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Division of Mollusks
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ARCHHELENIS
UND ARCHINOTIS
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SESAMMELTE BEITRÄGE
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ZUR
GESCHICHTE DER NEOTROPISCHEN REGION
VON
HERMANN VON IHERING
MIT EINER FIGUR IM TEXT UND EINER KARTE
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1907
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Verlag von Wilhelm Engelmann in Leipzig |
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Anthropogenie
oder
Entwicklungsgeschichte des Menschen,
Keimes- und Stammesgeschichte. |
Gemeinverständliche wissenschaftliche Vorträge
von
Ernst Haeckel,
Professor an der Universität Jena.
Fünfte, umgearbeitete und vermehrte Auflage.
= Nit 30 Tafeln, 512 Textfiguren und 60 genetischen Tabellen. —
2 Bände. gr. 8. Geheftet M. 25.—; in Leinen geb. M. 28.—. |
Einführung in die Paläontologie,
Von
Dr. Gustav Steinmann, a
ord. Professor der Geologie und Paläontologie an der Universität Bonn, Geheimer Bergrat
ı
Zweite, vermehrte und neubearbeitete Auflage. |
Mit 902 Textabbildungen. gr. 8. Geh. M. 14.—, in Leinen geb. M. 15.20. |
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Der Lichtgenuß ‘der Pflanzen.
elehrieche und physiologische Untersuchungen
mit besonderer Rücksichtnahme auf Lebensweise, geographische Verbreitung
und Kultur der Pflanzen | |
von |
Prof. J. Wiesner
Direktor des Pflanzenphysiologischen Instituts der k. k. Wiener Universität. 1
|
Mit 25 an M. 9.—.
Im en befindet ah
Über die Bedeutung
des
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Darwinschen Selektionsprinzips
und Probleme der Artbildung. |
Von
L. Plate.
Dritte, umgearbeitete und vermehrte Auflage.
_ ARCHHELENIS
UND ARCHINOTIS/
GESAMMELTE BEITRÄGE
ZUR
GESCHICHTE DER NEOTROPISCHEN REGION
VON
HERMANN VON IHERING
. MIT EINER FIGUR IM TEXT UND EINER KARTE
LEIPZIG
VERLAG VON WILHELM ENGELMANN
1907
Alle Rechte, besonders das der Übersetzung, sind vorbehalten.
Druck von A. Hopfer in Burg b.M.
15.
16.
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
. Kapitel:
Kapitel:
Kapitel:
Register .
Inhaltsübersicht.
Einleitung (1907) . >
Bemerkungen zur Frage der Hnlstehnng der
Arten (1878 und 1907)
Das Privateigentum im Tierreiche (1895)
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln
(1890) . Se pe: ne N PR: A
Über die Betehungen der Shilenischen und el
brasilianischen Süßwasserfauna (1891).
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-
Seeland und Südamerika (1891)
Die Palaeo-Geographie Südamerikas (1893)
Die Unioniden Südamerikas:
a) Revision der von Spix in Brasilien gesam-
melten Najaden (1890).
b) Anodonta und Glabaris (1891) i
ec) Najaden von S. Paulo und die geographi-
sche Verbreitung der Süßwasserfaunen von
Südamerika (1895) . ; ö :
Das neotropische Florengebiet EN seine Ge-
schichte (1893) . EN he
Zur Geschichte der marinen Fauna von Pata-
gonien (1897) .
Geschichte der erotischen Bein (1800) .
Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeo-
graphischen Forschung (1902) :
Die Portiärkanchrlien Südamerikas als Mittel
zur Rekonstruierung der alten Küstenlinien des
Kontinentes (1907) M:
Geschichte und Verbreitungswege der Bine
wasserfauna des östlichen Südamerikas (1907) .
Archiplata (1907) .
Archhelenis und Archinabis (107)
Seite
1—9
9—16
16-51
31—53
535—62
62—84
85—121
192—125
125--145
145--186
187— 27]
271—280
280 —296
296—309
309—319
319-—324
324--330
330—338
339-—350
Erstes Kapitel.
Einleitung.
(April 1907.)
Kein Gebiet der Erde spiegelt die Wandlungen besser ab,
welche die Anschauungen über die zoogeographischen Regionen
und ihre Geschichte im Laufe der letzten 2 Dezennien durch-
gemacht haben, als Südamerika. Zwar hat man sich schon
länger mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß Amerika in
seiner jetzigen Gestalt ein ganz junger Kontinent ist, dessen
Entstehung durch die Verbindung beider Amerikas erst in
die spätere Tertiärzeit fällt, aber Südamerika wenigstens galt
der älteren Auffassung als ein einheitlicherund unveränderlicher
Begriff, und das um so mehr, als die herrschende Wallace-
sche Lehre die tiefen Ozeane als unveränderliche Größen in
Rechnung stellt. Seit 1889 habe ich diese Anschauung be-
kämpft und mich bemüht, nachzuweisen, daß Südamerika seit
der Kreidezeit sehr bedeutende geographische Veränderungen
erlitten hat, welche in der Verbreitung seiner Tier- und Pflanzen-
welt sich großenteils noch bis auf den heutigen Tag erkennen
lassen. Nach dieser meiner Archhelenis-Theorie war das
Brasilien der älteren Tertiärzeit oder Archibrasilien mit Afrika
verbunden durch eine in der Oligocänzeit eingebrochene Land-
brücke, die Archhelenis, während andererseits Patagonien,
Feuerland und die Falklandsinseln, sowie Chili, welches mit
den anderen genannten Gebieten Archiplata, zusammensetzte,
an einen antarktischen Kontinent, die Archinotis angeschlossen
waren.
