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Full text of "Archaeologisch-epigraphische Mittheilungen aus Oesterreich-Ungarn"

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SFUM  LIBRARY 
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inv. 


ARCHAKOLOGISCH  ■  EPIGRAPHISCHE 


MITTHEILUNGEN 


AUS 


OESTERREICH-UNGARN 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


0.  BENJSDOßF  UND  E.  BOßMANN 

JTJJys- 


JAHRGANG  IX 

MIT  6  TAFELN 


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WIEN 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  CARL  GEROLD'S  SOHN 

1885 


JHE  J.   PAUL   GETT,'   MUSEUM    LIBRARY 


INHALT 


Seite 

Domaszewski  Inschriften  aus  Kleinasien 113 — 132 

Frankfurter  Epigraphischer  Bericht  aus  Oesterreich  .      .     135 — 144  u.  250 — 268 

Gregorutti  Inschriftfunde  in  dem  Gebiet  von  Aquileja 248  —  250 

G.  Hirschfeld  Das  Gebiet  von  Aperlai 192—201 

0.  Hirschfeld  und  Schneider  Bericht  über  eine  Keise  in  Dalmatien        1  —  84 

Klein  Bathykles 145-191 

Petersen  Die  Irisschale  des  Brygos 85     8< 

Schuchhardt  Die  römischen  Grenzwälle  in  der  Dobrugea    ....      87 — 113 
Wälle  und  Chausseen  im  südlichen  und  östlichen  Dacien     202—232 

Szanto  Zur  Sammlung  Millosicz 132  —  134 

Tegläs  und  Domaszewski  Inschriften  aus  Dacien 237  —  248 

T  o  r  m  a  Das  Amphitheater  zu  Aquincum  (Auszug) 233—237 


Bericht  über  eine  Eeise  in  Dalmatien 


I.  Inschriften 

Auf  einer  Reise,  die  ich  im  Auftrage  der  Akademie  der 
Wissenschaften  in  Berh'n  behufs  Sammlung  des  Materials  für  den 
in  Aussicht  genommenen  Supplementband  zu  Corpus  inscriptiomim 
Latinarum  III  im  September  und  October  des  vergangenen  Jahres 
gemeinsam  mit  Herrn  Oustos  Dr.  Robert  Schneider  gemacht  habe, 
hatte  ich  Gelegenheit,  neben  der  Revision  der  überaus  zahlreichen, 
seit  dem  Abschluss  des  dritten  Corpus  -  Bandes  gefundenen  In- 
schriften, die  theils  in  der  Ephemeris  Epigraphica  (II  und  IV),  theils 
in  dem  von  Glavinic  und  Alacevic  im  Jahre  1877  begründeten,  von 
Bulic  im  Vereine  mit  dem  Letzteren  fortgeführten  BuUetti.no  dt 
archeologia  e  storia  Dalmata  publicirt  worden  sind,  zahlreiche  bisher 
unbekannte  Inschriften  zu  copiren,  von  denen  eine  Auswahl*)  be- 
reits hier  vorzulegen  angemessen  erscheint,  da  die  Publication  des 
Supplementbandes  erst  in  einigen  Jahren  erfolgen  dürfte.  Die  mit- 
getheilten  Copien  sind  bis  auf  n.  37  und  n.  42,  die  ich  Herrn  Dr. 
Schneider  verdanke,  von  mir  gemacht  worden ;  zahlreiche  Abklatsche 
hat  mir  Herr  Director  Bulic  freundlichst  zugehen  lassen. 

Den  Hauptertrag  hat  selbstverständlich  wiederum  der  Boden 
von  Salona  ergeben,  der  Jahr  für  Jahr,  auch  ohne  systematische 
Ausgrabungen,  eine  unverächtliche  Ausbeute  gewährt.  Aber  doch 
wäre  in  hohem  Grade  zu  wünschen,  dass  nach  Abschluss  der  Aus- 
grabung der  altchristlichen  Basilica,  deren  reiche  und  wichtige  Auf- 
schlüsse bietende  Resultate  von  Bulic  mit  Beiträgen  von  Mommsen 

*)  Einige  kurz  vor  meiuer  Ankunft  gefundene  und  im  August-  und  September- 
Heft  des  Bullettino  IJulmalo  publicirte  Inschriften  habe  ich  ebenfalls  aufgenommen, 
da  dieselben  in  den  epigraphischen  Bericht  von  Dr.  Frankfurter  (vgl.  diese  Mit- 
theilungen Bd.  VllI  ö.  104  ff.)  keine  Aufnahme  mehr  finden  konnten.  In  den  später 
erschienenen  Heften  des  Bullettino  Dalmato  sind  inzwischen  die  unten  folgenden 
grossentheils  von  Herrn  Director  Bulic-  nach  den  von  uns  gemeinsam  genommenen 
Copien  publicirt  worden. 

Archäologisch-cpigraphiscUe  Mitth.  IX.  j 


und  de  Rossi  in  dem  Bullettino  Dalmato  veröffentlicht  worden  sind*), 
die  Regierung  sich  veranlasst  finden  möge,  eine  Ausgrabung  in 
grösserem  Stil,  die  vor  allem  der  Aufdeckung  des  Theaters  von 
Salona  zu  gelten  hätte,  zu  unternehmen.  In  zweiter  Linie  würde 
als  dankbares  Ausgrabungsobject  Narona  (bei  dem  kleinen  Orte 
Viddo)  ins  Auge  zu  fassen  sein,  das,  bereits  in  republikanischer 
Zeit  eine  blühende  Stadt,  als  Hauptort  und  Eingangspunkt  in  das 
fruchtbare,  jetzt  freilich  vom  Fieber  verödete  Narenta-Thal ,  auch 
in  der  Kaiserzeit  eine  Bedeutung  behalten  hat,  die  sich  in  den  mehr 
noch  qualitativ,  als  quantitativ  bedeutenden  Funden  aus  diesem  mit 
antiken  Scherben  besäeten  Boden  wiederspiegelt.  Neben  diesen 
Hauptcentren  römischen  Lebens  in  Dalmatien  fehlt  es  natürlich 
nicht  an  interessanten,  noch  kaum  berührten  Fundstätten;  es  mag 
hier  genügen,  auf  den  noch  wohlerhaltenen  Mauerring  von  Asseria, 
auf  Burnum  mit  den  imposanten  archi  di  Kistanje,  schliesslich  auf 
Aequum  hinzuweisen,  wo  in  den  letzten  Jahren  von  den  Franzis- 
kanern in  Sinj,  deren  Sammlung  bereits  wichtige  Fundobjecte  aus 
diesem  Boden  aufzuweisen  hat,  ein  bedeutender  wohl  der  besten 
Kaiserzeit  angehöriger  Gebäudecomplex   blosgelegt    worden    ist**). 

Die  excentrischc  Lage  von  Dalmatien  und  die  Armuth  des 
Landes  hat  eine  energische  Erforschung  desselben  in  bedauerlicher 
Weise  gehemmt  und  wenn  auch  in  dem  letzten  Decennium  durch 
die  liberale  Unterstützung  der  Regierung  und  unter  Mitwirkung  be- 
rufener und  thatkräftiger  Männer  im  Lande  selbst  die  antiquarischen 
Forschungen  einen  erfreulichen  Aufschwung  genommen  haben,  so 
bleibt  doch  noch  ein  reiches  Feld  der  Thätigkeit  in  diesem  bedeu- 
tendsten Fundgebiete  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie  der 
Zukunft  vorbehalten. 

Vor  allem  aber  wird  man  so  bald  als  möglich  dafür  Sorge 
tragen  müssen,  das  Museum  von  Spalato  zu  einer  centralen  archäo- 
logischen Sammelstätte  zu  erheben.  Allerdings  sind  die  Zeiten 
glücklicherweise  vorüber,  in  denen  Eitelberger  und  Mommsen  über 
die  gänzliche  Verwahrlosung  dieses  Museums  bittere  Klage  führen 
mussten;  durch  die  umsichtige  Mühewaltung  der  Herren  Alacevic, 
Glavinir  und  seines  Nachfolgers  Bulic,  die  sich  um  die  Conser- 
virung  und  VeröfTentlichung  der  heimischen  Altcrthümer  bedeutende 


*)  Eine  genaue  Aulnalime  und  l'ublicatiou  der  wolilerbaltenen  Keste  der 
hn.silica  steht  freilich  noch  au». 

**)  Vgl.  den  Bericht  von  IJulic  int  BuU.  Dalni.  1.H.S5  p.  7  rt'.,  der  eine  Tlierinen- 
anlage  annimmt. 


Verdienste  erworben  haben,  ist  wenigstens  die  vorläufige  Bergung 
der  immer  reichlicher  zuströmenden  Funde  crmöghcht  worden. 
Dennoch  wird  man  sich  der  Ueberzeugung  nicht  verschliessen 
können,  dass  auch  der  jetzige  Zustand  sowohl  für  die  Conservirung 
als  für  die  Avissenschaftliche  Benutzung  der  Denkmäler  ein  äusserst 
ungünstiger  ist.  Nicht  allein  dass  die  Fundstücke,  abgesehen  von 
den  in  Salona  selbst  befindlichen,  in  drei  getrennten  Sammlungen  in 
Spalato  haben  deponirt  werden  müssen,  sind  zwei  derselben:  das 
eigentliche  Museum  und  insbesondere  das  früher  als  Salzdepot  be- 
nutzte Magazin  Katalinic  so  feucht,  dass  die  Monumente  bereits 
wesentlich  gelitten  haben  und  z.  B.  Inschriften,  die  noch  von 
Mommsen,  der  freilich  auch  bereits  über  die  Feuchtigkeit  des  Mu- 
seums klagt,  vor  zwanzig  Jahren  gelesen  wurden,  in  dem  Museum 
Katalinic  heutzutage  fast  gänzlich  zu  Grunde  gegangen  sind.  Dazu 
kommt  die  in  beiden  Orten  herrschende  Dunkelheit,  die  in  Ver- 
bindung mit  der  durch  die  räumliche  Beschränkung  des  Museums 
gebotenen  Zusammendrängung  der  Objecte  ein  Studium  derselben 
in  hohem  Grade  erschwert.  Nur  die  von  Director  Bulic  seit  kurzem 
im  Erdgeschoss  des  Gymnasiums  deponirten  Stücke  sind  vor  Feuch- 
tigkeit geschützt  und  wenigstens  erträglich  beleuchtet. 

Dringend  geboten  erscheint  daher  die  Erbauung  eines  eigenen 
Musealgebäudes  in  Spalato.  Wenn  dasselbe,  wie  bereits  dem  Ver- 
nehmen nach  in  Aussicht  genommen  ist,  mit  dem  jetzt  in  einem 
gemietheten  Localc  befindlichen  Gymnasium  combinirt  werden  würde, 
so  könnte  man  ohne  grosse  Kosten  den  bereits  vorhandenen  und 
stets  wachsenden  Bedürfnissen  in  ausreichender  Weise  Rechnung 
tragen.  Aber  rasche  und  definitive  Hilfe  ist  unerlässlich,  denn 
nenatu  deliberantemonumentaperennt  und  auch  mit  einer  provisorischen 
Massregel  ist  nicht  geholfen,  da  jeder  neue  Transport  den  schwer 
beweglichen  und  grossentheils  bereits  gebrochenen  Steinen  ver- 
derblich wird. 

Unabweislich  ist  ferner  eine  erhebliche  Erhöhung  der  Dotation 
des  Spalatiner  Museums,  um  dasselbe  in  den  Stand  zu  setzen,  wenig- 
stens die  wichtigeren  in  Salona  und  Umgegend  gemachten  Funde  zu 
erwerben  und  die  Verschleppung  derselben  ins  Ausland  durch  die 
zahlreichen  Besucher  der  Ruinen  von  Salona,  die  alle  gern  ein  An- 
denken nach  Hause  zu  bringen  wünschen,  zu  verhindern.  Ver- 
schhngt  doch  allein  der  Transport  der  oft  gewaltigen  Inschriftblöcke 
schon  einen  grossen  Theil  der  kleinen  Dotation ,  so  dass  für  die 
Erwerbung  der  einen  grösseren  Kunstwerth  repräsentirenden  Objecte, 

1* 


selbst  von  den  weniger  auf  locale  Vereinigung  angewiesenen  Münzen 
und  den  massenhaft  in  Salona  sich  findenden  geschnittenen  Steinen 
abgesehen,  die  Mittel  in  keiner  Weise  ausreichen. 

Bei  der  Fürsorge,  welche  von  Seiten  der  Regierung  und  der 
Central  -  Commission  seit  einer  Reihe  von  Jahren  Dalmatien  und 
insbesondere  Spalato  zu  Theil  geworden  ist,  darf  man  wohl  auf 
eine  baldige  und  befriedigende  Erledigung  dieser  dringenden  Desi- 
derien  hoffen.  Dieselben  an  dieser  Stelle  hervorzuheben,  erschien 
mir  nicht  allein  als  eine  wissenschaftliche  Pflicht,  sondern  auch  als 
ein  Gebot  der  Dankbarkeit  für  die  an  antike  Zeiten  erinnernde 
Gastfreundschaft,  die  ich  und  mein  Reisegenosse  überall  in  Dalmatien 
gefunden  haben,  insbesondere  aber  für  die  liebenswürdige  und 
energische  Förderung,  die  uns  wie  von  den  Behörden  des  Landes, 
so  von  den  einheimischen  Gelehrten  zu  Theil  geworden  ist,  vor 
Allem  von  den  um  die  Wiederbelebung  der  Alterthumsstudien  in 
ihrem  Heimatlandc  wohlverdienten  Männern:  Michele  Glavinic  in 
Zara,  Giuseppe  Alacevic  und  Francesco  Bulic  in  Spalato, 
Giuseppe  Gelcich  in  Ragusa. 

1.  Steinbasis,  h.  080,  br.  0*56;  Popovic  (in  der  Nähe  von  Karin, 
in  der  Kirche  St.-Michael  eingemauert;  ohne  Zweifel  in  der  Nähe 
des  Aufbewahrungsortes  gefunden  (ungenau  publicirt  im  Bidl.  DaJm. 
II  p.  146,  vgl,  V  p.  65,  daraus  Frankfurter  Mittheilungen  VIII  S.  159 
n.  235). 

fX  ■  EDICTV  •  P  -COR 
NELI   •    DOI.ABELE   ■  LEG 

iRO    r  R- DETERMIN  p.  ('h.   14  scq. 

/\T1  -  EINES  ■  GE/WINVS 
h         PRI    •    POSTERIOR    •    LEG 

VII    •     INTER   -    NEDITAS 

ETCORINIENSES 

RESTITVTI    ■    IVSSV    •   A 

DVCENIGEMINI 
\U      LEG  ■   AVGVSTI-    I'R  •   Pr 

PER    -     A    •     RESIVJW    WA 

XIMVm    ■     D    •    LEG   XI 

C-  P-  E-  PR    PO  STEK  lOR 

ET  CL"  AEBVTIV/W 
1')       LIBERALEM -AST  AT 

POSTERIORE  ■  LEG 
E  1  V  S  D  E  M 


Z.  13  zwischen  o  und  s,  r  und  i  wegen  Schaden  im  Stein 
kleines  Spatium. 

Vgl.  das  ähnliche  Exemplar  C.  I.  L.  III  2883  (mit  der  Be- 
merkung Mommsen's  über  Ducenius  Geminus,  dessen  Vorname  Aulus 
erst  durch  diese  Inschrift  gesichert 'wird,  während  Marini  und  Bor- 
ghesi  ihm  mit  Unrecht  den  Vornamen  Gaius  vindiciren  wollten)  und 
über  Dolabella :  Moramsen  zu  n.  1741.  Dass  Q.  (nicht  D.,  wie 
hier  und  n.  2883  gelesen  worden  ist)  Aebutius  Liberalis  der  Zeit 
nach  (Ducenius  Geminus  muss  unter  Nero  Statthalter  von  Dalmatien 
gewesen  sein)  mit  dem  Lugudunenser  Aebutius  Liberalis,  an  den 
Seneca  seine  Bücher  de  heneficns  gerichtet  hat,  identisch  sein  könne, 
habe  ich  bereits  bei  Frankfurter  a.  a.  O.  bemerkt,  doch  bieten  die 
Angaben  Senecas  für  eine  Identification  keinen  Anhalt. 

[e\x  edictit  (sie)  P.  Corneli  T>okihel{la)e  h'g{afi)  pro  pr{aetore) 
deierminati  jines  Gemimts  pri{nceps)  posterior'  (für  n  (xemino  jjrin- 
ctpe  posteriore)  leg(ionis)  VII  inter  Neditas  et  Corinienses,  restituti 
iussu  A.  Dticeni  Gemini  leg(afi)  Anffiisti  pr{o)  plo-^aetore)]  per  A. 
Resium  \M^axi'muui  centurionem  legijonis)  XI  (J{landiae)  p){iae)  f{idelis) 
pr{incipem)  posterior(em)  et  Q.  Aehutium  Ijheralem.  (Ji)astat{iii)i)  po- 
ster{ore('m)  leg{ionis)  eiusdem. 

2.  Meilensäule,  h.  L62,  Durchm.  0*30,  mit  schlechter  Schrift;  / 
gef.  im  Jahre  1879  in  Bukovic  (zwischen  Benkovac  und  Podgradje) 
im  Felde  unterhalb  des  Hauses  des  Tade  Reljic;  liegt  noch  daselbst. 
Die  flacher  eingehauenen  Buchstaben  links  und  die  Buchstaben 
rechts  in  Z.  4  und  5  gehören  nicht  zu  der  Hauptinschrift,  sind  aber 
ebenfalls  nicht  aus  älterer  Zeit  (nicht  genau  publicirt  Btdl.  Dalm. 
1879  p.  162,  daraus  Frankfurter  a.  O.  n.  218). 

D    N    F    1^ 
VA.  CO  ST  AN  E  SIC 

AN  I  N  I    M  A  X  I 

AIC  M  I    V  ICTo      AV 

5        XIME  RISSEM       /r 

PETV  ERAVGV 

STI///.S 

ex///// 

//////// 
10  //////// 

//////// 
--/,7// 
D  N  MF  LA 


Z.  7  a.  E.  'S  nicht  sicher.  Interessant  ist  die  sonst  meines 
Wissens  nicht  bezeugte  Formel  in  der  letzten  Zeile;  die  Lesung 
ist  ganz  sicher.  Die  Meilensäule  gehört  zu  der  Strasse,  die  von 
Jader  über  Nedinum  und  Asseria  nach  Burnum  ging. 

D{omini)  n{ostri)  Fl{avii)  Costan[i\ini  maximi  victoris  semper 
Aiigusti d{evotus)  n{umini)  m{aiestatique)  Fla{viorum). 

3.  Trau,  seit  langer  Zeit  im  Kloster  der  Benedictiner,  hoch 
in  die  Mauer  eingelassen  (^=  Bull.  Dalm.  1885  p.  27). 

EniiEPOMNAMONOs  ETTi  iepo|uvd|uovog 

E  Y  A  p  E  o  z  Eiidpeoff 

TOY  TEiMAzifiNoz  Toö  TeijuacFiujvog 

AonsTANAA^NAioY  XoYKTTäv  Aacpvaiou 

5     0ATin.N022AAAA  'OXxiujvog  ZdWa 

eAPZYNONTOsAYziA  0ap(TuvGVTOs  AucTia 

rPAMMATEo2APizTo<j>ANEo2:  "fpa|U|uaTeog  'Api(TT09dveog 

Die  Inschrift  stammt  allem  Anschein  nach  aus  Lissa,  vgl. 
C.  I.  Gr.  n.  1834,  wo  sowohl  der  barbarische  Name  ZdXXa  wieder- 
kehrt, als  auch  Logisten  erwähnt  werden,  die  freilich  von  diesen 
XoTicTiai  Aacpvaiou  (wohl  ein  dem  Apollo  oder  der  Artemis,  vgl. 
C.  I.  Gr.  1837,  heiliger  Ort)  zu  unterscheiden  sein  werden.  Üeber 
die  iepo^vd|jov€5  vgl.  Müller  Dorier  II  S.  163  fg.  und  Index  zu 
C.  I.  Gr.  p.  37  8.  V. 

4.  Meilensäule,  Höhe  0-76,  Durchm.  0*21;  Trau  im  Hause  des 
Conte    Fanfogna;    Fundort    unsicher    (=  Bull.  Dalm.  1885  S.  43). 


IMP    PER. 

PET  VO 

A  V  C 

XI  I 


5.  Ära  mit  schlechter  Schrift;  Salona  im  Hause  von  Dojmi 
Katiö,  angeblich  seit  langer  Zeit  (=  (J.  I.  L.  III  n.  3157  nach  einer 
gchlochten  (jopie  inis  Lanza's  Papieren.) 


HER«/       A    V    G    /  /  / 


V  A  L 


>A  L  E  M  <=   '^   ' 


/  / 


10 


E  X    r    L  I  Her-  M   I  T  Ef 
P  V  B  •        cules        PRÄ.) 
C   V     stehend,  auf     O  B\ 
DEC-    d.  1.  Ann  das    A  V  F, 
CALL    Löwenfell,      LEC 
jSVO-  INI     mit  der       ///i 
A  P  E  R  V  I  T     K.  die    ///| 
)I  M   COM  (////     Keule      / 1 J\ 
(ET     MAR    auf  die   /  /  / 
V   E  R  O      Schulter       /  / 
C  o  S  -  V  I     legend        /  / 


179  p.  Ch. 


W     A    / 

Z.  1  scheint  her,  nicht  herc  gestanden  zu  haben.  —  Z.  5 
scheint  der  mir  von  Bnlic  gesandte  Abklatsch  nach  cv  nach  ein 
etwas  kleineres  s  zu  bieten,  das  ich  in  meiner  Copie  nicht  notirt 
habe ;  doch  schreibt  mir  Bulic,  der  auf  meine  Bitte  den  Stein  einer 
genauen  Nachvergleichung  unterzogen  hat,  dass  das  s  nicht  sicher 
ist.  —  Z.  13.  14  dürfte  VI  [kal{endas)]  Ma[i{as)]  zu  ergänzen  sein; 
es  ist  der  Geburtstag  des  Kaisers  Marcus. 

Zu  einer  befriedigenden  Ergänzung  der  Inschrift  bin  ich  nicht 
gelangt.    Ich  hatte  an  v[et{eramiii)\  ex  centurwne  Umite[m]  piih(Hcum) 

oh  [hon{oremy\  dec{xirionntns)    le()[i,f.{{ma)    de]  suo  m[lata] 

aperint  gedacht;  anders  urtheilt  über  die  Herstellung  von  Z.  5 — 8 
Mommscn ,  dem  ich  die  schwierige  Inschrift  zur  Prüfung  unter- 
breitet habe.  Derselbe  schreibt  mir  darüber  Folgendes:  'Die  Vor- 
frage für  die  Inschrift  selbst  ist,  ob  es  sich  um  eine  militärische 
oder  eine  bürgerliche  Anlage  handelt,  und,  was  damit  zusammen- 
hängt, ob  der  Bau  von  dem  Centurio  oder  dem  veteranus  ex  cen- 
turione  ausgeführt  ist.  Mir  scheint  limüem  puhlicum  aperuit  (vgl. 
Velleius  2,  121;  Rom.  Gesch.  V,  112),  wie  unzweifelhaft  verbunden 
werden  muss,  nur  in  der  ersten  Weise  genommen  werden  zu  können, 
die  Erwähnung  also  des  Baues  nicht  auf  diese  Dedication  bezüg- 
lich, sondern  commemorativ  zu  sein.  Ob  das  Datum  auf  das 
aperire  des  limes  oder  auf  das  Setzen  der  Ära  bezogen  wird,  ist 
natürlich  nicht  zu  entscheiden,  zumal  da  Z.  9  am  Ende  defect  ist. 
Rathen  könnte  man  etwa:  limite[m\  pub{Ucum)  prae[c(epto)  du\cii(m) 
oh  dec(essum)  Auf\idi]  GaU{i)   lea[ato]   suo   im[nnctiim]    aperuit.     Das 


praecepfum  ducum  wäre  die  allgemeine,  wohl  mit  dem  Markomanen- 
krieg zusammenhängende  Instruction  von  Seiten  des  Geueralstabs. 
Diese  betraf  auch  eine  Provinz ,  in  welcher  Aufidius  Gallus  Statt- 
halter war;  in  dessen  Abwesenheit  fiel  die  Ausführung  dem  Legaten 
derjenigen  Legion  zu,  in  welcher  Valens  diente,  und  so  kam  die 
Leitung  des  Wegebaues  an  ihn.  Möglicherweise  könnten  auch  die 
mittleren  Worte  in  Verwirrung  gerathen  sein  und  etwa  so  zurecht- 
zurücken: prae\c{epto)\  Auf[idi\  Gall{i)  c(larissimi)  v{iri)  leg[at{\  su[i\  ob 
dec{esstim)  (sibi)  mi(iinctum) :  dann  erhielte  man  das  einfachere  Ver- 
hältniss,  dass  der  Legat  die  Vollendung  des  von  ihm  begonnenen 
Baues  bei  seinem  Weggang  dem  Centurio  übertrug.  Ein  sicheres 
Ergebniss  ist  hier  nicht  zu  gewinnen.' 

Her{cidi)    Äug{usto)    [säc(ruin)^.    Vcd{erius)    Valens    v[et{eranus)] 

ex  centurione   limite[ni]   pid>{licum)   ajieruit   . .  .   im{pe- 

ratore)  Com{m)o[do  ü]  et  Mar[tio]  Vero  [ii]  co{n)s(idibus)  VI  [kal{endas)] 
Ma[i(as)]. 

6.  Ära,  h.  0-44,  br.  027,  d.  0*26;  gef.  in  Salona  auf  einer 
'Jankovaca'  genannten  Wiese  zusammen  mit  n.  10  und  n.  12,  für 
das  Museum  von  Spalato  erworben  (=  Bull.  Dalm.  1884  p,  133): 


lO  VI    AET  E  RNO 
FLAVIVS    APOL 
EIVERO  C  I  A  M  A 
RCELLA  ETFILIA 
EORVM  ET  AP 
VLEIA    MARCEL 
LA-     V  ■    L  •   S  - 


Z.  2.  3  wohl  eher  Apol{eius)  (statt  Apuleius)  des  Namens  der 
Tochter  wegen  zu  lesen,  als  ei  für  verhauen  statt  et  anzusehen. 
—  Z.  5  ist  ET  überschüssig,  vielleicht  sollte  es  Z.  3  vor  verocia 
stehen. 

7.  Fragment  eines  architravartigen  Steins  mit  guter  Schrift; 
gef.  im  J.  1883  in  Salona  nicht  weit  vom  Baptisterium,  jetzt  daselbst 
im  Hause  des  Johann  Dropulic. 


L  ARIBVS  i| 

F  AMI  1    1  A    P  V  Lj 
PVBL-  VAI.  ER"' 


Laribus....  familia  P{ubUi)  Ul[pü.,]  Publ{ilia)  Valenti[s\  oder 
Valtnti\ni\. 


8.  Marmortafel;    Salona,  im  Haus  von  Joseph  Bubic  hoch  in 
die  Mauer  über  dem  Fenster  eingelassen  (=  Bull.  Dalm.  1885  S.  38). 


D  ■ 

IN  V 

M  • 

L    - 

C  O  R  N     •     A 

P  A.A^s 

TVS 

•PRO-S-M-VIVl 

CRESTI?-  AMIC- 

KyR  ISS- 

5  E  X/  O  T  O      P- 

Z.  3:  p'o  s{alute), 

9.  Salona,  in  der  Treppe  des  Hauses  des  Georg  Katic;  die 
rechte  Seite  ganz  abgescheuert  (=  Bull.  Dalm.  1885  S.  38). 

D~h~ö~m  ithrae  invicto  ? 
CETERiSgwe  dis  dea- 

BVSQVe  immor- 

T  A  L I B  V  s  ////  aure-  ? 
5      x^yv^llflllllllll 

AMiLITm  /////// 

10.  Ära  von  Kalkstein,  h.  0-49,  br.  0-27,  d.  0-18;  gefunden 
in  Salona,  für  das  Museum  in  Spalato  erworben  (Bull.  Dalm.  1884 
S.  132). 

P  ETRE 
GENE 
T  R  I  CI 

Vgl.  Majonica:  Mithras  Felsengeburt  in  diesen  Mittheilungen 
H  S.  33  flf. 

11.  Architrav,  lang  1'36,  br.  0'37,  mit  schöner  Schrift.  Gef. 
im  August  1884  in  Salona  auf  einem  Grundstück  von  Girolamo 
Cambj  in  einer  Mauer,  jetzt  im  Museum  von  Spalato  (=  Btdl. 
Dalm.  1884  p.  118). 

SILVANO  ■  AVG  -    SACR  •   VOTO   ■   SVSCEPTO  •    PRO  -   SALVE 
liWP  •  CAESARIS  •  NERVAE  •  TRAIANI  •  OPTIMI  •  AVG  •  GER  -  DAC  •  N 
TROPHIMVS-    SER   •    AMANDIANVS    -      DISPENS 
A    SOL  O-FECIT-ET-A  QV  AM-INDVXIT-1.  -D-D-D 


10 

12.  Ära,  gef.  in  Salona  zusammen  mit  n.  10;  für  das  Mu- 
seum von  Spalato  erworben  (=  Ball.  Dalm.  1884  p.  133): 

S  OLl  •   DEO 
SEX   •   CORNEL 
A  N  T  I  O  C  H  Vs 
S  T   E   L  L  A  M  IUI 
5  ET      FRVCTI 

PER    •     EX  VIS   • 

LIB   •     POS  • 

Z.  4 — 6  stellain  (nach  m  ist  der  Stein  etwas  abgestossen,  doch 
fehlt  nichts)  et  fructifer{uni?)  ex  vis{n).  Die  Weihgeschenke  sind 
wahrscheinlich  aus  Silber  oder  Gold  zu  denken;  unter  fructifer{um) 
ist  wohl  ein  Fruchthalter  zu  verstehen. 

13.  Votivstein,  später  als  flacher  Deckel  eines  Sarkophags 
benutzt,  mit  guter,  nicht  später  Schrift  (;=  Bull.  Dalm.  1884  p.  146); 
gef.  im  J.   1884  bei  der  Basilica  von  Salona. 

P  •  CLOELIVS     MILES  ■  CHO  ■  CAMPANAE  •  CVSTOS  ■  TRAGVR! 
V      •        S      •        L     -  M 

Ueber  diese  Inschrift  schreibt  Mommsen  an  ßulic  {Bull.  Dalm. 
p.  146):  'suir  epiteto  cam'pana  o  cam'pestris  dato  a  certe  coorti 
(Ephem,  epigr.  V  p.  248)  iion  siamo  ßnora  bene  al  chiaro.  La  mia 
opinione  pero  e,  che  quenio  cognome  e  riserbato,  il  perche  non  sojyrei, 
alle  coorti  itei  vohintarn  cives  Romani  e  percio  questa  co/iors  cam- 
pana  la  credo  V  ottava  dei  voluntari,  stanziata  in  Dalmazia.  Ileus  tos 
Traguri  e  nuovo  nelle  lapidi  militari.  .. .  Deve  essere  il  soldato,  a 
cui  fu  afßdato  il  porfo  di  Trau  (cf.  Plinius  ad  Traian.  ep.  72; 
Ephem.  epigr.  IV  n.  70:  stationarius  Ephesi)! 

14.  Meilensäule ,  gef.  in  Biac,  jetzt  im  Museum  (Gymnasium) 
von  Spalato;  der  obere  Theil  stark  zerstört. 

IIIIIIIUI 

iH^lh^/l/l 

IR    ?OT  II  I  I  / 

P/OCOS    ET 
5  //VL  •  PHiLiPPVS 

NOB  •  CAES  •  COS  p     (]!,,.     9  47 

C  V  R  •  er   •  H  ER  EN 
NIANO  -VC-  LEG 

AVGG  •  PR   •  PR 


11 

[Imp.  Caes.  M.  Jid.  P]hi[li]pp[us  Aug.]  tr.  pot.  [cos.  p.  p,]  p[r]o- 
cos.  et  [M.  J]uL  Ph[i]lippus  'aoh{iUssimus)  Caes{ar)  co{n)s(ul),  cur{ante) 
Cliaudio)  Herenniano  v(iro)  c(larissimo)  leg{ato)  Augustortim  pr{o) 
pr{aetore). 

Die  Inschrift  fällt  in  das  Jahr  247,  in  dem  Philipp  der  Sohn 
Consul  wird  und  zwar  vor  Verleihung  des  Augustus  -Titels  (vgl. 
über  die  Zeit  dieser  Verleihung  Eckhel  d.  n.  VII  p.  336)  oder 
wenigstens  bevor  dieselbe  in  Dalmatien  bekannt  war.  Nach  den 
Kaumverhältnissen  scheint  die  Zahl  bei  der  tribunicia  potestas  und 
dem  Consulat  des  Vaters ,  wie  auch  in  anderen  Inschriften  gefehlt 
zu  haben*). 

15.  Sarkophag,  gef.  im  November  1883  ausserhalb  der  Basi- 
lica  von  Salona  {lAcino  Vabside  principale:  Bull.  Dalm.  1884  p.  145). 
Die  Schrift  dürfte  dem  4.  Jahrhundert  angehören. 

ANT  •  TAVRO  EX  D  V  A 
R  V  S  •  C  •  DVCENAR  I  O 
POST  FACTO  Q_V  I  V  I 
X  I  T       A  N   1       S     •     <  V  •  sie 

5  AEL    -    SATYR NI N A -C- F 

MARITO      BENIG    NIS 
S  I  M  O 

Z.  1.  2  sind  die  Buchstaben  d  v  a  und  r  v  s  durch  Spatien 
getrennt;  ob  dadurch  angedeutet  Averden  sollte,  dass  hier  Utterae 
singulares  zu  verstehen  seien,  ist  umso  zweifelhafter,  als  auch  in 
Z.  2  RIO,  Z.  3  a.  E.  vi,  Z.  4  s  von  ani  und  Z.  ß  nis  von  dem  vor- 
hergehenden Theile  des  Wortes  abgetrennt  ist.  Eine  sichere  Er- 
klärung dieser  Buchstaben  wird  schwerlich  gelingen;  mir  scheint 
die  Annahme  eines  Irrthums  des  Steinmetzen  am  wahrscheinlichsten. 
Nach  den  folgenden  Worten  ducenario  post  farfo  zu  schliessen,  muss 
ein  Amt  oder  ein  Titel  vorausgegangen  sein  ;  vielleicht  wird  man 
demnach  c{entenario)  zu  ergänzen  haben.  —  Z.  4  ist  <  =  l. 


*)  Im  BuUettino  Dalniato  1884  S.  167,  wo  die  Inschrift  nach  meiner  Copie 
veröffentliclit  ist,  ist  der  ]iier  gen.inntc  Claudivis  ITerenni.inus  durch  einen  Irrthum 
meinerseits  (in  Vervveclislung'  mit  der  von  mir  gleichzeitig  abgeschriebenen  Probus- 
Insclirift  —  s,  unten  S.  29)  mit  dem  als  Feldherr  des  Probus  genannten  {vüa  Frobi 
c.  22,  vgl.  vita  Claudi  c.  17)  Herennianns  identificirt,  was  selbstverständlich  nicht 
angeht. 


12 

A)it{onio)  Tauro  ex  du[cen\ar[ü]s  (?),  Jitcenario  fost  facto ,  qiu 
vixit  an{n)is  LV;  Aeliia)  Saturnina  c{larissima)  f{emina)  marito 
benignissimo. 

16.  Architravfragment ;  Spalato  im  Museum  (Gymnasium). 

,  .  .  .asfl   EPIADE  -DOMES    tico 

17.  Cippus,  gute  Schrift  des  ersten  Jahrhunderts;  gef.  in  Biac, 
jetzt  in  Salona  im  Museum  der  Eisenbahnstation. 

Kose  im  Giebel 
L  •  PESCENMv« 

L   -   F   -   FAL   ■   SATVR 
NIN  VS  -  VET  -  LEG 
VT-C-P-F-V-F-SIBI-ET 
5       MARIAE  •  SP  -F  -QVh 
T  A  E  •  CQi^ j  iugi  et 

IIa.  Cippus  mit  guter  Schrift  des  ersten  Jahrhunderts;  Salona 
im  Hause  Japirko-Grubic. 

O  H  ■  V  I  -  ^1 

s    -      P  V     I 

Z.  1  c]oh.  VI.  v[oli^untariorum) ,  während  sonst  die  VIII  voliin- 
tariorum  in  zahlreichen  Inschriften  dieser  Gegend  auftritt.  Die 
Lesung  ist  sicher. 

18.  Cippus  von  Stein,  h.  0*45,  br.  1"35,  im  Museum  von  Spa- 
lato, wohl  aus  Salona  stammend.  Die  Schrift  weist  auf  das  erste 
Jahrhundert  hin  ;  die  metrische  Inschrift  in  sehr  kleinen  und  ge- 
drängten Buchstaben,  theilweise  verwittert.  Zwischen  den  ein- 
zelnen Hexametern,  resp.  Pentametern,  ist  ein  kleines  Spatium 
freigelassen. 


13 


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^ 


14 

10.  Aschenurnc  von  Stein ;  Schrift  des  4.  oder  5.  Jahrhunderts. 
Gef.  im  J.  1884  in  Salona.  jetzt  im  Museum  (Gymnasium)  von 
Spalato  (=  Bull  Dalm.  1885  p.  20). 

TORENTIöSIG  •   Q_V  l 

VI  Xo  A  N  0  XXV  ö  P   11« 

CATVLVS-SPATA 

RIO     •     S  V  O 

5  P    O     S     I    T 

Z.  1  fraglich  ob  sig  oder  sie;  an  si(j{niferi)  ist  nicht  zu  denken. 
Mommsen  vermuthet  sig{no) :  'es  ist  wohl  zu  lesen  Torenti  sig{no)^ 
nach  Analogie  von  VIII,  9520:  signo  Thaumanii;  III,  2296:  signu 
Sim'plici;  III,  2706:  sig.  Equitii.  Da  in  der  letzten  Inschrift  das 
Signum  von  dem  eigentlichen  Namen  getrennt  ist  (ähnlich  auch  in 
der  griechischen  III,  1422),  so  ist  es  nicht  so  gar  auffallend,  dass 
es  einmal  allein  steht  mit  Weglassung  des  Namens.  Die  Endung 
auf  ius  passt  zum  Signum ;  auch  steht  dies  oft  so  im  Genitiv'.  — 
Z.  2  a.  E.  ijii;  zwischen  p  und  n  kleines  Spatium.  —  Ein  Catulus 
clarissimae  memoriae  vir  bei  Symmachus  epp.  X,  48  ed.  Seeck;  doch 
liegt  für  eine  Identification  kein  Anhalt  vor.  —  Zu  spatario  vgl. 
C.  I.  L.  VI  9043.  9898. 

20.  Marmortafel,  in  mehrere  Stücke  gebrochen;  Schrift  etwa 
dem  Ende  des  zweiten  oder  Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  an- 
gehörig. Gef.  1884  in  dem  Altar  der  Kapelle  San  Giorgio  im 
Castell  Sucurac:  jetzt  im  Museum  von  Spalato  (=  Bull.  Dalm.  1885 
p.  16). 

~^D~  M 

-P  •  AEL  •  R  A  STORIANo 

¥rQ_-V  •  B-ECy  R^jlyi^-O 

E  T      Q1q_   M  V  N  I  CI 

5  TVATIVMDIS/ 

VITAT   •    NARONj 

Q_MVNICIP  PAZINyl 

gJD^^  ly  1  c   J   ^    P  Y  M     A  J2, 

ET  -   AEL    jAE  •  PROCILI 

10  D  L  1    V  N  Cr  ■  .ANh\ 

A    I.    B   I    A       -       C    K    I    S   I- 

I    N   C   O  M    P    A     R    A 

IIAE   •  INFeI.  ICISSIM 

■  ET  -j         S  l  B  l 


15 

Z.  4.  5  der  Name  des  Municips  nicht  mit  Sicherheit  zu  er- 
gänzen; vielleicht  [Bu\tuaiium  (vgl.  C.  I.  L.  III  add.  p.  1026;  an 
Bistua  denkt  Bulic  a.  O.) ,  da  man  eine  dalmatinische  Stadt  er- 
wartet und  daher  an  Nantuates  nicht  zu  denken  ist.  Pazinum 
(Z.  7  a.  E.)  identificirt  Bulic  a.  0.  mit  Recht  mit  der  civitas  Pasini  bei 
Plinius  n.  h.  III,  §.  140,  die  nach  seiner  Ansicht  bei  dem  Orte  Stare 
Padzene  oder  Pagjine  zwischen  Kistanje  und  Knin  zu  suchen  sein 
dürfte.  Ueber  die  res  publica  Splonistarum,  vgl.  Mommsen  zu  C  I.  L. 
III  n.  2026  und  über  die  dispundores  Mommsen  ibid.  addend.  p.  1030 
zu  derselben  Inschrift. 

I)({s)  m(anibus)  F.  Ael{io)  Rantoriano  eq{uo)  'p{uhlico) ,  decu- 
r(ioni),  II  viro  et  q{uiii}q{uennali)  mimic(ipii)  [?  Bu\tuatium,  dis\'p{unc- 
tori)  ci^vitat{is)  Naron\ens{ium)\  q{uaestori)  municip{iorum)  Pazina^tiimi] 
Splonistarum  Ar[upin{orum)'^\  et  Ael[i]ae  Procili[anae?]  defunct{ae) 
aJiri[o7-{urn) . . .];  Alhia  Cris'p[ina'^  coni{ugi)]  incompara[b{ili)  et  fi]Uae 
irifelicissim[ae]   et  aihi. 

21.  Grosser  Cippus  mit  schöner  Schrift,  gef.  im  J.  1884  zu- 
sammen mit  der  folgenden  in  einer  Mauer  (nach  Bulic  vielleicht 
die  Stadtmauer)  auf  einem  Grundstück  der  Erben  von  Girolamo 
Cambj  in  Salona;  jetzt  im  Museum  von  Spalato  (=  Bull.  Dahn. 
1884  p.  116). 

P  •  BENNIO 

S  A  B  I  N  O 

im  VIR  •  I  VRE  •  Die 
AVGVRI  -  im  VIR  •  I  -  D 
5  QVINQVENNAL  -  FLAM 
AVGVSTALI  -  PRAEFECT 
COHORT-  n-  LVSITANOR 
EQVITATAE 

22.  Grosser  Cippus  mit  guter  Schrift,  gef.  1884  in  Salona  zu- 
sammen mit  der  vorhergehenden;  jetzt  im  Museum  von  Spalato 
(=  Bidl.  Dahn.  1884  S.  117). 

D   •    CAMPANlU 

L      F     TRO      VARO 

AEDILI   -   IUI   VIRO    ■   I   -    D 
im  •  VIRO      IVRE  -    DICVND 
5  Q_V  I  N  Q_V  E  N  N  A  L  I 

AVGVRI    •     Fl,  AMINI 
PRAEFECTO • FABRVM 

PVBLICE 


16 


23.  Stele,  schlechte  Schrift;  Vragnizza  im  Hause  des  Jacob 
Grgic;  für  das  Museum  von  Spalato  gekauft  {Bull.  Dalm.  1885 
p.  22). 


SIC 


D  M 

AELIAE    SOTERE    OP 
SETR.ICI    DEF   AN  MW 


Z.  2.  3  ops{t)etrici. 

24.  Salona,  in  der  Basilica  gefunden;  jetzt  in  der  Station  auf- 
bewahrt. 


/i  I  L  M!  A  N  V  S    •    ANN-     X 
PVG  ■  VII  -  DE    SVO  ■   SIBI  A 
C  V  I    D  O  L  E  T  \ 

P  O  S  V  I  T  \ 


Z.  2  img(narum)  VII.  Der  links  ausgehöhlte  Raum  war  für 
das  (nicht  ausgeführte)  Relief  des  Gladiators  bestimmt. 

25.  Marmorstempel  mit  guter  Schrift,  Inschriftfläche  br.  lOöCent., 
lang  22  Cent,  (das  ganze  Stück  nach  BuHc's  Angabe  27  Cent,  lang, 
21  Cent,  br.,  6  Cent,  dick),  gef.  Mai  1884  in  Salona  auf  dem  Grund- 
stück des  Giovanni  Mikelic;  jetzt  im  Museum  von  Spalato  (=  Bull. 
Dalm.  1884  S.  165). 


Buchstaben  umgekehrt 
I    M  I  S  C  E  N  1  V  S 

Gladiator  mit    |    a  m  P  L  i  A  T  V  S 
Palme      Holm,    Schild 


und  Dolch 


1-  A  C  I  T 
S  A  I.  O  M  A  S 


Gladiator  mit 

Helm,    Schild 

und  Dolch 


Piilme 


Wahrscheinlich  ist  Miscenius  Ampliatus  Lieferant  für  die  Gla- 
diatoren des  Amphitheaters  von  Salona  gewesen  und  der  Stempel 
vielleicht  für  Brode  bestimmt  (vgl.  die  Bemerkung  Mommsen's  im 
Bull.  Jkilvi.  a.  O.).  Mescenii  (hier  Miscenim)  sind  in  Salona  und 
Narona  inschriftlich  bezeugt.  Salonas  möchte  ich  für  das  Ethnicon 
von  Saloiiae  =  Salonifainus  halten;  die  Wortstellung  entspricht  den 
bekannten  Gefässen  mit  der  Aufschrift:  L.  Canoleios  L.  f.  fecH 
Cnlnws  (d  I.  L.  X  8054,  2.  3). 


17 

26.  Grabeiste,  schlechte  Schrift;  gef.  in  Salona  beim  Haus 
von  Giovanni  Michelic,  jetzt  im  Museum  von  Spalato  {=  Bali 
Dalm.  1885  p.  14). 

sie  G    CLO    POPIIIANVS    QJ 

CV   SOR  CONIVGI   DVLCIS 

SIME    Q_VE    VIXIT  CON    COIVG 

SVOANNOS    XII    DEFVNCT 
5  ANNORVM    XXII    B  E  I^E  AE 

RENT      POSVIT 

Z.  1.  2  G{aius)  Clo{dius)  Popi[l]ianus  qui  (nicht  Quirina) 
Cu{r)sor;  das  r  ist  nicht  eingehauen,  aber  ein  Spatium  zwischen 
V  und  s  gelassen. 

27.  Stele  mit  ziemlich  schlechter  Schrift;  gef.  September  1884 
in  Salona  beim  Amphitheater  in  einem  Grundstück  des  Giovanni 
Mandic,  angekauft  für  das  Museum  in  Spalato  (=  Bull.  Dalm.  1884 
p.  163). 

Delphin     Muschel     Uulphiu 

F  V  L  L "  N  .  ^ 

A    M    A    R    Y    L    iL 

D   I 
AEQVIVS  ■  HVNC  •  FVE 

5  RATT1TVLVM.-ME-PONERE 

MATRl-  QVEMMISERÄ.    MATER  ILLA  , 

MIHI      POSVIT  BIS  TERNOS  DENOS  COM 
PLEVI   MENSIBVS  ANNOS  PARCAE   CRV 
DELES    NIMIVM     PROPERASTIS    RVM 
10  PERE    -       FATA     •        MEA 

Fulloniae  Amaryllidi. 
aequius  hunc  fuerat  titulum  me  ponere  matri, 

quem  miserae  mater  illa  mihi  posuit. 
his  ternos  denoH  complevi  mensihus  annos, 

Parcae  crudeles  nimium  properastis  rumpere  fata  meci. 

Im  Pentameter  des  ersten  Distichons  ist  illa  für  den  wohl 
nicht  in  den  Vers  passenden  Namen  der  Mutter  gesetzt.  —  In  dem 
letzten  Pentameter  ist  nimium  properastis  überschüssig;  wahrschein- 
lich ist  diese  metrische  Grabschrift  aus  einem  etwas  längeren  Ori- 
ginal verkürzt. 

ArchäologiäCh-epit;rapbiBclie  Mitth.  IX.  2 


18 

28.  Sarkophag;  Salona,  gef.  1884  in  der  Basilica. 

DEPOSITIO    FL-    TALASSI    EX    COR 
NICVLARIO    DIE    X    KAL"     lANVAR- 
POSTCONSLVCIVC-  p.    Ch.    414 

Auffallend  ist  die  Datirung  durch  das  Postconsulat  an  Stelle 
der  im  J.  414  fungirenden  Consuln,  um  so  mehr  als  der  orientalische 
Consul  Lucius  in  occidentalen  Inschriften  sonst  kaum  erscheint 
(cf.  de  Rossi:  inscr.  Christ.  I  p.  599). 

29.  Platte  von  Kalkstein,  schlechte  Schrift  wohl  des  5.  Jahr- 
hunderts; gef.  im  J.  1884  in  Salona  beim  Hause  Gaspic,  jetzt  im 
Museum  von  Spalato  (=  Bull.  Bahn.  1884  S.  179,  vgl.  Mommsen 
ibid.  1885  S.  44). 

AVR   •    SECVNDVS 
QVI    CVN  P  A  R  ABID  ABA  V 
ALEXSIO  PISCINA  AT   D  VA 
CORVRA    DEPoNENDA    ME 
5  VM    ET    COIVGE     (W  E  A  M     RE 

NATA-     ET    NEFAs     QVADRARIT 
NOBIS    PARENTIB   •    VT   PVREREM'^ 
sie  F  I  LI  AA    NOSTRAA  ■   INACPISCI 

NA    SANE    COnVRABII    VT    SV j 
,      10 PRA  BIROINIAM  SV^N  V.l7 

Aur{elius)  Secundus  gui  cunparabid  (=  comparavit)  ah  Au{reUo) 
Alexsio  piscina{m)  at  dua  corpura  deponenda,  meum  et  coiuge{m) 
meam  Renata{m),  et  nefas  quadrarit  nohis  parentih{us)  ut  pureremu{s) 
(=  poneremus)  filiam  oiostram  in  {h)ac  piscina.  Sane  con{urahi[f] 
[coniuravit)  ut  supra  biroiniam  (wohl  sicher  verhauen  für  hirginiam 
=  virginiam ,  nämlich  uxorem)  sua(m)  nu[Uum  aliud  corpus  siiper- 
ponatur?]. 

30.  Vorderseite  eines  grossen  Sarkophags,  dient  jetzt  als  Bank 
vor  dem  Hause  von  Jacob  Benzon  in  Vragnizza  (auch  von  Benndorf 
bereits  im  J.   1878  copirt). 


19 

€N0AKATAKIT6  EVSa    KttTaKlTe 

lOYCTINOC    TPI  loUCTTlVO?    Tpl- 

BOYNOCBAAeN  ßoOvogBaXev- 

TINIAN-NCIOYW  TlVlttVriVaioUM 

5      NGOctUUTlCTOC  VeOCpiOTlCTTOg 

Vgl.  Notit.  Occ.  VII  47  und  61:  Valentinianenses  (intra  Illy- 
ricum  cum  viro  spectahili  comite  Illyrici).  —  Z.  5  veocpuJTKTTOS  =  ein 
neu  zum  Christenthum  Bekehrter,  vgl.  Stephanus  s.  v. 

31.  Steintafel  mit  schlechter  Schrift;  Spalato  im  Museum  (Gym- 
nasium). 

Im  Giebel: 
Blatt        Rose        Blatt 


Ke 

BACIAIAHC  KAAAiro 


BaaiXibns  kc  KaXXiTÖ- 


NHTLUrAYKYTATUJTeKN  VIITLU    T^UKUTOITUJ    TCKV" 

UJBACIAICCHZHCACA6NI  tu  BaffiXiacTri  l\\aa(5a  evi- 

AYTONKA  IM  H  N  ACQA  Y  «UTOV    KOI    fiftVag    ll    Xu- 

HHCACA  roNlcKAI   AA€A  TTKlCTaffa    TOVT?    Kttl    0.hi\- 

<t>\A  CTHCAM6N  CTH  A  H  qp^«'  cfTricTa^ev  (TTiiXn- 

NJWNHMHCxAPiN  V  fivrifir|S  xapiv 


x€Pe  nAPoAiT/a 


Xepe  7TapobiT[a] 


Z.  1  K6  (=  Ktti)  mit  kleinerer  Schrift   nachträglich   zugefügt. 

Z.    4    Q   =   VI. 

32.  Steincippus,  gute  Schrift;    Clissa,    im    Hause    des    Bozo 

Pleätina  in  die  Mauer  eingelassen  (=  Bull.  Dahi.  1885  p.  32). 


C  I  V  L  T  H  R  b  A  I  S    F 
DEC  •  ALA  •  HARTio 
AN  XXVI  DOM 
ROM-  H  -  S     E 
SiX- COELIVS 


Z.  2.  3  C.  Jul{i)  Tkrida\ti]s  (wohl  ts)  f{ilms)  dec{urio)  ala 
Phartho{rum).  Eine  ala  1  Aug{usta)  Parthor{um)  stand  im  Anfange 
des  3.  Jahrhunderts  in  Mauretania  Caesariensis  (C.  I.  L.  VIII  9827. 
9828);  Präfecten  der  ala  Parthorum  (ohne  Zusatz)  werden  erwähnt 
VIII  9371.  X  3847.  Zur  Zeit  der  Notitia  stand  die  ala  prima  Pa[r]- 
thorum  in  Resai[n]a   in    Mesopotamien:    Not.  Orient,  c.  XXXV,  30. 

2* 


20 

—  Auf  das  erste  Jahrhundert  weist  sowohl  die  Schrift  hin,  als  die 
Namen  C.  Julius;  ob  der  hier  genannte  C.  Julius  Thridates  mit 
dem  zu  den  Römern  im  J.  724  geflohenen  Partherkönige  Tiridates 
(Mommsen  r.  g.  d.  A.  '^  S.  136)  in  irgend  einem  verwandtschaftHchen 
Verhältniss  steht,  ist  zweifelhaft. 

33.  Meilensäule,  h.  1-33,  Umfang  107,  Durchm.  0-31;  gef. 
im  J.  1879  im  Dugopolje  (zwischen  Vojnic  und  Clissa)  im  Acker 
des  Dolac-Grubisa;  Hegt  noch  daselbst,  ist  aber  für  das  Museum 
von  Spalato  bestimmt  {^=  Bull.  Dalm.  1885  p.  32). 

DNFL  CONSTANTIO  NoB 
CAES  ■  FILIO  DN  CONSTANTINI 
MAXIMI    VICTORIS    AC    PER 
PETVI    SEMPER    AVG 

Die  Säule ,  auf  die  ich  von  Herrn  Conte  Paulovic  in  Sinj 
aufmerksam  gemacht  worden  bin,  befand  sich  offenbar  an  der  grossen 
Römerstrasse  von  Salonae  nach  Delminium,  die  über  Clissa  nach 
Gardun  führte.  Es  sollen  von  derselben  in  der  Nähe  von  Dugopolje 
noch  bedeutende  Ueberreste  zu  erkennen  sein. 

34.  Stobrec,  im  Fussboden  der  alten  Kirche  (=  Bull.  Dalm. 
1885  S.  42). 


Rose 

im  Giebel 

VIPSANAE 

L  V  P  A  E 

VI  VI VS- HYL A 

F-   B  ■   M  -   P  • 

35.  Ära  von  Kalkstein,  h.  063,  br.  025;  Insel  Brazza,  Vj 
Stunde  oberhalb  Splitska,  unter  der  Ortschaft  St.-Andrea,  an  dem 
Orte  'Plate' ;  nach  Spalato  in's  Museum  geschafft.  Der  erst  wenige 
Tage  vor  unserer  Ankunft  (September  1884)  gefundene  Stein  trägt 
folgende,  dem  Schriftcharakter  nach  wohl  der  zweiten  Hälfte  des 
3.,  möglicherweise  selbst  dem  Anfange  des  4.  Jahrhunderts  ange- 
hörige  Inschrift: 


21 


HERCVLI  N  G 
SAC  •  WLV^LE 
RIAN  V  S  M  I  L 
C  V  M     I  N  S  1  S  T 

5  EREMADCAP 

1  T  E  L  L  A  CO  LV 
MNARVM  AD  TE 
RMAS   LI  CINAN 
S    Q_A  S  E  I  V  N  E  S 

10  1  R  M  I    V  -  L    S 


Bei  dem  Fundorte  und  in  der  Nähe  sind  noch  deutliche  Spuren 
der  antiken  Steinbrüche  zu  erkennen.  Unfern  des  mitgetheilten 
Steines  lagen  Cippen  und  Aren  mit  Ornamenten  versehen,  aber 
ohne  Inschrift;  ferner  ein  abbozzirter  Kopf,  so  dass  hier  unzweifel- 
haft das  Atelier  eines  Steinmetzen  gewesen  sein  muss,  wie  ja  solche 
sich  in  der  Regel  bei  den  antiken  Brüchen  befanden  (vgl.  Benndorf 
bei  Büdinger:  Untersuchungen  z.  R.  Kaisergesch.  III  S.  342  A.  1). 
Der  Stein  von  Brazza  wird  noch  jetzt  vielfach  zu  Bauten  ver- 
wendet; aus  den  Gruben  bei  Splitska  soll  angeblich  das  Material 
für  den  Diocletianspalast  gewonnen  worden  sein  (vgl.  Fortis  viaggio 
in  Dalmatia  II  S.  185,  wogegen  Adam  ruins  of  the  palace  of  Dio- 
cletian  S.  20  u.  22  das  Material  als  aus  Trau  stammend  bezeichnet). 

Die  Inschrift  ist  gut  erhalten  und  die  Lesung  vollständig  sicher; 
fraglich  ist  nur,  ob  am  Ende  von  Z.  9  es  oder  fs  zu  lesen  ist.  Zweifelhaft 
bleibt  die  Erklärung  dieser  Zeile ;  vielleicht  kann  man  an  die  Auflösung 
s{ingularis)  Q.  Ase{Un)  Jun{ioris?)  /(actus)  denken,  wenn  auch  bei 
den  singulares  sonst  nie  der  Name  des  Statthalters,  sondern  nur 
der  Titel  (consularis)  hinzugefügt  wird.  Mommsen  schreibt  mir  dar- 
über: 'In  der  Brazza  -  Inschrift  möchte  ich  nicht  die  militärische 
Charge  am  Schluss  suchen,  die  doch  bei  miles  oder  statt  dessen 
stehen  müsste ,  sondern  die  Determinirung  des  Baus;  Sirmi  yer- 
langt  eine  nähere  Bestimmung  und  diese  kann  nur  hierin  stecken 
und  auch,  da  sonst  nur  reguläre  Abkürzungen  begegnen,  nicht  wohl 
durch  eine  Gruppe  von  unverständlichen  Initialen  angegeben  sein. 
Also  beispielsweise:  thermas  Licin[i]an[a]s  g{u)as  oder  vielmehr  q{'ii)a[e] 
fmn[t]    Sirmi.     Vielleicht  heissen    die    Thermen    vom    Kaiser;    vgl. 

Anonym.  Vales.   16:  Licinius   pervolavit  ad  Sirviitim;  snhlaia 

inde  xixore  ac  filio  et  thesauris  tetendit  ad  Daciarn.    Demnach  lautet 


22; 

die  Inschrift  folgendermassen :  Herculi  Aug{usto)  sac{rum).  Val{erius) 
Valerianus  mil{es)  cum  insisterem  ad  capitella  cohimnarum  ad  f.{h)er- 
mas  Licin{i)an{as)  s  q_a  s  e  ivn  f  Sirmi  v{otum)  l{ibens)  sohl). 

Die  Inschrift  bietet  eine  merkwürdige  Parallele  zu  der  von 
Wattenbach  ans  Licht  gezogenen  und  seitdem  von  verschiedenen 
Gelehrten  commentirten  passio  sanctorum  IV coronatorum,  die  bekannt- 
lich in  ihrem  ersten  Theil  in  den  Steinbrüchen  Pannoniens  und 
zwar  allem  Anschein  nach  in  den  Brüchen  der  Fruschka-Gora  bei 
Sirmium  (vgl.  Karajan  in  Wiener  Sitz. -Berichte  10,  1853,  S.  136) 
spielt.  Ausdrücklich  wird  in  dieser  passio  in  Uebereinstimmung  mit 
unserer  Inschrift  die  Bearbeitung  von  Säulenkapitellen  neben  anderen 
Aufträgen  den  Arbeitern  überwiesen,  vgl.  §.  1  (S.  325  der  Aus- 
gabe Wattenbach's  bei  Büdinger:  Untersuchungen  z.  röm.  Kaiser- 
geschichte Bd.  III) :  DiocUtianus  Augustus  . .  praecepit  ut  ex  metallo 
porphi/retico  columnas  vel  capitella  columnarum  ab  artißcibiis  in- 
ciderentur  und  ebenda:  desidero  per  peritiam  arlis  vestrae  columnas 
vel  capitella  columnarum  ex  monte  porphijrettco  incidi,  vgl.  §.  4 
p.  330:  volo  mihi  fieri  columnas  et  capita  foliata. 

Valerius  Valerianus  hat  ohne  Zweifel  nicht  zu  den  Arbeitern 
gehört,  sondern  zu  dem  Militär-Detachement,  das  sich  in  der  Regel 
bei  den  kaiserlichen  Bergwerken  zur  Beaufsichtigung  der  Arbeiter 
und  der  Arbeiten  (dazu  passt  das  hier  gebrauchte  insistere)  und 
Aufrechterhaltung  der  Sicherheit  befand  (vgl.  C.  I.  L.  XI,  1322  = 
Donati  176,  1;  Letronne  recueil  1  S.  167  ff.  und  S.  430  und  meine 
Verwaltungsgeschiehte  I  S.  80).  —  Sowie  in  der  passio  die  Auf- 
träge vielleicht  für  eine  grössere  Thermenanlage  (an  die  Diocletians- 
thermen  denkt  Benndorf  bei  Büdinger  a.  0.  S.  355;  in  dem  zweiten 
in  Rom  spielenden  Theile  der  passio  §.  9  werden  eigenthümlicher 
Weise  die  thermae  Traianae  genannt)  bestimmt  sind,  so  werden  in 
unserer  Inschrift  ausdrücklich  die  thermae  FJcinianae  genannt.  Man 
kann  zweifelhaft  sein,  ob  dieselben  (wie  Mommsen  annimmt)  in 
Sirmium  zu  suchen  seien,  so  dass  ad  local  zu  fassen  wäre.  Ich 
möchte  eher  die  in  Rom  befindhchen,  in  den  Mirabiha  als  thermae 
Licinii  oder  Licinianae  bezeichneten,  darunter  verstehen,  die  schwer- 
lich, wie  Donat  annahm  und  Jordan  (Topographie  II  S.  221  ff.,  518) 
unentschieden  lässt,  mit  den  thermae  Surae  identisch  sein  werden; 
vielmehr  durften  dieselben,  wozu  der  Schriftcharakter  unserer  In- 
schrift passen  würde,  von  dem  Kaiser  P.  Licinius  Valerianus  her- 
rühren und  vielleicht  eine  Erweiterung  der  Thermen  des  Decius 
gewesen  sein. 


23 

Wie  dem  auch  sei ,  die  Inschrift  bietet  jedesfalls  einen  Beleg 
für  die  Bearbeitung  der  Marmorbrüche  bei  Sirmium  noch  in  der 
Mitte  des  3.  oder  im  Anfang  des  4.  Jahrhunderts  und  eine  interes- 
sante Bestätigung  der  Glaubwürdigkeit  der  passio ,  deren  Verfasser 
nachzuweisen  de  Rossi  in  seiner  lehrreichen  Abhandlung:  i  santi 
quattro  coronati  {Bulletf.  cristiano  1879  S.  45  ff.)  gelungen  ist.  Un- 
erklärt ist  bis  jetzt  der  Name  derselben  geblieben ;  denn  dass  coro^ 
nati  hier  einfach  als  Märtyrer  zu  fassen  sei,  scheint  mir,  selbst  nach- 
dem sich  de  Rossi  dafür  ausgesprochen  hat*),  nicht  gerade  wahr- 
scheinlich, und  noch  weniger  wird  man  geneigt  sein,  wie  ein  anderer 
Gelehrter  thut,  mit  einer  späten  üeberlieferung  an  eine  'noch  über 
die  allgemeine  Krönung  mit  dem  Martyrium  hinausgehende  Aus- 
zeichnung' zu  denken.  Zunächst  ist  unzweifelhaft  und  jetzt  wohl 
auch  allgemein  anerkannt,  dass  dieser  Name  sich  nicht  auf  die  fünf 
pannonischen  Märtyrer  beziehen  kann,  sondern  nur  auf  die  in  dem 
zweiten,  eigentlich  nicht  zugehörigen  Theile  der  passio  genannten 
vier  ursprünglich  namenlosen  comicidarii.  Diese  cornicularii  werden 
nun,  so  viel  ich  sehe,  von  den  Gelehrten,  die  sich  mit  der  Erklärung 
der  passio  beschäftigt  haben,  immer  als  Soldaten  **)  gefasst  und  aller- 
dings führen  sie  diesen  Namen  auch  in  der  pass/o  selbst  (§.  9  p.  337): 
iussit  ut  omnes  militiae  venientes  ad  simulacrum  Asclepii  sacri- 
ficiis  seil  ad  turißcandum  compellerentthr ,  maxinie  autem  urhanae 
praefecturae  milites.  Aber  militärische  Beamte  im  eigentlichen 
Sinn  kommen  natürlich  dem  Stadtpräfecten  dieser  Epoche  nicht  zu; 
dagegen  werden  in  derselben  bekanntlich  die  Officialen  der  höheren 
Beamten  in  Rom  und  in  den  Provinzen,  entsprechend  ihren  militä- 
rischen Titeln,  technisch  als  milites  bezeichnet***).  Unter  diesen 
nimmt  der  comicularius^  wie  in  den  Officien  der  übrigen  Beamten, 
so  auch  in  dem  Bureau  des  Stadtpräfecten  (Notit.  Occ.  IV,  20)  die 
zw^eithöchste  Stelle  ein.  Freilich  liegt  ein  Irrthum  vor,  wenn  die 
passio  von  vier  comicidarii  spricht,  da  stets  nur  ein  solcher  in  jedem 
Bureau  sich  findet,  und  wir  werden  demnach  unter  den  vier  Märtyrern 
den  cornicularius  mit  drei  anderen  Officialen  zu  verstehen  haben,  die 
verkehrterweise  insgesammt   mit    dem  Titel   des  vornehmsten  unter 


*)   Bull.  CHst.  1879   p.  84:   l' appellazione  gtnerica   e   convenzionale   di   co- 
ronati allude  alla  corona  simboUca  del  martirio,  non  alla  Corona  militare  o  civica. 
**)  E.  Meyer   in  den  Forschungen  z.  D.  Gesch.  18  S.  577  ff.    übersetzt   nach 
dem  Vorgang  Karajan's  regelmässig  'Flügelmänner*. 

***)  Vgl.  Betbmann-Hüllweg:  Civilprocess  III  S.  135  und  die  dort  angeführten 
Stellen. 


24 

ihnen  bezeichnet  worden  sind.  Es  werden  nun  aber  in  einer  neuer- 
dings in  dem  alten  Thamugadi  in  Numidien  gefundenen  merk- 
würdigen Inschrift  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Julianus,  deren  Bedeutung 
Mommsen  durch  seinen  ausführlichen  Commentar  {Ephem.  epigr.  V 
S.  629  ff.)  dem  Verständnisse  erschlossen  hat,  die  zur  Salutation 
des  Statthalters  von  Numidien  Berechtigten  in  folgender  Ordnung 
aufgeführt : 

primo:   senatwes    et   comites  et  ex  comitihus  et  admin[isi\raiores ; 

secundo:  princeps,  cornic[ul\ar[ius^  Pa]latim; 

ter[t]io:  coronati ; 

?  qi(art]o:  promoti  officiales,    .  .  .tns  cum  ordi.  .  .ni; 

[?  quinto:  oßi]ciales  ex  ordine. 

Die  erste  Classe  können  wir  hier  bei  Seite  lassen ;  dann  folgen 
die  beiden  jyrimates  offlcii:  der  princeps  und  der  cornicularius  nebst 
den  Palatini,  d.  h.  den  Officialen  der  höchsten  Magistrate.  Zweifel- 
haft ist  die  Bedeutung  der  coronati^  die  ich  keineswegs,  wie  de  Rossi 
will,  mit  den  sacerdotes  provinciae  für  identisch  halten  kann.  Denn 
abgesehen  von  den  bereits  von  Mommsen  hervorgehobenen  Be- 
denken ist  es  deutlich,  dass  hier  in  der  2.  4.  und  5.  Categorie  nur 
die  Officialen  des  Statthalters  aufgeführt  werden   und   zwar  in  der 

2.  Categorie  die  höchsten,  in  der  4.  und  5.  die  niederen  Chargen. 
Demnach   liegt   die  Annahme   nahe,    dass    auch   unter   den    in    der 

3.  Categorie  Genannten  Officialen,  und  zwar  die  im  Range  dem  corni- 
cularius folgenden,  also  der  commentariensis,  adiutor  und  etwa  noch 
der  numerarius  zu  verstehen  seien,  während  unter  den  promoti  offi- 
ciales die  ab  actis  und  a  libellis^  unter  den  an  letzter  Stelle  er- 
wähnten officiales  die  exceptores  et  ceteri  cohortalini  einbegriffen  sein 
dürften.  Der  Titel  coronati  würde  demnach  die  höheren  Ofi"icialen, 
vielleicht  mit  Einbegriff  der  obersten  Chargen  bezeichnen,  da  in 
der  Lücke  nach  coronati  (Z.  10)  mögliclierweise  reliqui  gestanden 
haben  kann.  Diese  Bedeutung  scheint  mir  aber  auch  für  den  von 
Momm.sen  angeführten  Erlass  im  Codex  Theodosianus*)  wohl  zu 
passen ,  während  eine  Identification  mit  den  sacerdotes  provinciae 
mir  bcsondei'S  wenn  man  die  Eingabe  der  Bischöfe,  auf  welche 
dieser  Bescheid  erfolgt,   ins  Auge   fasst,    ausgeschlossen   erscheint. 


*)  Cod.  Tlicod.  XVI,  ü,  38 :  hoc  ipsis  (ecclesiis  et  clericis)  praecipuum  ac 
singulare  de/erivius,  ut,  quaecumque  de  nohis,  ad  ecclesiam  tantum  pertinentia,  spe- 
cialiter  fiterint  ivipelrata,  non  per  coronaioa,  aed  per  advocatos,  eoritm  arbitratu,  et 
wdicVniit  innoteacant  et  aortiantur  effectum. 


25 

Die  Bedeutung  des  den  Christen  verliehenen  Privilegs  besteht  eben 
darin,  dass  ihnen  eigene  Advocaten  zur  Vertretung  ihrer  Interessen 
vor  Gericht  zugestandeu  werden,  während  sie  früher  gezwungen 
waren,  ihre  Angelegenheiten  auf  dem  sicherlich  langwierigen  und 
kostspieligen  *)  Wege  durch  das  Officium  des  Statthalters  vor 
Gericht  zu  bringen. 

Sind  demnach  unter  den  coronatiy  vielleicht  eines  ihnen  ver- 
liehenen Abzeichens  wegen,  die  höheren  Officialen  zu  verstehen,  so 
erklärt  sich  die  Benennung  der  vier  namenlosen  corniculani  oder 
richtiger  Officialen  des  Stadtpräfecten  mit  dem  ihnen  zukommenden 
Amtstitel  als  quattuor  coronati  in  einfacher  und  befriedigender  Weise. 

36.  Gef.  in  Splitska  auf  Brazza,  jetzt  im  Museum  von  Spalato 
(nicht  ganz  genau  Bull.  Dalm.  VII  p.  72.  daraus  Frankfurter  Mit- 
theilungen VIII  p.  170  n.  268). 

^.^TcT-'^l  ^l  ^»te  augus- 
taj^   M  A  T  R  I    A  V  G  G  '  e<  caströrum 
jvivi  •    OPTIMO  •  MAX-  \\'\noni  reg.  viineruae? 
ffolL  V  T  1    MR  •    PATRI  Iniar.  uiclori? 
5  MIC  T  ORIAE-  AVGG-  FJortun.  red.  deuic- 

tislHOST-  V  O  T  O  S  O  \i..tdo  dedicauit 
?  VI.  avr.  'hermes-     GEN  "{i  iano  et  hasso 

C_o/8  ~""vJ^A-L_iJ^  !'•    ^'*'-    -^' 

.Am  Anfang  ist  etwa  dominis  nostris  M.  Aurelio  Antonino  et  P. 
Septimio  Get]ae  (das  ä.  am  Anfang  scheint  allerdings  nicht  eradirt) 
zu  ergänzen,  vgl.  die  gleichzeitige  und  ähnliche  Inschrift  C-  I.  L. 
III  n.  5935.  Das  zweite  g  in  avgg  (Z.  2  und  5)  ist  eradirt.  Am 
Schluss  hat  möglicherweise  cal{endis)  (statt  des  gewöhnlichen  kal.) 
Martiis  gestanden;  die  Inschrift  würde  dann  kurz  nach  dem  Tode  des 
Severus  bei  der  Rückkehr  der  Kaiser  aus  Britannien  gesetzt  sein. 
Die  Gottheiten  sind  wesentlich  dieselben ,  denen  die  Vota  der  Ar- 
valen  im  J.  101  bei  dem  Auszug  des  Traianus  in  den  dacischen 
Feldzug  und  im  J.  213  wegen  des  germanischen  Sieges  des  Cara- 
calla  gelten    (vgl.  Henzen  acta  p.   125).     Der  Dedicant    dürfte    ein 


*)  Ueber  die  Sportein  dieser  officiales  handelt  der  zweite  Theil  der  erwähnten 
Inschrift;  vgl.  Mommsen  a.  O.  S.  638  ff.  und  die  von  ihm  citirten  Erlässe  gegen 
die  von  den  Officialen  begangenen  Erpressungen.  Ueber  die  Rolle  der  Officialen 
bei  den  Processen  vgl.  Bethmann- Hollweg  III  S.  157  ff. 


ca 
eg.  xi. 


26 

kaiserlicher  Freigelassener  sein,  vielleicht  identisch  mit  dem  in  einer 
Salonitaner  Inschrift  (C.  I.  L.  III  2077)  genannten  M.  Aurel.  Augg. 
Hb.  Hermes  proc{nrator) . 

37.  Basi^  mit  guter  Schrift  des  ersten  Jahrhunderts,  gef.  im 
J.  1884  auf  Lesina  bei  Abtragung  eines  Privathauses,  jetzt  befindlich 
bei  Gregor  Bueic  (Copie  nach  einem  Abklatsch  bei  Hrn  Inspector 
Glavinic  in  Zara  und  einem  für  mich  in  Lesina  von  Hrn.  Dr. 
Schneider  angefertigten;  =  Bull.  Dalm.   1885  S.  42). 

L  ö  R  VSTIVS  ß  pIceVä 
TRö  mIl  •  VOVl/^ 
P  R  A  E  F  •   E  Q_-  F  E  Ci;; 

Z.  1  a.  E.  Pi;en[s\. 

38.  Cippus,  gef.  um  1880  bei  Viddo  in  dem  'Bare'  genannten 
Grundstück,  jetzt  Viddo  in  der  Mauer  des  Hauses  Ilic  (=  Bull. 
Dahn.  1884  p.   180). 

S  E  R  G  •  ITA  Ll( 
S  I  G  N  I  F  ER  -  L( 
ANNOR-  NATX5<' 
5  STIPENDIORVM  •  Xl 

39.  Steintafel  mit  guter  Schrift  des  ersten  Jahrhunderts;  gef. 
etwa  1860  in  Viddo,  seitdem  dort  im  Hause  von  Stephan  Suton 
eingemauert  (=   ßull.  Dalm.  1885  p.  24). 

Q_TVRELIOQ_L 

AC  V  To  •   liTTTl      VIR 
TVRELIAE-Qj   LHILARAE 
L-  TVRELIO-  Q^F-   FEROCI   NN  -    XXII 
5  «^PX     TVRELIO  •  Q_- F  -  VELOCI->:»h/^ 

Z.  5  a.  E.  fraglich  ob  d;  vielleicht  de[c{urioni)]. 

40.  Grabeiste  von  Stein ,  Schrift  des  2.  oder  3.  Jahrhunderts ; 
gef.  um  1880  bei  Viddo  in  dem  'Bare'  genannten  Grundstück,  von 
mir  gesehen  in  Viddo  im  Hause  des  Johann  Siljek;  jetzt  nach  Spa- 
lato  ins  Museum  geschafft  (=  Bull.  Dalm.  1884  p.  180). 

Q_    vetvrJio   SECVNDI 

NO    ■    DEcf   COL-NARQVIVI 
XIT-ANN-xVviU  •  LIVINIA  ■  FC 
R  T  V  N  A  T  am  A  R  I  T  O  •  I  N  C  O 
.')  NPARAB  I  L/ 1  -   I'OSVIT 


27 


41.  Bigeste  bei  Humac,  eingemauert  in  der  zweiten  (von 
Humac  aus)  Trebisat  -  Brücke  (nicht  genau  im  Bull.  Dalm.  1883 
p.  3,  daraus  Frankfurter  a.  O.  n.   18). 


VANAIVS-     VENKJ 


DOiWO*BODIO  ^H.  e  3   C  O  H 


ITT  ALP  •   AN  •  LIIIlis^  i 
H-  S-  E-  VALERl' an 
MAR  CELLA- 


P    XXV- 

V  ■  eT- 

p  > 


Z.  1  ist  der  keltische  Name  des  Vaters  Venic.  ..  nur  unvoll- 
ständig erhalten.  —  Z.  2  Bodion[t{tciis)]  bereits  von  Mommsen  Ephem. 
epigr.   V  p.  240  richtig  ergänzt.  —  [s  ist  sicher  =  q_,  also  eq(ues). 

42.  Zanjca,  gef.  1880,  liegt  am  Gestade  bei  der  Kirche  San 
Nicolö;  Copie  und  Abklatsch  des  Herrn  Dr.  Robert  Schneider, 
schlecht  publicirt  im  Slovinac  III  (1880)  p.  56,  daraus  Frankfurter 
Mittheilungen  VIII  S.250). 

L  A  E  L  I  O 

LvreLocom 
[modo  ■  I  m  p  - 

i'CAESARIsT-ÄL'/ 
5  ^^2-5. '  A  ^'  '/ 

L.  Aelio  Äurelio  Commodo  imp{eratoris)  Caesaris  T.  Aeli 
[Hd\driani  [Antonini  Aug.  p.  p.  f.  Die  Inschrift  ist  dem  L.  Verus 
bei  Lebzeiten  des  Pius  gesetzt. 

43.  Zwei  Cippen  in  der  Mauer  des  Gemeindehauses  von  Perasto : 


a)  MOYKIA    EPIK-H 

CI  C  nOTlOAANo/ 
lAin  ANAPI  KAI 
EAYTH<ATeCKeY 
V  C  6  MVN-IM  6  I  O  NE  / 
JeiTlCBAAeiAA 

o  cnMA  Ancei 

■IC  THN  nOAlN 


MouKia  'EiriKTri- 
(5\g  TToTioXav6[c; 
ibiuj  dvbpi  Ktti 
eauTV]  KaieaKeu- 
acTev  )uvri|ueTov  e[is 
0  ei  Ti«;  ßaXei  d\- 
\]o  (juJMCt  boüaei 
eig  Triv  TTÖXiv 
X     qp 


h)  A  I  K  I  N  N  I  O  I 

AN0IMAC  KAI 
AAEHANAPOC 


AlKlVVlOl 

"AvGiina?  KOI 
'AXeHavbpog 


28 

KA-ECKEYACANzriT<E  KttTeaKeuacTav  Hujvie 

5        EAYTOICKAirYNAlSI  5  ettUTOl«?    KOI    Y^VaiHl 

lAiAiCEPMiow- KAI  ibittig  'Epmövri  Kai 

EniKAPniA  'EmKapTTia 

Von  den  zahlreichen  Nachträgen  zu  den  bereits  im  C  I.  L. 
oder  in  der  Ephemeris  epigraphica  publicirten  Inschriften  mögen  hier 
nur  einige  wenige  eine  Stelle  finden: 

Perasto.  Die  Inschriften  C.  I  L.  III  1721.  1727—1732,  die 
Mommsen  aus  Copien  von  Zmajevich  (vgl.  add.  p.  1026  ff.)  und 
dem  Manuscript  des  Niseteo  kannte,  befinden  sich  noch  in  Perasto 
in  dem  jetzt  ganz  verfallenen  Hause  des  Bischofs  Zmajevich,  innen 
und  aussen  eingemauert.  Ich  bemerke  hier  nur,  dass  n.  1727  (Urne), 
wie  bereits  Mommsen  add,  p.  1028  gesehen  hat,  eine  ungeschickte 
Fälschung  ist  (vgl.  die  ähnliche  Fälschung  bei  Gelcich  memorie  di 
Cattaro  p.  27  aus  Ballovich  fasti  di  Perasto  =  Frankfurter  a.  O. 
S.  105  n,  5) ;  dieselbe  lautet  so : 


c 

MARCEL  A 

CAR 

1 

C  F  CENTIMALVSO 

Z.  1  a    E.  scheint  f  aus  r  gemacht. 

Von  demselben  Fälscher  rührt  n.  1731  (vgl.  add.  p,  1028) 
her;  ebenfalls  eine  Steinurne: 

SEXTVS 

BVB VLC VS 

A   N   L  V  1 

Z    3  ist  V  nur  ganz  leicht  eingeritzt. 

Viddo  (Narona).  Die  republikanische  Inschrift  n.  1820  (=  C. 
I.  L  I  n.  1471)  befindet  sich  noch  in  Viddo  im  Hause  des  Gregor 
Eres;  die  Lesung  ist  correct,  nur  ist  die  Disposition  der  Buchstaben 
etwas  verschieden  und  in  der  letzten  Zeile  nach  tvr  der  Stein  etwas 
beschädigt,  doch  scheint  ein  zweites  r  nicht  zu  Grunde  gegangen 
zu  sein. 

n.   1846  ist  Z.  6  ff.  zu  lesen: 


MACVLAM    NON    ABVI    Q_V 
VS      BENEFICIO      ME      EXPORTAVl 
l.ONA    ET  AB  OmNIBVS  MEIS   DV 


E  I 

SA 
N  C 


29 

=  maculam  non  {h)ahui,  queius  {■=  cuhis)  heneficio  me  expor- 
tavi  (wanderte  ich  aus?)  Salona  ei  ab  omnibus  meis  dune  (=  tunc) 
\jßotes\tatem  facere. .  . . 

Ljubuski.  n.  6364  (vgl.  Bull.  Dalm.  1883  p.  81,  daraus  Frank- 
furter a.  O.  S.  108): 

L-HERENNI 
VS  ■  L  •  F ■ PAP 
M  V  L  I  A  D  E 
VET  LEG-  Vi! 
5  AN   ■  LX  •    STI 

X  X  X  -    H  S  E 

Dass  Z.  3  MVLiADE  (iwvLiADES  Hest  fälschlich  Alacevic  Bull. 
Dalm.  a.  0.)  zu  lesen  sei,  habe  ich  bereits  früher  (bei  Kubitschek 
Tribus  Anm.  724)  vermuthet. 

Salona.  add.  p.  1030  ad  n.  1980  steht  Z.  4,  wie  Mommsen 
vermuthet  hatte,  n  •  piae  und  Z.  5  7  frv  auf  dem  Stein. 

n.  6374  ist  Z.  5,  wie  Bulic  gelesen  hatte:  coh- n  (nicht  i). 

Ephem.  epigr.  II  n.  525  ist  zu  lesen: 

imp.  caes.  m.  aur.  pro 

BO-  P-  F-  INVIC 
T  O  ■     A  V  G     P     M 

T  ■  p  ■  II  ■  COS  •  p-  p  p.  Ch.  277 

PROCOS 
5  AVR-MARCI 

A  N  V  S  •  VP  •  PR 
AES  •  PROV  •  DEL 
D    ■    N    •  M  5  E  bV  S 

n.  6375  ist  zu  lesen: 

uictor^\  A  E     F  R  A  N  C  I 

cae  d.  ?i  F  L  ■     coN  p.  Chr.  342 

stanth    VICTORIS 
ac  <?-t«7?iFATORlS  SEM 


per^ 


n.  3198«  am  Anfang: 

V 
(eSAR   •    dIvi-   AVGVSTl-    F 


30 

n.  3198  &  Z.  2: 


monTem  diTionvm 


SInj.     Die  in  Ephem.  epigr.  IV  n.  347   als  unleserlich  bezeich 
neten  Verse  sind  im  Bull.  Dalm.  1880  p.  163    (daraus  Frankfurter 
a.  0.  n.  189)    aus    dem   sehr   verwitterten  Stein    entziffert  worden ; 
doch  ist  Z.  3  für  das  sinnlose  ovamvis  ave  •  viator  zu  lesen :  qvamvis 

LASSE  VIATOR    Und    Z.    8    CANONIS    für    GANONIS. 

n.  2830:  In  der  wichtigen,  von  Mommsen  zuerst  entzifferten 
Inschrift  des  Julius  Severus  in  Kistagne  steht  Z.  1  sicher:  se////v  minicio 
nicht  vhicio,  wie  bereits  Mommsen  {auctar.  addit.  p.  1059)  nach 
einem  Abklatsch  bemerkt  hat.  —  Z.  5  a.  E.  ist  nach  geminae  noch 
Raum  für  zwei  Buchstaben  (p  •  f  oder  m  v?),  doch  lässt  sich  nicht 
sicher  sagen  ,  ob  der  Raum  beschrieben  war.  —  Z.  7  a.  E.  nicht 
p/eB,  sondern  pb;  Z.   16:    .  .  .  .  j/ctore caes. 

n.  6418  habe  ich  nach  einem  vorzüglichen,  von  Herrn  Dr. 
Monti  in  Knin  (der  mit  dem  von  Mommsen  als  Anonymus  Kninensis 
bezeichneten  übrigens  identisch  ist)  verglichen;  die  Lesung  ist  bis 
auf  einige  Kleinigkeiten  (über  die  Zeile  ragende  Buchstaben)  durch- 
aus richtig;  insbesondere  ist  unzweifelhaft  Z.  7.  8:  secvs  •  titvm- 
(nicht  TiTivM,  wie  die  besseren  Handschriften  des  Plinius  haben) 
flv|men  zu  lesen. 

n.  3117,  früher  im  Garten  öalzigna,  jetzt  in  einem  Fenster 
des  Hauses  Bolkovic  in  Arbe  eingemauert;  erhalten  ist  nur: 


iWlVRVM 

rf   E  D  I  T  • 


Demnach  ist  die  Zeilenabtheilung  Farlatis  falsch, 
n.  3121  befindet  sich  noch  in  Arbe  an  dem  angegebenen  Orte 
(bei  der  Kirche  St.  Giustina) ;  Z.  2.  3  ist  so  zu  lesen : 


M  -  avrelio  •  sexe 

RO    -   ALEXANDRO 


Die  eradirten  Buchstaben   sind    bis   auf  and  sicher  erkennbar. 
Wien  O.  HIRSCHFELD 


31 


IL  Ueber  die  bildlichen  Denkmäler  Dalmatiens 

Indem  ich  an  den  vorstehenden  Bericht  den  meinen  knüpfe, 
stellt  sich  mir  die  einander  so  unähnliclie  Lage  des  Epigraphikers 
und  des  in  Dalmatien  reisenden  Archäologen  deutlich  vor  Augen. 
Findet  der  erstere  zwar  aller  Orten  zu  berichtigen  ,  zu  ergänzen, 
zu  vermehren,  indess  auch  Anhalt  und  Geleite  in  der  grossen  Samm- 
lung der  Inschriften,  welche  ihm  sein  Gebiet  geordnet  und  gesichtet 
überschauen  lässt,  so  entbehrt  der  andere  jeder  umfassenderen  Vor- 
arbeit und  hat,  um  seinen  Bereich  zu  ermessen,  gleichsam  mit 
dem  Ausstecken  der  ersten  Pflöcke  zu  beginnen.  Seit  den  Tagen 
Jacques  Spon's  und  George  Wheler's  (1675)  betraten,  von  anti- 
quarischen Interessen  geführt,  wohl  manche  Reisende  die  Küsten 
des  merkwürdigen  Landes,  aber  die  ihrem  Verständnisse  näher 
liegenden  Inschriften  und  die  ungleich  bedeutenderen  Reste  der 
Architektur  haben  von  den  beinahe  niemals  den  provinziellen  und 
späten  Ursprung  verleugnenden  plastischen  Denkmälern  fast  völlig 
ihre  Aufmerksjamkeit  abgezogen.  Nur  dürftige  Ausbeute  gewähren 
hinsichtlich  dieser  die  zahlreichen  Reisebeschreibungen,  und  was 
dieselben  über  Alterthümer  zu  sagen  wissen,  ist  zudem  selten  so 
verständig  und  zuverlässig  wie  die  leider  nur  spärlich  verstreuten, 
sie  betreffenden  Angaben  in  dem  Buche  des  Abate  Fortis  (1774). 
Auch  das  bis  heute  noch  nicht  ersetzte  Werk  des  englischen  Archi- 
tekten Robert  Adam  über  den  diokletianischen  Palast  (1764)  gibt 
von  Skulpturen  nur  weniges  und  dieses  noch  weit  ungenauer,  als 
bei  alten  Kupferwerken  zu  erwarten  steht.  Cassas ,  welcher  seine 
Reise  1782  im  Auftrage  einer  Gesellschaft  von  Wiener  Kunstfreunden 
unternommen  hat,  entlehnt  meist  die  Abbildungen  Adam's,  setzt  sie 
nur  in  seine  Manier  um  und  ergänzt  sie  willkürlich.  Was  die 
Fremden  unterliessen,  haben  die  Einheimischen  nicht  nachgeholt. 
Sie  wandten  ihr  Augenmerk  bisher  fast  ausschliesslich  den  inschrift- 
lichen Denkmälern  zu  und  es  blieb  den  bildlichen  selbst  die  Beach- 
tung versagt,  welche  ihnen  als  Complement  zu  jenen  unzweifelhaft 
zukommt.  So  hat  die  von  Conze  herausgegebenen  Sarkophage ') 
ausgenommen,  kein  einziges  die  angemessene  wissenschaftliche 
Behandlung  erfahren. 


')  Römische  Bildwerke  einbeimischen  Fundorts  in  Oesterreich ,    I.  Heft  (aus 
den  Denkschriften  der  Akademie  der  Wissenschaften,  Band  XXII). 


h2 

Diese  Vernachlässigung  eines  nicht  unbeträchtlichen  Fund- 
gebietes hat  mich  bestimmt,  der  Aufforderung  meines  verehrten 
Reisegefährten  folgend,  Dalmatiens  Vorrath  an  Bildwerken,  soweit 
er  mir  bekannt  geworden  ist,  im  Nachfolgenden  zu  verzeichnen. 
Es  war  an  Ort  und  Stelle  nicht  meine  Absicht  gewesen,  die  vor 
den  Monumenten  niedergeschriebenen  Bemerkungen  unmittelbar  zu 
veröffentlichen.  Sie  werden  deshalb  nebst  allen  übrigen  Mängeln, 
wie  sie  gedrängte  Arbeit  mit  sich  bringt,  gewiss  viele  Lücken  auf- 
w'eisen.  Solche  einigermassen  zu  füllen,  will  ich  gelegentlich  auch 
das  von  anderen  gesehene,  was  mir  entgangen  ist,  erwähnen,  ohne 
es  jedoch  mit  dem  selbst  untersuchten  zu  vermengen,  und  hoffent- 
lich wird  dies  die  folgenden  Blätter  dem  zukünftigen  Reisenden 
um  so  nützlicher  machen.  Dagegen  liegt  es  mir  nicht  im  Sinn, 
den  ganzen  Bestand  des  Museums  von  Spalato  aufzunehmen,  da 
gerade  die  dort  aufbewahrten  Monumente  verhältnissmässig  die 
bekanntesten  sind  und  die  Herausgabe  eines  Katalogs  dieser  unter 
der  Obhut  Francesco  Bulic'  sich  beständig  vermehrenden  Sammlung 
von  einem  Mitgliede  des  archäologisch  -  epigraphischen  Seminars 
vorbereitet  wird.  Förderlich  war  es  mir,  die  Notizen  Conze's, 
dessen  1872  unternommene  Reise  den  antiquarischen  Studien  in 
Dalmatien  so  nachhaltende  Anregung  gegeben  hat ,  einsehen  zu 
können.  Hier  ist  oft  der  mit  wenigem  treffenden  Skizze  das  be- 
zeichnende Wort  gesellt.  Leider  beziehen  sie  sich  aber  nur  auf 
den  nördlichen  Theil  des  Landes  (Zara,  Kistanje,  Salona,  Spalato, 
Trau).  Wo  es  anging,  habe  ich  den  Beschreibungen  eigenhändige 
Umrisse  der  Denkmale  angefügt,  die  nicht  als  Publicationen,  nur 
als  Erläuterungen  gelten  wollen.  Für  einige  der  Abbildungen 
konnten  Photographien  benützt  werden. 


Dem  flüchtigen  Blicke  stellen  sich  die  dalmatinischen  Bild- 
werke als  zeitlich  geschlossene  Masse  dar ,  der  es  selbst  an  aus- 
gesprochener lokaler  Färbung  zu  gebrechen  scheint.  Vorwiegend 
dem  Boden  Salona's  entstammend,  tragen  sie  das  Gepräge  der  ge- 
alterten  Kunst  an  sich,  und  nur  einige  Werke  aus  Narona  und 
Aequum  weisen  in  die  erste  Kaiserzeit  zurück.  Unter  dieser  römi- 
schen Fundschichte  sind  allerdings  spärliche  Reste  griechischer 
KunstUbung  zu  entdecken.     Ausser  den  Inschriften  legen  vor  allem 


die  Münzen  der  griechischen  Colonien")  und  der  illyrischen  Könige^) 
für  die  Ausbreitung  und  den  Einfluss  hellenischer  Cultur  und  Sitte 
an  diesen  Küsten  in  vorrömischer  Zeit  Zeugniss  ab.  Aber  Issa  allein^ 
die  unter  dem  Schutze  Dionysios'  von  Syrakus  390  gegründete 
Ansiedlung  der  Parier,  kann  als  rein  griechisches  Gebiet  gelten. 
Nur  auf  dieser  Insel  sind  neben  den  unteritalischen  verwandten 
Terracotten^)  Vasen  apulischen  Stiles  in  grösserer  Menge  zum 
Vorschein    gekommen^),    und    eine    hier    gefundene    Grabstele    im 

^)  Simeone  Gliubicli,  Numogi-afia  Dalniata  1851  (aus  dem  11.  Bande  des 
Archivs  f.  Kunde  öst.  Gescliichtsquellen)  und  jüngst  —  leider  ohne  diese  Arbeit 
und  die  Sammlungen  im  Lande  selbst  zu  kennen  —  Imhoof-Blumer  in  der  Numis- 
matischen Zeitschrift  Bd.  XVI  (1884)  S.  246  —  261. 

')  Arth.  J.  Evans,  on  some  recent  discoveries  of  Illyrian  coins ,  Numisviatic 
Chronicle,  new  ser.  vol.  XX  p.  269— .302. 

■*)  Paciaudi,  monumenta  Peloponnesia  (1761)  vo!.  II  p  170.  6.  Collezione 
Nani  tav.  412.  Ohne  nähere  Angabe  des  Fundortes  sind  die  Terracotten  bei  Pa- 
ciaudi II,  169  f.,  202,  261,  269. 

^)  Der  auf  Lissa  gefundenen  griechischen  Thongefässe  gedenkt  schon  Fortis 
viaggio  in  Dalmazia  (Venedig  1774)  vol.  II  p.  167.  Sie  wurden  vorwiegend  in 
Gradina,  unfern  der  ßanda  piccola,  mit  Münzen  und  geschnittenen  Steinen  zu- 
sammen ausgegraben,  Gliubich  studi  arcJieologici  sulla  Dalmazia  (Archiv  f.  Kunde 
öst.  Geschichtsquellen,  Bd.  XXII  S.  270l.  Mehrere  sind  im  Besitze  der  Familie 
Doimi  in  Lissa  geblieben ,  andere  —  zwei  Oinochoen  und  zwei  Amphoren  —  sah 
ich  bei  Frau  Ipsic  in  Makarska  (erw.  in  den  Mitth.  d.  Centr.-Comm.  N.  F.  Bd.  IV.  S.  XCII, 
bull.  dalm.  I  p.  188).  Eine  Sammlung  von  sechzehn  Stücken,  sämmtlich  auf  Lissa 
gefunden,  schenkte  1846  der  Abate  Gliubich  dem  k.  Antikenkabinet.  Die  besseren 
darunter  zeigen  die  eleganten  Formen  der  apulischen  Vasen  (Formen  39  und  61 
in  Jahn's  Vasenkatalog),  sind  wie  diese  schwarz,  am  Bauche  geriefelt,  und  am 
Halse  und  zuweilen  an  einem  glatt  gelassenen ,  ringsum  laufenden  Streifen  in  der 
Mitte  mit  gelb,  rothbraun  oder  weiss  gemalten  vegetabilischen  Ornamenten,  an 
ersterer  Stelle  auch  mit  menschlichen  Figuren  oder  Vögeln  geziert,  doch  ist  ihr 
Fiiniss  matt  und  die  Töpferarbeit  wenig  exact.  Einige  Exemplare  derselben  Her- 
kunft besitzen  ferner  die  Sammlungen  in  Zara  (Neigebaur,  die  Süd-Slaven  S.  185) 
und  Agram,  sowie  die  Bibliothek  des  Conte  Faufogna  in  Trau.  Von  vier  Vasen 
des  Museo  Nani,  zwei  Krügen,  einem  Skyphos  und  einem  Aryballos  mit  rother 
Palmette  am  Bauche  {Collezione  di  tutte  le  antichifä  etc.  tav.  .S26)  und  zwei  Ge- 
fässdeckeln  mit  rothen  Frauenköpfen  aus  dem  Museo  Obizzi  auf  Schloss  Cataio, 
jetzt  in  der  modenesischen  Sammlung  in  Wien,  ist  nur  im  allgemeinen  die  dalma- 
tinische Provenienz  bezeugt.  Indess  dürften  im  übrigen  Lande  griechische  Gefässe 
bisher  selten  zum  Vorschein  gekommen  sein.  Ich  weiss  nur  von  einem  lampenför- 
migen  Askos,  oben  mit  einem  Satyrkopfe  in  Relief  geschmückt,  welcher  mit  noch 
zwei  Gefässen  zu  Carina  bei  Risano  gefunden  worden  ist  {Ärchaeologia  vol.  XLVIIl, 
pl.  II ,  pag.  44  f.).  Ausserdem  soll  auch  ein  im  naturhistorischen  Museum  zu 
Ragusa  aufbewahrter  Krug  (Form  CVI  des  Vasenkatalogs  vom  brit.  Mus.)  in  nach- 
geahmt korinthischem  Stile  mit  einem  Thierfries  (Vögel  und  Raubthiere),  0'22 
Archäologisch-epigraphische  Mitth.  IX.  q 


34 

Museum  zu  Spalato  darf  dem  Charakter  ihrer  Inschriften  zufolge 
vielleicht  noch  in  das  zweite  vorchristliche  Jahrhundert  gesetzt 
werden  ^'').  Dass  sich  das  griechische  Element  im  Lande  wenigstens 
sporadisch  hier  und  dort  auch  später  erhalten  hat,  beweist  mit 
anderen  inschriftlichen  Denkmälern  der  unten  zu  erwähnende  Grab- 
stein aus  Risano. 

Trotz  seiner  scheinbar  so  vollständigen  Romanisirung  lässt  sich 
ein  gewisser  Zusammenhang  Dalmatiens  mit  dem  östlichen  Cultur- 
gebiete  nicht  verkennen.  Ihn  verleugnet  selbst  der  Palast  des  Kaisers 
Diocletian  weder  in  seinen  constructiven  noch  decorativen  Formen. 
Ohne  Zweifel  ist  derselbe  die  Schöpfung  griechischer  Werkmeister, 
die  neben  der  oflFiciellen  Baukunst  des  römischen  Kaiserreiches  ihre 
Traditionen  zu  erhalten  und  auszubilden  wussten,  um  sie  im  ge- 
gebenen Augenblicke  an  die  Stelle  jener   zu  setzen*').     Was  dieser 


hoch,  aus  ßlatta  auf  Curzola  stammen;  doch  kann  ich  nicht  sagen,  ob  dieser  An- 
gabe unbedingt  zu  trauen  ist.  Auf  die  Einfuhr  griechischer  Töpferwaare  in  die 
illyrischen  Länder  weisen  Theöpompos  fr.  140  ed.  Müller  fragm.  hist.  gr.  vol.  I 
(Strabo  VII  p.  488  A.  B)  und  Pseudo  -  Aristoteles  Trepl  0au|Liaaiujv  dKOUöiuäTUiv 
cap.  104.  Wie  in  den  letzten  vorchristlichen  Jahrhunderten,  so  bezieht  noch  heut- 
zutage Dalmatien  sein  Töpfergeschirr  aus  Apulien,  Petter,  Dalmatien  Bd.  I  S.  136. 
—  Schon  der  römischen  Zeit  scheinen  die  beiden  grossen  Fischbehälter  anzuge- 
hören, welche  Vice-Admiral  Frh.  v.  Millosicz  im  Hafen  von  Lissa  auf  dem  Meeres- 
grunde entdeckt  und  der  kaiserlichen  Sammlung  zum  Geschenk  gemacht  hat;  sie 
messen  TöTö  im  Durchmesser  bei  1'340  Höhe  (Kenner,  Beiträge  zu  einer  Chronik 
der  arch.  Funde  IX  S.  218  im  Archiv  f.  Kunde  öst.  Geschichtsquellen  Bd.  XXXVIII). 
Fortis  spricht  viaggio  vol.  II  p.  123  u.  180  von  einer  grossen  Menge  römischer 
Gefässe,  welche  man  unter  dem  Meeresspiegel  bei  Cap  S.  Giorgio  auf  Lesina  sieht. 

'")  Dieselbe  ist  schon  1857  von  Gliubich  im  Btdl.  delV  Inst.  1857  p.  45  und 
später  in  den  Studi  archeologici  sulla  Dalmazia  (Archiv  für  Kunde  österr.  Geschichts- 
quellen Bd.  XXII)  Taf.  4  edirt  worden;  später  von  Glavinic  in  den  Mittheilungen 
der  Central-Commission  1875  pag.  I;  neuerdings  von  Bulid  im  Bullettino  di  arckeo- 
logia  e  storia  dalmata,  VIII  pag.  "29. 

*J  Hauser,  Spalato  und  die  römischen  Monumente  Dalmatiens  S,  40  f.  — 
Schon  Adam,  ruin»  of  the  palace  ofthe  emperor  Diocletian  p.  31  nennt  die  Kapitale 
raffled  more  in  the  grecian  than  the  roman  style,  und  meint,  that  Dioclesicm  brought 
his  artificers  from  Crreece  to  Spatatro,  with  an  intention  to  vary  the  execution  ofhis 
Orders  of  architecture  in  this  palace,  from  those  he  had  executed  at  his  baths  at 
Rovie ,  which  are  extremely  different  both  in  their  formation  and  execution.  lieber 
die  Construction  der  Kuj)pcl,  weiche  in  gleicher  Art  an  der  Grabeskirche  des  heil. 
Demetrios  zu  Saloniki  wiederkehrt,  siehe  Choisy,  Vart  de  bälir  chez  les  Byzantins 
p.  69;  vgl.  ferner  ibid.  p.  153:  comme  oimements,  le  palais  de  Salone  n'offre  guhre 
que  des  profds  en  biseau  recouverts  d'une  gravure  au  trdpan,  ou  bien  des  motdures 
inscrites  dans  un  6pannelage  rectangidaire  d'un  cachet  profonddvient  byzantin. 


35 

bedeutendste  Ueberrest  klassischer  Kunst  der  ganzen  Küste  entlang 
von  Pola  an  bis  zum  Peloponnese  so  nachdrücklich  bezeugt,  bestätigt 
ihrerseits  eine  Gruppe  unscheinbarer  Monumente,  die  sich  bestimmt 
von  der  Masse  der  übrigen  sondert,  mit  kaum  geringerem  Ge- 
wichte. Es  sind  den  zum  Theil  erhaltenen  Inschriften  nach  dem 
Silvanus  oder  ihm  und  den  Nymphen  gemeinsam  geweihte  Votiv- 
bilder,  welche  in  Relief  gehauen  auf  Aren  oder  Platten  aus  heimi- 
schem Kalkstein  diesen  Gott  entweder  allein  oder  mit  den  Nymphen 
im  Reigen  verbunden  darstellen.  Zwar  von  bäurischer  Arbeit  ent- 
behren diese  ländlichen  Gebilde,  so  dürftig  und  ungeschlacht  sie 
auch  sind,  doch  nicht  der  charakteristischen  Züge  und  muthen 
uns  gleichsam  mit  der  frischen  Unbefangenheit  eines  echten  Volks- 
liedes an.  Unter  dem  Namen  des  Silvanus  tritt  uns  aber  hier  nicht 
der  italische  Waldgott,  sondern  der  griechische  bockfüssige  Pan 
entgegen').  Gesellt  sich  auch  der  Hund  zu  dem  einen  wie  zu 
dem  andern  als  wachsamer  Begleiter,  so  trägt  statt  der  Falx  und 
des  Pinienzweiges  des  erstem  der  dalmatinische  Gott  Syrinx  und 
Pedum,  und  als  dem  Schützer  der  Heerden  steht  ihm  die  Ziege 
zur  Seite.  Das  Thierfell,  an  der  rechten  Schulter  geknüpft  und 
im  Schurze  mit  Früchten  beladen,  kommt  beiden  Gottheiten  zu 
und  nähert  sie  wieder  einander,  so  verschieden  sie  sonst  auch 
sind.  Die  Darstellungen  der  Nymphen  folgen  gleichfalls  griechi- 
schem Typus,  nur  erscheint  hier  als  ihr  Chorführer  niemals  wie 
auf  den  attischen  Reliefs  Hermes,  sondern  immer  nur  Pan**).  Sie 
selber  schreiten  im  Reigentanze  einher  oder  sie  stehen  ruhig  neben 
einander  mit  Schilfstengeln  in  den  Händen  oder  mit  verschränkten 
Armen;  einmal  halten  sie  nach  römischer  Weise  Muscheln  vor  dem 
Schoosse.  Macht  sich  vielleicht  auch  hierin,  und  wie  Pan  den  Frucht- 
schurz   von    dem  Silvanus  übernimmt,    der    rückwirkende  Einfluss 

')  Ueber  den  Unterschied  des  Silvanus  und  des  Pan  vgl.  Reifferscheid  in 
den  Ännali  delV  Instüuto  vol.  XXXVIII  (1866)  S.  214  f. 

')  Auf  Darstellungen  aus  andern  römischen  Provinzen  steht  der  echte  Sil- 
vanus an  der  Seite  der  Nymphen  (SilvanaeJ,  so  z.  B.  in  kurzgeschürztem  Chiton, 
mit  Chlamys  und  phrygischer  Mütze,  den  Fichtenzweig  in  der  Rechten  und  das 
Gartenmesser  in  der  Linken  auf  einer  Votivtafel  aus  Aquincum  im  Museum  zu 
Budapest  (Arch.-epigr.  Mitth.  aus  Oesterr.  Jahrg.  VII  S.  86  n.  2,  abgeb.  in  Archaeo- 
Ingiai  Ertesitö  1881  S.  170)  oder  nackt  mit  gesenktem  Stocke  (?)  auf  dem  sehr 
verstümmelten  Fragmente  aus  Scharfenegg  a.  d.  Leitha  in  der  Sammlung  des  unteren 
Belvedere  (Sacken  und  Kenner's  Katalog  S.  50  n.  243;  C.  I.  L.  III  4534  mit  der 
unrichtigen  Beschreibung:  Silvani  quattuor,  quorum  unus  nudus).  Vgl.  dagegen  den 
"\"otivaltar  aus  Aquincum,  Desjardins  monuments  epigr,  du  musee  national  hongrois 
pl.  XI  n.  76. 

3* 


36 

römischer  Vorstellungen  geltend,  und  gehören  die  noch  vorhandenen 
Reliefs  auch  einer  vorgerückten  Zeit  an ,  so  kann  es  doch  nicht 
zweifelhaft  sein,  dass  die  griechische  Kunstform  des  Pan  früher  als 
der  römische  Name  des  Silvanus  im  Lande  eingebürgert  war.  Pan 
ist  so  recht  der  Herr  dieser  felsigen  und  kahlen  Inseln  und  Gestade, 
der  weitausgedehnten  Bergweiden  Dalmatiens,  die  nur  Ziegen  karge 
Nahrung  gewähren.  Im  nahen  Apollouia  wurde  er  neben  den 
Nymphen  verehit  und  hatte  seinen  heiligen  Hain,  aus  dem,  wie  die 
Sage  ging,  die  Klänge  seines  Flötenspiels  bis  in  die  5000  Schritte 
entfernte  Stadt  drangen''').  Wie  diese  den  Nymphenreigen  bei  dem 
flammenden  Berge  auf  ihre  Münzen  gesetzt  hat^"),  so  wählten  für 
die  ihren  die  Pharier  und  Issaer  den  Ziegenbock  als  bezeichnendes 
Symbol  ihrer  neuen  Heimat.  Offenbar  haben  die  illyrischen  Stämme, 
welche  von  jeher  dem  Hirtenleben  überwiegend  anhingen,  von  den 
griechischen  Colonisten  den  bockfüssigen  Pan  als  das  passende  Bild 
ihrer  Gottheit  erhalten.  Diese  konnte  in  römischer  Zeit  ihren 
Namen  wechseln,  nicht  aber  die  überlieferte  Form.  Wie  kein 
andres. haftet  Paus  Götterbild  an  dem  dalmatinischen  Boden.  Länd- 
liche Einfalt  rettet  es  aus  den  heidnischen  Zeiten  in  die  christ- 
lichen hinüber.  Nicht  vereinzelt  scheinen  die  Beispiele,  dass  es 
versteckt  unter  dem  Namen  eines  Heiligen  als  Gegenstand  aber- 
gläubischer Verehrung  sich  noch  lange  erhalten  haf ),  und  an  dem 


")  Ampel ius  Über  memorialis  c.  VIII,  1 :  ab  ApoUonia  .  .  .  nilia  passus  quin- 
que  in  monte  Nymphaeo :  ibi  ignis  est  et  de  terra  exit  flamma.  In  ailva  Panis  syvi- 
phonia  in  oppidum  auditur.  cf.  Rohden  de  mundi  miraculis  quaestiones  selectae 
(Bonn   1875)  p.  15  sq. 

'")  Eckliel  doctrina  numorum  veterum  pars  I,  vol.  II  p.   153  sq. 

•')  Glavitiic  erzählt  Mitth.  d.  Central-Comm.  N.  F.  IV  (1878)  p.XCII,  Bull.  dalm. 
I  p.  190,  dass  in  Zaostrog  vor  Zelten  eine  Statue  des  Pan  gefunden  wurde,  die  ein 
Biscliot'  zertrümmern  liess,  weil  die  Dorfbewohner  in  ihr  den  heiligen  Johannes 
den  Täufer  verehrten.  Aehnliches  berichtet  Fortis  viaggio  vol.  II  p.  140:  Non 
molto  lontano  dalla  fönte  di  Drasnize  ävvi  tina  Cappella  dedicata  a  S.  Rocco,  dove 
per  lungo  lempo  fu  onorato  un  bassorilievo  antico,  che  poi  passb  a  Venezia  non  ä 
molti  anni.  Egli  rappresenta  un  Satiro  (d.  h.  ein  Pan)  mezzo  coperto  d'un 
mantello  di  2fßllß  di  capra,  col  suo  bastone  in  mano,  e' l  cane  dap- 
preaso;  qualche  parte  del  di  lui  corpo  h  da  Custode  d'  orti.  Una  infei'riata ,  che 
gli  era  stata  posta  dinanzi  difendealo  dalle  niani  troppo  profane,  ma  non  impediva 
che  le  buone  donne,  e  le  fanciidle  del  vicinato  vi  avessero  una  grän  divozione,  conie 
a  una  rajjpresenlazione  di  S.  Rocco.  Fu  questo  sconvenevole  oggetto  di  superstizione 
levato  di  notte  dalla  stia  nicchia:  il  popolo  di  Drasnize  ebbe  a  sollevarsi  quando  se 
n  avvide,  ed  appena  fn  temilo  in  dovere  dall'  aver  rilevato,  che  il  preteso  Santo  &)-a 
statu  asportato  per  comando  d'  una  rispettabile  Magistratura. 


37 

Portale  vom  Dome  in  Trau,  der  Inschrift  aus  dem  Jahre  1240 
nach  ein  Werk  des  Künstlers  Raduanus  '^) ,  begegnen  wir  nebst 
manchen  andern  Anklängen  der  Antike:  einem  Kentauren,  einer 
Nereide  auf  dem  Seestiere ,  auf  Gladiatorendarstellungen  zurück- 
gehenden Thierkämpfen  —  und  zwar  an  einem  der  beiden  Säul- 
chen, welche  aus  dem  Bihaczer  Schlosse  herrühren  sollen  — 
nochmals  der  Figur  des  ziegenfüssigen  Hirtengottes.  Er  ist  hier 
nicht  mehr  ithyphallisch  und  weder  von  Ziege  noch  Hund  begleitet; 
auch  hält  er  statt  Syrinx  und  Pedum  in  jeder  Hand  einen  grossen 
Blumenstrauss.  Zottig  am  ganzen  Leibe  und  mit  langen  Hörnern 
am  Kopfe  gleicht  er  indess  doch  im  übrigen  seinen  antiken  Vor- 
bildern und  bezeugt,  wie  zähe  die  Erinnerung  des  Volkes  dieselben 
festgehalten  hat  ^^). 

Ich  lasse  das  Verzeichniss  der  mir  bekannten  Pan-  und 
Nymphenbilder  dalmatinischer  Herkunft  folgen.  Manche  der- 
selben sind  weithin  —  bis  nach  Avignon  und  Berlin  —  verschleppt 
worden. 

Erste  Gruppe:  Pan  allein. 

Kleine  Ära  aus  Salona  im  Museum  zu  Spalato,  0'35  hoch, 
0*265  breit,  bekrönt  von  einem  Kreissegmente  und  rechts  und  links 


von  Voluten,  die  seitlich  als  walzenförmige,  in  der  Mitte  einge- 
schnürte Polster  sich  darstellen.  Auf  der  Vorderseite  die  Figur 
des   Pan,    deren    Oberfläche    sich    leider    derart    abgeblättert    hat. 


")  Eitelberger,  die  mittelalterlichen  Kunstdenkmale  Dalmatiens  im  IV.  Band 
seiner  kunsthistorischen  Schriften  S.  199  f. 

")  Ich  finde  dies  bereits  von  Conze,  Heroen-  und  Göttergestalten  der  grie- 
chischen Kunst,  S.  40  f.,  hervorgehoben,  während  Eitelberger  a.  a.  O.  S.  207  nur 
von  einer  ,.Art  Waldteufel,  behaart,  mit  Menschengesicht  und  zwei  Hörnern" 
spricht. 


38 


dass  kaum  mehr  als  die  Umrisse  übrig  geblieben  sind;  sie  zeigt 
den  Oberkörper  von  vorne,  die  Beine  aber  nach  1.  gestellt.  Das 
Pedum  hat  sich  in  der  Linken  des  Gottes  erhalten.  Er  blies 
die  Syrinx,  die  er  mit  der  Rechten  an  den  Mund  hielt,  wie  ich  einer 
Notiz  Conze's,  welcher  noch  1871  das  Relief  in  fast  unverletztem 
Zustande  gesehen  hat,  entnehme.  Auf  der  Nebenseite  rechts  (1*195 
breit)  eine  nach  1.  stehende  Ziege  (Kopf  abgestossen),  auf  der  links 
ein  nach  r.  gewandter  sitzender  Hund.     Die  Rückseite  ist  flach. 

Reliefplatte  im  Museum  zu  Spalato ,  0'42  hoch,  0'40  breit; 
die  Oberfläche  fast  völlig  abgeblättert.  Pan  en  face  schreitet 
nach  1.  und  hält  in  der  Linken    den   geschulterten   Hirtenstab,    in 


der  vorgestreckten  erhobenen  Rechten  die  Syrinx.  Die  Hörnchen 
sind  noch  erhalten,  während  die  grossen  Spitzohren  abgestossen 
sind.  Links  steht  eine  Ziege  nach  1.,  rechts  liegt  ein  Hund  mit 
nach  1.  zurückgewandtem  Kopfe.  Oben  rund  abgeschlossen.  Der 
Rand  war  mit  einem  gerade  aufsteigenden  Zweige  geziert.  Abgebildet 
in  Zaccaria  marmora  Salonitana  (Fai'lati  lUyrici  sacr'i  vol.  II)  p.  IX. 
Relief  auf  einem  unregelmässig  behauenen  Blocke,  0*33  hoch, 
0'54  breit,  0"17  dick,    gefunden  vor  etwa  zwölf  Jahren  im  Garten 


des  Dionisio  Staffileo  zu  Trau,  im  Besitze  des  Conte  Gian  Domenico 
Fanfogna  Garagnin,    welcher   es   in   der  Loggia  am  Platze  aufzu- 


39 

stellen  gedenkt.  In  der  Mitte  steht  Pan,  dessen  spitzig  zulaufende 
Ohren  wagrecht  abstehen.  Er  hält  das  Pedum  in  der  gesenkten 
Linken  und  mit  der  Rechten  die  Syrinx  an  die  Brust.  Rechts  sitzt 
ihm  zugekehrt  ein  Hund  mit  umgewandtem  Kopfe;  links  steht  ein 
Baum  (Eiche?),  dessen  Blätter  eine  Ziege  hinaufspringend  zu  er- 
haschen sucht. 

Reliefplatte,  einst  im  Arcivescovado  zu  Spalato,  jetzt  in  dem 
zum  Museum  gehörigen  Magazin  Kattalinic,  0-46  hoch,  032  breit ; 
oben  abgerundet.  Es  fehlt  der  ganzen  Höhe  nach  ein  Stück  links 
und  das  Eckstück  rechts;  die  Oberfläche  ist  verwittert.  In  voll- 
ständiger Erhaltung  gibt  es  Zaccaria  marmora  Salonitana  pag.  VIII 
n.   XI,  und    auch  Conze  sah   es  noch  1871  in  besserem  Zustande. 


Pan  mit  lang  zugespitzten  Ohren  und  Hörnern  im  aufstehenden 
Haare,  den  Kopf  dem  Beschauer  zuwendend,  schreitet  nach  r. 
und  legt  gleich  einem  Tragholze  das  mit  der  Linken  gefasste  Pe- 
dum auf  die  Schulter,  an  dessen  (jetzt  fehlenden)  gekrümmten 
Ende  ein  Korb  od.  dgl.  hing.  In  der  erhobenen  (ganz  abgestos- 
senen)  rechten  Hand  hielt  er  eine  (nicht  mehr  erkennbare)  Syrinx. 
Ihm  voran  gingen  eine  Ziege  und  ein  Hund;  erstere  wandte  den 
Kopf  zurück.  Nur  der  Hintertheil  des  Hundes  ist  erhalten.  Unter 
der  Ziege  stand  in  regelmässig  abgegrenztem  Felde  die  Inschrift 
(C.  I.   1970):  M.   Coelius  Senilis  et  Publicia  Ingenua  postierunt. 

Bruchstück  eines  Reliefs  im  Museum  zu  Spalato,  0-22  hoch, 
0-26  breit;  rechts  und  unten  gebrochen,  mehrfach  abgestossen.  Pan 
bis  etwa  zu  den  Lenden  erhalten,  schritt  nach  rechts,  erhebt  die 
Linke  mit  dem  Pedum  und  senkt  die  Rechte.  Sein  wie  gewöhn- 
lich spitz  zulaufender  Bart  ist  in  Spirallocken  künstlich  gedreht. 
Links  sieht  man  den  nach  r.  blickenden  Kopf  einer  Ziege  und  dar- 


40 


über  einen  Baum  mit  lanzettförmigen  Blättern.    Vielleicht  ist  dieses 
Fragment    identisch    mit   dem   nur    leicht    skizzirten    in    Zaccaria's 


monunienta  Salonitana  I  83  (über  dem  Grabsteine  C.  I.  2472   ange- 
bracht). 

Relief,  wohl  aus  Salona,  früher  im  Hause  des  Vincenzo  Solitro 
zu  Spalnto,  jetzt  im  Museum  zu  Agram,  0'385  hoch,  018  breit 
(soweit  erhalten).  Rechts  fehlt  ein  Stück,  das  Mommsen  (C.  I.  L. 
1960)  im  Museum  von  Spalato  gesehen  hat,  von  mir  aber  dort  ver- 


iSiL  Avq, 

CPOPlLLIVSy) 


geblich  gesucht  worden  ist.  Im  eingerahmten  Felde  schreitet  Pan, 
das  linke  Bein  vorsetzend,  den  Oberkörper  dem  Beschauer  zuwen- 
dend nach  1.  Er  hielt  in  der  fehlenden  gesenkten  Linken  das  Pedum 
und  hebt  mit  der  Rechten  eine  Traube  in  die  Höhe;  ein  aufsprin- 
gender Ziegenbock  sucht  letztere  zu  erreichen.  Ueber  dem  rechten 
Arm  hängt  im  Felde  die  Syrinx.  Die  auf  dem  Agramer  Fragmente 
nur  zum  Theil  erhaltene  Inschrift  lautete  vollständig: 

SIL-  A  V  G      SAG 

C  ■  P  O  P  I  L  L  I  V  S    ('  X  1'  E  D  1  T  V  S 
t  X  V  I  S     V 


41 


Relief  im  Museum  zu  Spalato ,  0  44  hoch,  0*34  breit,  links 
unten  beschädigt;  mit  einem  breiten  glatten  Rande.  Pan  ithyphal- 
lisch,  von  dicken  Körperformen,  mit  ziemlich  grossen  Hörnern  und 
rund  zugeschnittenem  Barte  steht  in  Vorderansicht,  trägt  über  dem 
linken  Vorderarm,  dessen  Hand  abgebrochen  ist,  ein  Pardelfell  und 


in  der  gesenkten  Rechten  eine  Traube.  Links  am  Fusse  eines 
Baumes  mit  kolbenförmigen  Blättern  sitzt  eine  Ziege  (Vordertheil 
abgestossen),  rechts  steht  ein  kleiner  Hund.  Beide  Thiere  sind 
nach  aussen  gewandt;  der  Hund  blickt  zurück.  Die  Ziege  trägt 
um  den  Leib  eine  Binde  gleich  den  Opferthieren ,  der  Hund  ein 
Halsband.  Rechts  oben  ist  mittelst  einer  Schnur  die  Hirtenflöte  an 
einem  Nagel  aufgehängt. 

Relief   aus   Salona ,    im  Museum  zu  Agram,    0'50  hoch,  0*22 
breit,  die  Ecken  links  abgebrochen.    Pan  ithyphallisch,  mit  grossen 


Bockshörnern  über  der  Stirne  steht  eu  face  und  hält  in  der  gesenkten 
Rechten  das  Pedum.  Seine  Nebris  ist  an  der  rechten  Schulter 
geknüpft  und  birgt  Früchte  in  dem  den  linken  Arm  versteckenden 


42 

Schurze.  Rechts  ein  Baum  mit  gebogenem  Stamme  und  vor  dem- 
selben ein  nach  r.  aufspringendes  Böcklein  mit  zurückgewandtem 
Kopfe;  links  ein  auf  Pan  blickender  Hund. 

Nach  Steinbüchel  Dalmatien  S.  12  (im  Anzeigeblatt  der  Wiener 
Jahrbücher  der  Literatur  Band  XII,  1820)  ist  „in  dem  hohen  steilen 
Gebirge  hinter  Salona,  und  dann  bei  Klissa  an  einem  Felsabhange 
(wo  sich  der  kleine  Bach  herabstürzt)  zweimal  der  stehende  Silvan 
mit  Bockfüssen  und  mit  dem  begleitenden  Hunde"  in  den  Felsen 
eingehauen.  Ein  Relief  aus  Bucovich  (bei  Asseria),  0*28  hoch,  0'25 
breit,  „rappresentante  il  dio  Silvano  coi  suoi  relativi  emblemi'"'  und 
der  Inschrift  (CLL.  2848): 

T    CAPER 
S  I  AVA 
S      L      M 

erwähnt  Gliubich  studi  archeologici  sulla  Dalmazia  (Archiv  für  Kunde 
öst.  Geschichtsquellen  vol.  XXII)  p.  257  '% 

Zweite  Gruppe:  Pan  und  die  Nymphen. 

Relief  aus  Salona,  erst  in  der  Casa  Geremia  zu  Spalato,  wurde 
1761  als  Geschenk  des  Rectors  des  erzbischöflichen  Seminars  da- 
selbst, demente  Grubissich,  in  das  Museo  Nani  nach  Venedig  ge- 
bracht, jetzt  im  Mus^e  Calvet  zu  Avignon.  Abgebildet  in  Adam 
ruins  of  the  palace  of  Diocletian  pl.  LIV  (danach  in  Cassas  voyage  de 
l'Istrie  et  de  la  J)almai'ie  pl.  60),  G.  F.Zanetti  osservazioni  sopra  un  antico 
bassorilievo  votivo  del  Museo  Nani  in  Vinegia,  Calogerä  nuova  raccolta 
d'opuscoli  scientißci  e  filologici  to.  IX  (1762)  p.  299  —  321,  Collezione 
dl  tutte  le  antichitä  del  Museo  Nani  39.  Vgl.  Stark  Städteleben,  Kunst 
und  Alterthum  in  Frankreich  S.  581,  Bursian  im  archäologischen 
Anzeiger  1853  p.  396.  —  In  eingerahmtem  Felde  stehen  links 
neben  einander  die  drei  Nymphen  in  gegürtetem  Chiton  und  im 
Himation,  das  um  die  Beine  und  über  die  linke  Schulter  geschlagen 
ist.  Jede  fasst  mit  der  gesenkten  Linken  das  Gewand  und  hält  in 
der  erhobenen  Rechten  einen  Schilfstengel.  Rechts  steht  Pan  mit 
einer  an  der  rechten  Schulter  geknüpften,  im  Bausche  mit  Früchten 

'*)  Ein  Votiv  an  Pan,  den  die  begleitende  Inschrift  abermals  Silvanus  nennt, 
aus  Prjepolje  (Saiid-schak  Novibazar)  lerne  ich  aus  dem  noch  nicht  gedruckten, 
sehr  gewissenhaften  Berichte  des  k.  k.  Hauptmannes  vom  Geniestabe,  Herrn  Rudolf 
Rukavina,  über  seine  Ausgrabungen  im  Limgebiete  kennen.  Es  dürfte  sich  über- 
haupt verlohnen,  den  Spuren  des  Pancultes  auf  der  Balkanhalbinsel  und  in  den 
UHteren  Donauländern  nachzugehen. 


43 

gefüllten  Chlamys  und  dem  Pedum  in  der  Linken.  Mit  der  Rechten 
fasst  er  einen  springenden  Ziegenbock  an  den  Hörnern.  Unter  dem- 
selben liegt  ein  Hund.  Auf  dem  Rahmen  oben  und  innerhalb  des 
Bildfeldes  zwischen  der  äussersten  Nymphe  rechts  und  Pan  steht 
die  Inschrift  (C.  I.  L.  1974,  Eph.  epigr.  IV  255): 

PRO    SALVTE-D-N- 


GA      I 
PO  •  S 

Pro  Salute  d(ominl)  n{ostri)    Gai  pos(m't). 

Relief  aus  Narona,  ehemals  im  Museo  Nani  zu  Venedig,  jetzt 
im  Musee  Calvet  zu  Avignon.  Abgebildet  in  Passeri  osservazioni 
sopra  Vavorio  fossile  e  sopra  alcuni  monumenti  greci  e  latini  etc. 
(Venedig  1759),  pag.  XXXVIII  sq.,  wo  mit  Unrecht  behauptet  wird, 
das  Relief  sei  links  gebrochen  und  es  wäre  dort  ein  zweiter  Pan 
gestanden,  ferner  Paciaudi  nionumenta  Peloponnesia  1  pag.  230 
=  Collezione  Nani  24.  Miliin  galerie  mythol.  pl.  LVI,  328.  Vgl. 
Stark  und  Bursian  a.  a.  0.  —  Links  stehen  der  Reihe  nach  die  drei 
Nymphen  in  gegürtetem  Chiton  mit  Ueberschlag.  Die  rohe  Arbeit  lässt 
.  die  Hände  der  mittleren  nicht  erkennen  (nach  Bursian  liegen  sie 
auf  den  Schultern  der  beiden  anderen) ;  die  zur  Rechten  und  zur 
Linken  hält  in  jeder  Hand  einen  langen  Schilfstengel.  Rechts 
schreitet  Pan,  dem  Beschauer  das  Antlitz  zuwendend,  nach  r. ; 
in  der  Rechten  hält  er  eine  Traube,  in  der  Linken  das  geschulterte 
Pedum,  an  dessen  Ende  ein  Kymbalon  hängt.  Zwischen  seinen 
Füssen  liegt  ein  zusammengekauerter  Hund.  Unter  den  Nymphen 
steht  die  Inschrift  (C  I.  L.  1795,  Eph.  epigr.  IV  231): 

nINFIS-AVGSI-MP 

essed  arw  s  (wie  Hirschfeld  vermuthet) 

Relief,  wohl  aus  Salona,  früher  in  einem  Hause  zu  Vranitza 
eingemauert  und  davon  noch  jetzt  mit  einer  dicken  Mörtelschichte 
bedeckt,  seit  kurzem  im  Museum  zu  Spalato  (D6p6t  im  Gymnasium), 
links  gebrochen,  0'43  hoch,  0'51  lang.  Auf  der  Rückseite  sieht  man 
noch  einen  Wulst,  etwa  den  Torus  einer  Säule,  was  auf  eine  frühere 
Verwendung  des  Steins  an  einem  Gebäude  hinweist.  Das  Relief  in 
profilirtem  Rahmen.  Links  drei  mit  gegürtetem  Aermelchiton  be- 
kleidete Nymphen  im  Reigenschritte  sich  an  den  Händen  fassend. 
Die  zwei  äusseren  halten  in  ihrer  freien  Hand  einen  Stengel.  Rechts 
ist  ein  Bocksbein  des  Pan  und  sein  rechter  Vorderarm,  dessen  Hand 


44 


eine  Traube  emporhält,  noch  erhalten.  Letztere  zu  erhaschen,  springt 
ein  Böcklein  (es  fehlt  der  Kopf  desselben)  in  die  Höhe. 

Relief  aus  Gardun,  seit  1862  im  Museum  zu  Bei'lin  (Bötticher's 
Nachtrag  zu  Gerhards  Kataloge  S.  27  n.  1002) ,  0-24  hoch ,  0-25 
breit  (soweit  erhalten) ;  rechts  gebrochen.  Links  steht  Pan  fast 
en  face  (nur  wenig  nach  rechts  gewendet),  mit  herabhängendem  (?) 
Gliede ;  er  nähert  die  mit  der  Rechten  gehaltene  Syrinx  dem  Munde 
und  stützt  mit  der  Linken  einen  Knüttel  auf  den  Boden.  Rechts 
die  Nymphen ,  von  welchen  die  äusserste  rechts  weggebrochen  ist. 
Die  beiden  andern  sind  in  gegürtetem  Chiton  (den  auch  wohl  die . 
fehlende  trug)  und  reichen  sich  die  Hände.  Die  zur  Linken  erhebt 
die  freie  Rechte,  als  ob  sie  einen  Stengel  hielte,  der  möglicherweise 
gemalt  war.  [Ich  verdanke  die  Bestätigung  meiner  dieses  Stück  be- 
treffenden Notizen  aus  dem  Jahre  1880  der  bewährten  Güte  Dr. 
Puchstein's]. 

Vier  Fragmente  eines  Reliefs  im  Besitze  des  Conte  Alberto 
Paulovic  zu  Sin].  Das  Bullettmo  di  arch.  e  storia  dalm.  VIH  p.  26 
n.  79  gibt  an,  dieselben  wären  1884  in  Bajagic  (am  hnken  Ufer  der 
Cettina,  Citluk  gegenüber)  zum  Vorschein  gekommen,  während  sie 
nach  der  bestimmten  Aussage  des  Besitzers  in  Bernace  (1  Kilometer 
von  Sinj  an  der  Strasse  nach  Spalato  und  Trilj),  wo  eine  warme 
Quelle  zu  Tage  tritt,  gefunden  worden  sind.  Die  grössere  rechte 
Hälfte  des  Reliefs  wird  aus  drei  aneinanderpasseuden ,  zusammen 
0".']2  hohen  und  0'30  breiten  Bruchstücken  gebildet.  Pan  steht  rechts 
mit  dem  geschulterten  Pedum  in  der  Rechten ,  der  Syrinx  in  der 
vorgestreckten  Linken.  Er  ist  mit  besonders  grossen,  in  horizon- 
taler Richtung  gewundenen  Hörnern  ausgestattet;  sein  Bart  ist 
nicht  erkennbar.  Zu  seinen  Füssen  sitzt  rechts  zu  ihm  aufblickend 
ein  Hund  (mit  heraushängender  Zunge?);  links  steht  eine  Ziege 
nach  1.  mit  zurückgewandtem  Kopfe.    Auf  diesen  Bruchstücken  ist 


45 

ferner  fast  vollständig  die  rechts  stehende  der  drei  Nymphen 
erhalten,  während  das  vierte,  ungefähr  0*183  hohe  und  0"16  breite, 
mit  den  andern  nicht  zusammenhängende  Fragment  den  Obertheil 
der  letzten  Nymphe  links  zeigt.  Beide  sind  mit  dem  Chiton  und, 
wie  es  scheint,  auch  mit  einem  rückwärts  herabfallenden  Mantel 
bekleidet  und  halten  in  einer  Hand  —  die  eine  in  der  Linken,  die 
andre  in  der  Rechten  —  einen  Blätterbüschel  empor.  Von  der  mitt- 
leren Nymphe,  welche  ohne  Zweifel  dem  gewöhnlichen  Schema 
zu  Folge  den  andern  die  Hände  reichte,  ist  nichts  vorhanden.  Das 
Gefälte  der  Kleider  ist  in  rohester  Weise  durch  horizontale  und 
vertikale  Furchen  angedeutet.  Auf  der  oberen  und  unteren  Rahmen- 
leiste steht  die  Inschrift  (nach  Hirschfeld's  Lesung)  : 

nymphi |s  •  ET   SILVANO 
,'  A    ^E  QS  ■  V-  L-P- 

Der  fünfte  Buchstabe  in  der  zweiten  Zeile  eher  o  als  c. 

Relief,  eingemauert  im  Hause  des  Francesco  Tomasich  (Caf6 
Aurora)  in  Capo  d'  Istria,  0"35  hoch,  0"36  lang.  Indem  ich  es  hier 
aufnehme,  überschreite  ich  zwar  die  mir  gesteckten  Grenzen,  doch 
fügt  sich  das  Stück  völlig  in  die  Reihe  der  angeführten  und  es  ist 
nicht  undenkbar,  dass  dasselbe  von  der  dalmatinischen  Küste 
hieher  verschleppt  worden  ist.  Der  bockfüssige,  deutlich  bärtige 
Pan  zur  Linken  des  Beschauers   verbindet   sich   hier  mit  den  drei 


rechts  stehenden  Nymphen  inniger  als  sonst,  indem  alle  vier  Figuren 
(was  freilich  die  rohe  Arbeit  nur  andeutet)  untereinander  an  den 
Händen  sich  fassen.  Pan  hält,  wie  die  letzte  Nymphe  rechts,  eine 
Blume  in  der  erhobenen  freien  Hand.  Die  zwei  Figuren  zur  R. 
wenden  das  Gesicht  nach  1.,  die  zur  L.  nach  r.  Die  Nymphen  sind 
im  gegürteten  Chiton  und  tragen  das  Haar  im  Nacken  aufgebunden. 
Ueber  und  unter  der  Darstellung  die  Inschrift: 


46 


PRIM 1 G  ENI VS  .  A  . 


Da  der  letzte  erkennbare  Strich  der  ersten  Zeile  deutlich  gerade 
ist,  scheint  die  Lesung  (ex)  vis{u)  ausgeschlossen. 

Zwei  Fragmente  eines  Reliefs  aus  Salona,  gefunden  in  der 
Nähe  der  Station,  jetzt  im  Museum  zu  Spalato.  Sie  passen  anein- 
ander und  sind  zusammen  0'45  lang;  das  eine  ist  015,  das  andre 
0"28  hoch.  Das  erstere  zeigt  die  Köpfe  und  Büsten  der  zwei  rechts 
stehenden  Figuren  des  Pan  und  einer  Nymphe,  das  andere  die  zwei 
links  stehenden  Nymphen  ohne  Kopf,  so  dass  aus  den  beiden  Bruch- 
stücken das  vollständige  Bild  leicht  reconstruirt  werden  kann.  Paii 
wendet  den  Kopf  in  Profil  nach  1.  und  nähert  die  Linke  dem 
spitzbärtigen  Kinne.  Die  drei  Nymphen  standen  in  gegürtetem 
Chiton  neben  einander,  mit  beiden  Händen  eine  Muschel  vor  dem 
Schoosse  haltend. 

Fragment  eines  Reliefs,  0'23  hoch,  0-21  breit,  im  Museum  zu 
Spalato.  Es  zeigt  die  Figuren  der  zwei  links  stehenden  Nymphen 
ohne  Köpfe  nebst  einem  Vorderarm  der  dritten.  Sie  sind  beschuht 
und  im  gegürteten  Aermelchiton  mit  Ueberschlag  und  Kolpos.  Auf- 
gelöstes Haar  ist  an  den  Schultern  der  am  Rande  stehenden 
sichtbar.  Dieselbe  fasst  mit  der  rechten  Hand  die  Rechte  der  zweiten 
und  reicht  die  Linke  der  dritten. 

Sämmtliche  im  vorstehenden  beschriebenen  Votive  stellen  den 
Pan  bärtig  und  mit  Ziegenbeinen  dar,  sowie  es  im  späteren  Alter- 
thum  gäng  und  gäbe  gewesen  ist.  Um  so  merkwürdiger  ist 
ein  Relief  (0"495  hoch,  0*30  breit),  welches  am  Kukalj  bei  Karin 
gefunden,  erst  dick  mit  Oelfarbe  überstrichen  über  der  Thür  eines 
Hauses  in  Benkovac  eingemauert  war  und  durch  die  Vermitt- 
lung des  Hauptmanns  Herrn  Schauer  von  Schreckenfeld  in  die 
Sammlung  des  unteren  Belvedere  gelangt  ist  (Conze  in  der  Zeitschrift 
für  bildende  Kunst  1872  Seite  66).  In  einfach  eingerahmtem  Felde 
steht  ein  Jüngling  von  schlanken  Körperformen  in  Vorderansicht, 
nur  mit  einer  kleinen,  an  der  linken  Schulter  genestelten  Nebris 
bekleidet  und  geschmückt  mit  einem  Fichtenkranze  im  langen  Haar. 
Er  hält  die  Syrinx  in  der  etwas  vorgestreckten  Rechten  und  das  Pedum 
in  der  Linken.  Zu  seiner  Rechten  sitzt  nach  1.  ein  Hund,  der 
den  Kopf  umwendend  zu  seinem  Herrn  aufblickt.  Der  Fichtenkranz 
auf  dem  Haupte  des  Jünglings  mahnt  zwar  an  den  römischen 
Silvanus,    die    übrigen   Attribute   jedoch    bezeichnen   auch  ihn   als 


47 


Pan,  der  hier  einmal  völlig  menschlich  selbst  ohne  Hörnchen  und 
zugespitzte  Ohren  gebildet  ist.  So  hat  sich  auch  in  diesem  ent- 
legenen Landstriche  die  edlere  Bildung  des  Gottes  neben  der  popu- 
lären des  Aegipan  bis  in  späte  Zeiten  erhalten. 

Ich  habe  die  Votivbilder  des  Pan  und  der  Nymphen  an  die 
Spitze  meines  Berichtes  gestellt,  weil  sie  gleichsam  die  am  meisten 
charakteristischen  Denkmäler  Dalmatiens  sind.  Die  übrigen  Bild- 
werke, welche  von  mir  auf  meiner  Reise  gesammelt  wurden,  lasse 
ich  nun  in  topographischer  Anordnung  von  Norden  nach  Süden 
fortschreitend  folgen.  Wohl  mit  gutem  Rechte  darf  ich  mit  A gram 
beginnen,  in  dessen  Museum  (sowie  im  vorigen  Jahrhunderte  nach 
Venedig ,  im  Beginne  des  unseren  nach  Wien)  viele  Monumente 
dalmatinischer  Herkunft  durch  die  Bemühungen  des  Abate  Gliubich 
namentlich  in  der  dem  neuen  Aufschwünge  des  Spalatiner  Museums 
unmittelbar  vorausgehenden  Zeit  gelangt  sind. 

Meine  Bemerkungen  über  den  Besitz  dieser  Sammlung  be- 
schränken sich  indess  für  jetzt  nur  auf  drei  Stücke,  und  zwar  zunächst 
auf  die  im  Säulenhofe  stehende  Statue  des  Apollon  aus  Salona 


(ehedem  im  Besitze  V.  Solitro's,  gest.  1850),  welche  Löwy  im  3.  Jahr- 
gange dieser  Zeitschrift  S.  165  beschrieben  hat  (vgl.  Conze  in  der 
Zeitschrift  für  bildende  Kunst  1872  S.  260).  Herr  J.  Krsnjavi  erklärt 
sie  in  den  Jahrbüchern  der  südslavischen  Akademie  Band  LV 
(1881)  p.  207 — 220  für  ein  pasticcio;  ihm  zu  Folge  ist  der  Körper 
aus  zwei  nicht  aneinander  passenden  Stücken   verschiedenen  Stiles 


48 

zusammengefügt,  und  gehört  der  Kopf  weder  zu  dem  einen  noch  zu 
dem  andern  Fragmente,  lieber  den  ersten  Punkt  vermochte  ich  mir 
kein  Urtheil  zu  bilden,  da  die  Statue  während  meines  Besuches 
des  Museums  in  einer  Bretterverschalung  steckte.  Den  damals 
allein  sichtbaren  Kopf  gebe  ich  in  einer  Skizze.  Dass  derselbe 
seiner  Wendung  nach  dem  Körper  nicht  entspricht,  ist  deshalb  kaum 
von  Belang,  weil  er  ja  überhaupt  weiblich  ist  und  den  Typus  der 
Aphrodite  unverkennbar  an  sich  trägt. 

Auch  der  gleichfalls  im  Säulenhofe  aufgestellte  T o r s o  einer 
Panzerstatue  aus  Marmor  (l"18hoch)  stammt  nach  gütiger  Mit- 
theilung Herrn  Dr.  Ivan  v.  Bojnicic'  aus  Salona  (nach  einer  Photo- 
graphie auf  Taf.  II  abgebildet).  Der  sorgfältigen  Beschreibung 
Löwy's  Mitth.  III  S.  166  möge  hier  nur  weniges  ergänzend  und 
berichtigend  angefügt  werden.  Die  Pteryges,  welche  wohl  metallen 
und  in  drei-  oder  viergliedrigen  Charnieren  beweglich  zu  denken 
sind,  zeigen  auf  der  Rückenseite  ähnlichen  Reliefschmuck  wie  auf 
der  Vorderseite,  und  zwar  die  erste  Pteryx  rechts  vom  Rückgrate 
eine  Rosette  mit  doppeltem  Blätterkranze,  die  zweite  eine  vier- 
blättrige Rosette,  die  dritte  eine  bärtige  Maske  alterthümlichen  Ge- 
präges mit  hinabgezogenen  Enden  des  Lippenbartes,  die  vierte 
einen  Widderkopf  nach  r.  Dann  reihen  sich  die  auf  der  Tafel 
sichtbaren  und  a.  a.  0.  beschriebenen  an.  Auf  der  Pteryx  an  der 
linken  Hüfte  gewahrt  man  abermals  eine  Rosette.  Die  zwei  fol- 
genden Pteryges  wurden  von  dem  gesenkten  linken  Arme  be- 
deckt. Hinten  folgen  noch  zwei,  die  eine  mit  einem  Elephanten- 
kopfe  im  Profil,  die  andre  mit  einem  Widderkopfe,  beide  nach  r. 
gewendet.  Die  untere  Reihe  der  Pteryges  zeigt  durchaus  dasselbe 
stilisirte  Blitzbündel,  von  einer  Pteryx  abgesehen,  die  mit  einer 
Rosette  geschmückt  ist.  —  Die  Victorien  auf  der  Brust  sind  schwung- 
voll gezeichnete  und  anrauthige  Figuren.  Sie  haben  die  Schilde 
eben  auf  das  Tropaion  gehängt;  der  links  ist  eckig,  der  rechts 
oval,  und  dementsprechend  sitzt  am  Fusse  des  Kreuzesstammes  der 
Gefangene  zur  Linken  ebenfalls  auf  eckigem,  der  zur  Rechten  auf 
ovalem  Schilde  (die  Ränder  des  letzteren  sind  Verstössen ;  in  der 
Mitte  ein  Omphalos).  An  dem  Helme  unter  denselben  bemerkt 
man  deutlich  Backenklappen  und  Nackenschirra.  Die  Gefangenen 
sind  mit  einer  auf  der  Brust  geknüpften,  hinten  herabfallenden 
Chlamys  bekleidet.  —  Mit  dem  verschlungenen  Bande  auf  der  rechten 
Brust  war  das  Achsclband  befestigt,  das  auf  der  rechten  Schulter 
zu  fehlen  scheint,    denn  wäre  es  nur  vom  Paludamentum    bedeckt, 


49 

so  mfisste  die  Masche  doch  wenigstens  zum  Theil  sichtbar  werden. 
Der  Panzer  besteht  aus  zwei  aneinander  gefügten  Hälften  —  einer 
vorderen  und  einer  hinteren  —  Avie  dies  in  den  jederseits  von  der 
Achselgrube  bis  zu  den  Lenden  sich  herabziehenden  Furchen  er- 
kennbar ist.  An  den  Lederstreifen  aussen  am  rechten  Oberschenkel 
gewahrt  man  die  Spur  des  neben  der  Statue  auf  die  Basis  gesetzten 
Tronkes.  • —  Näher  oder  entfernter  ähnlichem  Panzerschmucke  wie 
an  diesem  Torso  begegnen  wir  öfter,  so  an  einer  Statue  aus  Gabii 
im  Louvre  (Clarac  338,  2414),  einer  in  Madrid  (Clarac  91GB,  2504  A, 
Hübner  die  ant,  Bildwerke  in  Madrid  n.  81),  einer  dritten  im  Palazzo 
Colonna  (Braun  antike  Marmorwerke  2.  Dek.  Taf.  9,  Matz  Duhn  ant. 
Bildwerke  in  Rom  I  n.  1355)  etc.  Diesen  Statuen  mangelt  indess 
der  ihnen  ursprünglich  zugehörige  Porträtkopf,  wogegen  eine  im 
Capitol  den  des  Marc  Aurel  (Mus.  Capitol.  III  pl.  58,  Clarac  953. 
2447)  noch  bewahrt  hat.  Ein  Panzertorso  (ca.  0'88  hoch),  welchen 
im  Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts  Antonio  Nani  aus  Morea 
nach  Venedig  gebracht  hat,  und  den  ich  nebst  anderen  Resten 
der  Sammlung  seines  Hauses  1878  in  der  Casa  Businelli  in  Legnaro 
bei  Padua  gesehen  habe,  zeigt  gleich  der  capitolinischen  Statue 
zwei  Victorien  einen  Schild  an  ein  Tropaion  hängend  (Passeri  osser- 
vazioni  sopra  l'avorio  fossile  elc.  sezione  3  pag.  XLIV,  Museo  Nani 
221).  Er  wird  für  uns  um  so  werthvoller,  als  sich  die  dazu  gehörige 
Inschrift  (C.  I.  L.  III  501)  erhalten  hat,  der  zu  Folge  die  Statue  dem 
Kaiser  Antoninus  Pius  138  n.  Chr.  gesetzt  worden  ist.  Mit  dem 
Exemplare  in  Agram  sollen  Münzen  des  Kaisers  Hadrian  ausgegraben 
worden  sein.  Ob  die  angeführten  Thatsachen  zu  dem  Schlüsse  be- 
rechtigen, dass  dieser  Torso,  gleichwie  die  andern  ähnlich  geschmückten 
und  noch  unbestimmten,  irgend  einem  Kaiser  der  hadrianisch-anto- 
ninischen  Zeit  angehört  habe,  könnte  freilich  erst  nach  eingehendem 
Studium  dieser  Panzerstatuen  mit  grösserer  Bestimmtheit  entschieden 
werden. 

Aus  den  übrigen  Denkmälern  dalmatinischen  Fundorts  im 
Agramer  Museum  sei  nur  noch  der  Grabcippus  des  Asi- 
donius  Agatopus,  den  die  Inschrift  als  j^ceriolarins''^  bezeichnet, 
und  seiner  Gattin  Aurelia  Luxuria  hervorgehoben  (C.  I.  L.  2112. 
2113).  Der  Cippus  ist  sammt  seiner  kegelförmigen  Bekrönung 
0*76  hoch,  zeigt  an  seiner  0"27  breiten,  mit  einem  Giebel  ausge- 
zeichneten Vorderseite  die  Grabschrift,  auf  den  beiden  Nebenseiten 
(0*255  br.)  Darstellungen  in  Relief  und  zwar  einerseits  (rechts) 
den  Mercur,  anderseits  (links)  das  Ehepaar  bei  handwerklicher  Ver- 

Archäologisch-epigraphisclie  Mittli.  IX.  4 


50 

richtung.  Mercur  in  Vorderansicht  mit  dem  Flügelhute  auf  dem 
Haupte  und  der  auf  der  rechten  Schulter  genestelten  Chlamys,  hat 
rechtes  Standbein,  hält  in  der  Linken  den  Caduceus  geschultert, 
und  in  der  Rechten  den  Beutel;  rechts  zu  seinen  Füssen  ein  Hahn. 
Schwer  verständlich  ist  das  Gegenbild.  In  der  Mitte  auf  dem 
Boden  steht  ein  Kessel,  der  Form  nach  einem  Kalathos  nicht  un- 
ähnlich, und  links  der  „ceriolarius"'  nach  r.  gewandt,  mit  geschorenem 
Haare  und  bartlosem  Antlitz,  in  kurzer,  bis  zu  den  Knieen  reichender, 
ungegürteter  Tunica.  Er  hält  in  der  vorgestreckten  Rechten  an 
dem  oberen  Ende  einen  unten  kolbenförmig  verdickten  Stab  (viel- 
leicht ein  Pistill)  über  dem  Gefässe.  Rechterhand  tritt  eine  Frau 
herzu  (den  Kopf  en  face)  in  langem  Gewände  mit  weiten  Aermeln 
(ich  weiss  nicht  bestimmt  ob  auch  mit  verhülltem  Hinterhaupte't. 
Sie  hält  in.  der  erhobenen  Rechten  einen  nicht  kenntlichen  Gegen- 
stand (sicher  kein  ^vasculum  quadi'atum")  und  mit  der  Linken  wahr- 
scheinlich den  gleichen  wie  der  Mann.  Ich  gestehe,  den  Vorgang 
nicht  völlig  zu  verstehen:  doch  bleibt  einen  bescheidnen  Gewinn 
auch  aus  dem  nur  halbverstandenen  Bilde  zu  ziehen  nicht  versagt. 
Es  stellt  jedenfalls  die  Bearbeitung  des  Wachses  dar  und  man  kann 
demnach  wohl  nicht  zweifeln,  dass  „ceriolarius''  den  Verfertiger 
von  Kerzen  und  nicht  von  Leuchtern  bezeichnet  (vgl.  Blümner 
Technologie  und  Terminologie  der  Gewerbe  und  Künste  bei  Griechen 
und  Römern  Band  II  S.  162  Anm.  1). 

Arbe.  In  dem  schönen  Palaste  de  Dominis  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert ist  eine  colossale  Maske  des  Zeus  eingemauert  mit 
grossen  Augen  und  offnem  Munde,  und  ein  zweiter  Zeuskopf  aus 
weissem  Marmor  (?)  über  der  Thüre  der  Cappellina  di  S.  Pietro 
Apostolo  (beim  Dome).  Letzterer  ist  ebenfalls  überlebensgross, 
von  ziemlich  flachen  Formen,  öffnet  weit  die  Augen  und  richtet 
den  Blick  nach  1.  Das  über  der  Stirne  aufstehende,  in  Locken 
herabfallende  Haar  ist  gleich  dem  Barte  mit  dem  Bohrer  bearbeitet. 
Die  Augensterne  sind  angedeutet,  die  Nasenspitze  Verstössen. 

Zara.  1.  In  einer  kleinen  Exedra  des  1829  angelegten  Giar- 
dino  pubblico  sind  nebst  Inschriftsteinen  und  unbedeutenden  Frag- 
menten folgende  Reliefs  eingemauert;  einiges  soll  aus  Narona  hieher- 
gebracht worden  sein. 

Hercules  und  Mercur,  aufrecht  stehend  unter  zwei  Ar- 
kaden,   deren  Archivolten  von  glatten  Pilastern    mit   blattförmigen 


51 

Kapitalen  getragen  werden.  Hercules  unter  der  Arkade  links,  bart- 
los, mit  linkem  Standbein,  nackt  bis  auf  den  erhobenen  linken 
Arm,  über  welchem  die  Chlamys  herabhängt,  hält  in  der  Linken 
die  Keule  geschultert  und  in  der  der  Hüfte  genäherten  Rechten 
den  Bogen.  Mercur  unter  der  Arkade  rechts,  mit  rechtem  Standbein, 
die  lange  Chlamys  auf  der  rechten  Schulter  geknüpft  und  den 
Petasos  auf  dem  Haupte,  hält  das  Kerykeion  in  der  Linken  und  einen 
Stab  in  der  gesenkten  Rechten. 

Bruchstück,  links  und  unten  gebrochen,  0*56  hoch,  0*62  breit, 
bekrönt  mit  einem  Sima :  Zwei  Kinder  männlichen  Geschlechts, 
von  welchen  das  zur  Linken,  die  Beine  übereinander  schlagend 
und  den  Kopf  nach  r.  wendend,  sich  auf  das  andre  lehnt  und 
den  linken  Arm  auf  dessen  Nacken  legt.  Das  letztere  stemmt  die 
rechte  Hand  gegen  den  Körper  des  ersteren  und  schreitet  nach  1. 
aus.  Jenes  senkt  mit  der  Rechten  eine  Fackel,  dieses  erhebt  eine 
solche  mit  der  nach  r.  ausgestreckten  Linken.  Das  erstere  trägt 
einen  wulstförmigen  Kranz  im  lockigen  Haare  und  um  den  Hals; 
ein  Gewand  mit  flatternden  Zipfeln  um  den  rechten  Vorderarm 
gewickelt,  fällt  rückwärts  herab  und  ist  über  die  Oberschenkel  ge- 
worfen.    Die  Füsse  beider  Figuren  fehlen. 

Relief,  0'42  hoch,  028  breit,  in  reich  verziertem  Rahmen: 
tanzende  Man  ade  in  langem  faltigen  Gewände  mit  losgegürtetem 
Ueberschlage,  den  Kopf  mit  dem  flatternden  Haare  zurückwerfend, 
fasst  mit  den  gesenkten  Händen  die  Zipfel  ihres  Mäntelchens.  Das 
Gesicht  und  der  linke  Arm  sind  abgestossen. 

Relief  mit  der  Darstellung  des  stieropfernden  Mithras,  oben 
und  rechts  gebrochen ;  links  steht  der  Knabe  mit  der  erhobenen 
Fackel,  darüber  der  aufsteigende  Sonnenwagen.  Auf  dem  aufge- 
blähten Mantel  des  Mithras  sitzt  ein  Rabe. 

2.  In  S.  Donato.  Maske  des  Ammon,  0*56  hoch  ..auf  der 
Basis  eines  Pilasters.  Das  Gesicht  ist  von  breiten  Formen,  der 
Bart  kurz;  zwei  von  der  Stirne  aufstehende  Locken  bedecken  die 
Wurzeln  der  Widderhörner.  Vgl.  eine  ganz  ähnliche  Maske  eben- 
falls auf  dem  Postamente  eines  Pilasters  im  Museum  zu  Pola.  [Conze 
notirte  1871  in  ein  Haus  eingesetzt  ,,vom  Walle  gleich  beim  Dampf- 
schiffslandungsplatze rechts"  eine  Ammonsmaske  von  sehr  roher 
Arbeit.] 

Ebendort  wird  ein  bei  S.  Giovanni  vor  den  Mauern  Zara's 
gefundener  Grabcippus  (ca.  0*76  hoch)  aufbewahrt.  Der  cylindri- 
sche,    nach    oben    sich    verjüngende,    unten    mit    einer    ringsum- 

4* 


52 

laufenden  Rinne  versehene  Körper,  auf  dem  die  Inschrift  (arch.-epigr. 
Mitth.  VIII  S.  163  n.  245)  unter  einem  plastisch  gebildeten  Feston 
angebracht  ist,  wird  von  einem  einfachen  Gesimse  und  einem  Dache 
in  Form  eines  abgestumpften  Kegels  bekrönt.  Die  Spitze  derselben 
ist  zum  Aufnehmen  eines  Holzbalkens  zubearbeitet  worden,  da  der 
Stein  früher  als  Stütze  einer  Bank  in  einem  Hause  im  Borgo  Erizzo 
gedient  hat.  Diese  Art  von  Grabmälern  scheint  Zara  und  der  um- 
liegenden Landschaft  eigenthümlich  gewesen  zu  sein.  Zwei  ähn- 
liche sah  ich  in  Nadin  ^  bei  dem  einen  derselben  (1'23  hoch,  0"51 
im  Durchm.)  mit  der  Inschrift  Mitth.  VIII  S.  158  n.  229  in  ein- 
gerahmtem Felde  ist  das  Dach  mit  aufwärts  stehenden  Schuppen 
(nach  Art  eines  Pinienzapfens)  verziert;  der  andre  ist  völlig  schmuck- 
los. Ein  dritter  ohne  Dach  liegt  bei  der  Kirche  zu  Podgradje 
(Asseria),  0*86  hoch,  ca.  0"65  im  unteren  Durchmesser  (C.  I.  L.  2850) ; 
die  Kehlleiste  seiner  Basis  ist  mit  Blättern  verziert.  Cassas  {voyage  n.  28 
cf.  pag.  88)  zeichnete  zu  Zara  einen  vierten  aus  Nona,  dessen  Inschrift 
(C.  I.  L.  2980)  auf  einer  dem  Cippus  vorgestellten,  mit  einem 
Giebel  abgeschlossenen  Stele  eingemeisselt  ist. 

3.  Kleinere  Anticaglien  —  Vasen,  Fibeln,  Instrumente  aus 
Bronze,  Ringe  mit  Gemmen  —  werden  in  der  naturgeschichtlichen 
Sammlung  des  Gymnasiums  verwahrt,  u.  a.  der  Inhalt  eines  aus 
Ziegeln  errichteten,  im  Borgo  Erizzo  aufgedeckten  Grabes:  eine 
Lampe  mit  cresces  ,  eine  Amphora  und  eine  Schale  aus  Thon  und 
zwei  Glasgefässe.  Im  Ganzen  ist  wenig  erwähnenswerth.  So  etwa 
eine  9  Ctm.  hohe  Bronzestatuette  eines  jugendlichen  Satyrs 
mit  Thierohren  und  über  der  Stirne  aufstehendem  Haare,  linkem 
Standbeine,  dem  geschulterten  Pedum  in  der  Rechten,  und  einer  auf 
der  rechten  Schulter  genestelten  Nebris,  deren  mit  Früchten  gefüllter 
Schurz  von  der  linken  Hand  unterstützt  wird.  Die  Statuette  ist 
hinten  flach  zubearbeitet  und  war  deshalb  wohl  an  irgend  einem 
Geräthe  befestigt.  —  Ein  auf  der  Insel  Brazza  gefundener  Grab- 
stein aus  Kalkstein,  0'62  hoch  und  0'37  breit,  mit  einem  zacken- 
förmigen  Abschluss  oben  und  einem  Einsatzzapfen  unten ,  zeigt 
über  einer  unverständlichen  Inschrift  in  überaus  rohem  Reliefe  einen 
Mann  in  Vorderansicht  mit  kugeligem  Kopfe,  unförmlichen  Ohren, 
quadratischem,  diagonal  durchfurchtem  Körper  und  dünnen  Armen. 
Er  schwingt  in  der  Rechten  eine  Harpune  gegen  einen  Delphin. 
Die  Beine  der  Figur  sind  plastisch  nicht  ausgedrückt.  Ich  zweifle 
nicht,  dass  dieses  barbarische  Bildwerk  altslavischen  Ursprungs  ist. 


53 

Kistanje.  Auf  dem  Platze  sind  auf  Veranlassung  des  Herrn 
Giorgio  Sundicic  mehrere  römische  Sculpturen  aufgestellt  worden, 
welche  dem  alten  Burnum  {Archi  romani)  entstammen.  [Ueber  die 
Reste  dieser  antiken  Ansiedlung  vgl.  Gliubich  studi  archeologici  nella 
Dalmazia  im  Archiv  für  Kunde  österr.  Geschlchtsquellen  Bd.  XXII 
S.  259  f.,  Bull.  dalm.  II  p.  83  f.]  Es  sind  darunter  Säulenfrag- 
mente, Gesirasstücke  und  dgl.  Ein  colossaler  Kopf  des  Jupiter 
aus  Marmor,  über  060  hoch,  und  ein  andrer  bärtiger  Kopf  aus 
Kalkstein  sind  von  roher  Arbeit  und  ohne  Belang.  Dagegen  sind 
einige  der  in  die  Mauer  um  die  öffentliche  Cisterne  eingelassenen 
Reliefs  aus  Kalkstein  von  eigenartigem  Interesse. 

Das  merkwürdigste  darunter  ist  ein  Bruchstück  (etwas  über 
rOO  lang  und  0*89  breit)  mit  dem  Bilde  der  Juno.  Die  Göttin 
sitzt  nach  r.  und  ist  mit  dem  Chiton,  der  von  der  linken  Achsel 
herabgleitet,  und  mit  dem  Epiblema,  das  um  die  Beine  geschlagen 
ist,  bekleidet.  Trügt  ein  Rest  an  der  Schulter  nicht,  so  fiel  ein 
Schleier  von  ihrem  Hinterhaupte  herab.  Sie  hält  in  der  nach- 
lässig in  den  Schooss  gelegten  Linken  das  Zepter.  Mit  einer  ge- 
wissen, für  die  späte  und  provincielle  Kunstübung  charakteristi- 
schen Aufdringlichkeit  steht  auf  dem  Knie  des  aufgestellten  linken 
Beines  der  Göttin  ihr  heiliger  Vogel,  der  Pfau,  der  den  Kopf  seiner 
Herrin  zugewandt  ein  Rad  mit  dem  Schwänze  schlägt.  Die  Schwanz- 
federn zeigen  an  ihren  Enden  tief  gebohrte  runde  Löcher.  Das 
Relief  ist  links  gebrochen;  der  Kopf  der  Figur,  ihr  rechter  Arm 
und  ein  grosses  Stück  der  Draperie  fehlen.  Rechts  ein  senkrechter, 
etwa  0'45  breiter  Streifen  mit  Ornamenten,  die  aus  Weinranken 
gebildet  sind.  Buchstabenähnliche  Zeichen  im  Bildfelde  schienen 
mir  modern. 

Auf  einem  anderen  Fragmente  (0'37  hoch)  sieht  man  den 
jugendlichen  Kopf  des  Helios,  von  Strahlenkranz  und  scheiben- 
förmigen Nimbus  umgeben,  den  gesenkten  Blick  nach  1.  rich- 
tend. Eine  dünne  Leiste  in  der  Höhe  des  Mundes  weiss  ich  nicht 
zu  deuten. 

Ein  drittes  Fragment  (0*88  hoch,  1  M.  breit)  zeigt  drei  weib- 
liche Figuren.  Nur  die  mittlere  ist  vollständig  erhalten.  -  Sie  steht 
aufrecht  in  Vorderansicht  und  ist  mit  dem  Chiton  und  dem  Hima- 
tion,  welch'  letzteres  Hinterhaupt  und  Arme  verhüllt,  bekleidet. 
Von  der  Figur  links  ist  nur  der  linke  Arm  und  der  mit  der  Hand 
gehaltene  Kalathos  auf  der  Schulter  übrig.  Jene  rechts  mit  nacktem 
Oberkörper  und  gekreuzten  Beinen,    welche  das  Gewand  bedeckt, 


* 


54 

berührt  mit  der  R.  eine  auf  einer  Säule  liegende  Kugel,  ist  also 
Urania.  Es  fehlen  der  Kopf  und  der  linke  Arm  derselben.  Weder 
Stil  noch  Grössenverhältnisse  lassen  das  Stück  einem  Sarkophage 
zusprechen. 

Auf  zwei  Reliefs  sind  Oelbäume  dargestellt ;    auf    dem   einen 

derselben   kriecht   unten    aus    hohlem  Stamm  eine  Schlange,    wäh- 

^^     rend  oben  auf  einem  Zweige  ein  Vogel  sitzt.  —  In  dieselbe 

iUJIj      Mauer   ist   der  der  zweiten   Hälfte  des   ersten  Jahrhunderts 

angehörige    Grabstein    eines    Soldaten    der  XI.  Legion,  L. 

Cassius  Martialis  aus  Aquae  Statiellae  in  Liburnien  (C  I.  L. 

2833)  eingesetzt.    Unter  dem  Inschriftfelde    sind  Richtscheit 

(oder  Massstab),    Winkelmass  und  Zirkel  abgebildet,    und 

zwischen  beiden  letzteren  das  räthselhafte  beistehend  skiz- 

zirte  Geräth. 

In  einem  Privathause  zeigte  man  mir  nebst  anderen  kleinen 
Anticaglien,  welche  in  der  Umgebung  ausgegraben  wurden,  zwei 
geflügelte  Aeonbilder  aus  Bronze. 

Muc  (Andetrium).  An  der  Landstrasse  in  der  Nähe  der  Kirche 
ist  der  Grabstein  des  Servius  Ennius,  Soldaten  der  achten 
Gehörte  (Arch.-epigr.  Mitth.  VIII  S.  151  n.  198)  aufgestellt.  Von 
beträchtlicher  Höhe  —  bei  091  Breite  2-37  hoch,  wovon  1*12 
auf  den  oberen  Theil  fällt  —  zeigt  er  über  dem  eingerahmten  In- 
schriftfelde die  Kniebilder  des  Verstorbenen  und  seiner  Frau  Fulvia 
Vitalis  in  Relief  zwischen  zwei  Halbsäulen,  deren  Schäfte  mit  nach 
oben  gerichteten  schuppenähnlichen  Blättern  verziert  sind.  Die- 
selben stützen  ein  Gebälke,  das  ursprünglich  wohl  einen  Giebel 
getragen  hat.  Zur  Rechten  steht  der  Soldat,  bartlosen  Antlitzes, 
mit  in  die  Stirne  gekämmtem  Kopfhaare.  Er  trägt  über  der  Tunica 
die  geschlitzte,  um  den  Hals  mit  dem  Sinus  versehene  Paenula, 
nähert  die  Rechte  der  Schulter  und  hält  in  der  Linken  eine  Schrift- 
rolle. An  seiner  rechten  Seite  ein  langes  Schwert;  an  dem  Cingulum 
drei  herabhängende  Riemen  mit  Metallbeschlägen  und  blattförmig 
geschnittenen  Enden.  Links  steht  die  Frau,  deren  Haar  in  Strähnen 
nach  hinten  gestrichen  ist,  mit  der  Palla  über  dem  Untergewande,  die 
rechte  Hand  an  ihre  Brust,  die  Linke  auf  die  linke  Schulter  ihres 
Gemales  legend. 

In  der  Nähe  liegt  ein  zweiter  Grabstein,  dessen  Inschrift  bis 
auf  wenige  Buchstaben  zerstört  ist.  Unter  derselben  sieht  man 
noch  den  Ueberrest  eines  Winkeleisens,  ein  ßleiloth  an  einer  Schnur, 


55 

die  zum  grösseren  Theile   um  ein  Stäbchen    aufgewickelt    ist,    und 
einen  Zirkel,  dessen  eine  Spitze  das  Bleiloth  berührt. 

Sinj.  Im  Hofe  des  Franciskanerklosters  sind  mehrere  Inschrift- 
steine eingemauert,  darunter  der  Grabstein  des  Burrius  Trebucus 
(Ephem.  epigr.  vol.  IV  357).  Die  in  einem  oberen  Stockwerke  des 
Klosters  untergebrachte  Lehrmittelsammlung  des  Gymnasiums  be- 
wahrt folgende  aus  dem  alten  Aequum  stammende  Fragmente 
einer  colossalen  Statue  des  jungen  Herakles: 

1.  Kopf  aus  weissem  Marmor,  der  unter  dem  Einflüsse  der 
Feuchtigkeit  fleckig  geworden  ist,  044  hoch  sammt  dem  Bruch- 
theile  des  Halses;  Gesichtslänge  0-245,  Stirnhöhe  0-06,  Nasenhänge 
0"085,  innere  Augenweite  010,  äussere  0"17. 

Gefunden  nach  den  von  Director  F.  Buliö^gütig  eingezogenen 
Erkundigungen  im  Mai  1860  zu  Jazvinke  bei  Citluk.  Erwähnt  als 
„tesla  dl  un  Pankratiasta"  im  Btdl.  di  archeol.  e  storia  dalm.  VIII 
p.  7.  Abgebildet  von  zwei  Seiten  auf  Taf.  I.  Durch  das  freund- 
liche Entgegenkommen  der  PP.  Franciskaner,  welche  den  Kopf 
nach  Wien  gesandt  haben,  war  es  möglich,  Gipsabgüsse  desselben 
herstellen  zu  lassen. 

Es  fehlt  links  ein  Theil  des  Gesichtes  mit  dem  Ohr;  das  Auge 
und  ein  grosses  Stück  der  Wange  ist  aber  vollständig  erhalten, 
und  der  entsprechende,  getrennt  gefundene  Theil  des  Hinterhauptes 
jetzt  angefügt.  Die  Brüche  scheinen  nicht  in  Folge  eines  gewalt- 
samen Eingriffes,  sondern  natürlich  entstanden  zu  sein.  Alles  vor- 
handene ist  von  glücklichster  Erhaltung,  auch  die  Nasenspitze  un- 
verletzt. Der  Kopf  war  nur  sehr  wenig  nach  rechts  geneigt.  Die 
Formen  desselben  sind  überaus  kräftig.  Die  durch  parallel  ver- 
laufende Falten  quer  getheilte  Stirne  ist  über  der  Braue  stark 
eingesunken  und  schwillt  gegen  die  Nasenwurzel  hin  an.  Der 
Nasenrücken  ist  ungemein  breit.  Die  Augenlider  sind  tief  ein- 
geschnitten, die  Brauen  leicht  eingeritzt.  Der  Mund  ist  etwas 
geöffnet,  so  dass  die  oberen  Zähne  sichtbar  werden,  das  Kinn 
voll  und  prall.  Das  Ohr  zeigt  die  Missbildung  der  Pankratiasten. 
Das  dichte,  kurzgelockte  Haar  steht  über  der  Stirne  auf  und  ist 
mit  einer  schmalen,  ringsumlaufenden  Tänie  geschmückt.  Eine  vor 
dem  Ohre  herabfallende  Locke  schmiegt  sich  der  Wange  an.  An 
dem  erhaltenen  Bruchstücke  des  Halses  ist  der  Kopfnicker  stark 
entwickelt,  die  Drosselader  in  ihrem  Verlaufe  unter  der  Haut  deut- 
lich erkennbar.     Vortrefflich  ist  die  Modellirung  von  Stirne,    Auge 


56 

und  Wangen,  und  schön  gezeichnet  sind  die  Conturen  der  Augen 
und  Lippen.  Die  Gesichtstheile  sind  durchaus  leicht  polirt.  Ver- 
nachlässigt ist  dagegen  das  Ohr  und  ungleich  geringer  die  Aus- 
führung des  Haares.  In  seinem  Schädelbau  und  den  Gesichtszügen 
erinnert  der  Kopf  an  den  lysippischen  Apoxyomenos.  Man  darf 
ihn  wohl  in  die  frühe  Kaiserzeit  setzen  ,  welcher  auch  die  meisten 
Inschriften  aus  Aequum  angehören.  Die  unten  zu  erwähnende,  mit 
einer  Keule  bewehrte  Hand  verräth  ,  dass  er  zu  einer  Statue  des 
Herakles  gehört  hat,  der  gleichfalls  bartlos  auf  dem  S.  50  beschrie- 
benen Relief  und  den  Münzen  der  illyrischen  Stadt  Heraklea  dar- 
gestellt ist'^). 

2.  Fragment  vom  Rücken,  0*47  lang,  von  dreieckigem  Durch- 
schnitte und  von  ziemlich  regelmässigen  Bruchflächen  begrenzt,  die 
durch  natürliche  Sprünge  im  Marmor  veranlasst  zu  sein  scheinen. 
Es  zeigt  einen  Theil  des  tief  gebetteten  Rückgrates  und  ein  Stück 
der  linken  Schulter. 

3.  Die  rechte  Hand,  an  derselben  Stelle  wie  der  Kopf  im 
Frühjahre  1860  gefunden,  027  lang  (das  ganze  Fragment  0-35)  023 
breit.  Der  Bruch  geht  vom  Ballen  des  kleinen  Fingers  quer  bis 
zum  Processus  dyloideus  radü;  nur  wenig  an  Knöcheln  und  Finger- 
spitzen Verstössen.  Die  Hand  war  gesenkt,  Finger  und  Daumen 
legen  sich  leicht  (ohne  es  jedoch  zu  fassen)  an  das  dünnere  Ende 
der  offenbar  aufgestützten  Keule  ,  von  der  ein  0-25  langes  Stück 
(Durchm.  0085)  erhalten  ist.  Die  dicke  Haut,  unter  welcher  Sehnen 
und  Geäder  sich  deutlich  verfolgen  lassen,  bildet  schwielige  Polster 
an  den  Gelenken  der  Phalangen.  Die  Nägel  sind  schmal  und  kurz 
geschnitten.  Zwischen  den  zwei  letzten  Fingern  ist  eine  Stütze 
geblieben.  Die  Arbeit  ist  tüchtig  und  spricht  für  das  anatomische 
Wissen  des  Meisters. 

4.  Die    zwei    oberen  Phalangen   des  Mittelfingers    der   linken 
Hand,  Ol  lang. 


'■•)  Scylacis  Caryandensis  periplus  22  [Geoyraphi  graeci  minores  ed.  C.  Müller 
vol.  I).  MeTÜ  bi  Aißupvoüq  eiaiv  MXXupioi  eBvo^,  koI  TrapoiKoOöiv  oi  'IWupioi 
Tiapü  ediXoTTav  iii^xpi  Xaoviat;  Tf\<;  küt«  KepKupav  Tt'iv  'AXkivöou  vnöov.  Kai 
TTÖXi^  ^ötIv  'EWnvl^  ^vraOea,  fj  övona  'HpotKXeio,  Kai  Xi^nv.  Schon  P.  Nisiteo 
(Gliubich  numogr.  dalm.  p.  32)  hat  auf  dieHe  Stelle  als  der  einzigen,  die  der  Stadt 
Heracleia  Erwähnung  thut,  hingewiesen.  Sie  ist  den  übrigen  Numismatikern  ebenso 
entgangen,  als  dem  Herausgeber  der  Geoyraphi  minores  die  namentlich  auf  Lesina 
so  zahlreich  zum  Vorschein  gekommifnen  Münzen,  welcho  die  Existenz  dieser 
griechischen  Ansiedlung  ausser  Zweifel  setzen,  unbekannt  geblieben  sind. 


57 

[Im  nahen  Citluk  habe  ich  vergeblich  die  Votivara  des 
Hercules  {Bull  dalm.  VII  p.  38,  Arch.  -  epigr.  Mitth.  VIII  S.  InO 
n.  196)  gesucht.  Auf  der  einen  Seite  derselben  soll  dargestellt 
gewesen  sein  i^,alquanto  battuto^')  un  albero  di  pomo  col  drngone,  che 
dovrehbe  rappresentare  la  fatica  di  Ercole  neW  orto  deile  EsperiJi. 
Ueber  die  Ausgrabungen  daselbst  vgl.  Bull,  di  arch.  e  storia  dalm. 
III  p.  36,  71,  VIII  p.  7-9.] 

Kozute.  Bei  der  Casa  Knexovich  der  Grabstein  CLL. 
2712,  1*70  hoch.  Er  ist  mit  einem  Giebel  bekrönt,  in  dessen  Feld 
die  von  zwei  Spiralsäulchen  getragene  Nische  einschneidet.  In  der- 
selben das  Brustbild  des  M.  Elvadius  Macrinus,  der  —  bartlos  und 
in  den  Mantel  eingehüllt  —  die  Rechte  auf  die  Brust  und  die  Linke 
auf  das  Gesimse  legt.  Es  folgt  das  Inschriftfeld  und  darunter  die 
Darstellung  eines  mit  kurz  geschürzter  Tunica  und  Mantel  beklei- 
deten jungen  Mannes,  der  mit  der  Rechten  ein  gesatteltes  Pferd  am 
Zügel  nach  r.  führt,  während  er  in  der  Linken  eine  Gerte  hält.  Vor 
ihm  rechts  ein  freier  Raum.  Das  Inschriftfeld  sowohl  wie  das 
Relief  darunter  sind  rechts  und  links  von  Halbsäulchen  eingeschlossen  ; 
die  Schäfte  der  einen  sind  mit  aufstehenden  Blättern  geschmückt, 
die  der  andern  mit  Canneluren.  —  Ausserdem  C.  I.  L.  2723  mit 
den  dort  erwähnten  unverständlichen  Gegenständen  an  der  Protome 
des  Verstorbenen. 

Trau.  In  der  Bibliothek  des  Conte  Fanfogna-Garagnin:  ein 
überlebensgrosser  weiblicher  Kopf  von  effectvoller  Arbeit  (Nase  und 
Kinn  abgestossen) ;  der  Kopf  eines  Kindes  mit  einer  von  der  Stirne 
zum  Scheitel  ziehenden  Flechte ;  ein  Attisköpfchen  (mit  phrygischer 
Mütze) ;  der  unterlebensgrosse  Torso  einer  nackten  männlichen 
Figur.     Ferner  einige  Thonfiguren  und  Gefässe. 

Im  Garten  des  Grafen  Fanfogna  ausserhalb  der  Stadt:  ein 
überlebensgrosser  Torso  einer  Statua  togata  aus  Kalkstein. 
Kopf,  Füsse  und  linke  Hand  fehlen.  Die  nackte  Rechte  ist  gesenkt 
und  fasst  die  Falten  des  Sinus.     Rechts  unten  ein  Scrinium. 

Der  viereckige  Cippus  des  T.  Statilius  Maximus  (C.  I.  L. 
2052)  —  mit  stark  ausladendem  Gesimse  und  einem  Giebel  be- 
krönt —  zeigt  auf  jeder  der  Nebenseiten  einen  schreitenden  ge- 
flügelten Knaben,  der  mit  der  erhobenen  Hand  einen  auf  den  Kopf 
gestellten  Korb  hält,  und  in   der  gesenkten  einen  Hasen. 


58 

Sette  Castelli.  In  der  Casa  Capo  Grosso  in  Castel 
Vitturi  ein  grosser  christlicher  Sarkophag  aus  schön  polirtem 
Marmor;  in  der  Mitte  das  Kreuz  in  einem  kreisrunden  Felde;  rechts 
und  links  ein  Lamm. 

In  Castel  Cambio  liegt  nahe  bei  der  Kirche  ein  Kalkstein- 
block, 0-58  hoch,  0"54  breit,  0"21  dick,  rechts  und  unten  gebrochen, 
mit  der  Figur  eines  Jünglings,  der  Personification  einer  Jahres- 
zeit (des  Herbstes)  in  Relief.  Dieselbe  ist  bis  unter  den  Bauch 
erhalten.  Bekleidet  mit  einer  an  der  rechten  Schulter  genestelten, 
hinten  herabfallenden  Chlamys  (nach  den  eingekerbten  Rändern 
zu  schliessen  ein  Fell),  schreitet  sie  nach  r.,  unterstützt  mit 
der  erhobenen  Linken  einen  auf  die  Schulter  gestellten  Korb,  der 
mit  Früchten  gefüllt  ist,  und  hält  in  der  gesenkten  Rechten  einen 
Büschel.  Der  Korb  sowohl  als  der  Kopf,  an  dem  nur  eine  auf 
die  Schulter  fallende  Locke  erkennbar  ist,  sind  abgestossen.  Das 
Bild  ist  in  einem  reich  mit  Pflanzenornamenten  gezierten  Rahmen. 
Der  Arbeit  nach  noch  aus  besserer  Zeit  (1.  Jahrhundert?). 

In  Castel  Abadessa,  an  der  Ecke  des  Hauses  Pavlav, 
ein  überlebensgrosser  bärtiger  Kopf  (Jupiter?)  aus  Kalkstein  (sehr 
Verstössen);  in  der  Casa  Curlin  die  linke  Hälfte  des  Giebels  eines 
Grabmals,  mit  zwei  (concentrischen)  Kränzen  in  der  Mitte  und  einem 
denselben  zugekehrten  liegenden  Greifen. 

An  einem  Hause  in  Castel  Susuraz  zwei  Architekturfrag- 
mente (0*36  hoch,  0"51  und  0"60  lang)  mit  reichem  Rankenwerke, 
an  dessen  Trauben  Vögel  picken ;  an  einem  anderen  Hause  das 
Fragment  einer  in  Stein  gehauenen  Thüre  in  viereckige  Felder  ge- 
theilt,  mit  kreisrunden  Beschlägen  in  den  oberen,  Thürklopfern  in 
den  unteren  Füllungen. 

Salona.  1.  Im  D6p6t  des  Spalatiner  Museums  im  Bahnhofe 
befinden  sich  folgende  zwei  Reliefs : 

Fries  mit  Ornamenten,  0*46  hoch,  1  "TS  lang;  in  der  Nähe 
des  Baptisteriums  innerhalb  der  antiken  Mauern  vor  etwa  zwanzig 
Jahren  gefunden ,  früher  in  der  Casa  Poljak.  Eine  kleine ,  etwa 
ein  Drittel  der  Höhe  des  Frieses  einnehmende  Amphora  steht  auf  dem 
Boden  in  der  Mitte  zwischen  zwei  einander  im  Profil  zugewandten 
bärtigen  Tritonen ,  von  denen  der  eine  (links)  die  Leier  spielt, 
der  andere  (rechts)  die  Flöte  bläst.  Die  Fischflossen,  in  welche 
die  schlangenartig  gewundenen  Unterkörper  derselben  auslaufen, 
sind  gleich  den  Blättern,    die   an   den  Hüften  den  Uebergang    der 


59 

menschlichen  in  die  thierische  Form  verhüllen,  ornamental  behandelt. 
Rechts  und  links  von  dieser  Miy;elgruppe  sind  in  symmetrischer 
Anordnung  je  zwei  von  einander  nach  abwärts  gekehrte  Delphine 
und  zwischen  denselben  unten  je  eine  Amphora  angebracht.  Ueber 
die  Schwanzenden  der  Fische  ist  beiderseits  ein  flatterndes  Band 
gelegt,  dessen  dem  Kopfe  des  Triton  genähertes  Ende  blattförmig 
gebildet  ist.  Das  Relief  wird  oben  und  unten  von  einem  Leistchen 
und  einer  Hohlkehle  und  zu  beiden  Seiten  von  einem  breiten,  etwas 
vortretenden  Pilaster  eingefasst.  Jeden  Pilaster  ziert  in  Relief  eine 
hockende,  zur  Mitte  gewandte,  geflügelte  Sphinx,  welche  die  Vorder- 
pfote über  eine  (etwas  tiefer  stehende)  Amphora  hält.  Schwunglos 
in  der  Zeichnung  und  flau  in  der  Erfindung ,  ist  der  Fries  nicht 
ohne  handwerkliche  Sorgfalt  ausgeführt;  nur  die  Sphinxe  auf  den 
Pilastern  sind  roher. 

Windspiel,  Relief,  0-75  hoch,  1*14  breit ;  vom  Amphiteater. 
Der  Hund  sitzt  auf  den  Hinterbeinen  nach  1.  und  leckt  die  linke 
erhobene  "Vorderpfote.  Ihm  gegenüber  spärliche  und  undeutliche 
Spuren  einer  zweiten  Figur.  Der  lebensvollen  Auffassung  des  Thieres 
nach  gehört  das  Relief  einer  früheren  Zeit  an.  Einen  Hund  derselben 
Rasse  (Kopf  und  Schultern)  zeigt  ein  in  Dalmatien  (bei  Kistanje?) 
gefundenes  Bruchstück,  RödHch  Skizzen  des  physisch-moralischen 
Zustandes  Dalmatiens  und  der  Buchten  von  Cattaro  (Berlin  1811) 
Taf.  6.  Vgl.  ferner  die  Statuen  in  Vienne  (Delorme  description 
p.  123  n.  1,  Gazette  archeologique  1880  pl.  10),  aus  Gabii  im  Louvre 
(Clarac  350.  2595),  vom  Monte  Cagnolo  im  Vatikan  (Sala  degli 
Animali  n.  116),  im  britischen  Museum  {Synopsis  etc.:  dep.  of  greek 
et  roman  ant.  p.  II  n.  54,  Ancient  Marlies  part  X  vignette)  etc. 

2.  Gleichfalls  für  das  Museum  in  Spalato  sind  folgende,  beim 
Custoden  Giovanni  nahe  beim  Bahnhofe  {Osteria  alla  stazione)  auf- 
bewahrten Stücke  bestimmt. 

Torso  einer  Apollonstatue  (oder  Bacchus?),  vielleicht  vom 
nahen  Theater,  Marmor.  0*93  hoch,  von  der  Halsgrube  zum 
Nabel  0*49.  Die  rechte  Hüfte  ist  ausgebogen,  beide  Arme  waren 
erhoben.  Auf  die  Schultern  fallen  Locken  herab.  Am  Rücken  ein 
vertieftes  trapezoidförmiges  Feld.     Trockene  Arbeit. 

Fragment  eines  Reliefs,  weisser  Marmor,  ungefähr  0-43  hoch, 
allseitig  gebrochen.  Erhalten  ist  der  Untertheil  einer  nach  1. 
sitzenden  männlichen  Figur  von  etwas  über  dem  Nabel  an.  Ihr 
nackter  Oberkörper  war  zurückgelehnt   und  der  linke  Arm  aufge- 


60 


stützt.  Die  Beine  sind  in  den  Mantel  gehüllt,  der  rechte  (abgebro- 
chene) Fuss  war  vorgestellt,  der  linke  ist  zurückgezogen.  Das  ge- 
schweifte Stuhlbein  endigt  in  einen  Pantherkopf  und  über  dem  Sitz- 


\^il^^ 


brette    hängt    ein  Thierfell    herab.     Die    Figur    ist    demnach    wohl 
Bacchus.     Gute  Arbeit. 

3.  Einige  hundert  Schritte  von  der  Bahnstation,  an  der  Strasse 
nach  Trau,  liegt  die  kleine  Cappella  di  S.  Caio,  erbaut  von  Kaiser 
Franz  II.  zum  Schutze  des  während  seiner  Anwesenheit  1818  in 
Salona  entdeckten,  in  den  Felsen  gehauenen  Sarkophages  (0'85  hoch, 
2"85  1.)  mit  der  Darstellung  dreier  H  erakl  esthaten,  der  nun  als 
Altartisch  dient;  abgebildet  sachlich  richtig,  im  Stile  aber  verfehlt 
Steinbüchel  Dalmatien  (^Wiener  Jahrbücher  der  Literatur  XII.  Bd. 
Anzeigeblatt  Nr.  XII)  Taf.  I  Fig.  3,  und  Lanza  momnnenti  Saloni- 
tani  inediti  (Denkschriften  der  Akad.  d.  Wissensch.  VII.  Bd.)  tav.  II 
Fig.  1.  üeber  dem  Herakles  im  mittleren  Bilde  fliesst  aus  einer 
Oeffnung  eine  Heilquelle. 

4.  In  Salona  selbst  und  den  zerstreuten  Gehöften  bis  gegen 
Klissa  hin  "^)  findet  man  an  den  Häusern  eingemauert  zahlreiche 
Architekturfragmente  und  Reste  antiker  Sculpturen,  die  alle  zu  ver- 
zeichnen mir  trotz  wiederholter  Besuche  dieses  Ortes  nicht  möglich 
war.  Die  grosse  Anzahl  unbedeutender  Bruchstücke  bei  Seite 
setzend,  hebe  ich  folgende  zwei  Stücke  heraus : 

Gruppe  zweier  Ringer,  Relief  an  dem  Hause  bei  der  Brücke 
über  den  Jader,  rechts  und  links  gebrochen,  082  hoch,  104  br. 
Der  eine  (rechts)  nach  1  ausschreitend,  das  Gesicht  dem  Beschauer 
zugewandt    und    den  Oberkörper  stark  vorgeneigt,    hat  mit  beiden 


'")  Nach  Procopins  de  hello  ijothico  I  7,  papf.  38  ed.  Dindorf,    reichten    die 
Vorstädte  Salona's  bis  zu  dem  Engpasse  von  Klissa. 


61 

Armen  seinen  Gegner  (links)  auf  die  Kniee  und  Ellenbogen  zu  Boden 
gedrückt.  Beide  Ringer  sind  nackt  und  von  plumpen  Körperformen. 
Ära,  0-98  h.,  0  46  br.,  im  Hause  des  Doimo  Katic,  s.  Hirsch- 
felds Bericht  S.  6  n.  5.  Dieselbe  dürfte  ursprünglich  weder  für  die 
Sculptur  noch  die  Inschrift  bestimmt  gewesen  sein,  da  die  eine 
wie  die  andere  in  die  oben  und  unten  abschliessenden  architekto- 
nischen Gliederungen  übergreift.  Inmitten  der  Inschrift  steht  in 
Vorderansicht  Herakles  (1.  Standbein)  mit  geschulterter  Keule  in 
der  erhobenen  Rechten  und  dem  Löwenfell  über  dem  gesenkten 
linken  V^orderarm.     Die  Oberfläche  ist  ganz  zerstört. 

Vranjica.  Drei  Fragmente  einer  überlebensgrossen  weib- 
lichen Gewandstatue  aus  Marmor  liegen  vor  der  Casa  Bulic. 
Zwei  davon  passen  aneinander  und  bilden  die  untere  Hälfte  der 
Statue  (1-15  hoch),  ein  drittes  (ca.  0-50  hoch)  ist  ihr  rechtes 
Schulterstück.  Die  Frau  war  mit  dem  langen  Aermelchiton  und 
mit  einem  darüber  geworfenen,  mit  Fransen  besetzten  Himation 
bekleidet;  ein  Zipfel  desselben  hing  über  die  linke  Schulter.  Der 
rechte  Oberarm  war  gesenkt.  Standbein  ist  das  rechte.  Der  Kopf 
war  in  einem  tiefen,  rauh  geriefelten  Becken  eingesetzt.  Die 
Arbeit  ist  in  Hinblick  auf  ihre  provinzielle  Entstehung  vortrefflich, 
die  Rückseite  der  Figur  aber  vernachlässigt. 

M  er  cur,  Relief  an  einem  benachbarten  Hause.  Der  Gott  mit 
dem  Petasos  auf  dem  Haupte  ist  mit  der  Chlamys  bekleidet,  hält 
in  der  R.  den  Beutel,  in  der  L.  den  Caduceus.  Der  untere  Theil 
fehlt.  Vgl.  die  S.  49  und  50  beschriebenen  Reliefs.  Ein  andres 
mit  dem  Bilde  des  Gottes  in  Kljake  (Magnum)  ist  im  Bull.  dalm. 
III  S.   114  beschrieben. 

Genius  des  Herbstes,  Relief  an  der  Casa  Benzon  am  Ufer. 
Der  geflügelte  nackte  Knabe  geht,  das  rechte  Bein  zurücksetzend, 
nach  1. ;  sein  Kopf  in  Vorderansicht.  Er  trägt  mit  der  erhobenen 
Rechten  einen  mit  Früchten  vollgefüllten  Korb  auf  dem  Nacken  und 
hält  in  der  gesenkten  Linken  ein  Häschen.  Der  Rahmen  ist  reich 
verziert,  mit  Akanthosornamenten  der  äussere  breite  Rand ,  mit 
Blättern  die  innere  Hohlkehle.  Vgl.  die  Rehefs  im  Giardino  Fan- 
fogna  zu  Trau  und  in  Castell  Cambio  (S.  58),  sowie  den  Sarkophag 
mit  der  Darstellung  der  vier  Jahreszeiten  im  Museum  zu  Spalato, 
abgeb.  Lanza  momimenti  Salonitani  inediti  tav.  VII  Fig.  2. 

Fragment  eines  Reliefs,  Marmor  (?),  0-17  hoch^  0-33  breit,  an 
der  Casa  Belzon.    Erhalten  ist  der  im  Profil  nach  r.  gewandte  bär- 


62 

tige  Kopf  und  die  Brust  einer  Figur  sammt  dem  Obertheile  ihres 
vorgestreckten  linken  und  der  Schulter  des  nach  hinten  gestreckten 
rechten  Armes  (Zeus?). 

Marmorplatte  von  einem  altchristlichen  Sarkophage  an 
der  Gartenmauer  der  Casa  Belzon  gegenüber;  rechts  gebrochen. 
Sie  ist  mit  einem  profilirten  Stabwerk  eingerahmt  und  war  in  der 
Mitte  mit  einem  zum  grösseren  Theile  erhaltenen  Monogramme  Christi 
in  einem  umschriebenen  Kreise  geziert,  in  dessen  Centrum  an  der 
Kreuzungsstelle  der  Buchstaben  ein  Medaillon  mit  der  winzigen 
Protome  des  Gestorbenen  angebracht  ist.  Ein  langer  gewundener 
Stengel  mit  einem  Epheublatte  an  der  Spitze  ging  jederseits  unten 
von  der  Peripherie  des  Kreises  zur  Ecke  der  Platte;  nur  der 
links  ist  vollständig  erhalten.  In  der  linken  Ecke  darüber  ist  in 
einem  besonders  eingerahmten  rechteckigen  Felde  (0'43  hoch,  0'18 
breit) ,  dem  rechterhand  ein  gleiches  entsprochen  haben  muss ,  die 
Darstellung  des  guten  Hirten.  Derselbe,  in  kurzgegürteter  Tunica, 
steht  in  Vorderansicht  auf  einer  felsigen  Anhöhe  und  stellt  —  nach 
r.  sich  beugend  —  den  Stab  auf  ein  emporragendes  Felsstück.  Unter 
ihm  stehen,  von  einander  abgekehrt,  mit  zurückgewandten  Köpfen 
zwei  Schafe.  Darstellungen  des  guten  Hirten  nach  verschiedenem 
Typus  begegnet  man  auch  auf  anderen  Sarkophagen  aus  Salona, 
so  auf  einem  im  Museum  zu  Spalato  (Conze,  römische  Bildwerke 
einheimischen  Fundorts  in  Oesterreich  Taf.  II)  und  auf  einem  zweiten 
im  Flure  der  Mädchenschule  daselbst. 

Bruchstück  eines  Reliefs  von  Marmor,  an  der  Casa  Benzen 
Prete.  Man  sieht  das  vom  Himation  bedeckte,  eingezogene  rechte 
Bein  einer  nach  r.  sitzenden  Gestalt  und  das  mit  einem  nach  vorne 
gewandten  Pantherkopf  gezierte  Bein  des  Thrones.  Vgl.  das  Relief 
bei  der   Osteria  alla  stazione  in  Salona  S.  60. 

Linker  unterer  Theil  eines  Reliefs,  0-13  hoch,  0-19  breit,  aus 
Marmor,  an  demselben  Hause.  Erhalten  ist  der  Leib  und  drei  Beine 
eines  nach  r.  schreitenden  Esels  oder  Maulthiers,  das  nach  I.  ge- 
wandte Bein  des  Reiters  (vielleicht  des  verkehrt  auf  den  Esel  ge- 
setzten Silen)  und  der  untere  Theil  einer  dem  Thiere  folgenden 
bekleideten  weiblichen  Figur.     Auf  dem  glatten  Rande  unten: 

so  RI AN VS  CO 
LIBE 

Kopf  eines  Windgottes,  rechte  obere  Ecke  einer  umrän- 
derten Reliefplatte  aus  Kalkstein,   0*26  hoch,  O'gl  breit,    ebenfalls 


63 

an  der  Casa  Benzon  Prete.  Der  Kopf  (unter  dem  Halse  abge- 
schnitten) in  Profil  nach  1.  ist  bartlos  und  jugendlich ,  mit  kurzem 
Haare.  Ein  Flügel  über  dem  Ohre  und  der  plastisch  gebildete, 
aus  seinem  Munde  kommende  Windhauch  bezeichnen  ihn  als  Wind- 
gott. Vor  demselben  ist  im  Reliefgrunde  eine  schräge  Furche  ge- 
zogen. Nach  Benndorf  s  ansprechender  Vermuthung  rührt  das  Bruch- 
stück von  einer  Sonnenuhr  her. 

[Nicht  gesehen  habe  ich  die  „in  einem  frei  emporstehenden 
Felsen  eingehauenen  Brustbilder  einer  römischen  Familie'%  welche 
Steinbüchel  Dalmatien  S.  12  erwähnt,  desgleichen  nicht  die  Sarko- 
phage, welche  nach  demselben  Autor  S.  14  ,,an  der  äussersten 
Spitze  der  Insel,  wenn  man  sie  hart  am  Lande  in  einem  Kahn  um- 
fährt", im  Meeresgrunde  sichtbar  sind.] 

Spalato.  1.  Aus  dem  reichen  Besitzstande  des  Staats- 
museums und  seiner  Depots  im  sog.  Magazine  Kattalinic,  im 
Gymnasium  und  der  Mädchenschule,  sei  hier  einer  kleinen  Gruppe 
von  der  Göttin  Diana  geweihten  Votivreliefs  gedacht,  welche 
ähnlich  den  Pan-  und  Nymphenbildern  für  das  Land,  dem  sie 
entstammen,  besonders  eigenthümlich  zu  sein  scheinen.  Auch  für 
den  Cultus  dieser  Gottheit  dürften  griechische  Einflüsse  massgebend 
gewesen  sein.  Das  Bild  der  Artemis  findet  sich  nämlich  auf  auto- 
nomen Münzen  von  Rhizon  (Evans  im  Numismatic  Chronicle  vol.  XX 
p.  292),  auf  Münzen  des  Königs  Ballaios  (a  Cafalogue  of  the  greek 
coins  in  the  British  Museum:  Thessaly  etc.  p.  81)  und  vielleicht  auch 
auf  Münzen  von  Issa  (Imhoof-Blumer  in  der  Numismatischen  Zeitschr. 
XVI  S.  250).  Die  thessalische  Artemis  Pheraia  nennt  die  auf  Lissa 
gefundene  Basis  eines  Weihgeschenks  (C.  I.  Gr.  1837).  Ein  Heka- 
taion  in  der  modenesischen  Sammlung  zu  Wien,  nach  Mommsen's 
sehr  berechtigter  Vermuthung  (C.  I.  L.  3156  a)  gleichfalls  dalma- 
tinischer Herkunft,  ist  der  Diana  Kelkaia  gesetzt  (Arch.  -  epigr. 
Mitth.  aus  Oesterreich  Bd.  IV  Taf.  5,  vgl.  Bd.  V  S.  22;  über 
ein  andres  Hekatebild  aus  Salona  im  unteren  ßelvedere  ebd.  S.  72j. 
Ein  Heiligthum  der  Diana  {ad  Dianarn)  am  Berge  Marian  bei  Spa- 
lato kennt  man  aus  der  Tabula  Peutingeriana  (Segment  V  ed.  Des- 
jardins) ;  es  entspricht  dem  Dianion  des  Anonymus  von  Ravenna 
(p.  380,  10  ed.  Binder  und  Parthey)  und  dürfte  wohl  eine  vor- 
römische Gründung  sein.  Hiemit  mag  es  zusammenhängen,  dass 
von  den  vier  Votiven  an  Diana,  die  das  Spalatiner  Museum  besitzt, 
drei  in  der  Umgebung  der  Stadt  gefunden  worden  sind. 


64 

Platte  aus  alabasterähnlichem  weissem  Marmor,  0*38  hoch, 
0"37  breit;  unten  gebrochen,  die  Oberfläche  theils  corrodirt.  Diana 
—  bis  etwa  zu  den  Knieen  erhalten  —  den  Oberkörper  stark 
(nach  1.)  zurückgeneigt,  den  Kopf  in  dreiviertel  Profil,  in  eihgem 
Laufe  nach  r.  Sie  ist  mit  dem  gegürteten  Chiton  bekleidet. 
Ein  schärpenartig  zusammengefalteter  Mantel  ist  unter  dem  Gürtel 
und  dem  Köcherbande  gezogen,    über   die   linke  Schulter   geworfen 


und  flattert  mit  dem  freien  Ende  im  Winde.  Auf  dem  Rücken 
trägt  die  Göttin  den  geschlossenen  Köcher  und  in  der  vorgestreckten 
Linken  den  Bogen,  von  dessen  abgebrochenem  oberen  Hörn  der 
Ansatz  am  Baumstämme  rechts  sichtbar  ist.  Der  rechte  Vorderarm 
fehlt,  die  Hand  war  in  die  Hüfte  gesetzt.  Rechts  eine  Eiche.  Das 
Relief  ist  von  völlig  ungleicher  Erhebung  (bis  zu  0"063)  und  rein 
malerischer  Behandlung;  der  Baum  und  der  wehende  Mantelzipfel 
greifen  in  den  prolilirten  Rahmen  ein.     Aus  Salona. 

Rechte  obere  Ecke  einer  Reliefplatte  aus  Kalkstein,  0  12  hoch, 
0"15  breit.  Der  Bruch  geht  quer  unter  dem  Kopfe  zum  rechten 
Ellenbogen.  Erhalten  ist  der  mit  einem  Diadem  geschmückte  Kopf 
in  Vorderansicht  und  der  erhobene  rechte  Vorderarm,  dessen  Hand 
den  Köcher  ('?;  umfasst.  Ländlich  rohe  Arbeit.  Gleichfalls  aus 
Salona. 

Untere  Hälfte  eines  Reliefs  aus  Kalkstein,  0'105  hoch,  0'125 
breit.  Erhalten  sind  bis  nahe  zum  Knie  die  mit  dem  Chiton  be- 
deckten Beine  der  nach  r.  eilenden  Göttin;  rechts  läuft  ein  Hase 
nach  r.  ;  links  steht  ein  Hund  mit  umgedrehtem  aufblickendem 
Kopfe  und  einem  Bande  um  den  Hals,  lieber  dem  Ohr  des  Hasen 
vielleicht  ein  Rest  des  Bogens.     Aus  Salona  ''^). 


";  Ein  andre»  Bruchstück  des  Museums,    0175  hoch,    0-18  breit,    zeigt    in 
ähnlicher  Weise  die  Beine  einer  mit  dem  kurzgeschürzten  Chiton  bekleideten  Figur; 


65 

Block  aus  Kalkstein,  von  trapezförmigem  Grundrisse,  0-35  hoch, 
0'17  breit  oben,  0-19  unten;  Reliefhöhe  004.  Die  Abbildung  nach 
einer  Photographie.  Die  Göttin  steht  in  Vorderansicht,  wendet  den 
Kopf  in  dreiviertel  Profil  nach  r.,  ist  mit  dem  doppelgegürteten 
Chiton,  einem  schärpenartig  zusammengelegten,  im  Winde  flattern- 


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den  Mäntelchen  und  kurzen  Jagdstiefeln  bekleidet  und  mit  dem 
Bogen,  den  sie  in  der  Linken  hält,  und  dem  Köcher  bewehrt.  Sie 
nähert  die  erhobene  Rechte  dem  letzteren,  um  einen  Pfeil  heraus- 
zuziehen. Rechts  ein  sitzender  Hund  nach  r.  mit  zurückgewandtem 
erhobenem  Kopfe.  —  Gefunden  1883  im  Torre  Badnjevica  di  Po- 
stranje  (Distretto  d'  Imoski)  „/»'a  un  mucchio  di  ciottoloni  accumulato 
(lalle  acque  iorrentizle,  lango  la  china  di  una  pendice  ripidissitna^''   (Bull. 


hinten  hängt  ein  Mantel  herab.  Den  Stock  rechts  hielt  dieselbe  offenbar  in  der 
Linken.  Links  steht  ein  Hund  nach  1.  mit  zurückgewandtem  Kopf  und  einem  Hals- 
bande.    Die  Figur  scheint  mir  männlich. 

Archiologisch-epigraphisclio  Mittli.  IX.  k 


66 

di  storia  ed  arch.  dalm.  VI  p.  65).     Vgl.  Arch. -epigr.  Mitth.  VIII 
S.   109  n.  22,  wo  auch  die  Inschrift. 

[Ein  fünftes  Relief,  0'205  hoch,  O'KI  breit,  befindet  sich  in 
der  Sammlung  des  unteren  Belvedere,  Sacken  u.  Kenner' s  Katalog 
S.  43  u.  74  n.  193,  abgebildet  in  H.  F.  Rödlich's  Skizzen  des  phy- 
sischen und  moralischen  Zustandes  Dalmatiens  und  der  Buchten 
von  Cattaro  Tafel  6.  Diana,  abermals  in  der  Linken  den  Bogen 
haltend  und  mit  der  erhobenen  Rechten  nach  dem  am  Rücken  hän- 
genden Köcher  greifend,  lauft  nach  r. ;  Kopf  und  Oberkörper  en  face. 
Sie  ist  mit  dem  gegürteten  Doppelchiton  und  mit  einem  vom  Winde 
aufgebauschten  Mantel  bekleidet  und  trägt  über  der  Stirne  ein  Dia- 
dem. Rechts  lauft  nach  r.  ein  Hase.  Rohe  Arbeit.  Unter  dem  Bilde 
die  Inschrift  (C.  I.  L.  31566): 

MAXIMIANVS  BO^ 
VM  SOLBli 

Nach  Rödlich  a.  a.  O.  S.  3  bei  Kistanje  gefunden,  seit  1805  in  der 
kaiserl.  Sammlung]. 

Den  übrigen  Skulpturen  des  Museums  entnehme  ich  nur  noch 
ein  Relief  mit  einer  historischen  Darstellung,  abgebildet 
auf  Tafel  III  (nach  einer  von  Hofr.  Benndorf  zur  Verfügung  ge- 
stellten Photographie  mit  Zuhilfenahme  einer  Skizze).  Es  ist  rechts, 
links  und  unten  vollständig,  oben  aber  gebrochen,  und  misst  gegen- 
wärtig 0"395  in  der  Höhe  bei  0*609  Breite.  Die  Figuren  erheben 
sich  bis  0*06  vom  Hintergrunde  und  ragen  hier  und  dort  über  die 
einrahmenden  Leisten  hinaus.  —  Links  (die  grössere  Hälfte  der 
Bildfläche  einnehmend)  sprengt  ein  Reiter  nach  r.  Der  Kopf,  der 
rechte  Arm  und  der  rechte  Vorderfuss  desselben  fehlen,  ebenso  der 
Kopf  und  das  rechte  vordere  Bein  des  Pferdes.  Der  Reiter  ist  mit 
der  kurzgeschürzten  Tunica,  zurückgeschlagenem  Mantel  und  bis 
über  die  Knöcheln  reichenden  Stiefeln  bekleidet.  Sein  rechter  Arm 
war  erhoben.  Ihm  folgend  lauft  neben  dem  Pferde  eine  weibliche 
Figur,  in  welcher  trotz  der  ihr  mangelnden  Flügel  Victoria  kaum 
zu  verkennen  ist.  Ihr  Kopf  ist  weggebrochen  und  ihr  rechter  Arm 
beschädigt.  Sie  ist  beschuht  und  im  Doppelchiton,  dessen  Gürtel 
ein  aufgeljlähtes  Mäntelchen  aufnimmt  (an  dem  flatternden  Zipfel 
desselben  ein  Quästchen),  und  erhebt  den  rechten  Arm,  als  hätte 
sie  in  der  jetzt  fehlenden  Hand  einen  Kranz  gehalten.  Unter  dem 
Pferde  sitzt  eine  Sphinx  in  Vorderansicht  mit  ausgebreiteten  Flügeln. 
Man  gewahrt  einen   nach  ägyptischer  Weise    stilisirten  Bart    unter 


67 

dem  Kinne  derselben.  Zwei  Bänder  sind  kreuzweise  über  ihre 
Brust  gebunden.  Rechts  hart  an  den  Hufen  des  sprengenden 
Pferdes  steht  die  Figur  eines  gepanzerten  Kriegers  en  face,  das 
(abgestossene)  Gesicht  nach  1.  dem  Reiter  zuwendend.  Sein  Panzer 
schmiegt  sich  den  Körperformen  an  und  ist  mit  halbrunden  Pteryges, 
herabhängenden  Lederstreifen  in  doppelter  Reihe  übereinander  und 
befransten  Aermeln  versehen.  Das  über  die  linke  Schulter  ge- 
worfene Paludamentum  ist  an  der  rechten  genestelt.  Ausserdem 
trägt  die  Figur  einen  Helm  mit  niedriger  Crista  und  kleinem 
Nackenschirm  auf  dem  Haupte,  Beinschienen  und  Schuhe.  An 
letzteren  sind  deutlich  der  Lederstreifen  auf  dem  Riste,  darüber 
eine  wohl  metallen  gedachte  Löwenmaske  und  jederseits  über  den 
Knöcheln  herabhängende  Lappen  erkennbar.  Die  Vorderarme  fehlen. 
An  dem  rechten  Beine  des  Kriegers  ringelt  sich  eine  Schlange 
empor  (grösstentheils  weggebrochen).  Weiter  rechts  sieht  man 
zwei  nach  r.  eilende  männliche  Figuren  über  einander,  völlig  gleich 
mit  kurzgeschürzter  Tunica  und  über  beide  Schultern  zurückge- 
schlagenem Mantel  bekleidet.  Die  eine  sich  duckend,  bartlos,  mit 
kurzgeschnittenem  Haare,  legt  die  Linke  auf  das  Knie,  erhebt  djp 
Rechte,  die  Handfläche  dem  Beschauer  weisend,  wie  adorirend  oder 
erstaunend,  und  wendet  das  aufblickende  Haupt  zurück  nach  dem 
Krieger.  Die  andere  in  gestreckter  Haltung  hält  in  der  erhobenen 
Linken  eine  Rolle;  der  Kopf  fehlt.  Ob  in  dem  Gürtel  ihrer  Tunica 
rechts  ein  Dolch  steckt,  vermochte  ich  nicht  bestimmt  zu  erkennen. 
—  Es  ist  klar,  dass  der  gepanzerte  Kj-ieger  ein  Imperator  und 
somit  die  wesentlichste  Figur  der  ganzen  Darstellung  ist.  Der 
Reiter  trägt  dieselbe  Tracht  wie  die  beiden  Figuren  links  und 
wird  wohl  nur  als  Bote  oder  dergl.  zu  fassen  sein.  Daraus  folgt, 
dass  Victoria  nicht  ihn  bekränzen  will,  sondern  dem  Imperator  zu- 
eilt. Da  das  Antlitz  des  letzteren  aber  fehlt  und  die  dargestellte 
Persönlichkeit  deshalb  auch  nicht  annähernd  zu  bestimmen  ist,  wäre 
es  bedenklich,  die  Deutung  des  Vorgangs  weiterführen  zu  wollen. 
Die  Sphinx  weist  nach  Aegypten.  Dem  Stile  nach  kann  das  Relief 
bestenfalls  in  das  zweite  Jahrhundert  gesetzt  werden.  Die  Propor- 
tionen der  Figuren  sind  kurz;  die  Arbeit  bei  grosser  Deutlichkeit 
und  Ausführlichkeit  in  Einzelheiten  ist  trocken,  stellenweise  selbst  roh. 

Dr.  E.  V.  Berg  mann 's  Güte  setzt  mich  in  die  Lage,  fol- 
gende Lesung  und  Erklärung  der  Inschriften  an  der  im  Museum  auf- 
bewahrten  Sphinx   Amenophis  III.    hier  mittheilen   zu    können- 

5* 


68 

„Creme  komme  ich  der  Aufforderung  meines  Collegen  nach, 
die  Inschriften  der  Kalksteinsphinx  Amenophis  III.  (XVIII.  Dynastie, 
ca.  1450  V.  Chr.)  in  Spalato ,  die  bereits  im  ersten  Jahrgange 
(S.  95 — 97)  dieser  Zeitschrift  von  fachmännischer  Seite  besprochen 
worden  sind,  nochmals  zu  publiciren  und  meine  mehrfach  abwei- 
chende Lesung  derselben  nach  den  mir  freundlichst  zur  Verfügung 
gestellten  Papierabklatschen  und  der  Abbildung  bei  Adam  pl.  LX, 
welche  die  Texte  vollständiger  gibt,  als  sie  sich  gegenwärtig  prä- 
sentiren,  hier  vorzulegen.  Von  der  Beschreibung  des  Denkmales, 
das  sich  in  nichts  von  anderen  Königssphinxen  unterscheidet,  glaube 
ich  Umgang  nehmen  zu  können  und  bemerke  nur,  dass  der  abge- 
brochene Kopf  der  Sphinx,  welchen  Prof.  Oonze  im  Jahre  1877  über 
einer  Hausthüre  in  Spalato  eingemauert  sah,  nach  Dr.  Schneider's 
Mittheilung  sich  noch  dermalen  am  gleichen  Orte  befindet. 

Inschrift  auf  der  Brust  der  Sphinx: 


jr  ^1 


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AAA/SAA 

O      I 


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1)  „Der  gute  Gott  Ra  neb  raat  (Vorname  Amenophis  III.), 
der  Lebenspender",  2)  „geliebt  von  Amon-Ra,  dem  Herrn  von  Nes 
(taui),  dem  Herrn  des  Himmels". 

Inschrift  auf  der  Vorderseite  des  Sockels*): 


*)  Die  eingeklammerten  Hieroglyphen  sind  gegenwärtig  in  Folge  Verwitterung 
des  Steines  zerstört  und  nach  der  Ab))ildung  bei  Adam  ergänzt,  in  der  die  am 
Schlüsse  der  Randcolumnen  stehenden  Zeichen  uiidentlich  sind.  Die  oben  gegebene 


Lesung  derselben  wird  aber  durch  die  Parallelstellen  :^^^^y ' 
111.  49  o)  und  ia  ^^'^:z::7  ■¥■    1  (1.  c.  111.  i'Jb)  ii.dicirt. 


■^^^  (Denkm. 

AAAAAA 


69 


5 

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p/-\AAAAftA-. 

L|  I  I  J 


1)  Ra  neb  mat;  2)  Adoration  (seitens)  aller  edlen  Menschen, 
welche  leben;  3)  Amonhotep,  der  Fürst  von  Theben;  4)  Adoration 
(seitens)  aller  edlen  Menschen,  welche  leben. 

Die  Gegenüberstellung-  der  Namensschilder  und  der  Legende: 
„Adoration  aller  edlen  weisen  Menschen,  welche  leben",  deutet  augCÄ- 
fcällig  an,  dass  die  Huldigung  der  letzteren  sich  an  die  Person  des 
Pharao  als  des  obersten  Schutzherrn  aller  wohlgesinnten  und  getreuen 
Unterthanen  richtet.  In  dieser  Eigenschaft  Avird  er  häufig  in  den 
Inschriften  verherrlicht,  die  ihn  bald  „eine  Mauer,  die  den  Schatten 
schlägt  für  die  edlen  Menschen,  welche  sitzen  in  ihrem  Umkreise" 

^'^vAA.^^    °     (Dümichen,  bist.  Inschr.  II  46  1.  67),  bald  ^2>-[S^(j 
%  I  „den  Schattenspender  der  edlen  Menschen"  (Chabas, 


üoV' 


rech.  p.  70)  oder  auch  den  ;,Ra"  oder  das  „Leben  der  edlen  Men- 
schen" (grosse  Inschrift  Ramses  II.  in  Abydos  1.  77  u.  116)  etc. 
nennen. 

Neben  der  Schriftcolumne  4  ist  die  Gruppe  ^^  in  zweimaliger 

Wiederholung  noch  sichtbar.  Sie  bildete  vordem  in  dreimahger 
Uebereinanderstellung  die  Randeinfassung  zu  beiden  Seiten  der  eben 
besprochenen  Inschriften. 

Noch  sei  bemerkt,  dass  die  Doppelfeder  mit  dem  Discus  über 
den  beiden  Königsschildern  und  das  Zeichen  f^^  unter  denselben 
sich  an  gleicher  Stelle  nur  selten  finden;  andere  Beispiele  hiefür  bei 
Lepsius,  Denkm.  III  786  und  82  <^. 


70 

Inschrift  auf  der  rechten  Seite  des  Sockels : 

„Der  gute  Gott,  der  Berg  von  Gold,  über  dessen  Anblick  die 
Menschen  in  Taumel  gerathen,  der  Grosse,  das  Leben  des  Ra,  der 
Erleuchter  der  beiden  Länder  (Aegypten)  mit  seinen  Schönheiten  . . ." 

Die  Ergänzung  am  Schlüsse  des  noch  erhaltenen  Textes  ist 
durch  die  Hammamat- Stele  (Denkm.  IIL  219)  gesichert,  auf  welcher 

der   König    ebenfalls    den  Titel     I  |    W^  ^^  r. —  I '    '    '   ftihrt.     In 

v\  ,  einem  anal  XeTÖ^evov,  liegt  die  durch  Verdoppelung  des 

zweiten  Radicals  erweiterte  Form  des  bekannten  Verbums  ^  y^  'Ö' 

„trunken  sein,  in  Taumel  gerathen"  (vgl.  ^  für  , ,)  vor.    Die 

Bezeichnung  des  Pharao  als  „Berg  von  Gold",    ein  seltsamer  Tro- 
pus,   basirt   auf  dem  Vergleiche   des  Glanzes,    den   der  Herrscher 
um  sich  verbreitet,  mit  einem  Berge  von  Gold. 
Inschrift  auf  der  linken  Seite  des  Sockels: 

4>^  (  \\^^'W/  I  '-'•'^'^  "^^^^li^^  /\  "T"  T?        y      ..Der  gute  Gott,  welcher  das 

Antlitz  öffnet  wie  Ptah,  der  klugen  Sinnes  wie  der  Herr  von  Her- 
raopolis  M.  (i.  e.  Thot),  der  Grosse  von  zahlreichen  und  erstaun- 
lichen Denkmälern  [deren  gleichen  vordem  nicht  gemacht  worden], 
der  Sohn  der  Sonne  Amenophis,  der  Fürst  in  Theben,  der  Herr 
aller  Länder,  welcher  spendet  Leben,  Fortdauer  und  Gedeihen 
wie  Ra."  -" 

2.  Das  Gerüste,  mit  dem  der  Campanile  des  Domes  gegen- 
wärtig umgeben  ist,  erlaubte  mir  das  in  demselben  eingemauerte 
römische  Relief,  abgebildet  in  Steinbüchel's  Dalmatien  Fig.  2  (da- 
nach Lanza  dtlV  antico  palazzo  dl  Diocleziano  tav.  XH  Fig.  2 ;  will- 
kürlich entstellt  bei  Adam  pl.  LIX  und  Cassas  pl.  38;  C.  I.  L. 
1972)  genauer  zu  betrachten.  Es  ist  1-3-1  lang,  0-75  hoch  mit 
Rand,  0-54  ohne  denselben.  Die  Figur  in  der  Mitte  über  dem 
Altare,  nur  mit  Kopf  und  Brust  sichtbar,  ist  ohne  Zweifel  Mercur. 
Er  trägt  auf  dem  Haupte  den  Pctasos,  dessen  Flügel  zwar 
abgestossen  sind,    aber    unverkennbare  Spuren   hinterlassen  haben. 


