (Auszug) 233—237
Bericht über eine Eeise in Dalmatien
I. Inschriften
Auf einer Reise, die ich im Auftrage der Akademie der
Wissenschaften in Berh'n behufs Sammlung des Materials für den
in Aussicht genommenen Supplementband zu Corpus inscriptiomim
Latinarum III im September und October des vergangenen Jahres
gemeinsam mit Herrn Oustos Dr. Robert Schneider gemacht habe,
hatte ich Gelegenheit, neben der Revision der überaus zahlreichen,
seit dem Abschluss des dritten Corpus - Bandes gefundenen In-
schriften, die theils in der Ephemeris Epigraphica (II und IV), theils
in dem von Glavinic und Alacevic im Jahre 1877 begründeten, von
Bulic im Vereine mit dem Letzteren fortgeführten BuUetti.no dt
archeologia e storia Dalmata publicirt worden sind, zahlreiche bisher
unbekannte Inschriften zu copiren, von denen eine Auswahl*) be-
reits hier vorzulegen angemessen erscheint, da die Publication des
Supplementbandes erst in einigen Jahren erfolgen dürfte. Die mit-
getheilten Copien sind bis auf n. 37 und n. 42, die ich Herrn Dr.
Schneider verdanke, von mir gemacht worden ; zahlreiche Abklatsche
hat mir Herr Director Bulic freundlichst zugehen lassen.
Den Hauptertrag hat selbstverständlich wiederum der Boden
von Salona ergeben, der Jahr für Jahr, auch ohne systematische
Ausgrabungen, eine unverächtliche Ausbeute gewährt. Aber doch
wäre in hohem Grade zu wünschen, dass nach Abschluss der Aus-
grabung der altchristlichen Basilica, deren reiche und wichtige Auf-
schlüsse bietende Resultate von Bulic mit Beiträgen von Mommsen
*) Einige kurz vor meiuer Ankunft gefundene und im August- und September-
Heft des Bullettino IJulmalo publicirte Inschriften habe ich ebenfalls aufgenommen,
da dieselben in den epigraphischen Bericht von Dr. Frankfurter (vgl. diese Mit-
theilungen Bd. VllI ö. 104 ff.) keine Aufnahme mehr finden konnten. In den später
erschienenen Heften des Bullettino Dalmato sind inzwischen die unten folgenden
grossentheils von Herrn Director Bulic- nach den von uns gemeinsam genommenen
Copien publicirt worden.
Archäologisch-cpigraphiscUe Mitth. IX. j
und de Rossi in dem Bullettino Dalmato veröffentlicht worden sind*),
die Regierung sich veranlasst finden möge, eine Ausgrabung in
grösserem Stil, die vor allem der Aufdeckung des Theaters von
Salona zu gelten hätte, zu unternehmen. In zweiter Linie würde
als dankbares Ausgrabungsobject Narona (bei dem kleinen Orte
Viddo) ins Auge zu fassen sein, das, bereits in republikanischer
Zeit eine blühende Stadt, als Hauptort und Eingangspunkt in das
fruchtbare, jetzt freilich vom Fieber verödete Narenta-Thal , auch
in der Kaiserzeit eine Bedeutung behalten hat, die sich in den mehr
noch qualitativ, als quantitativ bedeutenden Funden aus diesem mit
antiken Scherben besäeten Boden wiederspiegelt. Neben diesen
Hauptcentren römischen Lebens in Dalmatien fehlt es natürlich
nicht an interessanten, noch kaum berührten Fundstätten; es mag
hier genügen, auf den noch wohlerhaltenen Mauerring von Asseria,
auf Burnum mit den imposanten archi di Kistanje, schliesslich auf
Aequum hinzuweisen, wo in den letzten Jahren von den Franzis-
kanern in Sinj, deren Sammlung bereits wichtige Fundobjecte aus
diesem Boden aufzuweisen hat, ein bedeutender wohl der besten
Kaiserzeit angehöriger Gebäudecomplex blosgelegt worden ist**).
Die excentrischc Lage von Dalmatien und die Armuth des
Landes hat eine energische Erforschung desselben in bedauerlicher
Weise gehemmt und wenn auch in dem letzten Decennium durch
die liberale Unterstützung der Regierung und unter Mitwirkung be-
rufener und thatkräftiger Männer im Lande selbst die antiquarischen
Forschungen einen erfreulichen Aufschwung genommen haben, so
bleibt doch noch ein reiches Feld der Thätigkeit in diesem bedeu-
tendsten Fundgebiete der österreichisch-ungarischen Monarchie der
Zukunft vorbehalten.
Vor allem aber wird man so bald als möglich dafür Sorge
tragen müssen, das Museum von Spalato zu einer centralen archäo-
logischen Sammelstätte zu erheben. Allerdings sind die Zeiten
glücklicherweise vorüber, in denen Eitelberger und Mommsen über
die gänzliche Verwahrlosung dieses Museums bittere Klage führen
mussten; durch die umsichtige Mühewaltung der Herren Alacevic,
Glavinir und seines Nachfolgers Bulic, die sich um die Conser-
virung und VeröfTentlichung der heimischen Altcrthümer bedeutende
*) Eine genaue Aulnalime und l'ublicatiou der wolilerbaltenen Keste der
hn.silica steht freilich noch au».
**) Vgl. den Bericht von IJulic int BuU. Dalni. 1.H.S5 p. 7 rt'., der eine Tlierinen-
anlage annimmt.
Verdienste erworben haben, ist wenigstens die vorläufige Bergung
der immer reichlicher zuströmenden Funde crmöghcht worden.
Dennoch wird man sich der Ueberzeugung nicht verschliessen
können, dass auch der jetzige Zustand sowohl für die Conservirung
als für die Avissenschaftliche Benutzung der Denkmäler ein äusserst
ungünstiger ist. Nicht allein dass die Fundstücke, abgesehen von
den in Salona selbst befindlichen, in drei getrennten Sammlungen in
Spalato haben deponirt werden müssen, sind zwei derselben: das
eigentliche Museum und insbesondere das früher als Salzdepot be-
nutzte Magazin Katalinic so feucht, dass die Monumente bereits
wesentlich gelitten haben und z. B. Inschriften, die noch von
Mommsen, der freilich auch bereits über die Feuchtigkeit des Mu-
seums klagt, vor zwanzig Jahren gelesen wurden, in dem Museum
Katalinic heutzutage fast gänzlich zu Grunde gegangen sind. Dazu
kommt die in beiden Orten herrschende Dunkelheit, die in Ver-
bindung mit der durch die räumliche Beschränkung des Museums
gebotenen Zusammendrängung der Objecte ein Studium derselben
in hohem Grade erschwert. Nur die von Director Bulic seit kurzem
im Erdgeschoss des Gymnasiums deponirten Stücke sind vor Feuch-
tigkeit geschützt und wenigstens erträglich beleuchtet.
Dringend geboten erscheint daher die Erbauung eines eigenen
Musealgebäudes in Spalato. Wenn dasselbe, wie bereits dem Ver-
nehmen nach in Aussicht genommen ist, mit dem jetzt in einem
gemietheten Localc befindlichen Gymnasium combinirt werden würde,
so könnte man ohne grosse Kosten den bereits vorhandenen und
stets wachsenden Bedürfnissen in ausreichender Weise Rechnung
tragen. Aber rasche und definitive Hilfe ist unerlässlich, denn
nenatu deliberantemonumentaperennt und auch mit einer provisorischen
Massregel ist nicht geholfen, da jeder neue Transport den schwer
beweglichen und grossentheils bereits gebrochenen Steinen ver-
derblich wird.
Unabweislich ist ferner eine erhebliche Erhöhung der Dotation
des Spalatiner Museums, um dasselbe in den Stand zu setzen, wenig-
stens die wichtigeren in Salona und Umgegend gemachten Funde zu
erwerben und die Verschleppung derselben ins Ausland durch die
zahlreichen Besucher der Ruinen von Salona, die alle gern ein An-
denken nach Hause zu bringen wünschen, zu verhindern. Ver-
schhngt doch allein der Transport der oft gewaltigen Inschriftblöcke
schon einen grossen Theil der kleinen Dotation , so dass für die
Erwerbung der einen grösseren Kunstwerth repräsentirenden Objecte,
1*
selbst von den weniger auf locale Vereinigung angewiesenen Münzen
und den massenhaft in Salona sich findenden geschnittenen Steinen
abgesehen, die Mittel in keiner Weise ausreichen.
Bei der Fürsorge, welche von Seiten der Regierung und der
Central - Commission seit einer Reihe von Jahren Dalmatien und
insbesondere Spalato zu Theil geworden ist, darf man wohl auf
eine baldige und befriedigende Erledigung dieser dringenden Desi-
derien hoffen. Dieselben an dieser Stelle hervorzuheben, erschien
mir nicht allein als eine wissenschaftliche Pflicht, sondern auch als
ein Gebot der Dankbarkeit für die an antike Zeiten erinnernde
Gastfreundschaft, die ich und mein Reisegenosse überall in Dalmatien
gefunden haben, insbesondere aber für die liebenswürdige und
energische Förderung, die uns wie von den Behörden des Landes,
so von den einheimischen Gelehrten zu Theil geworden ist, vor
Allem von den um die Wiederbelebung der Alterthumsstudien in
ihrem Heimatlandc wohlverdienten Männern: Michele Glavinic in
Zara, Giuseppe Alacevic und Francesco Bulic in Spalato,
Giuseppe Gelcich in Ragusa.
1. Steinbasis, h. 080, br. 0*56; Popovic (in der Nähe von Karin,
in der Kirche St.-Michael eingemauert; ohne Zweifel in der Nähe
des Aufbewahrungsortes gefunden (ungenau publicirt im Bidl. DaJm.
II p. 146, vgl, V p. 65, daraus Frankfurter Mittheilungen VIII S. 159
n. 235).
fX ■ EDICTV • P -COR
NELI • DOI.ABELE ■ LEG
iRO r R- DETERMIN p. ('h. 14 scq.
/\T1 - EINES ■ GE/WINVS
h PRI • POSTERIOR • LEG
VII • INTER - NEDITAS
ETCORINIENSES
RESTITVTI ■ IVSSV • A
DVCENIGEMINI
\U LEG ■ AVGVSTI- I'R • Pr
PER - A • RESIVJW WA
XIMVm ■ D • LEG XI
C- P- E- PR PO STEK lOR
ET CL" AEBVTIV/W
1') LIBERALEM -AST AT
POSTERIORE ■ LEG
E 1 V S D E M
Z. 13 zwischen o und s, r und i wegen Schaden im Stein
kleines Spatium.
Vgl. das ähnliche Exemplar C. I. L. III 2883 (mit der Be-
merkung Mommsen's über Ducenius Geminus, dessen Vorname Aulus
erst durch diese Inschrift gesichert 'wird, während Marini und Bor-
ghesi ihm mit Unrecht den Vornamen Gaius vindiciren wollten) und
über Dolabella : Moramsen zu n. 1741. Dass Q. (nicht D., wie
hier und n. 2883 gelesen worden ist) Aebutius Liberalis der Zeit
nach (Ducenius Geminus muss unter Nero Statthalter von Dalmatien
gewesen sein) mit dem Lugudunenser Aebutius Liberalis, an den
Seneca seine Bücher de heneficns gerichtet hat, identisch sein könne,
habe ich bereits bei Frankfurter a. a. O. bemerkt, doch bieten die
Angaben Senecas für eine Identification keinen Anhalt.
[e\x edictit (sie) P. Corneli T>okihel{la)e h'g{afi) pro pr{aetore)
deierminati jines Gemimts pri{nceps) posterior' (für n (xemino jjrin-
ctpe posteriore) leg(ionis) VII inter Neditas et Corinienses, restituti
iussu A. Dticeni Gemini leg(afi) Anffiisti pr{o) plo-^aetore)] per A.
Resium \M^axi'muui centurionem legijonis) XI (J{landiae) p){iae) f{idelis)
pr{incipem) posterior(em) et Q. Aehutium Ijheralem. (Ji)astat{iii)i) po-
ster{ore('m) leg{ionis) eiusdem.
2. Meilensäule, h. L62, Durchm. 0*30, mit schlechter Schrift; /
gef. im Jahre 1879 in Bukovic (zwischen Benkovac und Podgradje)
im Felde unterhalb des Hauses des Tade Reljic; liegt noch daselbst.
Die flacher eingehauenen Buchstaben links und die Buchstaben
rechts in Z. 4 und 5 gehören nicht zu der Hauptinschrift, sind aber
ebenfalls nicht aus älterer Zeit (nicht genau publicirt Btdl. Dalm.
1879 p. 162, daraus Frankfurter a. O. n. 218).
D N F 1^
VA. CO ST AN E SIC
AN I N I M A X I
AIC M I V ICTo AV
5 XIME RISSEM /r
PETV ERAVGV
STI///.S
ex/////
////////
10 ////////
////////
--/,7//
D N MF LA
Z. 7 a. E. 'S nicht sicher. Interessant ist die sonst meines
Wissens nicht bezeugte Formel in der letzten Zeile; die Lesung
ist ganz sicher. Die Meilensäule gehört zu der Strasse, die von
Jader über Nedinum und Asseria nach Burnum ging.
D{omini) n{ostri) Fl{avii) Costan[i\ini maximi victoris semper
Aiigusti d{evotus) n{umini) m{aiestatique) Fla{viorum).
3. Trau, seit langer Zeit im Kloster der Benedictiner, hoch
in die Mauer eingelassen (^= Bull. Dalm. 1885 p. 27).
EniiEPOMNAMONOs ETTi iepo|uvd|uovog
E Y A p E o z Eiidpeoff
TOY TEiMAzifiNoz Toö TeijuacFiujvog
AonsTANAA^NAioY XoYKTTäv Aacpvaiou
5 0ATin.N022AAAA 'OXxiujvog ZdWa
eAPZYNONTOsAYziA 0ap(TuvGVTOs AucTia
rPAMMATEo2APizTo<j>ANEo2: "fpa|U|uaTeog 'Api(TT09dveog
Die Inschrift stammt allem Anschein nach aus Lissa, vgl.
C. I. Gr. n. 1834, wo sowohl der barbarische Name ZdXXa wieder-
kehrt, als auch Logisten erwähnt werden, die freilich von diesen
XoTicTiai Aacpvaiou (wohl ein dem Apollo oder der Artemis, vgl.
C. I. Gr. 1837, heiliger Ort) zu unterscheiden sein werden. Üeber
die iepo^vd|jov€5 vgl. Müller Dorier II S. 163 fg. und Index zu
C. I. Gr. p. 37 8. V.
4. Meilensäule, Höhe 0-76, Durchm. 0*21; Trau im Hause des
Conte Fanfogna; Fundort unsicher (= Bull. Dalm. 1885 S. 43).
IMP PER.
PET VO
A V C
XI I
5. Ära mit schlechter Schrift; Salona im Hause von Dojmi
Katiö, angeblich seit langer Zeit (= (J. I. L. III n. 3157 nach einer
gchlochten (jopie inis Lanza's Papieren.)
HER«/ A V G / / /
V A L
>A L E M <= '^ '
/ /
10
E X r L I Her- M I T Ef
P V B • cules PRÄ.)
C V stehend, auf O B\
DEC- d. 1. Ann das A V F,
CALL Löwenfell, LEC
jSVO- INI mit der ///i
A P E R V I T K. die ///|
)I M COM (//// Keule / 1 J\
(ET MAR auf die / / /
V E R O Schulter / /
C o S - V I legend / /
179 p. Ch.
W A /
Z. 1 scheint her, nicht herc gestanden zu haben. — Z. 5
scheint der mir von Bnlic gesandte Abklatsch nach cv nach ein
etwas kleineres s zu bieten, das ich in meiner Copie nicht notirt
habe ; doch schreibt mir Bulic, der auf meine Bitte den Stein einer
genauen Nachvergleichung unterzogen hat, dass das s nicht sicher
ist. — Z. 13. 14 dürfte VI [kal{endas)] Ma[i{as)] zu ergänzen sein;
es ist der Geburtstag des Kaisers Marcus.
Zu einer befriedigenden Ergänzung der Inschrift bin ich nicht
gelangt. Ich hatte an v[et{eramiii)\ ex centurwne Umite[m] piih(Hcum)
oh [hon{oremy\ dec{xirionntns) le()[i,f.{{ma) de] suo m[lata]
aperint gedacht; anders urtheilt über die Herstellung von Z. 5 — 8
Mommscn , dem ich die schwierige Inschrift zur Prüfung unter-
breitet habe. Derselbe schreibt mir darüber Folgendes: 'Die Vor-
frage für die Inschrift selbst ist, ob es sich um eine militärische
oder eine bürgerliche Anlage handelt, und, was damit zusammen-
hängt, ob der Bau von dem Centurio oder dem veteranus ex cen-
turione ausgeführt ist. Mir scheint limüem puhlicum aperuit (vgl.
Velleius 2, 121; Rom. Gesch. V, 112), wie unzweifelhaft verbunden
werden muss, nur in der ersten Weise genommen werden zu können,
die Erwähnung also des Baues nicht auf diese Dedication bezüg-
lich, sondern commemorativ zu sein. Ob das Datum auf das
aperire des limes oder auf das Setzen der Ära bezogen wird, ist
natürlich nicht zu entscheiden, zumal da Z. 9 am Ende defect ist.
Rathen könnte man etwa: limite[m\ pub{Ucum) prae[c(epto) du\cii(m)
oh dec(essum) Auf\idi] GaU{i) lea[ato] suo im[nnctiim] aperuit. Das
praecepfum ducum wäre die allgemeine, wohl mit dem Markomanen-
krieg zusammenhängende Instruction von Seiten des Geueralstabs.
Diese betraf auch eine Provinz , in welcher Aufidius Gallus Statt-
halter war; in dessen Abwesenheit fiel die Ausführung dem Legaten
derjenigen Legion zu, in welcher Valens diente, und so kam die
Leitung des Wegebaues an ihn. Möglicherweise könnten auch die
mittleren Worte in Verwirrung gerathen sein und etwa so zurecht-
zurücken: prae\c{epto)\ Auf[idi\ Gall{i) c(larissimi) v{iri) leg[at{\ su[i\ ob
dec{esstim) (sibi) mi(iinctum) : dann erhielte man das einfachere Ver-
hältniss, dass der Legat die Vollendung des von ihm begonnenen
Baues bei seinem Weggang dem Centurio übertrug. Ein sicheres
Ergebniss ist hier nicht zu gewinnen.'
Her{cidi) Äug{usto) [säc(ruin)^. Vcd{erius) Valens v[et{eranus)]
ex centurione limite[ni] pid>{licum) ajieruit . . . im{pe-
ratore) Com{m)o[do ü] et Mar[tio] Vero [ii] co{n)s(idibus) VI [kal{endas)]
Ma[i(as)].
6. Ära, h. 0-44, br. 027, d. 0*26; gef. in Salona auf einer
'Jankovaca' genannten Wiese zusammen mit n. 10 und n. 12, für
das Museum von Spalato erworben (= Bull. Dalm. 1884 p, 133):
lO VI AET E RNO
FLAVIVS APOL
EIVERO C I A M A
RCELLA ETFILIA
EORVM ET AP
VLEIA MARCEL
LA- V ■ L • S -
Z. 2. 3 wohl eher Apol{eius) (statt Apuleius) des Namens der
Tochter wegen zu lesen, als ei für verhauen statt et anzusehen.
— Z. 5 ist ET überschüssig, vielleicht sollte es Z. 3 vor verocia
stehen.
7. Fragment eines architravartigen Steins mit guter Schrift;
gef. im J. 1883 in Salona nicht weit vom Baptisterium, jetzt daselbst
im Hause des Johann Dropulic.
L ARIBVS i|
F AMI 1 1 A P V Lj
PVBL- VAI. ER"'
Laribus.... familia P{ubUi) Ul[pü.,] Publ{ilia) Valenti[s\ oder
Valtnti\ni\.
8. Marmortafel; Salona, im Haus von Joseph Bubic hoch in
die Mauer über dem Fenster eingelassen (= Bull. Dalm. 1885 S. 38).
D ■
IN V
M •
L -
C O R N • A
P A.A^s
TVS
•PRO-S-M-VIVl
CRESTI?- AMIC-
KyR ISS-
5 E X/ O T O P-
Z. 3: p'o s{alute),
9. Salona, in der Treppe des Hauses des Georg Katic; die
rechte Seite ganz abgescheuert (= Bull. Dalm. 1885 S. 38).
D~h~ö~m ithrae invicto ?
CETERiSgwe dis dea-
BVSQVe immor-
T A L I B V s //// aure- ?
5 x^yv^llflllllllll
AMiLITm ///////
10. Ära von Kalkstein, h. 0-49, br. 0-27, d. 0-18; gefunden
in Salona, für das Museum in Spalato erworben (Bull. Dalm. 1884
S. 132).
P ETRE
GENE
T R I CI
Vgl. Majonica: Mithras Felsengeburt in diesen Mittheilungen
H S. 33 flf.
11. Architrav, lang 1'36, br. 0'37, mit schöner Schrift. Gef.
im August 1884 in Salona auf einem Grundstück von Girolamo
Cambj in einer Mauer, jetzt im Museum von Spalato (= Btdl.
Dalm. 1884 p. 118).
SILVANO ■ AVG - SACR • VOTO ■ SVSCEPTO • PRO - SALVE
liWP • CAESARIS • NERVAE • TRAIANI • OPTIMI • AVG • GER - DAC • N
TROPHIMVS- SER • AMANDIANVS - DISPENS
A SOL O-FECIT-ET-A QV AM-INDVXIT-1. -D-D-D
10
12. Ära, gef. in Salona zusammen mit n. 10; für das Mu-
seum von Spalato erworben (= Ball. Dalm. 1884 p. 133):
S OLl • DEO
SEX • CORNEL
A N T I O C H Vs
S T E L L A M IUI
5 ET FRVCTI
PER • EX VIS •
LIB • POS •
Z. 4 — 6 stellain (nach m ist der Stein etwas abgestossen, doch
fehlt nichts) et fructifer{uni?) ex vis{n). Die Weihgeschenke sind
wahrscheinlich aus Silber oder Gold zu denken; unter fructifer{um)
ist wohl ein Fruchthalter zu verstehen.
13. Votivstein, später als flacher Deckel eines Sarkophags
benutzt, mit guter, nicht später Schrift (;= Bull. Dalm. 1884 p. 146);
gef. im J. 1884 bei der Basilica von Salona.
P • CLOELIVS MILES ■ CHO ■ CAMPANAE • CVSTOS ■ TRAGVR!
V • S • L - M
Ueber diese Inschrift schreibt Mommsen an ßulic {Bull. Dalm.
p. 146): 'suir epiteto cam'pana o cam'pestris dato a certe coorti
(Ephem, epigr. V p. 248) iion siamo ßnora bene al chiaro. La mia
opinione pero e, che quenio cognome e riserbato, il perche non sojyrei,
alle coorti itei vohintarn cives Romani e percio questa co/iors cam-
pana la credo V ottava dei voluntari, stanziata in Dalmazia. Ileus tos
Traguri e nuovo nelle lapidi militari. .. . Deve essere il soldato, a
cui fu afßdato il porfo di Trau (cf. Plinius ad Traian. ep. 72;
Ephem. epigr. IV n. 70: stationarius Ephesi)!
14. Meilensäule , gef. in Biac, jetzt im Museum (Gymnasium)
von Spalato; der obere Theil stark zerstört.
IIIIIIIUI
iH^lh^/l/l
IR ?OT II I I /
P/OCOS ET
5 //VL • PHiLiPPVS
NOB • CAES • COS p (]!,,. 9 47
C V R • er • H ER EN
NIANO -VC- LEG
AVGG • PR • PR
11
[Imp. Caes. M. Jid. P]hi[li]pp[us Aug.] tr. pot. [cos. p. p,] p[r]o-
cos. et [M. J]uL Ph[i]lippus 'aoh{iUssimus) Caes{ar) co{n)s(ul), cur{ante)
Cliaudio) Herenniano v(iro) c(larissimo) leg{ato) Augustortim pr{o)
pr{aetore).
Die Inschrift fällt in das Jahr 247, in dem Philipp der Sohn
Consul wird und zwar vor Verleihung des Augustus -Titels (vgl.
über die Zeit dieser Verleihung Eckhel d. n. VII p. 336) oder
wenigstens bevor dieselbe in Dalmatien bekannt war. Nach den
Kaumverhältnissen scheint die Zahl bei der tribunicia potestas und
dem Consulat des Vaters , wie auch in anderen Inschriften gefehlt
zu haben*).
15. Sarkophag, gef. im November 1883 ausserhalb der Basi-
lica von Salona {lAcino Vabside principale: Bull. Dalm. 1884 p. 145).
Die Schrift dürfte dem 4. Jahrhundert angehören.
ANT • TAVRO EX D V A
R V S • C • DVCENAR I O
POST FACTO Q_V I V I
X I T A N 1 S • < V • sie
5 AEL - SATYR NI N A -C- F
MARITO BENIG NIS
S I M O
Z. 1. 2 sind die Buchstaben d v a und r v s durch Spatien
getrennt; ob dadurch angedeutet Averden sollte, dass hier Utterae
singulares zu verstehen seien, ist umso zweifelhafter, als auch in
Z. 2 RIO, Z. 3 a. E. vi, Z. 4 s von ani und Z. ß nis von dem vor-
hergehenden Theile des Wortes abgetrennt ist. Eine sichere Er-
klärung dieser Buchstaben wird schwerlich gelingen; mir scheint
die Annahme eines Irrthums des Steinmetzen am wahrscheinlichsten.
Nach den folgenden Worten ducenario post farfo zu schliessen, muss
ein Amt oder ein Titel vorausgegangen sein ; vielleicht wird man
demnach c{entenario) zu ergänzen haben. — Z. 4 ist < = l.
*) Im BuUettino Dalniato 1884 S. 167, wo die Inschrift nach meiner Copie
veröffentliclit ist, ist der ]iier gen.inntc Claudivis ITerenni.inus durch einen Irrthum
meinerseits (in Vervveclislung' mit der von mir gleichzeitig abgeschriebenen Probus-
Insclirift — s, unten S. 29) mit dem als Feldherr des Probus genannten {vüa Frobi
c. 22, vgl. vita Claudi c. 17) Herennianns identificirt, was selbstverständlich nicht
angeht.
12
A)it{onio) Tauro ex du[cen\ar[ü]s (?), Jitcenario fost facto , qiu
vixit an{n)is LV; Aeliia) Saturnina c{larissima) f{emina) marito
benignissimo.
16. Architravfragment ; Spalato im Museum (Gymnasium).
, . . .asfl EPIADE -DOMES tico
17. Cippus, gute Schrift des ersten Jahrhunderts; gef. in Biac,
jetzt in Salona im Museum der Eisenbahnstation.
Kose im Giebel
L • PESCENMv«
L - F - FAL ■ SATVR
NIN VS - VET - LEG
VT-C-P-F-V-F-SIBI-ET
5 MARIAE • SP -F -QVh
T A E • CQi^ j iugi et
IIa. Cippus mit guter Schrift des ersten Jahrhunderts; Salona
im Hause Japirko-Grubic.
O H ■ V I - ^1
s - P V I
Z. 1 c]oh. VI. v[oli^untariorum) , während sonst die VIII voliin-
tariorum in zahlreichen Inschriften dieser Gegend auftritt. Die
Lesung ist sicher.
18. Cippus von Stein, h. 0*45, br. 1"35, im Museum von Spa-
lato, wohl aus Salona stammend. Die Schrift weist auf das erste
Jahrhundert hin ; die metrische Inschrift in sehr kleinen und ge-
drängten Buchstaben, theilweise verwittert. Zwischen den ein-
zelnen Hexametern, resp. Pentametern, ist ein kleines Spatium
freigelassen.
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14
10. Aschenurnc von Stein ; Schrift des 4. oder 5. Jahrhunderts.
Gef. im J. 1884 in Salona. jetzt im Museum (Gymnasium) von
Spalato (= Bull Dalm. 1885 p. 20).
TORENTIöSIG • Q_V l
VI Xo A N 0 XXV ö P 11«
CATVLVS-SPATA
RIO • S V O
5 P O S I T
Z. 1 fraglich ob sig oder sie; an si(j{niferi) ist nicht zu denken.
Mommsen vermuthet sig{no) : 'es ist wohl zu lesen Torenti sig{no)^
nach Analogie von VIII, 9520: signo Thaumanii; III, 2296: signu
Sim'plici; III, 2706: sig. Equitii. Da in der letzten Inschrift das
Signum von dem eigentlichen Namen getrennt ist (ähnlich auch in
der griechischen III, 1422), so ist es nicht so gar auffallend, dass
es einmal allein steht mit Weglassung des Namens. Die Endung
auf ius passt zum Signum ; auch steht dies oft so im Genitiv'. —
Z. 2 a. E. ijii; zwischen p und n kleines Spatium. — Ein Catulus
clarissimae memoriae vir bei Symmachus epp. X, 48 ed. Seeck; doch
liegt für eine Identification kein Anhalt vor. — Zu spatario vgl.
C. I. L. VI 9043. 9898.
20. Marmortafel, in mehrere Stücke gebrochen; Schrift etwa
dem Ende des zweiten oder Anfang des dritten Jahrhunderts an-
gehörig. Gef. 1884 in dem Altar der Kapelle San Giorgio im
Castell Sucurac: jetzt im Museum von Spalato (= Bull. Dalm. 1885
p. 16).
~^D~ M
-P • AEL • R A STORIANo
¥rQ_-V • B-ECy R^jlyi^-O
E T Q1q_ M V N I CI
5 TVATIVMDIS/
VITAT • NARONj
Q_MVNICIP PAZINyl
gJD^^ ly 1 c J ^ P Y M A J2,
ET - AEL jAE • PROCILI
10 D L 1 V N Cr ■ .ANh\
A I. B I A - C K I S I-
I N C O M P A R A
IIAE • INFeI. ICISSIM
■ ET -j S l B l
15
Z. 4. 5 der Name des Municips nicht mit Sicherheit zu er-
gänzen; vielleicht [Bu\tuaiium (vgl. C. I. L. III add. p. 1026; an
Bistua denkt Bulic a. O.) , da man eine dalmatinische Stadt er-
wartet und daher an Nantuates nicht zu denken ist. Pazinum
(Z. 7 a. E.) identificirt Bulic a. 0. mit Recht mit der civitas Pasini bei
Plinius n. h. III, §. 140, die nach seiner Ansicht bei dem Orte Stare
Padzene oder Pagjine zwischen Kistanje und Knin zu suchen sein
dürfte. Ueber die res publica Splonistarum, vgl. Mommsen zu C I. L.
III n. 2026 und über die dispundores Mommsen ibid. addend. p. 1030
zu derselben Inschrift.
I)({s) m(anibus) F. Ael{io) Rantoriano eq{uo) 'p{uhlico) , decu-
r(ioni), II viro et q{uiii}q{uennali) mimic(ipii) [? Bu\tuatium, dis\'p{unc-
tori) ci^vitat{is) Naron\ens{ium)\ q{uaestori) municip{iorum) Pazina^tiimi]
Splonistarum Ar[upin{orum)'^\ et Ael[i]ae Procili[anae?] defunct{ae)
aJiri[o7-{urn) . . .]; Alhia Cris'p[ina'^ coni{ugi)] incompara[b{ili) et fi]Uae
irifelicissim[ae] et aihi.
21. Grosser Cippus mit schöner Schrift, gef. im J. 1884 zu-
sammen mit der folgenden in einer Mauer (nach Bulic vielleicht
die Stadtmauer) auf einem Grundstück der Erben von Girolamo
Cambj in Salona; jetzt im Museum von Spalato (= Bull. Dahn.
1884 p. 116).
P • BENNIO
S A B I N O
im VIR • I VRE • Die
AVGVRI - im VIR • I - D
5 QVINQVENNAL - FLAM
AVGVSTALI - PRAEFECT
COHORT- n- LVSITANOR
EQVITATAE
22. Grosser Cippus mit guter Schrift, gef. 1884 in Salona zu-
sammen mit der vorhergehenden; jetzt im Museum von Spalato
(= Bidl. Dahn. 1884 S. 117).
D • CAMPANlU
L F TRO VARO
AEDILI - IUI VIRO ■ I - D
im • VIRO IVRE - DICVND
5 Q_V I N Q_V E N N A L I
AVGVRI • Fl, AMINI
PRAEFECTO • FABRVM
PVBLICE
16
23. Stele, schlechte Schrift; Vragnizza im Hause des Jacob
Grgic; für das Museum von Spalato gekauft {Bull. Dalm. 1885
p. 22).
SIC
D M
AELIAE SOTERE OP
SETR.ICI DEF AN MW
Z. 2. 3 ops{t)etrici.
24. Salona, in der Basilica gefunden; jetzt in der Station auf-
bewahrt.
/i I L M! A N V S • ANN- X
PVG ■ VII - DE SVO ■ SIBI A
C V I D O L E T \
P O S V I T \
Z. 2 img(narum) VII. Der links ausgehöhlte Raum war für
das (nicht ausgeführte) Relief des Gladiators bestimmt.
25. Marmorstempel mit guter Schrift, Inschriftfläche br. lOöCent.,
lang 22 Cent, (das ganze Stück nach BuHc's Angabe 27 Cent, lang,
21 Cent, br., 6 Cent, dick), gef. Mai 1884 in Salona auf dem Grund-
stück des Giovanni Mikelic; jetzt im Museum von Spalato (= Bull.
Dalm. 1884 S. 165).
Buchstaben umgekehrt
I M I S C E N 1 V S
Gladiator mit | a m P L i A T V S
Palme Holm, Schild
und Dolch
1- A C I T
S A I. O M A S
Gladiator mit
Helm, Schild
und Dolch
Piilme
Wahrscheinlich ist Miscenius Ampliatus Lieferant für die Gla-
diatoren des Amphitheaters von Salona gewesen und der Stempel
vielleicht für Brode bestimmt (vgl. die Bemerkung Mommsen's im
Bull. Jkilvi. a. O.). Mescenii (hier Miscenim) sind in Salona und
Narona inschriftlich bezeugt. Salonas möchte ich für das Ethnicon
von Saloiiae = Salonifainus halten; die Wortstellung entspricht den
bekannten Gefässen mit der Aufschrift: L. Canoleios L. f. fecH
Cnlnws (d I. L. X 8054, 2. 3).
17
26. Grabeiste, schlechte Schrift; gef. in Salona beim Haus
von Giovanni Michelic, jetzt im Museum von Spalato {= Bali
Dalm. 1885 p. 14).
sie G CLO POPIIIANVS QJ
CV SOR CONIVGI DVLCIS
SIME Q_VE VIXIT CON COIVG
SVOANNOS XII DEFVNCT
5 ANNORVM XXII B E I^E AE
RENT POSVIT
Z. 1. 2 G{aius) Clo{dius) Popi[l]ianus qui (nicht Quirina)
Cu{r)sor; das r ist nicht eingehauen, aber ein Spatium zwischen
V und s gelassen.
27. Stele mit ziemlich schlechter Schrift; gef. September 1884
in Salona beim Amphitheater in einem Grundstück des Giovanni
Mandic, angekauft für das Museum in Spalato (= Bull. Dalm. 1884
p. 163).
Delphin Muschel Uulphiu
F V L L " N . ^
A M A R Y L iL
D I
AEQVIVS ■ HVNC • FVE
5 RATT1TVLVM.-ME-PONERE
MATRl- QVEMMISERÄ. MATER ILLA ,
MIHI POSVIT BIS TERNOS DENOS COM
PLEVI MENSIBVS ANNOS PARCAE CRV
DELES NIMIVM PROPERASTIS RVM
10 PERE - FATA • MEA
Fulloniae Amaryllidi.
aequius hunc fuerat titulum me ponere matri,
quem miserae mater illa mihi posuit.
his ternos denoH complevi mensihus annos,
Parcae crudeles nimium properastis rumpere fata meci.
Im Pentameter des ersten Distichons ist illa für den wohl
nicht in den Vers passenden Namen der Mutter gesetzt. — In dem
letzten Pentameter ist nimium properastis überschüssig; wahrschein-
lich ist diese metrische Grabschrift aus einem etwas längeren Ori-
ginal verkürzt.
ArchäologiäCh-epit;rapbiBclie Mitth. IX. 2
18
28. Sarkophag; Salona, gef. 1884 in der Basilica.
DEPOSITIO FL- TALASSI EX COR
NICVLARIO DIE X KAL" lANVAR-
POSTCONSLVCIVC- p. Ch. 414
Auffallend ist die Datirung durch das Postconsulat an Stelle
der im J. 414 fungirenden Consuln, um so mehr als der orientalische
Consul Lucius in occidentalen Inschriften sonst kaum erscheint
(cf. de Rossi: inscr. Christ. I p. 599).
29. Platte von Kalkstein, schlechte Schrift wohl des 5. Jahr-
hunderts; gef. im J. 1884 in Salona beim Hause Gaspic, jetzt im
Museum von Spalato (= Bull. Bahn. 1884 S. 179, vgl. Mommsen
ibid. 1885 S. 44).
AVR • SECVNDVS
QVI CVN P A R ABID ABA V
ALEXSIO PISCINA AT D VA
CORVRA DEPoNENDA ME
5 VM ET COIVGE (W E A M RE
NATA- ET NEFAs QVADRARIT
NOBIS PARENTIB • VT PVREREM'^
sie F I LI AA NOSTRAA ■ INACPISCI
NA SANE COnVRABII VT SV j
, 10 PRA BIROINIAM SV^N V.l7
Aur{elius) Secundus gui cunparabid (= comparavit) ah Au{reUo)
Alexsio piscina{m) at dua corpura deponenda, meum et coiuge{m)
meam Renata{m), et nefas quadrarit nohis parentih{us) ut pureremu{s)
(= poneremus) filiam oiostram in {h)ac piscina. Sane con{urahi[f]
[coniuravit) ut supra biroiniam (wohl sicher verhauen für hirginiam
= virginiam , nämlich uxorem) sua(m) nu[Uum aliud corpus siiper-
ponatur?].
30. Vorderseite eines grossen Sarkophags, dient jetzt als Bank
vor dem Hause von Jacob Benzon in Vragnizza (auch von Benndorf
bereits im J. 1878 copirt).
19
€N0AKATAKIT6 EVSa KttTaKlTe
lOYCTINOC TPI loUCTTlVO? Tpl-
BOYNOCBAAeN ßoOvogBaXev-
TINIAN-NCIOYW TlVlttVriVaioUM
5 NGOctUUTlCTOC VeOCpiOTlCTTOg
Vgl. Notit. Occ. VII 47 und 61: Valentinianenses (intra Illy-
ricum cum viro spectahili comite Illyrici). — Z. 5 veocpuJTKTTOS = ein
neu zum Christenthum Bekehrter, vgl. Stephanus s. v.
31. Steintafel mit schlechter Schrift; Spalato im Museum (Gym-
nasium).
Im Giebel:
Blatt Rose Blatt
Ke
BACIAIAHC KAAAiro
BaaiXibns kc KaXXiTÖ-
NHTLUrAYKYTATUJTeKN VIITLU T^UKUTOITUJ TCKV"
UJBACIAICCHZHCACA6NI tu BaffiXiacTri l\\aa(5a evi-
AYTONKA IM H N ACQA Y «UTOV KOI fiftVag ll Xu-
HHCACA roNlcKAI AA€A TTKlCTaffa TOVT? Kttl 0.hi\-
<t>\A CTHCAM6N CTH A H qp^«' cfTricTa^ev (TTiiXn-
NJWNHMHCxAPiN V fivrifir|S xapiv
x€Pe nAPoAiT/a
Xepe 7TapobiT[a]
Z. 1 K6 (= Ktti) mit kleinerer Schrift nachträglich zugefügt.
Z. 4 Q = VI.
32. Steincippus, gute Schrift; Clissa, im Hause des Bozo
Pleätina in die Mauer eingelassen (= Bull. Dahi. 1885 p. 32).
C I V L T H R b A I S F
DEC • ALA • HARTio
AN XXVI DOM
ROM- H - S E
SiX- COELIVS
Z. 2. 3 C. Jul{i) Tkrida\ti]s (wohl ts) f{ilms) dec{urio) ala
Phartho{rum). Eine ala 1 Aug{usta) Parthor{um) stand im Anfange
des 3. Jahrhunderts in Mauretania Caesariensis (C. I. L. VIII 9827.
9828); Präfecten der ala Parthorum (ohne Zusatz) werden erwähnt
VIII 9371. X 3847. Zur Zeit der Notitia stand die ala prima Pa[r]-
thorum in Resai[n]a in Mesopotamien: Not. Orient, c. XXXV, 30.
2*
20
— Auf das erste Jahrhundert weist sowohl die Schrift hin, als die
Namen C. Julius; ob der hier genannte C. Julius Thridates mit
dem zu den Römern im J. 724 geflohenen Partherkönige Tiridates
(Mommsen r. g. d. A. '^ S. 136) in irgend einem verwandtschaftHchen
Verhältniss steht, ist zweifelhaft.
33. Meilensäule, h. 1-33, Umfang 107, Durchm. 0-31; gef.
im J. 1879 im Dugopolje (zwischen Vojnic und Clissa) im Acker
des Dolac-Grubisa; Hegt noch daselbst, ist aber für das Museum
von Spalato bestimmt {^= Bull. Dalm. 1885 p. 32).
DNFL CONSTANTIO NoB
CAES ■ FILIO DN CONSTANTINI
MAXIMI VICTORIS AC PER
PETVI SEMPER AVG
Die Säule , auf die ich von Herrn Conte Paulovic in Sinj
aufmerksam gemacht worden bin, befand sich offenbar an der grossen
Römerstrasse von Salonae nach Delminium, die über Clissa nach
Gardun führte. Es sollen von derselben in der Nähe von Dugopolje
noch bedeutende Ueberreste zu erkennen sein.
34. Stobrec, im Fussboden der alten Kirche (= Bull. Dalm.
1885 S. 42).
Rose
im Giebel
VIPSANAE
L V P A E
VI VI VS- HYL A
F- B ■ M - P •
35. Ära von Kalkstein, h. 063, br. 025; Insel Brazza, Vj
Stunde oberhalb Splitska, unter der Ortschaft St.-Andrea, an dem
Orte 'Plate' ; nach Spalato in's Museum geschafft. Der erst wenige
Tage vor unserer Ankunft (September 1884) gefundene Stein trägt
folgende, dem Schriftcharakter nach wohl der zweiten Hälfte des
3., möglicherweise selbst dem Anfange des 4. Jahrhunderts ange-
hörige Inschrift:
21
HERCVLI N G
SAC • WLV^LE
RIAN V S M I L
C V M I N S 1 S T
5 EREMADCAP
1 T E L L A CO LV
MNARVM AD TE
RMAS LI CINAN
S Q_A S E I V N E S
10 1 R M I V - L S
Bei dem Fundorte und in der Nähe sind noch deutliche Spuren
der antiken Steinbrüche zu erkennen. Unfern des mitgetheilten
Steines lagen Cippen und Aren mit Ornamenten versehen, aber
ohne Inschrift; ferner ein abbozzirter Kopf, so dass hier unzweifel-
haft das Atelier eines Steinmetzen gewesen sein muss, wie ja solche
sich in der Regel bei den antiken Brüchen befanden (vgl. Benndorf
bei Büdinger: Untersuchungen z. R. Kaisergesch. III S. 342 A. 1).
Der Stein von Brazza wird noch jetzt vielfach zu Bauten ver-
wendet; aus den Gruben bei Splitska soll angeblich das Material
für den Diocletianspalast gewonnen worden sein (vgl. Fortis viaggio
in Dalmatia II S. 185, wogegen Adam ruins of the palace of Dio-
cletian S. 20 u. 22 das Material als aus Trau stammend bezeichnet).
Die Inschrift ist gut erhalten und die Lesung vollständig sicher;
fraglich ist nur, ob am Ende von Z. 9 es oder fs zu lesen ist. Zweifelhaft
bleibt die Erklärung dieser Zeile ; vielleicht kann man an die Auflösung
s{ingularis) Q. Ase{Un) Jun{ioris?) /(actus) denken, wenn auch bei
den singulares sonst nie der Name des Statthalters, sondern nur
der Titel (consularis) hinzugefügt wird. Mommsen schreibt mir dar-
über: 'In der Brazza - Inschrift möchte ich nicht die militärische
Charge am Schluss suchen, die doch bei miles oder statt dessen
stehen müsste , sondern die Determinirung des Baus; Sirmi yer-
langt eine nähere Bestimmung und diese kann nur hierin stecken
und auch, da sonst nur reguläre Abkürzungen begegnen, nicht wohl
durch eine Gruppe von unverständlichen Initialen angegeben sein.
Also beispielsweise: thermas Licin[i]an[a]s g{u)as oder vielmehr q{'ii)a[e]
fmn[t] Sirmi. Vielleicht heissen die Thermen vom Kaiser; vgl.
Anonym. Vales. 16: Licinius pervolavit ad Sirviitim; snhlaia
inde xixore ac filio et thesauris tetendit ad Daciarn. Demnach lautet
22;
die Inschrift folgendermassen : Herculi Aug{usto) sac{rum). Val{erius)
Valerianus mil{es) cum insisterem ad capitella cohimnarum ad f.{h)er-
mas Licin{i)an{as) s q_a s e ivn f Sirmi v{otum) l{ibens) sohl).
Die Inschrift bietet eine merkwürdige Parallele zu der von
Wattenbach ans Licht gezogenen und seitdem von verschiedenen
Gelehrten commentirten passio sanctorum IV coronatorum, die bekannt-
lich in ihrem ersten Theil in den Steinbrüchen Pannoniens und
zwar allem Anschein nach in den Brüchen der Fruschka-Gora bei
Sirmium (vgl. Karajan in Wiener Sitz. -Berichte 10, 1853, S. 136)
spielt. Ausdrücklich wird in dieser passio in Uebereinstimmung mit
unserer Inschrift die Bearbeitung von Säulenkapitellen neben anderen
Aufträgen den Arbeitern überwiesen, vgl. §. 1 (S. 325 der Aus-
gabe Wattenbach's bei Büdinger: Untersuchungen z. röm. Kaiser-
geschichte Bd. III) : DiocUtianus Augustus . . praecepit ut ex metallo
porphi/retico columnas vel capitella columnarum ab artißcibiis in-
ciderentur und ebenda: desidero per peritiam arlis vestrae columnas
vel capitella columnarum ex monte porphijrettco incidi, vgl. §. 4
p. 330: volo mihi fieri columnas et capita foliata.
Valerius Valerianus hat ohne Zweifel nicht zu den Arbeitern
gehört, sondern zu dem Militär-Detachement, das sich in der Regel
bei den kaiserlichen Bergwerken zur Beaufsichtigung der Arbeiter
und der Arbeiten (dazu passt das hier gebrauchte insistere) und
Aufrechterhaltung der Sicherheit befand (vgl. C. I. L. XI, 1322 =
Donati 176, 1; Letronne recueil 1 S. 167 ff. und S. 430 und meine
Verwaltungsgeschiehte I S. 80). — Sowie in der passio die Auf-
träge vielleicht für eine grössere Thermenanlage (an die Diocletians-
thermen denkt Benndorf bei Büdinger a. 0. S. 355; in dem zweiten
in Rom spielenden Theile der passio §. 9 werden eigenthümlicher
Weise die thermae Traianae genannt) bestimmt sind, so werden in
unserer Inschrift ausdrücklich die thermae FJcinianae genannt. Man
kann zweifelhaft sein, ob dieselben (wie Mommsen annimmt) in
Sirmium zu suchen seien, so dass ad local zu fassen wäre. Ich
möchte eher die in Rom befindhchen, in den Mirabiha als thermae
Licinii oder Licinianae bezeichneten, darunter verstehen, die schwer-
lich, wie Donat annahm und Jordan (Topographie II S. 221 ff., 518)
unentschieden lässt, mit den thermae Surae identisch sein werden;
vielmehr durften dieselben, wozu der Schriftcharakter unserer In-
schrift passen würde, von dem Kaiser P. Licinius Valerianus her-
rühren und vielleicht eine Erweiterung der Thermen des Decius
gewesen sein.
23
Wie dem auch sei , die Inschrift bietet jedesfalls einen Beleg
für die Bearbeitung der Marmorbrüche bei Sirmium noch in der
Mitte des 3. oder im Anfang des 4. Jahrhunderts und eine interes-
sante Bestätigung der Glaubwürdigkeit der passio , deren Verfasser
nachzuweisen de Rossi in seiner lehrreichen Abhandlung: i santi
quattro coronati {Bulletf. cristiano 1879 S. 45 ff.) gelungen ist. Un-
erklärt ist bis jetzt der Name derselben geblieben ; denn dass coro^
nati hier einfach als Märtyrer zu fassen sei, scheint mir, selbst nach-
dem sich de Rossi dafür ausgesprochen hat*), nicht gerade wahr-
scheinlich, und noch weniger wird man geneigt sein, wie ein anderer
Gelehrter thut, mit einer späten üeberlieferung an eine 'noch über
die allgemeine Krönung mit dem Martyrium hinausgehende Aus-
zeichnung' zu denken. Zunächst ist unzweifelhaft und jetzt wohl
auch allgemein anerkannt, dass dieser Name sich nicht auf die fünf
pannonischen Märtyrer beziehen kann, sondern nur auf die in dem
zweiten, eigentlich nicht zugehörigen Theile der passio genannten
vier ursprünglich namenlosen comicidarii. Diese cornicularii werden
nun, so viel ich sehe, von den Gelehrten, die sich mit der Erklärung
der passio beschäftigt haben, immer als Soldaten **) gefasst und aller-
dings führen sie diesen Namen auch in der pass/o selbst (§. 9 p. 337):
iussit ut omnes militiae venientes ad simulacrum Asclepii sacri-
ficiis seil ad turißcandum compellerentthr , maxinie autem urhanae
praefecturae milites. Aber militärische Beamte im eigentlichen
Sinn kommen natürlich dem Stadtpräfecten dieser Epoche nicht zu;
dagegen werden in derselben bekanntlich die Officialen der höheren
Beamten in Rom und in den Provinzen, entsprechend ihren militä-
rischen Titeln, technisch als milites bezeichnet***). Unter diesen
nimmt der comicularius^ wie in den Officien der übrigen Beamten,
so auch in dem Bureau des Stadtpräfecten (Notit. Occ. IV, 20) die
zw^eithöchste Stelle ein. Freilich liegt ein Irrthum vor, wenn die
passio von vier comicidarii spricht, da stets nur ein solcher in jedem
Bureau sich findet, und wir werden demnach unter den vier Märtyrern
den cornicularius mit drei anderen Officialen zu verstehen haben, die
verkehrterweise insgesammt mit dem Titel des vornehmsten unter
*) Bull. CHst. 1879 p. 84: l' appellazione gtnerica e convenzionale di co-
ronati allude alla corona simboUca del martirio, non alla Corona militare o civica.
**) E. Meyer in den Forschungen z. D. Gesch. 18 S. 577 ff. übersetzt nach
dem Vorgang Karajan's regelmässig 'Flügelmänner*.
***) Vgl. Betbmann-Hüllweg: Civilprocess III S. 135 und die dort angeführten
Stellen.
24
ihnen bezeichnet worden sind. Es werden nun aber in einer neuer-
dings in dem alten Thamugadi in Numidien gefundenen merk-
würdigen Inschrift aus der Zeit des Kaisers Julianus, deren Bedeutung
Mommsen durch seinen ausführlichen Commentar {Ephem. epigr. V
S. 629 ff.) dem Verständnisse erschlossen hat, die zur Salutation
des Statthalters von Numidien Berechtigten in folgender Ordnung
aufgeführt :
primo: senatwes et comites et ex comitihus et admin[isi\raiores ;
secundo: princeps, cornic[ul\ar[ius^ Pa]latim;
ter[t]io: coronati ;
? qi(art]o: promoti officiales, . . .tns cum ordi. . .ni;
[? quinto: oßi]ciales ex ordine.
Die erste Classe können wir hier bei Seite lassen ; dann folgen
die beiden jyrimates offlcii: der princeps und der cornicularius nebst
den Palatini, d. h. den Officialen der höchsten Magistrate. Zweifel-
haft ist die Bedeutung der coronati^ die ich keineswegs, wie de Rossi
will, mit den sacerdotes provinciae für identisch halten kann. Denn
abgesehen von den bereits von Mommsen hervorgehobenen Be-
denken ist es deutlich, dass hier in der 2. 4. und 5. Categorie nur
die Officialen des Statthalters aufgeführt werden und zwar in der
2. Categorie die höchsten, in der 4. und 5. die niederen Chargen.
Demnach liegt die Annahme nahe, dass auch unter den in der
3. Categorie Genannten Officialen, und zwar die im Range dem corni-
cularius folgenden, also der commentariensis, adiutor und etwa noch
der numerarius zu verstehen seien, während unter den promoti offi-
ciales die ab actis und a libellis^ unter den an letzter Stelle er-
wähnten officiales die exceptores et ceteri cohortalini einbegriffen sein
dürften. Der Titel coronati würde demnach die höheren Ofi"icialen,
vielleicht mit Einbegriff der obersten Chargen bezeichnen, da in
der Lücke nach coronati (Z. 10) mögliclierweise reliqui gestanden
haben kann. Diese Bedeutung scheint mir aber auch für den von
Momm.sen angeführten Erlass im Codex Theodosianus*) wohl zu
passen , während eine Identification mit den sacerdotes provinciae
mir bcsondei'S wenn man die Eingabe der Bischöfe, auf welche
dieser Bescheid erfolgt, ins Auge fasst, ausgeschlossen erscheint.
*) Cod. Tlicod. XVI, ü, 38 : hoc ipsis (ecclesiis et clericis) praecipuum ac
singulare de/erivius, ut, quaecumque de nohis, ad ecclesiam tantum pertinentia, spe-
cialiter fiterint ivipelrata, non per coronaioa, aed per advocatos, eoritm arbitratu, et
wdicVniit innoteacant et aortiantur effectum.
25
Die Bedeutung des den Christen verliehenen Privilegs besteht eben
darin, dass ihnen eigene Advocaten zur Vertretung ihrer Interessen
vor Gericht zugestandeu werden, während sie früher gezwungen
waren, ihre Angelegenheiten auf dem sicherlich langwierigen und
kostspieligen *) Wege durch das Officium des Statthalters vor
Gericht zu bringen.
Sind demnach unter den coronatiy vielleicht eines ihnen ver-
liehenen Abzeichens wegen, die höheren Officialen zu verstehen, so
erklärt sich die Benennung der vier namenlosen corniculani oder
richtiger Officialen des Stadtpräfecten mit dem ihnen zukommenden
Amtstitel als quattuor coronati in einfacher und befriedigender Weise.
36. Gef. in Splitska auf Brazza, jetzt im Museum von Spalato
(nicht ganz genau Bull. Dalm. VII p. 72. daraus Frankfurter Mit-
theilungen VIII p. 170 n. 268).
^.^TcT-'^l ^l ^»te augus-
taj^ M A T R I A V G G ' e< caströrum
jvivi • OPTIMO • MAX- \\'\noni reg. viineruae?
ffolL V T 1 MR • PATRI Iniar. uiclori?
5 MIC T ORIAE- AVGG- FJortun. red. deuic-
tislHOST- V O T O S O \i..tdo dedicauit
? VI. avr. 'hermes- GEN "{i iano et hasso
C_o/8 ~""vJ^A-L_iJ^ !'• ^'*'- -^'
.Am Anfang ist etwa dominis nostris M. Aurelio Antonino et P.
Septimio Get]ae (das ä. am Anfang scheint allerdings nicht eradirt)
zu ergänzen, vgl. die gleichzeitige und ähnliche Inschrift C- I. L.
III n. 5935. Das zweite g in avgg (Z. 2 und 5) ist eradirt. Am
Schluss hat möglicherweise cal{endis) (statt des gewöhnlichen kal.)
Martiis gestanden; die Inschrift würde dann kurz nach dem Tode des
Severus bei der Rückkehr der Kaiser aus Britannien gesetzt sein.
Die Gottheiten sind wesentlich dieselben , denen die Vota der Ar-
valen im J. 101 bei dem Auszug des Traianus in den dacischen
Feldzug und im J. 213 wegen des germanischen Sieges des Cara-
calla gelten (vgl. Henzen acta p. 125). Der Dedicant dürfte ein
*) Ueber die Sportein dieser officiales handelt der zweite Theil der erwähnten
Inschrift; vgl. Mommsen a. O. S. 638 ff. und die von ihm citirten Erlässe gegen
die von den Officialen begangenen Erpressungen. Ueber die Rolle der Officialen
bei den Processen vgl. Bethmann- Hollweg III S. 157 ff.
ca
eg. xi.
26
kaiserlicher Freigelassener sein, vielleicht identisch mit dem in einer
Salonitaner Inschrift (C. I. L. III 2077) genannten M. Aurel. Augg.
Hb. Hermes proc{nrator) .
37. Basi^ mit guter Schrift des ersten Jahrhunderts, gef. im
J. 1884 auf Lesina bei Abtragung eines Privathauses, jetzt befindlich
bei Gregor Bueic (Copie nach einem Abklatsch bei Hrn Inspector
Glavinic in Zara und einem für mich in Lesina von Hrn. Dr.
Schneider angefertigten; = Bull. Dalm. 1885 S. 42).
L ö R VSTIVS ß pIceVä
TRö mIl • VOVl/^
P R A E F • E Q_- F E Ci;;
Z. 1 a. E. Pi;en[s\.
38. Cippus, gef. um 1880 bei Viddo in dem 'Bare' genannten
Grundstück, jetzt Viddo in der Mauer des Hauses Ilic (= Bull.
Dahn. 1884 p. 180).
S E R G • ITA Ll(
S I G N I F ER - L(
ANNOR- NATX5<'
5 STIPENDIORVM • Xl
39. Steintafel mit guter Schrift des ersten Jahrhunderts; gef.
etwa 1860 in Viddo, seitdem dort im Hause von Stephan Suton
eingemauert (= ßull. Dalm. 1885 p. 24).
Q_TVRELIOQ_L
AC V To • liTTTl VIR
TVRELIAE-Qj LHILARAE
L- TVRELIO- Q^F- FEROCI NN - XXII
5 «^PX TVRELIO • Q_- F - VELOCI->:»h/^
Z. 5 a. E. fraglich ob d; vielleicht de[c{urioni)].
40. Grabeiste von Stein , Schrift des 2. oder 3. Jahrhunderts ;
gef. um 1880 bei Viddo in dem 'Bare' genannten Grundstück, von
mir gesehen in Viddo im Hause des Johann Siljek; jetzt nach Spa-
lato ins Museum geschafft (= Bull. Dalm. 1884 p. 180).
Q_ vetvrJio SECVNDI
NO ■ DEcf COL-NARQVIVI
XIT-ANN-xVviU • LIVINIA ■ FC
R T V N A T am A R I T O • I N C O
.') NPARAB I L/ 1 - I'OSVIT
27
41. Bigeste bei Humac, eingemauert in der zweiten (von
Humac aus) Trebisat - Brücke (nicht genau im Bull. Dalm. 1883
p. 3, daraus Frankfurter a. O. n. 18).
VANAIVS- VENKJ
DOiWO*BODIO ^H. e 3 C O H
ITT ALP • AN • LIIIlis^ i
H- S- E- VALERl' an
MAR CELLA-
P XXV-
V ■ eT-
p >
Z. 1 ist der keltische Name des Vaters Venic. .. nur unvoll-
ständig erhalten. — Z. 2 Bodion[t{tciis)] bereits von Mommsen Ephem.
epigr. V p. 240 richtig ergänzt. — [s ist sicher = q_, also eq(ues).
42. Zanjca, gef. 1880, liegt am Gestade bei der Kirche San
Nicolö; Copie und Abklatsch des Herrn Dr. Robert Schneider,
schlecht publicirt im Slovinac III (1880) p. 56, daraus Frankfurter
Mittheilungen VIII S.250).
L A E L I O
LvreLocom
[modo ■ I m p -
i'CAESARIsT-ÄL'/
5 ^^2-5. ' A ^' '/
L. Aelio Äurelio Commodo imp{eratoris) Caesaris T. Aeli
[Hd\driani [Antonini Aug. p. p. f. Die Inschrift ist dem L. Verus
bei Lebzeiten des Pius gesetzt.
43. Zwei Cippen in der Mauer des Gemeindehauses von Perasto :
a) MOYKIA EPIK-H
CI C nOTlOAANo/
lAin ANAPI KAI
EAYTH<ATeCKeY
V C 6 MVN-IM 6 I O NE /
JeiTlCBAAeiAA
o cnMA Ancei
■IC THN nOAlN
MouKia 'EiriKTri-
(5\g TToTioXav6[c;
ibiuj dvbpi Ktti
eauTV] KaieaKeu-
acTev )uvri|ueTov e[is
0 ei Ti«; ßaXei d\-
\]o (juJMCt boüaei
eig Triv TTÖXiv
X qp
h) A I K I N N I O I
AN0IMAC KAI
AAEHANAPOC
AlKlVVlOl
"AvGiina? KOI
'AXeHavbpog
28
KA-ECKEYACANzriT<E KttTeaKeuacTav Hujvie
5 EAYTOICKAirYNAlSI 5 ettUTOl«? KOI Y^VaiHl
lAiAiCEPMiow- KAI ibittig 'Epmövri Kai
EniKAPniA 'EmKapTTia
Von den zahlreichen Nachträgen zu den bereits im C I. L.
oder in der Ephemeris epigraphica publicirten Inschriften mögen hier
nur einige wenige eine Stelle finden:
Perasto. Die Inschriften C. I L. III 1721. 1727—1732, die
Mommsen aus Copien von Zmajevich (vgl. add. p. 1026 ff.) und
dem Manuscript des Niseteo kannte, befinden sich noch in Perasto
in dem jetzt ganz verfallenen Hause des Bischofs Zmajevich, innen
und aussen eingemauert. Ich bemerke hier nur, dass n. 1727 (Urne),
wie bereits Mommsen add, p. 1028 gesehen hat, eine ungeschickte
Fälschung ist (vgl. die ähnliche Fälschung bei Gelcich memorie di
Cattaro p. 27 aus Ballovich fasti di Perasto = Frankfurter a. O.
S. 105 n, 5) ; dieselbe lautet so :
c
MARCEL A
CAR
1
C F CENTIMALVSO
Z. 1 a E. scheint f aus r gemacht.
Von demselben Fälscher rührt n. 1731 (vgl. add. p, 1028)
her; ebenfalls eine Steinurne:
SEXTVS
BVB VLC VS
A N L V 1
Z 3 ist V nur ganz leicht eingeritzt.
Viddo (Narona). Die republikanische Inschrift n. 1820 (= C.
I. L I n. 1471) befindet sich noch in Viddo im Hause des Gregor
Eres; die Lesung ist correct, nur ist die Disposition der Buchstaben
etwas verschieden und in der letzten Zeile nach tvr der Stein etwas
beschädigt, doch scheint ein zweites r nicht zu Grunde gegangen
zu sein.
n. 1846 ist Z. 6 ff. zu lesen:
MACVLAM NON ABVI Q_V
VS BENEFICIO ME EXPORTAVl
l.ONA ET AB OmNIBVS MEIS DV
E I
SA
N C
29
= maculam non {h)ahui, queius {■= cuhis) heneficio me expor-
tavi (wanderte ich aus?) Salona ei ab omnibus meis dune (= tunc)
\jßotes\tatem facere. . . .
Ljubuski. n. 6364 (vgl. Bull. Dalm. 1883 p. 81, daraus Frank-
furter a. O. S. 108):
L-HERENNI
VS ■ L • F ■ PAP
M V L I A D E
VET LEG- Vi!
5 AN ■ LX • STI
X X X - H S E
Dass Z. 3 MVLiADE (iwvLiADES Hest fälschlich Alacevic Bull.
Dalm. a. 0.) zu lesen sei, habe ich bereits früher (bei Kubitschek
Tribus Anm. 724) vermuthet.
Salona. add. p. 1030 ad n. 1980 steht Z. 4, wie Mommsen
vermuthet hatte, n • piae und Z. 5 7 frv auf dem Stein.
n. 6374 ist Z. 5, wie Bulic gelesen hatte: coh- n (nicht i).
Ephem. epigr. II n. 525 ist zu lesen:
imp. caes. m. aur. pro
BO- P- F- INVIC
T O ■ A V G P M
T ■ p ■ II ■ COS • p- p p. Ch. 277
PROCOS
5 AVR-MARCI
A N V S • VP • PR
AES • PROV • DEL
D ■ N • M 5 E bV S
n. 6375 ist zu lesen:
uictor^\ A E F R A N C I
cae d. ?i F L ■ coN p. Chr. 342
stanth VICTORIS
ac <?-t«7?iFATORlS SEM
per^
n. 3198« am Anfang:
V
(eSAR • dIvi- AVGVSTl- F
30
n. 3198 & Z. 2:
monTem diTionvm
SInj. Die in Ephem. epigr. IV n. 347 als unleserlich bezeich
neten Verse sind im Bull. Dalm. 1880 p. 163 (daraus Frankfurter
a. 0. n. 189) aus dem sehr verwitterten Stein entziffert worden ;
doch ist Z. 3 für das sinnlose ovamvis ave • viator zu lesen : qvamvis
LASSE VIATOR Und Z. 8 CANONIS für GANONIS.
n. 2830: In der wichtigen, von Mommsen zuerst entzifferten
Inschrift des Julius Severus in Kistagne steht Z. 1 sicher: se////v minicio
nicht vhicio, wie bereits Mommsen {auctar. addit. p. 1059) nach
einem Abklatsch bemerkt hat. — Z. 5 a. E. ist nach geminae noch
Raum für zwei Buchstaben (p • f oder m v?), doch lässt sich nicht
sicher sagen , ob der Raum beschrieben war. — Z. 7 a. E. nicht
p/eB, sondern pb; Z. 16: . . . . j/ctore caes.
n. 6418 habe ich nach einem vorzüglichen, von Herrn Dr.
Monti in Knin (der mit dem von Mommsen als Anonymus Kninensis
bezeichneten übrigens identisch ist) verglichen; die Lesung ist bis
auf einige Kleinigkeiten (über die Zeile ragende Buchstaben) durch-
aus richtig; insbesondere ist unzweifelhaft Z. 7. 8: secvs • titvm-
(nicht TiTivM, wie die besseren Handschriften des Plinius haben)
flv|men zu lesen.
n. 3117, früher im Garten öalzigna, jetzt in einem Fenster
des Hauses Bolkovic in Arbe eingemauert; erhalten ist nur:
iWlVRVM
rf E D I T •
Demnach ist die Zeilenabtheilung Farlatis falsch,
n. 3121 befindet sich noch in Arbe an dem angegebenen Orte
(bei der Kirche St. Giustina) ; Z. 2. 3 ist so zu lesen :
M - avrelio • sexe
RO - ALEXANDRO
Die eradirten Buchstaben sind bis auf and sicher erkennbar.
Wien O. HIRSCHFELD
31
IL Ueber die bildlichen Denkmäler Dalmatiens
Indem ich an den vorstehenden Bericht den meinen knüpfe,
stellt sich mir die einander so unähnliclie Lage des Epigraphikers
und des in Dalmatien reisenden Archäologen deutlich vor Augen.
Findet der erstere zwar aller Orten zu berichtigen , zu ergänzen,
zu vermehren, indess auch Anhalt und Geleite in der grossen Samm-
lung der Inschriften, welche ihm sein Gebiet geordnet und gesichtet
überschauen lässt, so entbehrt der andere jeder umfassenderen Vor-
arbeit und hat, um seinen Bereich zu ermessen, gleichsam mit
dem Ausstecken der ersten Pflöcke zu beginnen. Seit den Tagen
Jacques Spon's und George Wheler's (1675) betraten, von anti-
quarischen Interessen geführt, wohl manche Reisende die Küsten
des merkwürdigen Landes, aber die ihrem Verständnisse näher
liegenden Inschriften und die ungleich bedeutenderen Reste der
Architektur haben von den beinahe niemals den provinziellen und
späten Ursprung verleugnenden plastischen Denkmälern fast völlig
ihre Aufmerksjamkeit abgezogen. Nur dürftige Ausbeute gewähren
hinsichtlich dieser die zahlreichen Reisebeschreibungen, und was
dieselben über Alterthümer zu sagen wissen, ist zudem selten so
verständig und zuverlässig wie die leider nur spärlich verstreuten,
sie betreffenden Angaben in dem Buche des Abate Fortis (1774).
Auch das bis heute noch nicht ersetzte Werk des englischen Archi-
tekten Robert Adam über den diokletianischen Palast (1764) gibt
von Skulpturen nur weniges und dieses noch weit ungenauer, als
bei alten Kupferwerken zu erwarten steht. Cassas , welcher seine
Reise 1782 im Auftrage einer Gesellschaft von Wiener Kunstfreunden
unternommen hat, entlehnt meist die Abbildungen Adam's, setzt sie
nur in seine Manier um und ergänzt sie willkürlich. Was die
Fremden unterliessen, haben die Einheimischen nicht nachgeholt.
Sie wandten ihr Augenmerk bisher fast ausschliesslich den inschrift-
lichen Denkmälern zu und es blieb den bildlichen selbst die Beach-
tung versagt, welche ihnen als Complement zu jenen unzweifelhaft
zukommt. So hat die von Conze herausgegebenen Sarkophage ')
ausgenommen, kein einziges die angemessene wissenschaftliche
Behandlung erfahren.
') Römische Bildwerke einbeimischen Fundorts in Oesterreich , I. Heft (aus
den Denkschriften der Akademie der Wissenschaften, Band XXII).
h2
Diese Vernachlässigung eines nicht unbeträchtlichen Fund-
gebietes hat mich bestimmt, der Aufforderung meines verehrten
Reisegefährten folgend, Dalmatiens Vorrath an Bildwerken, soweit
er mir bekannt geworden ist, im Nachfolgenden zu verzeichnen.
Es war an Ort und Stelle nicht meine Absicht gewesen, die vor
den Monumenten niedergeschriebenen Bemerkungen unmittelbar zu
veröffentlichen. Sie werden deshalb nebst allen übrigen Mängeln,
wie sie gedrängte Arbeit mit sich bringt, gewiss viele Lücken auf-
w'eisen. Solche einigermassen zu füllen, will ich gelegentlich auch
das von anderen gesehene, was mir entgangen ist, erwähnen, ohne
es jedoch mit dem selbst untersuchten zu vermengen, und hoffent-
lich wird dies die folgenden Blätter dem zukünftigen Reisenden
um so nützlicher machen. Dagegen liegt es mir nicht im Sinn,
den ganzen Bestand des Museums von Spalato aufzunehmen, da
gerade die dort aufbewahrten Monumente verhältnissmässig die
bekanntesten sind und die Herausgabe eines Katalogs dieser unter
der Obhut Francesco Bulic' sich beständig vermehrenden Sammlung
von einem Mitgliede des archäologisch - epigraphischen Seminars
vorbereitet wird. Förderlich war es mir, die Notizen Conze's,
dessen 1872 unternommene Reise den antiquarischen Studien in
Dalmatien so nachhaltende Anregung gegeben hat , einsehen zu
können. Hier ist oft der mit wenigem treffenden Skizze das be-
zeichnende Wort gesellt. Leider beziehen sie sich aber nur auf
den nördlichen Theil des Landes (Zara, Kistanje, Salona, Spalato,
Trau). Wo es anging, habe ich den Beschreibungen eigenhändige
Umrisse der Denkmale angefügt, die nicht als Publicationen, nur
als Erläuterungen gelten wollen. Für einige der Abbildungen
konnten Photographien benützt werden.
Dem flüchtigen Blicke stellen sich die dalmatinischen Bild-
werke als zeitlich geschlossene Masse dar , der es selbst an aus-
gesprochener lokaler Färbung zu gebrechen scheint. Vorwiegend
dem Boden Salona's entstammend, tragen sie das Gepräge der ge-
alterten Kunst an sich, und nur einige Werke aus Narona und
Aequum weisen in die erste Kaiserzeit zurück. Unter dieser römi-
schen Fundschichte sind allerdings spärliche Reste griechischer
KunstUbung zu entdecken. Ausser den Inschriften legen vor allem
die Münzen der griechischen Colonien") und der illyrischen Könige^)
für die Ausbreitung und den Einfluss hellenischer Cultur und Sitte
an diesen Küsten in vorrömischer Zeit Zeugniss ab. Aber Issa allein^
die unter dem Schutze Dionysios' von Syrakus 390 gegründete
Ansiedlung der Parier, kann als rein griechisches Gebiet gelten.
Nur auf dieser Insel sind neben den unteritalischen verwandten
Terracotten^) Vasen apulischen Stiles in grösserer Menge zum
Vorschein gekommen^), und eine hier gefundene Grabstele im
^) Simeone Gliubicli, Numogi-afia Dalniata 1851 (aus dem 11. Bande des
Archivs f. Kunde öst. Gescliichtsquellen) und jüngst — leider ohne diese Arbeit
und die Sammlungen im Lande selbst zu kennen — Imhoof-Blumer in der Numis-
matischen Zeitschrift Bd. XVI (1884) S. 246 — 261.
') Arth. J. Evans, on some recent discoveries of Illyrian coins , Numisviatic
Chronicle, new ser. vol. XX p. 269— .302.
■*) Paciaudi, monumenta Peloponnesia (1761) vo!. II p 170. 6. Collezione
Nani tav. 412. Ohne nähere Angabe des Fundortes sind die Terracotten bei Pa-
ciaudi II, 169 f., 202, 261, 269.
^) Der auf Lissa gefundenen griechischen Thongefässe gedenkt schon Fortis
viaggio in Dalmazia (Venedig 1774) vol. II p. 167. Sie wurden vorwiegend in
Gradina, unfern der ßanda piccola, mit Münzen und geschnittenen Steinen zu-
sammen ausgegraben, Gliubich studi arcJieologici sulla Dalmazia (Archiv f. Kunde
öst. Geschichtsquellen, Bd. XXII S. 270l. Mehrere sind im Besitze der Familie
Doimi in Lissa geblieben , andere — zwei Oinochoen und zwei Amphoren — sah
ich bei Frau Ipsic in Makarska (erw. in den Mitth. d. Centr.-Comm. N. F. Bd. IV. S. XCII,
bull. dalm. I p. 188). Eine Sammlung von sechzehn Stücken, sämmtlich auf Lissa
gefunden, schenkte 1846 der Abate Gliubich dem k. Antikenkabinet. Die besseren
darunter zeigen die eleganten Formen der apulischen Vasen (Formen 39 und 61
in Jahn's Vasenkatalog), sind wie diese schwarz, am Bauche geriefelt, und am
Halse und zuweilen an einem glatt gelassenen , ringsum laufenden Streifen in der
Mitte mit gelb, rothbraun oder weiss gemalten vegetabilischen Ornamenten, an
ersterer Stelle auch mit menschlichen Figuren oder Vögeln geziert, doch ist ihr
Fiiniss matt und die Töpferarbeit wenig exact. Einige Exemplare derselben Her-
kunft besitzen ferner die Sammlungen in Zara (Neigebaur, die Süd-Slaven S. 185)
und Agram, sowie die Bibliothek des Conte Faufogna in Trau. Von vier Vasen
des Museo Nani, zwei Krügen, einem Skyphos und einem Aryballos mit rother
Palmette am Bauche {Collezione di tutte le antichifä etc. tav. .S26) und zwei Ge-
fässdeckeln mit rothen Frauenköpfen aus dem Museo Obizzi auf Schloss Cataio,
jetzt in der modenesischen Sammlung in Wien, ist nur im allgemeinen die dalma-
tinische Provenienz bezeugt. Indess dürften im übrigen Lande griechische Gefässe
bisher selten zum Vorschein gekommen sein. Ich weiss nur von einem lampenför-
migen Askos, oben mit einem Satyrkopfe in Relief geschmückt, welcher mit noch
zwei Gefässen zu Carina bei Risano gefunden worden ist {Ärchaeologia vol. XLVIIl,
pl. II , pag. 44 f.). Ausserdem soll auch ein im naturhistorischen Museum zu
Ragusa aufbewahrter Krug (Form CVI des Vasenkatalogs vom brit. Mus.) in nach-
geahmt korinthischem Stile mit einem Thierfries (Vögel und Raubthiere), 0'22
Archäologisch-epigraphische Mitth. IX. q
34
Museum zu Spalato darf dem Charakter ihrer Inschriften zufolge
vielleicht noch in das zweite vorchristliche Jahrhundert gesetzt
werden ^''). Dass sich das griechische Element im Lande wenigstens
sporadisch hier und dort auch später erhalten hat, beweist mit
anderen inschriftlichen Denkmälern der unten zu erwähnende Grab-
stein aus Risano.
Trotz seiner scheinbar so vollständigen Romanisirung lässt sich
ein gewisser Zusammenhang Dalmatiens mit dem östlichen Cultur-
gebiete nicht verkennen. Ihn verleugnet selbst der Palast des Kaisers
Diocletian weder in seinen constructiven noch decorativen Formen.
Ohne Zweifel ist derselbe die Schöpfung griechischer Werkmeister,
die neben der oflFiciellen Baukunst des römischen Kaiserreiches ihre
Traditionen zu erhalten und auszubilden wussten, um sie im ge-
gebenen Augenblicke an die Stelle jener zu setzen*'). Was dieser
hoch, aus ßlatta auf Curzola stammen; doch kann ich nicht sagen, ob dieser An-
gabe unbedingt zu trauen ist. Auf die Einfuhr griechischer Töpferwaare in die
illyrischen Länder weisen Theöpompos fr. 140 ed. Müller fragm. hist. gr. vol. I
(Strabo VII p. 488 A. B) und Pseudo - Aristoteles Trepl 0au|Liaaiujv dKOUöiuäTUiv
cap. 104. Wie in den letzten vorchristlichen Jahrhunderten, so bezieht noch heut-
zutage Dalmatien sein Töpfergeschirr aus Apulien, Petter, Dalmatien Bd. I S. 136.
— Schon der römischen Zeit scheinen die beiden grossen Fischbehälter anzuge-
hören, welche Vice-Admiral Frh. v. Millosicz im Hafen von Lissa auf dem Meeres-
grunde entdeckt und der kaiserlichen Sammlung zum Geschenk gemacht hat; sie
messen TöTö im Durchmesser bei 1'340 Höhe (Kenner, Beiträge zu einer Chronik
der arch. Funde IX S. 218 im Archiv f. Kunde öst. Geschichtsquellen Bd. XXXVIII).
Fortis spricht viaggio vol. II p. 123 u. 180 von einer grossen Menge römischer
Gefässe, welche man unter dem Meeresspiegel bei Cap S. Giorgio auf Lesina sieht.
'") Dieselbe ist schon 1857 von Gliubich im Btdl. delV Inst. 1857 p. 45 und
später in den Studi archeologici sulla Dalmazia (Archiv für Kunde österr. Geschichts-
quellen Bd. XXII) Taf. 4 edirt worden; später von Glavinic in den Mittheilungen
der Central-Commission 1875 pag. I; neuerdings von Bulid im Bullettino di arckeo-
logia e storia dalmata, VIII pag. "29.
*J Hauser, Spalato und die römischen Monumente Dalmatiens S, 40 f. —
Schon Adam, ruin» of the palace ofthe emperor Diocletian p. 31 nennt die Kapitale
raffled more in the grecian than the roman style, und meint, that Dioclesicm brought
his artificers from Crreece to Spatatro, with an intention to vary the execution ofhis
Orders of architecture in this palace, from those he had executed at his baths at
Rovie , which are extremely different both in their formation and execution. lieber
die Construction der Kuj)pcl, weiche in gleicher Art an der Grabeskirche des heil.
Demetrios zu Saloniki wiederkehrt, siehe Choisy, Vart de bälir chez les Byzantins
p. 69; vgl. ferner ibid. p. 153: comme oimements, le palais de Salone n'offre guhre
que des profds en biseau recouverts d'une gravure au trdpan, ou bien des motdures
inscrites dans un 6pannelage rectangidaire d'un cachet profonddvient byzantin.
35
bedeutendste Ueberrest klassischer Kunst der ganzen Küste entlang
von Pola an bis zum Peloponnese so nachdrücklich bezeugt, bestätigt
ihrerseits eine Gruppe unscheinbarer Monumente, die sich bestimmt
von der Masse der übrigen sondert, mit kaum geringerem Ge-
wichte. Es sind den zum Theil erhaltenen Inschriften nach dem
Silvanus oder ihm und den Nymphen gemeinsam geweihte Votiv-
bilder, welche in Relief gehauen auf Aren oder Platten aus heimi-
schem Kalkstein diesen Gott entweder allein oder mit den Nymphen
im Reigen verbunden darstellen. Zwar von bäurischer Arbeit ent-
behren diese ländlichen Gebilde, so dürftig und ungeschlacht sie
auch sind, doch nicht der charakteristischen Züge und muthen
uns gleichsam mit der frischen Unbefangenheit eines echten Volks-
liedes an. Unter dem Namen des Silvanus tritt uns aber hier nicht
der italische Waldgott, sondern der griechische bockfüssige Pan
entgegen'). Gesellt sich auch der Hund zu dem einen wie zu
dem andern als wachsamer Begleiter, so trägt statt der Falx und
des Pinienzweiges des erstem der dalmatinische Gott Syrinx und
Pedum, und als dem Schützer der Heerden steht ihm die Ziege
zur Seite. Das Thierfell, an der rechten Schulter geknüpft und
im Schurze mit Früchten beladen, kommt beiden Gottheiten zu
und nähert sie wieder einander, so verschieden sie sonst auch
sind. Die Darstellungen der Nymphen folgen gleichfalls griechi-
schem Typus, nur erscheint hier als ihr Chorführer niemals wie
auf den attischen Reliefs Hermes, sondern immer nur Pan**). Sie
selber schreiten im Reigentanze einher oder sie stehen ruhig neben
einander mit Schilfstengeln in den Händen oder mit verschränkten
Armen; einmal halten sie nach römischer Weise Muscheln vor dem
Schoosse. Macht sich vielleicht auch hierin, und wie Pan den Frucht-
schurz von dem Silvanus übernimmt, der rückwirkende Einfluss
') Ueber den Unterschied des Silvanus und des Pan vgl. Reifferscheid in
den Ännali delV Instüuto vol. XXXVIII (1866) S. 214 f.
') Auf Darstellungen aus andern römischen Provinzen steht der echte Sil-
vanus an der Seite der Nymphen (SilvanaeJ, so z. B. in kurzgeschürztem Chiton,
mit Chlamys und phrygischer Mütze, den Fichtenzweig in der Rechten und das
Gartenmesser in der Linken auf einer Votivtafel aus Aquincum im Museum zu
Budapest (Arch.-epigr. Mitth. aus Oesterr. Jahrg. VII S. 86 n. 2, abgeb. in Archaeo-
Ingiai Ertesitö 1881 S. 170) oder nackt mit gesenktem Stocke (?) auf dem sehr
verstümmelten Fragmente aus Scharfenegg a. d. Leitha in der Sammlung des unteren
Belvedere (Sacken und Kenner's Katalog S. 50 n. 243; C. I. L. III 4534 mit der
unrichtigen Beschreibung: Silvani quattuor, quorum unus nudus). Vgl. dagegen den
"\"otivaltar aus Aquincum, Desjardins monuments epigr, du musee national hongrois
pl. XI n. 76.
3*
36
römischer Vorstellungen geltend, und gehören die noch vorhandenen
Reliefs auch einer vorgerückten Zeit an , so kann es doch nicht
zweifelhaft sein, dass die griechische Kunstform des Pan früher als
der römische Name des Silvanus im Lande eingebürgert war. Pan
ist so recht der Herr dieser felsigen und kahlen Inseln und Gestade,
der weitausgedehnten Bergweiden Dalmatiens, die nur Ziegen karge
Nahrung gewähren. Im nahen Apollouia wurde er neben den
Nymphen verehit und hatte seinen heiligen Hain, aus dem, wie die
Sage ging, die Klänge seines Flötenspiels bis in die 5000 Schritte
entfernte Stadt drangen'''). Wie diese den Nymphenreigen bei dem
flammenden Berge auf ihre Münzen gesetzt hat^"), so wählten für
die ihren die Pharier und Issaer den Ziegenbock als bezeichnendes
Symbol ihrer neuen Heimat. Offenbar haben die illyrischen Stämme,
welche von jeher dem Hirtenleben überwiegend anhingen, von den
griechischen Colonisten den bockfüssigen Pan als das passende Bild
ihrer Gottheit erhalten. Diese konnte in römischer Zeit ihren
Namen wechseln, nicht aber die überlieferte Form. Wie kein
andres. haftet Paus Götterbild an dem dalmatinischen Boden. Länd-
liche Einfalt rettet es aus den heidnischen Zeiten in die christ-
lichen hinüber. Nicht vereinzelt scheinen die Beispiele, dass es
versteckt unter dem Namen eines Heiligen als Gegenstand aber-
gläubischer Verehrung sich noch lange erhalten haf ), und an dem
") Ampel ius Über memorialis c. VIII, 1 : ab ApoUonia . . . nilia passus quin-
que in monte Nymphaeo : ibi ignis est et de terra exit flamma. In ailva Panis syvi-
phonia in oppidum auditur. cf. Rohden de mundi miraculis quaestiones selectae
(Bonn 1875) p. 15 sq.
'") Eckliel doctrina numorum veterum pars I, vol. II p. 153 sq.
•') Glavitiic erzählt Mitth. d. Central-Comm. N. F. IV (1878) p.XCII, Bull. dalm.
I p. 190, dass in Zaostrog vor Zelten eine Statue des Pan gefunden wurde, die ein
Biscliot' zertrümmern liess, weil die Dorfbewohner in ihr den heiligen Johannes
den Täufer verehrten. Aehnliches berichtet Fortis viaggio vol. II p. 140: Non
molto lontano dalla fönte di Drasnize ävvi tina Cappella dedicata a S. Rocco, dove
per lungo lempo fu onorato un bassorilievo antico, che poi passb a Venezia non ä
molti anni. Egli rappresenta un Satiro (d. h. ein Pan) mezzo coperto d'un
mantello di 2fßllß di capra, col suo bastone in mano, e' l cane dap-
preaso; qualche parte del di lui corpo h da Custode d' orti. Una infei'riata , che
gli era stata posta dinanzi difendealo dalle niani troppo profane, ma non impediva
che le buone donne, e le fanciidle del vicinato vi avessero una grän divozione, conie
a una rajjpresenlazione di S. Rocco. Fu questo sconvenevole oggetto di superstizione
levato di notte dalla stia nicchia: il popolo di Drasnize ebbe a sollevarsi quando se
n avvide, ed appena fn temilo in dovere dall' aver rilevato, che il preteso Santo &)-a
statu asportato per comando d' una rispettabile Magistratura.
37
Portale vom Dome in Trau, der Inschrift aus dem Jahre 1240
nach ein Werk des Künstlers Raduanus '^) , begegnen wir nebst
manchen andern Anklängen der Antike: einem Kentauren, einer
Nereide auf dem Seestiere , auf Gladiatorendarstellungen zurück-
gehenden Thierkämpfen — und zwar an einem der beiden Säul-
chen, welche aus dem Bihaczer Schlosse herrühren sollen —
nochmals der Figur des ziegenfüssigen Hirtengottes. Er ist hier
nicht mehr ithyphallisch und weder von Ziege noch Hund begleitet;
auch hält er statt Syrinx und Pedum in jeder Hand einen grossen
Blumenstrauss. Zottig am ganzen Leibe und mit langen Hörnern
am Kopfe gleicht er indess doch im übrigen seinen antiken Vor-
bildern und bezeugt, wie zähe die Erinnerung des Volkes dieselben
festgehalten hat ^^).
Ich lasse das Verzeichniss der mir bekannten Pan- und
Nymphenbilder dalmatinischer Herkunft folgen. Manche der-
selben sind weithin — bis nach Avignon und Berlin — verschleppt
worden.
Erste Gruppe: Pan allein.
Kleine Ära aus Salona im Museum zu Spalato, 0'35 hoch,
0*265 breit, bekrönt von einem Kreissegmente und rechts und links
von Voluten, die seitlich als walzenförmige, in der Mitte einge-
schnürte Polster sich darstellen. Auf der Vorderseite die Figur
des Pan, deren Oberfläche sich leider derart abgeblättert hat.
") Eitelberger, die mittelalterlichen Kunstdenkmale Dalmatiens im IV. Band
seiner kunsthistorischen Schriften S. 199 f.
") Ich finde dies bereits von Conze, Heroen- und Göttergestalten der grie-
chischen Kunst, S. 40 f., hervorgehoben, während Eitelberger a. a. O. S. 207 nur
von einer ,.Art Waldteufel, behaart, mit Menschengesicht und zwei Hörnern"
spricht.
38
dass kaum mehr als die Umrisse übrig geblieben sind; sie zeigt
den Oberkörper von vorne, die Beine aber nach 1. gestellt. Das
Pedum hat sich in der Linken des Gottes erhalten. Er blies
die Syrinx, die er mit der Rechten an den Mund hielt, wie ich einer
Notiz Conze's, welcher noch 1871 das Relief in fast unverletztem
Zustande gesehen hat, entnehme. Auf der Nebenseite rechts (1*195
breit) eine nach 1. stehende Ziege (Kopf abgestossen), auf der links
ein nach r. gewandter sitzender Hund. Die Rückseite ist flach.
Reliefplatte im Museum zu Spalato , 0'42 hoch, 0'40 breit;
die Oberfläche fast völlig abgeblättert. Pan en face schreitet
nach 1. und hält in der Linken den geschulterten Hirtenstab, in
der vorgestreckten erhobenen Rechten die Syrinx. Die Hörnchen
sind noch erhalten, während die grossen Spitzohren abgestossen
sind. Links steht eine Ziege nach 1., rechts liegt ein Hund mit
nach 1. zurückgewandtem Kopfe. Oben rund abgeschlossen. Der
Rand war mit einem gerade aufsteigenden Zweige geziert. Abgebildet
in Zaccaria marmora Salonitana (Fai'lati lUyrici sacr'i vol. II) p. IX.
Relief auf einem unregelmässig behauenen Blocke, 0*33 hoch,
0'54 breit, 0"17 dick, gefunden vor etwa zwölf Jahren im Garten
des Dionisio Staffileo zu Trau, im Besitze des Conte Gian Domenico
Fanfogna Garagnin, welcher es in der Loggia am Platze aufzu-
39
stellen gedenkt. In der Mitte steht Pan, dessen spitzig zulaufende
Ohren wagrecht abstehen. Er hält das Pedum in der gesenkten
Linken und mit der Rechten die Syrinx an die Brust. Rechts sitzt
ihm zugekehrt ein Hund mit umgewandtem Kopfe; links steht ein
Baum (Eiche?), dessen Blätter eine Ziege hinaufspringend zu er-
haschen sucht.
Reliefplatte, einst im Arcivescovado zu Spalato, jetzt in dem
zum Museum gehörigen Magazin Kattalinic, 0-46 hoch, 032 breit ;
oben abgerundet. Es fehlt der ganzen Höhe nach ein Stück links
und das Eckstück rechts; die Oberfläche ist verwittert. In voll-
ständiger Erhaltung gibt es Zaccaria marmora Salonitana pag. VIII
n. XI, und auch Conze sah es noch 1871 in besserem Zustande.
Pan mit lang zugespitzten Ohren und Hörnern im aufstehenden
Haare, den Kopf dem Beschauer zuwendend, schreitet nach r.
und legt gleich einem Tragholze das mit der Linken gefasste Pe-
dum auf die Schulter, an dessen (jetzt fehlenden) gekrümmten
Ende ein Korb od. dgl. hing. In der erhobenen (ganz abgestos-
senen) rechten Hand hielt er eine (nicht mehr erkennbare) Syrinx.
Ihm voran gingen eine Ziege und ein Hund; erstere wandte den
Kopf zurück. Nur der Hintertheil des Hundes ist erhalten. Unter
der Ziege stand in regelmässig abgegrenztem Felde die Inschrift
(C. I. 1970): M. Coelius Senilis et Publicia Ingenua postierunt.
Bruchstück eines Reliefs im Museum zu Spalato, 0-22 hoch,
0-26 breit; rechts und unten gebrochen, mehrfach abgestossen. Pan
bis etwa zu den Lenden erhalten, schritt nach rechts, erhebt die
Linke mit dem Pedum und senkt die Rechte. Sein wie gewöhn-
lich spitz zulaufender Bart ist in Spirallocken künstlich gedreht.
Links sieht man den nach r. blickenden Kopf einer Ziege und dar-
40
über einen Baum mit lanzettförmigen Blättern. Vielleicht ist dieses
Fragment identisch mit dem nur leicht skizzirten in Zaccaria's
monunienta Salonitana I 83 (über dem Grabsteine C. I. 2472 ange-
bracht).
Relief, wohl aus Salona, früher im Hause des Vincenzo Solitro
zu Spalnto, jetzt im Museum zu Agram, 0'385 hoch, 018 breit
(soweit erhalten). Rechts fehlt ein Stück, das Mommsen (C. I. L.
1960) im Museum von Spalato gesehen hat, von mir aber dort ver-
iSiL Avq,
CPOPlLLIVSy)
geblich gesucht worden ist. Im eingerahmten Felde schreitet Pan,
das linke Bein vorsetzend, den Oberkörper dem Beschauer zuwen-
dend nach 1. Er hielt in der fehlenden gesenkten Linken das Pedum
und hebt mit der Rechten eine Traube in die Höhe; ein aufsprin-
gender Ziegenbock sucht letztere zu erreichen. Ueber dem rechten
Arm hängt im Felde die Syrinx. Die auf dem Agramer Fragmente
nur zum Theil erhaltene Inschrift lautete vollständig:
SIL- A V G SAG
C ■ P O P I L L I V S (' X 1' E D 1 T V S
t X V I S V
41
Relief im Museum zu Spalato , 0 44 hoch, 0*34 breit, links
unten beschädigt; mit einem breiten glatten Rande. Pan ithyphal-
lisch, von dicken Körperformen, mit ziemlich grossen Hörnern und
rund zugeschnittenem Barte steht in Vorderansicht, trägt über dem
linken Vorderarm, dessen Hand abgebrochen ist, ein Pardelfell und
in der gesenkten Rechten eine Traube. Links am Fusse eines
Baumes mit kolbenförmigen Blättern sitzt eine Ziege (Vordertheil
abgestossen), rechts steht ein kleiner Hund. Beide Thiere sind
nach aussen gewandt; der Hund blickt zurück. Die Ziege trägt
um den Leib eine Binde gleich den Opferthieren , der Hund ein
Halsband. Rechts oben ist mittelst einer Schnur die Hirtenflöte an
einem Nagel aufgehängt.
Relief aus Salona , im Museum zu Agram, 0'50 hoch, 0*22
breit, die Ecken links abgebrochen. Pan ithyphallisch, mit grossen
Bockshörnern über der Stirne steht eu face und hält in der gesenkten
Rechten das Pedum. Seine Nebris ist an der rechten Schulter
geknüpft und birgt Früchte in dem den linken Arm versteckenden
42
Schurze. Rechts ein Baum mit gebogenem Stamme und vor dem-
selben ein nach r. aufspringendes Böcklein mit zurückgewandtem
Kopfe; links ein auf Pan blickender Hund.
Nach Steinbüchel Dalmatien S. 12 (im Anzeigeblatt der Wiener
Jahrbücher der Literatur Band XII, 1820) ist „in dem hohen steilen
Gebirge hinter Salona, und dann bei Klissa an einem Felsabhange
(wo sich der kleine Bach herabstürzt) zweimal der stehende Silvan
mit Bockfüssen und mit dem begleitenden Hunde" in den Felsen
eingehauen. Ein Relief aus Bucovich (bei Asseria), 0*28 hoch, 0'25
breit, „rappresentante il dio Silvano coi suoi relativi emblemi'"' und
der Inschrift (CLL. 2848):
T CAPER
S I AVA
S L M
erwähnt Gliubich studi archeologici sulla Dalmazia (Archiv für Kunde
öst. Geschichtsquellen vol. XXII) p. 257 '%
Zweite Gruppe: Pan und die Nymphen.
Relief aus Salona, erst in der Casa Geremia zu Spalato, wurde
1761 als Geschenk des Rectors des erzbischöflichen Seminars da-
selbst, demente Grubissich, in das Museo Nani nach Venedig ge-
bracht, jetzt im Mus^e Calvet zu Avignon. Abgebildet in Adam
ruins of the palace of Diocletian pl. LIV (danach in Cassas voyage de
l'Istrie et de la J)almai'ie pl. 60), G. F.Zanetti osservazioni sopra un antico
bassorilievo votivo del Museo Nani in Vinegia, Calogerä nuova raccolta
d'opuscoli scientißci e filologici to. IX (1762) p. 299 — 321, Collezione
dl tutte le antichitä del Museo Nani 39. Vgl. Stark Städteleben, Kunst
und Alterthum in Frankreich S. 581, Bursian im archäologischen
Anzeiger 1853 p. 396. — In eingerahmtem Felde stehen links
neben einander die drei Nymphen in gegürtetem Chiton und im
Himation, das um die Beine und über die linke Schulter geschlagen
ist. Jede fasst mit der gesenkten Linken das Gewand und hält in
der erhobenen Rechten einen Schilfstengel. Rechts steht Pan mit
einer an der rechten Schulter geknüpften, im Bausche mit Früchten
'*) Ein Votiv an Pan, den die begleitende Inschrift abermals Silvanus nennt,
aus Prjepolje (Saiid-schak Novibazar) lerne ich aus dem noch nicht gedruckten,
sehr gewissenhaften Berichte des k. k. Hauptmannes vom Geniestabe, Herrn Rudolf
Rukavina, über seine Ausgrabungen im Limgebiete kennen. Es dürfte sich über-
haupt verlohnen, den Spuren des Pancultes auf der Balkanhalbinsel und in den
UHteren Donauländern nachzugehen.
43
gefüllten Chlamys und dem Pedum in der Linken. Mit der Rechten
fasst er einen springenden Ziegenbock an den Hörnern. Unter dem-
selben liegt ein Hund. Auf dem Rahmen oben und innerhalb des
Bildfeldes zwischen der äussersten Nymphe rechts und Pan steht
die Inschrift (C. I. L. 1974, Eph. epigr. IV 255):
PRO SALVTE-D-N-
GA I
PO • S
Pro Salute d(ominl) n{ostri) Gai pos(m't).
Relief aus Narona, ehemals im Museo Nani zu Venedig, jetzt
im Musee Calvet zu Avignon. Abgebildet in Passeri osservazioni
sopra Vavorio fossile e sopra alcuni monumenti greci e latini etc.
(Venedig 1759), pag. XXXVIII sq., wo mit Unrecht behauptet wird,
das Relief sei links gebrochen und es wäre dort ein zweiter Pan
gestanden, ferner Paciaudi nionumenta Peloponnesia 1 pag. 230
= Collezione Nani 24. Miliin galerie mythol. pl. LVI, 328. Vgl.
Stark und Bursian a. a. 0. — Links stehen der Reihe nach die drei
Nymphen in gegürtetem Chiton mit Ueberschlag. Die rohe Arbeit lässt
. die Hände der mittleren nicht erkennen (nach Bursian liegen sie
auf den Schultern der beiden anderen) ; die zur Rechten und zur
Linken hält in jeder Hand einen langen Schilfstengel. Rechts
schreitet Pan, dem Beschauer das Antlitz zuwendend, nach r. ;
in der Rechten hält er eine Traube, in der Linken das geschulterte
Pedum, an dessen Ende ein Kymbalon hängt. Zwischen seinen
Füssen liegt ein zusammengekauerter Hund. Unter den Nymphen
steht die Inschrift (C I. L. 1795, Eph. epigr. IV 231):
nINFIS-AVGSI-MP
essed arw s (wie Hirschfeld vermuthet)
Relief, wohl aus Salona, früher in einem Hause zu Vranitza
eingemauert und davon noch jetzt mit einer dicken Mörtelschichte
bedeckt, seit kurzem im Museum zu Spalato (D6p6t im Gymnasium),
links gebrochen, 0'43 hoch, 0'51 lang. Auf der Rückseite sieht man
noch einen Wulst, etwa den Torus einer Säule, was auf eine frühere
Verwendung des Steins an einem Gebäude hinweist. Das Relief in
profilirtem Rahmen. Links drei mit gegürtetem Aermelchiton be-
kleidete Nymphen im Reigenschritte sich an den Händen fassend.
Die zwei äusseren halten in ihrer freien Hand einen Stengel. Rechts
ist ein Bocksbein des Pan und sein rechter Vorderarm, dessen Hand
44
eine Traube emporhält, noch erhalten. Letztere zu erhaschen, springt
ein Böcklein (es fehlt der Kopf desselben) in die Höhe.
Relief aus Gardun, seit 1862 im Museum zu Bei'lin (Bötticher's
Nachtrag zu Gerhards Kataloge S. 27 n. 1002) , 0-24 hoch , 0-25
breit (soweit erhalten) ; rechts gebrochen. Links steht Pan fast
en face (nur wenig nach rechts gewendet), mit herabhängendem (?)
Gliede ; er nähert die mit der Rechten gehaltene Syrinx dem Munde
und stützt mit der Linken einen Knüttel auf den Boden. Rechts
die Nymphen , von welchen die äusserste rechts weggebrochen ist.
Die beiden andern sind in gegürtetem Chiton (den auch wohl die .
fehlende trug) und reichen sich die Hände. Die zur Linken erhebt
die freie Rechte, als ob sie einen Stengel hielte, der möglicherweise
gemalt war. [Ich verdanke die Bestätigung meiner dieses Stück be-
treffenden Notizen aus dem Jahre 1880 der bewährten Güte Dr.
Puchstein's].
Vier Fragmente eines Reliefs im Besitze des Conte Alberto
Paulovic zu Sin]. Das Bullettmo di arch. e storia dalm. VIH p. 26
n. 79 gibt an, dieselben wären 1884 in Bajagic (am hnken Ufer der
Cettina, Citluk gegenüber) zum Vorschein gekommen, während sie
nach der bestimmten Aussage des Besitzers in Bernace (1 Kilometer
von Sinj an der Strasse nach Spalato und Trilj), wo eine warme
Quelle zu Tage tritt, gefunden worden sind. Die grössere rechte
Hälfte des Reliefs wird aus drei aneinanderpasseuden , zusammen
0".']2 hohen und 0'30 breiten Bruchstücken gebildet. Pan steht rechts
mit dem geschulterten Pedum in der Rechten , der Syrinx in der
vorgestreckten Linken. Er ist mit besonders grossen, in horizon-
taler Richtung gewundenen Hörnern ausgestattet; sein Bart ist
nicht erkennbar. Zu seinen Füssen sitzt rechts zu ihm aufblickend
ein Hund (mit heraushängender Zunge?); links steht eine Ziege
nach 1. mit zurückgewandtem Kopfe. Auf diesen Bruchstücken ist
45
ferner fast vollständig die rechts stehende der drei Nymphen
erhalten, während das vierte, ungefähr 0*183 hohe und 0"16 breite,
mit den andern nicht zusammenhängende Fragment den Obertheil
der letzten Nymphe links zeigt. Beide sind mit dem Chiton und,
wie es scheint, auch mit einem rückwärts herabfallenden Mantel
bekleidet und halten in einer Hand — die eine in der Linken, die
andre in der Rechten — einen Blätterbüschel empor. Von der mitt-
leren Nymphe, welche ohne Zweifel dem gewöhnlichen Schema
zu Folge den andern die Hände reichte, ist nichts vorhanden. Das
Gefälte der Kleider ist in rohester Weise durch horizontale und
vertikale Furchen angedeutet. Auf der oberen und unteren Rahmen-
leiste steht die Inschrift (nach Hirschfeld's Lesung) :
nymphi |s • ET SILVANO
,' A ^E QS ■ V- L-P-
Der fünfte Buchstabe in der zweiten Zeile eher o als c.
Relief, eingemauert im Hause des Francesco Tomasich (Caf6
Aurora) in Capo d' Istria, 0"35 hoch, 0"36 lang. Indem ich es hier
aufnehme, überschreite ich zwar die mir gesteckten Grenzen, doch
fügt sich das Stück völlig in die Reihe der angeführten und es ist
nicht undenkbar, dass dasselbe von der dalmatinischen Küste
hieher verschleppt worden ist. Der bockfüssige, deutlich bärtige
Pan zur Linken des Beschauers verbindet sich hier mit den drei
rechts stehenden Nymphen inniger als sonst, indem alle vier Figuren
(was freilich die rohe Arbeit nur andeutet) untereinander an den
Händen sich fassen. Pan hält, wie die letzte Nymphe rechts, eine
Blume in der erhobenen freien Hand. Die zwei Figuren zur R.
wenden das Gesicht nach 1., die zur L. nach r. Die Nymphen sind
im gegürteten Chiton und tragen das Haar im Nacken aufgebunden.
Ueber und unter der Darstellung die Inschrift:
46
PRIM 1 G ENI VS . A .
Da der letzte erkennbare Strich der ersten Zeile deutlich gerade
ist, scheint die Lesung (ex) vis{u) ausgeschlossen.
Zwei Fragmente eines Reliefs aus Salona, gefunden in der
Nähe der Station, jetzt im Museum zu Spalato. Sie passen anein-
ander und sind zusammen 0'45 lang; das eine ist 015, das andre
0"28 hoch. Das erstere zeigt die Köpfe und Büsten der zwei rechts
stehenden Figuren des Pan und einer Nymphe, das andere die zwei
links stehenden Nymphen ohne Kopf, so dass aus den beiden Bruch-
stücken das vollständige Bild leicht reconstruirt werden kann. Paii
wendet den Kopf in Profil nach 1. und nähert die Linke dem
spitzbärtigen Kinne. Die drei Nymphen standen in gegürtetem
Chiton neben einander, mit beiden Händen eine Muschel vor dem
Schoosse haltend.
Fragment eines Reliefs, 0'23 hoch, 0-21 breit, im Museum zu
Spalato. Es zeigt die Figuren der zwei links stehenden Nymphen
ohne Köpfe nebst einem Vorderarm der dritten. Sie sind beschuht
und im gegürteten Aermelchiton mit Ueberschlag und Kolpos. Auf-
gelöstes Haar ist an den Schultern der am Rande stehenden
sichtbar. Dieselbe fasst mit der rechten Hand die Rechte der zweiten
und reicht die Linke der dritten.
Sämmtliche im vorstehenden beschriebenen Votive stellen den
Pan bärtig und mit Ziegenbeinen dar, sowie es im späteren Alter-
thum gäng und gäbe gewesen ist. Um so merkwürdiger ist
ein Relief (0"495 hoch, 0*30 breit), welches am Kukalj bei Karin
gefunden, erst dick mit Oelfarbe überstrichen über der Thür eines
Hauses in Benkovac eingemauert war und durch die Vermitt-
lung des Hauptmanns Herrn Schauer von Schreckenfeld in die
Sammlung des unteren Belvedere gelangt ist (Conze in der Zeitschrift
für bildende Kunst 1872 Seite 66). In einfach eingerahmtem Felde
steht ein Jüngling von schlanken Körperformen in Vorderansicht,
nur mit einer kleinen, an der linken Schulter genestelten Nebris
bekleidet und geschmückt mit einem Fichtenkranze im langen Haar.
Er hält die Syrinx in der etwas vorgestreckten Rechten und das Pedum
in der Linken. Zu seiner Rechten sitzt nach 1. ein Hund, der
den Kopf umwendend zu seinem Herrn aufblickt. Der Fichtenkranz
auf dem Haupte des Jünglings mahnt zwar an den römischen
Silvanus, die übrigen Attribute jedoch bezeichnen auch ihn als
47
Pan, der hier einmal völlig menschlich selbst ohne Hörnchen und
zugespitzte Ohren gebildet ist. So hat sich auch in diesem ent-
legenen Landstriche die edlere Bildung des Gottes neben der popu-
lären des Aegipan bis in späte Zeiten erhalten.
Ich habe die Votivbilder des Pan und der Nymphen an die
Spitze meines Berichtes gestellt, weil sie gleichsam die am meisten
charakteristischen Denkmäler Dalmatiens sind. Die übrigen Bild-
werke, welche von mir auf meiner Reise gesammelt wurden, lasse
ich nun in topographischer Anordnung von Norden nach Süden
fortschreitend folgen. Wohl mit gutem Rechte darf ich mit A gram
beginnen, in dessen Museum (sowie im vorigen Jahrhunderte nach
Venedig , im Beginne des unseren nach Wien) viele Monumente
dalmatinischer Herkunft durch die Bemühungen des Abate Gliubich
namentlich in der dem neuen Aufschwünge des Spalatiner Museums
unmittelbar vorausgehenden Zeit gelangt sind.
Meine Bemerkungen über den Besitz dieser Sammlung be-
schränken sich indess für jetzt nur auf drei Stücke, und zwar zunächst
auf die im Säulenhofe stehende Statue des Apollon aus Salona
(ehedem im Besitze V. Solitro's, gest. 1850), welche Löwy im 3. Jahr-
gange dieser Zeitschrift S. 165 beschrieben hat (vgl. Conze in der
Zeitschrift für bildende Kunst 1872 S. 260). Herr J. Krsnjavi erklärt
sie in den Jahrbüchern der südslavischen Akademie Band LV
(1881) p. 207 — 220 für ein pasticcio; ihm zu Folge ist der Körper
aus zwei nicht aneinander passenden Stücken verschiedenen Stiles
48
zusammengefügt, und gehört der Kopf weder zu dem einen noch zu
dem andern Fragmente, lieber den ersten Punkt vermochte ich mir
kein Urtheil zu bilden, da die Statue während meines Besuches
des Museums in einer Bretterverschalung steckte. Den damals
allein sichtbaren Kopf gebe ich in einer Skizze. Dass derselbe
seiner Wendung nach dem Körper nicht entspricht, ist deshalb kaum
von Belang, weil er ja überhaupt weiblich ist und den Typus der
Aphrodite unverkennbar an sich trägt.
Auch der gleichfalls im Säulenhofe aufgestellte T o r s o einer
Panzerstatue aus Marmor (l"18hoch) stammt nach gütiger Mit-
theilung Herrn Dr. Ivan v. Bojnicic' aus Salona (nach einer Photo-
graphie auf Taf. II abgebildet). Der sorgfältigen Beschreibung
Löwy's Mitth. III S. 166 möge hier nur weniges ergänzend und
berichtigend angefügt werden. Die Pteryges, welche wohl metallen
und in drei- oder viergliedrigen Charnieren beweglich zu denken
sind, zeigen auf der Rückenseite ähnlichen Reliefschmuck wie auf
der Vorderseite, und zwar die erste Pteryx rechts vom Rückgrate
eine Rosette mit doppeltem Blätterkranze, die zweite eine vier-
blättrige Rosette, die dritte eine bärtige Maske alterthümlichen Ge-
präges mit hinabgezogenen Enden des Lippenbartes, die vierte
einen Widderkopf nach r. Dann reihen sich die auf der Tafel
sichtbaren und a. a. 0. beschriebenen an. Auf der Pteryx an der
linken Hüfte gewahrt man abermals eine Rosette. Die zwei fol-
genden Pteryges wurden von dem gesenkten linken Arme be-
deckt. Hinten folgen noch zwei, die eine mit einem Elephanten-
kopfe im Profil, die andre mit einem Widderkopfe, beide nach r.
gewendet. Die untere Reihe der Pteryges zeigt durchaus dasselbe
stilisirte Blitzbündel, von einer Pteryx abgesehen, die mit einer
Rosette geschmückt ist. — Die Victorien auf der Brust sind schwung-
voll gezeichnete und anrauthige Figuren. Sie haben die Schilde
eben auf das Tropaion gehängt; der links ist eckig, der rechts
oval, und dementsprechend sitzt am Fusse des Kreuzesstammes der
Gefangene zur Linken ebenfalls auf eckigem, der zur Rechten auf
ovalem Schilde (die Ränder des letzteren sind Verstössen ; in der
Mitte ein Omphalos). An dem Helme unter denselben bemerkt
man deutlich Backenklappen und Nackenschirra. Die Gefangenen
sind mit einer auf der Brust geknüpften, hinten herabfallenden
Chlamys bekleidet. — Mit dem verschlungenen Bande auf der rechten
Brust war das Achsclband befestigt, das auf der rechten Schulter
zu fehlen scheint, denn wäre es nur vom Paludamentum bedeckt,
49
so mfisste die Masche doch wenigstens zum Theil sichtbar werden.
Der Panzer besteht aus zwei aneinander gefügten Hälften — einer
vorderen und einer hinteren — Avie dies in den jederseits von der
Achselgrube bis zu den Lenden sich herabziehenden Furchen er-
kennbar ist. An den Lederstreifen aussen am rechten Oberschenkel
gewahrt man die Spur des neben der Statue auf die Basis gesetzten
Tronkes. • — Näher oder entfernter ähnlichem Panzerschmucke wie
an diesem Torso begegnen wir öfter, so an einer Statue aus Gabii
im Louvre (Clarac 338, 2414), einer in Madrid (Clarac 91GB, 2504 A,
Hübner die ant, Bildwerke in Madrid n. 81), einer dritten im Palazzo
Colonna (Braun antike Marmorwerke 2. Dek. Taf. 9, Matz Duhn ant.
Bildwerke in Rom I n. 1355) etc. Diesen Statuen mangelt indess
der ihnen ursprünglich zugehörige Porträtkopf, wogegen eine im
Capitol den des Marc Aurel (Mus. Capitol. III pl. 58, Clarac 953.
2447) noch bewahrt hat. Ein Panzertorso (ca. 0'88 hoch), welchen
im Anfange des vorigen Jahrhunderts Antonio Nani aus Morea
nach Venedig gebracht hat, und den ich nebst anderen Resten
der Sammlung seines Hauses 1878 in der Casa Businelli in Legnaro
bei Padua gesehen habe, zeigt gleich der capitolinischen Statue
zwei Victorien einen Schild an ein Tropaion hängend (Passeri osser-
vazioni sopra l'avorio fossile elc. sezione 3 pag. XLIV, Museo Nani
221). Er wird für uns um so werthvoller, als sich die dazu gehörige
Inschrift (C. I. L. III 501) erhalten hat, der zu Folge die Statue dem
Kaiser Antoninus Pius 138 n. Chr. gesetzt worden ist. Mit dem
Exemplare in Agram sollen Münzen des Kaisers Hadrian ausgegraben
worden sein. Ob die angeführten Thatsachen zu dem Schlüsse be-
rechtigen, dass dieser Torso, gleichwie die andern ähnlich geschmückten
und noch unbestimmten, irgend einem Kaiser der hadrianisch-anto-
ninischen Zeit angehört habe, könnte freilich erst nach eingehendem
Studium dieser Panzerstatuen mit grösserer Bestimmtheit entschieden
werden.
Aus den übrigen Denkmälern dalmatinischen Fundorts im
Agramer Museum sei nur noch der Grabcippus des Asi-
donius Agatopus, den die Inschrift als j^ceriolarins''^ bezeichnet,
und seiner Gattin Aurelia Luxuria hervorgehoben (C. I. L. 2112.
2113). Der Cippus ist sammt seiner kegelförmigen Bekrönung
0*76 hoch, zeigt an seiner 0"27 breiten, mit einem Giebel ausge-
zeichneten Vorderseite die Grabschrift, auf den beiden Nebenseiten
(0*255 br.) Darstellungen in Relief und zwar einerseits (rechts)
den Mercur, anderseits (links) das Ehepaar bei handwerklicher Ver-
Archäologisch-epigraphisclie Mittli. IX. 4
50
richtung. Mercur in Vorderansicht mit dem Flügelhute auf dem
Haupte und der auf der rechten Schulter genestelten Chlamys, hat
rechtes Standbein, hält in der Linken den Caduceus geschultert,
und in der Rechten den Beutel; rechts zu seinen Füssen ein Hahn.
Schwer verständlich ist das Gegenbild. In der Mitte auf dem
Boden steht ein Kessel, der Form nach einem Kalathos nicht un-
ähnlich, und links der „ceriolarius"' nach r. gewandt, mit geschorenem
Haare und bartlosem Antlitz, in kurzer, bis zu den Knieen reichender,
ungegürteter Tunica. Er hält in der vorgestreckten Rechten an
dem oberen Ende einen unten kolbenförmig verdickten Stab (viel-
leicht ein Pistill) über dem Gefässe. Rechterhand tritt eine Frau
herzu (den Kopf en face) in langem Gewände mit weiten Aermeln
(ich weiss nicht bestimmt ob auch mit verhülltem Hinterhaupte't.
Sie hält in. der erhobenen Rechten einen nicht kenntlichen Gegen-
stand (sicher kein ^vasculum quadi'atum") und mit der Linken wahr-
scheinlich den gleichen wie der Mann. Ich gestehe, den Vorgang
nicht völlig zu verstehen: doch bleibt einen bescheidnen Gewinn
auch aus dem nur halbverstandenen Bilde zu ziehen nicht versagt.
Es stellt jedenfalls die Bearbeitung des Wachses dar und man kann
demnach wohl nicht zweifeln, dass „ceriolarius'' den Verfertiger
von Kerzen und nicht von Leuchtern bezeichnet (vgl. Blümner
Technologie und Terminologie der Gewerbe und Künste bei Griechen
und Römern Band II S. 162 Anm. 1).
Arbe. In dem schönen Palaste de Dominis aus dem 15. Jahr-
hundert ist eine colossale Maske des Zeus eingemauert mit
grossen Augen und offnem Munde, und ein zweiter Zeuskopf aus
weissem Marmor (?) über der Thüre der Cappellina di S. Pietro
Apostolo (beim Dome). Letzterer ist ebenfalls überlebensgross,
von ziemlich flachen Formen, öffnet weit die Augen und richtet
den Blick nach 1. Das über der Stirne aufstehende, in Locken
herabfallende Haar ist gleich dem Barte mit dem Bohrer bearbeitet.
Die Augensterne sind angedeutet, die Nasenspitze Verstössen.
Zara. 1. In einer kleinen Exedra des 1829 angelegten Giar-
dino pubblico sind nebst Inschriftsteinen und unbedeutenden Frag-
menten folgende Reliefs eingemauert; einiges soll aus Narona hieher-
gebracht worden sein.
Hercules und Mercur, aufrecht stehend unter zwei Ar-
kaden, deren Archivolten von glatten Pilastern mit blattförmigen
51
Kapitalen getragen werden. Hercules unter der Arkade links, bart-
los, mit linkem Standbein, nackt bis auf den erhobenen linken
Arm, über welchem die Chlamys herabhängt, hält in der Linken
die Keule geschultert und in der der Hüfte genäherten Rechten
den Bogen. Mercur unter der Arkade rechts, mit rechtem Standbein,
die lange Chlamys auf der rechten Schulter geknüpft und den
Petasos auf dem Haupte, hält das Kerykeion in der Linken und einen
Stab in der gesenkten Rechten.
Bruchstück, links und unten gebrochen, 0*56 hoch, 0*62 breit,
bekrönt mit einem Sima : Zwei Kinder männlichen Geschlechts,
von welchen das zur Linken, die Beine übereinander schlagend
und den Kopf nach r. wendend, sich auf das andre lehnt und
den linken Arm auf dessen Nacken legt. Das letztere stemmt die
rechte Hand gegen den Körper des ersteren und schreitet nach 1.
aus. Jenes senkt mit der Rechten eine Fackel, dieses erhebt eine
solche mit der nach r. ausgestreckten Linken. Das erstere trägt
einen wulstförmigen Kranz im lockigen Haare und um den Hals;
ein Gewand mit flatternden Zipfeln um den rechten Vorderarm
gewickelt, fällt rückwärts herab und ist über die Oberschenkel ge-
worfen. Die Füsse beider Figuren fehlen.
Relief, 0'42 hoch, 028 breit, in reich verziertem Rahmen:
tanzende Man ade in langem faltigen Gewände mit losgegürtetem
Ueberschlage, den Kopf mit dem flatternden Haare zurückwerfend,
fasst mit den gesenkten Händen die Zipfel ihres Mäntelchens. Das
Gesicht und der linke Arm sind abgestossen.
Relief mit der Darstellung des stieropfernden Mithras, oben
und rechts gebrochen ; links steht der Knabe mit der erhobenen
Fackel, darüber der aufsteigende Sonnenwagen. Auf dem aufge-
blähten Mantel des Mithras sitzt ein Rabe.
2. In S. Donato. Maske des Ammon, 0*56 hoch ..auf der
Basis eines Pilasters. Das Gesicht ist von breiten Formen, der
Bart kurz; zwei von der Stirne aufstehende Locken bedecken die
Wurzeln der Widderhörner. Vgl. eine ganz ähnliche Maske eben-
falls auf dem Postamente eines Pilasters im Museum zu Pola. [Conze
notirte 1871 in ein Haus eingesetzt ,,vom Walle gleich beim Dampf-
schiffslandungsplatze rechts" eine Ammonsmaske von sehr roher
Arbeit.]
Ebendort wird ein bei S. Giovanni vor den Mauern Zara's
gefundener Grabcippus (ca. 0*76 hoch) aufbewahrt. Der cylindri-
sche, nach oben sich verjüngende, unten mit einer ringsum-
4*
52
laufenden Rinne versehene Körper, auf dem die Inschrift (arch.-epigr.
Mitth. VIII S. 163 n. 245) unter einem plastisch gebildeten Feston
angebracht ist, wird von einem einfachen Gesimse und einem Dache
in Form eines abgestumpften Kegels bekrönt. Die Spitze derselben
ist zum Aufnehmen eines Holzbalkens zubearbeitet worden, da der
Stein früher als Stütze einer Bank in einem Hause im Borgo Erizzo
gedient hat. Diese Art von Grabmälern scheint Zara und der um-
liegenden Landschaft eigenthümlich gewesen zu sein. Zwei ähn-
liche sah ich in Nadin ^ bei dem einen derselben (1'23 hoch, 0"51
im Durchm.) mit der Inschrift Mitth. VIII S. 158 n. 229 in ein-
gerahmtem Felde ist das Dach mit aufwärts stehenden Schuppen
(nach Art eines Pinienzapfens) verziert; der andre ist völlig schmuck-
los. Ein dritter ohne Dach liegt bei der Kirche zu Podgradje
(Asseria), 0*86 hoch, ca. 0"65 im unteren Durchmesser (C. I. L. 2850) ;
die Kehlleiste seiner Basis ist mit Blättern verziert. Cassas {voyage n. 28
cf. pag. 88) zeichnete zu Zara einen vierten aus Nona, dessen Inschrift
(C. I. L. 2980) auf einer dem Cippus vorgestellten, mit einem
Giebel abgeschlossenen Stele eingemeisselt ist.
3. Kleinere Anticaglien — Vasen, Fibeln, Instrumente aus
Bronze, Ringe mit Gemmen — werden in der naturgeschichtlichen
Sammlung des Gymnasiums verwahrt, u. a. der Inhalt eines aus
Ziegeln errichteten, im Borgo Erizzo aufgedeckten Grabes: eine
Lampe mit cresces , eine Amphora und eine Schale aus Thon und
zwei Glasgefässe. Im Ganzen ist wenig erwähnenswerth. So etwa
eine 9 Ctm. hohe Bronzestatuette eines jugendlichen Satyrs
mit Thierohren und über der Stirne aufstehendem Haare, linkem
Standbeine, dem geschulterten Pedum in der Rechten, und einer auf
der rechten Schulter genestelten Nebris, deren mit Früchten gefüllter
Schurz von der linken Hand unterstützt wird. Die Statuette ist
hinten flach zubearbeitet und war deshalb wohl an irgend einem
Geräthe befestigt. — Ein auf der Insel Brazza gefundener Grab-
stein aus Kalkstein, 0'62 hoch und 0'37 breit, mit einem zacken-
förmigen Abschluss oben und einem Einsatzzapfen unten , zeigt
über einer unverständlichen Inschrift in überaus rohem Reliefe einen
Mann in Vorderansicht mit kugeligem Kopfe, unförmlichen Ohren,
quadratischem, diagonal durchfurchtem Körper und dünnen Armen.
Er schwingt in der Rechten eine Harpune gegen einen Delphin.
Die Beine der Figur sind plastisch nicht ausgedrückt. Ich zweifle
nicht, dass dieses barbarische Bildwerk altslavischen Ursprungs ist.
53
Kistanje. Auf dem Platze sind auf Veranlassung des Herrn
Giorgio Sundicic mehrere römische Sculpturen aufgestellt worden,
welche dem alten Burnum {Archi romani) entstammen. [Ueber die
Reste dieser antiken Ansiedlung vgl. Gliubich studi archeologici nella
Dalmazia im Archiv für Kunde österr. Geschlchtsquellen Bd. XXII
S. 259 f., Bull. dalm. II p. 83 f.] Es sind darunter Säulenfrag-
mente, Gesirasstücke und dgl. Ein colossaler Kopf des Jupiter
aus Marmor, über 060 hoch, und ein andrer bärtiger Kopf aus
Kalkstein sind von roher Arbeit und ohne Belang. Dagegen sind
einige der in die Mauer um die öffentliche Cisterne eingelassenen
Reliefs aus Kalkstein von eigenartigem Interesse.
Das merkwürdigste darunter ist ein Bruchstück (etwas über
rOO lang und 0*89 breit) mit dem Bilde der Juno. Die Göttin
sitzt nach r. und ist mit dem Chiton, der von der linken Achsel
herabgleitet, und mit dem Epiblema, das um die Beine geschlagen
ist, bekleidet. Trügt ein Rest an der Schulter nicht, so fiel ein
Schleier von ihrem Hinterhaupte herab. Sie hält in der nach-
lässig in den Schooss gelegten Linken das Zepter. Mit einer ge-
wissen, für die späte und provincielle Kunstübung charakteristi-
schen Aufdringlichkeit steht auf dem Knie des aufgestellten linken
Beines der Göttin ihr heiliger Vogel, der Pfau, der den Kopf seiner
Herrin zugewandt ein Rad mit dem Schwänze schlägt. Die Schwanz-
federn zeigen an ihren Enden tief gebohrte runde Löcher. Das
Relief ist links gebrochen; der Kopf der Figur, ihr rechter Arm
und ein grosses Stück der Draperie fehlen. Rechts ein senkrechter,
etwa 0'45 breiter Streifen mit Ornamenten, die aus Weinranken
gebildet sind. Buchstabenähnliche Zeichen im Bildfelde schienen
mir modern.
Auf einem anderen Fragmente (0'37 hoch) sieht man den
jugendlichen Kopf des Helios, von Strahlenkranz und scheiben-
förmigen Nimbus umgeben, den gesenkten Blick nach 1. rich-
tend. Eine dünne Leiste in der Höhe des Mundes weiss ich nicht
zu deuten.
Ein drittes Fragment (0*88 hoch, 1 M. breit) zeigt drei weib-
liche Figuren. Nur die mittlere ist vollständig erhalten. - Sie steht
aufrecht in Vorderansicht und ist mit dem Chiton und dem Hima-
tion, welch' letzteres Hinterhaupt und Arme verhüllt, bekleidet.
Von der Figur links ist nur der linke Arm und der mit der Hand
gehaltene Kalathos auf der Schulter übrig. Jene rechts mit nacktem
Oberkörper und gekreuzten Beinen, welche das Gewand bedeckt,
*
54
berührt mit der R. eine auf einer Säule liegende Kugel, ist also
Urania. Es fehlen der Kopf und der linke Arm derselben. Weder
Stil noch Grössenverhältnisse lassen das Stück einem Sarkophage
zusprechen.
Auf zwei Reliefs sind Oelbäume dargestellt ; auf dem einen
derselben kriecht unten aus hohlem Stamm eine Schlange, wäh-
^^ rend oben auf einem Zweige ein Vogel sitzt. — In dieselbe
iUJIj Mauer ist der der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts
angehörige Grabstein eines Soldaten der XI. Legion, L.
Cassius Martialis aus Aquae Statiellae in Liburnien (C I. L.
2833) eingesetzt. Unter dem Inschriftfelde sind Richtscheit
(oder Massstab), Winkelmass und Zirkel abgebildet, und
zwischen beiden letzteren das räthselhafte beistehend skiz-
zirte Geräth.
In einem Privathause zeigte man mir nebst anderen kleinen
Anticaglien, welche in der Umgebung ausgegraben wurden, zwei
geflügelte Aeonbilder aus Bronze.
Muc (Andetrium). An der Landstrasse in der Nähe der Kirche
ist der Grabstein des Servius Ennius, Soldaten der achten
Gehörte (Arch.-epigr. Mitth. VIII S. 151 n. 198) aufgestellt. Von
beträchtlicher Höhe — bei 091 Breite 2-37 hoch, wovon 1*12
auf den oberen Theil fällt — zeigt er über dem eingerahmten In-
schriftfelde die Kniebilder des Verstorbenen und seiner Frau Fulvia
Vitalis in Relief zwischen zwei Halbsäulen, deren Schäfte mit nach
oben gerichteten schuppenähnlichen Blättern verziert sind. Die-
selben stützen ein Gebälke, das ursprünglich wohl einen Giebel
getragen hat. Zur Rechten steht der Soldat, bartlosen Antlitzes,
mit in die Stirne gekämmtem Kopfhaare. Er trägt über der Tunica
die geschlitzte, um den Hals mit dem Sinus versehene Paenula,
nähert die Rechte der Schulter und hält in der Linken eine Schrift-
rolle. An seiner rechten Seite ein langes Schwert; an dem Cingulum
drei herabhängende Riemen mit Metallbeschlägen und blattförmig
geschnittenen Enden. Links steht die Frau, deren Haar in Strähnen
nach hinten gestrichen ist, mit der Palla über dem Untergewande, die
rechte Hand an ihre Brust, die Linke auf die linke Schulter ihres
Gemales legend.
In der Nähe liegt ein zweiter Grabstein, dessen Inschrift bis
auf wenige Buchstaben zerstört ist. Unter derselben sieht man
noch den Ueberrest eines Winkeleisens, ein ßleiloth an einer Schnur,
55
die zum grösseren Theile um ein Stäbchen aufgewickelt ist, und
einen Zirkel, dessen eine Spitze das Bleiloth berührt.
Sinj. Im Hofe des Franciskanerklosters sind mehrere Inschrift-
steine eingemauert, darunter der Grabstein des Burrius Trebucus
(Ephem. epigr. vol. IV 357). Die in einem oberen Stockwerke des
Klosters untergebrachte Lehrmittelsammlung des Gymnasiums be-
wahrt folgende aus dem alten Aequum stammende Fragmente
einer colossalen Statue des jungen Herakles:
1. Kopf aus weissem Marmor, der unter dem Einflüsse der
Feuchtigkeit fleckig geworden ist, 044 hoch sammt dem Bruch-
theile des Halses; Gesichtslänge 0-245, Stirnhöhe 0-06, Nasenhänge
0"085, innere Augenweite 010, äussere 0"17.
Gefunden nach den von Director F. Buliö^gütig eingezogenen
Erkundigungen im Mai 1860 zu Jazvinke bei Citluk. Erwähnt als
„tesla dl un Pankratiasta" im Btdl. di archeol. e storia dalm. VIII
p. 7. Abgebildet von zwei Seiten auf Taf. I. Durch das freund-
liche Entgegenkommen der PP. Franciskaner, welche den Kopf
nach Wien gesandt haben, war es möglich, Gipsabgüsse desselben
herstellen zu lassen.
Es fehlt links ein Theil des Gesichtes mit dem Ohr; das Auge
und ein grosses Stück der Wange ist aber vollständig erhalten,
und der entsprechende, getrennt gefundene Theil des Hinterhauptes
jetzt angefügt. Die Brüche scheinen nicht in Folge eines gewalt-
samen Eingriffes, sondern natürlich entstanden zu sein. Alles vor-
handene ist von glücklichster Erhaltung, auch die Nasenspitze un-
verletzt. Der Kopf war nur sehr wenig nach rechts geneigt. Die
Formen desselben sind überaus kräftig. Die durch parallel ver-
laufende Falten quer getheilte Stirne ist über der Braue stark
eingesunken und schwillt gegen die Nasenwurzel hin an. Der
Nasenrücken ist ungemein breit. Die Augenlider sind tief ein-
geschnitten, die Brauen leicht eingeritzt. Der Mund ist etwas
geöffnet, so dass die oberen Zähne sichtbar werden, das Kinn
voll und prall. Das Ohr zeigt die Missbildung der Pankratiasten.
Das dichte, kurzgelockte Haar steht über der Stirne auf und ist
mit einer schmalen, ringsumlaufenden Tänie geschmückt. Eine vor
dem Ohre herabfallende Locke schmiegt sich der Wange an. An
dem erhaltenen Bruchstücke des Halses ist der Kopfnicker stark
entwickelt, die Drosselader in ihrem Verlaufe unter der Haut deut-
lich erkennbar. Vortrefflich ist die Modellirung von Stirne, Auge
56
und Wangen, und schön gezeichnet sind die Conturen der Augen
und Lippen. Die Gesichtstheile sind durchaus leicht polirt. Ver-
nachlässigt ist dagegen das Ohr und ungleich geringer die Aus-
führung des Haares. In seinem Schädelbau und den Gesichtszügen
erinnert der Kopf an den lysippischen Apoxyomenos. Man darf
ihn wohl in die frühe Kaiserzeit setzen , welcher auch die meisten
Inschriften aus Aequum angehören. Die unten zu erwähnende, mit
einer Keule bewehrte Hand verräth , dass er zu einer Statue des
Herakles gehört hat, der gleichfalls bartlos auf dem S. 50 beschrie-
benen Relief und den Münzen der illyrischen Stadt Heraklea dar-
gestellt ist'^).
2. Fragment vom Rücken, 0*47 lang, von dreieckigem Durch-
schnitte und von ziemlich regelmässigen Bruchflächen begrenzt, die
durch natürliche Sprünge im Marmor veranlasst zu sein scheinen.
Es zeigt einen Theil des tief gebetteten Rückgrates und ein Stück
der linken Schulter.
3. Die rechte Hand, an derselben Stelle wie der Kopf im
Frühjahre 1860 gefunden, 027 lang (das ganze Fragment 0-35) 023
breit. Der Bruch geht vom Ballen des kleinen Fingers quer bis
zum Processus dyloideus radü; nur wenig an Knöcheln und Finger-
spitzen Verstössen. Die Hand war gesenkt, Finger und Daumen
legen sich leicht (ohne es jedoch zu fassen) an das dünnere Ende
der offenbar aufgestützten Keule , von der ein 0-25 langes Stück
(Durchm. 0085) erhalten ist. Die dicke Haut, unter welcher Sehnen
und Geäder sich deutlich verfolgen lassen, bildet schwielige Polster
an den Gelenken der Phalangen. Die Nägel sind schmal und kurz
geschnitten. Zwischen den zwei letzten Fingern ist eine Stütze
geblieben. Die Arbeit ist tüchtig und spricht für das anatomische
Wissen des Meisters.
4. Die zwei oberen Phalangen des Mittelfingers der linken
Hand, Ol lang.
'■•) Scylacis Caryandensis periplus 22 [Geoyraphi graeci minores ed. C. Müller
vol. I). MeTÜ bi Aißupvoüq eiaiv MXXupioi eBvo^, koI TrapoiKoOöiv oi 'IWupioi
Tiapü ediXoTTav iii^xpi Xaoviat; Tf\<; küt« KepKupav Tt'iv 'AXkivöou vnöov. Kai
TTÖXi^ ^ötIv 'EWnvl^ ^vraOea, fj övona 'HpotKXeio, Kai Xi^nv. Schon P. Nisiteo
(Gliubich numogr. dalm. p. 32) hat auf dieHe Stelle als der einzigen, die der Stadt
Heracleia Erwähnung thut, hingewiesen. Sie ist den übrigen Numismatikern ebenso
entgangen, als dem Herausgeber der Geoyraphi minores die namentlich auf Lesina
so zahlreich zum Vorschein gekommifnen Münzen, welcho die Existenz dieser
griechischen Ansiedlung ausser Zweifel setzen, unbekannt geblieben sind.
57
[Im nahen Citluk habe ich vergeblich die Votivara des
Hercules {Bull dalm. VII p. 38, Arch. - epigr. Mitth. VIII S. InO
n. 196) gesucht. Auf der einen Seite derselben soll dargestellt
gewesen sein i^,alquanto battuto^') un albero di pomo col drngone, che
dovrehbe rappresentare la fatica di Ercole neW orto deile EsperiJi.
Ueber die Ausgrabungen daselbst vgl. Bull, di arch. e storia dalm.
III p. 36, 71, VIII p. 7-9.]
Kozute. Bei der Casa Knexovich der Grabstein CLL.
2712, 1*70 hoch. Er ist mit einem Giebel bekrönt, in dessen Feld
die von zwei Spiralsäulchen getragene Nische einschneidet. In der-
selben das Brustbild des M. Elvadius Macrinus, der — bartlos und
in den Mantel eingehüllt — die Rechte auf die Brust und die Linke
auf das Gesimse legt. Es folgt das Inschriftfeld und darunter die
Darstellung eines mit kurz geschürzter Tunica und Mantel beklei-
deten jungen Mannes, der mit der Rechten ein gesatteltes Pferd am
Zügel nach r. führt, während er in der Linken eine Gerte hält. Vor
ihm rechts ein freier Raum. Das Inschriftfeld sowohl wie das
Relief darunter sind rechts und links von Halbsäulchen eingeschlossen ;
die Schäfte der einen sind mit aufstehenden Blättern geschmückt,
die der andern mit Canneluren. — Ausserdem C. I. L. 2723 mit
den dort erwähnten unverständlichen Gegenständen an der Protome
des Verstorbenen.
Trau. In der Bibliothek des Conte Fanfogna-Garagnin: ein
überlebensgrosser weiblicher Kopf von effectvoller Arbeit (Nase und
Kinn abgestossen) ; der Kopf eines Kindes mit einer von der Stirne
zum Scheitel ziehenden Flechte ; ein Attisköpfchen (mit phrygischer
Mütze) ; der unterlebensgrosse Torso einer nackten männlichen
Figur. Ferner einige Thonfiguren und Gefässe.
Im Garten des Grafen Fanfogna ausserhalb der Stadt: ein
überlebensgrosser Torso einer Statua togata aus Kalkstein.
Kopf, Füsse und linke Hand fehlen. Die nackte Rechte ist gesenkt
und fasst die Falten des Sinus. Rechts unten ein Scrinium.
Der viereckige Cippus des T. Statilius Maximus (C. I. L.
2052) — mit stark ausladendem Gesimse und einem Giebel be-
krönt — zeigt auf jeder der Nebenseiten einen schreitenden ge-
flügelten Knaben, der mit der erhobenen Hand einen auf den Kopf
gestellten Korb hält, und in der gesenkten einen Hasen.
58
Sette Castelli. In der Casa Capo Grosso in Castel
Vitturi ein grosser christlicher Sarkophag aus schön polirtem
Marmor; in der Mitte das Kreuz in einem kreisrunden Felde; rechts
und links ein Lamm.
In Castel Cambio liegt nahe bei der Kirche ein Kalkstein-
block, 0-58 hoch, 0"54 breit, 0"21 dick, rechts und unten gebrochen,
mit der Figur eines Jünglings, der Personification einer Jahres-
zeit (des Herbstes) in Relief. Dieselbe ist bis unter den Bauch
erhalten. Bekleidet mit einer an der rechten Schulter genestelten,
hinten herabfallenden Chlamys (nach den eingekerbten Rändern
zu schliessen ein Fell), schreitet sie nach r., unterstützt mit
der erhobenen Linken einen auf die Schulter gestellten Korb, der
mit Früchten gefüllt ist, und hält in der gesenkten Rechten einen
Büschel. Der Korb sowohl als der Kopf, an dem nur eine auf
die Schulter fallende Locke erkennbar ist, sind abgestossen. Das
Bild ist in einem reich mit Pflanzenornamenten gezierten Rahmen.
Der Arbeit nach noch aus besserer Zeit (1. Jahrhundert?).
In Castel Abadessa, an der Ecke des Hauses Pavlav,
ein überlebensgrosser bärtiger Kopf (Jupiter?) aus Kalkstein (sehr
Verstössen); in der Casa Curlin die linke Hälfte des Giebels eines
Grabmals, mit zwei (concentrischen) Kränzen in der Mitte und einem
denselben zugekehrten liegenden Greifen.
An einem Hause in Castel Susuraz zwei Architekturfrag-
mente (0*36 hoch, 0"51 und 0"60 lang) mit reichem Rankenwerke,
an dessen Trauben Vögel picken ; an einem anderen Hause das
Fragment einer in Stein gehauenen Thüre in viereckige Felder ge-
theilt, mit kreisrunden Beschlägen in den oberen, Thürklopfern in
den unteren Füllungen.
Salona. 1. Im D6p6t des Spalatiner Museums im Bahnhofe
befinden sich folgende zwei Reliefs :
Fries mit Ornamenten, 0*46 hoch, 1 "TS lang; in der Nähe
des Baptisteriums innerhalb der antiken Mauern vor etwa zwanzig
Jahren gefunden , früher in der Casa Poljak. Eine kleine , etwa
ein Drittel der Höhe des Frieses einnehmende Amphora steht auf dem
Boden in der Mitte zwischen zwei einander im Profil zugewandten
bärtigen Tritonen , von denen der eine (links) die Leier spielt,
der andere (rechts) die Flöte bläst. Die Fischflossen, in welche
die schlangenartig gewundenen Unterkörper derselben auslaufen,
sind gleich den Blättern, die an den Hüften den Uebergang der
59
menschlichen in die thierische Form verhüllen, ornamental behandelt.
Rechts und links von dieser Miy;elgruppe sind in symmetrischer
Anordnung je zwei von einander nach abwärts gekehrte Delphine
und zwischen denselben unten je eine Amphora angebracht. Ueber
die Schwanzenden der Fische ist beiderseits ein flatterndes Band
gelegt, dessen dem Kopfe des Triton genähertes Ende blattförmig
gebildet ist. Das Relief wird oben und unten von einem Leistchen
und einer Hohlkehle und zu beiden Seiten von einem breiten, etwas
vortretenden Pilaster eingefasst. Jeden Pilaster ziert in Relief eine
hockende, zur Mitte gewandte, geflügelte Sphinx, welche die Vorder-
pfote über eine (etwas tiefer stehende) Amphora hält. Schwunglos
in der Zeichnung und flau in der Erfindung , ist der Fries nicht
ohne handwerkliche Sorgfalt ausgeführt; nur die Sphinxe auf den
Pilastern sind roher.
Windspiel, Relief, 0-75 hoch, 1*14 breit ; vom Amphiteater.
Der Hund sitzt auf den Hinterbeinen nach 1. und leckt die linke
erhobene "Vorderpfote. Ihm gegenüber spärliche und undeutliche
Spuren einer zweiten Figur. Der lebensvollen Auffassung des Thieres
nach gehört das Relief einer früheren Zeit an. Einen Hund derselben
Rasse (Kopf und Schultern) zeigt ein in Dalmatien (bei Kistanje?)
gefundenes Bruchstück, RödHch Skizzen des physisch-moralischen
Zustandes Dalmatiens und der Buchten von Cattaro (Berlin 1811)
Taf. 6. Vgl. ferner die Statuen in Vienne (Delorme description
p. 123 n. 1, Gazette archeologique 1880 pl. 10), aus Gabii im Louvre
(Clarac 350. 2595), vom Monte Cagnolo im Vatikan (Sala degli
Animali n. 116), im britischen Museum {Synopsis etc.: dep. of greek
et roman ant. p. II n. 54, Ancient Marlies part X vignette) etc.
2. Gleichfalls für das Museum in Spalato sind folgende, beim
Custoden Giovanni nahe beim Bahnhofe {Osteria alla stazione) auf-
bewahrten Stücke bestimmt.
Torso einer Apollonstatue (oder Bacchus?), vielleicht vom
nahen Theater, Marmor. 0*93 hoch, von der Halsgrube zum
Nabel 0*49. Die rechte Hüfte ist ausgebogen, beide Arme waren
erhoben. Auf die Schultern fallen Locken herab. Am Rücken ein
vertieftes trapezoidförmiges Feld. Trockene Arbeit.
Fragment eines Reliefs, weisser Marmor, ungefähr 0-43 hoch,
allseitig gebrochen. Erhalten ist der Untertheil einer nach 1.
sitzenden männlichen Figur von etwas über dem Nabel an. Ihr
nackter Oberkörper war zurückgelehnt und der linke Arm aufge-
60
stützt. Die Beine sind in den Mantel gehüllt, der rechte (abgebro-
chene) Fuss war vorgestellt, der linke ist zurückgezogen. Das ge-
schweifte Stuhlbein endigt in einen Pantherkopf und über dem Sitz-
\^il^^
brette hängt ein Thierfell herab. Die Figur ist demnach wohl
Bacchus. Gute Arbeit.
3. Einige hundert Schritte von der Bahnstation, an der Strasse
nach Trau, liegt die kleine Cappella di S. Caio, erbaut von Kaiser
Franz II. zum Schutze des während seiner Anwesenheit 1818 in
Salona entdeckten, in den Felsen gehauenen Sarkophages (0'85 hoch,
2"85 1.) mit der Darstellung dreier H erakl esthaten, der nun als
Altartisch dient; abgebildet sachlich richtig, im Stile aber verfehlt
Steinbüchel Dalmatien (^Wiener Jahrbücher der Literatur XII. Bd.
Anzeigeblatt Nr. XII) Taf. I Fig. 3, und Lanza momnnenti Saloni-
tani inediti (Denkschriften der Akad. d. Wissensch. VII. Bd.) tav. II
Fig. 1. üeber dem Herakles im mittleren Bilde fliesst aus einer
Oeffnung eine Heilquelle.
4. In Salona selbst und den zerstreuten Gehöften bis gegen
Klissa hin "^) findet man an den Häusern eingemauert zahlreiche
Architekturfragmente und Reste antiker Sculpturen, die alle zu ver-
zeichnen mir trotz wiederholter Besuche dieses Ortes nicht möglich
war. Die grosse Anzahl unbedeutender Bruchstücke bei Seite
setzend, hebe ich folgende zwei Stücke heraus :
Gruppe zweier Ringer, Relief an dem Hause bei der Brücke
über den Jader, rechts und links gebrochen, 082 hoch, 104 br.
Der eine (rechts) nach 1 ausschreitend, das Gesicht dem Beschauer
zugewandt und den Oberkörper stark vorgeneigt, hat mit beiden
'") Nach Procopins de hello ijothico I 7, papf. 38 ed. Dindorf, reichten die
Vorstädte Salona's bis zu dem Engpasse von Klissa.
61
Armen seinen Gegner (links) auf die Kniee und Ellenbogen zu Boden
gedrückt. Beide Ringer sind nackt und von plumpen Körperformen.
Ära, 0-98 h., 0 46 br., im Hause des Doimo Katic, s. Hirsch-
felds Bericht S. 6 n. 5. Dieselbe dürfte ursprünglich weder für die
Sculptur noch die Inschrift bestimmt gewesen sein, da die eine
wie die andere in die oben und unten abschliessenden architekto-
nischen Gliederungen übergreift. Inmitten der Inschrift steht in
Vorderansicht Herakles (1. Standbein) mit geschulterter Keule in
der erhobenen Rechten und dem Löwenfell über dem gesenkten
linken V^orderarm. Die Oberfläche ist ganz zerstört.
Vranjica. Drei Fragmente einer überlebensgrossen weib-
lichen Gewandstatue aus Marmor liegen vor der Casa Bulic.
Zwei davon passen aneinander und bilden die untere Hälfte der
Statue (1-15 hoch), ein drittes (ca. 0-50 hoch) ist ihr rechtes
Schulterstück. Die Frau war mit dem langen Aermelchiton und
mit einem darüber geworfenen, mit Fransen besetzten Himation
bekleidet; ein Zipfel desselben hing über die linke Schulter. Der
rechte Oberarm war gesenkt. Standbein ist das rechte. Der Kopf
war in einem tiefen, rauh geriefelten Becken eingesetzt. Die
Arbeit ist in Hinblick auf ihre provinzielle Entstehung vortrefflich,
die Rückseite der Figur aber vernachlässigt.
M er cur, Relief an einem benachbarten Hause. Der Gott mit
dem Petasos auf dem Haupte ist mit der Chlamys bekleidet, hält
in der R. den Beutel, in der L. den Caduceus. Der untere Theil
fehlt. Vgl. die S. 49 und 50 beschriebenen Reliefs. Ein andres
mit dem Bilde des Gottes in Kljake (Magnum) ist im Bull. dalm.
III S. 114 beschrieben.
Genius des Herbstes, Relief an der Casa Benzon am Ufer.
Der geflügelte nackte Knabe geht, das rechte Bein zurücksetzend,
nach 1. ; sein Kopf in Vorderansicht. Er trägt mit der erhobenen
Rechten einen mit Früchten vollgefüllten Korb auf dem Nacken und
hält in der gesenkten Linken ein Häschen. Der Rahmen ist reich
verziert, mit Akanthosornamenten der äussere breite Rand , mit
Blättern die innere Hohlkehle. Vgl. die Rehefs im Giardino Fan-
fogna zu Trau und in Castell Cambio (S. 58), sowie den Sarkophag
mit der Darstellung der vier Jahreszeiten im Museum zu Spalato,
abgeb. Lanza momimenti Salonitani inediti tav. VII Fig. 2.
Fragment eines Reliefs, Marmor (?), 0-17 hoch^ 0-33 breit, an
der Casa Belzon. Erhalten ist der im Profil nach r. gewandte bär-
62
tige Kopf und die Brust einer Figur sammt dem Obertheile ihres
vorgestreckten linken und der Schulter des nach hinten gestreckten
rechten Armes (Zeus?).
Marmorplatte von einem altchristlichen Sarkophage an
der Gartenmauer der Casa Belzon gegenüber; rechts gebrochen.
Sie ist mit einem profilirten Stabwerk eingerahmt und war in der
Mitte mit einem zum grösseren Theile erhaltenen Monogramme Christi
in einem umschriebenen Kreise geziert, in dessen Centrum an der
Kreuzungsstelle der Buchstaben ein Medaillon mit der winzigen
Protome des Gestorbenen angebracht ist. Ein langer gewundener
Stengel mit einem Epheublatte an der Spitze ging jederseits unten
von der Peripherie des Kreises zur Ecke der Platte; nur der
links ist vollständig erhalten. In der linken Ecke darüber ist in
einem besonders eingerahmten rechteckigen Felde (0'43 hoch, 0'18
breit) , dem rechterhand ein gleiches entsprochen haben muss , die
Darstellung des guten Hirten. Derselbe, in kurzgegürteter Tunica,
steht in Vorderansicht auf einer felsigen Anhöhe und stellt — nach
r. sich beugend — den Stab auf ein emporragendes Felsstück. Unter
ihm stehen, von einander abgekehrt, mit zurückgewandten Köpfen
zwei Schafe. Darstellungen des guten Hirten nach verschiedenem
Typus begegnet man auch auf anderen Sarkophagen aus Salona,
so auf einem im Museum zu Spalato (Conze, römische Bildwerke
einheimischen Fundorts in Oesterreich Taf. II) und auf einem zweiten
im Flure der Mädchenschule daselbst.
Bruchstück eines Reliefs von Marmor, an der Casa Benzen
Prete. Man sieht das vom Himation bedeckte, eingezogene rechte
Bein einer nach r. sitzenden Gestalt und das mit einem nach vorne
gewandten Pantherkopf gezierte Bein des Thrones. Vgl. das Relief
bei der Osteria alla stazione in Salona S. 60.
Linker unterer Theil eines Reliefs, 0-13 hoch, 0-19 breit, aus
Marmor, an demselben Hause. Erhalten ist der Leib und drei Beine
eines nach r. schreitenden Esels oder Maulthiers, das nach I. ge-
wandte Bein des Reiters (vielleicht des verkehrt auf den Esel ge-
setzten Silen) und der untere Theil einer dem Thiere folgenden
bekleideten weiblichen Figur. Auf dem glatten Rande unten:
so RI AN VS CO
LIBE
Kopf eines Windgottes, rechte obere Ecke einer umrän-
derten Reliefplatte aus Kalkstein, 0*26 hoch, O'gl breit, ebenfalls
63
an der Casa Benzon Prete. Der Kopf (unter dem Halse abge-
schnitten) in Profil nach 1. ist bartlos und jugendlich , mit kurzem
Haare. Ein Flügel über dem Ohre und der plastisch gebildete,
aus seinem Munde kommende Windhauch bezeichnen ihn als Wind-
gott. Vor demselben ist im Reliefgrunde eine schräge Furche ge-
zogen. Nach Benndorf s ansprechender Vermuthung rührt das Bruch-
stück von einer Sonnenuhr her.
[Nicht gesehen habe ich die „in einem frei emporstehenden
Felsen eingehauenen Brustbilder einer römischen Familie'% welche
Steinbüchel Dalmatien S. 12 erwähnt, desgleichen nicht die Sarko-
phage, welche nach demselben Autor S. 14 ,,an der äussersten
Spitze der Insel, wenn man sie hart am Lande in einem Kahn um-
fährt", im Meeresgrunde sichtbar sind.]
Spalato. 1. Aus dem reichen Besitzstande des Staats-
museums und seiner Depots im sog. Magazine Kattalinic, im
Gymnasium und der Mädchenschule, sei hier einer kleinen Gruppe
von der Göttin Diana geweihten Votivreliefs gedacht, welche
ähnlich den Pan- und Nymphenbildern für das Land, dem sie
entstammen, besonders eigenthümlich zu sein scheinen. Auch für
den Cultus dieser Gottheit dürften griechische Einflüsse massgebend
gewesen sein. Das Bild der Artemis findet sich nämlich auf auto-
nomen Münzen von Rhizon (Evans im Numismatic Chronicle vol. XX
p. 292), auf Münzen des Königs Ballaios (a Cafalogue of the greek
coins in the British Museum: Thessaly etc. p. 81) und vielleicht auch
auf Münzen von Issa (Imhoof-Blumer in der Numismatischen Zeitschr.
XVI S. 250). Die thessalische Artemis Pheraia nennt die auf Lissa
gefundene Basis eines Weihgeschenks (C. I. Gr. 1837). Ein Heka-
taion in der modenesischen Sammlung zu Wien, nach Mommsen's
sehr berechtigter Vermuthung (C. I. L. 3156 a) gleichfalls dalma-
tinischer Herkunft, ist der Diana Kelkaia gesetzt (Arch. - epigr.
Mitth. aus Oesterreich Bd. IV Taf. 5, vgl. Bd. V S. 22; über
ein andres Hekatebild aus Salona im unteren ßelvedere ebd. S. 72j.
Ein Heiligthum der Diana {ad Dianarn) am Berge Marian bei Spa-
lato kennt man aus der Tabula Peutingeriana (Segment V ed. Des-
jardins) ; es entspricht dem Dianion des Anonymus von Ravenna
(p. 380, 10 ed. Binder und Parthey) und dürfte wohl eine vor-
römische Gründung sein. Hiemit mag es zusammenhängen, dass
von den vier Votiven an Diana, die das Spalatiner Museum besitzt,
drei in der Umgebung der Stadt gefunden worden sind.
64
Platte aus alabasterähnlichem weissem Marmor, 0*38 hoch,
0"37 breit; unten gebrochen, die Oberfläche theils corrodirt. Diana
— bis etwa zu den Knieen erhalten — den Oberkörper stark
(nach 1.) zurückgeneigt, den Kopf in dreiviertel Profil, in eihgem
Laufe nach r. Sie ist mit dem gegürteten Chiton bekleidet.
Ein schärpenartig zusammengefalteter Mantel ist unter dem Gürtel
und dem Köcherbande gezogen, über die linke Schulter geworfen
und flattert mit dem freien Ende im Winde. Auf dem Rücken
trägt die Göttin den geschlossenen Köcher und in der vorgestreckten
Linken den Bogen, von dessen abgebrochenem oberen Hörn der
Ansatz am Baumstämme rechts sichtbar ist. Der rechte Vorderarm
fehlt, die Hand war in die Hüfte gesetzt. Rechts eine Eiche. Das
Relief ist von völlig ungleicher Erhebung (bis zu 0"063) und rein
malerischer Behandlung; der Baum und der wehende Mantelzipfel
greifen in den prolilirten Rahmen ein. Aus Salona.
Rechte obere Ecke einer Reliefplatte aus Kalkstein, 0 12 hoch,
0"15 breit. Der Bruch geht quer unter dem Kopfe zum rechten
Ellenbogen. Erhalten ist der mit einem Diadem geschmückte Kopf
in Vorderansicht und der erhobene rechte Vorderarm, dessen Hand
den Köcher ('?; umfasst. Ländlich rohe Arbeit. Gleichfalls aus
Salona.
Untere Hälfte eines Reliefs aus Kalkstein, 0'105 hoch, 0'125
breit. Erhalten sind bis nahe zum Knie die mit dem Chiton be-
deckten Beine der nach r. eilenden Göttin; rechts läuft ein Hase
nach r. ; links steht ein Hund mit umgedrehtem aufblickendem
Kopfe und einem Bande um den Hals, lieber dem Ohr des Hasen
vielleicht ein Rest des Bogens. Aus Salona ''^).
"; Ein andre» Bruchstück des Museums, 0175 hoch, 0-18 breit, zeigt in
ähnlicher Weise die Beine einer mit dem kurzgeschürzten Chiton bekleideten Figur;
65
Block aus Kalkstein, von trapezförmigem Grundrisse, 0-35 hoch,
0'17 breit oben, 0-19 unten; Reliefhöhe 004. Die Abbildung nach
einer Photographie. Die Göttin steht in Vorderansicht, wendet den
Kopf in dreiviertel Profil nach r., ist mit dem doppelgegürteten
Chiton, einem schärpenartig zusammengelegten, im Winde flattern-
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den Mäntelchen und kurzen Jagdstiefeln bekleidet und mit dem
Bogen, den sie in der Linken hält, und dem Köcher bewehrt. Sie
nähert die erhobene Rechte dem letzteren, um einen Pfeil heraus-
zuziehen. Rechts ein sitzender Hund nach r. mit zurückgewandtem
erhobenem Kopfe. — Gefunden 1883 im Torre Badnjevica di Po-
stranje (Distretto d' Imoski) „/»'a un mucchio di ciottoloni accumulato
(lalle acque iorrentizle, lango la china di una pendice ripidissitna^'' (Bull.
hinten hängt ein Mantel herab. Den Stock rechts hielt dieselbe offenbar in der
Linken. Links steht ein Hund nach 1. mit zurückgewandtem Kopf und einem Hals-
bande. Die Figur scheint mir männlich.
Archiologisch-epigraphisclio Mittli. IX. k
66
di storia ed arch. dalm. VI p. 65). Vgl. Arch. -epigr. Mitth. VIII
S. 109 n. 22, wo auch die Inschrift.
[Ein fünftes Relief, 0'205 hoch, O'KI breit, befindet sich in
der Sammlung des unteren Belvedere, Sacken u. Kenner' s Katalog
S. 43 u. 74 n. 193, abgebildet in H. F. Rödlich's Skizzen des phy-
sischen und moralischen Zustandes Dalmatiens und der Buchten
von Cattaro Tafel 6. Diana, abermals in der Linken den Bogen
haltend und mit der erhobenen Rechten nach dem am Rücken hän-
genden Köcher greifend, lauft nach r. ; Kopf und Oberkörper en face.
Sie ist mit dem gegürteten Doppelchiton und mit einem vom Winde
aufgebauschten Mantel bekleidet und trägt über der Stirne ein Dia-
dem. Rechts lauft nach r. ein Hase. Rohe Arbeit. Unter dem Bilde
die Inschrift (C. I. L. 31566):
MAXIMIANVS BO^
VM SOLBli
Nach Rödlich a. a. O. S. 3 bei Kistanje gefunden, seit 1805 in der
kaiserl. Sammlung].
Den übrigen Skulpturen des Museums entnehme ich nur noch
ein Relief mit einer historischen Darstellung, abgebildet
auf Tafel III (nach einer von Hofr. Benndorf zur Verfügung ge-
stellten Photographie mit Zuhilfenahme einer Skizze). Es ist rechts,
links und unten vollständig, oben aber gebrochen, und misst gegen-
wärtig 0"395 in der Höhe bei 0*609 Breite. Die Figuren erheben
sich bis 0*06 vom Hintergrunde und ragen hier und dort über die
einrahmenden Leisten hinaus. — Links (die grössere Hälfte der
Bildfläche einnehmend) sprengt ein Reiter nach r. Der Kopf, der
rechte Arm und der rechte Vorderfuss desselben fehlen, ebenso der
Kopf und das rechte vordere Bein des Pferdes. Der Reiter ist mit
der kurzgeschürzten Tunica, zurückgeschlagenem Mantel und bis
über die Knöcheln reichenden Stiefeln bekleidet. Sein rechter Arm
war erhoben. Ihm folgend lauft neben dem Pferde eine weibliche
Figur, in welcher trotz der ihr mangelnden Flügel Victoria kaum
zu verkennen ist. Ihr Kopf ist weggebrochen und ihr rechter Arm
beschädigt. Sie ist beschuht und im Doppelchiton, dessen Gürtel
ein aufgeljlähtes Mäntelchen aufnimmt (an dem flatternden Zipfel
desselben ein Quästchen), und erhebt den rechten Arm, als hätte
sie in der jetzt fehlenden Hand einen Kranz gehalten. Unter dem
Pferde sitzt eine Sphinx in Vorderansicht mit ausgebreiteten Flügeln.
Man gewahrt einen nach ägyptischer Weise stilisirten Bart unter
67
dem Kinne derselben. Zwei Bänder sind kreuzweise über ihre
Brust gebunden. Rechts hart an den Hufen des sprengenden
Pferdes steht die Figur eines gepanzerten Kriegers en face, das
(abgestossene) Gesicht nach 1. dem Reiter zuwendend. Sein Panzer
schmiegt sich den Körperformen an und ist mit halbrunden Pteryges,
herabhängenden Lederstreifen in doppelter Reihe übereinander und
befransten Aermeln versehen. Das über die linke Schulter ge-
worfene Paludamentum ist an der rechten genestelt. Ausserdem
trägt die Figur einen Helm mit niedriger Crista und kleinem
Nackenschirm auf dem Haupte, Beinschienen und Schuhe. An
letzteren sind deutlich der Lederstreifen auf dem Riste, darüber
eine wohl metallen gedachte Löwenmaske und jederseits über den
Knöcheln herabhängende Lappen erkennbar. Die Vorderarme fehlen.
An dem rechten Beine des Kriegers ringelt sich eine Schlange
empor (grösstentheils weggebrochen). Weiter rechts sieht man
zwei nach r. eilende männliche Figuren über einander, völlig gleich
mit kurzgeschürzter Tunica und über beide Schultern zurückge-
schlagenem Mantel bekleidet. Die eine sich duckend, bartlos, mit
kurzgeschnittenem Haare, legt die Linke auf das Knie, erhebt djp
Rechte, die Handfläche dem Beschauer weisend, wie adorirend oder
erstaunend, und wendet das aufblickende Haupt zurück nach dem
Krieger. Die andere in gestreckter Haltung hält in der erhobenen
Linken eine Rolle; der Kopf fehlt. Ob in dem Gürtel ihrer Tunica
rechts ein Dolch steckt, vermochte ich nicht bestimmt zu erkennen.
— Es ist klar, dass der gepanzerte Kj-ieger ein Imperator und
somit die wesentlichste Figur der ganzen Darstellung ist. Der
Reiter trägt dieselbe Tracht wie die beiden Figuren links und
wird wohl nur als Bote oder dergl. zu fassen sein. Daraus folgt,
dass Victoria nicht ihn bekränzen will, sondern dem Imperator zu-
eilt. Da das Antlitz des letzteren aber fehlt und die dargestellte
Persönlichkeit deshalb auch nicht annähernd zu bestimmen ist, wäre
es bedenklich, die Deutung des Vorgangs weiterführen zu wollen.
Die Sphinx weist nach Aegypten. Dem Stile nach kann das Relief
bestenfalls in das zweite Jahrhundert gesetzt werden. Die Propor-
tionen der Figuren sind kurz; die Arbeit bei grosser Deutlichkeit
und Ausführlichkeit in Einzelheiten ist trocken, stellenweise selbst roh.
Dr. E. V. Berg mann 's Güte setzt mich in die Lage, fol-
gende Lesung und Erklärung der Inschriften an der im Museum auf-
bewahrten Sphinx Amenophis III. hier mittheilen zu können-
5*
68
„Creme komme ich der Aufforderung meines Collegen nach,
die Inschriften der Kalksteinsphinx Amenophis III. (XVIII. Dynastie,
ca. 1450 V. Chr.) in Spalato , die bereits im ersten Jahrgange
(S. 95 — 97) dieser Zeitschrift von fachmännischer Seite besprochen
worden sind, nochmals zu publiciren und meine mehrfach abwei-
chende Lesung derselben nach den mir freundlichst zur Verfügung
gestellten Papierabklatschen und der Abbildung bei Adam pl. LX,
welche die Texte vollständiger gibt, als sie sich gegenwärtig prä-
sentiren, hier vorzulegen. Von der Beschreibung des Denkmales,
das sich in nichts von anderen Königssphinxen unterscheidet, glaube
ich Umgang nehmen zu können und bemerke nur, dass der abge-
brochene Kopf der Sphinx, welchen Prof. Oonze im Jahre 1877 über
einer Hausthüre in Spalato eingemauert sah, nach Dr. Schneider's
Mittheilung sich noch dermalen am gleichen Orte befindet.
Inschrift auf der Brust der Sphinx:
jr ^1
o
AAA/SAA
O I
öS
1) „Der gute Gott Ra neb raat (Vorname Amenophis III.),
der Lebenspender", 2) „geliebt von Amon-Ra, dem Herrn von Nes
(taui), dem Herrn des Himmels".
Inschrift auf der Vorderseite des Sockels*):
*) Die eingeklammerten Hieroglyphen sind gegenwärtig in Folge Verwitterung
des Steines zerstört und nach der Ab))ildung bei Adam ergänzt, in der die am
Schlüsse der Randcolumnen stehenden Zeichen uiidentlich sind. Die oben gegebene
Lesung derselben wird aber durch die Parallelstellen :^^^^y '
111. 49 o) und ia ^^'^:z::7 ■¥■ 1 (1. c. 111. i'Jb) ii.dicirt.
■^^^ (Denkm.
AAAAAA
69
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p/-\AAAAftA-.
L| I I J
1) Ra neb mat; 2) Adoration (seitens) aller edlen Menschen,
welche leben; 3) Amonhotep, der Fürst von Theben; 4) Adoration
(seitens) aller edlen Menschen, welche leben.
Die Gegenüberstellung- der Namensschilder und der Legende:
„Adoration aller edlen weisen Menschen, welche leben", deutet augCÄ-
fcällig an, dass die Huldigung der letzteren sich an die Person des
Pharao als des obersten Schutzherrn aller wohlgesinnten und getreuen
Unterthanen richtet. In dieser Eigenschaft Avird er häufig in den
Inschriften verherrlicht, die ihn bald „eine Mauer, die den Schatten
schlägt für die edlen Menschen, welche sitzen in ihrem Umkreise"
^'^vAA.^^ ° (Dümichen, bist. Inschr. II 46 1. 67), bald ^2>-[S^(j
% I „den Schattenspender der edlen Menschen" (Chabas,
üoV'
rech. p. 70) oder auch den ;,Ra" oder das „Leben der edlen Men-
schen" (grosse Inschrift Ramses II. in Abydos 1. 77 u. 116) etc.
nennen.
Neben der Schriftcolumne 4 ist die Gruppe ^^ in zweimaliger
Wiederholung noch sichtbar. Sie bildete vordem in dreimahger
Uebereinanderstellung die Randeinfassung zu beiden Seiten der eben
besprochenen Inschriften.
Noch sei bemerkt, dass die Doppelfeder mit dem Discus über
den beiden Königsschildern und das Zeichen f^^ unter denselben
sich an gleicher Stelle nur selten finden; andere Beispiele hiefür bei
Lepsius, Denkm. III 786 und 82 <^.
70
Inschrift auf der rechten Seite des Sockels :
„Der gute Gott, der Berg von Gold, über dessen Anblick die
Menschen in Taumel gerathen, der Grosse, das Leben des Ra, der
Erleuchter der beiden Länder (Aegypten) mit seinen Schönheiten . . ."
Die Ergänzung am Schlüsse des noch erhaltenen Textes ist
durch die Hammamat- Stele (Denkm. IIL 219) gesichert, auf welcher
der König ebenfalls den Titel I | W^ ^^ r. — I ' ' ' ftihrt. In
v\ , einem anal XeTÖ^evov, liegt die durch Verdoppelung des
zweiten Radicals erweiterte Form des bekannten Verbums ^ y^ 'Ö'
„trunken sein, in Taumel gerathen" (vgl. ^ für , ,) vor. Die
Bezeichnung des Pharao als „Berg von Gold", ein seltsamer Tro-
pus, basirt auf dem Vergleiche des Glanzes, den der Herrscher
um sich verbreitet, mit einem Berge von Gold.
Inschrift auf der linken Seite des Sockels:
4>^ ( \\^^'W/ I '-'•'^'^ "^^^^li^^ /\ "T" T? y ..Der gute Gott, welcher das
Antlitz öffnet wie Ptah, der klugen Sinnes wie der Herr von Her-
raopolis M. (i. e. Thot), der Grosse von zahlreichen und erstaun-
lichen Denkmälern [deren gleichen vordem nicht gemacht worden],
der Sohn der Sonne Amenophis, der Fürst in Theben, der Herr
aller Länder, welcher spendet Leben, Fortdauer und Gedeihen
wie Ra." -"
2. Das Gerüste, mit dem der Campanile des Domes gegen-
wärtig umgeben ist, erlaubte mir das in demselben eingemauerte
römische Relief, abgebildet in Steinbüchel's Dalmatien Fig. 2 (da-
nach Lanza dtlV antico palazzo dl Diocleziano tav. XH Fig. 2 ; will-
kürlich entstellt bei Adam pl. LIX und Cassas pl. 38; C. I. L.
1972) genauer zu betrachten. Es ist 1-3-1 lang, 0-75 hoch mit
Rand, 0-54 ohne denselben. Die Figur in der Mitte über dem
Altare, nur mit Kopf und Brust sichtbar, ist ohne Zweifel Mercur.
Er trägt auf dem Haupte den Pctasos, dessen Flügel zwar
abgestossen sind, aber unverkennbare Spuren hinterlassen haben.
71
Auf seiner rechten Schulter ist mit einem Knopfe die Chlamys be-
festigt. Trotz seiner Stelkmg im Centrum der Composition ist
Mercur hier doch nur als Gefolgsmann des Hnks stehenden Jupiter
aufgefasst, und deshalb andeutungsweise in sehr flachem Relief ge-
bildet. Zwischen den beiden Figuren rechts, Mars und Kybele,
stehen zwei Beinschienen auf dem Boden.
3. Im Kreuzgange des Klosters S. Francesco (Borgo Grande)
steht wohlverwahrt und durch ein Gitter vor Beschädigungen ge-
schützt der altchristliche Sarkophag mit der Darstellung des
Durchzugs der Israeliten durchs rothe Meer, am besten abgebildet bei
Eitelberger die mittelalterlichen Kunstdenkmale Dalmatiens, Jahr-
buch der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung
der Baudenkraale Bd. V Taf. XVIII (sehr verkleinert in den kunst-
historischen Schriften Bd IV S. 287). Die Wiederholungen dieser
Darstellung auf Sarkophagen ersehe man aus Le Blant etnde sur
les sarcophages chretiens antiques de la ville d'Arles p. 50 [hiezu
-Grousset etiide sur Vhistoire des sarcophages chretiens, catalogue n. 74
und 98]; verwandt sind Mosaikbilder (Ciampini vetera monimenta
vol. I tab. LIX) und byzantinische Miniaturen (Bordier description
des peintiires et autres ornements contenus dans lex manuscrits grecs de la
hihliotheque nationale p. 77 u. 113). Die drei Figuren in halbhegender
Stellung unter den Pferden und dem Wagen des Pharao sind Per-
sonificationen der Localität, von welchen aber nur jene mit dem
Ruder der Legende einer Miniatur aus dem zehnten Jahrhundert
(Bordier a. 1. c. p. 113) zu Folge mit voller Sicherheit als epuGpd
edXacTcrri gedeutet werden kann.