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 1
2 Einleitung.
Seit wir wissen, daß sowohl in Westindien wie im Mittel-
meere seit der Pliocänzeit Einbrüche erfolgt sind, welche bis
zu Tiefen von mehreren 1000 Metern reichen, können wir
nicht daran zweifeln, daß in beträchtlich längeren Zeiträumen
auch Senkungen von noch viel erheblicherer Tiefe zustande
gekommen sein können. Tatsächlich decken sich die von mir
gewonnenen auf tiergeographische Tatsachen gegründeten Re-
sultate gut mit den Erfahrungen der Geologie, und hat z. B.
schon 1890 M. Neumayr in seiner Erdgeschichte II, p. 397
sich dahin ausgesprochen, „daß erst nach dem Anfange der
Tertiärzeit die Festlandsverbindung verschwunden ist, welche
Afrika mit dem südlichen Amerika verband“. Naturgemäß
ist die Summe dessen, was uns die Geologie über unterge-
gangene Kontinente berichten kann, eine sehr beschränkte,
und tritt hier die Biologie als Hilfswissenschaft ein, indem
die nähere oder weitläufigere Verwandtschaft zwischen den
Faunen und Floren getrennter Kontinente, die einst unter
einander zusammenhingen, Rückschlüsse gestattet auf die
ehemalige Geschichte solcher Gebiete. Die hierher gehörigen
Tatsachen sind an und für sich ebenso bedeutungsvoll, wie
diejenigen, welche die Geologie uns aufdeckt; es ist aber
dabei wohl zu bemerken, daß nicht immer die geographische
Verbreitung der jetzt lebenden Organismen im stande ist, uns
positive, zuverlässige Aufschlüsse zu geben. Oftmals sind
Organismen, deren gegenwärtige Verbreitung annähernd die
gleiche ist, in den Besitz ihres derzeitigen Wohngebietes durch
Wanderungen ganz verschiedener Art gekommen. Wir können
daher zoogeographische Tatsachen nur dann für weitgehende
Schlußfolgerungen über die Geschichte der Kontinente ver-
wenden, wenn paläontologische Tatsachen von maßgebender
Bedeutung ergänzend hinzutreten. Derartige kombinierte Tat-
sachen in Betreff der gegenwärtigen und der früheren Ver-
breitungsgeschichte der Süßwassermuscheln bildeten den Aus-
Einleitung. 3
gangspunkt für meine Archhelenis-T'heorie, indem sich unzweifel-
haft herausstellt, daß die Verwandtschaft, welche in dieser Hin-
sicht zwischen Afrika und Brasilien zu erkennen ist, eine ur-
sprüngliche, eine genetische, gewesen sein muB, insofern nämlich
die tertiären und mesozoischen Binnenfaunen Europas und Nord-
amerikas von den genannten tropischen ganz verschieden sind,
und unmittelbar zu den lebenden Formen der holarktischen
Region hinüberleiten. Die Leichtfertigkeit, mit welcher nicht
selten im Interesse der Erklärung der geographischen Ver-
breitung einzelner Arten Hypothesen über den ehemaligen
Zusammhang getrennter Gebiete der Erde aufgestellt worden
sind, hat diese von einem meiner Freunde als „Kulissen-
schieberei* bezeichnete Forschungsmethode etwas in Mißkredit
gebracht. Das sind eben Unzulänglichkeiten, wie sie jeder
neu aufblühenden Disziplin beschieden sind, Kinderkrankheiten,
welche doch nicht im stande sind, einen lebensfähigen Organis-
mus in der Entwicklung zu beeinträchtigen. Selbstverständ-
lich bleiben wir in vielen Fragen noch im unklaren, und werden
Fehler in der Kombination an und für sich bedeutsamer Tat-
sachen immer aufs neue begangen werden, aber die Erfahrung
zeigt uns doch, daß es eine ganze Reihe von wichtigen Tat-
sachen gibt, welche von den verschiedensten Spezialisten auf
dem Gebiete ihrer Studien unabhängig von einander fest-
gestellt worden sind, und gerade in Sachen der Archhelenis
ist die Übereinstimmung bemerkenswert, welche zwischen Geo-
logen, Paläontologen, Zoologen und Botanikern sich ergibt.
Die günstige Aufnahme, welche meine zoogeographischen
Studien gefunden haben, veranlaßten schon mehrere Ver-
suche, die zerstreuten bezüglichen Abhandlungen in einer
selbständigen Schrift zusammenzufassen. So habe ich unter
anderem schon seit längerer Zeit meinem verehrten Kollegen,
Herrn Dr. E. Racovitza, eine Abhandlung über die Ge-
schichte der neotropischen Region für die von ihm ver-
1*
4 Einleitung.
öffentlichte Zeitschrift „Archives generales de Zoologie“ zu-
gesagt, aber ich habe noch nicht die Zeit finden können, an
deren Ausarbeitung zu gehen.
Auch mein schon vor 15 Jahren begonnenes Buch über
die geographische Verbreitung der Süßwasserfaunen ist nicht
über die Vorarbeiten und die Ausarbeitung einiger Kapitel
hinausgekommen, und so habe ich denn mich schließlich
entschlossen, durch die vorliegende Arbeit die in der Literatur
zerstreuten und z. T. schwer zugänglichen einzelnen Arbeiten
denjenigen Fachgenossen zugänglich zu machen, welche sich
für den Gegenstand interessieren. Dieses Vorgehen schien
mir um so angebrachter, als ich mehrfach Gelegenheit hatte,
wahrzunehmen, daß meine Darlegungen in der Diskussion
ein ganz anderes Aussehen gewonnen haben, als das, welches
ich selbst von ihnen kenne. Der Leser, welcher nicht Anlaß
hat, die verschiedenen Abhandlungen zu vergleichen, wird
sich am schnellsten durch die Lektüre des Abschnittes über
die Geschichte der neotropischen Region (Kap. 11) orientieren
über meine Anschauungen. Ich habe dieser Arbeit, die doch
einmal etwas von dem Charakter „gesammelter Schriften“
trägt, noch zwei nicht eigentlich den Gegenstand der Dis-
kussion berührende Abschnitte hinzugefügt (Kap. 2 und 3),
von denen ich namentlich den letzteren schon seit langem
weiteren Kreisen zugänglich zu machen versprochen habe.
Ich löse hiermit ein meinem verstorbenen Freunde Eilyse
Recluz gegebenes Versprechen, wenn auch verspätet, ein.
Endlich habe ich einige neue Kapitel hinzugefügt, welche
durch das Publikationsdatum von 1907 leicht als solche
kenntlich sind. Von zwei im Kapitel 8 aufgenommenen
Abhandlungen habe ich nur die Teile reproduziert, welche
der zoogeographischen Diskussion gewidmet sind. Nicht
aufgenommen habe ich nur eine größere zoogeographische
Arbeit, diejenige über die Ameisen von Rio Grande do Sul,
Einleitung. 5
Berliner Entomologische Zeitschrift, 39. Band 1894. Im
allgemeinen habe ich den Text unverändert reproduziert, nur
gelegentlich einige veraltete Namen durch die jetzt gültigen
ersetzt. Die wenigen Zusätze sind in | | Klammern beigefügt.