71 

Auf  seiner  rechten  Schulter  ist  mit  einem  Knopfe  die  Chlamys  be- 
festigt. Trotz  seiner  Stelkmg  im  Centrum  der  Composition  ist 
Mercur  hier  doch  nur  als  Gefolgsmann  des  Hnks  stehenden  Jupiter 
aufgefasst,  und  deshalb  andeutungsweise  in  sehr  flachem  Relief  ge- 
bildet. Zwischen  den  beiden  Figuren  rechts,  Mars  und  Kybele, 
stehen  zwei  Beinschienen  auf  dem  Boden. 

3.  Im  Kreuzgange  des  Klosters  S.  Francesco  (Borgo  Grande) 
steht  wohlverwahrt  und  durch  ein  Gitter  vor  Beschädigungen  ge- 
schützt der  altchristliche  Sarkophag  mit  der  Darstellung  des 
Durchzugs  der  Israeliten  durchs  rothe  Meer,  am  besten  abgebildet  bei 
Eitelberger  die  mittelalterlichen  Kunstdenkmale  Dalmatiens,  Jahr- 
buch der  k.  k.  Central-Commission  zur  Erforschung  und  Erhaltung 
der  Baudenkraale  Bd.  V  Taf.  XVIII  (sehr  verkleinert  in  den  kunst- 
historischen Schriften  Bd  IV  S.  287).  Die  Wiederholungen  dieser 
Darstellung  auf  Sarkophagen  ersehe  man  aus  Le  Blant  etnde  sur 
les  sarcophages  chretiens  antiques  de  la  ville  d'Arles  p.  50  [hiezu 
-Grousset  etiide  sur  Vhistoire  des  sarcophages  chretiens,  catalogue  n.  74 
und  98];  verwandt  sind  Mosaikbilder  (Ciampini  vetera  monimenta 
vol.  I  tab.  LIX)  und  byzantinische  Miniaturen  (Bordier  description 
des  peintiires  et  autres  ornements  contenus  dans  lex  manuscrits  grecs  de  la 
hihliotheque  nationale  p.  77  u.  113).  Die  drei  Figuren  in  halbhegender 
Stellung  unter  den  Pferden  und  dem  Wagen  des  Pharao  sind  Per- 
sonificationen  der  Localität,  von  welchen  aber  nur  jene  mit  dem 
Ruder  der  Legende  einer  Miniatur  aus  dem  zehnten  Jahrhundert 
(Bordier  a.  1.  c.  p.  113)  zu  Folge  mit  voller  Sicherheit  als  epuGpd 
edXacTcrri  gedeutet  werden  kann. 


4.    Im   Hofe   des  Hauses  Geremia  bei  S.  Spirito    ist    an    der 
Freitreppe  eine  Sarkophagplatte   mit   der  Darstellung  des  Kampfes 


72 

der  Lapithen  und  Kentauren  eingemauert,  0*98  hoch,  1'97  lang; 
rechts  gebrochen.  Die  Erhebung  des  Reliefs  ist  gering;  die  Arbeit 
mittelraässig.  Beistehende  Skizze  zeigt  die  aus  der  griechischen 
Kunst  fast  rein  übernommenen  Motive  der  Composition.  Links  sieht 
man  von  der  Darstellung  der  anstossenden  Nebenseite  des  Sarkophages 
die  Reste  eines  Kentaurenkörpers.  Er  ist  in  höherem  Relief  als  die 
Figui'en  der  erhaltenen  Platte,  woraus  zu  folgen  scheint,  dass  die 
letztere  die  hintere  Wand  des  Sarges  gebildet  hat.  Die  Abbildung 
bei  Adam  ruins  of  the  Palace  of  Diodelian  pl.  LVIII  ist  ein  Bei- 
spiel mehr  der  völlig  willkürlichen  Wiedergabe  der  Monumente  in 
diesem  Buche.  An  Stelle  des  im  Himation  gehüllten  Verstorbenen 
an  der  Ecke  rechts  (nur  zur  Hälfte  vorhanden)  ist  ein  bockfüssiger 
Pan  gesetzt.  Wie  meist  copirt  Cassas  pl.  38  auch  diesmal  seinen 
Vorgänger.  Lanza  delV  antico  palazzo  di  Diccleziano  tav.  XII  Fig.  1 
bessert  wenigstens  den  erwähnten  gröbsten  Fehler  aus,  weshalb  er 
pag.  21  die  „esattezza""  seines  Bildes  zu  rühmen  nicht  vergisst.  Man 
bemerke  an  dem  steinschleudernden  Kentauren  rechts  das  Schwänz- 
chen am  Kreuzbeine. 

5.  An  der  Casa  Plasibat  sah  ich  gleich  links  von  der  Thüre 
ein  Votivrelief  (0'29  hoch,  0*46  breit)  aus  Kalkstein  eingemauert 
mit  der  Darstellung  der  Lares  Augusti.  Es  ist  seitdem  vom 
•Museum  erworben  worden.  In  der  Mitte  steht  ein  Altar  mit  der 
Inschrift:  laravg.  Rechts  und  links  nähert  sich  demselben  im 
Tanzschritt  je  ein  Lar.  Beide  sind  in  herkömmlicher  Weise  mit 
Schuhen  imd  kurzer  Tunica  bekleidet;  als  Gürtel  dient  ihnen  ein 
um  die  Hüften  geschlungenes  Mäntelchen,  dessen  Ende  frei  im 
Winde  flattert.  Sie  erheben  die  eine  Hand  und  halten  in  derselben 
ein  Rhyton,  während  sie  mit  der  gesenkten  andern  aus  einer  Patera 
in  die  Flamme  des  Altars  spenden.  Den  Raum  über  dem  Altar 
zwischen  beiden  P^iguren  füllt  die  Inschrift  C.  I.  L.  1950.  Die 
Figuren  gleich  dem  vorragenden  Rande  des  Steines  sind  an  mehreren 
Stellen  verletzt. 

6.  Im  Garten  der  Casa  Eredi  Rossignoli:  Fragment  eines 
Sarkophages  aus  weissem  Marmor,  an  drei  Seiten  gebrochen, 
0'85  hoch,  0*35  breit.  Erhalten  ist,  von  kleineren  Beschädigungen 
abgesehen,  eine  nach  r.  sitzende  weibliche  Figur,  welche  mit  der 
Rechten  in  die  Saiten  der  im  Schoosse  ruhenden  Lyra  greift  und 
die  Linke  auf  das  Joch  derselben  logt,  bis  zur  Mitte  der  Ober- 
schenkel, und  der  Oberkörper  und  der  ebenfalls  nach  r.  blickende, 
gesenkte    Kopf   einer    hinter  ihr  stehenden  zweiten   Frau.     Erstere 


73 

ist  mit  dem  unmittelbar  unter  den  Brüsten  gegürteten  Chiton  und 
dem  über  die  linke  Schulter  geworfenen,  die  Beine  einhüllenden 
Himation,  letztere  mit  dem  gegürteten  Chiton  mit  Ueberschlag  be- 
kleidet.    Links  über  dem  Kopfe  der  Lyraspielerin  wird  ein   Stück 


eines  vom  Winde  aufgeblähten  Gewandes  sichtbar,  das  wohl  einer 
fehlenden  Figur  angehört  hat.  Oben  ein  unversehrtes  Stück  des 
glatten  Randes;  darunter  Akanthusornamente.  Die  Ausführung  ist 
ungewöhnlich  gut,  von  gleicher  Güte  etwa  wie  das  schöne  Bruch- 
stück im  Museum  mit  den  Köpfen  des  Pan  und  Daphnis. 

7.  In  Casa  Carminatti  im  Borge  Pozzobuon:  Relief  auf  schmaler 
Kalksteinplatte :  eine  w  e  i  b  1  i  c  h  e  F  i  g  u  r  en  face  steht  auf  besonderem 
Boden.  Sie  ist  in  langem  gegürteten  Chiton  (mit  Ueberfall)  und 
trägt  auf  dem  Kopfe  einen  Kantharos,  dessen  Henkel  sie  mit  der 
hoch  erhobenen  Rechten  fasst,  während  ihre  gesenkte  Linke  eine 
Falte  des  Gewandes  ergreift.  Wohl  identisch  mit  der  von  Wil- 
kinson  Dalmatia  and  Montenegro  vol.  I  p.  142  erwähnten  ,,draped 
figure  of  a  woman  bearing  a  va^^e  an  her  head".  Eine  ähnliche 
Figur  auf  einem  Relief  im  Museum  zu  Pola. 

8.  Am  Hause  des  Don  Antonio  Katic  auf  dem  Wege  nach 
dem  Convento  dei  Paludi  sind  folgende  Reliefs  eingemauert: 

Kanephore  auf  schmaler  Kalksteinplatte,  unten  gebrochen. 
Die  Figur  bis  zu  den  Beinen  erhalten,  von  schmächtigen  Körper- 
formen, steht  in  Vorderansicht,  und  ist  mit  dem  Chiton,  der  über 


74 

dem  Ueberschlag  mit  einem  breiten  Gürtel  gebunden  ist,  und  einem 
über  die  rechte  Schulter  geworfenen  Mäntelchen  bekleidet.  Sie  hält 
mit  der  hocherhobenen  Rechten  den  auf  das  Haupt  gestellten  Ka- 
lathos,  während  sie  mit  der  (jetzt  fehlenden)  Linken  wohl  eine 
Falte  ihres  Gewandes  ergriflFen  hatte.  Ihr  langes  Haar  fällt  in  Locken 
auf  die  Schultern.    Rohe  Arbeit. 

Grabstein  des  Aurelius  Pontianus  (C.  L  L.  2010), 
nach  der  Angabe  des  Besitzers  etwa  50  M.  westlich  vom  Amphi- 
theater in  Salona  gefunden.  Ueber  der  Inschrift  ist  in  vertieftem 
Felde  (030  hoch,  0' 18  breit)  das  Bild  des  Verstorbenen  angebracht. 
Er  steht  en  face,  hat  linkes  Standbein,  ist  bartlos,  trägt  das  kurze 
Haar  in  die  Stirne  gestrichen  und  ist  mit  der  kurz  geschürzten 
Aermeltunica  und  der  Chlamys,  die  an  der  rechten  Schulter  genestelt 
und  über  den  linken  Oberarm  zurückgeschlagen  ist,  bekleidet.  In  der 
Linken  hält  er  eine  Rolle.  Ein  kleiner  Dolch  steckt  rechts  in  dem 
breiten  Gürtel,  der  vorne  eine  runde  Schnalle  zeigt.  Das  (spitz  zulau- 
fende ?)  Ende  desselben  scheint  der  Soldat  in  der  Rechten  zu  halten. 

Fragment  eines  Sarkophages  aus  weissem  Marmor.  Er- 
halten ist  die  Figur  eines  Kindes  bis  zu  den  Knieen.  Es  eilt  nach 
1.,  ist  mit  einer  vorne  auf  der  Brust  genestelten  Chlamys  bekleidet 
und  trägt  mit  der  Rechten  zwei  auf  die  Schulter  gelegte  Speere; 
seine  gesenkte  Linke  hielt  vielleicht  ein  Leitseil  oder  dgl.  Links 
unten  ist  der  nach  rechts  aufblickendeKopf  eines  Jagdhundes,  darüber 
der  linke  Arm  des  voranschreitenden,  rechts  die  erhobene  rechte 
Hand  des  nachfolgenden  Knaben  sichtbar.  Das  Bruchstück  gehört 
ohne  Zweifel  zu  einer  Jagdscene  und  vielleicht  zu  demselben  Sar- 
kophage, wie  ein  Fragment  im  öffentlichen  Museum  (0'47  hoch, 
0'54  breit).  Auf  dem  letzteren  sieht  man  in  der  Mitte  einen  geflügelten 
Knaben  nach  r.,  der  das  rechte  im  Knie  gebogene  Bein  erhebt  und 
die  Arme  (der  linke  zur  Hälfte  gebrochen)  senkt,  wie  um  einen 
Bogen  zu  spannen.  Ihm  voran  schreitet  links  zurückgewandten 
Hauptes  ein  Knabe  in  der  Chlamys  mit  geschulterter  Keule  in  der 
Linken.  Rechts  der  gesenkte,  in  dreiviertel  Profil  nach  1.  gewandte 
Kopf  eines  dritten  Knaben.  Das  auf  der  oben  abschliessenden  Leiste 
und  der  hinter  den  Köpfen  der  Figuren  sich  hinziehenden  Hohl- 
kehle angebrachte  vegetabihsche  Ornament  stimmt  bei  diesem 
Bruchstücke  mit  dem  der  Casa  Kati6  völlig  überein;  beide  Frag- 
mente sind  auch  von  gleich  guter  Arbeit. 


75 


Makarska.  Im  Magazine  des  Herrn 
Paulovic-Lucic :  zwei  Friesplatten  aus 
weissem  Marmor ,  aus  Viddo  (Narona) 
hiehergebracht,  früher  in  der  Kapelle  des 
Hauses  eingemauert  (Glavinich  in  den 
Mittheilungen  der  Central  -  Commission 
N.  F.  Bd.  IV  [1878]  p.  XCII  ==■■  Bull 
dalm.  I  p.  187),  noch  während  meines  Auf- 
enthalts in  Dalmatien  vom  Museum  in 
Spalato  erworben.  Sie  sind  0"46  hoch  und 
oben  und  unten  mit  einem  vorstehenden 
Rand  versehen.  Die  eine  ist  1*28  lang, 
die  andere  0'955.  Das  Relief  erhebt  sich 
bis  0-04.  Erhalten  sind  auf  der  längeren 
beiderseits  gebrochenen  Platte  vier  weib- 
liche Figuren  im  Reigen  nach  r. 
schreitend  und  links  ein  Stück  des  Ge- 
wandes von  einer  fünften;  auf  der  kür- 
zeren, rechts  gebrochenen,  drei  Tänze- 
rinnen ,  von  welchen  zwei  nach  r. ,  die 
dritte  nach  1.  sich  bewegt  und  ein  kleiner 
Gewandrest  einer  vierten.  Dieselben  ein- 
zeln zu  beschreiben,  überhebt  mich  bei- 
stehende Abbildung.  Mannichfaltig  sind 
die  Motive  in  den  Stellungen  und  Bewe- 
gungen der  schlanken  Figuren  und  der 
Wechsel  jn  der  Drapirung  ihrer  Mäntel 
und  hochgegürteten  Untergewänder.  Dem 
Reichthume  der  Erfindung,  der  Anmuth 
der  Zeichnung  und  der  sorgfältigen  Aus- 
führung nach  stehen  die  beiden  Friese 
völlig  vereinzelt  unter  den  antiken  Bild- 
werken Dalmatiens.  Ihr  fast  griechischer 
Charakter  weist  auf  gute  Zeit  zurück. 
Leider  sind  durchwegs  Köpfe  und  Arme 
der  Figuren  weggebrochen.  Bemerkens- 
werth  ist,  dass  letztere  und  ebenso  zwei 
Köpfe  aus  besonderen  Marmorstücken 
gearbeitet  und  in  viereckige,  fast  0-03 
tiefe,  aus  der  Abbildung  ersichtliche 
Löcher  eingefügt  waren. 


76 

[Den  nach  1.  gewendeten  „sehr  schönen'^  jugendlichen  Frauen- 
kopf aus  weissem  Marmor  in  Basrelief,  welchen  Glavinich  a.  a.  0. 
erwähnt,  habe  ich  nicht  gesehen.] 

Fort  Opus.  In  der  Mauer  der  Cisterna  comunale  (errichtet 
1847  vom  Bezirkshauptmanne  Vidovich)  sind  nebst  architektonischen 
Fragmenten  (darunter  ein  schönes  Composita-Capitäl)  folgende  aus 
Viddo  (Narona)  stammenden  Skulpturen  eingesetzt  (kurz  aufgezählt 
von  Glavinich  Mitth.  der  Central-Commission  N.  F.  IV  [1878]  p.XCII) : 

Torso  einer  Imperatorenstatue  aus  Marmor,  1'13  hoch. 
Erhalten  ist  nur  der  Theil  des  Panzers  unterhalb  der  Brust,  diePteryges 
in  doppelter  Reihe  und  die  herabhängenden  befransten  Lederstreifen 
sowie  ein  kleines  Stück  des  linken  Beines.  Der  Panzer  ist  mit 
Ornamenten  in  halberhobener  Arbeit  geziert.  In  der  Mitte  steht 
auf  drei  in  Thierklauen  endigenden  Füssen  eine  zweihenklige  Vase, 
aus  welcher,  wie  es  scheint,  der  Schaft  eines  Kandelabers  herausragt 
und  rechts  und  links  davon  einander  zugekehrt  je  ein  löwenköpfiger 
Greif  in  symmetrischer  Haltung,  die  eine  Vordertatze  erhebend. 
Unter  denselben  füllen  Akanthosornamente  und  Rankenwerk  den 
Raum.  Auf  den  Pteryges  sind  folgende  Reliefs  angebracht:  zwei 
kreuzweise  gelegte  Barbarenschilde,  darüber  ein  eingeritztes  Pal- 
mettenornament —  Adler  nach  r. ,  mit  einem  Kj-anz  im  Schnabel 
—  zwei  quer  übereinander  gelegte  Füllhörner  —  Adler  nach  1.  mit 
einem  Kranz,  daran  ein  flatterndes  Band  —  Eros  im  Profil  nach 
1.  aufrecht  stehend  (1.  Standbein)  hält  ein  aufspringendes  Hündchen 
an  den  Vorderpfoten,  darüber  Palmetten  in  Relief.  —  Die  Pteryges 
der  unteren  Reihen  zeigen  Palmettenzierate,  nur  die  letzte  rechts 
zwei  Schilde;  eine  andere  ist  ausgebrochen.  Erwähnt  von  Wil- 
kinson  Dalmatia  and  Montenegro  vol.  II  p.  14.  ^ 

Weibliche  Gewandstatue,  überlebensgross.  Der  Kopf 
fehlt.  Die  Figur  hat  1.  Standbein  und  ist  mit  dem  langen  Chiton 
und  dem  Himation  bekleidet.  Letzteres  hüllt  den  rechten  Arm  ein, 
dessen  abgebrochene  Hand  dem  Kinne  genähert  war.  Die  gleichfalls 
abgebrochene  Linke  war  vorgestreckt.  Wilkinson  vol.  II  p.  15. 

Rechter  Unterschenkel  einer  Statue  aus  Marmor,  0*61  hoch, 
auf  ca.  0-07  hoher  Basis;  der  Fuss  tritt  mit  ganzer  Sohle  auf.  Da- 
neben ein  Baumstamm. 

Fragmentirte  Gruppe  eines  Knäbchens  mit  einem 
Hunde,  Marmor,  0'30  hoch.  Es  fehlen  Kopf  und  Beine  des  ersteren 
und  der  Kopf  des  Thiercs.  Das  Kjiäbchen  sitzt  auf  dem  Boden;  wahr- 


77 

schemlich  war  das  r.  Bein  weggestreckt,  im  Knie  stark  gebeugt 
und  aufgestellt.  Das  Kind  umfasst  mit  beiden  Armen  den  zottigen 
Hund,  mit  dem  es  Unzucht  treibt.  Auf  Befehl  eines  Pfarrers  ver- 
stümmelt. 

V  i  d  d  o  (Narona).  In  der  Casa  Illic  über  der  Thüre  ein 
Relief,  0*32  hoch,  0-31  breit,  unten  und  links  gebrochen,  war  von  einer 
glatten  Leiste  (oben  mit  spärlichen  Resten  einer  Inschrift)  und  einer 
Hohlkehle  umrahmt.  Ein  Jüngling  sitzt  nach  1.  in  einem  Lehn- 
stuhle gesenkten  Hauptes  und  hält  in  beiden  Händen  eine  kleine  Ära. 
Er  ist  mit  der  Aermeltunica  und  einem  Ueberwurfe,  der  um  die 
Beine  geschlagen  ist,  bekleidet.  Sein  Haar  ist  kurzgeschnitten. 
1880  in  einem  nahen  Sumpfe  gefunden. 

Im  Dorfe  trifft  man  auf  Tritt  und  Schritt  ansehnliche  archi- 
tektonische Fragmente,  die  auf  prächtige  Bauwerke  weisen  und 
in  gute  Zeit  zurückreichen.  Das  schönste  darunter  ist  ein  gewaltiger 
Architrav  beim  Hause  Plecas.  Zwischen  den  Consolen  sind  an  der 
Hängeplatte  Casetten  angebracht,  zwei  derselben  sind  mit  wohl  ge- 
arbeiteten Rosetten  geziert  und  die  mittleren  mit  zwei  kreuzweise  über- 
einander gelegten  ovalen  Schilden.  Beim  Hause  des  Giovanni  Illic 
liegt  ein  Stück  einer  reich  ornamentirten  casettirten  Decke  mit  Ro- 
setten in  den  quadratischen,  aufs  Eck  gestellten  Feldern  und 
Vögeln  in  den  dreieckigen  Zwickeln.  Ein  andres  Fragment  über 
der  Thüre  der  Casa  Don  Eres.  Der  obere  Theil  (0245  hoch,  0-90 
lang)  eines  Grabsteins  oder  dgl.  ist  über  einem  Fenster  des  Hauses 
des  Antonio  Vucic  eingesetzt.  In  dem  unten  abgebrochenen  Friese 
stehen  zwei  Tritone  einander  symmetrisch  gegenüber,  mit  geschul- 
tertem Pedum  in  der  einen  Hand  und  einem  von  der  andern  ge- 
haltenen mit  Früchten  gefüllten  Korb  auf  der  Schulter ;  ihre  schlan- 
genförmig  gewundenen,  mit  Flossen  bedeckten  Leiber  füllen  den 
Raum  bis  zu  den  Rändern.  Bekrönt  wird  der  Stein  von  vier  mit 
Rosetten  geschmückten  Scheiben,  von  welchen  je  eine  rechts  und 
links,  zwei  aber  in  die  Mitte  gesetzt  sind  und  eine  Palmette  tragen. 
Die  Verbindungsstücke  zwischen  letzteren  und  ersteren  sind  oben 
concav  eingezogen  und  mit  nach  aussen  gewandten  hundeköpfigen 
Seeungeheuern  geschmückt.  Gleichzeitig  mit  diesem  Stücke  wurden 
nach  der  Angabe  des  Besitzers  aus  demselben  Sumpfe  zwei  seit- 
dem verkaufte  Köpfe  eines  Jünglings  und  einer  Frau  gezogen, 
welche  wohl  mit  einem  von  Glavinich  im  Herbst  1874  gesehenen 
„sehr    schönen"    und    „mit  Ausnahme    einer    kleinen  Beschädigung 


78 

am  Petasus"  gut  erhaltenen  Mercurkopf  und  einem  „roh  gear- 
beiteten" weiblichen  Kopf  (Mitth.  der  Central  -  Comm.  N.  F.  IV 
S.  XIV)  identisch  sind. 

Ljubuski  (Herzegowina).  Grab  stein  des  Andamionius, 
Reiters  der  ersten  Cohorte  der  Lucenses,  1*23  hoch,  0*44  breit,  ge- 
funden beim  Hause  Man  die  im  Jänner  1880  am  rechten  Ufer  des 
Trebisat  östlich  von  Huma6,  eingesetzt  in  die  Mauer  des  serbischen 
Kirchhofs.  Ueber  der  Inschrift  {Bidl.  dalm.  VI  pag.  17  n.  4,  Arch.- 
epigr.  Mitth.  VIII  S.  108  n.  17,  Archaeologia  vol.  XL VIII  pag.  74 
Fig.  7  a)  ist  das  jetzt  sehr  zerstörte  Bild  des  Reiters  (nach  r.)  an- 
gebracht. Das  Pferd  hebt  das  linke  Vorderbein.  Der  Reiter  hält  in 
der  Linken  einen  länglichen  Schild  nach  vorne  und  trägt  auf  dem 
Haupte  wie  es  scheint  eine  Helmkappe.  Seine  Rechte  ist  gesenkt, 
wie  wenn  sie  einen  Speer  hielte,  der  plastisch  aber  nicht  ausgedrückt 
ist.  Ebensowenig  ist  der  Boden  unter  dem  Pferde  angedeutet. 
Sattel  und  Zügel  sind  noch  erkennbar.  Zwei  Säulen,  deren  Schäfte 
mit  aufstehenden  Schuppen  bedeckt  und  dreimal  mit  einem  Bande 
umwickelt  sind,  begrenzen  das  Bildfeld  rechts  und  links  und  tragen 
den  Architrav  und  einen  mit  Lotoskelchen  und  Palmetten  ge- 
schmückten Fries.  Das  Ganze  bekrönt  ein  (rechts  gebrochener) 
Giebel;  in  dessen  Mitte  ein  Gorgoneion. 

Cittä  vecchia  (Insel  Lesina).  Auf  dem  Platze  ist  ein  (G;rab-?) 
Cippus,  vorne  mit  der  Figur  eines  geflügelten  Knaben  in  Relief  auf- 
gestellt. Dieselbe  steht  auf  besonderem  Boden  mit  gekreuzten  Beinen 
und  nach  1.  gesenktem  Haupte,  legt  die  Linke  auf  die  rechte 
Schulter  und  stützt  sich  auf  eine  umgekehrte  Fackel,  die  sie  sammt 
einer  Traube  mit  der  Rechten  hält.  Die  oben  und  unten  abschlies- 
senden architektonischen  Glieder  sind  mit  Pflanzenornamenten  ge- 
schmückt; auf  dem  untersten  in  der  Mitte  ein  vegetabilischer  Zierat 
und  jedcrseits  eine  Gans. 

Im  Kirchthurme  ist  innen  ein  schon  von  Fortis  (viaygio  vol.  II 
p.  175)  erwähntes  Relief  (0*67  hoch,  0*72  breit)  aus  Marmor  ein- 
gemauert, „che  rappresenta  una  barca  a  vela,  col  timone  alla  destra 
della  poppa,  e  U  piloto  che  lo  governa^'  (links).  Ganz  ähnlich  ein  Relief 
im  Garten  des  erzbischöflichen  Palastes  zu  Narbonne. 

Im  Hause  dos  Pietro  Nisiteo  liegt  nebst  anderen  Inschrift- 
steinen der  Grabstein  des  L.  Statins  Mar  cell  us  (C. 
I.  L.  3089)  aus  Verbagno  mit  eigenartigem  Reliefschmucke.  In  der 


79 


Mitte  zwischen  den  herabhängenden  Enden  eines  Festons  die  Pro- 
tome des  Verstorbenen  (der  Kopf  fehlt),  der  mit  der  erhobenen 
Rechten  vor  die  Brust  ein  ki'ummes  Messer  und  mit  der  gesenkten 
Linken  eine  Lanze  in  wagrechter  Richtung  hält.  Unter  der  letzteren 
eine  Amphora,  rechts  davon  ein  Hirsch  mit  zurückgewandtem  Kopfe, 
links  eine  Hindin  (?).  Den  Rändern  entlang  zu  beiden  Seiten  laufende 
Hunde,  welche  fliehendes  Wild  verfolgen,  in  winzigen  Figuren. 
Solche  späte  Erzeugnisse  einer  lokalen  Kunstübung  mögen  zunächst 
die  Vorbilder  für  die  so  zahlreichen  altslavischen  Grabsteine  Dal- 
matiens  und  der  Herzegowina  geworden  sein. 

[L  i  s  s  a.  Im  Garten  des  Podesta  Cav.  Doimi-Delupis  befindet 
sich  eine  kopflose  Statua  togata,  welche  mit  dem  vortrefflichen 
Porträtkopfe  des  Vespasian  der  Sammlung  Millosicz  (Arch.  -  epigr. 
Mitth  Jahrg.  I  S.  16  n.  22)  zusammen  unter  dem  Meeresspiegel  im 
Hafen  gefunden  worden  ist  und  wahrscheinlich  auch  zu  demselben 
gehört  (vgl.  Mitth.  d.  Ceutral-Comm.  N.  F.  V  p.  VII).  Leider  er- 
laubte mein  allzu  kurzer  Aufenthalt  in  Lissa  mir  nicht,  die  Statue 
zu  sehen  und  daraufhin  zu  untersuchen.] 

Ragusa  vecchia.  An  der  Casa  des  Conte  Pozzo,  Marina 
Nr.  72,  links  von  der  Thüre,  ist  das  an  allen  vier  Seiten  gebrochene 
Fragment  eines  Reliefs  (0*605  hoch,  O'öl  breit)  eingemauert; 
es  ist  von  ziemlich  roher  Arbeit.  Die  Darstellung  ist  mir  unver- 
ständlich.    Linkerhand  steht  in  schräger  Richtung,    fast  die  ganze 


Breite  des  Bruchstücks  einnehmend,  ein  zweirädriger  Wagen  mit  einer 
nach  vorne  ansteigenden  abgerundeten  Brüstung;  man  sieht  in  das 
Innere  des  Wagenkastens.  Die  Räume  zwischen  den  Radspeichen  sind 
nicht  bis  zur  Tiefe  des  Reliefgrundes  ausgehöhlt.  Hinter  dem  Rade 


80 

rechts,  ungefähr  in  der  Mitte  des  Fragments  steht  eine  weibliche  Figur 
(ihr  Kopf  fehlt)  in  Vorderansicht  mit  aneinander  geschlossenen  Beinen. 
Ein  Mantel,  den  sie  mit  der  jetzt  fehlenden  Linken  emporgehalten 
hat,  fällt  hinten  herab  und  hüllt  die  Beine  von  den  Knieen  ab- 
wärts ein.  In  der  nach  1.  vorgestreckten  Rechten  hält  sie  zwischen 
Daumen  und  Fingern  einen  runden  Gegenstand,  der  am  meisten 
einem  Apfel  gleicht.  Den  rechten  Arm  schmückt  ein  breiter  Reif. 
Man  darf  in  der  Figur  wohl  Venus  erkennen.  Rechts  unten  ge- 
wahrt man  zwei  Beine  zweier  nach  r.  heftig  ausschreitender  Figuren. 
Das  eine  ist  von  einem  Himation  bedeckt,  an  dem  andern  erkennt 
man  die  Falten  eines  Chitons:  das  erstere  wird  demnach  einer 
männlichen,  das  zweite  einer  weiblichen  Figur  zuzusprechen  sein. 
—  Völlig  falsch  in  Kohl's  Reise  nach  Istrien,  Dalmatien  und  Mon- 
tenegro Th.  2  S.  39  beschrieben;  erwähnt  auch  von  Evans  through 
Bosnia  and  the  Herzegovina  p.  386,  welcher  in  der  Hauptfigur  Am- 
phitrite  vermuthet. 

Im  Hofe  des  Hauses  Letunich-Nardelli  in  einer  der  höher  ge- 
legenen Strassen  des  Ortes  ist  ein  Relief  aus  Kalkstein  (0*81  hoch, 
0"47  breit)  mit  dem  Bilde  eines  Signifer  eingemauert.  Man 
findet  es  in  Evans'  Antiquarian  Researches  in  lllyricum  {Archaeologia 
vol.  XL VIII)  p.  7  in  einem  übel  gerathenen,  aus  desselben  Ver- 
fassers Buche  über  Bosnien  (p.  387)  wiederholten  Holzschnitte,  der 
aber  weder  den  Stil  noch  die  lehrreichen  Einzelheiten  des  Denk- 
mals erkennen  lässt.  Letztere  genau  zu  sehen  ist  allerdings  stellen- 
weise schwierig,  denn  das  Relief  ist  schlecht  erhalten  und  überdies 
mit  IMörtcl  und  rother  Farbe  dick  bestrichen.  Es  zeigt  uns  zwi- 
schen zwei  Eckpilastern  mit  aus  Blättern  gebildeten  Kapitalen 
die  aufrecht  stehende,  0'62  hohe  Figur  des  Signifers  in  Vorder- 
ansicht. Derselbe  ist  bekleidet  mit  der  nach  Soldatenart  kurz  ge- 
schürzten Tunica,  der  geschlitzten,  rücklings  herabfallenden  Paenula 
und  mit  den  Caliga,  deren  Riemen  wie  bei  den  Römern  auf  der 
Trajanssäule  viermal  unter  der  Wade  um  das  Bein  gewickelt  ist. 
Ucber  dem  oberen  gebauschten  Thcile  der  Paenula  um  den  Hals 
hängt  das  dreieckige  Ende  ihres  darunter  hervorgezogenen  Vorder- 
]ap])en8  herab.  Ein  Thicrfell,  dessen  Zipfel  frei  auf  den  Schultern 
liegen,  bedeckt  den  Kopf  des  Soldaten,  der  das  Signum  in  der 
Rechten,  die  Parma  in  der  Linken  hält.  Sein  Schwert  ist  links, 
ein  Dolch  rechts  an  dem  erzbeschlagcnon  (unguium  l)efestigt.  An 
der  0"46  langen,  unten  spitz  auslaufenden  Stange  des  Signums  sind 
oben  das  Querholz  mit  den  herabhängenden  Bändern,  darunter  die 


81 

Corona  und  etwas  tiefer  ein  Medaillon  mit  einer  bärtigen  Büste 
(Jupiter)  angebracht.  Was  dem  letzteren  folgte  weiss  ich  nicht: 
aus  den  spärlichen  Resten  des  hier  stärker  verletzten  Reliefs  ver- 
mochte ich  keine  verständliche  Form  zu  gewinnen.  [Siehe  Doma- 
szewski,  die  Fahnen  im  röm.  Heere  S.  73,  wo  auch  eine  Skizze 
dieses  ReHefs  mitgetheilt  ist.] 

[Ein  Relief,  eingemauert  in  einem  Hause  an  der  Lände  „a 
Cupid'^  und  y^on  a  column  in  another  pari  of  the  toion  a  comic  head 
of  good  loorkmanship^  (Evans  through  Bosnia  and  the  Herzegovina 
p.  386)  habe  ich  nicht  gesehen.] 

Ungefähr  eine  Viertelstunde  vom  Orte  entfernt,  auf  dem  Colle 
S.  Giorgio,  ganz  nahe  der  diesem  Heiligen  geweihten  griechischen 
Kirche,  trifft  man  in  den  lebenden  Fels  eingehauen  die  conventionelle 
Darstellung  des  stieropfernden  Mithras.  Das  stark  verwitterte,  oben 
unvollständige  Relief  (ca.  0*80  breit,  und  in  einer  Höhe  von  ca.  0-50 
erhalten)  im  regelmässig  begrenzten,  etwa  0-07  vertieften  Felde  zeigt 
Mithras  mit  flatterndem  Mantel  in  der  gewohnten  Weise  auf  dem 
Stier  knieend.  Beiderseits  steht  je  ein  Knabe  in  kurzem  Rocke  und 
mit  gekreuzten  Beinen;  der  zur  Linken  senkt  die  Fackel,  der  zur 
Rechten  erhebt  sie.  Ueber  die  Auffindung  dieses  Monumentes  spricht 
Evans  through  Bosnia  etc.  p.  387,  über  seine  Lage  und  Umgebung 
Researches  etc.  p.  19.  In  dem  letzteren  Werke  ist  p.  21  Fig.  7  auch 
ein  ähnliches  Relief  über  der  Mündung  der  Kalkstein grotte  .,Tomina 
Jama"  bei  Mocici  (Canali),  von  besserer  Erhaltung  und  mit  reicherem 
Beiwerke  abgebildet. 

Ri  s  a  n  0  (Rhizon).  Charakteristisch  ist  die  Form  einiger  hier 
gefundener  Grabsteine.  Auf  würfelförmigem  Sockel,  der  an  der 
Stirnseite  in  eingerahmtem  Felde  die  Inschrift  trägt,  erhebt  sich 
ein  in  der  Mitte  anschwellender  Kegel  mit  einem  ringsumlaufenden 
Leistchen  oder  Kranze  unterhalb  der  abgestumpften  Spitze.  Er 
erinnert  an  die  phallischen  Gräbersymbole  Vorderasiens  (Weber, 
le  Sipylos  et  ses  momimenfs  pl.  II).  Drei  solcher  Grabsteine  habe  ich 
in  Risano  gesehen  (CLL.  1725;  Ephem.  epigr.  6360,  ca.  0*70  hoch, 
0-30  breit;  Arch.-epigr.  Mitth.  VIII  S.  105  n.  4,  nach  Evans  researches 
p.  47  found  in  the  campagna  of  Paprenica).  Der  Untersatz  (0*34  hoch, 
0-25  breit)  eines  vierten  ist  im  naturhistorischen  Museum  zu  Ragusa. 

Perasto.  Im  Hause  des  Conte  Martine  Viscovich,  eingemauert 
im  Hofe:  Fragment  eines  Grabsteins  aus  weissem  Marmor,  0*447  lang, 

Arihäologiscli-epigraphiBche  Mitth.  IX.  6 


82 

0*30  hoch.    Zwei  Pilaster  tragen  den  mit  einer  Rosette  geschmückten 
Giebel  und  den  Architrav  mit  der  Inschrift: 


[sie) 

(sie) 

zoPiKim 

HTH  XIAi; 

MENEBPATHZ 

4>I  AilNOZ 

eEHNO  2 

MENEK 

(SIC) 

im  Bildfelde : 

X  A  I  P  E  T  E 

ZopiKiLU  OiXuuvog 

'Hyriaiag  Geujvo^ 

MeveKpdrris  Me> 

[XoplKlLU?] 

Xaipete 

Vom  Relief  zwischen  den  Pilasteru  sind  nur  die  (etwas  verstossenen) 
Köpfe  der  drei  Verstorbenen  antik,  die  Körper  der  Figuren  aber  in 
Gips  übel  genug  ergänzt.  Links  das  verschleierte  Haupt  der  nach 
r.  sitzenden  Frau  in  Profil  (sie  hielt  einen  noch  erhaltenen  Spiegel 
in  der  Hand) ;  in  der  Mitte  der  Kopf  des  Hegesias,  rechts  der  des 
Menekrates.  Ersterer  ist  der  jüngere,  letzterer  der  ältere;  beide  in 
Vorderansicht  und  bartlos;  ihr  Haar  ist  in  die  Stirne  gestrichen. 
Gefunden  wurde  das  Bruchstück  in  Risano,  was  nach  Herrn  Gelcich's 
freundlicher  Mittheilung  in  A.  Ballovich-Dentali's  „i  fasti  di  Perasto", 
einem  Manuskripte  aus  dem  17.  Jahrhundert  in  der  Bibliothek  Vis- 
covich  (jetzt  in  Sulina),  bezeugt  wird.  G.  Gelcich,  memorie  storiche 
sulle  hocche  di  Cattaro  (Zara  1880)  S.  11  n.  4;  H.  Cons,  la  province 
romaine  de  Dalmatie  (Paris  1882)  p.  250. 

Cattaro.  Auf  dem  Platze  die  Basis  C.  I.  L.  713,  M4  hoch, 
vorne  (0'82  breit)  die  Inschrift,  am  Rande  ringsum  Gewinde;  auf 
der  Schmalseite  rechts  :  männliche  Figur  in  kurz  gegürtetem  Chiton, 
mit  gesenkter  Rechten,  links  davon  ein  aufspringender  Hund;  auf 
der  Schmalseite  links  :  Figur  mit  überschlagenen  Beinen  und  ver 
schränkten  Armen,  mit  rückwärts  herabfallendem  Mantel  —  wohl 
ein  Gefangener.    Die  Köpfe  beider  Figuren  fehlen. 

Es  bliebe  in  meinem  Berichte  eine  ungefüllte  Lücke ,  würde 
ich  nicht  wenigstens  mit  ein  par  Worten  der  grossen  Menge  ge- 
schnittener Steine  gedenken,  welche  auf  dalmatinischem  Boden  un- 
aufhörlich zum  Vorschein  kommen.  Man  hndet  sie  allerorten,  wo 
antike  Ansiedlungen  gestanden,  in  Podgradje  und  Kistanje,  in 
Sinj  und  Gardun,  in  Viddo  und  Ragusa  vecchia  und  auf  den  Inseln. 
Schier  aber  in  überschwänglichcr  Fülle  bieten  sie  sich  auf  dem 
Boden  Salonas  bei  jedem  Spatenstiehe  dem  Grabenden  dar.  Man 
schloss  aus  ihrer  Menge   auf  ihre  ausgedehnte  Verwendung  an  der 


83 

Tracht  der  alten  Dalmater,  bei  welchen  die  Lust  am  Schmucke 
sich  wohl  in  demselben  Maasse  wie  heutzutage  bei  den  Morlaken 
und  Canalesen  bethätigt  hat,  und  der  massenhafte  Bedarf  dieser 
Steinchen  legt  es  nahe,  den  Sitz  ihrer  Production  im  Lande  selbst 
zu  vermuthen.  Es  sind  meist  IntagHos  in  Carneol,  Jaspis,  Amethyst 
oder  Onyx  von  mehr  oder  minder  flüchtiger,  selten  von  wirklich 
vorzüglicher  Ausführung.  Irre  ich  mich  nicht,  so  treffen  sie  in  der 
Arbeit  wie  in  dem  Kreise  ihrer  Vorstellungen  mit  den  in  Aquileja 
gefundenen  zusammen,  weshalb  vielleicht  auch  dort  die  Stätte  ihrer 
fabriksmässigen  Erzeugung  zu  suchen  wäre.  Sie  sind  seit  jeher  in 
alle  Länder  verstreut  und  verkauft  worden,  und  so  kann  es  nicht 
befremden,  dass  die  einheimischen  Gemmensammlungen  nicht  im 
Einklänge  zur  Ergiebigkeit  des  Bodens  stehen.  Es  ist  bezeichnend, 
dass  das  Museum  in  Spalato  in  dem  langen  Zeitraum  von  1818 
bis  1873  nicht  mehr  als  47  geschnittene  Steine  zusammengebracht 
hatte,  in  den  nächsten  fünf  Jahren  deren  Zahl  aber  verzehnfachen 
konnte.  Kleinere  Sammlungen  sah  ich  beim  Cav.  Antonio  Comaretto 
in  Benkovac,  bei  Girolamo  Marincovich  in  Sebenico  und  bei  Antonio 
Rossi  in  Makarska,  dessen  früheren  Besitz  an  Gemmen  das  Museum 
in  Spalato  erworben  hat.  Die  Katalogisirung  der  ihrer  lokalen 
Herkunft  nach  gesicherten  Intaglien  wäre  keine  undankbare  Auf- 
gabe, und  würde  diese  kleinen  Denkmäler  der  wissenschaftlichen 
Forschung,  welche  denselben  bisher  aus  dem  Wege  zu  gehen 
scheint,  wieder  zurückgewinnen  können.  Kritischer  Sichtung  bedürfte 
das  Materiale  allerdings  um  so  mehr,  als  das  unzweifelhaft  Echte 
und  Gute  vielfach  untermischt  mit  modern  italienischer  Waare  ist, 
die  noch  heutzutage  namentlich  bei  den  Canalesen  starken  Absatz 
findet.  Ein  begonnenes  Verzeichniss  der  geschnittenen  Steine  des 
Museums  in  Spalato  im  Bullettino  di  arch.  e  stör.  dalm.  vol.  II  p.  131, 
147,   163,  vol.  III  p.  5,  wurde  leider  vorzeitig  unterbrochen. 


Nur  beispielshalber  seien  hier  einige  Stücke  genannt.  Der 
schönste  aller  im  Lande  bisher  gefundenen  Steine  ist  der  oben  ab- 
gebildete Cammeo  aus  Onyx  mit  einer  oberen  weissen,  einer  mitt- 

6* 


84 

leren  rosenfarbigen  und  einer  unteren  dunklen  Schichte  (20  Mill. 
hoch  und  16  br.)-  Er  zeigt  zwei  gepaarte,  nach  links  blickende, 
mit  einer  Tänie  geschmückte  Porträtköpfe  eines  Mannes  und  einer 
Frau.  In  dem  ersten  wollte  man  den  illyrischen  König  Ballaios 
erkennen,  wohl  ohne  einen  Schein  des  Rechtes  (man  vgl.  dessen 
Bildniss  in  Imhoof-Blumer,  Porträtköpfe  auf  antiken  Münzen  helle- 
nischer und  hellenisirter  Völker  Taf.  II  19).  Der  Camee  ist 
nicht  gerade  von  sehr  feiner  Arbeit,  schien  aber  auch  mir  griechi- 
schen Ursprungs.  Er  befand  sich  früher  im  Besitze  des  Antiquars 
V.  Solitro,  von  dessen  Erben  Conze  ihn  erwarb  und  dem  Spalatiner 
Museum  schenkte.    Vgl.  Bnllettino  dalm.  vol.  II  p.  132  n.  .5. 

Die  zweite  Abbildung  gibt  einen  vertieft  geschnittenen  Carneol 
desselben  Museums  mit  dem  widdergehörnten  Kopfe  Alexander  des 
Grossen.     Er  wurde  in  Salona  gefunden  (1873  erworben). 

Häufig,  wie  es  bei  einem  seefahrenden  Volke  nicht  befremden 
kann,  sind  die  Darstellungen  der  Dioskuren.  Ich  notirte  folgende: 
Carneol  in  der  Sammlung  Comaretto.  Castor  und  Pollux 
stehen  neben  einander  mit  zurückgewandtem  Haupte  nach  r.,  halten 
in  der  Linken  den  Speer,  in  der  Rechten,  die  sie  in  die  Hüfte 
setzen,  das  Schwert.  Sie  sind  nackt,  nur  über  den  rechten  Vor- 
derarm hängt  eine  Chlamys.     Ueber  jedem  ein  Stern. 

Carneol  ebendas.  Die  Dioskuren  stehen  mit  zurückgewandtem 
Kopfe  von  einander  abgekehrt,  halten  in  der  erhobenen  einen  Hand 
den  Speer,  während  um  den  andern  in  die  Hüfte  gestemmten  Arm 
die  Chlamys  gewickelt  ist.  Ueber  jedem  ein  Stern. 
Carneol  im  Museum  zu  Spalato.  Desgleichen. 
Carneol  in  der  Sammlung  Comaretto.  Die  Dioskuren  zu  Pferde 
einander  gegenüber.  Sie  sind  mit  dem  Speere  bewehrt  und  mit 
flatternder  Chlamys  bekleidet.  Ueber  jedem  ein  Stern,  dazwischen 
die  Mondsichel. 

Carneol  im  Museum  zu  Spalato.  Die  Dioskuren,  mit  dem 
Speere  bewaffnet,  stehen  neben  ihren  Pferden  von  einander  abge- 
kehrt, die  Köpfe  zurückwendend.  Ueber  jedem  ein  Stern,  dazwi- 
schen die  Mondsichel. 

[Carneol  aus  Salona  in  der  kais.  Antikensammlung  (n.  1405). 
Einer  der  Dioskuren,  durch  den  Stern  über  seinem  Haupte  gekenn- 
zeichnet, mit  dem  Speere  in  der  erhobenen  Linken  steht  bei  seinem 
Pferde  nach  links.] 

Wien  ROBERT  SCHNEIDER 


85 

Die  Irisschale  des  Brygos 

Das  köstliche  Bild  des  Brygos  (Monnmenti  inediti  ddV  Inst. 
IX  46  und  Wiener  Vorlegeblätter  VIII  Taf.  VI),  Iris  darstellend, 
welche  flüchtigen  Laufes  der  zudringlichen  Begier  zweier  Satyrn 
zu  entgehen  sucht,  die  sie  schon  an  Armen  und  Gewand  zu  halten 
suchen,  und  eines  dritten,  der  nicht  minder  flüchtigen  Laufes  als 
Iris  selbst,  sie  zu  fassen  eilt,  während  der  bärtige  Dionysos  am 
Altar  stehend  mit  Stab  und  Kantharos  ruhig  zuschaut,  dies  Bild 
gab  nur  vollständiger,  charakteristischer  und  geistreicher,  was  man 
schon  auf  zwei  früher  bekannten .  falsch  gedeuteten  Vasenbildern 
(Welcker  Alte  Denkmäler  III  Taf.  XVI  S.  243)  gesehen  hatte.  Neu 
und  überraschend  war  aber,  von  einem  gleichzeitigen  Vasenmaler 
Irii  in  der  nämlichen  Weise  von  Kentauren  angefasst  und  ange- 
halten zu  sehen:  Journal  of  hellenic  studies  I  pl.  III.  Der  Heraus- 
geber Sidney  Colvin  hat  für  dies  neue  Bild  die  directe  Quelle  nicht 
genauer  anzugeben  gewusst,  als  man  sie  für  Iris  und  die  Satyrn, 
ermittelt  hatte,  indem  man  an  eine  einigermassen  ähnliche  Scene 
in  den  Vögeln  des  Aristophanes  und  an  das  Vorkommen  der  Iris 
in  Satyrspielen  des  Sophokles  und  Achaios,  hier  gar  als  Haupt- 
person, erinnerte. 

Es  ist  wohl  möglich,  ja  wahrscheinlich,  dass  Satyrspiel  oder 
Komödie  die  Anregung  zu  dem  einen  wie  dem  andern  Bild  gegeben, 
aber  wenn  wir  diese  nächste  'Quelle',  um  mich  dieses  Ausdrucks 
zu  bedienen,  jener  Darstellungen  nicht  kennen,  so  können  wir  da- 
gegen die  Quelle  dieser  Quelle,  wie  ich  meine,  mit  Bestimmtheit 
in  einer  vorliegenden  Dichtung  nachweisen,  welche  Iris  zwar  weder 
von  Satyrn  noch  Kentauren  umworben  darstellt,  aber  von  Wesen 
denen  Satyrn  und  Kentauren  allem  Anschein  nach  von  Ursprung 
her  gleich  waren,  nämlich  von  den  Winden.  Ilias  23,  194,  da  der 
Scheiterhaufen  des  Patroklos  nicht  brennen  will,  ruft  Achilleus 
Boreas  und  Zephyros  zu  Hilfe.  Iris  überbringt  das  Gebet  den 
Winden : 

Ol  |uev  dpa  Zeqpupoio  bucraeo^  dOpöoi  e'vbov 

eiXamvrjv  baivuvxo'  Beoucfa  be  'Ipig  eneairi 

ßriXiiJ  €TTi  \i9euj-  toi  b'iL?  ibov  öq)0a\|uoicTiv 

TrdvTet;  dvipHav  KdXeöv  le  |uiv  ei?  e  eKacrrog 

f]  b'  au9'  e^eaOai  )uev  dvrivaxo,  eiTie  be  |u09ov 

Oüx  ebot,'  u.  s.  w.  sie  wolle  zu  den  Aithiopen  zum  Opferfest. 


86 

Diese  Stelle,  deren  Beziehung  zu  dem  Bilde  des  Brygos  mir 
schon  seit  langem  klar  war,  ist  kürzlich  von  H.  E.  Meyer  in  seinem 
trefflichen  Buch  über  die  Gandharven-Kentauren  S.  196  auf  die  von 
Matz  in  der  Archäol.  Zeitung  1875  Taf.  4  veröffentlichte  Reliefdarstel- 
lung angewandt,  um  die  von  Matz  abgelehnte  Deutung  der  weib- 
lichen (7 estalt  zwischen  zwei  Windgöttern  auf  Iris  zu  stützen.  Er 
mag  Recht  haben ,  aber  indem  die  Windgötter  dort  nur  ihrem 
Blasen  ergeben  sind,  die  Läuferin  ungehindert  weiter  eilt,  fehlt  eben 
die  charakteristische  Begehrlichkeit  der  Winde  gegenüber  der  Iris, 
wie  sie  in  der  Ilias  ausgesprochen ,  in  jenen  Vasenbildern  darge- 
stellt ist,  allerdings  auf  Satyrn  und  Kentauren  übertragen.  Man 
wird  ja  nicht  das  geltend  machen  wollen,  dass  dort  nicht  gesagt 
wird,  dass  die  Winde  die  Iris  anfassen  und  dass  die  Begehrlichkeit 
der  Iris  gegenüber  in  der  Ilias  bei  ihrer  Ankunft,  vor  Ausrichtung 
des  Auftrags ,  in  den  Bildern  bei  dem  Forteilen  hervorbricht :  im 
Bilde  musste  dies  aus  jenem  werden,  das  eig  e  eKadxog  aber  ist  in 
den  Bildern  nach  Möglichkeit  wiedergegeben. 

Dass  nun  Kentauren  und  Satyrn  (Seilene)  nach  Form  und  Wesen 
verwandt,  dass  die  einen  und  die  anderen  nur  localverschiedene 
Ausprägungen  derselben  Urvorstellungen  sind,  ist  oft  genug  und 
namentlich  in  neuerer  Zeit  ausgesprochen  und  ausgeführt;  dass  die 
Kentauren  mythisch  die  Wolkenstürme  sind ,  das  hat  Mannhardt 
(Wald-  und  Feldculte  II,  besonders  S.  100  f ,  allerdings  mit  starker 
Betonung  ihrer  Waldnatur)  gezeigt  ohne  die  Identität  mit  den  Gand- 
harven  anzuerkennen,  das  hat  mit  Anerkennung  und  sichrerer  Be- 
gründung dieser  Identität  II.  E.  Meyer  erwiesen ,  und  Niemandem 
entgeht  es,  dass  gerade  an  jener  Stelle  der  Ilias  die  im  Verein 
drinnen  —  in  einer  Grotte  oder  einem  Palast  ?  —  zechenden  oder 
schmausenden,  beim  Anblick  des  Weibes  dann  begehrlich  auf- 
fahrenden, hernach  rixiiil  öeaTrecrir)  v^qpea  KXoveovie  davonstürmenden 
Winde  den  Satyrn  und  Kentauren  zum  Verwechseln  ähnlich  sehen, 
namentlich  wenn  man  die  nicht  an  dieser  aber  wohl  an  anderen 
homerischen  Stellen  hervortretende  Rossnatur  der  Windgötter  da- 
zuhält. 

Auch  das  Gegenstück,  welches  Brygos  auf  derselben  Schale 
gemalt,  und  wie  es  scheint  hatte  auch  der  Florentiner  Kentauren- 
skyphos  ein  andres  Kentaurenbild  als  Gegenstück :  Hera  vor 
ähnlicher,  doch  etwas  mehr  zurückhaltender  Zudringlichkeit  der 
Satyrn  durch  Herakles'  Energie  und  Hermes'  Ermahnungen  ge- 
schützt ,    führt   uns   in    denselben    Zusammenhang.     Denn    wer   er- 


87 

innert  sich  nicht,  dass  Hera  wie  von  Giganten  —  auch  sie  ja  nur 
eine  andere  Mythisirung  gleichartiger  Naturerscheinungen  —  so 
auch  namentlich  von  Ixion  dem  Stammvater  der  Kentauren  mit 
brünstigem  Begehren  verfolgt  wird. 

Prag  E.  PETERSEN 


Die  römischen  Greiizwälle  in  der  Dobriigea*) 

Zwei  Besuche  in  der  Dobrugea,  der  eine  im  September  des 
vorigen  Jahres,  der  andere  Anfang  Januar  des  laufenden  unter- 
nommen, setzen  mich  in  den  Stand  eine  eingehende  Beschreibung 
der  dortigen  Römer  wälle  zu  liefern.  Was  wir  bisher  über  diese 
Anlagen  wussten,  war  höchst  dürftig.  Moltke  widmet  ihnen  in  seinen 
türkischen  Briefen  gelegentlich  eine  Seite  und  einiges  Nähere  brachten 
V.  Vincke  in  dem  Aufsatze  über  das  Karasuthal  (Monatsber.  d.  Berl. 
Ges.  £  Erdk.  1839/40)  und  Peters  in  seiner  Geologie  und  Geographie 
der  Dobrugea  (Wien  1867).  Aber  für  alle  diese  Männer  hatten  die 
Wälle  nur  ein  nebensächliches  Interesse,  und  wie  sehr  man  es  ver- 
meidet sich  in  diesen  Gegenden  mit  Nebendingen  aufzuhalten,  das 
weiss  Jeder,  der  einmal  dort  war.  Es  sind  eben  immer  noch 
die  loca  felici  non  adeunda  viro  des  verbannten  Ovid,  baumlos, 
wasserlos,  die  reine  Steppe,  unerträglich  heiss  im  Sommer  und 
unerträglich  kalt  im  Winter,  der  ärgste  Fieberherd  von  ganz 
Rumänien.  Da  erklärt  es  sich  wohl,  dass  v.  Cohausen  in  seinem 
grossen  Werke  über  den  römischen  Grenzwall  in  Deutschland,  das 
vorigen  Sommer  erschien,  alle  möglichen  Anlagen  ähnlicher  Art, 
die   römischen  Befestigungen   in  Britannien ,    ferner  österreichische, 


*)  In  der  Schreibung  der  Ortsnamen  herrscht  grosse  Verwirrung.  Jeder 
sucht  ihre  Aussprache  mit  seinen  eigenen  Lauten  darzustellen  und  verändert  dabei 
das  Wort  oft  so,  dass  es  nicht  wiederzuerkennen  ist.  Namen,  für  die  wir  keine 
besondere  deutsche  Form  haben,  belassen  wir  am  besten  in  ihrer  heimischen  Ortho- 
graphie, besonders  wenn  deren  Aussprachsregeln  uns  nahe  liegen.  Es  fällt  nie- 
mandem ein,  italienische  Städte,  wie  Reggio  und  Civita  vecchia,  auf  deutsch  etwa 
Kedschio  und  Tschivita  wekia  zu  schreiben.  Demnach  sollte  man  der  nächsten 
Schwestersprache  des  Italienischen  nachgerade  dieselbe  Gerechtigkeit  widerfahren 
lassen  und  mit  Schreibungen  wie  Dobrudscha  und  Tschernawoda ,  die  sich  noch 
auf  allen  Karten  finden,  aufhören.  Die  Aussprache  des  c  und  g  ist  im  Rumänischen 
genau  dieselbe  wie  im  Italienischen. 


188 

russische,  böhmische,  argentinische  Grenzwehren  zur  Vergleichung 
heranziehen  konnte,  nur  die  Dobrugeawälle  nicht,  obgleich  gerade 
diese  ihm  das  interessanteste  Seitenstück  hätten  liefern  können. 

An  der  Donau  zwischen  Rasova  und  Cernavoda  beginnend, 
laufen  die  Wälle  in  gerader  östlicher  Richtung  bis  nach  Küstenge 
am  Schwarzen  Meere.  Sie  haben  damit  jene  Linie  gewählt,  die 
schon  als  kürzeste  Verbindung  zwischen  Fluss  und  Meer  von  Be- 
deutung ist,  aber  durch  ihre  besondere  Naturbeschaffenheit  sich 
noch  auffallender  hervorthut.  Von  Cernavoda  aus  zieht  nämlich  ein 
breites,  tiefes  Thal  in's  Land,  das  sich  nur  wenig  über  den  Donau- 
spiegel erhebt,  zum  grossen  Theil  von  Sumpfseen  bedeckt  ist  und 
erst  ^4  Meilen  vor  Küstenge  sein  Ende  erreicht.  Schon  in  den 
dreissiger  Jahren  unseres  Jahrhunderts  dachte  man  daran,  hier  einen 
Canal  anzulegen,  um  den  grossen  Umweg,  den  der  Schiffsverkehr 
über  Braila  und  Galaz  nach  Sulina  macht,  zu  vermeiden,  gab  aber 
wegen  des  felsigen  Grundes,  der  besonders  vor  Küstenge  in  ziem- 
licher Höhe  (161  Pariser  Fuss)  abzutragen  wäre,  den  Plan  wieder 
auf  und  baute  1862  die  Eisenbahn. 

Dieser  Strecke  also  haben  die  Römer  die  wichtige  Rolle  einer 
Grenzmark  übertragen,  und  zwar  verfuhren  sie  dabei  in  der  Weise, 
dass  sie  das  sumpfige  Thal  gegen  den  Feind  hin  vor  sich  Hessen 
und  dicht  dahinter  ihre  Befestigungen  anlegten.  Nicht  einen,  wie 
der  volksthümliche  Name  „Trajanswall"  vermuthen  lassen  sollte, 
auch  nicht  zwei,  wie  unsere  Karten  gewöhnlich  angeben,  sondern 
drei  stattliche  Wälle  sehen  wir  auf  dem  südlichen  Höhenrücken 
entlang  ziehen.  Zwei  davon  sind  aus  Erde  aufgeworfen,  aber  von 
ganz  ungleicher  Höhe  und  Stärke,  zur  Herstellung  des  dritten 
waren  Steine  mit  in  Verwendung  gekommen.  Und  so  verschieden 
wie  die  Construction  dieser  Wälle  ist,  so  verschieden  ist  auch  ihre 
Befestigungskette  von  Wachthäusern,  Lagern,  Castellen ,  sowie  der 
Weg,  den  jeder  einzelne  durch  das  vielverzweigte  Hügelland  ein- 
schlägt. Diese  Selbständigkeit  der  einzelnen  Wälle  nöthigt  uns, 
bei  ihrer  Beschreibung  jeden  für  sich  zu  verfolgen  und  somit  eine 
dreimalige  Begehung  vom  Schwarzen  Meere  bis  zur  Donau  vor- 
zunehmen, wie  ich  sie  auch  in  Wirklichkeit  habe  ausführen  müssen. 
Bevor  wir  uns  aber  hierzu  anschicken ,  noch  ein  Wort  über  die 
Hülfsmittel,  auf  denen  die  beigegebenen  Skizzen  vom  Verlauf  und 
Profil  der  Wälle  beruhen. 

Mein  erster  Aufenthalt  in  der  Dobrugea  umfasste  acht  Tage.  In 
dieser  Zeit  begiug  ich  die  Strecke  des    südlichen   kleinen  Erdwalls 


89 

von  Küstenge  bis  Murfatlar  und  die  des  grossen  Erdwalls  von 
Küstenge  bis  Megidie  zu  Fuss ;  verfolgte  zu  Pferde  den  Stein- 
wall von  Murfatlar  bis  Cernavoda ,  den  grossen  Erdwall  von  der 
Donau  bis  zum  See  und  den  kleinen  weiter  bis  Murfatlar.  Zwei 
Rasttage  in  Küstenge  machten  mich  mit  Torai  und  seiner  Um- 
gebung vertraut.  In  den  drei  Januartagen  meines  zweiten  Besuches 
konnte  ich  schon  auf  der  Eisenbahnfahrt  von  Cernavoda  nach 
Küstenge  manches  nachprüfen  und  ritt  dann  vom  Meere  bis  Mur- 
fatlar, sowie  von  Megidie  bis  kurz  vor  Cernavoda  am  Stein- 
wall entlang.  Das  erste  Mal  stand  mir  nur  die  österreichische 
Generalstabskarte  (Masstab  1 :  300.000)  zu  Gebote,  die  die  Wälle  nicht 
nur  äusserst  lückenhaft,  sondern  auch  häufig  falsch  angibt  und  in 
der  Terrainzeichnung  Alles  zu  wünschen  übrig  lässt.  Nachher 
bekam  ich  durch  die  Güte  Mommsens  russische  Generalstabs- 
aufnahmen aus  dem  Petersburger  Kriegsministerium,  und  mit  deren 
Hilfe  bin  ich  nun  im  Stande,  den  ganzen  Weg  der  Wälle,  wie  er 
sich  von  Hügel  zu  Hügel  fortsetzt,  darzustellen.  Die  Topographie 
dieser  Karte  ist  ausgezeichnet  und  durchaus  zuverlässig.  In  Bezug 
auf  die  Wälle  weist  auch  sie  freilich  grosse  Lücken  auf,  wie 
z.  B.  der  Steinwall  nur  von  Küstenge  bis  Alakap  darauf  steht ; 
aber  wo  sie  ein  Stück  zeichnet,  kann  man  auch  immer  sicher  sein, 
dass  es  so  läuft  wie  sie  es  zeichnet.  Ich  habe  die  Art  der  Terrain- 
zeichnung sowie  auch  den  Masstab  dieser  russischen  Karte  bei- 
behalten. 

Meine  Profile  sind  in  nicht  sehr  kunstgerechter,  aber  wie  ich 
glaube  praktischer  und  auch  genügend  verlässlicher  Weise  aufge- 
nommen Einen  8  M.  langen  Bindfaden  hatte  ich  durch  Knoten  in  ganze 
und  halbe  Meter  abgetheilt  und  mit  einem  Ende  an  einen  Pflock 
befestigt.  Diesen  Pflock  steckte  ich  oben  auf  dem  Wall  in  die  Erde 
und  ging  nun  mit  dem  Bindfaden  abwärts,  bis  er  in  wagerechter 
Spannung  meinen  Scheitel  erreichte.  Auf  die  Länge ,  die  der 
Faden  bis  hierher  auswies,  konnte  ich  dann  eine  Absenkung  des 
Walles  von  1'75  M.  notiren ;  für  besondere  Fälle  war  natürlich 
der  Meterstab  zur  Hand.  Freilich  konnte  ich  mit  dieser  Methode 
immer  nur  abwärts  messen,  ging  also  erst  von  der  einen  und  dann 
von  der  andern  Seite  bis  zur  Grabensohle  herunter:  v.  Cohausen 
meint  (p.  5),  „man  wird  in  den  meisten  Fällen  ein  paar  passend 
stehende  Bäume  finden,  die  das  Geschäft  erleichtern",  aber  da  diese 
edle  Naturgabe  unserer  Strecke  nur  in  einem  einzigen  Exemplar, 
einer  grossen  Akazie  vor  dem  Bahnhof  in  Murfatlar,  zu  Theil  ge- 
worden ist,  so   musste  ich  mir  schon  allein  zu  helfen  suchen. 


90 

Die  Richtung  des  Walles  habe  ich ,  besonders  so  lange  ich 
zu  Fuss  ging,  genau  nach  dem  Corapass  verzeichnet  und  damit 
ein  viel  detaillierteres  Bild  von  dem  Verlaufe  der  Linie  gewonnen, 
als  es  sich  auf  der  beigegebeneu  kleinen  Karte  darstellen  lässt. 
Die  Entfernungen  sind  nach  Minuten  und  Schritten  gemessen, 
1  Minute  zu  50  Doppelschritten,  gleich  75  M.  gerechnet.  Auch  die 
Pferdeschritte  lassen  sich  nach  demselben  Satze  in  Meter  umrechnen, 
da  das  Thier,  wie  ich  aus  der  Nachmessung  grösserer  Strecken 
gesehen  habe,  bei  ruhigem  Gang  genau  so  weit  ausschreitet  wie 
der  Mensch;  nur  geht  es  stets  rascher  als  dieser,  und  das  Ver- 
hältniss  seiner  Schritte  zur  Minute  wird  dadurch  ein  anderes. 

Da  in  der  Einöde  ausser  den  spärlichen  durchschneidenden 
Chausseen  alle  Wahrzeichen  fehlen,  nach  denen  man  irgend  einen 
Punkt  des  Walles  bestimmen  könnte,  so  habe  ich,  so  oft  eine  Ort- 
schaft in  Sicht  kam,  die  Richtung,  in  welcher  dieselbe  erschien, 
verzeichnet. 

Die  Wälle  beginnen  alle  drei  ein  Stück  südlich  von  Kü- 
stenge, das  von  den  Rumänen  jetzt  wieder  mit  seinem  unver- 
dorbenen Namen  Constanza  genannt  wird.  Die  Stadt  liegt  auf  einer 
Landzunge  und  verdankt  jedesfalls  den  im  S.  und  N.  sie  begrenzen- 
den Meereseinschnitten  ihren  alten  Namen  T6|uoi.  Der  grössere  süd- 
liche Golf,  in  dem  sich  auch  der  Hafen  befindet,  bildet  an  seiner 
Westseite  zwei  stumpfe  Winkel,  den  einen  dadurch,  dass  die  von 
S.  herlaufende  Küstenlinie  sicli  nach  NO.  wendet,  den  andern, 
indem  diese  nordöstliche  Richtung  in  eine  rein  östliche  übergeht. 
An  dem  ersteren  Punkte  beginnt  der  grosse  Erdwall  und  der 
Steinwall,  an  dem  zweiten  der  kleine  Erdwall.  Beide  Stellen  sind 
von  einander,  und  die  der  Stadt  zunächstliegende  wieder  von  dieser, 
d.   h.  vom  Bahnhofe,   1   Kilom.  entfernt. 

Der  Steinwall  und  grosse  Erdwall  laufen  dicht  neben  einander 
geradeaus  nach  W. ,  272  Kilometer  vom  Meere  kreuzt  sie  der  kleine 
P>dwull,  der  sich  nach  S.  wendet  und  bis  zur  Donau  hin  immer 
oben  auf  der  Hochebene  bleibt.  Die  beiden  anderen  halten  sich 
noch  eine  Weile  bei  einander,  dann  aber  gehen  sie,  der  Steinwall 
nach  S.,  der  Erdwall  nach  N.,  ihre  eigenen  Wege  und  kommen 
erst  1  Stunde  hinter  Alakap  wieder  zusammen.  Hinter  Megidie 
hört  der  grosse  Erdwall  auf,  und  der  Steinwall  läuft  allein  auf  dem 
Südrande  des  Thaies  weiter,  bis  er  am  Ende  des  letzten  Sees, 
1  Vd  Stunden  von  Cernavoda,  direct  zur  Donau  hin  abbiegt.  Etwas 


91 


vorher  beginnt  an  demselben  See  ein  neues  Stück  des  grossen 
Erdwalls,  das  sich  gleich  in's  Land  hineinwendet  und  nach  seiner 
Vereinigung  mit  dem  kleinen  Erdwall  den  Fluss  erreicht. 

Verfolgen  wir  jetzt  diese  Schicksale  der  Wälle  im  Einzelnen, 
und  fangen  mit  der  einfachsten  und  isoliertesten  Linie  an. 

Der  kleine  Erdwall 

An  der  beschriebenen  nördlichen  Biegung  der  hier  50  M.  hoch 
schroff  aus  dem  Meere  aufsteigenden  Küste  ist  ein  3  M.  hoher 
rasenbewachsener  Erdaufwurf  sichtbar,  der  trotz  der  vielfachen 
Zerrissenheit  des  Terrains  sich  unverkennbar  als  Anfang  des  Walles 
kundgibt.  Aber  schon  nach  87  M.  verschwindet  er  wieder,  denn  es 
schneidet  in  breiter  Linie  Chaussee  und  Eisenbahn  durch,  und 
drüben  hat  in  bunt  zusammengewürfelten  Hügelgruppen  das  Wasser 
so  viele  Veränderungen  angerichtet,  dass  sich  der  Zug  des  Walles 
nicht  mehr  aufzeigen  lässt.  Erst  bei  einer  weiterhin  kreuzenden  Fahr- 
strasse, nach  einer  Unterbrechung  von  450  M.,  erscheint  der  Ver- 
misste  wieder,  freihch  in  weit  schwächerer  Gestalt,  die  jedoch,  wie 
sich  bald  herausstellt,  seine  gewöhnliche  ist.  Profil  1,  das  gleich 
hinter    dem  Fahrwege    aufgenommen    ist,    stellt  somit  ungefähr  die 


Fig.   1. 

Durchschnittsform  dar.  Zugleich  wird  an  dieser  Stelle  klar,  was 
in  der  unregelmässigen  Ufergegend  noch  zweifelhaft  sein  konnte,  dass 
der  Graben  an  der  Südseite  liegt,  damit  also  die Vertheidigungs- 
front  des  Walles  nicht,  wie  man  erwarten  sollte  und  wie  es  auch 
bei  den  anderen  Linien  der  Fall  ist,  gegen  N.,  gegen  das  Barbaren- 
land, sondern  gegen  Süden  ,  gegen  der  Römer  eigenes  Gebiet 
gerichtet  ist.  Von  einer  ähnlichen  Erscheinung  in  England  spricht 
V.  Cohausen  p.  309. 

Man  sieht  unsern  Wall  nun  in  westsüdwestlicher  Richtung  das 
langsam  ansteigende  Feld  hinaufziehen  und  sich  den  beiden  andern 
allmählich  nähern  Auf  dieser  Strecke  sind,  1V.>  Kilom.  vom  INleere 
entfernt,  neun  moderne  Schanzen  schräg  in  seine  Krone  einge- 
schnitten. Solche  Anlagen,  die  fast  immer  aus  dem  letzten  russisch- 


92 

türkischen  Kriege  stammen,  finden  sich  weiterhin  noch  öfter;  Fig.  2 
stellt  den  Zustand  an  unserer  Stelle  dar.  Einen  Kilometer  später 
schneidet  die  Eisenbahn  den  Wall,  und  nach  einem  weiteren  Kilo- 
meter findet  die  Kreuzung  mit  den  zwei  anderen  Wällen  statt,  deren 
Verhalten  bei  dieser  Gelegenheit  ein  interessantes  Licht  wirft  auf 
das   Altersverhältniss  der  beiden  Theile.     Die  vereinigte  Linie  von 


Fig.  2. 

Stcinwall  und  grossem  Erdwall  zieht  nämlich  in  voller  Breite  und 
ohne  dass  ihr  Schanz-  und  Grabenwerk  im  mindesten  angetastet 
würde,  über  diese  Stelle  hin,  hat  somit  den  kleinen  Erdwall  rück- 
sichtslos durchbrochen :  derselbe  hört  vor  dem  Graben  des  grossen 
Erdwalles  auf  und  fängt  erst  hinter  der  Abdachung  des  Steinwalles 
wieder  an.  Wären  die  Wälle  alle  zu  gleicher  Zeit  entstanden,  so 
begriffe  man  wohl  überhaupt  nicht,  dass  sie  sich  schneiden;  sind 
sie  aber  ungleichen  Alters,  so  ist  klar,  dass  der  kleine  Erdwall 
zuerst  da  war  und  nachher,  als  Mächtigere  kamen,  Platz  machen 
musste. 

Bis  zum  Kreuzungspunkte  sah  man  rechts  und  links  keinerlei 
Anbau,  sondern  nur  Weide ,  hinter  demselben  aber  beginnen  jetzt 
Kornfelder,  und  der  Wall,  dessen  Erdmasse  unter  dem  Pfluge  des 
Landmaimes  auseinander  geflossen  ist,    zeigt   hier  ein  sehr  flaches 


Fig.  3. 

Profil  (vgl.  Fig.  3).  Allmählich  erhebt  er  dann  seinen  Rücken  wieder 
und  nachdem  die  Bahn  zum  dritten  Male  durchgegangen  ist,  1*3 
Kilom.  hinter  dem  Kreuzungspunkte,  wird  er  so  stattlich  wie  sonst 


Fig.  4. 

nur  selten  (Fig.  4).    Der  Getreidebau  setzt  sich  auch  hier  an  beiden 
Seiten  fort,  aber  er  hat  den  Wall  selbst  unberührt  gelassen. 


93 

Beim  vierten  Bahndurchschnitt  kreuzt  zugleich  die  grosse 
südlich  nach  Jedi  Oluk  (a.  d.  russ.  K.  Hasdorlük)  führende  Heer- 
strasse. Hier  trennen  sich  Bahn  und  Wall  auf  Nimmerwiedersehen, 
denn  nun  beginnt  mit  einer  leichten  Einsenkung  das  Karasuthal, 
das  der  Eisenbahn  ihren  natürlichen  Weg  weist,  während  der  Wall 
es  auf  die  Höhen  abgesehen  hat.  In  westsüdwestlicher  Richtung 
zieht  er  eine  Erhebung  hinauf,  die  auch  der  Steinwall  raitersteigt. 
Während  dieser  aber  nach  einer  kurzen  Probe  auf  die  Hügelwan- 
derung verzichtet,  bleibt  der  kleine  Erdwall  seinem  Vorhaben  getreu 
und  schreitet  in  fortwährendem  Auf  und  Nieder  unverdrossen  über 
den  dornigen  Rücken  der  Hochebene  hin.  Es  ist  keine  beneidens- 
werthe  Aufgabe,  diese  Wanderung  mitzumachen;  sie  gehört  zu  den 
schlimmsten  Erinnerungen  meines  Lebens.  Anstrengender  Marsch, 
glühende  Hitze,  die  eben  so  glühenden  Durst  hervorruft,  der  mit- 
genommene Vorrath  längst  erschöpft,  auf  dem  ganzen  Wege  aber 
kein  Tropfen  Wasser  und  kein  menschliches  Wesen  zu  entdecken: 
es  genügt,  um  einen  zur  Verzweiflung  zu  bringen. 

2*25  Kilom.  nach  dem  Verlassen  der  Bahn  ist  der  Wall  auf 
der  ersten  Anhöhe  {A)  angelangt.  Man  sieht  hier  den  Stein  wall 
ganz  nahe  nebenherziehen  und  grosse  behauene  Blöcke  neben  ihm 
umherliegen.  Auch  auf  unserer  Linie  zeigen  sich  hier  plötzlich 
Steine.  Schon  300  M.  zurück  waren  einige  Brocken  zu  sehen 
gewesen;  auf  dem  höchsten  Punkte  fand  ich  jetzt  mehrere  grössere 
Stücke  wie  zum  Feststecken  einer  Fahnenstange  zusammengelegt 
und  daneben  im  Graben  ein  paar  Erlenbüsche  gepflanzt;  fröhliche 
Schnitter  schienen  vor  kurzem  dort  gelagert  zu  haben.  Wieder 
3u0  M.  weiter  aber  war  das  ganze  Feld  mit  Steinen  übersäet.  Alle 
zeigten  unregelmässige  Bruchformen ,  die  stärksten  einen  Durch- 
messer von  20 — 30  Ctm.  Sie  bestanden  aus  grauem  und  gelbem 
Kalk  und  waren  durch  den  Pflug  weit  verstreut,  so  dass  sich  von 
einer  bestimmten  Anlage  keine  Spur  mehr  erkennen  Hess 

Die  Erhebung  des  Walles  ist  hier  sehr  schwach,  nur  der 
Graben  hat  seine  gewöhnliche  Tiefe  behalten   (vgl.  Fig.  5);  weiterhin 


Fig.  5. 


sieht  man    auch    diesen  vom  Kornbau    geebnet    und    die  Linie  nur 
durch  eine  kaum  wahrnehmbare  Schwellung  der  Ackerkrume  fort- 


94 

geführt.  Einen  Kilometer  hinter  A  wurde  im  WNW.  das  Dorf 
Hasangea  sichtbar.  In  der  Senkung ,  die  der  Wall  dann  durch- 
schreitet, verschwindet  er  auf  eine  Strecke  von  100  M.  völlig,  so 
stark  hat  ihm  hier  der  Ackerbau  zugesetzt.  850  M.  weiter,  3  Kilom. 
hinter  A,  hat  er  eine  zweite  Höhe  (B)  erklommen,  von  der  aus 
man  Hasangea  jetzt  im  NNW.  liegen  sieht  und  500  M.  dahinter 
finden  sich  abermals  viele  Steine,  darunter  diesmal  auch  einige  be- 
hauene,  doch  ohne  dass  sich  weitere  Anhaltspunkte  ergäben.  Nach 
600  M.  schneidet  dann  ein  nach  Hasangea  führender  Fahrweg 
und  wieder  nach  demselben  Zwischenraum  ein  zweiter,  der  gleich 
nördlich  in  den  vorigen  einmündet. 

Neun  Minuten  später,  also  2 "20  Kilom.  von  B  entfernt,  be- 
finden wir  uns  auf  einer  dritten  Höhe  C.  Der  Wall  lässt  hier  dicht 
zu  seiner  Linken  einen  Tumulus  liegen,  der  auf  seiner  Spitze  einen 
grossen  Muschelkalkblock  trägt.  Hasangea  erscheint  fast  rein  im 
Norden,  mit  10"  Abweichung  nach  Osten. 

Nach  längerem  ebenen  Fortziehen  und  Durchschreiten  einer 
Senkung,  einem  Wege  von  im  Ganzen  2*5  Kilom.,  folgt  Höhe  D, 
von  der  man  nördlich  Omurgea  erblickt;  300  M.  weiter,  direct 
vor  dem  steilen  Abstieg  in's  Thal,  liegen  wieder  eine  Menge  Steine 
zerstreut. 

Ich  bin  noch  mit  dem  Wall  über  die  nächste  Erhebung  ge- 
stiegen (o  Kilom,),  dann  aber  in  der  durchschneidenden  Thalsenkung 
nach  Murfatlar  abgebogen  (bei  E).  Die  folgende  Partie  von  6  Kilom. 
habe  ich  somit  nicht  selbst  gesehen  ,  denn  der  Ritt,  den  ich  einige 
Tage  später  von  der  Donau  her  unternahm,  endigte  südwestlich  von 
„Turk  Murfat"  —  so  unterscheidet  das  Volk  dies  Dorf  nach  seiner 
Einwohnerschaft  von  dem  dreiviertel  Stunden  weiter  östlich  am 
Bahnknie  gelegenen  „Tartar  Murfat"  —  aber  die  üebereinstimmung 
der  österreichischen  und  lussischen  Karte  lässt  keinen  Zweifel 
darüber,  dass  der  Wall  hier  in  aller  Ordnung  seinen  Weg  fortsetzt. 

Wo  der  Fahrweg  von  Megidie  nach  Jeski  Bilbiler  schneidet, 
steht  östlich  eine  Windmühle  auf  dem  Wall ;  an  dieser  Stelle  be- 
ginnen wieder  meine  eigenen  Erfahrungen.  Von  hier  aus  bin  ich 
gerades  Wegs  in  20  Minuten  nach  Turk  Murfatlar  geritten:  die  Ent- 
fernung beträgt  also  beinahe  2  Kilom.,  wie  auch  die  russische  Karte 
richtig  angibt,  während  die  österreichische  den  Wall  in  unmittelbare 
Berührung  mit  dem  Dorfe  bringt.  Aehnlich  vei'hält  sich's  mit  der 
Lage  von  Karakiöi  (50  Min.  weiter),  das  sich  nach  der  österrei- 
chischen Karte  südlich  vom  Walle  befinden  soll,  während  es  nach 


95 

der  russischen  und  in  Wirklichkeit  nördlich  in  einer  Thalsenkung 
verborgen  liegt.  Der  Fehler  der  österreichischen  Angabe  besteht 
darin ,  dass  sie  den  Wall  auf  dieser  Strecke  zu  weit  nach  Norden 
gerückt  hat;  die  Ortschaften  selbst  stehen  an  ihrem  richtigen  Platze. 

Auch  die  nun  folgende  grosse  Lücke  ist  nur  auf  der  russi- 
schen Karte  richtig  verzeichnet.  2  Kilom.  hinter  Karakiöi  nämlich 
hört  der  Wall  plötzlich  mitten  im  Felde  auf,  ohne  seinen  weiteren 
Lauf  auch  nur  durch  die  leiseste  Spur  zu  verrathen.  Es  bleibt 
uns  also  nichts  übrig,  als  führerlos  über  die  unwegsame  Steppe 
weiter  zu  reiten  und  das  Wiederauftauchen  des  launigen  Reise- 
gefährten in  Geduld  zu  erwarten.  Ein  Glück  war  es  dabei,  dass 
ich  von  Westen  kam  und  nur  in  der  zuletzt  verfolgten  Richtung 
weiter  zu  reiten  brauchte,  um  die  Fortsetzung  gleich  an  der  rich- 
tigen Stelle  aufzufinden;  wäre  ich  von  Osten  gekommen,  wo  der 
Wall  gleich  zu  Beginn  des  verlorenen  Stückes  seinen  nordwest- 
lichen Lauf  in  einen  rein  westlichen  umgewandelt  hat,  so  hätte  ich 
wohl  lange  suchen  können. 

Einen  Kilometer  vor  der  letzten  der  grossen  Heerstrassen,  die 
Megidie  mit  dem  Süden  verbinden,  fängt  der  Wall  dann  ebenso 
unvermittelt  wie  er  aufgehört  wieder  an.  Die  ganze  Unterbrechung 
beträgt  6  Kilom.,  aber  sie  lässt  sich  gerade  an  dieser  Stelle  leicht 
erklären  durch  die  Nähe  von  Megidie,  dieser  einst  mächtigen  Stadt, 
die  einen  weitberühmten  Markt  besass  und  damals  wohl  auch  die 
Alles  ebnende  Cultur  des  Bodens  weit  genug  um  sich  her  betrieb, 
um  mit  den  störenden  Ueberbleibseln  der  Vergangenheit  aufzu- 
räumen. 

Der  Wall  hält  sich  jetzt  mit  mehrfachen  Windungen  auf  der 
Wasserscheide  zwischen  dem  Oernawodaer  und  dem  Kokerlener 
Thale.  5"5  Kilom.  hinter  der  letztgenannten  Heerstrasse  kreuzt  er 
den  einfachen,  von  Megidie  nach  Rasova  gehenden  Fahrweg  an 
einem  hochgelegenen  Punkte ,  von  dem  aus  sich  vier  Tumuli  auf 
einer  Seitenerhebung  nacii  Norden  hinziehen.  Nach  15  Minuten 
erreicht  er  einen  anderen  Tumulus,  den  er  dicht  zur  Rechten  liegen 
lässt  („neue  Colonie"  im  N.),  wendet  nun  direct  nach  NW.,  biegt 
aber  nach  30  Minuten  wieder  ab,  um  einen  links  liegenden  Tumulus 
zu  umgehen;  von  diesem  aus  sieht  man  die  neue  Colonie  am  Nord- 
ufer des  grössten  Karasu-See's  im  NNO.  (20")  liegen.  Der  Wall 
ist  nachher  ein  Stück  weit  verwischt,  wird  aber  20  Minuten  hinter 
der  eben  beschriebenen  Stelle ,  bei  einem  Tumulus  über  der  Süd- 
spitze des  Kokerlener  See's  wieder  sichtbar,    trägt  hier  einige  mo- 


96 


derne  Schanzen  auf  seinem  Rücken  und  überschreitet 
die  folgende  sanfte  Ansteigung,  um  bald  darauf  mit  dem 
vom  See  herüberziehenden  neuen  Stück  des  grossen 
Erdwalls  zusammenzutreflfen.  Die  eigenthüralichen  Be- 
dingungen dieser  Vereinigung  jedoch  und  den  Zug  der 
gemeinschaftlichen  Linie  bis  zur  Donau  verfolgen  wir 
am  besten  bei  der  Besprechung  des  grossen  Erdwalles, 
zu  der  wir  uns  nunmehr  wenden. 


Der  grosse  Erdwall 

Einen  Kilometer  südlich  vom  Anfangspunkte  des 
kleinen  Erdwalles  beginnt  der  grosse,  und  noch  75  M. 
weiter  der  Steinwall.  Diese  beiden  sind  also  ganz 
nahe  zusammen,  und  in  einiger  Entfernung  vom  Ufer 
nähern  sie  sich  einander  noch  mehr.  Aber  im  Anfang 
ihres  Laufes  befindet  sich  weder  der  eine  noch  der 
andere  in  normalem  Zustande;  der  Steinwall  bildet  die 
Nordgrenze  einer  grossen  Gärtnerei  und  ist  für  diesen 
«i  Zweck  stark  zugeschnitten  ;  der  Erdwall  hat  zwar  an 
.bc  Höhe  nichts  eingebüsst,  aber  sein  nördlich  vorliegender 
"^  Graben  ist  durch  den  Wasserlauf  unzähliger  Jahre  zu 
einer  jähen  Schlucht  ausgerissen,  die  direct  in's  Meer 
hinunterführt.  In  dieser  Schlucht  sah  Moltke  „die  zier- 
lichen Reste  eines  römischen  Hauses",  die  auch  von 
v.  Vincke  (1839)  erwähnt  werden.  Bei  meinem  ersten 
Besuch  hatte  ich  von  dieser  Notiz  noch  keine  Kennt- 
niss  und  beachtete  daher  die  Schlucht  nicht  weiter,  das 
zweite  Mal  aber  machte  tiefer  Schnee  jede  Nachfor- 
schung unmöglich 

Beide  Wälle  sind  hier  durch  eine  eigenthümliche 
Befestigungslinie  verbunden :  oben  am  Uferrande  ent- 
lang zieht  sich  eine  8  M.  breite  und  '/,  M.  hohe  Erd- 
erhebung mit  drei  kurzen,  nach  Innen  vorspringenden 
Ausläufern.  Ich  habe  Aehnliches  nirgend  gefunden; 
aber  das  Profil  der  Erhebung  hat  zu  viel  Aehnlichkeit 
mit  den  kleinen  Lagerwällen ,  die  wir  gleich  kennen 
lernen  werden,  als  dass  ich  an  seinem  römischen  Ur- 
sprung zweifeln  möchte.  Vielleicht  ist  die  Linie  der 
letzte  Rest  eines  Lagers,  das  hier  hinter  dem  Walle  lag. 


97 

350  M.  vom  Meere  schneidet  die  grosse  Chaussee  Küstenge- 
Mangalia;  nun  sind  8teinwall  und  grosser  Erdwall  einander  so  nahe 
gekommen,  dass  sie  eine  zusammengehörige  Linie  zu  bilden  scheinen. 
Der  grosse  Erdwall  zeigt  in  Folge  seiner  langsamen  südlichen  Ab- 
dachung eine  ausserordentliche  Breite  (s.  Fig.  6j.  Die  Linie  durch 
seinen  Vorgraben  bis  auf  die  Höhe  misst  12  M. ,  die  Abdachung 
26  M.,  die  Bärme  von  da  bis  vor  den  Graben  des  Steinwalles 
12  M.  Die  Höhe  des  Walles  beträgt  von  der  Grabensohle  aus 
3  M.  Ein  Loch  von  4  M.  Breite  und  P/^  Meter  Tiefe,  das  sich 
1  Minute  vom  Meere  in  den  Wall  eingebohrt  findet,  sowie  zwei 
weitere,  3  Minuten  vor  dem  Kreuzungspunkte  mit  dem  kleinen  Erd- 
wall, die  sogar  2*5  M.  tief  sind,  beweisen,  dass  das  Innere  wirklich 
durch  und  durch  aus  Erde  besteht. 

In  dieser  Gestalt  und  in  steter  Fühlung  mit  seinem  Genossen 
zur  Linken  läuft  der  Wall  noch  1  7q  Kilom.  über  den  genannten 
Kreuzuugspunkt  hinaus  —  beim  Bahndurchschnitt  ist  ein  Wärter- 
häuschen an  ihn  angelehnt  —  dann  aber  macht  sich  der  Steinwall 
los,  und  unser  Erdwall  ändert  nun  sein  Aussehen  insofern,  als  er 
nach  Norden  wie  nach  Süden  hin  rascher  abfällt  und  sich  jetzt  auch 


an  der  hinteren  Seite  einen  kleinen  Graben  zugesellt;  jedoch  ist  dieser 
bedeutend  schmäler  und  flacher  als  der  nördliche  und  verdankt  sein 
Dasein  wohl  nur  dem  Bedürfniss  ,  die  EruC  zur  bequemeren  Auf- 
schüttung des  Walles  von  beiden  Seiten  auszuheben.  Als  Abschluss 
der  ganzen  Linie  bemerkt  man  zuweilen  jenseits  der  Gräben  noch 
eine  leichte  Bodenschwellung  (Fig.  7). 

Allerhand  Gethier  hat  sich  in  dieser  Wildniss  angesiedelt,  im 
Graben  sah  ich  einen  Fuchs  laufen,  und  mehrere  etwa  kopfgrosse 
Schildkröten  krochen  träge  über  meinen  Weg.  Zehn  Minuten  nach 
der  Abtrennung  des  Steinwalles  zieht  sich  eine  grosse  Melonen- 
gärtnerei am  Südhange  des  Walles  bin;  an  ihrem  Ende  bemerkte 
ich  die  deutlichen  Erdwälle  eines  viereckigen  Lagers ,  und  schon 
acht  Minuten  weiter  zeigte  sich  ein  eben  solches,  dessen  Fläche 
sich  bei  der  Umgehung  als  ein  Quadrat  von  124  M.  Seitenlänge 
herausstellte.      Die    Umwallung    hatte    die    Form    wie    Fig.    8    sie 

Archäologisch-epigraphischö  Mitth.  IX.  rj 


98 

darstellt.  Gespannt  auf  die  Wiederkehr  dieser  Erscheinungen 
schritt  ich  weiter  und  fand  nach  13  Minuten  richtig  ein  drittes 
Viereck  von  124  M.  und    dann   nach    11  Minuten  eins  von   135  M. 


Fig.  8. 

Längsseite.  Von  nun  an  durfte  ich  nach  einer  Wanderung  von 
durchschnittlich  10  Minuten  jedesmal  links  das  bewusste  Lager 
erwarten.  Gleich  das  folgende,  Nr.  5,  konnte  daher,  obgleich  nur 
die  hintere  Langseite  noch  in  einer  Erhebung  von  20  Ctm.  existierte, 
die  Breitseiten  aber  dem  Pfluge  völlig  gewichen  waren,  mit  Sicher- 
heit constatiert  werden:  der  Ort  war  genau  10  Minuten  von  dem 
vorigen  entfernt  und  wieder  10  Minuten  weiter  lag  Nr.  6.  Jenes  fünfte 
Castrum  gehörte  übrigens  zu  den  grössten  dieser  Linie ,  es  hatte 
eine  Fläche  von  186  :  152  M. 

Nr.  6  zeigt  eine  Länge  von  160  M.  Gleich  hinter  ihm 
kam  das  Dorf  Hasangea  im  SSW.  (210")  in  Sicht;  Nr.  7  liegt 
9  Minuten  hinter  dem  sechsten  und  hat  eine  Länge  von  140  M. ; 
Nr.  8,  das  nach  10  Minuten  folgt,  eine  solche  von  141  M.  Ich 
habe  gewöhnlich  nur  die  Langseite  im  Vorbeischreiten  gemessen, 
eine  jedesmalige  Umgehung  hätte  zu  lange  aufgehalten  und  auch 
wenig  genützt ,  da  die  Lager  durchweg  die  gleiche  Form  haben, 
nämlich  in  der  Breite  einige  Meter  weniger  zählen  als  in  der  Länge. 

Das  neunte  Castrum  zeigt  sehr  schwache  Spuren  der  einstigen 
Umwallung,  nur  wenige  Centimeter  erhebt  sich  die  Bodenwelle; 
aber  da  dieser  Punkt  von  Nr.  8  wie  von  Nr.  10  je  acht  Minuten 
entfernt  ist,  so  genügen  die  leisen  Unebenheiten,  um  das  Lager 
festzustellen.  In  dem  folgenden,  Nr.  10,  finden  wir  zum  ersten 
Male  ein  hinter  dem  Walle  zurückliegendes  Castrum;  es  zeigt  eine 
Fläche  von  180  :  162  M.  und  ist  mit  der  vorderen  Seite  105  M. 
vom  Walle  entfernt.  An  seiner  Ostseite  läuft  ein  auch  den  Wall 
durchschneidender  Fahrweg,  der  nach  Omurgea  führt;  man  sieht 
diesen  Ort  im  SSW.  (220«). 

Nach  10  Minuten  folgt  Nr.  1 1 ,  und  wieder  nach  10  Minuten 
Nr.  12.  Ersteres  ist  136  M.  lang,  letzteres  liegt  wie  Nr.  10  wieder 
ein  Stück  vom  Walle  ab  und  zwar  120  M.  weit;  zugleich  ist  es 
das  kleinste  Lager,  das  ich  auf  dieser  Linie  gefunden,  seine  Lang- 


99 

Seite  misst  nur  105  M.  Neben  beiden  Lagern,  bei  1 1  im  Osten, 
bei  12  im  Westen,  schneidet  ein  Fahrweg  nach  Omurgea  durch 
den  Wall.  Nr.  13,  das  nach  12  Minuten  folgt  und  162  M.  Länge 
hat,  liegt  schon  an  einer  nach  Murfatlar  führenden  Landstrasse. 

Mit  Nr.  14  steht  es  ähnlich  wie  mit  Nr.  9:  die  Spuren  der 
Wälle  sind  sehr  schwach,  aber  die  passende  Entfernung  von  13 
(10  Min.)  macht  dieselben  zu  genügenden  Zeugen. 

Acht  Minuten  von  da  schneidet  eine  grosse  Fahrstrasse  nach 
Alakap,  auf  der  man  den  Ort  direct  im  W.  liegen  sieht,  und  nach 
weiteren  10  Minuten  folgt  eine  zweite  Chaussee  dorthin,  die  das 
Dorf  im  SO.  zeigt.  Auf  dieser  ganzen  Strecke  ist  kein  Lager  zu 
entdecken,  aber  wohl  nur  deshalb  nicht,  weil  die  Lage  von  Alakap 
die  schwachen  Wälle  eines  Castrums  verwischt  haben  muss.  Neben 
der  ersten  Chaussee  liegt  ein  grosses  Gehöft  mit  Viehställen  und 
Getreideschobern  dicht  am  Wall:  gerade  hier  dürfte  sich  ein  Lager 
befunden  haben,  denn  die  Querwege  durch  den  Wall,  die  gewöhn- 
lich alt  sind,  lassen  immer  ein  solches  vermuthen.  Ebenso  wird 
daher  bei  der  zweiten  Chaussee  nach  Alakap    eines    gewesen  sein. 

Von  da  ab  finden  wir  wieder  einige  Befestigungen  in  regel- 
mässigem Abstand  von  einander.  Neun  Minuten  hinter  dem  Haupt- 
wege Nasargea-Alakap  liegt  Nr.  15  mit  155  M.,  nach  12  Minuten 
folgt  Nr.  16  mit  150  M.,  und  nach  sieben  Minuten  Nr.  17  mit 
160M.  Langseite. 

Dann  aber  erscheint  eine  Zeit  lang  nichts  derartiges  mehr. 
Das  Terrain  wird  sehr  niedrig,  ja  sumpfig,  die  Eisenbahn  braucht 
einen  tüchtigen  Damm,  um  durchzukommen,  und  der  Ackerbau  hat 
so  stark  aufgeräumt,  dass  der  Wall  an  drei  Stellen  auf  75,  45 
und  264  M.  unterbrochen  ist. 

Gleich  hinter  der  Eisenbahn  überschreitet  der  Erdwall  den 
Steinwall,  hält  sich  dann  aber  dicht  an  dessen  Südseite  und  steigt 
mit  ihm  zusammen  einen  hohen  Hügel  hinauf.  Diese  Thatsachen 
sind  indess  mehr  aus  dem  nachherigen  Laufe  der  beiden  zu  er- 
schliessen,  als  an  dieser  Stelle  selbst  zu  erkennen.  Die  Wälle  sind 
schon  vor  ihrem  Zusammentreffen  beide  völlig  verwischt,  nur  eine 
unbestimmte  Bodenwelle  sieht  man  den  Hügel  hinaufsteigen ,  und 
droben  lassen  sich  zwar  deutlich  zwei  Linien  unterscheiden,  die  in 
leiser  Curve  der  Bergform  folgen,  aber  welches  davon  der  Stein- 
wall und  welches  der  Erdwall  sei,  bleibt  ein  Räthsel.  Da  sie  eben 
nicht  gerade  über  den  Hügel,  sondern  seitlich  an  seiner  Kuppe  ent- 
lang ziehen ,    hat    das  abfliessende  Regenwasser  sie  fast  ganz  weg- 


100 

gewaschen.  Einen  Kilometer  beträgt  dieser  Weg,  dann  folgt  ein 
tiefer  Wasserdurchriss  und  hinter  demselben  stehen  plötzlich  in  der 
genauen  Fortsetzung  ihrer  bisherigen  Linie  die  Wälle  unversehrt 
neben  einander,  aber  der  Erdwall  links,  der  Steinwall  rechts.  Der 
stets  sich  gleich  bleibende  Abstand  auf  der  zurückgelegten  Hügel- 
partie und  das  nunmehrige  genau  entsprechende  Wiederbeginnen  lässt 
die  Annahme  nicht  zu,  dass  die  Linien  sich  erst  an  dieser  ausge- 
rissenen Stelle  gekreuzt  hätten;  die  Ueberschneidung  muss  also 
schon  vor  dem  Aufstieg  zum  Hügel  stattgefunden  haben  und  in  der 
Verlängerung  der  schrägen  Richtung  liegen,  mit  der  man  dort  den 
Erdwall  auf  den  Steinwall  zulaufen  sieht. 

Uebrigens  zieht  auch  die  Telegraphenleitung,  die  vorher  schon 
auf  dem  Stein  walle  Fuss  gefasst,  mit  über  den  Hügel,  während  die 
Eisenbahn  denselben  in  weitem  Bogen  umgeht.  Die  Wälle  bleiben 
von  jetzt  ab  bis  zum  .Aufhören  des  Erdwalles  neben  einander,  wenn 
auch  nicht  so  streng  geschlossen  wie  im  Anfang  ihrer  Laufbahn. 
Auf  der  Höhe  des  ersten  Hügelabschnittes  liegt  ein  Lager 
hinter  dem  Erdwall  (Nr.  18),  leider  sah  ich  dasselbe  erst  nach  dem 
Uebersehreiten  jener  Partie  und  habe  es  also  nicht  gemessen.  Neun 
Minuten  hinter  dem  Durchriss  folgt,  nachdem  die  Wälle  sich  auf 
etwa  50  M.  getrennt  haben,  Lager  Nr.  19  mit  138  M.  und  14  Minuten 
später  Nr.  ^0  mit  114  M.  Langseite.  Nach  12  Minuten  ist  dann 
der  Fuss  des  Hügels  erreicht,  die  Bahn  biegt  wieder  ein  und  pa- 
rallel mit  den  Wällen  läuft  eine  wohlgehaltene  Chaussee  nach 
Megidie,  das  wir  nun  in  einer  halben  Stunde  erreichen.  Unser 
Wall  hat  auf  dieser  Strecke  noch  zwei  Lager  hinter  sich  (21.  22). 
Um  nach  Megidie  hineinzukommen,  müssen  wir  eine  kleine 
Anhöhe  ersteigen,  an  deren  weit  nach  Süden  gedehntem  Hange 
sich  das  grosse  Trümmerfeld  eines  zerstörten  Ortes  befindet.  Un- 
zählige Häuserfundamente  ragen  aus  der  Erde  auf  und  eine  Masse 
Steine,  theils  in  regelmässiger  Schichtung,  theils  in  wirren  Haufen, 
bedecken  den  Boden.  Es  sind  die  Ruinen  von  Karasu ,  das  dem 
ganzen  langen  Thale  und  den  Seen  seinen  Namen  gegeben  hat. 

Die  Wälle  hören  dicht  vor  jenem  Trümmerfelde  auf  und  fangen 
unmittelbar  hinter  Megidie  wieder  an;  sie  liefen  also  mitten  durch  das 
einst  und  jetzt  bewohnte  Terrain.  Ihr  Weg  führt,  wie  schon  die 
letzte  Zeit  vor  der  Stadt,  über  ein  gleichmässig  hohes,  aber  durch 
mehrfache  breite  Wasserläufe  querdurchschnittenes  Plateau.  Während 
der  Steinwall  sich  am  Rande  desselben  hält,  läuft  der  Erdwall 
2 — 30U  M.  weiter  oben  und  zeigt  hier   ein   starkes,    weithin    sieht- 


101 


bares  Profil  (s.  Fi^.  9).  Auch  eine  bisher  noch  nicht  dagewesene 
Erscheinung  hat  er  in  dieser  Gegend  aufzuweisen.  Bei  jeder  der 
drei  Wasserrinnen ,    die  sich  zur  ersten  Lagune  hinabziehen ,    liegt 


^4-4^^^ 


I^T' 


tt 


:  r 


Fiff.  9. 


östlich  über  der  Schlucht  ein  kleines  Befestigungsviereck  von 
30  :  15  —  20  M.  Grösse  (Nr.  23,  24,  25),  dessen  flache,  aber  breite 
Wälle  denen  der  sonstigen  Lager  dieser  Linie  entsprechen  und 
dessen  Bestimmung  jedenfalls  die  war,  den  durch  die  Schlucht 
heraufführenden  Weg  durch  einen  besonderen  Posten  besetzt  zu 
halten.  Es  sind  das  dieselben  Lager,  die  sonst  Meilen-  oder  auch 
Manipularcastelle  genannt  werden  und  von  denen  v.  Cohausen  (p.  311) 
sagt:  „Sie  liegen  bei  uns  und  eigentlich  auch  in  England  da,  wo 
der  Grenzwall  durch  ein  Thal  oder  einen  Bergpass  durchschnitten 
wird." 

Ein  Stück  hinter  dem  Walle,  mit  dem  Rücken  an  die  grosse 
nach  SW.  führende  Chaussee  gelehnt,  liegen  umfangreiche  russische 
oder  türkische  Verschanzungen.  Sie  bestehen  aus  mehreren  an 
einander  stossenden  Vierecken  von  120  :  90,  110  :  105,  105  :  30  M. 
Fläche  und  zeigen  eine  sehr  schmale  und  von  der  Grabensohle  aus 
1-2  M.  hohe  Einhegung. 

Einige  hundert  Schritte  westlich  davon  stösst  ein  einzelner 
Wall  auf  den  grossen  Erdwall.  Derselbe  ist  seinem  Profile  nach 
römisch  und  bildete  vielleicht  die  Seite  eines  Lagers;  von  den  zwei 
anderen,  die  sich  dann  daneben  finden  müssten,  war  indessen  keine 
Spur  zu  entdecken. 

Südlich  von  dem  breiten  Landstrich,  der  den  ersten  See  vom 
zweiten  trennt,  sinkt  unsere  Hochebene  stark  ein,  die  Wälle  nähern 
sich  einander  und  beim  Aufstieg  zu  dem  folgenden  weit  nach  Norden 
vorspringenden  Hügel  lenkt  der  Erdwall  in  den  Steinwall  ein.  Die 
Profile  beider  sind  hier  ähnlich  verwaschen  wie  bei  dem  Hügelauf- 
stieg zwischen  Alakap  und  Megidie  Von  unserem  Wall  aber  ist 
forthin  nichts  mehr  zu  sehen.  Es  wäre  ja  denkbar,  dass  er  auch 
auf  der  folgenden  Strecke  ursprünglich  vorhanden  gewesen  und 
später  in  den  Steinwall  verwandelt  worden  wäre:  das  müsste  dann 
aber  an  der  grösseren  Erdmasse,   die  den  Erdwall  überall  vor  dem 


102 

Steinwall  auszeichnet,  noch  zu  erkennen  sein,  der  letztere  müsste 
ein  höheres  oder  wenigstens  breiteres  Profil  aufweisen  als  bisher. 
Von  alledem  ist  jedoch  nichts  zu  bemerken,  der  Steinwall  zieht 
weiter,  ohne  an  seiner  Gestalt  das  Geringste  zu  ändern,  und  es 
ist  somit  klar,  dass  der  grosse  Erdwail  an  dieser  Stelle  wirklich 
aufhört. 

Das  Thal  bekommt  nun  einen  immer  schärferen  Schnitt;  auf 
beiden  Seiten  steigen  die  Ufer  15—20  M.  schroff  empor,  und  der 
Erdwall  —  verausgesetzt,  dass  er  älter  ist  als  der  Steinwall  — 
wurde  wohl  deshalb,  sei  es  vorläufig,  sei  es  endgültig,  nur  bis  hieher 
geführt,  weil  man  auf  der  folgenden  Strecke  in  dem  scharfen  Ufer- 
rande eine  Grenzlinie  von  genügender  Deutlichkeit  zu  erblicken 
glaubte.  Erst  wo  die  Grenze  das  Thal  verlässt,  bei  der  fast  recht- 
winkligen Biegung  des  letzten  Sees  nach  NNW.  ist  ein  neues  Wall- 
stück angelegt,  das  mitten  durch's  Land  auf  geradem  Wege  zur 
Donau  läuft.  Dieses  und  mit  ihm  das  Ende  des  kleinen  Erdwalls 
bleibt  uns  jetzt  noch  zu  verfolgen. 

Das  neue  Stück  erscheint,  wie  eben  beschrieben,  dicht  neben 
dem  Steinwallager  18;  dass  die  österreichische  Karte  es  schon 
am  Ostende  des  Sees,  südlich  von  der  „Neuen  Colonie"  beginnen 
lässt,  ist  ein  grober  Fehler:  ich  bin  an  dem  Wall  entlang  geritten 
und  habe  vom  See  bis  zu  seinem  Zusammentreffen  mit  dem  kleinen 
Erdwall  (bei  Lager  26)  genau  35  Minuten  gebraucht,  während  es 
nach  der  österreichischen  Karte  eine  Strecke  von  IVg  Stunden 
sein  müsste.  Aber  die  neue  Anlage  ist  nicht  eine  einfache  Wie- 
dererweckung des  hinter  Megidie  entschlafenen  grossen  Erdwalls, 
sondern    hat    in    mehrfacher    Beziehung    eine    neue    Gestalt    ange- 


.,^r" 


Fig.  10. 


!       r 


nommen,  wie  das  Profil  Nr.  10,  das  ich  gleich  bei  seinem  Anfang 
am  See  aufgenommen  habe,  deutlich  machen  kann.  Der  Hauptarm 
in  der  Mitte  ist  grösser  geworden,  und  die  Seitenerhebungen  hinter 
den  Gräben,  welche  früher  sehr  häutig  gar  nicht,  wenn  aber  wirk- 
lich, dann  doch  immer  äusserst  bescheiden  auftraten  (vgl.  Profil  7), 
sind   jetzt  so  herangewachsen^    dass    sie    allein  es  mit    gar    vielen 


103 

Stellen  der  alten  Befestigung  aufnehmen  könnten.  Die  neue  er- 
scheint darnach  durchaus  als  ein  dreifacher  Wall ;  ihr  mittlerer  Arm 
erhebt  sich  5  M.,  die  beiden  seitlichen  V/,^ — 2  M.  über  die  Graben- 
sohle. Die  Profile  sowohl  der  Gräben  wie  der  Wälle  sind  schmal 
und  scharf;  Peters  hatte  wohl  diese  Anlage  vor  Augen,  als  er 
schrieb  (p.  142):  „Die  römischen  Wälle  sind  aller  Orten  so  wohl 
erhalten,  dass  der  Beschauer  hie  und  da  im  Zweifel  sein  mag,  ob 
er  nicht  moderne  Befestigungswerke  vor  sich  habe." 

Auf  der  ersten  Strecke  dieses  neuen  Walles  habe  ich  keine 
Lager  bemerkt.  Es  wäre  aber  sehr  sonderbar,  wenn  nie  welche 
dagewesen  wären;  wahrscheinlich  sind  sie  durch  den  Ackerbau, 
den  ich  hier  überall  eifrig  betrieben  sah,  verwischt  worden.  Weiter 
zum  kleinen  Erdwall  hin  finden  sich  mehrere  Castra ,  ganz  nach 
Art  der  früheren.  Zu  den  ersten  beiden  (26.  27)  ist  der  kleine  Wall 
als  Hintergrund  benutzt,  das  dritte  (28)  ist  wieder  ein  Meilen-  oder 
Manipularcastell,  mit  doppeltem  Wall  und  Graben.  Es  ist  etwa  halb 
so  breit  als  lang  und  liegt  in  einer  Senkung  des  Terrains. 

Der  Wall  steigt  von  da  gleich  wieder  hinauf,  um  in  der  nun 
folgenden  Tiefe,  in  der  er  zugleich  scharf  nach  SW.  umbiegt, 
sich  mit  dem  kleinen  Erdwall  zu  verschmelzen.  Zu  verschmelzen 
sage  ich ,  denn  man  hat  es  hier  nicht  gemacht  wie  an  anderen 
Stellen,  wo  zwei  Wälle  zusammentrafen,  dass  man  sie  selbständig 
neben  einander  herlaufen  liess:  der  grosse  Erdwall  setzt  sich  geradezu 
an  Stelle  des  kleineren  und  lässt  diesen  völlig  verschwinden,  indem 
er  ihn  in  seine  eigenen  weiten  Gewänder  mit  aufnimmt.  Der  kleine 
Wall  hat  auf  der  letzten  Strecke  sein  gewöhnliches  Aussehen  ge- 
habt, etwa  wie  in  Profil  1,  fortan  bildet  er  den  Grundstock  für  den 
Hauptarm  der  neuen  Linie.  An  mehreren  Stellen  sind  noch  Streifen 
sichtbar,  welche  die  Grenze  zwischen  dem  alten  Bestaudtheil  und 
der  jungen  Aufschüttung  anzeigen.  Das  höhere  Alter  des  kleinen 
Erdwalls  wird  durch  diese  Umwandlung  ausser  Zweifel  gestellt. 

In  derselben  Senkung,  in  der  diese  Vereinigung  vor  sich  geht, 
liegt  ein  Lager  hinter  dem  neuen  Wall  (29) ,  acht  Minuten  weiter 
auf  der  Höhe  wieder  eines  (30),  beide  mit  den  gewöhnlichen  breiten 
Erdwällen.  Das  zweite  wird  von  der  Chaussee  durchschnitten,  welche 
diesem  und  weiter  östlich  dem  kleinen  Erdwall  folgt.  Auf  der  Höhe 
findet  eine  Biegung  nach  NNW.  statt,  links  liegen  mehrere  Wind- 
mühlen und  15  Minuten  später  erreicht  der  Wall,  nicht  in  der  weiten 
Bucht,  wie  die  österreichische  Generalkarte  meint,  sondern  auf  dem 
nördlich  davon  liegenden  Hügelrücken  die  Donau. 


104 

Wenn  man  zu  Schiffe  an  dieser  Stelle  vorbeifährt,  kann  man 
den  auffälligen  Vorsprung  hübsch  überschauen  und  bekommt  den 
Eindruck,  dass  für  eine  solche  Anlage  gute  strategische  Gründe 
massgebend  waren,  denn  der  Wall  hält  sich  genau  auf  dem  Kamme 
der  breiten  Erhebung,  welche  das  Kokerlener  von  dem  Cerna- 
vodaer  Thale  trennt.  Diese  Taktik  kommt  natürlich  auf  Rechnung 
des  kleinen  Erdwalls,  der  ja  bei  seinem  ganzen  Laufe  sich  auf 
der  Höhe,  womöglich  auf  der  Wasserscheide,  zu  halten  sucht, 
Wcährend  die  beiden  anderen  vor  der  Hochebene,  am  Rande  des 
Thals,  die  Grenze  aufrichten. 

Der  Steinwall 

Die  dritte  Befestigungslinie,  die  stärkste  und  interessanteste 
von  allen,  beginnt  75  M.  südlich  vom  grossen  Erdwall,  üeber 
diesen  Anfangspunkt  schreibt  v.  Vincke  (p.  184) :  „Da  wo  der  süd- 
liche Wall  an  das  Meer  stösst,  befindet  sich  ein  von  den  Spuren 
eines  alten  Walles  eingeschlossenes  Viereck  —  wahrscheinlich  ein 
römisches  Castrum  —  dessen  Nordseite  530  Schritt  (einfache  Schritt 
—  247  M.)  der  Hauptwall  selbst  bildet,  während  die  Westseite 
330  Schritt  (225  M.)  lang  und  die  Südseite  250  Schritt  (187  M.) 
lang,  von  besonderen  Wällen  eingeschlossen,  die  vierte,  die  Ost- 
seite, aber  durch  das  hohe,  in  senkrechten  Felsen  abstürzende 
Meeresufer  geschützt  war."  Heutzutage  liegt  hier  ein  grosser  Garten, 
zu  dessen  Einhegung  man  im  Norden  den  Steinwall  benutzt  hat, 
indem  man  eine  etwa  2  M.  dicke  Schicht  von  diesem  stehen  Hess 
und  sie  mit  einer  Lage  kleiner  Kalksteinstücke  krönte.  Im  W.  und  S. 
aber  geht  der  Garten  über  das  von  v.  Vincke  angegebene  Lager- 
gebiet hinaus,  so  dass  sich  von  dieser  ersten  Befestigung  des  Stein- 
walles jetzt  keine  Spuren  mehr  vorfinden.  Um  so  dankbarer  be- 
grüssen  wir  es,  dass  gerade  von  diesem  verlorenen  Lager  uns  genaue 
Messungen  aufbewahrt  sind. 

Hinter  der  grossen  Mangalia  -  Constanzer  Chaussde  zeigt  der 
Wall  zuerst  seine  regelrechte  Gestalt.  Er  ist  weit  niedriger  und 
schmäler  als  der  grosse  Erdwall  (s.  Fig.  6);  nur  1  M.  erhebt  sich 
sein  Kamm  über  den  ebenen  Boden,  der  nördlich  vorliegende  Graben 
ist  ungefähr  eben  so  tief;  im  Süden  dacht  er  sich  langsam  ab, 
ohne  hier  mit  einem  zweiten  Graben  versehen  zu  sein.  Die  Krone 
des  Walles  ist  in  ihrer  ganzen  Länge  aufgewühlt  und  die  Berau- 
bung, die  hier  stattgefunden  hat,  so  vollständig  durchgeführt,  dass 
nur  noch  winzige  Steinsplitter  umherHegen.     Erst  bei  der  weiteren 


105 

Begehung  bekommen  wir  Aufschluss  über  das  Material,  das  einst 
hier  verborgen,  und  die  Art,  wie  es  verwandt  war. 

Zwanzig  Minuten  vom  Meere  liegt  südlich  am  Walle  ein 
Lager  (II),  dessen  Innenraum  von  O.  nach  W.  266  M.,  von  S.  nach  N. 
184  M.  misst.  Die  Umringung,  wie  auch  die  Fläche  selbst,  ist  viel- 
fach durchwühlt,  Steine  und  Ziegelstücke  b'egen  überall  umher,  und 
an  der  Südseite  fand  ich  zwei  grosse  Marmorkapitelle  von  etwa 
70  Ctm.  Horizontaldurchmesser.  Beide  waren  mit  Blattornamenten 
verziert;  die  des  einen  zeigten  ziemlich  sorgfältige  Meisselung,  die 
des  anderen  auffällig  viel  Bohrerarbeit.  An  derselben  Seite  lagen 
noch  zwei  ungefähr  meterlange  Säulenstämme,  der  eine  glatt,  der 
andere  mit  einigen  Längsstreifen  versehen,  und  schliesslich  mehrere 
grosse  Quaderblöcke  aus  Muschelkalk.  Einpn  Ziegelstempel  zu 
finden,  wollte  mir  trotz  allen  Suchens  nicht  gelingen.  Die  Lager- 
wälle müssen  hoch  gewesen  sein,  denn  die  durch  die  Grabungen 
auseinander  geworfene  Erde  nahm  eine  ziemliche  Breite  ein.  An  der 
Westseite  zieht  sich  ein  Fahrweg  hin,  der  auch  den  Wall  durch- 
sch  neidet. 

Zehn  Minuten  von  hier  kommen  wir  an  den  Punkt,  wo  der 
kleine  Erdwall  von  N.  nach  S.  herübergeht,  und  20  Minuten  weiter 
trennt  sich  der  Steinwall  vom  grossen  Erdwall,  um  in  westsüdwest- 
licher Richtung  ein  Stück  Hochebene  zu  überschreiten.  Auf  diesem 
Wege  folgte  ich  ihm  im  Januar  zum  ersten  Male. 

Von  der  Abzweigung  des  grossen  Erdwalls  bis  zum  Bahn- 
durchschnitt ritt  ich  (Schritt)  25  Minuten;  es  sind  also  etwa  2  Kilom. 
Auf  der  Mitte  dieser  Strecke,  37.j  Kilora.  von  11  entfernt,  liegt  ein 
Lager  (III)  mit  doppelter  Umwallung,  dessen  Nordseite,  durch  den 
Steinwall  selbst  gebildet,  210  M.  lang  ist.  Der  innere  Ring  ist  aufge- 
wühlt, muss  also  begehrenswerthes  Material  enthalten  haben;  es  stand 
demnach  wohl  auf  diesem  die  Mauer  und  der  äussere  war  ein  Vorwall. 

Etwa  3  Kilom.  weiter,  auf  der  Höhe,  findet  sich  wieder  ein 
Lager  (IV)  mit  einfachen  Wällen  und  165  M.  Länge.  Dann  folgt 
bis  hinter  Hasangea  keine  Befestigung  mehr. 

Auf  diesem  ganzen  Zuge  aber  kann  man,  wie  sonst  nirgend, 
einen  Einblick  bekommen  in  die  ursprüngliche  Bauart  des  Walles. 
Hier  auf  der  abgelegenen  Höhe  ist  die  Ausbeutung  noch  nicht  bis 
zum  letzten  Punkte  vorgeschritten,  sondern  befindet  sich  gerade  in 
einem  für  uns  sehr  lehrreichen  Stadium:  der  Wall  ist  überall  auf- 
gegraben ,  aber  in  den  Gruben  und  daneben  am  Boden  sieht  man 
noch    die   Steine    der  Fortschaflfung    harren.    Es    sind  Blöcke    von 


106 

stattlicher  Grösse  und  sorgfältig  in  rechten  Winkeln  behauen.  Sie 
haben  meistens  eine  flache  Gestalt,  indem  ihre  Dicke  etwa  die 
Hälfte  der  Breite  beträgt.  Die  Fläche  selbst  aber  zeigt  ungefähr 
Briefbogenform,  mit  einer  Länge  von  50  —  80,  ja  oft  100  Ctm.  Das 
Material  ist  ein  harter,  grauer  Kalkstein,  wie  er  bei  Omurgea 
und  Murfatlar  an  den  Abhängen  der  südlichen  Höhenzüge  zu  Tage 
tritt.  Von  Mörtel  sah  ich  nirgends  eine  Spur.  Die  noch  nicht  aus- 
gehobenen Blöcke  lagen  auf  ihrer  flachen  Seite  und  fanden  sich 
nur  auf  etwa  3  Meter  Breite  im  Mittelstrich  des  Walles,  nicht  unter 
den  Seitenhängen.  Dieser  Umstand  sowie  die  regelmässige  Form 
der  Steine  lässt  darauf  schliessen,  dass  dieselben  nicht  zur  blossen 
Fütterung  oder  Verkleidung  des  Erdaufwurfes  dienten,  sondern  auf 
dessen  Höhe  eine  freistehende  Mauer  bildeten,  ähnlich  der  Teufels - 
mauer  in  Baiern,  nur  dass  diese  auf  ebenem  Boden  steht  und  auch 
keinen  Graben  vor  sich  hat.  Dass  das  ganze  reiche  Material  einer 
solchen  Anlage  bis  auf  so  kärgliche  Reste  verschwunden  ist,  kann 
nicht  Wunder  nehmen,  wenn  man  sieht,  zu  welchen  tausenderlei 
Zwecken  die  Steine  noch  in  unseren  Tagen  verwandt  sind  und  ver- 
wandt werd-en.  Ganze  Dörfer  sind  davon  gebaut  worden:  Hasangea, 
Omurgea,  Murfatlar,  Alakap ;  in  allen  Häusermauern,  in  jedem 
Schweinestall  erkennt  man  dort  die  unverkennbaren  Wallquadern, 
auf  allen  türkischen  Kirchhöfen  wimmeln  sie,  die  Eisenbahn  ver- 
dankt ihnen  ihren  sichern  Weg,  und  was  nach  alledem  nocii  über- 
schüssig ist,  kommt  in  den  Handel:  bei  Hasangea  sah  ich  neben 
der  Bahn  mehrere  hundert  Schritt  lang  Steine  aufgeschichtet,  die 
für  Küstenge  bestimmt  waren  und  von  da  weiter  expediert  werden 
sollten. 

Nachdem  der  Wall  mit  schwacher  nördlicher  Wendung  wieder 
in  das  Thal  herabgestiegen  ist ,  schneidet  er  zwischen  Hasangea 
und  Omurgea  die  Bahn,  und,  während  diese  noch  dicht  neben  ihm 
entlang  läuft,  hebt  sich  hinter  ihm  ein  viereckiger  Raum  aus  dem 
Terrain  heraus,  den  die  Bahn  durchschneidet  und  den  man  nach 
seiner  Grösse  —  er  ist  180  M.  lang  —  gern  für  ein  Lager  ansehen 
möchte.  Aber  eine  Sonderbarkeit  macht  die  Sache  zweifelhaft:  es 
sind  kein(!  eigentlichen  Wälle  sichtbar,  sondern  das  ganze  Viereck 
liegt  40 — 50  Ctm.  höher  als  die  Felder  umher. 

Etwas  weiter  befindet  sich  links  vom  Wall  ein  türkischer 
Kirchhof,  auf  dem  ich  eine  wohlerhaltene  griechische  Inschrift  ent- 
deckte. Ein  G.  Pontios  Likinnianos  setzt  seinen  Brüdern  G.  Pontios 
Phoibianos  und  G.  Pontios  Markianos  ein  Denkmai. 


107 


Dicht  bei  Omurgea,  an  der  Strasse  nach  Horoslar  liegt  ein 
Lager  (V)  mit  doppelten  Wällen.  Der  ganze  Urafassungsgürtel  hat 
eine  Breite  von  45  M.   (s.  Fig.  11).  Der  innere  Wal!   ist  aufgewühlt 


±H^^+^-^- 1- it-, 


I      I       !      I      I       I 


Fig.  11. 


und  auch  im  Lagerräume  vielfach  gegraben.  Nicht  weit  von  der 
Südwestspitze  sah  ich  ein  grosses  Kapitell  aus  Muschelkalk  von 
etwa  1  Kubikm.  Masse,  weiter  im  Felde  lagen  noch  eine  Menge 
grosser  Blöcke  verstreut 

Kurz  vor  Alakap  findet  sich  wieder  ein  Lager  (VI),  dieses 
anscheinend  sogar  mit  dreifacher  Urawallung:  vor  dem  äussersten 
Graben  erhebt  sich  nämlich  noch  eine  kleine  Wölbung,  ähnlich  wie 
zu  äusserst  vor  den  Gräben  des  grossen  Erdwalles,  so  dass  der 
ganze  ßefestigungsring  besteht  aus:  Wall,  Graben,  Wall,  Graben, 
Wall.  Dieselbe  Erscheinung  kehrt  gleich  beim  zweitfolgenden  Lager 
wieder.  Nachdem  nämlich  der  Wall  im  Westen  von  Alakap  die 
Eisenbahn  überschritten  hat,  dort  durch  ein  Lager  (VII)  mit  ein- 
facher, aufgegrabener  ümringung  verstärkt  ist  und  nur  mit  sehr 
schwacher  Erhebung,  aber  desto  tieferem  Graben  (2  M.),  in  der  Enge 
zwischen  Bahn  und  Höhenrand  hinzieht,  liegt  hinter  ihm  an  der 
Stirn  eines  Hügels  ein  grosses  Castrum  (VIII),  welches  durch  seine 
eigenthümliche  Lage  und  Gestalt  weithin  die  Blicke  auf  sich  zieht 
Schon  V.  Vincke  spricht  von  der  „auffallend  zirkelrunden  Form" 
desselben;  in  der  Nähe  gesehen  aber  stellt  sich  das  „zirkelrund" 
vielmehr  als  achteckig  heraus.  Die  drei  obersten  Seiten  dieser 
Figur  sind  freilich  durch  die  Wölbung  der  Höhe  für  den  unten- 
stehenden verdeckt,  aber  es  ist  nicht  anzunehmen,  dass  die  Linien, 
die  vorn  auf  ein  klares  Achteck  angelegt  sind,  hinten  plötzHch  ein 
anderes  System  einschlagen  sollten.  Weshalb  an  dieser  Stelle  von 
der  gewöhnlichen  Form  abgegangen  wurde,  erklärt  sich  ohne  Zweifel 
daraus,  dass  bei  der  allseitigen  starken  Rundung  des  Hügels  die 
Ecken  eines  Viereckes  sehr  herabgehängt  haben  würden,  wogegen 
die  geschlossenere  Form  ein  einheitlicheres  Terrain  ausschneidet. 
Dieses  Lager  hat  gleichfalls  eine  dreifache  Umringung,  die  in  ihrem 
äussersten  Gliede  sehr  schwach  ist,  im  zweiten  und  dritten  aber 
stetig  wächst.     In   der  Mitte  der  Vorderseite    sieht  man   noch    den 


108 

ebenen  Weg  der  Pwta  decumana  durch  Wälle  und  Gräben  hindurch- 
ziehen. 

Zwei  Kilometer  weiter,  da  wo  der  Erdwall  schon  ganz  nahe 
ist,  liegt  am  Ausgang  einer  Thalsenkung  ein  Lager  mit  einfachen 
Wällen  (IX),  südlich  davon  ein  türkischer  Kirchhof  und  westlich 
dicht  am  Wall  ein  paar  bulgarische  Hirtenhütten.  Dann  beginnt 
gemeinschaftlich  mit  dem  grossen  Erdwall  der  schon  bei  der  Be- 
schreibung des  letzteren  geschilderte  Uebergang  über  den  Berg. 
Am  Ende  dieses  beschwerlichen  Weges  finden  wir  neben  der  Chaussee 
ein  204  M.  langes  Lager  (X)  mit  einfachen  aber  1 7»  M.  hohen, 
steinigen  Wällen,  deren  Profil  sich  sehr  scharf  erhalten  hat. 

Bis  Megidie  und  darüber  hinaus  theilt  unser  Wall  die  Schick- 
sale des  grossen  Erdvi  alles ,  ohne  selbst  etwas  Beraerkenswerthes 
zu  bieten.  Er  hält  sich  beständig  am  Rande,  während  der  Erdwall 
weiter  oben  über  die  Höhe  zieht.  Die  dritte  der  hinter  Megidie 
durchschneidenden  Wasserrinnen  trägt  auf  ihrem  Westrande  einen 
2  M.  hohen  starken  Wall,  welcher  denen  des  letztbeschriebenen 
Lagers  X  ähnlich  ist  und  den  Steinwall  mit  dem  Erdwall  verbindet. 
Ich  verrauthete  auch  hier  ein  Lager,  zu  dessen  hinterer  Seite  dann 
der  Erdwall  benutzt  worden  wäre,  fand  aber  für  die  westlich  zu 
suchende  vierte  Seite  keinerlei  Anhaltspunkte 

Der  Wall  hat  schon  auf  seinem  bisherigen  Wege  von  den 
durchziehenden  Wasserläufen  viel  zu  erdulden  gehabt ,  weiterhin 
geht  es  ihm  noch  schlimmer.  Er  hält  sich  auch  hier  mit  wenigen 
Ausnahmen  dicht  an  dem  hohen  Uferrande  und  ist  an  vielen  Stellen 
mit  sammt  diesem  Rande  verschwunden.  Die  Sohle  des  Karasu- 
thales  liegt  nur  wenig  höher  als  der  Donauspiegel,  bei  jedem  hohen 
Wasserstande  ist  der  Fluss  früher  hier  hereingefluthet,  hat  die 
breite  Niederung  ausgefüllt  und  an  den  steilen  Rändern  Scholle  um 
Scholle  zu  Fall  gebracht.  Seit  dem  Bau  der  Eisenbahn  ist  das 
anders  geworden  ;  zu  deren  Sicherung  musste  das  Thal  bei  Cerna- 
voda  durch  einen  grossen  Steindamm  geschlossen  werden.  Die 
Seen,  die  vorher  das  ganze  Thal  bedeckten,  sind  nun  sehr  zusammen- 
geschrumpft und  fristen  ihr  Dasein  nur  noch  durch  das  Grundwasser; 
das  hohe  Röhricht  ist  mehr  und  mehr  durch  fruchtbaren  Graswuchs 
verdrängt,  ja  stellenweise  sieht  man  sogar  geackerte  Fluren. 

Der  Steinwall  überschreitet  nach  dem  Aufhören  des  grossen 
Erdwalles  den  ersten  grösseren  Hügel  dieser  Uferstrecke  und  hat 
auf    dessen  Westseite    ein    einfach    umringtes    Lager  (XI),    dessen 


109 

hinterer  mit  dem  Stein  wall  parallel  laufender  Wall  über  das  Viereck 
hinaus  bis  an  den  seitlichen  Abfall  des  Hügels  verlängert  ist. 

Dann  folgt  eine  längere  Unterbrechung  durch  ein  breites  Thal, 
in  welchem  in  einiger  Entfernung  mehrere  Hütten  stehen,  weiterhin 
wieder  ein  hoher  Hügel,  und  dann  nach  abermaligem  Durchriss  auf 
einer  niedrigen  Platte  ein  Lager  mit  doppelten  Wällen   (XH). 

Weiter  überschreitet  der  Wall  eine  stärkere,  rund  auslaufende 
Höhe,  dahinter  eine  flache  Platte  und  hat  alsdann  auf  einer  zweiten 
solchen  ein  dreieckiges  Lager  aufzuweisen  (XHI).  Ich  habe  diese 
Beobachtung  schon  auf  meiner  ersten  Fahrt  gemacht  und,  nachdem 
ich  inzwischen  v.  Cohausen's  Misstrauen  gegen  solche  Abnormitäten 
kennen  gelernt,  sie  auf  der  zweiten  noch  einmal  nachgeprüft:  man 
kann  das  Lager  wirkHch  mit  gutem  Gewissen  dreieckig  nennen,  seine 
westliche  Seite  ist  ganz  gerade,  die  östliche,  die  sich  an  jene  im 
rechten  Winkel  ansetzt,  läuft  erst  150  M.  gerade  aus  und  macht 
dann  einen  kleinen  Knick,  um  nach  weiteren  30  M.  in  den  Wall 
einzumünden.  Da  v.  Cohausen  sagt  (p.  335),  dass  er  niemals  drei- 
eckige Lager  gefunden,  noch  auch  durch  Beschreibungen  aus  Eng- 
land oder  Frankreich  von  solchen  gehört  habe,  so  ist  das  hiesige 
wohl  ebenso  wie  das  achteckige  (VUI)  bei  Alakap  für  ein  Unicum 
anzusehen,  Dass  die  dreieckige  Anlage  durch  das  Terrain  geboten 
gewesen  sei,  lässt  sich  nicht  gerade  sagen :  auf  derselben  Platte  ist 
weiter  westlich  noch  Platz  genug  für  ein  Viereck.  Aber  im  Osten 
zieht  hinter  dem  Lagerwall  ein  Einschnitt  vom  Thal  herauf,  in  dem 
jetzt  ein  Fahrweg  entlang  läuft,  und  wohl  deshalb  wurde  in  diese 
Ecke,  wo  man  gleich  halbe  Rückendeckung  fand,  die  Befestigung 
hineingeschobene  Die  Wälle  sind,  wie  gewöhnlich  auf  dieser  Linie, 
von  scharfem  Profil  und  haben   l\„  M.  Höhe. 

Hinter  der  Spitze  des  Lagers  liegt  ein  türkischer  Kirchhof, 
auf  dem  ich  vergeblich  nach  Inschriften  suchte.  Die  Lage  des 
Dorfes  Celebikiöi  bestimmte  ich  von  hier  aus  als  NNO.   (20"). 

Abermals  folgt  ein  breiter  Durchriss,  dann  eine  Platte,  auf 
deren  Ostecke  ein  Lager  (XIV)  liegt,  mit  einfacher  Umfassung, 
aber  so  hohen  Wällen,  dass  ich  den  grossen  Erdwall  wieder  auf- 
erstanden glaubte. 

Hier  biegt  der  Wall  scharf  nach  SW.  ab,  um  einen  bequemeren 
Aufstieg  zu  dem  nächsten  Hügel  zu  gewinnen,  dem  höchsten  und 
breitesten  in  der  ganzen  Kette.  Sein  Gipfel  gewährt  einen  vor- 
trefFlicheu  Ueberblick  über  die  vielfachen  Verwirrungen,  die  da 
folgen,    speciell  über  die  interessanten  Beziehungen  des  Walles  zu 


110 

den  nächsten  drei  Hügeln,  die  alle  durch  Lager  stark  befestigt 
sind.  In  den  Niederungen  zwischen  ihnen  ist  der  Wall  jedesmal 
unterbrochen. 

Auf  dem  ersten  Hügel  liegt  ein  Lager  (XV),  das  seine  beiden 
rechtwinklig  auf  den  Wall  stossenden  Seitenwände  nach  vorn  hinaus 
verlängert  und  bis  an  den  steilen  Rand  des  Hügels  geführt  hat.  Es 
entsteht  somit  ein  Viereck  vor,  und  eins  hinter  dem  Walle.  Beide 
sind  ziemlich  von  gleicher  Grösse  und  wie  VI  und  VIII  von  einem 
dreifachen  Gürtel  umschlossen;  nur  vorn  am  Hügelsaume  entlang 
zieht  sich  eine  einfache  Erhebung.  Wahrscheinlich  war  auch  hier 
einst  die  Einfassung  dreifach,  ist  aber  zugleich  mit  dem  Rande,  auf 
dem  sie  stand,  der  Zerstörung  anheimgefallen. 

Auf  dem  folgenden  Hügel  befinden  sich  zwei  Lager;  das  eine 
(XVI)  schliesst  sich  regelrecht  an  den  Wall,  das  andere  (XVII) 
liegt  frei  davor  und  ist  schief  gestellt,  um  sich  der  westlichen  Run- 
dung des  Hügels  anzupassen:  es  hat  gleichfalls  mit  dem  abgestürzten 
Rande  seinen  vorderen  Theil  eingebüsst.  Heide  Lager  haben  ein- 
fache Wälle. 

Der  dritte  Hügel  mit  dem  Lager  XVIII  ist  so  sehr  von  den 
Fluthen  benagt  worden ,  dass  die  ganze  Partie ,  auf  welcher  der 
Steinwall  entlang  lief,  abgestürzt,  der  Wall  selbst  damit  von  Lager 
XVH  an  bis  hinter  die  Senkung,  in  der  der  neue  Erdwall  beginnt, 
unterbrochen  ist  und  nur  der  hintere  Theil  des  Lagers  sich  auf  dem 
beschädigten  Hügel  erhalten  hat.  Da  wir  in  einer  benachbarten 
Hütte  Rast  machten,  erstieg  ich  diese  Höhe  und  fand,  dass  die 
Lagerwälle  V/„M.  hoch  und  zweifellos  mit  Steinen  durchsetzt  sind; 
aus  ihrer  spitzen  Krone  gucken  überall  die  Muschelkalkstücke  hervor. 

Das  Thal  hat  sich  jetzt  nach  NNW.  gewandt,  der  Steinwall 
überschreitet  noch  mehrere  Hügelplatten,  ohne  die  Spur  eines  Lagers 
aufzuweisen,  und  biegt  dann  direct  westlich  zur  Donau  ab.  Ob  sich 
hier  mitten  im  Lande  noch  eine  Befestigung  findet,  vermag  ich 
nicht  anzugeben,  da  ich  diese  Strecke  nicht  mehr  begangen,  sondern 
den  Wall  nur  noch  an  der  Stelle  gesehen  habe,  wo  der  Fahrweg 
von  Cernavoda  nach  Rasova  ihn  schneidet.  Von  da  aus  kann  man 
bis  zur  Donau  hinsehen,  aber  das  Resultat  dieses  Blickes  ist  ein 
wenig  ergiebiges:  das  Terrain  ist  so  bunt  zerrissen,  dass  man  den 
Lauf  des  Walles  wohl  verfolgen,  von  weiteren  Befestigungen  aber 
nichts  mehr  entdecken  kann.  Er  bleibt  auch  hier  seiner  Gewohn- 
heit getreu,  immer  am  Seitenhang  der  Hügel  hinzulaufen,  und  er- 
reicht vor  einer  langen  grünen  Insel  die  Donau. 


111 

Die  Stadt  Küstenge  (Tomi)  ist,  wie  man  sieht,  nicht  in  das 
durch  die  Wälle  geschützte  Gebiet  miteinbezogen.  Für  sie  findet 
sich  eine  besondere  Umringung  in  Gestalt  eines  1  M.  tiefen  Grabens 
und  eben  so  hohen  Walles,  der  gleich  hinter  der  Stadt  die  Land- 
zunge abschneidet.  Die  Anlage  scheint  von  Moltke  und  v.  Vincke 
für  römisch  gehalten  zu  sein,  sie  zeigt  aber  sonderbarer  Weise  gar 
keinen  Rasenbewuchs,  sondern  überall  lockere  Erde,  und  ist  ausser- 


dem so  schmal  (7  M.  durch  Wall  und  Graben),  dass  ich  sie  lieber 
für  türkisch  ansehen  möchte.  Fig.  12  zeigt  das  Profil  dieser  eigen- 
thümlichen  Schutzwehr. 

Um  aber  das  Verhältniss,  in  dem  die  drei  Grenzwälle  zu  ein- 
ander stehen ,  klarer  hervortreten  zu  lassen,  seien  ihre  Haupteigen- 
thümlichkeiten  hier  noch  einmal  kurz  nebeneinander  gestellt. 

Der  kleine  Erdwall  besteht  aus  einem  einfachen,  V/^  M.  hohen 
und  jetzt  15— 18  M.  breiten  Erdaufwurf  mit  südlich  davorhegen- 
dem  Graben.  Auf  seinem  ganzen  Zuge  finden  sich  keine  Lager, 
sondern  nur  an  gewissen  Stellen  Steintrümmer,  die  etwa  auf  Wacht- 
häuser  schliessen  lassen. 

Der  grosse  Erdwall  zeigt  in  seinem  ersten  Theile  eine  2 — 3  M. 
hohe  Erbebung  mit  einem  tiefen  Graben  im  Norden,  einem  flacheren 
im  Süden  und  gelegentlich  einer  schwachen  Bodenerhebung  jenseits 
beider  Gräben.  Sein  zweites  Stück,  vom  See  bis  zur  Donau,  hat 
diese  letzten  Erhebungen  noch  zu  besonderen  Wällen  ausgebildet 
und  weist  somit  eine  dreifache  Linie  auf,  die  in  ihrem  mittleren 
Grat  eine  Höhe  von  4 — 5  M.  (über  der  Grabensohle)  erreicht.  Am 
grossen  Erdwall  findet  sich  durchschnittlich  auf  alle  850  M.  ein 
Lager  von  einfachen  Erdwällen  und  gewöhnlich  120  :  135  M.  Fläche. 

Der  Steinwall  endlich  hat  hinter  seinem  Graben  heute  nur 
eine  1  —  IVq  M.  hohe  Erderhebung,  die  den  eifrig  nachgrabenden 
Anwohnern  grosse  Quadersteine  geliefert  hat  und  früher  wahrschein- 
lich eine  Mauer  trug.  Seine  Befestigung  bilden  auf  alle  2 — 3  Kilom. 
Lager  von  starker,  oft  zwei-  und  dreifacher  Urawallung  und  ver- 
schiedenem, aber  den  der  Erdwallager  stets  übertreffenden  Flächen- 
inhalte. 


112 

Das  wäre  in  Kurzem  das  Material ,  welches  meine  Bereisung 
zu  Tage  gefördert  hat.  Schlüsse  daraus  zu  ziehen  über  Zeit  und 
Urheber  der  Wälle  möchte  ich  heute  noch  unterlassen.  Nur  einige 
Bemerkungen ,  die  sich  aus  dem  Beschriebenen  direct  ergeben, 
sollen  nicht  unterdrückt  werden. 

Auch  die  römischen  Wälle  in  Deutschland  zeigen  verschiedene 
Construction:  das  Stück  von  Rheinbrolil  über  den  Taunus  nach 
Gross-Krotzenburg  am  Main,  sowie  das  weitere  von  Miltenberg  bis 
Lorch  in  Württemberg  ist  Erdwal!,  und  erst  von  da  durch  Baiern 
findet  sich  die  eigentliche  Teufelsmauer.  Die  Ungleichheit  erklärt 
sich  aus  der  späteren  Anlage  der  baierischen  Partie  (vgl.  Cohausen 
p.  849  f.).  Wird  also  schon  dadurch  der  Gedanke  nahe  gelegt,  dass 
auch  in  der  Dobrugea  die  verschiedene  Bauart  auf  eine  ver- 
schiedene Entstehungszeit  zurückzufüiiren  sei,  so  benimmt  ein  Blick 
auf  den  Verlauf  unserer  Wälle  hierüber  jeden  Zweifel  Wären 
dieselben  zu  gleicher  Zeit  und  zu  gemeinsamem  Zusammenwirken 
angelegt  worden,  sollten  sie  also  eine  vorderste,  mittlere  und  letzte 
Schutzwehr  gegen  den  Feind  Inlden,  wie  konnte  man  dann  den 
kleinen  Erdwall  erst  nördlich  von  den  beiden  anderen  beginnen, 
dann  aber  über  diese  hinweg  unabsehbar  nach  Süden  hin  ver- 
schwinden lassen,  und  wie  durfte  der  grosse  Erdwall  beliebig  bald 
rechts,  bald  links  vom  Steinwall  laufen? 

Nein,  jeder  Wall  ist  für  sich  angelegt  worden  und  jeder  ein- 
zelne stellt  einen  besonderen  Versucii  dar,  die  römische  Grenze  in 
möglichst  praktischer  und  sicherer  Weise  abzustecken. 

Dass  der  kleine  Erdwall  zuerst  da  war,  haben  wir  schon  ge- 
sehen. Um  das  Altersverhältniss  der  beiden  andern  zu  ermitteln, 
ist  massgebend  einmal  der  Vergleich  mit  den  Wällen  in  Deutsch- 
land, bei  denen  der  gemauerte  der  jüngste  ist,  dann  aber  auch  das 
in  der  Sache  selbst  liegende  Moment,  dass  man  wohl  nicht  darauf 
gekommen  wäre,  noch  einen  Erdwall  anzulegen,  wenn  der  Stein- 
wall mit  seiner  staiken  Schutzlinie  von  Mauer  und  Lagern  schon 
existiert  hätte,  dass  vielmehr  umgekehrt  der  Steinwall  gerade 
deshalb  gebaut  wurde,  weil  der  Erdwall,  zumal  mit  seiner  grossen 
Lücke  in  der  ."\litte,  nicht  mehr  genügte.  \\'ir  erhalten  somit  die 
Reihenfolge:   kleiner  Erdwall,  grosser  Erdwall,  Steinwall. 

Die  Erkenntniss  dieser  zeitlichen  Verschiedenheit  der  Wälle 
ist,  wie  ich  glaube,  das  wichtigste  Ergebniss  meiner  Untersuchungen. 
Noch  der  kürzlich  erschienene  kleine  Aufsatz  von  Herrn  M.  C.  Sutzu 


113 

in  Bukarest  über  den  Traj  ans  wall*)  leidet  an  dem  Grundfehler  der 
Annahme  einer  einheitlichen  Befestigungslinie.  Sutzu  sucht  die 
Entstehung  „des  Walles"  in  die  Zeit  des  Theodosius  zu  verschieben. 
Die  Inschriften,  sagt  er,  welche  bei  Constanza  am  Walle  selbst  ge- 
funden wurden ,  seien  weit  später  als  Trajan ,  und  die  in  dem  Ge- 
biete nördlich  vom  Wall  zu  Tage  gekommenen  gehen  sogar  bis  in 
die  Zeit  des  Constantin  und  Valens  herunter;  folglich  könne  auch 
der  Wall,  der  ja  diese  Gegenden  vom  Reiche  ausschliesse,  nicht 
vor  Valens  angelegt  sein.  Die  Angabe  der  späten  römischen  Ge- 
schieh tschreiber  aber,  dass  der  Limes  von  einem  General  dieses 
selben  Kaisers,  dem  Comes  Traianus  angelegt  worden  sei,  nennt 
Sutzu  mit  Recht  einen  werthlosen  Versuch,  den  Namen  Trajanswall 
zu  erklären.  Die  Generale  des  Valens,  fährt  er  fort,  haben  gar 
nicht  Zeit  gehabt,  ein  solches  Riesenwerk  auszuführen,  dazu  gehöre 
voller  Friede  und  der  sei  dem  Reiche  erst  unter  Theodosius  nach 
der  Beruhigung  der  Gothen  zu  Theil  geworden.  Demnach  sei 
Theodosius  als  Erbauer  der  Wälle  anzusehen. 

Ohne  jetzt  auf  Näheres  einzugehen,  möchte  ich  doch  glauben, 
dass  wir  den  Ursprung  dieser  Wälle  in  weit  früherer  Zeit  zu 
i^uchen  haben.  In  welcher,  darüber  wird  eine  genaue  Vergleichung 
der  Bau-  und  Befestigungsart  anderer  Linien,  besonders  der  in 
Bessarabien,  die  ich  Ostern  zu  besuchen  gedenke,  hoffentlich  einiges 
Licht  bringen. 

Epureni  bei  Berlad  in  der  Moldau,  L  März  1885. 

C.  SCHUCHHARDT 


Inschriften  ans  Kleinasien 

Ancyra 

Meine  Hauptaufgabe  in  Ancyra  musste  die  Revision  der 
grossen  Inschrift  bilden.  Kaum  hatte  ich  den  lateinischen  Text 
zu  Ende  verglichen,  als  ich  der  Einwirkung  des  Klimas  erlag  und 
so  schwer  am  Fieber  erkrankte,    dass  weder  an  eine  Vergleichung 


*)   ^Yalul    lui  Trojan^    in  Tocilescu's    Revista    latorie,    Archeologie  si  peiitru 
Filologie,  Bukarest  1883. 

Archäologisch-epigraphische  Mitth.  IX.  o 


114 

des  griechischen  Textes  noch  an  eine  vollständige  Aufnahme  der 
übrigen  Inschriften  zu  denken  war.  Doch  gelang  es  mir  durch 
Humann's  Vermittlung  eine  Anzahl  guter  Abklatsche  zu  erhalten; 
ferner  erwarb  Humann  ein  türkisches  Manuscript*),  welches  eine 
grössere  Zahl  unedirter  Inschriften  enthielt;  endlich  überliess  mir 
Dr.  Mordtmann  in  Constantinopel  eine  Reihe  Photographien  des 
Russen  Ermakow.  Ich  gebe  zunächst  die  unedirten  und  revidirten 
Inschriften  nach  den  Abklatschen  und  Photographien,  dann  die  un- 
edirten Inschriften  des  Manuscriptes. 

65.  Nach  einem  Abklatsch. 

ITA..Y1ANU.EYXHN  ^ij'i  Taouiavuj  euxHV 

AANKioEKP^TEiNo  TT|\dvKio?  Kpaxeivos 

Das  berühmte  Heiligthum  des  Zeus  in  Tavium,  der  Haupt- 
stadt der  Trokmer,  erwähnt  Strabo  12,  p.  567:  Tdouiov  —  öttou 
6  ToO  Aiög  KoXoooög  xö^KoOt;  küi  xeiitevo^  auTou  dcruXov.  Vgl.  auch 
C.  I.  L.  III,  860  u.  1088. 

66.  Nach  einer  Photographie. 

/Y  P  H  A  I  o  2  *  AjupjiXioff 

/iiePIAATIKOZ  M]i6pibaTiKÖ? 

ÄAEnoNozr  (^KttTÖVTapxoff)  Xe^iövog  f 

TAAAIKHZ    *  raXXlKVJg 

5        AAEHANAPA  'AXetdvbpU 

THIAIATYNAIKI  Tf)    ibia    Y^VaiKl 

oEYNoiAx  *  euvoiag 

KAiMNHmnj:  Ktti  juvr))U)"|5 

o     X  A  p  I  N  o  Xdpiv 


*)  Das  Manuscript  enthält  138  griechische  und  lateinische  Inschriften,  beinahe 
alle  aus  Ancyra  selbst.  Die  Copien  sirxd  so  fehlerhaft,  dass  sie  für  anderweitig 
bekannt  gewordene  Inschriften  keinerlei  Werth  besitzen.  Ich  habe  daher  dem 
Manuscripte  nur  Unedirtes  entnommen.  Der  anonyme  Verfasser  ist  ohne  Zweifel 
der  ancyraiiische  Apotheker  Leonardi.  Denn  die  Copie  der  unter  Nr.  87  publicirten 
Inschrift,  welche  Herr  Mordtmann  von  Leonardi  aus  Ancyra  erhalten  hatte,  stimmt 
in  der  Form  der  Handschrift  genau  mit  der  Handschrift  des  Manuscriptes.  Die 
Uebersetzung  des  türkischen  Textes  verdanke  ich  der  Güte  Seiner  Hochwürden  des 
Pater  Leo  am   Mochitaristenkloster  in  Wien, 


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116 


68.  Meine  Copie. 


Die  Inschirift  ist  wohl  auf  Antouinus  Pius  und 
das  Jahr  138  zu  beziehen  und  in  Z.  1  —  8  so  zu 
ergänzen : 

. .  .  leßajaiöv,  j;  [dpxiepea]    juexicr '[tov,   bri|u]apxiI|Kfig 
ilov]a\ag,  ;|  [ÜTTaiov  dJTTobe  ||  [b€iT|uev]ov  tö  ||  [beuiepojv. 


69.  =  C.  I.  Gr.  4079  b.  Meine  Copie ;  in  der  Nähe  des  Thores 
beim  Tscharsi  sehr  hoch  eingemauert  und  daher  schwer  lesbar. 

lAIAMENHAE 
'AEMAZKEY0E11 
KAEIN  O  1  O 

BnMOZAAPrY<t>l| 
02AEIi^ANA<l>n' 
I  TOCEXEl 

[rjma  |uev  r\be  bljJLag  KeuOei  KXeivoio  ^^^ 
ßuu)aöt,^  [b'J  dpTU(p[e]oc,-  XeiMj[a]v[a]  qpujTÖs  €xei. 

Der   Raum    zwischen  Zeile  3    und  4   war   zur  Aufnahme   des 
Namens  bestimmt,  doch  sicher  nie  beschrieben. 

70.  Nach  einer  Photographie. 
AKYAEINAAPXEAHMOYTEKNOIErAYKYTATOIEOEOTEIMnKAI* 

HAVAH   «     ♦      TOHPUONEAYTHTEKAlTn  ANAPIMOMJWnNlKAlTO  ICOYEIE 
THLTEKNOlEEKTflNIAinNKTHCAMENHKAlEniEKEYAEAEA  THN  EHEAPAN  KAI  TO  OEPl 
^PATMAAnEKATEETHCEN  MNHMHC  XAPIN 

'AKuXeiva  'Apxebri|uou  tckvoii,"  YXuKUTaTois?  0eoTei)iiuj  «ai 

TTauXtu     TÖ  fipujov  eauir)  le  Kai  tuj  dvbpi  Mö)U)aa)vi  Kai  toT^  ouai  ^[au-J 

Tili,'  TtKVOic  feK  Tujv  ibiujv  KTiiaaiaevti  Kai  tTriaKeudcJaaa  tfiv  eEebpuv  Kai 

TÖ    TTCpi- 

qppaTM«  dTreKaiecTTriaev  MV^M^c         X«piv 


117 


71.  Nach  einer  Photographie. 
0    C    * 


\A  I  P  €  T  A  I 

PUUCAAMA 
ITHI  AIA  CYN 
UJMNHMH  C 
X  A  P  I  N 
'KAI 
CY 


e..(T? 

x]aipeT[e] 

ejpujg  Aa|Lia- 

petr]]  Trj  {bia  cTuv- 

ßi]uj  iiivrmriS 

Xdpiv 

Kai 

CTU 


Die  beiden  letzten  Zeilen  in  einem  Kranze. 

72.  Nach  Abklatsch  und  Photographie  =  Perr.  126  =  C.  I.  Gr. 
III,  4025. 


10 


15 


TI  lOYAIONlOYSTONlOYNI 

ANONfAPXIEPEAKTIZThN 

TH2MTPOnOAEnznOP*YPA 

KXTE<t>ANniA!AB10YTETII« 

WENON*IAOnATPINlA2;AIX 

AIEhEFKONJAOIAOT  I  M  1 

AlZKENTEAIANOMAIZnAOY 

TIZAtTATHSnATPlAAEPrOIZ 

TErEPIKAAAESTATOI£Ko£m 

XANTAK-MONONTnNPOAY 

TOYAlOAHSEAAIOeETHZAu 

TATHZHVEPAZEniNEAHGEN 

TAAEKTHZKATA2KEYHS 

T0YBAAA^E10Y<t>YAHAI 

05:tahmoyetii«h5:en 


Tl.   'louXiov  'loOcTTOV  I0UVI- 
avöv  t'  apxiepea,  KiicfTriv 
Tfjg  )Lir|TpoTrö\euu?,  -rropcpupa 
K^  crieqpdvuji  bid  ßiou  T€Ti|uri- 

5     laevov,  (piXÖTratpiv,  iraöaig 
bieveTKÖvia  q)i\oTi|ui- 
ai?,  Ke  ev  re  biavoixaig  ttXou- 
TidavTa  xfiv  TTttTpiöa  e'pYOi? 
T€  TTepiKaXXecTTdTQig  Kocyiuri- 

10    cravia,  ke  iuövov  tujv  rrpo  au- 
Toö  bi'  6\r]s  eXaio0eTriaav' 
Ttt  ifig  fijuepac,  em^eXriGev- 
la  hk  Kk  rY\s  KaTacTKcunj 
Toö  ßaXaveiou"  qpuXf]  Ai- 

15   ög  TarivoO  erijuricTev 


73.  =  C.  I.  Gr.  III,  4026  (Photographie)  Zeile  1 
Z.  8  Air  noAAAK  (das  iz  war  sicher  nie  vorhanden) ; 
Z.  10  iepaboyaaia  (sie). 

74.  =  C.  I.  Gr.  III,  4028  (Photographie). 

/-^^  [cpuXii  evatri  le]- 

PABOYAAiAANEz-H  pd  ßouXaitt  dvecTTii- 

2ENEKTr!,>EAY  CTeV    CK    TUJV    iüV- 

TH2EYNOIAZE  Trjg  eüvoiag  e- 


K?\H2.7KrwrK 


118 


5       NEKENANArO  VEKev   oivaYO- 

PEY0ENTAENE  peu9evTa  ev  e- 

KAHZIAYnOTE  KX^CTia    UTTO    TG 

BOYAHZKAIAH  ßouXfj?    Kttl    br|- 

M  O  Y  *  Y  A  A  P  X  ^^  jLioU    (pu\apx(OÖVTOg) 

10      ^EIKH4>opoYj  NeiKTiqpöpou  f A- 

A  6  H  A  N  A  P  0|  XeSdvbpo[u 

75.  Nach  einem  Abklatsch  =  C.  I.  Gr.  4033. 

niEOYHPON 
BAIIAEaNKAi 
TETPAPX  HN 
AnOrONON 

5  METAHASAZTASEN 

TniE0  >EI<l>IAOTIMlA(; 

KATATAFEN'A  E  I  STOYc 

AHMAPXOYZYnO  0  EOii 

AAPIANOYFPEZBEYZAv 
10        TAENAStA  I  EHEniZTOAHi:  k  e) 

KriAIKIAAnNGEOYAAPIANou 

HTEMONA  AErEHNOS  Ä  IKu 

01KH1K-AIOIKH2ANTATAEN 

ZYPIAirPATMATAFNIKAnOYBAl 
15        KI0ZMAPKEAA02:AIATH^KIN^ 

ZINTJNIOYAAIKI-NJVETABE&KEi 

AnOZYPIASAN©YnATONAXA 

lArnPOZ  i  1  >  PABAO  YZ  ■  rEMct>0E.v 

T  A  E  I  Z  BEIOYNIANAIOP0n-Hv 
20        KAIAOriZTlNYnO0EOYAAPIa 

NOYEnAPXONAIPAPlOYTOY 

KPONOYYnATONnON-I<t>IKfx 

EniMEAHTHNEPrn  N  A  H  Mo 

ZlflNTnNENPnM  H  H  r  E  Mo 
26        NAnPEZBEYTHNAYTOKPATo 

POZKAIZAPOZTITOVAIAIOY 

AAPlANOYANXnWEINOYZE 

BAZTOYEYZEBOYZ  ■  TEPMANl 

AZTHZKATXl     M     lOYAIOZ 
30        EYZXHMUNTONEA  YTO  Y 

EYEPFETHN 


119 

76.  =  C.  I.  Gr.  4035    (Abklatsch):   Z.  1  nnoMnnNiON  — 

Z.    5    iBAIAoMAKEAfXN* 

77.  —  C.  I.  Gr.  4050    (Abklatsch):    Z.  4  xpheimwta  —   Z.  5 
noAi  —  Z.  6  *rEroNEN* 

78.  =  C.  I.  Gr.  4067   (Abklatsch):  Z.  2  eephnia 

79.  =  C.  I.  Gr.  4072  nach  einer  Photographie. 

KAAYAioiz  KXaubioig 

z  T  A  T  E  1  A 1  uj  ItaTeiXiuj 

K  AH  I  O  T  API  Ke    AniOTttpl- 

ANUJKAABP  avuj  K\a(ubia)  Bp- 

5    EirHizMNHMHs  £1(7^?  MViiMn? 

////AP  IN  [x]apiv 

79a.  =  C.  I.  Gr.  4074  (Abklatsch) :  Z.  2  THeAiAMHTPiAecxH 

80.  C.  I.  Gr.  4075    nach    einer   Photographie    verglichen ,    auf 
welcher  die  letzte  Zeile  fehlte,  sonst  wie  im  Corpus. 

81.  Nach  einem  Abklatsch  =  Perr.  123. 

bYTOAANEeHKA  N 

THAHNKAITAONOMAT    A    H    T    E 
VETON"OEnAA<t>IOYMA:EIMO 
5  APXIEPnwVENOYMnAniPlOYMON 

tanoycebaeto<i>an-oyeh:  ka  ba 
b  e  i  n  h  e  ^e  n  t  e  p  a  e  i  ep  o  o  a  k  o  y  n"  o  e 
aiabi0yi0ya10yaiai0yi0yaia  n  o  y 

AEKAHllOCEBOYPIANOY 

10  TIB  KA  BOKXOE  TIBKAEYKIOS 

MHAniPAAEHrPEEB  AZKAHIIOZAOYKIOY 

MOAnlPAAEHNEnT  poy*02:poy<j>oy 

niOYAANEMNATO  A^POAISIOLiVENAtP 

<t)A  KAAYAIANOE  P0Y*02:EPJVEI0Y 

15  4>A  FAAAOE  AnOAAXlNIOENEIKOX 

TICEOYEPIANAAi  v.M  «tPONTriNBAXIAOY 

AN0ECTIOEAE1ATIKOY  A10<1>AN"0EE/VEI0Y 

ETATEIAIOEMATAOP  EPNElAZAP"ElWIAn,0 

nOMnUNIOE  lOYAIOY  nANTArAGOZnSIMO 

20  TIBKAETPATONIKOE  FAAATIXAAEEAPOY 

TIKA  nPOKAOE  AeHNOAnPOEAPISTüN 

EATOYPNElNOEAOPY*OP  nOXTO  JHZ 

JWAHIMOEEYAN"E/,OK-iWAT0Y  FAIOZ  E 

AMAMOEEYANFEAOY  A2KAe/  KA 

25  AOYKIOEHPAKA  HAI02  aI 1 

AKYAAEFAIOY 


120 


ANEMNATOLAEKAHniOY 
EEAEYKIANOEAAESANA 
AN0EETIOEETATEIAIOY 
30  BOKXOEno///N10Y 

i'AIOEAMYNTOY 
AOYTATIOEBACIAO  / 
AOYTATIOEAOYKIO  / 
^EAITnN■EImAPXOY 

35        eabeinoekap:e/anio 

aoykioe  oyitaoyioynio 
haioeaoykio///'/ 

rAYKHNOMOY//;/ 
"EIPIAATCAAEEANAPOY 
40  >EIKOETPATOEANAPEOY 

OKAIPOYOOE 

KAniTnmAnixnNOE 

ANTXlNlOLEEOYhPOE 
ANTnNIOZKEAEP 
4b  AMVlOSeENKAhHOSSE 

AEnNIAHIOYAPOY 

ianoapio5;baziaoy 
aeioxaopeinoy 

TAlOSrAlOYMHNA 

AZKAHniOSEPMOY 

AZKAHlIAreZlAOYANOY 

MAPKEAAOZBOIGHEOX 

//OKAHIO2  POY<t>OY 

IlAYAOZAilEAAinNOi; 

BAPBIAAOXEYTYXOY 


50 


55 


60 


ITAAOSGEfWlznNOZ 

nPOKAOE  A  AEH  A 

NAPoY 
AKYAAZAHoAAn 

AKYAAEAEnWIAOYAOJNIOY 
ArAGUJNYMOCnAN 

kypiaaoza'^^'n''®oy 


OYAAEPIOEFAIOY 
K  A  F-H£  N"  ' 

OKAIIIA 
TIK  A  E 
10  YAIANCI 

AEKAHniOEMHNA 

AEKAHniAAHIABEINoy 

lOYAIANOEMAPKEAOY 


nOCTOYMIOCAIOC 
CBOYPIANOC  AKYAOY 
TEiVEAAlANOEMAEIMOE 
nAElKPATCAnnAAANIOY 
AI^IOE  AISNIOY 
1^1  ITC  TEIMAPXOY 
////////////////////// 
////////////////////// 

KAnAios/////////// 

AnOAAnNlOZKAPIIOY  T  I  B  K  A  A  Y  A  I  O  2  X  K  A  Ii  A  A  2 
A2;iAriK02:4>IAHTOYA  A6H  A  HAPOCM6PKOYP10Y 
<t>IAinnOZOYAAEP10YCTA  TOIPIANOCCTATUUPI 
CTATnPlOCAAKimOY  AKYAACAAfcSANAPOY 

THNEIKONATOYKYPIOYSEBA 
STOYKAITONTITAONIYNTAIS 
rPA43AISTOIIIEPOYPrOIIc^ 
SIC      r  I  B  K  I T  P  A  T  O  NE  I  K  O  S  E  K  T  a  N 
^lAIONANEZTHIE* 

Die  zahlreichen  I^igaturen  von  oy,  oe,  on  konnten  im  Druck 
nicht  ersichtlich  gemacht  werden.  Ebenso  wäre  die  wechselnde 
Grösse  der  Schrift  in  der  zweiten  Colurane  nur  durch  ein  Facsimile 
wiederzugeben. 

Da  sich  unter  den  Kaisergentilicia  der  Inschrift  wohl  ein  Aelius 
aber  keine  Anrelii  finden,  so  wird  man  die  Inschrift  nicht  später  als 
Marc  Aurel  setzen  dürfen.  Die  Erwähnung  des  vierten  Cousulates, 
welches    weHer  Hadrian    noch  Marc  Aurel   bekleidet    haben,    führt 


121 


dann  nothwendig   auf  Antoninus  Plus.     Man    wird    demnach    etwa 
zu  ergänzen  haben : 

[Em  AuTOKpdTopot;  Kai- 
aapo?  T.  AiXiou  'Avtuu- 
vivou  eucreßoög  dpx- 
lepeoig  |iieYi(7Tou  örnu- 
apxiKfjjg  eSoucria?  [tö. 
UTTdijou  TÖ  b'  dv^GriKttV 
Triv  (TJn^Xiiv  Kai  rä  6vd|uaTa  ^fe- 
)Ltov]euovTOi?  TT.  'AXcpiou  Ma£i|uo(u), 
5       dpxiepuj|Lievou  M.  TTan-ipiou  Mov- 
rdvou,  aeßacTToqpavToucrtis  K\.  B(a)X- 
ßeivns  vetuTepa?,  lepoqpavToOvToj 
bid  ßiou  louXiou  AiXiou  'louXiavoO 

'AcTKXriTTiög  'Eßoupiavoö 
Tiß.  K.  AeuKioc 


10  Tiß.  KX.  BÖKXOi,^ 

M.  TTaTTip.  'AXeE.  Trpecrß 

M.  TTamp.  'AXeE.  veuur. 

TT.  'louX.    Ave|uvaTo[g] 

0X.  KXaubiavot; 
15  0X.  rdXXog 

Tl.  Zeouepiav.  'AXk[i]|u. 

AvGeaiiog  'AcnatiKOÖ 

ZraTeiXiog  MaiXop.? 

TTo)LiTriuviOff  'louXiou 
•20  Tiß.  KX.  ZrpaTÖviKog 

Tl.  KX.  TTpdKXog 

ZatoupveTvo?  Aopucpöp. 


'AcJKXrimög  Aoukiou 
PoOcpo?  Poucpou 
'Aqppobidiog  Mevdvbp. 
Poöqpos  'Epiueiou 
'ATToXXdiviog  NeiKOX- 
OpdvTUJV  BacTiXou 
AiöcpavTos  'Epjueiou 
'EpiLieias  'ApTe|uiöuu(p)o(u) 
TTavTaxaGo?  Zuu(7ijuo(u) 
faXdiris  'AXe2(dv)bpou 
'AGrivöbujpog  'Apicrtuiv. 
TToaTo[u|Liiog  . .  .]rig 


MdSi|uog  EuavTe[XX.]  ö  K[e)  Md^ou    fdiof?  'E. 


"Ajua)U0i?  EüavYeXou 

25  AouKiog   'HpaKX. 
'AKuXag  faiou 
'AvejuvaTog  'AcjkXiittioü 
reXeuKiavo^^  'AXeEdvb. 
'AvGeaTiog  ZTaieiXiou 

30  BÖKXOs  TTo[|UTTUj]viou 
rdioff  'AjLiuvTou 
AouTttTios  BacriXo[u] 
Aouidtiog  AouKiofu] 
MeXiTuuv  Teijudpxou 


'A(TKXe[Triög  'A(J]kX. 
"HXio?  'A 

'IraXög  0e)ai(Tujvog 
TTpÖKXog  'AXeSdvbpou 
'AKÜXa§    AttoXXlu<(Xuj)viou 
'AkuXüc,  [Ajeuuvibou 
'AYaGdjvujuo?  TTav- 
TttYdGou 
KupiXXoff  Aeujvibou 


122 


35  Zaßeivog  Kapicr[T]avio(u) 

AouKiog  OuixXou  (?)  'louvio(u 

"HXioc  AouKio[u. , .  . 

rXvjKuuv  *0|uou[XXou] 

Teipibdirig  'AXeEdvbpou 
10  NeiKÖcTTpaTog  'Avbpeou 
6  Ktti  'Poöcpog 

KaniTOJV  KarriTuuvog 

'AvTiJbvioff  Zeoufjpog 

'AvTUJViog  KlXep 
45  ArmoaOeviic  Ari)ao(T9e. 

Aeujvibri[s]  Oudpou 

'lavodpiog  BaffiXou 

AeTog  'Aqppeivou 

rdiog  rdiou  Mnvd 
M  'AaKXTiTTiög  'EpiaoO 

'AcCKXriTTibrii,-  ZiXouavoö 

MdpKeXXog  BoiöriTÖg 

[TTp?]oKX)iiog  'Pouqpou 

TTaöXog  'A-rreXXiujvog 
55  BdpßiXXog  EuTuxou 

'AttoXXuuvios  KdpTTOu 

'AaiaiiKÖs  OiXriTou 

ft>iXiTTTTOg  OüaXepiou 

ZiaToupiO!,-  'AXKi)aou 

60 


OüaXe'pio?  rdiou 

KXjiMevTi[voc 

ö  Kai  n  a .  .  . . 
Tl.  KX.  I 

'louXiavö[L; 

'AcTkXt-ittios  Mrjvd 
'A(JKX)iTTidbr|9  |X]aßeivou 
'louXiavöt;  MapKeX(X)ou 

TTodToujuio?  ATog 
'Eßoupiavög  'AkuXou 
fejueXXmvög  Ma£i|uo[u] 
TTacriKpdxrig  'AttoXXuuviou 
"Avviog  'Avviou 
Nei[KJi]Tr|L:  Tei|udpxou 


KXuubiog 

Tiß.  KXaubiog  ZKdirXag 
'AXeHavbpog  MepKoupiou 
ZraTtJupiavög  Ziamupi. 
'AKuXag  'AXe^dvbpou 

rnv  eiKÖva  toO  Kupiou  Zeßa- 
(JTOÖ  Kai  TÖv  titXov  üvv  TaTj 
Tpacpaic;  Toig  lepoupYOig 
[TJiß.  K.  ZipaTÖveiKOg  ^k  tujv 
ibiujv  dvecTTricre. 

82.    Nach    einem    Abklatsch  =  Mordtm.    Marmora   Ancyrana 

15  n.  4.  _, 

riY  h  K  O  Y  KV) 

fi  n  n  H  p  n  m  A  1  f 

(PABAZIAEXl  N  T  E  ll 
M  E  N  O  N  A  I  H  Hl 
lAiePGAMABlOYeeC 

KAmiOYnATePAKn 

TIKn-NFPOCTATIN-Hcj 
APXiePPATOYKOIhJ 
\K  T  1  C  TM  M  A  OYTi 
10  ^,1  P  O  <J>ONB 

/N  le  n  A  CA 


123 


.  .  .ITTTTf]    'PuJ|UaiUj[v.  .  .  . 

...Ttajpd  ßaaiXeuuv  Tei[|uais  le- 
Tei|uri]juevov  bir][veTjK[e'(yiv   .  . 
f)        ]ia,  lepe'a  biet  ßiou  9eu[0  cTuurfi- 

pOg    'Aa]K\riTTloO,    TTttTepa    KS    TT[dTTTTOV 

auvKXriJTiKUJv,  TTpoaTdtriv  t%  [juritpo- 
TTÖXeuuh^]  dpxiepe'a  toO  KoivfoO  tujv  fa- 

XaTÜJV,]    KTiainV    TTXou[Tl(TTf]V    Tf]g    7x6- 

10       Xeojg?,  CTuvTJpoqpov  ß[a(JiXeujv?,  tov  eu- 
epYetriJv  ke  •n:dcra[v  TToXiieiav  evbö- 
[Euug  Kai  lueYaXoTTpeTTUJc  rroXiTeu-] 
[crdjLievov? 

Mordtmann  las  am  Anfange  von  Zeile  2  noch  ein  o;  in  Z.  4 
MENONAiHr.  .K.  Die  übrigen  Abweichungen  seiner  Abschrift  werden 
durch  den  Abklatsch  widerlegt.  Den  Scliriftzügen  nach  fällt  die 
Inschrift  in  die  zweite  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts  n.  Chr.,  ist 
also  etwa  gleichzeitig  mit  der  im  Bull,  de  Corr.  hell.  VII  p.  16  n.  13 
publicirten  Inschrift  aus  Ancyra,  welche  für  die  Ergänzung  eine 
wesentliche  Stütze  bildet*). 

83.  Nach  einem  Abklatsch,  der  in  Z.  5  u.  6  am  Anfang  un- 
vollständig ist  =  Mordtm.  M.  A.  p.  20  =  Bull,  de  corr.  hell:  VII 
p.  20. 


üNAHmOYPfiMAinNnpAl  .  .  .  ov  br|)uou   'Puj|Liaiujv  Ttpai- 

TOPAAnoAeAeirmeNON  Topa  aTrobeberfjuevov 

CGivrpaNiApnMANAevrATHP  Ce.uirpujvia  'Paj|uavd  QvjäTr\p 

ceMPnNlOYAKYAOYreNOMe  Ce)UTTpuuviou  'AkuXou  Yevo|ue- 

ö        OY6ni€niCTOAnNeAAHNiKnv  v]ou  em    eTricTToXujv   'EXXr|ViKU)V 

B-TONTAYKYTATONANAPA  Ce]ß.    TOV    f^UKUTaTOV    Otvbptt 

Z.  1 :  br||uou  'Puj|uaiuuv  scheint  zu  rrpaiTOpa  zu  gehören,  wie  in 

der  Inschrift  Bidl.  de  corr.  hell.  VII   p.   25  n.    17  (JTpairiYÖv  br|[|Liou 
'Pujjuaiujv]. 


*)  Töv  KpdT(iöTov)  KaiKiA(iov)  'Epimavöv  töv  TrpüÜTOv  Tf]C,  eTrapxeiou 
ßouXoYpaqp'naavxa)  xö  ß',  TroÄ.eiTOYpa(p(ri0avTa'  tö  i', 
ra\[aT]äpxnv,  K[Ti|öTriv,  [iTJäaüv  [Tr]oA.e[iT]eiav  evööEuui;  Kai  MeTC^O'n'peiTüüc 
iroXeiT[eu]ad|H€vov,  ■npoorärriv  rf\c,  ,u[ri|TpoTT6\€aji;  ß'  veuuK6p[ou]  'AvKÜpaq, 
irar^pa  Kai  TrdTnrov  auvK\|r)T]i[Ku)v],  öouKqvdfpiojv,  eiri  aujußouXiou 
ToO  Zeß(aöTOö),  cpuXi^  A'  töv  TTdrpujva. 


124 

84.  Nach  einem  Abklatsch  =  Mordtm.  M.  A.  p.  21. 

TPEI  OYMAIATPINHZUÜCA<J>PONO  YCA 
KATeCKeYACATOn6PI*PA  r  M  A  6  A  Y  Tl 
KAIAIA-ArAeHMAIWMHKAIAlA-nUJC^O 
PIAIMHTPIKAICTATUUPIUUrAIO  Y  n  A  n  n  UU 
5  KAIAIA-AeUUNIAAANAPI  KAIMETATO 

emeKATAT60HNAI  HA  P  O  P  I  Z  UU  M  H  A  €  ^'A 
€X€  I  N  6  H  O  Y  C  I A  N  6  n  I  C  6  N  6  r  K  A  I  6T6PON 

CUJMA6ANAeTICTOAMHCeiTUJTAMeiUJAUUC€I 
XMYPIAPeNTAKICXIAIA 

Tpe[ß?]ou\ia  MaTpivf)  Iwaa  qppovoOcralKaTecrKeuaaa  t6  Trepicppa- 
■f)ua  eauTf]  |]  Kai  Ai\(ia)  'AyaOi]  MOimui]  Km  'Ai\(ia) 
TTuucrcpö[jpibi  luriTpi  Kai  XiaTuupiuj  faiou  TrdTTTTUJ  ij 
Kai  AiX(iLu)  Aeuuviba  dvbpi  Kai  jueid  t6  |e|ae  Kaiaie- 
5      Gfivai  Trapopiluu  mibeva  f  e'xeiv  eHoucTiav  emaeveTKai 
etepov  II  (Tuj)ua'  edv  be  xig  To\|ur|(Jei  tlu  raiueiuj  buj(Tei|| 
X  laupia  TrevTttKiaxiXia 

85.  Nach    einem  Abklatsch  =  BhIL  de  corr.  hell.  VII   p.   17. 
AFAeHITYXHI  'ATaGfii  xuxni 

OIAnOTHEOlKOY  Ol    dTTO    1%    OIKOU- 

MENHnnEPiT  ONAi  H€vri§  Trepi  töv  Ai- 

ONYEONKAIAYTO  ÖVUC5"0V    Kttl    AuTO- 

5         KPATOPATPAiA  Kpdiopa  TpOltt- 

NONAAPiANONKAi  vöv  'Abpiavöv  Kai- 

EAPAEEBAETONTE  (Topa    ZeßoCTTOV    T€- 

XNEITAIIEPONEI  X^^lTöl    ICpOVeT- 

KAiETE4>ANEiTAi  xai  (TTeqpaveiTai 

10  KAIOITOYTUÜNEYN  Kai    Ol    TOUTUUV    (TUV- 

AruJNiETAiOYAni"^'  aYuuvKJTai  OuXmov 

AiAiONnoMnHiAN"N  AiXiov  TTojUTTriiavöv 

TONEAAAAAPXHNKAAP  TOV    ^XXabdpXnV    xafl]    dp- 

xi//eaaneethea  N  Xi[€p]ea  dvecTiricrav 


IR 


TYXHi      ArA0Hi  '        Tuxni  dTaefii 


86,  =  Ms.  Nr.  1.  Von  dem  Blatte,  auf  welchem  die  Inschrift 
steht,  fehlt  die  rechte  Hälfte;  doch  ist  oben  die  Angabe  des  Bruches 
erhalten. 


125 


vZa  1  i. 

hIMIAIS  KAI 
I  H  Nin  A  TPIAAn 
I  O  lETE  lEPlKAAl 
5  MKAPTAltnAN" 

AKEAAlOeEHIAlSr/ 
iVE  A  H  0  E  N"  A  AEKTCKA 
BAAANEIOV4>vaHEEBAl 

In  Zeile  5  ist  in  Rasur  unter  ha^  mo  erkennbar. 

Die  Inschrift  ist  zu  ergänzen  nach  den  gleichlautenden  De- 
c.-eten  anderer  Phylen  C.  I.  Gr.  4025a;  h;  c  {=  ob.  Nr.  72);  — 
■n]6.Ga\g  [bievexKÖvra  cpiXo 'TJeiuiaic:,  Kai  [ev  xe  biavoiuaig]  [xjriv  Traipiba 
TT[\ouTiaavTa  ep]  :j  [Y]oig  le  [TT]epiKaX[\e(JTdToig  Koa]i||uri(JavTa,  ke  [jiövov 
TuJv  Trpö  aÜToO  h\  öJ'Xrit,'  eXaioOeirjcravTa  [ifis  fi)uepas""  em]  jueXriOevta 
be  ke  xfis  Ka[TaaK€uf]i;  xoöj  ||  ßaXaveiou  cpuXf]  Zeßaa[Tri?  eiijuricrev]. 

TTXouTiaavTa  muss  wie  im  Exemplar  a  nach  Traipiöa  gestanden 
haben. 

87.  Nach  einer  Copie  von  Leonardi,  die  ich  von  Hrn.  Mordt- 
mann  erhielt;  diese  Copie  ist,  wie  oben  bemerkt,  identisch  mit  der 
dritten  Inschrift  des  Manuscriptes ;  doch  ist  letztere  jetzt  rechts 
verstümmelt. 

TOPOS    TITOYAIAIOYKAISAPOZ 
ANTO>EINOYAN0YnATriIAXAIA2 
HFEMONI  AEFEnNOSA  2  K  Y  0  I  K  H  2 
ZTATHrai  AHVIAPXD.ITAM  I A  I  E  n  A  P 
•^  XEIAZBABTIKhCXElAIAPXnnAATY 

XHViniAEr   3    AIAYMO    EYTYXOYZ  ß 

KA*MA*^^  IMOZ 

Die  Inschrift  ist  zu  ergänzen  nach  C.  I.  Gr.  4022. 

[r.  'louXiuj  ZKOtTrXa,  uTrdTUj  dTTobebeiYMevuj,  TrpegßeuTfi  Kai 
dviiaTpairifuJ  auTOKpdTopog  Tpaiavoö  'Abpiavoö  ZeßacTToö, 
TTarpös"  TTaTpibog,  dpxiepeuug  iLieYicriou,  Kai  auTOKpdJTopog  Titou 
'      AiXiou  Kaiöapo?!|'AvT[uj]veivou,  dv6uTTdT(jui  'Axaiag,j|fiTe)Liövi 
5      XeYeuJvog  b'  XkuOikh^,  laxpaTTiTUii,  bniiidpxuji,  xaiuiai  errap-] 
Xeiai,"  Ba[i]TiKflg,  x^iXidpxuj  TrXaTu[[ar||uuji  Xey.  [t]  [A]ibu^o[u] 
EuTuxüög  II  KX.  Md[E]i|uog 


126 

88.  Das  Fragment  einer  dritten  auf  diesen  Mann  bezüglichen 
Inschrift  gebe  ich  nach  einem  Abklatsch  =  C.  1.  Gr.  4023. 

/TTK^AN 

JPESBEYTHN    * 

pP02   TFAIANOY 

pznATPIAOZ 

5  TO  KPAT0P02 

ITUN  E  I  N  O  Y 

I 

JMAAEr  1  n  N  O  Z  A 

1 

iXON"AMIAN 
PXONT  A  A  T  Y 
10  OYEYTYXOYS 

89.  =  Ms.  Nr.   14. 


?  Ol  11  

.  i  E  M  N  O  //  ....  (Te|UVÖ[T- 

,ONK-AlKAIO  a]TOV    KC    blKttlÖ- 

irtroNHrEMo..  [T]a[T]ov  riTe)L»ö[vaJ 

5  OAIBINHIOZ  AlßlVl'llOt; 

n  o  M  n  n  N  o  TTo)U7TUJvfi]o[c;] 

OKOPN'IKOYAAFi  6    KOpVlKOuXdpi- 

TON  HATPriNA  Tov  TTaTpuuva 

90.  =:  Ms.  Nr.  45.     „Auf  dem  Friedhof  der  katholischen  Ar- 
menier".    Ist    mir  bis  auf  wenige  Worte  unverständlich  geblieben. 

.  •.  .  O  N  K  A  A  O  N  H  A  .  .  . 
...CnPO        BOKAT 
.    ...PYYeC    MAPA... 
.      .NOAAemON... 

5      ...XAXOcniuJT... 

.  .  .0  6  N  6  1  T  ACAlü  .  .  . 
...UJJWOC6AOYA.., 
...tTYrePHNMH     .. 
.  .  .UU6N  A  I  AY0ICV.  .  . 
10  .  .  .!€  N  OCA60A.  .  . 

.  .     OlCnAPOCOP.  .  . 
...KAAYAIOn... 

...CPIC0A^'l'... 
.  .  .  A  (>  M  N  1  K  .  .  . 


127 


91.  =  Ms.  Nr.  46.  „Ebendort" 


0EO1E  K  Qeoig  K[aT-] 

AX0ON1  axOovi[ois] 

lAOZENO  [0]iXöEevo[i,^] 

AKYAOY  'AkuXOU 

5  riNK-opo  fZ;]ujv  Ke  (ppo[vujvJ 

AYTUüK-TOii;  [ejauTiij  ke  toT.,^ 

AI  Ol  CNN  hM  [ijbioi^"  )uvri|Lt[iig] 

XAPIN  XUplV 

92.  =  Ms.  Nr.  51.  „In  der  Nähe  des  katholischen  Friedhofes; 
im  Hofe  eines  Tscherkessenhauses  in  der  Wand  zwischen  zwei 
Zimmerthüren  gegenüber  dem  Strassenthore  eingemauert". 

KABAABEINAN 

THN   EKnporo 

NUN    BAZIAIS 

LAN  K-  n  P  n  T  H  N  Ti: 
5  EnAPXIAErVNAI 

KA    KA    APPIANOY 

EYNKAHTIKOY 

MHTEPA     TH:    J/H 

TPOnoAEflEYlEP.. 
10  A  AOAtN-N  lAN   .    . 

..ZTOYEKAOE... 

YIHNTAIEEIETNT. 

PIAA    *IAOTIMlAlL 

*YAHE..AI    ...  PATE 
15  YAAP..XM4'AA... 

K[X].  BaXßeivav  ||  tfiv  k  TTpoTÖlvujv  ßaaiXicraav  ke  Tipwiriv  t%|| 
ETTapxia?,  TuvaillKtt  KX.  'AppiavoO    auvKXr|TiKou,    lariTepa  tik 
^rl||TpOTTÖXelJUJ,  u[TT]ep[ß]  aXo^evriv  [Tr]dv[T||a]?  touj  Kae'  ^[aj|- 
u[T]fiv  Tttig  dg  T[fi]v  [iraTJilpiba  (piXoTi|uiais*'!cpuXn  e' 
Ai[aTeZ:ujv?]  j  [qpJuXapxvovJVTog)  M.  OX.  A 

93.  =  Ms.  Nr.  63.  „In  der  Nähe  des  Hauses  von  Doctor 
Aristazes."  Ist  mir  unverständlich  geblieben. 

..  ..HTHTHIMATUUNLI.  ... 

TIMHEEMAKAI'EIAEONTIOEI.  . 
» 

EPN  EEINEy  TIEIAAOIE    XUJPON  .  .  . 


128 

94.  =  Ms.  Nr.  64.  An  demselben  Orte  wie  n.  92. 

TPCHicuAHMO  Tpe[ß]iuj  Aimo- 

.THATUUMNHM4E  |  (j]TpdTUJ    )UVl]JU11i? 

♦    XAPIN    *  X«PIV 

95.  -  Ms    Nr.  89.    „Am  Grabe  des  Dschelali-Baba." 


3HKUJ  l  Z 

AI2;U)THP5:iAK 

iEOYHPlANOl" 

oaymc!10j;kai 

5 

E  A  1   K  n  N 

96. 

=  Ms.  Nr.  136. 

CTuurfipai 
Zeouripiavoi 

0\U|Ii|tt]iO^    Kttl 

'EXiKoiv 
,In  einem  Thurme  der  Festun<;smauer." 

Eni    AYPA1NY2I0 

APTAEINOY  • 

TOY  AAMnPOTT 
APEAMENOYK 
5  n  A  1  E  P  O  i;  A  .  .  .  X 

Eine  zweite  gleichlautende  Inschrift  ündet  sich  unter  Nr.  100 
=  C.  I.  Gr.  4U51. 

€ni  AYIHAAI.. 
CIO VAPTAeiN. 
AAJVVnPOTATO 
iWeNOY    *    K-  CS 

5  CYN  n 

A0H  CANTOC 

Die  Inschrift  dürfte  demnach  etwa  so  herzustellen  sein: 

'Em  Aup.  Ai[o]vuaio[u| 

'Apfaeivou 

TOÖ  \a|U7TpoT[djT[oul 

d()Ea)Lievou  K[ai  övjji-  \ 

5  TTX[nlp[uu]0'u|VTü|<,- 

und  sich  auf  denselben  Mauerbau  beziehen  wie  C.  1.  Gr.  III,  4053. 

97.  —  Ms.  Nr.  1U3.  „An  der  Ostseite  der  Festungsmauer". 
Ich  gebe  unter  a)  die  Copie  des  Manu.scriptes;  h)  die  Abschrift, 
welche  ich  nach  einer  sehr  schlechten  Photographie  gemacht  habe; 
c)  die  Abschrift  Mordtmanns  M.  A.  p.  18  n.  6. 


129 


a)  b) 

ATAGHI      TYXHI  ATAGHI     TYXH 

TH...KBACiA€  ^HNCKBACIAe 

ONYPOYHNI  OICC^OYHNI 

ANKO0YTAN  ANKO       O  Y  T  A  N 

5         KOPNHAIANKAA  5      KOPNHAIANKAA 

noYPNiANOYAA6  nO^i   N      O'^AAEl 

ANeGKOYNAANKO  AI  CGKOYNAANKO 

TI  ANnPOKI  AAAWPOP  KI     AANIIGB 

KI  AN  AO  YO  YAAANAo  AANAO 

10        ANxriNA  NAOn  ;0!€COS  10  eo 

P  I  A  N  O  Y  n  €  i  O  Y  O  Y  r  A  T  l  PACK  PI    OY  CfO    0YI    ~ 

NH  1 -AOIK  A  AYA:\lO  YKI.  .OnA.  .  O  Y 

rVNAK.  .A  CreiOrNHN 

cn-AnoYPM[°Y lA.  no  ia 

15  KOPNH  AIANOYoTirir  15  \IANOY  II 

KO  Y  P  UU  M  O  ei  eA  N  0  N  KOY  .  CiMHeSICAN 

K  A  H  C  i  A  Y  n  »  T  6  B  o  Y  A  n  O  \HCIAY.O..BOYAHC 

AKUONH.  .HCAI6THOC  OY 

I'iEX*  YAH  Z  T  UU  Ar  AA  III  NC       <t>YAH  Z 

20  TI6T...CeN<l>YAAPXO  20  OYAAP 

NTOC    CkOYPHPIANE  CEOYHPIANO 

€IA60Y  61    60Y 

c)  Etwa  herzustellen  : 

ArAGHi     TYXHI  'AYttOfii  luxr)! 

npoKBACiAE  Tf\v  [cJk  ßocTiXe- 

HN      poYHNi  [uuv]  Z[ep]ourivi- 

ANKo       TAN  av  Ko[pv]oOTav 

5       KoiNHMANKAA  5  Kopvr|Xiav  Ka\- 

n    IN   NOYAAEi  Trou[p]v[iav]  Oua\e[p-] 

ANEEK0YNAANKO  |l]aV    ZeKOUVÖttV    KO- 

TA      PO     AANHEB  TlttV    TTpOKlXXaV .  .  . 

AANAO  .  .  .  .  Aou[K]oöXXav.  .  . 

10  NN  O    CO  10  

TOYGYFATEPACK  ÖUYCXTCptt.  .  .  . 

3  Zeilen  zerstört  

Yuva[ilK[a|  be  Yeivlofuelvnv 

15  KO  OYC  15  L  J     L    j  I     L    j     Lr     j       I 

TT.  [KalXTTOupfvliou  [TTpÖK]X[ou?] 

KOY  ANEN 

Archäologisch-epigraphiüche  Mitth.  IX.  u 


130 


20 


KAHCEAYT     BOYAH0  Kop[v]riXiavoO  [CTUVKXriTl-] 

OYN  KoO  [T]ei|LiriöeT(Jav  [e]v 

AN  [eKJKXricTia  üttö  le  ßouXfig 

ct>YAAPx  20    [K(e)  b]r|[^]ou  [rlfic  d[TVÖ]TTi[T]og 

HNTOccoY      AN  [e]ve[Kev]  cpuXf]  t  Tuj  dYaX[^a-J 

Ti  eT[ei|uri|crev  {puXapxo[0-| 
VTOc  Xeou)ipiavo[0] 


98.  =  Ms.  Nr.  138.  „Gefunden  bei  der  Fundamen tirung  des 
Magazines,  welches  Bajzade  Jussuf  Effendi  in  der  Strasse  Saraijol 
gebaut  hat.** 

Ar A0HTYXH 
i'HtfrIZMA  TUN  AHO  TH2  OIKOYJWENHZ   HEPl 

TON  AIONYSON   KAI  AYTOKPATOPA    TPA 

lANONA  AAPIANON  ZEBASTON   KAISAPA 
5         NEON   AIONYSON    TEXNEIXnN  lEPOA! 

KUN  STEOANElTnN  KAI  TON  TOY  TON 

ArnNIZTAN   KAI  THN   NEMONTHN   THNIEPAN 

0YMEAIKMNCYNOAON       EOEIAH    HPOTAN 

©Ell  YnOTHZ   lEPnTATHZ  BOYAHZ  OYAniOX 
10         A1AI02   nOMHEIANOZ  Ar.CiNO0ETHi:A2  TONA 

rriNA  TUN  MYZTIKON  AO0ENTA  YHO   TOY  AY 

T0KPAT0P02   EN  OAIFAIZ  TH  nOAEl  THTE  XEI 

POTONIA   TAXEns   YHHKOYZEN   KAI   TON   Ar.V.l 

NA  AlA*ANnZ  EOETEAESEN  EKTHN   EAYTON 
If)         MHAEMIAZ  AnOAEI^ÖEIZ  AAMHPOTHTOZ    KAI   MEI'A 

AOfYXIAZ  AMATHNTE  EYZEBEIAN   THE  ÜATPIAOE 

EIE  AMOOTEPOY2   TOYZ   ©EOYL   EHES'H^IlEN 

KAI  TAL   EniAOEEIE  HAZAE  AE  AE^EIAHL  EHOIHZA 
20         TO  nPOZ  MHAEMIAN   AAHANHN   ANAAYX  KAI    TH  TE 

TAXEI  THZ  ZnOYAHE  OAEYONTAC   HAH   TOYi;  AmNl 

LTA2  ANEKAAEZATO   KAI   HANTIMEPEI   TOY   MYETHPl 

OY 

21- -54  „als  unleserlich  nicht  gelesen". 

'Afaeri  Tuxri  jl  YnqpKTuä  tuuv  dno  ir\q  okouiaevric  irepi  töv  Aiövu- 
(Tov  Kui  AuTOKpdxopa  Tpa||iavöv  'Abpiavov  leßaaiov  Kaiaapa  i|  veov 
Aiüvucrov  TexveiTÜJV  iepo[v€li  küuv  (TTecpaveixuJv  Km  t|uj|v  tout[uj|v 
|auv-l  aruuvicTTajv    kui   tujv   veiuovioiv   rriv   itpdv  ,   üu)aeXiKriv    öüvobov 


131 

'Erreibri  TTpoTa[x]||Oe^?  uttö  t%  lepuuxdTrig  ßouXfig  OuXmog  jj  Ai'Xiog  TTo|u- 
TT[r|]iav6g  äj[üvoQeTr\Oag  töv  d||Ta)va  t[ö]v  juucttikov  boGevia  uttö  toO  Au|j- 
TOKpdxopog  ev  öXiYaic^  xri  rröXei  ifj  xe  xei|poxovia  xaxeoug  uTiriKoucrev  Kai 
xöv  dYiJu||va  biacpavOuc;  ejrexeXecrev  ek  xüuv  eauxo[0]||juribe)uidg  dTToX€icp0eig 
XttjUTTpöxrixoff  Kai  |ueTa|iXoipuxiac,  d)ua  xr|v  xe  eucTeßeiav  x%  Traxpibog  ||ei? 
djucpoxe'pouc  rovg  Qeovg  eTievjjriqpiaev  [|  Kai  xdg  emböcreij  irdcrag  be 
d[(p]eiba)c:  eTTOiii(Ja{|xo  irpög  |uribe)aiav  baTidvnv  dvabug  Kai  xuj  xeijxdxei 
x^i^  (jTTOub%  öbeuovxag  r\br]  xoug  dYUJVijcyxdc;  dveKaXe'craxo  Kai  iravxi 
lae'pei  xoO  |uuaxripij|ou. . .  . 

Zwischen  Ancyra  und  Samsun 

99.  =  Ms.  137.  „Akardja  in  der  Nähe  des  Salzsee's  an  einem 
Brunnen." 

ATASH  XYXH  ['AjTCiOrj  xuxr) 

MANTNNIONß  M.    'Avx[uj]vi[v]OV 

GEioTAxoNAYT  Geioxtttov  aux[o-] 

K-PAXOPAXONeK0E  [KJpdxoptt  XOV  CK  Öe- 

5      OIN  NHNOUNAP  LUV 

XONCONOYAHAH  [ß]OuXri    bf]- 

ß    M  O  C  CS  jUOC 

100.  Nefez-kiöi,  nach  einer  Photographie. 

+ 
eN0AKA  ''Ev0a  Ka- 

TAKITGH  XttKlXe    f) 

AOYAH  bCuXr] 

TOYOYG  XoO    6(€0U)    0- 

eoAoiPA  eobOüpa 

101.  Meine  Copie.     Zwei    Stunden    vor  Merziwan,    an    einem 
Brunnen. 

n  c  V  A  n  t 
K  I  o  c  r  E 
P  M AN  O  C 
V  E  T  P AN 
f)  O  C  E  N  0 

A  A  E   K  El 

T  A  I 


TT(ou7tXiOw)  XuXTiiKiog 

fepiuavöf;  Vexpavöj,-  evGdbf   KcTxai 


132 

102.  Meine  Copie.  An  einem  Brunnen  eine  Stunde  vor  Merziwan. 
Kalkstein,  h,  l'lö,  br.  0"51. 


nPOKAANO  C 

nPOKAO Y 
ö       CT   •  IH      a 


TTpOKXavög  TTpÖKXou  eT(Ouv)  iri' 


103.  Meine  Copie.  Ebendort.  Kalkstein,  h.  1,  br.  0-55. 


AB  eiN  1  A  II 
XPHTHAAeA* 
r  AB6INIOC6Pei 
NIANOC  MNHMHC 
XAPIN  •   K  eXOYC 
P56 


r]aßeivia 

Tri  dbeXcpfr) 
faßeiviog  'Epei 
viavög  luvripis 
Xdpiv  K(aTeaKeuaaev?)  eioug 

pSe 


V.  6  wahrscheinlich  159  p.  Chr.,  vgl.  Marquardt  Staatsv.  IP 
S.  359. 


Wien 


A.  V.  DOMASZEWSKI 


Zur  Sammlung  Millosicz 


Die  Sammlung  des  Viceadmirals  Georg  Freiherrn  von  Millosicz, 
von  welcher  Gurlitt  im  ersten  Bande  dieser  Zeitschrift  einen  Katalog 
veröffentlicht  hat,  enthält  ausser  den  dort  verzeichneten  noch  zwei 
unpublicirte  Inschriften  von  einigem  Interesse. 

Die  erste  findet  sich  auf  einem  Marmorfragment,  welches 
oben,  unten  und  links  abgebrochen  ist.  Länge  034,  Br.  026, 
Dicke  0*025,  Buchstabenhöhe  0'014.  Der  Buchstabencharakter 
weist  in  die  Kaiserzeit,  jedoch  nicht  über  das  zweite  Jahrhundert. 
Die  Enden  aller  Buchstaben  sind  mit  Hasten  versehen ,  dergestalt, 
dass  alle  Horizontalbalken  an  ihren  Enden  zwei  Verticalstriche, 
alle  Vertikalbalken  oben  und  unten  Horizontalstriche  tragen.  Larabda, 
Alpha  und  Delta  tragen  überdies  auf  der  oberen  Spitze  eine  Hori- 
zontalhaste. Ypsilon  hat  den  durch  den  Vertikalbalken  gehenden 
Querstrich,  Rho  und  Beta  setzen  den  oberen  Halbkreis  mit  ge- 
schwungener Linie  an. 


133 

M  n p EnoN 

il    ANENKEXEIP12( 

5  <  AT  HGYSI  ABPEI  ZEI 

-IA2TOYAYTOKPATOP02 
TOAEnSHMIlN-HSlE 
SI2TOI2TEXNEITAI2 
"KAI2YNEA0ONTAZ 
10  ^-OZnPONOOYMENOY 

"lOY 

,BA2TnNENIAY2I 
"HZnOAEXlZE^-H 
VIZEKTXINAH 
15  ''lAZ  TOYTAMIOY 

)YAAMnAAAP 
'BIOY 

\]e(y 

V  TrpeiTov[T 
Xpejiav  evKexeipicr[0ai 

€ 

Karr)  öuaia  Bpeiaei  5 

emg  toO  auTOKpdTopog 
TTÖXeujg  fiiuujv  fjg  le- 
p...]öig  Toic;  Texveiiaig 
ej  Ktti  cTuveXOövTag 
eig  Tfjv  auvobov   . . .  pjoi;  Trpovooujue'vou  10 

. .  .]iou 
uTTep  Tf\g  uYieiag?  TiJuv  creJßacTTuJv  eviaucri- 

OucTi T]f\g  TTÖXeujg  eqjr)- 

qpiaaTO f\  TTÖJXig  ek  tOuv  br)- 

jLioaiuuv e]ias  toO  lajuiou  15 

To]0  XaiuTTabdp- 
Xou ujßiou 

Die  Inschrift  bezieht  sich,  wie  aus  BpeicTeT  (Z.  5)  und  rexvei- 
xaig  (Z.  8)  ersichtlich  ist,  auf  dionysische  Künstler  u.  zw.  die  des 
Dionysos  Breseus,  dessen  Cult  in  Smyrna,  woher  die  Inschrift 
vörmuthlich  stammt,  nachgewiesen  ist.  Dort  bestand  ein  Collegium 
der  Techniten  und  Mysten   des  Gottes.     Das  Nöthige   hat   darüber 


134 

Böckh  zu  C.  I.  Gr.  n.  3173  zusammengestellt  (über  Bpiicreug  vgl. 
jetzt  auch  v.  Wilamowitz  Philol.  Unters.  VII  p.  409).  —  C-  I.  Gr. 
n.  3176  findet  sich  ein  Schreiben  M.  Aurel's  aus  dem  J.  147,  welches 
den  Dank  an  die  Synode  der  Techniten  des  Dionysos  Breseus  für 
ihre  an  ihn  gerichtete  Beglückwünschung  zur  Geburt  eines  Sohnes 
ausspricht  (vgl.  Mommsen  Herni.  VIII  p.  205  f.  und  Dittenberger 
syll.  inscr.  Gr.  n.  289).  Da  somit  ein  Bezug  des  Technitencollegiums 
des  Dionysos  Breseus  zu  Marc  Aurel  feststeht,  so  glaube  ich  auch 
hier  einen  solchen  als  möglich  hinstellen  und  aejßaaiujv  (Z.  12)  auf 
ihn  und  L.  Verus  deuten  zu  können,  zumal  die  Buchstaben  eine 
spätere  Zeit  kaum  zulassen.  Allerdings  steht  Z.  6  der  Singular 
Toö  auTOKpdiopog  in  anscheinendem  Widerspruche  mit  creßacTTUiv, 
beides  in  getrennten  Theilen  des  Decretes.  Der  letzte  erhaltene 
Theil,  in  welchem  eben  aeßaaroiv  steht,  ist  offenbar  ein  Beschluss 
der  Stadt,  für  die  Kosten  der  jährlichen  Opfer  zu  Ehren  der  Kaiser 
aufzukommen.  Man  wird  dabei  au  die  gerade  regierenden  Kaiser 
gerne  denken  wollen,  doch  lassen  sich  immer  noch  Combinationen 
denken,  bei  denen  der  Plural  zu  erklären  wäre,  ohne  dass  an  eine 
Zeit,  in  der  zwei  Kaiser  regierten,  gedacht  werden  müsste. 

Z.  5:  Kttiri  0u(jia.  Hier  kann  nur  'EJKdtri  oder  .  .beJKdiii  ge- 
standen haben.  Das  Letztere  ist  wohl  das  Wahrscheinlichere,  ob- 
gleich nicht  klar  ist,  in  welchem  Zusammenhange  das  Wort  stand. 

Z.  17.  Der  Rest  vor  ßiou  scheint  auf  ein  Y  schliessen  zu 
lassen.  Wahrscheinlich  steckt  ein  Name  dahinter. 

Die  zweite  Inschrift  steht  auf  einem  Marmorfragment,  welches 
in  der  Weise  abgebrochen  ist,  dass  dasselbe  im  Durchschnitt  an- 
nähernd die  Figur  eines  auf  der  Spitze  aufgestellten  Quadrates  dar- 
stellt.  L.  0-23,  Br.  0*22,  Dicke  035,  Buchstabenhöhe  O'OIS. 

rt  ^  creßlaa[TuJ 

Enzxr  dpxiepei  )ii|eTi(7TUj|i 

AYTOKPATOI  ai)T0KpdT0p[l 


r  ATPin ATPIA02: 


TTarpi  TraTpiboi. 


5       TO^TiPoroA  ns               lepeais]  toö  Tipo  |TT]öX[e]ujc  [Aiovücfou?] 

TiTOYct>AAO^'  10  TiTOu  OXauiou 

-t>ANH*opoYTC  arejqjavriqpöpou  t6 

5YTOBr  •  OU    TÖ    ß,    [tT.  . 

HAK  Ttaio 

Die  Inschrift  ist  wegen  der  Bezeichnung  Tipö  TTÖXeoii?  interes- 
sant, worüber  C.  I.  Gr.  ad  n.  2963  &  zu  vergleichen  ist  und  Le  Bas 

III  (expUcattons)  n.  1601  p.  373    (sammt    den    dort   citirten  Stellen 
des  Corpus). 

Wien  EMIL  SZANTO 


135 


Epigraphischer  Bericht  aus  Oesterreich  *) 

(Fortsetzung) 


PANNONIA  INFERIOR 

Petrovoi. 

Kevidirte  Inschriften.     Ad  C.  I.  L.  III  p.  417: 

n.  3222,  3224,  3226  existiren  nicht  mehr, 

n.  3223  nicht  mehr  in  Kraljevci. 
Ljub.   Viestn.  V  p.  39  u.  41. 

Zu  C.  I.  L.  m  n.  3220  =  Arch.-epigr.  Mitth.  aus  Oest.  IV  p.  109: 
Die  Abschrift  Brunsmid's  unzulänglich. 
Z.  2  der  letzte  Buchstabe  R 
Z.  3  vor  IVS  fehlt  etwas. 

Z.  4  am  Anfang  wahrscheinlich  noch  zwei  Buchstaben,    die  jetzt  ab- 
genutzt sind,  am  Schluss  PF 
Z.  5  POVOTAM 
Ljub.   Viestn.  p.  41  u.  69. 

Zu  C.  I.  L.  n.  3225  =  Arch.-epigr.  Mitth.  IV  p.  113  n.  5: 

Z.  2  der  erste  Buchstabe   deutlich:  T 

Z.  3  die  Buchstaben   nur   zur  Hälfte   sichtbar,  doch  deutet,  was  man 
sieht  auf  SVR  |  lO 
Ljubic   Viestnik  V  p.  33  ff.  u.  p.  69. 

Zur  Inschrift  Mittheil.  IV  p.  112  n.  1 : 
Z.  2  PROCV 

Z.  3        de/     also  Decurio  und  nicht  Duovir,  wie  Brunsmid  vermuthete. 
Z.  4  COL-BASS'//    d.  i.  BASS'AN ,    wie   auch  in  der  Inschrift  Mitth.  IV 
p.  114  n.   1. 
Ljub.   Viestn.  V  p.  37. 
Zu  Mittheil.  IV  p.  112  n.  2: 

1       O       M       AE 
P   O  S  V  E  R  vT 
GEMELL  IN~S 
ET   VLFALES 
5  L    I    B    I    E    N   S  sie 

V  O  T  O    S  V  O 

Ljub.   Viestn.  V  p.  40  n.  1. 

Z.  1  J{ovi)  o{ptimo)  m{aximo)  ae{temo). 


*)  Zu  den  in  Agram  befindlichen  Inschriften  dieses  Theiles  des  Berichtes 
konnte  ich  noch  nach  Beendigung  des  Satzes  Abschriften  von  Dr.  v.  Domaszewski 
benützen,  die  derselbe  vor  Kurzem  von  den  Originalen  genommen  und  mir  freund- 
lichst überlassen  hat. 


136 


Zu  Mittheil.  IV  p.   112  n.  3: 

Z.   2    D  I  I  S  O  M 
NIBVSQVE 

Z.   5    S  •  V  ■  POSVIT 
Ljub.   Viestn.  V  p.  40  ii.  2. 
Z.  5  s{uo)  v[olo)  oder  auch  s{olvio)  v{oto). 

Von  der  Inschrift  p.   112  n.  4   (li.  169,  br.  059,  d.  0-42)   ist  nur   zu   lesen: 

CORNEL'AE 
S  AL  O  N  I  N  yt 

A  VG 
C  O  N  I  V  G  I  /// 

5  avg///// 

Ljub.    Viestn.  V  p.  40  n.  3. 

314.  Gef.  auf  dem  Friedhofe,  jetzt  im  Agramer  Museum: 


col  I  ■  BAS 

\ 
iS 


0'33 

Ljub.   Viestn.  p.  38. 

315.  Gef.  auf  dem  Friedhofe;    h.  022,  br.  0-57,  d.  0-25;   jetzt   im  Agramer 
Museum: 

VIX    AN  XXV 
lOSIM  VS 
V IW__- - 

Nach  Domaszewski's  Lesung,  ungenau  publ.  von  Ljub.  Viestn.  V  p.  40  n.  4. 

316.  Ausgegraben  auf  dem  östl,  Rande  des  Mauerwerkes;   der  obere  Theil 
fehlt.  Schrift  ziemlich  gut.  H.  l'Oö,  br.  0-60,  d.  0-775.  Schrifthöhe  0-05,  in  Z.  3:  007. 

DACMENVS-  PILI' 
ET  -  HEREDES  • 

POSVER 

Ljub.    Viestn.  V  p.  40  n.  fi. 

317.  Im    Hofe    des  Miko  Popovic,    h.  0-33,  br.  070,  d.  0-20.     Rechts  ganz 
abgenutzt. 

VD 

A    MI  b 

FILIA  B  .    .    .    . 
MAE     .... 
5  lO 


I.jub.    Viestn.  V  p.  40  n.  5. 


137 

Dobrinci.     Revidirte  Inschrift. 

Zu  Arch.-epigr.  Mitth.  III  p.   175;  'diese  Abschrift  von  Bojnicic  ist  richtiger 
als    die    von    Brunsmid    von    derselben    Inschrift  Mitth.    IV  p.   114  n.   1    gegebene 
Lesung,  doch  muss  es  Z.  6  heissen :    COL-BASS'AN 
Ljub.    Viestn.  V  p.  38. 

Zu  Mitth.  IV  p.  115;  vgl.  Mitth.  III  p.  175  (=    Viestn.  II  p,  31): 
Z.  3    in.:  AVR 

Z.  4:    Das  R  vor  VALENTINA    sicher    und    wahrscheinlich    auch    hier 
AVR     zu  lesen,   —   Alle  O  klein. 
Ljub.   Viestn.  V  p.  66  n.  2. 

318.  Gef.  auf  dem  Friedhof,  für  das  Museum  erworben,  doch  jetzt  nicht  zu 
linden,  wahrscheinlich  vernichtet.     H.  0'95,  br.  0  63,  d.  0'32.     Gebrochen. 

SIL  VA  NO 

SACR 

VRINERATIVS 

ET  NI  GRI  N  V  S 

5  DEC      COL ■ ET 

SAB  INV  S  •   ET 

QVX  NT  lO 
POSVERVNT 
Ljub.   Viestn.  V  p.  66  n.   1. 

MitrOVica,  319.  Viereckige  Ära  aus  weissem  Marmor  mit  Basis,  gef.  1883 
im  Hofe  des  Wirthes  Baijen;  jetzt  im  Hause  desselben  in  der  Palankagasse.  Auf 
der  rechten  Seitenfläche  ein  Adler  mit  ausgebreiteten  Flügeln,  auf  der  linken  eine 
Schildkröte  oder  ein  Scorpion. 

I  O  M 

L    D  I  D  I  V  S 

HERCV 

LANVS 

5  V      S      L      M 

Ljub.    Viestn.  V]   p.   75  n.  2 

Eevidirte  Inschrift. 

Ad  C.  I.  L.  III  p.  1040  n.  6438;  Z.  4  nach  Miler's  Abklatsch: 

SAC-R 

Ljub.   Viestn.  IV  p.  59. 

Viestn.  VII  p.  15  =  Mittheil.  IV  p.  117;  jetzt  im  Agramer  Museum  (nach 
Ljubic  Z.  3:  VIVS  Z.  4:  MP,  nach  Domaszewski  Z.  1:  O-OROh  Z.  3:  VIV/^- 
Z.  4:    Ao). 

320.  Platte,  jetzt  im  städtischen  Parke;  h.  0-82,  br.  0-6,  d.  0-29,  bestehend 
aus  drei  Feldern,  im  obersten  in  Relief  zwei  Figuren  von  verschiedener  Grösse  ;  im 
mittleren  ein  dreibeiniger  Tisch,  an  welchem  eine  Person  sitzt,  die  r.  von  einer 
weiblichen,  1.  von  einer  männlichen  bedient  wird;  im  unteren  die  zum  Theil  zer- 
störte Inschrift : 


138 


D  M 
AVR-    SIMPLICl  VS 
ANNVIli 


Ljub.   Viestn.  IV  p.  59. 

321.  Platte,    gef.  im  Jahre  1878,    von   Abt  Miler  dem  Agramer  Museum  ge- 
schenkt.    H.  0-31,  br.  0  55,  d.  0-7,  links  beschädigt. 


/iAE  a  IN  FACE 
quae  U  iXlT  ANNOS   VOII 
menf SES  c  QVATTVOR 


elOVI  N  VS 


Nach  einem  von  Bojnicic  an  Prof.  Hirschfeld  geschickten  Abklatsch ;  vgl. 
Ljub.   Viestn.  II  p.  44  n.  5. 

Ljub.   Viestn.  II  p.  43  n.  4  =  Arch.-epigr.  Mitth.  IV  p.  101. 

322.  Sarkophag  und  eine  Platte,  gelegentlich  eines  kurzen  Aufenthaltes  im 
Hofe  hinter  dem  Hause  des  Hrn.  Savo  Simatkovic  entdeckt  von  S.  Ljubic. 


a  s.  U) 

ego  aur,^cUA  ■  AMINIA  Po 
mi  r-i iV LVMVIROMEO 

/'/lSANCTO  EX-N-IO  V-PR  TEC 
BENEMERITVS  QJV  I  VIXiT 
ANN  -  PL  -  M  L-QVl  EST  DEFVNC 
TVS  CIVIT  •  AQVILEIA  TiTVLVM 
POSVIT  AD  BEATV  SYNEROTiMA 
RTVRE  ETINF  AN  EFI  LI  AM 
SVAM  NOMINE  VRSICINA 
Q_V  I  VIXIT   ANNIS-N-III 


SIC 

sie 

10 


Nach  Domaszewski's  Lesung,  schlecht  publ.  von  Ljub.  Viestn..\  p.  19,  VII  p.  18. 
Z.  4  [F]l(ßvio)  Sancto  ex  n{umero)  Jov(ianomm)  pr{o)tect{or),  wie  Domaszewski 
vermutet,  vgl.  Mommsen  Ex)h.  epigr.  V  p.  123  n.  30.     Z.  9  infan{t)e[m). 
323.  Die  Inschrift  der  Platte: 


A  X  UU 

EqO  ARTEMIDORA  FE 
C  I  V  I  V  A  M  E  MEMO  R I 
AMOAD  DOMNVM 
SYNEROTEMcsINTE 
RANTEM  AD  DEXTE 
RAM  INTER  FORTVNA 
TANEM  ETDISIDERIVM 
A  *  A       *       U) 


139 


Nach  Domaszewski's  Abschrift,  die  die  Lesung  von  Ljub.  Viesln.  V  p.  19 
u.  VII  p.  17  bestätig-t.  Während  Syneros  hier  nur  das  Epitheton  dom{i)rms  führt, 
wird  er  in  n.  322  heatus  martyr  genannt.  Zu  beachten  ist  die  ängstlich  genaue 
Bezeichnung  der  Grabstelle;  interantem  ad  dexleram  wohl  nur  zu  verstehen  „rechts 
vom  Eintritt  neben  Syn.",  der  des  Latein  wenig  kundige  Concipist  setzte  den 
Accus,  wegen  des  vorausgehenden;  die  barbarische  Form  inlerare  bis  nun 
ohne  Beleg. 

324  —  326.  Gef.  von  Abt  Milei'  und  dem  Agramer  Museum  geschenkt: 

324.  325.  326. 

ET   ■    A  V  R  E 
D  O  R  OT 


A    A    Ol 

IN   FACE  Q_V1BSCET 

MACARIVS     DIACO 

N  V  S  C^MiJ^ 

RONTI  AC 

HAT 

O  YN 

KON 

M  A 

TON 

(DAe 

Z  A  N 

Ljub.  Viestn.  V  p.  70.  n.  324  wurde  im  Sommer  1884  von  Prof.  Hirschfeld 
revidirt,  Auj  in  den  Winkeln  des  Kreuzes,  das  ganze  von  einem  Kreise  umschlossen. 
Von  326  befindet  sich  ein  Abklatsch  von  Bojnicic  im  Seminar. 

327.  Ebenda.  Nur  oben  und  links  vollständig ,  in  zwei  Theile  gebrochen ; 
von  Abt  Miler  dem  Agramer  Museum  geschenkt. 

IN  P  A  C  E  rtv 
LLAE   VIR-Q_ 
Xii  ö  ETAVLJWA 
Q_VIX1TAN  «iE  TA 
5  TINA    SORORQ 

HANG   MEMOI  iam  fecerunt'^ 

Nach  Domaszewski's  Abschrift,  ungenau  publ.  von  Ljub.  Viestn.  VII  p.  16  n.  37. 
Z.  1  und  4  fin,  zu  ergänzen  jäM[ij. 

Ausserdem  eine  Anzahl  kleinerer  Fragmente  zum  Theil  mit  Facs.  Ljub.  Viestn. 
VII  p.  14  ff.  u.  Tafel  IV,  die  bereits  von  Brunsmid  in  den  Mittheil.  IV  p.  117  ff. 
publicirt  worden  sind ;  die  geringfügigen  Varianten  anzugeben  unterlasse  ich. 

Surduk  (Kittium)  bei  Putinci. 