4. Im Hofe des Hauses Geremia bei S. Spirito ist an der
Freitreppe eine Sarkophagplatte mit der Darstellung des Kampfes
72
der Lapithen und Kentauren eingemauert, 0*98 hoch, 1'97 lang;
rechts gebrochen. Die Erhebung des Reliefs ist gering; die Arbeit
mittelraässig. Beistehende Skizze zeigt die aus der griechischen
Kunst fast rein übernommenen Motive der Composition. Links sieht
man von der Darstellung der anstossenden Nebenseite des Sarkophages
die Reste eines Kentaurenkörpers. Er ist in höherem Relief als die
Figui'en der erhaltenen Platte, woraus zu folgen scheint, dass die
letztere die hintere Wand des Sarges gebildet hat. Die Abbildung
bei Adam ruins of the Palace of Diodelian pl. LVIII ist ein Bei-
spiel mehr der völlig willkürlichen Wiedergabe der Monumente in
diesem Buche. An Stelle des im Himation gehüllten Verstorbenen
an der Ecke rechts (nur zur Hälfte vorhanden) ist ein bockfüssiger
Pan gesetzt. Wie meist copirt Cassas pl. 38 auch diesmal seinen
Vorgänger. Lanza delV antico palazzo di Diccleziano tav. XII Fig. 1
bessert wenigstens den erwähnten gröbsten Fehler aus, weshalb er
pag. 21 die „esattezza"" seines Bildes zu rühmen nicht vergisst. Man
bemerke an dem steinschleudernden Kentauren rechts das Schwänz-
chen am Kreuzbeine.
5. An der Casa Plasibat sah ich gleich links von der Thüre
ein Votivrelief (0'29 hoch, 0*46 breit) aus Kalkstein eingemauert
mit der Darstellung der Lares Augusti. Es ist seitdem vom
•Museum erworben worden. In der Mitte steht ein Altar mit der
Inschrift: laravg. Rechts und links nähert sich demselben im
Tanzschritt je ein Lar. Beide sind in herkömmlicher Weise mit
Schuhen imd kurzer Tunica bekleidet; als Gürtel dient ihnen ein
um die Hüften geschlungenes Mäntelchen, dessen Ende frei im
Winde flattert. Sie erheben die eine Hand und halten in derselben
ein Rhyton, während sie mit der gesenkten andern aus einer Patera
in die Flamme des Altars spenden. Den Raum über dem Altar
zwischen beiden P^iguren füllt die Inschrift C. I. L. 1950. Die
Figuren gleich dem vorragenden Rande des Steines sind an mehreren
Stellen verletzt.
6. Im Garten der Casa Eredi Rossignoli: Fragment eines
Sarkophages aus weissem Marmor, an drei Seiten gebrochen,
0'85 hoch, 0*35 breit. Erhalten ist, von kleineren Beschädigungen
abgesehen, eine nach r. sitzende weibliche Figur, welche mit der
Rechten in die Saiten der im Schoosse ruhenden Lyra greift und
die Linke auf das Joch derselben logt, bis zur Mitte der Ober-
schenkel, und der Oberkörper und der ebenfalls nach r. blickende,
gesenkte Kopf einer hinter ihr stehenden zweiten Frau. Erstere
73
ist mit dem unmittelbar unter den Brüsten gegürteten Chiton und
dem über die linke Schulter geworfenen, die Beine einhüllenden
Himation, letztere mit dem gegürteten Chiton mit Ueberschlag be-
kleidet. Links über dem Kopfe der Lyraspielerin wird ein Stück
eines vom Winde aufgeblähten Gewandes sichtbar, das wohl einer
fehlenden Figur angehört hat. Oben ein unversehrtes Stück des
glatten Randes; darunter Akanthusornamente. Die Ausführung ist
ungewöhnlich gut, von gleicher Güte etwa wie das schöne Bruch-
stück im Museum mit den Köpfen des Pan und Daphnis.
7. In Casa Carminatti im Borge Pozzobuon: Relief auf schmaler
Kalksteinplatte : eine w e i b 1 i c h e F i g u r en face steht auf besonderem
Boden. Sie ist in langem gegürteten Chiton (mit Ueberfall) und
trägt auf dem Kopfe einen Kantharos, dessen Henkel sie mit der
hoch erhobenen Rechten fasst, während ihre gesenkte Linke eine
Falte des Gewandes ergreift. Wohl identisch mit der von Wil-
kinson Dalmatia and Montenegro vol. I p. 142 erwähnten ,,draped
figure of a woman bearing a va^^e an her head". Eine ähnliche
Figur auf einem Relief im Museum zu Pola.
8. Am Hause des Don Antonio Katic auf dem Wege nach
dem Convento dei Paludi sind folgende Reliefs eingemauert:
Kanephore auf schmaler Kalksteinplatte, unten gebrochen.
Die Figur bis zu den Beinen erhalten, von schmächtigen Körper-
formen, steht in Vorderansicht, und ist mit dem Chiton, der über
74
dem Ueberschlag mit einem breiten Gürtel gebunden ist, und einem
über die rechte Schulter geworfenen Mäntelchen bekleidet. Sie hält
mit der hocherhobenen Rechten den auf das Haupt gestellten Ka-
lathos, während sie mit der (jetzt fehlenden) Linken wohl eine
Falte ihres Gewandes ergriflFen hatte. Ihr langes Haar fällt in Locken
auf die Schultern. Rohe Arbeit.
Grabstein des Aurelius Pontianus (C. L L. 2010),
nach der Angabe des Besitzers etwa 50 M. westlich vom Amphi-
theater in Salona gefunden. Ueber der Inschrift ist in vertieftem
Felde (030 hoch, 0' 18 breit) das Bild des Verstorbenen angebracht.
Er steht en face, hat linkes Standbein, ist bartlos, trägt das kurze
Haar in die Stirne gestrichen und ist mit der kurz geschürzten
Aermeltunica und der Chlamys, die an der rechten Schulter genestelt
und über den linken Oberarm zurückgeschlagen ist, bekleidet. In der
Linken hält er eine Rolle. Ein kleiner Dolch steckt rechts in dem
breiten Gürtel, der vorne eine runde Schnalle zeigt. Das (spitz zulau-
fende ?) Ende desselben scheint der Soldat in der Rechten zu halten.
Fragment eines Sarkophages aus weissem Marmor. Er-
halten ist die Figur eines Kindes bis zu den Knieen. Es eilt nach
1., ist mit einer vorne auf der Brust genestelten Chlamys bekleidet
und trägt mit der Rechten zwei auf die Schulter gelegte Speere;
seine gesenkte Linke hielt vielleicht ein Leitseil oder dgl. Links
unten ist der nach rechts aufblickendeKopf eines Jagdhundes, darüber
der linke Arm des voranschreitenden, rechts die erhobene rechte
Hand des nachfolgenden Knaben sichtbar. Das Bruchstück gehört
ohne Zweifel zu einer Jagdscene und vielleicht zu demselben Sar-
kophage, wie ein Fragment im öffentlichen Museum (0'47 hoch,
0'54 breit). Auf dem letzteren sieht man in der Mitte einen geflügelten
Knaben nach r., der das rechte im Knie gebogene Bein erhebt und
die Arme (der linke zur Hälfte gebrochen) senkt, wie um einen
Bogen zu spannen. Ihm voran schreitet links zurückgewandten
Hauptes ein Knabe in der Chlamys mit geschulterter Keule in der
Linken. Rechts der gesenkte, in dreiviertel Profil nach 1. gewandte
Kopf eines dritten Knaben. Das auf der oben abschliessenden Leiste
und der hinter den Köpfen der Figuren sich hinziehenden Hohl-
kehle angebrachte vegetabihsche Ornament stimmt bei diesem
Bruchstücke mit dem der Casa Kati6 völlig überein; beide Frag-
mente sind auch von gleich guter Arbeit.
75
Makarska. Im Magazine des Herrn
Paulovic-Lucic : zwei Friesplatten aus
weissem Marmor , aus Viddo (Narona)
hiehergebracht, früher in der Kapelle des
Hauses eingemauert (Glavinich in den
Mittheilungen der Central - Commission
N. F. Bd. IV [1878] p. XCII ==■■ Bull
dalm. I p. 187), noch während meines Auf-
enthalts in Dalmatien vom Museum in
Spalato erworben. Sie sind 0"46 hoch und
oben und unten mit einem vorstehenden
Rand versehen. Die eine ist 1*28 lang,
die andere 0'955. Das Relief erhebt sich
bis 0-04. Erhalten sind auf der längeren
beiderseits gebrochenen Platte vier weib-
liche Figuren im Reigen nach r.
schreitend und links ein Stück des Ge-
wandes von einer fünften; auf der kür-
zeren, rechts gebrochenen, drei Tänze-
rinnen , von welchen zwei nach r. , die
dritte nach 1. sich bewegt und ein kleiner
Gewandrest einer vierten. Dieselben ein-
zeln zu beschreiben, überhebt mich bei-
stehende Abbildung. Mannichfaltig sind
die Motive in den Stellungen und Bewe-
gungen der schlanken Figuren und der
Wechsel jn der Drapirung ihrer Mäntel
und hochgegürteten Untergewänder. Dem
Reichthume der Erfindung, der Anmuth
der Zeichnung und der sorgfältigen Aus-
führung nach stehen die beiden Friese
völlig vereinzelt unter den antiken Bild-
werken Dalmatiens. Ihr fast griechischer
Charakter weist auf gute Zeit zurück.
Leider sind durchwegs Köpfe und Arme
der Figuren weggebrochen. Bemerkens-
werth ist, dass letztere und ebenso zwei
Köpfe aus besonderen Marmorstücken
gearbeitet und in viereckige, fast 0-03
tiefe, aus der Abbildung ersichtliche
Löcher eingefügt waren.
76
[Den nach 1. gewendeten „sehr schönen'^ jugendlichen Frauen-
kopf aus weissem Marmor in Basrelief, welchen Glavinich a. a. 0.
erwähnt, habe ich nicht gesehen.]
Fort Opus. In der Mauer der Cisterna comunale (errichtet
1847 vom Bezirkshauptmanne Vidovich) sind nebst architektonischen
Fragmenten (darunter ein schönes Composita-Capitäl) folgende aus
Viddo (Narona) stammenden Skulpturen eingesetzt (kurz aufgezählt
von Glavinich Mitth. der Central-Commission N. F. IV [1878] p.XCII) :
Torso einer Imperatorenstatue aus Marmor, 1'13 hoch.
Erhalten ist nur der Theil des Panzers unterhalb der Brust, diePteryges
in doppelter Reihe und die herabhängenden befransten Lederstreifen
sowie ein kleines Stück des linken Beines. Der Panzer ist mit
Ornamenten in halberhobener Arbeit geziert. In der Mitte steht
auf drei in Thierklauen endigenden Füssen eine zweihenklige Vase,
aus welcher, wie es scheint, der Schaft eines Kandelabers herausragt
und rechts und links davon einander zugekehrt je ein löwenköpfiger
Greif in symmetrischer Haltung, die eine Vordertatze erhebend.
Unter denselben füllen Akanthosornamente und Rankenwerk den
Raum. Auf den Pteryges sind folgende Reliefs angebracht: zwei
kreuzweise gelegte Barbarenschilde, darüber ein eingeritztes Pal-
mettenornament — Adler nach r. , mit einem Kj-anz im Schnabel
— zwei quer übereinander gelegte Füllhörner — Adler nach 1. mit
einem Kranz, daran ein flatterndes Band — Eros im Profil nach
1. aufrecht stehend (1. Standbein) hält ein aufspringendes Hündchen
an den Vorderpfoten, darüber Palmetten in Relief. — Die Pteryges
der unteren Reihen zeigen Palmettenzierate, nur die letzte rechts
zwei Schilde; eine andere ist ausgebrochen. Erwähnt von Wil-
kinson Dalmatia and Montenegro vol. II p. 14. ^
Weibliche Gewandstatue, überlebensgross. Der Kopf
fehlt. Die Figur hat 1. Standbein und ist mit dem langen Chiton
und dem Himation bekleidet. Letzteres hüllt den rechten Arm ein,
dessen abgebrochene Hand dem Kinne genähert war. Die gleichfalls
abgebrochene Linke war vorgestreckt. Wilkinson vol. II p. 15.
Rechter Unterschenkel einer Statue aus Marmor, 0*61 hoch,
auf ca. 0-07 hoher Basis; der Fuss tritt mit ganzer Sohle auf. Da-
neben ein Baumstamm.
Fragmentirte Gruppe eines Knäbchens mit einem
Hunde, Marmor, 0'30 hoch. Es fehlen Kopf und Beine des ersteren
und der Kopf des Thiercs. Das Kjiäbchen sitzt auf dem Boden; wahr-
77
schemlich war das r. Bein weggestreckt, im Knie stark gebeugt
und aufgestellt. Das Kind umfasst mit beiden Armen den zottigen
Hund, mit dem es Unzucht treibt. Auf Befehl eines Pfarrers ver-
stümmelt.
V i d d o (Narona). In der Casa Illic über der Thüre ein
Relief, 0*32 hoch, 0-31 breit, unten und links gebrochen, war von einer
glatten Leiste (oben mit spärlichen Resten einer Inschrift) und einer
Hohlkehle umrahmt. Ein Jüngling sitzt nach 1. in einem Lehn-
stuhle gesenkten Hauptes und hält in beiden Händen eine kleine Ära.
Er ist mit der Aermeltunica und einem Ueberwurfe, der um die
Beine geschlagen ist, bekleidet. Sein Haar ist kurzgeschnitten.
1880 in einem nahen Sumpfe gefunden.
Im Dorfe trifft man auf Tritt und Schritt ansehnliche archi-
tektonische Fragmente, die auf prächtige Bauwerke weisen und
in gute Zeit zurückreichen. Das schönste darunter ist ein gewaltiger
Architrav beim Hause Plecas. Zwischen den Consolen sind an der
Hängeplatte Casetten angebracht, zwei derselben sind mit wohl ge-
arbeiteten Rosetten geziert und die mittleren mit zwei kreuzweise über-
einander gelegten ovalen Schilden. Beim Hause des Giovanni Illic
liegt ein Stück einer reich ornamentirten casettirten Decke mit Ro-
setten in den quadratischen, aufs Eck gestellten Feldern und
Vögeln in den dreieckigen Zwickeln. Ein andres Fragment über
der Thüre der Casa Don Eres. Der obere Theil (0245 hoch, 0-90
lang) eines Grabsteins oder dgl. ist über einem Fenster des Hauses
des Antonio Vucic eingesetzt. In dem unten abgebrochenen Friese
stehen zwei Tritone einander symmetrisch gegenüber, mit geschul-
tertem Pedum in der einen Hand und einem von der andern ge-
haltenen mit Früchten gefüllten Korb auf der Schulter ; ihre schlan-
genförmig gewundenen, mit Flossen bedeckten Leiber füllen den
Raum bis zu den Rändern. Bekrönt wird der Stein von vier mit
Rosetten geschmückten Scheiben, von welchen je eine rechts und
links, zwei aber in die Mitte gesetzt sind und eine Palmette tragen.
Die Verbindungsstücke zwischen letzteren und ersteren sind oben
concav eingezogen und mit nach aussen gewandten hundeköpfigen
Seeungeheuern geschmückt. Gleichzeitig mit diesem Stücke wurden
nach der Angabe des Besitzers aus demselben Sumpfe zwei seit-
dem verkaufte Köpfe eines Jünglings und einer Frau gezogen,
welche wohl mit einem von Glavinich im Herbst 1874 gesehenen
„sehr schönen" und „mit Ausnahme einer kleinen Beschädigung
78
am Petasus" gut erhaltenen Mercurkopf und einem „roh gear-
beiteten" weiblichen Kopf (Mitth. der Central - Comm. N. F. IV
S. XIV) identisch sind.
Ljubuski (Herzegowina). Grab stein des Andamionius,
Reiters der ersten Cohorte der Lucenses, 1*23 hoch, 0*44 breit, ge-
funden beim Hause Man die im Jänner 1880 am rechten Ufer des
Trebisat östlich von Huma6, eingesetzt in die Mauer des serbischen
Kirchhofs. Ueber der Inschrift {Bidl. dalm. VI pag. 17 n. 4, Arch.-
epigr. Mitth. VIII S. 108 n. 17, Archaeologia vol. XL VIII pag. 74
Fig. 7 a) ist das jetzt sehr zerstörte Bild des Reiters (nach r.) an-
gebracht. Das Pferd hebt das linke Vorderbein. Der Reiter hält in
der Linken einen länglichen Schild nach vorne und trägt auf dem
Haupte wie es scheint eine Helmkappe. Seine Rechte ist gesenkt,
wie wenn sie einen Speer hielte, der plastisch aber nicht ausgedrückt
ist. Ebensowenig ist der Boden unter dem Pferde angedeutet.
Sattel und Zügel sind noch erkennbar. Zwei Säulen, deren Schäfte
mit aufstehenden Schuppen bedeckt und dreimal mit einem Bande
umwickelt sind, begrenzen das Bildfeld rechts und links und tragen
den Architrav und einen mit Lotoskelchen und Palmetten ge-
schmückten Fries. Das Ganze bekrönt ein (rechts gebrochener)
Giebel; in dessen Mitte ein Gorgoneion.
Cittä vecchia (Insel Lesina). Auf dem Platze ist ein (G;rab-?)
Cippus, vorne mit der Figur eines geflügelten Knaben in Relief auf-
gestellt. Dieselbe steht auf besonderem Boden mit gekreuzten Beinen
und nach 1. gesenktem Haupte, legt die Linke auf die rechte
Schulter und stützt sich auf eine umgekehrte Fackel, die sie sammt
einer Traube mit der Rechten hält. Die oben und unten abschlies-
senden architektonischen Glieder sind mit Pflanzenornamenten ge-
schmückt; auf dem untersten in der Mitte ein vegetabilischer Zierat
und jedcrseits eine Gans.
Im Kirchthurme ist innen ein schon von Fortis (viaygio vol. II
p. 175) erwähntes Relief (0*67 hoch, 0*72 breit) aus Marmor ein-
gemauert, „che rappresenta una barca a vela, col timone alla destra
della poppa, e U piloto che lo governa^' (links). Ganz ähnlich ein Relief
im Garten des erzbischöflichen Palastes zu Narbonne.
Im Hause dos Pietro Nisiteo liegt nebst anderen Inschrift-
steinen der Grabstein des L. Statins Mar cell us (C.
I. L. 3089) aus Verbagno mit eigenartigem Reliefschmucke. In der
79
Mitte zwischen den herabhängenden Enden eines Festons die Pro-
tome des Verstorbenen (der Kopf fehlt), der mit der erhobenen
Rechten vor die Brust ein ki'ummes Messer und mit der gesenkten
Linken eine Lanze in wagrechter Richtung hält. Unter der letzteren
eine Amphora, rechts davon ein Hirsch mit zurückgewandtem Kopfe,
links eine Hindin (?). Den Rändern entlang zu beiden Seiten laufende
Hunde, welche fliehendes Wild verfolgen, in winzigen Figuren.
Solche späte Erzeugnisse einer lokalen Kunstübung mögen zunächst
die Vorbilder für die so zahlreichen altslavischen Grabsteine Dal-
matiens und der Herzegowina geworden sein.
[L i s s a. Im Garten des Podesta Cav. Doimi-Delupis befindet
sich eine kopflose Statua togata, welche mit dem vortrefflichen
Porträtkopfe des Vespasian der Sammlung Millosicz (Arch. - epigr.
Mitth Jahrg. I S. 16 n. 22) zusammen unter dem Meeresspiegel im
Hafen gefunden worden ist und wahrscheinlich auch zu demselben
gehört (vgl. Mitth. d. Ceutral-Comm. N. F. V p. VII). Leider er-
laubte mein allzu kurzer Aufenthalt in Lissa mir nicht, die Statue
zu sehen und daraufhin zu untersuchen.]
Ragusa vecchia. An der Casa des Conte Pozzo, Marina
Nr. 72, links von der Thüre, ist das an allen vier Seiten gebrochene
Fragment eines Reliefs (0*605 hoch, O'öl breit) eingemauert;
es ist von ziemlich roher Arbeit. Die Darstellung ist mir unver-
ständlich. Linkerhand steht in schräger Richtung, fast die ganze
Breite des Bruchstücks einnehmend, ein zweirädriger Wagen mit einer
nach vorne ansteigenden abgerundeten Brüstung; man sieht in das
Innere des Wagenkastens. Die Räume zwischen den Radspeichen sind
nicht bis zur Tiefe des Reliefgrundes ausgehöhlt. Hinter dem Rade
80
rechts, ungefähr in der Mitte des Fragments steht eine weibliche Figur
(ihr Kopf fehlt) in Vorderansicht mit aneinander geschlossenen Beinen.
Ein Mantel, den sie mit der jetzt fehlenden Linken emporgehalten
hat, fällt hinten herab und hüllt die Beine von den Knieen ab-
wärts ein. In der nach 1. vorgestreckten Rechten hält sie zwischen
Daumen und Fingern einen runden Gegenstand, der am meisten
einem Apfel gleicht. Den rechten Arm schmückt ein breiter Reif.
Man darf in der Figur wohl Venus erkennen. Rechts unten ge-
wahrt man zwei Beine zweier nach r. heftig ausschreitender Figuren.
Das eine ist von einem Himation bedeckt, an dem andern erkennt
man die Falten eines Chitons: das erstere wird demnach einer
männlichen, das zweite einer weiblichen Figur zuzusprechen sein.
— Völlig falsch in Kohl's Reise nach Istrien, Dalmatien und Mon-
tenegro Th. 2 S. 39 beschrieben; erwähnt auch von Evans through
Bosnia and the Herzegovina p. 386, welcher in der Hauptfigur Am-
phitrite vermuthet.
Im Hofe des Hauses Letunich-Nardelli in einer der höher ge-
legenen Strassen des Ortes ist ein Relief aus Kalkstein (0*81 hoch,
0"47 breit) mit dem Bilde eines Signifer eingemauert. Man
findet es in Evans' Antiquarian Researches in lllyricum {Archaeologia
vol. XL VIII) p. 7 in einem übel gerathenen, aus desselben Ver-
fassers Buche über Bosnien (p. 387) wiederholten Holzschnitte, der
aber weder den Stil noch die lehrreichen Einzelheiten des Denk-
mals erkennen lässt. Letztere genau zu sehen ist allerdings stellen-
weise schwierig, denn das Relief ist schlecht erhalten und überdies
mit IMörtcl und rother Farbe dick bestrichen. Es zeigt uns zwi-
schen zwei Eckpilastern mit aus Blättern gebildeten Kapitalen
die aufrecht stehende, 0'62 hohe Figur des Signifers in Vorder-
ansicht. Derselbe ist bekleidet mit der nach Soldatenart kurz ge-
schürzten Tunica, der geschlitzten, rücklings herabfallenden Paenula
und mit den Caliga, deren Riemen wie bei den Römern auf der
Trajanssäule viermal unter der Wade um das Bein gewickelt ist.
Ucber dem oberen gebauschten Thcile der Paenula um den Hals
hängt das dreieckige Ende ihres darunter hervorgezogenen Vorder-
]ap])en8 herab. Ein Thicrfell, dessen Zipfel frei auf den Schultern
liegen, bedeckt den Kopf des Soldaten, der das Signum in der
Rechten, die Parma in der Linken hält. Sein Schwert ist links,
ein Dolch rechts an dem erzbeschlagcnon (unguium l)efestigt. An
der 0"46 langen, unten spitz auslaufenden Stange des Signums sind
oben das Querholz mit den herabhängenden Bändern, darunter die
81
Corona und etwas tiefer ein Medaillon mit einer bärtigen Büste
(Jupiter) angebracht. Was dem letzteren folgte weiss ich nicht:
aus den spärlichen Resten des hier stärker verletzten Reliefs ver-
mochte ich keine verständliche Form zu gewinnen. [Siehe Doma-
szewski, die Fahnen im röm. Heere S. 73, wo auch eine Skizze
dieses ReHefs mitgetheilt ist.]
[Ein Relief, eingemauert in einem Hause an der Lände „a
Cupid'^ und y^on a column in another pari of the toion a comic head
of good loorkmanship^ (Evans through Bosnia and the Herzegovina
p. 386) habe ich nicht gesehen.]
Ungefähr eine Viertelstunde vom Orte entfernt, auf dem Colle
S. Giorgio, ganz nahe der diesem Heiligen geweihten griechischen
Kirche, trifft man in den lebenden Fels eingehauen die conventionelle
Darstellung des stieropfernden Mithras. Das stark verwitterte, oben
unvollständige Relief (ca. 0*80 breit, und in einer Höhe von ca. 0-50
erhalten) im regelmässig begrenzten, etwa 0-07 vertieften Felde zeigt
Mithras mit flatterndem Mantel in der gewohnten Weise auf dem
Stier knieend. Beiderseits steht je ein Knabe in kurzem Rocke und
mit gekreuzten Beinen; der zur Linken senkt die Fackel, der zur
Rechten erhebt sie. Ueber die Auffindung dieses Monumentes spricht
Evans through Bosnia etc. p. 387, über seine Lage und Umgebung
Researches etc. p. 19. In dem letzteren Werke ist p. 21 Fig. 7 auch
ein ähnliches Relief über der Mündung der Kalkstein grotte .,Tomina
Jama" bei Mocici (Canali), von besserer Erhaltung und mit reicherem
Beiwerke abgebildet.
Ri s a n 0 (Rhizon). Charakteristisch ist die Form einiger hier
gefundener Grabsteine. Auf würfelförmigem Sockel, der an der
Stirnseite in eingerahmtem Felde die Inschrift trägt, erhebt sich
ein in der Mitte anschwellender Kegel mit einem ringsumlaufenden
Leistchen oder Kranze unterhalb der abgestumpften Spitze. Er
erinnert an die phallischen Gräbersymbole Vorderasiens (Weber,
le Sipylos et ses momimenfs pl. II). Drei solcher Grabsteine habe ich
in Risano gesehen (CLL. 1725; Ephem. epigr. 6360, ca. 0*70 hoch,
0-30 breit; Arch.-epigr. Mitth. VIII S. 105 n. 4, nach Evans researches
p. 47 found in the campagna of Paprenica). Der Untersatz (0*34 hoch,
0-25 breit) eines vierten ist im naturhistorischen Museum zu Ragusa.
Perasto. Im Hause des Conte Martine Viscovich, eingemauert
im Hofe: Fragment eines Grabsteins aus weissem Marmor, 0*447 lang,
Arihäologiscli-epigraphiBche Mitth. IX. 6
82
0*30 hoch. Zwei Pilaster tragen den mit einer Rosette geschmückten
Giebel und den Architrav mit der Inschrift:
[sie)
(sie)
zoPiKim
HTH XIAi;
MENEBPATHZ
4>I AilNOZ
eEHNO 2
MENEK
(SIC)
im Bildfelde :
X A I P E T E
ZopiKiLU OiXuuvog
'Hyriaiag Geujvo^
MeveKpdrris Me>
[XoplKlLU?]
Xaipete
Vom Relief zwischen den Pilasteru sind nur die (etwas verstossenen)
Köpfe der drei Verstorbenen antik, die Körper der Figuren aber in
Gips übel genug ergänzt. Links das verschleierte Haupt der nach
r. sitzenden Frau in Profil (sie hielt einen noch erhaltenen Spiegel
in der Hand) ; in der Mitte der Kopf des Hegesias, rechts der des
Menekrates. Ersterer ist der jüngere, letzterer der ältere; beide in
Vorderansicht und bartlos; ihr Haar ist in die Stirne gestrichen.
Gefunden wurde das Bruchstück in Risano, was nach Herrn Gelcich's
freundlicher Mittheilung in A. Ballovich-Dentali's „i fasti di Perasto",
einem Manuskripte aus dem 17. Jahrhundert in der Bibliothek Vis-
covich (jetzt in Sulina), bezeugt wird. G. Gelcich, memorie storiche
sulle hocche di Cattaro (Zara 1880) S. 11 n. 4; H. Cons, la province
romaine de Dalmatie (Paris 1882) p. 250.
Cattaro. Auf dem Platze die Basis C. I. L. 713, M4 hoch,
vorne (0'82 breit) die Inschrift, am Rande ringsum Gewinde; auf
der Schmalseite rechts : männliche Figur in kurz gegürtetem Chiton,
mit gesenkter Rechten, links davon ein aufspringender Hund; auf
der Schmalseite links : Figur mit überschlagenen Beinen und ver
schränkten Armen, mit rückwärts herabfallendem Mantel — wohl
ein Gefangener. Die Köpfe beider Figuren fehlen.
Es bliebe in meinem Berichte eine ungefüllte Lücke , würde
ich nicht wenigstens mit ein par Worten der grossen Menge ge-
schnittener Steine gedenken, welche auf dalmatinischem Boden un-
aufhörlich zum Vorschein kommen. Man hndet sie allerorten, wo
antike Ansiedlungen gestanden, in Podgradje und Kistanje, in
Sinj und Gardun, in Viddo und Ragusa vecchia und auf den Inseln.
Schier aber in überschwänglichcr Fülle bieten sie sich auf dem
Boden Salonas bei jedem Spatenstiehe dem Grabenden dar. Man
schloss aus ihrer Menge auf ihre ausgedehnte Verwendung an der
83
Tracht der alten Dalmater, bei welchen die Lust am Schmucke
sich wohl in demselben Maasse wie heutzutage bei den Morlaken
und Canalesen bethätigt hat, und der massenhafte Bedarf dieser
Steinchen legt es nahe, den Sitz ihrer Production im Lande selbst
zu vermuthen. Es sind meist IntagHos in Carneol, Jaspis, Amethyst
oder Onyx von mehr oder minder flüchtiger, selten von wirklich
vorzüglicher Ausführung. Irre ich mich nicht, so treffen sie in der
Arbeit wie in dem Kreise ihrer Vorstellungen mit den in Aquileja
gefundenen zusammen, weshalb vielleicht auch dort die Stätte ihrer
fabriksmässigen Erzeugung zu suchen wäre. Sie sind seit jeher in
alle Länder verstreut und verkauft worden, und so kann es nicht
befremden, dass die einheimischen Gemmensammlungen nicht im
Einklänge zur Ergiebigkeit des Bodens stehen. Es ist bezeichnend,
dass das Museum in Spalato in dem langen Zeitraum von 1818
bis 1873 nicht mehr als 47 geschnittene Steine zusammengebracht
hatte, in den nächsten fünf Jahren deren Zahl aber verzehnfachen
konnte. Kleinere Sammlungen sah ich beim Cav. Antonio Comaretto
in Benkovac, bei Girolamo Marincovich in Sebenico und bei Antonio
Rossi in Makarska, dessen früheren Besitz an Gemmen das Museum
in Spalato erworben hat. Die Katalogisirung der ihrer lokalen
Herkunft nach gesicherten Intaglien wäre keine undankbare Auf-
gabe, und würde diese kleinen Denkmäler der wissenschaftlichen
Forschung, welche denselben bisher aus dem Wege zu gehen
scheint, wieder zurückgewinnen können. Kritischer Sichtung bedürfte
das Materiale allerdings um so mehr, als das unzweifelhaft Echte
und Gute vielfach untermischt mit modern italienischer Waare ist,
die noch heutzutage namentlich bei den Canalesen starken Absatz
findet. Ein begonnenes Verzeichniss der geschnittenen Steine des
Museums in Spalato im Bullettino di arch. e stör. dalm. vol. II p. 131,
147, 163, vol. III p. 5, wurde leider vorzeitig unterbrochen.
Nur beispielshalber seien hier einige Stücke genannt. Der
schönste aller im Lande bisher gefundenen Steine ist der oben ab-
gebildete Cammeo aus Onyx mit einer oberen weissen, einer mitt-
6*
84
leren rosenfarbigen und einer unteren dunklen Schichte (20 Mill.
hoch und 16 br.)- Er zeigt zwei gepaarte, nach links blickende,
mit einer Tänie geschmückte Porträtköpfe eines Mannes und einer
Frau. In dem ersten wollte man den illyrischen König Ballaios
erkennen, wohl ohne einen Schein des Rechtes (man vgl. dessen
Bildniss in Imhoof-Blumer, Porträtköpfe auf antiken Münzen helle-
nischer und hellenisirter Völker Taf. II 19). Der Camee ist
nicht gerade von sehr feiner Arbeit, schien aber auch mir griechi-
schen Ursprungs. Er befand sich früher im Besitze des Antiquars
V. Solitro, von dessen Erben Conze ihn erwarb und dem Spalatiner
Museum schenkte. Vgl. Bnllettino dalm. vol. II p. 132 n. .5.
Die zweite Abbildung gibt einen vertieft geschnittenen Carneol
desselben Museums mit dem widdergehörnten Kopfe Alexander des
Grossen. Er wurde in Salona gefunden (1873 erworben).
Häufig, wie es bei einem seefahrenden Volke nicht befremden
kann, sind die Darstellungen der Dioskuren. Ich notirte folgende:
Carneol in der Sammlung Comaretto. Castor und Pollux
stehen neben einander mit zurückgewandtem Haupte nach r., halten
in der Linken den Speer, in der Rechten, die sie in die Hüfte
setzen, das Schwert. Sie sind nackt, nur über den rechten Vor-
derarm hängt eine Chlamys. Ueber jedem ein Stern.
Carneol ebendas. Die Dioskuren stehen mit zurückgewandtem
Kopfe von einander abgekehrt, halten in der erhobenen einen Hand
den Speer, während um den andern in die Hüfte gestemmten Arm
die Chlamys gewickelt ist. Ueber jedem ein Stern.
Carneol im Museum zu Spalato. Desgleichen.
Carneol in der Sammlung Comaretto. Die Dioskuren zu Pferde
einander gegenüber. Sie sind mit dem Speere bewehrt und mit
flatternder Chlamys bekleidet. Ueber jedem ein Stern, dazwischen
die Mondsichel.
Carneol im Museum zu Spalato. Die Dioskuren, mit dem
Speere bewaffnet, stehen neben ihren Pferden von einander abge-
kehrt, die Köpfe zurückwendend. Ueber jedem ein Stern, dazwi-
schen die Mondsichel.
[Carneol aus Salona in der kais. Antikensammlung (n. 1405).
Einer der Dioskuren, durch den Stern über seinem Haupte gekenn-
zeichnet, mit dem Speere in der erhobenen Linken steht bei seinem
Pferde nach links.]
Wien ROBERT SCHNEIDER
85
Die Irisschale des Brygos
Das köstliche Bild des Brygos (Monnmenti inediti ddV Inst.
IX 46 und Wiener Vorlegeblätter VIII Taf. VI), Iris darstellend,
welche flüchtigen Laufes der zudringlichen Begier zweier Satyrn
zu entgehen sucht, die sie schon an Armen und Gewand zu halten
suchen, und eines dritten, der nicht minder flüchtigen Laufes als
Iris selbst, sie zu fassen eilt, während der bärtige Dionysos am
Altar stehend mit Stab und Kantharos ruhig zuschaut, dies Bild
gab nur vollständiger, charakteristischer und geistreicher, was man
schon auf zwei früher bekannten . falsch gedeuteten Vasenbildern
(Welcker Alte Denkmäler III Taf. XVI S. 243) gesehen hatte. Neu
und überraschend war aber, von einem gleichzeitigen Vasenmaler
Irii in der nämlichen Weise von Kentauren angefasst und ange-
halten zu sehen: Journal of hellenic studies I pl. III. Der Heraus-
geber Sidney Colvin hat für dies neue Bild die directe Quelle nicht
genauer anzugeben gewusst, als man sie für Iris und die Satyrn,
ermittelt hatte, indem man an eine einigermassen ähnliche Scene
in den Vögeln des Aristophanes und an das Vorkommen der Iris
in Satyrspielen des Sophokles und Achaios, hier gar als Haupt-
person, erinnerte.
Es ist wohl möglich, ja wahrscheinlich, dass Satyrspiel oder
Komödie die Anregung zu dem einen wie dem andern Bild gegeben,
aber wenn wir diese nächste 'Quelle', um mich dieses Ausdrucks
zu bedienen, jener Darstellungen nicht kennen, so können wir da-
gegen die Quelle dieser Quelle, wie ich meine, mit Bestimmtheit
in einer vorliegenden Dichtung nachweisen, welche Iris zwar weder
von Satyrn noch Kentauren umworben darstellt, aber von Wesen
denen Satyrn und Kentauren allem Anschein nach von Ursprung
her gleich waren, nämlich von den Winden. Ilias 23, 194, da der
Scheiterhaufen des Patroklos nicht brennen will, ruft Achilleus
Boreas und Zephyros zu Hilfe. Iris überbringt das Gebet den
Winden :
Ol |uev dpa Zeqpupoio bucraeo^ dOpöoi e'vbov
eiXamvrjv baivuvxo' Beoucfa be 'Ipig eneairi
ßriXiiJ €TTi \i9euj- toi b'iL? ibov öq)0a\|uoicTiv
TrdvTet; dvipHav KdXeöv le |uiv ei? e eKacrrog
f] b' au9' e^eaOai )uev dvrivaxo, eiTie be |u09ov
Oüx ebot,' u. s. w. sie wolle zu den Aithiopen zum Opferfest.
86
Diese Stelle, deren Beziehung zu dem Bilde des Brygos mir
schon seit langem klar war, ist kürzlich von H. E. Meyer in seinem
trefflichen Buch über die Gandharven-Kentauren S. 196 auf die von
Matz in der Archäol. Zeitung 1875 Taf. 4 veröffentlichte Reliefdarstel-
lung angewandt, um die von Matz abgelehnte Deutung der weib-
lichen (7 estalt zwischen zwei Windgöttern auf Iris zu stützen. Er
mag Recht haben , aber indem die Windgötter dort nur ihrem
Blasen ergeben sind, die Läuferin ungehindert weiter eilt, fehlt eben
die charakteristische Begehrlichkeit der Winde gegenüber der Iris,
wie sie in der Ilias ausgesprochen , in jenen Vasenbildern darge-
stellt ist, allerdings auf Satyrn und Kentauren übertragen. Man
wird ja nicht das geltend machen wollen, dass dort nicht gesagt
wird, dass die Winde die Iris anfassen und dass die Begehrlichkeit
der Iris gegenüber in der Ilias bei ihrer Ankunft, vor Ausrichtung
des Auftrags , in den Bildern bei dem Forteilen hervorbricht : im
Bilde musste dies aus jenem werden, das eig e eKadxog aber ist in
den Bildern nach Möglichkeit wiedergegeben.
Dass nun Kentauren und Satyrn (Seilene) nach Form und Wesen
verwandt, dass die einen und die anderen nur localverschiedene
Ausprägungen derselben Urvorstellungen sind, ist oft genug und
namentlich in neuerer Zeit ausgesprochen und ausgeführt; dass die
Kentauren mythisch die Wolkenstürme sind , das hat Mannhardt
(Wald- und Feldculte II, besonders S. 100 f , allerdings mit starker
Betonung ihrer Waldnatur) gezeigt ohne die Identität mit den Gand-
harven anzuerkennen, das hat mit Anerkennung und sichrerer Be-
gründung dieser Identität II. E. Meyer erwiesen , und Niemandem
entgeht es, dass gerade an jener Stelle der Ilias die im Verein
drinnen — in einer Grotte oder einem Palast ? — zechenden oder
schmausenden, beim Anblick des Weibes dann begehrlich auf-
fahrenden, hernach rixiiil öeaTrecrir) v^qpea KXoveovie davonstürmenden
Winde den Satyrn und Kentauren zum Verwechseln ähnlich sehen,
namentlich wenn man die nicht an dieser aber wohl an anderen
homerischen Stellen hervortretende Rossnatur der Windgötter da-
zuhält.
Auch das Gegenstück, welches Brygos auf derselben Schale
gemalt, und wie es scheint hatte auch der Florentiner Kentauren-
skyphos ein andres Kentaurenbild als Gegenstück : Hera vor
ähnlicher, doch etwas mehr zurückhaltender Zudringlichkeit der
Satyrn durch Herakles' Energie und Hermes' Ermahnungen ge-
schützt , führt uns in denselben Zusammenhang. Denn wer er-
87
innert sich nicht, dass Hera wie von Giganten — auch sie ja nur
eine andere Mythisirung gleichartiger Naturerscheinungen — so
auch namentlich von Ixion dem Stammvater der Kentauren mit
brünstigem Begehren verfolgt wird.
Prag E. PETERSEN
Die römischen Greiizwälle in der Dobriigea*)
Zwei Besuche in der Dobrugea, der eine im September des
vorigen Jahres, der andere Anfang Januar des laufenden unter-
nommen, setzen mich in den Stand eine eingehende Beschreibung
der dortigen Römer wälle zu liefern. Was wir bisher über diese
Anlagen wussten, war höchst dürftig. Moltke widmet ihnen in seinen
türkischen Briefen gelegentlich eine Seite und einiges Nähere brachten
V. Vincke in dem Aufsatze über das Karasuthal (Monatsber. d. Berl.
Ges. £ Erdk. 1839/40) und Peters in seiner Geologie und Geographie
der Dobrugea (Wien 1867). Aber für alle diese Männer hatten die
Wälle nur ein nebensächliches Interesse, und wie sehr man es ver-
meidet sich in diesen Gegenden mit Nebendingen aufzuhalten, das
weiss Jeder, der einmal dort war. Es sind eben immer noch
die loca felici non adeunda viro des verbannten Ovid, baumlos,
wasserlos, die reine Steppe, unerträglich heiss im Sommer und
unerträglich kalt im Winter, der ärgste Fieberherd von ganz
Rumänien. Da erklärt es sich wohl, dass v. Cohausen in seinem
grossen Werke über den römischen Grenzwall in Deutschland, das
vorigen Sommer erschien, alle möglichen Anlagen ähnlicher Art,
die römischen Befestigungen in Britannien , ferner österreichische,
*) In der Schreibung der Ortsnamen herrscht grosse Verwirrung. Jeder
sucht ihre Aussprache mit seinen eigenen Lauten darzustellen und verändert dabei
das Wort oft so, dass es nicht wiederzuerkennen ist. Namen, für die wir keine
besondere deutsche Form haben, belassen wir am besten in ihrer heimischen Ortho-
graphie, besonders wenn deren Aussprachsregeln uns nahe liegen. Es fällt nie-
mandem ein, italienische Städte, wie Reggio und Civita vecchia, auf deutsch etwa
Kedschio und Tschivita wekia zu schreiben. Demnach sollte man der nächsten
Schwestersprache des Italienischen nachgerade dieselbe Gerechtigkeit widerfahren
lassen und mit Schreibungen wie Dobrudscha und Tschernawoda , die sich noch
auf allen Karten finden, aufhören. Die Aussprache des c und g ist im Rumänischen
genau dieselbe wie im Italienischen.
188
russische, böhmische, argentinische Grenzwehren zur Vergleichung
heranziehen konnte, nur die Dobrugeawälle nicht, obgleich gerade
diese ihm das interessanteste Seitenstück hätten liefern können.
An der Donau zwischen Rasova und Cernavoda beginnend,
laufen die Wälle in gerader östlicher Richtung bis nach Küstenge
am Schwarzen Meere. Sie haben damit jene Linie gewählt, die
schon als kürzeste Verbindung zwischen Fluss und Meer von Be-
deutung ist, aber durch ihre besondere Naturbeschaffenheit sich
noch auffallender hervorthut. Von Cernavoda aus zieht nämlich ein
breites, tiefes Thal in's Land, das sich nur wenig über den Donau-
spiegel erhebt, zum grossen Theil von Sumpfseen bedeckt ist und
erst ^4 Meilen vor Küstenge sein Ende erreicht. Schon in den
dreissiger Jahren unseres Jahrhunderts dachte man daran, hier einen
Canal anzulegen, um den grossen Umweg, den der Schiffsverkehr
über Braila und Galaz nach Sulina macht, zu vermeiden, gab aber
wegen des felsigen Grundes, der besonders vor Küstenge in ziem-
licher Höhe (161 Pariser Fuss) abzutragen wäre, den Plan wieder
auf und baute 1862 die Eisenbahn.
Dieser Strecke also haben die Römer die wichtige Rolle einer
Grenzmark übertragen, und zwar verfuhren sie dabei in der Weise,
dass sie das sumpfige Thal gegen den Feind hin vor sich Hessen
und dicht dahinter ihre Befestigungen anlegten. Nicht einen, wie
der volksthümliche Name „Trajanswall" vermuthen lassen sollte,
auch nicht zwei, wie unsere Karten gewöhnlich angeben, sondern
drei stattliche Wälle sehen wir auf dem südlichen Höhenrücken
entlang ziehen. Zwei davon sind aus Erde aufgeworfen, aber von
ganz ungleicher Höhe und Stärke, zur Herstellung des dritten
waren Steine mit in Verwendung gekommen. Und so verschieden
wie die Construction dieser Wälle ist, so verschieden ist auch ihre
Befestigungskette von Wachthäusern, Lagern, Castellen , sowie der
Weg, den jeder einzelne durch das vielverzweigte Hügelland ein-
schlägt. Diese Selbständigkeit der einzelnen Wälle nöthigt uns,
bei ihrer Beschreibung jeden für sich zu verfolgen und somit eine
dreimalige Begehung vom Schwarzen Meere bis zur Donau vor-
zunehmen, wie ich sie auch in Wirklichkeit habe ausführen müssen.
Bevor wir uns aber hierzu anschicken , noch ein Wort über die
Hülfsmittel, auf denen die beigegebenen Skizzen vom Verlauf und
Profil der Wälle beruhen.
Mein erster Aufenthalt in der Dobrugea umfasste acht Tage. In
dieser Zeit begiug ich die Strecke des südlichen kleinen Erdwalls
89
von Küstenge bis Murfatlar und die des grossen Erdwalls von
Küstenge bis Megidie zu Fuss ; verfolgte zu Pferde den Stein-
wall von Murfatlar bis Cernavoda , den grossen Erdwall von der
Donau bis zum See und den kleinen weiter bis Murfatlar. Zwei
Rasttage in Küstenge machten mich mit Torai und seiner Um-
gebung vertraut. In den drei Januartagen meines zweiten Besuches
konnte ich schon auf der Eisenbahnfahrt von Cernavoda nach
Küstenge manches nachprüfen und ritt dann vom Meere bis Mur-
fatlar, sowie von Megidie bis kurz vor Cernavoda am Stein-
wall entlang. Das erste Mal stand mir nur die österreichische
Generalstabskarte (Masstab 1 : 300.000) zu Gebote, die die Wälle nicht
nur äusserst lückenhaft, sondern auch häufig falsch angibt und in
der Terrainzeichnung Alles zu wünschen übrig lässt. Nachher
bekam ich durch die Güte Mommsens russische Generalstabs-
aufnahmen aus dem Petersburger Kriegsministerium, und mit deren
Hilfe bin ich nun im Stande, den ganzen Weg der Wälle, wie er
sich von Hügel zu Hügel fortsetzt, darzustellen. Die Topographie
dieser Karte ist ausgezeichnet und durchaus zuverlässig. In Bezug
auf die Wälle weist auch sie freilich grosse Lücken auf, wie
z. B. der Steinwall nur von Küstenge bis Alakap darauf steht ;
aber wo sie ein Stück zeichnet, kann man auch immer sicher sein,
dass es so läuft wie sie es zeichnet. Ich habe die Art der Terrain-
zeichnung sowie auch den Masstab dieser russischen Karte bei-
behalten.
Meine Profile sind in nicht sehr kunstgerechter, aber wie ich
glaube praktischer und auch genügend verlässlicher Weise aufge-
nommen Einen 8 M. langen Bindfaden hatte ich durch Knoten in ganze
und halbe Meter abgetheilt und mit einem Ende an einen Pflock
befestigt. Diesen Pflock steckte ich oben auf dem Wall in die Erde
und ging nun mit dem Bindfaden abwärts, bis er in wagerechter
Spannung meinen Scheitel erreichte. Auf die Länge , die der
Faden bis hierher auswies, konnte ich dann eine Absenkung des
Walles von 1'75 M. notiren ; für besondere Fälle war natürlich
der Meterstab zur Hand. Freilich konnte ich mit dieser Methode
immer nur abwärts messen, ging also erst von der einen und dann
von der andern Seite bis zur Grabensohle herunter: v. Cohausen
meint (p. 5), „man wird in den meisten Fällen ein paar passend
stehende Bäume finden, die das Geschäft erleichtern", aber da diese
edle Naturgabe unserer Strecke nur in einem einzigen Exemplar,
einer grossen Akazie vor dem Bahnhof in Murfatlar, zu Theil ge-
worden ist, so musste ich mir schon allein zu helfen suchen.
90
Die Richtung des Walles habe ich , besonders so lange ich
zu Fuss ging, genau nach dem Corapass verzeichnet und damit
ein viel detaillierteres Bild von dem Verlaufe der Linie gewonnen,
als es sich auf der beigegebeneu kleinen Karte darstellen lässt.
Die Entfernungen sind nach Minuten und Schritten gemessen,
1 Minute zu 50 Doppelschritten, gleich 75 M. gerechnet. Auch die
Pferdeschritte lassen sich nach demselben Satze in Meter umrechnen,
da das Thier, wie ich aus der Nachmessung grösserer Strecken
gesehen habe, bei ruhigem Gang genau so weit ausschreitet wie
der Mensch; nur geht es stets rascher als dieser, und das Ver-
hältniss seiner Schritte zur Minute wird dadurch ein anderes.
Da in der Einöde ausser den spärlichen durchschneidenden
Chausseen alle Wahrzeichen fehlen, nach denen man irgend einen
Punkt des Walles bestimmen könnte, so habe ich, so oft eine Ort-
schaft in Sicht kam, die Richtung, in welcher dieselbe erschien,
verzeichnet.
Die Wälle beginnen alle drei ein Stück südlich von Kü-
stenge, das von den Rumänen jetzt wieder mit seinem unver-
dorbenen Namen Constanza genannt wird. Die Stadt liegt auf einer
Landzunge und verdankt jedesfalls den im S. und N. sie begrenzen-
den Meereseinschnitten ihren alten Namen T6|uoi. Der grössere süd-
liche Golf, in dem sich auch der Hafen befindet, bildet an seiner
Westseite zwei stumpfe Winkel, den einen dadurch, dass die von
S. herlaufende Küstenlinie sicli nach NO. wendet, den andern,
indem diese nordöstliche Richtung in eine rein östliche übergeht.
An dem ersteren Punkte beginnt der grosse Erdwall und der
Steinwall, an dem zweiten der kleine Erdwall. Beide Stellen sind
von einander, und die der Stadt zunächstliegende wieder von dieser,
d. h. vom Bahnhofe, 1 Kilom. entfernt.
Der Steinwall und grosse Erdwall laufen dicht neben einander
geradeaus nach W. , 272 Kilometer vom Meere kreuzt sie der kleine
P>dwull, der sich nach S. wendet und bis zur Donau hin immer
oben auf der Hochebene bleibt. Die beiden anderen halten sich
noch eine Weile bei einander, dann aber gehen sie, der Steinwall
nach S., der Erdwall nach N., ihre eigenen Wege und kommen
erst 1 Stunde hinter Alakap wieder zusammen. Hinter Megidie
hört der grosse Erdwall auf, und der Steinwall läuft allein auf dem
Südrande des Thaies weiter, bis er am Ende des letzten Sees,
1 Vd Stunden von Cernavoda, direct zur Donau hin abbiegt. Etwas
91
vorher beginnt an demselben See ein neues Stück des grossen
Erdwalls, das sich gleich in's Land hineinwendet und nach seiner
Vereinigung mit dem kleinen Erdwall den Fluss erreicht.
Verfolgen wir jetzt diese Schicksale der Wälle im Einzelnen,
und fangen mit der einfachsten und isoliertesten Linie an.
Der kleine Erdwall
An der beschriebenen nördlichen Biegung der hier 50 M. hoch
schroff aus dem Meere aufsteigenden Küste ist ein 3 M. hoher
rasenbewachsener Erdaufwurf sichtbar, der trotz der vielfachen
Zerrissenheit des Terrains sich unverkennbar als Anfang des Walles
kundgibt. Aber schon nach 87 M. verschwindet er wieder, denn es
schneidet in breiter Linie Chaussee und Eisenbahn durch, und
drüben hat in bunt zusammengewürfelten Hügelgruppen das Wasser
so viele Veränderungen angerichtet, dass sich der Zug des Walles
nicht mehr aufzeigen lässt. Erst bei einer weiterhin kreuzenden Fahr-
strasse, nach einer Unterbrechung von 450 M., erscheint der Ver-
misste wieder, freihch in weit schwächerer Gestalt, die jedoch, wie
sich bald herausstellt, seine gewöhnliche ist. Profil 1, das gleich
hinter dem Fahrwege aufgenommen ist, stellt somit ungefähr die
Fig. 1.
Durchschnittsform dar. Zugleich wird an dieser Stelle klar, was
in der unregelmässigen Ufergegend noch zweifelhaft sein konnte, dass
der Graben an der Südseite liegt, damit also die Vertheidigungs-
front des Walles nicht, wie man erwarten sollte und wie es auch
bei den anderen Linien der Fall ist, gegen N., gegen das Barbaren-
land, sondern gegen Süden , gegen der Römer eigenes Gebiet
gerichtet ist. Von einer ähnlichen Erscheinung in England spricht
V. Cohausen p. 309.
Man sieht unsern Wall nun in westsüdwestlicher Richtung das
langsam ansteigende Feld hinaufziehen und sich den beiden andern
allmählich nähern Auf dieser Strecke sind, 1V.> Kilom. vom INleere
entfernt, neun moderne Schanzen schräg in seine Krone einge-
schnitten. Solche Anlagen, die fast immer aus dem letzten russisch-
92
türkischen Kriege stammen, finden sich weiterhin noch öfter; Fig. 2
stellt den Zustand an unserer Stelle dar. Einen Kilometer später
schneidet die Eisenbahn den Wall, und nach einem weiteren Kilo-
meter findet die Kreuzung mit den zwei anderen Wällen statt, deren
Verhalten bei dieser Gelegenheit ein interessantes Licht wirft auf
das Altersverhältniss der beiden Theile. Die vereinigte Linie von
Fig. 2.
Stcinwall und grossem Erdwall zieht nämlich in voller Breite und
ohne dass ihr Schanz- und Grabenwerk im mindesten angetastet
würde, über diese Stelle hin, hat somit den kleinen Erdwall rück-
sichtslos durchbrochen : derselbe hört vor dem Graben des grossen
Erdwalles auf und fängt erst hinter der Abdachung des Steinwalles
wieder an. Wären die Wälle alle zu gleicher Zeit entstanden, so
begriffe man wohl überhaupt nicht, dass sie sich schneiden; sind
sie aber ungleichen Alters, so ist klar, dass der kleine Erdwall
zuerst da war und nachher, als Mächtigere kamen, Platz machen
musste.
Bis zum Kreuzungspunkte sah man rechts und links keinerlei
Anbau, sondern nur Weide , hinter demselben aber beginnen jetzt
Kornfelder, und der Wall, dessen Erdmasse unter dem Pfluge des
Landmaimes auseinander geflossen ist, zeigt hier ein sehr flaches
Fig. 3.
Profil (vgl. Fig. 3). Allmählich erhebt er dann seinen Rücken wieder
und nachdem die Bahn zum dritten Male durchgegangen ist, 1*3
Kilom. hinter dem Kreuzungspunkte, wird er so stattlich wie sonst
Fig. 4.
nur selten (Fig. 4). Der Getreidebau setzt sich auch hier an beiden
Seiten fort, aber er hat den Wall selbst unberührt gelassen.
93
Beim vierten Bahndurchschnitt kreuzt zugleich die grosse
südlich nach Jedi Oluk (a. d. russ. K. Hasdorlük) führende Heer-
strasse. Hier trennen sich Bahn und Wall auf Nimmerwiedersehen,
denn nun beginnt mit einer leichten Einsenkung das Karasuthal,
das der Eisenbahn ihren natürlichen Weg weist, während der Wall
es auf die Höhen abgesehen hat. In westsüdwestlicher Richtung
zieht er eine Erhebung hinauf, die auch der Steinwall raitersteigt.
Während dieser aber nach einer kurzen Probe auf die Hügelwan-
derung verzichtet, bleibt der kleine Erdwall seinem Vorhaben getreu
und schreitet in fortwährendem Auf und Nieder unverdrossen über
den dornigen Rücken der Hochebene hin. Es ist keine beneidens-
werthe Aufgabe, diese Wanderung mitzumachen; sie gehört zu den
schlimmsten Erinnerungen meines Lebens. Anstrengender Marsch,
glühende Hitze, die eben so glühenden Durst hervorruft, der mit-
genommene Vorrath längst erschöpft, auf dem ganzen Wege aber
kein Tropfen Wasser und kein menschliches Wesen zu entdecken:
es genügt, um einen zur Verzweiflung zu bringen.
2*25 Kilom. nach dem Verlassen der Bahn ist der Wall auf
der ersten Anhöhe {A) angelangt. Man sieht hier den Stein wall
ganz nahe nebenherziehen und grosse behauene Blöcke neben ihm
umherliegen. Auch auf unserer Linie zeigen sich hier plötzlich
Steine. Schon 300 M. zurück waren einige Brocken zu sehen
gewesen; auf dem höchsten Punkte fand ich jetzt mehrere grössere
Stücke wie zum Feststecken einer Fahnenstange zusammengelegt
und daneben im Graben ein paar Erlenbüsche gepflanzt; fröhliche
Schnitter schienen vor kurzem dort gelagert zu haben. Wieder
3u0 M. weiter aber war das ganze Feld mit Steinen übersäet. Alle
zeigten unregelmässige Bruchformen , die stärksten einen Durch-
messer von 20 — 30 Ctm. Sie bestanden aus grauem und gelbem
Kalk und waren durch den Pflug weit verstreut, so dass sich von
einer bestimmten Anlage keine Spur mehr erkennen Hess
Die Erhebung des Walles ist hier sehr schwach, nur der
Graben hat seine gewöhnliche Tiefe behalten (vgl. Fig. 5); weiterhin
Fig. 5.
sieht man auch diesen vom Kornbau geebnet und die Linie nur
durch eine kaum wahrnehmbare Schwellung der Ackerkrume fort-
94
geführt. Einen Kilometer hinter A wurde im WNW. das Dorf
Hasangea sichtbar. In der Senkung , die der Wall dann durch-
schreitet, verschwindet er auf eine Strecke von 100 M. völlig, so
stark hat ihm hier der Ackerbau zugesetzt. 850 M. weiter, 3 Kilom.
hinter A, hat er eine zweite Höhe (B) erklommen, von der aus
man Hasangea jetzt im NNW. liegen sieht und 500 M. dahinter
finden sich abermals viele Steine, darunter diesmal auch einige be-
hauene, doch ohne dass sich weitere Anhaltspunkte ergäben. Nach
600 M. schneidet dann ein nach Hasangea führender Fahrweg
und wieder nach demselben Zwischenraum ein zweiter, der gleich
nördlich in den vorigen einmündet.
Neun Minuten später, also 2 "20 Kilom. von B entfernt, be-
finden wir uns auf einer dritten Höhe C. Der Wall lässt hier dicht
zu seiner Linken einen Tumulus liegen, der auf seiner Spitze einen
grossen Muschelkalkblock trägt. Hasangea erscheint fast rein im
Norden, mit 10" Abweichung nach Osten.
Nach längerem ebenen Fortziehen und Durchschreiten einer
Senkung, einem Wege von im Ganzen 2*5 Kilom., folgt Höhe D,
von der man nördlich Omurgea erblickt; 300 M. weiter, direct
vor dem steilen Abstieg in's Thal, liegen wieder eine Menge Steine
zerstreut.
Ich bin noch mit dem Wall über die nächste Erhebung ge-
stiegen (o Kilom,), dann aber in der durchschneidenden Thalsenkung
nach Murfatlar abgebogen (bei E). Die folgende Partie von 6 Kilom.
habe ich somit nicht selbst gesehen , denn der Ritt, den ich einige
Tage später von der Donau her unternahm, endigte südwestlich von
„Turk Murfat" — so unterscheidet das Volk dies Dorf nach seiner
Einwohnerschaft von dem dreiviertel Stunden weiter östlich am
Bahnknie gelegenen „Tartar Murfat" — aber die üebereinstimmung
der österreichischen und lussischen Karte lässt keinen Zweifel
darüber, dass der Wall hier in aller Ordnung seinen Weg fortsetzt.
Wo der Fahrweg von Megidie nach Jeski Bilbiler schneidet,
steht östlich eine Windmühle auf dem Wall ; an dieser Stelle be-
ginnen wieder meine eigenen Erfahrungen. Von hier aus bin ich
gerades Wegs in 20 Minuten nach Turk Murfatlar geritten: die Ent-
fernung beträgt also beinahe 2 Kilom., wie auch die russische Karte
richtig angibt, während die österreichische den Wall in unmittelbare
Berührung mit dem Dorfe bringt. Aehnlich vei'hält sich's mit der
Lage von Karakiöi (50 Min. weiter), das sich nach der österrei-
chischen Karte südlich vom Walle befinden soll, während es nach
95
der russischen und in Wirklichkeit nördlich in einer Thalsenkung
verborgen liegt. Der Fehler der österreichischen Angabe besteht
darin , dass sie den Wall auf dieser Strecke zu weit nach Norden
gerückt hat; die Ortschaften selbst stehen an ihrem richtigen Platze.
Auch die nun folgende grosse Lücke ist nur auf der russi-
schen Karte richtig verzeichnet. 2 Kilom. hinter Karakiöi nämlich
hört der Wall plötzlich mitten im Felde auf, ohne seinen weiteren
Lauf auch nur durch die leiseste Spur zu verrathen. Es bleibt
uns also nichts übrig, als führerlos über die unwegsame Steppe
weiter zu reiten und das Wiederauftauchen des launigen Reise-
gefährten in Geduld zu erwarten. Ein Glück war es dabei, dass
ich von Westen kam und nur in der zuletzt verfolgten Richtung
weiter zu reiten brauchte, um die Fortsetzung gleich an der rich-
tigen Stelle aufzufinden; wäre ich von Osten gekommen, wo der
Wall gleich zu Beginn des verlorenen Stückes seinen nordwest-
lichen Lauf in einen rein westlichen umgewandelt hat, so hätte ich
wohl lange suchen können.
Einen Kilometer vor der letzten der grossen Heerstrassen, die
Megidie mit dem Süden verbinden, fängt der Wall dann ebenso
unvermittelt wie er aufgehört wieder an. Die ganze Unterbrechung
beträgt 6 Kilom., aber sie lässt sich gerade an dieser Stelle leicht
erklären durch die Nähe von Megidie, dieser einst mächtigen Stadt,
die einen weitberühmten Markt besass und damals wohl auch die
Alles ebnende Cultur des Bodens weit genug um sich her betrieb,
um mit den störenden Ueberbleibseln der Vergangenheit aufzu-
räumen.
Der Wall hält sich jetzt mit mehrfachen Windungen auf der
Wasserscheide zwischen dem Oernawodaer und dem Kokerlener
Thale. 5"5 Kilom. hinter der letztgenannten Heerstrasse kreuzt er
den einfachen, von Megidie nach Rasova gehenden Fahrweg an
einem hochgelegenen Punkte , von dem aus sich vier Tumuli auf
einer Seitenerhebung nacii Norden hinziehen. Nach 15 Minuten
erreicht er einen anderen Tumulus, den er dicht zur Rechten liegen
lässt („neue Colonie" im N.), wendet nun direct nach NW., biegt
aber nach 30 Minuten wieder ab, um einen links liegenden Tumulus
zu umgehen; von diesem aus sieht man die neue Colonie am Nord-
ufer des grössten Karasu-See's im NNO. (20") liegen. Der Wall
ist nachher ein Stück weit verwischt, wird aber 20 Minuten hinter
der eben beschriebenen Stelle , bei einem Tumulus über der Süd-
spitze des Kokerlener See's wieder sichtbar, trägt hier einige mo-
96
derne Schanzen auf seinem Rücken und überschreitet
die folgende sanfte Ansteigung, um bald darauf mit dem
vom See herüberziehenden neuen Stück des grossen
Erdwalls zusammenzutreflfen. Die eigenthüralichen Be-
dingungen dieser Vereinigung jedoch und den Zug der
gemeinschaftlichen Linie bis zur Donau verfolgen wir
am besten bei der Besprechung des grossen Erdwalles,
zu der wir uns nunmehr wenden.
Der grosse Erdwall
Einen Kilometer südlich vom Anfangspunkte des
kleinen Erdwalles beginnt der grosse, und noch 75 M.
weiter der Steinwall. Diese beiden sind also ganz
nahe zusammen, und in einiger Entfernung vom Ufer
nähern sie sich einander noch mehr. Aber im Anfang
ihres Laufes befindet sich weder der eine noch der
andere in normalem Zustande; der Steinwall bildet die
Nordgrenze einer grossen Gärtnerei und ist für diesen
«i Zweck stark zugeschnitten ; der Erdwall hat zwar an
.bc Höhe nichts eingebüsst, aber sein nördlich vorliegender
"^ Graben ist durch den Wasserlauf unzähliger Jahre zu
einer jähen Schlucht ausgerissen, die direct in's Meer
hinunterführt. In dieser Schlucht sah Moltke „die zier-
lichen Reste eines römischen Hauses", die auch von
v. Vincke (1839) erwähnt werden. Bei meinem ersten
Besuch hatte ich von dieser Notiz noch keine Kennt-
niss und beachtete daher die Schlucht nicht weiter, das
zweite Mal aber machte tiefer Schnee jede Nachfor-
schung unmöglich
Beide Wälle sind hier durch eine eigenthümliche
Befestigungslinie verbunden : oben am Uferrande ent-
lang zieht sich eine 8 M. breite und '/, M. hohe Erd-
erhebung mit drei kurzen, nach Innen vorspringenden
Ausläufern. Ich habe Aehnliches nirgend gefunden;
aber das Profil der Erhebung hat zu viel Aehnlichkeit
mit den kleinen Lagerwällen , die wir gleich kennen
lernen werden, als dass ich an seinem römischen Ur-
sprung zweifeln möchte. Vielleicht ist die Linie der
letzte Rest eines Lagers, das hier hinter dem Walle lag.
97
350 M. vom Meere schneidet die grosse Chaussee Küstenge-
Mangalia; nun sind 8teinwall und grosser Erdwall einander so nahe
gekommen, dass sie eine zusammengehörige Linie zu bilden scheinen.
Der grosse Erdwall zeigt in Folge seiner langsamen südlichen Ab-
dachung eine ausserordentliche Breite (s. Fig. 6j. Die Linie durch
seinen Vorgraben bis auf die Höhe misst 12 M. , die Abdachung
26 M., die Bärme von da bis vor den Graben des Steinwalles
12 M. Die Höhe des Walles beträgt von der Grabensohle aus
3 M. Ein Loch von 4 M. Breite und P/^ Meter Tiefe, das sich
1 Minute vom Meere in den Wall eingebohrt findet, sowie zwei
weitere, 3 Minuten vor dem Kreuzungspunkte mit dem kleinen Erd-
wall, die sogar 2*5 M. tief sind, beweisen, dass das Innere wirklich
durch und durch aus Erde besteht.
In dieser Gestalt und in steter Fühlung mit seinem Genossen
zur Linken läuft der Wall noch 1 7q Kilom. über den genannten
Kreuzuugspunkt hinaus — beim Bahndurchschnitt ist ein Wärter-
häuschen an ihn angelehnt — dann aber macht sich der Steinwall
los, und unser Erdwall ändert nun sein Aussehen insofern, als er
nach Norden wie nach Süden hin rascher abfällt und sich jetzt auch
an der hinteren Seite einen kleinen Graben zugesellt; jedoch ist dieser
bedeutend schmäler und flacher als der nördliche und verdankt sein
Dasein wohl nur dem Bedürfniss , die EruC zur bequemeren Auf-
schüttung des Walles von beiden Seiten auszuheben. Als Abschluss
der ganzen Linie bemerkt man zuweilen jenseits der Gräben noch
eine leichte Bodenschwellung (Fig. 7).
Allerhand Gethier hat sich in dieser Wildniss angesiedelt, im
Graben sah ich einen Fuchs laufen, und mehrere etwa kopfgrosse
Schildkröten krochen träge über meinen Weg. Zehn Minuten nach
der Abtrennung des Steinwalles zieht sich eine grosse Melonen-
gärtnerei am Südhange des Walles bin; an ihrem Ende bemerkte
ich die deutlichen Erdwälle eines viereckigen Lagers , und schon
acht Minuten weiter zeigte sich ein eben solches, dessen Fläche
sich bei der Umgehung als ein Quadrat von 124 M. Seitenlänge
herausstellte. Die Umwallung hatte die Form wie Fig. 8 sie
Archäologisch-epigraphischö Mitth. IX. rj
98
darstellt. Gespannt auf die Wiederkehr dieser Erscheinungen
schritt ich weiter und fand nach 13 Minuten richtig ein drittes
Viereck von 124 M. und dann nach 11 Minuten eins von 135 M.
Fig. 8.
Längsseite. Von nun an durfte ich nach einer Wanderung von
durchschnittlich 10 Minuten jedesmal links das bewusste Lager
erwarten. Gleich das folgende, Nr. 5, konnte daher, obgleich nur
die hintere Langseite noch in einer Erhebung von 20 Ctm. existierte,
die Breitseiten aber dem Pfluge völlig gewichen waren, mit Sicher-
heit constatiert werden: der Ort war genau 10 Minuten von dem
vorigen entfernt und wieder 10 Minuten weiter lag Nr. 6. Jenes fünfte
Castrum gehörte übrigens zu den grössten dieser Linie , es hatte
eine Fläche von 186 : 152 M.
Nr. 6 zeigt eine Länge von 160 M. Gleich hinter ihm
kam das Dorf Hasangea im SSW. (210") in Sicht; Nr. 7 liegt
9 Minuten hinter dem sechsten und hat eine Länge von 140 M. ;
Nr. 8, das nach 10 Minuten folgt, eine solche von 141 M. Ich
habe gewöhnlich nur die Langseite im Vorbeischreiten gemessen,
eine jedesmalige Umgehung hätte zu lange aufgehalten und auch
wenig genützt , da die Lager durchweg die gleiche Form haben,
nämlich in der Breite einige Meter weniger zählen als in der Länge.
Das neunte Castrum zeigt sehr schwache Spuren der einstigen
Umwallung, nur wenige Centimeter erhebt sich die Bodenwelle;
aber da dieser Punkt von Nr. 8 wie von Nr. 10 je acht Minuten
entfernt ist, so genügen die leisen Unebenheiten, um das Lager
festzustellen. In dem folgenden, Nr. 10, finden wir zum ersten
Male ein hinter dem Walle zurückliegendes Castrum; es zeigt eine
Fläche von 180 : 162 M. und ist mit der vorderen Seite 105 M.
vom Walle entfernt. An seiner Ostseite läuft ein auch den Wall
durchschneidender Fahrweg, der nach Omurgea führt; man sieht
diesen Ort im SSW. (220«).
Nach 10 Minuten folgt Nr. 1 1 , und wieder nach 10 Minuten
Nr. 12. Ersteres ist 136 M. lang, letzteres liegt wie Nr. 10 wieder
ein Stück vom Walle ab und zwar 120 M. weit; zugleich ist es
das kleinste Lager, das ich auf dieser Linie gefunden, seine Lang-
99
Seite misst nur 105 M. Neben beiden Lagern, bei 1 1 im Osten,
bei 12 im Westen, schneidet ein Fahrweg nach Omurgea durch
den Wall. Nr. 13, das nach 12 Minuten folgt und 162 M. Länge
hat, liegt schon an einer nach Murfatlar führenden Landstrasse.
Mit Nr. 14 steht es ähnlich wie mit Nr. 9: die Spuren der
Wälle sind sehr schwach, aber die passende Entfernung von 13
(10 Min.) macht dieselben zu genügenden Zeugen.
Acht Minuten von da schneidet eine grosse Fahrstrasse nach
Alakap, auf der man den Ort direct im W. liegen sieht, und nach
weiteren 10 Minuten folgt eine zweite Chaussee dorthin, die das
Dorf im SO. zeigt. Auf dieser ganzen Strecke ist kein Lager zu
entdecken, aber wohl nur deshalb nicht, weil die Lage von Alakap
die schwachen Wälle eines Castrums verwischt haben muss. Neben
der ersten Chaussee liegt ein grosses Gehöft mit Viehställen und
Getreideschobern dicht am Wall: gerade hier dürfte sich ein Lager
befunden haben, denn die Querwege durch den Wall, die gewöhn-
lich alt sind, lassen immer ein solches vermuthen. Ebenso wird
daher bei der zweiten Chaussee nach Alakap eines gewesen sein.
Von da ab finden wir wieder einige Befestigungen in regel-
mässigem Abstand von einander. Neun Minuten hinter dem Haupt-
wege Nasargea-Alakap liegt Nr. 15 mit 155 M., nach 12 Minuten
folgt Nr. 16 mit 150 M., und nach sieben Minuten Nr. 17 mit
160M. Langseite.
Dann aber erscheint eine Zeit lang nichts derartiges mehr.
Das Terrain wird sehr niedrig, ja sumpfig, die Eisenbahn braucht
einen tüchtigen Damm, um durchzukommen, und der Ackerbau hat
so stark aufgeräumt, dass der Wall an drei Stellen auf 75, 45
und 264 M. unterbrochen ist.
Gleich hinter der Eisenbahn überschreitet der Erdwall den
Steinwall, hält sich dann aber dicht an dessen Südseite und steigt
mit ihm zusammen einen hohen Hügel hinauf. Diese Thatsachen
sind indess mehr aus dem nachherigen Laufe der beiden zu er-
schliessen, als an dieser Stelle selbst zu erkennen. Die Wälle sind
schon vor ihrem Zusammentreffen beide völlig verwischt, nur eine
unbestimmte Bodenwelle sieht man den Hügel hinaufsteigen , und
droben lassen sich zwar deutlich zwei Linien unterscheiden, die in
leiser Curve der Bergform folgen, aber welches davon der Stein-
wall und welches der Erdwall sei, bleibt ein Räthsel. Da sie eben
nicht gerade über den Hügel, sondern seitlich an seiner Kuppe ent-
lang ziehen , hat das abfliessende Regenwasser sie fast ganz weg-
100
gewaschen. Einen Kilometer beträgt dieser Weg, dann folgt ein
tiefer Wasserdurchriss und hinter demselben stehen plötzlich in der
genauen Fortsetzung ihrer bisherigen Linie die Wälle unversehrt
neben einander, aber der Erdwall links, der Steinwall rechts. Der
stets sich gleich bleibende Abstand auf der zurückgelegten Hügel-
partie und das nunmehrige genau entsprechende Wiederbeginnen lässt
die Annahme nicht zu, dass die Linien sich erst an dieser ausge-
rissenen Stelle gekreuzt hätten; die Ueberschneidung muss also
schon vor dem Aufstieg zum Hügel stattgefunden haben und in der
Verlängerung der schrägen Richtung liegen, mit der man dort den
Erdwall auf den Steinwall zulaufen sieht.
Uebrigens zieht auch die Telegraphenleitung, die vorher schon
auf dem Stein walle Fuss gefasst, mit über den Hügel, während die
Eisenbahn denselben in weitem Bogen umgeht. Die Wälle bleiben
von jetzt ab bis zum .Aufhören des Erdwalles neben einander, wenn
auch nicht so streng geschlossen wie im Anfang ihrer Laufbahn.
Auf der Höhe des ersten Hügelabschnittes liegt ein Lager
hinter dem Erdwall (Nr. 18), leider sah ich dasselbe erst nach dem
Uebersehreiten jener Partie und habe es also nicht gemessen. Neun
Minuten hinter dem Durchriss folgt, nachdem die Wälle sich auf
etwa 50 M. getrennt haben, Lager Nr. 19 mit 138 M. und 14 Minuten
später Nr. ^0 mit 114 M. Langseite. Nach 12 Minuten ist dann
der Fuss des Hügels erreicht, die Bahn biegt wieder ein und pa-
rallel mit den Wällen läuft eine wohlgehaltene Chaussee nach
Megidie, das wir nun in einer halben Stunde erreichen. Unser
Wall hat auf dieser Strecke noch zwei Lager hinter sich (21. 22).
Um nach Megidie hineinzukommen, müssen wir eine kleine
Anhöhe ersteigen, an deren weit nach Süden gedehntem Hange
sich das grosse Trümmerfeld eines zerstörten Ortes befindet. Un-
zählige Häuserfundamente ragen aus der Erde auf und eine Masse
Steine, theils in regelmässiger Schichtung, theils in wirren Haufen,
bedecken den Boden. Es sind die Ruinen von Karasu , das dem
ganzen langen Thale und den Seen seinen Namen gegeben hat.
Die Wälle hören dicht vor jenem Trümmerfelde auf und fangen
unmittelbar hinter Megidie wieder an; sie liefen also mitten durch das
einst und jetzt bewohnte Terrain. Ihr Weg führt, wie schon die
letzte Zeit vor der Stadt, über ein gleichmässig hohes, aber durch
mehrfache breite Wasserläufe querdurchschnittenes Plateau. Während
der Steinwall sich am Rande desselben hält, läuft der Erdwall
2 — 30U M. weiter oben und zeigt hier ein starkes, weithin sieht-
101
bares Profil (s. Fi^. 9). Auch eine bisher noch nicht dagewesene
Erscheinung hat er in dieser Gegend aufzuweisen. Bei jeder der
drei Wasserrinnen , die sich zur ersten Lagune hinabziehen , liegt
^4-4^^^
I^T'
tt
: r
Fiff. 9.
östlich über der Schlucht ein kleines Befestigungsviereck von
30 : 15 — 20 M. Grösse (Nr. 23, 24, 25), dessen flache, aber breite
Wälle denen der sonstigen Lager dieser Linie entsprechen und
dessen Bestimmung jedenfalls die war, den durch die Schlucht
heraufführenden Weg durch einen besonderen Posten besetzt zu
halten. Es sind das dieselben Lager, die sonst Meilen- oder auch
Manipularcastelle genannt werden und von denen v. Cohausen (p. 311)
sagt: „Sie liegen bei uns und eigentlich auch in England da, wo
der Grenzwall durch ein Thal oder einen Bergpass durchschnitten
wird."
Ein Stück hinter dem Walle, mit dem Rücken an die grosse
nach SW. führende Chaussee gelehnt, liegen umfangreiche russische
oder türkische Verschanzungen. Sie bestehen aus mehreren an
einander stossenden Vierecken von 120 : 90, 110 : 105, 105 : 30 M.
Fläche und zeigen eine sehr schmale und von der Grabensohle aus
1-2 M. hohe Einhegung.
Einige hundert Schritte westlich davon stösst ein einzelner
Wall auf den grossen Erdwall. Derselbe ist seinem Profile nach
römisch und bildete vielleicht die Seite eines Lagers; von den zwei
anderen, die sich dann daneben finden müssten, war indessen keine
Spur zu entdecken.
Südlich von dem breiten Landstrich, der den ersten See vom
zweiten trennt, sinkt unsere Hochebene stark ein, die Wälle nähern
sich einander und beim Aufstieg zu dem folgenden weit nach Norden
vorspringenden Hügel lenkt der Erdwall in den Steinwall ein. Die
Profile beider sind hier ähnlich verwaschen wie bei dem Hügelauf-
stieg zwischen Alakap und Megidie Von unserem Wall aber ist
forthin nichts mehr zu sehen. Es wäre ja denkbar, dass er auch
auf der folgenden Strecke ursprünglich vorhanden gewesen und
später in den Steinwall verwandelt worden wäre: das müsste dann
aber an der grösseren Erdmasse, die den Erdwall überall vor dem
102
Steinwall auszeichnet, noch zu erkennen sein, der letztere müsste
ein höheres oder wenigstens breiteres Profil aufweisen als bisher.
Von alledem ist jedoch nichts zu bemerken, der Steinwall zieht
weiter, ohne an seiner Gestalt das Geringste zu ändern, und es
ist somit klar, dass der grosse Erdwail an dieser Stelle wirklich
aufhört.
Das Thal bekommt nun einen immer schärferen Schnitt; auf
beiden Seiten steigen die Ufer 15—20 M. schroff empor, und der
Erdwall — verausgesetzt, dass er älter ist als der Steinwall —
wurde wohl deshalb, sei es vorläufig, sei es endgültig, nur bis hieher
geführt, weil man auf der folgenden Strecke in dem scharfen Ufer-
rande eine Grenzlinie von genügender Deutlichkeit zu erblicken
glaubte. Erst wo die Grenze das Thal verlässt, bei der fast recht-
winkligen Biegung des letzten Sees nach NNW. ist ein neues Wall-
stück angelegt, das mitten durch's Land auf geradem Wege zur
Donau läuft. Dieses und mit ihm das Ende des kleinen Erdwalls
bleibt uns jetzt noch zu verfolgen.
Das neue Stück erscheint, wie eben beschrieben, dicht neben
dem Steinwallager 18; dass die österreichische Karte es schon
am Ostende des Sees, südlich von der „Neuen Colonie" beginnen
lässt, ist ein grober Fehler: ich bin an dem Wall entlang geritten
und habe vom See bis zu seinem Zusammentreffen mit dem kleinen
Erdwall (bei Lager 26) genau 35 Minuten gebraucht, während es
nach der österreichischen Karte eine Strecke von IVg Stunden
sein müsste. Aber die neue Anlage ist nicht eine einfache Wie-
dererweckung des hinter Megidie entschlafenen grossen Erdwalls,
sondern hat in mehrfacher Beziehung eine neue Gestalt ange-
.,^r"
Fig. 10.
! r
nommen, wie das Profil Nr. 10, das ich gleich bei seinem Anfang
am See aufgenommen habe, deutlich machen kann. Der Hauptarm
in der Mitte ist grösser geworden, und die Seitenerhebungen hinter
den Gräben, welche früher sehr häutig gar nicht, wenn aber wirk-
lich, dann doch immer äusserst bescheiden auftraten (vgl. Profil 7),
sind jetzt so herangewachsen^ dass sie allein es mit gar vielen
103
Stellen der alten Befestigung aufnehmen könnten. Die neue er-
scheint darnach durchaus als ein dreifacher Wall ; ihr mittlerer Arm
erhebt sich 5 M., die beiden seitlichen V/,^ — 2 M. über die Graben-
sohle. Die Profile sowohl der Gräben wie der Wälle sind schmal
und scharf; Peters hatte wohl diese Anlage vor Augen, als er
schrieb (p. 142): „Die römischen Wälle sind aller Orten so wohl
erhalten, dass der Beschauer hie und da im Zweifel sein mag, ob
er nicht moderne Befestigungswerke vor sich habe."
Auf der ersten Strecke dieses neuen Walles habe ich keine
Lager bemerkt. Es wäre aber sehr sonderbar, wenn nie welche
dagewesen wären; wahrscheinlich sind sie durch den Ackerbau,
den ich hier überall eifrig betrieben sah, verwischt worden. Weiter
zum kleinen Erdwall hin finden sich mehrere Castra , ganz nach
Art der früheren. Zu den ersten beiden (26. 27) ist der kleine Wall
als Hintergrund benutzt, das dritte (28) ist wieder ein Meilen- oder
Manipularcastell, mit doppeltem Wall und Graben. Es ist etwa halb
so breit als lang und liegt in einer Senkung des Terrains.
Der Wall steigt von da gleich wieder hinauf, um in der nun
folgenden Tiefe, in der er zugleich scharf nach SW. umbiegt,
sich mit dem kleinen Erdwall zu verschmelzen. Zu verschmelzen
sage ich , denn man hat es hier nicht gemacht wie an anderen
Stellen, wo zwei Wälle zusammentrafen, dass man sie selbständig
neben einander herlaufen liess: der grosse Erdwall setzt sich geradezu
an Stelle des kleineren und lässt diesen völlig verschwinden, indem
er ihn in seine eigenen weiten Gewänder mit aufnimmt. Der kleine
Wall hat auf der letzten Strecke sein gewöhnliches Aussehen ge-
habt, etwa wie in Profil 1, fortan bildet er den Grundstock für den
Hauptarm der neuen Linie. An mehreren Stellen sind noch Streifen
sichtbar, welche die Grenze zwischen dem alten Bestaudtheil und
der jungen Aufschüttung anzeigen. Das höhere Alter des kleinen
Erdwalls wird durch diese Umwandlung ausser Zweifel gestellt.
In derselben Senkung, in der diese Vereinigung vor sich geht,
liegt ein Lager hinter dem neuen Wall (29) , acht Minuten weiter
auf der Höhe wieder eines (30), beide mit den gewöhnlichen breiten
Erdwällen. Das zweite wird von der Chaussee durchschnitten, welche
diesem und weiter östlich dem kleinen Erdwall folgt. Auf der Höhe
findet eine Biegung nach NNW. statt, links liegen mehrere Wind-
mühlen und 15 Minuten später erreicht der Wall, nicht in der weiten
Bucht, wie die österreichische Generalkarte meint, sondern auf dem
nördlich davon liegenden Hügelrücken die Donau.
104
Wenn man zu Schiffe an dieser Stelle vorbeifährt, kann man
den auffälligen Vorsprung hübsch überschauen und bekommt den
Eindruck, dass für eine solche Anlage gute strategische Gründe
massgebend waren, denn der Wall hält sich genau auf dem Kamme
der breiten Erhebung, welche das Kokerlener von dem Cerna-
vodaer Thale trennt. Diese Taktik kommt natürlich auf Rechnung
des kleinen Erdwalls, der ja bei seinem ganzen Laufe sich auf
der Höhe, womöglich auf der Wasserscheide, zu halten sucht,
Wcährend die beiden anderen vor der Hochebene, am Rande des
Thals, die Grenze aufrichten.
Der Steinwall
Die dritte Befestigungslinie, die stärkste und interessanteste
von allen, beginnt 75 M. südlich vom grossen Erdwall, üeber
diesen Anfangspunkt schreibt v. Vincke (p. 184) : „Da wo der süd-
liche Wall an das Meer stösst, befindet sich ein von den Spuren
eines alten Walles eingeschlossenes Viereck — wahrscheinlich ein
römisches Castrum — dessen Nordseite 530 Schritt (einfache Schritt
— 247 M.) der Hauptwall selbst bildet, während die Westseite
330 Schritt (225 M.) lang und die Südseite 250 Schritt (187 M.)
lang, von besonderen Wällen eingeschlossen, die vierte, die Ost-
seite, aber durch das hohe, in senkrechten Felsen abstürzende
Meeresufer geschützt war." Heutzutage liegt hier ein grosser Garten,
zu dessen Einhegung man im Norden den Steinwall benutzt hat,
indem man eine etwa 2 M. dicke Schicht von diesem stehen Hess
und sie mit einer Lage kleiner Kalksteinstücke krönte. Im W. und S.
aber geht der Garten über das von v. Vincke angegebene Lager-
gebiet hinaus, so dass sich von dieser ersten Befestigung des Stein-
walles jetzt keine Spuren mehr vorfinden. Um so dankbarer be-
grüssen wir es, dass gerade von diesem verlorenen Lager uns genaue
Messungen aufbewahrt sind.
Hinter der grossen Mangalia - Constanzer Chaussde zeigt der
Wall zuerst seine regelrechte Gestalt. Er ist weit niedriger und
schmäler als der grosse Erdwall (s. Fig. 6); nur 1 M. erhebt sich
sein Kamm über den ebenen Boden, der nördlich vorliegende Graben
ist ungefähr eben so tief; im Süden dacht er sich langsam ab,
ohne hier mit einem zweiten Graben versehen zu sein. Die Krone
des Walles ist in ihrer ganzen Länge aufgewühlt und die Berau-
bung, die hier stattgefunden hat, so vollständig durchgeführt, dass
nur noch winzige Steinsplitter umherHegen. Erst bei der weiteren
105
Begehung bekommen wir Aufschluss über das Material, das einst
hier verborgen, und die Art, wie es verwandt war.
Zwanzig Minuten vom Meere liegt südlich am Walle ein
Lager (II), dessen Innenraum von O. nach W. 266 M., von S. nach N.
184 M. misst. Die Umringung, wie auch die Fläche selbst, ist viel-
fach durchwühlt, Steine und Ziegelstücke b'egen überall umher, und
an der Südseite fand ich zwei grosse Marmorkapitelle von etwa
70 Ctm. Horizontaldurchmesser. Beide waren mit Blattornamenten
verziert; die des einen zeigten ziemlich sorgfältige Meisselung, die
des anderen auffällig viel Bohrerarbeit. An derselben Seite lagen
noch zwei ungefähr meterlange Säulenstämme, der eine glatt, der
andere mit einigen Längsstreifen versehen, und schliesslich mehrere
grosse Quaderblöcke aus Muschelkalk. Einpn Ziegelstempel zu
finden, wollte mir trotz allen Suchens nicht gelingen. Die Lager-
wälle müssen hoch gewesen sein, denn die durch die Grabungen
auseinander geworfene Erde nahm eine ziemliche Breite ein. An der
Westseite zieht sich ein Fahrweg hin, der auch den Wall durch-
sch neidet.
Zehn Minuten von hier kommen wir an den Punkt, wo der
kleine Erdwall von N. nach S. herübergeht, und 20 Minuten weiter
trennt sich der Steinwall vom grossen Erdwall, um in westsüdwest-
licher Richtung ein Stück Hochebene zu überschreiten. Auf diesem
Wege folgte ich ihm im Januar zum ersten Male.
Von der Abzweigung des grossen Erdwalls bis zum Bahn-
durchschnitt ritt ich (Schritt) 25 Minuten; es sind also etwa 2 Kilom.
Auf der Mitte dieser Strecke, 37.j Kilora. von 11 entfernt, liegt ein
Lager (III) mit doppelter Umwallung, dessen Nordseite, durch den
Steinwall selbst gebildet, 210 M. lang ist. Der innere Ring ist aufge-
wühlt, muss also begehrenswerthes Material enthalten haben; es stand
demnach wohl auf diesem die Mauer und der äussere war ein Vorwall.
Etwa 3 Kilom. weiter, auf der Höhe, findet sich wieder ein
Lager (IV) mit einfachen Wällen und 165 M. Länge. Dann folgt
bis hinter Hasangea keine Befestigung mehr.
Auf diesem ganzen Zuge aber kann man, wie sonst nirgend,
einen Einblick bekommen in die ursprüngliche Bauart des Walles.
Hier auf der abgelegenen Höhe ist die Ausbeutung noch nicht bis
zum letzten Punkte vorgeschritten, sondern befindet sich gerade in
einem für uns sehr lehrreichen Stadium: der Wall ist überall auf-
gegraben , aber in den Gruben und daneben am Boden sieht man
noch die Steine der Fortschaflfung harren. Es sind Blöcke von
106
stattlicher Grösse und sorgfältig in rechten Winkeln behauen. Sie
haben meistens eine flache Gestalt, indem ihre Dicke etwa die
Hälfte der Breite beträgt. Die Fläche selbst aber zeigt ungefähr
Briefbogenform, mit einer Länge von 50 — 80, ja oft 100 Ctm. Das
Material ist ein harter, grauer Kalkstein, wie er bei Omurgea
und Murfatlar an den Abhängen der südlichen Höhenzüge zu Tage
tritt. Von Mörtel sah ich nirgends eine Spur. Die noch nicht aus-
gehobenen Blöcke lagen auf ihrer flachen Seite und fanden sich
nur auf etwa 3 Meter Breite im Mittelstrich des Walles, nicht unter
den Seitenhängen. Dieser Umstand sowie die regelmässige Form
der Steine lässt darauf schliessen, dass dieselben nicht zur blossen
Fütterung oder Verkleidung des Erdaufwurfes dienten, sondern auf
dessen Höhe eine freistehende Mauer bildeten, ähnlich der Teufels -
mauer in Baiern, nur dass diese auf ebenem Boden steht und auch
keinen Graben vor sich hat. Dass das ganze reiche Material einer
solchen Anlage bis auf so kärgliche Reste verschwunden ist, kann
nicht Wunder nehmen, wenn man sieht, zu welchen tausenderlei
Zwecken die Steine noch in unseren Tagen verwandt sind und ver-
wandt werd-en. Ganze Dörfer sind davon gebaut worden: Hasangea,
Omurgea, Murfatlar, Alakap ; in allen Häusermauern, in jedem
Schweinestall erkennt man dort die unverkennbaren Wallquadern,
auf allen türkischen Kirchhöfen wimmeln sie, die Eisenbahn ver-
dankt ihnen ihren sichern Weg, und was nach alledem nocii über-
schüssig ist, kommt in den Handel: bei Hasangea sah ich neben
der Bahn mehrere hundert Schritt lang Steine aufgeschichtet, die
für Küstenge bestimmt waren und von da weiter expediert werden
sollten.
Nachdem der Wall mit schwacher nördlicher Wendung wieder
in das Thal herabgestiegen ist , schneidet er zwischen Hasangea
und Omurgea die Bahn, und, während diese noch dicht neben ihm
entlang läuft, hebt sich hinter ihm ein viereckiger Raum aus dem
Terrain heraus, den die Bahn durchschneidet und den man nach
seiner Grösse — er ist 180 M. lang — gern für ein Lager ansehen
möchte. Aber eine Sonderbarkeit macht die Sache zweifelhaft: es
sind kein(! eigentlichen Wälle sichtbar, sondern das ganze Viereck
liegt 40 — 50 Ctm. höher als die Felder umher.
Etwas weiter befindet sich links vom Wall ein türkischer
Kirchhof, auf dem ich eine wohlerhaltene griechische Inschrift ent-
deckte. Ein G. Pontios Likinnianos setzt seinen Brüdern G. Pontios
Phoibianos und G. Pontios Markianos ein Denkmai.
107
Dicht bei Omurgea, an der Strasse nach Horoslar liegt ein
Lager (V) mit doppelten Wällen. Der ganze Urafassungsgürtel hat
eine Breite von 45 M. (s. Fig. 11). Der innere Wal! ist aufgewühlt
±H^^+^-^- 1- it-,
I I ! I I I
Fig. 11.
und auch im Lagerräume vielfach gegraben. Nicht weit von der
Südwestspitze sah ich ein grosses Kapitell aus Muschelkalk von
etwa 1 Kubikm. Masse, weiter im Felde lagen noch eine Menge
grosser Blöcke verstreut
Kurz vor Alakap findet sich wieder ein Lager (VI), dieses
anscheinend sogar mit dreifacher Urawallung: vor dem äussersten
Graben erhebt sich nämlich noch eine kleine Wölbung, ähnlich wie
zu äusserst vor den Gräben des grossen Erdwalles, so dass der
ganze ßefestigungsring besteht aus: Wall, Graben, Wall, Graben,
Wall. Dieselbe Erscheinung kehrt gleich beim zweitfolgenden Lager
wieder. Nachdem nämlich der Wall im Westen von Alakap die
Eisenbahn überschritten hat, dort durch ein Lager (VII) mit ein-
facher, aufgegrabener ümringung verstärkt ist und nur mit sehr
schwacher Erhebung, aber desto tieferem Graben (2 M.), in der Enge
zwischen Bahn und Höhenrand hinzieht, liegt hinter ihm an der
Stirn eines Hügels ein grosses Castrum (VIII), welches durch seine
eigenthümliche Lage und Gestalt weithin die Blicke auf sich zieht
Schon V. Vincke spricht von der „auffallend zirkelrunden Form"
desselben; in der Nähe gesehen aber stellt sich das „zirkelrund"
vielmehr als achteckig heraus. Die drei obersten Seiten dieser
Figur sind freilich durch die Wölbung der Höhe für den unten-
stehenden verdeckt, aber es ist nicht anzunehmen, dass die Linien,
die vorn auf ein klares Achteck angelegt sind, hinten plötzHch ein
anderes System einschlagen sollten. Weshalb an dieser Stelle von
der gewöhnlichen Form abgegangen wurde, erklärt sich ohne Zweifel
daraus, dass bei der allseitigen starken Rundung des Hügels die
Ecken eines Viereckes sehr herabgehängt haben würden, wogegen
die geschlossenere Form ein einheitlicheres Terrain ausschneidet.
Dieses Lager hat gleichfalls eine dreifache Umringung, die in ihrem
äussersten Gliede sehr schwach ist, im zweiten und dritten aber
stetig wächst. In der Mitte der Vorderseite sieht man noch den
108
ebenen Weg der Pwta decumana durch Wälle und Gräben hindurch-
ziehen.
Zwei Kilometer weiter, da wo der Erdwall schon ganz nahe
ist, liegt am Ausgang einer Thalsenkung ein Lager mit einfachen
Wällen (IX), südlich davon ein türkischer Kirchhof und westlich
dicht am Wall ein paar bulgarische Hirtenhütten. Dann beginnt
gemeinschaftlich mit dem grossen Erdwall der schon bei der Be-
schreibung des letzteren geschilderte Uebergang über den Berg.
Am Ende dieses beschwerlichen Weges finden wir neben der Chaussee
ein 204 M. langes Lager (X) mit einfachen aber 1 7» M. hohen,
steinigen Wällen, deren Profil sich sehr scharf erhalten hat.
Bis Megidie und darüber hinaus theilt unser Wall die Schick-
sale des grossen Erdvi alles , ohne selbst etwas Beraerkenswerthes
zu bieten. Er hält sich beständig am Rande, während der Erdwall
weiter oben über die Höhe zieht. Die dritte der hinter Megidie
durchschneidenden Wasserrinnen trägt auf ihrem Westrande einen
2 M. hohen starken Wall, welcher denen des letztbeschriebenen
Lagers X ähnlich ist und den Steinwall mit dem Erdwall verbindet.
Ich verrauthete auch hier ein Lager, zu dessen hinterer Seite dann
der Erdwall benutzt worden wäre, fand aber für die westlich zu
suchende vierte Seite keinerlei Anhaltspunkte
Der Wall hat schon auf seinem bisherigen Wege von den
durchziehenden Wasserläufen viel zu erdulden gehabt , weiterhin
geht es ihm noch schlimmer. Er hält sich auch hier mit wenigen
Ausnahmen dicht an dem hohen Uferrande und ist an vielen Stellen
mit sammt diesem Rande verschwunden. Die Sohle des Karasu-
thales liegt nur wenig höher als der Donauspiegel, bei jedem hohen
Wasserstande ist der Fluss früher hier hereingefluthet, hat die
breite Niederung ausgefüllt und an den steilen Rändern Scholle um
Scholle zu Fall gebracht. Seit dem Bau der Eisenbahn ist das
anders geworden ; zu deren Sicherung musste das Thal bei Cerna-
voda durch einen grossen Steindamm geschlossen werden. Die
Seen, die vorher das ganze Thal bedeckten, sind nun sehr zusammen-
geschrumpft und fristen ihr Dasein nur noch durch das Grundwasser;
das hohe Röhricht ist mehr und mehr durch fruchtbaren Graswuchs
verdrängt, ja stellenweise sieht man sogar geackerte Fluren.
Der Steinwall überschreitet nach dem Aufhören des grossen
Erdwalles den ersten grösseren Hügel dieser Uferstrecke und hat
auf dessen Westseite ein einfach umringtes Lager (XI), dessen
109
hinterer mit dem Stein wall parallel laufender Wall über das Viereck
hinaus bis an den seitlichen Abfall des Hügels verlängert ist.
Dann folgt eine längere Unterbrechung durch ein breites Thal,
in welchem in einiger Entfernung mehrere Hütten stehen, weiterhin
wieder ein hoher Hügel, und dann nach abermaligem Durchriss auf
einer niedrigen Platte ein Lager mit doppelten Wällen (XH).
Weiter überschreitet der Wall eine stärkere, rund auslaufende
Höhe, dahinter eine flache Platte und hat alsdann auf einer zweiten
solchen ein dreieckiges Lager aufzuweisen (XHI). Ich habe diese
Beobachtung schon auf meiner ersten Fahrt gemacht und, nachdem
ich inzwischen v. Cohausen's Misstrauen gegen solche Abnormitäten
kennen gelernt, sie auf der zweiten noch einmal nachgeprüft: man
kann das Lager wirkHch mit gutem Gewissen dreieckig nennen, seine
westliche Seite ist ganz gerade, die östliche, die sich an jene im
rechten Winkel ansetzt, läuft erst 150 M. gerade aus und macht
dann einen kleinen Knick, um nach weiteren 30 M. in den Wall
einzumünden. Da v. Cohausen sagt (p. 335), dass er niemals drei-
eckige Lager gefunden, noch auch durch Beschreibungen aus Eng-
land oder Frankreich von solchen gehört habe, so ist das hiesige
wohl ebenso wie das achteckige (VUI) bei Alakap für ein Unicum
anzusehen, Dass die dreieckige Anlage durch das Terrain geboten
gewesen sei, lässt sich nicht gerade sagen : auf derselben Platte ist
weiter westlich noch Platz genug für ein Viereck. Aber im Osten
zieht hinter dem Lagerwall ein Einschnitt vom Thal herauf, in dem
jetzt ein Fahrweg entlang läuft, und wohl deshalb wurde in diese
Ecke, wo man gleich halbe Rückendeckung fand, die Befestigung
hineingeschobene Die Wälle sind, wie gewöhnlich auf dieser Linie,
von scharfem Profil und haben l\„ M. Höhe.
Hinter der Spitze des Lagers liegt ein türkischer Kirchhof,
auf dem ich vergeblich nach Inschriften suchte. Die Lage des
Dorfes Celebikiöi bestimmte ich von hier aus als NNO. (20").
Abermals folgt ein breiter Durchriss, dann eine Platte, auf
deren Ostecke ein Lager (XIV) liegt, mit einfacher Umfassung,
aber so hohen Wällen, dass ich den grossen Erdwall wieder auf-
erstanden glaubte.
Hier biegt der Wall scharf nach SW. ab, um einen bequemeren
Aufstieg zu dem nächsten Hügel zu gewinnen, dem höchsten und
breitesten in der ganzen Kette. Sein Gipfel gewährt einen vor-
trefFlicheu Ueberblick über die vielfachen Verwirrungen, die da
folgen, speciell über die interessanten Beziehungen des Walles zu
110
den nächsten drei Hügeln, die alle durch Lager stark befestigt
sind. In den Niederungen zwischen ihnen ist der Wall jedesmal
unterbrochen.
Auf dem ersten Hügel liegt ein Lager (XV), das seine beiden
rechtwinklig auf den Wall stossenden Seitenwände nach vorn hinaus
verlängert und bis an den steilen Rand des Hügels geführt hat. Es
entsteht somit ein Viereck vor, und eins hinter dem Walle. Beide
sind ziemlich von gleicher Grösse und wie VI und VIII von einem
dreifachen Gürtel umschlossen; nur vorn am Hügelsaume entlang
zieht sich eine einfache Erhebung. Wahrscheinlich war auch hier
einst die Einfassung dreifach, ist aber zugleich mit dem Rande, auf
dem sie stand, der Zerstörung anheimgefallen.
Auf dem folgenden Hügel befinden sich zwei Lager; das eine
(XVI) schliesst sich regelrecht an den Wall, das andere (XVII)
liegt frei davor und ist schief gestellt, um sich der westlichen Run-
dung des Hügels anzupassen: es hat gleichfalls mit dem abgestürzten
Rande seinen vorderen Theil eingebüsst. Heide Lager haben ein-
fache Wälle.
Der dritte Hügel mit dem Lager XVIII ist so sehr von den
Fluthen benagt worden , dass die ganze Partie , auf welcher der
Steinwall entlang lief, abgestürzt, der Wall selbst damit von Lager
XVH an bis hinter die Senkung, in der der neue Erdwall beginnt,
unterbrochen ist und nur der hintere Theil des Lagers sich auf dem
beschädigten Hügel erhalten hat. Da wir in einer benachbarten
Hütte Rast machten, erstieg ich diese Höhe und fand, dass die
Lagerwälle V/„M. hoch und zweifellos mit Steinen durchsetzt sind;
aus ihrer spitzen Krone gucken überall die Muschelkalkstücke hervor.
Das Thal hat sich jetzt nach NNW. gewandt, der Steinwall
überschreitet noch mehrere Hügelplatten, ohne die Spur eines Lagers
aufzuweisen, und biegt dann direct westlich zur Donau ab. Ob sich
hier mitten im Lande noch eine Befestigung findet, vermag ich
nicht anzugeben, da ich diese Strecke nicht mehr begangen, sondern
den Wall nur noch an der Stelle gesehen habe, wo der Fahrweg
von Cernavoda nach Rasova ihn schneidet. Von da aus kann man
bis zur Donau hinsehen, aber das Resultat dieses Blickes ist ein
wenig ergiebiges: das Terrain ist so bunt zerrissen, dass man den
Lauf des Walles wohl verfolgen, von weiteren Befestigungen aber
nichts mehr entdecken kann. Er bleibt auch hier seiner Gewohn-
heit getreu, immer am Seitenhang der Hügel hinzulaufen, und er-
reicht vor einer langen grünen Insel die Donau.
111
Die Stadt Küstenge (Tomi) ist, wie man sieht, nicht in das
durch die Wälle geschützte Gebiet miteinbezogen. Für sie findet
sich eine besondere Umringung in Gestalt eines 1 M. tiefen Grabens
und eben so hohen Walles, der gleich hinter der Stadt die Land-
zunge abschneidet. Die Anlage scheint von Moltke und v. Vincke
für römisch gehalten zu sein, sie zeigt aber sonderbarer Weise gar
keinen Rasenbewuchs, sondern überall lockere Erde, und ist ausser-
dem so schmal (7 M. durch Wall und Graben), dass ich sie lieber
für türkisch ansehen möchte. Fig. 12 zeigt das Profil dieser eigen-
thümlichen Schutzwehr.
Um aber das Verhältniss, in dem die drei Grenzwälle zu ein-
ander stehen , klarer hervortreten zu lassen, seien ihre Haupteigen-
thümlichkeiten hier noch einmal kurz nebeneinander gestellt.
Der kleine Erdwall besteht aus einem einfachen, V/^ M. hohen
und jetzt 15— 18 M. breiten Erdaufwurf mit südlich davorhegen-
dem Graben. Auf seinem ganzen Zuge finden sich keine Lager,
sondern nur an gewissen Stellen Steintrümmer, die etwa auf Wacht-
häuser schliessen lassen.
Der grosse Erdwall zeigt in seinem ersten Theile eine 2 — 3 M.
hohe Erbebung mit einem tiefen Graben im Norden, einem flacheren
im Süden und gelegentlich einer schwachen Bodenerhebung jenseits
beider Gräben. Sein zweites Stück, vom See bis zur Donau, hat
diese letzten Erhebungen noch zu besonderen Wällen ausgebildet
und weist somit eine dreifache Linie auf, die in ihrem mittleren
Grat eine Höhe von 4 — 5 M. (über der Grabensohle) erreicht. Am
grossen Erdwall findet sich durchschnittlich auf alle 850 M. ein
Lager von einfachen Erdwällen und gewöhnlich 120 : 135 M. Fläche.
Der Steinwall endlich hat hinter seinem Graben heute nur
eine 1 — IVq M. hohe Erderhebung, die den eifrig nachgrabenden
Anwohnern grosse Quadersteine geliefert hat und früher wahrschein-
lich eine Mauer trug. Seine Befestigung bilden auf alle 2 — 3 Kilom.
Lager von starker, oft zwei- und dreifacher Urawallung und ver-
schiedenem, aber den der Erdwallager stets übertreffenden Flächen-
inhalte.
112
Das wäre in Kurzem das Material , welches meine Bereisung
zu Tage gefördert hat. Schlüsse daraus zu ziehen über Zeit und
Urheber der Wälle möchte ich heute noch unterlassen. Nur einige
Bemerkungen , die sich aus dem Beschriebenen direct ergeben,
sollen nicht unterdrückt werden.
Auch die römischen Wälle in Deutschland zeigen verschiedene
Construction: das Stück von Rheinbrolil über den Taunus nach
Gross-Krotzenburg am Main, sowie das weitere von Miltenberg bis
Lorch in Württemberg ist Erdwal!, und erst von da durch Baiern
findet sich die eigentliche Teufelsmauer. Die Ungleichheit erklärt
sich aus der späteren Anlage der baierischen Partie (vgl. Cohausen
p. 849 f.). Wird also schon dadurch der Gedanke nahe gelegt, dass
auch in der Dobrugea die verschiedene Bauart auf eine ver-
schiedene Entstehungszeit zurückzufüiiren sei, so benimmt ein Blick
auf den Verlauf unserer Wälle hierüber jeden Zweifel Wären
dieselben zu gleicher Zeit und zu gemeinsamem Zusammenwirken
angelegt worden, sollten sie also eine vorderste, mittlere und letzte
Schutzwehr gegen den Feind Inlden, wie konnte man dann den
kleinen Erdwall erst nördlich von den beiden anderen beginnen,
dann aber über diese hinweg unabsehbar nach Süden hin ver-
schwinden lassen, und wie durfte der grosse Erdwall beliebig bald
rechts, bald links vom Steinwall laufen?
Nein, jeder Wall ist für sich angelegt worden und jeder ein-
zelne stellt einen besonderen Versucii dar, die römische Grenze in
möglichst praktischer und sicherer Weise abzustecken.
Dass der kleine Erdwall zuerst da war, haben wir schon ge-
sehen. Um das Altersverhältniss der beiden andern zu ermitteln,
ist massgebend einmal der Vergleich mit den Wällen in Deutsch-
land, bei denen der gemauerte der jüngste ist, dann aber auch das
in der Sache selbst liegende Moment, dass man wohl nicht darauf
gekommen wäre, noch einen Erdwall anzulegen, wenn der Stein-
wall mit seiner staiken Schutzlinie von Mauer und Lagern schon
existiert hätte, dass vielmehr umgekehrt der Steinwall gerade
deshalb gebaut wurde, weil der Erdwall, zumal mit seiner grossen
Lücke in der ."\litte, nicht mehr genügte. \\'ir erhalten somit die
Reihenfolge: kleiner Erdwall, grosser Erdwall, Steinwall.
Die Erkenntniss dieser zeitlichen Verschiedenheit der Wälle
ist, wie ich glaube, das wichtigste Ergebniss meiner Untersuchungen.
Noch der kürzlich erschienene kleine Aufsatz von Herrn M. C. Sutzu
113
in Bukarest über den Traj ans wall*) leidet an dem Grundfehler der
Annahme einer einheitlichen Befestigungslinie. Sutzu sucht die
Entstehung „des Walles" in die Zeit des Theodosius zu verschieben.
Die Inschriften, sagt er, welche bei Constanza am Walle selbst ge-
funden wurden , seien weit später als Trajan , und die in dem Ge-
biete nördlich vom Wall zu Tage gekommenen gehen sogar bis in
die Zeit des Constantin und Valens herunter; folglich könne auch
der Wall, der ja diese Gegenden vom Reiche ausschliesse, nicht
vor Valens angelegt sein. Die Angabe der späten römischen Ge-
schieh tschreiber aber, dass der Limes von einem General dieses
selben Kaisers, dem Comes Traianus angelegt worden sei, nennt
Sutzu mit Recht einen werthlosen Versuch, den Namen Trajanswall
zu erklären. Die Generale des Valens, fährt er fort, haben gar
nicht Zeit gehabt, ein solches Riesenwerk auszuführen, dazu gehöre
voller Friede und der sei dem Reiche erst unter Theodosius nach
der Beruhigung der Gothen zu Theil geworden. Demnach sei
Theodosius als Erbauer der Wälle anzusehen.
Ohne jetzt auf Näheres einzugehen, möchte ich doch glauben,
dass wir den Ursprung dieser Wälle in weit früherer Zeit zu
i^uchen haben. In welcher, darüber wird eine genaue Vergleichung
der Bau- und Befestigungsart anderer Linien, besonders der in
Bessarabien, die ich Ostern zu besuchen gedenke, hoffentlich einiges
Licht bringen.
Epureni bei Berlad in der Moldau, L März 1885.
C. SCHUCHHARDT
Inschriften ans Kleinasien
Ancyra
Meine Hauptaufgabe in Ancyra musste die Revision der
grossen Inschrift bilden. Kaum hatte ich den lateinischen Text
zu Ende verglichen, als ich der Einwirkung des Klimas erlag und
so schwer am Fieber erkrankte, dass weder an eine Vergleichung
*) ^Yalul lui Trojan^ in Tocilescu's Revista latorie, Archeologie si peiitru
Filologie, Bukarest 1883.
Archäologisch-epigraphische Mitth. IX. o
114
des griechischen Textes noch an eine vollständige Aufnahme der
übrigen Inschriften zu denken war. Doch gelang es mir durch
Humann's Vermittlung eine Anzahl guter Abklatsche zu erhalten;
ferner erwarb Humann ein türkisches Manuscript*), welches eine
grössere Zahl unedirter Inschriften enthielt; endlich überliess mir
Dr. Mordtmann in Constantinopel eine Reihe Photographien des
Russen Ermakow. Ich gebe zunächst die unedirten und revidirten
Inschriften nach den Abklatschen und Photographien, dann die un-
edirten Inschriften des Manuscriptes.
65. Nach einem Abklatsch.
ITA..Y1ANU.EYXHN ^ij'i Taouiavuj euxHV
AANKioEKP^TEiNo TT|\dvKio? Kpaxeivos
Das berühmte Heiligthum des Zeus in Tavium, der Haupt-
stadt der Trokmer, erwähnt Strabo 12, p. 567: Tdouiov — öttou
6 ToO Aiög KoXoooög xö^KoOt; küi xeiitevo^ auTou dcruXov. Vgl. auch
C. I. L. III, 860 u. 1088.
66. Nach einer Photographie.
/Y P H A I o 2 * AjupjiXioff
/iiePIAATIKOZ M]i6pibaTiKÖ?
ÄAEnoNozr (^KttTÖVTapxoff) Xe^iövog f
TAAAIKHZ * raXXlKVJg
5 AAEHANAPA 'AXetdvbpU
THIAIATYNAIKI Tf) ibia Y^VaiKl
oEYNoiAx * euvoiag
KAiMNHmnj: Ktti juvr))U)"|5
o X A p I N o Xdpiv
*) Das Manuscript enthält 138 griechische und lateinische Inschriften, beinahe
alle aus Ancyra selbst. Die Copien sirxd so fehlerhaft, dass sie für anderweitig
bekannt gewordene Inschriften keinerlei Werth besitzen. Ich habe daher dem
Manuscripte nur Unedirtes entnommen. Der anonyme Verfasser ist ohne Zweifel
der ancyraiiische Apotheker Leonardi. Denn die Copie der unter Nr. 87 publicirten
Inschrift, welche Herr Mordtmann von Leonardi aus Ancyra erhalten hatte, stimmt
in der Form der Handschrift genau mit der Handschrift des Manuscriptes. Die
Uebersetzung des türkischen Textes verdanke ich der Güte Seiner Hochwürden des
Pater Leo am Mochitaristenkloster in Wien,
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>• a, >.
O O L
116
68. Meine Copie.
Die Inschirift ist wohl auf Antouinus Pius und
das Jahr 138 zu beziehen und in Z. 1 — 8 so zu
ergänzen :
. . . leßajaiöv, j; [dpxiepea] juexicr '[tov, bri|u]apxiI|Kfig
ilov]a\ag, ;| [ÜTTaiov dJTTobe || [b€iT|uev]ov tö || [beuiepojv.
69. = C. I. Gr. 4079 b. Meine Copie ; in der Nähe des Thores
beim Tscharsi sehr hoch eingemauert und daher schwer lesbar.
lAIAMENHAE
'AEMAZKEY0E11
KAEIN O 1 O
BnMOZAAPrY<t>l|
02AEIi^ANA<l>n'
I TOCEXEl
[rjma |uev r\be bljJLag KeuOei KXeivoio ^^^
ßuu)aöt,^ [b'J dpTU(p[e]oc,- XeiMj[a]v[a] qpujTÖs €xei.
Der Raum zwischen Zeile 3 und 4 war zur Aufnahme des
Namens bestimmt, doch sicher nie beschrieben.
70. Nach einer Photographie.
AKYAEINAAPXEAHMOYTEKNOIErAYKYTATOIEOEOTEIMnKAI*
HAVAH « ♦ TOHPUONEAYTHTEKAlTn ANAPIMOMJWnNlKAlTO ICOYEIE
THLTEKNOlEEKTflNIAinNKTHCAMENHKAlEniEKEYAEAEA THN EHEAPAN KAI TO OEPl
^PATMAAnEKATEETHCEN MNHMHC XAPIN
'AKuXeiva 'Apxebri|uou tckvoii," YXuKUTaTois? 0eoTei)iiuj «ai
TTauXtu TÖ fipujov eauir) le Kai tuj dvbpi Mö)U)aa)vi Kai toT^ ouai ^[au-J
Tili,' TtKVOic feK Tujv ibiujv KTiiaaiaevti Kai tTriaKeudcJaaa tfiv eEebpuv Kai
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117
71. Nach einer Photographie.
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petr]] Trj {bia cTuv-
ßi]uj iiivrmriS
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Kai
CTU
Die beiden letzten Zeilen in einem Kranze.
72. Nach Abklatsch und Photographie = Perr. 126 = C. I. Gr.
III, 4025.
10
15
TI lOYAIONlOYSTONlOYNI
ANONfAPXIEPEAKTIZThN
TH2MTPOnOAEnznOP*YPA
KXTE<t>ANniA!AB10YTETII«
WENON*IAOnATPINlA2;AIX
AIEhEFKONJAOIAOT I M 1
AlZKENTEAIANOMAIZnAOY
TIZAtTATHSnATPlAAEPrOIZ
TErEPIKAAAESTATOI£Ko£m
XANTAK-MONONTnNPOAY
TOYAlOAHSEAAIOeETHZAu
TATHZHVEPAZEniNEAHGEN
TAAEKTHZKATA2KEYHS
T0YBAAA^E10Y<t>YAHAI
05:tahmoyetii«h5:en
Tl. 'louXiov 'loOcTTOV I0UVI-
avöv t' apxiepea, KiicfTriv
Tfjg )Lir|TpoTrö\euu?, -rropcpupa
K^ crieqpdvuji bid ßiou T€Ti|uri-
5 laevov, (piXÖTratpiv, iraöaig
bieveTKÖvia q)i\oTi|ui-
ai?, Ke ev re biavoixaig ttXou-
TidavTa xfiv TTttTpiöa e'pYOi?
T€ TTepiKaXXecTTdTQig Kocyiuri-
10 cravia, ke iuövov tujv rrpo au-
Toö bi' 6\r]s eXaio0eTriaav'
Ttt ifig fijuepac, em^eXriGev-
la hk Kk rY\s KaTacTKcunj
Toö ßaXaveiou" qpuXf] Ai-
15 ög TarivoO erijuricTev
73. = C. I. Gr. III, 4026 (Photographie) Zeile 1
Z. 8 Air noAAAK (das iz war sicher nie vorhanden) ;
Z. 10 iepaboyaaia (sie).
74. = C. I. Gr. III, 4028 (Photographie).
/-^^ [cpuXii evatri le]-
PABOYAAiAANEz-H pd ßouXaitt dvecTTii-
2ENEKTr!,>EAY CTeV CK TUJV iüV-
TH2EYNOIAZE Trjg eüvoiag e-
K?\H2.7KrwrK
118
5 NEKENANArO VEKev oivaYO-
PEY0ENTAENE peu9evTa ev e-
KAHZIAYnOTE KX^CTia UTTO TG
BOYAHZKAIAH ßouXfj? Kttl br|-
M O Y * Y A A P X ^^ jLioU (pu\apx(OÖVTOg)
10 ^EIKH4>opoYj NeiKTiqpöpou f A-
A 6 H A N A P 0| XeSdvbpo[u
75. Nach einem Abklatsch = C. I. Gr. 4033.
niEOYHPON
BAIIAEaNKAi
TETPAPX HN
AnOrONON
5 METAHASAZTASEN
TniE0 >EI<l>IAOTIMlA(;
KATATAFEN'A E I STOYc
AHMAPXOYZYnO 0 EOii
AAPIANOYFPEZBEYZAv
10 TAENAStA I EHEniZTOAHi: k e)
KriAIKIAAnNGEOYAAPIANou
HTEMONA AErEHNOS Ä IKu
01KH1K-AIOIKH2ANTATAEN
ZYPIAirPATMATAFNIKAnOYBAl
15 KI0ZMAPKEAA02:AIATH^KIN^
ZINTJNIOYAAIKI-NJVETABE&KEi
AnOZYPIASAN©YnATONAXA
lArnPOZ i 1 > PABAO YZ ■ rEMct>0E.v
T A E I Z BEIOYNIANAIOP0n-Hv
20 KAIAOriZTlNYnO0EOYAAPIa
NOYEnAPXONAIPAPlOYTOY
KPONOYYnATONnON-I<t>IKfx
EniMEAHTHNEPrn N A H Mo
ZlflNTnNENPnM H H r E Mo
26 NAnPEZBEYTHNAYTOKPATo
POZKAIZAPOZTITOVAIAIOY
AAPlANOYANXnWEINOYZE
BAZTOYEYZEBOYZ ■ TEPMANl
AZTHZKATXl M lOYAIOZ
30 EYZXHMUNTONEA YTO Y
EYEPFETHN
119
76. = C. I. Gr. 4035 (Abklatsch): Z. 1 nnoMnnNiON —
Z. 5 iBAIAoMAKEAfXN*
77. — C. I. Gr. 4050 (Abklatsch): Z. 4 xpheimwta — Z. 5
noAi — Z. 6 *rEroNEN*
78. = C. I. Gr. 4067 (Abklatsch): Z. 2 eephnia
79. = C. I. Gr. 4072 nach einer Photographie.
KAAYAioiz KXaubioig
z T A T E 1 A 1 uj ItaTeiXiuj
K AH I O T API Ke AniOTttpl-
ANUJKAABP avuj K\a(ubia) Bp-
5 EirHizMNHMHs £1(7^? MViiMn?
////AP IN [x]apiv
79a. = C. I. Gr. 4074 (Abklatsch) : Z. 2 THeAiAMHTPiAecxH
80. C. I. Gr. 4075 nach einer Photographie verglichen , auf
welcher die letzte Zeile fehlte, sonst wie im Corpus.
81. Nach einem Abklatsch = Perr. 123.
bYTOAANEeHKA N
THAHNKAITAONOMAT A H T E
VETON"OEnAA<t>IOYMA:EIMO
5 APXIEPnwVENOYMnAniPlOYMON
tanoycebaeto<i>an-oyeh: ka ba
b e i n h e ^e n t e p a e i ep o o a k o y n" o e
aiabi0yi0ya10yaiai0yi0yaia n o y
AEKAHllOCEBOYPIANOY
10 TIB KA BOKXOE TIBKAEYKIOS
MHAniPAAEHrPEEB AZKAHIIOZAOYKIOY
MOAnlPAAEHNEnT poy*02:poy<j>oy
niOYAANEMNATO A^POAISIOLiVENAtP
<t)A KAAYAIANOE P0Y*02:EPJVEI0Y
15 4>A FAAAOE AnOAAXlNIOENEIKOX
TICEOYEPIANAAi v.M «tPONTriNBAXIAOY
AN0ECTIOEAE1ATIKOY A10<1>AN"0EE/VEI0Y
ETATEIAIOEMATAOP EPNElAZAP"ElWIAn,0
nOMnUNIOE lOYAIOY nANTArAGOZnSIMO
20 TIBKAETPATONIKOE FAAATIXAAEEAPOY
TIKA nPOKAOE AeHNOAnPOEAPISTüN
EATOYPNElNOEAOPY*OP nOXTO JHZ
JWAHIMOEEYAN"E/,OK-iWAT0Y FAIOZ E
AMAMOEEYANFEAOY A2KAe/ KA
25 AOYKIOEHPAKA HAI02 aI 1
AKYAAEFAIOY
120
ANEMNATOLAEKAHniOY
EEAEYKIANOEAAESANA
AN0EETIOEETATEIAIOY
30 BOKXOEno///N10Y
i'AIOEAMYNTOY
AOYTATIOEBACIAO /
AOYTATIOEAOYKIO /
^EAITnN■EImAPXOY
35 eabeinoekap:e/anio
aoykioe oyitaoyioynio
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"EIPIAATCAAEEANAPOY
40 >EIKOETPATOEANAPEOY
OKAIPOYOOE
KAniTnmAnixnNOE
ANTXlNlOLEEOYhPOE
ANTnNIOZKEAEP
4b AMVlOSeENKAhHOSSE
AEnNIAHIOYAPOY
ianoapio5;baziaoy
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MAPKEAAOZBOIGHEOX
//OKAHIO2 POY<t>OY
IlAYAOZAilEAAinNOi;
BAPBIAAOXEYTYXOY
50
55
60
ITAAOSGEfWlznNOZ
nPOKAOE A AEH A
NAPoY
AKYAAZAHoAAn
AKYAAEAEnWIAOYAOJNIOY
ArAGUJNYMOCnAN
kypiaaoza'^^'n''®oy
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K A F-H£ N" '
OKAIIIA
TIK A E
10 YAIANCI
AEKAHniOEMHNA
AEKAHniAAHIABEINoy
lOYAIANOEMAPKEAOY
nOCTOYMIOCAIOC
CBOYPIANOC AKYAOY
TEiVEAAlANOEMAEIMOE
nAElKPATCAnnAAANIOY
AI^IOE AISNIOY
1^1 ITC TEIMAPXOY
//////////////////////
//////////////////////
KAnAios///////////
AnOAAnNlOZKAPIIOY T I B K A A Y A I O 2 X K A Ii A A 2
A2;iAriK02:4>IAHTOYA A6H A HAPOCM6PKOYP10Y
<t>IAinnOZOYAAEP10YCTA TOIPIANOCCTATUUPI
CTATnPlOCAAKimOY AKYAACAAfcSANAPOY
THNEIKONATOYKYPIOYSEBA
STOYKAITONTITAONIYNTAIS
rPA43AISTOIIIEPOYPrOIIc^
SIC r I B K I T P A T O NE I K O S E K T a N
^lAIONANEZTHIE*
Die zahlreichen I^igaturen von oy, oe, on konnten im Druck
nicht ersichtlich gemacht werden. Ebenso wäre die wechselnde
Grösse der Schrift in der zweiten Colurane nur durch ein Facsimile
wiederzugeben.
Da sich unter den Kaisergentilicia der Inschrift wohl ein Aelius
aber keine Anrelii finden, so wird man die Inschrift nicht später als
Marc Aurel setzen dürfen. Die Erwähnung des vierten Cousulates,
welches weHer Hadrian noch Marc Aurel bekleidet haben, führt
121
dann nothwendig auf Antoninus Plus. Man wird demnach etwa
zu ergänzen haben :
[Em AuTOKpdTopot; Kai-
aapo? T. AiXiou 'Avtuu-
vivou eucreßoög dpx-
lepeoig |iieYi(7Tou örnu-
apxiKfjjg eSoucria? [tö.
UTTdijou TÖ b' dv^GriKttV
Triv (TJn^Xiiv Kai rä 6vd|uaTa ^fe-
)Ltov]euovTOi? TT. 'AXcpiou Ma£i|uo(u),
5 dpxiepuj|Lievou M. TTan-ipiou Mov-
rdvou, aeßacTToqpavToucrtis K\. B(a)X-
ßeivns vetuTepa?, lepoqpavToOvToj
bid ßiou louXiou AiXiou 'louXiavoO
'AcTKXriTTiög 'Eßoupiavoö
Tiß. K. AeuKioc
10 Tiß. KX. BÖKXOi,^
M. TTaTTip. 'AXeE. Trpecrß
M. TTamp. 'AXeE. veuur.
TT. 'louX. Ave|uvaTo[g]
0X. KXaubiavot;
15 0X. rdXXog
Tl. Zeouepiav. 'AXk[i]|u.
AvGeaiiog 'AcnatiKOÖ
ZraTeiXiog MaiXop.?
TTo)LiTriuviOff 'louXiou
•20 Tiß. KX. ZrpaTÖviKog
Tl. KX. TTpdKXog
ZatoupveTvo? Aopucpöp.
'AcJKXrimög Aoukiou
PoOcpo? Poucpou
'Aqppobidiog Mevdvbp.
Poöqpos 'Epiueiou
'ATToXXdiviog NeiKOX-
OpdvTUJV BacTiXou
AiöcpavTos 'Epjueiou
'EpiLieias 'ApTe|uiöuu(p)o(u)
TTavTaxaGo? Zuu(7ijuo(u)
faXdiris 'AXe2(dv)bpou
'AGrivöbujpog 'Apicrtuiv.
TToaTo[u|Liiog . . .]rig
MdSi|uog EuavTe[XX.] ö K[e) Md^ou fdiof? 'E.
"Ajua)U0i? EüavYeXou
25 AouKiog 'HpaKX.
'AKuXag faiou
'AvejuvaTog 'AcjkXiittioü
reXeuKiavo^^ 'AXeEdvb.
'AvGeaTiog ZTaieiXiou
30 BÖKXOs TTo[|UTTUj]viou
rdioff 'AjLiuvTou
AouTttTios BacriXo[u]
Aouidtiog AouKiofu]
MeXiTuuv Teijudpxou
'A(TKXe[Triög 'A(J]kX.
"HXio? 'A
'IraXög 0e)ai(Tujvog
TTpÖKXog 'AXeSdvbpou
'AKÜXa§ AttoXXlu<(Xuj)viou
'AkuXüc, [Ajeuuvibou
'AYaGdjvujuo? TTav-
TttYdGou
KupiXXoff Aeujvibou
122
35 Zaßeivog Kapicr[T]avio(u)
AouKiog OuixXou (?) 'louvio(u
"HXioc AouKio[u. , . .
rXvjKuuv *0|uou[XXou]
Teipibdirig 'AXeEdvbpou
10 NeiKÖcTTpaTog 'Avbpeou
6 Ktti 'Poöcpog
KaniTOJV KarriTuuvog
'AvTiJbvioff Zeoufjpog
'AvTUJViog KlXep
45 ArmoaOeviic Ari)ao(T9e.
Aeujvibri[s] Oudpou
'lavodpiog BaffiXou
AeTog 'Aqppeivou
rdiog rdiou Mnvd
M 'AaKXTiTTiög 'EpiaoO
'AcCKXriTTibrii,- ZiXouavoö
MdpKeXXog BoiöriTÖg
[TTp?]oKX)iiog 'Pouqpou
TTaöXog 'A-rreXXiujvog
55 BdpßiXXog EuTuxou
'AttoXXuuvios KdpTTOu
'AaiaiiKÖs OiXriTou
ft>iXiTTTTOg OüaXepiou
ZiaToupiO!,- 'AXKi)aou
60
OüaXe'pio? rdiou
KXjiMevTi[voc
ö Kai n a . . . .
Tl. KX. I
'louXiavö[L;
'AcTkXt-ittios Mrjvd
'A(JKX)iTTidbr|9 |X]aßeivou
'louXiavöt; MapKeX(X)ou
TTodToujuio? ATog
'Eßoupiavög 'AkuXou
fejueXXmvög Ma£i|uo[u]
TTacriKpdxrig 'AttoXXuuviou
"Avviog 'Avviou
Nei[KJi]Tr|L: Tei|udpxou
KXuubiog
Tiß. KXaubiog ZKdirXag
'AXeHavbpog MepKoupiou
ZraTtJupiavög Ziamupi.
'AKuXag 'AXe^dvbpou
rnv eiKÖva toO Kupiou Zeßa-
(JTOÖ Kai TÖv titXov üvv TaTj
Tpacpaic; Toig lepoupYOig
[TJiß. K. ZipaTÖveiKOg ^k tujv
ibiujv dvecTTricre.
82. Nach einem Abklatsch = Mordtm. Marmora Ancyrana
15 n. 4. _,
riY h K O Y KV)
fi n n H p n m A 1 f
(PABAZIAEXl N T E ll
M E N O N A I H Hl
lAiePGAMABlOYeeC
KAmiOYnATePAKn
TIKn-NFPOCTATIN-Hcj
APXiePPATOYKOIhJ
\K T 1 C TM M A OYTi
10 ^,1 P O <J>ONB
/N le n A CA
123
. . .ITTTTf] 'PuJ|UaiUj[v. . . .
...Ttajpd ßaaiXeuuv Tei[|uais le-
Tei|uri]juevov bir][veTjK[e'(yiv . .
f) ]ia, lepe'a biet ßiou 9eu[0 cTuurfi-
pOg 'Aa]K\riTTloO, TTttTepa KS TT[dTTTTOV
auvKXriJTiKUJv, TTpoaTdtriv t% [juritpo-
TTÖXeuuh^] dpxiepe'a toO KoivfoO tujv fa-
XaTÜJV,] KTiainV TTXou[Tl(TTf]V Tf]g 7x6-
10 Xeojg?, CTuvTJpoqpov ß[a(JiXeujv?, tov eu-
epYetriJv ke •n:dcra[v TToXiieiav evbö-
[Euug Kai lueYaXoTTpeTTUJc rroXiTeu-]
[crdjLievov?
Mordtmann las am Anfange von Zeile 2 noch ein o; in Z. 4
MENONAiHr. .K. Die übrigen Abweichungen seiner Abschrift werden
durch den Abklatsch widerlegt. Den Scliriftzügen nach fällt die
Inschrift in die zweite Hälfte des dritten Jahrhunderts n. Chr., ist
also etwa gleichzeitig mit der im Bull, de Corr. hell. VII p. 16 n. 13
publicirten Inschrift aus Ancyra, welche für die Ergänzung eine
wesentliche Stütze bildet*).
83. Nach einem Abklatsch, der in Z. 5 u. 6 am Anfang un-
vollständig ist = Mordtm. M. A. p. 20 = Bull, de corr. hell: VII
p. 20.
üNAHmOYPfiMAinNnpAl . . . ov br|)uou 'Puj|Liaiujv Ttpai-
TOPAAnoAeAeirmeNON Topa aTrobeberfjuevov
CGivrpaNiApnMANAevrATHP Ce.uirpujvia 'Paj|uavd QvjäTr\p
ceMPnNlOYAKYAOYreNOMe Ce)UTTpuuviou 'AkuXou Yevo|ue-
ö OY6ni€niCTOAnNeAAHNiKnv v]ou em eTricTToXujv 'EXXr|ViKU)V
B-TONTAYKYTATONANAPA Ce]ß. TOV f^UKUTaTOV Otvbptt
Z. 1 : br||uou 'Puj|uaiuuv scheint zu rrpaiTOpa zu gehören, wie in
der Inschrift Bidl. de corr. hell. VII p. 25 n. 17 (JTpairiYÖv br|[|Liou
'Pujjuaiujv].
*) Töv KpdT(iöTov) KaiKiA(iov) 'Epimavöv töv TrpüÜTOv Tf]C, eTrapxeiou
ßouXoYpaqp'naavxa) xö ß', TroÄ.eiTOYpa(p(ri0avTa' tö i',
ra\[aT]äpxnv, K[Ti|öTriv, [iTJäaüv [Tr]oA.e[iT]eiav evööEuui; Kai MeTC^O'n'peiTüüc
iroXeiT[eu]ad|H€vov, ■npoorärriv rf\c, ,u[ri|TpoTT6\€aji; ß' veuuK6p[ou] 'AvKÜpaq,
irar^pa Kai TrdTnrov auvK\|r)T]i[Ku)v], öouKqvdfpiojv, eiri aujußouXiou
ToO Zeß(aöTOö), cpuXi^ A' töv TTdrpujva.
124
84. Nach einem Abklatsch = Mordtm. M. A. p. 21.
TPEI OYMAIATPINHZUÜCA<J>PONO YCA
KATeCKeYACATOn6PI*PA r M A 6 A Y Tl
KAIAIA-ArAeHMAIWMHKAIAlA-nUJC^O
PIAIMHTPIKAICTATUUPIUUrAIO Y n A n n UU
5 KAIAIA-AeUUNIAAANAPI KAIMETATO
emeKATAT60HNAI HA P O P I Z UU M H A € ^'A
€X€ I N 6 H O Y C I A N 6 n I C 6 N 6 r K A I 6T6PON
CUJMA6ANAeTICTOAMHCeiTUJTAMeiUJAUUC€I
XMYPIAPeNTAKICXIAIA
Tpe[ß?]ou\ia MaTpivf) Iwaa qppovoOcralKaTecrKeuaaa t6 Trepicppa-
■f)ua eauTf] |] Kai Ai\(ia) 'AyaOi] MOimui] Km 'Ai\(ia)
TTuucrcpö[jpibi luriTpi Kai XiaTuupiuj faiou TrdTTTTUJ ij
Kai AiX(iLu) Aeuuviba dvbpi Kai jueid t6 |e|ae Kaiaie-
5 Gfivai Trapopiluu mibeva f e'xeiv eHoucTiav emaeveTKai
etepov II (Tuj)ua' edv be xig To\|ur|(Jei tlu raiueiuj buj(Tei||
X laupia TrevTttKiaxiXia
85. Nach einem Abklatsch = BhIL de corr. hell. VII p. 17.
AFAeHITYXHI 'ATaGfii xuxni
OIAnOTHEOlKOY Ol dTTO 1% OIKOU-
MENHnnEPiT ONAi H€vri§ Trepi töv Ai-
ONYEONKAIAYTO ÖVUC5"0V Kttl AuTO-
5 KPATOPATPAiA Kpdiopa TpOltt-
NONAAPiANONKAi vöv 'Abpiavöv Kai-
EAPAEEBAETONTE (Topa ZeßoCTTOV T€-
XNEITAIIEPONEI X^^lTöl ICpOVeT-
KAiETE4>ANEiTAi xai (TTeqpaveiTai
10 KAIOITOYTUÜNEYN Kai Ol TOUTUUV (TUV-
AruJNiETAiOYAni"^' aYuuvKJTai OuXmov
AiAiONnoMnHiAN"N AiXiov TTojUTTriiavöv
TONEAAAAAPXHNKAAP TOV ^XXabdpXnV xafl] dp-
xi//eaaneethea N Xi[€p]ea dvecTiricrav
IR
TYXHi ArA0Hi ' Tuxni dTaefii
86, = Ms. Nr. 1. Von dem Blatte, auf welchem die Inschrift
steht, fehlt die rechte Hälfte; doch ist oben die Angabe des Bruches
erhalten.
125
vZa 1 i.
hIMIAIS KAI
I H Nin A TPIAAn
I O lETE lEPlKAAl
5 MKAPTAltnAN"
AKEAAlOeEHIAlSr/
iVE A H 0 E N" A AEKTCKA
BAAANEIOV4>vaHEEBAl
In Zeile 5 ist in Rasur unter ha^ mo erkennbar.
Die Inschrift ist zu ergänzen nach den gleichlautenden De-
c.-eten anderer Phylen C. I. Gr. 4025a; h; c {= ob. Nr. 72); —
■n]6.Ga\g [bievexKÖvra cpiXo 'TJeiuiaic:, Kai [ev xe biavoiuaig] [xjriv Traipiba
TT[\ouTiaavTa ep] :j [Y]oig le [TT]epiKaX[\e(JTdToig Koa]i||uri(JavTa, ke [jiövov
TuJv Trpö aÜToO h\ öJ'Xrit,' eXaioOeirjcravTa [ifis fi)uepas"" em] jueXriOevta
be ke xfis Ka[TaaK€uf]i; xoöj || ßaXaveiou cpuXf] Zeßaa[Tri? eiijuricrev].
TTXouTiaavTa muss wie im Exemplar a nach Traipiöa gestanden
haben.
87. Nach einer Copie von Leonardi, die ich von Hrn. Mordt-
mann erhielt; diese Copie ist, wie oben bemerkt, identisch mit der
dritten Inschrift des Manuscriptes ; doch ist letztere jetzt rechts
verstümmelt.
TOPOS TITOYAIAIOYKAISAPOZ
ANTO>EINOYAN0YnATriIAXAIA2
HFEMONI AEFEnNOSA 2 K Y 0 I K H 2
ZTATHrai AHVIAPXD.ITAM I A I E n A P
•^ XEIAZBABTIKhCXElAIAPXnnAATY
XHViniAEr 3 AIAYMO EYTYXOYZ ß
KA*MA*^^ IMOZ
Die Inschrift ist zu ergänzen nach C. I. Gr. 4022.
[r. 'louXiuj ZKOtTrXa, uTrdTUj dTTobebeiYMevuj, TrpegßeuTfi Kai
dviiaTpairifuJ auTOKpdTopog Tpaiavoö 'Abpiavoö ZeßacTToö,
TTarpös" TTaTpibog, dpxiepeuug iLieYicriou, Kai auTOKpdJTopog Titou
' AiXiou Kaiöapo?!|'AvT[uj]veivou, dv6uTTdT(jui 'Axaiag,j|fiTe)Liövi
5 XeYeuJvog b' XkuOikh^, laxpaTTiTUii, bniiidpxuji, xaiuiai errap-]
Xeiai," Ba[i]TiKflg, x^iXidpxuj TrXaTu[[ar||uuji Xey. [t] [A]ibu^o[u]
EuTuxüög II KX. Md[E]i|uog
126
88. Das Fragment einer dritten auf diesen Mann bezüglichen
Inschrift gebe ich nach einem Abklatsch = C. 1. Gr. 4023.
/TTK^AN
JPESBEYTHN *
pP02 TFAIANOY
pznATPIAOZ
5 TO KPAT0P02
ITUN E I N O Y
I
JMAAEr 1 n N O Z A
1
iXON"AMIAN
PXONT A A T Y
10 OYEYTYXOYS
89. = Ms. Nr. 14.
? Ol 11
. i E M N O // .... (Te|UVÖ[T-
,ONK-AlKAIO a]TOV KC blKttlÖ-
irtroNHrEMo.. [T]a[T]ov riTe)L»ö[vaJ
5 OAIBINHIOZ AlßlVl'llOt;
n o M n n N o TTo)U7TUJvfi]o[c;]
OKOPN'IKOYAAFi 6 KOpVlKOuXdpi-
TON HATPriNA Tov TTaTpuuva
90. =: Ms. Nr. 45. „Auf dem Friedhof der katholischen Ar-
menier". Ist mir bis auf wenige Worte unverständlich geblieben.
. •. . O N K A A O N H A . . .
...CnPO BOKAT
. ...PYYeC MAPA...
. .NOAAemON...
5 ...XAXOcniuJT...
. . .0 6 N 6 1 T ACAlü . . .
...UJJWOC6AOYA..,
...tTYrePHNMH ..
. . .UU6N A I AY0ICV. . .
10 . . .!€ N OCA60A. . .
. . OlCnAPOCOP. . .
...KAAYAIOn...
...CPIC0A^'l'...
. . . A (> M N 1 K . . .
127
91. = Ms. Nr. 46. „Ebendort"
0EO1E K Qeoig K[aT-]
AX0ON1 axOovi[ois]
lAOZENO [0]iXöEevo[i,^]
AKYAOY 'AkuXOU
5 riNK-opo fZ;]ujv Ke (ppo[vujvJ
AYTUüK-TOii; [ejauTiij ke toT.,^
AI Ol CNN hM [ijbioi^" )uvri|Lt[iig]
XAPIN XUplV
92. = Ms. Nr. 51. „In der Nähe des katholischen Friedhofes;
im Hofe eines Tscherkessenhauses in der Wand zwischen zwei
Zimmerthüren gegenüber dem Strassenthore eingemauert".
KABAABEINAN
THN EKnporo
NUN BAZIAIS
LAN K- n P n T H N Ti:
5 EnAPXIAErVNAI
KA KA APPIANOY
EYNKAHTIKOY
MHTEPA TH: J/H
TPOnoAEflEYlEP..
10 A AOAtN-N lAN . .
..ZTOYEKAOE...
YIHNTAIEEIETNT.
PIAA *IAOTIMlAlL
*YAHE..AI ... PATE
15 YAAP..XM4'AA...
K[X]. BaXßeivav || tfiv k TTpoTÖlvujv ßaaiXicraav ke Tipwiriv t%||
ETTapxia?, TuvaillKtt KX. 'AppiavoO auvKXr|TiKou, lariTepa tik
^rl||TpOTTÖXelJUJ, u[TT]ep[ß] aXo^evriv [Tr]dv[T||a]? touj Kae' ^[aj|-
u[T]fiv Tttig dg T[fi]v [iraTJilpiba (piXoTi|uiais*'!cpuXn e'
Ai[aTeZ:ujv?] j [qpJuXapxvovJVTog) M. OX. A
93. = Ms. Nr. 63. „In der Nähe des Hauses von Doctor
Aristazes." Ist mir unverständlich geblieben.
.. ..HTHTHIMATUUNLI. ...
TIMHEEMAKAI'EIAEONTIOEI. .
»
EPN EEINEy TIEIAAOIE XUJPON . . .
128
94. = Ms. Nr. 64. An demselben Orte wie n. 92.
TPCHicuAHMO Tpe[ß]iuj Aimo-
.THATUUMNHM4E | (j]TpdTUJ )UVl]JU11i?
♦ XAPIN * X«PIV
95. - Ms Nr. 89. „Am Grabe des Dschelali-Baba."
3HKUJ l Z
AI2;U)THP5:iAK
iEOYHPlANOl"
oaymc!10j;kai
5
E A 1 K n N
96.
= Ms. Nr. 136.
CTuurfipai
Zeouripiavoi
0\U|Ii|tt]iO^ Kttl
'EXiKoiv
,In einem Thurme der Festun<;smauer."
Eni AYPA1NY2I0
APTAEINOY •
TOY AAMnPOTT
APEAMENOYK
5 n A 1 E P O i; A . . . X
Eine zweite gleichlautende Inschrift ündet sich unter Nr. 100
= C. I. Gr. 4U51.
€ni AYIHAAI..
CIO VAPTAeiN.
AAJVVnPOTATO
iWeNOY * K- CS
5 CYN n
A0H CANTOC
Die Inschrift dürfte demnach etwa so herzustellen sein:
'Em Aup. Ai[o]vuaio[u|
'Apfaeivou
TOÖ \a|U7TpoT[djT[oul
d()Ea)Lievou K[ai övjji- \
5 TTX[nlp[uu]0'u|VTü|<,-
und sich auf denselben Mauerbau beziehen wie C. 1. Gr. III, 4053.
97. — Ms. Nr. 1U3. „An der Ostseite der Festungsmauer".
Ich gebe unter a) die Copie des Manu.scriptes; h) die Abschrift,
welche ich nach einer sehr schlechten Photographie gemacht habe;
c) die Abschrift Mordtmanns M. A. p. 18 n. 6.
129
a) b)
ATAGHI TYXHI ATAGHI TYXH
TH...KBACiA€ ^HNCKBACIAe
ONYPOYHNI OICC^OYHNI
ANKO0YTAN ANKO O Y T A N
5 KOPNHAIANKAA 5 KOPNHAIANKAA
noYPNiANOYAA6 nO^i N O'^AAEl
ANeGKOYNAANKO AI CGKOYNAANKO
TI ANnPOKI AAAWPOP KI AANIIGB
KI AN AO YO YAAANAo AANAO
10 ANxriNA NAOn ;0!€COS 10 eo
P I A N O Y n € i O Y O Y r A T l PACK PI OY CfO 0YI ~
NH 1 -AOIK A AYA:\lO YKI. .OnA. . O Y
rVNAK. .A CreiOrNHN
cn-AnoYPM[°Y lA. no ia
15 KOPNH AIANOYoTirir 15 \IANOY II
KO Y P UU M O ei eA N 0 N KOY . CiMHeSICAN
K A H C i A Y n » T 6 B o Y A n O \HCIAY.O..BOYAHC
AKUONH. .HCAI6THOC OY
I'iEX* YAH Z T UU Ar AA III NC <t>YAH Z
20 TI6T...CeN<l>YAAPXO 20 OYAAP
NTOC CkOYPHPIANE CEOYHPIANO
€IA60Y 61 60Y
c) Etwa herzustellen :
ArAGHi TYXHI 'AYttOfii luxr)!
npoKBACiAE Tf\v [cJk ßocTiXe-
HN poYHNi [uuv] Z[ep]ourivi-
ANKo TAN av Ko[pv]oOTav
5 KoiNHMANKAA 5 Kopvr|Xiav Ka\-
n IN NOYAAEi Trou[p]v[iav] Oua\e[p-]
ANEEK0YNAANKO |l]aV ZeKOUVÖttV KO-
TA PO AANHEB TlttV TTpOKlXXaV . . .
AANAO . . . . Aou[K]oöXXav. . .
10 NN O CO 10
TOYGYFATEPACK ÖUYCXTCptt. . . .
3 Zeilen zerstört
Yuva[ilK[a| be Yeivlofuelvnv
15 KO OYC 15 L J L j I L j Lr j I
TT. [KalXTTOupfvliou [TTpÖK]X[ou?]
KOY ANEN
Archäologisch-epigraphiüche Mitth. IX. u
130
20
KAHCEAYT BOYAH0 Kop[v]riXiavoO [CTUVKXriTl-]
OYN KoO [T]ei|LiriöeT(Jav [e]v
AN [eKJKXricTia üttö le ßouXfig
ct>YAAPx 20 [K(e) b]r|[^]ou [rlfic d[TVÖ]TTi[T]og
HNTOccoY AN [e]ve[Kev] cpuXf] t Tuj dYaX[^a-J
Ti eT[ei|uri|crev {puXapxo[0-|
VTOc Xeou)ipiavo[0]
98. = Ms. Nr. 138. „Gefunden bei der Fundamen tirung des
Magazines, welches Bajzade Jussuf Effendi in der Strasse Saraijol
gebaut hat.**
Ar A0HTYXH
i'HtfrIZMA TUN AHO TH2 OIKOYJWENHZ HEPl
TON AIONYSON KAI AYTOKPATOPA TPA
lANONA AAPIANON ZEBASTON KAISAPA
5 NEON AIONYSON TEXNEIXnN lEPOA!
KUN STEOANElTnN KAI TON TOY TON
ArnNIZTAN KAI THN NEMONTHN THNIEPAN
0YMEAIKMNCYNOAON EOEIAH HPOTAN
©Ell YnOTHZ lEPnTATHZ BOYAHZ OYAniOX
10 A1AI02 nOMHEIANOZ Ar.CiNO0ETHi:A2 TONA
rriNA TUN MYZTIKON AO0ENTA YHO TOY AY
T0KPAT0P02 EN OAIFAIZ TH nOAEl THTE XEI
POTONIA TAXEns YHHKOYZEN KAI TON Ar.V.l
NA AlA*ANnZ EOETEAESEN EKTHN EAYTON
If) MHAEMIAZ AnOAEI^ÖEIZ AAMHPOTHTOZ KAI MEI'A
AOfYXIAZ AMATHNTE EYZEBEIAN THE ÜATPIAOE
EIE AMOOTEPOY2 TOYZ ©EOYL EHES'H^IlEN
KAI TAL EniAOEEIE HAZAE AE AE^EIAHL EHOIHZA
20 TO nPOZ MHAEMIAN AAHANHN ANAAYX KAI TH TE
TAXEI THZ ZnOYAHE OAEYONTAC HAH TOYi; AmNl
LTA2 ANEKAAEZATO KAI HANTIMEPEI TOY MYETHPl
OY
21- -54 „als unleserlich nicht gelesen".
'Afaeri Tuxri jl YnqpKTuä tuuv dno ir\q okouiaevric irepi töv Aiövu-
(Tov Kui AuTOKpdxopa Tpa||iavöv 'Abpiavov leßaaiov Kaiaapa i| veov
Aiüvucrov TexveiTÜJV iepo[v€li küuv (TTecpaveixuJv Km t|uj|v tout[uj|v
|auv-l aruuvicTTajv kui tujv veiuovioiv rriv itpdv , üu)aeXiKriv öüvobov
131
'Erreibri TTpoTa[x]||Oe^? uttö t% lepuuxdTrig ßouXfig OuXmog jj Ai'Xiog TTo|u-
TT[r|]iav6g äj[üvoQeTr\Oag töv d||Ta)va t[ö]v juucttikov boGevia uttö toO Au|j-
TOKpdxopog ev öXiYaic^ xri rröXei ifj xe xei|poxovia xaxeoug uTiriKoucrev Kai
xöv dYiJu||va biacpavOuc; ejrexeXecrev ek xüuv eauxo[0]||juribe)uidg dTToX€icp0eig
XttjUTTpöxrixoff Kai |ueTa|iXoipuxiac, d)ua xr|v xe eucTeßeiav x% Traxpibog ||ei?
djucpoxe'pouc rovg Qeovg eTievjjriqpiaev [| Kai xdg emböcreij irdcrag be
d[(p]eiba)c: eTTOiii(Ja{|xo irpög |uribe)aiav baTidvnv dvabug Kai xuj xeijxdxei
x^i^ (jTTOub% öbeuovxag r\br] xoug dYUJVijcyxdc; dveKaXe'craxo Kai iravxi
lae'pei xoO |uuaxripij|ou. . . .
Zwischen Ancyra und Samsun
99. = Ms. 137. „Akardja in der Nähe des Salzsee's an einem
Brunnen."
ATASH XYXH ['AjTCiOrj xuxr)
MANTNNIONß M. 'Avx[uj]vi[v]OV
GEioTAxoNAYT Geioxtttov aux[o-]
K-PAXOPAXONeK0E [KJpdxoptt XOV CK Öe-
5 OIN NHNOUNAP LUV
XONCONOYAHAH [ß]OuXri bf]-
ß M O C CS jUOC
100. Nefez-kiöi, nach einer Photographie.
+
eN0AKA ''Ev0a Ka-
TAKITGH XttKlXe f)
AOYAH bCuXr]
TOYOYG XoO 6(€0U) 0-
eoAoiPA eobOüpa
101. Meine Copie. Zwei Stunden vor Merziwan, an einem
Brunnen.
n c V A n t
K I o c r E
P M AN O C
V E T P AN
f) O C E N 0
A A E K El
T A I
TT(ou7tXiOw) XuXTiiKiog
fepiuavöf; Vexpavöj,- evGdbf KcTxai
132
102. Meine Copie. An einem Brunnen eine Stunde vor Merziwan.
Kalkstein, h, l'lö, br. 0"51.
nPOKAANO C
nPOKAO Y
ö CT • IH a
TTpOKXavög TTpÖKXou eT(Ouv) iri'
103. Meine Copie. Ebendort. Kalkstein, h. 1, br. 0-55.
AB eiN 1 A II
XPHTHAAeA*
r AB6INIOC6Pei
NIANOC MNHMHC
XAPIN • K eXOYC
P56
r]aßeivia
Tri dbeXcpfr)
faßeiviog 'Epei
viavög luvripis
Xdpiv K(aTeaKeuaaev?) eioug
pSe
V. 6 wahrscheinlich 159 p. Chr., vgl. Marquardt Staatsv. IP
S. 359.
Wien
A. V. DOMASZEWSKI
Zur Sammlung Millosicz
Die Sammlung des Viceadmirals Georg Freiherrn von Millosicz,
von welcher Gurlitt im ersten Bande dieser Zeitschrift einen Katalog
veröffentlicht hat, enthält ausser den dort verzeichneten noch zwei
unpublicirte Inschriften von einigem Interesse.
Die erste findet sich auf einem Marmorfragment, welches
oben, unten und links abgebrochen ist. Länge 034, Br. 026,
Dicke 0*025, Buchstabenhöhe 0'014. Der Buchstabencharakter
weist in die Kaiserzeit, jedoch nicht über das zweite Jahrhundert.
Die Enden aller Buchstaben sind mit Hasten versehen , dergestalt,
dass alle Horizontalbalken an ihren Enden zwei Verticalstriche,
alle Vertikalbalken oben und unten Horizontalstriche tragen. Larabda,
Alpha und Delta tragen überdies auf der oberen Spitze eine Hori-
zontalhaste. Ypsilon hat den durch den Vertikalbalken gehenden
Querstrich, Rho und Beta setzen den oberen Halbkreis mit ge-
schwungener Linie an.
133
M n p EnoN
il ANENKEXEIP12(
5 < AT HGYSI ABPEI ZEI
-IA2TOYAYTOKPATOP02
TOAEnSHMIlN-HSlE
SI2TOI2TEXNEITAI2
"KAI2YNEA0ONTAZ
10 ^-OZnPONOOYMENOY
"lOY
,BA2TnNENIAY2I
"HZnOAEXlZE^-H
VIZEKTXINAH
15 ''lAZ TOYTAMIOY
)YAAMnAAAP
'BIOY
\]e(y
V TrpeiTov[T
Xpejiav evKexeipicr[0ai
€
Karr) öuaia Bpeiaei 5
emg toO auTOKpdTopog
TTÖXeujg fiiuujv fjg le-
p...]öig Toic; Texveiiaig
ej Ktti cTuveXOövTag
eig Tfjv auvobov . . . pjoi; Trpovooujue'vou 10
. . .]iou
uTTep Tf\g uYieiag? TiJuv creJßacTTuJv eviaucri-
OucTi T]f\g TTÖXeujg eqjr)-
qpiaaTO f\ TTÖJXig ek tOuv br)-
jLioaiuuv e]ias toO lajuiou 15
To]0 XaiuTTabdp-
Xou ujßiou
Die Inschrift bezieht sich, wie aus BpeicTeT (Z. 5) und rexvei-
xaig (Z. 8) ersichtlich ist, auf dionysische Künstler u. zw. die des
Dionysos Breseus, dessen Cult in Smyrna, woher die Inschrift
vörmuthlich stammt, nachgewiesen ist. Dort bestand ein Collegium
der Techniten und Mysten des Gottes. Das Nöthige hat darüber
134
Böckh zu C. I. Gr. n. 3173 zusammengestellt (über Bpiicreug vgl.
jetzt auch v. Wilamowitz Philol. Unters. VII p. 409). — C- I. Gr.
n. 3176 findet sich ein Schreiben M. Aurel's aus dem J. 147, welches
den Dank an die Synode der Techniten des Dionysos Breseus für
ihre an ihn gerichtete Beglückwünschung zur Geburt eines Sohnes
ausspricht (vgl. Mommsen Herni. VIII p. 205 f. und Dittenberger
syll. inscr. Gr. n. 289). Da somit ein Bezug des Technitencollegiums
des Dionysos Breseus zu Marc Aurel feststeht, so glaube ich auch
hier einen solchen als möglich hinstellen und aejßaaiujv (Z. 12) auf
ihn und L. Verus deuten zu können, zumal die Buchstaben eine
spätere Zeit kaum zulassen. Allerdings steht Z. 6 der Singular
Toö auTOKpdiopog in anscheinendem Widerspruche mit creßacTTUiv,
beides in getrennten Theilen des Decretes. Der letzte erhaltene
Theil, in welchem eben aeßaaroiv steht, ist offenbar ein Beschluss
der Stadt, für die Kosten der jährlichen Opfer zu Ehren der Kaiser
aufzukommen. Man wird dabei au die gerade regierenden Kaiser
gerne denken wollen, doch lassen sich immer noch Combinationen
denken, bei denen der Plural zu erklären wäre, ohne dass an eine
Zeit, in der zwei Kaiser regierten, gedacht werden müsste.
Z. 5: Kttiri 0u(jia. Hier kann nur 'EJKdtri oder . .beJKdiii ge-
standen haben. Das Letztere ist wohl das Wahrscheinlichere, ob-
gleich nicht klar ist, in welchem Zusammenhange das Wort stand.
Z. 17. Der Rest vor ßiou scheint auf ein Y schliessen zu
lassen. Wahrscheinlich steckt ein Name dahinter.
Die zweite Inschrift steht auf einem Marmorfragment, welches
in der Weise abgebrochen ist, dass dasselbe im Durchschnitt an-
nähernd die Figur eines auf der Spitze aufgestellten Quadrates dar-
stellt. L. 0-23, Br. 0*22, Dicke 035, Buchstabenhöhe O'OIS.
rt ^ creßlaa[TuJ
Enzxr dpxiepei )ii|eTi(7TUj|i
AYTOKPATOI ai)T0KpdT0p[l
r ATPin ATPIA02:
TTarpi TraTpiboi.
5 TO^TiPoroA ns lepeais] toö Tipo |TT]öX[e]ujc [Aiovücfou?]
TiTOYct>AAO^' 10 TiTOu OXauiou
-t>ANH*opoYTC arejqjavriqpöpou t6
5YTOBr • OU TÖ ß, [tT. .
HAK Ttaio
Die Inschrift ist wegen der Bezeichnung Tipö TTÖXeoii? interes-
sant, worüber C. I. Gr. ad n. 2963 & zu vergleichen ist und Le Bas
III (expUcattons) n. 1601 p. 373 (sammt den dort citirten Stellen
des Corpus).
Wien EMIL SZANTO
135
Epigraphischer Bericht aus Oesterreich *)
(Fortsetzung)
PANNONIA INFERIOR
Petrovoi.
Kevidirte Inschriften. Ad C. I. L. III p. 417:
n. 3222, 3224, 3226 existiren nicht mehr,
n. 3223 nicht mehr in Kraljevci.
Ljub. Viestn. V p. 39 u. 41.
Zu C. I. L. m n. 3220 = Arch.-epigr. Mitth. aus Oest. IV p. 109:
Die Abschrift Brunsmid's unzulänglich.
Z. 2 der letzte Buchstabe R
Z. 3 vor IVS fehlt etwas.
Z. 4 am Anfang wahrscheinlich noch zwei Buchstaben, die jetzt ab-
genutzt sind, am Schluss PF
Z. 5 POVOTAM
Ljub. Viestn. p. 41 u. 69.
Zu C. I. L. n. 3225 = Arch.-epigr. Mitth. IV p. 113 n. 5:
Z. 2 der erste Buchstabe deutlich: T
Z. 3 die Buchstaben nur zur Hälfte sichtbar, doch deutet, was man
sieht auf SVR | lO
Ljubic Viestnik V p. 33 ff. u. p. 69.
Zur Inschrift Mittheil. IV p. 112 n. 1 :
Z. 2 PROCV
Z. 3 de/ also Decurio und nicht Duovir, wie Brunsmid vermuthete.
Z. 4 COL-BASS'// d. i. BASS'AN , wie auch in der Inschrift Mitth. IV
p. 114 n. 1.
Ljub. Viestn. V p. 37.
Zu Mittheil. IV p. 112 n. 2:
1 O M AE
P O S V E R vT
GEMELL IN~S
ET VLFALES
5 L I B I E N S sie
V O T O S V O
Ljub. Viestn. V p. 40 n. 1.
Z. 1 J{ovi) o{ptimo) m{aximo) ae{temo).
*) Zu den in Agram befindlichen Inschriften dieses Theiles des Berichtes
konnte ich noch nach Beendigung des Satzes Abschriften von Dr. v. Domaszewski
benützen, die derselbe vor Kurzem von den Originalen genommen und mir freund-
lichst überlassen hat.
136
Zu Mittheil. IV p. 112 n. 3:
Z. 2 D I I S O M
NIBVSQVE
Z. 5 S • V ■ POSVIT
Ljub. Viestn. V p. 40 ii. 2.
Z. 5 s{uo) v[olo) oder auch s{olvio) v{oto).
Von der Inschrift p. 112 n. 4 (li. 169, br. 059, d. 0-42) ist nur zu lesen:
CORNEL'AE
S AL O N I N yt
A VG
C O N I V G I ///
5 avg/////
Ljub. Viestn. V p. 40 n. 3.
314. Gef. auf dem Friedhofe, jetzt im Agramer Museum:
col I ■ BAS
\
iS
0'33
Ljub. Viestn. p. 38.
315. Gef. auf dem Friedhofe; h. 022, br. 0-57, d. 0-25; jetzt im Agramer
Museum:
VIX AN XXV
lOSIM VS
V IW__- -
Nach Domaszewski's Lesung, ungenau publ. von Ljub. Viestn. V p. 40 n. 4.
316. Ausgegraben auf dem östl, Rande des Mauerwerkes; der obere Theil
fehlt. Schrift ziemlich gut. H. l'Oö, br. 0-60, d. 0-775. Schrifthöhe 0-05, in Z. 3: 007.
DACMENVS- PILI'
ET - HEREDES •
POSVER
Ljub. Viestn. V p. 40 n. fi.
317. Im Hofe des Miko Popovic, h. 0-33, br. 070, d. 0-20. Rechts ganz
abgenutzt.
VD
A MI b
FILIA B . . . .
MAE ....
5 lO
I.jub. Viestn. V p. 40 n. 5.
137
Dobrinci. Revidirte Inschrift.
Zu Arch.-epigr. Mitth. III p. 175; 'diese Abschrift von Bojnicic ist richtiger
als die von Brunsmid von derselben Inschrift Mitth. IV p. 114 n. 1 gegebene
Lesung, doch muss es Z. 6 heissen : COL-BASS'AN
Ljub. Viestn. V p. 38.
Zu Mitth. IV p. 115; vgl. Mitth. III p. 175 (= Viestn. II p, 31):
Z. 3 in.: AVR
Z. 4: Das R vor VALENTINA sicher und wahrscheinlich auch hier
AVR zu lesen, — Alle O klein.
Ljub. Viestn. V p. 66 n. 2.
318. Gef. auf dem Friedhof, für das Museum erworben, doch jetzt nicht zu
linden, wahrscheinlich vernichtet. H. 0'95, br. 0 63, d. 0'32. Gebrochen.
SIL VA NO
SACR
VRINERATIVS
ET NI GRI N V S
5 DEC COL ■ ET
SAB INV S • ET
QVX NT lO
POSVERVNT
Ljub. Viestn. V p. 66 n. 1.
MitrOVica, 319. Viereckige Ära aus weissem Marmor mit Basis, gef. 1883
im Hofe des Wirthes Baijen; jetzt im Hause desselben in der Palankagasse. Auf
der rechten Seitenfläche ein Adler mit ausgebreiteten Flügeln, auf der linken eine
Schildkröte oder ein Scorpion.
I O M
L D I D I V S
HERCV
LANVS
5 V S L M
Ljub. Viestn. V] p. 75 n. 2
Eevidirte Inschrift.
Ad C. I. L. III p. 1040 n. 6438; Z. 4 nach Miler's Abklatsch:
SAC-R
Ljub. Viestn. IV p. 59.
Viestn. VII p. 15 = Mittheil. IV p. 117; jetzt im Agramer Museum (nach
Ljubic Z. 3: VIVS Z. 4: MP, nach Domaszewski Z. 1: O-OROh Z. 3: VIV/^-
Z. 4: Ao).
320. Platte, jetzt im städtischen Parke; h. 0-82, br. 0-6, d. 0-29, bestehend
aus drei Feldern, im obersten in Relief zwei Figuren von verschiedener Grösse ; im
mittleren ein dreibeiniger Tisch, an welchem eine Person sitzt, die r. von einer
weiblichen, 1. von einer männlichen bedient wird; im unteren die zum Theil zer-
störte Inschrift :
138
D M
AVR- SIMPLICl VS
ANNVIli
Ljub. Viestn. IV p. 59.
321. Platte, gef. im Jahre 1878, von Abt Miler dem Agramer Museum ge-
schenkt. H. 0-31, br. 0 55, d. 0-7, links beschädigt.
/iAE a IN FACE
quae U iXlT ANNOS VOII
menf SES c QVATTVOR
elOVI N VS
Nach einem von Bojnicic an Prof. Hirschfeld geschickten Abklatsch ; vgl.
Ljub. Viestn. II p. 44 n. 5.
Ljub. Viestn. II p. 43 n. 4 = Arch.-epigr. Mitth. IV p. 101.
322. Sarkophag und eine Platte, gelegentlich eines kurzen Aufenthaltes im
Hofe hinter dem Hause des Hrn. Savo Simatkovic entdeckt von S. Ljubic.
a s. U)
ego aur,^cUA ■ AMINIA Po
mi r-i iV LVMVIROMEO
/'/lSANCTO EX-N-IO V-PR TEC
BENEMERITVS QJV I VIXiT
ANN - PL - M L-QVl EST DEFVNC
TVS CIVIT • AQVILEIA TiTVLVM
POSVIT AD BEATV SYNEROTiMA
RTVRE ETINF AN EFI LI AM
SVAM NOMINE VRSICINA
Q_V I VIXIT ANNIS-N-III
SIC
sie
10
Nach Domaszewski's Lesung, schlecht publ. von Ljub. Viestn..\ p. 19, VII p. 18.
Z. 4 [F]l(ßvio) Sancto ex n{umero) Jov(ianomm) pr{o)tect{or), wie Domaszewski
vermutet, vgl. Mommsen Ex)h. epigr. V p. 123 n. 30. Z. 9 infan{t)e[m).
323. Die Inschrift der Platte:
A X UU
EqO ARTEMIDORA FE
C I V I V A M E MEMO R I
AMOAD DOMNVM
SYNEROTEMcsINTE
RANTEM AD DEXTE
RAM INTER FORTVNA
TANEM ETDISIDERIVM
A * A * U)
139
Nach Domaszewski's Abschrift, die die Lesung von Ljub. Viesln. V p. 19
u. VII p. 17 bestätig-t. Während Syneros hier nur das Epitheton dom{i)rms führt,
wird er in n. 322 heatus martyr genannt. Zu beachten ist die ängstlich genaue
Bezeichnung der Grabstelle; interantem ad dexleram wohl nur zu verstehen „rechts
vom Eintritt neben Syn.", der des Latein wenig kundige Concipist setzte den
Accus, wegen des vorausgehenden; die barbarische Form inlerare bis nun
ohne Beleg.
324 — 326. Gef. von Abt Milei' und dem Agramer Museum geschenkt:
324. 325. 326.
ET ■ A V R E
D O R OT
A A Ol
IN FACE Q_V1BSCET
MACARIVS DIACO
N V S C^MiJ^
RONTI AC
HAT
O YN
KON
M A
TON
(DAe
Z A N
Ljub. Viestn. V p. 70. n. 324 wurde im Sommer 1884 von Prof. Hirschfeld
revidirt, Auj in den Winkeln des Kreuzes, das ganze von einem Kreise umschlossen.
Von 326 befindet sich ein Abklatsch von Bojnicic im Seminar.
327. Ebenda. Nur oben und links vollständig , in zwei Theile gebrochen ;
von Abt Miler dem Agramer Museum geschenkt.
IN P A C E rtv
LLAE VIR-Q_
Xii ö ETAVLJWA
Q_VIX1TAN «iE TA
5 TINA SORORQ
HANG MEMOI iam fecerunt'^
Nach Domaszewski's Abschrift, ungenau publ. von Ljub. Viestn. VII p. 16 n. 37.
Z. 1 und 4 fin, zu ergänzen jäM[ij.
Ausserdem eine Anzahl kleinerer Fragmente zum Theil mit Facs. Ljub. Viestn.
VII p. 14 ff. u. Tafel IV, die bereits von Brunsmid in den Mittheil. IV p. 117 ff.
publicirt worden sind ; die geringfügigen Varianten anzugeben unterlasse ich.
Surduk (Kittium) bei Putinci.
328. Zwei Halbwürfel , auf der oberen Seite eine Vertiefung zur Aufnahme
einer Statue, auf der Vorderseite dieselbe Inschrift verschieden vertheilt:
I • O • M • D • ET ■ DEC - PA'ERN
COMGEN- M-A/R-APOL
^i N R I S • D E C • M • MVR
SELENS1\M-V-S-L-M
Ljub. Viestn. V p. 69. ~ Z. 3 in. überl. N
140
329. Säule, entzwei geschlagen. Jetzt im Besitze des Svetozar Secanski
daselbst.
1 • O • M • D • "E • DEO • PA'ERN
COMAGENO • M ■ A'R ■ AP
OLlinAKlS ■ DEC ■ M ■ NVK
SELENSIVM • V • S ■ L • M
Ljub. Viestn. I p. 98 vgl. Viestn. V p. 69.
Z. 1 J{ovi) 0{ptivio) M{aximo) D{olicheno). — Z. 3 in. überl. OLIHM — dec(nrio)
m{unicipii). Das Municipium Murselensium scheint nicht mit dem bekannten in
Pannonia superior gelegenen , sondern mit dem von Ptolemaeus II, 15, 7 und im
Itin. Hierosolym. Mursella, sonst auch (Tab. Peut. u. Geogr. Rav.) Mursa minor ge-
nannten Mursella in Pannonia inferior (vgl. Mommsen C. I. L. III p. 423) identificirt
werden zu müssen. Dass dieser Ort Municipium gewesen, würde zuerst aus dieser
Inschrift hervorgehen; im Itin. wird er als mutatio bezeichnet. Zu beachten ist noch
die Schreibung mit einem l.