Es sind besonders einzelne Gebiete der Zoologie ge-
wesen, auf denen die Diskussion der Archhelenisfrage eine
lebhafte und intensive gewesen ist. In erster Linie sind in
dieser Hinsicht die bekannten Forschungen meines verehrten
Freundes, Dr. Florentino Ameghino in Buenos Aires,
anzuführen. Im allgemeinen ist die ältere patagonische Säuge-
tierfauna, welche bereits zur Kreidezeit stark entwickelt und
reich gegliedert war, sehr verschieden von jener Nordamerikas
und die verwandtschaftlichen Beziehungen besonders auch
der Edentaten weisen auf ehemaligen Zusammenhang mit
Afrika hin. Hervorzuheben wäre in dieser Hinsicht auch
das Vorkommen der plumpen Sirenien der Gattung Manatus
an der Westküste von Afrika und an der Ostküste von
Brasilien, sowie im Amazonastale. Weder können diese
schwerfälligen, von Schilfgräsern lebenden Säugetiere den
Ozean durchschwommen haben, noch sind sie von Norden
her eingewandert, da diese Gattung und ihre Vorläufer dem
Tertiär der holarktischen Region, ebenso wie jenem Pata-
goniens, abgehen. Man kennt die fossilen Verwandten nur
aus Afrika und aus dem Miocän von Argentinien, wo eine
nahe verwandte Form unter dem Gattungsnamen Ribodon
beschrieben wurde.
Es ist daher nicht zu verwundern, daß sowohl Ameghino
wie Osborn sich für den ehemaligen Zusammenhang von
Afrika und Brasilien ausgesprochen haben.
Ein Gebiet, auf welchem diese Verhältnisse besonders
eingehend diskutiert wurden, sind die Süßwasserfische. Die
besten Kenner der Süßwasserfische von Südamerika und
6 Einleitung.
Afrika, Eigenmann!) und Boulenger, haben fast gleich-
zeitig wichtige Abhandlungen über diesen Gegenstand ver-
öffentlicht, in denen sie die schon früher von A. Günther
hervorgehobene Verwandtschaft der Süßwasserfische beider,
jetzt weit getrennter Regionen, in genetischem Sinne auf-
fassen. Auch das, was wir über die Paläontologie der Süß-
wasserfische wissen, läßt keine anderen Schlußfolgerungen zu.
Die tertiären Süßwasserfische Brasiliens sind die direkten
Vorläufer der heutigen, und ebenso steht es in Nordamerika,
abgesehen natürlich von den jetzt dort erloschenen Gattungen,
die aber ebenfalls keine näheren Beziehungen zu Südamerika
erkennen lassen.
Die Annahme, daß die im nordamerikanischen Tertiär
reich verbreitete Gattung Priscacara zur Familie der Chro-
miden gehöre, hat sich als irrig herausgestellt. So wenig
wie für die Unioniden, läßt sich daher für die Süßwasser-
fische die Hypothese verteidigen, daß die afrikanisch-süd-
amerikanischen Süßwasserfaunen nur Relikte einer früher
auch in der nördlichen Hemisphäre weit verbreiteten Tropen-
fauna darstellten. Tatsächlich gibt es tropische Elemente,
die nicht in den Tertiärschichten von Europa und Nord-
amerika gefunden werden, und andere, wie Tapirus unter
den Säugetieren, welche bei gleicher gegenwärtiger geographi-
scher Verbreitung eine ganz andere Geschichte hatten, in-
dem sie in fossilem Zustande auch aus der holarktischen
Region bekannt sind. Es ist lediglich die Kombinierung
der zoogeograpbischen und paläontologischen Tatsachen, welche
zu gesicherten Ergebnissen über die Geschichte der einzelnen
Tiergruppen führen kann. Für diejenigen Tiergruppen, in
!) Ich verweise besonders auf die interessante und eingehende
Darstellung bei Eigenmann, The Fresh-Water Fishes of South and
Middle America, Popular Science 1906, p. 515—530.
Einleitung. rl
welchen das fossile Material fehlt oder zu mangelhaft ist,
bleibt nichts übrig, als bei den günstiger gestellten Dis-
ziplinen in die Lehre zu gehen und unter vorsichtiger Er-
wägung aller in Betracht kommenden Verhältnisse Analogie-
schlüsse zu ziehen.
Erwähnt möge noch werden, daß Pfeffer in einer Ab-
handlung über die Verbreitung der Süßwasserfische zu anderen
Schlußfolgerungen gelangte, als Eigenmann und Boulenger,
indem er den ehemaligen Zusammenhang von Afrika und
Siidamerika bezweifelt. Sehen wir davon ab, daß auf diesem
Gebiete Pfeffer die eigenen Erfahrungen fehlen, welche die
anderen beiden genannten Forscher in so hervorragendem
Grade auszeichnen, so können wir uns doch über diese ab-
weichende Auffassung Pfeffers nicht wundern in Anbetracht
der Sonderstellung, die er überhaupt auf zoogeographischem
Gebiete einnimmt. Der ganze Ausgangspunkt der Pfeffer-
Murrayschen Theorie ist ein total falscher. Die einheitliche
marine Fauna, welche dieser Theorie zufolge zu Beginn der
Tertiärzeit die Erde bevölkert haben soll, hat nie existiert,
und scharf ausgeprägte Meeresprovinzen hat es schon im
Eocän und selbst in der oberen Kreide gegeben.
Nicht nur auf zoologischem, sondern auch auf botanischem
Gebiete hat man naturgemäß diese Fragen erörtert. Am
eingehendsten hat sich mit der Entstehungsgeschichte der
heutigen Florengebiete A. Engler in Berlin beschäftigt. Da
er in seinem rühmlich bekannten Werke „Versuch einer
Entwicklungsgeschichte der Pflanzenwelt“ hinsichtlich der
älteren, zumal tertiären Geographie ganz auf dem Wallace-
schen Standpunkt sich stellte, so unternahm ich es, in der
hier in Kapitel 9 reproduzierten Abhandlung den Nachweis
zu führen, daß die uns bekannten Tatsachen weit eher durch
meine Archhelenistheorie eine ausreichende Erklärung finden,
als durch die Wallacesche Lehre. In einer neueren Arbeit
8 Einleitung.
über die Flora Afrikas!) hat dann auch Geheimrat Engler
ganz mit der älteren Auffassung gebrochen, und sich auf
Grund eingehender vergleichender Studien auf meine Seite
gestellt.