328.  Zwei  Halbwürfel ,  auf  der  oberen  Seite  eine  Vertiefung  zur  Aufnahme 
einer  Statue,  auf  der  Vorderseite  dieselbe  Inschrift  verschieden  vertheilt: 

I  •  O  •  M  •  D  •  ET  ■  DEC  -  PA'ERN 
COMGEN-  M-A/R-APOL 
^i  N  R  I  S  •  D  E  C  •  M  •  MVR 
SELENS1\M-V-S-L-M 

Ljub.    Viestn.  V  p.  69.    ~    Z.  3   in.  überl.  N 


140 

329.  Säule,  entzwei  geschlagen.  Jetzt  im  Besitze  des  Svetozar  Secanski 
daselbst. 

1  •  O  •  M  •  D  •  "E  •  DEO  •  PA'ERN 

COMAGENO  •  M  ■  A'R  ■  AP 
OLlinAKlS  ■  DEC  ■  M  ■  NVK 
SELENSIVM    •   V  •    S    ■    L  •   M 

Ljub.   Viestn.  I  p.  98  vgl.    Viestn.  V  p.  69. 

Z.  1  J{ovi)  0{ptivio)  M{aximo)  D{olicheno).  —  Z.  3  in.  überl.  OLIHM  —  dec(nrio) 
m{unicipii).  Das  Municipium  Murselensium  scheint  nicht  mit  dem  bekannten  in 
Pannonia  superior  gelegenen  ,  sondern  mit  dem  von  Ptolemaeus  II,  15,  7  und  im 
Itin.  Hierosolym.  Mursella,  sonst  auch  (Tab.  Peut.  u.  Geogr.  Rav.)  Mursa  minor  ge- 
nannten Mursella  in  Pannonia  inferior  (vgl.  Mommsen  C.  I.  L.  III  p.  423)  identificirt 
werden  zu  müssen.  Dass  dieser  Ort  Municipium  gewesen,  würde  zuerst  aus  dieser 
Inschrift  hervorgehen;  im  Itin.  wird  er  als  mutatio  bezeichnet.  Zu  beachten  ist  noch 
die  Schreibung  mit  einem  l. 

330.  Ausgegraben  in  Essegg,  jetzt  im  dortigen  Museum  (die  Inschr.  links 
und  unten  mit  versteinerter  Erde  bedeckt,  doch  so,  dass  man  die  Buchstaben  erkennen 
kann),  h.  0-23,  br.  045,  d.  0-10. 

D     •     M   ■ 
A/'RELIASABIME  Q_D  C  O         SIC 
NIVGl    ARABELLQN  V  ■  F-  I 
Q_yE  NXIT  ANN   XXX  ■  AVI         sie 
5  ELI   GRAT  VS  F  "E  GRATA   F 

ILI    HER  EDES    MATRI     B 
ENEREN"IFECERVNTCV        sie 
RANE  AVR   SABINO  TVT 
OREPPSSHMi     N     S 

Ljub.    Viestn.  III  p.  84. 

Z.  2:  q{uon)d{am).     Z.  4  NXIT  Steinmetzfehler  statt  VIXIT 

Z.  3  das  Q_deutlich,  daher  die  Lesung  Arabellonis  nur  möglich  bei  Annahme 
eines  Steinmetzfehlers.  —  v{iva)  f{ieri)  i{ussit). 

Z.  9:  wie  Prof.  Bormann  meint,  wohl  p{uerorum)  s[upra)  s(criptorum),  Ljubi6 
will  auflösen :  p'arenti)  p{ientisaimae)  oder  p{ro)  p[ietate)  a{upra)  a{criptae). 

Essegg.  Die  von  F.  Maixner  Viestn.  1  (1879)  p.  55  n.  I  mitgetheilte,  1878 
gef.  Inschrift  bereits  veröffentlicht  von  Kubitschek  in  diesen  Mittheilungen  III 
p.  155  (vgl.  auch  Bojnicid  ebda.  p.  175).  —  n.  III  ebda.  p.  58  Kubitschek  Mitth. 
lll  p.   1.5fi  (=  Bojni{«i6  ebda.  p.  176). 

Duna   Pentele  (Intenisa).     Kevidirt. 

C.  I.  L.  III  n.  3336;  ohne  Bruchlinien,  die  Inschrift  rechts  vollständig,  die 
Buchstaben  in  der  letzten  Zeile  ganz. 
Ljub.    Viestn.  V  p.  37. 


141 


Instrumentum 

Petrovci.     331.  Ziegel  mit  der  Aufschrift: 


LEG  II  AD  I 


2I8C 


Ljub.   Viestn.  V  p.  68. 

332.  Leuchter,  gelb  glasirt,  mit  dem  Stempel: 

PVLLI 
Ljub.    Viestn.  V  p.  68. 

Mifrovica.     333.  Stempel  auf  einem  Bruchstücke  eines  bleiernen  Sarkophags, 
jetzt  in  Agram: 


DEME-  8TBEFL1 


Ljub.   Viestn.  VII  p.   18. 

334.  Ziegel  mit  undeutlichem  Stempel,  h.  0'15,  1.  0"15. 

UCANl  AVU  PEIAU 
Nach  Mittheilung  von  Abt  Miler  in  Mitrov.     Ljub.    Viestn.  I  p.  127. 

335.  Ziegel,  gef.  in  Mitrov.,  jetzt  im  Agramer  Museum: 


a) 


LEG  IUI  FLPC 


LEG  VIT  CLPF 


CORSARI 


Aufschrift  nicht  deutlich, 
szewrski  CORSAPI 


Lesung  unsicher,    nach  Doma- 


d)  Q_CLOb  e)  s'jOLONla  f)  MBRO  die  drei  beschädigt,  ausgegraben 
in  Siljevica  bei  St.  Jacob  im  kroat.  Küstenlande. 

Ljub.  Viestn.  II  p.  74  f.  b)  auch  Viest7i.  IV  p.  58.  Nach  Domaszewski  das 
letzte  Zeichen  sicher   cursives  F. 

Ausserdem  eine  Anzahl  Ziegelinschriften,  die  bereits  genauer  in  diesen 
Mittheil.  IV  p.  119  f.  publicirt  sind  (zu  Viestn.  VII  p.  13  u.  Taf.  IV  vgl.  Mitth. 
IV  p.  119,  wo  ein  besseres  Facsim.  und  eine  richtigere  Lesung  gegeben  ist). 

Essegg.  Ziegel,  publ.  von  Maixner  Viestn.  II  p.  58  n.  II  =  Kubitschek 
Mittheil.  III  p.  156  b  (=  Bojnicic  ebda.  p.   176  n.  VII). 

St.  Andreas  bei  Budapest.  336.  Zwei  Ziegel,  gef.  1882,  der  eine  mit  dem  schon 
bekannten  Stempel  (vgl.  CLL.  III  p.  473):  FRIGEi  (=  Frigeridus),  der  andere 
mit:  VPPIVV.  .  .  .COK.  .    (nach  d.  Abklatsch)  vgl.  Eph.  ep.  IV  131. 

Despinic  in  einem  Briefe  an  Ljub.    Viestn.  V  p.  23. 

PANNONiA  SUPERiOR  * 

337.  Stein  bei  Preserje,  zwischen  Igg  und  Ober-Laibach. 

A 

VIVA  ■  F  -  S 
COWIVGI  •  CA 

ILIO  -  VRSI 
Müllner,  Central-Comm.  5  (1879)  p.  CXXXVIL 


142 

338.  Ebda.  gef.  Fragrmeut  eines  Grabsteines,  ober  der  Inschrift  zwei  Büsten, 
einen  Mann  und  eine  Frau  darstellend. 

D  -  M  •  S 
VRSIO  •  "ERTIL  0  N  ■  L 
AVITA    A    .   .    .   VIII-  F 

Miillner,  Central- Comm.  5.  1879,  S.  CXXXVII. 

Wernegg  an  der  Save.     Revidirte  Inschrift  zu  C.  I.  L.  III  n.  .3897. 
Marmor,  h.  0'55,  br.  0  37,  d.  0'16.5,    ringsum    beschädigt.     Bisher    nur  nath 
einem  Abklatsch  bekannt  und  unrichtig  gegeben,  nach  Müliner  lautet  sie  : 

G  E  N  I  ol 
R  T  I  A  N  I  N 
OTO  •  SWS'icepto 

V  CARPVS  •   v] 
P  I  V  L  E  I  A  N  Vi 

Müllner  Mitth.  d.  Central-Comm.  5  (1879)  p.  CXXXVII. 

St.  Johann  im  Tomisel.  Zu  C.  I.  L.  III  n.  3816.  Die  dort  im  Kirchenpflaster 
befindliche  Inschrift  lautet  richtig  wie  folgt: 

TERTIVS    EEEOlVs 
BOK  EkNIF- VI-  F-  S"  IE 
COI-  PVSIIE  -SE-  A  •  XX 
XX 

Müllner  Mitth.  d.  Central-Comm.  b  p.  CXXXVII. 

Schloss  Mokric. 

339.  Im  Gemäuer  der  Schutzmauer  der  Burg  bei  Adaptirungsarbeiten  ent- 
deckt; vom  Hm.  Grafen  Gustav  Auersperg  eingefriedet.  Oben  links  abgebrochen; 
h.  0*60,  br.  0'17  (ursprünglich  wahrscheinlich  1  M.  u.   1"55). 


ad  census  accipiendos  leg.  aug.  pr.  pr. 

prOU.    ^eRiW-INFER-LEG-AVG- PR  pr 
prom'nC-HlSP-xv-vlRS-FLATOBlC 
^mW/ce-patronnod-d  .sie 

Die  Ergänzungen  nach  Pichler  (Central-Comm.  5  |1879j  S.  CXXXVII),  der 
jedoch  Z.  1  nur  leg.  Aug.  und  Z.  2  pr.  pr.  ergänzt,  statt  dessen  dürfte  wohl  wie 
oben  nach  Analogie  von  Z.  2  und  3  zu  ergänzen  sein.  lieber  das  Municipium 
Latobicorum  vgl.  Mommsen  C.  I.  L.  III  p.  496. 

340.  Mitten  entzwei  gesägt,  wobei  in  jeder  Zeile  je  zwei  Buchstaben  ver- 
loren gingen;  die  Sculptur  bis  auf  das  Niveau  der  Inschrift  .abgemeisselt.  H.  1-20, 
br.  0-665  (0'78),  d.  0-30.    Aus  einem  Gestein,  das  nur  1  Km.  vom  Schlosse    bricht. 


143 


FIRMIDiO  FIRMID 
lAE  ■  LIBER^O  •  VEREC 
VNDO   a«N  XXXV 
MARCIVS        VARIVS 
5  ET- ACCE25/!  A-  FILIO 

PlENT»SSlMO-ET 
SIBIVIwi    FEC 

Die  Ergänzungen  von  Pichler  Central-Comra.  5  (18T9)  S.  CXXXVII.  —  Z.  4 
wohl  [Jan]ua7-iu.9. 

Petrinja.     Revidirt. 

Ad  C.  I.  L.  III  n.  ,3938.  Viereckige  Ära,  oben  abgeschlagen,  jetzt  in  Agram 
h.  0-48,  br.  0-32,  d.  0-25. 

Z.  2    LlCir^VS 
Z.  4    ft- 
Ljub.    Viestn.  II  (1880)  p.  74  n.  9. 

TopUSkO  (ad  fines).     Revidirt. 

Ad  C.  I.  L.  III  n.  3939  und  Epkem.  epigr.  II  n.  823  befindet  sich  im  Hofe 
des  Badearztes  in  Topusko: 

Z.  2  das  letzte  S   kleiner  in  der  Mitte. 

Z.  4  das  s  unter  V  (diese  gleich  gross  mit  den  übrigen  Buchstaben). 

Ad  C.  I.  L.  III  n.  3940,  handschriftlich  erhalten  von  Milic  in  seiner  „Skizze 
aus  der  Geschichte  Topusko's"  : 

Ohne  SACR  in  Z.  2   und  ohne  V  in  Z.  7.  —  Z,  4:  SATYRN. 

Ad  C.  I.  L.  III  Falsae  p.  20*  n.  200*;  die  Inschrift  mit  Unrecht  von  Mommsen 
angezweifelt,  sie  existirt,  wurde  in  Topusko  gefunden  und  befindet  sich  jetzt  in 
Agram. 

Ad  C  I.  L.  III  n.  3941  jetzt  nicht  zu  sehen,  vielleicht  ist  der  Stein  mit 
Mörtel  überdeckt  oder  hat  ihn  Dr.  Hinterberger,  ehemals  Badearzt  in  Topusko, 
nach  Steiermark  mitgenommen. 

Von  der  Inschrift  Ephevi.  epigr.  II  p.  413  n.  827  jetzt  keine  Spur  mehr 
voi'handen. 

Ephevi.  epigr.  II  n.  825.  Viereckige  Säule,  h.  070,  br.  0'22,  d.  027,  die 
lu'^chrift  lautet  vollständig : 

i         ^ 

/I A  X  I  M  V 

uot  V  M        SO 

luin  c  V  iw 

5  ,\AN  l  B  V 

Nach  Domaszewski's  Abschrift,  mangfllial't  publ.  von  Ljub.  Viestn.  II  p.  t>. 
Z.    1    vielleicht  J[ooi)  oiptimo)]  in{axivio). 


144 

Ad  Ephem.  epigr.  U  n.  826  ;   die  Buchstaben  fast  ganz  abgenutzt  und  lang ; 
h.  0-32,  br.  0-51,  d.  0-28. 

antonin  ipi  i  felicis 
a  v  g  /  i  v  l  i  ä  avg  maris 

avg////  a/tr/rvm 

\  /  /  I  I  1 1  VS  VERVS  r  LEG 

Vrg'ONlNIANÄ. 


Nach  Domaszewski's  Abschritt,  ganz  falsch  publ.  von  Ljub.  Viestn.  II  p.  9 
n.  8.  Zu  ergänzen  etwa:  pi-o  salute  imp.  M.  Äurelü]  Antonini  Pii  Felicia  Aug{usti) 
[et]  JvUae  Aug{ustae)  matris  Aug{usti)  [n{ostri)  et  c]a\s]tr[o]rum . .  [Aureljius  Verus  (centurio) 
leg{ionis)   [A]ntoninianae 

341.  Viereckige  Säule,  h.  0'82,  br.  0-52,  d.  0-34,  befindet  sich  in  der  griech.- 
orientalischen  Kirche  des  S.  Salvator  in  Gredjani  in  der  Nähe  von  Topusko.  Die 
Buchstaben  abgenützt  und  mit  Mörtel  bedeckt. 

iw  a  r  t  i  a  v  g 
//na///// 

E  S  IPI   'IUI 

svi.li  lim 
5    ///////// 

CANDI///VSLM 

Ljub.  Viestn.  II  p.  8  n.  4. 

342.  Ära  mit  schlechter  Schrift  des  ausgehenden  3.  Jahrhunderts;  h.  0-85, 
br.  0-41,  t.  0-33,  auf  der  linken  Seitenfläche  urcetis,  auf  der  rechten  Schale  (patera) ; 
wann  und  wo  ausgegraben,  unbestimmt,  wahrscheinlich  in  Topusko.  Eine  Zeit  lang 
lag  sie  in  der  Kirche  S.  Salvator  am  Berge  in  Gredjani,  jetzt  im  Museum  in  Agram. 

I   •    O    ■   M 
SE  N  AM   •    SAG 


A  V  R    •     V  I  ND  1 
C     I     A    N     V     S 


C    O 


S  V  I  S 


V  •   S  •   L  •   M 
Nach  einer  Abschrift  Prof.   Hirschfeld's ,    die    derselbe    mir    freundlichst  zur 
Verfügung    gestellt    hat    und    einem  Abklatsch  von  Bojnicid,    vgl.  Ljub.   Viest^t.  II 
p.  6  n.   1.     Am  Schlüsse    noch    einige  Buchstaben,    die    wohl    mit    Hirschfeld    für 
moderne  Kritzelei  zu  halten  sind. 

343.  Der  obere  Theil  einer  Säule  im  Hofe  des  Badearztes  in  Topusko, 

I  O  M  S 

Ljub.    Viestn.  II  (1880)  p.  7  n.  3. 

(Schluss  folgt) 


Wien 


S.  FRANKFURTER 


Bc^thykles 


I 

Der  Meister,  der  zu  Amyklä  den  Thron  geschaffen  hat,  in 
dem  das  alte  Apollobild  stand,  ist  trotz  seines  stolzen  Namens  für 
die  moderne  und,  fügen  wir  es  nur  gleich  hinzu,  auch  für  die  antike 
Geschichtschreibung  der  griechischen  Kunst  von  geringem  Interesse 
gewesen.  Er  ist  ganz  hinter  dieses  sein  Hauptwerk  (wie  wir  ver- 
muthen  müssen)  zurückgetreten  und  Pausanias,  der  demselben  eine 
lange^  aber  freilich  etwas  geschäftsmässige  Beschreibung  gewidmet 
hat,  verweigert  über  die  Persönlichkeit  des  Künstlers  ausdrücklich 
jede  Auskunft.  Andere  Zeugnisse  aber  hat  man,  so  viel  ich  sehe, 
bisher  nicht  auftreiben  können  und  sich  daher  begnügt,  den  schönen 
Namen  mit  dem  erhaltenen  Ethnikou  und  der  üblichen  runden 
Olympiadenzahl  in  das  Verzeichniss  der  griechischen  Künstler  ein- 
zutragen und  im  übrigen  den  amykläischen  Thron  zu  restauriren, 
so  weit  und  so  gut  es  eben  gehen  wollte.  Die  Aufgabe ,  die  ich 
mir  in  dieser  Untersuchung  gestellt  habe,  ist  nun  die,  jenes  schwie- 
rige Problem  einer  erneuten  Betrachtung  zu  unterziehen,  dann  aber 
auch  der  kunstgeschichtlichen  Stellung  des  Meisters  selbst  genauer 
nachzuforschen.  Es  muss  doch  endlich  an  der  Zeit  sein,  den  Bann 
zu  lösen,  der  ihn  zwingt,  mit  seinen  Genossen  fortwährend  auf  dem 
Throne  herum  zu  tanzen,  den  er  schuf. 

Wenn  wir  uns  zunächst  bezüglich  des  ersten  Theiles  unserer 
Aufgabe  an  unseren  Periegeten  wenden ,  so  scheint  es ,  als  ob 
er  gleich  auf  die  allererste  Frage,  die  wir  an  ihn  zu  richten 
haben ,  die  nach  dem  Material  des  Werkes ,  keine  Antwort  geben 
wollte.  Er  erwähnt  wohl  nebenbei,  dass  das  Apollobild  selbst  aus 
Erz  gewesen  sei,  wie,  dass  eine  Thüre  in  der  Basis  aus  gleichem 
Stoffe  war,  aber  über  den  Thron  selbst  fehlt  es  an  einer  solchen 
Angabe.  Da  hat  man  sich  denn  aufs  Rathen  verlegt.  So  hat  ihn 
Rühl  als  Marmorarbeit  reconstruirt,  während  Otf  Müller  an  Toreutik 
gedacht  hat;  gewiss  mit  Recht,  doch  schliessen  jene  Detaillirungen 

ArchäologiBch-epigraphische  Mitth.  IX.  \Q 


146 

gerade  das  Erz  aus,  auf  welches  wir  sonst  als  das  nächstliegende 
toreutisehe  Material  verfallen  müssten.  Sie  haben  aber  gar  keinen 
Sinn  und  auch  bei  ihm  keine  Analogie^  wenn  Tansanias  nicht  vor- 
aussetzen durfte,  dass  das  Ganze  klar  sei,  und  machen  vielmehr 
den  Eindruck,  dass  er  sich  keiner  Unterlassungssünde  bewusst 
wäre.  Das  ist  auch  in  der  That  de^  Fall.  Er  hat  die  nöthige 
Materialangabe  gemacht,  aber  in  einer  Weise  und  in  einem  Zu- 
sammenhange, der  zu  Missdeutungen  Anlass  gab. 

Wenige  Capitel  vor  der  Beschreibung  des  amykläischen  Apollo- 
bildes (III  10,  10)  ,  bei  Erwähnung  des  Heiligthumes  des  Apollo 
Pythaeus  auf  dem  Berge  Thornax,  weist  Pausanias  auf  den  amy- 
kläischen Apoll  hin  und  fügt  hinzu :  AaKebai)Liovioi(^  'fäp  eTTiqpavecTTepdt 
ecTTi  Td  iq  töv  'A)uuKXaTov,  ujcrre  Kai  töv  xpvüöv  öv  KpoTao<;  6  Auböq 
Tuj  'AttöWujvi  ene}iy\)e  tlu  TTu0aei,  toutiu  iq  köcTjuov  toO  ev  'AjuuKXaiq 
Kttiexpnö'avTO  dfdXjuaT0(;.  Die  Annahme  Otfried  Müllers ,  man  habe 
mit  Kroesos  Golde  dem  Apolloidol  das  Gesicht  überzogen,  beruht 
wohl  nur  auf  einer  falschen  Erklärung  der  folgenden  Worte  des 
Pausanias:  öri  y^P  }^^^  irpöcTujTrov  auTuj  Kai  iröbec^  eidiv  dKpoi  Kai 
Xeipec;,  TÖ  Xomov  xc(^klu  kiovi  ecrriv  eiKaaiLievov,  mit  denen  der  Pe- 
rieget,  wie  aus  dem  Zusammenhange  deutlich  hervorgeht,  nur  die 
Gestalt  desselben  schildern  will,  und  eine  Betrachtung  der  Replik 
auf  den  Münzen  von  Sparta  erweist  diese  Schilderung  als  völlig 
zutreffend ').  Jener  allzu  bescheidenen  Annahme  Müllers  liegt  aber 
die  völlig  berechtigte  Anschauung  zu  Grunde,  dass  jene  Gabe  des 
Kroesos  als  eine  Naturalleistung  und  nicht,  wie  es  moderner  Weise 
näher  läge,  etwa  als  eine  zu  bestimmtem  Zweck  zu  verwendende 
Goldsumme  aufzufassen  sei.  Wir  sind  nicht  genöthigt,  durch  eine 
eingehende  Betrachtung  des  wirthschaftlichen  Standpunktes  jener 
Tage  diese  Auffassung  zu  verfechten,  für  welche  die  Stiftungen  des 
Kroesos  überhaupt,  namentlich  aber  die  Säulen  zum  Artemision  in 
Ephesos  die  nächstliegenden  Analogien  bieten  würden.  Herodot 
erzählt  uns  die  Geschichte,  die  Pausanias  andeutet,  und  eben  darum 
nur  andeutet''). 

Die  Spartaner  schicken  nach  Sardes ,  um  dort  Gold  für  ihr 
Apollobild  auf  dem  Berge  Thornax  einzukaufen,  Krösos  aber  gibt 
es  ihnen  als  Geschenk.  Warum  aber  nun  die  Spartaner  auf  dem 
Thornax  eine  simple  Copie  ihres  sehr  simplen  amykläischen  Apolls 


*)  Ganlner  Ti/pes  of  Oreek  coins  Tf.  XV  23. 
^)  T  89. 


147 

aufstellen  und  mit  dem  Golde  für  jenen  diesem  einen  kostbaren 
Thron  errichten,  dafür  Hesse  sich  kaum  ein  anderer  Grund  aus- 
denken, als  der  Wunsch  des  Gottes  selber.  Freilich  wäre  es  aber 
auch  möglich,  dass  die  Geschichte  von  der  ursprünglichen  Bestim- 
mung des  Goldes  ihre  Entstehung  der  erstaunten  Frage  einer  spä- 
teren Generation  verdankt,  welche  es  sonderbar  fand,  dass  das 
kostbare  Material  nicht  für  das  Götterbild,  sondern  für  seinen 
Thron  aufgewendet  wurde,  während  doch  ein  solches  Bedenken 
jener  früharchaischen  Periode  nicht  gut  in  den  Sinn  kommen  konnte. 

Doch  was  es  nur  immer  für  eine  Bewandtniss  damit  habe, 
der  goldene  Thron  des  amykläischen  Apolls  ist  an  und  für  sich 
keiner  besonderen  Erklärung  bedürftig.  Galten  doch  dem  frommen 
Glauben  der  Hellenen  die  Götter  als  xpucTÖBpovoi  und  dass  man 
sich  ihre  Hochsitze  mit  allem  Zauber  der  Kunst  geschmückt  dachte, 
dafür  zeugt  das  Gebet  der  Sappho: 

TToiKiXöOpov'  dGdvaT   'Acppöbira. 
Solche  dichterische  Vorstellungen  wirken  aber  nicht  auf  die  bildende 
Kunst,    sondern    werden    von    ihr  erwirkt.      Goldene  Throne  waren 
nicht    allzuweit    von    der  Heimat  unseres    Meisters   und  lange  vor 
ihm  geschaffen  worden. 

Vom  goldnen  Baal  auf  goldnem  Thron  und  all  der  Herrlich- 
keit um  ihn  erzählt  Herodot  I  81  und  wiederum  I  14  vom  Thron 
des  Midas,  den  er  im  korinthischen  Thesauros  zu  Delphi  als  edvia 
dSioGeriTov  neben  den  sechs  grossen  goldenen  Krateren  des  Gyges 
erwähnt.  Er  hält  ihn  ohneweiters  für  den  wirklichen  Königsthron, 
den  Midas  dem  Gotte  weihte,  und  dieser  Name  wie  seine  Umgebung 
scheinen  genügende  Bürgschaft  dafür  zu  bieten,  dass  wir  ihn  uns 
nur  aus  purem  Golde  gebildet  denken  dürfen.  Besonders  nahe 
aber  liegt  es ,  an  den  ganz  goldenen  Gnadenstuhl  zu  denken ,  den 
Belzael  nach  Moses  2,  .37,  6  für  die  Stiftshütte  machte,  dessen 
goldüberkleidete  Lade  aus  Föhrenholz  uns  wieder  an  die  Kypsele 
der  Kypseliden  mahnt.  Die  Zeugnisskraft  dieser  Beispiele  reicht 
jedoch  nicht  so  weit  aus ,  das  Werk  des  hellenischen  Meisters  als 
ein  massiv  goldenes  zu  erweisen,  dazu  sind  sie  doch  zu  barbarischer 
Art.  Aus  dem  Schatze  unserer  archaischen  Monumente,  wie  dem 
der  literarisch  bezeugten  Parallelen,  könnten  wir,  abgesehen  von 
anderen  sich  selbst  aufdrängenden  Erwägungen  zur  Ueberzeugung 
gelangen,  dass  es  nur  ein  goldenes  Kleid  war,  was  der  Meister  von 
Magnesia  über  ein  Gerüste  zog,  welches  kaum  anders  als  von  Holz 
gebildet  gedacht  werden  kann. 

10* 


148 

Den  Thron  stützten  auf  allen  vier  Seiten  je  zwei  Gestalten. 
Vorn  und  rückwärts  fungirte  je  eine  Charis  und  eine  Höre  als 
Karyatide,  links  trugen  Echidna  und  Typhos,  rechts  Tritonen  den 
Aufbau.  Diese  Dreizahl  von  Gestaltungen  ist  bedeutsam,  die  Himm- 
lischen weisen  nach  oben,  die  Schlangenfüssler  nach  altem  künst- 
lerischen Sprachgebrauch  zur  Erde  ,  während  die  fischleibigen  Tri- 
tonen auf  das  Meer  hindeuten. 

'Ev  |aev  Yctictv  ereug',  ev  ö'  oupavöv,  ev  be  Qakaaoav. 
Eine  neue  Fassung  des  alten  Gedankens,  dessen  verschiedene  Aus- 
drucksweise wir  im  homerischen  Achillesschild  wie  auf  Vettersfelder 
Schildzeichen  bewundert  haben.  Es  gibt  zu  denken,  dass  die 
antike  Kunst  gleich  in  ihren  ersten  Tagen  die  Idee  des  Kosmos  in 
so  deutlichen  Zügen  auf  ihre  Fahne  schreibt  und  unter  diesem 
ihren  Zeichen  wollen  wir  nun  zuversichtlich  an  die  wirre  Fülle  von 
Einzeldarstellungen  herangehen,  die  uns  Pausanias  von  diesem  Werke 
herabgelesen  ^). 

Wir  wollen  uns  aber  doch  erst  an  den  kleineren  Theil  der 
Aufgabe  machen  und  treten  daher  mit  dem  Periegeten  zwischen 
den  Tritonen  in  das  Gestühl. 

Es  sind  vierzehn  Bilder ,  die  da  dem  Beschauer  entgegen- 
blinkten, ich  zähle  sie  zunächst  einfach  auf: 

1.  Kalydonische  Eberjagd  5.  Herakles    würgt    den    nemei- 

2.  Herakles  tödtet  die  Aktoriden  sehen  Löwen 

3.  Die  Boreaden  verjagen  die  Har-      6.  Apoll   und  Artemis    schiessen 

pyen  Tityos 

4.  Theöeus  und  Peirithoos  rauben      7.  Herakles     und    der     Kentaur 

Helena  Oreios 


*)  Das  alte  Dcraeterbild  von  Phigalia  ist  scliou  darum  nicht  apokryph,  weil 
der  kosmische  Gedanke  daran  in  aller  Schärfe  zu  Tage  tritt.  Die  Taube  und  der 
Fisch  in  den  Händen,  die  Schlangen  und  das  übrige  Gethier  um  das  Haupt  be- 
zeichnen wieder  die  drei  Elemente.  Mit  einer  Sintflnth  und  Noah,  wie  Ccnze  will, 
hat  das  nichts  zu  thun.  Ueber  die  Typik  vergleiche  ausser  dem  von  Milchhöfer 
Anfänge  der  Kunst  in  Griechenland  S.  CO  vorgebrachten,  die  Medusa  der  rhodischen 
Schale  Jowrn.  of  hell.  stud.  1884  Tf.  43.  Noch  eines  solchen  Kunstwerkes  will  ich 
hier  erwähnen,  weil  es  den  alten  Satz  von  der  Ausnahme,  die  die  Kegel  bestätigt, 
neu  erweist.  Demetrios  Poliorketes  liess  sich  nach  Plutarch  41  eine  Chlamys  machen, 
die  unser  Gewährsmann  ein  ^p^ov  öirepriqjovov,  eiKaöjua  TOO  KÖa|uou  Kai  tujv  köt 
oupavöv  (paivo)atvuJV  beschreibt.  Dometrios  ist  auch  hier  eine  Copie  Alexanders 
des  Grossen  und  sein  liock  eine  solche  von  dessen  Kocke.  Alexander  schlug  seine 
Schlachten  in  einem    uralten    cyprischen  Mantel    des  Meisters  Akesas  von  Salamis. 


149 

8.  Theseus  und  der  Minotaur         12.  Menelaos  und  Proteus 

9.  Herakles  ringt  mit  Acheloos      13.  Admets  Gespann 

10.  Heras  Lösung  14.  Troer   bringen    dem    Hector 

11.  Leichenspiele    zu  Ehren   des  Grabesspenden 

Pelias 

Pausanias  bemerkt  ausdrücklich,  dass  die  Exegese  im  Ganzen 
keine  Schwierigkeit  bereite.  Inschriften  waren  wohl  sicherlich  an- 
gebracht, woher  wüsste  sonst  unser  Gewährsmann,  dass  der  Kentaur 
auf  Nr.  7  Ureios  hiess,  woran  erkannte  er  den  sonst  unbezeugten 
Giganten  Thurios,  woran  Anaxis  und  Mnasinous,  Megapenthes  und 
Nikostratos  auf  den  Aussenseiten?*)  Dass  die  Form  Bipi^  auf  der 
Thronbasis  für  "Ipiq  auf  der  Inschrift  beruht,  bemerkt  Trendelen- 
burg Bull.  1871  p.  127,  doch  kann  ich  ihm  nicht  völlig  beistimmen. 
Er  meint  nämlich,  Pausanias  schreibe  so  „senza  duhbio  perche  egli 
trovo  questa  forma  dorica  iscritta  sulV  altare^^  Nun  ist  jedoch  Bipi^ 
weder  als  dorisch  noch  sonst  als  griechisch  nachweisbar  und  die 
Annahme  dorischer  Inschrift  auf  dem  Werke  der  ionischen  Meister 
doch  kaum  statthaft.  Mir  scheint  die  nächstliegende  Annahme  un- 
ausweichlich, dass  Pausanias  das  Digamma  vor  dem  i  noch  fand, 
das  wir  ja  noch  Ilias  II  786.  XXIV  188  constatiren  können,  und 
es  einfach  transcribirte.  Wir  werden  jedoch  von  vornherein  schon 
annehmen  dürfen,  dass  die  inschriftliche  Bezeichnung  nicht  conse- 
quent  überall  durchgeführt  war.  Das  Beispiel  der  Kypseliden- 
Kypsele,  wie  der  Klitiasvase  und  anderer  erhaltener  Monumente 
beweist  zur  Genüge,  wie  entfernt  die  archaische  Kunst  von  jeder 
Aengstlichkeit  in  dieser  Richtung  geblieben  ist. 

Aber  trotzdem  Pausanias  diesmal  so  zuversichtlich  auftritt, 
können  wir  ihm  gerade  hier  Dinge  von  der  Art  nachweisen,  die 
in  archäologischen  Seminarübungen  allgemeine  Heiterkeit  zu  er- 
wecken nie  verfehlen. 

So  ist  Nr.  14  Kai  oi  Tpuje(;  eTTiqpepovT€(;  Xoa<S  "EKTopi  sonder- 
barerweise bisher  stets  für  baare  Münze  genommen  worden.  Noch 
jüngst  hat  Furtwängler^)  von  dieser  Scene  behauptet,  ihr  Stoff  scheine 
aus  dem  letzten  Buche  der  Ilias  genommen  zu  sein.  Ich  meine 
doch,  der  Umstand,  dass  sie  nicht  darin  steht,  ist  ein  genügender 
Gegengrund   solcher  Vermuthung.     Sie    steht    überhaupt    nirgends. 


*)  Dagegen  Stepliani  Mü.  greco-rom.  Tom.  I  p.  128, 

*)  Histor.  u.  philol.  Avifsätze,  E.  Curtius  gewidmet  p.  179  ff. 


150 

bei  keinem  alten  Dichter  wie  bei  keinem  alten  Künstler  und  jeder- 
mann fragt  sich  im  Stillen,  warum  denn  dieses  Unicum  statt  der 
durch  das  alte  Epos  der  Kunst  so  geläufigen  „Hectors  Lösung". 
Vergegenwärtigen  wir  uns  das  bekannte  Schema  dieser:  Ausser 
den  Hauptpersonen ,  Achill  der  über  dem  Leichnam  des  Hector 
lagert  und  Priamos,  der  vor  ihm  steht,  gehört  noch  eine  kleine  oder 
grössere  Reihe  von  troischen  Dienern  des  Priamos  dazu,  die  Ge- 
fässe  tragen,  welche  das  Aequivalent  für  die  Auslieferung  des  Leich- 
nams bilden.  Das  sind  die  TpOuec;  emqpepovTet;  xo«<S  des  Pausanias. 
Eine  äussere  Bestätigung  dieser  Vermuthung  wäre  bei  ihrer  inneren 
Evidenz  leicht  zu  vermissen,  sie  bietet  sich  indess  von  selbst.  Wir 
werden  bei  der  Anordnung  der  Bildwerke  sehen,  dass  die  Scene 
der  Lösung  Hectors  derjenigen  mit  der  Lösung  der  Hera  entspricht. 
Darnach  sind  die  Bemerkungen  Furtwänglers  in  der  citirten  Schrift 
S.  8  und  9  über  die  Typengeschichte  der  "EKTOpo?  Xurpa  zu  be- 
richtigen. 

Ein  zweites  Unicum  ist  das  Bild  vom  Abenteuer  des  Menelaos 
mit  Proteus  „nach  der  Odyssee".  Der  Beisatz  ruft  eine  wenig  Zu- 
trauen erweckende  Erinnerung  wach.  Auf  der  Kypsele  hat  Pau- 
sanias Odysseus  und  Kirke  mit  ihren  Dienerinnen  genau  nach  der 
Odyssee,  ferner  Nausikaa  auf  ihrem  Wagen  gesehen.  Beide  Bilder 
sind  jetzt  als  ganz  andere  Darstellungen  erklärt  worden  und  das 
wirft  vielleicht  auch  seinen  Schatten  auf  die  zwei  absonderlichen 
Odysseebildwerke,  die  der  Thron  enthielt.  Von  Demodokos  mit 
dem  Chore  der  Phaiaken  werden  wir  noch  handeln,  für  jetzt  be- 
schränken wir  uns  auf  das  Proteus-Abenteuer. 

Nehmen  wir  an,  die  Figur,  die  Pausanias  als  Proteus  galt, 
war  inschriftlich  so  bezeichnet,  dass  unserem  Exegeten  sofort  die 
Episode  der  Odyssee  einfallen  musste.  Dann  stand  neben  ihr  „äXio^ 
Yepujv".  Auf  dieses  Stichwort  präsentirt  sich  unserem  Gedächtniss 
sofort  die  bekannte  olympische  Bronzeplatte  mit  dem  Kampfe  des 
Herakles  mit  dem  Meergreis.  Wir  finden  auf  ihr  Nichts,  was  diesen 
Irrthum  des  Pausanias  nur  im  Geringsten  ausschlösse,  und  wenn  der 
modernen  Hermeneutik  der  gleiche  Fehler  glücklicherweise  erspart 
war,  so  ist  auch  das  parallel  zum  vorigen  Falle.  Welche  Beweis- 
kraft der  olympischen  Platte  als  einem  zeitgenössischen  Zeugnisse 
zukomme,  kann  gar  nicht  zweifelhaft  sein.  Es  reisst  unser  Bild 
aus  seiner  Vereinzelung  heraus  und  stellt  sich  mit  ihm  an  den  An- 
fang einer  langen  Typenreihe,  aber  auch  auf  dem  Throne  selbst 
macht  es  seinen  Platz  besser.     Die  Darlegung  der  Anordnung  der 


151 

Bildwerke  wird  ergeben,  dass  jetzt  erst  eine  Theseusthat  mit  einer 
herakleisclien  gepaart  ist,  wie  das  auf  dem  Throne  bei  den  übrigen 
Theseustliaten  nach  den  Regeln  der  archaischen  Kunst  geschah. 

Damit  sind  wir  nun  mit  der  Recension  der  Bilder  im  Throne 
fertig  und  wenden  uns  zur  Aufzählung  der  auf  der  Aussenseite 
befindlichen.  Erst  nach  dem  Ueberblick  über  die  gesammte  Masse 
des  Dargestellten  können  wir  die  Frage  nach  der  Vertheilung  zu 
beantworten  versuchen.  Es  ist  genau  doppelt  so  viel,  was  wir  da 
finden.     Die  28  Bilder  sind: 

1.  Zeus    und   Poseidon    rauben      14.  Hemera  raubt  den  Kephalos 

die  Töchter  des  Atlas  15.  Hochzeit  der  Harmonia 

2.  Atlas  16-  Achill  und  Memnon 

3.  Herakles  und  Kyknos  17.  Herakles  und  Diomedes 

4.  Kentaurenschlacht  bei  Pholos  18.  Herakles  und  Nessos 

5.  Theseus    und    der   maratho-  19.  Parisurtheil 

nische  Stier  20.  Adrast    und    Tydeus    aufge- 

6.  Phaiakenchor  u.  Demodokos  hobener  Zweikampf 

7.  Perseus  und  die  Medusa  21.  Hera  und  lo 

8.  Herakles  und  Thurios  22.  Athena  und  Hephaistos 

9.  Tyndareos  Kampf  mit  Eurytos  23.  Herakles  und  die  Hydra 

10.  Raub  der  Leukippiden  24.  Herakles  und  Kerberos 

11.  Hermes    mit   dem  Dionysos-      25.  Anaxis  und  Mnasinous 

kinde  26.  Megapenthes    u.  Nikostratos 

12.  Herakles  Einzug  in  den  Olymp      27.  Bellerophon  u.  die  Chimaira 

13.  Peleus    übergibt   Achill    dem      28.  Herakles  und  die  Rinder  des 

Chiron  Geryoneus 

Auch  die  vorstehende  Aufzählung  ist  gleichfalls  einer  Recen- 
sion bedürftig.  Nr.  2  ist  von  Brunn,  dessen  Scenenordnung  die 
Grundlage  der  späteren  Versuche  geblieben  ist,  aus  der  Reihe  der 
selbstständigen  Bilder  gestrichen  worden,  deren  Zahl  dadurch  auf 
27  herabgesetzt  ward.  Mit  den  Worten  eTreipTacriai  be  Kai  "AxXaq 
soll  Pausanias  die  Anwesenheit  des  Vaters  bei  der  Scene  des  Raubes 
seiner  Töchter  bezeichnen.  Einer  unbefangenen  neuen  Betrachtung 
des  Textes  hält  eine  solche  Exegese  freilich  nicht  Stand.  An  diesen 
Atlas  sind  mit  einem  weiteren  Kai  noch  die  Nrn  3  und  4  angehängt, 
die  in  die  Scene  der  frauenraubenden  Götter  einzuzwängen  Nie- 
mandem beikommen  kann,  die  aber  ohne  das  Prädicat  völlig  in  der 
Luft  schweben.  Pausanias  eröffnet  seine  Aufzählung  mit  den  fol- 
genden entschuldigenden  Worten:    xä  be  eTreipTaajueva  KaO'  eKaaiov 


152 

eTT*  aKpiße(;  bieXGeiv  öxXov  toT^  eTTiXeHoinevoiq  irapeEeiv  e'jLieXXev.  wc,  b^ 
biiXujcrai  (TuXXaßdvTi  eirei  luribe  aYViuara  xa  noXXa  fiv.  Er  fügt  als 
erstes  der  eireipTWCTjueva  dieser  Einleitung  die  Scene  eins  an  nnd 
darnach  mit  dem  eTTeipYaarai  be  Kai  Scene  zwei  und  drei.  Nach 
diesem  Typus,  der  bei  der  Beschreibung  der  Bildwerke  der  Athena 
Chalkioikos  im  Capitel  vorher  schon  in  Anwendung  kam,  wo  er 
mit  den  Worten  beginnt:  eneipTacTTai  be  tu»  Xö^kuj,  TToXXd  )iiev  tüjv  a0Xujv 
'HpaKXeouc;,  ist  seine  ganze  summarische  Katalogisirung  gebaut. 

Auch  dass  Pausanias  Atlas  allein  erwähnt ,  ist  kein  Gegen- 
grund. Man  kann  daraus  höchstens  den  Schluss  ziehen,  dass  nicht 
sein  Abenteuer  mit  Herakles,  wie  auf  der  Kypsele,  dargestellt  war. 
Auf  einer  bekannten  Vase  des  Museo  Gregoriano,  Gerh.  A.  V.  86, 
ist  er  mit  Prometheus  gepaart,  und  ihn  allein  seine  Himmelskugel 
tragen  zu  lassen,  kann  einer  Kunst  doch  unmöglich  fremd  sein,  die 
die  kosmische  Idee  so  gern  versinnlicht. 

Zur  Scene  5  ist  zu  bemerken,  dass  sie  gewöhnlich  als  Theseus 
und  der  Minotaur  gefasst  wird.  Die  Worte  des  Pausanias:  töv  be 
Mivu)  KttXoujuevov  raupov  ouk  oTba  dvB'  otou  TreTToiiiKe  Ba9uKXfi(;  bebe- 
)uevov  Te  Kai  dYÖ|uevov  uttö  Giiaeuj^  ^ujvia  lassen  etwas  Absonder- 
liches vermuthen.  Doch  Theseus  und  der  Minotaur  war  ja  bereits 
im  Inneren  des  Thrones  dargestellt  und  eine  solche  Wiederholung 
an  den  Aussenseiten  müsste  schon  an  und  für  sich  in  nicht  ge- 
ringem Grade  befremden ,  völlig  unmöglich  macht  sie  jedoch  die 
Wendung,  die  uns  hier  scheinbar  berichtet  wird. 

Stephani  hat  die  Behauptung  aufgestellt,  dass  Pausanias  hier 
den  Irrthum  begangen  habe^  eine  Darstellung  des  marathonischen 
Stieres  für  die  des  Minotaurus  zu  halten.  Ich  stimme  mit  ihm 
darin  überein ,  dass  hier  eine  solche  Verwechslung  stattirefunden 
habe.  Es  hat  sich  derselben  aber  nicht  Pausanias  schuldig  ge- 
macht, sondern  seine  Erklärer.  Das  töv  be  Mivuu  KaXou|uevov  raupov 
geht  auf  den  marathonischen  Stier,  der  doch  aus  Kreta  und  von 
Minos  her  nach  Attika  kam.  Der  gezierte  Ausdruck  deutet  daselbst 
eine  euhemeristische  Weisheit  an ,  die  aber  mit  der  Sache  selbst 
nichts  weiter  zu  thun  hat.  Auffällig  bleibt  dabei  der  Umstand, 
dass  Pausanias  der  dargestellte  Gegenstand  befremdete,  während 
doch  die  Fesselung  des  marathonischen  Stieres  durch  Theseus  so- 
wohl wie  durch  Herakles  ein  sehr  beliebter  Typus  der  archaischen 
Kunst  war.  Doch  löst  sich  bei  näherem  Zusehen  auch  diese 
Schwierigkeit.    Aus  dem  Wortlaut  des  Textes  geht  ja  klar  hervor^ 


153 

dass  nicht  die  Fesselung  sondern  der  Transport  des  gefesselten 
Thieres  dargestellt  war.  Der  Held  trug  es  auf  dem  Rücken,  wäh- 
rend die  Gruppe,  der  Pausanias  I  27,  10  auf  der  Akropolis  Er- 
wähnung thut,  ihn  glauben  machte,  dass  er  es  vor  sich  her  ge- 
trieben habe.  Wir  kennen  diesen  Typus  vom  „kalbtragenden 
Hermes-"  der  Akropolis  her,  dem  ich  hiemit  seinen  rechten  Namen 
zu  revindiciren  hoffe.  Der  Fundort  legt  ein  gewichtiges  Wort  für 
ihn  ein  und  der  Meister  hat  sich  rechtschaffen  Mühe  gegeben,  den 
Stier  als  solchen  zu  charakterisiren.  Die  kurzen  Hörner,  das  ab- 
sichtlich recht  deutlich  gemachte  Geschlechtstheil  hätten  eine  Miss- 
deutung verhindern  sollen. 

Die  sechste  Scene  soll  Demodokos  singend  im  Chortanz  der 
Phaiaken  dargestellt  haben.  Warum  ich  diese  Vermehrung  des 
Typenschatzes  der  Odysseebildwerke  so  zweifelnd  registrire,  wird 
nach  den  Erfahrungen ,  die  gerade  in  letzter  Zeit  auf  diesem  Ge- 
biete gemacht  wurden,  kaum  Wunder  nehmen.  Wir  können  uns 
nicht  mehr  auf  Odysseus  und  Kalypso,  noch  auf  die  Nausikaa  der 
Kypseliden-Kypsele,  noch  auf  den  Menelaos  und  Proteus  unseres 
Monumentes  berufen  und  die  Vermuthung,  dass  auch  bei  dieser 
Scene  die  Sachen  kaum  anders  stehen  als  bei  ihren  nächsten  Ana- 
logien ,  lässt  sich  doch  kaum  abweisen.  Den  Chortanz  der  Mag- 
neten mit  Bathykles ,  bei  dem  sich  die  Bedenken  von  selbst  auf- 
drängen, lassen  wir  wohl  für  jetzt  am  besten  ganz  ausser  Spiel, 
er  ist  ein  ünicum,  das  wir  uns  später  noch  besehen  wollen.  Typisch 
bildet  die  Scene  keine  Schwierigkeit.  Die  Chortänze  finden  sich 
am  homerischen  wie  am  hesiodeischen  Schild  und  dort  verweist  der 
Dichter  auf  das  Vorbild  des  Choros  der  Ariadne  von  Dädalos. 
Diesem  Choros  der  Ariadne,  vermuthe  ich,  glich  auch  unser  Phaiaken- 
chor  zum  Verwechseln.  Es  kann  doch  ernstlich  gar  nicht  fraglich 
sein,  dass  hier  Theseus  mit  der  Leier  weit  besser  am  Platze  war 
als  Demodokos,  vermuthlich  war  es  nur  der  Bart  des  attischen  Heros, 
der  ihn  hier  für  Pausanias  unkenntlich  gemacht  hat. 

Eines  näheren  Eingehens  bedarf  noch  die  an  eilfter  Stelle  an- 
geführte Scene,  die  unser  Perieget  mit  einer  anderen,  scheinbar 
folgenden  in  engsten  Zusammenhang  bringt.  Er  berichtet:  Aiövucrov 
be  Ktti  'HpaKXea,  töv  |.iev  iraiba  eii  [övxa]  eq  oupavöv  ecrtiv  'Epjufiq 
qpepoiv,  'A9iivä  be  aYouaa  'HpaKXea  CTuvoiKiicrovia  dirö  toütou  6eoT<g. 
Gegen  diese  Deutung,  die  das  Geschick  der  beiden  Zeussöhne  in 
so  epigrammatischer  Zuspitzung  parallelisirt,  sind  schon  lange  Ein- 
wendungen   erhoben    worden.     Zuerst  hat  Stephani    an   dieser  Zu- 


154 

sammenstellung  Anstoss  genommen  und  eine  Aenderung  vorge- 
schlagen, die  so  viel  ich.  weiss  nirgends  Zustimmung  gefunden  hat. 
Darnach  soll  Hermes  nicht  den  Dionysosknaben  aufwärts  tragen, 
sondern  das  eibuuXov  des  Herakles  in  die  Unterwelt  geleiten,  wäh- 
rend der  echte  seine  Apotheose  feiert^)  Auf  Brunn  geht  die  jetzt 
allgemein  angenommene  Vermuthung  zurück,  dass  Hermes  den 
Dionysosknaben  zur  Erde,  den  nysaeischen  Nymphen  bringend, 
gedacht  war.  Dasselbe  Vasenbild,  auf  das  sich  Stephani  berufen 
zu  können  glaubte ')  —  es  stellt  Hermes  vor ,  der  das  Herakles- 
kind durch  die  Luft  trägt  —  zeugt  für  die  Brunn'sche  Deutung, 
denn  auf  der  Rückseite  des  Gefässes  erscheint  Chiron  zur  Ueber- 
nahme  des  Pfleglings.  Der  Typus  der  Münchner  Vase  ist  aber 
kaum  für  Herakles  erfunden.  Der  Kentaur  entstammt  dem  Bild 
von  der  Uebergabe  des  jungen  Achill  und  der  Typus  des  Hermes 
mit  dem  Dionysoskinde,  der  seine  eigene  an  Ehren  reiche  Geschichte 
hat^  gab  das  Vorbild  für  die  Hauptscene.  Das  Verfahren  des 
Vasenmalers ,  durch  Zerschneiden  und  Zusammensetzen  den  vor- 
handenen Typenschatz  zu  mehren,  bietet  hier  eine  schlagende  Pa- 
rallele zur  Entstehung  des  dargestellten  Mythos. 

Stellen  wir  uns  nach  Massgabe  dieses  Bildes  die  Scene  am 
amykläischen  Throne  vor,  dann  begreifen  wir  den  Irrthum  des 
Pausanias.  Völlig  unbegreiflich  aber  müsste  er  bleiben,  wenn  die 
Uebergabe  des  Dionysoskindes  an  die  Nymphen  geschildert  gewesen 
wäre,  wie  die  allgemeine  Annahme  lautet.  In  dem  höchst  kunstvoll 
aufgebauten  Responsionssysteme,  das  nach  Brunn  die  Bildwerke 
des  Thrones  bilden,  war  eine  solche  Auffassung  nöthig,  weil  dies 
Bild  über  sieben  dazwischen  liegende  mit  dem  Parisurtheil  (10)  zu 
stimmen  war.  Aber  über  der  künstlichen  Gleichung  in  der  Ferne, 
Hermes  mit  drei  Göttinnen  und  Hermes  mit  Nymphen,  wurde  eine 
wirklich  überlieferte  in  nächster  Nähe  völlig  übersehen,  die  Ueber- 
gabe des  Achill  von  Peleus  an  Chiron  (13),  und  dass  diese  Typen 
auch  äusscrlich  als  zusammengehörige  behandelt  wurden ,  lehrt  ja 
gerade  die  Münchner  Amphora.  Auch  Pausanias  hat  die  Zu- 
sammengehörigkeit dieser  beiden  Scenen  verkannt.  Seine  verkehrte 
Deutung  ist  gerade  dadurch  hervorgerufen  worden,  dass  er  sie  zu 
jener  Nachbarscene  zog,  mit  der  sie  in  keinem  besonderen  Verhält- 


*)  Der  Kampf  zwischen  Theseus  und  Minotaurus  S.  65.    Dagegen  Jahn  Ar<:li. 
TJeitr.  S.  257  f.,  worauf  Stephani  Mel.  graeco.  I  S.   129  erwiedert  hat. 
')  München  611  abg.  A.  Z.   1876  Tf.  17. 


155 

nisse  stand^  und  diese  Beziehung  so  betont,  dass  die  Aufeinander- 
folge der  Scencn  in  Unordnung  gerathen  ist.  Es  ist  klar,  dass  sie 
so  zusammengehören:  a)  Herakles  Einzug  in  den  Olymp,  b)  Dionysos 
als  Kind  und  c)  Achilleus  als  Kind.  Der  Text  des  Pausanias 
spricht  nicht  dagegen,  von  den  beiden  fälschlich  gepaarten  ist 
Dionysos  nur  voraufgestellt,  weil  das  umgekehrte  die  epigramma- 
tische Spitze  nicht  so  scharf  hätte  herausheben  lassen.  Ich  will 
nur  gleich  hinzufügen,  dass  diese  wie  ich  glaube  wohl  begründete 
und  mit  der  Ueberlieferung  völlig  verträgliche  Umstellung  aller- 
dings auch  eine  Forderung  meines  Reconstructionsprincipes  ist, 
hoffentlich  ohne  sie  dadurch  zu  verdächtigen. 

Eine  andere  Art  von  Irrthum  als  die  bisher  behandelten  Fälle 
zeigen,  können  wir  Pausanias  bei  der  Beschreibung  der  26.  Scene 
nachweisen,  wo  er  sich  einen  evidenten  Sehfehlcr  hat  zu  Schulden 
kommen  lassen.  Er  beschreibt  sie  mit  Nr.  25  zusammen  folgender- 
massen;  "Avatic,  be  Kai  Mvaaivouc;,  toutluv  |uev  ecp'  mnou  Ka9ri)uevö(; 
eativ  eKdiepoc^.  MeTaTrevöiiv  he  tov  MeveXdou  Kai  NiKOdTpaTov  mixoc,. 
eic,  qpepujv  eaiiv.  Für  eine  solche  an  die  Haimonskinder  erinnernde 
Art,  zu  zweien  auf  einem  Pferde  zu  sitzen,  wird  man  wohl  umsonst 
nach  Parallelen  innerhalb  der  archaischen  Kunst  suchen.  Da  ist 
ja  gerade  das  Umgekehrte  zum  regelrechten  Typus  geworden,  auf 
einen  Reiter  kommen  zwei  Pferde.  Das  zweite  verschiebt  sich  aller- 
dings oft  so  hinter  dem  ersten,  dass  es  bei  flüchtiger  Betrachtung 
leicht  unbemerkt  bleibt.  Ich  citiere  als  besonders  charakteristisches 
Beispiel  Urlichs  Beiträge  zur  Kunstgeschichte  Taf.  7  und  bitte,  das- 
selbe mit  Taf.  3  ebenda  zu  vergleichen.  Offenbar  entsprachen  sich 
beide  Scenen  genau  bis  auf  die  beigeschriebenen  Namen  und  eine 
stärkere  Verschiebung  der  beiden  Pferde  von  Nr.  26. 

So  wären  wir  nun  mit  der  Recension  des  Bildtextes  vorläufig 
wenigstens  zu  Ende.  Dass  sie  ein  reicheres  Erträgniss  hat,  als 
man  erwarten  mochte,  erklärt  sich  daraus,  dass  Pausanias  im  Irr- 
thum war,  wenn  er  glaubte  sich  die  Sache  hier  leichter  machen 
zu  dürfen  als  bei  der  Kypsele  oder  den  polygnotischen  Gemälden. 
Wir  wollen  darüber  nicht  weiter  mit  ihm  rechten,  legen  doch  ge- 
rade seine  Fehler  hier  ein  gültiges  Zeugniss  gegen  seine  Ankläger 
ab,  und  wenden  uns  nun  zur  nächstdringlichen  Aufgabe,  das  Pro- 
blem der  Vertheilung  neuerdings  in  Erwägung  zu  ziehen. 

Wir  haben  an  der  Innerseite  des  Thrones  14  und  an  der 
Aussenseite  das  Doppelte,  nämlich  28  Darstellungen  aufgezählt. 
Die  Siebenzahl   bietet   sich   ungesucht  als  Grundlage  der  Theilung 


156 

und  Anordnung.  In  ihr  werden  wir  die  höhere  Einheit  in  dem- 
selben Sinne  suchen  dürfen,  wie  wir  sie  in  der  Zwölfzahl  für  die 
Kypseliden-K^'psele  gefunden  haben.  An  und  für  sich  ist  dieser 
Gedanke  keineswegs  neu,  vor  dem  Erscheinen  der  ßrunn'schen 
Arbeit  war  diese  Annahme  ebenso  allgemein  gang  und  gäbe,  als 
sie  nach  derselben  als  beseitigt  betrachtet  wurde,  und  die  Ursache 
dieser  Wandlung  ist  nicht  olme  einiges  Interesse.  Diese  Zahl  hat 
einen  symbolischen  Beigeschmack,  der  sie  für  jene  Periode,  da  die 
archäologische  Forschung  noch  mühsam  nach  einer  festen  Methode 
rang,  zu  einer  gar  oft  bösen  Sieben  gemacht  hat.  So  hat  man 
denn  diesen  leichten  Fund  nur  dazu  benützt,  um  die  Siebenzahl 
auch  an  den  Bildwerken  der  Basis  des  Apollobildes  zu  postuliren, 
Avo  dafür  gar  kein  Anlass  vorhanden  war,  und  eine  Zahlensymbolik 
zu  ahnen ,  die  der  erste  Hauch  gesunder  Forschung  hinwegfegen 
musste.  Die  Reaetion  gegen  solches  Treiben  liess  nicht  lange  auf 
sich  warten,  nur  schoss  man  dann  mit  ebenso  grosser  Hartnäckig- 
keit ziemlich  gleich  weit  übers  Ziel  hinaus,  als  man  dasselbe  vorher 
fehlte.  Die  Siebenzahl  musste  auch  dort  hinaus,  wo  sie  gar  nicht 
auf  Conjectur  beruhte  und  ein  kunstreicher  Aufbau  voll  der  schla- 
gendsten Parallelen  und  schönsten  Responsionen,  ganz  im  Stile  der 
Dissen'schen  Pindar- Zergliederungen  und  ähnlicher  philologischer 
Architecturen,  erhub  sich  dort,  wo  kurz  vorher  noch  mystisches 
Dunkel  gelagert  war. 

Die  Baukosten  hat  natürlich  Pausanias  zu  tragen.  Wenn  die 
erste  Scene  nun  auch  den  Atlas  enthalten  soll,  dann  muss  auch 
in  die  entsprechende  Leukippos  hinein,  den  weiteren  Zuwachs  dreier 
Nymphen  haben  wir  bereits  kennen  gelernt.  Die  Scenen  17  und  18 
passen  zu  ihren  Parallelen,  wenn  man  sie  umstellt,  d.  h.  dann  passt 
18  (mit  einiger  Nachhilfe)  zu  13,  17  aber  wieder  nicht  zu  seiner 
Nummer.  In  der  zweiten  Scene  nimmt  Herakles,  der  die  Heerde 
der  Geryoneus  vor  sich  hintreibt,  so  wenig  Rücksicht  auf  Amphi- 
araos  und  Lykurgos  gestörten  Zweikampf,  dass  er  dazu  verhalten 
werden  muss,  noch  einmal  mit  dem  dreileibigen  Scheusal  zu  kämpfen, 
wobei  dann  die  Rinder  des  Geryoneus  nebensächlich  behandelt 
erscheinen.  Nachträglich  hat  dann  Overbeck  zur  Hebung  der 
Responsion  der  Innenbilder  zwei  weitere  kleine  Umstelkingen  hin- 
zugefügt und  4  vor  3  und  10  vor  9  geschoben. 

Als  Schlussresultat  dieser  Bemühungen  erscheint  ein  System 
übereinander  geordneter  Klammern ,  das  die  einzelnen  Theile  des 
wohlgeordneten    Ganzen    fest    zusammenhält    und    den    schönsten 


157 

Klammersystemen  der  philologischen  Literatur  ebenbürtig  zur  Seite 
stellt.  Wer  sich  aber  an  dem  imponierenden  äusseren  Eindruck 
nicht  genug  sein  lässt  und  nach  der  Zusammengehörigkeit  der  an- 
einander gefesselten  Scenen  fragt,  der  wird  es  wohl  vergeblich  thun, 
und  ebenso  vergeblich  wird  er  unter  den  erhaltenen  archaischen 
Monumenten  auch  nach  einer  ungefähren  Analogie  suchen. 

Wir  haben  bisher  eine  Anzahl  von  Bildwerken  zur  Seite  ge- 
lassen, welche  sich  an  der  Aussenseite  des  Thrones  als  Abschluss 
befanden.  Es  sind  abermals  sieben  und  glücklicherweise  kann  ihre 
Anordnung  gar  nicht  zweifelhaft  sein.  Der  Bericht  lautet:  ToO 
öpövou  he  Txpöq  toxc,  avuu  TrepacTiv  eqp'  ittttujv  eKarepuuGev  eiaiv  oi 
Tuvbdpeuj  TTaTbe(;,  Km  crqpi-fT^«;  tc  eicriv  uttö  toT<;  mTroiq  küi  öiipia  avai 
Geovia,  ti]  )li6v  ■näphakxq,  Kaid  be  töv  TToXubeuKriv  Xeaiva.  dvujTdxuj  be 
Xopö<;  em  tu»  Gpovuj  TreTToiriTai,  MdTviiteq  oi  cTuveipYaaiuevoi  Ba9uK\eT 
TÖV  6pövov  ^}.  Daraus  ergibt  sich  das  folgende  graphische  Schema, 
das  ich  vorläufig  mit  VII  bezeichne : 


VII 


Chor 

der 

Magneten 

^antlier — 
Castor — 

a 

c 

b 

Sphinx- 

—  Löwin 

—  Polj'deukes 
— Sphinx 


Der  Vergleich  desselben  mit  dem  Texte  lehrt,  dass  die  beiden 
parallelen  Seiten  a  und  b  auch  umgekehrt  angeordnet  werden 
können,  der  ganze  Aufbau  aber  völlig  klar  angegeben  ist,  wenn 
auch  zuerst  a^  \ ,  dann  a,  h^ ,  dann  «g  63  und  zum  Schluss  c  auf- 
gezählt wird.  Es  muss  nun  von  vornherein  als  wahrscheinlich 
gelten,  dass  die  sechs  übrigen  Bildgruppen  von  je  sieben  Darstel- 
lungen nach  dem  Muster  dieser  siebenten  anzuordnen  sein  werden. 
Ich  bin  nicht  im  Stande,  im  Texte  des  Pausanias  einen  Anhalts- 
punkt zu  finden,  der  uns  ermöglichte,  diese  letzte  Bildgruppe  von 


*)  Zum  Chor  des  Bathykles  mit  seinen  Genossen  vergleiche  man  das  Selbst- 
porträt des  Theodoros ,  über  welches  zuletzt  Löschcke  Arch.  Mise,  gehandelt  hat, 
und  das  des  Kreters  Cheirisophos.  Auf  eine  überraschende  Analogie  aus  der 
Renaissance  werde  ich  von  befreundeter  Seite  aufmerksam  gemacht.  In  ganz  ähn- 
licher AVeise  hat  Meister  Filarete  sich  mit  seinen  Gesellen  auf  dem  von  ihm  ge- 
arbeiteten Hauptportal  von  S.  Pietro  verewigt; 


158 

den  übrigen  zu  trennen  und  erst  durch  ihre  Hinzuziehung  erscheint 
das  den  Bildschmuck  beherrschende  System  als  ein  abgeschlossenes. 
Der  endgültige  Beweis  bleibt  dem  Experiment  vorbehalten,  und 
ich  werde  nun  in  der  Reihenfolge  der  bisherigen  Aufzählung  die 
graphische  Anordnung  versuchen.  Zunäclist  setze  ich  also  die 
zwei  Gruppen  der  Bildwerke  im  Innern  her: 


Herakles   tödtet   die  Akto- 
riden 

Boreaden    u.    die   Harpyen 

Theseus  und  Peirithoos 
rauben  Helena 


Theseus  u.  der  Minotaur 

Herakles  und  Acheloos 

Heras  Lüsunsf 


1  Kalydoiiische  Jaod 

2 
3 
4 

1            c             1 
2 «                  h2 
3                        3 

5 
6 

7 

II 


1 

3 

• 

5 
6 

7 

4  Leichensp.  d.  Pelias 

Herakles  und  der  nem. 

Löwe 
Apoll  u.  Artemis  schiessen 

Tityos 
Herakles  und  der  Kentaur 

Oreios 


Herakles  u.  d.  Halios  Gcron 
Admets  Gespann 
Hectors  Losung 


Die  in  die  Felder  eingeschriebenen  Zahlen  bezeichnen  die 
Reihenfolge  der  Aufzählung  bei  Pausanias.  Die  graphische  An- 
ordnung hält  dieselbe  ein,  doch  darf  daraus  der  Schluss  nicht  ge- 
zogen werden,  dass  sich  I  und  II,  wie  es  den  Anschein  hat,  um- 
gekehrt zu  einander  verhalten.  Das  beweist  VII,  welches  nach 
der  ausdrückliclien  Angabe  der  Anordnung  wie  I  zu  stellen  war, 
während,  wenn  wir  der  Zählung  allein  hätten  folgen  müssen,  ebenso 
gut  II  hätte  heraus  kommen  können.  Man  kann  sich  an  dem 
Schema  I  leicht  vergegenwärtigen,  in  wie  mannigfacher  Weise  es 
durchgezählt  werden  kann,  je  nachdem  die  Laugseite  an  erster, 
vierter  oder  letzter  Stelle  mitzählt.  Eine  bestimmte  Nöthigung,  es 
80  oder  so  durchzuzählen,  wird  schwerlich  zu  denken  sein.  Wenn 
also  für  Responsionsversuche  noch  immer  ein  kleines,  aber  wie  ich 
glaube,  nicht  recht  dankbares  Feld  bleibt,  so  bleibt  für  die  Anord- 
nung im  Grossen  die  Stellung  der  Langseite  als  Kriterium.  Weder 
bei  I  noch  bei  II  ist  ein  Zweifel  möglich,  welcher  der  sieben  Scenen 
die  Langseite    einzuräumen    sei.     I,  ist    uothwendiger  Weise  fries- 


159 


förmig  gestreckt  zu  denken,  während  wir  für  jedes  der  sechs  anderen 
Bilder  eine  Analogie  aus  den  metopenartigen  Feldern  der  Kypseliden- 
Kypsele  aufweisen  können,  II^  nahm  am  selben  Denkmal  den 
Raum  von  sechs  Scenen  ein.  Geht  man  nun  dieser  Analogie  nur 
einen  Schritt  weiter  nach,  so  kommt  man  zu  folgendem  über- 
raschendem Schluss.  Wir  brauchen  die  Langscenen  nur  nach  diesem 
Vorbild  mit  6  zu  1  zu  bewerthen,  um  das  Septimalsystem  hier  in 
das  Duodecimalsystem  jener  aufzulösen,  ja  wir  brauchen  uns  nur 
zu  erinnern ,  wie  die  sieben  Darstellungen  der  untersten  Reihe  der 
Kypsele  zu  zwölf  Scenen  wurden ,  um  die  Behauptung  wagen  zu 
dürfen,  dass  es  ein  und  dasselbe  ordnende  Princip  ist,  das  in  zwei 
gleichberechtigten  Variationen  die  beiden  nahverwandten  Werke 
der  archaischen  Kunst  beherrscht''). 

Ich    gehe    nun    zur   Anordnung    der    übrigen    Bildwerke    der 
Aussenseite  über,  indem  ich  die  weiteren  graphischen  Schemata  gebe. 


III 


Herakles  u.  Kyknos 

Atlas 

Zeus  u.  Poseidon  rauben 
die  Atlautiden 


4  Kentaurenschlacht 

3 
2 
1 

5 
6 

7 

Theseus  und  der  Stier 
Chores  des  Theseus  (?) 
Perseus  und  Medusa 


^)  Gegen  die  angenommene  Bewerthung  der  Langseite  auf  die  Summe  der 
übrigen  Scenen  des  Schemas  wird  man  vielleicht  II  7  als  Gegengrund  anführen. 
War  die  Lösung  Hectors  nicht  mit  jener  prägnanten  Kürze  dargestellt,  wie  sie 
uns  die  olympische  und  die  Berliner  Bronzeplatte  zeigen,  sondern  folgte  den  Haupt- 
personen noch  die  Schaar  der  Gefässe  tragenden  Diener,  dann  lässt  sich  diese 
Scene  auf  den  geforderten  Eaum  nicht  zusammen  drängen.  Dies  ist  ohne  Weiteres 
zuzugeben,  es  folgt  daraus  aber  nur,  dass  weder  das  eine  noch  das  andere  dar- 
gestellt war.  Es  war  bloss  der  Zug  der  Troer  mit  den  Gefässen  zu  sehen ,  wofür 
schon  der  Irrtlium  des  Pausanias  spricht,  dessen  Entstehung  anders  ja  kaum  be- 
greiflich wird,  und  unter  dieser  Voraussetzung  gewinnen  wir  für  die  Typengeschichte 
der  Lösung  Hectors  eine  klarere  Anschauung.  Aus  dem  friesartigen  Zuge,  der 
das  ganze  Ereigniss  ausführlich  erzählte,  bilden  sich  durch  Spaltung  zwei  kleinere 
Scenen  luraus,  die  eine  Zeit  lang  ein  eigenthümliches  Leben  führen,  jedoch  ohne 
sich  auf  die  Dauer  gegen  den  alten  Typus  halten  zu  können.  Eine  völlig  ähn- 
liche Erscheinung  bietet  der  Typus  von  der  Ermordung  des  Troilos  wie  vom  Kampf 
des  Herakles  mit  Geryoneus,  wie  ich  Euphronios  S.  41  auseinandergesetzt  habe. 
Wie  die  Geryoneusschale  dieses  Meisters  auf  ihrer  Aussenseite  zwei  ursprünglich 
zusammengehörige  Scenen  wieder  vereinigt,  so  erscheint  auf  einer  Münchner 
Memnonsschale  (404)  den  Troern,  welche  Geschenke  zur  Lösung  bringen,  die  eine 
Aussenseite  eingeräumt,  als  letzter  Nachhall  der  ehemaligen  Selbstständigkeit 
dieser  Scene. 


160 


Dass  die  Kentaurenschlacht  bei  Pholos  den  Anspruch  auf  die 
Langseite  hat,  ergibt  sich  wiederum  aus  dem  Vergleich  mit  der 
Kypsele,  wo  sie  ebenfalls  gleich  sechs  Scenen  anzusetzen  war.  Aus 
demselben  Kunstwerk  lässt  sich  auch  ein  Gegengrund  gegen  eine 
etwa  rivalisirende  Stellung  von  111«  entnehmen.  Haben  wir  die 
Scene  richtig  gedeutet,  so  zeigt  die  Klitiasvase,  wie  sie  zugförmig 
ausgedehnt,  jenes  Monument  hinwiederum,  wie  sie  auf  den  kleinsten 
Raum  zu  einer  Scene  von  zwei  Figuren  herabgedrückt  werden 
konnte.  Da  es,  so  viel  ich  sehe,  an  einem  genauer  zutreffenden 
Analogen  fehlt,  so  möchte  ich  auf  das  Minotaurosbild  der  Berliner 
Vase  1698  (unbezeichneter  Exekias)  verweisen,  das  durch  vier 
Jünglinge  den  Chor  der  geretteten  Opfer  andeutet. 

Bezüglich  des  nun  folgenden  Schemas  kann  ich  auf  früher 
Gesagtes  verweisen. 

IV 


Leukippidenraub 

Tyndareos  u.  Eurytos 

Herakles  u.  Tliuiios 


4    Herakles  Einzug  in  d.  Olymp 

3 

5 

2 

6 

1 

7 

Hermes  mit  dem 
Dionysoskinde 
Peleus  übergibt  Achill 
(lern  Chiron 

Eos  und  Kephalos 


und  kann  nun  gleich  die  beiden  noch  übrigen  anfügen; 

V 


Achill  u.  Meniuon 

Her<akles  u.  Diomedcs 

Herakles  u.  Nessos 


1  Hochzeit  der  Harmonia 

2 
3 
4 

5 
6 

7 

Parisurtheil 

Adrast  u.  Tydeus, 
Amphiaraos  u.  Lykurgos 

Hera  und  lo 


Athena  u.  Hephaistos 

Herakles    n.   die  Hydra 

Herakles  u,  Kerberos 


VI 

7  Herakles  mit  d.  Heerde  des 

Geryoneus 

1 

4 

2 

5 

3 

6 

Anaxis  u.  Mnasinos 

Mcgapenthcs  und 

NikostratoR 
I$cliero))hon  uml  <lie 
Ciiimaira 


161 

Auch  bezüglich  dieser  kann  es  meines  Erachtens  gar  nicht 
zweifelhaft  sein,  welcher  der  Scenen  die  Langseite  einzuräumen 
sei.  Die  Ansprüche  von  V,  sind  unbestritten,  für  VI.  genügt  es, 
statt  auf  die  bisher  herangezogenen  Geryoniebilder,  auf  Mon.  d. 
Inst.  V  25,  Annali  1851  tv.  d'agg.  A  zu  verweisen. 

Der  Vollständigkeit  wegen  haben  wir  auch  auf  den  Bild- 
schmuck der  Basis  der  Apollostatue  einzugehen.  Sie  hatte  nach 
der  Angabe  des  Pausanias  die  Gestalt  eines  Altars,  der  zugleich 
als  das  Grab  des  Hyakinthos  galt,  und  an  dessen  linker  Seite  eine 
eherne  Thür  angebracht  war'").  Ringsherum  zog  sich  eine  Reihe 
von  Figuren.  Es  werden  aufgezählt:  Iris,  Amphitrite  und  Poseidon, 
Zeus  im  Gespräch  mit  Hermes,  daneben  Dionysos,  Semele  und  Ino, 
dann  Demeter,  Kore^  Pluton,  dann  die  Moiren  und  Hören,  Aphro- 
dite, Athena  und  Arterais,  die  Hyakinthos  und  seine  Schwester 
Polyboia  in  den  Himmel  einführen;  ferner  war  auch  die  Himmel- 
fahrt des  Herakles  unter  der  Assistenz  Athenas  und  der  anderen 
Götter  zu  sehen.  Schliesslich  werden  noch  erwähnt  die  Tochter 
des  Thestios,  die  Musen  und  Hören. 

Ueber  die  Anordnung  dieser  Figuren  hat  Trendelenburg  Bull. 
1871  S.  124  ausführlich  gehandelt.  Seine  Auseinandersetzungen 
haben,  so  weit  ich  sehe,  allgemeine  Zustimmung  gefunden.  Die 
Grundzüge  derselben  sind  folgende:  Es  waren  drei  Aufnahmen  in 
den  Olymp  dargestellt,  indem  die  ersten  acht  P^'iguren  die  Erhebung 
des  Dionysos  zum  Range  eines  Olympiers  ausdrücken  sollen.  Diesen 
drei  einander  innerlich  verwandten  Scenen  waren  drei  Seiten  der 
Basis  eingeräumt,  die  vierte  enthielt  die  drei  Thestiaden  und  die 
neun  Musen").  Ferner  wird  die  Anzahl  der  Figuren  jeder  Seite 
auf  zwölf  bestimmt,  mit  Ausnahme  der  zuerst  erwähnten,  wo  die 
Thüre  den  Raum  von  vier  Personen  für  sich  in  Anspruch  nimmt. 
Gegen  diese  Hypothese  lassen  sich  eine  Reihe  von  Einwendungen 
erheben,  von  denen  ich  nur  die  augenfälligsten  zur  Sprache  zu 
bringen  mir  gestatten  möchte.  Warum  soll  denn  die  Thüre  gerade 
den  symmetrischen  Ausbau  der  Götterversammlung,  die  doch  die 
Hauptseite  einzunehmen  hatte,  stören,  zumal  ihr  Pausanias  den  Platz 


"•)  Vergl.  Paus.  II  2'2,  2:  ITepav  be  toö  xäqpou  xc^Keiov  eöTiv  oO  lueya, 
avexei  &e  aOrö  dYdX^axo  dpxaia  'Apreiuiboi;  koI  Awc,  kwi  'AOnväc;,  und  4:  iri- 
poiq  be  iOTW  eipriiuevov  ööxa  ^v  xiü  xaXKeiiu  KeiöBai  Tavxd\oi). 

")  Die  Hören,  die  ihnen  folgen,  sind  von  Siebeiis  als  gedankenlose  Wieder- 
holung des  Abschreibers,  der  vorher  MoTpai  xe  Kai  ^ßpai  las,  verdächtigt  worden. 
Archilologisch-epigraphipchc  Mitth.    IX.  << 


162 

auf  der  linken  anweist,  was  auf  eine  Nebenseite  zu  deuten  scheint. 
Ungeschickter  konnte  sie  nirgends  zu  stehen  kommen,  während  es 
sehr  nahe  lag.  sie  so  anzubringen,  dass  sie  statt  zu  stören  unter- 
stützend in  die  Handlung  eingriff.  Liess  sie  der  Meister  als  Aus- 
gangspunkt des  Zuges,  der  Hyakinthos  in  den  Olymp  führt,  er- 
kennen, so  kam  sie  ihm  ganz  trefflich  zu  statten.  Wäre  ferner  die 
Zahl  der  Figuren  deutlicii  überliefert,  so  würde  ihre  so  schematisch 
gleichraässige  Vertheilung  noch  immer  nicht  unbedenklich  sein.  Ich 
kenne  wenigstens  kein  Beispiel  dafür,  welches  die  Figuren  in  der 
archaischen  Kunst  etwa  den  Silben  der  gebundeneu  Rede  gleich- 
stellen möchte.  Ihre  Symmetrie  ist  anderer  Art.  Aber  wie  erhält 
denn  Trendelenburg  seine  dreimal  zwölf  Figuren?  Die  neun  Musen 
und  die  Thestiaden ,  wenn  man  diese ,  was  ich  vorläufig  zugeben 
will,  mit  drei  ansetzt,  geben  allerdings  so  viel,  und  der  Hören  kann 
man  sich  ja  mit  Siebeiis  entledigen.  Aber  was  die  zwölf  Figuren 
unter  einander  anfangen  sollen,  kann  man  sich  kaum  denken.  Tren- 
delenburg deutet  auf  eine  Todtenklage  um  Hyakinthos  nach  Art 
der  der  Nereiden  um  Achill,  als  ob  dieser  Fall  in  irgend  einer 
Weise  vor  den  üblichen  Todtenkl.ugen  herausragte  und  so  als 
Analogon  zu  der  zu  construirenden  dienen  könnte.  Die  Tanten 
Achills  thun  nicht  mehr  für  ihn,  als  sonst  Tanten  für  einen  ver- 
storbenen Neffen  zu  thun  pflegen.  Dass  die  Thestiaden ,  Musen 
und  Hören  hier,  den  Moiren  und  Hören  der  Hyakinthosscene  ent- 
sprechend, zu  Herakles'  Einzug  gehören,  ist  doch  von  vornherein 
zu  wahrsclieinlich,  als  dass  es  ernstlich  hätte  bestritten  werden 
sollen.  Die  Heraklesscene  wächst  dadurch  freilich  sofort  über  das 
vorgeschriebene  Maass.  Der  Hyakinthoszug  soll  nur  zwei  Moiren 
und  ebensoviel  Hören  enthalten  dürfen,  während  die  Klitiasvase 
bekanntlich  vier  Moiren  und  drei  Hören  enthält,  dafür  dürfen  aber 
auch  Demeter,  Köre  und  Pluton  mit,  die  in  der  Götterversaramlung 
nicht  Platz  haben,  somit  wären  ja  elf,  die  Thüre  aber  kann  vier 
suppliren.  Und  warum  diese  Götterv^ersaramlung  die  Aufnahme  des 
Dionysos  bedeuten  soll,  kann  ich  am  wenigsten  begreifen.  Daraus, 
dass  der  bakchische  Kreis  mit  drei  Personen  ganz  in  gleicher  Weise 
wie  di(;  Meer  und  die  Unterweltsmächte  in  derselben  vertreten  ist, 
folgt  doch  nur  das  hohe  Ansehen  des  Gottes  im  Lakonischen ,  das 
ja  gut  bezeugt  ist.  Auffällig  bleibt  nur,  dass  Zeus  mit  Hermes 
allen  übrigen  je  zu  drei  gruppirten  Göttern  nachsteht  und  das 
Fehlen  der  Hera  besonders  betont  zu  sein  scheint.  Auch  was  Zeus 
und  Hermes  mit  einander  sprechen,    wüasten    wir  gerne,    und  der 


163 

Künstler  muss  es  doch  durch  die  Situation  zum  Ausdruck  gebracht 
haben.  Denkbar  wäre  es  auch  freilich,  dass  der  letztere  so  wie 
auf  der  bekannten  altattischen  Athenageburtvase  nur  sein  'Epjuficg 
ei|Lu  KuXXrivio^  sagt. 

Doch  bescheiden  wir  uns  vorläufig  damit,  die  drei  Scenen, 
die  uns  die  Ueberlieferung  des  Pausanias  erkennen  lässt,  anzuordnen, 
so  scheint  mir  vor  allem  Folgendes  gegeben.  Der  Götterversamm- 
lung, die  den  Mittelpunkt  bildet,  streben  von  beiden  Seiten  zwei 
Züge  zu:  der  eine  bringt  Hyakinthos,  der  andere  Herakles  den 
Olympischen.  Rein  formal  betrachtet,  sieht  das  wie  eine  Vorahnung 
des  Parthenonfrieses  aus.  Es  würde  nun  scheinbar  das  Nächst- 
liegende sein,  beide  Züge  auch  von  gleichem  Ausgangspunkte  be- 
ginnen zu  lassen  und  diesen  in  die  Mitte  der  Rückseite  zu  verlegen. 
Eine  leise  Analogie  mit  einem  altjonischen  Werke,  dem  thasischen 
Nymphenrelief,  die  freilich  nur  darin  besteht,  dass  eine  Composition 
zu  beiden  Seiten  einer  Thür  gleich  vertheilt  erscheint,  möchte  diese 
Vorstellung  unterstützen.  Indess  die  Thür  gehört  zu  bestimmt  der 
Hyakinthosscene  an,  und  was  die  Frage,  wie  mich  dünkt,  ent- 
scheidet, sie  ist  auf  der  linken  Seite  angegeben,  die  Götterversamm- 
lung kann  aber  nur  die  anstossende  Hauptseite  eingenommen  haben, 
es  bleiben  daher  sowohl  die  rechte  Seite  wie  die  Rückseite  ganz 
allein  für  den  Einzug  des  Herakles,  er  muss  also  den  doppelten 
Raum  des  Hyakinthoszuges  einnehmen. 

Auch  eine  flüchtige  Betrachtung  des  Textes  des  Pausanias 
lehrt  nicht  bloss  die  Statthaftigkeit,  sondern  geradezu  die  Noth- 
wendigkeit  dieser  Annahme.  Haben  wir  dort  Aphrodite,  Athena 
und  Artemis  von  den  olympischen  Göttern,  so  werden  hier  neben 
Athena  noch  die  „andern  Götter"  angeführt.  Dort  erscheinen  die 
Moiren  und  Hören,  die  wohl  je  zu  dreien  um  den  Wagen,  der  Hya- 
kinthos und  Polyboia  trug,  anzuordnen  sein  werden,  hier  haben  wir 
ausser  dem  räthselhaften  Dreiverein  (der  Ausdruck  scheint  mir  er- 
laubt, auch  wenn  er  gelegentlich  arithmetischen  Bedenken  unter- 
liegt) der  Thestiaden  und  dem  der  Hören  noch  die  drei  Dreivereine 
der  Musen.  Aber  gerade  da  beginnt  die  Schwierigkeit.  Was  sollen 
denn  —  nach  den  Töchtern  des  Thestios  wollen  wir  später  fragen  — 
hier  die  Musen?  Rufen,  schon  die  fünf  Drei  vereine  äusserlich  die 
Erinnerung  an  den  Quadrigenzug  der  Peleus-  und  Thetishochzeit 
auf  der  Klitiasvase  wach,  den  die  Musen,  Hören  und  Moiren, 
sechzehn  an  der  Zahl,  umgeben,  so  weisen  die  auf  der  Hyakinthos- 
scene fehlenden  Musen  deutlich    darauf  hin.    dass  nicht  Herakles' 

11* 


164 

Einzug  in  den  Olymp,  sondern  seine  Hochzeit  mit  Hebe  dargestellt 
war,  die  Musen  haben  hier  nur  so  einen  guten  Sinn  und  die  „an- 
deren Götter"  auch.  Ihre  Kraftprobe  wird  diese  Hypothese  da- 
durch ablegen,  dass  sie  die  vorgei'undencn  Schwierigkeiten  zu  be- 
wältigen haben  wird.  Die  Abwesenheit  der  Hera  auf  der  Haupt- 
seite erklärt  sie  sofort.  Die  Brautmutter  hat  im  Zuge  ihren  Platz 
und  Hebe's  Fehlen  merken  wir  erst  jetzt,  obgleich  die  anderen  drei 
Götterpaarc  je  eine  rangniedrigerc  weibliche  Gottheit  und  nur  Zeus 
eine  männliche  Bedienung  hat.  Das  Gespräch  mit  Hermes  bezieht 
sich  auf  dessen  Obliegenheit;  er  übernimmt  das  Amt,  das  bisher 
Hebe  verwaltet  hat.  Auch  Sappho  hatte  seiner  in  der  Schilderung 
der  himmlischen  Hochzeit  nicht  vergessen. 

Aber  die  Töchter  des  Thestios?  Wer  sie  immer  sein  mögen, 
sie  müssen  in  die  Versammlung  der  Musen  und  Hören  hineinpassen 
und  etwas  ähnliches  sein.  Die,  von  denen  die  Mythologien  alter 
und  neuer  Zeit  sprechen,  waren  es  keinesfalls,  und  wenn  ich  Tren- 
delenburg die  drei  Thestiaden  nachgesprochen  habe,  so  habe  ich 
an  Leda,  Althaea  und  Hypermnestra  nicht  gedacht,  sondern  an 
einen  Dreiverein  im  früher  erwähnten  Sinn.  Denn  wenn  sich  auch 
diese  drei  Namen  bei  Apollodor  I  7,  8  zusammenfinden,  so  bilden 
sie  darum  doch  mythisch  keine  Einheit  und  ein  Zusammenhang 
mit  Herakles  ist  vollkommen  unerfindlich.  Dagegen  treten  die 
fünfzig  Töchter  des  Thestios,  die  Apollodor  H  7,  8  zum  Unter- 
schiede gegen  die  des  Thespios  namentlich  anführt,  als  solche  auf, 
und  ihre  intimen  Beziehungen  zu  Herakles ,  dem  sie  Anlass  zum 
dreizehnten  Athlos  geben,  sind  weiteren  Kreisen  durch  Göthe's  Götter 
Helden  und  Wieland  bekannt  genug  ''^).  Selbstverständlich  bleiben 
auch  diese  hier  völlig  ausgeschlossen  und  so  sind  wir  denn  genöthigt, 
die  Existenz  des  Thestiaden  auf  dem  amykläischen  Thron  kurzweg 
zu  läugnen.  Die  Annahme  einer  Corruptel  im  Texte  werden  wir 
füglich  abweisen,  denn  der  Abschreiber,  der  gefehlt  hat,  ist  offenbar 
Pausanias  selbst. 

Das  hier  einzuschlagende  Verfahren  der  Monumeiitalconjectur, 
wenn  das  Wort  gestattet  ist,  haben  wir  an  den  Thronreliefs  mehr- 
fach mit  vollem  Erfolge  angewendet.  Was  wir  an  der  Stelle  der 
Töchter  des  Thestios  hier  erwarten  müssen,    das   habe   ich  bereits 


")  Veigl.  Paus.  0,  27,  G;  Ilcrodotos  hui  Atheiiäu.s  XIII  .5.56  als  Tliespiaden; 
Apoll.  2,  4,  10 ;  Diodor  4,  29  und  Ilygin.  fab.  162,  der  nur  zwölf  Thespiaden- 
ßöline  kennt. 


165 

gesagt;  es  erübrigt  mir  noch  hinzuzufügen,  dass  dieser  Dreiverein 
nach  der  Art,  wie  er  aufgeführt  wird,  ziemlich  an  die  Spitze  des 
Zuges  zu  stehen  käme. 

Wir  werfen  noch  einen  Blick  auf  die  Klitiasvase,  die  uns  ja 
den  monumentalen  Anlass  zur  Umnennung  unserer  Scene  gegeben 
hat.  Auch  dort  treffen  wir  an  der  entsprechenden  'Stelle  einen 
Dreiverein.  Alle  Namen  sind  beigeschrieben,  wir  lassen  die  der 
beiden  Seitenfiguren  AEM(eTep)  und  -I-APIKIO  für  einen  Augenblick 
verlöschen  und  neben  der  Mittelfigur  glänzt  0ESTIA  allein.  Wer 
FIPIS  früher  Bipi«;  las,  wird  mit  gleicher  Consequenz  Oeatia  buch- 
stabiren  und  daraus  erklärt  sich  alles  Weitere  zur  Genüge. 

Ich  glaube  demnach,  die  Hypothese  hat  ihre  Kraftprobe  voll 
bestanden  und  damit  aufgehört  eine  solche  zu  sein.  Dass  sie  neben- 
bei noch  ein  anderes  Hinderniss  beseitigt  hat,  dessen  wir  gar  nicht 
erwähnten ,  wie  dass  der  Einzug  des  Herakles  in  den  Olymp  auf 
dem  Throne  ausführlich  erzählt  ist,  und  seine  Wiederholung  hier 
also  wenig  Sinn  hatte ,  war  schon  durch  ihre  Aufstellung  mit- 
bestimmt. 

Die  einzelnen  Werkstücke,  die  wir  in  unseren  sieben  schema- 
tischen Figuren  reconstruirt  haben ,  fügen  sich  leicht  zu  einem 
Ganzen  zusammen,  das  uns  ein  Stück  vom  Schema  des  Thron- 
baues wiedergibt. 


r 

~ 

VII^ 

IV' 

VI^ 

III' 

II' 

V3 

I'* 

Pausanias  dürfte  mit  der  Schilderung  der  Aussenbilder  dort 
angefangen  haben,  wo  er  mit  denen  der  Innenbilder  begann,  von 
den  Tritonen  her,  also  rechts.  Da  kam  zuerst  die  rechte  Armlehne 
daran,  dann  die  linke,  dann  die  Rückseite  und  zum  Schluss  die 
inneren  Bildwerke,  deren  Platz  nur  an  den  beiden  Armlehnen  ge- 
wesen sein  kann.  Die  Rückseite  bedurfte  im  Innern  keines  Figuren- 
schmuckes, weil  der  Coloss  sie  deckte.  Eine  ornamentale  Ver- 
zierung, etwa  Thierstreif,  bleibt  dabei  keineswegs  ausgeschlossen. 
Diesen  Gang  der  Beschreibung  sullun  die  arabischen  Ziffern  neben 
den  römischen  versinnlichen. 


166 

Das  Schema  gibt  uns  nicht  mehr  als  eine  ungefähre  Skizze 
des  hinter  dem  goldenen  Figurenschmucke  verborgenen  Holzgerüstes. 
Von  dem  Eindruck,  den  das  Werk  selbst  durch  die  Fülle  des 
plastischen  Schmuckes,  der  in  der  ganzen  Scala  von  der  Reihe  der 
rund  gearbeiteten  Karyatiden  bis  zum  flach  getriebenen  Ornament 
vertreten  war,  durch  das  herrliche  Material  und  seine  zweifellos 
malerische  Behandlung,  durch  bunte  Einlagen  (man  braucht  sich 
nur  an  die  typische  Weise  der  alten  Dädalidengoldtechnik  und  zu- 
rück an  die  mykenischen  Schwerter  zu  erinnern),  von  alle  dem 
gibt  es  nichts.  Aber  die  eine  Thatsache,  die  es  lehrt,  ist  doch 
wissenswürdig:  es  sagt  uns,  dass  der  amykläische  Thron  trotz 
seiner  gewaltigen  Dimensionen,  trotz  seines  Reichthums  von  Bild- 
werken ebenso  gut  ein  Sessel  war,  wie  der  des  olympischen  Zeus. 
Das  will  freilich  nur  den  bisherigen  ganz  ernstgemeinten  Restau- 
rationsversuchen von  Pyl  und  Ruhl  gegenüber  etwas  sagen  '"*). 

Von  dem  ihm  angebotenen  Platze  macht  der  Gott  keinen  Ge- 
brauch, er  stand  mit  Lanze  und  Bogen  im  Gestühl,  das  sonder- 
barer Weise  eine  Anzahl  von  Sitzen  enthielt.  Für  welche  crüvOpovoi 
sind  die  gewesen,  da  ja  eine  praktische  Verwendung  hier  völlig 
ausgeschlossen  ist?  Die  Frage,  wie  Bathykles  auf  eine  solche 
durch  kein  Bedürfniss  postulirte  Form  kam,  erledigt  sich,  wenn 
man  bedenkt,  dass  der  Götterthron  an  Thronen  der  Erde  sein  Vor* 
bild  gehabt  haben  muss.  Da  wird  diese  Form  begreiflich,  wenn 
der  Herrscher  im  Rathe  von  Mitfürsten  seine  Macht  ausübt,  wie 
denn  die  Stammfürsten  der  Perser  gleich  dem  Grosskönig  die  Krone 
tragen. 

Zeitlich  nicht  allzuweit  und  auch  räumlich  durch  die  Her- 
kunft seines  Meisters  näher,  als  es  im  ersten  Augenblick  scheint, 
steht  der  Thron  von  Amyklä  dem  der  Perserkönige  aus  dem  Hause 
der  Achämeniden,  dessen  Bild  die  Felsengräber  von  Nagsh-i  Rüstern 
und  Persepolis  uns  in  authentischer  Weise  vorführen").  Siebenmal 
erscheint  dort  dasselbe  nur  in  kleinen  Details  variirte  Schema. 
Zu  Unterst  eine  Fa9ade,  die  wie  man  allgemein  und  mit  gutem  Grund 
angenommen  hat,  jener  verlorenen  des  Palastes  des  Darius  in  grossen 
Zügen  entspricht,  darüber  ein  Thronbau  und  zu  höchst  der  König 
auf  einem  Bathron,  den  Bogen  in  der  Linken ,    während  die  Hand- 


•*)  Arch.  Ztg.  1852.  1854. 

")  Stolze,  Persepolis  I  Tf.   70—73,  II  Tf.   lOG  — 111;  Diculafoy  l'urt  aHtique 
de  la  Perae  III  Tf.  2—i  und  I  Tf.  10. 


167 

haltiuig  der  Rechten  die  Ergänzung  eines  Speeres  ermöglicht.  Die 
Inschrift  auf  dem  von  Darius  errichteten  Grab  gibt  uns  zugleich 
die  authentische  Interpretation  des  Thrones  als  solchen  und  eine 
Erklärung  der  Figuren  auf  und  neben  demselben.  Nur  die  ersteren 
interessiren  uns  hier,  die  darauf  bezügliche  Stelle  lautet:  ,,Und 
wenn  du  also  sprichst:  wie  vielfach  (?)  waren  diese  Länder,  deren 
Gesammtheit  der  König  Darius  regierte,  so  blicke  an  meines  Thrones 
Träger,  da  wirst  du  aie  erkennen  (?),  (so)  alsdann  wird  dir  be- 
kannt werden  (?),  dass  des  persischen  Mannes  Lanze  fernhin 
gedrungen  ist"'^). 

Diese  Thronträger  sind  auch  aus  einem  anderen  Grunde  der 
Betrachtung  werth.  Sie  rufen  uns  den  Chor  des  Bathykles  mit 
seinen  Genossen  in  Erinnerung,  den  wir  nach  diesem  Vorbild  als 
thronstützend  reconstruiren  könnten.  Wenn  ich  darauf  verzichtet 
habe,  so  muss  ich  doch  kurz  die  Gründe  dagegen  anführen.  Es 
schien  mir  bedenklich,  nur  das  oberste  Stück  des  Rahmenwerkes 
zu  stützen,  und  dann  liegen  doch  andere  Analogien  hier  näher. 
Doch  wie  dem  immer  sei,  es  bleiben  noch  weit  wichtigere  Ver- 
gleichspunkte. Die  persischen  Reliefs  geben  erst  einen  verständ- 
lichen Sinn,  wenn  ihr  Uebereinander  in  ein  Nacheinander  verwandelt 
wird,  das,  weil  es  plastisch  undarstellbar  war,  so  zum  Ausdruck 
gebracht  werden  musste.  Dann  steht  der  Thron  im  Innern  des 
Palastes  und  der  König  im  Thron,  dessen  Ausdehnung  die  Be- 
zeichnung Gestühl  rechtfertigen  würde.  Wie  er  in  demselben  sitzt, 
darüber  geben ,  ebenso  gelesen ,  zwei  Pfeilerreliefs  der  Hundert- 
säulenhalle Auskunft,  die  ihn  auf  einem  Sessel  zeigen,  der  auf  dem 
Throne  steht,  also  in  denselben  hineinzudenken  ist.  Bezüglich  des 
altarförmigen  Grabes  bedarf  es  kaum  des  Hinweises  auf  das  soge- 
nannte Kyrosgrab  zu  Murgab  '").  Wenn  in  später  Zeit  Altar  und 
Sarkophag  einander  oft  gar  so  ähnlich  sehen,  so  kommt  darin  nur 
die  ursprüngliche  Identität  von  Grab  und  Altar  zum  Ausdruck,  die 
wir  hier  nicht  weiter  verfolgen  wollen,    als  um  daran  zu  erinnern, 


'•^)  BezoUl  Die  Achaemenideninschiiften  S.  35.  Die  Uebersetzung  bei  Spiegel 
Die  altpersischen  Keilinscliriften  (2.  Aufl.)  S.  57  und  bei  Oppert  Les  inscriptions 
des  AcMm6nides  geben  keine  erwähnenswerthen  Varianten. 

'^)  Wenn  dasselbe  bei  Beundorf  und  Niemann  Reisen  in  Lykieu  und  Karien 
S.  109  kurz  als  „Tempelbau  von  Murgab"  angeführt  wird,  so  bezieht  sich  das  nur 
auf  die  Gestalt,  denn  Tempel  kannten  ja  die  Perser  nicht. 


dass    von   diesem  Standpunkte    aus    auch    andere  Göttergräber  als 
das  des  vergötterten  Hyakinthos  verständlich  werden. 


Leicht  und  ungezwungen  hat  sich  die  Fülle  der  einzelnen 
Bildwerke  in  ein  einfaches  tektonisches  Ganze  eingefügt,  und  es 
erübrigt  noch  zu  fragen,  ob  nicht  auch  ein  innerer  Zusammenhang 
nachzuweisen  sei,  der  sie  zu  einem  geistigen  Ganzen  vereinigt. 
Dass  man  auch  bei  eingehendem  Studium  umsonst  nach  einer  Be- 
ziehung der  Einzelscenen  innerhalb  eines  Schema's  wie  einer  solchen 
der  Schemata  zu  einander,  suchen  wird,  glaube  ich  aussprechen  zu 
dürfen.  Auch  um  den  Gott,  dessen  Thron  sie  schmücken,  kümmern 
sich  die  Bildwerke  merkürdig  wenig,  sie  melden  bloss  eine  That 
von  ihm,  die  er  gemeinsam  mit  seiner  Schwester  vollbracht  hat. 
Doch  wir  haben  gar  nicht  nöthig ,  innerhalb  der  Bildwerke  nach 
mehr  als  gelegentlichen  Beziehungen  zu  spähen,  denn  ehe  wir  an 
diese  selbst  herantreten,  konnten  wir  aus  dem  Munde  des  Meisters 
vernehmen,  was  ihre  Fülle  zu  bedeuten  habe.  Die  Thronstützer 
haben  jenes  homerische  Motto  monumental  wiederholt,  soll  das  hier 
nichts  weiter  sein  als  ein  Ueberbleibsel  aus  alter  Zeit?  Der 
Achillesschild  war  seiner  Form  nach  zu  einem  Weltbilde  wie  ge- 
schaffen, die  künstlerische  Ausschmückung  vollzog  nur  die  weitere 
Ausführung  und  Detaillirung  des  in  der  Form  gegebenen  Grund- 
planes. Anders  ist  das  Weltbild,  das  uns  der  Schmuck  des  amy- 
kläischen  Thrones  bietet.  Will  der  Künstler  dort  uns  die  Welt 
real  auf  einer  Karte  vorführen,  so  will  Bathykles  hier  ihre  Ge- 
schichte erzählen,  die  im  Sinne  und  Herzen  dieser  Zeit  natürlich 
nur  die  mythische  sein  kann.  Dort  ist  der  Mythos  völlig  ausge- 
schlossen, hier  ist  er  alleinherrschend,  denn  der  Choros  des  Meisters 
und  seiner  Genossen  hat  nur  als  monumentale  Künstlerinschrift 
ihre  Berechtigung.  Und  das  kosmische  Princip  ist  auch  hier  ge- 
wahrt. So  stehen  den  Thaten  des  Herakles  auf  der  Erde,  sein 
Einzug  in  den  Olymp,  sein  Eindringen  in  die  Unterwelt  und  sein 
Kampf  mit  dem  Halios  Geron  zur  Seite,  so  haben  die  Götterge- 
scliichten  neben  der  Heldensage  ausreichende  Vertretung  gefunden. 
Aber  Amyklä  bleibt  der  Mittelpunkt  der  Welt,  ob  auch  Apoll  nicht 
auf  seinem  Omphalos  dasteht,  die  Tyndaridensage  ist  nächst  der 
herakleischen  am  besten  vertreten,  und  als  besonders  bezeich- 
nend mag  es  erwähnt  werden,  dass  auch  eine  kleine  Reihe  von 
Tyndaridenporträts   auch   der   weiblichen  Linie  vorgeführt  werden, 


169 

während    die    gleiche    Ehre    sonst    nur    dem    Weltenträger    Atlas 
widerfuhr. 

Ganz  besonders  nahe  scheinen  die  Bilder  der  Bronzeplatten, 
mit  denen  der  Innenraum  der  Athena  Chalkioikos  zu  Sparta  be- 
legt war,  denen  des  bathykleischen  Thrones  gestanden  zu  haben. 
Leider  ist  das  Verfahren  des  Pausanias  hier  ein  so  summarisches, 
dass  eine  klare  Vorstellung  nicht  zu  gewinnen  ist.  Zuerst  erwähnt 
er  TToXXd  |uev  tOuv  äGXuuv  'HpaKXeouq,  TToAXd  be  Kai  wv  fcee\ovTfi(; 
KaTUüpeuuae ,  was  ebensogut  auf  die  vierzehn  Heraklesdarstellungen 
des  Thrones  passen  möchte.  Das  nachfolgende  Tuvbdpeuj  be  tiIjv 
Traibuüv  dXXa  xe  Kai  f]  tüuv  AeuKiTmou  ÖufaTepujv  apTra-fr)  könnte  gleich- 
falls im  selben  Sinne  angewandt  werden  und  dann  "Hcpaidioq  ■vr\v 
)LiilTepa  ecrfiv  diroXuuuv  tojv  beaiuujv  -findet  sich  dort  ebenfalls.  Drei 
weitere  Darstellungen,  die  Pausanias  noch  erwähnt,  Perseus ,  der 
von  den  Nymphen  Tarnkappe  und  Flügelschuhe  erhält,  die  Geburt 
der  Athena  und  Amphitrite  und  Poseidon  (vielleicht  die  Hochzeit?) 
entbehren  der  bathykleischen  Gegenstücke  und  bezüglich  des  Restes, 
den  Pausanias  verschweigt,  sind  Conjecturen  überflüssig.  Bedenkt 
man  aber  noch,  dass  Gitiadas,  der  Spartaner,  der  die  Statue  der 
Chalkioikos  und  die  Bilder  der  Bronzeplatten  schuf,  auch  in  Amyklä 
selber  zwei  reichgeschmückte  Dreifüsse  gearbeitet  hat,  so  wird  man 
der  Annahme  eines  Abhängigkeitsverhältnisses  der  beiden  Meister 
kaum  ausweichen  können^').  Die  bisherige  Geschichtschreibung  der 
griechischen  Kunst  war  einer  solchen  Nöthigung  nur  dadurch  über- 
hoben, dass  sie  das  Zeitalter  des  Gitiadas  aus  der  fabelhaften 
Nachricht  bei  Pausanias,  •  dass  seine  beiden  Dreifüsse  und  der  dritte 
des  Kallon  aus  der  Beute  des  ersten  messenischen  Krieges  geweiht 
seien,  direct  oder  indirect  erschliessen  zu  können  glaubte.  Für  die 
Datirung  des  letzteren  haben  wir  jetzt  durch  die  auf  der  Akropolis 
gefundene  Inschrift  sicheren  Boden  unter  den  Füssen.  Ihre  Buch- 
stabenform weist  auf  das  Ende  des  sechsten  Jahrhunderts  hin. 
Damit  ist  auch  für  diesen  ein  fester  Halt  gewonnen  und  jene  An- 
nahme muss  nun  einer  näheren  Erwägung  unterzogen  werden.  Alles 
spricht  dafür,  dass  Gitiadas  der  empfangende  Theil  gewesen  sei. 
Er,  der  ein  geborener  Spartiate,  kann  doch  dem  hochberühmten 
Meister,  der  aus  dem  fernen  Osten  zu  grossen  Werken  mit  seiner 


"')  Paus.  III  18,  5:  üttö  |u^v  bf)  tiI)  TTpuuTO)  xpiiroöi  'Aqppobixrit;  ÖTO^J^ct 
eöT'TKei,  'Apreiaic;  be  uttö  tüj  beurdpLu-  fiTidtöa  Kai  aÜToi  Texvrj  Kai  ra  eireip- 
fao}xeva. 


170 

Genossenschaar  herbeizog,  nicht  zum  Vorbild  gedient  haben,  und 
wenn  die  Dädaliden  gerade  in  Sparta  eine  blühende  Kunstschule 
aus  der  Ferne  ins  Leben  riefen,  so  wird  auch  die  Tliätigkeit  der 
grossen  jonischen  Meister  an  Ort  und  Stelle  an  den  lakedaimoni- 
schen  Techniten  nicht  ganz  spurlos  vorübergegangen  sein.  Für 
die  kunstgeschichtliche  Stellung  der  Reliefe  des  Gitiadas  ist  das  Bild 
der  Ausrüstung  des  Perseus  durch  die  Nymphen  besonders  lehr- 
reich, als  das  einzige,  das  wir  uns  genauer  vergegenwärtigen  können. 
Es  ist  bekanntlich  eine  chalkidische  Vase,  welche  denselben 
Typus  wiederholt. 

Aber  Dorier  ist  Gitiadas  doch  geblieben.  Die  Art,  wie  er  das 
Uebernommene  umgedichtet  hat,  weist  wieder  deutlich  in  die  Rich- 
tung der  Kypsele  hin.  Wir  haben,  als  wir  von  jener  handelten, 
seiner  als  eines  bezeugten  Vertreters  jener  alten  anfänglichen  Per- 
sonalunion von  Poesie  und  Bildkunst  gedacht,  jetzt  dürfen  wir  noch 
hinzufügen,  dass  sein  grosses  Reliefwerk  im  Athenatempel  nur  ein 
monumentales  Gegenstück  seines  ü|avoq  e^  ri]v  9edv ,  von  dem  uns 
Pausanias  berichtet,  gewesen  sein  kann. 

Die  Darstellung  der  Geburt  der  Göttin  spricht  für  sich  allein 
schon  dafür,  dass  der  figürliche  Schmuck  zur  Person  der  Gottheit 
hier  in  einem  ganz  anderen  Verhältnisse  stand,  als  am  amykläischen 
Throne,  und  die  Thaten  der  Heroen ,  vor  allem  des  Herakles  und 
Perseus,  widerstreben  einem  solchen  Bezug  um  so  weniger,  als  sie 
ja  nur  unmittelbare  Thaten  jener  selbst,  mittelbar  aber  Athenas 
Werke  sind.  Und  wie  ein  solcher  Zusammenhang  bei  dem  Bilde 
von  Heras  Lösung  denkbar  wäre,  das  zeigt  uns  wiederum  die 
Klitiasvase,  die  mit  bewundernswerther  poetischer  Kraft  den  Triumph 
Athenas  über  die  Niederlage  des  verhassten  Ares  schildert.  Mehr 
als  solche  Andeutungen  zu  geben,  lässt  der  trümmerhafte  Zustand 
der  Ueberlieferung  nicht  zu.  Ebenso  sehr  wie  da,  müssen  wir  das 
Schweigen  des  Pausanias  über  zwei  Werke  beklagen,  über  die  mehr 
zu  vernehmen  für  den  ganzen  Complex  von  Fragen,  die  uns  hier 
beschäftigen,  von  besonderer  Wichtigkeit  wäre.  Ich  meine  die 
beiden  ehernen  Thalamoi,  die  Myron  und  der  Demos  der  Sikyonier 
in  ihrem  Thesauros  zu  Olympia  aufgestellt  haben.  Ihre  sichere 
Datirung  nach  dem  Wagensiege  des  Tyrannen  in  der  33.  Olympiade 
und  die  bestimmte  Angabe,  dass  der  eine  dorischer,  der  andere 
jonischer  Arbeit  war,  geben  diesen  Thalamoi  Anspruch  auf  be- 
sondere Bedeutung.  Pausanias  hat  uns  aus  dem  Epigramm,  das 
der  kleinere  trug,    das  Erzgewicht   und  die  Stifter  genannt,    sons^ 


171 

beschäftigt  ihn  noch  die  Angabe  der  elischen  Localperiegetik,    ob 
das  Erz  wirkliches  tartessisches  sei. 

Der  Wortlaut  des  Epigramms  hat  aber  in  dem  Stile  der  Be- 
richterstattung deutliche  Spuren  hinterlassen.  Der  Ausdruck  0dX«iLio<; 
für  ein  Gercäth  ist  poetischer  und  nicht  periegetischer  Sprach- 
gebrauch und  die  Nichtbeachtung  der  Herkunft  desselben  hat  dazu 
geführt,  dass  man  in  Olympia  lange  vergeblich  nach  den  zwei 
Zimmern  des  Schatzhauses  der  Sikyonier  gesucht  hat  '^).  Die  An- 
gabe des  Baustiles  hat  diese  nun  glücklich  beseitigte  Auffassung 
wesentlich  unterstützt,  man  vergleiche  nur  z.  B.  die  bezügliche 
Darstellung  in  Ourtius  griechischer  Geschichte ,  während  sie  jetzt 
geradezu  befremden  muss.  Bei  Pausanias,  der  nur  sehr  selten  für 
Tempel,  wo  wir  sie  doch  fordern  dürften,  solche  Angaben  macht, 
steht  sie  völlig  vereinzelt  da.  Soll  man  ihm  denn  wirklich  zutrauen, 
dass  er,  die  kunsthistorische  Bedeutung  der  Thatsache  wie  durch 
höhere  Eingebung  erkennend,  sich  gedrungen  fühlt  von  ihr  Zeug- 
niss  zu  geben?  So  viel  ich  sehe,  gibt  es  auch  eine  andere  ein- 
fachere Erklärung  dieser  überraschenden  Thatsache,  sie  hat  aber 
den  grossen  Nachtheil,  dass  sie  dem  kunstgeschichtlichen  Werthe 
der  beiden  Thalamoi  wesentlichen  Eintrag  thut.  Wir  gelangen  zu 
ihr  auf  einem  kleinen  Umweg,  indem  wir  uns  zuerst  die  Vorfrage 
stellen,  warum  denn  anlässlich  des  einen  Sieges  zwei  Thalamoi 
gestiftet  wurden.  Ein  Stück  der  Antwort  gibt  uns  Pausanias.  Es 
waren  ja  auch  zwei  Stifter,  der  Tyrann  von  Sikyon  und  der  Demos 
der  Sikyonier,  und  hinter  diesem  Dualismus  blickt  die  Stammes- 
verschiedenheit beider  deutlich  hervor.  Die  Orthagoriden  und  mit 
ihnen  der  Stamm  der  herrschenden  Aegialen  waren  lonier,  der 
übrige  Demos  Dorier.  Der  eine  Thalamos  war  also  dorischen, 
der  andere  jonischen  Ursprungs,  und  fand  dieser  Umstand  im  De- 
dicationsgedicht,  wie  wir  kaum  zweifeln  können,  seinen  Ausdruck, 
dann  hatte  Pausanias  billige  Gelegenheit  eine  Dummheit  zu  machen. 
Soll  er  sie  unbenutzt  gelassen  haben?  Mich  kostet  es  weit  weniger 
Ueberwindung  eine  solche  anzunehmen,  als  zu  glauben,  dorischer 
und  jonischer  Stil  seien  um  048  an  Werken  der  Tektonik  als  ge- 
messener Ausdruck  nationaler  Eigenart  gebräuchlich  gewesen,  wo- 


'*)  Ich  habe  während  eines  flüchtigen  Besuches  des  olympischen  Ausgra- 
bungsfeldes im  Jahre  1880  Geleg^enheit  genommen ,  den  Leitern  der  Expedition 
diese  meine  Anschauung  auszusprechen.  Die  Fundthatsachen  und  der  officielle 
Bericht  haben  mir  später  schweigend  Recht  gegeben. 


172 

gegen  beiläufig  gesagt  die  ganze  alte  Kunstgeschichte  spricht ,  am 
lautesten  die  Dädaliden  in  Sikyon  und  die  lonier  in  Sparta.  Wir 
können  uns  das  relativ  nahe  Verhältniss  jener  beiden  Mächte  am 
besten  vergegenwärtigen  durch  einen  eingehenderen  Vergleich  des 
Kypselebildschmuckes  mit  jenem  des  Thrones.  Ich  erinnere  zu- 
vörderst daran,  dass  ich  schon  oben  die  Identität  des  beiden  zu 
Grunde  liegenden  Principes  der  Anordnung  gezeigt  habe.  Dann 
möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  dass  auch  andere  alte  Dädaliden- 
werke  ihrem  Vorwurf  nach  ein  Anrecht  haben,  mit  bathykleischen 
verglichen  zu  werden.  So  die  grosse  Dioskurengruppe  des  Dipoinos 
und  Skyllis,  in  welcher  auch  Anaxis  und  Mnasinous  nicht  fehlten, 
dann  Herakles  und  Acheloos  von  Dontas  und  Dorykleidas,  und 
Herakles  und  Atlas  im  Hesperidengarten  von  Hegylos  und  Theokies. 
Völlig  gleiche  Vorwürfe  begegnen  wir  auf  beiden  Kunstwerken  nur 
sechsmal.     Es  sind: 

1.  Die    Leichenspiele  des  Pelias     4.  Achill  und  Memnon 

2.  Die  Kentaurenschlacht  5.  Herakles  und  die  Hydra 

3.  Parisurtheil  6.  Phineus  und  die  Boreaden 

In  anderer  Fassung  wiederholen   sich  die  gleichen  Vorwürfe: 

Thron  Kypsele 

1.  Atlas  1.  Atlas  und  Herakles 

2.  Perseus  und  Medusa  2.  Die  Verfolgung  des  Perseus 

3.  Herakles  und  die  Rinder  des      3.  Kampf  des  Herakles  mit  Ge- 

Geryoneus  ryoneus 

4.  Theseus  und  der  Minotaur  4.  Theseus  Siegeslied 

5.  Raub  der  Helena  durch  The-     5.  Befreiung   der  Helena    durch 

seus  und  Peirithoos  die  Tyndariden 

Das  Verhältniss  der  beiden  Columnen  zu  einander  ist  in  keiner 
Weise  ein  gegensätzliches,  sie  ergänzen  sich  vielmehr  gegenseitig 
aufs  beste  und  weisen  stets  auf  einen  geraeinsamen  Ursprung  zurück. 
Doch  ist  auch  mit  dieser  Aufzählung  die  Sachlage  noch  nicht  er- 
schöpfend geschildert.  Theseus'  Siegeslied  hat,  wie  ich  früher  zu 
zeigen  versucht  habe,  sein  Gegenstück  in  dem  sogenannten  Phaiaken- 
choros  des  Thrones,  und  zum  Kampf  mit  dem  dreileibigen  Geryo- 
neus  fand  sich  auch  hier  eine  typiscii  nahverwandte  Darstellung. 
Neben  den  vielen  Vasenbildern  des  gleichen  Inhaltes  habe  ich  den 
einmal  und  dazu  spät  vorkommenden  Typus  des  Kampfes  des 
Herakles  mit  einem  zweileibigen  Unhold  für  eine  Variation  des 
ersteren  angesprochen.    Diesem  Typus -begegnen  wir  auf  dem  Throne 


173 

wieder.  Die  zwei  zusammengewachsenen  Söhne  des  Aktor  hier 
zeueren  dafür,  dass  der  so  sehr  für  den  Dorismus  reclamirte  drei- 
leibige  Geryoneus  mit  seiner  Wurzel  in  gemeinsamem  Boden  ruht. 
Ein  typischer  Zusammenhang  der  Hochzeit  der  Harmonia  am  Throne 
mit  der  Peleus-  und  Thetishochzeit  der  Kypsele  steht  von  vorn- 
herein fest. 

Ich  breche  hier  ab,  so  verlockend  es  auch  wäre ,  den  Faden 
weiterzuspinnen  und  den  Gang  durch  dies  Labyrinth  fortzusetzen, 
um  mich  nach  dem  Ausgangspunkte  zurück  zu  wenden. 


II 

Der  zweite  Theil  der  Aufgabe,  welche  die  vorliegende  Studie 
sich  gestellt  hat,  besteht  in  dem  Versuche,  unser  Wissen  über  die 
Person  des  Meisters  von  Magnesia  zu  erweitern.  Der  Thronbau 
zu  Amyklä  allein  bietet  eine  volle  Rechtfertigung  des  stolzen 
Namens ,  dessen  Klang  die  ganze  hellenische  Welt  erfüllte ,  und 
lässt  das  Selbstgefühl  begreiflich  erscheinen,  mit  welchem  er  von 
sich  zeugte.  Ausser  seinem  schon  besprochenen  Selbstporträt  im 
Choros  kommen  noch  die  Werke  in  Betracht,  von  denen  Pausanias 
sagt,  sie  seien  dvaöriiuaTa  £Tr'  eHeipfacriuevai  tuj  Gpövuj  gewesen,  die 
Statuen  der  Chariten  und  der  Artemis  Leukophryne,  deren  Bild 
sich  bekanntlich  auf  den  Münzen  von  Magnesia  am  Mäander  wieder- 
findet. Man  kann  diesen  Ausdruck  ebensogut  auf  den  Choros  mit 
anwenden  und  diese  Reihe  von  Kunstwerken  spricht  dann  eine 
ebenso  deutliche  Sprache,  als  die  Thronstützen.  Es  wäre  nicht 
allzuschwer,  das  monumentale  Epigramm  in  ein  litterarisches  auf- 
zulösen ,  in  welchem  der  Name  des  Meisters  ,  seine  Heimat ,  seine 
Genossen  und  die  Hülfe  der  Chariten  in  ein  zierliches  Versepaar 
archaischer  Art  eingeschlossen  sein  müssten.  Dass  es  der  Meister 
selbst  unterliess,  ein  solches  zu  machen,  beweist  nur  wiederum, 
dass  die  TToiriaic;  nicht  von  allem  Anfang  reine  Poesie  gewesen  ist. 

Ich  will  nur  noch  nebenbei  hervorheben ,  dass  wir  keinen 
Grund  haben,  die  plastischen  Arbeiten  des  Meisters  auf  jene  Ana- 
themata zu  beschränken,  und  zwar  schon  darum  nicht,  weil  wir 
keinen  Grund  haben ,  ihm  die  Statue  des  amykläischen  Apoll  mit 
Pausanias  abzusprechen,  dem  sie  neben  dem  Thronschmuck  zu  alt 
und  kunstlos  für  Bathykles  erschien.  Aber  Pausanias,  der  der  Er- 
findung des  Erzgusses  durch  die  Samier  Rhoikos  und  Theodoros  so 


174 

oft  gedenkt,  berichtet  in  sehr  respectwidriger  Weise  über  die  eherne 
Nyx  des  Rhoikos  und  den  Zeus  des  Klearchos  von  Rhegion,  der 
gleichfalls  ein  Samier  gewesen  ist.  Wir  können  es  immer  von 
Neuem  sehen,  dass  die  Werke  der  Kleinkunst  jener  Tage  die  Be- 
wunderung derselben  nachfolgenden  Geschlechter  immer  wieder 
hervorriefen,  deren  Augen  fast  achtlos  an  den  statuarischen  Werken 
jener  Zeit  abglitten. 

Ob  ein  anderes  Werk  der  Kleinkunst,  von  dem  wir  jetzt 
handeln  wollen,  wirklich  von  unserem  Meister  herrührt,  wie  die 
Sage  behauptet,  oder  ob  es  völlig  apokryph  ist,  woran  man  kaum 
zweifeln  wird,  ist  für  unseren  Zweck  eine  müssige  Frage.  Die 
Nichtbeachtung  und  Nichtausnützung  der  Sage  selbst  rauss,  ganz 
abgesehen  von  solcher  Erwägung,  ein  Anklagepunkt  mehr  gegen 
die  landläufige  Historiographie  der  griechischen  Kunst  bleiben.  Es 
ist  die  bekannte  Geschichte  von  dem  goldenen  Dreifuss,  der  von 
Fischern  aus  dem  Meere  gezogen ,  auf  Geheiss  des  delphischen 
Orakels  nach  und  nach  zu  allen  sieben  Weisen  wandert,  bis  er 
schliesslich  dem  Gotte  zufällt.  Plutarch  fügt  seinem  Berichte  noch 
folgenden  Anhang  bei  ''■') :  Taöia  uev  ouv  uttö  nXeiövouv  TeGpuAniai, 
n\iiv  ÖTi  TÖ  bOupov  dvfi  tou  TpiTTobo<;  o'i  |nev  qpidXnv  uttö  KpoicTou 
7Te)aqp6ei(Jav ,  oi  be  TTOiripiGV  Ba0uK\e'ou(;  dTToXiTTOvroc;  eivai  AefOucTiv. 
Es  kommen  also  zwei  Preisgefässe  in  Concurrenz,  das  eine  stiftet 
Krösos,  dem  die  Frage,  wer  der  Weiseste  zu  nennen  sei,  ebensogut 
zuzutrauen  ist,  wie  die  parallele  nach  dem  Glücklichsten,  und  das 
andere  stammt  aus  dem  Nachlasse  eines  Sonderlings ,  der  auf  die 
Beantwortung  der  Frage  jedenfalls  nicht  neugierig  war.  Und  da 
ein  solcher  Schätzer  der  Weisheit  doch  irgendwo  zu  Hause  ge- 
wesen sein  musste,  so  setzte  man  ihn  nach  Arkadien.  Dieser 
Arkadier  Bathykles  ist  weitaus  bekannter  geworden,  als  sein  Namens- 
vetter aus  Magnesia'"')  oder  sagen  wir  lieber,  als  Arkadier  ist  der 


'")  Solon  4, 

'»)  Plutarch  .fept.  aap.  Com.  13;  Diog.  Laert.  I  7;  Athen.  XI  781  d.  Als 
Vorbild  für  die  Localisirung  raag  folgendes  Epigramm  gelten,  das  auf  dem  Grub- 
mal eines  Arkadiers  aus  Pbigalia  stand  und  Athenäus  XI  465  nach  dem  Lepreaten 
Harmodios  überliefert: 

TTuGta  |Livf||aa  xöh'  tox',  öfuGoö  Kai  öiüqppovo«;  (ivbpöc;, 

öc;  KuXiKUJv  ioy^^w  n\f\Qoc,  äireipeöiov 

öpTupeaiv  xpuöoö  xe  koI  r)\^Kxpoio  qpaeivoö, 

xOuv  irpoxepujv  ttövxujv  irXeiova  iraadiuevot;. 
Der  Stil  des  Epigramms,    vor  Allem    die    Formel    dyaOGÖ    Kai    öiOqppovo^   ävbpö«; 
weist  bestimmt  auf  das  fi.  Jahrhundert,  vergl.  Kaibel  j^p.  j?-.  2— 4.  —  Auch  die  Sache 


175 

grosse  Künstler  aus  Magnesia  bekannter  geworden.  Denn  so  sicher, 
wie  die  cpidXr)  des  Krösos  dem  rroTripiov  des  Bathykles  zum  Ver- 
wechseln älinlich  sah,  war  auch  der  Arkader  dem  Magneten,  um 
einen  plinianischen  Ausdruck  zu  gebrauchen,  fade  quoque.  mdiscreta 
similis.  Die  ursprüngliche  Fassung  der  Bechersage  blickt  deutlich 
genug  durch  alle  ihre  Carricaturen  hindurch,  eine  hellenische  Form 
der  Mähr  vom  König  in  Thule.  Der  König  in  Thule  ist  Krösos, 
den  goldenen  Becher  hinterliess  ihm  scheidend  sein  kunstreicher 
Unterthan,  und  weil  man  später  weder  den  Grund  des  Scheidens 
noch  den  Zusammenhang  mehr  kannte,  so  Hess  man  diesen  unbe- 
quemen Mann  einfach  sterben.  Aus  der  früher  erwähnten  Erzäh- 
lung des  Herodot  aber  lassen  sich  die  ursprünglichen  Umrisse 
weiter  ergänzen.  Wenn  die  Spartaner  für  ihr  Anathem  das  Gold 
von  Krösos  geschenkt  erhalten,  wenn  der  Meister,  der  diesem  Golde 
die  Form  gibt,  aus  dem  Reich,  ja  vom  Hofe  des  Krösos  nach 
Sparta  kommt,  da  liegt  ja  nichts  näher,  als  anzunehmen,  dass  jene 
spartanische  Gesandtschaft  zugleich  mit  dem  Golde  auch  Bathykles 
als  ein  gleich  kostbares  Geschenk  des  Königs  nach  Hause  brachte. 
Damit  ist  jener  Moment  gegeben,  den  die  Sage  brauchte,  um  ihren 
Becher,  dem  sie  das  kostbarste  Material  und  den  grossen  Künstler 
freigebig  verlieh,  noch  die  letzte  Weihe  zu  ertheilen,  die  ihn  für 
den  Rundgang  bei  den  sieben  Weisen  tauglich  machte"'). 

Man  hat  schon  früher  Bathykles  mit  Krösos  in  Verbindung 
gedacht  und  zwar  einerseits  auf  Grund  jenes  Goldgeschenkes  des 
Krösos  an  die  Spartaner  und  andererseits  der  Heimat  des  Künstlers. 
Doch  meinte  man  den  Grund  der  Auswanderung  unseres  Meisters 
in  dem  Sturze  des  lydischen  Reiches  suchen  zu  sollen.  Gerade 
dagegen  spricht  nun  die  Bechersage,  welche  auf  einer  anderen, 
völlig  mit  der  herodoteischen  Ueberlieferung  stimmenden  Voraus- 
setzung beruht.     Wenn    also    demnach    dei'  Beginn    der  Thätigkeit 


selbst  erklärt  sich  ans  deu  ökonomischen  Verhältnissen  dieser  Zeit  heraus,  in  der 
das  verarbeitete  Edelmetall  noch  grossentheils  die  Rolle  des  gemünzten  spielt. 
Der  Reichthum  des  Maiandrios  von  Samos ,  mit  dem  er  in  Sparta  prunkt ,  besteht 
gleichfalls  in  seiner  Bechersammlung,  Herod.  III  148. 

^')  Dieser  letzte  Zug  ist  freilich  eine  starke  Abweichung  von  dem  Schema 
des  Thulebechers,  der  gar  keinen  würdigen  Erben  finden  kann  —  während  das  hier 
nur  bedeutende  Schwierigkeiten  hat  —  und  deswegen  ins  Meer  muss.  Aber  was  für 
einen  Sinn  hat  denn  die  andere  Version,  dass  das  Ehrengeschenk  aus  dem  Meere 
heraufgeholt  wird?  Sie  wird  sofort  als  ein  anpassendes  Fragment  kenntlich,  sobald 
man  diese  nach  ihrem  Typus  ergänzt. 


176 

des  Bathykles  in  Sparta  nach  Olymp.  55,  1  und  vor  Olymp.  58,  3 
anzusetzen  ist,  so  kann  noch  ein  bedeutender  Theil  seines  Wirkens 
in  Kleinasien  sich  unter  Alyattes  abgespielt  haben ;  dann  haben  wir 
für  seine  Zeitbestimmung  den  ungefähren  Ansatz  vom  Ende  der 
40er  bis  zu  dem  der  50er  Olympiaden  gewonnen.  Das  wäre 
ziemlich  gleichbedeutend  mit  dem  von  uns  früher  gefundenen  Zeitan- 
satz für  Dipoinos  und  Skyllis.  Bathykles  ist  aber  nicht  der  einzige 
Vertreter  der  jonischen  Kunst  in  dieser  Zeit,  wohl  aber  trotz  seines 
Magnetenchores  der  einzige  Festländische  unter  lauter  Nesioten. 
Glaukos  von  Chios  mag  vielleicht  etwas  älter  gewesen  sein,  wie  man 
aus  den  Ivjbapia  Kai  ctXXa  Tiva  l(uvq)ia  Kai  qpuidpia  seines  delphischen 
Hypokraterions  schliessen  kann,  die  den  sogenannten  orientalisiren- 
den  Vasen  mit  ihren  Thierfiguren  und  Pflanzenornamenten  entsprach, 
seine  Zeit  muss  aber  doch  nach  Alyattes  und  nicht  mit  Eusebios 
Chron.  auf  Olymp.  22  angesetzt  werden.  Von  der  Generation  der 
chiotischen  Marmorbildhauer  gehört  Archermos  bestimmt  dieser 
Periode  an ,  von  den  Naxiern  wird  Byzes  und  sein  Sohn  Euergos 
von  Pausanias  nach  Alyattes  fixirt.  Von  der  samischen  Künstler- 
familie ist  hier  der  Rhoikos  und  Theodoros  voraufgehenden  Gene- 
ration zu  gedenken,  des  Philaios  und  Telekles.  Der  letzte  Name 
klingt  in  diesem  Zusammenhang  gar  bedeutsam,  sein  Zusammen- 
stimmen mit  dem  unseres  Meisters  kann  kaum  Zufall  sein.  Bathykles 
und  Telekles,  das  hört  sich  an  wie  Polyklet  und  Periklet,  wie 
Lysippos  und  Lysistratos,  und  der  Hochklaug  seines  Namens  weist 
ja  schon  von  Haus  aus  auf  ein  ahncnstolzes  Künstlergeschlecht, 
Im  Dienste  des  Krösos  treffen  wir  neben  Bath3'kles  vor  allem  die 
Samier  und  in  Sparta  treffen  wir  in  alter  Zeit  neben  der  Dädaliden- 
schule  ausser  unserem  Meister  nur  zwei  Jonier,  Theodoros  von 
Samos  und  Klearchos  von  Rhegion ,  und  dass  auch  dieser  ein 
Samier  war,  hat  sich  uns  bereits  bei  früherer  Gelegenheit  klar 
gezeigt.  Die  Schwierigkeit,  die  das  Ethnikon  des  Bathykles  dem 
Versuch  entgegenstellt,  ihn  in  die  samische  Künstlerfamilie  einzu- 
reihen, ist  lange  nicht  so  gross,  als  die,  ihn  ausser  allen  Zusammen- 
hang, nur  aus  sich  heraus  erfassen  zu  wollen,  und  wie  wenig  sie 
eigentlich  besagen  will,  lehrt  fast  jedes  Blatt  unserer  Künstler- 
geschichte. Ich  sehe  zu  ihrer  Lösung  zwei  Wege  führen.  Man 
kann  die  Annahme  nicht  allzu  kühn  finden,  dass  die  Samier,  die 
sich  mit  den  Ephesiern  in  den  Besitz  des  zwischen  ihnen  liegenden 
Strandgebietes  theilten  (Strabo  XIV  p.  639),  die  Erzlager  des  so  nahe 
gelegenen  Magnesia  ausgebeutet  haben ,    ihre    so   hoch  entwickelte 


111 

Metallindustrie  war  ja  darauf  direct  angewiesen;  man  könnte  aber 
auch  umgekehrt  annehmen,  dass  jene  grosse  Künstlerfamilie,  die 
gerade  in  der  Entwicklung  der  Metalltechnik  eine  so  hervorragende 
Rolle  einnimmt,  vom  Festlande  herstamme  und  erst  durch  die 
grossen  Aufgaben,  die  ihr  Samos  gestellt  habe,  dort  heimisch  ge- 
worden sei.  Wahrscheinlicher  aber  dürfte  die  Lösung  in  der  zuerst 
angedeuteten  Richtung  liegen,  auf  die  auch  anderweitige  Erwägungen 
hinweisen.  Ich  will  nicht  allzuviel  Werth  darauf  legen,  dass  der 
Name  des  Bathykles  im  Verzeichniss  der  berühmten  Magneten  bei 
Strabo  XIV  1,  41  fehlt,  wohl  aber  daraufhinweisen,  dass  Magnesia 
zu  dieser  Zeit  in  der  Gewalt  der  Ephesier  gewesen  ist,  wie  Strabo 
mit  Berufung  auf  die  Dichtungen  des  Kallinos  und  Archilochos 
XIV  1,  40  und  ausser  ihm  noch  Athenäus  p.  525  und  Diogenes 
Laertius  I  117  u.  118  berichten.  Mit  Ephesos  aber  stand  die  alt- 
samische  Künstlerschule  in  guter  Beziehung.  Wenn  ich  auch  die 
Geschichte  vom  weisen  Rath,  den  Theodoros  bezüglich  der  Funda- 
mentirung  des  Artemisions  gab,  für  eine  Sage  halten  möchte,  so 
gut  wie  die  von  der  Entdeckung  des  Steinbruches  durch  den  Hirten 
Pixodaros  oder  von  dem  nächtlichen  Wunder,  das  am  grossen 
Thürbalken  geschah,  und  auch  die  Nachricht,  dass  Theodoros  die 
eine  Hälfte  seines  samischen  Apolls  in  Ephesos  gemacht  habe,  nicht 
nutzen  will,  so  bezeugt  dies  doch  die  eherne  Nyx  des  Rhoikos  im 
Artemision  deutlich  genug.  In  welch  anderem  Licht  erscheint  unter 
dieser  Annahme  der  Scherz  des  Schicksals,  welches  das  Gegen- 
geschenk an  Krösos  für  die  Gabe  zum  amykläischen  Thronbau, 
das  grosse  eherne  Mischgefäss  mit  verziertem  Lippenrand,  den 
Samiern  in  die  Hände  gespielt  hat*^-).  Wie  es  sich  mit  dieser  be- 
denklichen Acquisition  auch  verhalten  haben  mag,  des  einen  glaube 
ich  sicher  zu  sein ,  dass  die  Samier  dieses  Prachtstück  nicht  als 
eine  Probe  „altspartanischer  Erzbildnerei"  ins  Heraion  gestellt  haben, 
wie  es  in  unseren  Handbüchern  aufgeführt  wird.  Es  gehörte  in 
gewissem  Sinne  zur  Gruppe  jener  Werke,  die  als  dvaGniiiaTa  in 
eEeipYCxcTiuevuj  tuj  öpövuj  erwähnt  werden,  und  mag  leicht  von  den- 
selben Händen  herrühren,  jedenfalls  war  es  ein  Product  der  Thätig- 
keit  der  samisch-jonischen  Erzarbeiterschule  in  Lakonien. 

Wir  müssen  nun  die  samische  Künstlerschule,  in  welche  wir 
unseren  Meister  Bathykles  einreihen,  ein  wenig  näher  ins  Auge 
fassen.     Der  heftige  Streit,    der   hier   um  die  Grundfragen  geführt 


")  Herod.  I  70  u.  III  74,  vergl.  Urlichs  rli.  Mus.  X  S.  18. 
Arciiäologisch-epigrapbische  Mittk.  IX.  ]^2 


178 

wird,  mag  zum  Betreten  dieses  Gebietes  nicht  gerade  einladen, 
indess  scheint  er  sich  doch  seinem  Ende  zu  nahen,  und  die  Haupt- 
umrisse eines  sicheren  Ergebnisses  beginnen  allgemach  aus  dem 
Nebelgewirre  von  Hypothesen  herauszutreten.  Wir  kennen  die 
Trümmer  zweier  samischer  Künstlergenerationen.  Ich  habe  an 
anderer  Stelle  darauf  hingewiesen,  dass  der  Gemmenschneider 
Mnesarchos,  der  Vater  des  Philosophen  Pythagoras,  und  der  muth- 
massliche  Vater  des  Bildhauers  Pythagoras  Klearchos  einem  Ge- 
schlechte angehören,  von  dem  zweiten  kennen  wir  die  beiden  eng- 
verbundenen Namen  des  Rhoikos  und  Theodoros  und  ihrer  Väter 
Philaios  und  Telekles,  während  die  Art  der  Verbindung  dieser  wie 
jener  hypothetisch  bleibt.  Möglich  wäre  auch  die  Annahme,  dass 
dies  Trümmer  eines  einzigen  Stammbaumes  seien,  es  muss  aber 
genügen,  darauf  hinzuweisen,  dass  ein  geistiges  Band  sie  beide 
umschlingt.  Dass  der  Vater  des  grossen  samischen  Philosophen 
Gemmen  schnitt,  glaubte  eine  spätere  Zeit  damit  entschuldigen  zu 
müssen,  dass  er  es  mehr  der  Ehre  als  des  Geldes  wegen  gethan 
habe,  Theodoros  aber,  den  man  den  Ring  des  Polykrates  im  Alter- 
thum  wie  in  neuerer  Zeit  aus  gleichem  Grunde  nur  fassen  Hess, 
hat  sich,  wie  man  jetzt  weiss,  in  seinem  Selbstporträt  mit  einer 
Gemme  in  der  Hand  dargestellt.  Und  die  Geistesrichtung  des 
Sohnes  des  Mnesarchos,  sie  wird  genetisch  erst  vollbegreiflich, 
wenn  man  sich  erinnert  an  das  alte  Kunstbüchlein,  die  r\  toO  ved) 
TToiricriq ,  das  unter  Theodoros  Namen  ging,  und  die  verwandte 
architektonische  Literatur.  Von  Maass  und  Zahl,  von  Harmonie 
und  Ordnung  ist  hier  die  Rede  gewesen  und  von  manch  anderem, 
was  an  die  Lehre,  ja  sogar  an  den  Lehrsatz  des  Pythagoras  an- 
geklungen haben  mag. 

Ueber  jenes  alte  Kunstbüchlein  und  seinen  muthmaasslichen 
Autor  möchte  ich  mir  noch  ein  paar  Worte  erlauben.  Es  wird  von 
Pollux  X  188  mit  den  Worten  erwähnt:  r\  toö  vcuj  TToir|cri^,  t^v  r| 
0iXujv  Y\  Qeohixjpoc,  cruveöriKe.  Von  beiden  Autoren  kannte  das  Alter- 
thum  authentische  Schriften.  In  der  Vorrede  zum  7.  Buch  zählt 
Vitruv  von  Theodoros  ein  Buch  über  den  samischen  Tempel  und 
von  Philon  zwei  Werke  auf:  de  aedium  sacrarum  symmelriis  und 
de  armanientario  quod  fecerat  Piraeei.  portti.  Wäre  aber  ein  Schwanken 
zwischen  diesen  beiden  Namen  möglich  gewesen,  so  hätte  eine  Ent- 
scheidung leicht  gefällt  werden  können,  aber  es  ist  doch  kaum  zu 
übersehen,  dass  eine  solche  Fragestellung  geradeso  denkbar  ist,  als 
etwa  eine  Controverse,    ob    irgend    eine  Figur  von  Dipoiuos    oder 


170 

dem  jüngeren  Kephisodot  herrühre.  Das  Widersinnige  dieser  Alter- 
native hat  Brunn  gewiss  empfunden,  als  er  ihr  die  Frage  anfügte: 
Sollte  also  etwa  Philo  einen  solchen  Commentar  zu  den  Regeln  des 
Theodoros  geschrieben  haben?  Aber  heute  erscheint  uns  diese  Zu- 
rauthung  wohl  recht  seltsam.  Weit  eher  wäre  doch  daran  zu 
denken,  dass  der  Name  des  Meisters  der  piräischen  Hoplothek,  der 
ja  dem  des  alten  Samiers  nicht  voraufgehen  kann,  einfach  ver- 
dorben ist.  Und  die  Verbesserung  liegt  so  nahe.  Theodoros  er- 
scheint so  oft  in  der  Verbindung  mit  Rhoikos,  dem  Sohne  des 
Philaios.  Für  diesen  letzteren  treffen  alle  Bedingungen  zu,  die  für 
Philo  fehlen  und  die  Aenderung  ist  gewiss  unbedenklich.  Schade 
nur,  dass  wir  von  Philaios  gar  nichts  weiter  wissen,  er  gehört  zu 
jenen  Künstlern,  deren  Name  nur  im  Genitiv  vorkommt.  Ich  glaube 
aber,  das  ist  doch  auch  ein  wenig  unsere  Schuld,  denn  so  viel  ich 
sehe,  ist  von  ihm  bei  Vitruv  die  Rede,  jetzt  freilich  nur  mehr  im 
kritischen  Apparat,  aber  früher  stand  er  unerkannt  im  Texte  selbst. 
Im  12.  Capitel  des  ersten  Buches  führt  Vitruv  für  seine  Aus- 
einandersetzung übei'  die  Nothwendigkeit  der  gründlichen  Bildung 
eines  Architekten  eine  Autorität  an,  die  durch  ihr  Alter  dem  Leser 
imponiren  soll,  wenn  er  selbst  ihr  auch  nicht  ganz  beistimmt: 
ideoque  de  veteribus  architectis  Pytheos,  qui  Prienae  aedem  Minervae 
nohiliter  est  architectatns,  ail  in  suis  commentariis  architectum  omnibus 
artihus  et  doctrinis  -plus  oportere  posse  facere  quam  qui  singulas  res 
suis  industriis  et  exercitationibus  ad  summani  claritatem  perduxerunt 
Als  antiqui  architecii,  welche  gegen  den  dorischen  Stil  aufgetreten 
seien,  bezeichnet  er  IV  3  Tarchesios  Pytheus  und  Hermogenes''^). 


*')  Dass  man  den  erstgenannten  mit  Recht  mit  dem  VII  praef.  12  genannten 
Angelios,  der  über  die  korinthische  Ordnung  schrieb,  identificirt  hat,  möchte  ich 
bezweifehi,  denn  dass  schlechte  Handschriften  an  unserer  Stelle  die  Leseart 
archesius  bieten,  ist  doch  von  keiner  Bedeutung.  Bezüglich  der  Zeitbestimmung 
des  Hermogenes  hat  Brunn  Kstl.  II  359  den  terminus  post  quem  aus  der  Notiz  bei 
Strabo  über  die  Verlegung  der  Stadt  Magnesia  erschliessen  wollen,  da  der  Tempel 
der  Leukophryne,  den  Hermogenes  erbaut  hatte,  in  der  Neustadt  lag,  die  erst  in 
nachthemistokleischer  Zeit  entstanden  war.  Ich  halte  den  Schluss,  so  naheliegend 
er  scheint,  für  sehr  wenig  zwingend.  Der  Tempel  konnte  von  Anfang  an  ebenso 
gut  weit  ab  von  der  Stadt  angelegt  worden  sein,  als  das  Astemision  von  Ephesos, 
das  nach  der  Angabe  Herodots  (I  26)  7  Stadien  von  der  Altstadt  lag  und  ebenso 
gut  wie  da  die  Neustadt  (Strabo  XIV  p.  640)  zum  Tempel  hinrückte,  mochte  Neu- 
Magnesia  seinem  Hauptheiligthume  nachrücken.  Was  wir  sonst  von  diesem  be- 
rühmten Architekten  erfahren,  der  nach  Vitruv  den  Pseudodipteralbau  erfunden  haben 
soll,  lässt  ihn  am  besten    neben  Rhoikos    und  Theodoros,    neben  Chersiphron    und 

12* 


180 

In  der  Einleitung  zum  7.  Buche  kehrt  der  Meister  des  Tempels  zu 
Priene  wieder,  da  heisst  es  aber:  de fano  Minervas  quod  ent  Prienae 
jonicum  Phileos  (edidit  volumen).  Eine  Entscheidung  über  die  rich- 
tige Leseart,  auf  diese  drei  Stellen  beschränkt,  würde  zu  Gunsten 
der  letzteren  ausfallen  müssen.  Sie  ist  die  schwerere,  als  Ausgangs- 
punkt der  beiden  anderen  voll  begreifliche.  Nun  hat  man  aber  den 
Namen  unseres  Meisters  in  der  letzterwähnten  Stelle  noch  einmal 
finden  wollen.  Nachdem  Vitruv  noch  den  Iktinos  und  Karpion 
erwähnt,  diesem  den  Theodoros  von  Phokis,  dann  Philon  Hermogenes 
und  Argelius  anfügt,  nennt  er  die  Meister  des  Mausoleums  Satyros 
und  Phiteus,  und  preist  sie,  dass  sie  in  der  Blüthezeit  der  Kunst 
gelebt  haben.  Dass  dieser  Pytheus  mit  dem  Pythis  vom  Mausoleum 
(Plin.  36,  31)  identisch  ist,  kann  man  kaum  bezweifeln.  Schwer 
verständlich  aber  bleibt  es,  wie  man  hier  an  eine  Identificirung  mit 
dem  oben  genannten  Phileos  denken  konnte.  Die  Dedications- 
inschrift  des  Athenatempels  von  Priene,  die  Alexander  den  Grossen 
als  Stifter  nennt,  führt  zeitlich  freilich  nicht  allzuweit  vom  Mauso- 
leum ab  '^*).     Aber  Vitruv's  Phileos    kann  ja  der  Meister  des  alten 


Metagenes  begreiflich  erscheinen.  Der  Cult  der  Artemis  Leukophryne  in  Magnesia 
mit  seinem  dem  epbesischen  so  völlig  ähnlichen  Bilde  scheint  direct  von  diesem 
abhängig  zu  sein,  ein  Umstand,  den  die  politische  Abhängigkeit  ungesucht  erklären 
würde.  Seine  alte  Bedeutung  beweist  ausser  dem  Anathem  des  Bathykles  auch 
das  Gedicht  des  Anakreon  Bergk.  1.  Strabos  Bewunderung  des  magnesischen  Arte- 
misions, er  stellt  es  als  Kunstwerk  im  selben  Sinne  über  das  ephesische,  wie  er 
die  Hera  Polyklets  über  die  Meisterwerke  des  Phidias  stellt,  wird  bei  dem  frühen 
Zeitansatze  nur  erklärlicher.  Ein  Neubau  ist  kaum  vorauszusetzen,  da  Magnesia 
beim  jonischen  Aufstand  nicht  betheiligt  erscheint  und  wohl  ebensowenig  ins  Mit- 
leiden gezogen  ward  als  Ephesos. 

Für  die  Datirung  des  zweiten  von  Vitruv  erwähnten  Werkes,  des  Mono- 
pteros,  den  Hermogenes  zu  Teos  schuf  und  gleichfalls  beschrieb ,  scheint  die  Aus- 
wanderung der  Teier  nach  Abdera  in  Folge  der  Eroberung  Vorderasiens  durch  die 
Perser  einen  Anhaltspunkt  zu  bieten.  Gleich  ihnen  verliessen  auch  die  Phokäer 
die  Heimat,  deren  Athenatempel  von  Harpagos  in  Brand  gesteckt  und  halb  zerstört 
noch  in  späten  Zeiten  als  ein  Wunderwerk  galt  (Paus.  H  31,  9.  VII  5,  2).  In 
jene  Periode  der  höchsten  nationalen  Blüthe  Joniens,  an  welcher  die  Heimat  Ana- 
kreons  ihren  vollen  Antheil  hatte,  passt  dieser  kühne  Bau  (über  seine  Anordnung 
Lorentzen  Ann.  1855  S.  72)  besser  hinein  als  in  irgend  welche  andere.  Gerade  da 
wird  die  Jonisirung  des  zum  dorischen  Bau  hergerichteten  Materials  (ein  sicherer, 
gewiss  vom  Meister  in  seiner  Schrift  überlieferter  Zug)  erst  voll  verständlich, 

'^)  Es  ist  für  die  Art,  wie  die  griechische  Kunstgeschichte  derzeit  gemacht 
wird,  scharf  bezeichnend ,  dass  die  Sculpturenreste  des  Tempels  von  Priene  bei 
Overbeck  3.  Aufl.  S.  101,  dieser  Hypothese  zu  Liebe  völlig  mit  denen  vom  Mauso- 
leum zusammenstimmen,  mit  denen  sie  gar  niclits  genuin  haben,  vergl.  Furtwängler 
Arch.  Ztg.   löbl  S.aOG. 


181 

im  jonischen  Aufstand  zertörten  Tempels  sein.  Dass  er  kein  ge- 
ringerer als  der  Vater  des  Rhoikos  ist,  der  als  OiXeuu  bei  Herodot 
und  als  0i\aiou  bei  Pausanias  erscheint,  dünkt  mich  kaum  zweifel- 
haft. Sein  Buch  über  den  Tempel  von  Priene  wird  aber  die  f]  toO 
ved)  TTOiricTK^  gewesen  sein. 

An  jene  Fülle  gewaltiger  Tempelbauten,  die  das  6.  Jahr- 
hundert an  der  kleinasiatischen  Küste  hervorrief  und  die  trotz  alle- 
dem ^  was  über  sie  hinweggegangen  war,  noch  in  späte  Tage  als 
mächtige  Denkzeichen  einer  Vorzeit  hineinragten,  deren  Grösse  und 
Kühnheit  sie  versinnlichten,  schloss  sich  eine  Literatur  an,  die  als 
Begleiterscheinung  jenes  grossen  Phänomens  unser  volles  Interesse 
beanspruchen  darf.  Ihre  Entstehung  verdankt  sie  zunächst  dem 
praktischen  Bedürfniss.  Der  Bauplan  musste  in  allgemeinen  Zügen 
erst  festgestellt  werden,  ehe  das  Werk  begonnen  ward.  Er  musste 
sichergestellt  werden,  um  allenfalls  auch  seinen  Urheber  überleben 
zu  können.  Er  vertrat  zunächst  die  Rolle  des  Hülfsmodells  und 
wie  in  jener  Epoche  der  Sphyrelatonplastik  der  Holzkern  seine  Rolle 
nicht  ausgespielt  hatte,  wenn  seine  Formen  dem  Erze  aufgehämmert 
waren,  so  hatte  der  Bauplan  mit  der  Erfüllung  seines  nächsten 
Zweckes  seine  Existenzberechtigung  nicht  verloren.  Die  Ueber- 
lieferung  bedurfte  seiner ,  sie  konnte  ja  den  Monumentalbau  selbst 
nicht  von  Hand  zu  Hand  weiter  geben,  und  andererseits  musste 
der  Meister ,  dem  hier  die  Signatur  versagt  blieb ,  das  Mittel  der 
Veröffentlichung  ergreifen,  um  nicht  hinter  seinem  Werk  zu  ver- 
schwinden. Der  Choros  des  Bathykles  und  was  wir  dabei  mit  be- 
trachtet haben,  konnte  uns  zeigen,  wie  empfänglich  die  alten  Meister 
gerade  für  solche  Erwägung  waren. 

Als  ein  in  der  Hauptsache  völlig  mit  jenen  Tempeleditionen 
Zusammenzuhaltendes  möchte  ich  das  Bild  nennen,  welches  der 
Samier  Mandrokles  ins  Heraion  zur  Erinnerung  an  seine  Ueber- 
brückung  des  Bosporus  geweiht  und  mit  gar  stolzen  Versen  ver- 
sehen hatte.  Dass  dies  ephemere  Werk  einer  solchen  Sicherung 
mehr  bedurfte,  braucht  dabei  nicht  übersehen  zu  werden.  Der 
Meister  war  ein  jüngerer  Zeitgenosse  des  Theodoros.  Sein  Name 
ruft  vielleicht  nicht  auffällig  die  Erinnerung  an  einen  anderen 
sprichwörtlich  berühmten  hervor,  der  für  die  samische  Metallindustrie 
nicht  gleichgültig  ist^^). 


''^)    Mandrobulos,    der   Entdecker   der    samischen   Erzlager.     Sein   Weihge- 
schenk für  den  Fund,  ein  goldener,  ein  silberner  und  ein  eherner  Widder,    hatten 


182 

Was  wir  noch  von  Fragen,  die  die  samisehe  Knnstschule  be- 
treffen, zu  erörtern  haben,  können  wir  am  einfachsten  an  eine  Be- 
sprechung der  Nachrichten  über  Theodoros    und    seine  Werke  an- 
knüpfen.    In   ihm   gipfelt   die   ganze  Schule    und   die  Meister,    die 
neben  ihm  erscheinen,    erscheinen   so    gut  wie   nie   für  sich  allein. 
Ich    muss    in    der  Aufzählung   seiner  Thaten    zunächst   mit   seinen 
Erfindungen  beginnen,    die   freilich  mehr  der  Künstlersage  als  der 
Kunstgeschichte  angehören,  ihm  aber  doch  in  derselben  ^^)  das  Prä- 
dicat  des    erfindungsreichen    verschafft    haben.     Wie    Plinius    dazu 
kam,  die  Erfindung  der  Thonplastik  Rhoikos  und  Theodoros  allein 
zuzuschreiben,  wissen  wir;    auf  welche  Autoritäten  hin  er  sich  be- 
wogen fand,  dem  Theodoros  das  Patent  für  Winkelmaass,  Setzwage, 
Zirkel  und  Schlüssel  zu  ertheilen,    interessirt   uns  hier  sehr  wenig. 
Von  der  Entdeckung  des  Verfahrens,  einen  feuchten  Grund  auszu- 
trocknen ,    habe  ich  schon  gesprochen,   und  so  bleibt  uns  demnach 
nur   noch   von   der   ihm   mit   Rhoikos   gemeinsamen  Erfindung   des 
Erzgusses  zu  handeln.     Vor   allem   steht    die  Thatsache  fest,    dass 
derselbe    viele   Jahrhunderte    vor    den    beiden    samischen   Meistern 
schon  erfunden  war,    er    brauchte   nur  aus  dem  Orient  herüberge- 
nommen zu  werden.     Nun    haben  ja  nach  der  schönen  Geschichte 
von  den    zwei  Hälften    des    samischen  Apollobildes  Theodoros  und 
Telekles  ihre  ganze    plastische   Kunst   aus  Aegypten   her  bezogen, 
sonderbarer  Weise  aber  sind  sie  gerade  im  Punkte   des  Erzgusses 
so  ziemlich  auf  dem  alten  Standpunkt  geblieben. 

Pausanias  ist  der  einzige,  der  diese  Erfindung  ausdrücklich 
erwähnt,  dass  er  es  dreimal  thut,  bezeugt,  dass  er  felsenfest  daran 
glaubt  und  das  ist  um  so  anerkennenswerther,  als  er  doch  zugleich 
mit  grossem  Freimuthe  gesteht,  dass  er  von  Theodoros  kein  Erz- 
werk kennt  und  dass  das  einzige  von  Rhoikos,  welches  er  selbst 
gesehen,  zu  dem  allerprimitivsten  gehöre,  was  es  nur  gebe*^').  Dazu 
passirt  es  ihm  noch,    dass   er  sich  in  ganz   ähnlicher  Weise  über 


doch  wohl  ursprünglich  den  Sinn ,  für  die  sämmtlichen  gefundenen  Metalle  zu  re- 
präsentiren.  Die  populär  gewordene  Auffassung,  die  sie  für  ein  Sinnbild  der  all- 
mähligen  Verschlechterung  auffasste,  geht  auf  Ephoros  zurück.  Vergl.  Müller  Fr. 
hiat.  gr.  I  p.  276.  Bei  Aelian  Eist.  Anim.  XII  40  wird  für  das  goldene  Thier  eine 
andere  Dedicationsursache  nach  Aristoteles  erzählt:  Ein  Scliaf  habe  auf  die  Spur 
zur  Wiederaufündung  von  gestohlenem  Golde  geführt,  was  nichts  weiter  als  eine 
Verballhornung  des  echten  Fundberichtes  ist. 

»«)  Brunn  II  388. 

")  X  38,  6.     Dcmioch  datirt  er  nach  dieser  Erfindung  IX  41,  1. 


183 

den  spartanischen  Zeus  des  Klearchos  äussert,  ohne  zu  wissen, 
dass  er  in  diesem  Meister  einen  Nachfolger  jener  samischen  Erz- 
giesser  vor  sich  hat^**).  Plinius  hat  die  Nachricht  von  der  Erfin- 
dung wohl  gehört,  ihm  fehlt  aber  der  Glaube  und  er  macht  daher 
lieber  etwas  ganz  unsinniges  daraus,  dennoch  hilft  er  dem  Pausanias 
aus  der  Noth,  indem  er  das  erzgegossene  Selbstporträt  des  Theo- 
doros  erwähnt.  Dies  Selbstporträt,  das  wir  uns  kaum  anders  als 
eine  Kleinbronze  denken  werden ,  lehrt  doch  nur  soviel ,  dass  sie 
den  Erzguss  neben  der  Sphyrelatontechnik,  die  doch  immer  noch 
die  führende  Rolle  spielte,  bereits  angewandt  haben,  aber  gerade 
dieses  Nebeneinanderleben  und  Zusammenwirken  der  beiden  Tech- 
niken ist  auf  hellenischem  Boden  so  alt,  dass  es  kaum  angehen 
dürfte,  es  erst  von  Rhoikos  und  Theodoros  an  zu  datiren. 

Wie  ganz  anders  ist  die  CTiöripou  KÖWricTi^  als  persönliche  Er- 
findung des  Glaukos  von  Chios  bezeugt.  Herodot,  der  doch  von 
der  Kunst  des  Theodoros  eine  hohe  Vorstellung  hat  und  trotzdem 
von  dieser  epochemachenden  That  nichts  weiss,  sagt  bezüglich  des 
Glaukos:  bq  fuoOvo^  br)  TrdvTuuv  dvGpuuTrujv  cTibripou  KÖWrimv  eSeOpe. 
Man  möchte  bestimmt  glauben,  dass  Glaukos  durch  ein  Epigramm 
im  Stile  derjenigen  des  Euergos  und  Kleoitas  für  die  Erhaltung 
seines  sprichwörtlich  gewordenen  Ruhmes  gesorgt  habe.  Worin 
seine  Erfindung  bestand,  wissen  wir  seit  Michaelis  Auseiander- 
setzung  Arch.  Ztg.  1877  S.  156  genauer.  Darnach  kann  sie  nicht 
mehr  als  Vorstufe  zur  Erzgusstechnik  betrachtet  werden,  sondern 
als  ein  vereinzelt  "gebliebenes  Verfahren,  das  den  Erzguss  sicherlich 
eher  voraussetzte  als  ihn  vorbereitete.  Es  scheint  jedoch,  man  hat 
sich  schon  im  Alterthum  bezüglich  der  Bedeutung  dieser  rXauKOu 
Texvr)  geirrt  und  dann  nach  den  Erfindern  der  scheinbar  jüngeren 
Technik  gefragt.  Solche  Fragen  bleiben  nie  lange  unbeantwortet 
und  über  der  Antwort  wird   der  Chiote    dann    selbst    zum  Samier. 

Gehen  wir  nun  zur  Aufzählung  der  dem  Theodoros  zuge- 
schriebenen Werke  über,  so  beginnen  wir  billig  mit  seinen  Bauten. 
Sein  Antheil  am  Bau  des  samischen  Heratempels  ist  sonderbarer 
Weise  direct  gar  nicht  bezeugt  und  dennoch  unzweifelhaft.  Herodot 
erwähnt  Rhoikos  ausdrücklich  als  den  ersten  Architekten  des  He- 
raions ;  daSs  sein  Genosse  sein  Nachfolger  war,  geht  aus  der  Notiz 
des  Vitruv,  Theodoros  habe  über  dieses  Bauwerk  geschrieben,  klar 
hervor.     In  eigenthümlicher  Weise  hilft  Plinius  diesem  Mangel  ab; 

")  m  17, 6. 


184 

er  nennt  Rhoikos  und  Theodoros  und  mit  ihnen  als  dritten  Smilis, 
den  Schöpfer  des  Tempelbildes,  aber  als  Erbauer  des  lemnischen 
Labyrinthes.  Die  Ungereimtheiten  und  Seltsamkeiten,  die  er  von 
diesem  erzählt,  haben  schon  Urlichs  dazu  gebracht,  das  Ganze  für 
eine  Fabel  zu  erklären ,  während  Förster  den  Ausweg  noch  offen 
hält,  ,, geradezu  eine  Verwechslung  der  Baumeister  des  lemnischen 
Labyrinthes  mit  denen  des  samischen  Heraions''  anzunehmen.  Allein 
der  wirkliche  Thatbestand  blickt  durch  alle  Verwirrungen  so  deut- 
lich durch,  dass  seine  Aufzeigung,  wie  mir  wenigstens  scheint,  völlig 
im  Bereiche  der  Möglichkeit  liegt.  Im  36.  Buche  (90)  berichtet 
Plinius  in  seinem  Bericht  über  die  Weltwunder  in  unmittelbarem 
Anschlüsse  an  das  ägyptische  Labyrinth:  et  de  Cretico  labyrintlio 
satis  dictum  est.  Lenuiius  simiUs  Uli  coluinnis  tantum  CL  memoiahilior 
fuit,  quarum  in  officina  turhines  ita  lilraii  jpe'penderunt  ui.  piiero  cir- 
cumagente  tornarentur.  archifecti  fecere  Smilis  et  Rhoecus  et  Theo- 
doriis  indigenae   exsfantque  adlnic  reliquiae  eius. 

Nun  sind  Rhoikos  und  Theodoros,  auf  die  sich  das  indigenae 
bezieht,  bekanntlich    keine  Lemnier.     Der  Ausdruck   erinnert   aber 
an    die   Notiz  Herodots    über  Rhoikos    als    den    ersten  Baumeister 
des  samischen   Heraions,    den    er   als    emxtJupiQc;   bezeichnet.     Aber 
schon  vorher,  im  34.  Buche  (83),  hat  Plinius  von  diesem  Labyrinth 
vorläufige  Kunde  gegeben,  aber  da  ist  es  nicht  in  Lemnos,  sondern 
in  Samos.    Theodorus  qui  lahyrinthum  fecit  Saini  ipse  se  ex  aere  fudit 
und  dann  folgt  die  nähere  Beschreibung  des  Selbstporträts ,    deren 
schwere  Missverständnisse    durch    die    scharfsinnigen  Erörterungen 
Benndorfs  und  Löschckes  ihre  erheiternde  Lösung  gefunden  haben. 
Bezüglich  der  Discrepanz    mit    der   späteren  Ortsangabe    hat    man 
sich  seit  Otfried  Müller  durch  ein  Komma  vor  Samt  geholfen.  Man 
dachte  damals  noch  anders  von  unserem  Autor,    aber   ganz   abge- 
sehen   davon,    dass    diese  Art   der  Ortsangabe    zum    Selbstiioi trat 
nicht  passen  will,  da  für  ein  solches  keineswegs  monumentales  Werk 
die  Angabe,  wo  es  gemacht  wurde,  nicht  die,  wo  es  sich  befand,  ver- 
treten kann,  muss  doch  hier  eine  nähere  Bestimmung  des  Labyrinthes, 
von     dem  ja  noch  gar  nicht  die  Rede  war,  verlangt  werden.  In  den 
Schriftquellensammlungen  ist  das  freilich  nicht  nöthig,  da  kann  man 
beide  Stellen  in  umgekehrter  Folge   bequem  nebeneinander  stellen. 
Plinius  hat  sich  also  an  der  späteren  Stelle  geirrt.    Das  Labyrinth, 
das  die  einheimischen  Meister  gebaut  haben  und  dessen  Reste  noch 
zu  seiner  Zeit  bestanden,    war  zu  Samos.     Die  drei  Meisternamen 
aber   weisen    auf   die  Möglichkeit  einer  Identification  des  Heraions 


185 

mit  jenem  Labyrinth.  Die  Nennung  des  Heraions  erwarten  wir 
hier,  wie  durfte  es  unter  den  Weltwundern  neben  dem  ephesischen 
Artemision  fehlen?  Ich  citire  zur  Erhärtung  dieses  Anspruches  die 
Worte,  mit  denen  Herodot  die  Beschreibung  des  ägyptischen  La- 
byrinthes einleitet '^'•'):  Ei  jap  Tic,  xd  eE 'EXXrivuuv  xeixed  le  Kai  epTUJV 
ttTTÖbeEiv  (JuWo-ficTaiTG ,  eXdcrcrovoc^  ttövou  re  dv  Kai  barrdviic;  cpaveir) 
edvia  ToO  \aßupiv9ou  toutou'  Kaitoi  dHiöXoTÖq  je  Kai  6  ev  'Eqpeauj 
eaxi  viioc;  Kai  6  ev  Zduuj  und  diesen  letzteren  nennt  er  bekanntlich 
)ueTicrTO(;  ttüvtluv  vtiüuv  tüuv  niueiq  ib)nev.  Herodot  aber  bekennt  Plinius 
im  Index  zürn  36.  Buche  und  daselbst  79  als  einen  seiner  Autoren 
und  neben  ihm  Duris  von  Samos,  auf  den  die  baugeschichtliche 
Fabel  zurückgehen  mag.  Aber  die  Trümmer  des  Labyrinthes? 
Sie  zeugen  am  deutlichsten  für  unsere  Auffassung.  Wie  hätten 
diese,  die  doch  nicht  unbemerkt  bleiben  konnten,  nicht  Anlass 
geben  müssen,  vom  samischen  Labyrinth  mehr  zu  berichten,  und 
wir  hören  sonst  nichts,  als  was  wir  bei  Plinius  fanden.  Gegen  das 
Heraion  zeugen  sie  aber  nicht,  das  lehrt  uns  folgende  Aussage  des 
Pausanias •''"):  Auo  be  dXXouc;  ev  'lujvia  vaoij<;  eneXaßev  uttö  TTepcJuJv 
KaTaKauöiivai,  xöv  re  ev  IdjULU  Tf)(;  "Hpaq  Kai  ev  OuuKaia  Tr\c,  'AGrivd«;- 
9aö)ua  be  öjAwq  f\aav  Kai  uttö  toO  TTupö<g  XeXujuacTjue'voi. 

Das  zweite  Bauwerk,  das  wir  als  Schöpfung  des  Theodoros 
noch  zu  erwähnen  haben ,  ist  die  Skias  in  Sparta.  Wir  haben 
bereits  früher  den  Gesichtspunkt  betont,  von  dem  aus  diese  unser 
Interesse  in  Anspruch  nimmt,  sie  führt  den  Sohn  des  Telekles  die 
gleichen  Wege,  die  wir  Bathykles  ziehen  sahen.  Wenn  wir  damit 
und  mit  der  nochmaligen  Erwähnung  seiner  literarischen  Bethätigung 
von  den  Thaten  des  Architekten  Theodoros  Alles  berichtet  haben, 
was  wir  zuverlässig  wissen,  so  dürfen  wir  doch  auch  hinzufügen, 
dass  wir  uns  der  Lücke  in  unserem  Wissen  darum  nicht  minder 
klar  bewusst  sind.  Sie  durch  die  Künstlersage  auszufüllen,  muss  uns 
verwehrt  bleiben,  aber  in  dem  Bestreben  dieser  Sage,  den  Meister 
zum  Erfinder  der  Hauptstücke  des  Architekten  -Werkzeuges  zu 
machen,  ihm  die  Grundlegung  jenes  Artemisions  zuzuschreiben;,  an 
dem  sie  den  jouischen  Stil  erstehen  Hess,  können  wir  doch  mehr 
sehen  als  chronologische  Harmlosigkeit.  Dass  er  zum  Heros  der 
altjonischen  Kunst  werden  konnte,  will  doch  auch  etwas  bedeuten. 


")  II  148. 
=>»>  VII  5,  2. 


186 

Was  uns  an  Trümmern  von  den  Bauten  jenes  heroischen  Zeit- 
alters des  jonischen  Stiles  verblieb,  ist  gerade  nur  zu  viel,  um 
davon  gänzlich  zu  schweigen.  Wir  aber  wollen  hier  nur  eines  in 
der  Ferne  seltsam  nachhallenden  Echos  gedenken,  das  bis  zu  uns 
schon  gedrungen  ist ,  der  persischen  Kunst  der  Achämenidenzeit. 
Haben  wir  ja  für  Bathykles  Thron  von  ihren  Anklängen  zu  nutzen 
gesucht. 

Die  eigenthümliche  Basis  der  Säulen  des  Heraions,  nach  deren 
Analogie  wir  auf  hellenischem  Boden  vergeblich  suchen,  hat  sich 
in  Pasargadä  wiedergefunden^')  und  die  Einhorncapitälle  der  perse- 
politanischen  Säulenhallen  sind  eine  persische  Uebersetzung  der 
Stiercapitälle  desselben  Baues.  Durch  die  Eroberung  Lydiens  war 
Persien  in  die  Machtsphäre  der  hellenischen  Kunst  gerathen.  Eine 
Fülle  von  Kunstwerken  fiel  dem  Sieger  zu  und  er  frug  wohl  zu- 
nächst nicht  darnach,  ob  sie  von  Dipoinos  und  Skylhs  oder  von 
Rhoikos  und  Theodoros  herrührten.  Von  einer  directen  Beschäfti- 
gung griechischer  Künstler  durch  die  Grosskönige  hören  wir,  will 
man  nicht  etwa  den  Brückenbau  des  Mandrokles  hiefür  verwerthen, 
nichts,  und  der  jonisiiende  Stil  der  erwähnten  Bauten  ist  so  reich 
an  Dingen,  die  wie  versteinerte  Missverständnisse  der  Originale  aus- 
sehen ,  dass  wir  eher  an  ein  Vorwiegen  der  literarischen  Bautradi- 
tion als  der  monumentalen  denken  möchten. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Besprechung  zweier  plastischer 
Werke,  die  unsere  Ueberlieferung  von  Theodoros  kennt.  An  jene 
labyrinthisch  irre  Nachricht  über  das  Heraion  knüpft  Plinius  die 
Beschreibung  seines  erzgegossenen  Selbstporträts  an.  Der  Bau- 
meister hat  sich  hier,  wie  aus  den  früher  erwähnten  Deutungen  mit 
Sicherheit  hervorgeht,  als  Metalltechniker  und  Edelsteinschneider, 
die  Feile  in  der  Rechten,  eine  Gemme  in  der  Linken,  abgebildet 
und  damit  ein  authentisches  Zeugniss  für  die  Identität  des  Archi- 
tekten, Bildhauers,  Toreuten  und  Graveurs  Theodoros  gegeben,  den 
die  moderne  Forschung  ähnlich  in  zwei  Theile  zerlegen  zu  müssen 
glaubte,  wie  es  die  antike  mit  seinem  Apoll  im  Pythion  zu  Samos  that. 
Dieses  Werk  hat  auch  allem  Anschein  nach  den  Anstoss  zu  dieser 
Zweitheilung  gegeben.  Es  war  von  Theodoros  im  Verein  mit  seinem 
Vater  Telekles  gearbeitet,  und  so  wenig  Ueberraschendes  für  uns 
in  diesem  Zusammenwirken  liegt,  die  sagenbildendc  Kraft  des 
Namens  unseres  Meisters   hat   sich  auch  an  diesem  Bilde  bewährt. 


")  Vergl.  Dieulafoy  S.  43  u.  44. 


187 

Es  soll  in  zwei  Hälften  an  zwei  verschiedenen  Orten  gemacht 
worden  sein,  so  berichtet  uns  Diodor,  die  beiden  Hälften  haben 
aber  beim  Zusammenpassen  fugenlos  gepasst,  und  das  sei  daher 
gekommen ,  weil  die  Meister  den  ägyptischen  Kanon  studirt  und 
befolgt  hatten.  Dass  diese  zwei  Meister  Brüder  sein  müssen,  ver- 
steht sich  fast  von  selbst,  und  wenn  man  sich  nun  für  Theodoros 
um  einen  anderen  Vater  umschauen  muss,  wer  passte  für  diese 
Rolle  besser  als  Rhoikos,  sein  Vorgänger  am  Heraion,  mit  dem  er 
doch  so  oft  zusammengenannt  war^^).  Die  Geschichte  mit  dem* 
äg:yptischen  Kanon  enthält  zugleich  ein  Kunsturtheil  in  sich,  das 
Diodor  ausdrücklich  zu  melden  nicht  verfehlt.  Es  liegt  hier  sehr 
nahe,  eines  anderen  Apollo  Pythios  zu  gedenken,  den  Pausanias 
zu  Megara  neben  einem  Dekatephoros  und  einen  Archegetas  sah, 
alle  drei  ebenhölzern;  die  beiden  ersteren  werden  als  ägyptischen 
Werken  vergleichbar,  der  dritte  als  ein  Werk  des  äginetischen 
Stiles  bezeichnet.  Ganz  so  muss  sich  der  samische  Pythios  neben 
der  samischen  Hera  des  Aegineten  Smilis  ausgenommen  haben  ^^). 
Smilis,  Endoios  und  neben  ihnen  Dipoinos  und  Skyllis,  sie 
erscheinen  unter  den  Meistern  der  kleinasiatischen  Jonier  als  Ver- 
treter einer  fremden  Kunstweise.  Die  Sage  nennt  die  einen  Söhne, 
den  andern  Schüler  und  Smilis  den  Rivalen  des  Dädalos.  Wenn 
er  nach  Pausanias'  Ausspruch  jenem  an  Ruhm  nicht  gleichkam,  so 
will  das  zusammengehalten  werden  mit  einer  anderen  Aeusserung 
desselben  Autors ,  dass  man  von  den  Reisen  des  Smilis  nur  die 
nach  Samos  und  Elis  wisse.  Er  vermisste  offenbar  einen  Bericht 
über  einen  kretensischen  Aufenthalt  bei  Dädalus.  Nicht  jeder  war 
so  glücklich  wie  Cheirisophos  ,  der  in  seiner  Heimat  vielleicht  gar 
mit  dem  Altmeister  'selbst  zusammentraf,  aber  jedenfalls  die  Früchte 
seiner  kretensischen  Thätigkeit  mit  einheimste.  Endoios  musste  dem 
Meister  nachziehen.  Smilis  bleibt  mit  dem  Verdachte  behaftet, 
dieses  unterlassen  zu  haben.  Für  uns  ist  das  freilich  kein  Grund, 
ihn  weniger  für  einen  Dädaliden  zu  halten,  als  Endoios  oder  selbst 
Dipoinos  und  Skyllis. 


'')  Die  Rechte  der  Kritik  an  der  verwirrten  Ueberliefernng  hat  Brunn 
schon  in  seiner  Künstlergeschichte  geltend  gemacht.  Wenn  seine  klaren  Aus- 
einandersetzungen doch  so  wenig  Anklang  gefunden  liaben  und  eine  Fehde  von 
besonderer  Hartnäckigkeit  hervorriefen,  so  mag  das  wohl  daran  liegen,  dass  man 
die  Fragen  mit  der  Erbauungszeit  des  Artemisions  und  den  daran  hängenden 
verquickte,  die  damit  nichts  zu  schaffen  haben. 

^^)  Overbeck,  Schriftquellen  zu  428, 


188 

Ein  völliges  Gegenstück  zu  diesem  Wirken  der  Dädaliden  in 
Jonien  und  für  den  lydischen  Hof  ist  das  Auftreten  des  BMthykles 
und  seiner  Genossen,  wie  des  Theodoros  und  Klearchos  in  Sparta. 
Die  Wechselbeziehungen  jonischer  und  dorischer  Kunstübung  treten 
uns  hier  förmlich  greifbar  entgegen.  Die  Dädaliden  haben  die 
führende  Rolle  auf  dem  Gebiete  der  Plastik.  Sie  verdanken  diesen 
Sieg  nicht  ihrer  althergebrachten  Technik,  die  sie  vielmehr  in  diesem 
Wettkampfe  aufgeben,  sondern  dem  Zeichen,  unter  dem  sie  kämpfen, 
dem  Princip  des  lebenden  Bildwerkes ,  das  sie  Jahrhunderte  lange 
verfechten,  als  die  Offenbarung,  die  ihnen  ihr  "HpoK;  ktiOt^c;  ver- 
kündigt hat.  Die  Ueberlegenheit  ihrer  Gegner  macht  sich  auf  dem 
Gebiet  der  Architektur  und  Tektonik  geltend.  Im  Anschluss  an 
jene  ersteht  früh  eine  Steinsculptur,  deren  Schwerpunkt  von  Chios 
sich  nach  der  Paronaxia  hin  verrückt;  die  Tektonik  entwickelt 
sich  gleichfalls  im  Dienste  des  Cultus  und  im  engsten  Zusammen- 
hang mit  dem  grossartigen  Aufschwung  der  Tempelarchitektur.  Ihr 
wird  die  Aufgabe  zu  Theil,  mit  ihren  Gefässen  und  Geräthen  die 
Räume  zu  füllen,  die  jene  umspannt.  Die  Metalltechnik  erstarkt 
an  der  Bewältigung  derselben  zu  selbständiger  Bedeutung.  Das 
Sprichwort  von  der  Kunst  des  Glaukos ,  die  Legende  von  der  Er 
findung  des  Erzgusses  durch  Rhoikos  und  Theodoros  sprechen  recht 
eindringlich  von  dieser  Thatsache.  Aber  wo  sie  über  das  Gebiet 
der  Tektonik  in  jenes  der  Plastik  übergreift,  da  zeigt  sie  sich  den 
neuen  Anforderungen  zunächst  noch  nicht  gewachsen.  Erst  als  die 
Dädaliden  das  Schnitzmesser  aus  der  Hand  legen  und  sich  mit 
voller  Energie  dem  Erzguss  zuwenden,  Avird  sie  auch  diesen  gerecht. 

Doch  ich  vergesse  über  diesen  Erwägungen  allgemeinerer  Art 
fast  meinen  Vorsatz ,  vom  Verzeichniss  der  Werke  des  Theodoros 
zu  handeln.  Es  ist  noch  der  Arbeiten  in  Silber,  Gold  und  Edelstein 
zu  gedenken,  die  ihm  gelegentlich  die  Bezeichnung  als  Benvenuto 
Cellini  des  Alterthums  eingetragen  haben.  Jede  dieser  Materien  ist  in 
unserem  Verzeichniss  nur  durch  ein  Einzelwerk  vertreten.  Ein 
mächtiger  silberner  Krater,  den  Herodot  I  51  als  delphische  Stif- 
tung des  Krösos  aufführt,  ein  goldener,  von  dem  uns  Amyntas  bei 
Athenäus  XII  p.  514  F  erzählt,  dass  er  im  Schlafgemach  der  Perser- 
könige zu  Susa  neben  den  hochberühmten  Reichskleinodien  der 
goldenen  Platane  und  Rebe  gestanden  habe,  und  der  Ring  des 
Polykrates,  dem  die  allbekannte  Erzählung  Herodots  zu  unsterb- 
lichem Ruhme  verhalf.  Das  ist  aber  auch  Alles,  denn  wenn  man 
hier  neben  jenem  Kleinod  des  samischen  Tyrannen   die  bereits  er- 


m 

wähnten  Kleinode  der  Perserkönige  schwer  vermissen  muss,  von 
denen  uns  ja  Himerius  die  Rebe  wenigstens  ausdrücklich  als  Werk 
des  Theodoros  bezeugt,  so  glaubte  ich  doch  ihnen  den  Platz  nur 
unter  den  Apokryphen  unseres  Meisters  beim  lemnischen  Labyrinth 
und  ephesischen  Tempelbaurath  anweisen  zu  können.  Himerius' 
Aussagen  sind  für  uns  absolut  werthlos,  so  sorglich  man  noch 
immer  deren  Verwerthung  anstrebt  und  hier,  wo  er  den  Artaxerxes 
statt  des  Dareios  anführt,  bloss  weil  dieser  bereits  seinen  Palast 
Ttpöq  cpiXoTijuiav  erhalten  hat  und  eines  neuen  Decla|nationsopfers  "^ 
bedarf,  sollen  wir  auf  ihn  schwören.  Der  Künstlername  stammt 
bei  ihm  aus  der  Notiz  des  Amyntas,  die  gegen  die  Urheberschaft 
des  Theodoros  spricht,  für  ihn  ist  sie  aber  Anlass  einer  Conjectur, 
die  er  aber  nicht  als  solche  gibt.  Eine  chronologische  Schwierig- 
keit, die  an  und  für  sich  nicht  allzuviel  sagen  möchte,  spielt  hier 
noch  mit.  Platane  und  Rebe  wird  für  König  Darius  gemacht,  dessen 
Regierung  sich  von  Ol.  64,  4—73,  4  (521—485)  erstreckt 3*).  Der 
Meister  hat  schon  vor  Ol.  58,  1  (548)  in  den  Diensten  des  Krösos 
gestanden ,  da  dessen  delphische  Weihgeschenke  beim  Brande  in 
diesem  Jahre  beschädigt  wurden.  Wenn  er  also  auch  beim  Regie- 
rungsantritt des  Darius  am  Leben  gewesen  sein  wird,  so  dürfen 
wir  ihn  ohne  Noth  doch  nicht  viel  weiter  hinabrücken.  Aus  den 
gesicherten  Daten  können  wir  die  Bahn  des  Meisters  nicht  sehr 
genau  bestimmen.  Er  taucht  für  unser  Auge  am  Hofe  des  Krösos 
auf,  an  dem  er  auch  nach  dem  Weggang  des  Bathykles  ver- 
bleibt.    Der  Sturz   des  lydischen  Reiches  wird  für  ihn  der  Anlass 


^')  Die  älteste  Ueberlieferung  über  diese  beiden  Kostbarkeiten  bietet 
Herodot  VII  27.  Er  erzählt,  dass  sie  Pythios  der  Sohn  des  Atys,  ein  Lyder,  dem 
Dareios  geschenkt  habe,  der  zu  Kelaenae  Xerxes  und  sein  ganzes  Heer  fürstlich 
bewirthet  und  dem  König  seine  ungeheuren  Schätze  zur  Verfügung  stellt,  über 
die  er  ihm  genauen  Bericht  erstattet.  Cap.  38  nimmt  dann  sein  Freundschafts- 
verhältniss  zu  Xerxes  ein  tragisches  Ende.  Plinius  erwähnt  gleichfalls  33,  137 
das  Geschenk  des  Pythis ,  den  er  einen  Bithynier  nennt,  an  Darius,  im  selben 
Buche  51  lässt  er  aber  irrthümlich  Kyros  die  Eebe  und  Platane  aus  dem  Schatz 
des  Krösos  erbeuten.  Urlichs  sucht  zwischen  diesen  beiden  Ueberlieferungen  zu 
vermitteln.  Er  macht  Pythis  zum  Enkel  des  Krösos  und  lässt  diesen  sein  Privat- 
vermögen (eine  für  jene  Zeit  viel  zu  feine  juristische  Unterscheidung)  ungestört 
auf  jenen  vererben.  Von  alledem  weiss  zwar  die  Ueberlieferung  nichts,  aber  die 
Zeit  des  Theodoros  passt  dann  für  Krösos.  Zur  ersten  Stelle  citirt  jedoch  Urlichs 
selber  die  Berichte  aus  dem  Alterthum,  die  Pythios'  Reichthum  aus  dem  Besitz 
von  Goldbergwerken  ableiten,  wodurch  doch  alle  Nöthigung,  ihn  zu  Krösos'  Erben 
zu  macliuii,  wegfällt. 


190 

gewesen  sein,  dem  älteren  Meister  nach  Sparta  nachzufolgen"''^). 
Wann  er  von  da  und  auf  welchen  Umwegen  er  etwa  in  die  Heimat 
zurückgekehrt  sei ,  wissen  wir  nicht  näher.  Unter  Polykrates 
62,  1(?)— 64,  4  (532(?) — 521)  hat  er  am  Ruhme  desselben  thätigen 
Antheil  genommen^"). 

Die  hellenische  Kunst  an  den  Tyrannenhöfen,  dies  ist  der 
legitime  Name  jenes  Capitels  der  griechischen  Kunstgeschichte, 
welches  uns  die  ersten  historisch  erkennbaren  Künstlergestalten 
vorführt.  Die  lydischen  Mermnaden  stehen  da  in  einer  Reihe  mit 
den  Kypseliden,  Orthagoriden  und  Pisistratiden,  deren  Höfe  völlig 
vergleichbar  mit  denen  der  Gewaltherrscher  der  italienischen  Renais- 
sance Centren  einer  nationalen  Cultur  geworden  sind,  und  da  ist 
es  denn  so  wundersam  nicht,  wenn  die  Schicksale  der  Künstler 
sich  aufs  innigste  verflechten  mit  denen  jener  Dynastien,  deren 
Nachruhm  sie  für  alle  Zeiten  gefestet  haben.  Was  die  Poesie,  was 
die  Wissenschaft,    was  Handel  und  Wandel  diesen  an  Pflege  ver- 


'*)  Herodot  berichtet  I  51  von  zwei  trepippavTripia,  einem  goldenen  und 
einem  silbernen,  die  Krösos  nach  Delphi  gestiftet  hatte;  das  goldene  wurde  dort 
fälschlich  den  Lakedämoniern  zugeschrieben,  von  denen  ein  Knabenbild  herrühre, 
bi  ov  Tr]C,  Xi.ipbc,  ^^€1  TÖ  u6u)p.  Dies  Bild  gehört  seinem  Motiv  nach  sicher 
zu  einem  der  beiden  Periranterien  und  die  Ueberschreibung  erklärt  sich  damit. 
Der  Vorgang  wird  noch  begreiflicher,  wenn  man  annimmt,  einer  der  Künstler, 
die  von  Krösos  Hofe  nach  Sparta  kamen,  habe  sein  früher  begonnenes  Werk  von 
Sparta  aus  vollendet. 

^*)  Welchen  Antheil  Theodoros  an  den  "EpYCi  TToXuKpdxeia  (Aristot.  Pol. 
p.  225,  1)  hatte,  kann  nicht  näher  festgestellt  werden  ;  dass  er  nicht  gering  war, 
gibt  uns  die  Ringsage  zu  verstehen,  die  dieses  Kleinod  zum  köstlichsten  Prunk- 
stück seines  Besitzers  macht.  Das  Heraion  mag  er  damals  vollendet  haben.  Auf- 
fällig erscheint  es  immerhin,  dass  das  zweite  der  von  Herodot  VI  60  erwähnten 
Wunderwerke  von  Samos,  die  jetzt  wiederaufgedeckte  Wasserleitung  des  Eiipalinos 
(Athen.  Mitth.  IX  S,  165),  die  man  wohl  mit  Recht  unter  die  "Epya  TToXuKpdxeia 
rechnet,  von  einem  megarischen  Baiimeister  geschaffen  wurde.  Hirt  hat  in  seiner 
Geschichte  der  Baukunst  I  S.  226  auf  die  Wasserleitung  des  Tyrannen  Theagenes 
in  Megara  hingewiesen  und  ihren  Bau  gleiclifalls  für  Eupalinos  reclamirt.  Das 
würde  die  Berufung  dieses  Meisters  nach  Samos  begreiflich  machen,  doch  sprechen 
chronologische  Schwierigkeiten  entschieden  dagegen ,  da  Theagenes  noch  dem 
7.  Jahrhundert  angehört.  Dennoch  glaube  ich,  ist  es  kein  Zufall,  wenn  wir  in 
der  Heimat  des  Erbauers  der  samischen  Wasserleitung  ein  so  merkwürdiges  Vor- 
bild nachweisen  können  und  möchte  die  Vermutliung  immerhin  wagen,  dass  der 
Sohn  des  Naustrophos  seinen  Beruf  vom  Vater  ererbte,  den  als  Meister  jenes 
Werkes  anzunehmen,  die  Chronologie  weit  eher  gestatten  würde. 

Das  dritte  der  drei  samischen  Wunderwerke,  der  grosse  Hafendamm,  kann 
wegen  seines  Zusammenhanges  mit  der  Seemachtstellung  von  Samos  nur  Poly- 
krates seine  Entstehung  verdanken. 


191 

dankt,  das  ist  schon  lange  nach  Gebühr  gewürdigt  worden,  bezüg- 
lich der  bildenden  Kunst  sind  nur  die  ersten  Ansätze  zu  einer 
richtigen  Erkenntniss  vorhanden.  Die  landläufige  und  handbücher- 
liche  Auffassung  geht  einer  historischen  Betrachtung  noch  ängstlich 
aus  dem  Weg  und  thut  so,  dass  man  glauben  könnte,  es  wäre  die 
hellenische  Kunst  im  Kloster  erzogen  und  unter  Perikles  in  Staats- 
dienst eingetreten. 

In  gleich  innige  Verbindung,  in  die  die  Bechersage  Bathykles 
mit  Krösos,  bringt  die  Ringsage  Theodoros  mit  Polykrates.  Sie 
sieht  fast  wie  eine  Variation  jenes  Themas  aus.  Und  dennoch  ist 
sie  etwas  ganz  anderes.  Ihre  leichte  poetische  Umhüllung  birgt 
einen  festen  historischen  Kern.  Die  Erzählung  Herodots  III  40 
klingt  wohl  märchenhaft  und  die  ethische  Tendenz  macht  sie  noch 
verdächtiger,  aber  die  Art,  wie  er  den  Act  als  feierliche  Staats- 
action  beschreibt,  darf  nicht  übersehen  werden.  Auf  einer  Pente- 
kontaetere  fährt  der  Fürst  mit  grossem  Gefolge  auf  die  hohe  See, 
dort  wirft  er  den  Ring  ttoivtujv  opuOvTUJV  tüjv  aujanXöuuv  in  die  Wogen 
und  segelt  froh  zurück.  Wem  fällt  hier  nicht  die  Vermähluog  des 
Dogen  von  Venedig  mit  dem  Meere  ein?  und  wenn  er  diesen  Ge- 
danken abweist,  er  kommt  wieder,  wenn  er  Gap.  122  liest:  TToXu- 
Kpdxnq  Tap  ecTTi  TTpüuToq  TUJV  f]ixeiq  i'bjuev  'E\\r|vujv  o^  GaXaaaoKpaieeiv 
eTTevor|9r|  k.  t.  X.  Dass  die  Wiederfindung  des  Ringes  nichts  gegen 
die  Realität  beweist,  lehrt  die  Wiederkehr  dieses  Zuges  gerade 
beim  Dogenbrauch.  Aber  der  Gedanke  der  Ehe  mit  dem  Meere 
ist  doch  unmöglich  antik?  Gewiss,  aber  das  ist  auch  nicht  der 
ursprüngliche  Sinn  dieser  Ceremonie.  Der  Thalassokrator  drückt 
das  Siegel  auf  das  ihm  unterworfene  Element,  das  ist  antik-verständ- 
lich und  grandios  gedacht,  die  venetianische  Version  hat  den 
Ring  der  Braut  vergessen.  Dass  es  aber  auch  im  Geiste  der  Zeit 
gedacht  ist,  dafür  möchte  ich  die  Bestrafung  des  Gyndes  (Diala) 
anführen,  den  Kyros  nach  Herodot  in  360  Kanäle  zertheilen  lässt,  und 
die  allbekannte  des  Hellespontes  durch  Xerxes ,  zu  welchen  Grote 
III  S.  15  der  deutschen  Uebersetzung  eine  Reihe  von  Analogien  bei- 
bringt. Auch  dem  Sinne  des  Polykrates  war  eine  solche  Symbolik 
nicht  fremd.  Er  hat  ja  Rhenea,  das  er  dem  Apoll  von  Delos 
schenkte,  mit  Ketten  an  diese  Insel  gefesselt. 

Mag  es  nun  Wahrheit,  mag  es  Dichtung  sein,  der  Zug  bleibt 
gleich  bedeutungsvoll,  dass  die  samische  Seeherrschaft  besiegelt  war 
mit  dem  Ringe  des  Theodoros,  des  Sohnes  des  Telekles. 

Wien  WILHELM  KLEIN 


192 


Das  Gebiet  von  Aperlai 

Ein  Beitrag  zur  historischen  Topographie  Lykiens 
(Hierzu  eine  Kartenskizze  Tafel  V) 


Der  stadiasmus  maris  mngni,    in   welchem    der   Kern    der  Be- 
schreibung Kleinasiens  nicht  unter  das  erste  Jahrh.  vor  Chr.  herab- 
zugehen scheint '),  hat  an  der  Südküste  Lykiens ,  jenseits  des  La- 
myros  und  des  Isischen  Thurmes,  folgende  Angaben  (239  F.  Müller)  : 
Ö.TTÖ  'Avhp\aKf\q  eic,  Zö|m"iva  (JTdbioi  b'  —     4  Stadien, 

ttTTÖ  Zo|Lif|vuuv  eic,  'AnlpXaq  (TTdbioi  H'  —  CO         „ 

diTTÖ  dKpujTripiGu  exe,  'AviicpeWov  cTTdbioi  v'  —  50  „ 
Diese  Stelle  kann  aus  zwei  Gründen  nicht  in  Ordnung  sein:  denn 
einmal  beträgt  schon  die  directe  Fahrt  von  Andriake  nach  Anti- 
phellos,  deren  Lagen  bei  den  heutigen  Andraki  und  Andifilo  un- 
zweifelhaft sind,  nicht  114  Stadien,  sondern  ungefähr  200;  und  dann 
fehlt  die  nach  dem  System  des  Stadiasmus  unumgängliche  Entfer- 
nungsangabe von  Aperlai  nach  dem  Akroterion,  das  einen  beson- 
deren Namen,  den  Müller  voi'auszusetzen  scheint,  ebensowenig  ge- 
habt zu  haben  braucht,  wie  so  manche  der  heutigen  Akrotiria*^), 
um  so  weniger,  als  es  wirklich  nach  seiner  Bildung  und  Lage  als 
südlichstes  Lykiens  ein  Akroterion  Kai'  eSoXHV  ist. 

C.  Müller  hat  recht  gethan,  die  Angabe  einzuschieben: 
ttTTÖ  'ArrepXujv  im  dKpüLixripiGV, 
und  er  hat  auch  recht  gethan,  nur  eine  Angabe  einzuschieben,  da 
die  Anlage  des  Stadiasmus  wohl  das  Ausfallen  eines  Postens  be- 
günstigte, aber  das  Ausfallen  zweier  auf  einander  folgender  kaum 
zuliess :  das  erstere  kommt  bekanntlich  nicht  selten  ^  das  letztere, 
so  viel  ich  sehe,  nie  vor.  Müller,  der  das  Akroterion  ebenfalls  für 
den  charakteristischen,  weit  ausladenden  Tughburnu  südöstlich  von 
Antiphellos  hält,  gibt  der  Fahrt  von  da  bis  Aperlai  50  Stadien,  er 
erhöht  die  unerhört  kleine  Angabe  von  A  beim  ersten  Curs  auf 
TT  =  80  und  erhält  so  für  die  Fahrt  von  Andriake  nach  Antiphellos 
die  Gesammtsumme  von  240  Stadien ,  eine  durchaus  erträgliche 
Zahl.  Somena  hat  Müller  im  Grunde  des  Hafens  Tristomo  ange- 
setzt, Aperlai  auf  Grund  einer  Cockerellschen  Inschrift,  die  Leake 
citirt  (Asia  Minor  S.  188),  über  der  Assarbai;  letzteres  glaubt  wohl 

')  Oeographi  Oraeci  Minores,  ed.  C.  Müller,  prolegomena  S.  CXXV. 
')  Z.  15.  auf  Zaiitc,  Kephallenia,  Kreta. 


193 

auch  Ritter,  dessen  Darstellung  durch  Schuld  der  ihm  vorliegenden 
Berichte  nicht  überall  klar  ist  (Erdkunde  XIX  S.  1081  ff.),  und 
der  Somena  bei  Kekova  setzen  möchte,  das  Ross  und  vor  ihm 
Texier  aber  vielmehr,  ebenfalls  auf  Grund  von  Inschriften,  auf 
Aperlai  bezogen.  Waddington  (zu  Lebas  1290)  hat  sich  mit  grosser 
Bestimmtheit  angeschlossen,  und  nun  hat  das  auch  Kiepert  auf  der 
Karte  zu  Benndorfs  Reisen  gethan,  während  er  Aperlai  früher  nach 
dem  Vorgange  Leake's  ebenfalls  über  der  Assarbai  gesucht  hatte. 
Dies  ist  offenbar  unter  Zustimmung  .Benndorfs  geschehen,  der 
Müllers  Veränderung  von  h'  in  n  nicht  ohne  Weiteres  als  richtig 
anzuerkennen  scheint,  wozu  er  auch  vollkommen  berechtigt  ist. 
Vielmehr  sucht  er  Somena  zwischen  Andraki  und  Kekova,  ohne 
es  zu  finden  ^).  Bei  der  Autorität,  auf  welche  die  österreichischen 
Arbeiten  über  Lykien  Anspruch  haben,  läuft  aber  das  vorliegende 
eigenthtimliche  kleine  Problem  Gefahr,  als  gelöst  zu  erscheinen, 
während  wir  nach  so  vielen  verworrenen  Angaben  doch  erst  der 
treuen  Berichterstattung  Benndorfs  und  der  Seinigen  neben  so  vielem 
Anderen  und  Grösseren  auch  das  verdanken,  dies  Problem  seiner 
Lösung  entgegen  führen  zu  können. 

Mit  der  Stadt  Somena  des  Stadiasmus  ist  die  Stadt  Simena 
identificirt  worden,  welche  Stephanos  erwähnt*)  und  die  bei  Plinius 
im  Beginn  der  Beschreibung  Lykiens  —  will  sagen  ,  im  Periplus, 
dessen  Material  mit  dem  des  Stadiasmus  vielleicht  identisch  ist  — 
als  erster  Ort  vor  Chimaera,  Hephaestium,  Olympus  aufgeführt 
wird^).  Im  Uebrigen  ist  Somena  und  Simena  nirgends  genannt, 
weder  bei  Ptolemaios '^) ,  noch  bei  Hierokles  oder  in  den  Notitien, 
so  ausführliche  Listen  lykischer  Städte  diese  auch  zu  geben  scheinen'). 


')  Benndorf  ti.  Niemann,  Reisen  in  Lykien  u.  Karien  S.  29  Anm.  3:  „Mir 
bleibt  unerfindlich,  wo  das.  .  .zwischen  Andriake  und  Aperlai  genannte  Somena  zu 
suchen  ist.  Antike  Euinen  finden  sich  an  den  Ufern  zwischen  diesen  beiden 
Orten  nicht,  und  die  Bildung  der  Ufer  erlaubt  meines  Wissens  nirgends ,  einen 
antiken  Ort  an  dieser  Stelle  vorauszusetzen." 

*)  Zi|uriva,  TTÖXi^  Ai)Kia<;,  ou&erepujc;.  oi  KaroiKouvTec;  Zi|Ltr|veT(;  iJuq  Ziöuiueic;. 

5)  V,  100 :  in  Lycia  igitur  a  promontorio  eins  oppiduvi  Simena ,  mons  Chi- 
viaera  noctibus  ßac/rans,  Hephaestium  civitas  et  ipsa  saepe  flagrantibtis  iuyis  (iepöv 
'Hqpaiaxou  Skyl.  §.  100;  urbs  Hephaestia  Solin  cap.  72J.  oppidum  Olympus  ihi  fuit 
VL.  s.   f. 

^)  Grashof  bei  Wilberg  vermuthet  zu  Ptol.  V,  3  für  Züfißpa  vielmehr 
ZO|uriva  oder  Zijuriva,  das  ist  aber  um  so  unsicherer,  als  da  iröXeK;  iueöÖYeioi 
um  den  Kragos  aufgezählt  werden. 

')  Plin.  V,  101:  Lycia  LXX  quondam  oppida  habtiit,  nunc  XXXVI  habet. 
Einige  siebzig  nennt  wirklich  Stephanos ,  Ptolemaios  33  oder  34  (mit  den  Inseln 
Archäologisch-epigraphisclie  Mitth.  IX,  13 


194 

Dass  Somena  und  Simena  identisch  sind,  kann  auch  nicht 
wohl  bezweifelt  werden :  ich  will  mich  freilich  nicht  verleiten  lassen, 
ein  übermässiges  Gewicht  darauf  zu  legen,  dass  die  Aufzählung 
der  lykischen  Städte  bei  Stephanos,  der  ein  Somena  neben  Simena 
nicht  nennt,  anscheinend  vollständig  ist  (s.  Anm.  7),  denn  er  ver- 
einigt keineswegs  zugleich  alle  auch  sonsther  bekannten  lykischen 
Stadtnamen  —  was  allerdings  auf  mehrfache  Art  zu  begründen  und 
abzuschwächen  wäre^);  aber  entscheidend  ist  es,  dass,  wie  der 
Stadiasmus  sein  Somena  in  die  Nähe  von  Aperlai  verweist,  so  auch 
für  Simena  inschriftlich  ein  Zusammenhang  —  ein  räumlicher,  wie 
politischer  —  mit  Aperlai  erwiesen  ist.  Es  muss  also  die  Geo- 
graphie des  Plinius  auch  hier  wieder  eines  Irrthums  oder  eines 
Missverständnisses  geziehen  werden. 

Die  Inschriften,  in  welchen  Simena  vorkommt,  sind  sämmtlich 
in  Kekova  gefunden  worden;  es  ist  eine  Grabschrift  (Waddington- 
Lebas  n.  1296):  BepveiKVi  'A\Ki[|u]ou 'ATTepX[TT]i^  dTto  Xijurivuuv .  .  .  und 
eine  Ehreninschrift  (a.  O.  n.  1290): 

eieijuricrav 'ATTepXeiTOJV  ö  brijioc,  Kai  oi  cruvTToXiTeudjLievoi  auTiI»  Zi|Lir|veujv 
Ktti  'ATToXXujveiTOJV  Ktti  'IcTivbeuuv  bfi)uor  iTrTTÖXoxov  'ATreXXeou^  [M]u[pea] 
Ktti  'ATrepXeiiriv   dnö   Zi)iirivujv   xpucrüj   arecpdvLU    Km  eiKÖvi  xci^Krj.... 

lepaieüaavTa  [Tißepiou]  KXaubiou  Kaiaapo^  leßaaioö  u.  s.  f 
und  nur  30 — 40  Jahre  später,  nämlich  in  das  Jahr  80  n.  Chr.  fällt 
eine  dritte  Inschrift  von  Kekova  (Leb.  n.  1292),  nach  welcher 
'ATTepXeiTÜJv  Km  tüjv  auvTToXeiTeuo|iievuJV  fi  ßouXri  Kai  6  biijuo«;  Bad 
und  Prostoon  dem  Vespasian  (im  achten  Consulat)  widmen;  endlich 
hat  Fr.  Studniczka  in  Kekova  „eine  Sarkophaginschrift  mit  dem 
Stadtnamen  Zijuriveuuv"  abgeschrieben,  auf  welchen  in  der  That  auch 
Stephanos  schon  vorbereitet  hatte. 

Die  eigenthümliche  Gemeinschaft,  in  welcher'  wir  Aperlai  mit 
drei  anderen  Ortschaften  im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  finden,  steht  in 


36  oder  37),  Hierokles  32,  von  denen  aber  nur  23  solchen  des  Ptolemaios  sicher 
entsprechen;  die  Notiticn  haben  37  bis  38  Namen;  vier  oder  fünf  von  diesen 
können  aber  mit  Namen  bei  Hierokles  nicht  identificirt  werden ,  so  wenig  wie 
zwei  allerdings  ganz  singulare  bei  Hierokles  ('PcTKuXid«;  und  Ko|aiaT(ipao<;)  in  den 
Notitien  vorkommen. 

*;  Ich  meine,  wir  können  nicht  wissen,  welche  Städte  trotz  der  verschie- 
denen Namen,  die  sie  etwa  bei  Stephanos  und  den  Anderen  führen,  doch  iden- 
tiscli  sind;  die  neue  Zeit  kündigte  sich  so  vielfach  in  Umnennungen,  resp.  Um- 
siedelungen an.  Ein  Somena  kommt  allerdings  weder  bei  Stephanos  noch  bei 
den  Uebrigen  vor. 


195 

Lykien  nicht  vereinzelt  da:  zwar  ist  der  Wortlaut  der  Inschrift  von 
Rhodiapolis,  welche  diese  Stadt  mit  Gagae  und  Korydalla  in  gleicher 
Weise  vereinigt  zeigen  soll  (Spratt  und  Forbes  T.  183),  leider  nicht 
bekannt  geworden ;  doch  finden  sich  im  Limyrosthale  zu  Idebessos 
zwei  Inschriften    an  Sarkophagen,    deren   Inhaber  'AKaXicraeu^  diro 
'lbeßri(J(Toö  genannt  wird  (Leb.  1333  f.);  daneben  aber  kommt  analog 
den  ZijUTivei(;  auf  einer  Inschrift  doch  auch  ein  'Ibeßricrcreijq,  auf  einer 
andern  'IbeßncTcreujv  vor  (Spratt  und  Forbes  II  S.  281).     Es   ist  zu 
bedauern,  dass  diese  Inschriften  nicht  fixirbar  sind;  nur  ist  eine  der 
Grabschriften  wegen  der  Schreibung  EibeßiiacroO  vielleicht  für  junger 
zu  halten,  als  die  übrigen.    In  der  That  ist  es  kaum  denkbar,  dass 
beide  Bezeichnungen  zu  gleicher  Zeit  und  etwa  promiscue  gebraucht 
wurden,    denn    die  Anwendung  des  Ethnikons    ist    dem  Zustande, 
welchen  die  andere  Ausdrucksweise  in  sich  schliesst,  durchaus  ent- 
gegengesetzt:   diese    bedeutet  vielmehr  einen  Zusammenschluss  der 
Orte  unter  Entäusserung   der  politischen  Rechte   aller  zu  Gunsten 
Eines  unter  ihnen,  d.  h.  die  übrigen  werden  zu  Gauen.    Es  scheint 
sich  vorläufig  in  Erwägung  der  Schriftsteller,    welche  Somena,  Si- 
mena  erwähnen  und  ihrer  Quellen,  die  Annahme  zu  empfehlen,  dass 
der    Zusammenschluss    um    Aperlai    im    ersten    Jahrh.    n.  Chr. 
stattfand;    vielleicht   darf  man  daran  erinnern,    dass  Lykien  im 
Jahre  44  n.  Chr.  —  definitiv  freilich  wohl  erst  im  Jahre  74  (vgl.  Mar- 
quardt,  Staatsv.  I  S.217)  —  römische  Provinz  wurde.  Ob  diese  Vereine 
überall  von  Dauer  waren,    darf   man    bezweifeln:    Simena,    Isinda 
(=   Sindia  Steph.  s.  unten),    ApoUonia  aber  sind  jedenfalls  nicht 
wieder  zum  Vorschein  gekommen.    Der  eine  Name  Aperlai  erscheint 
bei  Ptolemaios,  bei  Hierokles  und  in  den  Notitien,  und  das  muss  einem 
thatsächlichen  Verhältniss  entsprochen  haben ,  wie  das  auch  umge- 
kehrt der  Fall  sein  muss,  wenn  uns  Akalissos  und  Idebessos,  Gagai, 
Korydalla ,  Rhodiapolis    wieder  bei  Hierokles   und   in  den  Notitien 
begegnen.     Bei  Ptolemaios    sind   nur  Korydalla   und  Rhodia  (Rho- 
diapolis) aufgeführt,  nicht  Gagai  und  auch  nicht  Idebessos,  während 
für  sein  ZaYCtXacraög  höchst  wahrscheinlich  'ÄKaXicraö^  zu  lesen  ist. 
Es  wird    sich   unten    zeigen ,    dass    auch    dieser  Umweg  nach 
Simena  führt,  dessen  Oertlichkeit  von  Andriake  an  zu   suchen   wir 
uns  nun  anschicken.     In    der  Westecke   der   Bucht  von  Andriake, 
nicht   weit  vom  Dorfe  Kapaklü,    bei    welchem    man    schon  Spratt 
und  Forbes  Ruinen  genannt  hatte  (I  S.  85),  haben  die  österreichi- 
schen Reisenden  das  Glück  gehabt,  die  Ruinen  eines  Ortes  Istlada 
zu  finden  und  dabei  an  einem  Sarkophag  eine  Grabschrift,  die  ich 

13* 


196 

vorläufig  —  d.  h.  ohne  eingehendere  Kenntniss  der  griechischen 
Schriftentwickelung  in  Lykien  —  nur  allgemein  der  Kaiserzeit  zu- 
zuweisen wüsste.  Am  Schlüsse  derselben  wird  die,  wie  hier  vielfach 
üblich,  angedrohte  eventuelle  Zahlung  einer  Busse  an  Mupeuuv  ifj 
Yepouaia  vorgeschrieben.  Der  Herausgeber  hat  daraus  geschlossen, 
dass  „der  Inhaber  des  Grabes  nach  dem  über  drei  Stunden  (0.) 
entfernten  Myra  zuständig  war".  Er  durfte  weiter  gehen  und  bündig 
aus  der  Zahlungsanweisung  nach  Myra  schliessen,  dass  das  Grab 
auch  auf  Grund  und  Boden  von  Myra  stand.  Ein  solches  Ver- 
hältniss  ergiebt  sich  meiner  Ansicht  nach  aus  den  übrigen  analogen 
Grabschriften  auf  dem  Boden  Kleinasiens  und  Thrakiens^);  dass  es 
auch  hier  nicht  anders  war,  lehrt  obenein  eine  sehr  interessante 
Inschrift  aus  dem  Gebiet  von  Kyaneai  (Leb.  1303  aus  Tristomo): 
der  Sclave  eines  Mannes,  der  Bürger  von  Myra  und  Aperlai  war, 
kauft  bid  Tojv  ev  Mupoi(; ,  dpxeiujv  von  Sclaven  (?)  eines  anderen 
Bürgers  von  Myra  den  Platz  eines  Begräbnisses ;  aber  die  Busse 
für  etwaigen  Grabfrevel  geht  an  Tvj  KuaveiTUJV  [Ye]pou[(Jia  und 
mit  Recht:  denn  es  ist  Boden  von  Kyaneai,  wie  wir  sicher  wissen. 
Was  hätte  auch  unter  bewandten  Umständen  sonst  veranlassen 
können,  die  Zahlung  nach  Kyaneai  zu  weisen? 

Nur  nebenher  erwähne  ich,  dass  auch  wenig  NNW.  von  Ist- 
lada in  den  Ruinen  von  Hoiran  Benndorf  an  einem  aufgebauten, 
besonders  grossen  Sarkophage  die  Inschrift  eines  Tlepolemos  von 
Myra  aus  dem  vierten  oder  dritten  Jahrhundert  vor  Chr.  gefunden 
hat.  Denn  aus  der  ersten  Inschrift  allein  geht  schon  hervor,  was 
freilich  von  vornherein  wahrscheinlich  war,  dass  die  mächtigste 
Stadt  des  Gebietes  sich  den  Besitz  der  ganzen  Bucht  von  An- 
driake    gesichert    hatte,    einer  Bucht,    mit    welcher   sie   eben  über 


^)  Die  gegenüber  den  römischen  gleichartige  Besonderheit  der  bez.  grie- 
chischen Grabschriften  erlaubt  auch  eine  auf  sie  beschränkte  zusammenfassende 
Untersuchung;  eine  solche,  die  ich  ein  anderes  Mal  vorzulegen  gedenke,  ist  auch 
für  die  Topographie  von  Bedeutung  und  für  Lykien  von  besonderem  Interesse, 
wo  eigenthümliclic  Verhältnisse  z.  B.  in  der  häufigen  Angabe  von  öfi|Lio<;  u.  ttöXi? 
als  Empfänger  der  Strafsumme  (anderswo  vielfach  qpiOKOc;  u.  TaiiieTov)  klar  sich 
widerspiegeln.  Huschke,  Die  Multa  und  das  Sacramentuni  S.  315  f.  kann  nicht 
l)efriedigcn.  P.  Vidal-Lablache  hat  in  seiner  Schrift  de  tltulis  funehribus  Oraecia 
in  Aaia  Minore  an  die  Frage  überhaupt  nicht  gedacht.  —  Ich  bemerke  beiläufig, 
dass  die  einzige  bis  jetzt  anzuführende  Ausnahme  von  dem  oben  im  Text  an- 
gegebenen Verbreitungsgebiet  C.  I.  Gr.  1933  mir  eben  deswegen  in  ihrer  kephal- 
leni.schen  Herkunft  nicht  ganz  gesichert  scheint.  (Einst  im  Mus.  Nanian.  „aetatis 
infimae^). 


197 

Andriake  auf  einem  Strandwege  in  leichter  Verbindung  steht.  Es 
ist  derselbe  Grund,  aus  welchem  jede  grössere,  dem  Festlande  nahe 
Insel  sich  einer  Peraia  versichert. 

Dann  aber  ist  die  Zahl  A  zwischen  Andriake  und  Simena 
vollends  unmöglich:  auch  wenn  ein  geeigneter  Platz  an  der  Bucht 
vorhanden  wäre,  was  Benndorf  verneint,  so  könnte  doch  ein  Simena, 
das  zum  Gebiete  von  Aperlai  gehörte,  nimmermehr  dort  gelegen 
haben.  Dasselbe  ist  vielmehr  jenseits  von  Istlada  zu  suchen  und 
nach  der  Sachlage  bleibt  keine  andere  Wahl  als  —  Kekova  selber. 
Die  Fahrt  von  Andraki  bis  in  die  innere  Bucht  von  Kekova  be- 
trägt etwa  60  Stadien,  wir  dürfen  also  annehmen,  dass  etwa  aus 
einem  2  über  2  ein  a  geworden  sei. 

Die  Gründe,  aus  welchen  in  Kekova  das  ursprüngliche  Aperlai 
angesetzt  ward,  sind  in  der  That  nicht  stark:  man  hat  wohl  ausser 
einer  im  Anfang  beschädigten  Inschrift,  welche  mindestens  ebenso 
gut  das  Gegentheil  beweisen  kann '") ,  besonders  die  zwei  schon 
oben  angeführten  Inschriften  (Leb.  1290,  1292)  für  beweiskräftig 
gehalten ,  weil  sie  ihrem  Inhalte  nach  am  ehesten  dem  Hauptorte 
zukämen;  allein  in  dem  einen  Falle  wird  ausdrücklich  ein  'Airep- 
Xehriq  ccttö  Iijai'ivujv  geehrt  und  auch  die  Anlage  eines  Bades 
(1292)  braucht  doch  nicht  bloss  dem  Orte  zu  Gute  gekommen  zu 
sein,  auf  welchen  die  Uebrigen  aus  irgend  einem  Grunde,  z.  B.  der 
Lage  wegen,  ihre  Stadtrechte  übertragen  hatten.  Auch  die  Ruinen 
von  Idebessos  sind  augenscheinlich  viel  bedeutender,  als  die  von 
Akalissos  (Spratt  IS.  167  f.),  das  freilich  bequemer  zu  liegen  scheint. 


»<•)  C.  I.  Gr.  11.  4300  o.  Leb.  1291.  Es  mag  die  älteste  griechische  Inschrift 
in  Kekova  sein,  Benndorf  nennt  sie  schön  geschrieben  und  mit  durchgängigem  A 
(S.  29,  1);  es  ist  eine  Liste  von  Männern,  welche  [qpJiXoöötaK;  Kai  e[uv]o[iK]uj(; 
ömKeifievoi  irpöq  töv  6fmov  itnrivfeiXavro  xpfl[Ma  d]vaTr66oTov  eic,  xriv  dTT[ö6]oaiv 
Tuiv  öaveiuuv,  dann  folgen  fünf  Männer  mit  Vaternamen,  aber  ohne  Ethnikon 
aufgeführt  und  mit  sehr  bedeutenden  Beiträgen  (800,  500,  dreimal  300  Dr.),  den 
Beschluss  macht  ein  als  'AirepXeiTVic;  bezeichneter  mit  nur  50  Drachmen.  Es 
liegt  nahe,  die  fünf  ersten  —  aber  nicht  den  letzten  —  als  Bürger  des  Ortes 
anzusehen,  dem  die  Wohlthat  erwiesen  und  in  welchem  die  Inschrift  gefunden 
ward.  Dem  widersprach  die  frühere  Ergänzung  im  Anfang  zu  Ai|uu]peujv  (Franz) 
oder  Mujpeuv  (Lebas),  welche  auch  sachlich  befremden  musste.  Bei  erneuter 
Nachprüfung  haben  aber  Waddington  wie  Benndorf  das  pe  im  Anfang  nicht  ge- 
funden, der  erste  gibt  wvb  und  als  vierten  Buchstaben  zweifelnd  P;  Benndorf 
liest  iuvbY].  Nach  der  Copie  im  C.  I.  ist  dann  vorher  Kaum  für  6  Buchstaben, 
also  Iinrivejujv  an  sich  genau  so  möglich  wie  Aijuupejuuv.  Doch  ist  fraglich,  ob 
da  überhaupt  ein  Ethnikon  stand.  Was  nach  Massgabe  der  dann  folgenden  Namen 
verlangt  wird,  ist  vielmehr  die  Angabe  einer  Amtsführung  als  Datirung. 


198 

Man  darf  die  Inschriften  ausnahmslos  vielmehr  zu  Grünsten  der 
Lage  von  Simena  bei  Kekova  geltend  machen:  abgesehen  von  dem 
negativen  Zeugniss  der  Inschrift  1291  Leb.  (s.  Anm.  10)  wird  hier 
ein  'ATTepXeiTti(;  dTrö  Ii|Lir|vujv  geehrt  (1290),  eine  'ATT€pX[iT]iq  dTiö 
Ziiarivuuv  bestattet  (1296),  hier  der  Ausdruck  Zijurjveuuv  gebraucht. 
Simena  wird  nur  in  Kekova  genannt,  an  keinem  anderen 
Punkte  der  Küste. 

Dass  bei  dem  so  engen  Zusammenhang  der  Gebiete  von  Myra, 
Aperlai,  Kyaneai  in  Kekova  auch  zwei  Grabschriften  von  Kyaniten, 
oder  besser  —  und  noch  erklärlicher  —  von  Kyanitinnen  gefunden 
sind,  bedarf  keiner  Erörterung;  aber  das  grösste  Befremden  musste 
erregen  und  unsern,  wie  ich  hofife,  bisher  bündigen  Schluss  scheint 
zu  erschüttern,    dass  Kekova   als  Fundort  einer  Grabschrift  ange- 
geben wird,  welche  anscheinend  Kyaniten  als  Empfänger  einer  even- 
tuellen Busse  nennt  ") ;  ich  gestehe,  dass  diese  Inschrift  mich  lange 
beirrt  hat,    bis  ich  darauf  aufmerksam  wurde,    dass  im  C  I.  Gr., 
welches  die  Inschrift  aus  Irrthum  zweimal,  eigentlich  dreimal  bringt, 
nach  Texier  als  Fundort  Aperlai  (4300p  S.  1J31),  nach  Bailie  apiid 
portum  Kakova  vicinum  Aperlis,  Myris^  Cyaneis  angegeben  ist  (p.  1140), 
wogegen  der  zuverlässigste  Berichterstatter,  Schönborn,  schrieb:  in 
loco  Siguda  (4303 </  S.   158).     Damit    aber    bezeichnete   Schönborn, 
wir  wir  bestimmt  wissen  (Ritter  XIX  S.  1090),  die  innerste  Küste 
westwärts  von  Kekova,    die   sonst  auch  Tristomo  genannt  wird*'*). 
Dass  aber  dies  zu  Kyaneai  gehörte,  werden  wir  alsbald  sehen.    So 
erscheint  mir  Simena    an    der  Stelle  von  Kekova   vollkommen    ge- 
sichert. 