330. Ausgegraben in Essegg, jetzt im dortigen Museum (die Inschr. links
und unten mit versteinerter Erde bedeckt, doch so, dass man die Buchstaben erkennen
kann), h. 0-23, br. 045, d. 0-10.
D • M ■
A/'RELIASABIME Q_D C O SIC
NIVGl ARABELLQN V ■ F- I
Q_yE NXIT ANN XXX ■ AVI sie
5 ELI GRAT VS F "E GRATA F
ILI HER EDES MATRI B
ENEREN"IFECERVNTCV sie
RANE AVR SABINO TVT
OREPPSSHMi N S
Ljub. Viestn. III p. 84.
Z. 2: q{uon)d{am). Z. 4 NXIT Steinmetzfehler statt VIXIT
Z. 3 das Q_deutlich, daher die Lesung Arabellonis nur möglich bei Annahme
eines Steinmetzfehlers. — v{iva) f{ieri) i{ussit).
Z. 9: wie Prof. Bormann meint, wohl p{uerorum) s[upra) s(criptorum), Ljubi6
will auflösen : p'arenti) p{ientisaimae) oder p{ro) p[ietate) a{upra) a{criptae).
Essegg. Die von F. Maixner Viestn. 1 (1879) p. 55 n. I mitgetheilte, 1878
gef. Inschrift bereits veröffentlicht von Kubitschek in diesen Mittheilungen III
p. 155 (vgl. auch Bojnicid ebda. p. 175). — n. III ebda. p. 58 Kubitschek Mitth.
lll p. 1.5fi (= Bojni{«i6 ebda. p. 176).
Duna Pentele (Intenisa). Kevidirt.
C. I. L. III n. 3336; ohne Bruchlinien, die Inschrift rechts vollständig, die
Buchstaben in der letzten Zeile ganz.
Ljub. Viestn. V p. 37.
141
Instrumentum
Petrovci. 331. Ziegel mit der Aufschrift:
LEG II AD I
2I8C
Ljub. Viestn. V p. 68.
332. Leuchter, gelb glasirt, mit dem Stempel:
PVLLI
Ljub. Viestn. V p. 68.
Mifrovica. 333. Stempel auf einem Bruchstücke eines bleiernen Sarkophags,
jetzt in Agram:
DEME- 8TBEFL1
Ljub. Viestn. VII p. 18.
334. Ziegel mit undeutlichem Stempel, h. 0'15, 1. 0"15.
UCANl AVU PEIAU
Nach Mittheilung von Abt Miler in Mitrov. Ljub. Viestn. I p. 127.
335. Ziegel, gef. in Mitrov., jetzt im Agramer Museum:
a)
LEG IUI FLPC
LEG VIT CLPF
CORSARI
Aufschrift nicht deutlich,
szewrski CORSAPI
Lesung unsicher, nach Doma-
d) Q_CLOb e) s'jOLONla f) MBRO die drei beschädigt, ausgegraben
in Siljevica bei St. Jacob im kroat. Küstenlande.
Ljub. Viestn. II p. 74 f. b) auch Viest7i. IV p. 58. Nach Domaszewski das
letzte Zeichen sicher cursives F.
Ausserdem eine Anzahl Ziegelinschriften, die bereits genauer in diesen
Mittheil. IV p. 119 f. publicirt sind (zu Viestn. VII p. 13 u. Taf. IV vgl. Mitth.
IV p. 119, wo ein besseres Facsim. und eine richtigere Lesung gegeben ist).
Essegg. Ziegel, publ. von Maixner Viestn. II p. 58 n. II = Kubitschek
Mittheil. III p. 156 b (= Bojnicic ebda. p. 176 n. VII).
St. Andreas bei Budapest. 336. Zwei Ziegel, gef. 1882, der eine mit dem schon
bekannten Stempel (vgl. CLL. III p. 473): FRIGEi (= Frigeridus), der andere
mit: VPPIVV. . . .COK. . (nach d. Abklatsch) vgl. Eph. ep. IV 131.
Despinic in einem Briefe an Ljub. Viestn. V p. 23.
PANNONiA SUPERiOR *
337. Stein bei Preserje, zwischen Igg und Ober-Laibach.
A
VIVA ■ F - S
COWIVGI • CA
ILIO - VRSI
Müllner, Central-Comm. 5 (1879) p. CXXXVIL
142
338. Ebda. gef. Fragrmeut eines Grabsteines, ober der Inschrift zwei Büsten,
einen Mann und eine Frau darstellend.
D - M • S
VRSIO • "ERTIL 0 N ■ L
AVITA A . . . VIII- F
Miillner, Central- Comm. 5. 1879, S. CXXXVII.
Wernegg an der Save. Revidirte Inschrift zu C. I. L. III n. .3897.
Marmor, h. 0'55, br. 0 37, d. 0'16.5, ringsum beschädigt. Bisher nur nath
einem Abklatsch bekannt und unrichtig gegeben, nach Müliner lautet sie :
G E N I ol
R T I A N I N
OTO • SWS'icepto
V CARPVS • v]
P I V L E I A N Vi
Müllner Mitth. d. Central-Comm. 5 (1879) p. CXXXVII.
St. Johann im Tomisel. Zu C. I. L. III n. 3816. Die dort im Kirchenpflaster
befindliche Inschrift lautet richtig wie folgt:
TERTIVS EEEOlVs
BOK EkNIF- VI- F- S" IE
COI- PVSIIE -SE- A • XX
XX
Müllner Mitth. d. Central-Comm. b p. CXXXVII.
Schloss Mokric.
339. Im Gemäuer der Schutzmauer der Burg bei Adaptirungsarbeiten ent-
deckt; vom Hm. Grafen Gustav Auersperg eingefriedet. Oben links abgebrochen;
h. 0*60, br. 0'17 (ursprünglich wahrscheinlich 1 M. u. 1"55).
ad census accipiendos leg. aug. pr. pr.
prOU. ^eRiW-INFER-LEG-AVG- PR pr
prom'nC-HlSP-xv-vlRS-FLATOBlC
^mW/ce-patronnod-d .sie
Die Ergänzungen nach Pichler (Central-Comm. 5 |1879j S. CXXXVII), der
jedoch Z. 1 nur leg. Aug. und Z. 2 pr. pr. ergänzt, statt dessen dürfte wohl wie
oben nach Analogie von Z. 2 und 3 zu ergänzen sein. lieber das Municipium
Latobicorum vgl. Mommsen C. I. L. III p. 496.
340. Mitten entzwei gesägt, wobei in jeder Zeile je zwei Buchstaben ver-
loren gingen; die Sculptur bis auf das Niveau der Inschrift .abgemeisselt. H. 1-20,
br. 0-665 (0'78), d. 0-30. Aus einem Gestein, das nur 1 Km. vom Schlosse bricht.
143
FIRMIDiO FIRMID
lAE ■ LIBER^O • VEREC
VNDO a«N XXXV
MARCIVS VARIVS
5 ET- ACCE25/! A- FILIO
PlENT»SSlMO-ET
SIBIVIwi FEC
Die Ergänzungen von Pichler Central-Comra. 5 (18T9) S. CXXXVII. — Z. 4
wohl [Jan]ua7-iu.9.
Petrinja. Revidirt.
Ad C. I. L. III n. ,3938. Viereckige Ära, oben abgeschlagen, jetzt in Agram
h. 0-48, br. 0-32, d. 0-25.
Z. 2 LlCir^VS
Z. 4 ft-
Ljub. Viestn. II (1880) p. 74 n. 9.
TopUSkO (ad fines). Revidirt.
Ad C. I. L. III n. 3939 und Epkem. epigr. II n. 823 befindet sich im Hofe
des Badearztes in Topusko:
Z. 2 das letzte S kleiner in der Mitte.
Z. 4 das s unter V (diese gleich gross mit den übrigen Buchstaben).
Ad C. I. L. III n. 3940, handschriftlich erhalten von Milic in seiner „Skizze
aus der Geschichte Topusko's" :
Ohne SACR in Z. 2 und ohne V in Z. 7. — Z, 4: SATYRN.
Ad C. I. L. III Falsae p. 20* n. 200*; die Inschrift mit Unrecht von Mommsen
angezweifelt, sie existirt, wurde in Topusko gefunden und befindet sich jetzt in
Agram.
Ad C I. L. III n. 3941 jetzt nicht zu sehen, vielleicht ist der Stein mit
Mörtel überdeckt oder hat ihn Dr. Hinterberger, ehemals Badearzt in Topusko,
nach Steiermark mitgenommen.
Von der Inschrift Ephevi. epigr. II p. 413 n. 827 jetzt keine Spur mehr
voi'handen.
Ephevi. epigr. II n. 825. Viereckige Säule, h. 070, br. 0'22, d. 027, die
lu'^chrift lautet vollständig :
i ^
/I A X I M V
uot V M SO
luin c V iw
5 ,\AN l B V
Nach Domaszewski's Abschrift, mangfllial't publ. von Ljub. Viestn. II p. t>.
Z. 1 vielleicht J[ooi) oiptimo)] in{axivio).
144
Ad Ephem. epigr. U n. 826 ; die Buchstaben fast ganz abgenutzt und lang ;
h. 0-32, br. 0-51, d. 0-28.
antonin ipi i felicis
a v g / i v l i ä avg maris
avg//// a/tr/rvm
\ / / I I 1 1 VS VERVS r LEG
Vrg'ONlNIANÄ.
Nach Domaszewski's Abschritt, ganz falsch publ. von Ljub. Viestn. II p. 9
n. 8. Zu ergänzen etwa: pi-o salute imp. M. Äurelü] Antonini Pii Felicia Aug{usti)
[et] JvUae Aug{ustae) matris Aug{usti) [n{ostri) et c]a\s]tr[o]rum . . [Aureljius Verus (centurio)
leg{ionis) [A]ntoninianae
341. Viereckige Säule, h. 0'82, br. 0-52, d. 0-34, befindet sich in der griech.-
orientalischen Kirche des S. Salvator in Gredjani in der Nähe von Topusko. Die
Buchstaben abgenützt und mit Mörtel bedeckt.
iw a r t i a v g
//na/////
E S IPI 'IUI
svi.li lim
5 /////////
CANDI///VSLM
Ljub. Viestn. II p. 8 n. 4.
342. Ära mit schlechter Schrift des ausgehenden 3. Jahrhunderts; h. 0-85,
br. 0-41, t. 0-33, auf der linken Seitenfläche urcetis, auf der rechten Schale (patera) ;
wann und wo ausgegraben, unbestimmt, wahrscheinlich in Topusko. Eine Zeit lang
lag sie in der Kirche S. Salvator am Berge in Gredjani, jetzt im Museum in Agram.
I • O ■ M
SE N AM • SAG
A V R • V I ND 1
C I A N V S
C O
S V I S
V • S • L • M
Nach einer Abschrift Prof. Hirschfeld's , die derselbe mir freundlichst zur
Verfügung gestellt hat und einem Abklatsch von Bojnicid, vgl. Ljub. Viest^t. II
p. 6 n. 1. Am Schlüsse noch einige Buchstaben, die wohl mit Hirschfeld für
moderne Kritzelei zu halten sind.
343. Der obere Theil einer Säule im Hofe des Badearztes in Topusko,
I O M S
Ljub. Viestn. II (1880) p. 7 n. 3.
(Schluss folgt)
Wien
S. FRANKFURTER
Bc^thykles
I
Der Meister, der zu Amyklä den Thron geschaffen hat, in
dem das alte Apollobild stand, ist trotz seines stolzen Namens für
die moderne und, fügen wir es nur gleich hinzu, auch für die antike
Geschichtschreibung der griechischen Kunst von geringem Interesse
gewesen. Er ist ganz hinter dieses sein Hauptwerk (wie wir ver-
muthen müssen) zurückgetreten und Pausanias, der demselben eine
lange^ aber freilich etwas geschäftsmässige Beschreibung gewidmet
hat, verweigert über die Persönlichkeit des Künstlers ausdrücklich
jede Auskunft. Andere Zeugnisse aber hat man, so viel ich sehe,
bisher nicht auftreiben können und sich daher begnügt, den schönen
Namen mit dem erhaltenen Ethnikou und der üblichen runden
Olympiadenzahl in das Verzeichniss der griechischen Künstler ein-
zutragen und im übrigen den amykläischen Thron zu restauriren,
so weit und so gut es eben gehen wollte. Die Aufgabe , die ich
mir in dieser Untersuchung gestellt habe, ist nun die, jenes schwie-
rige Problem einer erneuten Betrachtung zu unterziehen, dann aber
auch der kunstgeschichtlichen Stellung des Meisters selbst genauer
nachzuforschen. Es muss doch endlich an der Zeit sein, den Bann
zu lösen, der ihn zwingt, mit seinen Genossen fortwährend auf dem
Throne herum zu tanzen, den er schuf.
Wenn wir uns zunächst bezüglich des ersten Theiles unserer
Aufgabe an unseren Periegeten wenden , so scheint es , als ob
er gleich auf die allererste Frage, die wir an ihn zu richten
haben , die nach dem Material des Werkes , keine Antwort geben
wollte. Er erwähnt wohl nebenbei, dass das Apollobild selbst aus
Erz gewesen sei, wie, dass eine Thüre in der Basis aus gleichem
Stoffe war, aber über den Thron selbst fehlt es an einer solchen
Angabe. Da hat man sich denn aufs Rathen verlegt. So hat ihn
Rühl als Marmorarbeit reconstruirt, während Otf Müller an Toreutik
gedacht hat; gewiss mit Recht, doch schliessen jene Detaillirungen
ArchäologiBch-epigraphische Mitth. IX. \Q
146
gerade das Erz aus, auf welches wir sonst als das nächstliegende
toreutisehe Material verfallen müssten. Sie haben aber gar keinen
Sinn und auch bei ihm keine Analogie^ wenn Tansanias nicht vor-
aussetzen durfte, dass das Ganze klar sei, und machen vielmehr
den Eindruck, dass er sich keiner Unterlassungssünde bewusst
wäre. Das ist auch in der That de^ Fall. Er hat die nöthige
Materialangabe gemacht, aber in einer Weise und in einem Zu-
sammenhange, der zu Missdeutungen Anlass gab.
Wenige Capitel vor der Beschreibung des amykläischen Apollo-
bildes (III 10, 10) , bei Erwähnung des Heiligthumes des Apollo
Pythaeus auf dem Berge Thornax, weist Pausanias auf den amy-
kläischen Apoll hin und fügt hinzu : AaKebai)Liovioi(^ 'fäp eTTiqpavecTTepdt
ecTTi Td iq töv 'A)uuKXaTov, ujcrre Kai töv xpvüöv öv KpoTao<; 6 Auböq
Tuj 'AttöWujvi ene}iy\)e tlu TTu0aei, toutiu iq köcTjuov toO ev 'AjuuKXaiq
Kttiexpnö'avTO dfdXjuaT0(;. Die Annahme Otfried Müllers , man habe
mit Kroesos Golde dem Apolloidol das Gesicht überzogen, beruht
wohl nur auf einer falschen Erklärung der folgenden Worte des
Pausanias: öri y^P }^^^ irpöcTujTrov auTuj Kai iröbec^ eidiv dKpoi Kai
Xeipec;, TÖ Xomov xc(^klu kiovi ecrriv eiKaaiLievov, mit denen der Pe-
rieget, wie aus dem Zusammenhange deutlich hervorgeht, nur die
Gestalt desselben schildern will, und eine Betrachtung der Replik
auf den Münzen von Sparta erweist diese Schilderung als völlig
zutreffend '). Jener allzu bescheidenen Annahme Müllers liegt aber
die völlig berechtigte Anschauung zu Grunde, dass jene Gabe des
Kroesos als eine Naturalleistung und nicht, wie es moderner Weise
näher läge, etwa als eine zu bestimmtem Zweck zu verwendende
Goldsumme aufzufassen sei. Wir sind nicht genöthigt, durch eine
eingehende Betrachtung des wirthschaftlichen Standpunktes jener
Tage diese Auffassung zu verfechten, für welche die Stiftungen des
Kroesos überhaupt, namentlich aber die Säulen zum Artemision in
Ephesos die nächstliegenden Analogien bieten würden. Herodot
erzählt uns die Geschichte, die Pausanias andeutet, und eben darum
nur andeutet'').
Die Spartaner schicken nach Sardes , um dort Gold für ihr
Apollobild auf dem Berge Thornax einzukaufen, Krösos aber gibt
es ihnen als Geschenk. Warum aber nun die Spartaner auf dem
Thornax eine simple Copie ihres sehr simplen amykläischen Apolls
*) Ganlner Ti/pes of Oreek coins Tf. XV 23.
^) T 89.
147
aufstellen und mit dem Golde für jenen diesem einen kostbaren
Thron errichten, dafür Hesse sich kaum ein anderer Grund aus-
denken, als der Wunsch des Gottes selber. Freilich wäre es aber
auch möglich, dass die Geschichte von der ursprünglichen Bestim-
mung des Goldes ihre Entstehung der erstaunten Frage einer spä-
teren Generation verdankt, welche es sonderbar fand, dass das
kostbare Material nicht für das Götterbild, sondern für seinen
Thron aufgewendet wurde, während doch ein solches Bedenken
jener früharchaischen Periode nicht gut in den Sinn kommen konnte.
Doch was es nur immer für eine Bewandtniss damit habe,
der goldene Thron des amykläischen Apolls ist an und für sich
keiner besonderen Erklärung bedürftig. Galten doch dem frommen
Glauben der Hellenen die Götter als xpucTÖBpovoi und dass man
sich ihre Hochsitze mit allem Zauber der Kunst geschmückt dachte,
dafür zeugt das Gebet der Sappho:
TToiKiXöOpov' dGdvaT 'Acppöbira.
Solche dichterische Vorstellungen wirken aber nicht auf die bildende
Kunst, sondern werden von ihr erwirkt. Goldene Throne waren
nicht allzuweit von der Heimat unseres Meisters und lange vor
ihm geschaffen worden.
Vom goldnen Baal auf goldnem Thron und all der Herrlich-
keit um ihn erzählt Herodot I 81 und wiederum I 14 vom Thron
des Midas, den er im korinthischen Thesauros zu Delphi als edvia
dSioGeriTov neben den sechs grossen goldenen Krateren des Gyges
erwähnt. Er hält ihn ohneweiters für den wirklichen Königsthron,
den Midas dem Gotte weihte, und dieser Name wie seine Umgebung
scheinen genügende Bürgschaft dafür zu bieten, dass wir ihn uns
nur aus purem Golde gebildet denken dürfen. Besonders nahe
aber liegt es , an den ganz goldenen Gnadenstuhl zu denken , den
Belzael nach Moses 2, .37, 6 für die Stiftshütte machte, dessen
goldüberkleidete Lade aus Föhrenholz uns wieder an die Kypsele
der Kypseliden mahnt. Die Zeugnisskraft dieser Beispiele reicht
jedoch nicht so weit aus , das Werk des hellenischen Meisters als
ein massiv goldenes zu erweisen, dazu sind sie doch zu barbarischer
Art. Aus dem Schatze unserer archaischen Monumente, wie dem
der literarisch bezeugten Parallelen, könnten wir, abgesehen von
anderen sich selbst aufdrängenden Erwägungen zur Ueberzeugung
gelangen, dass es nur ein goldenes Kleid war, was der Meister von
Magnesia über ein Gerüste zog, welches kaum anders als von Holz
gebildet gedacht werden kann.
10*
148
Den Thron stützten auf allen vier Seiten je zwei Gestalten.
Vorn und rückwärts fungirte je eine Charis und eine Höre als
Karyatide, links trugen Echidna und Typhos, rechts Tritonen den
Aufbau. Diese Dreizahl von Gestaltungen ist bedeutsam, die Himm-
lischen weisen nach oben, die Schlangenfüssler nach altem künst-
lerischen Sprachgebrauch zur Erde , während die fischleibigen Tri-
tonen auf das Meer hindeuten.
'Ev |aev Yctictv ereug', ev ö' oupavöv, ev be Qakaaoav.
Eine neue Fassung des alten Gedankens, dessen verschiedene Aus-
drucksweise wir im homerischen Achillesschild wie auf Vettersfelder
Schildzeichen bewundert haben. Es gibt zu denken, dass die
antike Kunst gleich in ihren ersten Tagen die Idee des Kosmos in
so deutlichen Zügen auf ihre Fahne schreibt und unter diesem
ihren Zeichen wollen wir nun zuversichtlich an die wirre Fülle von
Einzeldarstellungen herangehen, die uns Pausanias von diesem Werke
herabgelesen ^).
Wir wollen uns aber doch erst an den kleineren Theil der
Aufgabe machen und treten daher mit dem Periegeten zwischen
den Tritonen in das Gestühl.
Es sind vierzehn Bilder , die da dem Beschauer entgegen-
blinkten, ich zähle sie zunächst einfach auf:
1. Kalydonische Eberjagd 5. Herakles würgt den nemei-
2. Herakles tödtet die Aktoriden sehen Löwen
3. Die Boreaden verjagen die Har- 6. Apoll und Artemis schiessen
pyen Tityos
4. Theöeus und Peirithoos rauben 7. Herakles und der Kentaur
Helena Oreios
*) Das alte Dcraeterbild von Phigalia ist scliou darum nicht apokryph, weil
der kosmische Gedanke daran in aller Schärfe zu Tage tritt. Die Taube und der
Fisch in den Händen, die Schlangen und das übrige Gethier um das Haupt be-
zeichnen wieder die drei Elemente. Mit einer Sintflnth und Noah, wie Ccnze will,
hat das nichts zu thun. Ueber die Typik vergleiche ausser dem von Milchhöfer
Anfänge der Kunst in Griechenland S. CO vorgebrachten, die Medusa der rhodischen
Schale Jowrn. of hell. stud. 1884 Tf. 43. Noch eines solchen Kunstwerkes will ich
hier erwähnen, weil es den alten Satz von der Ausnahme, die die Kegel bestätigt,
neu erweist. Demetrios Poliorketes liess sich nach Plutarch 41 eine Chlamys machen,
die unser Gewährsmann ein ^p^ov öirepriqjovov, eiKaöjua TOO KÖa|uou Kai tujv köt
oupavöv (paivo)atvuJV beschreibt. Dometrios ist auch hier eine Copie Alexanders
des Grossen und sein liock eine solche von dessen Kocke. Alexander schlug seine
Schlachten in einem uralten cyprischen Mantel des Meisters Akesas von Salamis.
149
8. Theseus und der Minotaur 12. Menelaos und Proteus
9. Herakles ringt mit Acheloos 13. Admets Gespann
10. Heras Lösung 14. Troer bringen dem Hector
11. Leichenspiele zu Ehren des Grabesspenden
Pelias
Pausanias bemerkt ausdrücklich, dass die Exegese im Ganzen
keine Schwierigkeit bereite. Inschriften waren wohl sicherlich an-
gebracht, woher wüsste sonst unser Gewährsmann, dass der Kentaur
auf Nr. 7 Ureios hiess, woran erkannte er den sonst unbezeugten
Giganten Thurios, woran Anaxis und Mnasinous, Megapenthes und
Nikostratos auf den Aussenseiten?*) Dass die Form Bipi^ auf der
Thronbasis für "Ipiq auf der Inschrift beruht, bemerkt Trendelen-
burg Bull. 1871 p. 127, doch kann ich ihm nicht völlig beistimmen.
Er meint nämlich, Pausanias schreibe so „senza duhbio perche egli
trovo questa forma dorica iscritta sulV altare^^ Nun ist jedoch Bipi^
weder als dorisch noch sonst als griechisch nachweisbar und die
Annahme dorischer Inschrift auf dem Werke der ionischen Meister
doch kaum statthaft. Mir scheint die nächstliegende Annahme un-
ausweichlich, dass Pausanias das Digamma vor dem i noch fand,
das wir ja noch Ilias II 786. XXIV 188 constatiren können, und
es einfach transcribirte. Wir werden jedoch von vornherein schon
annehmen dürfen, dass die inschriftliche Bezeichnung nicht conse-
quent überall durchgeführt war. Das Beispiel der Kypseliden-
Kypsele, wie der Klitiasvase und anderer erhaltener Monumente
beweist zur Genüge, wie entfernt die archaische Kunst von jeder
Aengstlichkeit in dieser Richtung geblieben ist.
Aber trotzdem Pausanias diesmal so zuversichtlich auftritt,
können wir ihm gerade hier Dinge von der Art nachweisen, die
in archäologischen Seminarübungen allgemeine Heiterkeit zu er-
wecken nie verfehlen.
So ist Nr. 14 Kai oi Tpuje(; eTTiqpepovT€(; Xoa<S "EKTopi sonder-
barerweise bisher stets für baare Münze genommen worden. Noch
jüngst hat Furtwängler^) von dieser Scene behauptet, ihr Stoff scheine
aus dem letzten Buche der Ilias genommen zu sein. Ich meine
doch, der Umstand, dass sie nicht darin steht, ist ein genügender
Gegengrund solcher Vermuthung. Sie steht überhaupt nirgends.
*) Dagegen Stepliani Mü. greco-rom. Tom. I p. 128,
*) Histor. u. philol. Avifsätze, E. Curtius gewidmet p. 179 ff.
150
bei keinem alten Dichter wie bei keinem alten Künstler und jeder-
mann fragt sich im Stillen, warum denn dieses Unicum statt der
durch das alte Epos der Kunst so geläufigen „Hectors Lösung".
Vergegenwärtigen wir uns das bekannte Schema dieser: Ausser
den Hauptpersonen , Achill der über dem Leichnam des Hector
lagert und Priamos, der vor ihm steht, gehört noch eine kleine oder
grössere Reihe von troischen Dienern des Priamos dazu, die Ge-
fässe tragen, welche das Aequivalent für die Auslieferung des Leich-
nams bilden. Das sind die TpOuec; emqpepovTet; xo«<S des Pausanias.
Eine äussere Bestätigung dieser Vermuthung wäre bei ihrer inneren
Evidenz leicht zu vermissen, sie bietet sich indess von selbst. Wir
werden bei der Anordnung der Bildwerke sehen, dass die Scene
der Lösung Hectors derjenigen mit der Lösung der Hera entspricht.
Darnach sind die Bemerkungen Furtwänglers in der citirten Schrift
S. 8 und 9 über die Typengeschichte der "EKTOpo? Xurpa zu be-
richtigen.
Ein zweites Unicum ist das Bild vom Abenteuer des Menelaos
mit Proteus „nach der Odyssee". Der Beisatz ruft eine wenig Zu-
trauen erweckende Erinnerung wach. Auf der Kypsele hat Pau-
sanias Odysseus und Kirke mit ihren Dienerinnen genau nach der
Odyssee, ferner Nausikaa auf ihrem Wagen gesehen. Beide Bilder
sind jetzt als ganz andere Darstellungen erklärt worden und das
wirft vielleicht auch seinen Schatten auf die zwei absonderlichen
Odysseebildwerke, die der Thron enthielt. Von Demodokos mit
dem Chore der Phaiaken werden wir noch handeln, für jetzt be-
schränken wir uns auf das Proteus-Abenteuer.
Nehmen wir an, die Figur, die Pausanias als Proteus galt,
war inschriftlich so bezeichnet, dass unserem Exegeten sofort die
Episode der Odyssee einfallen musste. Dann stand neben ihr „äXio^
Yepujv". Auf dieses Stichwort präsentirt sich unserem Gedächtniss
sofort die bekannte olympische Bronzeplatte mit dem Kampfe des
Herakles mit dem Meergreis. Wir finden auf ihr Nichts, was diesen
Irrthum des Pausanias nur im Geringsten ausschlösse, und wenn der
modernen Hermeneutik der gleiche Fehler glücklicherweise erspart
war, so ist auch das parallel zum vorigen Falle. Welche Beweis-
kraft der olympischen Platte als einem zeitgenössischen Zeugnisse
zukomme, kann gar nicht zweifelhaft sein. Es reisst unser Bild
aus seiner Vereinzelung heraus und stellt sich mit ihm an den An-
fang einer langen Typenreihe, aber auch auf dem Throne selbst
macht es seinen Platz besser. Die Darlegung der Anordnung der
151
Bildwerke wird ergeben, dass jetzt erst eine Theseusthat mit einer
herakleisclien gepaart ist, wie das auf dem Throne bei den übrigen
Theseustliaten nach den Regeln der archaischen Kunst geschah.
Damit sind wir nun mit der Recension der Bilder im Throne
fertig und wenden uns zur Aufzählung der auf der Aussenseite
befindlichen. Erst nach dem Ueberblick über die gesammte Masse
des Dargestellten können wir die Frage nach der Vertheilung zu
beantworten versuchen. Es ist genau doppelt so viel, was wir da
finden. Die 28 Bilder sind:
1. Zeus und Poseidon rauben 14. Hemera raubt den Kephalos
die Töchter des Atlas 15. Hochzeit der Harmonia
2. Atlas 16- Achill und Memnon
3. Herakles und Kyknos 17. Herakles und Diomedes
4. Kentaurenschlacht bei Pholos 18. Herakles und Nessos
5. Theseus und der maratho- 19. Parisurtheil
nische Stier 20. Adrast und Tydeus aufge-
6. Phaiakenchor u. Demodokos hobener Zweikampf
7. Perseus und die Medusa 21. Hera und lo
8. Herakles und Thurios 22. Athena und Hephaistos
9. Tyndareos Kampf mit Eurytos 23. Herakles und die Hydra
10. Raub der Leukippiden 24. Herakles und Kerberos
11. Hermes mit dem Dionysos- 25. Anaxis und Mnasinous
kinde 26. Megapenthes u. Nikostratos
12. Herakles Einzug in den Olymp 27. Bellerophon u. die Chimaira
13. Peleus übergibt Achill dem 28. Herakles und die Rinder des
Chiron Geryoneus
Auch die vorstehende Aufzählung ist gleichfalls einer Recen-
sion bedürftig. Nr. 2 ist von Brunn, dessen Scenenordnung die
Grundlage der späteren Versuche geblieben ist, aus der Reihe der
selbstständigen Bilder gestrichen worden, deren Zahl dadurch auf
27 herabgesetzt ward. Mit den Worten eTreipTacriai be Kai "AxXaq
soll Pausanias die Anwesenheit des Vaters bei der Scene des Raubes
seiner Töchter bezeichnen. Einer unbefangenen neuen Betrachtung
des Textes hält eine solche Exegese freilich nicht Stand. An diesen
Atlas sind mit einem weiteren Kai noch die Nrn 3 und 4 angehängt,
die in die Scene der frauenraubenden Götter einzuzwängen Nie-
mandem beikommen kann, die aber ohne das Prädicat völlig in der
Luft schweben. Pausanias eröffnet seine Aufzählung mit den fol-
genden entschuldigenden Worten: xä be eTreipTaajueva KaO' eKaaiov
152
eTT* aKpiße(; bieXGeiv öxXov toT^ eTTiXeHoinevoiq irapeEeiv e'jLieXXev. wc, b^
biiXujcrai (TuXXaßdvTi eirei luribe aYViuara xa noXXa fiv. Er fügt als
erstes der eireipTWCTjueva dieser Einleitung die Scene eins an nnd
darnach mit dem eTTeipYaarai be Kai Scene zwei und drei. Nach
diesem Typus, der bei der Beschreibung der Bildwerke der Athena
Chalkioikos im Capitel vorher schon in Anwendung kam, wo er
mit den Worten beginnt: eneipTacTTai be tu» Xö^kuj, TToXXd )iiev tüjv a0Xujv
'HpaKXeouc;, ist seine ganze summarische Katalogisirung gebaut.
Auch dass Pausanias Atlas allein erwähnt , ist kein Gegen-
grund. Man kann daraus höchstens den Schluss ziehen, dass nicht
sein Abenteuer mit Herakles, wie auf der Kypsele, dargestellt war.
Auf einer bekannten Vase des Museo Gregoriano, Gerh. A. V. 86,
ist er mit Prometheus gepaart, und ihn allein seine Himmelskugel
tragen zu lassen, kann einer Kunst doch unmöglich fremd sein, die
die kosmische Idee so gern versinnlicht.
Zur Scene 5 ist zu bemerken, dass sie gewöhnlich als Theseus
und der Minotaur gefasst wird. Die Worte des Pausanias: töv be
Mivu) KttXoujuevov raupov ouk oTba dvB' otou TreTToiiiKe Ba9uKXfi(; bebe-
)uevov Te Kai dYÖ|uevov uttö Giiaeuj^ ^ujvia lassen etwas Absonder-
liches vermuthen. Doch Theseus und der Minotaur war ja bereits
im Inneren des Thrones dargestellt und eine solche Wiederholung
an den Aussenseiten müsste schon an und für sich in nicht ge-
ringem Grade befremden , völlig unmöglich macht sie jedoch die
Wendung, die uns hier scheinbar berichtet wird.
Stephani hat die Behauptung aufgestellt, dass Pausanias hier
den Irrthum begangen habe^ eine Darstellung des marathonischen
Stieres für die des Minotaurus zu halten. Ich stimme mit ihm
darin überein , dass hier eine solche Verwechslung stattirefunden
habe. Es hat sich derselben aber nicht Pausanias schuldig ge-
macht, sondern seine Erklärer. Das töv be Mivuu KaXou|uevov raupov
geht auf den marathonischen Stier, der doch aus Kreta und von
Minos her nach Attika kam. Der gezierte Ausdruck deutet daselbst
eine euhemeristische Weisheit an , die aber mit der Sache selbst
nichts weiter zu thun hat. Auffällig bleibt dabei der Umstand,
dass Pausanias der dargestellte Gegenstand befremdete, während
doch die Fesselung des marathonischen Stieres durch Theseus so-
wohl wie durch Herakles ein sehr beliebter Typus der archaischen
Kunst war. Doch löst sich bei näherem Zusehen auch diese
Schwierigkeit. Aus dem Wortlaut des Textes geht ja klar hervor^
153
dass nicht die Fesselung sondern der Transport des gefesselten
Thieres dargestellt war. Der Held trug es auf dem Rücken, wäh-
rend die Gruppe, der Pausanias I 27, 10 auf der Akropolis Er-
wähnung thut, ihn glauben machte, dass er es vor sich her ge-
trieben habe. Wir kennen diesen Typus vom „kalbtragenden
Hermes-" der Akropolis her, dem ich hiemit seinen rechten Namen
zu revindiciren hoffe. Der Fundort legt ein gewichtiges Wort für
ihn ein und der Meister hat sich rechtschaffen Mühe gegeben, den
Stier als solchen zu charakterisiren. Die kurzen Hörner, das ab-
sichtlich recht deutlich gemachte Geschlechtstheil hätten eine Miss-
deutung verhindern sollen.
Die sechste Scene soll Demodokos singend im Chortanz der
Phaiaken dargestellt haben. Warum ich diese Vermehrung des
Typenschatzes der Odysseebildwerke so zweifelnd registrire, wird
nach den Erfahrungen , die gerade in letzter Zeit auf diesem Ge-
biete gemacht wurden, kaum Wunder nehmen. Wir können uns
nicht mehr auf Odysseus und Kalypso, noch auf die Nausikaa der
Kypseliden-Kypsele, noch auf den Menelaos und Proteus unseres
Monumentes berufen und die Vermuthung, dass auch bei dieser
Scene die Sachen kaum anders stehen als bei ihren nächsten Ana-
logien , lässt sich doch kaum abweisen. Den Chortanz der Mag-
neten mit Bathykles , bei dem sich die Bedenken von selbst auf-
drängen, lassen wir wohl für jetzt am besten ganz ausser Spiel,
er ist ein ünicum, das wir uns später noch besehen wollen. Typisch
bildet die Scene keine Schwierigkeit. Die Chortänze finden sich
am homerischen wie am hesiodeischen Schild und dort verweist der
Dichter auf das Vorbild des Choros der Ariadne von Dädalos.
Diesem Choros der Ariadne, vermuthe ich, glich auch unser Phaiaken-
chor zum Verwechseln. Es kann doch ernstlich gar nicht fraglich
sein, dass hier Theseus mit der Leier weit besser am Platze war
als Demodokos, vermuthlich war es nur der Bart des attischen Heros,
der ihn hier für Pausanias unkenntlich gemacht hat.
Eines näheren Eingehens bedarf noch die an eilfter Stelle an-
geführte Scene, die unser Perieget mit einer anderen, scheinbar
folgenden in engsten Zusammenhang bringt. Er berichtet: Aiövucrov
be Ktti 'HpaKXea, töv |.iev iraiba eii [övxa] eq oupavöv ecrtiv 'Epjufiq
qpepoiv, 'A9iivä be aYouaa 'HpaKXea CTuvoiKiicrovia dirö toütou 6eoT<g.
Gegen diese Deutung, die das Geschick der beiden Zeussöhne in
so epigrammatischer Zuspitzung parallelisirt, sind schon lange Ein-
wendungen erhoben worden. Zuerst hat Stephani an dieser Zu-
154
sammenstellung Anstoss genommen und eine Aenderung vorge-
schlagen, die so viel ich. weiss nirgends Zustimmung gefunden hat.
Darnach soll Hermes nicht den Dionysosknaben aufwärts tragen,
sondern das eibuuXov des Herakles in die Unterwelt geleiten, wäh-
rend der echte seine Apotheose feiert^) Auf Brunn geht die jetzt
allgemein angenommene Vermuthung zurück, dass Hermes den
Dionysosknaben zur Erde, den nysaeischen Nymphen bringend,
gedacht war. Dasselbe Vasenbild, auf das sich Stephani berufen
zu können glaubte ') — es stellt Hermes vor , der das Herakles-
kind durch die Luft trägt — zeugt für die Brunn'sche Deutung,
denn auf der Rückseite des Gefässes erscheint Chiron zur Ueber-
nahme des Pfleglings. Der Typus der Münchner Vase ist aber
kaum für Herakles erfunden. Der Kentaur entstammt dem Bild
von der Uebergabe des jungen Achill und der Typus des Hermes
mit dem Dionysoskinde, der seine eigene an Ehren reiche Geschichte
hat^ gab das Vorbild für die Hauptscene. Das Verfahren des
Vasenmalers , durch Zerschneiden und Zusammensetzen den vor-
handenen Typenschatz zu mehren, bietet hier eine schlagende Pa-
rallele zur Entstehung des dargestellten Mythos.
Stellen wir uns nach Massgabe dieses Bildes die Scene am
amykläischen Throne vor, dann begreifen wir den Irrthum des
Pausanias. Völlig unbegreiflich aber müsste er bleiben, wenn die
Uebergabe des Dionysoskindes an die Nymphen geschildert gewesen
wäre, wie die allgemeine Annahme lautet. In dem höchst kunstvoll
aufgebauten Responsionssysteme, das nach Brunn die Bildwerke
des Thrones bilden, war eine solche Auffassung nöthig, weil dies
Bild über sieben dazwischen liegende mit dem Parisurtheil (10) zu
stimmen war. Aber über der künstlichen Gleichung in der Ferne,
Hermes mit drei Göttinnen und Hermes mit Nymphen, wurde eine
wirklich überlieferte in nächster Nähe völlig übersehen, die Ueber-
gabe des Achill von Peleus an Chiron (13), und dass diese Typen
auch äusscrlich als zusammengehörige behandelt wurden , lehrt ja
gerade die Münchner Amphora. Auch Pausanias hat die Zu-
sammengehörigkeit dieser beiden Scenen verkannt. Seine verkehrte
Deutung ist gerade dadurch hervorgerufen worden, dass er sie zu
jener Nachbarscene zog, mit der sie in keinem besonderen Verhält-
*) Der Kampf zwischen Theseus und Minotaurus S. 65. Dagegen Jahn Ar<:li.
TJeitr. S. 257 f., worauf Stephani Mel. graeco. I S. 129 erwiedert hat.
') München 611 abg. A. Z. 1876 Tf. 17.
155
nisse stand^ und diese Beziehung so betont, dass die Aufeinander-
folge der Scencn in Unordnung gerathen ist. Es ist klar, dass sie
so zusammengehören: a) Herakles Einzug in den Olymp, b) Dionysos
als Kind und c) Achilleus als Kind. Der Text des Pausanias
spricht nicht dagegen, von den beiden fälschlich gepaarten ist
Dionysos nur voraufgestellt, weil das umgekehrte die epigramma-
tische Spitze nicht so scharf hätte herausheben lassen. Ich will
nur gleich hinzufügen, dass diese wie ich glaube wohl begründete
und mit der Ueberlieferung völlig verträgliche Umstellung aller-
dings auch eine Forderung meines Reconstructionsprincipes ist,
hoffentlich ohne sie dadurch zu verdächtigen.
Eine andere Art von Irrthum als die bisher behandelten Fälle
zeigen, können wir Pausanias bei der Beschreibung der 26. Scene
nachweisen, wo er sich einen evidenten Sehfehlcr hat zu Schulden
kommen lassen. Er beschreibt sie mit Nr. 25 zusammen folgender-
massen; "Avatic, be Kai Mvaaivouc;, toutluv |uev ecp' mnou Ka9ri)uevö(;
eativ eKdiepoc^. MeTaTrevöiiv he tov MeveXdou Kai NiKOdTpaTov mixoc,.
eic, qpepujv eaiiv. Für eine solche an die Haimonskinder erinnernde
Art, zu zweien auf einem Pferde zu sitzen, wird man wohl umsonst
nach Parallelen innerhalb der archaischen Kunst suchen. Da ist
ja gerade das Umgekehrte zum regelrechten Typus geworden, auf
einen Reiter kommen zwei Pferde. Das zweite verschiebt sich aller-
dings oft so hinter dem ersten, dass es bei flüchtiger Betrachtung
leicht unbemerkt bleibt. Ich citiere als besonders charakteristisches
Beispiel Urlichs Beiträge zur Kunstgeschichte Taf. 7 und bitte, das-
selbe mit Taf. 3 ebenda zu vergleichen. Offenbar entsprachen sich
beide Scenen genau bis auf die beigeschriebenen Namen und eine
stärkere Verschiebung der beiden Pferde von Nr. 26.
So wären wir nun mit der Recension des Bildtextes vorläufig
wenigstens zu Ende. Dass sie ein reicheres Erträgniss hat, als
man erwarten mochte, erklärt sich daraus, dass Pausanias im Irr-
thum war, wenn er glaubte sich die Sache hier leichter machen
zu dürfen als bei der Kypsele oder den polygnotischen Gemälden.
Wir wollen darüber nicht weiter mit ihm rechten, legen doch ge-
rade seine Fehler hier ein gültiges Zeugniss gegen seine Ankläger
ab, und wenden uns nun zur nächstdringlichen Aufgabe, das Pro-
blem der Vertheilung neuerdings in Erwägung zu ziehen.
Wir haben an der Innerseite des Thrones 14 und an der
Aussenseite das Doppelte, nämlich 28 Darstellungen aufgezählt.
Die Siebenzahl bietet sich ungesucht als Grundlage der Theilung
156
und Anordnung. In ihr werden wir die höhere Einheit in dem-
selben Sinne suchen dürfen, wie wir sie in der Zwölfzahl für die
Kypseliden-K^'psele gefunden haben. An und für sich ist dieser
Gedanke keineswegs neu, vor dem Erscheinen der ßrunn'schen
Arbeit war diese Annahme ebenso allgemein gang und gäbe, als
sie nach derselben als beseitigt betrachtet wurde, und die Ursache
dieser Wandlung ist nicht olme einiges Interesse. Diese Zahl hat
einen symbolischen Beigeschmack, der sie für jene Periode, da die
archäologische Forschung noch mühsam nach einer festen Methode
rang, zu einer gar oft bösen Sieben gemacht hat. So hat man
denn diesen leichten Fund nur dazu benützt, um die Siebenzahl
auch an den Bildwerken der Basis des Apollobildes zu postuliren,
Avo dafür gar kein Anlass vorhanden war, und eine Zahlensymbolik
zu ahnen , die der erste Hauch gesunder Forschung hinwegfegen
musste. Die Reaetion gegen solches Treiben liess nicht lange auf
sich warten, nur schoss man dann mit ebenso grosser Hartnäckig-
keit ziemlich gleich weit übers Ziel hinaus, als man dasselbe vorher
fehlte. Die Siebenzahl musste auch dort hinaus, wo sie gar nicht
auf Conjectur beruhte und ein kunstreicher Aufbau voll der schla-
gendsten Parallelen und schönsten Responsionen, ganz im Stile der
Dissen'schen Pindar- Zergliederungen und ähnlicher philologischer
Architecturen, erhub sich dort, wo kurz vorher noch mystisches
Dunkel gelagert war.
Die Baukosten hat natürlich Pausanias zu tragen. Wenn die
erste Scene nun auch den Atlas enthalten soll, dann muss auch
in die entsprechende Leukippos hinein, den weiteren Zuwachs dreier
Nymphen haben wir bereits kennen gelernt. Die Scenen 17 und 18
passen zu ihren Parallelen, wenn man sie umstellt, d. h. dann passt
18 (mit einiger Nachhilfe) zu 13, 17 aber wieder nicht zu seiner
Nummer. In der zweiten Scene nimmt Herakles, der die Heerde
der Geryoneus vor sich hintreibt, so wenig Rücksicht auf Amphi-
araos und Lykurgos gestörten Zweikampf, dass er dazu verhalten
werden muss, noch einmal mit dem dreileibigen Scheusal zu kämpfen,
wobei dann die Rinder des Geryoneus nebensächlich behandelt
erscheinen. Nachträglich hat dann Overbeck zur Hebung der
Responsion der Innenbilder zwei weitere kleine Umstelkingen hin-
zugefügt und 4 vor 3 und 10 vor 9 geschoben.
Als Schlussresultat dieser Bemühungen erscheint ein System
übereinander geordneter Klammern , das die einzelnen Theile des
wohlgeordneten Ganzen fest zusammenhält und den schönsten
157
Klammersystemen der philologischen Literatur ebenbürtig zur Seite
stellt. Wer sich aber an dem imponierenden äusseren Eindruck
nicht genug sein lässt und nach der Zusammengehörigkeit der an-
einander gefesselten Scenen fragt, der wird es wohl vergeblich thun,
und ebenso vergeblich wird er unter den erhaltenen archaischen
Monumenten auch nach einer ungefähren Analogie suchen.
Wir haben bisher eine Anzahl von Bildwerken zur Seite ge-
lassen, welche sich an der Aussenseite des Thrones als Abschluss
befanden. Es sind abermals sieben und glücklicherweise kann ihre
Anordnung gar nicht zweifelhaft sein. Der Bericht lautet: ToO
öpövou he Txpöq toxc, avuu TrepacTiv eqp' ittttujv eKarepuuGev eiaiv oi
Tuvbdpeuj TTaTbe(;, Km crqpi-fT^«; tc eicriv uttö toT<; mTroiq küi öiipia avai
Geovia, ti] )li6v ■näphakxq, Kaid be töv TToXubeuKriv Xeaiva. dvujTdxuj be
Xopö<; em tu» Gpovuj TreTToiriTai, MdTviiteq oi cTuveipYaaiuevoi Ba9uK\eT
TÖV 6pövov ^}. Daraus ergibt sich das folgende graphische Schema,
das ich vorläufig mit VII bezeichne :
VII
Chor
der
Magneten
^antlier —
Castor —
a
c
b
Sphinx-
— Löwin
— Polj'deukes
— Sphinx
Der Vergleich desselben mit dem Texte lehrt, dass die beiden
parallelen Seiten a und b auch umgekehrt angeordnet werden
können, der ganze Aufbau aber völlig klar angegeben ist, wenn
auch zuerst a^ \ , dann a, h^ , dann «g 63 und zum Schluss c auf-
gezählt wird. Es muss nun von vornherein als wahrscheinlich
gelten, dass die sechs übrigen Bildgruppen von je sieben Darstel-
lungen nach dem Muster dieser siebenten anzuordnen sein werden.
Ich bin nicht im Stande, im Texte des Pausanias einen Anhalts-
punkt zu finden, der uns ermöglichte, diese letzte Bildgruppe von
*) Zum Chor des Bathykles mit seinen Genossen vergleiche man das Selbst-
porträt des Theodoros , über welches zuletzt Löschcke Arch. Mise, gehandelt hat,
und das des Kreters Cheirisophos. Auf eine überraschende Analogie aus der
Renaissance werde ich von befreundeter Seite aufmerksam gemacht. In ganz ähn-
licher AVeise hat Meister Filarete sich mit seinen Gesellen auf dem von ihm ge-
arbeiteten Hauptportal von S. Pietro verewigt;
158
den übrigen zu trennen und erst durch ihre Hinzuziehung erscheint
das den Bildschmuck beherrschende System als ein abgeschlossenes.
Der endgültige Beweis bleibt dem Experiment vorbehalten, und
ich werde nun in der Reihenfolge der bisherigen Aufzählung die
graphische Anordnung versuchen. Zunäclist setze ich also die
zwei Gruppen der Bildwerke im Innern her:
Herakles tödtet die Akto-
riden
Boreaden u. die Harpyen
Theseus und Peirithoos
rauben Helena
Theseus u. der Minotaur
Herakles und Acheloos
Heras Lüsunsf
1 Kalydoiiische Jaod
2
3
4
1 c 1
2 « h2
3 3
5
6
7
II
1
3
•
5
6
7
4 Leichensp. d. Pelias
Herakles und der nem.
Löwe
Apoll u. Artemis schiessen
Tityos
Herakles und der Kentaur
Oreios
Herakles u. d. Halios Gcron
Admets Gespann
Hectors Losung
Die in die Felder eingeschriebenen Zahlen bezeichnen die
Reihenfolge der Aufzählung bei Pausanias. Die graphische An-
ordnung hält dieselbe ein, doch darf daraus der Schluss nicht ge-
zogen werden, dass sich I und II, wie es den Anschein hat, um-
gekehrt zu einander verhalten. Das beweist VII, welches nach
der ausdrückliclien Angabe der Anordnung wie I zu stellen war,
während, wenn wir der Zählung allein hätten folgen müssen, ebenso
gut II hätte heraus kommen können. Man kann sich an dem
Schema I leicht vergegenwärtigen, in wie mannigfacher Weise es
durchgezählt werden kann, je nachdem die Laugseite an erster,
vierter oder letzter Stelle mitzählt. Eine bestimmte Nöthigung, es
80 oder so durchzuzählen, wird schwerlich zu denken sein. Wenn
also für Responsionsversuche noch immer ein kleines, aber wie ich
glaube, nicht recht dankbares Feld bleibt, so bleibt für die Anord-
nung im Grossen die Stellung der Langseite als Kriterium. Weder
bei I noch bei II ist ein Zweifel möglich, welcher der sieben Scenen
die Langseite einzuräumen sei. I, ist uothwendiger Weise fries-
159
förmig gestreckt zu denken, während wir für jedes der sechs anderen
Bilder eine Analogie aus den metopenartigen Feldern der Kypseliden-
Kypsele aufweisen können, II^ nahm am selben Denkmal den
Raum von sechs Scenen ein. Geht man nun dieser Analogie nur
einen Schritt weiter nach, so kommt man zu folgendem über-
raschendem Schluss. Wir brauchen die Langscenen nur nach diesem
Vorbild mit 6 zu 1 zu bewerthen, um das Septimalsystem hier in
das Duodecimalsystem jener aufzulösen, ja wir brauchen uns nur
zu erinnern , wie die sieben Darstellungen der untersten Reihe der
Kypsele zu zwölf Scenen wurden , um die Behauptung wagen zu
dürfen, dass es ein und dasselbe ordnende Princip ist, das in zwei
gleichberechtigten Variationen die beiden nahverwandten Werke
der archaischen Kunst beherrscht'').
Ich gehe nun zur Anordnung der übrigen Bildwerke der
Aussenseite über, indem ich die weiteren graphischen Schemata gebe.
III
Herakles u. Kyknos
Atlas
Zeus u. Poseidon rauben
die Atlautiden
4 Kentaurenschlacht
3
2
1
5
6
7
Theseus und der Stier
Chores des Theseus (?)
Perseus und Medusa
^) Gegen die angenommene Bewerthung der Langseite auf die Summe der
übrigen Scenen des Schemas wird man vielleicht II 7 als Gegengrund anführen.
War die Lösung Hectors nicht mit jener prägnanten Kürze dargestellt, wie sie
uns die olympische und die Berliner Bronzeplatte zeigen, sondern folgte den Haupt-
personen noch die Schaar der Gefässe tragenden Diener, dann lässt sich diese
Scene auf den geforderten Eaum nicht zusammen drängen. Dies ist ohne Weiteres
zuzugeben, es folgt daraus aber nur, dass weder das eine noch das andere dar-
gestellt war. Es war bloss der Zug der Troer mit den Gefässen zu sehen , wofür
schon der Irrtlium des Pausanias spricht, dessen Entstehung anders ja kaum be-
greiflich wird, und unter dieser Voraussetzung gewinnen wir für die Typengeschichte
der Lösung Hectors eine klarere Anschauung. Aus dem friesartigen Zuge, der
das ganze Ereigniss ausführlich erzählte, bilden sich durch Spaltung zwei kleinere
Scenen luraus, die eine Zeit lang ein eigenthümliches Leben führen, jedoch ohne
sich auf die Dauer gegen den alten Typus halten zu können. Eine völlig ähn-
liche Erscheinung bietet der Typus von der Ermordung des Troilos wie vom Kampf
des Herakles mit Geryoneus, wie ich Euphronios S. 41 auseinandergesetzt habe.
Wie die Geryoneusschale dieses Meisters auf ihrer Aussenseite zwei ursprünglich
zusammengehörige Scenen wieder vereinigt, so erscheint auf einer Münchner
Memnonsschale (404) den Troern, welche Geschenke zur Lösung bringen, die eine
Aussenseite eingeräumt, als letzter Nachhall der ehemaligen Selbstständigkeit
dieser Scene.
160
Dass die Kentaurenschlacht bei Pholos den Anspruch auf die
Langseite hat, ergibt sich wiederum aus dem Vergleich mit der
Kypsele, wo sie ebenfalls gleich sechs Scenen anzusetzen war. Aus
demselben Kunstwerk lässt sich auch ein Gegengrund gegen eine
etwa rivalisirende Stellung von 111« entnehmen. Haben wir die
Scene richtig gedeutet, so zeigt die Klitiasvase, wie sie zugförmig
ausgedehnt, jenes Monument hinwiederum, wie sie auf den kleinsten
Raum zu einer Scene von zwei Figuren herabgedrückt werden
konnte. Da es, so viel ich sehe, an einem genauer zutreffenden
Analogen fehlt, so möchte ich auf das Minotaurosbild der Berliner
Vase 1698 (unbezeichneter Exekias) verweisen, das durch vier
Jünglinge den Chor der geretteten Opfer andeutet.
Bezüglich des nun folgenden Schemas kann ich auf früher
Gesagtes verweisen.
IV
Leukippidenraub
Tyndareos u. Eurytos
Herakles u. Tliuiios
4 Herakles Einzug in d. Olymp
3
5
2
6
1
7
Hermes mit dem
Dionysoskinde
Peleus übergibt Achill
(lern Chiron
Eos und Kephalos
und kann nun gleich die beiden noch übrigen anfügen;
V
Achill u. Meniuon
Her<akles u. Diomedcs
Herakles u. Nessos
1 Hochzeit der Harmonia
2
3
4
5
6
7
Parisurtheil
Adrast u. Tydeus,
Amphiaraos u. Lykurgos
Hera und lo
Athena u. Hephaistos
Herakles n. die Hydra
Herakles u, Kerberos
VI
7 Herakles mit d. Heerde des
Geryoneus
1
4
2
5
3
6
Anaxis u. Mnasinos
Mcgapenthcs und
NikostratoR
I$cliero))hon uml <lie
Ciiimaira
161
Auch bezüglich dieser kann es meines Erachtens gar nicht
zweifelhaft sein, welcher der Scenen die Langseite einzuräumen
sei. Die Ansprüche von V, sind unbestritten, für VI. genügt es,
statt auf die bisher herangezogenen Geryoniebilder, auf Mon. d.
Inst. V 25, Annali 1851 tv. d'agg. A zu verweisen.
Der Vollständigkeit wegen haben wir auch auf den Bild-
schmuck der Basis der Apollostatue einzugehen. Sie hatte nach
der Angabe des Pausanias die Gestalt eines Altars, der zugleich
als das Grab des Hyakinthos galt, und an dessen linker Seite eine
eherne Thür angebracht war'"). Ringsherum zog sich eine Reihe
von Figuren. Es werden aufgezählt: Iris, Amphitrite und Poseidon,
Zeus im Gespräch mit Hermes, daneben Dionysos, Semele und Ino,
dann Demeter, Kore^ Pluton, dann die Moiren und Hören, Aphro-
dite, Athena und Arterais, die Hyakinthos und seine Schwester
Polyboia in den Himmel einführen; ferner war auch die Himmel-
fahrt des Herakles unter der Assistenz Athenas und der anderen
Götter zu sehen. Schliesslich werden noch erwähnt die Tochter
des Thestios, die Musen und Hören.
Ueber die Anordnung dieser Figuren hat Trendelenburg Bull.
1871 S. 124 ausführlich gehandelt. Seine Auseinandersetzungen
haben, so weit ich sehe, allgemeine Zustimmung gefunden. Die
Grundzüge derselben sind folgende: Es waren drei Aufnahmen in
den Olymp dargestellt, indem die ersten acht P^'iguren die Erhebung
des Dionysos zum Range eines Olympiers ausdrücken sollen. Diesen
drei einander innerlich verwandten Scenen waren drei Seiten der
Basis eingeräumt, die vierte enthielt die drei Thestiaden und die
neun Musen"). Ferner wird die Anzahl der Figuren jeder Seite
auf zwölf bestimmt, mit Ausnahme der zuerst erwähnten, wo die
Thüre den Raum von vier Personen für sich in Anspruch nimmt.
Gegen diese Hypothese lassen sich eine Reihe von Einwendungen
erheben, von denen ich nur die augenfälligsten zur Sprache zu
bringen mir gestatten möchte. Warum soll denn die Thüre gerade
den symmetrischen Ausbau der Götterversammlung, die doch die
Hauptseite einzunehmen hatte, stören, zumal ihr Pausanias den Platz
"•) Vergl. Paus. II 2'2, 2: ITepav be toö xäqpou xc^Keiov eöTiv oO lueya,
avexei &e aOrö dYdX^axo dpxaia 'Apreiuiboi; koI Awc, kwi 'AOnväc;, und 4: iri-
poiq be iOTW eipriiuevov ööxa ^v xiü xaXKeiiu KeiöBai Tavxd\oi).
") Die Hören, die ihnen folgen, sind von Siebeiis als gedankenlose Wieder-
holung des Abschreibers, der vorher MoTpai xe Kai ^ßpai las, verdächtigt worden.
Archilologisch-epigraphipchc Mitth. IX. <<
162
auf der linken anweist, was auf eine Nebenseite zu deuten scheint.
Ungeschickter konnte sie nirgends zu stehen kommen, während es
sehr nahe lag. sie so anzubringen, dass sie statt zu stören unter-
stützend in die Handlung eingriff. Liess sie der Meister als Aus-
gangspunkt des Zuges, der Hyakinthos in den Olymp führt, er-
kennen, so kam sie ihm ganz trefflich zu statten. Wäre ferner die
Zahl der Figuren deutlicii überliefert, so würde ihre so schematisch
gleichraässige Vertheilung noch immer nicht unbedenklich sein. Ich
kenne wenigstens kein Beispiel dafür, welches die Figuren in der
archaischen Kunst etwa den Silben der gebundeneu Rede gleich-
stellen möchte. Ihre Symmetrie ist anderer Art. Aber wie erhält
denn Trendelenburg seine dreimal zwölf Figuren? Die neun Musen
und die Thestiaden , wenn man diese , was ich vorläufig zugeben
will, mit drei ansetzt, geben allerdings so viel, und der Hören kann
man sich ja mit Siebeiis entledigen. Aber was die zwölf Figuren
unter einander anfangen sollen, kann man sich kaum denken. Tren-
delenburg deutet auf eine Todtenklage um Hyakinthos nach Art
der der Nereiden um Achill, als ob dieser Fall in irgend einer
Weise vor den üblichen Todtenkl.ugen herausragte und so als
Analogon zu der zu construirenden dienen könnte. Die Tanten
Achills thun nicht mehr für ihn, als sonst Tanten für einen ver-
storbenen Neffen zu thun pflegen. Dass die Thestiaden , Musen
und Hören hier, den Moiren und Hören der Hyakinthosscene ent-
sprechend, zu Herakles' Einzug gehören, ist doch von vornherein
zu wahrsclieinlich, als dass es ernstlich hätte bestritten werden
sollen. Die Heraklesscene wächst dadurch freilich sofort über das
vorgeschriebene Maass. Der Hyakinthoszug soll nur zwei Moiren
und ebensoviel Hören enthalten dürfen, während die Klitiasvase
bekanntlich vier Moiren und drei Hören enthält, dafür dürfen aber
auch Demeter, Köre und Pluton mit, die in der Götterversaramlung
nicht Platz haben, somit wären ja elf, die Thüre aber kann vier
suppliren. Und warum diese Götterv^ersaramlung die Aufnahme des
Dionysos bedeuten soll, kann ich am wenigsten begreifen. Daraus,
dass der bakchische Kreis mit drei Personen ganz in gleicher Weise
wie di(; Meer und die Unterweltsmächte in derselben vertreten ist,
folgt doch nur das hohe Ansehen des Gottes im Lakonischen , das
ja gut bezeugt ist. Auffällig bleibt nur, dass Zeus mit Hermes
allen übrigen je zu drei gruppirten Göttern nachsteht und das
Fehlen der Hera besonders betont zu sein scheint. Auch was Zeus
und Hermes mit einander sprechen, wüasten wir gerne, und der
163
Künstler muss es doch durch die Situation zum Ausdruck gebracht
haben. Denkbar wäre es auch freilich, dass der letztere so wie
auf der bekannten altattischen Athenageburtvase nur sein 'Epjuficg
ei|Lu KuXXrivio^ sagt.
Doch bescheiden wir uns vorläufig damit, die drei Scenen,
die uns die Ueberlieferung des Pausanias erkennen lässt, anzuordnen,
so scheint mir vor allem Folgendes gegeben. Der Götterversamm-
lung, die den Mittelpunkt bildet, streben von beiden Seiten zwei
Züge zu: der eine bringt Hyakinthos, der andere Herakles den
Olympischen. Rein formal betrachtet, sieht das wie eine Vorahnung
des Parthenonfrieses aus. Es würde nun scheinbar das Nächst-
liegende sein, beide Züge auch von gleichem Ausgangspunkte be-
ginnen zu lassen und diesen in die Mitte der Rückseite zu verlegen.
Eine leise Analogie mit einem altjonischen Werke, dem thasischen
Nymphenrelief, die freilich nur darin besteht, dass eine Composition
zu beiden Seiten einer Thür gleich vertheilt erscheint, möchte diese
Vorstellung unterstützen. Indess die Thür gehört zu bestimmt der
Hyakinthosscene an, und was die Frage, wie mich dünkt, ent-
scheidet, sie ist auf der linken Seite angegeben, die Götterversamm-
lung kann aber nur die anstossende Hauptseite eingenommen haben,
es bleiben daher sowohl die rechte Seite wie die Rückseite ganz
allein für den Einzug des Herakles, er muss also den doppelten
Raum des Hyakinthoszuges einnehmen.
Auch eine flüchtige Betrachtung des Textes des Pausanias
lehrt nicht bloss die Statthaftigkeit, sondern geradezu die Noth-
wendigkeit dieser Annahme. Haben wir dort Aphrodite, Athena
und Artemis von den olympischen Göttern, so werden hier neben
Athena noch die „andern Götter" angeführt. Dort erscheinen die
Moiren und Hören, die wohl je zu dreien um den Wagen, der Hya-
kinthos und Polyboia trug, anzuordnen sein werden, hier haben wir
ausser dem räthselhaften Dreiverein (der Ausdruck scheint mir er-
laubt, auch wenn er gelegentlich arithmetischen Bedenken unter-
liegt) der Thestiaden und dem der Hören noch die drei Dreivereine
der Musen. Aber gerade da beginnt die Schwierigkeit. Was sollen
denn — nach den Töchtern des Thestios wollen wir später fragen —
hier die Musen? Rufen, schon die fünf Drei vereine äusserlich die
Erinnerung an den Quadrigenzug der Peleus- und Thetishochzeit
auf der Klitiasvase wach, den die Musen, Hören und Moiren,
sechzehn an der Zahl, umgeben, so weisen die auf der Hyakinthos-
scene fehlenden Musen deutlich darauf hin. dass nicht Herakles'
11*
164
Einzug in den Olymp, sondern seine Hochzeit mit Hebe dargestellt
war, die Musen haben hier nur so einen guten Sinn und die „an-
deren Götter" auch. Ihre Kraftprobe wird diese Hypothese da-
durch ablegen, dass sie die vorgei'undencn Schwierigkeiten zu be-
wältigen haben wird. Die Abwesenheit der Hera auf der Haupt-
seite erklärt sie sofort. Die Brautmutter hat im Zuge ihren Platz
und Hebe's Fehlen merken wir erst jetzt, obgleich die anderen drei
Götterpaarc je eine rangniedrigerc weibliche Gottheit und nur Zeus
eine männliche Bedienung hat. Das Gespräch mit Hermes bezieht
sich auf dessen Obliegenheit; er übernimmt das Amt, das bisher
Hebe verwaltet hat. Auch Sappho hatte seiner in der Schilderung
der himmlischen Hochzeit nicht vergessen.
Aber die Töchter des Thestios? Wer sie immer sein mögen,
sie müssen in die Versammlung der Musen und Hören hineinpassen
und etwas ähnliches sein. Die, von denen die Mythologien alter
und neuer Zeit sprechen, waren es keinesfalls, und wenn ich Tren-
delenburg die drei Thestiaden nachgesprochen habe, so habe ich
an Leda, Althaea und Hypermnestra nicht gedacht, sondern an
einen Dreiverein im früher erwähnten Sinn. Denn wenn sich auch
diese drei Namen bei Apollodor I 7, 8 zusammenfinden, so bilden
sie darum doch mythisch keine Einheit und ein Zusammenhang
mit Herakles ist vollkommen unerfindlich. Dagegen treten die
fünfzig Töchter des Thestios, die Apollodor H 7, 8 zum Unter-
schiede gegen die des Thespios namentlich anführt, als solche auf,
und ihre intimen Beziehungen zu Herakles , dem sie Anlass zum
dreizehnten Athlos geben, sind weiteren Kreisen durch Göthe's Götter
Helden und Wieland bekannt genug ''^). Selbstverständlich bleiben
auch diese hier völlig ausgeschlossen und so sind wir denn genöthigt,
die Existenz des Thestiaden auf dem amykläischen Thron kurzweg
zu läugnen. Die Annahme einer Corruptel im Texte werden wir
füglich abweisen, denn der Abschreiber, der gefehlt hat, ist offenbar
Pausanias selbst.
Das hier einzuschlagende Verfahren der Monumeiitalconjectur,
wenn das Wort gestattet ist, haben wir an den Thronreliefs mehr-
fach mit vollem Erfolge angewendet. Was wir an der Stelle der
Töchter des Thestios hier erwarten müssen, das habe ich bereits
") Veigl. Paus. 0, 27, G; Ilcrodotos hui Atheiiäu.s XIII .5.56 als Tliespiaden;
Apoll. 2, 4, 10 ; Diodor 4, 29 und Ilygin. fab. 162, der nur zwölf Thespiaden-
ßöline kennt.
165
gesagt; es erübrigt mir noch hinzuzufügen, dass dieser Dreiverein
nach der Art, wie er aufgeführt wird, ziemlich an die Spitze des
Zuges zu stehen käme.
Wir werfen noch einen Blick auf die Klitiasvase, die uns ja
den monumentalen Anlass zur Umnennung unserer Scene gegeben
hat. Auch dort treffen wir an der entsprechenden 'Stelle einen
Dreiverein. Alle Namen sind beigeschrieben, wir lassen die der
beiden Seitenfiguren AEM(eTep) und -I-APIKIO für einen Augenblick
verlöschen und neben der Mittelfigur glänzt 0ESTIA allein. Wer
FIPIS früher Bipi«; las, wird mit gleicher Consequenz Oeatia buch-
stabiren und daraus erklärt sich alles Weitere zur Genüge.
Ich glaube demnach, die Hypothese hat ihre Kraftprobe voll
bestanden und damit aufgehört eine solche zu sein. Dass sie neben-
bei noch ein anderes Hinderniss beseitigt hat, dessen wir gar nicht
erwähnten , wie dass der Einzug des Herakles in den Olymp auf
dem Throne ausführlich erzählt ist, und seine Wiederholung hier
also wenig Sinn hatte , war schon durch ihre Aufstellung mit-
bestimmt.
Die einzelnen Werkstücke, die wir in unseren sieben schema-
tischen Figuren reconstruirt haben , fügen sich leicht zu einem
Ganzen zusammen, das uns ein Stück vom Schema des Thron-
baues wiedergibt.
r
~
VII^
IV'
VI^
III'
II'
V3
I'*
Pausanias dürfte mit der Schilderung der Aussenbilder dort
angefangen haben, wo er mit denen der Innenbilder begann, von
den Tritonen her, also rechts. Da kam zuerst die rechte Armlehne
daran, dann die linke, dann die Rückseite und zum Schluss die
inneren Bildwerke, deren Platz nur an den beiden Armlehnen ge-
wesen sein kann. Die Rückseite bedurfte im Innern keines Figuren-
schmuckes, weil der Coloss sie deckte. Eine ornamentale Ver-
zierung, etwa Thierstreif, bleibt dabei keineswegs ausgeschlossen.
Diesen Gang der Beschreibung sullun die arabischen Ziffern neben
den römischen versinnlichen.
166
Das Schema gibt uns nicht mehr als eine ungefähre Skizze
des hinter dem goldenen Figurenschmucke verborgenen Holzgerüstes.
Von dem Eindruck, den das Werk selbst durch die Fülle des
plastischen Schmuckes, der in der ganzen Scala von der Reihe der
rund gearbeiteten Karyatiden bis zum flach getriebenen Ornament
vertreten war, durch das herrliche Material und seine zweifellos
malerische Behandlung, durch bunte Einlagen (man braucht sich
nur an die typische Weise der alten Dädalidengoldtechnik und zu-
rück an die mykenischen Schwerter zu erinnern), von alle dem
gibt es nichts. Aber die eine Thatsache, die es lehrt, ist doch
wissenswürdig: es sagt uns, dass der amykläische Thron trotz
seiner gewaltigen Dimensionen, trotz seines Reichthums von Bild-
werken ebenso gut ein Sessel war, wie der des olympischen Zeus.
Das will freilich nur den bisherigen ganz ernstgemeinten Restau-
rationsversuchen von Pyl und Ruhl gegenüber etwas sagen '"*).
Von dem ihm angebotenen Platze macht der Gott keinen Ge-
brauch, er stand mit Lanze und Bogen im Gestühl, das sonder-
barer Weise eine Anzahl von Sitzen enthielt. Für welche crüvOpovoi
sind die gewesen, da ja eine praktische Verwendung hier völlig
ausgeschlossen ist? Die Frage, wie Bathykles auf eine solche
durch kein Bedürfniss postulirte Form kam, erledigt sich, wenn
man bedenkt, dass der Götterthron an Thronen der Erde sein Vor*
bild gehabt haben muss. Da wird diese Form begreiflich, wenn
der Herrscher im Rathe von Mitfürsten seine Macht ausübt, wie
denn die Stammfürsten der Perser gleich dem Grosskönig die Krone
tragen.
Zeitlich nicht allzuweit und auch räumlich durch die Her-
kunft seines Meisters näher, als es im ersten Augenblick scheint,
steht der Thron von Amyklä dem der Perserkönige aus dem Hause
der Achämeniden, dessen Bild die Felsengräber von Nagsh-i Rüstern
und Persepolis uns in authentischer Weise vorführen"). Siebenmal
erscheint dort dasselbe nur in kleinen Details variirte Schema.
Zu Unterst eine Fa9ade, die wie man allgemein und mit gutem Grund
angenommen hat, jener verlorenen des Palastes des Darius in grossen
Zügen entspricht, darüber ein Thronbau und zu höchst der König
auf einem Bathron, den Bogen in der Linken , während die Hand-
•*) Arch. Ztg. 1852. 1854.
") Stolze, Persepolis I Tf. 70—73, II Tf. lOG — 111; Diculafoy l'urt aHtique
de la Perae III Tf. 2—i und I Tf. 10.
167
haltiuig der Rechten die Ergänzung eines Speeres ermöglicht. Die
Inschrift auf dem von Darius errichteten Grab gibt uns zugleich
die authentische Interpretation des Thrones als solchen und eine
Erklärung der Figuren auf und neben demselben. Nur die ersteren
interessiren uns hier, die darauf bezügliche Stelle lautet: ,,Und
wenn du also sprichst: wie vielfach (?) waren diese Länder, deren
Gesammtheit der König Darius regierte, so blicke an meines Thrones
Träger, da wirst du aie erkennen (?), (so) alsdann wird dir be-
kannt werden (?), dass des persischen Mannes Lanze fernhin
gedrungen ist"'^).
Diese Thronträger sind auch aus einem anderen Grunde der
Betrachtung werth. Sie rufen uns den Chor des Bathykles mit
seinen Genossen in Erinnerung, den wir nach diesem Vorbild als
thronstützend reconstruiren könnten. Wenn ich darauf verzichtet
habe, so muss ich doch kurz die Gründe dagegen anführen. Es
schien mir bedenklich, nur das oberste Stück des Rahmenwerkes
zu stützen, und dann liegen doch andere Analogien hier näher.
Doch wie dem immer sei, es bleiben noch weit wichtigere Ver-
gleichspunkte. Die persischen Reliefs geben erst einen verständ-
lichen Sinn, wenn ihr Uebereinander in ein Nacheinander verwandelt
wird, das, weil es plastisch undarstellbar war, so zum Ausdruck
gebracht werden musste. Dann steht der Thron im Innern des
Palastes und der König im Thron, dessen Ausdehnung die Be-
zeichnung Gestühl rechtfertigen würde. Wie er in demselben sitzt,
darüber geben , ebenso gelesen , zwei Pfeilerreliefs der Hundert-
säulenhalle Auskunft, die ihn auf einem Sessel zeigen, der auf dem
Throne steht, also in denselben hineinzudenken ist. Bezüglich des
altarförmigen Grabes bedarf es kaum des Hinweises auf das soge-
nannte Kyrosgrab zu Murgab '"). Wenn in später Zeit Altar und
Sarkophag einander oft gar so ähnlich sehen, so kommt darin nur
die ursprüngliche Identität von Grab und Altar zum Ausdruck, die
wir hier nicht weiter verfolgen wollen, als um daran zu erinnern,
'•^) BezoUl Die Achaemenideninschiiften S. 35. Die Uebersetzung bei Spiegel
Die altpersischen Keilinscliriften (2. Aufl.) S. 57 und bei Oppert Les inscriptions
des AcMm6nides geben keine erwähnenswerthen Varianten.
'^) Wenn dasselbe bei Beundorf und Niemann Reisen in Lykieu und Karien
S. 109 kurz als „Tempelbau von Murgab" angeführt wird, so bezieht sich das nur
auf die Gestalt, denn Tempel kannten ja die Perser nicht.
dass von diesem Standpunkte aus auch andere Göttergräber als
das des vergötterten Hyakinthos verständlich werden.
Leicht und ungezwungen hat sich die Fülle der einzelnen
Bildwerke in ein einfaches tektonisches Ganze eingefügt, und es
erübrigt noch zu fragen, ob nicht auch ein innerer Zusammenhang
nachzuweisen sei, der sie zu einem geistigen Ganzen vereinigt.
Dass man auch bei eingehendem Studium umsonst nach einer Be-
ziehung der Einzelscenen innerhalb eines Schema's wie einer solchen
der Schemata zu einander, suchen wird, glaube ich aussprechen zu
dürfen. Auch um den Gott, dessen Thron sie schmücken, kümmern
sich die Bildwerke merkürdig wenig, sie melden bloss eine That
von ihm, die er gemeinsam mit seiner Schwester vollbracht hat.
Doch wir haben gar nicht nöthig , innerhalb der Bildwerke nach
mehr als gelegentlichen Beziehungen zu spähen, denn ehe wir an
diese selbst herantreten, konnten wir aus dem Munde des Meisters
vernehmen, was ihre Fülle zu bedeuten habe. Die Thronstützer
haben jenes homerische Motto monumental wiederholt, soll das hier
nichts weiter sein als ein Ueberbleibsel aus alter Zeit? Der
Achillesschild war seiner Form nach zu einem Weltbilde wie ge-
schaffen, die künstlerische Ausschmückung vollzog nur die weitere
Ausführung und Detaillirung des in der Form gegebenen Grund-
planes. Anders ist das Weltbild, das uns der Schmuck des amy-
kläischen Thrones bietet. Will der Künstler dort uns die Welt
real auf einer Karte vorführen, so will Bathykles hier ihre Ge-
schichte erzählen, die im Sinne und Herzen dieser Zeit natürlich
nur die mythische sein kann. Dort ist der Mythos völlig ausge-
schlossen, hier ist er alleinherrschend, denn der Choros des Meisters
und seiner Genossen hat nur als monumentale Künstlerinschrift
ihre Berechtigung. Und das kosmische Princip ist auch hier ge-
wahrt. So stehen den Thaten des Herakles auf der Erde, sein
Einzug in den Olymp, sein Eindringen in die Unterwelt und sein
Kampf mit dem Halios Geron zur Seite, so haben die Götterge-
scliichten neben der Heldensage ausreichende Vertretung gefunden.
Aber Amyklä bleibt der Mittelpunkt der Welt, ob auch Apoll nicht
auf seinem Omphalos dasteht, die Tyndaridensage ist nächst der
herakleischen am besten vertreten, und als besonders bezeich-
nend mag es erwähnt werden, dass auch eine kleine Reihe von
Tyndaridenporträts auch der weiblichen Linie vorgeführt werden,
169
während die gleiche Ehre sonst nur dem Weltenträger Atlas
widerfuhr.
Ganz besonders nahe scheinen die Bilder der Bronzeplatten,
mit denen der Innenraum der Athena Chalkioikos zu Sparta be-
legt war, denen des bathykleischen Thrones gestanden zu haben.
Leider ist das Verfahren des Pausanias hier ein so summarisches,
dass eine klare Vorstellung nicht zu gewinnen ist. Zuerst erwähnt
er TToXXd |uev tOuv äGXuuv 'HpaKXeouq, TToAXd be Kai wv fcee\ovTfi(;
KaTUüpeuuae , was ebensogut auf die vierzehn Heraklesdarstellungen
des Thrones passen möchte. Das nachfolgende Tuvbdpeuj be tiIjv
Traibuüv dXXa xe Kai f] tüuv AeuKiTmou ÖufaTepujv apTra-fr) könnte gleich-
falls im selben Sinne angewandt werden und dann "Hcpaidioq ■vr\v
)LiilTepa ecrfiv diroXuuuv tojv beaiuujv -findet sich dort ebenfalls. Drei
weitere Darstellungen, die Pausanias noch erwähnt, Perseus , der
von den Nymphen Tarnkappe und Flügelschuhe erhält, die Geburt
der Athena und Amphitrite und Poseidon (vielleicht die Hochzeit?)
entbehren der bathykleischen Gegenstücke und bezüglich des Restes,
den Pausanias verschweigt, sind Conjecturen überflüssig. Bedenkt
man aber noch, dass Gitiadas, der Spartaner, der die Statue der
Chalkioikos und die Bilder der Bronzeplatten schuf, auch in Amyklä
selber zwei reichgeschmückte Dreifüsse gearbeitet hat, so wird man
der Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses der beiden Meister
kaum ausweichen können^'). Die bisherige Geschichtschreibung der
griechischen Kunst war einer solchen Nöthigung nur dadurch über-
hoben, dass sie das Zeitalter des Gitiadas aus der fabelhaften
Nachricht bei Pausanias, • dass seine beiden Dreifüsse und der dritte
des Kallon aus der Beute des ersten messenischen Krieges geweiht
seien, direct oder indirect erschliessen zu können glaubte. Für die
Datirung des letzteren haben wir jetzt durch die auf der Akropolis
gefundene Inschrift sicheren Boden unter den Füssen. Ihre Buch-
stabenform weist auf das Ende des sechsten Jahrhunderts hin.
Damit ist auch für diesen ein fester Halt gewonnen und jene An-
nahme muss nun einer näheren Erwägung unterzogen werden. Alles
spricht dafür, dass Gitiadas der empfangende Theil gewesen sei.
Er, der ein geborener Spartiate, kann doch dem hochberühmten
Meister, der aus dem fernen Osten zu grossen Werken mit seiner
"') Paus. III 18, 5: üttö |u^v bf) tiI) TTpuuTO) xpiiroöi 'Aqppobixrit; ÖTO^J^ct
eöT'TKei, 'Apreiaic; be uttö tüj beurdpLu- fiTidtöa Kai aÜToi Texvrj Kai ra eireip-
fao}xeva.
170
Genossenschaar herbeizog, nicht zum Vorbild gedient haben, und
wenn die Dädaliden gerade in Sparta eine blühende Kunstschule
aus der Ferne ins Leben riefen, so wird auch die Tliätigkeit der
grossen jonischen Meister an Ort und Stelle an den lakedaimoni-
schen Techniten nicht ganz spurlos vorübergegangen sein. Für
die kunstgeschichtliche Stellung der Reliefe des Gitiadas ist das Bild
der Ausrüstung des Perseus durch die Nymphen besonders lehr-
reich, als das einzige, das wir uns genauer vergegenwärtigen können.
Es ist bekanntlich eine chalkidische Vase, welche denselben
Typus wiederholt.
Aber Dorier ist Gitiadas doch geblieben. Die Art, wie er das
Uebernommene umgedichtet hat, weist wieder deutlich in die Rich-
tung der Kypsele hin. Wir haben, als wir von jener handelten,
seiner als eines bezeugten Vertreters jener alten anfänglichen Per-
sonalunion von Poesie und Bildkunst gedacht, jetzt dürfen wir noch
hinzufügen, dass sein grosses Reliefwerk im Athenatempel nur ein
monumentales Gegenstück seines ü|avoq e^ ri]v 9edv , von dem uns
Pausanias berichtet, gewesen sein kann.
Die Darstellung der Geburt der Göttin spricht für sich allein
schon dafür, dass der figürliche Schmuck zur Person der Gottheit
hier in einem ganz anderen Verhältnisse stand, als am amykläischen
Throne, und die Thaten der Heroen , vor allem des Herakles und
Perseus, widerstreben einem solchen Bezug um so weniger, als sie
ja nur unmittelbare Thaten jener selbst, mittelbar aber Athenas
Werke sind. Und wie ein solcher Zusammenhang bei dem Bilde
von Heras Lösung denkbar wäre, das zeigt uns wiederum die
Klitiasvase, die mit bewundernswerther poetischer Kraft den Triumph
Athenas über die Niederlage des verhassten Ares schildert. Mehr
als solche Andeutungen zu geben, lässt der trümmerhafte Zustand
der Ueberlieferung nicht zu. Ebenso sehr wie da, müssen wir das
Schweigen des Pausanias über zwei Werke beklagen, über die mehr
zu vernehmen für den ganzen Complex von Fragen, die uns hier
beschäftigen, von besonderer Wichtigkeit wäre. Ich meine die
beiden ehernen Thalamoi, die Myron und der Demos der Sikyonier
in ihrem Thesauros zu Olympia aufgestellt haben. Ihre sichere
Datirung nach dem Wagensiege des Tyrannen in der 33. Olympiade
und die bestimmte Angabe, dass der eine dorischer, der andere
jonischer Arbeit war, geben diesen Thalamoi Anspruch auf be-
sondere Bedeutung. Pausanias hat uns aus dem Epigramm, das
der kleinere trug, das Erzgewicht und die Stifter genannt, sons^
171
beschäftigt ihn noch die Angabe der elischen Localperiegetik, ob
das Erz wirkliches tartessisches sei.
Der Wortlaut des Epigramms hat aber in dem Stile der Be-
richterstattung deutliche Spuren hinterlassen. Der Ausdruck 0dX«iLio<;
für ein Gercäth ist poetischer und nicht periegetischer Sprach-
gebrauch und die Nichtbeachtung der Herkunft desselben hat dazu
geführt, dass man in Olympia lange vergeblich nach den zwei
Zimmern des Schatzhauses der Sikyonier gesucht hat '^). Die An-
gabe des Baustiles hat diese nun glücklich beseitigte Auffassung
wesentlich unterstützt, man vergleiche nur z. B. die bezügliche
Darstellung in Ourtius griechischer Geschichte , während sie jetzt
geradezu befremden muss. Bei Pausanias, der nur sehr selten für
Tempel, wo wir sie doch fordern dürften, solche Angaben macht,
steht sie völlig vereinzelt da. Soll man ihm denn wirklich zutrauen,
dass er, die kunsthistorische Bedeutung der Thatsache wie durch
höhere Eingebung erkennend, sich gedrungen fühlt von ihr Zeug-
niss zu geben? So viel ich sehe, gibt es auch eine andere ein-
fachere Erklärung dieser überraschenden Thatsache, sie hat aber
den grossen Nachtheil, dass sie dem kunstgeschichtlichen Werthe
der beiden Thalamoi wesentlichen Eintrag thut. Wir gelangen zu
ihr auf einem kleinen Umweg, indem wir uns zuerst die Vorfrage
stellen, warum denn anlässlich des einen Sieges zwei Thalamoi
gestiftet wurden. Ein Stück der Antwort gibt uns Pausanias. Es
waren ja auch zwei Stifter, der Tyrann von Sikyon und der Demos
der Sikyonier, und hinter diesem Dualismus blickt die Stammes-
verschiedenheit beider deutlich hervor. Die Orthagoriden und mit
ihnen der Stamm der herrschenden Aegialen waren lonier, der
übrige Demos Dorier. Der eine Thalamos war also dorischen,
der andere jonischen Ursprungs, und fand dieser Umstand im De-
dicationsgedicht, wie wir kaum zweifeln können, seinen Ausdruck,
dann hatte Pausanias billige Gelegenheit eine Dummheit zu machen.
Soll er sie unbenutzt gelassen haben? Mich kostet es weit weniger
Ueberwindung eine solche anzunehmen, als zu glauben, dorischer
und jonischer Stil seien um 048 an Werken der Tektonik als ge-
messener Ausdruck nationaler Eigenart gebräuchlich gewesen, wo-
'*) Ich habe während eines flüchtigen Besuches des olympischen Ausgra-
bungsfeldes im Jahre 1880 Geleg^enheit genommen , den Leitern der Expedition
diese meine Anschauung auszusprechen. Die Fundthatsachen und der officielle
Bericht haben mir später schweigend Recht gegeben.
172
gegen beiläufig gesagt die ganze alte Kunstgeschichte spricht , am
lautesten die Dädaliden in Sikyon und die lonier in Sparta. Wir
können uns das relativ nahe Verhältniss jener beiden Mächte am
besten vergegenwärtigen durch einen eingehenderen Vergleich des
Kypselebildschmuckes mit jenem des Thrones. Ich erinnere zu-
vörderst daran, dass ich schon oben die Identität des beiden zu
Grunde liegenden Principes der Anordnung gezeigt habe. Dann
möchte ich noch darauf hinweisen, dass auch andere alte Dädaliden-
werke ihrem Vorwurf nach ein Anrecht haben, mit bathykleischen
verglichen zu werden. So die grosse Dioskurengruppe des Dipoinos
und Skyllis, in welcher auch Anaxis und Mnasinous nicht fehlten,
dann Herakles und Acheloos von Dontas und Dorykleidas, und
Herakles und Atlas im Hesperidengarten von Hegylos und Theokies.
Völlig gleiche Vorwürfe begegnen wir auf beiden Kunstwerken nur
sechsmal. Es sind:
1. Die Leichenspiele des Pelias 4. Achill und Memnon
2. Die Kentaurenschlacht 5. Herakles und die Hydra
3. Parisurtheil 6. Phineus und die Boreaden
In anderer Fassung wiederholen sich die gleichen Vorwürfe:
Thron Kypsele
1. Atlas 1. Atlas und Herakles
2. Perseus und Medusa 2. Die Verfolgung des Perseus
3. Herakles und die Rinder des 3. Kampf des Herakles mit Ge-
Geryoneus ryoneus
4. Theseus und der Minotaur 4. Theseus Siegeslied
5. Raub der Helena durch The- 5. Befreiung der Helena durch
seus und Peirithoos die Tyndariden
Das Verhältniss der beiden Columnen zu einander ist in keiner
Weise ein gegensätzliches, sie ergänzen sich vielmehr gegenseitig
aufs beste und weisen stets auf einen geraeinsamen Ursprung zurück.
Doch ist auch mit dieser Aufzählung die Sachlage noch nicht er-
schöpfend geschildert. Theseus' Siegeslied hat, wie ich früher zu
zeigen versucht habe, sein Gegenstück in dem sogenannten Phaiaken-
choros des Thrones, und zum Kampf mit dem dreileibigen Geryo-
neus fand sich auch hier eine typiscii nahverwandte Darstellung.
Neben den vielen Vasenbildern des gleichen Inhaltes habe ich den
einmal und dazu spät vorkommenden Typus des Kampfes des
Herakles mit einem zweileibigen Unhold für eine Variation des
ersteren angesprochen. Diesem Typus -begegnen wir auf dem Throne
173
wieder. Die zwei zusammengewachsenen Söhne des Aktor hier
zeueren dafür, dass der so sehr für den Dorismus reclamirte drei-
leibige Geryoneus mit seiner Wurzel in gemeinsamem Boden ruht.
Ein typischer Zusammenhang der Hochzeit der Harmonia am Throne
mit der Peleus- und Thetishochzeit der Kypsele steht von vorn-
herein fest.
Ich breche hier ab, so verlockend es auch wäre , den Faden
weiterzuspinnen und den Gang durch dies Labyrinth fortzusetzen,
um mich nach dem Ausgangspunkte zurück zu wenden.
II
Der zweite Theil der Aufgabe, welche die vorliegende Studie
sich gestellt hat, besteht in dem Versuche, unser Wissen über die
Person des Meisters von Magnesia zu erweitern. Der Thronbau
zu Amyklä allein bietet eine volle Rechtfertigung des stolzen
Namens , dessen Klang die ganze hellenische Welt erfüllte , und
lässt das Selbstgefühl begreiflich erscheinen, mit welchem er von
sich zeugte. Ausser seinem schon besprochenen Selbstporträt im
Choros kommen noch die Werke in Betracht, von denen Pausanias
sagt, sie seien dvaöriiuaTa £Tr' eHeipfacriuevai tuj Gpövuj gewesen, die
Statuen der Chariten und der Artemis Leukophryne, deren Bild
sich bekanntlich auf den Münzen von Magnesia am Mäander wieder-
findet. Man kann diesen Ausdruck ebensogut auf den Choros mit
anwenden und diese Reihe von Kunstwerken spricht dann eine
ebenso deutliche Sprache, als die Thronstützen. Es wäre nicht
allzuschwer, das monumentale Epigramm in ein litterarisches auf-
zulösen , in welchem der Name des Meisters , seine Heimat , seine
Genossen und die Hülfe der Chariten in ein zierliches Versepaar
archaischer Art eingeschlossen sein müssten. Dass es der Meister
selbst unterliess, ein solches zu machen, beweist nur wiederum,
dass die TToiriaic; nicht von allem Anfang reine Poesie gewesen ist.
Ich will nur noch nebenbei hervorheben , dass wir keinen
Grund haben, die plastischen Arbeiten des Meisters auf jene Ana-
themata zu beschränken, und zwar schon darum nicht, weil wir
keinen Grund haben , ihm die Statue des amykläischen Apoll mit
Pausanias abzusprechen, dem sie neben dem Thronschmuck zu alt
und kunstlos für Bathykles erschien. Aber Pausanias, der der Er-
findung des Erzgusses durch die Samier Rhoikos und Theodoros so
174
oft gedenkt, berichtet in sehr respectwidriger Weise über die eherne
Nyx des Rhoikos und den Zeus des Klearchos von Rhegion, der
gleichfalls ein Samier gewesen ist. Wir können es immer von
Neuem sehen, dass die Werke der Kleinkunst jener Tage die Be-
wunderung derselben nachfolgenden Geschlechter immer wieder
hervorriefen, deren Augen fast achtlos an den statuarischen Werken
jener Zeit abglitten.
Ob ein anderes Werk der Kleinkunst, von dem wir jetzt
handeln wollen, wirklich von unserem Meister herrührt, wie die
Sage behauptet, oder ob es völlig apokryph ist, woran man kaum
zweifeln wird, ist für unseren Zweck eine müssige Frage. Die
Nichtbeachtung und Nichtausnützung der Sage selbst rauss, ganz
abgesehen von solcher Erwägung, ein Anklagepunkt mehr gegen
die landläufige Historiographie der griechischen Kunst bleiben. Es
ist die bekannte Geschichte von dem goldenen Dreifuss, der von
Fischern aus dem Meere gezogen , auf Geheiss des delphischen
Orakels nach und nach zu allen sieben Weisen wandert, bis er
schliesslich dem Gotte zufällt. Plutarch fügt seinem Berichte noch
folgenden Anhang bei ''■') : Taöia uev ouv uttö nXeiövouv TeGpuAniai,
n\iiv ÖTi TÖ bOupov dvfi tou TpiTTobo<; o'i |nev qpidXnv uttö KpoicTou
7Te)aqp6ei(Jav , oi be TTOiripiGV Ba0uK\e'ou(; dTToXiTTOvroc; eivai AefOucTiv.
Es kommen also zwei Preisgefässe in Concurrenz, das eine stiftet
Krösos, dem die Frage, wer der Weiseste zu nennen sei, ebensogut
zuzutrauen ist, wie die parallele nach dem Glücklichsten, und das
andere stammt aus dem Nachlasse eines Sonderlings , der auf die
Beantwortung der Frage jedenfalls nicht neugierig war. Und da
ein solcher Schätzer der Weisheit doch irgendwo zu Hause ge-
wesen sein musste, so setzte man ihn nach Arkadien. Dieser
Arkadier Bathykles ist weitaus bekannter geworden, als sein Namens-
vetter aus Magnesia'"') oder sagen wir lieber, als Arkadier ist der
'") Solon 4,
'») Plutarch .fept. aap. Com. 13; Diog. Laert. I 7; Athen. XI 781 d. Als
Vorbild für die Localisirung raag folgendes Epigramm gelten, das auf dem Grub-
mal eines Arkadiers aus Pbigalia stand und Athenäus XI 465 nach dem Lepreaten
Harmodios überliefert:
TTuGta |Livf||aa xöh' tox', öfuGoö Kai öiüqppovo«; (ivbpöc;,
öc; KuXiKUJv ioy^^w n\f\Qoc, äireipeöiov
öpTupeaiv xpuöoö xe koI r)\^Kxpoio qpaeivoö,
xOuv irpoxepujv ttövxujv irXeiova iraadiuevot;.
Der Stil des Epigramms, vor Allem die Formel dyaOGÖ Kai öiOqppovo^ ävbpö«;
weist bestimmt auf das fi. Jahrhundert, vergl. Kaibel j^p. j?-. 2— 4. — Auch die Sache
175
grosse Künstler aus Magnesia bekannter geworden. Denn so sicher,
wie die cpidXr) des Krösos dem rroTripiov des Bathykles zum Ver-
wechseln älinlich sah, war auch der Arkader dem Magneten, um
einen plinianischen Ausdruck zu gebrauchen, fade quoque. mdiscreta
similis. Die ursprüngliche Fassung der Bechersage blickt deutlich
genug durch alle ihre Carricaturen hindurch, eine hellenische Form
der Mähr vom König in Thule. Der König in Thule ist Krösos,
den goldenen Becher hinterliess ihm scheidend sein kunstreicher
Unterthan, und weil man später weder den Grund des Scheidens
noch den Zusammenhang mehr kannte, so Hess man diesen unbe-
quemen Mann einfach sterben. Aus der früher erwähnten Erzäh-
lung des Herodot aber lassen sich die ursprünglichen Umrisse
weiter ergänzen. Wenn die Spartaner für ihr Anathem das Gold
von Krösos geschenkt erhalten, wenn der Meister, der diesem Golde
die Form gibt, aus dem Reich, ja vom Hofe des Krösos nach
Sparta kommt, da liegt ja nichts näher, als anzunehmen, dass jene
spartanische Gesandtschaft zugleich mit dem Golde auch Bathykles
als ein gleich kostbares Geschenk des Königs nach Hause brachte.
Damit ist jener Moment gegeben, den die Sage brauchte, um ihren
Becher, dem sie das kostbarste Material und den grossen Künstler
freigebig verlieh, noch die letzte Weihe zu ertheilen, die ihn für
den Rundgang bei den sieben Weisen tauglich machte"').
Man hat schon früher Bathykles mit Krösos in Verbindung
gedacht und zwar einerseits auf Grund jenes Goldgeschenkes des
Krösos an die Spartaner und andererseits der Heimat des Künstlers.
Doch meinte man den Grund der Auswanderung unseres Meisters
in dem Sturze des lydischen Reiches suchen zu sollen. Gerade
dagegen spricht nun die Bechersage, welche auf einer anderen,
völlig mit der herodoteischen Ueberlieferung stimmenden Voraus-
setzung beruht. Wenn also demnach dei' Beginn der Thätigkeit
selbst erklärt sich ans deu ökonomischen Verhältnissen dieser Zeit heraus, in der
das verarbeitete Edelmetall noch grossentheils die Rolle des gemünzten spielt.
Der Reichthum des Maiandrios von Samos , mit dem er in Sparta prunkt , besteht
gleichfalls in seiner Bechersammlung, Herod. III 148.
^') Dieser letzte Zug ist freilich eine starke Abweichung von dem Schema
des Thulebechers, der gar keinen würdigen Erben finden kann — während das hier
nur bedeutende Schwierigkeiten hat — und deswegen ins Meer muss. Aber was für
einen Sinn hat denn die andere Version, dass das Ehrengeschenk aus dem Meere
heraufgeholt wird? Sie wird sofort als ein anpassendes Fragment kenntlich, sobald
man diese nach ihrem Typus ergänzt.
176
des Bathykles in Sparta nach Olymp. 55, 1 und vor Olymp. 58, 3
anzusetzen ist, so kann noch ein bedeutender Theil seines Wirkens
in Kleinasien sich unter Alyattes abgespielt haben ; dann haben wir
für seine Zeitbestimmung den ungefähren Ansatz vom Ende der
40er bis zu dem der 50er Olympiaden gewonnen. Das wäre
ziemlich gleichbedeutend mit dem von uns früher gefundenen Zeitan-
satz für Dipoinos und Skyllis. Bathykles ist aber nicht der einzige
Vertreter der jonischen Kunst in dieser Zeit, wohl aber trotz seines
Magnetenchores der einzige Festländische unter lauter Nesioten.
Glaukos von Chios mag vielleicht etwas älter gewesen sein, wie man
aus den Ivjbapia Kai ctXXa Tiva l(uvq)ia Kai qpuidpia seines delphischen
Hypokraterions schliessen kann, die den sogenannten orientalisiren-
den Vasen mit ihren Thierfiguren und Pflanzenornamenten entsprach,
seine Zeit muss aber doch nach Alyattes und nicht mit Eusebios
Chron. auf Olymp. 22 angesetzt werden. Von der Generation der
chiotischen Marmorbildhauer gehört Archermos bestimmt dieser
Periode an , von den Naxiern wird Byzes und sein Sohn Euergos
von Pausanias nach Alyattes fixirt. Von der samischen Künstler-
familie ist hier der Rhoikos und Theodoros voraufgehenden Gene-
ration zu gedenken, des Philaios und Telekles. Der letzte Name
klingt in diesem Zusammenhang gar bedeutsam, sein Zusammen-
stimmen mit dem unseres Meisters kann kaum Zufall sein. Bathykles
und Telekles, das hört sich an wie Polyklet und Periklet, wie
Lysippos und Lysistratos, und der Hochklaug seines Namens weist
ja schon von Haus aus auf ein ahncnstolzes Künstlergeschlecht,
Im Dienste des Krösos treffen wir neben Bath3'kles vor allem die
Samier und in Sparta treffen wir in alter Zeit neben der Dädaliden-
schule ausser unserem Meister nur zwei Jonier, Theodoros von
Samos und Klearchos von Rhegion , und dass auch dieser ein
Samier war, hat sich uns bereits bei früherer Gelegenheit klar
gezeigt. Die Schwierigkeit, die das Ethnikon des Bathykles dem
Versuch entgegenstellt, ihn in die samische Künstlerfamilie einzu-
reihen, ist lange nicht so gross, als die, ihn ausser allen Zusammen-
hang, nur aus sich heraus erfassen zu wollen, und wie wenig sie
eigentlich besagen will, lehrt fast jedes Blatt unserer Künstler-
geschichte. Ich sehe zu ihrer Lösung zwei Wege führen. Man
kann die Annahme nicht allzu kühn finden, dass die Samier, die
sich mit den Ephesiern in den Besitz des zwischen ihnen liegenden
Strandgebietes theilten (Strabo XIV p. 639), die Erzlager des so nahe
gelegenen Magnesia ausgebeutet haben , ihre so hoch entwickelte
111
Metallindustrie war ja darauf direct angewiesen; man könnte aber
auch umgekehrt annehmen, dass jene grosse Künstlerfamilie, die
gerade in der Entwicklung der Metalltechnik eine so hervorragende
Rolle einnimmt, vom Festlande herstamme und erst durch die
grossen Aufgaben, die ihr Samos gestellt habe, dort heimisch ge-
worden sei. Wahrscheinlicher aber dürfte die Lösung in der zuerst
angedeuteten Richtung liegen, auf die auch anderweitige Erwägungen
hinweisen. Ich will nicht allzuviel Werth darauf legen, dass der
Name des Bathykles im Verzeichniss der berühmten Magneten bei
Strabo XIV 1, 41 fehlt, wohl aber daraufhinweisen, dass Magnesia
zu dieser Zeit in der Gewalt der Ephesier gewesen ist, wie Strabo
mit Berufung auf die Dichtungen des Kallinos und Archilochos
XIV 1, 40 und ausser ihm noch Athenäus p. 525 und Diogenes
Laertius I 117 u. 118 berichten. Mit Ephesos aber stand die alt-
samische Künstlerschule in guter Beziehung. Wenn ich auch die
Geschichte vom weisen Rath, den Theodoros bezüglich der Funda-
mentirung des Artemisions gab, für eine Sage halten möchte, so
gut wie die von der Entdeckung des Steinbruches durch den Hirten
Pixodaros oder von dem nächtlichen Wunder, das am grossen
Thürbalken geschah, und auch die Nachricht, dass Theodoros die
eine Hälfte seines samischen Apolls in Ephesos gemacht habe, nicht
nutzen will, so bezeugt dies doch die eherne Nyx des Rhoikos im
Artemision deutlich genug. In welch anderem Licht erscheint unter
dieser Annahme der Scherz des Schicksals, welches das Gegen-
geschenk an Krösos für die Gabe zum amykläischen Thronbau,
das grosse eherne Mischgefäss mit verziertem Lippenrand, den
Samiern in die Hände gespielt hat*^-). Wie es sich mit dieser be-
denklichen Acquisition auch verhalten haben mag, des einen glaube
ich sicher zu sein , dass die Samier dieses Prachtstück nicht als
eine Probe „altspartanischer Erzbildnerei" ins Heraion gestellt haben,
wie es in unseren Handbüchern aufgeführt wird. Es gehörte in
gewissem Sinne zur Gruppe jener Werke, die als dvaGniiiaTa in
eEeipYCxcTiuevuj tuj öpövuj erwähnt werden, und mag leicht von den-
selben Händen herrühren, jedenfalls war es ein Product der Thätig-
keit der samisch-jonischen Erzarbeiterschule in Lakonien.
Wir müssen nun die samische Künstlerschule, in welche wir
unseren Meister Bathykles einreihen, ein wenig näher ins Auge
fassen. Der heftige Streit, der hier um die Grundfragen geführt
") Herod. I 70 u. III 74, vergl. Urlichs rli. Mus. X S. 18.
Arciiäologisch-epigrapbische Mittk. IX. ]^2
178
wird, mag zum Betreten dieses Gebietes nicht gerade einladen,
indess scheint er sich doch seinem Ende zu nahen, und die Haupt-
umrisse eines sicheren Ergebnisses beginnen allgemach aus dem
Nebelgewirre von Hypothesen herauszutreten. Wir kennen die
Trümmer zweier samischer Künstlergenerationen. Ich habe an
anderer Stelle darauf hingewiesen, dass der Gemmenschneider
Mnesarchos, der Vater des Philosophen Pythagoras, und der muth-
massliche Vater des Bildhauers Pythagoras Klearchos einem Ge-
schlechte angehören, von dem zweiten kennen wir die beiden eng-
verbundenen Namen des Rhoikos und Theodoros und ihrer Väter
Philaios und Telekles, während die Art der Verbindung dieser wie
jener hypothetisch bleibt. Möglich wäre auch die Annahme, dass
dies Trümmer eines einzigen Stammbaumes seien, es muss aber
genügen, darauf hinzuweisen, dass ein geistiges Band sie beide
umschlingt. Dass der Vater des grossen samischen Philosophen
Gemmen schnitt, glaubte eine spätere Zeit damit entschuldigen zu
müssen, dass er es mehr der Ehre als des Geldes wegen gethan
habe, Theodoros aber, den man den Ring des Polykrates im Alter-
thum wie in neuerer Zeit aus gleichem Grunde nur fassen Hess,
hat sich, wie man jetzt weiss, in seinem Selbstporträt mit einer
Gemme in der Hand dargestellt. Und die Geistesrichtung des
Sohnes des Mnesarchos, sie wird genetisch erst vollbegreiflich,
wenn man sich erinnert an das alte Kunstbüchlein, die r\ toO ved)
TToiricriq , das unter Theodoros Namen ging, und die verwandte
architektonische Literatur. Von Maass und Zahl, von Harmonie
und Ordnung ist hier die Rede gewesen und von manch anderem,
was an die Lehre, ja sogar an den Lehrsatz des Pythagoras an-
geklungen haben mag.
Ueber jenes alte Kunstbüchlein und seinen muthmaasslichen
Autor möchte ich mir noch ein paar Worte erlauben. Es wird von
Pollux X 188 mit den Worten erwähnt: r\ toö vcuj TToir|cri^, t^v r|
0iXujv Y\ Qeohixjpoc, cruveöriKe. Von beiden Autoren kannte das Alter-
thum authentische Schriften. In der Vorrede zum 7. Buch zählt
Vitruv von Theodoros ein Buch über den samischen Tempel und
von Philon zwei Werke auf: de aedium sacrarum symmelriis und
de armanientario quod fecerat Piraeei. portti. Wäre aber ein Schwanken
zwischen diesen beiden Namen möglich gewesen, so hätte eine Ent-
scheidung leicht gefällt werden können, aber es ist doch kaum zu
übersehen, dass eine solche Fragestellung geradeso denkbar ist, als
etwa eine Controverse, ob irgend eine Figur von Dipoiuos oder
170
dem jüngeren Kephisodot herrühre. Das Widersinnige dieser Alter-
native hat Brunn gewiss empfunden, als er ihr die Frage anfügte:
Sollte also etwa Philo einen solchen Commentar zu den Regeln des
Theodoros geschrieben haben? Aber heute erscheint uns diese Zu-
rauthung wohl recht seltsam. Weit eher wäre doch daran zu
denken, dass der Name des Meisters der piräischen Hoplothek, der
ja dem des alten Samiers nicht voraufgehen kann, einfach ver-
dorben ist. Und die Verbesserung liegt so nahe. Theodoros er-
scheint so oft in der Verbindung mit Rhoikos, dem Sohne des
Philaios. Für diesen letzteren treffen alle Bedingungen zu, die für
Philo fehlen und die Aenderung ist gewiss unbedenklich. Schade
nur, dass wir von Philaios gar nichts weiter wissen, er gehört zu
jenen Künstlern, deren Name nur im Genitiv vorkommt. Ich glaube
aber, das ist doch auch ein wenig unsere Schuld, denn so viel ich
sehe, ist von ihm bei Vitruv die Rede, jetzt freilich nur mehr im
kritischen Apparat, aber früher stand er unerkannt im Texte selbst.
Im 12. Capitel des ersten Buches führt Vitruv für seine Aus-
einandersetzung übei' die Nothwendigkeit der gründlichen Bildung
eines Architekten eine Autorität an, die durch ihr Alter dem Leser
imponiren soll, wenn er selbst ihr auch nicht ganz beistimmt:
ideoque de veteribus architectis Pytheos, qui Prienae aedem Minervae
nohiliter est architectatns, ail in suis commentariis architectum omnibus
artihus et doctrinis -plus oportere posse facere quam qui singulas res
suis industriis et exercitationibus ad summani claritatem perduxerunt
Als antiqui architecii, welche gegen den dorischen Stil aufgetreten
seien, bezeichnet er IV 3 Tarchesios Pytheus und Hermogenes''^).
*') Dass man den erstgenannten mit Recht mit dem VII praef. 12 genannten
Angelios, der über die korinthische Ordnung schrieb, identificirt hat, möchte ich
bezweifehi, denn dass schlechte Handschriften an unserer Stelle die Leseart
archesius bieten, ist doch von keiner Bedeutung. Bezüglich der Zeitbestimmung
des Hermogenes hat Brunn Kstl. II 359 den terminus post quem aus der Notiz bei
Strabo über die Verlegung der Stadt Magnesia erschliessen wollen, da der Tempel
der Leukophryne, den Hermogenes erbaut hatte, in der Neustadt lag, die erst in
nachthemistokleischer Zeit entstanden war. Ich halte den Schluss, so naheliegend
er scheint, für sehr wenig zwingend. Der Tempel konnte von Anfang an ebenso
gut weit ab von der Stadt angelegt worden sein, als das Astemision von Ephesos,
das nach der Angabe Herodots (I 26) 7 Stadien von der Altstadt lag und ebenso
gut wie da die Neustadt (Strabo XIV p. 640) zum Tempel hinrückte, mochte Neu-
Magnesia seinem Hauptheiligthume nachrücken. Was wir sonst von diesem be-
rühmten Architekten erfahren, der nach Vitruv den Pseudodipteralbau erfunden haben
soll, lässt ihn am besten neben Rhoikos und Theodoros, neben Chersiphron und
12*
180
In der Einleitung zum 7. Buche kehrt der Meister des Tempels zu
Priene wieder, da heisst es aber: de fano Minervas quod ent Prienae
jonicum Phileos (edidit volumen). Eine Entscheidung über die rich-
tige Leseart, auf diese drei Stellen beschränkt, würde zu Gunsten
der letzteren ausfallen müssen. Sie ist die schwerere, als Ausgangs-
punkt der beiden anderen voll begreifliche. Nun hat man aber den
Namen unseres Meisters in der letzterwähnten Stelle noch einmal
finden wollen. Nachdem Vitruv noch den Iktinos und Karpion
erwähnt, diesem den Theodoros von Phokis, dann Philon Hermogenes
und Argelius anfügt, nennt er die Meister des Mausoleums Satyros
und Phiteus, und preist sie, dass sie in der Blüthezeit der Kunst
gelebt haben. Dass dieser Pytheus mit dem Pythis vom Mausoleum
(Plin. 36, 31) identisch ist, kann man kaum bezweifeln. Schwer
verständlich aber bleibt es, wie man hier an eine Identificirung mit
dem oben genannten Phileos denken konnte. Die Dedications-
inschrift des Athenatempels von Priene, die Alexander den Grossen
als Stifter nennt, führt zeitlich freilich nicht allzuweit vom Mauso-
leum ab '^*). Aber Vitruv's Phileos kann ja der Meister des alten
Metagenes begreiflich erscheinen. Der Cult der Artemis Leukophryne in Magnesia
mit seinem dem epbesischen so völlig ähnlichen Bilde scheint direct von diesem
abhängig zu sein, ein Umstand, den die politische Abhängigkeit ungesucht erklären
würde. Seine alte Bedeutung beweist ausser dem Anathem des Bathykles auch
das Gedicht des Anakreon Bergk. 1. Strabos Bewunderung des magnesischen Arte-
misions, er stellt es als Kunstwerk im selben Sinne über das ephesische, wie er
die Hera Polyklets über die Meisterwerke des Phidias stellt, wird bei dem frühen
Zeitansatze nur erklärlicher. Ein Neubau ist kaum vorauszusetzen, da Magnesia
beim jonischen Aufstand nicht betheiligt erscheint und wohl ebensowenig ins Mit-
leiden gezogen ward als Ephesos.
Für die Datirung des zweiten von Vitruv erwähnten Werkes, des Mono-
pteros, den Hermogenes zu Teos schuf und gleichfalls beschrieb , scheint die Aus-
wanderung der Teier nach Abdera in Folge der Eroberung Vorderasiens durch die
Perser einen Anhaltspunkt zu bieten. Gleich ihnen verliessen auch die Phokäer
die Heimat, deren Athenatempel von Harpagos in Brand gesteckt und halb zerstört
noch in späten Zeiten als ein Wunderwerk galt (Paus. H 31, 9. VII 5, 2). In
jene Periode der höchsten nationalen Blüthe Joniens, an welcher die Heimat Ana-
kreons ihren vollen Antheil hatte, passt dieser kühne Bau (über seine Anordnung
Lorentzen Ann. 1855 S. 72) besser hinein als in irgend welche andere. Gerade da
wird die Jonisirung des zum dorischen Bau hergerichteten Materials (ein sicherer,
gewiss vom Meister in seiner Schrift überlieferter Zug) erst voll verständlich,
'^) Es ist für die Art, wie die griechische Kunstgeschichte derzeit gemacht
wird, scharf bezeichnend , dass die Sculpturenreste des Tempels von Priene bei
Overbeck 3. Aufl. S. 101, dieser Hypothese zu Liebe völlig mit denen vom Mauso-
leum zusammenstimmen, mit denen sie gar niclits genuin haben, vergl. Furtwängler
Arch. Ztg. löbl S.aOG.
181
im jonischen Aufstand zertörten Tempels sein. Dass er kein ge-
ringerer als der Vater des Rhoikos ist, der als OiXeuu bei Herodot
und als 0i\aiou bei Pausanias erscheint, dünkt mich kaum zweifel-
haft. Sein Buch über den Tempel von Priene wird aber die f] toO
ved) TTOiricTK^ gewesen sein.
An jene Fülle gewaltiger Tempelbauten, die das 6. Jahr-
hundert an der kleinasiatischen Küste hervorrief und die trotz alle-
dem ^ was über sie hinweggegangen war, noch in späte Tage als
mächtige Denkzeichen einer Vorzeit hineinragten, deren Grösse und
Kühnheit sie versinnlichten, schloss sich eine Literatur an, die als
Begleiterscheinung jenes grossen Phänomens unser volles Interesse
beanspruchen darf. Ihre Entstehung verdankt sie zunächst dem
praktischen Bedürfniss. Der Bauplan musste in allgemeinen Zügen
erst festgestellt werden, ehe das Werk begonnen ward. Er musste
sichergestellt werden, um allenfalls auch seinen Urheber überleben
zu können. Er vertrat zunächst die Rolle des Hülfsmodells und
wie in jener Epoche der Sphyrelatonplastik der Holzkern seine Rolle
nicht ausgespielt hatte, wenn seine Formen dem Erze aufgehämmert
waren, so hatte der Bauplan mit der Erfüllung seines nächsten
Zweckes seine Existenzberechtigung nicht verloren. Die Ueber-
lieferung bedurfte seiner , sie konnte ja den Monumentalbau selbst
nicht von Hand zu Hand weiter geben, und andererseits musste
der Meister , dem hier die Signatur versagt blieb , das Mittel der
Veröffentlichung ergreifen, um nicht hinter seinem Werk zu ver-
schwinden. Der Choros des Bathykles und was wir dabei mit be-
trachtet haben, konnte uns zeigen, wie empfänglich die alten Meister
gerade für solche Erwägung waren.
Als ein in der Hauptsache völlig mit jenen Tempeleditionen
Zusammenzuhaltendes möchte ich das Bild nennen, welches der
Samier Mandrokles ins Heraion zur Erinnerung an seine Ueber-
brückung des Bosporus geweiht und mit gar stolzen Versen ver-
sehen hatte. Dass dies ephemere Werk einer solchen Sicherung
mehr bedurfte, braucht dabei nicht übersehen zu werden. Der
Meister war ein jüngerer Zeitgenosse des Theodoros. Sein Name
ruft vielleicht nicht auffällig die Erinnerung an einen anderen
sprichwörtlich berühmten hervor, der für die samische Metallindustrie
nicht gleichgültig ist^^).
''^) Mandrobulos, der Entdecker der samischen Erzlager. Sein Weihge-
schenk für den Fund, ein goldener, ein silberner und ein eherner Widder, hatten
182
Was wir noch von Fragen, die die samisehe Knnstschule be-
treffen, zu erörtern haben, können wir am einfachsten an eine Be-
sprechung der Nachrichten über Theodoros und seine Werke an-
knüpfen. In ihm gipfelt die ganze Schule und die Meister, die
neben ihm erscheinen, erscheinen so gut wie nie für sich allein.
Ich muss in der Aufzählung seiner Thaten zunächst mit seinen
Erfindungen beginnen, die freilich mehr der Künstlersage als der
Kunstgeschichte angehören, ihm aber doch in derselben ^^) das Prä-
dicat des erfindungsreichen verschafft haben. Wie Plinius dazu
kam, die Erfindung der Thonplastik Rhoikos und Theodoros allein
zuzuschreiben, wissen wir; auf welche Autoritäten hin er sich be-
wogen fand, dem Theodoros das Patent für Winkelmaass, Setzwage,
Zirkel und Schlüssel zu ertheilen, interessirt uns hier sehr wenig.
Von der Entdeckung des Verfahrens, einen feuchten Grund auszu-
trocknen , habe ich schon gesprochen, und so bleibt uns demnach
nur noch von der ihm mit Rhoikos gemeinsamen Erfindung des
Erzgusses zu handeln. Vor allem steht die Thatsache fest, dass
derselbe viele Jahrhunderte vor den beiden samischen Meistern
schon erfunden war, er brauchte nur aus dem Orient herüberge-
nommen zu werden. Nun haben ja nach der schönen Geschichte
von den zwei Hälften des samischen Apollobildes Theodoros und
Telekles ihre ganze plastische Kunst aus Aegypten her bezogen,
sonderbarer Weise aber sind sie gerade im Punkte des Erzgusses
so ziemlich auf dem alten Standpunkt geblieben.
Pausanias ist der einzige, der diese Erfindung ausdrücklich
erwähnt, dass er es dreimal thut, bezeugt, dass er felsenfest daran
glaubt und das ist um so anerkennenswerther, als er doch zugleich
mit grossem Freimuthe gesteht, dass er von Theodoros kein Erz-
werk kennt und dass das einzige von Rhoikos, welches er selbst
gesehen, zu dem allerprimitivsten gehöre, was es nur gebe*^'). Dazu
passirt es ihm noch, dass er sich in ganz ähnlicher Weise über
doch wohl ursprünglich den Sinn , für die sämmtlichen gefundenen Metalle zu re-
präsentiren. Die populär gewordene Auffassung, die sie für ein Sinnbild der all-
mähligen Verschlechterung auffasste, geht auf Ephoros zurück. Vergl. Müller Fr.
hiat. gr. I p. 276. Bei Aelian Eist. Anim. XII 40 wird für das goldene Thier eine
andere Dedicationsursache nach Aristoteles erzählt: Ein Scliaf habe auf die Spur
zur Wiederaufündung von gestohlenem Golde geführt, was nichts weiter als eine
Verballhornung des echten Fundberichtes ist.
»«) Brunn II 388.
") X 38, 6. Dcmioch datirt er nach dieser Erfindung IX 41, 1.
183
den spartanischen Zeus des Klearchos äussert, ohne zu wissen,
dass er in diesem Meister einen Nachfolger jener samischen Erz-
giesser vor sich hat^**). Plinius hat die Nachricht von der Erfin-
dung wohl gehört, ihm fehlt aber der Glaube und er macht daher
lieber etwas ganz unsinniges daraus, dennoch hilft er dem Pausanias
aus der Noth, indem er das erzgegossene Selbstporträt des Theo-
doros erwähnt. Dies Selbstporträt, das wir uns kaum anders als
eine Kleinbronze denken werden , lehrt doch nur soviel , dass sie
den Erzguss neben der Sphyrelatontechnik, die doch immer noch
die führende Rolle spielte, bereits angewandt haben, aber gerade
dieses Nebeneinanderleben und Zusammenwirken der beiden Tech-
niken ist auf hellenischem Boden so alt, dass es kaum angehen
dürfte, es erst von Rhoikos und Theodoros an zu datiren.
Wie ganz anders ist die CTiöripou KÖWricTi^ als persönliche Er-
findung des Glaukos von Chios bezeugt. Herodot, der doch von
der Kunst des Theodoros eine hohe Vorstellung hat und trotzdem
von dieser epochemachenden That nichts weiss, sagt bezüglich des
Glaukos: bq fuoOvo^ br) TrdvTuuv dvGpuuTrujv cTibripou KÖWrimv eSeOpe.
Man möchte bestimmt glauben, dass Glaukos durch ein Epigramm
im Stile derjenigen des Euergos und Kleoitas für die Erhaltung
seines sprichwörtlich gewordenen Ruhmes gesorgt habe. Worin
seine Erfindung bestand, wissen wir seit Michaelis Auseiander-
setzung Arch. Ztg. 1877 S. 156 genauer. Darnach kann sie nicht
mehr als Vorstufe zur Erzgusstechnik betrachtet werden, sondern
als ein vereinzelt "gebliebenes Verfahren, das den Erzguss sicherlich
eher voraussetzte als ihn vorbereitete. Es scheint jedoch, man hat
sich schon im Alterthum bezüglich der Bedeutung dieser rXauKOu
Texvr) geirrt und dann nach den Erfindern der scheinbar jüngeren
Technik gefragt. Solche Fragen bleiben nie lange unbeantwortet
und über der Antwort wird der Chiote dann selbst zum Samier.
Gehen wir nun zur Aufzählung der dem Theodoros zuge-
schriebenen Werke über, so beginnen wir billig mit seinen Bauten.
Sein Antheil am Bau des samischen Heratempels ist sonderbarer
Weise direct gar nicht bezeugt und dennoch unzweifelhaft. Herodot
erwähnt Rhoikos ausdrücklich als den ersten Architekten des He-
raions ; daSs sein Genosse sein Nachfolger war, geht aus der Notiz
des Vitruv, Theodoros habe über dieses Bauwerk geschrieben, klar
hervor. In eigenthümlicher Weise hilft Plinius diesem Mangel ab;
") m 17, 6.
184
er nennt Rhoikos und Theodoros und mit ihnen als dritten Smilis,
den Schöpfer des Tempelbildes, aber als Erbauer des lemnischen
Labyrinthes. Die Ungereimtheiten und Seltsamkeiten, die er von
diesem erzählt, haben schon Urlichs dazu gebracht, das Ganze für
eine Fabel zu erklären , während Förster den Ausweg noch offen
hält, ,, geradezu eine Verwechslung der Baumeister des lemnischen
Labyrinthes mit denen des samischen Heraions'' anzunehmen. Allein
der wirkliche Thatbestand blickt durch alle Verwirrungen so deut-
lich durch, dass seine Aufzeigung, wie mir wenigstens scheint, völlig
im Bereiche der Möglichkeit liegt. Im 36. Buche (90) berichtet
Plinius in seinem Bericht über die Weltwunder in unmittelbarem
Anschlüsse an das ägyptische Labyrinth: et de Cretico labyrintlio
satis dictum est. Lenuiius simiUs Uli coluinnis tantum CL memoiahilior
fuit, quarum in officina turhines ita lilraii jpe'penderunt ui. piiero cir-
cumagente tornarentur. archifecti fecere Smilis et Rhoecus et Theo-
doriis indigenae exsfantque adlnic reliquiae eius.
Nun sind Rhoikos und Theodoros, auf die sich das indigenae
bezieht, bekanntlich keine Lemnier. Der Ausdruck erinnert aber
an die Notiz Herodots über Rhoikos als den ersten Baumeister
des samischen Heraions, den er als emxtJupiQc; bezeichnet. Aber
schon vorher, im 34. Buche (83), hat Plinius von diesem Labyrinth
vorläufige Kunde gegeben, aber da ist es nicht in Lemnos, sondern
in Samos. Theodorus qui lahyrinthum fecit Saini ipse se ex aere fudit
und dann folgt die nähere Beschreibung des Selbstporträts , deren
schwere Missverständnisse durch die scharfsinnigen Erörterungen
Benndorfs und Löschckes ihre erheiternde Lösung gefunden haben.
Bezüglich der Discrepanz mit der späteren Ortsangabe hat man
sich seit Otfried Müller durch ein Komma vor Samt geholfen. Man
dachte damals noch anders von unserem Autor, aber ganz abge-
sehen davon, dass diese Art der Ortsangabe zum Selbstiioi trat
nicht passen will, da für ein solches keineswegs monumentales Werk
die Angabe, wo es gemacht wurde, nicht die, wo es sich befand, ver-
treten kann, muss doch hier eine nähere Bestimmung des Labyrinthes,
von dem ja noch gar nicht die Rede war, verlangt werden. In den
Schriftquellensammlungen ist das freilich nicht nöthig, da kann man
beide Stellen in umgekehrter Folge bequem nebeneinander stellen.
Plinius hat sich also an der späteren Stelle geirrt. Das Labyrinth,
das die einheimischen Meister gebaut haben und dessen Reste noch
zu seiner Zeit bestanden, war zu Samos. Die drei Meisternamen
aber weisen auf die Möglichkeit einer Identification des Heraions
185
mit jenem Labyrinth. Die Nennung des Heraions erwarten wir
hier, wie durfte es unter den Weltwundern neben dem ephesischen
Artemision fehlen? Ich citire zur Erhärtung dieses Anspruches die
Worte, mit denen Herodot die Beschreibung des ägyptischen La-
byrinthes einleitet '^'•'): Ei jap Tic, xd eE 'EXXrivuuv xeixed le Kai epTUJV
ttTTÖbeEiv (JuWo-ficTaiTG , eXdcrcrovoc^ ttövou re dv Kai barrdviic; cpaveir)
edvia ToO \aßupiv9ou toutou' Kaitoi dHiöXoTÖq je Kai 6 ev 'Eqpeauj
eaxi viioc; Kai 6 ev Zduuj und diesen letzteren nennt er bekanntlich
)ueTicrTO(; ttüvtluv vtiüuv tüuv niueiq ib)nev. Herodot aber bekennt Plinius
im Index zürn 36. Buche und daselbst 79 als einen seiner Autoren
und neben ihm Duris von Samos, auf den die baugeschichtliche
Fabel zurückgehen mag. Aber die Trümmer des Labyrinthes?
Sie zeugen am deutlichsten für unsere Auffassung. Wie hätten
diese, die doch nicht unbemerkt bleiben konnten, nicht Anlass
geben müssen, vom samischen Labyrinth mehr zu berichten, und
wir hören sonst nichts, als was wir bei Plinius fanden. Gegen das
Heraion zeugen sie aber nicht, das lehrt uns folgende Aussage des
Pausanias •''"): Auo be dXXouc; ev 'lujvia vaoij<; eneXaßev uttö TTepcJuJv
KaTaKauöiivai, xöv re ev IdjULU Tf)(; "Hpaq Kai ev OuuKaia Tr\c, 'AGrivd«;-
9aö)ua be öjAwq f\aav Kai uttö toO TTupö<g XeXujuacTjue'voi.
Das zweite Bauwerk, das wir als Schöpfung des Theodoros
noch zu erwähnen haben , ist die Skias in Sparta. Wir haben
bereits früher den Gesichtspunkt betont, von dem aus diese unser
Interesse in Anspruch nimmt, sie führt den Sohn des Telekles die
gleichen Wege, die wir Bathykles ziehen sahen. Wenn wir damit
und mit der nochmaligen Erwähnung seiner literarischen Bethätigung
von den Thaten des Architekten Theodoros Alles berichtet haben,
was wir zuverlässig wissen, so dürfen wir doch auch hinzufügen,
dass wir uns der Lücke in unserem Wissen darum nicht minder
klar bewusst sind. Sie durch die Künstlersage auszufüllen, muss uns
verwehrt bleiben, aber in dem Bestreben dieser Sage, den Meister
zum Erfinder der Hauptstücke des Architekten -Werkzeuges zu
machen, ihm die Grundlegung jenes Artemisions zuzuschreiben;, an
dem sie den jouischen Stil erstehen Hess, können wir doch mehr
sehen als chronologische Harmlosigkeit. Dass er zum Heros der
altjonischen Kunst werden konnte, will doch auch etwas bedeuten.
") II 148.
=>»> VII 5, 2.
186
Was uns an Trümmern von den Bauten jenes heroischen Zeit-
alters des jonischen Stiles verblieb, ist gerade nur zu viel, um
davon gänzlich zu schweigen. Wir aber wollen hier nur eines in
der Ferne seltsam nachhallenden Echos gedenken, das bis zu uns
schon gedrungen ist , der persischen Kunst der Achämenidenzeit.
Haben wir ja für Bathykles Thron von ihren Anklängen zu nutzen
gesucht.
Die eigenthümliche Basis der Säulen des Heraions, nach deren
Analogie wir auf hellenischem Boden vergeblich suchen, hat sich
in Pasargadä wiedergefunden^') und die Einhorncapitälle der perse-
politanischen Säulenhallen sind eine persische Uebersetzung der
Stiercapitälle desselben Baues. Durch die Eroberung Lydiens war
Persien in die Machtsphäre der hellenischen Kunst gerathen. Eine
Fülle von Kunstwerken fiel dem Sieger zu und er frug wohl zu-
nächst nicht darnach, ob sie von Dipoinos und Skylhs oder von
Rhoikos und Theodoros herrührten. Von einer directen Beschäfti-
gung griechischer Künstler durch die Grosskönige hören wir, will
man nicht etwa den Brückenbau des Mandrokles hiefür verwerthen,
nichts, und der jonisiiende Stil der erwähnten Bauten ist so reich
an Dingen, die wie versteinerte Missverständnisse der Originale aus-
sehen , dass wir eher an ein Vorwiegen der literarischen Bautradi-
tion als der monumentalen denken möchten.
Wir wenden uns nun zur Besprechung zweier plastischer
Werke, die unsere Ueberlieferung von Theodoros kennt. An jene
labyrinthisch irre Nachricht über das Heraion knüpft Plinius die
Beschreibung seines erzgegossenen Selbstporträts an. Der Bau-
meister hat sich hier, wie aus den früher erwähnten Deutungen mit
Sicherheit hervorgeht, als Metalltechniker und Edelsteinschneider,
die Feile in der Rechten, eine Gemme in der Linken, abgebildet
und damit ein authentisches Zeugniss für die Identität des Archi-
tekten, Bildhauers, Toreuten und Graveurs Theodoros gegeben, den
die moderne Forschung ähnlich in zwei Theile zerlegen zu müssen
glaubte, wie es die antike mit seinem Apoll im Pythion zu Samos that.
Dieses Werk hat auch allem Anschein nach den Anstoss zu dieser
Zweitheilung gegeben. Es war von Theodoros im Verein mit seinem
Vater Telekles gearbeitet, und so wenig Ueberraschendes für uns
in diesem Zusammenwirken liegt, die sagenbildendc Kraft des
Namens unseres Meisters hat sich auch an diesem Bilde bewährt.
") Vergl. Dieulafoy S. 43 u. 44.
187
Es soll in zwei Hälften an zwei verschiedenen Orten gemacht
worden sein, so berichtet uns Diodor, die beiden Hälften haben
aber beim Zusammenpassen fugenlos gepasst, und das sei daher
gekommen , weil die Meister den ägyptischen Kanon studirt und
befolgt hatten. Dass diese zwei Meister Brüder sein müssen, ver-
steht sich fast von selbst, und wenn man sich nun für Theodoros
um einen anderen Vater umschauen muss, wer passte für diese
Rolle besser als Rhoikos, sein Vorgänger am Heraion, mit dem er
doch so oft zusammengenannt war^^). Die Geschichte mit dem*
äg:yptischen Kanon enthält zugleich ein Kunsturtheil in sich, das
Diodor ausdrücklich zu melden nicht verfehlt. Es liegt hier sehr
nahe, eines anderen Apollo Pythios zu gedenken, den Pausanias
zu Megara neben einem Dekatephoros und einen Archegetas sah,
alle drei ebenhölzern; die beiden ersteren werden als ägyptischen
Werken vergleichbar, der dritte als ein Werk des äginetischen
Stiles bezeichnet. Ganz so muss sich der samische Pythios neben
der samischen Hera des Aegineten Smilis ausgenommen haben ^^).
Smilis, Endoios und neben ihnen Dipoinos und Skyllis, sie
erscheinen unter den Meistern der kleinasiatischen Jonier als Ver-
treter einer fremden Kunstweise. Die Sage nennt die einen Söhne,
den andern Schüler und Smilis den Rivalen des Dädalos. Wenn
er nach Pausanias' Ausspruch jenem an Ruhm nicht gleichkam, so
will das zusammengehalten werden mit einer anderen Aeusserung
desselben Autors , dass man von den Reisen des Smilis nur die
nach Samos und Elis wisse. Er vermisste offenbar einen Bericht
über einen kretensischen Aufenthalt bei Dädalus. Nicht jeder war
so glücklich wie Cheirisophos , der in seiner Heimat vielleicht gar
mit dem Altmeister 'selbst zusammentraf, aber jedenfalls die Früchte
seiner kretensischen Thätigkeit mit einheimste. Endoios musste dem
Meister nachziehen. Smilis bleibt mit dem Verdachte behaftet,
dieses unterlassen zu haben. Für uns ist das freilich kein Grund,
ihn weniger für einen Dädaliden zu halten, als Endoios oder selbst
Dipoinos und Skyllis.
'') Die Rechte der Kritik an der verwirrten Ueberliefernng hat Brunn
schon in seiner Künstlergeschichte geltend gemacht. Wenn seine klaren Aus-
einandersetzungen doch so wenig Anklang gefunden liaben und eine Fehde von
besonderer Hartnäckigkeit hervorriefen, so mag das wohl daran liegen, dass man
die Fragen mit der Erbauungszeit des Artemisions und den daran hängenden
verquickte, die damit nichts zu schaffen haben.
^^) Overbeck, Schriftquellen zu 428,
188
Ein völliges Gegenstück zu diesem Wirken der Dädaliden in
Jonien und für den lydischen Hof ist das Auftreten des BMthykles
und seiner Genossen, wie des Theodoros und Klearchos in Sparta.
Die Wechselbeziehungen jonischer und dorischer Kunstübung treten
uns hier förmlich greifbar entgegen. Die Dädaliden haben die
führende Rolle auf dem Gebiete der Plastik. Sie verdanken diesen
Sieg nicht ihrer althergebrachten Technik, die sie vielmehr in diesem
Wettkampfe aufgeben, sondern dem Zeichen, unter dem sie kämpfen,
dem Princip des lebenden Bildwerkes , das sie Jahrhunderte lange
verfechten, als die Offenbarung, die ihnen ihr "HpoK; ktiOt^c; ver-
kündigt hat. Die Ueberlegenheit ihrer Gegner macht sich auf dem
Gebiet der Architektur und Tektonik geltend. Im Anschluss an
jene ersteht früh eine Steinsculptur, deren Schwerpunkt von Chios
sich nach der Paronaxia hin verrückt; die Tektonik entwickelt
sich gleichfalls im Dienste des Cultus und im engsten Zusammen-
hang mit dem grossartigen Aufschwung der Tempelarchitektur. Ihr
wird die Aufgabe zu Theil, mit ihren Gefässen und Geräthen die
Räume zu füllen, die jene umspannt. Die Metalltechnik erstarkt
an der Bewältigung derselben zu selbständiger Bedeutung. Das
Sprichwort von der Kunst des Glaukos , die Legende von der Er
findung des Erzgusses durch Rhoikos und Theodoros sprechen recht
eindringlich von dieser Thatsache. Aber wo sie über das Gebiet
der Tektonik in jenes der Plastik übergreift, da zeigt sie sich den
neuen Anforderungen zunächst noch nicht gewachsen. Erst als die
Dädaliden das Schnitzmesser aus der Hand legen und sich mit
voller Energie dem Erzguss zuwenden, Avird sie auch diesen gerecht.
Doch ich vergesse über diesen Erwägungen allgemeinerer Art
fast meinen Vorsatz , vom Verzeichniss der Werke des Theodoros
zu handeln. Es ist noch der Arbeiten in Silber, Gold und Edelstein
zu gedenken, die ihm gelegentlich die Bezeichnung als Benvenuto
Cellini des Alterthums eingetragen haben. Jede dieser Materien ist in
unserem Verzeichniss nur durch ein Einzelwerk vertreten. Ein
mächtiger silberner Krater, den Herodot I 51 als delphische Stif-
tung des Krösos aufführt, ein goldener, von dem uns Amyntas bei
Athenäus XII p. 514 F erzählt, dass er im Schlafgemach der Perser-
könige zu Susa neben den hochberühmten Reichskleinodien der
goldenen Platane und Rebe gestanden habe, und der Ring des
Polykrates, dem die allbekannte Erzählung Herodots zu unsterb-
lichem Ruhme verhalf. Das ist aber auch Alles, denn wenn man
hier neben jenem Kleinod des samischen Tyrannen die bereits er-
m
wähnten Kleinode der Perserkönige schwer vermissen muss, von
denen uns ja Himerius die Rebe wenigstens ausdrücklich als Werk
des Theodoros bezeugt, so glaubte ich doch ihnen den Platz nur
unter den Apokryphen unseres Meisters beim lemnischen Labyrinth
und ephesischen Tempelbaurath anweisen zu können. Himerius'
Aussagen sind für uns absolut werthlos, so sorglich man noch
immer deren Verwerthung anstrebt und hier, wo er den Artaxerxes
statt des Dareios anführt, bloss weil dieser bereits seinen Palast
Ttpöq cpiXoTijuiav erhalten hat und eines neuen Decla|nationsopfers "^
bedarf, sollen wir auf ihn schwören. Der Künstlername stammt
bei ihm aus der Notiz des Amyntas, die gegen die Urheberschaft
des Theodoros spricht, für ihn ist sie aber Anlass einer Conjectur,
die er aber nicht als solche gibt. Eine chronologische Schwierig-
keit, die an und für sich nicht allzuviel sagen möchte, spielt hier
noch mit. Platane und Rebe wird für König Darius gemacht, dessen
Regierung sich von Ol. 64, 4—73, 4 (521—485) erstreckt 3*). Der
Meister hat schon vor Ol. 58, 1 (548) in den Diensten des Krösos
gestanden , da dessen delphische Weihgeschenke beim Brande in
diesem Jahre beschädigt wurden. Wenn er also auch beim Regie-
rungsantritt des Darius am Leben gewesen sein wird, so dürfen
wir ihn ohne Noth doch nicht viel weiter hinabrücken. Aus den
gesicherten Daten können wir die Bahn des Meisters nicht sehr
genau bestimmen. Er taucht für unser Auge am Hofe des Krösos
auf, an dem er auch nach dem Weggang des Bathykles ver-
bleibt. Der Sturz des lydischen Reiches wird für ihn der Anlass
^') Die älteste Ueberlieferung über diese beiden Kostbarkeiten bietet
Herodot VII 27. Er erzählt, dass sie Pythios der Sohn des Atys, ein Lyder, dem
Dareios geschenkt habe, der zu Kelaenae Xerxes und sein ganzes Heer fürstlich
bewirthet und dem König seine ungeheuren Schätze zur Verfügung stellt, über
die er ihm genauen Bericht erstattet. Cap. 38 nimmt dann sein Freundschafts-
verhältniss zu Xerxes ein tragisches Ende. Plinius erwähnt gleichfalls 33, 137
das Geschenk des Pythis , den er einen Bithynier nennt, an Darius, im selben
Buche 51 lässt er aber irrthümlich Kyros die Eebe und Platane aus dem Schatz
des Krösos erbeuten. Urlichs sucht zwischen diesen beiden Ueberlieferungen zu
vermitteln. Er macht Pythis zum Enkel des Krösos und lässt diesen sein Privat-
vermögen (eine für jene Zeit viel zu feine juristische Unterscheidung) ungestört
auf jenen vererben. Von alledem weiss zwar die Ueberlieferung nichts, aber die
Zeit des Theodoros passt dann für Krösos. Zur ersten Stelle citirt jedoch Urlichs
selber die Berichte aus dem Alterthum, die Pythios' Reichthum aus dem Besitz
von Goldbergwerken ableiten, wodurch doch alle Nöthigung, ihn zu Krösos' Erben
zu macliuii, wegfällt.
190
gewesen sein, dem älteren Meister nach Sparta nachzufolgen"''^).
Wann er von da und auf welchen Umwegen er etwa in die Heimat
zurückgekehrt sei , wissen wir nicht näher. Unter Polykrates
62, 1(?)— 64, 4 (532(?) — 521) hat er am Ruhme desselben thätigen
Antheil genommen^").
Die hellenische Kunst an den Tyrannenhöfen, dies ist der
legitime Name jenes Capitels der griechischen Kunstgeschichte,
welches uns die ersten historisch erkennbaren Künstlergestalten
vorführt. Die lydischen Mermnaden stehen da in einer Reihe mit
den Kypseliden, Orthagoriden und Pisistratiden, deren Höfe völlig
vergleichbar mit denen der Gewaltherrscher der italienischen Renais-
sance Centren einer nationalen Cultur geworden sind, und da ist
es denn so wundersam nicht, wenn die Schicksale der Künstler
sich aufs innigste verflechten mit denen jener Dynastien, deren
Nachruhm sie für alle Zeiten gefestet haben. Was die Poesie, was
die Wissenschaft, was Handel und Wandel diesen an Pflege ver-
'*) Herodot berichtet I 51 von zwei trepippavTripia, einem goldenen und
einem silbernen, die Krösos nach Delphi gestiftet hatte; das goldene wurde dort
fälschlich den Lakedämoniern zugeschrieben, von denen ein Knabenbild herrühre,
bi ov Tr]C, Xi.ipbc, ^^€1 TÖ u6u)p. Dies Bild gehört seinem Motiv nach sicher
zu einem der beiden Periranterien und die Ueberschreibung erklärt sich damit.
Der Vorgang wird noch begreiflicher, wenn man annimmt, einer der Künstler,
die von Krösos Hofe nach Sparta kamen, habe sein früher begonnenes Werk von
Sparta aus vollendet.
^*) Welchen Antheil Theodoros an den "EpYCi TToXuKpdxeia (Aristot. Pol.
p. 225, 1) hatte, kann nicht näher festgestellt werden ; dass er nicht gering war,
gibt uns die Ringsage zu verstehen, die dieses Kleinod zum köstlichsten Prunk-
stück seines Besitzers macht. Das Heraion mag er damals vollendet haben. Auf-
fällig erscheint es immerhin, dass das zweite der von Herodot VI 60 erwähnten
Wunderwerke von Samos, die jetzt wiederaufgedeckte Wasserleitung des Eiipalinos
(Athen. Mitth. IX S, 165), die man wohl mit Recht unter die "Epya TToXuKpdxeia
rechnet, von einem megarischen Baiimeister geschaffen wurde. Hirt hat in seiner
Geschichte der Baukunst I S. 226 auf die Wasserleitung des Tyrannen Theagenes
in Megara hingewiesen und ihren Bau gleiclifalls für Eupalinos reclamirt. Das
würde die Berufung dieses Meisters nach Samos begreiflich machen, doch sprechen
chronologische Schwierigkeiten entschieden dagegen , da Theagenes noch dem
7. Jahrhundert angehört. Dennoch glaube ich, ist es kein Zufall, wenn wir in
der Heimat des Erbauers der samischen Wasserleitung ein so merkwürdiges Vor-
bild nachweisen können und möchte die Vermutliung immerhin wagen, dass der
Sohn des Naustrophos seinen Beruf vom Vater ererbte, den als Meister jenes
Werkes anzunehmen, die Chronologie weit eher gestatten würde.
Das dritte der drei samischen Wunderwerke, der grosse Hafendamm, kann
wegen seines Zusammenhanges mit der Seemachtstellung von Samos nur Poly-
krates seine Entstehung verdanken.
191
dankt, das ist schon lange nach Gebühr gewürdigt worden, bezüg-
lich der bildenden Kunst sind nur die ersten Ansätze zu einer
richtigen Erkenntniss vorhanden. Die landläufige und handbücher-
liche Auffassung geht einer historischen Betrachtung noch ängstlich
aus dem Weg und thut so, dass man glauben könnte, es wäre die
hellenische Kunst im Kloster erzogen und unter Perikles in Staats-
dienst eingetreten.
In gleich innige Verbindung, in die die Bechersage Bathykles
mit Krösos, bringt die Ringsage Theodoros mit Polykrates. Sie
sieht fast wie eine Variation jenes Themas aus. Und dennoch ist
sie etwas ganz anderes. Ihre leichte poetische Umhüllung birgt
einen festen historischen Kern. Die Erzählung Herodots III 40
klingt wohl märchenhaft und die ethische Tendenz macht sie noch
verdächtiger, aber die Art, wie er den Act als feierliche Staats-
action beschreibt, darf nicht übersehen werden. Auf einer Pente-
kontaetere fährt der Fürst mit grossem Gefolge auf die hohe See,
dort wirft er den Ring ttoivtujv opuOvTUJV tüjv aujanXöuuv in die Wogen
und segelt froh zurück. Wem fällt hier nicht die Vermähluog des
Dogen von Venedig mit dem Meere ein? und wenn er diesen Ge-
danken abweist, er kommt wieder, wenn er Gap. 122 liest: TToXu-
Kpdxnq Tap ecTTi TTpüuToq TUJV f]ixeiq i'bjuev 'E\\r|vujv o^ GaXaaaoKpaieeiv
eTTevor|9r| k. t. X. Dass die Wiederfindung des Ringes nichts gegen
die Realität beweist, lehrt die Wiederkehr dieses Zuges gerade
beim Dogenbrauch. Aber der Gedanke der Ehe mit dem Meere
ist doch unmöglich antik? Gewiss, aber das ist auch nicht der
ursprüngliche Sinn dieser Ceremonie. Der Thalassokrator drückt
das Siegel auf das ihm unterworfene Element, das ist antik-verständ-
lich und grandios gedacht, die venetianische Version hat den
Ring der Braut vergessen. Dass es aber auch im Geiste der Zeit
gedacht ist, dafür möchte ich die Bestrafung des Gyndes (Diala)
anführen, den Kyros nach Herodot in 360 Kanäle zertheilen lässt, und
die allbekannte des Hellespontes durch Xerxes , zu welchen Grote
III S. 15 der deutschen Uebersetzung eine Reihe von Analogien bei-
bringt. Auch dem Sinne des Polykrates war eine solche Symbolik
nicht fremd. Er hat ja Rhenea, das er dem Apoll von Delos
schenkte, mit Ketten an diese Insel gefesselt.
Mag es nun Wahrheit, mag es Dichtung sein, der Zug bleibt
gleich bedeutungsvoll, dass die samische Seeherrschaft besiegelt war
mit dem Ringe des Theodoros, des Sohnes des Telekles.
Wien WILHELM KLEIN
192
Das Gebiet von Aperlai
Ein Beitrag zur historischen Topographie Lykiens
(Hierzu eine Kartenskizze Tafel V)
Der stadiasmus maris mngni, in welchem der Kern der Be-
schreibung Kleinasiens nicht unter das erste Jahrh. vor Chr. herab-
zugehen scheint '), hat an der Südküste Lykiens , jenseits des La-
myros und des Isischen Thurmes, folgende Angaben (239 F. Müller) :
Ö.TTÖ 'Avhp\aKf\q eic, Zö|m"iva (JTdbioi b' — 4 Stadien,
ttTTÖ Zo|Lif|vuuv eic, 'AnlpXaq (TTdbioi H' — CO „
diTTÖ dKpujTripiGu exe, 'AviicpeWov cTTdbioi v' — 50 „
Diese Stelle kann aus zwei Gründen nicht in Ordnung sein: denn
einmal beträgt schon die directe Fahrt von Andriake nach Anti-
phellos, deren Lagen bei den heutigen Andraki und Andifilo un-
zweifelhaft sind, nicht 114 Stadien, sondern ungefähr 200; und dann
fehlt die nach dem System des Stadiasmus unumgängliche Entfer-
nungsangabe von Aperlai nach dem Akroterion, das einen beson-
deren Namen, den Müller voi'auszusetzen scheint, ebensowenig ge-
habt zu haben braucht, wie so manche der heutigen Akrotiria*^),
um so weniger, als es wirklich nach seiner Bildung und Lage als
südlichstes Lykiens ein Akroterion Kai' eSoXHV ist.
C. Müller hat recht gethan, die Angabe einzuschieben:
ttTTÖ 'ArrepXujv im dKpüLixripiGV,
und er hat auch recht gethan, nur eine Angabe einzuschieben, da
die Anlage des Stadiasmus wohl das Ausfallen eines Postens be-
günstigte, aber das Ausfallen zweier auf einander folgender kaum
zuliess : das erstere kommt bekanntlich nicht selten ^ das letztere,
so viel ich sehe, nie vor. Müller, der das Akroterion ebenfalls für
den charakteristischen, weit ausladenden Tughburnu südöstlich von
Antiphellos hält, gibt der Fahrt von da bis Aperlai 50 Stadien, er
erhöht die unerhört kleine Angabe von A beim ersten Curs auf
TT = 80 und erhält so für die Fahrt von Andriake nach Antiphellos
die Gesammtsumme von 240 Stadien , eine durchaus erträgliche
Zahl. Somena hat Müller im Grunde des Hafens Tristomo ange-
setzt, Aperlai auf Grund einer Cockerellschen Inschrift, die Leake
citirt (Asia Minor S. 188), über der Assarbai; letzteres glaubt wohl
') Oeographi Oraeci Minores, ed. C. Müller, prolegomena S. CXXV.
') Z. 15. auf Zaiitc, Kephallenia, Kreta.
193
auch Ritter, dessen Darstellung durch Schuld der ihm vorliegenden
Berichte nicht überall klar ist (Erdkunde XIX S. 1081 ff.), und
der Somena bei Kekova setzen möchte, das Ross und vor ihm
Texier aber vielmehr, ebenfalls auf Grund von Inschriften, auf
Aperlai bezogen. Waddington (zu Lebas 1290) hat sich mit grosser
Bestimmtheit angeschlossen, und nun hat das auch Kiepert auf der
Karte zu Benndorfs Reisen gethan, während er Aperlai früher nach
dem Vorgange Leake's ebenfalls über der Assarbai gesucht hatte.
Dies ist offenbar unter Zustimmung .Benndorfs geschehen, der
Müllers Veränderung von h' in n nicht ohne Weiteres als richtig
anzuerkennen scheint, wozu er auch vollkommen berechtigt ist.
Vielmehr sucht er Somena zwischen Andraki und Kekova, ohne
es zu finden ^). Bei der Autorität, auf welche die österreichischen
Arbeiten über Lykien Anspruch haben, läuft aber das vorliegende
eigenthtimliche kleine Problem Gefahr, als gelöst zu erscheinen,
während wir nach so vielen verworrenen Angaben doch erst der
treuen Berichterstattung Benndorfs und der Seinigen neben so vielem
Anderen und Grösseren auch das verdanken, dies Problem seiner
Lösung entgegen führen zu können.
Mit der Stadt Somena des Stadiasmus ist die Stadt Simena
identificirt worden, welche Stephanos erwähnt*) und die bei Plinius
im Beginn der Beschreibung Lykiens — will sagen , im Periplus,
dessen Material mit dem des Stadiasmus vielleicht identisch ist —
als erster Ort vor Chimaera, Hephaestium, Olympus aufgeführt
wird^). Im Uebrigen ist Somena und Simena nirgends genannt,
weder bei Ptolemaios '^) , noch bei Hierokles oder in den Notitien,
so ausführliche Listen lykischer Städte diese auch zu geben scheinen').
') Benndorf ti. Niemann, Reisen in Lykien u. Karien S. 29 Anm. 3: „Mir
bleibt unerfindlich, wo das. . .zwischen Andriake und Aperlai genannte Somena zu
suchen ist. Antike Euinen finden sich an den Ufern zwischen diesen beiden
Orten nicht, und die Bildung der Ufer erlaubt meines Wissens nirgends , einen
antiken Ort an dieser Stelle vorauszusetzen."
*) Zi|uriva, TTÖXi^ Ai)Kia<;, ou&erepujc;. oi KaroiKouvTec; Zi|Ltr|veT(; iJuq Ziöuiueic;.
5) V, 100 : in Lycia igitur a promontorio eins oppiduvi Simena , mons Chi-
viaera noctibus ßac/rans, Hephaestium civitas et ipsa saepe flagrantibtis iuyis (iepöv
'Hqpaiaxou Skyl. §. 100; urbs Hephaestia Solin cap. 72J. oppidum Olympus ihi fuit
VL. s. f.
^) Grashof bei Wilberg vermuthet zu Ptol. V, 3 für Züfißpa vielmehr
ZO|uriva oder Zijuriva, das ist aber um so unsicherer, als da iröXeK; iueöÖYeioi
um den Kragos aufgezählt werden.
') Plin. V, 101: Lycia LXX quondam oppida habtiit, nunc XXXVI habet.
Einige siebzig nennt wirklich Stephanos , Ptolemaios 33 oder 34 (mit den Inseln
Archäologisch-epigraphisclie Mitth. IX, 13
194
Dass Somena und Simena identisch sind, kann auch nicht
wohl bezweifelt werden : ich will mich freilich nicht verleiten lassen,
ein übermässiges Gewicht darauf zu legen, dass die Aufzählung
der lykischen Städte bei Stephanos, der ein Somena neben Simena
nicht nennt, anscheinend vollständig ist (s. Anm. 7), denn er ver-
einigt keineswegs zugleich alle auch sonsther bekannten lykischen
Stadtnamen — was allerdings auf mehrfache Art zu begründen und
abzuschwächen wäre^); aber entscheidend ist es, dass, wie der
Stadiasmus sein Somena in die Nähe von Aperlai verweist, so auch
für Simena inschriftlich ein Zusammenhang — ein räumlicher, wie
politischer — mit Aperlai erwiesen ist. Es muss also die Geo-
graphie des Plinius auch hier wieder eines Irrthums oder eines
Missverständnisses geziehen werden.
Die Inschriften, in welchen Simena vorkommt, sind sämmtlich
in Kekova gefunden worden; es ist eine Grabschrift (Waddington-
Lebas n. 1296): BepveiKVi 'A\Ki[|u]ou 'ATTepX[TT]i^ dTto Xijurivuuv . . . und
eine Ehreninschrift (a. O. n. 1290):
eieijuricrav 'ATTepXeiTOJV ö brijioc, Kai oi cruvTToXiTeudjLievoi auTiI» Zi|Lir|veujv
Ktti 'ATToXXujveiTOJV Ktti 'IcTivbeuuv bfi)uor iTrTTÖXoxov 'ATreXXeou^ [M]u[pea]
Ktti 'ATrepXeiiriv dnö Zi)iirivujv xpucrüj arecpdvLU Km eiKÖvi xci^Krj....
lepaieüaavTa [Tißepiou] KXaubiou Kaiaapo^ leßaaioö u. s. f
und nur 30 — 40 Jahre später, nämlich in das Jahr 80 n. Chr. fällt
eine dritte Inschrift von Kekova (Leb. n. 1292), nach welcher
'ATTepXeiTÜJv Km tüjv auvTToXeiTeuo|iievuJV fi ßouXri Kai 6 biijuo«; Bad
und Prostoon dem Vespasian (im achten Consulat) widmen; endlich
hat Fr. Studniczka in Kekova „eine Sarkophaginschrift mit dem
Stadtnamen Zijuriveuuv" abgeschrieben, auf welchen in der That auch
Stephanos schon vorbereitet hatte.
Die eigenthümliche Gemeinschaft, in welcher' wir Aperlai mit
drei anderen Ortschaften im ersten Jahrh. n. Chr. finden, steht in
36 oder 37), Hierokles 32, von denen aber nur 23 solchen des Ptolemaios sicher
entsprechen; die Notiticn haben 37 bis 38 Namen; vier oder fünf von diesen
können aber mit Namen bei Hierokles nicht identificirt werden , so wenig wie
zwei allerdings ganz singulare bei Hierokles ('PcTKuXid«; und Ko|aiaT(ipao<;) in den
Notitien vorkommen.
*; Ich meine, wir können nicht wissen, welche Städte trotz der verschie-
denen Namen, die sie etwa bei Stephanos und den Anderen führen, doch iden-
tiscli sind; die neue Zeit kündigte sich so vielfach in Umnennungen, resp. Um-
siedelungen an. Ein Somena kommt allerdings weder bei Stephanos noch bei
den Uebrigen vor.
195
Lykien nicht vereinzelt da: zwar ist der Wortlaut der Inschrift von
Rhodiapolis, welche diese Stadt mit Gagae und Korydalla in gleicher
Weise vereinigt zeigen soll (Spratt und Forbes T. 183), leider nicht
bekannt geworden ; doch finden sich im Limyrosthale zu Idebessos
zwei Inschriften an Sarkophagen, deren Inhaber 'AKaXicraeu^ diro
'lbeßri(J(Toö genannt wird (Leb. 1333 f.); daneben aber kommt analog
den ZijUTivei(; auf einer Inschrift doch auch ein 'Ibeßricrcreijq, auf einer
andern 'IbeßncTcreujv vor (Spratt und Forbes II S. 281). Es ist zu
bedauern, dass diese Inschriften nicht fixirbar sind; nur ist eine der
Grabschriften wegen der Schreibung EibeßiiacroO vielleicht für junger
zu halten, als die übrigen. In der That ist es kaum denkbar, dass
beide Bezeichnungen zu gleicher Zeit und etwa promiscue gebraucht
wurden, denn die Anwendung des Ethnikons ist dem Zustande,
welchen die andere Ausdrucksweise in sich schliesst, durchaus ent-
gegengesetzt: diese bedeutet vielmehr einen Zusammenschluss der
Orte unter Entäusserung der politischen Rechte aller zu Gunsten
Eines unter ihnen, d. h. die übrigen werden zu Gauen. Es scheint
sich vorläufig in Erwägung der Schriftsteller, welche Somena, Si-
mena erwähnen und ihrer Quellen, die Annahme zu empfehlen, dass
der Zusammenschluss um Aperlai im ersten Jahrh. n. Chr.
stattfand; vielleicht darf man daran erinnern, dass Lykien im
Jahre 44 n. Chr. — definitiv freilich wohl erst im Jahre 74 (vgl. Mar-
quardt, Staatsv. I S.217) — römische Provinz wurde. Ob diese Vereine
überall von Dauer waren, darf man bezweifeln: Simena, Isinda
(= Sindia Steph. s. unten), ApoUonia aber sind jedenfalls nicht
wieder zum Vorschein gekommen. Der eine Name Aperlai erscheint
bei Ptolemaios, bei Hierokles und in den Notitien, und das muss einem
thatsächlichen Verhältniss entsprochen haben , wie das auch umge-
kehrt der Fall sein muss, wenn uns Akalissos und Idebessos, Gagai,
Korydalla , Rhodiapolis wieder bei Hierokles und in den Notitien
begegnen. Bei Ptolemaios sind nur Korydalla und Rhodia (Rho-
diapolis) aufgeführt, nicht Gagai und auch nicht Idebessos, während
für sein ZaYCtXacraög höchst wahrscheinlich 'ÄKaXicraö^ zu lesen ist.
Es wird sich unten zeigen , dass auch dieser Umweg nach
Simena führt, dessen Oertlichkeit von Andriake an zu suchen wir
uns nun anschicken. In der Westecke der Bucht von Andriake,
nicht weit vom Dorfe Kapaklü, bei welchem man schon Spratt
und Forbes Ruinen genannt hatte (I S. 85), haben die österreichi-
schen Reisenden das Glück gehabt, die Ruinen eines Ortes Istlada
zu finden und dabei an einem Sarkophag eine Grabschrift, die ich
13*
196
vorläufig — d. h. ohne eingehendere Kenntniss der griechischen
Schriftentwickelung in Lykien — nur allgemein der Kaiserzeit zu-
zuweisen wüsste. Am Schlüsse derselben wird die, wie hier vielfach
üblich, angedrohte eventuelle Zahlung einer Busse an Mupeuuv ifj
Yepouaia vorgeschrieben. Der Herausgeber hat daraus geschlossen,
dass „der Inhaber des Grabes nach dem über drei Stunden (0.)
entfernten Myra zuständig war". Er durfte weiter gehen und bündig
aus der Zahlungsanweisung nach Myra schliessen, dass das Grab
auch auf Grund und Boden von Myra stand. Ein solches Ver-
hältniss ergiebt sich meiner Ansicht nach aus den übrigen analogen
Grabschriften auf dem Boden Kleinasiens und Thrakiens^); dass es
auch hier nicht anders war, lehrt obenein eine sehr interessante
Inschrift aus dem Gebiet von Kyaneai (Leb. 1303 aus Tristomo):
der Sclave eines Mannes, der Bürger von Myra und Aperlai war,
kauft bid Tojv ev Mupoi(; , dpxeiujv von Sclaven (?) eines anderen
Bürgers von Myra den Platz eines Begräbnisses ; aber die Busse
für etwaigen Grabfrevel geht an Tvj KuaveiTUJV [Ye]pou[(Jia und
mit Recht: denn es ist Boden von Kyaneai, wie wir sicher wissen.
Was hätte auch unter bewandten Umständen sonst veranlassen
können, die Zahlung nach Kyaneai zu weisen?
Nur nebenher erwähne ich, dass auch wenig NNW. von Ist-
lada in den Ruinen von Hoiran Benndorf an einem aufgebauten,
besonders grossen Sarkophage die Inschrift eines Tlepolemos von
Myra aus dem vierten oder dritten Jahrhundert vor Chr. gefunden
hat. Denn aus der ersten Inschrift allein geht schon hervor, was
freilich von vornherein wahrscheinlich war, dass die mächtigste
Stadt des Gebietes sich den Besitz der ganzen Bucht von An-
driake gesichert hatte, einer Bucht, mit welcher sie eben über
^) Die gegenüber den römischen gleichartige Besonderheit der bez. grie-
chischen Grabschriften erlaubt auch eine auf sie beschränkte zusammenfassende
Untersuchung; eine solche, die ich ein anderes Mal vorzulegen gedenke, ist auch
für die Topographie von Bedeutung und für Lykien von besonderem Interesse,
wo eigenthümliclic Verhältnisse z. B. in der häufigen Angabe von öfi|Lio<; u. ttöXi?
als Empfänger der Strafsumme (anderswo vielfach qpiOKOc; u. TaiiieTov) klar sich
widerspiegeln. Huschke, Die Multa und das Sacramentuni S. 315 f. kann nicht
l)efriedigcn. P. Vidal-Lablache hat in seiner Schrift de tltulis funehribus Oraecia
in Aaia Minore an die Frage überhaupt nicht gedacht. — Ich bemerke beiläufig,
dass die einzige bis jetzt anzuführende Ausnahme von dem oben im Text an-
gegebenen Verbreitungsgebiet C. I. Gr. 1933 mir eben deswegen in ihrer kephal-
leni.schen Herkunft nicht ganz gesichert scheint. (Einst im Mus. Nanian. „aetatis
infimae^).
197
Andriake auf einem Strandwege in leichter Verbindung steht. Es
ist derselbe Grund, aus welchem jede grössere, dem Festlande nahe
Insel sich einer Peraia versichert.
Dann aber ist die Zahl A zwischen Andriake und Simena
vollends unmöglich: auch wenn ein geeigneter Platz an der Bucht
vorhanden wäre, was Benndorf verneint, so könnte doch ein Simena,
das zum Gebiete von Aperlai gehörte, nimmermehr dort gelegen
haben. Dasselbe ist vielmehr jenseits von Istlada zu suchen und
nach der Sachlage bleibt keine andere Wahl als — Kekova selber.
Die Fahrt von Andraki bis in die innere Bucht von Kekova be-
trägt etwa 60 Stadien, wir dürfen also annehmen, dass etwa aus
einem 2 über 2 ein a geworden sei.
Die Gründe, aus welchen in Kekova das ursprüngliche Aperlai
angesetzt ward, sind in der That nicht stark: man hat wohl ausser
einer im Anfang beschädigten Inschrift, welche mindestens ebenso
gut das Gegentheil beweisen kann '") , besonders die zwei schon
oben angeführten Inschriften (Leb. 1290, 1292) für beweiskräftig
gehalten , weil sie ihrem Inhalte nach am ehesten dem Hauptorte
zukämen; allein in dem einen Falle wird ausdrücklich ein 'Airep-
Xehriq ccttö Iijai'ivujv geehrt und auch die Anlage eines Bades
(1292) braucht doch nicht bloss dem Orte zu Gute gekommen zu
sein, auf welchen die Uebrigen aus irgend einem Grunde, z. B. der
Lage wegen, ihre Stadtrechte übertragen hatten. Auch die Ruinen
von Idebessos sind augenscheinlich viel bedeutender, als die von
Akalissos (Spratt IS. 167 f.), das freilich bequemer zu liegen scheint.
»<•) C. I. Gr. 11. 4300 o. Leb. 1291. Es mag die älteste griechische Inschrift
in Kekova sein, Benndorf nennt sie schön geschrieben und mit durchgängigem A
(S. 29, 1); es ist eine Liste von Männern, welche [qpJiXoöötaK; Kai e[uv]o[iK]uj(;
ömKeifievoi irpöq töv 6fmov itnrivfeiXavro xpfl[Ma d]vaTr66oTov eic, xriv dTT[ö6]oaiv
Tuiv öaveiuuv, dann folgen fünf Männer mit Vaternamen, aber ohne Ethnikon
aufgeführt und mit sehr bedeutenden Beiträgen (800, 500, dreimal 300 Dr.), den
Beschluss macht ein als 'AirepXeiTVic; bezeichneter mit nur 50 Drachmen. Es
liegt nahe, die fünf ersten — aber nicht den letzten — als Bürger des Ortes
anzusehen, dem die Wohlthat erwiesen und in welchem die Inschrift gefunden
ward. Dem widersprach die frühere Ergänzung im Anfang zu Ai|uu]peujv (Franz)
oder Mujpeuv (Lebas), welche auch sachlich befremden musste. Bei erneuter
Nachprüfung haben aber Waddington wie Benndorf das pe im Anfang nicht ge-
funden, der erste gibt wvb und als vierten Buchstaben zweifelnd P; Benndorf
liest iuvbY]. Nach der Copie im C. I. ist dann vorher Kaum für 6 Buchstaben,
also Iinrivejujv an sich genau so möglich wie Aijuupejuuv. Doch ist fraglich, ob
da überhaupt ein Ethnikon stand. Was nach Massgabe der dann folgenden Namen
verlangt wird, ist vielmehr die Angabe einer Amtsführung als Datirung.
198
Man darf die Inschriften ausnahmslos vielmehr zu Grünsten der
Lage von Simena bei Kekova geltend machen: abgesehen von dem
negativen Zeugniss der Inschrift 1291 Leb. (s. Anm. 10) wird hier
ein 'ATTepXeiTti(; dTrö Ii|Lir|vujv geehrt (1290), eine 'ATT€pX[iT]iq dTiö
Ziiarivuuv bestattet (1296), hier der Ausdruck Zijurjveuuv gebraucht.
Simena wird nur in Kekova genannt, an keinem anderen
Punkte der Küste.
Dass bei dem so engen Zusammenhang der Gebiete von Myra,
Aperlai, Kyaneai in Kekova auch zwei Grabschriften von Kyaniten,
oder besser — und noch erklärlicher — von Kyanitinnen gefunden
sind, bedarf keiner Erörterung; aber das grösste Befremden musste
erregen und unsern, wie ich hofife, bisher bündigen Schluss scheint
zu erschüttern, dass Kekova als Fundort einer Grabschrift ange-
geben wird, welche anscheinend Kyaniten als Empfänger einer even-
tuellen Busse nennt ") ; ich gestehe, dass diese Inschrift mich lange
beirrt hat, bis ich darauf aufmerksam wurde, dass im C I. Gr.,
welches die Inschrift aus Irrthum zweimal, eigentlich dreimal bringt,
nach Texier als Fundort Aperlai (4300p S. 1J31), nach Bailie apiid
portum Kakova vicinum Aperlis, Myris^ Cyaneis angegeben ist (p. 1140),
wogegen der zuverlässigste Berichterstatter, Schönborn, schrieb: in
loco Siguda (4303 </ S. 158). Damit aber bezeichnete Schönborn,
wir wir bestimmt wissen (Ritter XIX S. 1090), die innerste Küste
westwärts von Kekova, die sonst auch Tristomo genannt wird*'*).
Dass aber dies zu Kyaneai gehörte, werden wir alsbald sehen. So
erscheint mir Simena an der Stelle von Kekova vollkommen ge-
sichert.
Es war ein Vorurtheil, die anscheinend ansehnlichsten Ruinen
dieses Küstenstriches, zu Kekova, auch gleich mit dem Namen
Aperlai zu belegen; oppida heissen bei Plinius beide, Simena wie
Aperlai ; bedeutend war keine der beiden. Auch den Eindruck der
Ruinen zu Kekova hat Benndorf auf das richtige Maass zurück-
geführt: „die Stadt kann nur einen kleinen Umfang gehabt haben''
(S. 28). Die Ruinen über der Assarbai aber sind seit Beaufort
nicht wieder besucht worden.
") Es ist Lebas 1307 (denn in 1302 = C. I. 4303 /i^ ist Alles bis auf das
u ergänzt); Z. 4 am Schluss steht öqpeiX^TU) Kuav. . ., nach dem Abschreiber, Boss
V. Bladensburg, wäre auch Ku6v.. möglich; ich halte das erstere für richtig
(s. auch oben); auch in des Ptolemaios' (V, 3) Kubva steckt Kudveai.
>') Ob auch ötudniczka das grosse Ruinenfeld von Tristomo, das er richtig
Siguda gleich setzt, noch so hat bezeichnen hören, entnehme ich seinen Angaben
nicht (bei Benndorf, Vorl. Ber. S. 87).
199
Der Name von Aperlai kommt in dem Kekova westlich ganz
nahe gelegenen Küstendorfe Evassari '^) mehrfach in Grabschriften
vor (Leb. 1297 — 99. 1308) und zweimal so, dass an der Zugehörig-
keit des Gebietes zu Aperlai kein Zweifel sein kann (Busse an
'ArrepXeiTiJuv tlu b/-|]uuj 1299 vgl. 1308). Eine Ehreninschrift an die
Kaiser Diocletian und Maximian und die Cäsaren Constantius und
Galerius — also zwischen 292 und 305 — geht aus von 'ATr[e]p-
[XJeiTÜJV [fi] Trö[\i(sJ. Tief ins zweite Jahrhundert unserer Zeitrech-
nung führen auch die zusammengehörigen Grabschriften von Evas-
sari (Lebas 1297 — 1299), falls man der oben (S. 195) ausgespro-
chenen Ansicht beipflichtet, dass der Zusammenschluss der Ort-
schaften mit Aperlai im ersten Jahrh. n. Chr. erfolgt sei : denn in
einer dieser Inschriften (1297) bezeichnet eine 'EpTTibaarj r\ Kai Zap-
Trribovi? Aucrdvöpou 'A-rrepXeiTK; schon ihren Urgrossvater als 'Atrep-
Xeixriv «tto 'ATro\\a)via(;.