Obwohl die hier kurz erwähnten und viele anderen ähn-
lichen Erfahrungen mich in hohem Grade zur Fortführung
meiner Studien über die Verwandtschaft und den Ursprung
der brasilianischen Tierwelt anregen mußten, so habe ich
doch im Laufe der letzten Jahre hiervon abgesehen und
mich vorzugsweise mit der Geschichte der marinen Fauna
Südamerikas beschäftigt. Im Verlaufe meiner Studien bin
ich immer mehr auf die Wichtigkeit der paläontologischen
Tatsachen hingewiesen worden, und so entstand in mir der
Wunsch, die Entwicklungsgeschichte der marinen Mollusken-
faunen Amerikas zu studieren in der Hoffnung, aus den
älteren tertiären Littoralfaunen Aufschlüsse zu gewinnen über
die marinen Provinzen der Vorzeit. Den Anlaß hierzu boten
mir namentlich meine Studien über die Tertiärkonchylien von
Patagonien und in dem Werke über diesen Gegenstand,
welches ich soeben abgeschlossen habe, findet man im Schluß-
kapitel die Erfahrungen über den verwandtschaftlichen Zu-
sammenhang der littoralen Tertiärfaunen Südamerikas ein-
gehend erörtert. Wenn es auch hier nicht meine Absicht
sein kann, denselben Gegenstand nochmals zu behandeln, so
habe ich doch mancherlei Erfahrungen allgemeiner Art, deren
Darlegung mich dort zu weit geführt haben würde, hier in
einem besonderen Abschnitte, Kapitel 13, erörtert, auf welches
ich besonders verweise. Nur soviel sei schon hier bemerkt,
daB die Archhelenistheorie auf diese Weise eine volle Be-
1) A. Engler, Über floristische Verwandtschaft zwischen dem
tropischen Afrika und Amerika sowie über die Annahme eines ver-
sunkenen brasilianisch-äthiopischen Kontinentes. Sitzungsberichte der
k. preußischen Akad. d. Wissenschaften. Phys.-math. Klasse 1905, VI.
Bemerkungen zur Frage der Entstehung der Arten. g
stätigung erfahren hat, so zwar, daß jetzt meiner Meinung
nach diese Theorie als definitiv begründet angesehen werden
muß. Die Verteilung von Land und Meer ist in der älteren
Tertiärzeit eine ganz andere gewesen, als in der jüngeren,
und die Bildung des Atlantischen Ozeans durch den Einbruch
der Archhelenis fällt erst in die Oligocänzeit.
Zweites Kapitel.
Bemerkungen zur Frage der Entstehung der
Arten.
(April 1907 und zum Teil 1878.)
Mehrmals im Verlaufe meiner wissenschaftlichen Arbeits-
jahre habe ich Gelegenheit gehabt, dieser brennenden Frage
näher zu treten, durch Studien mit präziser Fragestellung,
durch welche ich hoffen durfte, über den Wert oder Unwert
der Selektionstheorie mir eine selbständige Meinung bilden zu
können. Das Resultat war aber stets ein negatives, indem
die bei der Untersuchung angetroffenen Verhältnisse sich als
weit komplizierter herausstellten, als es jener Theorie zufolge
hätte der Fall sein sollen. Sicher erkennen ließ sich immer nur
die Verwandtschaft der Organismen einer bestimmten engeren
Gruppe, die Variabilität der Art, die Deszendenz der Orga-
nismen. Die Selektionstheorie hingegen erwies sich als völlig
unzureichend zu einer wirklichen Erklärung.
Die erste bezügliche Studie war der Gattung Clausilia
gewidmet, jenen getürmten, vielgewundenen kleinen Land-
schnecken Europas, welche dadurch ausgezeichnet sind, dab
sie in der letzten Windung eine elastische Schalenplatte be-
sitzen, welche am proximalen Ende mit der Schale verwachsen
ist. Sobald die Schnecke zu kriechen beginnt, wird diese
10 Bemerkungen zur Frage der Entstehung der Arten.
Kalkplatte, das Olausilium, in eine Nische zwischen zwei Falten
der Mündung gedrückt, sobald das Tier aber in das Gehäuse
sich zurückzieht, schnellt das federnde Clausilium empor und
schließt die Mündung nach Art eines Deckels. Diese Ein-
richtung, welche morphologisch aus der Ablösung einer der
Lamellen der Mündung sich erklärt, stellt eine sehr zweck-
mäßige Einrichtung dar, eine Schutzeinrichtung, nicht nur
mechanischer Art, sondern auch in bezug auf die Gefahr der
Austrocknung. Vom Standpunkte der Selektionstheorie würde
man die Ausbildung eines solchen Apparates leicht verstehen,
nicht aber den ferneren Umstand, daß die Details in der gegen-
seitigen Lagerung und in der Gestalt, Größe, Krümmung usw.
des Clausilium von Art zu Art, von Sektion zu Sektion wechseln.
Ist einmal eine hochvollkommene Einrichtung erzielt, so liegt
kein Grund vor, welcher die Selektion bestimmen könnte,
immer neue Variationen zu erfinden. Man kann z. B. an
das Verhältnis von Schloß und Schlüssel mancherlei An-
forderungen stellen, aber sobald einmal die Funktion in er-
wünschter Weise erzielt ist, kann nicht weiterhin von höheren
und niederen Typen mehr die Rede sein. Was uns die Ge-
schichte des Clausilium lehrt, ‚ist die Existenz von gleich-
gültigen Variationen, von Abänderungen, die keinerlei funk-
tionellen Wert, keinerlei Bedeutung für die Anpassung haben.
Diese Folgerung wurde noch bekräftigt durch die anatomische
Untersuchung, welche auch in der Variabilität des Kiefers,
der Radula, des Genitalapparates usw. eine Vielgestaltigkeit
vor Augen führte, die nicht physiologischen oder adaptiven
Vorgängen entsprechen kann.