Es  war  ein  Vorurtheil,  die  anscheinend  ansehnlichsten  Ruinen 
dieses  Küstenstriches,  zu  Kekova,  auch  gleich  mit  dem  Namen 
Aperlai  zu  belegen;  oppida  heissen  bei  Plinius  beide,  Simena  wie 
Aperlai ;  bedeutend  war  keine  der  beiden.  Auch  den  Eindruck  der 
Ruinen  zu  Kekova  hat  Benndorf  auf  das  richtige  Maass  zurück- 
geführt: „die  Stadt  kann  nur  einen  kleinen  Umfang  gehabt  haben'' 
(S.  28).  Die  Ruinen  über  der  Assarbai  aber  sind  seit  Beaufort 
nicht  wieder  besucht  worden. 


")  Es  ist  Lebas  1307  (denn  in  1302  =  C.  I.  4303 /i^  ist  Alles  bis  auf  das 
u  ergänzt);  Z.  4  am  Schluss  steht  öqpeiX^TU)  Kuav.  .  .,  nach  dem  Abschreiber,  Boss 
V.  Bladensburg,  wäre  auch  Ku6v..  möglich;  ich  halte  das  erstere  für  richtig 
(s.  auch  oben);  auch  in  des  Ptolemaios'  (V,  3)  Kubva  steckt  Kudveai. 

>')  Ob  auch  ötudniczka  das  grosse  Ruinenfeld  von  Tristomo,  das  er  richtig 
Siguda  gleich  setzt,  noch  so  hat  bezeichnen  hören,  entnehme  ich  seinen  Angaben 
nicht  (bei  Benndorf,  Vorl.  Ber.  S.  87). 


199 

Der  Name  von  Aperlai  kommt  in  dem  Kekova  westlich  ganz 
nahe  gelegenen  Küstendorfe  Evassari  '^)  mehrfach  in  Grabschriften 
vor  (Leb.  1297 — 99.  1308)  und  zweimal  so,  dass  an  der  Zugehörig- 
keit des  Gebietes  zu  Aperlai  kein  Zweifel  sein  kann  (Busse  an 
'ArrepXeiTiJuv  tlu  b/-|]uuj  1299  vgl.  1308).  Eine  Ehreninschrift  an  die 
Kaiser  Diocletian  und  Maximian  und  die  Cäsaren  Constantius  und 
Galerius  —  also  zwischen  292  und  305  —  geht  aus  von  'ATr[e]p- 
[XJeiTÜJV  [fi]  Trö[\i(sJ.  Tief  ins  zweite  Jahrhundert  unserer  Zeitrech- 
nung führen  auch  die  zusammengehörigen  Grabschriften  von  Evas- 
sari (Lebas  1297 — 1299),  falls  man  der  oben  (S.  195)  ausgespro- 
chenen Ansicht  beipflichtet,  dass  der  Zusammenschluss  der  Ort- 
schaften mit  Aperlai  im  ersten  Jahrh.  n.  Chr.  erfolgt  sei :  denn  in 
einer  dieser  Inschriften  (1297)  bezeichnet  eine  'EpTTibaarj  r\  Kai  Zap- 
Trribovi?  Aucrdvöpou  'A-rrepXeiTK;  schon  ihren  Urgrossvater  als  'Atrep- 
Xeixriv  «tto  'ATro\\a)via(;. 

Wenig  jenseits  dieser  Stelle,  welche  wohl  noch  zu  dem  engeren 
Gebiet  von  Kekova  gehört  hat,  woher  vielleicht  die  rothe,  in  einen 
Festungsthurm  eingemauerte  Granitsäule  mit  der  Inschrift  an  die 
Kaiser  verschleppt  ist  —  also  wenig  jenseits  von  Evassari  betrat 
man  in  dem  innersten  Hintergrunde  des  Hafens  ein  Stück  Land, 
das  schon  genannte  Tristomo  oder  Siguda,  das  zu  dem  nördlich 
gelegenen  Kyaneai  gehörte:  denn  dies  beweist  die  ebenfalls  schon 
angeführte  Grabschrift,  welche  die  Busse  der  KuaveiTuiv  Y^poucria 
zuweist  (Leb.  1303);  ein  anderer  Kyanit  bezeichnet  sein  dortiges 
lUvrmeTov  als  rrpoTOviKÖv  (Leb.  1306);  weniger  will  besagen,  dass 
auch  die  dritte  von  dort  bekannt  gewordene  Grabschrift  von  einer 
Kyanitin  ausgeht.  Leider  ist  ein  directer  Marsch  von  hier  nach 
dem  nördlichen  Kyaneai  nie  gemacht  worden;  Studniczka  (S.  86) 
nennt  das  Vorland  ,, steil  bewegt".  Erst  dann  würden  wir  beur- 
theilen  können,  ob  es  auf  grösserer  Bodenschwierigkeit  beruht,  dass 
Kyaneai  das  Meer  nicht  lieber  im  SO.,  in  der  Jalibai  gesucht  hat, 
oder  ob  nicht  vielmehr,  wie  ich  glaube,  die  Scheu  vor  Myra,  der 
mächtigen  Besitzerin  des  ganzen  Andrakibusens,  nach  W.  an  den 


'')  Studniczka,  der  den  Ort  im  Binnenlande  suchte  (Vorl.  Ber.  S.  87),  hat 
die  Bemerkung  Waddingtons  zu  Lebas  1290  übersehen,  der  als  Augenzeuge  an- 
gibt: le  village  (TEvassari  est  situ4  aussi  au  hord  de  la  mer  un  peu  ä  Vouest  de 
Kekowa,  dont  il  nest  separe  que  par  un  petit  promontoire,  et  ä  fest  de  Tristomo; 
da  er  letzteres  (in  der  Bemerkung  zu  1285)  bezeichnet  als  ä  peu  pres  ä  une  heure 
de  marche  ä  Vouest  de  Kekowa,  so  wird  Evassari  gewiss  nicht  eine  halbe  Stunde 
fern  von  Kekova  liegen. 


200 

Hafen  Tristomo  trieb.  Hier  war  freilich  das  Gebiet  von  Aperlai  quer 
vorgelagert,  was  recht  unbequem  werden  konnte,  indessen  bei  der 
geringeren  Bedeutung  von  Aperlai  wohl  weniger  ins  Gewicht  fiel, 
als  die  etwaige  Feindschaft  Myras.  Wir  würden  darin  zugleich 
einen  neuen,  wenn  auch  indirecten  Beweis  für  die  Zugehörigkeit 
des  Andrakibusens  zu  Myra  erhalten. 

Es  wäre  sogar  möglich,  dass  Kyaneai  die  ganze  Westseite 
der  inneren  Bucht  besetzt  hielt,  vielleicht  sammt  dem  Vorgebirge, 
das  Simena  gegenüber  liegt.  Immer  dringlicher  wird  die  Frage  und 
der  Raum  begrenzter,  wo  wir  das  Aperlai  des  Stadiasraus  zu  suchen 
haben 5  60  Stadien  gibt  derselbe  als  Entfernung  von  Simena;  etwa 
70  Stadien  Umfahrt  führen  von  Kekova  in  die  nach  W.  geöffnete 
Assarbai  hinein,  wo  schon  Beaufort  Trümmer  bemerkt  ^'*),  Cockerell 
nach  einer  Angabe  Leake's  die  Inschrift  'ÄTrepAernjuv  gefunden  hatte 
(Asia  Minor  S.  188).  Diese  Reste  sind  nicht  wieder  besucht  worden; 
die  neue  Kiepert'sche  Karte  merkt  sie  gar  nicht  an.  Dennoch  muss 
hier  Aperlai  des  Stadiasmus  gelegen  haben,  in  welchem  die  aus- 
gefallene Entfernung  von  Aperlai  zum  Akroterion  nun  auf  50  Stadien 
bestimmt  werden  kann.  Damit  steigt  die  Gesammtsumme  der 
Stadien  von  Andriake  bis  Antiphellos  auf  220,  ein  durchaus  be- 
friedigendes Resultat. 

Apollooia,  der  dritte  Ort  der  Aperliten,  wird  wohl  mit  Recht 
in  der  vorgelagerten  langgestreckten  Insel  Kekova  erkannt,  nach 
Stephanos,  der  Apollonia  eine  Insel  Lykiens  nennt.  Isinda,  das 
mit  dem  Zivbia  des  Stephanos  ebenso  sicher  identisch  ist,  wie  wir 
neben  dem  Namen  der  pisidischen  Stadt  Isinda,  Isionda  bei  Strabo 
(p.  570  u.  630)  gewiss  nicht  irrthümlich  Zivba  finden,  wird  auch 
in  dem  schmalen  Küstenstriche  zu  suchen  sein,  auf  welchen,  so 
weit  wir  sehen  können,  das  Gebiet  von  Aperlai  beschränkt  war. 
Ob  diese  beiden  Orte,  wie  Simena,  ehemals  eine  selbstständige 
Existenz  gehabt  haben,  wissen  wir  nicht,  aber  wir  vermuthen  es 
wegen  der  Angaben  des  Stephanos. 

In  einer  Zeit,  in  welcher  die  angrenzenden  und  zwar  unbe- 
quem angrenzenden  Stadtgebiete  noch  als  solche  von  Bedeutung 
waren,  schliessen  sich  die  vier  Ortschaften   zusammen  ;    nicht    der 


'*)  Die  kurze  Beschreibung  bei  Beaufort  Karainania  S.  22  lautet:  this  deep 
inlet  is  divided  ly  a  loio  iathmus  frovi  another  arm  of  the  aee  that  fronta  Kastelorizo 
hay  (dieser  Arm  ist  die  Assarbai).  On  a  rocky  kill,  lohich  rises  from  the  isthnms 
stand  the  ruins  of  a  tovm ,  containing  a  profusion  of  half-destroyed  dwelling-houses, 
towers,  walls  and  aarcopJiagi.     Though  beautifully  süuated,  it  is  entirely  deserted. 


201 

sicherste  und  versteckteste,  sondern  der  am  freiesten  und  zugäng- 
lichsten gelegene  und  am  weitesten  vorgeschobene  Ort  wird  ihr 
Vorort,  Aperlai  über  der  Assarbai.  Im  Laufe  der  Zeiten  aber,  im 
zweiten  oder  dritten  Jahrhundert,  da  die  Nachbarschaft  Kyaneais 
nichts  mehr  zu  sagen  hat,  und  die  Frage  der  Sicherheit  immer 
mehr  in  den  Vordergrund  tritt,  erhält  die  Stelle  von  Simena  haupt- 
sächhche  Bedeutung.  Mittlerweile  aber  ist  der  Name  Aperlai  als 
politischer  Ausdruck  der  Küstenansiedelung  hier  so  fest  und  ge- 
läufig geworden,  dass  er  mit  der  Bedeutung  ohne  Weiteres  auf 
Simena  übergeht ;  so  erklären  wir  uns  die  Inschriften  von  Evassari 
und  vor  Allem  die  wohl  verschleppte  Ehreninschrift  aus  der  Zeit  um 
300  n.  Chr.  Späterhin  also  wird  Simena  und  seine  Umgebung  einfach 
Aperlai  geheissen  haben,  und  soweit  hätten  auch  diejenigen  Recht, 
welche  Kekova  Aperlai  nennen.  Nun  erst  erscheint  es  uns  im 
rechten  Lichte,  wenn  Ptolemaios  und  vollends  Hierokles  und  die 
Notitiae  hier  keinen  anderen  Namen  kennen  als  Aperlai.  So  steckt 
hier  in  unscheinbarer  Ueberlieferung  ein  ganzes  Stück  localer 
und  allgemeiner  Geschichte,  was  hoffentlich  auch  in  den  obigen 
kurzen  und  mehr  andeutenden  Bemerkungen  hinreichend  zum  Aus- 
druck gekommen  ist. 

Königsberg  in  Pr.,  Februar  1885 

GUSTAV  HIRSCHFELD 

Der  geehrte  Herr  Verfasser  wird  mir  gestatten  zusätzlich  auszusprechen, 
dass  mir  sein  Nachweis  eines  Synoikismos  in  Aperlai  gelungen,  seine  Verschiebung 
von  Aperlai  selbst  aber  nicht  gerechtfertigt  erscheint.  Dass  Kekova  =  Aperlai 
ist,  betrachte  ich  als  gesichert:  1,  hauptsächlich  durch  Lebas  n.  1292,  die  officielle 
Dedicationsinschrift  des  in  Kekova  errichteten  Bades;  2.  durch  den  Umstand, 
dass  Kekova  zwischen  Myra  und  Antiphellos  die  bedeutendste  Ruinenstätte  der 
Küste  ist,  und  dass  wir  auf  dieser  Küstenstrecke  Münzen  nur  von  Aperlai  be- 
sitzen. Wo  das  kleine,  nur  ein  oder  zwei  Mal  genannte  Somena  lag,  werden 
genauere  Erforschungen  des  Landes  als  uns  möglich  gewesen  sind,  gewiss  noch 
einmal  zeigen.  Inzwischen  wird  sich  mit  den  scharfsinnigen  Vermuthungen  des 
Herrn  Verfassers  der  zweite  Band  des  lykischen  Reisewerkes  näher  auseinander 
zu  setzen  haben.  O.  B. 


202 

Wälle  und  Chausseen  im  südlichen  und 
östlichen  Dacien 

(Hierzu  die  Karte  auf  Tafel  VI)  *) 


Dass  es  mir  möglich  war,  nach  dem  mehrfachen  Besuche  der 
Dobrugea  im  Laufe  dieses  Jahres  auch  die  Moldau  und  Walachei 
noch  in  einer  Weise  zu  bereisen,  dass  kaum  zwei  oder  drei  Distrikte 
unberührt  geblieben  sind,  verdanke  ich  in  erster  Linie  der  ausser- 
ordentlichen Güte  S.  D.  des  Fürsten  Alexander  Bibesco,  der  mir 
den  Aufenthalt  in  seinem  Hause  zu  dem  denkbar  freiesten  und 
freundschaftlichsten  gestaltete  und  bei  seinem  eigenen  hervorragenden 
Interesse  für  die  Wissenschaft  alle  meine  derartigen  Bestrebungen 
auf  das  Wärmste  begünstigte. 

Sodann  bin  ich  der  rumänischen  Regierung,  speciell  S.  E.  dem 
Minister  für  Cultus  und  Unterricht,  Dem.  Sturdza,  zu  lebhaftem 
Danke  verpflichtet  für  den  obrigkeitlichen  Schutz  und  die  Mitwir- 
kung der  Behörden,  welche  mir  allerorten  gesichert  war. 

I 

Die  Ergebnisse  meiner  Nachforschung  bestehen  besonders  in 
der  Feststellung  von  bisher  unbekannten  Wall-  und  Chausseelinien. 

Eine  Besprechung  mit  Herrn  Prof.  Torma  in  Pest  hatte  mich 
schon  bei  der  Herreise  nach  Rumänien  auf  die  Frage  geführt, 
ob  die  dacischen  Grenzwälle,  welche  im  Banat  in  dreifacher 
Linie  sichtbar  sind,  und  [  deren  Fortsetzung  der  genannte  Ge- 
lehrte am  nordw.  Rande  Siebenbürgens  von  Tiho  bis  Kis  Sebes 
aufgefunden  hatte,  nicht  auch  im  Osten  der  Provinz,  durch  die 
Moldau  hin  noch  vorhanden  sein  sollten.  Lange  blieben  meine 
Erkundigungen  erfolglos,  bis  ich  endlich  im  Frühling  dieses  Jahres 
von  dem  Berlader  Präfekten  die  Angabe  erhielt,  dass  an  seinem 
Gute  Nicoresci  in  der  Nähe  von  Tekutsch  ein  Wall  vorbeiziehe, 
der  noch  in  ziemlicher  Höhe  erhalten  sei  und  von  den  Bauern  all- 
gemein Trojan  genannt  werde.  Bei  einem  bald  darauf  vorgenommenen 
Besuche  jener  Gegend  konnte  ich  den  Wall  in  der  That  feststellen 
und  auf  eine  weite  Strecke  hin  verfolgen.     Zu  seiner  Beschreibung 


[*)  In  Folge  eines  Versehens  haben  die  mit  punktirten  Linien  angegebenen, 
von  dem  Verfasser  vorausgesetzten  römischen  Chausseen  von  Urlueni  bis  Campo- 
lung  und  von  ad  Aquäa  bis  gegen  Craiova  nicht  dieselbe  Farbe  erhalten  wie  die 
sicheren  römischen  Chausseen.     A.  d.  R.] 


203 


will  ich  Nicoresci  als  Ausgangspunkt  beibehalten  und  von  hier  erst 
nach  der  einen  und  dann  nach  der  andern  Seite  hin  fortschreiten. 
Der  Begehung  zu  Grunde  gelegt  ist  die  österreichische  General- 
karte (Masstab  1:300.000),  Blatt  P9  (Galatz),  Ausg.  1880. 

Nicoresci  liegt  in  der  unteren  Moldau,  16  Kil.  nordw,  von 
Tekutsch,  auf  dem  hügeligen  Plateau,  welches  das  Berlad-  vom 
Sereththale  trennt.  Von  hier  aus  Hess  ich  mich  zum  Walle  führen 
und  fand  denselben  6  Kilom.  östlich  von  dem  Städtchen  an  einem 
Waldesrande  entlang  ziehend.    Das  Profil  dieser  Stelle  ist  in  Fig.  1 


Fig.  1 

dargestellt.  Es  zeigt  eine  zwar  flache,  aber  ausserordentlich  breite 
Erdschanze,  deren  Gesammtausdehnung  durch  Wall  und  Graben 
34  M.  misst.  Der  Graben  liegt  auffallender  Weise  nach  Süden 
vor.  Schon  dieser  Umstand  erinnerte  sofort  an  den  kleinen  Erd- 
wall in  der  Dobrugea  (S.  91  ff.)  und  die  Aehnlichkeit  beider  in  Form 
und  Verlauf  trat  in  der  weiteren  Begehung  nur  noch  stärker  hervor. 
Mit  einem  Begleiter,  der  als  Jäger  die  ganze  Gegend  durch- 
streift hatte,  folgte  ich  der  Walllinie  zu  Fuss  bis  an  den  Sereth. 
Die  Stelle,  von  der  wir  ausgingen  und  an  der  auch  Profil  1  auf- 
genommen ist,  liegt  etwa  7^  St.  nördlich  von  jenem  markanten 
Punkte,  an  dem  der  Wall  plötzlich  in  rechtem  Winkel  von  seiner 
n.-s.  Richtung  abbiegt,  um  gerade  auf  Ziganesci  los  in  das  Berlad- 
thal  hinunterzulaufen.  Jene  viertelstündige  Strecke  ist  durchaus 
mit  Wald  bedeckt,  bei  Profil  1  aber  tritt  der  Wall  ins  Freie,  indem 
nur  auf  der  Ostseite  die  Bäume  noch  an  ihn  heranreichen,  während 
im  Westen  Ackerfelder  sich  öffnen.  An  dieser  Stelle  nun  mar- 
schirten  wir  Punkt  9  Uhr  ab.  Der  Wall  zieht  hier  direkt  nach 
Norden.  15  Min.  weiter  nimmt  er  die  Richtung  NNW  z.  W  (330") 
und  zeigt  eine  stärkere  Erhebung,  in  die  oben  ein  neuer  Graben 
eingeschnitten  ist  (Fig.  2).    Um  9  Uhr  35  Min.  kam  uns  ein  Wald 


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in  die  Quere,  den  wir  in  10  Min.  durchschritten.    Dahinter  zeigten 
sich  dann  auf  eine  weite  Strecke  nur  Felder  und  Weingärten.  Der 


204 

Wall  läuft  7  Min.  lang  (500  M.)  deutlich  sichtbar  über  ein  Acker- 
feld, bildet  dann  für  eine  gleiche  Strecke  die  Westgrenze  eines 
viereckigen  Weingartens,  immer  seine  Richtung  NNW  z.  W  bei- 
behaltend, und  trifft  nach  weiteren  400  M.  (10  Uhr  5  Min.)  bei 
einem  Gehöft  Visuresci  ein,  das  von  W  her  dicht  an  ihn  heran- 
tritt. Der  Fahrweg,  welcher  bisher  immer  neben  dem  Graben  ent- 
lang lief,  geht  hier  auf  den  Wall  über  und  hat  diesen  bedeutend 
abgeplattet.  Weiterhin  bildet  der  Wall  wieder  die  Umfriedung  eines 
ostwärts  sich  ausdehnenden  Gartens,  wobei  er  1  M.  hoch  bleibt 
und  mit  Bäumen  bestanden  ist.  Um  10  Uhr  15  Min.  jedoch  sahen 
wir  ihn  beim  Betreten  ausgedehnter  Ackerfelder  völlig  dem  Boden 
gleich  gemacht.  Nur  an  einzelnen  Stellen  waren  kleine ,  mit  ein 
paar  Büschen  bestandene  Häufchen  übergeblieben,  an  denen  man 
die  weitere  Linie  verfolgen  konnte.  Gegen  das  Ende  des  Feldes 
hin  zeigte  sich ,  wenn  auch  leise ,  allmählich  wieder  eine  fort- 
laufende Schwellung  des  Bodens.  In  diesem  Zustande  zog  der 
Wall  gleich  darauf  (10  Uhr  30  Min.)  an  einem  westlich  liegenden 
Gehöft  hin  und  10  Min.  später  durch  die  Vorderpartie  eines  Wein- 
berges. Das  genannte  Gehöft,  neben  welchem  noch  ein  halb  Dutzend 
anderer  Wohnungen  sichtbar  waren,  bildete  den  Anfang  des  Dorfes 
Tecucel.  Der  Wall  hat  hier  eine  rein  nördliche  Richtung  genommen 
und  biegt  gleich  darauf  (10  Uhr  50  Min.)  noch  weiter  um  nach 
NNO  z.  N  (10").  An  diesem  Punkte  läuft  er  auch  zum  ersten 
Male  eine  sanfte  Neigung  des  Terrains  hinab,  der  bisherige  Weg 
war  durchaus  eben.  Seine  Gestalt  bleibt  noch  dieselbe,  kaum  er- 
kennbare, da  wir  uns  immer  noch  in  Ackerfeldern  befinden.  Um 
11  Uhr  jedoch  erreichten  wir  einen  Waldesrand,  und  hier  trat  der 
Wall  sofort  wieder  in  weit  stärkerem  Profile  auf.  Wir  suchten  ihm, 
obgleich  kein  Weg  mehr  nebenherlief,  noch  weiter  zu  folgen,  durch- 
schritten nach  10  Min.  eine  etwa  10  M.  tiefe,  ziemlich  breite  Schlucht, 
konnten  aber  jenseits  derselben  wegen  des  zum  völligen  Dickicht 
werdenden  Unterholzes  nicht  weiter  vordringen  und  Hessen  uns  von 
einem  östlich  abgehenden  Fusswege  in  ein  reizendes  Waldthal  führen, 
in  dem  bis  V„l  Uhr  Mittagsrast  gehalten  wurde. 

Nachher  durchschritten  wir  das  Holz  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen, ohne  jedoch  eine  Spur  des  Walles  wiederfinden  zu  können. 
Waldhüter  sagten  uns,  dass  derselbe  hier  überall  nicht  mehr  zu 
erkennen  sei  und  erst  vor  dem  Dorfe  Tofla  in  einem  Weinberge 
wieder  zu  Tage  komme.  Dorthin  uns  wendend,  konnten  wir  noch 
mehrfach   hören,    dass    im    Walde   jede    Spur    verschwunden    sei, 


205 

aber  der  Weg,  hiess  es,  auf  dem  wir  uns  befänden,  werde  noch 
heute  Trojan  genannt.  Dieser  Weg  vermeidet  sehr  geschickt  Sen- 
kungen und  Abhänge,  indem  er  sich  in  vielfachen  Windungen  am 
Waldesrande  hinschlängelt,  hält  aber  im  Ganzen  nordöstl.  Richtung. 
Erst  nach  2  Stunden,  um  Va^  Uhr,  kamen  wir  zu  dem  be- 
sprochenen Weinberg  vor  Tofla  und  fanden  hier  auch  richtig  den 
Wall.  Derselbe  fängt  schon  ein  Stück  vorher  im  Ackerfelde  an 
durchzieht  dann  zwei  Weingärten  und  ist  im  Ganzen  auf  eine 
Strecke  von  etwa  1  Kilom.  sichtbar.  Sein  Profil  ist  schwach,  an 
welcher  Seite  der  Graben  lag,  wäre  hier  kaum  zu  unterscheiden 
(s.  Fig.  3).     Die  Richtung  ist  Anfangs  NO,   wird  im  ersten  Wein- 


Fig.  3 

berge  sogar  ONO,  dreht  im  zweiten  aber  herum  bis  auf  NNO. 
Dieser  zweite  Weingarten  liegt  auf  einer  Höhe,  von  der  man 
ziemlich  steil  auf  Tofla  hinabblickt  und  in  weitem  Kranze  die  ganzen 
Dörfer  des  Berhetsch-Thales  vor  sich  ausgebreitet  sieht.  Eine  Fort- 
setzung der  Walllinie  ist  nicht  zu  entdecken,  sie  wird  aber  jedes- 
falls  scharf  nach  Westen  umbiegend  zu  denken  sein.  Der  Guts- 
verwalter von  Tofla,  bei  dem  wir  uns  erkundigten,  bestätigte  diese 
Vermuthung,  die  der  lokalen  Tradition  entspreche,  und  fügte  als 
Beweis  bei,  dass  sich  auf  dem  Wege  zwischen  Tofla  und  Ploskutzeni 
oben  am  Rande  des  Serethufers  noch  ein  gutes  Stück  vom  Wall 
erkennen  lasse. 

Wir  gingen  nach  jener  Gegend  hinüber,  fragten  bei  einem 
griechischen  Gutsbesitzer,  der  gerade  dem  Einfluss  des  Trotusch 
in  den  Sereth  gegenüber  wohnt,  noch  einmal  nach  und  fanden  dann 
kaum  eine  Viertelstunde  von  seinem  Hause  entfernt,  die  Wallspuren. 
Die  Hochebene,  auf  der  wir  den  ganzen  Tag  marschirt  waren, 
fällt  hier  schroff  zum  Sereth  ab,  erst  eine  halbe  Stunde  flussauf- 
wärts  wird  die  Neigung  sanfter,  Wasserrinnen  führen  hinunter  und 
runde  Kuppen  haben  sich  gebildet,  die  den  Uebergang  vermitteln. 
Der  ganze  Abhang  ist  abwechselnd  mit  Wald  und  Wein  bewachsen 
und  hat  die  grösste  Aehnlichkeit  mit  dem  Gelände  der  Bergstrasse 
zwischen  Darmstadt  und  Heidelberg.  Oben  an  diesem  Höhenrande 
nun  läuft  der  Wall  entlang,  meist  zwar  vernichtet  durch  die  Fahr- 


206 

Strasse,  die  denselben  Weg  gewählt  hat,  aber  oft  doch  noch  in 
seiner  gewölbten  Form  erkennbar.  Wie  weit  er  so  dahinzieht,  habe 
ich  nicht  ausmachen  können;  wir  hatten  schon  eine  Zeitlang  keine 
Spuren  mehr  gesehen,  als  wir  uns  bei  einbrechendem  Abend  in  das 
Thal  wandten  und  ein  Stück  Weges  zurück  gingen ,  um  in  Plos- 
kutzeni  zu  übernachten. 

Am  folgenden  Morgen  fuhr  ich  zu  Wagen  nach  Homocea, 
6  Kilom.  aufwärts  am  Sereth,  konnte  aber  dort  schon  nichts  mehr 
vom  „Trojan"  erfahren.  Nur  eine  kurze  alte  Schanze ,  Cetatzuia 
(Festung)  genannt,  zeigte  man  mir  oben  auf  der  Höhe  des  Ufer- 
berges. Dieselbe  bestand  aus  einem  hohen  Wall  mit  tiefem  Graben 


Fig.  4 

davor ,  auf  den  noch  ein  zweiter  Aufwurf  folgte  (s.  Fig.  4) ,  war 
circa  30  M.  lang  und  lief  in  ostwestl.  Richtung. 

Auch  am  rechten  Serethufer,  wo  sich  vielleicht  die  Fortsetzung 
des  Walles  gegen  die  Karpathen  hin  finden  konnte,  waren  meine 
Erkundigungen  vergeblich.  Der  Priester  von  Alt-Agiud  {A.  vecliiu) 
der  einen  grossen  Kreis  Bauern  zur  Befragung  zusammen  gerufen 
hatte,  versicherte,  dass  in  der  ganzen  Gegend  nichts  dergleichen 
vorhanden  sei. 

Ich  kehrte  dann  nach  Nicoresci  zurück  und  verfolgte  den 
Wall  nach  der  andern  Seite,  gegen  Osten  hin.  Wenige  Schritte 
nördlich  von  dem  schon  oben  erwähnten  VVinkelpunkte  habe  ich 
Profil  5  aufgenommen.   Die  Linie  läuft  hier  nach  SSO  z.  O  (150") 


Fig.  5 

und  biegt  nachher  um  auf  ONO  z.  O  (80") ,  bildet  also  einen 
Winkel  von  110",  der  auch  durchaus  nicht  gerundet,  sondern 
ganz  scharf  geschnitten  ist.  Diese  Stelle  tritt  etwas  aus  dem  Walde 
heraus;  im  weiteren  Laufe,  nach  Ziganesci  hinab,  zieht  sich  der 
Wall  indess  wieder  unter  die  Bäume  zurück,  bis  er  den  hohen  Rand 


207 

des  Berladthales  erreicht,  wo  der  Wald  überhaupt  aufhört,  ja  sogar 
für  den  ganzen  Rest  des  Weges  aufhört ;  zunächst  folgt  eine  breite 
Niederung  und  dann  dehnen  sich  bis  zum  Pruth  hin  endlose  Acker- 
felder aus. 

Der  Wall  erreicht  das  Thal  bei  dem  südlicheren  der  beiden 
Ziganesci :  Alt  -  Ziganesci  ( Tz.  vechiu) ,  ist  in  der  Niederung  aber 
nicht  mehr  erkennbar  und  auch  weiterhin  in  Folge  der  langen  und 
regelmässigen  Feldarbeit  nur  selten  und  dann  recht  schwach  wahr- 
zunehmen. Um  so  mehr  habe  ich  die  zähe  Tradition  bewundert, 
die  sich  unter  den  Landleuten  vom  Trojan  erhalten  hat.  Jeder 
Pflugknecht  kann  Auskunft  geben,  wie  die  Linie  gelaufen  ist;  er 
zeigt  oft  im  Acker  auf  eine  Schwellung  des  Bodens,  so  klein,  dass 
man  niemals  wagen  würde,  darin  eine  Wallspur  zu  erkennen,  und 
sagt:  gehen  Sie  in  dieser  Richtung  weiter,  so  werden  Sie  da  und 
da  noch  einen  ganz  deutlichen  Rest  des  Trojans  finden ;  und  die  An- 
gabe erweist  sich  jedesmal  als  richtig.  Nur  auf  diese  Weise,  durch 
beständig  weitertastendes  Fragen  war  ich  im  Stande,  die  Linie 
festzustellen.  Ich  fuhr  mit  kundigen  Führern  und  hielt  sie  an,  dem 
Walle  immer  möglichst  nahe  zu  bleiben. 

Am  östlichen  Ufer  des  Berladthales  beginnt  der  Wall  bei  zwei 
grossen  Tumuli  über  Ziganesci  vechiu.  Von  da  fuhr  ich  direct 
nach  Matka.  Der  Wall  bleibt  nördlich  von  diesem  Dorfe ,  wird 
aber  nachher  von  dem  von  Matka  nach  Putzeni  führenden  Wege 
mehrmals  durchschnitten.  Er  ist  an  diesen  Stellen  etwa  30  Cm. 
hoch  und  verfolgt  die  Richtung  OSO  (120").  In  und  hinter  Putzeni 
konnte  ich  nichts  Sicheres  erfahren,  der  Wall  muss  hier  ziemlich 
weit  nach  Norden  entfernt  sein.  Auf  Baleni,  das  bei  der  Beschrei- 
bung der  Linie  in  Aller  Munde  gewesen  war,  hatte  ich  um  so  mehr 
Hoffnung  gesetzt.  Hier  sagte  man  mir  denn  auch,  vom  Wall  sei 
zwar  heute  so  gut  wie  gar  nichts  mehr  zu  erkennen,  derselbe  sei 
aber  über  die  Dörfer  Firtzenesci,  Kiraftei,  Mastukani  bis  an  den 
Pruth  gelaufen.  Besonders  ein  steinalter  Hirt  Namens  Ion  Nistru 
diente  mir  als  wahrhaftes  topographisches  Lexikon. 

Die  Verhältnisse  brachten  es  mit  sich,  dass  ich  dieser  Angabe 
nicht  weiter  nachgehen  konnte,  sondern  am  andern  Morgen  nach 
Galatz  fuhr.  Wenn  sie  richtig  ist,  stösst  der  Wall  gerade  an  dem 
Punkte  auf  den  Pruth,  wo  drüben  die  bekannte  bessarabische 
„Römerschanze"  {Vadu  lui  Issak —  Tartarpunar)  beginnt.  Es  ist  ja 
denkbar,  dass  die  Tradition  ihn  nur  deshalb  hier  ausmünden  lässt, 
um  ihn  mit  jener  Schanze  in  Verbindung   zu   setzen.     Aber   es  ist 


208 

auch  zu  bedenken,  erstens,  dass  der  Wall  doch  nicht  mitten  im 
Felde  aufgehört  haben  kann,  und  zweitens,  dass  die  gerade  Linie, 
welche  ich  von  dem  Winkel  bei  Nicoresci  bis  hinter  Matka  fest- 
gestellt habe,  in  ihrer  Fortsetzung  genau  auf  die  von  den  Baleniern 
angegebene  Pruthstelle  triflPt. 

Was  sich  etwa  über  den  Ursprung  und  die  Bestimmung  dieses 
Walles  sagen  lässt,  soll  weiter  unten  im  Zusammenhang  mit  anderen 
ähnlichen  Erdwerken  der  hiesigen  Gegenden  erörtert  werden. 

II 

Auf  der  Suche  nach  topographischem  Material,  .das  weitere 
Nachforschungen  fördern  könnte ,  stiess  ich  in  Bukarest  auf  das 
Dossar  einer  grossen  archäologischen  Enquete,  die  im  Jahre  1871 
vom  Cultusministerium  veranlasst,  jetzt  in  sieben  starken  Folio- 
bänden in  der  Bibliothek  der  rumänischen  Akademie  aufbewahrt 
wird.  Die  Berichte,  von  den  Schullehrern  aller  Stadt-  und  Land- 
gemeinden verfasst,  sind  oft  recht  kraus  und  unerfreulich  aus- 
gefallen, besonders  wo  sie  in  rasend  machender  Breite  all  die  Thor- 
heiten  wiedergeben,  die  das  Volk  sich  von  dem  oder  jenem  histori- 
schen Reste  erzählt.  Aber  die  aus  eigener  Anschauung  stammende 
Beschreibung  des  Thatsächlichen,  besonders  was  Wälle  und  Chaus- 
seen betraf,  machte  sie  mir  werthvoll  genug,  um  das  Ganze  ein- 
mal einer  genauen  Durchsicht  zu  unterziehen.  Eine  solche  war 
nämlich  noch  nie  vorgenommen.  Nur  zwei  Distrikte,  Romanatzi ') 
westlich  vom  Unterlaufe  der  Aluta,  und  Dorohoi*^),  die  oberste 
Spitze  der  Moldau,  hatte  Alex.  Odobescu,  der  Urheber  der  ganzen 
Enquete,  verarbeitet. 

Vor  Allem  war  es  ein  grosser,  nach  Cantemir's  descriptio 
Moldaviae  (1716)  und  der  moldauischen  Chronik  Miron  Costin's 
(1726),  lang  durch  die  ganze  Walachei  und  noch  ein  Stück  Moldau 
ziehender  Wall,  über  den  ich  ins  Klare  kommen  wollte. 

Ich  halte  es  nicht  für  überflüssig,  jene  zwei  schwer  zugäng- 
lichen Quellen,  auf  die,  wie  ich  gesehen  habe,  die  Angaben  aller 
späteren  rumänischen  Geschichtswerke  und  Wörterbücher  zurück- 
gehen, hier  wiederzugeben,  zumal  sie  einer  Zeit  angehören,  in  der 
noch  weit  mehr  vom  Walle  vorhanden  sein  konnte,  als  heutzutage. 


')  Annal.  societatei  academice  Romane  X  2  (1877)  p.  173 — 339. 
')  Monilorul  official  al  Romaniei  13/25.  Juli  1871,  Nr.   152. 


209 

Canlemir  schreibt^):  Fossa  Trajani  imperatoris  hodie 
etiam  sui  conditoris  nomen  retinens  de  qua  miror  neminem,  neque 
veterum ,  nee  recentiorum  Mstoricorum  quidquam  iraJidisse  memoriae. 
Haec  ut  ipse  auTÖ7TTr|^  testis  snm,  duplici  aggere  a  Petrivaradino  in 
Hungaria  incipit,  ad  montes  Demarkapu,  ferream  portam.  descendit,  inde 
simplici  vallo  per  toiam  Valachiam  et  Moldaviam  transit,  Hierasum  (bei 
Cant.  =  Pruth)  ad  pagum  Trojan  dictum,  Botnam  ad  oppidum  Causzen 
secat  transactaque  tota  Tartaria  ad  Tanaim  flumen  desinit.  Ipsa  ultra 
12  cubitos  hodie  adhuc  'profunda  est,  unde  forsitan  haud  sine  ratione 
coUigere  possemus  ipsiiis  spatium,  dum  strueretur,  altera  tanto  latius 
profundiusque  atque  adeo  egregium  adversus  barbarorum  irruptiones 
mimimentum  fuisse. 

Die  Stelle  in  Miron  Costin's  Chronik  *)  lautet  in  der  Ueber- 
setzung:  „Dieser  berühmte  Kaiser  (Trajan)  hat  auch  die  Schanze 
„Trojan"  graben  lassen,  von  seinen  Soldaten,  wie  es  gewöhnlich 
heisst,  von  der  Walachei  an  über  alle  die  Flüsse,  von  denen  wir 
gesprochen  haben,  Sereth,  Pruth,  Dniestr,  Bug  und  Dniepr  hinweg, 
bis  an  den  Don.  An  dieser  selben  Schanze,  die  wir  bei  uns  sehen, 
bin  ich  in  der  Nähe  des  Dniepr  vorbeigekommen,  ganz  dicht  bei 
einer  Stadt  Namens  Vciorasnoia;  nicht  weit  von  Kiew.  Kiew  liegt 
am  Dniepr  und  nach  dem  Lauf  der  Schanze  hat  also  der  Kaiser 
Trajan  mit  seiner  Armee  den  Dniepr  oberhalb  Kiew  überschritten". 
Die  letztere  Bemerkung  erklärt  sich  aus  der  noch  heute  im  Volke 
verbreiteten  Anschauung,  dass  alle  diese  Wälle  römische  Militär- 
strassen gewesen  seien. 

Durch  die  Worte  Cantemirs  ist  dann  auch  Sulzer  auf  den 
Wall  aufmerksam  geworden,  hat  ihn  nach  langem  Fragen  in  der 
Gegend  von  Slatina  gefunden,  sich  von  seinem  weiteren  Verlaufe 
unterrichten  lassen  und  in  einem  besonderen,  ,, Vermeinter  Tra- 
janischer  Graben"  betitelten  Capitel  seines  Buches^)  darüber  ge- 
schrieben. Allein,  was  er  auf  diesen  10  Seiten  behauptet,  liest  sich 
geradezu  komisch.  Er  erklärt  den  Wall  zuerst  für  ,,avarische  Ringe", 
entschuldigt  sich  dann  aber,  dass  er  ihn  auf  seiner  Karte  trotzdem 
als  eine  gerade  Linie  gezeichnet  habe,  und  sagt,  dies  käme  daher, 
weil  nach  Allem,  was  er  gehört  und  gesehen,  thatsächlich  doch 
nichts  Anderes    als    eine    gerade  Linie   vorhanden    sei.     Die  Ringe 


*)  Descriptio  Moldaviae  c.  4  fin. 
*)  Cogalniceanu :  Letopisetde  etc.  I  p.   21. 

*)  Sulzer,  Gesch.  d.  transalpin.  Daciens,  Wien  1781  I  p.  216—225. 
Archäologisch-epigraphische  Mitth.    IX.  -j^^ 


210 

seien  also  augenscheinlich  verschwunden  und  nur  die  Befestigungs- 
linie, welche  zu  ihrer  „Gemeinschaft  und  Coramunication"  diente, 
übrig  geblieben. 

Sulzer's  Walllinie  ist  ausserdem  nur  durch  drei  Punkte  ge- 
sichert; die  zwei,  welche  schon  Cantemir  angibt,  das  eiserne  Thor 
am  Anfang  und  Trajan  am  Ende  Rumäniens,  und  Slatina  beim 
Alutaübergang.  Alles  Uebrige,  Petroja,  Tirgovischte  ,  Plojesci, 
Buzeu,  Maxineni  stammt  vom  Hörensagen  und  ist  sogar  grössten- 
theils  Conjectur  seiner  Gewährsmänner. 

In  der  Bukarester  Enquete  nun  fand  ich  eine  grosse  Menge 
von  Dörfern ,  die  berichten ,  dass  der  Wall  in  ihrer  Nähe  vorbei- 
ziehe. Für  gewisse  Gegenden  .  besonders  für  die  kleine  Walachei, 
ergab  sich  damit  gleich  eine  sichere  und  ununterbrochene  Linie,  in 
anderen  jedoch  waren  entweder  die  Gewährsorte  so  bunt  gewürfelt 
oder  auch  die  Berichte  so  lückenhaft,  dass  sich  aus  ihnen  allein  keine 
Klarheit  gewinnen  Hess.  An  eine  Begehung  der  ganzen  Strecke  war 
bei  ihrer  enormen  Ausdehnung  nicht  zu  denken.  Es  musste  mir 
desshalb  darauf  ankommen  ,  durch  einen  Besuch  der  zweifelhaften 
Punkte  den  weiteren  Verlauf  des  Walles  sicherzustellen,  speciell  in 
das  Chaos  der  Angaben  über  die  Pai'tie  östlich  von  der  Aluta 
(Distrikte  Teleorman,  Oltu  und  Argesch)  Licht  und  Ordnung  zu 
bringen.  Letzteres  ist  mir  vollständig  gelungen  durch  die  an  Ort 
und  Stelle  gemachte  Entdeckung,  dass  in  dieser  Gegend  zwei  Wälle 
ziemlich  weit  von  einander  laufen:  von  Slatina  gegen  NW  der  von 
Cantemir  und  Sulzer  besprochene,  weiter  südlich  von  der  Aluta  bei 
Roschi  de  Vede  vorbei  bis  gegen  Giurgiu  hin  ein  kleinerer;  und  dass 
beide  durchschnitten  werden  durch  eine  von  Turn  Magurele  herauf- 
führende und  vom  Volke,  eben  so  wie  jene,  „Trojan"  genannte 
Chaussee. 

Im  Folgenden  stelle  ich  zunächst  das  auf  den  grossen  Wall 
Bezügliche  zusammen,  indem  ich  dessen  ganzer  Länge  von  Westen 
nach  Osten  folge. 

Der  Wall  wird  vom  Volke  wie  schon  erwähnt  Trojan,  noch 
häufiger  aber  „Brazda  lui  Novae",  „die  Novaksfurche"  genannt.  Ueber 
die  Entstehung  dieses  Namens  hat  sich  bis  jetzt  durchaus  nichts 
feststellen  lassen,  auch  Odobescu  weiss  keine  Erklärung  dafür. 

Cantemir's  Bemerkung ,  der  Wall  beginne  bei  Peterwardein, 
ist  natürlich  eine  Verwechslung  mit  der  dort  befindlichen  längst 
bekannten  Banater  Schanze.  Der  walachische  Wall  hat  seinen 
Anfang    bei    der   scharfen  Donaubiegung   unterhalb  Turn  -  Severin. 


211 

ßogova  ist  der  erste  Ort,  an  dem  er  vorbeizieht'*),  und  zwar  jeden- 
falls nördlich  von  diesem  Dorfe  laufend ,  denn  aus  dem  6  Kilom. 
nordöstl.  gelegenen  Broscari  ~)  wird  berichtet,  dass  er  auch  das 
Territorium  dieser  Gremeinde  berühre,  auf  einer  Anhöhe  im  SO 
besonders  gut  zu  erkennen  sei,  und  dann  nach  Orevitza  weitergehe. 
In  gerader  Fortsetzung  der  bisherigen  Linie  erreicht  er  dann  das 
17  Kilom.  entfernte  Balacitza,  aus  dem  zwar  in  der  Enquete  kein 
Bericht  vorliegt,  wo  ihn  aber  der  Ingenieur  Popowitsch*^;,  der  von 
den  dreissiger  Jahren  ab  in  Rumänien  reiste,  gesehen  hat. 

Von  da  ab  giebt  es  keinen  Anhaltspunkt  mehr  bis  zu  dem 
35  Kilom.  nach  OSO  liegenden  Terpesitza.  Aus  dieser  Gemeinde 
wird  berichtet,  dass  der  Wall  mitten  durch  ihr  Gebiet  ziehe,  auch 
in  den  Nachbargemeinden  sichtbar  sei  und  der  Richtung  von  West 
nach  Ost  folge").  Auch  habe  ich  selbst  auf  dem  Gute  ßreasta  bei 
Craiova  mir  erzählen  lassen ,  dass  der  Wall  am  Südwest!.  Ende 
dieser  sehr  ausgedehnten  Besitzung,  bei  Lazu,  ca.  5  Kilom.  ron 
Terpesitza,  vorhanden  sei. 

In  Craiova  soll  der  Wall  nach  Laurian '")  in  der  Vorstadt 
Belli-vaca  zu  Tage  treten.  Ungünstige  Umstände  hinderten  mich 
bei  dem  kurzen  dortigen  Aufenthalt  persönlich  nachzusehen.  Die 
Enquete  berichtet,  dass  der  Wall  nördlich  von  der  Stadt  hinziehe. 
Sie  bietet  uns  hier  auch  zum  ersten  Male  einen  Aufschluss  über 
seine  Structur,  indem  sie  bemerkt,  der  ausgehobene  Boden  sei  gegen 


")  So  berichtet  V.  Dimitrescu  aus  Turn-Severin  in  Tocilescu's  Revista  pentru 
ßlologie  etc.  I  p.  167  (Ueber  die  Alterthümer  des  Distr.  Mehedintzi).  An  derselben 
Stelle  wird  auch  von  einer  römischen  Chaussee  gesprochen,  die  „von  Isvor  frumos 
über  Burila,  Devesel,  Batotzi,  Eogova  nach  Orevitza  läuft,  wo  die  Cetata  Latinilor 
ist  und  römische  Ruinen  sich  zeigen,  dann  nach  Padina  mica,  Slasoma,  Balacitza, 
Cleanov  weiterzieht,  schliesslich  in  den  Distr.  Doljiu  eintritt  und  zu  dem  auf  der 
Marsigli'schen  Karte  Frateria,  heute  Trapesitza  (soll  wohl  heissen  Terpesitza)  ge- 
nannten Orte  führt". 

')  Bukar.  Enquete,  Distr.  Mehenditzi,  Fol.  436. 

*)  Die  Tagebücher  Popowitsch's,  dem  Cogalniceanu  schon  im  Jahre  1840 
das  Lob  des  tüchtigsten  Kenners  der  rumänischen  Vorzeit  spendete,  wurden  lange 
nach  dem  Tode  ihres  Verfassers  von  Herrn  AI.  Odobescu  bei  einem  Trödler  ent- 
deckt und  theilweise  publiciert  in  der  Zeitung  Trovipetta  Carpatilor  Nr.  869  (12./24. 
November  1870).  Die  Notiz  über  Balacitza  fehlt  aber  dort;  sie  ist  erst  in  den  An- 
hängen zu  Odobescu's  Aufsatz  über  Romanatzi  (a.a.O.  p.  217)  nachgetragen.  Wir 
werden  Popowitsch  noch  öfter  zu  eitleren  haben. 

»)  B.  E.  Distr.  Doljiu  Fol.  311. 

'*')  A.  Treb.  Laurian:  Istriana  im  Magazinu  istoricu  pentru  Dada  1864 
Tom.  II  p.  102. 

14* 


212 

Süden  aufgeworfen  und  der  Wall  erhebe  sich  1  Stanjin  =  2'23  M. 
hoch"). 

Hinter  Craiova  hat  der  Wall  eine  südöstliche  Richtung,  wie 
der  Bericht  aus  Ghercesci '")  angibt,  kann  dieselbe  aber  wohl  nicht 
lange  beibehalten ,  denn  bald  darauf  finden  wir  ihn  bei  dem  fast 
direet  östlich  von  Craiova  gelegenen  Popinzelesci^^),  wo  er  6  Kilom. 
östlich  vom  Dorfe  deutlich  sichtbar  ist.  Weiterhin  zeigt  er  sich 
auf  einer  Anhöhe  westlich  von  Dobrun  ^^),  zieht  dann  mitten  durch 
diese  Gemeinde  und  die  Oltetza  überschreitend  nach  Schoperlitza 
hinüber.  Hier  muss  er  sehr  gut  erhalten  sein.  Der  Bericht  aus 
Schoperlitza'*)  gibt  seine  Maasse  auf  4  Stj.  (9  M.)  Breite  und 
3  Stj.  (6"7  M.)  Tiefe  an.  Für  die  Tiefe  scheint  dabei  allerdings 
nicht  die  verticale,  sondern  die  schräge  Linie  der  Absenkung  ge- 
nommen zu  sein.  Die  Maassangaben  sind  überhaupt  in  diesen 
Berichten  das  Unzuverlässigste,  wesshalb  ich  sie  aucli  durchweg 
nicht  berücksichtige. 

Der  Wall  zieht  nördlich  von  Schoperlitza  hin  und  schneidet 
oberhalb  des  Dorfes  Vladuleni  die  am  Alutaufer  zum  Rothenthurm- 
pass  hinauflaufende  „Trajansstrasse".  Dies  ist  die  einzige  Stelle 
in  der  westlichen  Walachei,    wo    ich    ihn    selbst   gesehen   und   ge- 


Fig.  6 

messen  habe  (s.  Fig.  6).  Der  Graben  ist  1  M.  tief  und  liegt 
nördlich  vor,  der  Aufwurf  erhebt  sich  0'8  M.  über  die  Bodenlinie. 
Der  Wall  zieht  beständig  durch  Maisfelder  und  hat  die  Rich- 
tung O  (100",  also  mit  10"  Abweichung  nach  S).  Ich  hatte  darauf 
gehalten,  gerade  diese  Stelle  zu  besuchen,  um  zu  sehen,  wie  Wall 
und  Chaussee  bei  ihrer  Kreuzung  sich  zu  einander  stellen.  Popo- 
witsch  berichtet'^),    dass  der  Wall  von  der  Chausse  durchschnitten 

")  B.  E.  Distr.  Doljiu  Fol.  220. 

'*)  B.  E.  Distr.  Doljiu  Fol.  253  u.  393. 

")  Da  die  Berichte  von  Romanatzi  in  Odobescu's  Aufsatz  über  diesen  Distrikt 
herausgegeben  sind,  eitlere  ich  den  Druck:  Ann.  soc.  acad.  Rom.  X  2  p.  187  Anm.  41. 
S.  auch  Anm.  40  Her.  aus  Viisoara. 

•*)  Odobescu  a.  a,  O.  p.  187  Anm.  39. 

'^)  Odob.  p.  185  Anm.  32. 

'*)  Odob.  a.  a.  O.  p.  218  Popowitsch:  „Es  lässt  sich  bei  dem  Dorfe  Grcci 
mit  Sicherheit  erkennen,  dass  die  Chaussee  des  Kaisers  Trajan  später  angelegt  ist 
als  der  Trojan,  weil  die  Strasse  durch  die  Schanze  hindurchläuft,  wo  sie  sich  bei 
dem  Dorfe  Greci  kreuzen." 


213 

werde,  was  sich  heute  nicht  mehr  constatieren  lassen  würde,  da 
die  1871  gebaute  rumänische  Chaussee,  wie  an  vielen  anderen 
Stellen,  so  gerade  auch  hier  auf  die  alte  römische  aufgelegt  ist. 
Popowitsch  folgert  aus  jenem  passiven  Verhalten  des  Walles  ein 
höheres  Alter  desselben,  ein  Schluss,  der  sonderbarer  Weise  von 
Odobescu'')  angenommen  und  dahin  präcisiert  worden  ist,  dass 
also  der  Wall  vorrömisch  sein  müsse.  Das  ist  indessen  ein 
Trugschluss.  Wall  und  Chaussee  können  sehr  wohl  gleichzeitig 
angelegt  sein ;  wenn  jener  eine  römische  Grenze  bildete,  mussten  doch 
immer  Wege  offen  bleiben ,  die  den  Verkehr  mit  dem  Aussenlande 
vermittelten;  wie  viele  solcher  Wallausschnitte,  durch  welche 
Chausseen  führten ,  sind  nicht  im  germanischen  Limes  constatiert. 
Ausserdem  aber  Hesse  sich  auch  denken,  dass  der  Wall  jünger  sei 
als  die  Chaussee,  denn  die  letztere,  deren  gute  Erhaltung  noch  heute 
Staunen  erregt,  hat  gewiss  noch  lange  nach  den  Römern  die  Ver- 
kehrsader im  Alutathaie  gebildet  und  konnte  daher  absichtlich  ver- 
schont werden,  als  man  den  Wall  anlegte.  Ein  strikter  Beweis  wäre 
aus  der  Kreuzung  nur  in  dem  einen  Falle  zu  gewinnen  gewesen,  wenn 
der  Wall  die  Chaussee  zerstört  hätte,  dann  würde  die  letztere  natür- 
lich älter  sein;  so  aber,  wo  die  Chaussee  den  Wall  unterbrochen 
hat,  bleiben  nach  wie  vor  alle  Möglichkeiten  offen. 

Der  Wall  zieht  zwischen  Vladuleni  und  Greci  durch  gegen 
die  Aluta  hin,  überschreitet  den  Fluss  und  läuft  drüben  zunächst 
durch  die  Gemeinde  Coteana  (österr.  K.  Kotiana),  aus  welcher  ein 
Bericht  in  der  Enquete  vorhanden  ist  '^).  Wahrscheinlich  befindet 
er  sich  nördlich  vom  Dorfe  und  hat  schon  hier  die  nordöstliche 
Richtung  eingeschlagen,  in  Folge  deren  er  laut  des  folgenden  Be- 
richtes '^)  zwischen  den  Dörfern  Catana  und  Mosteni  gesehen  wird. 
Der  dritte  Gewährsort  in  diesem  Distrikte,  Urschoia'^")  (30  Kilom. 
nordöstl.  von  Mosteni),  führt  ausdrücklich  an,  dass  der  Wall  mit 
dem  einen  Ende  nach  SW  und  mit  dem  andern  nach  NO  gerichtet 
sei.  Alle  drei  Berichte  erwähnen,  dass  der  Wallaufwurf  gegen 
Süden  (der  Graben  also  im  Norden)  liege. 

Der  Wall  muss  in  seinem  weiteren  Laufe  die  äusserste  Nord- 
westspitze  des    Distrikts  Teleorman    abschneiden.     Eine  Nachricht 


*')  Odot.  a.  a.  O.  p.  187. 

")  B.  E.  Distr.  Oltu  Fol.  487. 

")  Aus  Mierlesci  B.  E.  Distr.  Oltu  Fol.  482  v. 

'">)  B.  E.  Distr.  Oltu  Fol.  493. 


214 

bekommen  wir  erst  wieder  aus  dem  Dorfe  Negraschi**^)  (österr.  K. 
Aduaatzi  Negrasi)  im  Distrikt  Argescb.  Der  Wall  soll  hier  V^  Kilom. 
nordöstl.  vom  Dorfe  in  einem  Thale  gegen  200  M.  lang  sichtbar 
sein.  Es  wird  hinzugefügt,  dass  er  von  Osten  nach  Westen  laufe 
und  die  aufgeworfene  Höhe  gegen  Süden  liege. 

Kaum  15  Kilom.  weiter  gegen  NO  hin,  werden  wir  dagegen 
aus  drei  nahe  bei  einander  liegenden  Dörfern,  Mortem,  Greci  und 
Punta  de  Greci*'^),  wieder  aufs  Sicherste  orientiert.  Aus  Morteni 
wird  geschrieben,  dass  der  Wall  von  SW  herziehe,  aus  Punta  de 
Greci  und  Greci,  dass  er  gegen  Süden  aufgeworfen  sei,  und  aus 
allen  dreien,  dass  er  Brazda  lui  Novae  heisse.  Nicht  weit  von  diesen 
Ortschaften,  8  Kilom.  nördlich  von  Morteni,  befindet  sich  auch 
„der  Markt  Petroja" ,  den  Sulzer  sich  als  am  Wall  liegend  hat 
nennen  lassen. 

Mit  dieser  Feststellung  des  Walles  bei  Morteni,  Punta  de  Greci 
und  Greci  endet  aber  auch  Alles,  was  ich  über  den  Lauf  der  Linie 
mit  Sicherheit  habe  ermitteln  können.  Wir  befinden  uns  hier 
60  Kilom.  westnordwestlich  von  Bukarest.  Sulzer  berichtet  von 
einem  Weiterlauf  über  Tirgo wischte,  Ploiesci,  Buzeu  bis  an  den 
Sereth  {Maxineni)\  das  ist  dasselbe,  was  man  noch  heute  in  jenen 
Gegenden  von  den  Bauern  —  denn  nur  diese  wissen  überhaupt 
vom  Wall  —  erzählen  hören  kann.  Dass  es  Conjectur  ist,  geht 
schon  daraus  hervor ,  dass  immer  nur  die  grössten  Orte  genannt 
werden,  die  in  der  bisher  verfolgten  Richtung  nach  Osten  liegen. 
Allerdings  ist  es  ja  die  natürlichste  Conjectur;,  die  man  machen 
kann,  und  ich  habe  nicht  verfehlt,  an  verschiedenen  Punkten  jener 
vermuthlichen  Fortsetzung  nach  thatsächlichen  Anhaltspunkten  zu 
suchen. 

Die  Enquete  berichtet  über  ein  134  M.  langes  Wallstück  bei 
dem  Orte  Lipia'^''),  34  Kilom.  nördlich  von  Bukarest,  wo  auch  auf 
der  österr.  Karte  die  Beischrift  „La  Santz"  (bei  der  Schanze)  sich 
findet.  Dessen  Zugehörigkeit  zu  unserem  Walle  ist  indessen  zweifel- 
haft, denn  es  führt  nicht  wie  jener  immer  den  Namen  Novaks- 
furche,    sondern   heisst    einfach    „die  Schanze";    auch  soll  die  aus 


")  B.  E.  Distr.   Argesch  Fol.  281. 

»')  B.  E.  Distr.  Dambovitza  Fol.  148.  150.   147. 

")  B.  E.  Distr.  Ilfov,  Com.  Lipia  -  Bojdani  (österr.  K.  Bosduni)  Fol.  54: 
„Schanze,  nördlich  vom  Dorfe,  von  Westen  nach  Osten  laufend  in  einer  Länge  von 
60  Stj.  (=  134  M.).  Der  Boden  zeigt  sich  nach  beiden  Seiten  hin  aufgeworfen. 
Breite  6  Stj.  (13-38  M.),  Tiefe   '/,  Stj.  (112  M.;». 


215 


dem  Graben  ausgehobene  Erde  nach  beiden  Seiten  aufgeworfen 
sein.  An  diesem  Orte  bin  ich  nicht  gewesen.  Dagegen  habe  ich 
weiter  östlich  in  der  Gegend  von  Buzeu  nach  verschiedenen  Rich- 
tungen hin  Ausflüge  gemacht.  Nach  einer  persönlichen  Mittheilung 
Herrn  AI.  Odobescu's  sollte  der  Wall  bei  Petroasa,  20  Kilom. 
westsüdwestlich  von  Buzeu  vorbeiziehen.  Ich  ging  hin,  konnte  aber 
nur  in  Erfahrung  bringen,  dass  in  der  Gegend  weder  Wall,  Trojan 
noch  Schanze  oder  Brazda  bekannt  sei.  Der  Director  des  Buzeuer 
Gymnasiums,  Herr  B.  Jorgulescu,  der  den  ganzen  Distrikt  Buzeu 
auf  Alterthümer  durchreist  hat,  sprach  mir  dann  von  einem  bei 
Gura  Nischcovului  (12  Kilom.  nordwestl.  von  der  Stadt)  befind- 
lichen und  Tartarenschanze  genannten  Walle,  derselbe  sei  indess 
nur  etwa  3  M.  breit  und  ziemlich  kurz*^^). 

Ein  sehr  hoch  erhaltenes  und  in  mancher  Beziehung  interes- 
santes Wallstück  fand  ich  dann  aber  in  Folge  einer  Notiz  der 
Enquete  am  Südufer  des  Buzeuflusses  bei  dem  Dorfe  Sutzesci '^^), 
in  der  Mitte  zwischen  Buzeu  und  Braila.  Der  in  seiner  Haupt- 
richtung nach  NO  fliessende  Buzeu  macht  hier  eine  viereckige 
Ausbiegung  nach  links  (NW).  Der  hohe  Rand  des  rechten  Ufers 
tritt  in  ebenfalls  viereckiger  Form  in  diese  Bucht  hinein,  aber  nicht 
ganz  bis  an  den  Fluss  vor,  da  dieser  bei  Ueberschwemmungen 
offenbar  viel  von  ihr  weggefressen  hat  und  sich  daher  in  unmittel- 
barer Nähe  nur  von  seichtem  Sande  begrenzt  sieht.  Auf  der  Basis 
nun  jenes  vorgestreckten  Vierecks  —  das  übrigens  auf  der  österr.  Gen.- 
Karte'^^)  durch  eine  feine  Terrainlinie  sehr  getreu  wiedergegeben  ist  — 
hat  sich  ein  Wall  erhalten,  der  in   der  ganzen  Umgegend  nicht  mehr 


Fig.  7 

existiert.     Er  hat  die  Richtung  NNO,    ist  genau  900  M.  lang  und 
zeigt    das    in    Fig.    7    dargestellte    Profil.     Der    Aufwurf  liegt    im 

*••)  Eine  Notiz  über  dieses  Wallstück  findet  sich  in  B.  Jorgulescu's  kleiner 
„Geographie  des  Distrikts  Buzeu"  p.  84  und  lautet  in  der  Uebersetzung:  „Tartaren- 
schanze  (Santu  Tatarilor).  Eine  lauge  Schanze  in  der  Gemeinde  Gura  Niscovului, 
welche  auf  den  waldigen  Höhen  von  Mierea  beginnt,  herunterzieht,  den  Fluss 
NiscQV  überschreitet  und  die  gegenüberliegenden  waldigen  Hänge  von  Filiti  hinauf- 
steigt. Ihre  Tiefe  iässt  sich  wegen  der  Aufflössung  nicht  mehr  feststellen;  die 
Breite  beträgt  3  M." 

")  B,  E.  Distr.  Braila  Fol.  264. 

")  Blatt  P9  Galatz. 


216 

Westen,  gegen  den  FIuss  hin  und  erhebt  sich  auf  19  M.  breiter 
Basis  2*2  M.  hoch  über  die  Bodenlinie;  auf  ihn  folgt  ein  11 '5  M. 
breiter  und  15  M.  tiefer  Graben,  auf  diesen  sonderbarer  Weise 
noch  eine  18  M.  breite  ebene  Fläche,  und  der  Abschluss  der  ganzen 
Linie  wird  durch  einen  Graben  bewirkt,  der  meist  zwar  sehr  ver- 
wischt, an  manchen  Stellen  aber  doch  noch  8  M.  breit  und  1  M. 
tief  ist.  Dieses  Erdwerk  wird  nicht  nur,  wie  der  Enquetenbericht 
angibt,  ,.Trajanswall"  (Valul  lui  Trajan),  sondern,  wie  ich  an  Ort 
und  Stelle  mir  mehrfach  sagen  Hess,  gewöhnlich  „Trajanschaussee" 
(Sosea  lui  Trajan)  und  da,  wo  er  an  den  Flu-ss  stösst  (im  N), 
„Trajansfurt"  (Vadu  lui  Trajan)  genannt.  Das  Volk  erkennt  also 
in  der  Anlage  eine  Chaussee  und  in  der  That  legt  das  Aussehen 
der  zwischen  den  beiden  Gräben  eingeschlossenen  Fläche  und  der 
völlig  ebene  Lauf  des  Ganzen  eine  solche  Auffassung  sehr  nahe. 
Mit  dem  vorher  beschriebenen  Walle  der  westlichen  Walachei 
scheint  dies  Stück  nichts  zu  thun  zu  haben ;  die  grössere  Stärke 
des  Baues  Hesse  sich  zwar  daraus  erklären,  dass  bei  einer  so  langen 
Linie  die  Arbeit  jedenfalls  auf  mehrere  Ingenieure  vertheilt  war, 
aber  der  Umstand ,  dass  der  Graben  hier  gegen  Süden  Hegt,  wäh- 
rend er  sich  dort  immer  im  Norden  befand,  ist  doch  wohl  eine  zu 
starke  Abweichung; 

III 

Ich  komme  jetzt  zu  einem  Walle,  der  in  den  hiesigen  Gegen- 
den ziemlich  bekannt'^'),  durch  seine  Lage  dicht  bei  Galatz  eigent- 
lich die  meiste  Veranlassung  gegeben  hat  zu  der  Hypothese,  dass 
die    walachische   Brazda   dorthin    ausmünden   müsse-     Dieser  Wall 


Fig.  8 

beginnt  am  Sereth,  12  Kilom.  oberhalb  der  Mündung  des  Flusses' 
bei  Alt-Serbesci  (Serb.  vechi),  zieht  von  da  gegen  NNO  (20"), 
wendet  sich  aber  nachher  mehr  gegen  Osten  und  endet  schliesslich 
mit    rein    östlicher   Richtung    bei   Tulucesci    an    der   Nordostspitze 


")  Auch   auf  der   Handtke'scben  Specialkarte   von  Rumänien   in  6  Blättern 
ist  er  angegeboii. 


217 

des  Bratesch-See's,  15  Kilora.  nördlich  von  Galatz.  Ich  habe  ihn 
zuerst  gesehen  auf  der  Höhe  von  Tulucesci,  wo  die  neue  Chaussee 
durchschneidet  und  ein  Wirthshaus  liegt,  das  officiell  Monostireaska, 
im  Volksmunde  aber  stets  Trojan  heisst.  Das  hier  gemessene  Profil 
(s.  Fig.  8)  zeigt  einen  Aufwurf,  der  sich  auf  einer  Basis  von  24  M. 
2  5  M.  hoch  erhebt,  nördlich  davor  zunächst  eine  Bärme  von  4"5  M. 
Breite  und  dann  einen  scharf  geschnittenen,  14  M.  breiten  und  27  M. 
tiefen  Graben.  Auf  dem  zwischen  Wall  und  Graben  freigelassenen 
ebenen  Bodenstreifen  läuft  jetzt  ein  Fahrweg  entlang.  Am  andern 
Ende  des  Walles  bei  Serbesci  ist  das  Profil  verwaschener  (Fig.  9): 


Fig.  9 

die  Bärme  ist  verschwunden,  der  Graben,  der  hier  als  Fahrweg 
benutzt  wird,  völlig  ausgerundet.  Das  Terrain  liegt  im  Westen 
2  M.  höher  als  im  Osten;  nach  der  somit  schräg  zu  ziehenden 
Niveauhnie  hat  der  Graben  noch  eine  Tiefe  von  2  M.,  der  Wall 
eine  Höhe  von  3  M.  Der  Einschnitt,  welcher  in  die  Krone  des 
letzteren  gemacht  ist,  umgrenzt  eine  Viehweide. 

Dieser  Wall  nun  wird,  wie  in  den  Chroniken,  bei  Cantemir 
und  bei  Sulzer,  so  noch  heute  in  der  Phantasie  der  Bauern  stets 
in  Verbindung  gebracht  mit  der  langen  walachischen  Linie.  Wenn 
dieselbe  auch  auf  eine  weite  Strecke  hin  verschwunden  sei,  heisst 
es,  so  tauche  sie  doch  bei  Galatz  wieder  auf  und  durchziehe  von 
da  noch  ganz  Bessarabien.  Trotzdem  ich  mir  jedoch  alle  mögliche 
Mühe  gegeben,  am  Südufer  des  Sereth ,  Serbesci  gegenüber,  eine 
Fortsetzung  des  Galatzer  Walles  zu  finden,  ein  gutes  Stück  in's 
Land  hinein  und  dann  östlich  bis  Barbosch  gegangen  bin,  konnte 
ich  doch  nicht  das  Geringste  mehr  entdecken.  Ob  demnach  der 
von  Turn-Severin  ausgehende  Wall  mit  dem  Galatzer  Stück  etwas 
zu  thun  hat,  ist  ausserordentlich  zweifelhaft,  zumal  da  die  neue 
Linie  eine  ganz  andere  Construction  aufweist. 

Ich  bin  dann  auch  nach  Bessarabien  hineingefahren  und  wollte 
die  dortigen  „Trajanswälle"  begehen,  erfuhr  jedoch  schon  bei  den 
Grenzbehörden  derartige  Unannehmlichkeiten,  dass  ich  mich  auf 
das  allergeringste  Maass  der  Besichtigung  beschränken  musste. 
Der  Grenzcontroleur  an  der  Pruthmündung,  der  in  meinen  russischen 


218 

Generalstabskarten  den  hinreichenden  Beweis  für  meine  Eigenschaft 
als  rumänischer  oder  österreichischer  Spion  sah,  schickte  sich  sofort 
an ,  mich  verhaften  und  durch  zwei  Gendarmen  nach  Reni  trans- 
portiren  zu  lassen.  Und  ich  wäre  diesem  Schicksale  wohl  auch 
nicht  entgangen  —  besonders  da  im  ganzen  Bureau  nur  Russisch 
gesprochen  wurde!  —  wenn  nicht  ein  deutscher  Arzt  von  Galatz, 
der  auch  gerade  über  den  Pruth  kam ,  sich  in's  Mittel  gelegt  und 
eine  Vereinbarung  herbeigeführt  hätte.  Ich  wurde  entlassen  auf 
das  bestimmte  Versprechen  hin,  dass  ich  mit  der  Bahn  direct  nach 
Kischnew  durchfahren  und  mich  dort  sofort  bei  der  Polizei  melden 
wollte.  Weitere  Erkundigungen  machten  mir  dann  klar,  dass  man 
ohne  einen  speciellen  Erlaubnissbrief  von  der  russischen  Regierung 
an  eine  Unternehmung,  wie  ich  sie  vorhatte,  wohl  nicht  wird  denken 
dürfen. 

Nun  fährt  die  bessarabische  Bahn  aber  ausserordentlich  lang- 
sam ,  macht  auf  jeder  Station  eine  halbe  und  bei  Trojanski  Val 
neben  Bolgrad  sogar  dreiviertel  Stunden  Aufenthalt.  Somit  hatte 
ich  hier  Zeit,  den  Wall,  der  ganz  dicht  am  Bahnhof  liegt ,  zu  be- 
suchen ,  zu  messen  und  noch  bis  auf  die  nächste  Anhöhe  zu  ver- 
folgen. Die  Bahn  schneidet  die  Walllinie  dreimal:  indem  sie  zuerst 
von  Reni  aus  gerade  nach  Norden  hinaufläuft,  dann  nach  Süden 
zurückbiegt,  schliesslich  aber,  und  das  ist  bei  Bolgrad,  wieder  in 
ihre  nördliche  Hauptrichtung  einlenkt.  Ich  hatte  den  Wall  daher 
schon  vor  jenem  Stationsaufenthalt  im  Vorbeifahren  gesehen  und 
dort  bemerkt,  dass  er  genau  dieselbe  Anlage  zeigt,  wie  das  Galatzer 
Stück:  dieselbe  Stärke,  dieselbe  Lage  des  Grabens  gegen  Norden 
und,  was  das  Charakteristischste  ist,  sogar  dieselbe  freigelassene 
Fläche  zwischen  Wall  und  Graben.    Bei  der  Station  Trojanski  Val 


Fig.  10 

ist  das  Profil  viel  verwischter,  ähnlich  dem  des  moldauischen  Stücks 
bei  Serbesci;  es  zeigt  einen  TT  M.  hohen  Wall  und  1"5  M.  tiefen 
Graben  nördlich  davor,  die  Gesammtbreite  der  Anlage  beläuft  sich 
auf  39  M.  (Fig.   10). 

Der  zweite  bessarabische  Wall,  der  weiter  nördlich  von 
Leowa  bis  Bender  zieht,  ist  viel  schwächer  gebaut.  Ich  habe  den- 
selben zwar  nur  aus  dem  Wagenfenster  gesehen,  aber,  da  der  Zug 


219 

sich  zur  Feier  des  Ostertages  ganz  processionsmässig  fortbewegte, 
doch  lange  genug  beobachtet,  um  seine  grosse  Aehnlichkeit  mit 
dem  kleinen  Erdwalle  der  Dobrugea  feststellen  zu  können,  von  dem 
er  sich  nur  dadurch  unterscheidet,  dass  sein  Graben  im  Norden  liegt. 

An  Wällen  habe  ich  jetzt  nur  noch  einen  in  der  südlichen 
Walachei  von  der  Aluta  aus  gegen  Giurgiu  ziehenden  und  zwei 
ganz  kleine  oben  in  der  Moldau  zu  verzeichnen.  Auf  den  ersteren 
stiess  ich  in  Folge  mehrerer  Angaben  der  Enquete,  die  eine  Brazda 
lui  Novae  an  Ortschaften  gesehen  haben  wollten,  die  der  von  Can- 
temir  und  Sulzer  erwähnte  Wall  unmöglich  berühren  konnte.  Der 
Besuch  der  betreffenden  Gegend  ergab  dann,  dass  thatsächlich  zwei 
Schanzen  vorhanden  sind. 

Diese  zweite  ,,Novaksfurche*^  beginnt  bei  dem  Dorfe  Vaspesci '®), 
circa  50  Kilom.  oberhalb  der  Alutamündung.  In  dem  breiten  Thale 
dieses  Flusses  ist  nichts  vom  Walle  sichtbar,  die  erste  Spur  zeigt 
sich  auf  dem  weit  nach  Osten  zurückgedrängten  Rande  des  Plateaus, 
gleich  hinter  der  Serpentine,  die  von  den  Thaldörfern  aus  in  einer 
breiten  Schlucht  hinaufführt.  Der  Wall  zieht  hier  durch  unab- 
sehbare Maisfelder  und  ist  daher  so  verwischt,  dass  sich  kaum 
entscheiden  lässt,  an  welcher  Seite  der  Graben  lag.  Seine  Erhebung 
beträgt  im  besten  Falle  Oo  M.,  und  die  Senkung  scheint  bald  auf 
der  einen ,  bald  auf  der  andern  Seite  stärker  zu  sein.  Es  wäre 
desshalb  nutzlos,  eins  von  den  Profilen,  die  ich  dort  aufgenommen, 
wiederzugeben.  Der  Wall  zieht  direct  gegen  NO  und  läuft  zunächst 
durch  die  Gemeinde  Calinesci  "^),  wendet  dann  aber  gegen  Osten 
und  weiter  sogar  gegen  Südosten  um  und  ist  so  besonders  einige 
Kilometer  südlich  von  Roschi  de  Vede^")  in  sehr  wohl  erhaltenem 


Fig.   11 

Zustande  sichtbar.     Das  Profil,  das  ich  hier  gemessen  habe  (siehe 
Fig.  11)  zeigt  einen  1-2  M.  hohen  Aufwurf,    dem    gegen    Süden 

")  Dasselbe  ist  auf  der  österr.  Gen.-Karte  nicht  angegeben,  es  liegt  2  Kilom. 
südlich  von  den  dort  verzeichneten  Ghilmei  und  Sbrincenata.  Bericht  aus  Vaspesci- 
Birsesci  B.  E.  Distr.   Oltu  Fol.  473. 

")  Auch  dieses  Dorf  fehlt  auf  der  österr.  Gen.-Karte,  es  liegt  etwa  5  Kilom 
nordöstl.  von  Sbrincenata,  südlich  von  Soaka  leci. 

")  Bericht  aus  diesem  Orte  B.  E.  Distr.  Teleorman  Fol.  406. 


220 

hin  ein  Tö  M.  tiefer  Graben  folgt.  Die  ganze  Anlage  ist  28  M. 
breit.  Der  Wall  setzt  seinen  Lauf  noch  eine  Strecke  weit  in 
südöstlicher  Richtung  fort,  zieht  auf  der  Höhe  neben  dem  Dorfe 
Peretu  entlang,  wie  die  Enquete  berichtet  und  mir  auch  der  Ge- 
meindevorsteher jenes  Dorfes,  den  ich  in  Roschi  traf,  bestätigte, 
muss  aber  wohl  bald  darauf  den  Vede  -  Fluss  überschreiten.  Für 
eine  längere  Strecke  fehlen  dann  zwar  die  Nachrichten,  aber  bei 
Ciolanu-Pangal  und  Frasinu,  etwa  20  Kilom.  nördlich  von  Giurgiu, 
treten  sie  wieder  ein''^').  Da  Frasinu  schon  unmittelbar  am  Rande  des 
Donauthales  liegt,  da  wo  die  Seitenarme,  Sümpfe  und  Seen  beginnen, 
dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  der  Wall  hier  sein  Ende  erreichte. 
Auf  die  obere  Moldau  hatte  ich  besondere  Hoffnungen  gesetzt, 
indem  ich  dort  die  Fortsetzung  der  um  den  Nordwestrand  Sieben- 
bürgens laufenden  Befestigungslinie  zu  finden  erwartete.  Ich  habe 
indess  nur  zwei  kurze  Wälle  feststellen  können,  die  beide  in  nord- 
nordöstl.  Richtung  laufen.  Der  erste  davon  war  in  der  Enquete 
erwähnt^^)  und  befindet  sich  20  Kilom.  nördlich  von  Jassy.  Er 
beginnt  oberhalb  des  Dorfes  Sorca  am  Pruth,  vor  dem  auf 
der  österr.  Karte  angegebenen  Wäldchen,  und  zieht  von  da 
quer  über  die  Niederung  bis  an  den  Fluss  Jijia,  in  gerader  Rich- 
tung gegen  das  Dorf  Papricani.  Jenseits  des  Flusses  ist  nichts 
mehr  zu  entdecken.     Die  Profile,    welche  ich   am  Anfang  und  am 


Fig.  12 

Ende  gemessen,  sind  einander  ziemlich  gleich.  Fig.  12  stellt  das 
in  der  Nähe  des  Pruth  aufgenommene  dar.  Die  Länge  des  ganzen 
Walles,  der  den  Namen  ,, Trojan"  führt,  beträgt  5  Kilom.,  ein  Bauer 
behauptete  freilich,  derselbe  setze  sich  drüben  über  den  Pruth  hin 
fort;  man  kann  aber  auf  solche  Aussagen  wenig  geben,  und  da  der 
Pruth  die  russische  Grenze  bildet,  zog  ich  es  vor,  nicht  hioüber- 
zugehen. 

Das  zweite  Wallstück  fand  ich  nach  einer  Bemerkung  in 
Popowitsch's  Tagebuche,  25  Kilom.  nordöstlich  von  Botoschani, 
bei  dem  Dorfe  Dangeni.     Dasselbe   ist   ausserordentlich   verwischt, 


')  Bericht  aus  Stoinesci  B.  E.  Distr.  Vlasca  Fol.  447". 

')  B.  E.  Distr.  Jassy,  Com.  Sculeni  Fol.  285*  und  Carniceni  Fol.  303. 


mikm 


221 

zeigt  nur  eine  leichte  Schwellung  des  Bodens,  aber  eigentlich  gar 
keinen  Graben  (Fig.  13) ;  der  Wall  heisst  ebenfalls  Trojan.  Er 
beginnt  wenige  Minuten  von  dem  Gutshofe  der  Familie  Mavrocordat, 
zieht  über  eine  kleine  Anhöhe  hin,  dann  durch  eine  Senkung  und 
abermals  über  eine  Anhöhe  und  verliert  sich  nach  3  Kilom.  vor 
dem  Hügel,  welcher  Dangeni  und  Hanesci  scheidet.  Jenseits  von 
Hanesci,  bei  Barole,  soll  er  indess  wieder  bis  zum  Pruth  hin  sicht- 


bar sein.  Damit  würden  20  —  25  Kilom.  gesichert  werden.  Ich 
habe  diese  Stelle  nicht  aufgesucht,  sondern  wandte  mich  nach  Süden, 
um  vielleicht  nach  dem  Sereth  zu  eine  Fortsetzung  zu  finden.  Aber 
alle  Streifereien,  die  ich  in  jener  Gegend  mit  dem  Gutsbesitzer  von 
Sokrugeni  (7  Kilom.  Südsüdwest!,  von  Dangeni)  unternahm,  waren 
vergeblich. 

Die  Notiz  Popowitsch's^^)  liess  mehr  vermuthen.  Ich  will 
dieselbe  hier  in  der  Uebersetzung  anfügen.  Wenn  auch  Manches 
darin  offenbar  nur  vom  Hörensagen  stammt,  so  ist  doch  Anderes 
von  dem  weit  umhergekommenen  Ingenieur  jedenfalls  selbst  gesehen 
und  kann  künftiger  Nachforschung  als  Handhabe  dienen.  Dass 
Popowitsch  den  Wall  noch  in  besserem  Zustande  oder  an  anderen 
Stellen  sah  als  ich,  beweist  seine  Bemerkung,  die  Erde  sei  gegen 
Mitternacht  aufgeworfen.  Der  ganze  Abschnitt  lautet:  „Der  Wall 
oder  Trojan  der  oberen  Moldau  hat  den  Erdaufwurf  gegen  Mitter- 
nacht, also  gegen  die  Berge  und  Wälder.  Dieser  Trojan,  indem  er 
einerseits  von  der  Jijia  aus  nach  Osten  läuft,  zieht  durch  den 
Distrikt  Dorohoi,  kommt  an  dem  Gute  Dangeni  vorbei  und  bildet 
die  Grenzscheide  zwischen  Hanesci,  Brateni  und  Foldesci  (Distrikt 
Botoschani ,  Amt  Jijia)  ^*) ;  parallel  mit  dem  unteren  Trojan  des 
Distrikts  Covurlui  [bei  Galatz]  überschreitet  er  den  Pruth  und  den 
Dniester  nach  Osten   hin   und   zieht   über  Camenitza   weiter.     Von 

")  In  Odobescu's  Aufsatz  über  die  Alterthümer  des  Distr.  Dorohoi  im 
Monitorul  official  al  Romaniei,  Nr.  152,  13./25.  Juli  1871. 

'*j  Diesen  Ort  habe  ich  in  jener  Gegend  nicht  erfragen  können,  auch  in 
Frunzescu's  Dict.  topogr.  ist  er  nicht  angegeben.  Es  muss  wohl  ein  alter,  heute 
geänderter  und  vergessener  Name  sein. 


222 

der  Jijia  abwärts  in  der  westlichen  Moldau  sind  nur  einzelne  Reste 
vom  Trojan  zu  sehen,  wie  besonders  diejenigen  unterhalb  des  Gates 
von  Herrn  Donici  auf  Cismanesci,  ferner  bei  Trusesci  auf  dem  Ge- 
biete des  Dreikönigsklosters  (Trei  -  Erarchi)  und  noch  an  anderen 
Stellen." 

IV 

Wie  die  vorstehenden  Besprechungen  zeigen,  sind  Wälle  und 
Sciianzen  in  den  hiesigen  Gegenden  ausserordentlich  zahlreich.  Es 
kann  daher  wohl  mit  Recht  Zweifel  erhoben  werden,  ob  dieselben  alle 
römisch  seien,  zumal  wenn  man  bedenkt,  dass  auch  in  Ländern, 
die  von  den  Römern  nie  betreten  wurden,  z.  B.  im  Dniepergebiet 
bei  Kiew,  ferner  durch  Grosspolen,  Schlesien  und  die  Lausitz  hin 
ähnliche  Wälle  sich  finden  sollen ^^).  Die  slavischen  Völker  scheinen 
solche  Befestigungswerke  geliebt  zu  haben,  und  dass  auch  schon 
die  Barbaren,  mit  denen  die  Römer  in  Berührung  kamen,  sie  kannten, 
beweist  die  Angabe  des  Tacitus  ^*'),  nach  der  die  Treverer  in  ihrem 
Kampfe  gegen  die  Germanen  eine  Brustwehr  durch  ihr  Gebiet 
zogen.  Wir  werden  daher,  um  über  die  Entstehung  unserer  Wälle 
in's  Klare  zu  kommen,  nicht  bloss  die  Römer  als  Urheber  in's  Auge 
zu  fassen  haben,  sondern  eben  so  gut  die  Dacier,  die  sich  gegen 
jene  vertheidigten,  und  nicht  minder  die  vielen  Nationen,  welche  nach 
den  Römern  den  hiesigen  Boden  betraten,  besonders  die  Germanen- 
stämmC;  welche  die  ersten  grossen  Kämpfe  der  Völkerwanderung  an 
der  unteren  Donau  geliefert  haben. 

Sprechen  wir  zunächst  von  dem  grossen  walachischen  Walle, 
der  zwar  nur  bis  zur  Mitte  der  Walachei  festgestellt  werden  konnte, 
aber  sicherlich  dort  nicht  im  Leeren  abbrach,  sondern  weiter  nach 
Osten  hin  einen  festen  Anschluss  finden  musste.  Dass  er  dies  that, 
indem  er  am  Buzeuflusse  entlang  bis  zum  Sereth  lief,  ist  die  ge- 
wöhnlichste und  allerdings  auch  ansprechendste  Vermuthung. 

Dacisch  kann  der  Wall  nicht  sein,  sonst  würde  seine  Ver- 
theidigungsfront,  der  Graben,  jedenfalls  gegen  Süden  liegen.  Auch 
römisch  ist  er  schwerlich.  Denn  selbst  in  die  zwei  einzigen 
Perioden,  denen  er  in  diesem  Falle  angehören  könnte,  Anfang 
oder  Ende   der  römischen   Herrschaft   in  Dacien,    passt   er   wenig. 


")  Siehe  die  oben  angeführte  Stelle  Miron  Costin's  und  Schaffarik,  Slav. 
Aiterthümer  I  p.  520  f. 

'*)  Tac,  Hist.  IV  37:  quin  et  loricam  vallumque  per  finea  suos  Treveri  struxere 
marjnisfjiie  invicem  rlarWniJi  cuvi   Oermanis  cerlabant. 


223 

Aus  dem  Anfang  könnte  er  stammen,  wenn  er  den  Gebietstheil  ab- 
gegrenzt hätte ,  den  Trajan  als  Siegespreis "  des  ersten  dacischen 
Krieges  einverleibte.  Dieser  Gebietstheil  aber  war  jedenfalls  nicht 
die  walachische  Ebene,  sondern  das  Banat  von  der  Donau  bis 
nach  Sarmizegethusa  hinauf.  In  der  Königsstadt  des  Decebalus 
liess  Trajan  sein  Heer  zurück  und  bei  Turn-Severin  baute  er  zwi- 
schen dem  ersten  und  zweiten  Kriege  die  grosse  steinerne  Brücke. 
Beide  Punkte  liegen  ausserhalb  unseres  Walles. 

Aehnlich  steht  es  mit  dem  anderen  Zeitpunkte.  Die  Römer 
haben  zwar  um  die  Zeit  Constantins  des  Grossen  mehrfache  Kriege 
jenseits  der  Donau  geführt^'),  aber  gewiss  nur,  um  die  Grenze  an 
der  Donau  zu  sichern,  nicht  um  sie  weiter  nach  Norden  vorzu- 
schieben. 

Um  so  grösseres  Gewicht  bekommt  daher  eine  Stelle  des 
Ammianus  Marcellinus  über  den  ersten  Verstoss  der  Hunnen 
gegen  die  Gothen.  Athanarich,  vom  Dniester  vertrieben,  zieht  sich 
zunächst  in  die  effagia  montium  praeruptorum ,  wohl  einfach  die 
hügelige  Moldau,  zurück  und  errichtet  dann  eine  grosse  Schanz- 
linie, um  die  Feinde  abzuwehren :  qua  rei  novitate  maioreque  veniuri 
pavore  constrictus ,  a  supercilus  Gerast  ßwminis  ad  vsque  Danubium 
Taifalorum  terras  praestringens ,  miiros  altius  erigebat:  hac  lorica 
diligentia  celeri  consummdta  in  tuto  locandam  securitatem  suam  existi- 
mans  et  salutem^^).  Der  Gerasus  kann  nur  der  Hierasus  des  Ptole- 
maeus,  also  der  Sereth^^)  sein,  und  wo  die  Taifalen  wohnten,  sagt 
uns  sehr  deutlich  derselbe  Ammianus  in  der  Erzählung  eines 
Krieges  des  Constantius  gegen  verschiedene  Völkerschaften  an  der 
Theissmündung'*"):  nämlich  Obermösien  gegenüber,  also  im  heutigen 
Banat.  Wenn  daher  die  Schutzwehr  Athanarich's  „vom  Rande  des 
Sereth  bis  ganz  an  die  Donau,  bis  vor  das  Gebiet  der  Taifalen 
hin"  lief,  so  ist  das  genau  die  Linie  unseres  Walles. 


*')  S.  z.  B.  Julian.  Caesares  p.  329  B. 

3S)  Amm.  Marc.  XXXI  3,  7. 

'')  Ptol.  III  8,  2  sagt,  dass  der  Hierasus  bei  Dinogetia  münde,  er  kann  also 
nicht  den  Pruth  meinen,  wie  Einige  angenommen  haben,  sondern  nur  den  Sereth. 
Was  sonst  in  Betracht  gezogen  ist,  entscheidet  nichts. 

^'')  Amm.  Marc.  XVII  13,  19  f. :  ad  quos  {Picenses)  opprimendos  Taifalorum 
auxilium  et  Liberorum  adaeque  Sarmatarum  adsuviptum  est.  cumque  auxiliorum  agmina 
locorum  ratio  separaret,  tractiis  contiguos  Moesiae  sibi  miles  elegit ,  Taifali  proxima 
suis  sedibus  obtinebant,  Liberi  terras  occupaverant  e  regione  sibi  oppositas.  Siehe 
auch  XVII  13,  4  und  Spruner-Menke,  Atlas  antiquus  Karte  XVI. 


224 

Es  mag  erstaunlich  scheinen,  dass  die  Gothen  ein  so  rie- 
siges Werk  von  600  Kilom.  Länge  errichtet  haben  sollen.  Aber 
wenn  es  nicht  erstaunlich  gewesen  wäre,  hätte  es  Ammianus  wohl 
gar  nicht  erwähnt  und  seine  Ausdehnung  nicht  so  genau  angegeben. 

Dass  Atbanarich  sich  wirklich  gleich  nach  seinem  Zurück- 
weichen vor  den  Hunnen  in  der  walachiscben  Ebene  festsetzte, 
beweist  die  bekannte  Thatsache,  dass  mehrere  westgothische  Stämme, 
welche  bisher  jene  Striche  bewohnt  hatten,  von  ihren  östlichen 
Brüdern  gedrängt,  die  Donau  überschritten  und  den  Kaiser  Valens 
um  Wohnsitze  in  Thracien  baten**).  Wir  werden  nicht  umhin 
können,  den  walachiscben  Wall  dem  Ostgothenkönig  und  dem  Jahre 
376  n.  Chr.  zuzuschreiben. 

Dieses  Resultat  wird  allerdings  von  denjenigen,  welche  in 
allen  Befestigungsresten  der  hiesigen  Gegenden  Römerwerke  sehen 
möchten ,  als  ein  negatives  empfunden  werden.  Aber  auch  diese 
negative  Seite,  die  es  neben  seinem  doch  unbestreitbar  sehr  posi- 
tiven historischen  Werthe  aufweist,  ist  ausserordentlich  heilsam. 
Die  Tradition  hat  liier  einen  so  starken  Zug,  Alles  zu  romanisieren, 
dass  es  für  die  Erkenntniss  des  echt  Römischen  ein  grosser  Gewinn 
ist,  wenn  einmal  etwas  Unechtes  mit  Sicherheit  ausgeschieden 
werden  kann. 

Wer  weiss,  ob  nun  auch  im  Banate  Alles  getreulich  weiter 
für  römisch  gelten  wird,  was  dort  bisher  dafür  gegolten  hat  ? 

Jedenfalls  mahnt  uns  das  eben  Erfahrene,  in  der  Beurtheilung 
der  übrigen  oben  beschriebenen  Wälle  sehr  vorsichtig  zu  sein. 
Der  in  der  Moldau  bei  Nicoresci  vorbeiziehende  sieht  allerdings 
aus ,  als  wenn  er  eine  römische  Chaussee  gedeckt  haben  könnte. 
Er  knüpft  am  Pruth  an  die  bessarabische  Linie  an  und  erreicht 
den  Sereth  gerade  da,  wo  der  Trotusch  einfliesst.  Den  Trotusch 
hinauf  gelangt  man  aber  geraden  Weges  zum  Oitoschpass,  dem 
bequemsten  Uebergang  nach  Siebenbürgen,  der  ohne  Zweifel  auch 
in  römischer  Zeit  schon  fleissig  benutzt  wurde.  Gooss  zeichnete 
schon  auf  seiner  Karte  von  Dacien^'^)  in  punktierter  Linie  eine 
Chaussee,  die  auf  siebenbürgischer  Seite  zum  Oitosch  führte,  und 
fand    bald    darauf  bei  Beretzk    das  Castell,    welches    den    Ueber- 


")  Amm.  Marc.  XXXI  3,  8  fif. 

^')  Studien  zur  Geographie  und  Geschichte  des  trajanischen  Daciens,  Schäss- 
burger  Gymu.  Progr.   1874. 


225 

gang  gedeckt  haf*^).  Diese  ganze  Linie  könnte  identisch  sein 
mit  dem  beim  anonymen  Geographen  von  Ravenna  erwähnten 
Strassenzuge  von  Porolissum  nach  Tyras^"*).  Von  Porolissum  zum 
Oitosch,  den  Trotusch  hinunter,  quer  durch  die  Moldau  zum  Pruth 
und  am  bessarabischen  Limes  entlang  bekämen  wir  die  directeste 
Verbindung  zwischen  dem  nördlichen  Dacien  und  dem  Schwarzen 
Meere. 

Weiter  könnte  man  dann  vermuthen,  dass  diese  moldauische 
Strasse  die  Grenzstrasse  {limes  im  eigentlichen  Sinne)  gewesen  sei, 
dass  die  Römer  im  Ganzen  den  Hierasus-Sereth  als  Grenze  ge- 
nommen hätten,  wie  Ptolemaeus  es  angibt,  dass  sie  nur  im  Süden 
darüber  hinausgriffen,  soweit  der  Verkehr  mit  dem  Pontus  es  nöthig 
erscheinen  liess^  und  dass  von  der  Linie,  die  als  oberster  Theil 
der  Ostgrenze  den  Sereth  mit  der  Dniesterbiegung  verband*^), 
vielleicht  der  Wall  bei  Botoschani  ein  üeberrest  sei,  den  Popowitsch 
viel  weiter  gesehen  hat  als  ich. 

Aber  ich  will  diese  Möglichkeit  nur  andeuten  und  nicht  weiter 
ausführen,  da  mir,  wie  gesagt,  der  römische  Charakter  dieser  Wälle 
zu  zweifelhaft  erscheint. 

Römische  Münzen  werden  sehr  viel  in  der  Moldau  gefunden, 
aber  so  weit  ich  beobachten  konnte  nur  Silber.  So  kamen  vorigen 
Winter  in  Avramesci ,  40  Kilom.  östlich  von  Bacau,  88  Denare  zu 
Tage,  die  jetzt  dem  Berlader  Gymnasium  geschenkt  sind  und  von 
mir  catalogisiert  wurden.  Es  ergab  sich  folgende  Zusammensetzung: 


"j  Arch.-epigr.  Mitth.  I  p.  33  u.  113. 

*')  Beim  Rav.  IV  5  p.  177  f.  ed.  Finder  et  Parthey  steht  zwar  Phira  in  den 
Handschriften ,  da  aber  vom  Schwarzen  Meere  die  Rede  ist  und  der  Rav.  von 
Namensverstüramelungen  wimmelt,  so  wird  zweifellos  Thira  (Tyras)  zu  schreiben 
sein.  Die  ganze  Koute  lautet:  Phira,  Tirepsum,  Iscina,  Capora,  Alincum,  Ermerium, 
Urgum,  Sturum,  Congri,  Porolissum,  Certie.  Gooss,  Stud.  p.  52  vermuthet  in  Iscina 
das  Physce,  in  Capora  das  Harpis,  in  Ermerium  das  Hermonactus  des  Ptolemaeus 
III  10,  7. 

^')  Ptol.  III  8,  2:  äiTÖ  6e  ävaToXiLv  {y\  AuKia  irepiopiJeTai)  tuj  xe  evxeöOev 
"ItfTpoi  iroTaiuiü  luexpi  Tfjt;  kötü  Aivo-fexeiav  ttöXiv  eTnaxpocpfi<;  ...  Kai  exi  xip 
'lepäatu  TToxajLiLu,  ö<;  Kaxä  AivoY^xeiav  eKxpairei^  d-rrö  xoO  "löxpou  7rpö(;  apKxou<; 
Kai  ävaxoXäc;  qpepexai,  M^xpi  ff](;  eipriiuevrn;  xoö  Tüpa  iroTainoö  €inaxpo9fj^. 
Auch  Jordanis  nennt,  wie  mir  scheint,  den  Hierasus  als  Ostgrenze  von  Dacien; 
denn  in  seiner  Angabe  (p.  26  Closs  =  5,  33  p.  62  ed.  M.)  ab  afi-ico  vero  magmis 
ipae  Danubius,  ab  eoo  Flutausis  secat,  ist  das  thörichte  Flutausis,  das  bisher  im 
besten  Falle  in  ßuvius  Älu(a  corrigiert  wurde ,   doch   wohl   durch  die  einfache 

Verschreibung :   ?/  ^ J  ^  ^  ".  ^ 
°     Flutausis 

zu  erklären. 

Arcköelogisch-epigraphiscbe  Mitth.  IX.  -je 


226 

1  Nero,  2  Vitellius,  11  Vespasian,  8  Trajan,  14  Hadrian ,  2  L. 
Aelius,  20  Antoninus  Pius^  13  Faustina  I,  12M.  Aurel,  1  Faustina  II, 
l  L.  Verus,  1  Lucilla,  1  Commodus,  1  Sept.  Severus.  Auf  meine 
Besprechung  des  Fundes  in  der  Presse  wurde  im  Romanul  vom  10./22. 
Juni  d.  J.  mitgetheilt,  dass  an  demselben  Orte  vor  mehreren  Jahren  100 
römische  Silbermünzen  und  ein  anderes  Mal  sogar  800  Stück  (von 
welchem  Metall,  war  nicht  angegeben)  gefunden  und  theils  an 
Privatleute,  theils  ins  Bukarester  Museum  gekommen  seien.  Leider 
wird  aber  im  Bukarester  Museum  gar  kein  Provenienzregister  ge- 
führt, so  dass  sich  jene  früheren  Funde  nicht  mehr  zusammen- 
stellen Hessen. 

Zu  den  Wällen  zurückkehrend,  möchte  ich  nur  noch  für  einen 
derselben,  nämlich  den  bei  Galatz,  entschieden  römischen  Ursprung 
in  Anspruch  nehmen.  Dieser  zeigt,  wie  oben  dargelegt  wurde, 
genau  die  gleiche  Construction  wie  die  südliche  bessarabische  An- 
lage ,  stammt  also  augenscheinlich  aus  derselben  Zeit  und  diente 
vermuthlich  einem  ähnlichen  Zwecke.  Beide  jedoch  als  ein  und 
dieselbe  Linie  zu  betrachten  verbietet  der  weite  Zwischenraum  am 
Pruth,  den  der  Galatzer  Wall  bei  Tulucesci  erreicht,  während  der 
bessarabische  erst  25  Kilom.  weiter  nördlich  bei  Vadu  lui  Issak 
beginnt. 

Der  bessarabische  Wall  war  wohl  sicher  dazu  bestimmt,  die 
römische  Pontusküste  gegen  das  sarmatische  Binnenland  zu  schützen  ; 
er  begrenzte  somit  das  Gebiet,  das  zwar  keiner  Provinz  einverleibt, 
aber  bekanntlich  administrativ  zu  Untermösien  gezogen  wurde. 
Was  dann  das  kurze  Galatzer  Stück  bezweckte,  ist,  glaube  ich, 
nicht  minder  klar. 

Die  Stadt  Dinogetia ,  die  von  Ptoleraaeus  zu  Niedermösien 
gerechnet  wird  und  auf  der  Ptolemaeischen  Karte  auf  dem  rechten 
Donauufer  verzeichnet  steht,  ist  trotzdem  mit  Mommsen  und  Kie- 
pert'*^')  unbedingt  auf  das  linke  Ufer,  an  die  Serethmündung  zu 
verlegen,  und  das  aus  einer  ganzen  Reihe  von  Gründen.  Zunächst 
wird  die  Stadt  in  der  rechtsuferigen  Chaussee  der  Tabula  Peutin- 
geriana  nicht  aufgeführt.  Sie  müsste  zwischen  Arrubium  und  Novio- 
dunum  genannt  sein ;  für  eine  Corruptel  liegt  keinerlei  Anzeichen 
vor,  die  Auslassung  lässt  sich  also  nur  daraus  erklären,  dass  sich 
thatsächlich  auf  dieser  Seite  kein  Dinogetia  befand.  Ferner  sagt 
Ptolemaeus ,    dass    der  Hierasus  (Sercth)  bei  Dinogetia  münde  und 


^■•")  C.  I.  L.  III   K.iitf  II. 


227 

benennt  das  grosse  Donauknie  bei  dem  heutigen  Galatz  immer 
nach  Dinogetia '*'') ;  die  Stadt  muss  also  scharf  an  jener  Biegung  und 
dicht  an  der  Donau  gelegen  haben.  Für  eine  solche  Lage  bietet 
sich  aber  am  rechten  Ufer  gar  keine  Möglichkeit,  wegen  der  5  Kilom. 
breiten  Versumpfung,  die  der  Fluss  hier  angerichtet  hat.  Und  in 
der  That  sind  auch  zwischen  Arrubium  (Macin)  und  Noviodunum 
(Isaccea)  durchaus  keine  Spuren  einer  einstigen  Ansiedlung  vor- 
handen. 

Am  gegenüberliegenden  Ufer  dagegen  befindet  sich ,  nördlich 
vom  Einfluss  des  Sereth,  ein  grosser  Ruinencomplex,  der  vom  Volke 
Gertina  oder  Gergina  genannt  wird  und  der  durch  jede  neue  Spende 
uns  der  Gewissheit  näher  bringt,  dass  eben  dort  Dinogetia  ge^ 
standen  habe. 

Ptolemaeus  zählt  Dinogetia  zu  Niedermösien.  Die  zwei  Haupt- 
inschriften, die  bis  jetzt  aus  Gertina  veröffentlicht  sind,  zeigen 
beide,  dass  dieser  Punkt  des  linken  Ufers  von  drüben,  von  Nieder- 
mösien aus,  seine  Besatzung  erhielt ■*'),  zur  Zeit  Trajans  sowohl, 
aus  der  die  erste ,  wie  zu  der  des  Marcus  Aurelius ,  aus  der  die 
zweite  stammt.  Im  Jassyer  naturhistorischen  Museum  fand  ich  jetzt 
noch  mehrere  Gegenstände  aus  Gertina,  die  fast  40  Jahre  in  einem 
Kellerwinkel  versteckt  gewesen  und  zufällig  vorigen  Herbst  hervor- 
gezogen waren.  Ausser  ein  paar  unbedeutenden  Inschriftenfragmenten 
und  einer  Lampe  waren  das  zwei  Ziegel  mit  dem  Stempel:  coHii-wv-n'*^) 
und  ein  dritter  von  der  leg.  V  Mac. ;  ferner  aber,  sehr  merkwürdig, 
ein  halbes  Dutzend  griechischer  Lekythen,  darunter  zwei  schwarz- 
figurige,  mit  der  gleichen  Darstellung  eines  zum  Abfahren  bereiten 
Viergespanns.  Der  Krieger  auf  dem  Wagen  hat  die  Zügel  ergriffen,  vor 
den  Pferden  steht  ein  Mann  mit  erhobenem  Stabe,  hinter  ihnen  ein 
anderer  leierspielend.  Daneben  fiel  mir  noch  die  hübsch  gearbeitete, 
wenn  auch  sehr  verwaschene,  12  Cm.  hohe  Terracottafigur  eines 
bärtigen  Mannes  auf,  der  mit  gesenkten  Armen  in  ein  langes 
Gewand  gekleidet  ist.  Idi  wollte  nicht  glauben,  dass  diese  Dinge 
aus  Gertina  stammten,  aber  Herr  Prof.  Beldiceanu,  der  mich  führte, 
versicherte,  dass  nie  etwas  nach  Jassy  gekommen  sei  ausser  von 
dort  und  zeigte   mir  nachher  in  seiner  Wohnung  die  ganz  gleiche 


^«)  Ptol.  III  8,  2;  10,  1. 

")  C.  I.  L.  III  777  (s.  Mommsen's  Anm.  dazu)  u.  778. 

*^)  Die  C.  I.  L.  Ili  785,  2   nach  Vaillant  wiedergegebene  Lesung  ist  danach 
■/AI  corrigieren. 

15* 


228 

Thonfigur  und  eine  rothfigurige  Lekythos  mit  einer  Bacchantin 
darauf,  die  er  erst  vorigen  Herbst  selbst  aus  jenen  Ruinen  mitge- 
bracht hatte. 

Es  geht  daraus  hervor,  dass  der  Ort  an  der  Serethmündung 
schon  in  sehr  früher  Zeit  griechischen  Import  erfuhr  und  jedenfalls 
den  Handel  der  Pontusstädte  mit  dem  Binnenlande  vermittelte. 
Vielleicht  war  er  sogar  von  dort  aus  colonisiert,  die  griechische 
Färbung  des  Namens  Dinogeteia  legt  eine  solche  Annahme  nahe. 
Und  besonders  wenn  man  bedenkt,  dass  das  direkte  Hinterland  von 
Kallatis,  Tomi  und  Istropolis  die  dürre  Dobrugea  war,  dass  die 
Hauptproducte  des  Landes  ebenso  wie  noch  heute  tiefer  aus  dem 
Innern  geholt  werden  mussten .  so  erscheint  die  Errichtung  einer 
Handelsstation  an  dem  Punkte,  wo  Moldau  und  Walachei  beginnen, 
geradezu  als  Nothwendigkeit. 

Die  Römer  mussten  einen  so  wichtigen  Posten  natürlich  occu- 
pieren,  sobald  die  Pontusküste  und  Niedermösien  in  ihre  Hand  kamen. 
Das  geschah  im  Jahre  57  n.  Chr.  Dacien  war  damals  noch  Bar- 
barenland. Das  einverleibte  Gebiet  von  Dinogetia  musste  also  nach 
Norden  hin  geschützt  werden,  und  als  diese  Schutzlinie  möchte  ich 
den  uns  erhaltenen  Wall  betrachten.  Derselbe  würde  damit  die 
eigentliche  Grenze  der  Provinz  Niedermösien  bilden. 

V 

Die  Berichte  der  Bukarester  Enquete  und  eigene  Nachfor- 
schungen an  Ort  und  Stelle  führten  mich  zur  Feststellung  einer 
bisher  unbekannten,  aber  allem  Anscheine  nach  römischen  Chaussee, 
in  der  grossen  Walachei.  Dieselbe  beginnt  bei  Flamanda  an  der 
Donau,  10  Kilom.  östlich  von  der  Alutamünduug,  und  zieht  direct 
nördlich  über  Putineu,  Adincate  nach  Roschi  de  Vede.  Bis  hierher 
habe  ich  sie  selbst  verfolgt.  Sie  heisst  ebenso  wie  die  westlich 
von  der  Aluta  laufende  Drumul  lui  Trajan,  ,,die  Trajansstrasse", 
oder  auch  einfach  „Trojan",  ist  11  M.  breit  und  erhebt  sich  ge- 
wöhnlich 0-.3  bis  1  M.  über  den  Boden.  Die  Bedeckung  mit 
Grand,  die  die  rechtsufrige  Römerstrasse  tiberall  kenntlich  macht, 
fehlt  hier;  wohl  deshalb,  weil  der  Fluss ,  der  die  Fundgrube  für 
jenes  Material  abgab,  zu  weit  entfernt  liegt.  Dafür  aber  wissen  die 
Bauern  und  auch  die  Enqueteberichte  überall  zu  erzählen  von  der 
röthlichen  Thonerde,  die  besonders  bei  Regenwetter  auf  der  Chaussee 
zu  Tage  trete.  Sie  versichern,  dass  bei  gelegentlichen  Grabungen 
noch  compakte  Ziegelstücke  hervorgezogen  würden .    und  dass  der 


229 

ganze  Weg  daher  einst  mit  Ziegeln  gepflastert  gewesen  sein  müsse. 
Es  würde  das  seine  Analogie  finden  in  der  Art,  wie  man  noch 
heute  in  Gegenden,  die  über  kein  natürliches  Hartmaterial  verfügen, 
z.  B.  im  Oldenburgischen,  Chausseen  aus  Ziegeln,  die  auf  die  hohe 
Kante  gestellt  werden,  baut. 

Die  Strasse  zieht  von  Roschi  de  Vede  über  Scrioschte*^)  und 
Cueuetzi^").  Dann  werden  die  Nachrichten  spärlich.  Erst  40  Kilom. 
weiter  bei  Urlueni^^),  kurz  vor  dem  Eintritt  in  den  Distrikt  Argesch 
macht  sie  wieder  von  sich  reden  und  setzt  dann  ihren  Weg  jeden- 
falls immer  direkt  nach  Norden  fort.  Eine  Urkunde  des  walachi- 
schen  Fürsten  Constantin  Brancovan  spricht,  wie  Popowitsch  an- 
gibt'^'^),  von  einem  „Trojan''  bei  Godeni  in  der  Nähe  von  Campo- 
lung.  Das  wird  wohl  unsere  Chaussee  sein,  denn  allen  Anzeichen 
zufolge  zog  dieselbe  nach  Campolung,  wo  die  neuesten  Grabungen 
ein  römisches  Lager  wahrscheinlich  gemacht  haben.  Herr  Butcu- 
lescu  in  Bukarest  soll  daselbst  Ziegel  mit  lateinischer  Cursivschrift 
gefunden  haben,  deren  Pubhcation  Herr  Prof.  Tocilescu  vorbereitet. 

Sodann  habe  ich  zu  der  in  früherer  Zeit  oft  besprochenen 
Brückenfrage  von  Celei  in  rumänischen  Quellen  mancherlei  Neues 
und  Interessantes  aufgefunden.  Dass  die  grosse  Trajansbrücke, 
welche  Dio  Cassius  beschreibt^''),  nicht  bei  Celei,  sondern  bei  Turn- 
Severin  gestanden  hat,  ist  zwar  von  Aschbach ^*)  sicher  erwiesen 
worden;  aber  der  löbliche  Eifer,  dieser  Wahrheit  Geltung  zu  ver- 
schaffen, hätte  ihn  nicht  bis  zu  der  Behauptung  führen  sollen, 
dass  bei  Celei  überhaupt  gar  keine  steinerne  Brücke  existiert  habe. 
Schon  Popowitsch  berichtet  ^^),  dass  die  Steintrümmer  vom  Brücken- 
bau in  grosser  Menge  oberhalb  Celei  umherlägen,  dass  der  Brücken- 
kopf des  bulgarischen  Ufers  an  der  rechten  Seite  der  Iscrusmündung 
sichtbar  sei  und  dass  die  Bevölkerung  die  Brücke  „die  eherne" 
nenne,  weil  ein  grosser,  3  Fuss  langer,  viereckiger,  an  den  Enden 
umgebogener  Bronzekrampen,    der  zur  Verbindung  des  Steinwerks 

")  B.  E.  Distr.  Teleorman  Fol.  422. 

5°)  B.  E.  a.  a.  O.  Fol.  406. 

5")  B.  E.  a.  a.  O.  Fol.  512. 

")  Trovipetta  Carpatüor  Nr.  869  12./24.  Nov.  1870  „die  Urkunde  Coustantin 
Brancovan's  (4.  März  1205),  für  den  Gutsbesitzer  Kadu  Golescu  auf  Godeni  aus- 
gestellt, spricht  von  dem  Trojan,  der  sich  auf  dem  rechten  Ufer  des  Baches  Bugea 
befinden  soll". 

")  Dio  Cass.  LXVIII  1.3  f. 

'*)  Aschbach,  Ueber  Trajans  steinerne  Donaubrücke,   Wien  1858. 

^*)  Bei  Odobescu  Ann,  soc.  acad.  Rom.  X  2  p.  216. 


230 

f^edient  habe,  in  der  Donau  gefunden  wurde.  Im  Jahre  1872  liat 
dann  ßolliac^'^)  ,,an  der  linken  Seite  der  Brücke,  da  wo  dieselbe 
zur  Chaussee  —  d.  i.  zur  Alutastrasse  —  hinaufsteigt",  gegraben, 
ist  nach  Auffindung  von  Ziegeln  und  Statuenfragmenten  auf  ein 
3-2  M.  breites,  1  M.  tiefes  und  1  M.  dickes  Mauerstück  gestossen, 
das  aus  grossen  behauenen  Steinen,  Ceraent  und  Ziegeln  zusammen- 
gesetzt war,  und  hat  aus  diesem  die  Arch.-epigr.  Mitth.  III  p.  41  publi- 
cierte,  dem  Commodus  gewidmete  Inschrift  hervorgezogen.  Wenn 
Bolliac  Recht  hat,  jenes  Gemäuer  als  zum  Brückenkopf  gehörig  zu 
betrachten^  so  würde  sein  Fund  allerdings  beweisen,  dass  die  Brücke 
aus  spätrömischer  Zeit  stammt.  Und  sie  könnte  dann  sehr  wohl 
mit  derjenigen  identisch  sein ,  welche  Constantin  der  Grosse  über 
die  Donau  schlug").  Die  Münzfunde  von  Celei  weisen  ganz  auf- 
fällig darauf  hin,  welch  starker  römischer  Verkehr  in  der  Zeit  von 
/Onstantin  ab  in  dieser  Gegend  war.  So  berichtet  Laurian***)  über 
(nen  Besuch  in  Celei  (1846) :  „Es  werden  hier  sehr  viele  antike 
inzen  gefunden,  ich  kaufte  von  den  Bauern  gegen  200  Stück, 
meist  Bronze,  sehr  wenig  Silber.  Aber  was  am  meisten  Beachtung 
verdient,  ist,  dass  der  grössere  Theil  davon  Constantine,  Constanze, 
Juliane  und  Joviane  sind;  neben  ihnen  finden  sich  immer  auch 
ältere,  aber  seltener." 

Und  ganz  ähnlich  BolHac^")  (1869):  „In  meinen  mehrfachen 
Ausgrabungen  (in  Celei)  fand  ich  viele  Bronze-  und  einige  Silber 
münzen,  besonders  immer  aus  zwei  Epochen :  von  Scptimius  Severus 
bis  Alexander  Severus  und  von  Constantin  bis  Gratianus;  sehr 
wenige  aus  der  früheren  Zeit  und  diese  ganz  verwischt ....  Die 
Münzen  von  Constantin  bis  Gratian  sind  hier  im  Uebertiuss  und 
A  hier  war  es  auch,  wo  vor  drei  Jahren  die  6000  Silberstückc  aus 
jener  Periode  gefunden  wurden." 
\  Selbst  bis  nach  ßccica  (Romula)  hinauf,  50  Kilom.  vom  Donaü- 

ufer  entfernt,  lässt  sich  der  lebhafte  Verkehr  jener  si)äten  Zeit  ver- 
folgen. Bolliac  sagt^"),  dass  dort  ,, Münzen  aus  den  beiden  Epochen 
von  Septimius  Severus  bis  Aurelian  und  wieder  von  Constantin 
bis  Honorius  gefunden  werden." 

")  Trompetta  Carpatilor  Nr.  1010  '20.  Aug./l.  Sept.  1872,  wieder  nbgedr. 
bei  Odobescu  a.  a.  O.  p.  244  f. 

*')  Siehe  die  Literatur  bei  Aschbach  p.  23  Anm,  3. 

**)  Aus  dem  Mafjazimd  istor.  penti-u  Dada  II  wieder  abgedruckt  bei  Odobescu 
H.  a.  O.  p.  219. 

■■«)  Aus  dem  Monü.  off.  1869  Nr.  222  f.  abgodr.  bei  Odobescu  a.  a.  O.  p.  241. 

"")  In  demselben   AitiUfl,  l)ei  Odobescu  p.  262. 


231 

Von  regelrechten  Ausgrabungen  in  Celei,    von  dem  wir  noch 

nicht  einmal  den  römischen  Namen  wissen,  und  besonders  auch  in 
liecica  ist  noch  viel  Aufschluss  über  die  Geschichte  Daciens  zu 
hoffen.  In  Recica,  dem  ich  zusammen  mit  Hrn.  Dr.  v.  Domaszewski 
einen  flüchtigen  Besuch  abstattete,  fanden  wir  die  Bauinschrift  der 
römischen  Festung,  welche  die  schon  mehrfach  ausgesprochene  Ver- 
rauthung,  dass  dort  Romula  zu  suchen  sei,  endgültig  bestätigt.  Die 
Inschrift  ist  stellenweise  sehr  verwischt,  in  den  ersten  neun  Zeilen 
konnte  nur  der  Name  des  Kaisers  31.  (Jul.  Phüippus),  nebst  dem  des 
Sohnes  M.  Jid.  {Philippvs)  und  seiner  Gemalin  Otadlia  festgestellt 
werden.  Die  letzten  drei  Zeilen  aber  sind  völlig  klar,  sie  lauten: 
oh  tutelam  civit{atis)  coloniae  suae  ]  Roinul{ensium)  circuitum  muri 
manu  \  militari  a  solo  fecerunt.  Hoffentlich  wird  das  vielfach  inte- 
ressante Stück,  das  jetzt  in  die  Obhut  des  Herrn  Prof.  Tocilescu 
in  Bukarest  gekommen  ist,  bald  ganz  publiciert. 

Ich  bin  durch  diese  Entdeckung  veranlasst  worden,  die  von 
der  Tabula  Peutingeriana  genannte  Chaussee  Drubetis  -  Romula- 
Apulum  in  einer  Hinsicht  anders  zu  ziehen,  als  es  bisher  üblich 
war.  Ich  habe  dieselbe  nämlich  von  Drubetis  über  Amutria  Pelen- 
dova  Castra  nova  in  gerader  Linie  bis  Romula  durchgeführt,  wäh- 
rend man  sie  bisher  zwischen  Castra  nova  und  Romula  im  spitzen 
Winkel  den  Umweg  über  Celei  machen  Hess.  Von  Drubetis  bis 
Castra  nova  sind  im  Ganzen  91  m.  p.  —  136-5  Kilom.  angegeben; 
Castra  nova  muss  also  gleich  hinter  Craiova  liegen.  Von  da  bis 
Romula  sollan  nach  der  Peutingeriana  vXX  m.  p.  sein.  Diese  Zahl 
wird  allgemein  für  70  gelesen  und  würde  also  105  Kilom.  aus- 
machen. Das  wäre  für  die  directe  Entfernung  der  beiden  Orte  zu 
viel  und  deshalb  kam  man  eben  auf  jenen  Umweg  über  Celei. 
Aber  für  diesen  Umweg  ist  es  wieder  unbedingt  zu  wenig:  selbst 
wenn  man  Castra  nova  etwa  nach  Cacaletzi  setzen  wollte  —  wie 
Gooss  thut®')  —  was  schon  sehr  weit  über  Craiova  hinaus  wäre, 
würde  noch  diu  Lufthnie  bis  Celei  und  von  da  nach  Recica  mehr 
betragen  als  jene  105  Kilometer.  Und  gesetzt,  die  Chaussee  wäre 
wirklich  so  gelaufen,  wäre  es  dann  wohl  denkbar,  dass  sie  die 
Station  bei  Celei,  die  nach  den  dort  befindlichen  Ruinen  und  nach 
ihrer  einzigen,    aber  vielversprechenden   Inschrift ^^'^j    vielleicht    der 


^')  Gooss,  Studien  etc.,  Schässburg  1874  p.  42. 

'^^)  Die  oben  erwähnte  des  Commodus.     Siehe  Hirschfeld  Arch.-epigr.  Mitth. 

m  p.  41. 


232 

wichtigste  Ort  im  ganzen  südlichen  Dacien  war,  gar  nicht  erwähnt 
hätte  ? 

Man  hat  sich  diese  Schwierigkeiten  nicht  verhehlt  und  dess- 
halb  eine  stärkere  Verderbniss  jener  Stelle  der  Peutingeriana  ange- 
nommen ^^).  Aber  ich  glaube,  die  Frage  lässt  sich  durch  eine  kleine 
Correctur  vollständig  lösen  und  diese  dürfen  wir  jetzt  getrost  wagen, 
da  wir  über  die  Lage  von  Romula  völlig  im  Sicheren  sind.  Das 
Zeichen,  womit  die  Peutingeriana  die  Entfernung  zwischen  Castra 
nova  und  Romula  angiebt,  ist  eben  nicht  als  70  zu  lesen.  Sie 
hat  für  die  Zahl  50  sonst  immer  ein  langes  L,  das  ganz  anders 
aussieht  als  jener  curiose  Haken  vor  XX.  Ich  vermuthe  in  diesem 
Haken  einfach  den  Rest  eines  X.  Die  30  m.  p.  =  45  Kilom., 
die  so  entständen,  würden  für  die  directe  Entfernung  von  Castra 
nova  nach  Romula  vortrefflich  passen.  Es  wäre  auch  ganz  unbe- 
greiflich, wenn  von  dem  recht  bedeutenden  Romula  kein  directer 
Weg  nach  dem  Westen  hin  existiert  hätte.  Dass  aber  das  Chaussee- 
stück von  Romula  nach  Celei  auf  diese  Weise  auf  der  Peutingeriana 
nicht  erwähnt  war,  darf  uns  nicht  wundern:  gab  es  doch  gar  man- 
cherlei Strassen  in  Dacien,  wie  z.  B.  die  grosse  an  der  Marosch 
entlang^*),  oder  die  eben  beschriebene  von  Flamanda  hinauf,  von 
denen  sich  auf  jener  Karte  keine  Spur  findet. 

Ja,  gleich  neben  der  von  Romula  nach  Celei  führenden  lief 
von  derselben  Stadt  aus  noch  eine  Strasse  dicht  am  Alutaufer  nach 
Islaz  hinunter,  die  auch  auf  der  Peutinger'schen  Karte  nicht  ver- 
zeichnet steht;,  über  deren  Vorhandensein  uns  aber  die  Enquete- 
berichte *'^)  aus  den  Dörfern  Recica,  Farcasch,  Stoinesci,  Slaveni, 
Gostavetzi,  Scarischora  völlig  vergewissern. 


*')  Mommsen  im  C.  I.  L.  III  p.  252:  Peutingeranae  üinei'a  i)er  eas  partes 
perplexa  sunt  et  turbata. 

«')  Gooss,  Stud.  p.  45. 

«')  Gedruckt  bei  Odobcscu  a.  a.  O.  p.  182  f.,  Scarischora  aus  deu  Reise- 
notizen Dem.  Sturdza's  p.  232. 

Epureni  C.  SCHUCHHARDT 


233 

Das  Amphitheater  zu  Aquincum*) 

(Zu  Band  VIII  Taf.  IV) 

Im  Herbste  des  Jahres  1880  beschloss  die  Coraraission  für 
Kunstdenkmäler,  auf  dem  sogenannten  Schneckenberge,  in  der  Nähe 
der  nördlich  von  Altofen  gelegenen  Krempelmühle  Ausgrabungen 
vorzunehmen.  Schon  die  ersten  Versuche  lieferten  den  Beweis, 
dass  unter  dem  Schneckenberge  das  Amphitheater  der  Stadt  Aquin- 
cum  verborgen  lag.  In  jener  ersten  Campagne  wurden  jedoch  nur 
die  nördliche  Hälfte,  sowie  die  unmittelbar  an  die  Thore  anstos- 
senden  Theile  der  südlichen  Hälfte  aufgedeckt.  Obwohl  das  hervor- 
tretende Grundwasser  die  vollständige  Blosslegung  des  Bodens  der 
Arena  verhinderte,  so  Hessen  sich  doch  die  Masse  mit  Sicherheit 
feststellen.  Die  Länge  der  grossen  Axe  in  der  Richtung  vom 
Westthore  (K)  zum  Ostthore  (I)  gerechnet,  beträgt  53-36  M.,  die 
Länge  der  kleinen  Axe  von  der  Kammer  2  zu  Kammer  5  beträgt 
45-54  M.,  der  Flächeninhalt  1908-53  Quadratm. 

Ein  tiefer  Einschnitt  vor  der  Kammer  2  lieferte  den  Be- 
weis, dass  der  Boden  der  Arena  aus  festgestampftem  Mergelthone 
bestand,  welcher  mit  einer  Schichte  von  Kieselsand  überzogen  war. 

Die  Arena  war  ringsum  von  einer  circa  0-7  M.  dicken  Mauer 
umschlossen  (A,  I,  G,  H,  K,  B).  Diese  Mauer  erhob  sich  auf  einem 
Fundament  aus  Bruchsteinen,  welches  in  dem  schon  genannten  Ein- 
schnitte vor  Kammer  2  zu  Tage  trat,  und  bestand  aus  zwei  Theilen, 
einem  äusseren  Ringe  von  038  Br.  aus  Bruchsteinen,  die  durch 
Kalkmörtel  verbunden  waren,  gebaut,  und  einem  inneren  aus  Stein- 
quadern von  0-32  Dicke  und  verschiedener  Länge,  welche  in 
Schichten  von  gleicher  Höhe  übereinander  lagen.  Die  Höhe  dieser 
Mauer  betrug  an  der  best  erhaltenen  Stelle  der  Bruchsteinmauer 
2-57.  Diese  Podiummauer  wurde  durch  Decksteine  von  0-6  H., 
0*59  Br.  und  wechselnder  Länge  gekrönt.  Die  oberste  Schichte 
des  inneren  Ringes  der  Podiummauer  scheint  0*15  unter  diesen 
Decksteinen  hervorgeragt  zu  haben.  Demgemäss  betrug  die  Höhe 
der  Podiummauer  mit  den  Decksteinen,  die  zugleich  als  Schranken 
für  die  Cavea  dienten,  3'17. 

*)  Nach  Torma  Karoly.  Az  Aquincumi  Araphiteatrum  ejszaki  feie  (der  nörd- 
liche Theil  des  Amphitheaters  von  Aquincum).  Budapest  1881.  Der  Auszug  be- 
schränkt sich  im  Wesentlichen  auf  eine  Erläuterung  des  Grundrisses.  —  Die  im 
Amphitheater  gefundenen  Inschriften  sind  nach  derselben  Monographie  abgedruckt 
in  dieser  Zeitschrift  VII  S.  93—98. 


234 

Fast  auf  allen  Quadern  der  Podiummauern,  sowie  auf  diesen 
Decksteinen  sieht  man  Spuren  einstiger  Malerei  und  zwar  einer 
wiederholten  Bemalung.  So  folgen  Schichten  von  pompejiroth,  weiss, 
blassgrün,  blassgelb  und  zuletzt  wieder  pompejiroth. 

An  den  nördlichen  Theil  der  Podiummauer  sind  drei  Kammern 
angebaut  (1,  2,  3).  Die  Entfernung  der  Mitte  des  Ostthores  (I) 
von  der  Mitte  der  Thür  der  Kammer  1  beträgt  im  elliptischen  Bogen 
der  Podiummauer  gerechnet  19*26;  die  Entfernung  der  Mitte  der 
Thüren  der  Kammern  1  und  2  1909;  die  ebenso  bestimmte  Ent- 
fernung der  Kammern  2  und  3  18-62  und  endlich  die  Entfernung 
der  Kammer  3  von  der  Mitte  des  Westthores  (K)  19*86.  Die  Kammer 

1  ist  im  Lichten  2*43  br.  und  2*7  tief;  die  Thüre  ist  0*57  breit, 
die  Dicke  der  Mauern  beträgt  0*6,  die  höchste  erhaltene  Höhe  1'54. 

Die  Breite  der  zweiten  Kammer  misst  im  Lichten  3*26,  die 
Tiefe  2*8,  die  Thüre  ist  0*48  br.  Die  Mauer  ist  ebenfalls  0*6  breit 
und  die  höchste  erhaltene  Höhe  beträgt  2*52.  An  der  Rückwand 
befindet  sich  eine  zweite  Thür,  welche  1*11  br.  ist.  Die  Schwelle 
dieser  Thür  liegt  höher  als  der  Boden  der  Kammer,  zu  welchem 
Stufen  hinabführen. 

Die  dritte  Kammer  hat  2  M.  Breite,  248  Tiefe,  die  Thüre  ist 
046  br.     Die  Mauerdicke  ist  0*6   und    die  höchste  erhaltene  Höhe 

2  M.  In  die  Oberseite  der  Seitenmauern  dieser  Kammer  sind  fünf 
Stufen  eingeschnitten,  deren  Höhe  0*26  beträgt.  Auf  diesen  Stufen 
ruhten  unmittelbar  die  Sitzstufen  und  bildeten  so  die  Dicke  der 
Kammer.  Sie  wurden  zum  Theilc  noch  in  der  Arena  aufgefunden. 
Eine  mass  2*3  in  der  Länge,  0*57  in  der  Breite  und  0*26  in  der 
Höhe. 

Die  Kammer  5  an  der  Südseite  ist  3*42  br.,  3*50  tief  Die 
Mauerhöhe  beträgt  2*02,  die  Stärke  0*6  —  0*7.  Die  Schwelle 
wurde  noch  in  situ  gefunden.  Es  scheint,  dass  diese  Kammer  ge- 
wölbt war.     Die  Bestimmung    der  Maucrthcile  a  und  b  ist  unklar. 

Die  Kammer  4  ist  an  die  südliche  Mauer  des  Ostthores  an- 
gelehnt. Die  Breite  beträgt  2*6  und  3  5,  die  Tiefe  2*7  und  3*45; 
die  Dicke  der  Mauer  0*6  ;  die  höchste  erhaltene  Stelle  2*47.  Die 
Wände  waren  bemalt. 

Parallel  mit  dem  Podium  läuft  die  Aussenmauer  in  einer  Ent- 
fernung von  13-82— 14*24.  Unweit  des  Westthores,  zwischen  den 
Strebepfeilern  16  und  20,  springt  die  Aussenmauer  um  3*22 — 3*85 
vor.  Sie  ist  an  dieser  Stelle  gleichfalls  elliptisch  gekrümmt.  Die 
Stärke  der  Mauer  wechselt  zwischen  0*9  und  17.    An  die  Innenseite 


235 

der  Aussenmauern    setzen    im    rechten  Winkel    Mauerfortsätze  an, 
von  welchen  im  Ganzen  25  aufgedeckt  sind. 

Die  Länge  ist  verschieden  von  4*75  (12  und  14)  bis  7-9  (5). 
Die  ungewöhnliche  Länge  des  Mauerfortsatzes  21  (8'75)  erklärt  sich 
daraus,  dass  er  als  Fundament  für  eine  Stie,2:e  diente.  Die  Breite 
wechselt  zwischen  OG  und  1-2.  Auch  der  Abstand  zwischen  je 
zwei  Mauerfortsätzen  ist  sehr  verschieden.  Die  Strebepfeiler  der 
Aussenwand  sind  nicht  minder  unregelmässig  angebracht.  Die  kleinste 
Entfernung  zwischen  Strebepfeiler  15  und  16  beträgt  2*1,  die  grösste 
zwischen  17  und  18  11*45.  Der  Strebepfeiler  21  ist  bis  zu  einer 
Höhe  von  2-5  erhalten,  sonst  beträgt  die  Höhe  durchschnittlich 
nicht  mehr  als  0'9.  Es  scheint,  dass  auch  die  Aussenwand,  und 
zwar  gleichfalls  wiederholt,  bemalt  war,  worauf  Reste  von  bemaltem 
Stuck,  welche  zwischen  Strebepfeiler  5  und  6  und  20  und  21  ge- 
funden wurden,  hindeuten. 

Die  nördlichen  Seitenmauern  der  beiden  Thore  verschraälern 
sich  in  der  Richtung  gegen  die  Arena  zu,  und  zwar  beträgt  die 
Länge  dieser  schmäleren  Mauertheile  beidemale  4-21.  Dieses  Mass 
mag  die  Breite  des  untersten  Theiles  der  Cavea,  welcher  dann  durch 
eine  Präcinetion  von  dem  oberen  Theile  getrennt  war,  bezeichnen. 
Den  Haupteingang  bildete  das  Ostthor,  dessen  nördliche  Seiten- 
mauer 16'2,  dessen  südliche  Seitenmauer  17'58  lang  ist.  Neben  der 
nördlichen  Seitenmauer  läuft  eine  zweite  Mauer  in  der  Entfernung 
von  1*48  (c — d),  welche  auf  diese  Weise  einen  Gang  im  Thorweg 
bildet.  An  dem  Ausgange  dieses  Ganges  in  die  Arena  ist  noch 
die  Thürsch welle  erhalten. 

Die  Breite  des  äusseren  Thoreinganges  beträgt  4-37,  die  des 
inneren  4-09.  Die  Dicke  der  Südmauer  wechselt  zwischen  1-5  (am 
äusseren  Eingang)  und  103  (am  inneren),  die  der  Nordmauer 
zwischen  1-48  (bei  2)  und  M  (bei  der  Arena).  Das  Thor  scheint 
nach  den  Bruchstücken  des  Schuttes,  welcher  den  Thoreingang 
füllte,  gewölbt  gewesen  zu  sein.  Zu  beiden  Seiten  des  äusseren 
Thoreinganges  führen  Stiegen  zur  Cavea  empor.  Und  zwar  an  der 
Südwand  an  jener  Stelle,  wo  der  Sockel  des  Strebepfeilers  die 
Mauer  um  0-7— l'O  verbreitert  (1—2).  Die  Höhe  der  Stufen  beträgt 
0-32— 0-33,  die  Breite  0-36,  die  Länge  0*7.  Die  Stiege  an  der 
Nordmauer  hatte  Stufen  von  068  Länge,  0-22  Höhe,  0*4  Breite. 
An  der  südlichen  Seitenmauer,  3'55  von  der  Stiege  entfernt,  be- 
findet sich  eine  Nische,  im  Halbkreis  0-46  tief,  welche  durch  einen 
Bogen  geschlossen  wurde  (e);  unten  springt  ein  Gesimse  vor.     An 


236 

der  Wand,  welche  mit  Stuck  bekleidet  war,  findet  sich  keine  Spur 
von  Malerei.     Die  südliche  Seitenmauer  war  Rustica. 

Westliches  Thor  (K — II).  Länge  der  Südmauer  16*15,  der 
Nordmauer  15"9.  Die  Dicke  der  Südmauer  beträgt  1"58,  der  Nord- 
mauer bei  der  Stiege  (6)  1*52,  bei  der  Arena  1-08.  Der  äussere 
Thoreingang  ist  395  breit,  der  innere  347.  Am  inneren  Thorein- 
gang (K)  wurden  Reste  der  Schwelle  gefunden.  Die  Stiege  (6)  ist 
bis  zu  einer  Höhe  von  2-95  erhalten,  die  Stufen  sind  0-58  lang, 
0*34  hoch ,  0*37  breit.  Die  starke  Zerstörung  der  Südmauer  am 
äusseren  Thoreingange  ist  wohl  der  Grund,  dass  hier  keine  Reste 
der  Stiege  aufgefunden  wurden. 

In  der  Südmauer,  278  vom  inneren  Thoreingang  (K)  entfeimt, 
finden  sich  drei  Nischen :  eine  0*43  breite,  0*7  hohe,  0*31  tiefe  vier- 
eckige; hierauf  0'73  weiter  nach  Westen  eine  zweite  halbkreis- 
förmige, in  einem  Bogen  geschlossene,  welche  0*5  breit,  0"65  hoch, 
0*34  tief  ist  und  0"38  höher  als  die  erste  lag;  endlich  eine  dritte, 
wieder  halbkreisförmige  und  in  einem  Bogen  geschlossene,  von 
0*61  Breite,  075  Höhe  und  038  Tiefe.  Die  Decoration  der  ersten 
Nische  ist  zum  Theile  erhalten:  Weisser  Grund  mit  einem  pom- 
peianisch-rothen  Randstreifen. 

Auf  dieses  Thor  bezieht  Torraa  die  Inschrift,  gefunden  beim 
Strebepfeiler  22,  welche  in  diesen  Mittheilungen  VII  S.  95  n.  29 
veröff'entlicht  ist.  In  der  Aussenmauer  zwischen  den  Strebe- 
pfeilern 21  und  20  (bei  5  —  6)  ist  eine  Thüröfi'nung  über  dem 
Boden  erhalten;  die  Schwelle  ist  1-4  lang,  0'5  breit.  Zu  dieser 
Thür  wird  eine  Holzstiege  emporgeführt  haben.  Hier  ist  die  In- 
schrift Eph.  epigr.  II  p.  127  n.  131  gefunden  worden.  An  der 
südlichen  Ecke  des  vorspringenden  Theiles  der  Aussenwand  (bei  a) 
sind  Reste  einer  Stiege  erhalten,  welche  über  den  Mauerfortsatz  21 
in  die  Cavea  führte.  Zwischen  dem  Strebepfeiler  16  und  der  nörd- 
lichen Ecke  des  vorspringenden  Theiles  der  Aussenmauer  befindet 
sich  ein  1*39  breiter  Eingang,  welcher  zu  Gemächern  führte,  die 
unter  der  Cavea  lagen.  Darauf  weist  auch  die  Thür  hin,  welche 
aus  der  Kammer  2  ins  Innere  führte,  und  die  Reste  zweier  Fenster 
in  der  Aussenmauer  (u,  ß),  dieser  Thüre  gegenüber. 

Diese  Fenster  (Fenster  a  ist  1-21  breit)  liegen  1"52  und  1'84 
über  dem  Boden  der  hier  2*8  hohen  Aussenmauer. 

An  die  südliche  Aussenmauer  des  Amphitheaters  ist  ein  kleines 
Heiligthum  angebaut,  welches,  wie  die  Inschrift  des  in  situ  gefun- 
denen Altars  (2)  lehrt  (vgl.  Mitth.  VII  S.  93  n.  23),  der  Nemesis  ge- 


237 

weiht  war.  Die  Cella  (l)  hat  eine  Breite  von^3*15.  Da  die  Rückwand 
von  der  elliptisch  gekrümmten  Aussenmauer  des  Amphitheaters 
gebildet  wird,  so  ist  die  Länge  der  Seitenmauern  verschieden,  3*10 
und  3"35.  Die  Mauerdicke  beträgt  047.  Eine  Vorhalle  (3)  hat  eben- 
falls 3'15  Breite  und  1  M,  Tiefe.  In  dieser  Halle  wurden  Bruch- 
stücke einer  Statue  der  Nemesis  aufgefunden.  Die  Rückwand  der 
Cella  war  mit  geometrischen  Mustern  in  grellen  und  bunten  Farben 
bemalt. 

Den  kleinen  Tempel  scheinen  mehrere  Höfe  umschlossen  zu 
haben.  Von  der  Aussenmauer  des  Amphitheaters  geht  0"65  südlich 
vom  Westthor  eine  Mauer  ans,  welche  bis  auf  eine  Länge  von 
16*13  erhalten  ist;  ihre  Breite  nimmt  allmählich  zu  von  0"55  — 1'75. 

Senkrecht  auf  diese  Mauer  stehen  zwei  Quermauern,  deren 
Abschluss  nach  Süden  hin,  wie  es  scheint,  nicht  aufgefunden  wurde. 
Durch  diese  Quermauern  wurden  zwei  dem  Heiligthum  vorliegende 
Höfe  gebildet.  Der  innere  Hof  ist  6-35  breit,  677  lang.  Links  von 
der  Thüre  (5)  wurde  die  Inschrift  Mitth.  VII  S.  94  n.  24  aufgefunden. 
Der  äussere  Hof  hat  jetzt  4*25  Länge  und  3*4  Breite.  Hier  lag  bei 
Punkt  8  des  Planes  das  Bruchstück  einer  Ära  Mitth.  VII  p.  96  n.  33. 


Inschriften  aus  Dacien 


I 

Im  Folgenden  theile  ich  die  Inschriften  mit,  welche  ich  in 
den  letzten  zwei  Jahren  auf  Reisen  nach  dem  Strelthal  und  in  das 
sieben  bürgische  Erzgebirge,  sowie  bei  Ausflügen  nach  Veczel  und 
Varhely  auffand  und  zum  Theile  für  das  Museum  des  archäologisch- 
historischen Vereines    des  Hunyader  Comitates   in  Deva   erwarb  '). 

*1.  Kis-Kalän.     Ära   von    weissem  Marmor. 

I  ■  O  ■  M 
A  •  ELICO 
V-  L  ■  S  ■  M 

Z.  2:  A{e!iuft)  oder  A{urelius). 


')  Die  mit  Sternchen  bezeichneten  Inschriften  befinden  sich  im  Devaer 
Musenm'und  zwar  sind  Geschenke:  Nr.  1  des  Herrn  Ludwig  Istvanfly;  Nr.  2  des 
Herrn  Christian  Grausam,  Hoteliers  in  Puszta-Kalän;  Nr.  5  der  Herren  Nikolaus 
und  Geza  v.  Buda.  [Zu  den  Nummern  1—5.  8.  9.  11.  16  und  den  Ziegelstempeln 
2 — 16  konnten  Abklatsche  verglichen  werden.] 


238 


*2.  Ebendort.     Halbsäule    aus    bukovaer    Kalk,    ein    Gestein^ 
welches    sich   in  jeuer  Gegend   vorfindet.     H.  0*4,  br.  0*3,  d.  0'12. 


D  I  O  G  E  ^E  S 
Z  V  P  1  D  A  R  I  V 


3.  Sztrigy  Szent-György'-).  In  der  gr.-or.  Kirche,  aus  bukovaer 
weissem  Marmor.  IT.  0-52,  br.  0-35.  Wahrscheinlich  aus  der 
Gegend  von  Sztrigy-Szacsal  hieher  verschleppt. 


D  M 

M   VLP  IE  rIo 

DEC       COI 

VIX    AN    XXt 

V  L  P  /  /  A\A 

FI  LIO 

P       P 


Z.  2  u    3:  M.  Ulpiio)  [r]e7[ti]o  <Jec.  cu[l]. 

*4.  Sztrigy-Szacsal.  Am  Fusse  jenes  Gebirgszuges,  in  welchem 
die  Römer  Bausteine  für  Veczel,  Varhely,  Apulum  gewannen.  Vom 
Dorfrichter  beim  Ackern  (1883)  aufgefunden.  Tafel  aus  mergeligem 
Sandstein.    H.  10,  br.  07. 


D  M 

CADEDALO 

V  i  X  •    A  N  i  ■  L  X- 

VALERI   •   CARA 

.f)       V  1  X    ■    A  N  1  -  XXXV 

c  •  o 

A  -  TET  VLA- VIX 
A  N  I  •  LA-  AVGVS 
VIX  ■  ANIS-  XXX 

10       C-  A  ■   CAR  V  S  • 

C-  A   •   VALERIANVS 
VETERANVS 
PARETIBVS  •?''■ 

SORORIBVS 

15       F   E   C  E  R   V    H   < 

FACRISPINA  VETIIl/ 
MAXIMABVTESEORV/ 


')  Die  Ooitliclikeitc-n ,  aus  acncii  diese  und  die  beiden  folgenden  Inscln-iften 
stammen,  waren   bisher  als  Fundorte  römischer  Denkmäler  nicht  bekannt. 


239 

Z.  6:  C{oniux?)  o{ptima).  Ob  in  dieser  Zeile  noch  etwas  folgte, 
ist  bei  dem  Zustande  des  Steins  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden. 
—  Z.  16  u.  17:  /(ilii)  Aiureln?)  Crisjnna,  Vet[il(a?],  Maxima,  Butes 
ecn'u[irt]. 

*5.  Sztrigy  Szent-György-Valya.  Grabstein  aus  mergeligem 
Sandstein.  H.  1-5,  br.  076,  d.  0-20.  Eine  halbe  Stunde  oberhalb 
des  Dorfes  in  einem  Graben  Pereu  Bereza  gefunden.  Oben  etwas 
beschädigt.     Die  Inschrift  zwischen  zwei  Halbsäulen. 

D  M 

IV-     MAXI 
M  V  S    •     V  I  X 
A  N    •    XXXV? 
5  HEXALEtTIN 

C       ß        C 

Z.  5  u.  6:  He{rennia?)  Valentina  c{onmgi)  c{arissimo). 

Ausserdem  fand  sich  ein  rohgearbeitetes  Grabrelief  aus  merge- 
ligem Sandstein,  h.  0-75,  br.  0-36:  Ein  Kind  zwischen  einem  Manne 
und  einer  Frau.  Andere  Funde,  wie  ein  schön  gearbeiteter  Statuen- 
kopf, Reste  von  Wasserleitungsröhren  und  Ziegeln  deuten  auf  eine 
grössere  Niederlassung. 

6.  Bretyelin.  Im  Hofe  des  Popovits  Petru,  gr.-or.  Diakons. 
Ära  aus  rothem  Augit-Andesit,  welcher  in  der  Nähe  von  Arany 
gebrochen  wird     Jetlf^nfalls  veczeler  Provenienz. 

D  "  O  M  E  R  C  V  R  I 
OWB.CVS  NTO 
N  I  V  S  S  A  B  }^  I 
NVS  PRINCEP 
5  V- S • L - M 

7.  Veczel.  Bei  Peter  Szolnokay  im  Kellerthor  eingemauert. 
Fragment  aus  rothem  Augit-Andesit.     H.  0*012,  br.  006. 


*8.  Ebendort.     Augit-Andesit.    II.  04,  br.  0.2.     Sehr  schlecht 
erhalten. 


240 


silvanlo  DOM 
T  •  r  I  A  V 
(/  B  F  C  o  S 

Z    2  unsicher, 

*9.    Ebendort.     Aranyer    Augit  -  Andesit.     H.    0'45,    br.    0-4. 


iV    •   S  •  L    •    iw 


*10.  Ebendort.    In  einem  Bronzestreifen  die  rund  ausgearbei- 
teten Buchstaben: 


R  Y 


*11.  Värhely.     Säulenfragment  mit  schönen  Buchstaben.     Bu- 
kovaer  Äfarmor. 


Wahrscheinlich  Votivsäule  wie  Mitth  VI  S.  105  Nr.  34.35; 
VIII  S.  45Nr.  2;S.  53  Nr.  5. 

*12.  Ebendort.  Rund  gearbeitete  Gruppe  der  Libera  und  des 
Liber  aus  weissem  Marmor.  Genaue  Replik  des  Reliefs  Eph.  ep. 
II,  433,  nur  dass  die  Nebenfiguren  des  Reliefs,  Pan  und  Silen,  fehlen. 
Auf  dem  Sockel ') : 

T  ■   F  1,  •    y>  ^e  R  EX  VOTO 

13.  Ebendort.  Im  Hofe  des  Johann  Vida,  in  der  Nähe  der 
Ruinen  des  Mithraeums.     Fragment  aus  Sandstein. 


SOR 
INAE 
I    S  -  V    I    L 


')  Nach  einer  Copie  A.  r.   Domaszewaki's,  vgl.  C.  I.  L.  III,  1512  und  Arch.- 
epigr.  Mitth.  VI  S.  99  Nr.  3. 


241 

*14.  Ebendort.     Fragment  einer  Platte. 

*15.  Ebendort.     Fragment  aus  Marmor. 


*16.  Ebendort.     Am  Rand  einer  kleinen  Votivtafel 
aesculapio  \r  T   H  Y  G  i  A  E 

17.  Zaiatna.    Beim  Gemein derichter  Stefan  Roska  eingemauert. 
Ära  aus  breasaer  röthl.  Sandstein.     H.  0*48,  br.  0*33. 

S  I  L  V  A  N  O 
DOM  EST  I  © 

SAG  R V  M 
EX  VOTO  PO 
5  ß    SVIT    o 

18.  PetrOSäny,    bei   Zaiatna.     In    der    Dorfkirche.     Ära   aus 
breasaer  Sandstein.     H.  0*90,  br,  0"46. 

I  o       -       m 

IVNONI     REGINAE 

M  I  N   E  R  V  A  E 
PRO    SALVTE  ET  VIGTORIA 
5  ET    INCOLVMITATE 

MARGI     AVRELI     ANTONII 
FELICIS  AVGVSTI  ET 
IVLIAE    AVG    MATRIS    EIVS 
CASTRORVM    SENATVS 
10  ET    PATRIAE 

AELIVS    SOSTAIS    P   PO 

[So  die  Abschrift;   doch   ist   in   Z.  6   ohne  Zweifel  antonini,  in 
Zeile  11  vielleicht  gostns  zu  lesen.] 

Bei  dem  gr.  -  or.  Geistlichen    Georg  Popovitz   ein    Sarkophag 
ohne  Inschrift. 

Archiiologisch-epigraphisclie  Mittli.  IX.  ig 


242 

19.  Zwischen  Zalatna  und  Petrosany  an  der  Strasse  gefunden. 
Grabstein  aus  Nummulitenkalk.  H.  112,  br.  0-80,  d.  0-60.  Fast 
unleserlich. 

D  M 

ANT 

NOI A  C 

V  I  O 

20.  Nagy-Enyed.  Im  Besitze  des  reformirten  Collegiums  be- 
findet sich  jetzt  die  Inschrift  C  L  L.  III,  979  : 

DEO  -  AESCVL  •  ET  HYGIAE  AVR  ETERNLIS 

21.  Eben  dort.  Auf  einem  Bronzehelm:  xAnii 

22.  Zu  C.  I.  L.  III  p.  857:  Beim  Niederreissen  des  Schulge- 
bäudes wurde  in  den  Fundamenten  ein  Bruchstück  des  im  Jahre  1849 
gestohlenen  Militärdiplomes  XIV  aufgefunden.  Das  erhaltene  Bruch- 
stück —  die  linke  untere  Ecke  der  zweiten  Tafel  —  stimmt  genau 
mit  dem  Texte  des  Corpus  inscriptionum. 

23.  Torda.  Bei  Herrn  Director  Carl  von  Palfy.  Wahrscheinlich 
Basis  einer  kleinen  Statue.  Gelblicher  Mergel    H.  0-2,  br.  0"3. 

BAL  "E-IVNOM 

I 

ARIVS  •  VETLEGi 

"  '        ~^ -^  P.  -^ 

24.  Ebendort.  Fragment  aus  Mergel.  H.  0-65,  br.  O'O,  d.  0-2. 
Schöne  Buchstaben. 

A  •  FIL  vix  y\ 
A  E  L  •   A^ 
C  O  N  •  Bj 

25.  Ebendort.  Fragment  aus  gelblichem  Mergel.  H.  0  35,  br.  0*25, 
d.  0-2. 

L 
\VIL 

M  A 
&  M  P 

26.    Ebendort     Fiagnient  aus  Mergel.    II.  0  3,  br.  Oo. 


243 


s  v( 

V  A 

I  S  X  L) 

N  V 

S  E 


27.    Ebendoit.    PVagment  aus  Mergel.    H.  0-25,  br.  0-35. 


A'-  1  /  V 
A'RE  l' 
O.    M    I 


28.    Värfalva.    Vor  dem  Hause  des  Baltbasar  Vargyasi.    Kalk- 
stein.   H.  0-5,  br.  0-35. 


[In  Zeile  6  giebt  die  Abschrift  tel]. 

Ziegelinschriften '). 

1.  Szent-György-Välya. 

:^lv|  C{ohors)  I  U{hiorum) 

2.  Ebendort.     Incus. 

"eVTi 

3.  Csigmo.     =  C.  I.  L.  IIF,  1629,  11.     Retrograd; 

LEG  X  II  I  I  G 
AVRE  -  CONo 


')  Die  Ziegelstempel  befinden  sich,  wenn  niclit  anders  angegeben,  sämmtlich 
im  Devaer  Museum. 

lÜ* 


244 

4,  Veczel. 


MO 


5.  Ebendort. 

ATENVS 

6.  Ebendort.     =  C.  I.  L.  III,  1629,  20. 

_  L  C  XIII  G  E 

\m  L  A  E  L  I  O 

7.  Ebendort.     Incus:  ls 

8.  =  Eph.  epigr.  II,  458. 

L  E  X  1  1  I   G  E  » 
IV  DEIOTA  R  1 

9.  =  C.  I.  L.  III,  1G29,  21. 

leg  xiii  (.em 

fl   MAv  tinns 

10.  [iiLCow  =  coh.  II]  FL  Com. 

11.  Värhely.     Bei  den  letzten  Ausgrabungen  (1884)  gefunden: 

R  P  A^ 

12.  Ebendort.  =  C.  I.  L.  III,  1629,20.  In  einem  Bauernhause 
gefunden. 

LEG  XIII   GE 

r  l    a  e  L  \0 

13.  Eingeritzt:    b  x  in 

14.  Apulum. 

L  EG    XII  1   GE 
A  V   E  V  D  OX 

If).    Ei>on(lort. 

LEG   XIII   G  E 
1  V  1    M  A  R  Cl  A 


245 
IG.   =  C.  I.  L.  III,  ]629,  2. 

LEG  XIII   GEM 
A  W  TO  H  I  WI  ö 

17.  Torda.   =  C.  I.  L.  III,  1630. 

LEG • MAC 

18.  Vizakna  (Salzburg) ,  nördl.  von  Hermannstadt.    Bei  Herrn 
Pfarrer  Andreas  von  Beck.     Form  für  Ziegelstempel. 

p  O  N  O  I  N  1 1 

Lampenstempel 

1.  Värhely. 

a)    LVPATi  h)    lAVIDO 

2.  Nagy-Enyed.  Im  ref.  Collegium,  aus  Apulum.  Schwer  lesbar: 

/pt/ti      —      Optati? 
Deva  1885  GABRIEL  TEGLÄS 


II 

1.  Karlsburg.    In  der  Festung,  im  Hause  des  Domherrn  Becke. 
Ära  aus  weissem  Marmor. 

C-NVMMIVS- 
VERVS  -  EQ^E'S 
ROMAN VS  • 

5  ET  - SACERDS • 
N  V  M  •  A  E  S  CV 
LAPI-  CNSECR- 

2.  =  Arch.-epigr.  Mitth.  III  S.   104  n.  45. 

AETERNO 
-GALICA 
£  EXBFCoS 
I  A,  V  I  E  S  ^A 
5       WMQ_I  O  S 


246 

J)eo\  aeterno  .  .  [Jii]l{ius)  Gal{l)ica[nus\  ve[f..]  ex  b{ene)f{iciario) 
co{n)s{ularis)  [pro  s]ali([t]e  sua  [stioj'^uwqiue)  [p]os{uü). 

3.  Bei  Hrn.  Low.  Ära  aus  Kalkstein.  H.  O'G,  br.  0*33, 
d.  0-25. 

DIANE  A  VG 
C-   I  VL-  VALE 
R  1  V  S •  VEt 
.sie  L  E  L  •    XUT   G 

5  DEC • COL 

S  A  R  M  I  S 


EX  PFCOS 


7j.   1  ex  \b[ene)f\^iciario)'\  co{n)s(ularis). 

4.    Bei    Hrn.    Low.     Ära    aus    Kalkstein.    H.  0*57,    br.  024, 


a.  u-23. 


/  K  R  c  V  L  I 

AVG 

//r  E  G  I  N  V  S 
Schale  ,  ,  Schale 

S   '  /  E  R  DOS 

5  /n/i  ITVTVS-AU- 

HEL  •  PERTINAG 


/  OS 

[H]erculi  Avg{usto)  .  .  Reyinus  s{ac\erdos  yi\n[st]it}i,lus  ah  Hel{vio) 
Pertiiiace  [c\n{n)s{idari) . 

Helvius  Pertinax  ist  der  spätere  Kaiser.  Dass  er  Statthalter 
von  Dacien  gewesen,  berichtet  auch  seine  Vita  2,  10:  Cassiano  motu 
composito  e  Syria  ad  Danuvii  tutelam  jyrqfedus  est  atque  inJe  Moesiae 
utriusqiie  mox  Daciae  regimen  accepit.  Der  von  dem  Statthalter  ein- 
gesetzte sacerdos  ist  ohne  Zweifel  der  sacerdos  provinc/ae.  Vgl. 
Marquardt  Eph.  epigr.  I  p.  21U. 

5.  In  der  Festung,  Garten  des  Geniecoraraandanten.  Ära  aus 
weissem  Marmor. 

S  A  R  A  P  I  © 
I  O  V  I  •  S  O  L  I- 
I  S  I  D  I  ■  I.  V  N  A  E 
ß  D  I  A  N  A  E  a 
ü  DISDEABVSQ_ 
CONSEKVAToRlB 
LAEMILCAR/S 
LEG  A  VG  PR  RR 
ni   DACI  A  R  VM 


247 

L.  Aemilius  Carus  als  Statthalter  von  Dacien  auch  in  den 
Inschriften  C.  I.  L.  III,  115B.  1415.  Ich  bemerke  gelegentlich,  dass 
der  in  der  fragmentirten  Inschrift  C.  I.  L.  III,  1461  und  IMitth.  III 
S.  191  genannte  Statthalter,  auf  letzterem  von  mir  gesehenen  Steine 
Tib.  Julius  Flaccinus  heisst,  nicht  Junius ,  wie  Gooss  den  Namen 
nach  einer  fehlerhaften  Copie  gibt. 

Hermannstadt.  Zu  den  im  Bruckenthalischen  Museum  auf- 
bewahrten Inschriften  gebe  ich  hier  einige  Nachträge : 

6.  =   Arch.-epigr.  Mitth.  I  S.  120. 

deo 

AEl  hK.  710 
C  L  O  D  I  A 
M  A  X  I  M  A 
*    e  T  •  E  L  A  -  SIC 

5      VALERIA 

7.  =  C.  I.  L.  III,  1619. 

C  O  H    II    FL© 
CVIPREEST; 
C  V  E  T  T  I  V  S   ( 
5  SABININVS^F 

Mar[ti  Gi'a\d\ivo'^]  coh{ors)  II  Fl{avia)  Co\m[magenoru7ri)\,  cid 
praeest  C.  Vettius  Sahinianus  praef{ectus). 

Da  die  Herkunft  des  Steines  nicht  feststeht,  so  darf  man  viel- 
leicht vermuthen,  dass  er  aus  Veczel  nach  Freck  gebracht  wurde. 
Denn  in  Veczel  war  die  cohors  II  Flavia  Commagenorum  stationirt, 
und  dort  haben  sich  eine  Reihe  ähnlicher  Dedicationen  gefunden 
C.  I.  L.  III  p.  220  und  Mitth.  III  p.  108.  C.  Vettius  Sabinianus 
ist  vielleicht  identisch  mit  dem  gleichnamigen  Statthalter  von  Pan- 
nonia  superior  C.  I.  L.  III  4426  u.  Eph.  epigr.  II  897. 

8.  Aus  Varhely.  Ära  aus  weissem  Marmor.  =  Korrespondenz- 
blatt d.  Ver.  f.  siebenb.  Landesk.   1882  (Jahrg.  5)  p.  116. 

Qj  A~X  1  V  o  rt.  c 
LI  ANVS  •  I  VNI 
OR-VOTVMPRo 
PATRISINCO 
5  L  VMIT  ATE  S  V  S  C  E  P 

TVM-CVM  GRATVLA 
TIONE  LIBENS-SOL 
VIT  C5  lONJ  lONlVS 


248 

Ueber  Q.  Axius  Aelianus,  Vater  und  Sohn,  vergleiche  Mommsen 
zu  C.  I.  L.  III,  1422.  1423  u.  1456.  Unsere  Inschrift  scheint  mir 
zu  beweisen,  dass  Mommsen  a.  a.  O.  mit  Recht  in  dem  Zusatz  Joni 
am  Schlüsse  von  n.  1422  u.  1423,  sowie  in  dem  'Iövi0(;  der  eben 
dort  angeführten  griechischen  Inschrift  ('AaKXiiTTia)  Kai  'YTieia  GeoTq! 
cpiXavepuuTTOK;  "AEioq  Ai\iav[6](;  6  vea)TepO(S  euxapKJnipiov,  'Idvioc;)  ein 
Signum,  Jonius ,  erkannt  hat.  Joni  unserer  Inschrift  bezieht  sich 
offenbar  auf  den  Vater,  Jonm^  auf  den  Sohn.  Am  Anfang  ist  wohl 
nach  Analogie  der  angeführten  griechischen  Inschrift:  Aesculapio  et 
Hygiae  dis  conservatorihus  zu  ergänzen. 

Wien  A.  V.  DOMASZEWSKI 


Inschriftfimde  in  dem  Gebiet  von  Aquileja 

(Aus  einer  Mittheilimg   der  k.  k.  Central  -  Comraission  für  Kunst-    und   historische 

Denkmale) 


Folgende  Inschriften  wurden  auf  dem  Grunde  des  Herrn  Ed. 
Prister  auf  der  Strecke  zwischen  Croccara  und  Stazzonara  entdeckt : 

1.  Cippus  aus  Kalkstein,    h.  1-2,  br.  0-87,  d.  0-73.     Zeit  des 
Antoninus  Pius. 

Q_-   DELLIVS  -  Q^F  •  POL 

SVPER 
VETER  •  LEG  ■  XV     APOL 
Qj   DELLIVS  -    CLEMENS 
5  FILIVS 

DELLIA-  FALERNA- VXOR 
ALBANVS  L  1  B 

PVSILLA  -  L  I  B 

ET  •  TV 

2.  Cippus  aus  Kalkstein  mit   Aschenbehältcr,  h.    14,  br.   1'07, 
d.  0'73.     Zeit  des  Antoninus  Pius. 

C  -   I  V  L  I  V  S 

PRIMIÜENIVS 
lilHl  •  VIR-  ET 
VALERIA-  7-  L-  SYRTIS 


249 


5  VF-  SlBl  •   ET 

C  -  IVLIO  •  ALEXAE 
VALERIAE-  OPTATAE 
VALERiAE  •  SALVIAE 
VALERIO     ■      VITVLO 

10   STATIAE     -     NYMPHE 


3    Tafel    aus    Kalkstein    mit  Umrahmung,    h.  0"71 ,    br.   1*35, 
d.  0'17.     Zeit  des  Vespasian. 


Q:.GAV1VS-  Q^L-  SECVNDVS 
ET  ■  VETTIDIA  -  AMOENA 

Vivi   ■     FECERVNT 
SIBI  -  ET  •  COMMVNI-  L 
5        SECVNDO-L- OPTATO- L 


4.  Cippus  aus  Kalkstein  mit  Aschenbehälter,  h.  0*87,  br.  0'46; 
d.  0*30.  Zeit  des  Antoninus.  Der  Stein  ist  vom  Wasser  ange- 
fressen und  daher  schwer  leserlich.  Die  punctirten  Lettern  sind 
unsicher. 


L     ■     T  I  T  I  V  S 
F   L  A  ;■  M   :   V  S 

V  E  T  T  1  A  E 
L-  F-  MANSVETAE 

C  O  N  I  VGI 
H  •  M  -  H  •  N  -  S 


5.  Cippus  aus  Kalkstein,    oben  rund,    unten  gebrochen,  jetzt 
h.  0-4,  br.  0-32,  d.  0-13.     Zeit  des  Claudius. 


6.  Grabstein  aus  Kalkstein,  h.  1*85,  br.  0*62,  d.  0"21.  Oben 
Giebel  mit  einer  Rose  in  der  Mitte,  und  je  ein  Delphin  in  beiden 
Ecken.  Buchstaben  aus  der  Zeit  des  Antoninus  Pius,  stark  abge- 
nutzt. Mit  Ausnahme  der  einen  Zeile  ist  die  Tafel  unbeschrieben. 
Unten  Zapfen  (h.  0*14,  br.  0-25)  zum  Einlassen. 


L  O  C   -   M  O  N 


250 

7.  Basis  aus  Kalkstein,  h.  0*22,  br.    MG,  d.   1-06.     Höhe  der 
Buchstaben  Ü"09.  Zeit  des  Antoninus  Pius. 

L  -  M  ■  IN  •  F  ■  P   •  XX  •  IN  •  AG  •  P  •  XXXH 

8.  Fragment    einer    Basis    aus    Kalkstein,    h.   02,    br.   0*69^ 
d.  0-5.     Höhe  der  Buchstaben  0'17.     Zeit  des  Claudius. 

9.  Basis   aus  Kalkstein,    h.  0-49,  br.   1-33,  d.  0-99.     Zeit  des 
Antoninus  Pius. 

H    •   M   •    H    ■    N   -   S 

Fiumicello  Dr.  GREGORUTTI 


Epigraphisclier  Bericht  aus  Oesterreich 

(Schluss) 

SiSSek.     Revidirt. 
ad  Ephem.  epigr.  IV  471  (C.  I.  L.  III  n.  3950): 

Z.  4:    B     Der  Adler  befindet  sich  rechts,  der  Bogen  links, 
ad  Ephem.  epigr.  IV  472; 

Z.  1 :    am  Ende  von  R  keine  Spur,  da  der  Stein  rechts  sehr  beschädigt  ist. 
Z.  2 :    S  undeutlich,  nur  der  mittlere  tiefe  Strich  davon  erhalten,  könnte 

auch  V  sein,  daneben  I  deutlich,  hinter  dieser  geraden  Hasta  kein 

Platz  für  G. 
Z.  3:    kein  Platz  für  T,  der  Strich  hinter  S  geht  schief,  könnte  eher  von 

einem  Y  sein;  ob  am  Schlüsse  B    oder  P,  unsicher,    weil    hier  der 

Bruch  und  nur  der  obere  Theil  erhalten. 
Z.  5:    das  L  in   IVL  deutlich,  am  Schlüsse  deutlich  CRI 
Z.  6 :    die  Buchstaben  enger  zusammen,  das  zweite  M  scheint  lA  zu  sein, 

statt  C  ein  deutliches  G,  am  Schlüsse  nach   R  noch  A»  also:    CO- 

MACIA   GRa//// 
Z.  7:  das  M  verwischt  aber  sicher. 

In  Z.  1  und  2  grössere  Buchstaben, 
ad  Ephem.  epigr.  IV  474: 

Z.  2:   zwischen  N  und  I  ein  Grübchen,  von  Buchstaben  keine  Spur,  vor 

und  hinter  S  Punkte,  sonst  nicht. 
Z.  3:    Buchstaben  ziemlich  deutlich,  von  F  keine  Spur,  das  letzte  C  kann 

auch  G  sein. 
Ljub.   Viestn.  I  p.  (16  fl. 


251 

Die  Doppelinsclirift  C.  I.  L.  u.  4U08  -(-  4013  in  Velicn  Gorici  crluiltL-ii,  jetzt,  im 

Agramer   Museum;  sie  war  lange  Zeit  in   Vel.  Gor.  vergraben,  weil   diu   Edlen   von 

Turopolje  in  dem  Steine  das  Fundament  ihrer  Rechte  sahen. 

C.  I.  L.  III  n.  4009  jetzt  im  Agramer  Museum. 

C.  I.  L.  III  n,  4010  jetzt  im  Agramer  Museum;  ein  Abklatsch  dieser  Inschrift  be- 
findet sich  in  der  Sammlung  des  hiesigen  arch.  epigr.   Seminars. 
Ljub.    Viestn.  V  p.   1  ff. 

Warasdin-TÖplifz  (Aquae  Jasae). 

344.  Gef.  September  1867  im  Hofe  des  Hauses,  das  gegenüber  dem  Eingang 
in  den  herrschaftlichen  Garten  liegt. 

N  1/  m  p  h  i  s 

AVG  ■  Sac 

FL  •  VALENTINVS 

.  .  ,  .E 

5  .  .  .      .  .  S  T  I  L  L  I 

u  ■  s  •  l  ■  m. 
Ljub.   Viestn.  I  p.  41  n.  .5. 
Warasdiner  Thermen. 

345.  Im  September  1882  kam  man  beim  Graben  <  ines  Brunnens  in  einem 
Bauernhause  in  der  Nähe  des  Eingangs  in  den  Badepark  auf  die  Spur  eines  alt- 
röm.  Gebäudes,  das  grösstentheils  aus  weissem  Marmor  gebaut  war;  die  Inschrift 
steht  auf  einer  2  M.  br.  und  1  M.  h.  Tafel  von  weissem  Marmor  und  ist  sehr  gut 
erhalten. 

NYMPHAS  ■  SALVTARES 

M  ■  RVTILIVS  ■  LVPVS  -  TR  •  Mll. 

LEG  •  XXÜ  •  Q_-  TR  ■  PL 
LEG  •  AVG  -  LEG-XIIIGEIW- 
Bojnicic  in   Viestn.  IV  p.  107. 

Tb  plitz  (Aqua  viva).     Eevidirt. 
ad  C.  I.  L.  III  n.  4117:  (Marmor)    oberhalb    der  Inschrift    die  Büste    der  Nymphe, 
die  abgebr.  und  ins  Agramer  Museum  geschafft  wurde.  Die  Nymphe 
hält  mit  den  Händen  ihr  fallendes  Haar,   jedcrseits    hat  sie  einen 
Löwen  mit  Drachenkörper  und  Fischschwanz. 
Z.  4  auf  dem  Stein  GEMNIO,    für  das  eingeschobene  I    kein    Platz.     Z.  3 
und  4  zwischen  Nomen  und  Cognomen  keine  Punkte  zu  setzen. 
ad  C.  I.  L.  n.  4118  in  der  letzten  Zeile  grössere  Buchst.iben. 

ad  C.  I.  L.  n.  4119  eingemauert  in  der  Mauer  des  Ganges    in  der  Kaptol-Stadt,  wo 
die  Bäder  sind.     Keine  Punkte  zu  setzen.     Z.  2:  AVG   eng  in  der 
Mitte. 
ad  C.  I.  L.  n.  4120: 

Z.  3:    CILONIS  —  Z.  5:  EIvs 
ad  C.  I.  L.  n.  4121  vgl.  Arch.-epigr.  Mitth.  III  p.   KU  und   177. 

Neue  Inschriften:    Viestn.  I  p.  41  n.  4,  p.  42  n.  7,    bereits   veröffentlicht  in 
diesen  Mitth.  III  p.  164  u.  176  f. 
Ljub.    Viestn.  I  p.  34  ff. 


252 

;i(l  Ephem.  epigr.  IV  473.     Die  Inselirit't  l;iutet.: 

S  e  S  e  S 
SVR// 
/o/r/l,ViI-  SER 
a  s  L   ß   MB 
Ljub.    Viestn.  1  p.  69  u.  4. 
ad  Ephem.  epigr.  IV  478 : 

/l'//!lill/!IM^ 

AEL  ■  VALERIVä 
AEL-  SECVNDINV 
MAG-  D-D- 

Oben  rechts  ein  Adler  auf  einer  Kugel  stehend. 
Viestn.  I  p.  G9  n.  5. 
ad  Ejilievi.  epigr.  IV  479 : 

Z.   1:    ////////.Eo-ACRl 

Z.  4  a.  E.:    keine    Spur   von  T,    es  scheint    N"  zu  sein. 
Z.    5   a.    E.   wohl:    VEENSTESANTE 
Z.  8  deutlich:  REQVIRES 
Viestn.  I  p.  71  n.  7. 
ad  C.  I.  L.  III  3972  u.  Ephem.  epigr.  II  833: 

Z.  2:    A    XXXXI  Z.  3:    INtA 

Viestn.  I  p.  70  n.  6, 

346.  Kleine  viereckige  Marmorara,  h.  0"19,  br.  0*12,  d.  0*095.  Oben  eine 
Vertiefung  zur  Aufnahme  einer  Statuette  des  Gottes.  Gef.  am  7.  Aug.  1879  in 
der  Nähe  des  Sisseker  Bahnhofes;  jetzt  im  Agramer  Museum. 

HERCVLENI 

AVG  •  SAG 
L-  SPVRIVS 
RESTVTIANVS 

Nach  einem  von  Bojnicic  an  Prof,  Hirschfeld  geschickten  Abklatsch;  vgl.  Ljub. 
Viestn.  II  p.  74  n.  10.  Der  anomale  Dativ  Herculeni  hat  seine  Analogie  an  den 
auf  Inschriften  so  häufigen  Dativen  auf  — eni  von  Namen  auf  — e,  wie  Tycheni. 

347.  Bruchstück,  am  Rande  beschädigt,  gef.  von  der  archäol.  Gesellschaft 
„Siscia",  jetzt  in  Agram. 

in  sta\\TWH\.-  PRISTII  um 
m/rBIS  •  SPLEND    rest. 

cur  ANTE-  FL-  SEVEKO 

)  I 

Nach  einem  von  Bojnicic  an  Prof.  Hirschfeld  geschickten  Abklatsch;  vgl. 
Ljub.   Viestn.  II  p.  72  n.  7: 

„Der  hier  genannte  Fl(aviMs)  Severus  wohl  identisch  mit  dem  im  J.  305 
zum  Caesar  erhobenen  Flavius  Valerius  Severus,  geb.  in  Illyrien  von  unbekanntem 


253 

Geschlechte,  von  dessen  Leben  die  alten  Schriftsteller  wenig  erwähnen.  Nach 
unserer  Inschrift  wäre  er  vor  seiner  Erhebung  Procurator  in  Pann.  sup.  gewesen. 
Wie  er  Caesar  wurde  und  Würde  und  Leben  bald  einbüsste,  erzählt  Lactantius  de 
mortib.  peraecid.  c.  18.  c.  26,  er  starb  in  Kavenna". 

348—350.   Gef.   bei  den  Ausgrabungen  des  Vereines  „Siscia"  in  den  Jahren 
1875/6. 

348.  Bruchstück  einer  Platte,  rund  herum  beschädigt.     Buchstaben  ziemlich 
deutlich,  Höhe  derselben  0  045.  [Hier  nach  einer  Abschrift  von  Domaszewski]. 

S  /v  «-  ^ 
T-ATTIVS 
TERN  V<i 


Die  Inschrift  lautete  wohl:    ...sacr[um]   T.  Attius  [Pa\\ternu^  [ex]  \  mon[itu\. 

349.  Platte  aus  weissem  Marmor,  h.  0-19,  oben  br.  O'll,  unten  bv.  0-145, 
d.  0*035.  Eechts  und  theilweise  oben  vollstäudig.  In  der  letzten  Zeile  fehlt  der 
unter  Theile  der  Buchstaben. 

I  L 
IB 
p.p. 

O  V  T  I  F  I  A 

Z.  4  A]quileiae. 

350.  Bruchstück,  h.  0-28,  br.  011,  Buchstabenh.  0-055;  gef.  im  Garten  des 
Pfarrers : 

in 

V  s 

Dazu  ein  kleines  Fragment,  das  nur  Buchstab eureste  enthält. 
Ljub.    Viesln.  I  p.  71  n.  8 — 11. 

Scitarjevo   (Andautonia).     Revidirte  Inschriften. 
Zu  C.  I.  L.  II.  3679  =:  Desjardins  Acta   nova  musei   vationalis   Hungarici.   Tora.  I. 
Inscriptiones  vionumentorum  Romanorum  Budap.  1873  p.  91  n.  166: 
nur  die  beiden  ersten  Zeilen  mit  grösseren  Buchstaben. 
Z.  9  fin.  bei  Mommsen  richtig  P    (Desj,  R) 

C.  I.  L.  HI  4007  nach  Kukuljevich  „nunc  Agrami  in  museo'^ ,  dies  jedoch  falsch,  die 
Inschrift  ist  nicht  in  demselben  und  war  wahrscheinlich  auch  nie 
daselbst. 

ad  C.  I.  L.  III  4008:  der  ganze  rechte  Eand  eben,  dort  fehlt  nichts;  am  Anfang 
von  Z.  3  kein  Platz  für  c(ivis) ,  das  Mommsen  ergänzen  will ; 
ebenda  nicht  CVM,  sondern  C\M.  Die  Buchstaben  der  letzten 
Zeile  nur  zur  Hälfte  deutlich. 


254 

C.  I.  L.  III  p.  522  n.  4116: 

Cikovce  bei  Warasdin  im  Schlosshof  des  Grafen  Festetics,  1  M.  über  dem 
Erdboden   eingemauert,  ca.  2  M.  1.,  1  M.  br. 

Z.  2:   TAVORIS,    bei  Moramsen  FAVORIS 
Z.   3:    ANN  „  „  NN 

Der  Stein  endet  unten  in  einem  Halbkreis,  in  welchem  ein  unbewaffneter 
Mann  auf  einem  Pferde  sitzt. 

Martin  Ljubic   Viestn.  IV  p.  88. 

Ebreichsdorr.  September  1882  fand  man  am  Ende  des  Schlossparkes  von 
Frau  Mathilde  Gräfin  Pongraez  zwei  röm.  Grabsteine,  von  denen  der  eine  schon 
früher  bekannt  war  und  im  C.  I.  L.  III  n.  4594  nach  Clusius  als  im  Besitze  Becks 
ehemals  befindlich  publicirt  ist;  sie  waren  in  älterer  Zeit  daselbst  als  Materiale 
beim  Bau  einer  Brücke  verwendet  worden  und  sind  wahrscheinlich  in  der  Nähe 
gefunden.  'Der  Punkt  des  neuen  Fundes  markirt  eine  Stelle  der  von  Vindobona 
nach  Scarabantia  führenden  Strasse,  deren  Zug  auch  durch  die  zahlreichen  Ueber- 
reste  römischer  Denkmale  im  nahen  Weigelsdorf  bezeichnet  wird.' 

Der  zweite,  bisher  unbekannte,  'war  für  ein  Ehepaar  bestimmt;  sehr  beschädigt. 
Oben  sieht  man  einen  Mann  in  Halbfigur  mit  der  Tunica  bekleidet,  die  r.  Hand  der 
Frau  zu  seiner  Rechten  reichend;  diese  hat  in  den  Nacken  fallendes  Haar.  Die 
Gesichtszüge  beider  sind  unkenntlich,  l^iese  Gürtelbilder  sind  fast  lebensgross  und 
ziemlich  gut  gearbeitet.  Unter  ihnen  die  äusserst  verwitterte  Inschrift,  in  der  nur 
einzelne  Buchstaben  mehr  halbwegs  deutlich"  sind.  Unten  wie  es  scheint  ein 
Delphin.  Die  Steine  sind  jetzt  von  der  Gräfin  an  geschützter  Stelle  im  Schlosse 
gut  sichtbar  aufgestellt.' 

351.  D  M 

AVRL    VRSVLVS 
CARISSIM  •  AN 
sie      XLV   H  S  1  •  P  •  E  R  N  1 
5        C    VIVS  •   SIBI 

p  ■  svn 

Nach  V.  Sacken  Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII  (1882)  p.  CXXXVIH  f.  Z.  1: 
Aur[e]l{ius).  Z.  4  — 6  vielleicht  zu  lesen:  h[ic)  a{itus)  [e]{st)  p\at]er  [/il]i[o]  vi(v)ns 
(seil,  et)  sibi  p{o)suit. 

Mitth.  d.  Centralcomm.  VI  p.  CXVII  f.  (Inschriften  aus  Carnuntum)  =  Arch  - 
epigr.  Mitth.  Bd.  V  p.  203  f.  u.  IV  p.  128. 

Wien.  352.  'Inschriftstein,  gefunden  bei  den  Erdarbeiten,  welche  durch  die 
Herstellung  der  Gartenanlage  vor  dem  neuen  liathhause  veranlasst  wurden  (1879). 
Jetzt  im  städtischen  Museum.  H.  030,  br.  014,  d.  0-10,  oben  und  unten  mit  Ge- 
simsen versehen,  die  aus  einfachen  Rundstäben  von  verschiedener  Stärke  gebildet 
werden.  Die  obere  ebene  Fläche  wird  von  einem  aufstehenden  Rande  eingetasst, 
so  dass  eine  seichte  viereckige  Vertiefung  entsteht,  in  welche  ein  Bildwerk  hinein- 
gestellt werden  konnte  (ara  cum  aigillo  oder  signo). 

s   s   s 
re  m  1 1 
Q_i  N  T  1  ■'"'-■ 

L  1  A  N 

5  vs  vs 


255 


Kenner  in  Mitth.  d.  Centralcomm.  5  (1879)  p.  32.  S(ancto)  S{ih}ano)  s{acruvi) 
Memii.  .    Q(ii)intilianus  v{otuin)  s{olvit). 

'Die  Endbuchstaben  des  Namens  des  Widmenden  sind  nicht  deutlich  genug; 
die  Schriftfläche  ist  stellenweise  sehr  rauh  in  Folge  der  Verwitterung,  so  dass  nicht 
sicher,  ob   ffiJVllL  oder  ffiiWID  zu  lesen  ist.' 

Mitth.  d.  Centralcomm.  X  p.  CVI  (Inschrift  aus  Müdling)  -=r  diese  Mitth. 
Vlli  p    94. 

Instrumentum 

Sissek-     353.  Jetzt  in  Agram.     Larapenstempel: 

CERIALIS  CRESCE    und     CRESCES  LIC  FORTIS    —  PROBVS 

S 

INGE 


Bei  Tkalcic  eine  erwähnt  mit: 


NVC 


Eine  Kugel,  flachgedrückt,  einerseits  convex,  anderseits  flach,  auf  dieser  Seite  :  A 
Ljubic  Viestn.  I  p.  74. 

Ebenda.     354.  Jetzt  im  Agramer  Museum.   Auf  dem  Halse  einer  gebrannten 
Tonrühre  (Durchm.  0-21,  am  Halse  0-16): 


Ljub.   Viestn.  I  p.  72. 

Ebenda.     355.  Jetzt  in  Agram.     Tegulae: 

a)  In  der  Mitte  von  oben  nach  unten  gebrochen,  li.  0-43,  bi*.  0*305,  d.  0'055, 
Buchstaben  cursiv,  aber  deutlich: 

pri{die)  idus  iunj 
Felicio  CCXX 
h)  Bruchstück,  1.  0-26,  br.  0-15,  d.  0-06,  "enthält  nur  die  Zahl:  CCCXCI 
c)  Bruchstück,  h.  0-14,  br.  0'315,  d.  0'065  mit  der  eingeritzten  Inschrift: 

IN==|=  U 


d)  H.  0-44,  br.  0*29,  d.  0-055,  eingeritzt:  CXVI 

e)  H.  0-43,  br.  0-23,  d.  0-05,  eingeritzt: 


VIC 


/)  Bruchstück,   eingeritzt:  AH 

g)  APPIANI     1.  0-12,  br.  0-03     } 

h)  SISC         1.  0-85,  br.  0*26        >     Fabriksstempel  mit  erliabenen  Buchstaben. 

i)  8I8C         1.  0-75,  br.  0-25       j 

Ljubic   Viestn.  I  p.  72 

Ebenda.  356.  Ziegelstück  mit  abgebrochenen  Rändern,  h.  0'17,  br.  0-16,  d.  005. 
.■\iisgegr;iben  1878  vom  archäol.  Verein    Siscia' :    mit    einem  Stilus    eing-eschnitten  : 


256 

3  E 
EECI 

Q_U  I  L  F  G  E  1 

Ljubi6  Viestn.  II  (1880)  p.   12. 

Ebenda.     Jetzt  in  Agram.     Terra  sigillata: 

1.  Stempel   an   der   äusseren  Fläche  einer  ßäucherpfanne,  1.  0-55,  br.  0-02 : 
IVN  PATN,  die  letzten  Buchstaben  unsicher. 

2.  Dsgl.,  1.0-75,  br.  0-02:  COSTINI 

3.  Dsgl.,  1.  0-96,  br.  0-16:  M  -  MAFSl 

4.  Am  Halse  einer  Räucherpfanne,  1.  0-75,  br.  0*02 :  L-  TARl  RFI 

5.  Am  Boden  der  Pfanne,  aussen:  PRIMaj-m«?,  innen:  P- ATTI 

SOLI 

6.  Dsgl.  aussen:  PE      innen:  

MARI 

7.  Dsgl.  aussen:  HILO 

8.  Dsgl.  doppelt  aufgedrückt:  P  •  ATTI 

9.  Dsgl.  aussen:  _ 

10.  Dsgl.:  C-  CESABE 

HILA 

11.  Dsgl.: 

^        RVS 

12.  Dsgl.:   Q_-I-C 

SOLI 

1.3.  Dsgl.:  (etwas  anders  als  n.  6). 

MARI 

ORA 

14.  Dsgl.:  

SARI 

15.  Dsgl.:   MRI    Glasur    fast    ganz    abgefallen,    daher    von  Buchstaben   fast 
keine  Spur. 

16.  Dsgl.:    PRITANII 

17.  Dsgl.:    L-GElLiI 

IC 

18.  Bruchstück   dsgl.:   

AE 

19.  Dsgl.:   ^° 

m 

20.  Dsgl.;    SIPA 

21.  Undeutlich,  da  der  Stempel  mehrmal  aufgedrückt,  scheint  RAMI  zu  sein. 
Ljubiö   Viestn.  I  p.  73, 

357.   Auf  dem  Boden  von  innen  roth  gefärbten,    dünnen,    aber   sehr  hüb.sch 
ausgestatteten  Gefässcheii : 


.  hil 

A  R  I 


Vgl.   Viesbi.  I  tab.  I  n.  II. 


A  C  A 

iiiiiiiiiiiiiiiiii 
STVS 


In   ciinT   cinciii    i''iiss('  äliiilii'lii'U   Zcicbmiii;;' :    MVRI 


257 


4.  Ebenso:  JWlR' 


lO  LI 


MARI 


6.  1  s  O  O  L  O  /  I 


Auf  dem  Grunde  eines  Leuchters  aussen  in  erhabener  Schritt: 

o 

ATIME 

Ljubic   Viestn.  II  (1880)  p.  12. 

358,  Drei  sehr  schöne  Ziegel  mit  bis  jetzt  unbekannten  Stempeln  aus  zwei 
Fabriken;  aus  der  besseren  Zeit  des  römischen  Gewerbes;  ausgegraben  in  Scitar- 
jevo  (Andautonia): 


a)  'CCON 


h)      l  ■  RVCCOn| 


L  ■  LVSI  •  RVCCO 


d) 


L-  LVSI  •  RVCCON 


e) 


P  •  "ER  •  P 


Vie«l7i.   V  (1883)  p.  13. 

Varasdin-TÖplitz.     359.  Ziegel,  gef.  1867  in  der  Nähe  von  Tuhovac. 

o)     LXGFLOR  b)     CAS  ■  CRI  c)  Fragment  von  b):  mRI 

Gefäss  mit  dem  Stempel:  IVIN 

Ljub.   Viestn.  I  p.  43  n.  4.  5. 

Wien.  360.  Ziegel,  gefunden  bei  den  Erdarbeiten  vor  dem  neuen  Rathhause; 
derselbe  bildet  ein  Viereck  von  0-205  und  zeigt  in  schönen  schmalen  Lettern  den 
Stempel : 

VIB  VAL  Vi 

Das  letzte  Zeichen  leicht  verwetzt.     Der  Name  Vib{ii)  Val(eina7ii)   (centuria?) 
auf  Wiener  Ziegeln  noch  nicht  vertreten;  jetzt  im  städtischen  Museum. 
Kenner,  Mitth.  d.  Centralcomm.  V  (1879)  p.  32. 

KiOSterneuburg.  361.  Beim  Ausheben  des  Grundes  für  einen  Zubau  des  Hauses 
Nr.  9  in  der  Buchberggasse  stiess  man  in  einer  Tiefe  von  ca.  2'8  auf  drei  römische 
Gräber.  Zwei  derselben  bestanden  aus  Ziegeln,  die  mit  kleinen  Varianten  die  Stempel: 
OF- ARNMAXENTIAVIN  und  OF  •  ARN  BONO MAG  aufweisen;  zwei  davon  im  Besitze 
des  k.  k.  Antiken-Cabinets,  die  andern  im  Museum  des  Stifts. 

V.  Sacken,  Mitth.  d.  Centralcomm.  VII  (1881)  p.  CXXXIII. 


NORiCUM 

362.  Saifnitz  in  Kärnten.  Um  1854  au.sgegraben  im  Felde  hinter  dem  Haus- 
stadel, jetzt  im  Museum  in  Klagenfurt,  h.  0'15,  br,  0-13. 


Nach    meiner    Abschrift    im    Sommer  1884,  vgl.   Picjilcr  Oarinthia  73  (1882) 
p.   157. 

Ärchäologiscli-epigraphisclie  Mitth.  IX.  yr 


2Ö8 


363.  Ebenda.  Grosser  Block,  Gesims  einer  Ära,  jetzt  im  Klagenfurter  Museum, 
0-70,  br.  0-38. 


Nach  meiner  Abschrift  im  Sommer  1884,  vgl.  Pichler  Carinthia  73  (1883) 
p.  158;  ebenda  zwei  kleinere  Fragmente  mit  wenigen  Buchstaben. 

Zu  C.  I.  L.  III  n.  4715: 

Im  Boden  des  Hauptschiffes  der  Filialkirche  St.  Dorothea  bei  Saifnitz  das 
Bruchstück  des  Rümersteines ,  der  bei  Apianus  mit  der  Ortsangabe  'apud  Tarvi- 
sium'  steht. 

A 

S  E  C  V  N  D  I  N  ?iS 
SECVND2/ 
ETBRVTTia 
5  FALANDIN« 

C  O 
Pichler,  Carinthia  73  (1883)  p.  158.  Mangelhaft  Karl  Lind  Mitth.  d.  Central- 
comm.  IX  p.  LXVI.     Bei  Lind  fehlen  Z.  1  u.  6,  ebenso  Z.  4  der  erste  Buchstabe. 
Mitth.  d.  Centralcomm.  X  p.  LXXl   (Inschriften   aus   Lienz)  =  diese  Mitth. 
VIII  p.  89. 

364.  St.  Michael  bei  Villach,  zwischen  Zauchen  und  Gratschach,  Pfarre  St. 
Ruprecht.  An  der  Filialkirche,  Westseite,  neben  der  Pforte,  vormals  höher  über 
derselben. 

BA • CA ■ CV- AT- V 

NI-F- VIVA  FECIT 
S  •  IBl  •  ET  -  ARIMA 
NO  FIL  lO  ARI 
5  O •  N  I  S ■  r • COTV 

N  I  M  E  S  S  I  C  I  F 
C  O  N  I V  G  1  CAR 

VIVA 

Fr.  Pichler,  nach  einem  Abklatsch  des  epigraphisch-numismatischen  Cabinets 
des  Grazer  Universitätsmus.,   Carinthia  Jg.  73  (1883)  p.  154: 

„Die  sieben  ersten  A  haben  den  schrägen  Mittelstrich,  die  drei  ersten  F 
sind  abgeartet.  Z.  5  S-r  undeutlich,  wahrscheinlich  -F-TE.  Für  die  eigenartige 
überflüssige  Interpunktion  innerhalb  der  Namen  vgl.  C.  I.  L.  III  n,  5505  u.  4781. 
Die  Namen  Bacacu  und  Messicus  sind  neu,  die  andern  Namen  kommen  auch 
sonst  in  Noricum  vor,  vgl.  Index  zu  C.  I.  L.  III. " 

Zollfeld.  365.  Ära,  ausgegraben  1881  in  Adams  Brache,  im  Wäldchen  nächst 
dem  Unterwirthe,  jetzt  im  Landesmuseum  in  Klagenfurt. 

GEN  10 
PRO  SALVTE 
SVCCe*SI  ■  N 


259 

ö     ET  ■     ß 

5  PROXIMINAE 

EI  VS 

PRIMITIMMS  LIB 

-  V  •   S.  l.   M  - 

Nach  meiner  Abschrift ,  die  ich  im  Sommer  1884  von  dem  Steine  ge- 
nommen habe;  vgl.  Pichler  Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII  p.  CXIV. 

366.  Zollfeld.    Unedirtes  Marmorfragment  im  Museum  zu  Klagenfurt  n.  210. 

b  I  M    PRO 
! I  JONINI 

Nach  meiner  Abschrift  im  Sommer  1884  :  d{eo)  I{nvicto)  M(ithrae)  pro  [sal(tite) 
mp.  Caes.  An\tonmi. .  . 

367.  Kleine  Platte,  wenig  wahrscheinlich  von  einer  Ära,  gef.  1881  im  sogen. 
Friedel-Hause ,  Wiesendreieck  zwischen  Prunnerkreuz ,  Sulzmühle,  Waldbrunnen 
nächst  dem  Döchmannsdorfer  Wege;  jetzt  im  Landesmuseum  in  Klagenfurt. 

d.  i.  m. 
pKO  Salute 
SVA ■  E  T • 

^VL^■/S- 

Pichler  Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII  p.  CXIV  n.  2.    —    Z.  3:  et  [s]iuorum). 

368.  Zwei  Ara-Obertheile,  ausgegraben  1881  in  Adams  Brache;  jetzt  im 
Landesmuseum  in  Klagenfurt. 

o)     DIO     (?)  6)     OVi'Ii      sehr  vernutzt 

Pichler  Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII  p.  CXIV  n.  3. 

369.  Fragment,  ausgegraben  1881  im  Friedel-Hause ;  jetzt  im  Landesmuseum 
in  Klagenfurt. 

?   iuniA 
cand I D  A 

Pichler  Mitth,  d.  Centralcomm.  VIII  p.  CXIV  n.  5. 

370.  Bruchstück  mit  Kleinschrift,  ausgegraben  1881  in  Adams  Brache;  jetzt 
im  Landesmuseum  in  Klagenfurt. 


c 

E 
F. 

und  davon 
rechts  wie 

T 

die  Schlüsse 

AC 

von  Zeilenreihen                ^^ 

FI 

Pichler  Mitth.  d.  Centralcomm.  VHI  p.  CXIV  n.  4. 

17* 


260 

371.  Brantlhof  im  ZoUfeUl.  'An  der  Capelle  betiudet  sich  das,  Fragment 
NON  mit  den  10  Cm.  hohen  Buchstaben  und  das  bisher  nicht  bekannte  SEQ_gestürzt> 
hoch  oben  im  Rundbau.  Dieser  ganze  Stein,  br.  0-82,  h.  013,  gehört  zu  einem 
Grabdenkmal  mit  der  Formel:  hoc  momimenf.um  heredem  non  seq{uetur)  . 

Pichler  Carinthia  73  (1883)  p.  151.  Ebenda  ein  kleines  Fragment  aus  Kaka- 
saal  bei  der  Fostel-Hube. 

372.  Sandsteinfragment,  unten  vollständig,  im  Museum  zu  Klagenfurt. 

lOC^i'Ä  V 


Nach  meiner  Abschrift  im  Sommer  1884. 

Magdalenenberg.  378.  Votivstein,  gef.  bei  den  Ausgrabungen  des  Bauers 
Gradischnigg  während  des  Winters  1880  und  Frühjahrs   1881. 

ATVCO  -MäON  S  •  F  • 

ATIA-  L  •  VIVA  -FEGT 

SIBI  •  ET  •  S  VIS 

Ich  gebe  die  Inschrift  nach  einem  Abklatsch,    der  vom  Geschichtsverein  an 

das  arch.-epigr.  Seminar  eingeschickt  wurde,  und  einer  Abschrift,  die  ich  im  Sommer 

1884  vom  Steine  genommen  habe;  vgl.  Jabornegg  Carinthia  Bd.   71  (1881)  p.  195, 

und  Klagenfurter  Zeitung  1881  p.   1052;    eine  richtige   Lesung   von   Franz  Pichler 

mitgetheilt  von  Heinrich,  Mitth.  d.  Centralcomm.  VII  p.  CI. 

Ein  zweiter  Stein  enthielt  nur  einzelne  unzusammenhängende  Buchstaben, 
an  einem  dritten  war  die  Schrift  so  verwischt,  dass  nur  die  erste  Zeile  mühsam 
entziffert   werden  konnte,  sie  enthielt  den  Namen: 

PRIVATIVS  ^ 

Jabornegg  Carinthia  Bd.  71  (1881)   p.   195. 

Lamprechtsberg.  Mitth.  d.  Centralcomm.  VII  p.  C.  CI  =  Arch.-epigr.  Mitth. 
aus  Oesterr.  VI  p.  95  n.  2. 

St.  Peter  am  Wallersberg.  Zu  Arch.  -  epigr.  Mitth.  aus  Oesterr.  Bd.  IV 
p.  209  n.  5, 

Die  kleine  Votivara  beginnt  mit 

ASC VKEPIO 
Pichler     nach     dem    Abklatsch    W.    Seraens     Mitth.    d.    Centralcomm.    VIII 
.  CXIV  n.  6. 

Deinsberg.  lu  der  alten  Pfarrkirche  fand  Pfarrer  Gröszer  von  Gutaring,  zur 
Ummauorung  der  Sacraments-Nische  verwendet,  vier  bisher  unbekannte  römische 
Grabsteine,  von  denen  nur  der  Stein,  der  die  Decke  bildete,  ganz  war.  Die  Orts- 
sage weiss  auch  hier  vo^  einem  Heidentempel  zu  erzählen. 

374.  Grösse  der  Schriftfläche:  0-27  h. ,  0-30  br.  Klan;  tief  cingemeisselte 
Buchstaben. 

rf      [l       C5       M       C4 

?  niU^  N  V  S 
?  ^MORTI    ■  "E 


r/?/,/  N  T  I  L  L  A 


•? 


quiv 
fece 


TIANI  ■  VIVI 
RVNT  •   SIBI 


Die  Ergänzungen  von  Gröszer  u.  F.  Kenner.  —  Z.  1:  \d]{iisi  i[n/erisj  m[anibus) 


261 

375.  Grösse    der  Schriftfläche:    0-26  h.,  0*28  br.     Klare    tief    eingeineisselte 
Buchstaben,  etwas  ungleich,  gut  erhalten. 

DM  ■  S  AT  VR  I  o\ni  ? 
K  O  R  T  1  O  N  I  S   vUu  ? 
K  E  C  I  T   S  I  B  I  -  E{t 
VIBENECONI/I^i 
5      ETKORTIONJ  l)?^? 

Dass  der  Stein  rechts  gebrochen,    wird   zwar  nicht  direkt  angegeben,    geht 
aber  aus  der  Inschrift  und  den  Ergänzungen  Kenner's  hervor. 

376.  Grösse  der  Schriftfläche:  0*30  h.,  jetzt  036  br.  Stark  verwetzt,  schlechte 
Buchstaben. 

D  M  VAkEN.ii 
N  ASAM 

mARCE//vs 

F  E  C  I  T  C  O  // 

5  VI//// 

Z.  2  vermuthet  Kenner:  Sam[vii  /[iliaj].  —  Z.  3:  Marce[llin]iis.  —  Z.  4 — 5: 
co[niugi  d\u\lcissimae\. 

377.  H.  0-30,  1.  0'40.  Schöne  regelmässige  Buchstaben,  schmal  und  seicht 
eingemeisselt. 

V  I  C  T  O  R| 

VLP  L-  . . .  I  V  s| 
FECIT  SIBI   ET 
SECVNDINE 
5        CoNIVGll! 

Kenner  vermuthet:  Victor\inus\  Ulp{ii?)  l{ibertus}  . .  vi(v)us  /ecU  sibi  et  Secun- 
din{a)e  coniugi  p(?) .  .  .  .  ;  Z.  2  kaum  richtig ,  zum  Schluss  nach  dem  Raum  wahr- 
scheinlicher h{ene)  m{erenti). 

Fr.  Kenner  nach  Bericht  und  Papierabdruck  des  Pfarrers  Gröszer  in  Mitth. 
d.  Centralcomm.  X  (1884)  p.  CIV  f. 

Hrastnigg.  378.  Ziemlich  wohl  erhaltener  Altarstein,  gef.  (vor  18.  Juni  1881) 
auf  der  Besitzung  des  Herrn  F.  C.  Burger  vom  Director  der  Glasfabrik,  mit  der 
Inschrift : 

AD   SA 

LVTEAVG 
CCA 
Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII  (1882)  p.  CXIII. 

Zeile  3  dieser  Ära  der  Adsal{l)uta  Aug{u^ta)  enthielt  vielleicht  die  drei  Namen 
des  Dedicanten. 

Stein  in  Oberkrain.  379.  Im  Stallgebäude  des  Herrn  Hostnik  in  Stein  ist  ein 
Monument  so  eingemauert,  dass  die  Schriftfläche  und  die  rechte  sculpturbedeckte 
Seite  sichtbar  ist;  10  h„  0-85  br.,  0-55  d. ;  rechts  von  der  Inschrift  ein  stilisirter 
Acanthus-Busch,  der  eine  Vase  mit  einer  Rebe  trägt,  jederseits  ein  Delphin. 

C  •  D IN  DIO 
BLANDOET 
OCTAVIAE-  P-  F 


262 

OVARTAE 
5  C  DINDIO  BLANDO  F 

AN  •  VIII 
Müllner,  Mitth.  d.  Centralcomm.  V  (1879)  p.  CXXXVII. 
Haus  am  Pacher.  380.  In  dem  Gemäuer  des  Schlosses  anlässlich  einer  Adap- 
tining,  welche  der  vorige  Besitzer  Herr  v.  P''eyrer  vornehmen  liess,  gefunden: 

a)  Fragment  aus  Marmor,  h.  052,  br.  0*40. 

A  ED 
AV 
iW  A 
CONI 

b)  Fragment  eines  Grabsteines,  Marmor ;  oben  ein  Mann,  welcher  eine  Guir- 
lande  hält,  darunter  als  Rest  einer  Inschrift: 

NIO 

Müllner  Mitth.  d.  Centralcomm.  V  (1879)  S.  CXXXVI  f. 

Eiersdorf.     381.  Nächst  dem  Kreuzerhofe  an  der  Kirche. 

QVARTO 

L-VRBINES 

LIB-ET-SEXT 

GON-F   F 

Nach  einem  Abklatsch  von  W.  Semen  Pichler  Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII 
(1882)  p.  CXIV.    Z.  4:  con{iugi)  f{ieri)  f{ecit). 

Ad  C.  I.  L.  III  5721  (Meilenstein,  gef.  in  der  Mitte  der  Dreissiger  Jahre  in 
einem  steil  ansteigenden  Hohlwege  [Spur  der  alten  Tauerustrasse]  oberhalb  des 
Johannes-Falles  in  der  'Drischübelhalt',  1'36  h.  über  dem  Boden,  d.  0'50. 

//ix 
x// 

S/////S 

HIHIHI 

5  COS 

NF  A 

/  \  E  P  V 

o/// 

//T 
E.  Richter  Mitth.  d.  Centralcomm.    VII  (1881)  p.  CXII.     Vgl.   „Befund  über 
die  Begehung  der  Kadstätter  Tauern,  Pongauer  Seite,  zur  Erhebung  des  Zuges  der 
Römerstrasse  und  ihrer  Denkzeichen"  in  Mitth.  d.  Ges.  f.   Salzburger  Landeskunde 
XXI,  1881,  p.  80  tt". 

Strass  bei  Spielfeld.  .382.  'Am  15.  Juli  1881  wurde  auf  dem  Acker  desjHerrn 
Plentuer   ein  Römerstein  aus  weissem  Marmor,    055  br.,  0'48  h.,  ziemlich  erhalten 


263 

ausgegraben    und    für    das    Leibuizer    Museum    erworben;    unregelmässige,    theils 
stehende,  theils  liegende  Schrift . 

N  OIIBI  O 
DOCNIM 
ARl 

ANXXXV 
5  SE 

Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII  p.  CXIV.     -    Z,  5    wohl:    \H]{ic)    s{üus)  e{st). 
Cilli.  383.  Votivstein  aus  weissem  Bacher-Marmor,  0-75  h.,  0-58  br.,  009  d., 
gef.  beim    Fundamentgraben    unmittelbar    am    nordwestlichsten   jener  Rundthürme, 
welche  einst  Cilli  umgaben  und  zwischen  welchen  die  Ringmauer  hinlief,   1  M.  tief 
unter  dem  Erdboden. 

VIND  V 
COMATILL  AE 
VT  S  IBI  ET 
SATVLLAE  F 
.5  ANN  XXX 

Riedl,  Mitth.  d.  Centralcomm.  X  (1884)  p.  CCXV.  —  Z.  3  in.  wohl  VF 
(=  Viva  fecit). 

384.  Im  Mai  1884  wurde  bei  der  Villa  „Mina  Biger"  in  Lava  ein  weiss- 
marmorner  Römerstein  gefunden.  Die  wenigen  Buchstaben  der  nicht  lesbaren  In- 
schrift sind  rein,  aber  einfach  und  genau  gemeisselt.  Die  Reliefs  sind  stark  be- 
schädigt und  lassen  auf  einen  Grabstein  eines  Kriegers  schliessen.  Das  im  unteren 
Theil  zeigt  die  Darstellung  des  die  Leiche  des  gefallenen  Achill  bergenden  Aias, 
am  Giebel  ist  eine  Vietoria-Büste.  Das  Monument  dürfte  aus  dem  2.,  wenn  nicht 
Anfange  des  3.  Jahrh.  stammen. 

Riedl.  Mitth.  d.  Centralcomm.  X  p.  CLIV. 

385.  St.  Martin  im  Schallthale  in  Südsteiermark.  Gef.  Frühling  1880  beim 
Pflügen  auf  der  Ackerparzelle  Nr.  156  zwischen  dem  pfarrlichen  Wirthscliaftshofe 
und  dem  Flüsschen  Pack,  0*54  h.  u.  br.,  links  unten  und  rechts  oben  gebrochen, 
sonst  gut  erhalten;  befindet  sich  noch  au  dem  envähnten  pfarrlichen  Wirthschaftshofe. 

D      •        M 

BAEB •    SPERATI 

N  VS  OBIT   A  •    lü 

SPERATVS     FILIVS 

5  ET  CANDIDE  VXORI 

Jgn.  Orozen  in  Mittheil.  d.  bist.  Vereins  f.  Steiermark.  Heft  XXXI  p.  66. 

Mitth.  d.  bist.  Vereins  f.  Steiermark,  Heft  XXXI  p.  63  (Inschrift  aus  Cilli) 
=  Kenner  Mitth.  d.  Centralcomm.  VI  p.  CXX  u  Heinrich  Arch.-epigr.  Mitth.  aus 
Oest.  IV  1880  p,   127. 

Buchbach.  386.  'in  der  Umgebung  von  Köflach  bei  Graz  hat  man  gelegentlich 
einer    neuen  Strassenanlage   von  Piberstein    bei  Greifeneck  weg   u.  zw.  in  der  Ge- 


264 

meinde  Buchbach,  Pt'aire  Lankowitz,  Waldparzelle  des  Franz  Krug,  vulgo  Dittmar 
(Nr.  389)  im  Jahre  1878  eine  Schriftsteinplatte  gefunden.  Sie  lag  in  südwestl. 
Richtung  von  der  Kirche  Lankowitz,  an  1233  M.  von  derselben  entfernt,  0'47  unter 
der  Erde.  In  der  Nähe  heisst  eine  Stelle  der  Friedhof  -  Acker;  da  nun  hier  seit 
Jahrhunderten  keine  Grabstelle  war,  so  darf  man  hier  eine  römische  oder  vor- 
römische Gräberhalde  vermuthen.  Der  Stein,  ein  sehr  quarzreicher  Kalk,  stark 
verwittert,  ist  0'90  h.,  0-58  br.,  O'IO  d.  Die  Inschrift  befindet  sich  im  Lapidarium 
des  bist.  Museums  in  Graz  und  lautet: 

C AB AL 1 O 

SAVRl  ■  f\  -ET 

D  S.  :•■  S  1  A  E  ■  B  V  S  T  V 

RI  •  FI  -  CONIVGI 

Pichier,  Mitth.  d.  Centralcomm.  V  (1879)  p.  CXXI  f.  —  Z.  2  überliefert  "FI. 

Maxglan  bei  Salzburg.  387.  Bei  einer  Reparatur  der  Kirche  wurde  in  dem 
Thurnigemach  ein  sehr  schöner  römischer  Grabstein  eingemauert  gefunden;  es  ist 
eine  Platte  rothen  Adneter  Marmors,  oben  und  unten  beschädigt,  sonst  aber  leidlich 
erhalten ;  darauf  die  wenig  verstümmelte  Darstellung  eines  Jünglingskopfes  in  einer 
Nische,  dann  Epheuranken  in  den  Randleisten  und  die  verwitterte,  aber  deutliche 
Inschrift: 

PEREGRINO 

IVL  MODERAt 

SER  ANN  XXI 

SPERATVS 

5  ET-PEREGRINA 

PARENTES 

V   -    F 

Nach  einem  Berichte  und  Facsim.  Richter's  in  Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII 
(1882)  p.  CIV.  Z.  7  am  F  wohl  nur  zufällig  ein  Querstrich  unten,  so  dass  es  einem 
E  gleichsielit.  —  Peref/rino  Jul{ii)  Modei'ati  ser[vo)  ann'omm)  XXI  Speratus  et  Pe- 
regrina  parentes  v'Jvi)  f\^ecerunt). 

Mitth.  d.  Centralcomm.  V  (1879)  p.  CLXVII  (Inschrift  aus  Salzburg)  = 
Arch.-epigr.  Mitth.  Bd.  III  (1870)  p.  192. 

Wels.     Rev.  Inschr.  zu  Arch.-epigr.  Mitth.  aus  Oesterr.  VI  p.  96. 

'Z.  1:  nach  C  folgen  vier  Hastae,  so  dass  an  ein  Zusammenfallen  der  beiden 
mittleren  in  ein  D  nicht  gedacht  werden  kann ;  die  Querstriche  au  E  und  L  sind 
sehr  kurz  gerathen.  Herr  v.  Kolb  hat  am  vierten  Buchstaben  einen  Querstrich 
wahrgenommen;  vielleicht  ist  es  nicht  allzngewagt,  an  den  Namen  SACILLIA  oder 
SACRETIA  zu  denken  (vgl.  C.  I.  L.  III  n.  5512.  5516.  5517)'. 

Kenner  Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII  p.  CIL 

Unedirt: 

388.  Prismatischer  Sandsteinblock,  gef.  Westbahnstrasse,  Werkplalz  des  Stein- 
metzmeisters Stadibauer,  stark  beschädigt;  h.  0"50,  d.  ca.  0*23. 

Das  Inschriftfeld  vertieft  und  durch  doppelten  (aus  einfachen  Rinnen  be- 
stehenden) Rand  abgegrenzt,  h.  0*28,  1.  0-52.  Die  letzte  (6.)  Zeile  auf  der  inneren 
Raudlinie. 


265 


PAPlOSILVESTil 

11 

•EPAP  lO 

H  ILARI 
IHRE 

~^---. 

jccc 

/' 

ti   E  X 

'  -B  S  ^  F  / 

..  CC 

Nach  Abschrift  uud  Abklatsch  des  Herrn  cand.  phil.  E.  Novotny.  Der  Stein 
ist  sehr  rissig,  daher  von  Z.  3  an  schwer  zu  lesen  und  auch  aus  dem  Abklatsch 
nicht  viel  zu  gewinnen. 

Z.  5 — 6:  h{eres)  ex  tes[t\{ame7Uo)  fac{iendum)  c{uravit). 

389.  Rohr  am  r.  Ufer  der  Krems.  Zunächst  dem  Portal  der  Kirche  in  Oberrohr 
ist  an  der  Aussenseite  des  Gebäudes  nahe  beim  Erdboden  ein  Kömerstein  ein- 
gemauert, an  dem  man  jedoch  nur  die  Buchstaben  D  M  und  einige  Zeichen  wie 
XIII  erkennen  kuun. 

Wimmer  in  Mitth.  d.  Centralcomra.  VI  (1880)  p.  XLIII. 

Tulbing.  ad  C.  I.  L.  5651.  Der  Stein  ist  im  Hause  Nr.  87  an  der  Mauer- 
ecke bei  dem  Garten  eingefügt.  H.  1  M.,  br.  0-72.  Z.  3  fiu.  Ä  —  Z.  4  st.  XXX 
das  Zeichen   ^Ss.  —  Z.  8  ün.  blos  E 

Karlstetten.  ad  C.  I.  L.  5658,  h.  108,  br.  oben  045,  unten  057,  d.  043. 
Die  am  Anfang  der  Zeilen  ergänzten  Buchstaben  zum  Theil  erhalten,  so  Z.  1:  ^ 
—  Z.  4:  ^  —   Z.  9:  li     Ebenda  b  —  Z.  3—10  am  Ende  ein  Punkt. 

Grafendorf,  ad  C  I.  L.  5661,  an  der  äusseren  Kirchenmauer,  h.  0-47,  br.  0"28, 
uud  lautet  so  : 

/////// 

/    /    U    U    I     1    w 
/    /    PART-AN 
/     /  V-ET  •  T-  AEL- 
/  /    AEL  •  VR8AE 

5  /■£■•  verino  •  viv 

/ex-b-p-a-fL-v-'e 

/vi   •  AQVILIN  •  F 
/  O  P  T    ■ 

Z.  6 :  'ex  b(eneficiario)  pfraefecti)  a{lae)  Fl{aviae)  I.  v'eterano)    Dungl. 

St.  Leonhard  am  Forst,  ad  C.  I.  L.  5663.  Der  Stein  stark  verwittert,  so 
dass  eine  vollständige  Entzifferung,  bes.  der  unteren  Hälfte,  unmöglich.  Die  Lesung 
im  Corpus  unrichtig,  was  schon  daraus  hervorgeht,  dass  der  Stein  nur  17  Zeilen 
aufweist,  während  im  C.  I.  L.  18  sind.  Der  Stein  ist  1-7  h. ,  0*90  br.  und  hat 
uoch  erkennbar  von  Z.   10  an  folgende  Inschrift: 

10      ET  -  AVVAE  •  MAXSIMl 
F  •  CON  ■  AN  -  LXX 
M  •  S  •  S  •;  .  .  .  V 
A  L  •  GETIE TA  . 


266 

■E-M    S  •  S.  .  .  .  .  .  . 

15    1 1 1 1 1  ur  /  /  \x\\\ 

"E-  SEX  •  SA  -MINO 
MI-L-II-  SEV- A^-XXV 
Z.  12 — 13  vielleicht  mit  Zugrundelegung   der  Lesung  des  Corpus   zu  lesen: 
\(liiae8t{ori)  mun{icipii)\  Ael{ii)  [C]eti{i).  —  Z.  17:  mi{liti)  l{egionis)  II.  Sev(erianae). 
C.  I.  L.  5664    neben    dem  vorigen  in  der  äusseren  Kirchenmauer   befestigt, 
ist  so  stark  verwittert,  dass  nur  mehr  einzelne  Buchstaben  zu  erkennen  sind. 

390.  'Diente  als  Pflasterstein  vor  dem  Thore  des  Hauses  Nr.  38;  soll  neben 
den  beiden  schon  bekannten  an  der  äusseren  Kirchenmauer  seine  Stelle  finden. 
H.  0-67,  br.  0*84,  stark  verwittert,  so  dass  nur  einige  Reste  zu  erkennen  sind. 

///////////// 
//iTI-  F-  VI  VI  •  F'  SIBI 

-E- V//7///// 

///////////// 

391.  'Ein  Bruchstück  eines  röm.  Inschriftsteins  findet  sich  nebst  mehreren 
anderen  Fundstücken  bei  dem  Hausbesitzer  Franz  Evtl  auf  der  Hub  in  der  Nähe 
von  St.  Leonhard.  Dieselben  sollen  in  der  Nähe  des  Hauses  zugleich  mit  Urnen 
und  röm.  Münzen  gelegentlich  eines  Baues  ausgegraben  worden  sein.  Der  Stein, 
h.  0-62,  br.  0-55,  d.  0-30,  ist  mit  einer  auf  der  einen  Seite  noch  vorhandenen,  0"21  br. 
Bordüre  aus  Hohlkehlen  verziert. 

/  O  M 
/  / CVN  •  D  I  ■ 
//SANCivST 
/  /  S  I  V  S  A^G 

5  /  /  /  /fec- 

Nach  Dungl :  [J{ovi)]  O(ptivio)  M(aximo)  [et]  cun{ctis)  di{is)  [deahisqiie?] 
Sanciua  T{itus)  .  .  .  .sius  Augustalis  ....  fecit;  wenn  die  Lesung  richtig  ist,  dürfte 
von  Z.  3  vielleicht  zu  ergänzen  sein:  [7».]'?  Sancius  T.  .sius  Aug{uatalis)  [s{ua)  pec{u- 
nia)  oder  ähnlich]  fec{it). 

C.  L  L.  5669  in  Gossam  noch  vorhanden  (eingemauert  in  der  Capelle  des  heil. 
Pancratius  auf  der  Epistelseite  des  Altars),  aber  zum  Theile  mit  diesem  in  die  neu 
aufgeführte  Mauer  eingelassen,  so  dass  nur  die  erste  Hälfte  der  Inschrift  sichtbar. 

Dungl,  Mitth.  d.  Centralcomm.  VI  (1880)  p.  XCIV  ff. :  „Bericht  über  röm. 
Alterthümer  im  V.  O.  W.  W.« 

Instrumentum 

392.  Cilli.  Bei  Bloslegung  einer  Grabstätte  in  der  Nähe  des  Dorfes  Gomilsko, 
ca.  7  Km.  ober  Franz,  gelegentlich  des  Baues  der  Strasse  von  Franz  über  Sachsen- 
feld nach  Cilli  fand  man  in  einem  gewölbten  Räume,  behufs  Verschlusses  nament- 
lich im  Scheitel  verwendet,  Trümmer  von  röm.  Dachziegeln  von  003  Stärke  mit 
dem  mehr  weniger  deutlichen  Stempel : 


REGANO 


Kiedl,  Mitth.  d.  Centralcomm.  X  p.  CLVI  f. 


267 

39.3.  Im  Februar  1884  wurden  gelegentlich  einer  Hopfenbauanlage  auf  den 
bisherigen  Ackergründen  der  Villa  „Minna  Stiger"  in  Lava  bei  Cilli  auf  ca.  0'85  Tiefe 
in  einem  Grabe  ausser  anderen  Gegenständen  4Thonlampen  gefunden  mit  den 
Stempeln:   ATIME  —  FORTIS  —  VIBIANI  —  VRS 

Riedl,  Mittb.   d.  Centralcomm.  IX  p.  LXXII. 

.394.  Im  Jahre  1881  stiess  man  bei  Erdarbeiten  in  der  Grazergasse  in  Cillj 
auf  die  Reste  eines  römischen  Hauses.  Ausser  anderen  Stücken  fand  man  einen 
silbernen  Ring,  aussen  mit  der  Ornamentik  einer  wellenförmigen  Linie,  begleitet 
von  Punkten.  Innen  trägt  er  die  Buchstaben:  .1.  AO.IAC.  O  .  A.  I  .O  Anfang  und 
Ende  stossen  auf  der  Innenseite  nicht  zusammen,  sondern  sind  durch  einen  leeren 
Zwischenraum  getrennt,  wo  der  Ring  gelöthet  erscheint,  auch  ist  an  der  entspre- 
chenden Stelle  der  Aussenseite  die  Ornamentik  verschoben. 

Ebenda  eine  Lucerna  (ohne  Sculptur),  auf  deren  Unterseite :  OCTA  FI  Oct(avi) 
f!{glina?) 