Wenig jenseits dieser Stelle, welche wohl noch zu dem engeren
Gebiet von Kekova gehört hat, woher vielleicht die rothe, in einen
Festungsthurm eingemauerte Granitsäule mit der Inschrift an die
Kaiser verschleppt ist — also wenig jenseits von Evassari betrat
man in dem innersten Hintergrunde des Hafens ein Stück Land,
das schon genannte Tristomo oder Siguda, das zu dem nördlich
gelegenen Kyaneai gehörte: denn dies beweist die ebenfalls schon
angeführte Grabschrift, welche die Busse der KuaveiTuiv Y^poucria
zuweist (Leb. 1303); ein anderer Kyanit bezeichnet sein dortiges
lUvrmeTov als rrpoTOviKÖv (Leb. 1306); weniger will besagen, dass
auch die dritte von dort bekannt gewordene Grabschrift von einer
Kyanitin ausgeht. Leider ist ein directer Marsch von hier nach
dem nördlichen Kyaneai nie gemacht worden; Studniczka (S. 86)
nennt das Vorland ,, steil bewegt". Erst dann würden wir beur-
theilen können, ob es auf grösserer Bodenschwierigkeit beruht, dass
Kyaneai das Meer nicht lieber im SO., in der Jalibai gesucht hat,
oder ob nicht vielmehr, wie ich glaube, die Scheu vor Myra, der
mächtigen Besitzerin des ganzen Andrakibusens, nach W. an den
'') Studniczka, der den Ort im Binnenlande suchte (Vorl. Ber. S. 87), hat
die Bemerkung Waddingtons zu Lebas 1290 übersehen, der als Augenzeuge an-
gibt: le village (TEvassari est situ4 aussi au hord de la mer un peu ä Vouest de
Kekowa, dont il nest separe que par un petit promontoire, et ä fest de Tristomo;
da er letzteres (in der Bemerkung zu 1285) bezeichnet als ä peu pres ä une heure
de marche ä Vouest de Kekowa, so wird Evassari gewiss nicht eine halbe Stunde
fern von Kekova liegen.
200
Hafen Tristomo trieb. Hier war freilich das Gebiet von Aperlai quer
vorgelagert, was recht unbequem werden konnte, indessen bei der
geringeren Bedeutung von Aperlai wohl weniger ins Gewicht fiel,
als die etwaige Feindschaft Myras. Wir würden darin zugleich
einen neuen, wenn auch indirecten Beweis für die Zugehörigkeit
des Andrakibusens zu Myra erhalten.
Es wäre sogar möglich, dass Kyaneai die ganze Westseite
der inneren Bucht besetzt hielt, vielleicht sammt dem Vorgebirge,
das Simena gegenüber liegt. Immer dringlicher wird die Frage und
der Raum begrenzter, wo wir das Aperlai des Stadiasraus zu suchen
haben 5 60 Stadien gibt derselbe als Entfernung von Simena; etwa
70 Stadien Umfahrt führen von Kekova in die nach W. geöffnete
Assarbai hinein, wo schon Beaufort Trümmer bemerkt ^'*), Cockerell
nach einer Angabe Leake's die Inschrift 'ÄTrepAernjuv gefunden hatte
(Asia Minor S. 188). Diese Reste sind nicht wieder besucht worden;
die neue Kiepert'sche Karte merkt sie gar nicht an. Dennoch muss
hier Aperlai des Stadiasmus gelegen haben, in welchem die aus-
gefallene Entfernung von Aperlai zum Akroterion nun auf 50 Stadien
bestimmt werden kann. Damit steigt die Gesammtsumme der
Stadien von Andriake bis Antiphellos auf 220, ein durchaus be-
friedigendes Resultat.
Apollooia, der dritte Ort der Aperliten, wird wohl mit Recht
in der vorgelagerten langgestreckten Insel Kekova erkannt, nach
Stephanos, der Apollonia eine Insel Lykiens nennt. Isinda, das
mit dem Zivbia des Stephanos ebenso sicher identisch ist, wie wir
neben dem Namen der pisidischen Stadt Isinda, Isionda bei Strabo
(p. 570 u. 630) gewiss nicht irrthümlich Zivba finden, wird auch
in dem schmalen Küstenstriche zu suchen sein, auf welchen, so
weit wir sehen können, das Gebiet von Aperlai beschränkt war.
Ob diese beiden Orte, wie Simena, ehemals eine selbstständige
Existenz gehabt haben, wissen wir nicht, aber wir vermuthen es
wegen der Angaben des Stephanos.
In einer Zeit, in welcher die angrenzenden und zwar unbe-
quem angrenzenden Stadtgebiete noch als solche von Bedeutung
waren, schliessen sich die vier Ortschaften zusammen ; nicht der
'*) Die kurze Beschreibung bei Beaufort Karainania S. 22 lautet: this deep
inlet is divided ly a loio iathmus frovi another arm of the aee that fronta Kastelorizo
hay (dieser Arm ist die Assarbai). On a rocky kill, lohich rises from the isthnms
stand the ruins of a tovm , containing a profusion of half-destroyed dwelling-houses,
towers, walls and aarcopJiagi. Though beautifully süuated, it is entirely deserted.
201
sicherste und versteckteste, sondern der am freiesten und zugäng-
lichsten gelegene und am weitesten vorgeschobene Ort wird ihr
Vorort, Aperlai über der Assarbai. Im Laufe der Zeiten aber, im
zweiten oder dritten Jahrhundert, da die Nachbarschaft Kyaneais
nichts mehr zu sagen hat, und die Frage der Sicherheit immer
mehr in den Vordergrund tritt, erhält die Stelle von Simena haupt-
sächhche Bedeutung. Mittlerweile aber ist der Name Aperlai als
politischer Ausdruck der Küstenansiedelung hier so fest und ge-
läufig geworden, dass er mit der Bedeutung ohne Weiteres auf
Simena übergeht ; so erklären wir uns die Inschriften von Evassari
und vor Allem die wohl verschleppte Ehreninschrift aus der Zeit um
300 n. Chr. Späterhin also wird Simena und seine Umgebung einfach
Aperlai geheissen haben, und soweit hätten auch diejenigen Recht,
welche Kekova Aperlai nennen. Nun erst erscheint es uns im
rechten Lichte, wenn Ptolemaios und vollends Hierokles und die
Notitiae hier keinen anderen Namen kennen als Aperlai. So steckt
hier in unscheinbarer Ueberlieferung ein ganzes Stück localer
und allgemeiner Geschichte, was hoffentlich auch in den obigen
kurzen und mehr andeutenden Bemerkungen hinreichend zum Aus-
druck gekommen ist.
Königsberg in Pr., Februar 1885
GUSTAV HIRSCHFELD
Der geehrte Herr Verfasser wird mir gestatten zusätzlich auszusprechen,
dass mir sein Nachweis eines Synoikismos in Aperlai gelungen, seine Verschiebung
von Aperlai selbst aber nicht gerechtfertigt erscheint. Dass Kekova = Aperlai
ist, betrachte ich als gesichert: 1, hauptsächlich durch Lebas n. 1292, die officielle
Dedicationsinschrift des in Kekova errichteten Bades; 2. durch den Umstand,
dass Kekova zwischen Myra und Antiphellos die bedeutendste Ruinenstätte der
Küste ist, und dass wir auf dieser Küstenstrecke Münzen nur von Aperlai be-
sitzen. Wo das kleine, nur ein oder zwei Mal genannte Somena lag, werden
genauere Erforschungen des Landes als uns möglich gewesen sind, gewiss noch
einmal zeigen. Inzwischen wird sich mit den scharfsinnigen Vermuthungen des
Herrn Verfassers der zweite Band des lykischen Reisewerkes näher auseinander
zu setzen haben. O. B.
202
Wälle und Chausseen im südlichen und
östlichen Dacien
(Hierzu die Karte auf Tafel VI) *)
Dass es mir möglich war, nach dem mehrfachen Besuche der
Dobrugea im Laufe dieses Jahres auch die Moldau und Walachei
noch in einer Weise zu bereisen, dass kaum zwei oder drei Distrikte
unberührt geblieben sind, verdanke ich in erster Linie der ausser-
ordentlichen Güte S. D. des Fürsten Alexander Bibesco, der mir
den Aufenthalt in seinem Hause zu dem denkbar freiesten und
freundschaftlichsten gestaltete und bei seinem eigenen hervorragenden
Interesse für die Wissenschaft alle meine derartigen Bestrebungen
auf das Wärmste begünstigte.
Sodann bin ich der rumänischen Regierung, speciell S. E. dem
Minister für Cultus und Unterricht, Dem. Sturdza, zu lebhaftem
Danke verpflichtet für den obrigkeitlichen Schutz und die Mitwir-
kung der Behörden, welche mir allerorten gesichert war.
I
Die Ergebnisse meiner Nachforschung bestehen besonders in
der Feststellung von bisher unbekannten Wall- und Chausseelinien.
Eine Besprechung mit Herrn Prof. Torma in Pest hatte mich
schon bei der Herreise nach Rumänien auf die Frage geführt,
ob die dacischen Grenzwälle, welche im Banat in dreifacher
Linie sichtbar sind, und [ deren Fortsetzung der genannte Ge-
lehrte am nordw. Rande Siebenbürgens von Tiho bis Kis Sebes
aufgefunden hatte, nicht auch im Osten der Provinz, durch die
Moldau hin noch vorhanden sein sollten. Lange blieben meine
Erkundigungen erfolglos, bis ich endlich im Frühling dieses Jahres
von dem Berlader Präfekten die Angabe erhielt, dass an seinem
Gute Nicoresci in der Nähe von Tekutsch ein Wall vorbeiziehe,
der noch in ziemlicher Höhe erhalten sei und von den Bauern all-
gemein Trojan genannt werde. Bei einem bald darauf vorgenommenen
Besuche jener Gegend konnte ich den Wall in der That feststellen
und auf eine weite Strecke hin verfolgen. Zu seiner Beschreibung
[*) In Folge eines Versehens haben die mit punktirten Linien angegebenen,
von dem Verfasser vorausgesetzten römischen Chausseen von Urlueni bis Campo-
lung und von ad Aquäa bis gegen Craiova nicht dieselbe Farbe erhalten wie die
sicheren römischen Chausseen. A. d. R.]
203
will ich Nicoresci als Ausgangspunkt beibehalten und von hier erst
nach der einen und dann nach der andern Seite hin fortschreiten.
Der Begehung zu Grunde gelegt ist die österreichische General-
karte (Masstab 1:300.000), Blatt P9 (Galatz), Ausg. 1880.
Nicoresci liegt in der unteren Moldau, 16 Kil. nordw, von
Tekutsch, auf dem hügeligen Plateau, welches das Berlad- vom
Sereththale trennt. Von hier aus Hess ich mich zum Walle führen
und fand denselben 6 Kilom. östlich von dem Städtchen an einem
Waldesrande entlang ziehend. Das Profil dieser Stelle ist in Fig. 1
Fig. 1
dargestellt. Es zeigt eine zwar flache, aber ausserordentlich breite
Erdschanze, deren Gesammtausdehnung durch Wall und Graben
34 M. misst. Der Graben liegt auffallender Weise nach Süden
vor. Schon dieser Umstand erinnerte sofort an den kleinen Erd-
wall in der Dobrugea (S. 91 ff.) und die Aehnlichkeit beider in Form
und Verlauf trat in der weiteren Begehung nur noch stärker hervor.
Mit einem Begleiter, der als Jäger die ganze Gegend durch-
streift hatte, folgte ich der Walllinie zu Fuss bis an den Sereth.
Die Stelle, von der wir ausgingen und an der auch Profil 1 auf-
genommen ist, liegt etwa 7^ St. nördlich von jenem markanten
Punkte, an dem der Wall plötzlich in rechtem Winkel von seiner
n.-s. Richtung abbiegt, um gerade auf Ziganesci los in das Berlad-
thal hinunterzulaufen. Jene viertelstündige Strecke ist durchaus
mit Wald bedeckt, bei Profil 1 aber tritt der Wall ins Freie, indem
nur auf der Ostseite die Bäume noch an ihn heranreichen, während
im Westen Ackerfelder sich öffnen. An dieser Stelle nun mar-
schirten wir Punkt 9 Uhr ab. Der Wall zieht hier direkt nach
Norden. 15 Min. weiter nimmt er die Richtung NNW z. W (330")
und zeigt eine stärkere Erhebung, in die oben ein neuer Graben
eingeschnitten ist (Fig. 2). Um 9 Uhr 35 Min. kam uns ein Wald
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in die Quere, den wir in 10 Min. durchschritten. Dahinter zeigten
sich dann auf eine weite Strecke nur Felder und Weingärten. Der
204
Wall läuft 7 Min. lang (500 M.) deutlich sichtbar über ein Acker-
feld, bildet dann für eine gleiche Strecke die Westgrenze eines
viereckigen Weingartens, immer seine Richtung NNW z. W bei-
behaltend, und trifft nach weiteren 400 M. (10 Uhr 5 Min.) bei
einem Gehöft Visuresci ein, das von W her dicht an ihn heran-
tritt. Der Fahrweg, welcher bisher immer neben dem Graben ent-
lang lief, geht hier auf den Wall über und hat diesen bedeutend
abgeplattet. Weiterhin bildet der Wall wieder die Umfriedung eines
ostwärts sich ausdehnenden Gartens, wobei er 1 M. hoch bleibt
und mit Bäumen bestanden ist. Um 10 Uhr 15 Min. jedoch sahen
wir ihn beim Betreten ausgedehnter Ackerfelder völlig dem Boden
gleich gemacht. Nur an einzelnen Stellen waren kleine , mit ein
paar Büschen bestandene Häufchen übergeblieben, an denen man
die weitere Linie verfolgen konnte. Gegen das Ende des Feldes
hin zeigte sich , wenn auch leise , allmählich wieder eine fort-
laufende Schwellung des Bodens. In diesem Zustande zog der
Wall gleich darauf (10 Uhr 30 Min.) an einem westlich liegenden
Gehöft hin und 10 Min. später durch die Vorderpartie eines Wein-
berges. Das genannte Gehöft, neben welchem noch ein halb Dutzend
anderer Wohnungen sichtbar waren, bildete den Anfang des Dorfes
Tecucel. Der Wall hat hier eine rein nördliche Richtung genommen
und biegt gleich darauf (10 Uhr 50 Min.) noch weiter um nach
NNO z. N (10"). An diesem Punkte läuft er auch zum ersten
Male eine sanfte Neigung des Terrains hinab, der bisherige Weg
war durchaus eben. Seine Gestalt bleibt noch dieselbe, kaum er-
kennbare, da wir uns immer noch in Ackerfeldern befinden. Um
11 Uhr jedoch erreichten wir einen Waldesrand, und hier trat der
Wall sofort wieder in weit stärkerem Profile auf. Wir suchten ihm,
obgleich kein Weg mehr nebenherlief, noch weiter zu folgen, durch-
schritten nach 10 Min. eine etwa 10 M. tiefe, ziemlich breite Schlucht,
konnten aber jenseits derselben wegen des zum völligen Dickicht
werdenden Unterholzes nicht weiter vordringen und Hessen uns von
einem östlich abgehenden Fusswege in ein reizendes Waldthal führen,
in dem bis V„l Uhr Mittagsrast gehalten wurde.
Nachher durchschritten wir das Holz nach verschiedenen Rich-
tungen, ohne jedoch eine Spur des Walles wiederfinden zu können.
Waldhüter sagten uns, dass derselbe hier überall nicht mehr zu
erkennen sei und erst vor dem Dorfe Tofla in einem Weinberge
wieder zu Tage komme. Dorthin uns wendend, konnten wir noch
mehrfach hören, dass im Walde jede Spur verschwunden sei,
205
aber der Weg, hiess es, auf dem wir uns befänden, werde noch
heute Trojan genannt. Dieser Weg vermeidet sehr geschickt Sen-
kungen und Abhänge, indem er sich in vielfachen Windungen am
Waldesrande hinschlängelt, hält aber im Ganzen nordöstl. Richtung.
Erst nach 2 Stunden, um Va^ Uhr, kamen wir zu dem be-
sprochenen Weinberg vor Tofla und fanden hier auch richtig den
Wall. Derselbe fängt schon ein Stück vorher im Ackerfelde an
durchzieht dann zwei Weingärten und ist im Ganzen auf eine
Strecke von etwa 1 Kilom. sichtbar. Sein Profil ist schwach, an
welcher Seite der Graben lag, wäre hier kaum zu unterscheiden
(s. Fig. 3). Die Richtung ist Anfangs NO, wird im ersten Wein-
Fig. 3
berge sogar ONO, dreht im zweiten aber herum bis auf NNO.
Dieser zweite Weingarten liegt auf einer Höhe, von der man
ziemlich steil auf Tofla hinabblickt und in weitem Kranze die ganzen
Dörfer des Berhetsch-Thales vor sich ausgebreitet sieht. Eine Fort-
setzung der Walllinie ist nicht zu entdecken, sie wird aber jedes-
falls scharf nach Westen umbiegend zu denken sein. Der Guts-
verwalter von Tofla, bei dem wir uns erkundigten, bestätigte diese
Vermuthung, die der lokalen Tradition entspreche, und fügte als
Beweis bei, dass sich auf dem Wege zwischen Tofla und Ploskutzeni
oben am Rande des Serethufers noch ein gutes Stück vom Wall
erkennen lasse.
Wir gingen nach jener Gegend hinüber, fragten bei einem
griechischen Gutsbesitzer, der gerade dem Einfluss des Trotusch
in den Sereth gegenüber wohnt, noch einmal nach und fanden dann
kaum eine Viertelstunde von seinem Hause entfernt, die Wallspuren.
Die Hochebene, auf der wir den ganzen Tag marschirt waren,
fällt hier schroff zum Sereth ab, erst eine halbe Stunde flussauf-
wärts wird die Neigung sanfter, Wasserrinnen führen hinunter und
runde Kuppen haben sich gebildet, die den Uebergang vermitteln.
Der ganze Abhang ist abwechselnd mit Wald und Wein bewachsen
und hat die grösste Aehnlichkeit mit dem Gelände der Bergstrasse
zwischen Darmstadt und Heidelberg. Oben an diesem Höhenrande
nun läuft der Wall entlang, meist zwar vernichtet durch die Fahr-
206
Strasse, die denselben Weg gewählt hat, aber oft doch noch in
seiner gewölbten Form erkennbar. Wie weit er so dahinzieht, habe
ich nicht ausmachen können; wir hatten schon eine Zeitlang keine
Spuren mehr gesehen, als wir uns bei einbrechendem Abend in das
Thal wandten und ein Stück Weges zurück gingen , um in Plos-
kutzeni zu übernachten.
Am folgenden Morgen fuhr ich zu Wagen nach Homocea,
6 Kilom. aufwärts am Sereth, konnte aber dort schon nichts mehr
vom „Trojan" erfahren. Nur eine kurze alte Schanze , Cetatzuia
(Festung) genannt, zeigte man mir oben auf der Höhe des Ufer-
berges. Dieselbe bestand aus einem hohen Wall mit tiefem Graben
Fig. 4
davor , auf den noch ein zweiter Aufwurf folgte (s. Fig. 4) , war
circa 30 M. lang und lief in ostwestl. Richtung.
Auch am rechten Serethufer, wo sich vielleicht die Fortsetzung
des Walles gegen die Karpathen hin finden konnte, waren meine
Erkundigungen vergeblich. Der Priester von Alt-Agiud {A. vecliiu)
der einen grossen Kreis Bauern zur Befragung zusammen gerufen
hatte, versicherte, dass in der ganzen Gegend nichts dergleichen
vorhanden sei.
Ich kehrte dann nach Nicoresci zurück und verfolgte den
Wall nach der andern Seite, gegen Osten hin. Wenige Schritte
nördlich von dem schon oben erwähnten VVinkelpunkte habe ich
Profil 5 aufgenommen. Die Linie läuft hier nach SSO z. O (150")
Fig. 5
und biegt nachher um auf ONO z. O (80") , bildet also einen
Winkel von 110", der auch durchaus nicht gerundet, sondern
ganz scharf geschnitten ist. Diese Stelle tritt etwas aus dem Walde
heraus; im weiteren Laufe, nach Ziganesci hinab, zieht sich der
Wall indess wieder unter die Bäume zurück, bis er den hohen Rand
207
des Berladthales erreicht, wo der Wald überhaupt aufhört, ja sogar
für den ganzen Rest des Weges aufhört ; zunächst folgt eine breite
Niederung und dann dehnen sich bis zum Pruth hin endlose Acker-
felder aus.
Der Wall erreicht das Thal bei dem südlicheren der beiden
Ziganesci : Alt - Ziganesci ( Tz. vechiu) , ist in der Niederung aber
nicht mehr erkennbar und auch weiterhin in Folge der langen und
regelmässigen Feldarbeit nur selten und dann recht schwach wahr-
zunehmen. Um so mehr habe ich die zähe Tradition bewundert,
die sich unter den Landleuten vom Trojan erhalten hat. Jeder
Pflugknecht kann Auskunft geben, wie die Linie gelaufen ist; er
zeigt oft im Acker auf eine Schwellung des Bodens, so klein, dass
man niemals wagen würde, darin eine Wallspur zu erkennen, und
sagt: gehen Sie in dieser Richtung weiter, so werden Sie da und
da noch einen ganz deutlichen Rest des Trojans finden ; und die An-
gabe erweist sich jedesmal als richtig. Nur auf diese Weise, durch
beständig weitertastendes Fragen war ich im Stande, die Linie
festzustellen. Ich fuhr mit kundigen Führern und hielt sie an, dem
Walle immer möglichst nahe zu bleiben.
Am östlichen Ufer des Berladthales beginnt der Wall bei zwei
grossen Tumuli über Ziganesci vechiu. Von da fuhr ich direct
nach Matka. Der Wall bleibt nördlich von diesem Dorfe , wird
aber nachher von dem von Matka nach Putzeni führenden Wege
mehrmals durchschnitten. Er ist an diesen Stellen etwa 30 Cm.
hoch und verfolgt die Richtung OSO (120"). In und hinter Putzeni
konnte ich nichts Sicheres erfahren, der Wall muss hier ziemlich
weit nach Norden entfernt sein. Auf Baleni, das bei der Beschrei-
bung der Linie in Aller Munde gewesen war, hatte ich um so mehr
Hoffnung gesetzt. Hier sagte man mir denn auch, vom Wall sei
zwar heute so gut wie gar nichts mehr zu erkennen, derselbe sei
aber über die Dörfer Firtzenesci, Kiraftei, Mastukani bis an den
Pruth gelaufen. Besonders ein steinalter Hirt Namens Ion Nistru
diente mir als wahrhaftes topographisches Lexikon.
Die Verhältnisse brachten es mit sich, dass ich dieser Angabe
nicht weiter nachgehen konnte, sondern am andern Morgen nach
Galatz fuhr. Wenn sie richtig ist, stösst der Wall gerade an dem
Punkte auf den Pruth, wo drüben die bekannte bessarabische
„Römerschanze" {Vadu lui Issak — Tartarpunar) beginnt. Es ist ja
denkbar, dass die Tradition ihn nur deshalb hier ausmünden lässt,
um ihn mit jener Schanze in Verbindung zu setzen. Aber es ist
208
auch zu bedenken, erstens, dass der Wall doch nicht mitten im
Felde aufgehört haben kann, und zweitens, dass die gerade Linie,
welche ich von dem Winkel bei Nicoresci bis hinter Matka fest-
gestellt habe, in ihrer Fortsetzung genau auf die von den Baleniern
angegebene Pruthstelle triflPt.
Was sich etwa über den Ursprung und die Bestimmung dieses
Walles sagen lässt, soll weiter unten im Zusammenhang mit anderen
ähnlichen Erdwerken der hiesigen Gegenden erörtert werden.
II
Auf der Suche nach topographischem Material, .das weitere
Nachforschungen fördern könnte , stiess ich in Bukarest auf das
Dossar einer grossen archäologischen Enquete, die im Jahre 1871
vom Cultusministerium veranlasst, jetzt in sieben starken Folio-
bänden in der Bibliothek der rumänischen Akademie aufbewahrt
wird. Die Berichte, von den Schullehrern aller Stadt- und Land-
gemeinden verfasst, sind oft recht kraus und unerfreulich aus-
gefallen, besonders wo sie in rasend machender Breite all die Thor-
heiten wiedergeben, die das Volk sich von dem oder jenem histori-
schen Reste erzählt. Aber die aus eigener Anschauung stammende
Beschreibung des Thatsächlichen, besonders was Wälle und Chaus-
seen betraf, machte sie mir werthvoll genug, um das Ganze ein-
mal einer genauen Durchsicht zu unterziehen. Eine solche war
nämlich noch nie vorgenommen. Nur zwei Distrikte, Romanatzi ')
westlich vom Unterlaufe der Aluta, und Dorohoi*^), die oberste
Spitze der Moldau, hatte Alex. Odobescu, der Urheber der ganzen
Enquete, verarbeitet.
Vor Allem war es ein grosser, nach Cantemir's descriptio
Moldaviae (1716) und der moldauischen Chronik Miron Costin's
(1726), lang durch die ganze Walachei und noch ein Stück Moldau
ziehender Wall, über den ich ins Klare kommen wollte.
Ich halte es nicht für überflüssig, jene zwei schwer zugäng-
lichen Quellen, auf die, wie ich gesehen habe, die Angaben aller
späteren rumänischen Geschichtswerke und Wörterbücher zurück-
gehen, hier wiederzugeben, zumal sie einer Zeit angehören, in der
noch weit mehr vom Walle vorhanden sein konnte, als heutzutage.
') Annal. societatei academice Romane X 2 (1877) p. 173 — 339.
') Monilorul official al Romaniei 13/25. Juli 1871, Nr. 152.
209
Canlemir schreibt^): Fossa Trajani imperatoris hodie
etiam sui conditoris nomen retinens de qua miror neminem, neque
veterum , nee recentiorum Mstoricorum quidquam iraJidisse memoriae.
Haec ut ipse auTÖ7TTr|^ testis snm, duplici aggere a Petrivaradino in
Hungaria incipit, ad montes Demarkapu, ferream portam. descendit, inde
simplici vallo per toiam Valachiam et Moldaviam transit, Hierasum (bei
Cant. = Pruth) ad pagum Trojan dictum, Botnam ad oppidum Causzen
secat transactaque tota Tartaria ad Tanaim flumen desinit. Ipsa ultra
12 cubitos hodie adhuc 'profunda est, unde forsitan haud sine ratione
coUigere possemus ipsiiis spatium, dum strueretur, altera tanto latius
profundiusque atque adeo egregium adversus barbarorum irruptiones
mimimentum fuisse.
Die Stelle in Miron Costin's Chronik *) lautet in der Ueber-
setzung: „Dieser berühmte Kaiser (Trajan) hat auch die Schanze
„Trojan" graben lassen, von seinen Soldaten, wie es gewöhnlich
heisst, von der Walachei an über alle die Flüsse, von denen wir
gesprochen haben, Sereth, Pruth, Dniestr, Bug und Dniepr hinweg,
bis an den Don. An dieser selben Schanze, die wir bei uns sehen,
bin ich in der Nähe des Dniepr vorbeigekommen, ganz dicht bei
einer Stadt Namens Vciorasnoia; nicht weit von Kiew. Kiew liegt
am Dniepr und nach dem Lauf der Schanze hat also der Kaiser
Trajan mit seiner Armee den Dniepr oberhalb Kiew überschritten".
Die letztere Bemerkung erklärt sich aus der noch heute im Volke
verbreiteten Anschauung, dass alle diese Wälle römische Militär-
strassen gewesen seien.
Durch die Worte Cantemirs ist dann auch Sulzer auf den
Wall aufmerksam geworden, hat ihn nach langem Fragen in der
Gegend von Slatina gefunden, sich von seinem weiteren Verlaufe
unterrichten lassen und in einem besonderen, ,, Vermeinter Tra-
janischer Graben" betitelten Capitel seines Buches^) darüber ge-
schrieben. Allein, was er auf diesen 10 Seiten behauptet, liest sich
geradezu komisch. Er erklärt den Wall zuerst für ,,avarische Ringe",
entschuldigt sich dann aber, dass er ihn auf seiner Karte trotzdem
als eine gerade Linie gezeichnet habe, und sagt, dies käme daher,
weil nach Allem, was er gehört und gesehen, thatsächlich doch
nichts Anderes als eine gerade Linie vorhanden sei. Die Ringe
*) Descriptio Moldaviae c. 4 fin.
*) Cogalniceanu : Letopisetde etc. I p. 21.
*) Sulzer, Gesch. d. transalpin. Daciens, Wien 1781 I p. 216—225.
Archäologisch-epigraphische Mitth. IX. -j^^
210
seien also augenscheinlich verschwunden und nur die Befestigungs-
linie, welche zu ihrer „Gemeinschaft und Coramunication" diente,
übrig geblieben.
Sulzer's Walllinie ist ausserdem nur durch drei Punkte ge-
sichert; die zwei, welche schon Cantemir angibt, das eiserne Thor
am Anfang und Trajan am Ende Rumäniens, und Slatina beim
Alutaübergang. Alles Uebrige, Petroja, Tirgovischte , Plojesci,
Buzeu, Maxineni stammt vom Hörensagen und ist sogar grössten-
theils Conjectur seiner Gewährsmänner.
In der Bukarester Enquete nun fand ich eine grosse Menge
von Dörfern , die berichten , dass der Wall in ihrer Nähe vorbei-
ziehe. Für gewisse Gegenden . besonders für die kleine Walachei,
ergab sich damit gleich eine sichere und ununterbrochene Linie, in
anderen jedoch waren entweder die Gewährsorte so bunt gewürfelt
oder auch die Berichte so lückenhaft, dass sich aus ihnen allein keine
Klarheit gewinnen Hess. An eine Begehung der ganzen Strecke war
bei ihrer enormen Ausdehnung nicht zu denken. Es musste mir
desshalb darauf ankommen , durch einen Besuch der zweifelhaften
Punkte den weiteren Verlauf des Walles sicherzustellen, speciell in
das Chaos der Angaben über die Pai'tie östlich von der Aluta
(Distrikte Teleorman, Oltu und Argesch) Licht und Ordnung zu
bringen. Letzteres ist mir vollständig gelungen durch die an Ort
und Stelle gemachte Entdeckung, dass in dieser Gegend zwei Wälle
ziemlich weit von einander laufen: von Slatina gegen NW der von
Cantemir und Sulzer besprochene, weiter südlich von der Aluta bei
Roschi de Vede vorbei bis gegen Giurgiu hin ein kleinerer; und dass
beide durchschnitten werden durch eine von Turn Magurele herauf-
führende und vom Volke, eben so wie jene, „Trojan" genannte
Chaussee.
Im Folgenden stelle ich zunächst das auf den grossen Wall
Bezügliche zusammen, indem ich dessen ganzer Länge von Westen
nach Osten folge.
Der Wall wird vom Volke wie schon erwähnt Trojan, noch
häufiger aber „Brazda lui Novae", „die Novaksfurche" genannt. Ueber
die Entstehung dieses Namens hat sich bis jetzt durchaus nichts
feststellen lassen, auch Odobescu weiss keine Erklärung dafür.
Cantemir's Bemerkung , der Wall beginne bei Peterwardein,
ist natürlich eine Verwechslung mit der dort befindlichen längst
bekannten Banater Schanze. Der walachische Wall hat seinen
Anfang bei der scharfen Donaubiegung unterhalb Turn - Severin.
211
ßogova ist der erste Ort, an dem er vorbeizieht'*), und zwar jeden-
falls nördlich von diesem Dorfe laufend , denn aus dem 6 Kilom.
nordöstl. gelegenen Broscari ~) wird berichtet, dass er auch das
Territorium dieser Gremeinde berühre, auf einer Anhöhe im SO
besonders gut zu erkennen sei, und dann nach Orevitza weitergehe.
In gerader Fortsetzung der bisherigen Linie erreicht er dann das
17 Kilom. entfernte Balacitza, aus dem zwar in der Enquete kein
Bericht vorliegt, wo ihn aber der Ingenieur Popowitsch*^;, der von
den dreissiger Jahren ab in Rumänien reiste, gesehen hat.
Von da ab giebt es keinen Anhaltspunkt mehr bis zu dem
35 Kilom. nach OSO liegenden Terpesitza. Aus dieser Gemeinde
wird berichtet, dass der Wall mitten durch ihr Gebiet ziehe, auch
in den Nachbargemeinden sichtbar sei und der Richtung von West
nach Ost folge"). Auch habe ich selbst auf dem Gute ßreasta bei
Craiova mir erzählen lassen , dass der Wall am Südwest!. Ende
dieser sehr ausgedehnten Besitzung, bei Lazu, ca. 5 Kilom. ron
Terpesitza, vorhanden sei.
In Craiova soll der Wall nach Laurian '") in der Vorstadt
Belli-vaca zu Tage treten. Ungünstige Umstände hinderten mich
bei dem kurzen dortigen Aufenthalt persönlich nachzusehen. Die
Enquete berichtet, dass der Wall nördlich von der Stadt hinziehe.
Sie bietet uns hier auch zum ersten Male einen Aufschluss über
seine Structur, indem sie bemerkt, der ausgehobene Boden sei gegen
") So berichtet V. Dimitrescu aus Turn-Severin in Tocilescu's Revista pentru
ßlologie etc. I p. 167 (Ueber die Alterthümer des Distr. Mehedintzi). An derselben
Stelle wird auch von einer römischen Chaussee gesprochen, die „von Isvor frumos
über Burila, Devesel, Batotzi, Eogova nach Orevitza läuft, wo die Cetata Latinilor
ist und römische Ruinen sich zeigen, dann nach Padina mica, Slasoma, Balacitza,
Cleanov weiterzieht, schliesslich in den Distr. Doljiu eintritt und zu dem auf der
Marsigli'schen Karte Frateria, heute Trapesitza (soll wohl heissen Terpesitza) ge-
nannten Orte führt".
') Bukar. Enquete, Distr. Mehenditzi, Fol. 436.
*) Die Tagebücher Popowitsch's, dem Cogalniceanu schon im Jahre 1840
das Lob des tüchtigsten Kenners der rumänischen Vorzeit spendete, wurden lange
nach dem Tode ihres Verfassers von Herrn AI. Odobescu bei einem Trödler ent-
deckt und theilweise publiciert in der Zeitung Trovipetta Carpatilor Nr. 869 (12./24.
November 1870). Die Notiz über Balacitza fehlt aber dort; sie ist erst in den An-
hängen zu Odobescu's Aufsatz über Romanatzi (a.a.O. p. 217) nachgetragen. Wir
werden Popowitsch noch öfter zu eitleren haben.
») B. E. Distr. Doljiu Fol. 311.
'*') A. Treb. Laurian: Istriana im Magazinu istoricu pentru Dada 1864
Tom. II p. 102.
14*
212
Süden aufgeworfen und der Wall erhebe sich 1 Stanjin = 2'23 M.
hoch").
Hinter Craiova hat der Wall eine südöstliche Richtung, wie
der Bericht aus Ghercesci '") angibt, kann dieselbe aber wohl nicht
lange beibehalten , denn bald darauf finden wir ihn bei dem fast
direet östlich von Craiova gelegenen Popinzelesci^^), wo er 6 Kilom.
östlich vom Dorfe deutlich sichtbar ist. Weiterhin zeigt er sich
auf einer Anhöhe westlich von Dobrun ^^), zieht dann mitten durch
diese Gemeinde und die Oltetza überschreitend nach Schoperlitza
hinüber. Hier muss er sehr gut erhalten sein. Der Bericht aus
Schoperlitza'*) gibt seine Maasse auf 4 Stj. (9 M.) Breite und
3 Stj. (6"7 M.) Tiefe an. Für die Tiefe scheint dabei allerdings
nicht die verticale, sondern die schräge Linie der Absenkung ge-
nommen zu sein. Die Maassangaben sind überhaupt in diesen
Berichten das Unzuverlässigste, wesshalb ich sie aucli durchweg
nicht berücksichtige.
Der Wall zieht nördlich von Schoperlitza hin und schneidet
oberhalb des Dorfes Vladuleni die am Alutaufer zum Rothenthurm-
pass hinauflaufende „Trajansstrasse". Dies ist die einzige Stelle
in der westlichen Walachei, wo ich ihn selbst gesehen und ge-
Fig. 6
messen habe (s. Fig. 6). Der Graben ist 1 M. tief und liegt
nördlich vor, der Aufwurf erhebt sich 0'8 M. über die Bodenlinie.
Der Wall zieht beständig durch Maisfelder und hat die Rich-
tung O (100", also mit 10" Abweichung nach S). Ich hatte darauf
gehalten, gerade diese Stelle zu besuchen, um zu sehen, wie Wall
und Chaussee bei ihrer Kreuzung sich zu einander stellen. Popo-
witsch berichtet'^), dass der Wall von der Chausse durchschnitten
") B. E. Distr. Doljiu Fol. 220.
'*) B. E. Distr. Doljiu Fol. 253 u. 393.
") Da die Berichte von Romanatzi in Odobescu's Aufsatz über diesen Distrikt
herausgegeben sind, eitlere ich den Druck: Ann. soc. acad. Rom. X 2 p. 187 Anm. 41.
S. auch Anm. 40 Her. aus Viisoara.
•*) Odobescu a. a, O. p. 187 Anm. 39.
'^) Odob. p. 185 Anm. 32.
'*) Odob. a. a. O. p. 218 Popowitsch: „Es lässt sich bei dem Dorfe Grcci
mit Sicherheit erkennen, dass die Chaussee des Kaisers Trajan später angelegt ist
als der Trojan, weil die Strasse durch die Schanze hindurchläuft, wo sie sich bei
dem Dorfe Greci kreuzen."
213
werde, was sich heute nicht mehr constatieren lassen würde, da
die 1871 gebaute rumänische Chaussee, wie an vielen anderen
Stellen, so gerade auch hier auf die alte römische aufgelegt ist.
Popowitsch folgert aus jenem passiven Verhalten des Walles ein
höheres Alter desselben, ein Schluss, der sonderbarer Weise von
Odobescu'') angenommen und dahin präcisiert worden ist, dass
also der Wall vorrömisch sein müsse. Das ist indessen ein
Trugschluss. Wall und Chaussee können sehr wohl gleichzeitig
angelegt sein ; wenn jener eine römische Grenze bildete, mussten doch
immer Wege offen bleiben , die den Verkehr mit dem Aussenlande
vermittelten; wie viele solcher Wallausschnitte, durch welche
Chausseen führten , sind nicht im germanischen Limes constatiert.
Ausserdem aber Hesse sich auch denken, dass der Wall jünger sei
als die Chaussee, denn die letztere, deren gute Erhaltung noch heute
Staunen erregt, hat gewiss noch lange nach den Römern die Ver-
kehrsader im Alutathaie gebildet und konnte daher absichtlich ver-
schont werden, als man den Wall anlegte. Ein strikter Beweis wäre
aus der Kreuzung nur in dem einen Falle zu gewinnen gewesen, wenn
der Wall die Chaussee zerstört hätte, dann würde die letztere natür-
lich älter sein; so aber, wo die Chaussee den Wall unterbrochen
hat, bleiben nach wie vor alle Möglichkeiten offen.
Der Wall zieht zwischen Vladuleni und Greci durch gegen
die Aluta hin, überschreitet den Fluss und läuft drüben zunächst
durch die Gemeinde Coteana (österr. K. Kotiana), aus welcher ein
Bericht in der Enquete vorhanden ist '^). Wahrscheinlich befindet
er sich nördlich vom Dorfe und hat schon hier die nordöstliche
Richtung eingeschlagen, in Folge deren er laut des folgenden Be-
richtes '^) zwischen den Dörfern Catana und Mosteni gesehen wird.
Der dritte Gewährsort in diesem Distrikte, Urschoia'^") (30 Kilom.
nordöstl. von Mosteni), führt ausdrücklich an, dass der Wall mit
dem einen Ende nach SW und mit dem andern nach NO gerichtet
sei. Alle drei Berichte erwähnen, dass der Wallaufwurf gegen
Süden (der Graben also im Norden) liege.
Der Wall muss in seinem weiteren Laufe die äusserste Nord-
westspitze des Distrikts Teleorman abschneiden. Eine Nachricht
*') Odot. a. a. O. p. 187.
") B. E. Distr. Oltu Fol. 487.
") Aus Mierlesci B. E. Distr. Oltu Fol. 482 v.
'">) B. E. Distr. Oltu Fol. 493.
214
bekommen wir erst wieder aus dem Dorfe Negraschi**^) (österr. K.
Aduaatzi Negrasi) im Distrikt Argescb. Der Wall soll hier V^ Kilom.
nordöstl. vom Dorfe in einem Thale gegen 200 M. lang sichtbar
sein. Es wird hinzugefügt, dass er von Osten nach Westen laufe
und die aufgeworfene Höhe gegen Süden liege.
Kaum 15 Kilom. weiter gegen NO hin, werden wir dagegen
aus drei nahe bei einander liegenden Dörfern, Mortem, Greci und
Punta de Greci*'^), wieder aufs Sicherste orientiert. Aus Morteni
wird geschrieben, dass der Wall von SW herziehe, aus Punta de
Greci und Greci, dass er gegen Süden aufgeworfen sei, und aus
allen dreien, dass er Brazda lui Novae heisse. Nicht weit von diesen
Ortschaften, 8 Kilom. nördlich von Morteni, befindet sich auch
„der Markt Petroja" , den Sulzer sich als am Wall liegend hat
nennen lassen.
Mit dieser Feststellung des Walles bei Morteni, Punta de Greci
und Greci endet aber auch Alles, was ich über den Lauf der Linie
mit Sicherheit habe ermitteln können. Wir befinden uns hier
60 Kilom. westnordwestlich von Bukarest. Sulzer berichtet von
einem Weiterlauf über Tirgo wischte, Ploiesci, Buzeu bis an den
Sereth {Maxineni)\ das ist dasselbe, was man noch heute in jenen
Gegenden von den Bauern — denn nur diese wissen überhaupt
vom Wall — erzählen hören kann. Dass es Conjectur ist, geht
schon daraus hervor , dass immer nur die grössten Orte genannt
werden, die in der bisher verfolgten Richtung nach Osten liegen.
Allerdings ist es ja die natürlichste Conjectur;, die man machen
kann, und ich habe nicht verfehlt, an verschiedenen Punkten jener
vermuthlichen Fortsetzung nach thatsächlichen Anhaltspunkten zu
suchen.
Die Enquete berichtet über ein 134 M. langes Wallstück bei
dem Orte Lipia'^''), 34 Kilom. nördlich von Bukarest, wo auch auf
der österr. Karte die Beischrift „La Santz" (bei der Schanze) sich
findet. Dessen Zugehörigkeit zu unserem Walle ist indessen zweifel-
haft, denn es führt nicht wie jener immer den Namen Novaks-
furche, sondern heisst einfach „die Schanze"; auch soll die aus
") B. E. Distr. Argesch Fol. 281.
»') B. E. Distr. Dambovitza Fol. 148. 150. 147.
") B. E. Distr. Ilfov, Com. Lipia - Bojdani (österr. K. Bosduni) Fol. 54:
„Schanze, nördlich vom Dorfe, von Westen nach Osten laufend in einer Länge von
60 Stj. (= 134 M.). Der Boden zeigt sich nach beiden Seiten hin aufgeworfen.
Breite 6 Stj. (13-38 M.), Tiefe '/, Stj. (112 M.;».
215
dem Graben ausgehobene Erde nach beiden Seiten aufgeworfen
sein. An diesem Orte bin ich nicht gewesen. Dagegen habe ich
weiter östlich in der Gegend von Buzeu nach verschiedenen Rich-
tungen hin Ausflüge gemacht. Nach einer persönlichen Mittheilung
Herrn AI. Odobescu's sollte der Wall bei Petroasa, 20 Kilom.
westsüdwestlich von Buzeu vorbeiziehen. Ich ging hin, konnte aber
nur in Erfahrung bringen, dass in der Gegend weder Wall, Trojan
noch Schanze oder Brazda bekannt sei. Der Director des Buzeuer
Gymnasiums, Herr B. Jorgulescu, der den ganzen Distrikt Buzeu
auf Alterthümer durchreist hat, sprach mir dann von einem bei
Gura Nischcovului (12 Kilom. nordwestl. von der Stadt) befind-
lichen und Tartarenschanze genannten Walle, derselbe sei indess
nur etwa 3 M. breit und ziemlich kurz*^^).
Ein sehr hoch erhaltenes und in mancher Beziehung interes-
santes Wallstück fand ich dann aber in Folge einer Notiz der
Enquete am Südufer des Buzeuflusses bei dem Dorfe Sutzesci '^^),
in der Mitte zwischen Buzeu und Braila. Der in seiner Haupt-
richtung nach NO fliessende Buzeu macht hier eine viereckige
Ausbiegung nach links (NW). Der hohe Rand des rechten Ufers
tritt in ebenfalls viereckiger Form in diese Bucht hinein, aber nicht
ganz bis an den Fluss vor, da dieser bei Ueberschwemmungen
offenbar viel von ihr weggefressen hat und sich daher in unmittel-
barer Nähe nur von seichtem Sande begrenzt sieht. Auf der Basis
nun jenes vorgestreckten Vierecks — das übrigens auf der österr. Gen.-
Karte'^^) durch eine feine Terrainlinie sehr getreu wiedergegeben ist —
hat sich ein Wall erhalten, der in der ganzen Umgegend nicht mehr
Fig. 7
existiert. Er hat die Richtung NNO, ist genau 900 M. lang und
zeigt das in Fig. 7 dargestellte Profil. Der Aufwurf liegt im
*••) Eine Notiz über dieses Wallstück findet sich in B. Jorgulescu's kleiner
„Geographie des Distrikts Buzeu" p. 84 und lautet in der Uebersetzung: „Tartaren-
schanze (Santu Tatarilor). Eine lauge Schanze in der Gemeinde Gura Niscovului,
welche auf den waldigen Höhen von Mierea beginnt, herunterzieht, den Fluss
NiscQV überschreitet und die gegenüberliegenden waldigen Hänge von Filiti hinauf-
steigt. Ihre Tiefe iässt sich wegen der Aufflössung nicht mehr feststellen; die
Breite beträgt 3 M."
") B, E. Distr. Braila Fol. 264.
") Blatt P9 Galatz.
216
Westen, gegen den FIuss hin und erhebt sich auf 19 M. breiter
Basis 2*2 M. hoch über die Bodenlinie; auf ihn folgt ein 11 '5 M.
breiter und 15 M. tiefer Graben, auf diesen sonderbarer Weise
noch eine 18 M. breite ebene Fläche, und der Abschluss der ganzen
Linie wird durch einen Graben bewirkt, der meist zwar sehr ver-
wischt, an manchen Stellen aber doch noch 8 M. breit und 1 M.
tief ist. Dieses Erdwerk wird nicht nur, wie der Enquetenbericht
angibt, ,.Trajanswall" (Valul lui Trajan), sondern, wie ich an Ort
und Stelle mir mehrfach sagen Hess, gewöhnlich „Trajanschaussee"
(Sosea lui Trajan) und da, wo er an den Flu-ss stösst (im N),
„Trajansfurt" (Vadu lui Trajan) genannt. Das Volk erkennt also
in der Anlage eine Chaussee und in der That legt das Aussehen
der zwischen den beiden Gräben eingeschlossenen Fläche und der
völlig ebene Lauf des Ganzen eine solche Auffassung sehr nahe.
Mit dem vorher beschriebenen Walle der westlichen Walachei
scheint dies Stück nichts zu thun zu haben ; die grössere Stärke
des Baues Hesse sich zwar daraus erklären, dass bei einer so langen
Linie die Arbeit jedenfalls auf mehrere Ingenieure vertheilt war,
aber der Umstand , dass der Graben hier gegen Süden Hegt, wäh-
rend er sich dort immer im Norden befand, ist doch wohl eine zu
starke Abweichung;
III
Ich komme jetzt zu einem Walle, der in den hiesigen Gegen-
den ziemlich bekannt'^'), durch seine Lage dicht bei Galatz eigent-
lich die meiste Veranlassung gegeben hat zu der Hypothese, dass
die walachische Brazda dorthin ausmünden müsse- Dieser Wall
Fig. 8
beginnt am Sereth, 12 Kilom. oberhalb der Mündung des Flusses'
bei Alt-Serbesci (Serb. vechi), zieht von da gegen NNO (20"),
wendet sich aber nachher mehr gegen Osten und endet schliesslich
mit rein östlicher Richtung bei Tulucesci an der Nordostspitze
") Auch auf der Handtke'scben Specialkarte von Rumänien in 6 Blättern
ist er angegeboii.
217
des Bratesch-See's, 15 Kilora. nördlich von Galatz. Ich habe ihn
zuerst gesehen auf der Höhe von Tulucesci, wo die neue Chaussee
durchschneidet und ein Wirthshaus liegt, das officiell Monostireaska,
im Volksmunde aber stets Trojan heisst. Das hier gemessene Profil
(s. Fig. 8) zeigt einen Aufwurf, der sich auf einer Basis von 24 M.
2 5 M. hoch erhebt, nördlich davor zunächst eine Bärme von 4"5 M.
Breite und dann einen scharf geschnittenen, 14 M. breiten und 27 M.
tiefen Graben. Auf dem zwischen Wall und Graben freigelassenen
ebenen Bodenstreifen läuft jetzt ein Fahrweg entlang. Am andern
Ende des Walles bei Serbesci ist das Profil verwaschener (Fig. 9):
Fig. 9
die Bärme ist verschwunden, der Graben, der hier als Fahrweg
benutzt wird, völlig ausgerundet. Das Terrain liegt im Westen
2 M. höher als im Osten; nach der somit schräg zu ziehenden
Niveauhnie hat der Graben noch eine Tiefe von 2 M., der Wall
eine Höhe von 3 M. Der Einschnitt, welcher in die Krone des
letzteren gemacht ist, umgrenzt eine Viehweide.
Dieser Wall nun wird, wie in den Chroniken, bei Cantemir
und bei Sulzer, so noch heute in der Phantasie der Bauern stets
in Verbindung gebracht mit der langen walachischen Linie. Wenn
dieselbe auch auf eine weite Strecke hin verschwunden sei, heisst
es, so tauche sie doch bei Galatz wieder auf und durchziehe von
da noch ganz Bessarabien. Trotzdem ich mir jedoch alle mögliche
Mühe gegeben, am Südufer des Sereth , Serbesci gegenüber, eine
Fortsetzung des Galatzer Walles zu finden, ein gutes Stück in's
Land hinein und dann östlich bis Barbosch gegangen bin, konnte
ich doch nicht das Geringste mehr entdecken. Ob demnach der
von Turn-Severin ausgehende Wall mit dem Galatzer Stück etwas
zu thun hat, ist ausserordentlich zweifelhaft, zumal da die neue
Linie eine ganz andere Construction aufweist.
Ich bin dann auch nach Bessarabien hineingefahren und wollte
die dortigen „Trajanswälle" begehen, erfuhr jedoch schon bei den
Grenzbehörden derartige Unannehmlichkeiten, dass ich mich auf
das allergeringste Maass der Besichtigung beschränken musste.
Der Grenzcontroleur an der Pruthmündung, der in meinen russischen
218
Generalstabskarten den hinreichenden Beweis für meine Eigenschaft
als rumänischer oder österreichischer Spion sah, schickte sich sofort
an , mich verhaften und durch zwei Gendarmen nach Reni trans-
portiren zu lassen. Und ich wäre diesem Schicksale wohl auch
nicht entgangen — besonders da im ganzen Bureau nur Russisch
gesprochen wurde! — wenn nicht ein deutscher Arzt von Galatz,
der auch gerade über den Pruth kam , sich in's Mittel gelegt und
eine Vereinbarung herbeigeführt hätte. Ich wurde entlassen auf
das bestimmte Versprechen hin, dass ich mit der Bahn direct nach
Kischnew durchfahren und mich dort sofort bei der Polizei melden
wollte. Weitere Erkundigungen machten mir dann klar, dass man
ohne einen speciellen Erlaubnissbrief von der russischen Regierung
an eine Unternehmung, wie ich sie vorhatte, wohl nicht wird denken
dürfen.
Nun fährt die bessarabische Bahn aber ausserordentlich lang-
sam , macht auf jeder Station eine halbe und bei Trojanski Val
neben Bolgrad sogar dreiviertel Stunden Aufenthalt. Somit hatte
ich hier Zeit, den Wall, der ganz dicht am Bahnhof liegt , zu be-
suchen , zu messen und noch bis auf die nächste Anhöhe zu ver-
folgen. Die Bahn schneidet die Walllinie dreimal: indem sie zuerst
von Reni aus gerade nach Norden hinaufläuft, dann nach Süden
zurückbiegt, schliesslich aber, und das ist bei Bolgrad, wieder in
ihre nördliche Hauptrichtung einlenkt. Ich hatte den Wall daher
schon vor jenem Stationsaufenthalt im Vorbeifahren gesehen und
dort bemerkt, dass er genau dieselbe Anlage zeigt, wie das Galatzer
Stück: dieselbe Stärke, dieselbe Lage des Grabens gegen Norden
und, was das Charakteristischste ist, sogar dieselbe freigelassene
Fläche zwischen Wall und Graben. Bei der Station Trojanski Val
Fig. 10
ist das Profil viel verwischter, ähnlich dem des moldauischen Stücks
bei Serbesci; es zeigt einen TT M. hohen Wall und 1"5 M. tiefen
Graben nördlich davor, die Gesammtbreite der Anlage beläuft sich
auf 39 M. (Fig. 10).
Der zweite bessarabische Wall, der weiter nördlich von
Leowa bis Bender zieht, ist viel schwächer gebaut. Ich habe den-
selben zwar nur aus dem Wagenfenster gesehen, aber, da der Zug
219
sich zur Feier des Ostertages ganz processionsmässig fortbewegte,
doch lange genug beobachtet, um seine grosse Aehnlichkeit mit
dem kleinen Erdwalle der Dobrugea feststellen zu können, von dem
er sich nur dadurch unterscheidet, dass sein Graben im Norden liegt.
An Wällen habe ich jetzt nur noch einen in der südlichen
Walachei von der Aluta aus gegen Giurgiu ziehenden und zwei
ganz kleine oben in der Moldau zu verzeichnen. Auf den ersteren
stiess ich in Folge mehrerer Angaben der Enquete, die eine Brazda
lui Novae an Ortschaften gesehen haben wollten, die der von Can-
temir und Sulzer erwähnte Wall unmöglich berühren konnte. Der
Besuch der betreffenden Gegend ergab dann, dass thatsächlich zwei
Schanzen vorhanden sind.
Diese zweite ,,Novaksfurche*^ beginnt bei dem Dorfe Vaspesci '®),
circa 50 Kilom. oberhalb der Alutamündung. In dem breiten Thale
dieses Flusses ist nichts vom Walle sichtbar, die erste Spur zeigt
sich auf dem weit nach Osten zurückgedrängten Rande des Plateaus,
gleich hinter der Serpentine, die von den Thaldörfern aus in einer
breiten Schlucht hinaufführt. Der Wall zieht hier durch unab-
sehbare Maisfelder und ist daher so verwischt, dass sich kaum
entscheiden lässt, an welcher Seite der Graben lag. Seine Erhebung
beträgt im besten Falle Oo M., und die Senkung scheint bald auf
der einen , bald auf der andern Seite stärker zu sein. Es wäre
desshalb nutzlos, eins von den Profilen, die ich dort aufgenommen,
wiederzugeben. Der Wall zieht direct gegen NO und läuft zunächst
durch die Gemeinde Calinesci "^), wendet dann aber gegen Osten
und weiter sogar gegen Südosten um und ist so besonders einige
Kilometer südlich von Roschi de Vede^") in sehr wohl erhaltenem
Fig. 11
Zustande sichtbar. Das Profil, das ich hier gemessen habe (siehe
Fig. 11) zeigt einen 1-2 M. hohen Aufwurf, dem gegen Süden
") Dasselbe ist auf der österr. Gen.-Karte nicht angegeben, es liegt 2 Kilom.
südlich von den dort verzeichneten Ghilmei und Sbrincenata. Bericht aus Vaspesci-
Birsesci B. E. Distr. Oltu Fol. 473.
") Auch dieses Dorf fehlt auf der österr. Gen.-Karte, es liegt etwa 5 Kilom
nordöstl. von Sbrincenata, südlich von Soaka leci.
") Bericht aus diesem Orte B. E. Distr. Teleorman Fol. 406.
220
hin ein Tö M. tiefer Graben folgt. Die ganze Anlage ist 28 M.
breit. Der Wall setzt seinen Lauf noch eine Strecke weit in
südöstlicher Richtung fort, zieht auf der Höhe neben dem Dorfe
Peretu entlang, wie die Enquete berichtet und mir auch der Ge-
meindevorsteher jenes Dorfes, den ich in Roschi traf, bestätigte,
muss aber wohl bald darauf den Vede - Fluss überschreiten. Für
eine längere Strecke fehlen dann zwar die Nachrichten, aber bei
Ciolanu-Pangal und Frasinu, etwa 20 Kilom. nördlich von Giurgiu,
treten sie wieder ein''^'). Da Frasinu schon unmittelbar am Rande des
Donauthales liegt, da wo die Seitenarme, Sümpfe und Seen beginnen,
dürfen wir wohl annehmen, dass der Wall hier sein Ende erreichte.
Auf die obere Moldau hatte ich besondere Hoffnungen gesetzt,
indem ich dort die Fortsetzung der um den Nordwestrand Sieben-
bürgens laufenden Befestigungslinie zu finden erwartete. Ich habe
indess nur zwei kurze Wälle feststellen können, die beide in nord-
nordöstl. Richtung laufen. Der erste davon war in der Enquete
erwähnt^^) und befindet sich 20 Kilom. nördlich von Jassy. Er
beginnt oberhalb des Dorfes Sorca am Pruth, vor dem auf
der österr. Karte angegebenen Wäldchen, und zieht von da
quer über die Niederung bis an den Fluss Jijia, in gerader Rich-
tung gegen das Dorf Papricani. Jenseits des Flusses ist nichts
mehr zu entdecken. Die Profile, welche ich am Anfang und am
Fig. 12
Ende gemessen, sind einander ziemlich gleich. Fig. 12 stellt das
in der Nähe des Pruth aufgenommene dar. Die Länge des ganzen
Walles, der den Namen ,, Trojan" führt, beträgt 5 Kilom., ein Bauer
behauptete freilich, derselbe setze sich drüben über den Pruth hin
fort; man kann aber auf solche Aussagen wenig geben, und da der
Pruth die russische Grenze bildet, zog ich es vor, nicht hioüber-
zugehen.
Das zweite Wallstück fand ich nach einer Bemerkung in
Popowitsch's Tagebuche, 25 Kilom. nordöstlich von Botoschani,
bei dem Dorfe Dangeni. Dasselbe ist ausserordentlich verwischt,
') Bericht aus Stoinesci B. E. Distr. Vlasca Fol. 447".
') B. E. Distr. Jassy, Com. Sculeni Fol. 285* und Carniceni Fol. 303.
mikm
221
zeigt nur eine leichte Schwellung des Bodens, aber eigentlich gar
keinen Graben (Fig. 13) ; der Wall heisst ebenfalls Trojan. Er
beginnt wenige Minuten von dem Gutshofe der Familie Mavrocordat,
zieht über eine kleine Anhöhe hin, dann durch eine Senkung und
abermals über eine Anhöhe und verliert sich nach 3 Kilom. vor
dem Hügel, welcher Dangeni und Hanesci scheidet. Jenseits von
Hanesci, bei Barole, soll er indess wieder bis zum Pruth hin sicht-
bar sein. Damit würden 20 — 25 Kilom. gesichert werden. Ich
habe diese Stelle nicht aufgesucht, sondern wandte mich nach Süden,
um vielleicht nach dem Sereth zu eine Fortsetzung zu finden. Aber
alle Streifereien, die ich in jener Gegend mit dem Gutsbesitzer von
Sokrugeni (7 Kilom. Südsüdwest!, von Dangeni) unternahm, waren
vergeblich.
Die Notiz Popowitsch's^^) liess mehr vermuthen. Ich will
dieselbe hier in der Uebersetzung anfügen. Wenn auch Manches
darin offenbar nur vom Hörensagen stammt, so ist doch Anderes
von dem weit umhergekommenen Ingenieur jedenfalls selbst gesehen
und kann künftiger Nachforschung als Handhabe dienen. Dass
Popowitsch den Wall noch in besserem Zustande oder an anderen
Stellen sah als ich, beweist seine Bemerkung, die Erde sei gegen
Mitternacht aufgeworfen. Der ganze Abschnitt lautet: „Der Wall
oder Trojan der oberen Moldau hat den Erdaufwurf gegen Mitter-
nacht, also gegen die Berge und Wälder. Dieser Trojan, indem er
einerseits von der Jijia aus nach Osten läuft, zieht durch den
Distrikt Dorohoi, kommt an dem Gute Dangeni vorbei und bildet
die Grenzscheide zwischen Hanesci, Brateni und Foldesci (Distrikt
Botoschani , Amt Jijia) ^*) ; parallel mit dem unteren Trojan des
Distrikts Covurlui [bei Galatz] überschreitet er den Pruth und den
Dniester nach Osten hin und zieht über Camenitza weiter. Von
") In Odobescu's Aufsatz über die Alterthümer des Distr. Dorohoi im
Monitorul official al Romaniei, Nr. 152, 13./25. Juli 1871.
'*j Diesen Ort habe ich in jener Gegend nicht erfragen können, auch in
Frunzescu's Dict. topogr. ist er nicht angegeben. Es muss wohl ein alter, heute
geänderter und vergessener Name sein.
222
der Jijia abwärts in der westlichen Moldau sind nur einzelne Reste
vom Trojan zu sehen, wie besonders diejenigen unterhalb des Gates
von Herrn Donici auf Cismanesci, ferner bei Trusesci auf dem Ge-
biete des Dreikönigsklosters (Trei - Erarchi) und noch an anderen
Stellen."
IV
Wie die vorstehenden Besprechungen zeigen, sind Wälle und
Sciianzen in den hiesigen Gegenden ausserordentlich zahlreich. Es
kann daher wohl mit Recht Zweifel erhoben werden, ob dieselben alle
römisch seien, zumal wenn man bedenkt, dass auch in Ländern,
die von den Römern nie betreten wurden, z. B. im Dniepergebiet
bei Kiew, ferner durch Grosspolen, Schlesien und die Lausitz hin
ähnliche Wälle sich finden sollen ^^). Die slavischen Völker scheinen
solche Befestigungswerke geliebt zu haben, und dass auch schon
die Barbaren, mit denen die Römer in Berührung kamen, sie kannten,
beweist die Angabe des Tacitus ^*'), nach der die Treverer in ihrem
Kampfe gegen die Germanen eine Brustwehr durch ihr Gebiet
zogen. Wir werden daher, um über die Entstehung unserer Wälle
in's Klare zu kommen, nicht bloss die Römer als Urheber in's Auge
zu fassen haben, sondern eben so gut die Dacier, die sich gegen
jene vertheidigten, und nicht minder die vielen Nationen, welche nach
den Römern den hiesigen Boden betraten, besonders die Germanen-
stämmC; welche die ersten grossen Kämpfe der Völkerwanderung an
der unteren Donau geliefert haben.
Sprechen wir zunächst von dem grossen walachischen Walle,
der zwar nur bis zur Mitte der Walachei festgestellt werden konnte,
aber sicherlich dort nicht im Leeren abbrach, sondern weiter nach
Osten hin einen festen Anschluss finden musste. Dass er dies that,
indem er am Buzeuflusse entlang bis zum Sereth lief, ist die ge-
wöhnlichste und allerdings auch ansprechendste Vermuthung.
Dacisch kann der Wall nicht sein, sonst würde seine Ver-
theidigungsfront, der Graben, jedenfalls gegen Süden liegen. Auch
römisch ist er schwerlich. Denn selbst in die zwei einzigen
Perioden, denen er in diesem Falle angehören könnte, Anfang
oder Ende der römischen Herrschaft in Dacien, passt er wenig.
") Siehe die oben angeführte Stelle Miron Costin's und Schaffarik, Slav.
Aiterthümer I p. 520 f.
'*) Tac, Hist. IV 37: quin et loricam vallumque per finea suos Treveri struxere
marjnisfjiie invicem rlarWniJi cuvi Oermanis cerlabant.
223
Aus dem Anfang könnte er stammen, wenn er den Gebietstheil ab-
gegrenzt hätte , den Trajan als Siegespreis " des ersten dacischen
Krieges einverleibte. Dieser Gebietstheil aber war jedenfalls nicht
die walachische Ebene, sondern das Banat von der Donau bis
nach Sarmizegethusa hinauf. In der Königsstadt des Decebalus
liess Trajan sein Heer zurück und bei Turn-Severin baute er zwi-
schen dem ersten und zweiten Kriege die grosse steinerne Brücke.
Beide Punkte liegen ausserhalb unseres Walles.
Aehnlich steht es mit dem anderen Zeitpunkte. Die Römer
haben zwar um die Zeit Constantins des Grossen mehrfache Kriege
jenseits der Donau geführt^'), aber gewiss nur, um die Grenze an
der Donau zu sichern, nicht um sie weiter nach Norden vorzu-
schieben.
Um so grösseres Gewicht bekommt daher eine Stelle des
Ammianus Marcellinus über den ersten Verstoss der Hunnen
gegen die Gothen. Athanarich, vom Dniester vertrieben, zieht sich
zunächst in die effagia montium praeruptorum , wohl einfach die
hügelige Moldau, zurück und errichtet dann eine grosse Schanz-
linie, um die Feinde abzuwehren : qua rei novitate maioreque veniuri
pavore constrictus , a supercilus Gerast ßwminis ad vsque Danubium
Taifalorum terras praestringens , miiros altius erigebat: hac lorica
diligentia celeri consummdta in tuto locandam securitatem suam existi-
mans et salutem^^). Der Gerasus kann nur der Hierasus des Ptole-
maeus, also der Sereth^^) sein, und wo die Taifalen wohnten, sagt
uns sehr deutlich derselbe Ammianus in der Erzählung eines
Krieges des Constantius gegen verschiedene Völkerschaften an der
Theissmündung'*"): nämlich Obermösien gegenüber, also im heutigen
Banat. Wenn daher die Schutzwehr Athanarich's „vom Rande des
Sereth bis ganz an die Donau, bis vor das Gebiet der Taifalen
hin" lief, so ist das genau die Linie unseres Walles.
*') S. z. B. Julian. Caesares p. 329 B.
3S) Amm. Marc. XXXI 3, 7.
'') Ptol. III 8, 2 sagt, dass der Hierasus bei Dinogetia münde, er kann also
nicht den Pruth meinen, wie Einige angenommen haben, sondern nur den Sereth.
Was sonst in Betracht gezogen ist, entscheidet nichts.
^'') Amm. Marc. XVII 13, 19 f. : ad quos {Picenses) opprimendos Taifalorum
auxilium et Liberorum adaeque Sarmatarum adsuviptum est. cumque auxiliorum agmina
locorum ratio separaret, tractiis contiguos Moesiae sibi miles elegit , Taifali proxima
suis sedibus obtinebant, Liberi terras occupaverant e regione sibi oppositas. Siehe
auch XVII 13, 4 und Spruner-Menke, Atlas antiquus Karte XVI.
224
Es mag erstaunlich scheinen, dass die Gothen ein so rie-
siges Werk von 600 Kilom. Länge errichtet haben sollen. Aber
wenn es nicht erstaunlich gewesen wäre, hätte es Ammianus wohl
gar nicht erwähnt und seine Ausdehnung nicht so genau angegeben.
Dass Atbanarich sich wirklich gleich nach seinem Zurück-
weichen vor den Hunnen in der walachiscben Ebene festsetzte,
beweist die bekannte Thatsache, dass mehrere westgothische Stämme,
welche bisher jene Striche bewohnt hatten, von ihren östlichen
Brüdern gedrängt, die Donau überschritten und den Kaiser Valens
um Wohnsitze in Thracien baten**). Wir werden nicht umhin
können, den walachiscben Wall dem Ostgothenkönig und dem Jahre
376 n. Chr. zuzuschreiben.
Dieses Resultat wird allerdings von denjenigen, welche in
allen Befestigungsresten der hiesigen Gegenden Römerwerke sehen
möchten , als ein negatives empfunden werden. Aber auch diese
negative Seite, die es neben seinem doch unbestreitbar sehr posi-
tiven historischen Werthe aufweist, ist ausserordentlich heilsam.
Die Tradition hat liier einen so starken Zug, Alles zu romanisieren,
dass es für die Erkenntniss des echt Römischen ein grosser Gewinn
ist, wenn einmal etwas Unechtes mit Sicherheit ausgeschieden
werden kann.
Wer weiss, ob nun auch im Banate Alles getreulich weiter
für römisch gelten wird, was dort bisher dafür gegolten hat ?
Jedenfalls mahnt uns das eben Erfahrene, in der Beurtheilung
der übrigen oben beschriebenen Wälle sehr vorsichtig zu sein.
Der in der Moldau bei Nicoresci vorbeiziehende sieht allerdings
aus , als wenn er eine römische Chaussee gedeckt haben könnte.
Er knüpft am Pruth an die bessarabische Linie an und erreicht
den Sereth gerade da, wo der Trotusch einfliesst. Den Trotusch
hinauf gelangt man aber geraden Weges zum Oitoschpass, dem
bequemsten Uebergang nach Siebenbürgen, der ohne Zweifel auch
in römischer Zeit schon fleissig benutzt wurde. Gooss zeichnete
schon auf seiner Karte von Dacien^'^) in punktierter Linie eine
Chaussee, die auf siebenbürgischer Seite zum Oitosch führte, und
fand bald darauf bei Beretzk das Castell, welches den Ueber-
") Amm. Marc. XXXI 3, 8 fif.
^') Studien zur Geographie und Geschichte des trajanischen Daciens, Schäss-
burger Gymu. Progr. 1874.
225
gang gedeckt haf*^). Diese ganze Linie könnte identisch sein
mit dem beim anonymen Geographen von Ravenna erwähnten
Strassenzuge von Porolissum nach Tyras^"*). Von Porolissum zum
Oitosch, den Trotusch hinunter, quer durch die Moldau zum Pruth
und am bessarabischen Limes entlang bekämen wir die directeste
Verbindung zwischen dem nördlichen Dacien und dem Schwarzen
Meere.
Weiter könnte man dann vermuthen, dass diese moldauische
Strasse die Grenzstrasse {limes im eigentlichen Sinne) gewesen sei,
dass die Römer im Ganzen den Hierasus-Sereth als Grenze ge-
nommen hätten, wie Ptolemaeus es angibt, dass sie nur im Süden
darüber hinausgriffen, soweit der Verkehr mit dem Pontus es nöthig
erscheinen liess^ und dass von der Linie, die als oberster Theil
der Ostgrenze den Sereth mit der Dniesterbiegung verband*^),
vielleicht der Wall bei Botoschani ein üeberrest sei, den Popowitsch
viel weiter gesehen hat als ich.
Aber ich will diese Möglichkeit nur andeuten und nicht weiter
ausführen, da mir, wie gesagt, der römische Charakter dieser Wälle
zu zweifelhaft erscheint.
Römische Münzen werden sehr viel in der Moldau gefunden,
aber so weit ich beobachten konnte nur Silber. So kamen vorigen
Winter in Avramesci , 40 Kilom. östlich von Bacau, 88 Denare zu
Tage, die jetzt dem Berlader Gymnasium geschenkt sind und von
mir catalogisiert wurden. Es ergab sich folgende Zusammensetzung:
"j Arch.-epigr. Mitth. I p. 33 u. 113.
*') Beim Rav. IV 5 p. 177 f. ed. Finder et Parthey steht zwar Phira in den
Handschriften , da aber vom Schwarzen Meere die Rede ist und der Rav. von
Namensverstüramelungen wimmelt, so wird zweifellos Thira (Tyras) zu schreiben
sein. Die ganze Koute lautet: Phira, Tirepsum, Iscina, Capora, Alincum, Ermerium,
Urgum, Sturum, Congri, Porolissum, Certie. Gooss, Stud. p. 52 vermuthet in Iscina
das Physce, in Capora das Harpis, in Ermerium das Hermonactus des Ptolemaeus
III 10, 7.
^') Ptol. III 8, 2: äiTÖ 6e ävaToXiLv {y\ AuKia irepiopiJeTai) tuj xe evxeöOev
"ItfTpoi iroTaiuiü luexpi Tfjt; kötü Aivo-fexeiav ttöXiv eTnaxpocpfi<; ... Kai exi xip
'lepäatu TToxajLiLu, ö<; Kaxä AivoY^xeiav eKxpairei^ d-rrö xoO "löxpou 7rpö(; apKxou<;
Kai ävaxoXäc; qpepexai, M^xpi ff](; eipriiuevrn; xoö Tüpa iroTainoö €inaxpo9fj^.
Auch Jordanis nennt, wie mir scheint, den Hierasus als Ostgrenze von Dacien;
denn in seiner Angabe (p. 26 Closs = 5, 33 p. 62 ed. M.) ab afi-ico vero magmis
ipae Danubius, ab eoo Flutausis secat, ist das thörichte Flutausis, das bisher im
besten Falle in ßuvius Älu(a corrigiert wurde , doch wohl durch die einfache
Verschreibung : ?/ ^ J ^ ^ ". ^
° Flutausis
zu erklären.
Arcköelogisch-epigraphiscbe Mitth. IX. -je
226
1 Nero, 2 Vitellius, 11 Vespasian, 8 Trajan, 14 Hadrian , 2 L.
Aelius, 20 Antoninus Pius^ 13 Faustina I, 12M. Aurel, 1 Faustina II,
l L. Verus, 1 Lucilla, 1 Commodus, 1 Sept. Severus. Auf meine
Besprechung des Fundes in der Presse wurde im Romanul vom 10./22.
Juni d. J. mitgetheilt, dass an demselben Orte vor mehreren Jahren 100
römische Silbermünzen und ein anderes Mal sogar 800 Stück (von
welchem Metall, war nicht angegeben) gefunden und theils an
Privatleute, theils ins Bukarester Museum gekommen seien. Leider
wird aber im Bukarester Museum gar kein Provenienzregister ge-
führt, so dass sich jene früheren Funde nicht mehr zusammen-
stellen Hessen.
Zu den Wällen zurückkehrend, möchte ich nur noch für einen
derselben, nämlich den bei Galatz, entschieden römischen Ursprung
in Anspruch nehmen. Dieser zeigt, wie oben dargelegt wurde,
genau die gleiche Construction wie die südliche bessarabische An-
lage , stammt also augenscheinlich aus derselben Zeit und diente
vermuthlich einem ähnlichen Zwecke. Beide jedoch als ein und
dieselbe Linie zu betrachten verbietet der weite Zwischenraum am
Pruth, den der Galatzer Wall bei Tulucesci erreicht, während der
bessarabische erst 25 Kilom. weiter nördlich bei Vadu lui Issak
beginnt.
Der bessarabische Wall war wohl sicher dazu bestimmt, die
römische Pontusküste gegen das sarmatische Binnenland zu schützen ;
er begrenzte somit das Gebiet, das zwar keiner Provinz einverleibt,
aber bekanntlich administrativ zu Untermösien gezogen wurde.
Was dann das kurze Galatzer Stück bezweckte, ist, glaube ich,
nicht minder klar.
Die Stadt Dinogetia , die von Ptoleraaeus zu Niedermösien
gerechnet wird und auf der Ptolemaeischen Karte auf dem rechten
Donauufer verzeichnet steht, ist trotzdem mit Mommsen und Kie-
pert'*^') unbedingt auf das linke Ufer, an die Serethmündung zu
verlegen, und das aus einer ganzen Reihe von Gründen. Zunächst
wird die Stadt in der rechtsuferigen Chaussee der Tabula Peutin-
geriana nicht aufgeführt. Sie müsste zwischen Arrubium und Novio-
dunum genannt sein ; für eine Corruptel liegt keinerlei Anzeichen
vor, die Auslassung lässt sich also nur daraus erklären, dass sich
thatsächlich auf dieser Seite kein Dinogetia befand. Ferner sagt
Ptolemaeus , dass der Hierasus (Sercth) bei Dinogetia münde und
^■•") C. I. L. III K.iitf II.
227
benennt das grosse Donauknie bei dem heutigen Galatz immer
nach Dinogetia '*'') ; die Stadt muss also scharf an jener Biegung und
dicht an der Donau gelegen haben. Für eine solche Lage bietet
sich aber am rechten Ufer gar keine Möglichkeit, wegen der 5 Kilom.
breiten Versumpfung, die der Fluss hier angerichtet hat. Und in
der That sind auch zwischen Arrubium (Macin) und Noviodunum
(Isaccea) durchaus keine Spuren einer einstigen Ansiedlung vor-
handen.
Am gegenüberliegenden Ufer dagegen befindet sich , nördlich
vom Einfluss des Sereth, ein grosser Ruinencomplex, der vom Volke
Gertina oder Gergina genannt wird und der durch jede neue Spende
uns der Gewissheit näher bringt, dass eben dort Dinogetia ge^
standen habe.
Ptolemaeus zählt Dinogetia zu Niedermösien. Die zwei Haupt-
inschriften, die bis jetzt aus Gertina veröffentlicht sind, zeigen
beide, dass dieser Punkt des linken Ufers von drüben, von Nieder-
mösien aus, seine Besatzung erhielt ■*'), zur Zeit Trajans sowohl,
aus der die erste , wie zu der des Marcus Aurelius , aus der die
zweite stammt. Im Jassyer naturhistorischen Museum fand ich jetzt
noch mehrere Gegenstände aus Gertina, die fast 40 Jahre in einem
Kellerwinkel versteckt gewesen und zufällig vorigen Herbst hervor-
gezogen waren. Ausser ein paar unbedeutenden Inschriftenfragmenten
und einer Lampe waren das zwei Ziegel mit dem Stempel: coHii-wv-n'*^)
und ein dritter von der leg. V Mac. ; ferner aber, sehr merkwürdig,
ein halbes Dutzend griechischer Lekythen, darunter zwei schwarz-
figurige, mit der gleichen Darstellung eines zum Abfahren bereiten
Viergespanns. Der Krieger auf dem Wagen hat die Zügel ergriffen, vor
den Pferden steht ein Mann mit erhobenem Stabe, hinter ihnen ein
anderer leierspielend. Daneben fiel mir noch die hübsch gearbeitete,
wenn auch sehr verwaschene, 12 Cm. hohe Terracottafigur eines
bärtigen Mannes auf, der mit gesenkten Armen in ein langes
Gewand gekleidet ist. Idi wollte nicht glauben, dass diese Dinge
aus Gertina stammten, aber Herr Prof. Beldiceanu, der mich führte,
versicherte, dass nie etwas nach Jassy gekommen sei ausser von
dort und zeigte mir nachher in seiner Wohnung die ganz gleiche
^«) Ptol. III 8, 2; 10, 1.
") C. I. L. III 777 (s. Mommsen's Anm. dazu) u. 778.
*^) Die C. I. L. Ili 785, 2 nach Vaillant wiedergegebene Lesung ist danach
■/AI corrigieren.
15*
228
Thonfigur und eine rothfigurige Lekythos mit einer Bacchantin
darauf, die er erst vorigen Herbst selbst aus jenen Ruinen mitge-
bracht hatte.
Es geht daraus hervor, dass der Ort an der Serethmündung
schon in sehr früher Zeit griechischen Import erfuhr und jedenfalls
den Handel der Pontusstädte mit dem Binnenlande vermittelte.
Vielleicht war er sogar von dort aus colonisiert, die griechische
Färbung des Namens Dinogeteia legt eine solche Annahme nahe.
Und besonders wenn man bedenkt, dass das direkte Hinterland von
Kallatis, Tomi und Istropolis die dürre Dobrugea war, dass die
Hauptproducte des Landes ebenso wie noch heute tiefer aus dem
Innern geholt werden mussten . so erscheint die Errichtung einer
Handelsstation an dem Punkte, wo Moldau und Walachei beginnen,
geradezu als Nothwendigkeit.
Die Römer mussten einen so wichtigen Posten natürlich occu-
pieren, sobald die Pontusküste und Niedermösien in ihre Hand kamen.
Das geschah im Jahre 57 n. Chr. Dacien war damals noch Bar-
barenland. Das einverleibte Gebiet von Dinogetia musste also nach
Norden hin geschützt werden, und als diese Schutzlinie möchte ich
den uns erhaltenen Wall betrachten. Derselbe würde damit die
eigentliche Grenze der Provinz Niedermösien bilden.
V
Die Berichte der Bukarester Enquete und eigene Nachfor-
schungen an Ort und Stelle führten mich zur Feststellung einer
bisher unbekannten, aber allem Anscheine nach römischen Chaussee,
in der grossen Walachei. Dieselbe beginnt bei Flamanda an der
Donau, 10 Kilom. östlich von der Alutamünduug, und zieht direct
nördlich über Putineu, Adincate nach Roschi de Vede. Bis hierher
habe ich sie selbst verfolgt. Sie heisst ebenso wie die westlich
von der Aluta laufende Drumul lui Trajan, ,,die Trajansstrasse",
oder auch einfach „Trojan", ist 11 M. breit und erhebt sich ge-
wöhnlich 0-.3 bis 1 M. über den Boden. Die Bedeckung mit
Grand, die die rechtsufrige Römerstrasse tiberall kenntlich macht,
fehlt hier; wohl deshalb, weil der Fluss , der die Fundgrube für
jenes Material abgab, zu weit entfernt liegt. Dafür aber wissen die
Bauern und auch die Enqueteberichte überall zu erzählen von der
röthlichen Thonerde, die besonders bei Regenwetter auf der Chaussee
zu Tage trete. Sie versichern, dass bei gelegentlichen Grabungen
noch compakte Ziegelstücke hervorgezogen würden . und dass der
229
ganze Weg daher einst mit Ziegeln gepflastert gewesen sein müsse.
Es würde das seine Analogie finden in der Art, wie man noch
heute in Gegenden, die über kein natürliches Hartmaterial verfügen,
z. B. im Oldenburgischen, Chausseen aus Ziegeln, die auf die hohe
Kante gestellt werden, baut.
Die Strasse zieht von Roschi de Vede über Scrioschte*^) und
Cueuetzi^"). Dann werden die Nachrichten spärlich. Erst 40 Kilom.
weiter bei Urlueni^^), kurz vor dem Eintritt in den Distrikt Argesch
macht sie wieder von sich reden und setzt dann ihren Weg jeden-
falls immer direkt nach Norden fort. Eine Urkunde des walachi-
schen Fürsten Constantin Brancovan spricht, wie Popowitsch an-
gibt'^'^), von einem „Trojan'' bei Godeni in der Nähe von Campo-
lung. Das wird wohl unsere Chaussee sein, denn allen Anzeichen
zufolge zog dieselbe nach Campolung, wo die neuesten Grabungen
ein römisches Lager wahrscheinlich gemacht haben. Herr Butcu-
lescu in Bukarest soll daselbst Ziegel mit lateinischer Cursivschrift
gefunden haben, deren Pubhcation Herr Prof. Tocilescu vorbereitet.
Sodann habe ich zu der in früherer Zeit oft besprochenen
Brückenfrage von Celei in rumänischen Quellen mancherlei Neues
und Interessantes aufgefunden. Dass die grosse Trajansbrücke,
welche Dio Cassius beschreibt^''), nicht bei Celei, sondern bei Turn-
Severin gestanden hat, ist zwar von Aschbach ^*) sicher erwiesen
worden; aber der löbliche Eifer, dieser Wahrheit Geltung zu ver-
schaffen, hätte ihn nicht bis zu der Behauptung führen sollen,
dass bei Celei überhaupt gar keine steinerne Brücke existiert habe.
Schon Popowitsch berichtet ^^), dass die Steintrümmer vom Brücken-
bau in grosser Menge oberhalb Celei umherlägen, dass der Brücken-
kopf des bulgarischen Ufers an der rechten Seite der Iscrusmündung
sichtbar sei und dass die Bevölkerung die Brücke „die eherne"
nenne, weil ein grosser, 3 Fuss langer, viereckiger, an den Enden
umgebogener Bronzekrampen, der zur Verbindung des Steinwerks
") B. E. Distr. Teleorman Fol. 422.
5°) B. E. a. a. O. Fol. 406.
5") B. E. a. a. O. Fol. 512.
") Trovipetta Carpatüor Nr. 869 12./24. Nov. 1870 „die Urkunde Coustantin
Brancovan's (4. März 1205), für den Gutsbesitzer Kadu Golescu auf Godeni aus-
gestellt, spricht von dem Trojan, der sich auf dem rechten Ufer des Baches Bugea
befinden soll".
") Dio Cass. LXVIII 1.3 f.
'*) Aschbach, Ueber Trajans steinerne Donaubrücke, Wien 1858.
^*) Bei Odobescu Ann, soc. acad. Rom. X 2 p. 216.
230
f^edient habe, in der Donau gefunden wurde. Im Jahre 1872 liat
dann ßolliac^'^) ,,an der linken Seite der Brücke, da wo dieselbe
zur Chaussee — d. i. zur Alutastrasse — hinaufsteigt", gegraben,
ist nach Auffindung von Ziegeln und Statuenfragmenten auf ein
3-2 M. breites, 1 M. tiefes und 1 M. dickes Mauerstück gestossen,
das aus grossen behauenen Steinen, Ceraent und Ziegeln zusammen-
gesetzt war, und hat aus diesem die Arch.-epigr. Mitth. III p. 41 publi-
cierte, dem Commodus gewidmete Inschrift hervorgezogen. Wenn
Bolliac Recht hat, jenes Gemäuer als zum Brückenkopf gehörig zu
betrachten^ so würde sein Fund allerdings beweisen, dass die Brücke
aus spätrömischer Zeit stammt. Und sie könnte dann sehr wohl
mit derjenigen identisch sein , welche Constantin der Grosse über
die Donau schlug"). Die Münzfunde von Celei weisen ganz auf-
fällig darauf hin, welch starker römischer Verkehr in der Zeit von
/Onstantin ab in dieser Gegend war. So berichtet Laurian***) über
(nen Besuch in Celei (1846) : „Es werden hier sehr viele antike
inzen gefunden, ich kaufte von den Bauern gegen 200 Stück,
meist Bronze, sehr wenig Silber. Aber was am meisten Beachtung
verdient, ist, dass der grössere Theil davon Constantine, Constanze,
Juliane und Joviane sind; neben ihnen finden sich immer auch
ältere, aber seltener."
Und ganz ähnlich BolHac^") (1869): „In meinen mehrfachen
Ausgrabungen (in Celei) fand ich viele Bronze- und einige Silber
münzen, besonders immer aus zwei Epochen : von Scptimius Severus
bis Alexander Severus und von Constantin bis Gratianus; sehr
wenige aus der früheren Zeit und diese ganz verwischt .... Die
Münzen von Constantin bis Gratian sind hier im Uebertiuss und
A hier war es auch, wo vor drei Jahren die 6000 Silberstückc aus
jener Periode gefunden wurden."
\ Selbst bis nach ßccica (Romula) hinauf, 50 Kilom. vom Donaü-
ufer entfernt, lässt sich der lebhafte Verkehr jener si)äten Zeit ver-
folgen. Bolliac sagt^"), dass dort ,, Münzen aus den beiden Epochen
von Septimius Severus bis Aurelian und wieder von Constantin
bis Honorius gefunden werden."
") Trompetta Carpatilor Nr. 1010 '20. Aug./l. Sept. 1872, wieder nbgedr.
bei Odobescu a. a. O. p. 244 f.
*') Siehe die Literatur bei Aschbach p. 23 Anm, 3.
**) Aus dem Mafjazimd istor. penti-u Dada II wieder abgedruckt bei Odobescu
H. a. O. p. 219.
■■«) Aus dem Monü. off. 1869 Nr. 222 f. abgodr. bei Odobescu a. a. O. p. 241.
"") In demselben AitiUfl, l)ei Odobescu p. 262.
231
Von regelrechten Ausgrabungen in Celei, von dem wir noch
nicht einmal den römischen Namen wissen, und besonders auch in
liecica ist noch viel Aufschluss über die Geschichte Daciens zu
hoffen. In Recica, dem ich zusammen mit Hrn. Dr. v. Domaszewski
einen flüchtigen Besuch abstattete, fanden wir die Bauinschrift der
römischen Festung, welche die schon mehrfach ausgesprochene Ver-
rauthung, dass dort Romula zu suchen sei, endgültig bestätigt. Die
Inschrift ist stellenweise sehr verwischt, in den ersten neun Zeilen
konnte nur der Name des Kaisers 31. (Jul. Phüippus), nebst dem des
Sohnes M. Jid. {Philippvs) und seiner Gemalin Otadlia festgestellt
werden. Die letzten drei Zeilen aber sind völlig klar, sie lauten:
oh tutelam civit{atis) coloniae suae ] Roinul{ensium) circuitum muri
manu \ militari a solo fecerunt. Hoffentlich wird das vielfach inte-
ressante Stück, das jetzt in die Obhut des Herrn Prof. Tocilescu
in Bukarest gekommen ist, bald ganz publiciert.
Ich bin durch diese Entdeckung veranlasst worden, die von
der Tabula Peutingeriana genannte Chaussee Drubetis - Romula-
Apulum in einer Hinsicht anders zu ziehen, als es bisher üblich
war. Ich habe dieselbe nämlich von Drubetis über Amutria Pelen-
dova Castra nova in gerader Linie bis Romula durchgeführt, wäh-
rend man sie bisher zwischen Castra nova und Romula im spitzen
Winkel den Umweg über Celei machen Hess. Von Drubetis bis
Castra nova sind im Ganzen 91 m. p. — 136-5 Kilom. angegeben;
Castra nova muss also gleich hinter Craiova liegen. Von da bis
Romula sollan nach der Peutingeriana vXX m. p. sein. Diese Zahl
wird allgemein für 70 gelesen und würde also 105 Kilom. aus-
machen. Das wäre für die directe Entfernung der beiden Orte zu
viel und deshalb kam man eben auf jenen Umweg über Celei.
Aber für diesen Umweg ist es wieder unbedingt zu wenig: selbst
wenn man Castra nova etwa nach Cacaletzi setzen wollte — wie
Gooss thut®') — was schon sehr weit über Craiova hinaus wäre,
würde noch diu Lufthnie bis Celei und von da nach Recica mehr
betragen als jene 105 Kilometer. Und gesetzt, die Chaussee wäre
wirklich so gelaufen, wäre es dann wohl denkbar, dass sie die
Station bei Celei, die nach den dort befindlichen Ruinen und nach
ihrer einzigen, aber vielversprechenden Inschrift ^^'^j vielleicht der
^') Gooss, Studien etc., Schässburg 1874 p. 42.
'^^) Die oben erwähnte des Commodus. Siehe Hirschfeld Arch.-epigr. Mitth.
m p. 41.
232
wichtigste Ort im ganzen südlichen Dacien war, gar nicht erwähnt
hätte ?
Man hat sich diese Schwierigkeiten nicht verhehlt und dess-
halb eine stärkere Verderbniss jener Stelle der Peutingeriana ange-
nommen ^^). Aber ich glaube, die Frage lässt sich durch eine kleine
Correctur vollständig lösen und diese dürfen wir jetzt getrost wagen,
da wir über die Lage von Romula völlig im Sicheren sind. Das
Zeichen, womit die Peutingeriana die Entfernung zwischen Castra
nova und Romula angiebt, ist eben nicht als 70 zu lesen. Sie
hat für die Zahl 50 sonst immer ein langes L, das ganz anders
aussieht als jener curiose Haken vor XX. Ich vermuthe in diesem
Haken einfach den Rest eines X. Die 30 m. p. = 45 Kilom.,
die so entständen, würden für die directe Entfernung von Castra
nova nach Romula vortrefflich passen. Es wäre auch ganz unbe-
greiflich, wenn von dem recht bedeutenden Romula kein directer
Weg nach dem Westen hin existiert hätte. Dass aber das Chaussee-
stück von Romula nach Celei auf diese Weise auf der Peutingeriana
nicht erwähnt war, darf uns nicht wundern: gab es doch gar man-
cherlei Strassen in Dacien, wie z. B. die grosse an der Marosch
entlang^*), oder die eben beschriebene von Flamanda hinauf, von
denen sich auf jener Karte keine Spur findet.
Ja, gleich neben der von Romula nach Celei führenden lief
von derselben Stadt aus noch eine Strasse dicht am Alutaufer nach
Islaz hinunter, die auch auf der Peutinger'schen Karte nicht ver-
zeichnet steht;, über deren Vorhandensein uns aber die Enquete-
berichte *'^) aus den Dörfern Recica, Farcasch, Stoinesci, Slaveni,
Gostavetzi, Scarischora völlig vergewissern.
*') Mommsen im C. I. L. III p. 252: Peutingeranae üinei'a i)er eas partes
perplexa sunt et turbata.
«') Gooss, Stud. p. 45.
«') Gedruckt bei Odobcscu a. a. O. p. 182 f., Scarischora aus deu Reise-
notizen Dem. Sturdza's p. 232.
Epureni C. SCHUCHHARDT
233
Das Amphitheater zu Aquincum*)
(Zu Band VIII Taf. IV)
Im Herbste des Jahres 1880 beschloss die Coraraission für
Kunstdenkmäler, auf dem sogenannten Schneckenberge, in der Nähe
der nördlich von Altofen gelegenen Krempelmühle Ausgrabungen
vorzunehmen. Schon die ersten Versuche lieferten den Beweis,
dass unter dem Schneckenberge das Amphitheater der Stadt Aquin-
cum verborgen lag. In jener ersten Campagne wurden jedoch nur
die nördliche Hälfte, sowie die unmittelbar an die Thore anstos-
senden Theile der südlichen Hälfte aufgedeckt. Obwohl das hervor-
tretende Grundwasser die vollständige Blosslegung des Bodens der
Arena verhinderte, so Hessen sich doch die Masse mit Sicherheit
feststellen. Die Länge der grossen Axe in der Richtung vom
Westthore (K) zum Ostthore (I) gerechnet, beträgt 53-36 M., die
Länge der kleinen Axe von der Kammer 2 zu Kammer 5 beträgt
45-54 M., der Flächeninhalt 1908-53 Quadratm.
Ein tiefer Einschnitt vor der Kammer 2 lieferte den Be-
weis, dass der Boden der Arena aus festgestampftem Mergelthone
bestand, welcher mit einer Schichte von Kieselsand überzogen war.
Die Arena war ringsum von einer circa 0-7 M. dicken Mauer
umschlossen (A, I, G, H, K, B). Diese Mauer erhob sich auf einem
Fundament aus Bruchsteinen, welches in dem schon genannten Ein-
schnitte vor Kammer 2 zu Tage trat, und bestand aus zwei Theilen,
einem äusseren Ringe von 038 Br. aus Bruchsteinen, die durch
Kalkmörtel verbunden waren, gebaut, und einem inneren aus Stein-
quadern von 0-32 Dicke und verschiedener Länge, welche in
Schichten von gleicher Höhe übereinander lagen. Die Höhe dieser
Mauer betrug an der best erhaltenen Stelle der Bruchsteinmauer
2-57. Diese Podiummauer wurde durch Decksteine von 0-6 H.,
0*59 Br. und wechselnder Länge gekrönt. Die oberste Schichte
des inneren Ringes der Podiummauer scheint 0*15 unter diesen
Decksteinen hervorgeragt zu haben. Demgemäss betrug die Höhe
der Podiummauer mit den Decksteinen, die zugleich als Schranken
für die Cavea dienten, 3'17.
*) Nach Torma Karoly. Az Aquincumi Araphiteatrum ejszaki feie (der nörd-
liche Theil des Amphitheaters von Aquincum). Budapest 1881. Der Auszug be-
schränkt sich im Wesentlichen auf eine Erläuterung des Grundrisses. — Die im
Amphitheater gefundenen Inschriften sind nach derselben Monographie abgedruckt
in dieser Zeitschrift VII S. 93—98.
234
Fast auf allen Quadern der Podiummauern, sowie auf diesen
Decksteinen sieht man Spuren einstiger Malerei und zwar einer
wiederholten Bemalung. So folgen Schichten von pompejiroth, weiss,
blassgrün, blassgelb und zuletzt wieder pompejiroth.
An den nördlichen Theil der Podiummauer sind drei Kammern
angebaut (1, 2, 3). Die Entfernung der Mitte des Ostthores (I)
von der Mitte der Thür der Kammer 1 beträgt im elliptischen Bogen
der Podiummauer gerechnet 19*26; die Entfernung der Mitte der
Thüren der Kammern 1 und 2 1909; die ebenso bestimmte Ent-
fernung der Kammern 2 und 3 18-62 und endlich die Entfernung
der Kammer 3 von der Mitte des Westthores (K) 19*86. Die Kammer
1 ist im Lichten 2*43 br. und 2*7 tief; die Thüre ist 0*57 breit,
die Dicke der Mauern beträgt 0*6, die höchste erhaltene Höhe 1'54.
Die Breite der zweiten Kammer misst im Lichten 3*26, die
Tiefe 2*8, die Thüre ist 0*48 br. Die Mauer ist ebenfalls 0*6 breit
und die höchste erhaltene Höhe beträgt 2*52. An der Rückwand
befindet sich eine zweite Thür, welche 1*11 br. ist. Die Schwelle
dieser Thür liegt höher als der Boden der Kammer, zu welchem
Stufen hinabführen.
Die dritte Kammer hat 2 M. Breite, 248 Tiefe, die Thüre ist
046 br. Die Mauerdicke ist 0*6 und die höchste erhaltene Höhe
2 M. In die Oberseite der Seitenmauern dieser Kammer sind fünf
Stufen eingeschnitten, deren Höhe 0*26 beträgt. Auf diesen Stufen
ruhten unmittelbar die Sitzstufen und bildeten so die Dicke der
Kammer. Sie wurden zum Theilc noch in der Arena aufgefunden.
Eine mass 2*3 in der Länge, 0*57 in der Breite und 0*26 in der
Höhe.
Die Kammer 5 an der Südseite ist 3*42 br., 3*50 tief Die
Mauerhöhe beträgt 2*02, die Stärke 0*6 — 0*7. Die Schwelle
wurde noch in situ gefunden. Es scheint, dass diese Kammer ge-
wölbt war. Die Bestimmung der Maucrthcile a und b ist unklar.
Die Kammer 4 ist an die südliche Mauer des Ostthores an-
gelehnt. Die Breite beträgt 2*6 und 3 5, die Tiefe 2*7 und 3*45;
die Dicke der Mauer 0*6 ; die höchste erhaltene Stelle 2*47. Die
Wände waren bemalt.
Parallel mit dem Podium läuft die Aussenmauer in einer Ent-
fernung von 13-82— 14*24. Unweit des Westthores, zwischen den
Strebepfeilern 16 und 20, springt die Aussenmauer um 3*22 — 3*85
vor. Sie ist an dieser Stelle gleichfalls elliptisch gekrümmt. Die
Stärke der Mauer wechselt zwischen 0*9 und 17. An die Innenseite
235
der Aussenmauern setzen im rechten Winkel Mauerfortsätze an,
von welchen im Ganzen 25 aufgedeckt sind.
Die Länge ist verschieden von 4*75 (12 und 14) bis 7-9 (5).
Die ungewöhnliche Länge des Mauerfortsatzes 21 (8'75) erklärt sich
daraus, dass er als Fundament für eine Stie,2:e diente. Die Breite
wechselt zwischen OG und 1-2. Auch der Abstand zwischen je
zwei Mauerfortsätzen ist sehr verschieden. Die Strebepfeiler der
Aussenwand sind nicht minder unregelmässig angebracht. Die kleinste
Entfernung zwischen Strebepfeiler 15 und 16 beträgt 2*1, die grösste
zwischen 17 und 18 11*45. Der Strebepfeiler 21 ist bis zu einer
Höhe von 2-5 erhalten, sonst beträgt die Höhe durchschnittlich
nicht mehr als 0'9. Es scheint, dass auch die Aussenwand, und
zwar gleichfalls wiederholt, bemalt war, worauf Reste von bemaltem
Stuck, welche zwischen Strebepfeiler 5 und 6 und 20 und 21 ge-
funden wurden, hindeuten.
Die nördlichen Seitenmauern der beiden Thore verschraälern
sich in der Richtung gegen die Arena zu, und zwar beträgt die
Länge dieser schmäleren Mauertheile beidemale 4-21. Dieses Mass
mag die Breite des untersten Theiles der Cavea, welcher dann durch
eine Präcinetion von dem oberen Theile getrennt war, bezeichnen.
Den Haupteingang bildete das Ostthor, dessen nördliche Seiten-
mauer 16'2, dessen südliche Seitenmauer 17'58 lang ist. Neben der
nördlichen Seitenmauer läuft eine zweite Mauer in der Entfernung
von 1*48 (c — d), welche auf diese Weise einen Gang im Thorweg
bildet. An dem Ausgange dieses Ganges in die Arena ist noch
die Thürsch welle erhalten.
Die Breite des äusseren Thoreinganges beträgt 4-37, die des
inneren 4-09. Die Dicke der Südmauer wechselt zwischen 1-5 (am
äusseren Eingang) und 103 (am inneren), die der Nordmauer
zwischen 1-48 (bei 2) und M (bei der Arena). Das Thor scheint
nach den Bruchstücken des Schuttes, welcher den Thoreingang
füllte, gewölbt gewesen zu sein. Zu beiden Seiten des äusseren
Thoreinganges führen Stiegen zur Cavea empor. Und zwar an der
Südwand an jener Stelle, wo der Sockel des Strebepfeilers die
Mauer um 0-7— l'O verbreitert (1—2). Die Höhe der Stufen beträgt
0-32— 0-33, die Breite 0-36, die Länge 0*7. Die Stiege an der
Nordmauer hatte Stufen von 068 Länge, 0-22 Höhe, 0*4 Breite.
An der südlichen Seitenmauer, 3'55 von der Stiege entfernt, be-
findet sich eine Nische, im Halbkreis 0-46 tief, welche durch einen
Bogen geschlossen wurde (e); unten springt ein Gesimse vor. An
236
der Wand, welche mit Stuck bekleidet war, findet sich keine Spur
von Malerei. Die südliche Seitenmauer war Rustica.
Westliches Thor (K — II). Länge der Südmauer 16*15, der
Nordmauer 15"9. Die Dicke der Südmauer beträgt 1"58, der Nord-
mauer bei der Stiege (6) 1*52, bei der Arena 1-08. Der äussere
Thoreingang ist 395 breit, der innere 347. Am inneren Thorein-
gang (K) wurden Reste der Schwelle gefunden. Die Stiege (6) ist
bis zu einer Höhe von 2-95 erhalten, die Stufen sind 0-58 lang,
0*34 hoch , 0*37 breit. Die starke Zerstörung der Südmauer am
äusseren Thoreingange ist wohl der Grund, dass hier keine Reste
der Stiege aufgefunden wurden.
In der Südmauer, 278 vom inneren Thoreingang (K) entfeimt,
finden sich drei Nischen : eine 0*43 breite, 0*7 hohe, 0*31 tiefe vier-
eckige; hierauf 0'73 weiter nach Westen eine zweite halbkreis-
förmige, in einem Bogen geschlossene, welche 0*5 breit, 0"65 hoch,
0*34 tief ist und 0"38 höher als die erste lag; endlich eine dritte,
wieder halbkreisförmige und in einem Bogen geschlossene, von
0*61 Breite, 075 Höhe und 038 Tiefe. Die Decoration der ersten
Nische ist zum Theile erhalten: Weisser Grund mit einem pom-
peianisch-rothen Randstreifen.
Auf dieses Thor bezieht Torraa die Inschrift, gefunden beim
Strebepfeiler 22, welche in diesen Mittheilungen VII S. 95 n. 29
veröff'entlicht ist. In der Aussenmauer zwischen den Strebe-
pfeilern 21 und 20 (bei 5 — 6) ist eine Thüröfi'nung über dem
Boden erhalten; die Schwelle ist 1-4 lang, 0'5 breit. Zu dieser
Thür wird eine Holzstiege emporgeführt haben. Hier ist die In-
schrift Eph. epigr. II p. 127 n. 131 gefunden worden. An der
südlichen Ecke des vorspringenden Theiles der Aussenwand (bei a)
sind Reste einer Stiege erhalten, welche über den Mauerfortsatz 21
in die Cavea führte. Zwischen dem Strebepfeiler 16 und der nörd-
lichen Ecke des vorspringenden Theiles der Aussenmauer befindet
sich ein 1*39 breiter Eingang, welcher zu Gemächern führte, die
unter der Cavea lagen. Darauf weist auch die Thür hin, welche
aus der Kammer 2 ins Innere führte, und die Reste zweier Fenster
in der Aussenmauer (u, ß), dieser Thüre gegenüber.
Diese Fenster (Fenster a ist 1-21 breit) liegen 1"52 und 1'84
über dem Boden der hier 2*8 hohen Aussenmauer.
An die südliche Aussenmauer des Amphitheaters ist ein kleines
Heiligthum angebaut, welches, wie die Inschrift des in situ gefun-
denen Altars (2) lehrt (vgl. Mitth. VII S. 93 n. 23), der Nemesis ge-
237
weiht war. Die Cella (l) hat eine Breite von^3*15. Da die Rückwand
von der elliptisch gekrümmten Aussenmauer des Amphitheaters
gebildet wird, so ist die Länge der Seitenmauern verschieden, 3*10
und 3"35. Die Mauerdicke beträgt 047. Eine Vorhalle (3) hat eben-
falls 3'15 Breite und 1 M, Tiefe. In dieser Halle wurden Bruch-
stücke einer Statue der Nemesis aufgefunden. Die Rückwand der
Cella war mit geometrischen Mustern in grellen und bunten Farben
bemalt.
Den kleinen Tempel scheinen mehrere Höfe umschlossen zu
haben. Von der Aussenmauer des Amphitheaters geht 0"65 südlich
vom Westthor eine Mauer ans, welche bis auf eine Länge von
16*13 erhalten ist; ihre Breite nimmt allmählich zu von 0"55 — 1'75.
Senkrecht auf diese Mauer stehen zwei Quermauern, deren
Abschluss nach Süden hin, wie es scheint, nicht aufgefunden wurde.
Durch diese Quermauern wurden zwei dem Heiligthum vorliegende
Höfe gebildet. Der innere Hof ist 6-35 breit, 677 lang. Links von
der Thüre (5) wurde die Inschrift Mitth. VII S. 94 n. 24 aufgefunden.
Der äussere Hof hat jetzt 4*25 Länge und 3*4 Breite. Hier lag bei
Punkt 8 des Planes das Bruchstück einer Ära Mitth. VII p. 96 n. 33.
Inschriften aus Dacien
I
Im Folgenden theile ich die Inschriften mit, welche ich in
den letzten zwei Jahren auf Reisen nach dem Strelthal und in das
sieben bürgische Erzgebirge, sowie bei Ausflügen nach Veczel und
Varhely auffand und zum Theile für das Museum des archäologisch-
historischen Vereines des Hunyader Comitates in Deva erwarb ').
*1. Kis-Kalän. Ära von weissem Marmor.
I ■ O ■ M
A • ELICO
V- L ■ S ■ M
Z. 2: A{e!iuft) oder A{urelius).
') Die mit Sternchen bezeichneten Inschriften befinden sich im Devaer
Musenm'und zwar sind Geschenke: Nr. 1 des Herrn Ludwig Istvanfly; Nr. 2 des
Herrn Christian Grausam, Hoteliers in Puszta-Kalän; Nr. 5 der Herren Nikolaus
und Geza v. Buda. [Zu den Nummern 1—5. 8. 9. 11. 16 und den Ziegelstempeln
2 — 16 konnten Abklatsche verglichen werden.]
238
*2. Ebendort. Halbsäule aus bukovaer Kalk, ein Gestein^
welches sich in jeuer Gegend vorfindet. H. 0*4, br. 0*3, d. 0'12.
D I O G E ^E S
Z V P 1 D A R I V
3. Sztrigy Szent-György'-). In der gr.-or. Kirche, aus bukovaer
weissem Marmor. IT. 0-52, br. 0-35. Wahrscheinlich aus der
Gegend von Sztrigy-Szacsal hieher verschleppt.
D M
M VLP IE rIo
DEC COI
VIX AN XXt
V L P / / A\A
FI LIO
P P
Z. 2 u 3: M. Ulpiio) [r]e7[ti]o <Jec. cu[l].
*4. Sztrigy-Szacsal. Am Fusse jenes Gebirgszuges, in welchem
die Römer Bausteine für Veczel, Varhely, Apulum gewannen. Vom
Dorfrichter beim Ackern (1883) aufgefunden. Tafel aus mergeligem
Sandstein. H. 10, br. 07.
D M
CADEDALO
V i X • A N i ■ L X-
VALERI • CARA
.f) V 1 X ■ A N 1 - XXXV
c • o
A - TET VLA- VIX
A N I • LA- AVGVS
VIX ■ ANIS- XXX
10 C- A ■ CAR V S •
C- A • VALERIANVS
VETERANVS
PARETIBVS •?''■
SORORIBVS
15 F E C E R V H <
FACRISPINA VETIIl/
MAXIMABVTESEORV/
') Die Ooitliclikeitc-n , aus acncii diese und die beiden folgenden Inscln-iften
stammen, waren bisher als Fundorte römischer Denkmäler nicht bekannt.
239
Z. 6: C{oniux?) o{ptima). Ob in dieser Zeile noch etwas folgte,
ist bei dem Zustande des Steins nicht mit Sicherheit zu entscheiden.
— Z. 16 u. 17: /(ilii) Aiureln?) Crisjnna, Vet[il(a?], Maxima, Butes
ecn'u[irt].
*5. Sztrigy Szent-György-Valya. Grabstein aus mergeligem
Sandstein. H. 1-5, br. 076, d. 0-20. Eine halbe Stunde oberhalb
des Dorfes in einem Graben Pereu Bereza gefunden. Oben etwas
beschädigt. Die Inschrift zwischen zwei Halbsäulen.
D M
IV- MAXI
M V S • V I X
A N • XXXV?
5 HEXALEtTIN
C ß C
Z. 5 u. 6: He{rennia?) Valentina c{onmgi) c{arissimo).
Ausserdem fand sich ein rohgearbeitetes Grabrelief aus merge-
ligem Sandstein, h. 0-75, br. 0-36: Ein Kind zwischen einem Manne
und einer Frau. Andere Funde, wie ein schön gearbeiteter Statuen-
kopf, Reste von Wasserleitungsröhren und Ziegeln deuten auf eine
grössere Niederlassung.
6. Bretyelin. Im Hofe des Popovits Petru, gr.-or. Diakons.
Ära aus rothem Augit-Andesit, welcher in der Nähe von Arany
gebrochen wird Jetlf^nfalls veczeler Provenienz.
D " O M E R C V R I
OWB.CVS NTO
N I V S S A B }^ I
NVS PRINCEP
5 V- S • L - M
7. Veczel. Bei Peter Szolnokay im Kellerthor eingemauert.
Fragment aus rothem Augit-Andesit. H. 0*012, br. 006.
*8. Ebendort. Augit-Andesit. II. 04, br. 0.2. Sehr schlecht
erhalten.
240
silvanlo DOM
T • r I A V
(/ B F C o S
Z 2 unsicher,
*9. Ebendort. Aranyer Augit - Andesit. H. 0'45, br. 0-4.
iV • S • L • iw
*10. Ebendort. In einem Bronzestreifen die rund ausgearbei-
teten Buchstaben:
R Y
*11. Värhely. Säulenfragment mit schönen Buchstaben. Bu-
kovaer Äfarmor.
Wahrscheinlich Votivsäule wie Mitth VI S. 105 Nr. 34.35;
VIII S. 45Nr. 2;S. 53 Nr. 5.
*12. Ebendort. Rund gearbeitete Gruppe der Libera und des
Liber aus weissem Marmor. Genaue Replik des Reliefs Eph. ep.
II, 433, nur dass die Nebenfiguren des Reliefs, Pan und Silen, fehlen.
Auf dem Sockel ') :
T ■ F 1, • y> ^e R EX VOTO
13. Ebendort. Im Hofe des Johann Vida, in der Nähe der
Ruinen des Mithraeums. Fragment aus Sandstein.
SOR
INAE
I S - V I L
') Nach einer Copie A. r. Domaszewaki's, vgl. C. I. L. III, 1512 und Arch.-
epigr. Mitth. VI S. 99 Nr. 3.
241
*14. Ebendort. Fragment einer Platte.
*15. Ebendort. Fragment aus Marmor.
*16. Ebendort. Am Rand einer kleinen Votivtafel
aesculapio \r T H Y G i A E
17. Zaiatna. Beim Gemein derichter Stefan Roska eingemauert.
Ära aus breasaer röthl. Sandstein. H. 0*48, br. 0*33.
S I L V A N O
DOM EST I ©
SAG R V M
EX VOTO PO
5 ß SVIT o
18. PetrOSäny, bei Zaiatna. In der Dorfkirche. Ära aus
breasaer Sandstein. H. 0*90, br, 0"46.
I o - m
IVNONI REGINAE
M I N E R V A E
PRO SALVTE ET VIGTORIA
5 ET INCOLVMITATE
MARGI AVRELI ANTONII
FELICIS AVGVSTI ET
IVLIAE AVG MATRIS EIVS
CASTRORVM SENATVS
10 ET PATRIAE
AELIVS SOSTAIS P PO
[So die Abschrift; doch ist in Z. 6 ohne Zweifel antonini, in
Zeile 11 vielleicht gostns zu lesen.]
Bei dem gr. - or. Geistlichen Georg Popovitz ein Sarkophag
ohne Inschrift.
Archiiologisch-epigraphisclie Mittli. IX. ig
242
19. Zwischen Zalatna und Petrosany an der Strasse gefunden.
Grabstein aus Nummulitenkalk. H. 112, br. 0-80, d. 0-60. Fast
unleserlich.
D M
ANT
NOI A C
V I O
20. Nagy-Enyed. Im Besitze des reformirten Collegiums be-
findet sich jetzt die Inschrift C L L. III, 979 :
DEO - AESCVL • ET HYGIAE AVR ETERNLIS
21. Eben dort. Auf einem Bronzehelm: xAnii
22. Zu C. I. L. III p. 857: Beim Niederreissen des Schulge-
bäudes wurde in den Fundamenten ein Bruchstück des im Jahre 1849
gestohlenen Militärdiplomes XIV aufgefunden. Das erhaltene Bruch-
stück — die linke untere Ecke der zweiten Tafel — stimmt genau
mit dem Texte des Corpus inscriptionum.
23. Torda. Bei Herrn Director Carl von Palfy. Wahrscheinlich
Basis einer kleinen Statue. Gelblicher Mergel H. 0-2, br. 0"3.
BAL "E-IVNOM
I
ARIVS • VETLEGi
" ' ~^ -^ P. -^
24. Ebendort. Fragment aus Mergel. H. 0-65, br. O'O, d. 0-2.
Schöne Buchstaben.
A • FIL vix y\
A E L • A^
C O N • Bj
25. Ebendort. Fragment aus gelblichem Mergel. H. 0 35, br. 0*25,
d. 0-2.
L
\VIL
M A
& M P
26. Ebendort Fiagnient aus Mergel. II. 0 3, br. Oo.
243
s v(
V A
I S X L)
N V
S E
27. Ebendoit. PVagment aus Mergel. H. 0-25, br. 0-35.
A'- 1 / V
A'RE l'
O. M I
28. Värfalva. Vor dem Hause des Baltbasar Vargyasi. Kalk-
stein. H. 0-5, br. 0-35.
[In Zeile 6 giebt die Abschrift tel].
Ziegelinschriften ').
1. Szent-György-Välya.
:^lv| C{ohors) I U{hiorum)
2. Ebendort. Incus.
"eVTi
3. Csigmo. = C. I. L. IIF, 1629, 11. Retrograd;
LEG X II I I G
AVRE - CONo
') Die Ziegelstempel befinden sich, wenn niclit anders angegeben, sämmtlich
im Devaer Museum.
lÜ*
244
4, Veczel.
MO
5. Ebendort.
ATENVS
6. Ebendort. = C. I. L. III, 1629, 20.
_ L C XIII G E
\m L A E L I O
7. Ebendort. Incus: ls
8. = Eph. epigr. II, 458.
L E X 1 1 I G E »
IV DEIOTA R 1
9. = C. I. L. III, 1G29, 21.
leg xiii (.em
fl MAv tinns
10. [iiLCow = coh. II] FL Com.
11. Värhely. Bei den letzten Ausgrabungen (1884) gefunden:
R P A^
12. Ebendort. = C. I. L. III, 1629,20. In einem Bauernhause
gefunden.
LEG XIII GE
r l a e L \0
13. Eingeritzt: b x in
14. Apulum.
L EG XII 1 GE
A V E V D OX
If). Ei>on(lort.
LEG XIII G E
1 V 1 M A R Cl A
245
IG. = C. I. L. III, ]629, 2.
LEG XIII GEM
A W TO H I WI ö
17. Torda. = C. I. L. III, 1630.
LEG • MAC
18. Vizakna (Salzburg) , nördl. von Hermannstadt. Bei Herrn
Pfarrer Andreas von Beck. Form für Ziegelstempel.
p O N O I N 1 1
Lampenstempel
1. Värhely.
a) LVPATi h) lAVIDO
2. Nagy-Enyed. Im ref. Collegium, aus Apulum. Schwer lesbar:
/pt/ti — Optati?
Deva 1885 GABRIEL TEGLÄS
II
1. Karlsburg. In der Festung, im Hause des Domherrn Becke.
Ära aus weissem Marmor.
C-NVMMIVS-
VERVS - EQ^E'S
ROMAN VS •
5 ET - SACERDS •
N V M • A E S CV
LAPI- CNSECR-
2. = Arch.-epigr. Mitth. III S. 104 n. 45.
AETERNO
-GALICA
£ EXBFCoS
I A, V I E S ^A
5 WMQ_I O S
246
J)eo\ aeterno . . [Jii]l{ius) Gal{l)ica[nus\ ve[f..] ex b{ene)f{iciario)
co{n)s{ularis) [pro s]ali([t]e sua [stioj'^uwqiue) [p]os{uü).
3. Bei Hrn. Low. Ära aus Kalkstein. H. O'G, br. 0*33,
d. 0-25.
DIANE A VG
C- I VL- VALE
R 1 V S • VEt
.sie L E L • XUT G
5 DEC • COL
S A R M I S
EX PFCOS
7j. 1 ex \b[ene)f\^iciario)'\ co{n)s(ularis).
4. Bei Hrn. Low. Ära aus Kalkstein. H. 0*57, br. 024,
a. u-23.
/ K R c V L I
AVG
//r E G I N V S
Schale , , Schale
S ' / E R DOS
5 /n/i ITVTVS-AU-
HEL • PERTINAG
/ OS
[H]erculi Avg{usto) . . Reyinus s{ac\erdos yi\n[st]it}i,lus ah Hel{vio)
Pertiiiace [c\n{n)s{idari) .
Helvius Pertinax ist der spätere Kaiser. Dass er Statthalter
von Dacien gewesen, berichtet auch seine Vita 2, 10: Cassiano motu
composito e Syria ad Danuvii tutelam jyrqfedus est atque inJe Moesiae
utriusqiie mox Daciae regimen accepit. Der von dem Statthalter ein-
gesetzte sacerdos ist ohne Zweifel der sacerdos provinc/ae. Vgl.
Marquardt Eph. epigr. I p. 21U.
5. In der Festung, Garten des Geniecoraraandanten. Ära aus
weissem Marmor.
S A R A P I ©
I O V I • S O L I-
I S I D I ■ I. V N A E
ß D I A N A E a
ü DISDEABVSQ_
CONSEKVAToRlB
LAEMILCAR/S
LEG A VG PR RR
ni DACI A R VM
247
L. Aemilius Carus als Statthalter von Dacien auch in den
Inschriften C. I. L. III, 115B. 1415. Ich bemerke gelegentlich, dass
der in der fragmentirten Inschrift C. I. L. III, 1461 und IMitth. III
S. 191 genannte Statthalter, auf letzterem von mir gesehenen Steine
Tib. Julius Flaccinus heisst, nicht Junius , wie Gooss den Namen
nach einer fehlerhaften Copie gibt.
Hermannstadt. Zu den im Bruckenthalischen Museum auf-
bewahrten Inschriften gebe ich hier einige Nachträge :
6. = Arch.-epigr. Mitth. I S. 120.
deo
AEl hK. 710
C L O D I A
M A X I M A
* e T • E L A - SIC
5 VALERIA
7. = C. I. L. III, 1619.
C O H II FL©
CVIPREEST;
C V E T T I V S (
5 SABININVS^F
Mar[ti Gi'a\d\ivo'^] coh{ors) II Fl{avia) Co\m[magenoru7ri)\, cid
praeest C. Vettius Sahinianus praef{ectus).
Da die Herkunft des Steines nicht feststeht, so darf man viel-
leicht vermuthen, dass er aus Veczel nach Freck gebracht wurde.
Denn in Veczel war die cohors II Flavia Commagenorum stationirt,
und dort haben sich eine Reihe ähnlicher Dedicationen gefunden
C. I. L. III p. 220 und Mitth. III p. 108. C. Vettius Sabinianus
ist vielleicht identisch mit dem gleichnamigen Statthalter von Pan-
nonia superior C. I. L. III 4426 u. Eph. epigr. II 897.
8. Aus Varhely. Ära aus weissem Marmor. = Korrespondenz-
blatt d. Ver. f. siebenb. Landesk. 1882 (Jahrg. 5) p. 116.
Qj A~X 1 V o rt. c
LI ANVS • I VNI
OR-VOTVMPRo
PATRISINCO
5 L VMIT ATE S V S C E P
TVM-CVM GRATVLA
TIONE LIBENS-SOL
VIT C5 lONJ lONlVS
248
Ueber Q. Axius Aelianus, Vater und Sohn, vergleiche Mommsen
zu C. I. L. III, 1422. 1423 u. 1456. Unsere Inschrift scheint mir
zu beweisen, dass Mommsen a. a. O. mit Recht in dem Zusatz Joni
am Schlüsse von n. 1422 u. 1423, sowie in dem 'Iövi0(; der eben
dort angeführten griechischen Inschrift ('AaKXiiTTia) Kai 'YTieia GeoTq!
cpiXavepuuTTOK; "AEioq Ai\iav[6](; 6 vea)TepO(S euxapKJnipiov, 'Idvioc;) ein
Signum, Jonius , erkannt hat. Joni unserer Inschrift bezieht sich
offenbar auf den Vater, Jonm^ auf den Sohn. Am Anfang ist wohl
nach Analogie der angeführten griechischen Inschrift: Aesculapio et
Hygiae dis conservatorihus zu ergänzen.
Wien A. V. DOMASZEWSKI
Inschriftfimde in dem Gebiet von Aquileja
(Aus einer Mittheilimg der k. k. Central - Comraission für Kunst- und historische
Denkmale)
Folgende Inschriften wurden auf dem Grunde des Herrn Ed.
Prister auf der Strecke zwischen Croccara und Stazzonara entdeckt :
1. Cippus aus Kalkstein, h. 1-2, br. 0-87, d. 0-73. Zeit des
Antoninus Pius.
Q_- DELLIVS - Q^F • POL
SVPER
VETER • LEG ■ XV APOL
Qj DELLIVS - CLEMENS
5 FILIVS
DELLIA- FALERNA- VXOR
ALBANVS L 1 B
PVSILLA - L I B
ET • TV
2. Cippus aus Kalkstein mit Aschenbehältcr, h. 14, br. 1'07,
d. 0'73. Zeit des Antoninus Pius.
C - I V L I V S
PRIMIÜENIVS
lilHl • VIR- ET
VALERIA- 7- L- SYRTIS
249
5 VF- SlBl • ET
C - IVLIO • ALEXAE
VALERIAE- OPTATAE
VALERiAE • SALVIAE
VALERIO ■ VITVLO
10 STATIAE - NYMPHE
3 Tafel aus Kalkstein mit Umrahmung, h. 0"71 , br. 1*35,
d. 0'17. Zeit des Vespasian.
Q:.GAV1VS- Q^L- SECVNDVS
ET ■ VETTIDIA - AMOENA
Vivi ■ FECERVNT
SIBI - ET • COMMVNI- L
5 SECVNDO-L- OPTATO- L
4. Cippus aus Kalkstein mit Aschenbehälter, h. 0*87, br. 0'46;
d. 0*30. Zeit des Antoninus. Der Stein ist vom Wasser ange-
fressen und daher schwer leserlich. Die punctirten Lettern sind
unsicher.
L ■ T I T I V S
F L A ;■ M : V S
V E T T 1 A E
L- F- MANSVETAE
C O N I VGI
H • M - H • N - S
5. Cippus aus Kalkstein, oben rund, unten gebrochen, jetzt
h. 0-4, br. 0-32, d. 0-13. Zeit des Claudius.
6. Grabstein aus Kalkstein, h. 1*85, br. 0*62, d. 0"21. Oben
Giebel mit einer Rose in der Mitte, und je ein Delphin in beiden
Ecken. Buchstaben aus der Zeit des Antoninus Pius, stark abge-
nutzt. Mit Ausnahme der einen Zeile ist die Tafel unbeschrieben.
Unten Zapfen (h. 0*14, br. 0-25) zum Einlassen.
L O C - M O N
250
7. Basis aus Kalkstein, h. 0*22, br. MG, d. 1-06. Höhe der
Buchstaben Ü"09. Zeit des Antoninus Pius.
L - M ■ IN • F ■ P • XX • IN • AG • P • XXXH
8. Fragment einer Basis aus Kalkstein, h. 02, br. 0*69^
d. 0-5. Höhe der Buchstaben 0'17. Zeit des Claudius.
9. Basis aus Kalkstein, h. 0-49, br. 1-33, d. 0-99. Zeit des
Antoninus Pius.
H • M • H ■ N - S
Fiumicello Dr. GREGORUTTI
Epigraphisclier Bericht aus Oesterreich
(Schluss)
SiSSek. Revidirt.
ad Ephem. epigr. IV 471 (C. I. L. III n. 3950):
Z. 4: B Der Adler befindet sich rechts, der Bogen links,
ad Ephem. epigr. IV 472;
Z. 1 : am Ende von R keine Spur, da der Stein rechts sehr beschädigt ist.
Z. 2 : S undeutlich, nur der mittlere tiefe Strich davon erhalten, könnte
auch V sein, daneben I deutlich, hinter dieser geraden Hasta kein
Platz für G.
Z. 3: kein Platz für T, der Strich hinter S geht schief, könnte eher von
einem Y sein; ob am Schlüsse B oder P, unsicher, weil hier der
Bruch und nur der obere Theil erhalten.
Z. 5: das L in IVL deutlich, am Schlüsse deutlich CRI
Z. 6 : die Buchstaben enger zusammen, das zweite M scheint lA zu sein,
statt C ein deutliches G, am Schlüsse nach R noch A» also: CO-
MACIA GRa////
Z. 7: das M verwischt aber sicher.
In Z. 1 und 2 grössere Buchstaben,
ad Ephem. epigr. IV 474:
Z. 2: zwischen N und I ein Grübchen, von Buchstaben keine Spur, vor
und hinter S Punkte, sonst nicht.
Z. 3: Buchstaben ziemlich deutlich, von F keine Spur, das letzte C kann
auch G sein.
Ljub. Viestn. I p. (16 fl.
251
Die Doppelinsclirift C. I. L. u. 4U08 -(- 4013 in Velicn Gorici crluiltL-ii, jetzt, im
Agramer Museum; sie war lange Zeit in Vel. Gor. vergraben, weil diu Edlen von
Turopolje in dem Steine das Fundament ihrer Rechte sahen.
C. I. L. III n. 4009 jetzt im Agramer Museum.
C. I. L. III n, 4010 jetzt im Agramer Museum; ein Abklatsch dieser Inschrift be-
findet sich in der Sammlung des hiesigen arch. epigr. Seminars.
Ljub. Viestn. V p. 1 ff.
Warasdin-TÖplifz (Aquae Jasae).
344. Gef. September 1867 im Hofe des Hauses, das gegenüber dem Eingang
in den herrschaftlichen Garten liegt.
N 1/ m p h i s
AVG ■ Sac
FL • VALENTINVS
. . , .E
5 . . . . . S T I L L I
u ■ s • l ■ m.
Ljub. Viestn. I p. 41 n. .5.
Warasdiner Thermen.
345. Im September 1882 kam man beim Graben < ines Brunnens in einem
Bauernhause in der Nähe des Eingangs in den Badepark auf die Spur eines alt-
röm. Gebäudes, das grösstentheils aus weissem Marmor gebaut war; die Inschrift
steht auf einer 2 M. br. und 1 M. h. Tafel von weissem Marmor und ist sehr gut
erhalten.
NYMPHAS ■ SALVTARES
M ■ RVTILIVS ■ LVPVS - TR • Mll.
LEG • XXÜ • Q_- TR ■ PL
LEG • AVG - LEG-XIIIGEIW-
Bojnicic in Viestn. IV p. 107.
Tb plitz (Aqua viva). Eevidirt.
ad C. I. L. III n. 4117: (Marmor) oberhalb der Inschrift die Büste der Nymphe,
die abgebr. und ins Agramer Museum geschafft wurde. Die Nymphe
hält mit den Händen ihr fallendes Haar, jedcrseits hat sie einen
Löwen mit Drachenkörper und Fischschwanz.
Z. 4 auf dem Stein GEMNIO, für das eingeschobene I kein Platz. Z. 3
und 4 zwischen Nomen und Cognomen keine Punkte zu setzen.
ad C. I. L. n. 4118 in der letzten Zeile grössere Buchst.iben.
ad C. I. L. n. 4119 eingemauert in der Mauer des Ganges in der Kaptol-Stadt, wo
die Bäder sind. Keine Punkte zu setzen. Z. 2: AVG eng in der
Mitte.
ad C. I. L. n. 4120:
Z. 3: CILONIS — Z. 5: EIvs
ad C. I. L. n. 4121 vgl. Arch.-epigr. Mitth. III p. KU und 177.
Neue Inschriften: Viestn. I p. 41 n. 4, p. 42 n. 7, bereits veröffentlicht in
diesen Mitth. III p. 164 u. 176 f.
Ljub. Viestn. I p. 34 ff.
252
;i(l Ephem. epigr. IV 473. Die Inselirit't l;iutet.:
S e S e S
SVR//
/o/r/l,ViI- SER
a s L ß MB
Ljub. Viestn. 1 p. 69 u. 4.
ad Ephem. epigr. IV 478 :
/l'//!lill/!IM^
AEL ■ VALERIVä
AEL- SECVNDINV
MAG- D-D-
Oben rechts ein Adler auf einer Kugel stehend.
Viestn. I p. G9 n. 5.
ad Ejilievi. epigr. IV 479 :
Z. 1: ////////.Eo-ACRl
Z. 4 a. E.: keine Spur von T, es scheint N" zu sein.
Z. 5 a. E. wohl: VEENSTESANTE
Z. 8 deutlich: REQVIRES
Viestn. I p. 71 n. 7.
ad C. I. L. III 3972 u. Ephem. epigr. II 833:
Z. 2: A XXXXI Z. 3: INtA
Viestn. I p. 70 n. 6,
346. Kleine viereckige Marmorara, h. 0"19, br. 0*12, d. 0*095. Oben eine
Vertiefung zur Aufnahme einer Statuette des Gottes. Gef. am 7. Aug. 1879 in
der Nähe des Sisseker Bahnhofes; jetzt im Agramer Museum.
HERCVLENI
AVG • SAG
L- SPVRIVS
RESTVTIANVS
Nach einem von Bojnicic an Prof, Hirschfeld geschickten Abklatsch; vgl. Ljub.
Viestn. II p. 74 n. 10. Der anomale Dativ Herculeni hat seine Analogie an den
auf Inschriften so häufigen Dativen auf — eni von Namen auf — e, wie Tycheni.
347. Bruchstück, am Rande beschädigt, gef. von der archäol. Gesellschaft
„Siscia", jetzt in Agram.
in sta\\TWH\.- PRISTII um
m/rBIS • SPLEND rest.
cur ANTE- FL- SEVEKO
) I
Nach einem von Bojnicic an Prof. Hirschfeld geschickten Abklatsch; vgl.
Ljub. Viestn. II p. 72 n. 7:
„Der hier genannte Fl(aviMs) Severus wohl identisch mit dem im J. 305
zum Caesar erhobenen Flavius Valerius Severus, geb. in Illyrien von unbekanntem
253
Geschlechte, von dessen Leben die alten Schriftsteller wenig erwähnen. Nach
unserer Inschrift wäre er vor seiner Erhebung Procurator in Pann. sup. gewesen.
Wie er Caesar wurde und Würde und Leben bald einbüsste, erzählt Lactantius de
mortib. peraecid. c. 18. c. 26, er starb in Kavenna".
348—350. Gef. bei den Ausgrabungen des Vereines „Siscia" in den Jahren
1875/6.
348. Bruchstück einer Platte, rund herum beschädigt. Buchstaben ziemlich
deutlich, Höhe derselben 0 045. [Hier nach einer Abschrift von Domaszewski].
S /v «- ^
T-ATTIVS
TERN V<i
Die Inschrift lautete wohl: ...sacr[um] T. Attius [Pa\\ternu^ [ex] \ mon[itu\.
349. Platte aus weissem Marmor, h. 0-19, oben br. O'll, unten bv. 0-145,
d. 0*035. Eechts und theilweise oben vollstäudig. In der letzten Zeile fehlt der
unter Theile der Buchstaben.
I L
IB
p.p.
O V T I F I A
Z. 4 A]quileiae.
350. Bruchstück, h. 0-28, br. 011, Buchstabenh. 0-055; gef. im Garten des
Pfarrers :
in
V s
Dazu ein kleines Fragment, das nur Buchstab eureste enthält.
Ljub. Viesln. I p. 71 n. 8 — 11.
Scitarjevo (Andautonia). Revidirte Inschriften.
Zu C. I. L. II. 3679 =: Desjardins Acta nova musei vationalis Hungarici. Tora. I.
Inscriptiones vionumentorum Romanorum Budap. 1873 p. 91 n. 166:
nur die beiden ersten Zeilen mit grösseren Buchstaben.
Z. 9 fin. bei Mommsen richtig P (Desj, R)
C. I. L. HI 4007 nach Kukuljevich „nunc Agrami in museo'^ , dies jedoch falsch, die
Inschrift ist nicht in demselben und war wahrscheinlich auch nie
daselbst.
ad C. I. L. III 4008: der ganze rechte Eand eben, dort fehlt nichts; am Anfang
von Z. 3 kein Platz für c(ivis) , das Mommsen ergänzen will ;
ebenda nicht CVM, sondern C\M. Die Buchstaben der letzten
Zeile nur zur Hälfte deutlich.
254
C. I. L. III p. 522 n. 4116:
Cikovce bei Warasdin im Schlosshof des Grafen Festetics, 1 M. über dem
Erdboden eingemauert, ca. 2 M. 1., 1 M. br.
Z. 2: TAVORIS, bei Moramsen FAVORIS
Z. 3: ANN „ „ NN
Der Stein endet unten in einem Halbkreis, in welchem ein unbewaffneter
Mann auf einem Pferde sitzt.
Martin Ljubic Viestn. IV p. 88.
Ebreichsdorr. September 1882 fand man am Ende des Schlossparkes von
Frau Mathilde Gräfin Pongraez zwei röm. Grabsteine, von denen der eine schon
früher bekannt war und im C. I. L. III n. 4594 nach Clusius als im Besitze Becks
ehemals befindlich publicirt ist; sie waren in älterer Zeit daselbst als Materiale
beim Bau einer Brücke verwendet worden und sind wahrscheinlich in der Nähe
gefunden. 'Der Punkt des neuen Fundes markirt eine Stelle der von Vindobona
nach Scarabantia führenden Strasse, deren Zug auch durch die zahlreichen Ueber-
reste römischer Denkmale im nahen Weigelsdorf bezeichnet wird.'
Der zweite, bisher unbekannte, 'war für ein Ehepaar bestimmt; sehr beschädigt.
Oben sieht man einen Mann in Halbfigur mit der Tunica bekleidet, die r. Hand der
Frau zu seiner Rechten reichend; diese hat in den Nacken fallendes Haar. Die
Gesichtszüge beider sind unkenntlich, l^iese Gürtelbilder sind fast lebensgross und
ziemlich gut gearbeitet. Unter ihnen die äusserst verwitterte Inschrift, in der nur
einzelne Buchstaben mehr halbwegs deutlich" sind. Unten wie es scheint ein
Delphin. Die Steine sind jetzt von der Gräfin an geschützter Stelle im Schlosse
gut sichtbar aufgestellt.'
351. D M
AVRL VRSVLVS
CARISSIM • AN
sie XLV H S 1 • P • E R N 1
5 C VIVS • SIBI
p ■ svn
Nach V. Sacken Mitth. d. Centralcomm. VIII (1882) p. CXXXVIH f. Z. 1:
Aur[e]l{ius). Z. 4 — 6 vielleicht zu lesen: h[ic) a{itus) [e]{st) p\at]er [/il]i[o] vi(v)ns
(seil, et) sibi p{o)suit.
Mitth. d. Centralcomm. VI p. CXVII f. (Inschriften aus Carnuntum) = Arch -
epigr. Mitth. Bd. V p. 203 f. u. IV p. 128.
Wien. 352. 'Inschriftstein, gefunden bei den Erdarbeiten, welche durch die
Herstellung der Gartenanlage vor dem neuen liathhause veranlasst wurden (1879).
Jetzt im städtischen Museum. H. 030, br. 014, d. 0-10, oben und unten mit Ge-
simsen versehen, die aus einfachen Rundstäben von verschiedener Stärke gebildet
werden. Die obere ebene Fläche wird von einem aufstehenden Rande eingetasst,
so dass eine seichte viereckige Vertiefung entsteht, in welche ein Bildwerk hinein-
gestellt werden konnte (ara cum aigillo oder signo).
s s s
re m 1 1
Q_i N T 1 ■'"'-■
L 1 A N
5 vs vs
255
Kenner in Mitth. d. Centralcomm. 5 (1879) p. 32. S(ancto) S{ih}ano) s{acruvi)
Memii. . Q(ii)intilianus v{otuin) s{olvit).
'Die Endbuchstaben des Namens des Widmenden sind nicht deutlich genug;
die Schriftfläche ist stellenweise sehr rauh in Folge der Verwitterung, so dass nicht
sicher, ob ffiJVllL oder ffiiWID zu lesen ist.'
Mitth. d. Centralcomm. X p. CVI (Inschrift aus Müdling) -=r diese Mitth.
Vlli p 94.
Instrumentum
Sissek- 353. Jetzt in Agram. Larapenstempel:
CERIALIS CRESCE und CRESCES LIC FORTIS — PROBVS
S
INGE
Bei Tkalcic eine erwähnt mit:
NVC
Eine Kugel, flachgedrückt, einerseits convex, anderseits flach, auf dieser Seite : A
Ljubic Viestn. I p. 74.
Ebenda. 354. Jetzt im Agramer Museum. Auf dem Halse einer gebrannten
Tonrühre (Durchm. 0-21, am Halse 0-16):
Ljub. Viestn. I p. 72.
Ebenda. 355. Jetzt in Agram. Tegulae:
a) In der Mitte von oben nach unten gebrochen, li. 0-43, bi*. 0*305, d. 0'055,
Buchstaben cursiv, aber deutlich:
pri{die) idus iunj
Felicio CCXX
h) Bruchstück, 1. 0-26, br. 0-15, d. 0-06, "enthält nur die Zahl: CCCXCI
c) Bruchstück, h. 0-14, br. 0'315, d. 0'065 mit der eingeritzten Inschrift:
IN==|= U
d) H. 0-44, br. 0*29, d. 0-055, eingeritzt: CXVI
e) H. 0-43, br. 0-23, d. 0-05, eingeritzt:
VIC
/) Bruchstück, eingeritzt: AH
g) APPIANI 1. 0-12, br. 0-03 }
h) SISC 1. 0-85, br. 0*26 > Fabriksstempel mit erliabenen Buchstaben.
i) 8I8C 1. 0-75, br. 0-25 j
Ljubic Viestn. I p. 72
Ebenda. 356. Ziegelstück mit abgebrochenen Rändern, h. 0'17, br. 0-16, d. 005.
.■\iisgegr;iben 1878 vom archäol. Verein Siscia' : mit einem Stilus eing-eschnitten :
256
3 E
EECI
Q_U I L F G E 1
Ljubi6 Viestn. II (1880) p. 12.
Ebenda. Jetzt in Agram. Terra sigillata:
1. Stempel an der äusseren Fläche einer ßäucherpfanne, 1. 0-55, br. 0-02 :
IVN PATN, die letzten Buchstaben unsicher.
2. Dsgl., 1.0-75, br. 0-02: COSTINI
3. Dsgl., 1. 0-96, br. 0-16: M - MAFSl
4. Am Halse einer Räucherpfanne, 1. 0-75, br. 0*02 : L- TARl RFI
5. Am Boden der Pfanne, aussen: PRIMaj-m«?, innen: P- ATTI
SOLI
6. Dsgl. aussen: PE innen:
MARI
7. Dsgl. aussen: HILO
8. Dsgl. doppelt aufgedrückt: P • ATTI
9. Dsgl. aussen: _
10. Dsgl.: C- CESABE
HILA
11. Dsgl.:
^ RVS
12. Dsgl.: Q_-I-C
SOLI
1.3. Dsgl.: (etwas anders als n. 6).
MARI
ORA
14. Dsgl.:
SARI
15. Dsgl.: MRI Glasur fast ganz abgefallen, daher von Buchstaben fast
keine Spur.
16. Dsgl.: PRITANII
17. Dsgl.: L-GElLiI
IC
18. Bruchstück dsgl.:
AE
19. Dsgl.: ^°
m
20. Dsgl.; SIPA
21. Undeutlich, da der Stempel mehrmal aufgedrückt, scheint RAMI zu sein.
Ljubiö Viestn. I p. 73,
357. Auf dem Boden von innen roth gefärbten, dünnen, aber sehr hüb.sch
ausgestatteten Gefässcheii :
. hil
A R I
Vgl. Viesbi. I tab. I n. II.
A C A
iiiiiiiiiiiiiiiiii
STVS
In ciinT cinciii i''iiss(' äliiilii'lii'U Zcicbmiii;;' : MVRI
257
4. Ebenso: JWlR'
lO LI
MARI
6. 1 s O O L O / I
Auf dem Grunde eines Leuchters aussen in erhabener Schritt:
o
ATIME
Ljubic Viestn. II (1880) p. 12.
358, Drei sehr schöne Ziegel mit bis jetzt unbekannten Stempeln aus zwei
Fabriken; aus der besseren Zeit des römischen Gewerbes; ausgegraben in Scitar-
jevo (Andautonia):
a) 'CCON
h) l ■ RVCCOn|
L ■ LVSI • RVCCO
d)
L- LVSI • RVCCON
e)
P • "ER • P
Vie«l7i. V (1883) p. 13.
Varasdin-TÖplitz. 359. Ziegel, gef. 1867 in der Nähe von Tuhovac.
o) LXGFLOR b) CAS ■ CRI c) Fragment von b): mRI
Gefäss mit dem Stempel: IVIN
Ljub. Viestn. I p. 43 n. 4. 5.
Wien. 360. Ziegel, gefunden bei den Erdarbeiten vor dem neuen Rathhause;
derselbe bildet ein Viereck von 0-205 und zeigt in schönen schmalen Lettern den
Stempel :
VIB VAL Vi
Das letzte Zeichen leicht verwetzt. Der Name Vib{ii) Val(eina7ii) (centuria?)
auf Wiener Ziegeln noch nicht vertreten; jetzt im städtischen Museum.
Kenner, Mitth. d. Centralcomm. V (1879) p. 32.
KiOSterneuburg. 361. Beim Ausheben des Grundes für einen Zubau des Hauses
Nr. 9 in der Buchberggasse stiess man in einer Tiefe von ca. 2'8 auf drei römische
Gräber. Zwei derselben bestanden aus Ziegeln, die mit kleinen Varianten die Stempel:
OF- ARNMAXENTIAVIN und OF • ARN BONO MAG aufweisen; zwei davon im Besitze
des k. k. Antiken-Cabinets, die andern im Museum des Stifts.
V. Sacken, Mitth. d. Centralcomm. VII (1881) p. CXXXIII.
NORiCUM
362. Saifnitz in Kärnten. Um 1854 au.sgegraben im Felde hinter dem Haus-
stadel, jetzt im Museum in Klagenfurt, h. 0'15, br, 0-13.
Nach meiner Abschrift im Sommer 1884, vgl. Picjilcr Oarinthia 73 (1882)
p. 157.
Ärchäologiscli-epigraphisclie Mitth. IX. yr
2Ö8
363. Ebenda. Grosser Block, Gesims einer Ära, jetzt im Klagenfurter Museum,
0-70, br. 0-38.
Nach meiner Abschrift im Sommer 1884, vgl. Pichler Carinthia 73 (1883)
p. 158; ebenda zwei kleinere Fragmente mit wenigen Buchstaben.
Zu C. I. L. III n. 4715:
Im Boden des Hauptschiffes der Filialkirche St. Dorothea bei Saifnitz das
Bruchstück des Rümersteines , der bei Apianus mit der Ortsangabe 'apud Tarvi-
sium' steht.
A
S E C V N D I N ?iS
SECVND2/
ETBRVTTia
5 FALANDIN«
C O
Pichler, Carinthia 73 (1883) p. 158. Mangelhaft Karl Lind Mitth. d. Central-
comm. IX p. LXVI. Bei Lind fehlen Z. 1 u. 6, ebenso Z. 4 der erste Buchstabe.
Mitth. d. Centralcomm. X p. LXXl (Inschriften aus Lienz) = diese Mitth.
VIII p. 89.
364. St. Michael bei Villach, zwischen Zauchen und Gratschach, Pfarre St.
Ruprecht. An der Filialkirche, Westseite, neben der Pforte, vormals höher über
derselben.
BA • CA ■ CV- AT- V
NI-F- VIVA FECIT
S • IBl • ET - ARIMA
NO FIL lO ARI
5 O • N I S ■ r • COTV
N I M E S S I C I F
C O N I V G 1 CAR
VIVA
Fr. Pichler, nach einem Abklatsch des epigraphisch-numismatischen Cabinets
des Grazer Universitätsmus., Carinthia Jg. 73 (1883) p. 154:
„Die sieben ersten A haben den schrägen Mittelstrich, die drei ersten F
sind abgeartet. Z. 5 S-r undeutlich, wahrscheinlich -F-TE. Für die eigenartige
überflüssige Interpunktion innerhalb der Namen vgl. C. I. L. III n, 5505 u. 4781.
Die Namen Bacacu und Messicus sind neu, die andern Namen kommen auch
sonst in Noricum vor, vgl. Index zu C. I. L. III. "
Zollfeld. 365. Ära, ausgegraben 1881 in Adams Brache, im Wäldchen nächst
dem Unterwirthe, jetzt im Landesmuseum in Klagenfurt.
GEN 10
PRO SALVTE
SVCCe*SI ■ N
259
ö ET ■ ß
5 PROXIMINAE
EI VS
PRIMITIMMS LIB
- V • S. l. M -
Nach meiner Abschrift , die ich im Sommer 1884 von dem Steine ge-
nommen habe; vgl. Pichler Mitth. d. Centralcomm. VIII p. CXIV.
366. Zollfeld. Unedirtes Marmorfragment im Museum zu Klagenfurt n. 210.
b I M PRO
! I JONINI
Nach meiner Abschrift im Sommer 1884 : d{eo) I{nvicto) M(ithrae) pro [sal(tite)
mp. Caes. An\tonmi. . .
367. Kleine Platte, wenig wahrscheinlich von einer Ära, gef. 1881 im sogen.
Friedel-Hause , Wiesendreieck zwischen Prunnerkreuz , Sulzmühle, Waldbrunnen
nächst dem Döchmannsdorfer Wege; jetzt im Landesmuseum in Klagenfurt.
d. i. m.
pKO Salute
SVA ■ E T •
^VL^■/S-
Pichler Mitth. d. Centralcomm. VIII p. CXIV n. 2. — Z. 3: et [s]iuorum).
368. Zwei Ara-Obertheile, ausgegraben 1881 in Adams Brache; jetzt im
Landesmuseum in Klagenfurt.
o) DIO (?) 6) OVi'Ii sehr vernutzt
Pichler Mitth. d. Centralcomm. VIII p. CXIV n. 3.
369. Fragment, ausgegraben 1881 im Friedel-Hause ; jetzt im Landesmuseum
in Klagenfurt.
? iuniA
cand I D A
Pichler Mitth, d. Centralcomm. VIII p. CXIV n. 5.
370. Bruchstück mit Kleinschrift, ausgegraben 1881 in Adams Brache; jetzt
im Landesmuseum in Klagenfurt.
c
E
F.
und davon
rechts wie
T
die Schlüsse
AC
von Zeilenreihen ^^
FI
Pichler Mitth. d. Centralcomm. VHI p. CXIV n. 4.
17*
260
371. Brantlhof im ZoUfeUl. 'An der Capelle betiudet sich das, Fragment
NON mit den 10 Cm. hohen Buchstaben und das bisher nicht bekannte SEQ_gestürzt>
hoch oben im Rundbau. Dieser ganze Stein, br. 0-82, h. 013, gehört zu einem
Grabdenkmal mit der Formel: hoc momimenf.um heredem non seq{uetur) .
Pichler Carinthia 73 (1883) p. 151. Ebenda ein kleines Fragment aus Kaka-
saal bei der Fostel-Hube.
372. Sandsteinfragment, unten vollständig, im Museum zu Klagenfurt.
lOC^i'Ä V
Nach meiner Abschrift im Sommer 1884.
Magdalenenberg. 378. Votivstein, gef. bei den Ausgrabungen des Bauers
Gradischnigg während des Winters 1880 und Frühjahrs 1881.
ATVCO -MäON S • F •
ATIA- L • VIVA -FEGT
SIBI • ET • S VIS
Ich gebe die Inschrift nach einem Abklatsch, der vom Geschichtsverein an
das arch.-epigr. Seminar eingeschickt wurde, und einer Abschrift, die ich im Sommer
1884 vom Steine genommen habe; vgl. Jabornegg Carinthia Bd. 71 (1881) p. 195,
und Klagenfurter Zeitung 1881 p. 1052; eine richtige Lesung von Franz Pichler
mitgetheilt von Heinrich, Mitth. d. Centralcomm. VII p. CI.
Ein zweiter Stein enthielt nur einzelne unzusammenhängende Buchstaben,
an einem dritten war die Schrift so verwischt, dass nur die erste Zeile mühsam
entziffert werden konnte, sie enthielt den Namen:
PRIVATIVS ^
Jabornegg Carinthia Bd. 71 (1881) p. 195.
Lamprechtsberg. Mitth. d. Centralcomm. VII p. C. CI = Arch.-epigr. Mitth.
aus Oesterr. VI p. 95 n. 2.
St. Peter am Wallersberg. Zu Arch. - epigr. Mitth. aus Oesterr. Bd. IV
p. 209 n. 5,
Die kleine Votivara beginnt mit
ASC VKEPIO
Pichler nach dem Abklatsch W. Seraens Mitth. d. Centralcomm. VIII
. CXIV n. 6.
Deinsberg. lu der alten Pfarrkirche fand Pfarrer Gröszer von Gutaring, zur
Ummauorung der Sacraments-Nische verwendet, vier bisher unbekannte römische
Grabsteine, von denen nur der Stein, der die Decke bildete, ganz war. Die Orts-
sage weiss auch hier vo^ einem Heidentempel zu erzählen.
374. Grösse der Schriftfläche: 0-27 h. , 0-30 br. Klan; tief cingemeisselte
Buchstaben.
rf [l C5 M C4
? niU^ N V S
? ^MORTI ■ "E
r/?/,/ N T I L L A
•?
quiv
fece
TIANI ■ VIVI
RVNT • SIBI
Die Ergänzungen von Gröszer u. F. Kenner. — Z. 1: \d]{iisi i[n/erisj m[anibus)
261
375. Grösse der Schriftfläche: 0-26 h., 0*28 br. Klare tief eingeineisselte
Buchstaben, etwas ungleich, gut erhalten.
DM ■ S AT VR I o\ni ?
K O R T 1 O N I S vUu ?
K E C I T S I B I - E{t
VIBENECONI/I^i
5 ETKORTIONJ l)?^?
Dass der Stein rechts gebrochen, wird zwar nicht direkt angegeben, geht
aber aus der Inschrift und den Ergänzungen Kenner's hervor.
376. Grösse der Schriftfläche: 0*30 h., jetzt 036 br. Stark verwetzt, schlechte
Buchstaben.
D M VAkEN.ii
N ASAM
mARCE//vs
F E C I T C O //
5 VI////
Z. 2 vermuthet Kenner: Sam[vii /[iliaj]. — Z. 3: Marce[llin]iis. — Z. 4 — 5:
co[niugi d\u\lcissimae\.
377. H. 0-30, 1. 0'40. Schöne regelmässige Buchstaben, schmal und seicht
eingemeisselt.
V I C T O R|
VLP L- . . . I V s|
FECIT SIBI ET
SECVNDINE
5 CoNIVGll!
Kenner vermuthet: Victor\inus\ Ulp{ii?) l{ibertus} . . vi(v)us /ecU sibi et Secun-
din{a)e coniugi p(?) . . . . ; Z. 2 kaum richtig , zum Schluss nach dem Raum wahr-
scheinlicher h{ene) m{erenti).
Fr. Kenner nach Bericht und Papierabdruck des Pfarrers Gröszer in Mitth.
d. Centralcomm. X (1884) p. CIV f.
Hrastnigg. 378. Ziemlich wohl erhaltener Altarstein, gef. (vor 18. Juni 1881)
auf der Besitzung des Herrn F. C. Burger vom Director der Glasfabrik, mit der
Inschrift :
AD SA
LVTEAVG
CCA
Mitth. d. Centralcomm. VIII (1882) p. CXIII.
Zeile 3 dieser Ära der Adsal{l)uta Aug{u^ta) enthielt vielleicht die drei Namen
des Dedicanten.
Stein in Oberkrain. 379. Im Stallgebäude des Herrn Hostnik in Stein ist ein
Monument so eingemauert, dass die Schriftfläche und die rechte sculpturbedeckte
Seite sichtbar ist; 10 h„ 0-85 br., 0-55 d. ; rechts von der Inschrift ein stilisirter
Acanthus-Busch, der eine Vase mit einer Rebe trägt, jederseits ein Delphin.
C • D IN DIO
BLANDOET
OCTAVIAE- P- F
262
OVARTAE
5 C DINDIO BLANDO F
AN • VIII
Müllner, Mitth. d. Centralcomm. V (1879) p. CXXXVII.
Haus am Pacher. 380. In dem Gemäuer des Schlosses anlässlich einer Adap-
tining, welche der vorige Besitzer Herr v. P''eyrer vornehmen liess, gefunden:
a) Fragment aus Marmor, h. 052, br. 0*40.
A ED
AV
iW A
CONI
b) Fragment eines Grabsteines, Marmor ; oben ein Mann, welcher eine Guir-
lande hält, darunter als Rest einer Inschrift:
NIO
Müllner Mitth. d. Centralcomm. V (1879) S. CXXXVI f.
Eiersdorf. 381. Nächst dem Kreuzerhofe an der Kirche.
QVARTO
L-VRBINES
LIB-ET-SEXT
GON-F F
Nach einem Abklatsch von W. Semen Pichler Mitth. d. Centralcomm. VIII
(1882) p. CXIV. Z. 4: con{iugi) f{ieri) f{ecit).
Ad C. I. L. III 5721 (Meilenstein, gef. in der Mitte der Dreissiger Jahre in
einem steil ansteigenden Hohlwege [Spur der alten Tauerustrasse] oberhalb des
Johannes-Falles in der 'Drischübelhalt', 1'36 h. über dem Boden, d. 0'50.
//ix
x//
S/////S
HIHIHI
5 COS
NF A
/ \ E P V
o///
//T
E. Richter Mitth. d. Centralcomm. VII (1881) p. CXII. Vgl. „Befund über
die Begehung der Kadstätter Tauern, Pongauer Seite, zur Erhebung des Zuges der
Römerstrasse und ihrer Denkzeichen" in Mitth. d. Ges. f. Salzburger Landeskunde
XXI, 1881, p. 80 tt".
Strass bei Spielfeld. .382. 'Am 15. Juli 1881 wurde auf dem Acker desjHerrn
Plentuer ein Römerstein aus weissem Marmor, 055 br., 0'48 h., ziemlich erhalten
263
ausgegraben und für das Leibuizer Museum erworben; unregelmässige, theils
stehende, theils liegende Schrift .
N OIIBI O
DOCNIM
ARl
ANXXXV
5 SE
Mitth. d. Centralcomm. VIII p. CXIV. - Z, 5 wohl: \H]{ic) s{üus) e{st).
Cilli. 383. Votivstein aus weissem Bacher-Marmor, 0-75 h., 0-58 br., 009 d.,
gef. beim Fundamentgraben unmittelbar am nordwestlichsten jener Rundthürme,
welche einst Cilli umgaben und zwischen welchen die Ringmauer hinlief, 1 M. tief
unter dem Erdboden.
VIND V
COMATILL AE
VT S IBI ET
SATVLLAE F
.5 ANN XXX
Riedl, Mitth. d. Centralcomm. X (1884) p. CCXV. — Z. 3 in. wohl VF
(= Viva fecit).
384. Im Mai 1884 wurde bei der Villa „Mina Biger" in Lava ein weiss-
marmorner Römerstein gefunden. Die wenigen Buchstaben der nicht lesbaren In-
schrift sind rein, aber einfach und genau gemeisselt. Die Reliefs sind stark be-
schädigt und lassen auf einen Grabstein eines Kriegers schliessen. Das im unteren
Theil zeigt die Darstellung des die Leiche des gefallenen Achill bergenden Aias,
am Giebel ist eine Vietoria-Büste. Das Monument dürfte aus dem 2., wenn nicht
Anfange des 3. Jahrh. stammen.
Riedl. Mitth. d. Centralcomm. X p. CLIV.
385. St. Martin im Schallthale in Südsteiermark. Gef. Frühling 1880 beim
Pflügen auf der Ackerparzelle Nr. 156 zwischen dem pfarrlichen Wirthscliaftshofe
und dem Flüsschen Pack, 0*54 h. u. br., links unten und rechts oben gebrochen,
sonst gut erhalten; befindet sich noch au dem envähnten pfarrlichen Wirthschaftshofe.
D • M
BAEB • SPERATI
N VS OBIT A • lü
SPERATVS FILIVS
5 ET CANDIDE VXORI
Jgn. Orozen in Mittheil. d. bist. Vereins f. Steiermark. Heft XXXI p. 66.
Mitth. d. bist. Vereins f. Steiermark, Heft XXXI p. 63 (Inschrift aus Cilli)
= Kenner Mitth. d. Centralcomm. VI p. CXX u Heinrich Arch.-epigr. Mitth. aus
Oest. IV 1880 p, 127.
Buchbach. 386. 'in der Umgebung von Köflach bei Graz hat man gelegentlich
einer neuen Strassenanlage von Piberstein bei Greifeneck weg u. zw. in der Ge-
264
meinde Buchbach, Pt'aire Lankowitz, Waldparzelle des Franz Krug, vulgo Dittmar
(Nr. 389) im Jahre 1878 eine Schriftsteinplatte gefunden. Sie lag in südwestl.
Richtung von der Kirche Lankowitz, an 1233 M. von derselben entfernt, 0'47 unter
der Erde. In der Nähe heisst eine Stelle der Friedhof - Acker; da nun hier seit
Jahrhunderten keine Grabstelle war, so darf man hier eine römische oder vor-
römische Gräberhalde vermuthen. Der Stein, ein sehr quarzreicher Kalk, stark
verwittert, ist 0'90 h., 0-58 br., O'IO d. Die Inschrift befindet sich im Lapidarium
des bist. Museums in Graz und lautet:
C AB AL 1 O
SAVRl ■ f\ -ET
D S. :•■ S 1 A E ■ B V S T V
RI • FI - CONIVGI
Pichier, Mitth. d. Centralcomm. V (1879) p. CXXI f. — Z. 2 überliefert "FI.
Maxglan bei Salzburg. 387. Bei einer Reparatur der Kirche wurde in dem
Thurnigemach ein sehr schöner römischer Grabstein eingemauert gefunden; es ist
eine Platte rothen Adneter Marmors, oben und unten beschädigt, sonst aber leidlich
erhalten ; darauf die wenig verstümmelte Darstellung eines Jünglingskopfes in einer
Nische, dann Epheuranken in den Randleisten und die verwitterte, aber deutliche
Inschrift:
PEREGRINO
IVL MODERAt
SER ANN XXI
SPERATVS
5 ET-PEREGRINA
PARENTES
V - F
Nach einem Berichte und Facsim. Richter's in Mitth. d. Centralcomm. VIII
(1882) p. CIV. Z. 7 am F wohl nur zufällig ein Querstrich unten, so dass es einem
E gleichsielit. — Peref/rino Jul{ii) Modei'ati ser[vo) ann'omm) XXI Speratus et Pe-
regrina parentes v'Jvi) f\^ecerunt).
Mitth. d. Centralcomm. V (1879) p. CLXVII (Inschrift aus Salzburg) =
Arch.-epigr. Mitth. Bd. III (1870) p. 192.
Wels. Rev. Inschr. zu Arch.-epigr. Mitth. aus Oesterr. VI p. 96.
'Z. 1: nach C folgen vier Hastae, so dass an ein Zusammenfallen der beiden
mittleren in ein D nicht gedacht werden kann ; die Querstriche au E und L sind
sehr kurz gerathen. Herr v. Kolb hat am vierten Buchstaben einen Querstrich
wahrgenommen; vielleicht ist es nicht allzngewagt, an den Namen SACILLIA oder
SACRETIA zu denken (vgl. C. I. L. III n. 5512. 5516. 5517)'.
Kenner Mitth. d. Centralcomm. VIII p. CIL
Unedirt:
388. Prismatischer Sandsteinblock, gef. Westbahnstrasse, Werkplalz des Stein-
metzmeisters Stadibauer, stark beschädigt; h. 0"50, d. ca. 0*23.
Das Inschriftfeld vertieft und durch doppelten (aus einfachen Rinnen be-
stehenden) Rand abgegrenzt, h. 0*28, 1. 0-52. Die letzte (6.) Zeile auf der inneren
Raudlinie.
265
PAPlOSILVESTil
11
•EPAP lO
H ILARI
IHRE
~^---.
jccc
/'
ti E X
' -B S ^ F /
.. CC
Nach Abschrift uud Abklatsch des Herrn cand. phil. E. Novotny. Der Stein
ist sehr rissig, daher von Z. 3 an schwer zu lesen und auch aus dem Abklatsch
nicht viel zu gewinnen.
Z. 5 — 6: h{eres) ex tes[t\{ame7Uo) fac{iendum) c{uravit).
389. Rohr am r. Ufer der Krems. Zunächst dem Portal der Kirche in Oberrohr
ist an der Aussenseite des Gebäudes nahe beim Erdboden ein Kömerstein ein-
gemauert, an dem man jedoch nur die Buchstaben D M und einige Zeichen wie
XIII erkennen kuun.
Wimmer in Mitth. d. Centralcomra. VI (1880) p. XLIII.
Tulbing. ad C. I. L. 5651. Der Stein ist im Hause Nr. 87 an der Mauer-
ecke bei dem Garten eingefügt. H. 1 M., br. 0-72. Z. 3 fiu. Ä — Z. 4 st. XXX
das Zeichen ^Ss. — Z. 8 ün. blos E
Karlstetten. ad C. I. L. 5658, h. 108, br. oben 045, unten 057, d. 043.
Die am Anfang der Zeilen ergänzten Buchstaben zum Theil erhalten, so Z. 1: ^
— Z. 4: ^ — Z. 9: li Ebenda b — Z. 3—10 am Ende ein Punkt.
Grafendorf, ad C I. L. 5661, an der äusseren Kirchenmauer, h. 0-47, br. 0"28,
uud lautet so :
///////
/ / U U I 1 w
/ / PART-AN
/ / V-ET • T- AEL-
/ / AEL • VR8AE
5 /■£■• verino • viv
/ex-b-p-a-fL-v-'e
/vi • AQVILIN • F
/ O P T ■
Z. 6 : 'ex b(eneficiario) pfraefecti) a{lae) Fl{aviae) I. v'eterano) Dungl.
St. Leonhard am Forst, ad C. I. L. 5663. Der Stein stark verwittert, so
dass eine vollständige Entzifferung, bes. der unteren Hälfte, unmöglich. Die Lesung
im Corpus unrichtig, was schon daraus hervorgeht, dass der Stein nur 17 Zeilen
aufweist, während im C. I. L. 18 sind. Der Stein ist 1-7 h. , 0*90 br. und hat
uoch erkennbar von Z. 10 an folgende Inschrift:
10 ET - AVVAE • MAXSIMl
F • CON ■ AN - LXX
M • S • S •; . . . V
A L • GETIE TA .
266
■E-M S • S. . . . . . .
15 1 1 1 1 1 ur / / \x\\\
"E- SEX • SA -MINO
MI-L-II- SEV- A^-XXV
Z. 12 — 13 vielleicht mit Zugrundelegung der Lesung des Corpus zu lesen:
\(liiae8t{ori) mun{icipii)\ Ael{ii) [C]eti{i). — Z. 17: mi{liti) l{egionis) II. Sev(erianae).
C. I. L. 5664 neben dem vorigen in der äusseren Kirchenmauer befestigt,
ist so stark verwittert, dass nur mehr einzelne Buchstaben zu erkennen sind.
390. 'Diente als Pflasterstein vor dem Thore des Hauses Nr. 38; soll neben
den beiden schon bekannten an der äusseren Kirchenmauer seine Stelle finden.
H. 0-67, br. 0*84, stark verwittert, so dass nur einige Reste zu erkennen sind.
/////////////
//iTI- F- VI VI • F' SIBI
-E- V//7/////
/////////////
391. 'Ein Bruchstück eines röm. Inschriftsteins findet sich nebst mehreren
anderen Fundstücken bei dem Hausbesitzer Franz Evtl auf der Hub in der Nähe
von St. Leonhard. Dieselben sollen in der Nähe des Hauses zugleich mit Urnen
und röm. Münzen gelegentlich eines Baues ausgegraben worden sein. Der Stein,
h. 0-62, br. 0-55, d. 0-30, ist mit einer auf der einen Seite noch vorhandenen, 0"21 br.
Bordüre aus Hohlkehlen verziert.
/ O M
/ / CVN • D I ■
//SANCivST
/ / S I V S A^G
5 / / / /fec-
Nach Dungl : [J{ovi)] O(ptivio) M(aximo) [et] cun{ctis) di{is) [deahisqiie?]
Sanciua T{itus) . . . .sius Augustalis .... fecit; wenn die Lesung richtig ist, dürfte
von Z. 3 vielleicht zu ergänzen sein: [7».]'? Sancius T. .sius Aug{uatalis) [s{ua) pec{u-
nia) oder ähnlich] fec{it).
C. L L. 5669 in Gossam noch vorhanden (eingemauert in der Capelle des heil.
Pancratius auf der Epistelseite des Altars), aber zum Theile mit diesem in die neu
aufgeführte Mauer eingelassen, so dass nur die erste Hälfte der Inschrift sichtbar.
Dungl, Mitth. d. Centralcomm. VI (1880) p. XCIV ff. : „Bericht über röm.
Alterthümer im V. O. W. W.«
Instrumentum
392. Cilli. Bei Bloslegung einer Grabstätte in der Nähe des Dorfes Gomilsko,
ca. 7 Km. ober Franz, gelegentlich des Baues der Strasse von Franz über Sachsen-
feld nach Cilli fand man in einem gewölbten Räume, behufs Verschlusses nament-
lich im Scheitel verwendet, Trümmer von röm. Dachziegeln von 003 Stärke mit
dem mehr weniger deutlichen Stempel :
REGANO
Kiedl, Mitth. d. Centralcomm. X p. CLVI f.
267
39.3. Im Februar 1884 wurden gelegentlich einer Hopfenbauanlage auf den
bisherigen Ackergründen der Villa „Minna Stiger" in Lava bei Cilli auf ca. 0'85 Tiefe
in einem Grabe ausser anderen Gegenständen 4Thonlampen gefunden mit den
Stempeln: ATIME — FORTIS — VIBIANI — VRS
Riedl, Mittb. d. Centralcomm. IX p. LXXII.
.394. Im Jahre 1881 stiess man bei Erdarbeiten in der Grazergasse in Cillj
auf die Reste eines römischen Hauses. Ausser anderen Stücken fand man einen
silbernen Ring, aussen mit der Ornamentik einer wellenförmigen Linie, begleitet
von Punkten. Innen trägt er die Buchstaben: .1. AO.IAC. O . A. I .O Anfang und
Ende stossen auf der Innenseite nicht zusammen, sondern sind durch einen leeren
Zwischenraum getrennt, wo der Ring gelöthet erscheint, auch ist an der entspre-
chenden Stelle der Aussenseite die Ornamentik verschoben.
Ebenda eine Lucerna (ohne Sculptur), auf deren Unterseite : OCTA FI Oct(avi)
f!{glina?)
A. Heinrich, Mitth. d. Centralcomm. VII (1881) p. GL
395. Gelegentlich der 1880 vorgenommenen Abtragung eines Hügels bei Ber-
nardin nächst Wels wurden verschiedene Funde gemacht. In einem röm. Kindergrabe,
dessen ganzer Inhalt ins Museum Francisco-Carolinum kam, eine Thonlampe ge-
wöhnlicher Form mit CRESCe|s.
An der westlichen Seite des Hügels eine Lampe gewöhnlicher Form mit
C DESSl
An der östlichen Seite des Hügels ein Bodenfragment einer Lampe mit der
Inschrift: NERI.
Kolb in Mitth. d. Centralcomm. VII p, LXXI f.
Wels. 396. Bei Aufdeckung des Coemeteriums fand man Thonlampen mit den
Töpferstempeln: OCTAVI — PAT(erm) — VIBIANI
Ebenda einen geschnittenen Stein mit den Buchstaben PÄD
Diese Stücke sämmtlich im Museum Francisco-Carolinum in Linz.
Kenner, Mitth. d. Centralcomm. VIII (1882) p. CIL
397. Im Museum Francisco - Carolinum (Linz) wurde die keramische Ab-
theilung neu aufgestellt; dabei ergaben sich als bisher in diesem Museum (vgl,
C. I. L. III 6010 ff.) noch nicht als vorhanden bekannte Töpfersiglen :
AVRELIVSI — IVLI-MAN — IVSTS FE — ^NVMNlgl — OPRASF (CLL. 6010, 264
ohne F am Schlüsse, Fundort Linz) — POLIAn/ (Fundort Enns) — QVa/ —
Retrograd: RECIn/ — RECVILUS FEC ■ — RIISTVTVS — /riCIAA (Fundort Schlügen) —
SIIVIIRIAWVS F Severianus J{ecit) (Fundort Schlögen), von ebendaher stammt das
Exemplar C. L L. n. 6010, 206 b — VICTOR FEC (Fundort Enns) — VICTOR F (Fund-
ort Enns) — Retrograd: VICTORINVSF ad C. I. L. 6010, 234 — Retrograd: VRBO FE
Nach Kolb, Mitth. d. Centralcomm. IX p. CXXIII.
398. In Mauer an der Url wurden im Umfange des röm. Gestelles drei Bruch-
stücke von Ziegeln mit Stempeln gefunden und zwar zwei Exemplare mit MVR-D
und eines mit Fl, welche in den Besitz des k. k. Antiken-Cabinets in Wien gelangten.
Dungl, Mitth, d. Centralcomm. VI (1880) p, XCVI.
RAETIEN
Bregenz. 399. Bruchstück einer Bronzetafel, 1840 in Bregenz auf dem Aurat-
Plateau ausgegraben, neuestens dem Landesmuseum abgegeben; nur der Anfang
der Inschrift, in sogenannter Pinselschrift, erhalten.
268
Jenny Mitth. d. Centralcomm. V (1879) S. CXXII. In Z. 2 Reste von E SP,
also offenbar des Namens Vespasian.
400. Auf beiden Seiten besebnebenes B 1 ei täf eichen, im J. 1865 auf der
römischen Begiäbnissstätte zu Bregenz gefunden. Es lag in einem Grabe, welches
sich durch die Beigaben (ein Metallspiegel, ein Armband) als das einer Frau kenn-
zeichnete. Der Inhalt der Aussenseite (a) ergibt, dass das Täfelchen für eine defixio
bestimmt war. Doch wurde es nicht wie gewöhnlich mit Nägeln befestigt (deßxa),
sondern nach der Beschreibung auf einen runden Gegenstand mit ebener Fläche
aufgeschlagen (das Blei so eingebogen, dass es auf der Aussenseite ungefähr recht-
winkelig nach unten, auf der Innenseite nach oben geneigt ist). Die Schrift der
Innenseite ist von anderer Hand als die der Aussenseite und hat so sehr gelitten,
dass sie nicht zu entziffern ist. Von dem Plättchen fehlt nur wenig an den oberen
Ecken,
a) Inschrift der Aussenseite:
DOMITIVS- NIGIIR • IIT • |j (^OLLIVS • IIT IVLIVS SIIVIIRVT. l| liTSu'viIRVS • NIGRi SIIRVS
ADVIIr«||ARI BRVTTAII • IIT ■ QyiSQVIS ADVn||RSVS ILAM LOQVT OMNIIS ||piIRDIIS.