Im Laufe der letzten Jahre habe ich dann hier in Sao Paulo
experimentelle Studien über den sog. Ameisenschutz der Cecro-
pien angestellt, welcher durch Fritz Müllers und Schimpers
Untersuchungen zu einem Paradestück der Selektionstheorie
sich gestaltet hatte. Die Züchtung ameisenfreier Ceeropien
Bemerkungen zur Frage der Entstehung der Arten. 21:
inmitten zahlreicher Kolonien von blattschneidenden Ameisen
oder Attiden hat im Zusammenhang mit den anderen ein-
schlägigen Beobachtungen und Experimenten die Wertlosigkeit
der Selektionshypothese dargetan. Ich verweise hierüber auf
die bezügliche Abhandlung, welche in Englers Botanischen
Jahrbüchern (H. v. Ihering, Die Cecropien und ihre Schutz-
ameisen, Sonderabdruck, 39. Bd. 3/5. Heft, Leipzig 1907,
p- 666— 714, Taf. VI—X) veröffentlicht worden ist.
Eine dritte Studie, die mir den Nachweis erbrachte, daß
die Variation sich nicht nur auf die der Anpassung und dem
Kampfe ums Dasein besonders exponierten äußeren Ver-
hältnisse erstreckt, sondern auch auf die gesamte innere
Organisation, bezog sich auf das peripherische Nervensystem
der Wirbeltiere und die Regionen der Wirbelsäule. Ich
reproduziere hier das, was ich aus diesem Anlasse 1878 ge-
äußert habe, weil meine bezüglichen Ausführungen in der
Literatur nicht genügend Berücksichtigung gefunden haben.
H. v. Ihering, Das peripherische Nervensystem der
Wirbeltiere, Leipzig 1878, p. VII—-XI.
„Eigentümliche Folgerungen ergeben sich hierbei für
die Frage nach der Homologie der Segmente. Es zeigt sich
nämlich, daß bei einem Individuum einer Art ein ganzes
Segment vorhanden sein kann, welches bei dem anderen
überhaupt kein Homologon besitzt, etwa wie bei einem sechs-
armigen Seesterne einer der Arme bei den mit 5 Antimeren
versehenen Individuen kein Homologon hat. Häufig ist der
Ausfall oder das Auftreten des betreffenden Segmentes in
atavistischem Sinne zu verstehen. So ist für die Säugetiere
die ursprüngliche Zahl der dorsolumbalen Wirbel 19 und
zwar ist für die plazentalen Säugetiere das bei den Beutel-
tieren bestehende Verhalten der Ausgangspunkt, wobei 13
dorsale und 6 lumbale Wirbel existieren. Wenn nun für
eine beliebige Art das Vorhandensein von 12 dorsalen und
12 Bemerkungen zur Frage der Entstehung der Arten.
6 lumbalen Wirbeln die Regel bildet, so ist das ausnahms-
weise Wiederkehren des 13. Dorsalwirbels als Atavismus zu
deuten. So z. B. beim Lemming. Ich bezeichne diese Form
des Atavismus als Restitutionsatavismus, bei welchem es also
zur ausnahmsweisen Ausbildung eines für gewöhnlich nicht
vorhandenen und auch embryonal nicht angelegten Teiles
kommt. Ihm steht entgegen der Retentionsatavismus, bei
welchem durch Persistenz und Weiterbildung eines normalen
Embryonalstadiums die frühere phylogenetische Stufe wieder
erscheint. Hierhin ist z. B. zu rechnen die Ausbildung des
13. Rippenpaares des Menschen oder die Ausbildung des
ersten Sakralwirbels des Menschen als letzten oder 6. Lenden-
wirbels. Die meisten Atavismen sind Retentionsatavismen.
Die Zahl der mir bekannten Fälle von Restitutionsatavismen
ist bis jetzt nicht groß, doch sei hier daran erinnert, daß das
Auftreten von linksgewundenen Schnecken in sonst rechts-
gewundenen Gattungen und Arten eine auf Situs inversus
zurückzuführende Abnormität darstellt, wogegen das Auf-
treten rechtsgewundener Exemplare in linksgewundenen Arten
als Restitutionsatavismus zu bezeichnen ist. Weiteres an
anderer Stelle. Ich hoffe durch die folgenden Kapitel für
diese Zerlegung des Begriffes des Atavismus, die ich schon
seit Jahren mit mir trage, hinreichende empirische Grundlage
geschaffen zu haben.
Die eben besprochenen Verhältnisse bieten mir Gelegen-
heit, meine von den zurzeit herrschenden Anschauungen
abweichende Meinung über die Frage nach der Entstehung
der Arten kurz zu berühren. Es wird nämlich, je mehr ich
mich mit morphologischen Untersuchungen befasse, immer
mehr die Überzeugung in mir befestigt, daß diejenigen im
Irrtume sind, welche glauben Darwins Züchtungen und Er-
örterungen hätten uns der Lösung des Rätsels von dem
Ursprunge der Arten sehr nahe gebracht. Die Selektions-
Bemerkungen zur Frage der Entstehung der Arten. 13
lehre ist mir nur einer, und zwar ein ziemlich untergeordneter
von den vielen hierbei in Frage kommenden Faktoren, der
für Mimikry und ähnliche augenfällige Erscheinungen uns
das Verständnis erschließt, im übrigen aber uns nicht wesent-
lich weiter bringt. Es sind eben die zu beobachtenden Varie-
täten großenteils nicht von solcher Bedeutung, daß sie den
Trägern derselben vor den übrigen Individuen einen bedeuten-
den Vorteil im Kampfe ums Dasein gewährten.
Die Schwankungen, welche bezüglich der Anzahl der
Segmente in den verschiedenen Regionen der Wirbelsäule
bei nahestehenden Arten und selbst innerhalb einer Art an-
getroffen werden, lehren das. Niemand wird wagen, den
Umstand auf Rechnung der natürlichen Zuchtwahl zu bringen,
daß von zwei einander nahe stehenden Arten, etwa von Sori-
ceiden, bei gleichen Zahlenverhältnissen der übrigen Regionen
die eine 13, die andere zumeist 14 Dorsalwirbel besitzt!
Gewiß sind die Fälle sehr selten, in denen ohne Eingreifen
des Menschen von einem oder von einigen wenigen Individuen
die Bildung einer neuen Art ausgeht. Die Regel ist offenbar,
daß die Bildung neuer Arten an Variabilitätserscheinungen
anknüpft, die massenhaft auftreten.
Ein instruktives Beispiel scheint mir die Halswirbelsäule
der Faultiere zu bilden, in der bekanntlich statt 7 Halswirbel
8, 9 oder 10, oder auch nur 6 vorhanden sind. Daß nun
ein mit 8 Halswirbeln versehenes Individuum vor den mit
7 ausgestatteten einen so entschiedenen Vorzug besitze, dab
es im Kampfe ums Dasein bessere Uhancen habe durchzu-
kommen, dürfte wohl kaum jemand behaupten mögen.