A.  Heinrich,  Mitth.  d.  Centralcomm.  VII  (1881)  p.  GL 

395.  Gelegentlich  der  1880  vorgenommenen  Abtragung  eines  Hügels  bei  Ber- 
nardin  nächst  Wels  wurden  verschiedene  Funde  gemacht.  In  einem  röm.  Kindergrabe, 
dessen  ganzer  Inhalt  ins  Museum  Francisco-Carolinum  kam,  eine  Thonlampe  ge- 
wöhnlicher Form  mit  CRESCe|s. 

An  der  westlichen  Seite  des  Hügels  eine  Lampe  gewöhnlicher  Form  mit 
C  DESSl 

An  der  östlichen  Seite  des  Hügels  ein  Bodenfragment  einer  Lampe  mit  der 
Inschrift:  NERI. 

Kolb  in  Mitth.  d.  Centralcomm.  VII  p,  LXXI  f. 

Wels.  396.  Bei  Aufdeckung  des  Coemeteriums  fand  man  Thonlampen  mit  den 
Töpferstempeln:  OCTAVI  —  PAT(erm)  —  VIBIANI 

Ebenda  einen  geschnittenen  Stein  mit  den  Buchstaben  PÄD 

Diese  Stücke  sämmtlich  im  Museum  Francisco-Carolinum  in  Linz. 

Kenner,  Mitth.  d.  Centralcomm.  VIII  (1882)  p.  CIL 

397.  Im  Museum  Francisco  -  Carolinum  (Linz)  wurde  die  keramische  Ab- 
theilung neu  aufgestellt;  dabei  ergaben  sich  als  bisher  in  diesem  Museum  (vgl, 
C.  I.  L.  III  6010  ff.)  noch  nicht  als  vorhanden  bekannte  Töpfersiglen : 
AVRELIVSI  —  IVLI-MAN  —  IVSTS  FE  —  ^NVMNlgl  —  OPRASF  (CLL.  6010,  264 
ohne  F  am  Schlüsse,  Fundort  Linz)  —  POLIAn/  (Fundort  Enns)  —  QVa/  — 
Retrograd:  RECIn/ —  RECVILUS  FEC  ■ —  RIISTVTVS  —  /riCIAA  (Fundort  Schlügen)  — 
SIIVIIRIAWVS  F  Severianus  J{ecit)  (Fundort  Schlögen),  von  ebendaher  stammt  das 
Exemplar  C.  L  L.  n.  6010,  206  b  —  VICTOR  FEC  (Fundort  Enns)  —  VICTOR  F  (Fund- 
ort Enns)  —  Retrograd:  VICTORINVSF  ad  C.  I.  L.  6010,  234  —   Retrograd:  VRBO  FE 

Nach  Kolb,  Mitth.  d.  Centralcomm.  IX  p.  CXXIII. 

398.  In  Mauer  an  der  Url  wurden  im  Umfange  des  röm.  Gestelles  drei  Bruch- 
stücke von  Ziegeln  mit  Stempeln  gefunden  und  zwar  zwei  Exemplare  mit  MVR-D 
und  eines  mit  Fl,  welche  in  den  Besitz  des  k.  k.  Antiken-Cabinets  in  Wien  gelangten. 

Dungl,  Mitth,  d.  Centralcomm.   VI  (1880)  p,  XCVI. 

RAETIEN 

Bregenz.  399.  Bruchstück  einer  Bronzetafel,  1840  in  Bregenz  auf  dem  Aurat- 
Plateau  ausgegraben,  neuestens  dem  Landesmuseum  abgegeben;  nur  der  Anfang 
der  Inschrift,  in  sogenannter  Pinselschrift,  erhalten. 


268 


Jenny  Mitth.  d.  Centralcomm.  V  (1879)  S.  CXXII.  In  Z.  2  Reste  von  E  SP, 
also  offenbar  des  Namens  Vespasian. 

400.  Auf  beiden  Seiten  besebnebenes  B 1  ei täf eichen,  im  J.  1865  auf  der 
römischen  Begiäbnissstätte  zu  Bregenz  gefunden.  Es  lag  in  einem  Grabe,  welches 
sich  durch  die  Beigaben  (ein  Metallspiegel,  ein  Armband)  als  das  einer  Frau  kenn- 
zeichnete. Der  Inhalt  der  Aussenseite  (a)  ergibt,  dass  das  Täfelchen  für  eine  defixio 
bestimmt  war.  Doch  wurde  es  nicht  wie  gewöhnlich  mit  Nägeln  befestigt  (deßxa), 
sondern  nach  der  Beschreibung  auf  einen  runden  Gegenstand  mit  ebener  Fläche 
aufgeschlagen  (das  Blei  so  eingebogen,  dass  es  auf  der  Aussenseite  ungefähr  recht- 
winkelig nach  unten,  auf  der  Innenseite  nach  oben  geneigt  ist).  Die  Schrift  der 
Innenseite  ist  von  anderer  Hand  als  die  der  Aussenseite  und  hat  so  sehr  gelitten, 
dass  sie  nicht  zu  entziffern  ist.   Von  dem  Plättchen  fehlt  nur  wenig  an  den  oberen 

Ecken, 

a)  Inschrift  der  Aussenseite: 

DOMITIVS-  NIGIIR  •  IIT  •  |j  (^OLLIVS  •  IIT  IVLIVS  SIIVIIRVT.  l|  liTSu'viIRVS  •  NIGRi  SIIRVS 

ADVIIr«||ARI  BRVTTAII  •  IIT  ■  QyiSQVIS  ADVn||RSVS   ILAM    LOQVT    OMNIIS  ||piIRDIIS. 

Domitins  Niger  et  [L\ollhis  et  Julius  Severus  et   Severus  Nig7-i  ser{v)us,  adve[rs]a7-i{i) 

Bruttae,  et  quisquis  adversus  il{l)am  loqut[us  est),  ovmes  perdes. 

b)  Inschrift  der  Innenseite: 

Z.  6:  VALIIRIVM  —  Z.  4  vielleicht  MINOR  (oder  MINORII).  —  Wahrschein- 
lich enthielt  auch  diese  Seite  eine  (früher  geschriebene)  Defixio. 

Facsimile,  Lesung  und  Deutung  von  K.  Zangemeister  in  Mitth,  d,  Central- 
comm. VIII  (1882)  p.  57  f. 

Einige  andere  kleinere  Reste  von  Sgraffiti  in  Bregenz  werden  mit  Erklärung 
von  Zangemeister  mitgetheilt  von  Jeui^  in  Mitth,  d.  Centralcomm.  X  (1884)  p.  14  f, 
u.  XXIII.  Jahresbericht  d.  Museums-Vereins  in  Bregenz  p.  2  ff, 

Instrumentum. 

401.  Stempelfunde  (Grabungen  im  Jahre  1880)  in  Bregenz.  Auf  einem 
Reibschalenrand  aus  hartem  gelben  Thon: 

FIRJWi 


FAVORI 

Auf  Henkeln  von  Amphoren:  T-VB    und   S-NP 

Auf  Terra  sigillata.  Töpferstempel :  Jul.  Primi  o{ficina)  —  Polinus  ofi.  Maximi 
—  Of.  Se  (vielleicht  of.  Severi)  —  Patrici  —  Juliini  und  Stempelschneider  Imanni 
inmitten 'einer  Scene  aus  der  Arena  mit  gut  modellirten  Thiereu  (Löwe,  Löwin, 
Panther,  Antilope). 

Jenny,  Mitth.  d.  Centralcomm,  VIII  (1882)  p,  101. 

Wien  S.  FRANKFURTER 


■chaeoUpigraph.Mitth.aus  Oesterreich  IX 


<*^ 


Archaeol.-epigraph.  Mitth.  aus  Oesterreich-Ungarn  IX  Taf.  II 


Torso  aus  Salona 
im  Museum  zu  Agram 


Archaeol.-epigraph.  Mitth.  aus  Oesterreich-Ungarn  IX 


Taf.  V 


Archaeol.-epigraph.  Mitth.  aus  Oesterreich-Ungarn  IX  Taf.  VI 


ARCHAEOLOGISCH  -  EPIGRAPHISCHE 


MITTHEILUNGEN 


AUS 


OESTEBßEICH-UNGAKN 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


0.  BENNDOßF  und  E.  BORMANN 


JAHRGANG  X 

MIT  8  TAFELN 


%. 


//r3« 


\ 


WIEN 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  CARL  GEROLD's  SOHN 

1886 


^x^.Ä-  30^. 


INHALT 


Seite 

BormHuii  Die  Tribus  PolHa , 226—230 

Domaszewski,  Hauser,  Schneider  Ausgrabungen  in  Carnuntum  .      12—41 
Domaszewski  Griechische  Inschriften  aus  Moesien  und  Thrakien  .      .   238 — 244 

Zu  griechischen  Inschriften 244 

Dürr  Zu  der  Inschrift  von  Samothrake 119 — 120 

Gomperz  Zu  attischen  Grab-Epigrammen 41.    42 

Zu  den   neu    entdeckten  Grabinschriften  der  jüdisclien  Kata- 
komben nächst  der  Via  Appia 231.    232 

K.  Baron  Haus  er  Epigraphisches  aus  Kärnten  .      .     „ 232 — 234 

Jireßek  Archäologische  Fragmente  aus  Bulgarien  .      .      .     43 — 104  u.   129 — 209 

Löwy  Inschriften  aus  Khodos 216 — 221 

Masner  Ein  Spiegeh elief  aus  Caere „      -   222 — 225 

Th.  Mommsen  Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die  römischen  Fahnen       1  —  11 
V.  Premerstein   Römischer  Votivstein  aus  Unter-Haidin  nächst  Pettau  120—123 
Neugefundene  römische  Inschriften  aus  Poetovio  .      .   234—237 
Rollet  Die  antiken  Schrift-Gemmen  meiner  Sammlung      .      .      .      .      .   123 — 128 

Schön,  Weisshäupl  Denkmäler  aus  Brigetio 105^119 

Studniczka  Aus  Serbien 209 — 215 


Zu  Domaszewski's  Abhandlung  über  die 
römischen  Fahnen 


Alfred  von  Domaszewski's  Untersuchung  über  'die  P"'ahnen  im 
römischen  Heere'  (Wien  1885.  8)  füllt  eine  längst  empfundene  Lücke 
in  unserer  Forschung  in  dankenswerthester  Weise  aus;  die  gleich- 
massige  Beherrschung  des  philologischen  sowie  des  epigraphischen 
und  des  archäologischen  Materials  verbindet  sich  hier  mit  einer 
Kenntniss  der  railitärisclien  Technik,  wie  sie  auf  dieses  Gebiet 
schwerlich  bisher  Anwendung  gefunden  hat.  Wenn  ich  dieser  An- 
erkennung einer  vorzüglichen  Leistung  Ausdruck  gebe  durch  Ein- 
spruch gegen  mehrere  der  darin  gezogenen  Consequenzen,  so  wird 
dies  hoffentlich  auf  keiner  Seite  missverstanden  werden.  Erat,  qicod 
tollere  velles  —  insbesondere  manche  überkühne  und  allzu  weit  aus- 
greifende Aufstellung;  aber  nur  um  so  mehr  habe  ich  mich  von 
dem  bleibenden  Werth  zahlreicher  Ausführungen  überzeugt. 

I.  Feldzeichen  und  Ofiziere 

Die  allerdings  nie  verkannte  taktische  Bedeutung  der  Feld- 
zeichen hat  Domaszewski  in  überzeugender  Deutlichkeit  entwickelt, 
insbesondere  gezeigt,  dass  auf  ihnen  in  Verbindung  mit  den  durch 
Blasinstrumente  gegebenen  Signalen  die  gesammte  Gefechtleitung 
beruht.  Aber  kaum  wird  man  ihm  darin  zustimmen  können,  dass 
er  dem  Adler  in  seiner  späteren  Verwendung  und  überhaupt  dem 
Corps-Feldzeichen  eine  'lediglich  symbolische'  Bedeutung  vindicirt 
(S.  24).  Was  dem  einen  recht,  ist  dem  anderen  billig;  und  es  ist 
wenig  glaublich,  dass  auch  in  der  späteren  Entwickelung  des  römi- 
schen Militärwesens  man  zu  praktisch  werthloser  Symbolisirung 
gegriffen  hat.  'Dass  dem  einen  Adler,  sagt  der  Verfasser,  'für  die 
sechstausend  Mann  starke  Legion  keine  taktische  Bedeutung  zu- 
kommen kann,  bedarf  wohl  keines  Beweises'.  Gewiss  in  dem  Sinne 
nicht,  als  hätten  ihn  die  Legionare  so  im  Auge  zu  behalten  gehabt, 

Archäologisch-epigraphische  Mittli.   X.  < 


2 

wie  die  Manipulare  ihre  Standarte.  Aber  war  es  nicht  taktisch 
von  Wichtigkeit,  den  Standort  des  Befehlshabers  der  Legion  und 
überhaupt  des  Corps  in  einer  Weise  zu  raarkiren,  die  doch  immer 
weit  mehr  in  Sicht  war  als  die  persönlichen  Abzeichen  der  Offi- 
ziere? Die  Kleidungen  an  die  comraandirenden  Legionslribune  oder 
den  Legionslegaten  wurden  wesentlich  erleichtert,  wenn  die  Ordon- 
nanzen sicher  waren  sie  da  zu  finden ,  wo  der  Adlerträger  stand. 
Mir  scheint  vielmehr  gerade  im  Gegentheil  zwischen  Corpsführern 
und  Feldzeichen  ein  correlates  Verhältniss  zu  bestehen:  keinem 
Abtheilungsführer  fehlt  ein  entsprechendes  Feldzeichen,  und  umge- 
kehrt findet  da,  wo  eine  taktische  Einheit  ohne  eigenen  Führer  ist, 
dies  in  dem  Mangel  des  Feldzeichens  seinen  Ausdruck.  Es  wird 
angemessen  sein,  diesen  Satz  in  einigen  Einzelheiten  näher  zu  be- 
legen. 

1.  Vor  allem  erklärt  sich  hiei-aus  die  Bezeichnung  des  Detache- 
ments  als  vexillatio^):  jede  zeitweilig  aus  einem  Corps  herausgenom- 
mene und  bis  weiter  unter  einen  Sonderführer  gestellte  Truppe  er- 
hält nothwendig  für  die  Zeit  ihres  Bestehens  ihr  Feldzeichen,  das 
vexiUitm. 

2.  Eine  der  wichtigsten  Nachweisungen,  die  wir  Domaszew^ski 
verdanken ,  ist  die  Beseitigung  der  Feldzeichen  der  Legionar- 
cohorten").  Ihre  Erklärung  findet  sie  darin,  dass  die  Legions- 
cohorte  keinen  eigenen  Commandanten  hatte. 

3.  Umgekehrt  verhält  es  sich  mit  den  übrigen  Cohorten  und 
den  Alen.  Unbestritten  hatten  ihre  eigenen  Feldzeichen  die  repu- 
blikanischen Auxiliarcohorten  ^) ,  sowie  die  Alen  der  Kais  er  zeit**). 
Auch  dass  die  Prätorianer  Cohortenstandarten  gehabt  haben,  scheint 


')  Die  späterhin  übliche  Verwenrlung  des  Wortes  für  die  Keitertruppe  ist 
wahrscheinlich  daraus  hervorgegangen,  dass  die  Auflösung  der  aus  beiden  Wafl'en 
gemischten  Corps,  der  Legionen  und  der  cohories  equitatae,  sich  durch  ständige 
Detachirung  der  Reiterei  vollzog.  Ueberhaiipt  dürfte  wohl  nur  darum  das  vexilluvi 
so  besonders  häufig  bei  der  Reiterei  vorkommen,  weil  diese  besonders  oft  als  de- 
tachirte  Truppe  verwendet  wird. 

')  S.  23 ;  die  gegentheilige  Meinung  vertritt  Marquardt  Staatsverw.  2,  439. 
Die  einzige  Stelle,  welche  wirklich  Schwierigkeit  macht,  Caesars  Woi'te  bell.  Gall. 
2,  25 :  quartae  cohortis  omnibus  centurionibus  occisis  aigniferoque  interfecto  aigno 
amissa  wird  wohl  dahin  aufzufassen  sein,  dass  der  Ton  auf  den  Schlussworten 
liegt  und  allerdings  der  Verlust  eines  der  drei  Feldzeichen  nach  dem  Fall  des 
Trägers  noch  schwerer  ins  Gewicht  fallen  mochte,  als  der  Fall  aller  Rottenführer. 

^)  Manpiardt  8.  398  A.   1  ;  Doniaszow.ski  S.   17  A.  2. 

*)  Tacitiis  hist.  2,  «9;  Domaszewski  .S.   71. 


mir  ausser  Zweifel^).  Für  die  Auxiliarcohorten  der  Kaiserzeit  fehlt 
es  an  Zeugnissen**);  aber  die  Analogie  theils  der  republikanischen 
Socialcohorten,  theils  der  Alen  ist  kaum  abzuweisen.  Sollten  dennoch 
die  Cohortenstandarten  gemangelt  haben,  so  würde  dafür  bei  den 
Auxiliarcohorten,  ebenso  wie  bei  den  städtischen  und  denen  der 
vigiles,  die  imaginiferi  eintreten,  von  denen  es  sicher  nur  je  einen 
in  jeder  dieser  Cohorten  gab  ')  und  der  factisch  dieselben  Dienste 
leistete.  Alle  die  bisher  genannten  Abtheilungen  aber  haben  eigene 
Führer  und  unterscheiden  sich  dadurch  von  den  Cohorten  der  Legion. 

Nach  oben  hin^f,  über  die  Legion  hinaus,  hat  der  Gebrauch 
des  einheitlichen  Feldzeichens  sich  nicht  erstreckt:  wohl  die  Ab- 
theilung, aber  nicht  die  Armee  führt  eine  Fahne. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  wird  auch  die  Nachricht  be- 
urtheilt  werden  müssen,  dass  die  römische  Legion  bis  gegen  die 
Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  fünf  Feldzeichen  führte:  den 
Adler,  den  Löwen,  den  menschköpfigen  Stier ^),  das  Pferd  und  den 
Eber^).    Ist  das  Feldzeichen  das  Kriterium  der  unter  Einzelführung 


®)  Domaszewski  S.  23.  56  fg.  leugnet  dies  freilich;  aber  wenn  auch  die 
Existenz  von  Manipel-  und  später  Centurienzeichen  nicht  zu  bestreiten  ist,  so  kann 
doch  die  mit  der  Aufschrift  COH-IllPR  ohne  weiteren  Beisatz  versehene  Standarte 
(das.  S.  31)  ein  solches  nicht  sein.  Auch  findet  sich  unter  den  inschriftlich 
bekannten  signiferi  der  Prätorianer  (Cauer  eph.  IV  p.  358)  bei  einem  (C.  I.  L.  II, 
2610)  der  Zusatz  in  (centuria),  welcher  nicht  wohl  anders  verstanden  werden  kann, 
als  dass  es  auch  signiferi  cohoHis  gab.  Dass  wir  keinen  mit  diesem  Beisatz  be- 
zeichneten haben,  ist  auffallend,  aber  nicht  entscheidend;  der  Rangunterschied 
zwischen  beiden  Kategorien  war  vermuthlich  nicht  beträchtlich  und  begnügte  man 
sich  daher  meist  mit  dem  einfachen  signi/er. 

")  Wenn  Tacitus  hist.  2,  89  bei  dem  Einzug  der  Vitellianer  in  Rom  die 
aquilae  und  die  vexilla  der  Legionarier  und  duodecim  alarum  signa  et  .  . .  equites, 
dagegen  bloss  die  quattuor  et  triginta  cohortes  aufführt,  so  kann  doch  daraus  un- 
möglich mit  Domaszewski  (S.  71)  geschlossen  werden ,  dass  den  letzteren  die 
Cohortenstandarten  fehlten.  Noch  weniger  beweisen  Stellen,  wie  hist.  4,  16:  Tun- 
grorum  cohors  signa  ad  Civilem  transtulit ;  es  war  nur  correct  das  Cohortenfeldzeichen 
und  die  der  Manipel  zusammenzufassen. 

')  Domaszewski  S.  69  fg. 

*)  Denn  dieses  auf  campanischen  Münzen  so  geläufige  Bild  ist  sicher  der 
Minotaurus  des  Festus  und  des  Plinius. 

^)  Plinius  10,  4,  16:  Romanis  eam  (aquilavi)  legionihus  Gaius  Marius  in  sectmdo 
consulatti  suo  (J.  650)  proprie  dicavit:  erat  et  antea  prima  cum  quattuor  aliis: 
lupi,  viinotauri,  equi  ai^rique  singulos  ordines  anteihant.  paucis  ante  annis  sola  in 
acievi  portari  coepta  erat,  reliqua  in  castris  relinqnebantur.  Andere  Stellen  Marquardt 
S.  355  A.  4.  Bei  einem  Schriftsteller,  wie  Plinius  ist,  kann  ordo  jeden  Truppen- 
theil bezeichnen;  der  Manipel  kann  unmöglich  gemeint  sein.   Domaszewski's  Com- 

1* 


stehenden  Truppe ,  so  muss  die  Legion ,  als  diese  Zeichen  auf- 
kamen, in  fünf  oder,  da  das  eine  derselben  der  ganzen  Legion  hat 
angehören  können,  in  vier  Haufen  mit  besonderer  Führung  zerfallen 
sein.  Da  nun  aber  etwa  um  dieselbe  Zeit  die  Beseitigung  der  vier 
Ordnungen  der  Legionarier  stattfand,  so  ist  die  Frage  nicht  ohne 
Berechtigung,  ob  nicht  der  Adler  von  jeher  die  ganze  Legion 
reprUsentirt  und  den  Standpunkt  ihres  Stabes  bezeichnet,  die  übrigen 
Standarten  aber  den  drei  Treffen  nebst  den  velites  zukommen. 
Die  Ausgleichung  der  sämmtlichen  Legionare  würde  also  in  der 
Beseitigung  dieser  Zeichen  unter  alleiniger  Festhaltung  des  Adlers 
einen  sehr  angemessenen  Ausdruck  finden.  Auch  werden  diese 
Abtheilungen  oftmals  bei  den  Operationen  als  besondere  Abthei- 
lungen verwendet '"). 

Freilich,  über  Sonderführung  eines  jeden  dieser  Treffen  ist 
nicht  nur  nichts  bekannt,  sondern  dieselbe  auch  mit  der  wohlbe- 
kannten Offiziersordnung  schwer  vereinbar^').  Aber  wir  werden 
uns  billig  erinnern,  dass  wir  von  der  ursprünglichen  militärischen 
Verwendung  der  drei  Treffen  in  der  That  nichts  wissen ,  die  drei 
Benennungen  liastati,  princi'pes,  pilani,  so  klar  sie  nach  ihrem  Wort- 
sinne sind,  in  Einklang  mit  diesem  zu  erklären  nicht  vermögen; 
wir  werden  es  darum  auch  als  möglich  gelten  lassen  müssen,  dass 
sie  bei  ihrer  Einführung  für  gesonderte  Verwendung  bestimmt 
worden  sind  und  daher  gesonderte  Feldzeichen  erhalten  haben. 

Dass  die  fünf  Feldzeichen  zu  der  Legion,  die  Polybios  beschreibt, 
nicht  passen,  ist  unbestreitbar;  aber  wenn  sie  im  J.  650  definitiv 
abgeschafft  und  eine  Weile  vorher,  wie  Plinius  sagt,  wohl  noch  ge- 
führt, aber  bei  dem  Gefecht  im  Lager  gelassen  wurden,  so  können 


bination  der  Träger  dieser  Zeichen  mit  den  zweiten  signiferi  bei  Polybios  ist  mir 
unverständlich  geblieben.  —  Dies  sind  wohl  die  signa^  die  im  Aerarium  aufbewahrt 
wurden  (Staatsrecht  2,  531)  und  die  also  dauernd  waren,  obwohl  die  Legionen 
selbst  jährlich  neu  gebildet  wurden.  Die  Bundesgenossen  führen  nach  strengem 
Sprachgebrauch  nicht  signa,  sondern  nur  vexilla  (Liv.  39,  20,  7;  vgl.  2.5,  14,  4.  7); 
diese  wurden  schwerlich  als  ständige  betrachtet  und  sicher  nicht  im  römischen 
Aerarium  aufbewahrt. 

■")  Die  Belege  bei  Domaszewski  S.  20  A.  4. 

*»)  Denkbar  ist  es,  dass  die  Kriegstribune  hiefür  verwendet  worden  sind. 
Man  vergesse  nicht,  dass  die  fünf  Feldzeichen,  wenn  sie  mit  den  drei  Trefl'en  zu- 
sammengchürcn,  keineswegs  der  ursprünglichen  römischen  Legion  eigen  sein  können, 
die  die  hastati,  jjrincipes  und  triarii  nicht  gehabt  hat,  also  die  Institution  der  sechs 
Tribüne  woiil  für  die  Füliriiiig  der  Trefl'en  gedient  haben  kann,  aber  nicht  daraus 
erklärt  werden  darf. 


sie  füglich  schon  zur  Zeit  des  hannibalischen  Krieges  praktisch 
ausser  Gebrauch  gewesen  sein,  wenn  sie  auch  damals  vielleicht 
noch  zur  Schlacht  mit  ausrückten;  und  in  diesem  Falle  hatte  Poly- 
bios  keine  Veranlassung  dieser  Antiquität  zu  gedenken. 

II.  Aufstellung  der  Feldzeichen  im  Gefecht 

Dass  das  Feldzeichen  bei  der  Abtheilung  Aufstellung  findet, 
zu  der  es  gehört,  versteht  sich  von  selbst;  aber  keineswegs  wird 
man  Domaszewski  einräumen  dürfen,  dass  dasselbe,  um  allen  dazu 
gehörigen  Kämpfern  sichtbar  zu  bleiben,  gerade  im  ersten  Glied 
sich  aufzustellen  hat  (S.  2).  Leider  fehlt  uns,  um  über  diese  Ver- 
hältnisse mit  Sicherheit  urtheilen  zu  können,  ein  wesentliches  Mo- 
ment :  für  die  ältere  .Afanipularstellung  die  normale  Zahl  der  Glieder 
des  Manipels  und  für  die  Cohortenstellung  sogar  Aufschluss  über 
die  normale  Stellung  der  Manipel  und  der  Halbmanipel  neben  oder 
hinter  einander.  Die  gangbaren  Annahmen,  dass  in  der  älteren 
Zeit  die  Manipel  der  Hastaten  und  der  Principes,  abgesehen  von 
den  Velites,  sechs  Mann  tief),  in  der  späteren  der  Halbmanipel 
zehn  Mann  oder  vielmehr,  da  die  beiden  Halbmanipel  hinter  ein- 
ander gestanden  haben  sollen,  der  Manipel  zwanzig  Mann  tief  ge- 
standen habe-),  sind  moderne  und  durchaus  unzuverlässige  Com- 
binationen.  Indess,  welche  Tiefe  immer  das  Rechteck  gehabt 
haben  mag,  das  der  Manipel  in  der  Schlachtordnung  nach  der  ge- 
wöhnlichen —  natürlich  nach  Umständen  wechselnden  —  Aufstellung 
einnimmt,  die  Zusammengehörigkeit  der  Manipulare  und  ihres  Feld- 
zeichens wird  nicht  darin  gefunden  werden  dürfen,  dass  jene  dieses 
jederzeit  im  Auge  hatten;  es  genügt,  wenn  sie  im  Handgemenge 
sich  nach  demselben  jederzeit  orientieren  konnten,  und  dafür  reicht 
es  aus,  dass  dasselbe  unmittelbar  hinter  dem  letzten  Gliede  seinen 
Platz  fand.     Auch  wird  erinnert  werden  dürfen  an  die  von  Doma- 


')  Marquardt  S.  352.  H.  Delbrück  (im  Hermes  Bd.  21  S.  77)  hat  kürzlich 
die  Annahme  vertreten,  dass  die  reguläre  Tiefe  des  Manipels  12  Mann  war.  Ohne 
das  Gewicht  der  Gründe  zu  verkennen,  welche  dieser  Forscher  für  die  Fortdauer 
der  phalangitischen  Ordnung  (denn  darauf  läuft  diese  Ansicht  ja  im  Wesentlichen 
hinaus)  bis  in  die  Zeit  des  hannibalischen  Krieges  hinein  geltend  macht,  kann  ich 
mich  doch  von  der  Richtigkeit  der  Grundanschauung  nicht  überzeugen.  Seit  man 
hastati,  principes  und  triarii  unterschied,  muss  das  Wehrsystem  eingerichtet  ge- 
wesen sein  auf  Ablösung  des  ersten  Treffens  durch  ein  zweites  und  Bereitstellung 
einer  Reserve  und  damit  ist  die  phalangitische  Ordnung  aufgegeben.  Es  gilt  nicht 
jene  Ablösung  zu  leugnen,   sondern  ihre  praktische  Durchführbarkeit  zu  erweisen. 

»)  Marquardt  S,  437. 


szewski  selbst  so  schön  nachgewiesene  enge  Beziehung  zwischen 
den  Feldzeichen  und  den  Signalbläsern;  sicher  standen  beide  wie 
auf  dem  Marsch  (Domaszewski  S.  7  A.  1)  so  auch  im  Gefecht 
zusammen  und  es  mag  wohl  für  die  Gefechtsleitung  mehr  noch  auf 
das  Ohr  gerechnet  worden  sein  als  auf  das  Auge. 

Dass  das  Signum  in  der  That  hinter  dem  letzten  Gliede  des 
zugehörigen  Manipels  stand,  bestätigt  in  unwiderleglicher  Weise  die 
Bezeichnung  des  ersten  Treffens  als  der  antesignani.  Allerdings 
konnte,  nach  dem  eben  Gesagten,  in  Beziehung  auf  das  eigene  Signum 
jede  Abtheilung  mit  diesem  Namen  genannt  werden;  aber  begreif- 
licher Weise  wird  die  Bezeichnung  allein  verwendet  für  diejenigen 
Soldaten,  die  überhaupt  keine  Feldzeichen,  weder  der  eigenen  noch 
einer  anderen  Abtheilung,  vor  sich  haben  und  unmittelbar  dem  Feind 
gegenüber  stehen.  Der  Versuch  Domaszewski 's  (S.  11),  die  signa, 
von  denen  die  antesignani  den  Namen  führen,  von  den  gewöhnlichen 
manipularen  zu  unterscheiden,  ist  so  gänzlich  misslungen,  dass  er 
keiner  besonderen  Widerlegung  bedarf. 

Ueberdies  ist  es  praktisch  undenkbar,  dass  während  des  Ge- 
fechts dem  Standartenträger  der  Platz  unmittelbar  am  Feind  an- 
gewiesen worden  sein  soll.  Damit  ist  auch  die  Ueberlieferung  im 
besten  Einklang  ^) .  Wenn  Caesar  im  afrikanischen  Krieg  '*)  den  Seinigen 
befahl  nicht  über  vier  Fuss  (5  Fuss  =  1  Schritt)  sich  von  den 
Feldzeichen  zu  entfernen,  so  ist  diese  Distanz  natürlich  nicht  von 
dem  Punkte  aus  zu  messen,  an  dem  das  Feldzeichen  steht,  sondern 
von  dem  Quadrat,  das  der  Manipel  in  der  Schlachtordnung  ein- 
nimmt; CS  ist  einfach  das  Verbot,  aus  dem  Gliede  zu  treten.  Es 
wird  also  bei  dem  zu  bleiben  haben,  was  bisher  angenommen 
worden  ist^):  das  Feldzeichen  geht  auf  dem  Marsch,  wie  auch  bei 
dem  Vormarsch  zum  Kampfe  der  Abtheilung  vorauf,  nimmt  aber 
in  der  Schlachtstellung  hinter  derselben  seinen  Stand. 


^)  Die  Worte  des  Livius  30,  33,  1 :  non  confertas  autem  cohortes  ante  sua 
quarnque  signa  inslruebat,  sed  manipulos  aliqiiantuni  inier  se  distantes  ziehen  allerdings 
incorrect  die  Cohorte  herein  (S.  7  A.  1),  zeigen  aber  dennoch,  dass  das  Feldzeichen 
liinter,  nicht  vor  der  Truppe  stand. 

')  b.  Afr.  15:  Caesar  ...  cum  animum  adverteret  ordines  suorum  in  proctir- 
rendo  turbari  (peditcn  enivi^  dum  eqtiües  lomjius  ab  signis  perseqnunlar,  latere  nudalo 
. . .  iaculis  vidnerabanlur  .  .  . )  edicil  per  ordines,  ne  qiiis  miles  ab  signis  III J  pedes 
longiua  procederet. 

■')  Marquardt  a.  a.  O.  H.  353  fg. 


III.  Die  Bildung  der  Legionscohorte 

Dass  die  Cohorte  erst  im  Laufe  des  siebenten  Jahrhunderts 
zur  ständigen  Unterabtheilung  der  Legion  geworden  ist,  ist  be- 
kannt und  unbestritten.  Aber  wenn  Domaszewski  das  Vorkommen 
von  legionaren  Cohorten  in  älterer  Zeit  überhaupt  leugnet  und  die 
entgegenstehenden  Angaben  bei  Polybios  und  den  Späteren  als 
Fehler  der  Abschreiber  oder  Anachronismen  der  Schriftsteller  be- 
handelt, so  wird  man  ihm  darin  nicht  beistimmen  können.  Da  an 
dieser  Frage  manche  andere  hängt,  so  wird  es  zweckmässig  sein, 
eingehender  dabei  zu  verweilen.  Die  bei  späteren  römischen  Schrift- 
stellern begegnenden  Nachrichten  über  Legionscohorten  aus  älterer 
Zeit  kommen  wenig  in  Betracht ') ;  alles  kommt  hier  auf  die  Angaben 
des  Polybios  an.  Was  nun  diesen  anlangt,  so  ist  es  zunächst  nicht 
richtig,  dass  er  der  Cohorte  'in  seiner  Schilderung  der  Bildung  und 
Zusammensetzung  der  Legion  nach  dem  Zusammenhang  seiner  Dar- 
stellung hätte  erwähnen  müssen'  (S.  20).  Dies  hätte  er  thun  müssen, 
wenn  sie  schon  damals  statarisch  gewesen  wäre ;  aber  eine  wenn  auch 
gewöhnliche,  doch  nur  für  den  einzelnen  Fall  eintretende  Combi- 
nation  gehörte  in  jene  Darstellung  überall  nicht.  Er  spricht  von 
ihr  denn  auch  nur  in  Beziehung  auf  einzelne  Schlachtmanöver,  bei 
denen  jene  Combination  zur  Anwendung  kam.  In  der  Schilderung 
der  Schlacht  von  Baecula'^)  führen  die  Commandanten  der  beiden 
Flügel  die  einzelnen  römischen  Abtheilungen  gegen  den  Feind  vor: 
xpeiq  iXac,  iTTTre'ujv  ....  xai  irpö  toutujv  Tpocrcpoiudxouc^  toxjc,  ei9icr- 
luevoui;  Kai  rpeic,  (Trreipaq"  toOto  be  KaXeiiai  tö  (JuviaTlua  tujv  rreZaiv 
Tiapd  'Puufiaioiq  KOÖpiK;.  Diesen  erklärenden  Beisatz  betrachtet 
Domaszewski  als  interpolirt.  Ob  Livius^),  der  diese  Stelle  also 
wiedergiebt:  cum  iernis  peditum  cohortihus  ternisque  equitum  iurmis,  ad 
hoc  velitibus,  ihn  gelesen  hat,  ist  aus  den  Worten  nicht  zu  entnehmen. 
Aber  wenn  es  bei  Polybios^)  bald  darauf,  in  der  Beschreibung  der 


')  Livius  30,  33,  1  sind  allerdings  die  cohortes  ein  falscher  Zusatz  zu  dem 
polybianischen  Text,  15,  9,  6;  und  Frontinus  strat.  1,  6,  1  ist  ohne  Beweiskraft.  Doma- 
szewski S.  10  A.  3.  S.  20  A.  6.  Aber  andere  von  ihm  nicht  angeführte  Stellen 
des  Livius  32,  17,  11:  cohortes  in  vicem  ...  emiUebat  und  besonders  34,  28  7: 
primae  legionariae  cohortes  ihant  haben  grössere  Bedeutung,  wenn  gleich  auch  sie 
nicht  entscheiden. 

^)   11,  23,   1. 

ä)  28,  14,  17. 

*)  11,  33,  1.  Die  Worte  toöto  6'  ioi\  OTieipa  hat  Casaubonus  gestrichen, 
weil  sie  mit  der  hergebrachten  Auffassung  des  Wortes   sich   nicht  vertragen;   dass 


8 

Schlacht  am  Ebro  heisst:  aYuuv  Ik  t?\c,  irapeiußoXfii;  im  Teiiapa^ 
KodpTii;  (toOto  b'  eari  cTTreTpa)  irpocreßaXe  toT<;  ireloxq  tujv  uTrevavxiuuv, 
was  Livius^)  wiedergiebt  mit  den  Worten:  qnathior  cohortes  in  fronte 
statuit,  quia  latius  pandere  aciem  non  poterat,  so  ist  durch  diese  in 
jeder  Hinsicht  unverdächtige  und  unmöglich  auf  Auxiliarcohorten 
zu  beziehende  Notiz,  die  Domaszewski  übersehen  hat,  das  Vor- 
kommen von  legionaren  Gehörten  schon  zur  Zeit  des  hannibalischen 
Krieges  vollständig  gesichert  und  die  verwegene  Athetese  durch 
ein  zweites  unabhängiges  Zeugniss  beseitigt. 

Ueber  die  Bedeutung  jener  erklärenden  Worte  wird  gestritten: 
ist  TouTO  TÖ  auvTaTM«  die  CTTTeTpa  oder  die  TpeT(;  cTTreTpai?  und,  was 
dasselbe  ist,  versteht  Polybios  hier  unter  der  cTTreTpa  die  aus  drei 
Manipeln  gebildete  Gehörte  oder  vielmehr  den  Manipel?  Wenn 
die  an  der  zweiten  Stelle  überlieferten  Worte  echt  sind,  so  heisst 
arreTpa  hier  die  Gehörte;  und  genügende  Gründe  für  die  Tilgung 
derselben  sind  .nicht  beigebracht.  Aber  auch  wenn  diese  interpolirt 
sein  sollten,  wird  man  zu  demselben  Ergebniss  kommen  müssen. 
Das  Wort  aireipa  wird  bei  Polybios  zwar  mehrfach  für  den  Manipel 
gesetzt*'),  aber  es  kommt  auch  in  anderer  Verwendung  selbst  in 
Beziehung  auf  römische  Verhältnisse  vor'')  und  hat  überhaupt  einen 
allgemeinen  Werth,  etwa  wie  bei  uns  Schaar^),    so  dass  Polybios 


sie  bei  Suidas  fehlen,  will  nichts  bedeuten  und  mir  erscheinen  sie  der  vorsich- 
tigen Weise  des  Schreibers  ganz  angemessen.  Uebrigens  bleibt  der  Beweis  für  die 
KOÖpTic  bestehen,  auch  wenn  man  sie  tilgt. 

■')  28,  33,  12. 

^  6,  24,  5 :  TÖ  |Liev  laepoc;  e'Kaarov  ^KdXeaav  Kai  Täj}xa  (=  ordo)  Kai  aneipav 
Kai  oriiLiaiav  (=  sigmim),  Touq  ö'  i'iyeiuövac;  Kevxupitjuvac;  Kai  xaSidpxouq  (=  ordincs). 
15,  9,  7:  TTpujTov  \i.iv  Tohc,  hajäTovc,  Kai  tck;  toijtuuv  ainuaiat;  ^v  biaöxniuaaiv, 
eni  hk  toütok;  tou(;  -npv^Kmac, ,  riGeic;  tck;  aireipa^  ou  Kaxä  xö  xiuv  irpuüxujv 
oriiuaiujv  öiäöxtT,ua.  Wo  sonst  ötreipa  von  römischen  Abtheilungen  gebraucht 
wird  2,  30,  6;  3,  110,  6;  c.  113,  3;  c.  115,  12,  scheint  ebenfalls  der  Manipel  ge- 
meint. Uebrigens  heisst  derselbe  noch  häufiger  arjiLiaia  (1,  40,  10;  3,  113,  3; 
11,  22,  10;  15,  9,  7 ;  c.  13,  7  und  sonst),  womit  aber  auch  (15,  4,  4)  im  allge- 
meineren Sinne  Türmen  und  Manipel  zusammengefasst  werden,  zuweilen  auch  xÖEk; 
(15,  13,  1).  Dass  Polybios  ordo  und  via/nipnlus  ausdrücklich  gleichsetzt,  stellt  sich 
zu  den  Beweisen  für  die  von  Domaszewski  S.  12  fg.  meines  Erachtciis  mit  Unrecht 
bestrittene  urspriingliche  Identität  von  vianipulas  und  centuria. 

')  15,  9,  9:  xä  hi  biaaxr)|uaxa  xOüv  upiwxiuv  öriMaiüJv  dveirXnpujae  -xaic, 
xüjv  Ypoocpo|Lidxi"v  öTieipuK;.     Manipel  der  Velites  gibt  es  nicht. 

*;  Vgl.  besonders  18,  28,  10  von  Pyrrhos:  xiOelc;  ^vaWdt  aiTinaiav  (d.  h. 
einen  römisch  geordneten  Maiiipol)  Kai  orreTpav  qpaXa'fY'fiKiV  ^v  xoT<;  irpöc;  'Puu- 
\iiaio\ic,  dYiwaiv. 


9 

wohl  befugt  war  dasselbe  unter  Beifügung  des  entsprechenden 
lateinischen  Ausdrucks  in  verschiedener  Bedeutung  zu  verwenden. 
Dass  grammatisch  die  Beziehung  der  Erklärung  auf  crireTpa  die 
nächstliegende  ist,  ergiebt  sich  schon  daraus,  dass  Reiske  ihr  den 
Vorzug  giebt,  so  wie  aus  der  zweiten  angeführten  Stelle,  selbst  wenn 
man  diese  als  interpolirt  betrachtet.  Entscheidend  aber  ist  meines 
Erachtens  die  Beschreibung  des  Manövers  selbst.  Domaszewski 
hat  aus  derselben  freilich  entnommen,  dass  die  tpei^  CTTreipai  drei 
Manipel  sind;  mir  scheint  sie  im  Gegentheil  nur  verständlich,  wenn 
darunter  drei  Gehörten  verstanden  werden. 

Scipio  stellt  seine  Truppen  —  zusammen  45.000  Mann  zu 
Fuss  und  3000  Reiter,  grösstentheils  aber  unzuverlässige  spanische 
Mannschaften  —  in  der  Weise  auf,  dass  die  Spanier  im  Centrum, 
die  Römer  auf  beiden  Flügeln  stehen  und  während  jenes  zurück- 
gehalten wird,  die  beiden  Flügel  an  den  Feind  heran  und  über 
seine  Flügel  hinaus  vorrücken  und  die  Schlacht  entscheiden  sollen. 
Die  römischen  Reiter  nebst  der  leichten  Infanterie  beginnen  das 
Gefecht,  werden  aber  dann  zurückgenommen  und,  die  Velites  vor 
den  Reitern,  hinter  der  schweren  Infanterie  aufgestellt.  Dann  setzen 
die  beiden  Flügel  sich  in  Bewegung.  Nachdem  sie  in  die  Nähe 
des  Feindes  gelangt  sind,  rücken  sie  diesem  entgegen  in  der  Weise, 
dass  gleichzeitig  die  ersten  (ai  fiYOu,uevai) ,  das  heisst  die  auf  dem 
äussersten  Flügel  stehenden  drei  Reiterturmen  nebst  den  dazu  ge- 
hörigen Velites  in  der  einen  und  die  drei  vor  ihnen  aufgestellten 
(JTTeTpai  in  einer  anderen  Richtung  an  die  ihnen  in  der  Angriffs- 
linie angewiesenen  Plätze  abrücken,  alsdann  die  übrigen  Türmen 
und  (TTieipai  in  gleicher  Weise  je  drei  und  drei  nachfolgen  und  so 
die  neue  Schlachtreihe  sich  bildet,  in  welcher  die  römische  Infan- 
terie der  feindlichen  gegenüber,  die  Reiter  über  diese  hinaus  stehen, 
um  dieselbe  im  Rücken  zu  fassen.  Einleuchtend  beruht  dies  Manöver 
auf  der  Gleichzahl  der  Türmen  und  der  (JTTtTpai ,  die  zu  Anfang 
hinter  einander  stehen  und  dann  in  verschiedener  Richtung  vor- 
gehen. Dies  aber  fordert  nothwendig  die  Cohorte;  denn  in  der 
Legion  entspricht  die  Zahl  der  Türmen  der  der  Cohorten,  und  in 
den  Alen  der  Bundesgenossen  muss  annähernd  ein  gleiches  Ver- 
hältniss  stattgefunden  haben'"'),  nimmermehr  aber  können  die  zehn 


^)  Genaueres  über  die  römischen  und  italischen  Truppen  Seipios  ist  nicht 
überliefert.  Aber  nach  den  sonstigen  Zahlenverliältnissen  wird  angenommen  werden 
dürfen,  dass  die  Infanterie  und  die  Reiterei  der  Italiker  nicht  oder  nicht  beträcht- 


10 

Türmen  und  die  dreissig  Manipel  der  Legion  in  dieser  Weise 
operiren.  Darum  leuchtet  auch  ein,  dass  Polybios  für  die  Schilde- 
rung dieses  Manövers,  bei  welchem  allem  Anschein  nach  die  legio- 
naren  und  die  Auxiliarcohorten  neben  einander  zur  Verwendung 
kamen,  die  cohors  nicht  entbehren  konnte  und  daher  sich  veranlasst 
fand  den  für  seine  allgemeine  Darstellung  überflüssigen  Terminus 
hier  zu  verwenden  und  zu  erläutern'"). 

Trifft  diese  Auseinandersetzung  das  Richtige,  so  kann  die 
Stelle  des  Polybios  nicht  ferner  als  directes  Zeugniss  dafür  gelten, 
dass  die  cohors  schon  zu  seiner  Zeit  aus  drei  Manipeln  bestanden 
habe ;  Polybios  bezeichnet  sie  vielmehr  lediglich  als  eine  combinirte 
Infanterietruppe  (crüvTafiLia  tujv  rre^Ouv).  Indirect  freilich  ergiebt  sich 
aus  seiner  Darstellung  eben  dasselbe,  da  sie  nur  verständlich  ist, 
wenn  die  drei  hintereinander  stehenden  Manipel  die  für  dies  Manöver 
zu  Grunde  gelegte  Einheit  bilden.  Ueberdies  versteht  es  sich  von 
selbst,  dass  der  älteren  und  der  neueren  cohors  derselbe  Begriff 
beiwohnt  und  ihr  Unterschied  nur  darin  besteht,  dass  jene  eine 
ausserordentliche,  diese  eine  ordentliche  Formation  ist. 

Weiter  folgt  daraus,  dass  Domaszewski  mit  Unrecht  die  Ein- 
führung der  Gehörte  als  der  ordentlichen  Formation  dem  Marius 
abgesprochen  hat,  weil  bereits  im  jugurthinischen  Krieg  von  cohortes 
legionariae  die  Rede  sei  ^^) ;  es  hindert  nichts  diese  ebenso  aufzu- 
fassen, wie  die  Gehörten  in  der  Schlacht  von  Baecula. 

Endlich  giebt  uns  dieser  Nachweis  einen  Einblick  in  die  Bundes- 
genossencohorte  der  Republik.  Denn  es  liegt  auf  der  Hand,  dass 
die  ausserordentliche  legionare  Gehörte  ihre  Benennung  nur  dess- 
wegen  erhalten  haben  kann,  weil  sie  der  ordentlichen  Auxiliarcohorte 
Avesentlich  gleichartig  war.  Demnach  war  auch  diese  aus  mehr  oder 
minder  Schwerbewaffneten  und  Leichtgerüsteten  zusammengesetzt. 
Wenn  Domaszewski  (S.   16)  Nissen  in  scharfer  Weise  tadelt,  dass 


lieh  die  der  Bürgertruppen  überstieg  (C.  Marcks  de  alis  Leipzig  1886  p.  23),  also 
im  Grossen  und  Ganzen  auch  hier  eine  Coliorte  auf  eine  Turme  kam. 

'")  Nach  Domaszcwski's  Auffassung  (S,  18)  stehen  die  drei  OTreTpai,  nach 
ihm  Manipel,  in  der  gewöhnlichen  Ordnung  hinter  einander  und  hinter  diesen  eben- 
falls in  drei  Treffen  die  Reiterei ;  alsdann  rückt  jede  dieser  sechsgliedrigen  Colonnen 
einzeln  gegen  den  Feind  vor.  Aber  wie  die  Reiter  dazu  kommen,  sich  in  drei 
Treffen  aufzustellen  und  vor  jedem  dazu  noch  die  Velites ,  ist  nicht  abzusehen, 
und  der  succcssive  Anmarsch  einzelner  Abtheilungen  von  je  300  Mann  eine  militärisch 
bedenkliche  Conccption.  Vor  allem  aber  kommen  dabei  auf  drei  Manipel  drei 
Türmen. 

")  Sallust  Jug.  51. 


11 

er  die  Gliederung  und  die  Ziffern  der  römisclien  Cohorte  auf  die 
der  Bundesgenossen  einfach  überträgt,  so  ist  das  wohl  insofern  be- 
rechtigt, als  die  Ungleichheit  der  Contingente  und  selbst  die  ziffer- 
mässige  Unbestimmtheit  des  Wortes  cohors  dabei  nicht  genügend 
berücksichtigt  sind ;  aber  im  Wesentlichen  wird  man  Nissen  lediglich 
Recht  geben  müssen.  Es  erhellt  dies  auch  auf  einem  andern  Weg. 
Die  römische  Wehrverfassung  beruht  auf  dem  Zusammentreten  des 
ordentlichen  Aufgebotes  der  sämmtlichen  Bundesstaaten ;  und  wie 
Rom  zu  Präneste  verhält  sich  die  römische  legio  (im  ursprüng- 
lichen Sinn)  zu  der  cohors  der  Pränestiner ''^j.  Nun  aber  ist  es  doch 
ganz  undenkbar,  dass  die  durch  das  Vermögen  bedingten  Ver- 
schiedenheiten der  Dienstpflicht  nicht  in  jeder  Bundesstadt  bei  der 
Truppenbildung  ähnliche  Consequenzen  herbeigeführt  haben  wie  in 
Rom  ^^) ;  ebenso  undenkbar,  dass  militärische  Fortschritte,  wie  die 
Gliederung  der  Phalanx  in  mehrere  Treffen  und  die  Bildung  einer 
Reserve,  nicht  ebenso  wie  im  Bürger-  so  auch  im  Italikerheer 
durchgeführt  worden  sind.  Die  Gleichartigkeit  der  militärischen 
Einrichtung  ist  für  die  gleichartige  Gestaltung  der  italischen  Nation 
vielmehr  die  Ursache  gewesen  als  die  Wirkung.  Von  welcher  Seite 
also  man  die  Sache  betrachtet,  alles  führt  darauf,  dass  die  Auxiliar- 
cohorte  die  Legion  im  Kleinen  gewesen  ist,  und  die  Bestätigung 
dieses  Satzes  durch  die  Thatsache.  dass  die  legionare  Cohorte  eben- 
falls nichts  ist  als  die  Legion  im  Kleinen,  steht  nach  wie  vor  un- 
erschüttert. 


'')  Gewisse  Unterschiede  treten  allerdings  hervor;  insbesondere  ist  die 
Kelterei  Bestandtheil  der  Legion,  nicht  aber  Bestandtheil  der  bundesgenössischen 
Cohorte.  Aber  diese  wahrscheinlich  erst  im  Laufe  der  Entwickelung  entstandenen 
Abweichungen  können  über  den  Grundcharakter  nicht  täuschen.  Eine  unglück- 
lichere Parallele  ist  schwer  zu  finden,  als  die  Domaszewskische  der  Auxiliar- 
cohorte  und  des  römischen  Manipulus.  Soll  mau  wirklich  Varros  (5,  88)  Definition  : 
manipuhis  exercitus  minima  manus ,  quod  nnum  sequitur  signum  auf  die  Auxiliai'- 
cohorte  von  durchschnittlich  500  Mann  übertragen? 

'^)  Eben  dahin  führt,  was  Polybios  6,  21,  5  über  die  der  römischen  analoge 
Aushebung  (-rrapaTrXriaiav  xi^  -rrpoetpruuevr)  Ti^v  eK\oYnv)  der  Bundesgenossen  sagt 
und  Livius  29,  15,  7  fg.  über  die  Beziehung  dieser  Aushebung  zu  dem  städtischen 
Ganzen  sehr  verständlich  andeutet- 

Charlottenburg  TH.  MOMMSEN 


12 

Aiisgrabimgen  in  Carnimtum  1885 


Am  Ostausgange  des  Wiener  Beckens  liegt  zwischen  den 
Dörfern  Deutsch-Altenburg  und  Petronell  die  Ruinenstätte  Carnun- 
tums.  Wer  je  die  Anhöhe  betreten ,  welche  noch  heute  im  Volks- 
munde die  Burg  heisst  und  einst  das  römische  Lager  trug,  dem 
ist  das  grossartige  Landschaftsbild  unvergesslich  eingeprägt.  Wie 
von  einer  Warte  überschaut  das  Auge  die  weite  Ebene  an  der 
March  bis  zu  den  fern  am  Horizont  sich  abhebenden  Bergen  des 
mährischen  Gesenkes.  Zu  den  Füssen  liegt  der  Donaustrora,  dessen 
ganzen  Lauf  vom  Durchbruch  bei  Wien  bis  zur  Enge  von  Hain- 
burg jene  Höhe  beherrscht;  und  auch  nach  Süden  hin  findet  der 
Blick  erst  eine  Grenze  in  meilenweiter  Ferne  an  den  blauen  Berg- 
zügen des  Leithagebirges.  So  bewährt  sich  au  dieser  Stelle  der 
wunderbare  Scharfblick,  welcher  die  Römer  bei  der  Wahl  der 
Plätze  für  die  Anlage  ihrer  Städte  und  Lager  leitete,  und  in  dieser 
Gunst  der  örtlichen  Lage  war  die  militärische  Bedeutung  Carnun- 
tums  begründet,  eine  Zwingburg  zu  sein  für  die  stets  kampflustigen, 
unruhigen  Germanenstämme  jenseits  der  Donau. 

Wie  verheerend  die  Völkerzüge  auch  seit  dem  Ausgange  des 
Alterthums  über  diese  Stätte  dahingegangen  und  wenn  sie  auch  die 
Reste  jener  einst  so  bedeutenden  Anlagen  bis  auf  das  einsam  ragende 
Heidenthor  hinweggetilgt,  so  sind  doch  zahllose  Fandstücke  von  Bild- 
werken und  Inschriften,  Münzen  und  geschnittenen  Steinen,  wie  sie 
die  Feldarbeit  des  Landmanns  meist  zufällig  zu  Tage  brachte,  leben- 
dige Zeugen  einer  grossen  Vergangenheit  und  seit  Jahrhunderten  ein 
]\Iahnruf.  welche  Schätze  für  die  Erkenntniss  des  Alterthums  hier 
noch  in  der  Erde  verborgen  lagen.  In  unserer  Zeit  eines  lebendig 
gesteigerten  Interesses  für  alle  Zweige  der  Alterthumskunde  hat  es 
daher  auch  nicht  an  Stimmen  gefehlt,  welche  auf  den  beschämenden 
Zustand  trauriger  Verwahrlosung  eines  so  wichtigen  Fundgebietes 
mit  Nachdruck  hinwiesen.  Wenn  im  Jahre  1852  Freiherr  von 
Sacken  in  seiner  Monographie  ül)er  Carnuntum  die  Forderung  syste- 
matischer Ausgrabungen  in  Carnuntum  stellte,  so  kehrt  doch  zwanzig 
Jahre  später  in  Mommsens  grosser,  auch  für  die  Kenntniss  der 
römischen  Alterthümer  Oesterreichs  epochemachender  Inschriften- 
sammlung  die  bittere  Klage  wieder  über  die  Vernachlässigung  jener 
wichtigen  Fundstätte,    und   erst  Otto  Ilirschfeld   ist  es  zu  danken, 


13 

dass  die  Alterthümer  Carnuntums  jene  Pflege  erfuhren,  welche  ihrer 
Bedeutung  entsprach.  Zwar  hatten  Graf  Traun  und  Baron  Ludwigs- 
torff,  die  Grundherren  jener  Gegend,  in  dem  letzten  Jahrzehnt  mit 
liebevoller  Umsicht  in  ihren  Privatsaramlungen  vereinigt,  was  bei 
gelegentlichen  Ausgrabungen  oder  auch  zufällig  zu  Tage  trat,  und 
sich  so  den  Dank  der  Alterthumsfreunde  für  alle  Zeiten  gesichert, 
aber  erst  die  auf  Hirschfelds  Anregung  hin  vom  Ministerium  für 
Cultus  und  Unterricht  durch  die  k.  k.  Central-Commission  für  Er- 
forschung und  Erhaltung  der  Kunst-  und  historischen  Denkmale 
unter  Leitung  Alois  Hausers  auf  der  Burg  durchgeführten  Aus- 
grabungen haben  zum  erstenmal  Licht  verbreitet  über  die  Anlage 
des  Standlagers  und  den  Weg  gewiesen  für  eine  planmässige  Er- 
forschung des  Ruinenfeldes. 

Die  wichtigen  Ergebnisse  dieser  Ausgrabungen,  welche  in 
weiten  Kreisen  Theilnahme  erweckten ,  wurden  die  Veranlassung, 
zur  Gründung  eines  Privatvereines  zu  schreiten,  welcher  sich  die 
Aufgabe  setzte,  das  Fundgebiet  von  Carnuntum  durch  systematische 
Ausgrabungen  zu  erforschen. 

Im  Winter  des  Jahres  1884  constituirte  sich  der  Verein.  Seine 
kaiserliche  und  königliche  Hoheit  der  durchlauchtigste  Kronprinz 
Rudolf  geruhte  den  Verein  durcli  Uebernahme  des  Protectorates  aus- 
zuzeichnen. An  die  Spitze  traten  Seine  Excellenz  Alfred  Ritter 
von  Arneth  und  Herr  Nikolaus  Dumba,  und  ihrem  Wirken  nament- 
lich ist  es  zu  danken,  dass  der  Verein  bereits  im  Sommer  des  Jahres 
1885  mit  Erfolg  die  ersten  Ausgrabungen  in  Carnuntum  eröffnen 
konnte. 

Indem  hier  zum  erstenmale  ein  wissenschaftlicher  Bericht  über 
die  Thätigkeit  des  Vereines  erstattet  wird,  erscheint  es  angemessen, 
ihn  mit  einer  kurzen  Skizze  zu  eröffnen ,  welche  die  historische 
Bedeutung  Carnuntums  erläutern  soll. 

Die  Herrschaft  über  das  Mittelmeerbecken,  welche  die  Republik 
gewonnen ,  zu  einem  festen ,  in  sich  geschlossenen  Reichsganzen 
ausgebildet  zu  haben,  ist  die  welthistorische  That  der  ersten  Kaiser- 
zeit. Den  ersten  Schritt,  das  Reich  auf  seine  natürlichen  Grenzen 
zu  erweitern  und  zugleich  den  Ländern  alter  Cultur  einen  dauern- 
den Schutz  zu  schaffen  vor  den  Einfällen  der  Barbaren,  that  Caesar 
durch  die  Eroberung  Galliens.  Schon  als  Triumvir  folgte  Augustus 
auch  in  diesen  Plänen  der  Bahn,  die  ihm  sein  grösserer  Oheim 
gewiesen.     Die  Kämpfe  in  Illyricum   hatten   vor  allem  den  Zweck, 


14 

die  Verbindung  zwischen  Italien  und  Makedonien  sicher  zu  stellen, 
und  der  günstige  Ausgang  der  Schlacht  bei  Aktium  ist  nicht  zum 
geringsten  Theile  ein  Resultat  dieser  weitsichtigen  Politik  gewesen. 

Aber  erst  nach  der  Unterwerfung  Raetiens  und  Noricums 
wurden  diese  Pläne  im  grossen  Stile  wieder  aufgenommen.  Tiberius 
Nero,  des  Kaisers  Stiefsohn,  vollendete  in  den  Jahren  11 — 9  v.  Chr. 
unter  gewaltigen  Kcämpfen  die  Unterwerfung  Illyricums  bis  an  die 
Ufer  der  Donau.  Die  friedliche  Tendenz  dieser  Eroberungen  spricht 
sich  vor  allem  in  der  Anlage  der  Standlager  aus;  im  oberen  Drau- 
thale,  in  der  Umgebung  von  Poetovio  (Pettau),  war  die  Armee  in 
einer  Stärke  von  drei  Legionen,  mit  ihren  Auxilia  etwa  40.000  Mann, 
dauernd  stationirt.  Der  Schutz  der  Nordausgänge  der  Alpenpässe 
und  die  Sicherung  der  über  üalmatien  nach  Makedonien  führenden 
Reichsstrassen  war  also  ihre  nächste  Aufgabe. 

Kurz  nachher  tritt  uns  der  Name  Carnuntums  zum  erstenmale 
in  der  Ueberlieferung  entgegen.  Velleius  Paterculus  berichtet,  dass 
Tiberius  sein  grosses  Heer,  mit  welchem  er  Marbod  zu  bekriegen 
gedachte,  in  Carnuntum,  der  äussersten  Stadt  des  Königreichs 
Noricum  sammelte.  Man  wird  daraus  schliessen  dürfen,  dass  Car- 
nuntum bereits  damals  ein  ansehnlicher  Ort  gewesen,  und  die  Ver- 
muthung  bestätigt  eine  Nachricht,  die  wir  bei  Plinius  finden.  Er 
nennt  Carnuntum  als  einen  Haupthandelsplatz  an  der  Strasse,  auf 
welcher  der  Bernstein  von  den  Gestaden  der  Ostsee  durch  das 
freie  Germanien  und  durch  Pannonien  bis  nach  Aquileja  verführt 
wurde. 

Eine  historische  Bedeutung  gewinnt  der  Ort  erst  in  jener  Zeit, 
als  ein  römisches  Legionslager  dorthin  verlegt  wurde.  Wann  dies 
geschehen,  ist  streitig.  Nach  einer  weitverbreiteten  Ansicht,  soll  erst 
Vespasian  diesen  Schritt  gethan  haben.  Und  es  ist  durchaus  richtig, 
dass  erst  dieser  Kaiser  das  Donauufer  zu  einer  Vertheidigungslinie 
umschuf.  Er  verlegte  die  Legionen  aus  Dalmatien  nach  dem  oberen 
Mösien  in  die  Standlager  längs  der  Donau,  nach  Singidunum 
(Belgrad)  und  Viminacium  (Kostolatz),  die  dreizehnte  Legion  kam 
unter  seiner  Regierung  nach  Vindobona,  und  Carnuntum  wurde 
sicher  erst  damals  das  Hauptquartier  der  pannonischen  Armee ;  er 
endlich  errichtete  die  Donauflotillen,  die  nach  ihm  die  Namen  führen, 
die  classis  Flavia  Fannonica  und  classis  Flavia  Moesica.  Doch  hat 
Otto  Hirschfeld  dagegen  geltend  gemacht,  dass  die  Grabschriften 
der  Soldaten  der  legio  XV  Apollinaris,  welche  im  ersten  Jahrhundert 
in  Carnuntum  lag,  durch  ihre  Namensformen  darauf  hinweisen,  dass 


15 

sie  unmöglich  alle  der  Flavischen  Zeit  angehören  können.  Dieser 
Grund  erscheint  mir  so  entscheidend,  dass  ich  ebenfalls  der  Meinung 
bin,  diese  Legion  sei  schon  unter  Claudius  nach  Carnuntum  verlegt 
worden,  und  die  Ansicht  erhält  eine  Stütze  durch  die  grosse  Zahl 
von  Denkmälern,  welche  diese  Legion  hier  hinterlassen  hat. 

Im  Gefolge  der  Legion  erschienen  auch  zahlreiche  römische 
Kaufleute  und  Marketender  in  dem  Donaulager.  Noch  ist  uns  die 
Grabschrift  eines  solchen  lixa  erhalten,  der  als  seine  Heimat  Pata- 
vium,  das  heutige  Padua  in  Italien,  nennt.  Sie  siedelten  sich  mit 
ihren  Buden,  den  canabae^  vor  den  Thoren  des  Lagers  im  Schutze 
des  Walles  an.  Der  eigenthümliche  Zug  des  römischen  Wesens 
nach  straffer  Gemeiudeordnung  und  Selbstverwaltung  brachte  es 
hier,  wie  in  allen  römischen  Standlagern,  mit  sich,  dass  diese  cives 
Romain  adCanahas  legionis  consistentes,  wie  der  technische  Name  lautete, 
sich  eine  eigenthümliche  Ordnung  schufen,  die  die  Mitte  hält  zwischen 
Gemeinde  und  blosser  Corporation.  Wir  finden  einen  ordo  und 
decuriones  und  an  der  Spitze  magislri,  wie  sie  den  unselbständigen 
Gemeinwesen,  den  "pagi  und  vici  eigenthümlich  sind. 

Der  syrische  Krieg  unter  Nero  führte  die  XV.  Legion  nach 
dem  Orient.  Damals  wurden,  wie  Tacitus  berichtet,  zahlreiche 
Galater  und  Cappadoker  in  das  Heer  eingestellt ,  um  die  Lücken 
zu  ergänzen,  die  der  lange  blutige  Krieg  in  die  Reihen  der  Legionen 
gerissen.  Als  Vespasian  die  Legion  wieder  in  das  Donaulager 
zurückverlegte,  da  werden  diese  Asiaten  ein  neues  Element  in  der 
werdenden  römischen  Stadt  gebildet  haben,  die  vor  den  Thoren 
des  Lagers  emporblühte.  Vielleicht  dass  auch  in  jener  Zeit  die 
Verehrung  des  persischen  Sonnengottes,  des  Mithras,  in  Carnuntum 
zum  erstenmale  Wurzel  fasste.  Wenigstens  besitzen  wir  einen 
Votivstein  an  den  Gott,  der  dieser  Epoche  der  Stadtgeschichte  an- 
gehört. 

Allmählich  wird  in  Flavischer  Zeit  das  römische  Element  in 
der  Lagerstadt  bei  weitem  das  Ueberge wicht  gewonnen  haben. 
Denn  die  zahlreichen  Grabsteine  der  Veteranen  südfranzösischer 
und  italischer  Heimat  beweisen,  dass  die  Soldaten  den  Ort,  an 
welchem  sie  die  Blüte  ihres  Lebens  während  einer  zwanzigjährigen 
Dienstzeit  verbracht,  im  Alter  nicht  wieder  verlassen  wollten.  Wie 
also  die  römische  Bevölkerung  mit  jedem  Jahre  wuchs,  so  hat  ohne 
Zweifel  in  jener  Zeit  auch  die  Romanisirung  der  alten  Keltenstadt 
immer  weiter  gegriffen.  So  ist  es  begreiflich,  dass  Hadrian  wohl 
während    seines    Aufenthaltes    in  Carnuntum    die    canahae    als    ein 


16 

römisches  Gemeinwesen  unter  dem  Namen  municipmm  Aelium  con- 
stituirte. 

Die  dürftigen  Spuren,  welche  die  Inschriften  von  der  Orga- 
nisation dieses  Gemeinwesens  bieten,  zeigen  nur  wenige  eigenthüm- 
liche,  von  der  gewöhnhchen  Ordnung  römischer  Landstädte  ver- 
schiedene Züge.  So  finden  wir  curatores  thermarum  und  es  ist  be- 
kannt, dass  heute  noch  auf  dem  Boden  Carnuntums  heisse  Quellen 
entspringen.  Andererseits  erhellt  die  Bedeutung  der  Veteranen  in 
dem  Leben  dieser  Stadt  aus  der  Thatsache,  dass  die  Feuerwehr 
ganz  aus  Veteranen  gebildet  war.  Es  ist  das  collegium  veteranorum 
centonariorum. 

Unter  Hadrian  vollzog  sich  ein  wichtiger  Garnisonswechsel, 
indem  an  die  Stelle  der  XV.  Legion  die  XIV  Gemina  Martia  Victrix 
trat.  Eine  erhöhte  Bedeutung  als  Waffenplatz  gewann  Carnuntum 
durch  die  Anlage  eines  Legionslagers  in  Brigetio  (bei  Komorn), 
entsprechend  dem  Lager  von  Vindobona  im  Westen,  so  dass  es  nun 
das  Centrum  der  Vertheidigungslinie  gegen  die  Quaden  und  Mar- 
komannen bildete. 

Auch  der  Nachfolger  Hadrians,  Antoninus  Pius,  scheint  Car- 
nuntum besucht  zu  haben.  Wir  besitzen  aus  seiner  Regierungszeit 
die  in  Italien  gefundene  Grabschrift  eines  Freigelassenen  des  kaiser- 
lichen Hofstaates,  in  welcher  Carnuntum  als  Ort  seines  Todes  ge- 
nannt wird.  Wenn  wir  aber  sehen,  dass  Antoninus  Pius  auf  Münzen 
mit  der  Aufschrift  rex  Quadis  datus  gefeiert  wird,  wie  er  einem 
Fürsten  der  Quaden,  die  in  der  Ebene  an  der  Donau  und  March 
Carnuntum  gegenüber  wohnten,  die  Hand  reicht,  so  wird  man  aus 
dem  Zusammentreffen  dieser  beiden  Thatsachen  vielleicht  schliessen 
dürfen,  dass  der  Ort,  wo  jene  feierliche  Ceremonie  sich  abspielte, 
eben  Carnuntum  gewesen. 

Als  unter  Marc  Aureis  Regierung  die  Barbaren  von  allen 
Seiten  in  die  Donauprovinzen  einbrachen  und  bis  Italien  streiften, 
so  dass  der  Kaiser  sich  genothigt  sah,  persönlich  auf  dem  Kriegs- 
schauplatze zu  erscheinen  und  den  Heeresbefehl  zu  übernehmen, 
verweilte  dieser  während  dreier  Jahre  in  Carnuntum  und  leitete 
von  hier  aus  die  Operationen  der  Armeen.  In  dem  rauhen  Waffen- 
lärm des  Feldlagers  fand  der  Kaiser  noch  Müsse,  seine  bekannten 
tiefsinnigen  Selbstgespräche  auszuarbeiten,  deren  zweiter  Theil  in 
Carnuntum  geschrieben  ist. 

Keine  Inschrift,  kein  Denkmal  irgend  welcher  Art  hat  sich 
bisher  in  Carnuntum  gefunden,  das  die  Erinnerung  an  jene  grosse 


17 

Zeit  aufbewahrte  und  geeignet  wäre,  das  Dunkel,  welches  jene  Er- 
eignisse verhüllt,  aufzuhellen.  Nur  ein  unscheinbarer  Grabstein 
fällt  in  jene  Epoche,  nach  welchem  ein  M.  Naevius  Primigenius  domo 
Naristus  in  Carnuntum  bestattet  wurde.  Es  ist  dies  ohne  Zweifel 
einer  jener  3000  Naristi,  welchen  Marc  Aurel,  wie  so  manchen 
anderen  Barbaren,  während  des  Markomannenkrieges  Landsitze  in 
Pannonien  anwies,    um  die  verödeten  Provinzen  neu  zu  bevölkern. 

Im  Jahre  193  rief  in  Carnuntum  die  XIV.  Legion  den  Statt- 
halter Oberpannoniens,  L.  Septimius  Severus,  zum  Kaiser  aus. 
Bevor  der  neue  Herrscher  seinen  Siegeszug  nach  Italien  antrat, 
hatte  er  noch,  wie  es  scheint,  den  Widerstand  der  X.  Legion  in 
Vindobona  zu  brechen,  die,  obwohl  unter  seinem  directen  Com- 
mando,  ihm  die  Anerkennung  versagte.  Man  möchte  gerne  glauben, 
dass  die  Bürgerschaft  von  Carnuntum  in  entschiedener  Weise  Partei 
ergriffen  habe  für  die  Sache  ihres  Statthalters.  Denn  in  Zusammen- 
hang mit  diesen  Ereignissen  steht  es  ohne  Zweifel,  dass  Septimius 
Severus  die  Stadt  zum  Rang  einer  römischen  Colonie  erhob.  Einen 
bemerkenswertlien  Zug  aus  der  Stadtgeschichte  jener  Zeit  hat  uns 
wieder  ein  einfacher  Grabstein  aufbewahrt.  Er  lautet :  Dis  manibus 
Septimio  Aistomodio  regi  Germmiorum.  Septimii  Pliilippus  et  Helio- 
dorus  fratri  incompardbali  (den  Manen  des  Septimius  Aistomodius, 
des  Germanenkönigs ;  Septimius  Philippus  und  Heliodorus ,  dem 
unvergleichlichen  Bruder).  Es  ist  also  gewiss  ein  landflüchtiger 
Mann  gewesen,  wie  so  mancher  Germanenfürst  vor  und  nach  ihm, 
dem  der  Kaiser,  von  dem  er  den  Namen  führt,  eine  Freistatt  in 
seinem  Reiche  einräumte  und  Carnuntum  als  Wohnsitz  anwies- 

Die  glanzvollsten  Tage  sah  Carnuntum,  als  Kaiser  Galerius 
in  dieser  Stadt  am  11.  November  307  seinen  alten  Waffengefährten 
Licinius  zum  Augustus  erhob.  Um  dem  bedeutungsvollen  Akte 
Würde  und  Ansehen  zu  verleihen,  hatte  er  die  beiden  alternden 
Augusti  Diocletianus  und  Maximianus  nach  Carnuntum  geladen. 
In  jene  Tage  fällt  ohne  Zweifel  die  Wiederherstellung  des  Mithras- 
tempels  durch  diese  Kaiser,  deren  eine  Inschrift  gedenkt:  Deo  Soli 
Invicto  Mithrae,  fautori  imperii  sui  Jovii  et  HercuUi  religio sissimi 
Augusti  et  Caesares  sacrarium  restituerunt  (dem  Sonnengotte,  dem 
unbesiegten  Mithras,  dem  Schützer  ihrer  Herrschaft  haben  die  Jovii 
und  Herculii,  die  gottesfürchtigen  Augusti  und  Caesares  das  Heilig- 
thum  wiedergestellt).    Die  Jovii  und  Herculii  sind  eben  jene  Kaiser. 

In  den  Stürmen  des  vierten  Jahrhunderts  ging  die  Stadt  einem 
raschen  Verfalle    entgegen.     So    sagt    Ammianus    Marcellinus    von 

Arcliäologisch-epigrapliische  Mitth.  X.  2 


18 

ihr  im  Jahre  375  unter  der  Regierung  Valentians :  Carnuntum  Uly- 
riorum  oppidtcm  —  desertum  quidem  et  squalens,  sed  ductori  exercitus 
perquam  opportunum.  Die  Bedeutung  als  Waffenplatz  hat  es  also 
bis  in  die  späteste  Zeit  behauptet.  Und  so  verlegt  noch  der  unter 
Honorius  geschriebene  Amtskalender ,  die  notitia  dignitaium ,  nach 
Carnuntum  einen  Theil  der  XIV.  Legion  und  eine  Station  der 
Donauflotte. 

Der  nun  folgende  Ausgrabungsbericht   ist  in   drei  Theile   ge- 
gliedert, von  welchen  der  erste  die  Inschriften  behandelt. 

I 

1.  Ära  aus  Sandstein.  H.  0-53,  br.  0'25,  d.  0-21.     Die  Zeilen 
sind  vorgerissen.     Gef  in  dem  Gebäude  östl.  vom  Forum. 


XjX    SCxe 

A  B  V  S  Q_\ 

VE-   G  E  ^ 

I  O   -  L  O  C  I 

5 

G  -   C  •  PRIM 
VS  •  V-  S  •  L- 

2. 

Bruchstück  einer 

Tafel   aus   Sandstein.    H.  0-60,  br.  039, 

d.  0-12. 

Gef  im  Forum. 

P  A  G  ^1 

P  E  R  L  l) 

1 

L  I  C  1  N  i\ 

\o.  w.l  vaQu\s   .  .  . 

6        E  T  A  L  L  l] 

J. 

..]  ver  L{\cinium\  Licini\amim\  et  AUi\nm 

magg? 

3.  Ära  aus  Sandstein,   links  Blitzbündel,  rechts  abgearbeitet. 
II.  055,  br.  0-17,  d.  017.     Gef.  auf  dem  Begräbnissplatze. 


I       O       M 

V  •  s 

L  •   L    M 


4.  Pilaster  aus  Sandstein,  in  drei  Stücke  gebrochen,  die  an- 
einander passen.  IL  120,  br.  0"30,  d.  08.  Gef.  in  dem  Gebäude 
östl.  vom  Forum. 


19 


10 


15 


/////////v 
///m  N5  I  N  ^ 
M  I   L       LEG 

X  I  I  I  I   •   G 
L  I  B  R  A  RI^ 
N  V  iVE  R  I  S 
CVS    A  R  M 
S  I  G  N  I   i  /  / 

o  ^  /  /  V  / 

P  R         P  R 
C  ^D  I  D  A  T  ^ 
N VM I N I 
20       C  V  M-  \    PIO 
A  M  A  N)  O 

//t-  le/s-s 

[/.  0.  m.]  Dol[i]c{heno)  pro  sal{ute)  [imp{eratoris)  Caes{aris)'] 
C{ai)  [Jul{i{)  'Ver{i)  M]ax[imini  p(m)]  f{eUcis)  [invic{ti)  Au]g{usti)  .  . 
[Ul2n]ti[s?  Älmlalndianus  mü(es)  leg{ionis)  XIIII  G(eminae)  Uhrari[u]s 
numeri  s...,  cus(tos)  arm{orum),  signif[er\  optio  o{cta\v[il'\  p'{iMcipis) 
pr{{oris)  candidatus  numini  cum  TJ\l\pio  Amando  [ve]t{erano)  le[g{ionis)\ 
s{upra)  s{criptae)  p(osuit?). 

Diese  eigenthümliche  Carriere  bietet  der  Erklärung  viele  Schwie- 
rigkeiten. Es  ist  zunächst  klar,  dass  der  o2)t{o  octavi  principis 
prioris  von  einem  optio  legionis  verstanden  werden  muss.  Dann 
kann  aber  der  Dedicant  als  signifer  nicht  in  der  Legion  gedient 
haben ,  da  die  Stelle  eines  signifer  legionis  nothwendig  nach  der 
eines  optio  bekleidet  wird  ^).     Man    wird   demnach   nicht  bloss  den 


*)  Ausdrücklich  bezeugt  das  Avancement  C.  I.  L.  VIII  217:  . .  .viilifavit 
L  annis,  IV  in  leg.  III  A\ug.]  librar.,  tesser.,  optio,  signifer,  und  bestätigt  wird 
die  Angabe  dieser  Inschrift  durch  die  Analogie  des  in  zahlreichen  Beispielen  über- 
lieferten Avancements  der  hauptstädtischen  Truppenkörper.  Vgl.  Cauer  JEphem. 
epigr.  IV  p.  470. 


20 

librarius,  sondern  auch  den  custos  armorum  und  signifer  auf  den 
numerus  beziehen  müssen.  Es  ist  dies  um  so  weniger  bedenklich, 
als  signiferi  der  numeri  auch  sonst  nachweisbar  sind ") ,  der  custos 
armot'um  aber  wohl  in  keinem  Truppenkörper  der  Provinzialarmeen 
gefehlt  haben  wird^).  Für  das  Avancement  innerhalb  des  numerus 
finde  ich  nur  eine  Analogie  C.  I.  L.  VIII  2094:  C.  Julius  Dexter 
vet.,  mil.  in  ala  eq{ues),  cur(ator)  tur{mae).  armor{um)  custos,  signifer 
iur{mae).  Das  Befremdende  liegt  darin,  dass  der  armortim  custos 
zu  den  niedersten  -princii^ales  gehört ,  welche  an  Rang  unter  dem 
tssserarius  stehen*),  so  dass  ein  Avancement  des  armortim  custos 
zum  signifer,  der  an  Rang  über  tesserarius  und  optio  steht,  jeder 
Regel  zu  widersprechen  scheint.  Für  die  Inschrift  des  veteranus 
alae  lässt  es  sich  zeigen,  dass  das  abweichende  Avancement  in  der 
Organisation  der  Alen  begründet  ist.  Der  signifer  dieser  Inschrift 
ist    ein   signifer   einer  turma^).     Diejenigen   principales    der    turma, 

')  Arch.-epigr.  Mitth.  VIII  S.  34  n.  i :  Genio  cent.  Fl.  Januari  Fl.  Ävitianu.i 
sig.  n.  Suroi-um,  ebenso  C.  I.  L.  III  1396  und  Mitth.  VIII  S.  82  n.  4.  Die  beiden 
signi/eri  numeri  C.  I.  L.  V,  5823.  8752  gehören  dem  4.  Jahrhundert  an,  kommen 
also  hier  nicht  in  Betracht. 

^)  Vgl.  Cauer  Ephem.  epigr.  IV  p.  437.  Vielleicht  aus  einer  Auxiliarcohorte 
C.  I.  L.  VIII  2787.  Das  Fehlen  der  armorum  custodes  iu  den  hauptstädtischen 
Gehörten  ist  eigenthümlich  und  vielleicht  kein  Zufall ,  wie  die  Vorgänge  bei  der 
Ermordung  des  Kaisers  Galba  erkennen  lassen.  Tac.  hist.  1,  38:  nee  una  cohors 
togata  defendit  nunc  Galbam,  sed  detinet.  —  aperiri  deinde  armavientarium  iussit. 
ra/pta  staiim  arma,  sine  more  et  ordine  militiae,  ut  praetorianu^  aut  legionarius 
insignihus  suis  distingueretur :  miscentur  auxiliarihus  galeis  scuUsque.  Ebenso  heisst 
es  von  der  cohors  XVII  (wahrscheinlich  doch  eine  cohors  urbana,  vgl.  Mommsen, 
Hermes  XVI  S.  643  —  647)  Tac.  hist.  1,  80:  septumam  decumani  cohcrtem  e  colonia 
Ostien.n  in  urhem  acciri  Olho  iusserat;  armandae  eius  cura  Varia  Crispino  tribuno 
e  praetorianis  data,  is  quo  magis  vacuus  quietis  castris  iussa  exsequeretur ,  vehiczda 
cohortis  incipiente  nocte  onerari,  aperto  armamentario,  iuhet.  Demgemäss  haben  die 
Soldaten  der  cohortes  praetoriae  und  urbanae  ihre  volle  Rüstung  regelmässig  niclit 
getragen,  auch  befanden  sich  diese  Waffen  nicht  bei  den  Truppen,  sondern  wurden 
in  dem  grossen  Zeughaus  im  Prätorianerlager  aufbewahrt.  Auf  dieses  armavien- 
tarium möchte  ich  die  scribae  armumentarii  der  Inschrift  C.  I.  L.  VI  999  bezichen. 
*)  In  dem  Verzeichniss  der  duplarii  der  legio  III  Aug.  C.  I.  L.  VIII  2564 
ist  ohne  Zweifel  AR  (6,  16)  =  ar{viorum),  welcher  Ausdruck  eine  Verkürzung  ist  des 
gewöhnlichen  armorum  custos,  wie  die  Inschriften  C.  I.  L.  VIII,  2912  vgl.  mit  2983, 
sowie  2908  u.  2909  vgl.  mit  2910  zeigen.  Die  principales  dieses  Verzeichnisses 
sind  nach  ihrem  Range  geordnet,  worauf  ich  in  meiner  Schrift  „die  Fahnen  im 
römisclien  Heere^  S,  8  Anm.  5  aufmerksam  gemacht  habe.  Der  armoruvi  steht  hier 
ganz  entsprechend  der  Angabc  des  Tarruntenius  Pateruus  Dig.  50,  6.  7  mitten  unter  den 
immunes.  Vgl.  auch  E.  E.  II,  693.  Ein  artnorum  custos  et  duplarius  auch  in  der 
Inschrift  C.  I.  L.  III  3556. 

*")  Vgl.   ^Dio  l'\'i]mfn   im   römisi'Iion   ITcero"   8.  27. 


21 

welche  dem  optio  und  tesserarius  der  Fusstruppen  entsprechen,  stehen 
im  Range,  wie  eine  Stelle  in  der  Lagerbeschreibung  des  sog.  Hyginus 
erkennen  lässt "),  unmittelbar  unter  dem  decurio,  dem  Commandanten 
der  tiirma.  Der  signi/er  turmae  ist  demnach  diesen  prindpales  unter- 
geordnet, und  dies  ist  der  Grund,  weshalb  der  custos  armorum  un- 
mittelbar zum  signifer  avancirt.  Dass  diese  Erklärung  zweifellos 
das  Richtige  trifft,  zeigt  eine  Liste  einer  turma  der  equites  singulares 
imperatoris  C.  I.  L.  VI  224c  nomina  turmae:  dec(urio),  dup{licarius), 
sesquipUcarnts ,  2  Namen  von  gregales,  sig{nifer)^  arm{orurn  custos), 
cur{ator)j  h{eneficiarnis),  Ub(rarius),  h{eneficiarius).  Das  Avancement 
in  der  Inschrift  aus  Carnuntum  bietet  demnach  eine  vollständige 
Uebereinstimmung  mit  dem  Avancement  der  Cavallerie  ^) ,  so  dass 
man  zu  dem  Schlüsse  gedrängt  wird,  dieser  numerus  selbst  sei  eine 
Reitertruppe  gewesen.  Wenn  sich  auf  diese  Weise  für  das  ab- 
weichende Avancement  eine  befriedigende  Erklärung  finden  lässt, 
so  liegt  eine  weitere  Schwierigkeit  in  dem  Umstände  vor,  dass  ein 
miles  legionis  in  den  numerus  übertrat  und  dann  als  principalis  in 
der  Legion  weiter  diente.  Denn  die  wenigen  Fälle,  in  welchen 
Legionare  in  die  Auxilia  eintreten,  zeigen,  dass  man  sie  als  Ab- 
theilungscommandanten,  als  Decurionen  und  Centurionen  verwen- 
dete^}, wiewohl  auch  diese  Stellen  regelmässig  aus  den  prindpales 


*)  §.  16:  habent  equos  singuli  decuriones  teimos ,  duplicarii  et  sesquiplicarii 
binos,  fiunt  super  nuvierum  equorum  mille,  deductis  singulis  qid  in  numerum  compu- 
tantur  nonaginta  sex.  Demnach  hatte  der  signifer  turmae  nur  ein  Pferd  und  die 
beiden  anderen  prindpales  mit  zwei  Pferden  sind  ihm  sicher  übergeordnet  gewesen. 
Den  Rang  des  duplicarius  unmittelbar  unter  dem  decurio  bestätigt  auch  die  gleich 
anzuführende  Inschrift  C.  I.  L.  VIII  2354. 

')  Auch  der  Eang  des  librarius  unter  dem  custos  armorjim  findet  sich  in  dem 
Verzeichniss  der  turma. 

*)  C.  I.  L.  III  647:  C.  Vibius  C.f.  Cor.  Quartus  mil.  leg.  V  Macedonic,  decur. 
alae  Scubulor.,  praef.  coli.  III  Cyreneic.  VIII  2354J:  M.  Anni  M.  f.  Quir.  Martialis  mil. 
leg.  III  Aug.,  duplic.  alae  Pann.,  dec.  al.  eiusdem,  1  leg,  III  Aug.  et  XXX  Ulpiae  Victric. 
missi  honesta  viissione  ab  imp.  Traiano.  —  Ephem.  epigr.  IV  236:  ...Front^o  Ari- 
min(o)  mil.  leg.  XIII  donat.  torq.  armil.  phal.  et  7  coh.  1  Camp.  an.  LX.  —  Im 
wesentlichen  gleichartig  ist  auch  C.  I.  L.  V  522:  L.  Amins  L.  f.  Pup.  Passus 
mil.  leg.  XV  Apol,  mil.  coh.  I  pr.,  7  coh.  II  c.  R.,  7  leg.  XUII  Ge.  C.  I.  L.  VIII 
9391  (nach    meiner   Ergänzung   Mitth.  V  S.  205  Anm.   10):  L.   Terentius  Secun[dus 

....  natio]ne  Noricu^  h.  s.  es[t ;  in  leg mil,  ann.   . . . ,  inde]  franslatus  in  prae  ■ 

torio  [mil.  ...  ann.  ...,  7]  coh.  H  Breucorum  mil.  [ann.  .  .  Denn  das  Eigen- 
thümliche  liegt  in  dem  Uebertritt  aus  einer  von  römischen  Bürgern  gebildeten 
Truppe  in  die  auxilia. 


22 

der  Auxiliartruppen  selbst  besetzt  wurden'*').  Ist  es  demnach  un- 
möglich, dass  der  Legionär  unter  die  niedersten  principales  eines 
gewöhnlichen,  aus  Peregrinen  gebildeten  numerus  eintrat'"),  so  gibt 
es  doch  einen  numerus  in  der  Provinzialarmee  von  so  eigenthüm- 
licher  Zusammensetzung,  dass  bei  ihm  diese  Schwierigkeiten  viel- 
leicht nicht  bestehen.  Ich  meine  den  mimeriis  der  singulares  des 
Statthalters  ").  Nach  der  Organisation  dieses  Truppenkörpers  bleiben 
die  dazu  ausgewählten  Leute  in  dem  Stande  der  Truppen,  denen 
sie  früher  angehörten  *'^).  Danach  wäre  dieser  Mann  aus  der  Legion 
überhaupt  nicht  ausgetreten,  und  der  Verlauf  seines  Avancements 
wird  verständlich. 


*)  Denn  die  Decurionen  sowohl  als  die  Centurionen  sind  Peregrine,  wie  die 
Entlassungsdiplome  (D.  XXI,  C.  I.  L.  III  p.  864  und  D.  LXXVIII,  Eph.  epigr.  V 
p.  611,  sowie  besonders  D.  LXXII  Eph.  epigr.  IV  p.  508)  beweisen.  Es  kommt 
hinzu ,  dass ,  während  der  Corpswechsel  bei  den  Centurionen  der  Bürgertruppen 
nicht  selten  eintritt,  die  Centurionen  der  Auxilia  in  den  zahlreichen  Carrieren  von 
Prätorianer-  und  Legionscenturionen  so  gut  wie  ganz  fehlen.  Das  einzige  sichere 
Beispiel  C  1.  L.  VIII  3005 :  7  leg.  1  Adiut.  7  leg.  XX  V.  V.  7  leg.  XI  Cl.  7  leg.  1 
Ital.  7  coh.  III  Bra.  vix.  a.  LXII  —  denn  C.  I.  L,  V  522  ist  anderer  Art  (siehe 
Anm.  8)  —  wird  daher  so  erklärt  werden  müssen,  wie  ich  es  für  das  ähnliche 
Avancement  eines  decurio  Mitth.  V  S.  207  vorgeschlagen  habe,  dass  jener  Mann 
den  Legionscenturionat  erst  nach  seiner  missio  aus  der  Cohorte  erhielt. 
'")  Vgl.  über  die  numeri  Mommsen  im  Hermes  XIX  S.  219. 
")  Dass  diese  equites  singidares  einen  numerus  bilden ,  hat  Mommsen  mit 
Kecht  bemerkt  Ephevi.  epigr.  IV  p.  404  und  beweisen  zwei  Inschriften  Ephem.  epigr. 
IV,  166:  Dasati  Cenobarbi  eq.  alae  Batavoncm  ex  n.  sing.  —  verdorbener  Name 
de[c].  ex  n.  eodem.  Wohl  aus  der  ersten  Hälfte  des  2.  Jahrhunderts,  wie  das  Fehlen 
des  Zusatzes  conaularia  und  auch  die  Namensform  beweist;  ebenso  VIII,  9292: 
dnplicarius  ex  numerum  singularium  (das  vorausgehende  aiutor  ist  wohl  ein  Theil 
des  Namens).  Ob  die  pedites  singulares  und  die  equites  singidares  zwei  oder  nur 
einen  numerus  bildeten,  lassen  die  Inschriften  nicht  erkennen. 

*')  Bramb.  1125:  Januarius  Polens  decurio  alae  I  Sctibulor.  sin.  cos.  314: 
Ti.  Ulpiua  Acutus  du[p].  al.  Sulp,  sing,  cos.  315:  Petitor  Pirohori  mil.  coh.  U  Ver. 
sing.  COS.  C.  I.  L,  III,  3272 :  M.  ülp.  Super  dec.  alae  praetoriae  c.  B.,  ex  s.  c.  alae 
I  c.  R.,  an.  XXXn,  stip.  XVI.  4812:  Äel.  Martius  s.  c.  coh.  I  Ael.  Brit.  und  Fl. 
Tacitus  s.  c.  alae  Aug.  5938 :  M.  Vir.  Marcellus  dec.  al.  I  F.  s.  A.  sing.  cos.  VII,  229 : 
L.  Jul.  Maximus  s.  c.  alae  Sar.  Arch.-epigr.  Mitth.  VI  S.  44  n.  90:  M.  Ulp.  Marcianus 
vet.  ex  s.  c.  a.  I  D.,  ebenso  pedites  singidares  Bramb.  914:  Faustinio  Fau^tino 
Sennauci  Florionis  fil.  mil.  coh.  I  F.  D.  ped.  sing.  cos.  VIII,  9393 :  Vereius  Victor  miles 
cohortis  quarte  Sucambrorum  pedis  sing,  cenluria  F^ori.  Aus  einer  Legion  C.  I.  L. 
III,  1651  add.:  Jul.  Bassus  vi.  leg.  III  P.  s.  cos.  (allerdings  dürfte  die  Copie  wenig 
zuverlässig  sein),  und  vielleicht  sind  auch  C.  I.  L.  VI,  3339  u.  3614  darauf  zu 
beziehen.  Die  equites  singidares  des  Statthalters  von  Spanien  sind  gemeint  in  der 
Inschrift  C  I.  L.  II,  4083  :    Marti  campestri  sac.  pro   sal.   imp,  M.  Aur.   Commodi 


23 

Zuletzt  bezeichnet  sich  der  Dedicant  als  candidatus.  Wie 
Mommsen  gezeigt  hat,  findet  sich  candidatus  sowohl  als  militärische 
Charge,  als  auch  als  Bezeichnung  eines  Grades  unter  den  cultores 
des  Dolichenus  ^^).  Beide  Bedeutungen  erscheinen  nach  dem  Zu- 
sammenhang gleich  zulässig,  und  es  ist  schwierig  eine  Entscheidung 
zu  treffen.  Es  wird  zunächst  nöthig  sein,  darzulegen,  was  sich 
über  den  candidatus  im  militärischen  Sinne  ermitteln  lässt.  In  einer 
Ehreninschrift  eines  Statthalters  von  Moesia  inferior  aus  der  Zeit 
des  Alexander  Severus  heisst  der  Dedicant  C.  I.  L.  III  6154:  Fl. 
Severianus  dec.  alae  1  Atectorum  Severiane  candidatus  eius.  Eine  neu 
gefundene  Inschrift  aus  Afrika  hat  nun  gelehrt,  dass  der  Statthalter 
das  Recht  hatte,  geeignete  Decurionen  zur  Beförderung  zum  Cen- 
turionate  vorzuschlagen  '*),  und  dieses  Avancement  findet  sich  in 
mehreren  Beispielen  ^^).  Aber  nicht  nur  die  principales  der  Auxilia, 
sondern  auch  die  der  Legion  sind  ganz  regelmässig,  wie  relativ 
zahlreiche  Beispiele  erkennen  ^")  lassen,  zum  Centurionat  befördert 


Äug.  et  equit.  sing.  T.  Aurel.  Decimus  1  leg.  VD  G-  Fei.  praep.  simul  et  camp.,  wie 
der  Fundort  beweist  und  das  Fehlen  des  Zusatzes  Äug.  oder  imp,  n. ,  welcher  bei 
den  kaiserlichen  equites  singulares  nicht  fehlen  könnte.  Vgl.  auch  Arch.  -  epigr. 
Mitth.  VI  S.  101  n.  9:  Eponab.  et  campestrib.  sacr.  M.  Calventius  Viator  7  leg.  Uli 
F.  F.  exerc.  eq.  sing.  C.  Ävidi  Nigrini  leg.  Äug.  pr.  pr.  Auf  den  Numerus  der 
Singulares  wird  sich  demnach   auch  die  Inschrift  Mitth.  VIII  S.  82  n.   4  beziehen. 

")  Vgl.  Ephem.  epigr.  IV  p.  532  Anm.  2. 

")  Ephem.  epigr.  V,  1043 :  ...  pro  sal(ute)  [M.  Äemi]li  Macri  l[eg.  Äug.^  pr. 
p)r.  c.  V.  pr[opter'i.\  cuius  suf[frag{ium)]  a  sacratiss(imo)  [imp(eratore)]  ordinibu[s  ad- 
scriptus  suvi]  —  eo  d[ie  ex]  dec{urione)  sum  pro[m6\tus,  votum  [so]lvi  meo  no[m[ine)], 
Catulus  7  [leg(ionis)]  III  Äug. 

*^)  Arcli.-epigr.  Mitth.  V  S.  203:  T.  Calidius  P.  Cam.  Sever.  eq.,  item  optio, 
decur.  coh.  I  Alpin.,  itevi  7  leg.  XV  Apoll.  C.  I.  L.  VIII,  2801:  Älßus  Blasius  7  leg. 
III  Aug.  Cecilio  Cecilio  (sie)  Proculeiano  mil.  leg.  candidato  condecurio  ex  Campania 
memoria  fecit.  2817:  Äurelius  Ä[vian]dus  7  leg.  III  Ä[iig.]  hie  situs  e[st];  T.  fil.  ex 
dec.  eq.  sing.  imp.  9045:  P.  Aelio  P.  f.  Q.  Primiano  —  trib.  coh.  HU  vig.  ex 
dec.  al.  Thrac.  (denn  die  Zwischenstufe  des  Centurionates  muss  hier  wohl  voraus- 
gesetzt werden).  C.  I.  L.  II  4147;  M.  Äur.  M.  f.  Pap.  Lucilio  Poetovion{e)  ex  sin- 
gidarib,  imp.,  7  leg.  I  adiut. 

'*)  C.  I.  L.  II,  1681 :  C.  Julio  L.  f.  8er.  Scaenae  decurio[ni]  eq,,  centurioni 
hastaio  primo  leg.  IUI.  C.  I.  L.  III,  2035  :  M.  Jul.  M.  f.  Vol.  Äquis  Bextiis  mil. 
leg.  VI  Victric.  [7]  leg.  VIII  Äug,  —  V,  940:  Val.  Äulucentius  leg.  XI  Cl.,  milita- 
gr egales  ann.  XIIII  et  centurio  ann.  III.  942:  Val.  Longinianus  vixit  annos  XLV, 
militavit  optio  leg.  XI  Clau.  ann.  XV,  centurio  ord.  ann.  VI.  7004 :  ...  Ovius  L. 
f.  [St\e.  Peregrinus  \mil.  V\eg.  XXU  pr.  p.  fid.  —  optio,  centurio  legi[onig]  eiusdem. 
7872 :  P.  Enistalius  P.  f.  Cl.  Paternus  Cemenelensis  optio  ad  ordine,  7  leg.  XXU 
Primigeniae.  8278:  Julius  centurio  supe7mumerarius  leg.  XI  Claudiae  stip.  XXT77T 
annor.  circiter  XXXX;  tiro  probitus  ann.  XVI,  postea  profecit  disces   equitum,  ordine 


24 

worden,  und  zwar  auch  hier,  wie  ausdrücklich  bezeugt  ist,  über 
Vorschlag  des  Statthalters  ''^).  Es  ist  daher  verständlich,  dass  ein 
centurio  legionarius  sich  als  candidatus  eines  Consulars,  also  seines 
ehemaligen  Statthalters  bezeichnet,  Bull.  d.  Com.  mu)i.  1881  p.  15: 
Tit(ov)  Ai\(iov)  Naiß(iov)  'Avtüjviov  Zeßfipov  töv  Xa^TTpÖTaTov  uTTaii- 
Kov,  TÖV  euepYeiiiv,  'IcuXioi  'louXiavog  cpp(ou|uevTdpioq)  OuaXevTeivo(; 
(eKaidvTapxo^)  XeYi(u)Voq)  Kavöibdioi  auToö  '^j.  Die  candidati  werden 
daher  als  die  vom  Statthalter  zur  Beförderung  zum  Centurionat 
als  qualificiert  bezeichneten  lyrinci'pales  aufzufassen  sein.  Dann 
aber  wäre  in  unserer  Inschrift  —  die  Beziehung  auf  einen  miUtä- 
rischen  Grad  vorausgesetzt  ^^)  —  candidatus  unmittelbar  mit  optio 
zu  verbinden,  und  wir  haben,  wie  in  der  oben  angeführten  Inschrift 
einen  decuno  candidahis,  so  hier  einen  optio  candidatus  zu  erkennen. 
Wenn  in  einer  Inschrift  unter  den  Mitgliedern  eines  Veteranen- 
collegiums  drei  sich  als  ex  candidato  bezeichnen,  so  geht  hieraus 
hervor,  dass  jene  Aufnahme  in  die  Expectantenliste  noch  keinen 
nothwendigen  Anspruch  auf  Beförderung   gab'^").     Fassen    wir  can- 


factus  mag.  equüum,  positus  hie.  C.  I.  L.  VI ,  3603 :  Jul.  Crescens  ex  leg.  VJI  Ol. 
ordinatus  1  in  leg.  TlJl  Scyth.  C.  I.  L.  VIII,  702:  Julius  Pro[bi]nus  ohiit  in  Gallia 
morte;  —  la[te'\ribiis  Oermaniae  vieruit  specul[a]t.  et  cornicul[ari]u[s]  legionis.  Initium 
vitis  vitae  fuit  finis.  C.  I.  L.  VIII,  2848:  L.  Coi-nelio  Catoni  r  leg.  111  Aug.  qui 
et  caligatus  stip.  XHll.  (Denn  ich  glaube,  dass  caligatus  hier  nicht  als  Cognomen 
verstanden  werden  darf.  Vgl.  C.  I.  L.  VIII,  2554  6  22).  Bramb.  1559:  C  . .  . 
Titi  [1]  leg.  ex  cor.  1752 :  P.  Ferrasitn  Ol.  Ävitus  Savaria  1  \l~\eg.  VIII  Aug.  p. 
f.  Co.  ex  aquilifero  leg.  I  adiutricis.  Epliem.  epigr.  II,  704:  7  leg.  VI  Ferrat.  qui 
est  prob,  in  leg.  11  A.  Boissieu,  I.  L.  p.  300:  [7  legionis  1  Mi]nerviae,  qui  militavit 
1  ann.  VE  ex  cornucl.  Bh.  I.  B.  60  S.  52:  O.  Valeri  Quirina  Titas  7  legionis  ex 
comiculario  cos. 

")  C.  I.  L.  VIII,  217:  militavit  L  annis,  IV  in  leg.  111  A[ug.]  librar.,  tessei-., 
optio,  aigni/er,  /actus  ex  suffragio  leg.  [Aug.  pr.  pr.]  7  militavit  7  leg.  II  Ital.  Denn  so 
ist  nach  Analogie  der  Inschrift  Ephem.  epigr.  V,  1043  (vgl.  Anm.  14)  zu  ergänzen. 
'*)  Der  frumentarius  als  candidatus  bestätigt  nur  diese  Auffassung.  Der 
numerus  der  fnimentarii  ist  zwar  in  Koni  stationirt,  wird  aber  aus  Soldaten  der 
Legionen  gebildet  (vgl.  meine  Auseinandersetzung  in  Manjuardt  Staatsverw.  II' 
S.  491  ff.)-  Es  ist  daher  ganz  entsprechend ,  dass  der  Statthalter  die  für  diesen 
Dienst  geeigneten  Leute  namhaft  machte,  wenn  auch  die  Ernennung  sicher  vom 
Kaiser  geschah. 

'")  Ich  glaube  nicht,  dass  numini  mit  candidatus  zu  verbinden  ist;  die  "Wie- 
derholung scheint  mir  durch  die  Einführung    des  zweiten  Dedicanten  veranlasst. 

";  C.  I.  L.  VIII,  2618.  Dass  eine  solche  Einreihung  unter  die  Expectanten  that- 
sächlich  stattfand,  zeigen  auch  C.  I.  L.  V,  6423 :  Caecili  Valentini  opt{ionis)  spei  leg. 
XIII  [0.],  qui  vixit  annis  X Villi  menses  7/7  dies  XVIIl.  C.  I.  L.  III,  3445 :  L.  Sep- 
t(imius)Con8tantinus  optio  spei  leg.  II adi.  p.f.  Antoiiinianae.  Dass  diese  Hoffnung  nicht 
immer  verwirklicht  wurde  ,    ergibt   sich  aus  C.  I.  L.  VIII,  2554 :  Pro  salute  Augg. 


25 

didatus  in  unserer  Inschrift  als  militärisclien  Grad,  so  ist  die  Ver- 
anlassung, welche  den  Dedicanten  zu  der  ganz  singulären  Auf- 
zeichnung seiner  Carriere  bestimmte,  klar.  Der  Mann,  der  am  Ende 
seines  Dienstes  als  caligatus  stand  und  nun  in  den  ehrenvolleren 
Centurionat  übertreten  sollte,  nannte  die  ganze  Reihe  der  militäri- 
schen Grade,  welche  er  bisher  durchlaufen  hatte  und  errichtete  das 
Denkmal  zum  Heile  des  Kaisers,  von  dem  er  die  Beförderung 
erhoflfte. 

5.  Bruchstück  einer  umrahmten  Tafel,  in  mehrere  Stücke  zer- 
brochen.    Gef.  in  dem  Gebäude  östl.  vom  Forum. 


c) 

D 


Am  Schlüsse  stand  wahrscheinlich  die  Datirung  nach  den 
sacerdotes. 

6.  Votivsäule  aus  Marmor.  H.  0"51,  d.  0"36.  Gef.  in  dem  Ge- 
bäude östl.  vom  Forum. 


10 


*   (O         M  H 

V  E    N    E    R    1 

V  I  C  T  k  C  I 
M  ■  T  I  T  I  V  S 

feLodorvs 

AVG - COL 
KAR  ■  V  •  S 
SACERDOTIBVIBIO 
CRESCENTE-'E-  HEREN 
N  I  G  R  1  N  I  A  N  O 


Z.  6:  aug{ustal{s). 


optiones  scholam  suavi  cumstatuis  et  imaginibiis  domus  [di]vinae  item  diis  co7iservalorib(us) 
eontm  ex  largissimis  stipend[ii\9  et  UberaUtatib(us),  quae  in  eos  conferunt,  fecer{unt) 
curante  L.  Egnatio  Myrone  q{uaestore) ;  ob  quam  sollemnifatem  decreverunt,  uti  collega 
proficiscens  ad  spem  mam  confirmandam  accipiat  (sestertium)  VIII  mil{ia)  n{nvimum). 
Vgl.  auch  Mommsen  EpJi.  epigr.  IV  p.  471  Aniu.   1. 


26 

7.  Ära  aus  Sandstein.     H.  0-45,  br.  020,   d.  019.     Gef.  auf 
dem  Begräbnissplatz. 

S  I  L  V  A  N  O 
AVG  •  C  •  SAC 
I  I    I  C  A  I  I  A        Sic 
V  ■  S  '   I  •  M  •        SIC 

8.  Ära  aus  Sandstein,  sehr  verwischte  Schrift.  H.  0*28,  br.  018, 
d.  0l3.     Gef.  auf  dem  Begräbnissplatz. 

S  I  L  V  A  N   O' 

AVG    SAG 
V    O    T    V    Wll 

s)  G  l  V  i  t( 
5  ,T  -  S  V  /  /  I 

9.  Ära  aus  Sandstein.  H.  0-34,  br.  0*18.  Gef.  in  dem  Gebäude 
östl.  vom  Forum. 

S  I  L  V  A  N  O 
•DOMES 

10.  Bruchstück  einer  Ära   aus    Sandstein.    Gef.  auf  dem  Be- 
gräbnissplatz. 


11.  Ära  aus  Sandstein.    H.  0-38,  br.  020,  d.  0-10.    Die  Buch- 
staben roth  ausgemalt.    Gef.  auf  dem  Begräbnissplatz. 


12.  Bruchstück  einer  Ära  aus  Sandstein.     Zeilen  vorgerissen. 
Gef.  auf  dem  Begräbnissplatz. 


JA  1  N  V; 

&  E.  G  A 

EXXUIlGl 
..X8  •   L 


27 

13.    Bruchstück   aus  Sandstein.    Gef.  im  Forum   in    der  Nähe 
der  nordöstl.  Ecke. 


Imp.  Caes.  divi  M.  Antonini  Pii\  Germ.  Sar\jiyi.  filio  L.  Septim]io 
Sev[ero  Pio  Pertinaci  Äug.]  Arah.   [Adiab.  Parthic.  max.  etc. 

14.  Grabstele  aus  Sandstein  mit  Giebel;  die  sehr  verwitterte 
Inschrift  im  umrahmten  Felde.  H.  1*38,  d.  0"68.  Gef.  auf  dem 
Begräbnissplatz,  als  Seitenplatte  eines  Sarkophages  verwendet. 

,C  L    /    V  D 
jO        PC 
A  V  V    BT 
G  X  V  Ä" 
5  C  L  A  V  D 

s/A/t  O  P  F 

. .  Cl[a\ud[i\o  Po[l.  F]av{entia)  vet.  \le\g.  XV  Ap{ollinans)  .  . , 
Die  Lesung  der  letzten  Zeile  ist  unsicher,  da  schlechte  Beleuchtung 
die  Entzifferung  der  zerstörten  Reste  sehr  erschwerte. 

15.  Gi'abstele  aus  Sandstein.  Oben  gebrochen,  die  Inschrift 
im  umrahmten  Felde,  darunter  zwei  Delphine,  mit  den  Schwänzen 
um  einen  Dreizack  geschlungen.  Gef.  auf  dem  Begräbnissplatz, 
als  Deckplatte  eines  Sarkophages  verwendet. 


c-ivl  valenti- vet- legi  adn 
lvii  ■  et-  ivliae  ivliaeconi 
eivs-anxxxvi-etivlvalen 
tinae-filiaeeorvman.w: 
5  etivl-cassiano-an'  /C-  IVL 
PRAETORINVS  ?  Aj  renti 
BVSETSORORi-CJ  arissimis 

F  E  C  1  T      ', 

Z.  5:  a[n.v?]  / 

16.  Grabstele  mit  steilem  Giebel.  Patera  im  Tympanon,  in 
den  Zwickeln  ebenfalls  Paterae,  in  den  Ecken  Festons.  Inschrift  im 
umrahmten  Felde.  H.  1-86,  br.  0-80,  d.  0-25.  Gef.  auf  dem  Be- 
gräbnissplatz. Als  Seitenplatte  jenes  Sarkophages  verwendet,  dessen 
Deckplatte  Nr.  15  bildete. 


28 


C  •    Vi   L    E    R    I 
V  S  •    C  •    F  GA  L 
PROCVLVS 
CALAGV  R  k 
Ö  EQjLEGXiCF  SIC 

7  V  1  N  D  I  C  I  S 
AN  •  XXX  S't'IX 
H-  S-  E-  T-F  •  I 

H    F    C 

C{aius)  Valerius  C{ai)  f{ilius)  Gal(eria)  Proculus  Calagurri 
eq{ues)  legiionis)  XI  C{laudiae)  [ylae]  /(idelis)  (centuria)  Vindicis 
an{norum)  XXX  stii){endiorum)  IX  h{ic)  s{itus)  e{st)  t{estamento)  fixer i) 
i{ussit),  h(eres)  fiaciendum)  c{uravit). 

Ziegel  mit  dem  Stempel  der  legio  XI  C{laudia)  p(ia)  /(idelis), 
welche  in  dem  Standlager  Brigetio  zu  Tage  gekommen  sind,  hatten 
bereits  früher  gezeigt,  dass  diese  Legion  vorübergehend  in  Ober- 
pannonien  stationirt  war^).  Es  scheint  unbedenklich,  dieses  Zeugniss 
mit  unserer  Inschrift  zu  combiniren,  um  so  eine  nähere  Bestimmung 
des  Zeitpunktes  zu  gewinnen,  in  welchem  die  legio  XI  Claudia  dem 
Heere  von  Oberpannonien  angehörte.  Die  Reihenfolge  der  wech- 
selnden Standquartiere  dieser  Legion  ist  im  wesentlichen  gesichert. 
Sie  stand  von  Augustus  bis  auf  Vespasian  in  Dalmatien  und  gieng 
von  hier  nach  Obergermanien,  wo  ihrer  noch  unter  Trajan  auf  einer 
Inschrift  Erwähnung  geschieht;  seit  Antoninus  Pius  endlich  ist  sie 
in  Moesia  inferior  nachweisbar").  Da  Valerius  Proculus  aus  Cala- 
gurris  in  Hispania  Tarraconensis  stammt^),  so  muss  er  ins  Heer 
eingetreten  sein  vor  Hadrians  grosser  Reform  der  Aushebungs- 
ordnung, nach  welcher  die  Legionen  sich  aus  den  Provinzen  er- 
gänzen, in  welchen  sie  stationirt  sind"*).  Berücksichtigt  man  ferner, 
dass  das  Lager  von  Brigetio  nicht  vor  Trajan  errichtet  worden^), 
so  ergibt  sich  als  angemessenste  Datirung  unserer  Inschrift  der 
Anfang  des  zweiten  Jahrhunderts.    Vielleicht  ist  das  Auftreten  der 


')  Ephem.  epiyr.  II,  921. 

')  Vgl.  hierüber  Mommsen  im  C.  I  L,  111  p.  '280  uud  Ephem.  epigr.  IV 
p.  .028. 

^)  Die  Galeria  ist  auch  sonst  als  die  Tribus  von  Calagunis  nachweisbar; 
vgl.  W.  Kuljitschfk  De  Romanarum  Iribnum  orifjine  ac  propagatione  p.   168. 

■•)  Vgl.  Moinmson  im  Hermes  XIX  S.  21. 

•')  Vgl.  Mommsen  C.  I.  L.  III  p.  539. 


29 

legio  XI  Claudia  in  Pannonien  mit  Trajans  dacischen  Kriegen  in 
Verbindung  zu  bringen.  Die  Armee  von  Pannonien  hat  an  diesen 
Feldzügen  nachweislich  in  hervorragender  Weise  theilgenommen, 
da  ihr  Commandant  im  ersten  Kriege  die  militärischen  Decorationen 
erhielt  und  auch  sonst  ausgezeichnet  wurde'').  Eine  pannonische 
Legion,  die  XIII  Gemina,  wurde  dauernd  nach  Dacien  verlegt'). 
Es  ist  daher  durchaus  möglich,  dass  zum  Schutze  der  entblössten 
Donaugrenze  Legionen  vom  Rhein  herangezogen  wurden^). 

Ein  besonderes  Interesse  gewinnt  unsere  Inschrift  jedoch  durch 
den  Umstand,  dass  der  eques  legionis  die  Centurie  nennt,  in  welcher 
er  gedient  hat,  wie  dies  nur  noch  in  einer  Inschrift  C.  I.  L.  VIII, 
2593:  Äel.  Sevems  eques  leg.  III  Aug.  7  Jul.  Candidi ,  wiederkehrt. 
Die  Analogie  der  equites  der  Prätorianercohorten  bietet  ein  Mittel, 
diese  Eigenthümlichkeit  der  Organisation  klar  zu  stellen.  Auf  den 
Grabschrifien  dieser  Reiter  wird  bekanntlich  in  der  überwiegenden 
Zahl  von  Fällen  die  Centurie  hinzugefügt.  Dass  man  aber  hier 
nicht  besondere  Centurien  der  Reiterei  erkennen  darf,  zeigen  die 
Listen  entlassener  Prätorianer.  Diese  sind  nach  Centurien  und 
Cohorten  geordnet  und  bei  den  Namen  der  Chargirten  ist  der  Rang 
hinzugesetzt^).  Als  ein  solcher  Zusatz  erscheint  aber  wiederholt 
auch  eques  '").  Am  lehrreichsten  ist  in  dieser  Beziehung  eine  Liste, 
welche,  wie  Bormann  wahrscheinlich  gemacht  hat^'),  das  Bruch- 
stück des  Standesverzeichnisses  einer  Centurie  enthält.  Hier  finden 
wir  neben  53  pedäes  und  principales,  7  equites^").  Diese  Art,  die 
equites  in  den  Listen  zu  führen,    beweist,    dass    sie   als  prindpales 


«)  Vgl.  Mommsen  C.  I.  L.  V  p.  785. 

')  C.  I.  L.  III  p.   160. 

*)  So  war  auch  die  I  adiutrix,  tl'.e  zusammeu  mit  der  XI  Claudia  unter 
Tratan  auf  einer  rheinischen  Inschrift  erscheint  (Br.  1666  vgl.  dazu  Zangemeister 
in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  3  S.  246),  in  den  dacischen  Kriegen  vei'- 
wendet  worden,  vgl.  C.  I.  L.  III,  1628.  Es  verdient  noch  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  die  XI  Claudia  zur  Zeit  von  Hadrians  britannischem  Feldzug  nicht  mehr  in 
Obergermanien  stand,  wenn  anders  die  Inschrift  C.  I.  L.  X,  5829:  praepositus 
vexillalionibus  viilliariis  trihus  expeditione  Brittannica  leg.  YJI  Gemin.,  VIII  Aug., 
XXn  Primig.  alle  Legionen  Obergerraaniens  nennt,  wie  dies  an  sich  das  wahr- 
scheinlichste ist. 

")  C.  I.  L.  VI  p.  651  fif. 

•»)  C.  I.  L.  VI  23756  3,  30.     Ephem.  epigr.  IV,  894c,  23.896  2?.  11,15.21. 

")  Ephem.  epigr.  IV  p.  320. 

")  C.  I.  L.  VI,  2382a.  h. 


30 

galten  und  die  equites  einer  Cohorte  über  alle  Centurien  vertheilt 
waren.  Den  Rang  dieser  equites  praetoriani  lernen  wir  aus  zwei 
Inschriften  kennen:  C.  VI,  2601:  I).  M.  Aur.  Bito  eq.  cor.  VI  pr. 
natione  Trax  cives  Filopulitanus  an,  p.  m.  XXXV  qui  mtl.  an.  XVII 
sie:  in  legione  I  Italica  an.  II,  in  cor.  II  pret.  munifex  an.  XIII, 
f actus  eq.  mil.  menses  n.  X.  —  H.  6771  =  Wilm.  1598:  C.  Arrio 
Com.  Clementi  militi  coli.  IX  pr.  equiti  coh.  eiusdem  donis  donato  ah 
imp.  Traiano  torquibus  armillis  plioleris  oh  hellum  Dacicum,  sinqulari 
praefectorum  pr.,  tesserario.  Sie  gehören  demnach  zu  jener  nieder- 
sten Classe  von  Chargirten,  welche  im  Range  zwischen  den  gregarii 
und  dem  tesserarius  stehen  und  in  der  Organisation  sowohl  als  für 
das  Avancement  einen  festen  geschlossenen  Kreis  bilden  ^^). 

Aehnliche  Erscheinungen  kehren  bei  der  Legionsreiterei  wieder. 
In  den  Listen  werden  sie  nicht  in  besonderen  Abtheilungen,  sondern 
innerhalb  der  Gehörten  geführt'"*).  Bei  ihnen,  wie  bei  einigen 
anderen  principales  finden  sich  discentes  '^).  Eine  allerdings  späte 
Inschrift  setzt  sie  ausdrücklich  den  munifices  entgegen  '^).  Aus  ihrer 
Stellung  als  principales  ist  es  auch  zu  erklären,  dass  sie  gleich  den 
anderen  principales  in  der  Legion  eines  jener  eigenthümhchen,  wahr- 
scheinlich von  Septimius  Severus  geschaffenen  Collegien  bildeten"). 
Die  Centuria  des  eques  legionis  ist  demnach  die  Bezeichnung  der 
Abtheilung,  in  deren  Standesliste  dieser  eques  geführt  wurde. 


")  Eine  Erörterung  dieser  Verhältnisse  kann  an  dieser  Stelle  nicht  gegeben 
werden. 

'0  Vgl.  C.  I.  L.  III,  6178—6180.  VIII,  256.5&,  6.  2567,  34.  Dass  sie  in 
dem  Verzeichniss  der  Vexillatio  Eph.  ep.  IV  p.  525  ausserhalb  der  Cohorten  am 
Ende  stehen,  spricht  bei  der  eigenthümlichen  Anordnung  dieser  Liste  nicht  dagegen. 
Vgl.  Mommsen  a.  a.  O.  p.  531. 

'5)  C.  I.  L.  VIII,  2882 :  Herennms  Victorinus  disc.  eqq.  leg.  III  Au(j.  —  V,  944: 
Val.  Quintus  disces  equüum  leg.  XI  Claudiae.  8278:  Julius  centurio  supernumerarius 
leg.  XI  Claudiae  stip.  XXVII,  annor.  circiter  XXXX;  Uro  probitns  ann.  XVI,  postea 
profecit  disces  equituvi  —  und  dieser  Grad  wird  auch  zu  ergänzen  sein  in  der  In- 
schrift C.  I.  L.  VI,  3409:  Ljaterano  et  Ru[ßno  cos.  an...]  IUI  mil.  fac.  est,  di[scens 
eq.  an. .  fa]ctus  est,  aeques  {anno)  XI  [fact.  est  — .  Sonst  finden  sich  discentes  auch 
sicher  beim  aquilifer  (C.  I.  L.  VIII,  2988.  2568,  22),  den  capsarii  (C.  I.  L.  VIII, 
2553)  und  vielleicht  dem  signifer  (C.  I.  L.  VIII,  2568,  8.  9.  10.  2569,  4.  5.  25) 
und  darauf  bezieht  sich  ohne  Zweifel  Dig.  50,  6,  7  im  Verzeichniss  der  Immunes 
Ubrarii  quoque  qui  docere  possunt. 

"*)  C.  I.  L.  V,  896:  Aurelius  Justinus  eques  e  leg.  XI  Ol.  probattis  annorum 
XVII  et  militavit  viunifex  annis  VII,  eques  annis  IUI  — . 

*')  Denn  auf  eine  solche  schola  hat  Wilmanns  ohne  Zweifel  mit  Recht  die 
Inschrift  C.  I.  L.  VIII,  2550  bezogen. 


31 


17.  Bruchstück  einer  Tafel  aus  Sandstein. 


AVRI 

P  R  I  N  P  o] 

Z.  2:  prm(ceps)  po[st(erior). 

18.  Drei  Bruchstücke  eines  Gitters.  Wahrscheinlich  von  dem- 
selben Monumente.  Am  unteren  Rande  sind  Reste  des  Gitters 
erhalten.  Das  Bruchstück  c)  unterscheidet  sich  in  der  Grösse  der 
Buchstaben  von  den  beiden  anderen  Fragmenten.  Gef.  auf  dem 
Begräbnissplatz. 


a) 

\ 
SIC    RElAlATVMCANCANCELLVMlJ 


C) 


lOCESTVOT 


T  R  VALENTINVS  PREP  S  •'///iVSORAm|      '  N  T  I  V  S  JVi  E  S  T  p)      ?  PROIECTVS  ACT  MAx' 

a)  Zt.  1 :  reparatum  cancelliim. 

c)  Z.  1  vielleicht  li\oc  est  voUi[m. 

19.  Bruchstücke  aus  Sandstein.  Die  Zusammengehörigkeit 
scheint  durch  das  gleiche  Material,  gleiche  Grösse  und  Form  der 
Buchstaben  gesichert.  Gef.  innerhalb  des  Forums,  in  der  Nähe  der 
Mitte  der  Westmauer. 

a) 


^M  •  LE 

Wo  ^' 


20.  Bruchstück  einer  umrahmten  Tafel  aus  Sandstein ;  gefunden 
beim  Wartthurm. 


IN  •  M] 

21.  Bruchstück  aus  Sandstein.    Gef.  im  Forum,  7  Meter  östl. 
von  Nr.  19. 


22.  Bruchstück  einer  Tafel   aus   Sandstein.     Gef.  in    dem  Ge- 
bäude östl.  vom  Forum. 


32 


N  V  Sl 
.1  V  S  S  Vi 


23.  Bruchstück  einer  Tafel  aus  Sandstein.     Gef.  auf  dem  ße- 
gräbnissplatz. 

|a  r  o 

24.  Fragment  aus  Sandstein.     Gef.  auf  dem  Begräbnissplatz. 

a)  h) 


Q_V  A  E  •  1  •  I  £j  TWTVT I 

LENSO-LIl  RCON 

SANC-TIS-s|  \^   //l  N     I 

...    quae    et    Is[me]n[e    v.    ann.  .   Va]tens    {mub'eris)     li[he]r{;fus) 
con [nigt]  sanctiss\imae] . 

25.  Bruchstück  einer  Tafel  aus  Sandstein.     Gef.  auf  dem  Be- 
gräbnissplatz. 

leg.  K  im  •  H  s.   €. 

1 P  P  A  E 

26.  Bruchstück  aus  Sandstein.    Gef.  in  dem  Gebäude  östl.  vom 
Forum. 

a) 

O  N 
PRO 

ü 

A.  DOMASZEWSKI 


II 

Die  Grabungen  begannen  in  diesem  Jahre  mit  der  weiteren 
Bloslegung  des  im  Jahre  1883  zum  grössten  Theile  aufgedeckten 
Forums  (vergl.  Jahrg.  VIII  Taf.  III  dieser  Zeitschrift  S.  55—59). 
Das  Innere  desselben  wurde  vollständig  von  Erde  und  Schutt 
befreit    und    es    bestärkte    das    gewonnene    Resultat    dieser   Arbeit 


33 

neuerdings  die  schon  früher  ausgesprochene  Meinung,  dass  man 
es  hier  mit  einem  offenen,  ungetheilten  Räume  von  41-85  M. 
Länge  und  37*85  M.  Breite  zu  thun  habe,  der  von  einer  Mauer 
ringsumher  begrenzt  war.  Der  Raum  (Taf  II  u.  III)  war,  wie  aus 
den  Resten  zu  erkennen,  mit  Steinplatten  gepflastert  und  mit  Rinn- 
steinen den  Umfassungsmauern  entlang  versehen.  In  der  südöst- 
lichen Ecke  desselben  stiess  man  auf  einen  runden  ausgemauerten 
Brunnen  von  0*9  M.  lichter  Weite.  Die  Ausräumung  desselben 
bis  zur  Tiefe  von  4  Meter  ergab  keine  bemerkenswerthen  Resultate 
oder  Fundstücke.  Nicht  weit  von  diesem  Brunnen  gegen  Westen 
zu  lag  ein  stark  verstümmeltes  dreieckiges  Werkstück,  auf  dem 
die  sehr  abgescheuerte  Darstellung  eines  Bogenschützen  und  eines 
grossen  Kranzes  mit  Schleifen  zu  erkennen  war.  Die  Südmauer 
des  Forums  war  mit  zwölf  Mauervorsprüngen  versehen,  welche 
attische  Basen  trugen,  somit  die  Annahme  rechtfertigen,  dass  hier 
eine  reichere  Säulen-  und  Gebälk-,  vielleicht  auch  Bogenarchitektur 
ausgeführt  war.  Für  eine  weitere  Ergänzung  dieser  monumentalen 
Anlage  in  Mitte  des  Lagers  wurde  die  Aufdeckung  einer  Anzahl 
Pfeiler,  die  parallel  zur  Süd-  und  Ostseite  des  Forums  sich  hin- 
zogen, von  Bedeutung.  An  der  Südseite  ziehen  sich  in  der  Ent- 
fernung von  10*4  Meter  von  der  Mauer  sechs  Pfeiler,  an  der  Ost- 
seite in  der  Entfernung  von  5-45  M.  sechzehn  theils  freistehende, 
theils  mit  einer  durchlaufenden  Mauer  verbundene  Pfeiler  hin.  Es 
ist  wohl  kein  Zweifel,  dass  diese  Pfeilerreihen  in  einem  bestimmten 
Bezug  zum  Forum  standen  und  auf  eine  Halle  rings  um  dasselbe 
schliessen  lassen.  Leider  fehlen  die  weiteren  Pfeiler  in  der  West- 
hälfte der  Südseite  gänzlich,  und  es  ist  auch  bei  dieser  Grabung 
kein  Stückchen  des  Aufbaues,  kein  Fragment  irgend  eines  Ge- 
simses, Capitäls  oder  Quaders  gefunden  worden,  somit  die  Mög 
lichkeit  ausgeschlossen,  irgend  eine  verlässliche  Reconstruction  vor- 
nehmen zu  können. 

Die  Aufdeckung  jener  Stelle  an  der  Südwestseite  des  Forums, 
wo  am  letzten  Tage  der  Grabung  des  Jahres  1883  zwei  Statuen 
gefunden  wurden  (vergl.  Studniczka  in  Jahrg.  VIII  dieser  Zeitschrift 
Taf.  I.  II  S.59— 74),  hat  die  erwarteten  weiteren  Theile  dieser  Statuen, 
namentlich  die  erhofften  Köpfe  derselben,  nicht  zu  Tage  gefördert 
und  überhaupt  kein  nennenswerthes  Resultat  gebracht.  Es  dürfte 
demnach  die  Annahme  nicht  ausgeschlossen  sein,  dass  diese  Statuen 
nicht  an  ursprünglicher  Stelle  gefunden  wurden,    sondern    bei   der 

Archäologisch-epigraphische  Mitth.  X  n 


34 

gewaltigen  Zerstörung;,  welche  im  Lager  allerwärts  platzgriff,  hierher 
verschleppt  wurden. 

An  der  Südseite  des  Forums,  ausserhalb  der  Säulenhalle, 
stiessen  wir  auf  eine  Anzahl  kleinerer  Räume,  welche  theils  mit 
Hypokausten  versehen  waren,  theils  einfach  betonirte  Böden  zeigten. 
Diese  Räume  reihen  sich  den  in  früheren  Jahren  aufgedeckten,  als 
Lagerheiligthümer  bezeicljneten  an.  An  der  Nordseite  des  Forums 
wurde  ebenfalls  ein  Tlieil  der  ganzen  Anlage ,  wie  Alles  nur  als 
Fundamentmauerwerk  erhalten,  aufgedeckt;  es  sind  hier  circa  acht 
kleine  Räume,  deren  Anordnung  im  Bezüge  zum  Forum  und  mit 
dem  einen  grossen  Pfeiler  die  Anlage  der  Halle  auch  an  dieser 
Seite  des  Forums  nicht  ausschliesst.  Im  übrigen  Avurden  nördlich 
des  Forums  keine  weiteren  Mauerreste  gefunden,  da  das  Niveau 
des  Feldbodens  hier  bis  auf  die  Sohle  der  Fundamentmauern  reicht. 

Nachdem  die  Umgebung  des  Forums  biosgelegt  war,  wurden 
die  Arbeiten  östlich  von  demselben  fortgesetzt.  Die  beträchtliche 
Erhöhung  des  Terrains  Hess  hier  auf  besser  erhaltene  Baureste 
schliessen  und  die  Vermuthung  war  nicht  unbegründet.  Eine  grosse 
Zahl  von  Räumlichkeiten  trat  hier  zu  Tage.  Gut  erhaltene  Fun- 
damentmauern grenzen  die  Räume  ab,  lassen  aber,  da  nur  sehr 
wenige  Schwellensteine  oder  Thüröffnungen  erhalten  sind,  den  Zu- 
sammenhang derselben  nicht  genau  erkennen.  Viele  dieser  Räume 
waren    mit    Hypokausten    versehen,    die    meisten    aber    unheizbar. 

Besonders  zu  erwähnen  ist,  dass  die  ganze  Anlage  dieses 
Theiles  des  Lagers  grosse  Regelmässigkeit  zeigt.  Die  Mauerzüge 
haben  entweder  die  Richtung  der  Lang-  oder  Querachse  des  Lagers; 
nur  ein  Raum  ist  vollständig  schräg  in  die  übrige  Anlage  hinein- 
gestellt, liegt  bedeutend  tiefer  als  die  übrigen,  war  über  eine  Stiege 
zu  betreten  und  scheint  mit  der  sonstigen  Disposition  der  Räume 
in  keinem  Bezüge  zu  stehen.  Würde  die  Construction  der  Um- 
fassungsmauern desselben  und  die  Betonirung  seines  Fussbodens 
nicht  dieselben  Merkmale  zeigen,  wie  sie  allerwärts  im  Lager  auf- 
treten, so  wäre  man  gewillt,  diese  Baulichkeit  als  eine  in  nachrömi- 
scher Zeit  ausgeführte  zu  betrachten. 

Ueber  die  specielle  Bestimmung  aller  hier  aufgedeckten  Räume 
lässt  sich  ein  Urtheil  nicht  abgeben,  da  keinerlei  Anhaltspunkte 
hierfür  vorhanden  sind  und  die  reichlichen,  aber  nicht  baulichen 
Fundstücke  darüber  keinen  Aufschluss  geben ,  auch  für  die  durch 
die  erhaltenen  Basen  bezeichnete,  nach  Süden  gekehrte,  siebensäulige 
kleine  Halle  lässt  sich  keine  Bestimmung  angeben.    Da  aber  auch 


35 

ausserdem  unmittelbar  in  Mitte  und  senkrecht  auf  diese  Halle  eine 
Mauer  gegen  Süden  abzweigt,  scheint  es  sich  hier  um  verschieden- 
zeitige Anlagen  zu  handeln,  welche  in  dem  gegenwärtigen  Zustande 
der  Erhaltung  schwer  von  einander  zu  scheiden  sind.  Muss  die 
Fortsetzung  der  Grabungen  allmälig  erst  grössere  Klarheit  in  die 
Anlage  des  Lagers  bringen,  so  war  hier  doch  neben  der  Aufdeckung 
des  Forums  ein  weiteres  wichtiges  Resultat  gewonnen.  Aus  dem 
beiliegenden  Plane  geht  deutlich  hervor,  dass  die  zuletzt  bespro- 
chenen Räumlichkeiten  an  der  Westseite  durch  eine  Mauer  gegen 
das  Forum  scharf  abgegrenzt  sind.  Ueber  diese  in  südnördlicher 
Richtung  laufende  Abschlussmauer  reichen  keine  weiteren  Quer- 
mauern hinaus.  In  dem  Zwischenraum  zwischen  dieser  Mauer  und 
der  Pfeilerstellung,  an  der  Ostseite  des  Forums,  haben  die  Son- 
dirungsgräben  nur  auf  Steinplatten  geführt.  Es  liegt  demnach  die 
Vermuthung  nahe,  dass  hier  zur  Seite  des  Forums  eine  Strasse 
lief  und  es  wird  die  Aufgabe  der  weiteren  Untersuchung  sein,  die 
Strasse  in  südlicher  Richtung  zu  verfolgen. 

Gleichzeitig  mit  der  früher  besprochenen  Grabung  Hess  ich 
südwestlich  und  in  einer  Entfernung  von  600  Meter  vom  Lager  auf 
dem  Acker  des  Herrn  Matle  eine  probeweise  Sondirung  vornehmen. 
Wir  stiessen  auf  Mauerwerk,  das  ich  in  seinem  vollen  Umfange 
bioslegen  Hess.  Die  beifolgende  Tafel  IV  gibt  Grundrisse  und 
Durchschnitte  des  Baurestes,  der  als  Substruction  eines  Thurmes 
bezeichnet  werden  darf.  Die  vier  Umfassungsmauern  bilden  nahezu 
ein  Quadrat  von  9  zu  9'1  Meter  äusserer  Seitenlänge.  Der  innere, 
von  diesen  Mauern  umschlossene  Raum  hat  3'3  zu  41  Meter 
Ausdehnung.  Die  Mauern  erheben  sich  bis  nahe  an  das  gegen- 
wärtige Feldniveau  und  reichen  3'0  Meter  in  den  Boden  hinab 
Im  Aeusseren  zieht  sich  ein  wenig  vorspringender  Sockel  von  0*75  M. 
Höhe .  im  Inneren  an  der  oberen  Kante  der  Substruction  eine  ge- 
simsartige Vorlage  herum.  Bemerkenswerth  ist,  dass  sich  die  ge- 
nauen Merkmale  der  Ausführung  des  Mauerwerkes  erhalten  haben. 
Das  Mauerwerk  ist  nämlich  nicht  aus  Quadern  oder  Bruchsteinen 
gebildet,  sondern  ein  festes  Gusswerk.  Zur  Ausführung  desselben 
wurden  aussen  und  innen  in  der  Flucht  der  Mauer  und  in  be- 
stimmten Abständen  Holzbalken  aufgestellt,  welchen  in  horizontaler 
Richtung  Bretter  der  ganzen  Höhe  der  Mauer  nach  vorgenagelt 
waren.  Als  Pölzwerk  gegen  die  zunächstliegenden  Erdmassen  waren 
diese  Holzwände  mit  schräggestellten  Streben  versehen.  In  diese  so 
gebildeten  Kasten,  welche  genau  den  Dimensionen  und  Formen  der 

3* 


36 

Mauern  entsprechen,  wurde  der  Beton  eingegossen  und  festgestampft. 
Heute,    nachdem    dieses    Holzgerüste    bis    auf    wenige    Reste    ver- 
schwunden ist,  sieht  man  aber  noch  deutlich  sowohl  die  Nuten  oder 
Vertiefungen,  an  deren  Stelle  die  Balken  und  Streben  standen,  wie 
auch  die  durch  das  Einquellen  des  Betons  in  die  Bretterfugen  ent- 
standenen   horizontalen  Linien.     Diese  Construction ,    welche    zum 
ersten  Male  hier  in  Carnuntum   an   einem  Bauwerke  nachgewiesen 
wird,    dient  als  neuerlicher  Beleg  dafür,    wie  die  Römer  ihre  bau- 
technischen Proceduren  von  Italien  bis  nach  den  äussersten  Grenzen 
des  weiten  Reiches  übertrugen,  denn  genau  dieselbe  Technik  finden 
wir  an  römischen  Substructionen  in  Rom  zur  Ausführung  gebracht*). 
Zunächst  des  Mauerviereckes  wurde  an  der  Südseite  desselben 
eine  aus  festgestampftem  Schotter   gebildete  Böschung   blossgelegt, 
über  deren  Bestimmung  ich  keine  Vermuthung  ausspreche,  wie  es 
auch  nicht    möglich    ist,    über    den    weiteren   Aufbau  des  Thurmes 
einen  Schluss  zu  ziehen,  da  neben  Pfeilspitzen  und  einem  Inschrift- 
fragmente (oben  S.  31  n.  20)  nicht  das  geringste  Fragment  eines  Werk- 
stückes dieses  Aufbaues  gefunden  wurde.    Die  ganze  Form  des  Bau- 
restes aber  und  die  isolirteLage  desselben  ausserhalb  des  Lagers  lassen 
einerseits  verrauthen,  dass  wir  es  mit  einem  festgemauerten  Wacht- 
thurme  zu  thun  haben,  und  stellen  andererseits  die  Aufgabe,  zu  er- 
forschen, ob  dieser  Thurm  nicht  einer  ganzen  Kette  solcher  Wacht- 
thürme  angehört  habe  und  was  von  Resten  derselben  noch  erhalten  ist. 
Mittheilungen    einheimischer  Bauern   über  Funde    in   früheren 
Jahren  ermunterten  mich,    noch    an    einer   dritten  Stelle  eine  Son- 
dirung  vorzunehmen.     Es    war    dies    auf  den  Aeckern  der  Herren 
Wimmer  und  Krems,    ebenfalls    südwestlich    des  Lagers    und   von 
diesem  350  Meter  entfernt.    Die  Grabungen  führten  hier  auf  ein,  wie 
es  scheint,  sehr  ausgedehntes  Gräberfeld.     Wir  stiessen  zuerst  auf 
einen  mit  Mauern  umgebenen  rechteckigen  Raum  von  6*8  zu  8'1  M. 
Grösse    und    darin    auf  vier  Sarkophage.     Von  diesen  lagen   zwei, 
ein  ganzer   und    ein  zur  Hälfte   gebrochener,    auf    tieferem  Niveau 
als  die  beiden  übrigen.     Der    eine    der    letzteren   war   aus  Ziegeln 
aufgebaut  und  mit  Dachziegeln  abgedeckt.    In  dem  tiefer  liegenden, 
gut  erhaltenen  Sarkophage  von  einfacher  Form  wurde  neben  Knochen 
ein  doppeltkegelförmiges  Zinngefäss  und  ein  hübsches  Glasfläschchen 
gefunden.    Im  weiteren  Verfolge  der  Grabung  stiessen  wir  auf  einen 
zweiten  rechteckig  ummauerten  Raum    und   auf  eine  Anzahl   ganz 

*)  A.  Choisy,  L'art  de  batir  chez  les  Koniaius.   Paris  1873,  pag.  16,  Fig.  2. 


37 

unregelmässig  geführter  Mauerzüge ,  gleicherzeit  wurden  an  dieser 
Stelle  im  Ganzen  24  Steinsarkophage  und  zwei  Ziegelgräber  auf- 
gedeckt. Die  Stellung  der  Sarkophage  zeigt  nur  zunächst  den 
beiden  rechteckigen  Räumen  eine  gewisse  Regelmässigkeit,  die 
übrigen  Gräber  sind  planlos  vertheilt,  ein  Sarkophag  sogar  unmittel- 
bar auf  die  darunter  durchgehende  Mauer  gestellt.  Unter  allen  diesen 
Steinsärgen,  welche  wenigstens  durch  ihre  Zahl  der  Oertlichkeit 
erhöhte  Bedeutung  geben ,  ragten  aber  zwei  durch  reichere  Aus- 
stattung und  bedeutungsvolle  Merkmale  vor  den  übrigen  hervor. 
Es  sind  dies  die  auf  Taf.  V  mit  I  und  II  bezeichneten.  Während 
die  übrigen  je  aus  einem  Stücke  Stein  ausgehöhlt,  schmuck-  und 
inschriftlos  sind ,  waren  die  beiden  bezeichneten  aus  Steinen  zu- 
sammengestellt, welche  sichtlich  andere  Bestimmung  hatten  und  sei 
es  als  Grabsteine  oder  Reliefstücke  vor  ihrer  Verwendung  zur  Bil- 
dung dieser  Sarkophage  schon  anderwärts  Verwendung  fanden. 
Sarkophag  I  war  an  seiner  östlichen  Stirnseite  von  einer  Platte 
gebildet ,  an  deren  nach  aussen  gekehrten  Seite  Brustbilder  en  face 
in  Relief  ausgearbeitet  sind  (unten  S.  38  n.  1).  Bei  der  Blosslegung 
dieses  Steines  trat  die  ganze  Arbeit  reich  polychromirt  zu  Tage, 
doch  verschwanden  die  Farben,  nachdem  der  Stein  kurze  Zeit  der 
Luft  ausgesetzt  war.  Die  nördhche  Seitenwand  wurde  von  einem 
Schriftsteine  gebildet  (oben  S.  27  n.  14).  Sarkophag  II  bestand 
ausser  aus  glatten  Steinen  aus  zwei  Inschriftsteinen  (oben  S.  27 
n.  15.  16)  und  einem  Relieffragmente,  der  Darstellung  eines  löwen- 
köpfigen  Seeungeheuers  und  einer  Nereide  (unten  S.  39  n.  4),  Auch 
an  dieser  Gräberstätte  werden  die  Grabungen  im  nächsten  Sommer 
fortgesetzt  werden,  um  das  ganze  Todtenfeld  aufzudecken  und  nach 
der  eventuell  vorbeiziehenden  Strasse,  die  bis  jetzt  nicht  gefunden 
wurde,  zu  suchen. 

An  allen  drei  Grabungsstellen  wurden  über  400  lose  liegende 
Fundstücke,  wie  Inschriftsteine,  Inschriftfragmente,  Sculpturreste, 
Münzen,  Waffen,  Terrasigülatascherben,  Thon-  und  Glasgefässe,  eine 
goldene  Spange,  Würfel  und  Brettspielsteine  u.  s.  w.  gesammelt 
und  in  das  Museum  des  Vereines  „Carnuntum"  in  Deutsch- Altenburg 
gebracht. 

ALOIS  HAUSER 


38 


III 


Folgende  Bildwerke  sind  von  den  Ausgrabungen  des  letzten 
Jahres  zu  Tage  gefördert  worden: 

1.  Oberer  Theil  eines  Grabsteines,  ursprünglich  mit  drei  Brust- 
bildern, von  welchen  aber  jenes  zur  Linken  abgebrochen  ist,  Kalk- 
stein, 0"58  hoch,  0"8  breit  (so  weit  erhalten).  Rechts  die  Protome 
eines  Soldaten ;  derselbe  ist  mit  der  Aermeltunica  und  der  Paenula 
bekleidet  und  hält  in  der  Linken  die  Schriftrolle,  während  er  in 
typischer  Geberde  Zeige-  und  Mittelfinger  der  rechten  Hand  vor- 
streckt, die  anderen  Finger  derselben  aber  einzieht.  An  seiner 
linken  Seite  wird  der  Griff  seines  Schwertes  sichtbar.  Ihm  zur 
Rechten  die  kleinere  Protome  seines  Sohnes,  den  die  jetzt  fehlende 
Figur  der  Frau  mit  ihrem  linken  Arme  umfasst  hielt;  ihre  Hand 
liegt  auf  seiner  linken  Schulter.  Bei  der  Auffindung  des  Steines 
waren  deutliche,  seither  leider  verschwundene  Reste  von  Farbe 
erhalten,  und  zwar  von  rother  an  den  Fleischtheilen,  von  gelber 
am  Gewände;  der  Hintergrund  war  grün. 

2.  Ikarus,  Relief  block  aus  Sandstein,  rechts  und  links  ge- 
brochen, 0'35  hoch,  0"84  breit;  der  glatte  Rand  unten  ist  erhalten. 
Wie  auf  pompejanischen  Wandgemälden  ist  Ikarus  hier  als  ans 
Land  geschwemmte  Leiche  dargestellt.     Völlig   nackt  liegt   er   auf 


der  linken  Seite  und  streckt  den  linken  Arm  nach  vorne;  der  rechte 
schmiegt  sich  dem  Körper  an.  Die  künstlichen  Flügel  sind  gleich 
einem  Schilde  innen  mit  Spangen  versehen,  in  welchen  die  Arme 
stecken.  Es  fehlen  an  der  Figur  nur  die  Füsse  und  der  linke 
Vorderarm. 

3.  Zwei  Rolieffragmente  aus  Sandstein  stellen  den  Genius  loci 
vor.  Auf  dem  einen  sieht  man  den  jugendlichen,  mit  dem  Modius 
bedeckten  Kopf  und  das  Bruststück;    über    die    linke   Schulter  ist 


89 


ein    Mantel    geworfen.     Auf   dem    andern    ist    er    mit  Chiton    und 

Chlamys  bekleidet.    Beidemale  hält  er  in  der  Linken  das  Füllhorn. 

4.  Der  Rest  eines  Frieses  etwa  von  einem  Grabmale  ist  wohl 

der  Block    (095  lang,    0*72  hoch,    O'S  dick)    mit    der    Darstellung 


eines  löwenköptigen  Seeungeheuers  und  einer  Nereide.  Letztere  ist 
neben  demselben  schwebend  zu  denken.  Gleich  den  oben  erwähnten 
war  dieser  Stein  zum  Bau  eines  Sarkophages  verwendet. 

5.  Von  besserer  Arbeit  ist  der  Torso  einer  weiblichen  Figur 
aus  Marmor,  02  hoch,  Ihr  über  dem  Ueberschlag  gegürteter 
Chiton  ist  an  der  rechten  Schulter  gelöst  und  lässt  die  rechte  Brust 
frei.  Ein  schärpenartig  zusammengelegtes  Gewandstück  ist  rechts 
in  den  Gürtel  gesteckt.  Am  Nacken  ist  ein  Rest  des  aufgebundenen 
Haares  sichtbar.  Die  Figur  war  in  rascher  Bewegung  nach  vorne 
begriffen,  erhob  den  rechten  Arm  und  senkte  den  linken.  Sie  ist 
flügellos ,  desshalb  keine  Victoria ,  sondern  eher  eine  Tänzerin. 
Getrennt  gefunden  wurde  ihre  rechte  Hand,  die  das  flatternde  Ober- 
gewand fasste,  und  ein  Stückchen  dieses  letzteren. 


40 

6.  Ausser  einem  Thonmodelle  mit  dem  Bilde  der  Victoria 
(Fig.  1;  0-01  breit,  jetzt  0-085  hoch)  seien  aus  der  Anzahl  der 
kleineren  Fundstücke  (Griffeln,  Spateln,  Löffeln,  Glöckchen  u.  a.) 
nur  die  Fibeln,  welche  in  vier  Arten  vorkommen,  hervorgehoben. 
Die  erste  (0'07  lang)  stellt  die  gewöhnliche  spätrömische  Form  dar 


Fig.  1 


Fig.  2 


Fig.  3 


Fig.  4  Fig.  5 

(Fig.  2) ;  ähnliche  besitzt  die  Wiener  Sammlung  aus  Dalmatien, 
Ofen,  St.  Polten  und  Wien;  eine  ausgezeichnet  schöne  aus  Hörn- 
stein (Niederösterreich)  mit  verschiebbarer  Hülse,  die  die  Nadel  fest- 
hält. Die  zweite  (Fig.  3 ;  0*03  lang)  hat  die  Form  einer  Rosette. 
Der  ursprünglichen  Form  der  Fibel,  die  Nadel  und  Bügel  aus  einem 
zweckentsprechend  gebogenen  Draht  bildete,  nähert  sich  die  dritte 
(Fig.  4;  0-076  lang).  Die  vierte  (Fig.  5;  0-058  lang)  hat  einen 
breiten  durchbrochenen  Bügel. 

7.  Bruchstück  einer  Gewandspange  aus  Goldblech  in  Gestalt 
eines  Kreissegmentes,  L.  0*09.  Taf.  I  Fig.  1.  Das  rechte  Ende 
ist  mit  einem  scharfen  Instrument  abgeschnitten,  so  dass  auch  die 
Inschrift  felicestvn  zweifellos  unvollständig  ist.  Der  Rand  ist  durch 
Kreise  und  Striche  geziert,  welche  mit  der  Buuze  eingeschlagen 
sind.  Die  Bestimmung  des  Gegenstandes  als  Gewandspange  scheint 
besonders  aus  dem  am  1.  Ende  eingeschnittenen  Schlitze  hervor- 
zugehen, dessen  kreisförmige  Erweiterung  wahrscheinlich  den  Knopf 
des  zweiten  Stückes  der  Spange  aufnahm,  der  dann  in  den  Schlitz 
geschoben  festgehalten  wurde. 

8.  Bruchstück  eines  bronzenen  Dreifusses.  Taf.  I  Fig.  2.  Im 
Besitze  des  Herrn  Baron  Ludwigstorff,  während  dieses  Sommers 
in    Carnuntum    gefunden.      H.  013,   br.  Ol.     Die   Schale    ist    mit 


41 

den  tragenden  Stäben  aus  einem  Stücke  gefertigt.  Diese  Stäbe 
sind  unmittelbar  unter  der  Stelle,  wo  die  sie  verbindenden  Quer- 
streben entspringen,  bogenförmig  ausgebaucht.  Ein  Kelchornament 
schmückt  das  untere  Ende  der  Ausbauchung  und  aus  ihm  scheint 
der  Pantherkopf  emporzuwachsen.  Das  untere  Ende  der  Stäbe 
wird  nach  vielen  Analogien  eine  Thierkralle  gebildet  haben.  Genau 
dieselbe  Form  hat  ein  Geräthfuss  im  Wiener  Antikenkabinet,  Sacken 
u.  Kenner  S.  295  Nr.  1121. 

ROBERT  SCHNEIDER 


Zu  attischen  Grab-Epigrammen 


Ulrich  Köhler  hat  kürzlich  (Ath.  Mitth.  X,  405)  ein  neu  auf- 
gefundenes attisches  Grab-Epigramm  (^nicht  viel  jünger  als  die  Mitte 
des  vierten  Jahrhunderts'),  an  welches  er  lehrreiche  Betrachtungen 
knüpft;  bekannt  gemacht: 

fTipaidv  dvoaov  jxaibac,  Traibujv  eTTiboüaav 
AucriXXav  Karexei  KOivotacpri^  Gd\a)uo<;. 

Es  ist  vielleicht  nicht  unnütz,  dem  für  griechische  Lebensanschau- 
ung so  charakteristischen  Hauptvers  zwei  gleichfalls  attische  und 
demselben  Zeitalter  (viertes  oder  drittes  Jahrhundert)  angehörige 
Grabverse  gegenüberzustellen,  zunächst  nämlich  seinen  Doppel- 
gänger 44,  4  Kaibel: 

(pox;  b'  eXm'  eubaijuuuv  rraibac;  Traibuuv  emboOcTa, 

eine  in  ihrer  runden  Gedrungenheit  geradezu  unvergleichliche  Schil- 
derung eines  schlichten  Frauenglücks.  (Vgl.  auch  Kaibel  67;  81;  279 
und  43  mit  den  Zusätzen  bei  Löwy  Inschr.  griech.  Bildhauer  n.  64). 
Allein  auch  die  ersten  zwei  Worte  jenes  Hexameters  erinnern 
an  eine  vielleicht  noch  bezeichnendere  und  mit  der  herodoteischen 
Glücks-  und  Güterschätzung,  an  welche  auch  Köhler  durch  den 
obigen  Doppelvers  gemahnt  ward,  sich  noch  genauer  berührende 
Darstellung.  Das  ungemein  merkwürdige  Epigramm,  auf  dessen 
weitergehende  Restitution  Kaibel  verzichtet  hat  (n.  68) ,  mag  etwa 
wie  folgt  gelautet  haben : 


42 

"OXßiov,  euY^lpwv  avo[cyov  KaXov  eöieKVOV  ecrGXöv, 
TÜ)ußo?  ob'  eu8dv[aTov  KpuTrrei  'Apicrrößiov. 
Dieser  Herstellung  liegt  die  Erwägung  zu  Grunde,  dass  das  nach- 
drücklich vorangestellte  ö\ßiO(;  (das  höchste  Glücks-Prädicat,  über 
welches  die  griechische  Sprache  verfügt)  eine  Gesamrat-Bezeichnung 
ist,  deren  Inhalt  sich  aus  mehreren  Elementen  zusammensetzt,  die 
wie  mit  häufender  Hast  angereihten  Adjective  aber  (hierin  anders  als 
in  n.  67)  eine  vollständige  Aufzählung  der  Glückseligkeits-Elemente 
erwarten  lassen.  Es  empfahl  sich  daher  der  Versuch,  in  dem  Rest 
des  Verses  die  übrigen  Glücks-Erfordernisse  aus  griechischer  Lebens- 
auffassung und  Güterschätzung  heraus  zu  suchen  und  zu  linden.  Nun 
vergleiche  man  hiermit  Solon's  Darlegung  bei  Herodot  (I,  32),  wie 
ich  dieselbe,  Herodot.  Stud.  I,  26 — 28,  zu  berichtigen  und  zu  er- 
läutern versucht  habe:  raöra  be  n  euTuxiil  o'i  d-rrepuKer  dirripöq  eaiiv 
ävovüoc,  änaQr](;  KttKUJV ,  eürraK;  eüeibric;  *  ei  be  Ttpöq  TOuToiaiv  eri 
TeXeuTricrei  töv  ßiov  eu,  omoc,  eKeivoq  töv  au  Z}'\Tee\q,  ÖK^ioc,  KeKXnaöai 
al\6q  edTiv.  Man  beachte  wohl,  dass  das  glückliche  Lebensende 
beidemale  nicht  nur  wie  natürlich  den  Schluss  der  Reihe  bildet,  son- 
dern auch  von  den  übrigen  Elementen  der  Glückseligkeit  scharf 
gesondert,  gleichsam  als  ihr  krönender  Gipfel  mit  Nachdruck  her- 
vorgehoben wird;  desgleichen  dass  auch  der  Beginn  der  Aufzählung 
hier  und  dort,  wenn  nicht  den  Worten,  so  doch  der  Sache  nach 
der  gleiche  ist.  Denn  der  eönipuj(;,  zumal  wenn  er  vom  avoooq 
unterschieden  wird,  ist  ja  eben  derjenige,  der  bis  ins  Greisenalter 
von  Gebrechen  jeder  Art  verschont  bleibt,  der  sich  'im  Vollbesitz 
seiner  Gliedmassen  und  im  Vollgenuss  seiner  geistigen  und  leib- 
lichen Fähigkeiten'  befindet,  d.  h.  wer  ctTrripo?  (=  öXÖKXripoq)  ist  bis 
ans  Ende.  So  darf  denn,  gleichwie  meiner  Auslegung  der  hero- 
doteischen  Stelle  (soweit  diese  einer  Auslegung  bedarf)  aus  dem 
Epigramm  eine  erwünschte  Bekräftigung  erwächst,  so  auch  die  Er- 
gänzung des  letzteren  als  durch  die  erstere  im  Wesentlichen  ge- 
sichert gelten  —  bis  auf  den  Eigennamen ,  der  selbstverständlich 
nur  eine  unter  mehreren  Möglichkeiten  darstellt,  aber  freilich  eine 
solche,  die,  wenn  sie  zufällig  Wirklichkeit  war,  zur  Abfassung  des 
Gedichtchen.s  den  entscheidenden  Anstoss  zu  geben  geeignet  war, 
auf  Grund  der  Erwägung:  der  Verstorbene  trug  seinen  Namen  mit 
Recht. 

Wien,  im  April  1886  TH.  GOMPERZ 


43 

Archäologische  Fragmente  aus  Bulgarien 

(Tafel  VI) 

Ein  fünfjähriger  Aufenthalt  in  Bulgarien  bot  mir  vielfach  Ge- 
legenheit, Materialien  zur  Kenntniss  der  Alterthümer  des  Haemus- 
gebietes  zu  sammeln,  vor  Allem  geographische  Daten  über  alte 
Castelle,  Städte,  Bergwerke  und  Strassen,  sowie  antike  Inschriften, 
die  theils  in  abgelegenen  Gegenden  den  bisherigen  Untersuchungen 
entgangen,  theils  bei  verschiedenen  neuen  Bauten  zum  Vorschein 
gekommen  waren. 

Vor  einigen  Jahren  hatte  ich  die  Ehre,  einen  kurzen  Bericht 
als  „Beiträge  zur  antiken  Geographie  und  Epigraphik  von  Bulgarien 
und  Rumelien"  in  den  Monatsberichten  der  kgl.  Akademie  der 
Wissenschaften  zu  Berlin  zu  veröffentlichen  (Sitzung  vom  12.  Mai  1881 
S.  434 — 469).  Im  Folgenden  erlaube  ich  mir,  einen  Nachtrag  dazu 
zu  liefern,  der  etwas  umfangreicher  ausfiel,  da  ich  seitdem  (besonders 
1883  und  1884)  den  grössten  Theil  Bulgariens  und  Ostrumeliens 
neuerdings  durchwandert  habe. 

Das  Hauptaugenmerk  war  auf  die  historische  Geographie  ge- 
richtet, weshalb  auf  den  folgenden  Seiten  auch  manche  mittelalter- 
liche Denkmäler  in  Betracht  gezogen  wurden.  Da  es  mir  auf 
Streifzügen  durch  das  Land  in  der  Regel  nicht  möglich  war,  einen 
grösseren  Apparat  mitzuführen,  kann  ich  bei  Inschriften  keine 
Lesungen  von  Abklatschen  oder  Photographien  bieten,  sondern  nur 
Abschriften  oder  Zeichnungen,   so  genau  sie  mir  möglich  waren. 

Die  Abhandlung  zerfällt  in  vier  Theile :  I.  Dacia  mediterranea, 
IL  Alte  Bergwerke,  III.  Römische  Strassen,  IV.  Das  Pontusgebiet 
und  der  östliche  Haemus^). 

I.  Dacia  mediterranea 

Der  Umfang  der  spätrömischen,  gegen  Ende  des  3.  Jahr- 
hunderts errichteten  Provinz  Dacia  mediterranea  ist  durch  die  An- 
gabe des  Hierocles  (ed.  Parthey  p.  16)  sichergestellt,  denn  die  Lage 
der  fünf  von  ihm  genannten  Hauptorte  derselben  unterliegt  keinem 

*)  Die  bulgarischen  Ortsnamen  gebe  ich  in  der  in  philologischen  Schriften 
üblichen  genauen  Transscription  wieder  (das  cyrillische  t  =  engl,  u  in  churcli, 
hut);  bei  manchen  Namen  ist  auch  der  Accent  angegeben,  insbesondere  wo  der- 
selbe nicht  (wie  es  sonst  im  Westen  des  Sprachgebietes  Regel  ist)  auf  die  dritt- 
letzte Silbe  fällt. 


44 

Zweifel:  Serdica  als  juriTpoTToXi?  (jetzt  SoHa),  Pautalia  (Küstendil), 
Germania  (Banja  bei  Dupnica,  wie  ich  näher  darlegen  werde), 
Naissus  (Nis)  und  Remesiana  (Bela  Palanka  zwischen  Nis  und 
Pirot).  Sie  umfasste  demnach  die  Kreise  von  Sofia,  Küstendil  und 
Trn  des  heutigen  Fürstenthums  Bulgarien,  sowie  den  grössten  Theil 
der  neuen  (seit  1878)  Bezirke  des  Königreiches  Serbien. 

Die  Provinz  in  dieser  Ausdehnung  bestand  indessen  aus  zwei 
geographisch  und  ethnographisch  verschiedenen  Theilen.  Der  Norden 
mit  Naissus  und  Remesiana  war  ursprünglich  ein  Theil  von  M  oesia 
superior  und  gehörte;  wie  die  Inschriften  zeigen,  ebenso  wie  das 
angrenzende  Dardanien,  ganz  in  den  Bereich  der  aus  Dalmatien  und 
aus  den  Militärcolonien  an  der  Donau  vordringenden  lateinischen 
Sprache.  Der  Süden,  Serdica  und  Pautalia,  erscheint  bei  Ptolemaeus 
sowie  auf  den  Münzen  des  2.  und  3.  Jahrh.  als  Theil  der  Provinz 
Thracia  und  war  vorwiegend  griechisch;  die  letzten  Spuren  des 
Hellenismus  reichen  bis  an  die  Wasserscheide  zwischen  dem  Strymon 
und  Oescus  einerseits  und  dem  Margus  andererseits. 

Es  ist  ein  Gebirgsland,  dessen  Gipfel  zu  den  höchsten  der 
Halbinsel  gehören  (Ryla  an  3000  M.,  Vitoäa^)  an  2300  M.,  Osogov 
an  2200  M.,  Ruj  an  1750  M.,  dazu  die  Balkangipfel  Murgas,  Kom 
u.  s.  w.).  Zwischen  den  Gebirgszügen  liegen  zahlreiche  alluviale, 
wohl  bebaute  und  gut  bewohnte  Rundbecken  von  verschiedener 
Grösse,  in  welchen  sich  das  alte  und  neue  Culturleben  concentrirte. 
Charakteristisch  sind  die  vielen  heissen  Quellen,  die  z.  B.  in  Serdica, 
Pautalia  und  Germania  in  das  Weichbild  der  Städte  einbezogen 
waren  und  bei  Naissus  von  der  Stadtmauer  nur  wenig  entfernt 
blieben. 

Im  Folgenden  will  ich  einige  Bemerkungen  über  die  Alter- 
thümer  der  Lcandschaften  von  Serdica,  Pautalia  und  Germania, 
sowie  der  umliegenden  Bergthäler  vorlegen.  Die  Ueberreste  der 
übrigen  beiden  Hauptorte  Naissus  und  Remesiana  nebst  den  um- 
liegenden Gauen  und  den  Städten  des  benachbarten  Dardaniens 
sind  jüngst  von  Arthur  J.  Evans  untersucht  und  ausführlich  be- 
schrieben worden^). 

*)  Ryla  und  Vitosa  (fem.)  lauten  die  landesüblichen  Formen;  Ryl ,  Rylo, 
Vitoö  (masc.)  der  Karten  und  Bücher  wind  nicht  richtig-. 

')  Evans  Antiquarian  Researches  in  Illyricuvi,  Parts  III  u.  IV.  Westminster 
1885  (Archaeologia  Bd.  49).  Von  besonderem  Interesse  ist  darin  die  Beschreibung 
der  Denkmäler  des  alten  Scupi  (Dorf  Zlokuöan,  l'/^  engl.  Meilen  gegen  NW.  von 
dem  mittelalterlichen  und  jetzigen  Sko|.je),  dessen  Inschriften  sämmtlich  lateinisch  sind. 


45 

Die  alte  Provinzialhauptstadt  der  binnenländischen  Dacier 
habe  ich  fünf  Jahre  lang  bewohnt.  Bei  den  vielen  Neubauten, 
durch  welche  das  trotz  seiner  grossen  Ausdehnung  zuletzt  arg  ver- 
kommene türkische  Sofia  der  einstigen  „civitas  ampla  et  nohilis'"''  des 
Ammianus  (21,  10,  3)  in  seinem  Aeusseren  allmählich  wieder  näher 
gebracht  wird,  bot  sich  oft  Gelegenheit  nach  den  Ueberresten  der 
antiken  Stadt  zu  fahnden,  die  einst  Kaiser  Constantin,  selbst  aus 
dem  nahen  Naissus  stammend,  eine  Zeit  lang  zur  neuen  Hauptstadt 
des  römischen  Reiches  erheben  wollte,  bis  er  am  Bosporus  einen 
jedenfalls  besseren  Platz  dazu  entdeckte^). 

Das  antike  Serdica  (oder  Sardica)  hatte  ohne  Zweifel  einen 
kleineren  Umfang  als  das  moderne  Sofia.  In  sein  Weichbild  ge- 
hörten die  Thermen,  die  Carsija  (Bazarstrasse)  mit  den  Ruinen  des 
alten  Bezestan  und  Karavanserai,  sowie  das  anstossende  heutige 
Quartier  der  spanischen  Juden,  nebst  dem  ehemaligen  Bulgaren- 
viertel um  die  jetzige,  vor  etwa  25  Jahren  (an  der  Stelle  einer 
älteren  Capelle)  erbaute  Metropolitankirche,  also  das  Centrum  des 
heutigen  Sofia.  Dieses  ganze  Gebiet  ist  unterminirt  von  grossen 
gewölbten  Kellerräumen  aus  gut  gebrannten  Ziegeln,  zu  deren  fester 
Construction  die  jetzt  darüber  stehenden  Holz-  und  Lehmhäuser 
nur  schlecht  passen.  Die  Nordseite  der  antiken  Stadt  bildete  ein 
jetzt  an  10  M.  hoher  Abhang,  an  dessen  Rand  sich  auch  die  heissen 
Quellen  befinden.  Dort  stiess  man  1881  zwischen  den  Thermen 
und  der  St.  Sophienkirche,  wenige  Schritte  nördlich  von  dem  fürst- 
lichen Palais,  auf  dem  Abhang  selbst  auf  ein  Stück  der  alten,  aus 
grossen  Backsteinen  solid  erbauten  Stadtmauer;  dasselbe  ist  seit- 
dem durch  das  Haus  des  Militärclubs  wieder  verbaut  und  unsichtbar 
gemacht  worden.  Der  Kern  der  alten  Stadt  lag  zwischen  der 
Bazarstrasse  und  der  Metropolitankirche  und  ist  durch  eine  Menge 
nahe  an  einander  gelegener  kleiner  Kirchen  aus  dem  Mittelalter 
klar  bezeichnet,  deren  Vertheilung  zugleich  auch  den  Plan  der 
mittelalterlichen  Stadt  angibt. 

Von  diesen  Kirchenbauten  verdient  die  sogenannte  Gül- 
diiami  (türk.  „Rosenmoschee'')  eine  besondere  Beachtung.  Von 
Aussen  erscheint  dieselbe  als  ein  ungefähr  10  M.  hoher  Rundthurm 


■•)  "Oti  KuDvaravTivo«;  eßouXeüaaxo  irpujTov  ^v  lapöiKT)  iLieraYöTeiv  tö 
örmoöia*  qpiXuJv  re  ti-jv  ttoXiv  eKeivrjv  öuvex*«;  eXe^ev  „'H  k\xi\  'Pü}\xx)  ZapöiKrj 
^OTiv."  Anonymus,  qui  Dionis  Cassii  historias  continuavU,  Fragm.  hist.  Graec.  IV 
p.  199  c.  15,  1.  Vgl.  die  zahlreichen  aus  Serdica  datirten  constüutiones  Constantins 
im  Cod.  Theodoa. 


46 

mit  einem  etwas  zugespitzten  Ziegeldach,  ganz  aus  flachen,  4  Cm. 
dicken,  gut  gebrannten  Backsteinen  aufgeführt;  die  1"45  M.  dicke 
Mauer  ist  durch  acht  kleine,  sehr  hoch  liegende  Bogenfenster 
durchbrochen.  Das  Innere,  oberhalb  der  Fenster  leicht  überwölbt, 
ist  kreisrund,  durch  eine  Altaruische  und  drei  Thüren  symmetrisch 
in  vier  Segmente  getheilt  und  hat  9'2  M.  im  Durchmesser.  Der 
hölzerne  Fussboden  liegt,  wie  bei  allen  alten  Kirchen  von  Sofia, 
in  Folge  der  durch  Jahrhunderte  fortgesetzten  Anhäufung  des 
Schuttes  an  1*5  M.  tiefer  als  das  jetzige  Niveau  des  umliegenden 
Hofraumes,  ist  aber  erst  neuerdings  über  dem  ursprünglichen  Pflaster 
hergestellt  worden.  Die  gesammte  Mauerfläche  war  vor  Zeiten 
bis  zur  Wölbung  hinauf  mit  Fresken  bedeckt;  zwischen  dem  ab- 
fallenden türkischen  Mörtel  kommen  überall  Reste  derselben  zum 
Vorschein.  Ausserdem  sieht  man  über  dem  Altare  Stücke  altslavi- 
scher  Aufschriften  und  unterhalb  der  Fenster  die  Spur  einer  ein- 
zeiligen, in  Gürtelform  ringsherum  geführten  griechischen  Inschrift, 
von  der  die  Worte:  zujrPA4>8NTOC ,  gegenüber  hpockyngitikon  (TTpo(T- 
KuvriTvipiov).  .  .cvN€rPA4>.  .  .APXANF.  .  .  lesbar  sind.  Der  Thurm  selbst 
ist  von  einem  modernen,  aber  bereits  ganz  morschen,  niedrigen, 
türkischen  Corridorbau  umfasst,  an  den  sich  der  Stumpf  eines 
herabgestürzten  Minarets  anlehnt.  Diese  merkwürdige  Rundkirche 
im  Centrum  des  alten  Serdica  ist  jedenfalls  das  älteste  christliche 
Bauwerk  auf  dem  Boden  Bulgariens.  Sie  war  dem  heil.  Georg 
geweiht  und  wird  1469  als  Metropolitankirche  von  Sofia  erwähnt. 
Die  Türken  setzten  sich  erst  unter  Sultan  Sehm  I.  (1512 — 1520) 
in  deren  Besitz,  als  man  den  Christen  die  grösseren  steinernen 
Kirchen  in  den  Städten  überall  wegnahm.  Der  Tübinger  Reisende 
Gerlach  (1578)  gibt  von  ihr  eine  ganz  gute  Beschreibung'^).  Gegen- 
wärtig enthält  die  „Güldzami"  das  Magazin  des  bulgarischen  ober- 
sten Sanitätsrathes.  Es  wäre  wohl  am  Platze,  den  ehrwürdigen 
Bau  seiner  Bestimmung  wiederzugeben  und  bei  dieser  Gelegenheit 
die  alten  Fresken  und  Inschriften  blosszulegen,  aber  die  Zeit  dazu 
scheint  noch  nicht  gekommen  zu  sein. 


6)  „Bcy  unserm  Hause  .stehet  ein  hoher  ruuder  Thurm,  den  die  Bulgaren 
noch  vor  40  Jahren  zu  einer  Kirchen  gehabt,  aber  die  Türeken  haben  solchen 
ihnen  genommen,  und  eine  Meschit  oder  türckische  Kirchen  daraus  gemacht." 
Stephan  Gerlachs  des  Aelteren  Tagebuch  der  von  zween  glorwürdigsten  röm. 
Kaysern  Maximilian  und  Kudolpho  II.  etc.  an  die  ottomauische  Pforte  abgefertigten 
etc.  Gesandt.schafft  (1573—1578),  Frankfurt  1674  S.  521. 


47 

Ausserhalb  dieser  inneren  Stadt  besitzt  Sofia  zwei  alte  Objecte, 
welche  aber  kaum  in  das  Weichbild  des  römischen  Serdica  gehörten. 
Das  eine  ist  eine  lange  Mauer  aus  unbehauenen  Bruchsteinen  mit 
regelmässig  vertheilten  Rundthürmen,  deren  Fundamente  im  freien 
Felde  gegen  Nordwest  jenseits  der  „bunten  Brücke"  (Sareni  most) 
über  den  Bach  von  Vladaja  die  Strasse  nach  Lom  kreuzen  (abge- 
bildet bei  Kanitzj.  Die  Ueberreste  von  zwei  zur  Stadt  abfallenden 
Flankenmauern  zeigen,  dass  das  Ganze  ein  Viereck  bildete.  Es  war 
offenbar  ein  Caslell  ausserhalb  der  alten  Stadt.  Bertrandon  de 
la  Brocquiere  1433  sagt  ausdrücklich,  die  Stadtmauern  von  Sofia 
seien  bis  auf  den  Boden  zerstört,  die  Stadt  besitze  aber  ein  „petit 
chäteau",  und  Gerlach  (S.  524)  bemerkt  bei  der  Beschreibung 
von  Nis:  „es  hat  auch  da,  gleichwie  zu  Sophia,  ein  Schloss 
ausserhalb  der  Stadt  gehabt".  In  dem  weiten,  jetzt  von  den 
ärmeren  Stadtvierteln  eingenommenen  Raum  von  diesen  Mauer- 
resten bis  zu  den  Thermen  ist  bei  neueren  Bauten  kein  antikes 
Werk  zum  Vorschein  gekommen,  mit  Ausnahme  einer  3-5  M.  tiefen 
mit  Ziegeln  überwölbten  Gruft,  in  welcher  man  ungefähr  20  Schädel 
und  Skelette,  eine  Bronzeagraffe,  verschiedene  eiserne  Stücke  und 
eine  Menge  von  Goldfäden  vorfand,  die  an  den  Resten  von  Kleidern 
hafteten.  Es  gab  dort  also  in  der  älteren  Zeit  nur  Begräbniss- 
plätze, natürlich  ausserhalb  der  ursprünglichen  Stadtbefestigung. 

Der  zweite  alte  Bau,  der  mit  dem  Stadtplan  des  antiken  Ser- 
dica schwer  in  Einklang  gebracht  werden  kann,  ist  die  St.  So  phien- 
kirche  am  äussersten  Ostende  der  Stadt,  das  grösste  alte  Bauwerk 
Bulgariens.  Der  russische  Reisende  Grigorovic  (1845)  fand  das 
Gebäude  sehr  übereinstimmend  mit  der  St.  Sophia  von  Ochrid  in 
Makedonien,  die  erwiesenermaassen  in  der  Mitte  des  11.  Jahr- 
hunderts erbaut  wurde'').  Die  erste  urkundliche  Erwähnung,  die 
ich  kenne,  befindet  sich  im  Epilog  einer  Handschrift,  geschrieben 
1329  „in  der  heil.  Sofia,  der  Metropolie  von  Sredec*').  Schon  im 
14.  Jahrhundert  verdrängte  der  Name  der  gewaltigen  Metropolitan- 
kirche  allmählich  die  alte  Benennung  der  Stadt,  das  von  den  Slaven 
aus    dem    antiken    Serdica    umgeformte  Sredec   (lies  Sreadetz), 

«)  Grigorovic,  Reise  durch  die  Eur.  Türkei  (1844—1845),  2.  Ausg.,  Moskau 
1877  p.   1.S5  (russ.). 

')  „V  svetej  Sofi  metropoli  Sredec'skoj",  Glasnik  der  serb.  gelehrten  Gesell- 
schaft Bd.  51  p.  64. 


48 

woraus  die  Byzantiner  ihr  Triaditza  gemacht  haben '^).  Den 
Türken  diente  die  Kirche  als  Moschee.  Gegenwärtig  ist  der  etwas 
schwerfällig  angelegte  Ziegelbau  eine  klägliche  Ruine;  Erdbeben 
haben  die  Apsis  und  das  Portal  zerstört,  das  Längengewölbe  des 
Hauptschiffes,  in  welchem  alte  Fresken  unter  dem  Mörtel  hervor- 
blicken, hält  sich  mit  Noth,  und  die  erhaltene  kleine  Kuppel  ist 
mit  Gras  und  Gestrüpp  bewachsen.  Das  alte  Pflaster,  regelmässige 
Hexagone  aus  gebrannter  Erde,  ist  zum  Theil  klar  sichtbar;  auch 
fand  man  einige  kleine  glatte  Marmorsäulen,  die  einst  wohl  zum 
Altar  gehörten.  An  der  Südseite  stand,  an  der  Stelle  eines  grossen 
alten  Klosters,  ein  türkisches  Tekke  (Derwischkloster),  das  zuletzt 
in  eine  Caserne  umgestaltet  war,  die  1879  niederbrannte  und  gegen- 
wärtig bis  auf  den  Grund  demolirt  ist.  An  derselben  Seite  wird 
die  Kirche  von  ausgedehnten  unterirdischen  Gewölben  umfasst.  An 
der  Nordseite  stiess  man  im  Jänner  1884  bei  der  Herstellung  eines 
Eiskellers  knapp  an  der  Ruine  auf  zwei  rohe  steinerne  Sarkophage 
(jetzt  im  nahen  Gymnasium) ;  der  eine  führte  die  Buchstaben  Ä 
und  Y,  der  andere  enthielt  zwei  in  entgegengesetzter  Richtung  ge- 
bettete Skelette  mit  vermoderten  Holz-  und  Kleiderstücken,  Pfirsich- 
kernen und  anderen  Resten  von  Blumen  und  Früchten.  Daneben 
fand  man  Münzen  aller  Zeiten,  von  Marc  Aurel  angefangen. 

Ob  die  etwas  höher  als  die  Stadt  gelegene  Sophienkirche  ein 
isolirtes  Kloster  war  oder  sich  der  einstigen  Stadtbefestigung  an- 
schloss,  ist  nicht  recht  klar.  Bis  1880  bezeichnete  St.  Sophia  den 
äussersten  Rand  der  Stadt,  neben  dem  Zigeunerviertel  (wo  jetzt 
das  Gymnasium  erbaut  ist)  und  beim  Eintritt  in  die  ausgedehnten 
türkischen  Grabfelder.  Seitdem  zog  sich  der  neue  „europäische" 
Stadttheil  bis  weit  über  St.  Sophia  hinaus.  Bei  den  Erdaushebuugen 
für  die  Fundamente  des  hier  errichteten  fürstlichen  Palais,  der 
Casernen,  Schulen,  Amtshäuser  und  Privatgebäude  und  beim  Nivel- 
liren  der  Strassen  stiess  man  überall  auf  Gräber,  Reste  alter  Gärten 


*)  In  dem  Privilegium  des  bulgarischen  Garen  SiSman  an  das  Rylkloster 
1378  lautet  das  Datum  in  „Sredec".  In  dem  Privilegium  desselben  an  die 
„Gottesmutter  von  Vitosa"  (Kl.  Dragalevci  bei  Sofia)  liest  man  von  dem  Kefalia 
(Gouverneur)  von  Srcdec,  von  der  Stadt  Sofia  (v  grade  carstva  mi  Sofi)  und 
von  der  „sv^taa  Sofia"  als  kirchlichen  Autorität  (Metropolie),  alles  nebeneinander 
(Öafai-ik's  Pam/itky,  2.  Ausg.  p.  108).  Ein  ragusauischer  Act  1376  hat  Sophya. 
In  kirchlichen  Denkmälern  des  16.  und  IG.  Jahrh.  heisst  die  Stadt  Sofia  Sre- 
di.cskaa  (also  adjectivisch)  oder  etwas  gelehrt  thuend  Sofia  Sardakij  skaa. 
Der  Name  Sredec  ist  jedoch  heute  noch   im  Lande  allgemein  bekannt. 


49 

mit  thönernen  IiTigationsröhren  und  viele  Kupfermünzen,  meist  aus 
neuerer  Zeit;  Substructionen  von  Mauern  und  Häusern  kamen  aber 
nirgends  zum  Vorschein. 

Zu  Anfang  meines  Aufenthaltes  war  alles  Suchen  nach  antiken 
Inschriften  in  Sofia  vergeblich  gewesen.  In  den  letzten  Jahren  war 
ich  etwas  glücklicher. 

1.  Im  J.  1882  wurde  das  Badehaus  der  Thermen  restaurirt. 
Das  Hauptgebäude  ist  ein  Hexagon  mit  einer  guten  Steinverkleidung 
aus  regelmässigen  Quadern  an  der  Aussenseite  und  einem  vielleicht 
sehr  alten  Bassin  im  Innern.  Daran  stiess  an  der  Ostseite  ein 
Nebengebäude,  die  „Bulgarbanjasy",  gebaut  aus  unbehauenen,  aus 
dem  Flussgeröll  geholten  Steinen,  jedes  Stück  eingefasst  zwischen 
vier  flachen  Ziegeln.  Die  Fundamente  bestanden  aus  gewaltigen 
unregelmässigen  Blöcken;  auf  einem  derselben  (seitdem  wieder  zu- 
gemauert) sah  man  einige  grosse  Buchstaben: 

o  n  o  r 

A  A  s  I 
N  AECn/v 

2.  Bei  dem  Baue  des  Hauses  des  Herrn  Generalsecretärs  Petkov 
fand  man  1884  eine  zerschlagene  lebensgrosse  Statue  eines  Mannes 
in  der  Toga  und  mit  einer  Schriftrolle  in  der  Hand ,  sowie  einige 
Säulenfragmente,  viele  Ziegel  und  Quadern  und  einen  72  Cm.  hohen 
und  36  Cm.  breiten  Inschriftstein: 


■A  Y  P  H  A  I  O  ; 

1 

i<  O  A  Ol  N  I  O 

A  o  nnos 

i 

1  K  6  /  O   K  A 

5        .i 

!  K  O  A  UJ  N  I O  1 

3.  Im  Pflaster  der  Kirche  Sveti  Spas  lag  ein  Stein  (jetzt  in  der 
Nationalbibliothek),  darauf  oben  zwei  Figuren,  eine  davon  mit  Schild 
und  Speer,  darunter  auf  einem  zvveiten  Felde  ein  Mann  zwischen 
zwei  Pferden,  und  zuletzt  die  Grabschrift  eines  civis  Amhianensis 
(meine  Abschrift  ist  von  Herrn  Brozka,  Lehrer  am  Gymnasium  zu 
Sofia,  nochmals  verglichen) : 

Arrhäologisch-epigraphisclie  Mittli.  X  4 


50 

D     •    M    F    l  1  /  I 
FELIX  SIC./// 
N  "DWXTVXXXT 1 1 
ANXXXCIVIS// 
5  BIANENSIS  /  ////  ®) 

4.  Südlich  von  der  St.  Sophienkirche  zwischen  türkischen 
Gräbern  gefunden,  jetzt  in  der  Bibliothek  (Abschrift  des  Herrn 
Brozka)'«): 


5.  Im  neuen  Hause  des  Herrn  Luka  Moravenov,  nicht  weit 
von  der  Nordseite  der  Sophienkirche,  beim  Bau  gefunden  und  in 
einige  Stücke  zerfallen  (Copie  des  Herrn  Biozka).  Vgl.  zwei  Grab- 
steine von  NeiKaeiq  aus  Nicopolis  ad  Haemum  in  meinem  früheren 
Berichte  (a.  a.  0.  S.  459): 

apictokha 
/hcahicto 

KPATOYC 
NEIKAEYC 
7.HCACE-H 

E  E 

'Api(7T0Kpd|T]ii^  'ApicTTCKpaTGuc;  NeiKaeuq,  tr\Cac,  lir\  £e'. 


")  [Die  Abscliiiit,  die  neuerdings  v.  Dom.isztnvski  g-enoinnicn  li;it,  stimmt 
Uberein,  nur  dass  er  Z.  3  nur  VIXi  und  Z.  4  XX  Civ/s  gesehen  liat.  Bemerkt  wird 
dazu,  dass  die  rechte  Seite  des  Schriftfeldes  ganz  verrieben  ist,  in  der  letzten  Zeile 
nach  den  Buchstaben  der  Rest  eines  unbestimmbaren  Gegenstandes  im  Relief  folgte, 
aber  sich  nicht  sagen  lässt,  ob  derselbe  noch  einen  grösseren  Theil  des  Schriftfeides 
einnahm.  —  Zu  verstehen  ist  in  Z.  1 — 3  etwa:  F[l ^avius)]'^  Felix  si\(i{nifer)\  n{umeri) 
Divit^ensium).     E.  B.] 

'•)  [Hier  nach  der  etwas  vollständigeren  Copie  v.  Domaszewski's.  —  d.  m. 
nelvi[di]o  Pri3[c]o  e{quiti)  R{omano),  [L]aur(enii)  Lav{inuti),  [IIvir{o)\  it[e\r{uvi)  .  .  . 
Unsiclier  bleibt,  in  welchem  Verhältniss  dieser  Ilclvidius  Priscus  zu  dem  bek.annten 
Helvidius  Priscus  der  Zeit  des  Nero  und  Vespasian  gestanden  liat,  dessen  Vater 
nach  Tacitus  hiat.  4,  5  Primipilar  gewesen  war.     E.  B.j 


51 

6.  In  der  Nationalbibliothek  ein  032  h.  und  0*27  br. ,  sehr 
beschädigtes  Basrelief,  ein  Reiter  mit  Jagdhund,  Geschenk  des 
Metropoliten  Meletios,  angeblich  aus  der  Gegend  von  Berkovica. 
Links  2  Cm.  hohe  ungleiche  Buchstaben  (Copie  desselben): 

V  I  N 
V  S 

V  E  T 
RAN 

6  V  S 

Ein  noch  unsicherer  Name,  darauf  vet(e)ranus. 

Die  Bergländer  westlich  und  nordwestlich  von  Serdica  weisen 
nur  wenige  antike  Spuren  auf,  die  aber  um  so  werthvoller  sind. 
Diese  Landschaften  sind  ziemlich  gut  bewohnt;  ihre  weit  und  breit 
in  kleineren  Häusergruppen  zersprengten  Dörfer  reichen  bis  in  die 
innersten  Winkel  des  Gebirges  hinein,  und  daneben  verrathen  zahl- 
reiche „gradiste"  (Burgstellen),  „seliste"  (Spuren  verlassener  Dörfer) 
und  „monastiriäte"  (Klosterruinen)  nebst  vielen  Münzfunden,  dass 
diese  Hochthäler  eine  allerdings  vergessene,  aber  jedenfalls  weit 
zurückreichende  Geschichte  besitzen.  Neben  den  vielen  alter- 
thümlichen  slavischen  Ortsnamen  fallen  nicht  wenige  Dorf-  und 
Bergbezeichnungen  romanischen  Ursprungs  auf,  die  über  das 
ganze  Bergland  zwischen  der  Niäava,  der  oberen  Struma  und  dem 
Isker  zerstreut  sind.  Im  Bezirk  (Okolija)  von  Iskrec  im  Balkan 
heisst  ein  Dorf  C  e  r  e  c  e  1  (rumänisch  cercel,  Ohrring),  in  der 
nahen  Landschaft  Visok  gibt  es  eine  Ortschaft  Bukürovci  (von 
Bukor,  rum.  schön);  in  dem  Bergland  zwischen  Caribrod,  Slivnica 
und  Breznik  liegen  die  Orte  Ki-rnul,  Radülovci  (Nachkommen 
eines  Radul),  Curul,  GurguljAt  u.  s.  w.  Ein  ansehnliches  Dorf 
in  den  Engen  des  Sukovoflusses  heisst  V  1  a  s  i  und  der  Felsberg 
dabei  M  u  m  u  1.  Ein  Berg  bei  dem  Städtchen  Trn  wird  Circildt 
genannt ;  zwei  Dörfer  derselben  Gegend  heissen  H  e  r  u  l  und  B  a- 
n  i  s  0  r.  Im  Gebiet  von  Izvor  (nördlich  von  Küstendil)  begegnen 
Namen  von  Häusergruppen:  K  r  ö  c  u  1  (Theil  von  Dorf  Goruo  Ujno), 
Borbülovci  (gehört  zu  Dorf  Resen),  V  i  t  u  r  c  i  (zu  Cesljanci). 
Dieselbe  Erscheinung  trifft  man  auch  in  der  Sredna  Gora  zwischen 
Zlatica  und  Philippopolis :  bei  Koprivstica  eine  Wiese  Urs  u  1  i  c  a 
(vom  Personennamen  Ursul),  eine  Berghalde  K  r  e  c  u  1 ,  ein  Thal 
D-blbüki  Val  (vom  bulg.  di.lbok.  tief,  und  vom  lat.  vallis),    eine 

4* 


52 

Waldschlucht  C  6  r  b  u  1  (cerbu  rum.  Hirsch),  desgleichen  bei  Pana- 
gjuriste  ein  Bächlein  M  e  r  u  1  (rum.  Apfel)  u.  s.  w.  Diese  Ueber- 
reste  einer  an  Gebirgshühen  und  Hochthälern  haftenden  romanischen 
Nomenclatur  zeugen  von  einer  jetzt  verschwundenen  altansässigen 
Bevölkerung  lateinischer  Zunge ,  welche  daselbst  gegenwärtig  nur 
durch  wenige  walachische  Wanderhirten  vertreten  wird,  die  jedoch 
ihre  eigentlichen  Sitze  am  aegaeischen  Meere  bei  Salonich,  Seres  und 
Enos  oder  auf  den  Abhängen  des  Pindus  haben  und  diese  Gebirge 
des  Binnenlandes  nur  für  den  Sommer  besuchen. 

Dem  Becken  von  Sofia  zunächst  liegt  zwischen  der  Strasse 
nach  Pirot  und  dem  Kamm  des  Balkangebirges  ein  gegen  Norden 
geneigtes  Längsthal  mit  der  Landschaft  V  i  s  o  k  und  den  Flüssen 
Temska  oder  Visocnica  und  Godecka  reka.  Zahlreiche  Münzfunde, 
darunter  auch  eine  römische  Silbermünze  (zwei  Lanzenreiter,  roma  ', 
Revers :  Kopf  mit  Helm)  und  eine  Kupfermünze  oiAinnoriOAeirnN  mit 
dem  Bildniss  des  Septimius  Geta  nebst  vielen  mittelalterlichen  Stücken 
(z.  B.  des  venetianischen  Dogen  Rainerius  Geno  1252 — 1268),  sowie 
einige  Castellruinen  zeugen  von  der  Vergangenheit  dieses  abge- 
legenen Thaies.  In  einem  „gradiste"  bei  dem  Dorfe  T  ü  d  e  n  (nicht 
weit  von  der  Strasse  von  Sofia  nach  Lom)  wurden  einige  rohe  Bas- 
reliefs gefunden :  zwei  höchst  primitive  Figuren  des  Zeus  (mit  einem 
Adler  zur  Seite)  und  der  Hera  mit  den  Inschriften  (jetzt  in  der 
Bibliothek  zu  Sofia) : 

1.      KYPIAHPAHKUJMA  2.      KYPIUJAIIHKUJMAPXIA 

PXIAEYXHvi  EYXHS 

(also  fi  KUj)Liapxia  eux^iv) 

sowie  das  Postament  einer  Miniaturstatue,  von  der  nur  einige  Fuss- 
zehen  übrig  sind,  ein  viereckiges  Stück  weissen  Calcit,  8  Cm. 
Höhe  und  4  Cm.  Breite  (bei  dem  Herrn  Arehimandriten  Zinovij) 
mit  der  Inschrift: 

HA- KAA YA 
T  /  S  A  N" 

Zahlreiche  Reste  der  Vorzeit  finden  sich  in  dem  Engthale  der 
Golema,  Trnska  oder  Sukovska  Reka  zwischen  Pirot  und  Trn,  einer 
felsigen  und  sehr  unwegsamen  Gegend.  Bei  dem  Dorfe  Sükovo  im 
Becken  von  Pirot  wurde  noch  in  der  türkischen  Zeit  ein  bedeutender 
MUnzfund    gemacht,    von    dem   ich  in  Caribrod  ein  Goldstück  des 


53 

Kaisers  Valentinianus  zu  sehen  bekam.  In  dem  in  einer  herrlichen 
Waldschlucht  zwischen  gewaltigen  Felswänden  verborgenen  Kloster 
des  St.  Johannes  Bogoslov  (Theologos)  bei  Poganovo  zeigte  mir 
der  Mönch  eine  ganze  Münzsammlung,  ausgegraben  im  Kloster- 
garten, hart  am  Flusse,  darunter  eine  Silbermünze  von  Julius  Caesar 
(mit  einem  Elefanten)  und  Kupfermünzen  von  Aurelian,  Constantin, 
Justinian  u.  s.  w. ,  sowie  eine  römische  Silbermünze  mit  Quadriga 
aus  dem  nahen,  jenseits  einer  wilden  Felsschlucht  etwas  weiter  fluss- 
abwärts  gelegenen  Dorfe  Vlasi.  Flussaufwärts  oberhalb  des  Klosters 
liegen  bei  den  Dörfern  Zvonci  und  Odorovci  die  Ruinen  einer 
Burg  (Jäsenovo  Kaie),  eines  Klosters,  einer  Brücke  (Kovacev  most), 
Reste  eines  Pflasterweges  über  eine  Wiese ;  dabei  befindet  sich  eine 
ofiene  warme  Quelle  von  24"  R.  ohne  Gebäude,  und  ringsherum 
wurden  römische  Münzen  gefunden  ^^).  Noch  weiter  flussaufwärts, 
eine  halbe  Stunde  vor  Trn,  steht  am  linken  Ufer  hoch  oben  im 
Walde  ein  ähnliches  Klösterlein  Sveti  Rangel  (d.  h.  Archangel). 
Gegenüber  am  rechten  Ufer  liegt  an  der  Thallehne  eine  Localität 
Fr  es  toi  (slav.  Thron)  in  dem  Gebiete  des  Dorfes  Lomnica.  Neben 
einem  alten  Kreuz  aus  Travertin  steht  dort  umgestürzt  aufgestellt 
ein  viereckiger  antiker  Altarstein,  95  Cm.  hoch  und  40  Cm.  breit, 
mit  Blattverzierungen  am  oberen  Rande,  und  einer  wegen  der  ver- 
kehrten Lage  und  allerlei  Kritzeleien  nicht  leicht  lesbaren  Inschrift : 

S ANCTO 
GASE  BONO 
SACRVM 

P  R  O  S  A  L  V  T  E      (?) 
5       IWANTONINVS    (?) 
F  E  L  I  C  I  S  S  I  MVS 
IIB    1-) 

Das  Städtchen  Trn,  in  einem  engen  Bergkessel  gelegen ,  ent- 
hält nichts  Alterthümliehes.    Eine  halbe  Stunde  westlich  öffnet  sich 


")  Die  sehr  schwierige  Flussstrecke  Poganovo  -  St.  Rangel  habe  ich  leider 
selbst  nicht  gesehen.  Zvonci  erinnert  an  Ißevear^o^  neben  ZÜKoßoc;  unter  den 
Kirchen  der  Diocese  von  Sofia  im  Chrysobull  des  Kaisers  Basilios  11.  vom  J.  1019 
( — tZoc,  bei  Tomaschek,  Zur  Kunde  der  Haemushalbinsel,  Wien  1882  p.  28;  Golu- 
binski's  Ausgabe  hat  — iros)- 

")  [Vgl.  zu  Z.  2  das  Castell  Kaöißövaiv  bei  Procop  de  aedif.  4,  11  p.  306, 
13  ed.  Bonn.  —  In  den  letzten  Zeilen  stand  vielleicht:  [7]m[p.]  Ant<yni'n[i\  v{otiim) 
s{olvit)  Felicissimus  [l]ib{ertiis).  —  Der  Verfasser  schreibt  jetzt,  dass  er  in  seinem 
Tagebuch  Z.  5  so  notirt  habe:  MANTONü.iV^  l,  eher  IWANTONINVS.  E.  B.] 


54 

das  Hochthal  Znepolje,  dessen  Name  sich  bis  ins  14.  Jahrhundert 
verfolgen    lässt  *^).     Es    ist    ein    längliches    ehemaliges    Seebecken, 
durchflössen    von    der  Golema  Reka    (so   heisst  hier  die  Sukovska 
Reka) ,    von    West  nach  Ost  ungefähr  15  Kilometer    lang    und   an 
5  Kilometer  breit.    Sein  alluvialer  grüner  waldloser  Grund  ist  ganz 
bebaut,  mit  vielen  Dörfern  unter  den  Abhängen,  und  wird  auf  der 
Nordseite   überragt  von   der  (nach  Prof.  Toula)  1747  Meter  hohen 
Ruj  Planina,    mit  einer  der  schönsten  Aussichten,    die  ich  hier  zu 
Lande  kenne;  von  dem  hohen  Graskegel  sieht  man  fast  die  ganze 
einstige  Provinz  Dacia  mediterranea  —  die  Ryla  Planina,    die 
Vitosa    sammt    den    weiss    schimmernden  Häusern  von  Sofia,    den 
Balkan  vom  Gipfel  Murgas  bis  über  Pirot  hinaus,  die  Suha  Planina 
bei  Ni«,  den  serbischen  Jastrebac  jenseits  der  Morava  und  im  Süden 
den   fernen  Osogov  bei  Küstendil.     Waldige  Berge    (jetzt    an    der 
serbisch  -  bulgarischen  Grenze)    umgrenzen  das  Bassin  gegen  NW., 
während  im  Süden  zahlreiche   hohe  Kuppen   bis    zur   charakteristi- 
schen Pyramide  der  LjubÄsa  im  SO.  aufragen.   Auf  dem  Thalgrunde 
stehen  drei  hohe  Tumuli    (zwei  am  Ostende,  einer  im  Westen  bei 
Klisura).    Bis  in  die  Reformzeit  um  1840  genossen  die  Einwohner, 
ein  rühriges  schön  gewachsenes  Volk,  die  Privilegien  der  „Vojnik's" 
(christlicher  Trainsoldaten);  Türken  gab  es  nur  in  Trn  an  18  Häuser, 
die    jetzt    alle    ausgewandert    sind.     In   den    Dörfern   der   Südseite 
(Businci,  Herul  u.  s.  w.)  blüht  die  Töpferei,    Fabrication  grüngla- 
sirter    Gefässe    von    alterthümlicher    Form    und  Ornamentik;    man 
macht   dort   u.  A.  Vasen  mit  Thierfiguren    und    hohle  Pferde,    die 
ganz  an  alte  Aquamanilien  erinnern.    Früher  führte  durch  das  Thal 
eine   im  15.  und  16.  Jahrhundert    oft    benützte    Strasse    von  Sofia 
nach  Vranja;    Kuripesic,    der  1530   eine  kaiserliche  Gesandtschaft 
als  Dolmetsch  begleitete,  kam  von  dem  Schloss  „Vraine"  (Vranja) 
über  den  Berg  Cemernik,  wo  sich  nach  seiner  Bemerkung  die  Grenze 
zwischen  Serbien  und  Bulgarien  befand,  „nach  einem  schönen  wol 
crpawten  Feld,    genannt  Snepolle"    und  von  dort   (Trn  erwähnt  er 
nicht)  nach  Breznik  *^). 

*')  Znepoljo  in  der  Biographie  des  Stefan  Lazarevic,  Despoten  von  Serbien 
(1381)— 14'27)  von  dem  Zeitgenossen  Konstantin  dem  Pliilosoplien,  Glasnik  Bd.  42 
p.  309;  Snepolle  im  Diarium  des  Kuripesid  1530;  „eine  Gerichtsbarkeit  Isnebol" 
bei  Had^.i  Chalfa  im  17.  Jahrhundert.  Trn  selbst  heisst  türkisch  Iznebo  1 -Kasa- 
basi  (Stadt  von  Iznebol),  ausnahmsweise  Taran-Palanka.  Die  Form  Snegpolje 
(angeblich  von  slav.  sneg,  Schnee)  entstand  nur  durch  Etymologien  von  Bouö's 
Reisebegleitern;  sein  Mt.  Snegpolie  ist  der  Ruj. 

")  Ilinerarium,    Wegray.?8    Kü  May.  potschafft   gen  Couslautinopel    zu    dem 


55 

Ausser  den  Tumuli  gibt  es  in  Znepolje  noch  andere  Alter- 
thümer:  eine  Burgstätte  bei  dem  Dorfe  Z elenig r ad  (slav.  „grüne 
Burg")  an  dem  Südhang  des  Ruj,  daneben  ein  ruinirtes  Kloster  bei 
dem  Dorfe  Zabel,  Spuren  einer  alten  Ansiedelung  mit  Ziegelfrag- 
menten bei  dem  Dorfe  Milosldvci,  wo  ich  eine  glatte  Säule  be- 
merkte. Das  alte  Centrum  der  Landschaft  lag  aber  gerade  in  der 
Mitte  des  Bassins,  bei  Jarlovci:  eine  vorspringende  flache,  jetzt 
kahle  Terrasse,  die  von  der  Südseite  hervortretend  das  Thal  etwas 
einengt,  und  darauf  ein  weiter  Castellplatz^  auf  welchem  beim  Ackern 
Ziegel,  Kellerräume,  römische  und  byzantinische  Münzen  (kupferne 
nummi  scyphaii  der  Komnenenzeit)  gefunden  werden.  Ich  hörte 
auch  von  ausgeackerten  Pfeilspitzen  und  einem  geraden  Schwert. 
Diese  Burgstelle  heisst  Zemun,  nicht  zu  verwechseln  mit  der  Ruine 
Z6men  an  der  Struma  bei  Küstendil,  und  die  Sage  erzählt,  es  hätten 
hier  einst  „Latini"  gewohnt,  die  später  die  Stadt  Zemun  (Semlin) 
gegenüber  Belgrad  gegründet  haben  sollen ,  oflFenbar  nur  eine  der 
vielen  volksthümlichen  Etymologien  aus  Namensähnlichkeit.  Südlich 
davon  liegt  im  Gebirge  auf  dem  Wege  zur  Struma  das  Dorf  Go- 
racevci,  wo  man  jüngst  ein  kleines  Basrelief  mit  der  Inschrift 
KYPiA  HPA,  nebst  Kupfermünzen  von  Constantin,  Licinius,  Silber- 
münzen von  Valens  u.  A.  auffand.  In  Trn  zeigte  man  mir  drei 
alte  Silberstücke  von  Dyrrhachion,  die  aus  einem  Funde  irgendwo 
in  der  Gegend  von  Breznik  stammten  ^^),  und  die  bekannten  Silber- 
münzen von  Thasos.  Ob  Spuren  alten  Strassenpflasters  vorhanden 
seien,  habe  ich  im  Znepolje  nicht  in  Erfahrung  gebracht. 

Südöstlich  von  der  Landschaft  von  Trn  liegt  ein  zweites,  von 
Gebirgen  umschlossenes  Bassin  bei  Breznik,  schon  zum  Struma- 
gebiet gehörig,  ein  kahler  waldloser  Kessel  zwischen  niederen 
Bergen.  Die  Landschaft  heisst  von  altersher  Grachovo  („Gra- 
chouo  polle"  des  Kuripesic  1530).  Ein  besonderes  Interesse  haben 
die  Reste  alter  Bergwerke  bei  der  Stadt  Breznik  selbst,  die  ich 
weiter  unten  näher  besprechen  werde. 


Türckischen  Kayser  Soleymau.    Auno  XXX.    MDXXXI    (von  Benedict  Curipeschitz 
von  Obernburg). 

'^)  Diese  drei  Typen  sind  folgende,  sämmtlich  mit  Kuh  und  Kalb  auf  dem 
Avers  und  dem  bekannten  Viereck  auf  dem  Revers :  1)  EYNOY2  oberhalb  der  säu- 
genden Gruppe,  R.:  ringsherum  AYP- XAI  -  PIA- AOY  ;  2)  MAXATA2  ,  R.:AYP- 
API2T-  .  .  .-XOY  ;  3)  KAEfi  •,  R. :  AYP-  ...--...-  fiN02.  Der  Fundort  selbst  ist 
mir  leider  nicht  bekannt. 


56 

An  der  hohen  Ljubasa,  zwischen  den  Dörfern  Krivonös  und 
Ljalinci,  soll  sich  eine  Castellruine  belinden.  Einige  alte  Reste 
liegen  in  der  nahen  Landschaft  Burel,  welche  zwanzig  Dörfer"^) 
zwischen  der  Brusnicka  Planina  (nördlich  von  Breznik)  und  den 
Strassen  Sofia-Pirot  und  Trn-Pirot,  also  das  Quellgebiet  der  Lukä- 
vica  umfasst:  ein  Gebäude  aus  grossen  Ziegeln  mit  zwei  Säulen  in 
Nesla,  eine  Burgruine  auf  einem  hohen  Hügel  bei  Gurguljat 
oder  Bratüskovo  u.  s.  w. ^"). 

An  dem  oberen  Lauf  der  Struma,  südlich  von  Breznik,  sind 
ältere  Baureste  sehr  spärlich.  Ein  mittelalterlicher  Waffenplatz 
von  grosser  Bedeutung  ist  die  in  byzantinischen  und  slavischen 
Quellen  des  IL  und  12.  Jahrhunderts  öfters  genannte  Burg  Pernik 
bei  dem  gleichnamigen  Dorf  an  der  jetzigen  Grenze  der  Kreise  von 
Sofia  und  Küstendil.  Zwischen  der  in  Felsen  eingeklemmten  Struma 
und  dem  tiefen  Einschnitt  der  Strasse  liegen  dort  auf  einem  flachen 
Plateau  die  Rudimente  einer  weiten,  aus  Flussgeröll  mit  rohem 
Mörtel  hergestellten  Umfassungsmauer  mit  zahlreichen  Ziegelfrag- 
menten. Die  Bauern  nennen  die  Ruine  auch  „Perin  grad".  Etwas 
weiter  oberhalb  befindet  sich  im  Dorfe  Cerkva  eine  griechische 
Inschrift  1*^). 

In  dem  Becken  von  Radomir,  einem  alten,  zum  Theil  sumpfigen 
Seeboden  von  ungefähr  25  Kilom.  Länge  und  15  Kilom.  Breite 
(Seehöhe  an  630  M.) ,  hält  sich  noch  der  alte  Landschaftsname 
Mrakä  (fem.)  '").  Derselbe  gilt  jedoch  nur  für  die  Ufer  der  Struma, 
während  das  Innere  des  Beckens  einfach  „pol6-to"  (das  Feld)  ge- 
nannt wird.  An  den  Lauf  der  Struma  halten  sich  auch  die  wenigen 
Spuren  der  Vorzeit,  die  mir  hier  bekannt  sind;  im  Inneren  des 
Beckens  bemerkt  man  nur  zahlreiche  kleine  Tumuli  derselben  Art, 
wie  in  dem  Bassin  von  Sofia  und  von  Dupnica.  Radomir  selbst 
ist  eine  dorfartige  Ansiedelung  von  jüngerem  Datum ,  zuerst  bei 
Hadzi  Chalfa  im  17.  Jahrhundert  genannt.  Bei  dem  nahen  Dorfe 
Vrba  ragen  auf  einer  Wiese  neben  der  neuen  Strasse  zwei  räthsel- 


'*)  Ncdeliftto,  Neslä,  J/irlovci,  C6rul,  Cacürovci  ii.  s.  w. 

•';  Zwischen  Caribrod  und  Vrabca  soll  es  an  einem  Oito,  Kavaci  (türk. 
„Pappeln")  genannt,  „lateinische  beschriebene  Steine"  geben,  wuiiiber  ich  leider 
nichts  Näheres  bericliten  kann. 

'«)  Vgl.  Monatsber.  der  Berl.  Akad.   1881   S.  467. 

*")  Mraka,  Izvori,  Zemli>n  u.  s.  w.  i;^3U  bei  dem  serbischen  Erzbischof 
Daniel,  cd.  Danieic  p.  l'j;j  (s.  meine  Gesch.  der  Bulgaren  p.  295). 


57 

hafte  Denkmäler  empor:  eine  runde,  an  3  Meter  hohe,  glatte  Säule, 
in  der  Mitte  etwas  eingekerbt,  und  ein  etwas  kleinerer  viereckiger 
Pfeiler,  der  wie  ein  altes  Giebelstück  aussieht.  Näheres  über  deren 
Provenienz  Hess  sich  nicht  erfragen.  In  den  Sümpfen  bei  Pocrnenski 
Han  läuft  ein  Stück  altes  oder  vielleicht  der  Türkenzeit  angehöriges 
Pflaster  neben  der  jetzigen  Strasse  '^").  Nördlich  davon  liegen  an  der 
Struma  bei  dem  Dorfe  Pcelinci  (bulg.  pcela,  Biene;  „Celina"  der 
Karten)  die  Ruinen  eines  Castells  und  einer  Kirche;  man  fand  dort 
beim  Graben  auch  grosse  thönerne  Gefässe  und  ein  eigenthümhches 
kupfernes  Panzerstück  für  den  Kopf  eines  Streitrosses  (bei  Herrn 
Archimandriten  Zinovij).  Die  Lage  von  Pcelinci  entspricht  dem 
Aclea  der  Tabula  Peutingeriana.  Die  Entfernung  von  Küstendil 
(Pautalia)  nach  Pcelinci  beträgt  nämlich  ungefähr  30  Kilom.  =  an 
20  röm.  Meilen,  die  von  Pcelinci  nach  Sofia  (Serdica)  45  Kilom. 
—  30  röm.  Meilen.  Auf  der  Tabula  hest  man:  ,,Peutalia  XX  Aelea 
IIX  (wohl  ZXZ)  Sertica'^. 

Die  neue  Chaussee    von  Radomir   nach    Küstendil    steigt    bei 
dem  alten  Dorfe  Izvor  auf  die  Konjovska  Planina  (1200—1500  M. 
hoch)  hinauf,    um   auf  der  anderen  Seite  derselben  bei  dem  Dorfe 
Konjovo  in  steilen  Serpentinen   in    das  Feld  von  Küstendil   herab- 
zusteigen.    Die  Struma  dagegen    erreicht  die  Ebene  von  Küstendil 
auf  einem  weiten  Umweg  (gegen  NW.)  durch  grossartige  Engpässe. 
Vor  dem  Eingange  in  die  Engen  liegt  links  etwas  abseits  das  Dorf 
Kaiist  e,    wo    mir   die  Bauern   eine    dort  gefundene  Kupfermünze 
Justinians  zeigten,  rechts  Löbos  mit  den  Spuren  einer  alten  An- 
siedelung,   genannt  „Carsko  seliste"  (Carendorf);    zwischen  beiden 
soll    es    einst    eine  Brücke    über    die  Struma  gegeben  haben.     Der 
Strymonpass    von    Kaliste    bis    Stensko    ist  10  Stunden  lang.     Im 
oberen  Theil   liegen  drei  alte  Klöster,    St.  Johann  der  Täufer  von 
Zäbljano  (1870  erneuert   neben  den  Resten    einer  alten  Kirche  mit 
glatten,  aus  weiter  Entfernung  stammenden  Syenitsäulen),  St.  Nikola 
von  Pestera  (wo  vor  Jahren    angeblich   eine   alte   Statue   gefunden 
wurde)  und  St.  Johann  Bogoslov  von  Belovo.     Die  Einwohner  der 
hiesigen  Dörfer  sind  ein  arbeitsames  Volk  und  betreiben  besonders 
das  Maurerhandwerk.    Bei  Belovo  passirt  die  Struma  ein  Giganten- 
thor zwischen  hohen  Dolomitfelsen  und  betritt  ein  schattiges  Eng- 
thal, in  welchem  sie  sich  zwischen  waldigen  Rerghalden  und  glatten, 

")  „-Des  debria  d'anciens  pavea"    sah   hier   bei   Zedna  und  Negovanci   schon 
A.  Boue  1836  (Recueil  d'itineraires  dans  la  Turquie  d'Europe  1  229). 


58 

bis  an  600  M.  hohen  Steilwänden  mit  zahlreichen  Windungen  durch- 
schlängelt —  eine  einsame  wildschöne  Landschaft,  nur  von  Adlern, 
Falken  und  Geiern  bewohnt.  Nach  einem  zweistündigen  mühevollen 
Ritt,  wobei  man  auf  einen  oft  ganz  verschwindenden  Saumpfad 
angewiesen  ist  und  sechsmal  durcli  die  Struma  waten  muss,  er- 
scheinen in  einem  öden  Felsamphitheater  auf  einem  langgestreckten 
Vorsprung  des  rechten  Ufers,  an  100  M.  über  dem  Flussniveau 
erhoben  und  von  drei  Seiten  von  steilen  Abstürzen  eingeschlossen, 
die  steinernen  Substructionen  eines  alten  Castells,  das  sogenannte 
Z6mensko  Kaie;  die  ganze  Enge  von  Belovo  bis  R-bzdavica  wird 
allgemein  gleichfalls  Zemen  genannt.  Das  ist  die  in  slavischen 
Quellen  des  12.  — 14.  Jahrhundert  öfters  genannte  Burg  ZemKn. 
Weiter  folgen  die  hohen  Wasserfälle  eines  vom  rechten  Ufer  in 
die  Felsenge  hineinspringenden  Gebirgsbaches  bei  Skakävica,  so- 
dann auf  einem  vorspringenden  niederen  Kegel  des  linken  Ufers 
die  Reste  eines  kleinen  viereckigen  Thurmes  und  endlich  vor  dem 
Dorf  Razdavica  das  untere  Felsthor  mit  dem  Ausblick  in  das  weite 
Bassin  von  Küstendil.  In  der  Ebene  vor  der  letzten  Enge  ragt 
dann  bei  dem  Dorfe  Nikolicevci  ein  glockenförmiger  rebenbepflanzter 
Hügel  empor,  gekrönt  von  der  Ruine  eines  schönen  dreikuppligen 
Kirchleins,  erbaut  zum  Andenken  an  die  blutige  Schlacht  von 
„Zemlr,n"  oder  „Velbuzd"  zwischen  den  Bulgaren  und  Serben  am 
28.  Juni  1330,  an  der  Stelle,  wo  das  Zelt  des  Serbenkönigs  stand '^'). 
Die  Schlacht  würde  dafür  sprechen ,  dass  diese  Strymonpässe  im 
Mittelalter  oder  noch  früher  als  gewöhnlicher  Weg  begangen  wurden, 
und  die  Lage  von  Zemh-n  würde  diese  Ansicht  bekräftigen.  Es 
scheint  mir  aber,  dass  die  Hauptstrasse  damals,  wie  noch  jetzt, 
doch  nur  weiter  südlich  durchs  Gebirge  ging,  denn  der  Engpass 
selbst  wird  bei  höherem  Wasserstand  ganz  unwegsam,  hat  keine 
Spuren  eines  gebahnten  Weges  aufzuweisen  und  bietet  bei  seinen 
Windungen  und  brückenlosen  Uebergängen  nur  eine  höchst  an- 
strengende Passage. 

In  dem  Bassin  von  Küstendil  betritt  man  wieder  einen  klas- 
sischen Boden.  Das  Becken,  welches  im  Gegensatz  zu  den  früher 
genannten  keinen  besonderen  alten  Namen  hat,  ist  nicht  gross.  Es 
ist  ein  Dreieck,  von  0.  nach  W.  15— 18  Kilora.  lang,  von  N.  nach 
S.  an  10  Kilom.  breit.  Die  Nordostscite  bildet  die  Struma,  über 
deren  Ufer  unmittelbar  die  Höhen  der  Konjovska  oder  Crvenjanska 


")  Gesch.  (1.  Bulgaren  «.  '295. 


59 

Planina  (weiter  südlich  Tavalicka  PI.  genannt)  emporragen ;  die 
Nordwestseite  begrenzen  niedrigere  waldige  Höhen  der  Landschaft 
Krajiste,  und  die  Südseite  bilden  die  Abhänge  der  gewaltigen,  über 
die  Waldzone  emporragenden  Osogovska  Planina '^'^)  mit  dem 
Gipfel  Riijen  (an  2200  Meter).  Den  Grund  des  Beckens  (Seehöhe 
480—500  M.)  bewässern  zahlreiche  starke  Bäche,  sämmtHch  Zu- 
flüsse des  Strymon:  zuerst  die  Drago vistica*^^),  deren  Ursprung 
sich  weit  von  da  in  dem  Gebirge  gegen  Vranja  hin  birgt,  dann  die 
SovöLstica,  deren  Oberlauf  Grlj  anska  Reka  heisst  und  die 
aus  der  kleinen  Hochebene  Kämenica  kommt,  wo  ihr  Hauptzu- 
fluss  Bistrica  am  Fuss  des  Rüjen  selbst  entspringt  (Fluss  Kamenca 
im  J.  1330,  Kamena  Reka  im  J.  1566),  und  endlich  dieBänstica 
oder  ZilenskaReka,  welche  die  Gärten  der  Stadt  Küstendil  selbst 
durcheilt.  Das  ganze  Becken ,  mit  Ausnahme  gewisser  aus  Geröll 
und  Alluvium  bestehender  Höhenzüge  zwischen  den  Flüssen,  ist 
wohlbebaut.  Den  grössten  Raum  nehmen  Pflaumengärten  ein;  seit 
dem  Krimkrieg  besteht  hier  ein  lebhafter  Export  gedörrter  Pflaumen 
über  Salonich.  Daneben  versorgt  Küstendil  die  umliegenden  Berg- 
länder mit  Birnen,  Aepfeln,  Kirschen,  Weichsein,  Pfirsichen,  Mispeln, 
Nüssen  u.  s.  w.  und  besonders  mit  Wasser-  und  Zuckermelonen, 
sowie  mit  Weintrauben.  Der  hiesige  recht  gute  Rothwein  wird 
meist  nur  in  der  Landschaft  selbst  getrunken.  Die  Weinberge  ziehen 
sich  längs  der  Berglehnen ,  die  Obstgärten  längs  der  Flüsse  und 
Bäche  hin  und  den  Rest  füllen  ausgedehnte  Getreide-,  Mais-  und 
Tabakfelder  aus.  An  warmen  Sommertagen  machen  die  alten  Nuss- 
haine,  das  dunkle  Grün  der  Obstpflanzungen  und  der  Weingärten, 
die  goldigen  Saaten  der  Ebene  im  Verein  mit  den  Wiesen  und 
Wäldern  der  Berglehnen  einen  höchst  anmuthigen  Eindruck ,  um 
so  mehr  als  die  Landschaft  durch  die  Tageshitze  und  das  Zirpen 
der  Cicaden  ein  gewisses  südliches  Gepräge  gewinnt.  Aber  der 
Winter,  obwohl  milder  als  im  weinlosen  Sofia  oder  Radomir,  ist 
immer  noch  rauh,  durch  den  Einfluss  der  nahen  gewaltigen  Gebirgs- 
ketten. Das  Becken  von  Küstendil  ist  nur  eine  Avärmere  Oase 
zwischen  hohen  armseligen  Berglandschaften  •,  die  umliegenden  Gaue 


")  Der  Name  kommt  schon  im  Mittelalter  vor.  Dowanica  PI.  der  Karten 
ist  hier  zu  Lande  nicht  zu  erfragen;  ein  Dorf  Doganica  liegt  westlich  in  der  Kä- 
menica. 