Domitins Niger et [L\ollhis et Julius Severus et Severus Nig7-i ser{v)us, adve[rs]a7-i{i)
Bruttae, et quisquis adversus il{l)am loqut[us est), ovmes perdes.
b) Inschrift der Innenseite:
Z. 6: VALIIRIVM — Z. 4 vielleicht MINOR (oder MINORII). — Wahrschein-
lich enthielt auch diese Seite eine (früher geschriebene) Defixio.
Facsimile, Lesung und Deutung von K. Zangemeister in Mitth, d, Central-
comm. VIII (1882) p. 57 f.
Einige andere kleinere Reste von Sgraffiti in Bregenz werden mit Erklärung
von Zangemeister mitgetheilt von Jeui^ in Mitth, d. Centralcomm. X (1884) p. 14 f,
u. XXIII. Jahresbericht d. Museums-Vereins in Bregenz p. 2 ff,
Instrumentum.
401. Stempelfunde (Grabungen im Jahre 1880) in Bregenz. Auf einem
Reibschalenrand aus hartem gelben Thon:
FIRJWi
FAVORI
Auf Henkeln von Amphoren: T-VB und S-NP
Auf Terra sigillata. Töpferstempel : Jul. Primi o{ficina) — Polinus ofi. Maximi
— Of. Se (vielleicht of. Severi) — Patrici — Juliini und Stempelschneider Imanni
inmitten 'einer Scene aus der Arena mit gut modellirten Thiereu (Löwe, Löwin,
Panther, Antilope).
Jenny, Mitth. d. Centralcomm, VIII (1882) p, 101.
Wien S. FRANKFURTER
■chaeoUpigraph.Mitth.aus Oesterreich IX
<*^
Archaeol.-epigraph. Mitth. aus Oesterreich-Ungarn IX Taf. II
Torso aus Salona
im Museum zu Agram
Archaeol.-epigraph. Mitth. aus Oesterreich-Ungarn IX
Taf. V
Archaeol.-epigraph. Mitth. aus Oesterreich-Ungarn IX Taf. VI
ARCHAEOLOGISCH - EPIGRAPHISCHE
MITTHEILUNGEN
AUS
OESTEBßEICH-UNGAKN
HERAUSGEGEBEN
VON
0. BENNDOßF und E. BORMANN
JAHRGANG X
MIT 8 TAFELN
%.
//r3«
\
WIEN
DRUCK UND VERLAG VON CARL GEROLD's SOHN
1886
^x^.Ä- 30^.
INHALT
Seite
BormHuii Die Tribus PolHa , 226—230
Domaszewski, Hauser, Schneider Ausgrabungen in Carnuntum . 12—41
Domaszewski Griechische Inschriften aus Moesien und Thrakien . . 238 — 244
Zu griechischen Inschriften 244
Dürr Zu der Inschrift von Samothrake 119 — 120
Gomperz Zu attischen Grab-Epigrammen 41. 42
Zu den neu entdeckten Grabinschriften der jüdisclien Kata-
komben nächst der Via Appia 231. 232
K. Baron Haus er Epigraphisches aus Kärnten . . „ 232 — 234
Jireßek Archäologische Fragmente aus Bulgarien . . . 43 — 104 u. 129 — 209
Löwy Inschriften aus Khodos 216 — 221
Masner Ein Spiegeh elief aus Caere „ - 222 — 225
Th. Mommsen Zu Domaszewski's Abhandlung über die römischen Fahnen 1 — 11
V. Premerstein Römischer Votivstein aus Unter-Haidin nächst Pettau 120—123
Neugefundene römische Inschriften aus Poetovio . . 234—237
Rollet Die antiken Schrift-Gemmen meiner Sammlung . . . . . 123 — 128
Schön, Weisshäupl Denkmäler aus Brigetio 105^119
Studniczka Aus Serbien 209 — 215
Zu Domaszewski's Abhandlung über die
römischen Fahnen
Alfred von Domaszewski's Untersuchung über 'die P"'ahnen im
römischen Heere' (Wien 1885. 8) füllt eine längst empfundene Lücke
in unserer Forschung in dankenswerthester Weise aus; die gleich-
massige Beherrschung des philologischen sowie des epigraphischen
und des archäologischen Materials verbindet sich hier mit einer
Kenntniss der railitärisclien Technik, wie sie auf dieses Gebiet
schwerlich bisher Anwendung gefunden hat. Wenn ich dieser An-
erkennung einer vorzüglichen Leistung Ausdruck gebe durch Ein-
spruch gegen mehrere der darin gezogenen Consequenzen, so wird
dies hoffentlich auf keiner Seite missverstanden werden. Erat, qicod
tollere velles — insbesondere manche überkühne und allzu weit aus-
greifende Aufstellung; aber nur um so mehr habe ich mich von
dem bleibenden Werth zahlreicher Ausführungen überzeugt.
I. Feldzeichen und Ofiziere
Die allerdings nie verkannte taktische Bedeutung der Feld-
zeichen hat Domaszewski in überzeugender Deutlichkeit entwickelt,
insbesondere gezeigt, dass auf ihnen in Verbindung mit den durch
Blasinstrumente gegebenen Signalen die gesammte Gefechtleitung
beruht. Aber kaum wird man ihm darin zustimmen können, dass
er dem Adler in seiner späteren Verwendung und überhaupt dem
Corps-Feldzeichen eine 'lediglich symbolische' Bedeutung vindicirt
(S. 24). Was dem einen recht, ist dem anderen billig; und es ist
wenig glaublich, dass auch in der späteren Entwickelung des römi-
schen Militärwesens man zu praktisch werthloser Symbolisirung
gegriffen hat. 'Dass dem einen Adler, sagt der Verfasser, 'für die
sechstausend Mann starke Legion keine taktische Bedeutung zu-
kommen kann, bedarf wohl keines Beweises'. Gewiss in dem Sinne
nicht, als hätten ihn die Legionare so im Auge zu behalten gehabt,
Archäologisch-epigraphische Mittli. X. <
2
wie die Manipulare ihre Standarte. Aber war es nicht taktisch
von Wichtigkeit, den Standort des Befehlshabers der Legion und
überhaupt des Corps in einer Weise zu raarkiren, die doch immer
weit mehr in Sicht war als die persönlichen Abzeichen der Offi-
ziere? Die Kleidungen an die comraandirenden Legionslribune oder
den Legionslegaten wurden wesentlich erleichtert, wenn die Ordon-
nanzen sicher waren sie da zu finden , wo der Adlerträger stand.
Mir scheint vielmehr gerade im Gegentheil zwischen Corpsführern
und Feldzeichen ein correlates Verhältniss zu bestehen: keinem
Abtheilungsführer fehlt ein entsprechendes Feldzeichen, und umge-
kehrt findet da, wo eine taktische Einheit ohne eigenen Führer ist,
dies in dem Mangel des Feldzeichens seinen Ausdruck. Es wird
angemessen sein, diesen Satz in einigen Einzelheiten näher zu be-
legen.
1. Vor allem erklärt sich hiei-aus die Bezeichnung des Detache-
ments als vexillatio^): jede zeitweilig aus einem Corps herausgenom-
mene und bis weiter unter einen Sonderführer gestellte Truppe er-
hält nothwendig für die Zeit ihres Bestehens ihr Feldzeichen, das
vexiUitm.
2. Eine der wichtigsten Nachweisungen, die wir Domaszew^ski
verdanken , ist die Beseitigung der Feldzeichen der Legionar-
cohorten"). Ihre Erklärung findet sie darin, dass die Legions-
cohorte keinen eigenen Commandanten hatte.
3. Umgekehrt verhält es sich mit den übrigen Cohorten und
den Alen. Unbestritten hatten ihre eigenen Feldzeichen die repu-
blikanischen Auxiliarcohorten ^) , sowie die Alen der Kais er zeit**).
Auch dass die Prätorianer Cohortenstandarten gehabt haben, scheint
') Die späterhin übliche Verwenrlung des Wortes für die Keitertruppe ist
wahrscheinlich daraus hervorgegangen, dass die Auflösung der aus beiden Wafl'en
gemischten Corps, der Legionen und der cohories equitatae, sich durch ständige
Detachirung der Reiterei vollzog. Ueberhaiipt dürfte wohl nur darum das vexilluvi
so besonders häufig bei der Reiterei vorkommen, weil diese besonders oft als de-
tachirte Truppe verwendet wird.
') S. 23 ; die gegentheilige Meinung vertritt Marquardt Staatsverw. 2, 439.
Die einzige Stelle, welche wirklich Schwierigkeit macht, Caesars Woi'te bell. Gall.
2, 25 : quartae cohortis omnibus centurionibus occisis aigniferoque interfecto aigno
amissa wird wohl dahin aufzufassen sein, dass der Ton auf den Schlussworten
liegt und allerdings der Verlust eines der drei Feldzeichen nach dem Fall des
Trägers noch schwerer ins Gewicht fallen mochte, als der Fall aller Rottenführer.
^) Manpiardt 8. 398 A. 1 ; Doniaszow.ski S. 17 A. 2.
*) Tacitiis hist. 2, «9; Domaszewski .S. 71.
mir ausser Zweifel^). Für die Auxiliarcohorten der Kaiserzeit fehlt
es an Zeugnissen**); aber die Analogie theils der republikanischen
Socialcohorten, theils der Alen ist kaum abzuweisen. Sollten dennoch
die Cohortenstandarten gemangelt haben, so würde dafür bei den
Auxiliarcohorten, ebenso wie bei den städtischen und denen der
vigiles, die imaginiferi eintreten, von denen es sicher nur je einen
in jeder dieser Cohorten gab ') und der factisch dieselben Dienste
leistete. Alle die bisher genannten Abtheilungen aber haben eigene
Führer und unterscheiden sich dadurch von den Cohorten der Legion.
Nach oben hin^f, über die Legion hinaus, hat der Gebrauch
des einheitlichen Feldzeichens sich nicht erstreckt: wohl die Ab-
theilung, aber nicht die Armee führt eine Fahne.
Von diesem Gesichtspunkte aus wird auch die Nachricht be-
urtheilt werden müssen, dass die römische Legion bis gegen die
Mitte des siebenten Jahrhunderts fünf Feldzeichen führte: den
Adler, den Löwen, den menschköpfigen Stier ^), das Pferd und den
Eber^). Ist das Feldzeichen das Kriterium der unter Einzelführung
®) Domaszewski S. 23. 56 fg. leugnet dies freilich; aber wenn auch die
Existenz von Manipel- und später Centurienzeichen nicht zu bestreiten ist, so kann
doch die mit der Aufschrift COH-IllPR ohne weiteren Beisatz versehene Standarte
(das. S. 31) ein solches nicht sein. Auch findet sich unter den inschriftlich
bekannten signiferi der Prätorianer (Cauer eph. IV p. 358) bei einem (C. I. L. II,
2610) der Zusatz in (centuria), welcher nicht wohl anders verstanden werden kann,
als dass es auch signiferi cohoHis gab. Dass wir keinen mit diesem Beisatz be-
zeichneten haben, ist auffallend, aber nicht entscheidend; der Rangunterschied
zwischen beiden Kategorien war vermuthlich nicht beträchtlich und begnügte man
sich daher meist mit dem einfachen signi/er.
") Wenn Tacitus hist. 2, 89 bei dem Einzug der Vitellianer in Rom die
aquilae und die vexilla der Legionarier und duodecim alarum signa et . . . equites,
dagegen bloss die quattuor et triginta cohortes aufführt, so kann doch daraus un-
möglich mit Domaszewski (S. 71) geschlossen werden , dass den letzteren die
Cohortenstandarten fehlten. Noch weniger beweisen Stellen, wie hist. 4, 16: Tun-
grorum cohors signa ad Civilem transtulit ; es war nur correct das Cohortenfeldzeichen
und die der Manipel zusammenzufassen.
') Domaszewski S. 69 fg.
*) Denn dieses auf campanischen Münzen so geläufige Bild ist sicher der
Minotaurus des Festus und des Plinius.
^) Plinius 10, 4, 16: Romanis eam (aquilavi) legionihus Gaius Marius in sectmdo
consulatti suo (J. 650) proprie dicavit: erat et antea prima cum quattuor aliis:
lupi, viinotauri, equi ai^rique singulos ordines anteihant. paucis ante annis sola in
acievi portari coepta erat, reliqua in castris relinqnebantur. Andere Stellen Marquardt
S. 355 A. 4. Bei einem Schriftsteller, wie Plinius ist, kann ordo jeden Truppen-
theil bezeichnen; der Manipel kann unmöglich gemeint sein. Domaszewski's Com-
1*
stehenden Truppe , so muss die Legion , als diese Zeichen auf-
kamen, in fünf oder, da das eine derselben der ganzen Legion hat
angehören können, in vier Haufen mit besonderer Führung zerfallen
sein. Da nun aber etwa um dieselbe Zeit die Beseitigung der vier
Ordnungen der Legionarier stattfand, so ist die Frage nicht ohne
Berechtigung, ob nicht der Adler von jeher die ganze Legion
reprUsentirt und den Standpunkt ihres Stabes bezeichnet, die übrigen
Standarten aber den drei Treffen nebst den velites zukommen.
Die Ausgleichung der sämmtlichen Legionare würde also in der
Beseitigung dieser Zeichen unter alleiniger Festhaltung des Adlers
einen sehr angemessenen Ausdruck finden. Auch werden diese
Abtheilungen oftmals bei den Operationen als besondere Abthei-
lungen verwendet '").
Freilich, über Sonderführung eines jeden dieser Treffen ist
nicht nur nichts bekannt, sondern dieselbe auch mit der wohlbe-
kannten Offiziersordnung schwer vereinbar^'). Aber wir werden
uns billig erinnern, dass wir von der ursprünglichen militärischen
Verwendung der drei Treffen in der That nichts wissen , die drei
Benennungen liastati, princi'pes, pilani, so klar sie nach ihrem Wort-
sinne sind, in Einklang mit diesem zu erklären nicht vermögen;
wir werden es darum auch als möglich gelten lassen müssen, dass
sie bei ihrer Einführung für gesonderte Verwendung bestimmt
worden sind und daher gesonderte Feldzeichen erhalten haben.
Dass die fünf Feldzeichen zu der Legion, die Polybios beschreibt,
nicht passen, ist unbestreitbar; aber wenn sie im J. 650 definitiv
abgeschafft und eine Weile vorher, wie Plinius sagt, wohl noch ge-
führt, aber bei dem Gefecht im Lager gelassen wurden, so können
bination der Träger dieser Zeichen mit den zweiten signiferi bei Polybios ist mir
unverständlich geblieben. — Dies sind wohl die signa^ die im Aerarium aufbewahrt
wurden (Staatsrecht 2, 531) und die also dauernd waren, obwohl die Legionen
selbst jährlich neu gebildet wurden. Die Bundesgenossen führen nach strengem
Sprachgebrauch nicht signa, sondern nur vexilla (Liv. 39, 20, 7; vgl. 2.5, 14, 4. 7);
diese wurden schwerlich als ständige betrachtet und sicher nicht im römischen
Aerarium aufbewahrt.
■") Die Belege bei Domaszewski S. 20 A. 4.
*») Denkbar ist es, dass die Kriegstribune hiefür verwendet worden sind.
Man vergesse nicht, dass die fünf Feldzeichen, wenn sie mit den drei Trefl'en zu-
sammengchürcn, keineswegs der ursprünglichen römischen Legion eigen sein können,
die die hastati, jjrincipes und triarii nicht gehabt hat, also die Institution der sechs
Tribüne woiil für die Füliriiiig der Trefl'en gedient haben kann, aber nicht daraus
erklärt werden darf.
sie füglich schon zur Zeit des hannibalischen Krieges praktisch
ausser Gebrauch gewesen sein, wenn sie auch damals vielleicht
noch zur Schlacht mit ausrückten; und in diesem Falle hatte Poly-
bios keine Veranlassung dieser Antiquität zu gedenken.
II. Aufstellung der Feldzeichen im Gefecht
Dass das Feldzeichen bei der Abtheilung Aufstellung findet,
zu der es gehört, versteht sich von selbst; aber keineswegs wird
man Domaszewski einräumen dürfen, dass dasselbe, um allen dazu
gehörigen Kämpfern sichtbar zu bleiben, gerade im ersten Glied
sich aufzustellen hat (S. 2). Leider fehlt uns, um über diese Ver-
hältnisse mit Sicherheit urtheilen zu können, ein wesentliches Mo-
ment : für die ältere .Afanipularstellung die normale Zahl der Glieder
des Manipels und für die Cohortenstellung sogar Aufschluss über
die normale Stellung der Manipel und der Halbmanipel neben oder
hinter einander. Die gangbaren Annahmen, dass in der älteren
Zeit die Manipel der Hastaten und der Principes, abgesehen von
den Velites, sechs Mann tief), in der späteren der Halbmanipel
zehn Mann oder vielmehr, da die beiden Halbmanipel hinter ein-
ander gestanden haben sollen, der Manipel zwanzig Mann tief ge-
standen habe-), sind moderne und durchaus unzuverlässige Com-
binationen. Indess, welche Tiefe immer das Rechteck gehabt
haben mag, das der Manipel in der Schlachtordnung nach der ge-
wöhnlichen — natürlich nach Umständen wechselnden — Aufstellung
einnimmt, die Zusammengehörigkeit der Manipulare und ihres Feld-
zeichens wird nicht darin gefunden werden dürfen, dass jene dieses
jederzeit im Auge hatten; es genügt, wenn sie im Handgemenge
sich nach demselben jederzeit orientieren konnten, und dafür reicht
es aus, dass dasselbe unmittelbar hinter dem letzten Gliede seinen
Platz fand. Auch wird erinnert werden dürfen an die von Doma-
') Marquardt S. 352. H. Delbrück (im Hermes Bd. 21 S. 77) hat kürzlich
die Annahme vertreten, dass die reguläre Tiefe des Manipels 12 Mann war. Ohne
das Gewicht der Gründe zu verkennen, welche dieser Forscher für die Fortdauer
der phalangitischen Ordnung (denn darauf läuft diese Ansicht ja im Wesentlichen
hinaus) bis in die Zeit des hannibalischen Krieges hinein geltend macht, kann ich
mich doch von der Richtigkeit der Grundanschauung nicht überzeugen. Seit man
hastati, principes und triarii unterschied, muss das Wehrsystem eingerichtet ge-
wesen sein auf Ablösung des ersten Treffens durch ein zweites und Bereitstellung
einer Reserve und damit ist die phalangitische Ordnung aufgegeben. Es gilt nicht
jene Ablösung zu leugnen, sondern ihre praktische Durchführbarkeit zu erweisen.
») Marquardt S, 437.
szewski selbst so schön nachgewiesene enge Beziehung zwischen
den Feldzeichen und den Signalbläsern; sicher standen beide wie
auf dem Marsch (Domaszewski S. 7 A. 1) so auch im Gefecht
zusammen und es mag wohl für die Gefechtsleitung mehr noch auf
das Ohr gerechnet worden sein als auf das Auge.
Dass das Signum in der That hinter dem letzten Gliede des
zugehörigen Manipels stand, bestätigt in unwiderleglicher Weise die
Bezeichnung des ersten Treffens als der antesignani. Allerdings
konnte, nach dem eben Gesagten, in Beziehung auf das eigene Signum
jede Abtheilung mit diesem Namen genannt werden; aber begreif-
licher Weise wird die Bezeichnung allein verwendet für diejenigen
Soldaten, die überhaupt keine Feldzeichen, weder der eigenen noch
einer anderen Abtheilung, vor sich haben und unmittelbar dem Feind
gegenüber stehen. Der Versuch Domaszewski 's (S. 11), die signa,
von denen die antesignani den Namen führen, von den gewöhnlichen
manipularen zu unterscheiden, ist so gänzlich misslungen, dass er
keiner besonderen Widerlegung bedarf.
Ueberdies ist es praktisch undenkbar, dass während des Ge-
fechts dem Standartenträger der Platz unmittelbar am Feind an-
gewiesen worden sein soll. Damit ist auch die Ueberlieferung im
besten Einklang ^) . Wenn Caesar im afrikanischen Krieg '*) den Seinigen
befahl nicht über vier Fuss (5 Fuss = 1 Schritt) sich von den
Feldzeichen zu entfernen, so ist diese Distanz natürlich nicht von
dem Punkte aus zu messen, an dem das Feldzeichen steht, sondern
von dem Quadrat, das der Manipel in der Schlachtordnung ein-
nimmt; CS ist einfach das Verbot, aus dem Gliede zu treten. Es
wird also bei dem zu bleiben haben, was bisher angenommen
worden ist^): das Feldzeichen geht auf dem Marsch, wie auch bei
dem Vormarsch zum Kampfe der Abtheilung vorauf, nimmt aber
in der Schlachtstellung hinter derselben seinen Stand.
^) Die Worte des Livius 30, 33, 1 : non confertas autem cohortes ante sua
quarnque signa inslruebat, sed manipulos aliqiiantuni inier se distantes ziehen allerdings
incorrect die Cohorte herein (S. 7 A. 1), zeigen aber dennoch, dass das Feldzeichen
liinter, nicht vor der Truppe stand.
') b. Afr. 15: Caesar ... cum animum adverteret ordines suorum in proctir-
rendo turbari (peditcn enivi^ dum eqtiües lomjius ab signis perseqnunlar, latere nudalo
. . . iaculis vidnerabanlur . . . ) edicil per ordines, ne qiiis miles ab signis III J pedes
longiua procederet.
■') Marquardt a. a. O. H. 353 fg.
III. Die Bildung der Legionscohorte
Dass die Cohorte erst im Laufe des siebenten Jahrhunderts
zur ständigen Unterabtheilung der Legion geworden ist, ist be-
kannt und unbestritten. Aber wenn Domaszewski das Vorkommen
von legionaren Cohorten in älterer Zeit überhaupt leugnet und die
entgegenstehenden Angaben bei Polybios und den Späteren als
Fehler der Abschreiber oder Anachronismen der Schriftsteller be-
handelt, so wird man ihm darin nicht beistimmen können. Da an
dieser Frage manche andere hängt, so wird es zweckmässig sein,
eingehender dabei zu verweilen. Die bei späteren römischen Schrift-
stellern begegnenden Nachrichten über Legionscohorten aus älterer
Zeit kommen wenig in Betracht ') ; alles kommt hier auf die Angaben
des Polybios an. Was nun diesen anlangt, so ist es zunächst nicht
richtig, dass er der Cohorte 'in seiner Schilderung der Bildung und
Zusammensetzung der Legion nach dem Zusammenhang seiner Dar-
stellung hätte erwähnen müssen' (S. 20). Dies hätte er thun müssen,
wenn sie schon damals statarisch gewesen wäre ; aber eine wenn auch
gewöhnliche, doch nur für den einzelnen Fall eintretende Combi-
nation gehörte in jene Darstellung überall nicht. Er spricht von
ihr denn auch nur in Beziehung auf einzelne Schlachtmanöver, bei
denen jene Combination zur Anwendung kam. In der Schilderung
der Schlacht von Baecula'^) führen die Commandanten der beiden
Flügel die einzelnen römischen Abtheilungen gegen den Feind vor:
xpeiq iXac, iTTTre'ujv .... xai irpö toutujv Tpocrcpoiudxouc^ toxjc, ei9icr-
luevoui; Kai rpeic, (Trreipaq" toOto be KaXeiiai tö (JuviaTlua tujv rreZaiv
Tiapd 'Puufiaioiq KOÖpiK;. Diesen erklärenden Beisatz betrachtet
Domaszewski als interpolirt. Ob Livius^), der diese Stelle also
wiedergiebt: cum iernis peditum cohortihus ternisque equitum iurmis, ad
hoc velitibus, ihn gelesen hat, ist aus den Worten nicht zu entnehmen.
Aber wenn es bei Polybios^) bald darauf, in der Beschreibung der
') Livius 30, 33, 1 sind allerdings die cohortes ein falscher Zusatz zu dem
polybianischen Text, 15, 9, 6; und Frontinus strat. 1, 6, 1 ist ohne Beweiskraft. Doma-
szewski S. 10 A. 3. S. 20 A. 6. Aber andere von ihm nicht angeführte Stellen
des Livius 32, 17, 11: cohortes in vicem ... emiUebat und besonders 34, 28 7:
primae legionariae cohortes ihant haben grössere Bedeutung, wenn gleich auch sie
nicht entscheiden.
^) 11, 23, 1.
ä) 28, 14, 17.
*) 11, 33, 1. Die Worte toöto 6' ioi\ OTieipa hat Casaubonus gestrichen,
weil sie mit der hergebrachten Auffassung des Wortes sich nicht vertragen; dass
8
Schlacht am Ebro heisst: aYuuv Ik t?\c, irapeiußoXfii; im Teiiapa^
KodpTii; (toOto b' eari cTTreTpa) irpocreßaXe toT<; ireloxq tujv uTrevavxiuuv,
was Livius^) wiedergiebt mit den Worten: qnathior cohortes in fronte
statuit, quia latius pandere aciem non poterat, so ist durch diese in
jeder Hinsicht unverdächtige und unmöglich auf Auxiliarcohorten
zu beziehende Notiz, die Domaszewski übersehen hat, das Vor-
kommen von legionaren Gehörten schon zur Zeit des hannibalischen
Krieges vollständig gesichert und die verwegene Athetese durch
ein zweites unabhängiges Zeugniss beseitigt.
Ueber die Bedeutung jener erklärenden Worte wird gestritten:
ist TouTO TÖ auvTaTM« die CTTTeTpa oder die TpeT(; cTTreTpai? und, was
dasselbe ist, versteht Polybios hier unter der cTTreTpa die aus drei
Manipeln gebildete Gehörte oder vielmehr den Manipel? Wenn
die an der zweiten Stelle überlieferten Worte echt sind, so heisst
arreTpa hier die Gehörte; und genügende Gründe für die Tilgung
derselben sind .nicht beigebracht. Aber auch wenn diese interpolirt
sein sollten, wird man zu demselben Ergebniss kommen müssen.
Das Wort aireipa wird bei Polybios zwar mehrfach für den Manipel
gesetzt*'), aber es kommt auch in anderer Verwendung selbst in
Beziehung auf römische Verhältnisse vor'') und hat überhaupt einen
allgemeinen Werth, etwa wie bei uns Schaar^), so dass Polybios
sie bei Suidas fehlen, will nichts bedeuten und mir erscheinen sie der vorsich-
tigen Weise des Schreibers ganz angemessen. Uebrigens bleibt der Beweis für die
KOÖpTic bestehen, auch wenn man sie tilgt.
■') 28, 33, 12.
^ 6, 24, 5 : TÖ |Liev laepoc; e'Kaarov ^KdXeaav Kai Täj}xa (= ordo) Kai aneipav
Kai oriiLiaiav (= sigmim), Touq ö' i'iyeiuövac; Kevxupitjuvac; Kai xaSidpxouq (= ordincs).
15, 9, 7: TTpujTov \i.iv Tohc, hajäTovc, Kai tck; toijtuuv ainuaiat; ^v biaöxniuaaiv,
eni hk toütok; tou(; -npv^Kmac, , riGeic; tck; aireipa^ ou Kaxä xö xiuv irpuüxujv
oriiuaiujv öiäöxtT,ua. Wo sonst ötreipa von römischen Abtheilungen gebraucht
wird 2, 30, 6; 3, 110, 6; c. 113, 3; c. 115, 12, scheint ebenfalls der Manipel ge-
meint. Uebrigens heisst derselbe noch häufiger arjiLiaia (1, 40, 10; 3, 113, 3;
11, 22, 10; 15, 9, 7 ; c. 13, 7 und sonst), womit aber auch (15, 4, 4) im allge-
meineren Sinne Türmen und Manipel zusammengefasst werden, zuweilen auch xÖEk;
(15, 13, 1). Dass Polybios ordo und via/nipnlus ausdrücklich gleichsetzt, stellt sich
zu den Beweisen für die von Domaszewski S. 12 fg. meines Erachtciis mit Unrecht
bestrittene urspriingliche Identität von vianipulas und centuria.
') 15, 9, 9: xä hi biaaxr)|uaxa xOüv upiwxiuv öriMaiüJv dveirXnpujae -xaic,
xüjv Ypoocpo|Lidxi"v öTieipuK;. Manipel der Velites gibt es nicht.
*; Vgl. besonders 18, 28, 10 von Pyrrhos: xiOelc; ^vaWdt aiTinaiav (d. h.
einen römisch geordneten Maiiipol) Kai orreTpav qpaXa'fY'fiKiV ^v xoT<; irpöc; 'Puu-
\iiaio\ic, dYiwaiv.
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wohl befugt war dasselbe unter Beifügung des entsprechenden
lateinischen Ausdrucks in verschiedener Bedeutung zu verwenden.
Dass grammatisch die Beziehung der Erklärung auf crireTpa die
nächstliegende ist, ergiebt sich schon daraus, dass Reiske ihr den
Vorzug giebt, so wie aus der zweiten angeführten Stelle, selbst wenn
man diese als interpolirt betrachtet. Entscheidend aber ist meines
Erachtens die Beschreibung des Manövers selbst. Domaszewski
hat aus derselben freilich entnommen, dass die tpei^ CTTreipai drei
Manipel sind; mir scheint sie im Gegentheil nur verständlich, wenn
darunter drei Gehörten verstanden werden.
Scipio stellt seine Truppen — zusammen 45.000 Mann zu
Fuss und 3000 Reiter, grösstentheils aber unzuverlässige spanische
Mannschaften — in der Weise auf, dass die Spanier im Centrum,
die Römer auf beiden Flügeln stehen und während jenes zurück-
gehalten wird, die beiden Flügel an den Feind heran und über
seine Flügel hinaus vorrücken und die Schlacht entscheiden sollen.
Die römischen Reiter nebst der leichten Infanterie beginnen das
Gefecht, werden aber dann zurückgenommen und, die Velites vor
den Reitern, hinter der schweren Infanterie aufgestellt. Dann setzen
die beiden Flügel sich in Bewegung. Nachdem sie in die Nähe
des Feindes gelangt sind, rücken sie diesem entgegen in der Weise,
dass gleichzeitig die ersten (ai fiYOu,uevai) , das heisst die auf dem
äussersten Flügel stehenden drei Reiterturmen nebst den dazu ge-
hörigen Velites in der einen und die drei vor ihnen aufgestellten
(JTTeTpai in einer anderen Richtung an die ihnen in der Angriffs-
linie angewiesenen Plätze abrücken, alsdann die übrigen Türmen
und (TTieipai in gleicher Weise je drei und drei nachfolgen und so
die neue Schlachtreihe sich bildet, in welcher die römische Infan-
terie der feindlichen gegenüber, die Reiter über diese hinaus stehen,
um dieselbe im Rücken zu fassen. Einleuchtend beruht dies Manöver
auf der Gleichzahl der Türmen und der (JTTtTpai , die zu Anfang
hinter einander stehen und dann in verschiedener Richtung vor-
gehen. Dies aber fordert nothwendig die Cohorte; denn in der
Legion entspricht die Zahl der Türmen der der Cohorten, und in
den Alen der Bundesgenossen muss annähernd ein gleiches Ver-
hältniss stattgefunden haben'"'), nimmermehr aber können die zehn
^) Genaueres über die römischen und italischen Truppen Seipios ist nicht
überliefert. Aber nach den sonstigen Zahlenverliältnissen wird angenommen werden
dürfen, dass die Infanterie und die Reiterei der Italiker nicht oder nicht beträcht-
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Türmen und die dreissig Manipel der Legion in dieser Weise
operiren. Darum leuchtet auch ein, dass Polybios für die Schilde-
rung dieses Manövers, bei welchem allem Anschein nach die legio-
naren und die Auxiliarcohorten neben einander zur Verwendung
kamen, die cohors nicht entbehren konnte und daher sich veranlasst
fand den für seine allgemeine Darstellung überflüssigen Terminus
hier zu verwenden und zu erläutern'").
Trifft diese Auseinandersetzung das Richtige, so kann die
Stelle des Polybios nicht ferner als directes Zeugniss dafür gelten,
dass die cohors schon zu seiner Zeit aus drei Manipeln bestanden
habe ; Polybios bezeichnet sie vielmehr lediglich als eine combinirte
Infanterietruppe (crüvTafiLia tujv rre^Ouv). Indirect freilich ergiebt sich
aus seiner Darstellung eben dasselbe, da sie nur verständlich ist,
wenn die drei hintereinander stehenden Manipel die für dies Manöver
zu Grunde gelegte Einheit bilden. Ueberdies versteht es sich von
selbst, dass der älteren und der neueren cohors derselbe Begriff
beiwohnt und ihr Unterschied nur darin besteht, dass jene eine
ausserordentliche, diese eine ordentliche Formation ist.
Weiter folgt daraus, dass Domaszewski mit Unrecht die Ein-
führung der Gehörte als der ordentlichen Formation dem Marius
abgesprochen hat, weil bereits im jugurthinischen Krieg von cohortes
legionariae die Rede sei ^^) ; es hindert nichts diese ebenso aufzu-
fassen, wie die Gehörten in der Schlacht von Baecula.
Endlich giebt uns dieser Nachweis einen Einblick in die Bundes-
genossencohorte der Republik. Denn es liegt auf der Hand, dass
die ausserordentliche legionare Gehörte ihre Benennung nur dess-
wegen erhalten haben kann, weil sie der ordentlichen Auxiliarcohorte
Avesentlich gleichartig war. Demnach war auch diese aus mehr oder
minder Schwerbewaffneten und Leichtgerüsteten zusammengesetzt.
Wenn Domaszewski (S. 16) Nissen in scharfer Weise tadelt, dass
lieh die der Bürgertruppen überstieg (C. Marcks de alis Leipzig 1886 p. 23), also
im Grossen und Ganzen auch hier eine Coliorte auf eine Turme kam.
'") Nach Domaszcwski's Auffassung (S, 18) stehen die drei OTreTpai, nach
ihm Manipel, in der gewöhnlichen Ordnung hinter einander und hinter diesen eben-
falls in drei Treffen die Reiterei ; alsdann rückt jede dieser sechsgliedrigen Colonnen
einzeln gegen den Feind vor. Aber wie die Reiter dazu kommen, sich in drei
Treffen aufzustellen und vor jedem dazu noch die Velites , ist nicht abzusehen,
und der succcssive Anmarsch einzelner Abtheilungen von je 300 Mann eine militärisch
bedenkliche Conccption. Vor allem aber kommen dabei auf drei Manipel drei
Türmen.
") Sallust Jug. 51.
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er die Gliederung und die Ziffern der römisclien Cohorte auf die
der Bundesgenossen einfach überträgt, so ist das wohl insofern be-
rechtigt, als die Ungleichheit der Contingente und selbst die ziffer-
mässige Unbestimmtheit des Wortes cohors dabei nicht genügend
berücksichtigt sind ; aber im Wesentlichen wird man Nissen lediglich
Recht geben müssen. Es erhellt dies auch auf einem andern Weg.
Die römische Wehrverfassung beruht auf dem Zusammentreten des
ordentlichen Aufgebotes der sämmtlichen Bundesstaaten ; und wie
Rom zu Präneste verhält sich die römische legio (im ursprüng-
lichen Sinn) zu der cohors der Pränestiner ''^j. Nun aber ist es doch
ganz undenkbar, dass die durch das Vermögen bedingten Ver-
schiedenheiten der Dienstpflicht nicht in jeder Bundesstadt bei der
Truppenbildung ähnliche Consequenzen herbeigeführt haben wie in
Rom ^^) ; ebenso undenkbar, dass militärische Fortschritte, wie die
Gliederung der Phalanx in mehrere Treffen und die Bildung einer
Reserve, nicht ebenso wie im Bürger- so auch im Italikerheer
durchgeführt worden sind. Die Gleichartigkeit der militärischen
Einrichtung ist für die gleichartige Gestaltung der italischen Nation
vielmehr die Ursache gewesen als die Wirkung. Von welcher Seite
also man die Sache betrachtet, alles führt darauf, dass die Auxiliar-
cohorte die Legion im Kleinen gewesen ist, und die Bestätigung
dieses Satzes durch die Thatsache. dass die legionare Cohorte eben-
falls nichts ist als die Legion im Kleinen, steht nach wie vor un-
erschüttert.
'') Gewisse Unterschiede treten allerdings hervor; insbesondere ist die
Kelterei Bestandtheil der Legion, nicht aber Bestandtheil der bundesgenössischen
Cohorte. Aber diese wahrscheinlich erst im Laufe der Entwickelung entstandenen
Abweichungen können über den Grundcharakter nicht täuschen. Eine unglück-
lichere Parallele ist schwer zu finden, als die Domaszewskische der Auxiliar-
cohorte und des römischen Manipulus. Soll mau wirklich Varros (5, 88) Definition :
manipuhis exercitus minima manus , quod nnum sequitur signum auf die Auxiliai'-
cohorte von durchschnittlich 500 Mann übertragen?
'^) Eben dahin führt, was Polybios 6, 21, 5 über die der römischen analoge
Aushebung (-rrapaTrXriaiav xi^ -rrpoetpruuevr) Ti^v eK\oYnv) der Bundesgenossen sagt
und Livius 29, 15, 7 fg. über die Beziehung dieser Aushebung zu dem städtischen
Ganzen sehr verständlich andeutet-
Charlottenburg TH. MOMMSEN
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Aiisgrabimgen in Carnimtum 1885
Am Ostausgange des Wiener Beckens liegt zwischen den
Dörfern Deutsch-Altenburg und Petronell die Ruinenstätte Carnun-
tums. Wer je die Anhöhe betreten , welche noch heute im Volks-
munde die Burg heisst und einst das römische Lager trug, dem
ist das grossartige Landschaftsbild unvergesslich eingeprägt. Wie
von einer Warte überschaut das Auge die weite Ebene an der
March bis zu den fern am Horizont sich abhebenden Bergen des
mährischen Gesenkes. Zu den Füssen liegt der Donaustrora, dessen
ganzen Lauf vom Durchbruch bei Wien bis zur Enge von Hain-
burg jene Höhe beherrscht; und auch nach Süden hin findet der
Blick erst eine Grenze in meilenweiter Ferne an den blauen Berg-
zügen des Leithagebirges. So bewährt sich au dieser Stelle der
wunderbare Scharfblick, welcher die Römer bei der Wahl der
Plätze für die Anlage ihrer Städte und Lager leitete, und in dieser
Gunst der örtlichen Lage war die militärische Bedeutung Carnun-
tums begründet, eine Zwingburg zu sein für die stets kampflustigen,
unruhigen Germanenstämme jenseits der Donau.
Wie verheerend die Völkerzüge auch seit dem Ausgange des
Alterthums über diese Stätte dahingegangen und wenn sie auch die
Reste jener einst so bedeutenden Anlagen bis auf das einsam ragende
Heidenthor hinweggetilgt, so sind doch zahllose Fandstücke von Bild-
werken und Inschriften, Münzen und geschnittenen Steinen, wie sie
die Feldarbeit des Landmanns meist zufällig zu Tage brachte, leben-
dige Zeugen einer grossen Vergangenheit und seit Jahrhunderten ein
]\Iahnruf. welche Schätze für die Erkenntniss des Alterthums hier
noch in der Erde verborgen lagen. In unserer Zeit eines lebendig
gesteigerten Interesses für alle Zweige der Alterthumskunde hat es
daher auch nicht an Stimmen gefehlt, welche auf den beschämenden
Zustand trauriger Verwahrlosung eines so wichtigen Fundgebietes
mit Nachdruck hinwiesen. Wenn im Jahre 1852 Freiherr von
Sacken in seiner Monographie ül)er Carnuntum die Forderung syste-
matischer Ausgrabungen in Carnuntum stellte, so kehrt doch zwanzig
Jahre später in Mommsens grosser, auch für die Kenntniss der
römischen Alterthümer Oesterreichs epochemachender Inschriften-
sammlung die bittere Klage wieder über die Vernachlässigung jener
wichtigen Fundstätte, und erst Otto Ilirschfeld ist es zu danken,
13
dass die Alterthümer Carnuntums jene Pflege erfuhren, welche ihrer
Bedeutung entsprach. Zwar hatten Graf Traun und Baron Ludwigs-
torff, die Grundherren jener Gegend, in dem letzten Jahrzehnt mit
liebevoller Umsicht in ihren Privatsaramlungen vereinigt, was bei
gelegentlichen Ausgrabungen oder auch zufällig zu Tage trat, und
sich so den Dank der Alterthumsfreunde für alle Zeiten gesichert,
aber erst die auf Hirschfelds Anregung hin vom Ministerium für
Cultus und Unterricht durch die k. k. Central-Commission für Er-
forschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale
unter Leitung Alois Hausers auf der Burg durchgeführten Aus-
grabungen haben zum erstenmal Licht verbreitet über die Anlage
des Standlagers und den Weg gewiesen für eine planmässige Er-
forschung des Ruinenfeldes.
Die wichtigen Ergebnisse dieser Ausgrabungen, welche in
weiten Kreisen Theilnahme erweckten , wurden die Veranlassung,
zur Gründung eines Privatvereines zu schreiten, welcher sich die
Aufgabe setzte, das Fundgebiet von Carnuntum durch systematische
Ausgrabungen zu erforschen.
Im Winter des Jahres 1884 constituirte sich der Verein. Seine
kaiserliche und königliche Hoheit der durchlauchtigste Kronprinz
Rudolf geruhte den Verein durcli Uebernahme des Protectorates aus-
zuzeichnen. An die Spitze traten Seine Excellenz Alfred Ritter
von Arneth und Herr Nikolaus Dumba, und ihrem Wirken nament-
lich ist es zu danken, dass der Verein bereits im Sommer des Jahres
1885 mit Erfolg die ersten Ausgrabungen in Carnuntum eröffnen
konnte.
Indem hier zum erstenmale ein wissenschaftlicher Bericht über
die Thätigkeit des Vereines erstattet wird, erscheint es angemessen,
ihn mit einer kurzen Skizze zu eröffnen , welche die historische
Bedeutung Carnuntums erläutern soll.
Die Herrschaft über das Mittelmeerbecken, welche die Republik
gewonnen , zu einem festen , in sich geschlossenen Reichsganzen
ausgebildet zu haben, ist die welthistorische That der ersten Kaiser-
zeit. Den ersten Schritt, das Reich auf seine natürlichen Grenzen
zu erweitern und zugleich den Ländern alter Cultur einen dauern-
den Schutz zu schaffen vor den Einfällen der Barbaren, that Caesar
durch die Eroberung Galliens. Schon als Triumvir folgte Augustus
auch in diesen Plänen der Bahn, die ihm sein grösserer Oheim
gewiesen. Die Kämpfe in Illyricum hatten vor allem den Zweck,
14
die Verbindung zwischen Italien und Makedonien sicher zu stellen,
und der günstige Ausgang der Schlacht bei Aktium ist nicht zum
geringsten Theile ein Resultat dieser weitsichtigen Politik gewesen.
Aber erst nach der Unterwerfung Raetiens und Noricums
wurden diese Pläne im grossen Stile wieder aufgenommen. Tiberius
Nero, des Kaisers Stiefsohn, vollendete in den Jahren 11 — 9 v. Chr.
unter gewaltigen Kcämpfen die Unterwerfung Illyricums bis an die
Ufer der Donau. Die friedliche Tendenz dieser Eroberungen spricht
sich vor allem in der Anlage der Standlager aus; im oberen Drau-
thale, in der Umgebung von Poetovio (Pettau), war die Armee in
einer Stärke von drei Legionen, mit ihren Auxilia etwa 40.000 Mann,
dauernd stationirt. Der Schutz der Nordausgänge der Alpenpässe
und die Sicherung der über üalmatien nach Makedonien führenden
Reichsstrassen war also ihre nächste Aufgabe.
Kurz nachher tritt uns der Name Carnuntums zum erstenmale
in der Ueberlieferung entgegen. Velleius Paterculus berichtet, dass
Tiberius sein grosses Heer, mit welchem er Marbod zu bekriegen
gedachte, in Carnuntum, der äussersten Stadt des Königreichs
Noricum sammelte. Man wird daraus schliessen dürfen, dass Car-
nuntum bereits damals ein ansehnlicher Ort gewesen, und die Ver-
muthung bestätigt eine Nachricht, die wir bei Plinius finden. Er
nennt Carnuntum als einen Haupthandelsplatz an der Strasse, auf
welcher der Bernstein von den Gestaden der Ostsee durch das
freie Germanien und durch Pannonien bis nach Aquileja verführt
wurde.
Eine historische Bedeutung gewinnt der Ort erst in jener Zeit,
als ein römisches Legionslager dorthin verlegt wurde. Wann dies
geschehen, ist streitig. Nach einer weitverbreiteten Ansicht, soll erst
Vespasian diesen Schritt gethan haben. Und es ist durchaus richtig,
dass erst dieser Kaiser das Donauufer zu einer Vertheidigungslinie
umschuf. Er verlegte die Legionen aus Dalmatien nach dem oberen
Mösien in die Standlager längs der Donau, nach Singidunum
(Belgrad) und Viminacium (Kostolatz), die dreizehnte Legion kam
unter seiner Regierung nach Vindobona, und Carnuntum wurde
sicher erst damals das Hauptquartier der pannonischen Armee ; er
endlich errichtete die Donauflotillen, die nach ihm die Namen führen,
die classis Flavia Fannonica und classis Flavia Moesica. Doch hat
Otto Hirschfeld dagegen geltend gemacht, dass die Grabschriften
der Soldaten der legio XV Apollinaris, welche im ersten Jahrhundert
in Carnuntum lag, durch ihre Namensformen darauf hinweisen, dass
15
sie unmöglich alle der Flavischen Zeit angehören können. Dieser
Grund erscheint mir so entscheidend, dass ich ebenfalls der Meinung
bin, diese Legion sei schon unter Claudius nach Carnuntum verlegt
worden, und die Ansicht erhält eine Stütze durch die grosse Zahl
von Denkmälern, welche diese Legion hier hinterlassen hat.
Im Gefolge der Legion erschienen auch zahlreiche römische
Kaufleute und Marketender in dem Donaulager. Noch ist uns die
Grabschrift eines solchen lixa erhalten, der als seine Heimat Pata-
vium, das heutige Padua in Italien, nennt. Sie siedelten sich mit
ihren Buden, den canabae^ vor den Thoren des Lagers im Schutze
des Walles an. Der eigenthümliche Zug des römischen Wesens
nach straffer Gemeiudeordnung und Selbstverwaltung brachte es
hier, wie in allen römischen Standlagern, mit sich, dass diese cives
Romain adCanahas legionis consistentes, wie der technische Name lautete,
sich eine eigenthümliche Ordnung schufen, die die Mitte hält zwischen
Gemeinde und blosser Corporation. Wir finden einen ordo und
decuriones und an der Spitze magislri, wie sie den unselbständigen
Gemeinwesen, den "pagi und vici eigenthümlich sind.
Der syrische Krieg unter Nero führte die XV. Legion nach
dem Orient. Damals wurden, wie Tacitus berichtet, zahlreiche
Galater und Cappadoker in das Heer eingestellt , um die Lücken
zu ergänzen, die der lange blutige Krieg in die Reihen der Legionen
gerissen. Als Vespasian die Legion wieder in das Donaulager
zurückverlegte, da werden diese Asiaten ein neues Element in der
werdenden römischen Stadt gebildet haben, die vor den Thoren
des Lagers emporblühte. Vielleicht dass auch in jener Zeit die
Verehrung des persischen Sonnengottes, des Mithras, in Carnuntum
zum erstenmale Wurzel fasste. Wenigstens besitzen wir einen
Votivstein an den Gott, der dieser Epoche der Stadtgeschichte an-
gehört.
Allmählich wird in Flavischer Zeit das römische Element in
der Lagerstadt bei weitem das Ueberge wicht gewonnen haben.
Denn die zahlreichen Grabsteine der Veteranen südfranzösischer
und italischer Heimat beweisen, dass die Soldaten den Ort, an
welchem sie die Blüte ihres Lebens während einer zwanzigjährigen
Dienstzeit verbracht, im Alter nicht wieder verlassen wollten. Wie
also die römische Bevölkerung mit jedem Jahre wuchs, so hat ohne
Zweifel in jener Zeit auch die Romanisirung der alten Keltenstadt
immer weiter gegriffen. So ist es begreiflich, dass Hadrian wohl
während seines Aufenthaltes in Carnuntum die canahae als ein
16
römisches Gemeinwesen unter dem Namen municipmm Aelium con-
stituirte.
Die dürftigen Spuren, welche die Inschriften von der Orga-
nisation dieses Gemeinwesens bieten, zeigen nur wenige eigenthüm-
liche, von der gewöhnhchen Ordnung römischer Landstädte ver-
schiedene Züge. So finden wir curatores thermarum und es ist be-
kannt, dass heute noch auf dem Boden Carnuntums heisse Quellen
entspringen. Andererseits erhellt die Bedeutung der Veteranen in
dem Leben dieser Stadt aus der Thatsache, dass die Feuerwehr
ganz aus Veteranen gebildet war. Es ist das collegium veteranorum
centonariorum.
Unter Hadrian vollzog sich ein wichtiger Garnisonswechsel,
indem an die Stelle der XV. Legion die XIV Gemina Martia Victrix
trat. Eine erhöhte Bedeutung als Waffenplatz gewann Carnuntum
durch die Anlage eines Legionslagers in Brigetio (bei Komorn),
entsprechend dem Lager von Vindobona im Westen, so dass es nun
das Centrum der Vertheidigungslinie gegen die Quaden und Mar-
komannen bildete.
Auch der Nachfolger Hadrians, Antoninus Pius, scheint Car-
nuntum besucht zu haben. Wir besitzen aus seiner Regierungszeit
die in Italien gefundene Grabschrift eines Freigelassenen des kaiser-
lichen Hofstaates, in welcher Carnuntum als Ort seines Todes ge-
nannt wird. Wenn wir aber sehen, dass Antoninus Pius auf Münzen
mit der Aufschrift rex Quadis datus gefeiert wird, wie er einem
Fürsten der Quaden, die in der Ebene an der Donau und March
Carnuntum gegenüber wohnten, die Hand reicht, so wird man aus
dem Zusammentreffen dieser beiden Thatsachen vielleicht schliessen
dürfen, dass der Ort, wo jene feierliche Ceremonie sich abspielte,
eben Carnuntum gewesen.
Als unter Marc Aureis Regierung die Barbaren von allen
Seiten in die Donauprovinzen einbrachen und bis Italien streiften,
so dass der Kaiser sich genothigt sah, persönlich auf dem Kriegs-
schauplatze zu erscheinen und den Heeresbefehl zu übernehmen,
verweilte dieser während dreier Jahre in Carnuntum und leitete
von hier aus die Operationen der Armeen. In dem rauhen Waffen-
lärm des Feldlagers fand der Kaiser noch Müsse, seine bekannten
tiefsinnigen Selbstgespräche auszuarbeiten, deren zweiter Theil in
Carnuntum geschrieben ist.
Keine Inschrift, kein Denkmal irgend welcher Art hat sich
bisher in Carnuntum gefunden, das die Erinnerung an jene grosse
17
Zeit aufbewahrte und geeignet wäre, das Dunkel, welches jene Er-
eignisse verhüllt, aufzuhellen. Nur ein unscheinbarer Grabstein
fällt in jene Epoche, nach welchem ein M. Naevius Primigenius domo
Naristus in Carnuntum bestattet wurde. Es ist dies ohne Zweifel
einer jener 3000 Naristi, welchen Marc Aurel, wie so manchen
anderen Barbaren, während des Markomannenkrieges Landsitze in
Pannonien anwies, um die verödeten Provinzen neu zu bevölkern.
Im Jahre 193 rief in Carnuntum die XIV. Legion den Statt-
halter Oberpannoniens, L. Septimius Severus, zum Kaiser aus.
Bevor der neue Herrscher seinen Siegeszug nach Italien antrat,
hatte er noch, wie es scheint, den Widerstand der X. Legion in
Vindobona zu brechen, die, obwohl unter seinem directen Com-
mando, ihm die Anerkennung versagte. Man möchte gerne glauben,
dass die Bürgerschaft von Carnuntum in entschiedener Weise Partei
ergriffen habe für die Sache ihres Statthalters. Denn in Zusammen-
hang mit diesen Ereignissen steht es ohne Zweifel, dass Septimius
Severus die Stadt zum Rang einer römischen Colonie erhob. Einen
bemerkenswertlien Zug aus der Stadtgeschichte jener Zeit hat uns
wieder ein einfacher Grabstein aufbewahrt. Er lautet : Dis manibus
Septimio Aistomodio regi Germmiorum. Septimii Pliilippus et Helio-
dorus fratri incompardbali (den Manen des Septimius Aistomodius,
des Germanenkönigs ; Septimius Philippus und Heliodorus , dem
unvergleichlichen Bruder). Es ist also gewiss ein landflüchtiger
Mann gewesen, wie so mancher Germanenfürst vor und nach ihm,
dem der Kaiser, von dem er den Namen führt, eine Freistatt in
seinem Reiche einräumte und Carnuntum als Wohnsitz anwies-
Die glanzvollsten Tage sah Carnuntum, als Kaiser Galerius
in dieser Stadt am 11. November 307 seinen alten Waffengefährten
Licinius zum Augustus erhob. Um dem bedeutungsvollen Akte
Würde und Ansehen zu verleihen, hatte er die beiden alternden
Augusti Diocletianus und Maximianus nach Carnuntum geladen.
In jene Tage fällt ohne Zweifel die Wiederherstellung des Mithras-
tempels durch diese Kaiser, deren eine Inschrift gedenkt: Deo Soli
Invicto Mithrae, fautori imperii sui Jovii et HercuUi religio sissimi
Augusti et Caesares sacrarium restituerunt (dem Sonnengotte, dem
unbesiegten Mithras, dem Schützer ihrer Herrschaft haben die Jovii
und Herculii, die gottesfürchtigen Augusti und Caesares das Heilig-
thum wiedergestellt). Die Jovii und Herculii sind eben jene Kaiser.
In den Stürmen des vierten Jahrhunderts ging die Stadt einem
raschen Verfalle entgegen. So sagt Ammianus Marcellinus von
Arcliäologisch-epigrapliische Mitth. X. 2
18
ihr im Jahre 375 unter der Regierung Valentians : Carnuntum Uly-
riorum oppidtcm — desertum quidem et squalens, sed ductori exercitus
perquam opportunum. Die Bedeutung als Waffenplatz hat es also
bis in die späteste Zeit behauptet. Und so verlegt noch der unter
Honorius geschriebene Amtskalender , die notitia dignitaium , nach
Carnuntum einen Theil der XIV. Legion und eine Station der
Donauflotte.
Der nun folgende Ausgrabungsbericht ist in drei Theile ge-
gliedert, von welchen der erste die Inschriften behandelt.
I
1. Ära aus Sandstein. H. 0-53, br. 0'25, d. 0-21. Die Zeilen
sind vorgerissen. Gef in dem Gebäude östl. vom Forum.
XjX SCxe
A B V S Q_\
VE- G E ^
I O - L O C I
5
G - C • PRIM
VS • V- S • L-
2.
Bruchstück einer
Tafel aus Sandstein. H. 0-60, br. 039,
d. 0-12.
Gef im Forum.
P A G ^1
P E R L l)
1
L I C 1 N i\
\o. w.l vaQu\s . . .
6 E T A L L l]
J.
..] ver L{\cinium\ Licini\amim\ et AUi\nm
magg?
3. Ära aus Sandstein, links Blitzbündel, rechts abgearbeitet.
II. 055, br. 0-17, d. 017. Gef. auf dem Begräbnissplatze.
I O M
V • s
L • L M
4. Pilaster aus Sandstein, in drei Stücke gebrochen, die an-
einander passen. IL 120, br. 0"30, d. 08. Gef. in dem Gebäude
östl. vom Forum.
19
10
15
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N VM I N I
20 C V M- \ PIO
A M A N) O
//t- le/s-s
[/. 0. m.] Dol[i]c{heno) pro sal{ute) [imp{eratoris) Caes{aris)']
C{ai) [Jul{i{) 'Ver{i) M]ax[imini p(m)] f{eUcis) [invic{ti) Au]g{usti) . .
[Ul2n]ti[s? Älmlalndianus mü(es) leg{ionis) XIIII G(eminae) Uhrari[u]s
numeri s..., cus(tos) arm{orum), signif[er\ optio o{cta\v[il'\ p'{iMcipis)
pr{{oris) candidatus numini cum TJ\l\pio Amando [ve]t{erano) le[g{ionis)\
s{upra) s{criptae) p(osuit?).
Diese eigenthümliche Carriere bietet der Erklärung viele Schwie-
rigkeiten. Es ist zunächst klar, dass der o2)t{o octavi principis
prioris von einem optio legionis verstanden werden muss. Dann
kann aber der Dedicant als signifer nicht in der Legion gedient
haben , da die Stelle eines signifer legionis nothwendig nach der
eines optio bekleidet wird ^). Man wird demnach nicht bloss den
*) Ausdrücklich bezeugt das Avancement C. I. L. VIII 217: . . .viilifavit
L annis, IV in leg. III A\ug.] librar., tesser., optio, signifer, und bestätigt wird
die Angabe dieser Inschrift durch die Analogie des in zahlreichen Beispielen über-
lieferten Avancements der hauptstädtischen Truppenkörper. Vgl. Cauer JEphem.
epigr. IV p. 470.
20
librarius, sondern auch den custos armorum und signifer auf den
numerus beziehen müssen. Es ist dies um so weniger bedenklich,
als signiferi der numeri auch sonst nachweisbar sind ") , der custos
armot'um aber wohl in keinem Truppenkörper der Provinzialarmeen
gefehlt haben wird^). Für das Avancement innerhalb des numerus
finde ich nur eine Analogie C. I. L. VIII 2094: C. Julius Dexter
vet., mil. in ala eq{ues), cur(ator) tur{mae). armor{um) custos, signifer
iur{mae). Das Befremdende liegt darin, dass der armortim custos
zu den niedersten -princii^ales gehört , welche an Rang unter dem
tssserarius stehen*), so dass ein Avancement des armortim custos
zum signifer, der an Rang über tesserarius und optio steht, jeder
Regel zu widersprechen scheint. Für die Inschrift des veteranus
alae lässt es sich zeigen, dass das abweichende Avancement in der
Organisation der Alen begründet ist. Der signifer dieser Inschrift
ist ein signifer einer turma^). Diejenigen principales der turma,
') Arch.-epigr. Mitth. VIII S. 34 n. i : Genio cent. Fl. Januari Fl. Ävitianu.i
sig. n. Suroi-um, ebenso C. I. L. III 1396 und Mitth. VIII S. 82 n. 4. Die beiden
signi/eri numeri C. I. L. V, 5823. 8752 gehören dem 4. Jahrhundert an, kommen
also hier nicht in Betracht.
^) Vgl. Cauer Ephem. epigr. IV p. 437. Vielleicht aus einer Auxiliarcohorte
C. I. L. VIII 2787. Das Fehlen der armorum custodes iu den hauptstädtischen
Gehörten ist eigenthümlich und vielleicht kein Zufall , wie die Vorgänge bei der
Ermordung des Kaisers Galba erkennen lassen. Tac. hist. 1, 38: nee una cohors
togata defendit nunc Galbam, sed detinet. — aperiri deinde armavientarium iussit.
ra/pta staiim arma, sine more et ordine militiae, ut praetorianu^ aut legionarius
insignihus suis distingueretur : miscentur auxiliarihus galeis scuUsque. Ebenso heisst
es von der cohors XVII (wahrscheinlich doch eine cohors urbana, vgl. Mommsen,
Hermes XVI S. 643 — 647) Tac. hist. 1, 80: septumam decumani cohcrtem e colonia
Ostien.n in urhem acciri Olho iusserat; armandae eius cura Varia Crispino tribuno
e praetorianis data, is quo magis vacuus quietis castris iussa exsequeretur , vehiczda
cohortis incipiente nocte onerari, aperto armamentario, iuhet. Demgemäss haben die
Soldaten der cohortes praetoriae und urbanae ihre volle Rüstung regelmässig niclit
getragen, auch befanden sich diese Waffen nicht bei den Truppen, sondern wurden
in dem grossen Zeughaus im Prätorianerlager aufbewahrt. Auf dieses armavien-
tarium möchte ich die scribae armumentarii der Inschrift C. I. L. VI 999 bezichen.
*) In dem Verzeichniss der duplarii der legio III Aug. C. I. L. VIII 2564
ist ohne Zweifel AR (6, 16) = ar{viorum), welcher Ausdruck eine Verkürzung ist des
gewöhnlichen armorum custos, wie die Inschriften C. I. L. VIII, 2912 vgl. mit 2983,
sowie 2908 u. 2909 vgl. mit 2910 zeigen. Die principales dieses Verzeichnisses
sind nach ihrem Range geordnet, worauf ich in meiner Schrift „die Fahnen im
römisclien Heere^ S, 8 Anm. 5 aufmerksam gemacht habe. Der armoruvi steht hier
ganz entsprechend der Angabc des Tarruntenius Pateruus Dig. 50, 6. 7 mitten unter den
immunes. Vgl. auch E. E. II, 693. Ein artnorum custos et duplarius auch in der
Inschrift C. I. L. III 3556.
*") Vgl. ^Dio l'\'i]mfn im römisi'Iion ITcero" 8. 27.
21
welche dem optio und tesserarius der Fusstruppen entsprechen, stehen
im Range, wie eine Stelle in der Lagerbeschreibung des sog. Hyginus
erkennen lässt "), unmittelbar unter dem decurio, dem Commandanten
der tiirma. Der signi/er turmae ist demnach diesen prindpales unter-
geordnet, und dies ist der Grund, weshalb der custos armorum un-
mittelbar zum signifer avancirt. Dass diese Erklärung zweifellos
das Richtige trifft, zeigt eine Liste einer turma der equites singulares
imperatoris C. I. L. VI 224c nomina turmae: dec(urio), dup{licarius),
sesquipUcarnts , 2 Namen von gregales, sig{nifer)^ arm{orurn custos),
cur{ator)j h{eneficiarnis), Ub(rarius), h{eneficiarius). Das Avancement
in der Inschrift aus Carnuntum bietet demnach eine vollständige
Uebereinstimmung mit dem Avancement der Cavallerie ^) , so dass
man zu dem Schlüsse gedrängt wird, dieser numerus selbst sei eine
Reitertruppe gewesen. Wenn sich auf diese Weise für das ab-
weichende Avancement eine befriedigende Erklärung finden lässt,
so liegt eine weitere Schwierigkeit in dem Umstände vor, dass ein
miles legionis in den numerus übertrat und dann als principalis in
der Legion weiter diente. Denn die wenigen Fälle, in welchen
Legionare in die Auxilia eintreten, zeigen, dass man sie als Ab-
theilungscommandanten, als Decurionen und Centurionen verwen-
dete^}, wiewohl auch diese Stellen regelmässig aus den prindpales
*) §. 16: habent equos singuli decuriones teimos , duplicarii et sesquiplicarii
binos, fiunt super nuvierum equorum mille, deductis singulis qid in numerum compu-
tantur nonaginta sex. Demnach hatte der signifer turmae nur ein Pferd und die
beiden anderen prindpales mit zwei Pferden sind ihm sicher übergeordnet gewesen.
Den Rang des duplicarius unmittelbar unter dem decurio bestätigt auch die gleich
anzuführende Inschrift C. I. L. VIII 2354.
') Auch der Eang des librarius unter dem custos armorjim findet sich in dem
Verzeichniss der turma.
*) C. I. L. III 647: C. Vibius C.f. Cor. Quartus mil. leg. V Macedonic, decur.
alae Scubulor., praef. coli. III Cyreneic. VIII 2354J: M. Anni M. f. Quir. Martialis mil.
leg. III Aug., duplic. alae Pann., dec. al. eiusdem, 1 leg, III Aug. et XXX Ulpiae Victric.
missi honesta viissione ab imp. Traiano. — Ephem. epigr. IV 236: ...Front^o Ari-
min(o) mil. leg. XIII donat. torq. armil. phal. et 7 coh. 1 Camp. an. LX. — Im
wesentlichen gleichartig ist auch C. I. L. V 522: L. Amins L. f. Pup. Passus
mil. leg. XV Apol, mil. coh. I pr., 7 coh. II c. R., 7 leg. XUII Ge. C. I. L. VIII
9391 (nach meiner Ergänzung Mitth. V S. 205 Anm. 10): L. Terentius Secun[dus
.... natio]ne Noricu^ h. s. es[t ; in leg mil, ann. . . . , inde] franslatus in prae ■
torio [mil. ... ann. ..., 7] coh. H Breucorum mil. [ann. . . Denn das Eigen-
thümliche liegt in dem Uebertritt aus einer von römischen Bürgern gebildeten
Truppe in die auxilia.
22
der Auxiliartruppen selbst besetzt wurden'*'). Ist es demnach un-
möglich, dass der Legionär unter die niedersten principales eines
gewöhnlichen, aus Peregrinen gebildeten numerus eintrat'"), so gibt
es doch einen numerus in der Provinzialarmee von so eigenthüm-
licher Zusammensetzung, dass bei ihm diese Schwierigkeiten viel-
leicht nicht bestehen. Ich meine den mimeriis der singulares des
Statthalters "). Nach der Organisation dieses Truppenkörpers bleiben
die dazu ausgewählten Leute in dem Stande der Truppen, denen
sie früher angehörten *'^). Danach wäre dieser Mann aus der Legion
überhaupt nicht ausgetreten, und der Verlauf seines Avancements
wird verständlich.
*) Denn die Decurionen sowohl als die Centurionen sind Peregrine, wie die
Entlassungsdiplome (D. XXI, C. I. L. III p. 864 und D. LXXVIII, Eph. epigr. V
p. 611, sowie besonders D. LXXII Eph. epigr. IV p. 508) beweisen. Es kommt
hinzu , dass , während der Corpswechsel bei den Centurionen der Bürgertruppen
nicht selten eintritt, die Centurionen der Auxilia in den zahlreichen Carrieren von
Prätorianer- und Legionscenturionen so gut wie ganz fehlen. Das einzige sichere
Beispiel C 1. L. VIII 3005 : 7 leg. 1 Adiut. 7 leg. XX V. V. 7 leg. XI Cl. 7 leg. 1
Ital. 7 coh. III Bra. vix. a. LXII — denn C. I. L, V 522 ist anderer Art (siehe
Anm. 8) — wird daher so erklärt werden müssen, wie ich es für das ähnliche
Avancement eines decurio Mitth. V S. 207 vorgeschlagen habe, dass jener Mann
den Legionscenturionat erst nach seiner missio aus der Cohorte erhielt.
'") Vgl. über die numeri Mommsen im Hermes XIX S. 219.
") Dass diese equites singidares einen numerus bilden , hat Mommsen mit
Kecht bemerkt Ephevi. epigr. IV p. 404 und beweisen zwei Inschriften Ephem. epigr.
IV, 166: Dasati Cenobarbi eq. alae Batavoncm ex n. sing. — verdorbener Name
de[c]. ex n. eodem. Wohl aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, wie das Fehlen
des Zusatzes conaularia und auch die Namensform beweist; ebenso VIII, 9292:
dnplicarius ex numerum singularium (das vorausgehende aiutor ist wohl ein Theil
des Namens). Ob die pedites singulares und die equites singidares zwei oder nur
einen numerus bildeten, lassen die Inschriften nicht erkennen.
*') Bramb. 1125: Januarius Polens decurio alae I Sctibulor. sin. cos. 314:
Ti. Ulpiua Acutus du[p]. al. Sulp, sing, cos. 315: Petitor Pirohori mil. coh. U Ver.
sing. COS. C. I. L, III, 3272 : M. ülp. Super dec. alae praetoriae c. B., ex s. c. alae
I c. R., an. XXXn, stip. XVI. 4812: Äel. Martius s. c. coh. I Ael. Brit. und Fl.
Tacitus s. c. alae Aug. 5938 : M. Vir. Marcellus dec. al. I F. s. A. sing. cos. VII, 229 :
L. Jul. Maximus s. c. alae Sar. Arch.-epigr. Mitth. VI S. 44 n. 90: M. Ulp. Marcianus
vet. ex s. c. a. I D., ebenso pedites singidares Bramb. 914: Faustinio Fau^tino
Sennauci Florionis fil. mil. coh. I F. D. ped. sing. cos. VIII, 9393 : Vereius Victor miles
cohortis quarte Sucambrorum pedis sing, cenluria F^ori. Aus einer Legion C. I. L.
III, 1651 add.: Jul. Bassus vi. leg. III P. s. cos. (allerdings dürfte die Copie wenig
zuverlässig sein), und vielleicht sind auch C. I. L. VI, 3339 u. 3614 darauf zu
beziehen. Die equites singidares des Statthalters von Spanien sind gemeint in der
Inschrift C I. L. II, 4083 : Marti campestri sac. pro sal. imp, M. Aur. Commodi
23
Zuletzt bezeichnet sich der Dedicant als candidatus. Wie
Mommsen gezeigt hat, findet sich candidatus sowohl als militärische
Charge, als auch als Bezeichnung eines Grades unter den cultores
des Dolichenus ^^). Beide Bedeutungen erscheinen nach dem Zu-
sammenhang gleich zulässig, und es ist schwierig eine Entscheidung
zu treffen. Es wird zunächst nöthig sein, darzulegen, was sich
über den candidatus im militärischen Sinne ermitteln lässt. In einer
Ehreninschrift eines Statthalters von Moesia inferior aus der Zeit
des Alexander Severus heisst der Dedicant C. I. L. III 6154: Fl.
Severianus dec. alae 1 Atectorum Severiane candidatus eius. Eine neu
gefundene Inschrift aus Afrika hat nun gelehrt, dass der Statthalter
das Recht hatte, geeignete Decurionen zur Beförderung zum Cen-
turionate vorzuschlagen '*), und dieses Avancement findet sich in
mehreren Beispielen ^^). Aber nicht nur die principales der Auxilia,
sondern auch die der Legion sind ganz regelmässig, wie relativ
zahlreiche Beispiele erkennen ^") lassen, zum Centurionat befördert
Äug. et equit. sing. T. Aurel. Decimus 1 leg. VD G- Fei. praep. simul et camp., wie
der Fundort beweist und das Fehlen des Zusatzes Äug. oder imp, n. , welcher bei
den kaiserlichen equites singulares nicht fehlen könnte. Vgl. auch Arch. - epigr.
Mitth. VI S. 101 n. 9: Eponab. et campestrib. sacr. M. Calventius Viator 7 leg. Uli
F. F. exerc. eq. sing. C. Ävidi Nigrini leg. Äug. pr. pr. Auf den Numerus der
Singulares wird sich demnach auch die Inschrift Mitth. VIII S. 82 n. 4 beziehen.
") Vgl. Ephem. epigr. IV p. 532 Anm. 2.
") Ephem. epigr. V, 1043 : ... pro sal(ute) [M. Äemi]li Macri l[eg. Äug.^ pr.
p)r. c. V. pr[opter'i.\ cuius suf[frag{ium)] a sacratiss(imo) [imp(eratore)] ordinibu[s ad-
scriptus suvi] — eo d[ie ex] dec{urione) sum pro[m6\tus, votum [so]lvi meo no[m[ine)],
Catulus 7 [leg(ionis)] III Äug.
*^) Arcli.-epigr. Mitth. V S. 203: T. Calidius P. Cam. Sever. eq., item optio,
decur. coh. I Alpin., itevi 7 leg. XV Apoll. C. I. L. VIII, 2801: Älßus Blasius 7 leg.
III Aug. Cecilio Cecilio (sie) Proculeiano mil. leg. candidato condecurio ex Campania
memoria fecit. 2817: Äurelius Ä[vian]dus 7 leg. III Ä[iig.] hie situs e[st]; T. fil. ex
dec. eq. sing. imp. 9045: P. Aelio P. f. Q. Primiano — trib. coh. HU vig. ex
dec. al. Thrac. (denn die Zwischenstufe des Centurionates muss hier wohl voraus-
gesetzt werden). C. I. L. II 4147; M. Äur. M. f. Pap. Lucilio Poetovion{e) ex sin-
gidarib, imp., 7 leg. I adiut.
'*) C. I. L. II, 1681 : C. Julio L. f. 8er. Scaenae decurio[ni] eq,, centurioni
hastaio primo leg. IUI. C. I. L. III, 2035 : M. Jul. M. f. Vol. Äquis Bextiis mil.
leg. VI Victric. [7] leg. VIII Äug, — V, 940: Val. Äulucentius leg. XI Cl., milita-
gr egales ann. XIIII et centurio ann. III. 942: Val. Longinianus vixit annos XLV,
militavit optio leg. XI Clau. ann. XV, centurio ord. ann. VI. 7004 : ... Ovius L.
f. [St\e. Peregrinus \mil. V\eg. XXU pr. p. fid. — optio, centurio legi[onig] eiusdem.
7872 : P. Enistalius P. f. Cl. Paternus Cemenelensis optio ad ordine, 7 leg. XXU
Primigeniae. 8278: Julius centurio supe7mumerarius leg. XI Claudiae stip. XXT77T
annor. circiter XXXX; tiro probitus ann. XVI, postea profecit disces equitum, ordine
24
worden, und zwar auch hier, wie ausdrücklich bezeugt ist, über
Vorschlag des Statthalters ''^). Es ist daher verständlich, dass ein
centurio legionarius sich als candidatus eines Consulars, also seines
ehemaligen Statthalters bezeichnet, Bull. d. Com. mu)i. 1881 p. 15:
Tit(ov) Ai\(iov) Naiß(iov) 'Avtüjviov Zeßfipov töv Xa^TTpÖTaTov uTTaii-
Kov, TÖV euepYeiiiv, 'IcuXioi 'louXiavog cpp(ou|uevTdpioq) OuaXevTeivo(;
(eKaidvTapxo^) XeYi(u)Voq) Kavöibdioi auToö '^j. Die candidati werden
daher als die vom Statthalter zur Beförderung zum Centurionat
als qualificiert bezeichneten lyrinci'pales aufzufassen sein. Dann
aber wäre in unserer Inschrift — die Beziehung auf einen miUtä-
rischen Grad vorausgesetzt ^^) — candidatus unmittelbar mit optio
zu verbinden, und wir haben, wie in der oben angeführten Inschrift
einen decuno candidahis, so hier einen optio candidatus zu erkennen.
Wenn in einer Inschrift unter den Mitgliedern eines Veteranen-
collegiums drei sich als ex candidato bezeichnen, so geht hieraus
hervor, dass jene Aufnahme in die Expectantenliste noch keinen
nothwendigen Anspruch auf Beförderung gab'^"). Fassen wir can-
factus mag. equüum, positus hie. C. I. L. VI , 3603 : Jul. Crescens ex leg. VJI Ol.
ordinatus 1 in leg. TlJl Scyth. C. I. L. VIII, 702: Julius Pro[bi]nus ohiit in Gallia
morte; — la[te'\ribiis Oermaniae vieruit specul[a]t. et cornicul[ari]u[s] legionis. Initium
vitis vitae fuit finis. C. I. L. VIII, 2848: L. Coi-nelio Catoni r leg. 111 Aug. qui
et caligatus stip. XHll. (Denn ich glaube, dass caligatus hier nicht als Cognomen
verstanden werden darf. Vgl. C. I. L. VIII, 2554 6 22). Bramb. 1559: C . . .
Titi [1] leg. ex cor. 1752 : P. Ferrasitn Ol. Ävitus Savaria 1 \l~\eg. VIII Aug. p.
f. Co. ex aquilifero leg. I adiutricis. Epliem. epigr. II, 704: 7 leg. VI Ferrat. qui
est prob, in leg. 11 A. Boissieu, I. L. p. 300: [7 legionis 1 Mi]nerviae, qui militavit
1 ann. VE ex cornucl. Bh. I. B. 60 S. 52: O. Valeri Quirina Titas 7 legionis ex
comiculario cos.
") C. I. L. VIII, 217: militavit L annis, IV in leg. 111 A[ug.] librar., tessei-.,
optio, aigni/er, /actus ex suffragio leg. [Aug. pr. pr.] 7 militavit 7 leg. II Ital. Denn so
ist nach Analogie der Inschrift Ephem. epigr. V, 1043 (vgl. Anm. 14) zu ergänzen.
'*) Der frumentarius als candidatus bestätigt nur diese Auffassung. Der
numerus der fnimentarii ist zwar in Koni stationirt, wird aber aus Soldaten der
Legionen gebildet (vgl. meine Auseinandersetzung in Manjuardt Staatsverw. II'
S. 491 ff.)- Es ist daher ganz entsprechend , dass der Statthalter die für diesen
Dienst geeigneten Leute namhaft machte, wenn auch die Ernennung sicher vom
Kaiser geschah.
'") Ich glaube nicht, dass numini mit candidatus zu verbinden ist; die "Wie-
derholung scheint mir durch die Einführung des zweiten Dedicanten veranlasst.
"; C. I. L. VIII, 2618. Dass eine solche Einreihung unter die Expectanten that-
sächlich stattfand, zeigen auch C. I. L. V, 6423 : Caecili Valentini opt{ionis) spei leg.
XIII [0.], qui vixit annis X Villi menses 7/7 dies XVIIl. C. I. L. III, 3445 : L. Sep-
t(imius)Con8tantinus optio spei leg. II adi. p.f. Antoiiinianae. Dass diese Hoffnung nicht
immer verwirklicht wurde , ergibt sich aus C. I. L. VIII, 2554 : Pro salute Augg.
25
didatus in unserer Inschrift als militärisclien Grad, so ist die Ver-
anlassung, welche den Dedicanten zu der ganz singulären Auf-
zeichnung seiner Carriere bestimmte, klar. Der Mann, der am Ende
seines Dienstes als caligatus stand und nun in den ehrenvolleren
Centurionat übertreten sollte, nannte die ganze Reihe der militäri-
schen Grade, welche er bisher durchlaufen hatte und errichtete das
Denkmal zum Heile des Kaisers, von dem er die Beförderung
erhoflfte.
5. Bruchstück einer umrahmten Tafel, in mehrere Stücke zer-
brochen. Gef. in dem Gebäude östl. vom Forum.
c)
D
Am Schlüsse stand wahrscheinlich die Datirung nach den
sacerdotes.
6. Votivsäule aus Marmor. H. 0"51, d. 0"36. Gef. in dem Ge-
bäude östl. vom Forum.
10
* (O M H
V E N E R 1
V I C T k C I
M ■ T I T I V S
feLodorvs
AVG - COL
KAR ■ V • S
SACERDOTIBVIBIO
CRESCENTE-'E- HEREN
N I G R 1 N I A N O
Z. 6: aug{ustal{s).
optiones scholam suavi cumstatuis et imaginibiis domus [di]vinae item diis co7iservalorib(us)
eontm ex largissimis stipend[ii\9 et UberaUtatib(us), quae in eos conferunt, fecer{unt)
curante L. Egnatio Myrone q{uaestore) ; ob quam sollemnifatem decreverunt, uti collega
proficiscens ad spem mam confirmandam accipiat (sestertium) VIII mil{ia) n{nvimum).
Vgl. auch Mommsen EpJi. epigr. IV p. 471 Aniu. 1.
26
7. Ära aus Sandstein. H. 0-45, br. 020, d. 019. Gef. auf
dem Begräbnissplatz.
S I L V A N O
AVG • C • SAC
I I I C A I I A Sic
V ■ S ' I • M • SIC
8. Ära aus Sandstein, sehr verwischte Schrift. H. 0*28, br. 018,
d. 0l3. Gef. auf dem Begräbnissplatz.
S I L V A N O'
AVG SAG
V O T V Wll
s) G l V i t(
5 ,T - S V / / I
9. Ära aus Sandstein. H. 0-34, br. 0*18. Gef. in dem Gebäude
östl. vom Forum.
S I L V A N O
•DOMES
10. Bruchstück einer Ära aus Sandstein. Gef. auf dem Be-
gräbnissplatz.
11. Ära aus Sandstein. H. 0-38, br. 020, d. 0-10. Die Buch-
staben roth ausgemalt. Gef. auf dem Begräbnissplatz.
12. Bruchstück einer Ära aus Sandstein. Zeilen vorgerissen.
Gef. auf dem Begräbnissplatz.
JA 1 N V;
& E. G A
EXXUIlGl
..X8 • L
27
13. Bruchstück aus Sandstein. Gef. im Forum in der Nähe
der nordöstl. Ecke.
Imp. Caes. divi M. Antonini Pii\ Germ. Sar\jiyi. filio L. Septim]io
Sev[ero Pio Pertinaci Äug.] Arah. [Adiab. Parthic. max. etc.
14. Grabstele aus Sandstein mit Giebel; die sehr verwitterte
Inschrift im umrahmten Felde. H. 1*38, d. 0"68. Gef. auf dem
Begräbnissplatz, als Seitenplatte eines Sarkophages verwendet.
,C L / V D
jO PC
A V V BT
G X V Ä"
5 C L A V D
s/A/t O P F
. . Cl[a\ud[i\o Po[l. F]av{entia) vet. \le\g. XV Ap{ollinans) . . ,
Die Lesung der letzten Zeile ist unsicher, da schlechte Beleuchtung
die Entzifferung der zerstörten Reste sehr erschwerte.
15. Gi'abstele aus Sandstein. Oben gebrochen, die Inschrift
im umrahmten Felde, darunter zwei Delphine, mit den Schwänzen
um einen Dreizack geschlungen. Gef. auf dem Begräbnissplatz,
als Deckplatte eines Sarkophages verwendet.
c-ivl valenti- vet- legi adn
lvii ■ et- ivliae ivliaeconi
eivs-anxxxvi-etivlvalen
tinae-filiaeeorvman.w:
5 etivl-cassiano-an' /C- IVL
PRAETORINVS ? Aj renti
BVSETSORORi-CJ arissimis
F E C 1 T ',
Z. 5: a[n.v?] /
16. Grabstele mit steilem Giebel. Patera im Tympanon, in
den Zwickeln ebenfalls Paterae, in den Ecken Festons. Inschrift im
umrahmten Felde. H. 1-86, br. 0-80, d. 0-25. Gef. auf dem Be-
gräbnissplatz. Als Seitenplatte jenes Sarkophages verwendet, dessen
Deckplatte Nr. 15 bildete.
28
C • Vi L E R I
V S • C • F GA L
PROCVLVS
CALAGV R k
Ö EQjLEGXiCF SIC
7 V 1 N D I C I S
AN • XXX S't'IX
H- S- E- T-F • I
H F C
C{aius) Valerius C{ai) f{ilius) Gal(eria) Proculus Calagurri
eq{ues) legiionis) XI C{laudiae) [ylae] /(idelis) (centuria) Vindicis
an{norum) XXX stii){endiorum) IX h{ic) s{itus) e{st) t{estamento) fixer i)
i{ussit), h(eres) fiaciendum) c{uravit).
Ziegel mit dem Stempel der legio XI C{laudia) p(ia) /(idelis),
welche in dem Standlager Brigetio zu Tage gekommen sind, hatten
bereits früher gezeigt, dass diese Legion vorübergehend in Ober-
pannonien stationirt war^). Es scheint unbedenklich, dieses Zeugniss
mit unserer Inschrift zu combiniren, um so eine nähere Bestimmung
des Zeitpunktes zu gewinnen, in welchem die legio XI Claudia dem
Heere von Oberpannonien angehörte. Die Reihenfolge der wech-
selnden Standquartiere dieser Legion ist im wesentlichen gesichert.
Sie stand von Augustus bis auf Vespasian in Dalmatien und gieng
von hier nach Obergermanien, wo ihrer noch unter Trajan auf einer
Inschrift Erwähnung geschieht; seit Antoninus Pius endlich ist sie
in Moesia inferior nachweisbar"). Da Valerius Proculus aus Cala-
gurris in Hispania Tarraconensis stammt^), so muss er ins Heer
eingetreten sein vor Hadrians grosser Reform der Aushebungs-
ordnung, nach welcher die Legionen sich aus den Provinzen er-
gänzen, in welchen sie stationirt sind"*). Berücksichtigt man ferner,
dass das Lager von Brigetio nicht vor Trajan errichtet worden^),
so ergibt sich als angemessenste Datirung unserer Inschrift der
Anfang des zweiten Jahrhunderts. Vielleicht ist das Auftreten der
') Ephem. epiyr. II, 921.
') Vgl. hierüber Mommsen im C. I L, 111 p. '280 uud Ephem. epigr. IV
p. .028.
^) Die Galeria ist auch sonst als die Tribus von Calagunis nachweisbar;
vgl. W. Kuljitschfk De Romanarum Iribnum orifjine ac propagatione p. 168.
■•) Vgl. Moinmson im Hermes XIX S. 21.
•') Vgl. Mommsen C. I. L. III p. 539.
29
legio XI Claudia in Pannonien mit Trajans dacischen Kriegen in
Verbindung zu bringen. Die Armee von Pannonien hat an diesen
Feldzügen nachweislich in hervorragender Weise theilgenommen,
da ihr Commandant im ersten Kriege die militärischen Decorationen
erhielt und auch sonst ausgezeichnet wurde''). Eine pannonische
Legion, die XIII Gemina, wurde dauernd nach Dacien verlegt').
Es ist daher durchaus möglich, dass zum Schutze der entblössten
Donaugrenze Legionen vom Rhein herangezogen wurden^).
Ein besonderes Interesse gewinnt unsere Inschrift jedoch durch
den Umstand, dass der eques legionis die Centurie nennt, in welcher
er gedient hat, wie dies nur noch in einer Inschrift C. I. L. VIII,
2593: Äel. Sevems eques leg. III Aug. 7 Jul. Candidi , wiederkehrt.
Die Analogie der equites der Prätorianercohorten bietet ein Mittel,
diese Eigenthümlichkeit der Organisation klar zu stellen. Auf den
Grabschrifien dieser Reiter wird bekanntlich in der überwiegenden
Zahl von Fällen die Centurie hinzugefügt. Dass man aber hier
nicht besondere Centurien der Reiterei erkennen darf, zeigen die
Listen entlassener Prätorianer. Diese sind nach Centurien und
Cohorten geordnet und bei den Namen der Chargirten ist der Rang
hinzugesetzt^). Als ein solcher Zusatz erscheint aber wiederholt
auch eques '"). Am lehrreichsten ist in dieser Beziehung eine Liste,
welche, wie Bormann wahrscheinlich gemacht hat^'), das Bruch-
stück des Standesverzeichnisses einer Centurie enthält. Hier finden
wir neben 53 pedäes und principales, 7 equites^"). Diese Art, die
equites in den Listen zu führen, beweist, dass sie als prindpales
«) Vgl. Mommsen C. I. L. V p. 785.
') C. I. L. III p. 160.
*) So war auch die I adiutrix, tl'.e zusammeu mit der XI Claudia unter
Tratan auf einer rheinischen Inschrift erscheint (Br. 1666 vgl. dazu Zangemeister
in der Westdeutschen Zeitschrift 3 S. 246), in den dacischen Kriegen vei'-
wendet worden, vgl. C. I. L. III, 1628. Es verdient noch hervorgehoben zu werden,
dass die XI Claudia zur Zeit von Hadrians britannischem Feldzug nicht mehr in
Obergermanien stand, wenn anders die Inschrift C. I. L. X, 5829: praepositus
vexillalionibus viilliariis trihus expeditione Brittannica leg. YJI Gemin., VIII Aug.,
XXn Primig. alle Legionen Obergerraaniens nennt, wie dies an sich das wahr-
scheinlichste ist.
") C. I. L. VI p. 651 fif.
•») C. I. L. VI 23756 3, 30. Ephem. epigr. IV, 894c, 23.896 2?. 11,15.21.
") Ephem. epigr. IV p. 320.
") C. I. L. VI, 2382a. h.
30
galten und die equites einer Cohorte über alle Centurien vertheilt
waren. Den Rang dieser equites praetoriani lernen wir aus zwei
Inschriften kennen: C. VI, 2601: I). M. Aur. Bito eq. cor. VI pr.
natione Trax cives Filopulitanus an, p. m. XXXV qui mtl. an. XVII
sie: in legione I Italica an. II, in cor. II pret. munifex an. XIII,
f actus eq. mil. menses n. X. — H. 6771 = Wilm. 1598: C. Arrio
Com. Clementi militi coli. IX pr. equiti coh. eiusdem donis donato ah
imp. Traiano torquibus armillis plioleris oh hellum Dacicum, sinqulari
praefectorum pr., tesserario. Sie gehören demnach zu jener nieder-
sten Classe von Chargirten, welche im Range zwischen den gregarii
und dem tesserarius stehen und in der Organisation sowohl als für
das Avancement einen festen geschlossenen Kreis bilden ^^).
Aehnliche Erscheinungen kehren bei der Legionsreiterei wieder.
In den Listen werden sie nicht in besonderen Abtheilungen, sondern
innerhalb der Gehörten geführt'"*). Bei ihnen, wie bei einigen
anderen principales finden sich discentes '^). Eine allerdings späte
Inschrift setzt sie ausdrücklich den munifices entgegen '^). Aus ihrer
Stellung als principales ist es auch zu erklären, dass sie gleich den
anderen principales in der Legion eines jener eigenthümhchen, wahr-
scheinlich von Septimius Severus geschaffenen Collegien bildeten").
Die Centuria des eques legionis ist demnach die Bezeichnung der
Abtheilung, in deren Standesliste dieser eques geführt wurde.
") Eine Erörterung dieser Verhältnisse kann an dieser Stelle nicht gegeben
werden.
'0 Vgl. C. I. L. III, 6178—6180. VIII, 256.5&, 6. 2567, 34. Dass sie in
dem Verzeichniss der Vexillatio Eph. ep. IV p. 525 ausserhalb der Cohorten am
Ende stehen, spricht bei der eigenthümlichen Anordnung dieser Liste nicht dagegen.
Vgl. Mommsen a. a. O. p. 531.
'5) C. I. L. VIII, 2882 : Herennms Victorinus disc. eqq. leg. III Au(j. — V, 944:
Val. Quintus disces equüum leg. XI Claudiae. 8278: Julius centurio supernumerarius
leg. XI Claudiae stip. XXVII, annor. circiter XXXX; Uro probitns ann. XVI, postea
profecit disces equituvi — und dieser Grad wird auch zu ergänzen sein in der In-
schrift C. I. L. VI, 3409: Ljaterano et Ru[ßno cos. an...] IUI mil. fac. est, di[scens
eq. an. . fa]ctus est, aeques {anno) XI [fact. est — . Sonst finden sich discentes auch
sicher beim aquilifer (C. I. L. VIII, 2988. 2568, 22), den capsarii (C. I. L. VIII,
2553) und vielleicht dem signifer (C. I. L. VIII, 2568, 8. 9. 10. 2569, 4. 5. 25)
und darauf bezieht sich ohne Zweifel Dig. 50, 6, 7 im Verzeichniss der Immunes
Ubrarii quoque qui docere possunt.
"*) C. I. L. V, 896: Aurelius Justinus eques e leg. XI Ol. probattis annorum
XVII et militavit viunifex annis VII, eques annis IUI — .
*') Denn auf eine solche schola hat Wilmanns ohne Zweifel mit Recht die
Inschrift C. I. L. VIII, 2550 bezogen.
31
17. Bruchstück einer Tafel aus Sandstein.
AVRI
P R I N P o]
Z. 2: prm(ceps) po[st(erior).
18. Drei Bruchstücke eines Gitters. Wahrscheinlich von dem-
selben Monumente. Am unteren Rande sind Reste des Gitters
erhalten. Das Bruchstück c) unterscheidet sich in der Grösse der
Buchstaben von den beiden anderen Fragmenten. Gef. auf dem
Begräbnissplatz.
a)
\
SIC RElAlATVMCANCANCELLVMlJ
C)
lOCESTVOT
T R VALENTINVS PREP S •'///iVSORAm| ' N T I V S JVi E S T p) ? PROIECTVS ACT MAx'
a) Zt. 1 : reparatum cancelliim.
c) Z. 1 vielleicht li\oc est voUi[m.
19. Bruchstücke aus Sandstein. Die Zusammengehörigkeit
scheint durch das gleiche Material, gleiche Grösse und Form der
Buchstaben gesichert. Gef. innerhalb des Forums, in der Nähe der
Mitte der Westmauer.
a)
^M • LE
Wo ^'
20. Bruchstück einer umrahmten Tafel aus Sandstein ; gefunden
beim Wartthurm.
IN • M]
21. Bruchstück aus Sandstein. Gef. im Forum, 7 Meter östl.
von Nr. 19.
22. Bruchstück einer Tafel aus Sandstein. Gef. in dem Ge-
bäude östl. vom Forum.
32
N V Sl
.1 V S S Vi
23. Bruchstück einer Tafel aus Sandstein. Gef. auf dem ße-
gräbnissplatz.
|a r o
24. Fragment aus Sandstein. Gef. auf dem Begräbnissplatz.
a) h)
Q_V A E • 1 • I £j TWTVT I
LENSO-LIl RCON
SANC-TIS-s| \^ //l N I
... quae et Is[me]n[e v. ann. . Va]tens {mub'eris) li[he]r{;fus)
con [nigt] sanctiss\imae] .
25. Bruchstück einer Tafel aus Sandstein. Gef. auf dem Be-
gräbnissplatz.
leg. K im • H s. €.
1 P P A E
26. Bruchstück aus Sandstein. Gef. in dem Gebäude östl. vom
Forum.
a)
O N
PRO
ü
A. DOMASZEWSKI
II
Die Grabungen begannen in diesem Jahre mit der weiteren
Bloslegung des im Jahre 1883 zum grössten Theile aufgedeckten
Forums (vergl. Jahrg. VIII Taf. III dieser Zeitschrift S. 55—59).
Das Innere desselben wurde vollständig von Erde und Schutt
befreit und es bestärkte das gewonnene Resultat dieser Arbeit
33
neuerdings die schon früher ausgesprochene Meinung, dass man
es hier mit einem offenen, ungetheilten Räume von 41-85 M.
Länge und 37*85 M. Breite zu thun habe, der von einer Mauer
ringsumher begrenzt war. Der Raum (Taf II u. III) war, wie aus
den Resten zu erkennen, mit Steinplatten gepflastert und mit Rinn-
steinen den Umfassungsmauern entlang versehen. In der südöst-
lichen Ecke desselben stiess man auf einen runden ausgemauerten
Brunnen von 0*9 M. lichter Weite. Die Ausräumung desselben
bis zur Tiefe von 4 Meter ergab keine bemerkenswerthen Resultate
oder Fundstücke. Nicht weit von diesem Brunnen gegen Westen
zu lag ein stark verstümmeltes dreieckiges Werkstück, auf dem
die sehr abgescheuerte Darstellung eines Bogenschützen und eines
grossen Kranzes mit Schleifen zu erkennen war. Die Südmauer
des Forums war mit zwölf Mauervorsprüngen versehen, welche
attische Basen trugen, somit die Annahme rechtfertigen, dass hier
eine reichere Säulen- und Gebälk-, vielleicht auch Bogenarchitektur
ausgeführt war. Für eine weitere Ergänzung dieser monumentalen
Anlage in Mitte des Lagers wurde die Aufdeckung einer Anzahl
Pfeiler, die parallel zur Süd- und Ostseite des Forums sich hin-
zogen, von Bedeutung. An der Südseite ziehen sich in der Ent-
fernung von 10*4 Meter von der Mauer sechs Pfeiler, an der Ost-
seite in der Entfernung von 5-45 M. sechzehn theils freistehende,
theils mit einer durchlaufenden Mauer verbundene Pfeiler hin. Es
ist wohl kein Zweifel, dass diese Pfeilerreihen in einem bestimmten
Bezug zum Forum standen und auf eine Halle rings um dasselbe
schliessen lassen. Leider fehlen die weiteren Pfeiler in der West-
hälfte der Südseite gänzlich, und es ist auch bei dieser Grabung
kein Stückchen des Aufbaues, kein Fragment irgend eines Ge-
simses, Capitäls oder Quaders gefunden worden, somit die Mög
lichkeit ausgeschlossen, irgend eine verlässliche Reconstruction vor-
nehmen zu können.
Die Aufdeckung jener Stelle an der Südwestseite des Forums,
wo am letzten Tage der Grabung des Jahres 1883 zwei Statuen
gefunden wurden (vergl. Studniczka in Jahrg. VIII dieser Zeitschrift
Taf. I. II S.59— 74), hat die erwarteten weiteren Theile dieser Statuen,
namentlich die erhofften Köpfe derselben, nicht zu Tage gefördert
und überhaupt kein nennenswerthes Resultat gebracht. Es dürfte
demnach die Annahme nicht ausgeschlossen sein, dass diese Statuen
nicht an ursprünglicher Stelle gefunden wurden, sondern bei der
Archäologisch-epigraphische Mitth. X n
34
gewaltigen Zerstörung;, welche im Lager allerwärts platzgriff, hierher
verschleppt wurden.
An der Südseite des Forums, ausserhalb der Säulenhalle,
stiessen wir auf eine Anzahl kleinerer Räume, welche theils mit
Hypokausten versehen waren, theils einfach betonirte Böden zeigten.
Diese Räume reihen sich den in früheren Jahren aufgedeckten, als
Lagerheiligthümer bezeicljneten an. An der Nordseite des Forums
wurde ebenfalls ein Tlieil der ganzen Anlage , wie Alles nur als
Fundamentmauerwerk erhalten, aufgedeckt; es sind hier circa acht
kleine Räume, deren Anordnung im Bezüge zum Forum und mit
dem einen grossen Pfeiler die Anlage der Halle auch an dieser
Seite des Forums nicht ausschliesst. Im übrigen Avurden nördlich
des Forums keine weiteren Mauerreste gefunden, da das Niveau
des Feldbodens hier bis auf die Sohle der Fundamentmauern reicht.
Nachdem die Umgebung des Forums biosgelegt war, wurden
die Arbeiten östlich von demselben fortgesetzt. Die beträchtliche
Erhöhung des Terrains Hess hier auf besser erhaltene Baureste
schliessen und die Vermuthung war nicht unbegründet. Eine grosse
Zahl von Räumlichkeiten trat hier zu Tage. Gut erhaltene Fun-
damentmauern grenzen die Räume ab, lassen aber, da nur sehr
wenige Schwellensteine oder Thüröffnungen erhalten sind, den Zu-
sammenhang derselben nicht genau erkennen. Viele dieser Räume
waren mit Hypokausten versehen, die meisten aber unheizbar.
Besonders zu erwähnen ist, dass die ganze Anlage dieses
Theiles des Lagers grosse Regelmässigkeit zeigt. Die Mauerzüge
haben entweder die Richtung der Lang- oder Querachse des Lagers;
nur ein Raum ist vollständig schräg in die übrige Anlage hinein-
gestellt, liegt bedeutend tiefer als die übrigen, war über eine Stiege
zu betreten und scheint mit der sonstigen Disposition der Räume
in keinem Bezüge zu stehen. Würde die Construction der Um-
fassungsmauern desselben und die Betonirung seines Fussbodens
nicht dieselben Merkmale zeigen, wie sie allerwärts im Lager auf-
treten, so wäre man gewillt, diese Baulichkeit als eine in nachrömi-
scher Zeit ausgeführte zu betrachten.
Ueber die specielle Bestimmung aller hier aufgedeckten Räume
lässt sich ein Urtheil nicht abgeben, da keinerlei Anhaltspunkte
hierfür vorhanden sind und die reichlichen, aber nicht baulichen
Fundstücke darüber keinen Aufschluss geben , auch für die durch
die erhaltenen Basen bezeichnete, nach Süden gekehrte, siebensäulige
kleine Halle lässt sich keine Bestimmung angeben. Da aber auch
35
ausserdem unmittelbar in Mitte und senkrecht auf diese Halle eine
Mauer gegen Süden abzweigt, scheint es sich hier um verschieden-
zeitige Anlagen zu handeln, welche in dem gegenwärtigen Zustande
der Erhaltung schwer von einander zu scheiden sind. Muss die
Fortsetzung der Grabungen allmälig erst grössere Klarheit in die
Anlage des Lagers bringen, so war hier doch neben der Aufdeckung
des Forums ein weiteres wichtiges Resultat gewonnen. Aus dem
beiliegenden Plane geht deutlich hervor, dass die zuletzt bespro-
chenen Räumlichkeiten an der Westseite durch eine Mauer gegen
das Forum scharf abgegrenzt sind. Ueber diese in südnördlicher
Richtung laufende Abschlussmauer reichen keine weiteren Quer-
mauern hinaus. In dem Zwischenraum zwischen dieser Mauer und
der Pfeilerstellung, an der Ostseite des Forums, haben die Son-
dirungsgräben nur auf Steinplatten geführt. Es liegt demnach die
Vermuthung nahe, dass hier zur Seite des Forums eine Strasse
lief und es wird die Aufgabe der weiteren Untersuchung sein, die
Strasse in südlicher Richtung zu verfolgen.
Gleichzeitig mit der früher besprochenen Grabung Hess ich
südwestlich und in einer Entfernung von 600 Meter vom Lager auf
dem Acker des Herrn Matle eine probeweise Sondirung vornehmen.
Wir stiessen auf Mauerwerk, das ich in seinem vollen Umfange
bioslegen Hess. Die beifolgende Tafel IV gibt Grundrisse und
Durchschnitte des Baurestes, der als Substruction eines Thurmes
bezeichnet werden darf. Die vier Umfassungsmauern bilden nahezu
ein Quadrat von 9 zu 9'1 Meter äusserer Seitenlänge. Der innere,
von diesen Mauern umschlossene Raum hat 3'3 zu 41 Meter
Ausdehnung. Die Mauern erheben sich bis nahe an das gegen-
wärtige Feldniveau und reichen 3'0 Meter in den Boden hinab
Im Aeusseren zieht sich ein wenig vorspringender Sockel von 0*75 M.
Höhe . im Inneren an der oberen Kante der Substruction eine ge-
simsartige Vorlage herum. Bemerkenswerth ist, dass sich die ge-
nauen Merkmale der Ausführung des Mauerwerkes erhalten haben.
Das Mauerwerk ist nämlich nicht aus Quadern oder Bruchsteinen
gebildet, sondern ein festes Gusswerk. Zur Ausführung desselben
wurden aussen und innen in der Flucht der Mauer und in be-
stimmten Abständen Holzbalken aufgestellt, welchen in horizontaler
Richtung Bretter der ganzen Höhe der Mauer nach vorgenagelt
waren. Als Pölzwerk gegen die zunächstliegenden Erdmassen waren
diese Holzwände mit schräggestellten Streben versehen. In diese so
gebildeten Kasten, welche genau den Dimensionen und Formen der
3*
36
Mauern entsprechen, wurde der Beton eingegossen und festgestampft.
Heute, nachdem dieses Holzgerüste bis auf wenige Reste ver-
schwunden ist, sieht man aber noch deutlich sowohl die Nuten oder
Vertiefungen, an deren Stelle die Balken und Streben standen, wie
auch die durch das Einquellen des Betons in die Bretterfugen ent-
standenen horizontalen Linien. Diese Construction , welche zum
ersten Male hier in Carnuntum an einem Bauwerke nachgewiesen
wird, dient als neuerlicher Beleg dafür, wie die Römer ihre bau-
technischen Proceduren von Italien bis nach den äussersten Grenzen
des weiten Reiches übertrugen, denn genau dieselbe Technik finden
wir an römischen Substructionen in Rom zur Ausführung gebracht*).
Zunächst des Mauerviereckes wurde an der Südseite desselben
eine aus festgestampftem Schotter gebildete Böschung blossgelegt,
über deren Bestimmung ich keine Vermuthung ausspreche, wie es
auch nicht möglich ist, über den weiteren Aufbau des Thurmes
einen Schluss zu ziehen, da neben Pfeilspitzen und einem Inschrift-
fragmente (oben S. 31 n. 20) nicht das geringste Fragment eines Werk-
stückes dieses Aufbaues gefunden wurde. Die ganze Form des Bau-
restes aber und die isolirteLage desselben ausserhalb des Lagers lassen
einerseits verrauthen, dass wir es mit einem festgemauerten Wacht-
thurme zu thun haben, und stellen andererseits die Aufgabe, zu er-
forschen, ob dieser Thurm nicht einer ganzen Kette solcher Wacht-
thürme angehört habe und was von Resten derselben noch erhalten ist.
Mittheilungen einheimischer Bauern über Funde in früheren
Jahren ermunterten mich, noch an einer dritten Stelle eine Son-
dirung vorzunehmen. Es war dies auf den Aeckern der Herren
Wimmer und Krems, ebenfalls südwestlich des Lagers und von
diesem 350 Meter entfernt. Die Grabungen führten hier auf ein, wie
es scheint, sehr ausgedehntes Gräberfeld. Wir stiessen zuerst auf
einen mit Mauern umgebenen rechteckigen Raum von 6*8 zu 8'1 M.
Grösse und darin auf vier Sarkophage. Von diesen lagen zwei,
ein ganzer und ein zur Hälfte gebrochener, auf tieferem Niveau
als die beiden übrigen. Der eine der letzteren war aus Ziegeln
aufgebaut und mit Dachziegeln abgedeckt. In dem tiefer liegenden,
gut erhaltenen Sarkophage von einfacher Form wurde neben Knochen
ein doppeltkegelförmiges Zinngefäss und ein hübsches Glasfläschchen
gefunden. Im weiteren Verfolge der Grabung stiessen wir auf einen
zweiten rechteckig ummauerten Raum und auf eine Anzahl ganz
*) A. Choisy, L'art de batir chez les Koniaius. Paris 1873, pag. 16, Fig. 2.
37
unregelmässig geführter Mauerzüge , gleicherzeit wurden an dieser
Stelle im Ganzen 24 Steinsarkophage und zwei Ziegelgräber auf-
gedeckt. Die Stellung der Sarkophage zeigt nur zunächst den
beiden rechteckigen Räumen eine gewisse Regelmässigkeit, die
übrigen Gräber sind planlos vertheilt, ein Sarkophag sogar unmittel-
bar auf die darunter durchgehende Mauer gestellt. Unter allen diesen
Steinsärgen, welche wenigstens durch ihre Zahl der Oertlichkeit
erhöhte Bedeutung geben , ragten aber zwei durch reichere Aus-
stattung und bedeutungsvolle Merkmale vor den übrigen hervor.
Es sind dies die auf Taf. V mit I und II bezeichneten. Während
die übrigen je aus einem Stücke Stein ausgehöhlt, schmuck- und
inschriftlos sind , waren die beiden bezeichneten aus Steinen zu-
sammengestellt, welche sichtlich andere Bestimmung hatten und sei
es als Grabsteine oder Reliefstücke vor ihrer Verwendung zur Bil-
dung dieser Sarkophage schon anderwärts Verwendung fanden.
Sarkophag I war an seiner östlichen Stirnseite von einer Platte
gebildet , an deren nach aussen gekehrten Seite Brustbilder en face
in Relief ausgearbeitet sind (unten S. 38 n. 1). Bei der Blosslegung
dieses Steines trat die ganze Arbeit reich polychromirt zu Tage,
doch verschwanden die Farben, nachdem der Stein kurze Zeit der
Luft ausgesetzt war. Die nördhche Seitenwand wurde von einem
Schriftsteine gebildet (oben S. 27 n. 14). Sarkophag II bestand
ausser aus glatten Steinen aus zwei Inschriftsteinen (oben S. 27
n. 15. 16) und einem Relieffragmente, der Darstellung eines löwen-
köpfigen Seeungeheuers und einer Nereide (unten S. 39 n. 4), Auch
an dieser Gräberstätte werden die Grabungen im nächsten Sommer
fortgesetzt werden, um das ganze Todtenfeld aufzudecken und nach
der eventuell vorbeiziehenden Strasse, die bis jetzt nicht gefunden
wurde, zu suchen.
An allen drei Grabungsstellen wurden über 400 lose liegende
Fundstücke, wie Inschriftsteine, Inschriftfragmente, Sculpturreste,
Münzen, Waffen, Terrasigülatascherben, Thon- und Glasgefässe, eine
goldene Spange, Würfel und Brettspielsteine u. s. w. gesammelt
und in das Museum des Vereines „Carnuntum" in Deutsch- Altenburg
gebracht.
ALOIS HAUSER
38
III
Folgende Bildwerke sind von den Ausgrabungen des letzten
Jahres zu Tage gefördert worden:
1. Oberer Theil eines Grabsteines, ursprünglich mit drei Brust-
bildern, von welchen aber jenes zur Linken abgebrochen ist, Kalk-
stein, 0"58 hoch, 0"8 breit (so weit erhalten). Rechts die Protome
eines Soldaten ; derselbe ist mit der Aermeltunica und der Paenula
bekleidet und hält in der Linken die Schriftrolle, während er in
typischer Geberde Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand vor-
streckt, die anderen Finger derselben aber einzieht. An seiner
linken Seite wird der Griff seines Schwertes sichtbar. Ihm zur
Rechten die kleinere Protome seines Sohnes, den die jetzt fehlende
Figur der Frau mit ihrem linken Arme umfasst hielt; ihre Hand
liegt auf seiner linken Schulter. Bei der Auffindung des Steines
waren deutliche, seither leider verschwundene Reste von Farbe
erhalten, und zwar von rother an den Fleischtheilen, von gelber
am Gewände; der Hintergrund war grün.
2. Ikarus, Relief block aus Sandstein, rechts und links ge-
brochen, 0'35 hoch, 0"84 breit; der glatte Rand unten ist erhalten.
Wie auf pompejanischen Wandgemälden ist Ikarus hier als ans
Land geschwemmte Leiche dargestellt. Völlig nackt liegt er auf
der linken Seite und streckt den linken Arm nach vorne; der rechte
schmiegt sich dem Körper an. Die künstlichen Flügel sind gleich
einem Schilde innen mit Spangen versehen, in welchen die Arme
stecken. Es fehlen an der Figur nur die Füsse und der linke
Vorderarm.
3. Zwei Rolieffragmente aus Sandstein stellen den Genius loci
vor. Auf dem einen sieht man den jugendlichen, mit dem Modius
bedeckten Kopf und das Bruststück; über die linke Schulter ist
89
ein Mantel geworfen. Auf dem andern ist er mit Chiton und
Chlamys bekleidet. Beidemale hält er in der Linken das Füllhorn.
4. Der Rest eines Frieses etwa von einem Grabmale ist wohl
der Block (095 lang, 0*72 hoch, O'S dick) mit der Darstellung
eines löwenköptigen Seeungeheuers und einer Nereide. Letztere ist
neben demselben schwebend zu denken. Gleich den oben erwähnten
war dieser Stein zum Bau eines Sarkophages verwendet.
5. Von besserer Arbeit ist der Torso einer weiblichen Figur
aus Marmor, 02 hoch, Ihr über dem Ueberschlag gegürteter
Chiton ist an der rechten Schulter gelöst und lässt die rechte Brust
frei. Ein schärpenartig zusammengelegtes Gewandstück ist rechts
in den Gürtel gesteckt. Am Nacken ist ein Rest des aufgebundenen
Haares sichtbar. Die Figur war in rascher Bewegung nach vorne
begriffen, erhob den rechten Arm und senkte den linken. Sie ist
flügellos , desshalb keine Victoria , sondern eher eine Tänzerin.
Getrennt gefunden wurde ihre rechte Hand, die das flatternde Ober-
gewand fasste, und ein Stückchen dieses letzteren.
40
6. Ausser einem Thonmodelle mit dem Bilde der Victoria
(Fig. 1; 0-01 breit, jetzt 0-085 hoch) seien aus der Anzahl der
kleineren Fundstücke (Griffeln, Spateln, Löffeln, Glöckchen u. a.)
nur die Fibeln, welche in vier Arten vorkommen, hervorgehoben.
Die erste (0'07 lang) stellt die gewöhnliche spätrömische Form dar
Fig. 1
Fig. 2
Fig. 3
Fig. 4 Fig. 5
(Fig. 2) ; ähnliche besitzt die Wiener Sammlung aus Dalmatien,
Ofen, St. Polten und Wien; eine ausgezeichnet schöne aus Hörn-
stein (Niederösterreich) mit verschiebbarer Hülse, die die Nadel fest-
hält. Die zweite (Fig. 3 ; 0*03 lang) hat die Form einer Rosette.
Der ursprünglichen Form der Fibel, die Nadel und Bügel aus einem
zweckentsprechend gebogenen Draht bildete, nähert sich die dritte
(Fig. 4; 0-076 lang). Die vierte (Fig. 5; 0-058 lang) hat einen
breiten durchbrochenen Bügel.
7. Bruchstück einer Gewandspange aus Goldblech in Gestalt
eines Kreissegmentes, L. 0*09. Taf. I Fig. 1. Das rechte Ende
ist mit einem scharfen Instrument abgeschnitten, so dass auch die
Inschrift felicestvn zweifellos unvollständig ist. Der Rand ist durch
Kreise und Striche geziert, welche mit der Buuze eingeschlagen
sind. Die Bestimmung des Gegenstandes als Gewandspange scheint
besonders aus dem am 1. Ende eingeschnittenen Schlitze hervor-
zugehen, dessen kreisförmige Erweiterung wahrscheinlich den Knopf
des zweiten Stückes der Spange aufnahm, der dann in den Schlitz
geschoben festgehalten wurde.
8. Bruchstück eines bronzenen Dreifusses. Taf. I Fig. 2. Im
Besitze des Herrn Baron Ludwigstorff, während dieses Sommers
in Carnuntum gefunden. H. 013, br. Ol. Die Schale ist mit
41
den tragenden Stäben aus einem Stücke gefertigt. Diese Stäbe
sind unmittelbar unter der Stelle, wo die sie verbindenden Quer-
streben entspringen, bogenförmig ausgebaucht. Ein Kelchornament
schmückt das untere Ende der Ausbauchung und aus ihm scheint
der Pantherkopf emporzuwachsen. Das untere Ende der Stäbe
wird nach vielen Analogien eine Thierkralle gebildet haben. Genau
dieselbe Form hat ein Geräthfuss im Wiener Antikenkabinet, Sacken
u. Kenner S. 295 Nr. 1121.
ROBERT SCHNEIDER
Zu attischen Grab-Epigrammen
Ulrich Köhler hat kürzlich (Ath. Mitth. X, 405) ein neu auf-
gefundenes attisches Grab-Epigramm (^nicht viel jünger als die Mitte
des vierten Jahrhunderts'), an welches er lehrreiche Betrachtungen
knüpft; bekannt gemacht:
fTipaidv dvoaov jxaibac, Traibujv eTTiboüaav
AucriXXav Karexei KOivotacpri^ Gd\a)uo<;.
Es ist vielleicht nicht unnütz, dem für griechische Lebensanschau-
ung so charakteristischen Hauptvers zwei gleichfalls attische und
demselben Zeitalter (viertes oder drittes Jahrhundert) angehörige
Grabverse gegenüberzustellen, zunächst nämlich seinen Doppel-
gänger 44, 4 Kaibel:
(pox; b' eXm' eubaijuuuv rraibac; Traibuuv emboOcTa,
eine in ihrer runden Gedrungenheit geradezu unvergleichliche Schil-
derung eines schlichten Frauenglücks. (Vgl. auch Kaibel 67; 81; 279
und 43 mit den Zusätzen bei Löwy Inschr. griech. Bildhauer n. 64).
Allein auch die ersten zwei Worte jenes Hexameters erinnern
an eine vielleicht noch bezeichnendere und mit der herodoteischen
Glücks- und Güterschätzung, an welche auch Köhler durch den
obigen Doppelvers gemahnt ward, sich noch genauer berührende
Darstellung. Das ungemein merkwürdige Epigramm, auf dessen
weitergehende Restitution Kaibel verzichtet hat (n. 68) , mag etwa
wie folgt gelautet haben :
42
"OXßiov, euY^lpwv avo[cyov KaXov eöieKVOV ecrGXöv,
TÜ)ußo? ob' eu8dv[aTov KpuTrrei 'Apicrrößiov.
Dieser Herstellung liegt die Erwägung zu Grunde, dass das nach-
drücklich vorangestellte ö\ßiO(; (das höchste Glücks-Prädicat, über
welches die griechische Sprache verfügt) eine Gesamrat-Bezeichnung
ist, deren Inhalt sich aus mehreren Elementen zusammensetzt, die
wie mit häufender Hast angereihten Adjective aber (hierin anders als
in n. 67) eine vollständige Aufzählung der Glückseligkeits-Elemente
erwarten lassen. Es empfahl sich daher der Versuch, in dem Rest
des Verses die übrigen Glücks-Erfordernisse aus griechischer Lebens-
auffassung und Güterschätzung heraus zu suchen und zu linden. Nun
vergleiche man hiermit Solon's Darlegung bei Herodot (I, 32), wie
ich dieselbe, Herodot. Stud. I, 26 — 28, zu berichtigen und zu er-
läutern versucht habe: raöra be n euTuxiil o'i d-rrepuKer dirripöq eaiiv
ävovüoc, änaQr](; KttKUJV , eürraK; eüeibric; * ei be Ttpöq TOuToiaiv eri
TeXeuTricrei töv ßiov eu, omoc, eKeivoq töv au Z}'\Tee\q, ÖK^ioc, KeKXnaöai
al\6q edTiv. Man beachte wohl, dass das glückliche Lebensende
beidemale nicht nur wie natürlich den Schluss der Reihe bildet, son-
dern auch von den übrigen Elementen der Glückseligkeit scharf
gesondert, gleichsam als ihr krönender Gipfel mit Nachdruck her-
vorgehoben wird; desgleichen dass auch der Beginn der Aufzählung
hier und dort, wenn nicht den Worten, so doch der Sache nach
der gleiche ist. Denn der eönipuj(;, zumal wenn er vom avoooq
unterschieden wird, ist ja eben derjenige, der bis ins Greisenalter
von Gebrechen jeder Art verschont bleibt, der sich 'im Vollbesitz
seiner Gliedmassen und im Vollgenuss seiner geistigen und leib-
lichen Fähigkeiten' befindet, d. h. wer ctTrripo? (= öXÖKXripoq) ist bis
ans Ende. So darf denn, gleichwie meiner Auslegung der hero-
doteischen Stelle (soweit diese einer Auslegung bedarf) aus dem
Epigramm eine erwünschte Bekräftigung erwächst, so auch die Er-
gänzung des letzteren als durch die erstere im Wesentlichen ge-
sichert gelten — bis auf den Eigennamen , der selbstverständlich
nur eine unter mehreren Möglichkeiten darstellt, aber freilich eine
solche, die, wenn sie zufällig Wirklichkeit war, zur Abfassung des
Gedichtchen.s den entscheidenden Anstoss zu geben geeignet war,
auf Grund der Erwägung: der Verstorbene trug seinen Namen mit
Recht.
Wien, im April 1886 TH. GOMPERZ
43
Archäologische Fragmente aus Bulgarien
(Tafel VI)
Ein fünfjähriger Aufenthalt in Bulgarien bot mir vielfach Ge-
legenheit, Materialien zur Kenntniss der Alterthümer des Haemus-
gebietes zu sammeln, vor Allem geographische Daten über alte
Castelle, Städte, Bergwerke und Strassen, sowie antike Inschriften,
die theils in abgelegenen Gegenden den bisherigen Untersuchungen
entgangen, theils bei verschiedenen neuen Bauten zum Vorschein
gekommen waren.
Vor einigen Jahren hatte ich die Ehre, einen kurzen Bericht
als „Beiträge zur antiken Geographie und Epigraphik von Bulgarien
und Rumelien" in den Monatsberichten der kgl. Akademie der
Wissenschaften zu Berlin zu veröffentlichen (Sitzung vom 12. Mai 1881
S. 434 — 469). Im Folgenden erlaube ich mir, einen Nachtrag dazu
zu liefern, der etwas umfangreicher ausfiel, da ich seitdem (besonders
1883 und 1884) den grössten Theil Bulgariens und Ostrumeliens
neuerdings durchwandert habe.
Das Hauptaugenmerk war auf die historische Geographie ge-
richtet, weshalb auf den folgenden Seiten auch manche mittelalter-
liche Denkmäler in Betracht gezogen wurden. Da es mir auf
Streifzügen durch das Land in der Regel nicht möglich war, einen
grösseren Apparat mitzuführen, kann ich bei Inschriften keine
Lesungen von Abklatschen oder Photographien bieten, sondern nur
Abschriften oder Zeichnungen, so genau sie mir möglich waren.
Die Abhandlung zerfällt in vier Theile : I. Dacia mediterranea,
IL Alte Bergwerke, III. Römische Strassen, IV. Das Pontusgebiet
und der östliche Haemus^).
I. Dacia mediterranea
Der Umfang der spätrömischen, gegen Ende des 3. Jahr-
hunderts errichteten Provinz Dacia mediterranea ist durch die An-
gabe des Hierocles (ed. Parthey p. 16) sichergestellt, denn die Lage
der fünf von ihm genannten Hauptorte derselben unterliegt keinem
*) Die bulgarischen Ortsnamen gebe ich in der in philologischen Schriften
üblichen genauen Transscription wieder (das cyrillische t = engl, u in churcli,
hut); bei manchen Namen ist auch der Accent angegeben, insbesondere wo der-
selbe nicht (wie es sonst im Westen des Sprachgebietes Regel ist) auf die dritt-
letzte Silbe fällt.
44
Zweifel: Serdica als juriTpoTToXi? (jetzt SoHa), Pautalia (Küstendil),
Germania (Banja bei Dupnica, wie ich näher darlegen werde),
Naissus (Nis) und Remesiana (Bela Palanka zwischen Nis und
Pirot). Sie umfasste demnach die Kreise von Sofia, Küstendil und
Trn des heutigen Fürstenthums Bulgarien, sowie den grössten Theil
der neuen (seit 1878) Bezirke des Königreiches Serbien.
Die Provinz in dieser Ausdehnung bestand indessen aus zwei
geographisch und ethnographisch verschiedenen Theilen. Der Norden
mit Naissus und Remesiana war ursprünglich ein Theil von M oesia
superior und gehörte; wie die Inschriften zeigen, ebenso wie das
angrenzende Dardanien, ganz in den Bereich der aus Dalmatien und
aus den Militärcolonien an der Donau vordringenden lateinischen
Sprache. Der Süden, Serdica und Pautalia, erscheint bei Ptolemaeus
sowie auf den Münzen des 2. und 3. Jahrh. als Theil der Provinz
Thracia und war vorwiegend griechisch; die letzten Spuren des
Hellenismus reichen bis an die Wasserscheide zwischen dem Strymon
und Oescus einerseits und dem Margus andererseits.
Es ist ein Gebirgsland, dessen Gipfel zu den höchsten der
Halbinsel gehören (Ryla an 3000 M., Vitoäa^) an 2300 M., Osogov
an 2200 M., Ruj an 1750 M., dazu die Balkangipfel Murgas, Kom
u. s. w.). Zwischen den Gebirgszügen liegen zahlreiche alluviale,
wohl bebaute und gut bewohnte Rundbecken von verschiedener
Grösse, in welchen sich das alte und neue Culturleben concentrirte.
Charakteristisch sind die vielen heissen Quellen, die z. B. in Serdica,
Pautalia und Germania in das Weichbild der Städte einbezogen
waren und bei Naissus von der Stadtmauer nur wenig entfernt
blieben.
Im Folgenden will ich einige Bemerkungen über die Alter-
thümer der Lcandschaften von Serdica, Pautalia und Germania,
sowie der umliegenden Bergthäler vorlegen. Die Ueberreste der
übrigen beiden Hauptorte Naissus und Remesiana nebst den um-
liegenden Gauen und den Städten des benachbarten Dardaniens
sind jüngst von Arthur J. Evans untersucht und ausführlich be-
schrieben worden^).
*) Ryla und Vitosa (fem.) lauten die landesüblichen Formen; Ryl , Rylo,
Vitoö (masc.) der Karten und Bücher wind nicht richtig-.
') Evans Antiquarian Researches in Illyricuvi, Parts III u. IV. Westminster
1885 (Archaeologia Bd. 49). Von besonderem Interesse ist darin die Beschreibung
der Denkmäler des alten Scupi (Dorf Zlokuöan, l'/^ engl. Meilen gegen NW. von
dem mittelalterlichen und jetzigen Sko|.je), dessen Inschriften sämmtlich lateinisch sind.
45
Die alte Provinzialhauptstadt der binnenländischen Dacier
habe ich fünf Jahre lang bewohnt. Bei den vielen Neubauten,
durch welche das trotz seiner grossen Ausdehnung zuletzt arg ver-
kommene türkische Sofia der einstigen „civitas ampla et nohilis'"'' des
Ammianus (21, 10, 3) in seinem Aeusseren allmählich wieder näher
gebracht wird, bot sich oft Gelegenheit nach den Ueberresten der
antiken Stadt zu fahnden, die einst Kaiser Constantin, selbst aus
dem nahen Naissus stammend, eine Zeit lang zur neuen Hauptstadt
des römischen Reiches erheben wollte, bis er am Bosporus einen
jedenfalls besseren Platz dazu entdeckte^).
Das antike Serdica (oder Sardica) hatte ohne Zweifel einen
kleineren Umfang als das moderne Sofia. In sein Weichbild ge-
hörten die Thermen, die Carsija (Bazarstrasse) mit den Ruinen des
alten Bezestan und Karavanserai, sowie das anstossende heutige
Quartier der spanischen Juden, nebst dem ehemaligen Bulgaren-
viertel um die jetzige, vor etwa 25 Jahren (an der Stelle einer
älteren Capelle) erbaute Metropolitankirche, also das Centrum des
heutigen Sofia. Dieses ganze Gebiet ist unterminirt von grossen
gewölbten Kellerräumen aus gut gebrannten Ziegeln, zu deren fester
Construction die jetzt darüber stehenden Holz- und Lehmhäuser
nur schlecht passen. Die Nordseite der antiken Stadt bildete ein
jetzt an 10 M. hoher Abhang, an dessen Rand sich auch die heissen
Quellen befinden. Dort stiess man 1881 zwischen den Thermen
und der St. Sophienkirche, wenige Schritte nördlich von dem fürst-
lichen Palais, auf dem Abhang selbst auf ein Stück der alten, aus
grossen Backsteinen solid erbauten Stadtmauer; dasselbe ist seit-
dem durch das Haus des Militärclubs wieder verbaut und unsichtbar
gemacht worden. Der Kern der alten Stadt lag zwischen der
Bazarstrasse und der Metropolitankirche und ist durch eine Menge
nahe an einander gelegener kleiner Kirchen aus dem Mittelalter
klar bezeichnet, deren Vertheilung zugleich auch den Plan der
mittelalterlichen Stadt angibt.
Von diesen Kirchenbauten verdient die sogenannte Gül-
diiami (türk. „Rosenmoschee'') eine besondere Beachtung. Von
Aussen erscheint dieselbe als ein ungefähr 10 M. hoher Rundthurm
■•) "Oti KuDvaravTivo«; eßouXeüaaxo irpujTov ^v lapöiKT) iLieraYöTeiv tö
örmoöia* qpiXuJv re ti-jv ttoXiv eKeivrjv öuvex*«; eXe^ev „'H k\xi\ 'Pü}\xx) ZapöiKrj
^OTiv." Anonymus, qui Dionis Cassii historias continuavU, Fragm. hist. Graec. IV
p. 199 c. 15, 1. Vgl. die zahlreichen aus Serdica datirten constüutiones Constantins
im Cod. Theodoa.
46
mit einem etwas zugespitzten Ziegeldach, ganz aus flachen, 4 Cm.
dicken, gut gebrannten Backsteinen aufgeführt; die 1"45 M. dicke
Mauer ist durch acht kleine, sehr hoch liegende Bogenfenster
durchbrochen. Das Innere, oberhalb der Fenster leicht überwölbt,
ist kreisrund, durch eine Altaruische und drei Thüren symmetrisch
in vier Segmente getheilt und hat 9'2 M. im Durchmesser. Der
hölzerne Fussboden liegt, wie bei allen alten Kirchen von Sofia,
in Folge der durch Jahrhunderte fortgesetzten Anhäufung des
Schuttes an 1*5 M. tiefer als das jetzige Niveau des umliegenden
Hofraumes, ist aber erst neuerdings über dem ursprünglichen Pflaster
hergestellt worden. Die gesammte Mauerfläche war vor Zeiten
bis zur Wölbung hinauf mit Fresken bedeckt; zwischen dem ab-
fallenden türkischen Mörtel kommen überall Reste derselben zum
Vorschein. Ausserdem sieht man über dem Altare Stücke altslavi-
scher Aufschriften und unterhalb der Fenster die Spur einer ein-
zeiligen, in Gürtelform ringsherum geführten griechischen Inschrift,
von der die Worte: zujrPA4>8NTOC , gegenüber hpockyngitikon (TTpo(T-
KuvriTvipiov). . .cvN€rPA4>. . .APXANF. . . lesbar sind. Der Thurm selbst
ist von einem modernen, aber bereits ganz morschen, niedrigen,
türkischen Corridorbau umfasst, an den sich der Stumpf eines
herabgestürzten Minarets anlehnt. Diese merkwürdige Rundkirche
im Centrum des alten Serdica ist jedenfalls das älteste christliche
Bauwerk auf dem Boden Bulgariens. Sie war dem heil. Georg
geweiht und wird 1469 als Metropolitankirche von Sofia erwähnt.
Die Türken setzten sich erst unter Sultan Sehm I. (1512 — 1520)
in deren Besitz, als man den Christen die grösseren steinernen
Kirchen in den Städten überall wegnahm. Der Tübinger Reisende
Gerlach (1578) gibt von ihr eine ganz gute Beschreibung'^). Gegen-
wärtig enthält die „Güldzami" das Magazin des bulgarischen ober-
sten Sanitätsrathes. Es wäre wohl am Platze, den ehrwürdigen
Bau seiner Bestimmung wiederzugeben und bei dieser Gelegenheit
die alten Fresken und Inschriften blosszulegen, aber die Zeit dazu
scheint noch nicht gekommen zu sein.
6) „Bcy unserm Hause .stehet ein hoher ruuder Thurm, den die Bulgaren
noch vor 40 Jahren zu einer Kirchen gehabt, aber die Türeken haben solchen
ihnen genommen, und eine Meschit oder türckische Kirchen daraus gemacht."
Stephan Gerlachs des Aelteren Tagebuch der von zween glorwürdigsten röm.
Kaysern Maximilian und Kudolpho II. etc. an die ottomauische Pforte abgefertigten
etc. Gesandt.schafft (1573—1578), Frankfurt 1674 S. 521.
47
Ausserhalb dieser inneren Stadt besitzt Sofia zwei alte Objecte,
welche aber kaum in das Weichbild des römischen Serdica gehörten.
Das eine ist eine lange Mauer aus unbehauenen Bruchsteinen mit
regelmässig vertheilten Rundthürmen, deren Fundamente im freien
Felde gegen Nordwest jenseits der „bunten Brücke" (Sareni most)
über den Bach von Vladaja die Strasse nach Lom kreuzen (abge-
bildet bei Kanitzj. Die Ueberreste von zwei zur Stadt abfallenden
Flankenmauern zeigen, dass das Ganze ein Viereck bildete. Es war
offenbar ein Caslell ausserhalb der alten Stadt. Bertrandon de
la Brocquiere 1433 sagt ausdrücklich, die Stadtmauern von Sofia
seien bis auf den Boden zerstört, die Stadt besitze aber ein „petit
chäteau", und Gerlach (S. 524) bemerkt bei der Beschreibung
von Nis: „es hat auch da, gleichwie zu Sophia, ein Schloss
ausserhalb der Stadt gehabt". In dem weiten, jetzt von den
ärmeren Stadtvierteln eingenommenen Raum von diesen Mauer-
resten bis zu den Thermen ist bei neueren Bauten kein antikes
Werk zum Vorschein gekommen, mit Ausnahme einer 3-5 M. tiefen
mit Ziegeln überwölbten Gruft, in welcher man ungefähr 20 Schädel
und Skelette, eine Bronzeagraffe, verschiedene eiserne Stücke und
eine Menge von Goldfäden vorfand, die an den Resten von Kleidern
hafteten. Es gab dort also in der älteren Zeit nur Begräbniss-
plätze, natürlich ausserhalb der ursprünglichen Stadtbefestigung.
Der zweite alte Bau, der mit dem Stadtplan des antiken Ser-
dica schwer in Einklang gebracht werden kann, ist die St. So phien-
kirche am äussersten Ostende der Stadt, das grösste alte Bauwerk
Bulgariens. Der russische Reisende Grigorovic (1845) fand das
Gebäude sehr übereinstimmend mit der St. Sophia von Ochrid in
Makedonien, die erwiesenermaassen in der Mitte des 11. Jahr-
hunderts erbaut wurde''). Die erste urkundliche Erwähnung, die
ich kenne, befindet sich im Epilog einer Handschrift, geschrieben
1329 „in der heil. Sofia, der Metropolie von Sredec*'). Schon im
14. Jahrhundert verdrängte der Name der gewaltigen Metropolitan-
kirche allmählich die alte Benennung der Stadt, das von den Slaven
aus dem antiken Serdica umgeformte Sredec (lies Sreadetz),
«) Grigorovic, Reise durch die Eur. Türkei (1844—1845), 2. Ausg., Moskau
1877 p. 1.S5 (russ.).
') „V svetej Sofi metropoli Sredec'skoj", Glasnik der serb. gelehrten Gesell-
schaft Bd. 51 p. 64.
48
woraus die Byzantiner ihr Triaditza gemacht haben '^). Den
Türken diente die Kirche als Moschee. Gegenwärtig ist der etwas
schwerfällig angelegte Ziegelbau eine klägliche Ruine; Erdbeben
haben die Apsis und das Portal zerstört, das Längengewölbe des
Hauptschiffes, in welchem alte Fresken unter dem Mörtel hervor-
blicken, hält sich mit Noth, und die erhaltene kleine Kuppel ist
mit Gras und Gestrüpp bewachsen. Das alte Pflaster, regelmässige
Hexagone aus gebrannter Erde, ist zum Theil klar sichtbar; auch
fand man einige kleine glatte Marmorsäulen, die einst wohl zum
Altar gehörten. An der Südseite stand, an der Stelle eines grossen
alten Klosters, ein türkisches Tekke (Derwischkloster), das zuletzt
in eine Caserne umgestaltet war, die 1879 niederbrannte und gegen-
wärtig bis auf den Grund demolirt ist. An derselben Seite wird
die Kirche von ausgedehnten unterirdischen Gewölben umfasst. An
der Nordseite stiess man im Jänner 1884 bei der Herstellung eines
Eiskellers knapp an der Ruine auf zwei rohe steinerne Sarkophage
(jetzt im nahen Gymnasium) ; der eine führte die Buchstaben Ä
und Y, der andere enthielt zwei in entgegengesetzter Richtung ge-
bettete Skelette mit vermoderten Holz- und Kleiderstücken, Pfirsich-
kernen und anderen Resten von Blumen und Früchten. Daneben
fand man Münzen aller Zeiten, von Marc Aurel angefangen.
Ob die etwas höher als die Stadt gelegene Sophienkirche ein
isolirtes Kloster war oder sich der einstigen Stadtbefestigung an-
schloss, ist nicht recht klar. Bis 1880 bezeichnete St. Sophia den
äussersten Rand der Stadt, neben dem Zigeunerviertel (wo jetzt
das Gymnasium erbaut ist) und beim Eintritt in die ausgedehnten
türkischen Grabfelder. Seitdem zog sich der neue „europäische"
Stadttheil bis weit über St. Sophia hinaus. Bei den Erdaushebuugen
für die Fundamente des hier errichteten fürstlichen Palais, der
Casernen, Schulen, Amtshäuser und Privatgebäude und beim Nivel-
liren der Strassen stiess man überall auf Gräber, Reste alter Gärten
*) In dem Privilegium des bulgarischen Garen SiSman an das Rylkloster
1378 lautet das Datum in „Sredec". In dem Privilegium desselben an die
„Gottesmutter von Vitosa" (Kl. Dragalevci bei Sofia) liest man von dem Kefalia
(Gouverneur) von Srcdec, von der Stadt Sofia (v grade carstva mi Sofi) und
von der „sv^taa Sofia" als kirchlichen Autorität (Metropolie), alles nebeneinander
(Öafai-ik's Pam/itky, 2. Ausg. p. 108). Ein ragusauischer Act 1376 hat Sophya.
In kirchlichen Denkmälern des 16. und IG. Jahrh. heisst die Stadt Sofia Sre-
di.cskaa (also adjectivisch) oder etwas gelehrt thuend Sofia Sardakij skaa.
Der Name Sredec ist jedoch heute noch im Lande allgemein bekannt.
49
mit thönernen IiTigationsröhren und viele Kupfermünzen, meist aus
neuerer Zeit; Substructionen von Mauern und Häusern kamen aber
nirgends zum Vorschein.
Zu Anfang meines Aufenthaltes war alles Suchen nach antiken
Inschriften in Sofia vergeblich gewesen. In den letzten Jahren war
ich etwas glücklicher.
1. Im J. 1882 wurde das Badehaus der Thermen restaurirt.
Das Hauptgebäude ist ein Hexagon mit einer guten Steinverkleidung
aus regelmässigen Quadern an der Aussenseite und einem vielleicht
sehr alten Bassin im Innern. Daran stiess an der Ostseite ein
Nebengebäude, die „Bulgarbanjasy", gebaut aus unbehauenen, aus
dem Flussgeröll geholten Steinen, jedes Stück eingefasst zwischen
vier flachen Ziegeln. Die Fundamente bestanden aus gewaltigen
unregelmässigen Blöcken; auf einem derselben (seitdem wieder zu-
gemauert) sah man einige grosse Buchstaben:
o n o r
A A s I
N AECn/v
2. Bei dem Baue des Hauses des Herrn Generalsecretärs Petkov
fand man 1884 eine zerschlagene lebensgrosse Statue eines Mannes
in der Toga und mit einer Schriftrolle in der Hand , sowie einige
Säulenfragmente, viele Ziegel und Quadern und einen 72 Cm. hohen
und 36 Cm. breiten Inschriftstein:
■A Y P H A I O ;
1
i< O A Ol N I O
A o nnos
i
1 K 6 / O K A
5 .i
! K O A UJ N I O 1
3. Im Pflaster der Kirche Sveti Spas lag ein Stein (jetzt in der
Nationalbibliothek), darauf oben zwei Figuren, eine davon mit Schild
und Speer, darunter auf einem zvveiten Felde ein Mann zwischen
zwei Pferden, und zuletzt die Grabschrift eines civis Amhianensis
(meine Abschrift ist von Herrn Brozka, Lehrer am Gymnasium zu
Sofia, nochmals verglichen) :
Arrhäologisch-epigraphisclie Mittli. X 4
50
D • M F l 1 / I
FELIX SIC.///
N "DWXTVXXXT 1 1
ANXXXCIVIS//
5 BIANENSIS / //// ®)
4. Südlich von der St. Sophienkirche zwischen türkischen
Gräbern gefunden, jetzt in der Bibliothek (Abschrift des Herrn
Brozka)'«):
5. Im neuen Hause des Herrn Luka Moravenov, nicht weit
von der Nordseite der Sophienkirche, beim Bau gefunden und in
einige Stücke zerfallen (Copie des Herrn Biozka). Vgl. zwei Grab-
steine von NeiKaeiq aus Nicopolis ad Haemum in meinem früheren
Berichte (a. a. 0. S. 459):
apictokha
/hcahicto
KPATOYC
NEIKAEYC
7.HCACE-H
E E
'Api(7T0Kpd|T]ii^ 'ApicTTCKpaTGuc; NeiKaeuq, tr\Cac, lir\ £e'.
") [Die Abscliiiit, die neuerdings v. Dom.isztnvski g-enoinnicn li;it, stimmt
Uberein, nur dass er Z. 3 nur VIXi und Z. 4 XX Civ/s gesehen liat. Bemerkt wird
dazu, dass die rechte Seite des Schriftfeldes ganz verrieben ist, in der letzten Zeile
nach den Buchstaben der Rest eines unbestimmbaren Gegenstandes im Relief folgte,
aber sich nicht sagen lässt, ob derselbe noch einen grösseren Theil des Schriftfeides
einnahm. — Zu verstehen ist in Z. 1 — 3 etwa: F[l ^avius)]'^ Felix si\(i{nifer)\ n{umeri)
Divit^ensium). E. B.]
'•) [Hier nach der etwas vollständigeren Copie v. Domaszewski's. — d. m.
nelvi[di]o Pri3[c]o e{quiti) R{omano), [L]aur(enii) Lav{inuti), [IIvir{o)\ it[e\r{uvi) . . .
Unsiclier bleibt, in welchem Verhältniss dieser Ilclvidius Priscus zu dem bek.annten
Helvidius Priscus der Zeit des Nero und Vespasian gestanden liat, dessen Vater
nach Tacitus hiat. 4, 5 Primipilar gewesen war. E. B.j
51
6. In der Nationalbibliothek ein 032 h. und 0*27 br. , sehr
beschädigtes Basrelief, ein Reiter mit Jagdhund, Geschenk des
Metropoliten Meletios, angeblich aus der Gegend von Berkovica.
Links 2 Cm. hohe ungleiche Buchstaben (Copie desselben):
V I N
V S
V E T
RAN
6 V S
Ein noch unsicherer Name, darauf vet(e)ranus.
Die Bergländer westlich und nordwestlich von Serdica weisen
nur wenige antike Spuren auf, die aber um so werthvoller sind.
Diese Landschaften sind ziemlich gut bewohnt; ihre weit und breit
in kleineren Häusergruppen zersprengten Dörfer reichen bis in die
innersten Winkel des Gebirges hinein, und daneben verrathen zahl-
reiche „gradiste" (Burgstellen), „seliste" (Spuren verlassener Dörfer)
und „monastiriäte" (Klosterruinen) nebst vielen Münzfunden, dass
diese Hochthäler eine allerdings vergessene, aber jedenfalls weit
zurückreichende Geschichte besitzen. Neben den vielen alter-
thümlichen slavischen Ortsnamen fallen nicht wenige Dorf- und
Bergbezeichnungen romanischen Ursprungs auf, die über das
ganze Bergland zwischen der Niäava, der oberen Struma und dem
Isker zerstreut sind. Im Bezirk (Okolija) von Iskrec im Balkan
heisst ein Dorf C e r e c e 1 (rumänisch cercel, Ohrring), in der
nahen Landschaft Visok gibt es eine Ortschaft Bukürovci (von
Bukor, rum. schön); in dem Bergland zwischen Caribrod, Slivnica
und Breznik liegen die Orte Ki-rnul, Radülovci (Nachkommen
eines Radul), Curul, GurguljAt u. s. w. Ein ansehnliches Dorf
in den Engen des Sukovoflusses heisst V 1 a s i und der Felsberg
dabei M u m u 1. Ein Berg bei dem Städtchen Trn wird Circildt
genannt ; zwei Dörfer derselben Gegend heissen H e r u l und B a-
n i s 0 r. Im Gebiet von Izvor (nördlich von Küstendil) begegnen
Namen von Häusergruppen: K r ö c u 1 (Theil von Dorf Goruo Ujno),
Borbülovci (gehört zu Dorf Resen), V i t u r c i (zu Cesljanci).
Dieselbe Erscheinung trifft man auch in der Sredna Gora zwischen
Zlatica und Philippopolis : bei Koprivstica eine Wiese Urs u 1 i c a
(vom Personennamen Ursul), eine Berghalde K r e c u 1 , ein Thal
D-blbüki Val (vom bulg. di.lbok. tief, und vom lat. vallis), eine
4*
52
Waldschlucht C 6 r b u 1 (cerbu rum. Hirsch), desgleichen bei Pana-
gjuriste ein Bächlein M e r u 1 (rum. Apfel) u. s. w. Diese Ueber-
reste einer an Gebirgshühen und Hochthälern haftenden romanischen
Nomenclatur zeugen von einer jetzt verschwundenen altansässigen
Bevölkerung lateinischer Zunge , welche daselbst gegenwärtig nur
durch wenige walachische Wanderhirten vertreten wird, die jedoch
ihre eigentlichen Sitze am aegaeischen Meere bei Salonich, Seres und
Enos oder auf den Abhängen des Pindus haben und diese Gebirge
des Binnenlandes nur für den Sommer besuchen.
Dem Becken von Sofia zunächst liegt zwischen der Strasse
nach Pirot und dem Kamm des Balkangebirges ein gegen Norden
geneigtes Längsthal mit der Landschaft V i s o k und den Flüssen
Temska oder Visocnica und Godecka reka. Zahlreiche Münzfunde,
darunter auch eine römische Silbermünze (zwei Lanzenreiter, roma ',
Revers : Kopf mit Helm) und eine Kupfermünze oiAinnoriOAeirnN mit
dem Bildniss des Septimius Geta nebst vielen mittelalterlichen Stücken
(z. B. des venetianischen Dogen Rainerius Geno 1252 — 1268), sowie
einige Castellruinen zeugen von der Vergangenheit dieses abge-
legenen Thaies. In einem „gradiste" bei dem Dorfe T ü d e n (nicht
weit von der Strasse von Sofia nach Lom) wurden einige rohe Bas-
reliefs gefunden : zwei höchst primitive Figuren des Zeus (mit einem
Adler zur Seite) und der Hera mit den Inschriften (jetzt in der
Bibliothek zu Sofia) :
1. KYPIAHPAHKUJMA 2. KYPIUJAIIHKUJMAPXIA
PXIAEYXHvi EYXHS
(also fi KUj)Liapxia eux^iv)
sowie das Postament einer Miniaturstatue, von der nur einige Fuss-
zehen übrig sind, ein viereckiges Stück weissen Calcit, 8 Cm.
Höhe und 4 Cm. Breite (bei dem Herrn Arehimandriten Zinovij)
mit der Inschrift:
HA- KAA YA
T / S A N"
Zahlreiche Reste der Vorzeit finden sich in dem Engthale der
Golema, Trnska oder Sukovska Reka zwischen Pirot und Trn, einer
felsigen und sehr unwegsamen Gegend. Bei dem Dorfe Sükovo im
Becken von Pirot wurde noch in der türkischen Zeit ein bedeutender
MUnzfund gemacht, von dem ich in Caribrod ein Goldstück des
53
Kaisers Valentinianus zu sehen bekam. In dem in einer herrlichen
Waldschlucht zwischen gewaltigen Felswänden verborgenen Kloster
des St. Johannes Bogoslov (Theologos) bei Poganovo zeigte mir
der Mönch eine ganze Münzsammlung, ausgegraben im Kloster-
garten, hart am Flusse, darunter eine Silbermünze von Julius Caesar
(mit einem Elefanten) und Kupfermünzen von Aurelian, Constantin,
Justinian u. s. w. , sowie eine römische Silbermünze mit Quadriga
aus dem nahen, jenseits einer wilden Felsschlucht etwas weiter fluss-
abwärts gelegenen Dorfe Vlasi. Flussaufwärts oberhalb des Klosters
liegen bei den Dörfern Zvonci und Odorovci die Ruinen einer
Burg (Jäsenovo Kaie), eines Klosters, einer Brücke (Kovacev most),
Reste eines Pflasterweges über eine Wiese ; dabei befindet sich eine
ofiene warme Quelle von 24" R. ohne Gebäude, und ringsherum
wurden römische Münzen gefunden ^^). Noch weiter flussaufwärts,
eine halbe Stunde vor Trn, steht am linken Ufer hoch oben im
Walde ein ähnliches Klösterlein Sveti Rangel (d. h. Archangel).
Gegenüber am rechten Ufer liegt an der Thallehne eine Localität
Fr es toi (slav. Thron) in dem Gebiete des Dorfes Lomnica. Neben
einem alten Kreuz aus Travertin steht dort umgestürzt aufgestellt
ein viereckiger antiker Altarstein, 95 Cm. hoch und 40 Cm. breit,
mit Blattverzierungen am oberen Rande, und einer wegen der ver-
kehrten Lage und allerlei Kritzeleien nicht leicht lesbaren Inschrift :
S ANCTO
GASE BONO
SACRVM
P R O S A L V T E (?)
5 IWANTONINVS (?)
F E L I C I S S I MVS
IIB 1-)
Das Städtchen Trn, in einem engen Bergkessel gelegen , ent-
hält nichts Alterthümliehes. Eine halbe Stunde westlich öffnet sich
") Die sehr schwierige Flussstrecke Poganovo - St. Rangel habe ich leider
selbst nicht gesehen. Zvonci erinnert an Ißevear^o^ neben ZÜKoßoc; unter den
Kirchen der Diocese von Sofia im Chrysobull des Kaisers Basilios 11. vom J. 1019
( — tZoc, bei Tomaschek, Zur Kunde der Haemushalbinsel, Wien 1882 p. 28; Golu-
binski's Ausgabe hat — iros)-
") [Vgl. zu Z. 2 das Castell Kaöißövaiv bei Procop de aedif. 4, 11 p. 306,
13 ed. Bonn. — In den letzten Zeilen stand vielleicht: [7]m[p.] Ant<yni'n[i\ v{otiim)
s{olvit) Felicissimus [l]ib{ertiis). — Der Verfasser schreibt jetzt, dass er in seinem
Tagebuch Z. 5 so notirt habe: MANTONü.iV^ l, eher IWANTONINVS. E. B.]
54
das Hochthal Znepolje, dessen Name sich bis ins 14. Jahrhundert
verfolgen lässt *^). Es ist ein längliches ehemaliges Seebecken,
durchflössen von der Golema Reka (so heisst hier die Sukovska
Reka) , von West nach Ost ungefähr 15 Kilometer lang und an
5 Kilometer breit. Sein alluvialer grüner waldloser Grund ist ganz
bebaut, mit vielen Dörfern unter den Abhängen, und wird auf der
Nordseite überragt von der (nach Prof. Toula) 1747 Meter hohen
Ruj Planina, mit einer der schönsten Aussichten, die ich hier zu
Lande kenne; von dem hohen Graskegel sieht man fast die ganze
einstige Provinz Dacia mediterranea — die Ryla Planina, die
Vitosa sammt den weiss schimmernden Häusern von Sofia, den
Balkan vom Gipfel Murgas bis über Pirot hinaus, die Suha Planina
bei Ni«, den serbischen Jastrebac jenseits der Morava und im Süden
den fernen Osogov bei Küstendil. Waldige Berge (jetzt an der
serbisch - bulgarischen Grenze) umgrenzen das Bassin gegen NW.,
während im Süden zahlreiche hohe Kuppen bis zur charakteristi-
schen Pyramide der LjubÄsa im SO. aufragen. Auf dem Thalgrunde
stehen drei hohe Tumuli (zwei am Ostende, einer im Westen bei
Klisura). Bis in die Reformzeit um 1840 genossen die Einwohner,
ein rühriges schön gewachsenes Volk, die Privilegien der „Vojnik's"
(christlicher Trainsoldaten); Türken gab es nur in Trn an 18 Häuser,
die jetzt alle ausgewandert sind. In den Dörfern der Südseite
(Businci, Herul u. s. w.) blüht die Töpferei, Fabrication grüngla-
sirter Gefässe von alterthümlicher Form und Ornamentik; man
macht dort u. A. Vasen mit Thierfiguren und hohle Pferde, die
ganz an alte Aquamanilien erinnern. Früher führte durch das Thal
eine im 15. und 16. Jahrhundert oft benützte Strasse von Sofia
nach Vranja; Kuripesic, der 1530 eine kaiserliche Gesandtschaft
als Dolmetsch begleitete, kam von dem Schloss „Vraine" (Vranja)
über den Berg Cemernik, wo sich nach seiner Bemerkung die Grenze
zwischen Serbien und Bulgarien befand, „nach einem schönen wol
crpawten Feld, genannt Snepolle" und von dort (Trn erwähnt er
nicht) nach Breznik *^).
*') Znepoljo in der Biographie des Stefan Lazarevic, Despoten von Serbien
(1381)— 14'27) von dem Zeitgenossen Konstantin dem Pliilosoplien, Glasnik Bd. 42
p. 309; Snepolle im Diarium des Kuripesid 1530; „eine Gerichtsbarkeit Isnebol"
bei Had^.i Chalfa im 17. Jahrhundert. Trn selbst heisst türkisch Iznebo 1 -Kasa-
basi (Stadt von Iznebol), ausnahmsweise Taran-Palanka. Die Form Snegpolje
(angeblich von slav. sneg, Schnee) entstand nur durch Etymologien von Bouö's
Reisebegleitern; sein Mt. Snegpolie ist der Ruj.
") Ilinerarium, Wegray.?8 Kü May. potschafft gen Couslautinopel zu dem
55
Ausser den Tumuli gibt es in Znepolje noch andere Alter-
thümer: eine Burgstätte bei dem Dorfe Z elenig r ad (slav. „grüne
Burg") an dem Südhang des Ruj, daneben ein ruinirtes Kloster bei
dem Dorfe Zabel, Spuren einer alten Ansiedelung mit Ziegelfrag-
menten bei dem Dorfe Milosldvci, wo ich eine glatte Säule be-
merkte. Das alte Centrum der Landschaft lag aber gerade in der
Mitte des Bassins, bei Jarlovci: eine vorspringende flache, jetzt
kahle Terrasse, die von der Südseite hervortretend das Thal etwas
einengt, und darauf ein weiter Castellplatz^ auf welchem beim Ackern
Ziegel, Kellerräume, römische und byzantinische Münzen (kupferne
nummi scyphaii der Komnenenzeit) gefunden werden. Ich hörte
auch von ausgeackerten Pfeilspitzen und einem geraden Schwert.
Diese Burgstelle heisst Zemun, nicht zu verwechseln mit der Ruine
Z6men an der Struma bei Küstendil, und die Sage erzählt, es hätten
hier einst „Latini" gewohnt, die später die Stadt Zemun (Semlin)
gegenüber Belgrad gegründet haben sollen , oflFenbar nur eine der
vielen volksthümlichen Etymologien aus Namensähnlichkeit. Südlich
davon liegt im Gebirge auf dem Wege zur Struma das Dorf Go-
racevci, wo man jüngst ein kleines Basrelief mit der Inschrift
KYPiA HPA, nebst Kupfermünzen von Constantin, Licinius, Silber-
münzen von Valens u. A. auffand. In Trn zeigte man mir drei
alte Silberstücke von Dyrrhachion, die aus einem Funde irgendwo
in der Gegend von Breznik stammten ^^), und die bekannten Silber-
münzen von Thasos. Ob Spuren alten Strassenpflasters vorhanden
seien, habe ich im Znepolje nicht in Erfahrung gebracht.
Südöstlich von der Landschaft von Trn liegt ein zweites, von
Gebirgen umschlossenes Bassin bei Breznik, schon zum Struma-
gebiet gehörig, ein kahler waldloser Kessel zwischen niederen
Bergen. Die Landschaft heisst von altersher Grachovo („Gra-
chouo polle" des Kuripesic 1530). Ein besonderes Interesse haben
die Reste alter Bergwerke bei der Stadt Breznik selbst, die ich
weiter unten näher besprechen werde.
Türckischen Kayser Soleymau. Auno XXX. MDXXXI (von Benedict Curipeschitz
von Obernburg).
'^) Diese drei Typen sind folgende, sämmtlich mit Kuh und Kalb auf dem
Avers und dem bekannten Viereck auf dem Revers : 1) EYNOY2 oberhalb der säu-
genden Gruppe, R.: ringsherum AYP- XAI - PIA- AOY ; 2) MAXATA2 , R.:AYP-
API2T- . . .-XOY ; 3) KAEfi •, R. : AYP- ...--...- fiN02. Der Fundort selbst ist
mir leider nicht bekannt.
56
An der hohen Ljubasa, zwischen den Dörfern Krivonös und
Ljalinci, soll sich eine Castellruine belinden. Einige alte Reste
liegen in der nahen Landschaft Burel, welche zwanzig Dörfer"^)
zwischen der Brusnicka Planina (nördlich von Breznik) und den
Strassen Sofia-Pirot und Trn-Pirot, also das Quellgebiet der Lukä-
vica umfasst: ein Gebäude aus grossen Ziegeln mit zwei Säulen in
Nesla, eine Burgruine auf einem hohen Hügel bei Gurguljat
oder Bratüskovo u. s. w. ^").
An dem oberen Lauf der Struma, südlich von Breznik, sind
ältere Baureste sehr spärlich. Ein mittelalterlicher Waffenplatz
von grosser Bedeutung ist die in byzantinischen und slavischen
Quellen des IL und 12. Jahrhunderts öfters genannte Burg Pernik
bei dem gleichnamigen Dorf an der jetzigen Grenze der Kreise von
Sofia und Küstendil. Zwischen der in Felsen eingeklemmten Struma
und dem tiefen Einschnitt der Strasse liegen dort auf einem flachen
Plateau die Rudimente einer weiten, aus Flussgeröll mit rohem
Mörtel hergestellten Umfassungsmauer mit zahlreichen Ziegelfrag-
menten. Die Bauern nennen die Ruine auch „Perin grad". Etwas
weiter oberhalb befindet sich im Dorfe Cerkva eine griechische
Inschrift 1*^).
In dem Becken von Radomir, einem alten, zum Theil sumpfigen
Seeboden von ungefähr 25 Kilom. Länge und 15 Kilom. Breite
(Seehöhe an 630 M.) , hält sich noch der alte Landschaftsname
Mrakä (fem.) '"). Derselbe gilt jedoch nur für die Ufer der Struma,
während das Innere des Beckens einfach „pol6-to" (das Feld) ge-
nannt wird. An den Lauf der Struma halten sich auch die wenigen
Spuren der Vorzeit, die mir hier bekannt sind; im Inneren des
Beckens bemerkt man nur zahlreiche kleine Tumuli derselben Art,
wie in dem Bassin von Sofia und von Dupnica. Radomir selbst
ist eine dorfartige Ansiedelung von jüngerem Datum , zuerst bei
Hadzi Chalfa im 17. Jahrhundert genannt. Bei dem nahen Dorfe
Vrba ragen auf einer Wiese neben der neuen Strasse zwei räthsel-
'*) Ncdeliftto, Neslä, J/irlovci, C6rul, Cacürovci ii. s. w.
•'; Zwischen Caribrod und Vrabca soll es an einem Oito, Kavaci (türk.
„Pappeln") genannt, „lateinische beschriebene Steine" geben, wuiiiber ich leider
nichts Näheres bericliten kann.
'«) Vgl. Monatsber. der Berl. Akad. 1881 S. 467.
*") Mraka, Izvori, Zemli>n u. s. w. i;^3U bei dem serbischen Erzbischof
Daniel, cd. Danieic p. l'j;j (s. meine Gesch. der Bulgaren p. 295).
57
hafte Denkmäler empor: eine runde, an 3 Meter hohe, glatte Säule,
in der Mitte etwas eingekerbt, und ein etwas kleinerer viereckiger
Pfeiler, der wie ein altes Giebelstück aussieht. Näheres über deren
Provenienz Hess sich nicht erfragen. In den Sümpfen bei Pocrnenski
Han läuft ein Stück altes oder vielleicht der Türkenzeit angehöriges
Pflaster neben der jetzigen Strasse '^"). Nördlich davon liegen an der
Struma bei dem Dorfe Pcelinci (bulg. pcela, Biene; „Celina" der
Karten) die Ruinen eines Castells und einer Kirche; man fand dort
beim Graben auch grosse thönerne Gefässe und ein eigenthümhches
kupfernes Panzerstück für den Kopf eines Streitrosses (bei Herrn
Archimandriten Zinovij). Die Lage von Pcelinci entspricht dem
Aclea der Tabula Peutingeriana. Die Entfernung von Küstendil
(Pautalia) nach Pcelinci beträgt nämlich ungefähr 30 Kilom. = an
20 röm. Meilen, die von Pcelinci nach Sofia (Serdica) 45 Kilom.
— 30 röm. Meilen. Auf der Tabula hest man: ,,Peutalia XX Aelea
IIX (wohl ZXZ) Sertica'^.
Die neue Chaussee von Radomir nach Küstendil steigt bei
dem alten Dorfe Izvor auf die Konjovska Planina (1200—1500 M.
hoch) hinauf, um auf der anderen Seite derselben bei dem Dorfe
Konjovo in steilen Serpentinen in das Feld von Küstendil herab-
zusteigen. Die Struma dagegen erreicht die Ebene von Küstendil
auf einem weiten Umweg (gegen NW.) durch grossartige Engpässe.
Vor dem Eingange in die Engen liegt links etwas abseits das Dorf
Kaiist e, wo mir die Bauern eine dort gefundene Kupfermünze
Justinians zeigten, rechts Löbos mit den Spuren einer alten An-
siedelung, genannt „Carsko seliste" (Carendorf); zwischen beiden
soll es einst eine Brücke über die Struma gegeben haben. Der
Strymonpass von Kaliste bis Stensko ist 10 Stunden lang. Im
oberen Theil liegen drei alte Klöster, St. Johann der Täufer von
Zäbljano (1870 erneuert neben den Resten einer alten Kirche mit
glatten, aus weiter Entfernung stammenden Syenitsäulen), St. Nikola
von Pestera (wo vor Jahren angeblich eine alte Statue gefunden
wurde) und St. Johann Bogoslov von Belovo. Die Einwohner der
hiesigen Dörfer sind ein arbeitsames Volk und betreiben besonders
das Maurerhandwerk. Bei Belovo passirt die Struma ein Giganten-
thor zwischen hohen Dolomitfelsen und betritt ein schattiges Eng-
thal, in welchem sie sich zwischen waldigen Rerghalden und glatten,
") „-Des debria d'anciens pavea" sah hier bei Zedna und Negovanci schon
A. Boue 1836 (Recueil d'itineraires dans la Turquie d'Europe 1 229).
58
bis an 600 M. hohen Steilwänden mit zahlreichen Windungen durch-
schlängelt — eine einsame wildschöne Landschaft, nur von Adlern,
Falken und Geiern bewohnt. Nach einem zweistündigen mühevollen
Ritt, wobei man auf einen oft ganz verschwindenden Saumpfad
angewiesen ist und sechsmal durcli die Struma waten muss, er-
scheinen in einem öden Felsamphitheater auf einem langgestreckten
Vorsprung des rechten Ufers, an 100 M. über dem Flussniveau
erhoben und von drei Seiten von steilen Abstürzen eingeschlossen,
die steinernen Substructionen eines alten Castells, das sogenannte
Z6mensko Kaie; die ganze Enge von Belovo bis R-bzdavica wird
allgemein gleichfalls Zemen genannt. Das ist die in slavischen
Quellen des 12. — 14. Jahrhundert öfters genannte Burg ZemKn.
Weiter folgen die hohen Wasserfälle eines vom rechten Ufer in
die Felsenge hineinspringenden Gebirgsbaches bei Skakävica, so-
dann auf einem vorspringenden niederen Kegel des linken Ufers
die Reste eines kleinen viereckigen Thurmes und endlich vor dem
Dorf Razdavica das untere Felsthor mit dem Ausblick in das weite
Bassin von Küstendil. In der Ebene vor der letzten Enge ragt
dann bei dem Dorfe Nikolicevci ein glockenförmiger rebenbepflanzter
Hügel empor, gekrönt von der Ruine eines schönen dreikuppligen
Kirchleins, erbaut zum Andenken an die blutige Schlacht von
„Zemlr,n" oder „Velbuzd" zwischen den Bulgaren und Serben am
28. Juni 1330, an der Stelle, wo das Zelt des Serbenkönigs stand '^').
Die Schlacht würde dafür sprechen , dass diese Strymonpässe im
Mittelalter oder noch früher als gewöhnlicher Weg begangen wurden,
und die Lage von Zemh-n würde diese Ansicht bekräftigen. Es
scheint mir aber, dass die Hauptstrasse damals, wie noch jetzt,
doch nur weiter südlich durchs Gebirge ging, denn der Engpass
selbst wird bei höherem Wasserstand ganz unwegsam, hat keine
Spuren eines gebahnten Weges aufzuweisen und bietet bei seinen
Windungen und brückenlosen Uebergängen nur eine höchst an-
strengende Passage.
In dem Bassin von Küstendil betritt man wieder einen klas-
sischen Boden. Das Becken, welches im Gegensatz zu den früher
genannten keinen besonderen alten Namen hat, ist nicht gross. Es
ist ein Dreieck, von 0. nach W. 15— 18 Kilora. lang, von N. nach
S. an 10 Kilom. breit. Die Nordostscite bildet die Struma, über
deren Ufer unmittelbar die Höhen der Konjovska oder Crvenjanska
") Gesch. (1. Bulgaren «. '295.
59
Planina (weiter südlich Tavalicka PI. genannt) emporragen ; die
Nordwestseite begrenzen niedrigere waldige Höhen der Landschaft
Krajiste, und die Südseite bilden die Abhänge der gewaltigen, über
die Waldzone emporragenden Osogovska Planina '^'^) mit dem
Gipfel Riijen (an 2200 Meter). Den Grund des Beckens (Seehöhe
480—500 M.) bewässern zahlreiche starke Bäche, sämmtHch Zu-
flüsse des Strymon: zuerst die Drago vistica*^^), deren Ursprung
sich weit von da in dem Gebirge gegen Vranja hin birgt, dann die
SovöLstica, deren Oberlauf Grlj anska Reka heisst und die
aus der kleinen Hochebene Kämenica kommt, wo ihr Hauptzu-
fluss Bistrica am Fuss des Rüjen selbst entspringt (Fluss Kamenca
im J. 1330, Kamena Reka im J. 1566), und endlich dieBänstica
oder ZilenskaReka, welche die Gärten der Stadt Küstendil selbst
durcheilt. Das ganze Becken , mit Ausnahme gewisser aus Geröll
und Alluvium bestehender Höhenzüge zwischen den Flüssen, ist
wohlbebaut. Den grössten Raum nehmen Pflaumengärten ein; seit
dem Krimkrieg besteht hier ein lebhafter Export gedörrter Pflaumen
über Salonich. Daneben versorgt Küstendil die umliegenden Berg-
länder mit Birnen, Aepfeln, Kirschen, Weichsein, Pfirsichen, Mispeln,
Nüssen u. s. w. und besonders mit Wasser- und Zuckermelonen,
sowie mit Weintrauben. Der hiesige recht gute Rothwein wird
meist nur in der Landschaft selbst getrunken. Die Weinberge ziehen
sich längs der Berglehnen , die Obstgärten längs der Flüsse und
Bäche hin und den Rest füllen ausgedehnte Getreide-, Mais- und
Tabakfelder aus. An warmen Sommertagen machen die alten Nuss-
haine, das dunkle Grün der Obstpflanzungen und der Weingärten,
die goldigen Saaten der Ebene im Verein mit den Wiesen und
Wäldern der Berglehnen einen höchst anmuthigen Eindruck , um
so mehr als die Landschaft durch die Tageshitze und das Zirpen
der Cicaden ein gewisses südliches Gepräge gewinnt. Aber der
Winter, obwohl milder als im weinlosen Sofia oder Radomir, ist
immer noch rauh, durch den Einfluss der nahen gewaltigen Gebirgs-
ketten. Das Becken von Küstendil ist nur eine Avärmere Oase
zwischen hohen armseligen Berglandschaften •, die umliegenden Gaue
") Der Name kommt schon im Mittelalter vor. Dowanica PI. der Karten
ist hier zu Lande nicht zu erfragen; ein Dorf Doganica liegt westlich in der Kä-
menica.
") Der Name Dohreluka („gute Wiese") der Karten ist hier nicht gebräuch-
lich. „Dobra Luka" heisst nur ein Bächlein bei Kolonica an der serbisch-bulgari-
schen Grenze, nördlich von Küstendil.
60
Krajiste im Norden, Kamenica im Westen, Pijanec im Süd-
osten haben wieder ein kälteres Gebirgsklima.
Am Südrand des Beckens liegt (an 560 jNI. hoch) die Stadt
Küstendil, von den Bauern der Umgebung meist nur Banja
(der bulg. Name für Bad, Therme überhaupt, von lat. halned) oder
höchstens Küstendilska Banja (Einwohner BAncenin) genannt;
sie zählte im Jahre 1881 1827 Häuser mit 9589 Einwohnern (davon
1572 Türken und 959 spanische Juden). Ihre rothen Dächer mit
vielen weissen Minarets, zwei grauen alten Thürmen und dem dichten
Laub der Stadtgärten liegen gerade vor den Abhängen des mit
Wiesen, Weingärten und Wäldern bedeckten Osogov. Ein leichter
bläulicher Dampf, der vor Sonne und vor Regen nicht zurückweicht,
kleidet das schöne Bild bei jeder Beleuchtung in eine eigenthüm-
liche Farbe. Die Stadt ist überragt von einem oben abgeplatteten,
sehr steil abfallenden, an 100 Meter hohen Gebirgsvorsprung. Das
ist der Hissarlyk mit den Resten einer Akropole von ungefähr
200 Schritt im Durchmesser; man erkennt noch die Fundamente
einer Umfassungsmauer von Stein und Ziegeln , die Stelle eines
Kirchleins in der Mitte und die Substructionen eines Thores an
dem Schlossgraben auf der Südseite, gegen das Gebirge zu. Der
ganze , jetzt von Nussbäumen , Pflaumen , Weichsein und Mispeln
beschattete Raum birgt ausserdem zwischen dem hohen Grase eine
Unzahl Stein- und Ziegelsplitter. Die Aussicht ist grossartig: unten
die Stadt in der Vogelperspective, weiter das ganze Becken mit
seinen Dörfern, Gärten und Fluren, mit den glänzenden Windungen
der Struma i)Tti Hintergrund, im Süden der hohe Osogov mit seinen
Wäldern , gegen Südost die gewaltigen Massen des Rylagebirges
und zuletzt in der Ferne die majestätische spitze Schneekuppe der
Perin Planina, des alten Orbelus.
Das Innere der Stadt mit seinen unebenen und engen Gassen
zwischen traurigen Hofmauern und unansehnlichen Lehm- und Holz-
häusern enttäuscht wie jede orientalische Stadt. Die Hauptmerk-
wfirdigkeit sind die warmen Quellen, welche nur an 20—30 Meter
von dem Fusse des steilen Schlossberges aus acht Schlünden ent-
springen, die meist mit grossen, stets heissen Steinblöcken zugedeckt
sind. Nach Abwälzung der Blöcke, wobei dichte Dampfwolken mit
starkem Schwefelgeruch aufstiegen, massen wir die höchste Tempe-
ratur auf 74 — 75'> C. Zur Mischung mit kaltem Wasser dient eine
Quellenleitung in thönernen Röhren, deren Anfang 3 Stunden süd-
61
lieh im Gebirge bei dem Dorfe Atkoria (türk. „Rosswald") liegt
und die durch das Weichbild der alten Akropole selbst in die Stadt
herabsteigt. Ihre Errichtung wird einem Suleiman Pascha vor
400 Jahren und einem Mehmed Aga zugeschrieben, aber dies kann
auch nur eine türkische Renovirung eines älteren Werkes gewesen
sein. Durch dieses kalte Quellenwasser gemildert, speist die Therme
acht Badehäuser und einige Waschplätze. Ein schwefelhaltiger
unangenehmer Geruch herrscht überall in der Umgebung der Bäder
und der Leitungen. Auf den Gassen sieht man selbst im Sommer
in kühlen ^Morgenstunden nicht selten die warmen Dämpfe zwischen
dem groben Strassenpflaster wie aus einem vulkanischen Boden
stossweise emporsteigen. Aus der Stadt fliesst das Thermenwasser
gegen Nordost in die Banstica ab und dient dort auf den Wiesen
noch zur Hanfreinigung. Erwähnenswerth ist die abergläubische
Furcht der Einwohner, die Quellen könnten einmal stärker hervor-
brechen und sich mit einer siedend warmen Ueberschwemmung über
die Stadt ergiessen. Erdbeben sind hier, wie in Sofia, allerdings
nicht selten.