Die natürliche Zuchtwahl kann hier nicht herangezogen
werden, um so weniger als dieselbe ja überhaupt nur die
vorhandenen Varietäten verwerten, nicht aber deren häufigeres
Erscheinen veranlassen kann. In extrem seltenen Fällen
treten auch bei anderen Säugetieren 8 Halswirbel auf, aber
14 Bemerkungen zur Frage der Entstehung der Arten.
von diesen vereinzelten Fällen kann keine Artenbildung aus-
gehen. Die Vermehrung der Halswirbelanzahl bei den Faul-
tieren kann ihren Grund nur darin haben, daß diese Varietät
häufiger, als bei anderen Gattungen aufgetreten ist, daß sie
statt etwa in 0,001 Prozent in 10,20 Prozent und mehr auftrat.
Kann sich aber die Häufigkeit des Erscheinens einer neuen
Varietät bedeutend steigern, so kann sie durch weitere Steige-
rung auf 60,80 Prozent und mehr schließlich auch ohne Zutun
der Selektion zur Regel werden. Entweder die Varietät tritt
nur ganz selten auf und dann ist sie für die natürliche Zucht-
wahl gegenstandslos, oder sie erscheint immer häufiger und
dann kann sie auch direkt zum Überwiegen kommen. Auf
diesem Wege nun, durch progressive Zunahme der Häufigkeit
einer zuerst nur ausnahmsweise erscheinenden Varietät glaube
ich, daß in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Arten-
bildung vor sich gegangen sein wird. Damit wird dann die
Gesamtmasse oder ein großer Teil der die Art repräsentieren-
den Individuen in die neue Art übergeführt. Über die Ur-
sachen der Variabilität und ihrer Zunahme lassen sich nicht
einmal Vermutungen äußern. Die Fortschritte sind, wie mir
scheint, zu erwarten auf dem Wege des Experimentes, den
Schmankewitsch und Weismann mit so überraschendem
Erfolge betreten haben, nicht aber nach der Richtung hin,
in der Darwin und Häckel ihn zu finden vermeinten.
Die von mir bezüglich der Variabilität in der Segmen-
tierung des Wirbeltierleibes gemachten Erfahrungen scheinen
mir auch noch in einer anderen Beziehung von allgemeinem
Interesse zu sein. Indem sich nämlich zeigt, daß innerhalb
einer Art manche Individuen Teile besitzen, welche anderen
nicht zukommen und auch nie zukamen, ergibt sich die Not-
wendigkeit für die Beurteilung morphologischer Fragen in
manchen Fällen zu der Vergleichung verschiedener Individuen
zu greifen, wogegen die Embryologie, die Lehre von der Ent-
Bemerkungen zur Frage der Entstehung der Arten. 15
wicklung des Individuums in diesen Fällen nichts zur Auf-
klärung beitragen könnte. Es ist mir die Verfolgung dieses
Gegenstandes gerade deshalb von besonderem Interesse ge-
wesen, weil mir dadurch Gelegenheit geboten wird, den Vor-
wurf zu entkräften, der mir öfters gemacht wurde, als unter-
schätze ich die Bedeutung der Ontogenie für die Verfolgung
morphologischer Fragen. Das, wogegen ich opponiere, ist
das Bestreben: die Ontogenie schlechthin an erster und ent-
scheidender Stelle zum Kriterium für die Frage der Homo-
logie zu machen. Wenn z. B. Götte (p. 426) es Gegenbaur
zum Vorwurfe macht, daß er sich nicht stütze „auf embryo-
logische Tatsachen, welchen allein die Entscheidung über die
Homologie zusteht, sondern nur auf die fertigen Zustände,
die rein anatomische Beobachtung, welche wohl die Geltung
der ersteren verallgemeinern, aber für sich allein dieselben
niemals mit voller Sicherheit ersetzen kann“, so kann ich
den damit gekennzeichneten Standpunkt meines verehrten
Freundes nur für einen ganz einseitigen und verfehlten
halten, der auch von Götte selbst nicht konsequent durch-
geführt werden kann. Hat doch Götte selbst neuerdings
den Nachweis erbracht, wie die Entstehung der Chorda, bei
den niedersten Vertebraten aus dem Entoderm, bei den höher-
stehenden aus dem Mesoderm, die Homologie des Organes
nicht in Frage stellt, da beide Bildungsweisen als auseinander
hervorgegangen sich erweisen lassen. Hier ist also die Ver-
schiedenartigkeit der Ontogenese des Organes kein Grund,
die Homologie desselben zu bestreiten, und so gut wie hier,
kann das gleiche noch für zahllose andere Fälle gelten. Mehren
sich doch die Beispiele, in denen derselbe ontogenetische
Vorgang von den einen für cenogenetisch, von den anderen
für palingenetisch gehalten wird. Demgegenüber halte ich
mich nach wie vor für berechtigt, gegen die Einseitigkeit
jener Forscher mich zu erklären, welche die Antwort auf
16 Das Privateigentum im Tierreiche.
alle Fragen morphologischer Natur ohne weiteres dem Gebiete
der Embryologie entnehmen zu sollen glauben. Es ist eben
die Embryologie nur einer von den für die Entscheidung
maßgebenden Faktoren, und es ist nicht zu billigen, wenn
von vielen Seiten dieser eine Faktor allein für entscheidend
gehalten wird, und wenn darüber andere wichtige Momente
außer acht gelassen werden, wie z. B. die so wichtigen Be-
ziehungen der Nerven zu den von ihnen versorgten Organen“.
Wie schon oben bemerkt, liegt es mir hier fern, in eine
allgemeine Diskussion der angeregten Fragen einzutreten
unter Berücksichtigung der enormen bezüglichen Literatur.
Mein Wunsch war es nur, einerseits die schon vor fast 30
Jahren von mir veröffentlichten Erfahrungssätze hervorzuheben
und andererseits der Leichtfertigkeit gegenüber, mit der viel-
fach die Selektionslehre als etwas Erwiesenes hingenommen
wird, zu protestieren gegen die Identifizierung von Deszendenz
und Selektionslehre. Jahraus jahrein mehren sich die Beweise
paläontologischer und biologischer Art für die Deszendenslehre,
aber bezüglich der Ursachen der Artenbildung oder richtiger
gesagt, der Variabilität der Organismen stehen wir noch ganz
am Anfange der Studien. Das Verdienst von Lamarck
und Darwin ist es, der Forschung die Wege gewiesen zu
haben, die sie jetzt wandelt, nicht aber uns definitive Er-
klärungen geboten zu haben, die erst kommenden Generationen
nach jahrhundertelanger Arbeit zufallen mögen.