")  Der  Name  Dohreluka  („gute  Wiese")  der  Karten  ist  hier  nicht  gebräuch- 
lich. „Dobra  Luka"  heisst  nur  ein  Bächlein  bei  Kolonica  an  der  serbisch-bulgari- 
schen Grenze,  nördlich  von  Küstendil. 


60 

Krajiste  im  Norden,  Kamenica  im  Westen,  Pijanec  im  Süd- 
osten haben  wieder  ein  kälteres  Gebirgsklima. 

Am  Südrand  des  Beckens  liegt  (an  560  jNI.  hoch)  die  Stadt 
Küstendil,  von  den  Bauern  der  Umgebung  meist  nur  Banja 
(der  bulg.  Name  für  Bad,  Therme  überhaupt,  von  lat.  halned)  oder 
höchstens  Küstendilska  Banja  (Einwohner  BAncenin)  genannt; 
sie  zählte  im  Jahre  1881  1827  Häuser  mit  9589  Einwohnern  (davon 
1572  Türken  und  959  spanische  Juden).  Ihre  rothen  Dächer  mit 
vielen  weissen  Minarets,  zwei  grauen  alten  Thürmen  und  dem  dichten 
Laub  der  Stadtgärten  liegen  gerade  vor  den  Abhängen  des  mit 
Wiesen,  Weingärten  und  Wäldern  bedeckten  Osogov.  Ein  leichter 
bläulicher  Dampf,  der  vor  Sonne  und  vor  Regen  nicht  zurückweicht, 
kleidet  das  schöne  Bild  bei  jeder  Beleuchtung  in  eine  eigenthüm- 
liche  Farbe.  Die  Stadt  ist  überragt  von  einem  oben  abgeplatteten, 
sehr  steil  abfallenden,  an  100  Meter  hohen  Gebirgsvorsprung.  Das 
ist  der  Hissarlyk  mit  den  Resten  einer  Akropole  von  ungefähr 
200  Schritt  im  Durchmesser;  man  erkennt  noch  die  Fundamente 
einer  Umfassungsmauer  von  Stein  und  Ziegeln ,  die  Stelle  eines 
Kirchleins  in  der  Mitte  und  die  Substructionen  eines  Thores  an 
dem  Schlossgraben  auf  der  Südseite,  gegen  das  Gebirge  zu.  Der 
ganze ,  jetzt  von  Nussbäumen ,  Pflaumen  ,  Weichsein  und  Mispeln 
beschattete  Raum  birgt  ausserdem  zwischen  dem  hohen  Grase  eine 
Unzahl  Stein-  und  Ziegelsplitter.  Die  Aussicht  ist  grossartig:  unten 
die  Stadt  in  der  Vogelperspective,  weiter  das  ganze  Becken  mit 
seinen  Dörfern,  Gärten  und  Fluren,  mit  den  glänzenden  Windungen 
der  Struma  i)Tti  Hintergrund,  im  Süden  der  hohe  Osogov  mit  seinen 
Wäldern ,  gegen  Südost  die  gewaltigen  Massen  des  Rylagebirges 
und  zuletzt  in  der  Ferne  die  majestätische  spitze  Schneekuppe  der 
Perin  Planina,  des  alten  Orbelus. 

Das  Innere  der  Stadt  mit  seinen  unebenen  und  engen  Gassen 
zwischen  traurigen  Hofmauern  und  unansehnlichen  Lehm-  und  Holz- 
häusern enttäuscht  wie  jede  orientalische  Stadt.  Die  Hauptmerk- 
wfirdigkeit  sind  die  warmen  Quellen,  welche  nur  an  20—30  Meter 
von  dem  Fusse  des  steilen  Schlossberges  aus  acht  Schlünden  ent- 
springen, die  meist  mit  grossen,  stets  heissen  Steinblöcken  zugedeckt 
sind.  Nach  Abwälzung  der  Blöcke,  wobei  dichte  Dampfwolken  mit 
starkem  Schwefelgeruch  aufstiegen,  massen  wir  die  höchste  Tempe- 
ratur auf  74  — 75'>  C.  Zur  Mischung  mit  kaltem  Wasser  dient  eine 
Quellenleitung  in  thönernen  Röhren,  deren  Anfang  3  Stunden  süd- 


61 

lieh  im  Gebirge  bei  dem  Dorfe  Atkoria  (türk.  „Rosswald")  liegt 
und  die  durch  das  Weichbild  der  alten  Akropole  selbst  in  die  Stadt 
herabsteigt.  Ihre  Errichtung  wird  einem  Suleiman  Pascha  vor 
400  Jahren  und  einem  Mehmed  Aga  zugeschrieben,  aber  dies  kann 
auch  nur  eine  türkische  Renovirung  eines  älteren  Werkes  gewesen 
sein.  Durch  dieses  kalte  Quellenwasser  gemildert,  speist  die  Therme 
acht  Badehäuser  und  einige  Waschplätze.  Ein  schwefelhaltiger 
unangenehmer  Geruch  herrscht  überall  in  der  Umgebung  der  Bäder 
und  der  Leitungen.  Auf  den  Gassen  sieht  man  selbst  im  Sommer 
in  kühlen  ^Morgenstunden  nicht  selten  die  warmen  Dämpfe  zwischen 
dem  groben  Strassenpflaster  wie  aus  einem  vulkanischen  Boden 
stossweise  emporsteigen.  Aus  der  Stadt  fliesst  das  Thermenwasser 
gegen  Nordost  in  die  Banstica  ab  und  dient  dort  auf  den  Wiesen 
noch  zur  Hanfreinigung.  Erwähnenswerth  ist  die  abergläubische 
Furcht  der  Einwohner,  die  Quellen  könnten  einmal  stärker  hervor- 
brechen und  sich  mit  einer  siedend  warmen  Ueberschwemmung  über 
die  Stadt  ergiessen.  Erdbeben  sind  hier,  wie  in  Sofia,  allerdings 
nicht  selten. 

Küstendil  liegt  an  der  Stelle  der  römischen  Stadt  Pautalia, 
Ulpia  Pautalia  oder  Pautalia  Aurelii.  Die  alten  Zeugnisse  über 
deren  Lage  und  Geschichte  sind  neuerdings  von  W.  Tomaschek  in 
einer  erschöpfenden  Zusammenstellung  trefflich  erläutert  worden"^). 
Darunter  verdienen  eine  besondere  Beachtung  die  mannigfaltigen 
Producte  der  Münzstätte  OuXTTiaq  TTauTaXia(;  oder  TTautaXiujTLUv  aus 
den  Zeiten  von  Hadrian  bis  Gordian,  besonders  diejenigen  mit  den 
Emblemen  und  Aufschriften  der  hiesigen  Erzeugnisse :  ßÖTpu(;,  ctp- 
Tupoq,  xpucröq,  aidxiKS,  sowie  eine  Münze  des  Kaisers  Caracalla  mit 
fünf  Tempeln,  einem  des  hier  viel  verehrten  Gottes  Asklepios  auf 
dem  Gipfel  eines  bewaldeten  Berges,  einem  zweiten  am  Fusse  des- 
selben und  drei  anderen  in  der  Runde,  ebenfalls  den  drei  Heilgott- 
heiten Asklepios,  Hygieia  und  Telesphoros  geweiht.  Der  obere 
Tempel  stand  wohl  auf  der  Akropole  von  Pautaha,  die  übrigen 
unten  am  Fusse,  wo  die  Heilquellen  entspringen.  In  den  Denk- 
mälern des  11.  —  14.  Jahrhunderts  erscheint  die  Stadt  unter  dem 
slavischen  Namen  Velbuzd,  im  15.  und  16.  Jahrhundert  als  Vel- 
buSka    Banja    (oder  Belbuska  B.,    mit    dem    serbischen  Laut- 


^^)  W.  Tomaschek,  Zur  Kunde  der  Haemushalbinsel,  Wien  1882  (Sitz.-Ber. 
der  kais.  Akad.  d.  Wiss.  XCIX  S.  437),  Cap.  II,  Notizen  über  Pautalia  oder  das 
heutige  Küstendil  in  Bulgarien,  S.  13 — 32. 


62 

Wechsel  des  o  für  l  Beobuska,  Biobuäka  B.)  oder  Konstan- 
tinova  Banja.  Der  letztere  Name  stammt  von  dem  serbischen 
Theilfürsten  Konstantin  (1379 — 1394),  der  hier  im  Volksmunde 
noch  nicht  vergessen  ist.  Allerdings  verschmolz  er  mit  dem  Kaiser 
Konstantin,  dem  Gründer  Constantinopels;  auf  dem  Hissarlyk  von 
Küstendil  soll  der  Palast  des  „Car  Kostandin",  gegenüber  auf  dem 
Hügel  von  Nikolicevci  der  des  „Car  Michail"  gestanden  haben  und 
die  Ebene  dazwischen  soll  ein  See  gewesen  sein  —  eine  geologische 
Sage,  die  man  auch  in  anderen  hiesigen  Bergkesseln  wiederfindet. 
Von  Fürst  Konstantin  stammt  auch  der  türkische  Name  Küstendil, 
der  jetzt  allgemein  gebräuchlich  ist,  wiewohl  die  Bauern  der  Um- 
gebung die  Stadt  meist  nur  einfach  Banja,  d.  h.  das  Bad,  nennen. 

Aus  der  älteren  Türkenzeit  haben  wir  drei  Beschreibungen 
der  Stadt;  bei  dem  rheinischen  Ritter  Arnold  von  Harff  1499,  welcher 
„Wruska  Balna"  {sie)  „eyn  gar  grosse  schöne  stat"  nennt  und 
ausserdem  bemerkt,  dass  hier,  ebenso  wie  zu  Adrianopel  und  Phi- 
lippopel, ein  Theil  der  Frauen  des  Sultans  wohne '^^),  dann  in  der 
Relation  eines  venetianischen  Reisenden  um  1559 ''^)  und  bei  dem 
türkischen  Geographen  Hadzi  Chalfa.  Im  16.  Jahrhundert,  ja 
nocli  vor  zwei  Generationen  war  Küstendil  ganz  türkisch,  mit 
Ausnahme  einer  kleinen  Colonie  spanischer  Juden  (aus  Salonich), 
die  schon  der  genannte  Venetianer  hier  antraf.  Obwohl  hier  stets 
ein  Metropolit  residirte,  wohnten  nur  wenige  Ciiristen  in  der  Stadt; 
die  meisten  hiesigen  Christenfamilien  sind  erst  im  Laufe  der  letzten 
60 — 70  Jahre  aus  den  Dörfern  der  Umgebung  eingewandert.  Daher 
der  Mangel  an  localen  Sagen  und  Traditionen. 

Alte  Gebäude  aus  dem  Alterthum  oder  Mittelalter  gibt  es  hier 
nicht.  Keine  von  den  neun  mit  bleigedeckten  Kuppeln  versehenen 
Moscheen  war  früher  eine  Kirche;  ein  einzelner  viereckiger  steinerner 
Thurm  bei  dem  Saraj  eines  Bey's,  sowie  der  Uhrthurm  (mit  einer 
ehemaligen  Kirchenglocke  mit  slavischer  Inschrift  vom  Jahre  1429) 
gehörten  keineswegs  zu  der  einstigen  Stadtbefestigung,  die  jetzt 
spurlos  verschwunden  ist. 

Nichtsdestoweniger  fehlt  es  nicht  an  Resten  der  Vorzeit.  Die 
ausgedehnten  türkischen  Friedhöfe  an  der  West-  und  Südseite  sind 


'■■*)  Die  Pilgerfahrt  des  Kitters  Arnold  von  IfartT  1496—1499,  herausg.  von 
Grooto,  Cöln   18ö0  p*  207.  211. 

'")  Herausgegeben  von  Matkovic  in  den  „Starine"  (Denkmiilern)  der  süd- 
slavischen  Akademie  X  p,  254  (1878). 


63 

dicht  besäet  mit  alten  bearbeiteten  grauen  und  weissen  Steinen. 
Man  sieht  hier  eine  Unzahl  glatter  Säulen  von  der  verschiedensten 
Dicke,  einzelne  so  stark,  dass  man  sie  mit  den  Armen  kaum  um- 
fassen kann  (jedoch  nirgends  ein  canellirtes  Stück) ,  sowie  eine 
Menge  behauener  massiver  Quadern  und  eine  Masse  einfacher 
antiker  Grabsteine  ohne  Inschriften.  In  dem  Winkel  des  Gabel- 
punktes der  Sofianer  und  Constantinopler  Chaussee  ragen  zwei  hohe 
Tumuli  empor,  das  älteste  Denkmal  der  Stadt,  jetzt  bedeckt  von 
türkischen  Grabsteinen,  nämlich  antiken  polirten  Säulen  und  be- 
hauenen  Quadern.  Im  Innern  der  Stadt  treten  Ueberreste  des  Alter- 
thums  überall  zu  Tage.  Grosse  Sarkophage  dienen  jetzt  als  Brunnen- 
steine oder  Waschbecken;  kleine,  in  der  Regel  einen  Meter  hohe 
inschriftlose  Grabsteine  stehen  und  liegen  an  allen  Ecken,  und  ge- 
waltige Quadern,  wuchtige  Carniesse,  glatte  Säulen  und  ornamentirte 
Steine  aller  Grössen  bilden  die  Grundfesten  oder  Ecksteine  der 
modernen  Lehm-  und  Holzhäuschen.  Selbst  das  Stadtpflaster  ist 
voll  alter  bearbeiteter  Stücke.  Auf  dem  Hofe  der  Hauptkirche, 
die  kein  archäologisches  Interesse  bietet,  deren  Fussboden  aber 
10  Stufen  unter  dem  Niveau  der  Umgebung  liegt,  bemerkt  man  ein 
colossales,  unlängst  ausgegrabenes  Thongefäss,  l'/„  Meter  tief  und 
an  der  Mündung  58  Cm.  breit.  Vor  dem  halb  ruinirten  türkischen 
„Deve-Han"  (Kameel-Herberge),  angeblich  von  einem  Murad  Celebi 
im  15.  Jahrhundert  erbaut,  stützen  zwei  mächtige  glatte  Säulen  das 
Vordach  des  Peristyls.  Die  Badehäuser  selbst,  insgesaramt  mit 
türkischen  Namen  (Alajbanja,  Cukurbanja,  Dervis-Haraara  u.  s.  w.), 
enthalten  zwar  viel  altes  Baumaterial,  scheinen  jedoch  alle  erst  in 
neuerer  Zeit  hergestellt  zu  sein.  Der  merkwürdigste  Fund  wurde 
aber  im  Sommer  1880  gemacht.  Auf  dem  freien  Platze  zwischen 
der  Staatsrealschule  und  der  Präfectur  stiess  man,  ungefähr  2 — 3  M. 
tief,  auf  die  Substructionen  eines  grossen  antiken  Gebäudes.  Es 
war  eine  von  West  nach  Ost  streichende  breite  Mauer  aus  colos- 
salen  Quadern  mit  anstossenden  Ziegelraauern  an  der  Südseite, 
einigen  Eingängen  und  Gewölben  und  den  Resten  vieler  thönerner 
Röhren.  Dabei  fand  man  einige  Kupfermünzen,  darunter  eine  des 
Kaisers  'AvTuuvivoq,  der  NikottoXitöuv  Trpöq  "IcnpLU,  und  eine  des 
Dominus  Justinianus.  Ohne  Zweifel  war  es  die  Nordfronte  einer 
Therme,  vielleicht  verbunden  mit  einem  der  auf  den  Münzen  der 
Pautalioten  dargestellten  Tempel  des  Heiliarottes  Asklepios.  Die 
Municipalität,  welche  an  diesem  durch  Wegränmung  einiger  tür- 
kischer Häuser   entstandenen  Platze    einen    öflfentlichen  Garten  an- 


64 

legen  wollte,  Hess  die  Mauer  aus  Wissbegierde  in  der  Länge  von 
ungefähr  20  Schritt  biossiegen  und  dann  wieder  zuschütten.  Der 
Fund  zeigte,  was  für  Ueberraschungen  unter  dem  Niveau  der 
jetzigen  Stadt  noch  verborgen  liegen. 

Es  gibt  hier  auch  einige  Inschriften,  leider  sämratHch  in  ver- 
wittertem Granit,  so  dass  die  Ausbeute  gering  ausfiel.  Die  frisch 
ausgegrabenen  Stücke  sind  besser  erhalten. 

1.  Auf  der  Aussenmauer  des  im  Jahre  der  Hedschra  973  (1566) 
erbauten  Bades  Derwisch-Hamam  eine  Tafel,  M.  1 -35  breit,  049  hoch, 
mit  einem  einfachen,  0'17  breiten  Rand: 


HANTACOCOlCTeiXOYCIN 

AHACTeOCHAenPOCACTY 

A6YCCIJUH6  1  COPOU) 

TTdvTac;,  öcroi  aTeixoucriv  d-rr'  daieo^  Y\be  ixpöc,  ddiu, 
Xeucrauu  f\  eiaopöuu. 

2.  Am  sogenannten  Taschköpri  (türk.  Steinbrücke)  im  Strassen- 
pflaster  ein  Fragment  mit  grossen  Lettern:  ntoc. 

3.  In    der  Asparuchgasse    im    nordöstl.   Theile    der  Stadt  im 
Strassenpflaster  eine  inscriptio  hilinguis '"')-, 


I  6  I  N  O  YA  I 
eCGAAnAPAi      _^ 
[F6I0eNA6YN^eY 
\lHPUJeNIAinAPWI 
lOr  e  N  6  IAC€NA 
^AEHI  CCVNCTA6 
DENTIAG  SOLV 
EXANDER  A/ 


4.  Im  Jahre  1884  grub  man  in  den  türkischen  Friedhöfen  am 
Gabelpunkt  der  Strassen  nach  Sofia  und  Dupnica  einen  Inschrift- 
stein aus,  2  M.  lang,  1  M.  breit  (Oopie  des  Herrn  Realschuldirectors 
Ivancov) : 


")  [Es  schoinon  (l.iktylisclie  Verse  zu  sein,  und  einiges  erkennt  man,  wie 
'^-  2:  ^öOXfx  TTopä,  Z.  4:  ^vl  Amapö)  ,  Z.  G:  hie  cuncta,  Z.  8;  [AI]exnnder,  aber 
die  Bedeutung  des  Ganzen   bleibt  uns   unklar.      A.    d.   R.] 


65 


€PJvio  reNOYC 

KAIHPAIAOC 

KAI  TAIO  Y 

X  P  "=  T  ■  A  H  '  ^**) 


5.  In  einem  bulgarischen  Hause  1884  gefunden,    Stück   eines 
zerbrochenen  Steines  (Copie  des  H.  Ivancov): 


T  O  Y  Z  <t>  I  A  E  T  A  I  P  O  Y  2 
K  A  I  4>I  AA  AE  A*0  YZ 
AnOAAOAUUPONTAl 
OYKAINATIMHIMI  ) 

C).  Vor  dem  Thore  der  grossen  Moschee  in  der  Marktstrasse 
im  Pflaster  der  Vorhalle  eine  Inschrift,  an  3  Schritt  lang,  sehr  ver- 
wittert und  trotz  allem,  die  gläubigen  Muselmänner  sehr  aufregen- 
den Waschen  und  Kehren  doch  undeutlich: 

ARKhüHKAACENlM  (?)... NE.  .N.... 

YNTOYnEAOS    ...A    .    .O.    .. 

TINW  ,  .  N  .  .  .  E  .  .  .  HATPIAOS  .  .  .  C  .    .   . 

riNTiniA    ...   AX 

7.  Im  Hause  des  Türken  Junuz  ein  Stein,  3  Schritt  lang,  1 
Schritt  breit,  mit  grossen  Buchstaben  in  vier  Zeilen;  da  derselbe 
als  Pflasterstein  vor  einem  Schöpfbrunnen  dient,  ist  die  Inschrift 
durch  das  Ausgiessen  des  Wassers  fast  ganz  verwaschen.  Nur  der 
Anfang  ist  noch  zu  lesen:  AHiOAoruuKAi,  sowie  das  erste  Wort  der 
vierten  Zeile:  eimuuN.  .ai.  .  . 

8  In  dem  Keller  eines  Hauses  am  Ausgange  des  Weges  nach 
Izvor  zeigte  man  mir  1880  bei  der  Beleuchtung  eines  Oellämpchens 
eine  das  Gewölbe  stützende  Säule  von  geringem  Umfang,  aus  den 
türkischen  Friedhöfen  hergeholt: 

MO  YAn/ 
A  £E  M  n/ 
A  A  E  LU  (?) 
O       =*") 

^*)  'EpiuoY^voix;  K«i  'Hpaiöoi;  kui  faiou  xpi[ö]T[i]a[vu)v]. 

")  Was  auf  toik;  cpiXeraipouc;  Kai  qpiXabeXqpout;  'AiroXXöbiupov  folgte, 
scheint  nicht  sicher,  zunächst  vielleiclit  [fjaiou  Kai.... 

'")  Z.  1  ist  wohl  der  Name  M.  OvjXtt[io<;1  ,  Z.  2  etwa :  Z6|LiTr[piuvfal  zu  ver- 
stehen. 

ArchäologlBch-epigraphische  Mitth.   X.  g 


In  der  UmgebuDg  der  Stadt  fehlt  es  gleichfalls  nicht  an  In- 
schriftsteinen. Südlich  sollen  im  Gebirge  bei  dem  Dorfe  Atkoria, 
wo  die  kalte  Wasserleituog  beginnt,  einige  grosse  Inschriften  vor- 
handen sein,  welche  die  abergläubischen  Bauern  jedoch  allen  Er- 
kundigungen zum  Trotz  sehr  geheim  halten.  In  dem  Dorfe  Kolusa, 
eine  Viertelstunde  gegen  SW.  von  der  Stadt,  gibt  es  eine  mittel- 
alterliche St.  Georgskirche,  bei  welcher  auf  dem  Hofe  eine  arg  ver- 
wischte, 7  Zeilen  lange  griechische  Inschrift  liegt,  die  ich  leider 
nur  einmal  vor  Jahren  bei  strömendem  Regen  gesehen  habe.  Im 
Dorfe  Lozno,  eine  Stunde  gegen  NW.  von  Küstendil,  befindet  sich 
eine  grosse  Inschrift;  eine  Copie  erhielt  ich  von  dem  Herrn  Archi- 
mandriten  Ilia  Nikolov,  konnte  aber  dieselbe  leider  nicht  selbst 
coUationiren.     Ich  wage  es  dennoch,  dieselbe  abzudrucken: 

NHO)-HacNeYoeNTAceAeMAroTO... 

.  .  .A©ANATOBC^SAKAPeCON6XUJNe60.  .  .H0eA0.  .  . 

.  .  .^OYTOAeTN^AlBAT010^POACTeOCHNXCeM6P^ON.  . . 

.  .  .KYAICUJNTGIT-.  •  .AI.  .  .AOPIC06N  O)  N  PBAC  lAHUJ  N.  .  . 

u...N'AKeNA6T.  .OCATKTON6XOinerUJn6ANHCN,  .  O 

.  ..+  YXHenHNOOhP-l^"I0TOYT6AOCM*IKAAY.  .HA.  .  '"^) 


"')     fNrjouc  |u^v  Guöevxat;  ^?)€i|LiaTO 

äGavÜTOK;  juaKÖpeaaiv  ^xnjv  GeoTreiGea  9i))u6v 
TOÜTO  b'  eir'  ri\ißäTOio  rrpö  äajeoc,  i'ivuöev  tpTOv, 
KubiöTuuv  xeixicriLia  6opiö9eveujv  ßa(ji\r|iuv, 
5       öcppa  Kev  ä(jTuq)e\iKTOv  ?xo*  irepiaiiTda  vrjöv 
Hjux»i,  CTTi'iv  )Ho{pr)  ßiÖTOU  TiXoc,  äjJ.cpiKa\v\\iri. 

So  dürfte  das  interessante  Epigramm  gelautet  li.ahen ,  von  vvelcliem  man 
wohl  eine  genauere  Abschrift,  wenn  nicht  einen  Abklatsch  zu  besitzen  wünschte. 
An  der  Herstellung  haben  Benndorf  und  Dr  Szanto  sich  betheiligt.  Ein  vielver- 
mögender  Mann  —  denn  nur  auf  einen  solchen  kann  V,  1  gehen  —  hat  (so  ver- 
stehe ich  V.  3 — 5)  ein  altes  Gemäuer  auf  steiler  Felshöhe,  dessen  Erbauung  ruhm- 
reichen Herrschern  der  Vorzeit  zugeschrieben  ward ,  zur  Grabkammer  umgestaltet 
Die  Bezeichnung  einer  solchen  als  VTqöc,  der  Seele ,  die  hier  durch  den  Gegensatz 
zu  den  in  Z.  1  erwähnten  vrioi  besonders  nahegelegt  ist,  findet  an  Einigem,  was 
Kaibtl's  Index  s.  v.  bietet,  eine  Stütze.  Das  Wort  TTepiiuirric;  war  bisher  nicht  nachzu- 
weisen, da  Orphica,  Argon.  4K  dieses  von  den  Ilandscliriften  dargebotene  Epitheton 
des  Eros  mit  Recht  von  liulinken,  G,  Hermann  und  neuestens  von  Abel  als  verderbt 
bezeichnet  worden  ist.  Ob  ich  V.  G  mit  MoCpr]  'nach  Schick.salsschluss'  das  Rich- 
tige getroffen,  steht  dahin;  ein  Objects-Accusativ  zu  ä|aq)iKaXüipri  ist  jedenfalls 
entbehrlich,  da  sich  derselbe  aus  dem  Zusammenhang  niclit  minder  leicht  ergänzen 
lässt  als  etwa  TT  ^^50:  GavdTou  b^  niXav  v^qpoc;  (i)nq)6K(iXuitJev.     Th.  Goraperz.] 


67 


In  Skriiijano  in  der  Ebene  nordwärts  von  der  Stadt  wurde 
ein  kleines  Marraortäfelchen  gefunden,  16  Cm.  hoch,  14  Cm.  breit, 
2  Cm.  dick ,  darauf  drei  einander  mit  den  Händen  haltende  weib- 
liche Figuren  im  Chiton  mit  durch  Wellenlinien  bezeichneten  Haaren, 
dabei  die  Inschriften,  oben:  kypiaie  nym*aic,    unten  in  zwei  Zeilen: 

.  . .  .orewc. . . . 

AOY6Y.  .  .  . 

Jetzt  befindet  sich  das  Relief  bei  H.  Nojkov  in  Küstendil. 

Vor  dem  Dorfe  Nikolicevci,  bei  dem  erwähnten  Hügel  mit 
der  Kirche  vom  Jahre  1330,  ^^/^  Kilometer  (51  Minuten  zu  Fuss) 
vom  Rande  der  Stadt,  liegt  am  rechten  Ufer  der  Sovolstica  ein 
kleiner  türkischer  Friedhof,  unter  dessen  Steinen  man  eine  antike, 
leider  durch  rothe  Oxydirung  verfärbte  und  besonders  durch  einen 
Riss  undeutlich  gewordene  Inschrift  findet: 


AT  A0H  I    TYXHI    | 

....    OK ATO 

XOKeN 

^ H  KA 

lO  Y  A  A  I 

^Ke  ACOY0 

LATX I I 

THI A  N  N  A  N 

A  I  A  NT 

TOYAMUUNiAn 

I  A  I  O  N 

.  NYCKAIANTI 

TH///// 

. . .MH. . .XAP 

////// 

Im  Dorfe  Konjovo  gegen  NO.,  bei  der  Strumabrücke  auf 
der  Strasse  nach  Radomir,  wurden  ebenfalls  alte  Steine,  Sarko- 
phage u.  s.  w.  ausgegraben.  Darüber  fand  man  (1880)  im  Gebirge 
einen  Topf  rohen  Waschgoldes,  ein  Fund,  der  ein  grosses  Aufsehen 
erregte  und  von  der  Regierung  mit  Beschlag  belegt  wurde.  In 
Zloköätica,  eine  halbe  Stunde  gegen  O.  von  Küstendil,  soll  es 
in  den  Mühlen  alte  beschriebene  Steine  geben ,  ich  konnte  jedoch 
im  Dorfe  selbst  nichts  erfragen  imd  sah  nur  eine  kleine  mittel- 
alterliche Kirchenruine.  Bei  Granica  liegt  ein  Tumulus  südlich 
von  der  Strasse.  Bei  dem  Dorfe  Bagrenci  soll  man  unlängst 
grosse  Fundamente  von  der  Art  gefunden  haben,  wie  die  1880  in 
Küstendil  selbst  ausgegrabenen ;  in  der  Umgebung  derselben  Ort- 
schaft liegen  auch  einige  gewaltige  behauene  Steine  in  den  Feldern. 
Von  den  zahlreichen  Münzen,    die   ich   in  der  hiesigen  Gegend  zu 

5* 


68 

sehen   bekam,    war   das  älteste  Stück  eine  athenische  Silbermünze 
(Pallaskopf,  R. :  Eule  a,  kaamkpage  ehpfn  snsAAPOz^^). 

Ein  merkwürdiges  Bauwerk  ist  der  Kadinmo  st ,  die  „Kadi- 
brücke"  über  die  Struma  auf  dem  Wege  nach  Dupnica,  2  Stunden 
östlich  von  Küstendil.  In  den  Sagen  der  Umgebung  spielt  dieselbe 
eine  grosse  Rolle.  Man  erzählt,  dass  der  Bau  erst  dann  gelungen 
sei,  als  man  die  Frau  des  jüngsten  Meisters  einmauerte,  eine  Ge- 
schichte, die  sich  in  der  serbischen  Sage  von  der  Erbauung  der 
Burg  von  Scutari,  in  der  griechischen  von  der  Brücke  von  Arta 
und  in  der  rumänischen  vom  Kloster  Ardzis  wiederfindet,  sowie  in 
den  Erzählungen  über  das  Castell  am  Plissarbad  nördlich  von 
Philippopolis.  Die  Brücke  ist  144  Schritt  lang,  7  Schritt  breit,  hat 
fünf  Rundbogen,  wovon  der  mittlere  der  höchste,  die  weiteren  ab- 
steigend niedriger  sind,  so  dass  die  Mitte  an  zwei  Mannshöhen 
über  die  Endpunkte  emporragt.  Der  ganze  Bau  ist  sehr  solid  aus 
grossen  regelmässigen  Granitquadern  hergestellt.  Die  Pfeiler  laufen 
seitwärts  in  spitze  Sporen  aus  und  sind  in  der  Mitte  je  durch  ein 
kleines  Bogenfenster  durchbrochen.  Auf  dem  Westende  liegt  im 
Brückenpflaster  eine  unleserliche  antike  Inschrift.  Eine  andere 
dient  jetzt  als  oberster  Deckstein  auf  dem  nördlichen  Sporn  des 
letzten  Pfeilers  gegen  Osten.  Der  Stein  ist  leider  zubehauen  und 
von  Schnee  und  Regen  ganz  schwarz.  Die  Inschrift  zählte  wohl 
an  vier  Zeilen,  wovon  nur  die  Worte  klar  sind: 
L  f ioite/oe 

AnAYTAAIANEAA>/ 

Hier  tritt  der  Name  üaytaaia  klar  hervor.  Die  Brücke  selbst 
gehört  nicht  zu  den  antiken  Denkmälern.  Eine  arabische  Inschrift 
am  westlichen  Eingang  gibt  darüber  einen  sicheren  Aufschluss. 
Eine  Abschrift  davon,  die  ich  von  einem  Türken  herstellen  Hess, 
wurde  von  Herrn  Prof.  Karabaöek  in  Wien  in  folgender  Weise 
entziffert:  „Es  befahl  den  Bau  dieser  Brücke  unser  Herr  der  Serdär, 
der  erhabene  Wezir,  der  Herr  der  Gross-Emire  und  Stifter  frommer 
und  guter  Werke....  Ishäk  Pascha,  den  Gott  der  Allerhöchste 
leben  lasse,  im  Jahre  874"  (11.  Juli  1469  —  29.  Juni  1470).  Die 
Brücke  ist  demnach  ein  Denkmal  eines  auch  sonst  gut  bekannten 
Grossveziers  aus  der  Zeit  Sultan  Mohammed's  IL  Dieselbe  ist  auch 
den  Reisenden  des  16.  Jahrhunderts  wohl  bekannt.  Felix  Petantius^*^) 

")  Vj^l.  die  Münzen  bei  Bonle  vwnnaies  d'  Athhiea  S.  282  mit  den  Namen: 
KAAAIKPATHZ,   EniPENHi;,   2n:>;ANAPOi;. 

^')  De  itinei'ibus  aijgrediendi  Tiircavi,  bii  Scliwandtner,  Script.  rer.Hung.l  869. 


69 

erwähnt  um  1 502  „ Balnea  Beohmci  ponternque  Strymonis,  diri- 
mentem  Macedones  a  Trihallis  sine  Bulgaris"'.  Kuripe.<ic  kam  hier 
im  Jänner  1531  „zu  einer  schönen  stainen  prugken".  Die 
venetianische  Relation  um  1559  ^'*)  erwähnt  zwischen  j^BuscohagnOy 
altramente  detto  Constantinhagno'^  und  y^Dopnizza''  die  Struma  und 
darüber  y^unponte  yrande,  hello,  fatto  da  un  Mustapha  öassa'^. 
Damit  ist  irrthümlich  der  1512  hingerichtete  Grossvezier  Mustafa 
gemeint,  der  eine  andere  grosse  Brücke,  über  die  Marica  zwischen 
Adrianopel  und  Harmanli,  erbaut  hat. 

An  200  Meter  vom  Ostende  der  Brücke  steht  die  Ruine  einer 
12  Schritt  langen  kleinen  Kirche  ohne  Dach,  als  deren  Altarstein 
eine  antike  Grabstele  ohne  Inschrift  diente.  Im  Jahre  1883  hörte 
ich  von  einem  geheimnissvollen  Funde  in  der  Nähe  der  Brücke: 
„ein  eherner  Wagen"  nebst  vielen  Pferdeschädeln,  jedenfalls  ein 
interessantes  Object  aus  der  „prähistorischen"  Zeit,  das  leider  nicht 
mehr  zu  retten  war. 

Bevor  wir  von  der  Ktistendiler  Landschaft  Abschied  nehmen, 
muss  ich  noch  auf  zwei  mittelalterliche  Ueberreste  aufmerksam 
machen.  Das  eine  sind  Spuren  einer  byzantinischen  Nomenclatur, 
Dörfer  mit  griechischen  Namen,  obwohl  die  Bewohner  von  Alters 
her  slavisch  sprechen.  Da  gibt  es  im  Becken  von  Küstendil  ein 
Dorf  P  e  r  i  V  0  1  (TrepißoXoc^,  Garten),  ein  anderes  S  t  e  n  s  k  o  (crieva, 
Engpässe),  ein  drittes  Jamboreni  (von  e)UTTopo(;,  Kaufmann?).  Im 
Becken  von  Radomir  liegt  ein  Dorf  Kondofre,  das  an  den  byzan- 
tinischen Personennamen  Kovboqppe  (aus  Gotofredus)  erinnert  ^^).  Der 
Berg  Paramun  Planina  zwischen  Trn  und  Breznik  und  das  Dorf 
Porominovo  an  der  türkischen  Grenze  bei  der  Ryla  stammen 
von  dem  byzantinischen  Tiapaiuovri,  Wache.  Ein  Goldsand  führender 
Bach  an  der  Südseite  der  Vitoäa  heisst  P  a  1  a  g  a  r  i  a  und  wird 
schon  im  15.  Jahrhundert  als  Palikaria  genannt ^^).  Solche 
vereinzelte  Spuren  reichen  bis  in  das  Donaugebiet  (z.  B.  Dorf 
K  a  1  a  k  a  s  t  ra  zwischen  Pleven  und  Trnovo)  und  bilden  mit  den 
obenerwähnten  romanischen  Namen  einen  interessanten  Beitrag  zur 
alten  Ethnographie  des  Landes.  Der  andere  Ueberrest  sind  die 
eigenthümlichen  Agrarverhältnisse  des  Küstendiler  Gebiets,  die  der 


'')  Starine  X  254. 

'')  Kovöoqppe  Ephraem  v.  8427.  TTpuJTOKUvri-föc;   KovToqppe,  Kantakuzen  ed. 
Bonn.  1,  341.  —  TovToqpp^  heisst  bei  Anna  Comnena  Gottfried  von  Bouillon. 

'*)  Palikaria  (zum  J,  1413),    serbische  Anualen  bei  Öafafik,  Pamätky  p.  63. 


70 

bulgarischen  Regierung  manche  Sorge  bereitet  haben.  Das  meiste 
ist  allerdings  auf  die  türkische  Lehensverfassung  zurückzuführen, 
die  zwar  von  Sultan  Mahraud  II.  vor  einem  halben  Jahrhundert 
aufgehoben  wurde,  aber  in  den  abgelegenen  Gebirgslandschaften 
von  Küstendil,  Vranja,  Nis  u.  s.  w.  sich  behauptete  in  der  Form 
von  Naturallieferuügen  (Kesim),  welche  die  Bauern  an  gewisse  Bey's 
za  leisten  verpflichtet  waren  ^^).  Die  Halbwirthschaft  (bulg.  ispolica), 
wo  der  Ertrag  zwischen  dem  Grundbesitzer  und  dem  Bauern  ge- 
theilt  wird,  ist  jedenfalls  alt.  Dafür  spricht  auch  der  Terminus 
paraspür,  paraspurdzi  (ein  von  dem  Grundbesitzer  dem 
Arbeiter  oder  Pächter  als  Theil  des  Lohnes  zur  Benützung  ange- 
wiesenes Feldstück  und  dessen  Bebauer) ,  welcher  einem  byzant. 
TrapaaTTopd,  TTapaaTTopiTii(;  entspricht'^*). 

Das  Osogovgebiet  südlich  und  südöstlich  von  Küstendil,  die 
waldige  Hügellandschaft  Pijanec  (deren  Centrum  Carevo  Selo 
jedoch  jenseits  der  bulgarischen  Grenze  liegt),  ist  reich  an  Ruinen 
gemauerter  Kirchlein  und  anderen  Zeugnissen  einer  culturell  ent- 
wickelten Vorzeit.  Mitunter  kommen  rohe  antike  Basreliefs  zum 
Vorschein.  Im  Dorfe  Vaksovo  (nahe  an  der  Grenze)  fand  man 
unlängst  das  allerdings  sehr  verwitterte  Bildniss  einer  antiken  un- 
bekleideten Göttin;  die  Bauern  sahen  in  den  undeutlichen  Zügen 
eine  Heilige  und  stellten  den  Stein  ehrfurchtsvoll  bei  der  Ortskirche 
auf.  Zahlreiche  Spuren  mittelalterlicher  Bauten  liegen  in  dem  unteren 
Engpass  der  Struma,  von  der  steinernen  Brücke  bis  Bobosevo  (an 
7  St.  lang).  Derselbe  ist  zwar  nicht  so  unwegsam,  wie  die  oberen 
Engen  zwischen  den  Becken  von  Radomir  und  Küstendil ,  dabei 
aber  dennoch  öde  und  wenig  besucht.  Ein  eigenthümlicher  Ort 
ist  das  in  einem  tiefen  Kessel  gelegene  Dorf  Pas  tue  h,  wo  gegen- 
über auf  einem  hohen  Felsen  des  linken  Strumaufers  eine  alte  Burg- 
ruine steht,  und  wo  noch  drei  verfallene  Kirchlein  nebst  den  Spuren 
eines  Klosters  von  der  einstigen  Bedeutung  dieser  Stelle  sprechen. 
Die  Burg  ist  vielleicht  das  im  12. — 14.  Jahrhundert  in  dieser  Gegend 
genannte  Schloss  Zi tomit^sk,  und  hier  wird  wohl  die  Landschaft 


■'"')  Im  J.  1880  war  ich  mit  Herrn  Sarat'ov  Eegierungscommissär  zur  Unter- 
suchung dieser  Agrarverhältnisse  und  verdanke  diesem  Umstände  die  erste  näliere 
Bekanntschaft  mit  dieser  Gegend.  Unser  Kapport  ist  damals  in  bulg.  Sprache 
(8",  39  ü.)  gedruckt  worden. 

^')  Acta  graeca  ed.  Miklosich  IV,  18_':  tö  oiKOiao&OTtapäaTropov  {sie).  Vgl. 
den  erhaltenen  Titel  einer  Novelle  des  Ks.  Tiberius  II.  (578  -  582):  ,TT€pl  Trapa- 
öiropiTiiv  (Ersch-Grubers  Enc.  ßd.  86  S.  213). 


71 

KctTuu  ZouvbeaaKO(;,  „der  untere  Engpass"  (altsl.  sateska,  Pass),  zu 
suchen  sein,  einer  der  Orte  des  Bisthums  von  Velbuzd  in  der  Ur- 
kunde des  Ks.  Basilios  IL  vom  J.  1019^^).  Weiter  flussabwärts 
liegt  das  von  schöner  Natur  umgebene  Dorf  Skrino ,  der  Geburts- 
ort des  heil.  Johannes  von  Ryla  (lebte  im  10.  Jahrb.),  mit  verschie- 
denen alten  Mauerresten.  Die  malerische  Ruine  einer  kleinen  Kirche 
überrascht  vor  dem  Eingang  in  den  ansehnlichen  Marktflecken 
Bobösevo,  in  dessen  Umgebungen  sich  noch  mehrere  andere  alte 
Kirchen  und  Klöster  vorfinden.  In  Bobosevo  selbst  fand  man  eine 
in  Philippopolis  geprägte  Kupfermünze  des  Ks.  M.  Aurelius  Anto- 
ninus  mit  einem  Tempel  und  der  Inschrift:  kenapeiceia  hygeia  auf 
der  Rückseite  ^^). 

Die  Strasse  von  Küstendil  nach  Dupnica  führt  keineswegs 
durch  diese  Pässe,  sondern  in  gerader  Linie  durch  eine  wenig  an- 
sprechende baumlose  Hügellandschaft.  Bei  dem  Dorfe  Golem o 
Selo  (etwas  gegen  Norden  von  der  Strasse)  sieht  man  zwei  Tumuli 
und  die  Reste  einer  Goldwäscherei  an  dem  Bache  Razmetänica. 
An  einer  nahen,  Caricin  genannten  Flur  lagen  noch  unlängst  einige 
alte  behauene  und  beschriebene  Steine.  Im  Jahre  1883  hörte  ich 
davon  in  Dupnica  und  ritt  in  der  drückenden  Mittagshitze  gleich 
hin,  aber  es  war  zu  spät:  die  Bauern  bauten  gerade  eine  Kirche 
und  hatten  die  „beschriebenen  Steine"  schon  zu  glatten  Pfeilern 
zubehauen. 

Der  Fluss,  welcher  das  längliche,  mit  zahlreichen  hohen  Tumuli 
gezierte  Becken  von  Dupnica  durchfliesst,  heisst  Dzermen  und 
wird  im  14.  und  15.  Jahrhundert  als  Gjerman,  Germanstica 
erwähnt"*").  Dies  führt  uns  zu  der  antiken  Stadt  Pepiiidveia  oder 
fepiLiavri,    einem    der  Hauptorte   des    binnenländischen  Daciens  und 


'")  „Grad  Zitomittsk"  in  der  Biographie  des  Serbenfürsten  Nemanja  von 
dessen  Sohn  Kg.  Stephan  dem  Erstgekrönten  cap.  VII  in  folgender  Reihenfolge: 
Stob,  Zemltn,  Velbuzd,  Zitomittsk,  Skopje  u.  s.  w.  In  einer  Urkunde  des  bulg. 
Caren  Joannes  Alexander  von  1347  (Safafik,  Pamatky,  2.  Aufl.,  p.  98)  wird  ein 
Weinberg  in  Zitomittsk  neben  einem  anderen  in  Skrino,  dessen  Lage  bekannt  ist, 
angegeben. 

''»)  Es  ist  die  Münze  des  Elagabal,  Mionnet  I,  418,  355;  Suppl.  II,  478,  1630. 

")  Im  Chrysobull  des  Klosters  Ryla  von  Car  Sisman  1378  heisst  es  bei  der 
Grenzbeschreibung:  „von  der  rechten  Seite  der  Burg  Stob  zur  Ryla,  und  die  Ryla 
abwärts  zur  Struma,  und  die  Struma  aufwärts  zur  Germanstica,  und  die  Germanstica 
aufwärts"  u.  s.  w.     Safaiik,  op.  cit.,  2.  Aufl.  S.  106. 


72 

überdies    dem    Geburtsorte    Belisars  **').      fepiudveia    erscheint    noch 
unter  den  Kirchen  des  Bisthums  von  Velbuzd  1019,  ja  sogar  noch 
später  als  eine  schöne  Stadt  Germanija   zwischen  Weingärten  und 
fruchtbaren  Aeckern    in    der   Geographie   des   Arabers  Edrisi    (um 
1150).    Ich  dachte  früher'*'^)  an  das  Dorf  Dzermen,  ungefähr  5  Kilo- 
meter südlich  von  Dupnica.     Aber  Dzermen    ist    ein   kleiner   arm- 
seliger Ort,  welcher  gar  keine  Alterthümer  aufzuweisen  hat.    Auch 
das  nahe  Dupnica  selbst  (7500  Einw.)   ist  ein  neuer  Marktflecken, 
erst  seit  dem  15.  Jahrhundert  emporgekommen  an  dem  Kreuzungs- 
punkte der  Strassen  von  Constantinopel  nach  Skopje  und  von  Sofia 
nach  Seres  oder  Salonich.     Der  älteste  Punkt  des  ganzen  Beckens 
von  Dupnica  ist  dagegen  das  Dorf  B  an  ja,  wegen  des  benachbarten 
Sapärevo  (oder  Capärevo)    oft    Saparevska  Banja    genannt").     Es 
liegt  IV2  Stunden  östlich  von  Dupnica,  hart  am  Fusse  des  steilen 
Rylagebirges ,    an    der  Stelle,    wo    der  Dzermenfluss  aus  einer  tief 
eingeschnittenen  Felsschlucht  in's  Freie  tritt.    Herumliegende  glatte 
Säulen  und  behauene  Quadern,    Fundamente   von   alten  Gebäuden 
und  andere  Reste  der  Vorzeit   erhalten   ein  noch  höheres  Interesse 
durch    Haufen   von  alten   Eisenschlacken    eines    verfallenen    Berg- 
werkes   längs    des  Flusses    und    besonders    durch    zwei    mit    Kup- 
peln gedeckte  steinerne  Badeliäuser,    davon  eines  bereits  in  Trüm- 
mern, mit  einer  schwefelhaltigen  Thermalquelle  ,  deren  Temperatur 
(auf  dem  Hofe    des   noch   benützten  Bades)  +  69"  C.  beträgt.     In 
der  Mitte  des  Dorfes  gruppiren  sich  zahlreiche  Trümmer  alter  Stein- 
metzarbeit  um   eine   verfallene  kleine  Kirche  (Svcti  Nikola),    einen 
aus    abwechselnden  Bruchstein-  und  Ziegellagen    recht    gut    aufge- 
führten Kuppelbau,    dessen  Inneres  jedoch  nur  6  Schritt  lang  und 
ebensoviel  breit  ist  5  auf  den  Wänden  sieht  man  Reste  von  Fresken 
in  zwei  Lagen  übereinander,    mit    altslavischen  Aufschriften.     Der 
Altarstein  ist  ein  antikes  Stück  mit  einer  13  Zeilen  langen  lateini- 
schen Inschrift,  aus  welcher  der  Name  des  Kaisers  Septimius  Severus 
und  des  auf  den  Münzen  von  Pautalia  genannten  Legaten  Caecina 
Largus  klai-  hervortritt.     Leider  hatte  vor  Kurzem  ein  bulgarischer 
Kirchenmaler  die  Lesung  durch  schwarze  Ueberzeichnung  vermeint - 


*')  Procopius  cd.  Bonn.  1,  361:  äK  Tepuaviac;,  i)  OpaKüüv  re  Kai  'lUupiüv 
nexaEü  Keirai. 

")  Heerstrasse  von  Belgrad  nach  Constantinopel  S.  28. 

")  Ein  warmes  Bad  mit  einer  steinernen  Kuppel  im  Dorf'e  .Sijarova  (lies: 
Siparova),  2  Meilen  von  Dupnica,  Hadii  Chalfa  S.  89. 


73 

lieber  Buchstaben  versucht  und  damit  die  ganze  Oberfläche  arg 
verkleistert.  Ich  lege  die  folgende  (>opie  aus  meinem  Notizbuchc 
nur  mit  einer  grossen  Reserve  vor;  ein  zweites  Mal  habe  ich  den 
Ort  seitdem  nicht  besuchen  können,  wiewohl  ich  den  Stein  am 
liebsten  nach  Sofia  „entführt"  hätte. 

IMP-CAESARI 

L-SEPTIMIOSEVERO 

////MO  PERTINACI  AVG 

A  R  A  B  I  C  O    A   D   I   A  B  E  N  //// 
5        P  A  R  T  H  ////  ////  ////   O   N  //'/ 

MAXI  ////  ////    T  R  I  B  P  O  T 

V  n   I  M  P  ////  C  O  S   1  I  P  R 
(?)       C  O  H  •  I  I  •  V  L  V  Q_  (?) 

VBCCAECINALARGO 
10      LEGAVGCPRIID  (?) 

(?)      C  V  R  A  N  ////  ////  T  E  L  V  C  I  O       (?) 

P  O  L  L  I  O  /'"  /'-'/  ////  /'"/  O  P  R  A  E 

TORE    VOTM 


44  \ 


Das  Becken  von  Dupnica  steht  im  oberen  Theile  dem  Bassin 
von  Küstendil  an  Fruchtbarkeit  sehr  nach.  Die  Dörfer  liegen  nur 
am  Rande  unter  den  Höhen ;  die  Thalsohle,  meist  von  Maisfeldern 
bedeckt,  ist  baumlos  und  monoton,  überdies  noch  durch  gewaltige 
von  den  Bächen  aus  dem  Rylagebirge  herunterge wälzte  Geröll- 
massen arg  verwüstet.  Dagegen  ist  die  warme  Landschaft  von 
Dupnica  abwärts  mit  ihren  prächtigen  Obstgärten,  Weinbergen  und 
Tabakpflanzungen  sehr  anrauthig.  Eine  uralte  Culturstelle  liegt 
dort'  am  Flusse  Ryla.  Auf  einer  Höhe  auf  der  Südseite  des  Thaies 
liegen  die  Ruinen  der  Burg  Stob,  welche  im  11. — 14.  Jahrhundert 
oft    erwähnt    wird^^).     Dieselben,    eine  Mauer   mit  einem  Fenster, 


'♦)  Die  Inschrift  gehört,  wenn  in  Z,  7  Vii  richtig  ist,  iu  das  Jahr  199;  zu 
lesen  ist  ungefähr:  Ivip.  Caesari  L.  Septimio  Severe  [Pi]o  Pertinaci  Aug.  Arabico 
Adiahen\ic6\    Parth{ico)    \^Max{i'mo)  p]on[t{ifici)    maxi[mo]    trib.   pot.   VII   imp.  {XI] 

COS.  II  p{atri)  [p{atriae)]  coh{prs)  II [s]ub  C-  Oaecina  Largo  leg.  Aug\g]. 

pr{o)  [pr{aetore)],  aij-an[te]   T.  [F]l[av]io'>  PoUio[ne   .... 

^^)  iToßot;  im  Bisthum  von  Küstendil  1019 ,  „grad  Stob"  neben  Velbuzd 
u.  s.  w.  im  Leben  Nemanja's  von  Kg.  Stephan  von  Serbien,  ZToO|UTriov  des  Niketas 
Akominatos  ed.  Bonn.  568  und  des  Georgios  Akropolita  ed.  Bonn.  84,  „grad  Stob" 
im  Chrysobull  des  Rylaklosters  von  Car  Sisman  1378. 


74 

sind  in  Folge  einiger  Bergstürze  ganz  unzugänglich.  Unter  der 
Burg  liegt  ein  kleines  Dorf  Stob  (türk.  Istop).  Drei  hohe  Tumuli 
auf  den  Wiesen  des  rechten  Rylaufers  zeugen  vom  hohen  Alter 
der  hiesigen  Ansiedelung.  Der  ganze  Raum  von  Stob  bis  zu 
dem  ungefähr  zwei  Kilometer  entfernten  Dorfe  Ryla  ist  voll  von 
Mauerresten,  Ziegelfragmenten,  Scherben  von  grossen  Gefässen 
u.  s.  w.  In  dem  ansehnlichen,  vor  dem  Eingang  in  die  Schluchten 
des  Rylagebirges  malerisch  gelegenen  Dorfe  oder  eher  Marktflecken 
Ryla  (567  Häuser  mit  3052  Einw.)  sieht  man  Halden  von  Eisen- 
schlacken, welche  gegenwärtig  zur  Pflasterung  der  Höfe  dienen; 
die  Eisenindustrie  soll  vor  hundert  Jahren  eingegangen  sein.  Bei 
den  Resten  einer  St  Nikolauskirche  bemerkte  ich  antike  Quadern, 
Säulenknäufe,  Carniesse  u.  s.  w.,  und  auf  dem  Hofe  der  Pfarrkirche 
St.  Archangel  sogar  eine  griechische  Inschrift,  mit  altthrakischen 
Personennamen.  Es  ist  ohne  Zweifel  eine  der  beiden  Inschriften, 
die  Bartii  1862  hier  gesehen  hat'*'').  Der  verwitterte^  auf  der  linken 
Seite  durchgehauene  Granitstein  führt  folgende  acht  Zeilen  (etei 
Z.  7  unsicher)'"): 


1  X 1 1 1  /lijJTijiir 


O  T  O   N   B  WV  o  N  E   K  T  W«! 

NOIEHoPCXHAHNOI 
OYZENILKAIAIZA 
N//'/BEI0YEMOYKAI 
KEN0OEBEIOAXN 


(etei)    K   E  N  0  O  Y  X  N  ////  M  O  Y  K 
HP    ACKAITAPCACOIBEO 


Später  horte  ich,    dass   in   einzelnen  Häusern  von  Ryla  noch 
einige  andere  Inschriften  vorhanden  sein  sollen. 


^*)  Barth,  Reise  durch  das  Innere  der  Eur.  Türkei  im  Uerbst  1862,  Berlin 
1864  8.92,  schreibt  von  zwei  griechischen  Inschriften  zu  Ryla,  darunter  „eine  nicht 
uninteressante,  aber  leider  verstümmelte,  die  Weihung  eines  Altars  betreffend,  auf 
der  Terrasse,  worauf  die  Durfkirche  steht".  Ob  die  Copicn  Barth's  irgendwo  er- 
schienen sind,  ist  mir  nicht  bekannt. 

")  [Von  Z.  4  an  stehen  Namen,  regelmässig  wie  es  scheint  mit  dem  gleichen 
Betrage  von  etwas  über  50  Denaren,  der  Einer,  der  nach  n  gestanden  haben  wird, 
ist  sowohl  Z  5  wie  7  zerstört;  es  stand  etwa  da:  BpjoüJevK;  Kai  Ai2;u[(;  ....  X)v  /, 
Bei9u^  MouKa[TTdpiO(;y  .    .  xv/,  'ETeiPJKtvboc;  Be([9aj  xv/,  . . . 'ETei(?)Kdv9ou  xv,', 

MouK[d7ropi<;? xv/,  0?Jrjpaq  Kui  Tdpaaq  oi  Beo[aoi  . . .     Z.  2  ist  deutlich 

TÖv  ßu)|Liöv  dK  tOüv  ,  vorher  und  nachher  kann  etwa  gestanden  haben :  fKaxeöKCU- 
<iaavT]o  und  [iölujv]-,  Z.  .S  scheint  öxrjXriv  zu  erkennen.     E.  B.] 


75 

Das  Innere  des  Rylagebirges  birgt  das  berühmte  bulgarische 
Kloster  des  heil.  Johannes  von  Ryla,  jedoch  ausser  einem  Thurm 
mit  einer  slavischen  Inschrift  vom  Jahre  1335  ist  das  jetzige  ge- 
waltige Gebäude  (mit  300  Kammern)  grösstentheils  ein  Neubau  aus 
unserer  Zeit.  Eine  Reise  von  der  bulgarischen  Grenze  durch  das 
Strymonthal  abwärts  nach  Dzumaja,  wo  sich  Thermen  und  In- 
schriften befinden'*^),  Melnik  u.  s.  w.  wurde  gewiss  eine  reiche 
archäologische  Ausbeute  bringen,  aber  bei  den  bestehenden  Grenz- 
verhältnissen und  bei  dem  Umstände,  dass.  ich  in  bulgarischen 
Diensten  stand,  konnte  ich  so  etwas  nicht  wagen. 

II.  Alte  Bergwerke 

In  der  schriftlichen  Ueberlieferung  des  Alterthums  fehlt  es 
keineswegs  an  Nachrichten  über  den  damaligen  Bergbau  in  den 
südlichen  und  östlichen  Haemusländern  ,  in  Makedonien,  Thrakien 
und  dem  unteren  Donaugebiet,  jedoch  sind  dieselben  meist  ohne 
topographisches  Detail.  Am  deutlichsten  tritt  das  küstenländische 
Minengebiet  der  Chalkidike  und  das  berühmte  Goldland  am  Berge 
Pangaios  bei  Phihppi  und  Amphipolis  hervor.  Dunkler  sind  die 
Angaben  über  die  weiter  gegen  Norden  gelegenen  Erzlager  des 
Binnenlandes,  über  die  Eisen-  und  Bleiminen  der  makedonischen 
Stadt  Bivn  oder  Bivai''^),  über  die  Minen  des  inneren  Paeoniens,  der 
Rhodope  u.  s.  w.  Von  dem  einstigen  Reichthum  der  Gruben  dieser 
Gebiete  zeugen  die  zahlreichen  mannigfaltigen  Münztypen  der  ein- 
zelnen Städte,  besonders  Thrakiens  in  der  Römerzeit,  lieber  die 
dortige  Bergwerksverwaltung  in  der  Kaiserzeit  erfahren  wir  Einiges 
aus  einer  constitutio  des  J.  386,  welche  y,procuratores  metallorurn 


^*)  Barth  (8.  99)  sah  in  Dzumaja  eine  grosse  griechische  Inschrift  unter  dem 
Wasser  des  Badehauses.  Von  bulgarischen  Lehrern,  die  vor  dem  Kriege  dort 
gelebt  hatten,  hörte  ich  oft  von  einer  lateinischen  und  griechischen  Inschrift  des 
Ks.  Gordian,  angeblich  mit  den  Worten  BONA  FORTVNA,  welche,  in  vier  Stücke 
zerschlagen,  sich  bei  der  Kirche  von  Dzumaja  befinden  soll.  Aber  alle  meine 
Bemühungen,  um  eine  noch  so  primitive  Zeichnung  zu  erlangen,  waren  erfolglos. 
Dzumaja  ist  gegenwärtig  ein  wichtiger  militärischer  Waffenplatz  der  Pforte  an  der 
bulgarischen  Grenze  ;  eine  Menge  aus  Bulgarien  ausgewanderter  fanatischer  Türken 
hat  sich  dort  angesiedelt,  wogegen  die  christlichen  Dzumajoten,  ein  rühriges  und 
unternehmendes  Volk,  jetzt  meist  nach  Dupnica  gewandert  sind. 

'")  Ueber  diesen  Ort  vgl.  Tomaschek's  ,,Miscellen  aus  der  alten  Geographie", 
Oest.  Gymn.  Ztschr.  1867,  695  und  desselben  „Zur  Kunde  der  Haemushalbinsel", 
Wien   1882  S.  19. 


76 

intra  Macedo n  iam,  Daciam  mediterran eam,  Moesiam  seit 
Dardaniam^'  nennt.  Diese  Provinzialbeamten  waren  wohl  dem  in 
der  „ Notitia  dignifatnm "  erw äh nten  „co m es  metallorum  2oer  I lly- 
ricnm^  untergeordnet^").  Damit  sind  die  erzreichen  Provinzen 
sichergestellt,  aber  die  Localitäten  selbst  bleiben  unbekannt;  selbst 
das  an  wichtigen  Ortsnamen  reiche  Verzeichniss  des  Prokopios  {de 
aedif.)  gibt  nur  spärlichen  Aufschluss  über  die  Lage  der  alten 
„metcdla^. 

Dieser  alte  Bergbau  wurde  auch  im  Mittelalter  fortgesetzt, 
worüber  wir  aber  in  den  byzantinischen  und  bulgarischen  Quellen 
leider  fast  gar  keinen  Aufschluss  finden,  wie  es  für  den  Osten  der 
Halbinsel  auch  an  jenem  ragusanischen  und  italienischen  Urkunden- 
material  fehlt,  welches  den  Bergbau  von  Bosnien  und  Serbien  für 
das  13.  — 15.  Jahrhundert  so  klar  illustrirt  ^^).  In  der  Türken  zeit  ist 
dieser  Minenbetrieb  alhnählich  eingegangen.  Die  Angaben  des 
türkischen  Geographen  Hadzi  Chalfa  aus  dem  17.  Jahrhundert 
geben  mitunter  eine  verlässliche  Aufklärung  über  manche  dunkle 
Punkte.  Der  Betrieb  einiger  Bergwerke  ist  jedoch  erst  in  unserem 
Jahrhundert  erloschen,  so  dass  man  noch  Personen  findet,  von  denen 
sich  über  dieselben  Einzelnes  erfragen  lässt. 

Die  jetzt  gebräuchlichen  bergmännischen  Ausdrücke  der  Bul- 
garen, soweit  sich  dieselben  sprachlich  analysiren  lassen,  sind  viererlei 
Ursprungs ,  was  für  die  Geschichte  des  hiesigen  Bergwesens  nicht 
ohne  Interesse  ist.  Der  Römerzeit  gehört  an  die  sgoria  (in  Kratovo 
zgura),  Schlacke,  von  dem  lat.  scauria,  scoria.  Aus  dem  spä- 
teren Mittelalter  stammen  die  deutschen  Worte,  welche  den  Sachsen 
(slav.  Sasi)  angehören,  die  wahrscheinlich  aus  Ungarn  und  Sieben- 
bürgen berufen ,  im  14.  und  15.  Jahrhundert  die  Bergwerke  von 
Bosnien,  Serbien  und  Bulgarien  betrieben.  In  Bulgarien  ist  ihre 
Anwesenheit  urkundlich  nur  in  Ciporovci  im  Balkan  von  Bcrkovica 
beglaubigte'^),  ihre  Spuren  reichen  aber  noch  weiter.  In  Ciporovci 
selbst,  in  Samokov  und  in  Ryla  nennt  man  die  Schlacken  noch  immer 
mit  dem  deutschen  Worte  s  1  a  k  n  ö  ;  in  Kratovo  heissen  die  Gruben- 

*")  Codex  Theodosianus  l,  32,  5.  Notilia  dignitatum  ed.  Seeck  (Berlin  1876)  p.  36. 

^')  Vgl.  meine  Ilandelsstrassen  und  Bergwerke  von  Serbien  und  Bosnien 
während  des  Mittelalters,  Prag  1879  (Abhandl.  der  kgl.  böhm.  Ges.  d.  Wiss.). 

^')  ,,Eat  Chiprovacii  pars  oppidi  aen  rerjio,  (juae  etiam  hodie  appellatur  regio 
Saxonum  et  in  privilegiis  Inrcicis  ....  concedilur  Saxonibus  renovare  partcm 
templi  vento  dciectavi''  in  einem  Briefe  des  katli.  Erzbiscbofs  von  Sophia  von  1667, 
Farlati,  Illijricum  aacrum  Vill. 


77 

arbeiter  ü  t  m  a  n  i  (Hüttenmann)  und  ein  Dorf  derselben  Gegend 
wird  S  a  s  e  genannt.  Das  dritte  Element  der  hier  gebräuchlichen 
bergmännischen  Nomenclatur  ist  slavisch,  darunter  z.  B.  das  ver- 
breitete Wort  s  a  m  0  k  o  V  ,  durch  Wasserkraft  getriebenes  Ham- 
merwerk, wörtlich  der  „Selbsthammer",  r  u  d  a,  Erz  u.  s.  w.  Endlich 
türkischen  Urprungs  ist  madan,  madaniste,  der  Schmelzofen. 

Im  Folgenden  will  ich  einige  Bemerkungen  über  die  Reste  der 
alten  Bergwerke  vorlegen.  Vor  Allem  fallen  uns  die  oben  erwähnten 
mannigfaltigen  Producte  der  Münzstätte  von  Pautalia  auf,  mit  der 
Anführung  von  XPucr6(;  und  äp-^xjpoc,  unter  den  einheimischen  Er- 
zeugnissen. Das  Gold  wurde,  wie  noch  jetzt,  in  den  Flüssen  ge- 
waschen, aber  woher  kam  das  Silber?  Noch  in  der  ersten  Hälfte 
des  17.  Jahrhunderts  schrieb  Hadzi  Chalfa  über  den  „Bei'g  von 
Küstendil" :  „Hie  und  da  finden  sich  Gold-  und  Silberminen,  und  das 
daraus  erhaltene  Metall  wird  in  dem  Münzhause  von  Karatova  aus- 
gemünzt"^^). Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  diese  Bergwerke 
irgendwo  in  der  Nähe  der  Stadt  auf  der  Nordseite  des  Gebirges 
liegen  mussten  und  mit  dem  jenseitigen,  von  Küstendil  aus  nicht 
leicht  zugänglichen  Minendistrict  von  Kratovo  nicht  zu  verwechseln 
sind.  Die  Existenz  alter  Minen  im  Osogovgebirge  blieb  im  Lande 
wohl  bekannt,  wurde  aber  von  der  Bevölkerung  mehr  oder  weniger 
geheim  gehalten.  Bou6  hörte  1836  nur  eine  dunkle  Andeutung 
über  Silber-  und  Kupferminen  in  der  Nähe  von  Küstendil  ^*).  Im 
Jahre  1883  habe  ich  mit  Herrn  Georg  Zlatarski ,  Geolog  der  bul- 
garischen Regierung,  die  Lage  des  alten  Bergwerks  erfragt  und 
den  nicht  sehr  zugänglichen  Ort  selbst  besucht.  Am  Nordabhang 
des  höchsten  Osogovgipfels,  des  an  2200  M.  hohen  Rujen,  liegen 
ganz  nahe  an  der  bulgarisch-türkischen  Genze,  in  den  Urwäldern 
des  Quellgebietes  der  Bistrica,  ungefähr  1580  M.  hoch,  die  Ein- 
gänge von  sieben  sehr  tief  hinabreichenden  alten  Schachten ,  in 
denen  man  in  dem  aus  Phyllit  bestehenden  Fels  bis  an  30  Cm. 
dicke  Adern  silberhaltigen  Galenit,  Chalkopyrit  und  Pyrit  bemerkt. 
Das  Material  wurde  eine  halbe  Stunde  abwärts  an  eine  jetzt  Srebrn  o 
Kolo  (bulg.  „Silberkreis")  genannte  Wiese  geschafft,  wo  am  Zu- 
sammenflusse von  zwei  Bächen  mitten  in  dem  dichten  Buchenwalde 


^')  Kumeli  und  Bosna,  geographisch  beschrieben  von  Mustafa  ben  Abdallah 
Hadschi  Chalfa.  Aus  dem  Türk.  von  J.  v.  Hammer.  Wien   1812,  S.  88. 

^')  Prks  de  Kostendil  on  cite  des  mines  de  cidvre  et  d'argent.  Boue,  La  Turquie 
d'Europe,  Paris  1840,  I  378. 


78 

Spuren  eines  Schmelzofens  mit  einem  grossen  Kreis  von  Silber, 
Blei  und  Kupfer  enthaltenden  Schlacken  sichtbar  sind.  Von  dort 
führte  ein  jetzt  mit  Bäumen  und  Gestrüpp  überwachsener  Weg 
über  die  Dörfer  Atkoria  und  Bogoslov  gerade  nach  Küstendil.  Die 
Einwohner  der  nahen  Ortschaften  besitzen  keine  Sagen,  die  über 
den  Zeitpunkt  des  Betriebes  dieser  Werke  Aufschluss  geben  könnten, 
und  auch  die  Bäume,  die  jetzt  auf  den  Fundamenten  einer  kleinen 
Hausruine  bei  jenen  Schachten  wuchern,  sind  keineswegs  jung.  Die 
alten  Minen  der  Pautalioten  sind  gewiss  schon  lange  eingegangen  ^^). 

Jenseits  des  Osogov  liegt  auf  der  entgegengesetzten  Südseite 
des  Rujen  auf  türkischem  Boden  das  Dorf  Sase  (120  Häuser)  mit 
einem  verfallenen  Bergwerk.  Einige  Stunden  weiter  gegen  Westen 
beginnen  die  Blei-,  Kupfer-  und  Silberminen  von  Kratovo,  deren 
allerdings  primitiver  Betrieb  erst  vor  wenigen  Jahren  ins  Stocken 
gerathen  ist.  Die  Localität  und  der  Betrieb  der  Minen  ist  von 
Boue  ausführlich  beschrieben  worden.  Kratovo  selbst  (620  Häuser 
mit  ungefähr  6000  Einw.)  liegt  in  einem  engen  heissen  Thalkessel 
zwischen  abgeholzten  Trachytfelsen,  hat  zahlreiche  mittelalterliche 
Thürme,  Brücken  und  Kirchen  und  soll  ganz  von  tiefen  „Kellern" 
und  Gängen  unterminirt  sein.  In  der  Geschichte  erscheint  es  erst 
im  14.  Jahrhundert  und  war  auch  in  der  älteren  Türkenzeit  ein 
wichtiger  Punkt.  Ueber  die  ältere  Vergangenheit  der  Bergwerke 
von  Kratovo  ist  leider  nichts  Näheres  bekannt.  Antike  Inschriften 
soll  es  dort  nicht  geben;  dagegen  zeigte  mir  ein  Kratover  eine 
daselbst  gefundene  Münze  Kaiser  Domitian's,  welche  für  das  Alter 
der  Ansiedelung  und  wohl  auch  des  Bergbaues  zu  sprechen  scheint. 

Alte  verfallene  Bergwerke  liegen  auch  in  der  nördlich  von 
Küstendil  sich  ausbreitenden  Gebirgslandschaft  Krajiäte.  Ich 
habe  diesen  geographisch  nur  wenig  bekannten  Winkel  am  Trifinium 
zwischen  Bulgarien,  Serbien  und  der  Türkei  zweimal  besucht.  Der 
alte  Ilauptort  war  das  jetzige,  noch  immer  ansehnliche  Dorf  Bo- 
silov  grad  (oder  Bosiligrad)  an  dem  Hauptflusse  des  Gebietes, 
der  Dragovistica,  mit  den  Resten  eines  Castells,  in  denen  grosse 
Zrdene  Gefässe  gefunden  wurden,  und  den  Spuren  eines  alten 
Marktes  am  Fusse   des  Schlossbergcs.     In    der   (Jrtskirche    befand 


**)  Eine  hergmäniiisclio  Rcsdireihung'  dieser  Stelle  von  Zlatarski  in  der 
Ztsilir.  der  bulg,  lit.  Gesellscli.  zu  Sofia  188.5,  XVII  l'.H  s(|.  (buig-.)  —  Hadzi 
Chalfa's  Nacliridit  kann  sich  aiicli  auf  das  Bergwerk  von  .Sase  beziehen  und 
nicht  auf  das  am  8  r  o  b  r  n  o  K  o  1  o  ,  welches,  wie  es  scheint,   Iriiher  verfallen  ist. 


79 

sich  ein  grosser,  dicht  beschriebener  „lateinischer"  Stein,  wurde 
aber  1878  auf  Anrathen  irgend  eines  Ignoranten  aus  Aberglauben 
abgeschliffen.  Das  jetzige  administrative  Centrum  des  hiesigen 
Bezirks  liegt  eine  Stunde  östlich  im  Dorf  Izvor,  in  dessen 
Nähe  sich  die  Rudimente  einer  kleinen,  angeblich  Slaviste  ge- 
nannten Burg  befinden.  Von  Izvor  führt  ein  alter  Pfad  über  das 
Doif  Trekljeno,  wo  gleichfalls  alte  Mauern  und  Gefässe  gefunden 
wurden,  über  den  oben  erwähnten  Fundort  Goracevci  in  das 
Thal  von  Trn.  Nordwestlich  von  Bosiligrad  liegen  am  Trifinium 
bei  dem  Dorfe  Ljubäta  die  Stollen  eines  alten  Silberbergwerks, 
„srebrni  dupki"  (Silberlöcher)  genannt,  mit  Resten  alter  Gebäude; 
nach  Herrn  Zlatarski  soll  das  Erz,  wie  im  Osogov,  silberhaltigen 
Galenit,  Pyrit  und  Chalkopyrit  enthalten.  Jenseits  der  Grenze 
finden  sich  in  Serbien  Reste  eines  grossen  Blei-  und  Silberberg- 
werkes bei  dem  Dorfe  Rupje,  im  Bezirk  von  Vlasotinci,  mit  vielen 
Schachten  und  der  Ruine  eines  Hammerwerkes.  In  dem  Quell- 
gebiet der  Dragovistica  liegen  sodann,  nördlich  von  Izvor,  die  erst 
seit  ungefähr  30  Jahren  eingegangenen  grossen  Eisenwerke  von 
Bozica,  die  sich  jenseits  des  Grenzgebirges  auch  auf  der  serbi- 
schen Seite  in  den  Umgebungen  des  Sumpfsee's  von  Vlasina  und 
in  den  Thälern  der  Vrla  Reka  und  der  Masurica  im  Kreis  von 
Vranja  weit  und  breit  fortsetzend^).  Das  sind  die  von  Hadzi 
Chalfa  im  17.  Jahrhundert  erwähnten  „berühmten  Eisengruben  von 
Olassina  (sie),  die  unvergleichHche  Aexte  und  Waffen  liefern'*^*). 
Das  zu  Bozica  gewonnene  Eisen  wurde  in  dem  Orte  selbst  in 
Hammerwerken  verarbeitet  und  sodann  in  Stäben  meist  nach  Egri 
Palanka  geführt.  Die  Gewinnung  selbst  war  ganz  primitiv:  der 
verwitterte  Magneteisensand  wurde  gewaschen,  in  derselben  Art, 
wie  man  es  bei  der  auch  im  Krajiste  (bei  Bozica,  Ujno  u.  s.  w.) 
früher  sehr  eifrig  betriebenen  Goldwäscherei  machte. 

Jetzt  ist  eine  solche  Eisensandwäscherei  in  Bulgarien  nur  in 
Samokov  an  der  Nordseite  des  Rylagebirges  in  Betrieb,  wo  sie 
von  vielen  Reisenden  (Boue,  Hochstetter  u.  A.)  gesehen  und  be- 
schrieben wurde.    Diese  höchst  einfache  Industrie,  jedenfalls  uralten 


^^)  lieber  diese  Bergwerke  auf  serbischem  Boden,  jetzt  sämmtlich  eingegangen, 
vgl.  Znjevic,  Materialien  zur  Geologie  des  Kgr.  Serbien  im  „Glasnik"  Bd.  55  (1884) 
184  und  Milicevie,  Kraljeviua  Srbija,  Belgrad  1884  S.  15  (Rixpje)  und  -281—3  (Kreis 
von  Vranja). 

*')  Kumeli  und  Bosua.  übers,  von  Hammer  S.  94, 


80 

Ursprungs,  hatte  einst  auf  der  Balkanhalbinsel  eine  grossartige 
Verbreitung  und  umfasste  ein  Gebiet,  das  sich  vom  Sar  (dem  alten 
Scardus)  bis  in  die  Rhodope,  ja  bis  an  das  Ufer  des  Schwarzen 
Meeres  erstreckte.  Das  Eisen,  welches  in  einer  geographischen 
Schrift  des  4.  Jahrhunderts  unter  den  Landesproducten  von  Make- 
donien genannt  wird  ^^),  wurde  wohl  in  derselben  primitiven  Weise 
zu  Tage  gefördert. 

Die  mir  bekannten  alten  Eisenwerke  dieser  Länder  zerfallen 
in  fünf  Gruppen.  Ich  will  dieselben  etwas  näher  besprechen ,  mit 
Zuziehung  der  benachbarten  Silber-,  Blei-  und  Kupferminen. 

Die  erste  Gruppe  liegt  im  nordwestlichen  Makedonien  im 
oberen  Vardargebiet,  an  der  Ostseite  des  Sargebirges.  Ein  greiser 
Arbeiter  in  Bozica,  der  in  seiner  Jugend  dort  beschäftigt  war, 
nannte  mir  drei  Orte:  die  Landschaft  Porec  an  der  Treska,  Krajis- 
nica  zwischen  den  Städten  Gostivar  und  Kalkandelen  und  Slatina, 
unweit  der  Stadt  Kicevo.  Mit  diesen  Eisenwäschereien  steht  wohl 
auch  der  Name  eines  südlich  von  Ki6evo  gelegenen  alten  Ortes, 
der  slavisch  Zeleznica,  türkisch  Demirhissar  genannt  wird 
(zelezo,  demir:  Eisen),  in  Zusammenhang.  Der  Betrieb  scheint 
jetzt  eingestellt  zu  sein^"). 

Das  zweite  Gebiet  ist  das  obenerwähnte  in  den  Gebirgen 
zwischen  der  oberen  Morava  und  Struma,  bei  Bozica  und  in  den 
Thälern  der  Vlasina  und  Mas  urica.  Es  erstreckte  sich  bis  in 
das  Becken  von  Znepolje,  an  dessen  Westende  bei  Grozna to vci 
und  Strasi  miro  vci,  wo  auch  römische  Münzen  gefunden  werden, 
ein  verfallenes  Eisenwerk  sichtbar  sein  soll.  In  dem  Bereich  dieser 
Eisenwäschereien  liegen  auch  die  oben  genannten  Reste  alter  Blei- 
und  Silbergruben  auf  dem  Berge  von  Ljubata  und  bei  Rupje. 
Daran  schliesst  sich  noch  ein  räthselhaftes  Silberbergwerk  bei 
Breznik,  zwischen  Trn  und  Sofia.  Kuripesic  schreibt  in  seiner 
„Wegrayss"  1530:  „stätlin  Pressnick,  allda  auch  vil  Silberertzt". 
Im  Orte  selbst  ist  gegenwärtig  jede  Erinnerung  an  ein  Bergwerk 
erloschen,    ausser  einigen  Goldwäschereien,    die  noch  vor  Kurzem 


^*)  (Macedonia)  eicit  ferrum,  plumbum.  Totius  orhia  descriptio,  verfasst  um 
das  J.  3.Ö0,  Geogr.  graeci  viinores  II  äSS,   bl. 

■''■')  HoiK-  {Tiirquie  d'Euroj>e  I  378)  hörte,  es  gebe  im  Öar  zwei  Licnos  von 
Kalkandoleu  „d'anciennes  mines  semhlahles'\  wie  die  in  der  Clialkidike,  konnte  aber 
nichts  Näberes  erführen.  In  der  Markova  Reka  bei  Skopje  wird  Gold  gewaschen. 
Demir  Hissar  zäiiit  jetzt  nur  45  Häuser-,  als  Hurg-  /CelCznec  erscheint  es  schon  im 
14.  Jahrh.  (Daniel  ed.  Danicic  22G). 


81 

in  dem  Bache  Leskov  Dol  bei  der  Stadt  betrieben  wurden.  Nach 
längerem  Suchen  fanden  wir  mit  Herrn  Zlatarski  zwar  keine 
Schlacken  oder  Reste  von  Hochöfen ,  aber  einige  schwache  Adern 
silberhaltigen  Galenit  auf  dem  Breznik  von  der  Südseite  domini- 
renden  Hügel  Visoki  Breg.  Alle  diese  Bergwerke  scheinen  sehr 
alt  zu  sein.  Prokopios  {de  aedificiis  ed.  Bonn.  p.  284,  33)  nennt 
eine  von  Kaiser  Justinian  befestigte  Ansiedelung  F  er  rar  ia  in  der 
Xuupa  {regio)  von  Remesiana,  welche  wohl  den  grössten  Theil  dieser 
Bergländer  zwischen  Naissus,  Pautalia  und  Serdica  umfasste ,  also 
auch  diese  Minengebiete.  Und  die  Silberminen  bei  Breznik  erinnern 
uns  an  die  Münzprägung  der  nahen  Serdicenser  im  2.  und  3.  Jahr- 
hundert. 

Das  dritte,  grösste  und  wichtigste  Eisengebiet  umfasste  das 
Ryla-,  Perin-  und  Rhodopegebirge.  Es  reiht  sich  an  die  „Sidero- 
kapsia"  oder  „Mademochoria",  die  uralten  Eisen-  und  Silberwerke 
der  Chalkidike  an,  die  noch  im  16.  Jahrhundert  im  vollen  Gang 
waren,  wie  aus  der  ausführlichen  Beschreibung  bei  Pierre  Belon 
zu  sehen  ist.  Der  See  zunächst  lagen  die  Eisengruben  des  Pangaios, 
die  auch  in  der  Türkenzeit  eifrig  betrieben  wurden:  1697  gab  es 
eine  grosse  Kugelgiesserei  in  Pravista  bei  Kavala"*'),  und  eine 
Ortschaft  in  der  Nähe  des  Meeresufers  führt  dort  noch  immer  den 
Namen  „Samokov"  (Hammerwerk).  Daran  grenzen  nördlich  die 
Eisensandwäschereien  und  Hammerwerke  an  zahlreichen  Flüssen 
der  Districte  von  Demir-Hissar,  dem  ZibripÖKacTTpov  der  Byzan- 
tiner**), und  von  Melnik,  z.  B.  bei  den  Dörfern  Krusovo, 
Ki.rcevo,  Kalimanci  u.  s.  w.  Diese  Industrie  vegetirt  dort  noch 
bis  zum  heutigen  Tage^'^).  Weiter  nördlich  gibt  es,  wie  schon  er- 
wähnt wurde ,  Halden  alter  Eisenschlacken  am  Fuss  des  Ryla- 
gebirges,  im  Dorfe  Ryla  auf  der  Westseite  und  in  Banja  und 
Macakürevo  auf  der  Nordseite,  welche  durch  die  Nachbarschaft 
antiker  und  mittelalterlicher  Ruinen  und  durch  alte  Inschriften  ein 
besonderes  Interesse  gewinnen.    Noch  der  oftgenannte  Hadzi  Chalfa 


*")  Hammer,  Gesch.  d.  osman.  Reiches  IIP  894.  Zehn  Dörfer  arbeiteten 
damals  in  den  Gruben,  Schmelzen  und  Giessereien,  und  beförderten  die  gegossenen 
Kugeln  zum  Hafen  nach  Kavala. 

'")  Kantakuzen  1.  II  c.  38  (allerdings  mit  der  Bemerkung:  biet  tujv  xeixAv 
TÖ  euTTUY^«;  Kai  \iav  öxupov  ibvo|uaö|u^vov). 

"')  Auf  der  üsterr.  Generalstabskarte  der  Türkei  ist  ein  Ort  „Samakov-Han- 
lari"  nördlich  von  Seres  ausdrücklich  angegeben  —  Einkehrhäuser  bei  einem  Eisen- 
hammer. 

Archäologiech-eiiigrapliisclie  Mittli.    X.  r. 


82 

kennt  daselbst  „an  einigen  Orten"  des  stets  schneebedeckten  wald- 
reichen Berges  von  Dupnica  (d.  h.  der  Ryla)  „Stahlminen"  **^)  und 
die  Werke  von  Ryla  sollen  erst  seit  100  Jahren  aufgegeben  sein. 
Unmittelbar  daran  schliesst  sich  der  Minendistrict  von  S  a  ra  o  k  o  v 
am  oberen  Isker  an,  dessen  Hammerwerke  bis  in  das  Quellgebiet 
der  Marica  hinüberreichen.  Samokov  selbst  hat  ausser  einigen 
Tumuli  nichts  Antikes  aufzuweisen.  Sein  Gebiet  erstreckt  sich  bis 
an  die  Vitoäa  bei  Sofia;  die  letzten  Schlacken  sieht  man  bei  Vla- 
daja  und  bei  Grubljane  in  der  nächsten  Umgebung  der  bulgari- 
schen Hauptstadt.  Der  Betrieb  der  Werke  von  Samokov  ist  jedoch 
in  den  letzten  Jahren  in  Folge  der  Concurrenz  ausländischen  Eisens 
fast  am  Erlöschen.  Die  Eisenarbeiter  kommen  zum  Theil  bis  aus 
Bozica  und  anderen  umliegenden  Dörfern,  besonders  seitdem  die 
dortigen  Eisengruben  verfallen  sind.  Noch  weiter  östlich  liegt  am 
Nordfuss  der  Rhodope  das  Städtchen  Pestera  mit  ausgedehnten 
Ueberresten  von  ähnlichen  Eisenwäschereien,  deren  Betrieb  erst  um 
1850  eingestellt  wurde.  Eisenschlacken  findet  man  auch  im  Innern 
der  Rhodope,  im  Hochgebirge  zwischen  Batak  und  Nevrokop  (auf 
der  Höhe  Beglik  am  Passe  Ta«-boaz^^),  bei  den  Hans  von 
Dospad  u.  s.  w.)  und  endlich  in  der  Umgebung  der  Stadt  Nevro- 
kop selbst,  des  alten  Nicopolis  ad  Nestum.  Die  Metallurgie  ist 
noch  jetzt  eine  Hauptbeschäftigung  der  Einwohner  des  Mestathales. 
Die  Einwohner  der  Landschaft  R  a  z  1  o  g  im  Quellgebiet  der  Mesta 
sind  Kupferschmiede  und  arbeiten  primitive  Ringe,  Kreuze,  Ohr- 
gehänge u.  s.  w,,  z.  B.  für  die  Wallfahrer  des  Rylaklostcrs ;  eine 
ähnliche  Bronze-  und  Messingindustrie  betreiben  auch  ihre  Nachbarn 
in  B  e  1  0  V  0  an  den  Maricaqu eilen.  Die  Bewohner  des  Kreises 
von  Nevrokop  an  der  mittleren  Mesta,  besonders  der  felsigen 
und  waldigen  Theile  desselben  (Dorf  Skrebatno,  Baldevo  u.  s.  w.) 
sind  heute  Goldwäscher  küt'  eEoxnv  und  trieben  bis  zu  den  grossen 
ökonomischen  und  politischen  Umwälzungen  des  letzten  russisch- 
türkischen Krieges  ihr  Gewerbe  fast  in  ganz  Bulgarien,  Rumelien 
und  Makedonien.  Man  fand  sie  jeden  Sommer  im  Balkan  bei  Kotel, 
an  der  Arda  in  der  Rhodope,  an  der  Topolnica  in  der  Sredna  Gora, 
an  der  Palagaria  an  der  Stidseite  der  Vitosa,    in  den  Kreisen  von 


")  Rumeli  mifl  liosna  S.  89. 

®')  Mines  de  fer  mir  la  route  de  Nevrokop  ä  Deapot-Jallak  erwähnt  aucli  Bnno, 
Turquie  d'Europe  I  .'177.  Minerais  de  fer  au  lüateau  de  Beiük  bei  Boue's  Reise- 
begleiter Viquesnel,    Voyage  dann  la  Turquie  d'Eurnpe,  Paris   1868,  II  .365. 


83 

Breznik,  Dupnica,  Küstendil  u.  s.  w.  In  der  alttürkischen  Zeit  vor 
den  Reformen  genossen  dieselben  verschiedene  Privilegien,  vor  allem 
gewisse  Steuerbefreiungen  gegen  Naturallieferungen  von  Goldstaub. 
Allerdings  war  das  Geschäft  sehr  mühselig,  und  das  anstrengendste 
Durchsieben  und  Waschen  des  Flusssandes  brachte  jährlich  in  der 
Regel  kaum  80  bis  120  Francs  reines  Gold  ein.  Die  Nevrokoper 
sind  wohl  die  Nachfolger  der  thrakischen  herumziehenden  auri- 
leguli,  welche  eine  constitidio  des  J-  370  [Cod.  Theodos.  X  19,  7) 
aus  Illyricum  und  der  Dioecesis  Macedonia  in  die  Heimat  zurück- 
zuschicken befiehlt,  sowie  der  „sequendariim  auri  venarum  periti"", 
welche  nach  Ammian  (31,  6,  6)  376  den  Gothen  in  Thrakien  die 
verborgenen  Schlupfwinkel  und  Getreidelager  der  Einwohner  ver- 
riethen,  selbst  gedrückt  und  erbittert  durch  schwere  Steuerlast. 

Die  alte  Metallindustrie  der  Rhodopeländer  beschränkte  sich 
jedoch  keineswegs  auf  Gewinnung  von  Eisen  und  Gold  aus  dem 
Sand  und  Geröll  der  Gebirgsbäche.  In  der  Rhodope,  im  alten 
Bessenlande,  fehlt  es  nicht  an  Spuren  der  ^citnicuU  more  Bessorum'^, 
an  Bergwerken  mit  Schachten  und  Stollen.  Bei  dem  Dorfe  L  u- 
kävica  im  Bezirk  von  Rupcos,  südlich  von  Philippopolis  auf  ost- 
rumelischem  Boden,  wurde  jüngst  ein  altes  Silber-  und  Bleibergwerk 
mit  tiefen  unterirdischen  Gängen  wieder  in  Betrieb  gesetzt.  Von 
dort  kam  einst  wohl  das  Metall,  welches  in  der  Münzstätte  von 
Philippopolis  ausgeprägt  wurde.  Als  ich  die  Ruinen  der  Eisenöfen 
von  Pestera  besuchte,  erzählte  man  mir  von  den  Schachten 
eines  alten  Kupferbergwerks,  eine  Stunde  südlich  von  der  Stadt. 
Auf  dem  an  Schloss-  und  Kirchenruinen,  sowie  an  alten  Grabfeldern 
reichen  Plateau  von  D  o  s  p  a  d  ,  zwischen  Tatar  -  Pazardzik  und 
Nevrokop,  sollen  nach  den  Erzählungen  eines  dortigen  bulgarischen 
Mohammedaners  an  dem  Bache  Gümüsdere  (türk.  Silberbach) 
bei  einer  Burgruine,  knapp  an  der  rumelischen  Grenze,,  Reste  eines 
Silber-  und  Goldbergwerkes  liegen.  Ein  Eingeborener  des  Arda- 
thales  sprach  mir  von  alten  Schachten  mit  Holzstützen  bei  dem 
Dorfe  V-blcevo  in  der  Landschaft  Achyr  -  Celebi ,  und  auf  den 
meisten  Karten  ist  unweit  davon  gegen  Süden  bei  dem  Städtchen 
Darider(^  ein  Berg  Maden  (türk.  „Bergwerk'')  angegeben.  An  diese 
Bergwerke  der  Rhodope  schliesst  sich  das  wohlbekannte  altbe- 
rühmte Gold-  und  Silberminengebiet  des  Pangaios  an  der  Seeküste 
nebst  den  Eisen-  und  Goldlagern  der  gegenüberliegenden  Insel 
Thasos  an.  Die  Reste  alter  Bergwerke  reichen  noch  weiter  gegen 
Westen.    In  dem  Gebirge  zwischen  Salonich  und  Strumica  gibt  es, 

6* 


84 

angeblich  nordöstlich  von  Avret-Hissar  auf  dem  Berge  Karadagh 
Silbergruben,  deren  Lage  wohl  dem  von  Herodot  (V,  17)  erwähnten 
lueraWov  am  Berge  Dysoros  entspricht,  aus  dem  König  Alexan- 
dros  I.,  des  Amyntas  Sohn,  täglich  ein  xdXavTOV  ttpYupiou  gewonnen 
haben  soll.  Näheres  ist  mir  leider  nicht  bekannt.  Man  erzählt 
auch  von  Silberminen  bei  Ochrid  oder  in  der  Dibra,  doch 
ohne  Angabe  einer  Localität^^). 

Doch  kehren  wir  zurück  zu  der  Eisenindustrie.  Die  vierte 
Gruppe  umfasst  die  Nordseite  des  westlichen  und  des  centralen 
Theiles  der  Balkankette.  Das  Gebiet  derselben  beginnt  schon  in 
der  Timoklandschaft,  wo  sich  westlich  von  Zajcar  (bei  L  u  k  o  v  o, 
Jablanica,  Valakonje  u.  s.  w.)  in  dem  langen  Thale  der 
Crna  Reka  zahlreiche  Spuren  alter  Silber-,  Blei-  und  Eisenwerke 
mit  Stollen,  Schmelzöfen  und  Schlacken  vorfinden,  nebst  vielen 
noch  vor  Kurzem  betriebenen  Goldwäschereien'*'').  Das  alte 'ApYev- 
rdpeq  (wohl  aus  der  Localform  Argentariis),  dessen  Befesti- 
gungen Kaiser  Justinian  erneuern  liess,  ist  hieher  zu  versetzen; 
Procopius  {de  aedif.  p.  285,  15)  nennt  es  in  dieser  Gegend  unter  den 
Castellen  der  Provinz  Dada  n'pensis ,  in  dem  Bezirke  der  Stadt 
Aquae  (Prahovo  an  der  Donau),  in  der  Nähe  von  Timathochium 
und  Timaciolum.  Weiter  gegen  Osten  gab  es  Eisenwerke  bei  dem 
Städtchen  C  i  p  6  r  o  v  c  i  auf  der  Nordseite  des  Balkans  von  Ber- 
kovica  im  Quellgebiet  des  Ogost,  sowie  bei  dem  nahen  Dorfe  Z  e- 
lezna,  in  Verbindung  mit  reichen  Silber-  und  Bleigruben,  auch 
dem  Hadzi  Chalfa  bekannt  als  die  Silberminen  von  „Kirus"  (lies: 
Kiprus)  bei  Berkovica;  dieselben  gingen  1688  ein,  als  die  (katho- 
lischen) Einwohner  bei  Annäherung  der  österreichischen  Truppen 
einen  Aufstand  versuchten  und  in  Folge  dessen  in  die  Walachei 
und  nach  Siebenbürgen  fliehen  raussten.  Gegen  Nordwest  reichte 
dieses  Minengebiet  bis  zu  dem  Dorf  Gorni  Lom  an  den  Lom- 
quellen,  wo  gleichfalls  Stollen  und  Schlacken  vorhanden  sind.  Auf 
der  entgegengesetzten  Südseite  der  Gebirgskette  fand  man  Eisen- 
schlacken bei  Senokos  in  der  Landschaft  Visok.  Alte,  erst  in 
unserem  Jahrhundert  eingegangene  Eisen-  und  Bleiglanzgruben  gab 
es  bei    der  Stadt  Etropol.     Ein    altes    Eisenbergwerk    liegt    im 


")  Auf  (1,13  Bergwerk  am  Karadagh  bezieht  sich  wohl  die  Angabe  Bou^'.s, 
bei  Ostronidaclia  (der  tiirk.  Name  für  .Strumica)  gebe  es  Kupfer-  und  Silberminen 
[Turquie  (TEurope  I,  378),  —  Mines  argentijerea  prh  d'OcJirida   Sinch  bei  Bou^  ib. 

««)  Milii5evi(*,  Kneievina  Srbija,  Belgrad  1876,  S.  877  (serb.). 


85 

Balkan  von  Trojan  an  den  Quellen  des  Schwarzen  Osem®').  In 
allen  diesen  Eisenwerken  des  Balkans  wurde  indessen  das  Material 
nicht  durch  Waschen,  sondern  durch  trockene  Grubenarbeit  zu 
Tage  gefördert*'^). 

Das  fünfte  Eisengebiet  lag  endlich  an  der  Pontusküste.  Der 
Hauptort  war  das  Dorf  Malki  Samokov  (Klein-S.),  jetzt  auf 
türkischem  Boden  in  der  Nähe  des  Meeres  (zwischen  Iniada  und 
Kyrkklisse).  Noch  im  17.  Jahrhundert  lieferte  dieses  pontische 
Samokov  Eisen  für  die  türkischen  Arsenale  ^^).  Der  Magneteisen- 
sand wurde  dort  in  der  erwähnten  Weise  gewaschen,  der  Betrieb 
ist  aber  in  unserer  Zeit  eingegangen.  Spuren  uralter  Bergwerke 
befinden  sich  auch  in  der  Umgebung  von  J  a  m  b  o  1 ,  dem  alten 
Cabylc;  sowie  in  der  Nachbarschaft  des  römischen  Deultum, 
deren  Alterthümer  ich  noch  ausführlich  besprechen  werde. 

III.  Römische  Strassen 

Von  den  römischen  Heerstrassen  auf  dem  Boden  Bulgariens 
ist  besonders  bemerkenswerth  die  grosse  Route  von  Sirmium  über 
Serdica  nach  Byzanz,  deren  festes  Gefüge  in  unbebauten  Gegenden 
noch  immer  klar  hervortritt;  in  den  Umgebungen  grösserer  Städte 
und  in  dichter  bevölkerten  Landschaften  werden  die  Reste  derselben 
allerdings  in  neuerer  Zeit  meist  als  Steinbruch  ausgebeutet  und 
dadurch  rasch  zerstört.  Die  folgenden  Bemerkungen  können  als 
Nachtrag  oder  Berichtigung  meiner  vor  neun  Jahren  über  diese 
alte  Verkehrslinie  veröfi'entlichten  Studie  gelten'"). 

Zwischen  Nis  und  der  bulgarischen  Grenze  kommt  der  so- 
genannte Latinski  put  (Lateinerweg)  besonders  in  dem  Gebirge 
zwischen  Naissus  und  Remesiana  (Bela  Palanka)  zum  Vorschein, 
südlich  von  der  jetzigen  Chaussee  bei  dem  Dorfe  Donja  Studena, 
wo    sich    neben    der  Römerstrasse    auch    die   Substructionen   einer 


*')  Bulgarisch  heisst  der  alte  Asemus  O  s  e  m  (masc.) ,  nicht  Osma  (fem.), 
wie  man  auf  den  Karten  liest. 

"•)  Ueber  die  Erzlager  des  Balkans  vgl.  die  Abhandlungen  von  Zlatarski  in 
der  Ztschr.  der  bulg.  lit.  Gesellsch.  1882—4,  Heft  II.  IV.  VI.  X  (bulg.).  —  Auffällig 
ist  der  Dorfname  Zelezna  (zelgzo,  Eisen)  in  den  Bezirken  von  Teteven  und  Trojan. 

''^)  Marsigli,  Stato  militare  delU  imperio  otiomano,  Amsterdam  1732  p.  56, 
1.51  {Samacow  nel  Mar  Nero). 

'")  Dr.  Const.  Jirecek,  Die  Heerstrasse  von  Belgrad  nach  Constantinopel  und 
die  Balkanpässe.  Prag  1877,  8.  172  S. 


86 

„Lateinerburg"  (Latinski  grad)  befinden"'),  welche  der  Lage 
nach  der  mutatio  Ulmo  des  Itinerarium  Hierosolymitanum  ent- 
spricht. Auf  bulgarischem  Boden  erblickt  man  die  Spur  des  römi- 
schen Weges  zuerst  bei  dem  Marktflecken  Caribrod.  In  dem 
Engthale  der  Nisava  liegen  am  linken  Ufer  längs  der  neuen  Chaussee 
die  Häuser  des  Ortes,  und  gegenüber  am  rechten  Ufer  zieht  sich 
in  dem  engen  Raum  zwischen  dem  Flusse  und  der  steilen,  dicht 
bewaldeten  Böschung  das  alte,  stellenweise  an  4 — 5  Schritt  breite, 
noch  gut  erhaltene  Pflaster  hin.  Einige  kleine  Burgen  (eine  nörd- 
lich von  Caribrod  gegenüber  der  Mündung  der  Lukavica,  eine 
zweite  südlich  davon  bei  Kalotinci  u.  s.  w.)  scheinen  zum  Schutze 
des  Weges  gedient  zu  haben.  In  dem  darauf  folgenden  Engpasse 
Jezevica  ist  die  Römerstrasse  wahrscheinlich  durch  die  neue 
Chaussee  verdeckt.  An  der  Wasserscheide  zwischen  dem  Isker 
und  der  Nisava  (726  M.  Seehöhe) ,  einer  kleinen  Hochfläche  mit 
feuchten  Wiesen  zwischen  kahlen  Felsbergen,  liegt  die  alte,  4  Schritt 
breite,  gepflasterte  via  publica  (südlich  von  dem  Dorf  Dragoman) 
wohlerhalten  neben  der  neuen  Strasse,  in  Begleitung  von  einigen 
Tumuli.  Von  Slivnica,  wo  man  wieder  ebenen  Boden  betritt, 
führt  die  moderne  Chaussee  in  gerader  Linie ,  ohne  ein  Dorf  zu 
berühren,  nach  Sofia;  die  Römerstrasse  blieb  dagegen  weiter  west- 
lich am  Fusse  der  das  Becken  von  Sofia  umschliessenden  Höhen» 
in  der  Gegend  des  Dorfes  Belica. 

In  der  nächsten  Umgebung  von  Sofia  ist  der  alte  Weg  nicht 
sichtbar.  Dagegen  rettete  Herr  Ingenieur  Prosek  auf  den  alten, 
jetzt  zum  Häuserbau  ausgebeuteten  türkischen  Grabfeldern  am  Rande 
der  Stadt,  an  der  Strasse  nach  Lom,  einen  antiken  Meilenstein 
vor  dem  drohenden  Untergang  (jetzt  in  der  Nationalbibliothek). 
Der  obere  Theil  desselben  ist  zerschlagen  und  die  Oberfläche,  be- 
sonders durch  einen  Spalt  arg  beschädigt.  Ein  geübteres  Auge 
wird  wohl  die  Inschrift  genauer  unterscheiden  können;  ich  las  in 
den  ersten  Zeilen  nur  einige  Worte: 


KAINoIKH  C 

AiAMOi . .  .  HrejwoNevoN  . . , 

.  .  .AAMnPOTAT////C0PAKUUN 
'.  «L  ,  i  .  .  .  .OYAe 


also  etwa  |  unep] . . . .  Kai  vfejiKri^  [Km ]  öia)io[vfi(;],  TiYejuoveuovfToq 


")  MiliöevJö,  Kraljcvina  Srbija,  Belgrad  ISSl  p.  17. 


87 

Tri?]  \a)UTrpoTdT[ri](;  OpcxKüuv  [eirapxeia«; In  der  6.  und  7.  Zeile 

sieht  man  noch  oaujn  und  miaion. 

Die  neue  Chaussee  von  Sofia  nach  Ichtiman  hält  sich  grössten- 
theils  nahe  am  Fusse  der  Berge,  welche  die  Südwestseite  des 
Beckens  von  Sofia  umrahmen.  Die  Römerstrasse  führte  etwa  eine 
halbe  Stunde  weiter  nördlich,  ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  den 
modernen  Landstrassen  von  Sofia  nach  Philippopel  und  von  Sofia 
nach  Orchanie  (resp.  Pleven),  wo  ihre  Linie  von  der  jetzt  im  Bau 
befindlichen  Eisenbahn  einigemal  gekreuzt  wird.  Noch  im  16.  Jahr- 
hundert wurde  sie  benützt  und  die  an  derselben  gelegenen  Dörfer 
sind  bei  den  damaligen  Reisenden  ausdrücklich  genannt:  Slatina 
nahe  bei  Sofia  (Kuripesic  1530),  Kazicane  (Kasidscham  bei  Ger- 
lach 1578),  Trnovo  (Dernschwamm  1553).  Die  alte  Strasse  über- 
schritt hier  den  Isker,  der  gegenwärtig  in  zwei  Arme  gespalten  ist, 
den  starken  Hauptarm  im  Westen  und  den  Stari  Isker  (den 
„alten")  im  Osten.  Der  römische  Oescus  floss  jedoch,  wie  es 
scheint,  nur  durch  einen  und  zwar  den  östlichen  Arm,  der  jetzt 
als  der  alte  und  schwächere  gilt,  denn  die  Entfernung  von  acht 
römischen  Meilen  von  Serdica  bis  Esco  amne  {Itin.  Hierosolym. 
p.  567)  stimmt  zu  den  12  Kilometern  vom  heutigen  Sofia  bis  zum 
„alten"  Isker  bei  Kazicane,  wogegen  der  gegenwärtige  westliche 
Hauptarm  von  Sofia  (über  Slatina)  längs  der  Römerstrasse  nur 
8  Kilom.  (ungefähr  5Vq  m.  p.)  entfernt  bleibt.  Der  Venetianer 
Ramberti  (1534)  schreibt  schon  von  einer  zweimaligen  Ueberschrei- 
tung  des  Isker.  Die  neue  Chaussee  weicht  diesem  Inundations- 
terrain  mit  seinen  wechselnden  Wasserläufen  ganz  aus  und  über- 
schreitet den  Fluss  noch  vor  dessen  Theilung  bei  dem  von  Halden 
eisenhaltiger  Schlacken  erfüllten  Eichenwald  von  Grubljane 
(10  Kilom.  von  Sofia).  Die  einzelnen  gepflasterten  Stücke,  die  sich 
in  geraden  Linien  durch  die  Felder  und  Wiesen  ziehen ,  werden 
jetzt  als  Steinbruch  stark  ausgebeutet.  Zwei  Partien  bei  Slatina 
heissen  Gorni  und  Dolni  Trojan  (Ober-  und  Unter  -  Trojan) ; 
überhaupt  nennt  man  die  Römerstrasse  hier  bei  Sofia,  sowie  bei 
Ichtiman,  bei  Tatar-Pazardzik,  bei  (Jirpan  u.  s.  w.,  allgemein  Tro 
janov  ptt,  Trojdnski  p'Bt  (Trojans weg,  selbst  türkisch  „Trajan 
jol").  Einen  eigenthümlichen  Charakter  gewinnt  die  Landschaft 
durch  eine  Menge  grosser  Tumuli.  Bei  Vrazdebna  (auf  der 
Strasse  von  Sofia  nach  Pleven)  z.  B.  reihen  sich  am  linken  Ufer  des 
Isker  sechs  ^  am  rechten  vier  gewaltige  Grabhügel  neben  einander, 
und  weiter  gegen  Osten  und  Norden  liegen  viele  kleinere  zerstreut 
zu  Dutzenden. 


88 

Am  Oescus  scheinen  auch  antike  Ansiedelungen  mit  steinernen 
Gebäuden  bestanden  zu  haben ;  deren  Material  ist  aber  längst  zum 
Bau  der  vielen  kleinen  Klöster  auf  den  Abhängen  rings  um  das 
Becken  von  Sofia  herum  verschleppt  worden,  sowie  zur  Errichtung 
der  monumentalen  türkischen  Herberge  von  Jen ih an  (oderNovi- 
han),  die,  obwohl  erst  1670  errichtet,  jetzt  nur  mehr  als  klägliche 
Ruine  dasteht.  Ornamentirte  Steine,  Säulencapitäle  u.  s.  w,  finden 
sich  in  Kazicane;  auf  dem  Hofe  der  Ortskirche  liegt  jetzt  auch 
eine  neulateinische  Inschrift,  der  Grabstein  eines  ragusanischen 
Kaufmanns  des  16.  Jahrhunderts  ,  wahrscheinlich  von  Sofia  hieher 
verschleppt,  060  h.,  0-40  br.  (Copie  des  Herrn  Prosek): 

HIC  •  lACET  •  SE jndt 
VS  -    NICOLAVS!  Geo 
R  G  I V  s  -  C I V I  s  Ragvs 
I  N  9  QVi  vixi^  annos 
5      X  X  I  V  O  H  ////  //// ....  ann 

O    D  O  M  I  N  I    mI 
(J    D  I  E    X  V         i 

An  der  Wasserscheide  zwischen  dem  Isker  und  der  Marica 
(840  M.  Seehöhe)  streift  die  Strasse  die  weit  zersprengten  Häuser- 
gruppen des  Dorfes  Vakarel,  das  im  16.  und  17.  Jahrhundert 
auch  als  Bela  crkva  (slav.  „weisse  Kirche")  oder  türkisch  Ala- 
klissc,  Aladzaklissc  erwähnt  wird'").  Von  dort  steigt  der 
Reisende  in  das  von  waldigen  Bergen  umgebene  Becken  von  Ich- 
timan  herab.  Die  Spur  der  Römerstrasse  zieht  sich  längs  der  Ost- 
seite des  grünen  Kessels  knapp  am  Rande  des  Waldgebirges  hin 
und  geht  durch  die  Stadt  Ichtiman  selbst  hindurch.  Die  Einwohner 
erzählen,  der  gepflasterte  Weg  sei  in  alten  Zeiten  für  eine  Kaisers- 
tochter errichtet  worden,  damit  dieselbe  auf  der  Reise  nirgends  auf 
den  blossen  Erdboden  trete,  was  ganz  an  die  Geschichten  erinnert, 
die  1577  Salomon  Schweigger  über  den  Ursprung  dieser    „gepflas- 

")  Heerstrasse  S.  129  identificirte  ich  Bela  Crkva  mit  dem  Jeiiihan.  Jedoch 
die  Entfernungen  bei  Verantius,  die  Beschreibung  bei  Gerlach  und  besonders  das 
heute  noch  als  ein  weisser  Punkt  zwischen  grünen  Wäldern  von  Weitem  sichtbare 
alte  Kirchlcin  neben  dem  bulgarisch  -  rumclischen  Grenzzollamt  sprechen  klar  für 
Vakarel.  Die  Lage  des  antiken  Bugarac  a,  das  in  die  Gegend  der  Wasserscheide 
fällt,  vermochte  ich  niclit  näher  zu  constatiren.  —  Die  Namen  Vakarel,  sowie 
das  westlich  davon  (am  Isker)  gelegene  P  a  s  a  r  e  1  erinnern  auch  ausser  der  roma- 
nischen Endung  unwillkührlich  an  das  lat.  vacca,  passen: 


89 

terten  Landstrass"  in  seiner  „Newen  Reiss-Beschreibung  aus  Teutsch- 
land nach  Constantinopel"  (Nürnberg  1639,  S.  44)  verzeichnete. 
Ichtiman  (an  3000  Einw.)  ist  eine  moderne  dorfartige  Ansiedelung 
mit  Getreideschobern  und  Dreschtennen  auf  den  Höfen ,  nur  mit 
einigen  steinernen  Bauten  aus  der  älteren  türkischen  Zeit.  Eine 
halbe  Stunde  gegen  NO.  liegen  am  Fuss  der  Waldberge  die  Reste 
einer  alten  Ansiedelung,  von  welcher  jetzt  an  der  Oberfläche  nur 
zahllose  Ziegelfragmente,  aber  keine  Mauern  bemerkbar  sind.  Man 
nennt  den  Ort  bulgarisch  Stipon,  türkisch  Istipon-kalessi; 
die  Einwohner  eines  Viertels  von  Ichtiman,  die  von  dort  abstammen 
sollen,  heissen  noch  immer  Stiponcene.  Das  ist  das  byzantinische 
Xtujttöviov,  das  Stobuni  des  Arabers  Edrisi  (um  1150),  Stopon, 
Stiponje  mittelalterlicher  slavischer  Quellen.  Die  Gemeinde  von 
Ichtiman  besitzt  einige  ältere  türkische  Urkunden  über  ihre  Grenz- 
marken; in  einer  derselben  vom  Jahre  1088  (1678)  wird  das  „Dorf 
Istipon"  ausdrücklich  genannt.  In  der  alten  Reiseliteratur  erscheint 
es  allein  bei  Verantius  (1553)  als  ^^pcujus  Stippos" ;  andere  Reisende 
des  16.  Jahrhunderts  nennen  schon  Ichtiman  (Kuripesic  1530  u.s.w."). 
Unterhalb  der  Stadt  passirt  man  den  Mttivir,  in  dessen  engem 
Waldthal  einige  Burgruinen  liegen,  und  erreicht  12  Kilometer 
(2  St.)  von  Ichtiman  das  hohe  (809  M.)  Joch  mit  der  Stelle  des 
alten  „Trajansthores",  die  Succi  der  Römer  und  die  B  a  (J  i  \  i  k  f) 
KXeiaoupa  des  Mittelalters.  Das  in  sechs  Gruppen  (zusammen 
305  Häuser)  weit  zersprengte  Dorf  V  a  s  i  1  i  c  a  (türkisch  Kapu- 
dzik)  bleibt  in  dem  Waldgebiet  westlich  von  der  Chaussee.  An 
der  Strasse  stehen  auf  der  Passhöhe  nur  drei  Häuser.  Vor  einem 
derselben,  einem  bescheidenen  Wirthshaus,  sieht  man  im  tiefen 
Strassengraben  auf  der  Westseite  der  Chaussee  noch  die  Fundamente 
des  alten  Thores,  nämlich  die  Grundfesten  einer  drei  Schritt  breiten 
Quermauer  aus  weissen  unbehauenen  Bruchsteinen.  Die  alte  Römer- 
strasse befand  sich  hier  zuletzt  in  einem  tiefen  Hohlweg  und  ist 
bei  der  Errichtung  der  modernen,  von  den  Türken  zu  militärischen 
Zwecken  erbauten  Chaussee  grösstentheils  zugeschüttet  worden. 
Alte  Bauern  erinnern  sich  noch  an  die  1835  niedergerissene  „IMar- 
kova  kapija"   (Thor  des  in  der  südslavischen  Sage  berühmten  Königs 


"')  Für  mich  waren  die  Erzählungen  der  Ichtimaner  Bulgaren  und  Türken 
von  einem  alten  ,, Istipon-kalessi"  eine  angenehme  Ueberraschung;  Heerstrasse  S.  91 
verlegte  ich  Stuponion  nach  Ichtiman  einzig  und  allein  auf  Grund  der  Erwähnung 
des  „pagzis  Stippos'-'  bei  Verantius, 


90 

Marko)  und  sind  noch  als  Kinder  auf  Balken  oben  über  den  Thor- 
weg hinübergelaufen.  Der  Bau.  den  noch  Marsigli  zu  Anfang  des 
18.  Jahrhunderts  mit  einer  Thorwölbung  abbildete,  ist  also  seitdem 
durch  Einsturz  der  oberen  Theile  auf  die  beiden  Seitenpfeiler  reducirt 
worden  und  mehr  durch  langsame  Zerbröckelung  als  durch  Men- 
schenhand zerfallen.  Zu  beiden  Seiten  des  Thores  gab  es  kleine 
Forts,  die  auf  dern  kleinen  Plan  von  Lojean'**)  gut  angegeben  sind; 
auf  der  Westseite  erkennt  man  gleich  über  dem  Wirthshause  auf 
einer  niederen  Höhe  die  von  Gras  überwucherten  Reste  eines  vier- 
eckigen, an  der  Seite  25  Schritt  langen  Gebäudes,  das  sich  ur- 
sprünglich an  die  Quermauer  anschloss,  und  auf  der  Ostseite  zeigt 
man  ein  „cerkoviste"  (Kirchenruine),  desgleichen  den  Ueberrest 
eines  Castell?.  Die  zwei  Holzpfeiler  der  offenen  Vorhalle  des  Gast- 
hauses sind  durch  kleine,  hier  ausgegrabene  Inschriftsteine  gestützt. 
Der  eine  Stein  steckt  ganz  in  der  Erde ;  soviel  ich  bei  einem  Ver- 
such einer  Abgrabung  bemerken  konnte,  trägt  er  eine  griechische 
Inschrift  (cthne  etc.).  Der  andere,  mit  kleinen  rohen  Buchstaben, 
ist  besser  zugäoglich: 

f      T 

E  T  '//'  A  T  UJ  K  T 
^   A    E  A  iW  E  K 
T  H  N  E  T  A  T  I 
/»  T  O  A  r  A  A  M  E 
5  /")  E  K  T  ////  X  O)  E 

//////////////// 

Ungefähr  hundert  Schritt  südlich  von  der  Passhöhe  bemerkt 
man  links  auf  einer  sehr  steilen,  dicht  bewaldeten  Höhe  die  Reste 
eines  alten  Mauerwerks,  jetzt  „Märkova  mehanicka"  (Marko's  Trink- 
häuschen) genannt,  wohl  den  Ueberrest  eines  gegen  Süden  vorge- 
schobenen Wachtthurmes  vor  dem  Thore'^).  Von  dem  alten  Thore 
fährt  man  6  Kilometer  abwärts  zum  Bach  Javorica,  bei  welchem  sich 
ein  Wartthurm  türkischen  Ursprungs  mit  einem  Gensdarmeriepiquet 
befindet,  und  steigt  abermals  aufwärts  zu  einem  zweiten  Joch  (710  M.) 
mit  der  südlichen  Passbefestigung.  Neben  einem  ähnlichen  türki- 
schen Wächterhaus,  jetzt  Wohnung  des  die  Strassenreparaturen 
leitenden  Ingenieurs,  bemerkt  man  die  Reste  eines  15  Häuser  starken 


''*)  Lejean,   Voyage  en  Bulgarie,  Tour  du  monde  1873  p.  IfiO. 
")  Wurde  von  manchen  neueren  Reisenden  irrthümlich  für  das  alte  Trajans- 
thor  gehalten. 


türkischen  Dorfes  Palanka,  das  seit  dem  Kriege  verlassen  ist. 
Wenige  Schritte  davon  stehen  an  der  Stelle,  wo  sich  ein  gross- 
artiger Ausblick  auf  die  in  der  Tiefe  sich  ausbreitende  thrakische 
Ebene  mit  den  hohen  Kuppen  der  gegenüber  liegenden  Rhodope 
eröffnet,  die  Ruinen  eines  von  Verantius  und  Marsigli  gut  beschrie- 
benen Schlosses  Hissardzik,  Aufrecht  steht  noch  ein  5  M.  hohes 
Stück  der  3  M.  starken  nördlichen  Schlossmauer,  aus  wechselnden 
Lagen  unbehauener  Bruchsteine  und  je  vier  Reihen  grosser  (36  Cm. 
langer,  4  Cm.  dicker)  Ziegel.  Das  Ganze  war  ein  Viereck,  an  den 
Seiten  ungefähr  40  Schritt  lang"^). 

Von  da  beginnt  der  rasche  Abstieg.  Sieben  Kilometer  von 
der  Ruine  (300  M.  tiefer)  folgt  zwischen  Weinbergen  das  grosse 
Dorf  Vetren  (türk.  Jeniköi).  Drei  Kilometer  weiter  gegen  Osten 
liegen  auf  einer  Höhe  neben  der  Strasse  am  Bache  Asar  Dere  die 
durch  die  neuen  Strassenbauten  (als  Steinbruch)  arg  mitgenommenen 
Reste  eines  ganz  ähnlichen  viereckigen  Castells  mit  Eckthürmen, 
genannt  Asarlyk,  bei  denen  ein  Meilenstein  aus  der  Zeit  des 
Kaisers  Gordian  (Dumont  Nr.  3)  gefunden  wurde.  Die  alte  Strasse, 
auch  hier  „Trojan"  genannt,  ein  gepflasterter  Hohlweg  mit  Brücken 
und  Brunnen,  ist  unterhalb  Vetren  rechts  von  der  Chaussee  und 
weiter  auch  bei  Bosulja  gut  kenntlich.  Der  Weg  nähert  sich  der 
Marica,  an  deren  linken  Ufer  sich  südlich  von  Vetren  eine  Gruppe 
hoher  Tumuli  zeigt.  Bemerkenswerth  ist  es,  dass  einer  der  Quell- 
bäche der  Marica  noch  immer  den  antiken  Fhissnamen  führt:  Ibar 
oder  Ib-Br  ("Eßpo(g)''').  Die  Fortsetzung  der  Römerstrasse  über- 
schreitet dann  die  Topolnica  oberhalb  Tatar-Pazardzik  in  der  Nähe 
von  Hadzili,  wo  sich  die  Reste  einer  Brücke  und  eines  in  neuerer 
Zeit  als  Steinbruch  ausgebeuteten  Castells  befinden  sollen,  und 
kreuzt  sodann  die  neue  Strasse  von  Tatar-Pazardzik  nach  Panagju- 


'*)  Heerstrasse  Ö.  35  habe  ich  irrthümlich  die  Kuinen  Hissardzik  und  Asarlyk 
östlich  und  westlich  von  dem  Dorf  Vetren  (das  mitunter  türkisch  ebenfalls  Hissardzik 
genannt  wird),  als  einen  Ort  zusammengefasst. 

'')  Grand  Ibar  und  Petit  Ibar  auch  auf  den  von  Kiepert  veröffentlichten 
Cartes  des  nouvelles  frontieres  sehn  les  ddcisions  dji  congres  de  Berlin,  Berlin  1881. 
—  Bemerkenswerth  ist  auch  der  Name  eines  grossen  Dorfes  an  der  mittleren 
Topolnica  zwischen  Panagjuriste  und  Ichtiman:  Poibrene,  wörtlich  übersetzt 
=  „Ad-ibr-enses".  Es  ist  eher  anzunehmen,  dass  die  Einwohner  ursprünglich  am 
wirklichen  Ihr  angesiedelt  waren  und  ihren  alten  Namen  auf  einen  neuen  Wohn- 
sitz übertragen  haben,  als  dass  die  Topolnica  je  als  Quellfluss  des  Hebrus  ge- 
golten habe. 


92 

riste;  weiter  durchschnitt  sie  wahrscheinlich  die  Ebene  links  von 
der  Marica  in  dem  sumpfigen  Mündungsgebiet  der  in  drei  Arme 
getheilten  Luda  Jana  und  verlief  geradeaus  nach  Philippopolis 
(Strasse  Tatar-Pazardzik — Philippopolis  jetzt  35  Kilometer). 

Das  war  aber  hier  nicht  die  einzige  Route.  Die  Spuren  einer 
zweiten  Römerstrasse  führen  aus  der  Umgebung  von  Pazardzik  bis 
Philippopel  auf  dem  rechten  Ufer  der  Marica,  längs  der  jetzigen 
Eisenbahn.  Die  topographisch  wichtigste  Frage  ist  hier  die  Auf- 
findung der  antiken  Stadt  Bessapara,  die  nach  den  Itinerarien 
22  röm.  Meilen  =  3272  Kilom.  von  Philippopel  entfernt  war.  Die 
meisten  suchten  die  alte  Bessenburg  in  Tatar-Pazardzik,  einer 
grossen  offenen  Stadt  (,14380  Einw.)  am  linken  Ufer  der  Marica, 
die  aber  nach  türkischen  Berichten  erst  1485  von  Bajezid  II.  ge- 
gründet wurde.  Das  im  Mittelalter  öfters  erwähnte  Batkun  mit 
seinem  kleinen  Castell;  seinem  St.  Peterskloster  und  dem  bei  Akro- 
polita  (ed.  Bonn.  128}  sehr  wahrheitsgetreu  beschriebenen  beschwer- 
lichen Steig  durch  die  Buchenwälder  der  Rhodope  aufwärts  zu  den 
Ruinen  der  byzantinischen  Burg  T^erraiva  und  zu  der  nahen,  noch 
immer  Cepino  genannten  Gebirgslandschaft,  liegt  für  Bessapara 
zu  weit  westlich  und  kann  schon  der  Entfernung  nach  nicht  mit 
ihm  identificirt  werden.  Im  Jahre  1883  besuchte  ich  die  zu  Ru- 
melien  gehörigen  westlichen  Rhodopelandschaften,  sah  eine  Anzahl 
mittelalterlicher  Denkmäler,  aber  keine  Reste  einer  antiken  Stadt, 
da  ich  mehr  einwärts  im  Gebirge  blieb  und  die  nächste  Umgebung 
von  Tatar-Pazardzik  nicht  näher  untersuchen  konnte.  Die  genaue 
Distanzangabe  der  Itinerarien  führte  endlich  doch  zur  Feststellung 
der  Lage  von  Bessapara.  Im  Jahre  1885  fand  Herr  V.  Dobrusky, 
Lehrer  am  Gymnasium  von  Philippopel,  die  Substructionen  der 
alten  Stadt  ungefähr  5  Kilom.  gegen  SO.  von  Pazai'dzik,  zwischen 
den  Dörfern  Basikara  und  Simentli,  auf  der  Südseite  der 
Eisenbahn  und  am  Nordfuss  der  niederen  Vorhügel  der  Rhodope, 
des  sogenannten  „Baba  Bair".  Auf  einem  weiten  Raum  werden 
dort  beim  Ackern  alte  Hausmauern,  Fundamente  von  Ziegel-  und 
Steinbauten,  Gräber,  römische  und  makedonische  Münzen  u.  s.  w, 
gefunden;  das  Material  der  oberirdischen  Gebäude  ist  schon  längst 
für  die  nahe  grosse  Stadt  ausgebeutet  worden  und  dadurch  von 
der  Oberfläche  verschwunden"**).     Jenseits  des  Baba  Bair  liegt  auf 


")  Ein  bulg.  Aufsatz    über   Besaapara    von  Dobruskj^    in    der  Philippopeler 
Zeitung  „Marica"  1885  vom  Ü.  u.  9.  Juli,  Nr.  727  und  729. 


93 

der  einzigen  gut  gangbaren  Karavanenstrasse  durch  die  Rhodope 
zum  Aegaeischen  Meere,  4'/2  Stunden  südlich  von  Pazardzik,  die 
Stadt  Pestera  (4000  Einw.,  Bulgaren,  Türken  und  Wlachen)  mit 
einigen  grossen  Höhlen,  einem  Castell  auf  einer  isolirten  Höhe  und 
alten  Eisenwerken;  deren  Material  meist  aus  der  Umgebung  von 
Radilovo  und  Ali-Chodzaköi  (nördlich  von  der  Stadt,  gegen  Bessa- 
para  zu)  hergeholt  wurde  und  die  sammt  den  benachbarten  ver- 
fallenen Kupferbergwerken  gewiss  schon  den  alten  Bessen  bekannt 
waren. 

Zwischen  Bessapara  und  Philippopolis  gab  es  südlich  vom 
Hebrus  in  dem  fruchtbaren  Mündungsgebiet  der  wasserreichen  Vi^ca 
eine  grössere  antike  Ansiedelung,  vielleicht  das  12  mp.  =  18  Kilom. 
von  Philippopolis  entfernte  Tugugerum  der  Itinerarien.  An  den 
Vorsprüngen  der  Rhodope  stehen  hier  die  im  12. — 14.  Jahrhundert 
oft  genannten  Burgen  von  Kricim,  Ustina  (otTia  'loucTTiva  des 
Kantakuzen)  und  Perustica,  nebst  zahlreichen  kleinen,  in  den 
Falten  des  Gebirges  verborgenen  Klöstern.  Zwischen  denselben 
und  der  Eisenbahn  bemerkt  man  auf  den  steilen  Böschungen  des 
rechten  Ufers  der  V^-ca,  gegenüber  dem  Dorf  Kurtovo  Konare 
(türk.  Incular) ,  die  Rudimente  einer  ausgedehnten  Burg''^}.  Die 
Einwohner  der  Umgebung  erzählen,  die  ganze  Gegend  zwischen 
Konare,  Perustica  und  dem  kleinen  Dorf  Pastusa  (19  Häuser)  sei 
einst  eine  grosse  Stadt  gewesen.  Dies  wird  durch  eine  Menge  von 
Alterthümern  bestätigt.  Eine  Stelle  Stara  Pastusa  (Alt  -  P.) 
zwischen  dem  Dorf  und  der  genannten  Burg,  ist  voll  Ziegel,  grosser 
Gefässe  u.  s.  w.  An  der  Südseite  von  Pastusa,  einen  Kilometer 
vor  dem  Abhang  der  hier  sehr  steilen  Rhodope ;  wurde  ich  durch 
den  Anblick  einer  malerischen  Kirchenruine  überrascht,  deren  ziegel- 
rother,  an  9  M.  hoher  Kuppelbau  aus  den  dunkelgrünen  Laubkronen 
uralter  Nussbäume  emporragt,  deren  Geschichte  aber  in  dem  Be- 
wusstsein  der  Einwohner  gänzlich  verschollen  ist.  Auf  der  Nord- 
seite des  Ortes  erheben  sich  einige  auffallend  grosse  Tumuli.  Neben 
einem  derselben,  der  sogenannten  „Banova  mogila",  fand  man  vor 
wenigen  Jahren,  noch  vor  dem  russisch-türkischen  Kriege,  Skelette 
von  Menschen  und  Pferden,    nebst  verschiedenen  Bronzegeschirren 


'')  Der  Name  Dragovet  für  diese  Burg  (Heerstrasse  S.  72)  war  in  der 
Gegend  nirgends  bekannt  und  ist  wohl  nur  durch  den  Versuch  einer  Feststellung 
der  altbulg.  Dragovici  von  Seiten  irgend  eines  Localarchäologen  von  Philippo- 
polis aufgekommen. 


94 

und  einer  Reihe  „eiserner  Wägen".  Herr  Luterotti,  k.  k.  Consul 
in  Sofia,  erzählte  mir,  es  sei  hier  damals  auch  eine  Metalltafel  mit 
lateinischer  Inschrift  gefunden  worden,  die  der  damalige  französische 
Consul  von  Philippopolis  nach  Paris  sandte.  Das  wird  vielleicht 
das  „ad  PhiUjypopolim''  gefundene  Militärdiplom  des  Kaisers  Trajan 
sein,  gegeben  Metlco  Solae  f.  Besso  (C.  I.  L.  III  p.  863).  Weiter 
nördlich  fand  Herr  Dobrusky  bei  den  an  der  Bahnlinie  gelegenen 
Dörfern  Karatahir  und  Kadiköi  alte  Basreliefs,  Säulen,  Car- 
niesse,  Quadern  u.  s.  w.  und  in  Airanly  an  der  Marica  auch 
einen  gut  erhaltenen  Meilenstein  des  Kaisers  Gordian^"). 

Die  Strecke  Philippopel- Adrianopel   habe   ich   in  der  „Heer- 
strasse",   beeinflusst   durch  die  Reisebücher  des  15.  und  16.  Jahr- 
hunderts und  noch  mehr  durch  den  Mangel  an  Informationen  über 
die  Alterthümer   des   linksseitigen  Maricagebietes ,    auf   das    rechte 
Ufer  in  die  Ausläufer  der  Rhodope  verlegt,    wo  auch  die  moderne 
Chaussee  die  Verbindung  beider  Städte  über  Chasköi  und  Harmanli 
vermittelt.    Die  Römerstiasse  lag  indessen  nach  den  Untersuchungen 
des  Herrn  Dobiusky    auf    der    nördlichen,    linken  Seite   des   alten 
Hebrus.  Die  Spuren  des  römischen  Pflasters  führen  von  Philippopel 
durch  das  Mündungsgebiet  des  antiken,  bei  Plinius  (N.  H.  IV  §.  50) 
und    in    den    Acta   S.  Alexandri    (Acta  SS.  BoU.  Mai  3,  198)    ge- 
nannten Syrmus,    Sermius,    der    jetzigen    Strema,    und    sind 
weiter    sichtbar    zwischen    Skutarevo    und    Ragos ,    bei^  Manolevo, 
Geren,  Asykarlar,  Celtikdzi,  Karaorman,  bis  zur  Stadt  Cirpan.  Von 
dort  erreichen  dieselben  (über  AlipaSa  Mahala)  die  von  mir  bereits 
in  meinem  früheren  Bericht**')  erwähnten  Ruinen  Hissar-Kasabd, 
an    dem    Bache    Ak  Der6    zwischen    den    Dörfern  Cakyrlar  und 
Sary  Ismail,    die,    voll  von  Quadern,  Säulen,  Ziegeln  und  reich 
an  Münzfunden,    eine    Fläche    von    100   Dönüm    (40  X  40  Schritt) 
umfassen  sollen.     Für  die  Feststellung   des  Strassenzuges    ist  ent- 
scheidend eine  jetzt  in  Cakyrlar  befindliche  Inschrift,  von  der  ich 
damals  nur  den  Anfang  aus  zweiter  Hand  bieten  konnte.  Ich  habe 
den  Ort  selbst  nie  besuchen  können,  erhielt  aber  durch  die  Freund- 


*")  Näher  gegen  Philippopolis  zu  sab  ich  ein  Stück  einer  gepflasterten,  viel- 
leicht nicht  sehr  alten  Strasse  inmitten  der  jetzt  aufgegebenen  Reisfelder  bei 
Airanly  am  Ufer  der  Marica;  ein  anderes  soll  es  weiter  südlich  bei  dem  Dorfe 
Zlati  Trap  (bnig.   „Goldgraben")  geben. 

"')  Monatslxr.  der  IJerl.  Akad.  l«8t  S.  447.  Ich  hielt  damals  die  Ueber- 
reste  der  Römerstrassen  im  lie/irk  von  Mirpan  für  Stücke  der  Seitenlinien  von 
der  Haiiptstrassc  nach  Beroe. 


95 

liebkeit  des  Herrn  Charles  Brophy ,  britischen  Consuls  in  Burgas, 
eine  (nicht  von  ihm  selbst  aufgenommene)  vollständigere  Copie.  Jetzt 
während  des  Druckes  der  vorliegenden  Seiten  erhielt  ich  durch  die 
Freundlichkeit  des  Herrn  Dobrusky,  der  schon  in  der  „Marica" 
Nr.  729  von  der  Inschrift  eine  Abschrift  in  Cursiv  publicirt  hatte, 
aber  nur  bis  zu  den  Worten  evTröpiov  TliZioq  und  ohne  Zeilenthei- 
lung, eine  vollständige  von  ihm  selbst  genommene  Abschrift.  Nach 
seiner  Beschreibung  (aus  Philippopel,  28.  ]\Iai  1885)  ist  der  Marmor 
ri6  M.  hoch,  1*13  M.  breit;  die  Inschrift  selbst  nimmt  eine  0*89  M. 
hohe  und  0*55  M.  breite  Fläche  ein.  Die  Schrift  ist  in  den  Zeilen 
1—7  3  Cm.,  in  Z.  8—11  V/^  Cm.,  im  Rest  nur  1  Cm.  hoch.  Ober- 
halb der  Inschrift  befindet  sich  ein  dreieckiges  Tympanon  mit  Pal- 
metten an  den  Ecken  und  mit  einem  Pfeil  in  der  Mitte.  Noch 
unlängst  war  das  Denkmal  ganz  unversehrt.  Die  Einwohner  von 
Cakyrlar  aber  meinten,  der  Stein  berge  in  seinem  Innern  einen 
Schatz  und  spalteten  ihn  entzwei.  Das  abgebrochene  Stück  (links 
unten)  liegt  jetzt  im  Boden  vergraben,  und  die  Bauern  wollten  um 
keinen  Preis  einen  Spatenstich  zu  seiner  Hebung  unternehmen,  um 
das  vermeintliche  grosse  Geld  ja  nicht  einem  Fremden  in  die  Hände 
zu  bringen.  Die  Inschrift  berichtet  uns  über  die  Gründung  des 
aus  den  Itinerarien  wohlbekannten  Pizus  in  der  Zeit  des  Kaisers 
Septimius  Severus,  nennt  zwei  thrakische  Dörfer,  sowie  zahlreiche 
Personen  mit  thrakischen,  römischen  oder  gemischten  Namen,  wie 
dieselben  auch  auf  den  Inschriften  des  nahen  Beroe  (Eski  Zagra) 
vorkommen  ^^): 


*')  [Die  Inschrift  fällt  nach  dem  in  Z.  9  u.  10  stehenden  Datum  in  das 
Jahr  202;  Z.  4  ist  der  Name  von  Geta  getilgt.  Der  Anfang  lautet:  'AT«6rii  TÜxni- 
'YiT€p  TiQc;  TÜüv  lueYiöTuuv  Kai  ecioxdTuuv  auTOKpaxöpuuv  A.  Z€ttti|uiou  Zeoui'ipou 
TTepTivaKO(;  K(ai)  M.  AupJitXiou)  'Avxmveivou  ZeßCaoxOüv)  [K(ai)  TT.  ZeirxijLiiou  Fexa 
Kaiaapot;]  K(ai)  'louXiaq  Aöiuvriq  |Li>-ixp6<;  KÖaxpoiv  veiKrjq  Kai  aiujviou  6ia|uovfiq 
Kai  xoö  aüvTTavxot;  aüxOüv  oikovj  kuI  iepä^  auvK\rixou  Kui  6)'"i|liou  xoO  'Puu,uaiujv 
Kai  kpüJv  axpaxeujucixujv  eKxioBr]  Kaxä  biupeäv  xiuv  Kupiaiv  evTTÖpiov  TTi^oi;  eiri 
UTTÜxujv  xüjv  KUpiuuv  oüxoKpaxöpuuv  A.  IeTT(xi|uiou)  Zeoui'ipou  TTepxivaKo<;  K(ai)  M. 
Aüp(ri\iou)  'Avxuuveivou  leß(aaxü)v)  K(ai;  juexuJKiaav  eiq  aüxö  oi  ÜTTOxexa[Y],uevoi. 
Hierauf  waren  in  der  Inschrift  verzeichnet  (öiroxexaYluevoi  =  suhieeti)  die  Ueber- 
gesiedelten,  aber  in  den  geringen  Resten  ist  die  Lesung  und  selbst  die  Anordnung- 
mehrfach  unsicher.  Nach  der  Abschrift  kann  es  scheinen,  als  sei  nach  üiroxeraY- 
|u^voi  etwas  getilgt  und  es  sei  das  darauf  folgende  oi  olKrixopei;  und  das  darunter 
stehende  'ApxeXaoc;  'AküXou,  beides  anscheinend  in  kleinerer  Schrift,  sp<äter  nach- 
getragen. In  der  folgenden  Zeile  steht  /.unächst  K\b\x\\<:,  iKeXaßpinc,  Kuü.un^  iKeTTXiiJv; 
das  Weitere  ist  mir  nicht  klar,  am  Sc.hluss  sclioint  'Avxoiviou  und  vielleicht  kurz 


96 

ATAGHI     TYXHI 

Y  re  P  TC  TaN  iVE  r  I  E  T^N<  A  l  0  E  I  o  T  A  TaN  A  Y  T  o  K  P  A 
TOPWN-A-  CEnTIMl8CE8PP8rEPTINAKO  EK  -  M  •  AYPH 
AR.r^IN8E  E  B  B  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  K- 

5        1  8  A  1  A  E  A  o  iVIN^  E  M-TPDEKA  ET  PaISNE  1KH:KAIAI\VNI8 

AIAMON-EKAIT8EYN1A  N"oE  A  Y  TaN  oIK8KAIIEPAEEYN 
KAHr8KAIAHVl8T8  Pa!W  A  I  V\N  K  A  I  1  E  PaNIT  A  T  Y  M  A  T%N  ////  ////  m 
EKTlE0^KATAAlJÜ3EAN;^NCYPI  WNENloPIomiZoEEni 

Y  n  A  T^NXNK  YPlWNAYToKPATo  PaN  •  A  •  EEH  •  EE8  H'8  HEP 
10      T.NCoEK-JW-AYPAN  T\l^  I  N  8  E  E  B  B  !€  NE  TAK1CA^E  flEAYTO 

O  I  Y  n  O  -E  T  A  I  WENOI  //////     lololKPTOPEE 

KW>«:EKEAABPIH:KVv^^^:EKE^TAN/////rENIKIA■EXA8oWA^^ANll^AN"AN18 

'^Y£h:m8katpaaeuekeaeoeaaahiopeoe////////ek8(opet88aepioep8*o: 
ir  r     mSkatfaaieboeeo"    aoahea    /  ivi<iANo:M<AnopEO: 
m8  taheap     CT     mkiano:akya8 

A I E  8  A  aero: 
8*or.  K8 

Dadurch  ist  ein  fester  Punkt  für  die  Strassenlinie  gegeben 
Das  westlich  von  Pizus  genannte  Carasura  ist  wohl  mit  dem 
„Hissarlik"  nördlich  von  Cirpan  identisch  ^''').  Die  weitere  Fort- 
setzung der  Strasse  lässt  sich  gegen  SO.  von  Pizus  zwischen  den 
Dörfern  Gurbet  und  Uzun  Hassan,  sowie  bei  Ak-Bunar  verfolgen. 
Dieselbe  erreichte  dort  die  schon  von  Ptolemaeus  genannte  Stadt 
Arzus  an  dem  fluvius  Arzon  der  St.  Alexanderlegende,  dem 
jetzt  Sazli,  Sazlijka  genannten  Fluss,  welcher  die  Gewässer  der 
fruchtbaren  Ebene  von  Alt-Zagora  nach  Seimenli  zur  Marica  führt 
Die  gepflasterte  Strasse  soll  die  Sazlijka  oberhalb  Seimenli  bei 
Surut  überschreiten  und  bleibt  wahrscheinlich  auch  weiter  östlich 
in  dem  Hügellande  nördlich  von  dem  Hebrusthal.  Ich  kenne  zwar 
diese  Landschaft  an  der  rumelisch  -  türkischen  Grenze  nicht  aus 
eigener  Anschauung,    aber   als  ich  den  nahen  Bezirk  von  Kavakli 


vorher  derselbe  Name  in  etwas  anderer  Form  zu  stehen.  In  den  näclisten  Zeilen 
erkennt  man  etwa  folgende  Namen:  [BjüZrit;  MouKaxpciXeoi;,  K^Xöoq  AaXiiTTÖpeoi;, 
....  €KouopgTou  y),  Ou(a)X^pio^  'PoOqpoc;,  ....  MouKäxpoXic;  Boö  . . .  .,  AöXrjc; ' A . . . ., 

MouKiavü^  MouKUTTÖpeüc;, MouKiavoq   'AküXou,    Xic   OüüXtvToq,    . . .  ou 

<t>Ö(IKOU.  E.  15. 1 

*^)  Dies  ergibt  sich  ans  den  überliefcrtin  Distanzen:  40  mp.  von  Pliilippopolif», 
18  mp.  von  Beroe  (Acta  R.  Alexandri),    11   mp.  von  Pizus    (nach  dem  Itin.  liier.). 


97 

besuchte,  erzählte  man  mir  von  einer  grossen  Burg  mit  Brunnen 
und  doppelter  Mauer  auf  einer  Höhe  bei  dem  Dorfe  Glavan,  mit 
einer  j:^rossartigen  Aussicht,  die  angeblich  bis  Philippopel  reichen 
soll.  Die  Entfernung  dieses  Ortes  von  Adrianopel,  Eski-Zagra  und 
Cakyvlar  entspricht  (mit  geringer  Differenz)  der  überlieferten  Distanz 
zwischen  Subzupara  oder  Castra  Zabra  (Jarba,  Zarba)  und 
Hadrianopolis,  Beroe  und  Pizus. 

Diese  römische  Strasse  von  Philippopel  nach  Adrianopel  dürfte 
erst  seit  dem  13.  Jahrhundert  aufgegeben  sein.  Die  Kreuzfahrer 
1189  und  die  Constantinopler  Lateiner  scheinen  sie  noch  begangen 
zu  haben.  Das  drei  Tage  von  Philippopel,  einen  Tag  von  Beroe 
entfernte  Städtchen  Blisnos,  Blisimos,  Blisme  des  11. — 13. 
Jahrhunderts,  das  schon  von  Vjllehardouia  (1206)  als  verlassen 
erwähnt  wird^  mag  mit  dem  alten  Pizus  identisch  sein.  Die  süd- 
liche Linie  über  Chasköi  erscheint  erst  im  13.  Jahrhundert,  z.  B. 
bei  Gelegenheit  des  an  derselben  erfochtenen  Sieges  der  Bulgaren 
bei  Klokotnica  (j.  Semizce)  1230.  Im  13.  und  14.  Jahrhundert, 
wo  Pliilippopolis  z.  B.  bei  Kantakuzen  (1,  173)  ausdrücklich  als 
Grenzstadt  bezeichnet  wird,  bevorzugten  die  Byzantiner  den  stra- 
tegisch sichereren,  durch  die  Marica  von  der  Nordseite  gedeckten 
Weg  über  die  Vorberge  der  Rhodope,  und  diesen  übernahmen  auch 
die  Türken. 

Die  antiken  Verbindungslinien  zwischen  dieser  Hauptstrasse 
und  der  Donau  sind  an  den  Uebergängen  über  den  Haemus  durch 
Reihen  kleiner  Burgen  bezeichnet.  Die  Passhöhen  selbst  waren 
wohl  ursprünglich  alle  mit  Castellen  und  Quermauern  befestigt, 
jedoch  sind  diese  antiken  Bauten,  ebenso  wie  das  alte  „Trajans- 
thor" ,  im  Laufe  unseres  Jahrhunderts  bei  der  Herstellung  neuer 
Chausseen  und  verschiedener  Befestigungsarbeiten  (z.  B.  auf  der 
Sipka)  meist  vollständig  verschwunden. 

Der  Uebergang  über  den  Balkan  von  Berkovica  zwischen  Sofia 
und  Lom  ist  durch  einige  kleine  Burgruinen  markirt;  unterhalb 
des  von  Lejean  und  Kanitz  beschriebenen  Castells  auf  der  Nord- 
seite des  Joches  sieht  man  neben  der  jetzigen  Strasse  im  Walde 
auch  ein  Stück  eines  verfallenen  engen  Pflasters.  Desgleichen  ist 
der  nächste  wichtige  Uebergang  über  den  Balkan  von  Etropol, 
einerseits  über  Sti-rgel  zur  alten  Bergstadt  Etropol,  andererseits  über 
das  Joch  von  Araba  Konak  zu  der  neuen  Kreisstadt  ürchanie,  durch 
Castelle  vertheidigt  gewesen.    Einige  Kilometer  nördlich  von  Araba 

Äroliäologisch-epigrapliische  Mitth.  X.  n 


98 

Konak    soll    der   Pass    früher    durch    eine  Quermauer    mit  Burgen 
gesperrt  gewesen  sein. 

Aehnliche  Burgruinen  alten  Ursprungs  bezeichnen  die  ein- 
stigen Wege  durch  die  Sredna  Gora.  ein  mit  prachtvollen  Buchen- 
wäldern und  schönen  Wiesen  bedecktes  Gebirge  mit  rein  bulgari- 
scher Bevölkerung.  Nordöstlich  von  TatarPazardzik  ragt  noch 
vor  dem  Gebirge  eine  Reihe  isolirter  Kegel  vulkanischen  Ursprungs 
empor,  die  sogenannten  Kojuntepe  (türk.  „Schafshügel"),  deren 
einer  (bei  Ferezli)  von  einem  Castell  gekrönt  ist.  Der  Sage  nach 
führte  von  dort  ein  alter  Weg  durch  die  Sredna  Gora  zum  Balkan 
vpn  Etropol,  dessen  Richtung  in  der  That  durch  eine  Reihe  von 
Burgen  angedeutet  ist:  ein  Castell  auf  einer  schroffen  Höhe  ober- 
halb einer  warmen  Quelle  bei  dem  Dorf  Banja  südwestlich  von 
Panagjuriste  mit  der  Spur  eines  gepflasterten  Weges,  weiter  ein 
Pavla  genanntes  Castell  bei  dem  Dorfe  Mecka,  wo  man  mir 
neben  mittelalterlichen  Münzen  auch  ein  daselbst  gefundenes  Silber- 
stück der  Kaiserin  Faustina  zeigte ,  sodann  eine  Reihe  kleiner 
Schlösser  in  den  Wäldern  am  westlichen  Fusse  der  Bratia,  von 
deren  Gipfel  (an  1600  M.)  ich  zu  meiner  Ueberraschung  nicht  nur 
die  Gebirgsmauern  des  Haemus  einerseits  und  der  Rhodope  sammt 
der  Ryla  andererseits ,  sondern  auch  beide  Hauptstädte  der  um- 
liegenden Länder,  Sofia  und  Philippopel  erblickte.  Der  alte  Weg 
berührte  dann  eine  grosse  Burgruine  bei  Petric  (TTeTpix^dc;  zwi- 
schen Philippopel  und  Triaditza  bei  Anna  Komnena  ed.  Reifferscheid 
n,  41.  256)  und  traf  weiter  die  Balkanpassage  vor  Etropol.  Vor 
der  Entstehung  der  beiden  modernen  Bulgarenstädte  der  Sredna 
Gora,  Panagjuriste  und  Koprivstica,  war  das  fast  zwischen  beiden 
gelegene  Strelöa  das  Centrum  dieses  Landes,  jetzt  ein  Dorf 
(280  Häuser)  mit  einer  warmen  Quelle  und  einer  Castellruine.  Für 
die  mittelalterliche  Bedeutung  des  Ortes  spricht  der  Umstand,  dass 
hier  die  einzige  osmanische  Colonie  in  dieser  Landschaft  gegründet 
wurde;    seit    1877    sind  jedoch  die  Türken  ausgewandert**).     Von 


**)  Der  Grabstein  eines  Aureliua  Seutea  veter anua  ex  equitihua 
aingularihua  wird  von  Lejean  (C.  I.  L.  III,  61'2'2,  Dumout  Nr.  25)  als  in  Lidaa 
Hissar  nördlich  von  Pliilippopolis,  von  Zachariev  (vgl.  Archäol.-epigr.  Mitth.  I,  66} 
als  in  Strelca  befindlich  angegeben,  ein  Käthsel,  das  ich  nicht  zu  lösen  vermag.  — 
In  BanJH  bei  Panagjuriste  soll  man  vor  nicht  langer  Zeit  auch  einen  „lateinischen 
Stein"  ausgegraben  haben ,  dem  ich  jedoch  trotz  allen  Nachfragen  nicht  auf  die 
Spur  kommen  konnte. 


99 

Strelca  führten  zwei  Pfade  über  die  Sredna  Gora  in  das  Becken 
von  Zlatica,  der  eine  durch  den  Pass  Meded  zu  einer  von  zwei 
Castellruiaen  flankirten  steinernen  Brücke  über  die  Topolnica  (wahr, 
scheinlich  dem  Endpunkt  des  Zuges  des  Königs  Wladislaw  III.  1443) 
der  andere  durch  das  Quellgebiet  der  bei  Koprivstica  entspringenden 
Topolnica,  beide  mit  einigen  kleinen  Burgen.  Das  landschaftlich 
schöne,  zwischen  den  Steilwänden  des  Balkan  und  den  Waldbergen 
der  Sredna  Gora  eingeschlossene  Becken  von  Zlatica  mit  der 
gleichnamigen,  wohl  uralten,  jetzt  ganz  verfallenen  Stadt  und  dem 
nahen,  rasch  aufblühenden  Pirdop,  besitzt  zahlreiche  grosse  und 
kleine  Tumuli  —  auf  dem  Gipfel  eines  der  gröstten,  der  ..Tartarica'^ 
östlich  von  Pirdop,  stand  zuletzt  die  bulgarisch -rumelische  Zoll- 
wache  —  sowie  eine  Anzahl  mittelalterlicher  Burgen,  Klöster  und 
Kirchen,  aber  für  das  Alterthum  konnte  ich  ausser  einigen  Münzen 
(Septimius  Geta  u.  s.   w.)  nichts  erfragen. 

Die  wichtigste  Römerstrasse  über  den  mittleren  Haemus,  die 
einzige,  deren  Pflaster  sich  jetzt  noch  gut  verfolgen  lässt,  war  die 
in  der  Tabula  Peutingeriana  verzeichnete  von  Philippopolis  nach 
Novae  (bei  Svistov).  Leider  gibt  die  Tabula  bis  zum  Haemus  selbst 
keine  Ortschaften  an.  Eine  deutliche  Spur  dieser  Route  bemerkte 
ich  eine  halbe  Stunde  nördlich  von  Philippopel  auf  den  steppen- 
artigen Wiesen  zwischen  dem  Dorfe  Strojevo  und  der  neuen 
Chaussee:  ein  3  M.  breites,  von  N.  nach  S.  orientirtes  Pflaster 
neben  einem  Tumulus  und  einem  Schöpfbrunnen.  Die  Strasse 
passirte  die  schon  von  Dumont  {Inscripiions  et  monnments  figures  de 
la  Thrace  p.  68)  besprochenen  Ruinen  von  Lidza  Hissar  oder 
Hissar,  in  der  schattenlosen,  von  einer  Unzahl  grosser  und  kleiner 
Tumuli  erfüllten  Ebene  am  Südfuss  der  Sredna  Gora.  Die  stellen- 
weise an  5  —  6  Meter  hoch  emporragenden  Mauern,  aus  abwech- 
selnden Stein-  und  Ziegellagen  ohne  Thürme ,  bilden  ein  an  den 
Seiten  600  M.  langes  Quadrat,  mit  gewölbten  Thoren  in  der  Mitte 
jeder  Seite  und  umschliessen  drei  warme,  in  alten  steinernen  Bade- 
häusern untergebrachte  Quellen  (-|-  47"  C).  Bei  jedem  Spatenstich 
stösst  man  auf  alte  Fundamente,  behauene  Steine,  grosse  antike 
Ziegel,  römische  und  byzantinische  Münzen  u.  s.  w.  Ausser  Obst- 
und  Weingärten  gibt  es  im  Burgfrieden  jetzt  nur  ein  kleines  Dorf, 
das  aber  als  Badeort  und  Sommerfrische  der  Philippopolitaner 
einer  neuen  Zukunft  entgegensieht^^).     Das  ist  wahrscheinlich  das 


'*)  An  Inschriften  sah  ich  nur  eine  (Dumont  Nr.  26),  zur  Hälfte  eingemauert 

in  der  «Schwelle  des  westlichen  Thores. 

7* 


100 

von  Alexios  Komneuos  an  der  Stelle  einer  antiken  Stadt  neuge- 
gründeto  NeoKacTTpov  oder  'AXcEigüttoXk;,  zwischen  Feldern  und  Wein- 
bergen ocYxoO  neu  0i\i7T7TOU7TÖ\euj(;  Kai  rrepav  Eupou  toö  7TOTa)Lioö 
errichtet  (Anna  Komnena  ed.  ReifFerscheid  II.  262)  für  die  bekehrten 
TTauXiKiavoi,  deren  Nachkommen  noch  heute  in  der  Umgebung 
wohnen,  noch  immer  Paulikiani  heissen,  aber  gegenwärtig  bulgarisch 
sprechen  und  sich  zum  Katholicismus  bekennen.  Das  thrakische 
Diokletianopolis  (Hierocles  ed.  Parthey  p.  5,  Not.  episc.  ib.  72) 
ist  eher  in  der  Gegend  des  alten  Pizus  zu  suchen,  da  es  die  Avaren 
587  (Theophylakt  Simokatta  ed.  Bonn.  p.  102 1  auf  dem  Zuge  zwi- 
schen Beroc  und   Philippopel  berührten. 

Vom  Hissar  zum  Balkan  lassen  sich  die  Trümmer  der  ge- 
pflasterten Strasse  recht  gut  verfolgen;  sie  ging  geraden  Weges 
über  die  östlichsten  Ausläufer  der  Sredna  Gora  in  das  oberste  Thal 
der  Strema  zu  dem  Dorf  Karasarly  (mit  einer  Castellruine)  und 
passirte  sodann  den  Balkan  von  Trojan.  Am  Fusse  des  Balkans 
liegt  ein  Dorf  Tekke  mit  einer  kleinen  Burgruine,  vielleicht  das 
alte  Sub  Radice,  und  auf  der  Höhe  des  Joches  ein  drittes  Castell, 
wohl  das  G  römische  Meilen  weiter  gelegene  Monte  Emno  der 
Tabula. 

Der  Südabhang  der  inneren  Haemuskette  ist  nicht  ohne 
archäologisches  Interesse,  besonders  die  drei  länglichen  Thäler 
zwischen  dem  Balkan  und  der  Sredna  Gora:  das  schon  erwähnte 
Becken  von  Zlatica,  bulgarisch  Zlätisko  pole  (680  M.  Seehöhe) 
an  der  oberen  Topolnica,  das  Gjöpsa  genannte  Thal  (an  500  M.) 
an  der  oberen  Struma,  dem  Syrraus  der  Alten,  und  das  Tülovsko 
pole  bei  Kazanlyk ,  das  niedrigste  (an  400  M.)  und  fruchtbarste 
derselben,  an  der  oberen  Tundza,  dem  antiken  Tonzus.  Gewaltige 
Tumuli  sind  das  sichtbarste  archäologische  Wahrzeichen  dieser 
sonnigen  Hochthäler.  Ausser  den  zur  Donau  führenden  Balkan- 
übergängen gab  es  einen  alten  Weg,  welcher  alle  diese  Land- 
schaften von  West  nach  Ost  durchlief,  von  Serdica  bis  in  die 
Gegend  von  Beroe  (Stara  Zagora).  Ich  habe  dessen  Spur  in  der 
Gjopsa  genau  erfragt  und  zum  Theil  selbst  gesehen.  Die  Einwohner 
behaupten,  derselbe  beginne  bei  Tekke  und  ziehe  sich  bis  Eski 
Zagra,  grösstentheils  nahe  an  dem  Fusse  des  hier  sehr  steilen  und 
felsigen  Balkans.  Er  passirte  das  Städtchen  Sopot  (türk.  Akd^e 
klissd.  „Weisskirche"),  bei  welchem  sich  auf  einem  steilen  Gebirgs- 
vorsprung  eine  viereckige  Castellruine,  ein  (1877  niedergebrannteg) 
Klostei-  und  in  der  Ebene  vier  grosse  Tumuli  befinden,  und  berührte 


101 

die  4  Kilom.  weiter  gelegene  grössere  Stadt  Karl  ovo  (8190  Einw.). 
In  dem  kleinen  Zwischenraum  zwischen  diesen  beiden  Orten  sah 
ich  (10  Minuten  westlich  von  Karlovo)  ein  in  gerader  Linie  ver- 
laufendes, 3  —  4  Schritt  breites  Pflaster  nebst  einem  kleinen  Brücken- 
bogen über  einem  Giessbach.  Daneben  liegen  auf  öden  AVeide- 
plätzen  die  schwach  kenntlichen  Fundamente  von  Häusern  und 
Mauern  einer  grossen  alten  Stadt,  jetzt  türkisch  Uzun-sehir 
(lange  Stadt)  genannt,  welche  angeblich  der  alte  Mittelpunkt  der 
hiesigen  Landschaft  war,  vor  der  Entstehung  des  ganz  modernen, 
wie  man  sagt,  kaum  200  Jahre  alten  Karlovo.  Das  war  wohl  das 
alte  KdipK;  des  13.  und  14.  Jahrhunderts,  das  Ghiopscie  eines 
ragusanischen  Coraptoirbuches  aus  dem  16.  Jahrhundert,  dessen 
Namen  in  dem  Landschaftsnamen  der  Gjöpsa  noch  fortlebt,  welcher 
hier  mitunter  auch  dem  oberen  Laufe  der  Streraa  gegeben  wird. 
Weiter  östlich  ritt  ich  von  Karlovo  nach  Miterizovo  zwischen 
Feldern  und  Wiesen  fast  eine  ganze  Stunde  auf  einem  gepflasterten, 
3  Meter  breiten  und  ziemlich  gut  erhaltenen  alten  Weg.  Seine 
weitere  Spur  geht  knapp  am  Fuss  des  Gebirges  durch  die  herr- 
lichen Buchenwälder  des  Quellgebiets  der  Tundza,  einige  Kilometer 
nördlich  von  dem  Städtchen  Kalöfer  (etwas  unterhalb  des  Klosters 
Sveta  Bogorodica)  und  erreicht  das  Tulovsko  pole  bei  dem  Flüsschen 
Ttza  itürk.  Älonastirderessi) ,  wo  sich  bei  dem  Dorfe  Golem  o 
Selo  die  von  Barth  besuchte  Ruine  eines  aus  abwechselnden  Stein- 
und  Ziegellagen  erbauten  grossen  viereckigen  Schlosses  befindet^''). 
In  dieser  Ruine  wurden  unlängst  zwei  Inschriftsteine  gefunden,  die 
sich  jetzt  bei  der  Bezirksverwaltung  in  Kazanlyk  befinden  sollen. 
Nach  einer  mir  mitgetheilten  Zeichnung  eines  Kaloferer  Autodidakten 
lässt  sich  deren  Inhalt  annähernd  erkennen : 

1.  OLLONI  ETM.  .  .  . 
ACATH.  DV  .  .  .  . 
LVTEM .  ARAM  . . . 
DVM  -  CVRAV .... 


.  NOES  . 


*•=)  Barth,  Reise  durch  das  Innere  der  Europ.  Türkei,  Berlin  1864,  S.  ,33. 
Sein  Büyük  Obä  ist  Golemo  selo.  Er  erwähnt  (ib.  29.  34)  auch  die  Reste  einer 
Römerstras.se.  —  Ttza  und  Tundza,  beides  Quellbäche  eines  und  desselben  Flusses, 
des  alten  Tonzus,  sind  phonetisch  ein  und  derselbe  Name,  mit  und  ohne  Beibehaltung 
des  Khinesmus. 


102 


,  NIY-  SYO   .  .  . 

,  ENSA-SYN.  .  .  .  ®') 


O  YOYIONOAEAI 
TYZ 

rAPOKONFYim 
NKIZTAAIEHrXNEr 
.  .  I    .  .  .AErOPOYrEIPI 

rrNOMHZA.  . . 

TP 


Diese  Burg  ist  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  altbulga- 
rischen Krtn,  dem  Centrum  der  meist  neben  Beroe  genannten, 
von  Sliven  bis  Kopsis  reichenden  Landschaft  Kprivdc;,  Kpouvö(g,  der 
auf  einem  hohen  Berge  gelegenen  Burg  Akarnus  des  Edrisi  auf 
einer  Route  von  Stobuni  (bei  Ichtiman)  nach  Barwi  (Beroe)  und 
der  Stadt  Cornus,  Corinus,  welche  man  westlich  von  Stiphinus 
(Sliven)  und  nördlich  von  Philippopel  noch  auf  Karten  des  16.  Jahr- 
hunderts (Mercator  1589  u.  A.)  verzeichnet  sieht^^). 


*')  Ob  die  letzten  drei  Zeilen  mit  den  ersten  vier  zusammengehören,  ist  mir 
aus  der  Copie  nicht  ganz  klar;  vielleicht  ist  dazwischen  eine  unleserliche  Zeile.  — 
Kuinen  einer  alten  Stadt  soll  es  auch  bei  Sofular  (NW.  von  Kazanlykj  am  Fuss 
des  Balkan  geben. 

**)  Da  man  KrT.n  bislier  gewöhnlich  in  dem  von  hier  weit  entfernten  Karrm- 
bad,  einem  Marktflecken  neueren  Ursprungs,  suchte,  muss  ich  meine  Ansicht  (cf. 
„Periodicesko  Spisanie",  Ztschr.  der  liter.  Ges.  zu  Sofia  1884,  IX,  43  —  44)  näher 
begründen.  Kaiser  Isaak  Aticrelos  (1190)  flüchtete  nach  einer  im  Balkan  verlorenen 
Schlacht  biä  toö  Xeyo^xevov  KprjvoO  izpöc,  Ttiv  Bepörjv  (Nikefas  Akominatos  ed 
Bonn.  562).  Die  Lateiner  zogen  1206  nach  Niketas  p.  852  ju^xpi  KpilvoO  Kai 
Bop^riq,  nach  Viliehardouin  ed.  Wailly  p.  267  bis  Veroi  und  Blisme.  Eine  Urkunde 
des  bulg.  Garen  Äsen  II.  aus  den  Jahren  1230—1241  (Miklosich,  Mon.  serb.  p.  2) 
zählt  unter  den  Landschaften  des  Kelches  auf:  Trnovo  mit  ganz  Zagorje,  Preslav, 
Karvuna  (j.  Balcik),  Kri.n  und  Boruj  u.  s.  w.  Pachymeres  erwähnt  öfters  Eltimir, 
den  bulg,  Theilfürsten  von  Kpouvöq;  der  Feldzug  des  Kaisers  Andronikos  gegen 
denselben  (•!,  447)  ist  gerichtet  nach  'Pedxoußn;  (bei  Beroe  selbst,  cf.  Monats- 
berichte 1.  c.  p.  454)  und  von  dort  i(;  ZriAßvou  iLi^xpi  ^'^^  Kö\\>€U}<;,  wodurch  er 
TÖv  'E\Ti|aripf^v  änoKXeiei.  Dabei  erscheinen  Kosokastro  (Pacliym.  II,  445  ,  Jambol 
und  Lardea  (id.  II,  559)  ausserhalb  dt  s  eigentlichen  Gebietes  des  Herrn  von 
Kpouvö(;.  Barwi  heisst  in  Jaubert's  Uebersetzung  des  Edrisi  Kar  vi;  dass  aber 
nicht  etwa  an  den  unbedeutenden  Sitz  des  Bischofs  Kapdßou  in  der  Metropolie 
von  Adrianopel  (Not.  episc.  ed.  Partbey  ]>.  124),  sondern  an  die  >,n-()sse  Stadt  Bepön, 
Horuj   der  Bulgaren,   Berua  der  Lateiner  zu  denken  ist,  zeigt  die  Boschreibung  der 


103 

Die  anstossende  Landschaft  der  grossen  Stadt  Eski  -  Zagra 
mit  den  Resten  des  alten  Bepoii  habe  ich  schon  einmal  ausführlich 
besprochen*®).  Der  Präfect  des  dortigen  Kreises,  Herr  A.  Hiev, 
hat  mich  seitdem  über  die  Lage  eines  Hissarlyk  bei  der  Bahn- 
station Radne  Mahala  (gegen  SO.  von  der  Stadt)  unterrichtet,  in 
welchem  viele  Münzen  von  Thasos,  sowie  MaKebövuuv  rrpouTric;  ge- 
funden werden.  Demselben  verdanke  ich  die  Copien  von  einigen 
Inschriften: 

1.  In  Eski-Zagra  (1882): 

XlMONATEIAlANnrAiVETlE// 
:ErhKOOT/MIAEI>£KAKO  YPIA«"  / 
MOYTE  /////  YTENKAETP  s////// 
HPniA'EIA»  AYflBriMONTO/ 
O  Y  N  A  A  M/////iVE^ECE0^EN01E  //// 
5  //  ü  hE  K  Y 1        ^") 

2.  In  Eski-Zagra: 

EEHOINA  NTEOI 
D  Y^ENH  EHHViOhE 
Y  O  N"  O  E  T  H  EePAKWM 
EHAPXEIAC  //////// 
5  nil//////////EEBEEB 

AN"IETPATl*OYHIEP/ 
TAT!  BOYAH  KAl/ 

/amtotato  CA-W  ®') 


Lage    am  Fuss  eines  Gebirges,    nahe    an    der  Marica,    zwei  Tage  von  Adrianopel 
u.  s.  w.  (Recueil  des  voyages  VI,  2,  293.  295.  383).     Auf  C  o  rn  u  s  machte  schon 
Lelewel,   GSogr.  du  moyen   äge  III  u.  IV,  115  aufmerksam. 
«»)  Monatsber.  der  Berl.  Akad.  1881  S.  435—454. 

")   [Etwa: 

Buufaöv  'AxeiXiavCu  Yain^Tit;  |u'  eöTtiae  ZeKoövba 


fipuji  'ATeiXmviü  ßuj|uöv  xövö'  eiae  XeKoövba 
|LivJi|Lia  \x^v  kaao]xivQ\<^,  xöp^a  (?)  be  tu»  veKui. 
Vg-l.  Kaibel's  Nr.  3151,  wo  die  früh  verstorbene  Gemahlin  vom  Gatten  heroisirt  wird. 
Nach  V.   1   folgt    (in  einem  oder  in  zwei  Versen?)    die  Motivirung,    von    der    man 
eiveKO  KOUpiö...,    dann  out'  ev    ...    out'  4v  erkennt,  deren  Herstellung  aber  mit 
der  vorliegenden  Abschrift  mir  nicht  bat  gelingen  wollen.  Tb.  Gomperz.] 

")  Ist  nach  zum  Theil  vollständigerer  Copie    bereits  Bull,  de  corr.  hM.  VI 
(1882)  p.  183  u.  5  publicirt,  wo  Foucart  bemerkt,  dass  der  Name  Z.  4  und  5  ab- 


104 

3.  Im  Dorfe  Avdzi-Duvandza  (4  St.  südlich  von  Eski  Zagra) 
am  Dorfbrunnen: 

AYPMOKIANC 
M  T  O  N    B  U) 

WVON 
E  Y  X  H  C  6  N 

Aup(ri\ioq)   MoKiav[ö(;    .  .]t6v  ßuuMÖv  euxnq   evfcKa] 

4.  In  der  alten  Kirche  zu  Jeni-Zagra  (Nova-Zagora) : 

/h;i////7////////////// 

AHAAMAMHTPl'EGh/ 
/  AIAEVrAAEHNHEIl 
A  UJ  A  E  K  E  TC  *  0  I  M  E  N 
5  PN<  A  E  I  N^M>C  E  V  0  E  I  V  / 
rA<l>OEEYNMHrHEE 
K8NAANHSTA*IE 

kaaaSeacepa© 

KENEON 
10  EYTYXl/       "') 


sichtlich  getilgt  scheint,  In  demselben  erkennt  er  zweifelnd  noch  die  Lettern: 
ci>AoYAnAl..  .  .EloY  und  liest  daher  beöiroivav  Tr|<;  oi[K]ou|aevn(;,  ^^fe^xovivovroc,  rf\q 
OpctKUJv  t-napxdac,  0X(aouiou)  OüXit(iou) 'A.  .  .eiou  TTp[e|aß(euTOÖ)  leßaaroö) 
ävTiOTporriYOU,  ^  iepoiTOiTri  ßGoX»")  Kai  [ö]  Xi/uirpÖTaToe;  f)riM[o<;]  .... 

'')  [Lies: 

...|ur|ö'  äpLU  |ar|Tpi  xeOnvai 
XtUYaX^r)  voüoiu  buibeK^Tii   qpOi|Li^vriv 
KXeivi^v  Keüöei  T^be  Tdqpoq  oüv  lunfpi  leKOÖvbav, 
r\v  TTacpin  KdXXou<;  äöxepa  GfiKe  v^ov. 

(Fortsetzung  folgt) 

Prag  CONSTA  NTIN  JIRECEK 


105 


Denkmäler  aus  ßrigetio 


Wir  berichten  im  Folgenden  über  zumeist  aus  Brigetio  stam- 
mende Denkmäler,  welche  von  uns  bei  einer  Reise,  die  wir  nach 
Ungarn  und  Serbien  im  Sommer  1885  für  das  archäologisch- 
epigraphische  Seminar  unternahmen ,  theils  in  0-Szöny  (Brigetio), 
theils  in  Pest  gesehen  worden  sind.  Die  wenigen  Stücke ,  die  wir 
an  erster  Stelle  bringen,  befanden  sich  Ende  August  1885  noch  auf 
dem  Lagerfelde  von  Brigetio,  wo  sie  im  Laufe  des  Jahres  gelegent- 
lich der  Schanzarbeiten,  die  daselbst  unter  der  Leitung  des  Herrn 
Hauptmannes  Milos  Berkoviö  Borota  ausgeführt  werden,  zu  Tage 
gekommen  waren.  Die  kleineren  Fundgegenstände  befinden  sich 
in  Komorn  in  der  Sammlung  des  Herrn  Borota,  der  sie  selbst  zu 
veröffentlichen  gedachte  ^).  Der  Haupttheil  der  in  den  letzten  Jahren 
in  und  um  Brigetio  gefundenen  Denkmäler  war  bereits  ins  Pester 
Nationalmuseum  überführt  worden,  woselbst  sie  uns  freundlichst 
zugänglich  gemacht  wurden.  —  Der  epigraphisehe  Theil  des  Berichtes 
rührt  von   G.   Schön,    der    archäologische    von  R.  Weisshäupl    her. 

Im  ersten  Jahrgange  dieser  Zeitschrift  haben  die  Herren 
Majonica  und  Schneider  ausführlichere  Mittheilungen  über  Monu- 
mente von  Brigetio  gegeben,  welche  jetzt  im  Pester  Nationalrauseum 
aufbewahrt  werden. 

Wir  sahen  in  Brigetio  noch  folgende  Stücke: 

L  Block  aus  Kalkstein,  gefunden  im  Frühjahre  1885  auf  dem 
Lagerfelde.  L.  1'14,  H.  0-555,  T.  0-18.  Derselbe  bildete  vielleicht 
den  oberen  Abschluss  einer  Aedicula,  die  Jupiter  und  Juno 
dedicirt  war.  An  seinem  unteren  Theile  ist  er  in  der  Mitte  halb- 
kreisförmig durchbrochen.  Rechts  unten  ist  eine  Zeile  abgebrochen. 

I-    0-M-E-IVNONI<'REGINE* 
*       PRO-      S  A  L  V  '!•  E  M    I  M    P  E  R  I    *  SIC 

CL-  ELT'A'EClCITaNVS-CFELIXMPRc 
ELEVThEREToM     OVIIIACLFELICISMA 


')  [Nach  freundlicher  Mittheilung  des  Herrn  Professor  Hampt'l  befinden  sich 
diese  Geg'enstände  ebenso  wie  die  von  den  Verfassern  dieses  Berichtes  noch  in 
Brigetio  gesehenen  Denkmäler  (unten  1 — 3)  jetzt  auch  im  Nationalmuseum.  A.  d.  R.] 


106 

•''       C'  F  E  L  I  C  1  T  A  S  •  si  ^t^R  r   i-f  ,  .  ^l  CRESCENTIN 
■EERNA-BASS-  /^^^^  ^sC  l   CRES  C  E  S  • 

cltitinvs-    ^  \cl-jwavia 

fjavictor  \libert* 

M I  L  E  i^E  1  / 

J{ovi)  Oiptimo)  M{aximo)  e{t)  Junoni  regin{a)e  pro  salutem 
imperi.  Cl(audius?}  Eltia  et  Cl{aud{us)  Citanus ,  C{laudius)  Felix 
m{agister)  pr{imus),  Eleuther  et  M.  Ovilia{?)  Cl{audi)  Felicis  ma{gistri), 
Cl{audia)  Felicüas  et  Erna  (?)  Bass{iani?)  si{g)nifer{i)  le(gioms)  I; 
Cl{audius)  litianus,  Fl{avius)  Victor  mile{s)  le{gionis)  1;  Cl{audiiis) 
Crescentin{us),  Cl{andius)  Cresces,  Cl{aiidia)  Maura  liherta.  [d{e)  s(ud) 
p{ecunia)?] 

Obwohl  die  Inschrift  im  Ganzen  gut  erhalten  ist,  erziehen 
sich  doch  bei  den  barbarischen  Namen  Schwierigkeiten.  Zweifelhaft 
ist,  ob  in  Z.  4  nach  Elevther  et  der  kleine  Kreis  als  Punkt  anzusehen 
ist.  Vollständig  unklar  ist  der  folgende  Name.  Nach  dem  v  sind 
nur  drei  verticale  Striche  zu  erkennen.  Auch  in  Z.  6  ist  der  Name 
Erna  auffallend  und  statt  dessen  vielleicht  {A)eter})a  zu  verstehen. 
Die  Auflösung  des  //*.  pr.  Zeile  3  in  magister  primus  scheint  mir 
durch  die  folgende  Bezeichnung  der  Gattin  dieses  INIannes  sicher, 
da  hier  zu  dem  Namen  des  Gatten  der  Zusatz  ma  tritt.  Der  auf 
PR  folgende  Rest  einer  gebogenen  Linie  rührt,  wenn  er  nicht  zu- 
fällig ist,  von  einem  Punkte  her. 

In  der  fehlenden  Zeile  am  Schlüsse  mag  eine  Formel  ge- 
standen haben,  wie:  d^e)  s(ua)  p(ecunia)  oder  v(otum)   s{olverunt). 

Gewidmet  wurde  das  Heiligthum  von  einer  Genossenschaft, 
von  der  ein  Mitglied  vuigisfer  primus,  also  der  erste  war,  der  das 
gemeinte  magisferi'ivi  bekleidet  hat  (cf.  C.  I.  L.  VI,  188.  445).  Wel- 
cher Art  dasselbe  war,  lässt  sich  aus  der  Inschrift  nicht  mit  Sicher- 
heit erschliessnn.  Doch  da  die  schönen  und  einfachen  Formen  der 
Buchstaben  die  Zuweisung  der  Inschrift  an  die  frühere  Kaiserzeit 
empfehlen,  und  dazu  auch  die  Namen,  meist  Claudier  und  ein 
Flavier,  passen  ,  da  ferner  unter  den  Personen  zwei  Soldaten  der 
Legio  Prima  Ädiulrix  erscheinen  und  die  Stadt  Brigetio  aus  den 
Canabae  des  Lagers  dieser  Legion  entstanden  ist,  so  hat  die  An- 
nahme wohl  finen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit,  dass  unter 
niagisicr  prinivs  der  erste  Magister  der  Canabae  von  Brigetio  zu 
verstehen  ist.  So  heisst  in  einer  Insclirift  aus  Apulum  C  I.  L. 
III,   1008  L.  Silius  Maximus:  magisfra[n)s  primus  in  can{dbis),  und 


107 

der  andere  bisher  bekannte  Magister  aus  Brigetio  (C.  I.  L.  III,  4298), 
der  Veteran  derselben  Legion  und  zugleicli  Decurio  in  Brigetio 
war,  ist  bereits  mit  gutem  Grunde  auf  die  Entstehung  der  Stadt 
aus   diesen  Canabae  bezogen  worden. 

Ich  schliesse  hier  ein  Fragment  an ,  welches  ebenfalls  von 
einem  grossen  Blocke  aus  Kalkstein,  der  auf  demselben  Lagerfelde 
von  Brigetio  gefunden  wurde,  herstammt.  Dasselbe  ist  bereits  im 
ersten  Jahrgange  dieser  Mittheilungen  S.    151  publicirt. 

I      ^ 

I    R  S 
P  R 

Es  ist  nur  ein  geringer  Rest,  der  uns  hiermit  von  der  Inschrift 
erhalten  ist,  die  Ecke  oben  rechts.  Erwägt  man  aber,  dass  die 
Baulichkeit,  zu  der  sie  gehörte,  an  derselben  Stelle  stand,  wo  die 
oben  besprochene,  fast  vollständige  Inschrift  gefunden  wurde,  und 
dass  in  beiden  Inschriften  das  Ende  von  den  Zeilen  3  und  4,  also 
von  dem  Anfang  der  Liste  der  Beitragenden  (wenigstens  in  der 
vollständig  erhaltenen)  so  gut  wie  identisch  ist,  so  drängt  sich  die 
Vermuthung  auf,  dass  wir  auch  hier  die  Reste  der  Namen  des  Gl. 
Felix  und  seiner  Gattin  vor  uns  haben:  Ct.  FeHx  m.]  yv.  und 
Feli\cis  m(agistri). 

2.  Fragment  eines  rechteckigen  Marmorblockes.  H.  0"58, 
L.  \'2,  T.  0  43.  Gefunden  auf  dem  Lagerfelde  von  Brigetio  in  der 
zweiten  Hälfte  des  August  1885. 

Die  Höhe  der  Buchstaben  beträgt  0"103. 

IMP-CAES-MAVRr 
•   CO  S  •  III  •    P  •  P 

3.  Ausser  diesen  Inschriften  sahen  wir  auf  dem  Ausgrabungs- 
felde nocli  den  Torso  einer  sitzenden  Zeusstatue  aus  weissem 
Granit,  vom  Nabel  an  abwärts  erhalten,  1.  Fuss  abgebrochen. 
H.  0-61.  Die  Statue  wurde  nach  den  Angaben  der  Arbeiter  in  der 
Nähe  der  jetzigen  Schanzen  gegen  den  Bahndamm  hin  in  einer 
Tiefe  von  ungefähr  1  M.  gefunden.  Der  Gott  hat  um  die  Beine 
ein  Fliniation  geschlungen  und  trägt  an  den  Füssen  Sandalen. 
Ueber  dem  Bruche  de^  1.  Beines  ist  noch   das  Sandalenband  sieht- 


108 

bar.     Der  iibrit;;e  Körper  war  nackt.     Die  R.  ruht  mit  dem  Blitze 
dessen  linkes  Ende  abgesplittert  ist,  auf  dem  Schoosse. 


Im  Hofe  des  Pester  Museums  befindet  sich  jetzt  die  Inschrift, 
die  Majonica  und  Schneider  in  Alt-Szöny  vorfanden  und  Arch.-epigr. 
Mitth.  I,  154  publicirten  (daraus  Eph.  epigr.  IV  n.  512).  Da  unsere 
Abschrift  vollständiger  und  genauer  ist,  so  sei  das  Fragment  hier 
nochmals  gegeben. 

NR-   B  A  S  S  O  •  T  V  «-i 


Zeile  2  ist  der  untere  Querstrich  eines  e  noch  deutlich  zu 
lesen,  desgleichen  ist  ein  Punkt  rechts  von  t  sichtbar.  Am  Scliluss 
von  Zeile  3  ist  nach  tv  noch  der  Rest  eines  Buchstabens  vor 
banden,  doch  lässt  sich  nicht  mehr  entscheiden,  was  daselbst  ge- 
standen hat.  Das  Compendium  ist  aufzulösen:  f^(it)  t{ibi)  t{erra)  l{evis). 

2.  Fragment  aus  Kalkstein,  OSö  h.,  0-35  br.,  0-3  d. 

I    E 

/  R 


3.  Votivara  aus  Kalkstein,  074  h.,  0*43  br.,  0*3  d. 


CA  VTO  ■ P 
M-MASICA 
M  AT  E  R  ri 

ANV  S 
V-  S-  L- M 


Z.  2  sind  c  und  a  ligirt. 

Cauto  P{ati)   M.  Masica  Matemianus  v.  s.  l.  m. 


109 


4.  Kalksteinblock,    als  Baustein  zugehauen,    0*8  h. ,  0*42  br. , 
0-46  d. 

d  m 

IL  LA  E 
\TQ_VIAET\    S 
RE-  f-CONl  rigi 
et  sih  i  uiv  VS  ■  F 

I        dEC  ■  N\.V n  briy 
i  S  S  im 

5.  Vorderplatte  eines  Sarkophages  aus  Marmor,  links  ^e 
brochen,  h.  07.  Rechts  von  dem  architektonisch  begrenzten  In- 
schriftfelde, von  höherem  Rahmen  umgeben,  eine  Nische,  in  welcher 
in  Relief  auf  einer  altarähnlichen  Basis  ein  nackter  geflügelter 
Knabe  steht,  halb  en  face,  nach  links  gewendet,  1.  Standbein.  In 
den  Händen  hält  er  eine  Fackel,  die,  schief  nach  aufwärts  gehend, 
den  Körper  überschneidet. 


l 

anioiii  sui  i  n  i  an  i 

C  0 

r  n  i  c  u   ,• 

LEG  LEG 

i.  ad 

p.f.  seil,  qlv 

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V  M  - 

cv 

7-    A    V 

I    T 

*'1- 

Die  Ergänzung  wird  gesichert  durch  eine  Weihinschrift  aus 
Arrabona  (C.  I.  L.  III,  4368,  genauer  Arch  -epigr.  Mitth.  I  S.  148 
=  Eph.  epigr.  IV  n.  514) :  J{ovi)  Oiptimo)  M{axiino),  Junoni  regin{ae), 
Minei^ae,  Neptuno,  Libe{ro)  Pat{ri\,  Dianae  ceterisque)  dihus,  L. 
Anion{ius)  Sabiniuims  cor)n(cular>us)  leg{ati)  leg[ionis)  I.  ad{intricis) 
]}{iae)  fijdeHs)  S[e(verianae)'\  Umplum  vetus[t{ate)'\  conlapsum  faciun- 
dum  cur{avit)  cum  Aurlelia)   [A\eUan{a')  con{iuge). 

6.  Votivara  aus  Kalkstein,  oben  und  links  fragmentirt.  h.  0*7, 
br.  0-4,  d.  0-35. 


110 


[linvicto)]  ]>{eo)  M{ithrae)  .  .asumni[us?]  Arrncus  [A]ugustaHs 
mun{icipn)  Brig{etionis)  An[t\nniniani  [v{otum)\  s^olvit)  l{ihens)  m{erito). 

Der  Beiname  Antoninianum  für  das  Municipium  Brigetio  er- 
scheint hier  zum  ersten  Male.  Es  fällt  demnach  die  Erhebung  von 
Brigetio  zum  Municipium  in  die  Zeit  des  Caracalla,  nach  dem  auch 
die  hier  stationirte  Legio  1  adiutrix  den  Beinamen  Antoniniana  er- 
hielt, cf.  C.  I.  L.  III,  4364. 

7.  Stele  aus  Kalkstein  .  h.  2  27,  br.  0-75.  Inschriftfläche 
h.  0-61,  br.  0'52.  Die  Vorderfläche  der  Stele  ist  durch  einfache 
horizontale  Rahmen  in  drei  Felder  getheilt,  deren  mittleres  die  In- 
schrift trägt.  Im  oberen  erhebt  sich  auf  korinthischen  Säulen  ein 
mehrfach  umrahmter  Reliefgiebel.  Zwischen  den  beiden  Säulen  ist 
ein  mit  zwei  Bändern  verzierter  Kranz,  der  eine  Patera  umschliesst, 
dargestellt:  im  Giebelfelde  ein  sehr  stark  abgescheuerter  Porträt- 
kopf [?]  über  einer  quer  über  die  Fläche  sich  ringelnden  Schlange. 
Ueber  den  beiden  Schenkeln  des  Giebeldreieckes,  parallel  mit  den- 
selben, ist  je  ein  Delphin ,  mit  dem  Kopfe  nach  abwärts  gerichtet, 
angebracht. 

Das  dritte,  untere  Feld,  das  sich  an  die  Inschrift  anschliesst, 
enthält  verschiedene  Werkzeuge,  nämlich  (von  links  nach  rechts): 
ein  Winkelmaass,  zwei  Bohrer,  ein  Doppelbeil,  ein  Scrinium  mit 
Rollen,  ein  Beil  mit  halbmondförmig  gekrümmter  Schneide  (TTepiT0|ieu<;, 
Blümner  Technol.  I  Th.  II  Fig.  27)  und  einen  Schusterleisten. 

Die  Inschrift  lautet: 

D  VI 

/    O    N     O     N     I     V    S 
V'TAL    ISANXL 
I  I    M    Q_l  A    ^J  Vk  R   I 
5      VSVCTLEGIADPF 
P  A  L  )  O  N   1  V    I  N  Vj 


111 


1T.VEL'\1NGEN\A 
M  A  Ri  1  O  SVO      PIEH 

/iSSIMO-POSVER.- 

d.  m.  [B]ononius  Vitalis  an{norum)  XLII  M.  Q{uinctiu^)  Janua- 
rius  vet(eranus)  lfg{ionis)  I.  ad{iutricis)  p{me)  f(idelis)  P.  Ael{ius) 
Oni[c\inus  et  Aelia  Ingenua  marito  suo  pienlt^i-simo  posuer{unt). 

Die  Stele  ist  an  der  Oberfläche  sehr  stark  verwittert,  doch 
kann  die  Lesung  bis  auf  wenige  Buchstaben  als  gesichert  betrachtet 
werden.  Sehr  schwer  ist  anzugeben ,  welcher  Buchstabe  Zeile  6 
nach   Oni  gestanden  hat,  doch   dürfte  wohl  c  zu  erkennen  sein. 

8.  Stele  aus  Sandstein,  in  zwei  Felder  getheilt,  oben  und 
unten  gebrochen,  h.  1*62,  br.  09,  d.  0-2.  Im  oberen  Felde  ist  eine 
Rosette  von  einem  Kranze  umschlossen;  das  untere  Feld  trägt  die 
Inschrift,  an  der  noch  Spuren  von  rother  Bemalung  zu  sehen  sind. 

D  M 

CORNELIAE 
V  ALENTl  N  A  E 
A  N  XIX    •   SAM 
5  M  A  R  C  E  L  L  I  ?>;  A 

FIL     r 

d.  m.  Corneliae  Valentinae  an{norum)  XIX  Sam({a?)  Marcellina 
fil{ia)  p{osuit). 

9.  Votivara  aus  Kalkstein,  h.  0'25,  br.  015.  Spuren  von 
rother  Bemalung. 

s    D    s 

A  V  R 
=  E  L  I 
C  A  V  S 

S{ilvano)  d(omestico)  s{acrum)  Aur{elia)    Felica   v{ptum)   s[olvit). 

Meilensteine 

1.  Meilenstein  aus  Sandstein,  Höhe  2"3,  Umfang  1"65.  Die 
Inschrift  ist  auf  einer  oblongen  Tafel  angebracht,    h.  0'95,  br.  O^ö. 

i  W  •  C  Ä.  s 
M- A«.-SEVR 
VS-A.EWDR 


112 


P  •  F-A'GPOrf 

ö  FEX- M - T<bV- 

ZIÄ.-  P  O  "E  S 

TAts  •  Villi  es  a    230 

III  ■  p  •  p  •  R  E 
S  t  T  V  I  T 
10  a  BR  ■  M"-  II 

Impieratoi')  Caes{ar)  M.  Aur{elms)  Severits  Alexander  P(ms) 
F(elix)  Aug{ustus),  pontifex  m{aximus),  iribu[m]cJae  potentatis  Villi, 
co{n)s(ul)  III,  p{aUr)  p{atriae),  restituit.  [a]  Bri{getione)  m{ilia)  p{as- 
suum)  II 

2.  Fraojraent  einer  Meilensäule  aus  Kalkstein ,  doppelt  be- 
schrieben, Höhe  0  8.   Umfang  l'S. 

«)  0) 

IMP   CAES 

MARC  IVLPHILI  PJL)  VS  IMP     CAES 

PFINVICTVS  aug 

p  o  N-  I  g  X  M  X  I  ^vcs  LTACITOPFINVI 

a.   245         0      -RIB/NICIÄPCES 

cos  p  p  PROCOsA  VG  FONTJN        xj_ 

et  TwarcilA    O  X  C II  T    R   I    B_ 


Impierator)  Caes{ay)  Marc{us)  Jul(^ms)  Phili[pp]uii  Piius)  F{elix) 
invictus[Aug{uiitus)], pontifex  maximus,  tribiiniciae  pof.es{tatis),  co{n)s{ul), 
p{ater)  p(atriae),  proco{n)s{ul) ,  [et  Marci]a  Otacil[ia  Severa  sanctissima 
Augusta,  coniux  Augusti  nostri,  vias  et  pontes  vefusfate  conlapsas  per 
alam  III  Tkrarum  Phüippinnam  restituerunt  :  a  Brigetione  milia 
pas8uum...\  cf.  C.  I.  L.  111,4627. 

h) 

Imp[eratori)  Caes{ari)  Cl.  Tacito  P(io)  F(eUci)  invi{cl6)  Aug{usto) 
pont{ifici)   7n[a]xi{mo)f   trib[uniciae  potestatis 

3.  Meilensäule  aus  Kalkstein,  in  zwei  Stücke  gebrochen,  frag- 
mentirt.     a)  Umfang  O'?,   Höhe  1'05;  h)   Umfang   1,  Höhe   1. 

I  M'  c  A  E   S 

MAN^^JRDINVSPF 

AVGp.  m.  KbPOTES  a.  238 


113 


PR».  COSPPVIASCVM 
•^  ?^>U/biis  netiistAT.  ''OH.Pt  s 

RhS  tituit  per  alam  iii 
THrac.   gor  di  an  am 
a  hrif/.  m.  p. .  .  . 

Imp{erator)  \_C]afs{ar)  71/.  An\t{onius)  G]ord{anus  P{ius)  F{elix) 
Augiustus),  [p{on%ifex)  m{ax{'mus)],  trih{uniciae)  potes{tatis),  procos., 
l){ater)  p{atriae) ,  vias  cum  pon[tibus  vetust]ate  c[o]nlaps{as)  res[tituit 
per  alam  III]  T/i[)'ac{urn)  Gordianam.  aBrigetione  m(ilid)  p{assuum) . . .] 
Man  vergleiche  die  folgende  Inschrift. 

4.  Meilenstein,  publicirt  in  Eph.  epigr.  II  p.  430  n.  910.  Der- 
selbe ist  doppelt  beschrieben,  was  Romer,  der  die  Inschrift  zuerst 
abschrieb,  entgangen  ist. 

IM'         C  A  E  S 

MAVREGLAVDIVSP       M  ■  AR  GOR  c// NVS 

a.  268        favgpisItribpot     pf 

cos  PROCOS  vcosn  a.  242 

VIAS  VE  I  VS  TATECON  VETVSTATECONLAß 

LABSAS  CVNPO>ll 
BVSRESTITV  1  T  PER 
A  L  A  m  III   TPRA  Cd  au 
D  I  A  N  AV 

A  B  R  I  G 

M'      V  I 

Imj  (eratur)  Caes{ar)  AI.  Aure{lius)  Claudius  P{ius)  F{elix) 
Aug{ustus),  p(ont{fex)  [m(ax{mus)^,  trib{unicae)  pot{estatis),  co(n)s{ul), 
proco{n)s{ul),  vias  ve[t\ustate  conlahsas  cum  pon[t]ibur>  restituii  per  alam 
tertiam   Thrac{iim)   C^auldiavam.  a  Brig[et{one)  m{iUa)  p(assuurn)  VI. 

Ursprünglich  stand  auf  der  Säule  etwa:  Imp[erator)  Caes(ar) 
M.  Ant{onius)  Gordianus  P{ius)  F{elix)  Aug{ustus) ,  p{ontifex)  [m](a- 
xtmus) ,  trib{nniciae)  pot(estatis)  V,  co(n)s{ul)  II,  proco(n)s(ul) ,  vias 
vetustate  conlahsas  cum  pon[i\ibus  restituit  per  alam  III  T/irac{um) 
[Got]d{ana>n.  a  Brig{etione)  m{ilia)  p{assuuifi)  VI. 

Von  der  ursprünglichen  Inschrift  sind  die  meisten  Buchstaben 
wieder  verwendet  worden.  Dabei  ist  in  Claudius  das  o  von  Gor- 
dianus stehen  geblieben.  Ich  habe  die  abweichende  Lesung  der 
ersten  Inschrift,  soweit  sie  noch  erkenntlich  ist,  beigesetzt. 

Archäologisch-epigraphische  Mitth.  X.  g 


114 


Sarkophage 

1.    Sarkophag   aus  Kalkstein,    gefunden   in  Brigetio ,    1.  2  M., 
br.  0-42,  t.  0-92.     Spuren  von  rother  Farbe. 


b)  a) 

MEMORIAE  TITI  Q 

DOMNINISI  VEP        '.   INMEMORIAJVVTITIVRSINIA 


ASSERIS  •  NEGO 
TIANTI  SPLEND 
5    IDO  •  QVI  VI  XI 
TANNISSVI      5 
N  T  r  R  PECT 
OAB ARB  ARl 
S  T  I  T  I  V  S 


N  I  Q_V  IVIXiTANN   •  XVIIITIT 
IVS   DOMNINVSAVGVST 
MVNICIPIBRIGFILIO  PIEN 
TISSIMOFACIENDVM 
C       V       R       A       V       I       T 


6) 

D  O  M  N  1  N  V  / 
PATERIN  FELIX 
F  I  L  I  O  R  V  iW  /  N 
HOCSARCO 
F  A  G  O  D  V  O 
CO  RP  O  R  A 
P  O  S  V  I  T 


a) 


In  memoriam  Tili  JJrsiniani,  qui  vixit  ann{is)  XVIII ^  Titius 
Domninus  Äugust(alis)  municipi  Brig{etionis)  filio  pientissimo  faciendum 
curavit. 

Memoriae  Titi  q(iiondani)'^)  Dotnnini  swe  Passeris  negotianti 
splendido,  qui  vixit  annis  XXV,  interfecto  a  barharis ,  litius  Dom- 
'ninv\s\  pater  infelix  ßliorum  [i]n  hoc  sarcofago  duo  corpora  posuit. 

Der  Sarkophag  trägt  zwei  Grab  Schriften,  wovon  die  frühere 
in  dem  vertieften  Mittelfelde  der  Vorderseite  angebracht  ist.  Später 
wurde  im  Räume  links  und  rechts  von  der  ersten  eine  zweite  ein- 
gegraben, nach  welcher  der  Vater  in  demselben  Sarkophage  einen 
anderen  Sohn  bestattete.  Letzterer  hat  seinen  Tod  als  Geschäfts- 
reisender bei  den  Barbaren  gefunden.  Er  führt  dasselbe  Cognomen 
wie  sein  Vater  Domninus,  wohl  als  ältester  Sohn ;  zur  Unterschei- 
dung dient  der  hier  mit  sive  angeknüpfte  Beiname  (Signum)  /asser. 

2.  Sarkophag  aus  Kalkstein,  gefunden  zu  Aquincum,  1.  2*31, 
br.  0-86,  t.  M7. 


')  Das  (lurchstrichene  Q_=  q{uondavi),  welches  im  Gegensatze  zu  v(ivus) 
den  Tod  bezeichnet,  ist  am  Rande  zum  Namen  hinzugesetzt,  und  so  sind  scheinbar 
die  Theile  des  Namens  Tili  und  Domnini   auseinander  gerissen. 


115 

D  M  -  VR.  ■  FLAVO  ■  n1  .)» L  •  JVl 

T-INI  ERPTRI  •  GE\ 

:)  FF  -COS-  "E  •  iW-  vfv 

FILIO    •   COMMVNi   •  AVRhLlA  ■  Q_ 

5  VATA  •  MRITO  •  "E-   FILIO  •  DVLCISSIM 

ISSCRIBi-IN-MEMORIA\-IVSSIT 

d.  m.  M(arco)    Aur{eli6)    Flavo    m[ü{iti)? du]pl{ario)     [e]t 

interpefri  G^e[rmanwi^Jm  off{icii)  co(n)s{idaris)  et  M{arco)  Atir[elio 
. . .  .]riti?  ßlio  communi  Aurelia  Qu[i]aeta  (?)  marito  et  filio  dulcis- 
simis  scribi  in  memoriani  iussit. 

Zeile  2  ist  inter'petri  für  mterpreti  geschrieben ,  genau  so  wie 
C.  I.  L.  III,  2880  interpetrationem  steht.  Leider  ist  die  Inschrift 
gerade  an  der  interessantesten  Stelle  verstümmelt,  doch  geben  uns 
die  Reste  zum  Theile  einen  sicheren  Anhalt  für  die  Ergänzung. 
Wie  aus  dem  Anfang  von  Z.  3  hervorgeht,  ist  Flavus  im  Bureau 
(officium)  des  Statthalters  beschäftigt  gewesen  und  zwar  nach  Z.  2 
als  Dolmetscher.  Nun  ist  nach  interpetri  vor  dem  Bruche  noch  ge 
erhalten,  nach  dem  Bruche  am  Schlüsse  der  Zeile  m.  Ohne  Zweifel 
steckt  in  diesen  Resten  der  Name  des  Volkes,  für  welches  Aurelius 
Flavus  interpres  war.  Professor  Hirschfeld  ergänzt  Germanorum, 
das  den  Raum  genau  ausfüllt  und  wohl  sicher  das  Richtige  trifft. 
Dass  der  Dolmetscher  für  ein  Volk  gewöhnlich  demselben  ent- 
stammte, ist  natürlich,  und  in  unserer  Inschrift  passt  das  Cognomen 
Flavus,  das  bekanntlich  auch  der  Bruder  des  Arminius  führte  (Tacit. 
a?in.  II,  9;  XI,  16),  sehr  gut  zu  germanischer  Abkunft.  Interpretes 
für  Völkerschaften  werden  erwähnt  in  der  y^Notitia  dignitatum"' 
im  Bureau  des  Magister  Officiorum  der  beiden  Reichshälften: 
Or.  XI,  52:  interpreies  diversarum  gentium,  Occ.  IX,  46:  interpretes 
omnium  gentium.  Dolmetscher  in  der  Provinz  sind  uns  bereits  aus 
Cicero  bekannt:  Verr.  3,  57,  84;  ad  fam.  13,  54;  ad  Atlicum  1,  12, 
2;  16,  11,  7.  Aus  Inschriften  sind  uns  bisher  nur  wenige  interpretes 
bezeugt,  wie  Orelli  4204  ohne  Zusatz,  C.  I.  L.  VI,  4871  (Henzen 
n.  6319)  und  8481  mit  dem  Zusatz  Aug{usti).  Etwas  mehr  ent- 
spricht unserer  Inschrift  eine  aus  Batanaea  in  Syrien  bei  Lebas- 
Waddington  III,  2143,    welche  einen  ep^^vea  emTpÖTTuuv  anführt^). 


^)  Man  vergleiche  noch  hiezu  eine  Grabschrift  aus  Rom  C.  I.  L.  VI,  5207, 
nach  welcher  zugleich  mit  einem  Gesandten  aus  Phanagoria  im  Bosporus  ein 
^p)ar]veu(;  ZapiaarOüv  bestattet  ist,    der   wohl  zum  Gefolge  des  Gesandten  gehörte. 

8* 


116 

Wie  dieser  zugleich  dpxiepeu?  war,  so  scheint  auch  Flavus  mit  der 
Stelle  des  Dolmetschers  zugleich  eine  andere  bekleidet  zu  haben. 
Es  ist  nämlich  vor  interpetri  der  obere  Theil  eines  t  erhalten, 
welcher,  da  zum  Schlüsse  der  vorhergelienden  Zeile  ein  Punkt  steht, 
wohl  nur  zu  "e  (ei)  ergänzt  werden  kann.  Da  hiernach  in  Z.  1  eine 
Charge   angegeben   war   und    zum  Schlüsse  pl    noch  erkennbar  ist, 

so  vermuthe  ich  m[il{iü) olu]pl{ario).      Sicher  ist  dies  natürlich 

nicht,  aber  dass  der  Statthalter  einer  Grenzprovinz  seine  Dolmetscher 
aus  den  ihm  unterstehenden  Soldaten  nimmt  und  dass  ein  solcher 
doppelten  Sold  bezieht,  scheint  durchaus  ohne  Anstoss*). 

Zeile  3  fehlt  vom  Namen  des  Sohnes  das  Cognomen.  Die 
Reste  von  Buchstaben  am  Schlüsse  dürften  „riYi"  sein. 

3.  Sarkophag  aus  Kalkstein,  1.  249,  t.  1-31.  Erhalten 
ist  nur  der  untere  Theil  des  Sarkophagkörpers;  der  Bruch  ist  un- 
regelmässig. 

Die  Vorderseite  zeigt  in  der  Mitte  ein  mit  unregelmässig  ge- 
schwungenen Leisten  eingefasstes  Inschriftfeld.  Zu  beiden  Seiten 
desselben  stand  in  je  einer  Nische  ein  Krieger  (?)  —  der  zur  L. 
ist  von  den  Oberschenkeln,  der  zur  R.  von  der  Brust  an  erhalten  — 
bekleidet  mit  Chlamys,  die  im  Rücken  bis  unter  die  Kniekehlen 
herabfällt.  Die  Fij^ur  r.  trägt  in  der  L.  ein  Schwert  mit  der  Spitze 
nach  oben.  Von  der  Inschrift  ist,  unmittelbar  unter  dem  Bruche, 
nur  mehr  erhalten : 

ii  R  I  s  o  1  M  A  F 
F  C 

Vor  f{aciendum)  c{uravit)  ist  das  f  sicher,  aber  vielleicht  vom 
Steinmetzen  verhauen  und  [c]armima[e]  geraeint. 

Linke  Nebeneeite:  In  der  Mitte  ein  runder  Altar  mit  brennen- 
dem Feuer,  l.  von  demselben  stehen  Orest  und  Pylades,  rechts 
Iphigenie.  Orestes  ist  en  face  gebildet  (Kopf  fehlt)  und  mit  langer 
Chlamys  bekleidet,  die  auf  der  Brust  genestelt  ist.  Die  Beine  sind 
gefesselt,  die  Hände  auf  den  Rücken  gebunden.  R.  von  ihm  steht 
Pylades  en  face.     Erhalten  ist  nur  der  Unterkörper   und  ein  Theil 


^)  Professor  Hirschfeld,  dem  ich  diese  Inschrift  mittheilte,  schreibt  mir,  dass 
sowohl  ihm  wie  Professor  Mommsen  die  Ergänzung  militi  bedenklich  erscheine, 
Mommsen  denke  an  inedico  (ein  solcher  wird  oft  als  duplicarius  bezeichnet,  vgl. 
Marquardt  Staatsverwaltung  II  S.  5.56  A.  2),  er  selbst  an  m[ensori]. 


117 

des  r.  Armes,  Er  ist  ebenso  bekleidet  wie  Orestes.  Die  Hände 
hat  er  gefesselt,  die  Beine  scheinen  frei  zu  sein.  Seiner  Körper 
haltung  nach  wandte  er  sich  vielleicht  nach  r.  gegen  Iphigenie  hin. 
Von  letzterer  ist  nur  mehr  der  Unterkörper  erhalten.  Sie  steht  r, 
vom  Altare  und  ist  mit  langem  Chiton,  Himation  und  Schuhen 
bekleidet. 

Rechte  Nebenseite:  Links  steht  Marsyas  halb  en  face  nach 
r. ,  nackt,  die  Füsse  gefesselt,  die  Hände  hinter  dem  Rücken  an 
einen  Baumstamm  gebunden.  Kopf  und  oberer  Theil  der  Brust 
fehlen.  R.  von  ihm  hockt  der  Skythe  nach  1.,  bloss  mit  phrygischer 
Mütze  und  zurückflatterndem  Chlaraydion  bekleidet.  Mit  der  L. 
schleift  er  auf  einem  halbkugelförmigen  Steine  sein  Messer,  mit  der 
R.  weist  er  auf  Marsyas,  während  er  sich  zugleich  nach  Apollon 
umsieht.  Letzterer  steht,  den  Körper  en  face  (r.  Standbein;  Kopf 
und  oberer  Theil  der  Brust  fehlen),  nur  mit  langer,  auf  der  Brust 
genestelter  Chlarays  bekleidet,  1.  von  einem  altarähnlichen  Pfeiler, 
auf  den  er  mit  der  ausgestreckten  L.  (sie  ist  nicht  mehr  erhalten) 
die  Leier  stützte.  Der  r.  Arm  scheint  nach  Maassgabe  eines  er- 
haltenen Restes  nach  1.,  gegen  Marsyas  hin  ausgestreckt  gewesen 
zu  sein  (?). 

4.  Sitzende  Athenastatue  aus  Kalkstein.  H.  (mit  Basis) 
1-33,  Br.  0-55.  Kopf,  r.  Arm  und  1.  Hand  fehlen.  Gef.  in  0-Szöny. 
Die  Göttin  sitzt  auf  hohem  Throne  mit  Rücken-  und  Seiten- 
lehnc\  Die  Rückenlehne  ist  giebelförraig  abgeschlossen  und  trägt 
als  Basis  des  Giebeldreieckes  ein  horizontales  Reliefband.  Ein 
gleiches  zieht  sich  an  der  Vorderseite  der  1.  und  an  den  Aussen- 
seiten  beider  Armlehnen  oben  hin.  Die  Göttin  sitzt  strenge  en  face 
da;  der  1.  Vorderarm  ruht  auf  der  entsprechenden  Armlehne,  der 
r.  ging  vom  Körper  weg;  der  r.  Fuss  ist  etwas  zurückgestellt.  Die 
Gewandung  besteht  in  langem  jonischem  Chiton  und  Himation. 
Letzteres  ist  um  Leib  und  Beine  geschlungen,  geht  dann  hinter 
dem  Rücken  hinauf  und  fällt  über  die  1.  Schulter  und  den  1.  Arm 
herab,  welchen  es  bis  zu  der  Stelle,  wo  die  Hand  abgebrochen  ist, 
verhüllt.  Die  Füsse  sind  mit  Sandalen  bekleidet.  Auf  der  Brust 
trägt  die  Göttin  die  Aegis  mit  wulstartig  umgebogenem  Saume  und 
geflügeltem,  unter  dem  Halse  mit  Schlangen  versehenen  Gorgoneion. 
Zur  R.  Athenens  stand  auf  der  Basis,  an  die  Vorderseite  der  1. 
Armlehne  anschliessend,  der  Schild,  von  dem  nur  mehr  die  rück- 
wärtige Hälfte  erhalten  ist.  Er  war  von  einem  Reliefbande  um- 
rahmt.   Im  Saume  des  r.  herabfallenden  Himations,  ungefähr  in  der 


118 

Höhe  des  unteren  Aegiswulstes,  ist  ein  mehrere  Centimeter  tiefes 
Loch  sichtbar;  welches  möglicher  Weise  zur  Befestigung  des  Speeres 
diente. 

Die  Arbeit  ist  roh,  die  Gewandfalten  sind  nur  ganz  im  All- 
gemeinen angegeben,  die  Körperformen  nirgends  klar  herausgeholt. 
Uebrigens  war  auch  das  Material ,  ein  stark  sich  abblätternder 
Kalkstein,  für  die  Erhaltung  des  Werkes  nicht  besonders  günstig. 

5.  Fragment  einer  Grabstele  (?),  rings  gebrochen,  0*63 
hoch,  aus  Kalkstein.     Gef.  in  0-Szöny. 

Erhalten  ist  der  Oberkörper  einer  en  face  gebildeten  weib- 
lichen Gestalt,  mit  Ausnahme  eines  Theiles  des  1.  Armes.  Der 
obere  Theil  des  Gesichtes  und  die  vorderen  Haarpartien  sind  ab- 
gesplittert. Die  Figur  ist  bekleidet  mit  Chiton  und  Himation, 
welches  schleierartig  das  Hinterhaupt  bedeckt,  den  r.  Arm  bis 
unter  den  Ellenbogen  verhüllt  und  von  da  quer  über  die  Brust 
gegen  die  1.  Schulter  hinaufgeht.  Ausserdem  trägt  sie  Haarbinde 
und  Ohrgehänge.  Mit  der  L.,  deren  Finger  noch  erkennbar,  um- 
fasst  sie  einen  länglichen  Gegenstand ,  auf  dessen  unterem  Ende 
die  Finger    der  R.  ausgestreckt   aufliegen    (Spindel  oder  Büchse?). 

6.  Stele  aus  Kalkstein,  oben  und  unten  quer  abgebrochen, 
bezeichnet  ylvV  1;  H.  1-36,  Br.  0-73. 

Vorderseite :  In  dem  beiderseits  einfach  umrahmten  Felde  steht 
eine  weibliche  Figur  en  face  auf  einem  Felsen  (?).  So  viel  bei 
der  sehr  starken  Absplitterung  des  Steines  zu  erkennen,  ist  sie  mit 
langem,  1.  geschlitzten  Chiton  mit  Ueberfali  bekleidet,  aus  dem  das 
nackte  r.  Bein  heraustritt.  Eine  dicke  wulstartige  Erhebung  auf 
dem  rechten  Oberarm  scheint  von  dem  Saume  des  Chitonärniejs 
herzurühren.  Den  r.  Arm  senkend,  den  1.  hoch  erhebend,  hält  sie 
über  den  Kopf  bogenförmig  ein  Gewandstück  gespannt,  welches  1. 
in  stark  geknitterten  Falten,  r.  in  einer  deutlich  ausgeprägten 
Quaste  endigt.  Zur  Haltung  vgl.  Clarac  IV,  563,  1206;  Selene 
auf  den  Endymionreliefs. 

Rückseite:  Auf  einer  stark  vorspringenden  Leiste  als  Basis 
schreitet  eine  Pannonierin^  Gesicht  en  face,  nach  1.  vor.  Sie  ist 
mit  doppeltem,  um  die  Mitte  gegürteten  und  auf  den  Schultern  mit 
riesigen  Fibeln  genestelten  Gewände ,  mit  Haube  und  Sandalen 
bekleidet  und  trägt,  die  Arme  vorstreckend,  mit  beiden  Händen 
eine  längliche  Schüssel  mit  einem  Schweinskopfe. 

7.  Stele  aus  Sandstein,  unten  abgebrochen,  bez.  tIft2; 
H.  0-89,  Br.  071. 


119 

Die  Stele  ist  seitlich  durch  zwei  Anten  mit  korinthischem 
Kapital  begrenzt.  Das  Kapital  des  r.  Pilasters  ist  bloss  vorne  aus- 
gearbeitet. Zwischen  den  Kapitalen  grenzt  die  Bildfläche  nach 
oben  ein  Rundbogen  ab,  der  auf  zwei  seitlich  von  den  Anten  vor- 
springenden Consolen  aufsitzt  und  oben  das  Epistyl  berührt.  Im 
Stelenfelde  steht  eine  nackte  Frau  (Aphrodite?)  en  face.  Sie 
blickt  nach  1.  auf  die  bis  in  Augenhöhe  erhobene  r.  Hand.  Die 
L.  liegt  an  der  1.  Brust.  Die  beiden  Hände  scheinen  einen  Gegen- 
stand, vielleicht  ein  gemaltes  Band  gehalten  zu  haben.  An  den 
Kapitalen  und  der  Figur  selbst  sind  zahlreiche  Spuren  rother  Farbe 
bemerkbar. 

Wien  G.  SCHÖN    R.  WEISSHÄUPL 


Zu  der  Inschrift  von  Samothrake 

Epliem.  epigr.  IV  p.  53 


In  der  samothrakischen  Mysteninschrift  aus  dem  J.  124  n.  Chr. 
hat  O.  Hirschfeld  (in  dieser  Zeitschrift  V,  224  f.)  die  erste  Zeile, 
in  der  rechts  etwa  6  —  9  Buchstaben  fehlen,  folgendermassen  zu 
ergänzen  vorgeschlagen: 

Regibus  Jov[e  et  Aiigusfo]  oder 
et  Imp.  n. 
Hirschfeld  nimmt  mit  Recht  an ,  dass  die  für  Byzanz  durch 
Münzen  der  römischen  Zeit  constatierte  Sitte,  dass  Götter  als  Be- 
amte der  Stadt  figurieren,  auch  an  anderen  Orten  bestanden  haben 
werde,  und  sieht  für  Samothrake  gerade  in  dieser  Inschrift  einen 
Beleg.  Eine  Notiz  bei  Livius  bezeugt  in  der  That  diese  Sitte  aus- 
drücklich für  die  Stadt  Argos  und  unterstützt  weiterhin  auch  Hirsch- 
felds Vermuthung,  dass  dem  höchsten  Gott  in  Samothrake  auf  jener 
Inschrift  gewiss  kein  gewöhnlicher  Sterblicher,  aber  wahrscheinlich 
ancii  kein  anderer  Gott,  sondern  „Hadrianus,  der  selbst  als  Jupiter 
Olympius  verehrte  Kaiser''  beigesellt  gewesen  sei ').  Livius  (32,25) 
berichtet  nämlich :  mos  erat  {in  Argivorum  civitate)  comitiorum  die 
primo   velut   ominis   causa  praetores   pronuntiare  Joveni  Apollinemque 


■)  Mommsen  (Eph.  epi'jr.  V  p.  81)  zieht  Jov[e  et  Junone]  oder  Aehnliches  vor. 


120 

et  Herculera.  additnm  lege  erat,  ut  his  Phüippus  rex  ndiceretur.  cuius 
nomen  post  pactam  cum  Romanis  societafem  quia  praeco  non  adiecif, 
fremitus  primo  muliitudinis  ortus,  deinde  clamor  subicientium  Philippi 
nomen  iubentinmque  legitimum  honorem  uaurpare,  donec  cum  ingenti 
adsensu  nomen  recitatum  est.  Zu  Argos  bestand  also  im  J.  19  i 
V.  Chr.  die  Sitte,  bei  der  Wahl  der  höc-hsten  Beamten  jedesmal 
zuerst  Zeus,  Apollon  und  Herakles  gleichsam  als  ständige  Stadt- 
vorsteher zu  proklamieren,  und  schon  damals  hatte  der  griechische 
Servilismus  die  gleiche  Ehre  einem  fürstlichen  Gönner,  Philippus  V. 
von  Makedonien,  zugetheilt.  War  nun  also  auch  die  nach  jener 
Vermuthung  dem  Kaiser  Hadrian  in  Samothrake  erwiesene  Ehren- 
bezeugung keine  ganz  neue,  so  erscheint  sie  doch  immerhin  be- 
deutend und  ungewöhnlich  genug,  um  die  weitere  Vermuthung 
Hirschfelds  noch  immer  aufrecht  zu  erhalten,  dass  diese  Ehre  mit 
einem,  auch  aus  anderen  Gründen  wahrscheinlichen,  persönlichen 
Besuch  des  Kaisers  auf  Samothrake  (vgl.  Dürr,  Reisen  Hadrians 
S.  2.  55  f.)  im  Zusammenhang  stehe. 

Tübingen  J.  DÜRR 


Römischer  Votivsteiii  aus  TJiiter-Haidin 
nächst  Fettaii 

(Ans  einem  an  die  k.  k.  Central  Comtnission  für  Kunst-  und  historische  Denkmale 
gerichteten  und  von  derselben  mitg-etheilten  Berichte)*) 


Am  11.  März  1.  J.  erhielt  ich  von  einer  befreundeten  Person  in 
Pettau  die  Mittheilung  von  dem  Funde  eines  Römersteines  zugleich 
mit  der  von  Herrn  Professor  Rudolf  Gaupmann  in  Pettau  ange- 
fertigten Abschrift.  Danach  zog  ich  weitere  Erkundigungen  sowohl 
über  die  Inschrift,  als  auch  über  Fundort,  Material  und  Dimen- 
sionen ein. 


*)  [Ueber  dasselbe  Denkmal  haben  wir  auch  ausführliche  Mittheilung'  von 
Herrn  Professor  Gurlitt  in  Graz  erhalten,  mit  seiner  vor  dem  Stein  genommenen 
Abschrift  und  einem  von  Herrn  Professor  Ganpmann  sorgfältig'  angefertigten  Ab- 
klatsch. Letzterem   verdanken  wir  auch  eine  vortreffliche  Photographie.       A.  d.  K.] 


121 

Der  Fundort  liegt  auf  dem  Boden  des  alten  Poetovio,  nahe 
der  Ortschaft  Unter- Haidin,  welche  eine  massige  halbe  Stunde  von 
dem  östlich  davon  gelegenen  Pettau  entfernt  ist.  Man  geht  von 
Pettau  aus  auf  der  Marburger  Strasse  bis  zum  Beginne  der  Ort- 
schaft Unter  Haidin;  bevor  man  noch  das  erste  Haus  dieses  Dorfes 
erreicht,  biegt  ein  Wiesen  weg  von  der  Strasse  ab,  welchen  man 
noch  300  Schritt  weit  zu  verfolgen  hat,  um  zu  der  Wiese  des 
Bauers  Johann  Gracher  (Haus  Nr.  19  in  Unter- Haidin)  zu  gelangen. 
Auf  dieser  Wiese  wurde  unter  Erlenbäuraen  der  Stein  in  liegender 
Stellung  entdeckt  und  am  24.  Februar  1.  J.  ausgehoben.  Unmittel- 
bar vor  dieser  Wiese  befindet  sich  ein  Feld,  auf  welchem  Gefäss- 
scherben,  zum  Theil  von  Terra  sigillata,  grosse  Ziegelbruchstücke 
und  andere  Baureste  in  Menge  zerstreut  liegen.  Einige  wohler- 
haltene kleine  Fussbodenziegel  von  da  haben  meine  Bekannten  für 
mich  erworben.  Der  Stein  wurde  im  März  vom  Magistrat  der 
Stadt  Pettau,  welcher  ein  Localmuseum  zu  gründen  beabsichtigt, 
angekauft  und  ist  vorläufig  im  Hofe  des  dortigen  landschaftlichen 
Gymnasiums  aufgestellt. 

Der  Stein  besteht  aus  einem  einzigen  Stück  sogenannten 
Bacherer  Marmors,  eines  weiss-gelblichen  krystallinischen  Kalk- 
steins, aus  welchem  die  meisten  Römerdenkmale  Pettau  s  gemeisselt 
sind.  Auf  einem  0-78  M.  breiten,  0-24  hohen  und  0-4  dicken  Sockel 
erhebt  sich  das  Mittelstück  0-58  br.,  044  h.,  0*4  tief,  auf  dessen 
Vorderseite  in  einem  durch  einen  schmalen  Rand  abgegrenzten 
Felde  die  Inschrift  mit  guten  Buchstaben,  anscheinend  der  ersten 
Kaiserzeit,  eingehauen  ist,  deren  Höhe  in  Z.  1—5  allmählich  etwa  von 
7  bis  zu  3  Cm.  herabgeht.  Die  Krönung  des  Steines  bildet  ein 
einfacher  Aufsatz  mit  einem  Wulst,    die  zusammen  03  hoch  sind. 