Küstendil liegt an der Stelle der römischen Stadt Pautalia,
Ulpia Pautalia oder Pautalia Aurelii. Die alten Zeugnisse über
deren Lage und Geschichte sind neuerdings von W. Tomaschek in
einer erschöpfenden Zusammenstellung trefflich erläutert worden"^).
Darunter verdienen eine besondere Beachtung die mannigfaltigen
Producte der Münzstätte OuXTTiaq TTauTaXia(; oder TTautaXiujTLUv aus
den Zeiten von Hadrian bis Gordian, besonders diejenigen mit den
Emblemen und Aufschriften der hiesigen Erzeugnisse : ßÖTpu(;, ctp-
Tupoq, xpucröq, aidxiKS, sowie eine Münze des Kaisers Caracalla mit
fünf Tempeln, einem des hier viel verehrten Gottes Asklepios auf
dem Gipfel eines bewaldeten Berges, einem zweiten am Fusse des-
selben und drei anderen in der Runde, ebenfalls den drei Heilgott-
heiten Asklepios, Hygieia und Telesphoros geweiht. Der obere
Tempel stand wohl auf der Akropole von Pautaha, die übrigen
unten am Fusse, wo die Heilquellen entspringen. In den Denk-
mälern des 11. — 14. Jahrhunderts erscheint die Stadt unter dem
slavischen Namen Velbuzd, im 15. und 16. Jahrhundert als Vel-
buSka Banja (oder Belbuska B., mit dem serbischen Laut-
^^) W. Tomaschek, Zur Kunde der Haemushalbinsel, Wien 1882 (Sitz.-Ber.
der kais. Akad. d. Wiss. XCIX S. 437), Cap. II, Notizen über Pautalia oder das
heutige Küstendil in Bulgarien, S. 13 — 32.
62
Wechsel des o für l Beobuska, Biobuäka B.) oder Konstan-
tinova Banja. Der letztere Name stammt von dem serbischen
Theilfürsten Konstantin (1379 — 1394), der hier im Volksmunde
noch nicht vergessen ist. Allerdings verschmolz er mit dem Kaiser
Konstantin, dem Gründer Constantinopels; auf dem Hissarlyk von
Küstendil soll der Palast des „Car Kostandin", gegenüber auf dem
Hügel von Nikolicevci der des „Car Michail" gestanden haben und
die Ebene dazwischen soll ein See gewesen sein — eine geologische
Sage, die man auch in anderen hiesigen Bergkesseln wiederfindet.
Von Fürst Konstantin stammt auch der türkische Name Küstendil,
der jetzt allgemein gebräuchlich ist, wiewohl die Bauern der Um-
gebung die Stadt meist nur einfach Banja, d. h. das Bad, nennen.
Aus der älteren Türkenzeit haben wir drei Beschreibungen
der Stadt; bei dem rheinischen Ritter Arnold von Harff 1499, welcher
„Wruska Balna" {sie) „eyn gar grosse schöne stat" nennt und
ausserdem bemerkt, dass hier, ebenso wie zu Adrianopel und Phi-
lippopel, ein Theil der Frauen des Sultans wohne '^^), dann in der
Relation eines venetianischen Reisenden um 1559 ''^) und bei dem
türkischen Geographen Hadzi Chalfa. Im 16. Jahrhundert, ja
nocli vor zwei Generationen war Küstendil ganz türkisch, mit
Ausnahme einer kleinen Colonie spanischer Juden (aus Salonich),
die schon der genannte Venetianer hier antraf. Obwohl hier stets
ein Metropolit residirte, wohnten nur wenige Ciiristen in der Stadt;
die meisten hiesigen Christenfamilien sind erst im Laufe der letzten
60 — 70 Jahre aus den Dörfern der Umgebung eingewandert. Daher
der Mangel an localen Sagen und Traditionen.
Alte Gebäude aus dem Alterthum oder Mittelalter gibt es hier
nicht. Keine von den neun mit bleigedeckten Kuppeln versehenen
Moscheen war früher eine Kirche; ein einzelner viereckiger steinerner
Thurm bei dem Saraj eines Bey's, sowie der Uhrthurm (mit einer
ehemaligen Kirchenglocke mit slavischer Inschrift vom Jahre 1429)
gehörten keineswegs zu der einstigen Stadtbefestigung, die jetzt
spurlos verschwunden ist.
Nichtsdestoweniger fehlt es nicht an Resten der Vorzeit. Die
ausgedehnten türkischen Friedhöfe an der West- und Südseite sind
'■■*) Die Pilgerfahrt des Kitters Arnold von IfartT 1496—1499, herausg. von
Grooto, Cöln 18ö0 p* 207. 211.
'") Herausgegeben von Matkovic in den „Starine" (Denkmiilern) der süd-
slavischen Akademie X p, 254 (1878).
63
dicht besäet mit alten bearbeiteten grauen und weissen Steinen.
Man sieht hier eine Unzahl glatter Säulen von der verschiedensten
Dicke, einzelne so stark, dass man sie mit den Armen kaum um-
fassen kann (jedoch nirgends ein canellirtes Stück) , sowie eine
Menge behauener massiver Quadern und eine Masse einfacher
antiker Grabsteine ohne Inschriften. In dem Winkel des Gabel-
punktes der Sofianer und Constantinopler Chaussee ragen zwei hohe
Tumuli empor, das älteste Denkmal der Stadt, jetzt bedeckt von
türkischen Grabsteinen, nämlich antiken polirten Säulen und be-
hauenen Quadern. Im Innern der Stadt treten Ueberreste des Alter-
thums überall zu Tage. Grosse Sarkophage dienen jetzt als Brunnen-
steine oder Waschbecken; kleine, in der Regel einen Meter hohe
inschriftlose Grabsteine stehen und liegen an allen Ecken, und ge-
waltige Quadern, wuchtige Carniesse, glatte Säulen und ornamentirte
Steine aller Grössen bilden die Grundfesten oder Ecksteine der
modernen Lehm- und Holzhäuschen. Selbst das Stadtpflaster ist
voll alter bearbeiteter Stücke. Auf dem Hofe der Hauptkirche,
die kein archäologisches Interesse bietet, deren Fussboden aber
10 Stufen unter dem Niveau der Umgebung liegt, bemerkt man ein
colossales, unlängst ausgegrabenes Thongefäss, l'/„ Meter tief und
an der Mündung 58 Cm. breit. Vor dem halb ruinirten türkischen
„Deve-Han" (Kameel-Herberge), angeblich von einem Murad Celebi
im 15. Jahrhundert erbaut, stützen zwei mächtige glatte Säulen das
Vordach des Peristyls. Die Badehäuser selbst, insgesaramt mit
türkischen Namen (Alajbanja, Cukurbanja, Dervis-Haraara u. s. w.),
enthalten zwar viel altes Baumaterial, scheinen jedoch alle erst in
neuerer Zeit hergestellt zu sein. Der merkwürdigste Fund wurde
aber im Sommer 1880 gemacht. Auf dem freien Platze zwischen
der Staatsrealschule und der Präfectur stiess man, ungefähr 2 — 3 M.
tief, auf die Substructionen eines grossen antiken Gebäudes. Es
war eine von West nach Ost streichende breite Mauer aus colos-
salen Quadern mit anstossenden Ziegelraauern an der Südseite,
einigen Eingängen und Gewölben und den Resten vieler thönerner
Röhren. Dabei fand man einige Kupfermünzen, darunter eine des
Kaisers 'AvTuuvivoq, der NikottoXitöuv Trpöq "IcnpLU, und eine des
Dominus Justinianus. Ohne Zweifel war es die Nordfronte einer
Therme, vielleicht verbunden mit einem der auf den Münzen der
Pautalioten dargestellten Tempel des Heiliarottes Asklepios. Die
Municipalität, welche an diesem durch Wegränmung einiger tür-
kischer Häuser entstandenen Platze einen öflfentlichen Garten an-
64
legen wollte, Hess die Mauer aus Wissbegierde in der Länge von
ungefähr 20 Schritt biossiegen und dann wieder zuschütten. Der
Fund zeigte, was für Ueberraschungen unter dem Niveau der
jetzigen Stadt noch verborgen liegen.
Es gibt hier auch einige Inschriften, leider sämratHch in ver-
wittertem Granit, so dass die Ausbeute gering ausfiel. Die frisch
ausgegrabenen Stücke sind besser erhalten.
1. Auf der Aussenmauer des im Jahre der Hedschra 973 (1566)
erbauten Bades Derwisch-Hamam eine Tafel, M. 1 -35 breit, 049 hoch,
mit einem einfachen, 0'17 breiten Rand:
HANTACOCOlCTeiXOYCIN
AHACTeOCHAenPOCACTY
A6YCCIJUH6 1 COPOU)
TTdvTac;, öcroi aTeixoucriv d-rr' daieo^ Y\be ixpöc, ddiu,
Xeucrauu f\ eiaopöuu.
2. Am sogenannten Taschköpri (türk. Steinbrücke) im Strassen-
pflaster ein Fragment mit grossen Lettern: ntoc.
3. In der Asparuchgasse im nordöstl. Theile der Stadt im
Strassenpflaster eine inscriptio hilinguis '"')-,
I 6 I N O YA I
eCGAAnAPAi _^
[F6I0eNA6YN^eY
\lHPUJeNIAinAPWI
lOr e N 6 IAC€NA
^AEHI CCVNCTA6
DENTIAG SOLV
EXANDER A/
4. Im Jahre 1884 grub man in den türkischen Friedhöfen am
Gabelpunkt der Strassen nach Sofia und Dupnica einen Inschrift-
stein aus, 2 M. lang, 1 M. breit (Oopie des Herrn Realschuldirectors
Ivancov) :
") [Es schoinon (l.iktylisclie Verse zu sein, und einiges erkennt man, wie
'^- 2: ^öOXfx TTopä, Z. 4: ^vl Amapö) , Z. G: hie cuncta, Z. 8; [AI]exnnder, aber
die Bedeutung des Ganzen bleibt uns unklar. A. d. R.]
65
€PJvio reNOYC
KAIHPAIAOC
KAI TAIO Y
X P "= T ■ A H ' ^**)
5. In einem bulgarischen Hause 1884 gefunden, Stück eines
zerbrochenen Steines (Copie des H. Ivancov):
T O Y Z <t> I A E T A I P O Y 2
K A I 4>I AA AE A*0 YZ
AnOAAOAUUPONTAl
OYKAINATIMHIMI )
C). Vor dem Thore der grossen Moschee in der Marktstrasse
im Pflaster der Vorhalle eine Inschrift, an 3 Schritt lang, sehr ver-
wittert und trotz allem, die gläubigen Muselmänner sehr aufregen-
den Waschen und Kehren doch undeutlich:
ARKhüHKAACENlM (?)... NE. .N....
YNTOYnEAOS ...A . .O. ..
TINW , . N . . . E . . . HATPIAOS . . . C . . .
riNTiniA ... AX
7. Im Hause des Türken Junuz ein Stein, 3 Schritt lang, 1
Schritt breit, mit grossen Buchstaben in vier Zeilen; da derselbe
als Pflasterstein vor einem Schöpfbrunnen dient, ist die Inschrift
durch das Ausgiessen des Wassers fast ganz verwaschen. Nur der
Anfang ist noch zu lesen: AHiOAoruuKAi, sowie das erste Wort der
vierten Zeile: eimuuN. .ai. . .
8 In dem Keller eines Hauses am Ausgange des Weges nach
Izvor zeigte man mir 1880 bei der Beleuchtung eines Oellämpchens
eine das Gewölbe stützende Säule von geringem Umfang, aus den
türkischen Friedhöfen hergeholt:
MO YAn/
A £E M n/
A A E LU (?)
O =*")
^*) 'EpiuoY^voix; K«i 'Hpaiöoi; kui faiou xpi[ö]T[i]a[vu)v].
") Was auf toik; cpiXeraipouc; Kai qpiXabeXqpout; 'AiroXXöbiupov folgte,
scheint nicht sicher, zunächst vielleiclit [fjaiou Kai....
'") Z. 1 ist wohl der Name M. OvjXtt[io<;1 , Z. 2 etwa : Z6|LiTr[piuvfal zu ver-
stehen.
ArchäologlBch-epigraphische Mitth. X. g
In der UmgebuDg der Stadt fehlt es gleichfalls nicht an In-
schriftsteinen. Südlich sollen im Gebirge bei dem Dorfe Atkoria,
wo die kalte Wasserleituog beginnt, einige grosse Inschriften vor-
handen sein, welche die abergläubischen Bauern jedoch allen Er-
kundigungen zum Trotz sehr geheim halten. In dem Dorfe Kolusa,
eine Viertelstunde gegen SW. von der Stadt, gibt es eine mittel-
alterliche St. Georgskirche, bei welcher auf dem Hofe eine arg ver-
wischte, 7 Zeilen lange griechische Inschrift liegt, die ich leider
nur einmal vor Jahren bei strömendem Regen gesehen habe. Im
Dorfe Lozno, eine Stunde gegen NW. von Küstendil, befindet sich
eine grosse Inschrift; eine Copie erhielt ich von dem Herrn Archi-
mandriten Ilia Nikolov, konnte aber dieselbe leider nicht selbst
coUationiren. Ich wage es dennoch, dieselbe abzudrucken:
NHO)-HacNeYoeNTAceAeMAroTO...
. . .A©ANATOBC^SAKAPeCON6XUJNe60. . .H0eA0. . .
. . .^OYTOAeTN^AlBAT010^POACTeOCHNXCeM6P^ON. . .
. . .KYAICUJNTGIT-. • .AI. . .AOPIC06N O) N PBAC lAHUJ N. . .
u...N'AKeNA6T. .OCATKTON6XOinerUJn6ANHCN, . O
. ..+ YXHenHNOOhP-l^"I0TOYT6AOCM*IKAAY. .HA. . '"^)
"') fNrjouc |u^v Guöevxat; ^?)€i|LiaTO
äGavÜTOK; juaKÖpeaaiv ^xnjv GeoTreiGea 9i))u6v
TOÜTO b' eir' ri\ißäTOio rrpö äajeoc, i'ivuöev tpTOv,
KubiöTuuv xeixicriLia 6opiö9eveujv ßa(ji\r|iuv,
5 öcppa Kev ä(jTuq)e\iKTOv ?xo* irepiaiiTda vrjöv
Hjux»i, CTTi'iv )Ho{pr) ßiÖTOU TiXoc, äjJ.cpiKa\v\\iri.
So dürfte das interessante Epigramm gelautet li.ahen , von vvelcliem man
wohl eine genauere Abschrift, wenn nicht einen Abklatsch zu besitzen wünschte.
An der Herstellung haben Benndorf und Dr Szanto sich betheiligt. Ein vielver-
mögender Mann — denn nur auf einen solchen kann V, 1 gehen — hat (so ver-
stehe ich V. 3 — 5) ein altes Gemäuer auf steiler Felshöhe, dessen Erbauung ruhm-
reichen Herrschern der Vorzeit zugeschrieben ward , zur Grabkammer umgestaltet
Die Bezeichnung einer solchen als VTqöc, der Seele , die hier durch den Gegensatz
zu den in Z. 1 erwähnten vrioi besonders nahegelegt ist, findet an Einigem, was
Kaibtl's Index s. v. bietet, eine Stütze. Das Wort TTepiiuirric; war bisher nicht nachzu-
weisen, da Orphica, Argon. 4K dieses von den Ilandscliriften dargebotene Epitheton
des Eros mit Recht von liulinken, G, Hermann und neuestens von Abel als verderbt
bezeichnet worden ist. Ob ich V. G mit MoCpr] 'nach Schick.salsschluss' das Rich-
tige getroffen, steht dahin; ein Objects-Accusativ zu ä|aq)iKaXüipri ist jedenfalls
entbehrlich, da sich derselbe aus dem Zusammenhang niclit minder leicht ergänzen
lässt als etwa TT ^^50: GavdTou b^ niXav v^qpoc; (i)nq)6K(iXuitJev. Th. Goraperz.]
67
In Skriiijano in der Ebene nordwärts von der Stadt wurde
ein kleines Marraortäfelchen gefunden, 16 Cm. hoch, 14 Cm. breit,
2 Cm. dick , darauf drei einander mit den Händen haltende weib-
liche Figuren im Chiton mit durch Wellenlinien bezeichneten Haaren,
dabei die Inschriften, oben: kypiaie nym*aic, unten in zwei Zeilen:
. . . .orewc. . . .
AOY6Y. . . .
Jetzt befindet sich das Relief bei H. Nojkov in Küstendil.
Vor dem Dorfe Nikolicevci, bei dem erwähnten Hügel mit
der Kirche vom Jahre 1330, ^^/^ Kilometer (51 Minuten zu Fuss)
vom Rande der Stadt, liegt am rechten Ufer der Sovolstica ein
kleiner türkischer Friedhof, unter dessen Steinen man eine antike,
leider durch rothe Oxydirung verfärbte und besonders durch einen
Riss undeutlich gewordene Inschrift findet:
AT A0H I TYXHI |
.... OK ATO
XOKeN
^ H KA
lO Y A A I
^Ke ACOY0
LATX I I
THI A N N A N
A I A NT
TOYAMUUNiAn
I A I O N
. NYCKAIANTI
TH/////
. . .MH. . .XAP
//////
Im Dorfe Konjovo gegen NO., bei der Strumabrücke auf
der Strasse nach Radomir, wurden ebenfalls alte Steine, Sarko-
phage u. s. w. ausgegraben. Darüber fand man (1880) im Gebirge
einen Topf rohen Waschgoldes, ein Fund, der ein grosses Aufsehen
erregte und von der Regierung mit Beschlag belegt wurde. In
Zloköätica, eine halbe Stunde gegen O. von Küstendil, soll es
in den Mühlen alte beschriebene Steine geben , ich konnte jedoch
im Dorfe selbst nichts erfragen imd sah nur eine kleine mittel-
alterliche Kirchenruine. Bei Granica liegt ein Tumulus südlich
von der Strasse. Bei dem Dorfe Bagrenci soll man unlängst
grosse Fundamente von der Art gefunden haben, wie die 1880 in
Küstendil selbst ausgegrabenen ; in der Umgebung derselben Ort-
schaft liegen auch einige gewaltige behauene Steine in den Feldern.
Von den zahlreichen Münzen, die ich in der hiesigen Gegend zu
5*
68
sehen bekam, war das älteste Stück eine athenische Silbermünze
(Pallaskopf, R. : Eule a, kaamkpage ehpfn snsAAPOz^^).
Ein merkwürdiges Bauwerk ist der Kadinmo st , die „Kadi-
brücke" über die Struma auf dem Wege nach Dupnica, 2 Stunden
östlich von Küstendil. In den Sagen der Umgebung spielt dieselbe
eine grosse Rolle. Man erzählt, dass der Bau erst dann gelungen
sei, als man die Frau des jüngsten Meisters einmauerte, eine Ge-
schichte, die sich in der serbischen Sage von der Erbauung der
Burg von Scutari, in der griechischen von der Brücke von Arta
und in der rumänischen vom Kloster Ardzis wiederfindet, sowie in
den Erzählungen über das Castell am Plissarbad nördlich von
Philippopolis. Die Brücke ist 144 Schritt lang, 7 Schritt breit, hat
fünf Rundbogen, wovon der mittlere der höchste, die weiteren ab-
steigend niedriger sind, so dass die Mitte an zwei Mannshöhen
über die Endpunkte emporragt. Der ganze Bau ist sehr solid aus
grossen regelmässigen Granitquadern hergestellt. Die Pfeiler laufen
seitwärts in spitze Sporen aus und sind in der Mitte je durch ein
kleines Bogenfenster durchbrochen. Auf dem Westende liegt im
Brückenpflaster eine unleserliche antike Inschrift. Eine andere
dient jetzt als oberster Deckstein auf dem nördlichen Sporn des
letzten Pfeilers gegen Osten. Der Stein ist leider zubehauen und
von Schnee und Regen ganz schwarz. Die Inschrift zählte wohl
an vier Zeilen, wovon nur die Worte klar sind:
L f ioite/oe
AnAYTAAIANEAA>/
Hier tritt der Name üaytaaia klar hervor. Die Brücke selbst
gehört nicht zu den antiken Denkmälern. Eine arabische Inschrift
am westlichen Eingang gibt darüber einen sicheren Aufschluss.
Eine Abschrift davon, die ich von einem Türken herstellen Hess,
wurde von Herrn Prof. Karabaöek in Wien in folgender Weise
entziffert: „Es befahl den Bau dieser Brücke unser Herr der Serdär,
der erhabene Wezir, der Herr der Gross-Emire und Stifter frommer
und guter Werke.... Ishäk Pascha, den Gott der Allerhöchste
leben lasse, im Jahre 874" (11. Juli 1469 — 29. Juni 1470). Die
Brücke ist demnach ein Denkmal eines auch sonst gut bekannten
Grossveziers aus der Zeit Sultan Mohammed's IL Dieselbe ist auch
den Reisenden des 16. Jahrhunderts wohl bekannt. Felix Petantius^*^)
") Vj^l. die Münzen bei Bonle vwnnaies d' Athhiea S. 282 mit den Namen:
KAAAIKPATHZ, EniPENHi;, 2n:>;ANAPOi;.
^') De itinei'ibus aijgrediendi Tiircavi, bii Scliwandtner, Script. rer.Hung.l 869.
69
erwähnt um 1 502 „ Balnea Beohmci ponternque Strymonis, diri-
mentem Macedones a Trihallis sine Bulgaris"'. Kuripe.<ic kam hier
im Jänner 1531 „zu einer schönen stainen prugken". Die
venetianische Relation um 1559 ^'*) erwähnt zwischen j^BuscohagnOy
altramente detto Constantinhagno'^ und y^Dopnizza'' die Struma und
darüber y^unponte yrande, hello, fatto da un Mustapha öassa'^.
Damit ist irrthümlich der 1512 hingerichtete Grossvezier Mustafa
gemeint, der eine andere grosse Brücke, über die Marica zwischen
Adrianopel und Harmanli, erbaut hat.
An 200 Meter vom Ostende der Brücke steht die Ruine einer
12 Schritt langen kleinen Kirche ohne Dach, als deren Altarstein
eine antike Grabstele ohne Inschrift diente. Im Jahre 1883 hörte
ich von einem geheimnissvollen Funde in der Nähe der Brücke:
„ein eherner Wagen" nebst vielen Pferdeschädeln, jedenfalls ein
interessantes Object aus der „prähistorischen" Zeit, das leider nicht
mehr zu retten war.
Bevor wir von der Ktistendiler Landschaft Abschied nehmen,
muss ich noch auf zwei mittelalterliche Ueberreste aufmerksam
machen. Das eine sind Spuren einer byzantinischen Nomenclatur,
Dörfer mit griechischen Namen, obwohl die Bewohner von Alters
her slavisch sprechen. Da gibt es im Becken von Küstendil ein
Dorf P e r i V 0 1 (TrepißoXoc^, Garten), ein anderes S t e n s k o (crieva,
Engpässe), ein drittes Jamboreni (von e)UTTopo(;, Kaufmann?). Im
Becken von Radomir liegt ein Dorf Kondofre, das an den byzan-
tinischen Personennamen Kovboqppe (aus Gotofredus) erinnert ^^). Der
Berg Paramun Planina zwischen Trn und Breznik und das Dorf
Porominovo an der türkischen Grenze bei der Ryla stammen
von dem byzantinischen Tiapaiuovri, Wache. Ein Goldsand führender
Bach an der Südseite der Vitoäa heisst P a 1 a g a r i a und wird
schon im 15. Jahrhundert als Palikaria genannt ^^). Solche
vereinzelte Spuren reichen bis in das Donaugebiet (z. B. Dorf
K a 1 a k a s t ra zwischen Pleven und Trnovo) und bilden mit den
obenerwähnten romanischen Namen einen interessanten Beitrag zur
alten Ethnographie des Landes. Der andere Ueberrest sind die
eigenthümlichen Agrarverhältnisse des Küstendiler Gebiets, die der
'') Starine X 254.
'') Kovöoqppe Ephraem v. 8427. TTpuJTOKUvri-föc; KovToqppe, Kantakuzen ed.
Bonn. 1, 341. — TovToqpp^ heisst bei Anna Comnena Gottfried von Bouillon.
'*) Palikaria (zum J, 1413), serbische Anualen bei Öafafik, Pamätky p. 63.
70
bulgarischen Regierung manche Sorge bereitet haben. Das meiste
ist allerdings auf die türkische Lehensverfassung zurückzuführen,
die zwar von Sultan Mahraud II. vor einem halben Jahrhundert
aufgehoben wurde, aber in den abgelegenen Gebirgslandschaften
von Küstendil, Vranja, Nis u. s. w. sich behauptete in der Form
von Naturallieferuügen (Kesim), welche die Bauern an gewisse Bey's
za leisten verpflichtet waren ^^). Die Halbwirthschaft (bulg. ispolica),
wo der Ertrag zwischen dem Grundbesitzer und dem Bauern ge-
theilt wird, ist jedenfalls alt. Dafür spricht auch der Terminus
paraspür, paraspurdzi (ein von dem Grundbesitzer dem
Arbeiter oder Pächter als Theil des Lohnes zur Benützung ange-
wiesenes Feldstück und dessen Bebauer) , welcher einem byzant.
TrapaaTTopd, TTapaaTTopiTii(; entspricht'^*).
Das Osogovgebiet südlich und südöstlich von Küstendil, die
waldige Hügellandschaft Pijanec (deren Centrum Carevo Selo
jedoch jenseits der bulgarischen Grenze liegt), ist reich an Ruinen
gemauerter Kirchlein und anderen Zeugnissen einer culturell ent-
wickelten Vorzeit. Mitunter kommen rohe antike Basreliefs zum
Vorschein. Im Dorfe Vaksovo (nahe an der Grenze) fand man
unlängst das allerdings sehr verwitterte Bildniss einer antiken un-
bekleideten Göttin; die Bauern sahen in den undeutlichen Zügen
eine Heilige und stellten den Stein ehrfurchtsvoll bei der Ortskirche
auf. Zahlreiche Spuren mittelalterlicher Bauten liegen in dem unteren
Engpass der Struma, von der steinernen Brücke bis Bobosevo (an
7 St. lang). Derselbe ist zwar nicht so unwegsam, wie die oberen
Engen zwischen den Becken von Radomir und Küstendil , dabei
aber dennoch öde und wenig besucht. Ein eigenthümlicher Ort
ist das in einem tiefen Kessel gelegene Dorf Pas tue h, wo gegen-
über auf einem hohen Felsen des linken Strumaufers eine alte Burg-
ruine steht, und wo noch drei verfallene Kirchlein nebst den Spuren
eines Klosters von der einstigen Bedeutung dieser Stelle sprechen.
Die Burg ist vielleicht das im 12. — 14. Jahrhundert in dieser Gegend
genannte Schloss Zi tomit^sk, und hier wird wohl die Landschaft
■'"') Im J. 1880 war ich mit Herrn Sarat'ov Eegierungscommissär zur Unter-
suchung dieser Agrarverhältnisse und verdanke diesem Umstände die erste näliere
Bekanntschaft mit dieser Gegend. Unser Kapport ist damals in bulg. Sprache
(8", 39 ü.) gedruckt worden.
^') Acta graeca ed. Miklosich IV, 18_': tö oiKOiao&OTtapäaTropov {sie). Vgl.
den erhaltenen Titel einer Novelle des Ks. Tiberius II. (578 - 582): ,TT€pl Trapa-
öiropiTiiv (Ersch-Grubers Enc. ßd. 86 S. 213).
71
KctTuu ZouvbeaaKO(;, „der untere Engpass" (altsl. sateska, Pass), zu
suchen sein, einer der Orte des Bisthums von Velbuzd in der Ur-
kunde des Ks. Basilios IL vom J. 1019^^). Weiter flussabwärts
liegt das von schöner Natur umgebene Dorf Skrino , der Geburts-
ort des heil. Johannes von Ryla (lebte im 10. Jahrb.), mit verschie-
denen alten Mauerresten. Die malerische Ruine einer kleinen Kirche
überrascht vor dem Eingang in den ansehnlichen Marktflecken
Bobösevo, in dessen Umgebungen sich noch mehrere andere alte
Kirchen und Klöster vorfinden. In Bobosevo selbst fand man eine
in Philippopolis geprägte Kupfermünze des Ks. M. Aurelius Anto-
ninus mit einem Tempel und der Inschrift: kenapeiceia hygeia auf
der Rückseite ^^).
Die Strasse von Küstendil nach Dupnica führt keineswegs
durch diese Pässe, sondern in gerader Linie durch eine wenig an-
sprechende baumlose Hügellandschaft. Bei dem Dorfe Golem o
Selo (etwas gegen Norden von der Strasse) sieht man zwei Tumuli
und die Reste einer Goldwäscherei an dem Bache Razmetänica.
An einer nahen, Caricin genannten Flur lagen noch unlängst einige
alte behauene und beschriebene Steine. Im Jahre 1883 hörte ich
davon in Dupnica und ritt in der drückenden Mittagshitze gleich
hin, aber es war zu spät: die Bauern bauten gerade eine Kirche
und hatten die „beschriebenen Steine" schon zu glatten Pfeilern
zubehauen.
Der Fluss, welcher das längliche, mit zahlreichen hohen Tumuli
gezierte Becken von Dupnica durchfliesst, heisst Dzermen und
wird im 14. und 15. Jahrhundert als Gjerman, Germanstica
erwähnt"*"). Dies führt uns zu der antiken Stadt Pepiiidveia oder
fepiLiavri, einem der Hauptorte des binnenländischen Daciens und
'") „Grad Zitomittsk" in der Biographie des Serbenfürsten Nemanja von
dessen Sohn Kg. Stephan dem Erstgekrönten cap. VII in folgender Reihenfolge:
Stob, Zemltn, Velbuzd, Zitomittsk, Skopje u. s. w. In einer Urkunde des bulg.
Caren Joannes Alexander von 1347 (Safafik, Pamatky, 2. Aufl., p. 98) wird ein
Weinberg in Zitomittsk neben einem anderen in Skrino, dessen Lage bekannt ist,
angegeben.
''») Es ist die Münze des Elagabal, Mionnet I, 418, 355; Suppl. II, 478, 1630.
") Im Chrysobull des Klosters Ryla von Car Sisman 1378 heisst es bei der
Grenzbeschreibung: „von der rechten Seite der Burg Stob zur Ryla, und die Ryla
abwärts zur Struma, und die Struma aufwärts zur Germanstica, und die Germanstica
aufwärts" u. s. w. Safaiik, op. cit., 2. Aufl. S. 106.
72
überdies dem Geburtsorte Belisars **'). fepiudveia erscheint noch
unter den Kirchen des Bisthums von Velbuzd 1019, ja sogar noch
später als eine schöne Stadt Germanija zwischen Weingärten und
fruchtbaren Aeckern in der Geographie des Arabers Edrisi (um
1150). Ich dachte früher'*'^) an das Dorf Dzermen, ungefähr 5 Kilo-
meter südlich von Dupnica. Aber Dzermen ist ein kleiner arm-
seliger Ort, welcher gar keine Alterthümer aufzuweisen hat. Auch
das nahe Dupnica selbst (7500 Einw.) ist ein neuer Marktflecken,
erst seit dem 15. Jahrhundert emporgekommen an dem Kreuzungs-
punkte der Strassen von Constantinopel nach Skopje und von Sofia
nach Seres oder Salonich. Der älteste Punkt des ganzen Beckens
von Dupnica ist dagegen das Dorf B an ja, wegen des benachbarten
Sapärevo (oder Capärevo) oft Saparevska Banja genannt"). Es
liegt IV2 Stunden östlich von Dupnica, hart am Fusse des steilen
Rylagebirges , an der Stelle, wo der Dzermenfluss aus einer tief
eingeschnittenen Felsschlucht in's Freie tritt. Herumliegende glatte
Säulen und behauene Quadern, Fundamente von alten Gebäuden
und andere Reste der Vorzeit erhalten ein noch höheres Interesse
durch Haufen von alten Eisenschlacken eines verfallenen Berg-
werkes längs des Flusses und besonders durch zwei mit Kup-
peln gedeckte steinerne Badeliäuser, davon eines bereits in Trüm-
mern, mit einer schwefelhaltigen Thermalquelle , deren Temperatur
(auf dem Hofe des noch benützten Bades) + 69" C. beträgt. In
der Mitte des Dorfes gruppiren sich zahlreiche Trümmer alter Stein-
metzarbeit um eine verfallene kleine Kirche (Svcti Nikola), einen
aus abwechselnden Bruchstein- und Ziegellagen recht gut aufge-
führten Kuppelbau, dessen Inneres jedoch nur 6 Schritt lang und
ebensoviel breit ist 5 auf den Wänden sieht man Reste von Fresken
in zwei Lagen übereinander, mit altslavischen Aufschriften. Der
Altarstein ist ein antikes Stück mit einer 13 Zeilen langen lateini-
schen Inschrift, aus welcher der Name des Kaisers Septimius Severus
und des auf den Münzen von Pautalia genannten Legaten Caecina
Largus klai- hervortritt. Leider hatte vor Kurzem ein bulgarischer
Kirchenmaler die Lesung durch schwarze Ueberzeichnung vermeint -
*') Procopius cd. Bonn. 1, 361: äK Tepuaviac;, i) OpaKüüv re Kai 'lUupiüv
nexaEü Keirai.
") Heerstrasse von Belgrad nach Constantinopel S. 28.
") Ein warmes Bad mit einer steinernen Kuppel im Dorf'e .Sijarova (lies:
Siparova), 2 Meilen von Dupnica, Hadii Chalfa S. 89.
73
lieber Buchstaben versucht und damit die ganze Oberfläche arg
verkleistert. Ich lege die folgende (>opie aus meinem Notizbuchc
nur mit einer grossen Reserve vor; ein zweites Mal habe ich den
Ort seitdem nicht besuchen können, wiewohl ich den Stein am
liebsten nach Sofia „entführt" hätte.
IMP-CAESARI
L-SEPTIMIOSEVERO
////MO PERTINACI AVG
A R A B I C O A D I A B E N ////
5 P A R T H //// //// //// O N //'/
MAXI //// //// T R I B P O T
V n I M P //// C O S 1 I P R
(?) C O H • I I • V L V Q_ (?)
VBCCAECINALARGO
10 LEGAVGCPRIID (?)
(?) C V R A N //// //// T E L V C I O (?)
P O L L I O /'" /'-'/ //// /'"/ O P R A E
TORE VOTM
44 \
Das Becken von Dupnica steht im oberen Theile dem Bassin
von Küstendil an Fruchtbarkeit sehr nach. Die Dörfer liegen nur
am Rande unter den Höhen ; die Thalsohle, meist von Maisfeldern
bedeckt, ist baumlos und monoton, überdies noch durch gewaltige
von den Bächen aus dem Rylagebirge herunterge wälzte Geröll-
massen arg verwüstet. Dagegen ist die warme Landschaft von
Dupnica abwärts mit ihren prächtigen Obstgärten, Weinbergen und
Tabakpflanzungen sehr anrauthig. Eine uralte Culturstelle liegt
dort' am Flusse Ryla. Auf einer Höhe auf der Südseite des Thaies
liegen die Ruinen der Burg Stob, welche im 11. — 14. Jahrhundert
oft erwähnt wird^^). Dieselben, eine Mauer mit einem Fenster,
'♦) Die Inschrift gehört, wenn in Z, 7 Vii richtig ist, iu das Jahr 199; zu
lesen ist ungefähr: Ivip. Caesari L. Septimio Severe [Pi]o Pertinaci Aug. Arabico
Adiahen\ic6\ Parth{ico) \^Max{i'mo) p]on[t{ifici) maxi[mo] trib. pot. VII imp. {XI]
COS. II p{atri) [p{atriae)] coh{prs) II [s]ub C- Oaecina Largo leg. Aug\g].
pr{o) [pr{aetore)], aij-an[te] T. [F]l[av]io'> PoUio[ne ....
^^) iToßot; im Bisthum von Küstendil 1019 , „grad Stob" neben Velbuzd
u. s. w. im Leben Nemanja's von Kg. Stephan von Serbien, ZToO|UTriov des Niketas
Akominatos ed. Bonn. 568 und des Georgios Akropolita ed. Bonn. 84, „grad Stob"
im Chrysobull des Rylaklosters von Car Sisman 1378.
74
sind in Folge einiger Bergstürze ganz unzugänglich. Unter der
Burg liegt ein kleines Dorf Stob (türk. Istop). Drei hohe Tumuli
auf den Wiesen des rechten Rylaufers zeugen vom hohen Alter
der hiesigen Ansiedelung. Der ganze Raum von Stob bis zu
dem ungefähr zwei Kilometer entfernten Dorfe Ryla ist voll von
Mauerresten, Ziegelfragmenten, Scherben von grossen Gefässen
u. s. w. In dem ansehnlichen, vor dem Eingang in die Schluchten
des Rylagebirges malerisch gelegenen Dorfe oder eher Marktflecken
Ryla (567 Häuser mit 3052 Einw.) sieht man Halden von Eisen-
schlacken, welche gegenwärtig zur Pflasterung der Höfe dienen;
die Eisenindustrie soll vor hundert Jahren eingegangen sein. Bei
den Resten einer St Nikolauskirche bemerkte ich antike Quadern,
Säulenknäufe, Carniesse u. s. w., und auf dem Hofe der Pfarrkirche
St. Archangel sogar eine griechische Inschrift, mit altthrakischen
Personennamen. Es ist ohne Zweifel eine der beiden Inschriften,
die Bartii 1862 hier gesehen hat'*''). Der verwitterte^ auf der linken
Seite durchgehauene Granitstein führt folgende acht Zeilen (etei
Z. 7 unsicher)'"):
1 X 1 1 1 /lijJTijiir
O T O N B WV o N E K T W«!
NOIEHoPCXHAHNOI
OYZENILKAIAIZA
N//'/BEI0YEMOYKAI
KEN0OEBEIOAXN
(etei) K E N 0 O Y X N //// M O Y K
HP ACKAITAPCACOIBEO
Später horte ich, dass in einzelnen Häusern von Ryla noch
einige andere Inschriften vorhanden sein sollen.
^*) Barth, Reise durch das Innere der Eur. Türkei im Uerbst 1862, Berlin
1864 8.92, schreibt von zwei griechischen Inschriften zu Ryla, darunter „eine nicht
uninteressante, aber leider verstümmelte, die Weihung eines Altars betreffend, auf
der Terrasse, worauf die Durfkirche steht". Ob die Copicn Barth's irgendwo er-
schienen sind, ist mir nicht bekannt.
") [Von Z. 4 an stehen Namen, regelmässig wie es scheint mit dem gleichen
Betrage von etwas über 50 Denaren, der Einer, der nach n gestanden haben wird,
ist sowohl Z 5 wie 7 zerstört; es stand etwa da: BpjoüJevK; Kai Ai2;u[(; .... X)v /,
Bei9u^ MouKa[TTdpiO(;y . . xv/, 'ETeiPJKtvboc; Be([9aj xv/, . . . 'ETei(?)Kdv9ou xv,',
MouK[d7ropi<;? xv/, 0?Jrjpaq Kui Tdpaaq oi Beo[aoi . . . Z. 2 ist deutlich
TÖv ßu)|Liöv dK tOüv , vorher und nachher kann etwa gestanden haben : fKaxeöKCU-
<iaavT]o und [iölujv]-, Z. .S scheint öxrjXriv zu erkennen. E. B.]
75
Das Innere des Rylagebirges birgt das berühmte bulgarische
Kloster des heil. Johannes von Ryla, jedoch ausser einem Thurm
mit einer slavischen Inschrift vom Jahre 1335 ist das jetzige ge-
waltige Gebäude (mit 300 Kammern) grösstentheils ein Neubau aus
unserer Zeit. Eine Reise von der bulgarischen Grenze durch das
Strymonthal abwärts nach Dzumaja, wo sich Thermen und In-
schriften befinden'*^), Melnik u. s. w. wurde gewiss eine reiche
archäologische Ausbeute bringen, aber bei den bestehenden Grenz-
verhältnissen und bei dem Umstände, dass. ich in bulgarischen
Diensten stand, konnte ich so etwas nicht wagen.
II. Alte Bergwerke
In der schriftlichen Ueberlieferung des Alterthums fehlt es
keineswegs an Nachrichten über den damaligen Bergbau in den
südlichen und östlichen Haemusländern , in Makedonien, Thrakien
und dem unteren Donaugebiet, jedoch sind dieselben meist ohne
topographisches Detail. Am deutlichsten tritt das küstenländische
Minengebiet der Chalkidike und das berühmte Goldland am Berge
Pangaios bei Phihppi und Amphipolis hervor. Dunkler sind die
Angaben über die weiter gegen Norden gelegenen Erzlager des
Binnenlandes, über die Eisen- und Bleiminen der makedonischen
Stadt Bivn oder Bivai''^), über die Minen des inneren Paeoniens, der
Rhodope u. s. w. Von dem einstigen Reichthum der Gruben dieser
Gebiete zeugen die zahlreichen mannigfaltigen Münztypen der ein-
zelnen Städte, besonders Thrakiens in der Römerzeit, lieber die
dortige Bergwerksverwaltung in der Kaiserzeit erfahren wir Einiges
aus einer constitutio des J. 386, welche y,procuratores metallorurn
^*) Barth (8. 99) sah in Dzumaja eine grosse griechische Inschrift unter dem
Wasser des Badehauses. Von bulgarischen Lehrern, die vor dem Kriege dort
gelebt hatten, hörte ich oft von einer lateinischen und griechischen Inschrift des
Ks. Gordian, angeblich mit den Worten BONA FORTVNA, welche, in vier Stücke
zerschlagen, sich bei der Kirche von Dzumaja befinden soll. Aber alle meine
Bemühungen, um eine noch so primitive Zeichnung zu erlangen, waren erfolglos.
Dzumaja ist gegenwärtig ein wichtiger militärischer Waffenplatz der Pforte an der
bulgarischen Grenze ; eine Menge aus Bulgarien ausgewanderter fanatischer Türken
hat sich dort angesiedelt, wogegen die christlichen Dzumajoten, ein rühriges und
unternehmendes Volk, jetzt meist nach Dupnica gewandert sind.
'") Ueber diesen Ort vgl. Tomaschek's ,,Miscellen aus der alten Geographie",
Oest. Gymn. Ztschr. 1867, 695 und desselben „Zur Kunde der Haemushalbinsel",
Wien 1882 S. 19.
76
intra Macedo n iam, Daciam mediterran eam, Moesiam seit
Dardaniam^' nennt. Diese Provinzialbeamten waren wohl dem in
der „ Notitia dignifatnm " erw äh nten „co m es metallorum 2oer I lly-
ricnm^ untergeordnet^"). Damit sind die erzreichen Provinzen
sichergestellt, aber die Localitäten selbst bleiben unbekannt; selbst
das an wichtigen Ortsnamen reiche Verzeichniss des Prokopios {de
aedif.) gibt nur spärlichen Aufschluss über die Lage der alten
„metcdla^.
Dieser alte Bergbau wurde auch im Mittelalter fortgesetzt,
worüber wir aber in den byzantinischen und bulgarischen Quellen
leider fast gar keinen Aufschluss finden, wie es für den Osten der
Halbinsel auch an jenem ragusanischen und italienischen Urkunden-
material fehlt, welches den Bergbau von Bosnien und Serbien für
das 13. — 15. Jahrhundert so klar illustrirt ^^). In der Türken zeit ist
dieser Minenbetrieb alhnählich eingegangen. Die Angaben des
türkischen Geographen Hadzi Chalfa aus dem 17. Jahrhundert
geben mitunter eine verlässliche Aufklärung über manche dunkle
Punkte. Der Betrieb einiger Bergwerke ist jedoch erst in unserem
Jahrhundert erloschen, so dass man noch Personen findet, von denen
sich über dieselben Einzelnes erfragen lässt.
Die jetzt gebräuchlichen bergmännischen Ausdrücke der Bul-
garen, soweit sich dieselben sprachlich analysiren lassen, sind viererlei
Ursprungs , was für die Geschichte des hiesigen Bergwesens nicht
ohne Interesse ist. Der Römerzeit gehört an die sgoria (in Kratovo
zgura), Schlacke, von dem lat. scauria, scoria. Aus dem spä-
teren Mittelalter stammen die deutschen Worte, welche den Sachsen
(slav. Sasi) angehören, die wahrscheinlich aus Ungarn und Sieben-
bürgen berufen , im 14. und 15. Jahrhundert die Bergwerke von
Bosnien, Serbien und Bulgarien betrieben. In Bulgarien ist ihre
Anwesenheit urkundlich nur in Ciporovci im Balkan von Bcrkovica
beglaubigte'^), ihre Spuren reichen aber noch weiter. In Ciporovci
selbst, in Samokov und in Ryla nennt man die Schlacken noch immer
mit dem deutschen Worte s 1 a k n ö ; in Kratovo heissen die Gruben-
*") Codex Theodosianus l, 32, 5. Notilia dignitatum ed. Seeck (Berlin 1876) p. 36.
^') Vgl. meine Ilandelsstrassen und Bergwerke von Serbien und Bosnien
während des Mittelalters, Prag 1879 (Abhandl. der kgl. böhm. Ges. d. Wiss.).
^') ,,Eat Chiprovacii pars oppidi aen rerjio, (juae etiam hodie appellatur regio
Saxonum et in privilegiis Inrcicis .... concedilur Saxonibus renovare partcm
templi vento dciectavi'' in einem Briefe des katli. Erzbiscbofs von Sophia von 1667,
Farlati, Illijricum aacrum Vill.
77
arbeiter ü t m a n i (Hüttenmann) und ein Dorf derselben Gegend
wird S a s e genannt. Das dritte Element der hier gebräuchlichen
bergmännischen Nomenclatur ist slavisch, darunter z. B. das ver-
breitete Wort s a m 0 k o V , durch Wasserkraft getriebenes Ham-
merwerk, wörtlich der „Selbsthammer", r u d a, Erz u. s. w. Endlich
türkischen Urprungs ist madan, madaniste, der Schmelzofen.
Im Folgenden will ich einige Bemerkungen über die Reste der
alten Bergwerke vorlegen. Vor Allem fallen uns die oben erwähnten
mannigfaltigen Producte der Münzstätte von Pautalia auf, mit der
Anführung von XPucr6(; und äp-^xjpoc, unter den einheimischen Er-
zeugnissen. Das Gold wurde, wie noch jetzt, in den Flüssen ge-
waschen, aber woher kam das Silber? Noch in der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts schrieb Hadzi Chalfa über den „Bei'g von
Küstendil" : „Hie und da finden sich Gold- und Silberminen, und das
daraus erhaltene Metall wird in dem Münzhause von Karatova aus-
gemünzt"^^). Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Bergwerke
irgendwo in der Nähe der Stadt auf der Nordseite des Gebirges
liegen mussten und mit dem jenseitigen, von Küstendil aus nicht
leicht zugänglichen Minendistrict von Kratovo nicht zu verwechseln
sind. Die Existenz alter Minen im Osogovgebirge blieb im Lande
wohl bekannt, wurde aber von der Bevölkerung mehr oder weniger
geheim gehalten. Bou6 hörte 1836 nur eine dunkle Andeutung
über Silber- und Kupferminen in der Nähe von Küstendil ^*). Im
Jahre 1883 habe ich mit Herrn Georg Zlatarski , Geolog der bul-
garischen Regierung, die Lage des alten Bergwerks erfragt und
den nicht sehr zugänglichen Ort selbst besucht. Am Nordabhang
des höchsten Osogovgipfels, des an 2200 M. hohen Rujen, liegen
ganz nahe an der bulgarisch-türkischen Genze, in den Urwäldern
des Quellgebietes der Bistrica, ungefähr 1580 M. hoch, die Ein-
gänge von sieben sehr tief hinabreichenden alten Schachten , in
denen man in dem aus Phyllit bestehenden Fels bis an 30 Cm.
dicke Adern silberhaltigen Galenit, Chalkopyrit und Pyrit bemerkt.
Das Material wurde eine halbe Stunde abwärts an eine jetzt Srebrn o
Kolo (bulg. „Silberkreis") genannte Wiese geschafft, wo am Zu-
sammenflusse von zwei Bächen mitten in dem dichten Buchenwalde
^') Kumeli und Bosna, geographisch beschrieben von Mustafa ben Abdallah
Hadschi Chalfa. Aus dem Türk. von J. v. Hammer. Wien 1812, S. 88.
^') Prks de Kostendil on cite des mines de cidvre et d'argent. Boue, La Turquie
d'Europe, Paris 1840, I 378.
78
Spuren eines Schmelzofens mit einem grossen Kreis von Silber,
Blei und Kupfer enthaltenden Schlacken sichtbar sind. Von dort
führte ein jetzt mit Bäumen und Gestrüpp überwachsener Weg
über die Dörfer Atkoria und Bogoslov gerade nach Küstendil. Die
Einwohner der nahen Ortschaften besitzen keine Sagen, die über
den Zeitpunkt des Betriebes dieser Werke Aufschluss geben könnten,
und auch die Bäume, die jetzt auf den Fundamenten einer kleinen
Hausruine bei jenen Schachten wuchern, sind keineswegs jung. Die
alten Minen der Pautalioten sind gewiss schon lange eingegangen ^^).
Jenseits des Osogov liegt auf der entgegengesetzten Südseite
des Rujen auf türkischem Boden das Dorf Sase (120 Häuser) mit
einem verfallenen Bergwerk. Einige Stunden weiter gegen Westen
beginnen die Blei-, Kupfer- und Silberminen von Kratovo, deren
allerdings primitiver Betrieb erst vor wenigen Jahren ins Stocken
gerathen ist. Die Localität und der Betrieb der Minen ist von
Boue ausführlich beschrieben worden. Kratovo selbst (620 Häuser
mit ungefähr 6000 Einw.) liegt in einem engen heissen Thalkessel
zwischen abgeholzten Trachytfelsen, hat zahlreiche mittelalterliche
Thürme, Brücken und Kirchen und soll ganz von tiefen „Kellern"
und Gängen unterminirt sein. In der Geschichte erscheint es erst
im 14. Jahrhundert und war auch in der älteren Türkenzeit ein
wichtiger Punkt. Ueber die ältere Vergangenheit der Bergwerke
von Kratovo ist leider nichts Näheres bekannt. Antike Inschriften
soll es dort nicht geben; dagegen zeigte mir ein Kratover eine
daselbst gefundene Münze Kaiser Domitian's, welche für das Alter
der Ansiedelung und wohl auch des Bergbaues zu sprechen scheint.
Alte verfallene Bergwerke liegen auch in der nördlich von
Küstendil sich ausbreitenden Gebirgslandschaft Krajiäte. Ich
habe diesen geographisch nur wenig bekannten Winkel am Trifinium
zwischen Bulgarien, Serbien und der Türkei zweimal besucht. Der
alte Ilauptort war das jetzige, noch immer ansehnliche Dorf Bo-
silov grad (oder Bosiligrad) an dem Hauptflusse des Gebietes,
der Dragovistica, mit den Resten eines Castells, in denen grosse
Zrdene Gefässe gefunden wurden, und den Spuren eines alten
Marktes am Fusse des Schlossbergcs. In der (Jrtskirche befand
**) Eine hergmäniiisclio Rcsdireihung' dieser Stelle von Zlatarski in der
Ztsilir. der bulg, lit. Gesellscli. zu Sofia 188.5, XVII l'.H s(|. (buig-.) — Hadzi
Chalfa's Nacliridit kann sich aiicli auf das Bergwerk von .Sase beziehen und
nicht auf das am 8 r o b r n o K o 1 o , welches, wie es scheint, Iriiher verfallen ist.
79
sich ein grosser, dicht beschriebener „lateinischer" Stein, wurde
aber 1878 auf Anrathen irgend eines Ignoranten aus Aberglauben
abgeschliffen. Das jetzige administrative Centrum des hiesigen
Bezirks liegt eine Stunde östlich im Dorf Izvor, in dessen
Nähe sich die Rudimente einer kleinen, angeblich Slaviste ge-
nannten Burg befinden. Von Izvor führt ein alter Pfad über das
Doif Trekljeno, wo gleichfalls alte Mauern und Gefässe gefunden
wurden, über den oben erwähnten Fundort Goracevci in das
Thal von Trn. Nordwestlich von Bosiligrad liegen am Trifinium
bei dem Dorfe Ljubäta die Stollen eines alten Silberbergwerks,
„srebrni dupki" (Silberlöcher) genannt, mit Resten alter Gebäude;
nach Herrn Zlatarski soll das Erz, wie im Osogov, silberhaltigen
Galenit, Pyrit und Chalkopyrit enthalten. Jenseits der Grenze
finden sich in Serbien Reste eines grossen Blei- und Silberberg-
werkes bei dem Dorfe Rupje, im Bezirk von Vlasotinci, mit vielen
Schachten und der Ruine eines Hammerwerkes. In dem Quell-
gebiet der Dragovistica liegen sodann, nördlich von Izvor, die erst
seit ungefähr 30 Jahren eingegangenen grossen Eisenwerke von
Bozica, die sich jenseits des Grenzgebirges auch auf der serbi-
schen Seite in den Umgebungen des Sumpfsee's von Vlasina und
in den Thälern der Vrla Reka und der Masurica im Kreis von
Vranja weit und breit fortsetzend^). Das sind die von Hadzi
Chalfa im 17. Jahrhundert erwähnten „berühmten Eisengruben von
Olassina (sie), die unvergleichHche Aexte und Waffen liefern'*^*).
Das zu Bozica gewonnene Eisen wurde in dem Orte selbst in
Hammerwerken verarbeitet und sodann in Stäben meist nach Egri
Palanka geführt. Die Gewinnung selbst war ganz primitiv: der
verwitterte Magneteisensand wurde gewaschen, in derselben Art,
wie man es bei der auch im Krajiste (bei Bozica, Ujno u. s. w.)
früher sehr eifrig betriebenen Goldwäscherei machte.
Jetzt ist eine solche Eisensandwäscherei in Bulgarien nur in
Samokov an der Nordseite des Rylagebirges in Betrieb, wo sie
von vielen Reisenden (Boue, Hochstetter u. A.) gesehen und be-
schrieben wurde. Diese höchst einfache Industrie, jedenfalls uralten
^^) lieber diese Bergwerke auf serbischem Boden, jetzt sämmtlich eingegangen,
vgl. Znjevic, Materialien zur Geologie des Kgr. Serbien im „Glasnik" Bd. 55 (1884)
184 und Milicevie, Kraljeviua Srbija, Belgrad 1884 S. 15 (Rixpje) und -281—3 (Kreis
von Vranja).
*') Kumeli und Bosua. übers, von Hammer S. 94,
80
Ursprungs, hatte einst auf der Balkanhalbinsel eine grossartige
Verbreitung und umfasste ein Gebiet, das sich vom Sar (dem alten
Scardus) bis in die Rhodope, ja bis an das Ufer des Schwarzen
Meeres erstreckte. Das Eisen, welches in einer geographischen
Schrift des 4. Jahrhunderts unter den Landesproducten von Make-
donien genannt wird ^^), wurde wohl in derselben primitiven Weise
zu Tage gefördert.
Die mir bekannten alten Eisenwerke dieser Länder zerfallen
in fünf Gruppen. Ich will dieselben etwas näher besprechen , mit
Zuziehung der benachbarten Silber-, Blei- und Kupferminen.
Die erste Gruppe liegt im nordwestlichen Makedonien im
oberen Vardargebiet, an der Ostseite des Sargebirges. Ein greiser
Arbeiter in Bozica, der in seiner Jugend dort beschäftigt war,
nannte mir drei Orte: die Landschaft Porec an der Treska, Krajis-
nica zwischen den Städten Gostivar und Kalkandelen und Slatina,
unweit der Stadt Kicevo. Mit diesen Eisenwäschereien steht wohl
auch der Name eines südlich von Ki6evo gelegenen alten Ortes,
der slavisch Zeleznica, türkisch Demirhissar genannt wird
(zelezo, demir: Eisen), in Zusammenhang. Der Betrieb scheint
jetzt eingestellt zu sein^").
Das zweite Gebiet ist das obenerwähnte in den Gebirgen
zwischen der oberen Morava und Struma, bei Bozica und in den
Thälern der Vlasina und Mas urica. Es erstreckte sich bis in
das Becken von Znepolje, an dessen Westende bei Grozna to vci
und Strasi miro vci, wo auch römische Münzen gefunden werden,
ein verfallenes Eisenwerk sichtbar sein soll. In dem Bereich dieser
Eisenwäschereien liegen auch die oben genannten Reste alter Blei-
und Silbergruben auf dem Berge von Ljubata und bei Rupje.
Daran schliesst sich noch ein räthselhaftes Silberbergwerk bei
Breznik, zwischen Trn und Sofia. Kuripesic schreibt in seiner
„Wegrayss" 1530: „stätlin Pressnick, allda auch vil Silberertzt".
Im Orte selbst ist gegenwärtig jede Erinnerung an ein Bergwerk
erloschen, ausser einigen Goldwäschereien, die noch vor Kurzem
^*) (Macedonia) eicit ferrum, plumbum. Totius orhia descriptio, verfasst um
das J. 3.Ö0, Geogr. graeci viinores II äSS, bl.
■''■') HoiK- {Tiirquie d'Euroj>e I 378) hörte, es gebe im Öar zwei Licnos von
Kalkandoleu „d'anciennes mines semhlahles'\ wie die in der Clialkidike, konnte aber
nichts Näberes erführen. In der Markova Reka bei Skopje wird Gold gewaschen.
Demir Hissar zäiiit jetzt nur 45 Häuser-, als Hurg- /CelCznec erscheint es schon im
14. Jahrh. (Daniel ed. Danicic 22G).
81
in dem Bache Leskov Dol bei der Stadt betrieben wurden. Nach
längerem Suchen fanden wir mit Herrn Zlatarski zwar keine
Schlacken oder Reste von Hochöfen , aber einige schwache Adern
silberhaltigen Galenit auf dem Breznik von der Südseite domini-
renden Hügel Visoki Breg. Alle diese Bergwerke scheinen sehr
alt zu sein. Prokopios {de aedificiis ed. Bonn. p. 284, 33) nennt
eine von Kaiser Justinian befestigte Ansiedelung F er rar ia in der
Xuupa {regio) von Remesiana, welche wohl den grössten Theil dieser
Bergländer zwischen Naissus, Pautalia und Serdica umfasste , also
auch diese Minengebiete. Und die Silberminen bei Breznik erinnern
uns an die Münzprägung der nahen Serdicenser im 2. und 3. Jahr-
hundert.
Das dritte, grösste und wichtigste Eisengebiet umfasste das
Ryla-, Perin- und Rhodopegebirge. Es reiht sich an die „Sidero-
kapsia" oder „Mademochoria", die uralten Eisen- und Silberwerke
der Chalkidike an, die noch im 16. Jahrhundert im vollen Gang
waren, wie aus der ausführlichen Beschreibung bei Pierre Belon
zu sehen ist. Der See zunächst lagen die Eisengruben des Pangaios,
die auch in der Türkenzeit eifrig betrieben wurden: 1697 gab es
eine grosse Kugelgiesserei in Pravista bei Kavala"*'), und eine
Ortschaft in der Nähe des Meeresufers führt dort noch immer den
Namen „Samokov" (Hammerwerk). Daran grenzen nördlich die
Eisensandwäschereien und Hammerwerke an zahlreichen Flüssen
der Districte von Demir-Hissar, dem ZibripÖKacTTpov der Byzan-
tiner**), und von Melnik, z. B. bei den Dörfern Krusovo,
Ki.rcevo, Kalimanci u. s. w. Diese Industrie vegetirt dort noch
bis zum heutigen Tage^'^). Weiter nördlich gibt es, wie schon er-
wähnt wurde , Halden alter Eisenschlacken am Fuss des Ryla-
gebirges, im Dorfe Ryla auf der Westseite und in Banja und
Macakürevo auf der Nordseite, welche durch die Nachbarschaft
antiker und mittelalterlicher Ruinen und durch alte Inschriften ein
besonderes Interesse gewinnen. Noch der oftgenannte Hadzi Chalfa
*") Hammer, Gesch. d. osman. Reiches IIP 894. Zehn Dörfer arbeiteten
damals in den Gruben, Schmelzen und Giessereien, und beförderten die gegossenen
Kugeln zum Hafen nach Kavala.
'") Kantakuzen 1. II c. 38 (allerdings mit der Bemerkung: biet tujv xeixAv
TÖ euTTUY^«; Kai \iav öxupov ibvo|uaö|u^vov).
"') Auf der üsterr. Generalstabskarte der Türkei ist ein Ort „Samakov-Han-
lari" nördlich von Seres ausdrücklich angegeben — Einkehrhäuser bei einem Eisen-
hammer.
Archäologiech-eiiigrapliisclie Mittli. X. r.
82
kennt daselbst „an einigen Orten" des stets schneebedeckten wald-
reichen Berges von Dupnica (d. h. der Ryla) „Stahlminen" **^) und
die Werke von Ryla sollen erst seit 100 Jahren aufgegeben sein.
Unmittelbar daran schliesst sich der Minendistrict von S a ra o k o v
am oberen Isker an, dessen Hammerwerke bis in das Quellgebiet
der Marica hinüberreichen. Samokov selbst hat ausser einigen
Tumuli nichts Antikes aufzuweisen. Sein Gebiet erstreckt sich bis
an die Vitoäa bei Sofia; die letzten Schlacken sieht man bei Vla-
daja und bei Grubljane in der nächsten Umgebung der bulgari-
schen Hauptstadt. Der Betrieb der Werke von Samokov ist jedoch
in den letzten Jahren in Folge der Concurrenz ausländischen Eisens
fast am Erlöschen. Die Eisenarbeiter kommen zum Theil bis aus
Bozica und anderen umliegenden Dörfern, besonders seitdem die
dortigen Eisengruben verfallen sind. Noch weiter östlich liegt am
Nordfuss der Rhodope das Städtchen Pestera mit ausgedehnten
Ueberresten von ähnlichen Eisenwäschereien, deren Betrieb erst um
1850 eingestellt wurde. Eisenschlacken findet man auch im Innern
der Rhodope, im Hochgebirge zwischen Batak und Nevrokop (auf
der Höhe Beglik am Passe Ta«-boaz^^), bei den Hans von
Dospad u. s. w.) und endlich in der Umgebung der Stadt Nevro-
kop selbst, des alten Nicopolis ad Nestum. Die Metallurgie ist
noch jetzt eine Hauptbeschäftigung der Einwohner des Mestathales.
Die Einwohner der Landschaft R a z 1 o g im Quellgebiet der Mesta
sind Kupferschmiede und arbeiten primitive Ringe, Kreuze, Ohr-
gehänge u. s. w,, z. B. für die Wallfahrer des Rylaklostcrs ; eine
ähnliche Bronze- und Messingindustrie betreiben auch ihre Nachbarn
in B e 1 0 V 0 an den Maricaqu eilen. Die Bewohner des Kreises
von Nevrokop an der mittleren Mesta, besonders der felsigen
und waldigen Theile desselben (Dorf Skrebatno, Baldevo u. s. w.)
sind heute Goldwäscher küt' eEoxnv und trieben bis zu den grossen
ökonomischen und politischen Umwälzungen des letzten russisch-
türkischen Krieges ihr Gewerbe fast in ganz Bulgarien, Rumelien
und Makedonien. Man fand sie jeden Sommer im Balkan bei Kotel,
an der Arda in der Rhodope, an der Topolnica in der Sredna Gora,
an der Palagaria an der Stidseite der Vitosa, in den Kreisen von
") Rumeli mifl liosna S. 89.
®') Mines de fer mir la route de Nevrokop ä Deapot-Jallak erwähnt aucli Bnno,
Turquie d'Europe I .'177. Minerais de fer au lüateau de Beiük bei Boue's Reise-
begleiter Viquesnel, Voyage dann la Turquie d'Eurnpe, Paris 1868, II .365.
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Breznik, Dupnica, Küstendil u. s. w. In der alttürkischen Zeit vor
den Reformen genossen dieselben verschiedene Privilegien, vor allem
gewisse Steuerbefreiungen gegen Naturallieferungen von Goldstaub.
Allerdings war das Geschäft sehr mühselig, und das anstrengendste
Durchsieben und Waschen des Flusssandes brachte jährlich in der
Regel kaum 80 bis 120 Francs reines Gold ein. Die Nevrokoper
sind wohl die Nachfolger der thrakischen herumziehenden auri-
leguli, welche eine constitidio des J- 370 [Cod. Theodos. X 19, 7)
aus Illyricum und der Dioecesis Macedonia in die Heimat zurück-
zuschicken befiehlt, sowie der „sequendariim auri venarum periti"",
welche nach Ammian (31, 6, 6) 376 den Gothen in Thrakien die
verborgenen Schlupfwinkel und Getreidelager der Einwohner ver-
riethen, selbst gedrückt und erbittert durch schwere Steuerlast.
Die alte Metallindustrie der Rhodopeländer beschränkte sich
jedoch keineswegs auf Gewinnung von Eisen und Gold aus dem
Sand und Geröll der Gebirgsbäche. In der Rhodope, im alten
Bessenlande, fehlt es nicht an Spuren der ^citnicuU more Bessorum'^,
an Bergwerken mit Schachten und Stollen. Bei dem Dorfe L u-
kävica im Bezirk von Rupcos, südlich von Philippopolis auf ost-
rumelischem Boden, wurde jüngst ein altes Silber- und Bleibergwerk
mit tiefen unterirdischen Gängen wieder in Betrieb gesetzt. Von
dort kam einst wohl das Metall, welches in der Münzstätte von
Philippopolis ausgeprägt wurde. Als ich die Ruinen der Eisenöfen
von Pestera besuchte, erzählte man mir von den Schachten
eines alten Kupferbergwerks, eine Stunde südlich von der Stadt.
Auf dem an Schloss- und Kirchenruinen, sowie an alten Grabfeldern
reichen Plateau von D o s p a d , zwischen Tatar - Pazardzik und
Nevrokop, sollen nach den Erzählungen eines dortigen bulgarischen
Mohammedaners an dem Bache Gümüsdere (türk. Silberbach)
bei einer Burgruine, knapp an der rumelischen Grenze,, Reste eines
Silber- und Goldbergwerkes liegen. Ein Eingeborener des Arda-
thales sprach mir von alten Schachten mit Holzstützen bei dem
Dorfe V-blcevo in der Landschaft Achyr - Celebi , und auf den
meisten Karten ist unweit davon gegen Süden bei dem Städtchen
Darider(^ ein Berg Maden (türk. „Bergwerk'') angegeben. An diese
Bergwerke der Rhodope schliesst sich das wohlbekannte altbe-
rühmte Gold- und Silberminengebiet des Pangaios an der Seeküste
nebst den Eisen- und Goldlagern der gegenüberliegenden Insel
Thasos an. Die Reste alter Bergwerke reichen noch weiter gegen
Westen. In dem Gebirge zwischen Salonich und Strumica gibt es,
6*
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angeblich nordöstlich von Avret-Hissar auf dem Berge Karadagh
Silbergruben, deren Lage wohl dem von Herodot (V, 17) erwähnten
lueraWov am Berge Dysoros entspricht, aus dem König Alexan-
dros I., des Amyntas Sohn, täglich ein xdXavTOV ttpYupiou gewonnen
haben soll. Näheres ist mir leider nicht bekannt. Man erzählt
auch von Silberminen bei Ochrid oder in der Dibra, doch
ohne Angabe einer Localität^^).
Doch kehren wir zurück zu der Eisenindustrie. Die vierte
Gruppe umfasst die Nordseite des westlichen und des centralen
Theiles der Balkankette. Das Gebiet derselben beginnt schon in
der Timoklandschaft, wo sich westlich von Zajcar (bei L u k o v o,
Jablanica, Valakonje u. s. w.) in dem langen Thale der
Crna Reka zahlreiche Spuren alter Silber-, Blei- und Eisenwerke
mit Stollen, Schmelzöfen und Schlacken vorfinden, nebst vielen
noch vor Kurzem betriebenen Goldwäschereien'*''). Das alte 'ApYev-
rdpeq (wohl aus der Localform Argentariis), dessen Befesti-
gungen Kaiser Justinian erneuern liess, ist hieher zu versetzen;
Procopius {de aedif. p. 285, 15) nennt es in dieser Gegend unter den
Castellen der Provinz Dada n'pensis , in dem Bezirke der Stadt
Aquae (Prahovo an der Donau), in der Nähe von Timathochium
und Timaciolum. Weiter gegen Osten gab es Eisenwerke bei dem
Städtchen C i p 6 r o v c i auf der Nordseite des Balkans von Ber-
kovica im Quellgebiet des Ogost, sowie bei dem nahen Dorfe Z e-
lezna, in Verbindung mit reichen Silber- und Bleigruben, auch
dem Hadzi Chalfa bekannt als die Silberminen von „Kirus" (lies:
Kiprus) bei Berkovica; dieselben gingen 1688 ein, als die (katho-
lischen) Einwohner bei Annäherung der österreichischen Truppen
einen Aufstand versuchten und in Folge dessen in die Walachei
und nach Siebenbürgen fliehen raussten. Gegen Nordwest reichte
dieses Minengebiet bis zu dem Dorf Gorni Lom an den Lom-
quellen, wo gleichfalls Stollen und Schlacken vorhanden sind. Auf
der entgegengesetzten Südseite der Gebirgskette fand man Eisen-
schlacken bei Senokos in der Landschaft Visok. Alte, erst in
unserem Jahrhundert eingegangene Eisen- und Bleiglanzgruben gab
es bei der Stadt Etropol. Ein altes Eisenbergwerk liegt im
") Auf (1,13 Bergwerk am Karadagh bezieht sich wohl die Angabe Bou^'.s,
bei Ostronidaclia (der tiirk. Name für .Strumica) gebe es Kupfer- und Silberminen
[Turquie (TEurope I, 378), — Mines argentijerea prh d'OcJirida Sinch bei Bou^ ib.
««) Milii5evi(*, Kneievina Srbija, Belgrad 1876, S. 877 (serb.).
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Balkan von Trojan an den Quellen des Schwarzen Osem®'). In
allen diesen Eisenwerken des Balkans wurde indessen das Material
nicht durch Waschen, sondern durch trockene Grubenarbeit zu
Tage gefördert*'^).
Das fünfte Eisengebiet lag endlich an der Pontusküste. Der
Hauptort war das Dorf Malki Samokov (Klein-S.), jetzt auf
türkischem Boden in der Nähe des Meeres (zwischen Iniada und
Kyrkklisse). Noch im 17. Jahrhundert lieferte dieses pontische
Samokov Eisen für die türkischen Arsenale ^^). Der Magneteisen-
sand wurde dort in der erwähnten Weise gewaschen, der Betrieb
ist aber in unserer Zeit eingegangen. Spuren uralter Bergwerke
befinden sich auch in der Umgebung von J a m b o 1 , dem alten
Cabylc; sowie in der Nachbarschaft des römischen Deultum,
deren Alterthümer ich noch ausführlich besprechen werde.
III. Römische Strassen
Von den römischen Heerstrassen auf dem Boden Bulgariens
ist besonders bemerkenswerth die grosse Route von Sirmium über
Serdica nach Byzanz, deren festes Gefüge in unbebauten Gegenden
noch immer klar hervortritt; in den Umgebungen grösserer Städte
und in dichter bevölkerten Landschaften werden die Reste derselben
allerdings in neuerer Zeit meist als Steinbruch ausgebeutet und
dadurch rasch zerstört. Die folgenden Bemerkungen können als
Nachtrag oder Berichtigung meiner vor neun Jahren über diese
alte Verkehrslinie veröfi'entlichten Studie gelten'").
Zwischen Nis und der bulgarischen Grenze kommt der so-
genannte Latinski put (Lateinerweg) besonders in dem Gebirge
zwischen Naissus und Remesiana (Bela Palanka) zum Vorschein,
südlich von der jetzigen Chaussee bei dem Dorfe Donja Studena,
wo sich neben der Römerstrasse auch die Substructionen einer
*') Bulgarisch heisst der alte Asemus O s e m (masc.) , nicht Osma (fem.),
wie man auf den Karten liest.
"•) Ueber die Erzlager des Balkans vgl. die Abhandlungen von Zlatarski in
der Ztschr. der bulg. lit. Gesellsch. 1882—4, Heft II. IV. VI. X (bulg.). — Auffällig
ist der Dorfname Zelezna (zelgzo, Eisen) in den Bezirken von Teteven und Trojan.
''^) Marsigli, Stato militare delU imperio otiomano, Amsterdam 1732 p. 56,
1.51 {Samacow nel Mar Nero).
'") Dr. Const. Jirecek, Die Heerstrasse von Belgrad nach Constantinopel und
die Balkanpässe. Prag 1877, 8. 172 S.
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„Lateinerburg" (Latinski grad) befinden"'), welche der Lage
nach der mutatio Ulmo des Itinerarium Hierosolymitanum ent-
spricht. Auf bulgarischem Boden erblickt man die Spur des römi-
schen Weges zuerst bei dem Marktflecken Caribrod. In dem
Engthale der Nisava liegen am linken Ufer längs der neuen Chaussee
die Häuser des Ortes, und gegenüber am rechten Ufer zieht sich
in dem engen Raum zwischen dem Flusse und der steilen, dicht
bewaldeten Böschung das alte, stellenweise an 4 — 5 Schritt breite,
noch gut erhaltene Pflaster hin. Einige kleine Burgen (eine nörd-
lich von Caribrod gegenüber der Mündung der Lukavica, eine
zweite südlich davon bei Kalotinci u. s. w.) scheinen zum Schutze
des Weges gedient zu haben. In dem darauf folgenden Engpasse
Jezevica ist die Römerstrasse wahrscheinlich durch die neue
Chaussee verdeckt. An der Wasserscheide zwischen dem Isker
und der Nisava (726 M. Seehöhe) , einer kleinen Hochfläche mit
feuchten Wiesen zwischen kahlen Felsbergen, liegt die alte, 4 Schritt
breite, gepflasterte via publica (südlich von dem Dorf Dragoman)
wohlerhalten neben der neuen Strasse, in Begleitung von einigen
Tumuli. Von Slivnica, wo man wieder ebenen Boden betritt,
führt die moderne Chaussee in gerader Linie , ohne ein Dorf zu
berühren, nach Sofia; die Römerstrasse blieb dagegen weiter west-
lich am Fusse der das Becken von Sofia umschliessenden Höhen»
in der Gegend des Dorfes Belica.
In der nächsten Umgebung von Sofia ist der alte Weg nicht
sichtbar. Dagegen rettete Herr Ingenieur Prosek auf den alten,
jetzt zum Häuserbau ausgebeuteten türkischen Grabfeldern am Rande
der Stadt, an der Strasse nach Lom, einen antiken Meilenstein
vor dem drohenden Untergang (jetzt in der Nationalbibliothek).
Der obere Theil desselben ist zerschlagen und die Oberfläche, be-
sonders durch einen Spalt arg beschädigt. Ein geübteres Auge
wird wohl die Inschrift genauer unterscheiden können; ich las in
den ersten Zeilen nur einige Worte:
KAINoIKH C
AiAMOi . . . HrejwoNevoN . . ,
. . .AAMnPOTAT////C0PAKUUN
'. «L , i . . . .OYAe
also etwa | unep] . . . . Kai vfejiKri^ [Km ] öia)io[vfi(;], TiYejuoveuovfToq
") MiliöevJö, Kraljcvina Srbija, Belgrad ISSl p. 17.
87
Tri?] \a)UTrpoTdT[ri](; OpcxKüuv [eirapxeia«; In der 6. und 7. Zeile
sieht man noch oaujn und miaion.
Die neue Chaussee von Sofia nach Ichtiman hält sich grössten-
theils nahe am Fusse der Berge, welche die Südwestseite des
Beckens von Sofia umrahmen. Die Römerstrasse führte etwa eine
halbe Stunde weiter nördlich, ungefähr in der Mitte zwischen den
modernen Landstrassen von Sofia nach Philippopel und von Sofia
nach Orchanie (resp. Pleven), wo ihre Linie von der jetzt im Bau
befindlichen Eisenbahn einigemal gekreuzt wird. Noch im 16. Jahr-
hundert wurde sie benützt und die an derselben gelegenen Dörfer
sind bei den damaligen Reisenden ausdrücklich genannt: Slatina
nahe bei Sofia (Kuripesic 1530), Kazicane (Kasidscham bei Ger-
lach 1578), Trnovo (Dernschwamm 1553). Die alte Strasse über-
schritt hier den Isker, der gegenwärtig in zwei Arme gespalten ist,
den starken Hauptarm im Westen und den Stari Isker (den
„alten") im Osten. Der römische Oescus floss jedoch, wie es
scheint, nur durch einen und zwar den östlichen Arm, der jetzt
als der alte und schwächere gilt, denn die Entfernung von acht
römischen Meilen von Serdica bis Esco amne {Itin. Hierosolym.
p. 567) stimmt zu den 12 Kilometern vom heutigen Sofia bis zum
„alten" Isker bei Kazicane, wogegen der gegenwärtige westliche
Hauptarm von Sofia (über Slatina) längs der Römerstrasse nur
8 Kilom. (ungefähr 5Vq m. p.) entfernt bleibt. Der Venetianer
Ramberti (1534) schreibt schon von einer zweimaligen Ueberschrei-
tung des Isker. Die neue Chaussee weicht diesem Inundations-
terrain mit seinen wechselnden Wasserläufen ganz aus und über-
schreitet den Fluss noch vor dessen Theilung bei dem von Halden
eisenhaltiger Schlacken erfüllten Eichenwald von Grubljane
(10 Kilom. von Sofia). Die einzelnen gepflasterten Stücke, die sich
in geraden Linien durch die Felder und Wiesen ziehen , werden
jetzt als Steinbruch stark ausgebeutet. Zwei Partien bei Slatina
heissen Gorni und Dolni Trojan (Ober- und Unter - Trojan) ;
überhaupt nennt man die Römerstrasse hier bei Sofia, sowie bei
Ichtiman, bei Tatar-Pazardzik, bei (Jirpan u. s. w., allgemein Tro
janov ptt, Trojdnski p'Bt (Trojans weg, selbst türkisch „Trajan
jol"). Einen eigenthümlichen Charakter gewinnt die Landschaft
durch eine Menge grosser Tumuli. Bei Vrazdebna (auf der
Strasse von Sofia nach Pleven) z. B. reihen sich am linken Ufer des
Isker sechs ^ am rechten vier gewaltige Grabhügel neben einander,
und weiter gegen Osten und Norden liegen viele kleinere zerstreut
zu Dutzenden.
88
Am Oescus scheinen auch antike Ansiedelungen mit steinernen
Gebäuden bestanden zu haben ; deren Material ist aber längst zum
Bau der vielen kleinen Klöster auf den Abhängen rings um das
Becken von Sofia herum verschleppt worden, sowie zur Errichtung
der monumentalen türkischen Herberge von Jen ih an (oderNovi-
han), die, obwohl erst 1670 errichtet, jetzt nur mehr als klägliche
Ruine dasteht. Ornamentirte Steine, Säulencapitäle u. s. w, finden
sich in Kazicane; auf dem Hofe der Ortskirche liegt jetzt auch
eine neulateinische Inschrift, der Grabstein eines ragusanischen
Kaufmanns des 16. Jahrhunderts , wahrscheinlich von Sofia hieher
verschleppt, 060 h., 0-40 br. (Copie des Herrn Prosek):
HIC • lACET • SE jndt
VS - NICOLAVS! Geo
R G I V s - C I V I s Ragvs
I N 9 QVi vixi^ annos
5 X X I V O H //// //// .... ann
O D O M I N I mI
(J D I E X V i
An der Wasserscheide zwischen dem Isker und der Marica
(840 M. Seehöhe) streift die Strasse die weit zersprengten Häuser-
gruppen des Dorfes Vakarel, das im 16. und 17. Jahrhundert
auch als Bela crkva (slav. „weisse Kirche") oder türkisch Ala-
klissc, Aladzaklissc erwähnt wird'"). Von dort steigt der
Reisende in das von waldigen Bergen umgebene Becken von Ich-
timan herab. Die Spur der Römerstrasse zieht sich längs der Ost-
seite des grünen Kessels knapp am Rande des Waldgebirges hin
und geht durch die Stadt Ichtiman selbst hindurch. Die Einwohner
erzählen, der gepflasterte Weg sei in alten Zeiten für eine Kaisers-
tochter errichtet worden, damit dieselbe auf der Reise nirgends auf
den blossen Erdboden trete, was ganz an die Geschichten erinnert,
die 1577 Salomon Schweigger über den Ursprung dieser „gepflas-
") Heerstrasse S. 129 identificirte ich Bela Crkva mit dem Jeiiihan. Jedoch
die Entfernungen bei Verantius, die Beschreibung bei Gerlach und besonders das
heute noch als ein weisser Punkt zwischen grünen Wäldern von Weitem sichtbare
alte Kirchlcin neben dem bulgarisch - rumclischen Grenzzollamt sprechen klar für
Vakarel. Die Lage des antiken Bugarac a, das in die Gegend der Wasserscheide
fällt, vermochte ich niclit näher zu constatiren. — Die Namen Vakarel, sowie
das westlich davon (am Isker) gelegene P a s a r e 1 erinnern auch ausser der roma-
nischen Endung unwillkührlich an das lat. vacca, passen:
89
terten Landstrass" in seiner „Newen Reiss-Beschreibung aus Teutsch-
land nach Constantinopel" (Nürnberg 1639, S. 44) verzeichnete.
Ichtiman (an 3000 Einw.) ist eine moderne dorfartige Ansiedelung
mit Getreideschobern und Dreschtennen auf den Höfen , nur mit
einigen steinernen Bauten aus der älteren türkischen Zeit. Eine
halbe Stunde gegen NO. liegen am Fuss der Waldberge die Reste
einer alten Ansiedelung, von welcher jetzt an der Oberfläche nur
zahllose Ziegelfragmente, aber keine Mauern bemerkbar sind. Man
nennt den Ort bulgarisch Stipon, türkisch Istipon-kalessi;
die Einwohner eines Viertels von Ichtiman, die von dort abstammen
sollen, heissen noch immer Stiponcene. Das ist das byzantinische
Xtujttöviov, das Stobuni des Arabers Edrisi (um 1150), Stopon,
Stiponje mittelalterlicher slavischer Quellen. Die Gemeinde von
Ichtiman besitzt einige ältere türkische Urkunden über ihre Grenz-
marken; in einer derselben vom Jahre 1088 (1678) wird das „Dorf
Istipon" ausdrücklich genannt. In der alten Reiseliteratur erscheint
es allein bei Verantius (1553) als ^^pcujus Stippos" ; andere Reisende
des 16. Jahrhunderts nennen schon Ichtiman (Kuripesic 1530 u.s.w.").
Unterhalb der Stadt passirt man den Mttivir, in dessen engem
Waldthal einige Burgruinen liegen, und erreicht 12 Kilometer
(2 St.) von Ichtiman das hohe (809 M.) Joch mit der Stelle des
alten „Trajansthores", die Succi der Römer und die B a (J i \ i k f)
KXeiaoupa des Mittelalters. Das in sechs Gruppen (zusammen
305 Häuser) weit zersprengte Dorf V a s i 1 i c a (türkisch Kapu-
dzik) bleibt in dem Waldgebiet westlich von der Chaussee. An
der Strasse stehen auf der Passhöhe nur drei Häuser. Vor einem
derselben, einem bescheidenen Wirthshaus, sieht man im tiefen
Strassengraben auf der Westseite der Chaussee noch die Fundamente
des alten Thores, nämlich die Grundfesten einer drei Schritt breiten
Quermauer aus weissen unbehauenen Bruchsteinen. Die alte Römer-
strasse befand sich hier zuletzt in einem tiefen Hohlweg und ist
bei der Errichtung der modernen, von den Türken zu militärischen
Zwecken erbauten Chaussee grösstentheils zugeschüttet worden.
Alte Bauern erinnern sich noch an die 1835 niedergerissene „IMar-
kova kapija" (Thor des in der südslavischen Sage berühmten Königs
"') Für mich waren die Erzählungen der Ichtimaner Bulgaren und Türken
von einem alten ,, Istipon-kalessi" eine angenehme Ueberraschung; Heerstrasse S. 91
verlegte ich Stuponion nach Ichtiman einzig und allein auf Grund der Erwähnung
des „pagzis Stippos'-' bei Verantius,
90
Marko) und sind noch als Kinder auf Balken oben über den Thor-
weg hinübergelaufen. Der Bau. den noch Marsigli zu Anfang des
18. Jahrhunderts mit einer Thorwölbung abbildete, ist also seitdem
durch Einsturz der oberen Theile auf die beiden Seitenpfeiler reducirt
worden und mehr durch langsame Zerbröckelung als durch Men-
schenhand zerfallen. Zu beiden Seiten des Thores gab es kleine
Forts, die auf dern kleinen Plan von Lojean'**) gut angegeben sind;
auf der Westseite erkennt man gleich über dem Wirthshause auf
einer niederen Höhe die von Gras überwucherten Reste eines vier-
eckigen, an der Seite 25 Schritt langen Gebäudes, das sich ur-
sprünglich an die Quermauer anschloss, und auf der Ostseite zeigt
man ein „cerkoviste" (Kirchenruine), desgleichen den Ueberrest
eines Castell?. Die zwei Holzpfeiler der offenen Vorhalle des Gast-
hauses sind durch kleine, hier ausgegrabene Inschriftsteine gestützt.
Der eine Stein steckt ganz in der Erde ; soviel ich bei einem Ver-
such einer Abgrabung bemerken konnte, trägt er eine griechische
Inschrift (cthne etc.). Der andere, mit kleinen rohen Buchstaben,
ist besser zugäoglich:
f T
E T '//' A T UJ K T
^ A E A iW E K
T H N E T A T I
/» T O A r A A M E
5 /") E K T //// X O) E
////////////////
Ungefähr hundert Schritt südlich von der Passhöhe bemerkt
man links auf einer sehr steilen, dicht bewaldeten Höhe die Reste
eines alten Mauerwerks, jetzt „Märkova mehanicka" (Marko's Trink-
häuschen) genannt, wohl den Ueberrest eines gegen Süden vorge-
schobenen Wachtthurmes vor dem Thore'^). Von dem alten Thore
fährt man 6 Kilometer abwärts zum Bach Javorica, bei welchem sich
ein Wartthurm türkischen Ursprungs mit einem Gensdarmeriepiquet
befindet, und steigt abermals aufwärts zu einem zweiten Joch (710 M.)
mit der südlichen Passbefestigung. Neben einem ähnlichen türki-
schen Wächterhaus, jetzt Wohnung des die Strassenreparaturen
leitenden Ingenieurs, bemerkt man die Reste eines 15 Häuser starken
''*) Lejean, Voyage en Bulgarie, Tour du monde 1873 p. IfiO.
") Wurde von manchen neueren Reisenden irrthümlich für das alte Trajans-
thor gehalten.
türkischen Dorfes Palanka, das seit dem Kriege verlassen ist.
Wenige Schritte davon stehen an der Stelle, wo sich ein gross-
artiger Ausblick auf die in der Tiefe sich ausbreitende thrakische
Ebene mit den hohen Kuppen der gegenüber liegenden Rhodope
eröffnet, die Ruinen eines von Verantius und Marsigli gut beschrie-
benen Schlosses Hissardzik, Aufrecht steht noch ein 5 M. hohes
Stück der 3 M. starken nördlichen Schlossmauer, aus wechselnden
Lagen unbehauener Bruchsteine und je vier Reihen grosser (36 Cm.
langer, 4 Cm. dicker) Ziegel. Das Ganze war ein Viereck, an den
Seiten ungefähr 40 Schritt lang"^).
Von da beginnt der rasche Abstieg. Sieben Kilometer von
der Ruine (300 M. tiefer) folgt zwischen Weinbergen das grosse
Dorf Vetren (türk. Jeniköi). Drei Kilometer weiter gegen Osten
liegen auf einer Höhe neben der Strasse am Bache Asar Dere die
durch die neuen Strassenbauten (als Steinbruch) arg mitgenommenen
Reste eines ganz ähnlichen viereckigen Castells mit Eckthürmen,
genannt Asarlyk, bei denen ein Meilenstein aus der Zeit des
Kaisers Gordian (Dumont Nr. 3) gefunden wurde. Die alte Strasse,
auch hier „Trojan" genannt, ein gepflasterter Hohlweg mit Brücken
und Brunnen, ist unterhalb Vetren rechts von der Chaussee und
weiter auch bei Bosulja gut kenntlich. Der Weg nähert sich der
Marica, an deren linken Ufer sich südlich von Vetren eine Gruppe
hoher Tumuli zeigt. Bemerkenswerth ist es, dass einer der Quell-
bäche der Marica noch immer den antiken Fhissnamen führt: Ibar
oder Ib-Br ("Eßpo(g)'''). Die Fortsetzung der Römerstrasse über-
schreitet dann die Topolnica oberhalb Tatar-Pazardzik in der Nähe
von Hadzili, wo sich die Reste einer Brücke und eines in neuerer
Zeit als Steinbruch ausgebeuteten Castells befinden sollen, und
kreuzt sodann die neue Strasse von Tatar-Pazardzik nach Panagju-
'*) Heerstrasse Ö. 35 habe ich irrthümlich die Kuinen Hissardzik und Asarlyk
östlich und westlich von dem Dorf Vetren (das mitunter türkisch ebenfalls Hissardzik
genannt wird), als einen Ort zusammengefasst.
'') Grand Ibar und Petit Ibar auch auf den von Kiepert veröffentlichten
Cartes des nouvelles frontieres sehn les ddcisions dji congres de Berlin, Berlin 1881.
— Bemerkenswerth ist auch der Name eines grossen Dorfes an der mittleren
Topolnica zwischen Panagjuriste und Ichtiman: Poibrene, wörtlich übersetzt
= „Ad-ibr-enses". Es ist eher anzunehmen, dass die Einwohner ursprünglich am
wirklichen Ihr angesiedelt waren und ihren alten Namen auf einen neuen Wohn-
sitz übertragen haben, als dass die Topolnica je als Quellfluss des Hebrus ge-
golten habe.
92
riste; weiter durchschnitt sie wahrscheinlich die Ebene links von
der Marica in dem sumpfigen Mündungsgebiet der in drei Arme
getheilten Luda Jana und verlief geradeaus nach Philippopolis
(Strasse Tatar-Pazardzik — Philippopolis jetzt 35 Kilometer).
Das war aber hier nicht die einzige Route. Die Spuren einer
zweiten Römerstrasse führen aus der Umgebung von Pazardzik bis
Philippopel auf dem rechten Ufer der Marica, längs der jetzigen
Eisenbahn. Die topographisch wichtigste Frage ist hier die Auf-
findung der antiken Stadt Bessapara, die nach den Itinerarien
22 röm. Meilen = 3272 Kilom. von Philippopel entfernt war. Die
meisten suchten die alte Bessenburg in Tatar-Pazardzik, einer
grossen offenen Stadt (,14380 Einw.) am linken Ufer der Marica,
die aber nach türkischen Berichten erst 1485 von Bajezid II. ge-
gründet wurde. Das im Mittelalter öfters erwähnte Batkun mit
seinem kleinen Castell; seinem St. Peterskloster und dem bei Akro-
polita (ed. Bonn. 128} sehr wahrheitsgetreu beschriebenen beschwer-
lichen Steig durch die Buchenwälder der Rhodope aufwärts zu den
Ruinen der byzantinischen Burg T^erraiva und zu der nahen, noch
immer Cepino genannten Gebirgslandschaft, liegt für Bessapara
zu weit westlich und kann schon der Entfernung nach nicht mit
ihm identificirt werden. Im Jahre 1883 besuchte ich die zu Ru-
melien gehörigen westlichen Rhodopelandschaften, sah eine Anzahl
mittelalterlicher Denkmäler, aber keine Reste einer antiken Stadt,
da ich mehr einwärts im Gebirge blieb und die nächste Umgebung
von Tatar-Pazardzik nicht näher untersuchen konnte. Die genaue
Distanzangabe der Itinerarien führte endlich doch zur Feststellung
der Lage von Bessapara. Im Jahre 1885 fand Herr V. Dobrusky,
Lehrer am Gymnasium von Philippopel, die Substructionen der
alten Stadt ungefähr 5 Kilom. gegen SO. von Pazai'dzik, zwischen
den Dörfern Basikara und Simentli, auf der Südseite der
Eisenbahn und am Nordfuss der niederen Vorhügel der Rhodope,
des sogenannten „Baba Bair". Auf einem weiten Raum werden
dort beim Ackern alte Hausmauern, Fundamente von Ziegel- und
Steinbauten, Gräber, römische und makedonische Münzen u. s. w,
gefunden; das Material der oberirdischen Gebäude ist schon längst
für die nahe grosse Stadt ausgebeutet worden und dadurch von
der Oberfläche verschwunden"**). Jenseits des Baba Bair liegt auf
") Ein bulg. Aufsatz über Besaapara von Dobruskj^ in der Philippopeler
Zeitung „Marica" 1885 vom Ü. u. 9. Juli, Nr. 727 und 729.
93
der einzigen gut gangbaren Karavanenstrasse durch die Rhodope
zum Aegaeischen Meere, 4'/2 Stunden südlich von Pazardzik, die
Stadt Pestera (4000 Einw., Bulgaren, Türken und Wlachen) mit
einigen grossen Höhlen, einem Castell auf einer isolirten Höhe und
alten Eisenwerken; deren Material meist aus der Umgebung von
Radilovo und Ali-Chodzaköi (nördlich von der Stadt, gegen Bessa-
para zu) hergeholt wurde und die sammt den benachbarten ver-
fallenen Kupferbergwerken gewiss schon den alten Bessen bekannt
waren.
Zwischen Bessapara und Philippopolis gab es südlich vom
Hebrus in dem fruchtbaren Mündungsgebiet der wasserreichen Vi^ca
eine grössere antike Ansiedelung, vielleicht das 12 mp. = 18 Kilom.
von Philippopolis entfernte Tugugerum der Itinerarien. An den
Vorsprüngen der Rhodope stehen hier die im 12. — 14. Jahrhundert
oft genannten Burgen von Kricim, Ustina (otTia 'loucTTiva des
Kantakuzen) und Perustica, nebst zahlreichen kleinen, in den
Falten des Gebirges verborgenen Klöstern. Zwischen denselben
und der Eisenbahn bemerkt man auf den steilen Böschungen des
rechten Ufers der V^-ca, gegenüber dem Dorf Kurtovo Konare
(türk. Incular) , die Rudimente einer ausgedehnten Burg''^}. Die
Einwohner der Umgebung erzählen, die ganze Gegend zwischen
Konare, Perustica und dem kleinen Dorf Pastusa (19 Häuser) sei
einst eine grosse Stadt gewesen. Dies wird durch eine Menge von
Alterthümern bestätigt. Eine Stelle Stara Pastusa (Alt - P.)
zwischen dem Dorf und der genannten Burg, ist voll Ziegel, grosser
Gefässe u. s. w. An der Südseite von Pastusa, einen Kilometer
vor dem Abhang der hier sehr steilen Rhodope ; wurde ich durch
den Anblick einer malerischen Kirchenruine überrascht, deren ziegel-
rother, an 9 M. hoher Kuppelbau aus den dunkelgrünen Laubkronen
uralter Nussbäume emporragt, deren Geschichte aber in dem Be-
wusstsein der Einwohner gänzlich verschollen ist. Auf der Nord-
seite des Ortes erheben sich einige auffallend grosse Tumuli. Neben
einem derselben, der sogenannten „Banova mogila", fand man vor
wenigen Jahren, noch vor dem russisch-türkischen Kriege, Skelette
von Menschen und Pferden, nebst verschiedenen Bronzegeschirren
'') Der Name Dragovet für diese Burg (Heerstrasse S. 72) war in der
Gegend nirgends bekannt und ist wohl nur durch den Versuch einer Feststellung
der altbulg. Dragovici von Seiten irgend eines Localarchäologen von Philippo-
polis aufgekommen.
94
und einer Reihe „eiserner Wägen". Herr Luterotti, k. k. Consul
in Sofia, erzählte mir, es sei hier damals auch eine Metalltafel mit
lateinischer Inschrift gefunden worden, die der damalige französische
Consul von Philippopolis nach Paris sandte. Das wird vielleicht
das „ad PhiUjypopolim'' gefundene Militärdiplom des Kaisers Trajan
sein, gegeben Metlco Solae f. Besso (C. I. L. III p. 863). Weiter
nördlich fand Herr Dobrusky bei den an der Bahnlinie gelegenen
Dörfern Karatahir und Kadiköi alte Basreliefs, Säulen, Car-
niesse, Quadern u. s. w. und in Airanly an der Marica auch
einen gut erhaltenen Meilenstein des Kaisers Gordian^").
Die Strecke Philippopel- Adrianopel habe ich in der „Heer-
strasse", beeinflusst durch die Reisebücher des 15. und 16. Jahr-
hunderts und noch mehr durch den Mangel an Informationen über
die Alterthümer des linksseitigen Maricagebietes , auf das rechte
Ufer in die Ausläufer der Rhodope verlegt, wo auch die moderne
Chaussee die Verbindung beider Städte über Chasköi und Harmanli
vermittelt. Die Römerstiasse lag indessen nach den Untersuchungen
des Herrn Dobiusky auf der nördlichen, linken Seite des alten
Hebrus. Die Spuren des römischen Pflasters führen von Philippopel
durch das Mündungsgebiet des antiken, bei Plinius (N. H. IV §. 50)
und in den Acta S. Alexandri (Acta SS. BoU. Mai 3, 198) ge-
nannten Syrmus, Sermius, der jetzigen Strema, und sind
weiter sichtbar zwischen Skutarevo und Ragos , bei^ Manolevo,
Geren, Asykarlar, Celtikdzi, Karaorman, bis zur Stadt Cirpan. Von
dort erreichen dieselben (über AlipaSa Mahala) die von mir bereits
in meinem früheren Bericht**') erwähnten Ruinen Hissar-Kasabd,
an dem Bache Ak Der6 zwischen den Dörfern Cakyrlar und
Sary Ismail, die, voll von Quadern, Säulen, Ziegeln und reich
an Münzfunden, eine Fläche von 100 Dönüm (40 X 40 Schritt)
umfassen sollen. Für die Feststellung des Strassenzuges ist ent-
scheidend eine jetzt in Cakyrlar befindliche Inschrift, von der ich
damals nur den Anfang aus zweiter Hand bieten konnte. Ich habe
den Ort selbst nie besuchen können, erhielt aber durch die Freund-
*") Näher gegen Philippopolis zu sab ich ein Stück einer gepflasterten, viel-
leicht nicht sehr alten Strasse inmitten der jetzt aufgegebenen Reisfelder bei
Airanly am Ufer der Marica; ein anderes soll es weiter südlich bei dem Dorfe
Zlati Trap (bnig. „Goldgraben") geben.
"') Monatslxr. der IJerl. Akad. l«8t S. 447. Ich hielt damals die Ueber-
reste der Römerstrassen im lie/irk von Mirpan für Stücke der Seitenlinien von
der Haiiptstrassc nach Beroe.
95
liebkeit des Herrn Charles Brophy , britischen Consuls in Burgas,
eine (nicht von ihm selbst aufgenommene) vollständigere Copie. Jetzt
während des Druckes der vorliegenden Seiten erhielt ich durch die
Freundlichkeit des Herrn Dobrusky, der schon in der „Marica"
Nr. 729 von der Inschrift eine Abschrift in Cursiv publicirt hatte,
aber nur bis zu den Worten evTröpiov TliZioq und ohne Zeilenthei-
lung, eine vollständige von ihm selbst genommene Abschrift. Nach
seiner Beschreibung (aus Philippopel, 28. ]\Iai 1885) ist der Marmor
ri6 M. hoch, 1*13 M. breit; die Inschrift selbst nimmt eine 0*89 M.
hohe und 0*55 M. breite Fläche ein. Die Schrift ist in den Zeilen
1—7 3 Cm., in Z. 8—11 V/^ Cm., im Rest nur 1 Cm. hoch. Ober-
halb der Inschrift befindet sich ein dreieckiges Tympanon mit Pal-
metten an den Ecken und mit einem Pfeil in der Mitte. Noch
unlängst war das Denkmal ganz unversehrt. Die Einwohner von
Cakyrlar aber meinten, der Stein berge in seinem Innern einen
Schatz und spalteten ihn entzwei. Das abgebrochene Stück (links
unten) liegt jetzt im Boden vergraben, und die Bauern wollten um
keinen Preis einen Spatenstich zu seiner Hebung unternehmen, um
das vermeintliche grosse Geld ja nicht einem Fremden in die Hände
zu bringen. Die Inschrift berichtet uns über die Gründung des
aus den Itinerarien wohlbekannten Pizus in der Zeit des Kaisers
Septimius Severus, nennt zwei thrakische Dörfer, sowie zahlreiche
Personen mit thrakischen, römischen oder gemischten Namen, wie
dieselben auch auf den Inschriften des nahen Beroe (Eski Zagra)
vorkommen ^^):
*') [Die Inschrift fällt nach dem in Z. 9 u. 10 stehenden Datum in das
Jahr 202; Z. 4 ist der Name von Geta getilgt. Der Anfang lautet: 'AT«6rii TÜxni-
'YiT€p TiQc; TÜüv lueYiöTuuv Kai ecioxdTuuv auTOKpaxöpuuv A. Z€ttti|uiou Zeoui'ipou
TTepTivaKO(; K(ai) M. AupJitXiou) 'Avxmveivou ZeßCaoxOüv) [K(ai) TT. ZeirxijLiiou Fexa
Kaiaapot;] K(ai) 'louXiaq Aöiuvriq |Li>-ixp6<; KÖaxpoiv veiKrjq Kai aiujviou 6ia|uovfiq
Kai xoö aüvTTavxot; aüxOüv oikovj kuI iepä^ auvK\rixou Kui 6)'"i|liou xoO 'Puu,uaiujv
Kai kpüJv axpaxeujucixujv eKxioBr] Kaxä biupeäv xiuv Kupiaiv evTTÖpiov TTi^oi; eiri
UTTÜxujv xüjv KUpiuuv oüxoKpaxöpuuv A. IeTT(xi|uiou) Zeoui'ipou TTepxivaKo<; K(ai) M.
Aüp(ri\iou) 'Avxuuveivou leß(aaxü)v) K(ai; juexuJKiaav eiq aüxö oi ÜTTOxexa[Y],uevoi.
Hierauf waren in der Inschrift verzeichnet (öiroxexaYluevoi = suhieeti) die Ueber-
gesiedelten, aber in den geringen Resten ist die Lesung und selbst die Anordnung-
mehrfach unsicher. Nach der Abschrift kann es scheinen, als sei nach üiroxeraY-
|u^voi etwas getilgt und es sei das darauf folgende oi olKrixopei; und das darunter
stehende 'ApxeXaoc; 'AküXou, beides anscheinend in kleinerer Schrift, sp<äter nach-
getragen. In der folgenden Zeile steht /.unächst K\b\x\\<:, iKeXaßpinc, Kuü.un^ iKeTTXiiJv;
das Weitere ist mir nicht klar, am Sc.hluss sclioint 'Avxoiviou und vielleicht kurz
96
ATAGHI TYXHI
Y re P TC TaN iVE r I E T^N< A l 0 E I o T A TaN A Y T o K P A
TOPWN-A- CEnTIMl8CE8PP8rEPTINAKO EK - M • AYPH
AR.r^IN8E E B B / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / K-
5 1 8 A 1 A E A o iVIN^ E M-TPDEKA ET PaISNE 1KH:KAIAI\VNI8
AIAMON-EKAIT8EYN1A N"oE A Y TaN oIK8KAIIEPAEEYN
KAHr8KAIAHVl8T8 Pa!W A I V\N K A I 1 E PaNIT A T Y M A T%N //// //// m
EKTlE0^KATAAlJÜ3EAN;^NCYPI WNENloPIomiZoEEni
Y n A T^NXNK YPlWNAYToKPATo PaN • A • EEH • EE8 H'8 HEP
10 T.NCoEK-JW-AYPAN T\l^ I N 8 E E B B !€ NE TAK1CA^E flEAYTO
O I Y n O -E T A I WENOI ////// lololKPTOPEE
KW>«:EKEAABPIH:KVv^^^:EKE^TAN/////rENIKIA■EXA8oWA^^ANll^AN"AN18
'^Y£h:m8katpaaeuekeaeoeaaahiopeoe////////ek8(opet88aepioep8*o:
ir r mSkatfaaieboeeo" aoahea / ivi<iANo:M<AnopEO:
m8 taheap CT mkiano:akya8
A I E 8 A aero:
8*or. K8
Dadurch ist ein fester Punkt für die Strassenlinie gegeben
Das westlich von Pizus genannte Carasura ist wohl mit dem
„Hissarlik" nördlich von Cirpan identisch ^'''). Die weitere Fort-
setzung der Strasse lässt sich gegen SO. von Pizus zwischen den
Dörfern Gurbet und Uzun Hassan, sowie bei Ak-Bunar verfolgen.
Dieselbe erreichte dort die schon von Ptolemaeus genannte Stadt
Arzus an dem fluvius Arzon der St. Alexanderlegende, dem
jetzt Sazli, Sazlijka genannten Fluss, welcher die Gewässer der
fruchtbaren Ebene von Alt-Zagora nach Seimenli zur Marica führt
Die gepflasterte Strasse soll die Sazlijka oberhalb Seimenli bei
Surut überschreiten und bleibt wahrscheinlich auch weiter östlich
in dem Hügellande nördlich von dem Hebrusthal. Ich kenne zwar
diese Landschaft an der rumelisch - türkischen Grenze nicht aus
eigener Anschauung, aber als ich den nahen Bezirk von Kavakli
vorher derselbe Name in etwas anderer Form zu stehen. In den näclisten Zeilen
erkennt man etwa folgende Namen: [BjüZrit; MouKaxpciXeoi;, K^Xöoq AaXiiTTÖpeoi;,
.... €KouopgTou y), Ou(a)X^pio^ 'PoOqpoc;, .... MouKäxpoXic; Boö . . . ., AöXrjc; ' A . . . .,
MouKiavü^ MouKUTTÖpeüc;, MouKiavoq 'AküXou, Xic OüüXtvToq, . . . ou
<t>Ö(IKOU. E. 15. 1
*^) Dies ergibt sich ans den überliefcrtin Distanzen: 40 mp. von Pliilippopolif»,
18 mp. von Beroe (Acta R. Alexandri), 11 mp. von Pizus (nach dem Itin. liier.).
97
besuchte, erzählte man mir von einer grossen Burg mit Brunnen
und doppelter Mauer auf einer Höhe bei dem Dorfe Glavan, mit
einer j:^rossartigen Aussicht, die angeblich bis Philippopel reichen
soll. Die Entfernung dieses Ortes von Adrianopel, Eski-Zagra und
Cakyvlar entspricht (mit geringer Differenz) der überlieferten Distanz
zwischen Subzupara oder Castra Zabra (Jarba, Zarba) und
Hadrianopolis, Beroe und Pizus.
Diese römische Strasse von Philippopel nach Adrianopel dürfte
erst seit dem 13. Jahrhundert aufgegeben sein. Die Kreuzfahrer
1189 und die Constantinopler Lateiner scheinen sie noch begangen
zu haben. Das drei Tage von Philippopel, einen Tag von Beroe
entfernte Städtchen Blisnos, Blisimos, Blisme des 11. — 13.
Jahrhunderts, das schon von Vjllehardouia (1206) als verlassen
erwähnt wird^ mag mit dem alten Pizus identisch sein. Die süd-
liche Linie über Chasköi erscheint erst im 13. Jahrhundert, z. B.
bei Gelegenheit des an derselben erfochtenen Sieges der Bulgaren
bei Klokotnica (j. Semizce) 1230. Im 13. und 14. Jahrhundert,
wo Pliilippopolis z. B. bei Kantakuzen (1, 173) ausdrücklich als
Grenzstadt bezeichnet wird, bevorzugten die Byzantiner den stra-
tegisch sichereren, durch die Marica von der Nordseite gedeckten
Weg über die Vorberge der Rhodope, und diesen übernahmen auch
die Türken.
Die antiken Verbindungslinien zwischen dieser Hauptstrasse
und der Donau sind an den Uebergängen über den Haemus durch
Reihen kleiner Burgen bezeichnet. Die Passhöhen selbst waren
wohl ursprünglich alle mit Castellen und Quermauern befestigt,
jedoch sind diese antiken Bauten, ebenso wie das alte „Trajans-
thor" , im Laufe unseres Jahrhunderts bei der Herstellung neuer
Chausseen und verschiedener Befestigungsarbeiten (z. B. auf der
Sipka) meist vollständig verschwunden.
Der Uebergang über den Balkan von Berkovica zwischen Sofia
und Lom ist durch einige kleine Burgruinen markirt; unterhalb
des von Lejean und Kanitz beschriebenen Castells auf der Nord-
seite des Joches sieht man neben der jetzigen Strasse im Walde
auch ein Stück eines verfallenen engen Pflasters. Desgleichen ist
der nächste wichtige Uebergang über den Balkan von Etropol,
einerseits über Sti-rgel zur alten Bergstadt Etropol, andererseits über
das Joch von Araba Konak zu der neuen Kreisstadt ürchanie, durch
Castelle vertheidigt gewesen. Einige Kilometer nördlich von Araba
Äroliäologisch-epigrapliische Mitth. X. n
98
Konak soll der Pass früher durch eine Quermauer mit Burgen
gesperrt gewesen sein.
Aehnliche Burgruinen alten Ursprungs bezeichnen die ein-
stigen Wege durch die Sredna Gora. ein mit prachtvollen Buchen-
wäldern und schönen Wiesen bedecktes Gebirge mit rein bulgari-
scher Bevölkerung. Nordöstlich von TatarPazardzik ragt noch
vor dem Gebirge eine Reihe isolirter Kegel vulkanischen Ursprungs
empor, die sogenannten Kojuntepe (türk. „Schafshügel"), deren
einer (bei Ferezli) von einem Castell gekrönt ist. Der Sage nach
führte von dort ein alter Weg durch die Sredna Gora zum Balkan
vpn Etropol, dessen Richtung in der That durch eine Reihe von
Burgen angedeutet ist: ein Castell auf einer schroffen Höhe ober-
halb einer warmen Quelle bei dem Dorf Banja südwestlich von
Panagjuriste mit der Spur eines gepflasterten Weges, weiter ein
Pavla genanntes Castell bei dem Dorfe Mecka, wo man mir
neben mittelalterlichen Münzen auch ein daselbst gefundenes Silber-
stück der Kaiserin Faustina zeigte , sodann eine Reihe kleiner
Schlösser in den Wäldern am westlichen Fusse der Bratia, von
deren Gipfel (an 1600 M.) ich zu meiner Ueberraschung nicht nur
die Gebirgsmauern des Haemus einerseits und der Rhodope sammt
der Ryla andererseits , sondern auch beide Hauptstädte der um-
liegenden Länder, Sofia und Philippopel erblickte. Der alte Weg
berührte dann eine grosse Burgruine bei Petric (TTeTpix^dc; zwi-
schen Philippopel und Triaditza bei Anna Komnena ed. Reifferscheid
n, 41. 256) und traf weiter die Balkanpassage vor Etropol. Vor
der Entstehung der beiden modernen Bulgarenstädte der Sredna
Gora, Panagjuriste und Koprivstica, war das fast zwischen beiden
gelegene Strelöa das Centrum dieses Landes, jetzt ein Dorf
(280 Häuser) mit einer warmen Quelle und einer Castellruine. Für
die mittelalterliche Bedeutung des Ortes spricht der Umstand, dass
hier die einzige osmanische Colonie in dieser Landschaft gegründet
wurde; seit 1877 sind jedoch die Türken ausgewandert**). Von
**) Der Grabstein eines Aureliua Seutea veter anua ex equitihua
aingularihua wird von Lejean (C. I. L. III, 61'2'2, Dumout Nr. 25) als in Lidaa
Hissar nördlich von Pliilippopolis, von Zachariev (vgl. Archäol.-epigr. Mitth. I, 66}
als in Strelca befindlich angegeben, ein Käthsel, das ich nicht zu lösen vermag. —
In BanJH bei Panagjuriste soll man vor nicht langer Zeit auch einen „lateinischen
Stein" ausgegraben haben , dem ich jedoch trotz allen Nachfragen nicht auf die
Spur kommen konnte.
99
Strelca führten zwei Pfade über die Sredna Gora in das Becken
von Zlatica, der eine durch den Pass Meded zu einer von zwei
Castellruiaen flankirten steinernen Brücke über die Topolnica (wahr,
scheinlich dem Endpunkt des Zuges des Königs Wladislaw III. 1443)
der andere durch das Quellgebiet der bei Koprivstica entspringenden
Topolnica, beide mit einigen kleinen Burgen. Das landschaftlich
schöne, zwischen den Steilwänden des Balkan und den Waldbergen
der Sredna Gora eingeschlossene Becken von Zlatica mit der
gleichnamigen, wohl uralten, jetzt ganz verfallenen Stadt und dem
nahen, rasch aufblühenden Pirdop, besitzt zahlreiche grosse und
kleine Tumuli — auf dem Gipfel eines der gröstten, der ..Tartarica'^
östlich von Pirdop, stand zuletzt die bulgarisch -rumelische Zoll-
wache — sowie eine Anzahl mittelalterlicher Burgen, Klöster und
Kirchen, aber für das Alterthum konnte ich ausser einigen Münzen
(Septimius Geta u. s. w.) nichts erfragen.
Die wichtigste Römerstrasse über den mittleren Haemus, die
einzige, deren Pflaster sich jetzt noch gut verfolgen lässt, war die
in der Tabula Peutingeriana verzeichnete von Philippopolis nach
Novae (bei Svistov). Leider gibt die Tabula bis zum Haemus selbst
keine Ortschaften an. Eine deutliche Spur dieser Route bemerkte
ich eine halbe Stunde nördlich von Philippopel auf den steppen-
artigen Wiesen zwischen dem Dorfe Strojevo und der neuen
Chaussee: ein 3 M. breites, von N. nach S. orientirtes Pflaster
neben einem Tumulus und einem Schöpfbrunnen. Die Strasse
passirte die schon von Dumont {Inscripiions et monnments figures de
la Thrace p. 68) besprochenen Ruinen von Lidza Hissar oder
Hissar, in der schattenlosen, von einer Unzahl grosser und kleiner
Tumuli erfüllten Ebene am Südfuss der Sredna Gora. Die stellen-
weise an 5 — 6 Meter hoch emporragenden Mauern, aus abwech-
selnden Stein- und Ziegellagen ohne Thürme , bilden ein an den
Seiten 600 M. langes Quadrat, mit gewölbten Thoren in der Mitte
jeder Seite und umschliessen drei warme, in alten steinernen Bade-
häusern untergebrachte Quellen (-|- 47" C). Bei jedem Spatenstich
stösst man auf alte Fundamente, behauene Steine, grosse antike
Ziegel, römische und byzantinische Münzen u. s. w. Ausser Obst-
und Weingärten gibt es im Burgfrieden jetzt nur ein kleines Dorf,
das aber als Badeort und Sommerfrische der Philippopolitaner
einer neuen Zukunft entgegensieht^^). Das ist wahrscheinlich das
'*) An Inschriften sah ich nur eine (Dumont Nr. 26), zur Hälfte eingemauert
in der «Schwelle des westlichen Thores.
7*
100
von Alexios Komneuos an der Stelle einer antiken Stadt neuge-
gründeto NeoKacTTpov oder 'AXcEigüttoXk;, zwischen Feldern und Wein-
bergen ocYxoO neu 0i\i7T7TOU7TÖ\euj(; Kai rrepav Eupou toö 7TOTa)Lioö
errichtet (Anna Komnena ed. ReifFerscheid II. 262) für die bekehrten
TTauXiKiavoi, deren Nachkommen noch heute in der Umgebung
wohnen, noch immer Paulikiani heissen, aber gegenwärtig bulgarisch
sprechen und sich zum Katholicismus bekennen. Das thrakische
Diokletianopolis (Hierocles ed. Parthey p. 5, Not. episc. ib. 72)
ist eher in der Gegend des alten Pizus zu suchen, da es die Avaren
587 (Theophylakt Simokatta ed. Bonn. p. 102 1 auf dem Zuge zwi-
schen Beroc und Philippopel berührten.
Vom Hissar zum Balkan lassen sich die Trümmer der ge-
pflasterten Strasse recht gut verfolgen; sie ging geraden Weges
über die östlichsten Ausläufer der Sredna Gora in das oberste Thal
der Strema zu dem Dorf Karasarly (mit einer Castellruine) und
passirte sodann den Balkan von Trojan. Am Fusse des Balkans
liegt ein Dorf Tekke mit einer kleinen Burgruine, vielleicht das
alte Sub Radice, und auf der Höhe des Joches ein drittes Castell,
wohl das G römische Meilen weiter gelegene Monte Emno der
Tabula.
Der Südabhang der inneren Haemuskette ist nicht ohne
archäologisches Interesse, besonders die drei länglichen Thäler
zwischen dem Balkan und der Sredna Gora: das schon erwähnte
Becken von Zlatica, bulgarisch Zlätisko pole (680 M. Seehöhe)
an der oberen Topolnica, das Gjöpsa genannte Thal (an 500 M.)
an der oberen Struma, dem Syrraus der Alten, und das Tülovsko
pole bei Kazanlyk , das niedrigste (an 400 M.) und fruchtbarste
derselben, an der oberen Tundza, dem antiken Tonzus. Gewaltige
Tumuli sind das sichtbarste archäologische Wahrzeichen dieser
sonnigen Hochthäler. Ausser den zur Donau führenden Balkan-
übergängen gab es einen alten Weg, welcher alle diese Land-
schaften von West nach Ost durchlief, von Serdica bis in die
Gegend von Beroe (Stara Zagora). Ich habe dessen Spur in der
Gjopsa genau erfragt und zum Theil selbst gesehen. Die Einwohner
behaupten, derselbe beginne bei Tekke und ziehe sich bis Eski
Zagra, grösstentheils nahe an dem Fusse des hier sehr steilen und
felsigen Balkans. Er passirte das Städtchen Sopot (türk. Akd^e
klissd. „Weisskirche"), bei welchem sich auf einem steilen Gebirgs-
vorsprung eine viereckige Castellruine, ein (1877 niedergebrannteg)
Klostei- und in der Ebene vier grosse Tumuli befinden, und berührte
101
die 4 Kilom. weiter gelegene grössere Stadt Karl ovo (8190 Einw.).
In dem kleinen Zwischenraum zwischen diesen beiden Orten sah
ich (10 Minuten westlich von Karlovo) ein in gerader Linie ver-
laufendes, 3 — 4 Schritt breites Pflaster nebst einem kleinen Brücken-
bogen über einem Giessbach. Daneben liegen auf öden AVeide-
plätzen die schwach kenntlichen Fundamente von Häusern und
Mauern einer grossen alten Stadt, jetzt türkisch Uzun-sehir
(lange Stadt) genannt, welche angeblich der alte Mittelpunkt der
hiesigen Landschaft war, vor der Entstehung des ganz modernen,
wie man sagt, kaum 200 Jahre alten Karlovo. Das war wohl das
alte KdipK; des 13. und 14. Jahrhunderts, das Ghiopscie eines
ragusanischen Coraptoirbuches aus dem 16. Jahrhundert, dessen
Namen in dem Landschaftsnamen der Gjöpsa noch fortlebt, welcher
hier mitunter auch dem oberen Laufe der Streraa gegeben wird.
Weiter östlich ritt ich von Karlovo nach Miterizovo zwischen
Feldern und Wiesen fast eine ganze Stunde auf einem gepflasterten,
3 Meter breiten und ziemlich gut erhaltenen alten Weg. Seine
weitere Spur geht knapp am Fuss des Gebirges durch die herr-
lichen Buchenwälder des Quellgebiets der Tundza, einige Kilometer
nördlich von dem Städtchen Kalöfer (etwas unterhalb des Klosters
Sveta Bogorodica) und erreicht das Tulovsko pole bei dem Flüsschen
Ttza itürk. Älonastirderessi) , wo sich bei dem Dorfe Golem o
Selo die von Barth besuchte Ruine eines aus abwechselnden Stein-
und Ziegellagen erbauten grossen viereckigen Schlosses befindet^'').
In dieser Ruine wurden unlängst zwei Inschriftsteine gefunden, die
sich jetzt bei der Bezirksverwaltung in Kazanlyk befinden sollen.
Nach einer mir mitgetheilten Zeichnung eines Kaloferer Autodidakten
lässt sich deren Inhalt annähernd erkennen :
1. OLLONI ETM. . . .
ACATH. DV . . . .
LVTEM . ARAM . . .
DVM - CVRAV ....
. NOES .
*•=) Barth, Reise durch das Innere der Europ. Türkei, Berlin 1864, S. ,33.
Sein Büyük Obä ist Golemo selo. Er erwähnt (ib. 29. 34) auch die Reste einer
Römerstras.se. — Ttza und Tundza, beides Quellbäche eines und desselben Flusses,
des alten Tonzus, sind phonetisch ein und derselbe Name, mit und ohne Beibehaltung
des Khinesmus.
102
, NIY- SYO . . .
, ENSA-SYN. . . . ®')
O YOYIONOAEAI
TYZ
rAPOKONFYim
NKIZTAAIEHrXNEr
. . I . . .AErOPOYrEIPI
rrNOMHZA. . .
TP
Diese Burg ist wahrscheinlich identisch mit dem altbulga-
rischen Krtn, dem Centrum der meist neben Beroe genannten,
von Sliven bis Kopsis reichenden Landschaft Kprivdc;, Kpouvö(g, der
auf einem hohen Berge gelegenen Burg Akarnus des Edrisi auf
einer Route von Stobuni (bei Ichtiman) nach Barwi (Beroe) und
der Stadt Cornus, Corinus, welche man westlich von Stiphinus
(Sliven) und nördlich von Philippopel noch auf Karten des 16. Jahr-
hunderts (Mercator 1589 u. A.) verzeichnet sieht^^).
*') Ob die letzten drei Zeilen mit den ersten vier zusammengehören, ist mir
aus der Copie nicht ganz klar; vielleicht ist dazwischen eine unleserliche Zeile. —
Kuinen einer alten Stadt soll es auch bei Sofular (NW. von Kazanlykj am Fuss
des Balkan geben.
**) Da man KrT.n bislier gewöhnlich in dem von hier weit entfernten Karrm-
bad, einem Marktflecken neueren Ursprungs, suchte, muss ich meine Ansicht (cf.
„Periodicesko Spisanie", Ztschr. der liter. Ges. zu Sofia 1884, IX, 43 — 44) näher
begründen. Kaiser Isaak Aticrelos (1190) flüchtete nach einer im Balkan verlorenen
Schlacht biä toö Xeyo^xevov KprjvoO izpöc, Ttiv Bepörjv (Nikefas Akominatos ed
Bonn. 562). Die Lateiner zogen 1206 nach Niketas p. 852 ju^xpi KpilvoO Kai
Bop^riq, nach Viliehardouin ed. Wailly p. 267 bis Veroi und Blisme. Eine Urkunde
des bulg. Garen Äsen II. aus den Jahren 1230—1241 (Miklosich, Mon. serb. p. 2)
zählt unter den Landschaften des Kelches auf: Trnovo mit ganz Zagorje, Preslav,
Karvuna (j. Balcik), Kri.n und Boruj u. s. w. Pachymeres erwähnt öfters Eltimir,
den bulg, Theilfürsten von Kpouvöq; der Feldzug des Kaisers Andronikos gegen
denselben (•!, 447) ist gerichtet nach 'Pedxoußn; (bei Beroe selbst, cf. Monats-
berichte 1. c. p. 454) und von dort i(; ZriAßvou iLi^xpi ^'^^ Kö\\>€U}<;, wodurch er
TÖv 'E\Ti|aripf^v änoKXeiei. Dabei erscheinen Kosokastro (Pacliym. II, 445 , Jambol
und Lardea (id. II, 559) ausserhalb dt s eigentlichen Gebietes des Herrn von
Kpouvö(;. Barwi heisst in Jaubert's Uebersetzung des Edrisi Kar vi; dass aber
nicht etwa an den unbedeutenden Sitz des Bischofs Kapdßou in der Metropolie
von Adrianopel (Not. episc. ed. Partbey ]>. 124), sondern an die >,n-()sse Stadt Bepön,
Horuj der Bulgaren, Berua der Lateiner zu denken ist, zeigt die Boschreibung der
103
Die anstossende Landschaft der grossen Stadt Eski - Zagra
mit den Resten des alten Bepoii habe ich schon einmal ausführlich
besprochen*®). Der Präfect des dortigen Kreises, Herr A. Hiev,
hat mich seitdem über die Lage eines Hissarlyk bei der Bahn-
station Radne Mahala (gegen SO. von der Stadt) unterrichtet, in
welchem viele Münzen von Thasos, sowie MaKebövuuv rrpouTric; ge-
funden werden. Demselben verdanke ich die Copien von einigen
Inschriften:
1. In Eski-Zagra (1882):
XlMONATEIAlANnrAiVETlE//
:ErhKOOT/MIAEI>£KAKO YPIA«" /
MOYTE ///// YTENKAETP s//////
HPniA'EIA» AYflBriMONTO/
O Y N A A M/////iVE^ECE0^EN01E ////
5 // ü hE K Y 1 ^")
2. In Eski-Zagra:
EEHOINA NTEOI
D Y^ENH EHHViOhE
Y O N" O E T H EePAKWM
EHAPXEIAC ////////
5 nil//////////EEBEEB
AN"IETPATl*OYHIEP/
TAT! BOYAH KAl/
/amtotato CA-W ®')
Lage am Fuss eines Gebirges, nahe an der Marica, zwei Tage von Adrianopel
u. s. w. (Recueil des voyages VI, 2, 293. 295. 383). Auf C o rn u s machte schon
Lelewel, GSogr. du moyen äge III u. IV, 115 aufmerksam.
«») Monatsber. der Berl. Akad. 1881 S. 435—454.
") [Etwa:
Buufaöv 'AxeiXiavCu Yain^Tit; |u' eöTtiae ZeKoövba
fipuji 'ATeiXmviü ßuj|uöv xövö' eiae XeKoövba
|LivJi|Lia \x^v kaao]xivQ\<^, xöp^a (?) be tu» veKui.
Vg-l. Kaibel's Nr. 3151, wo die früh verstorbene Gemahlin vom Gatten heroisirt wird.
Nach V. 1 folgt (in einem oder in zwei Versen?) die Motivirung, von der man
eiveKO KOUpiö..., dann out' ev ... out' 4v erkennt, deren Herstellung aber mit
der vorliegenden Abschrift mir nicht bat gelingen wollen. Tb. Gomperz.]
") Ist nach zum Theil vollständigerer Copie bereits Bull, de corr. hM. VI
(1882) p. 183 u. 5 publicirt, wo Foucart bemerkt, dass der Name Z. 4 und 5 ab-
104
3. Im Dorfe Avdzi-Duvandza (4 St. südlich von Eski Zagra)
am Dorfbrunnen:
AYPMOKIANC
M T O N B U)
WVON
E Y X H C 6 N
Aup(ri\ioq) MoKiav[ö(; . .]t6v ßuuMÖv euxnq evfcKa]
4. In der alten Kirche zu Jeni-Zagra (Nova-Zagora) :
/h;i////7//////////////
AHAAMAMHTPl'EGh/
/ AIAEVrAAEHNHEIl
A UJ A E K E TC * 0 I M E N
5 PN< A E I N^M>C E V 0 E I V /
rA<l>OEEYNMHrHEE
K8NAANHSTA*IE
kaaaSeacepa©
KENEON
10 EYTYXl/ "')
sichtlich getilgt scheint, In demselben erkennt er zweifelnd noch die Lettern:
ci>AoYAnAl.. . .EloY und liest daher beöiroivav Tr|<; oi[K]ou|aevn(;, ^^fe^xovivovroc, rf\q
OpctKUJv t-napxdac, 0X(aouiou) OüXit(iou) 'A. . .eiou TTp[e|aß(euTOÖ) leßaaroö)
ävTiOTporriYOU, ^ iepoiTOiTri ßGoX»") Kai [ö] Xi/uirpÖTaToe; f)riM[o<;] ....
'') [Lies:
...|ur|ö' äpLU |ar|Tpi xeOnvai
XtUYaX^r) voüoiu buibeK^Tii qpOi|Li^vriv
KXeivi^v Keüöei T^be Tdqpoq oüv lunfpi leKOÖvbav,
r\v TTacpin KdXXou<; äöxepa GfiKe v^ov.
(Fortsetzung folgt)
Prag CONSTA NTIN JIRECEK
105
Denkmäler aus ßrigetio
Wir berichten im Folgenden über zumeist aus Brigetio stam-
mende Denkmäler, welche von uns bei einer Reise, die wir nach
Ungarn und Serbien im Sommer 1885 für das archäologisch-
epigraphische Seminar unternahmen , theils in 0-Szöny (Brigetio),
theils in Pest gesehen worden sind. Die wenigen Stücke , die wir
an erster Stelle bringen, befanden sich Ende August 1885 noch auf
dem Lagerfelde von Brigetio, wo sie im Laufe des Jahres gelegent-
lich der Schanzarbeiten, die daselbst unter der Leitung des Herrn
Hauptmannes Milos Berkoviö Borota ausgeführt werden, zu Tage
gekommen waren. Die kleineren Fundgegenstände befinden sich
in Komorn in der Sammlung des Herrn Borota, der sie selbst zu
veröffentlichen gedachte ^). Der Haupttheil der in den letzten Jahren
in und um Brigetio gefundenen Denkmäler war bereits ins Pester
Nationalmuseum überführt worden, woselbst sie uns freundlichst
zugänglich gemacht wurden. — Der epigraphisehe Theil des Berichtes
rührt von G. Schön, der archäologische von R. Weisshäupl her.
Im ersten Jahrgange dieser Zeitschrift haben die Herren
Majonica und Schneider ausführlichere Mittheilungen über Monu-
mente von Brigetio gegeben, welche jetzt im Pester Nationalrauseum
aufbewahrt werden.
Wir sahen in Brigetio noch folgende Stücke:
L Block aus Kalkstein, gefunden im Frühjahre 1885 auf dem
Lagerfelde. L. 1'14, H. 0-555, T. 0-18. Derselbe bildete vielleicht
den oberen Abschluss einer Aedicula, die Jupiter und Juno
dedicirt war. An seinem unteren Theile ist er in der Mitte halb-
kreisförmig durchbrochen. Rechts unten ist eine Zeile abgebrochen.
I- 0-M-E-IVNONI<'REGINE*
* PRO- S A L V '!• E M I M P E R I * SIC
CL- ELT'A'EClCITaNVS-CFELIXMPRc
ELEVThEREToM OVIIIACLFELICISMA
') [Nach freundlicher Mittheilung des Herrn Professor Hampt'l befinden sich
diese Geg'enstände ebenso wie die von den Verfassern dieses Berichtes noch in
Brigetio gesehenen Denkmäler (unten 1 — 3) jetzt auch im Nationalmuseum. A. d. R.]
106
•'' C' F E L I C 1 T A S • si ^t^R r i-f , . ^l CRESCENTIN
■EERNA-BASS- /^^^^ ^sC l CRES C E S •
cltitinvs- ^ \cl-jwavia
fjavictor \libert*
M I L E i^E 1 /
J{ovi) Oiptimo) M{aximo) e{t) Junoni regin{a)e pro salutem
imperi. Cl(audius?} Eltia et Cl{aud{us) Citanus , C{laudius) Felix
m{agister) pr{imus), Eleuther et M. Ovilia{?) Cl{audi) Felicis ma{gistri),
Cl{audia) Felicüas et Erna (?) Bass{iani?) si{g)nifer{i) le(gioms) I;
Cl{audius) litianus, Fl{avius) Victor mile{s) le{gionis) 1; Cl{audiiis)
Crescentin{us), Cl{andius) Cresces, Cl{aiidia) Maura liherta. [d{e) s(ud)
p{ecunia)?]
Obwohl die Inschrift im Ganzen gut erhalten ist, erziehen
sich doch bei den barbarischen Namen Schwierigkeiten. Zweifelhaft
ist, ob in Z. 4 nach Elevther et der kleine Kreis als Punkt anzusehen
ist. Vollständig unklar ist der folgende Name. Nach dem v sind
nur drei verticale Striche zu erkennen. Auch in Z. 6 ist der Name
Erna auffallend und statt dessen vielleicht {A)eter})a zu verstehen.
Die Auflösung des //*. pr. Zeile 3 in magister primus scheint mir
durch die folgende Bezeichnung der Gattin dieses INIannes sicher,
da hier zu dem Namen des Gatten der Zusatz ma tritt. Der auf
PR folgende Rest einer gebogenen Linie rührt, wenn er nicht zu-
fällig ist, von einem Punkte her.
In der fehlenden Zeile am Schlüsse mag eine Formel ge-
standen haben, wie: d^e) s(ua) p(ecunia) oder v(otum) s{olverunt).
Gewidmet wurde das Heiligthum von einer Genossenschaft,
von der ein Mitglied vuigisfer primus, also der erste war, der das
gemeinte magisferi'ivi bekleidet hat (cf. C. I. L. VI, 188. 445). Wel-
cher Art dasselbe war, lässt sich aus der Inschrift nicht mit Sicher-
heit erschliessnn. Doch da die schönen und einfachen Formen der
Buchstaben die Zuweisung der Inschrift an die frühere Kaiserzeit
empfehlen, und dazu auch die Namen, meist Claudier und ein
Flavier, passen , da ferner unter den Personen zwei Soldaten der
Legio Prima Ädiulrix erscheinen und die Stadt Brigetio aus den
Canabae des Lagers dieser Legion entstanden ist, so hat die An-
nahme wohl finen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit, dass unter
niagisicr prinivs der erste Magister der Canabae von Brigetio zu
verstehen ist. So heisst in einer Insclirift aus Apulum C I. L.
III, 1008 L. Silius Maximus: magisfra[n)s primus in can{dbis), und
107
der andere bisher bekannte Magister aus Brigetio (C. I. L. III, 4298),
der Veteran derselben Legion und zugleicli Decurio in Brigetio
war, ist bereits mit gutem Grunde auf die Entstehung der Stadt
aus diesen Canabae bezogen worden.
Ich schliesse hier ein Fragment an , welches ebenfalls von
einem grossen Blocke aus Kalkstein, der auf demselben Lagerfelde
von Brigetio gefunden wurde, herstammt. Dasselbe ist bereits im
ersten Jahrgange dieser Mittheilungen S. 151 publicirt.
I ^
I R S
P R
Es ist nur ein geringer Rest, der uns hiermit von der Inschrift
erhalten ist, die Ecke oben rechts. Erwägt man aber, dass die
Baulichkeit, zu der sie gehörte, an derselben Stelle stand, wo die
oben besprochene, fast vollständige Inschrift gefunden wurde, und
dass in beiden Inschriften das Ende von den Zeilen 3 und 4, also
von dem Anfang der Liste der Beitragenden (wenigstens in der
vollständig erhaltenen) so gut wie identisch ist, so drängt sich die
Vermuthung auf, dass wir auch hier die Reste der Namen des Gl.
Felix und seiner Gattin vor uns haben: Ct. FeHx m.] yv. und
Feli\cis m(agistri).
2. Fragment eines rechteckigen Marmorblockes. H. 0"58,
L. \'2, T. 0 43. Gefunden auf dem Lagerfelde von Brigetio in der
zweiten Hälfte des August 1885.
Die Höhe der Buchstaben beträgt 0"103.
IMP-CAES-MAVRr
• CO S • III • P • P
3. Ausser diesen Inschriften sahen wir auf dem Ausgrabungs-
felde nocli den Torso einer sitzenden Zeusstatue aus weissem
Granit, vom Nabel an abwärts erhalten, 1. Fuss abgebrochen.
H. 0-61. Die Statue wurde nach den Angaben der Arbeiter in der
Nähe der jetzigen Schanzen gegen den Bahndamm hin in einer
Tiefe von ungefähr 1 M. gefunden. Der Gott hat um die Beine
ein Fliniation geschlungen und trägt an den Füssen Sandalen.
Ueber dem Bruche de^ 1. Beines ist noch das Sandalenband sieht-
108
bar. Der iibrit;;e Körper war nackt. Die R. ruht mit dem Blitze
dessen linkes Ende abgesplittert ist, auf dem Schoosse.
Im Hofe des Pester Museums befindet sich jetzt die Inschrift,
die Majonica und Schneider in Alt-Szöny vorfanden und Arch.-epigr.
Mitth. I, 154 publicirten (daraus Eph. epigr. IV n. 512). Da unsere
Abschrift vollständiger und genauer ist, so sei das Fragment hier
nochmals gegeben.
NR- B A S S O • T V «-i
Zeile 2 ist der untere Querstrich eines e noch deutlich zu
lesen, desgleichen ist ein Punkt rechts von t sichtbar. Am Scliluss
von Zeile 3 ist nach tv noch der Rest eines Buchstabens vor
banden, doch lässt sich nicht mehr entscheiden, was daselbst ge-
standen hat. Das Compendium ist aufzulösen: f^(it) t{ibi) t{erra) l{evis).
2. Fragment aus Kalkstein, OSö h., 0-35 br., 0-3 d.
I E
/ R
3. Votivara aus Kalkstein, 074 h., 0*43 br., 0*3 d.
CA VTO ■ P
M-MASICA
M AT E R ri
ANV S
V- S- L- M
Z. 2 sind c und a ligirt.
Cauto P{ati) M. Masica Matemianus v. s. l. m.
109
4. Kalksteinblock, als Baustein zugehauen, 0*8 h. , 0*42 br. ,
0-46 d.
d m
IL LA E
\TQ_VIAET\ S
RE- f-CONl rigi
et sih i uiv VS ■ F
I dEC ■ N\.V n briy
i S S im
5. Vorderplatte eines Sarkophages aus Marmor, links ^e
brochen, h. 07. Rechts von dem architektonisch begrenzten In-
schriftfelde, von höherem Rahmen umgeben, eine Nische, in welcher
in Relief auf einer altarähnlichen Basis ein nackter geflügelter
Knabe steht, halb en face, nach links gewendet, 1. Standbein. In
den Händen hält er eine Fackel, die, schief nach aufwärts gehend,
den Körper überschneidet.
l
anioiii sui i n i an i
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LEG LEG
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c i e IN D
V M -
cv
7- A V
I T
*'1-
Die Ergänzung wird gesichert durch eine Weihinschrift aus
Arrabona (C. I. L. III, 4368, genauer Arch -epigr. Mitth. I S. 148
= Eph. epigr. IV n. 514) : J{ovi) Oiptimo) M{axiino), Junoni regin{ae),
Minei^ae, Neptuno, Libe{ro) Pat{ri\, Dianae ceterisque) dihus, L.
Anion{ius) Sabiniuims cor)n(cular>us) leg{ati) leg[ionis) I. ad{intricis)
]}{iae) fijdeHs) S[e(verianae)'\ Umplum vetus[t{ate)'\ conlapsum faciun-
dum cur{avit) cum Aurlelia) [A\eUan{a') con{iuge).
6. Votivara aus Kalkstein, oben und links fragmentirt. h. 0*7,
br. 0-4, d. 0-35.
110
[linvicto)] ]>{eo) M{ithrae) . .asumni[us?] Arrncus [A]ugustaHs
mun{icipn) Brig{etionis) An[t\nniniani [v{otum)\ s^olvit) l{ihens) m{erito).
Der Beiname Antoninianum für das Municipium Brigetio er-
scheint hier zum ersten Male. Es fällt demnach die Erhebung von
Brigetio zum Municipium in die Zeit des Caracalla, nach dem auch
die hier stationirte Legio 1 adiutrix den Beinamen Antoniniana er-
hielt, cf. C. I. L. III, 4364.
7. Stele aus Kalkstein . h. 2 27, br. 0-75. Inschriftfläche
h. 0-61, br. 0'52. Die Vorderfläche der Stele ist durch einfache
horizontale Rahmen in drei Felder getheilt, deren mittleres die In-
schrift trägt. Im oberen erhebt sich auf korinthischen Säulen ein
mehrfach umrahmter Reliefgiebel. Zwischen den beiden Säulen ist
ein mit zwei Bändern verzierter Kranz, der eine Patera umschliesst,
dargestellt: im Giebelfelde ein sehr stark abgescheuerter Porträt-
kopf [?] über einer quer über die Fläche sich ringelnden Schlange.
Ueber den beiden Schenkeln des Giebeldreieckes, parallel mit den-
selben, ist je ein Delphin , mit dem Kopfe nach abwärts gerichtet,
angebracht.
Das dritte, untere Feld, das sich an die Inschrift anschliesst,
enthält verschiedene Werkzeuge, nämlich (von links nach rechts):
ein Winkelmaass, zwei Bohrer, ein Doppelbeil, ein Scrinium mit
Rollen, ein Beil mit halbmondförmig gekrümmter Schneide (TTepiT0|ieu<;,
Blümner Technol. I Th. II Fig. 27) und einen Schusterleisten.
Die Inschrift lautet:
D VI
/ O N O N I V S
V'TAL ISANXL
I I M Q_l A ^J Vk R I
5 VSVCTLEGIADPF
P A L ) O N 1 V I N Vj
111
1T.VEL'\1NGEN\A
M A Ri 1 O SVO PIEH
/iSSIMO-POSVER.-
d. m. [B]ononius Vitalis an{norum) XLII M. Q{uinctiu^) Janua-
rius vet(eranus) lfg{ionis) I. ad{iutricis) p{me) f(idelis) P. Ael{ius)
Oni[c\inus et Aelia Ingenua marito suo pienlt^i-simo posuer{unt).
Die Stele ist an der Oberfläche sehr stark verwittert, doch
kann die Lesung bis auf wenige Buchstaben als gesichert betrachtet
werden. Sehr schwer ist anzugeben , welcher Buchstabe Zeile 6
nach Oni gestanden hat, doch dürfte wohl c zu erkennen sein.
8. Stele aus Sandstein, in zwei Felder getheilt, oben und
unten gebrochen, h. 1*62, br. 09, d. 0-2. Im oberen Felde ist eine
Rosette von einem Kranze umschlossen; das untere Feld trägt die
Inschrift, an der noch Spuren von rother Bemalung zu sehen sind.
D M
CORNELIAE
V ALENTl N A E
A N XIX • SAM
5 M A R C E L L I ?>; A
FIL r
d. m. Corneliae Valentinae an{norum) XIX Sam({a?) Marcellina
fil{ia) p{osuit).
9. Votivara aus Kalkstein, h. 0'25, br. 015. Spuren von
rother Bemalung.
s D s
A V R
= E L I
C A V S
S{ilvano) d(omestico) s{acrum) Aur{elia) Felica v{ptum) s[olvit).
Meilensteine
1. Meilenstein aus Sandstein, Höhe 2"3, Umfang 1"65. Die
Inschrift ist auf einer oblongen Tafel angebracht, h. 0'95, br. O^ö.
i W • C Ä. s
M- A«.-SEVR
VS-A.EWDR
112
P • F-A'GPOrf
ö FEX- M - T<bV-
ZIÄ.- P O "E S
TAts • Villi es a 230
III ■ p • p • R E
S t T V I T
10 a BR ■ M"- II
Impieratoi') Caes{ar) M. Aur{elms) Severits Alexander P(ms)
F(elix) Aug{ustus), pontifex m{aximus), iribu[m]cJae potentatis Villi,
co{n)s(ul) III, p{aUr) p{atriae), restituit. [a] Bri{getione) m{ilia) p{as-
suum) II
2. Fraojraent einer Meilensäule aus Kalkstein , doppelt be-
schrieben, Höhe 0 8. Umfang l'S.
«) 0)
IMP CAES
MARC IVLPHILI PJL) VS IMP CAES
PFINVICTVS aug
p o N- I g X M X I ^vcs LTACITOPFINVI
a. 245 0 -RIB/NICIÄPCES
cos p p PROCOsA VG FONTJN xj_
et TwarcilA O X C II T R I B_
Impierator) Caes{ay) Marc{us) Jul(^ms) Phili[pp]uii Piius) F{elix)
invictus[Aug{uiitus)], pontifex maximus, tribiiniciae pof.es{tatis), co{n)s{ul),
p{ater) p(atriae), proco{n)s{ul) , [et Marci]a Otacil[ia Severa sanctissima
Augusta, coniux Augusti nostri, vias et pontes vefusfate conlapsas per
alam III Tkrarum Phüippinnam restituerunt : a Brigetione milia
pas8uum...\ cf. C. I. L. 111,4627.
h)
Imp[eratori) Caes{ari) Cl. Tacito P(io) F(eUci) invi{cl6) Aug{usto)
pont{ifici) 7n[a]xi{mo)f trib[uniciae potestatis
3. Meilensäule aus Kalkstein, in zwei Stücke gebrochen, frag-
mentirt. a) Umfang O'?, Höhe 1'05; h) Umfang 1, Höhe 1.
I M' c A E S
MAN^^JRDINVSPF
AVGp. m. KbPOTES a. 238
113
PR». COSPPVIASCVM
•^ ?^>U/biis netiistAT. ''OH.Pt s
RhS tituit per alam iii
THrac. gor di an am
a hrif/. m. p. . . .
Imp{erator) \_C]afs{ar) 71/. An\t{onius) G]ord{anus P{ius) F{elix)
Augiustus), [p{on%ifex) m{ax{'mus)], trih{uniciae) potes{tatis), procos.,
l){ater) p{atriae) , vias cum pon[tibus vetust]ate c[o]nlaps{as) res[tituit
per alam III] T/i[)'ac{urn) Gordianam. aBrigetione m(ilid) p{assuum) . . .]
Man vergleiche die folgende Inschrift.
4. Meilenstein, publicirt in Eph. epigr. II p. 430 n. 910. Der-
selbe ist doppelt beschrieben, was Romer, der die Inschrift zuerst
abschrieb, entgangen ist.
IM' C A E S
MAVREGLAVDIVSP M ■ AR GOR c// NVS
a. 268 favgpisItribpot pf
cos PROCOS vcosn a. 242
VIAS VE I VS TATECON VETVSTATECONLAß
LABSAS CVNPO>ll
BVSRESTITV 1 T PER
A L A m III TPRA Cd au
D I A N AV
A B R I G
M' V I
Imj (eratur) Caes{ar) AI. Aure{lius) Claudius P{ius) F{elix)
Aug{ustus), p(ont{fex) [m(ax{mus)^, trib{unicae) pot{estatis), co(n)s{ul),
proco{n)s{ul), vias ve[t\ustate conlahsas cum pon[t]ibur> restituii per alam
tertiam Thrac{iim) C^auldiavam. a Brig[et{one) m{iUa) p(assuurn) VI.
Ursprünglich stand auf der Säule etwa: Imp[erator) Caes(ar)
M. Ant{onius) Gordianus P{ius) F{elix) Aug{ustus) , p{ontifex) [m](a-
xtmus) , trib{nniciae) pot(estatis) V, co(n)s{ul) II, proco(n)s(ul) , vias
vetustate conlahsas cum pon[i\ibus restituit per alam III T/irac{um)
[Got]d{ana>n. a Brig{etione) m{ilia) p{assuuifi) VI.
Von der ursprünglichen Inschrift sind die meisten Buchstaben
wieder verwendet worden. Dabei ist in Claudius das o von Gor-
dianus stehen geblieben. Ich habe die abweichende Lesung der
ersten Inschrift, soweit sie noch erkenntlich ist, beigesetzt.
Archäologisch-epigraphische Mitth. X. g
114
Sarkophage
1. Sarkophag aus Kalkstein, gefunden in Brigetio , 1. 2 M.,
br. 0-42, t. 0-92. Spuren von rother Farbe.
b) a)
MEMORIAE TITI Q
DOMNINISI VEP '. INMEMORIAJVVTITIVRSINIA
ASSERIS • NEGO
TIANTI SPLEND
5 IDO • QVI VI XI
TANNISSVI 5
N T r R PECT
OAB ARB ARl
S T I T I V S
N I Q_V IVIXiTANN • XVIIITIT
IVS DOMNINVSAVGVST
MVNICIPIBRIGFILIO PIEN
TISSIMOFACIENDVM
C V R A V I T
6)
D O M N 1 N V /
PATERIN FELIX
F I L I O R V iW / N
HOCSARCO
F A G O D V O
CO RP O R A
P O S V I T
a)
In memoriam Tili JJrsiniani, qui vixit ann{is) XVIII ^ Titius
Domninus Äugust(alis) municipi Brig{etionis) filio pientissimo faciendum
curavit.
Memoriae Titi q(iiondani)'^) Dotnnini swe Passeris negotianti
splendido, qui vixit annis XXV, interfecto a barharis , litius Dom-
'ninv\s\ pater infelix ßliorum [i]n hoc sarcofago duo corpora posuit.
Der Sarkophag trägt zwei Grab Schriften, wovon die frühere
in dem vertieften Mittelfelde der Vorderseite angebracht ist. Später
wurde im Räume links und rechts von der ersten eine zweite ein-
gegraben, nach welcher der Vater in demselben Sarkophage einen
anderen Sohn bestattete. Letzterer hat seinen Tod als Geschäfts-
reisender bei den Barbaren gefunden. Er führt dasselbe Cognomen
wie sein Vater Domninus, wohl als ältester Sohn ; zur Unterschei-
dung dient der hier mit sive angeknüpfte Beiname (Signum) /asser.
2. Sarkophag aus Kalkstein, gefunden zu Aquincum, 1. 2*31,
br. 0-86, t. M7.
') Das (lurchstrichene Q_= q{uondavi), welches im Gegensatze zu v(ivus)
den Tod bezeichnet, ist am Rande zum Namen hinzugesetzt, und so sind scheinbar
die Theile des Namens Tili und Domnini auseinander gerissen.
115
D M - VR. ■ FLAVO ■ n1 .)» L • JVl
T-INI ERPTRI • GE\
:) FF -COS- "E • iW- vfv
FILIO • COMMVNi • AVRhLlA ■ Q_
5 VATA • MRITO • "E- FILIO • DVLCISSIM
ISSCRIBi-IN-MEMORIA\-IVSSIT
d. m. M(arco) Aur{eli6) Flavo m[ü{iti)? du]pl{ario) [e]t
interpefri G^e[rmanwi^Jm off{icii) co(n)s{idaris) et M{arco) Atir[elio
. . . .]riti? ßlio communi Aurelia Qu[i]aeta (?) marito et filio dulcis-
simis scribi in memoriani iussit.
Zeile 2 ist inter'petri für mterpreti geschrieben , genau so wie
C. I. L. III, 2880 interpetrationem steht. Leider ist die Inschrift
gerade an der interessantesten Stelle verstümmelt, doch geben uns
die Reste zum Theile einen sicheren Anhalt für die Ergänzung.
Wie aus dem Anfang von Z. 3 hervorgeht, ist Flavus im Bureau
(officium) des Statthalters beschäftigt gewesen und zwar nach Z. 2
als Dolmetscher. Nun ist nach interpetri vor dem Bruche noch ge
erhalten, nach dem Bruche am Schlüsse der Zeile m. Ohne Zweifel
steckt in diesen Resten der Name des Volkes, für welches Aurelius
Flavus interpres war. Professor Hirschfeld ergänzt Germanorum,
das den Raum genau ausfüllt und wohl sicher das Richtige trifft.
Dass der Dolmetscher für ein Volk gewöhnlich demselben ent-
stammte, ist natürlich, und in unserer Inschrift passt das Cognomen
Flavus, das bekanntlich auch der Bruder des Arminius führte (Tacit.
a?in. II, 9; XI, 16), sehr gut zu germanischer Abkunft. Interpretes
für Völkerschaften werden erwähnt in der y^Notitia dignitatum"'
im Bureau des Magister Officiorum der beiden Reichshälften:
Or. XI, 52: interpreies diversarum gentium, Occ. IX, 46: interpretes
omnium gentium. Dolmetscher in der Provinz sind uns bereits aus
Cicero bekannt: Verr. 3, 57, 84; ad fam. 13, 54; ad Atlicum 1, 12,
2; 16, 11, 7. Aus Inschriften sind uns bisher nur wenige interpretes
bezeugt, wie Orelli 4204 ohne Zusatz, C. I. L. VI, 4871 (Henzen
n. 6319) und 8481 mit dem Zusatz Aug{usti). Etwas mehr ent-
spricht unserer Inschrift eine aus Batanaea in Syrien bei Lebas-
Waddington III, 2143, welche einen ep^^vea emTpÖTTuuv anführt^).
^) Man vergleiche noch hiezu eine Grabschrift aus Rom C. I. L. VI, 5207,
nach welcher zugleich mit einem Gesandten aus Phanagoria im Bosporus ein
^p)ar]veu(; ZapiaarOüv bestattet ist, der wohl zum Gefolge des Gesandten gehörte.
8*
116
Wie dieser zugleich dpxiepeu? war, so scheint auch Flavus mit der
Stelle des Dolmetschers zugleich eine andere bekleidet zu haben.
Es ist nämlich vor interpetri der obere Theil eines t erhalten,
welcher, da zum Schlüsse der vorhergelienden Zeile ein Punkt steht,
wohl nur zu "e (ei) ergänzt werden kann. Da hiernach in Z. 1 eine
Charge angegeben war und zum Schlüsse pl noch erkennbar ist,
so vermuthe ich m[il{iü) olu]pl{ario). Sicher ist dies natürlich
nicht, aber dass der Statthalter einer Grenzprovinz seine Dolmetscher
aus den ihm unterstehenden Soldaten nimmt und dass ein solcher
doppelten Sold bezieht, scheint durchaus ohne Anstoss*).
Zeile 3 fehlt vom Namen des Sohnes das Cognomen. Die
Reste von Buchstaben am Schlüsse dürften „riYi" sein.
3. Sarkophag aus Kalkstein, 1. 249, t. 1-31. Erhalten
ist nur der untere Theil des Sarkophagkörpers; der Bruch ist un-
regelmässig.
Die Vorderseite zeigt in der Mitte ein mit unregelmässig ge-
schwungenen Leisten eingefasstes Inschriftfeld. Zu beiden Seiten
desselben stand in je einer Nische ein Krieger (?) — der zur L.
ist von den Oberschenkeln, der zur R. von der Brust an erhalten —
bekleidet mit Chlamys, die im Rücken bis unter die Kniekehlen
herabfällt. Die Fij^ur r. trägt in der L. ein Schwert mit der Spitze
nach oben. Von der Inschrift ist, unmittelbar unter dem Bruche,
nur mehr erhalten :
ii R I s o 1 M A F
F C
Vor f{aciendum) c{uravit) ist das f sicher, aber vielleicht vom
Steinmetzen verhauen und [c]armima[e] geraeint.
Linke Nebeneeite: In der Mitte ein runder Altar mit brennen-
dem Feuer, l. von demselben stehen Orest und Pylades, rechts
Iphigenie. Orestes ist en face gebildet (Kopf fehlt) und mit langer
Chlamys bekleidet, die auf der Brust genestelt ist. Die Beine sind
gefesselt, die Hände auf den Rücken gebunden. R. von ihm steht
Pylades en face. Erhalten ist nur der Unterkörper und ein Theil
^) Professor Hirschfeld, dem ich diese Inschrift mittheilte, schreibt mir, dass
sowohl ihm wie Professor Mommsen die Ergänzung militi bedenklich erscheine,
Mommsen denke an inedico (ein solcher wird oft als duplicarius bezeichnet, vgl.
Marquardt Staatsverwaltung II S. 5.56 A. 2), er selbst an m[ensori].
117
des r. Armes, Er ist ebenso bekleidet wie Orestes. Die Hände
hat er gefesselt, die Beine scheinen frei zu sein. Seiner Körper
haltung nach wandte er sich vielleicht nach r. gegen Iphigenie hin.
Von letzterer ist nur mehr der Unterkörper erhalten. Sie steht r,
vom Altare und ist mit langem Chiton, Himation und Schuhen
bekleidet.
Rechte Nebenseite: Links steht Marsyas halb en face nach
r. , nackt, die Füsse gefesselt, die Hände hinter dem Rücken an
einen Baumstamm gebunden. Kopf und oberer Theil der Brust
fehlen. R. von ihm hockt der Skythe nach 1., bloss mit phrygischer
Mütze und zurückflatterndem Chlaraydion bekleidet. Mit der L.
schleift er auf einem halbkugelförmigen Steine sein Messer, mit der
R. weist er auf Marsyas, während er sich zugleich nach Apollon
umsieht. Letzterer steht, den Körper en face (r. Standbein; Kopf
und oberer Theil der Brust fehlen), nur mit langer, auf der Brust
genestelter Chlarays bekleidet, 1. von einem altarähnlichen Pfeiler,
auf den er mit der ausgestreckten L. (sie ist nicht mehr erhalten)
die Leier stützte. Der r. Arm scheint nach Maassgabe eines er-
haltenen Restes nach 1., gegen Marsyas hin ausgestreckt gewesen
zu sein (?).
4. Sitzende Athenastatue aus Kalkstein. H. (mit Basis)
1-33, Br. 0-55. Kopf, r. Arm und 1. Hand fehlen. Gef. in 0-Szöny.
Die Göttin sitzt auf hohem Throne mit Rücken- und Seiten-
lehnc\ Die Rückenlehne ist giebelförraig abgeschlossen und trägt
als Basis des Giebeldreieckes ein horizontales Reliefband. Ein
gleiches zieht sich an der Vorderseite der 1. und an den Aussen-
seiten beider Armlehnen oben hin. Die Göttin sitzt strenge en face
da; der 1. Vorderarm ruht auf der entsprechenden Armlehne, der
r. ging vom Körper weg; der r. Fuss ist etwas zurückgestellt. Die
Gewandung besteht in langem jonischem Chiton und Himation.
Letzteres ist um Leib und Beine geschlungen, geht dann hinter
dem Rücken hinauf und fällt über die 1. Schulter und den 1. Arm
herab, welchen es bis zu der Stelle, wo die Hand abgebrochen ist,
verhüllt. Die Füsse sind mit Sandalen bekleidet. Auf der Brust
trägt die Göttin die Aegis mit wulstartig umgebogenem Saume und
geflügeltem, unter dem Halse mit Schlangen versehenen Gorgoneion.
Zur R. Athenens stand auf der Basis, an die Vorderseite der 1.
Armlehne anschliessend, der Schild, von dem nur mehr die rück-
wärtige Hälfte erhalten ist. Er war von einem Reliefbande um-
rahmt. Im Saume des r. herabfallenden Himations, ungefähr in der
118
Höhe des unteren Aegiswulstes, ist ein mehrere Centimeter tiefes
Loch sichtbar; welches möglicher Weise zur Befestigung des Speeres
diente.
Die Arbeit ist roh, die Gewandfalten sind nur ganz im All-
gemeinen angegeben, die Körperformen nirgends klar herausgeholt.
Uebrigens war auch das Material , ein stark sich abblätternder
Kalkstein, für die Erhaltung des Werkes nicht besonders günstig.
5. Fragment einer Grabstele (?), rings gebrochen, 0*63
hoch, aus Kalkstein. Gef. in 0-Szöny.
Erhalten ist der Oberkörper einer en face gebildeten weib-
lichen Gestalt, mit Ausnahme eines Theiles des 1. Armes. Der
obere Theil des Gesichtes und die vorderen Haarpartien sind ab-
gesplittert. Die Figur ist bekleidet mit Chiton und Himation,
welches schleierartig das Hinterhaupt bedeckt, den r. Arm bis
unter den Ellenbogen verhüllt und von da quer über die Brust
gegen die 1. Schulter hinaufgeht. Ausserdem trägt sie Haarbinde
und Ohrgehänge. Mit der L., deren Finger noch erkennbar, um-
fasst sie einen länglichen Gegenstand , auf dessen unterem Ende
die Finger der R. ausgestreckt aufliegen (Spindel oder Büchse?).
6. Stele aus Kalkstein, oben und unten quer abgebrochen,
bezeichnet ylvV 1; H. 1-36, Br. 0-73.
Vorderseite : In dem beiderseits einfach umrahmten Felde steht
eine weibliche Figur en face auf einem Felsen (?). So viel bei
der sehr starken Absplitterung des Steines zu erkennen, ist sie mit
langem, 1. geschlitzten Chiton mit Ueberfali bekleidet, aus dem das
nackte r. Bein heraustritt. Eine dicke wulstartige Erhebung auf
dem rechten Oberarm scheint von dem Saume des Chitonärniejs
herzurühren. Den r. Arm senkend, den 1. hoch erhebend, hält sie
über den Kopf bogenförmig ein Gewandstück gespannt, welches 1.
in stark geknitterten Falten, r. in einer deutlich ausgeprägten
Quaste endigt. Zur Haltung vgl. Clarac IV, 563, 1206; Selene
auf den Endymionreliefs.
Rückseite: Auf einer stark vorspringenden Leiste als Basis
schreitet eine Pannonierin^ Gesicht en face, nach 1. vor. Sie ist
mit doppeltem, um die Mitte gegürteten und auf den Schultern mit
riesigen Fibeln genestelten Gewände , mit Haube und Sandalen
bekleidet und trägt, die Arme vorstreckend, mit beiden Händen
eine längliche Schüssel mit einem Schweinskopfe.
7. Stele aus Sandstein, unten abgebrochen, bez. tIft2;
H. 0-89, Br. 071.
119
Die Stele ist seitlich durch zwei Anten mit korinthischem
Kapital begrenzt. Das Kapital des r. Pilasters ist bloss vorne aus-
gearbeitet. Zwischen den Kapitalen grenzt die Bildfläche nach
oben ein Rundbogen ab, der auf zwei seitlich von den Anten vor-
springenden Consolen aufsitzt und oben das Epistyl berührt. Im
Stelenfelde steht eine nackte Frau (Aphrodite?) en face. Sie
blickt nach 1. auf die bis in Augenhöhe erhobene r. Hand. Die
L. liegt an der 1. Brust. Die beiden Hände scheinen einen Gegen-
stand, vielleicht ein gemaltes Band gehalten zu haben. An den
Kapitalen und der Figur selbst sind zahlreiche Spuren rother Farbe
bemerkbar.
Wien G. SCHÖN R. WEISSHÄUPL
Zu der Inschrift von Samothrake
Epliem. epigr. IV p. 53
In der samothrakischen Mysteninschrift aus dem J. 124 n. Chr.
hat O. Hirschfeld (in dieser Zeitschrift V, 224 f.) die erste Zeile,
in der rechts etwa 6 — 9 Buchstaben fehlen, folgendermassen zu
ergänzen vorgeschlagen:
Regibus Jov[e et Aiigusfo] oder
et Imp. n.
Hirschfeld nimmt mit Recht an , dass die für Byzanz durch
Münzen der römischen Zeit constatierte Sitte, dass Götter als Be-
amte der Stadt figurieren, auch an anderen Orten bestanden haben
werde, und sieht für Samothrake gerade in dieser Inschrift einen
Beleg. Eine Notiz bei Livius bezeugt in der That diese Sitte aus-
drücklich für die Stadt Argos und unterstützt weiterhin auch Hirsch-
felds Vermuthung, dass dem höchsten Gott in Samothrake auf jener
Inschrift gewiss kein gewöhnlicher Sterblicher, aber wahrscheinlich
ancii kein anderer Gott, sondern „Hadrianus, der selbst als Jupiter
Olympius verehrte Kaiser'' beigesellt gewesen sei '). Livius (32,25)
berichtet nämlich : mos erat {in Argivorum civitate) comitiorum die
primo velut ominis causa praetores pronuntiare Joveni Apollinemque
■) Mommsen (Eph. epi'jr. V p. 81) zieht Jov[e et Junone] oder Aehnliches vor.
120
et Herculera. additnm lege erat, ut his Phüippus rex ndiceretur. cuius
nomen post pactam cum Romanis societafem quia praeco non adiecif,
fremitus primo muliitudinis ortus, deinde clamor subicientium Philippi
nomen iubentinmque legitimum honorem uaurpare, donec cum ingenti
adsensu nomen recitatum est. Zu Argos bestand also im J. 19 i
V. Chr. die Sitte, bei der Wahl der höc-hsten Beamten jedesmal
zuerst Zeus, Apollon und Herakles gleichsam als ständige Stadt-
vorsteher zu proklamieren, und schon damals hatte der griechische
Servilismus die gleiche Ehre einem fürstlichen Gönner, Philippus V.
von Makedonien, zugetheilt. War nun also auch die nach jener
Vermuthung dem Kaiser Hadrian in Samothrake erwiesene Ehren-
bezeugung keine ganz neue, so erscheint sie doch immerhin be-
deutend und ungewöhnlich genug, um die weitere Vermuthung
Hirschfelds noch immer aufrecht zu erhalten, dass diese Ehre mit
einem, auch aus anderen Gründen wahrscheinlichen, persönlichen
Besuch des Kaisers auf Samothrake (vgl. Dürr, Reisen Hadrians
S. 2. 55 f.) im Zusammenhang stehe.
Tübingen J. DÜRR
Römischer Votivsteiii aus TJiiter-Haidin
nächst Fettaii
(Ans einem an die k. k. Central Comtnission für Kunst- und historische Denkmale
gerichteten und von derselben mitg-etheilten Berichte)*)
Am 11. März 1. J. erhielt ich von einer befreundeten Person in
Pettau die Mittheilung von dem Funde eines Römersteines zugleich
mit der von Herrn Professor Rudolf Gaupmann in Pettau ange-
fertigten Abschrift. Danach zog ich weitere Erkundigungen sowohl
über die Inschrift, als auch über Fundort, Material und Dimen-
sionen ein.
*) [Ueber dasselbe Denkmal haben wir auch ausführliche Mittheilung' von
Herrn Professor Gurlitt in Graz erhalten, mit seiner vor dem Stein genommenen
Abschrift und einem von Herrn Professor Ganpmann sorgfältig' angefertigten Ab-
klatsch. Letzterem verdanken wir auch eine vortreffliche Photographie. A. d. K.]
121
Der Fundort liegt auf dem Boden des alten Poetovio, nahe
der Ortschaft Unter- Haidin, welche eine massige halbe Stunde von
dem östlich davon gelegenen Pettau entfernt ist. Man geht von
Pettau aus auf der Marburger Strasse bis zum Beginne der Ort-
schaft Unter Haidin; bevor man noch das erste Haus dieses Dorfes
erreicht, biegt ein Wiesen weg von der Strasse ab, welchen man
noch 300 Schritt weit zu verfolgen hat, um zu der Wiese des
Bauers Johann Gracher (Haus Nr. 19 in Unter- Haidin) zu gelangen.
Auf dieser Wiese wurde unter Erlenbäuraen der Stein in liegender
Stellung entdeckt und am 24. Februar 1. J. ausgehoben. Unmittel-
bar vor dieser Wiese befindet sich ein Feld, auf welchem Gefäss-
scherben, zum Theil von Terra sigillata, grosse Ziegelbruchstücke
und andere Baureste in Menge zerstreut liegen. Einige wohler-
haltene kleine Fussbodenziegel von da haben meine Bekannten für
mich erworben. Der Stein wurde im März vom Magistrat der
Stadt Pettau, welcher ein Localmuseum zu gründen beabsichtigt,
angekauft und ist vorläufig im Hofe des dortigen landschaftlichen
Gymnasiums aufgestellt.
Der Stein besteht aus einem einzigen Stück sogenannten
Bacherer Marmors, eines weiss-gelblichen krystallinischen Kalk-
steins, aus welchem die meisten Römerdenkmale Pettau s gemeisselt
sind. Auf einem 0-78 M. breiten, 0-24 hohen und 0-4 dicken Sockel
erhebt sich das Mittelstück 0-58 br., 044 h., 0*4 tief, auf dessen
Vorderseite in einem durch einen schmalen Rand abgegrenzten
Felde die Inschrift mit guten Buchstaben, anscheinend der ersten
Kaiserzeit, eingehauen ist, deren Höhe in Z. 1—5 allmählich etwa von
7 bis zu 3 Cm. herabgeht. Die Krönung des Steines bildet ein
einfacher Aufsatz mit einem Wulst, die zusammen 03 hoch sind.
Die Inschrift lautet:
V O L C A N O
AVG • S ACR
EX- IMP • ViCVS
FORTVN- A ■ TEMPI.
5 FORTVNAE • AD HORR
.M P
Volcano Aug{usto) sacr(um). Ex imp(erio) viciis Fortun(ae) a
templ(o) Fortunae ad horr(ea) mierüo?) p(osuit)*).
*) [Die Lesung ist nach den uns vorliegenden Abklatschen und der Photo.
graphie, aus denen wir auch das längere l in Z. 3 aufgenommen haben, röilig
122
Bei der Erläuterung fragt es sich zunächst, welcher Art der
Vicus ist, von dem der Stein errichtet wurde. Ein Vicus ist ein
Coraplex von Gebäuden, in der Stadt eine Strasse oder ein Stadt-
theil, ausserhalb der Stadt ein Dorf, in welchem die Gehöfte zu-
sammen, nicht wie in dem Pagus zerstreut liegen. Hier ist wohl
ein städtischer Vicus zu verstehen, da der Boden von Unter-Haidin
in römischer Zeit noch dem Poraerium von Poetovio zugehörte,
welches sich am rechten Drauufer in noch weiterem Umkreise über
Ober-Haidin, Schloss Thurnisch und St. Veit ausgedehnt zu haben
scheint. Auch spricht dafür der Umstand, dass in unserer Inschrift
die Grenzen des Vicus angegeben werden (« templo Forlunae ad
horrea , wobei wohl pertinens oder ein ähnliches Participium die
ungezwungenste Ergänzung ist), da eine solche Angabe nur beim
Vorhandensein mehrerer zu einem Ganzen vereinigten Vici, also in
einer Stadt vonnöthen ist und einen Sinn hat, nicht aber bei dem
einzelnstehenden ländlichen Vicus. Die Bewohner eines solchen
städtischen Vicus fanden, wenigstens in Rom, wo die Stadt seit
Augustus in 287 Vici unter je 4 Vicomagistri eingetheilt war, in
der Verehrung der gemeinsamen Laren in eigenen Kapellen einen
religiösen Einigungs- und Mittelpunkt. Eine ähnliche Einrichtung
wie zu Rom mochten denn auch die stä Itischeii Vici in den be-
deutenderen Colonialstädten, zu welchen jedenfalls auch die Colonia
Ulpia Traiana Poetovio zu rechnen ist , gehabt haben , wenn auch
eine Eintheilung derselben in Vici meines Wissens in den Donau-
ländern inschriftlich nicht erwähnt wird. Seinen Namen führt der
Vicus Fortunae augenscheinlich nach dem in Z. 4. 5 genannten
iemplum Fortunae, dessen Stelle also in oder bei dem heutigen
Unter-Haidin zu suchen ist. Die Magazine horrea, die an dem
anderen Ende den Vicus begrenzten, werden wohl militärische ge-
wesen sein, da Poetovio im ersten Jahrhundert n. Chr. das Stand-
lager einer Legion, der XIII Gemina war.
Dass der Vicus dem Volcanus, der hier zum ersten Male unter
Inschriften aus Steiermark erscheint, den Altar geweiht hat, erklärt
gesichert, mit Ausnahme des ersten Buchstabens in Z. 6. Nach der Ano;abe des
Verfassers haben die ersten Copien, auch die Professor Gaupmann's, vi, aber
neuerdings selireibt dieser, dass man auf dem Steine eigentlich nichts davon ent-
decken könne; Professor Gurlitt gibt nur einen unsicheren Rest, und auch auf dem
Abklatsch ist nichts mit einiger Sicherheit zu erkennen. Doch passen vielleicht
die Spuren mehr zu P, woran Professor Gurlitt gedacht hat, als zu M, und es
ist daher vielleicht p(ecunia) p{ublica) zu verstehen. E. B.]
123
sich wohl daraus, dass er vorzüglich zur Abwehr von Bränden und
zur Hilfe bei Feuersbrünsten angerufen wurde. Dies tritt klar
hervor an einer Stelle der Inschrift C I. L. VI, 826, die eine Wid-
mung an den Gott Volcanus enthält : ex voto suscepto . . . incendio-
ruin arcendoriim causa. Demgemäss finden sich auch unter den
Widmungen der Vorsteher der stadtrömischen Vici zwei an den
Volcanus quiefus Augustus (C I. I-.. VI, 801. 802), das eine Mal in
Verbindung mit der Stata Mater Augusta, die das Feuer zum Stehen
bringt.