Drittes Kapitel.
Das Privateigentum im Tierreiche.
(Koseritz’ Deutscher Volkskalender für Brasilien, 22. Jahrg., Porto
Alegre 1895, p. 118—130.)
Die Sozialdemokratie hat vielfach die Resultate der
neueren naturwissenschaftlichen Forschung in das Bereich
Das Privateigentum im Tierreiche. E7
ihrer Erörterung gezogen, und je nachdem diese Ergebnisse
zu ihrem Standpunkte paßten, dafür oder dagegen Stellung
genommen. Lebhaft tritt das auch zu Tage in Bebels Buch
über die Frau, welches zu den folgenden Betrachtungen un-
mittelbaren Anlaß darbot.
Bebel ereifert sich darin, in jener unschönen und fast
stets ungerechten Weise, die meistens dem enragierten Partei-
manne, stets dem Agitator eigen zu sein pflegt, gegen die
Vertreter des Darwinismus, weil diese den Darwinismus als
eine aristokratische und nicht, wie Bebel meint, als eine
demokratische Gesinnungsweise, ansehen. Ja, Häckel muß
sogar Vorwürfe hören, weil er für die Todesstrafe eintritt,
während er hierin vom Standpunkte des Naturforschers doch
völlig Recht hat. Meines Erachtens kann der moderne auf
dem Boden der Deszendenzlehre stehende Naturforscher über-
haupt keinen anderen Standpunkt rechtsphilosophischen Fragen
gegenüber einnehmen, als den, welcher von meinem seligen Vater
in seinem „Zweck im Recht“ vertreten wurde, einem Buche,
das sonderbarerweise gerade von denjenigen Naturforschern,
die sich mit naturphilosophischen Fragen abgeben, ganz über-
sehen wurde. Und doch läßt sich aus meines Vaters Schriften
nachweisen, daß diese seine Richtung, welche schließlich am
vollendesten im „Zweck“ zum Ausdruck kam, von Anfang an
ihm eigen war. Er hat mir wiederholt versichert, daß er der
Lektüre naturwissenschaftlicher Schriften viele Anregung ver-
danke, zu seinen Grundanschauungen über die Entwicklung
der Rechtsbegriffe aber unabhängig von Darwin und schon
vor Veröffentlichung von dessen Werken gekommen sei.
Danach ist das Recht weder göttlichen noch natürlichen
Ursprungs, ja es gibt überhaupt kein absolutes Recht, da dieses
mit dem geistigen und kulturellen Entwicklungsgange des
Volkes sich wandelt. Nur der Zweck reguliert das soziale Ge-
triebe, und so hat denn auch die Gesellschaft ebenso unzweifel-
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 2
18 Das Privateigentum im Tierreiche.
haft das Recht, schädliche Glieder zu beseitigen wie das Indi-
viduum. Bestreitet man der Gesellschaft das Recht der Todes-
strafe, so muß man auch dem Individuum das Recht ent-
ziehen, sich einen faulen schmerzenden Zahn entfernen oder
ein das Leben gefährdendes krankes Glied amputieren zu
lassen. Bebel aber, noch weit über Lombroso hinausgehend,
will alle Verbrechen entschuldigen, da sie nur ein Produkt
der gegenwärtigen sozialen Zustände seien. Solche unbe-
greifliche Paradoxa kontrastieren eigentümlich mit Bebels
Meinung, die Sozialdemokraten seien „praktische Leute“.
Davon merkt man bei dem von Bebel entworfenen Bilde des
Zukunftsstaates gar nichts. Wenn es doch im Zukunftsstaate
Waren und Bedürfnisse aller Art gibt und an Geldes statt
dienende Arbeitsquittungen, so können diese auch durch Dieb-
stahl, Einbruch und Raub erlangt werden. Nicht minder wird
Streit, Mord und Todschlag auf der Tagesordnung bleiben,
denn Haß, Neid, Eifersucht, Jähzorn usw. sind durch keine
soziale Umgestaltung aus der Gesellschaft zu entfernen. Stets
wird es friedfertige und streitlustige, genügsame und freche,
fleißige und faule Menschen geben. Nie ist daher die Un-
gleichheit in der Gesellschaft zu beseitigen, nur sie zu
mindern kann Aufgabe der Zukunft sein.
In dem Wunsche den Darwinismus zu einer den Sozial-
demokraten günstigen Disziplien zu stempeln, sucht Bebel
(p. 197) den Darwinisten Mangel an Logik vorzuwerfen,
während doch im Gegenteil der betreffende Satz eher alles
andere ist als logisch. Schwarz bleibt aber doch schwarz,
und die Wahrheit ist, daß der Darwinismus, indem er die
Mächtigeren und Stärkeren im Kampfe ums Dasein siegen
läßt, bei einem Vergleiche mit besseren sozialen Zuständen
die Ausbeutung der Armen durch die Kapitalisten und Groß-
grundbesitzer gut heißt. Hätte Bebel gewußt, wie wenige
Naturforscher von Bedeutung es heute noch gibt, welche diesem
Das Privateigentum im Tierreiche. 19
„Darwinismus“ irgend welchen Wert beimessen, er würde sich
wahrlich nicht die Mühe genommen haben, aus schwarz weiß
machen zu wollen. Im wesentlichen stammen die heutigen
Darwinisten alle aus den sechziger und etwa siebziger Jahren,
und einmal in dieser Richtung engagiert verharren sie noch
darin, während die jüngeren Generationen nur noch historisches
Interesse daran nehmen. Unsere Literatur ist voll von immer
neuen Belegen für die Deszendenz. Die Umbildung der
Arten und ihre Abhängigkeit von äußeren Einflüssen, die
Variabilität und ihre Ursachen, die genetische Verknüpfung
verschiedenartiger Entwicklungsstufen im Verlaufe der geo-
logischen Formationen beschäftigen die wissenschaftliche Welt,
— Beweise für Selektion aber kommen dabei nicht zu Tage.