Die  Inschrift  lautet: 

V  O  L  C  A  N  O 
AVG • S ACR 

EX-  IMP  •  ViCVS 

FORTVN-   A   ■   TEMPI. 
5  FORTVNAE  •  AD    HORR 

.M  P 

Volcano   Aug{usto)   sacr(um).    Ex    imp(erio)    viciis  Fortun(ae)  a 
templ(o)  Fortunae  ad  horr(ea)  mierüo?)  p(osuit)*). 

*)  [Die  Lesung  ist  nach  den  uns  vorliegenden  Abklatschen    und  der  Photo. 
graphie,    aus   denen    wir   auch  das  längere  l  in  Z.  3  aufgenommen  haben,    röilig 


122 

Bei  der  Erläuterung  fragt  es  sich  zunächst,  welcher  Art  der 
Vicus  ist,  von  dem  der  Stein  errichtet  wurde.  Ein  Vicus  ist  ein 
Coraplex  von  Gebäuden,  in  der  Stadt  eine  Strasse  oder  ein  Stadt- 
theil,  ausserhalb  der  Stadt  ein  Dorf,  in  welchem  die  Gehöfte  zu- 
sammen, nicht  wie  in  dem  Pagus  zerstreut  liegen.  Hier  ist  wohl 
ein  städtischer  Vicus  zu  verstehen,  da  der  Boden  von  Unter-Haidin 
in  römischer  Zeit  noch  dem  Poraerium  von  Poetovio  zugehörte, 
welches  sich  am  rechten  Drauufer  in  noch  weiterem  Umkreise  über 
Ober-Haidin,  Schloss  Thurnisch  und  St.  Veit  ausgedehnt  zu  haben 
scheint.  Auch  spricht  dafür  der  Umstand,  dass  in  unserer  Inschrift 
die  Grenzen  des  Vicus  angegeben  werden  («  templo  Forlunae  ad 
horrea ,  wobei  wohl  pertinens  oder  ein  ähnliches  Participium  die 
ungezwungenste  Ergänzung  ist),  da  eine  solche  Angabe  nur  beim 
Vorhandensein  mehrerer  zu  einem  Ganzen  vereinigten  Vici,  also  in 
einer  Stadt  vonnöthen  ist  und  einen  Sinn  hat,  nicht  aber  bei  dem 
einzelnstehenden  ländlichen  Vicus.  Die  Bewohner  eines  solchen 
städtischen  Vicus  fanden,  wenigstens  in  Rom,  wo  die  Stadt  seit 
Augustus  in  287  Vici  unter  je  4  Vicomagistri  eingetheilt  war,  in 
der  Verehrung  der  gemeinsamen  Laren  in  eigenen  Kapellen  einen 
religiösen  Einigungs-  und  Mittelpunkt.  Eine  ähnliche  Einrichtung 
wie  zu  Rom  mochten  denn  auch  die  stä  Itischeii  Vici  in  den  be- 
deutenderen Colonialstädten,  zu  welchen  jedenfalls  auch  die  Colonia 
Ulpia  Traiana  Poetovio  zu  rechnen  ist ,  gehabt  haben ,  wenn  auch 
eine  Eintheilung  derselben  in  Vici  meines  Wissens  in  den  Donau- 
ländern inschriftlich  nicht  erwähnt  wird.  Seinen  Namen  führt  der 
Vicus  Fortunae  augenscheinlich  nach  dem  in  Z.  4.  5  genannten 
iemplum  Fortunae,  dessen  Stelle  also  in  oder  bei  dem  heutigen 
Unter-Haidin  zu  suchen  ist.  Die  Magazine  horrea,  die  an  dem 
anderen  Ende  den  Vicus  begrenzten,  werden  wohl  militärische  ge- 
wesen sein,  da  Poetovio  im  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  das  Stand- 
lager einer   Legion,   der  XIII  Gemina  war. 

Dass  der  Vicus  dem  Volcanus,  der  hier  zum  ersten  Male  unter 
Inschriften  aus  Steiermark  erscheint,  den  Altar  geweiht  hat,  erklärt 


gesichert,  mit  Ausnahme  des  ersten  Buchstabens  in  Z.  6.  Nach  der  Ano;abe  des 
Verfassers  haben  die  ersten  Copien,  auch  die  Professor  Gaupmann's,  vi,  aber 
neuerdings  selireibt  dieser,  dass  man  auf  dem  Steine  eigentlich  nichts  davon  ent- 
decken könne;  Professor  Gurlitt  gibt  nur  einen  unsicheren  Rest,  und  auch  auf  dem 
Abklatsch  ist  nichts  mit  einiger  Sicherheit  zu  erkennen.  Doch  passen  vielleicht 
die  Spuren  mehr  zu  P,  woran  Professor  Gurlitt  gedacht  hat,  als  zu  M,  und  es 
ist  daher  vielleicht  p(ecunia)  p{ublica)  zu  verstehen.     E.  B.] 


123 

sich  wohl  daraus,  dass  er  vorzüglich  zur  Abwehr  von  Bränden  und 
zur  Hilfe  bei  Feuersbrünsten  angerufen  wurde.  Dies  tritt  klar 
hervor  an  einer  Stelle  der  Inschrift  C  I.  L.  VI,  826,  die  eine  Wid- 
mung an  den  Gott  Volcanus  enthält :  ex  voto  suscepto  .  . .  incendio- 
ruin  arcendoriim  causa.  Demgemäss  finden  sich  auch  unter  den 
Widmungen  der  Vorsteher  der  stadtrömischen  Vici  zwei  an  den 
Volcanus  quiefus  Augustus  (C  I.  I-..  VI,  801.  802),  das  eine  Mal  in 
Verbindung  mit  der  Stata  Mater  Augusta,  die  das  Feuer  zum  Stehen 
bringt. 

Dass  die  Formel  ex  imperio  andeutet ,  dass  eine  göttliche 
Weisung  die  Widmung  veranlasst  hat,  braucht  hier  kaum  gesagt 
zu  werden ;  in  gleicher  oder  ähnlicher  Bedeutung  kommt  auf  anderen 
Inschriften  aus  Poetovio  vor  ex  iussu  (C.  I.  h-  HI,  4014)  und  ex  visu 
(C.  I.  L.  III,  4018). 

Olmütz,  April  1886 

ANTON  RITTER  v.  PREMERSTEIN 


Die  antiken  Schrift-Gemmen  meiner 
Sammlung 


Die  kleine,  etwas  über  200  Stücke  umfassende  Gemmen- 
Sammlung,  M'elche  ich  nebst  mehr  als  10.000  Gemmen -Pas  ten 
besitze,  enthält  eine  verhältnissmässig  nicht  geringe,  beinahe  den 
vierten  Theil  derselben  erreichende  Anzahl  von  antiken  Schrift- 
Gemmen  —  diesen  im  Ganzen  nicht  sehr  häufigen,  oft  bemerkens- 
werthen  und  daher  ein  besonderes  Interesse  bietenden  geschnittenen 
Steinen,  die  mit  Schriftzeichen  —  sowohl  in  einzelnen  Buch- 
staben, als  in  Wörtern  und  in  Sätzen  —  ausgestattet  sind.  Sie 
theilen  sich  im  Allgemeinen  in  eigentliche  Inschrift -Gemmen, 
die  bloss  eine  Inschrift  tragen,  und  in  solche,  welche  eine  Dar- 
stellung weisen  und  zugleich  eine  Aufschrift  haben').  Da  die 
antiken  Schrift -Gemmen  meines  Besitzes  —  die  ich  im  Laufe 
der  Jahre  grösstentheils  durch  Geschenk  oder  Tausch  zusammen- 
brachte und  die  alle  unzweifelhaft  echt  sind  —  noch  nicht  publiciert 

*)  Vgl.  Francisei  Ficoionii  Gemmae  antiquae  lüferatae,  Romae  MDCCLVII.  — 
Desgl.  meinen  Abriss  der  „Glyptik"  in  Bacher's  „Geschichte  der  technischen 
Künste",  Stuttgart  1875.  I,  319  fg. 


124 

wurden,  so  möge  hier  ihre  kurze  Beschreibung  in  Folgendem  mit- 
getheilt  sein. 

1.  Inschrift- Gemme II 

A.  Griechische. 

1.  Carneol-Onyx-Camee  (die  obere  Schichte  mit  dem  von  einer 
Handlinie  umgebenen  Namen  ist  weiss,  die  untere  röthlich). 
—  Quer  oval:  8  mm    hoch,    IH  mm.  breit. 

A  Aes  A 
NAPOC 

2.  Carneol-Intaglie,  schildförmig.  -  Quer -oval:  12  mm  h., 
15  mm.  br. 

0IAIA 

Oben  und  unten  quer  ein  Palmenblatt. 

3.  Lapis-Lazuii-Intaglie.     -  Quer  oval:  10  mm.  h.,   13mm.br. 

inp  A 

4.  Carneol-Intaglie,    schildförmig.    —    Quer-oval:  6  mm.  h., 

8  mm.   br. 

i'VXH 

KAAH  (m^uxt]  KttXri). 

B.  Römische. 

5.  Carneol-Intaglie,  schildförmig,  fast  rund:  12  mm. h,  15  mm.br. 

I  V 

CVN 

DA 

6.  Sarder-Intaglie ,  bräunlich  gelb.  —  Quer-oval:  10  mm.  h., 
13  mm.  br. 

FOLNI VS 
A  PI  A 

7.  Carneol-Intaglie,  schildförmig.  Quer-oval:  9  mm.  h.,  13mm.br. 

E  D  I  S  I  /■'/ 

/'//AVI  AH 

E 

II.  Aufschrift- Gemmen. 

A.  Griechische. 

8.  Jupiter  Serapis.  Kopf  nach  links.  —  Uiaschrift  (rechtläufig) : 
Eic  zEvc  CEPAnic  MEPAAM  H  TVXH  TOV/*/  —  Unterhalb  des  Kopfes:  onoc. 


125 

Carneol-Intaglie,  schildförmig.  Oval:  18  mm.  h.,  JS  mm.  br. 
(Im  Feld  vor  dem  Kopf  eine  kleioe  zarte  dendritische  Einspren- 
gung.)    Oben  etwas  beschädigt. 

Tüchtig  mit  sicherem  Schnitt  und  mit  Schönheits- 
gefühl ausgeführter  Kopf. 

9.  Jupiter  Serapis.  Halb  -  Brustbild  nach  links  —  Umschrift 
(links):  KUUCiAxon;  (rechts):  pockynh;  unter  dem  Kopfe:  ma  (Kiuaia 
TÖ  TTpoaKVJvr|)aa). 

Carneol-Intaglie,   schildförmig.    Oval:   13  mm.  h.,   10  mm.  br. 

10.  Jupiters  Adler,  nach  rechts  schreitend;  mit  Eichel  (?)  im 
Schnabel.   —   Oben:  zgvc;  unten:  bovkkiuj. 

Carneol-Intaglie,  schildförmig.  Quer-oval:  lO  mm.  h.,  12  mm  br. 

11.  Minerva,  stehend,  nach  rechts  gewendet,  die  VlctorJa  auf 
der  rechten  Hand  haltend.  —  Seitwärts,  links:  eyty.    (Eutyches). 

Carneol-Intaglie,  schildförmig.    Oval:   16  mm.  h.,   12  mm.  br. 

12.  Amor,  im  Lauf;  mit  Fackel  (?) ,  nach  rechts.  —  Unten 
links:  *AP. 

Magneteisenstein-Intaglie.  Oval:  15  mm.  h.,  13  mm.  br. 

13.  Abundantia,  stehend;  mit  Füllhorn  und  Ruder;  nach  rechts. 
—  Oben  links:  eüeoz. 

Magneteisenstein-Intaglie.  Oval:  14  mm.  h.,  11  mm.  br. 

14.  Thyrsusstab,  aufrecht,  mit  flatternden  Bändern.  —  Ueber 
die  Mitte  des  Stabes:  inw,  unten  links:  in, 

Amethyst-Intaglie,  bohnenförmig,  durchbohrt.  Oval:  14  mm.  h., 
10  mm.  br. 

15.  Palmenzweig,  aufrecht.  —  In  der  Mitte  links:  n,  rechts:  e. 
Chaicedonintaglie,  bohnenförmig;  wie  die  vorhergehende,  nach 

der  Länge  durchbohrt.  Oval:   16  mm.  h.,  8  mm.  br. 

16.  Nestor  (?),  mit  Schild  und  Speer,  aufs  linke  Knie  ge- 
sunken, kämpfend.  Mit  „gekörntem"  Rand.  —  Oben  rechts:  n. 

Sardonyx-lntaglle.  Abgerundetes  Viereck:  14  mm.  h  ,  12  mm.  br. 
(Aeltester  griechischer  Styl,  in  grosser  Feinheit  durchgeführt. 
Werthvollste  Gemme.) 

17.  Springendes  gezäumtes  Pferd,  nach  rechts.  —  Oben  (recht- 
läufig) :  EiNn. 

Sarder-Intaglie.  Quer-oval:  10  mm    h.,  13  mm.  br. 

18.  Abundantia  und  Fortuna,  über  einem  Getreidebündel  (?) 
sich  die  Hände  reichend;  zwischen  den  Köpfen  beider  das  Brust- 
bild Sol's.  —  Unterhalb  der  Hände  (rechtläufig):  xapa. 

Sarder-Intaglie.  Quer-oval:   12  mm.  h,  14  mm.  br. 


126 

19.  Phallus,  nach  rechts;  auf  der  Eichel  ein  Schmetterling, 
darunter  eine  Schnecke.  —  Oben :  n ;  links  :  o ;  rechts :  t  ;  unten :  v. 

Sarder-Intaglie   (braun).  Quer-oval:  20  mm.  h.,  25  mm.  br. 

B.  Römische. 

20.  Jupiter  tonans,  thronend,  nach  rechts.  —  Oben,  zur  Rechten: 

ivp-,  zur  Linken:  ton. 

Chaicedon-Intaglle,  schildförmig.  Oval:  16  mm.  h.,  12mm.br. 

21.  Leda(?),  stehend,  von  rückwärts;  recbts  unten  der  Schwan, 
zu  dem  sie  hinablangt.  —  Links:  p-ef-;  rechts:  ar-cos. 

Achat  -  Intaglle    (schwarz),    schildförmig.     Oval:    15    mm.  h., 

13  mm.  br.  (Oben  ausgesprengt.) 

22.  Victoria,  nach  rechts  schreitend;  in  der  Linken  einen 
Palmenzweig,  in  der  Rechten  einen  Kranz  haltend.  —  Links: 
sca;  rechts:  phi. 

Carneol-Intaglie.  Oval:  10  mm.  h.,  9  mm.  br. 

23.  Apollo,  nach  rechts  schreitend;  die  erhobene  Lyra  spielend. 
Unten,  zu  beiden  Seiten  der  Figur: 

A.C   I    AESA- 

Carneol-intaglie,    schildförmig.    Oval  (fast  rund):  15  mm.  h., 

14  mm.  br. 

24.  Pferd,  ungezäumt,  nach  rechts  schreitend;  vor  demselben 
ein  Schild  und  zwei  Lanzen.  —    Oben:  haprisn;   unten:  romvl. 

SardonyX-IntagiJe  (braun  auf  weisser  Schichte) ,  schildförmig. 
Quer-oval:   13  mm.  h.,   18  mm.  br. 

25.  Komische  Maske,  nach  rechts.   —  Unten:  l-t- 
Sarder-Intaglie.  Oval:  12  mm.  h.,  9  mm.  br. 

26.  Zwei  Hände,  ineinandergelegt;  darüber  ein  Mohnstengel 
und  zwei  Kornähren.  —   Oben:  l-v- ;  unten:  tert»// 

Carneol-Intaglie.  Quer-oval:  11  mm.  h.,  13  mm.  br. 

27.  Pferdekopf,  nach  rechts.  —  Von  der  rechten  Seite  nach 
unten :  rplv. 

Jaspis-Intaglie  (roth  u.  violett).  Quer-oval:  7  mm.  h.,  11  mm.  br. 

28.  Ochsen-Paar,  nach  rechts  schreitend;  links  Spuren  eines 
Treibers  (ausgesprengt),  rechts  eine  verzierte  Stange.  —  Oben:  nmd. 

Sarder-Intaglie.  Quer-oval:   10  mm.  h.,   14  mm.  br. 

29.  Keule,  oben  und  unten  an  einem  Stengel  eine  Frucht. 
Unten  :  c  -  val. 

Sarder-Intaglie.   Quer-oval:   9  mm.  h.,  12  mm.  br. 


127 

C.  Abraxas. 
a)  Eigentliche  Abraxas. 

30.  Gott  Abraxas,  mit  Hahnenkopf,  Schlangenfüssen,  Geissei 
und  Schild;  nach  rechts.  —  Rechts,  oben:  iauj;  links:  yauu. 

Auf  der  Rückseite :  xpytb+k 

AKIOYUJN 
TMOC 

Jaspis-Intaglie,  gelbfleckig.  Oval:   15  mm.  h.,  12  mm.  br. 

31.  Gott  Abraxas,  wie  oben.  —  Auf  dem  Schild:  iauj 

Auf  der  Rückseite:  abpa 

CA5 

Magneteisenstein-Intaglle.  Oval:  20  mm.  h.,  16  mm.  br. 

32.  Gott  Abraxas,  gleich  den  vorigen.  Oberhalb  :  eine  stehende 
Figur,  behelmt,  in  der  Rechten  eine  Kugel,  in  der  Linken  einen 
langen  Stab  haltend.    —   Rechts:  iauiabväi;  links;  reaauj 

IAUJ  IAUJ 

Carneol-Intaglie.  Oval:  26  mm.  h.,  18  mm.  br. 

b)  Abraxoiden. 

33.  Gott  Abraxas,  mit  menschlichem,  spitzbärtigem,  gehörntem 
Kopf,  mit  Schlangenfüssen  und  mit  Geissei  in  der  Linken;  in  der 
Rechten  ein  krummes  Schwert.    Unten  ein  augenartiges   Ornament. 

Am  Rand  die  untere  Hälfte  der  folgenden  Buchstaben : 

L  O   —   LD  IUI 

Nephrit-Intaglle  (abgesägt).  Eckiges  Oval :  34  mm.  h.,  20  mm.  br. 

34.  Chneph  (Schlange  mit  strahlendem  Löwenhaupt).  —  Links  : 

XNOYBIC 

Auf  der  Rückseite:  //«//// ia 

AXMH 

Plasma-Intaglie ,    schildförmig.    Oval:   16  mm.  h.,    12  mm.  br. 

35.  Seekrebs,  nach  links.  —  Oben:  ontevy 

Auf  der  Rückseite:  Sonne  und  Mond. 
Am  Rand:  abpaca3:-> 

Magneteisenstein-Intaglie.  Quer-oval:  13  mm.  h.,  17  mm.  br. 

c)  Abraxaster. 

36.  Jupiter  Serapis.  Stehende  Figur,  in  der  Rechten  einen 
langen  Stab  haltend,  die  Linke  erhoben.  — Links:  i     rechts:  a 

4.  I    (?) 

Jaspis-Intaglie  (roth  u.  grün  geflammt).  —  Oval:  32  mm.  h., 
21   mm.  br. 


128 

37.  Jupiter  (?)    und    die  beiden  Dioskuren;   mit   Mond    und 
Stern. 

Auf  der  Rückseite,  von  einer  Schlange  umgeben:  iujxuj. 
Am  Rande:  eaenh  haeata. 

Magneteisenstein-Intaglie.  Quer  oval:  II  mm.  h.,  14  mm.  br. 

38.  Harpokrates ,    an  einer  Säule  lehnend,    mit  Palm  zweig 
in   der  Linken  und  einer  Frucht  in  der  erhobenen  Rechten. 

Auf  der  Rückseite:   KerkopJthekOS,  auf  einer  verzierten  Schale 
sitzend. 

Am  Rande  (undeutlich):  wiuu  —   luji  (?) 
Magneteisenstein-Intaglie.  Oval:  16  mm.  h,  11  mm.  br. 

39.  Harpokrates,  auf  einer  Lotosblume  sitzend. 

Am  Rande:  ahaxicmahicpy- 
Lapis  Lazuli-Intaglie.  Oval:  12  mm.  h,  8  mm.  br. 

40.  Harpokrates,    sitzend;    unterhalb    desselben  ein  laufender 
Löwe.  —  Rechts:  a  +  l;     links:  a+il   (?) 

Achat-Intaglie   (schwarz).  Oval:   13  mm.  h.,   10  mm.  br. 

41.  Anubis,    stehend,  mit  kurzem  Schwert  in  der  Rechten. 

Unten :  khcnk 

AAPM  //// 
H  Uli 

Magneteisenstein-Intaglie,  Oval:  14  mm.  h.,  11  mm.  br. 

42.  Zwei  Figuren   (männlich  u.  weiblich?),   stehend,    sich  die 
Hände  reichend.  —  Links:  iauj;  rechts:  /wa//// 

Auf  der  Rückseite:    Löwe,  schreitend;   oberhalb:  Sonne  u. 
Mond;  rundherum:  Sterne.  —  Am  Rande:  leANOAiiAA. 
Blutstein-Intaglie.  Oval:   18  mm.  h.,   14  mm.  br. 

43.  Diomedes  (?),    an    einem  Baume    sitzend,    eine    geflügelte 
Figur  auf  der  vorgestreckten  Rechten  haltend. 

Auf  der  Rückseite:  saenha^ 

PENANHYN 
HEIAAPIKY 
H^IAEVEAIt- 

///;//// w/AAlDO 

Jaspis-Intaglie    (dunkelgrün    mit   rothen  Flecken).    Viereckig: 
20  mm.  h.,  21  mm.  br. 

Baden  bei  Wien  Dr.  HERMANN  ROLLETT 


Archäologische  Fragmente  aus  Bulgarien 

(Fortsetzung,  s.  oben  S.  43) 


IV.  Das  Pontusgebiet  und  der  östliche  Haemus 

Der  östlichste  Theil  des  Haemusgebirges  bis  zur  Pontusküste 
hatte  zu  allen  Zeiten  eine  hervorragende  Bedeutung  wegen  der  ihn 
durchschneidenden  wichtigen  Verbindungslinien  zwischen  Byzanz 
und  der  Donau,  welche  die  dortigen  Landschaften  zu  dem  Schau- 
platz so  vieler  Feldzüge  von  Alexander  und  Lysimachos  angefangen 
bis  zu  der  ereignissreichen  Epoche  der  Völkerwanderungen,  und 
von  den  wechselvollen  Kriegen  zwischen  den  Byzantinern  und  Bul- 
garen bis  auf  die  russischen  Operationen  unseres  Jahrhunderts 
gemacht  haben.  Die  genannten  Routen  durchkreuzen  dort  zwei 
sehr  ausgedehnte ,  wenig  bevölkerte  Waldgebiete  mit  nicht  sehr 
hohen,  von  West  nach  Ost  sich  ausbreitenden  Höhen,  nämlich  die 
Strandza  zwischen  dem  Tundzathal  und  der  Meeresküste,  an  der 
jetzigen  rumelisch-türkischen  Grenze ,  und  den  östlichsten  Balkan 
mit  seinen  vielen  Verzweigungen  an  der  rumelisch  -  bulgarischen 
Grenze.  Dazwischen  liegt  am  Südabhang  des  Balkangebirges  eine 
Zone  warmer  fruchtbarer  Niederungen  bei  Sliven,  Jambol,  Karna- 
bad,  Aitos  und  am  Golf  von  Burgas.  Nördlich  von  der  Balkan- 
linie folgen  die  parallel  mit  ihr  verlaufenden  Thäler  der  vereinigten 
Kamcija  und  des  bei  Varna  mündenden  Flusses  von  Pravadia. 
Darauf  öffnet  sich  weiter  nordwärts  die  steppenaitige  Ebene  der 
Dobrudza.  Im  Osten  schliesst  eine  Reihe  uralter  Städte  und  Burgen 
das  ganze  Gebiet  von  der  Seeseite  ab. 

Obwohl  wir  von  dieser  Gegend  recht  gute,  zu  militärischen 
Zwecken  aufgenommene  Karten  besitzen,  sind  die  dortigen  histori- 
schen Denkmäler  bis  jetzt  nur  wenig  bekannt  geworden.  Dies 
bewog  mich  im  Sommer  1884  zu  einer  zweimonatlichen  Reise,  auf 
der  ich  das  ganze  Gebiet  von  der  Sakar- Planina  bei  Adrianopel 
bis  zum  Cap  Kaliakra  zu  beiden  Seiten  des  Balkans  durchstreifte. 

Ärchäologisch-epigraphische  Mitth.  X.  q 


130 

Im  Folgenden  will  ich  die  auf  antike  Geographie  und  Epigraphik 
bezüglichen  Notizen  meines  Tagebuches  in  Kürze  vorlegen. 

Die  Aufgabe  der  historischen  Geographie  ist  in  dieser  Gegend 
erschwert  durch  zwei  Umstände.  Einerseits  ist  das  überlieferte 
Material  sehr  unvollständig:  die  Angaben  der  römischen  Itinerarien 
sind  hier  sehr  spärlich,  die  byzantinischen  Daten  lassen  sich  nicht 
leicht  in  geordnete  Routen  gruppiren ,  die  inhaltsreichen  Routiers 
des  Arabers  Edrisi  (um  1150)  werden  erst  durch  genaue  Verglei- 
chung  der  Handschriften  und  Emendation  des  Textes  eine  festere 
Grundlage  erhalten  können ,  und  für  neuere  Zeiten  fehlt  ausser 
einigen  wenigen  Relationen  die  Literatur  der  Reisetagebücher  des 
16.  und  17.  Jahrhunderts,  die  für  die  Wege  von  Constantinopel 
nach  Belgrad  oder  Ragusa  so  viele  Anhaltspunkte  zur  Feststellung 
alter  Ortslagen  bietet. 

Andererseits  ist  die  historische  Ueberlieferung  in  diesen  Ge- 
genden sehr  stark  geschwunden,  und  zwar  in  Folge  von  gewaltigen 
ethnographischen  Veränderungen  in  der  neuesten  Zeit.  Altansässig 
sind  nur  die  Bulgaren  im  Gebirge  von  Sumen,  Kotel,  Sliven,  nebst 
wenigen  Dörfern  des  östlicheren  Gebietes  (Gulica,  Rusokastro  u. 
s.  w.)  sowie  in  dem  Innern  des  Strandzagebirges ,  sodann  die  tür- 
kisch sprechenden  Christen  wahrscheinlich  kumanischen  Ursprungs 
(die  sogenannten  Gagauzi)  im  Küstenland  nördlich  von  Varna, 
und  endlich  die  Griechen  der  Seestädte  Mesembria,  Anchialos» 
Sozopolis  u.  s.  w. ').  Neueren  Ursprungs  ist  die  ausgedehnte  tür- 
kische Bevölkerung  des  Ost-Balkans,  der  Landschaft  Tozluk  u.s.w., 
angesiedelt  seit  dem  16.  Jahrhundert,  ohne  dass  wir  über  die  Ein- 
zelheiten dieser  uns  doch  der  Zeit  nach  näheren  Colonisation  eine 
genauere   Kenntniss   besässen.      Andererseits  zeugt  die  vorwiegend 


*)  Auf  der  Balkanhalbinsol  gibt  es  zwei  Gruppen  türkiscl)  sprecliender 
Christen,  die  Gatcau/.i  von  Varna  und  Pravadia  bis  Silistria  und  zu  den  Donau- 
raündungcn  (besonders  bei  Balcik  und  Ka varna),  und  die  öurguci  in  der  Umgebung 
von  Adrianopel.  Ohne  hier  auf  die  Einzelheiten  dieser  ethnographischen  Frage 
einzuf^ehen,  bemerke  ich  nur,  dass  sich  dieselben  durch  ihren  Typus  von  den  christ- 
liclien  Nachbarn  unterscheiden  und  dass  das  Türkische  ihre  ursprüngliche  Mutter- 
sprache ist.  Es  sind  christianisirte  Reste  mittelalterlicher  türkischer  Volksstämrae. 
Die  Gagauzi  stammen  wohl  von  den  Rumänen  ab,  die  im  18.  Jahrhundert  in 
Bulgarien  (wie  in  Ungarn)  einen  grossen  Einfluss  besässen;  eine  Dynastie  kumani- 
schen Ursprungs  Ik  haupteto  sich  sogar  durch  drei  Gcntratiüncn  auf  dem  Thron  von 
Trnovo.  Die  Surguöi  sind  dagegen  auf  die  in  der  Komneneuzi.it  in  Thrakien  (nach- 
weisbar bei  Bcroe  und  an  der  Arda)  colonisirten  Türken  nnd  „Tnrkopulen"  zurück- 
zuführen. 


131 

türkische  Nomenclatur  der  gegenwärtig  meist  bulgarischen  oder 
griechischen  Dörfer  des  Tundzathales  bis  Adrianopel  von  einer  com- 
pacten ,  jetzt  nicht  mehr  bestehenden  osmanischen  Bevölkerung. 
Nach  dem  russischen  Kriege  1829  wanderten  die  Bulgaren,  be- 
sonders des  Tundzagebietes,  massenhaft  nach  Bessarabien  aus,  wo 
die  neuen  Colonistendörfer  zum  Theil  noch  immer  die  Namen  der 
alten  Heimathsorte  in  den  Gegenden  von  Jambol,  Sliven  u.  s.  w. 
führen.  Ein  Theil  dieser  Emigranten  wollte  nicht  bleiben  und  zog 
nach  1830  aus  Bessarabien  wieder  in  die  Heimath  zurück,  blieb 
aber  unterwegs  in  den  verlassenen  Dörfern  nördlich  vom  Balkan, 
so  dass  z.  B.  ein  grosser  Theil  der  jetzigen  Bulgaren  des  Kreises  von 
Varna  in  zweiter  oder  dritter  Generation  aus  der  Landschaft  von 
Jambol  abstammt.  Daran  schloss  sich  in  neueren  Zeiten  eine  starke, 
wohl  durch  agrarische  Ursachen  bedingte  Auswanderung  bulgari- 
scher Ackerbauer  aus  den  dicht  bevölkerten  Landschaften  von 
Eski  Zagra  und  Cirpan  in  das  untere  Tundzathal  und  das  Gebiet 
von  Burgas.  Daneben  kann  man  eine  durch  das  wechselnde  Leben 
der  Wanderhirten,  die  zwischen  dem  Balkan  und  der  Donauebene 
hin-  und  herzogen,  eingeleitete  starke  Ansiedelung  von  Bulgaren  aus 
dem  Gebirge  von  Kotel  in  den  Niederungen  der  Dobrudza  (bei 
BalÖik,  bei  dem  jetzt  officiell  zu  Dobric  umgenannten  Städtehen 
Hadzi  -  Oglu  -  Pazardzik  u.  s.  w.  bis  Tulca)  verfolgen.  Der  letzte 
Krieg  (1877  —  78)  endlich  brachte  eine  starke  Auswanderung  der 
Osmanen  aus  dem  ganzen  Lande  nach  Constantinopel  und  Klein- 
asien und  die  Anlage  neuer  bulgarischer  Colonien  aus  der  Gegend 
von  Adrianopel  und  Kyrkklisse  in  dem  Küstenlande  von  Varna. 
Das  Resultat  aller  dieser  ethnographischen  Umwälzungen  war  das 
Schwinden  der  an  alten  Ruinen  haftenden  Traditionen  sammt  der 
ehemahgen  topographischen  Nomenclatur. 

Der  Ausgangspunkt  meiner  Reise  war  die  ansehnliche  Stadt 
Jambol  (1880  nach  der  damaligen  Volkszählung  745  Häuser 
mit  8463  Einwohnern) ,  jetzt  Endpunkt  einer  Zweigbahn  der  ost- 
rumelischen  Linie  von  der  Station  Tirnovo-Seimenli  zum  Balkan. 
Die  Stadt  liegt  zu  beiden  Seiten  der  Tundza  inmitten  einer  frucht- 
baren Niederung  voll  schöner  Saaten.  Den  Horizont  umschliessen 
im  Norden  die  östlichsten  ganz  niedrigen  Ausläufer  der  Sredna  Gora, 
neben  welchen  die  bläulichen  Umrisse  des  Balkans  von  Sliven 
emporragen,  im  Osten  zwei  an  300  Meter  über  die  Ebene  sich  er- 
hebende Kegelberge  vulkanischen  Ursprungs,  der  grosse  und  kleine 
Bakadzik,    im  Süden   das    ähnliche  Paar  der  isolirten  Kuppen  des 

9* 


132 

grossen  und  kleinen  Monastirberges ,  hinter  denen  in  weiter  Ferne 
der  lange  Rücken  der  Sakar  -  Planina  hervorblickt.  Das  linke 
Tundzaufer  ist  hoch  und  trocken,  das  rechte  niedrig  und  zum 
Theil  sumpfig.  Das  Centrum  der  alten  Stadt,  die  Burg  derselben, 
stand  auf  einem  von  einer  Krümmung  des  Flusses  eingeschlossenen 
Vorsprung  des  linken  Ufers,  einem  gegen  Norden  schroff  abfallen- 
den felsigen  Plateau  von  ungefähr  16  Meter  Höhe  (über  dem  Fluss- 
ufer) und  130  Schritt  Breite.  Die  von  Weitem  sichtbare  Moscheen- 
ruine der  „Sofular-Dzamisi"  ist  jetzt  das  einzige  Gebäude  des 
Platzes;  daneben  bemerkt  man  jedoch  die  Grundfesten  eines  auf 
gewaltigen  Quadern  ruhenden  Gebäudes  und  zahlreiche  türkische 
Grabsteine  mit  Spuren  älterer  Ornamente.  Auch  die  Substructi- 
onen  einer  Umfassungsmauer  sind  kenntlich ,  besonders  auf  der 
Ostseite,  wo  jetzt  elende  Zigeunerhütten  den  Uebergang  von  der 
einstigen  Burg  zur  jetzigen  Stadt  vermitteln.  Die  früher  meist 
mohammedanischen  Stadttheile  des  linksseitigen  Ufers  mit  vielen 
grossen  Gebäuden  aus  der  älteren  Türkenzeit  (Bezestan,  Bäder, 
Moscheen)  werden  oberhalb  und  unterhalb  der  Burghöhe  vom  Flusse 
bespült.  Die  tiefgelegene,  von  Gärten  angefüllte  Vorstadt  des  rechten 
Ufers  ist  von  Alters  her  rein  bulgarisch  und  wird  Kdrgona  ge- 
nannt. Zwei  alte,  72  Meter  lange  Brücken  vermitteln  die  Ver- 
bindung über  die  Tundza.  Die  „Hamamköprüsü"  auf  der  Strasse 
nach  Sliven  ruht  auf  sechs  Pfeilern  aus  steinernen  Quadern  alter 
Arbeit  (auf  einigen  Steinen  bemerkt  man  Basreliefs  von  Schlangen), 
während  die  Brücke  von  Kdrgona  neben  einigen  hölzernen  nur  noch 
zwei  steinerne  Pfeiler  aufzuweisen  hat ;  der  Oberbau  ist  bei  beiden 
aus  Holz. 

In  den  Erzählungen  der  Einwohner  der  ganzen  Umgebung 
erscheint  Jambol  als  eine  alte  Stadt,  angeblich  älter  als  das  be- 
nachbarte, jetzt  viel  bedeutendere  Sliven.  Ausser  der  Bur^  trifft 
man  noch  zalilreiche  Spuren  mittelalterlichen  und  selbst  antiken 
Lebens.  Neben  der  grossen  Eski  -  Dzamissi  liegt  ein  zerschla- 
gener Stein  mit  der  Aufschrift  ArASHi  tyxhi;  ebendaselbst  fand 
man  ein  Basrelief  mit  dem  bekannten  sogenannten  thrakischen 
Reiter ,  das  jetzt  als  ein  St.  Georgsbild  in  einer  Kirche  von  Kär- 
gona  verwahrt  wird.  Bei  verschiedenen  Bauten  stiess  man  auf 
gewaltijze  Grundmauern  aus  colossalen  Quadern,  sowie  auf  altes 
Strassenpflaster  und  zahlreiche  gemauerte  unterirdische  Räume,  wie 
die  alten  Keller  von  Sofia;  daneben  findet  man  häufig  Thongefässe 
und  Münzen  der  verschiedensten  Zeiten.     An  der  Ostseite,  wo  eine 


133 

Wasserleitung  angeblich  türkischen  Ursprungs  in  die  Stadt  ein- 
tritt, bemerkte  ich  bei  einem  Brunnen  zwei  dicke  glatte  Säulen 
antiken  Ursprungs.  Auf  den  türkischen  Friedhöfen  auf  der  Nord- 
ostseite, gegen  die  Weingärten  zu,  legte  man  zwischen  zahlreichen 
behauenen  Quadern,  die  jetzt  als  Grabsteine  dienen,  unlängst  einen 
glänzend  weissen  Marmorstein  bloss,  1'4  h.,  0*52  br.,  ausgezeichnet 
erhalten,  mit  folgender  Inschrift  in  regelmässiger,  4  Cm.  hoher 
Sclirift : 

AYPHPAKAIANOS  ATjpCnXio?)  'HpaKXiavög 

ZWNKAI<t>PONWN  l(X)V    Kttl    CppOVUJV 

TOYSANAPIANTAS  TOVC,    dvbpidVTttq 

ANE2TH2ENEAY  dvecTTricfev  ettu- 

5      toykaith:  tynaikoz  toO  Kai  Tf\q  YUvaiKÖ(; 

ZIAMAPKH2  Zia^dpKr|(;. 

Ein  anderer,  etwas  beschädigter  Stein  ebendaselbst,  0*26  h., 
0'21  br.,  hat  folgende  Aufschrift  (Copie  des  Herrn  Bürgermeisters 
K.  Ikonomov)  ") : 

A  E  P  I  A  N  O  *  E  P  K  E  K  A  A  Y  >E  N  O  Nl  E  P  A 

OIKON 
A  Y  EN4  T  n  N  n  A  N  n  TO  E  A  N  E  e  hK  A 
^AI2A^0AINAPI02^ETPA^EIPnMHC 
5  E  Y  T  Y  X  W: 

In  die  Gegend  von  Jambol  gehört  das  alte  Cabyle,  das 
nach  der  Tab.  Peut.  52  röm.  Meilen  von  Beroe  und  nach  dem 
Itinerarium  Antonini  79  von  Hadrianopolis  entfernt  war,  überdies 
nach  Harpocration  Ttpö^  tuj  TdHuj  (statt  TövZ^lu)  TTOiaiaip  Katd  laecrov 
Tfiq  0paKri(;  lag.  Strabo  (VII  p.  320)  und  Stephanos  von  Byzanz 
schreiben  den  Namen  KaXußii  und  bezeichnen  den  Ort  als  eine 
makedonische  Colonie,  ersterer  als  eine  Verbrecher-  und  Bergwerks- 


')  Die  Inschrift  ist  jetzt  auch  in  der  Anm.  4  angeführten  Schrift  von  Skorpil 
S.  83  herausgegeben  mit  folgendem  Text:  AEPIANO*E&KEKAAYNENONnTHPA  || 
OIKON    II    AYTANTHTnNnANnTOEANEGHKA    !|     nAISAnOAINAniOZnTPANEIBCIOlK  [| 

EYTYxn.     [Wohl      'Aepi  övocpep[Lu],  KeKa\u[mu]evov  [rj  Tcjepqt  oikov 

bu[ö]ävTriTov,  [K]ävTrTo(u)aav  eGriKO 

Tzaxq  'AtroXiväpio«;  TTeTpav  ^[k]  'Pu)|ari[(;. 
In  Kä|LiTTTOuaav  (freilich  befremdlich  statt  Kä\JL\\iaoav)    liegt  ein  von  der  Rennbahn 
entlehntes  Bild.     Vgl.  Nauck  zu  Oed.  Col.  91.     V.  1    scheint   euer   ein  prosodisch 
fehlerhafter  Hexameter  sein  zu  sollen,    als    ein   akatalektischer  anapästischer  Tri- 
meter,  2  und  3  entziehen  sich  einer  genaueren  Bestimmung.     Tli.  Gomperz.] 


134 

colonie  König  Philipp's  II.  Als  KaßuXn  erscheint  es  schon  bei 
Philipp's  IL  Zeitgenossen  Demosthenes  {oratio  de  Chers.  §.  44). 
Nach  Strabo  lag  der  Ort  im  Lande  der  Asten  selbst,  nach  Polybios 
(XIII,  10,  7)  nicht  weit  von  den  Sitzen  dieses  thrakischen  Stammes, 
der  sich  über  das  ganze  östliche  Thrakien  von  ApoUonia  (Sozo- 
polis)  bis  Perinth  ausbreitete  und  sein  Centrum  in  Bizye  hatte. 
Nach  meinen  Erkundigungen  sind  makedonische  Münzen,  besonders 
von  Philipp  und  Lysimacbos,  in  der  Gegend  von  Jambol  recht  häufig. 
Ausserdem  wurden  jüngst  in  der  Nähe  zahlreiche  Spuren  eines  alten 
Bergbaues  von  Herrn  H.  Skorpil,  Lehrer  der  Naturgeschichte  an 
der  von  der  ostrumelischen  Regierung  eröffneten  Realschule  zu 
Sliven ,  aufgefunden.  In  der  Umgebung  der  Dörfer  Jeni  -  Mahala 
und  Türkmen ,  zwischen  den  Bergen  Gross-  und  Klein  -  Bakadzik, 
südöstlich  von  Jambol,  gibt  es  an  einer  „Maltepe"  (tnrk.  „Schatz- 
hügel") genannten  Anhöhe  in  der  Nähe  einer  gepflasterten  Strasse 
nicht  nur  Galenitadern,  sondern  auch  Reste  von  alten  tiefen  Gruben, 
jedoch  keine  Spur  von  Schmelzöfen.  Auf  den  waldigen  Abhängen 
des  Berges  von  Gross-Monastir ,  südlich  von  Jambol ,  fanden  sich 
fünf  alte,  an  5  M.  tiefe  Eisengruben  mit  Resten  von  Schlackenhalden. 
Zwischen  den  Monastirbergen  und  Jambol  stiess  man  zwischen 
Kuemdzi  und  Cömlekköi  auf  Spuren  eines  uralten  Kupferbergwerks 
mit  Gruben.  An  allen  diesen  Stellen  ist  jede  Tradition  über  die 
Zeit  des  Betriebes  dieser  Werke  längst  erloschen^). 

Cabyle  ist  aber  bei  alledem  kaum  in  Jambol  selbst  zu  suchen. 
Einer  solchen  Annahme  widerspricht  nämlich  die  überlieferte  Ent- 
fernung von  Cabyle  bis  Adrianopel ,  die  mit  79  römischen  Meilen 
angegeben  ist,  während  das  heutige  Jambol  von  der  Hadriansstadt 
kaum  68  solche  Meilen  entfernt  liegt.  Die  antike  Distanzangabe 
fülirt  uns  in  die  Gegend  zwischen  Jambol  und  dem  Südabhang  des 
nahen  Haemus.  Dort  lag  ein  ausgezeichneter  Punkt  für  eine  be- 
festigte Ansiedelung  auf  dem  äussersten  Vorgebirge  des  hier  endi- 
genden niedrigen  Rückens  der  Sredna  Gora,  einem  scharf  profilirten, 
von  weitem  sichtbaren  Hügel,  etwa  9  Kilom.  nördlich  von  Jambol, 
welcher.  Tau.san-Tep6  (türkisch  .,Hasenhügel")  genannt  wird. 
Die  Tundza,  welche  eben  hier  ihre  östliche  Richtung  gegen  eine 
südliche  vertauscht  und  dabei  um  das  Tausan-Tepe  einen  Halb- 
kreis mit  vielen  Sümpfen    und  Seitenarmen   beschreibt,    deckt    die 


')  H.  V.  Ökoipil,  Die  Naturschätze  von  Bulgarien.   Philippopel   1884  (bulg.j. 
S.  44.  64.  71.  92. 


135 

Position  von  drei  Seiten.  Der  Hügel  trägt  in  der  That  die  Reste 
einer  ausgedehnten  Burg,  umgeben  von  zahlreichen  Tumuli.  An 
der  Südseite  derselben  lag  bis  zum  russischen  Krieg  1829  ein  seit- 
dem verlassenes,  aber  noch  auf  der  österr.  Generalstabskarte  ange- 
gebenes Dorf  Kovel  (oder  Kofel),  dessen  Namen  noch  an  das  alte 
KaßuXn  anklingt*). 

Cabyle  erscheint  zuletzt  378  während  des  Gotheneinfalls  (Am- 
mianus  31,  11,  5).  Diospolis,  eine  Stadt  der  von  Philippopolis 
aus  verwalteten  pi'ovincia  Thracia,  ist  mit  dem  heutigen  Jambol 
kaum  identisch  gewesen,  denn  die  hiesige  Landschaft  gehörte  der 
Lage  nach  eher  zur  provincia  Hnemimontus  (Hauptstadt  Hadriano- 
polis),  die  ja  bis  Deultum  und  Anchialus  reichte^).  Das  jetzige 
Jambol  erscheint  sicher  erst  im  11.  — 14.  Jahrhundert  als  rröXi^  oder 
(ppoupiov  AidjUTToXi^  (bei  Kedrenos,  Anna  Komnena  und  Kanta- 
kuzenos),  von  Pachymeres  (IL  558)  als  (ppoupiov  KaWicrrov  in  der 
Form  Td|UTro\i(;  erwähnt,  wobei  ihm  vielleicht  die  gleichnamige 
homerische    Stadt    in    Phokis    (Ilias   B  521)    vorschwebte.     In    der 


■•)  Während  des  Druckes  der  vorliegenden  Seiten  erhielt  ich  eine  inhalts- 
reiche Schrift  der  Brüder  Skorpil  in  bulgarischer  Sprache :  „Einige  Bemerkungen 
über  archäologische  und  historische  Untersuchungen  in  Thrakien"  (Philippopel 
1885),  wo  die  Ruinen  am  Tausan-Tepe  (S.  33)  ausführlich  beschrieben  werden. 
Dieselben  bedecken  angeblich  zwei  Quadratkilometer  und  liegen  ostwärts  von  den 
Resten  eines  die  Höhe  krönenden  viereckigen ,  8  M.  breiten  Thurmes.  Ausser 
Ziegeln,  Quadern,  kleinen  Säulen  von  0'3  M.  Durchmesser,  Architraven  fand  man 
dort  Reste  eines  Mosaiks  aus  rothen,  weissen  und  blauen  Steinchen.  Es  gibt  hier 
auch  eine  Wasserleitung  mit  thönsrnen  Röhren,  die  aus  einer  mit  Ziegeln  ausge- 
mauerten, oben  mit  Steinplatten  gedeckten  Cisterne  (10  M.  lang,  3-5  M.  breit, 
1*7  hoch)  kommt,  in  welcher  viele  viereckige  kleine  Ziegelpfeiler  in  Reihen  stehen. 
Gegen  SO.  sollen  die  Fundamente  eines  an  120  M.  langen  und  an  20  M.  breiten 
Gebäudes  bemerkbar  sein,  welches  das  Volk  „die  Kaserne"  (kazarma)  nennt. 
Ausserhalb  des  Burgplatzes  stehen  ungefähr  14  Tumuli.  Im  gleichnamigen  Dorfe 
Tausan-Tepe  liegt  ein  Stück  einer  Inschrift: 

NOZEKTn  ..V0(;   CK   TUj[v] 

lAiriNANE  tölUJV   dv^- 

0HKEN  GriKev 

Skorpil  (S.  47;  erwähnt  auch  die  Spur  eines  gepflasterten  Weges  östlich  von 
hier,  bei  dem  Dorf  Trnava  am  Nordfuss  des  Bakadzik,  die  wohl  der  in  der  Tab. 
Peut.  verzeichneten  Römerstrasse  von  Cabyle  nach  Anchialos  angehört.  Dabei 
glaubt  er  das  alte  Cabyle  nicht  hier,  sondern  bei  Bejköi,  25  Kilom.  südlich  von 
Jambol,    gefunden  zu  haben,    natürlich  chne  das  Itinerarium  Antonini  zu  kennen. 

*)  Diospolis:  Hierocles  p.  5,  Notit.  episc.  eJ.  Parthey  p.  72  etc.,  Theophanes 
ed.  Boor  p.  177.  Allerdings  erstreckte  sich  die  Eparchie  von  Philippopolis  auch 
in  späterer  Zeit  bis  in  die  Nähe  von  Adrianopel  (cf.  Heerstrassü  S.  73). 


136 

älteren    Türkenzeit    wird    die    Stadt    schon    im    15.  und    16.  Jahr- 
hundert als  ein  bedeutender  Ort  genannt. 

Alte  Castelle  nannte  man  mir  in  der  Umgebung  von  Jambol 
noch  zwei:  die  Substructionen  eines  Schlosses  auf  dem  Gipfel  des 
grossen  Bakadzik  und  die  Reste  eines  Castells  zwischen  den 
Dörfern  Bojadzik,  Kurfanli  und  Gübel,  18  Kil.  gegen  SW. ,  jetzt 
von  Feldern  bedeckt;  man  soll  dort  Fundamente  einer  Kirche, 
eiserne  Pfeile  und  einen  alten  Streitkolben  gefunden  haben. 

Die  nächste  Umgebung  von  Jambol  besitzt  ein  räthselhaftes 
Denkmal,  von  dem  ich  in  Bulgai'ien  längst  gehört  hatte  und  das 
mich,  als  ich  es  zum  ersten  Mal  erblickte,  durch  seine  Dimensionen 
sehr  überraschte:  einen  Erdwall,  der  sich  vom  Schwarzen  Meer  an 
100 — 110  Kilometer  weit  gegen  West  verfolgen  lässt  und  das 
Tundzathal  zwei  Stunden  südlich  von  der  Stadt  durchschneidet. 
Derselbe  wird  bulgarisch  Er kesij  a  oder  Jerkesija  genannt  (jer- 
kesen  oder  jerkesim,  türk.  „Erdeinschnitt").  Ueber  die  Ausdehnung 
desselben  habe  ich  mit  freundschaftlicher  Hülfe  der  rumelischen 
Beamten  in  den  anliegenden  Bezirken  folgende  Einzelheiten  erfragt. 
Der  Wall  beginnt  in  den  Sümpfen  westlich  von  der  Lagune  von 
Mandra,  streicht  südlich  vom  Dorfe  Jakyzly,  bei  dem  die  Reste 
des  alten  Deultum  liegen,  zieht  sich  sodann  geradeaus  nach  Westen 
auf  dem  Kamme  eines  waldigen  Hügelzuges,  zwischen  Rusokastro 
und  Aivadzik  hindurch  (auf  der  österr.  Generalstabskarte  ein  Hügel 
„Erkesim  Tas"  ausdrücklich  angegeben),  bei  Kurudere  und  Dzumali 
vorbei,  zwischen  Basalii  und  Aftan,  durch  die  Umgebungen  von  Jeni- 
Mahala,  überschreitet  den  Sattel  zwischen  dem  grossen  und  kleinen 
Bakadzik,  lässt  Mansarly  auf  der  Nordseite,  Gidikli  und  Osmanli  auf 
der  Südseite  und  erreicht  die  Tundza  etwas  nördlich  von  dem  auf 
dem  rechten  Ufer  liegenden  Dorfe  Fundukly  (bulg.  meist  Pandakli  aus- 
gesprochen; funduk  türk.  „Haselnuss").  Bis  dahin  liegt  der  Wall 
in  dichten,  wenig  bewohnten  Wäldern,  ist  meist  mit  Bäumen  über- 
wachsen und  dabei  gut  erhalten.  In  der  waldlosen,  grösstentheils 
wohlbebauten  Gegend  westlich  von  der  Tundza  wird  seine  meist 
mit  Culturen  bedeckte  Linie  zum  Theil  unkenntlich.  Er  soll  sich 
aus  der  Gegend  von  Fundukly  zwischen  Cömlekköi  auf  der  Nord- 
seite, Akbunar  auf  der  Südseite,  westwärts  gegen  Balybunar  wenden. 
Von  dort  zieht  seine  Linie  angeblich  gegen  Südwest  bis  in  die 
Umgebung  des  Dorfes  ^efkolare  und  von  dort  bis  in  die  Gegend 
von  Harmanli    an   der   Marica.     Das  Volk  behauptet  in  der  Regel, 


137 

die  „Erkesija"  reiche  vom  Schwarzen  bis  zum  „Weissen"  (Aes^aei- 
schen)  Meer. 

Ich  habe  dieses  Denkmal  an  zwei  Stellen  gesehen,  bei  Fun- 
dukly  und  bei  Rusokastro;  in  der  Gegend  von  Akbunar,  westlich 
von  der  Tundza,  konnte  ich  bei  dem  Ritt  durch  hohe  Saaten  reifen 
Getreides  keine  Spur  von  ihm  erspähen  und  hatte  keine  Begleiter, 
die  mir  dessen  Reste  zeigen  konnten.  Der  Wall  liegt  überall  auf 
der  ganzen  Linie  auf  der  Nordseite,  der  Graben  auf  der  Südseite. 
Gegenüber  von  Fundukly  macht  das  in  gerader  Linie  von  den  Vor- 
höhen des  Bakadzik  herabsteigende  mannshohe  Erdwerk  den  Ein- 
druck eines  verlassenen  Eisenbahndammes.  Der  fünf  Schritt  breite 
Graben  an  der  Südseite  des  Walles  ist  dort  mit  dichtem  Gebüsch 
angefüllt;  seine  Tiefe  genügt  einem  Manne  zu  Pferd,  um  sich  hinter 
dem  Wall  vollständig  ungesehen  zu  machen,  ohne  abzusitzen.  Eine 
grossartige  Naturscenerie  bietet  das  alte  Denkmal  in  den  schattigen 
Urwäldern  ungefähr  eine  Stunde  südlich  von  Rusokastro.  Uralte 
stämmige  Eichen  haben  auf  dem  Walle  und  im  Graben  ihre  Wurzeln 
geschlagen,  umgeben  von  dichtem  Unterholz,  das  meist  aus  Büschen 
von  Sumach  {Rhus  cotinus)  und  Hartriegel  {Cornus  mas)  besteht. 
Nur  mit  Mühe  bahnt  sich  der  Reiter  den  Weg  durch  das  halb- 
dunkle  Walddickicht.  Die  Breite  des  Grabens  mass  ich  am  Grund 
mit  10  Schritt;  vom  Graben  aus  gesehen,  hat  der  Wall  auf  der  Nord- 
seite ungefähr  drei  Mannshöhen,  die  Böschung  auf  der  Südseite 
nur  eine  Mannshöhe.  Zwei  Minuten  nördlich  vom  Walle  steht  ein 
hoher,  von  alten  Bäumen  bestandener  Tumulus,  „Sultanska  Mogila" 
genannt.  Die  Einwohner  von  Rusokastro  erzählten  mir,  man  finde 
hie  und  da  an  dem  Walle  auch  Reste  von  Backöfen  und  von  Thon- 
gefässen;  auch  Münzen  sollen  dabei  gefunden  werden,  aber  ich 
bekam  keine  zu  sehen.  Ob  es  am  Walle  auch  Castelle  gibt,  könnte 
nur  ein  Abreiten  der  ganzen  Linie  zeigen.  Die  Burgruinen,  von 
denen  ich  hörte,  liegen  sämmtlich  abseits;  nur  bei  Jeni-Mahala  soll 
sich  an  einer  Stelle  ein  halbkreisförmiger  Wall  an  die  Südseite 
der  Linie  anschliessen. 

Sagen  über  den  Wall  gibt  es  in  Rusokastro.  Die  Bauern 
(das  Dorf  ist  alt  und  hat  die  Bewohner  nicht  gewechselt)  meinen, 
der  Wall  sei  einst  shior  (aus  dem  griech.  (Tuvopov) ,  d.  h.  Grenze 
gewesen.  Männer  und  Weiber  sollen  auf  eines  Garen  Befehl  daran 
gearbeitet  habeu,  so  dass  für  je  neun  unmündige  Kinder  nur  ein  Weib 
zu  Hause  blieb,  eine  Geschichte,  die  in  südslavischen  Sagen  über 
grosse  Bauten  auch  anderswo  vorkommt.    Man  sang  auch  ein  Lied 


138 

darüber,  das  mir  aber  Niemand  mehr  ganz  recitiren  konnte®).  In 
dem  Hause,  in  weichem  ich  übernachtete,  erzählte  mir  ein  Greis, 
die  Urgrossmutter  eines  seiner  alten  Verwandten  hätte  an  dem 
Werke  mitgearbeitet;  die  Einwohner  scheinen  also  die  Sache  nicht 
für  uralt  anzusehen.  Einer  wollte  wissen,  die  Erkesija  heisse  auch 
„Trojan",  ein  Name,  der  sonst  nur  für  römische  gepflasterte 
Strassen  gebraucht  wird  '^). 

Der  Wall  ist  ohne  Zweifel  kein  Denkmal  des  Alterthums, 
sondern  gehört  erst  dem  Mittelalter  an  und  wurde,  wie  seine  Con- 
struction  zeigt,  von  einem  im  Norden  sitzenden  Volke  zur  Befesti- 
gung seiner  Südgrenze  errichtet.  Die  Linie  des  Walles  stimmt  mit 
der  byzantinisch-bulgarischen  Grenze  gewisser  Zeiten  überein.  Die 
Byzantiner  behaupteten  stets,  die  wahre  Grenzlinie  sei  der  Haemus, 
eine  Anschauung,  die  bei  Theophanes  Cont.  163  (Xibripä,  lauiriq  hr\ 
Tore  öpiov  TUYXavoucrri(;  Tuujuaiuuv  Km  auTÜJv),  bei  Nikephoros  Gregoras 
I.  233  (Aijuov  t6  opoc,,  b  br]  laeööpiov  vOv  eofi  'Pwiiaioic,  xe  Kai 
BouXYdpoi?) ,  bei  den  Friedensverhandlungen  vor  Rusokastro  1331 
(Kantakuzenos  I.  462  sq.)  erscheint  und  sich  auf  die  im  8.  Jahr- 
hundert bestehende  und  auch  später  erneuerte  Grenzlinie  mit  Ser- 
dica,  Beroe,  Markellai,  Anchialos,  Mesembria  als  Grenzburgen  (cf. 
Theophanes)  stützt.  Ebenso  alt  sind  aber  die  Ansprüche  der  Bul- 
garen auf  das  Vorland  des  Haemus,  die  von  einem  Vertrag  zwischen 
dem  Fürsten  Kormesios  und  Kaiser  Theodosius  HL,  dem  Adramyt- 
tener,  vom  Jahre  716  datiren  (Theophanes  ed.  Boor  497),  auf  den 


")  Ein  Lied  in  achtsilbigen  Zeilen,  offenbar  ein  Tanzlied  zum   „Choro". 

')  Kurz  nach  meiner  Reise  erschien  eine  Beschreibung  dieses  Walles  von 
Skorpil  in  der  Prager  Monatsehrift  „Slovansky  Sborni'k"  1884  (September)  S.465.46G. 
Die  dort  angegebene  Linie  stimmt  mit  den  ron  mir  erfragten  Daten  überein,  ausser 
den  Spuren  westlich  von  der  Tundza,  von  denen  Skorpil  damals  noch  nichts 
Näheies  erfahren  konnte.  —  In  der  oben  erwähnten  neuen  Schrift  (Einige  Bemer- 
kungen u.  s.  w.,  S.  1  f.  90)  der  Brüder  Skorpil  wird  diese  Beschreibung  vervollständigt. 
Der  Anfang  des  Walles  soll  sich  an  der  Südseite  der  Lagune  von  Vajaköi,  zwischen 
dem  Meere  und  dem  Dorfe  Mugres  befinden  und  von  dort  getjen  SW.  nach  Jakyzly 
streichen.  Westlich  von  der  Tundza  ist  das  erste  Stück  von  Fundukly  bis  Akbunar 
ganz  unkenntlich.  Weiter  erscheint  der  Wall  auf  der  Nordwestseite  der  Monastir- 
Berge;  die  Dörfer  Balybunar,  Kojunbunar,  Bazard^ik  liegen  dort  an  dessen  Nord- 
seite, Talaömanlii,  Maca  und  Deldzileri  an  der  Südseite.  Nach  einer  langen  Unter- 
brechung soll  die  letzte  Spur  nahe  an  der  Marica,  nördlich  von  der  Station  Tirnovo- 
Seimenli,  am  Westufer  der  Sazlijka  neben  der  Eisenbahnlinie  sichtbar  sein  und 
dort  bei  dem  Dorfe  Tekkc -Musacevo  die  Ostseite  der  Kaineu  eines  (dem  alten 
ArzuH  entsprechenden)  Castells  streifen. 


139 

sich  später  auch  Fürst  Krum  berief.    Fürst  Boris  erhielt  im  9.  Jahr- 
hundert thatsächlich    das  Land    von    dem  Haemuspasse  Sidera  bis 
zum  alten  Deultum  (Theophanes  Cont.  ],  c),  und  seine  Nachfolger 
Symeon  (888  —  927)  und  Peter    besassen    auch    das   tiefer   liegende 
Land    bis    nahe   vor  Adrianopel    sammt  der  Stadt  Philippopel    (cf. 
Leo  Diaconus  p.  105).  Das  spätbulgarische  Reich  reichte  gleichfalls 
über  den  Haemus  herab :  Beroe  erscheint  bei  den  Byzantinern  und 
Lateinern  des  13.  Jahrhunderts  als  eine  bulgarische  Stadt,  Philippo- 
polis  als  byzantinische  Grenzfestung  (Kantakuzenos  l.  173  u.  s.  w.), 
Sliven  als  ein  stets  bulgarischer  Ort.     Das  Territorium  genau  zwi- 
schen d-em  östlichen  Haemus  und  unserem   Walle  wird  im  13.  und 
14.  Jahrhundert    merkwürdiger  Weise    als  der  stete  Zankapfel  der 
beiden  Nachbarn  erwähnt,    mit    den   Burgen    Diampolis ,    Lardeas, 
Rusokastron,  Ktenia,  Actos,  Anchialos,Mesembria(Pachymeres  IL  445. 
559  und  Kantakuzenos  L  431).    In  den  Zeiten,  wo  es  die  Bulgaren 
beherrschten,    wie   unter   Sv^tslav  (1295 — 1321),  Terterij  IL  (1321 
—  1323)  und  Michael  (1323 — 1330),  erscheinen  Diampolis  und  Ruso- 
kastron  ausdrücklich   als   bulgarische  Städte  ev  lueOopioiq  zwischen 
den  Bulgaren  und  Romäern  (Kantakuzenos  I.  294),  beide  nahe  an 
dem  Erdwall  gelegen,    der  ohne  Zweifel  die  |ue9öpia  selbst  bildete. 
Auch  zur  Zeit  der  türkischen  Eroberung  bezeichnete  der  Wall  die 
bulgarische    Landesgrenze;     es    ist    bemerkenswerth,    dass    in    der 
älteren  Türkenzeit  die  subhaemischen  Orte  Anchialos,  Aidos,  Umur- 
faki    (Fakia) ,    Karinabad   u.  s.  w.   gerade   bis  zur  Erkesija,    zum 
Sandzak  von  Silistria  an  der  Donau  gehörten,    wie   man    aus    der 
Aufzählung  bei  Hadzi  Chalfa  (Hammer's  Uebers.  S.  24),    aus  den 
Finanzgesetzen    des    IG.  Jahrhunderts    (Hammer ,  Osm.  Staatsver- 
fassung I.  296  u.  s.  w.)    und    aus    manchen   im   Lande    erhaltenen 
Urkunden  (z.  B.  in  einer  „Tapia",  Grenzurkunde  des  Dorfes  Jakyzly 
bei  Burgas)  ersehen  kann. 

Dass  die  Bulgaren  ihre  Grenze  sorgfältig  zu  bewachen  und 
zu  befestigen  pflegten,  dafür  gibt  es  einige  bemerkenswerthe  Zeug- 
nisse. In  den  Besponsa  Nicolai  1  papae  ad  consulta  Bulgatoritm 
{Labbei  et  Cossarhi  Sacr.  concilia  VIII.  516  sq.)  vom  Jahre  866 
liest  man  (Cap.  25) :  „consuetudinis  esse  patriae  vedrae  perhibctis 
sem'per  custodes  inter  patriam  vestram  et  alioruin  iuxta 
t er 7)1171 0  8  invigilare,  et  si  servus  aut  Über  per  eandem  custodiam 
quocumque  modo  fugerit,  sine  omni  inte i min sione  custodes  pro  ea  inteii- 
muntur'^.  Befestigungen  an  den  Ein-  und  Ausgängen  des  Bulgaren- 
landes werden  im  Jahre  811  ausdrücklich  erwähnt:  Tä<;  t?\(;  x^pa<; 


140 

eicröbou(5  Kai  eHdbou^  TTepnreqppaYiueva^  EuXivoiq  öxupuujuacri  (Theophanes 
ed.  Boor  p.  490),  was  allerdings  an  dieser  Stelle  mehr  von  den 
Engpässen  als  von  der  Grenzlinie  überhaupt  gilt.  Noch  klarer  ist 
die  Nachricht  des  Arabers  Masudi  aus  der  ersten  Hälfte  des  10.  Jahr- 
hunderts, das  Land  der  Bordzan  (Bulgaren)  sei  umgeben  von 
einem  dornigen  Zaun  mit  Oeffnungen  in  Gestalt  hölzerner 
Fenster  und  dieser  Zaun  sei  „wie  eine  Mauer  an  einem  Gra- 
ben" (Kremer,  Sitzungsber.  der  Wiener  Akad.  1850  S.  210).  Der 
Erdwall  der  ..Erkesija"  wurde  wohl  schon  in  den  Zeiten  des  Boris 
und  Symeon  errichtet,  aber  später  wiederholt  erneuert,  bis  zur  Er- 
oberung des  Landes  durch  die  Türken;  daher  die  scheinbar  so 
frischen  Erinnerungen  der  altansässigen  Rusokastrenser^). 

Von  Jambol  unternahm  ich  einen  Ausflug  in  das  Tundzathal 
südwärts  zur  rumelischen  Grenze  gegen  Adrianopel  hin.  Das  west- 
liche Ufer  nimmt  der  Bezirk  (Okolija,  Arrondissement)  von  Ka- 
vakli,  das  östliche  der  von  Kyzyl-Agac  ein.  Das  westliche  Gebiet 
bietet  in  geographischer  und  archäologischer  Beziehung  manches 
Interessante.  Seine  niedrige,  grösstentheils  ebene,  ausser  kleinen 
Eichenbüschen  meist  gut  bebaute  Oberfläche  (Seehöhe  100—150  M.) 
wird  von  zwei  isolirten  Berggruppen  unterbrochen.  Sechs  Stunden 
südlich  von  Jambol  ragen  die  beiden  durch  einen  tiefen  Sattel  ge- 
trennten Berge  von  Monas tir  empor,  deren  Silhouetten  an  die  Monti 
Euganei  bei  Venedig  erinnern  und  die  als  vereinzelte  Erhebungen 
in  der  weiten  thrakischen  Ebene  selbst  den  Horizont  des  fernen 
Eski  Zagra  und  die  Aussicht  vieler  entfernter  Balkangipfel  zieren. 
An  20  Kilometer  südlich  davon  zieht  sich  von  West  nach  Ost  der 
langgezogene  steile  Rücken  der  Sakar  -  Planina  (an  800  M.), 
welcher  hier  die  rumelische  Grenze  bildet.  Das  zwischen  beiden 
Gebirgen  liegende  Gebiet  besitzt  einige  grosse  wohlhabende  Dörfer 
und  ist  von  Griechen  bewohnt,  welche  sich  meist  mit  Gemüse- 
gärtnerei, Hanfcultur,  Weinbau  und  Seidenzucht  beschäftigen  und 
von  ihren  Nachbarn  Karioti  genannt  werden,  wahrscheinlich  von 
dem  Dorfe  Kozludza,  griechisch  Kapuaiq,  wo  früher  das  Centrum 
der  Landschaft  gewesen  sein  soll'"*). 


")  Icli  hörte  auch  von  einem  ähnlichen  Walle  im  Kreise  von  Rahovo  an  der 
Donau,  vermag  jeiioch  nichts  Näheres  darüber  mitzutheilen,  da  mir  das  Gebiet  von 
Rahovo  bis  Vraca  wenig  bekannt  ist.  Vielleicht  stehen  diese  Rahover  Wälle  in 
irgend  einem  Zusammenhanfr  mit  den  von  Herrn  Schuchhardt  (Arcli.-cpigfr.  Mitth. 
IX.  210  sq.)    bescliriehenen   Erdwerken    in    der    gegenüberliegenden  Kl.  Walachei. 

')  Der  Bezirk  von  Kavakli  hat  2'.>.557  Einw.,  davon  11.844  Griechen.  15.547 
Bulgaren,    1237  Türken.     Griechisch  .«.inil  Kavakli,   Ko^iludia,  Duganovo,  Sinapli, 


141 

Von  den  Monastirbergen  ist  der  höhere  westliche  (türkisch 
Büjük-Monastir-Bair)  schroff  und  gipfelt  in  drei  steilen  Spitzen ; 
seine  Seehöhe  beträgt  nach  der  russischen  Messung  600  M.  Der 
niedrigere  östliche  (türkisch  Kücük  M.  B.),  446  M.  hoch,  ist  dagegen 
nur  ein  länglicher  Rücken  mit  wenig  markanten ,  flachen  Gipfeln. 
Beide  sind  mit  Resten  alter  Castelle  gekrönt.  Die  Burgruine  auf 
dem  mittleren  Gipfel  des  östlichen  Berges  oberhalb  des  Dorfes 
Kl  ein -Monas tir  ist  ein  Viereck,  nach  der  Messung  meines  Ge- 
währsmannes, eines  Beamten  der  Bezirksverwaltung,  150  Schritt 
lang  und  80  Schritt  breit.  Ich  besuchte  nur  Büjük  Monas  tir, 
griech.  MeYöXo  Movacrriipi  (1136  Einw.),  welches  von  Weingärten 
umgeben,  am  Südostfusse  des  steilen  westlichen  Berges  gelegen  ist. 
Die  kleine  dunkle  Dorfkirche  ist  in  neuerer  Zeit  erbaut  an  der 
Stelle  einer  alten,  von  der  noch  eine  solide,  aus  wechselnden  Stein- 
und  Ziegellagen  errichtete  Mauer  übrig  ist.  welche  die  jetzige  Nord- 
seite des  Kirchleins  bildet;  in  der  Umgebung  sollen  im  Walde  noch 
die  Substructionen  von  sechs  kleinen  Kirchen  sichtbar  sein.  In  einer 
finsteren  Ecke  links  vom  Altar  zeigte  man  mir  einen  cylindrischen 
Stein,  der  eben  im  Frühjahr  an  der  Südseite  des  Dorfes,  wo  auch 
ein  5  M.  hoher  Tumulus  sich  erhebt,  beim  Ackern  herausgehoben 
wurde,  1*09  M.  hoch,  0"42  M.  im  Durchmesser  stark,  mit  der  fol- 
genden 0'18  M.  hohen,  gut  erhaltenen  Inschrift,  die  ich  bei  dem 
Licht  einer  Wachskerze  copirte^"): 


Gr.  und  Kl.  Monastir,  Cukurköi.  Ausserdem  gibt  es  Griechen  noch  in  Akbunar 
(590  Einw.),  im  Bezirk  von  Jambol  zwischen  Monastir  uud  der  Stadt  Jambol, 
sowie  in  Gr.  und  Kl.   Bojalyk  im  Bezirk  von  Kyzyl  Agac. 

'")  Die  Inschrift  soll  auch  in  einer  Nummer  der  Zeitung  0i\iTTTTOUTroÄi(;  (Mai 
1884)  gedruckt  sein,  die  ich  mir  jedoch  nicht  verschaffen  konnte.  Der  Abdruck 
bei  Skorpil  (Einige  Bemerkungen  u.  s.  w. ,  bulg.  S.  80)  hat  Z.  5  ENKEAETflN, 
Z.  7  AYTAIOI.     [Die  Verse  lauteten  etwa: 

TÖvbe  iroxe  xbpuaavTO  Oeilj  [irJepiKaWei  Ooißoi 

'AttoWujvI^  r\bä  KaaiYvriToi  naibeq  AuXouZ^eveuu 
äi  KeXeTLUv  (?,  iraTpuioq  ctvct  ZairaiKriv  epißuuX.ov, 
[a]ÖTäp  oi  [ejatnaavTO  Kaxü  x9öva  Ainöoiräpoio. 
Aehnlich  beginnt  das  Gedicht  Anthol,  Pal.  IX  786  TÖvöe  KaGiöpOoavxo  Geil) 
•nepiKoW^a  ßioiaöv  cet.  —  Der   thrakische    Name    in    Z.  4   begegnet   auch   in  der 
Inschrift  von  Mesembria  C.  I.  Gr.  n.  2054  (AuXouEevrjq  AuXouEeveoi;)   und   in  den 
lateinischen  C.  I.  L.  III  n.  6050,  2,  13  {Brilo  Auluzani)    und    C.  I.  L.  V  n.  3509 
A(ulozenes).  —  Wenn  zu  Anfang  von  Z.  5  ein  Ort  zu  verstehen  ist,  so  ist  derselbe 
unbekannt;    ebenso  ist  ein  Ort  Aiu&öirapoc;  nicht  bekannt,    aber  thrakische  Stadt- 
und  Gaunamen  auf  -irapot;  oder  -para  sind  nicht  selten.     A.  d.  R.] 


142 

TONAEDOTEIAPYZA  iTo  ©EniEPIKAMEI 
4>  O  1  B  n 

SIC 

AnGAAriNlZHAEKAZirN-lTOinAlAES 
A  YAO  YZE^En 
5  E5KEAETnNnATPn02ANAZAnAIKhN 

EPIBnAON 
AYTAPOIZTHZANTOKATAXOONA 
AriAOnAPOIO 

In  Kavakli  zeigte  man  mir  eine  9  Cm.  lange,  hohle,  der  Länge 
nach  zu  öffnende  Bronzefigur  eines  sitzenden  Hahnes ,  gleichfalls 
zu  Gross  -  Monastir  ausgegraben.  Mein  sehnlichster  Wunsch  war, 
den  waldigen  Grossen  Monastirberg  zu  besteigen,  um  das  Castell 
auf  dem  Gipfel  und  die  alten  Eisengruben  zu  sehen,  aber  ein 
heftiges  Gewitter  vereitelte  meinen  Plan,  umsomehr  als  die  hiesigen 
vereinzelten  Berge  sammt  ihrer  Umgebung  öfters  vom  Blitzschlag 
getrofi"en  werden.  In  Kavakli  hatte  ich  gehört,  nahe  am  Gipfel  sei 
von  den  Monastirer  Bauern  unlängst  ein  Gefäss  mit  100  Stück 
Silbermünzen  des  Königs  Lysimachos  gefunden  worden,  aber  im 
Dorfe  selbst,  wo  mein  antiquarisches  Treiben  ohnehin  den  Verdacht 
der  Schatzgräberei  erregte,  wollte  Niemand  von  Münzfunden  etwas 
wissen. 

Auch  über  die  Vergangenheit  des  Ortes  war  nichts  zu  erfragen, 
nicht  einmal  über  den  Ursprung  seines  klösterlichen  Namens ;  die 
Erinnerungen  der  jetzigen  Einwohner  reichen  nur  bis  zu  den  anar- 
chischen Zeiten  der  Kirdzali's  zurück,  wo  (um  1800)  Monastir,  da- 
mals angeblich  das  Centrum  einer  Nahia  (Gerichtsbezirk),  von  den 
osmanischen  Daghli's  aus  der  Gegend  von  Chasköi  ganz  eingeäschert 
wurde.  Ich  habe  früher  einmal  (Monatsberichte  S.  455)  die  im 
14.  Jahrhundert  von  Eremiten  bewohnte  öde  Landschaft  Paroria 
oder  Mesomilion  an  der  damaligen  Grenze  zwischen  den  Bul- 
garen und  Griechen,  wahrscheinlich  identisch  mit  den  von  Theo- 
phanes  (ed.  Boor  1.  497)  genannten  MnXeuuva  ifi^  ©paKii^  des  8.  Jahr- 
hunderts, in  die  Gegend  von  Monastir  verlegt.  Der  Ort  mit  den 
Resten  einer  alten  Kirche  und  mit  seinen  ringsumher  im  Walde 
zerstreuten  Capellen  passt  ganz  gut  für  die  Lage  des  einstigen 
Klosters  des  Gregorios  Sinaites  und  seiner  Schüler,  das  mit  einem 
vom  bulgarischen  Caren  Joannes  Alexander  erbauten  TTupYoq  be- 
festigt und  von  kleineren  Kirchlein,  Eremitenzellen  und  Höhlen- 
wohnungen umgeben  war.    Die  in  der  Legende  überlieferten  Namen 


143 

Mesomilion,  Paroria,  Fozova  (wohl  Bi.zova,  bulg.  b-ßz  Sarabucus) 
und  des  Berges  „Katakriomeni''  sind  allerdings  sämmtlich  schon 
vergessen:  die  topographische  Nomenclatur  der  einstigen  Eremiten- 
einöde und  ihrer  ganzen  Umgebung  ist  heute  ganz  türkisch. 

Die  Ebene  westlich  von  dem  Berge  von  Gross -Monastir  ist 
reich  an  Tumuli.  In  Talasmanli  soll  man  in  einem  Grabhügel 
Thon-  und  Glasgefässe,  sowie  eine  silberne  Kette  mit  einem 
goldenen  Halbmond  mit  federartigen  Zeichnungen  und  rothen  ein- 
gesetzten Steinen  vorgefunden  haben.  In  den  Umgebungen  von 
D  e  1  d  z  i  1  e  r  i ,  wo  jetzt  grosse  Jahrmärkte  abgehalten  werden,  sollen 
33  Tumuli  nahe  bei  einander  stehen. 

Das  2^2  Stunden  südlich  von  Gross- Monastir  und  2  Stunden 
nördlich  von  der  rumelischen  Grenze  gelegene  jetzige  Bezirks- 
centrum Kavakli  (früher  „Kozludzansko  Kavakli"  genannt;  kavak 
türk.  „Pappel")  ist  ein  grosser  Ort  mit  60(57  Einw. .  der  sich  erst 
in  neuerer  Zeit  (seit  1829)  entwickelt  hat,  mit  Seidenzucht,  Wein- 
bau und  Marmorbrüchen.  Ungefähr  .ÖO  Minuten  westlich  liegen  auf 
einer  isolirten  Höhe  die  Reste  einer  eigenthümlichen  Felsen  bürg, 
Paleokastro  genannt.  Das  au  200  Schritt  lange  und  in  der 
Mitte  oben  nur  60  Schritt  breite  Castell  war  ganz  der  Bodenge- 
staltung angepasst;  die  Westseite  deckte  ein  natürlicher,  ungefähr 
15  M.  hoher  verticaler  Absturz,  während  die  sanfter  abfallende, 
jetzt  von  Weinbergen  bedeckte  Ostseite  durch  eine  doppelte  Mauer 
aus  platten  Steinen  geschützt  war.  Der  Eingang  war  im  Norden 
neben  den  von  dichtem  Gebüsch  verdeckten  Fundamenten  eines 
Rundthurms.  Auch  am  Südeude  sind  Spuren  von  Thürmen,  sowie 
von  inneren  Gebäuden  sichtbar,  von  denen  auch  die  zahllosen  Ziegel- 
splitter stammen.  Die  Aussicht  auf  die  nahe  waldige  Sakar-Planina, 
die  Berge  von  Monastir,  die  Kuppen  des  Bakadzik,  die  Strandza 
und  den  fernen  Balkan  ist  grossartig.  Ein  in  der  Nähe  gefundener 
steinerner  Hammer  nebst  Münzen  von  Anastasius  und  Justinian 
sind  die  einzigen  Zeugen  der  Vergangenheit  dieses  wahrscheinlich 
uralten  „Lug  in's  Land". 

Einige  merkwürdige  Alterthümer  zeigten  mir  die  freundlichen 
Beamten  der  Bezirksverwaltung  von  Kavakli  in  dem  1  Stunde 
östlich  gelegenen,  von  einigen  Tumuli  umgebenen  Dorfe  Doganovo, 
ungefähr  5  Kilom.  westHch  von  der  Tundza.  Auf  dem  Marktplatze 
liegt  dort  neben  einem  Säulenstumpf  und  anderen  bearbeiteten 
Steinen  die  linke  Seite  eines  hier  gefundenen,  entzwei  geschlagenen 
Basreliefs,  darauf  das  Pferd  des  „thrakischen  Reiters"  und  darunter 


144 

ein    Hund    (1'2  h.,  0*67  br.)-     Am   unteren    Saume    liest    man    ein 
Stück  einer  Inschrift  (Schrifthöhe  4  Cm.): 


*A-  B6NA1C-  CY^8IC      eNGffl/ 

n  e  p  I  K  w; 


(abgeschlagene  Seite) 


<t)X(aouia)  BevbT(;  cruvßi[o](;  evO[dbe....  irepiK.    . 

In  der  Ortskirche  lagen  drei  kleine  Antiquitäten.  Vor  Allem 
eine  in  zwei  Stücke  zerschlagene,  0"34  M.  hohe  Statuette  einer  be- 
kleideten, in  der  Mitte  umgürteten,  männlichen  Gestalt  ohne  Kopf 
und  Hände,  an  die  sich  ein  Kind  mit  kapuzenartiger  Kopfbedeckung 
anlehnt;  auf  dem  OSl  M.  breiten  Sockel  eine  ebenso  wie  die 
Figuren  roh  gearbeitete  Inschrift  in  unregelmässigen  Zügen: 

niETOYCBiGYOCAnon         TTi(JToOg  BiGuog  otTTÖ  fi- 
NOYAWNEYXAPicHPiON  vou\ujv(?)  e\JXapi(JTr|piov. 

Daneben  stand  eine  0*37  M.  hohe  kopflose  Statuette  einer  beklei- 
deten Heilgottheit,  unter  der  nackten  Brust  umgürtet,  mit  der  rechten 
Hand  auf  eine  von  einer  Schlange  umschlungene  Keule  gestützt  und 
links  mit  dem  Fusse  einen  kugelaitigen  Gegenstand  (Omphalos?) 
berührend.  Das  merkwürdigste  war  aber  ein  drittes  Stück,  ein 
0'14  M.  hohes  und  ebenso  breites  Täfelchen  von  schmutziggelbem 
Marmor,  darauf  ein  höchst  primitives  Basrelief:  ein  gegen  rechts 
gewendeter  Reiter  auf  einem  breitbrüstigen  Pferde  und,  vor  ihm 
eine  undeutliche  verhüllte,  ihm  zugewendete  (weibliche?)  Person 
zu  Fuss**). 

Von  weiter  südwärts  gelegenen  Burgen  erfuhr  ich,  dass  jen- 
seits der  Grenze  in  der  Adrianopler  Gegend  besonders  zwei  Castelle 


")  Skorpil  (a.  a.  O.  S.  82)  beschreibt  ein  Marmorrelief  (0-58  M.  lang,  0-65 
hoch),  welches  im  Kloster  Sveta  Trojiea  bei  dem  Dorfe  Vakuf,  ungefähr  5  Kilom. 
südlich  von  Doganovo,  über  einem  Brunnen  steht.  Oberhalb  des  Reliefs,  welches 
Zeus  mit  einem  Scepter  (oder  Lanze)  und  einer  Patera  in  den  Händen,  und  Hera 
mit  verhülltem  Haupt,  einem  Gefäss  in  der  Rechten  und  einem  undeutlichen  Gegen- 
stand in  der  Linken  darstellt,  befindet  sich  eine  dreizeilige  Inschrift  (Schrifthöhe 
in  Z.  1  2  Cm.,  in  Z.  2  kleiner,  in  Z.  .3  1  Cm.): 

AIIZnTHPlKAIHPAZAPZHHMEnNAKEN 

GOSAAIKnsOY^YAAPXOSYnEPTEEAYTOYKAI 

XYNNOYEnYPEOSBEKOlKAITEKNriNNElKHTOYKAI 

All  öujTfipi  Kai  "Hpct =.[y]\vAwv- 

öoc;  AaiKuüöou  (puXapxoc;  vuip  re  4auToO  Kai 
auv|ßi|ou  'ETrOpeot;  B^ko<;  koI  t^kviuv  NeiKrjrou  Kai 
Die  Fortsetzung  der  liiHchrift  war  unter  «iciu   Relief,  ist  aber  nicht  erhalten. 


145 

erhalten  seien,  eines  am  rechten  Ufer  der  Tundza  bei  Fikel  (türk. 
Fikla),  das  byzant.  BouKe/vXov  der  Notitiae  episc.  und  das  BoukcXou 
TTÖXiajua  des  Kantakuzenos  (I.  324  sq.),  das  andere  4  St.  nordöstlich 
von  Adrianopel,  2  St.  von  Vaisal,  auf  einem  Felsen  bei  dem  Fluss 
und  Dorf  von  Provadia,  das  im  Mittelalter  oft  erwähnte  TTpößaTov, 
nicht  zu  verwechseln  mit  der  gleichnamigen  Burg  bei  Varna.     Bei 
Anna    Komnena    (ed.    Reifferscheid    II.  71)    lesen    wir    von    einem 
Marsch  des  Kaisers  Alexios  I.  Komnenos  durch  diese  Landschaften : 
von  Adrianopel  zuerst  in  das  18  Stadien  entfernte  XKOurdpiov,  auch 
in  den  Not.  episc.  als  Bisthum  (unter  Philippopolis)  erwähnt,  jetzt 
ein  DorfÜsküdar  (20  Kilometer  von  Adrianopel  an  der  Südseite  der 
Sakar-Planina,  nach  der  älteren  Landeseintheilung  noch  unter  Sultan 
Mahmud  11.  Centrum   einer  Nahia) ,    und    von    dort    am    folgenden 
Tage  in  das  wohl  nahe  'AfaGoviKr),  wo  sich  den  Not.  episc.  zufolge 
gleichfalls   ein   Bisthum  befand.     Nicht   weit  davon   nordwärts   lag 
ein    Ort    (löiroq)  'AßpiXeßuu,   ou   TioppujTe'puj    tujv    eipri)uevuüv    rröXeuJV 
Keijuevoq.    Derselbe  erscheint  schon  im  8.  Jahrhundert  (Theophanes 
ed.  Boor  470) ,    wo    im  Jahre  796    während   eines   Bulgarenkrieges 
die    Positionen    toO  bacTeuu^  'AßpoXeßa  (mit  einem   akaoq)    und  toO 
YU)avoO  'AßpoXeßa  genannt  werden.     Es   waren   also    eine  bewaldete 
und    eine    kahle    Höhe    nahe    bei    einander.     Südöstlich    von    dem 
grünen  bewaldeten  Rücken  der  Sakar-Planina   steht  abseits  gegen 
die  Tundza    zu    eine   isolirte   grösstentheils  kahle  Kuppe  von  gelb- 
brauner Farbe  und  nicht  unbedeutender  Höhe,    türkisch  Dervis- 
Tepe  (bulgarisch  Derviska  Mogila)  genannt,  welche  bis  zum  heu- 
tigen Tag  als  ein    strategisch    wichtiger  Punkt   gilt,    wesshalb    die 
Feststellung  der  Grenzlinie  zwischen  Rumelien  und  der  Türkei  über 
deren    Gipfel    nicht    ohne    Schwierigkeiten    vollzogen    wurde.     Die 
Position  dominirt  nämlich  das  Tundzathal  und  die  Aussicht  umfasst 
die  ganze  Landschaft  von  Adrianopel    bis  nahe  vor  Jambol.     Der 
bewaldete  Avroleva,  auf  welchem  796  der  Bulgarenfürst  Kardam 
sein  Lager  aufschlug,  entspricht  wohl  der  Sakar-Planina,  der  kahle 
Avroleva,    wo    sich  damals  Kaiser  Konstantin  VI.  aufstellte,    dem 
gegenüberliegenden  Dervis-Tepe,  nahe  oberhalb  des  alten  Skutarion. 
Im  Gegensatz  zu  den  wohlbebauten,  meist  ebenen  Fluren  des 
Bezirkes  von  Kavakli  ist  der  jenseits  der  Tundza  an  der  Ostseite 
derselben  gelegene  Bezirk  von  Kyzyl-Agac   ein  monotones  wal- 
diges Hügelland  mit  armseligen,  weit  von  einander  entfernten  Dörfern 
und  schlechten  Communicationen,  das  längs  der  Grenze  durch  die 
Landplage   eines   permanenten   Brigantaggio   heimgesucht   ist.      An 

Archäologisch-epigrapbische  Mitth.  X.  iQ 


146 

der  einzig;en  Stelle,  wo  die  sonst  zwischen  Hügeln  eingeklemmte 
tiefe  Tundza  ein  etwas  freieres  Feld  in  zwei  Armen  durchfliesst. 
liegt  am  linken  Ufer  das  Bezirkscentrum,  das  grosse  Dorf  Kyzyl- 
Agac  (türk.  „Rothbaum"),  auch  Kyzyl-Jenid2e  genannt  (1247 
Einw.),  jetzt  nur  von  Bulgaren  bewohnt;  Reste  einer  Moschee,  eines 
steinernen  Badehauses,  eines  (3  5  M.  br.)  Strassenpflasters  nebst 
der  Ruine  einer  alten  Brücke  über  die  Tundza  zeugen  von  der  ehe- 
maligen Türkenstadt,  welche  durch  Pestkrankheiten  und  den  Krieg 
1829  ihre  alten  Bewohner  eingebüsst  hat.  Antikes  gibt  es  hier 
nichts.  Dagegen  besuchte  ich  nördlich  davon,  in  einer  Biegung  der 
Tundza  westlich  von  Mursatli  und  Bejköi,  eine  von  dichtem  Gestrüpp 
überwucherte  alte  Burgstelle  mit  Spuren  von  Umfassungsmauern, 
die  mit  3ü  M.  hohen  Abhängen  zum  Flusse  abfällt;  man  nennt  sie 
Dermenkalessi  (dermen  türk.  „Mühle").  Oestlich  davon  ragen 
einige  gewaltige  Tumuli  empor,  in  welchen  nach  der  Meinung  der 
hiesigen  Bauern  „kostbare  Wägen"  verborgen  sein  sollen^  was  von 
der  wirklichen  Ausgrabung  eines  alten  Kriegswagens  herstammen 
mag  "*).  Durch  die  hiesigen  Waldhügel  führte  eine  jetzt  nicht  mehr 
benützte  Fahrstrasse  von  Adrianopel  über  Büjük-  und  Kücük- 
Derbend,  Pasaköi,  Aftan  nach  Karnabad  und  weiter  über  den 
Balkan  zur  Donau,  auf  der  z.  B.  Carsten  Niebuhr  1767  auf  der 
Rückkehr  aus  Arabien  gereist  ist.  Ein  ganz  verwaschener,  mit 
ATAGHiTYXHi  beginnender  Inschriftstein  soll  in  Ambarli,  1  St. 
gegen  SO.  von  Kyzyl-Agac,  am  Dorfbrunnen  liegen;  ebendaselbst 
gibt  es  drei,  bei  dem  nahen  Evrenli  neun  Tumuli  (dort  auch 
Heidengräber,  „elenski  grobista").  Ich  hörte  in  Kyzyl-Agaö  auch 
von  Ruinen  kleiner  Castelle  bei  den  Dörfern  Catalovo,  Pasaköi, 
Kurtbunar,  Dereköi  (zwei  Castelle  nahe  an  der  Grenze,  auch 
Münzfunde),  Alatli.  Topuzlari  (gegen  NO.  von  Kyzyl-Agac, 
nahe  an  der  „Erkesija"). 

Von  Jambol  eilte  ich  in  das  nur  27^  St.  gegen  NW.  entfernte 
Sliven,    welches    bei  den  späten  Byzantinern  öfters  als  eine  feste 


")  In  (lieser  Gegend  gab  es  im  Alterthum  mehrere  Niederlassungen,  wohl 
von  der  Art,  wie  bei  Doganovo.  Ökorpil  (a.  a.  O.  S.  29),  der  hier  zuletzt  auch 
Ausgrabungen  betrieben  hat,  in  der  Meinung  das  alte  Cabyle  entdeckt  zu  haben, 
fand  in  der  Umgebung  der  Dörfer  Bejköi,  ISikli  und  Mursatli  an  weit  von 
einander  entfernton  Orten  viele  Tumuli,  zwei  Sarkophage,  Fundamente  von  Ge- 
bäuden, Trümmer  von  Mosaikböden,  irdene  Gefässe,  tliönernc  Röhren,  eine  7  Cm. 
hohe  Bronzefigur  eines  laufenden  Mannes,  hohle  Hände  aus  Bronze,  Münzen 
Alexander  des  Grossen,  der  Stadt  Anchialus,  der  Kaiser  Antoninus  Pius  und  Sep- 
timius  .Scverus  u.  s.  w. 


14t 

Bulgarenstadt  ZtiXßvoc;  erscheint.  Die  jetzige  sehr  ausgedehnte 
Stadt  (16.593  Einw.)  ist  auch  nach  den  Sagen  der  Einwohner  von 
neuerem  Datum.  Die  ursprüngliche  Ansiedelung  bildet  das  gegen- 
wärtig östlichste  dorfartige  Viertel  Novoselo  (bulg.  „Neudorf "). 
Nordöstlich  oberhalb  Novoselo  sieht  man  auf  einem  ganz  von  Wein- 
gärten bedeckten  Vorsprung  des  Balkans  die  „Hissarkalessi"  ge- 
nannten Reste  der  alten  Akropole  von  Sliven.  Der  Burgraum  ist 
ziemlich  gross,  im  Westen  gedeckt  durch  das  enge  tiefe  Thal  der 
Novoselska  Reka,  im  Osten  durch  eine  trockene  Mulde,  im  Süden 
durch  den  Abhang  gegen  Novoselo  zu;  die  Nordseite,  gegen  die 
hohen  Balkangipfel  Catal  und  Bolgarka  zu,  war  durch  eine  3 — 4  M. 
hohe,  künstlicli  abgegrabene  Terrainstufe  geschützt,  an  deren  Rand 
die  Fundamente  einer  festen  steinernen  Mauer  sichtbar  sind.  Die 
hiesigen  Weingärten  sind  voll  alten  Baumaterials;  Stein  und  Ziegel. 
Auch  findet  man  hier  eine  Menge  von  Münzen.  Die  meisten  mir 
in  Sliven  gezeigten  Stücke  sollen  von  hier  stammen :  von  Traian, 
'Antoninus  Pius,  Diocletian  (sehr  häufig),  Constantin ,  Justinian, 
byzantinische  Stücke,  altbulgarische  Silbermünzen  u.  s.  w.  Am 
Südfusse  des  Schlossberges  hat  man  die  Fundamente  einer  kleinen 
Kirche  blossgelegt.  Die  in  der  Gegend  gefundenen  „geschrie- 
benen" Steine  liegen  jetzt  sämmtlich  bei  der  St.  Sofiakirche  von 
Novoselo.  welche  noch  vor  50  Jahren  eine  mit  Bäumen  und  Ge- 
strüpp bewachsene  Ruine  war,  seitdem  aber  (1838)  durch  einen 
neuen  Bau  ersetzt  wurde.  Ein  1-27  M.  hoher  und  0'52  M.  breiter 
Inschriftstein  am  Schöpfbrunnen  neben  der  Kirche  ist  leider  durch 
das  Ausgiessen  des  Wassers  halb  verlöscht  ^^) : 


")  Dieselbe  Inschrift  ist  bei  Skorpil  S.  79.  80  abgedruckt,  dessen  Lesung 
oben  neben  der  meiuigen  steht.  Nach  ihm  sollen  diese  Alterthümer  nicht  auf  der 
Burg ,  sondern  in  Novoselo  am  Südostende  neben  den  Fundamenten  eines  mit 
Ziegeln  gepflasterten  Gebiiudes  gefunden  worden  sein.  [Möglich  erscheint  etwa 
folgende  Herstellung,  die  grossentheils  unserem  CoUegen  v,  Hartel  verdankt  wird: 

'AYa[9f|i]  TÜx»li-    ['EireiÖT)  oi]  'Avxt[aXei<;  ev  xol«;  ve]ÜJi<;  Kai  ßa[ äv]iQr\Kav 

fa Geüöv  (iYä\[|uaTa  Kaxä  xp^]^Mou<;  tou[(;  .  .  .  'ATröXXjiuvot;  KoXoqpuu- 

[viou    ^Tri|Li]e\r|Toö  Titou  [0\aouiou  NJeiKrixou,    6iaöe[Eä|Li€vo^    xirijv    e'iTi[|u]eXeiav 

[dYvoxdxriv  b]i[ä]  xoö  irafxpöt;  aüxoO  T(xo(;l  OXdouio[<; o<;  KJaxä   xö   xfjt; 

[Xajuirpoxäxr]^  ßJouXfjc;  [bÖYI^icx  k.  x.  X.  Mit  dein  in  Z.  6 — 8  vorausgesetzten  Orakel 
des  kolophonischen  Apollon  ist  das  des  Apollou  Klarios  bei  Kolophon  gemeint,  dessen 
Ansehen  in  der  Kaiserzeit  namentlich  durch  den  Bericht  des  Tacitus  Ann.  2,  54 
bezeugt  wird.     A.  d.  R.] 


10* 


148 


ata/  /  / T  Y  X  H 1 

ANXIAOYS 

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4 

Y /aOYIO 

1 

.  .  .  .TATO  THZ 

....    *YAH2: 

15 

MN 

Skorpil : 
ATA  T YX  H 

A   H  X  I  A  O   Y  S 
JQ  1  2  K  A  n   B  A 
H  E  O  H  KANFA 
©EnNATAA 
m//  ZnOYZTOY 
K0//0ZK0A0*n 
E  A  HTOYTITOY 
E  IKHTOYAIAAE 
NNE  /nnEAEIAN 
E  A  1  ATO  YHA 
YcfcAAOYIO 
ATATOTHZ 
OYAHZ 


An  die  Kirchenmauer  angelehnt  liegt  ein  Stein,  0'67  h.  und 
br.,  011  dick,  auf  beiden  Seiten  mit  Basreliefs  in  eingerahmten 
Feldern  ohne  Inschriften.  Auf  der  einen  Seite  sieht  man  einen 
lanzenbewaffneten  Reiter  einen  eben  vor  einem  Baume  vorbeilaufen- 
den Hirsch  und  ein  kleineres  Thier  (Wildschwein?)  verfolgen.  Die 
Rückseite  zeigt  vier  Nymphen  in  gegürtetem  Chiton,  in  Reigenschritt 
sich  an  den  Händen  fassend;  eine  derselben  hält  einen  runden 
Gegenstand  und  darunter  sieht  man  einen  Adler  (?)  mit  grossen 
Krallen  und  undeutlichem  Kopf.  Aus  demselben  Fundort  stammen 
wolil  auch  ein  sehr  zerstörtes  Basrelief  mit  einem  Reiter  (ungefähr 
1  M.  h.  u.  br.)  auf  einem  Marktplatze  in  Sliven,  sowie  einige  glatte 
Säulen,  die  bei  der  Caserne  herumliegen.  Südlich  von  Novoselo 
erheben  sich  6 — 7  Tumuli ;  an  dem  Fusse  eines  derselben  hat  man 
unlängst  einen  schönen  kleinen  Satyrkopf  aus  Bronze  ausgegraben 
(jetzt  in  der  Landesbibliothek  zu  Philippopel)  *'*). 


'•')  Nach  Skorpil  (S.  67)  fand  mau  den  Satyrkopf  iu  der  Grabkammer  im 
Innern  des  Tumnlus,  dabei  zahlreiche  Thon-  und  Glasgefässe,  Ringe  u.  s.  w., 
sowie  eine  Kupfermünze  des  Germanicus  consul.  —  In  den  Umgebungen  von 
Sliven  beschreibt  er  ausser  zahlreichen  Burgen  an  den  Vorsprüngen  des  Balkans 
(S.  6ö)  die  Reste  einer  grossen  Ansiedelung  am  Fuss  des  Gebirges,  12  Kilometer 
gegen  SW.  von  der  Stadt,    die  sich  vom  D.rf  Dcrmendcrd  bis  zur  Tundza  er- 


149 

Unmittelbar  über  den  Häusern  von  Sliven  ragen  die  steilen 
Mauern  des  Balkan  empor,  über  welchen  in  dieser  Gegend  nur 
beschwerliche  Saumpfade  führen.  Das  Gebirge  ist  hier  in  mehrere 
Ketten  getheilt,  zwischen  denen  sich  die  Wässer  der  ostwärts  zum 
Schwarzen  Meere  abfliessenden  Kamcija  sammeln.  Die  südliche 
„  Wilde Kamcija"'  (bulg.  Luda  Kamcija,  türk.  Deli  Kamcik)  entsteht  aus 
zwei  Quellflüssen,  der  Ko  tlesnica,  welche  die  merkwürdige,  ganz 
aus  Holz  erbaute,  aber  bei  aller  Alterthümlichkeit  nicht  in's  Mittel- 
alter zurückreichende  Bulgarenstadt  Kötel  (7481  Einw.)  durch- 
fliesst,  und  der  Rakovska  Rekä,  die  aus  einem  von  bulgarischen 
Schafhirten  bewohnten  Gebirgslande  mit  schönen  Eichen-  und 
Buchenwäldern  und  Alpentriften  herabsteigt.  An  dem  Zusammen- 
flusse beider  liegt  das  Städtchen  Grade c,  an  dessen  Westseite 
auf  einem  felsigen,  von  einer  Strombiegung  der  Rakovska  Reka 
umflossenen  Gebirgsvorsprung  die  Reste  eines  jetzt  von  alten  Wald- 
bäumen überwucherten  Castells  zu  sehen  sind,  von  dem  der  Ort 
auch  den  Namen  hat  (gradec  bulg.  „Schlösschen").  Neben  byzan- 
tinischen und  bulgarischen  Münzen  zeigte  man  mir  in  Gradec  auch 
einige  hier  gefundene  von  Septimius  Severus  und  Diocletian.  Dass 
auch  die  höher  gelegenen  Waldgebiete  im  Alterthum  nicht  unbe- 
wohnt waren,  beweisen  die  Funde  römischer  Kaisermünzen  selbst 
in  dem  an  der  oberen  Rakovska  Reka  in  einer  tiefen  Schlucht  ge- 
legenen Icera:  Silbermünzen  von  Hadrian,  Philippus  und  Decius. 
Den  Engpass  der  Kotlesnica  zwischen  Gradec  und  Kotel  überragt 
von  der  Westseite  eine  steile  isolirte  Kuppe,  deren  Profil  man  selbst 
vom  Hissar  von  Karnabad  gut  unterscheiden  kann,  Grad  (Schloss, 
Burg),  Vida  oder  türk.  Kyztepe  („Mädchenhügel")  genannt;  auf 


.streckte  und  vielleicht  aucli  jenseits  des  Flusses  die  dortige  Therme  umfasste.  Der 
Ort  soll  erst  mit  der  türkischen  Eroberung  eingegangen  sein.  Ausser  Tumuli,  drei 
Kirchenfuudamenten ,  der  Spur  einer  Brücke  über  die  Tundra,  Grundmauern  von 
Häusern  findet  man  hier  Gefässe,  Lanzenspitzen,  Skelette  und  byzantinische  Münzen. 
Bei  der  Therme  grub  man  auch  eine  Marmorplatte  (20  Cm.  h.  und  br.,  1'5  dick) 
mit  dem  „thrakischen  Reiter"  aus ,  sowie  eine  Münze  der  Stadt  Parium  mit  latei- 
nischer Legende.  Diese  alte  Ansiedelung  halte  ich  für  das  mittelalterliche  Auli 
(r)  AOXn  Kedrenos  p.  596,  Eului,  var.  Aulin,  Eulin  bei  Villehardouin  ed.  Wailly 
p.  2^3),  eine  Burg  ((ppoupiov)  mit  einer  an  Vieh  und  Getreide  reichen  Stadt  (viUe) 
am  Fusse  des  Haemus  (Karä  xäc,  iL)Triwpeia<;  toO  Aijliou;  bei  Villehardouin  sehr 
anschaulich  beschrieben),  4  —  5  Tagemärsche  nördlich  von  Adrianopel  in  der  Nähe 
von  Diampolis.  Im  11.  Jahrhundert  setzten  sich  hier  einmal  die  Peceneo'en  fest 
und  schlugen  die  anrückenden  Byzantiner  bei  Diampolis;  1207  wurde  Auli  vom 
Lateinerkaiser  Heinrich  von  Adrianopel  aus  erreicht  und  ausgeplündert. 


150 

dem  Gipfel  soll  es  nur  eine  gemauerte  Cisterne,  aber  keine  Spuren 
von  Befestigungen  geben.  Gegenüber  auf  der  flachen  Höhe  Plesivica 
gibt  es  angeblich   alte    Schanzen,    und   die  Sage  erzählt,    in    alten 
Zeiten    sei    der    dazwischen    liegende    Pass,    die    Demirkapija 
(Eisernes  Thor)    von    Kotel ,    durch    eine  Kette   gesperrt   gewesen. 
Eine  Stunde  nordöstlich  von  Kotel,  gegen  Vrbica  zu,  liegt  im  Ge- 
birge  die   Ruine    einer   grossen,    Közjak  genannten  Burg,    deren 
Mauern    aus    wechselnden   Stein-  und   Ziegellagen    bestehen  sollen. 
In  den  Umgebungen  des  nahen  einsamen  Gebirgsdorfes  M6dven 
(türk.  Papasköi)  gibt  es  ausser  drei  grossen  Tumuli    (im  W.)    eine 
im  Walde  verborgene  Castellruine  (gegen  NO.)  und  die  Reste  einer 
grösseren,    Novacka    genannten    Ansiedelung    (74  St.   gegen    0.) 
auf   einer    ausgedehnten   flachen,    von    alten    Weichselbäumen    be- 
schatteten Anhöhe,  mit  Spuren  einer  Kirche  und  alter  Hausmauern, 
wo  auch  Pfeilspitzen,    Münzen,   Kreuze  u.  s.  w.  gefunden  werden. 
Es  soll  dort  einst  30  Kupferschmiedwerkstätten    (nach   anderen  80 
Kesselschmiede)   gegeben   haben,   und  der  Sage  nach  stammen  die 
Einwohner   von  Kotel    und    von    anderen    umliegenden   Orten    aus 
dieser    erst    seit    der    türkischen    Eroberung    eingegangenen  Stadt. 
Zwischen  Medven   und  Gradec   stehen    die   Ruinen   einer    Butovo 
genannten  Burg.     Oestlich   von  Medven   liegt   an   der  Kamöija   ein 
türkisches  Dorf  mit  dem  bulgarischen  Namen  S4do  vo;  1  St.  nördlich 
soll  es  an  einer  Karasu  genannten  Stelle  eine  Castellruine  geben. 
Weiter  gegen  Osten    folgt   das    Dorf  Kadyrfakli;    l*/«  St.  gegen 
Norden  von  ihm  ragt  auf  der  Ostseite  der  zuletzt  von  der  türkischen 
Regierung  gebauten  Chaussee  über  den  Centralbalkan  nach  Vrbica, 
knapp  an  der  rumelisch-bulgarischen  Grenze,  aus  dem  Gebirgskamm 
ein  hober,  von  Weitem  sichtbarer  flacher  Gipfel  empor,  auf  welchem 
sich  die  angeblich  grösste  Burgruine  der  ganzen  Gegend  befindet,  von 
den  Türken  Ruspuhissar  („Hurenburg")  genannt.     Die  Position 
dieser  den  Balkanübergang  in  der  Richtung  gegen  Vrbica  n^d  Preslav 
dominirenden  Oasteile  (an  das  zweite  soll  sich  eine  niedere,  Düz- 
tepe  genannte  Stelle  mit  den  Spuren  einer  Ansiedelung  und  einer 
Kirche    anschliessen)    lud    wohl    zu    einem    längeren   Aufenthalt  in 
den  hiesigen  Wäldern  ein,    umsomehr    als  man  mir  von  einem  bei 
dieser  Ruine    vorbeiziehenden  Wall  oder  Weg  erzählte.     Aber  das 
Wetter  war  sehr  ungünstig.    Nachdem  ich  durch  starken  Regen  in 
Kotel    länger    als    ich    wünschte   festgehalten  war,    lernte    ich    die 
hiesigen  Waldbäche   und    die  Kamcija    beim   Durchschwimmen    zu 
Pferde    (an  Brücken  fehlt  es  noch)    von    der    am   wenigsten   ange- 


151 

nehmen  Seite  kennen  und  war  gezwungen,  den  Plan  aufzugeben. 
Ich  erfragte  in  Kotel,  Medven  und  Gradec  nur  so  viel,  dass  jenes 
merkwürdige  Denkmal  ein  gepflasterter,  9  Spannen  breiter  Weg 
sei,  jetzt  ganz  verfallen  und  an  wenig  zugänglichen  Stellen  der 
Wälder  gelegen,  und  dass  derselbe  bei  der  genannten  Burg  den 
Balkan  zwischen  Vrbica  einerseits  und  Sadovo  und  Kadyrfakli 
andererseits  überschreite'^).  Dass  die  seit  altersher  Gerilovo, 
Gerlovo  genannte  Landschaft  von  Vrbica  an  der  Nordseite  der 
Centralkette  eine  weit  zurückreichende  Vergangenheit  besitzen  mag, 
dafür  sprechen  einige  Münzen  von  Septimius  Severus,  Philippus 
und  Theodosius  ,  nebst  einem  dyrrhachinischen  Silberstück  (EEwriN, 
B  AAMOY ;  vgl.  Mionnet  2,  42,  135  und  Suppl.  3,  343,  228,  wo  als 
Lesung  .  .  .  .aamoy  und  *!aaamoy  angegeben  wird),  die  mir  in  Kotel 
aus  den  dortigen  Funden  gezeigt  wurden. 

Der  Balkanübergang    bei    der  Burg   von  Kadyrfakli  war  von 
Süden    aus    leicht    zugänglich.      Die    südliche    äussere    Kette    des 


'*)  In  der  Gegfend  erzählte  man  mir  von  einer  hiesigen  Erkesija,  einem 
Erdeinschnitt,  der  angeblich  von  West  nach  Ost  ziehend ,  den  Pass  von  Kotel  mit 
dem  „Grad",  ferner  die  Burg  bei  Medven  und  endlich  das  Castell  oberhalb  Kadyr- 
fakli berühren  und  zum  Theil  mit  einer  „ganz  niedrigen  Mauer"  versehen  sein  soll. 
Aber  die  Erzählung  scheint  mehr  auf  Corabinationen  als  auf  wirklicher  Beobach- 
tung zu  beruhen.  Ich  selbst  habe  die  Sache  nur  an  einer  Stelle  mit  eigenen  Augen 
gesehen,  auf  dem  Berge  V  e  t  r  i  1  a  zwischen  Zeravna  und  Kotel,  an  der  Westseite 
der  steilen  Kuppe  des  Grad.  Man  bemerkt  dort  unterhalb  des  Kammes  auf  dem 
Nordabhang  der  Vetrila  einen  4  Schritt  breiten ,  von  West  nach  Ost  streichenden 
ebenen  verlassenen  Weg,  an  dem  von  Wall  und  Graben  keine  Spur  zu  merken  ist. 
In  Gradec  versicherte  man  mich  übrigens,  die  „Erkesija"  der  Medvener  sei  mit  der 
oben  erwähnten  gepflasterten  Strasse  über's  Gebirge  identisch  und  die  „ganz 
niedrige  Mauer"  sei  nichts  anderes  als  altes  Strassenpflaster.  —  Skorpil  (a.  a.  O, 
S.  88)  erwähnt  an  der  Westseite  des  Passes  von  Kotel,  östlich  von  dem  mir  be- 
kannten Stück  an  der  Vetrila,  noch  einen  zweiten  Wall  (mit  Graben  an  der  Süd- 
seite) von  geringer  Ausdehnung.  Diese  gegrabenen  Linien  gelten  jetzt  als  Grenze 
der  Gemeinden  von  Kotel  und  Zeravna;  man  sollte  die  alttürkischen  Urkunden 
einsehen,  welche  beide  Orte,  wie  ich  aus  guter  Quelle  weiss,  über  ihre  Feldmarken 
besitzen.  An  dem  Uebergang  nach  Vrbica  sah  Skorpil  (S.  52 — 53)  drei  Burgen: 
links  das  Karasukalessi,  gegenüber  rechts  Tepegjoz  und  hinter  einer  tiefen 
Schlucht  Ruspuhissar.  Nach  ihm  ist  die  dortige  ,, Erkesija"  das  Fundament 
einer  2  M.  breiten  Mauer  (einer  Passsperre?  von  welcher  Ausdehnung?)  mit  der 
Spur  eines  3  M.  breiten  Thores  darin,  bei  dem  Karasukalessi.  Von  dem  alten 
Strassenpflaster  (kaldyrym,  batal  ptt),  das  mir  die  Einwohner  beschrieben,  erwähnt 
er  nichts.  Auch  ist  aus  seiner  topographisch  unzureichenden  Schilderung  nicht 
ersichtlich,  in  welchem  Verhältniss  diese  Ruinen  zu  der  auf  den  Karten  eingetra- 
genen neuen  Strasse  nach  Vrbica  stehen. 


152 

Balkans  ist  hier  nämlich  durchbrochen  und  zwischen  dem  Balkan 
von  Sliven  und  dem  von  Aitos  jribt  es  nur  einen  niedrigen  Rücken, 
welcher  das  Thal  der  Wilden  Kamcija  von  dem  Gebiet  des  süd- 
wärts zur  Tundza  abfliessenden  Azmakflusses  scheidet.  Auf  diesem 
Plateau  liegt  östlich  von  Gradec  das  armselige  Dorf  Kaj  ab  as  mit 
einem  1200  Schritt  langen  und  angeblich  zwei  Mannshöhen  tiefen 
See  „Kajabasko  blato"  ,  längs  dessen  Nordufers  sich  ein  isolirter, 
länglicher,  an  50  M.  über  die  Seefläche  emporragender  Felsberg 
mit  Resten  eines  alten  Castells  von  Ost  nach  West  erstreckt  *•*).  Die 
Situation  erinnert  an  das  Paleokastro  von  Knvakli  Die  Nordseite 
der  Befestigung  war  gegeben  durch  den  scharfkantigen  Kamm,  auf 
welchem  sich  über  dem  gegen  Norden  sehr  abschüssigen  Abhang 
die  Fundamente  einer  2*5  M.  starken  Mauer  aus  grossen  Steinen 
verfolgen  lassen.  Die  Aussicht  von  dem  Kamm  beweist  die  einstige 
grosse  strategische  Bedeutung  des  Platzes:  man  überblickt  im 
Norden  den  Centralbalkan  von  Rakovo  bis  Calykavak  mit  dem 
„Grad"  an  dem  Engpass  von  Kotel,  der  Stelle  von  Novacka,  dem 
Ruspuhissar  u.  s.  w.,  ferner  links  und  rechts  die  hohen  Berge  des 
Balkans  von  Aitos  und  SHven  (Matejska  Planina),  im  Süden  die 
Höhen  von  Karnabad  mit  dem  dortigen  grossen  „Hissarlik" ,  und 
in  der  Ferne  erscheinen  sogar  die  Kuppen  des  Bakadzik  und  der 
Monastirberge.  Die  Südseite  der  Burg  schützte  der  See ;  an 
15  Schritt  vor  seinem  schilfreichen  Ufer  stehen  die  geradlinigen 
Fundamente  der  einstigen  Umfassungsmauer.  Die  Befestigungen 
im  Osten  und  Westen  sind  kaum  kenntlich.  Der  innere  Schloss- 
raum zwischen  dem  Felsenkamm  und  dem  See  ist  sehr  steil  und 
zum  Theil  ganz  treppenartig:  zwischen  den  dichten  (Jebüschen  und 
dem  glatten  langen  Grase ,  das  hier  wuchert ,  sieht  man  überall 
zubehauene  Steine,  Ziegelfragmente,  Topfscherben,  die  bis  in  das 
Schilf  am  Ufer  hinunterreichen.  Die  Dorfkirche  von  Kajabas  ist 
ganz  aus  alten  Quadern  von  hier  erbaut;  dort  sieht  man  auch  eine 
Steinplatte  mit  einem  von  einer  Kreislinie  umrahmtem  Kreuz,  sowie 
einen  viereckigen  alten,  canellirten  Pfeiler.  Eine  auf  der  Burg  ge- 
fundene glatte  Säule  dient  jetzt  als  Strassenwalze.  Man  fand  hier 
auch  Pfeilspitzen,  Doppeläxte,  Messer,  Metallkreuze,  byzantinische 
und  bulgarische  Münzen,  angeblich  auch  ein  Goldstück  des  Kaisers 


")  Der  See  ist  als  „Hissargöl"  abgebildet  bei  Kanitz  III.  94.  Die  hiesige 
Burg  blieb  Kanitz  unbekannt;  dagegen  erwähnt  er  ein  ITissartepe  1  8t..  westlich 
vfin   Kajab.as,  von    lern  ich  hi^r  nichts  gehört  habe. 


153 

Honorius.  Ich  hörte  von  einem  Marmorstein  mit  Inschrift,  den 
man  vor  dem  letzten  Kriege  nach  Constantinopel  geschafft  haben 
soll,  konnte  aber  nichts  Näheres  darüber  erfragen. 

Die  nächste  Verbindung  dieses  Seeschlosses  mit  Jambol  führt 
durch  den  Maras  Boaz  genannten  Pass,  in  welchem  sich,  wie 
man  mir  erzählte,  neben  der  neuen  Chaussee  Jambol-Kotel  Spuren 
eines  alten  Pfades  befinden,  mit  zwei  Castellruinen  in  der  Gemar- 
kung des  Dorfes  Sedldrevo.  Ich  muss  ausdrücklich  bemerken, 
dass  ich  den  Namen  in  der  ganzen  Umgebung  stets  nur  als  Mar  äs 
gehört  habe,  wie  auch  ein  Dorf  am  Südausgang  des  Passes  heisst; 
die  Form  Marak,  die  ein  neugriechischer  Apo)uobeixTr|q  (um  1826) 
angibt  (Heerstrasse  S.  150),  ist  im  Lande  selbst  unbekannt.  In- 
dessen ging  die  mittelalterliche  Hauptstrasse  nicht  diesen  Weg, 
sondern  ungefähr  25  Kilometer  weiter  östlich  durch  das  Azmak- 
defile  bei  dem  Hissar  von  Karnabad  vorbei. 

Ich  wendete  mich  von  Kajabas  in  das  Azmakthal,  passirte 
die  grossen,  auch  von  Kanitz  erwähnten  Tumuli  von  Cerkesli, 
das  Dorf  Sungurlar,  in  dessen  Nähe  am  Waldesrand  neben 
einigen  ähnlichen  alten  Grabhügeln  eine  kalte  Mineralquelle  ent- 
springt (man  zeigte  mir  eine  bei  der  Quelle  gefundene,  in  Alexandria 
geprägte  Silbermünze  des  Hadrian),  sodann  den  grossen  von  Cul- 
turen  bedeckten  Tumulus  von  Kokordza  und  gelangte  nach  Kä.r- 
nabad.  Diese  Stadt  (4274  Einw.)  liegt  am  Nordabhang  eines 
niederen ,  von  West  nach  Ost  streichenden,  eruptiven  Höhenzuges, 
welcher  den  Lauf  des  Azmak  derartig  einschränkt,  dass  sich  nord- 
westlich von  Karnabad  ausgedehnte  Sümpfe  gebildet  haben,  die 
man  vor  dem  Eintritte  in  den  Ort  auf  langen,  mit  Brücken  ver- 
sehenen, gepflasterten  Dämmen  (aus  der  Türkenzeit)  überschreitet. 
Karnabad  verdankt  seine  Bedeutung  grossen  Jahrmärkten  und  hat 
nichts  Alterthümliches  aufzuweisen.  Dagegen  befindet  sich  in  der 
Umgebung,  I'/q  St.  gegen  SW. ,  eines  der  bedeutendsten  Castelle 
der  ganzen  Landschaft,  das  als  Schlüssel  der  Communicationen 
zwischen  den  Haemusübergängen  und  Jambol  (oder  Adrianopel) 
eine  hervorragende  Bedeutung  haben  musste. 

An  der  Stelle,  wo  der  Azmak  die  enge  Mauer  des  erwähnten 
Karnabader  Höhenzuges  durchschneidet,  um  in  offenem  Felde  der 
nur  40  Kilom.  entfernten  Tundza  (er  mündet  oberhalb  Jambol)  zu- 
zueilen, stehen  auf  der  linken  Seite  des  Flussdurchbruches,  nicht 
weit  südlich  von  der  Strasse  Sliven  -  Karnabad ,  die  Reste  des 
Hissar-kale.     Dasselbe    besteht    aus    drei  Befestigungen   in    drei 


154 

von  Nord  nach  Süd  aufeinander  folgenden  Abstufungen.  Der  erste 
und  höchste  Theil  ist  ein  unregelmässiges  Viereck,  von  Nord  nach 
Süd  ungefähr  120  Schritt  breit,  das  von  einer  3  M.  starken,  aus 
wechselnden  Lagen  von  Stein  und  je  fünf  Reihen  Ziegel  erbauten 
Mauer  umfasst  war,  von  welcher  im  Süden  noch  ein  mannshohes 
Stück  aufrecht  steht.  Die  Nord-  und  Südseite  decken  die  steilen 
Abhänge  des  Höhenrückens  selbst,  die  Ostseite  schützt  ein  künst- 
licher tiefer  Graben,  vor  welchem  noch  die  Spur  einer  zweiten 
äusseren  Schanze  sichtbar  ist.  Die  Westseite  bildet  die  enge 
Schlucht  des  Azmak,  dessen  Spiegel  an  80  M.  unter  der  Burg  liegt. 
Adler  und  Eulen  nisten  in  den  Felsspalten ,  während  tiefer  unten 
der  blaue  Flieder  {Syringa,  bulg.  „luljak")  ganze  Büsche  bildet, 
der  in  Bulgarien  überall  als  ein  an  Burgruinen  haftender  Strauch 
gilt  und  wohl  meist  alten  Culturen  entsprossen  ist.  Zwei  (je  1'5M, 
breite)  Mauern ,  die  vom  Castell  aus  an  Felsvorsprüngen  ungefähr 
200  Schritt  weit  gegen  das  Azmakdefile  vortreten,  dienten  wohl 
zur  Deckung  eines  wegen  des  Wasserholens  wichtigen  directen 
Abstiegs.  In  der  Mitte  des  Burgplatzes  bemerkt  man  auf  dem 
felsigen,  von  Schutt,  Ziegel-  und  Gefässscherben  bedeckten  Boden 
die  Fundamente  eines  grösseren  steinernen  Gebäudes.  Die  Rund- 
sicht von  der  luftigen ,  den  Winden  stark  ausgesetzten  Höhe  ist 
grossartig.  Man  überblickt  die  Zinnen  und  Gipfel  der  inneren 
Balkankette  mit  den  Pässen  von  Kotel,  Vrbica,  Calykavak,  nebst 
den  steilen  Bergen  bei  Sliven  und  den  niederen  bei  Aitos ,  die 
Sümpfe  des  Azmak  bei  Karnabad,  die  fruchtbaren  Niederungen 
von  Jambol,  Sliven,  bis  gegen  Jeni  Zagra  hin ;  jenseits  der  glitzern- 
den Fläche  des  nahen  Sumpfes  von  Streldza  ")  erscheint  im  Westen 
das  Querprofil  der  Sredna  Gora,  während  im  Südwesten  aus  der 
weiten  thrakischen  Ebene  nur  einige  Hügol  der  Gegend  von  Cirpan 
emportauchen.  Der  Bakadzik  verdeckt  die  Monastirberge  und 
schliesst  sich,  von  unserem  Standpunkt  durcli  ein  niederes  Terrain 
getrennt,  den  Waldbergen  im  SO.  an,  in  denen  die  oben  beschrie- 
benen Wälle  der  „Erkesija"  verborgen  liegen. 

Doch  das  ist  noch  nicht  Alles.  An  die  Südseite  der  Burg 
lehnen  sich ,    zwischen    dem  Azmak   und  der  Fortsetzung  des   öst- 

")  Dio  auf  den  Karten  angegebene  Ruine  bei  Saraj  am  Sumpf  von  Streldza 
ist  ein  Ueberrest  der  Lustliäuser  des  Sn'taiis  Mohammed  IV.  (1648  —  1687) ,  der 
hier  noch  als  „Avdii  Mohammed  Sultan"  ^der  Jäger)  bei  den  Türken  in  gutem 
Gedächtniss  geblieben  ist. 


155 

liehen  Burggrabens  eingeengt,  in  zwei  Stufen  zwei  viereckige,  mit 
Wall  und  Graben  umgebene  Castia  an.  Das  erste  Lager  liegt  an 
50  M.  tiefer  als  die  Burg,  das  zweite  an  15  M.  tiefer  als  das  erste. 
Die  Form  derselben  ist  wegen  des  Flusslaufes  etwas  unregelmässig; 
die  Länge  des  ersten  Castrums  (W.  —  O.)  beträgt  550,  die  Breite 
370  Schritt,  während  das  zweite  nur  400  Schritt  lang  und  100  Schritt 
breit  ist.  Die  Ostseite  beider  bildet  ein  an  6  M.  hoher  Wall  mit 
einem  16  Schritt  breiten,  trotz  seines  Gefälles  immer  feuchten 
Graben.  Die  Westseite  gegen  den  Fluss  ist  ausser  dem  Wall  auch 
durch  die  allerdings  niedrige  Fortsetzung  der  Felsböschungen  des 
Defil6s  geschützt.  Beide  Lager  trennt  ein  (von  der  Südseite  ge- 
sehen) fast  10  M.  hoher  Wall,  wogegen  das  untere  Viereck  von 
Süden  nur  mit  einem  niederen  Erdaufwurf  gedeckt  wird,  vor  dem 
sich  jedoch  ein  breiter,  mit  stagnirendem  Wasser  angefüllter  Graben 
befindet.  Das  obere  Castrum  hat  in  der  Mitte  der  Ost-  und  West- 
seite einander  gegenüberliegende  Ausgänge;  desgleichen  verbindet 
ein  Thor  beide  Castra  untereinander,  dem  ein  Ausgang  aus  dem 
unteren  Lager  südwärts  entspricht.  Das  Innere  der  beiden  Um- 
wallungen, die  jetzt  als  Weideplatz  dienen,  enthält  ausser  einzelnen 
Ziegelfragmenten  nicht  die  geringste  Spur  von  Gebäuden.  Zwei 
Tumuli  auf  der  Nordseite  der  obersten  Burg  und  die  grosse  „Popova 
mogila"  gegen  Osten  auf  dem  Rücken  desselben  Höhenzuges  ver- 
vollständigen das  ganze  Landschaftsbild.  Zum  Schlüsse  muss  ich 
bemerken,  dass  längs  des  Azmak  ein  Fahrweg  durch  die  Schlucht 
führte  an  welchem  jüngst  bei  der  Herstellung  eines  Mühlgrabens 
viele  gewaltige  Gefässe  gefunden  wurden,  die,  gewöhnlich  mit  ver- 
modertem Getreide  gefüllt,  hier  zu  Lande  bei  keiner  Ruine  fehlen. 
Eine  neue  Mühle  unweit  des  untersten  Lagers  ist  der  einzige  be- 
wohnte Punkt  in  der  sonst  trostlos  öden  Umgebung. 

Die  feste  Burg  ist  ohne  Zweifel,  wie  man  aus  der  Stellung 
der  beiden  Castra  erkennt,  von  Jemand  errichtet  worden,  welcher 
das  Azmakdefile  gegen  einen  nördlichen  Feind  sperren  wollte. 
Das  obere  Castell  mit  seinem  weiten  Horizont  bildet  ein  Glied  der- 
selben Kette,  zu  welcher  auch  der  Ruspuhissar  im  Balkan,  die  Burg 
von  Kajabas  und  die  Stadt  Jambol  gehören.  Sagen  über  den  Ort 
gibt  es  nicht,  dagegen  sah  ich  einige  Münzen  von  den  vielen^  die 
auf  der  obersten  Burg  gefunden  wurden ;  es  waren  byzantinische 
Kupfermünzen,  sämmtlich  arg  beschädigt  (einige  mit  dem  Heiland 
als  „Basileus  Basileon" ,  andere  concav) ,  und  eine  gut  erhaltene 
Silbermünze  des  bulgarischen  Garen  Svetslav  (f  1321). 


156 

Einige  Bürger  von  Karnabad  zeigten  mir  eine  Menge  antiker 
Münzen,  Stücke  von  Thasos,  Athen,  Alexander  d.  Gr.,  römische 
Kaisermünzen  (von  Augustus,  Vespasian,  Hadrian,  Antoninus  Pius, 
Gordian,  Philippus,  Decius,  Aurelian,  Constantin  u.  s.  w.) ,  byzan- 
tinische Gold-  und  Kupfermünzen  u.  s.  w.  Als  Fundorte  gab  man 
mir  das  Dorf  Aftan  im  Süden  des  hiesigen  Bezirkes  und  die  Ge- 
birgslandschaft nordwärts  gegen  den  Pass  von  Calykavak  (23  Kil. 
östlich  von  dem  bei  Vrbica)  an.  Ich  habe  die  Gegend  an  diesem 
Passe  sowie  am  Zusammenflusse  beider  Kamcija's  nicht  besuchen 
können,  aber  die  antiquarischen  Daten,  die  ich  erfuhr,  sprechen 
für  eine  von  altersher  stammende  Bedeutung  dieses  Ueberganges, 
welcher  nach  den  Itinerarien  von  Bongars  (1585),  Boscovich  (1762), 
Carsten  Niebuhr  (1767)  '*)  u.  A.  in  den  letzten  Jahrhunderten  all- 
gemein die  Verbindung  zwischen  Adrianopel  und  der  Donau  ver- 
mittelte'"). Bei  dem  von  Karnabad  gut  sichtbaren  bulgarischen 
Dorf  Kosten  gibt  es  auf  einer  hohen  Kuppe  eine  grössere  Burg 
zum  Schutze  des  Weges ;  in  derselben  sollen  die  Bauern  einmal 
feine  Statuette  einer  unbekleideten  sitzenden  Göttin  und  in  einem 
nahen  Tumulus  das  Skelett  einer  Frau  mit  goldenen  Ohrgehängen 
gefunden  haben.  Eine  grosse  Burgruine,  angeblich  noch  mit  einigen 
erhaltenen  Kammern,  steht  an  der  Kamcija  bei  Podvis;  von  dort 
und  aus  Kislaköi  stammen  die  mir  gezeigten  Münzen  Alexanders 
d.  Gr.     Reste  alter  Gebäude  gibt  es  auch  bei  Komarevo""),    bei 

**)  Bongars  Tagebuch,  herausg.  von  Dr.  Herrn.  Hagen,  Jacob  Bongarsius, 
Bern  1874.  R.  G.  Boscovich,  Oiornale  di  un  viaggio  da  CostantinopoU  in 
Polonia.  Bassano  1784.  C.  Niebuhr,  Reisen  durch  Syrien  etc.  HI  (Hamburg 
1837)  p.  168  sq. 

'*)  Der  Uebergang  über  das  Gebirge  ist  bei  den  drei  genannten  Reisenden 
identisch:  Gegend  von  Karnabad  (Tubekoi  =  Türk  Bejlcöi,  Niebuhr),  Komarevo 
iNiebuhr)  oder  Bosilkovo  (Bongars) ,  Dobral  (Boscovich ,  Niebuhr) ,  Calykavak 
(Zaolcava  derven  Bongars,  Scialikavak  Bosc,  Tschalikova  N.) ;  von  dort  geht  die 
Route  von  Bongars  und  Niebuhr  über  Eski  Stambul  nach  Rasgrad ,  die  des  Bos- 
covich über  Dragojevo  nach  Sumen.  Bongars  sah  zwischen  Eski  Stambul  und 
Calykavak  nur  ^hois  aana  voye  ni  seniier^;  Boscovich  (p.  56)  bemerkte  ein  zerfallenes 
Pflaster  am  nördlichen  Abstieg,  „un  tratto  considerabile  lastricato  a  pief.re,  le  quali 
di  grandezza  erano  in  circa,  conie  quelle  che  in  Italia  troviamo  nella  Via  Appia ,  e 
allre  atr ade  Romane  antiche,  e  parimenti  di  figura  irregolare  come  quelle,  ma 
piü  grosse'^,  und  Niebuhr  (p,  172)  sagt:  „da  wo  es  am  steilsten  bergunter 
geht,  hatte  der  Sultan  den  Weg  erst  neulich  pflastern  lassen".  Das 
Pflaster  war  also  türkischen  Ursprungs. 

'"j  Nach  Skorpil  (a.  a.  O.  S.  92)  liegen  10  Minuten  nördlich  von  Komarevo 
die  Fundamente  eines  viereckigen  Castells  mit  runden  Eckthürmen ,  nebst  Resten 
einer  Ansiedelung,  wo  man  Münzen  von  der  Kaiserin  Fnnstina,  (Konstantin,  Jusli- 
nian,  Phocas  n.  A.  gefunden  hat. 


157 

Keremetli  (ursprünglich  Gramatikovo  genannt)  u.  s.  w.  In 
der  Richtung  gegen  Aitos  zu  steht  eine  Burg  auf  einem  Vorsprung 
des  Balkans  bei  Skenderli. 

Ueber  die  Gegend  am  Zusammenflusse  beider  Kamöija's  erfuhr 
ich  folgende  Einzelheiten.  In  Cenge  und  bei  Lopusna  gibt  es 
Burgruinen;  in  Varna  sah  ich  zwei  Kupfermünzen  aus  einer  „Mo- 
nastir"  genannten  Ruine  bei  Cenge,  die  eine  König  Philipp's  (Reiter, 
*iAinnoY,  neben  dem  Pferde  a,  B  ein  Kopf),  die  andere  von  Ale- 
xander (ein  undeutliches  Ding,  aaesanapoy,  B  ein  Kopf  im  Profil). 
Westlich  von  Novo  sei o  (Jeniköi),  in  welchem  sich  jetzt  das  Cen- 
trum eines  bulgarischen  Bezirkes  befindet,  liegen  nach  den  Erzäh- 
lungen der  dortigen  Beamten  bei  dem  Dorfe  Karaburun  zu  beiden 
Seiten  der  nördlichen  Kamcija  alte  Burgen,  rechts  eine  kleinere 
„Monastir"  genannt,  links  eine  grössere  auf  dem  Arkovna  Bair 
beide  wohl  zur  Deckung  einer  Brücke  errichtet.  Dabei  bemerkt 
man  die  Ueberreste  eines  von  Norden  nach  Süden  verlaufenden 
gepflasterten  Weges,  über  dessen  Fortsetzung  sich  leider  nichts 
Näheres  erfragen  liess. 

Was  die  Vergangenheit  dieser  Wege  und  Burgen  anbelangt, 
so  zerfallen  die  Strassen  über  den  Ostbalkan  in  zwei  Gruppen. 
Die  östliche  Gruppe,  von  dem  antiken  Marcianopolis  und  dem  mittel- 
alterlichen Provad  auslaufend,  mit  dem  südlichen  Ausgang  gegen 
Mesembria  und  Anchialos,  tritt  im  Alterthum  in  den  Vordergrund 
und  besteht  aus  zwei  durch  alte  Itinerarien,  und  wie  ich  zeigen  werde, 
aucl»  durch  erhaltene  Reste  bezeugten  Römerstrassen  in  der  Nähe 
der  Küste.  Die  zweite  Gruppe,  die  erst  im  Mittelalter  eine  grössere 
Bedeutung  gewinnt,  zwischen  Preslav  und  seiner  ganzen  Umgebung 
im  Norden  und  Diampolis  im  Süden,  umfasste  vier  Uebergänge 
über  den  inneren  Balkan  zwischen  den  beiden  Kamöija's:  bei  Kotel 
beiVrbica,  bei  Calykavak  und  bei  Lopusna  oder  Karaburun.  Der 
zweite  und  vierte  waren  mit  gepflasterten  Strassen  alten  Ursprungs 
versehen,  der  letzte  ist  ausserdem  durch  das  Vorkommen  make- 
donischer Münzen  merkwürdig.  Diese  Uebergänge,  besonders  der 
zweite,  sind  wohl  die  Bepe'Taßa,  KXeiaoüpa  Bepexdßaiv,  e^ßo\Tl  Bepi- 
Tdßinv'^')  des  8.  Jahrhunderts  und  die  Zibripä,  rruXai  Iiöripai  des 
9.  —  13.  Jahrhunderts.     Zwischen   der   Sidera   und  Jambol  werden 


'')  Tbeoph.  359.  431,  Nicephorus  patr.  73  ed.  Boor  (die  Lesart  BeptTÖviuv 
bei  Nicephorus  ist  nur  durch  einen  Lesefehler  des  Petavius  entstanden,  cf.  Boor 
praef.  p.  XV). 


158 

drei  Burgen  genannt.  Die  erste  war  foXörj,  nach  Anna  Komnena 
(ed.  Reifferscheid  IL  71)  Ttepi  Triv  otKpoXocpiav  ifi^  Iibripäq  KXeicTovjpa? 
gelegen,  ein  wichtiger  Waffenplatz  zwischen  den  Donaulandschaften 
und  Diampolis,  wohl  das  den  Uebergang  beherrschende  hochgelegene 
„Ruspuhissar"  bei  Kadyrfakli.  Die  zweite  war  Aapbeac;,  wo  Alexios  I. 
Komnenos  einmal  40  Tage  mit  seinen  Truppen  lagerte,  nach  Anna 
Komnena  (ed.  cit.  I.  228.  229  Txpöc,  töv  Aapbeav)  ev  laeiaixiniuj  tt)? 
AiajaTTÖXeujq  Kai  roXöri(;  biaKei|uevo^,  von  Pachymeres  in  der  Form  Aap- 
baia(^  (ed.  Bonn.  II.  559)  mit  'YdjUTToXt<;  als  buo  qppoupia  tOuv  küX- 
Xiaiuuv  erwähnt.  Diese  schöne  Burg  mit  dem  grossen  Lagerplatz 
ist  vielleicht  identisch  mit  dem  Castell  bei  Karnabad  und  dessen 
beiden  Castra.  Daneben,  nach  Anna  Komnena  (ed.  cit.  I.  244)  auch 
ILieaov  foXöri^  Kai  AiajurröXeuj^,  lag  an  der  Südseite  der  Balkanpässe 
das  im  8.  und  9.  Jahrhundert  berühmte  byzantinische  Grenzcastell 
gegen  die  Bulgaren,  noch  in  der  Komnenenzeit  genannt,  xö  KdcTipov 
MapKeXXuJV  oder  MapKeXXai  (auch  Sing.).  In  der  Gegend  zwi- 
schen beiden  genannten  Ruinen  passt  die  Lage  auf  die  feste 
Seeburg  von  K  aj  a  b  a  s  '^'^). 

Nach  einem  Ritt  von  S'/^St.  gelangt  man  von  Karnabad  in  das 
am  Südfuss  des  Balkans  am  Ausgange  eines  von  Weinbergen  um- 
gebenen Thaies  zwischen  schönen  Saaten  malerisch  gelegene  Städtchen 
Aitos  (3220  Einw.),  das  Centrum  eines  vorwiegend  von  Türken 
bewohnten  Bezirkes.  Die  Burg  'Aeiöc,  des  Kantakuzenos  stand  auf 
einer  steilen,  auch  gegen  Norden  und  Westen  durch  tiefe  Schluchten 
geschützten  Höhe  nordwestlich  über  der  jetzigen  Stadt,  an  200  Meter 
hoch  über  der  Thalsohle,  auf  den  Karten  richtig  als  „Hissar  Bair" 
angegeben.  Das  Schloss,  dessen  Mauern  durch  Wind  und  Wetter 
längst  bis  auf  die  Fundamente  zerstört  sind,  ist  ungefähr  300 
Schritt  lang  und  hat  dem  Terrain   entsprechend   eine  unebene  und 


")  Die  Schlacht  (um  760)  Katä  rä^  Xe^o^xivac,  fAapKiWac,  bei  Nice- 
phorus  patr.  p.  66  und  die  bei  Bep^Töß«  '^ei  Theophanes  p.  431  scheinen  schon 
der  chronologischen  Reihenfolge  wegen  identisch  zu  sein:  nur  erscheint  Kaiser 
Konstantin  V.  („Kopronymos")  bei  Theophanes  als  der  besiegte  Theil,  während 
Nicephorus  die  Bulgaren  als  geschlagen  bezeichnet,  was  mit  der  folgenden  Ent- 
thronung der  einheimischen  Fürsten  durch  die  Bulgaren  selbst  mehr  übereinstimmt. 
Nach  Anna  Komnena  lag  aber  r]  KefOixivY]  MupK^XXa  vor  Goloc  und  diese 
wieder  vor  der  Sidera,  was  die  von  mir  (Heerstrasse  S.  l.'SO)  ausgesprochene 
Vermuthung  über  die  Identität  oder  Nähe  der  Bep^TOß«  und  1 1  ö  n  P  ö  noch 
mehr  unterstützt.  —  Ausser  der  obigen  Identificirung  wäre  noch  eine  andere  möglich  : 
das  Castell  bei  Karnabad  könnten  die  Markcllai,  die  Burg  .luf  dem  BakadÄik 
iler  von  Tachymeres  neben  Jambol  genannte  Lardcas  sein. 


159 

unregelmässige  Form,  die  sich  etwa  einem  mit  der  Spitze  gegen 
Norden  gewendeten  gleichschenkligen  Dreieck  nähert.  Man  erkennt 
noch  die  Fundamente  von  drei  Thürmen;  überdies  sind  in  der  Mitte 
des  Platzes  noch  die  mannshohen  Reste  eines  viereckigen  länglichen 
steinernen  Gebäudes  sichtbar.  Zwischen  den  vielen  keramischen 
Splittern  und  anderem  Schutt  des  Burgfriedens  findet  man  oft 
byzantinische  und  bulgarische  Münzen.  Die  Aussicht  umfasst  die 
hier  schon  sehr  niedrigen  Höhen  des  Balkans ,  sowie  die  waldigen 
Vorhöhen  der  Strandza  bei  Rusokastro  und  erreicht  im  Südosten 
die  glänzenden  Spiegelflächen  der  Lagunen  von  Burgas  ^^). 

Im  nahen  Gebirgslande  gilt  als  Fundort  von  Alterthümern 
das  alte  bulgarische  Dorf  Vresovo  (31  Häuser)  gegen  NW.  von 
Aitos ,  auf  dem  Wege  zur  Kamcija,  mit  einer  Burg-  und  einer 
Kirchenruine,  einst  angeblich  eine  grössere  Stadt;  zwei  dort  ge- 
fundene 40  Cm.  hohe  Basreliefs  des  „thrakischen  Reiters"  kamen 
jüngst  in  das  Provinzialmuseum  von  Philippopolis,  und  in  Aitos 
zeigte  man  mir  eine  von  dort  stammende  silberne  Alexandermünze. 

Die  beiden  über  die  Balkanübergänge  von  Karnabad  und  Aitos 
gegen  Constantinopel  führenden  Wege  vereinigen  sich  in  dem  an 
5  Stunden  von  beiden  Städten  entfernten  Rusokastro,  um  dort 
das  Waldgebiet  des  Strandzagebirges  zu  betreten.  Das  Dreieck 
zwischen  den  genannten  Orten  ist  von  einem  bei  aller  Fruchtbar- 
keit öden,  wenig  bewohnten  und  meist  von  niedrigen  Eichen-, 
Sumach-  und  Paliurusbüschen  bedeckten  Hügelland  erfüllt.  Zwischen 
Aitos  und  Rusokastro  ragen  zwei  vereinzelte  Kuppen  empor,  welche 
an  die  „Kojuntepe"  bei  Tatar  -  Pazardzik  und  an  die  Berge  von 
Monastir  erinnern.  An  deren  Fuss  liegen  bei  dem  Dorfe  Küöük 
Ali  die  Reste  eines  Castells,  welches  der  Lage  nach  dem  Kxe'via 
des  Pachymeres  (H.  44.5)  und  Kantakuzenos  (L  431)  entsprechen  mag. 

Die  im  12. — 14.  Jahrhundert  oft  genannte  Burg 'PujcrÖKaffTpov 
habe  ich  von  Burgas  aus  besucht.  Sie  liegt  eine  halbe  Stunde 
westlich  von  dem  armseligen,  noch  immer  Rusokastro  genannten 
Bulgarendorf  (94  Häuser  mit  448  Einw.) ,  auf  dem  rechten  Ufer 
eines  in  die  Lagune  von  Mandra  abfliessenden  Baches ,  in  einer 
auch  auf  der  österreichischen  Generalstabskarte  der  I>alkanhalb- 
insel  eingezeichneten  Krümmung  desselben.    Man  sieht  den  schroffen, 


*')  Herr  Consnl  Brophy  sah  vor  uugefähr  12  Jahren  eine  lateinische  In- 
schrift auf  dem  türkisclien  Friedhof  zu  Aitos,  von  der  dort  jetzt  nichts  mehr  be- 
kannt ist. 


160 

an  80  M.  hohen  Felsen  von  weiter  Ferne,  umsomehr  als  auf  dem- 
selben jüngst  an  Stelle  eines  alten  „öerkoviste"  (Kirchenruine)  ein 
weissgetünchtes  Kirchlein  errichtet  wurde.  Die  Burg  war  von  drei 
Seiten  durch  schroffe  Abstürze,  auf  der  Südwestseite  überdies  noch 
durch  eine  gewaltige,  mit  Thürmen  versehene  Schlossmauer  gedeckt. 
Ziegelfragmente  mit  Aschenhaufen ,  alten  Nägeln  u.  s.  w.  bilden 
den  Boden  des  in  der  Mitte  an  250  Schritt  breiten  Burgplatzes. 
Auf  dem  steilen  Nordabhang  gibt  es  eine  zwischen  Bäumen  ver- 
borgene Höhle.  Die  Rundsicht  umfasst  die  grossen  Urwälder  im 
Süden,  in  denen,  nur  eine  Stunde  von  hier,  die  Wälle  der  „Erkesia" 
liegen;  im  Norden  zieht  sich  ein  breites  Thal  zwischen  niedrigen 
Böschungen  zu  den  Dörfern  Balabanly  und  Kelesköi:  der  Weg  von 
Rusokastro  nach  Aitos  und  Karnabad,  und  der  Schauplatz  der  von 

Lantakuzenos  (1.460  sq.)  ausführlich  beschriebenen  Schlacht  zwischen 
len  Bulgaren  und  Byzantinern  im  Jahre  1331,  die  sich  aus  einer 
\on  'AeT6(;  her  mündenden  (Jtevii  tk;  diTÖKpoTO^  biobo?   bis    zu  den 

tauern  von  PmcTÖKacTTpov  hinzog  und  mit  einem  raschen  Friedens- 
schlüsse endigte.  Unter  dem  südöstlichen  Abhang  des  Burgfelsens 
bemerkt  man  Spuren  von  Häusern,  Fundamente  eines  Badegebäudes 
und  eines  Posthauses  (Menzil)  aus  der  türkischen  Zeit,  sowie  eine 
2'5  M.  lange  glatte  Säule;  wahrscheinlich  war  das  jetzige  Dorf 
Rusokastro  ursprünglich  ein  siihurhmm  der  Burg  selbst  und  wurde 
erst  in  neuerer  Zeit  von  dieser  Stelle  weiter  abwärts  verlegt. 

In  dem  Waldland  von  Rusokastro  südwärts  bis  zur  rumelisch- 
türkischen  Grenze  herrschten  zur  Zeit  meiner  Reise  wenig  ein- 
ladende Zustände.  Banden  türkischer  und  bulgarischer  Strassen- 
räuber  tauchten  abwechselnd  zu  beiden  Seiten  der  Grenzlinie  auf 
und  die  wenigen  Compagnien  rumelischer  und  türkischer  Infanterie, 
welche  sich  auf  der  langen  Linie  vom  Meere  bis  zur  Tundza  im 
Vorpostendienste  übten,  waren  ausser  Stande,  das  Uebel  nieder- 
zuhalten. Als  ich  Sozopolis  besuchte,  wagten  sich  die  Bürger 
dieser  Seestadt  gar  nicht  in  ihre  Weingärten ,  um  nicht  von  den 
Waldrittern  zur  Erpressung  eines  ergiebigen  Lösegeldes  in's  Gebirge 
entführt  zu  werden.  Was  ich  über  die  Alterthümer  dieses  Berg- 
landes erfragen  konnte,  ist  ungefähr  Folgendes.  Die  Reste  einer 
älteren,  zum  Theil  vom  Eichenwald  überwachsenen,  gepflasterten 
Strasse  ziehen  sich  über  das  grosse  Dorf  Fakia  (lo6  Häuser, 
Bulgaren)  und  die  Höhen  von  Karakütük  nordwärts  gegen  das 
Dorf  Karabunar;  die  weitere  Spur  wendet  sich  nicht  gegen  Ruso- 
kastro, sondern  gegen  das  weiter  östlich  gelegene  Jakyzly  (türk. 


161 

früher  Ak-jazyly  genannt),  wo  die  Ruinen  von  Deultum  liegen. 
Eine  „gute"  alte  Burg  liegt  bei  Fakia  selbst,  auf  einem  schroffen 
Berg  gegen  NW.  Eine  andere,  Sarp-Hassan-kalessi  genannt, 
befindet  sich  östlich  von  Fakia ,  eine  halbe  Stunde  gegen  SO., 
nach  Madles-köi  zu,  am  Ufer  der  Fakijska  Reka.  Ein  grosses 
Castell,  angeblich  noch  mit  aufrecht  stehenden  Mauern,  steht  auf 
dem  Gipfel  einer  hohen,  auch  von  Burgas  aus  gut  sichtbaren  waldi- 
gen Kuppe  weiter  unterhalb  an  der  Fakijska  Reka,  bei  dem  Dorfe 
Gerge  Bunar,  südlich  von  dem  auf  der  österreichischen  Karte 
eingezeichneten  Kyryk  Caly,  nahe  bei  den  Resten  eines  alten 
Weges.  Noch  weiter  gegen  NO.  soll  es  bei  Dzemeren  gleich- 
falls Trümmer  einer  Burg  geben.  Diese  Reihe  von  Castellen  in 
der  Gegend  von  Fakia  mit  Spuren  alter  gebahnter  Wege  entspricht 
der  Route  von  Deultum  nach  Ostudizus  (bei  Hafsa)  im  Itinerarium 
Antonini.  Die  18  römische  Meilen  von  Deultum  entfernte  Station 
Sadame  fällt  ohne  Zweifel  nach  Fakia.  Die  zweite  Station  T a r- 
podizus  gehört  nach  der  Distanz  sowohl  von  Fakia  als  von  Hafsa 
in  die  Gegend  der  byzantinischen  Burg  ZKOTreXocg,  deren  Ruinen 
nördlich  von  Petra  und  südwestlich  von  Erikler  liegen"*). 

'"')  Das  alte  Strasseupflaster  zwischen  Karabiinar  und  Fakia  nebst  einer 
Fortsetzung  im  Wald  südlich  von  dem  letzteren  Orte  erwähnt  auch  eine  russische 
militärische  „Beschreibung  des  Weges  von  Constantinopel  nach  Ocakov"  (Peters- 
burg 1821),  welche  auch  die  angeblich  kreisrunde  Burg  „St.  Georg  von  Fakia" 
auf  einem  „zuckerhutförmigen"  Berge  über  dem  Dorfe  kennt.  Restes  d'un  ancien 
pave  ebendaselbst  bei  Boue,  Recueil  d'itineraires  I  128.  Skorpil  (S.  13)  sah 
das  Pflaster  zuerst  20  Minuten  südlich  von  Karabunar  und  dann  rechts  oder  links" 
von  der  Strasse,  obwohl  es  hie  und  da  auch  ganz  verschwindet,  dann  südlich  von 
Fakia  an  der  rumelischen  Grenze  zwischen  Kaibilare  und  Gross-Almali;  nach  ihm 
ist  es  7-3  M.  breit  und  hat  in  der  Mitte  und  zu  beiden  Seiten  je  eine  Reihe  grosser 
und  flacher  Steine,  zwischen  denen  kleineres  Material  eingedrängt  ist.  Ausser  den 
Burgen  von  Fakia  erwähnt  er  (S.  43.  44)  zwei  Castelle  bei  Ki  s  ildzik-kliss  e 
(unweit  südlich  davon)  und  die  Reste  einer  Ansiedelung  östlich  von  Fakia  zwischen 
Madlesköi,  Almali  und  Kodzabuk:  die  Fundamente  eines  Gebäudes  mit  drei  Bas- 
reliefs (Jäger  zu  Pferde  mit  Hund  und  Hirsch ,  stehende  und  sitzende  Personen 
u.  s.  w.),  darunter  eines  mit  10  Zeilen  unleserlicher  giüechischer  Schrift.  —  Die 
Burgruine  von  Skopelos  ist  auf  Kiepert's  Generalkarte  (1870)  gut  eingetragen. 
Zwei  alte  russische  Relationen  von  Oberst  Lehn  1793  und  Capitän  Duhamel  1827 
erwähnen  dieselbe  am  Westufer  des  Tekedere,  nördlich  von  Petra,  als  Ruine 
S  k  u  p  e  1  0  s  o  ier  Eskipolos-Kalessi,  bestehend  aus  einem  Thurm  mit 
Zinnen,  desgleichen  Boue  op.  cit.  I  128  als  vieille  tour  grecque  auf  einem 
Berge  eine  Lieue  westlich  vom  türkischen  Dorf  „Erekli".  —  Manche  Karten 
haben  Erekli  oder  Erikler  irrthümlich  zweimal  angegeben,  rechts  und  links  vom 
Thal  des  Tekedere,  oft  an  beiden  Stellen  (wie  die  russische  Karte  von  Arta- 
monov)  mit  dem  eingeklammerten  Namen  Eskipolos. 

Archäologisch-epigraphische  Mitth.  X  11 


1G2 

Die  Pontusküstc  verfolgte  ich  von  der  türkischen  bis  nahe  zu 
der  rumänischen  Grenze  und  suchte  mir  die  alten  Periplen  und  die 
mittelalterlichen  Seekarten  an  Ort  und  Stelle  zu  erkläi-en.  In  den 
folgenden  Bemerkungen  halte  ich  mich  an  die  geographische  Reihen- 
folge von  Süden  gegen  Norden. 

Das  alte  Apollonia  der  Milesier,  seit  Anfang  des  Mittel- 
alters Sozopolis  genannt,  noch  von  Kantakuzenos  (I.  326)  als 
TTo\udv9pujTro(;  Kai  |Li6Y«^n  TroXiq  bezeichnet,  an  einer  andern  Stelle 
als  ttöXk;  oütuj  KaXii  Kai  näcnv  dfaGoT^  eu6uvou|Lievi"i  (IIL215),  ist  jetzt 
eine  kleine  Stadt  mit  2800  griechischen  Einwohnern,  die  meist  vom 
Fischfang  leben  ^■').  Ihre  dicht  zusammengedrängten  Häuser  be- 
decken eine  felsige  Halbinsel,  welche  durch  eine  niedrige,  an  120 
Schritt  breite  Sanddüne  mit  dem  Festland  verbunden  ist.  Dieser 
Isthmus  scheint  sich  jedoch  erst  in  neuerer  Zeit  gebildet  zu  haben. 
Vor  der  Nordseite  der  Halbinsel  liegt  die  kleine  Felsinsel  Hagios 
Jannis  mit  einem  verfallenen  Kloster,  einem  neuen  Leuchtthurm  und 
den  Resten  eines  alten  KdcJTpov.  Daneben  ragt  gegen  NO.  eine  Klippe 
Hagios  Petros  aus  den  Fluthen;  auf  der  Westseite  der  Stadt  be- 
merkt man  noch  zwei  kalile  Inselchen,  M  ilos  und  Gatta.  Da  der 
Ort  auf  einen  Punkt  fällt,  wo  die  Küste  fast  im  rechten  Winkel 
einbiegt,  ist  die  Rundsicht  sehr  ausgedehnt:  gegen  SO.  die  waldige 
Küste  in  der  Richtung  zu  dem  angeblich  noch  mit  alten  Mauern 
umgebenen  Agathopolis,  im  NW.  der  Golf  von  Burgas,  gerade 
gegenüber  die  12  Kilometer  entfernte  Stadt  Anchialos  und  dahinter 
in  der  Ferne  das  Ende  des  Haemus  mit  dem  Leuchtthurm  auf  dem 
Gap  Emine.  Der  Hafen  (auf  der  Westseite)  gilt  als  der  beste  der 
ganzen  Küste.  Von  den  einstigen  starken  Umfassungsmauern  der 
Stadt  sind  noch  grosse  Stücke  übrig.  Neben  einer  Menge  alten 
Baumateriales  und  Münzen  von  Lysimachos  und  von  römischen 
Kaisern    des    1.  —  3.  Jahrhunderts    (auch  AuTOucTTri^  Tpaiavfi^  und 


^■')  Die  JJenicrlviiii;;  hei  IJueekli,  Corpus  inscr.  jraec.  II.  p.  75:  „Apollonia  videtur 
sex  verstia  Russicis  a  Sozopoli  afuisse ,  uhi  arcis  et  alioruvi,  aedificiorum  nidera 
supersunt  in  littore  meridionali  siniis  Sozopolitani"  beruht  offenbar  auf  einer  Vor- 
wcclislnng.  Apollonia  ist  schon  wegen  seiner  insularen  Lag^e  (cf.  Strabo  7 
p.  319  und  St(;ph.  Byz.)  nur  auf  flem  Boden  von  Sozopolis  selbst  zu  suchen,  dagegen 
liegt  (s.  unten)  d;i.s  alte  Anchialos  eine  halbe  Stunde  von  der  heutigen  Stodt 
dieses  Namens.  A|)ollünia  wird  zuletzt  bei  Ammianus  Marcellinus  (22,  8,  4;^). 
Sozopolis  zuerst  4;J1  bei  Nennung  des  dortigen  Bischofs  erwähnt.  Die  Identität 
beider  Orte  ist  z.  15.  im  Periplus  Anonymi  ausdrücklich  angegeben. 


* 


163 

'AnoWoiviaTeiJuv),  sowie  byzantinischen  Goldstücken,  zeigte  man  mir 
auch  einige  Inschriften. 

1.  In  der  Vorhalle  einer  Kirche  eingemauert,  0*44  h.,  1'24  br., 
unregelraässige  Züge,  die  Buchstaben  schwarz  übermalt: 

MHTOKOCTAPOYAOY<t>YEIAE//// 
A  E  K  JW  O  Y  K  T  I  E  A  E  T  H  N  n  O  A  I  N 
METATHNEKnxri  EIN  KAIE 
niLEKEYAEAETOTPinYAON 
h  KAlTHNBAPINAnOAAriNIlHTP 

MriTOKO^  TapouXou,  cpucri  be  AeK)uou  Kiiaac,  triv  ttöXiv  lueid  xfiv 
e'KTTTUuaiv  Ktti  eTn((J)Keudcra<;  tö  tpittuXov  Kai  ir\v  ßäpiv,  'AköXXujvi 
iriTp[uj]. 

Also  ein  Mann  mit  ganz  thrakischem  Namen  hat  die  Stadt 
nach  einer  Katastrophe  erneuert.  Das  pontische  Apollonia  war 
öfters  von  Umwälzungen  heimgesucht.  Aristoteles  (Politik  V, '2,  11; 
V,  5,  7  oder  p.  1303  und  1309)  erwähnt  zwei  dortige  Revolutionen, 
die  eine  bei  der  Berufung  neuer  Colonisten  in  die  Stadt,  die  andere 
in  Folge  der  Misswirthschaft  einheimischer  Oligarchen.  Ein  arger 
Schlag  für  Apollonia  war  die  Eroberung  durch  M.  Lucullus  (72  vor 
Chr.),  welcher  die  30  Ellen  hohe  Colossalstatue  des  Apollo,  ein 
Werk  des  Kaiamis,  aus  dem  Stadttempel  als  Trophäe  nach  Rom 
brachte  (Strabo  7  p.  319,  Plinius  h.  n.  34  §.  39;  Lucullus  „Apol- 
loniam  evertit^  schreibt  Eutropius  6,  10).  Die  e'KTTTUjai^  mag  sich 
auf  diese  römische  Eroberung  beziehen. 

2.  In  einem  Privathause,  Grabstein,  0'55  h.,  0*3  br.  : 

<t>  I  ATATH 

AnoAAriNiAEn 

OiXTdTi")  'ATToXXujvibeuj. 

3.  In  einem  anderen  Hause,  0*92  h.,  0'37  br.  : 

A  n  O  AAAN  12 
A  ti  M  E  l  O 
r    Y    N    H 

AttoXXluvi^  Ari)ueio(u)  Tuvn. 

4.  In  der  Aussenwand  des  neuen   Kirchleins  des   von  hier  ge- 
bürtigen   heil.   Zosimos,    {Zvjaiyioc,    eni    xfiq    ßacriXeiaq    Tpamvoö    eH 
'ArroXXutvidboc^    Ti^q    ev    ZujZioTTdXei,     Meuologium    des     Kaisers    Ba- 
ll* 


164 

silius  11.  zum  19.  Juni:    Migne ,    Patrologia  graeca,    t.  117  p.  504), 
auf  dem  Isthmus,  072  h.,  0'31  br. : 

KPINOMENH2 
OINOriA  EA 
A      H      M      H 
API2TOKAEIOYZ 
5  AM<i>IPOAITIZ 

KPINOMENOY2 
r     Y     N     H 

Kpivo)uevii(;  OivoTTiXeuu.  —  Aj'iiuri  'ApiaiOKXeiou^  'AjuqpiTToXiTi^  Kpi- 
vojuevouq  Yuvrj. 

5.  In  einer  Windmühle  ausserhalb  der  Stadt  ein  Quaderstein: 

AHMHTPIOZ 
EKATflNYMO 

ArmriTpio^  'EKaTUJVu|Lio(u). 

6.  Aus  Sozopolis  stammend,  jetzt  im  Garten  des  Herrn  Bonal 
in  Burgas,  063  h.,  0-42  br.-^'): 

EAOSETHBOY^HKAITnAHMnTn^ 
AnOAAnNIATnNEKATAIOZZnnA 

EinENEnEiAHAisxpinwnosEiAir 

nOYANHPArAGOXKAIENTEIMOZ 
.")  APETHKAIAOHHKEKOZMHMENOZ 

EYYnANTHTOSAHMOXIATE 

KAIIAIAEAYTONTEAnOAElKNY 

MENOZTOIZENTYNXANOYSl 

EYXPH2T0NKAI2:YM4>0P0NTH 
10  TEnOAElMHTEKOnOY4>EI2;AME 

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cTiTf V  : 

'Enei?»!  Aiaxpiujv  TToaeihiTTKou  dvi'ip  ä-fudöc,  Kai  ^vreifjo^ 
(ipf.Tfi  Kai  h6t»i  KfKOG|unM^vo(;  euurrdvTpToc  biqjAoaiu  xe  Kai  if^ia 


165 

In  der  Gassenfront  eines  Hauses  von  Sozopolis  sieht  man 
liocli  eingemauert  ein  vom  Wetter  geschwärztes  Basrelief  in  drei 
Feldern :  oben  eine  liegende  Person  auf  einem  Ruhebette  vor  einem 
dreifüssigen  Tischchen,  darunter  ein  nach  rechts  gekehrter  Reiter, 
endlich  wieder  ein  liegender  Mann  und  neben  ihm  eine  sitzende 
Frau.  Ausserhalb  des  Isthmus,  gegen  SO.  von  der  Stadt,  befand 
sich  die  alte  Nekropole  der  Apolloniaten,  auf  welcher  zur  Zeit 
meiner  Reise  von  einigen  hiesigen  Bürgern  Ausgrabungen  veranstaltet 
wurden,  angeblich  um  den  Schatz  des  Lysimachos  zu  finden.  Die 
dortigen  Funde  zeigten  aber  nur  den  bescheidenen  Hausrath  einer 
kleinen  Seestadt:  an  20  meterhohe  zweihenklige  Thonkrüge,  zum 
Theil  mit  Fabriksmarkeu  an  der  Kehle  (apxeaa,  AFAenwo,  geoee.  . .), 
einfache  thönerne ,  bronzene  und  gläserne  Gefässe ,  kleine  Grab- 
lampen, eine  kleine  röthliche  Vase  mit  schwarzen  Ornamenten  und 
eine  schwarze  mit  weissen  Linien,  ein  Kranz  keramischer  vergol- 
deter Kügelchen  an  einem  Draht  u.  s.  w. 

Die  Küste  westlich  von  Sozopolis  ist  unwirthlich  und  steil, 
überragt  von  waldigen  Bergen,  unter  denen  sich  besonders  der  hohe 
Bakar  Bair  (türk.  „Kupferberg")  bemerkbar  macht,  bei  welchem 
Herr  Skorpil  neben  Lagern  von  Kupfer  und  Eisen  (Haematit)  auch 
Spuren  von  Gruben  nebst  Schlacken  aufgefunden  hat'^'^).  Die  Nähe 
von  Apollonia,  Anchialos  und  der  römischen  Colonie  Deultum, 
welche  sämmtlich  Münzen  prägten,  verleiht  diesen  Resten  eines 
alten  Bergbaues  ein  doppeltes  Interesse.  In  dieselbe  Gebirgsland- 
schaft fällt  die  Entrevue  des  Kaisers  Andronikos  mit  dem  bulga- 
rischen Garen  Michael  1328  ev  toT^  XeYO|uevoi^  Kpii|L(voi^  zwischen 
SoEopolis  und  Anchialos  (Kantakuzenos  I.  340). 

Die  niedrige  Westseite  des  Golfes  von  Burgas  ist  von  drei 
grossen  Lagunen  umgeben.  Von  Sozopolis  aus  erreicht  man  zuerst 
den  See  von  Mandra  (nach  einem  Dorfe  so  genannt,  bulg.  Man- 
drensko  jezero,  türk.  Mandra-gölü),  ungefähr  15  Kilom.  lang,  aber 
nur  an  2  Kilom.  breit,  welcher  allein  unter  den  genannten  Küsten- 


eauTÖv  xe  dTro6eiKvü|uevo(;  xoTq  evxuvxüvouoi  euxpriaxov  Kai 

aüf-icpopov  xi^  xe  TröAei  inrixe  köttou  q)eiad|Lievo(;  !ixr)xe  baTrdvri^ 

ä\Xä  TTOiOüv  xä  äpi0xa  Kui  irpdoauuv  xnc  xe  eauxoO  Ka\oK(ai)aTa0ia(; 

Xu,ußdvujv  KapTTOÜc;,  YUMvaaiap[xnJaac  he  xeXeiuui;  Kai   

Y6[vJö|uevoq 

")  Skorpil,  Die  Naturschätze  von  liulg-arieu  (bulg.),  Pliilippopel  1S84  S.  66, 

—  In  der  zweiten  Schritt  (a.  a.  O.  S.  44)  erwähnt  er  die  Reste  eines  viereckigen. 

an  den  Seiten  40  Schritt  langen  Castells  auf  dem  Gipfel  des  „Bakar  Dag". 


166 

Seen  mit  dem  Meere  communicirt,  was  sich  durch  die  Stärke  seiner 
Zuflüsse,    der  Fakijska  Reka  (Skafida  des  Mittelalters)  und  der 
Flüsse  von  Karabuviar  und  von  Rusokastro  erklärt,  die  in  ihm  eine 
permanente,  allerdings  nur  sehwache  Strömung  erzeugen.    Der  un- 
gefähr 500  M.  breite   Sund    heisst    Porös    und    wird    mit    diesem 
Namen    schon    auf    der   Seekarte    des   Pietro  Vesconte    von  Genua 
(1318)   bezeichnet.     Jetzt  führt  über  denselben    eine    während   der 
Occupation  von  den  Russen  errichtete  schmale  Pfahlbrücke,  welche 
jedoch  nahe  vor  dem  Ostufer  abbricht,  um  einem  Fährschiff  Platz 
zu  machen.    Neben  der  Hütte  des  Fährmannes  stehen,  bespült  vom 
Seewasser,  die  4  M.  hohen  Ueberreste  eines  viereckigen,  fast  8  M. 
breiten  Uferthurmes  aus  grossen  Steinen,    der  wohl  einst  die  Ein- 
fahrt zu  schützen  hatte.     Eine  feierliche  Stille  ruht  über  der  öden 
Landschaft,    kaum    unterbrochen    von    den    vielen    Wasservögeln, 
die  an  dem  sumpfigen,  in  zahlreiche  Buchten  und  Engen  vertheilten 
Seeufer    im    dichten    Schilf   ihr  Wesen    treiben.     Dicht    bewaldete 
Hügel    umschliessen    die   Südseite    der  Lagune ,    während    sich    im 
Norden    eine    weite  Aussicht    bis    zum    Balkan    von  Aitos  eröffnet. 
Zwei    kleine    armselige    Dörfer    stehen    über    den  Böschungen  des 
Südufers,    das   türkische   Achranli  (8  Häuser)  und  das  türkisch- 
bulgarische Skefa  (39  Häuser).     Zwischen    beiden   liegt  an  einem 
Kale-burun  (türk.  „Burgcap")    genannten  Vorsprung    ein    kale 
oder  KOcCTTpo,  auch  „monastir"  genannt,  die  Reste  eines  ausgedehnten 
Castells,  neben  dem  sich  Spuren  alten  Pflasters  unter  dem  Wasser- 
spiegel   verlieren    sollen.     Die    Einwohner    graben    darin    zuweilen 
nach  Schätzen.     Die  italienischen  Seekarten  1318  sq.  kennen  diese 
Burg  als  Skafida;  Pachymeres  (IL  446)  beschreibt  eine  Niederlage 
der   von  Sozopolis  1308   zurückkehrenden  Bulgaren   an   der   nahen 
Brücke  des  iKacpibä  TTorajaoO '^'^) .    Ein  „gradiäte"  von  viel  grösserer 
Ausdehnung  liegt  am  Westende  des  Sees,    oberhalb    der  Mündung 
der  Karabunarska  Reka,    südöstlich   von   dem    bulgarischen    Dorfe 
.Jakyzly,   bei   dem  Anfang  der  Erdwälle  der  „Erkesija"    und  am 
Endpunkt  des  alten  von  Fakia   durch   die  Gegend  von  Karabunar 
herabsteigenden  Strassenpflasters.    Dieser  jetzt  ganz  verlassene  Platz 
inmitten  melancholischer  Sumpflandschaften  ist  die  vespasianische, 
von   Veteranen    der   achten    Legion   bewohnte   colonia   FUivia   Pacls 


")  Die  altlVauzösische  Beschreibung  der  Expedition  des  Grcafen  Auiadeo  VI. 
von  Savoyen  im  Jahre  1.3G6  [Monum.  hist.  patr.  Turin  1840,  I.  310)  erwähnt  „le 
port  de  Schaffida  .   ...  hon  et  .1  eur'*  mit  einem  Städtchen  d.ihfi. 


167 

Deultensinm  oder  colonia  Daultus  einer  auf  dem  Esquilin  gefun- 
denen Inschrift  aus  dem  Jahre  82  (C.  I.  L.  VI  n.  3828),  colonia 
Flavia  Deulfnm  der  Münzen,  das  Deultum  veteranorum  cum  stagno  des 
Plinius,  oppldam  Dihaltuvi  des  Ammianus  Marcellinus  (31,  8,  9), 
r\  AeßeXiöq  der  Byzantiner,  zuletzt  erwähnt  zum  Jahre  1203  bei 
Niketas  Choniates  (ed.  Bonn.  723).  Die  im  Itinerarium  Antonini 
überlieferte  Distanz  von  Deultum  nach  Ostudizus  (68  mp.)  stimmt, 
wie  gesagt,  sehr  gut  zu  der  Entfernung  von  den  Ruinen  bei  Jakyzly 
bis  Hafsa  bei  Adrianopel.  Wiewohl  mich  mehrere  Herren,  welche 
die  Gegend  am  See  auf  Jagdausflügen  kennen  gelernt  hatten,  in 
ßurgas  versicherten,  es  gäbe  dort  keine  Inschriften,  wollte  ich  der 
Stätte  der  alten  Veteranencolonie  dennoch  einen  Besuch  abstatten, 
wurde  aber  daran  durch  unvorhergesehene  Zufälligkeiten  gehindert"'*'). 
Seitdem  hat  Herr  Skorpil  die  Ruinen  besucht  und  in  einer  unlängst 
gedruckten  bulgarischen  Schrift  über  die  Alterthümer  Thrakiens 
beschrieben^"). 


'")  Als  ich  Püi'os  in  einer  Barke  besuchte,  war  es  schon  Abend;  ausserdem 
ist  die  Lagune  seicht  und  nicht  leicht  zu  befahren.  Zwei  Tage  später  verhängte 
die  Türkei  (wegen  der  Cholera  in  Frankreich)  eine  auch  für  Ostrumelien  giltige 
fünftägige  Quarantaine  gegen  alle  Provenienzen  aus  Bulgarien;  von  bulgarischer 
Seite  war  gleichfalls  eine  Grenzsperre  zu  befürchten,  der  Seeverkehr  zwischen  Varna 
und  Burgas  hörte  auf  und  ich  eilte,  von  einem  Ritt  nach  Rusokastro  schneller  als 
ich  wünschte  zurückgekehrt,  um  noch  zur  rechten  Zeit  zu  Lande  über  den  Balkan 
zurückzukommen. 

^")  Die  Reste  des  alten  Deultum  bestehen  nach  .Skurpil  (a.  a.  O.  0.26.  94) 
aus  den  Rudimenten  von  zwei  Castellen  an  beiden  Ufern  des  engen  und  tiefen 
Flusses  von  Karabunar  (Karabunarska  Reka,  nicht  Mandra  Reka,  wie  man  auf  den 
Karten  liest).  Auf  dem  rechten  Ufer  steht  auf  einer  einsamen  Anhöhe  die  soge- 
nannte „obere  Burg-'  (Gorno  gradiste  oder  Kaie),  ein  Viereck,  ungefähr  3QD0 
Quadratmeter  gross,  mit  zwei  6  M.  von  einander  entfernten,  1-5  M.  dicken  Mauern 
befestigt,  die  (beide?)  an  den  Ecken  mit  Rundthürmen  von  3  M.  Durchmesser  ver- 
sehen waren.  Gerade  gegenüber  liegt  am  niedrigen  linken  Ufer  die  „untere  Burg" 
(Dolno  gradiste),  ein  viereckiger  Bau,  350  Schritt  lang,  200  Schritt  breit,  mit 
3  M.  breiten  Mauerfundamenten  aus  Quadersteinen.  Das  Innere  derselben  war 
durch  Mauern  (oder  untermauerte  Strassen?)  in  vier  gleiche  Theile  getheilt.  West- 
wärts davon  reichen  die  Reste  alter  Bauten  noch  einen  Kilometer  weit.  Eine 
Wasserleitung  aus  thönernen,  in  einander  geschobenen,  3  Cm.  dicken  und  im 
Durchmesser  20  Cm.  breiteu  Röhren  führte  aus  der  Gegend  von  Rusokastro  zwi- 
schen den  sumpfigen  Ufern  der  Rusokastrenska  Reka  und  der  „Erkesija"  8  Kilo- 
meter weit  bis  in  die  untere  Burg.  Um  beide  Burgen  bemerkt  man  regelmässige 
Erdwälle;  nördlich  von  der  unteren  Burg  zieht  sich  300  Schritt  weit  ein  mit  ihrer 
Mauer  paralleler  Wall,  augenscheinlich  die  Grenze  der  bis  dorthin  reichenden 
Stadt.  Weiter  gegen  Norden  streicht  die  „Erkesija".  Alte  Gräber  liegen  gegen 
SO.  v.ni   der  oberen  und  gegen  W.  von  der  unteren  Burg.     Steine    von    hier    sind 


168 

Die  beiden  folgenden ,  wegen  ihrer  Fiebormiasmen  verrufenen 
Lagunen  von  Vajaköi  und  Athanasköi  sind  salzig  und  haben  keine 
Communication  mit  dem  Meere,  von  dem  sie  durch  enge  sandige 
Nehrungen  getrennt  werden.  Zwischen  beiden  Lagunen  liegt  an 
einer  nicht  sehr  gesunden  Stelle  die  moderne,  meist  aus  Magazinen 
und  Amtshäusern  bestehende  Hafenstadt  Burgas  (griech.  TTupY0(;, 
an  3000  Einw.),  welche,  kaum  in  der  Türkenzeit  erwähnt  und  erst 
in  den  letzten  Jahrzehnten  durch  den  Getreideexport  aufgewachsen, 
keine  Geschichte,  aber  dafür  eine  grosse  Zukunft  hat^'). 

An  der  Westseite  des  Sees  von  Athanasköi,  an  15  Kilom. 
von  der  Stadt,  sieht  man  auf  einer  niedrigen  Terrasse  zwischen  dem 
blauen  Spiegel  der  Lagune  und  den  Vorhügeln  des  Balkans  in  einer 
trostlos  kahlen  Umgebung  ohne  Baum  und  Strauch,  die  eher  an 
ein  Schlachtfeld  als  an  eine  alte  Luxusstätte  erinnert,  ein  isolirtes 
weisses  Gebäude,  umgeben  von  einigen  elenden  Zelten  und  Bretter- 
buden. Das  ist  das  „Bad  von  Aitos",  bulg.  Aitoska  lr.dza,  noch 
jetzt  berühmt  wegen  seiner  heilkräftigen  Quelle  und  viel  besucht 
von  Gästen,  selbst  von  der  Donau  und  von  Adrianopel.  Der  gegen- 
wärtige Zustand  des  Ortes  steht  in  grellstem  Gegensatz  zu  seiner 
Vergangenheit.    Das  sind  die  altberühmten  Thermen  von  Anchialos, 


weit  in  die  Umgebung  als  Baumaterial  verschleppt  worden  (bis  Kelesköi,  Balabauly 
u.  s.  w.).  Ausser  einem  Sarkophagdeckel  mit  einem  Kreuz  und  dem  Wort  6MBPI8 
fand  Skorpil  keine  Inschriften,  dagegen  viele  römische  Münzen  (auch  COL-  DEVLT-). 
Die  Entfernungen  der  Ruinen  von  dem  Seeufer,  von  der  Flussmünduug,  sowie  von 
Jakyzly  oder  Kyryk  Caly  in  Minuten  oder  nach  Compasswinkeln  oder  sonstige 
Behelfe  zu  einer  genauen  Einzeichnung  der  Stelle  in  die  Karte  vermisst  man  bei 
Skorpil.  Ebenso  sagt  er  nicht,  ob  es  zwischen  beiden  Castellen  Reste  einer  Brücke 
gifct  und  bemerkt  nichts  von  den  Höhenverhältnissen  des  Terrains.  —  Ein  Dorf 
Zagora  existirt  in  der  Gegend  nicht  (noch  auf  Kiepert's  Generalkarte  der  Europ. 
Türkei  1870  am  VVestende  des  Mandra-See's  ersichtlich).  Die  Identificirung  von 
Deultuni  mit  einem  Zagora  in  neueren  Handbüchern  entstand  wohl  nur  durch  ein 
Missverständniss  der  Stelle  des  Thcophanes  Cont.  1G5,  der  von  einer  Landschaft 
Zagora  spricht  (vgl.  Georgius  mouachus  622). 

*')  Die  römische  Strasse  von  Anchialos  (Paleokastro)  nach  Deultum  (24  rüm. 
Meilen,  Itin,  Aut.)  führte  eher  über  Aquae  calidae  westlich  von  den  Lagunen  als 
über  die  Nehrungen- und  die  Stelle  des  heutigen  Burgas;  die  Entfernung  auf  beiden 
Routen  ist  übrigen.s  gleich.  Skorpil  sagt  an  einer  Stelle  (S.  13),  vor  Jahren  habe 
es  nördlich  von  Deultum  zwischen  Karatepe  und  Sazliköi  die  Reste  einer  ge- 
pflasterten Strasse  gegeben,  welche  aber  von  den  umliegenden  Dörfern  als 
Baumaterial  vcrbrauclit  worden  seien;  an  einem  anderen  Orte  (S.  92)  meint  er  die 
Spur  eines  alten  (gepflasterten?)  Weges  von  Deultum  gegen  NO.  nach  Burgas  zu 
gofiinden  zu  haben,  von  dem   bei  Mandra-II.in  (Mn  anderer  gegen  NW.  (?)  abzweige. 


169 

als  Aquaa  calidae,  MefdXii  06p|Li)i,  0ep|uÖTro\iq,  0ep|ud 
II.  s.  w.  im  Alterthum  und  Mittelalter  oft  erwähnt.  Das  jetzige 
Badebaus,  ein  Viereck  aus  wechselnden  Lagen  von  Stein  und  Ziegel, 
mit  einer  Kuppel  überdacht  und  im  halbdunklen  akustischen  Inneren 
ein  gleichfalls  viereckiges  Bassin  (Quelle  -j-  4^"  C.)  umfassend^  ist 
nach  Hadzi  Chalfa's  Zeugniss  erbaut  von  Sultan  Suleiman  dem 
Grossen  (1520 — 1566).  An  dieses  türkische  Badehaus  schliessen 
sich  an  der  Nordseite  die  Reste  der  alten  römischen  Therme  an : 
die  soliden  Fundamente  eines  viereckigen  und  daneben  eines  zweiten 
runden  Bassins  mit  vier  Seitennischen,  durch  drei  kleine  Oeffnungen 
miteinander  verbunden  und  ungefähr  bis  auf  Mannshöhe  erhalten. 
Das  äussere  runde  Bassin  ist  gefüllt  mit  Regenwasser,  das  an  der 
Oberfläche  von  grünen  Wasserlinsen  (Lemna)  überzogen  ist.  Hier 
waren  die  rriifai  Oepiuüuv  qpuaiv  uödiujv  von  Anchialos ,  welche  Ju- 
stinian  zur  Sicherheit  der  Kranken  befestigen  Hess  (Procopius  de 
aedif.  p.  263),  die  „aquarum  calidarwn  lavacra,  quae  ad  daodecimo 
miliario  Anchialitanae  civitatis  sunt  siti,  ab  imo  suae  fontis  ignei  sca- 
turrientes  et  inte)'  reliqua  iotius  mundi  thermarum  innunierahilium 
loca  omnino  precipua  et  ad  sanitatem  inßrmorum  efficacissima''''  des 
Jordanes  {Getica  ed.  Mommsen  p.  86),  die  Gepiudiv  iibdiujv  oTkoi,  in 
denen  583  der  Harem  des  Avarenchans  während  der  Belagerung 
von  Anchialos  sich  die  Zeit  vertrieb,  die  „sources  de  ha'nis  chauds 
les  plus  heaux  du  monde  eniier''^  in  der  Stadt  „La  Ferme"  bei  „Aquile" 
(Anchialos),  die  1206  der  Lateinerkaiser  Heinrich  nach  der  Erzäh- 
lung Villehardouin's  niederbrennen  Hess.  Daneben  sieht  man  Spuren 
von  vielen  Gebäuden  nebst  schwachen  Resten  einer  Umfassungs- 
mauer, welche  das  Badehaus  in  der  Gestalt  eines  an  den  Seiten 
ungefähr  500  M.  laugen  Quadrates  einschloss.  Der  ganze  Boden 
ist  voll  alten  Baumaterials,  behauener  Steine,  Ziegel  u.  s.  w.  Im 
17.  Jahrhundert  waren  die  Reste  viel  bedeutender,  denn  Hadzi 
Chalfa  (Rumeli  u.  Bosna  S.  26)  bemerkt :  „namhafte  Ruinen  zeigen, 
dass  dieser  Ort  vormals  eine  ansehnliche  Stadt  gewesen  sein  müsse". 
Die  Einwohner  der  Umgebung  erzählen,  bis  zu  den  Zeiten  der 
„Kirdzali's"  (um  1800)  sei  hier  bei  dem  Bade  ein  Dorf  gewesen;  jetzt 
liegt  die  nächste  Ansiedelung  Lidzaköi  (nur  7  Häuser,  Türken 
und  Bulgaren)  eine  Viertelstunde  gegen  Norden  am  Fusse  der  Hügel. 
Münzen  konnte  ich  keine  zu  Gesicht  bekommen  und  auch  alles 
Nachfragen  nach  Inschriften  war  vergeblich.  Dagegen  zeigte  man 
mir  in  dem  drei  Viertelstunden  gegen  NW.  entfernten  griechischen 
Dorf    Urum-Jeniköi    (türk.   „Griechisch  -  Neudorf")    über    einem 


170 

Brunnen  einen  gut  erhaltenen  Marmorstein   (0'68  h  ,  0*58  br.),  dar- 
auf ein  Basrelief  mit  einem  Reiter  und  die  Worte'"''): 

//////////////  ^  M  A  rJ  B  V  s 
(das  Basrelief) 

.L^TITOVlOcLcLIB      DIADV» 
MENOöFLA  VIA   -VERA 
CONIVGI   BENEMERENTI 
ETSIBlETSVlSVlVAFECt 

[iJis]   manibus.   L.    Titovio   L.    lib{erto)    Diadumano   Flavia    Vera 
conmgi  henemerenti  et  sihi  et  suis  viva  fecit. 

Von  der  alten  Therme  und  den  Lagunen  von  Burgas  erstreckt 
sich  bis  zum  Balkan  von  Emin^  eine  an  25  Kilom.  lange  und  an 
10  Kilom.  breite  Küstenebene  mit  schönen  Mais-  und  Weizensaaten, 
ausgedehnten  Obstgärten  und  üppigen  Weinbergen,  die  allerdings 
an  vielen  Stellen  durch  Sümpfe  oder  durch  trockene  Einöden  mit 
Dornen  und  Disteln  unterbrochen  sind,  links  überragt  von  dem 
niederen  Balkan  („Kücük-Balkan")  von  Aitos,  rechts  umsäumt  von 
der  weiten  blauen  Fläche  des  Pontus  und  an  vielen  Stellen  durch- 
wühlt von  tiefen  Wildbäclien  (z.  B.  dem  C  i  m  o  s  südlich  von 
Mesembria) ,  deren  sonst  trockenes  Bett  sich  oft  unversehens  mit 
gewaltigen ,  rasch  abfliessenden  Wassermassen  füllt.  Der  höchste 
Berg  an  der  Westseite  heisst  Pepirina  (Biberna  Tepe  der  Karten). 
Das  ist  der  alte,  in  der  byzantinisch-bulgarischen  Kriegsgeschichte 
berühmte  Kd|UTroq  'AfxiaXou  (Theophanes  ed.  Boor  1.376.433).  Das 
Gebiet  bildet  jetzt  den  Bezirk  (okolija,  eTtapxia)  von  Auchialos  mit 
zwei  Städten  und  48  Dörfern  mit  sehr  bunter  Bevölkerung:  17.728 
Einwohner,  darunter  7426  Griechen,  5292  Türken,  4065  Bulgaren, 
945  Zigeuner.  Einige  auffallend  hohe  Tumuli  (Madzartep^,  Catal- 
tepc  u.  s.  w.  genannt),  die  auch  auf  der  österreichischen  General- 
stabskarte ersichtlich  gemacht  sind'^'O,  ragen  zwischen  Burgas  und 
Anchialos  und  weiter  z.  B.  bei  Ravda  empor. 


"")  Jetzt  aiicli  bei  .Sk(.i|jil  S.  78  .•il)g>e(lriukt,  der  zu  Anfang'  L  UTOVIO 
gelesen  liat. 

'')  I)a<,'«;{,'en  sind  die  JJtlrfer  Gospoddom,  .Stancova,  Gancova  der  Karte  hier 
Niemand  bekannt;  wahrscheinlich  waren  es  nur  Cifliks,  seit  1829,  wo  die  alte 
nissisehe  Kart.P  gemacht  wurde,  längst  anders  nmgen.nnnt. 


171 

Das  alte  Anchialos,  welcliea  Strabo  nur  ala  ein  rroXixviov 
der  gegenüber  wohnenden  Apolloniaten  kennt,  das  aber  in  der 
Römerzeit  zu  einer  bedeutenden  Stadt  eraporgewachsen  ist  und  im 
Zeitalter  der  Völkerwanderungen  als  Bollwerk  des  oströmischen 
Reiches  eine  grosse  Bedeutung  hatte,  lag  keineswegs  an  der  Stelle 
der  heutigen  gleichnamigen  Stadt,  sondern  eine  halbe  Stunde  west- 
lich davon  an  einer  jetzt  TTa\  aiö  Kacrrpo  genannten  Stelle,  deren 
Entfernung  von  der  alten  Therme  auch  den  gut  beglaubigten  12 
röm.  Meilen  zwischen  Aquae  calidae  und  Anchialus  besser  ent- 
spricht. Das  Paleokastro  befindet  sich  zwischen  Weinbergen  bei 
dem  Ciflik  (Landgut)  Beklidzik,  ist  im  Norden  begrenzt  durch  einen 
grossen  Salzsee,  reicht  im  Süden  bis  zu  dem  Ciflik  'AKpoTipi  am 
Oolf  von  Burgas  und  hegt  demnach  auf  einem  kaum  2000  M.  breiten 
Isthmus.  Man  sieht  noch  eine  Menge  gewaltiger  Quadern  bis  zu 
zwei  Schritt  Länge  und  Fundamente  grösserer  Gebäude;  der  Boden 
der  Weinberge,  ein  reicher  Fundort  alter  Münzen,  ist  förmlich  ge- 
sättigt mit  kleinen  Ziegelsplittern.  Die  vielleicht  alte  Wasserleitung 
vom  Dorfe  Alikaria  zur  jetzigen  Stadt  geht  mitten  durch  diese 
Stätte.  Man  erzählte  mir,  eine  Masse  von  Baumaterial  sei  in  neuerer 
Zeit  zur  Errichtung  der  umliegenden  Wirthschaftsgebäude,  sowie 
zu  Bauten  in  der  jetzigen  Stadt  verschleppt  worden;  auf  dem  Platze 
vor  der  Panagiakirche  zu  Anchialos  liegen  z.  B.  zahlreiche  glatte 
Säulen,  Architrave,  Säulenbasen  und  andere  oruamentirte  Steine, 
sämmtHch  vom  Paleokastro.  Die  Anchialenser  behaupten,  die 
Kaiserin  Irene  hätte  ein  Kloster  mit  der  heutigen,  jetzt  im  Umbau 
befindlichen  Panagiakirche  Trpöq  tov  qjdpov  Tf\q  'AfXiaXou  gegründet 
und  die  Stadt  dorthin  übertragen.  Dies  stimmt  mit  der  Angabe 
des  Theophanes  (ed.  cit.  I.  457),  Irene  habe  im  Jahre  784  Philip- 
popolis  besucht,  Bepoia  (Eski  Zagra)  als  EipiivouiroXK;  neu  aufge- 
baut und  sei  nach  Constantinopel  zurückgekehrt,  KTicracfa  Kai  triv 
'ATXiaXov.  Anna  Komnena  (ed.  Reifferscheid  II.  63)  beschreibt 
die  Lage  des  KdcTTpov  iVAfxiaXcc;  so,  wie  es  jetzt  liegt:  rechts  hatte 
es  das  pontische  Meer,  links  rpaxuv  iiva  töttov  Kai  bucrßaTov  Kai 
uTTd/.iTT€Xov  Kai  Toiq  iTTTTOTaK^  euobov  TOV  öpouov  ,uri  TTapexovra  —  das 
coupirte  Terrain  der  Weinberge  am  Paleokastro,  das  im  Westen 
noch  durch  einige  kleine  sumpfige  Buchten  des  Golfes  geschützt 
wird,  welche  den  Weg  längs  der  See  erschweren. 

Das  neue  Anchialos  (711  Häuser  mit  4368  Einw.)  hat  eine 
eigenthümliche  Lage,  besonders  von  der  Nordseite  gesehen.  Im 
Vordergrund  liegt  eine  fast  eine  Stunde  lange,  ovale  Lagune,  links 


172 

von  ihr  eine  blendend  weisse  sandige  Nehrung,  rechts  ein  etwas 
breiterer  Isthmus  mit  Windmühlen,  Bäumen  und  einzelnen  Häusern, 
und  an  der  Stelle,  wo  die  beiden  schmalen  Linien  fast  im  rechten 
Winkel  zusammentreffen,  steht  hinter  der  ruhigen  Seefläche  die  Stadt, 
deren  Silhouette  sich  von  dem  weiten,  bis  zum  Horizont  reichenden 
blauen  Meeresspiegel  klar  abhebt.  Die  Lagune  ist  wohl  die  'I  e  p  d 
XilLivii,  Tfi(; 'Atxiö^ou  dTXOÖ  biaKei|uevTi  der  Anna  Komnena  (ed.  cit. 
H.  61).  Heutzutage  ist  sie  berühmt  wegen  ihres  Salzgehaltes;  alles 
Salz  von  Rumelien  und  Bulgarien  kommt  entweder  von  den  Salinen 
von  Anchialos  oder  aus  den  Steinsalzlagern  von  Okna  in  Rumänien. 
Die  Verdampfung  des  Salzwassers  wird  in  einer  Menge  primitiver 
viereckiger  Bassins  bewerkstelligt,  deren  Gruppen  meist  griechische 
Namen  (TTa\aiobpö)uoq,  'Akti'i,  XujvidTii,  Aiaox]  u.  s.  w.)  führen.  Dieses 
Salzgeschäft  wird  schon  im  16.  Jahrhundert  erwähnt  und  reicht 
wohl  noch  weiter  zurück.  Die  enggedrängten,  meist  hölzernen 
Stadthäuser  liegen  auf  einer  lehmigen  Terrasse,  die  mit  einer  steilen 
Böschung  von  ungefähr  10  — 15  M.  zur  See  abfällt  und  nach  den 
Erzählungen  der  Einwohner  fortwährend  durch  die  Brandung  unter- 
wühlt wird.  Der  einzige ,  recht  unsichere  Ankerplatz  ist  an  der 
Südseite.  Die  Anchialenser  beschäftigen  sich  indessen  nur  wenig  mit 
Fischerei  und  Seefahrt;  ihr  Tagewerk  ist  getheilt  zwischen  der 
Arbeit  in  den  Weinbergen  und  der  auf  den  Salinen.  Ein  Stück 
einer  offenbar  heruntergefallenen  steinernen  Umfassungsmauer  im 
Meere  unter  dem  steilen  Ufer  zeigt  man  als  TTaXaioXouTpa,  an- 
geblich das  Bad  des  wegen  seines  tragischen  Todes  berühmten 
Anchialenser  Archonten  Michail  Kantakuzenos  (f  1578),  dessen 
Nachkommen  noch  in  Rumänien  und  Russland  leben.  Ausser  einigen 
Münzen  OuXTiiavuJv  'Af\m\iüJV  aus  dem  2.  und  3.  Jahrhundert  sah 
ich  auch  vier  Inschriften : 

1.  In  der  Kirche  Xu|)itüiu£v»i  im  Inneren  rechts  eingemauert 
ein  Marmorstein,  ()'27  h.,  094  br.,  mit  schönen  Zügen: 

AYTOKHATOHA  KAIC  aTaTTTTTTT;".  UN  E  I  N  (_ 
TONAPABIKONAAIABHNIKONnAl'GlKONNVEr 
BOYAHKAlOAAJWni'OTATOCAHVIOCOYAniAHVNArX 
*A  KAAYAIANOY 

AuT()KpdT()|)a  Kairfap«  |M.  Au().  'AvT]ujvfciv()|v  Euaeßfi  leßaajTÖv 
'ApußiKÖv  'AbiaßnviKÖv  nu()0iK6v  |Lief|iaTov  r\]  ßouXii  Kai  o  XajLiTrpoTaToq 
bfiyioc,  OuXTTiavÜJV  'ATx[iaXeuuv  biu  (?)]  0X(aouiou)  KXuubiavoö. 


173 

2.  Ebendaselbst  ein  antiker  Altarstein ,  von  aussen  einge- 
mauert, 6  Cm.  hohe  Buchstaben  : 

A  I  I  O  A  Y  M  All    '0\U|U- 

n  I  a  muj. 

3.  Ebendaselbst  im  Inneren  freistehend,  044  h.,  beschädigt •^'^•'^): 

A  H  Y  ^'  1 2  II  A  E  Z  '/' 

r  H  n  o  A  Y  n  p  o  zw 

mONTE  II  N  UU  N  K  A  I  Z 
AYT  O  YEYXAPIS:^ 
P  lO  N 

4.  In  der  griechischen  Schule,  Stück  eines  Basreliefs,  darauf 
ein  Mann  in  Toga,  darunter: 

HAA'EI  A 

/ypüaYAOC       mit  kleiner  Schrift  auf  dem  Sockel 

YAEYTAI 

tenoyi: 
.  .  .  .[A]up(^ii\iO(;)   rfauXüc;    ...    IßojuXeuTai  ...  -[evovq. 

Ungefähr  15  Kilometer  nordöstlich  von  Anchialos  liegt  die 
uralte  Colonie  der  dorischen  Byzantiner  und  Chalkedonier,  das  im 
Mittelalter  als  Grenzfestung  des  romäischen  Reiches  am  Haemus, 
als  wichtigster  Hafen  des  oberen  bulgarischen  Gebirgslandes  und 
als  Zankapfel  der  Byzantiner  und  Bulgaren  berühmte  Mes  emb  ria, 
dessen  Geschichte  ein  ganzes  Buch  füllen  könnte.  Nur  wenige 
Wochen  vor  der  Eroberung  von  Constantinopel,  im  Februar  1453, 
fiel  Mesembria  mit  dem  nahen  Anchialos  in  die  Hände  der  Osmanen. 
Die  Lage  ist  ganz  eigenthüralich.  Die  rothen  Ziegeldächer  der 
Stadt  stehen  dicht  beisammen  auf  einer  am  Rande  an  12  M.  über 
dem  Meeresspiegel  emporragenden  und  im  Innern  noch  höheren 
Felsinsel,  welche  mit  dem  Festland  nur  durch  einen  ungefähr  vier 
Minuten  langen,  bei  Seestürmen  oft  überflutheten ,  engen  und  nie- 
drigen Isthmus  zusammenhängt  (t6  cttcvov,  ev  iIj  fi  eicTßoXri  des 
Kantakuzenos  III.  362).  In  der  Mitte  des  vielleicht  künstlich  ge- 
schaffenen Isthmus  bemerkt  man  an  einer  Biegung  eine  Stelle,  auf 


[32<v^  Ali  ÜHji(j[TUj]  i[T:ÖTi]Tr[  (?)  TTo\ü[ßi]oc;  [rjuiv  Te[K]vaiv  Kai  [^JauToö 
eiiXapiOTvipiov  vergl.  Hesych.  'Ettötttvi^"  Zeüc;  und  Apollon.  Rhod.  II  1123  —  33, 
„bei  dem  in  höchster  Noth  um  Beistand  gelieht  wird"  Welcker  Götterlehre  II  185. 

O.  B.] 


174 

welcher  noch  1829  ein  isolirter  Thurm  gestanden  hat.  Am  Ein- 
gan}^  in  die  Stadt  erheben  sich  die  Reste  einer  alten,  aus  weissen 
Quadern  errichteten  rruXn ,  ebenso  wie  sich  an  vielen  Stellen  des 
steilen  Inselufers  grosse  Stücke  der  aus  Lagen  von  Stein  und  Ziegel 
gefügten  Ringmauer  erhalten  haben.  Die  alte  Akropole  der  Me- 
sembrianer  befand  sich  über  dem  felsigen  Ostcap  der  Stadt,  wo 
im  Mittelalter  ein  Kloster  toO  XiuTfipoq  XpicfroO  toO  'AkpottoXitou 
stand  {Acta  patr.  I  502;  Tl.  37),  jetzt  eine  Kirchenruine  Xpic!"TÖ(; 
'AKpoTiipioq.  Heute  ist  die  denkwürdige  Stadt  halb  verfallen  und 
vergessen.  Es  gibt  hier  keinen  Sitz  der  Behörden,  keine  Post-  und 
Telegraphenstation,  ja  nicht  einmal  einen  Arzt.  Die  Einwohner  (413 
Häuser  mit  1922  Einw.) ,  sämmtlicli  Griechen,  leben  von  Fischfang 
und  Weinbau  auf  der  nahen  Küste,  oder  als  Krämer  in  den  Balkan- 
dörfern. Der  Holzexport  aus  den  Wäldern  des  Balkan,  der  noch 
unlängst  die  an  der  Südseite  der  Stadt  befindliche  Rhede  belebte, 
ist  eingegangen.  Die  Mehrzahl  der  Einwohner,  darunter  die  ersten 
Familien  der  Stadt,  ist  nach  1829  in  die  Donaustädte  i Galatz. 
Braila),  nach  Südrussland  u.  s.  w.  ausgewandert,  und  seitdem  hört 
die  Emigration  nicht  mehr  auf. 

Der  merkwürdigste  Ueberrest  aus  der  Vergangenheit  sind 
zehn  byzantinische  Kirchen,  zum  Theil  bereits  in  Ruinen.  Kanitz 
hat  sie  zuerst  beschrieben  und  abgebildet^').  Manche  davon  sind 
auch  aus  byzantinischen  Urkunden  des  14.  Jahrhunderts  bekannt. 
Viele  enthalten  antikes  Baumaterial,  das  man  auch  bei  der  un- 
vollendeten Hauptkirche  sehen  kann;  die  frommen  Mesembrioten 
hatten  nämlich  an  den  schönen  byzantinischen  Kirchenbauten  nicht 
genug  und  begannen  ein  neues  stilloses  Gotteshaus  zu  bauen,  das 
aber  wegen  Geldmangel  unvollendet  dasteht.  Da  gibt  es  Säulen 
und  Säulenstücke,  canellirt  und  glatt,  schöne  jonische  und  korin- 
thische Capitäle  mit  Voluten  und  Akanthos  u.  s.  w.  Die  hiesigen 
Inschriften,  die  man  bei  Boeckh  (n.  2053  sq.)  liest,  sowie  einige 
Basreliefs  und  Statuen  wurden  1829  von  den  Russen  nach  Peters- 
burg  weggeführt,    und  in  Mesembria   sind   nur   die    durch  Heraus- 


^•^)  Der  französische  Coiisul  zu  liurgas  ,  Herr  Desclonx,  besitzt  eiue  Samm- 
liiii!^  vorzüglicher,  von  ihm  selbst  ausgeführter  Photographien  aus  rliesem  ganzen 
Kiistenlande,  denen  ich,  saninit  seinen  geologischen  Aufnahmen,  eine  baldige  Pu- 
blicatiou  wünsche.  —  Situafonspläne  von  Sozopolis,  Anchialos  und  Mesembria,  sowie 
von  Vama,  Balöik  unJ  Kavarna,  siehe  im  Atlas  zu  Moltke,  Der  russisch-türkische 
Feldzug  in  der  Euro)..  Türkei    1828  u.   1829.   Berlin   184.0. 


I 


175 

nähme  dieser  Stücke  entstandenen  Lücken  in  den  Mauern  zu  sehen'*'*). 
Mir  konnte  man  nur  zwei  antike  Inschriften  zeigen.  Die  eine  im 
Pflaster  der  Kirche  'A-fia  TiapaOKem]  vor  dem  Altar,  ist  ein  zer- 
schlagenes Basrelief  einer  sitzenden  Person  [Aphrodite?].  019  h., 
0'33  br.,  darunter  die  Aufschrift : 

;////POTIMo5:  HPAKAEIAAS  //// 
]nPOMA0IfiNA  //////////// 
JmaTPOEi  oZ   //////// V//// 
lAPTEMlAnPoZ  APTEM  ///// 
5      iEPMOAjQPOXX  /////////// 
'A,.,Anp.,XH  //////////// 
(TAHIAPXHZA  ///////// 


A  *  P 


OAIT  /////////////// 


[njp6Tifao(;  'HpaKXeiba«;  ...  ]  TTpo)Lia9iuuv  A |  MaTpö[ß]iO(;? 

!  'ApTe|Lubujpo<;  'Apteu |  'Epjuöbujpot;  X |  Aiobuupoq  H 

I  TaHiapxncra[vT6<;   . . .]  'AcppobiT[)3. . . . 

Das  zweite  Stück  (0*29  h.,  0-28  br.),  gleichfalls  mit  der  Spur 
eines  Basreliefs,  liegt  im  Fussboden  der  Vorhalle  zur  Kirche  "Ajwq 
'luudvviiq : 

ANNIONrYNAnANXAPEOJCXAIPE 
nAPMENANnANXAPEOS  XA  I  PE 
MATPlZnANXAPEOZ  XA  I  P  E 
OINIAXDANXAPEOZXAIPE 

"Avviov   Tuvd  TTavxdpeoc;    x«ipe-  '  TTap)uevuJV  rTavxdpeoq  xctTpe.  | 
Maipiq  Uavxäpeoq  xaxpe.  |  Oiviaq  TTavxdpeoq  X«ipe- 

Von  mittelalterlichen  und  neueren  Denkmälern  sind  erwähnens- 
werth  die  lange  Aufschrift  auf  einem  Bilde  in  der  IMetropolitan- 
kirche  (14.  Jahrh.),    Inschriften   über   Erneuerung    der   Kirchen  im 


^*)  Die  Ueberführung  der  Alteithümer  aus  dem  oecupirten  Gebiete  leitete 
Viktor  Tepljakov,  dessen  Briefe  aus  Bulgarien  (Pisma  iz  Bolgarii),  allerdings 
mehr  belletristischen  als  archäologischen  Inhalts,  in  Moskau  1833  (8°.  210  pp.) 
erschienen  sind;  eine  Fortsetzung  mit  Briefen  aus  Euraelien  (cf.  p.  XV)  ist,  so 
viel  ich  weiss,  nicht  publicirt  worden.  Die  ganze  Ausbeute  zählte  (nach  p.  VIII) 
36  Marmorstücke  mit  Inschriften  und  Basreliefs,  89  Münzen,  2  Vasen  aus  Sozopolis, 
einen  Amor  aus  Bronze,  sowie  eine  weibliche  Büste  und  einen  Sarkopliag,  sämmt- 
lich  aus  Anchialos. 


176 

16.  und  17.  Jahrhundert  (darin  erwähnt  die  hiesigen  Archonten- 
familien  der  KavTaKou2)ivoi  und  KaTTTiaboÖKa) ,  und  eine  Grabschrift 
aus  dem  Jahre  1441  (6950),  also  aus  den  letzten  Jahren  des  byzan- 
tinischen Reiches,  in  der  Kirche 'AvdXiiqjK;  auf  einer  1*93  1..  0'92  br. 
Marmorplatte  im  Fussboden  vor  dem  Altare,  mit  6  Cm.  hohen 
Buchstaben''^). 

Die  Aussicht  aus  der  meerumschlungenen  Stadt  auf  das  Fest- 
land ist  durch  die  Abwechslung  verschiedener  Farben  sehr  male- 
risch. Jenseits  des  tiefblauen  Meeresspiegels  sieht  man  am  Strande 
eine  Reihe  blendend  weisser,  vegetationsloser  Sandhügel  von  be- 
deutender Höhe  und  Ausdehnung  aus  ganz  feinem  beweglichem 
Meeressand ;  dahinter  liegen  die  hellgrünen  Weinberge  der  Mesem- 
brioten  bei  dem  Landungsplatze  (ohne  Häuser)  'Ayi«  "Avva  und  dem 
kleinen  Dorfe  (42  Häuser,  Griechen)  "Afio^  BXäüioc,  (türk.  Kücük 
Monastir) ,  wo  sich  im  14  .Jahrhundert  ein  Kloster  des  hl.  Blasius 
befand  (Acta  pafi\  11.  37),  überragt  von  den  Wäldern  des  kaum 
500  M.  hohen  „Emine-Balkan",  in  denen  sich  die  gelben  Saaten  des 
St.  Eliasberges  und  die  Windmühlen  des  griechischen  Dorfes  E'mon 
am  steilen  äussersten  Cap  des  Haemusgebirges  bemerkbar  machen. 
Zahlreiche  Reste  von  Klöstern  und  Capellen  zeugen  von  den  Ere- 
miten, die  im  Mittelalter  auf  diesen  Höhen  bis  zur  damaligen  Burg 
Emmona  zu  hausen  pflegten.  Südwärts  sieht  man  bis  über  Sozo- 
polis  hinaus.  Einige  historisch  denkwürdige  Stellen  liegen  näher 
bei  der  Stadt.  Am  Westende  des  Isthmus  stehen  zwei  Schöpf- 
brunnen, welche  die  sonst  nur  mit  Cisternen  und  schlechten  Quellen 
versehene  Stadt  mit  Trinkwasser  versorgen.  Im  Mittelalter  ging  es 
den  Mesembrioten  nicht  anders;  nach  Kantakuzenos'  Beschreibung 
ubpeuovTO  QU  TToXi)  aTToOev  if\c,  Txö'Ke^iJC,  ek  TivO(g  TTr|Yii<;,  ausser  bei 
Belagerungen ,  wo  sie  ToTq  e'vbov  übaaiv  expuJVTO ,  öXixoig  xe  Km 
q)auXoi^  oüaiv.  Zwischen  der  Stadt  und  dem  Balkan  mündet  ein 
Bach,  jetzt  Hadzi  Der6  genannt,  welcher  an  der  Mündung  einen 
grossen,  mit  Schilf  überwachsenen  Sumpf,    Xi)nvn  Kapbi(;  genannt, 


^^)  Zu  lesen :  f  'GKOi,ur]er|  i'^  bovXu  toö  0eoO  MutBuIo«  KaxaKOuCiv»^  TTaXaioXo- 
•fiva  erouc;  s'-ou  7^'-ou  v'-ou  |ur|vl  No€|Li(ßpiuj)  [rivb|(iKTiü)voO  e' f  (6050  ind.  "V  = 
1.  Sept.  1441  bis  1.  Sept.  1442).  Vgl.  einen  AiiiiinTpiot;  TTaXaioXoYOc;  ö  KavxaKOuZrivö^, 
eEcibeXcpoc;  des  Kaisers  Joannes  Vllf.  1442,  Acta  tjraeca  III.  215;  nicht  zu  votweeliseln 
mit  des  Kaisers  Bruder  Deinetrios  ,  der  eben  zu  derselben  Zeit  sieh  in  Mesombria 
als  Usurpator  behauptete  und  den  dort  im  Jänner  6950  (1442)  Phrantzes  {Chronicon 
7Hai:ii  p.    1'J4)  als  (gesandter  d(!.s  Kaisers  aut'suehte. 


177 

durchfliesst.  An  seinem  oberen  Laufe  liegt  ein  türkisch-bulgarisches 
Dorf  Ach li,  dessen  Namen  an  den  mittelalterlichen  'A  x  e  X  uj  o  c; 
TxoTajJLÖc,  erinnert  (Theoph.  Cont.  187),  an  welchem  in  der  Nähe 
von  Mesembria  der  bulgarische  Fürst  Symeon  917  einen  blutigen 
Sieg  über  die  Romäer  erfochten  hat.  Ich  hörte,  eine  Stelle  an  der 
Nordseite  jenes  Sumpfes  heisse  noch  KoKaXou,  wegen  der  vielen 
dort  ausgegrabenen  Knochen. 

Von  Mesembria  nahm  ich  meinen  Weg  über  den  Balkan  nach 
Varna  und  zwar  auf  der  auch  für  Wägen  brauchbaren  Fahrstrasse, 
welche  (mit  dem  Telegraphen)  den  niederen  Hauptkamm  des  Ge- 
birges nördlich  von  Koparani  und  Gülevca  in  dem  sogenannten 
A  k  b  0  a  z  (türk.  „weisser  Pass")  ,  an  dem  südwärts  abfliessenden 
Akder6,  bulg.  Bjala  Reka  („weisser  Fluss")  überschreitet. 
Nach  einem  schroffen  Aufstieg  von  einer  halben  Stunde  erreicht 
man  den  Kamm  mit  verfallenen  türkischen  Schanzen,  von  denen 
sich  eine  prachtvolle  Aussicht  auf  den  Golf  von  Burgas,  die  Küsten- 
ebene von  Anchialos  und  die  ganze  Pontusküste  bis  zu  den  gleich 
weissen  Nebelstreifen  über  der  See  aufsteigenden  Felsufern  von 
Balcik  eröffnet.  Links  liegen  die  alten  bulgarischen  Dörfer  Erkec 
und  Gulica  (türk.  Sudzular).  Gegen  Norden  breitet  sich  ein  wal- 
diges, sehr  spärlich  bewohntes  Hügelland  aus,  durchschnitten  von 
drei  zum  Pontus  führenden  Flussthälern:  dem  Fluss  von  Gözeke 
(Grenze  zwischen  Bulgarien  und  Rumelien),  der  starken,  zwischen 
sumpfigen  Wäldern  fliessenden  Kamcija  (P  a  n  y  s  u  s  des  Alter- 
thums)  und  dem  bei  Varna  mündenden  Flusse  von  Pravadia.  Der 
Abstieg  zum  bulgarischen  Zollposten  in  Aivad/ik  führt  durch  aus- 
gedehnte dichte  Eichenwälder,  die  noch  ganz  an  die  poetische  Be- 
schreibung der  Haemuswälder  bei  Theophylaktos  Simokattes  (ed. 
Bonn.  89)  erinnern. 

Ueber  diesen  Theil  des  Haemus  führten  nach  dem  Zeugniss 
der  römischen  Itinerarien  zwei  Strassen,  deren  Spuren  sich  nebst 
den  dabei  befindlichen  Passbefestiguugen  noch  gut  verfolgen  lassen: 
die  Küstenstrasse  von  Mesembria  über  Templum  Jovis  nach  Odessus 
(Varna)  und  die  Linie  Anchialus -Marcianopolis  (Devna).  An  der 
ersteren  östlichen  Linie  steht  nach  meinen  Erkundigungen  im  Walde 
zwischen  Jeniköi  und  Gözeke  eine  „Kapia" ,  d.  h.  eine  Mauer  mit 
Thor.  In  der  Nähe  liegt  an  einer  Stelle,  wo  das  einförmige  Grün 
der  steilen  Küste  von  schmalen  weissen  Stranddünen  unterbrochen 
ist,  das  Dorf  Gözeke  (oder  G  j  6  z  e  k  e),  an  der  Südseite  über- 
ragt   von    den    Ruinen    einer  Burg,    dem    Kozjak    des   späteren 

Ärchäologisch-eyigrapliischo  Mittli.    X.  j.2 


178 

Mittelalters  (Ko2eaKO(;  der  Byzantiner,  Cossacho  des  venetianischen 
Geographen  Negri).  Weiter  gegen  Norden  sollen  bei  Arnautlar 
40 — 50  Schritt  lange  Stücke  eines  gepflasterten  Weges  in  der  Rich- 
tung gegen  Varna  verlaufen. 

Die  andere  westliche  Linie  passirte  zwischen  Aivadzik  und 
Gulica  bei  dem  (rumelischen)  Dorfe  Karamandza  eine  Pass- 
sperre mit  Thürmen  und  Thoren,  welche,  nach  der  Entfernung  von 
Anchialus  und  vom  Panysus,  mit  den  Scatrae  des  Alterthums 
{It.  Ant.,  Tab.  Peut.)  identisch  ist.  Ich  habe  diese  Bauten  in  der 
Eile  nicht  besuchen  können,  Herr  Consul  Brophy  aber,  der  die 
hiesigen  Wälder  auf  Jagdausflügen  in  allen  Richtungen  durchstreift 
hat,  beschreibt  sie  ganz  klar  als  „some  very  perfect  remains  of  a 
Roman  tvall,  in  icMch  may  still  he  fraced  the  gute  and  flank  in  g  towers'^  ^'''). 
Die  bulgarischen  Zollwächter  von  Aivadzik  wollten  wissen,  die 
Mauer  gehe  von  Karamandza  durch  die  Wälder  bis  zum  (15  Kilom. 
entfernten)  Meere,  eine  Combination,  welche  eine  Verbindung  der 
Sperrforts  an  beiden  alten  Wegen  voraussetzt.  Das  sind  die  TTuXai 
Toö  Aijuou  südlich  von  Marcianopolis,  im  5.  Jahrhundert  erwähnt 
von  Malchus  (frg.  15).  Von  hier  führen  die  Trümmer  einer  ge- 
pflasterten Strasse  mit  einigen  Castellen  über  Dzeferli,  Gebes 
und  die  Kamcija  bis  Sultanlar  (an  der  Eisenbahn  Ruscuk- Varna) 
nahe  bei  Devna. 

Die  neu  aufblühende  Hafenstadt  Varna  (an  25.000  Einw.) 
hat  noch  viele  Reste  des  alten  Odessos  bewahrt.  Ein  grosser 
Theil  des  antiken  Baumaterials  ist  allerdings  in  den  neuen  türki- 
schen Festungswerken  verbaut;  indessen  findet  man  bei  jeder  Grund- 
aushebung im  Innern  der  Stadt  stets  antike  bearbeitete  Steine,  wie 
z.  B.  auf  dem  Hofe  des  neuen  Hotel  St.  Petersburg  neu  ausge 
grabene  jonische  und  korinthische  Capitäle  feiner  Arbeit  mit  canel- 
lirten  und  glatten  Säulenstümpfen  zu  sehen  sind.  Es  fehlt  auch 
nicht  an  ausgedehnten  alten  Kellerräumen.  Von  der  mittelalter- 
lichen Stadtbefestigung  steht  noch  ein  ungefähr  8  Meter  hoch  auf- 
ragendes Stück  eines  festen  Thurmes  aus  grossen  Steinquadern  und 
Backsteinen  in  wechselnden  Lagen  zu  je  vier  Reihen,  nahe  bei  der 
höchsten  Stelle  des  Niveaus  der  inneren  Stadt,  zwischen  den  Höfen 
einiger  Privathäuser  bei  der  griechischen  Kirche  des  hl.  Georgios. 
Der  Thurm  gehörte  wohl  zur  Nordfront   der   ursprünglichen  Akro- 


^*)  St.  Clair  anil  Cli.  A.  Hrophy,    A    residencc   in    Bnlijai-ia ,    London    18G9, 
!>.  50  Anm. 


i 


179 

polis,  die  sich  auf  einer  Erhöhung  über  dem  steilen  Ufer  des  nörd- 
lichen Stadttheiles  befand.  An  Inschriften  sah  ich  in  der  Residenz 
des  griechischen  Metropoliten  an  15  griechische  Grabsteine,  zum 
Theil  mit  Basreliefs.  Die  Herren  der  griechischen  Gemeinde  zeigten 
mir  auch  gelungene  Photographien  dieser  Stücke  und  bemerkten, 
sie  wollten  ihre  Sammlung  in  einem  eigenen  Buche  über  Varna 
publiciren.     An  anderen  Orten  copirte  ich  folgende  Inschriften : 

1.  Frisch  ausgegraben  in  einer  Ziegelei  zwischen  alten  Gräbern, 
am  südwestlichen  Rande  der  Stadt,  nahe  am  Abfluss  des  Sees  von 
Devna,  1884  im  Gasthaus  des  H.  Kasabov,  eine  Steinplatte,  0*51  h., 
0*39  br.,  0  05  dick,  oben  zugespitzt.  Darauf  mit  kleinen  unregel- 
mässigen Schriftzügen  die  Grabschrift  eines  apamenischen  Kauf- 
manns vom  Jahre  557  nach  Chr.,  bemerkenswerth  für  die  Geschichte 
des  syrischen  Handels  in  der  spätrömischen  Zeit^^'*): 

t  X  Aipe  ni  exe  n  AP  o 

AITAAANIHAO 
THCMAKAPIACMNH 
MHCYIOCHAIOAUJP8 
5         AHO  KUJMH  CT  APOYTI 

ACeMnOPUJNTHCAnAME 
UUNGNOPlACZHCACeNC 
UJ4>POCYNHGTHSr6NXUJ 

eTeAia)0HMOKTuuBPi8 

10        KINA'SH'zBACIAeYONT 

OCIOYCTlNIANOYTAAerO 
YC  t       t       t 

2.  Ebendaselbst  ein  Fragment: 

A  Y  O 
E6Y*H 


l^^")  t  XaTpe  -rriöT^  irapoöiTa.  Aavir)\  6  Tr\c,  inoKapia^  luvrmnc,  »iöc;  'H\io- 
öujpou  dtiTÖ  Kuü|nr|^  TapouTiaq  6|uiTÖpuüv  Tr\(;  'ATTUfaeuuv  evopiac;  Zr]aac,  ev  Guuqppo- 
o()vr\  exr)  £•(■'  ev  X  piar)*  eTe\ia)0ii  |Li(ri)v(ö(;)  'OKXuußpiou  k  ivb(iKTiujvo(;)  ?'  f|  Z', 
ßaöi\6ÜovTO(;  'louöTiviavoO  toö  \a'  CTOuq  fff .  Es  ist  wohl  der  October  des  Jahres 
557  11.  Chr.  zu  verstehen,  der  in  das  31.  Jahr  Justinians  (1.  April  557  —  31.  März 
558)  und  das  6.  Indictionsjahr  (1.  September  557  —  31.  August  558)  fällt.  Sonderbar 
aber  wohl  sicher  ist  der  Ausdruck  des  Zweifels,  ob  derzeit  das  6.  (s)  oder  das  7. 
(^Z')  Indictionsjahr  läuft.     E.  B.] 