Dass die Formel ex imperio andeutet , dass eine göttliche
Weisung die Widmung veranlasst hat, braucht hier kaum gesagt
zu werden ; in gleicher oder ähnlicher Bedeutung kommt auf anderen
Inschriften aus Poetovio vor ex iussu (C. I. h- HI, 4014) und ex visu
(C. I. L. III, 4018).
Olmütz, April 1886
ANTON RITTER v. PREMERSTEIN
Die antiken Schrift-Gemmen meiner
Sammlung
Die kleine, etwas über 200 Stücke umfassende Gemmen-
Sammlung, M'elche ich nebst mehr als 10.000 Gemmen -Pas ten
besitze, enthält eine verhältnissmässig nicht geringe, beinahe den
vierten Theil derselben erreichende Anzahl von antiken Schrift-
Gemmen — diesen im Ganzen nicht sehr häufigen, oft bemerkens-
werthen und daher ein besonderes Interesse bietenden geschnittenen
Steinen, die mit Schriftzeichen — sowohl in einzelnen Buch-
staben, als in Wörtern und in Sätzen — ausgestattet sind. Sie
theilen sich im Allgemeinen in eigentliche Inschrift -Gemmen,
die bloss eine Inschrift tragen, und in solche, welche eine Dar-
stellung weisen und zugleich eine Aufschrift haben'). Da die
antiken Schrift -Gemmen meines Besitzes — die ich im Laufe
der Jahre grösstentheils durch Geschenk oder Tausch zusammen-
brachte und die alle unzweifelhaft echt sind — noch nicht publiciert
*) Vgl. Francisei Ficoionii Gemmae antiquae lüferatae, Romae MDCCLVII. —
Desgl. meinen Abriss der „Glyptik" in Bacher's „Geschichte der technischen
Künste", Stuttgart 1875. I, 319 fg.
124
wurden, so möge hier ihre kurze Beschreibung in Folgendem mit-
getheilt sein.
1. Inschrift- Gemme II
A. Griechische.
1. Carneol-Onyx-Camee (die obere Schichte mit dem von einer
Handlinie umgebenen Namen ist weiss, die untere röthlich).
— Quer oval: 8 mm hoch, IH mm. breit.
A Aes A
NAPOC
2. Carneol-Intaglie, schildförmig. - Quer -oval: 12 mm h.,
15 mm. br.
0IAIA
Oben und unten quer ein Palmenblatt.
3. Lapis-Lazuii-Intaglie. - Quer oval: 10 mm. h., 13mm.br.
inp A
4. Carneol-Intaglie, schildförmig. — Quer-oval: 6 mm. h.,
8 mm. br.
i'VXH
KAAH (m^uxt] KttXri).
B. Römische.
5. Carneol-Intaglie, schildförmig, fast rund: 12 mm. h, 15 mm.br.
I V
CVN
DA
6. Sarder-Intaglie , bräunlich gelb. — Quer-oval: 10 mm. h.,
13 mm. br.
FOLNI VS
A PI A
7. Carneol-Intaglie, schildförmig. Quer-oval: 9 mm. h., 13mm.br.
E D I S I /■'/
/'//AVI AH
E
II. Aufschrift- Gemmen.
A. Griechische.
8. Jupiter Serapis. Kopf nach links. — Uiaschrift (rechtläufig) :
Eic zEvc CEPAnic MEPAAM H TVXH TOV/*/ — Unterhalb des Kopfes: onoc.
125
Carneol-Intaglie, schildförmig. Oval: 18 mm. h., JS mm. br.
(Im Feld vor dem Kopf eine kleioe zarte dendritische Einspren-
gung.) Oben etwas beschädigt.
Tüchtig mit sicherem Schnitt und mit Schönheits-
gefühl ausgeführter Kopf.
9. Jupiter Serapis. Halb - Brustbild nach links — Umschrift
(links): KUUCiAxon; (rechts): pockynh; unter dem Kopfe: ma (Kiuaia
TÖ TTpoaKVJvr|)aa).
Carneol-Intaglie, schildförmig. Oval: 13 mm. h., 10 mm. br.
10. Jupiters Adler, nach rechts schreitend; mit Eichel (?) im
Schnabel. — Oben: zgvc; unten: bovkkiuj.
Carneol-Intaglie, schildförmig. Quer-oval: lO mm. h., 12 mm br.
11. Minerva, stehend, nach rechts gewendet, die VlctorJa auf
der rechten Hand haltend. — Seitwärts, links: eyty. (Eutyches).
Carneol-Intaglie, schildförmig. Oval: 16 mm. h., 12 mm. br.
12. Amor, im Lauf; mit Fackel (?) , nach rechts. — Unten
links: *AP.
Magneteisenstein-Intaglie. Oval: 15 mm. h., 13 mm. br.
13. Abundantia, stehend; mit Füllhorn und Ruder; nach rechts.
— Oben links: eüeoz.
Magneteisenstein-Intaglie. Oval: 14 mm. h., 11 mm. br.
14. Thyrsusstab, aufrecht, mit flatternden Bändern. — Ueber
die Mitte des Stabes: inw, unten links: in,
Amethyst-Intaglie, bohnenförmig, durchbohrt. Oval: 14 mm. h.,
10 mm. br.
15. Palmenzweig, aufrecht. — In der Mitte links: n, rechts: e.
Chaicedonintaglie, bohnenförmig; wie die vorhergehende, nach
der Länge durchbohrt. Oval: 16 mm. h., 8 mm. br.
16. Nestor (?), mit Schild und Speer, aufs linke Knie ge-
sunken, kämpfend. Mit „gekörntem" Rand. — Oben rechts: n.
Sardonyx-lntaglle. Abgerundetes Viereck: 14 mm. h , 12 mm. br.
(Aeltester griechischer Styl, in grosser Feinheit durchgeführt.
Werthvollste Gemme.)
17. Springendes gezäumtes Pferd, nach rechts. — Oben (recht-
läufig) : EiNn.
Sarder-Intaglie. Quer-oval: 10 mm h., 13 mm. br.
18. Abundantia und Fortuna, über einem Getreidebündel (?)
sich die Hände reichend; zwischen den Köpfen beider das Brust-
bild Sol's. — Unterhalb der Hände (rechtläufig): xapa.
Sarder-Intaglie. Quer-oval: 12 mm. h, 14 mm. br.
126
19. Phallus, nach rechts; auf der Eichel ein Schmetterling,
darunter eine Schnecke. — Oben : n ; links : o ; rechts : t ; unten : v.
Sarder-Intaglie (braun). Quer-oval: 20 mm. h., 25 mm. br.
B. Römische.
20. Jupiter tonans, thronend, nach rechts. — Oben, zur Rechten:
ivp-, zur Linken: ton.
Chaicedon-Intaglle, schildförmig. Oval: 16 mm. h., 12mm.br.
21. Leda(?), stehend, von rückwärts; recbts unten der Schwan,
zu dem sie hinablangt. — Links: p-ef-; rechts: ar-cos.
Achat - Intaglle (schwarz), schildförmig. Oval: 15 mm. h.,
13 mm. br. (Oben ausgesprengt.)
22. Victoria, nach rechts schreitend; in der Linken einen
Palmenzweig, in der Rechten einen Kranz haltend. — Links:
sca; rechts: phi.
Carneol-Intaglie. Oval: 10 mm. h., 9 mm. br.
23. Apollo, nach rechts schreitend; die erhobene Lyra spielend.
Unten, zu beiden Seiten der Figur:
A.C I AESA-
Carneol-intaglie, schildförmig. Oval (fast rund): 15 mm. h.,
14 mm. br.
24. Pferd, ungezäumt, nach rechts schreitend; vor demselben
ein Schild und zwei Lanzen. — Oben: haprisn; unten: romvl.
SardonyX-IntagiJe (braun auf weisser Schichte) , schildförmig.
Quer-oval: 13 mm. h., 18 mm. br.
25. Komische Maske, nach rechts. — Unten: l-t-
Sarder-Intaglie. Oval: 12 mm. h., 9 mm. br.
26. Zwei Hände, ineinandergelegt; darüber ein Mohnstengel
und zwei Kornähren. — Oben: l-v- ; unten: tert»//
Carneol-Intaglie. Quer-oval: 11 mm. h., 13 mm. br.
27. Pferdekopf, nach rechts. — Von der rechten Seite nach
unten : rplv.
Jaspis-Intaglie (roth u. violett). Quer-oval: 7 mm. h., 11 mm. br.
28. Ochsen-Paar, nach rechts schreitend; links Spuren eines
Treibers (ausgesprengt), rechts eine verzierte Stange. — Oben: nmd.
Sarder-Intaglie. Quer-oval: 10 mm. h., 14 mm. br.
29. Keule, oben und unten an einem Stengel eine Frucht.
Unten : c - val.
Sarder-Intaglie. Quer-oval: 9 mm. h., 12 mm. br.
127
C. Abraxas.
a) Eigentliche Abraxas.
30. Gott Abraxas, mit Hahnenkopf, Schlangenfüssen, Geissei
und Schild; nach rechts. — Rechts, oben: iauj; links: yauu.
Auf der Rückseite : xpytb+k
AKIOYUJN
TMOC
Jaspis-Intaglie, gelbfleckig. Oval: 15 mm. h., 12 mm. br.
31. Gott Abraxas, wie oben. — Auf dem Schild: iauj
Auf der Rückseite: abpa
CA5
Magneteisenstein-Intaglle. Oval: 20 mm. h., 16 mm. br.
32. Gott Abraxas, gleich den vorigen. Oberhalb : eine stehende
Figur, behelmt, in der Rechten eine Kugel, in der Linken einen
langen Stab haltend. — Rechts: iauiabväi; links; reaauj
IAUJ IAUJ
Carneol-Intaglie. Oval: 26 mm. h., 18 mm. br.
b) Abraxoiden.
33. Gott Abraxas, mit menschlichem, spitzbärtigem, gehörntem
Kopf, mit Schlangenfüssen und mit Geissei in der Linken; in der
Rechten ein krummes Schwert. Unten ein augenartiges Ornament.
Am Rand die untere Hälfte der folgenden Buchstaben :
L O — LD IUI
Nephrit-Intaglle (abgesägt). Eckiges Oval : 34 mm. h., 20 mm. br.
34. Chneph (Schlange mit strahlendem Löwenhaupt). — Links :
XNOYBIC
Auf der Rückseite: //«//// ia
AXMH
Plasma-Intaglie , schildförmig. Oval: 16 mm. h., 12 mm. br.
35. Seekrebs, nach links. — Oben: ontevy
Auf der Rückseite: Sonne und Mond.
Am Rand: abpaca3:->
Magneteisenstein-Intaglie. Quer-oval: 13 mm. h., 17 mm. br.
c) Abraxaster.
36. Jupiter Serapis. Stehende Figur, in der Rechten einen
langen Stab haltend, die Linke erhoben. — Links: i rechts: a
4. I (?)
Jaspis-Intaglie (roth u. grün geflammt). — Oval: 32 mm. h.,
21 mm. br.
128
37. Jupiter (?) und die beiden Dioskuren; mit Mond und
Stern.
Auf der Rückseite, von einer Schlange umgeben: iujxuj.
Am Rande: eaenh haeata.
Magneteisenstein-Intaglie. Quer oval: II mm. h., 14 mm. br.
38. Harpokrates , an einer Säule lehnend, mit Palm zweig
in der Linken und einer Frucht in der erhobenen Rechten.
Auf der Rückseite: KerkopJthekOS, auf einer verzierten Schale
sitzend.
Am Rande (undeutlich): wiuu — luji (?)
Magneteisenstein-Intaglie. Oval: 16 mm. h, 11 mm. br.
39. Harpokrates, auf einer Lotosblume sitzend.
Am Rande: ahaxicmahicpy-
Lapis Lazuli-Intaglie. Oval: 12 mm. h, 8 mm. br.
40. Harpokrates, sitzend; unterhalb desselben ein laufender
Löwe. — Rechts: a + l; links: a+il (?)
Achat-Intaglie (schwarz). Oval: 13 mm. h., 10 mm. br.
41. Anubis, stehend, mit kurzem Schwert in der Rechten.
Unten : khcnk
AAPM ////
H Uli
Magneteisenstein-Intaglie, Oval: 14 mm. h., 11 mm. br.
42. Zwei Figuren (männlich u. weiblich?), stehend, sich die
Hände reichend. — Links: iauj; rechts: /wa////
Auf der Rückseite: Löwe, schreitend; oberhalb: Sonne u.
Mond; rundherum: Sterne. — Am Rande: leANOAiiAA.
Blutstein-Intaglie. Oval: 18 mm. h., 14 mm. br.
43. Diomedes (?), an einem Baume sitzend, eine geflügelte
Figur auf der vorgestreckten Rechten haltend.
Auf der Rückseite: saenha^
PENANHYN
HEIAAPIKY
H^IAEVEAIt-
///;//// w/AAlDO
Jaspis-Intaglie (dunkelgrün mit rothen Flecken). Viereckig:
20 mm. h., 21 mm. br.
Baden bei Wien Dr. HERMANN ROLLETT
Archäologische Fragmente aus Bulgarien
(Fortsetzung, s. oben S. 43)
IV. Das Pontusgebiet und der östliche Haemus
Der östlichste Theil des Haemusgebirges bis zur Pontusküste
hatte zu allen Zeiten eine hervorragende Bedeutung wegen der ihn
durchschneidenden wichtigen Verbindungslinien zwischen Byzanz
und der Donau, welche die dortigen Landschaften zu dem Schau-
platz so vieler Feldzüge von Alexander und Lysimachos angefangen
bis zu der ereignissreichen Epoche der Völkerwanderungen, und
von den wechselvollen Kriegen zwischen den Byzantinern und Bul-
garen bis auf die russischen Operationen unseres Jahrhunderts
gemacht haben. Die genannten Routen durchkreuzen dort zwei
sehr ausgedehnte , wenig bevölkerte Waldgebiete mit nicht sehr
hohen, von West nach Ost sich ausbreitenden Höhen, nämlich die
Strandza zwischen dem Tundzathal und der Meeresküste, an der
jetzigen rumelisch-türkischen Grenze , und den östlichsten Balkan
mit seinen vielen Verzweigungen an der rumelisch - bulgarischen
Grenze. Dazwischen liegt am Südabhang des Balkangebirges eine
Zone warmer fruchtbarer Niederungen bei Sliven, Jambol, Karna-
bad, Aitos und am Golf von Burgas. Nördlich von der Balkan-
linie folgen die parallel mit ihr verlaufenden Thäler der vereinigten
Kamcija und des bei Varna mündenden Flusses von Pravadia.
Darauf öffnet sich weiter nordwärts die steppenaitige Ebene der
Dobrudza. Im Osten schliesst eine Reihe uralter Städte und Burgen
das ganze Gebiet von der Seeseite ab.
Obwohl wir von dieser Gegend recht gute, zu militärischen
Zwecken aufgenommene Karten besitzen, sind die dortigen histori-
schen Denkmäler bis jetzt nur wenig bekannt geworden. Dies
bewog mich im Sommer 1884 zu einer zweimonatlichen Reise, auf
der ich das ganze Gebiet von der Sakar- Planina bei Adrianopel
bis zum Cap Kaliakra zu beiden Seiten des Balkans durchstreifte.
Ärchäologisch-epigraphische Mitth. X. q
130
Im Folgenden will ich die auf antike Geographie und Epigraphik
bezüglichen Notizen meines Tagebuches in Kürze vorlegen.
Die Aufgabe der historischen Geographie ist in dieser Gegend
erschwert durch zwei Umstände. Einerseits ist das überlieferte
Material sehr unvollständig: die Angaben der römischen Itinerarien
sind hier sehr spärlich, die byzantinischen Daten lassen sich nicht
leicht in geordnete Routen gruppiren , die inhaltsreichen Routiers
des Arabers Edrisi (um 1150) werden erst durch genaue Verglei-
chung der Handschriften und Emendation des Textes eine festere
Grundlage erhalten können , und für neuere Zeiten fehlt ausser
einigen wenigen Relationen die Literatur der Reisetagebücher des
16. und 17. Jahrhunderts, die für die Wege von Constantinopel
nach Belgrad oder Ragusa so viele Anhaltspunkte zur Feststellung
alter Ortslagen bietet.
Andererseits ist die historische Ueberlieferung in diesen Ge-
genden sehr stark geschwunden, und zwar in Folge von gewaltigen
ethnographischen Veränderungen in der neuesten Zeit. Altansässig
sind nur die Bulgaren im Gebirge von Sumen, Kotel, Sliven, nebst
wenigen Dörfern des östlicheren Gebietes (Gulica, Rusokastro u.
s. w.) sowie in dem Innern des Strandzagebirges , sodann die tür-
kisch sprechenden Christen wahrscheinlich kumanischen Ursprungs
(die sogenannten Gagauzi) im Küstenland nördlich von Varna,
und endlich die Griechen der Seestädte Mesembria, Anchialos»
Sozopolis u. s. w. '). Neueren Ursprungs ist die ausgedehnte tür-
kische Bevölkerung des Ost-Balkans, der Landschaft Tozluk u.s.w.,
angesiedelt seit dem 16. Jahrhundert, ohne dass wir über die Ein-
zelheiten dieser uns doch der Zeit nach näheren Colonisation eine
genauere Kenntniss besässen. Andererseits zeugt die vorwiegend
*) Auf der Balkanhalbinsol gibt es zwei Gruppen türkiscl) sprecliender
Christen, die Gatcau/.i von Varna und Pravadia bis Silistria und zu den Donau-
raündungcn (besonders bei Balcik und Ka varna), und die öurguci in der Umgebung
von Adrianopel. Ohne hier auf die Einzelheiten dieser ethnographischen Frage
einzuf^ehen, bemerke ich nur, dass sich dieselben durch ihren Typus von den christ-
liclien Nachbarn unterscheiden und dass das Türkische ihre ursprüngliche Mutter-
sprache ist. Es sind christianisirte Reste mittelalterlicher türkischer Volksstämrae.
Die Gagauzi stammen wohl von den Rumänen ab, die im 18. Jahrhundert in
Bulgarien (wie in Ungarn) einen grossen Einfluss besässen; eine Dynastie kumani-
schen Ursprungs Ik haupteto sich sogar durch drei Gcntratiüncn auf dem Thron von
Trnovo. Die Surguöi sind dagegen auf die in der Komneneuzi.it in Thrakien (nach-
weisbar bei Bcroe und an der Arda) colonisirten Türken nnd „Tnrkopulen" zurück-
zuführen.
131
türkische Nomenclatur der gegenwärtig meist bulgarischen oder
griechischen Dörfer des Tundzathales bis Adrianopel von einer com-
pacten , jetzt nicht mehr bestehenden osmanischen Bevölkerung.
Nach dem russischen Kriege 1829 wanderten die Bulgaren, be-
sonders des Tundzagebietes, massenhaft nach Bessarabien aus, wo
die neuen Colonistendörfer zum Theil noch immer die Namen der
alten Heimathsorte in den Gegenden von Jambol, Sliven u. s. w.
führen. Ein Theil dieser Emigranten wollte nicht bleiben und zog
nach 1830 aus Bessarabien wieder in die Heimath zurück, blieb
aber unterwegs in den verlassenen Dörfern nördlich vom Balkan,
so dass z. B. ein grosser Theil der jetzigen Bulgaren des Kreises von
Varna in zweiter oder dritter Generation aus der Landschaft von
Jambol abstammt. Daran schloss sich in neueren Zeiten eine starke,
wohl durch agrarische Ursachen bedingte Auswanderung bulgari-
scher Ackerbauer aus den dicht bevölkerten Landschaften von
Eski Zagra und Cirpan in das untere Tundzathal und das Gebiet
von Burgas. Daneben kann man eine durch das wechselnde Leben
der Wanderhirten, die zwischen dem Balkan und der Donauebene
hin- und herzogen, eingeleitete starke Ansiedelung von Bulgaren aus
dem Gebirge von Kotel in den Niederungen der Dobrudza (bei
BalÖik, bei dem jetzt officiell zu Dobric umgenannten Städtehen
Hadzi - Oglu - Pazardzik u. s. w. bis Tulca) verfolgen. Der letzte
Krieg (1877 — 78) endlich brachte eine starke Auswanderung der
Osmanen aus dem ganzen Lande nach Constantinopel und Klein-
asien und die Anlage neuer bulgarischer Colonien aus der Gegend
von Adrianopel und Kyrkklisse in dem Küstenlande von Varna.
Das Resultat aller dieser ethnographischen Umwälzungen war das
Schwinden der an alten Ruinen haftenden Traditionen sammt der
ehemahgen topographischen Nomenclatur.
Der Ausgangspunkt meiner Reise war die ansehnliche Stadt
Jambol (1880 nach der damaligen Volkszählung 745 Häuser
mit 8463 Einwohnern) , jetzt Endpunkt einer Zweigbahn der ost-
rumelischen Linie von der Station Tirnovo-Seimenli zum Balkan.
Die Stadt liegt zu beiden Seiten der Tundza inmitten einer frucht-
baren Niederung voll schöner Saaten. Den Horizont umschliessen
im Norden die östlichsten ganz niedrigen Ausläufer der Sredna Gora,
neben welchen die bläulichen Umrisse des Balkans von Sliven
emporragen, im Osten zwei an 300 Meter über die Ebene sich er-
hebende Kegelberge vulkanischen Ursprungs, der grosse und kleine
Bakadzik, im Süden das ähnliche Paar der isolirten Kuppen des
9*
132
grossen und kleinen Monastirberges , hinter denen in weiter Ferne
der lange Rücken der Sakar - Planina hervorblickt. Das linke
Tundzaufer ist hoch und trocken, das rechte niedrig und zum
Theil sumpfig. Das Centrum der alten Stadt, die Burg derselben,
stand auf einem von einer Krümmung des Flusses eingeschlossenen
Vorsprung des linken Ufers, einem gegen Norden schroff abfallen-
den felsigen Plateau von ungefähr 16 Meter Höhe (über dem Fluss-
ufer) und 130 Schritt Breite. Die von Weitem sichtbare Moscheen-
ruine der „Sofular-Dzamisi" ist jetzt das einzige Gebäude des
Platzes; daneben bemerkt man jedoch die Grundfesten eines auf
gewaltigen Quadern ruhenden Gebäudes und zahlreiche türkische
Grabsteine mit Spuren älterer Ornamente. Auch die Substructi-
onen einer Umfassungsmauer sind kenntlich , besonders auf der
Ostseite, wo jetzt elende Zigeunerhütten den Uebergang von der
einstigen Burg zur jetzigen Stadt vermitteln. Die früher meist
mohammedanischen Stadttheile des linksseitigen Ufers mit vielen
grossen Gebäuden aus der älteren Türkenzeit (Bezestan, Bäder,
Moscheen) werden oberhalb und unterhalb der Burghöhe vom Flusse
bespült. Die tiefgelegene, von Gärten angefüllte Vorstadt des rechten
Ufers ist von Alters her rein bulgarisch und wird Kdrgona ge-
nannt. Zwei alte, 72 Meter lange Brücken vermitteln die Ver-
bindung über die Tundza. Die „Hamamköprüsü" auf der Strasse
nach Sliven ruht auf sechs Pfeilern aus steinernen Quadern alter
Arbeit (auf einigen Steinen bemerkt man Basreliefs von Schlangen),
während die Brücke von Kdrgona neben einigen hölzernen nur noch
zwei steinerne Pfeiler aufzuweisen hat ; der Oberbau ist bei beiden
aus Holz.
In den Erzählungen der Einwohner der ganzen Umgebung
erscheint Jambol als eine alte Stadt, angeblich älter als das be-
nachbarte, jetzt viel bedeutendere Sliven. Ausser der Bur^ trifft
man noch zalilreiche Spuren mittelalterlichen und selbst antiken
Lebens. Neben der grossen Eski - Dzamissi liegt ein zerschla-
gener Stein mit der Aufschrift ArASHi tyxhi; ebendaselbst fand
man ein Basrelief mit dem bekannten sogenannten thrakischen
Reiter , das jetzt als ein St. Georgsbild in einer Kirche von Kär-
gona verwahrt wird. Bei verschiedenen Bauten stiess man auf
gewaltijze Grundmauern aus colossalen Quadern, sowie auf altes
Strassenpflaster und zahlreiche gemauerte unterirdische Räume, wie
die alten Keller von Sofia; daneben findet man häufig Thongefässe
und Münzen der verschiedensten Zeiten. An der Ostseite, wo eine
133
Wasserleitung angeblich türkischen Ursprungs in die Stadt ein-
tritt, bemerkte ich bei einem Brunnen zwei dicke glatte Säulen
antiken Ursprungs. Auf den türkischen Friedhöfen auf der Nord-
ostseite, gegen die Weingärten zu, legte man zwischen zahlreichen
behauenen Quadern, die jetzt als Grabsteine dienen, unlängst einen
glänzend weissen Marmorstein bloss, 1'4 h., 0*52 br., ausgezeichnet
erhalten, mit folgender Inschrift in regelmässiger, 4 Cm. hoher
Sclirift :
AYPHPAKAIANOS ATjpCnXio?) 'HpaKXiavög
ZWNKAI<t>PONWN l(X)V Kttl CppOVUJV
TOYSANAPIANTAS TOVC, dvbpidVTttq
ANE2TH2ENEAY dvecTTricfev ettu-
5 toykaith: tynaikoz toO Kai Tf\q YUvaiKÖ(;
ZIAMAPKH2 Zia^dpKr|(;.
Ein anderer, etwas beschädigter Stein ebendaselbst, 0*26 h.,
0'21 br., hat folgende Aufschrift (Copie des Herrn Bürgermeisters
K. Ikonomov) ") :
A E P I A N O * E P K E K A A Y >E N O Nl E P A
OIKON
A Y EN4 T n N n A N n TO E A N E e hK A
^AI2A^0AINAPI02^ETPA^EIPnMHC
5 E Y T Y X W:
In die Gegend von Jambol gehört das alte Cabyle, das
nach der Tab. Peut. 52 röm. Meilen von Beroe und nach dem
Itinerarium Antonini 79 von Hadrianopolis entfernt war, überdies
nach Harpocration Ttpö^ tuj TdHuj (statt TövZ^lu) TTOiaiaip Katd laecrov
Tfiq 0paKri(; lag. Strabo (VII p. 320) und Stephanos von Byzanz
schreiben den Namen KaXußii und bezeichnen den Ort als eine
makedonische Colonie, ersterer als eine Verbrecher- und Bergwerks-
') Die Inschrift ist jetzt auch in der Anm. 4 angeführten Schrift von Skorpil
S. 83 herausgegeben mit folgendem Text: AEPIANO*E&KEKAAYNENONnTHPA ||
OIKON II AYTANTHTnNnANnTOEANEGHKA !| nAISAnOAINAniOZnTPANEIBCIOlK [|
EYTYxn. [Wohl 'Aepi övocpep[Lu], KeKa\u[mu]evov [rj Tcjepqt oikov
bu[ö]ävTriTov, [K]ävTrTo(u)aav eGriKO
Tzaxq 'AtroXiväpio«; TTeTpav ^[k] 'Pu)|ari[(;.
In Kä|LiTTTOuaav (freilich befremdlich statt Kä\JL\\iaoav) liegt ein von der Rennbahn
entlehntes Bild. Vgl. Nauck zu Oed. Col. 91. V. 1 scheint euer ein prosodisch
fehlerhafter Hexameter sein zu sollen, als ein akatalektischer anapästischer Tri-
meter, 2 und 3 entziehen sich einer genaueren Bestimmung. Tli. Gomperz.]
134
colonie König Philipp's II. Als KaßuXn erscheint es schon bei
Philipp's IL Zeitgenossen Demosthenes {oratio de Chers. §. 44).
Nach Strabo lag der Ort im Lande der Asten selbst, nach Polybios
(XIII, 10, 7) nicht weit von den Sitzen dieses thrakischen Stammes,
der sich über das ganze östliche Thrakien von ApoUonia (Sozo-
polis) bis Perinth ausbreitete und sein Centrum in Bizye hatte.
Nach meinen Erkundigungen sind makedonische Münzen, besonders
von Philipp und Lysimacbos, in der Gegend von Jambol recht häufig.
Ausserdem wurden jüngst in der Nähe zahlreiche Spuren eines alten
Bergbaues von Herrn H. Skorpil, Lehrer der Naturgeschichte an
der von der ostrumelischen Regierung eröffneten Realschule zu
Sliven , aufgefunden. In der Umgebung der Dörfer Jeni - Mahala
und Türkmen , zwischen den Bergen Gross- und Klein - Bakadzik,
südöstlich von Jambol, gibt es an einer „Maltepe" (tnrk. „Schatz-
hügel") genannten Anhöhe in der Nähe einer gepflasterten Strasse
nicht nur Galenitadern, sondern auch Reste von alten tiefen Gruben,
jedoch keine Spur von Schmelzöfen. Auf den waldigen Abhängen
des Berges von Gross-Monastir , südlich von Jambol , fanden sich
fünf alte, an 5 M. tiefe Eisengruben mit Resten von Schlackenhalden.
Zwischen den Monastirbergen und Jambol stiess man zwischen
Kuemdzi und Cömlekköi auf Spuren eines uralten Kupferbergwerks
mit Gruben. An allen diesen Stellen ist jede Tradition über die
Zeit des Betriebes dieser Werke längst erloschen^).
Cabyle ist aber bei alledem kaum in Jambol selbst zu suchen.
Einer solchen Annahme widerspricht nämlich die überlieferte Ent-
fernung von Cabyle bis Adrianopel , die mit 79 römischen Meilen
angegeben ist, während das heutige Jambol von der Hadriansstadt
kaum 68 solche Meilen entfernt liegt. Die antike Distanzangabe
fülirt uns in die Gegend zwischen Jambol und dem Südabhang des
nahen Haemus. Dort lag ein ausgezeichneter Punkt für eine be-
festigte Ansiedelung auf dem äussersten Vorgebirge des hier endi-
genden niedrigen Rückens der Sredna Gora, einem scharf profilirten,
von weitem sichtbaren Hügel, etwa 9 Kilom. nördlich von Jambol,
welcher. Tau.san-Tep6 (türkisch .,Hasenhügel") genannt wird.
Die Tundza, welche eben hier ihre östliche Richtung gegen eine
südliche vertauscht und dabei um das Tausan-Tepe einen Halb-
kreis mit vielen Sümpfen und Seitenarmen beschreibt, deckt die
') H. V. Ökoipil, Die Naturschätze von Bulgarien. Philippopel 1884 (bulg.j.
S. 44. 64. 71. 92.
135
Position von drei Seiten. Der Hügel trägt in der That die Reste
einer ausgedehnten Burg, umgeben von zahlreichen Tumuli. An
der Südseite derselben lag bis zum russischen Krieg 1829 ein seit-
dem verlassenes, aber noch auf der österr. Generalstabskarte ange-
gebenes Dorf Kovel (oder Kofel), dessen Namen noch an das alte
KaßuXn anklingt*).
Cabyle erscheint zuletzt 378 während des Gotheneinfalls (Am-
mianus 31, 11, 5). Diospolis, eine Stadt der von Philippopolis
aus verwalteten pi'ovincia Thracia, ist mit dem heutigen Jambol
kaum identisch gewesen, denn die hiesige Landschaft gehörte der
Lage nach eher zur provincia Hnemimontus (Hauptstadt Hadriano-
polis), die ja bis Deultum und Anchialus reichte^). Das jetzige
Jambol erscheint sicher erst im 11. — 14. Jahrhundert als rröXi^ oder
(ppoupiov AidjUTToXi^ (bei Kedrenos, Anna Komnena und Kanta-
kuzenos), von Pachymeres (IL 558) als (ppoupiov KaWicrrov in der
Form Td|UTro\i(; erwähnt, wobei ihm vielleicht die gleichnamige
homerische Stadt in Phokis (Ilias B 521) vorschwebte. In der
■•) Während des Druckes der vorliegenden Seiten erhielt ich eine inhalts-
reiche Schrift der Brüder Skorpil in bulgarischer Sprache : „Einige Bemerkungen
über archäologische und historische Untersuchungen in Thrakien" (Philippopel
1885), wo die Ruinen am Tausan-Tepe (S. 33) ausführlich beschrieben werden.
Dieselben bedecken angeblich zwei Quadratkilometer und liegen ostwärts von den
Resten eines die Höhe krönenden viereckigen , 8 M. breiten Thurmes. Ausser
Ziegeln, Quadern, kleinen Säulen von 0'3 M. Durchmesser, Architraven fand man
dort Reste eines Mosaiks aus rothen, weissen und blauen Steinchen. Es gibt hier
auch eine Wasserleitung mit thönsrnen Röhren, die aus einer mit Ziegeln ausge-
mauerten, oben mit Steinplatten gedeckten Cisterne (10 M. lang, 3-5 M. breit,
1*7 hoch) kommt, in welcher viele viereckige kleine Ziegelpfeiler in Reihen stehen.
Gegen SO. sollen die Fundamente eines an 120 M. langen und an 20 M. breiten
Gebäudes bemerkbar sein, welches das Volk „die Kaserne" (kazarma) nennt.
Ausserhalb des Burgplatzes stehen ungefähr 14 Tumuli. Im gleichnamigen Dorfe
Tausan-Tepe liegt ein Stück einer Inschrift:
NOZEKTn ..V0(; CK TUj[v]
lAiriNANE tölUJV dv^-
0HKEN GriKev
Skorpil (S. 47; erwähnt auch die Spur eines gepflasterten Weges östlich von
hier, bei dem Dorf Trnava am Nordfuss des Bakadzik, die wohl der in der Tab.
Peut. verzeichneten Römerstrasse von Cabyle nach Anchialos angehört. Dabei
glaubt er das alte Cabyle nicht hier, sondern bei Bejköi, 25 Kilom. südlich von
Jambol, gefunden zu haben, natürlich chne das Itinerarium Antonini zu kennen.
*) Diospolis: Hierocles p. 5, Notit. episc. eJ. Parthey p. 72 etc., Theophanes
ed. Boor p. 177. Allerdings erstreckte sich die Eparchie von Philippopolis auch
in späterer Zeit bis in die Nähe von Adrianopel (cf. Heerstrassü S. 73).
136
älteren Türkenzeit wird die Stadt schon im 15. und 16. Jahr-
hundert als ein bedeutender Ort genannt.
Alte Castelle nannte man mir in der Umgebung von Jambol
noch zwei: die Substructionen eines Schlosses auf dem Gipfel des
grossen Bakadzik und die Reste eines Castells zwischen den
Dörfern Bojadzik, Kurfanli und Gübel, 18 Kil. gegen SW. , jetzt
von Feldern bedeckt; man soll dort Fundamente einer Kirche,
eiserne Pfeile und einen alten Streitkolben gefunden haben.
Die nächste Umgebung von Jambol besitzt ein räthselhaftes
Denkmal, von dem ich in Bulgai'ien längst gehört hatte und das
mich, als ich es zum ersten Mal erblickte, durch seine Dimensionen
sehr überraschte: einen Erdwall, der sich vom Schwarzen Meer an
100 — 110 Kilometer weit gegen West verfolgen lässt und das
Tundzathal zwei Stunden südlich von der Stadt durchschneidet.
Derselbe wird bulgarisch Er kesij a oder Jerkesija genannt (jer-
kesen oder jerkesim, türk. „Erdeinschnitt"). Ueber die Ausdehnung
desselben habe ich mit freundschaftlicher Hülfe der rumelischen
Beamten in den anliegenden Bezirken folgende Einzelheiten erfragt.
Der Wall beginnt in den Sümpfen westlich von der Lagune von
Mandra, streicht südlich vom Dorfe Jakyzly, bei dem die Reste
des alten Deultum liegen, zieht sich sodann geradeaus nach Westen
auf dem Kamme eines waldigen Hügelzuges, zwischen Rusokastro
und Aivadzik hindurch (auf der österr. Generalstabskarte ein Hügel
„Erkesim Tas" ausdrücklich angegeben), bei Kurudere und Dzumali
vorbei, zwischen Basalii und Aftan, durch die Umgebungen von Jeni-
Mahala, überschreitet den Sattel zwischen dem grossen und kleinen
Bakadzik, lässt Mansarly auf der Nordseite, Gidikli und Osmanli auf
der Südseite und erreicht die Tundza etwas nördlich von dem auf
dem rechten Ufer liegenden Dorfe Fundukly (bulg. meist Pandakli aus-
gesprochen; funduk türk. „Haselnuss"). Bis dahin liegt der Wall
in dichten, wenig bewohnten Wäldern, ist meist mit Bäumen über-
wachsen und dabei gut erhalten. In der waldlosen, grösstentheils
wohlbebauten Gegend westlich von der Tundza wird seine meist
mit Culturen bedeckte Linie zum Theil unkenntlich. Er soll sich
aus der Gegend von Fundukly zwischen Cömlekköi auf der Nord-
seite, Akbunar auf der Südseite, westwärts gegen Balybunar wenden.
Von dort zieht seine Linie angeblich gegen Südwest bis in die
Umgebung des Dorfes ^efkolare und von dort bis in die Gegend
von Harmanli an der Marica. Das Volk behauptet in der Regel,
137
die „Erkesija" reiche vom Schwarzen bis zum „Weissen" (Aes^aei-
schen) Meer.
Ich habe dieses Denkmal an zwei Stellen gesehen, bei Fun-
dukly und bei Rusokastro; in der Gegend von Akbunar, westlich
von der Tundza, konnte ich bei dem Ritt durch hohe Saaten reifen
Getreides keine Spur von ihm erspähen und hatte keine Begleiter,
die mir dessen Reste zeigen konnten. Der Wall liegt überall auf
der ganzen Linie auf der Nordseite, der Graben auf der Südseite.
Gegenüber von Fundukly macht das in gerader Linie von den Vor-
höhen des Bakadzik herabsteigende mannshohe Erdwerk den Ein-
druck eines verlassenen Eisenbahndammes. Der fünf Schritt breite
Graben an der Südseite des Walles ist dort mit dichtem Gebüsch
angefüllt; seine Tiefe genügt einem Manne zu Pferd, um sich hinter
dem Wall vollständig ungesehen zu machen, ohne abzusitzen. Eine
grossartige Naturscenerie bietet das alte Denkmal in den schattigen
Urwäldern ungefähr eine Stunde südlich von Rusokastro. Uralte
stämmige Eichen haben auf dem Walle und im Graben ihre Wurzeln
geschlagen, umgeben von dichtem Unterholz, das meist aus Büschen
von Sumach {Rhus cotinus) und Hartriegel {Cornus mas) besteht.
Nur mit Mühe bahnt sich der Reiter den Weg durch das halb-
dunkle Walddickicht. Die Breite des Grabens mass ich am Grund
mit 10 Schritt; vom Graben aus gesehen, hat der Wall auf der Nord-
seite ungefähr drei Mannshöhen, die Böschung auf der Südseite
nur eine Mannshöhe. Zwei Minuten nördlich vom Walle steht ein
hoher, von alten Bäumen bestandener Tumulus, „Sultanska Mogila"
genannt. Die Einwohner von Rusokastro erzählten mir, man finde
hie und da an dem Walle auch Reste von Backöfen und von Thon-
gefässen; auch Münzen sollen dabei gefunden werden, aber ich
bekam keine zu sehen. Ob es am Walle auch Castelle gibt, könnte
nur ein Abreiten der ganzen Linie zeigen. Die Burgruinen, von
denen ich hörte, liegen sämmtlich abseits; nur bei Jeni-Mahala soll
sich an einer Stelle ein halbkreisförmiger Wall an die Südseite
der Linie anschliessen.
Sagen über den Wall gibt es in Rusokastro. Die Bauern
(das Dorf ist alt und hat die Bewohner nicht gewechselt) meinen,
der Wall sei einst shior (aus dem griech. (Tuvopov) , d. h. Grenze
gewesen. Männer und Weiber sollen auf eines Garen Befehl daran
gearbeitet habeu, so dass für je neun unmündige Kinder nur ein Weib
zu Hause blieb, eine Geschichte, die in südslavischen Sagen über
grosse Bauten auch anderswo vorkommt. Man sang auch ein Lied
138
darüber, das mir aber Niemand mehr ganz recitiren konnte®). In
dem Hause, in weichem ich übernachtete, erzählte mir ein Greis,
die Urgrossmutter eines seiner alten Verwandten hätte an dem
Werke mitgearbeitet; die Einwohner scheinen also die Sache nicht
für uralt anzusehen. Einer wollte wissen, die Erkesija heisse auch
„Trojan", ein Name, der sonst nur für römische gepflasterte
Strassen gebraucht wird '^).
Der Wall ist ohne Zweifel kein Denkmal des Alterthums,
sondern gehört erst dem Mittelalter an und wurde, wie seine Con-
struction zeigt, von einem im Norden sitzenden Volke zur Befesti-
gung seiner Südgrenze errichtet. Die Linie des Walles stimmt mit
der byzantinisch-bulgarischen Grenze gewisser Zeiten überein. Die
Byzantiner behaupteten stets, die wahre Grenzlinie sei der Haemus,
eine Anschauung, die bei Theophanes Cont. 163 (Xibripä, lauiriq hr\
Tore öpiov TUYXavoucrri(; Tuujuaiuuv Km auTÜJv), bei Nikephoros Gregoras
I. 233 (Aijuov t6 opoc,, b br] laeööpiov vOv eofi 'Pwiiaioic, xe Kai
BouXYdpoi?) , bei den Friedensverhandlungen vor Rusokastro 1331
(Kantakuzenos I. 462 sq.) erscheint und sich auf die im 8. Jahr-
hundert bestehende und auch später erneuerte Grenzlinie mit Ser-
dica, Beroe, Markellai, Anchialos, Mesembria als Grenzburgen (cf.
Theophanes) stützt. Ebenso alt sind aber die Ansprüche der Bul-
garen auf das Vorland des Haemus, die von einem Vertrag zwischen
dem Fürsten Kormesios und Kaiser Theodosius HL, dem Adramyt-
tener, vom Jahre 716 datiren (Theophanes ed. Boor 497), auf den
") Ein Lied in achtsilbigen Zeilen, offenbar ein Tanzlied zum „Choro".
') Kurz nach meiner Reise erschien eine Beschreibung dieses Walles von
Skorpil in der Prager Monatsehrift „Slovansky Sborni'k" 1884 (September) S.465.46G.
Die dort angegebene Linie stimmt mit den ron mir erfragten Daten überein, ausser
den Spuren westlich von der Tundza, von denen Skorpil damals noch nichts
Näheies erfahren konnte. — In der oben erwähnten neuen Schrift (Einige Bemer-
kungen u. s. w., S. 1 f. 90) der Brüder Skorpil wird diese Beschreibung vervollständigt.
Der Anfang des Walles soll sich an der Südseite der Lagune von Vajaköi, zwischen
dem Meere und dem Dorfe Mugres befinden und von dort getjen SW. nach Jakyzly
streichen. Westlich von der Tundza ist das erste Stück von Fundukly bis Akbunar
ganz unkenntlich. Weiter erscheint der Wall auf der Nordwestseite der Monastir-
Berge; die Dörfer Balybunar, Kojunbunar, Bazard^ik liegen dort an dessen Nord-
seite, Talaömanlii, Maca und Deldzileri an der Südseite. Nach einer langen Unter-
brechung soll die letzte Spur nahe an der Marica, nördlich von der Station Tirnovo-
Seimenli, am Westufer der Sazlijka neben der Eisenbahnlinie sichtbar sein und
dort bei dem Dorfe Tekkc -Musacevo die Ostseite der Kaineu eines (dem alten
ArzuH entsprechenden) Castells streifen.
139
sich später auch Fürst Krum berief. Fürst Boris erhielt im 9. Jahr-
hundert thatsächlich das Land von dem Haemuspasse Sidera bis
zum alten Deultum (Theophanes Cont. ], c), und seine Nachfolger
Symeon (888 — 927) und Peter besassen auch das tiefer liegende
Land bis nahe vor Adrianopel sammt der Stadt Philippopel (cf.
Leo Diaconus p. 105). Das spätbulgarische Reich reichte gleichfalls
über den Haemus herab : Beroe erscheint bei den Byzantinern und
Lateinern des 13. Jahrhunderts als eine bulgarische Stadt, Philippo-
polis als byzantinische Grenzfestung (Kantakuzenos l. 173 u. s. w.),
Sliven als ein stets bulgarischer Ort. Das Territorium genau zwi-
schen d-em östlichen Haemus und unserem Walle wird im 13. und
14. Jahrhundert merkwürdiger Weise als der stete Zankapfel der
beiden Nachbarn erwähnt, mit den Burgen Diampolis , Lardeas,
Rusokastron, Ktenia, Actos, Anchialos,Mesembria(Pachymeres IL 445.
559 und Kantakuzenos L 431). In den Zeiten, wo es die Bulgaren
beherrschten, wie unter Sv^tslav (1295 — 1321), Terterij IL (1321
— 1323) und Michael (1323 — 1330), erscheinen Diampolis und Ruso-
kastron ausdrücklich als bulgarische Städte ev lueOopioiq zwischen
den Bulgaren und Romäern (Kantakuzenos I. 294), beide nahe an
dem Erdwall gelegen, der ohne Zweifel die |ue9öpia selbst bildete.
Auch zur Zeit der türkischen Eroberung bezeichnete der Wall die
bulgarische Landesgrenze; es ist bemerkenswerth, dass in der
älteren Türkenzeit die subhaemischen Orte Anchialos, Aidos, Umur-
faki (Fakia) , Karinabad u. s. w. gerade bis zur Erkesija, zum
Sandzak von Silistria an der Donau gehörten, wie man aus der
Aufzählung bei Hadzi Chalfa (Hammer's Uebers. S. 24), aus den
Finanzgesetzen des IG. Jahrhunderts (Hammer , Osm. Staatsver-
fassung I. 296 u. s. w.) und aus manchen im Lande erhaltenen
Urkunden (z. B. in einer „Tapia", Grenzurkunde des Dorfes Jakyzly
bei Burgas) ersehen kann.
Dass die Bulgaren ihre Grenze sorgfältig zu bewachen und
zu befestigen pflegten, dafür gibt es einige bemerkenswerthe Zeug-
nisse. In den Besponsa Nicolai 1 papae ad consulta Bulgatoritm
{Labbei et Cossarhi Sacr. concilia VIII. 516 sq.) vom Jahre 866
liest man (Cap. 25) : „consuetudinis esse patriae vedrae perhibctis
sem'per custodes inter patriam vestram et alioruin iuxta
t er 7)1171 0 8 invigilare, et si servus aut Über per eandem custodiam
quocumque modo fugerit, sine omni inte i min sione custodes pro ea inteii-
muntur'^. Befestigungen an den Ein- und Ausgängen des Bulgaren-
landes werden im Jahre 811 ausdrücklich erwähnt: Tä<; t?\(; x^pa<;
140
eicröbou(5 Kai eHdbou^ TTepnreqppaYiueva^ EuXivoiq öxupuujuacri (Theophanes
ed. Boor p. 490), was allerdings an dieser Stelle mehr von den
Engpässen als von der Grenzlinie überhaupt gilt. Noch klarer ist
die Nachricht des Arabers Masudi aus der ersten Hälfte des 10. Jahr-
hunderts, das Land der Bordzan (Bulgaren) sei umgeben von
einem dornigen Zaun mit Oeffnungen in Gestalt hölzerner
Fenster und dieser Zaun sei „wie eine Mauer an einem Gra-
ben" (Kremer, Sitzungsber. der Wiener Akad. 1850 S. 210). Der
Erdwall der ..Erkesija" wurde wohl schon in den Zeiten des Boris
und Symeon errichtet, aber später wiederholt erneuert, bis zur Er-
oberung des Landes durch die Türken; daher die scheinbar so
frischen Erinnerungen der altansässigen Rusokastrenser^).
Von Jambol unternahm ich einen Ausflug in das Tundzathal
südwärts zur rumelischen Grenze gegen Adrianopel hin. Das west-
liche Ufer nimmt der Bezirk (Okolija, Arrondissement) von Ka-
vakli, das östliche der von Kyzyl-Agac ein. Das westliche Gebiet
bietet in geographischer und archäologischer Beziehung manches
Interessante. Seine niedrige, grösstentheils ebene, ausser kleinen
Eichenbüschen meist gut bebaute Oberfläche (Seehöhe 100—150 M.)
wird von zwei isolirten Berggruppen unterbrochen. Sechs Stunden
südlich von Jambol ragen die beiden durch einen tiefen Sattel ge-
trennten Berge von Monas tir empor, deren Silhouetten an die Monti
Euganei bei Venedig erinnern und die als vereinzelte Erhebungen
in der weiten thrakischen Ebene selbst den Horizont des fernen
Eski Zagra und die Aussicht vieler entfernter Balkangipfel zieren.
An 20 Kilometer südlich davon zieht sich von West nach Ost der
langgezogene steile Rücken der Sakar - Planina (an 800 M.),
welcher hier die rumelische Grenze bildet. Das zwischen beiden
Gebirgen liegende Gebiet besitzt einige grosse wohlhabende Dörfer
und ist von Griechen bewohnt, welche sich meist mit Gemüse-
gärtnerei, Hanfcultur, Weinbau und Seidenzucht beschäftigen und
von ihren Nachbarn Karioti genannt werden, wahrscheinlich von
dem Dorfe Kozludza, griechisch Kapuaiq, wo früher das Centrum
der Landschaft gewesen sein soll'"*).
") Icli hörte auch von einem ähnlichen Walle im Kreise von Rahovo an der
Donau, vermag jeiioch nichts Näheres darüber mitzutheilen, da mir das Gebiet von
Rahovo bis Vraca wenig bekannt ist. Vielleicht stehen diese Rahover Wälle in
irgend einem Zusammenhanfr mit den von Herrn Schuchhardt (Arcli.-cpigfr. Mitth.
IX. 210 sq.) bescliriehenen Erdwerken in der gegenüberliegenden Kl. Walachei.
') Der Bezirk von Kavakli hat 2'.>.557 Einw., davon 11.844 Griechen. 15.547
Bulgaren, 1237 Türken. Griechisch .«.inil Kavakli, Ko^iludia, Duganovo, Sinapli,
141
Von den Monastirbergen ist der höhere westliche (türkisch
Büjük-Monastir-Bair) schroff und gipfelt in drei steilen Spitzen ;
seine Seehöhe beträgt nach der russischen Messung 600 M. Der
niedrigere östliche (türkisch Kücük M. B.), 446 M. hoch, ist dagegen
nur ein länglicher Rücken mit wenig markanten , flachen Gipfeln.
Beide sind mit Resten alter Castelle gekrönt. Die Burgruine auf
dem mittleren Gipfel des östlichen Berges oberhalb des Dorfes
Kl ein -Monas tir ist ein Viereck, nach der Messung meines Ge-
währsmannes, eines Beamten der Bezirksverwaltung, 150 Schritt
lang und 80 Schritt breit. Ich besuchte nur Büjük Monas tir,
griech. MeYöXo Movacrriipi (1136 Einw.), welches von Weingärten
umgeben, am Südostfusse des steilen westlichen Berges gelegen ist.
Die kleine dunkle Dorfkirche ist in neuerer Zeit erbaut an der
Stelle einer alten, von der noch eine solide, aus wechselnden Stein-
und Ziegellagen errichtete Mauer übrig ist. welche die jetzige Nord-
seite des Kirchleins bildet; in der Umgebung sollen im Walde noch
die Substructionen von sechs kleinen Kirchen sichtbar sein. In einer
finsteren Ecke links vom Altar zeigte man mir einen cylindrischen
Stein, der eben im Frühjahr an der Südseite des Dorfes, wo auch
ein 5 M. hoher Tumulus sich erhebt, beim Ackern herausgehoben
wurde, 1*09 M. hoch, 0"42 M. im Durchmesser stark, mit der fol-
genden 0'18 M. hohen, gut erhaltenen Inschrift, die ich bei dem
Licht einer Wachskerze copirte^"):
Gr. und Kl. Monastir, Cukurköi. Ausserdem gibt es Griechen noch in Akbunar
(590 Einw.), im Bezirk von Jambol zwischen Monastir uud der Stadt Jambol,
sowie in Gr. und Kl. Bojalyk im Bezirk von Kyzyl Agac.
'") Die Inschrift soll auch in einer Nummer der Zeitung 0i\iTTTTOUTroÄi(; (Mai
1884) gedruckt sein, die ich mir jedoch nicht verschaffen konnte. Der Abdruck
bei Skorpil (Einige Bemerkungen u. s. w. , bulg. S. 80) hat Z. 5 ENKEAETflN,
Z. 7 AYTAIOI. [Die Verse lauteten etwa:
TÖvbe iroxe xbpuaavTO Oeilj [irJepiKaWei Ooißoi
'AttoWujvI^ r\bä KaaiYvriToi naibeq AuXouZ^eveuu
äi KeXeTLUv (?, iraTpuioq ctvct ZairaiKriv epißuuX.ov,
[a]ÖTäp oi [ejatnaavTO Kaxü x9öva Ainöoiräpoio.
Aehnlich beginnt das Gedicht Anthol, Pal. IX 786 TÖvöe KaGiöpOoavxo Geil)
•nepiKoW^a ßioiaöv cet. — Der thrakische Name in Z. 4 begegnet auch in der
Inschrift von Mesembria C. I. Gr. n. 2054 (AuXouEevrjq AuXouEeveoi;) und in den
lateinischen C. I. L. III n. 6050, 2, 13 {Brilo Auluzani) und C. I. L. V n. 3509
A(ulozenes). — Wenn zu Anfang von Z. 5 ein Ort zu verstehen ist, so ist derselbe
unbekannt; ebenso ist ein Ort Aiu&öirapoc; nicht bekannt, aber thrakische Stadt-
und Gaunamen auf -irapot; oder -para sind nicht selten. A. d. R.]
142
TONAEDOTEIAPYZA iTo ©EniEPIKAMEI
4> O 1 B n
SIC
AnGAAriNlZHAEKAZirN-lTOinAlAES
A YAO YZE^En
5 E5KEAETnNnATPn02ANAZAnAIKhN
EPIBnAON
AYTAPOIZTHZANTOKATAXOONA
AriAOnAPOIO
In Kavakli zeigte man mir eine 9 Cm. lange, hohle, der Länge
nach zu öffnende Bronzefigur eines sitzenden Hahnes , gleichfalls
zu Gross - Monastir ausgegraben. Mein sehnlichster Wunsch war,
den waldigen Grossen Monastirberg zu besteigen, um das Castell
auf dem Gipfel und die alten Eisengruben zu sehen, aber ein
heftiges Gewitter vereitelte meinen Plan, umsomehr als die hiesigen
vereinzelten Berge sammt ihrer Umgebung öfters vom Blitzschlag
getrofi"en werden. In Kavakli hatte ich gehört, nahe am Gipfel sei
von den Monastirer Bauern unlängst ein Gefäss mit 100 Stück
Silbermünzen des Königs Lysimachos gefunden worden, aber im
Dorfe selbst, wo mein antiquarisches Treiben ohnehin den Verdacht
der Schatzgräberei erregte, wollte Niemand von Münzfunden etwas
wissen.
Auch über die Vergangenheit des Ortes war nichts zu erfragen,
nicht einmal über den Ursprung seines klösterlichen Namens ; die
Erinnerungen der jetzigen Einwohner reichen nur bis zu den anar-
chischen Zeiten der Kirdzali's zurück, wo (um 1800) Monastir, da-
mals angeblich das Centrum einer Nahia (Gerichtsbezirk), von den
osmanischen Daghli's aus der Gegend von Chasköi ganz eingeäschert
wurde. Ich habe früher einmal (Monatsberichte S. 455) die im
14. Jahrhundert von Eremiten bewohnte öde Landschaft Paroria
oder Mesomilion an der damaligen Grenze zwischen den Bul-
garen und Griechen, wahrscheinlich identisch mit den von Theo-
phanes (ed. Boor 1. 497) genannten MnXeuuva ifi^ ©paKii^ des 8. Jahr-
hunderts, in die Gegend von Monastir verlegt. Der Ort mit den
Resten einer alten Kirche und mit seinen ringsumher im Walde
zerstreuten Capellen passt ganz gut für die Lage des einstigen
Klosters des Gregorios Sinaites und seiner Schüler, das mit einem
vom bulgarischen Caren Joannes Alexander erbauten TTupYoq be-
festigt und von kleineren Kirchlein, Eremitenzellen und Höhlen-
wohnungen umgeben war. Die in der Legende überlieferten Namen
143
Mesomilion, Paroria, Fozova (wohl Bi.zova, bulg. b-ßz Sarabucus)
und des Berges „Katakriomeni'' sind allerdings sämmtlich schon
vergessen: die topographische Nomenclatur der einstigen Eremiten-
einöde und ihrer ganzen Umgebung ist heute ganz türkisch.
Die Ebene westlich von dem Berge von Gross -Monastir ist
reich an Tumuli. In Talasmanli soll man in einem Grabhügel
Thon- und Glasgefässe, sowie eine silberne Kette mit einem
goldenen Halbmond mit federartigen Zeichnungen und rothen ein-
gesetzten Steinen vorgefunden haben. In den Umgebungen von
D e 1 d z i 1 e r i , wo jetzt grosse Jahrmärkte abgehalten werden, sollen
33 Tumuli nahe bei einander stehen.
Das 2^2 Stunden südlich von Gross- Monastir und 2 Stunden
nördlich von der rumelischen Grenze gelegene jetzige Bezirks-
centrum Kavakli (früher „Kozludzansko Kavakli" genannt; kavak
türk. „Pappel") ist ein grosser Ort mit 60(57 Einw. . der sich erst
in neuerer Zeit (seit 1829) entwickelt hat, mit Seidenzucht, Wein-
bau und Marmorbrüchen. Ungefähr .ÖO Minuten westlich liegen auf
einer isolirten Höhe die Reste einer eigenthümlichen Felsen bürg,
Paleokastro genannt. Das au 200 Schritt lange und in der
Mitte oben nur 60 Schritt breite Castell war ganz der Bodenge-
staltung angepasst; die Westseite deckte ein natürlicher, ungefähr
15 M. hoher verticaler Absturz, während die sanfter abfallende,
jetzt von Weinbergen bedeckte Ostseite durch eine doppelte Mauer
aus platten Steinen geschützt war. Der Eingang war im Norden
neben den von dichtem Gebüsch verdeckten Fundamenten eines
Rundthurms. Auch am Südeude sind Spuren von Thürmen, sowie
von inneren Gebäuden sichtbar, von denen auch die zahllosen Ziegel-
splitter stammen. Die Aussicht auf die nahe waldige Sakar-Planina,
die Berge von Monastir, die Kuppen des Bakadzik, die Strandza
und den fernen Balkan ist grossartig. Ein in der Nähe gefundener
steinerner Hammer nebst Münzen von Anastasius und Justinian
sind die einzigen Zeugen der Vergangenheit dieses wahrscheinlich
uralten „Lug in's Land".
Einige merkwürdige Alterthümer zeigten mir die freundlichen
Beamten der Bezirksverwaltung von Kavakli in dem 1 Stunde
östlich gelegenen, von einigen Tumuli umgebenen Dorfe Doganovo,
ungefähr 5 Kilom. westHch von der Tundza. Auf dem Marktplatze
liegt dort neben einem Säulenstumpf und anderen bearbeiteten
Steinen die linke Seite eines hier gefundenen, entzwei geschlagenen
Basreliefs, darauf das Pferd des „thrakischen Reiters" und darunter
144
ein Hund (1'2 h., 0*67 br.)- Am unteren Saume liest man ein
Stück einer Inschrift (Schrifthöhe 4 Cm.):
*A- B6NA1C- CY^8IC eNGffl/
n e p I K w;
(abgeschlagene Seite)
<t)X(aouia) BevbT(; cruvßi[o](; evO[dbe.... irepiK. .
In der Ortskirche lagen drei kleine Antiquitäten. Vor Allem
eine in zwei Stücke zerschlagene, 0"34 M. hohe Statuette einer be-
kleideten, in der Mitte umgürteten, männlichen Gestalt ohne Kopf
und Hände, an die sich ein Kind mit kapuzenartiger Kopfbedeckung
anlehnt; auf dem OSl M. breiten Sockel eine ebenso wie die
Figuren roh gearbeitete Inschrift in unregelmässigen Zügen:
niETOYCBiGYOCAnon TTi(JToOg BiGuog otTTÖ fi-
NOYAWNEYXAPicHPiON vou\ujv(?) e\JXapi(JTr|piov.
Daneben stand eine 0*37 M. hohe kopflose Statuette einer beklei-
deten Heilgottheit, unter der nackten Brust umgürtet, mit der rechten
Hand auf eine von einer Schlange umschlungene Keule gestützt und
links mit dem Fusse einen kugelaitigen Gegenstand (Omphalos?)
berührend. Das merkwürdigste war aber ein drittes Stück, ein
0'14 M. hohes und ebenso breites Täfelchen von schmutziggelbem
Marmor, darauf ein höchst primitives Basrelief: ein gegen rechts
gewendeter Reiter auf einem breitbrüstigen Pferde und, vor ihm
eine undeutliche verhüllte, ihm zugewendete (weibliche?) Person
zu Fuss**).
Von weiter südwärts gelegenen Burgen erfuhr ich, dass jen-
seits der Grenze in der Adrianopler Gegend besonders zwei Castelle
") Skorpil (a. a. O. S. 82) beschreibt ein Marmorrelief (0-58 M. lang, 0-65
hoch), welches im Kloster Sveta Trojiea bei dem Dorfe Vakuf, ungefähr 5 Kilom.
südlich von Doganovo, über einem Brunnen steht. Oberhalb des Reliefs, welches
Zeus mit einem Scepter (oder Lanze) und einer Patera in den Händen, und Hera
mit verhülltem Haupt, einem Gefäss in der Rechten und einem undeutlichen Gegen-
stand in der Linken darstellt, befindet sich eine dreizeilige Inschrift (Schrifthöhe
in Z. 1 2 Cm., in Z. 2 kleiner, in Z. .3 1 Cm.):
AIIZnTHPlKAIHPAZAPZHHMEnNAKEN
GOSAAIKnsOY^YAAPXOSYnEPTEEAYTOYKAI
XYNNOYEnYPEOSBEKOlKAITEKNriNNElKHTOYKAI
All öujTfipi Kai "Hpct =.[y]\vAwv-
öoc; AaiKuüöou (puXapxoc; vuip re 4auToO Kai
auv|ßi|ou 'ETrOpeot; B^ko<; koI t^kviuv NeiKrjrou Kai
Die Fortsetzung der liiHchrift war unter «iciu Relief, ist aber nicht erhalten.
145
erhalten seien, eines am rechten Ufer der Tundza bei Fikel (türk.
Fikla), das byzant. BouKe/vXov der Notitiae episc. und das BoukcXou
TTÖXiajua des Kantakuzenos (I. 324 sq.), das andere 4 St. nordöstlich
von Adrianopel, 2 St. von Vaisal, auf einem Felsen bei dem Fluss
und Dorf von Provadia, das im Mittelalter oft erwähnte TTpößaTov,
nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Burg bei Varna. Bei
Anna Komnena (ed. Reifferscheid II. 71) lesen wir von einem
Marsch des Kaisers Alexios I. Komnenos durch diese Landschaften :
von Adrianopel zuerst in das 18 Stadien entfernte XKOurdpiov, auch
in den Not. episc. als Bisthum (unter Philippopolis) erwähnt, jetzt
ein DorfÜsküdar (20 Kilometer von Adrianopel an der Südseite der
Sakar-Planina, nach der älteren Landeseintheilung noch unter Sultan
Mahmud 11. Centrum einer Nahia) , und von dort am folgenden
Tage in das wohl nahe 'AfaGoviKr), wo sich den Not. episc. zufolge
gleichfalls ein Bisthum befand. Nicht weit davon nordwärts lag
ein Ort (löiroq) 'AßpiXeßuu, ou TioppujTe'puj tujv eipri)uevuüv rröXeuJV
Keijuevoq. Derselbe erscheint schon im 8. Jahrhundert (Theophanes
ed. Boor 470) , wo im Jahre 796 während eines Bulgarenkrieges
die Positionen toO bacTeuu^ 'AßpoXeßa (mit einem akaoq) und toO
YU)avoO 'AßpoXeßa genannt werden. Es waren also eine bewaldete
und eine kahle Höhe nahe bei einander. Südöstlich von dem
grünen bewaldeten Rücken der Sakar-Planina steht abseits gegen
die Tundza zu eine isolirte grösstentheils kahle Kuppe von gelb-
brauner Farbe und nicht unbedeutender Höhe, türkisch Dervis-
Tepe (bulgarisch Derviska Mogila) genannt, welche bis zum heu-
tigen Tag als ein strategisch wichtiger Punkt gilt, wesshalb die
Feststellung der Grenzlinie zwischen Rumelien und der Türkei über
deren Gipfel nicht ohne Schwierigkeiten vollzogen wurde. Die
Position dominirt nämlich das Tundzathal und die Aussicht umfasst
die ganze Landschaft von Adrianopel bis nahe vor Jambol. Der
bewaldete Avroleva, auf welchem 796 der Bulgarenfürst Kardam
sein Lager aufschlug, entspricht wohl der Sakar-Planina, der kahle
Avroleva, wo sich damals Kaiser Konstantin VI. aufstellte, dem
gegenüberliegenden Dervis-Tepe, nahe oberhalb des alten Skutarion.
Im Gegensatz zu den wohlbebauten, meist ebenen Fluren des
Bezirkes von Kavakli ist der jenseits der Tundza an der Ostseite
derselben gelegene Bezirk von Kyzyl-Agac ein monotones wal-
diges Hügelland mit armseligen, weit von einander entfernten Dörfern
und schlechten Communicationen, das längs der Grenze durch die
Landplage eines permanenten Brigantaggio heimgesucht ist. An
Archäologisch-epigrapbische Mitth. X. iQ
146
der einzig;en Stelle, wo die sonst zwischen Hügeln eingeklemmte
tiefe Tundza ein etwas freieres Feld in zwei Armen durchfliesst.
liegt am linken Ufer das Bezirkscentrum, das grosse Dorf Kyzyl-
Agac (türk. „Rothbaum"), auch Kyzyl-Jenid2e genannt (1247
Einw.), jetzt nur von Bulgaren bewohnt; Reste einer Moschee, eines
steinernen Badehauses, eines (3 5 M. br.) Strassenpflasters nebst
der Ruine einer alten Brücke über die Tundza zeugen von der ehe-
maligen Türkenstadt, welche durch Pestkrankheiten und den Krieg
1829 ihre alten Bewohner eingebüsst hat. Antikes gibt es hier
nichts. Dagegen besuchte ich nördlich davon, in einer Biegung der
Tundza westlich von Mursatli und Bejköi, eine von dichtem Gestrüpp
überwucherte alte Burgstelle mit Spuren von Umfassungsmauern,
die mit 3ü M. hohen Abhängen zum Flusse abfällt; man nennt sie
Dermenkalessi (dermen türk. „Mühle"). Oestlich davon ragen
einige gewaltige Tumuli empor, in welchen nach der Meinung der
hiesigen Bauern „kostbare Wägen" verborgen sein sollen^ was von
der wirklichen Ausgrabung eines alten Kriegswagens herstammen
mag "*). Durch die hiesigen Waldhügel führte eine jetzt nicht mehr
benützte Fahrstrasse von Adrianopel über Büjük- und Kücük-
Derbend, Pasaköi, Aftan nach Karnabad und weiter über den
Balkan zur Donau, auf der z. B. Carsten Niebuhr 1767 auf der
Rückkehr aus Arabien gereist ist. Ein ganz verwaschener, mit
ATAGHiTYXHi beginnender Inschriftstein soll in Ambarli, 1 St.
gegen SO. von Kyzyl-Agac, am Dorfbrunnen liegen; ebendaselbst
gibt es drei, bei dem nahen Evrenli neun Tumuli (dort auch
Heidengräber, „elenski grobista"). Ich hörte in Kyzyl-Agaö auch
von Ruinen kleiner Castelle bei den Dörfern Catalovo, Pasaköi,
Kurtbunar, Dereköi (zwei Castelle nahe an der Grenze, auch
Münzfunde), Alatli. Topuzlari (gegen NO. von Kyzyl-Agac,
nahe an der „Erkesija").
Von Jambol eilte ich in das nur 27^ St. gegen NW. entfernte
Sliven, welches bei den späten Byzantinern öfters als eine feste
") In (lieser Gegend gab es im Alterthum mehrere Niederlassungen, wohl
von der Art, wie bei Doganovo. Ökorpil (a. a. O. S. 29), der hier zuletzt auch
Ausgrabungen betrieben hat, in der Meinung das alte Cabyle entdeckt zu haben,
fand in der Umgebung der Dörfer Bejköi, ISikli und Mursatli an weit von
einander entfernton Orten viele Tumuli, zwei Sarkophage, Fundamente von Ge-
bäuden, Trümmer von Mosaikböden, irdene Gefässe, tliönernc Röhren, eine 7 Cm.
hohe Bronzefigur eines laufenden Mannes, hohle Hände aus Bronze, Münzen
Alexander des Grossen, der Stadt Anchialus, der Kaiser Antoninus Pius und Sep-
timius .Scverus u. s. w.
14t
Bulgarenstadt ZtiXßvoc; erscheint. Die jetzige sehr ausgedehnte
Stadt (16.593 Einw.) ist auch nach den Sagen der Einwohner von
neuerem Datum. Die ursprüngliche Ansiedelung bildet das gegen-
wärtig östlichste dorfartige Viertel Novoselo (bulg. „Neudorf ").
Nordöstlich oberhalb Novoselo sieht man auf einem ganz von Wein-
gärten bedeckten Vorsprung des Balkans die „Hissarkalessi" ge-
nannten Reste der alten Akropole von Sliven. Der Burgraum ist
ziemlich gross, im Westen gedeckt durch das enge tiefe Thal der
Novoselska Reka, im Osten durch eine trockene Mulde, im Süden
durch den Abhang gegen Novoselo zu; die Nordseite, gegen die
hohen Balkangipfel Catal und Bolgarka zu, war durch eine 3 — 4 M.
hohe, künstlicli abgegrabene Terrainstufe geschützt, an deren Rand
die Fundamente einer festen steinernen Mauer sichtbar sind. Die
hiesigen Weingärten sind voll alten Baumaterials; Stein und Ziegel.
Auch findet man hier eine Menge von Münzen. Die meisten mir
in Sliven gezeigten Stücke sollen von hier stammen : von Traian,
'Antoninus Pius, Diocletian (sehr häufig), Constantin , Justinian,
byzantinische Stücke, altbulgarische Silbermünzen u. s. w. Am
Südfusse des Schlossberges hat man die Fundamente einer kleinen
Kirche blossgelegt. Die in der Gegend gefundenen „geschrie-
benen" Steine liegen jetzt sämmtlich bei der St. Sofiakirche von
Novoselo. welche noch vor 50 Jahren eine mit Bäumen und Ge-
strüpp bewachsene Ruine war, seitdem aber (1838) durch einen
neuen Bau ersetzt wurde. Ein 1-27 M. hoher und 0'52 M. breiter
Inschriftstein am Schöpfbrunnen neben der Kirche ist leider durch
das Ausgiessen des Wassers halb verlöscht ^^) :
") Dieselbe Inschrift ist bei Skorpil S. 79. 80 abgedruckt, dessen Lesung
oben neben der meiuigen steht. Nach ihm sollen diese Alterthümer nicht auf der
Burg , sondern in Novoselo am Südostende neben den Fundamenten eines mit
Ziegeln gepflasterten Gebiiudes gefunden worden sein. [Möglich erscheint etwa
folgende Herstellung, die grossentheils unserem CoUegen v, Hartel verdankt wird:
'AYa[9f|i] TÜx»li- ['EireiÖT) oi] 'Avxt[aXei<; ev xol«; ve]ÜJi<; Kai ßa[ äv]iQr\Kav
fa Geüöv (iYä\[|uaTa Kaxä xp^]^Mou<; tou[(; . . . 'ATröXXjiuvot; KoXoqpuu-
[viou ^Tri|Li]e\r|Toö Titou [0\aouiou NJeiKrixou, 6iaöe[Eä|Li€vo^ xirijv e'iTi[|u]eXeiav
[dYvoxdxriv b]i[ä] xoö irafxpöt; aüxoO T(xo(;l OXdouio[<; o<; KJaxä xö xfjt;
[Xajuirpoxäxr]^ ßJouXfjc; [bÖYI^icx k. x. X. Mit dein in Z. 6 — 8 vorausgesetzten Orakel
des kolophonischen Apollon ist das des Apollou Klarios bei Kolophon gemeint, dessen
Ansehen in der Kaiserzeit namentlich durch den Bericht des Tacitus Ann. 2, 54
bezeugt wird. A. d. R.]
10*
148
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NNE /nnEAEIAN
E A 1 ATO YHA
YcfcAAOYIO
ATATOTHZ
OYAHZ
An die Kirchenmauer angelehnt liegt ein Stein, 0'67 h. und
br., 011 dick, auf beiden Seiten mit Basreliefs in eingerahmten
Feldern ohne Inschriften. Auf der einen Seite sieht man einen
lanzenbewaffneten Reiter einen eben vor einem Baume vorbeilaufen-
den Hirsch und ein kleineres Thier (Wildschwein?) verfolgen. Die
Rückseite zeigt vier Nymphen in gegürtetem Chiton, in Reigenschritt
sich an den Händen fassend; eine derselben hält einen runden
Gegenstand und darunter sieht man einen Adler (?) mit grossen
Krallen und undeutlichem Kopf. Aus demselben Fundort stammen
wolil auch ein sehr zerstörtes Basrelief mit einem Reiter (ungefähr
1 M. h. u. br.) auf einem Marktplatze in Sliven, sowie einige glatte
Säulen, die bei der Caserne herumliegen. Südlich von Novoselo
erheben sich 6 — 7 Tumuli ; an dem Fusse eines derselben hat man
unlängst einen schönen kleinen Satyrkopf aus Bronze ausgegraben
(jetzt in der Landesbibliothek zu Philippopel) *'*).
'•') Nach Skorpil (S. 67) fand mau den Satyrkopf iu der Grabkammer im
Innern des Tumnlus, dabei zahlreiche Thon- und Glasgefässe, Ringe u. s. w.,
sowie eine Kupfermünze des Germanicus consul. — In den Umgebungen von
Sliven beschreibt er ausser zahlreichen Burgen an den Vorsprüngen des Balkans
(S. 6ö) die Reste einer grossen Ansiedelung am Fuss des Gebirges, 12 Kilometer
gegen SW. von der Stadt, die sich vom D.rf Dcrmendcrd bis zur Tundza er-
149
Unmittelbar über den Häusern von Sliven ragen die steilen
Mauern des Balkan empor, über welchen in dieser Gegend nur
beschwerliche Saumpfade führen. Das Gebirge ist hier in mehrere
Ketten getheilt, zwischen denen sich die Wässer der ostwärts zum
Schwarzen Meere abfliessenden Kamcija sammeln. Die südliche
„ Wilde Kamcija"' (bulg. Luda Kamcija, türk. Deli Kamcik) entsteht aus
zwei Quellflüssen, der Ko tlesnica, welche die merkwürdige, ganz
aus Holz erbaute, aber bei aller Alterthümlichkeit nicht in's Mittel-
alter zurückreichende Bulgarenstadt Kötel (7481 Einw.) durch-
fliesst, und der Rakovska Rekä, die aus einem von bulgarischen
Schafhirten bewohnten Gebirgslande mit schönen Eichen- und
Buchenwäldern und Alpentriften herabsteigt. An dem Zusammen-
flusse beider liegt das Städtchen Grade c, an dessen Westseite
auf einem felsigen, von einer Strombiegung der Rakovska Reka
umflossenen Gebirgsvorsprung die Reste eines jetzt von alten Wald-
bäumen überwucherten Castells zu sehen sind, von dem der Ort
auch den Namen hat (gradec bulg. „Schlösschen"). Neben byzan-
tinischen und bulgarischen Münzen zeigte man mir in Gradec auch
einige hier gefundene von Septimius Severus und Diocletian. Dass
auch die höher gelegenen Waldgebiete im Alterthum nicht unbe-
wohnt waren, beweisen die Funde römischer Kaisermünzen selbst
in dem an der oberen Rakovska Reka in einer tiefen Schlucht ge-
legenen Icera: Silbermünzen von Hadrian, Philippus und Decius.
Den Engpass der Kotlesnica zwischen Gradec und Kotel überragt
von der Westseite eine steile isolirte Kuppe, deren Profil man selbst
vom Hissar von Karnabad gut unterscheiden kann, Grad (Schloss,
Burg), Vida oder türk. Kyztepe („Mädchenhügel") genannt; auf
.streckte und vielleicht aucli jenseits des Flusses die dortige Therme umfasste. Der
Ort soll erst mit der türkischen Eroberung eingegangen sein. Ausser Tumuli, drei
Kirchenfuudamenten , der Spur einer Brücke über die Tundra, Grundmauern von
Häusern findet man hier Gefässe, Lanzenspitzen, Skelette und byzantinische Münzen.
Bei der Therme grub man auch eine Marmorplatte (20 Cm. h. und br., 1'5 dick)
mit dem „thrakischen Reiter" aus , sowie eine Münze der Stadt Parium mit latei-
nischer Legende. Diese alte Ansiedelung halte ich für das mittelalterliche Auli
(r) AOXn Kedrenos p. 596, Eului, var. Aulin, Eulin bei Villehardouin ed. Wailly
p. 2^3), eine Burg ((ppoupiov) mit einer an Vieh und Getreide reichen Stadt (viUe)
am Fusse des Haemus (Karä xäc, iL)Triwpeia<; toO Aijliou; bei Villehardouin sehr
anschaulich beschrieben), 4 — 5 Tagemärsche nördlich von Adrianopel in der Nähe
von Diampolis. Im 11. Jahrhundert setzten sich hier einmal die Peceneo'en fest
und schlugen die anrückenden Byzantiner bei Diampolis; 1207 wurde Auli vom
Lateinerkaiser Heinrich von Adrianopel aus erreicht und ausgeplündert.
150
dem Gipfel soll es nur eine gemauerte Cisterne, aber keine Spuren
von Befestigungen geben. Gegenüber auf der flachen Höhe Plesivica
gibt es angeblich alte Schanzen, und die Sage erzählt, in alten
Zeiten sei der dazwischen liegende Pass, die Demirkapija
(Eisernes Thor) von Kotel , durch eine Kette gesperrt gewesen.
Eine Stunde nordöstlich von Kotel, gegen Vrbica zu, liegt im Ge-
birge die Ruine einer grossen, Közjak genannten Burg, deren
Mauern aus wechselnden Stein- und Ziegellagen bestehen sollen.
In den Umgebungen des nahen einsamen Gebirgsdorfes M6dven
(türk. Papasköi) gibt es ausser drei grossen Tumuli (im W.) eine
im Walde verborgene Castellruine (gegen NO.) und die Reste einer
grösseren, Novacka genannten Ansiedelung (74 St. gegen 0.)
auf einer ausgedehnten flachen, von alten Weichselbäumen be-
schatteten Anhöhe, mit Spuren einer Kirche und alter Hausmauern,
wo auch Pfeilspitzen, Münzen, Kreuze u. s. w. gefunden werden.
Es soll dort einst 30 Kupferschmiedwerkstätten (nach anderen 80
Kesselschmiede) gegeben haben, und der Sage nach stammen die
Einwohner von Kotel und von anderen umliegenden Orten aus
dieser erst seit der türkischen Eroberung eingegangenen Stadt.
Zwischen Medven und Gradec stehen die Ruinen einer Butovo
genannten Burg. Oestlich von Medven liegt an der Kamöija ein
türkisches Dorf mit dem bulgarischen Namen S4do vo; 1 St. nördlich
soll es an einer Karasu genannten Stelle eine Castellruine geben.
Weiter gegen Osten folgt das Dorf Kadyrfakli; l*/« St. gegen
Norden von ihm ragt auf der Ostseite der zuletzt von der türkischen
Regierung gebauten Chaussee über den Centralbalkan nach Vrbica,
knapp an der rumelisch-bulgarischen Grenze, aus dem Gebirgskamm
ein hober, von Weitem sichtbarer flacher Gipfel empor, auf welchem
sich die angeblich grösste Burgruine der ganzen Gegend befindet, von
den Türken Ruspuhissar („Hurenburg") genannt. Die Position
dieser den Balkanübergang in der Richtung gegen Vrbica n^d Preslav
dominirenden Oasteile (an das zweite soll sich eine niedere, Düz-
tepe genannte Stelle mit den Spuren einer Ansiedelung und einer
Kirche anschliessen) lud wohl zu einem längeren Aufenthalt in
den hiesigen Wäldern ein, umsomehr als man mir von einem bei
dieser Ruine vorbeiziehenden Wall oder Weg erzählte. Aber das
Wetter war sehr ungünstig. Nachdem ich durch starken Regen in
Kotel länger als ich wünschte festgehalten war, lernte ich die
hiesigen Waldbäche und die Kamcija beim Durchschwimmen zu
Pferde (an Brücken fehlt es noch) von der am wenigsten ange-
151
nehmen Seite kennen und war gezwungen, den Plan aufzugeben.
Ich erfragte in Kotel, Medven und Gradec nur so viel, dass jenes
merkwürdige Denkmal ein gepflasterter, 9 Spannen breiter Weg
sei, jetzt ganz verfallen und an wenig zugänglichen Stellen der
Wälder gelegen, und dass derselbe bei der genannten Burg den
Balkan zwischen Vrbica einerseits und Sadovo und Kadyrfakli
andererseits überschreite'^). Dass die seit altersher Gerilovo,
Gerlovo genannte Landschaft von Vrbica an der Nordseite der
Centralkette eine weit zurückreichende Vergangenheit besitzen mag,
dafür sprechen einige Münzen von Septimius Severus, Philippus
und Theodosius , nebst einem dyrrhachinischen Silberstück (EEwriN,
B AAMOY ; vgl. Mionnet 2, 42, 135 und Suppl. 3, 343, 228, wo als
Lesung . . . .aamoy und *!aaamoy angegeben wird), die mir in Kotel
aus den dortigen Funden gezeigt wurden.
Der Balkanübergang bei der Burg von Kadyrfakli war von
Süden aus leicht zugänglich. Die südliche äussere Kette des
'*) In der Gegfend erzählte man mir von einer hiesigen Erkesija, einem
Erdeinschnitt, der angeblich von West nach Ost ziehend , den Pass von Kotel mit
dem „Grad", ferner die Burg bei Medven und endlich das Castell oberhalb Kadyr-
fakli berühren und zum Theil mit einer „ganz niedrigen Mauer" versehen sein soll.
Aber die Erzählung scheint mehr auf Corabinationen als auf wirklicher Beobach-
tung zu beruhen. Ich selbst habe die Sache nur an einer Stelle mit eigenen Augen
gesehen, auf dem Berge V e t r i 1 a zwischen Zeravna und Kotel, an der Westseite
der steilen Kuppe des Grad. Man bemerkt dort unterhalb des Kammes auf dem
Nordabhang der Vetrila einen 4 Schritt breiten , von West nach Ost streichenden
ebenen verlassenen Weg, an dem von Wall und Graben keine Spur zu merken ist.
In Gradec versicherte man mich übrigens, die „Erkesija" der Medvener sei mit der
oben erwähnten gepflasterten Strasse über's Gebirge identisch und die „ganz
niedrige Mauer" sei nichts anderes als altes Strassenpflaster. — Skorpil (a. a. O,
S. 88) erwähnt an der Westseite des Passes von Kotel, östlich von dem mir be-
kannten Stück an der Vetrila, noch einen zweiten Wall (mit Graben an der Süd-
seite) von geringer Ausdehnung. Diese gegrabenen Linien gelten jetzt als Grenze
der Gemeinden von Kotel und Zeravna; man sollte die alttürkischen Urkunden
einsehen, welche beide Orte, wie ich aus guter Quelle weiss, über ihre Feldmarken
besitzen. An dem Uebergang nach Vrbica sah Skorpil (S. 52 — 53) drei Burgen:
links das Karasukalessi, gegenüber rechts Tepegjoz und hinter einer tiefen
Schlucht Ruspuhissar. Nach ihm ist die dortige ,, Erkesija" das Fundament
einer 2 M. breiten Mauer (einer Passsperre? von welcher Ausdehnung?) mit der
Spur eines 3 M. breiten Thores darin, bei dem Karasukalessi. Von dem alten
Strassenpflaster (kaldyrym, batal ptt), das mir die Einwohner beschrieben, erwähnt
er nichts. Auch ist aus seiner topographisch unzureichenden Schilderung nicht
ersichtlich, in welchem Verhältniss diese Ruinen zu der auf den Karten eingetra-
genen neuen Strasse nach Vrbica stehen.
152
Balkans ist hier nämlich durchbrochen und zwischen dem Balkan
von Sliven und dem von Aitos jribt es nur einen niedrigen Rücken,
welcher das Thal der Wilden Kamcija von dem Gebiet des süd-
wärts zur Tundza abfliessenden Azmakflusses scheidet. Auf diesem
Plateau liegt östlich von Gradec das armselige Dorf Kaj ab as mit
einem 1200 Schritt langen und angeblich zwei Mannshöhen tiefen
See „Kajabasko blato" , längs dessen Nordufers sich ein isolirter,
länglicher, an 50 M. über die Seefläche emporragender Felsberg
mit Resten eines alten Castells von Ost nach West erstreckt *•*). Die
Situation erinnert an das Paleokastro von Knvakli Die Nordseite
der Befestigung war gegeben durch den scharfkantigen Kamm, auf
welchem sich über dem gegen Norden sehr abschüssigen Abhang
die Fundamente einer 2*5 M. starken Mauer aus grossen Steinen
verfolgen lassen. Die Aussicht von dem Kamm beweist die einstige
grosse strategische Bedeutung des Platzes: man überblickt im
Norden den Centralbalkan von Rakovo bis Calykavak mit dem
„Grad" an dem Engpass von Kotel, der Stelle von Novacka, dem
Ruspuhissar u. s. w., ferner links und rechts die hohen Berge des
Balkans von Aitos und SHven (Matejska Planina), im Süden die
Höhen von Karnabad mit dem dortigen grossen „Hissarlik" , und
in der Ferne erscheinen sogar die Kuppen des Bakadzik und der
Monastirberge. Die Südseite der Burg schützte der See ; an
15 Schritt vor seinem schilfreichen Ufer stehen die geradlinigen
Fundamente der einstigen Umfassungsmauer. Die Befestigungen
im Osten und Westen sind kaum kenntlich. Der innere Schloss-
raum zwischen dem Felsenkamm und dem See ist sehr steil und
zum Theil ganz treppenartig: zwischen den dichten (Jebüschen und
dem glatten langen Grase , das hier wuchert , sieht man überall
zubehauene Steine, Ziegelfragmente, Topfscherben, die bis in das
Schilf am Ufer hinunterreichen. Die Dorfkirche von Kajabas ist
ganz aus alten Quadern von hier erbaut; dort sieht man auch eine
Steinplatte mit einem von einer Kreislinie umrahmtem Kreuz, sowie
einen viereckigen alten, canellirten Pfeiler. Eine auf der Burg ge-
fundene glatte Säule dient jetzt als Strassenwalze. Man fand hier
auch Pfeilspitzen, Doppeläxte, Messer, Metallkreuze, byzantinische
und bulgarische Münzen, angeblich auch ein Goldstück des Kaisers
") Der See ist als „Hissargöl" abgebildet bei Kanitz III. 94. Die hiesige
Burg blieb Kanitz unbekannt; dagegen erwähnt er ein ITissartepe 1 8t.. westlich
vfin Kajab.as, von lern ich hi^r nichts gehört habe.
153
Honorius. Ich hörte von einem Marmorstein mit Inschrift, den
man vor dem letzten Kriege nach Constantinopel geschafft haben
soll, konnte aber nichts Näheres darüber erfragen.
Die nächste Verbindung dieses Seeschlosses mit Jambol führt
durch den Maras Boaz genannten Pass, in welchem sich, wie
man mir erzählte, neben der neuen Chaussee Jambol-Kotel Spuren
eines alten Pfades befinden, mit zwei Castellruinen in der Gemar-
kung des Dorfes Sedldrevo. Ich muss ausdrücklich bemerken,
dass ich den Namen in der ganzen Umgebung stets nur als Mar äs
gehört habe, wie auch ein Dorf am Südausgang des Passes heisst;
die Form Marak, die ein neugriechischer Apo)uobeixTr|q (um 1826)
angibt (Heerstrasse S. 150), ist im Lande selbst unbekannt. In-
dessen ging die mittelalterliche Hauptstrasse nicht diesen Weg,
sondern ungefähr 25 Kilometer weiter östlich durch das Azmak-
defile bei dem Hissar von Karnabad vorbei.
Ich wendete mich von Kajabas in das Azmakthal, passirte
die grossen, auch von Kanitz erwähnten Tumuli von Cerkesli,
das Dorf Sungurlar, in dessen Nähe am Waldesrand neben
einigen ähnlichen alten Grabhügeln eine kalte Mineralquelle ent-
springt (man zeigte mir eine bei der Quelle gefundene, in Alexandria
geprägte Silbermünze des Hadrian), sodann den grossen von Cul-
turen bedeckten Tumulus von Kokordza und gelangte nach Kä.r-
nabad. Diese Stadt (4274 Einw.) liegt am Nordabhang eines
niederen , von West nach Ost streichenden, eruptiven Höhenzuges,
welcher den Lauf des Azmak derartig einschränkt, dass sich nord-
westlich von Karnabad ausgedehnte Sümpfe gebildet haben, die
man vor dem Eintritte in den Ort auf langen, mit Brücken ver-
sehenen, gepflasterten Dämmen (aus der Türkenzeit) überschreitet.
Karnabad verdankt seine Bedeutung grossen Jahrmärkten und hat
nichts Alterthümliches aufzuweisen. Dagegen befindet sich in der
Umgebung, I'/q St. gegen SW. , eines der bedeutendsten Castelle
der ganzen Landschaft, das als Schlüssel der Communicationen
zwischen den Haemusübergängen und Jambol (oder Adrianopel)
eine hervorragende Bedeutung haben musste.
An der Stelle, wo der Azmak die enge Mauer des erwähnten
Karnabader Höhenzuges durchschneidet, um in offenem Felde der
nur 40 Kilom. entfernten Tundza (er mündet oberhalb Jambol) zu-
zueilen, stehen auf der linken Seite des Flussdurchbruches, nicht
weit südlich von der Strasse Sliven - Karnabad , die Reste des
Hissar-kale. Dasselbe besteht aus drei Befestigungen in drei
154
von Nord nach Süd aufeinander folgenden Abstufungen. Der erste
und höchste Theil ist ein unregelmässiges Viereck, von Nord nach
Süd ungefähr 120 Schritt breit, das von einer 3 M. starken, aus
wechselnden Lagen von Stein und je fünf Reihen Ziegel erbauten
Mauer umfasst war, von welcher im Süden noch ein mannshohes
Stück aufrecht steht. Die Nord- und Südseite decken die steilen
Abhänge des Höhenrückens selbst, die Ostseite schützt ein künst-
licher tiefer Graben, vor welchem noch die Spur einer zweiten
äusseren Schanze sichtbar ist. Die Westseite bildet die enge
Schlucht des Azmak, dessen Spiegel an 80 M. unter der Burg liegt.
Adler und Eulen nisten in den Felsspalten , während tiefer unten
der blaue Flieder {Syringa, bulg. „luljak") ganze Büsche bildet,
der in Bulgarien überall als ein an Burgruinen haftender Strauch
gilt und wohl meist alten Culturen entsprossen ist. Zwei (je 1'5M,
breite) Mauern , die vom Castell aus an Felsvorsprüngen ungefähr
200 Schritt weit gegen das Azmakdefile vortreten, dienten wohl
zur Deckung eines wegen des Wasserholens wichtigen directen
Abstiegs. In der Mitte des Burgplatzes bemerkt man auf dem
felsigen, von Schutt, Ziegel- und Gefässscherben bedeckten Boden
die Fundamente eines grösseren steinernen Gebäudes. Die Rund-
sicht von der luftigen , den Winden stark ausgesetzten Höhe ist
grossartig. Man überblickt die Zinnen und Gipfel der inneren
Balkankette mit den Pässen von Kotel, Vrbica, Calykavak, nebst
den steilen Bergen bei Sliven und den niederen bei Aitos , die
Sümpfe des Azmak bei Karnabad, die fruchtbaren Niederungen
von Jambol, Sliven, bis gegen Jeni Zagra hin ; jenseits der glitzern-
den Fläche des nahen Sumpfes von Streldza ") erscheint im Westen
das Querprofil der Sredna Gora, während im Südwesten aus der
weiten thrakischen Ebene nur einige Hügol der Gegend von Cirpan
emportauchen. Der Bakadzik verdeckt die Monastirberge und
schliesst sich, von unserem Standpunkt durcli ein niederes Terrain
getrennt, den Waldbergen im SO. an, in denen die oben beschrie-
benen Wälle der „Erkesija" verborgen liegen.
Doch das ist noch nicht Alles. An die Südseite der Burg
lehnen sich , zwischen dem Azmak und der Fortsetzung des öst-
") Dio auf den Karten angegebene Ruine bei Saraj am Sumpf von Streldza
ist ein Ueberrest der Lustliäuser des Sn'taiis Mohammed IV. (1648 — 1687) , der
hier noch als „Avdii Mohammed Sultan" ^der Jäger) bei den Türken in gutem
Gedächtniss geblieben ist.
155
liehen Burggrabens eingeengt, in zwei Stufen zwei viereckige, mit
Wall und Graben umgebene Castia an. Das erste Lager liegt an
50 M. tiefer als die Burg, das zweite an 15 M. tiefer als das erste.
Die Form derselben ist wegen des Flusslaufes etwas unregelmässig;
die Länge des ersten Castrums (W. — O.) beträgt 550, die Breite
370 Schritt, während das zweite nur 400 Schritt lang und 100 Schritt
breit ist. Die Ostseite beider bildet ein an 6 M. hoher Wall mit
einem 16 Schritt breiten, trotz seines Gefälles immer feuchten
Graben. Die Westseite gegen den Fluss ist ausser dem Wall auch
durch die allerdings niedrige Fortsetzung der Felsböschungen des
Defil6s geschützt. Beide Lager trennt ein (von der Südseite ge-
sehen) fast 10 M. hoher Wall, wogegen das untere Viereck von
Süden nur mit einem niederen Erdaufwurf gedeckt wird, vor dem
sich jedoch ein breiter, mit stagnirendem Wasser angefüllter Graben
befindet. Das obere Castrum hat in der Mitte der Ost- und West-
seite einander gegenüberliegende Ausgänge; desgleichen verbindet
ein Thor beide Castra untereinander, dem ein Ausgang aus dem
unteren Lager südwärts entspricht. Das Innere der beiden Um-
wallungen, die jetzt als Weideplatz dienen, enthält ausser einzelnen
Ziegelfragmenten nicht die geringste Spur von Gebäuden. Zwei
Tumuli auf der Nordseite der obersten Burg und die grosse „Popova
mogila" gegen Osten auf dem Rücken desselben Höhenzuges ver-
vollständigen das ganze Landschaftsbild. Zum Schlüsse muss ich
bemerken, dass längs des Azmak ein Fahrweg durch die Schlucht
führte an welchem jüngst bei der Herstellung eines Mühlgrabens
viele gewaltige Gefässe gefunden wurden, die, gewöhnlich mit ver-
modertem Getreide gefüllt, hier zu Lande bei keiner Ruine fehlen.
Eine neue Mühle unweit des untersten Lagers ist der einzige be-
wohnte Punkt in der sonst trostlos öden Umgebung.
Die feste Burg ist ohne Zweifel, wie man aus der Stellung
der beiden Castra erkennt, von Jemand errichtet worden, welcher
das Azmakdefile gegen einen nördlichen Feind sperren wollte.
Das obere Castell mit seinem weiten Horizont bildet ein Glied der-
selben Kette, zu welcher auch der Ruspuhissar im Balkan, die Burg
von Kajabas und die Stadt Jambol gehören. Sagen über den Ort
gibt es nicht, dagegen sah ich einige Münzen von den vielen^ die
auf der obersten Burg gefunden wurden ; es waren byzantinische
Kupfermünzen, sämmtlich arg beschädigt (einige mit dem Heiland
als „Basileus Basileon" , andere concav) , und eine gut erhaltene
Silbermünze des bulgarischen Garen Svetslav (f 1321).
156
Einige Bürger von Karnabad zeigten mir eine Menge antiker
Münzen, Stücke von Thasos, Athen, Alexander d. Gr., römische
Kaisermünzen (von Augustus, Vespasian, Hadrian, Antoninus Pius,
Gordian, Philippus, Decius, Aurelian, Constantin u. s. w.) , byzan-
tinische Gold- und Kupfermünzen u. s. w. Als Fundorte gab man
mir das Dorf Aftan im Süden des hiesigen Bezirkes und die Ge-
birgslandschaft nordwärts gegen den Pass von Calykavak (23 Kil.
östlich von dem bei Vrbica) an. Ich habe die Gegend an diesem
Passe sowie am Zusammenflusse beider Kamcija's nicht besuchen
können, aber die antiquarischen Daten, die ich erfuhr, sprechen
für eine von altersher stammende Bedeutung dieses Ueberganges,
welcher nach den Itinerarien von Bongars (1585), Boscovich (1762),
Carsten Niebuhr (1767) '*) u. A. in den letzten Jahrhunderten all-
gemein die Verbindung zwischen Adrianopel und der Donau ver-
mittelte'"). Bei dem von Karnabad gut sichtbaren bulgarischen
Dorf Kosten gibt es auf einer hohen Kuppe eine grössere Burg
zum Schutze des Weges ; in derselben sollen die Bauern einmal
feine Statuette einer unbekleideten sitzenden Göttin und in einem
nahen Tumulus das Skelett einer Frau mit goldenen Ohrgehängen
gefunden haben. Eine grosse Burgruine, angeblich noch mit einigen
erhaltenen Kammern, steht an der Kamcija bei Podvis; von dort
und aus Kislaköi stammen die mir gezeigten Münzen Alexanders
d. Gr. Reste alter Gebäude gibt es auch bei Komarevo""), bei
**) Bongars Tagebuch, herausg. von Dr. Herrn. Hagen, Jacob Bongarsius,
Bern 1874. R. G. Boscovich, Oiornale di un viaggio da CostantinopoU in
Polonia. Bassano 1784. C. Niebuhr, Reisen durch Syrien etc. HI (Hamburg
1837) p. 168 sq.
'*) Der Uebergang über das Gebirge ist bei den drei genannten Reisenden
identisch: Gegend von Karnabad (Tubekoi = Türk Bejlcöi, Niebuhr), Komarevo
iNiebuhr) oder Bosilkovo (Bongars) , Dobral (Boscovich , Niebuhr) , Calykavak
(Zaolcava derven Bongars, Scialikavak Bosc, Tschalikova N.) ; von dort geht die
Route von Bongars und Niebuhr über Eski Stambul nach Rasgrad , die des Bos-
covich über Dragojevo nach Sumen. Bongars sah zwischen Eski Stambul und
Calykavak nur ^hois aana voye ni seniier^; Boscovich (p. 56) bemerkte ein zerfallenes
Pflaster am nördlichen Abstieg, „un tratto considerabile lastricato a pief.re, le quali
di grandezza erano in circa, conie quelle che in Italia troviamo nella Via Appia , e
allre atr ade Romane antiche, e parimenti di figura irregolare come quelle, ma
piü grosse'^, und Niebuhr (p, 172) sagt: „da wo es am steilsten bergunter
geht, hatte der Sultan den Weg erst neulich pflastern lassen". Das
Pflaster war also türkischen Ursprungs.
'"j Nach Skorpil (a. a. O. S. 92) liegen 10 Minuten nördlich von Komarevo
die Fundamente eines viereckigen Castells mit runden Eckthürmen , nebst Resten
einer Ansiedelung, wo man Münzen von der Kaiserin Fnnstina, (Konstantin, Jusli-
nian, Phocas n. A. gefunden hat.
157
Keremetli (ursprünglich Gramatikovo genannt) u. s. w. In
der Richtung gegen Aitos zu steht eine Burg auf einem Vorsprung
des Balkans bei Skenderli.
Ueber die Gegend am Zusammenflusse beider Kamöija's erfuhr
ich folgende Einzelheiten. In Cenge und bei Lopusna gibt es
Burgruinen; in Varna sah ich zwei Kupfermünzen aus einer „Mo-
nastir" genannten Ruine bei Cenge, die eine König Philipp's (Reiter,
*iAinnoY, neben dem Pferde a, B ein Kopf), die andere von Ale-
xander (ein undeutliches Ding, aaesanapoy, B ein Kopf im Profil).
Westlich von Novo sei o (Jeniköi), in welchem sich jetzt das Cen-
trum eines bulgarischen Bezirkes befindet, liegen nach den Erzäh-
lungen der dortigen Beamten bei dem Dorfe Karaburun zu beiden
Seiten der nördlichen Kamcija alte Burgen, rechts eine kleinere
„Monastir" genannt, links eine grössere auf dem Arkovna Bair
beide wohl zur Deckung einer Brücke errichtet. Dabei bemerkt
man die Ueberreste eines von Norden nach Süden verlaufenden
gepflasterten Weges, über dessen Fortsetzung sich leider nichts
Näheres erfragen liess.
Was die Vergangenheit dieser Wege und Burgen anbelangt,
so zerfallen die Strassen über den Ostbalkan in zwei Gruppen.
Die östliche Gruppe, von dem antiken Marcianopolis und dem mittel-
alterlichen Provad auslaufend, mit dem südlichen Ausgang gegen
Mesembria und Anchialos, tritt im Alterthum in den Vordergrund
und besteht aus zwei durch alte Itinerarien, und wie ich zeigen werde,
aucl» durch erhaltene Reste bezeugten Römerstrassen in der Nähe
der Küste. Die zweite Gruppe, die erst im Mittelalter eine grössere
Bedeutung gewinnt, zwischen Preslav und seiner ganzen Umgebung
im Norden und Diampolis im Süden, umfasste vier Uebergänge
über den inneren Balkan zwischen den beiden Kamöija's: bei Kotel
beiVrbica, bei Calykavak und bei Lopusna oder Karaburun. Der
zweite und vierte waren mit gepflasterten Strassen alten Ursprungs
versehen, der letzte ist ausserdem durch das Vorkommen make-
donischer Münzen merkwürdig. Diese Uebergänge, besonders der
zweite, sind wohl die Bepe'Taßa, KXeiaoüpa Bepexdßaiv, e^ßo\Tl Bepi-
Tdßinv'^') des 8. Jahrhunderts und die Zibripä, rruXai Iiöripai des
9. — 13. Jahrhunderts. Zwischen der Sidera und Jambol werden
'') Tbeoph. 359. 431, Nicephorus patr. 73 ed. Boor (die Lesart BeptTÖviuv
bei Nicephorus ist nur durch einen Lesefehler des Petavius entstanden, cf. Boor
praef. p. XV).
158
drei Burgen genannt. Die erste war foXörj, nach Anna Komnena
(ed. Reifferscheid IL 71) Ttepi Triv otKpoXocpiav ifi^ Iibripäq KXeicTovjpa?
gelegen, ein wichtiger Waffenplatz zwischen den Donaulandschaften
und Diampolis, wohl das den Uebergang beherrschende hochgelegene
„Ruspuhissar" bei Kadyrfakli. Die zweite war Aapbeac;, wo Alexios I.
Komnenos einmal 40 Tage mit seinen Truppen lagerte, nach Anna
Komnena (ed. cit. I. 228. 229 Txpöc, töv Aapbeav) ev laeiaixiniuj tt)?
AiajaTTÖXeujq Kai roXöri(; biaKei|uevo^, von Pachymeres in der Form Aap-
baia(^ (ed. Bonn. II. 559) mit 'YdjUTToXt<; als buo qppoupia tOuv küX-
Xiaiuuv erwähnt. Diese schöne Burg mit dem grossen Lagerplatz
ist vielleicht identisch mit dem Castell bei Karnabad und dessen
beiden Castra. Daneben, nach Anna Komnena (ed. cit. I. 244) auch
ILieaov foXöri^ Kai AiajurröXeuj^, lag an der Südseite der Balkanpässe
das im 8. und 9. Jahrhundert berühmte byzantinische Grenzcastell
gegen die Bulgaren, noch in der Komnenenzeit genannt, xö KdcTipov
MapKeXXuJV oder MapKeXXai (auch Sing.). In der Gegend zwi-
schen beiden genannten Ruinen passt die Lage auf die feste
Seeburg von K aj a b a s '^'^).
Nach einem Ritt von S'/^St. gelangt man von Karnabad in das
am Südfuss des Balkans am Ausgange eines von Weinbergen um-
gebenen Thaies zwischen schönen Saaten malerisch gelegene Städtchen
Aitos (3220 Einw.), das Centrum eines vorwiegend von Türken
bewohnten Bezirkes. Die Burg 'Aeiöc, des Kantakuzenos stand auf
einer steilen, auch gegen Norden und Westen durch tiefe Schluchten
geschützten Höhe nordwestlich über der jetzigen Stadt, an 200 Meter
hoch über der Thalsohle, auf den Karten richtig als „Hissar Bair"
angegeben. Das Schloss, dessen Mauern durch Wind und Wetter
längst bis auf die Fundamente zerstört sind, ist ungefähr 300
Schritt lang und hat dem Terrain entsprechend eine unebene und
") Die Schlacht (um 760) Katä rä^ Xe^o^xivac, fAapKiWac, bei Nice-
phorus patr. p. 66 und die bei Bep^Töß« '^ei Theophanes p. 431 scheinen schon
der chronologischen Reihenfolge wegen identisch zu sein: nur erscheint Kaiser
Konstantin V. („Kopronymos") bei Theophanes als der besiegte Theil, während
Nicephorus die Bulgaren als geschlagen bezeichnet, was mit der folgenden Ent-
thronung der einheimischen Fürsten durch die Bulgaren selbst mehr übereinstimmt.
Nach Anna Komnena lag aber r] KefOixivY] MupK^XXa vor Goloc und diese
wieder vor der Sidera, was die von mir (Heerstrasse S. l.'SO) ausgesprochene
Vermuthung über die Identität oder Nähe der Bep^TOß« und 1 1 ö n P ö noch
mehr unterstützt. — Ausser der obigen Identificirung wäre noch eine andere möglich :
das Castell bei Karnabad könnten die Markcllai, die Burg .luf dem BakadÄik
iler von Tachymeres neben Jambol genannte Lardcas sein.
159
unregelmässige Form, die sich etwa einem mit der Spitze gegen
Norden gewendeten gleichschenkligen Dreieck nähert. Man erkennt
noch die Fundamente von drei Thürmen; überdies sind in der Mitte
des Platzes noch die mannshohen Reste eines viereckigen länglichen
steinernen Gebäudes sichtbar. Zwischen den vielen keramischen
Splittern und anderem Schutt des Burgfriedens findet man oft
byzantinische und bulgarische Münzen. Die Aussicht umfasst die
hier schon sehr niedrigen Höhen des Balkans , sowie die waldigen
Vorhöhen der Strandza bei Rusokastro und erreicht im Südosten
die glänzenden Spiegelflächen der Lagunen von Burgas ^^).
Im nahen Gebirgslande gilt als Fundort von Alterthümern
das alte bulgarische Dorf Vresovo (31 Häuser) gegen NW. von
Aitos , auf dem Wege zur Kamcija, mit einer Burg- und einer
Kirchenruine, einst angeblich eine grössere Stadt; zwei dort ge-
fundene 40 Cm. hohe Basreliefs des „thrakischen Reiters" kamen
jüngst in das Provinzialmuseum von Philippopolis, und in Aitos
zeigte man mir eine von dort stammende silberne Alexandermünze.
Die beiden über die Balkanübergänge von Karnabad und Aitos
gegen Constantinopel führenden Wege vereinigen sich in dem an
5 Stunden von beiden Städten entfernten Rusokastro, um dort
das Waldgebiet des Strandzagebirges zu betreten. Das Dreieck
zwischen den genannten Orten ist von einem bei aller Fruchtbar-
keit öden, wenig bewohnten und meist von niedrigen Eichen-,
Sumach- und Paliurusbüschen bedeckten Hügelland erfüllt. Zwischen
Aitos und Rusokastro ragen zwei vereinzelte Kuppen empor, welche
an die „Kojuntepe" bei Tatar - Pazardzik und an die Berge von
Monastir erinnern. An deren Fuss liegen bei dem Dorfe Küöük
Ali die Reste eines Castells, welches der Lage nach dem Kxe'via
des Pachymeres (H. 44.5) und Kantakuzenos (L 431) entsprechen mag.
Die im 12. — 14. Jahrhundert oft genannte Burg 'PujcrÖKaffTpov
habe ich von Burgas aus besucht. Sie liegt eine halbe Stunde
westlich von dem armseligen, noch immer Rusokastro genannten
Bulgarendorf (94 Häuser mit 448 Einw.) , auf dem rechten Ufer
eines in die Lagune von Mandra abfliessenden Baches , in einer
auch auf der österreichischen Generalstabskarte der I>alkanhalb-
insel eingezeichneten Krümmung desselben. Man sieht den schroffen,
*') Herr Consnl Brophy sah vor uugefähr 12 Jahren eine lateinische In-
schrift auf dem türkisclien Friedhof zu Aitos, von der dort jetzt nichts mehr be-
kannt ist.
160
an 80 M. hohen Felsen von weiter Ferne, umsomehr als auf dem-
selben jüngst an Stelle eines alten „öerkoviste" (Kirchenruine) ein
weissgetünchtes Kirchlein errichtet wurde. Die Burg war von drei
Seiten durch schroffe Abstürze, auf der Südwestseite überdies noch
durch eine gewaltige, mit Thürmen versehene Schlossmauer gedeckt.
Ziegelfragmente mit Aschenhaufen , alten Nägeln u. s. w. bilden
den Boden des in der Mitte an 250 Schritt breiten Burgplatzes.
Auf dem steilen Nordabhang gibt es eine zwischen Bäumen ver-
borgene Höhle. Die Rundsicht umfasst die grossen Urwälder im
Süden, in denen, nur eine Stunde von hier, die Wälle der „Erkesia"
liegen; im Norden zieht sich ein breites Thal zwischen niedrigen
Böschungen zu den Dörfern Balabanly und Kelesköi: der Weg von
Rusokastro nach Aitos und Karnabad, und der Schauplatz der von
Lantakuzenos (1.460 sq.) ausführlich beschriebenen Schlacht zwischen
len Bulgaren und Byzantinern im Jahre 1331, die sich aus einer
\on 'AeT6(; her mündenden (Jtevii tk; diTÖKpoTO^ biobo? bis zu den
tauern von PmcTÖKacTTpov hinzog und mit einem raschen Friedens-
schlüsse endigte. Unter dem südöstlichen Abhang des Burgfelsens
bemerkt man Spuren von Häusern, Fundamente eines Badegebäudes
und eines Posthauses (Menzil) aus der türkischen Zeit, sowie eine
2'5 M. lange glatte Säule; wahrscheinlich war das jetzige Dorf
Rusokastro ursprünglich ein siihurhmm der Burg selbst und wurde
erst in neuerer Zeit von dieser Stelle weiter abwärts verlegt.
In dem Waldland von Rusokastro südwärts bis zur rumelisch-
türkischen Grenze herrschten zur Zeit meiner Reise wenig ein-
ladende Zustände. Banden türkischer und bulgarischer Strassen-
räuber tauchten abwechselnd zu beiden Seiten der Grenzlinie auf
und die wenigen Compagnien rumelischer und türkischer Infanterie,
welche sich auf der langen Linie vom Meere bis zur Tundza im
Vorpostendienste übten, waren ausser Stande, das Uebel nieder-
zuhalten. Als ich Sozopolis besuchte, wagten sich die Bürger
dieser Seestadt gar nicht in ihre Weingärten , um nicht von den
Waldrittern zur Erpressung eines ergiebigen Lösegeldes in's Gebirge
entführt zu werden. Was ich über die Alterthümer dieses Berg-
landes erfragen konnte, ist ungefähr Folgendes. Die Reste einer
älteren, zum Theil vom Eichenwald überwachsenen, gepflasterten
Strasse ziehen sich über das grosse Dorf Fakia (lo6 Häuser,
Bulgaren) und die Höhen von Karakütük nordwärts gegen das
Dorf Karabunar; die weitere Spur wendet sich nicht gegen Ruso-
kastro, sondern gegen das weiter östlich gelegene Jakyzly (türk.
161
früher Ak-jazyly genannt), wo die Ruinen von Deultum liegen.
Eine „gute" alte Burg liegt bei Fakia selbst, auf einem schroffen
Berg gegen NW. Eine andere, Sarp-Hassan-kalessi genannt,
befindet sich östlich von Fakia , eine halbe Stunde gegen SO.,
nach Madles-köi zu, am Ufer der Fakijska Reka. Ein grosses
Castell, angeblich noch mit aufrecht stehenden Mauern, steht auf
dem Gipfel einer hohen, auch von Burgas aus gut sichtbaren waldi-
gen Kuppe weiter unterhalb an der Fakijska Reka, bei dem Dorfe
Gerge Bunar, südlich von dem auf der österreichischen Karte
eingezeichneten Kyryk Caly, nahe bei den Resten eines alten
Weges. Noch weiter gegen NO. soll es bei Dzemeren gleich-
falls Trümmer einer Burg geben. Diese Reihe von Castellen in
der Gegend von Fakia mit Spuren alter gebahnter Wege entspricht
der Route von Deultum nach Ostudizus (bei Hafsa) im Itinerarium
Antonini. Die 18 römische Meilen von Deultum entfernte Station
Sadame fällt ohne Zweifel nach Fakia. Die zweite Station T a r-
podizus gehört nach der Distanz sowohl von Fakia als von Hafsa
in die Gegend der byzantinischen Burg ZKOTreXocg, deren Ruinen
nördlich von Petra und südwestlich von Erikler liegen"*).
'"') Das alte Strasseupflaster zwischen Karabiinar und Fakia nebst einer
Fortsetzung im Wald südlich von dem letzteren Orte erwähnt auch eine russische
militärische „Beschreibung des Weges von Constantinopel nach Ocakov" (Peters-
burg 1821), welche auch die angeblich kreisrunde Burg „St. Georg von Fakia"
auf einem „zuckerhutförmigen" Berge über dem Dorfe kennt. Restes d'un ancien
pave ebendaselbst bei Boue, Recueil d'itineraires I 128. Skorpil (S. 13) sah
das Pflaster zuerst 20 Minuten südlich von Karabunar und dann rechts oder links"
von der Strasse, obwohl es hie und da auch ganz verschwindet, dann südlich von
Fakia an der rumelischen Grenze zwischen Kaibilare und Gross-Almali; nach ihm
ist es 7-3 M. breit und hat in der Mitte und zu beiden Seiten je eine Reihe grosser
und flacher Steine, zwischen denen kleineres Material eingedrängt ist. Ausser den
Burgen von Fakia erwähnt er (S. 43. 44) zwei Castelle bei Ki s ildzik-kliss e
(unweit südlich davon) und die Reste einer Ansiedelung östlich von Fakia zwischen
Madlesköi, Almali und Kodzabuk: die Fundamente eines Gebäudes mit drei Bas-
reliefs (Jäger zu Pferde mit Hund und Hirsch , stehende und sitzende Personen
u. s. w.), darunter eines mit 10 Zeilen unleserlicher giüechischer Schrift. — Die
Burgruine von Skopelos ist auf Kiepert's Generalkarte (1870) gut eingetragen.
Zwei alte russische Relationen von Oberst Lehn 1793 und Capitän Duhamel 1827
erwähnen dieselbe am Westufer des Tekedere, nördlich von Petra, als Ruine
S k u p e 1 0 s o ier Eskipolos-Kalessi, bestehend aus einem Thurm mit
Zinnen, desgleichen Boue op. cit. I 128 als vieille tour grecque auf einem
Berge eine Lieue westlich vom türkischen Dorf „Erekli". — Manche Karten
haben Erekli oder Erikler irrthümlich zweimal angegeben, rechts und links vom
Thal des Tekedere, oft an beiden Stellen (wie die russische Karte von Arta-
monov) mit dem eingeklammerten Namen Eskipolos.
Archäologisch-epigraphische Mitth. X 11
1G2
Die Pontusküstc verfolgte ich von der türkischen bis nahe zu
der rumänischen Grenze und suchte mir die alten Periplen und die
mittelalterlichen Seekarten an Ort und Stelle zu erkläi-en. In den
folgenden Bemerkungen halte ich mich an die geographische Reihen-
folge von Süden gegen Norden.
Das alte Apollonia der Milesier, seit Anfang des Mittel-
alters Sozopolis genannt, noch von Kantakuzenos (I. 326) als
TTo\udv9pujTro(; Kai |Li6Y«^n TroXiq bezeichnet, an einer andern Stelle
als ttöXk; oütuj KaXii Kai näcnv dfaGoT^ eu6uvou|Lievi"i (IIL215), ist jetzt
eine kleine Stadt mit 2800 griechischen Einwohnern, die meist vom
Fischfang leben ^■'). Ihre dicht zusammengedrängten Häuser be-
decken eine felsige Halbinsel, welche durch eine niedrige, an 120
Schritt breite Sanddüne mit dem Festland verbunden ist. Dieser
Isthmus scheint sich jedoch erst in neuerer Zeit gebildet zu haben.
Vor der Nordseite der Halbinsel liegt die kleine Felsinsel Hagios
Jannis mit einem verfallenen Kloster, einem neuen Leuchtthurm und
den Resten eines alten KdcJTpov. Daneben ragt gegen NO. eine Klippe
Hagios Petros aus den Fluthen; auf der Westseite der Stadt be-
merkt man noch zwei kalile Inselchen, M ilos und Gatta. Da der
Ort auf einen Punkt fällt, wo die Küste fast im rechten Winkel
einbiegt, ist die Rundsicht sehr ausgedehnt: gegen SO. die waldige
Küste in der Richtung zu dem angeblich noch mit alten Mauern
umgebenen Agathopolis, im NW. der Golf von Burgas, gerade
gegenüber die 12 Kilometer entfernte Stadt Anchialos und dahinter
in der Ferne das Ende des Haemus mit dem Leuchtthurm auf dem
Gap Emine. Der Hafen (auf der Westseite) gilt als der beste der
ganzen Küste. Von den einstigen starken Umfassungsmauern der
Stadt sind noch grosse Stücke übrig. Neben einer Menge alten
Baumateriales und Münzen von Lysimachos und von römischen
Kaisern des 1. — 3. Jahrhunderts (auch AuTOucTTri^ Tpaiavfi^ und
^■') Die JJenicrlviiii;; hei IJueekli, Corpus inscr. jraec. II. p. 75: „Apollonia videtur
sex verstia Russicis a Sozopoli afuisse , uhi arcis et alioruvi, aedificiorum nidera
supersunt in littore meridionali siniis Sozopolitani" beruht offenbar auf einer Vor-
wcclislnng. Apollonia ist schon wegen seiner insularen Lag^e (cf. Strabo 7
p. 319 und St(;ph. Byz.) nur auf flem Boden von Sozopolis selbst zu suchen, dagegen
liegt (s. unten) d;i.s alte Anchialos eine halbe Stunde von der heutigen Stodt
dieses Namens. A|)ollünia wird zuletzt bei Ammianus Marcellinus (22, 8, 4;^).
Sozopolis zuerst 4;J1 bei Nennung des dortigen Bischofs erwähnt. Die Identität
beider Orte ist z. 15. im Periplus Anonymi ausdrücklich angegeben.
*
163
'AnoWoiviaTeiJuv), sowie byzantinischen Goldstücken, zeigte man mir
auch einige Inschriften.
1. In der Vorhalle einer Kirche eingemauert, 0*44 h., 1'24 br.,
unregelraässige Züge, die Buchstaben schwarz übermalt:
MHTOKOCTAPOYAOY<t>YEIAE////
A E K JW O Y K T I E A E T H N n O A I N
METATHNEKnxri EIN KAIE
niLEKEYAEAETOTPinYAON
h KAlTHNBAPINAnOAAriNIlHTP
MriTOKO^ TapouXou, cpucri be AeK)uou Kiiaac, triv ttöXiv lueid xfiv
e'KTTTUuaiv Ktti eTn((J)Keudcra<; tö tpittuXov Kai ir\v ßäpiv, 'AköXXujvi
iriTp[uj].
Also ein Mann mit ganz thrakischem Namen hat die Stadt
nach einer Katastrophe erneuert. Das pontische Apollonia war
öfters von Umwälzungen heimgesucht. Aristoteles (Politik V, '2, 11;
V, 5, 7 oder p. 1303 und 1309) erwähnt zwei dortige Revolutionen,
die eine bei der Berufung neuer Colonisten in die Stadt, die andere
in Folge der Misswirthschaft einheimischer Oligarchen. Ein arger
Schlag für Apollonia war die Eroberung durch M. Lucullus (72 vor
Chr.), welcher die 30 Ellen hohe Colossalstatue des Apollo, ein
Werk des Kaiamis, aus dem Stadttempel als Trophäe nach Rom
brachte (Strabo 7 p. 319, Plinius h. n. 34 §. 39; Lucullus „Apol-
loniam evertit^ schreibt Eutropius 6, 10). Die e'KTTTUjai^ mag sich
auf diese römische Eroberung beziehen.
2. In einem Privathause, Grabstein, 0'55 h., 0*3 br. :
<t> I ATATH
AnoAAriNiAEn
OiXTdTi") 'ATToXXujvibeuj.
3. In einem anderen Hause, 0*92 h., 0'37 br. :
A n O AAAN 12
A ti M E l O
r Y N H
AttoXXluvi^ Ari)ueio(u) Tuvn.
4. In der Aussenwand des neuen Kirchleins des von hier ge-
bürtigen heil. Zosimos, {Zvjaiyioc, eni xfiq ßacriXeiaq Tpamvoö eH
'ArroXXutvidboc^ Ti^q ev ZujZioTTdXei, Meuologium des Kaisers Ba-
ll*
164
silius 11. zum 19. Juni: Migne , Patrologia graeca, t. 117 p. 504),
auf dem Isthmus, 072 h., 0'31 br. :
KPINOMENH2
OINOriA EA
A H M H
API2TOKAEIOYZ
5 AM<i>IPOAITIZ
KPINOMENOY2
r Y N H
Kpivo)uevii(; OivoTTiXeuu. — Aj'iiuri 'ApiaiOKXeiou^ 'AjuqpiTToXiTi^ Kpi-
vojuevouq Yuvrj.
5. In einer Windmühle ausserhalb der Stadt ein Quaderstein:
AHMHTPIOZ
EKATflNYMO
ArmriTpio^ 'EKaTUJVu|Lio(u).
6. Aus Sozopolis stammend, jetzt im Garten des Herrn Bonal
in Burgas, 063 h., 0-42 br.-^'):
EAOSETHBOY^HKAITnAHMnTn^
AnOAAnNIATnNEKATAIOZZnnA
EinENEnEiAHAisxpinwnosEiAir
nOYANHPArAGOXKAIENTEIMOZ
.") APETHKAIAOHHKEKOZMHMENOZ
EYYnANTHTOSAHMOXIATE
KAIIAIAEAYTONTEAnOAElKNY
MENOZTOIZENTYNXANOYSl
EYXPH2T0NKAI2:YM4>0P0NTH
10 TEnOAElMHTEKOnOY4>EI2;AME
NOZMHTEAAnANHXAAAAnOl
riNTAAPIZTAKAinPAZZriN
THZTEEAYTOYKAAOKAIArASI///.
AZAAMBANANKAPnOYZrYMNA
15 _JS I A^JCJl'-T A ZAETEAEinZKAlA
jnANFEMOMENOZ
''■) 'E6o£e Trj ßouXr) Kai xili ?)rmuj tujv 'ATToWuuviaTUJv, 'EKaxaToq ZuÜTra
cTiTf V :
'Enei?»! Aiaxpiujv TToaeihiTTKou dvi'ip ä-fudöc, Kai ^vreifjo^
(ipf.Tfi Kai h6t»i KfKOG|unM^vo(; euurrdvTpToc biqjAoaiu xe Kai if^ia
165
In der Gassenfront eines Hauses von Sozopolis sieht man
liocli eingemauert ein vom Wetter geschwärztes Basrelief in drei
Feldern : oben eine liegende Person auf einem Ruhebette vor einem
dreifüssigen Tischchen, darunter ein nach rechts gekehrter Reiter,
endlich wieder ein liegender Mann und neben ihm eine sitzende
Frau. Ausserhalb des Isthmus, gegen SO. von der Stadt, befand
sich die alte Nekropole der Apolloniaten, auf welcher zur Zeit
meiner Reise von einigen hiesigen Bürgern Ausgrabungen veranstaltet
wurden, angeblich um den Schatz des Lysimachos zu finden. Die
dortigen Funde zeigten aber nur den bescheidenen Hausrath einer
kleinen Seestadt: an 20 meterhohe zweihenklige Thonkrüge, zum
Theil mit Fabriksmarkeu an der Kehle (apxeaa, AFAenwo, geoee. . .),
einfache thönerne , bronzene und gläserne Gefässe , kleine Grab-
lampen, eine kleine röthliche Vase mit schwarzen Ornamenten und
eine schwarze mit weissen Linien, ein Kranz keramischer vergol-
deter Kügelchen an einem Draht u. s. w.
Die Küste westlich von Sozopolis ist unwirthlich und steil,
überragt von waldigen Bergen, unter denen sich besonders der hohe
Bakar Bair (türk. „Kupferberg") bemerkbar macht, bei welchem
Herr Skorpil neben Lagern von Kupfer und Eisen (Haematit) auch
Spuren von Gruben nebst Schlacken aufgefunden hat'^'^). Die Nähe
von Apollonia, Anchialos und der römischen Colonie Deultum,
welche sämmtlich Münzen prägten, verleiht diesen Resten eines
alten Bergbaues ein doppeltes Interesse. In dieselbe Gebirgsland-
schaft fällt die Entrevue des Kaisers Andronikos mit dem bulga-
rischen Garen Michael 1328 ev toT^ XeYO|uevoi^ Kpii|L(voi^ zwischen
SoEopolis und Anchialos (Kantakuzenos I. 340).
Die niedrige Westseite des Golfes von Burgas ist von drei
grossen Lagunen umgeben. Von Sozopolis aus erreicht man zuerst
den See von Mandra (nach einem Dorfe so genannt, bulg. Man-
drensko jezero, türk. Mandra-gölü), ungefähr 15 Kilom. lang, aber
nur an 2 Kilom. breit, welcher allein unter den genannten Küsten-
eauTÖv xe dTro6eiKvü|uevo(; xoTq evxuvxüvouoi euxpriaxov Kai
aüf-icpopov xi^ xe TröAei inrixe köttou q)eiad|Lievo(; !ixr)xe baTrdvri^
ä\Xä TTOiOüv xä äpi0xa Kui irpdoauuv xnc xe eauxoO Ka\oK(ai)aTa0ia(;
Xu,ußdvujv KapTTOÜc;, YUMvaaiap[xnJaac he xeXeiuui; Kai
Y6[vJö|uevoq
") Skorpil, Die Naturschätze von liulg-arieu (bulg.), Pliilippopel 1S84 S. 66,
— In der zweiten Schritt (a. a. O. S. 44) erwähnt er die Reste eines viereckigen.
an den Seiten 40 Schritt langen Castells auf dem Gipfel des „Bakar Dag".
166
Seen mit dem Meere communicirt, was sich durch die Stärke seiner
Zuflüsse, der Fakijska Reka (Skafida des Mittelalters) und der
Flüsse von Karabuviar und von Rusokastro erklärt, die in ihm eine
permanente, allerdings nur sehwache Strömung erzeugen. Der un-
gefähr 500 M. breite Sund heisst Porös und wird mit diesem
Namen schon auf der Seekarte des Pietro Vesconte von Genua
(1318) bezeichnet. Jetzt führt über denselben eine während der
Occupation von den Russen errichtete schmale Pfahlbrücke, welche
jedoch nahe vor dem Ostufer abbricht, um einem Fährschiff Platz
zu machen. Neben der Hütte des Fährmannes stehen, bespült vom
Seewasser, die 4 M. hohen Ueberreste eines viereckigen, fast 8 M.
breiten Uferthurmes aus grossen Steinen, der wohl einst die Ein-
fahrt zu schützen hatte. Eine feierliche Stille ruht über der öden
Landschaft, kaum unterbrochen von den vielen Wasservögeln,
die an dem sumpfigen, in zahlreiche Buchten und Engen vertheilten
Seeufer im dichten Schilf ihr Wesen treiben. Dicht bewaldete
Hügel umschliessen die Südseite der Lagune , während sich im
Norden eine weite Aussicht bis zum Balkan von Aitos eröffnet.
Zwei kleine armselige Dörfer stehen über den Böschungen des
Südufers, das türkische Achranli (8 Häuser) und das türkisch-
bulgarische Skefa (39 Häuser). Zwischen beiden liegt an einem
Kale-burun (türk. „Burgcap") genannten Vorsprung ein kale
oder KOcCTTpo, auch „monastir" genannt, die Reste eines ausgedehnten
Castells, neben dem sich Spuren alten Pflasters unter dem Wasser-
spiegel verlieren sollen. Die Einwohner graben darin zuweilen
nach Schätzen. Die italienischen Seekarten 1318 sq. kennen diese
Burg als Skafida; Pachymeres (IL 446) beschreibt eine Niederlage
der von Sozopolis 1308 zurückkehrenden Bulgaren an der nahen
Brücke des iKacpibä TTorajaoO '^'^) . Ein „gradiäte" von viel grösserer
Ausdehnung liegt am Westende des Sees, oberhalb der Mündung
der Karabunarska Reka, südöstlich von dem bulgarischen Dorfe
.Jakyzly, bei dem Anfang der Erdwälle der „Erkesija" und am
Endpunkt des alten von Fakia durch die Gegend von Karabunar
herabsteigenden Strassenpflasters. Dieser jetzt ganz verlassene Platz
inmitten melancholischer Sumpflandschaften ist die vespasianische,
von Veteranen der achten Legion bewohnte colonia FUivia Pacls
") Die altlVauzösische Beschreibung der Expedition des Grcafen Auiadeo VI.
von Savoyen im Jahre 1.3G6 [Monum. hist. patr. Turin 1840, I. 310) erwähnt „le
port de Schaffida . ... hon et .1 eur'* mit einem Städtchen d.ihfi.
167
Deultensinm oder colonia Daultus einer auf dem Esquilin gefun-
denen Inschrift aus dem Jahre 82 (C. I. L. VI n. 3828), colonia
Flavia Deulfnm der Münzen, das Deultum veteranorum cum stagno des
Plinius, oppldam Dihaltuvi des Ammianus Marcellinus (31, 8, 9),
r\ AeßeXiöq der Byzantiner, zuletzt erwähnt zum Jahre 1203 bei
Niketas Choniates (ed. Bonn. 723). Die im Itinerarium Antonini
überlieferte Distanz von Deultum nach Ostudizus (68 mp.) stimmt,
wie gesagt, sehr gut zu der Entfernung von den Ruinen bei Jakyzly
bis Hafsa bei Adrianopel. Wiewohl mich mehrere Herren, welche
die Gegend am See auf Jagdausflügen kennen gelernt hatten, in
ßurgas versicherten, es gäbe dort keine Inschriften, wollte ich der
Stätte der alten Veteranencolonie dennoch einen Besuch abstatten,
wurde aber daran durch unvorhergesehene Zufälligkeiten gehindert"'*').
Seitdem hat Herr Skorpil die Ruinen besucht und in einer unlängst
gedruckten bulgarischen Schrift über die Alterthümer Thrakiens
beschrieben^").
'") Als ich Püi'os in einer Barke besuchte, war es schon Abend; ausserdem
ist die Lagune seicht und nicht leicht zu befahren. Zwei Tage später verhängte
die Türkei (wegen der Cholera in Frankreich) eine auch für Ostrumelien giltige
fünftägige Quarantaine gegen alle Provenienzen aus Bulgarien; von bulgarischer
Seite war gleichfalls eine Grenzsperre zu befürchten, der Seeverkehr zwischen Varna
und Burgas hörte auf und ich eilte, von einem Ritt nach Rusokastro schneller als
ich wünschte zurückgekehrt, um noch zur rechten Zeit zu Lande über den Balkan
zurückzukommen.
^") Die Reste des alten Deultum bestehen nach .Skurpil (a. a. O. 0.26. 94)
aus den Rudimenten von zwei Castellen an beiden Ufern des engen und tiefen
Flusses von Karabunar (Karabunarska Reka, nicht Mandra Reka, wie man auf den
Karten liest). Auf dem rechten Ufer steht auf einer einsamen Anhöhe die soge-
nannte „obere Burg-' (Gorno gradiste oder Kaie), ein Viereck, ungefähr 3QD0
Quadratmeter gross, mit zwei 6 M. von einander entfernten, 1-5 M. dicken Mauern
befestigt, die (beide?) an den Ecken mit Rundthürmen von 3 M. Durchmesser ver-
sehen waren. Gerade gegenüber liegt am niedrigen linken Ufer die „untere Burg"
(Dolno gradiste), ein viereckiger Bau, 350 Schritt lang, 200 Schritt breit, mit
3 M. breiten Mauerfundamenten aus Quadersteinen. Das Innere derselben war
durch Mauern (oder untermauerte Strassen?) in vier gleiche Theile getheilt. West-
wärts davon reichen die Reste alter Bauten noch einen Kilometer weit. Eine
Wasserleitung aus thönernen, in einander geschobenen, 3 Cm. dicken und im
Durchmesser 20 Cm. breiteu Röhren führte aus der Gegend von Rusokastro zwi-
schen den sumpfigen Ufern der Rusokastrenska Reka und der „Erkesija" 8 Kilo-
meter weit bis in die untere Burg. Um beide Burgen bemerkt man regelmässige
Erdwälle; nördlich von der unteren Burg zieht sich 300 Schritt weit ein mit ihrer
Mauer paralleler Wall, augenscheinlich die Grenze der bis dorthin reichenden
Stadt. Weiter gegen Norden streicht die „Erkesija". Alte Gräber liegen gegen
SO. v.ni der oberen und gegen W. von der unteren Burg. Steine von hier sind
168
Die beiden folgenden , wegen ihrer Fiebormiasmen verrufenen
Lagunen von Vajaköi und Athanasköi sind salzig und haben keine
Communication mit dem Meere, von dem sie durch enge sandige
Nehrungen getrennt werden. Zwischen beiden Lagunen liegt an
einer nicht sehr gesunden Stelle die moderne, meist aus Magazinen
und Amtshäusern bestehende Hafenstadt Burgas (griech. TTupY0(;,
an 3000 Einw.), welche, kaum in der Türkenzeit erwähnt und erst
in den letzten Jahrzehnten durch den Getreideexport aufgewachsen,
keine Geschichte, aber dafür eine grosse Zukunft hat^').
An der Westseite des Sees von Athanasköi, an 15 Kilom.
von der Stadt, sieht man auf einer niedrigen Terrasse zwischen dem
blauen Spiegel der Lagune und den Vorhügeln des Balkans in einer
trostlos kahlen Umgebung ohne Baum und Strauch, die eher an
ein Schlachtfeld als an eine alte Luxusstätte erinnert, ein isolirtes
weisses Gebäude, umgeben von einigen elenden Zelten und Bretter-
buden. Das ist das „Bad von Aitos", bulg. Aitoska lr.dza, noch
jetzt berühmt wegen seiner heilkräftigen Quelle und viel besucht
von Gästen, selbst von der Donau und von Adrianopel. Der gegen-
wärtige Zustand des Ortes steht in grellstem Gegensatz zu seiner
Vergangenheit. Das sind die altberühmten Thermen von Anchialos,
weit in die Umgebung als Baumaterial verschleppt worden (bis Kelesköi, Balabauly
u. s. w.). Ausser einem Sarkophagdeckel mit einem Kreuz und dem Wort 6MBPI8
fand Skorpil keine Inschriften, dagegen viele römische Münzen (auch COL- DEVLT-).
Die Entfernungen der Ruinen von dem Seeufer, von der Flussmünduug, sowie von
Jakyzly oder Kyryk Caly in Minuten oder nach Compasswinkeln oder sonstige
Behelfe zu einer genauen Einzeichnung der Stelle in die Karte vermisst man bei
Skorpil. Ebenso sagt er nicht, ob es zwischen beiden Castellen Reste einer Brücke
gifct und bemerkt nichts von den Höhenverhältnissen des Terrains. — Ein Dorf
Zagora existirt in der Gegend nicht (noch auf Kiepert's Generalkarte der Europ.
Türkei 1870 am VVestende des Mandra-See's ersichtlich). Die Identificirung von
Deultuni mit einem Zagora in neueren Handbüchern entstand wohl nur durch ein
Missverständniss der Stelle des Thcophanes Cont. 1G5, der von einer Landschaft
Zagora spricht (vgl. Georgius mouachus 622).
*') Die römische Strasse von Anchialos (Paleokastro) nach Deultum (24 rüm.
Meilen, Itin, Aut.) führte eher über Aquae calidae westlich von den Lagunen als
über die Nehrungen- und die Stelle des heutigen Burgas; die Entfernung auf beiden
Routen ist übrigen.s gleich. Skorpil sagt an einer Stelle (S. 13), vor Jahren habe
es nördlich von Deultum zwischen Karatepe und Sazliköi die Reste einer ge-
pflasterten Strasse gegeben, welche aber von den umliegenden Dörfern als
Baumaterial vcrbrauclit worden seien; an einem anderen Orte (S. 92) meint er die
Spur eines alten (gepflasterten?) Weges von Deultum gegen NO. nach Burgas zu
gofiinden zu haben, von dem bei Mandra-II.in (Mn anderer gegen NW. (?) abzweige.
169
als Aquaa calidae, MefdXii 06p|Li)i, 0ep|uÖTro\iq, 0ep|ud
II. s. w. im Alterthum und Mittelalter oft erwähnt. Das jetzige
Badebaus, ein Viereck aus wechselnden Lagen von Stein und Ziegel,
mit einer Kuppel überdacht und im halbdunklen akustischen Inneren
ein gleichfalls viereckiges Bassin (Quelle -j- 4^" C.) umfassend^ ist
nach Hadzi Chalfa's Zeugniss erbaut von Sultan Suleiman dem
Grossen (1520 — 1566). An dieses türkische Badehaus schliessen
sich an der Nordseite die Reste der alten römischen Therme an :
die soliden Fundamente eines viereckigen und daneben eines zweiten
runden Bassins mit vier Seitennischen, durch drei kleine Oeffnungen
miteinander verbunden und ungefähr bis auf Mannshöhe erhalten.
Das äussere runde Bassin ist gefüllt mit Regenwasser, das an der
Oberfläche von grünen Wasserlinsen (Lemna) überzogen ist. Hier
waren die rriifai Oepiuüuv qpuaiv uödiujv von Anchialos , welche Ju-
stinian zur Sicherheit der Kranken befestigen Hess (Procopius de
aedif. p. 263), die „aquarum calidarwn lavacra, quae ad daodecimo
miliario Anchialitanae civitatis sunt siti, ab imo suae fontis ignei sca-
turrientes et inte)' reliqua iotius mundi thermarum innunierahilium
loca omnino precipua et ad sanitatem inßrmorum efficacissima'''' des
Jordanes {Getica ed. Mommsen p. 86), die Gepiudiv iibdiujv oTkoi, in
denen 583 der Harem des Avarenchans während der Belagerung
von Anchialos sich die Zeit vertrieb, die „sources de ha'nis chauds
les plus heaux du monde eniier''^ in der Stadt „La Ferme" bei „Aquile"
(Anchialos), die 1206 der Lateinerkaiser Heinrich nach der Erzäh-
lung Villehardouin's niederbrennen Hess. Daneben sieht man Spuren
von vielen Gebäuden nebst schwachen Resten einer Umfassungs-
mauer, welche das Badehaus in der Gestalt eines an den Seiten
ungefähr 500 M. laugen Quadrates einschloss. Der ganze Boden
ist voll alten Baumaterials, behauener Steine, Ziegel u. s. w. Im
17. Jahrhundert waren die Reste viel bedeutender, denn Hadzi
Chalfa (Rumeli u. Bosna S. 26) bemerkt : „namhafte Ruinen zeigen,
dass dieser Ort vormals eine ansehnliche Stadt gewesen sein müsse".
Die Einwohner der Umgebung erzählen, bis zu den Zeiten der
„Kirdzali's" (um 1800) sei hier bei dem Bade ein Dorf gewesen; jetzt
liegt die nächste Ansiedelung Lidzaköi (nur 7 Häuser, Türken
und Bulgaren) eine Viertelstunde gegen Norden am Fusse der Hügel.
Münzen konnte ich keine zu Gesicht bekommen und auch alles
Nachfragen nach Inschriften war vergeblich. Dagegen zeigte man
mir in dem drei Viertelstunden gegen NW. entfernten griechischen
Dorf Urum-Jeniköi (türk. „Griechisch - Neudorf") über einem
170
Brunnen einen gut erhaltenen Marmorstein (0'68 h , 0*58 br.), dar-
auf ein Basrelief mit einem Reiter und die Worte'"''):
////////////// ^ M A rJ B V s
(das Basrelief)
.L^TITOVlOcLcLIB DIADV»
MENOöFLA VIA -VERA
CONIVGI BENEMERENTI
ETSIBlETSVlSVlVAFECt
[iJis] manibus. L. Titovio L. lib{erto) Diadumano Flavia Vera
conmgi henemerenti et sihi et suis viva fecit.
Von der alten Therme und den Lagunen von Burgas erstreckt
sich bis zum Balkan von Emin^ eine an 25 Kilom. lange und an
10 Kilom. breite Küstenebene mit schönen Mais- und Weizensaaten,
ausgedehnten Obstgärten und üppigen Weinbergen, die allerdings
an vielen Stellen durch Sümpfe oder durch trockene Einöden mit
Dornen und Disteln unterbrochen sind, links überragt von dem
niederen Balkan („Kücük-Balkan") von Aitos, rechts umsäumt von
der weiten blauen Fläche des Pontus und an vielen Stellen durch-
wühlt von tiefen Wildbäclien (z. B. dem C i m o s südlich von
Mesembria) , deren sonst trockenes Bett sich oft unversehens mit
gewaltigen , rasch abfliessenden Wassermassen füllt. Der höchste
Berg an der Westseite heisst Pepirina (Biberna Tepe der Karten).
Das ist der alte, in der byzantinisch-bulgarischen Kriegsgeschichte
berühmte Kd|UTroq 'AfxiaXou (Theophanes ed. Boor 1.376.433). Das
Gebiet bildet jetzt den Bezirk (okolija, eTtapxia) von Auchialos mit
zwei Städten und 48 Dörfern mit sehr bunter Bevölkerung: 17.728
Einwohner, darunter 7426 Griechen, 5292 Türken, 4065 Bulgaren,
945 Zigeuner. Einige auffallend hohe Tumuli (Madzartep^, Catal-
tepc u. s. w. genannt), die auch auf der österreichischen General-
stabskarte ersichtlich gemacht sind'^'O, ragen zwischen Burgas und
Anchialos und weiter z. B. bei Ravda empor.
"") Jetzt aiicli bei .Sk(.i|jil S. 78 .•il)g>e(lriukt, der zu Anfang' L UTOVIO
gelesen liat.
'') I)a<,'«;{,'en sind die JJtlrfer Gospoddom, .Stancova, Gancova der Karte hier
Niemand bekannt; wahrscheinlich waren es nur Cifliks, seit 1829, wo die alte
nissisehe Kart.P gemacht wurde, längst anders nmgen.nnnt.
171
Das alte Anchialos, welcliea Strabo nur ala ein rroXixviov
der gegenüber wohnenden Apolloniaten kennt, das aber in der
Römerzeit zu einer bedeutenden Stadt eraporgewachsen ist und im
Zeitalter der Völkerwanderungen als Bollwerk des oströmischen
Reiches eine grosse Bedeutung hatte, lag keineswegs an der Stelle
der heutigen gleichnamigen Stadt, sondern eine halbe Stunde west-
lich davon an einer jetzt TTa\ aiö Kacrrpo genannten Stelle, deren
Entfernung von der alten Therme auch den gut beglaubigten 12
röm. Meilen zwischen Aquae calidae und Anchialus besser ent-
spricht. Das Paleokastro befindet sich zwischen Weinbergen bei
dem Ciflik (Landgut) Beklidzik, ist im Norden begrenzt durch einen
grossen Salzsee, reicht im Süden bis zu dem Ciflik 'AKpoTipi am
Oolf von Burgas und hegt demnach auf einem kaum 2000 M. breiten
Isthmus. Man sieht noch eine Menge gewaltiger Quadern bis zu
zwei Schritt Länge und Fundamente grösserer Gebäude; der Boden
der Weinberge, ein reicher Fundort alter Münzen, ist förmlich ge-
sättigt mit kleinen Ziegelsplittern. Die vielleicht alte Wasserleitung
vom Dorfe Alikaria zur jetzigen Stadt geht mitten durch diese
Stätte. Man erzählte mir, eine Masse von Baumaterial sei in neuerer
Zeit zur Errichtung der umliegenden Wirthschaftsgebäude, sowie
zu Bauten in der jetzigen Stadt verschleppt worden; auf dem Platze
vor der Panagiakirche zu Anchialos liegen z. B. zahlreiche glatte
Säulen, Architrave, Säulenbasen und andere oruamentirte Steine,
sämmtHch vom Paleokastro. Die Anchialenser behaupten, die
Kaiserin Irene hätte ein Kloster mit der heutigen, jetzt im Umbau
befindlichen Panagiakirche Trpöq tov qjdpov Tf\q 'AfXiaXou gegründet
und die Stadt dorthin übertragen. Dies stimmt mit der Angabe
des Theophanes (ed. cit. I. 457), Irene habe im Jahre 784 Philip-
popolis besucht, Bepoia (Eski Zagra) als EipiivouiroXK; neu aufge-
baut und sei nach Constantinopel zurückgekehrt, KTicracfa Kai triv
'ATXiaXov. Anna Komnena (ed. Reifferscheid II. 63) beschreibt
die Lage des KdcTTpov iVAfxiaXcc; so, wie es jetzt liegt: rechts hatte
es das pontische Meer, links rpaxuv iiva töttov Kai bucrßaTov Kai
uTTd/.iTT€Xov Kai Toiq iTTTTOTaK^ euobov TOV öpouov ,uri TTapexovra — das
coupirte Terrain der Weinberge am Paleokastro, das im Westen
noch durch einige kleine sumpfige Buchten des Golfes geschützt
wird, welche den Weg längs der See erschweren.
Das neue Anchialos (711 Häuser mit 4368 Einw.) hat eine
eigenthümliche Lage, besonders von der Nordseite gesehen. Im
Vordergrund liegt eine fast eine Stunde lange, ovale Lagune, links
172
von ihr eine blendend weisse sandige Nehrung, rechts ein etwas
breiterer Isthmus mit Windmühlen, Bäumen und einzelnen Häusern,
und an der Stelle, wo die beiden schmalen Linien fast im rechten
Winkel zusammentreffen, steht hinter der ruhigen Seefläche die Stadt,
deren Silhouette sich von dem weiten, bis zum Horizont reichenden
blauen Meeresspiegel klar abhebt. Die Lagune ist wohl die 'I e p d
XilLivii, Tfi(; 'Atxiö^ou dTXOÖ biaKei|uevTi der Anna Komnena (ed. cit.
H. 61). Heutzutage ist sie berühmt wegen ihres Salzgehaltes; alles
Salz von Rumelien und Bulgarien kommt entweder von den Salinen
von Anchialos oder aus den Steinsalzlagern von Okna in Rumänien.
Die Verdampfung des Salzwassers wird in einer Menge primitiver
viereckiger Bassins bewerkstelligt, deren Gruppen meist griechische
Namen (TTa\aiobpö)uoq, 'Akti'i, XujvidTii, Aiaox] u. s. w.) führen. Dieses
Salzgeschäft wird schon im 16. Jahrhundert erwähnt und reicht
wohl noch weiter zurück. Die enggedrängten, meist hölzernen
Stadthäuser liegen auf einer lehmigen Terrasse, die mit einer steilen
Böschung von ungefähr 10 — 15 M. zur See abfällt und nach den
Erzählungen der Einwohner fortwährend durch die Brandung unter-
wühlt wird. Der einzige , recht unsichere Ankerplatz ist an der
Südseite. Die Anchialenser beschäftigen sich indessen nur wenig mit
Fischerei und Seefahrt; ihr Tagewerk ist getheilt zwischen der
Arbeit in den Weinbergen und der auf den Salinen. Ein Stück
einer offenbar heruntergefallenen steinernen Umfassungsmauer im
Meere unter dem steilen Ufer zeigt man als TTaXaioXouTpa, an-
geblich das Bad des wegen seines tragischen Todes berühmten
Anchialenser Archonten Michail Kantakuzenos (f 1578), dessen
Nachkommen noch in Rumänien und Russland leben. Ausser einigen
Münzen OuXTiiavuJv 'Af\m\iüJV aus dem 2. und 3. Jahrhundert sah
ich auch vier Inschriften :
1. In der Kirche Xu|)itüiu£v»i im Inneren rechts eingemauert
ein Marmorstein, ()'27 h., 094 br., mit schönen Zügen:
AYTOKHATOHA KAIC aTaTTTTTTT;". UN E I N (_
TONAPABIKONAAIABHNIKONnAl'GlKONNVEr
BOYAHKAlOAAJWni'OTATOCAHVIOCOYAniAHVNArX
*A KAAYAIANOY
AuT()KpdT()|)a Kairfap« |M. Au(). 'AvT]ujvfciv()|v Euaeßfi leßaajTÖv
'ApußiKÖv 'AbiaßnviKÖv nu()0iK6v |Lief|iaTov r\] ßouXii Kai o XajLiTrpoTaToq
bfiyioc, OuXTTiavÜJV 'ATx[iaXeuuv biu (?)] 0X(aouiou) KXuubiavoö.
173
2. Ebendaselbst ein antiker Altarstein , von aussen einge-
mauert, 6 Cm. hohe Buchstaben :
A I I O A Y M All '0\U|U-
n I a muj.
3. Ebendaselbst im Inneren freistehend, 044 h., beschädigt •^'^•'^):
A H Y ^' 1 2 II A E Z '/'
r H n o A Y n p o zw
mONTE II N UU N K A I Z
AYT O YEYXAPIS:^
P lO N
4. In der griechischen Schule, Stück eines Basreliefs, darauf
ein Mann in Toga, darunter:
HAA'EI A
/ypüaYAOC mit kleiner Schrift auf dem Sockel
YAEYTAI
tenoyi:
. . . .[A]up(^ii\iO(;) rfauXüc; ... IßojuXeuTai ... -[evovq.
Ungefähr 15 Kilometer nordöstlich von Anchialos liegt die
uralte Colonie der dorischen Byzantiner und Chalkedonier, das im
Mittelalter als Grenzfestung des romäischen Reiches am Haemus,
als wichtigster Hafen des oberen bulgarischen Gebirgslandes und
als Zankapfel der Byzantiner und Bulgaren berühmte Mes emb ria,
dessen Geschichte ein ganzes Buch füllen könnte. Nur wenige
Wochen vor der Eroberung von Constantinopel, im Februar 1453,
fiel Mesembria mit dem nahen Anchialos in die Hände der Osmanen.
Die Lage ist ganz eigenthüralich. Die rothen Ziegeldächer der
Stadt stehen dicht beisammen auf einer am Rande an 12 M. über
dem Meeresspiegel emporragenden und im Innern noch höheren
Felsinsel, welche mit dem Festland nur durch einen ungefähr vier
Minuten langen, bei Seestürmen oft überflutheten , engen und nie-
drigen Isthmus zusammenhängt (t6 cttcvov, ev iIj fi eicTßoXri des
Kantakuzenos III. 362). In der Mitte des vielleicht künstlich ge-
schaffenen Isthmus bemerkt man an einer Biegung eine Stelle, auf
[32<v^ Ali ÜHji(j[TUj] i[T:ÖTi]Tr[ (?) TTo\ü[ßi]oc; [rjuiv Te[K]vaiv Kai [^JauToö
eiiXapiOTvipiov vergl. Hesych. 'Ettötttvi^" Zeüc; und Apollon. Rhod. II 1123 — 33,
„bei dem in höchster Noth um Beistand gelieht wird" Welcker Götterlehre II 185.
O. B.]
174
welcher noch 1829 ein isolirter Thurm gestanden hat. Am Ein-
gan}^ in die Stadt erheben sich die Reste einer alten, aus weissen
Quadern errichteten rruXn , ebenso wie sich an vielen Stellen des
steilen Inselufers grosse Stücke der aus Lagen von Stein und Ziegel
gefügten Ringmauer erhalten haben. Die alte Akropole der Me-
sembrianer befand sich über dem felsigen Ostcap der Stadt, wo
im Mittelalter ein Kloster toO XiuTfipoq XpicfroO toO 'AkpottoXitou
stand {Acta patr. I 502; Tl. 37), jetzt eine Kirchenruine Xpic!"TÖ(;
'AKpoTiipioq. Heute ist die denkwürdige Stadt halb verfallen und
vergessen. Es gibt hier keinen Sitz der Behörden, keine Post- und
Telegraphenstation, ja nicht einmal einen Arzt. Die Einwohner (413
Häuser mit 1922 Einw.) , sämmtlicli Griechen, leben von Fischfang
und Weinbau auf der nahen Küste, oder als Krämer in den Balkan-
dörfern. Der Holzexport aus den Wäldern des Balkan, der noch
unlängst die an der Südseite der Stadt befindliche Rhede belebte,
ist eingegangen. Die Mehrzahl der Einwohner, darunter die ersten
Familien der Stadt, ist nach 1829 in die Donaustädte i Galatz.
Braila), nach Südrussland u. s. w. ausgewandert, und seitdem hört
die Emigration nicht mehr auf.
Der merkwürdigste Ueberrest aus der Vergangenheit sind
zehn byzantinische Kirchen, zum Theil bereits in Ruinen. Kanitz
hat sie zuerst beschrieben und abgebildet^'). Manche davon sind
auch aus byzantinischen Urkunden des 14. Jahrhunderts bekannt.
Viele enthalten antikes Baumaterial, das man auch bei der un-
vollendeten Hauptkirche sehen kann; die frommen Mesembrioten
hatten nämlich an den schönen byzantinischen Kirchenbauten nicht
genug und begannen ein neues stilloses Gotteshaus zu bauen, das
aber wegen Geldmangel unvollendet dasteht. Da gibt es Säulen
und Säulenstücke, canellirt und glatt, schöne jonische und korin-
thische Capitäle mit Voluten und Akanthos u. s. w. Die hiesigen
Inschriften, die man bei Boeckh (n. 2053 sq.) liest, sowie einige
Basreliefs und Statuen wurden 1829 von den Russen nach Peters-
burg weggeführt, und in Mesembria sind nur die durch Heraus-
^•^) Der französische Coiisul zu liurgas , Herr Desclonx, besitzt eiue Samm-
liiii!^ vorzüglicher, von ihm selbst ausgeführter Photographien aus rliesem ganzen
Kiistenlande, denen ich, saninit seinen geologischen Aufnahmen, eine baldige Pu-
blicatiou wünsche. — Situafonspläne von Sozopolis, Anchialos und Mesembria, sowie
von Vama, Balöik unJ Kavarna, siehe im Atlas zu Moltke, Der russisch-türkische
Feldzug in der Euro).. Türkei 1828 u. 1829. Berlin 184.0.
I
175
nähme dieser Stücke entstandenen Lücken in den Mauern zu sehen'*'*).
Mir konnte man nur zwei antike Inschriften zeigen. Die eine im
Pflaster der Kirche 'A-fia TiapaOKem] vor dem Altar, ist ein zer-
schlagenes Basrelief einer sitzenden Person [Aphrodite?]. 019 h.,
0'33 br., darunter die Aufschrift :
;////POTIMo5: HPAKAEIAAS ////
]nPOMA0IfiNA ////////////
JmaTPOEi oZ //////// V////
lAPTEMlAnPoZ APTEM /////
5 iEPMOAjQPOXX ///////////
'A,.,Anp.,XH ////////////
(TAHIAPXHZA /////////
A * P
OAIT ///////////////
[njp6Tifao(; 'HpaKXeiba«; ... ] TTpo)Lia9iuuv A | MaTpö[ß]iO(;?
! 'ApTe|Lubujpo<; 'Apteu | 'Epjuöbujpot; X | Aiobuupoq H
I TaHiapxncra[vT6<; . . .] 'AcppobiT[)3. . . .
Das zweite Stück (0*29 h., 0-28 br.), gleichfalls mit der Spur
eines Basreliefs, liegt im Fussboden der Vorhalle zur Kirche "Ajwq
'luudvviiq :
ANNIONrYNAnANXAPEOJCXAIPE
nAPMENANnANXAPEOS XA I PE
MATPlZnANXAPEOZ XA I P E
OINIAXDANXAPEOZXAIPE
"Avviov Tuvd TTavxdpeoc; x«ipe- ' TTap)uevuJV rTavxdpeoq xctTpe. |
Maipiq Uavxäpeoq xaxpe. | Oiviaq TTavxdpeoq X«ipe-
Von mittelalterlichen und neueren Denkmälern sind erwähnens-
werth die lange Aufschrift auf einem Bilde in der IMetropolitan-
kirche (14. Jahrh.), Inschriften über Erneuerung der Kirchen im
^*) Die Ueberführung der Alteithümer aus dem oecupirten Gebiete leitete
Viktor Tepljakov, dessen Briefe aus Bulgarien (Pisma iz Bolgarii), allerdings
mehr belletristischen als archäologischen Inhalts, in Moskau 1833 (8°. 210 pp.)
erschienen sind; eine Fortsetzung mit Briefen aus Euraelien (cf. p. XV) ist, so
viel ich weiss, nicht publicirt worden. Die ganze Ausbeute zählte (nach p. VIII)
36 Marmorstücke mit Inschriften und Basreliefs, 89 Münzen, 2 Vasen aus Sozopolis,
einen Amor aus Bronze, sowie eine weibliche Büste und einen Sarkopliag, sämmt-
lich aus Anchialos.
176
16. und 17. Jahrhundert (darin erwähnt die hiesigen Archonten-
familien der KavTaKou2)ivoi und KaTTTiaboÖKa) , und eine Grabschrift
aus dem Jahre 1441 (6950), also aus den letzten Jahren des byzan-
tinischen Reiches, in der Kirche 'AvdXiiqjK; auf einer 1*93 1.. 0'92 br.
Marmorplatte im Fussboden vor dem Altare, mit 6 Cm. hohen
Buchstaben''^).
Die Aussicht aus der meerumschlungenen Stadt auf das Fest-
land ist durch die Abwechslung verschiedener Farben sehr male-
risch. Jenseits des tiefblauen Meeresspiegels sieht man am Strande
eine Reihe blendend weisser, vegetationsloser Sandhügel von be-
deutender Höhe und Ausdehnung aus ganz feinem beweglichem
Meeressand ; dahinter liegen die hellgrünen Weinberge der Mesem-
brioten bei dem Landungsplatze (ohne Häuser) 'Ayi« "Avva und dem
kleinen Dorfe (42 Häuser, Griechen) "Afio^ BXäüioc, (türk. Kücük
Monastir) , wo sich im 14 .Jahrhundert ein Kloster des hl. Blasius
befand (Acta pafi\ 11. 37), überragt von den Wäldern des kaum
500 M. hohen „Emine-Balkan", in denen sich die gelben Saaten des
St. Eliasberges und die Windmühlen des griechischen Dorfes E'mon
am steilen äussersten Cap des Haemusgebirges bemerkbar machen.
Zahlreiche Reste von Klöstern und Capellen zeugen von den Ere-
miten, die im Mittelalter auf diesen Höhen bis zur damaligen Burg
Emmona zu hausen pflegten. Südwärts sieht man bis über Sozo-
polis hinaus. Einige historisch denkwürdige Stellen liegen näher
bei der Stadt. Am Westende des Isthmus stehen zwei Schöpf-
brunnen, welche die sonst nur mit Cisternen und schlechten Quellen
versehene Stadt mit Trinkwasser versorgen. Im Mittelalter ging es
den Mesembrioten nicht anders; nach Kantakuzenos' Beschreibung
ubpeuovTO QU TToXi) aTToOev if\c, Txö'Ke^iJC, ek TivO(g TTr|Yii<;, ausser bei
Belagerungen , wo sie ToTq e'vbov übaaiv expuJVTO , öXixoig xe Km
q)auXoi^ oüaiv. Zwischen der Stadt und dem Balkan mündet ein
Bach, jetzt Hadzi Der6 genannt, welcher an der Mündung einen
grossen, mit Schilf überwachsenen Sumpf, Xi)nvn Kapbi(; genannt,
^^) Zu lesen : f 'GKOi,ur]er| i'^ bovXu toö 0eoO MutBuIo« KaxaKOuCiv»^ TTaXaioXo-
•fiva erouc; s'-ou 7^'-ou v'-ou |ur|vl No€|Li(ßpiuj) [rivb|(iKTiü)voO e' f (6050 ind. "V =
1. Sept. 1441 bis 1. Sept. 1442). Vgl. einen AiiiiinTpiot; TTaXaioXoYOc; ö KavxaKOuZrivö^,
eEcibeXcpoc; des Kaisers Joannes Vllf. 1442, Acta tjraeca III. 215; nicht zu votweeliseln
mit des Kaisers Bruder Deinetrios , der eben zu derselben Zeit sieh in Mesombria
als Usurpator behauptete und den dort im Jänner 6950 (1442) Phrantzes {Chronicon
7Hai:ii p. 1'J4) als (gesandter d(!.s Kaisers aut'suehte.
177
durchfliesst. An seinem oberen Laufe liegt ein türkisch-bulgarisches
Dorf Ach li, dessen Namen an den mittelalterlichen 'A x e X uj o c;
TxoTajJLÖc, erinnert (Theoph. Cont. 187), an welchem in der Nähe
von Mesembria der bulgarische Fürst Symeon 917 einen blutigen
Sieg über die Romäer erfochten hat. Ich hörte, eine Stelle an der
Nordseite jenes Sumpfes heisse noch KoKaXou, wegen der vielen
dort ausgegrabenen Knochen.
Von Mesembria nahm ich meinen Weg über den Balkan nach
Varna und zwar auf der auch für Wägen brauchbaren Fahrstrasse,
welche (mit dem Telegraphen) den niederen Hauptkamm des Ge-
birges nördlich von Koparani und Gülevca in dem sogenannten
A k b 0 a z (türk. „weisser Pass") , an dem südwärts abfliessenden
Akder6, bulg. Bjala Reka („weisser Fluss") überschreitet.
Nach einem schroffen Aufstieg von einer halben Stunde erreicht
man den Kamm mit verfallenen türkischen Schanzen, von denen
sich eine prachtvolle Aussicht auf den Golf von Burgas, die Küsten-
ebene von Anchialos und die ganze Pontusküste bis zu den gleich
weissen Nebelstreifen über der See aufsteigenden Felsufern von
Balcik eröffnet. Links liegen die alten bulgarischen Dörfer Erkec
und Gulica (türk. Sudzular). Gegen Norden breitet sich ein wal-
diges, sehr spärlich bewohntes Hügelland aus, durchschnitten von
drei zum Pontus führenden Flussthälern: dem Fluss von Gözeke
(Grenze zwischen Bulgarien und Rumelien), der starken, zwischen
sumpfigen Wäldern fliessenden Kamcija (P a n y s u s des Alter-
thums) und dem bei Varna mündenden Flusse von Pravadia. Der
Abstieg zum bulgarischen Zollposten in Aivad/ik führt durch aus-
gedehnte dichte Eichenwälder, die noch ganz an die poetische Be-
schreibung der Haemuswälder bei Theophylaktos Simokattes (ed.
Bonn. 89) erinnern.
Ueber diesen Theil des Haemus führten nach dem Zeugniss
der römischen Itinerarien zwei Strassen, deren Spuren sich nebst
den dabei befindlichen Passbefestiguugen noch gut verfolgen lassen:
die Küstenstrasse von Mesembria über Templum Jovis nach Odessus
(Varna) und die Linie Anchialus -Marcianopolis (Devna). An der
ersteren östlichen Linie steht nach meinen Erkundigungen im Walde
zwischen Jeniköi und Gözeke eine „Kapia" , d. h. eine Mauer mit
Thor. In der Nähe liegt an einer Stelle, wo das einförmige Grün
der steilen Küste von schmalen weissen Stranddünen unterbrochen
ist, das Dorf Gözeke (oder G j 6 z e k e), an der Südseite über-
ragt von den Ruinen einer Burg, dem Kozjak des späteren
Ärchäologisch-eyigrapliischo Mittli. X. j.2
178
Mittelalters (Ko2eaKO(; der Byzantiner, Cossacho des venetianischen
Geographen Negri). Weiter gegen Norden sollen bei Arnautlar
40 — 50 Schritt lange Stücke eines gepflasterten Weges in der Rich-
tung gegen Varna verlaufen.
Die andere westliche Linie passirte zwischen Aivadzik und
Gulica bei dem (rumelischen) Dorfe Karamandza eine Pass-
sperre mit Thürmen und Thoren, welche, nach der Entfernung von
Anchialus und vom Panysus, mit den Scatrae des Alterthums
{It. Ant., Tab. Peut.) identisch ist. Ich habe diese Bauten in der
Eile nicht besuchen können, Herr Consul Brophy aber, der die
hiesigen Wälder auf Jagdausflügen in allen Richtungen durchstreift
hat, beschreibt sie ganz klar als „some very perfect remains of a
Roman tvall, in icMch may still he fraced the gute and flank in g towers'^ ^''').
Die bulgarischen Zollwächter von Aivadzik wollten wissen, die
Mauer gehe von Karamandza durch die Wälder bis zum (15 Kilom.
entfernten) Meere, eine Combination, welche eine Verbindung der
Sperrforts an beiden alten Wegen voraussetzt. Das sind die TTuXai
Toö Aijuou südlich von Marcianopolis, im 5. Jahrhundert erwähnt
von Malchus (frg. 15). Von hier führen die Trümmer einer ge-
pflasterten Strasse mit einigen Castellen über Dzeferli, Gebes
und die Kamcija bis Sultanlar (an der Eisenbahn Ruscuk- Varna)
nahe bei Devna.
Die neu aufblühende Hafenstadt Varna (an 25.000 Einw.)
hat noch viele Reste des alten Odessos bewahrt. Ein grosser
Theil des antiken Baumaterials ist allerdings in den neuen türki-
schen Festungswerken verbaut; indessen findet man bei jeder Grund-
aushebung im Innern der Stadt stets antike bearbeitete Steine, wie
z. B. auf dem Hofe des neuen Hotel St. Petersburg neu ausge
grabene jonische und korinthische Capitäle feiner Arbeit mit canel-
lirten und glatten Säulenstümpfen zu sehen sind. Es fehlt auch
nicht an ausgedehnten alten Kellerräumen. Von der mittelalter-
lichen Stadtbefestigung steht noch ein ungefähr 8 Meter hoch auf-
ragendes Stück eines festen Thurmes aus grossen Steinquadern und
Backsteinen in wechselnden Lagen zu je vier Reihen, nahe bei der
höchsten Stelle des Niveaus der inneren Stadt, zwischen den Höfen
einiger Privathäuser bei der griechischen Kirche des hl. Georgios.
Der Thurm gehörte wohl zur Nordfront der ursprünglichen Akro-
^*) St. Clair anil Cli. A. Hrophy, A residencc in Bnlijai-ia , London 18G9,
!>. 50 Anm.
i
179
polis, die sich auf einer Erhöhung über dem steilen Ufer des nörd-
lichen Stadttheiles befand. An Inschriften sah ich in der Residenz
des griechischen Metropoliten an 15 griechische Grabsteine, zum
Theil mit Basreliefs. Die Herren der griechischen Gemeinde zeigten
mir auch gelungene Photographien dieser Stücke und bemerkten,
sie wollten ihre Sammlung in einem eigenen Buche über Varna
publiciren. An anderen Orten copirte ich folgende Inschriften :
1. Frisch ausgegraben in einer Ziegelei zwischen alten Gräbern,
am südwestlichen Rande der Stadt, nahe am Abfluss des Sees von
Devna, 1884 im Gasthaus des H. Kasabov, eine Steinplatte, 0*51 h.,
0*39 br., 0 05 dick, oben zugespitzt. Darauf mit kleinen unregel-
mässigen Schriftzügen die Grabschrift eines apamenischen Kauf-
manns vom Jahre 557 nach Chr., bemerkenswerth für die Geschichte
des syrischen Handels in der spätrömischen Zeit^^'*):
t X Aipe ni exe n AP o
AITAAANIHAO
THCMAKAPIACMNH
MHCYIOCHAIOAUJP8
5 AHO KUJMH CT APOYTI
ACeMnOPUJNTHCAnAME
UUNGNOPlACZHCACeNC
UJ4>POCYNHGTHSr6NXUJ
eTeAia)0HMOKTuuBPi8
10 KINA'SH'zBACIAeYONT
OCIOYCTlNIANOYTAAerO
YC t t t
2. Ebendaselbst ein Fragment:
A Y O
E6Y*H
l^^") t XaTpe -rriöT^ irapoöiTa. Aavir)\ 6 Tr\c, inoKapia^ luvrmnc, »iöc; 'H\io-
öujpou dtiTÖ Kuü|nr|^ TapouTiaq 6|uiTÖpuüv Tr\(; 'ATTUfaeuuv evopiac; Zr]aac, ev Guuqppo-
o()vr\ exr) £•(■' ev X piar)* eTe\ia)0ii |Li(ri)v(ö(;) 'OKXuußpiou k ivb(iKTiujvo(;) ?' f| Z',
ßaöi\6ÜovTO(; 'louöTiviavoO toö \a' CTOuq fff . Es ist wohl der October des Jahres
557 11. Chr. zu verstehen, der in das 31. Jahr Justinians (1. April 557 — 31. März
558) und das 6. Indictionsjahr (1. September 557 — 31. August 558) fällt. Sonderbar
aber wohl sicher ist der Ausdruck des Zweifels, ob derzeit das 6. (s) oder das 7.
(^Z') Indictionsjahr läuft. E. B.]
12*
180
3. In der bulgarischen Staatsrealschule, 0'41 h., 0*31 br.
//////////a-var>--ro
////////// CON.WX
///// A V b V S- -R O S M VS • F • I
/////oR\M • H • S -S- leer
5 CLAVbiVS • VARIVS • TROhNiVS
//V/////////7///1X- PATER
Etwa: ...a Vari Tro[phimi] conntnx; [Cl\audius Trolphi]m.us
f{ilius) {e\orum h{ic) s{iti) s(unt). Claudius Varius Trophimus [infel]ix
pater.
4. Ebendaselbst ein Basrelief, 0*75 h., 052 br., ein Mann auf
einem Ruhebett, daneben eine sitzende Frau und drei Kinder,
darüber:
AIorEISHSZnnYPinNoZKAIHrYNH
raANAEAAHNw/GYrATHPKAIHETEPA
//// r O Y 0 H 0'E 1 2 A Z K A H n I A A O Y 0 Y r A T/ffl
AioYevr|(; ZuuTTupiujvo^ Kai r] jvvx] [auioö Njdva "EX\riv[o^] 6u-
ydnip Ktti f] eie'pa [jvvy\ auTJoO (ii beiva) 'AaKXiiTTidbou 6uTdT[rip.
Unter dem Basrelief: xaipete.
5. Ebendaselbst, 0 6 1., 0*29 h., entzweigeschlagen^ darunter
ursprünglich ein Basrelief:
«AFEAAAS • ZWIAoY • KAI HrY>H
//«EAYTOY -MAMA-MHPoAWH •XAIPE'E
. . . 'AulWac, ZuuiXou Kai f] juvr) .... eauiou Majua Mr|Tpobuupou
Xaipeie.
Auf einem der Inschriftsteine in der Metropolie las ich einen
ähnlichen Namen: 'AneXkac, Zevwvoq Kai fi yuvii auToO r\uKUTri(;
Xaipeou xctipcTtti.
Die Küste von Varna nordwärts bis Kaliakra zerfällt in zwei
Theile. Zuerst folgt oberhalb der Weinberge der Stadt ein gerad-
liniger dicht bewaldeter, zur See steil abfallender Höhenrücken, un-
gefähr vier Stunden lang, mit der Hauptrichtung von S. nach NNO.
Bei Ekrene fällt das Gebirge ab zu dem ungefähr 3 Kilom. breiten,
sumpfigen, von dichtem Wald mit üppigem Unterholz bewachsenen
Mündungsgebiet des Flusses von Batova. Von dort wendet sich
die Küste mit einem kleinen, landeinwärts gekehrten Bogen nach \\
Ost und besteht auf fünf Stunden Weges aus hohen weisslichen
Schieferfelsen, über denen sich oben die steppenartige Ebene der
181
Dobrudza ausbreitet. Gute Zufahrten abwärts zur See gibt es nur
an zwei Stellen, welche durch die Städte Balcik und Kavarna be-
zeichnet sind. Das Felsenufer endigt an dem Cap Kaliakra, um
sich dort wieder nach NO. und N. zu wenden. Auf diese Weise
entsteht in dem Winkel zwischen den waldigen Höhen der West-
seite und dem steilen Ufer der Nordseite ein Golf, der bei Balcik
eine geschützte Rhede besitzt.
Ein Ausflug, den ich in Begleitung eines guten Kenners der
Gegend und ihrer Alterthümer, des Herrn Schulinspectors M. Radi-
vojev, in diese Küsteulandschaft unternahm, blieb nicht ohne archäo-
logische Ausbeute, obwohl die Russen 1829 und im Krimkriege die
Franzosen manches Denkmal weggeführt haben. Der nächste Ort
von Varna aus ist Koste ric, mit Resten eines Klosters (Aladza
monastir) und einigen Höhlenkirchen. Wir Hessen dasselbe rechts
und erreichten in drei Stunden (zu Wagen) eine Ansiedelung, die
früher als Tscherkessendorf Azizie hiess , jetzt aber (seit 1879)
von Bulgaren aus der Gegend von Vaisal bei Adrianopel bewohnt
ist und Dispudak (403 Einw.) genannt wird^'). An der West-
seite des Dorfes liegen im Thalgrund die Ruinen eines viereckigen,
an jeder Seite 40 Schritt breiten Castells mit Rundthürmen an den
Ecken, wovon die 2 M. starken steinernen Mauern zum Theil bis
über Mannshöhe aufrecht stehen; dasselbe bildet jedoch nur eine
(östliche) Flanke einer grösseren polygonalen Burg mit sieben
sämmtlich je 50 Schritt langen Seiten. Im Innern der Burg lieo-en
die Substructionen einer kleinen Kirche; man fand dabei metallene
Kreuze, Thongefässe u. s. w. Halbverwilderte Weinreben bedecken
die nahen Abhänge, die erst seit Kurzem wieder bebaut werden,
denn vor der Anlage des Tscherkessendorfes (1864) war hier nur
eine Waldwüste. Auf einem der vielen Brunnen bei den Ruinen
sah ich eingemauert einen Grenzstein der alten Odessitaner, mit
schönen, lO'ö Cm. hohen Schriftzeichen:
foDES S
'') Azizie ist auf der Karte vou Kanitz angegeben. Der Ort fehlt auf der
österr. Generalstabskarte; er liegt zwischen Dzeferli und Ekrene, südlich von
Geikciküi, südwestlieh von Ekrene.
182
Eine Steinplatte wurde von hier nach Varna gebracht, aber
man konnte sie dort nicht finden, um sie mir zu zeigen; eine Ab-
schrift des H. Radivojev bietet Folgendes :
i [Wohl Xp(iaTd^).
T UJN A E K TUJV beCT-
rpoTUUNH [ttJotüjv r\-
JViUJNAPhOA |UUJV 'Ap[K]a-
5 AUJKAhONHPH [blOU K]a[rO]v[uj]p[iou]
A Y E o Y E Au[Y]oii[(TTajv]. E. B.]
Im Osten ist der Ort überragt von dem Nordende des oben
erwähnten Küstengebirges, auf dessen Kamm im Walde eine Burg-
ruine liegt, angeblich viel grösser als das Polygon von Dispudak,
mit drei Ellen dicken Mauern. Die Einwohner von Dispudak, Ekrene,
und Balcik nennen dieselbe Hacuka, die von Kesteric aber
Kestric-kalessi. Am Fusse des Berges bemerkt man am
Rande des Batovadeltas die wenigen Häuser des armseligen Strand-
dorfes Ekrene (287 Einw.). Als Castri, Castrigi wird die
Burg auf allen italienischen Seekarten des 14. und 15. Jahrhunderts
erwähnt. Das unten liegende C r a n e a ist nur in einem Portulan
vom Jahre 1408 verzeichnet; dagegen wird es als KaaxeXXiov von
Varna einigemal in byzantinischen Urkunden genannt, in denen wieder
Castri?! fehlt, und zwar erscheint es dort in Gesellschaft eines
zweiten, ganz ähnlich lautenden Namens: fi Kpavea und id fepdvia
um 1320 Acta patr. I 95, Trjq Kpavea(; Kai tujv fepaviuuv 1370 ib. I 528.
Dieser zweite Ort wird bereits im Alterthum erwähnt, bei Plinius
k. n. IV §. 44: Gerania, tibi Pi/gmaeorum geiis fuisse dicifur (zwi-
schen Dionysopolis und Odessus). An Krunoi = Dionysopolis
ist nicht zu denken, da dieser Ort, wie ich zeigen werde, nach
Balcik zu verlegen ist. Castrigi war offenbar die Burg auf der
Höhe, Kranea der Landungsplatz an dem Fusse des Berges (jetzt
Ekren^) und Gerania vielleicht das polygonale Castell von Dispudak.
In dem folgenden Thale des Batovaflusses liegt oberhalb des
Sumpfes ein berühmtes türkisches Derwischkloster (Tekki;) mit dem
Grabe eines muselmännischen Heiligen, welcher als Akjazyly Baba
bei den Türken, als St. Athanas bei den Christen eine grosse Auto-
rität besitzt und von Christen und Mohammedanern besonders zur
Entdeckung von gestohlenem Vieh angerufen wird. An dem soliden
Gebäude des Tekkd's aus gut zubehauenen Quadern und unter den
183
nahen Gräbern (am Brunnen eine glatte Marmorsäule u. s. w.)
verräth sich sofort die Benützung antiken Baumaterials. Dasselbe
stammt aus der Nähe, aus dem westlich im Batovathal in der Thal-
sohle selbst liegenden Alaklissd (141 Einw.) , wo sich die Sub-
struetionen eines grossen, an 100 Dönüm's (zu 40 X 40 Schritt) um-
fassenden Mauerquadrats mit zahllosen Ziegelfragmenten befinden.
Mein Begleiter, der den Ort besucht hat, sah dort keine Inschriften
und bemerkte mir, die Mauern seien besonders bei der Errichtung
des Tscherkessendorfes Tekkd bei dem Derwischkloster sehr stark
weggeräumt worden.
Der weitere Weg von Tekkö nach Balcik führt dreiviertel
Stunden längs der waldigen Sümpfe des Batovadeltas und sodann
eine Stunde durch eine anmuthige schmale Küstenlandschaft. Links
ragen die weissen Uferfelsen mit mannigfaltigen, bizarr geformten
Vorsprüngen steil empor, rechts breitete sich der ruhige Meeres-
spiegel bis zum fernen Cap Emind aus. Der kleine, gegen Nord-
winde gut geschützte Küstensaum dazwischen ist voll schöner Wein-
berge mit dichten Hecken üppiger Buschpflanzen und vielen Quellen,
durchschnitten von einigen aus der Felsmauer hervorbrechenden
Bächen, an denen einige Mühlen klappern. Balcik (680 Häuser
mit 3845 Einw.) hat eine ganz eigenthümliche Lage auf dem steil
abschüssigen Boden eines nicht sehr breiten Thaies , das von dem
Plateau der Dobrudza zum Seeufer hinabführt. Die Hauptstrasse
steigt vom Landungsplatz in Serpentinen steil hinauf zu den luftigen
obersten Stadtvierteln. Der Sage nach soll die Stadt in früherer
Zeit durch Erdbeben und Erdabrutschungen gehtten haben. Dass
die Ansiedelung alt ist, beweisen feste Grundmauern, welche in
oberen und unteren Gegenden der Stadt gefunden wurden, sowie
viele Quadern, die man auf den Gassen bemerkt; auch soll es in
Balcik selbst ein „Kaie" (Schloss) und ein „Monastir'" gegeben
haben. Die Identität von Balcik mit dem Carbon a der italieni-
schen Karten 1318 sq. (Kapßatvä des Kautakuzenos, Kapßouvd der Acta
patr.) ist zweifellos. Ebenso stimmen die überlieferten Distanzen^®)
'') Die Distanzen längs Jei- See sind annähernd folgende: Varna - Balcik
24 — 25 röm. Meilen (zu l'/j Kil.) , Balcik - Kavarna 10, Kavarna - Kaliakra an 8.
Die antiken Angaben stimmen gut dazu: von Odessus nach Dionysopolis 2673 röm.
Meilen (200 Stadien) der griechischen Periplen des Arrian und des Anonymus, 24 It,
Aut,, 32 (?) Tab. Peut. ; von Dionysopolis nacli Bizone lOVa (80 Stadien) Periplen,
12 Tab. Peut.; von Bizone nach Tiriza Akra 8 (60 Stadien) Periplen, 12 (zu Land)
Tab. Peut.
184
des alten Dionysopolis von Odessos und von dem Vorgebirge
Tiriza oder Akra mit der Entfernung zwischen Balcik, Varna und
dem Cap Kaliakra. Dionysopolis wird in der römischen Kaiserzeit
von Augustus bis auf Justinian oft genug erwähnt. Seine maritime
Lage ist durch viele Zeugnisse, wie z. B. durch die Nachricht von
einer Ueberschwemmung der Stadt bei einem Austritt der See im
Jahre 543 (Theophanes ed. Boor 224) sichergestellt. Man suchte
es bisher meist bei Ekrene, indem man an Krunoi dachte, den
älteren, bei Strabo u. A. erwähnten Namen der Stadt, welche in-
dessen schon von Plinius als eine zu seiner Zeit der Vergangenheit
angehörende Benennung angeführt wird. Ausser den Distanzen
und den quellenreichen Weinbergen an der Westseite von Balcik
bestätigen die Identificirung auch Inschriften^ welche den Namen
der arces dictas nomine, B acche, tuo des Ovid (Tristia I, 10, 38)
mit der ßouXr] (Aiovu)(yoTro\eiTUJV und dem örijuc^ (Aiov)ucro7ToXiTUJV
ausdrücklich anführen.
1. Auf einem Marktplatz in der unteren Stadt von Balcik,
0-84 h. und br.:
/ TYXHI
///ASlONUXlAAiriNA
/// Y 'HS< A I //// I T I 2 T P A "H
///2EBAZTOYKAI2;aP
[/// PFETINBOYAHAHMO
1/// Y 2 O n O A I T n N /
['A-faBfii] Tuxni- [OuiTp]d(Tiov TTuuWiuuva [TtpeaßejuTiiv Kai [dv]Ti-
crTpdTr|[TOvJ ZeßaaToO Kaicrap[o(; eueJpYCTiiv ßouXiT öiilMo[<S Aiov]uao-
TToXiTUJV. Derselbe T. Vitrasius Pollio, legatus Aug. yr. pr. von
Moesia inferior zur Zeit des Kaisers Antoninus Pius, erscheint auf
den Inschriften von Varna und Lompalanka (C. I. L. III n. 762.
6125).
2. In Balcik im Hofe des Han Temelko:
T O N A P X 1 E. ,
T H N n 1' O) T Ol
n A 1' A T O . .
C r O Y H P . . ,
Tov dpxie[p€.
Tl'lV TrpUJT[jlV.
Trap« TG . . .
I[e]üunp. ..
3. Im Dorfe Junuzcilar, Gemeinde Dzafer-üc-orman, 23 Kil.
nördlich von Balcik, ein Stein, 132 1., 068 br., 06 d. , auf der
185
rechten Seite zerschlagen (nach einer Zeichnung des dortigen
Lehrers) :
JkAZYNKPITOiN APXIEPEAKA
AUJAEKAKAirYMNAZIAPXHNKAK
N UJ N * I A O T E I M O N K A I A P H A N T A T H Z n A
ArNUJSKAinPESBEYZANTAnAPAeEOA
ANTUUNEINONEISTHN BAZIAIAAPUJMn
KAIElIEniAoZnXPHMATUJNAPSANTAThNnE
THNAPXHNKAIEYEPrETHNTHZnoAEUJS
TAKAIAIANONETHKPATIZTHBoYAH
ANAZTAZEIToYANAPIANToZMAY
10 A H m H 1" P O N A I o r E N o Y Z B o Y A H
ZOnOAEITUUNoTEIMHZ
[Etwa: dauvKpiTov dpxiepea Ka[i
[lepe'a Oeujv] biJubeKa, Kai yuiuvacridpxriv, Ka[i
[dTU)]vuuv (piXoieijuov, Kai dpEavia tf]^ ira-
Tpiöoq ] ä-jv&c,, Kai TTpecrßeucfavTa rrapd 0eö[v
'AvTuuveivov ei<; ifiv ßaaiXiba 'Puj|a[riv
, Kai 6[v] eTTiböcr[e]i xpIMdioiv dpEavia ti^v ire-
Trjv dpxr]V, Kai euepTGTriv Tr\c, nöXevjq
Ta, Kai öiavo[|uriv] (?) irj KpaTidiri ßouXrj
[biaveijuavTa (?) ev] dvaaidaei toö dvbpiavio^ M. Au-
pilXiou] Ar||ariTp[i]ou Aiotevou [f]] ßouXn
Kai 6 bfjuoq AiovujöOTTüXeiTuJv [e]Teijur|(T[av. A. d. R.]
Von Balcik bis Kavarna (27^ St.) führt der Weg nicht mehr
am Meeresstrande, sondern oberhalb der hohen Felsabstürze, wo
Weinberge und Weizenfelder bald einer eintönigen Steppenland-
schaft Platz machen , in welcher der Reisende durch eine Masse
kleiner Tumuli überrascht wird. Kavarna (1479 Einw.) Hegt
auf einem Plateau zwischen zwei tief eingeschnittenen trockenen
Thälern, die sich weiter unterhalb vereinigen und als eine enge
Schlucht zum Landungsplatz bei dem einsamen Zollhaus hinab-
führen. Der Ort selbst, umsäumt von eingefriedeten Weingärten
und Nusshainen, ist seit der Katastrophe des Jahres 1877 halb
zerstört. Ungefähr zwölf sehr hohe Tumuli reihen sich um das
Städtchen, besonders an der Ostseite ; in einem derselben soll man
kurz vor dem Kriege ein Gewölbe aus Ziegeln gefunden haben,
darin Menschenknochen und „Kirchengeräth" (wohl Metallgefässe),
186
dessen sich der damalige Kaimakam von Balcik bemächtigte. Auf
dem Sporn über der Vereinigung beider Thäler liegen die Sub-
structionen eines Castells, mit Resten breiter Defensivmauern. In
den Thälern selbst bemerkt man die Ruinen einer Moschee, eines
„Hamam" (Bades) u. s. w., Zeugen einer mohammedanischen Be-
völkerung, die heute ganz verschwimden ist. Eine Inschrift ist in
der griechischen Schule zwischen den Fenstern des grossen Saales
eingemauert, 0-6.3 h., 0*29 br. , rechts und links leidier übertüncht :
A r A © H //'/ T Y X H I
EOTENHZZKYe
EYZTAYPAN
2;KY0H20EO1EN
5 EPEYZTAYPriNK
EPrETHZnOAEA
K O Z n O 2 E 1 A N O Y SIC
EYSTAYPilNOEA
2 K Y 0 O Y I E P E Y 2 T A
10 nNHPOKAOZZKY©
EPEYZTAYPXlNMn
nOAHNIOYIEPEY
AYPriNXPYXinO
AI210Y1 EPEYX
15 NHOSEIAHN
022X0YEYEP
H 2
Etwa: 'AYa0fi[i] lux^i- [0]eoTevi-|<; Iku0[ou iep]eijq Taupujv, Iku9ii<;
6eoTev[ou^ ilepeu«^ Taupuuv i<[ai eujep-fe'Tnq 7TÖXe[i]u^], . . .ko<; nocreib[Lu]-
v(i)ou [lepjeu^ Taupuuv, 0ea.... Iku9ou lepeuq Ta[up]ujv, TTpÖKXo^
Xkü9[ou ijepeuq Taupujv, .... ['A]TToX(\)ujviou iepeu[^ Tjaüpuuv, XpuaiTT-
(TT)o[q Ajaicriou (?) iepeuq [Taupuujv, TTüaeibuuv|ioq| MJöcraxou eüeplTetjric;.
In demselben Gebäude liegt auf dem Hofe neben einer
Cloake ein sehr abgeschliffener Stein mit einer mittelalterlichen
lateinischen Inschrift, vielleicht ein Denkmal der italienischen See-
fahrer, welche wiilirend der Genuesenherrschaft auf der Krim diese
Gestade oft besuchten:
+ b e b o N I s ö I G / / / / /
SCI cosmaNbem//
consT//////////
STeF//7sD//////
187
Die Situation von Kavarna mit dem einzigen guten Zugang
zur See auf der ganzen Strecke von Balcik bis Kaliakra (das Ufer
besteht sonst aus steilen, an 100 M. liohen Felsen mit horizontalen,
oben rothen, unten weissen Schichten) entspricht dem einzigen Orte,
welcher in den Periplen des Alterthums und des Mittelalters in dieser
Gegend genannt wird. Hier ist wohl das alteBizon oder Bizone
zu suchen, schon vor dem Beginn unserer Zeitrechnung zum grössten
Theil durch ein Erdbeben untergesunken: Bi^uuvr), f]c, KaTeTTÖ0)i
TTo\u |uepo(; uttö aeicruüJv des Strabo VII p. 319, Bizone „motu terrae
intercidW bei Pomponius Mela IL 22, Bizone terrae hiatu rapta
des Plinius n. h. IV §. 44, noch von Arrian (Peripl.) als XUJpo?
epriMO? erwähnt; dem anonymen Periplus zufolge (B., ev tL adXoq)
war es nach den Einen von Barbaren, nach Anderen von Mesem-
brianern bewohnt. Als Station der Küstenstrasse erscheint Bizone
noch auf der Peutinger'schen Tafel. Unter dem heutigen Namen
taucht der Ort im 14. Jahrhundert wieder auf, als Kdpvaßa der
Byzantiner {Ada patr. I. 95. 528) und C a u a r n a (Gauarna) der
Italiener, mit einem 1444 (bei Callimachus) erwähnten Schloss.
Ungefähr dreiviertel Stunden östlich liegt das grosse Gagauzen-
dorf Gjaur-Sujutcuk (890 Einw.) , mit einer starken Quelle.
Von einer Inschrift bei der Kirche kann ich eine Copie des H.
Radivojev mittheilen:
0 E N A I O N I
AYPOY A AEPIO
TEPHANOV
HESATOY K
5 I UN I A I K N
n A N T O) N
Durch wüste Strecken mit rothem Boden und niedrigen Eichen-
büschen erreicht man 50 Minuten von Gjaur-Sujutcuk das merk-
würdige Vorgebirge Kaliakra, welches castellartig weit in die
See hervortritt und dem Wanderer schon von der Ferne eine scharf
pi-ofilirte Silhouette bietet. Unterwegs fallen zahlreiche viereckige
Plätze auf steinigem Boden auf, offenbar Reste alter Haushöfe oder
Weingärten; man bezeichnet sie hier als Eski-Jeniköi (türk.
., Altneudorf ")^''). Die Befestigungen von Kaliakra, deren Anfang
") Ein Dorf Gelegri, welches die österreichische Karte zwischen Gjaur-
Sujudzuk und dem Cap angibt, existirt hier (wenigstens jetzt) nicht.
188
bald sichtbar wird, sind sehr ausgedehnt. Das Cap war von der
Landseite durch eine doppelte Linie gedeckt, von Meer zu Meer.
Die äusseren Werke bildete ein seichter, jetzt von wilden Feigen
bewachsener Graben, an dessen Eingang die Trümmer eines stei-
nernen, 7 Schritt breiten, viereckigen Thurmes stehen; an 350 M.
(nach einem Taschenpodometer) südlich davon folgt ein zweiter, an
zwei Mannshöhen tiefer Graben, dahinter eine Mauer, in welcher
noch die Flanken eines steinernen Thores (3'25 M. breit, 3 M. hoch,
7 Schritt tief) aufrecht stehen. Im Zwischenräume bemerkt man
abermals Spuren von Häusern ; vor der äusseren Linie liegen auch
alte türkische Friedhöfe. An 250 M. weiter folgt der eigentliche
Eingang zum Felscap: ein unten an der Basis kaum 50 Schritt
breiter Isthmus, oben mit einem 3 M. breiten, zu beiden Seiten von
tiefen Abgründen eingeschlossenen Weg. Dahinter ragt eine male-
rische Burgruine in die Lüfte, mit ungefähr 8 M. hohen, auf dem
nackten Felsen fundirten Steinmauern, voll von Löchern des alten
Baugerüstes, mit einem viereckigen Thurm, durch welchen ein
wohlerhaltenes gewölbtes Thor in's Innere hineinführt. Rechts vom
Thore bemerkte ich hoch auf der Aussenmauer einen weissen Stein
mit dem rohen Basrelief eines roth übermalten Reiters. Zu beiden
Seiten des Thorweges sollen steinerne Löwen eingemauert gewesen
sein, welche von den Franzosen im Krimkriege weggeführt wurden.
Hinter dem Thore folgen noch einige winklige Defensivmauern,
ehe sich der Ausblick auf das Innere des Burgraumes eröffnet.
Das Cap selbst ist oben flach, vom Thor bis zum Leuchtthurm an
450 M. lang und auf allen Seiten mit 60 — 70 M. hohen Abstürzen
umfasst. Ausser den Wächtern des hiesigen Leuchtthurmes ist
es jetzt unbewohnt, jedoch Fundamente von kleinen Häusern, die
Ruine eines türkischen Badehauses, eine tiefe Cisterne u. s. w.
zeigen, dass der Felsen früher ständige Einwohner hatte. Das auf-
fälligste sind ungefähr 20 natürliche, mitunter bis 15 Schritt breite,
dabei aber nur niedrige Höhlen, am Eingang zum Theil mit stei-
nernen Zäunen abgeschlossen und in dem von Rauch geschwärzten
Innern mit Thiermist bedeckt. Dieselben dienen jetzt meist als
Schafställe, in unruhigen Zeiten als Zufluchtsstätte, wie z. B. 1877,
wo sich die Einwohner von Kavarna, Sabla u. s. w. auf dem Cap
gegen plündernde und mordende Tscherkessen vertheidigten. Am
äusserston Ende gibt es neben dem Leuchtthurm vier kleinere,
künstlich ausgeglättete und mit gemeisselten Sitzen versehene Höhlen-
räume, die wie Wohnzimmer untereinander verbunden sind. Eine
I
189
mit einer niederen Umfassung zugemauerte Ecke darin gilt den
Christen als Grab des heil. Nikola, den Türken als das des „Hadzi
Baba". Aus dem letzten Räume öffnet sich ein Bogenfenster ohne
Brüstung gerade zu dem schwindligen Abgrund , in welchem sich
die Wellen des Pontus an den angehäuften Felsblöcken der äusser-
sten Capspitze brechen; das ist das sogenannte Kyrk kyzy
kapusü, das „Thor der 40 Jungfrauen", welche der Sage nach
bei einer Belagerung hier in das Meer gesprungen sein sollen.
Dieses Vorgebirge mit seinem Schloss besitzt eine weit zurück-
reichende Geschichte. Bei den Schriftstellern des Alterthums er-
scheint es unter einem Namen, der in sehr wechselnder Form auf-
tritt; Jipxlxc, ctKpa (Strabo), Tiristis promunturium (Mela), Teipiomc,
(Arrian), TipicrfK; aKpa (Ptolemaeus), TipiZia ctKpa (Periplus Anon.),
Trissa (Tab. Peut.) oder besser Tirissa (Geogr. Ravenn.). Später
nahm die einfache Benennung Akra oder Akrai überhand, unter
welcher der Ort als eine Stadt der Provinz Scythia genannt wird
(Hierocles; Steph. Byz.). Die natürliche Festigkeit des Platzes
muss in der frühesten Zeit zu seiner Befestigung geführt haben.
Strabo berichtet, König Lysimachos habe hier, vielleicht in jenen
ausgeglätteten Höhlenkammern der Südspitze, eine seiner Schatz-
kammern gehabt {Tipilic, ctKpa, x^piov epujuvöv, iB iroie Kai Auai-
juaxo^ eXPnö'aTO falocpvXaKivj , VII p. 319) und in der Zeit des
Kaisers Anastasius erscheint Acres castellum als Hauptburg des
in Scythien heimischen Rebellengenerals Vitalianus (Marcellinus
comes ad a. 515, Roncalli II. 313; 'AKpig bei Joannes Antiochenus
fragm. hist. Graec. V p. 33 §. 7). Im Mittelalter erhielt das Vor-
gebirge, welches bei Stürmen einen guten Zufluchtsort gewährt, den
Beinamen des „schönen" und wird im 14. Jahrhundert in byzanti-
nischen Quellen \\ TaXiaKpa i^Acta patr. I. 95. 528), in italienischen
Caliacra oder Chaliacra geschrieben. Schiltberger kennt es als
Hauptstadt des dritten küstenländischen Theiles von Bulgarien
(„Kallacercka" in der Ausg. von Neumann 1859 S. 93). Amadeus
von Savoyen eroberte es 1366 bei seiner Expedition gegen die Bul-
garen, ebenso König Wladislaw auf dem unglücklichen Zuge 1444
nach Varna (Callacrium bei Callimachus, Schwandtner Script, rer. hung.
I 512, KaWidKpri bei Chalkokondylas p. 172). In der älteren Türken-
zeit wird noch das Zollamt von Kilagra zwischen Mankalia und
Balcik erwähnt (Hammer, Osm. Staatsverfassung I. 294). Die
hiesige türkische Ansiedelung ging wahrscheinlich erst im 18. Jahr-
hundert ein, theils durch die russischen Kriege, theils aus natür-
190
liehen Ursachen, da der Boden in der nächsten Nähe sehr unfrucht-
bar ist und das Schloss ausserdem an argen Mängeln leidet; es
hat keinen rechten Hafen für grössere Schiffe, zu dem einzig mög-
lichen Landungsplatz führen nur äusserst steile Pfade hinunter,
und überdies bezieht es alles Trinkwasser (ausser den Cisternen)
nur aus zwei Brunnen , welche ausserhalb des alten Schlosses
gegen NW. liegen. Als Capo Calacria ist das Vorgebirge noch
jetzt den Seefahrern allgemein bekannt; auch der griechische Name
Kaliakra lebt noch. Die Türken nennen es Gelarö. Die Form
„Gülgrad" auf vielen modernen Karten ist (wohl aus dem älteren
türkischen Kilagra) durch ein an das slavische „grad" (Burg) an-
klingendes Missverständniss entstanden und hier im Lande unbe-
kannt.
Die Alterthümer der alten Burg sind längst verschleppt. Der
russische Admiral Greigh sah auf dem Cap 1829 noch zwei Marmor-
stücke mit altgriechischen Inschriften^"). Mir zeigte man nur einige
hier gefundene Münzen : ein Silberstück Kaiser Hadrians (^Restitutori
Hispaniae^) und zwei unkenntliche, wohl griechische Kupfermünzen.
Ueber die Alterthümer der weiteren Küstenstrecke bis zur
rumänischen Grenze verdanke ich einige Mittheilungen Herrn Radi-
vojev*') :
1. Im Schulhause von Jaly Üö Orman, 18 Kilom. nördlich
von Kaliakra:
1 w A I A I
ATOYKY
A N E IKH
OPOE
5 Y M POY
K A I MH
B O M A I
A T l A N/T
In der letzten Zeile stand wohl sicher KaX\]aTiavai[v.
") Tepljakov op. cit. S. 23.
■") Die Ebene zwischen Balcik und Silistria habe ich nicht besucht. Ein
bulgarischer Beamter erzählte mir, in Hadzi-Oglu-Pazardzik (1882 umgenannt in
Dobric) stehe bei der Kirche eine Säule mit dem Namen des Alexander Severus.
Sonst hörte ich nur von künstlichen Höhlen (mit Kirchen?) bei Bazaurt, türk. „gjaur-
evleri" (Häuser der Ungläubigen) genannt, und von Resten alter Ansiedelungen bei
Gelendäik und Kabasakal in derselben Gegend.
191
2. In Kai aj dz i der 4, 28 Kilora. von Kaliakra, 12 Kilora.
vom Meere, NW. von Sabla, an einem von Westen kommenden
trockenen Thale ein „Kaie" (Burgruine) und ein Grenzstein von
Callatis (Mangalia), 09 h., 0*75 br., die Buchstaben 0*1 hoch:
F T E R R
CALL
Nach Varna zurückgekehrt, brach ich nach De vna auf (auch
Devna ausgesprochen; die ältere Form ist Devino). Die Distanz
dieses bulgarischen Dorfes von Varna stimmt mit den 18 röra.
Meilen der Linie Odessus-Marcianopolis überein. Im J. 1829 haben
die Russen hier eine bilingue Inschrift (Grab eines C. Valerius
Alexander) nebst einer Menge römischer Kaisermünzen gefunden'*-).
Die darauf gegründete Annahme, das alte Marc iano pol is sei hier
gewesen , wird durch das von mir Gesehene nur bestätigt. Man
betritt ein muldenförmiges, von Norden nach Süden gewendetes
Thal, an dessen westlicher Böschung in der .Höhe die Häuser von
Devna (1255 Einw.) sichtbar sind. In der Thalsohle reihen sich
zwischen schönen blumenreichen Wiesen und stämmigen Pappeln
und Weiden nicht weniger als 34 Mühlen (1829 waren ihrer 24)
nahe bei einander längs der Devnenska Reka, welche auf einer
70 Schritt langen steinernen Brücke überschritten wird. Der Fluss
entspringt an der Nordseite unter einer niederen Terrasse, in zahl-
reichen, zum Theil polygonal ummauerten, zum Theil in der Gestalt
kleiner schilfreicher Sumpfseen belassener, bis 3 — 5 M, tiefen Quell-
bassins mit klarem durchsichtigem Wasser, in welchem periodisch
dichte Luftbläschen aufsteigen. Es ist offenbar der unterirdische
Abfluss der Niederschläge aus der sonst sehr wasserarmen Ebene,
die sich von den hiesigen Kalkterrassen bis zur Donau erstreckt
und schon von hier an Dobrudza genannt wird; das Volk glaubt,
das Wasser komme von der Donau und erzählt zum Beweis dessen
allerlei Geschichten von herausgeschwemmten Hirtenstäben u. dgl.
Das sind ohne Zweifel die bei Jordanes (ed. Mommsen p. 82) so
anschaulich beschriebenen Quellen von Marcianopolis: in flu min e
illo, qui nimii limpiditatis saporisque in media urhe
") Die Inschiift (Boeckh n. 20556, C. I. L. III, 761) ist von Tepljakov bei
deu Mühlen von Devna copirt worden (bei ihm S. 134) ; er hat den Ort allerdings
zu einer sehr bewegten Stunde besucht und wurde sogar unfreiwilliger Zeuge der
blutigen Schlacht bei dem nahen Eski Arnautlar.
192
oritur, Poiamicognoinento. Die Umgebung ist voll Fundamente
alter Mauern, und um die ganze Quellengegend herum gehen die
Spuren einer ausgedehnten, wie es scheint, polygonalen Umfassungs-
mauer, die in neuerer Zeit als Steinbruch für den Bau der Festungs-
werke von Varna diente und dadurch zum grössten Theil bis zur
Unkenntlichkeit rasirt wurde. Es fehlt auch nicht an grossen
Quadern und Säulenstücken , an gewaltigen Sarkophagen , Thon-
gefässen und namentlich an römischen Münzen. Viel altes Bau-
material ist in den Mühlen und besonders in den Wehren verbaut.
In einem Backofen zu Devna soll ein griechisches Fragment mit
dem Namen des Kaisers Traian eingemauert sein , ist aber jetzt
übertüncht. Herr Lazar üukov aus Devna, einer der Bauern-
deputirten der bulgarischen Nationalversammlung, hatte die Güte,
für mich die Inschrift eines neu ausgegrabenen Sarkophages ab-
zuzeichnen:
D CS M CS
MYkzMOeALVV\NO<
COSCo ^3VSQINGEIVVS *
DECßPOSVIT CS
d. m. Myrizmo ahimno Cosconius Ingenuus dec{urio) posuit.
Der Ort an den Quellen gilt jetzt als ein Fieberherd, und selbst
das schöne klare Quellwasser bezeichnete man mir als zum Trinken
ungesund. So viel ich sehen konnte, ist der Platz von Marciano-
polis im Mittelalter nicht bewohnt gewesen. Die sanitären Verhält-
nisse scheinen sich demnach wohl durch Versumpfung des Wassers
seit der Römerzeit sehr geändert zu haben. Man erzählte mir, dass
die Quellen mitunter auch grosse Ueberschwemmungen verursachen,
und in der That hat der Fluss 1883 die Hälfte der Brücke weg-
gerissen.
Die Aussicht durch das Thal südwärts zeigt die Lage der
merkwürdigen, schwer zugänglichen Ruine Petric-kalessi, welche
auf einem rechtwinkligen Gebirgsvorsprung die Eisenbahn Rusöuk-
Varna zwischen der Station Gebedze und dem Dorfe Avren von
der Südseite überragt. Von dem Bergzuge selbst ist dieselbe durch
einen 10 Schritt breiten, in den Felsen gehauenen Graben getrennt
und im Umkreise von einer angeblich gleichfalls aus dem Felsen
selbst gehauenen Mauer eingeschlossen. Die Aussicht umfasst nach
der Erzählung des H. Radivojev, der den Berg bestiegen hat, den
grössten Theil der Landschaften von Provadia und Varna. Am
193
Fusse des Burgt'elsens fand man eine Menge Pfeilspitzen, steinerne
Grabkreuze, „Töpfe mit Menschenknochen" u. s. w. Das Schloss
wird 1444 bei dem Zuge König Wladislaw's nach Varna genannt,
Petrus oder Pe terspttrck bei Michael Beheim (herausg. von
Karajan, Quellen und Forschungen zur vaterl. Gesch. , Wien 1849
S. 41), Petrecz bei Dlugosz, in den Ausg. des Callimachus ver-
unstaltet in Pezechium statt „Petrechium". Es ist vielleicht identisch
mit dem byzantinischen t6 TleTpiv (neben TTpoßdTou<; in der Eparchie
von Varna 1369 Acta patr. I 502).
Sonst konnte ich über die Umgebung von Marcianopolis nur
wenig erfahren , höchstens dass auf einer bewaldeten Anhöhe bei
dem nahen Kotlubej öfters Silbermünzen von Alexander d. Gr.
gefunden wurden. Die Bevölkerung der Gegend hat seit hundert
Jahren ganz gewechselt. Die vier Orte Devna, seit 1830 von
Bulgaren aus der Gegend von Jambol, Trjavna u. s. w. colonisirt,
Eski Arnautlar oder bulg. A r b an a s i (Türken) , D e r e k ö i,
ursprünglich Petrova Reka (Bulg.), und das heutzutage halb
verödete D i z d a r k ö i , bulg. D o b r i n a genannt, eine Art Vor-
stadt der Burg von Provadia mit zwei alten Kirchen, gepflasterten
Strassen, Brunnen u. s. w., waren bis 1829 zum Theil von christ-
lichen Albanesen bewohnt. Die Vorfahren derselben werden schon
1595 in diesen Gegenden genannt, wahrscheinlich nach der Unter-
werfung des Epirus von den Türken hieher übergesiedelt; ihre Nach-
kommen leben jetzt in Volkonesti und Karakurt in Süd-Bessarabien.
Das mittelalterliche Centrum der Landschaft war das von
Marcianopolis nicht sehr entfernte Provadia (byz. TTpößaxov,
altbulg. Provad), noch im 16. Jahrhundert ein bedeutender Handels-
platz, gegenwärtig der allerdings sehr verfallene Hauptort eines die
Gegend zwischen Varna und Sumen umfassenden Bezirkes. Seine
Felsenburg, die durch ihren Typus bereits an die befestigten Tafel-
berge von Trnovo, Lovec u. s. w. längs der Nordseite des Balkans
erinnert, ist von Kanitz beschrieben und abgebildet worden. Die
zwei von demselben (Donau - Bulgarien HI S. 354) nur unvoll-
kommen edirten mittelalterlichen Inschriften auf glatten Säulen
habe ich nochmals copirt. Dieselben beginnen mit dem Namen des
heidnischen Bulgarenfürsten Kdva<; 'ßjaoupidT^ rex Bulgarorum
Omortag in Einhard's Anualen ad a. 824, und bilden mit der
schon längst bekannten Säule des Omortag in der Kirche der heil.
40 Märtyrer zu Trnovo (vgl. Geschichte der Bulgaren S. 148 Anm.),
der jetzt verschollenen Säule aus der Zeit des Kdva(; Ma\a|uijp, eines
Ai'cliäoIogiscli-epi(,'i'aphiBcliu Mitth. X. i^
194
der nächsten Nachfolger Omortag's (1831 in Sumen, C I. Gr. IV
p. 319 n. 86916) und noch einigen Fragmenten eine Gruppe von
merkwürdigen , in barbarischem Griechisch verfassten Inschriften
des 9. Jahrhunderts, die ich bei einer besonderen Gelegenheit ins-
gesammt besprechen werde. Zu denselben gehören auch die Säulen
mit den Namen thrakischer Städte, wohl Siegeszeichen von den
Eroberungszügen des Bulgarenfürsten Krum (um 813): Kdcripov
Boupbi^ou (von Kanitz III. 242. 356 in Aboba gesehen, jetzt auf dem
Hofe derPräfectur in Sumen), Kdorpov 'PebecTTOö (neben der Omortag-
säule in Trnovo , vgl. Monatsberichte a. a. O. S. 460) , KdcTipov
GeobuupouTTÖXeui? (war in Aboba, jetzt verbaut in einem Türken-
hause zu Sumen) u. s. w.
Die Ruinen bei dem türkischen Dorf Aboba (bedeutet
„Grossvater", 822 Einw.), 7 Kilom. gegen NW. von dem Städt-
chen Jenipazar und ebensoviel von der Station „Shumla Road",
von denen schon Carsten Niebuhr 1767 hörte (bei Jenipazar „soll
in älteren Zeiten eine grosse Stadt gelegen haben", Reise III. 173)
und die Kanitz (III. 242) für die Wissenschaft entdeckt hat, sind
wie die Trümmer von Marcianopolis in neuerer Zeit als Baumaterial
für die Festungs-, Moscheen- und Häuserbauten von Sumen, für die
Gebäude von Jenipazar und selbst für die hiesigen Bahnstationen
mit deren Magazinen gründlich ausgebeutet worden. Das Hissar-
kalessi liegt auf ganz ebenem Terrain, das im Norden von wal-
digen Terrassen umsäumt ist, durch welche der gerade Weg von
Sumen nach Silistria führt, und besteht aus zwei Theilen: einem
viereckigen Praetorium mit steinernen Mauern und runden Thürmen
an den Ecken und in der Mitte jeder (600 Schritt oder 10 Minuten
langen) Flanke, und ringsherum einem viereckigen Castrum mit
Wall und (12 Schritt breitem) Graben von gewaltigen Dimensionen.
Die Beamten der Behörden von Jenipazar und Sumen behaupten,
das ganze Lager sei (von Norden nach Süden) 6 Kilom. lang und
3 Kilom. breit. Die langen schnurgeraden Linien an der Ost- und
Westseite machen in der That einen überraschenden Eindruck,
aber es war mir leider nicht möglich, das ganze Viereck zu um-
gehen , da ich mich in diesen Tagen nicht ganz wohl fühlte. Ich
notirte mir nur drei Distanzen von Aboba aus, das selbst innerhalb
des südlichen Walles liegt: zum Ausgang in der Mitte der Ostseite
des Lagers ungefähr eine halbe Stunde, zum Praetorium 12 Minuten
(Trab), zur südwestlichen Ecke des Walles 10 Minuten. Der weite
innere Raum ist bebaut mit Getreide und (iemtise. Die von Kanitz
195
gesehene Inschrift aus der Zeit des Kaisers Titus ist schon ver-
schwunden ; ich sah nur einzelne Säulen und Steine, grosse Ziegel
und einen steinernen Thürbogen aus einem Stück (Spannweite 3'5 M.).
Das merkwürdigste waren aber zwei megalithische Gruppen regel-
mässig in Reihen aufgestellter, von Weitem hergebrachter, unbe-
hauener und plumper Blöcke verschiedener Grösse bis zur Manns-
höhe; die eine liegt ausserhalb der Südseite des Lagers bei Aboba
selbst (9 Reihen zu je 7 Stück), die andere an der Ostseite des-
selben (7 X ö)- Die Türken nennen dieses Riesenspielzeug „dev-
taslar". Ausserhalb der Westseite des Castrums bemerkte ich auch
einige Tumuli*^).
Das Lager von Aboba ist ohne Zweifel identisch mit dem
altbulgarischen Pliskov (TTXiffKoßa) des 10. und 11. Jahrhunderts,
welches Leo Diaconus (p. 138) zwischen Preslav und Dristra (Sili-
stria) , Anna Komnena (ed. Reifferscheid I. 233) zwischen dem
Balkanpass der Tibiipä und Dristra in der Nähe der dKpoXoqpia
Zujueüuvoi; (Sumen) nennt. Wie hiess aber der Ort zur Römerzeit?
Die Peutinger'sche Tafel kennt eine Strasse von Marcianopolis nach
Nicopolis, 130 röm. Meilen lang, was auf eine über Aboba geführte
Linie gut passt, erwähnt aber keine Zwischenstationen. Die Gegend
gehörte ohne Zweifel nach Moesia inferior, dessen Ostgrenze von
der Donau unterhalb Durostorum bis zu einem Punkte der Pontus-
küste (wohl zum Batovadelta) zwischen Dionysopolis und Odessus
reichte. Von den sieben bei Hierocles (ed. Parthey p. 5) genannten
Städten der Provinz ist das einzige, durch die Katastrophe des
■'^) Eine genaue Belehrung über die Lage und Ausdehnung des ganzen
Lagers von Aboba gibt uns die neue russische Generalstabskarte von Bulgarien
(Blatt V, 8 Sumen), auf welcher sowohl die innere Burg als der äussere Wall
genau eingetragen sind. Das Viereck ist unregelmässig, im Norden breiter als im
Süden. Der Wall auf der Westseite streicht in gerader Linie von Nord nach Süd
und ist beinahe 6 Werst lang (eine Werst = 1067 Meter). Die Ostseite hat die-
selbe Länge, biegt aber im südlichen Theile etwas einwärts ein. Die Nord- und
Südseite sind ein wenig auswärts ausgebogen; die erstere ist 4Y2 Werst, die zweite
nur 3'/, Werst lang. Die kleine Befestigung im Centrum liegt nicht gerade in der
Mitte; die Entfernung derselben von der Nord- und Südfront des Castrums ist
zwar gleich, jedoch liegt dieselbe näher zur Ostseite desselben. Das Terrain des
ganzen Platzes ist sanft geneigt gegen Süden. Ein Bach entspringt im Nordwest-
winkel des Lagers, fliesst an der Westseite des Praetoriums vorbei und tritt bei
dem Dorfe Aboba, das selbst innerhalb der Südfront des Lagers gelegen ist, in's
Freie (die Karte hat irrthümlich Ak-Baba; ich habe immer nur Aboba gehört, wie
der Name auch in den bulgarischen amtlichen Ortsverzeichnissen gedruckt steht).
13»
196
Kaisers Decius 251 berühmte Abrittus (mit dem Forum Sem-
pronii des Dexippus frg. 16 (16«): ev 'AßpuTUj, tuj Xefoiiievuj qpöpiu
OejLißpuuviuj) der Lage nach unbekannt. Man könnte auch an
Zaldapa des Theophylaktos Simokatta denken (ed. Bonn p. 48.
87. 270), unisomehr als dasselbe auf einem Marsche von Marciano-
polis nach Jatrus erwähnt und auch von Joannes Antiochenus
{Fragin. hist. Graec. V 32) als ein Tf\c, KotTUj Mu(Jitt<; TröXi(J|Lia ge-
nannt wird, wenn Procopius (de aedif. 308, 23) und Hierocles den
Ort nicht ausdrücklich nach Scythien verlegten.
Noch an demselben Tage besuchte ich das alte , von Kanitz
(III. 112) abgebildete Steinbild bei dem Dorfe Madar a, 15 Kilom.
östlich von Sumen. Oestlich oberhalb der Häuser dieser türkischen
Ansiedelung befindet sich in einem Winkel der nahen Felswände
eine halbkreisförmige geräumige Höhle, aus welcher ein wasser-
reicher Quellbach zwischen Steinblöcken zu einigen Mühlen hinab-
fliesst. Vier steinerne Tröge an der Quelle und einige grosse vier-
eckige Löcher hoch auf der Aussen wand, sowie der Umstand, dass
hier noch jetzt am Tage der hl. Marina ein christlicher Ciottes-
dienst gehalten wird, sprechen dafür, dass dieser anmuthige Ort
mit seiner schönen Aussicht auf die fruchtbare Landschaft von
Sumen in alter Zeit als ein natürliche« Heiligthum galt. Wenn man
von der Höhle nordwärts längs der Felswand geht, so erblickt man
nach wenigen Minuten auf der grauen, mit gelben Horizontallinien
gerippten Mauer ungefähr 7 Mannshöhen hoch ein grosses , aber
besonders bei grellem Sonnenschein undeutliches und bereits stark
verwittertes Basrelief. Es hat keinen Rahmen, und der Fels ist bei
dessen Herstellung nur wenig ausgeglichen worden. Es ist ein
„thrakischer Reiter" in Lebensgrösse und in guter Ausführung; der
Kopf des Reiters ist undeutlich , dagegen erkennt man ein gut ge-
zeichnetes Pferd, darunter einen Löwen und links hinter dem
Pferde einen laufenden Jagdhund. Es scheint, dass der Reiter den
Löwen mit einer Lanze durchstach. Unter dem Bilde bemerkt
man noch zwei viereckige Löcher von dem zur Arbeit liergerich-
teten Gerüste. Zu beiden Seiten des Pferdes befand sich eine
längere Inschrift, die links sehr verwittert, rechts aber gut erhalten
ist. Dieselbe ist nicht, wie Kanitz meint, lateinisch, sondern grie-
chisch. Ich entzifferte mit dem Fernglas links über dem Jagdhund
klar das Wort xaipe, rechts von dem Rosse die Stellen tHenam,
anderswo eiae und emete; das griechische a ist oft gut kenntlich.
Jedoch ist eine Lesung von unten aus nicht möglich, da die Zeilen
I
197
mitunter in Folge des ungleich vortretenden Bodens für den Be-
obachter im oberen Theile der Buchstaben tiefer fallen, als im
unteren. Einer meiner Begleiter machte den Versuch hinaufzu-
klettern, kam aber auf Felskanten nur an 3—4 M. unter das Bild
auf einen Platz , von wo erst recht nicht hinaufzusehen war. In
ganz Madara, wo die Türken eben den Bairam feierten, war keine
Leiter aufzutreiben; die Herstellung eines Gerüstes (das Material
müsste man aus Sumen holen) hätte wenigstens drei Tage erfordert,
meine Zeit war bemessen, und so musste ich jeden Versuch einer
Annäherung an das merkwürdige Basrelief zu meinem grössten
Leidwesen aufgeben.
Das Felsbild bei Madara ist nicht das einzige in diesen Län-
dern. In Eski-Dzumaja hörte ich, in den Urwäldern zwischen dieser
Stadt und Preslav (Eski-Stambul) sei bei Karliköi an einer sehr
unzugänglichen Stelle ein in den Felsen gemeisseltes Reiterbild mit
einer Inschrift zu sehen.
Die Stadt Sumen (türk. Sumla), im Laufe der letzten hundert
Jahre zu einer Festung ersten Ranges erhoben, besitzt die Reste
einer mittelalterlichen Burg (Hissar) auf dem Plateau in der äus-
sersten Südwestecke der Position; das unterhalb in einem engen
Thale gelegene türkische und jüdische Stadtviertel enthält die älte-
sten Gebäude der Stadt. In der Residenz des Metropoliten Symeon,
eines warmen Freundes der Wissenschaften, sah ich neben einigen
mittelalterlichen Denkmälern ein Fragment, wohl gleichfalls aus
Aboba (Buchstaben 6 Cm. hoch) :
P A T O PI
E B A 2 T U
AuTOKJpdiopi .... [IJeßacTTuj . . .
Das werthvollste, was die kleine archaeologische Sammlung der
]Metropolie enthält, ist aber eine Steinplatte mit einer langen dori-
schen Inschrift, in welcher mich die Namen von Kallatis und Apol-
louia, sowie die Erwähnung eines ßa{Ji\eu(g überraschten. Das oben
und unten , sowie an der rechten Seite leider zerschlagene Denkmal
ist nur 0-6 M. hoch, an der weitesten Stelle 0:33 breit, 0-11 dick,
die Schrift klein (1 Cm. hoch) und dicht. Keine einzige Zeile ist
vollständig. In den Formen der Schrift sind besonders charakte-
ristisch die Züge des a, e, k, n, ^, n; ausserdem ragen y und b
etwas über die Zeile empor. Ueber den Fundort erfuhr ich, der
Stein sei unlängst in dem früheren Tscherkessendorfe Kemekci
198
Dere bei Markovöa ausgegraben worden, das jetzt unter dem
Namen Kostena Rjaka von Bulgaren bewohnt ist (196 Einw.,
Gemeinde Markovöa, Arrondissement Jenipazar), nicht weit gegen
SO. von dem Felsrelief bei Madara. Jedoch der Inhalt selbst zeigt»
dass die Inschrift keineswegs ursprünglich dort sein konnte. Ich
gebe, in Ermanglung einer Photographie, nur eine sorgfältige Ab-
schrift :
OSAMA
ANKAIEKT
4ATOYAA
nPHMENflN 5
ANYnEPTIQEM
TEKAKO nA©IA N
UilAAMniTITflN nOTI
OA.II ONH2AITOYTEBA2
AHI ENTOZVnOASABie 10
inNOmSAYSHTONFOTIS
I ENESTAKOTAPOAEMONEi A n
ZEKTENnSKAinPOQYMnZKAIME
iPHZIA2EXPHMATI2ENnEPITnN
OAIOZAIK A I n N O n fl 2 O Y N KAI OA A 15
AINHTAITOY2EYNOOYNTA2EAYTniKA
O KAlArA0OY2ANAPA2TIMnNKA0HI
N nZEPAINEIZGAIiWEN EPITOY TOIZ TONTE
MONTO NAr////A AXINI ATANEXONTATONPPO
MnZANTIA AMBA NOMEN ONTA2KAAAAT 20
NUNZnTHPIAZ KAI 2TP ATAN AKTAAY I
MIOZAEAOXOAITAIBOYAAIKAlXniAAM
TArrEIAAZGAIAYTfllOTIO AAM02Ar
A2TA©ENTriNAYTmTnNnPArMAI
12TANEHAPXA2AIA0E2INKAITHPOYN 25
'TOYTANAIPEZINANEXnNAIA TEAEI
AKOI N AAEin2AYTONEPI2TP A<t>H2E
jaNrErONOTANEI2AYTON EYEPPE
..NAn02TEIAAIAET0Y2 ZTPATA
NTirP A*0NT012AP0AAnNIATANA 30
A I r A P A KAA E2AIAYTOYZTONEnAI I
MENEI2T0T0YAP0AAnN02lEP<
ONEPITAAEIONEKAEEAMENO
199
\IAEAYTONKAITONBA2IAEAE
ANEIONTOYSAEPPOBOYAOYZ 35
AEYONTAZTONMHNATON
OAEISAlTOnO N ENT
ONAN ATE©HZE,TAi
E M n N ~
n o T E 40
[Mit Benützung eines von Domaszewski genommenen Ab-
klatsches möchte ich folgende Lesung vorschlagen:
e
oaajuuj
av Kai CK t[u)V
va ToO bd[|uou
ujpr||uevijuv 5
cTujTripijav i)TTepTi9e)Li[evo<; TuJv
ibiuuv oujte KaK0Tra9iav [eure kiv-
buvov eKKXivujv ...t]uji bdjuaii ti tujv ttoti
Tr]ö[Xiv jovficJai toO te ßa(j[iXeuj^
dHi[uu0]evTo^ UTTÖ 'AaaßiG lo
l(JUV ÖTTUJ^ \vOr\ TÖV 7T0TI Z. .
evecTTaKÖia 7TÖXe)uov ela.n[o(ST-
aXei]^ eKTeviijq Km TTpo0u|uuu(; Kai |ae[Td
Trap]pnaia(; exP^MdriHev rrepi tüjv [läq
TT]öXioq biKaiuuv, ÖTTU)^ ouv Ktti 6 bd[|uo(; 15
qpjaivriTai lovq eüvooOvTaq eauTÜJi Ka-
Xjo[uq] Ktti dYa6ou(; dvbpa? Ti)ua)V Kaeri[Kd-
vfijuuq, eTTaiveT(y9ai )aev im toutok^ töv te [ba-
)uov TÖV 'ATT[o]XXujviaTäv e'xovxa töv TTpo[6u-
juujq dvTiXa|Lißavö|uevov Tdq KaXXaT[ia- 20
va)v (jujTtipiaq Kai XTpaTÜuvaKTa Au[Tbd-
)iuoq, beböxöai Tdi ßouXdi küi tuji bd)u[u;i,
eJTTaYfeiXaaeai auTUJi, öti ö bäpioc; dTT[oKa-
TJacTTaGevTUJV auTOJi tujv TrpaY|Lid[TUJV
e]i^ Tdv eS dpxd<; bidGecTiv Kai Tr-|poOv[Toq 25
aujTou TttV aipecTiv dv e'xujv biaTeXei ["rrpöq
TJd KOivd, dSiuj^ auTÖv eTnaTpacpr|ae|(j0ai
t]ujv "fCTOVÖTUJV e\q auTÖv euepTe[T)'||ud-
TUijv, diToaTeiXai be rovq aTpaTa[Youq tö
200
dlvTiYpacpov Toi<; 'ATroXXuuviaTäv a[pxouaiv 30
KJai TTapaKttXeaai auTouq tov eTTai[vov
6e]|Liev eic; t6 toö 'AttöWuuvo«; iepö[v, tö-
tt]ov emTdbeiov eK\eEa|uevo[uq, KaXe-
aa]i be aüiöv Kai töv ßaaiXea e[\c, tö TipuT-
dveiov, Tou(; be rrpoßouXoug [tovc, Trpoß- 35
ouJXeuovrag töv \jLf\va töv ....
dTTjobeifcai TÖTTOv ev T[fii dTOpdi. . . .
eig] öv dvaTeer|cre(i)Tai [. . . .
? T]e[Xa]|uijuv. . .
TTOTC 40
Das historisch Werthvolle, das diese Inschrift zu bieten ver-
möchte, steckt leider in den oberen, arg zerstörten Zeilen, deren
Reste den Hinweis auf einen im skythischen Gebiete geführten
Krieg zu enthalten scheinen. Schrift und Stil des erhaltenen Theiles
aber lassen die Inschrift mit einiger Wahrscheinlichkeit zeitlich
fixiren. Die Inschrift von Sestos, welche von Carl Curtius (Hermes
VII, 113 ff.) veröffentlicht (= Dittenberger Syll. n. 246) und von
Jerusalem (Wiener Stud. I p. 32 ff.) hinsichtlich ihrer sprachlichen
Uebereinstimmung mit Polybius einer eingehenden Untersuchung
unterzogen wurde, bietet merkwürdige Analogien. Ich citire von
den bei Jerusalem hervorgehobenen Besonderheiten der Inschrift
von Sestos, die sich in unserer Inschrift wiederlinden: KaKOTraBia
in der Bedeutung „Anstrengung" Z. 4 u. 32, in unserer Inschrift
Z. 7; den häufigen Gebrauch von exTevriq und eKTevujq in der
sestischen Inschrift, die unsrige hat eKTeva)(^ Z. 13; eTrKTTpeqpeaGai
Tivoq „sich um etwas kümmern" (Inschrift von Sestos Z. 28;
Inschrift von Callatis Z. 21 f.). Die Abfassungszeit der sestischen
Inschrift ist durch die Erwähnung der letzten Attaliden bestimmt
und fällt sicher nach dem Tode Attalos III. Die Buchstaben unserer
Inschrift lassen diese Zeit sehr wohl zu. Eine spätere Zeit scheint
schon dadurch ausgeschlossen , dass im J. 72 Lucullus Apollonia
eroberte und seit dieser Zeit wohl schwerlich mehr das Apollo-
heiligthum, welches in der Inschrift erwähnt wird, bestand, da die
Colossalstatue, das Werk des Kaiamis, daraus nach Rom geschleppt
wurde. Aus früherer Zeit (Ende des 4. Jahrhdts.) ist uns über die
Schicksale von Callatis bekannt, was Diodor XIX, 73 und XX, 25
berichtet. — Im Einzelnen bemerke ich Folgendes: Z. 21. ZTpaTiu-
vaE scheint bishor nicht belegt zu sein. — Z. 27. Man hat hier die
201
Wahl, zu einem Anakoluth zu ergänzen, wie im Texte geschehen ist,
oder aiiTov eTTi(JTpacpr|cre[Tai] tujv kt\. unter Annahme der unbelegten
Construction von emcTTpecpecröai mit Acc. der Person zu lesen. —
Z. 30 ff. (Jeher den Geschäftsgang, der eingehalten wurde, wenn
von einem Staate an einen anderen das Gesuch gerichtet wurde,
einen Platz zur Aufstellung einer Ehrensäule zu bewilligen , gibt
Aufschluss die Inschrift Bull de corr. hell. X (1886) 102 ff. —
Z. 35. Neben monatlich wechselnden Probulen lernen wir hier als
Beamte von (Jallatis Strategen (Z. 29) kennen. SZANTO ]
In einer schönen warmen Landschaft an der nördlichen Kam-
cija (türk. Akylly Kamcik) , welche bulgarisch, wie im Mittelalter,
noch jetzt allgemein Tica genannt wird, liegen zwei Stunden südlich
von Sumen die Reste der einstigen, wohl auf antiker Grundlage
errichteten Hauptstadt Bulgariens, Preslav, der MefdXii TTepiaöXdßa
der Byzantiner und des Edrisi, bei einem noch jetzt Preslav, türk.
Eski Stambul genannten grossen Dorfe (2770 Einw.). Die Blüthe-
zeit des Ortes fällt in die Zeiten Symeon's (888 — 927) und seiner
nächsten Nachfolger. Noch im Anfang des 13. Jahrhunderts schildert
Niketas Akominatos (ed. Bonn. p. 486) TTpiaöXdßa als ttöXk; tuTUTia,
GK TiXivÖGu TTäcra ÖTTTfiq, Ktti TiXeiaitiv öcTiiv Trepi töv Aijuov xfiv irepi-
luetpov e'xou(Ja. In der Türkenzeit führte hier die Hauptstrasse von
Constantinopel nach Bukarest vorbei. Jacobus Bongarsius erblickte
hier 1585 „mm cerne de murailles de pierre quarree blanche .f presque
eiitier de grande estendne^^. Hadzi Chalfa beschreibt im 17. Jahr-
hundert die Ruinen als eine feste und breite Mauer, die einen grös-
seren Raum einschloss als Constantinopel, im Inneren von Feldern
und Bergen erfüllt. Carsten Niebuhr (III. 172) sah im Jahre 1767
„an der Südseite des Fleckens ein Stück von einer alten Stadt-
mauer", was ihn zur Verrauthung brachte, „dass dieser Ort die
Residenz der ehemaligen Könige von Bulgarien sey''; er hörte auch
von den Einwohnern, Eski - Stambul „heisse in der bulgarischen
Sprache Praslav". Seit der Zeit sind die Ruinen arg verwüstet
worden, denn sie dienten ebenfalls als Steinbruch und Kalkbrennerei
für die Festungsbauten von Sumen. Kanitz (III. 70 ff.), welcher
die erste genauere Beschreibung des Ortes gab, war durch ihren
Zustand recht enttäuscht.
Die Ruinen von Preslav bestehen, wie die von Abeba, aus
einem inneren gemauerten Schloss und einer sehr umfangreichen
äusseren Befestigung, welche den ebenen, ganz von Feldern und
202
Weingärten bedeckten Raum zwischen dem Dorfe und dem Aus-
tritt der Tica aus einem waldigen Defilö ungefähr auf eine halbe
Stunde Weges erfüllte. Das entspricht dem äusseren toO äcTieo^
TTepißoXoq (oder reixoc;) mit den eTrdXgeK; und der inneren ßaaiXeiO(;
auXri, leixiov exupov xeKTiiiuevii, ev f| Kai 6 TrXoOioq MucToTc; evaireKeiTO
in der anschaulichen Beschreibung bei Leo Diaconus (p. 134 — 138).
Das Schloss (Saraj genannt) steht an 600 M. vom linken Ufer
des Flusses, an welchem hier auch die Spuren einer alten Brücke
bemerkbar sind. Es war ein etwas unregelraässiges Viereck, im
Innern von Norden nach Süden 225 Schritt breit; von der 2 M.
breiten, auf der Aussenseite durch solide Quaderverkleidung (die
einzelnen Quadern 0*9 M. 1., 0"45 br.) gedeckten Umfassungsmauer
aus Rollsteineu stehen noch vier bis 20 Schritt lange und 5 — 6 M.
hohe Stücke. Alte Bauern erinnern sich sie gesehen zu haben, als
sie noch ganz erhalten war und ein Thor hatte. Die Linie de>
äusseren Umwallung ist kaum kenntlich, soll aber vor Jahren nahe
bei dem Dorfe stückweise noch auf Mannshöhe hoch gestanden
haben. Im Innern gibt es über der 40 M. tief eingeschnittenen
quellenreichen Schlucht des Baches Tunöska Reka eine Stelle,
genannt Monastir. Dieselbe gilt als Fundort alten Mosaiks und
ich selbst, als ich auf dem geackerten Felde oben am Rande der
Böschung mit dem Spaten an's Werk ging, stiess neben einigen
Splittern grünen undurchsichtigen Fensterglases auf hübsch ge-
glättete Mosaikstücke verschiedener Form und Grösse in drei Farben,
allerdings nicht mehr zusammenhängend , sondern zerstreut unter
dem von der Pflugschar Jahr für Jahr umgewendeten Boden. Im
Dorfe selbst sind in der Kirche und in dem Amtshause zahlreiche
glatte' Säulen, Capitäle mit Akanthen, Architrave, thönerne Röhren
und viele Quadern zu sehen. Grosse längliche Platten mit schönen
Blattornamenten, darin ein Kreuzzeichen, jede in drei Felder (0*39
h. u. br.) getheilt, sind von hier nach Sumen gebracht worden (zwei
im Leseverein „Citaliste" , fünf bei dem Metropoliten); einen ähn-
lichen Stein aus Preslav mit blitzartigen Linienornamenten sah ich
bei der Kirche von Kotel. Die meisten dieser bearbeiteten Steine
sollen aus dem inneren Schloss stammen. Die Preslaver erzählen,
vor Jahren habe man grosse „silberne und goldene Handschuhe",
bis zum Ellbogen reichend, aufgefunden und eingeschmolzen; auch
zeigte man mir eine 15 Cm. lange hohle Froschfigur aus Bronze guter
Arbeit, mit einer Miniaturmaus als Deckel. Bei der Schule steht
endlich auch eine 16 Zeilen lange, sehr beschädigte lateinische In-
203
Schrift (1 M. h., 0-39 br.). Es ist wohl dieselbe, von welcher Kanitz
(III. 73) einen Abklatsch mitgebracht hat, aus dem jedoch Mommsen
den Inhalt nicht zu entziffern vermochte. Die Schriftzüge sind un-
regelmässig und stellenweise unkenntlich; ausser einigen Worten
(iPSE, VICTOR, PROPATRi, DEcvs) kountc ich bei einer allerdings nur
flüchtigen Besichtigung nichts Näheres herausbringen.
Die Umgebungen von Preslav haben ebenfalls manche Alter-
thümer aufzuweisen. Ich erwähne nur eine Burg Bjalgrad, eine
Stunde westlich von Preslav, die Reste einer gepflasterten, nach
Vrbica im Balkan führenden Strasse bei Dragöjevo (von dort
sah ich auch eine silberne Alexandermünze), einen neulich (1885)
bei Smjädovo gemachten P'und eines bronzenen Helms, ein pracht-
volles Paar eiserner Messer mit in Gold und Silber eingelegten
Zeichnungen auf der Klinge: Blumen, Blättern, Vögeln, Hasen,
Ziegen, Löwen, Schlangen u. s. w. , gefunden 1869 bei Divdjä-
dovo (türk. Cengel), jetzt im Palais von Sofia.
Die Reise war zu Ende. Von Preslav kehrte ich längs des
Nordfusses des Balkans über Trnovo und Lovec nach Sofia zurück.
Zum Schlüsse erlaube ich mir noch , zwei Inschriften mitzutheilen,
die, so viel ich weiss, noch unedirt sind.
1. In Silistria, früher in der Ak-Kapu-Dzamisi, jetzt auf der
Präfectur (nach zwei Copien), bemerkenswerth wegen der Erwähnung
eines templum in canabis:
I ■ o ■ M •
PROSALVTE IMP-CAES-T-AeLha
DRIANI - ANTONINI • AVG • PL- El-^f
RICAES • TEMPLVJW • ET - STATVAJW
.5 C-R- ET-CONSISSTENTIBVS • IN
CANABIS-AELIS-LGXTCL-
CN-OPPIVS ■ SOTERICHVS ET
OPPIVSSEVERVSFIL -EIVS
DESVO ■ FECERVNT-DEDICA
10 TVJW EST • PER • TIB • CL • SATVRNI
NVM • LEG • AVG ■ V K • PR- TIB-CL-IVLI
ANO ■ LEG • AVG
I(ovi) 0{ptimo) M{aximo) pro salute imp. Caes{aris) T. Aeli
Hadriani Antonini Aug{usti) P[ii] (\t\ Veri Caes(aris) templum et
statuam c{ivihus) R{omanis) et consi{s)tentihus in canabis Aelis l{e)g{ionis)
XI Cl(audiae) Cn. Oppius Soterichus et Oppius Severus fil{ius) eins
204
de suo fecerunt. Dedicatum est per Tib. Cl(audium) Saturninum legia-
tum) Aiig(iisti) pr{o) p7-(aetore) , Tih{eri6) Cl(midio) Juliano legiato)
Ai(g{usti).
2. Im Dorfe Reselec am linken Ufer des Isker zwischen
Vraca und Pleven, vom jenseitigen rechten Ufer aus einer „Monastir"
genannten Ruine herübergeschafft (Copie des H. Schulinspectors
C. Gincev):
L-PLINIVS-SEX-F
FA B ■ DOMO
T R V iW P L I A
M I L • L E G • XX
5 ANN OR VM XL V
STIPENDIORVM XVH
HICSITVSEST
TESTAMENTO FJE Rl
I V S S I T
10 SECVNDVS
L-PLIN-ETP-MEC'^I
libe'Kvs FECIT
Prag, März 1886 CONST. JIRKCEK
Nachtrag
Zur Karte. Da die zum IV. Theil der Abhandlung gehörige
Karte früher gedruckt war als der Text;, müssen zwei Berichtigungen
derselben hier Platz linden: 1. Der Name Cabyle gehört oberhalb
(niclit unterhalb) des Namens Jambol zum Berg Tausan Tepö;
2. der Name Deultum bei den Ruinen von Skefa ist zu entfernen
und dafür etwas weiter westlich nebst einer Ruinenstätte zu beiden
Seiten der Mündung des Flusses von Karabunar (südlich vom End-
jiunkt des Walles) einzutragen.
S. 46 Z. 17 1.: ni'OCKYNireiKON.
S. 48. Herr Brozka in Sophia unterrichtete mich in einem
Schreiben vom 7. (19.) August 1886 über die Reste bedeutender
antiker Gebäude, die in diesem Sommer ausserhalb der Ostseite
der Stadt gefunden wurden. Oestlich von der Sophienkirche wird
der weite, bisher als Ilutweide benützte Raum zwischen den
Strassen nach Rusöuk und Philippopel allmählich verbaut. Dabei
205
stiess man knapp am Westuter des Haches von Podujeni auf die
Ueberreste eines an 50 Meter langen Gebäudes mit 1 M. dicken
Mauern aus Rollsteinen und flachen Ziegeln. Die Nordseite des-
selben enthielt drei Kammern , insgesammt nach dem Innern zu
9' 15 M. tief und in der Front 3"75, 75, 10 M. breit, je mit einem
Bogenfenster auf der Aussenseite und einer demselben gegenüber
liegenden Thür. Eine Kupfermünze des Kaisers Constantinus, eine
kupferne Vase (jetzt in der Nationalbibliothek) und ein Säulen-
capitäl, die man bei dem Ausheben des Erdreiches in den Kammern
selbst vorfand, zeugen von dem römischen Ursprung dieser Bauten,
lieber zwei der Kammern hat man heuer ein 150 Quadratmeter
grosses Haus erbaut und dieselben als Keller eingerichtet. An
100 Schritt westlich bemerkt man auf einem brachliegenden Bau-
platz die Substructionen eines viereckigen, lO M. langen, 8 M.
breiten Gebäudes mit einer bogenförmigen Apsis auf der Ostseite,
wohl einer Kirche. Alles spricht für eine spätrömische Ansiedelung
auf dieser Stelle , die von den Thermen und der inneren Stadt
schon recht entfernt liegt.
S. 84. Grisebach (Reise durch Rumelien 2, 282) sah 1839
in Kalkandelen eine Bleiglanzprobe, die aus den theilweise mit
Wasser gefüllten Gängen eines verfallenen Silberbergwerkes am
Sargebirge in der Dibra stammte. Die Türken hatten kurz zuvor
eine militärische Expedition zu der Auffindung dieser Bergwerke in
das Gebiet der kriegerischen Albanesen der Dibra gesendet. In
diese Gegend gehören die äpfupeia id ev AauacfTiiu des Strabo 7
p. 326.
S. 92. Nach der neuesten bulgarischen Schrift der Brüder
8korpil (a. a. O. S. 96) ist das Pflaster der Römerstrasse zwischen
dem rechten Ufer der Marica und dem Bahnhof von Tatar-Pazardzik
O'ö M. tief gefunden worden. Von dort ging die Strasse bei den
Resten des alten Bessapara vorüber gegen das Dorf Karatahir und
erreichte bei dem Dorf Kadiköi eine Oertlichkeit Namens Ku-
kardzi, wo früher eine Menge bearbeiteter Steine sichtbar waren ;
Skorpil verlegt das alte Tugugerum dahin und meint, dass die
Marmorsteine, Säulen und Quadern in den nahen Ortschaften ins-
gesammt von dort stammen. Die gepflasterte Strassenspur zieht
sich sodann über Zlatitrap und Meckür nach Philippopel.
Skorpil bringt zwei Inschriften aus dieser Gegend:
1. Eine Säule (Durchmesser 0*38 M.) auf dem Friedhof süd-
westlich von Airauli (S. 86). Die Klammern scheinen undeutliche
206
Stellen zu bezeichnen; der wichtige Name des Legaten Kaiser
Gordians ist leider nicht sorgfältig genug wiedergegeben.
(a rA0)H T yx(y)
aytok(p)atopikai2:a(pi)m(an to)
NinrOPAIANH EYTYXIE
2EBA2TriKAnHN0EO<t>IA
5 rOYnANrYNAIKAAYTOY<t>OY
SABINIANHNTPANKYAAEIN ANH(rEJWO)
NEYONTOSTHZePAKaNEnAP x(e)i a(2)
nONIMAnANOYnPE2BZEBANTl(2TPA)
THrOYHAANn(p)OTATH0PAKnNMH(TPO)
10 noAi2(<MAi)nnonoAi2
EYT YXaS
[dYttOjv] Tux|ti]. AuTOK[p]dTopi Kai(Ja[pi] M. ['Avtujjviuj ropbiavtu
EuTux[eT Eücreßei] leßacTTuj Ka[l xjnv 9eocpi\[ecrTdTr|v . . . . ] Y^JvaiKa
aÜToO 0ou[piav] Iaßivi[av] TpavKuXXeivav fi[Te|uo]veuovTOff ifig GpcxKUJV
e7rapx[e]ia[c:] rTo[)LiTTUJVi]avoö (?) TTpeaß(euToö) Zeß(a(JTOÖ) dvTi[(TTpa]Tri-
Tou r] XavTT[p]oTdTri 0paKU»v |mi[Tpö]TroXig [OiXiJTTTiÖTToXiff. euTuxuJ?.
2. Grabstein in Zlatitrap (S. 83). Die ersten Buchstaben sind
unklar :
(m H n)H O * I N Y O 2 T I N K A r * P O N a N E A Y T O N A <t> H
Pnil2ENENEYTYXEinAPOAEITA*IAE
[Etwa: [ö beiva Ziuujv (?) Kai qppovujv iamöv dqpr|püb[i](T€V (ev).
euTuxei TTapobeixa qpiXe. O. B.]
S. 94. Für die Strasse von Philippopolis nach Adrianopel
gibt Skorpil dieselbe Linie an, wie Dobrusky, aber ohne Nachricht
über die geographisch so wichtige Inschrift von Pizos. Die Station
Syrnota verlegt er zwischen die Dörfer Manoli und Geren, wo
an der Ostseite des Baches Karader6 sich ein türkischer Friedhof
mit „bearbeiteten Marmorsteinen von korinthischer Architektur"
(S. 98) befindet. Das Strassenpflaster ist hier nicht erhalten und
der Weg nur als erhöhter Damm kenntlich. Die Inschrift von
Geren bei Dumont (n. 60) soll jetzt zerschlagen und als Bau-
material verbaut sein; in Geren wurde auch die 22 Cm. lange
Hand einer grossen Bronzestatue gefunden. Parembole verlegt
Skorpil (S. 99) auf eine 300 Schritt lange und 100 Schritt breite
Anhöhe westlich von Asiklare, mit den Resten einer alten Ansiede-
207
lung; daneben ist das 4 M. breite Strassenpöaster auf einer 100
Schritt langen Strecke sichtbar. Ranilum glaubt er (S. 101)
westlich von Karaorman gefunden zu haben, wo sich eine Oertlich-
keit, Kumbaklyk genannt, ' mit Spuren von Häusern, Ziegeln u. s. w.
vorfindet. Von dort zweigt die Spur eines alten Weges nord-
westlich gegen Hissar ab (S. 101 ff.), über Tiirkmen. Bulgar Coba,
Bekirli, zwischen Jutaklar und Kirekci, gegen Salalii zu.
S. 96. Nicht weit nördlich von dem Zusammenfluss der
Sazlijka und IMarica gibt es am Westufer des ersteren Flusses,
südlich vom Dorf Tekke-Musace vo ein jetzt von der Eisenbahn
Seimenli-Jambol durchschnittenes Doppelcastell. das Skorpil (S. 17)
ausführlich beschreibt. Das nördliche Castell (Mauern 3 M. dick)
bedeckt einen Flächenraum von 25, das südliche von 40 bulgari-
schen „uvrat'' oder türkischen „dönüm" (40 X 40 Schritt). Das
Innere der Burgen ist in Kammern (die nördliche in 18 — 20) ein-
getheilt gewesen. In dem Zwischenraum, 15 „uvrat" gross (aber^
wie breit von Burg zu Burg?), bemerkt man Reste von Häusern
und eine alte Strasse, die von W nach O quer hindurch geht und
in der Nähe die Fundamente einer 6 M. breiten Brücke über die
Sazlijka erreicht. Längs der Ostseite der Burgen, die knapp am
Rande des Inundationsterrains der Sazlijka stehen, zieht sich das
Ende der Wälle der „Jerkesija*'. Skorpil erkennt in diesen Burgen
ganz richtig das alte Arzus. Bei dem Bahnbau sollen hier ausser
Münzen Constantin's und Justinian's auch Statuen und Inschriften
gefunden worden sein. Das Volk sagt, die Burg hätte einst Bosna
grad geheissen (S. 19). Dieser Name erinnert mich an das aus
Anna Komnena, Ansbert und Villehardouin bekannte Blisnos,
Blisimos des späten Mittelalters, das, wie ich oben (S. 97)
bemerkte, in dieser Gegend zu suchen ist.
Verschieden von diesem Burgenpaar ist das Castell bei Sei-
menli am linken Ufer der Marica. westlich von der Münduno- der
Sazlijka (eine Inschrift von dort siehe Monatsberichte a. a. O. S. 449).
Die Fortsetzung der Strasse gegen Adrianopel zu geht nach Skorpil
(S. 19) von der Doppelburg durch das Gebiet des gegenüber liegen-
den Dorfes Surut zu einer ßurgstelle Devebargan zwischen
Seimenli, Sadukli und Kujunli, und hält sich demnach an das linke
Ufer der Marica. Die Burg von Glavan kann also nicht, wie
ich meinte, an der Strasse selbst gelegen sein.
S. 99. Zur Römerstrasse von Philippopel nordwärts erwähnt
Skorpil S. 99 ein Hissarlyk zwischen Conluk und Seldzikovo
208
(in welchem Verhältniss zu dem dortigen Gabelpunkt der Ciaausseen
von Philippopel nach dem Hissarbad und Kalofer?). Es ist ein
viereckiger Lagerplatz, mit den 100 Schritt langen Flanken nach
den Himmelsrichtungen orientirt, umgeben von einem 5 M. hohen
Wall (ohne Graben?). An 150 Schritt nördlich davon stehen vier
Tumuli in einer Reihe; in Seldzikovo gibt es Scäulenbasen und
Capitäle, die angeblich von dort stammen. Ein zweiter solcher
Lagerwall um die Reste einer Ansiedelung befindet sich südlich
davon, nordöstlich von Strojevo. Einen dritten Wall von ähn-
lichen Dimensionen sah Skorpil nordwestlich von Achievo am
Fuss des Balkans (zwischen Tekke und Sopot), an einer „Staro
Teke" oder „Assarlyk" genannten Anhöhe.
S. 104. Die Inschrift von Jeni - Zagra ist auch bei Skorpil
S. 84 zu lesen, ohne bemerkenswerthe Abweichungen, ausser Z. 1:
JVVH2NAKOZ1,
S. 135. Die Burg am Tausantepe bestand noch zur Zeit
der türkischen Eroberung des Landes. Leunclavius , Hütoriae
musulmanae Turconim etc. (Frankfurt 1591) S. 276 erzählt nach
einer türkischen Chronik, Sultan Murad I. habe während des Feld-
zuges Ali's nach Bulgarien in Jambol und auf der Burg verweilt
und in der letzteren von seinem Feldherrn den Bericht von dessen
Siegen entgegengenommen: „quum ad aliquid tempus in urbe Jam~
holi mhstitisset, ex eo loco discedens, ad arcem Tausonlu nomina-
fam se conttderat" (Hammer, Gesch. d. osm. Reiches V 174 schreibt
Tausli).
S. 136 ff. Der östliche Theil des Walles der „Jerkesija'' von
Jakyzly bis zur Tundza ist mittelst einer braunen Linie genau
eingezeichnet in der neuen russischen Generalstabskarte von Bul-
garien und Rumelien in 54 Blättern im Massstab 1 : 210.000 (Blatt
Vn 7 Jambol und VII 8 Burgas) , wo der geradlinige Charakter
der einzelnen Partien klar hervortritt. Ich bin leider erst, als die
vorliegenden Seiten sich unter der Presse befanden, in den Besitz
eines Exemplares dieses scliönen Kartenwerkes gelangt. C. J.
Herr Professor Pomialowsky von der St. Petersburger Univer-
sität hat die grosse Freundlichkeit gehabt, mich brieflich davon
zu unterrichten, dass die oben S. 103 von mir behandelte metri-
sche Inschrift kurz vorher schon in der russischen Zeitschrift
209
„Bulletin der kaiserlich-russischen archäologischen G-esellschaft zu
St. Petersburg^', Neue Serie, Bd. I (1885), auf Grund einer von
Hrn. Montani in Philippopel mitgetheilten Copie von Hrn. Socoloff
— Professor der Petersburger Universität — herausgegeben worden
ist. Jene Copie hat dieses Aussehen:
D n M O N A T E I A 1 A N n r A iVE T I ■ I ////
jEE^EKOYNAAEI^EKAKOYPIAI(
MOYlEKC'/YTENirACTPI
n p n 1 A "E I A I A N n p n M o N T o I w
CGYNAAIVr MAAtNEEEOA/ENOtECE
a ////l n ^E K Y I e
Danach gewinnt die ganze Inschrift, deren zweiten Vers Hr.
Socoloff in evident richtiger Weise ergänzt hat, während im Schluss-
vers das von mir zweifelnd vorgeschlagene X«PMCt durch crfiiua zu
ersetzen ist, die folgende Gestalt:
Buu|uöv 'AxeiXiaviij TaMexi^ [fx ecrinjcre [Z]eK0Övba,
eiveKtt KOupibio[u GaXd],uou TeK[vo]u t' evi Y^ö'Tpi.
fipuui 'AieiXiaviij ßuj|iiöv TÖ[vb' eicre ZeJKoOvba,
)u[vfi]fja ^ev ecrcTGjuevGig, o[\]}ia be t]uj vckui.
Eine dritte Copie derselben Inschrift endlich, welche der-
jenigen des Hrn. Montani sehr ähnlich ist, hat jüngst S. Reinach
von Herrn Tacchella in Philippopel erhalten und in der Revue
d'Ärcheologie III ser. Tom. VIII (1886) p.88 bekannt gemacht. Th. G.
[Zu S. 203. Die Inschrift aus Silistria ist bereits in dieser
Zeitschrift VI S. 3 publicirt. D. R.]
Aus Serbien
Im September vorigen Jahres wollte ich im Anschlüsse an
meinen Freund Alfred v. Domaszewski, der für das Supplement zu
C. I. L. III die Donauländer zu bereisen übernommen hatte, einen
grösseren Streifzug durch dieses archäologisch wenig erforschte
Gebiet unternehmen. Die plötzlich hereinbrechenden Kriegsunruhen
vereitelten die Ausführung dieses Vorsatzes, bis auf eine zehn-
tägige Tour durch Serbien , von Belgrad nach Kragujevac , dann
über Gorni-Milanovac, Cäöak, Pozega, Karan, Uzice, Kremna nach
Archäologisch-epigraphische Mitth. X. i j
210
Bajina - Basta im Drinathal, welches die Grenze gegen Bosnien
bildet, weiter flussabwärts bis Ljubovje und über Krupanj nach
Sabac an der Sawe. Durch die unfreiwillige Hast, mit der wir
von Uzice an reisten, wurde meine Ausbeute noch spärlicher, als
sie bei den schlechten Verkehrsmitteln des Landes und bei dem
geringen Interesse, das man, rühmliche Ausnahmen abgerechnet^),
den Resten der Römerzeit entgegenbringt, auch sonst gewesen wäre.
Das Wenige dürfte aber immerhin als Beispiel dessen, was von
diesem Boden zu erwarten ist, Interesse haben und trotz des rohen
Charakters der meisten von diesen Denkmälern theilweise auch
mehr als locale Bedeutung beanspruchen. Wo es halbwegs angeht,
gebe ich Zinkdrucke nach meinen Skizzen, welche trotz ihrer Mängel
immerhin eine bessere Anschauung vermitteln werden, als blosse
Beschreibungen. Auf die wissenschaftliche Verarbeitung des Stoffes
einzugehen bin ich hier nicht in der Lage, schon weil mir die
einschlägige Litteratur fast ganz unzugänglich ist.
Die hervorragendsten Sculpturen, welche uns begegneten, sind
zwei zusammengehörige Kolossalstatuen im Garten des militär-
technischen Laboratoriums zu Kragujevac, welche ebenda beim
Konak, der einstigen Residenz der serbischen Fürsten, ausgegraben
wurden, Apollo und Minerva, nach Art von Giebeleckenfiguren
auf dem Boden gelagert, mit halb erhobenem Oberkörper, welchem
der eine auf eine Felserhebung gestützte Arm zur Stütze dient, der
Gott links-, die Göttin rechtshin. Die beiden reliefartig componierten
Figuren waren aus je drei Blöcken eines, wie man uns sagte, in
der Nähe brechenden Sandsteins zusammengesetzt und von nicht
ganz ungeschickter decorativer Arbeit. Minerva, im eng anliegen-
den Schuppenpanzer, die Beine ganz in den Mantel gehüllt, welcher
auch über den vorgestreckten Arm herüberhängt, hat den Kopf
und mit der 1. Hand und dem r. Unterarm ihre Attribute verloren.
Mehr ist vom Apoll erhalten, obzwar er, besonders an den Glied-
massen, zum Zwecke der Erbauung eines Bleischmelzofens in wohl
an die zwanzig Stücke zerschlagen worden war, um deren Zu-
sammenfügung sich besonders Domaszewski verdient machte; nur
der rechte Arm war nicht aufzufinden. Bekleidet ist er mit vorn
') Die königliche Regierung imterstützte Domaszewski's Unternehmen auf
(las nachflriicklichste. Unter den einsichtigen Privataiännern , denen wir für För-
derung unserer Arbeiten verpflichtet sind, sei vor Allen Herr Ingenieur Luka Ivkovic
in Kragujevac, von fiflimt fin Oesterreicher, hervorgehoben.
211
am Halse von rosettenförmiger Fibula zusammengehaltener Chlamys,
die ihm beim Sitzen und beim Aufstützen des linken Ellenbogens
zur Unterlage dient; ein Zipfel bedeckt den Schoss. Hier scheint
die Rechte geruht zu haben oder ein Gegenstand, den sie hielt.
Der Köcher, welchen das von der linken Schulter oberhalb der
Chlamys quer über die Brust gelegte Band bezeugt, fehlt — wenn
meine eiligen Notizen nicht trügen — auf dem angelegten Rücken,
hieng also wohl zur Seite herab. Die übereinandergeschlagenen
Füsse trao-en einfache Riemenschuhe, der ziemlich wohlerhaltene
langgelockte Kopf ist von einem anliegenden Lorbeerkranz um-
geben. Er gemahnt mit den etwas in die Höhe gezogenen Brauen
an hellenistische Typen und erinnerte mich insbesondere etwas an
den Helios des pergamenischen Altars. Die Länge der Figur be-
trägt ungefähr 1'7, die Höhe an 1-3, die Dicke 0-33 M. Die Statuen
bildeten ohne Zweifel den Schmuck eines Gebäudes, vielleicht eines
Tempelgiebels.
Irgend einem architektonischen Zusammenhange gehörte auch
das charakterlose Gorgoneion (Fig. 1) in wahrscheinlich sechs-
eckigem vertieften Felde an, welches ich in der Abenddämmerung
zu Bajina-Basta skizzierte, wo es in der Stützmauer der Röhren-
leitung an der Mühle des Cvetko Jeftic verbaut ist und immer-
während vom Wasser berieselt wird. Der Stein ist etwa 0*55 breit.
Moos und Schlamm machten das Materiale unkenntlich. In der
Nähe lag ein leidlich gearbeitetes Pilasterkapitell. In jener Mauer
14*
212
verbaut war auch das etwa 0"6 M. im Geviert messende Relief
Fig. 2, zwei Brustbilder nebeneinander darstellend, rechts dasjenige
eines Mannes in langärmligem Rock und Chlamys, der eine Schrift-
rolle hält, links wahrscheinlich dasjenige seiner Frau, welche wein-
blattförmige Fibulae und einen daran befestigten an Phalerae er-
innernden Brustschmuck trägt. Die herzblattförmigen Gehänge
kommen auf Denkmälern der Kaiserzeit in verschiedener Verwendung
häufig vor. Wir haben ohne Zweifel den Obertheil einer Grabstele
vor uns, welcher durch die am unteren Bruchrand erhaltene Leiste
gegen das Hauptfeld, das die Inschrift trug, abgegrenzt wurde.
Auf Grabsteinen wesentlich gleicher Form erscheinen die Ver-
storbenen auch in ganzer Gestalt, wie Fig. 3 zeigt, von einer über
1*6 h., 0*65 br. Kalksteinplatte auf dem Friedhof zu Karan mit der
Inschrift; D(is) M{anibus) Fl. Tattae libertae et nidrici def{unctae)
an{nis) L FL Prisca C{ai) f{iUa) et Dazieri vil{lic6) vivo p{o3u{t).
Die Dargestellten scheinen beide Schlüssel zu halten. Der Stil
stimmt zu dem barbarischen Charakter der Namen.
Fig. 4
Ein ähnliches Reliefbild als einziger Grabschmuck, ohne bei-
gefügte Inschrift, fand sich auf dem Ruinenfelde von Gorobilje bei
Pozega. Eine etwa l M. br., 0"7 h., 0-2.5 d. Platte aus hartem
grauen, weiss und rosenfarben geäderten Kalk tragt in breiter ein-
facher Umrahmung die beiden unter Fig. 4 abgebildeten Gestalten.
Die Frau scheint mit aegisähnlichera Kragen geschmückt und in der
Rechten ein situlaartiges Gefäss zu tragen. Den Mann hielt ich
213
für bartlos. Er steht auf einem in Relief gebildeten Stück Erd-
boden..
Neben solchen Bildern der Verstorbenen findet sich auch
mythologischer und symbolischer Grräberschmuck. Den liegenden
Löwen mit auf einen Widderkopf gelegter Tatze, wie er in Dacien
und Pannonien ganz gewöhnlich ist, fand ich in einem sehr rohen,
nur 0'58 langen Exemplar aus Sandstein vor dem Konak zu Kra-
gujevac. Ein grösserer, mit weggebrochener Tatze, bewacht den
Eingang zur Kirche von Karan.
Am ersteren Orte steht auch emer von den araähnlichen Grab-
steinen, wie sie in den erwähnten Ländern ebenfalls vorkommen,
ein etwa 1-6 h., 0*9 br., 0-7 d. Kalksteinpfeiler, der an der Stirn-
seite in feston - und rankenumrahmtem Felde die Inschrift C. 1. L.
III 1672, Addit. p. 1023, trägt, auf den Nebenseiten mit den sog.
Attisbrüdern in Relief geschmückt ist, zwei mit Chiton Chlamys
und phrygischer Mütze gekleideten Jünglingen, die in correspon-
dirender Haltung je den einen Ellenbogen auf einen dicken Stab
stützen, welchen die andere Hand am oberen Ende fasst. Die-
selbe Darstellung zeigt ein pyramidal nach oben verjüngter Kalk-
steinpfeiler, welcher ungefähr mit seinem oberen Drittel in die Erde
eingesenkt auf dem Friedhof zu Karan steht; nur sind hier die
'Attisbrüder ganz klein gebildet und hinauf gerückt, um grossen
Delphinen Platz zu machen. Die Hauptseite nimmt eine breite,
unten canellierte Amphora ein, aus der eine stilisierte Rebe empor-
wächst, auch diess ein wohlbekannter Gräberschmuck.
Fig. 5
Zu den Grabdenkmälern ist ohne Zweifel auch eine Art
parallelepipedförmiger, architektonisch nicht gegliederter, aber an
der einen Breit- und zwei Schmalseiten mit Reliefs verzierter Steine
zu rechnen, von denen ich drei Exemplare gesehen habe.
214
A Fig. 5. Kalkstein, auf dem Marktplatze in Pozega, nach
der zuverlässigsten Angabe aus der Ruinenstätte von Vissi-Baba
herrührend, 0*75 1., 0-52 br., 0-67 h. Die Kline des Mannes im
Hauptfeld hat ganz gleiche geschwungene Seitenlehnen. Was der
Reiter in der L. hält, sieht einem Bogen eher als einer Gerte gleich.
Von den beiden Männern auf der anderen Schmalseite hält der zur
Rechten in der 1. Hand einen Stift, in der andern eine Schreibtafel.
Die Attribute des Anderen waren mir trotz ihrer deutlichen Form
unverständlich.
Fig. 6.
B Fig. 6, röthlicher marmorartiger Stein, in der Kirche zu
Karan als Sitz verwendet, wodurch die Oberfläche glänzende Politur
erhalten hat, 0-64 l, 0-53 br., O'öl h. Ein viereckiges Dübelloch
mit Gusscanal zeigt, dass die Oberfläche einen Aufsatz trug. Der
gelagerte Mann hält in der R. einen Trinknapf, in der L. vielleicht
ein zweites trinkhornartiges Gefäss. Die sitzende Frau scheint mit
der r. Hand einen eigrossen Gegenstand zu halten. Dem Reiter
flattert im Rücken die Chlamys.
C Fig. 7. Kalkstein, als Untersatz eines Haupttragbalkens des
Stalles bei der IMehane (Wegschenke) von Kremna verwendet, mit
der Hauptseite, die vielleicht abgearbeitet, auf dem Boden liegend;
die linke Seite, welche hier den Reiter trägt, nach aussen, die
rechte nach innen gekehrt, so dass ich sie nur sehen konnte, indem
ich mit einer Laterne unter den Boden des Gebäudes kroch. Die
davon aus dem Gedächtniss gemachte Skizze dürfte dennoch im
Wesentlichen treu sein. Die P]rhebung links neben der Hand
des Mannes schien mir eher von der Randleiste als von einem
Attribut seiner Rechten herzurühren. 0-53 1., 0.51 br., 0*77 h.
215
Dieser so viel ich weiss neue Typus ist in mancher Hinsicht
merkwürdig. Zunächst als weiteres Beispiel der seltenen Verbin-
dung des Reiterheros mit dem Totenmahl, welche in anderer An-
ordnung in Thrakien und Kleinasien vorkömmt, vergl. Dumont
Inscr. et mon.fig. de la Thrace in Archives des missions scientif. 3. ser.
Fig. 7.
t. Iir p. 125 n. 20; 137, 57; 140,61; Conze Thasos T. 10, 2;
Archäol. Zeitg. 1864 S. 172; ebenda 1872 S. 105; Milchhöfer Mitth.
d. arch. Inst. Athen 1879 S. 165. Neu war mir ferner die Dar-
stellung der Zurüstung zum Male, wie sie auf B und C erscheint :
der vor dem gelagerten Manne der Hauptseite fehlende Tisch wird
nebst anderem Geräth von einer Dienerin auf einer Nebenseite her-
beigetragen. Endlich scheint auf A mit den symbolischen Dar-
stellungen ein realistisches Todtenrelief nach Art der unter Fig. 3
und 4 abgebildeten verbunden zu sein ; wenigstens weiss ich die
beiden Männer nicht anders aufzufassen. Vielleicht ist der Mann
neben der Tischträgerin auf C ebenso aufzufassen.
Noch möchte ich ein Stück pnmitiver Kunst der neuesten
Zeit verzeichnen , welches in überraschender Weise Erscheinungen
des antiken Archaismus wiederholt. Den Gefallenen der letzten
Tttrkenkriege sind, wenn ich mich recht erinnere, besonders in den
westlichen Landestheilen , vielfach an den Wegen Denkmäler er-
richtet, in Gestalt von einfachen Steinpfeilern, welche an der Vorder-
seite das etwas weniger als lebensgrosse Bild eines serbischen In-
fanteristen in vollem Farbenschmucke zeigen. Die Grundlage der
Bemalung aber ist ein flaches Relief, in ganz ähnlicher Technik,
216
wie die älteste griechische und ägyptische, in die Vorderfläche ein-
gemeisselt. Die Beine sind in massigem Ausschreiten von der Seite,
der Oberkörper und Kopf von vorne dargestellt. Die Zeichnung
ist von kindischer Unbeholfenheit und Stillosigkeit. Unter dem
Relief steht meist eine längere Inschrift, abwechselnd mit verschie-
denen Farben gefüllt, was ja im griechischen Archaismus auch
vorkömmt. Ueber Herkunft und Verbreitung dieser merkwürdigen
Kuustweise vermochte ich leider nichts zu erfahren.
Athen, April 1886 FRANZ STUDNICZKA
Inschriften aus Rhodos
Bereits seit längerer Zeit befindet sich eine grössere Anzahl
von Simon Georgiadis herrührender Copien rhodischer Inschriften
in meinen Händen, mit deren Veröffentliciiung ich bisher zögerte,
hauptsächlich darum, weil ich bei der vielfach offenbaren Un Voll-
kommenheit derselben doch lieber abwarten wollte, ob die bezüg-
lichen Inschriften nicht von anderer Seite in besseren Abschriften
veröffentlicht werden würden, wie diess bei einigen nach derselben
Quelle von mir in dieser Zeitschrift (VH 1883 S. 135 ff.) mit-
getheilten der Fall war. Da jedoch die zahlreichen seitherigen
Fublicationen rhodischer Inschriften von dem mir vorliegenden
Material immerhin noch einen ziemlichen Rest unberührt gelassen
haben, welcher des Interesses nach der einen oder anderen Rich-
tung nicht entbehrt, möchte ich mit der Veröffentlichung desselben
nunmehr nicht zurückhalten, wobei ich nur einige unverständliche
Fragmente ausgeschieden habe und mich auch sonst meist auf die
Mittheilung des Textes beschränken zu sollen glaube. Bei n. 14.
15. 17. 18. 23. 24. 25. 28. 29. 30 liegen Copien von Simons Bruder
Emmanuil zu Grunde*).
*) Ich benutze den Anlass zu der Bemerkung, dass, wie Herr Viceadmiral
T. A. S p r a 1 1 mir gelegcntlicli miUhcilte, die amorginische Inschrift Kaibel epigr,
n. 277 sich jetzt in seinem Besitze befindet. Das Fragment ist ungefähr 013 hoch
und 0'2 breit.
217
1.
7.
OAAMOZOPOAinNETlMAZE
PPATArOPANXAl'IAAMOY
ErAlNniXPYZEniSTEOANni
APETAZENEKAKAIEY
ANEXnNAlETEAEIElZ
TimONAAEZlMENEYS
KAOYO0E2IANAEAlNAnNOS
AAPIiTANrENnMENnN
TilNAIKAZTAN KAI
^ 2TYNOMH2AN TA KAI
Rhodos
'0 bä|uo^ ö 'Pobiujv exiiuacre
TTpaTayöpav Xapibd)uou
erraivuji, xpu<7euui cTTecpavuii
äpeiäc, eveKa Kai eu[voia^,
5 dv e'xujv bieieXei eiq [auTÖv,
Tijuov 'A\eHi|ueveu(;,
Ka6' uoeecTiav be Ai'vbuuvoq,
K]XapujTdv Yev[ö]|uev[o]v
Tujv [bjiKaaidv Kai
5 d](JTuvo|uiicravTa Kai
rizTATANrENOMENONTaNPAiAfiN eJiricTTdiav Yevöjuevov tujv Traibuuv,
ArnNO0Er"^ANTA
nOAIKAlT^~YOElOY
IEPATEY2:'\_A' LI
PYGION KAPINA
r Y N A A E 2 4> A I P O Y
XPHZTAXAIPE
ZriTH PI A A
KA I
NIKASinNOZ
T E A M E 2 2: E D. N
APAXOEnXKAINYZA^
Air YF TiriN
EYZEBHN
dY(juvo9eTi]cravTa
TToX[üJkXito[(; EJue[eT]ou,
iepaTeua[a(g] 'A[Xiuj
TTü9iov Kapiva,
Yuvd be Zqpaipou,
XpricTTd xaipe.
ZuuT7"|piba
Kai
NiKaaiuuvoq
T€X)u[ri](Tcreüuv.
'Apaxöeujq Kai Nu(Ja[euj<;
AlYUTTTiuJV
eiKJeßOuv.
"Epjuujv TTepcrri^,
XpricTTÖq xaipe.
Vgl. Arch.-epigr. Mitth. VII S. 120 n. 35.
EPMflNnEP2H2
XPHZT02XA1PE
AAMOK AH2
E ENO AAMO Y
AP I02
AajuoKXfiq
Eevobdjuou
TT-?, 'lK-?]dpi05.
H. Anargyri. Cippus mit Guirlanden.
'Ayh . . .
Aa)U0KXeö(;
TT-'?, '\K-?]äp\oq.
A PH
AAmOKAEY2
API02
218
Anseheinend ein Verwandter (Sohn?) des in n. 8 genannten
Damokles.
10.
11.
O I C N O P O Y
1 P \ A A . A N O Y
KArA:rYNA v o^
ATAGAMOKK 2
TAAY2ANIO Y
YTASIZ
AAEKATIT O Y
2 A X O Y
TpaX[\i]avou
Ktti [TJäfq] Yuva[iJKÖq
'AYaOa|Liö[pio]q.
. . .Ttt Auaaviou
Yuv]d be K\[ei]Tou
13.
12. H. Anargyri.
KA A AIKPA TEY2
<AAAIKPATEY2
r.N AI EO 2
API2TOMENEY2
API2TIPnO Y
lOYAI AAM I A
14.
NIKA2IBOY AA
NIK04>nNT02
AAAAPmiA
NiKamßouXa
NiKocpujvTO(;
Aa[b]ap|Liia.
15. 2n20IAP0AlLA0Nl
AMNH2TIOY
J O
Ein 'A|uvii(TTiO(S auch Mitth. d. arch. Inst. X S. 74 n. 12;
'A)Livi(JTio^ (so) Bull, de corr. hellen. IX S. 118 n. 18.
16. ArH2I\
Tl JV C \EC
KA. YO0E2'^N^
TIMAP C AK 2
17. KAHNATOPAZ
KAA AIKPA TEYZ
18. A P T E M r 2 I A
A O M N A I O Y
AiiAPION XPH2TH
XAIPE
'AyriaiX . . .
Ti|ao\eo[vTO(;,
Ka[e'] uoeeaiav b[k
TijuaTTÖXioq.
K\)ivaYÖpa(;
KaWiKpaieu^,
'Apteiuiaia
'A6r|vaiou,
'Aacrdpiov (?) xpnc^T'i
XaTpe.
219
19. zriziMOxzn_.C'i
APXlPOAIE*AE. . . .C
AI'X KAAAAin
20. aoao.osantinekey2
iepatey:azaiony2io.
21.
'ATToX]\öbofT]oq 'AvTi[Y]e[v6]u(;
iepaTeu[a]a<; Aiovu(t(i)o[u
O YOEMIZTO KAE Y2
AI
CAAA12QENEYZ
a N
22. EPnxiAOs
Lardos
23.
Guirlande mit Bukranien
TOKOINON
TOMHNIAZTAN
ETIMA2E
HOAISTinNA
llllllllo^
//n~i/xHZ
YIOZ
H*AI2TinN02
ANTIOXHGAAAINni2TE*ANni
XPH2TOI XAIPETE
TÖ KOlVÖV
TÖ MrivmcTTäv
eTi)ua(7e
'HcpaKTTiuuva
o<;
['A]v[Tio]x[eu]g,
uiöq
'HcpaiaTiuuvo^.
'AvTioxfi GaXaivuui areqpdvuui.
Xpriaroi xc^ipcTe.
Für ein sonst noch nicht belegtes Collegium der Meniasten
auf Rhodos beruft sich Foucart Bull, de corr. helUn. X 1886 S. 203
auf eine noch unedirte Inschrift.
24, „"Ev xeTapTov iriq ujpa(; juaKpdv xr\c, Kuuiiiric; Adpöou luecra
ei(^ TrepißöXiov Kai jucvacfTripiov veÖKticTTov '^AYia(g Mapivri«;-"
AnOXOAEIAXAnAS FYNAIAIKOS
AYTOYAIONYSIMSnEOrAMHN
A2
KOI Taq Y'JvaiKO<g
auToO Aiovuaiaq TTepTaMnvd(;.
220
25. AnOAAONIOVnEPIA MHNO
XTE*ANnOENTOZ YPO
fiNAOAAEin.NnAIAHVTANTnN
ZYNZYAAAXI-'YZEniX rE4>ANni
'ATToX\[(Julviou TTep[T]a)uiivo[0
aiecpaveuGevTot; ütto [t-
uJv AoWeiujv Traibeuiäv tujv
auv luWa xpvolvji cr[T]eqpdvuui
26. ,/Ev tuj KdaipLu."
27. „'Ev TLÜ Kdaipuj."
Lindos
n Y o o s
BOKO nioiz
Marino
28. 0///////AA// ^
EY^PAroPAPAAAiopoAiTAz EücppaYoptt TTaXaiOTToXiTa<;
////TArENE2:iNKA0YOGE2iANAE Ka]Td jiveOiV, Kttö' i)o0€(jiav be
AOHNOAfiPOY GYAiAAAz 'AGiivobuijpou QvbiXKac, (?).
Zu TTaXaiOTToXiTttc; vgl. Mitth. d. arch. Inst, IX S. 385 f. n. 2
und 7.
29. AnoAAOAni'Oz
ArHZANAI'OYTninATPI
KAIKAAAIZTH TAIMATPI
'ATToXXöbiupo«;
'AmödvbpOU TUJ TTttTpl
Kai KaXXiaT[a] td laarpi.
221
30. „Ei(; )uiav )LtiKpdv |Liap|uapivriv (Tre'pvav."
KTHzriN Kxricraiv.
Massarj
31.
MOSAPOAAnNlOY
AIONY2I02: APOAAriNIOY
ZlOZAPOAAriNlOY
XAP1AAM02 AIONYZIOY
TOY AAEA*OY
YPEPTOYPATPOZ
2ANTOZ
APizToi • c- F r«: E I
TK-r^^
Xapiba]|U0(; AttoWoiviou
Aiovii]aiO(; 'AttoXXuuviou
ÜTtep] Toö döeXqpoö
iepaT6u?](yavT0(g
Aiovuaiot; 'AiioXXujviou
Xapibajuoc; Aiovucriou
ünep Toü TTarpög
dplCTTO
Anscheinend trug die Basis die Bilder der zwei Brüder Cha-
ridamos und Dionysios ; die Weihung des Ersteren rührt von seinem
Bruder her, dem selbst dann wieder sein Sohn den gleichen Act
der Pietät widmete.
32. „'Eni Kiovo?, y\c, y\ TerpaTUJViKri TiXeupd e'xei iikäiQ^ 0-35
Kttl |ur]KO<; 0*45."
'PoblTTTTO^
Xpn^TTÖc; xaipe*
poAinnoz
XPHZTOZ XAIPE
KAISYFE
Kttl (Ju ye.
33. Gleichfalls aus Massari, und zwar von der Akropolis unter-
halb der Festung (von den Archangeliten jetzt OapaKXiavoO genannt),
stammt endlich die folgende, jetzt in einem Privathause zu Malona
befindliche Inschrift. Marmor, 1. 048, br. 0*45.
Mn5:AIXPY2EmZTE<t>ANni . A .
h A L " ANAPONKAEY2TPATO YAAAAPMION
APETAZENEKAKA'EYNOlAZANnAPEISXHTAIElZTANAIAr///;
ONIANTANArHTOPIAANKAIOnO,ZTAAEAOrmENA2YNTEA
5 .-■■' i TOIEPIZTATA I m ETATANKY . nZINTOYAETOYS'AtIZMA
OZEAEZ. . .ANAPAOAEAIPEOEIZKATAZKEYA~ATni>
ZTE*ANONXPYZEONA POXPYZONAE KAAITHZAZ
'OAEKAIYPEPT'^ < lAZTAZAPHTOP
AANTANBOY/» 'ZTE*ANn21>
222
10 YlEl-IZTr KAEY2TPATÖ
A A A PMION A 2 A N PAPEIS . .
HTAIhlZT NTOIAEEPI
TATAIP/ ZerstJirt IPEOENTOS.U
POZTON" NTHENAINAni
15 NTniZYN; HANAPONKAE
NEIPANT APO'AEPAINP
A'ZTE4>AN NOIAAEHANAPC vi
KAEY2TPATO' o/v APETAZENEK . KAI
'^ /H DI \2^NPAPhl2 ZTOnAHOO.TOAIN
20 OA'M . .A. . .A*I.G, .XAnIAAZKAEYZTPATOY
AAAAPMIOZ
Wien E. LOEWY
Ein Spiegelrelief aus Caere
(Tafel VIII)
Im Jahre 1867 erwarb das österreichische Museum für Kunst
und Industrie durch W. Helbig's Vermittelung von Augusto Castel-
lani eine Reihe antiker Bronzegefässe und Spiegel, darunter drei
aus Cervetri stammende Klappspiegel mit Reliefs. Zwei dieser
Reliefs sind gegossen und schlecht erhalten. Das eine zeigt die
bekannte Darstellung des Dionysos, der auf Eros gestützt und von
einer leierspielenden Mänade geleitet, trunken einherschreitet '), das
andere einen nackten Mann, der auf einem Pferde nach rechts
reitet, während er mit der Rechten einen undeutlichen Gegenstand
umfasst. Interessanter ist das dritte, das Tafel VIII etwas ver-
kleinert durch Heliogravüre wiedergibt.
Sammt der Kranzumrahmung misst dies letztere 0*13 M. im
Durchmesser. Es ist sehr dünn getrieben und auf einen Spiegel-
deckel aufgelöthet, der am äussersten Rande umgebogen und auf
der Unterseite mit concentrischen Kreisen verziert ist. Das Scharnier,
welches ihn mit dem Spiegel verband, ist mit zwei Nägeln befestigt
und mit zwei (Jesen für den Verbindungsstift versehen. Mit dem
') Vgl. Stepbani C. R. 1865 p. 163, 4; Friederichs, Berlins A. B. II 3 o 6
und Benndorf Vasenb. LXI 4.
223
Relief wurde als zugehörig ein Spiegel erworben, der indessen seiner
völlig verschiedenen Patinirung halber von einem anderen Exemplare
herrühren dürfte.
Das Relief muss sich bei seiner Auffindung in einem desolaten
Zustande befunden haben und dankt seine gegenwärtige Gestalt
einer gründlichen Restauration. Die ursprüngliche Arbeit liegt nur
an wenig Stellen mehr zu Tage und zeigt an diesen eine sehr
schöne Patinirung. Die ruinirten Stellen hat der Ergänzer mit einer
dickflüssigen Masse, deren grüne Farbe sich durch ihre Stumpfheit
von dem Glänze der echten alten Patina unterscheidet, ausgefüllt
und das Relief, wo es sich vom Grunde losgelöst hatte, mit dem-
selben verbunden. Den Kopf der sitzenden Figur hat er dabei
zwei Centimeter hoch über die Fläche erhoben, weit über die
sonstige Höhe des Reliefs heraus. Von ihm rührt die Umrahmung
her, die nach den geringen erhaltenen Spuren zu schliessen, aus
einem palmettenartigen Ornament bestand , ferner fast der ganze
Oberleib, der rechte Arm, das rechte Bein und das Gewand an der
sitzenden Figur, der rechte Arm, der rechte Fuss und bis auf den
obersten Rand das Gewand sammt hängendem Zipfel an der
stehenden Figur, Die Restaurirung wird manches nicht unwichtige
Detail zerstört haben, in der Hauptsache aber ist die Composition
gesichert und nicht etwa durch Contamination mit Ueberresten
anderer Exemplare gefälscht, wie man auf den ersten Blick ver-
muthen könnte. Im Vereine mit Prof. Macht von der Kunstge-
werbeschule des Museums habe ich auf diesen Verdacht hin alle
Einzelheiten genau untersucht und mit ihm die Ueberzeugung ge-
wonnen, dass kein Pasticcio vorliegt. Nur der Kof der stehenden
Figur, dessen braune Bronzefarbe auffällig von den anderen alten
Partien absticht, ist vielleicht nicht zugehörig.
In der Figur zur Linken erkennt man sofort Dionysos. Un-
gewöhnlich ist sein Sitz gestaltet. Auf den mit Volutencapitellea
und gravierten Palmetten verzierten, in der Mitte in üblicher Weise
eingezogenen Beinen liegt über einem Mittelgliede mit eierstab-
artigem Ornament eine geschwungene Lehne mit spiralförmigen
Endigungen (die vordere ergänzt). Eine derartige Armlehne ist mir
an antikem Sitzmöbel nicht bekannt. Nur die Betten haben, meist
in der späteren Zeit, auf unteritalischen Vasen und römischen Sar-
kophagen'^1, aufsteigende Kopf lehnen von ähnlicher Form. Die
^) Vgl. z. B. Lenormant u. De Witte, El. cer. II 23 a,- Conze , Vorlegebl.
S. I 3 ; Bouillon, Mmie Nap. III. Rel. pl. 19.
224
canellirte Säule hinter dem Sitze hat mit diesem nichts zu schaffen,
sie ist etwas Selbstständiges, etwa ein Untersatz, unbestimmbar
freilich wofür , da die Stelle über dem Abschlüsse zerstört ist. —
Der jugendliche Gott ist bekränzt und unbekleidet. Das Gewand,
auf dem er hier wie so oft in Darstellunj^en der späteren Zeit sitzt,
ist wohl richtig ergänzt. Mit der linken Hand hat er den mit
Pinienzapfen und flatternden Bändern geschmückten Thyrsus oben
erfasst, während die gesenkte Rechte jetzt auf einer formlosen Er-
hebung ruht, in der wir Reste des Kantharos anzunehmen haben.
Rechts von dem Gotte, dessen Blick in's Leere gerichtet ist, steht
in Vorderansicht mit zurückgesetztem linken Beine eine Figur,
welche um die Hüften ein am oberen antiken Rand wellenförmig:
gefälteltes Gewand, sonst aber nur einen (vielleicht in Schlangen-
köpfe endigenden) Torques um den Hals und ein Armband über
der linken Handwurzel trägt. Das Haar ist gewellt und fiel, wie
einzelne Stellen erkennen lassen, in Locken auf die Schultern
herab. Diese Haartracht, der hervorgehobene Schmuck und der
Umstand, dass an dem sonst unverletzten Oberkörper gerade nur
das Relief der linken Brust abgestossen ist — die rechte ist von
dem restaurirten Arme zum Theile verdeckt — lassen eine weib-
liche Figur erkennen. Weiblich ist auch die Bewegung der linken
Hand, welche das Gewand gefasst hält, wie der Ergänzer mit
augenscheinlichem Recht annahm, während die leere nichtssagende
Geberde, die er dem rechten Arme gab, so nicht richtig sein kann.
Compositionellen Zusammenhang in diese beiden Figuren bringt
erst das Kind zwischen ihnen , welches von dem Gotte her der
Frau zustrebt: ein nackter Knabe mit Amuletband um die Brust,
der ihr mit beiden erhobenen Armen einen wulstigen Kranz ent-
gegenreicht. Auffällig ist allerdings der Platz, den er einnimmt,
unmittelbar über den Beinen des Gottes wie in Darstellungen der
Schenkelgeburt, und in der That bleibt unklar^ wie er im Räume
gedacht ist, ob auf dem Stuhle des Dionysos sitzend, knieend oder
hinter ihm irgendwie hervorkommend , da er nur im Oberkörper
erhalten und die angrenzende Partie des Sitzes ergänzt ist. Allein
seine Gestalt und die Vermittlerrolle, die sich in seiner Action aus-
spricht, insbesondere das charakteristische Motiv des Kranzüber-
reichens setzen die Hauptsache ausser Zweifel , dass Eros zu er-
kennen ist. Dass er keine Flügel hat, wird Zufall sein, da die
Conturen seines Rückens vom Grunde losgelöst und erst vom
Restaurator wieder mit demselben verbunden worden sind.
225
Das Schema der Composition erinnert an die berühmte Zeus-
metope von Selinunt, auf der dem sitzenden Gotte gleichfalls eine
Frau in Liebe naht. Die Situation aber, welche dort in der Be-
wegung, dem individuellen Affecte, kurz in der Haltung der Per-
sonen selbst sich ausspricht, ist hier im Grunde nur accessorisch
durch eine Personification, durch Eros, zum Ausdruck gekommen.
Die Figuren bilden ein gleichgiltiges Nebeneinander und sind nur
lose zu einer Gruppe vereinigt. Dieser lockere Charakter der Com-
position hängt zum Theile mit ihrer Bestimmung zusammen. Ero-
tische Gegenstände lagen den Verfertigern der Spiegelreliefs be-
greiflicher Weise so bequem wie den Malern der zierlichen vergol-
deten Aryballen und Lekythen, die für den Putztisch der Frauen
bestimmt waren, und in der Art ihrer Ausführung und Vervielfälti-
gung tritt ein verwandtes kunsthistorisches Sachverhältniss zu Tage.
Wie in den Malereien der Goldschmuckvasen das rein Gefällige
immer entschiedener auf Kosten des Bedeutsamen sich geltend
macht, indem wohldurchdachte Compositionen durch fortwährende
Verwerthung sich nach und nach zu Ornament verflüchtigen, so
entarten auch die Spiegelreliefs in Nebeneinanderstellungen von
Figuren, ja ihre Verfertiger sind bekanntlich decorativ mitunter so
weit gegangen, ein und dieselbe Figur im Gegensinne auf ein und
demselben Exemplare zu wiederholen.
Innerhalb der Gattung der Spiegelreliefs ist dem Gegenstande
nach ein schönes, in der Krim gefundenes Exemplar der k. Ere-
mitage in St. Petersburg^) dem unseren am nächsten verwandt.
Hier lehnt sich Dionysos in den Schooss seiner Geliebten zurück;
sie umschlingt mit der einen Hand seinen Leib , mit der anderen
hebt sie das Himation empor, um sich und ihn, während sie ihn
küsst; zu verhüllen. In Bezug auf künstlerischen Werth aber lassen
sich die beiden Reliefs in keinen Vergleich mit einander bringen.
Jenes athmet bei grossartiger und ernster Auffassung glühendes
Leben, das unsrige ist, auch wenn man seinen jetzigen unerfreu-
lichen Zustand gänzlich auf Rechnung des Restaurators setzt, nicht
mehr als eine frostige Figurenzusammenstellung. Der Spiegel aus
der Krim ist griechische Arbeit, wahrscheinlich noch des 4. Jahr-
hunderts; der unsrige verräth das gesunkene Können der späteren
Zeit und stammt aus Etrurien. K. MASNER
') Äntiq. du Bosph. Cim. 43.
Archäologisch-epigrapliisclie Mittli. X. j5
226
Die Tribus PoUia
Gustav Wilmanns hatte in seiner Abhandlung über 'die römische
Lagerstadt Afrikas' in den commentationes Mommsenianae S. 201
bemerkt, dass in den zu Lambaesis gefundenen Listen von Soldaten
alle diejenigen, die als ihre Heimat das Lager nennen, zur Tribus
Pollia gehören. Die Erklärung hiefür machte Wilmanns Schwie-
rigkeit. Seit den neuerlichen Funden von Soldatenlisten in Aegypten
und der sofort erfolgenden umfassenden Verwerthung derselben
durch Mommsen im Hermes 19 (1884), durch die unsere Kenntnis
von der Aushebungsordnung in der römischen Kaiserzeit völlig
umgewandelt wird, ist auch das zweifellos geworden, dass die polli-
sche Tribus nach Mommsens Worten a. a. O. S. 11 'als personale
und zur Erlangung der Dienstfähigkeit in der Legion den an sich
derselben ermangelnden Rekruten verliehen zu betrachten ist. Wes-
halb ist hierzu aber gerade die pollische Tribus gewählt worden ?
Eine ernstliche Bedeutung hatte , so viel wir sehen , die Verschie-
denheit der Tribus nicht mehr. Dass die Zugehörigkeit zu einer
städtischen Tribus wenig ehrenvoll war, war geblieben, aber ob der
Einzelne zu dieser ländlichen Tribus oder einer anderen gehörte,
machte sachlich wohl wenig aus. Dass man nun diejenigen, die
das Bürgerrecht erhielten, um als Bürgersoldaten Kriegsdienste zu
thun, in die pollische Tribus aufnahm, hat vielleicht darin seinen
Grund, dass diese Tribus nach der Bedeutung ihres Namens die
für die Kriegsmänner passendste zu sein schien *). Von den Tribus
haben die städtischen bekanntlich ihre Namen nach Oertlichkeiten
der Stadt, von den ländlichen die älteren nach patricischen Gentes,
die jüngeren nach Oertlichkeiten. So ist fast kein Tribusname
derart, dass er anscheinend eine Eigenschaft ausdrückte. Die ein-
zige Ausnahme bildet, so viel ich sehe, die Pollia, die wegen des
Zusammenhangs mit po^/ere die 'starke', die 'kraftvolle' zu bedeuten
schien'). Wir wissen, dass bei der Aufstellung der Liste der zu
*) Er3t jetzt, da der Bogen abgezogen werden soll und ich den Satz nicht
stärker ändern kann, sehe ich, dass dies von Mommsen selbst in einer beiläufigen
Bemerkung vermuthet worden ist (im Anschluss an die Publication der eineii Liste
aus Aegypten, Eph. epirjr. V p. 15 mit Note 1). Seine von mir übersehenen Worte
sind : 'non aliam ob causam opinor qtiavi boni ominis .
') Natürlich soll damit nicht gesagt sein, dass wirklich Pollia als Tribus-
und Gcntiluamen mit poliere zusammenhängt.
227
einer Tribus gehörenden Bürger diejenigen, die Namen mit guter
Vorbedeutung hatten, wie Valerius, Salvius, Statorius, an
erster Stelle verzeichnet wurden. Aehnlich und mithin römischer
Weise entsprechend ist es, wenn man auch bei der Zutheilung an
die Tribus auf die Bedeutung des Namens achtete und in die
'kraftvolle' Tribus diejenigen einzeichnete, deren Kraft das Vaterland
schützen sollte.
Diese Erklärung ist zunächst nur eine mögliche, vielleicht
wird sie dadurch mehr, dass sie auf einem anscheinend sehr ver-
schiedenen Gebiete sich bewährt. Nach welchen Grundsätzen die
Römer, seit im J. 241 v. Chr. zuletzt neue Tribus geschaffen waren,
bei Erweiterung des römischen Gebiets die Städte, die Bürgerrecht
erhielten, den bestehenden Tribus zugetheilt haben, ist bisher wenig
ermittelt. Hierbei tritt die pollische Tribus hervor. Als von dem
wesentlich von Kelten bewohnten Oberitalien der an Mittelitalien
angrenzende Theil von den Römern unterworfen wurde, diente zur
Sicherung dieses Gebietes, das auch jetzt noch nach den alten Be-
wohnern ager Gallicus genannt wurde, namentlich die Anlage der
dasselbe durchschneidenden Heerstrasse (des nördlichen Theils der
via Flaniinia bis Ariminum und der Fortsetzung derselben, der nia
Aemüia von Ariminum nach Placentia) und die Gründung städtischer
Niederlassungen an dieser Strasse. Einige derselben haben zu-
nächst latinisches Recht erhalten : Ariminum (Rimini) , Bononia
(Bologna), Placentia (Piacenza); als diese später das römische
Bürgerrecht gewannen, sind sie verschiedenen Tribus zugetheilt
worden, Ariminum der Aniensis, Bononia der Lemonia, Placentia
der Voturia. Dagegen diejenigen Städte oder stadtähnlichen Nieder-
lassungen, die sofort mit römischem Bürgerrecht ausgestattet wurden,
scheinen regelmässig der pollischen Tribus zugetheilt worden zu
sein. Nachweisen lässt es sich bis jetzt, wenn wir mit den Rom
zunächst gelegenen beginnen, von Forum Sempronii (Fossombrone),
Fanum Fortunae (Fano), Faventia (Faenza), Forum Cornelii (Imola),
Claternae (gelegen in geringer Entfernung östlich von Bologna),
Mutina (Modena), Regium Lepidum (Reggio), Parma (Parma), Fidentia
(Borge S. Donnino). Ebenso findet man die Städte, die jenseits
von Placentia, der südwestlichen Kette der Alpen gegenüber, etwa
bis zum J. 100 v. Chr. gegründet wurden, regelmässig in dieselbe
Tribus aufgenommen. Es sind dies von Süden nach Norden auf-
gezählt: Pollentia (Polenzo), Hasta (Asti), Forum Fulvii oder Va-
lentia (Valenza) , Industria (bei Monteii), Eporedia (Ivrea). Alle
15*
228
diese Städte von Fossombrone bis Ivrea, angelegt im Gebiet von
eben bezwungenen, überwiegend keltischen Stcämmen, und das rö-
mische Gebiet gegen die unbezwungenen keltischen Stämme be-
grenzend, haben die Stellung von Festungen, die die nicht durch
das Meer gebildeten Grenzen gegen den gefürchteten stammfremden
Nationalfeind schirmen. Wenn nun die römischen Bürger, die in
diesen Plätzen angesiedelt wurden, regelmässig in der Tribus Pollia
verzeichnet worden sind, so passt hiefür dieselbe Erklärung, die
ich oben vorgeschlagen habe: wie in der Kaiserzeit für diejenigen,
die als Bürger Kriegsdienste thun sollten , so erschien in der Zeit
der Republik für die Bürger, die die gefährdeten Grenzfestungen
halten sollten, als gegebene Bürgerabtheilung die 'kraftvolle' ^).
Dass diese Anschauung oder Empfindung das Bestimmende
gewesen ist, wird, täusche ich mich nicht völlig, durch eine Be-
trachtung der Namen der besprochenen Städte bestätigt. Einige
derselben sind nach ihren Gründern genannt worden : Forum Sem-
pronii, Forum Cornelii, Regium Lepidum und Forum Fulvii (der eine
Name von den beiden , welche die Stadt hatte) ; Fanum Fortunae
heisst so nach einem Heiligthum ; die aus lateinischer Sprache an-
scheinend nicht erklärlichen Claternae, Mutina und Eporedia mögen
Ortsnamen entsprechen, die von den Römern vorgefunden wurden.
Es bleiben übrig die Namen : Faventia, Parma, Fidentia, Industria,
Hasta, Valentia, PoUentia. Von diesen sind Faventia, Fidentia,
Valentia, Pollentia gleichartig und in ihrer Bedeutung klar: es sind
die Städte der Gutgesinnten {Faventes), der Beherzten (Fidentes), der
Starken (Valentes), der Kraftvollen (PoUentes). Mehr oder weniger
bestimmt, aber doch wohl unverkennbar, gelten diese Namen solchen,
deren Muth und Kraft den Besitz gewährleistet. Von den drei
letzten ist Industria ('Thätigkeit') zwar weniger charakteristisch,
passt aber auch in diesen Gedankenkreis hinein. Und wenn man
nun die beiden letzten betrachtet, Parma und Hasta, und in ihnen
Hauptwaffen der römischen Krieger findet: Schild (parma) und Speer
(hasta) , und zwar die beiden Hauptwaffen , deren Bezeichnungen
weiblich sind und daher für Stadtnamen verwerthbar waren, so
') lu der Städteliete habe ich Aesis (Jesi) auslassen müssen, das anscheinend
schon vor 241 mit römischem Bürgerrecht ausgestattet wurde und nicht im eigent-
lichen at/er Oallicus, sondern an der Grenze desselben und der Landschaft Picenum
lag. Auch diese Stadt gehörte zur Tribus Pollia, und vielleicht haben bei ihr zum
ersten Male die römischen Staatsmänner sich von dem oben angegebenen Gedanken
leiten lassen.
229
leuchtet wohl ein, dass in den Namen die Bestimmung der Städte
zu Schutz und Trutz ausgedrückt sein sollte.
Anhangsweise möge hier eine Inschrift abgedruckt werden,
durch die das bis jetzt sehr geringfügige Material für die Frage
nach der Zutheilung einer sehr zahlreichen Classe von Menschen
zu den Tribus nicht unwesentlich vermehrt wird, und die auch
ausserdem einiges Interesse hat. Ich sah dieselbe im Frühjahr
dieses Jahres in Nazzano im Grebiet des antiken Capena, östlich
vom Soracte. Sie befindet sich auf einem nicht grossen, mit mehr-
fachen Reliefs guter Arbeit geschmückten Cippus ^) und war bisher,
da die Enden mehrerer Zeilen verscheuert sind, nicht genügend
gelesen worden^). Meine Abschrift lautet:
Dlls • MANI BVS
M • VOLCI • PAL
HERMAE - EBORAR
NEGOTIATORIS
5 BENEMERENTI
FECIT
M VOLCIVS • PAL
ABASCANTVS
LIB • ISDEM • GENI r
Das ist also die Grabschrift eines M. Volcius Pal{atina) Hermes,
der ehorariius) negotiator gewesen war, gesetzt von einem M. Volcius
Palatino) Abascantus, der der Freigelassene und zugleich der
Schwiegersohn des Verstorbenen war. Ein eborarius negotiator er-
scheint meines Wissens hier zum ersten Male; zu verstehen ist
sicherlich nicht ein Händler mit rohem Elfenbein, sondern mit aus
Elfenbein gefertigten Arbeiten. Dem widerspricht wohl auch nicht
die auf den beiden Nebenseiten wiederkehrende Darstellung eines
Elephanten, die ohne Zweifel sich auf das Gewerbe bezieht. Dass
^) Eine vom Grafen Cozza angefertigte Zeichnung sah ich unter den Tafeln,
die für die Sammlung archäologischer Karten von Etrurien bestimmt sind. Das
Werk ist vom italienischen Unterrichtsministerium veranlasst worden, die Aus-
führung haben der Ingenieur Graf Cozza und der Archäologe Fr. Gamurrini über-
nommen.
^) Lanciani, der sie bull. delV List. 1870 S. 32 li erausgegeben hat, las:
DlIS MANIBVS II M VOLCI 0 || HERMAET. , . || NEGOTIATORI || BENEMERENTI || FECIT ||
M VOLCIVS II ABASCANTVS || LIB • ISDEM
230
die Grabschrift eines Händlers dieser Gattung sich hier, in bedeu-
tender Entfernung von Rom und überhaupt von einer grösseren
Stadt, gefunden hat, erklärt sich wohl durch das dortige berühmte
Heiligthum der Feronia. Mit den grossen jährlich bei demselben
gefeierten Festen war ein viel besuchter Markt verbunden, und
mancherlei Gegenstände aus Elfenbein werden dort zu frommer
Verwendung, vielleicht auch zu weltlicher, Käufer gefunden haben '^).
Wichtig scheint die Inschrift nun auch für die Frage zu sein,
in wie weit und in welcher Form die Freigelassenen in Tribus auf-
genommen sind. Der M. Volcius Pal. Ahascantus ist ausdrücklich als
Freigelassener bezeichnet; dass aber sein Freilasser und Schwieger-
vater M. Volcius Pal. Hermes selbst diesem Stande angehört, be-
weist, abgesehen vom Gewerbe, der Name Hermes, und dass bei
ihm wie bei seinem Freigelassenen in ungewöhnlicher Weise zwischen
Namen und Cognoraen nur die Bezeichnung der Tribus steht. Offen-
bar ist bei beiden die erforderliche aber wenig ehrenvolle Bezeich-
nung als M{arci) l{ihertus) absichtlich weggelassen. Die Inschriften,
in denen Freigelassene mit einer Tribus erscheinen, sind nach der
mir von Prof, Kubitschek ertheilten Auskunft an Zahl sehr gering-
fügig, und unter ihnen sind verschwindend wenige, die uns über die
Verhältnisse des Freigelassenen oder die seiner Verwandten oder
seines Patronus, namentlich über deren Zugehörigkeit zu einer Tribus
unterrichten. So ist unsere Inschrift, die das Gewerbe des einen
Freigelassenen, sein Familienverhältniss zu dem von ihm Frei-
gelassenen und bei beiden die Tribus angibt, besonders inhaltreich.
Auf die Erörterung der Frage selbst will ich indess hier nicht ein-
gehen; wir haben ja hierüber wie über alle die Tribus betreffenden
Fragen binnen kurzem die von der Vorführung des gesammten
Materials begleitete Erörterung Kubitschek's zu erwarten.
*) Vgl. bes. die Beschreibung dieses Festes, die Dionysius von Halic. 3, 32 zwar
in frühere Zeit verlegt, aber wohl nach seiner Zeit gestaltet hat: iXc, h^ t6 iepöv
ToöTo ouvrieöav. .. kotü tAc; äTTobebeiY|u^va<; ^opxac; iroWoi |u^v eOxo«; diiroöi-
h6vT€(; K«l 0ua(ac Tri GeuJ, ttoWoI hk xpnM«Tioi)|ut6voi biö. tt^v irav/nupiv ^juiropoi
Te Kul xeipoxexvMi kuI t^u^PTOI, ä-fopai xe aOtöGi \a,UTTpÖTUTai tüüv ^v äWoiq
Tial TÖTTOie; tP|(; 'IraXiae; öyoiu^vujv ^fivovTo.
Wien E. BORMANN
231
Zu den neu entdeckten Grabinschriften
der jüdischen Katakomben nächst der Via Appia
(Mittheilungen des kais. deutscheu arcliäolog. Institiits, röm. Abtheil. IIS. 56.)
'Wie verstehen Sie kitouvtc? Wie lässt sich die mittlere In-
schrift ergänzen?' Auf diese jüngst an mich gelangte Anfrage eines
Orientalisten darf ich vielleicht öffentlich wie folgt antworten.
Die Worte iLbe KiTouvie mit nachfolgendem Plural können am
Eingang einer Grabschrift der Natur der Sache nach und ange-
sichts der in den gleichartigen Inschriften unablässig wiederkehren-
den Wendungen uJbe k6it6, evGdbe Kiie und dergleichen mehr, un-
möglich etwas anderes bedeuten als 'hier ruhen. Der verwahrloste
Vocalismus dieser Grabschriften aber, in welchen nicht nur der
Itacismus fast unbedingt herrscht, sondern auch kurze und lange Vo-
cale und nicht minder der O- und U-Laut einer festen Abgrenzung
entbehren (vgl. z. B. C. I. G. 9018: evGdbe kTtev Moubac^ vimou^ •
ev el'pve KU)uu(je<; doToö) gestattet aber und gebietet zugleich in
KiToOvTe nichts anderes zu erblicken als koitujvtüi. Es ist das ein
Verbum, welches bisher freilich nur aus Glossen und aus byzan-
tinischer Zeit nachzuweisen war, von dessen Seitensprossen aber
mindestens einer bereits in der Septuaginta erscheint (Levit. 20, 15:
Kai bq dv buj Koiiaaiav auToO Kie).
Jene 'mittlere', von Hrn. N. Müller a. a. O. mitgetheilte, aber
nur in ihrer letzten Hälfte ergänzte Grabschrift eines Oberhauptes
der jüdischen Gemeinde der Subura lässt sich in plausibler Weise
also lesen und vervollständigen: 'EvOdbe Kiie Mapujviq 6 Ke [0i\]r|TO(;,
eYTiJuv(o(;) (sie) 'A\eEdvbpo[u to]u ke Ma[9]iou, dpxujv I[ißou]piicritjuv,
eTU)[vJ "i<b Km miivujv y- ev [eipr|v]rii x] K[oi])uri[(ji(j auToO].
Zu bemerken ist hierüber P^olgendes. Mapüjvicg ist augen-
scheinlich die verkürzte Vulgärform des C. I. G. 8829 (auf einer
dem Libanon angehörigen christlichen Grabschrift) vorkommenden
männlichen Personennamens Mapu)ViO(;. Man vergleiche, um in
diesem Kreise zu bleiben, Zaßßdiiq = Zaßßdiioq, oder 'AXOm? =
'AXumoc; (C. I. G. 9910 und 9922). Für den Doppelnamen aber und
seine Einführung durch 6 Kai sei allenfalls auf Dittenberger's Index zu
C. I. A. in, 2, 388 oder auf Reinach's Traue d'Epigraphie p. 507
verwiesen. Die Namensform MaGiocg — in unserer Inschrift liest
232
man ein G, welches ich zu 0 ergänzte — begegnet in einer palästi-
nensischen Inschrift C. I. G. 4593. Das einigermassen anspruchs-
volle eVfOVO(; (= e'KTOVO(;) statt vioc, erscheint mehrfach in jüdischen
Grabschriften, nämhch C. I. G. 9912, 9919 und 9900 = C. I. A. III
3547, während die Ersetzung von o durch oi nicht selten begegnet;
so )iprivoTroiuü(; und mwq C. LG. 9897, idqtuj^ und mibe, auch bei Ascoli,
Iscrizioni di sepolcri giudaici p. 52 und 57. Nicht unmöglich , aber
minder wahrscheinlich wäre die Deutung von errouN = eK TÜJv, etwa
wie Mdpujvi ck tujv Mdpujvo(; bei Dumont, Inscript. de la Thrace p. 36
(— Kaibel n. 533). Das jugendliche Alter des Synagogen-Vorstandes
ist auffallend und lässt wohl auf relativ vornehme Abkunft des-
selben oder auf einen regelmässigen Turnus unter den Gemeinde-
gliedern schliessen; auf Letzteres könnte C. L G. 9910 zu weisen
scheinen, wo ein im Alter von 35 Jahren Verstorbener b\c, dpxujv
genannt wird.
Th. GOMPERZ
Epigraphisches aus Kärnten
(Aus mehreren an die k. k. Central-Commission für Kunst- und historische Denkmale
gerichteten und von derselben mitgetheilten Berichten.)
Infolge einer Mittheilung des Pfarrers Martin Krabath von
St. Urban, dass in den Ruinen des Schlosses Kreug ein bisher
noch nicht bekannter römischer Inschriftstein sei, wurde der Ver-
einsdiener Kaiser dahin entsendet, um denselben zu suchen. Der
fragliche Stein ist 2*04 M. lang, 55 Cm. breit und 27 Cm. stark
und in sechs Theile gebrochen. Derselbe scheint als Ueberlage
eines Thores gedient zu haben, weil die untere Kante mit Ausnahme
der beiden Enden, wo er aufgelegen sein dürfte, ornamentirt ist.
Er lag mit der Schriftseite in der Erde und bildete die Einfassung
einer Düngergrube. Von der einzeiligen Inschrift in schönen, reich-
lich 10 Cm. hohen Buchstaben ist erhalten'):
I
iVS • VRBICVS • PROC-AVGVSTi
') [Nach dem Abklatsch , der ein eigenthümliches Volutenornament vortreff-
1 icher Arbeit zeigt, war der Marmorbalken ein freischwebender Epistylblock eines
233
In St. Andrä ist ein von Hrn. Prof. Jäger gefundener In-
schriftstein jetzt innerhalb des Schwibbogens der Stadtmauer an
der Bahnhofstrasse zweckmässig eingemauert und sichergestellt. Zu
lesen ist:
,/ E p o N 1 ,. cn Veponiae [Va]-
jERi AE ■ ATTO ■ Ml [Z]e?'za^ Atto 7n[m'{itus)]
( FEC • "E- siB "E- Q_y fßc{it) et sib(i) et Qu[a\-
IRT1LLÄ.-SORO
rtillae Soro\ri\
Ve- T^atNO -"e-apI et Tertino et Ap[o]-
L I N A R I • ^E p o / \l\linari nepo[tih{us)]
(5 - o p T A T A F./ et Optatae ....
Professor Jäger zeigte mir auch einen zweiten römischen In-
schriftstein, der im Fussboden der Sacristei der Pfarrkirche liegt,
aber durch die Tritte der darüber Hinwegschreitenden so abge-
schliflfen ist, dass nur noch wenige Buchstaben kenntlich sind.
Von einem in den Ruinen des Petersberges zu Friesach
gefundenen Römerstein übergab mir der Architekt und k. k. Con-
servator A. Stipperger einen Papierabklatsch. Danach ist zu er-
kennen '^) :
Bauwerkes ionischer oder korinthischer Ordnung. Der in der Bauinschrift ge-
nannte prociiirator) August\i Urhicus ist, wie auch schon Domaszewski bemerkt
hatte, wohl sicher identisch mit dem bei Tacitus Mst. 1, 70 erwähnten Petronius
Urhicus procurator, der im J. 69 n. Chr. Anstallen traf, um Noricum für Otho zu
sichern. Die Form der Buchstaben weist bestimmt auf eben diese Zeit hin, und
dass kurz nach einander zwei verschiedene Personen mit dem recht seltenen Cog-
nomen Urhicus die Verwaltung von Noricum gehabt haben sollten, ist nicht glaub-
lich. Allerdings ist bei Tacitus die Form Urhicus nicht unmittelbar überliefert.
Aber die Ergänzung des sinnlosen urhi der Handschriften , die hier das verloren
gegangene Doppelblatt des Mediceus ersetzen, in urhicmn, die von Freinsheim her-
riilirt^ war schon bisher fast sicher und ist mit Recht in den neuesten Ausgaben
aufgenommen; durch den neuen Fund hat sie ihre urkundliche Bestätigung erhalten.
Wir haben also das Stück eines Bauwrrkes, das im J. 69 oder kurz vorher von
dem kaiserlichen Procurator, der das regnum Noricum verwaltete, in der Nähe von
Virunum errichtet wurde. Vielleicht darf man hierin auch eine Andeutung dafür
sehen, dass in dieser Zeit Virunum die Residenz des Procurators von Noricum war:
eine Annahme, die wohl überhaupt durch die Beschaffenheit der monumentalen
Zeugnisse nahegelegt wird. A. d. R.]
^) [Nach Mittheilung des Herrn Studiosus Binn , Mitglied unseres Seminars,
wurde der Stein am 4. September 1886 in der Friedhofsmauer des Petersberges
gegenüber dem Chor der Kirche bei Ausbesserung der Mauer gefunden. Seine Copie
234
fToU
?. R - E T
Etwa
: Qmn]tiom
bene m]er. et
M D AE
Verecu]ndae
' G l
coni]ugi
M NO
et Sil]vino
fil an.] X
In St. Veit in Kärnten ist kürzlich durch den Friseur Seiller ein
Localmuseum eingerichtet worden. In demselben befindet sich jetzt
auch die Inschrift C. I. L. III n. 4901, doch ist es bei dem Zustand
des Steins nicht möglich mehr zu lesen , als früher Jabornegg ge-
lesen hat.
Herr Seiller zeigte mir auch einen in der Vorderseite des
Hauses Nr. 45 am unteren Platz eingemauerten Stein mit der In-
schrift ^) :
STATVTAE
1 • D ■ A N ■ XVIII
STATVTVS- FRF
Klagenfurt KARL Baron HAUSER
Neiig*efiinclene römische Iiisclirifteii aus
Poetovio
(Nach Mittheilungen an die k. k. Central-Commis>^ion
1. Bruchstück aus sogenanntem Pacherer Marmor (grösste
Höhe 34, Br. 41, D. 12 Ctm.; Höhe der Buchstaben im Allgemeinen
3'5 Ctm., Z. 2 M 2'9, i 3"7, t 4*3 Ctm.i. Der links (vom Beschauen
erhaltene Rand zeigt Spuren einer geschuppten Relief-Säule. Von
mir am 7. August 1886 im Pflaster inmitten der Strasse, welche
von Pettau nach Kartschovina führt, in der Nähe der Dominikaner-
zeigt noch ftiiien im Abklatsch nicht erkennbaren Rest zu Anfang von Z. 1 , der
vielleicht zum unteren Ende eine.s T gelulrt. — Die oben neben die Copie gesetzte
Herstellung soll natürlich nur etwas Denkbares geben. E. B.]
^) [Sollte das auffallende ID- in Z. 2 etwa i(uveni) d{efunctae) zu lesen
sein?]
235
Kaserne entdeckt. Der Stein war als Baustein bei Herstellung der
(aus der Mitte des 13. Jahrh. stammenden) mittelalterlichen Stadt-
mauer verwendet worden, welche bis in die ersten Jahrzehnte
unseres Jahrhunderts vom westlichen Theile des Schlossberges
schräg über die jetzige Fahrstrasse nach dem ehemaligen Domini-
kaner-Kloster (jetzt Kaserne) lief, und deren Spuren noch gegen-
wärtig deutlich erkennbar sind. Der auf meine Veranlassung hin
aus der Erde gehobene Stein befindet sich jetzt im Hofe des land-
schafthchen Gymnasiums zu Pettau und soll in dem zu errichten-
den Localmuseum Aufnahme finden.
Vielleicht zu ergänzen :
l'~»~~~''' N De[o Soli invicto]
MiTir.vA ) Miihra[e See]
V N D
und^wi pro Secund\
INO-F/ ino f[iUo
AN"!
Falls die Lesung richtig, hätten wir also zu den bekannten
Mithrasdenkmälern von Poetovio (C. I. L. HI n. 4039—4042) ein
neues hinzugewonnen. Die Stelle des in der Inschrift C. I. L. III
n. 4039 genannten, von einem dux hergestellten iemplum des Sonnen-
gottes dürfte vielleicht gegenüber dem ehemahgen Dominikaner-
Kloster zu suchen sein, wo Substructionen von 10 Klafter Länge
und Breite, aus Blöcken rothen Marmors von 6—8 Fuss bestehend
(Kenner, Mitth. d. Alterth. -Ver. zu Wien XI S. 94 Anm. 2) vor
Alters aufgedeckt worden waren. Die hier befindlichen Votivsteine
wurden beim Baue des Dominikaner-Klosters im J. 1230 (n. 4041)
und der Stadtmauer (ausser unserem Fragment auch n. 4040) ^)
als Baumaterial verwendet.
2. Im Nordwesten der Pfarrkirche St. Martin in Ober-Haidin
bei Pettau, nur wenige Schritte von derselben entfernt, war noch
in den letzten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts ein in weitem Bogen
sich hinziehender Erdwall, begleitet von einem angeblich manns-
tiefen Graben sichtbar, der vom Volke als «Schanze" bezeichnet
wurde. In ihm hatte bereits 1682 der Vicarius von Haidin, Georg
■) Unter dem von Pococke als Ort genannten Thurme ist nämlich nicht, wie
Mommsen annahm, der Stadttlmrm zu St. Georg zu verstehen, sondern ein Thurm
der Stadtmauer, da der Stein nach Somenzari (Stadt Archiv zu Pettau 1830) ,,in
der westlichen Stadtmauer" sich befand, von wo er im J. 1817 an seinen gegen-
wärtigen Ort gebracht wurde.
236
Haubtmann (1677—1691), in seinem nChronicon seu commentarius
historicus Pettouiensis<J- (Manuscript im Besitze der Stadtgemeinde
Pettau) die üeberreste eines befestigten Zollhauses des römischen
Poetovio erkennen wollen (a. a. O. S. 7): jidas Plokh, oder ZoU-
hauss mit seinen tieffen Schanzgräben, welche annoch zu ober
Haydin zwischen denen Kirchen St. Martini und Stae. Rosaliae
neben einer geschribenen Säullen zu sehen«. Wie aus dem Fol-
genden erhellt, ist unter der jigeschriebenen Säule" C. I. L. III
n. 4015 zu verstehen, wo allerdings Subalternbeamte eines conduc{tor)
portori Illyrici genannt sind Bei der Restauration und Vergrösse-
rung der genannten Kirche St. Martin im J. 1874 wurde das um-
liegende Areal einschliesslich des Walles planirt. Bei dieser Ge-
legenheit wurde in dem Erdwalle ausser anderen nicht beschrie-
benen Platten aus sogenanntem Pacherer Marmor in einer Tiefe
von ungefähr 2 M. auch das Fragment einer römischen Grabschrift
aus demselben Stein ausgehoben, welches wahrscheinlich bei Anlage
des Walles als Baumaterial benützt worden war. Der Bauer Veit
Muhic verwendete nebst anderen nicht beschriebenen Platten auch
diesen Inschriftstein beim Neubau seines abgebrannten Hauses
(Ober-Haidin Nr. 109), und derselbe wurde (im J. 1874) mit der
Rückseite nach aussen in die Kellermauer eingefügt. Doch erhielt
sich das Gez'ücht von dem Funde dieses nRömersteines", und darauf
aufmerksam gemacht, Hess ich denselben am 3. August 1886 heraus-
heben. Die grösste Höhe des Steines beträgt 63 Ctm., die grösste
Breite 67 Ctm., die Dicke 23— 24 Ctm. Das Inschriftfeld, soweit
erhalten , ist hoch 38 Ctm. , breit 57 Ctm. ; Höhe der Buchstaben
6*5 Ctm. Ueber der Inschrift befindet sich ein (besonders an den
Seiten beschädigtes) Basrelief: in der Mitte eine Muschel, mit der
concaven Seite nach vorn; dieselbe wird umschlossen von zwei
unten gekreuzten Füllhörnern , deren jedes oben drei apfelförmige
Früchte trägt und von einem (nur theilweise erhaltenen) Delphin
im Maule gehalten wird. Das Inschriftfeld, beiderseits von je einer
flachen Reliefsäule mit korinthischem Kapital und spiralförmig
canellirtem Schafte abgeschlossen, zeigt folgende Inschrift:
i. • A N T O N I V S ■
LPOL- MODES
TVS- INDVSTRI A-
1/rT 1 PC- XIII- r Fjyi •
L{iicms) Antomiia L{nci films) Pol{lid) Modestns Industria
vet{eranus) leg(ioniö) XIII gem{inae)
237
Die Inschrift ist, wie Mommsen mir brieflich mittheilte, ein
weiterer Beleg für die gräcisirende Auslassung von filius im illyri-
schen Gebiete, welche daselbst weit häufiger sei, als man bisher
glaubte.
Was die Zeit der Inschrift anlangt, so weisen sie u. A. die
zierliche Form der Buchstaben und des Reliefs der ersten Kaiser-
zeit zu. Obgleich nun aber Poetovio als Winterquartier der legio
XIII gemina im Jahre 69 n. Chr. bezeugt ist (Tac. hist. 3, 1), von
wo sie vielleicht schon unter Vespasian nach Vindobona verlegt
wurde (C. I. L. III S. 510), und daher die Annahme nahe liegt, dass
unser Veteran sich damals in den Canabae seiner Legion nieder-
gelassen habe , so möchte ich doch vielmehr wegen der grossen
Aehnlichkeit in Schrift und Ausführung der Ornamente unsere In-
schrift für gleichzeitig halten mit n. 4057 u. 4058, also (wegen 4057)
in die nächste Zeit nach der Begründung der Colonie durch Traian
setzen. Es werden nämlich von Veteranen auf Inschriften aus
Poetovio, abgesehen von der unserigen, genannt C. I. L. III n. 4056
ein C. Cassms Silvester vet{eraniis) leg{ionis) IUI FUaviae), d. h. einer
Legion, die niemals nach Oberpannonien gekommen ist, und n. 4057
ein C Cornelius C. f. Pom. Dert(ona) Verus vet{eranus) leg{ionis) II
adi{utricis) deduct{us) c(olo)iiam) U^lpiam) T{raianam) P(oetovionem)
mission(e) agr{ariaf altera) u. s. w. Dazu wird noch n. 4058 hin-
zuzufügen und zu ergänzen sein: [üet{eranus)\ leg^ionis) XII[I], deren
Aehnlichkeit in Schrift und Ausführung der Ornamente mit n 4057
und unserer neuen Inschrift bereits erwähnt wurde. Diese vier
Inschriften von Veteranen berechtigen vielleicht zu der Folgerung,
dass zur Gründung der Colonie Poetovio von Traian Veteranen
jener Legionen verwendet wurden, welche an den dakischen Kriegen
(J. 101 — 107) theilgenommen hatten, wozu eben auch die Legionen
IV Flavia, XIII gemina, und wahrscheinlich auch die II adiutrix
gehörten. Dass der Veteran der neugefundenen Inschrift die Tribus
seiner Heimat, nicht aber die von Poetovio {Papiria) führt, ist be-
merkenswerth, findet sich aber auch bei dem Veteranen der Inschrift
n. 4057, dessen Ansiedelung in der Colonie Poetovio ausdrücklich
angegeben ist. Ob der Umstand, dass beide Veteranen aus der
neunten Region Italiens stammen, zufällig ist, denke ich an anderer
Stelle zu erörtern.
Wien, October 1886 ANTON Ritter von PREMERSTEIN
238
Griechische Inschriften ans Moesien und
Thrakien
Die im Folgenden veröffentlichten Inschriften habe ich im Laufe
dieses Sommers gesammelt, als ich im Auftrage der k. Akademie
der Wissenschaften zu Berlin Serbien und Donaubulgarien bereiste*).
*1. Pirot. Im Hofe vor der alten Kirche. Altar aus Kalk-
stein, h. 1 M., d. 0 45, br. 0-48.
KO PN HAI AN KopvriXiav
HAYAANAY TTttOXaV Al»-
roYCTANHE YoOdTav fi I[ep]-
A uj N n o A ii ÖUJV Trö\i[(;]
5 Eniiv Avr 5 em M(dpKOu) Ai)p(nXiou)
HPLUAOYKAl 'HpOJbOU Kttl
npoKAOY TTpoKXou
Wenn die Ergänzung in Zeile 3, wie kaum zu bezweifeln,
richtig ist, so reichte das Gebiet der thrakischen Serder (Dio Cass.
51. 25) bis nach Pirot in Serbien. Der nächste Ort auf der Strasse
nach Nisch (Naissus) ist Bela Palanka. welcher sicher bereits zu
Moesia superior gehörte (C. J. L. 1688, jetzt besser bei Evans Ati-
tiquarian researches in Illyricum, parts III u. IV, London 1885 p. 162).
Demnach wird man die Grenze zwischen Thrakia und Moesia
superior, weiter westlich als bisher, auf den Höhen zwischen Bela
Palanka und Pirot ansetzen müssen. Es entspricht, dass die
Grenzen des lateinischen und griechischen Sprachgebietes mit den
Provinzialgrenzen zusammenfallen. Denn in Bela Palanka (wahr-
scheinlich Remesiana) sind nur lateinische, in Pirot die beiden von
mir hier veröffentlichten griechischen Inschriften gefunden worden.
'H Zepbujv TTÖXiq ist wohl wie in Nr. 5 Serdica.
*2. Ebendort. Altar aus Kalkstein, h. 0*81, br. 0'6, d. 0'4.
ATAGH //x/ 'Ayaeri [Tij]x[ri]
©EUJEnHKOuuY+iETUj Geuj emiKÖiu ui|iiaTiu
EYXHNANECTHEAN CUXilV dveCTTllCTaV
TOKOINONEKTUJNI TO KOlVÖV CK TUJV l-
ö AIUJNAIAIEPEUJE h blUJV blCl lEpeUjq
*) Zu den mit ('inem Stern versehenen Inschriften konnte ein Abklatsch ver-
glichen werden.
239
EPMO TENSEKAinPO 'EpjUOTeVOUc; Kttl TTpO-
ETAT8AYr8ETIANOY OTOLTOV AuYOUCTTiaVOÖ
AXIA AEYE AYPH AlE AIOAAE 'AxiXXeÜq, Aupr]\l<;, AlO(q), 'AXE"
äan Apoc MOKAEMO. .ANoE lavbpoq, MoKO?, Mo[Ki]av6q,
10 AOMHTiEEOOEiNOEnX 10 AojLifiTK;, ZocpeTvo(;, TTau-
AEiNOERYPOEAnoAiNA Xeivoq, TTupoq, 'ATToXivd-
PIEMOKIANOE.HAYE PK^, MoKiaVÖC,, [T?]f\\v(;
KAIAAE5ANAPOEAEK KOI ' AXeEavbßOC, 'Aö"K-
AHni A AOY0IA. . .EEB AZI XiiTTiotbou ' Gia[(JO(;?] Zeßtt^i-
15 ANOE0H... TOYTAE 15 aVÖC,
Die Lesung der Zeilen 13—15 beruht nur auf dem Abklatsch,
da ein heftiges Gewitter mich hinderte, die Copie vor dem Steine
zu Ende zu bringen. Es scheint, dass das koivöv ein 9ia(Jo<; zu
Ehren des ZeßdZ^ioq gewesen ist.
3. Dragomanski- Tepnik. „Nicht weit vom Dorfe Drago-
man — auf dem AVege nach Bulgarien — ist eine Anhöhe „Dra-
gomanski-Tepnik'' genannt, auf deren Plateau die kleine Kirche
St. Peter steht. Am Eingange in dieselbe steht eine steinerne Platte,
die 2 M. hoch, 1 ^I. breit und 0*5 M. dick ist und folgende In-
schrift trägt" ') :
AFAGHi-TYAYP-MecTPiA 'ATaBfn Tu[xili] Aup^/iXioq) MecrTpia[vöq]
CTPAT • A£T- BiTA (yTpaT(iujTri<s) Xe[T](iüJVo^) ß' 'iTafXiKfiq)
KYPIUJ CABAZIUJ € KupiLU ZttßaZiiuj e[K]
npoNoiAC6YXAPic TTpovoitti; euxapia[Tr|]
5 pioNGCTHce piov earricrefv].
Das Vorkommen eines Soldaten der legio II Italica in Thrakien
ist befremdend. Man erwartet I Italica, die Legion von Moesia
inferior.
*4. „Aus Sorlyik im Knazevazer Kreise, wo noch zweiThürme
einer römischen oder mittelalterlichen Befestigung stehen . stammt
eine Plinthe von weissem Marmor, die auf ihrer oberen Fläche eine
ovale Vertiefung hat, deren Durchmesser 20*5 und 14 Cm. betragen.
Die Plinthe selbst misst in der Länge 24*5, in der Breite 20V'2, i'^
der Höhe 9 Cm. Auf einer Langseite trägt sie folgende Inschrift" ") :
') Aus einem Briefe des Hrn. Prof. Waltrovitz in Belgrad. Die Abschrift
nahm ein serbischer Officier während des letzten Krieges.
^) Aus demselben Briefe des genannten Herrn. Die Inschrift befindet sich
jetzt im Belgrader Museum, wo ich sie abgeschrieben habe.
240
HPA20NKHTHNHTIKAAYAICJ
KYPElNA0EonoMnO20E O F 0 M Fi
2 T P A T H r02 ASTIKH^THEPEPIPU
PIN0ON2HAHTIKHZO PEINH^AENbA
/HTIKH2PE//A2I/ZXAP12THPI0^'
"Hpa lovKTiTTivfi Ti(ßepioc:) K\aubio[(;] || Kupeiva 0eÖTro|U7roq Oeo-
TTdjLiTT[ou] II (TTpaTHTCx; 'AcrTiKfi(S TTepi TTelpiveov, In\nTiKfi(; öpeivfi(^, Aev-
ee;,[X]nTiKfl(; TTe[bija(jia(; • xapicnnpiov.
Von dem Worte irebiaaiaq sind noch Reste aller Buchstaben
auf dem Abklatsch zu erkennen. Die "Hpa IcvKriirivri lässt sich
vergleichen mit der "Hpa 'ApiaKrivri Dumont Nr. 33. Die Strategien
Thrakiens zählt Ptolemaeus auf 3, 11 §. 6: IxpaTriTiai bk eidiv ev ti^
etrapxia Tipö^ |Liev xaiq Muaiai^ Kai rrepi töv Aijugv tö öpo<; dpxo|uevoi<;
otTTÖ buajuOuv AeveriXiFiKri, lapbiKr), OucrbiKiiaiKii, leXXriTiKri — dann
folgen weitere neun in der Richtung von Westen nach Osten, zuletzt
— -rrapa be xfiv ctTTÖ TTepiveou TiöXeuu^ MtXpi^ 'ATToXXujviaq TrapdXiov f]
'AaiiKfi axpairiTia. Wenn Plinius (n. h. 4, 40) im Widerspruch da-
mit 50 Strategien in Thrakien zählt, so erklärt dies unsere Inschrift
in erfreulicher Weise. Sie gehört sicher dem ersten Jahrhundert
an, wahrscheinUch ist sie, wie der Name des Strategen und die
Buchstabenformen zeigen, unter der Regierung des Claudischen
Hauses geschrieben, steht also zeitlich dem von Plinius geschil-
derten Zustande sehr nahe. Es zerfiel nach unserer Inschrift die
arpairiTia 'AaiiKri in mehrere Theile, von welchen einer das Gebiet
um Perinth umfasste. Diese Strategie ebenso in der Inschrift: Eph.
epigr. II p. 252 = Dumont 62 f.: Tißepio^ 'l[o]uXiO(; LT'?]oöX[X]o<;
(TTpaiiiTÖ^ 'AdTiKiK T^ep'i HepivÖGV. Ebenso zerfiel die Aev9eX)iTiKr|
und die In^nfiKri, wie die neue Inschrift zeigt, in mindestens zwei
Theile. Die grössere Zahl der Strategien des Plinius erklärt sich
demnach wahrscheinlich daraus, dass er die Unterabtheilungen der
Strategien des Ptolemaeus als selbständige Glieder zählte. Eine
gleichzeitige Verwaltung der drei Strategien ist bei der Lage dieser
Bezirke nicht denkbar. Vielmehr scheint es, dass Claudius Theo-
pompos die Dentheletike zuletzt verwaltet und als Stratege dieses
nordwestlichsten Districtes an dem weit von den späteren Grenzen
Thrakiens entfernten Orte das Denkmal errichtet hat. Man wird ferner
in Anbetracht des Fundortes die Frage aufwerfen dürfen, ob nicht
der südöstlichste Theil der Provinz Moesia superior, das Becken
von Nisch, vor Errichtung dieser Provinz zu Thrakien gerechnet
241
wurde. Wahrscheinlicli bezeichnet der Fundort auch einen Punkt
der römischen Strasse, welche aus dem Thale der Nischawa in das
Thal des Timok führte und Naissus mit Ratiaria verband.
*5. Sophia, gefunden auf dem türkischen Friedhof; jetzt in
der Bibliothek. Säule aus Kalkstein.
'~777777/77777777/T/'^^oT^;
/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / /
eB 1XHCTCKAIN6IKHCKAIAI
U) N I O Y A I A M O N H C H r e M O N 6 Y O N
5 THCAAMnPOTATHCGP AKUJ N
TIAIOYnO YAeN
eCBCEBANTI
PATHTON EPAUJNl O AICA
P O ^ lAION
[aYttGr) Tuxr) [j urrep tx]C, toö auTOKp]dTOpo[? | ü! j !!!!!!!!! I j j !!! !\\ ^J^ß-
[tuJX'K Te Ktti veiKriq Km ai||ujviou öia)Liovfiq fiTe|uoveuov|l[TO(;] ttic; Xafi-
TTpordDic; GpctKOJV [enapxeiac, . . .] tiXigu noi3bev!I[Toq uTraTiKoO? TTp]ecrß.
Xeß. dvTil;[crT]paTri-fou [n Ijepbujv ttoXk; di[[veaT]ri[cTe t]ö M[e]iXiov.
Vergl. zu den Ergänzungen C. I. Gr. 2047 und Dumont Nr. 3. Von
Zeile 5 ab ist die linke Hälfte der Schrift durch den Einfluss des
Wassers abgewittert.
Z. 7 habe ich UTraTiKoO ergänzt, da ich nicht weiss, was sonst
zwischen Namen und Titel treten könnte. Dass der Statthalter
von Thrakien während seiner Verwaltung zum Consulate gelangen
konnte, unterliegt keinem Zweifel.
6. Jeni-Nikup, in einem Hause. Altar.
Gedq] '\heiaq fie-fdXr|<;
liAEiAZMErAA-Lj ^^w]ö[<;] All HXiLU ^6Td[Xuj
\o--.AiiHAiajMErj ^^pjj^^ leßariuj dTfiuJ
\wzebaziwaW . . . . !viu <I>X. 'A(Tia[vö^
QU ßouX(euTri(; ?) uirfep xfie;
eautjou (JujTrip[ia? tö
euxa]p[i]crT[ripiov
[dvecTiricrev]
Es scheint, dass der Altar nur einer Gottheit, dem leßd^ioc;
veiht war, der wie auch sonst dem Zeus (Schneider, Jahrb. d.
iva^istsamml , Wien H S. 52 Anm. 8) und dem Helios (Macro-
bius Sat. I, 8, 11) geglichen wird. In welche Verbindung er^zur
Archäologisch-epigraphische Mittb. X. 16
242
Gröttermutter gebracht wird , ist mir nicht klar. Aber es wäre
denkbar, dass er als ihr Sohn bezeichnet wurde, und dem ent-
sprechend habe ich oben zu ergänzen versucht (vgl. Diodor 4, 4).
7. Ebendort, in einem Hause. Altar.
HI TYXHI
A iTk E p A Y N I w All Kepauviuj
EYXAPiEToY euxapicJTOu (sie)
moAicA>EETi:EN ^ ttöXk; dvecTTiiaev
rPo - ihK-AYroYETM TTpö i?' K(aXavba)v) AuTOU(yTaj(v)
MA5iivKKnA-EPWYn IV\agi)Liuj Ke TTarepvuj vt:{6.toic,)
a. 233 p. Chr.
8. Ebendort, bei der Kirche als Grabstein.
® K ö(eoi^) K(aTaxOovioi?)
rAio:BiANOPo:NEiKAEY2 rdiO(; Bidvopo«; N€iKaeu<;
AOMo-EKTAnoAEiTiioYAH: 55|no TeKTuuTToXeiTn^ qpuXfi(;
KAniTAiAEiN-EZH2AZKAAU): KaTTiTuuXeivn? lr]aac, kolXCjc,
EmBj^_ojitK_ojSLj^i~m.$ZQ_ ^-[Y] eßbojUTiKOVTa [Z:lujv Ke qppo-
[vuJv ....
Auch in zwei anderen Inschriften aus Nikopolis, Monatsber.
d, Berl. Akad. 1881 S. 459, werden Asiaten aus Nikaea genannt.
Es scheint demnach, dass Traianus in Nikopolis am Ister, wie auch
in Dacien, Asiaten als städtebildendes Element ansiedelte.
9. Bei der Brücke über die Rusica, unweit Stari-Nikup.
Aus den Ruinen von Stari - Nikup dorthin als Baumaterial ver-
schleppt. Basis aus weissem Marmor, h. 1*19, br. 1*08, d. O'lö.
A 1 1 • C /. I M I 1 1 UJ K A I H P A K A I A 0 H N A CS
T // KA- rP E I 2 KElN02APrYP0TAMIAZKAI ■ T • AP
"=•/- T-N-A- APXHSTAArAAMATAYrEPT12;n»AEnZ
EKTnW lAiriN A>EZ'H2A es
All 'OXuiLiTTiuj Kai "Hpa Kai 'Aenvd || T[iß.] KX. TTpeicTKeivo^ dpTU-
pOTttiuiaq Kai {i{nc,) dpj[Haq] tiiv (TTpoJinv) dpxnv tu UTaXiiaTa UTiep xfiq
TToXeuiq II eK Tujv ibiuuv dvearrjCTa.
Die Capitolinische Trias, denn diese scheint mir gemeint, ebenso
in der Inschrift aus Nikopolis Berl. Monatsb. 1881 p. 459: Au
'OXu|UTTiuj Kai "Hpa Zufia Kai 'AGiivd rioXidöi, ist charakteristisch für
die Griechenstadt, welche ein Machtwort des römischen Kaisers
geschaffen.
243
*10. Polikraste, nördlich von Tirnova, bei der Kirche. Ohne
Zweifel aus den Ruinen von Stari-Nikup dorthin verschleppt. Altar.
M / / / / ./ ./ / / ./ / ./ A E r M / / / / / / / / / / eTr[i]
*A>EETATON<AIEYE CpttVeCTTaTOV Kttl eu(j (eßecJittTov)
EEB- YHA-EVONTOSE lۧ(acrT6v) UTTaTeUGVTGc; 6-
^APXIA28ITE^NI8 Ttapxiac; Ouiiewiou
5 I 8B E N I O Y ANT ETP 'loußeVlOU dVT[l|(jTp(aT»lYOu'),
EniiVEAOYMENOY emjueXouMe'vGu
I8AIOYEYTYX3YE 'louXlOU EuTUXOU(;
APXIEPATIK8EKT.N dpXiepaTlKOG EK TUJV
IAIlVNA^Ec■H;EY^EP*I iöiujv dveanicre UTiep cpi-
AOTiMiAs XoTijuia«;
*11. = Kanitz, Bulgarien III 8. 342, XIII; jetzt in Tirnova
vor der Präfectur.
AFAGHl TYXHI
lOYAlANAOMMANGEANEEB- M-E
PAKAEFAN ■ AYTOKPATOPOC- A- EEOMI
OYEEYfPOYrEPTINAKOL-EEB - EYEEBOYE-
5 nAPGKOY-BPETANMlKOY-APABIKOY- AAIAB-^
^ iKOYAPXIEEaEiVErfcTOY-AHVlAPXIKH:-E
äOyeiae-to-b-aytokpatopo;-to-ia- yha
toy-to • h- !i a-po:natia o'. - fynaika- k-ayto
KPATOPOIKAIEAPOZ- MAPKOY- AYHA- ARai^MOY
10 EEB-K-AEEnrhllOYr et AKAlEAPO:.M€PAYnA
■EYOROZTCEnAPXEIAE-r-OOYEIlNlOY-EPTYA
AOY-rPEEB-EEBBAN-lEF-HlEP XITA-R BOY\H
K--OKPATI:TO:AMVIO:OYAniAE-r^KOnOAE
n5:T^zrpo2I5:TONA^EET^-EN
'ÄTaGiiiTuxniiriouXiav Adjuvav Gedv Ieß(acrTr|v), .uiire'! pa KdcTTpuuv,
aiiTOKpdTopo(g A. leTTTi^iJlou leut'ipou TTepiivaKocg Zeß(a(JToö), Evoeßoxx;, ji
TTapeiKoö, BpexavviKoO, 'ApaßiKOÖ, 'Abiaßr) jviKoO, dpxiepeuuq lAe-^iöTov,
'"uapxiKf\q e^Houaiaq t6 g', auTOKpdTopo? tö la, urrd tou tö x]',
-pö? TTaTpiboc^, TuvaiKtt, k(oi) auTo;|KpdTopo(; Kaicrapoq MdpKou
' lA(iou) 'AvTujvivou jj Ieß(a(7Toi)) K(ai) A. leTTTi^iou Texa Kaidapoc;
244
H»lTepa, UTra'lTeuovToq Tf\c, eiTapxeia«; f. 'Ooueiviou TepiuXJlXou irpeaß.
leßß. dvTiaip. fi lepuuTdTri ßouXr] |i K(ai) ö KpdTiaTO(; bfiiuoq OuXTTiaq
NiKOTTÖXelJuuq T?\q Ttpöq "latpov dve(JT)iaev.
Wien A. v. DOMASZEWSKI
Zu griechischen Inschriften
C. I. A. II, 476 V. 21 heisst es, dass beim Verkauf gewisser
Früchte gemessen werden soll lueipiu xujpoOvifi] ATTOYHITA aiTtipd
fi[fA]ix[o]iviKia Tpia. Böckh, dem Köhler folgt, las KOpuaid , ohne
sich zu verhehlen , dass die Entstehung der Verderbnis schwer zu
begreifen ist. Aus den von Böckh selbst angeführten Zeugnissen
geht jedoch hervor, dass vielmehr zu lesen ist: dTro[v|j]ricTTd = ab-
gestrichen, wie es auch der Sinn fordert. Denn nur ein gestrichenes
Maass kann als Maasstab für ein anderes Maass dienen.
Bull de corr. hell. B. X p. 112. Zeile 12 u. 13 ist zu lesen:
Ol TTeil|[paTeu]ovTe(S rovc, iroXeiuiouc;. Die Caperschiffe, die gewiss von
der eigentlichen Kriegsflotte zu unterscheiden sind, werden auch
auf Seiten des Gegners erwähnt Liv. 31,22: et pmedonum a Chalcide
naves, quae non mare solum inftstum sed etiam omnis maritumos
agros Atheniensibus fecerant (vgl, auch Diodor 28, 1). Diese sollen
nicht aus dem Hafen von Delos auslaufen, um nicht die Wieder-
vergeltung der Feinde herauszufordern.
A. V. DOMASZEWSKI
Archaeolrepigr.Mitth.aus Oesterreich X
Taf.
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Arcliaoül.-eiiigraph. Mittli. aus Oesterreicli X
Taf. III
Arcliaeol.epigraph. Mittli. aus Oe^terreich X
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Archaeol.-epigraph. Mitth. aus Oesterreich X
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^■^l^ij^.
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Archaeol.-epigraph. Mitth. aus Oesterreich X
Taf. V
Archaeol. -epi^raph. Mitth. aus Oesterreich- Ungarn X
Taf. VI
Archaeol.-epigraph. Mitth. aus Oesterreich-Ungarn X
Taf. VII
Jen ip ctx a.
BlXigAlllEM
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Archaeolrepigraph. Mitth. aus Oeslerreich
Taf.
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