12* 


180 


3.  In  der  bulgarischen  Staatsrealschule,  0'41  h.,  0*31  br. 


//////////a-var>--ro 

////////// CON.WX 
/////  A  V  b  V  S-  -R  O  S  M  VS  •  F  •    I 
/////oR\M  •  H  •  S -S-     leer 
5  CLAVbiVS  •  VARIVS  •  TROhNiVS 

//V/////////7///1X-   PATER 

Etwa:  ...a  Vari  Tro[phimi]  conntnx;  [Cl\audius  Trolphi]m.us 
f{ilius)  {e\orum  h{ic)  s{iti)  s(unt).  Claudius  Varius  Trophimus  [infel]ix 
pater. 

4.  Ebendaselbst  ein  Basrelief,  0*75  h.,  052  br.,  ein  Mann  auf 
einem  Ruhebett,  daneben  eine  sitzende  Frau  und  drei  Kinder, 
darüber: 

AIorEISHSZnnYPinNoZKAIHrYNH 
raANAEAAHNw/GYrATHPKAIHETEPA 
////  r  O  Y  0  H  0'E  1  2  A  Z  K  A  H  n  I  A  A  O  Y  0  Y  r  A  T/ffl 

AioYevr|(;  ZuuTTupiujvo^    Kai  r]  jvvx]   [auioö  Njdva  "EX\riv[o^]   6u- 
ydnip  Ktti  f]  eie'pa  [jvvy\  auTJoO  (ii  beiva)  'AaKXiiTTidbou  6uTdT[rip. 
Unter  dem  Basrelief:  xaipete. 

5.  Ebendaselbst,  0  6  1.,  0*29  h.,  entzweigeschlagen^  darunter 
ursprünglich  ein  Basrelief: 

«AFEAAAS   •  ZWIAoY  •   KAI  HrY>H 
//«EAYTOY  -MAMA-MHPoAWH  •XAIPE'E 

. . .  'AulWac,  ZuuiXou  Kai  f]  juvr)  ....  eauiou  Majua  Mr|Tpobuupou 
Xaipeie. 

Auf  einem  der  Inschriftsteine  in  der  Metropolie  las  ich  einen 
ähnlichen  Namen:  'AneXkac,  Zevwvoq  Kai  fi  yuvii  auToO  r\uKUTri(; 
Xaipeou  xctipcTtti. 

Die  Küste  von  Varna  nordwärts  bis  Kaliakra  zerfällt  in  zwei 
Theile.  Zuerst  folgt  oberhalb  der  Weinberge  der  Stadt  ein  gerad- 
liniger dicht  bewaldeter,  zur  See  steil  abfallender  Höhenrücken,  un- 
gefähr vier  Stunden  lang,  mit  der  Hauptrichtung  von  S.  nach  NNO. 
Bei  Ekrene  fällt  das  Gebirge  ab  zu  dem  ungefähr  3  Kilom.  breiten, 
sumpfigen,  von  dichtem  Wald  mit  üppigem  Unterholz  bewachsenen 
Mündungsgebiet  des  Flusses  von  Batova.  Von  dort  wendet  sich 
die  Küste  mit  einem  kleinen,  landeinwärts  gekehrten  Bogen  nach  \\ 
Ost  und  besteht  auf  fünf  Stunden  Weges  aus  hohen  weisslichen 
Schieferfelsen,    über   denen  sich  oben  die  steppenartige  Ebene  der 


181 

Dobrudza  ausbreitet.  Gute  Zufahrten  abwärts  zur  See  gibt  es  nur 
an  zwei  Stellen,  welche  durch  die  Städte  Balcik  und  Kavarna  be- 
zeichnet sind.  Das  Felsenufer  endigt  an  dem  Cap  Kaliakra,  um 
sich  dort  wieder  nach  NO.  und  N.  zu  wenden.  Auf  diese  Weise 
entsteht  in  dem  Winkel  zwischen  den  waldigen  Höhen  der  West- 
seite und  dem  steilen  Ufer  der  Nordseite  ein  Golf,  der  bei  Balcik 
eine  geschützte  Rhede  besitzt. 

Ein  Ausflug,    den  ich  in  Begleitung  eines  guten  Kenners  der 
Gegend  und  ihrer  Alterthümer,  des  Herrn  Schulinspectors  M.  Radi- 
vojev,  in  diese  Küsteulandschaft  unternahm,  blieb  nicht  ohne  archäo- 
logische Ausbeute,  obwohl  die  Russen  1829  und  im  Krimkriege  die 
Franzosen  manches  Denkmal  weggeführt  haben.     Der  nächste  Ort 
von  Varna  aus  ist  Koste ric,    mit  Resten    eines  Klosters  (Aladza 
monastir)  und  einigen  Höhlenkirchen.     Wir  Hessen  dasselbe  rechts 
und  erreichten  in  drei  Stunden  (zu  Wagen)  eine  Ansiedelung,  die 
früher  als  Tscherkessendorf  Azizie  hiess  ,   jetzt   aber    (seit  1879) 
von  Bulgaren  aus  der  Gegend  von  Vaisal  bei  Adrianopel  bewohnt 
ist  und  Dispudak  (403  Einw.)   genannt   wird^').     An  der  West- 
seite des  Dorfes  liegen  im  Thalgrund  die  Ruinen  eines  viereckigen, 
an  jeder  Seite  40  Schritt  breiten  Castells  mit  Rundthürmen  an  den 
Ecken,  wovon  die  2  M.  starken  steinernen  Mauern  zum  Theil  bis 
über  Mannshöhe  aufrecht  stehen;    dasselbe   bildet  jedoch  nur  eine 
(östliche)    Flanke    einer    grösseren    polygonalen    Burg    mit    sieben 
sämmtlich  je  50  Schritt  langen  Seiten.    Im  Innern  der  Burg  lieo-en 
die  Substructionen  einer  kleinen  Kirche;  man  fand  dabei  metallene 
Kreuze,  Thongefässe  u.  s.  w.    Halbverwilderte  Weinreben  bedecken 
die  nahen  Abhänge,    die   erst   seit  Kurzem  wieder  bebaut  werden, 
denn  vor  der  Anlage  des  Tscherkessendorfes  (1864)    war  hier  nur 
eine  Waldwüste.     Auf  einem  der  vielen  Brunnen    bei    den  Ruinen 
sah  ich   eingemauert   einen  Grenzstein    der  alten  Odessitaner,    mit 
schönen,  lO'ö  Cm.  hohen  Schriftzeichen: 

foDES  S 


'')  Azizie  ist  auf  der  Karte  vou  Kanitz  angegeben.  Der  Ort  fehlt  auf  der 
österr.  Generalstabskarte;  er  liegt  zwischen  Dzeferli  und  Ekrene,  südlich  von 
Geikciküi,  südwestlieh  von  Ekrene. 


182 

Eine  Steinplatte  wurde  von  hier  nach  Varna  gebracht,  aber 
man  konnte  sie  dort  nicht  finden,  um  sie  mir  zu  zeigen;  eine  Ab- 
schrift des  H.  Radivojev  bietet  Folgendes : 

i  [Wohl  Xp(iaTd^). 

T  UJN  A  E  K  TUJV    beCT- 

rpoTUUNH  [ttJotüjv  r\- 

JViUJNAPhOA  |UUJV   'Ap[K]a- 

5        AUJKAhONHPH  [blOU  K]a[rO]v[uj]p[iou] 

A  Y  E  o  Y  E  Au[Y]oii[(TTajv].   E.  B.] 

Im  Osten  ist  der  Ort  überragt  von  dem  Nordende  des  oben 
erwähnten  Küstengebirges,  auf  dessen  Kamm  im  Walde  eine  Burg- 
ruine liegt,  angeblich  viel  grösser  als  das  Polygon  von  Dispudak, 
mit  drei  Ellen  dicken  Mauern.  Die  Einwohner  von  Dispudak,  Ekrene, 
und  Balcik  nennen  dieselbe  Hacuka,  die  von  Kesteric  aber 
Kestric-kalessi.  Am  Fusse  des  Berges  bemerkt  man  am 
Rande  des  Batovadeltas  die  wenigen  Häuser  des  armseligen  Strand- 
dorfes Ekrene  (287  Einw.).  Als  Castri,  Castrigi  wird  die 
Burg  auf  allen  italienischen  Seekarten  des  14.  und  15.  Jahrhunderts 
erwähnt.  Das  unten  liegende  C  r  a  n  e  a  ist  nur  in  einem  Portulan 
vom  Jahre  1408  verzeichnet;  dagegen  wird  es  als  KaaxeXXiov  von 
Varna  einigemal  in  byzantinischen  Urkunden  genannt,  in  denen  wieder 
Castri?!  fehlt,  und  zwar  erscheint  es  dort  in  Gesellschaft  eines 
zweiten,  ganz  ähnlich  lautenden  Namens:  fi  Kpavea  und  id  fepdvia 
um  1320  Acta  patr.  I  95,  Trjq  Kpavea(;  Kai  tujv  fepaviuuv  1370  ib.  I  528. 
Dieser  zweite  Ort  wird  bereits  im  Alterthum  erwähnt,  bei  Plinius 
k.  n.  IV  §.  44:  Gerania,  tibi  Pi/gmaeorum  geiis  fuisse  dicifur  (zwi- 
schen Dionysopolis  und  Odessus).  An  Krunoi  =  Dionysopolis 
ist  nicht  zu  denken,  da  dieser  Ort,  wie  ich  zeigen  werde,  nach 
Balcik  zu  verlegen  ist.  Castrigi  war  offenbar  die  Burg  auf  der 
Höhe,  Kranea  der  Landungsplatz  an  dem  Fusse  des  Berges  (jetzt 
Ekren^)  und  Gerania  vielleicht  das  polygonale  Castell  von  Dispudak. 

In  dem  folgenden  Thale  des  Batovaflusses  liegt  oberhalb  des 
Sumpfes  ein  berühmtes  türkisches  Derwischkloster  (Tekki;)  mit  dem 
Grabe  eines  muselmännischen  Heiligen,  welcher  als  Akjazyly  Baba 
bei  den  Türken,  als  St.  Athanas  bei  den  Christen  eine  grosse  Auto- 
rität besitzt  und  von  Christen  und  Mohammedanern  besonders  zur 
Entdeckung  von  gestohlenem  Vieh  angerufen  wird.  An  dem  soliden 
Gebäude  des  Tekkd's  aus  gut  zubehauenen  Quadern  und  unter  den 


183 

nahen  Gräbern  (am  Brunnen  eine  glatte  Marmorsäule  u.  s.  w.) 
verräth  sich  sofort  die  Benützung  antiken  Baumaterials.  Dasselbe 
stammt  aus  der  Nähe,  aus  dem  westlich  im  Batovathal  in  der  Thal- 
sohle selbst  liegenden  Alaklissd  (141  Einw.) ,  wo  sich  die  Sub- 
struetionen  eines  grossen,  an  100  Dönüm's  (zu  40  X  40  Schritt)  um- 
fassenden Mauerquadrats  mit  zahllosen  Ziegelfragmenten  befinden. 
Mein  Begleiter,  der  den  Ort  besucht  hat,  sah  dort  keine  Inschriften 
und  bemerkte  mir,  die  Mauern  seien  besonders  bei  der  Errichtung 
des  Tscherkessendorfes  Tekkd  bei  dem  Derwischkloster  sehr  stark 
weggeräumt  worden. 

Der  weitere  Weg  von  Tekkö  nach  Balcik  führt  dreiviertel 
Stunden  längs  der  waldigen  Sümpfe  des  Batovadeltas  und  sodann 
eine  Stunde  durch  eine  anmuthige  schmale  Küstenlandschaft.  Links 
ragen  die  weissen  Uferfelsen  mit  mannigfaltigen,  bizarr  geformten 
Vorsprüngen  steil  empor,  rechts  breitete  sich  der  ruhige  Meeres- 
spiegel bis  zum  fernen  Cap  Emind  aus.  Der  kleine,  gegen  Nord- 
winde gut  geschützte  Küstensaum  dazwischen  ist  voll  schöner  Wein- 
berge mit  dichten  Hecken  üppiger  Buschpflanzen  und  vielen  Quellen, 
durchschnitten  von  einigen  aus  der  Felsmauer  hervorbrechenden 
Bächen,  an  denen  einige  Mühlen  klappern.  Balcik  (680  Häuser 
mit  3845  Einw.)  hat  eine  ganz  eigenthümliche  Lage  auf  dem  steil 
abschüssigen  Boden  eines  nicht  sehr  breiten  Thaies ,  das  von  dem 
Plateau  der  Dobrudza  zum  Seeufer  hinabführt.  Die  Hauptstrasse 
steigt  vom  Landungsplatz  in  Serpentinen  steil  hinauf  zu  den  luftigen 
obersten  Stadtvierteln.  Der  Sage  nach  soll  die  Stadt  in  früherer 
Zeit  durch  Erdbeben  und  Erdabrutschungen  gehtten  haben.  Dass 
die  Ansiedelung  alt  ist,  beweisen  feste  Grundmauern,  welche  in 
oberen  und  unteren  Gegenden  der  Stadt  gefunden  wurden,  sowie 
viele  Quadern,  die  man  auf  den  Gassen  bemerkt;  auch  soll  es  in 
Balcik  selbst  ein  „Kaie"  (Schloss)  und  ein  „Monastir'"  gegeben 
haben.  Die  Identität  von  Balcik  mit  dem  Carbon  a  der  italieni- 
schen Karten  1318  sq.  (Kapßatvä  des  Kautakuzenos,  Kapßouvd  der  Acta 
patr.)  ist  zweifellos.    Ebenso  stimmen  die  überlieferten  Distanzen^®) 


'')  Die  Distanzen  längs  Jei-  See  sind  annähernd  folgende:  Varna  -  Balcik 
24 — 25  röm.  Meilen  (zu  l'/j  Kil.) ,  Balcik  -  Kavarna  10,  Kavarna  -  Kaliakra  an  8. 
Die  antiken  Angaben  stimmen  gut  dazu:  von  Odessus  nach  Dionysopolis  2673  röm. 
Meilen  (200  Stadien)  der  griechischen  Periplen  des  Arrian  und  des  Anonymus,  24  It, 
Aut,,  32  (?)  Tab.  Peut. ;  von  Dionysopolis  nacli  Bizone  lOVa  (80  Stadien)  Periplen, 
12  Tab.  Peut.;  von  Bizone  nach  Tiriza  Akra  8  (60  Stadien)  Periplen,  12  (zu  Land) 
Tab.  Peut. 


184 


des  alten  Dionysopolis  von  Odessos  und  von  dem  Vorgebirge 
Tiriza  oder  Akra  mit  der  Entfernung  zwischen  Balcik,  Varna  und 
dem  Cap  Kaliakra.  Dionysopolis  wird  in  der  römischen  Kaiserzeit 
von  Augustus  bis  auf  Justinian  oft  genug  erwähnt.  Seine  maritime 
Lage  ist  durch  viele  Zeugnisse,  wie  z.  B.  durch  die  Nachricht  von 
einer  Ueberschwemmung  der  Stadt  bei  einem  Austritt  der  See  im 
Jahre  543  (Theophanes  ed.  Boor  224)  sichergestellt.  Man  suchte 
es  bisher  meist  bei  Ekrene,  indem  man  an  Krunoi  dachte,  den 
älteren,  bei  Strabo  u.  A.  erwähnten  Namen  der  Stadt,  welche  in- 
dessen schon  von  Plinius  als  eine  zu  seiner  Zeit  der  Vergangenheit 
angehörende  Benennung  angeführt  wird.  Ausser  den  Distanzen 
und  den  quellenreichen  Weinbergen  an  der  Westseite  von  Balcik 
bestätigen  die  Identificirung  auch  Inschriften^  welche  den  Namen 
der  arces  dictas  nomine,  B acche,  tuo  des  Ovid  (Tristia  I,  10,  38) 
mit  der  ßouXr]  (Aiovu)(yoTro\eiTUJV  und  dem  örijuc^  (Aiov)ucro7ToXiTUJV 
ausdrücklich  anführen. 

1.    Auf  einem  Marktplatz    in    der    unteren  Stadt  von  Balcik, 
0-84  h.  und  br.: 


/  TYXHI 

///ASlONUXlAAiriNA 
///  Y  'HS<  A  I  ////  I  T  I  2  T  P  A  "H 
///2EBAZTOYKAI2;aP 
[///  PFETINBOYAHAHMO 
1///  Y  2  O  n  O  A  I  T  n  N      / 


['A-faBfii]  Tuxni-  [OuiTp]d(Tiov  TTuuWiuuva  [TtpeaßejuTiiv  Kai  [dv]Ti- 
crTpdTr|[TOvJ  ZeßaaToO  Kaicrap[o(;  eueJpYCTiiv  ßouXiT  öiilMo[<S  Aiov]uao- 
TToXiTUJV.  Derselbe  T.  Vitrasius  Pollio,  legatus  Aug.  yr.  pr.  von 
Moesia  inferior  zur  Zeit  des  Kaisers  Antoninus  Pius,  erscheint  auf 
den  Inschriften  von  Varna  und  Lompalanka  (C.  I.  L.  III  n.  762. 
6125). 

2.  In  Balcik  im  Hofe  des  Han  Temelko: 


T  O  N  A  P  X  1  E.  , 
T  H  N  n  1'  O)  T  Ol 
n  A  1'  A  T  O    .     . 
C  r  O  Y  H  P   .    .    , 


Tov  dpxie[p€. 

Tl'lV    TrpUJT[jlV. 

Trap«  TG .  .  . 
I[e]üunp.  .. 


3.  Im  Dorfe  Junuzcilar,  Gemeinde  Dzafer-üc-orman,  23  Kil. 
nördlich  von  Balcik,    ein  Stein,    132  1.,  068  br.,  06  d.  ,    auf  der 


185 


rechten    Seite    zerschlagen     (nach    einer    Zeichnung    des    dortigen 

Lehrers) : 

JkAZYNKPITOiN  APXIEPEAKA 

AUJAEKAKAirYMNAZIAPXHNKAK 
N  UJ  N  *  I  A  O  T  E  I  M  O  N  K  A  I  A  P  H  A  N  T  A  T  H  Z  n  A 
ArNUJSKAinPESBEYZANTAnAPAeEOA 
ANTUUNEINONEISTHN  BAZIAIAAPUJMn 
KAIElIEniAoZnXPHMATUJNAPSANTAThNnE 
THNAPXHNKAIEYEPrETHNTHZnoAEUJS 
TAKAIAIANONETHKPATIZTHBoYAH 
ANAZTAZEIToYANAPIANToZMAY 
10    A  H  m  H  1"  P  O  N  A  I  o  r  E  N  o  Y  Z  B  o  Y  A  H 
ZOnOAEITUUNoTEIMHZ 


[Etwa:    dauvKpiTov  dpxiepea  Ka[i 

[lepe'a  Oeujv]  biJubeKa,  Kai  yuiuvacridpxriv,  Ka[i 

[dTU)]vuuv  (piXoieijuov,  Kai  dpEavia  tf]^  ira- 

Tpiöoq   ]  ä-jv&c,,  Kai  TTpecrßeucfavTa  rrapd  0eö[v 

'AvTuuveivov  ei<;  ifiv  ßaaiXiba  'Puj|a[riv 

,  Kai  6[v]  eTTiböcr[e]i  xpIMdioiv  dpEavia  ti^v  ire- 

Trjv  dpxr]V,  Kai  euepTGTriv  Tr\c,  nöXevjq 

Ta,  Kai  öiavo[|uriv]  (?)  irj  KpaTidiri  ßouXrj 

[biaveijuavTa  (?)  ev]  dvaaidaei  toö  dvbpiavio^  M.  Au- 

pilXiou]  Ar||ariTp[i]ou  Aiotevou  [f]]  ßouXn 
Kai  6  bfjuoq  AiovujöOTTüXeiTuJv  [e]Teijur|(T[av.     A.  d.  R.] 

Von  Balcik  bis  Kavarna  (27^  St.)  führt  der  Weg  nicht  mehr 
am  Meeresstrande,  sondern  oberhalb  der  hohen  Felsabstürze,  wo 
Weinberge  und  Weizenfelder  bald  einer  eintönigen  Steppenland- 
schaft Platz  machen ,  in  welcher  der  Reisende  durch  eine  Masse 
kleiner  Tumuli  überrascht  wird.  Kavarna  (1479  Einw.)  Hegt 
auf  einem  Plateau  zwischen  zwei  tief  eingeschnittenen  trockenen 
Thälern,  die  sich  weiter  unterhalb  vereinigen  und  als  eine  enge 
Schlucht  zum  Landungsplatz  bei  dem  einsamen  Zollhaus  hinab- 
führen. Der  Ort  selbst,  umsäumt  von  eingefriedeten  Weingärten 
und  Nusshainen,  ist  seit  der  Katastrophe  des  Jahres  1877  halb 
zerstört.  Ungefähr  zwölf  sehr  hohe  Tumuli  reihen  sich  um  das 
Städtchen,  besonders  an  der  Ostseite ;  in  einem  derselben  soll  man 
kurz  vor  dem  Kriege  ein  Gewölbe  aus  Ziegeln  gefunden  haben, 
darin  Menschenknochen  und  „Kirchengeräth"  (wohl  Metallgefässe), 


186 

dessen  sich  der  damalige  Kaimakam  von  Balcik  bemächtigte.  Auf 
dem  Sporn  über  der  Vereinigung  beider  Thäler  liegen  die  Sub- 
structionen  eines  Castells,  mit  Resten  breiter  Defensivmauern.  In 
den  Thälern  selbst  bemerkt  man  die  Ruinen  einer  Moschee,  eines 
„Hamam"  (Bades)  u.  s.  w.,  Zeugen  einer  mohammedanischen  Be- 
völkerung, die  heute  ganz  verschwimden  ist.  Eine  Inschrift  ist  in 
der  griechischen  Schule  zwischen  den  Fenstern  des  grossen  Saales 
eingemauert,  0-6.3  h.,  0*29  br. ,   rechts  und  links  leidier  übertüncht : 

A  r  A  ©  H  //'/  T  Y  X  H  I 

EOTENHZZKYe 

EYZTAYPAN 

2;KY0H20EO1EN 
5        EPEYZTAYPriNK 

EPrETHZnOAEA 

K  O  Z  n  O  2  E  1  A  N  O  Y       SIC 

EYSTAYPilNOEA 

2  K  Y  0  O  Y  I  E  P  E  Y  2  T  A 
10        nNHPOKAOZZKY© 

EPEYZTAYPXlNMn 

nOAHNIOYIEPEY 

AYPriNXPYXinO 

AI210Y1   EPEYX 
15         NHOSEIAHN 

022X0YEYEP 

H  2 

Etwa:  'AYa0fi[i]  lux^i-  [0]eoTevi-|<;  Iku0[ou  iep]eijq  Taupujv,  Iku9ii<; 
6eoTev[ou^  ilepeu«^  Taupuuv  i<[ai  eujep-fe'Tnq  7TÖXe[i]u^],  . .  .ko<;  nocreib[Lu]- 
v(i)ou  [lepjeu^  Taupuuv,  0ea....  Iku9ou  lepeuq  Ta[up]ujv,  TTpÖKXo^ 
Xkü9[ou  ijepeuq  Taupujv,  ....  ['A]TToX(\)ujviou  iepeu[^  Tjaüpuuv,  XpuaiTT- 
(TT)o[q  Ajaicriou  (?)  iepeuq  [Taupuujv,  TTüaeibuuv|ioq|  MJöcraxou  eüeplTetjric;. 

In  demselben  Gebäude  liegt  auf  dem  Hofe  neben  einer 
Cloake  ein  sehr  abgeschliffener  Stein  mit  einer  mittelalterlichen 
lateinischen  Inschrift,  vielleicht  ein  Denkmal  der  italienischen  See- 
fahrer, welche  wiilirend  der  Genuesenherrschaft  auf  der  Krim  diese 
Gestade  oft  besuchten: 

+  b  e  b  o  N  I  s  ö  I  G  /  /  /  /  / 
SCI  cosmaNbem// 
consT////////// 

STeF//7sD////// 


187 

Die  Situation  von  Kavarna  mit  dem  einzigen  guten  Zugang 
zur  See  auf  der  ganzen  Strecke  von  Balcik  bis  Kaliakra  (das  Ufer 
besteht  sonst  aus  steilen,  an  100  M.  liohen  Felsen  mit  horizontalen, 
oben  rothen,  unten  weissen  Schichten)  entspricht  dem  einzigen  Orte, 
welcher  in  den  Periplen  des  Alterthums  und  des  Mittelalters  in  dieser 
Gegend  genannt  wird.  Hier  ist  wohl  das  alteBizon  oder  Bizone 
zu  suchen,  schon  vor  dem  Beginn  unserer  Zeitrechnung  zum  grössten 
Theil  durch  ein  Erdbeben  untergesunken:  Bi^uuvr),  f]c,  KaTeTTÖ0)i 
TTo\u  |uepo(;  uttö  aeicruüJv  des  Strabo  VII  p.  319,  Bizone  „motu  terrae 
intercidW  bei  Pomponius  Mela  IL  22,  Bizone  terrae  hiatu  rapta 
des  Plinius  n.  h.  IV  §.  44,  noch  von  Arrian  (Peripl.)  als  XUJpo? 
epriMO?  erwähnt;  dem  anonymen  Periplus  zufolge  (B.,  ev  tL  adXoq) 
war  es  nach  den  Einen  von  Barbaren,  nach  Anderen  von  Mesem- 
brianern  bewohnt.  Als  Station  der  Küstenstrasse  erscheint  Bizone 
noch  auf  der  Peutinger'schen  Tafel.  Unter  dem  heutigen  Namen 
taucht  der  Ort  im  14.  Jahrhundert  wieder  auf,  als  Kdpvaßa  der 
Byzantiner  {Ada  patr.  I.  95.  528)  und  C  a  u  a  r  n  a  (Gauarna)  der 
Italiener,  mit  einem  1444  (bei  Callimachus)  erwähnten  Schloss. 

Ungefähr  dreiviertel  Stunden  östlich  liegt  das  grosse  Gagauzen- 
dorf  Gjaur-Sujutcuk  (890  Einw.)  ,  mit  einer  starken  Quelle. 
Von  einer  Inschrift  bei  der  Kirche  kann  ich  eine  Copie  des  H. 
Radivojev  mittheilen: 

0  E  N  A  I  O  N  I 
AYPOY A AEPIO 
TEPHANOV 
HESATOY  K 
5  I  UN  I  A  I  K  N 

n  A  N  T  O)  N 

Durch  wüste  Strecken  mit  rothem  Boden  und  niedrigen  Eichen- 
büschen erreicht  man  50  Minuten  von  Gjaur-Sujutcuk  das  merk- 
würdige Vorgebirge  Kaliakra,  welches  castellartig  weit  in  die 
See  hervortritt  und  dem  Wanderer  schon  von  der  Ferne  eine  scharf 
pi-ofilirte  Silhouette  bietet.  Unterwegs  fallen  zahlreiche  viereckige 
Plätze  auf  steinigem  Boden  auf,  offenbar  Reste  alter  Haushöfe  oder 
Weingärten;  man  bezeichnet  sie  hier  als  Eski-Jeniköi  (türk. 
., Altneudorf ")^'').     Die  Befestigungen  von  Kaliakra,    deren  Anfang 


")  Ein  Dorf  Gelegri,    welches  die  österreichische  Karte  zwischen  Gjaur- 
Sujudzuk  und  dem  Cap  angibt,  existirt  hier  (wenigstens  jetzt)  nicht. 


188 

bald  sichtbar  wird,  sind  sehr  ausgedehnt.  Das  Cap  war  von  der 
Landseite  durch  eine  doppelte  Linie  gedeckt,  von  Meer  zu  Meer. 
Die  äusseren  Werke  bildete  ein  seichter,  jetzt  von  wilden  Feigen 
bewachsener  Graben,  an  dessen  Eingang  die  Trümmer  eines  stei- 
nernen, 7  Schritt  breiten,  viereckigen  Thurmes  stehen;  an  350  M. 
(nach  einem  Taschenpodometer)  südlich  davon  folgt  ein  zweiter,  an 
zwei  Mannshöhen  tiefer  Graben,  dahinter  eine  Mauer,  in  welcher 
noch  die  Flanken  eines  steinernen  Thores  (3'25  M.  breit,  3  M.  hoch, 
7  Schritt  tief)  aufrecht  stehen.  Im  Zwischenräume  bemerkt  man 
abermals  Spuren  von  Häusern ;  vor  der  äusseren  Linie  liegen  auch 
alte  türkische  Friedhöfe.  An  250  M.  weiter  folgt  der  eigentliche 
Eingang  zum  Felscap:  ein  unten  an  der  Basis  kaum  50  Schritt 
breiter  Isthmus,  oben  mit  einem  3  M.  breiten,  zu  beiden  Seiten  von 
tiefen  Abgründen  eingeschlossenen  Weg.  Dahinter  ragt  eine  male- 
rische Burgruine  in  die  Lüfte,  mit  ungefähr  8  M.  hohen,  auf  dem 
nackten  Felsen  fundirten  Steinmauern,  voll  von  Löchern  des  alten 
Baugerüstes,  mit  einem  viereckigen  Thurm,  durch  welchen  ein 
wohlerhaltenes  gewölbtes  Thor  in's  Innere  hineinführt.  Rechts  vom 
Thore  bemerkte  ich  hoch  auf  der  Aussenmauer  einen  weissen  Stein 
mit  dem  rohen  Basrelief  eines  roth  übermalten  Reiters.  Zu  beiden 
Seiten  des  Thorweges  sollen  steinerne  Löwen  eingemauert  gewesen 
sein,  welche  von  den  Franzosen  im  Krimkriege  weggeführt  wurden. 
Hinter  dem  Thore  folgen  noch  einige  winklige  Defensivmauern, 
ehe  sich  der  Ausblick  auf  das  Innere  des  Burgraumes  eröffnet. 
Das  Cap  selbst  ist  oben  flach,  vom  Thor  bis  zum  Leuchtthurm  an 
450  M.  lang  und  auf  allen  Seiten  mit  60 — 70  M.  hohen  Abstürzen 
umfasst.  Ausser  den  Wächtern  des  hiesigen  Leuchtthurmes  ist 
es  jetzt  unbewohnt,  jedoch  Fundamente  von  kleinen  Häusern,  die 
Ruine  eines  türkischen  Badehauses,  eine  tiefe  Cisterne  u.  s.  w. 
zeigen,  dass  der  Felsen  früher  ständige  Einwohner  hatte.  Das  auf- 
fälligste sind  ungefähr  20  natürliche,  mitunter  bis  15  Schritt  breite, 
dabei  aber  nur  niedrige  Höhlen,  am  Eingang  zum  Theil  mit  stei- 
nernen Zäunen  abgeschlossen  und  in  dem  von  Rauch  geschwärzten 
Innern  mit  Thiermist  bedeckt.  Dieselben  dienen  jetzt  meist  als 
Schafställe,  in  unruhigen  Zeiten  als  Zufluchtsstätte,  wie  z.  B.  1877, 
wo  sich  die  Einwohner  von  Kavarna,  Sabla  u.  s.  w.  auf  dem  Cap 
gegen  plündernde  und  mordende  Tscherkessen  vertheidigten.  Am 
äusserston  Ende  gibt  es  neben  dem  Leuchtthurm  vier  kleinere, 
künstlich  ausgeglättete  und  mit  gemeisselten  Sitzen  versehene  Höhlen- 
räume, die  wie  Wohnzimmer   untereinander  verbunden  sind.     Eine 


I 


189 

mit  einer  niederen  Umfassung  zugemauerte  Ecke  darin  gilt  den 
Christen  als  Grab  des  heil.  Nikola,  den  Türken  als  das  des  „Hadzi 
Baba".  Aus  dem  letzten  Räume  öffnet  sich  ein  Bogenfenster  ohne 
Brüstung  gerade  zu  dem  schwindligen  Abgrund ,  in  welchem  sich 
die  Wellen  des  Pontus  an  den  angehäuften  Felsblöcken  der  äusser- 
sten  Capspitze  brechen;  das  ist  das  sogenannte  Kyrk  kyzy 
kapusü,  das  „Thor  der  40  Jungfrauen",  welche  der  Sage  nach 
bei  einer  Belagerung  hier  in  das  Meer  gesprungen  sein  sollen. 

Dieses  Vorgebirge  mit  seinem  Schloss  besitzt  eine  weit  zurück- 
reichende Geschichte.  Bei  den  Schriftstellern  des  Alterthums  er- 
scheint es  unter  einem  Namen,  der  in  sehr  wechselnder  Form  auf- 
tritt; Jipxlxc,  ctKpa  (Strabo),  Tiristis  promunturium  (Mela),  Teipiomc, 
(Arrian),  TipicrfK;  aKpa  (Ptolemaeus),  TipiZia  ctKpa  (Periplus  Anon.), 
Trissa  (Tab.  Peut.)  oder  besser  Tirissa  (Geogr.  Ravenn.).  Später 
nahm  die  einfache  Benennung  Akra  oder  Akrai  überhand,  unter 
welcher  der  Ort  als  eine  Stadt  der  Provinz  Scythia  genannt  wird 
(Hierocles;  Steph.  Byz.).  Die  natürliche  Festigkeit  des  Platzes 
muss  in  der  frühesten  Zeit  zu  seiner  Befestigung  geführt  haben. 
Strabo  berichtet,  König  Lysimachos  habe  hier,  vielleicht  in  jenen 
ausgeglätteten  Höhlenkammern  der  Südspitze,  eine  seiner  Schatz- 
kammern gehabt  {Tipilic,  ctKpa,  x^piov  epujuvöv,  iB  iroie  Kai  Auai- 
juaxo^  eXPnö'aTO  falocpvXaKivj ,  VII  p.  319)  und  in  der  Zeit  des 
Kaisers  Anastasius  erscheint  Acres  castellum  als  Hauptburg  des 
in  Scythien  heimischen  Rebellengenerals  Vitalianus  (Marcellinus 
comes  ad  a.  515,  Roncalli  II.  313;  'AKpig  bei  Joannes  Antiochenus 
fragm.  hist.  Graec.  V  p.  33  §.  7).  Im  Mittelalter  erhielt  das  Vor- 
gebirge, welches  bei  Stürmen  einen  guten  Zufluchtsort  gewährt,  den 
Beinamen  des  „schönen"  und  wird  im  14.  Jahrhundert  in  byzanti- 
nischen Quellen  \\  TaXiaKpa  i^Acta  patr.  I.  95.  528),  in  italienischen 
Caliacra  oder  Chaliacra  geschrieben.  Schiltberger  kennt  es  als 
Hauptstadt  des  dritten  küstenländischen  Theiles  von  Bulgarien 
(„Kallacercka"  in  der  Ausg.  von  Neumann  1859  S.  93).  Amadeus 
von  Savoyen  eroberte  es  1366  bei  seiner  Expedition  gegen  die  Bul- 
garen, ebenso  König  Wladislaw  auf  dem  unglücklichen  Zuge  1444 
nach  Varna  (Callacrium  bei  Callimachus,  Schwandtner  Script,  rer.  hung. 
I  512,  KaWidKpri  bei  Chalkokondylas  p.  172).  In  der  älteren  Türken- 
zeit wird  noch  das  Zollamt  von  Kilagra  zwischen  Mankalia  und 
Balcik  erwähnt  (Hammer,  Osm.  Staatsverfassung  I.  294).  Die 
hiesige  türkische  Ansiedelung  ging  wahrscheinlich  erst  im  18.  Jahr- 
hundert ein,    theils  durch  die  russischen  Kriege,    theils  aus  natür- 


190 

liehen  Ursachen,  da  der  Boden  in  der  nächsten  Nähe  sehr  unfrucht- 
bar ist  und  das  Schloss  ausserdem  an  argen  Mängeln  leidet;  es 
hat  keinen  rechten  Hafen  für  grössere  Schiffe,  zu  dem  einzig  mög- 
lichen Landungsplatz  führen  nur  äusserst  steile  Pfade  hinunter, 
und  überdies  bezieht  es  alles  Trinkwasser  (ausser  den  Cisternen) 
nur  aus  zwei  Brunnen ,  welche  ausserhalb  des  alten  Schlosses 
gegen  NW.  liegen.  Als  Capo  Calacria  ist  das  Vorgebirge  noch 
jetzt  den  Seefahrern  allgemein  bekannt;  auch  der  griechische  Name 
Kaliakra  lebt  noch.  Die  Türken  nennen  es  Gelarö.  Die  Form 
„Gülgrad"  auf  vielen  modernen  Karten  ist  (wohl  aus  dem  älteren 
türkischen  Kilagra)  durch  ein  an  das  slavische  „grad"  (Burg)  an- 
klingendes Missverständniss  entstanden  und  hier  im  Lande  unbe- 
kannt. 

Die  Alterthümer  der  alten  Burg  sind  längst  verschleppt.  Der 
russische  Admiral  Greigh  sah  auf  dem  Cap  1829  noch  zwei  Marmor- 
stücke mit  altgriechischen  Inschriften^").  Mir  zeigte  man  nur  einige 
hier  gefundene  Münzen :  ein  Silberstück  Kaiser  Hadrians  (^Restitutori 
Hispaniae^)  und  zwei  unkenntliche,  wohl  griechische  Kupfermünzen. 

Ueber  die  Alterthümer  der  weiteren  Küstenstrecke  bis  zur 
rumänischen  Grenze  verdanke  ich  einige  Mittheilungen  Herrn  Radi- 
vojev*') : 

1.  Im  Schulhause  von  Jaly  Üö  Orman,  18  Kilom.  nördlich 
von  Kaliakra: 

1  w  A  I  A  I 
ATOYKY 
A  N  E  IKH 
OPOE 
5  Y  M  POY 

K  A  I  MH 
B  O  M  A  I 
A  T  l  A  N/T 

In  der  letzten  Zeile  stand  wohl  sicher  KaX\]aTiavai[v. 


")  Tepljakov  op.  cit.  S.  23. 

■")  Die  Ebene  zwischen  Balcik  und  Silistria  habe  ich  nicht  besucht.  Ein 
bulgarischer  Beamter  erzählte  mir,  in  Hadzi-Oglu-Pazardzik  (1882  umgenannt  in 
Dobric)  stehe  bei  der  Kirche  eine  Säule  mit  dem  Namen  des  Alexander  Severus. 
Sonst  hörte  ich  nur  von  künstlichen  Höhlen  (mit  Kirchen?)  bei  Bazaurt,  türk.  „gjaur- 
evleri"  (Häuser  der  Ungläubigen)  genannt,  und  von  Resten  alter  Ansiedelungen  bei 
Gelendäik  und  Kabasakal  in  derselben  Gegend. 


191 

2.  In  Kai  aj  dz  i  der 4,  28  Kilora.  von  Kaliakra,  12  Kilora. 
vom  Meere,  NW.  von  Sabla,  an  einem  von  Westen  kommenden 
trockenen  Thale  ein  „Kaie"  (Burgruine)  und  ein  Grenzstein  von 
Callatis  (Mangalia),  09  h.,  0*75  br.,  die  Buchstaben  0*1   hoch: 

F  T  E  R  R 
CALL 

Nach  Varna  zurückgekehrt,  brach  ich  nach  De vna  auf  (auch 
Devna  ausgesprochen;  die  ältere  Form  ist  Devino).  Die  Distanz 
dieses  bulgarischen  Dorfes  von  Varna  stimmt  mit  den  18  röra. 
Meilen  der  Linie  Odessus-Marcianopolis  überein.  Im  J.  1829  haben 
die  Russen  hier  eine  bilingue  Inschrift  (Grab  eines  C.  Valerius 
Alexander)  nebst  einer  Menge  römischer  Kaisermünzen  gefunden'*-). 
Die  darauf  gegründete  Annahme,  das  alte  Marc iano pol is  sei  hier 
gewesen  ,  wird  durch  das  von  mir  Gesehene  nur  bestätigt.  Man 
betritt  ein  muldenförmiges,  von  Norden  nach  Süden  gewendetes 
Thal,  an  dessen  westlicher  Böschung  in  der  .Höhe  die  Häuser  von 
Devna  (1255  Einw.)  sichtbar  sind.  In  der  Thalsohle  reihen  sich 
zwischen  schönen  blumenreichen  Wiesen  und  stämmigen  Pappeln 
und  Weiden  nicht  weniger  als  34  Mühlen  (1829  waren  ihrer  24) 
nahe  bei  einander  längs  der  Devnenska  Reka,  welche  auf  einer 
70  Schritt  langen  steinernen  Brücke  überschritten  wird.  Der  Fluss 
entspringt  an  der  Nordseite  unter  einer  niederen  Terrasse,  in  zahl- 
reichen, zum  Theil  polygonal  ummauerten,  zum  Theil  in  der  Gestalt 
kleiner  schilfreicher  Sumpfseen  belassener,  bis  3 — 5  M,  tiefen  Quell- 
bassins mit  klarem  durchsichtigem  Wasser,  in  welchem  periodisch 
dichte  Luftbläschen  aufsteigen.  Es  ist  offenbar  der  unterirdische 
Abfluss  der  Niederschläge  aus  der  sonst  sehr  wasserarmen  Ebene, 
die  sich  von  den  hiesigen  Kalkterrassen  bis  zur  Donau  erstreckt 
und  schon  von  hier  an  Dobrudza  genannt  wird;  das  Volk  glaubt, 
das  Wasser  komme  von  der  Donau  und  erzählt  zum  Beweis  dessen 
allerlei  Geschichten  von  herausgeschwemmten  Hirtenstäben  u.  dgl. 
Das  sind  ohne  Zweifel  die  bei  Jordanes  (ed.  Mommsen  p.  82)  so 
anschaulich  beschriebenen  Quellen  von  Marcianopolis:  in  flu  min  e 
illo,    qui    nimii    limpiditatis    saporisque    in     media    urhe 


")  Die  Inschiift  (Boeckh  n.  20556,  C.  I.  L.  III,  761)  ist  von  Tepljakov  bei 
deu  Mühlen  von  Devna  copirt  worden  (bei  ihm  S.  134) ;  er  hat  den  Ort  allerdings 
zu  einer  sehr  bewegten  Stunde  besucht  und  wurde  sogar  unfreiwilliger  Zeuge  der 
blutigen  Schlacht  bei  dem  nahen  Eski  Arnautlar. 


192 

oritur,  Poiamicognoinento.  Die  Umgebung  ist  voll  Fundamente 
alter  Mauern,  und  um  die  ganze  Quellengegend  herum  gehen  die 
Spuren  einer  ausgedehnten,  wie  es  scheint,  polygonalen  Umfassungs- 
mauer, die  in  neuerer  Zeit  als  Steinbruch  für  den  Bau  der  Festungs- 
werke von  Varna  diente  und  dadurch  zum  grössten  Theil  bis  zur 
Unkenntlichkeit  rasirt  wurde.  Es  fehlt  auch  nicht  an  grossen 
Quadern  und  Säulenstücken ,  an  gewaltigen  Sarkophagen ,  Thon- 
gefässen  und  namentlich  an  römischen  Münzen.  Viel  altes  Bau- 
material ist  in  den  Mühlen  und  besonders  in  den  Wehren  verbaut. 
In  einem  Backofen  zu  Devna  soll  ein  griechisches  Fragment  mit 
dem  Namen  des  Kaisers  Traian  eingemauert  sein ,  ist  aber  jetzt 
übertüncht.  Herr  Lazar  üukov  aus  Devna,  einer  der  Bauern- 
deputirten  der  bulgarischen  Nationalversammlung,  hatte  die  Güte, 
für  mich  die  Inschrift  eines  neu  ausgegrabenen  Sarkophages  ab- 
zuzeichnen: 

D  CS  M  CS 
MYkzMOeALVV\NO< 
COSCo  ^3VSQINGEIVVS  * 
DECßPOSVIT  CS 

d.  m.  Myrizmo  ahimno  Cosconius  Ingenuus  dec{urio)  posuit. 

Der  Ort  an  den  Quellen  gilt  jetzt  als  ein  Fieberherd,  und  selbst 
das  schöne  klare  Quellwasser  bezeichnete  man  mir  als  zum  Trinken 
ungesund.  So  viel  ich  sehen  konnte,  ist  der  Platz  von  Marciano- 
polis  im  Mittelalter  nicht  bewohnt  gewesen.  Die  sanitären  Verhält- 
nisse scheinen  sich  demnach  wohl  durch  Versumpfung  des  Wassers 
seit  der  Römerzeit  sehr  geändert  zu  haben.  Man  erzählte  mir,  dass 
die  Quellen  mitunter  auch  grosse  Ueberschwemmungen  verursachen, 
und  in  der  That  hat  der  Fluss  1883  die  Hälfte  der  Brücke  weg- 
gerissen. 

Die  Aussicht  durch  das  Thal  südwärts  zeigt  die  Lage  der 
merkwürdigen,  schwer  zugänglichen  Ruine  Petric-kalessi,  welche 
auf  einem  rechtwinkligen  Gebirgsvorsprung  die  Eisenbahn  Rusöuk- 
Varna  zwischen  der  Station  Gebedze  und  dem  Dorfe  Avren  von 
der  Südseite  überragt.  Von  dem  Bergzuge  selbst  ist  dieselbe  durch 
einen  10  Schritt  breiten,  in  den  Felsen  gehauenen  Graben  getrennt 
und  im  Umkreise  von  einer  angeblich  gleichfalls  aus  dem  Felsen 
selbst  gehauenen  Mauer  eingeschlossen.  Die  Aussicht  umfasst  nach 
der  Erzählung  des  H.  Radivojev,  der  den  Berg  bestiegen  hat,  den 
grössten  Theil     der    Landschaften    von   Provadia  und  Varna.     Am 


193 

Fusse  des  Burgt'elsens  fand  man  eine  Menge  Pfeilspitzen,  steinerne 
Grabkreuze,  „Töpfe  mit  Menschenknochen"  u.  s.  w.  Das  Schloss 
wird  1444  bei  dem  Zuge  König  Wladislaw's  nach  Varna  genannt, 
Petrus  oder  Pe  terspttrck  bei  Michael  Beheim  (herausg.  von 
Karajan,  Quellen  und  Forschungen  zur  vaterl.  Gesch. ,  Wien  1849 
S.  41),  Petrecz  bei  Dlugosz,  in  den  Ausg.  des  Callimachus  ver- 
unstaltet in  Pezechium  statt  „Petrechium".  Es  ist  vielleicht  identisch 
mit  dem  byzantinischen  t6  TleTpiv  (neben  TTpoßdTou<;  in  der  Eparchie 
von  Varna  1369  Acta  patr.  I  502). 

Sonst  konnte  ich  über  die  Umgebung  von  Marcianopolis  nur 
wenig  erfahren ,  höchstens  dass  auf  einer  bewaldeten  Anhöhe  bei 
dem  nahen  Kotlubej  öfters  Silbermünzen  von  Alexander  d.  Gr. 
gefunden  wurden.  Die  Bevölkerung  der  Gegend  hat  seit  hundert 
Jahren  ganz  gewechselt.  Die  vier  Orte  Devna,  seit  1830  von 
Bulgaren  aus  der  Gegend  von  Jambol,  Trjavna  u.  s.  w.  colonisirt, 
Eski  Arnautlar  oder  bulg.  A  r  b  an  a  s  i  (Türken) ,  D  e  r  e  k  ö  i, 
ursprünglich  Petrova  Reka  (Bulg.),  und  das  heutzutage  halb 
verödete  D  i  z  d  a  r  k  ö  i ,  bulg.  D  o  b  r  i  n  a  genannt,  eine  Art  Vor- 
stadt der  Burg  von  Provadia  mit  zwei  alten  Kirchen,  gepflasterten 
Strassen,  Brunnen  u.  s.  w.,  waren  bis  1829  zum  Theil  von  christ- 
lichen Albanesen  bewohnt.  Die  Vorfahren  derselben  werden  schon 
1595  in  diesen  Gegenden  genannt,  wahrscheinlich  nach  der  Unter- 
werfung des  Epirus  von  den  Türken  hieher  übergesiedelt;  ihre  Nach- 
kommen leben  jetzt  in  Volkonesti  und  Karakurt  in  Süd-Bessarabien. 

Das  mittelalterliche  Centrum  der  Landschaft  war  das  von 
Marcianopolis  nicht  sehr  entfernte  Provadia  (byz.  TTpößaxov, 
altbulg.  Provad),  noch  im  16.  Jahrhundert  ein  bedeutender  Handels- 
platz, gegenwärtig  der  allerdings  sehr  verfallene  Hauptort  eines  die 
Gegend  zwischen  Varna  und  Sumen  umfassenden  Bezirkes.  Seine 
Felsenburg,  die  durch  ihren  Typus  bereits  an  die  befestigten  Tafel- 
berge von  Trnovo,  Lovec  u.  s.  w.  längs  der  Nordseite  des  Balkans 
erinnert,  ist  von  Kanitz  beschrieben  und  abgebildet  worden.  Die 
zwei  von  demselben  (Donau  -  Bulgarien  HI  S.  354)  nur  unvoll- 
kommen edirten  mittelalterlichen  Inschriften  auf  glatten  Säulen 
habe  ich  nochmals  copirt.  Dieselben  beginnen  mit  dem  Namen  des 
heidnischen  Bulgarenfürsten  Kdva<;  'ßjaoupidT^  rex  Bulgarorum 
Omortag  in  Einhard's  Anualen  ad  a.  824,  und  bilden  mit  der 
schon  längst  bekannten  Säule  des  Omortag  in  der  Kirche  der  heil. 
40  Märtyrer  zu  Trnovo  (vgl.  Geschichte  der  Bulgaren  S.  148  Anm.), 
der  jetzt  verschollenen  Säule  aus  der  Zeit  des  Kdva(;  Ma\a|uijp,  eines 

Ai'cliäoIogiscli-epi(,'i'aphiBcliu  Mitth.  X.  i^ 


194 

der  nächsten  Nachfolger  Omortag's  (1831  in  Sumen,  C  I.  Gr.  IV 
p.  319  n.  86916)  und  noch  einigen  Fragmenten  eine  Gruppe  von 
merkwürdigen ,  in  barbarischem  Griechisch  verfassten  Inschriften 
des  9.  Jahrhunderts,  die  ich  bei  einer  besonderen  Gelegenheit  ins- 
gesammt  besprechen  werde.  Zu  denselben  gehören  auch  die  Säulen 
mit  den  Namen  thrakischer  Städte,  wohl  Siegeszeichen  von  den 
Eroberungszügen  des  Bulgarenfürsten  Krum  (um  813):  Kdcripov 
Boupbi^ou  (von  Kanitz  III.  242.  356  in  Aboba  gesehen,  jetzt  auf  dem 
Hofe  derPräfectur  in  Sumen),  Kdorpov  'PebecTTOö  (neben  der  Omortag- 
säule  in  Trnovo ,  vgl.  Monatsberichte  a.  a.  O.  S.  460) ,  KdcTipov 
GeobuupouTTÖXeui?  (war  in  Aboba,  jetzt  verbaut  in  einem  Türken- 
hause zu  Sumen)  u.  s.  w. 

Die  Ruinen  bei  dem  türkischen  Dorf  Aboba  (bedeutet 
„Grossvater",  822  Einw.),  7  Kilom.  gegen  NW.  von  dem  Städt- 
chen Jenipazar  und  ebensoviel  von  der  Station  „Shumla  Road", 
von  denen  schon  Carsten  Niebuhr  1767  hörte  (bei  Jenipazar  „soll 
in  älteren  Zeiten  eine  grosse  Stadt  gelegen  haben",  Reise  III.  173) 
und  die  Kanitz  (III.  242)  für  die  Wissenschaft  entdeckt  hat,  sind 
wie  die  Trümmer  von  Marcianopolis  in  neuerer  Zeit  als  Baumaterial 
für  die  Festungs-,  Moscheen-  und  Häuserbauten  von  Sumen,  für  die 
Gebäude  von  Jenipazar  und  selbst  für  die  hiesigen  Bahnstationen 
mit  deren  Magazinen  gründlich  ausgebeutet  worden.  Das  Hissar- 
kalessi  liegt  auf  ganz  ebenem  Terrain,  das  im  Norden  von  wal- 
digen Terrassen  umsäumt  ist,  durch  welche  der  gerade  Weg  von 
Sumen  nach  Silistria  führt,  und  besteht  aus  zwei  Theilen:  einem 
viereckigen  Praetorium  mit  steinernen  Mauern  und  runden  Thürmen 
an  den  Ecken  und  in  der  Mitte  jeder  (600  Schritt  oder  10  Minuten 
langen)  Flanke,  und  ringsherum  einem  viereckigen  Castrum  mit 
Wall  und  (12  Schritt  breitem)  Graben  von  gewaltigen  Dimensionen. 
Die  Beamten  der  Behörden  von  Jenipazar  und  Sumen  behaupten, 
das  ganze  Lager  sei  (von  Norden  nach  Süden)  6  Kilom.  lang  und 
3  Kilom.  breit.  Die  langen  schnurgeraden  Linien  an  der  Ost-  und 
Westseite  machen  in  der  That  einen  überraschenden  Eindruck, 
aber  es  war  mir  leider  nicht  möglich,  das  ganze  Viereck  zu  um- 
gehen ,  da  ich  mich  in  diesen  Tagen  nicht  ganz  wohl  fühlte.  Ich 
notirte  mir  nur  drei  Distanzen  von  Aboba  aus,  das  selbst  innerhalb 
des  südlichen  Walles  liegt:  zum  Ausgang  in  der  Mitte  der  Ostseite 
des  Lagers  ungefähr  eine  halbe  Stunde,  zum  Praetorium  12  Minuten 
(Trab),  zur  südwestlichen  Ecke  des  Walles  10  Minuten.  Der  weite 
innere  Raum  ist  bebaut  mit  Getreide  und  (iemtise.    Die  von  Kanitz 


195 

gesehene  Inschrift  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Titus  ist  schon  ver- 
schwunden ;  ich  sah  nur  einzelne  Säulen  und  Steine,  grosse  Ziegel 
und  einen  steinernen  Thürbogen  aus  einem  Stück  (Spannweite  3'5  M.). 
Das  merkwürdigste  waren  aber  zwei  megalithische  Gruppen  regel- 
mässig in  Reihen  aufgestellter,  von  Weitem  hergebrachter,  unbe- 
hauener und  plumper  Blöcke  verschiedener  Grösse  bis  zur  Manns- 
höhe; die  eine  liegt  ausserhalb  der  Südseite  des  Lagers  bei  Aboba 
selbst  (9  Reihen  zu  je  7  Stück),  die  andere  an  der  Ostseite  des- 
selben (7  X  ö)-  Die  Türken  nennen  dieses  Riesenspielzeug  „dev- 
taslar".  Ausserhalb  der  Westseite  des  Castrums  bemerkte  ich  auch 
einige  Tumuli*^). 

Das  Lager  von  Aboba  ist  ohne  Zweifel  identisch  mit  dem 
altbulgarischen  Pliskov  (TTXiffKoßa)  des  10.  und  11.  Jahrhunderts, 
welches  Leo  Diaconus  (p.  138)  zwischen  Preslav  und  Dristra  (Sili- 
stria) ,  Anna  Komnena  (ed.  Reifferscheid  I.  233)  zwischen  dem 
Balkanpass  der  Tibiipä  und  Dristra  in  der  Nähe  der  dKpoXoqpia 
Zujueüuvoi;  (Sumen)  nennt.  Wie  hiess  aber  der  Ort  zur  Römerzeit? 
Die  Peutinger'sche  Tafel  kennt  eine  Strasse  von  Marcianopolis  nach 
Nicopolis,  130  röm.  Meilen  lang,  was  auf  eine  über  Aboba  geführte 
Linie  gut  passt,  erwähnt  aber  keine  Zwischenstationen.  Die  Gegend 
gehörte  ohne  Zweifel  nach  Moesia  inferior,  dessen  Ostgrenze  von 
der  Donau  unterhalb  Durostorum  bis  zu  einem  Punkte  der  Pontus- 
küste  (wohl  zum  Batovadelta)  zwischen  Dionysopolis  und  Odessus 
reichte.  Von  den  sieben  bei  Hierocles  (ed.  Parthey  p.  5)  genannten 
Städten  der  Provinz   ist   das    einzige,    durch    die  Katastrophe  des 


■'^)  Eine  genaue  Belehrung  über  die  Lage  und  Ausdehnung  des  ganzen 
Lagers  von  Aboba  gibt  uns  die  neue  russische  Generalstabskarte  von  Bulgarien 
(Blatt  V,  8  Sumen),  auf  welcher  sowohl  die  innere  Burg  als  der  äussere  Wall 
genau  eingetragen  sind.  Das  Viereck  ist  unregelmässig,  im  Norden  breiter  als  im 
Süden.  Der  Wall  auf  der  Westseite  streicht  in  gerader  Linie  von  Nord  nach  Süd 
und  ist  beinahe  6  Werst  lang  (eine  Werst  =  1067  Meter).  Die  Ostseite  hat  die- 
selbe Länge,  biegt  aber  im  südlichen  Theile  etwas  einwärts  ein.  Die  Nord-  und 
Südseite  sind  ein  wenig  auswärts  ausgebogen;  die  erstere  ist  4Y2  Werst,  die  zweite 
nur  3'/,  Werst  lang.  Die  kleine  Befestigung  im  Centrum  liegt  nicht  gerade  in  der 
Mitte;  die  Entfernung  derselben  von  der  Nord-  und  Südfront  des  Castrums  ist 
zwar  gleich,  jedoch  liegt  dieselbe  näher  zur  Ostseite  desselben.  Das  Terrain  des 
ganzen  Platzes  ist  sanft  geneigt  gegen  Süden.  Ein  Bach  entspringt  im  Nordwest- 
winkel des  Lagers,  fliesst  an  der  Westseite  des  Praetoriums  vorbei  und  tritt  bei 
dem  Dorfe  Aboba,  das  selbst  innerhalb  der  Südfront  des  Lagers  gelegen  ist,  in's 
Freie  (die  Karte  hat  irrthümlich  Ak-Baba;  ich  habe  immer  nur  Aboba  gehört,  wie 
der  Name  auch  in  den   bulgarischen   amtlichen  Ortsverzeichnissen  gedruckt  steht). 

13» 


196 

Kaisers  Decius  251  berühmte  Abrittus  (mit  dem  Forum  Sem- 
pronii  des  Dexippus  frg.  16  (16«):  ev 'AßpuTUj,  tuj  Xefoiiievuj  qpöpiu 
OejLißpuuviuj)  der  Lage  nach  unbekannt.  Man  könnte  auch  an 
Zaldapa  des  Theophylaktos  Simokatta  denken  (ed.  Bonn  p.  48. 
87.  270),  unisomehr  als  dasselbe  auf  einem  Marsche  von  Marciano- 
polis  nach  Jatrus  erwähnt  und  auch  von  Joannes  Antiochenus 
{Fragin.  hist.  Graec.  V  32)  als  ein  Tf\c,  KotTUj  Mu(Jitt<;  TröXi(J|Lia  ge- 
nannt wird,  wenn  Procopius  (de  aedif.  308,  23)  und  Hierocles  den 
Ort   nicht   ausdrücklich  nach  Scythien  verlegten. 

Noch  an  demselben  Tage  besuchte  ich  das  alte ,  von  Kanitz 
(III.  112)  abgebildete  Steinbild  bei  dem  Dorfe  Madar  a,  15  Kilom. 
östlich  von  Sumen.  Oestlich  oberhalb  der  Häuser  dieser  türkischen 
Ansiedelung  befindet  sich  in  einem  Winkel  der  nahen  Felswände 
eine  halbkreisförmige  geräumige  Höhle,  aus  welcher  ein  wasser- 
reicher Quellbach  zwischen  Steinblöcken  zu  einigen  Mühlen  hinab- 
fliesst.  Vier  steinerne  Tröge  an  der  Quelle  und  einige  grosse  vier- 
eckige Löcher  hoch  auf  der  Aussen  wand,  sowie  der  Umstand,  dass 
hier  noch  jetzt  am  Tage  der  hl.  Marina  ein  christlicher  Ciottes- 
dienst  gehalten  wird,  sprechen  dafür,  dass  dieser  anmuthige  Ort 
mit  seiner  schönen  Aussicht  auf  die  fruchtbare  Landschaft  von 
Sumen  in  alter  Zeit  als  ein  natürliche«  Heiligthum  galt.  Wenn  man 
von  der  Höhle  nordwärts  längs  der  Felswand  geht,  so  erblickt  man 
nach  wenigen  Minuten  auf  der  grauen,  mit  gelben  Horizontallinien 
gerippten  Mauer  ungefähr  7  Mannshöhen  hoch  ein  grosses ,  aber 
besonders  bei  grellem  Sonnenschein  undeutliches  und  bereits  stark 
verwittertes  Basrelief.  Es  hat  keinen  Rahmen,  und  der  Fels  ist  bei 
dessen  Herstellung  nur  wenig  ausgeglichen  worden.  Es  ist  ein 
„thrakischer  Reiter"  in  Lebensgrösse  und  in  guter  Ausführung;  der 
Kopf  des  Reiters  ist  undeutlich ,  dagegen  erkennt  man  ein  gut  ge- 
zeichnetes Pferd,  darunter  einen  Löwen  und  links  hinter  dem 
Pferde  einen  laufenden  Jagdhund.  Es  scheint,  dass  der  Reiter  den 
Löwen  mit  einer  Lanze  durchstach.  Unter  dem  Bilde  bemerkt 
man  noch  zwei  viereckige  Löcher  von  dem  zur  Arbeit  liergerich- 
teten  Gerüste.  Zu  beiden  Seiten  des  Pferdes  befand  sich  eine 
längere  Inschrift,  die  links  sehr  verwittert,  rechts  aber  gut  erhalten 
ist.  Dieselbe  ist  nicht,  wie  Kanitz  meint,  lateinisch,  sondern  grie- 
chisch. Ich  entzifferte  mit  dem  Fernglas  links  über  dem  Jagdhund 
klar  das  Wort  xaipe,  rechts  von  dem  Rosse  die  Stellen  tHenam, 
anderswo  eiae  und  emete;  das  griechische  a  ist  oft  gut  kenntlich. 
Jedoch  ist  eine  Lesung  von  unten  aus  nicht  möglich,  da  die  Zeilen 


I 


197 

mitunter  in  Folge  des  ungleich  vortretenden  Bodens  für  den  Be- 
obachter im  oberen  Theile  der  Buchstaben  tiefer  fallen,  als  im 
unteren.  Einer  meiner  Begleiter  machte  den  Versuch  hinaufzu- 
klettern, kam  aber  auf  Felskanten  nur  an  3—4  M.  unter  das  Bild 
auf  einen  Platz ,  von  wo  erst  recht  nicht  hinaufzusehen  war.  In 
ganz  Madara,  wo  die  Türken  eben  den  Bairam  feierten,  war  keine 
Leiter  aufzutreiben;  die  Herstellung  eines  Gerüstes  (das  Material 
müsste  man  aus  Sumen  holen)  hätte  wenigstens  drei  Tage  erfordert, 
meine  Zeit  war  bemessen,  und  so  musste  ich  jeden  Versuch  einer 
Annäherung  an  das  merkwürdige  Basrelief  zu  meinem  grössten 
Leidwesen  aufgeben. 

Das  Felsbild  bei  Madara  ist  nicht  das  einzige  in  diesen  Län- 
dern. In  Eski-Dzumaja  hörte  ich,  in  den  Urwäldern  zwischen  dieser 
Stadt  und  Preslav  (Eski-Stambul)  sei  bei  Karliköi  an  einer  sehr 
unzugänglichen  Stelle  ein  in  den  Felsen  gemeisseltes  Reiterbild  mit 
einer  Inschrift  zu  sehen. 

Die  Stadt  Sumen  (türk.  Sumla),  im  Laufe  der  letzten  hundert 
Jahre  zu  einer  Festung  ersten  Ranges  erhoben,  besitzt  die  Reste 
einer  mittelalterlichen  Burg  (Hissar)  auf  dem  Plateau  in  der  äus- 
sersten  Südwestecke  der  Position;  das  unterhalb  in  einem  engen 
Thale  gelegene  türkische  und  jüdische  Stadtviertel  enthält  die  älte- 
sten Gebäude  der  Stadt.  In  der  Residenz  des  Metropoliten  Symeon, 
eines  warmen  Freundes  der  Wissenschaften,  sah  ich  neben  einigen 
mittelalterlichen  Denkmälern  ein  Fragment,  wohl  gleichfalls  aus 
Aboba  (Buchstaben  6  Cm.  hoch) : 

P  A  T  O   PI 
E  B  A  2  T  U 

AuTOKJpdiopi   ....    [IJeßacTTuj  .  .  . 

Das  werthvollste,  was  die  kleine  archaeologische  Sammlung  der 
]Metropolie  enthält,  ist  aber  eine  Steinplatte  mit  einer  langen  dori- 
schen Inschrift,  in  welcher  mich  die  Namen  von  Kallatis  und  Apol- 
louia,  sowie  die  Erwähnung  eines  ßa{Ji\eu(g  überraschten.  Das  oben 
und  unten ,  sowie  an  der  rechten  Seite  leider  zerschlagene  Denkmal 
ist  nur  0-6  M.  hoch,  an  der  weitesten  Stelle  0:33  breit,  0-11  dick, 
die  Schrift  klein  (1  Cm.  hoch)  und  dicht.  Keine  einzige  Zeile  ist 
vollständig.  In  den  Formen  der  Schrift  sind  besonders  charakte- 
ristisch die  Züge  des  a,  e,  k,  n,  ^,  n;  ausserdem  ragen  y  und  b 
etwas  über  die  Zeile  empor.  Ueber  den  Fundort  erfuhr  ich,  der 
Stein    sei   unlängst   in    dem    früheren  Tscherkessendorfe  Kemekci 


198 

Dere  bei  Markovöa  ausgegraben  worden,  das  jetzt  unter  dem 
Namen  Kostena  Rjaka  von  Bulgaren  bewohnt  ist  (196  Einw., 
Gemeinde  Markovöa,  Arrondissement  Jenipazar),  nicht  weit  gegen 
SO.  von  dem  Felsrelief  bei  Madara.  Jedoch  der  Inhalt  selbst  zeigt» 
dass  die  Inschrift  keineswegs  ursprünglich  dort  sein  konnte.  Ich 
gebe,  in  Ermanglung  einer  Photographie,  nur  eine  sorgfältige  Ab- 
schrift : 

OSAMA 
ANKAIEKT 
4ATOYAA 
nPHMENflN  5 

ANYnEPTIQEM 
TEKAKO  nA©IA  N 
UilAAMniTITflN  nOTI 
OA.II        ONH2AITOYTEBA2 
AHI       ENTOZVnOASABie  10 

inNOmSAYSHTONFOTIS 
I ENESTAKOTAPOAEMONEi A n 
ZEKTENnSKAinPOQYMnZKAIME 
iPHZIA2EXPHMATI2ENnEPITnN 
OAIOZAIK  A  I  n  N  O  n  fl  2  O  Y  N  KAI  OA  A  15 

AINHTAITOY2EYNOOYNTA2EAYTniKA 
O         KAlArA0OY2ANAPA2TIMnNKA0HI 
N       nZEPAINEIZGAIiWEN  EPITOY  TOIZ  TONTE 
MONTO  NAr////A  AXINI  ATANEXONTATONPPO 
MnZANTIA  AMBA  NOMEN  ONTA2KAAAAT  20 

NUNZnTHPIAZ  KAI  2TP  ATAN  AKTAAY  I 
MIOZAEAOXOAITAIBOYAAIKAlXniAAM 
TArrEIAAZGAIAYTfllOTIO  AAM02Ar 
A2TA©ENTriNAYTmTnNnPArMAI 
12TANEHAPXA2AIA0E2INKAITHPOYN  25 

'TOYTANAIPEZINANEXnNAIA  TEAEI 
AKOI  N  AAEin2AYTONEPI2TP  A<t>H2E 
jaNrErONOTANEI2AYTON  EYEPPE 
..NAn02TEIAAIAET0Y2  ZTPATA 
NTirP  A*0NT012AP0AAnNIATANA  30 

A  I  r  A  P  A  KAA  E2AIAYTOYZTONEnAI  I 
MENEI2T0T0YAP0AAnN02lEP< 
ONEPITAAEIONEKAEEAMENO 


199 


\IAEAYTONKAITONBA2IAEAE 
ANEIONTOYSAEPPOBOYAOYZ  35 

AEYONTAZTONMHNATON 
OAEISAlTOnO  N  ENT 

ONAN  ATE©HZE,TAi 

E  M  n  N  ~ 

n   o   T  E  40 

[Mit  Benützung    eines    von    Domaszewski    genommenen    Ab- 
klatsches möchte  ich  folgende  Lesung  vorschlagen: 

e 

oaajuuj 
av  Kai  CK  t[u)V 
va  ToO  bd[|uou 
ujpr||uevijuv  5 

cTujTripijav  i)TTepTi9e)Li[evo<;  TuJv 

ibiuuv oujte  KaK0Tra9iav  [eure  kiv- 

buvov  eKKXivujv   ...t]uji  bdjuaii  ti  tujv  ttoti 

Tr]ö[Xiv      jovficJai  toO  te  ßa(j[iXeuj^ 
dHi[uu0]evTo^  UTTÖ  'AaaßiG  lo 

l(JUV    ÖTTUJ^    \vOr\    TÖV    7T0TI   Z.  . 

evecTTaKÖia  7TÖXe)uov  ela.n[o(ST- 
aXei]^  eKTeviijq  Km  TTpo0u|uuu(;  Kai  |ae[Td 
Trap]pnaia(;  exP^MdriHev  rrepi  tüjv  [läq 
TT]öXioq  biKaiuuv,  ÖTTU)^  ouv  Ktti  6  bd[|uo(;  15 

qpjaivriTai  lovq  eüvooOvTaq  eauTÜJi  Ka- 
Xjo[uq]  Ktti  dYa6ou(;  dvbpa?  Ti)ua)V  Kaeri[Kd- 
vfijuuq,  eTTaiveT(y9ai  )aev  im  toutok^  töv  te  [ba- 
)uov  TÖV  'ATT[o]XXujviaTäv  e'xovxa  töv  TTpo[6u- 
juujq  dvTiXa|Lißavö|uevov  Tdq  KaXXaT[ia-  20 

va)v  (jujTtipiaq  Kai  XTpaTÜuvaKTa  Au[Tbd- 
)iuoq,  beböxöai  Tdi  ßouXdi  küi  tuji  bd)u[u;i, 
eJTTaYfeiXaaeai  auTUJi,  öti  ö  bäpioc;  dTT[oKa- 
TJacTTaGevTUJV  auTOJi  tujv  TrpaY|Lid[TUJV 
e]i^  Tdv  eS  dpxd<;  bidGecTiv  Kai  Tr-|poOv[Toq  25 

aujTou  TttV  aipecTiv  dv  e'xujv  biaTeXei  ["rrpöq 
TJd  KOivd,  dSiuj^  auTÖv  eTnaTpacpr|ae|(j0ai 
t]ujv  "fCTOVÖTUJV  e\q  auTÖv  euepTe[T)'||ud- 
TUijv,  diToaTeiXai  be  rovq  aTpaTa[Youq  tö 


200 

dlvTiYpacpov  Toi<;  'ATroXXuuviaTäv  a[pxouaiv  30 

KJai  TTapaKttXeaai  auTouq  tov  eTTai[vov 

6e]|Liev  eic;  t6  toö  'AttöWuuvo«;  iepö[v,  tö- 

tt]ov  emTdbeiov  eK\eEa|uevo[uq,  KaXe- 

aa]i  be  aüiöv  Kai  töv  ßaaiXea  e[\c,  tö  TipuT- 

dveiov,  Tou(;  be  rrpoßouXoug  [tovc,  Trpoß-  35 

ouJXeuovrag  töv  \jLf\va  töv  .... 

dTTjobeifcai  TÖTTOv  ev  T[fii  dTOpdi. . .  . 

eig]  öv  dvaTeer|cre(i)Tai  [. . . . 
?  T]e[Xa]|uijuv. . . 

TTOTC  40 

Das  historisch  Werthvolle,  das  diese  Inschrift  zu  bieten  ver- 
möchte, steckt  leider  in  den  oberen,  arg  zerstörten  Zeilen,  deren 
Reste  den  Hinweis  auf  einen  im  skythischen  Gebiete  geführten 
Krieg  zu  enthalten  scheinen.  Schrift  und  Stil  des  erhaltenen  Theiles 
aber  lassen  die  Inschrift  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  zeitlich 
fixiren.  Die  Inschrift  von  Sestos,  welche  von  Carl  Curtius  (Hermes 
VII,  113  ff.)  veröffentlicht  (=  Dittenberger  Syll.  n.  246)  und  von 
Jerusalem  (Wiener  Stud.  I  p.  32  ff.)  hinsichtlich  ihrer  sprachlichen 
Uebereinstimmung  mit  Polybius  einer  eingehenden  Untersuchung 
unterzogen  wurde,  bietet  merkwürdige  Analogien.  Ich  citire  von 
den  bei  Jerusalem  hervorgehobenen  Besonderheiten  der  Inschrift 
von  Sestos,  die  sich  in  unserer  Inschrift  wiederlinden:  KaKOTraBia 
in  der  Bedeutung  „Anstrengung"  Z.  4  u.  32,  in  unserer  Inschrift 
Z.  7;  den  häufigen  Gebrauch  von  exTevriq  und  eKTevujq  in  der 
sestischen  Inschrift,  die  unsrige  hat  eKTeva)(^  Z.  13;  eTrKTTpeqpeaGai 
Tivoq  „sich  um  etwas  kümmern"  (Inschrift  von  Sestos  Z.  28; 
Inschrift  von  Callatis  Z.  21  f.).  Die  Abfassungszeit  der  sestischen 
Inschrift  ist  durch  die  Erwähnung  der  letzten  Attaliden  bestimmt 
und  fällt  sicher  nach  dem  Tode  Attalos  III.  Die  Buchstaben  unserer 
Inschrift  lassen  diese  Zeit  sehr  wohl  zu.  Eine  spätere  Zeit  scheint 
schon  dadurch  ausgeschlossen ,  dass  im  J.  72  Lucullus  Apollonia 
eroberte  und  seit  dieser  Zeit  wohl  schwerlich  mehr  das  Apollo- 
heiligthum,  welches  in  der  Inschrift  erwähnt  wird,  bestand,  da  die 
Colossalstatue,  das  Werk  des  Kaiamis,  daraus  nach  Rom  geschleppt 
wurde.  Aus  früherer  Zeit  (Ende  des  4.  Jahrhdts.)  ist  uns  über  die 
Schicksale  von  Callatis  bekannt,  was  Diodor  XIX,  73  und  XX,  25 
berichtet.  —  Im  Einzelnen  bemerke  ich  Folgendes:  Z.  21.  ZTpaTiu- 
vaE  scheint  bishor  nicht  belegt  zu  sein.  —  Z.  27.  Man  hat  hier  die 


201 

Wahl,  zu  einem  Anakoluth  zu  ergänzen,  wie  im  Texte  geschehen  ist, 
oder  aiiTov  eTTi(JTpacpr|cre[Tai]  tujv  kt\.  unter  Annahme  der  unbelegten 
Construction  von  emcTTpecpecröai  mit  Acc.  der  Person  zu  lesen.  — 
Z.  30  ff.  (Jeher  den  Geschäftsgang,  der  eingehalten  wurde,  wenn 
von  einem  Staate  an  einen  anderen  das  Gesuch  gerichtet  wurde, 
einen  Platz  zur  Aufstellung  einer  Ehrensäule  zu  bewilligen ,  gibt 
Aufschluss  die  Inschrift  Bull  de  corr.  hell.  X  (1886)  102  ff.  — 
Z.  35.  Neben  monatlich  wechselnden  Probulen  lernen  wir  hier  als 
Beamte  von  (Jallatis  Strategen  (Z.  29)  kennen.     SZANTO  ] 

In  einer  schönen  warmen  Landschaft  an  der  nördlichen  Kam- 
cija  (türk.  Akylly  Kamcik) ,  welche  bulgarisch,  wie  im  Mittelalter, 
noch  jetzt  allgemein  Tica  genannt  wird,  liegen  zwei  Stunden  südlich 
von  Sumen  die  Reste  der  einstigen,  wohl  auf  antiker  Grundlage 
errichteten  Hauptstadt  Bulgariens,  Preslav,  der  MefdXii  TTepiaöXdßa 
der  Byzantiner  und  des  Edrisi,  bei  einem  noch  jetzt  Preslav,  türk. 
Eski  Stambul  genannten  grossen  Dorfe  (2770  Einw.).  Die  Blüthe- 
zeit  des  Ortes  fällt  in  die  Zeiten  Symeon's  (888  —  927)  und  seiner 
nächsten  Nachfolger.  Noch  im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  schildert 
Niketas  Akominatos  (ed.  Bonn.  p.  486)  TTpiaöXdßa  als  ttöXk;  tuTUTia, 
GK  TiXivÖGu  TTäcra  ÖTTTfiq,  Ktti  TiXeiaitiv  öcTiiv  Trepi  töv  Aijuov  xfiv  irepi- 
luetpov  e'xou(Ja.  In  der  Türkenzeit  führte  hier  die  Hauptstrasse  von 
Constantinopel  nach  Bukarest  vorbei.  Jacobus  Bongarsius  erblickte 
hier  1585  „mm  cerne  de  murailles  de  pierre  quarree  blanche  .f  presque 
eiitier  de  grande  estendne^^.  Hadzi  Chalfa  beschreibt  im  17.  Jahr- 
hundert die  Ruinen  als  eine  feste  und  breite  Mauer,  die  einen  grös- 
seren Raum  einschloss  als  Constantinopel,  im  Inneren  von  Feldern 
und  Bergen  erfüllt.  Carsten  Niebuhr  (III.  172)  sah  im  Jahre  1767 
„an  der  Südseite  des  Fleckens  ein  Stück  von  einer  alten  Stadt- 
mauer", was  ihn  zur  Verrauthung  brachte,  „dass  dieser  Ort  die 
Residenz  der  ehemaligen  Könige  von  Bulgarien  sey'';  er  hörte  auch 
von  den  Einwohnern,  Eski  -  Stambul  „heisse  in  der  bulgarischen 
Sprache  Praslav".  Seit  der  Zeit  sind  die  Ruinen  arg  verwüstet 
worden,  denn  sie  dienten  ebenfalls  als  Steinbruch  und  Kalkbrennerei 
für  die  Festungsbauten  von  Sumen.  Kanitz  (III.  70  ff.),  welcher 
die  erste  genauere  Beschreibung  des  Ortes  gab,  war  durch  ihren 
Zustand  recht  enttäuscht. 

Die  Ruinen  von  Preslav  bestehen,  wie  die  von  Abeba,  aus 
einem  inneren  gemauerten  Schloss  und  einer  sehr  umfangreichen 
äusseren  Befestigung,    welche    den  ebenen,    ganz  von  Feldern  und 


202 

Weingärten  bedeckten  Raum  zwischen  dem  Dorfe  und  dem  Aus- 
tritt der  Tica  aus  einem  waldigen  Defilö  ungefähr  auf  eine  halbe 
Stunde  Weges  erfüllte.  Das  entspricht  dem  äusseren  toO  äcTieo^ 
TTepißoXoq  (oder  reixoc;)  mit  den  eTrdXgeK;  und  der  inneren  ßaaiXeiO(; 
auXri,  leixiov  exupov  xeKTiiiuevii,  ev  f|  Kai  6  TrXoOioq  MucToTc;  evaireKeiTO 
in  der  anschaulichen  Beschreibung  bei  Leo  Diaconus  (p.  134 — 138). 
Das  Schloss  (Saraj  genannt)  steht  an  600  M.  vom  linken  Ufer 
des  Flusses,  an  welchem  hier  auch  die  Spuren  einer  alten  Brücke 
bemerkbar  sind.  Es  war  ein  etwas  unregelraässiges  Viereck,  im 
Innern  von  Norden  nach  Süden  225  Schritt  breit;  von  der  2  M. 
breiten,  auf  der  Aussenseite  durch  solide  Quaderverkleidung  (die 
einzelnen  Quadern  0*9  M.  1.,  0"45  br.)  gedeckten  Umfassungsmauer 
aus  Rollsteineu  stehen  noch  vier  bis  20  Schritt  lange  und  5 — 6  M. 
hohe  Stücke.  Alte  Bauern  erinnern  sich  sie  gesehen  zu  haben,  als 
sie  noch  ganz  erhalten  war  und  ein  Thor  hatte.  Die  Linie  de> 
äusseren  Umwallung  ist  kaum  kenntlich,  soll  aber  vor  Jahren  nahe 
bei  dem  Dorfe  stückweise  noch  auf  Mannshöhe  hoch  gestanden 
haben.  Im  Innern  gibt  es  über  der  40  M.  tief  eingeschnittenen 
quellenreichen  Schlucht  des  Baches  Tunöska  Reka  eine  Stelle, 
genannt  Monastir.  Dieselbe  gilt  als  Fundort  alten  Mosaiks  und 
ich  selbst,  als  ich  auf  dem  geackerten  Felde  oben  am  Rande  der 
Böschung  mit  dem  Spaten  an's  Werk  ging,  stiess  neben  einigen 
Splittern  grünen  undurchsichtigen  Fensterglases  auf  hübsch  ge- 
glättete Mosaikstücke  verschiedener  Form  und  Grösse  in  drei  Farben, 
allerdings  nicht  mehr  zusammenhängend ,  sondern  zerstreut  unter 
dem  von  der  Pflugschar  Jahr  für  Jahr  umgewendeten  Boden.  Im 
Dorfe  selbst  sind  in  der  Kirche  und  in  dem  Amtshause  zahlreiche 
glatte' Säulen,  Capitäle  mit  Akanthen,  Architrave,  thönerne  Röhren 
und  viele  Quadern  zu  sehen.  Grosse  längliche  Platten  mit  schönen 
Blattornamenten,  darin  ein  Kreuzzeichen,  jede  in  drei  Felder  (0*39 
h.  u.  br.)  getheilt,  sind  von  hier  nach  Sumen  gebracht  worden  (zwei 
im  Leseverein  „Citaliste" ,  fünf  bei  dem  Metropoliten);  einen  ähn- 
lichen Stein  aus  Preslav  mit  blitzartigen  Linienornamenten  sah  ich 
bei  der  Kirche  von  Kotel.  Die  meisten  dieser  bearbeiteten  Steine 
sollen  aus  dem  inneren  Schloss  stammen.  Die  Preslaver  erzählen, 
vor  Jahren  habe  man  grosse  „silberne  und  goldene  Handschuhe", 
bis  zum  Ellbogen  reichend,  aufgefunden  und  eingeschmolzen;  auch 
zeigte  man  mir  eine  15  Cm.  lange  hohle  Froschfigur  aus  Bronze  guter 
Arbeit,  mit  einer  Miniaturmaus  als  Deckel.  Bei  der  Schule  steht 
endlich  auch  eine  16  Zeilen  lange,  sehr  beschädigte  lateinische  In- 


203 

Schrift  (1  M.  h.,  0-39  br.).  Es  ist  wohl  dieselbe,  von  welcher  Kanitz 
(III.  73)  einen  Abklatsch  mitgebracht  hat,  aus  dem  jedoch  Mommsen 
den  Inhalt  nicht  zu  entziffern  vermochte.  Die  Schriftzüge  sind  un- 
regelmässig und  stellenweise  unkenntlich;  ausser  einigen  Worten 
(iPSE,  VICTOR,  PROPATRi,  DEcvs)  kountc  ich  bei  einer  allerdings  nur 
flüchtigen  Besichtigung  nichts  Näheres  herausbringen. 

Die  Umgebungen  von  Preslav  haben  ebenfalls  manche  Alter- 
thümer  aufzuweisen.  Ich  erwähne  nur  eine  Burg  Bjalgrad,  eine 
Stunde  westlich  von  Preslav,  die  Reste  einer  gepflasterten,  nach 
Vrbica  im  Balkan  führenden  Strasse  bei  Dragöjevo  (von  dort 
sah  ich  auch  eine  silberne  Alexandermünze),  einen  neulich  (1885) 
bei  Smjädovo  gemachten  P'und  eines  bronzenen  Helms,  ein  pracht- 
volles Paar  eiserner  Messer  mit  in  Gold  und  Silber  eingelegten 
Zeichnungen  auf  der  Klinge:  Blumen,  Blättern,  Vögeln,  Hasen, 
Ziegen,  Löwen,  Schlangen  u.  s.  w. ,  gefunden  1869  bei  Divdjä- 
dovo  (türk.  Cengel),  jetzt  im  Palais  von  Sofia. 

Die  Reise  war  zu  Ende.  Von  Preslav  kehrte  ich  längs  des 
Nordfusses  des  Balkans  über  Trnovo  und  Lovec  nach  Sofia  zurück. 
Zum  Schlüsse  erlaube  ich  mir  noch ,  zwei  Inschriften  mitzutheilen, 
die,  so  viel  ich  weiss,  noch  unedirt  sind. 

1.  In  Silistria,  früher  in  der  Ak-Kapu-Dzamisi,  jetzt  auf  der 
Präfectur  (nach  zwei  Copien),  bemerkenswerth  wegen  der  Erwähnung 
eines  templum  in  canabis: 

I  ■  o  ■  M  • 

PROSALVTE      IMP-CAES-T-AeLha 

DRIANI  -  ANTONINI  •  AVG  •  PL-  El-^f 

RICAES    •   TEMPLVJW   •    ET   -   STATVAJW 
.5  C-R-   ET-CONSISSTENTIBVS    •    IN 

CANABIS-AELIS-LGXTCL- 

CN-OPPIVS  ■  SOTERICHVS  ET 

OPPIVSSEVERVSFIL    -EIVS 

DESVO    ■   FECERVNT-DEDICA 
10         TVJW  EST   •  PER  •  TIB  •  CL  •   SATVRNI 

NVM  •  LEG  •  AVG  ■  V  K  •  PR-  TIB-CL-IVLI 
ANO   ■    LEG   •   AVG 

I(ovi)  0{ptimo)  M{aximo)  pro  salute  imp.  Caes{aris)  T.  Aeli 
Hadriani  Antonini  Aug{usti)  P[ii]  (\t\  Veri  Caes(aris)  templum  et 
statuam  c{ivihus)  R{omanis)  et  consi{s)tentihus  in  canabis Aelis  l{e)g{ionis) 
XI  Cl(audiae)   Cn.   Oppius  Soterichus  et  Oppius   Severus  fil{ius)    eins 


204 

de  suo  fecerunt.  Dedicatum  est  per  Tib.  Cl(audium)  Saturninum  legia- 
tum)  Aiig(iisti)  pr{o)  p7-(aetore) ,  Tih{eri6)  Cl(midio)  Juliano  legiato) 
Ai(g{usti). 

2.  Im  Dorfe  Reselec  am  linken  Ufer  des  Isker  zwischen 
Vraca  und  Pleven,  vom  jenseitigen  rechten  Ufer  aus  einer  „Monastir" 
genannten  Ruine  herübergeschafft  (Copie  des  H.  Schulinspectors 
C.  Gincev): 

L-PLINIVS-SEX-F 
FA  B    ■    DOMO 
T  R  V  iW  P  L    I  A 
M  I  L  •  L  E  G  •  XX 
5  ANN  OR VM  XL V 

STIPENDIORVM   XVH 
HICSITVSEST 
TESTAMENTO   FJE  Rl 
I  V  S   S   I  T 
10  SECVNDVS 

L-PLIN-ETP-MEC'^I 

libe'Kvs   FECIT 

Prag,  März   1886  CONST.  JIRKCEK 


Nachtrag 

Zur  Karte.  Da  die  zum  IV.  Theil  der  Abhandlung  gehörige 
Karte  früher  gedruckt  war  als  der  Text;,  müssen  zwei  Berichtigungen 
derselben  hier  Platz  linden:  1.  Der  Name  Cabyle  gehört  oberhalb 
(niclit  unterhalb)  des  Namens  Jambol  zum  Berg  Tausan  Tepö; 
2.  der  Name  Deultum  bei  den  Ruinen  von  Skefa  ist  zu  entfernen 
und  dafür  etwas  weiter  westlich  nebst  einer  Ruinenstätte  zu  beiden 
Seiten  der  Mündung  des  Flusses  von  Karabunar  (südlich  vom  End- 
jiunkt  des   Walles)   einzutragen. 

S.  46  Z.    17  1.:  ni'OCKYNireiKON. 

S.  48.  Herr  Brozka  in  Sophia  unterrichtete  mich  in  einem 
Schreiben  vom  7.  (19.)  August  1886  über  die  Reste  bedeutender 
antiker  Gebäude,  die  in  diesem  Sommer  ausserhalb  der  Ostseite 
der  Stadt  gefunden  wurden.  Oestlich  von  der  Sophienkirche  wird 
der  weite,  bisher  als  Ilutweide  benützte  Raum  zwischen  den 
Strassen   nach  Rusöuk  und   Philippopel  allmählich  verbaut.     Dabei 


205 

stiess  man  knapp  am  Westuter  des  Haches  von  Podujeni  auf  die 
Ueberreste  eines  an  50  Meter  langen  Gebäudes  mit  1  M.  dicken 
Mauern  aus  Rollsteinen  und  flachen  Ziegeln.  Die  Nordseite  des- 
selben enthielt  drei  Kammern ,  insgesammt  nach  dem  Innern  zu 
9' 15  M.  tief  und  in  der  Front  3"75,  75,  10  M.  breit,  je  mit  einem 
Bogenfenster  auf  der  Aussenseite  und  einer  demselben  gegenüber 
liegenden  Thür.  Eine  Kupfermünze  des  Kaisers  Constantinus,  eine 
kupferne  Vase  (jetzt  in  der  Nationalbibliothek)  und  ein  Säulen- 
capitäl,  die  man  bei  dem  Ausheben  des  Erdreiches  in  den  Kammern 
selbst  vorfand,  zeugen  von  dem  römischen  Ursprung  dieser  Bauten, 
lieber  zwei  der  Kammern  hat  man  heuer  ein  150  Quadratmeter 
grosses  Haus  erbaut  und  dieselben  als  Keller  eingerichtet.  An 
100  Schritt  westlich  bemerkt  man  auf  einem  brachliegenden  Bau- 
platz die  Substructionen  eines  viereckigen,  lO  M.  langen,  8  M. 
breiten  Gebäudes  mit  einer  bogenförmigen  Apsis  auf  der  Ostseite, 
wohl  einer  Kirche.  Alles  spricht  für  eine  spätrömische  Ansiedelung 
auf  dieser  Stelle ,  die  von  den  Thermen  und  der  inneren  Stadt 
schon  recht  entfernt  liegt. 

S.  84.  Grisebach  (Reise  durch  Rumelien  2,  282)  sah  1839 
in  Kalkandelen  eine  Bleiglanzprobe,  die  aus  den  theilweise  mit 
Wasser  gefüllten  Gängen  eines  verfallenen  Silberbergwerkes  am 
Sargebirge  in  der  Dibra  stammte.  Die  Türken  hatten  kurz  zuvor 
eine  militärische  Expedition  zu  der  Auffindung  dieser  Bergwerke  in 
das  Gebiet  der  kriegerischen  Albanesen  der  Dibra  gesendet.  In 
diese  Gegend  gehören  die  äpfupeia  id  ev  AauacfTiiu  des  Strabo  7 
p.  326. 

S.  92.  Nach  der  neuesten  bulgarischen  Schrift  der  Brüder 
8korpil  (a.  a.  O.  S.  96)  ist  das  Pflaster  der  Römerstrasse  zwischen 
dem  rechten  Ufer  der  Marica  und  dem  Bahnhof  von  Tatar-Pazardzik 
O'ö  M.  tief  gefunden  worden.  Von  dort  ging  die  Strasse  bei  den 
Resten  des  alten  Bessapara  vorüber  gegen  das  Dorf  Karatahir  und 
erreichte  bei  dem  Dorf  Kadiköi  eine  Oertlichkeit  Namens  Ku- 
kardzi,  wo  früher  eine  Menge  bearbeiteter  Steine  sichtbar  waren ; 
Skorpil  verlegt  das  alte  Tugugerum  dahin  und  meint,  dass  die 
Marmorsteine,  Säulen  und  Quadern  in  den  nahen  Ortschaften  ins- 
gesammt von  dort  stammen.  Die  gepflasterte  Strassenspur  zieht 
sich  sodann  über  Zlatitrap  und  Meckür  nach  Philippopel. 

Skorpil  bringt  zwei  Inschriften  aus  dieser  Gegend: 

1.  Eine  Säule  (Durchmesser  0*38  M.)  auf  dem  Friedhof  süd- 
westlich von  Airauli  (S.  86).     Die  Klammern  scheinen  undeutliche 


206 

Stellen    zu    bezeichnen;    der    wichtige   Name   des   Legaten    Kaiser 
Gordians  ist  leider  nicht  sorgfältig  genug  wiedergegeben. 

(a  rA0)H  T  yx(y) 
aytok(p)atopikai2:a(pi)m(an  to) 

NinrOPAIANH  EYTYXIE 

2EBA2TriKAnHN0EO<t>IA 

5      rOYnANrYNAIKAAYTOY<t>OY 

SABINIANHNTPANKYAAEIN  ANH(rEJWO) 
NEYONTOSTHZePAKaNEnAP  x(e)i  a(2) 
nONIMAnANOYnPE2BZEBANTl(2TPA) 
THrOYHAANn(p)OTATH0PAKnNMH(TPO) 

10  noAi2(<MAi)nnonoAi2 

EYT  YXaS 

[dYttOjv]  Tux|ti].  AuTOK[p]dTopi  Kai(Ja[pi]  M.  ['Avtujjviuj  ropbiavtu 
EuTux[eT  Eücreßei]  leßacTTuj  Ka[l  xjnv  9eocpi\[ecrTdTr|v  . .  .  .  ]  Y^JvaiKa 
aÜToO  0ou[piav]  Iaßivi[av]  TpavKuXXeivav  fi[Te|uo]veuovTOff  ifig  GpcxKUJV 
e7rapx[e]ia[c:]  rTo[)LiTTUJVi]avoö  (?)  TTpeaß(euToö)  Zeß(a(JTOÖ)  dvTi[(TTpa]Tri- 
Tou  r]  XavTT[p]oTdTri  0paKU»v  |mi[Tpö]TroXig  [OiXiJTTTiÖTToXiff.  euTuxuJ?. 

2.  Grabstein  in  Zlatitrap  (S.  83).  Die  ersten  Buchstaben  sind 
unklar : 

(m  H  n)H  O  *  I  N  Y  O  2  T  I  N  K  A  r  *  P  O  N  a  N  E  A  Y  T  O  N  A  <t>  H 
Pnil2ENENEYTYXEinAPOAEITA*IAE 

[Etwa:  [ö  beiva  Ziuujv  (?)  Kai  qppovujv  iamöv  dqpr|püb[i](T€V  (ev). 
euTuxei  TTapobeixa  qpiXe.    O.  B.] 

S.  94.  Für  die  Strasse  von  Philippopolis  nach  Adrianopel 
gibt  Skorpil  dieselbe  Linie  an,  wie  Dobrusky,  aber  ohne  Nachricht 
über  die  geographisch  so  wichtige  Inschrift  von  Pizos.  Die  Station 
Syrnota  verlegt  er  zwischen  die  Dörfer  Manoli  und  Geren,  wo 
an  der  Ostseite  des  Baches  Karader6  sich  ein  türkischer  Friedhof 
mit  „bearbeiteten  Marmorsteinen  von  korinthischer  Architektur" 
(S.  98)  befindet.  Das  Strassenpflaster  ist  hier  nicht  erhalten  und 
der  Weg  nur  als  erhöhter  Damm  kenntlich.  Die  Inschrift  von 
Geren  bei  Dumont  (n.  60)  soll  jetzt  zerschlagen  und  als  Bau- 
material verbaut  sein;  in  Geren  wurde  auch  die  22  Cm.  lange 
Hand  einer  grossen  Bronzestatue  gefunden.  Parembole  verlegt 
Skorpil  (S.  99)  auf  eine  300  Schritt  lange  und  100  Schritt  breite 
Anhöhe  westlich  von  Asiklare,  mit  den  Resten  einer  alten  Ansiede- 


207 

lung;  daneben  ist  das  4  M.  breite  Strassenpöaster  auf  einer  100 
Schritt  langen  Strecke  sichtbar.  Ranilum  glaubt  er  (S.  101) 
westlich  von  Karaorman  gefunden  zu  haben,  wo  sich  eine  Oertlich- 
keit,  Kumbaklyk  genannt, '  mit  Spuren  von  Häusern,  Ziegeln  u.  s.  w. 
vorfindet.  Von  dort  zweigt  die  Spur  eines  alten  Weges  nord- 
westlich gegen  Hissar  ab  (S.  101  ff.),  über  Tiirkmen.  Bulgar  Coba, 
Bekirli,  zwischen  Jutaklar  und  Kirekci,  gegen  Salalii  zu. 

S.  96.  Nicht  weit  nördlich  von  dem  Zusammenfluss  der 
Sazlijka  und  IMarica  gibt  es  am  Westufer  des  ersteren  Flusses, 
südlich  vom  Dorf  Tekke-Musace  vo  ein  jetzt  von  der  Eisenbahn 
Seimenli-Jambol  durchschnittenes  Doppelcastell.  das  Skorpil  (S.  17) 
ausführlich  beschreibt.  Das  nördliche  Castell  (Mauern  3  M.  dick) 
bedeckt  einen  Flächenraum  von  25,  das  südliche  von  40  bulgari- 
schen „uvrat''  oder  türkischen  „dönüm"  (40  X  40  Schritt).  Das 
Innere  der  Burgen  ist  in  Kammern  (die  nördliche  in  18 — 20)  ein- 
getheilt  gewesen.  In  dem  Zwischenraum,  15  „uvrat"  gross  (aber^ 
wie  breit  von  Burg  zu  Burg?),  bemerkt  man  Reste  von  Häusern 
und  eine  alte  Strasse,  die  von  W  nach  O  quer  hindurch  geht  und 
in  der  Nähe  die  Fundamente  einer  6  M.  breiten  Brücke  über  die 
Sazlijka  erreicht.  Längs  der  Ostseite  der  Burgen,  die  knapp  am 
Rande  des  Inundationsterrains  der  Sazlijka  stehen,  zieht  sich  das 
Ende  der  Wälle  der  „Jerkesija*'.  Skorpil  erkennt  in  diesen  Burgen 
ganz  richtig  das  alte  Arzus.  Bei  dem  Bahnbau  sollen  hier  ausser 
Münzen  Constantin's  und  Justinian's  auch  Statuen  und  Inschriften 
gefunden  worden  sein.  Das  Volk  sagt,  die  Burg  hätte  einst  Bosna 
grad  geheissen  (S.  19).  Dieser  Name  erinnert  mich  an  das  aus 
Anna  Komnena,  Ansbert  und  Villehardouin  bekannte  Blisnos, 
Blisimos  des  späten  Mittelalters,  das,  wie  ich  oben  (S.  97) 
bemerkte,  in  dieser  Gegend  zu  suchen  ist. 

Verschieden  von  diesem  Burgenpaar  ist  das  Castell  bei  Sei- 
menli  am  linken  Ufer  der  Marica.  westlich  von  der  Münduno-  der 
Sazlijka  (eine  Inschrift  von  dort  siehe  Monatsberichte  a.  a.  O.  S.  449). 
Die  Fortsetzung  der  Strasse  gegen  Adrianopel  zu  geht  nach  Skorpil 
(S.  19)  von  der  Doppelburg  durch  das  Gebiet  des  gegenüber  liegen- 
den Dorfes  Surut  zu  einer  ßurgstelle  Devebargan  zwischen 
Seimenli,  Sadukli  und  Kujunli,  und  hält  sich  demnach  an  das  linke 
Ufer  der  Marica.  Die  Burg  von  Glavan  kann  also  nicht,  wie 
ich  meinte,  an  der  Strasse  selbst  gelegen   sein. 

S.  99.  Zur  Römerstrasse  von  Philippopel  nordwärts  erwähnt 
Skorpil  S.  99    ein    Hissarlyk   zwischen    Conluk    und   Seldzikovo 


208 

(in  welchem  Verhältniss  zu  dem  dortigen  Gabelpunkt  der  Ciaausseen 
von  Philippopel  nach  dem  Hissarbad  und  Kalofer?).  Es  ist  ein 
viereckiger  Lagerplatz,  mit  den  100  Schritt  langen  Flanken  nach 
den  Himmelsrichtungen  orientirt,  umgeben  von  einem  5  M.  hohen 
Wall  (ohne  Graben?).  An  150  Schritt  nördlich  davon  stehen  vier 
Tumuli  in  einer  Reihe;  in  Seldzikovo  gibt  es  Scäulenbasen  und 
Capitäle,  die  angeblich  von  dort  stammen.  Ein  zweiter  solcher 
Lagerwall  um  die  Reste  einer  Ansiedelung  befindet  sich  südlich 
davon,  nordöstlich  von  Strojevo.  Einen  dritten  Wall  von  ähn- 
lichen Dimensionen  sah  Skorpil  nordwestlich  von  Achievo  am 
Fuss  des  Balkans  (zwischen  Tekke  und  Sopot),  an  einer  „Staro 
Teke"  oder  „Assarlyk"  genannten  Anhöhe. 

S.  104.     Die   Inschrift   von  Jeni  -  Zagra   ist   auch   bei  Skorpil 
S.  84  zu  lesen,  ohne  bemerkenswerthe  Abweichungen,  ausser  Z.  1: 


JVVH2NAKOZ1, 


S.  135.  Die  Burg  am  Tausantepe  bestand  noch  zur  Zeit 
der  türkischen  Eroberung  des  Landes.  Leunclavius ,  Hütoriae 
musulmanae  Turconim  etc.  (Frankfurt  1591)  S.  276  erzählt  nach 
einer  türkischen  Chronik,  Sultan  Murad  I.  habe  während  des  Feld- 
zuges Ali's  nach  Bulgarien  in  Jambol  und  auf  der  Burg  verweilt 
und  in  der  letzteren  von  seinem  Feldherrn  den  Bericht  von  dessen 
Siegen  entgegengenommen:  „quum  ad  aliquid  tempus  in  urbe  Jam~ 
holi  mhstitisset,  ex  eo  loco  discedens,  ad  arcem  Tausonlu  nomina- 
fam  se  conttderat"  (Hammer,  Gesch.  d.  osm.  Reiches  V  174  schreibt 

Tausli). 

S.  136  ff.  Der  östliche  Theil  des  Walles  der  „Jerkesija''  von 
Jakyzly  bis  zur  Tundza  ist  mittelst  einer  braunen  Linie  genau 
eingezeichnet  in  der  neuen  russischen  Generalstabskarte  von  Bul- 
garien und  Rumelien  in  54  Blättern  im  Massstab  1  :  210.000  (Blatt 
Vn  7  Jambol  und  VII  8  Burgas) ,  wo  der  geradlinige  Charakter 
der  einzelnen  Partien  klar  hervortritt.  Ich  bin  leider  erst,  als  die 
vorliegenden  Seiten  sich  unter  der  Presse  befanden,  in  den  Besitz 
eines  Exemplares  dieses  scliönen  Kartenwerkes  gelangt.        C.  J. 

Herr  Professor  Pomialowsky  von  der  St.  Petersburger  Univer- 
sität hat  die  grosse  Freundlichkeit  gehabt,  mich  brieflich  davon 
zu  unterrichten,  dass  die  oben  S.  103  von  mir  behandelte  metri- 
sche   Inschrift    kurz    vorher    schon    in    der    russischen    Zeitschrift 


209 

„Bulletin  der  kaiserlich-russischen  archäologischen  G-esellschaft  zu 
St.  Petersburg^',  Neue  Serie,  Bd.  I  (1885),  auf  Grund  einer  von 
Hrn.  Montani  in  Philippopel  mitgetheilten  Copie  von  Hrn.  Socoloff 
—  Professor  der  Petersburger  Universität  —  herausgegeben  worden 
ist.     Jene  Copie  hat  dieses  Aussehen: 

D  n  M  O  N  A  T  E I  A 1  A  N  n  r  A  iVE  T  I  ■  I //// 

jEE^EKOYNAAEI^EKAKOYPIAI( 

MOYlEKC'/YTENirACTPI 

n  p  n  1 A  "E I  A I A  N  n  p  n  M  o  N  T  o  I  w 

CGYNAAIVr   MAAtNEEEOA/ENOtECE 
a    ////l  n  ^E  K  Y  I    e 

Danach  gewinnt  die  ganze  Inschrift,  deren  zweiten  Vers  Hr. 
Socoloff  in  evident  richtiger  Weise  ergänzt  hat,  während  im  Schluss- 
vers das  von  mir  zweifelnd  vorgeschlagene  X«PMCt  durch  crfiiua  zu 
ersetzen  ist,  die  folgende  Gestalt: 

Buu|uöv  'AxeiXiaviij  TaMexi^  [fx    ecrinjcre  [Z]eK0Övba, 
eiveKtt  KOupibio[u  GaXd],uou  TeK[vo]u  t'  evi  Y^ö'Tpi. 
fipuui  'AieiXiaviij  ßuj|iiöv  TÖ[vb'  eicre  ZeJKoOvba, 
)u[vfi]fja  ^ev  ecrcTGjuevGig,  o[\]}ia  be  t]uj  vckui. 
Eine    dritte    Copie    derselben    Inschrift    endlich,    welche    der- 
jenigen des  Hrn.  Montani  sehr  ähnlich   ist,    hat  jüngst  S.  Reinach 
von    Herrn  Tacchella   in   Philippopel    erhalten    und    in    der    Revue 
d'Ärcheologie  III  ser.  Tom.  VIII  (1886)  p.88  bekannt  gemacht.     Th.  G. 
[Zu  S.  203.    Die   Inschrift   aus    Silistria   ist   bereits   in  dieser 
Zeitschrift  VI  S.  3  publicirt.     D.  R.] 


Aus  Serbien 


Im  September  vorigen  Jahres  wollte  ich  im  Anschlüsse  an 
meinen  Freund  Alfred  v.  Domaszewski,  der  für  das  Supplement  zu 
C.  I.  L.  III  die  Donauländer  zu  bereisen  übernommen  hatte,  einen 
grösseren  Streifzug  durch  dieses  archäologisch  wenig  erforschte 
Gebiet  unternehmen.  Die  plötzlich  hereinbrechenden  Kriegsunruhen 
vereitelten  die  Ausführung  dieses  Vorsatzes,  bis  auf  eine  zehn- 
tägige Tour  durch  Serbien ,  von  Belgrad  nach  Kragujevac  ,  dann 
über  Gorni-Milanovac,  Cäöak,  Pozega,  Karan,  Uzice,  Kremna  nach 

Archäologisch-epigraphische  Mitth.  X.  i  j 


210 

Bajina  -  Basta  im  Drinathal,  welches  die  Grenze  gegen  Bosnien 
bildet,  weiter  flussabwärts  bis  Ljubovje  und  über  Krupanj  nach 
Sabac  an  der  Sawe.  Durch  die  unfreiwillige  Hast,  mit  der  wir 
von  Uzice  an  reisten,  wurde  meine  Ausbeute  noch  spärlicher,  als 
sie  bei  den  schlechten  Verkehrsmitteln  des  Landes  und  bei  dem 
geringen  Interesse,  das  man,  rühmliche  Ausnahmen  abgerechnet^), 
den  Resten  der  Römerzeit  entgegenbringt,  auch  sonst  gewesen  wäre. 
Das  Wenige  dürfte  aber  immerhin  als  Beispiel  dessen,  was  von 
diesem  Boden  zu  erwarten  ist,  Interesse  haben  und  trotz  des  rohen 
Charakters  der  meisten  von  diesen  Denkmälern  theilweise  auch 
mehr  als  locale  Bedeutung  beanspruchen.  Wo  es  halbwegs  angeht, 
gebe  ich  Zinkdrucke  nach  meinen  Skizzen,  welche  trotz  ihrer  Mängel 
immerhin  eine  bessere  Anschauung  vermitteln  werden,  als  blosse 
Beschreibungen.  Auf  die  wissenschaftliche  Verarbeitung  des  Stoffes 
einzugehen  bin  ich  hier  nicht  in  der  Lage,  schon  weil  mir  die 
einschlägige  Litteratur  fast  ganz  unzugänglich  ist. 

Die  hervorragendsten  Sculpturen,  welche  uns  begegneten,  sind 
zwei  zusammengehörige  Kolossalstatuen  im  Garten  des  militär- 
technischen Laboratoriums  zu  Kragujevac,  welche  ebenda  beim 
Konak,  der  einstigen  Residenz  der  serbischen  Fürsten,  ausgegraben 
wurden,  Apollo  und  Minerva,  nach  Art  von  Giebeleckenfiguren 
auf  dem  Boden  gelagert,  mit  halb  erhobenem  Oberkörper,  welchem 
der  eine  auf  eine  Felserhebung  gestützte  Arm  zur  Stütze  dient,  der 
Gott  links-,  die  Göttin  rechtshin.  Die  beiden  reliefartig  componierten 
Figuren  waren  aus  je  drei  Blöcken  eines,  wie  man  uns  sagte,  in 
der  Nähe  brechenden  Sandsteins  zusammengesetzt  und  von  nicht 
ganz  ungeschickter  decorativer  Arbeit.  Minerva,  im  eng  anliegen- 
den Schuppenpanzer,  die  Beine  ganz  in  den  Mantel  gehüllt,  welcher 
auch  über  den  vorgestreckten  Arm  herüberhängt,  hat  den  Kopf 
und  mit  der  1.  Hand  und  dem  r.  Unterarm  ihre  Attribute  verloren. 
Mehr  ist  vom  Apoll  erhalten,  obzwar  er,  besonders  an  den  Glied- 
massen, zum  Zwecke  der  Erbauung  eines  Bleischmelzofens  in  wohl 
an  die  zwanzig  Stücke  zerschlagen  worden  war,  um  deren  Zu- 
sammenfügung sich  besonders  Domaszewski  verdient  machte;  nur 
der  rechte  Arm  war  nicht  aufzufinden.     Bekleidet   ist   er  mit  vorn 


')  Die  königliche  Regierung  imterstützte  Domaszewski's  Unternehmen  auf 
(las  nachflriicklichste.  Unter  den  einsichtigen  Privataiännern ,  denen  wir  für  För- 
derung unserer  Arbeiten  verpflichtet  sind,  sei  vor  Allen  Herr  Ingenieur  Luka  Ivkovic 
in  Kragujevac,  von  fiflimt  fin  Oesterreicher,  hervorgehoben. 


211 


am  Halse  von  rosettenförmiger  Fibula  zusammengehaltener  Chlamys, 
die  ihm  beim  Sitzen  und  beim  Aufstützen  des  linken  Ellenbogens 
zur  Unterlage  dient;  ein  Zipfel  bedeckt  den  Schoss.  Hier  scheint 
die  Rechte  geruht  zu  haben  oder  ein  Gegenstand,  den  sie  hielt. 
Der  Köcher,  welchen  das  von  der  linken  Schulter  oberhalb  der 
Chlamys  quer  über  die  Brust  gelegte  Band  bezeugt,  fehlt  —  wenn 
meine  eiligen  Notizen  nicht  trügen  —  auf  dem  angelegten  Rücken, 
hieng  also  wohl  zur  Seite  herab.  Die  übereinandergeschlagenen 
Füsse  trao-en  einfache  Riemenschuhe,  der  ziemlich  wohlerhaltene 
langgelockte  Kopf  ist  von  einem  anliegenden  Lorbeerkranz  um- 
geben. Er  gemahnt  mit  den  etwas  in  die  Höhe  gezogenen  Brauen 
an  hellenistische  Typen  und  erinnerte  mich  insbesondere  etwas  an 
den  Helios  des  pergamenischen  Altars.  Die  Länge  der  Figur  be- 
trägt ungefähr  1'7,  die  Höhe  an  1-3,  die  Dicke  0-33  M.  Die  Statuen 
bildeten  ohne  Zweifel  den  Schmuck  eines  Gebäudes,  vielleicht  eines 
Tempelgiebels. 

Irgend  einem  architektonischen  Zusammenhange  gehörte  auch 
das  charakterlose  Gorgoneion  (Fig.  1)  in  wahrscheinlich  sechs- 
eckigem vertieften  Felde  an,  welches  ich  in  der  Abenddämmerung 
zu  Bajina-Basta  skizzierte,    wo   es  in  der  Stützmauer  der  Röhren- 


leitung an  der  Mühle  des  Cvetko  Jeftic  verbaut  ist  und  immer- 
während vom  Wasser  berieselt  wird.  Der  Stein  ist  etwa  0*55  breit. 
Moos  und  Schlamm  machten  das  Materiale  unkenntlich.  In  der 
Nähe  lag  ein  leidlich  gearbeitetes  Pilasterkapitell.     In  jener  Mauer 

14* 


212 

verbaut  war  auch  das  etwa  0"6  M.  im  Geviert  messende  Relief 
Fig.  2,  zwei  Brustbilder  nebeneinander  darstellend,  rechts  dasjenige 
eines  Mannes  in  langärmligem  Rock  und  Chlamys,  der  eine  Schrift- 
rolle hält,  links  wahrscheinlich  dasjenige  seiner  Frau,  welche  wein- 
blattförmige Fibulae  und  einen  daran  befestigten  an  Phalerae  er- 
innernden Brustschmuck  trägt.  Die  herzblattförmigen  Gehänge 
kommen  auf  Denkmälern  der  Kaiserzeit  in  verschiedener  Verwendung 
häufig  vor.  Wir  haben  ohne  Zweifel  den  Obertheil  einer  Grabstele 
vor  uns,  welcher  durch  die  am  unteren  Bruchrand  erhaltene  Leiste 
gegen  das  Hauptfeld,  das  die  Inschrift  trug,  abgegrenzt  wurde. 

Auf  Grabsteinen  wesentlich  gleicher  Form  erscheinen  die  Ver- 
storbenen auch  in  ganzer  Gestalt,  wie  Fig.  3  zeigt,  von  einer  über 
1*6  h.,  0*65  br.  Kalksteinplatte  auf  dem  Friedhof  zu  Karan  mit  der 
Inschrift;  D(is)  M{anibus)  Fl.  Tattae  libertae  et  nidrici  def{unctae) 
an{nis)  L  FL  Prisca  C{ai)  f{iUa)  et  Dazieri  vil{lic6)  vivo  p{o3u{t). 
Die  Dargestellten  scheinen  beide  Schlüssel  zu  halten.  Der  Stil 
stimmt  zu  dem  barbarischen  Charakter  der  Namen. 


Fig.  4 


Ein  ähnliches  Reliefbild  als  einziger  Grabschmuck,  ohne  bei- 
gefügte Inschrift,  fand  sich  auf  dem  Ruinenfelde  von  Gorobilje  bei 
Pozega.  Eine  etwa  l  M.  br.,  0"7  h.,  0-2.5  d.  Platte  aus  hartem 
grauen,  weiss  und  rosenfarben  geäderten  Kalk  tragt  in  breiter  ein- 
facher Umrahmung  die  beiden  unter  Fig.  4  abgebildeten  Gestalten. 
Die  Frau  scheint  mit  aegisähnlichera  Kragen  geschmückt  und  in  der 
Rechten  ein  situlaartiges  Gefäss    zu    tragen.     Den  Mann   hielt   ich 


213 

für  bartlos.     Er    steht    auf  einem   in  Relief  gebildeten  Stück  Erd- 
boden.. 

Neben  solchen  Bildern  der  Verstorbenen  findet  sich  auch 
mythologischer  und  symbolischer  Grräberschmuck.  Den  liegenden 
Löwen  mit  auf  einen  Widderkopf  gelegter  Tatze,  wie  er  in  Dacien 
und  Pannonien  ganz  gewöhnlich  ist,  fand  ich  in  einem  sehr  rohen, 
nur  0'58  langen  Exemplar  aus  Sandstein  vor  dem  Konak  zu  Kra- 
gujevac.  Ein  grösserer,  mit  weggebrochener  Tatze,  bewacht  den 
Eingang  zur  Kirche  von  Karan. 

Am  ersteren  Orte  steht  auch  emer  von  den  araähnlichen  Grab- 
steinen, wie  sie  in  den  erwähnten  Ländern  ebenfalls  vorkommen, 
ein  etwa  1-6  h.,  0*9  br.,  0-7  d.  Kalksteinpfeiler,  der  an  der  Stirn- 
seite in  feston  -  und  rankenumrahmtem  Felde  die  Inschrift  C.  1.  L. 
III  1672,  Addit.  p.  1023,  trägt,  auf  den  Nebenseiten  mit  den  sog. 
Attisbrüdern  in  Relief  geschmückt  ist,  zwei  mit  Chiton  Chlamys 
und  phrygischer  Mütze  gekleideten  Jünglingen,  die  in  correspon- 
dirender  Haltung  je  den  einen  Ellenbogen  auf  einen  dicken  Stab 
stützen,  welchen  die  andere  Hand  am  oberen  Ende  fasst.  Die- 
selbe Darstellung  zeigt  ein  pyramidal  nach  oben  verjüngter  Kalk- 
steinpfeiler, welcher  ungefähr  mit  seinem  oberen  Drittel  in  die  Erde 
eingesenkt  auf  dem  Friedhof  zu  Karan  steht;  nur  sind  hier  die 
'Attisbrüder  ganz  klein  gebildet  und  hinauf  gerückt,  um  grossen 
Delphinen  Platz  zu  machen.  Die  Hauptseite  nimmt  eine  breite, 
unten  canellierte  Amphora  ein,  aus  der  eine  stilisierte  Rebe  empor- 
wächst, auch  diess  ein  wohlbekannter  Gräberschmuck. 


Fig.  5 

Zu  den  Grabdenkmälern  ist  ohne  Zweifel  auch  eine  Art 
parallelepipedförmiger,  architektonisch  nicht  gegliederter,  aber  an 
der  einen  Breit-  und  zwei  Schmalseiten  mit  Reliefs  verzierter  Steine 
zu  rechnen,  von  denen  ich  drei  Exemplare  gesehen  habe. 


214 

A  Fig.  5.  Kalkstein,  auf  dem  Marktplatze  in  Pozega,  nach 
der  zuverlässigsten  Angabe  aus  der  Ruinenstätte  von  Vissi-Baba 
herrührend,  0*75  1.,  0-52  br.,  0-67  h.  Die  Kline  des  Mannes  im 
Hauptfeld  hat  ganz  gleiche  geschwungene  Seitenlehnen.  Was  der 
Reiter  in  der  L.  hält,  sieht  einem  Bogen  eher  als  einer  Gerte  gleich. 
Von  den  beiden  Männern  auf  der  anderen  Schmalseite  hält  der  zur 
Rechten  in  der  1.  Hand  einen  Stift,  in  der  andern  eine  Schreibtafel. 
Die  Attribute  des  Anderen  waren  mir  trotz  ihrer  deutlichen  Form 
unverständlich. 


Fig.  6. 

B  Fig.  6,  röthlicher  marmorartiger  Stein,  in  der  Kirche  zu 
Karan  als  Sitz  verwendet,  wodurch  die  Oberfläche  glänzende  Politur 
erhalten  hat,  0-64  l,  0-53  br.,  O'öl  h.  Ein  viereckiges  Dübelloch 
mit  Gusscanal  zeigt,  dass  die  Oberfläche  einen  Aufsatz  trug.  Der 
gelagerte  Mann  hält  in  der  R.  einen  Trinknapf,  in  der  L.  vielleicht 
ein  zweites  trinkhornartiges  Gefäss.  Die  sitzende  Frau  scheint  mit 
der  r.  Hand  einen  eigrossen  Gegenstand  zu  halten.  Dem  Reiter 
flattert  im  Rücken  die  Chlamys. 

C  Fig.  7.  Kalkstein,  als  Untersatz  eines  Haupttragbalkens  des 
Stalles  bei  der  IMehane  (Wegschenke)  von  Kremna  verwendet,  mit 
der  Hauptseite,  die  vielleicht  abgearbeitet,  auf  dem  Boden  liegend; 
die  linke  Seite,  welche  hier  den  Reiter  trägt,  nach  aussen,  die 
rechte  nach  innen  gekehrt,  so  dass  ich  sie  nur  sehen  konnte,  indem 
ich  mit  einer  Laterne  unter  den  Boden  des  Gebäudes  kroch.  Die 
davon  aus  dem  Gedächtniss  gemachte  Skizze  dürfte  dennoch  im 
Wesentlichen  treu  sein.  Die  P]rhebung  links  neben  der  Hand 
des  Mannes  schien  mir  eher  von  der  Randleiste  als  von  einem 
Attribut  seiner  Rechten  herzurühren.     0-53  1.,  0.51  br.,  0*77  h. 


215 

Dieser  so  viel  ich  weiss  neue  Typus  ist  in  mancher  Hinsicht 
merkwürdig.  Zunächst  als  weiteres  Beispiel  der  seltenen  Verbin- 
dung des  Reiterheros  mit  dem  Totenmahl,  welche  in  anderer  An- 
ordnung in  Thrakien  und  Kleinasien  vorkömmt,  vergl.  Dumont 
Inscr.  et  mon.fig.  de  la  Thrace  in  Archives  des  missions  scientif.  3.  ser. 


Fig.  7. 


t.  Iir  p.  125  n.  20;  137,  57;  140,61;  Conze  Thasos  T.  10,  2; 
Archäol.  Zeitg.  1864  S.  172;  ebenda  1872  S.  105;  Milchhöfer  Mitth. 
d.  arch.  Inst.  Athen  1879  S.  165.  Neu  war  mir  ferner  die  Dar- 
stellung der  Zurüstung  zum  Male,  wie  sie  auf  B  und  C  erscheint : 
der  vor  dem  gelagerten  Manne  der  Hauptseite  fehlende  Tisch  wird 
nebst  anderem  Geräth  von  einer  Dienerin  auf  einer  Nebenseite  her- 
beigetragen. Endlich  scheint  auf  A  mit  den  symbolischen  Dar- 
stellungen ein  realistisches  Todtenrelief  nach  Art  der  unter  Fig.  3 
und  4  abgebildeten  verbunden  zu  sein ;  wenigstens  weiss  ich  die 
beiden  Männer  nicht  anders  aufzufassen.  Vielleicht  ist  der  Mann 
neben  der  Tischträgerin  auf  C  ebenso  aufzufassen. 

Noch  möchte  ich  ein  Stück  pnmitiver  Kunst  der  neuesten 
Zeit  verzeichnen ,  welches  in  überraschender  Weise  Erscheinungen 
des  antiken  Archaismus  wiederholt.  Den  Gefallenen  der  letzten 
Tttrkenkriege  sind,  wenn  ich  mich  recht  erinnere,  besonders  in  den 
westlichen  Landestheilen ,  vielfach  an  den  Wegen  Denkmäler  er- 
richtet, in  Gestalt  von  einfachen  Steinpfeilern,  welche  an  der  Vorder- 
seite das  etwas  weniger  als  lebensgrosse  Bild  eines  serbischen  In- 
fanteristen in  vollem  Farbenschmucke  zeigen.  Die  Grundlage  der 
Bemalung  aber  ist  ein    flaches  Relief,   in    ganz   ähnlicher  Technik, 


216 

wie  die  älteste  griechische  und  ägyptische,  in  die  Vorderfläche  ein- 
gemeisselt.  Die  Beine  sind  in  massigem  Ausschreiten  von  der  Seite, 
der  Oberkörper  und  Kopf  von  vorne  dargestellt.  Die  Zeichnung 
ist  von  kindischer  Unbeholfenheit  und  Stillosigkeit.  Unter  dem 
Relief  steht  meist  eine  längere  Inschrift,  abwechselnd  mit  verschie- 
denen Farben  gefüllt,  was  ja  im  griechischen  Archaismus  auch 
vorkömmt.  Ueber  Herkunft  und  Verbreitung  dieser  merkwürdigen 
Kuustweise  vermochte  ich  leider  nichts  zu  erfahren. 

Athen,  April  1886  FRANZ  STUDNICZKA 


Inschriften  aus  Rhodos 


Bereits  seit  längerer  Zeit  befindet  sich  eine  grössere  Anzahl 
von  Simon  Georgiadis  herrührender  Copien  rhodischer  Inschriften 
in  meinen  Händen,  mit  deren  Veröffentliciiung  ich  bisher  zögerte, 
hauptsächlich  darum,  weil  ich  bei  der  vielfach  offenbaren  Un Voll- 
kommenheit derselben  doch  lieber  abwarten  wollte,  ob  die  bezüg- 
lichen Inschriften  nicht  von  anderer  Seite  in  besseren  Abschriften 
veröffentlicht  werden  würden,  wie  diess  bei  einigen  nach  derselben 
Quelle  von  mir  in  dieser  Zeitschrift  (VH  1883  S.  135  ff.)  mit- 
getheilten  der  Fall  war.  Da  jedoch  die  zahlreichen  seitherigen 
Fublicationen  rhodischer  Inschriften  von  dem  mir  vorliegenden 
Material  immerhin  noch  einen  ziemlichen  Rest  unberührt  gelassen 
haben,  welcher  des  Interesses  nach  der  einen  oder  anderen  Rich- 
tung nicht  entbehrt,  möchte  ich  mit  der  Veröffentlichung  desselben 
nunmehr  nicht  zurückhalten,  wobei  ich  nur  einige  unverständliche 
Fragmente  ausgeschieden  habe  und  mich  auch  sonst  meist  auf  die 
Mittheilung  des  Textes  beschränken  zu  sollen  glaube.  Bei  n.  14. 
15.  17.  18.  23.  24.  25.  28.  29.  30  liegen  Copien  von  Simons  Bruder 
Emmanuil  zu  Grunde*). 


*)  Ich  benutze  den  Anlass  zu  der  Bemerkung,  dass,  wie  Herr  Viceadmiral 
T.  A.  S  p  r  a  1 1  mir  gelegcntlicli  miUhcilte,  die  amorginische  Inschrift  Kaibel  epigr, 
n.  277  sich  jetzt  in  seinem  Besitze  befindet.  Das  Fragment  ist  ungefähr  013  hoch 
und  0'2  breit. 


217 


1. 


7. 


OAAMOZOPOAinNETlMAZE 

PPATArOPANXAl'IAAMOY 

ErAlNniXPYZEniSTEOANni 

APETAZENEKAKAIEY 
ANEXnNAlETEAEIElZ 

TimONAAEZlMENEYS 
KAOYO0E2IANAEAlNAnNOS 
AAPIiTANrENnMENnN 

TilNAIKAZTAN       KAI 
^  2TYNOMH2AN  TA  KAI 


Rhodos 

'0  bä|uo^  ö  'Pobiujv  exiiuacre 
TTpaTayöpav  Xapibd)uou 
erraivuji,  xpu<7euui  cTTecpavuii 
äpeiäc,  eveKa  Kai  eu[voia^, 
5    dv  e'xujv  bieieXei  eiq  [auTÖv, 

Tijuov  'A\eHi|ueveu(;, 

Ka6'  uoeecTiav  be  Ai'vbuuvoq, 
K]XapujTdv  Yev[ö]|uev[o]v 
Tujv  [bjiKaaidv  Kai 
5    d](JTuvo|uiicravTa  Kai 


rizTATANrENOMENONTaNPAiAfiN      eJiricTTdiav  Yevöjuevov  tujv  Traibuuv, 


ArnNO0Er"^ANTA 

nOAIKAlT^~YOElOY 
IEPATEY2:'\_A'    LI 

PYGION  KAPINA 
r  Y  N  A  A  E  2  4>  A  I  P  O  Y 
XPHZTAXAIPE 

ZriTH  PI  A  A 

KA  I 
NIKASinNOZ 
T  E  A  M  E  2  2:  E  D.  N 

APAXOEnXKAINYZA^ 
Air  YF  TiriN 
EYZEBHN 


dY(juvo9eTi]cravTa 

TToX[üJkXito[(;  EJue[eT]ou, 
iepaTeua[a(g]  'A[Xiuj 

TTü9iov  Kapiva, 
Yuvd  be  Zqpaipou, 
XpricTTd  xaipe. 

ZuuT7"|piba 

Kai 
NiKaaiuuvoq 

T€X)u[ri](Tcreüuv. 

'Apaxöeujq  Kai  Nu(Ja[euj<; 

AlYUTTTiuJV 

eiKJeßOuv. 


"Epjuujv  TTepcrri^, 
XpricTTÖq  xaipe. 

Vgl.  Arch.-epigr.  Mitth.  VII  S.   120  n.  35. 


EPMflNnEP2H2 
XPHZT02XA1PE 


AAMOK AH2 
E  ENO AAMO Y 
AP  I02 


AajuoKXfiq 
Eevobdjuou 
TT-?,  'lK-?]dpi05. 

H.  Anargyri.     Cippus  mit  Guirlanden. 

'Ayh  . . . 

Aa)U0KXeö(; 

TT-'?,  '\K-?]äp\oq. 


A  PH 

AAmOKAEY2 

API02 


218 


Anseheinend   ein  Verwandter  (Sohn?)    des   in  n.  8  genannten 
Damokles. 


10. 


11. 


O  I  C  N  O  P  O  Y 
1  P  \  A  A  .  A  N  O  Y 

KArA:rYNA  v  o^ 

ATAGAMOKK    2 


TAAY2ANIO Y 
YTASIZ 
AAEKATIT  O  Y 
2  A  X  O  Y 


TpaX[\i]avou 
Ktti  [TJäfq]  Yuva[iJKÖq 
'AYaOa|Liö[pio]q. 

. .  .Ttt  Auaaviou 
Yuv]d  be  K\[ei]Tou 


13. 


12.     H.  Anargyri. 

KA A AIKPA  TEY2 

<AAAIKPATEY2 

r.N  AI EO  2 

API2TOMENEY2 
API2TIPnO  Y 
lOYAI  AAM  I  A 


14. 


NIKA2IBOY  AA 
NIK04>nNT02 
AAAAPmiA 


NiKamßouXa 
NiKocpujvTO(; 
Aa[b]ap|Liia. 


15.      2n20IAP0AlLA0Nl 
AMNH2TIOY 


J  O 


Ein  'A|uvii(TTiO(S    auch    Mitth.    d.    arch.    Inst.    X   S.  74  n.   12; 
'A)Livi(JTio^  (so)   Bull,  de  corr.  hellen.  IX  S.  118  n.  18. 


16.  ArH2I\ 
Tl  JV  C    \EC 

KA.   YO0E2'^N^ 
TIMAP  C  AK  2 

17.  KAHNATOPAZ 
KAA  AIKPA  TEYZ 

18.  A  P  T  E  M  r  2  I  A 
A  O  M  N  A  I  O  Y 
AiiAPION  XPH2TH 

XAIPE 


'AyriaiX . .  . 
Ti|ao\eo[vTO(;, 
Ka[e']  uoeeaiav  b[k 
TijuaTTÖXioq. 

K\)ivaYÖpa(; 
KaWiKpaieu^, 

'Apteiuiaia 
'A6r|vaiou, 

'Aacrdpiov  (?)  xpnc^T'i 
XaTpe. 


219 


19.    zriziMOxzn_.C'i 

APXlPOAIE*AE.  .  .  .C 
AI'X    KAAAAin 


20.      aoao.osantinekey2 
iepatey:azaiony2io. 

21. 


'ATToX]\öbofT]oq  'AvTi[Y]e[v6]u(; 
iepaTeu[a]a<;  Aiovu(t(i)o[u 


O YOEMIZTO  KAE Y2 

AI 

CAAA12QENEYZ 

a  N 

22.     EPnxiAOs 
Lardos 


23. 


Guirlande  mit  Bukranien 


TOKOINON 
TOMHNIAZTAN 

ETIMA2E 
HOAISTinNA 


llllllllo^ 

//n~i/xHZ 

YIOZ 

H*AI2TinN02 


ANTIOXHGAAAINni2TE*ANni 
XPH2TOI  XAIPETE 


TÖ    KOlVÖV 

TÖ  MrivmcTTäv 

eTi)ua(7e 
'HcpaKTTiuuva 


o<; 

['A]v[Tio]x[eu]g, 

uiöq 
'HcpaiaTiuuvo^. 


'AvTioxfi  GaXaivuui  areqpdvuui. 
Xpriaroi  xc^ipcTe. 

Für  ein  sonst  noch  nicht  belegtes  Collegium  der  Meniasten 
auf  Rhodos  beruft  sich  Foucart  Bull,  de  corr.  helUn.  X  1886  S.  203 
auf  eine  noch  unedirte  Inschrift. 

24,  „"Ev  xeTapTov  iriq  ujpa(;  juaKpdv  xr\c,  Kuuiiiric;  Adpöou  luecra 
ei(^  TrepißöXiov  Kai  jucvacfTripiov  veÖKticTTov  '^AYia(g  Mapivri«;-" 


AnOXOAEIAXAnAS  FYNAIAIKOS 

AYTOYAIONYSIMSnEOrAMHN 
A2 


KOI  Taq  Y'JvaiKO<g 

auToO  Aiovuaiaq  TTepTaMnvd(;. 


220 

25.      AnOAAONIOVnEPIA    MHNO 
XTE*ANnOENTOZ  YPO 
fiNAOAAEin.NnAIAHVTANTnN 
ZYNZYAAAXI-'YZEniX  rE4>ANni 


'ATToX\[(Julviou  TTep[T]a)uiivo[0 
aiecpaveuGevTot;  ütto  [t- 
uJv  AoWeiujv  Traibeuiäv  tujv 
auv  luWa  xpvolvji  cr[T]eqpdvuui 


26.   ,/Ev  tuj  KdaipLu." 


27.   „'Ev  TLÜ  Kdaipuj." 


Lindos 

n  Y  o  o  s 
BOKO  nioiz 


Marino 

28.  0///////AA//  ^ 

EY^PAroPAPAAAiopoAiTAz         EücppaYoptt  TTaXaiOTToXiTa<; 
////TArENE2:iNKA0YOGE2iANAE      Ka]Td  jiveOiV,  Kttö'  i)o0€(jiav  be 
AOHNOAfiPOY  GYAiAAAz  'AGiivobuijpou  QvbiXKac,  (?). 

Zu  TTaXaiOTToXiTttc;  vgl.  Mitth.  d.  arch.  Inst,  IX  S.  385  f.  n.  2 

und  7. 


29.    AnoAAOAni'Oz 

ArHZANAI'OYTninATPI 
KAIKAAAIZTH    TAIMATPI 


'ATToXXöbiupo«; 

'AmödvbpOU    TUJ    TTttTpl 

Kai  KaXXiaT[a]  td  laarpi. 


221 


30.  „Ei(;  )uiav  )LtiKpdv  |Liap|uapivriv  (Tre'pvav." 

KTHzriN  Kxricraiv. 


Massarj 


31. 


MOSAPOAAnNlOY 

AIONY2I02:  APOAAriNIOY 

ZlOZAPOAAriNlOY 

XAP1AAM02  AIONYZIOY 

TOY  AAEA*OY 

YPEPTOYPATPOZ 

2ANTOZ 

APizToi  •  c-  F  r«:  E  I 

TK-r^^ 

Xapiba]|U0(;    AttoWoiviou 
Aiovii]aiO(;  'AttoXXuuviou 
ÜTtep]  Toö  döeXqpoö 
iepaT6u?](yavT0(g 


Aiovuaiot;  'AiioXXujviou 
Xapibajuoc;  Aiovucriou 
ünep  Toü  TTarpög 

dplCTTO 


Anscheinend  trug  die  Basis  die  Bilder  der  zwei  Brüder  Cha- 
ridamos  und  Dionysios ;  die  Weihung  des  Ersteren  rührt  von  seinem 
Bruder  her,  dem  selbst  dann  wieder  sein  Sohn  den  gleichen  Act 
der  Pietät  widmete. 

32.  „'Eni  Kiovo?,  y\c,  y\  TerpaTUJViKri  TiXeupd  e'xei  iikäiQ^  0-35 
Kttl  |ur]KO<;  0*45." 

'PoblTTTTO^ 

Xpn^TTÖc;  xaipe* 


poAinnoz 

XPHZTOZ  XAIPE 
KAISYFE 


Kttl  (Ju  ye. 


33.  Gleichfalls  aus  Massari,  und  zwar  von  der  Akropolis  unter- 
halb der  Festung  (von  den  Archangeliten  jetzt  OapaKXiavoO  genannt), 
stammt  endlich  die  folgende,  jetzt  in  einem  Privathause  zu  Malona 
befindliche  Inschrift.     Marmor,  1.  048,  br.  0*45. 

Mn5:AIXPY2EmZTE<t>ANni .  A  . 
h  A  L  "  ANAPONKAEY2TPATO YAAAAPMION 
APETAZENEKAKA'EYNOlAZANnAPEISXHTAIElZTANAIAr///; 
ONIANTANArHTOPIAANKAIOnO,ZTAAEAOrmENA2YNTEA 
5        .-■■'  i  TOIEPIZTATA  I  m  ETATANKY  .  nZINTOYAETOYS'AtIZMA 
OZEAEZ.  .  .ANAPAOAEAIPEOEIZKATAZKEYA~ATni> 
ZTE*ANONXPYZEONA  POXPYZONAE  KAAITHZAZ 
'OAEKAIYPEPT'^   <  lAZTAZAPHTOP 

AANTANBOY/»  'ZTE*ANn21> 


222 


10               YlEl-IZTr  KAEY2TPATÖ 

A  A  A  PMION  A  2  A  N  PAPEIS  .  . 

HTAIhlZT  NTOIAEEPI 

TATAIP/                 ZerstJirt  IPEOENTOS.U 

POZTON"  NTHENAINAni 

15            NTniZYN;  HANAPONKAE 

NEIPANT  APO'AEPAINP 

A'ZTE4>AN  NOIAAEHANAPC    vi 

KAEY2TPATO'  o/v  APETAZENEK  .  KAI 

'^  /H  DI  \2^NPAPhl2  ZTOnAHOO.TOAIN 
20            OA'M  .  .A.  .  .A*I.G,  .XAnIAAZKAEYZTPATOY 
AAAAPMIOZ 

Wien  E.  LOEWY 


Ein  Spiegelrelief  aus  Caere 

(Tafel  VIII) 


Im  Jahre  1867  erwarb  das  österreichische  Museum  für  Kunst 
und  Industrie  durch  W.  Helbig's  Vermittelung  von  Augusto  Castel- 
lani  eine  Reihe  antiker  Bronzegefässe  und  Spiegel,  darunter  drei 
aus  Cervetri  stammende  Klappspiegel  mit  Reliefs.  Zwei  dieser 
Reliefs  sind  gegossen  und  schlecht  erhalten.  Das  eine  zeigt  die 
bekannte  Darstellung  des  Dionysos,  der  auf  Eros  gestützt  und  von 
einer  leierspielenden  Mänade  geleitet,  trunken  einherschreitet '),  das 
andere  einen  nackten  Mann,  der  auf  einem  Pferde  nach  rechts 
reitet,  während  er  mit  der  Rechten  einen  undeutlichen  Gegenstand 
umfasst.  Interessanter  ist  das  dritte,  das  Tafel  VIII  etwas  ver- 
kleinert durch  Heliogravüre  wiedergibt. 

Sammt  der  Kranzumrahmung  misst  dies  letztere  0*13  M.  im 
Durchmesser.  Es  ist  sehr  dünn  getrieben  und  auf  einen  Spiegel- 
deckel aufgelöthet,  der  am  äussersten  Rande  umgebogen  und  auf 
der  Unterseite  mit  concentrischen  Kreisen  verziert  ist.  Das  Scharnier, 
welches  ihn  mit  dem  Spiegel  verband,  ist  mit  zwei  Nägeln  befestigt 
und  mit  zwei  (Jesen   für  den  Verbindungsstift  versehen.     Mit  dem 


')  Vgl.  Stepbani   C.  R.  1865   p.  163,  4;    Friederichs,    Berlins    A.  B.  II  3  o  6 
und  Benndorf  Vasenb.  LXI  4. 


223 

Relief  wurde  als  zugehörig  ein  Spiegel  erworben,  der  indessen  seiner 
völlig  verschiedenen  Patinirung  halber  von  einem  anderen  Exemplare 
herrühren  dürfte. 

Das  Relief  muss  sich  bei  seiner  Auffindung  in  einem  desolaten 
Zustande  befunden  haben  und  dankt  seine  gegenwärtige  Gestalt 
einer  gründlichen  Restauration.  Die  ursprüngliche  Arbeit  liegt  nur 
an  wenig  Stellen  mehr  zu  Tage  und  zeigt  an  diesen  eine  sehr 
schöne  Patinirung.  Die  ruinirten  Stellen  hat  der  Ergänzer  mit  einer 
dickflüssigen  Masse,  deren  grüne  Farbe  sich  durch  ihre  Stumpfheit 
von  dem  Glänze  der  echten  alten  Patina  unterscheidet,  ausgefüllt 
und  das  Relief,  wo  es  sich  vom  Grunde  losgelöst  hatte,  mit  dem- 
selben verbunden.  Den  Kopf  der  sitzenden  Figur  hat  er  dabei 
zwei  Centimeter  hoch  über  die  Fläche  erhoben,  weit  über  die 
sonstige  Höhe  des  Reliefs  heraus.  Von  ihm  rührt  die  Umrahmung 
her,  die  nach  den  geringen  erhaltenen  Spuren  zu  schliessen,  aus 
einem  palmettenartigen  Ornament  bestand ,  ferner  fast  der  ganze 
Oberleib,  der  rechte  Arm,  das  rechte  Bein  und  das  Gewand  an  der 
sitzenden  Figur,  der  rechte  Arm,  der  rechte  Fuss  und  bis  auf  den 
obersten  Rand  das  Gewand  sammt  hängendem  Zipfel  an  der 
stehenden  Figur,  Die  Restaurirung  wird  manches  nicht  unwichtige 
Detail  zerstört  haben,  in  der  Hauptsache  aber  ist  die  Composition 
gesichert  und  nicht  etwa  durch  Contamination  mit  Ueberresten 
anderer  Exemplare  gefälscht,  wie  man  auf  den  ersten  Blick  ver- 
muthen  könnte.  Im  Vereine  mit  Prof.  Macht  von  der  Kunstge- 
werbeschule des  Museums  habe  ich  auf  diesen  Verdacht  hin  alle 
Einzelheiten  genau  untersucht  und  mit  ihm  die  Ueberzeugung  ge- 
wonnen, dass  kein  Pasticcio  vorliegt.  Nur  der  Kof  der  stehenden 
Figur,  dessen  braune  Bronzefarbe  auffällig  von  den  anderen  alten 
Partien  absticht,  ist  vielleicht  nicht  zugehörig. 

In  der  Figur  zur  Linken  erkennt  man  sofort  Dionysos.  Un- 
gewöhnlich ist  sein  Sitz  gestaltet.  Auf  den  mit  Volutencapitellea 
und  gravierten  Palmetten  verzierten,  in  der  Mitte  in  üblicher  Weise 
eingezogenen  Beinen  liegt  über  einem  Mittelgliede  mit  eierstab- 
artigem  Ornament  eine  geschwungene  Lehne  mit  spiralförmigen 
Endigungen  (die  vordere  ergänzt).  Eine  derartige  Armlehne  ist  mir 
an  antikem  Sitzmöbel  nicht  bekannt.  Nur  die  Betten  haben,  meist 
in  der  späteren  Zeit,  auf  unteritalischen  Vasen  und  römischen  Sar- 
kophagen'^1,    aufsteigende    Kopf  lehnen    von    ähnlicher    Form.     Die 

^)  Vgl.  z.  B.  Lenormant  u.  De  Witte,  El.  cer.  II  23  a,-  Conze ,  Vorlegebl. 
S.  I  3 ;  Bouillon,  Mmie  Nap.  III.  Rel.  pl.  19. 


224 

canellirte  Säule  hinter  dem  Sitze  hat  mit  diesem  nichts  zu  schaffen, 
sie  ist  etwas  Selbstständiges,  etwa  ein  Untersatz,  unbestimmbar 
freilich  wofür ,  da  die  Stelle  über  dem  Abschlüsse  zerstört  ist.  — 
Der  jugendliche  Gott  ist  bekränzt  und  unbekleidet.  Das  Gewand, 
auf  dem  er  hier  wie  so  oft  in  Darstellunj^en  der  späteren  Zeit  sitzt, 
ist  wohl  richtig  ergänzt.  Mit  der  linken  Hand  hat  er  den  mit 
Pinienzapfen  und  flatternden  Bändern  geschmückten  Thyrsus  oben 
erfasst,  während  die  gesenkte  Rechte  jetzt  auf  einer  formlosen  Er- 
hebung ruht,  in  der  wir  Reste  des  Kantharos  anzunehmen  haben. 
Rechts  von  dem  Gotte,  dessen  Blick  in's  Leere  gerichtet  ist,  steht 
in  Vorderansicht  mit  zurückgesetztem  linken  Beine  eine  Figur, 
welche  um  die  Hüften  ein  am  oberen  antiken  Rand  wellenförmig: 
gefälteltes  Gewand,  sonst  aber  nur  einen  (vielleicht  in  Schlangen- 
köpfe endigenden)  Torques  um  den  Hals  und  ein  Armband  über 
der  linken  Handwurzel  trägt.  Das  Haar  ist  gewellt  und  fiel,  wie 
einzelne  Stellen  erkennen  lassen,  in  Locken  auf  die  Schultern 
herab.  Diese  Haartracht,  der  hervorgehobene  Schmuck  und  der 
Umstand,  dass  an  dem  sonst  unverletzten  Oberkörper  gerade  nur 
das  Relief  der  linken  Brust  abgestossen  ist  —  die  rechte  ist  von 
dem  restaurirten  Arme  zum  Theile  verdeckt  —  lassen  eine  weib- 
liche Figur  erkennen.  Weiblich  ist  auch  die  Bewegung  der  linken 
Hand,  welche  das  Gewand  gefasst  hält,  wie  der  Ergänzer  mit 
augenscheinlichem  Recht  annahm,  während  die  leere  nichtssagende 
Geberde,  die  er  dem  rechten  Arme  gab,  so  nicht  richtig  sein  kann. 
Compositionellen  Zusammenhang  in  diese  beiden  Figuren  bringt 
erst  das  Kind  zwischen  ihnen ,  welches  von  dem  Gotte  her  der 
Frau  zustrebt:  ein  nackter  Knabe  mit  Amuletband  um  die  Brust, 
der  ihr  mit  beiden  erhobenen  Armen  einen  wulstigen  Kranz  ent- 
gegenreicht. Auffällig  ist  allerdings  der  Platz,  den  er  einnimmt, 
unmittelbar  über  den  Beinen  des  Gottes  wie  in  Darstellungen  der 
Schenkelgeburt,  und  in  der  That  bleibt  unklar^  wie  er  im  Räume 
gedacht  ist,  ob  auf  dem  Stuhle  des  Dionysos  sitzend,  knieend  oder 
hinter  ihm  irgendwie  hervorkommend ,  da  er  nur  im  Oberkörper 
erhalten  und  die  angrenzende  Partie  des  Sitzes  ergänzt  ist.  Allein 
seine  Gestalt  und  die  Vermittlerrolle,  die  sich  in  seiner  Action  aus- 
spricht, insbesondere  das  charakteristische  Motiv  des  Kranzüber- 
reichens  setzen  die  Hauptsache  ausser  Zweifel ,  dass  Eros  zu  er- 
kennen ist.  Dass  er  keine  Flügel  hat,  wird  Zufall  sein,  da  die 
Conturen  seines  Rückens  vom  Grunde  losgelöst  und  erst  vom 
Restaurator  wieder  mit  demselben  verbunden  worden  sind. 


225 

Das  Schema  der  Composition  erinnert  an  die  berühmte  Zeus- 
metope  von  Selinunt,  auf  der  dem  sitzenden  Gotte  gleichfalls  eine 
Frau  in  Liebe  naht.  Die  Situation  aber,  welche  dort  in  der  Be- 
wegung, dem  individuellen  Affecte,  kurz  in  der  Haltung  der  Per- 
sonen selbst  sich  ausspricht,  ist  hier  im  Grunde  nur  accessorisch 
durch  eine  Personification,  durch  Eros,  zum  Ausdruck  gekommen. 
Die  Figuren  bilden  ein  gleichgiltiges  Nebeneinander  und  sind  nur 
lose  zu  einer  Gruppe  vereinigt.  Dieser  lockere  Charakter  der  Com- 
position hängt  zum  Theile  mit  ihrer  Bestimmung  zusammen.  Ero- 
tische Gegenstände  lagen  den  Verfertigern  der  Spiegelreliefs  be- 
greiflicher Weise  so  bequem  wie  den  Malern  der  zierlichen  vergol- 
deten Aryballen  und  Lekythen,  die  für  den  Putztisch  der  Frauen 
bestimmt  waren,  und  in  der  Art  ihrer  Ausführung  und  Vervielfälti- 
gung tritt  ein  verwandtes  kunsthistorisches  Sachverhältniss  zu  Tage. 
Wie  in  den  Malereien  der  Goldschmuckvasen  das  rein  Gefällige 
immer  entschiedener  auf  Kosten  des  Bedeutsamen  sich  geltend 
macht,  indem  wohldurchdachte  Compositionen  durch  fortwährende 
Verwerthung  sich  nach  und  nach  zu  Ornament  verflüchtigen,  so 
entarten  auch  die  Spiegelreliefs  in  Nebeneinanderstellungen  von 
Figuren,  ja  ihre  Verfertiger  sind  bekanntlich  decorativ  mitunter  so 
weit  gegangen,  ein  und  dieselbe  Figur  im  Gegensinne  auf  ein  und 
demselben  Exemplare  zu  wiederholen. 

Innerhalb  der  Gattung  der  Spiegelreliefs  ist  dem  Gegenstande 
nach  ein  schönes,  in  der  Krim  gefundenes  Exemplar  der  k.  Ere- 
mitage in  St.  Petersburg^)  dem  unseren  am  nächsten  verwandt. 
Hier  lehnt  sich  Dionysos  in  den  Schooss  seiner  Geliebten  zurück; 
sie  umschlingt  mit  der  einen  Hand  seinen  Leib ,  mit  der  anderen 
hebt  sie  das  Himation  empor,  um  sich  und  ihn,  während  sie  ihn 
küsst;  zu  verhüllen.  In  Bezug  auf  künstlerischen  Werth  aber  lassen 
sich  die  beiden  Reliefs  in  keinen  Vergleich  mit  einander  bringen. 
Jenes  athmet  bei  grossartiger  und  ernster  Auffassung  glühendes 
Leben,  das  unsrige  ist,  auch  wenn  man  seinen  jetzigen  unerfreu- 
lichen Zustand  gänzlich  auf  Rechnung  des  Restaurators  setzt,  nicht 
mehr  als  eine  frostige  Figurenzusammenstellung.  Der  Spiegel  aus 
der  Krim  ist  griechische  Arbeit,  wahrscheinlich  noch  des  4.  Jahr- 
hunderts; der  unsrige  verräth  das  gesunkene  Können  der  späteren 
Zeit  und  stammt  aus  Etrurien.  K.  MASNER 


')  Äntiq.  du  Bosph.   Cim.  43. 


Archäologisch-epigrapliisclie  Mittli.  X.  j5 


226 

Die  Tribus  PoUia 


Gustav  Wilmanns  hatte  in  seiner  Abhandlung  über  'die  römische 
Lagerstadt  Afrikas'  in  den  commentationes  Mommsenianae  S.  201 
bemerkt,  dass  in  den  zu  Lambaesis  gefundenen  Listen  von  Soldaten 
alle  diejenigen,  die  als  ihre  Heimat  das  Lager  nennen,  zur  Tribus 
Pollia  gehören.  Die  Erklärung  hiefür  machte  Wilmanns  Schwie- 
rigkeit. Seit  den  neuerlichen  Funden  von  Soldatenlisten  in  Aegypten 
und  der  sofort  erfolgenden  umfassenden  Verwerthung  derselben 
durch  Mommsen  im  Hermes  19  (1884),  durch  die  unsere  Kenntnis 
von  der  Aushebungsordnung  in  der  römischen  Kaiserzeit  völlig 
umgewandelt  wird,  ist  auch  das  zweifellos  geworden,  dass  die  polli- 
sche  Tribus  nach  Mommsens  Worten  a.  a.  O.  S.  11  'als  personale 
und  zur  Erlangung  der  Dienstfähigkeit  in  der  Legion  den  an  sich 
derselben  ermangelnden  Rekruten  verliehen  zu  betrachten  ist.  Wes- 
halb ist  hierzu  aber  gerade  die  pollische  Tribus  gewählt  worden  ? 
Eine  ernstliche  Bedeutung  hatte ,  so  viel  wir  sehen ,  die  Verschie- 
denheit der  Tribus  nicht  mehr.  Dass  die  Zugehörigkeit  zu  einer 
städtischen  Tribus  wenig  ehrenvoll  war,  war  geblieben,  aber  ob  der 
Einzelne  zu  dieser  ländlichen  Tribus  oder  einer  anderen  gehörte, 
machte  sachlich  wohl  wenig  aus.  Dass  man  nun  diejenigen,  die 
das  Bürgerrecht  erhielten,  um  als  Bürgersoldaten  Kriegsdienste  zu 
thun,  in  die  pollische  Tribus  aufnahm,  hat  vielleicht  darin  seinen 
Grund,  dass  diese  Tribus  nach  der  Bedeutung  ihres  Namens  die 
für  die  Kriegsmänner  passendste  zu  sein  schien  *).  Von  den  Tribus 
haben  die  städtischen  bekanntlich  ihre  Namen  nach  Oertlichkeiten 
der  Stadt,  von  den  ländlichen  die  älteren  nach  patricischen  Gentes, 
die  jüngeren  nach  Oertlichkeiten.  So  ist  fast  kein  Tribusname 
derart,  dass  er  anscheinend  eine  Eigenschaft  ausdrückte.  Die  ein- 
zige Ausnahme  bildet,  so  viel  ich  sehe,  die  Pollia,  die  wegen  des 
Zusammenhangs  mit po^/ere  die 'starke',  die  'kraftvolle'  zu  bedeuten 
schien').     Wir    wissen,    dass  bei  der  Aufstellung  der  Liste  der  zu 


*)  Er3t  jetzt,  da  der  Bogen  abgezogen  werden  soll  und  ich  den  Satz  nicht 
stärker  ändern  kann,  sehe  ich,  dass  dies  von  Mommsen  selbst  in  einer  beiläufigen 
Bemerkung  vermuthet  worden  ist  (im  Anschluss  an  die  Publication  der  eineii  Liste 
aus  Aegypten,  Eph.  epirjr.  V  p.  15  mit  Note  1).  Seine  von  mir  übersehenen  Worte 
sind :  'non  aliam  ob  causam  opinor  qtiavi  boni  ominis . 

')  Natürlich  soll  damit  nicht  gesagt  sein,  dass  wirklich  Pollia  als  Tribus- 
und  Gcntiluamen  mit  poliere  zusammenhängt. 


227 

einer  Tribus  gehörenden  Bürger  diejenigen,  die  Namen  mit  guter 
Vorbedeutung  hatten,  wie  Valerius,  Salvius,  Statorius,  an 
erster  Stelle  verzeichnet  wurden.  Aehnlich  und  mithin  römischer 
Weise  entsprechend  ist  es,  wenn  man  auch  bei  der  Zutheilung  an 
die  Tribus  auf  die  Bedeutung  des  Namens  achtete  und  in  die 
'kraftvolle'  Tribus  diejenigen  einzeichnete,  deren  Kraft  das  Vaterland 
schützen  sollte. 

Diese  Erklärung  ist  zunächst  nur  eine  mögliche,  vielleicht 
wird  sie  dadurch  mehr,  dass  sie  auf  einem  anscheinend  sehr  ver- 
schiedenen Gebiete  sich  bewährt.  Nach  welchen  Grundsätzen  die 
Römer,  seit  im  J.  241  v.  Chr.  zuletzt  neue  Tribus  geschaffen  waren, 
bei  Erweiterung  des  römischen  Gebiets  die  Städte,  die  Bürgerrecht 
erhielten,  den  bestehenden  Tribus  zugetheilt  haben,  ist  bisher  wenig 
ermittelt.  Hierbei  tritt  die  pollische  Tribus  hervor.  Als  von  dem 
wesentlich  von  Kelten  bewohnten  Oberitalien  der  an  Mittelitalien 
angrenzende  Theil  von  den  Römern  unterworfen  wurde,  diente  zur 
Sicherung  dieses  Gebietes,  das  auch  jetzt  noch  nach  den  alten  Be- 
wohnern ager  Gallicus  genannt  wurde,  namentlich  die  Anlage  der 
dasselbe  durchschneidenden  Heerstrasse  (des  nördlichen  Theils  der 
via  Flaniinia  bis  Ariminum  und  der  Fortsetzung  derselben,  der  nia 
Aemüia  von  Ariminum  nach  Placentia)  und  die  Gründung  städtischer 
Niederlassungen  an  dieser  Strasse.  Einige  derselben  haben  zu- 
nächst latinisches  Recht  erhalten :  Ariminum  (Rimini) ,  Bononia 
(Bologna),  Placentia  (Piacenza);  als  diese  später  das  römische 
Bürgerrecht  gewannen,  sind  sie  verschiedenen  Tribus  zugetheilt 
worden,  Ariminum  der  Aniensis,  Bononia  der  Lemonia,  Placentia 
der  Voturia.  Dagegen  diejenigen  Städte  oder  stadtähnlichen  Nieder- 
lassungen, die  sofort  mit  römischem  Bürgerrecht  ausgestattet  wurden, 
scheinen  regelmässig  der  pollischen  Tribus  zugetheilt  worden  zu 
sein.  Nachweisen  lässt  es  sich  bis  jetzt,  wenn  wir  mit  den  Rom 
zunächst  gelegenen  beginnen,  von  Forum  Sempronii  (Fossombrone), 
Fanum  Fortunae  (Fano),  Faventia  (Faenza),  Forum  Cornelii  (Imola), 
Claternae  (gelegen  in  geringer  Entfernung  östlich  von  Bologna), 
Mutina  (Modena),  Regium  Lepidum  (Reggio),  Parma  (Parma),  Fidentia 
(Borge  S.  Donnino).  Ebenso  findet  man  die  Städte,  die  jenseits 
von  Placentia,  der  südwestlichen  Kette  der  Alpen  gegenüber,  etwa 
bis  zum  J.  100  v.  Chr.  gegründet  wurden,  regelmässig  in  dieselbe 
Tribus  aufgenommen.  Es  sind  dies  von  Süden  nach  Norden  auf- 
gezählt:  Pollentia  (Polenzo),  Hasta  (Asti),  Forum  Fulvii  oder  Va- 
lentia  (Valenza) ,    Industria  (bei  Monteii),    Eporedia    (Ivrea).     Alle 

15* 


228 

diese  Städte  von  Fossombrone  bis  Ivrea,  angelegt  im  Gebiet  von 
eben  bezwungenen,  überwiegend  keltischen  Stcämmen,  und  das  rö- 
mische Gebiet  gegen  die  unbezwungenen  keltischen  Stämme  be- 
grenzend, haben  die  Stellung  von  Festungen,  die  die  nicht  durch 
das  Meer  gebildeten  Grenzen  gegen  den  gefürchteten  stammfremden 
Nationalfeind  schirmen.  Wenn  nun  die  römischen  Bürger,  die  in 
diesen  Plätzen  angesiedelt  wurden,  regelmässig  in  der  Tribus  Pollia 
verzeichnet  worden  sind,  so  passt  hiefür  dieselbe  Erklärung,  die 
ich  oben  vorgeschlagen  habe:  wie  in  der  Kaiserzeit  für  diejenigen, 
die  als  Bürger  Kriegsdienste  thun  sollten  ,  so  erschien  in  der  Zeit 
der  Republik  für  die  Bürger,  die  die  gefährdeten  Grenzfestungen 
halten  sollten,  als  gegebene  Bürgerabtheilung  die  'kraftvolle'  ^). 

Dass  diese  Anschauung  oder  Empfindung  das  Bestimmende 
gewesen  ist,  wird,  täusche  ich  mich  nicht  völlig,  durch  eine  Be- 
trachtung der  Namen  der  besprochenen  Städte  bestätigt.  Einige 
derselben  sind  nach  ihren  Gründern  genannt  worden :  Forum  Sem- 
pronii,  Forum  Cornelii,  Regium  Lepidum  und  Forum  Fulvii  (der  eine 
Name  von  den  beiden ,  welche  die  Stadt  hatte) ;  Fanum  Fortunae 
heisst  so  nach  einem  Heiligthum ;  die  aus  lateinischer  Sprache  an- 
scheinend nicht  erklärlichen  Claternae,  Mutina  und  Eporedia  mögen 
Ortsnamen  entsprechen,  die  von  den  Römern  vorgefunden  wurden. 
Es  bleiben  übrig  die  Namen :  Faventia,  Parma,  Fidentia,  Industria, 
Hasta,  Valentia,  PoUentia.  Von  diesen  sind  Faventia,  Fidentia, 
Valentia,  Pollentia  gleichartig  und  in  ihrer  Bedeutung  klar:  es  sind 
die  Städte  der  Gutgesinnten  {Faventes),  der  Beherzten  (Fidentes),  der 
Starken  (Valentes),  der  Kraftvollen  (PoUentes).  Mehr  oder  weniger 
bestimmt,  aber  doch  wohl  unverkennbar,  gelten  diese  Namen  solchen, 
deren  Muth  und  Kraft  den  Besitz  gewährleistet.  Von  den  drei 
letzten  ist  Industria  ('Thätigkeit')  zwar  weniger  charakteristisch, 
passt  aber  auch  in  diesen  Gedankenkreis  hinein.  Und  wenn  man 
nun  die  beiden  letzten  betrachtet,  Parma  und  Hasta,  und  in  ihnen 
Hauptwaffen  der  römischen  Krieger  findet:  Schild  (parma)  und  Speer 
(hasta) ,  und  zwar  die  beiden  Hauptwaffen ,  deren  Bezeichnungen 
weiblich    sind   und    daher   für   Stadtnamen  verwerthbar  waren,    so 


')  lu  der  Städteliete  habe  ich  Aesis  (Jesi)  auslassen  müssen,  das  anscheinend 
schon  vor  241  mit  römischem  Bürgerrecht  ausgestattet  wurde  und  nicht  im  eigent- 
lichen at/er  Oallicus,  sondern  an  der  Grenze  desselben  und  der  Landschaft  Picenum 
lag.  Auch  diese  Stadt  gehörte  zur  Tribus  Pollia,  und  vielleicht  haben  bei  ihr  zum 
ersten  Male  die  römischen  Staatsmänner  sich  von  dem  oben  angegebenen  Gedanken 
leiten  lassen. 


229 

leuchtet  wohl  ein,  dass  in  den  Namen  die  Bestimmung  der  Städte 
zu  Schutz  und  Trutz  ausgedrückt  sein  sollte. 


Anhangsweise  möge  hier  eine  Inschrift  abgedruckt  werden, 
durch  die  das  bis  jetzt  sehr  geringfügige  Material  für  die  Frage 
nach  der  Zutheilung  einer  sehr  zahlreichen  Classe  von  Menschen 
zu  den  Tribus  nicht  unwesentlich  vermehrt  wird,  und  die  auch 
ausserdem  einiges  Interesse  hat.  Ich  sah  dieselbe  im  Frühjahr 
dieses  Jahres  in  Nazzano  im  Grebiet  des  antiken  Capena,  östlich 
vom  Soracte.  Sie  befindet  sich  auf  einem  nicht  grossen,  mit  mehr- 
fachen Reliefs  guter  Arbeit  geschmückten  Cippus  ^)  und  war  bisher, 
da  die  Enden  mehrerer  Zeilen  verscheuert  sind,  nicht  genügend 
gelesen  worden^).     Meine  Abschrift  lautet: 

Dlls  •  MANI  BVS 

M  •  VOLCI  •  PAL 

HERMAE  -  EBORAR 

NEGOTIATORIS 

5  BENEMERENTI 

FECIT 

M     VOLCIVS  •  PAL 

ABASCANTVS 

LIB  •  ISDEM  •  GENI  r 

Das  ist  also  die  Grabschrift  eines  M.  Volcius  Pal{atina)  Hermes, 
der  ehorariius)  negotiator  gewesen  war,  gesetzt  von  einem  M.  Volcius 
Palatino)  Abascantus,  der  der  Freigelassene  und  zugleich  der 
Schwiegersohn  des  Verstorbenen  war.  Ein  eborarius  negotiator  er- 
scheint meines  Wissens  hier  zum  ersten  Male;  zu  verstehen  ist 
sicherlich  nicht  ein  Händler  mit  rohem  Elfenbein,  sondern  mit  aus 
Elfenbein  gefertigten  Arbeiten.  Dem  widerspricht  wohl  auch  nicht 
die  auf  den  beiden  Nebenseiten  wiederkehrende  Darstellung  eines 
Elephanten,  die  ohne  Zweifel  sich  auf  das  Gewerbe  bezieht.     Dass 


^)  Eine  vom  Grafen  Cozza  angefertigte  Zeichnung  sah  ich  unter  den  Tafeln, 
die  für  die  Sammlung  archäologischer  Karten  von  Etrurien  bestimmt  sind.  Das 
Werk  ist  vom  italienischen  Unterrichtsministerium  veranlasst  worden,  die  Aus- 
führung haben  der  Ingenieur  Graf  Cozza  und  der  Archäologe  Fr.  Gamurrini  über- 
nommen. 

^)  Lanciani,  der  sie  bull.  delV  List.  1870  S.  32  li erausgegeben  hat,  las: 
DlIS  MANIBVS  II  M  VOLCI  0  ||  HERMAET.  ,  .  ||  NEGOTIATORI  ||  BENEMERENTI  ||  FECIT  || 
M  VOLCIVS II  ABASCANTVS  ||  LIB  •  ISDEM 


230 

die  Grabschrift  eines  Händlers  dieser  Gattung  sich  hier,  in  bedeu- 
tender Entfernung  von  Rom  und  überhaupt  von  einer  grösseren 
Stadt,  gefunden  hat,  erklärt  sich  wohl  durch  das  dortige  berühmte 
Heiligthum  der  Feronia.  Mit  den  grossen  jährlich  bei  demselben 
gefeierten  Festen  war  ein  viel  besuchter  Markt  verbunden,  und 
mancherlei  Gegenstände  aus  Elfenbein  werden  dort  zu  frommer 
Verwendung,  vielleicht  auch  zu  weltlicher,  Käufer  gefunden  haben '^). 

Wichtig  scheint  die  Inschrift  nun  auch  für  die  Frage  zu  sein, 
in  wie  weit  und  in  welcher  Form  die  Freigelassenen  in  Tribus  auf- 
genommen sind.  Der  M.  Volcius  Pal.  Ahascantus  ist  ausdrücklich  als 
Freigelassener  bezeichnet;  dass  aber  sein  Freilasser  und  Schwieger- 
vater M.  Volcius  Pal.  Hermes  selbst  diesem  Stande  angehört,  be- 
weist, abgesehen  vom  Gewerbe,  der  Name  Hermes,  und  dass  bei 
ihm  wie  bei  seinem  Freigelassenen  in  ungewöhnlicher  Weise  zwischen 
Namen  und  Cognoraen  nur  die  Bezeichnung  der  Tribus  steht.  Offen- 
bar ist  bei  beiden  die  erforderliche  aber  wenig  ehrenvolle  Bezeich- 
nung als  M{arci)  l{ihertus)  absichtlich  weggelassen.  Die  Inschriften, 
in  denen  Freigelassene  mit  einer  Tribus  erscheinen,  sind  nach  der 
mir  von  Prof,  Kubitschek  ertheilten  Auskunft  an  Zahl  sehr  gering- 
fügig, und  unter  ihnen  sind  verschwindend  wenige,  die  uns  über  die 
Verhältnisse  des  Freigelassenen  oder  die  seiner  Verwandten  oder 
seines  Patronus,  namentlich  über  deren  Zugehörigkeit  zu  einer  Tribus 
unterrichten.  So  ist  unsere  Inschrift,  die  das  Gewerbe  des  einen 
Freigelassenen,  sein  Familienverhältniss  zu  dem  von  ihm  Frei- 
gelassenen und  bei  beiden  die  Tribus  angibt,  besonders  inhaltreich. 
Auf  die  Erörterung  der  Frage  selbst  will  ich  indess  hier  nicht  ein- 
gehen; wir  haben  ja  hierüber  wie  über  alle  die  Tribus  betreffenden 
Fragen  binnen  kurzem  die  von  der  Vorführung  des  gesammten 
Materials  begleitete  Erörterung  Kubitschek's  zu  erwarten. 


*)  Vgl.  bes.  die  Beschreibung  dieses  Festes,  die  Dionysius  von  Halic.  3,  32  zwar 
in  frühere  Zeit  verlegt,  aber  wohl  nach  seiner  Zeit  gestaltet  hat:  iXc,  h^  t6  iepöv 
ToöTo  ouvrieöav.  ..  kotü  tAc;  äTTobebeiY|u^va<;  ^opxac;  iroWoi  |u^v  eOxo«;  diiroöi- 
h6vT€(;  K«l  0ua(ac  Tri  GeuJ,  ttoWoI  hk  xpnM«Tioi)|ut6voi  biö.  tt^v  irav/nupiv  ^juiropoi 
Te  Kul  xeipoxexvMi  kuI  t^u^PTOI,  ä-fopai  xe  aOtöGi  \a,UTTpÖTUTai  tüüv  ^v  äWoiq 
Tial  TÖTTOie;  tP|(;  'IraXiae;  öyoiu^vujv  ^fivovTo. 

Wien  E.  BORMANN 


231 


Zu  den  neu  entdeckten  Grabinschriften 

der  jüdischen  Katakomben  nächst  der  Via  Appia 

(Mittheilungen    des    kais.  deutscheu    arcliäolog.  Institiits,    röm.  Abtheil.  IIS.  56.) 


'Wie  verstehen  Sie  kitouvtc?  Wie  lässt  sich  die  mittlere  In- 
schrift ergänzen?'  Auf  diese  jüngst  an  mich  gelangte  Anfrage  eines 
Orientalisten  darf  ich   vielleicht  öffentlich  wie  folgt  antworten. 

Die  Worte  iLbe  KiTouvie  mit  nachfolgendem  Plural  können  am 
Eingang  einer  Grabschrift  der  Natur  der  Sache  nach  und  ange- 
sichts der  in  den  gleichartigen  Inschriften  unablässig  wiederkehren- 
den Wendungen  uJbe  k6it6,  evGdbe  Kiie  und  dergleichen  mehr,  un- 
möglich etwas  anderes  bedeuten  als  'hier  ruhen.  Der  verwahrloste 
Vocalismus  dieser  Grabschriften  aber,  in  welchen  nicht  nur  der 
Itacismus  fast  unbedingt  herrscht,  sondern  auch  kurze  und  lange  Vo- 
cale  und  nicht  minder  der  O-  und  U-Laut  einer  festen  Abgrenzung 
entbehren  (vgl.  z.  B.  C.  I.  G.  9018:  evGdbe  kTtev  Moubac^  vimou^  • 
ev  el'pve  KU)uu(je<;  doToö)  gestattet  aber  und  gebietet  zugleich  in 
KiToOvTe  nichts  anderes  zu  erblicken  als  koitujvtüi.  Es  ist  das  ein 
Verbum,  welches  bisher  freilich  nur  aus  Glossen  und  aus  byzan- 
tinischer Zeit  nachzuweisen  war,  von  dessen  Seitensprossen  aber 
mindestens  einer  bereits  in  der  Septuaginta  erscheint  (Levit.  20,  15: 
Kai  bq  dv  buj  Koiiaaiav  auToO  Kie). 

Jene  'mittlere',  von  Hrn.  N.  Müller  a.  a.  O.  mitgetheilte,  aber 
nur  in  ihrer  letzten  Hälfte  ergänzte  Grabschrift  eines  Oberhauptes 
der  jüdischen  Gemeinde  der  Subura  lässt  sich  in  plausibler  Weise 
also  lesen  und  vervollständigen:  'EvOdbe  Kiie  Mapujviq  6  Ke  [0i\]r|TO(;, 
eYTiJuv(o(;)  (sie)  'A\eEdvbpo[u  to]u  ke  Ma[9]iou,  dpxujv  I[ißou]piicritjuv, 
eTU)[vJ  "i<b  Km  miivujv  y-  ev  [eipr|v]rii  x]  K[oi])uri[(ji(j  auToO]. 

Zu  bemerken  ist  hierüber  P^olgendes.  Mapüjvicg  ist  augen- 
scheinlich die  verkürzte  Vulgärform  des  C.  I.  G.  8829  (auf  einer 
dem  Libanon  angehörigen  christlichen  Grabschrift)  vorkommenden 
männlichen  Personennamens  Mapu)ViO(;.  Man  vergleiche,  um  in 
diesem  Kreise  zu  bleiben,  Zaßßdiiq  =  Zaßßdiioq,  oder  'AXOm?  = 
'AXumoc;  (C.  I.  G.  9910  und  9922).  Für  den  Doppelnamen  aber  und 
seine  Einführung  durch  6  Kai  sei  allenfalls  auf  Dittenberger's  Index  zu 
C.  I.  A.  in,  2,  388  oder  auf  Reinach's  Traue  d'Epigraphie  p.  507 
verwiesen.     Die  Namensform  MaGiocg  —   in   unserer   Inschrift  liest 


232 

man  ein  G,  welches  ich  zu  0  ergänzte  —  begegnet  in  einer  palästi- 
nensischen Inschrift  C.  I.  G.  4593.  Das  einigermassen  anspruchs- 
volle eVfOVO(;  (=  e'KTOVO(;)  statt  vioc,  erscheint  mehrfach  in  jüdischen 
Grabschriften,  nämhch  C.  I.  G.  9912,  9919  und  9900  =  C.  I.  A.  III 
3547,  während  die  Ersetzung  von  o  durch  oi  nicht  selten  begegnet; 
so  )iprivoTroiuü(;  und  mwq  C. LG. 9897,  idqtuj^  und  mibe,  auch  bei  Ascoli, 
Iscrizioni  di  sepolcri  giudaici  p.  52  und  57.  Nicht  unmöglich ,  aber 
minder  wahrscheinlich  wäre  die  Deutung  von  errouN  =  eK  TÜJv,  etwa 
wie  Mdpujvi  ck  tujv  Mdpujvo(;  bei  Dumont,  Inscript.  de  la  Thrace  p.  36 
(—  Kaibel  n.  533).  Das  jugendliche  Alter  des  Synagogen-Vorstandes 
ist  auffallend  und  lässt  wohl  auf  relativ  vornehme  Abkunft  des- 
selben oder  auf  einen  regelmässigen  Turnus  unter  den  Gemeinde- 
gliedern schliessen;  auf  Letzteres  könnte  C.  L  G.  9910  zu  weisen 
scheinen,  wo  ein  im  Alter  von  35  Jahren  Verstorbener  b\c,  dpxujv 
genannt  wird. 

Th.  GOMPERZ 


Epigraphisches  aus  Kärnten 

(Aus  mehreren  an  die  k.  k.  Central-Commission  für  Kunst-  und  historische  Denkmale 
gerichteten  und  von  derselben  mitgetheilten  Berichten.) 


Infolge  einer  Mittheilung  des  Pfarrers  Martin  Krabath  von 
St.  Urban,  dass  in  den  Ruinen  des  Schlosses  Kreug  ein  bisher 
noch  nicht  bekannter  römischer  Inschriftstein  sei,  wurde  der  Ver- 
einsdiener Kaiser  dahin  entsendet,  um  denselben  zu  suchen.  Der 
fragliche  Stein  ist  2*04  M.  lang,  55  Cm.  breit  und  27  Cm.  stark 
und  in  sechs  Theile  gebrochen.  Derselbe  scheint  als  Ueberlage 
eines  Thores  gedient  zu  haben,  weil  die  untere  Kante  mit  Ausnahme 
der  beiden  Enden,  wo  er  aufgelegen  sein  dürfte,  ornamentirt  ist. 
Er  lag  mit  der  Schriftseite  in  der  Erde  und  bildete  die  Einfassung 
einer  Düngergrube.  Von  der  einzeiligen  Inschrift  in  schönen,  reich- 
lich 10  Cm.  hohen  Buchstaben  ist  erhalten'): 
I 

iVS   •  VRBICVS  •  PROC-AVGVSTi 


')  [Nach  dem  Abklatsch ,  der  ein  eigenthümliches  Volutenornament  vortreff- 
1  icher  Arbeit  zeigt,  war  der  Marmorbalken  ein  freischwebender  Epistylblock  eines 


233 

In  St.  Andrä  ist  ein  von  Hrn.  Prof.  Jäger  gefundener  In- 
schriftstein jetzt  innerhalb  des  Schwibbogens  der  Stadtmauer  an 
der  Bahnhofstrasse  zweckmässig  eingemauert  und  sichergestellt.  Zu 
lesen  ist: 

,/  E  p  o  N  1  ,.  cn  Veponiae  [Va]- 

jERi AE  ■  ATTO  ■  Ml  [Z]e?'za^  Atto  7n[m'{itus)] 

(  FEC  •  "E- siB  "E- Q_y  fßc{it)  et  sib(i)  et  Qu[a\- 


IRT1LLÄ.-SORO 


rtillae  Soro\ri\ 


Ve- T^atNO -"e-apI  et  Tertino  et  Ap[o]- 

L  I  N  A  R  I  •  ^E  p  o /  \l\linari  nepo[tih{us)] 

(5  -  o  p  T  A  T  A  F./  et   Optatae   .... 

Professor  Jäger  zeigte  mir  auch  einen  zweiten  römischen  In- 
schriftstein,  der  im  Fussboden  der  Sacristei  der  Pfarrkirche  liegt, 
aber  durch  die  Tritte  der  darüber  Hinwegschreitenden  so  abge- 
schliflfen  ist,  dass  nur  noch  wenige  Buchstaben  kenntlich  sind. 

Von  einem  in  den  Ruinen  des  Petersberges  zu  Friesach 
gefundenen  Römerstein  übergab  mir  der  Architekt  und  k.  k.  Con- 
servator  A.  Stipperger  einen  Papierabklatsch.  Danach  ist  zu  er- 
kennen '^) : 


Bauwerkes  ionischer  oder  korinthischer  Ordnung.  Der  in  der  Bauinschrift  ge- 
nannte prociiirator)  August\i  Urhicus  ist,  wie  auch  schon  Domaszewski  bemerkt 
hatte,  wohl  sicher  identisch  mit  dem  bei  Tacitus  Mst.  1,  70  erwähnten  Petronius 
Urhicus  procurator,  der  im  J.  69  n.  Chr.  Anstallen  traf,  um  Noricum  für  Otho  zu 
sichern.  Die  Form  der  Buchstaben  weist  bestimmt  auf  eben  diese  Zeit  hin,  und 
dass  kurz  nach  einander  zwei  verschiedene  Personen  mit  dem  recht  seltenen  Cog- 
nomen  Urhicus  die  Verwaltung  von  Noricum  gehabt  haben  sollten,  ist  nicht  glaub- 
lich. Allerdings  ist  bei  Tacitus  die  Form  Urhicus  nicht  unmittelbar  überliefert. 
Aber  die  Ergänzung  des  sinnlosen  urhi  der  Handschriften ,  die  hier  das  verloren 
gegangene  Doppelblatt  des  Mediceus  ersetzen,  in  urhicmn,  die  von  Freinsheim  her- 
riilirt^  war  schon  bisher  fast  sicher  und  ist  mit  Recht  in  den  neuesten  Ausgaben 
aufgenommen;  durch  den  neuen  Fund  hat  sie  ihre  urkundliche  Bestätigung  erhalten. 
Wir  haben  also  das  Stück  eines  Bauwrrkes,  das  im  J.  69  oder  kurz  vorher  von 
dem  kaiserlichen  Procurator,  der  das  regnum  Noricum  verwaltete,  in  der  Nähe  von 
Virunum  errichtet  wurde.  Vielleicht  darf  man  hierin  auch  eine  Andeutung  dafür 
sehen,  dass  in  dieser  Zeit  Virunum  die  Residenz  des  Procurators  von  Noricum  war: 
eine  Annahme,  die  wohl  überhaupt  durch  die  Beschaffenheit  der  monumentalen 
Zeugnisse  nahegelegt  wird.     A.  d.  R.] 

^)  [Nach  Mittheilung  des  Herrn  Studiosus  Binn ,  Mitglied  unseres  Seminars, 
wurde  der  Stein  am  4.  September  1886  in  der  Friedhofsmauer  des  Petersberges 
gegenüber  dem  Chor  der  Kirche  bei  Ausbesserung  der  Mauer  gefunden.  Seine  Copie 


234 


fToU 

?.  R  -  E  T 

Etwa 

:   Qmn]tiom 

bene  m]er.  et 

M  D  AE 

Verecu]ndae 

'  G  l 

coni]ugi 

M  NO 

et  Sil]vino 

fil  an.]  X 

In  St.  Veit  in  Kärnten  ist  kürzlich  durch  den  Friseur  Seiller  ein 
Localmuseum  eingerichtet  worden.  In  demselben  befindet  sich  jetzt 
auch  die  Inschrift  C.  I.  L.  III  n.  4901,  doch  ist  es  bei  dem  Zustand 
des  Steins  nicht  möglich  mehr  zu  lesen ,  als  früher  Jabornegg  ge- 
lesen hat. 

Herr  Seiller  zeigte  mir  auch  einen  in  der  Vorderseite  des 
Hauses  Nr.  45  am  unteren  Platz  eingemauerten  Stein  mit  der  In- 
schrift ^) : 


STATVTAE 
1   •  D   ■  A  N   ■  XVIII 
STATVTVS-   FRF 


Klagenfurt  KARL  Baron  HAUSER 


Neiig*efiinclene  römische  Iiisclirifteii  aus 

Poetovio 

(Nach  Mittheilungen  an  die  k.  k.  Central-Commis>^ion 


1.  Bruchstück  aus  sogenanntem  Pacherer  Marmor  (grösste 
Höhe  34,  Br.  41,  D.  12  Ctm.;  Höhe  der  Buchstaben  im  Allgemeinen 
3'5  Ctm.,  Z.  2  M  2'9,  i  3"7,  t  4*3  Ctm.i.  Der  links  (vom  Beschauen 
erhaltene  Rand  zeigt  Spuren  einer  geschuppten  Relief-Säule.  Von 
mir  am  7.  August  1886  im  Pflaster  inmitten  der  Strasse,  welche 
von  Pettau  nach  Kartschovina  führt,  in  der  Nähe  der  Dominikaner- 
zeigt noch  ftiiien  im  Abklatsch  nicht  erkennbaren  Rest  zu  Anfang  von  Z.  1 ,  der 
vielleicht  zum  unteren  Ende  eine.s  T  gelulrt.  —  Die  oben  neben  die  Copie  gesetzte 
Herstellung  soll  natürlich  nur  etwas  Denkbares  geben.     E.  B.] 

^)  [Sollte  das  auffallende  ID-  in  Z.  2  etwa  i(uveni)  d{efunctae)  zu  lesen 
sein?] 


235 

Kaserne  entdeckt.  Der  Stein  war  als  Baustein  bei  Herstellung  der 
(aus  der  Mitte  des  13.  Jahrh.  stammenden)  mittelalterlichen  Stadt- 
mauer verwendet  worden,  welche  bis  in  die  ersten  Jahrzehnte 
unseres  Jahrhunderts  vom  westlichen  Theile  des  Schlossberges 
schräg  über  die  jetzige  Fahrstrasse  nach  dem  ehemaligen  Domini- 
kaner-Kloster (jetzt  Kaserne)  lief,  und  deren  Spuren  noch  gegen- 
wärtig deutlich  erkennbar  sind.  Der  auf  meine  Veranlassung  hin 
aus  der  Erde  gehobene  Stein  befindet  sich  jetzt  im  Hofe  des  land- 
schafthchen  Gymnasiums  zu  Pettau  und  soll  in  dem  zu  errichten- 
den Localmuseum  Aufnahme  finden. 

Vielleicht  zu  ergänzen : 
l'~»~~~'''     N                               De[o  Soli  invicto] 
MiTir.vA  )  Miihra[e See] 


V   N    D 


und^wi  pro  Secund\ 


INO-F/  ino  f[iUo 

AN"! 


Falls  die  Lesung  richtig,  hätten  wir  also  zu  den  bekannten 
Mithrasdenkmälern  von  Poetovio  (C.  I.  L.  HI  n.  4039—4042)  ein 
neues  hinzugewonnen.  Die  Stelle  des  in  der  Inschrift  C.  I.  L.  III 
n.  4039  genannten,  von  einem  dux  hergestellten  iemplum  des  Sonnen- 
gottes dürfte  vielleicht  gegenüber  dem  ehemahgen  Dominikaner- 
Kloster  zu  suchen  sein,  wo  Substructionen  von  10  Klafter  Länge 
und  Breite,  aus  Blöcken  rothen  Marmors  von  6—8  Fuss  bestehend 
(Kenner,  Mitth.  d.  Alterth. -Ver.  zu  Wien  XI  S.  94  Anm.  2)  vor 
Alters  aufgedeckt  worden  waren.  Die  hier  befindlichen  Votivsteine 
wurden  beim  Baue  des  Dominikaner-Klosters  im  J.  1230  (n.  4041) 
und  der  Stadtmauer  (ausser  unserem  Fragment  auch  n.  4040)  ^) 
als  Baumaterial  verwendet. 

2.  Im  Nordwesten  der  Pfarrkirche  St.  Martin  in  Ober-Haidin 
bei  Pettau,  nur  wenige  Schritte  von  derselben  entfernt,  war  noch 
in  den  letzten  Jahrzehnten  dieses  Jahrhunderts  ein  in  weitem  Bogen 
sich  hinziehender  Erdwall,  begleitet  von  einem  angeblich  manns- 
tiefen Graben  sichtbar,  der  vom  Volke  als  «Schanze"  bezeichnet 
wurde.     In  ihm  hatte  bereits  1682  der  Vicarius  von  Haidin,  Georg 


■)  Unter  dem  von  Pococke  als  Ort  genannten  Thurme  ist  nämlich  nicht,  wie 
Mommsen  annahm,  der  Stadttlmrm  zu  St.  Georg  zu  verstehen,  sondern  ein  Thurm 
der  Stadtmauer,  da  der  Stein  nach  Somenzari  (Stadt  Archiv  zu  Pettau  1830)  ,,in 
der  westlichen  Stadtmauer"  sich  befand,  von  wo  er  im  J.  1817  an  seinen  gegen- 
wärtigen Ort  gebracht  wurde. 


236 

Haubtmann  (1677—1691),  in  seinem  nChronicon  seu  commentarius 
historicus  Pettouiensis<J-  (Manuscript  im  Besitze  der  Stadtgemeinde 
Pettau)  die  üeberreste  eines  befestigten  Zollhauses  des  römischen 
Poetovio  erkennen  wollen  (a.  a.  O.  S.  7):  jidas  Plokh,  oder  ZoU- 
hauss  mit  seinen  tieffen  Schanzgräben,  welche  annoch  zu  ober 
Haydin  zwischen  denen  Kirchen  St.  Martini  und  Stae.  Rosaliae 
neben  einer  geschribenen  Säullen  zu  sehen«.  Wie  aus  dem  Fol- 
genden erhellt,  ist  unter  der  jigeschriebenen  Säule"  C.  I.  L.  III 
n.  4015  zu  verstehen,  wo  allerdings  Subalternbeamte  eines  conduc{tor) 
portori  Illyrici  genannt  sind  Bei  der  Restauration  und  Vergrösse- 
rung  der  genannten  Kirche  St.  Martin  im  J.  1874  wurde  das  um- 
liegende Areal  einschliesslich  des  Walles  planirt.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit wurde  in  dem  Erdwalle  ausser  anderen  nicht  beschrie- 
benen Platten  aus  sogenanntem  Pacherer  Marmor  in  einer  Tiefe 
von  ungefähr  2  M.  auch  das  Fragment  einer  römischen  Grabschrift 
aus  demselben  Stein  ausgehoben,  welches  wahrscheinlich  bei  Anlage 
des  Walles  als  Baumaterial  benützt  worden  war.  Der  Bauer  Veit 
Muhic  verwendete  nebst  anderen  nicht  beschriebenen  Platten  auch 
diesen  Inschriftstein  beim  Neubau  seines  abgebrannten  Hauses 
(Ober-Haidin  Nr.  109),  und  derselbe  wurde  (im  J.  1874)  mit  der 
Rückseite  nach  aussen  in  die  Kellermauer  eingefügt.  Doch  erhielt 
sich  das  Gez'ücht  von  dem  Funde  dieses  nRömersteines",  und  darauf 
aufmerksam  gemacht,  Hess  ich  denselben  am  3.  August  1886  heraus- 
heben. Die  grösste  Höhe  des  Steines  beträgt  63  Ctm.,  die  grösste 
Breite  67  Ctm.,  die  Dicke  23— 24  Ctm.  Das  Inschriftfeld,  soweit 
erhalten ,  ist  hoch  38  Ctm. ,  breit  57  Ctm. ;  Höhe  der  Buchstaben 
6*5  Ctm.  Ueber  der  Inschrift  befindet  sich  ein  (besonders  an  den 
Seiten  beschädigtes)  Basrelief:  in  der  Mitte  eine  Muschel,  mit  der 
concaven  Seite  nach  vorn;  dieselbe  wird  umschlossen  von  zwei 
unten  gekreuzten  Füllhörnern ,  deren  jedes  oben  drei  apfelförmige 
Früchte  trägt  und  von  einem  (nur  theilweise  erhaltenen)  Delphin 
im  Maule  gehalten  wird.  Das  Inschriftfeld,  beiderseits  von  je  einer 
flachen  Reliefsäule  mit  korinthischem  Kapital  und  spiralförmig 
canellirtem  Schafte  abgeschlossen,  zeigt  folgende  Inschrift: 

i.  •  A  N  T  O  N  I  V  S  ■ 
LPOL-  MODES 
TVS-  INDVSTRI  A- 
1/rT  1  PC-    XIII-  r Fjyi  • 

L{iicms)    Antomiia    L{nci    films)     Pol{lid)     Modestns    Industria 
vet{eranus)  leg(ioniö)  XIII  gem{inae)    


237 

Die  Inschrift  ist,  wie  Mommsen  mir  brieflich  mittheilte,  ein 
weiterer  Beleg  für  die  gräcisirende  Auslassung  von  filius  im  illyri- 
schen Gebiete,  welche  daselbst  weit  häufiger  sei,  als  man  bisher 
glaubte. 

Was  die  Zeit  der  Inschrift  anlangt,  so  weisen  sie  u.  A.  die 
zierliche  Form  der  Buchstaben  und  des  Reliefs  der  ersten  Kaiser- 
zeit zu.  Obgleich  nun  aber  Poetovio  als  Winterquartier  der  legio 
XIII  gemina  im  Jahre  69  n.  Chr.  bezeugt  ist  (Tac.  hist.  3,  1),  von 
wo  sie  vielleicht  schon  unter  Vespasian  nach  Vindobona  verlegt 
wurde  (C.  I.  L.  III  S.  510),  und  daher  die  Annahme  nahe  liegt,  dass 
unser  Veteran  sich  damals  in  den  Canabae  seiner  Legion  nieder- 
gelassen habe ,  so  möchte  ich  doch  vielmehr  wegen  der  grossen 
Aehnlichkeit  in  Schrift  und  Ausführung  der  Ornamente  unsere  In- 
schrift für  gleichzeitig  halten  mit  n.  4057  u.  4058,  also  (wegen  4057) 
in  die  nächste  Zeit  nach  der  Begründung  der  Colonie  durch  Traian 
setzen.  Es  werden  nämlich  von  Veteranen  auf  Inschriften  aus 
Poetovio,  abgesehen  von  der  unserigen,  genannt  C.  I.  L.  III  n.  4056 
ein  C.  Cassms  Silvester  vet{eraniis)  leg{ionis)  IUI  FUaviae),  d.  h.  einer 
Legion,  die  niemals  nach  Oberpannonien  gekommen  ist,  und  n.  4057 
ein  C  Cornelius  C.  f.  Pom.  Dert(ona)  Verus  vet{eranus)  leg{ionis)  II 
adi{utricis)  deduct{us)  c(olo)iiam)  U^lpiam)  T{raianam)  P(oetovionem) 
mission(e)  agr{ariaf  altera)  u.  s.  w.  Dazu  wird  noch  n.  4058  hin- 
zuzufügen und  zu  ergänzen  sein:  [üet{eranus)\  leg^ionis)  XII[I],  deren 
Aehnlichkeit  in  Schrift  und  Ausführung  der  Ornamente  mit  n  4057 
und  unserer  neuen  Inschrift  bereits  erwähnt  wurde.  Diese  vier 
Inschriften  von  Veteranen  berechtigen  vielleicht  zu  der  Folgerung, 
dass  zur  Gründung  der  Colonie  Poetovio  von  Traian  Veteranen 
jener  Legionen  verwendet  wurden,  welche  an  den  dakischen  Kriegen 
(J.  101  — 107)  theilgenommen  hatten,  wozu  eben  auch  die  Legionen 
IV  Flavia,  XIII  gemina,  und  wahrscheinlich  auch  die  II  adiutrix 
gehörten.  Dass  der  Veteran  der  neugefundenen  Inschrift  die  Tribus 
seiner  Heimat,  nicht  aber  die  von  Poetovio  {Papiria)  führt,  ist  be- 
merkenswerth,  findet  sich  aber  auch  bei  dem  Veteranen  der  Inschrift 
n.  4057,  dessen  Ansiedelung  in  der  Colonie  Poetovio  ausdrücklich 
angegeben  ist.  Ob  der  Umstand,  dass  beide  Veteranen  aus  der 
neunten  Region  Italiens  stammen,  zufällig  ist,  denke  ich  an  anderer 
Stelle  zu  erörtern. 

Wien,  October  1886       ANTON  Ritter  von  PREMERSTEIN 


238 

Griechische  Inschriften  ans  Moesien  und 

Thrakien 

Die  im  Folgenden  veröffentlichten  Inschriften  habe  ich  im  Laufe 
dieses  Sommers  gesammelt,  als  ich  im  Auftrage  der  k.  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  Berlin  Serbien  und  Donaubulgarien  bereiste*). 

*1.  Pirot.  Im  Hofe  vor  der  alten  Kirche.  Altar  aus  Kalk- 
stein, h.  1  M.,  d.  0  45,  br.  0-48. 

KO  PN  HAI  AN  KopvriXiav 

HAYAANAY  TTttOXaV    Al»- 

roYCTANHE  YoOdTav  fi  I[ep]- 

A  uj  N  n  o  A  ii  ÖUJV  Trö\i[(;] 

5  Eniiv  Avr  5         em  M(dpKOu)  Ai)p(nXiou) 

HPLUAOYKAl  'HpOJbOU    Kttl 

npoKAOY  TTpoKXou 

Wenn  die  Ergänzung  in  Zeile  3,  wie  kaum  zu  bezweifeln, 
richtig  ist,  so  reichte  das  Gebiet  der  thrakischen  Serder  (Dio  Cass. 
51.  25)  bis  nach  Pirot  in  Serbien.  Der  nächste  Ort  auf  der  Strasse 
nach  Nisch  (Naissus)  ist  Bela  Palanka.  welcher  sicher  bereits  zu 
Moesia  superior  gehörte  (C.  J.  L.  1688,  jetzt  besser  bei  Evans  Ati- 
tiquarian  researches  in  Illyricum,  parts  III  u.  IV,  London  1885  p.  162). 
Demnach  wird  man  die  Grenze  zwischen  Thrakia  und  Moesia 
superior,  weiter  westlich  als  bisher,  auf  den  Höhen  zwischen  Bela 
Palanka  und  Pirot  ansetzen  müssen.  Es  entspricht,  dass  die 
Grenzen  des  lateinischen  und  griechischen  Sprachgebietes  mit  den 
Provinzialgrenzen  zusammenfallen.  Denn  in  Bela  Palanka  (wahr- 
scheinlich Remesiana)  sind  nur  lateinische,  in  Pirot  die  beiden  von 
mir  hier  veröffentlichten  griechischen  Inschriften  gefunden  worden. 
'H  Zepbujv  TTÖXiq  ist  wohl  wie  in  Nr.  5  Serdica. 

*2.  Ebendort.     Altar  aus  Kalkstein,  h.  0*81,  br.  0'6,  d.  0'4. 

ATAGH       //x/  'Ayaeri  [Tij]x[ri] 

©EUJEnHKOuuY+iETUj  Geuj  emiKÖiu  ui|iiaTiu 

EYXHNANECTHEAN  CUXilV    dveCTTllCTaV 

TOKOINONEKTUJNI  TO    KOlVÖV    CK  TUJV    l- 

ö        AIUJNAIAIEPEUJE  h      blUJV    blCl    lEpeUjq 


*)  Zu  den  mit  ('inem  Stern  versehenen  Inschriften  konnte  ein  Abklatsch  ver- 
glichen werden. 


239 

EPMO    TENSEKAinPO  'EpjUOTeVOUc;    Kttl    TTpO- 

ETAT8AYr8ETIANOY  OTOLTOV    AuYOUCTTiaVOÖ 

AXIA  AEYE  AYPH  AlE  AIOAAE  'AxiXXeÜq,    Aupr]\l<;,    AlO(q),    'AXE" 

äan Apoc  MOKAEMO.  .ANoE         lavbpoq,  MoKO?,  Mo[Ki]av6q, 
10   AOMHTiEEOOEiNOEnX      10  AojLifiTK;,  ZocpeTvo(;,  TTau- 
AEiNOERYPOEAnoAiNA  Xeivoq,  TTupoq,  'ATToXivd- 

PIEMOKIANOE.HAYE  PK^,   MoKiaVÖC,,     [T?]f\\v(; 

KAIAAE5ANAPOEAEK  KOI    ' AXeEavbßOC,    'Aö"K- 

AHni  A  AOY0IA.  .  .EEB  AZI  XiiTTiotbou '   Gia[(JO(;?]   Zeßtt^i- 

15     ANOE0H...     TOYTAE  15    aVÖC,     

Die  Lesung  der  Zeilen  13—15  beruht  nur  auf  dem  Abklatsch, 
da  ein  heftiges  Gewitter  mich  hinderte,  die  Copie  vor  dem  Steine 
zu  Ende  zu  bringen.  Es  scheint,  dass  das  koivöv  ein  9ia(Jo<;  zu 
Ehren  des  ZeßdZ^ioq  gewesen  ist. 

3.  Dragomanski- Tepnik.  „Nicht  weit  vom  Dorfe  Drago- 
man —  auf  dem  AVege  nach  Bulgarien  —  ist  eine  Anhöhe  „Dra- 
gomanski-Tepnik''  genannt,  auf  deren  Plateau  die  kleine  Kirche 
St.  Peter  steht.  Am  Eingange  in  dieselbe  steht  eine  steinerne  Platte, 
die  2  M.  hoch,  1  ^I.  breit  und  0*5  M.  dick  ist  und  folgende  In- 
schrift trägt"  ') : 

AFAGHi-TYAYP-MecTPiA  'ATaBfn  Tu[xili]  Aup^/iXioq)  MecrTpia[vöq] 

CTPAT  •  A£T- BiTA  (yTpaT(iujTri<s)  Xe[T](iüJVo^)   ß' 'iTafXiKfiq) 

KYPIUJ  CABAZIUJ  €  KupiLU  ZttßaZiiuj   e[K] 

npoNoiAC6YXAPic  TTpovoitti;  euxapia[Tr|] 

5   pioNGCTHce  piov  earricrefv]. 

Das  Vorkommen  eines  Soldaten  der  legio  II  Italica  in  Thrakien 
ist  befremdend.  Man  erwartet  I  Italica,  die  Legion  von  Moesia 
inferior. 

*4.  „Aus  Sorlyik  im  Knazevazer  Kreise,  wo  noch  zweiThürme 
einer  römischen  oder  mittelalterlichen  Befestigung  stehen .  stammt 
eine  Plinthe  von  weissem  Marmor,  die  auf  ihrer  oberen  Fläche  eine 
ovale  Vertiefung  hat,  deren  Durchmesser  20*5  und  14  Cm.  betragen. 
Die  Plinthe  selbst  misst  in  der  Länge  24*5,  in  der  Breite  20V'2,  i'^ 
der  Höhe  9  Cm.    Auf  einer  Langseite  trägt  sie  folgende  Inschrift"  ") : 


')  Aus  einem  Briefe  des  Hrn.  Prof.  Waltrovitz  in  Belgrad.  Die  Abschrift 
nahm  ein  serbischer  Officier  während  des  letzten  Krieges. 

^)  Aus  demselben  Briefe  des  genannten  Herrn.  Die  Inschrift  befindet  sich 
jetzt  im  Belgrader  Museum,  wo  ich  sie  abgeschrieben  habe. 


240 

HPA20NKHTHNHTIKAAYAICJ 
KYPElNA0EonoMnO20E  O  F  0  M  Fi 
2  T  P  A  T  H  r02  ASTIKH^THEPEPIPU 
PIN0ON2HAHTIKHZO  PEINH^AENbA 
/HTIKH2PE//A2I/ZXAP12THPI0^' 

"Hpa  lovKTiTTivfi  Ti(ßepioc:)  K\aubio[(;]  ||  Kupeiva  0eÖTro|U7roq  Oeo- 
TTdjLiTT[ou]  II  (TTpaTHTCx;  'AcrTiKfi(S  TTepi  TTelpiveov,  In\nTiKfi(;  öpeivfi(^,  Aev- 
ee;,[X]nTiKfl(;  TTe[bija(jia(;  •  xapicnnpiov. 

Von  dem  Worte  irebiaaiaq  sind  noch  Reste  aller  Buchstaben 
auf  dem  Abklatsch  zu  erkennen.  Die  "Hpa  IcvKriirivri  lässt  sich 
vergleichen  mit  der  "Hpa  'ApiaKrivri  Dumont  Nr.  33.  Die  Strategien 
Thrakiens  zählt  Ptolemaeus  auf  3,  11  §.  6:  IxpaTriTiai  bk  eidiv  ev  ti^ 
etrapxia  Tipö^  |Liev  xaiq  Muaiai^  Kai  rrepi  töv  Aijugv  tö  öpo<;  dpxo|uevoi<; 
otTTÖ  buajuOuv  AeveriXiFiKri,  lapbiKr),  OucrbiKiiaiKii,  leXXriTiKri  —  dann 
folgen  weitere  neun  in  der  Richtung  von  Westen  nach  Osten,  zuletzt 
—  -rrapa  be  xfiv  ctTTÖ  TTepiveou  TiöXeuu^  MtXpi^  'ATToXXujviaq  TrapdXiov  f] 
'AaiiKfi  axpairiTia.  Wenn  Plinius  (n.  h.  4,  40)  im  Widerspruch  da- 
mit 50  Strategien  in  Thrakien  zählt,  so  erklärt  dies  unsere  Inschrift 
in  erfreulicher  Weise.  Sie  gehört  sicher  dem  ersten  Jahrhundert 
an,  wahrscheinUch  ist  sie,  wie  der  Name  des  Strategen  und  die 
Buchstabenformen  zeigen,  unter  der  Regierung  des  Claudischen 
Hauses  geschrieben,  steht  also  zeitlich  dem  von  Plinius  geschil- 
derten Zustande  sehr  nahe.  Es  zerfiel  nach  unserer  Inschrift  die 
arpairiTia  'AaiiKri  in  mehrere  Theile,  von  welchen  einer  das  Gebiet 
um  Perinth  umfasste.  Diese  Strategie  ebenso  in  der  Inschrift:  Eph. 
epigr.  II  p.  252  =  Dumont  62  f.:  Tißepio^  'l[o]uXiO(;  LT'?]oöX[X]o<; 
(TTpaiiiTÖ^  'AdTiKiK  T^ep'i  HepivÖGV.  Ebenso  zerfiel  die  Aev9eX)iTiKr| 
und  die  In^nfiKri,  wie  die  neue  Inschrift  zeigt,  in  mindestens  zwei 
Theile.  Die  grössere  Zahl  der  Strategien  des  Plinius  erklärt  sich 
demnach  wahrscheinlich  daraus,  dass  er  die  Unterabtheilungen  der 
Strategien  des  Ptolemaeus  als  selbständige  Glieder  zählte.  Eine 
gleichzeitige  Verwaltung  der  drei  Strategien  ist  bei  der  Lage  dieser 
Bezirke  nicht  denkbar.  Vielmehr  scheint  es,  dass  Claudius  Theo- 
pompos  die  Dentheletike  zuletzt  verwaltet  und  als  Stratege  dieses 
nordwestlichsten  Districtes  an  dem  weit  von  den  späteren  Grenzen 
Thrakiens  entfernten  Orte  das  Denkmal  errichtet  hat.  Man  wird  ferner 
in  Anbetracht  des  Fundortes  die  Frage  aufwerfen  dürfen,  ob  nicht 
der  südöstlichste  Theil  der  Provinz  Moesia  superior,  das  Becken 
von  Nisch,    vor  Errichtung   dieser  Provinz   zu  Thrakien  gerechnet 


241 

wurde.  Wahrscheinlicli  bezeichnet  der  Fundort  auch  einen  Punkt 
der  römischen  Strasse,  welche  aus  dem  Thale  der  Nischawa  in  das 
Thal  des  Timok  führte  und  Naissus  mit  Ratiaria  verband. 

*5.  Sophia,  gefunden  auf  dem  türkischen  Friedhof;  jetzt  in 
der  Bibliothek.   Säule  aus  Kalkstein. 

'~777777/77777777/T/'^^oT^; 
/  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  /  / 

eB     1XHCTCKAIN6IKHCKAIAI 

U)  N  I  O  Y  A  I  A  M  O  N  H  C  H  r  e  M  O  N  6  Y  O  N 
5  THCAAMnPOTATHCGP  AKUJ  N 

TIAIOYnO  YAeN 
eCBCEBANTI 
PATHTON  EPAUJNl  O  AICA 

P  O  ^        lAION 

[aYttGr)  Tuxr)  [j  urrep  tx]C,  toö  auTOKp]dTOpo[?  |  ü! j !!!!!!!!! I j j !!! !\\  ^J^ß- 
[tuJX'K  Te  Ktti  veiKriq  Km  ai||ujviou  öia)Liovfiq  fiTe|uoveuov|l[TO(;]  ttic;  Xafi- 
TTpordDic;  GpctKOJV  [enapxeiac, .  . .]  tiXigu  noi3bev!I[Toq  uTraTiKoO?  TTp]ecrß. 
Xeß.  dvTil;[crT]paTri-fou  [n  Ijepbujv  ttoXk;  di[[veaT]ri[cTe  t]ö  M[e]iXiov. 
Vergl.  zu  den  Ergänzungen  C.  I.  Gr.  2047  und  Dumont  Nr.  3.  Von 
Zeile  5  ab  ist  die  linke  Hälfte  der  Schrift  durch  den  Einfluss  des 
Wassers  abgewittert. 

Z.  7  habe  ich  UTraTiKoO  ergänzt,  da  ich  nicht  weiss,  was  sonst 
zwischen  Namen  und  Titel  treten  könnte.  Dass  der  Statthalter 
von  Thrakien  während  seiner  Verwaltung  zum  Consulate  gelangen 
konnte,  unterliegt  keinem  Zweifel. 

6.  Jeni-Nikup,  in  einem  Hause.     Altar. 

Gedq]  '\heiaq  fie-fdXr|<; 
liAEiAZMErAA-Lj  ^^w]ö[<;]  All  HXiLU  ^6Td[Xuj 

\o--.AiiHAiajMErj  ^^pjj^^  leßariuj  dTfiuJ 

\wzebaziwaW  . .  . .  !viu  <I>X.  'A(Tia[vö^ 

QU  ßouX(euTri(;  ?)  uirfep  xfie; 

eautjou  (JujTrip[ia?  tö 

euxa]p[i]crT[ripiov 

[dvecTiricrev] 

Es  scheint,  dass  der  Altar  nur  einer  Gottheit,    dem  leßd^ioc; 

veiht  war,    der  wie  auch  sonst  dem  Zeus   (Schneider,  Jahrb.  d. 

iva^istsamml  ,   Wien   H   S.  52   Anm.  8)   und   dem   Helios    (Macro- 

bius  Sat.  I,  8,  11)   geglichen  wird.     In  welche  Verbindung    er^zur 

Archäologisch-epigraphische  Mittb.  X.  16 


242 

Gröttermutter  gebracht  wird ,  ist  mir  nicht  klar.  Aber  es  wäre 
denkbar,  dass  er  als  ihr  Sohn  bezeichnet  wurde,  und  dem  ent- 
sprechend habe  ich  oben  zu  ergänzen  versucht  (vgl.  Diodor  4,  4). 

7.  Ebendort,  in  einem  Hause.    Altar. 


HI TYXHI 


A  iTk  E  p  A  Y  N  I  w  All  Kepauviuj 

EYXAPiEToY  euxapicJTOu  (sie) 

moAicA>EETi:EN  ^  ttöXk;  dvecTTiiaev 

rPo  -  ihK-AYroYETM  TTpö  i?'  K(aXavba)v)  AuTOU(yTaj(v) 

MA5iivKKnA-EPWYn  IV\agi)Liuj  Ke  TTarepvuj  vt:{6.toic,) 

a.  233  p.  Chr. 

8.  Ebendort,  bei  der  Kirche  als  Grabstein. 

®  K  ö(eoi^)  K(aTaxOovioi?) 

rAio:BiANOPo:NEiKAEY2  rdiO(;  Bidvopo«;  N€iKaeu<; 

AOMo-EKTAnoAEiTiioYAH:  55|no  TeKTuuTToXeiTn^  qpuXfi(; 

KAniTAiAEiN-EZH2AZKAAU):  KaTTiTuuXeivn?  lr]aac,  kolXCjc, 

EmBj^_ojitK_ojSLj^i~m.$ZQ_  ^-[Y]  eßbojUTiKOVTa  [Z:lujv  Ke  qppo- 

[vuJv   .... 

Auch  in  zwei  anderen  Inschriften  aus  Nikopolis,  Monatsber. 
d,  Berl.  Akad.  1881  S.  459,  werden  Asiaten  aus  Nikaea  genannt. 
Es  scheint  demnach,  dass  Traianus  in  Nikopolis  am  Ister,  wie  auch 
in  Dacien,  Asiaten  als  städtebildendes  Element  ansiedelte. 

9.  Bei  der  Brücke  über  die  Rusica,  unweit  Stari-Nikup. 
Aus  den  Ruinen  von  Stari  -  Nikup  dorthin  als  Baumaterial  ver- 
schleppt.   Basis  aus  weissem  Marmor,  h.  1*19,  br.  1*08,  d.  O'lö. 

A  1 1  •  C /.  I  M  I  1 1  UJ  K  A  I  H  P  A  K  A  I  A  0  H  N  A  CS 
T  //  KA-  rP  E  I  2  KElN02APrYP0TAMIAZKAI  ■  T  •  AP 
"=•/-  T-N-A-   APXHSTAArAAMATAYrEPT12;n»AEnZ 
EKTnW  lAiriN  A>EZ'H2A  es 

All  'OXuiLiTTiuj  Kai  "Hpa  Kai  'Aenvd  ||  T[iß.]  KX.  TTpeicTKeivo^  dpTU- 
pOTttiuiaq  Kai  {i{nc,)  dpj[Haq]  tiiv  (TTpoJinv)  dpxnv  tu  UTaXiiaTa  UTiep  xfiq 
TToXeuiq  II  eK  Tujv  ibiuuv  dvearrjCTa. 

Die  Capitolinische  Trias,  denn  diese  scheint  mir  gemeint,  ebenso 
in  der  Inschrift  aus  Nikopolis  Berl.  Monatsb.  1881  p.  459:  Au 
'OXu|UTTiuj  Kai  "Hpa  Zufia  Kai  'AGiivd  rioXidöi,  ist  charakteristisch  für 
die  Griechenstadt,  welche  ein  Machtwort  des  römischen  Kaisers 
geschaffen. 


243 

*10.  Polikraste,  nördlich  von  Tirnova,  bei  der  Kirche.   Ohne 
Zweifel  aus  den  Ruinen  von  Stari-Nikup  dorthin  verschleppt.  Altar. 

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*A>EETATON<AIEYE  CpttVeCTTaTOV   Kttl   eu(j (eßecJittTov) 

EEB-  YHA-EVONTOSE  lۧ(acrT6v)    UTTaTeUGVTGc;    6- 

^APXIA28ITE^NI8  Ttapxiac;  Ouiiewiou 

5  I  8B  E  N  I  O  Y  ANT  ETP  'loußeVlOU    dVT[l|(jTp(aT»lYOu'), 

EniiVEAOYMENOY  emjueXouMe'vGu 

I8AIOYEYTYX3YE  'louXlOU    EuTUXOU(; 

APXIEPATIK8EKT.N  dpXiepaTlKOG    EK    TUJV 

IAIlVNA^Ec■H;EY^EP*I  iöiujv  dveanicre  UTiep  cpi- 

AOTiMiAs  XoTijuia«; 

*11.  =  Kanitz,  Bulgarien  III  8.  342,  XIII;  jetzt  in  Tirnova 
vor  der  Präfectur. 

AFAGHl        TYXHI 


lOYAlANAOMMANGEANEEB-     M-E 
PAKAEFAN  ■  AYTOKPATOPOC-  A-   EEOMI 
OYEEYfPOYrEPTINAKOL-EEB    -    EYEEBOYE- 
5  nAPGKOY-BPETANMlKOY-APABIKOY-  AAIAB-^ 

^  iKOYAPXIEEaEiVErfcTOY-AHVlAPXIKH:-E 

äOyeiae-to-b-aytokpatopo;-to-ia-  yha 
toy-to  •  h-  !i  a-po:natia  o'.  -  fynaika-  k-ayto 

KPATOPOIKAIEAPOZ-  MAPKOY- AYHA-  ARai^MOY 
10        EEB-K-AEEnrhllOYr  et  AKAlEAPO:.M€PAYnA 
■EYOROZTCEnAPXEIAE-r-OOYEIlNlOY-EPTYA 
AOY-rPEEB-EEBBAN-lEF-HlEP  XITA-R  BOY\H 
K--OKPATI:TO:AMVIO:OYAniAE-r^KOnOAE 


n5:T^zrpo2I5:TONA^EET^-EN 

'ÄTaGiiiTuxniiriouXiav  Adjuvav  Gedv  Ieß(acrTr|v),  .uiire'!  pa  KdcTTpuuv, 

aiiTOKpdTopo(g  A.  leTTTi^iJlou  leut'ipou  TTepiivaKocg  Zeß(a(JToö),  Evoeßoxx;,  ji 

TTapeiKoö,  BpexavviKoO,  'ApaßiKOÖ,  'Abiaßr)  jviKoO,  dpxiepeuuq  lAe-^iöTov, 

'"uapxiKf\q    e^Houaiaq    t6   g',    auTOKpdTopo?    tö    la,    urrd  tou   tö  x]', 

-pö?   TTaTpiboc^,    TuvaiKtt,    k(oi)    auTo;|KpdTopo(;   Kaicrapoq   MdpKou 

'  lA(iou)  'AvTujvivou  jj  Ieß(a(7Toi))  K(ai)  A.  leTTTi^iou   Texa   Kaidapoc; 


244 

H»lTepa,  UTra'lTeuovToq  Tf\c,  eiTapxeia«;  f.  'Ooueiviou  TepiuXJlXou  irpeaß. 
leßß.  dvTiaip.  fi  lepuuTdTri  ßouXr]  |i  K(ai)  ö  KpdTiaTO(;  bfiiuoq  OuXTTiaq 
NiKOTTÖXelJuuq  T?\q  Ttpöq  "latpov  dve(JT)iaev. 

Wien  A.  v.  DOMASZEWSKI 


Zu  griechischen  Inschriften 

C.  I.  A.  II,  476  V.  21  heisst  es,  dass  beim  Verkauf  gewisser 
Früchte  gemessen  werden  soll  lueipiu  xujpoOvifi]  ATTOYHITA  aiTtipd 
fi[fA]ix[o]iviKia  Tpia.  Böckh,  dem  Köhler  folgt,  las  KOpuaid ,  ohne 
sich  zu  verhehlen  ,  dass  die  Entstehung  der  Verderbnis  schwer  zu 
begreifen  ist.  Aus  den  von  Böckh  selbst  angeführten  Zeugnissen 
geht  jedoch  hervor,  dass  vielmehr  zu  lesen  ist:  dTro[v|j]ricTTd  =  ab- 
gestrichen, wie  es  auch  der  Sinn  fordert.  Denn  nur  ein  gestrichenes 
Maass  kann  als  Maasstab  für  ein  anderes  Maass  dienen. 

Bull  de  corr.  hell.  B.  X  p.  112.  Zeile  12  u.  13  ist  zu  lesen: 
Ol  TTeil|[paTeu]ovTe(S  rovc,  iroXeiuiouc;.  Die  Caperschiffe,  die  gewiss  von 
der  eigentlichen  Kriegsflotte  zu  unterscheiden  sind,  werden  auch 
auf  Seiten  des  Gegners  erwähnt  Liv.  31,22:  et  pmedonum  a  Chalcide 
naves,  quae  non  mare  solum  inftstum  sed  etiam  omnis  maritumos 
agros  Atheniensibus  fecerant  (vgl,  auch  Diodor  28,  1).  Diese  sollen 
nicht  aus  dem  Hafen  von  Delos  auslaufen,  um  nicht  die  Wieder- 
vergeltung der  Feinde  herauszufordern. 

A.  V.  DOMASZEWSKI 


Archaeolrepigr.Mitth.aus  Oesterreich  X 


Taf. 


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Taf.  II 


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Arcliaoül.-eiiigraph.  Mittli.  aus  Oesterreicli  X 


Taf.  III 


Arcliaeol.epigraph.  Mittli.  aus  Oe^terreich  X 


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Taf.  IV 


Archaeol.-epigraph.  Mitth.  aus  Oesterreich  X 


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Archaeol.-epigraph.  Mitth.  aus  Oesterreich  X 


Taf.  V 


Archaeol. -epi^raph.  Mitth.  aus  Oesterreich- Ungarn  X 


Taf.  VI 


Archaeol.-epigraph.  Mitth.  aus  Oesterreich-Ungarn  X 


Taf.  VII 


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<!i/%       X£«„  \nemcKciUere.,  JTroya.ii.a.'iL^lJobrina-    W    Tetr 

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(CALLATIS) 


I     ^. 

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Archaeolrepigraph.  Mitth.  aus  Oeslerreich 


Taf. 


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