Die abgebrauchten „Erklärungs“-Phrasen des Darwinismus
ziehen nicht mehr, die leere Strohdrescherei darüber ist den
populären Artikelschreibern zugefallen. So hat es z. B. auf
dem mir besonders nahe liegenden Gebiet der Mollusken-
Kunde noch niemals einen Zoologen gegeben, der seinen Er-
fahrungen nach sich als Darwinisten bekannt hätte. Nicht
die Phrasen des Darwinismus, sondern ernste Arbeit, das
Experiment und die uns freilich noch total verschlossene Er-
forschung der Ursachen der Variabilität werden kommenden
Generationen Einblick in die Mechanik und die Ursache der
Artenbildung geben. Uns aber vermag keine Spekulation über
die Unzulänglichkeit unseres Wissens hinüber zu täuschen.
Nach ihren allgemeinen Existenzbedingungen im Verhält-
nisse zu einander zerfallen die Tiere zunächst in zwei Haupt-
gruppen, solche die einzeln leben und soiche die mit andern
Individuen ihrer Art verschmolzen sind zu Kolonien. Diese
letzteren, die sog. Tierstöcke, interessieren uns hier nicht.
Was jene betrifft, so haben wir hinsichtlich der Haushaltung
zwei Gruppen zu unterscheiden. Die familienweise zusammen-
lebenden mit partikularistischer Haushaltung und die Tier-
9*
20 Das Privateigentum im Tierreiche.
staaten mit kommunistischer Haushaltung. Es liegt nahe,
diese Gegensätze mit jenen zu vergleichen, welche die Sozial-
demokratie in der menschlichen Gesellschaft statuiert, indem
sie die herrschende partikularistische oder bürgerliche Gresell-
schaft durch die kommunistische verdrängt sehen will, um so
mehr, als auch im Tierreiche das Privateigentum nur der
„bürgerlichen“ nicht der kommunistischen Gesellschaft bekannt
ist. Trotzdem liegen die Verhältnisse total anders, wie eine
kurze Besprechung der biologischen Bedingungen im Tier-
staate sogleich ergibt.
Staatenbildungen treffen wir im Tierreiche nur bei den
Insekten und zwar bei Bienen, Wespen, Ameisen und Ter-
miten. Geologisch reichen dieselben nur bis in das meso-
zoische Zeitalter zurück, lediglich bei den Termiten ist die
Staatenbildung allgemeine Erscheinung innerhalb der Gruppe,
bei den andern treffen wir neben hochentwickelten reich-
bevölkerten Staaten auch solche, welche nur eine geringe
Anzahl von Individuen zählen, oder auch solche mit parti-
kularistischer Haushaltung, die man dann als „solitäre* be-
zeichnet, so namentlich bei Bienen und Wespen. Alle Tier-
staaten ausnahmslos sind Monarchien, wobei entweder die
während des Hochzeitsfluges befruchtete Königin allein
herrscht, oder aber wie bei den Termiten der Hochzeitsflug
nur die Brautfahrt ist, und erst während des Nestbaues die
geschlechtlichen Funktionen zur Reife kommen und das
Männchen dauernder Genosse der Königin bleibt. Nie habe
ich bei südamerikanischen Termiten mehr als ein Männchen
zur Seite der Königin gefunden, wohl aber zuweilen mehrere
Königinnen verschiedenen Alters in einem Stocke.. Wo
zahlreiche Männchen sich finden, dienen dieselben wie bei
Bienen und Wespen nur als Garantie für die Anwesenheit
von Männchen zur Zeit des Hochzeitsfluges, später gehen sie
ein oder werden wie bei Bienen als unnütz abgeschlachtet.
Das Privateigentum im Tierreiche. 21
— Der Zweck ist eben auch im Tierstaate das Regulativ für
die Handlungen der Gesellschaft.
Die Aufgabe der Königin oder der königlichen Familie
ist aber im Tierstaate eine völlig andere als jene der Herr-
scher in unseren Staaten, denn ihre Leistung beschränkt sich
auf die Erzeugung von Nachwuchs. Die Königin ist im
Tierstaate das einzige funktionierende Weibchen und von
einer erstaunlichen Fruchtbarkeit. Sie ist zwar das wichtigste
Glied im Stocke, aber sie widmet sich weder der Herrschaft
noch der Erziehung der Nachkommen. Nur im Anfange
ihrer Laufbahn liegt alle Last auf ihr, später wird sie von
ihren oft nach vielen Tausenden zählenden Kindern ernährt
und gepflegt. Wird sie abgängig oder stirbt sie, so sorgt
der Stock für Ersatz.
Die Arbeiter sind sämtlich geschlechtslos. Sie sind fast
ausnahmslos Weibchen, deren geschlechtliche Entwicklung
infolge unzureichender oder unzweckmäßiger Ernährung zurück-
geblieben ist. Es kommt wohl bei Ameisen gelegentlich vor,
daß auch ein Arbeiter ein Ei legt, allein dasselbe ist bei
Rückbildung der Samentasche natürlich unbefruchtet. Auch
die Königin, z. B. bei den Bienen, kann unbefruchtete Eier
legen, aus denen dann Drohnen entstehen. Es steht in ihrem
Belieben, männliche oder weibliche Eier zu legen, und aus
letzteren wird je nach der Behandlung, die ihnen zu teil
wird, entweder eine Königin oder ein Arbeiter. Unter
letzteren selbst gibt es noch wieder Unterschiede. Bei den
Ameisen kommen oft 2, 3 und mehr verschiedene Sorten von
Arbeitern verschiedener Größe vor, in einigen Gattungen ist
eine dieser Sorten durch die mächtige Entwicklung der Kinn-
backen ausgezeichnet. Diese als Soldaten bezeichneten In-
dividuen dienen bald der Verteidigung des Staates, öfter sind
sie Packer, welche eine relativ zu starke Beute ergreifen und
festhalten oder ihren enormen Kinnbacken fällt die Aufgabe
22 Das Privateigentum im Tierreiche.
zu, die eingetragenen harten Samenkörner aufzubeißen. Bei
einem Teile der Termiten kommen Nasuti vor, deren nasen-
förmiger Stirnfortsatz von dem Ausführgange einer Drüse
durchsetzt ist, welche ein enorm zähes klebriges Sekret liefert,
den Leim für die aus Erde oder Holzmehl aufgeführten so-
liden Bauten.
Privateigentum kennt man im Tierstaate nicht. Liebe,
die große Triebfeder, welche neben dem Hunger das Welt-
getriebe in Gang erhält, ist dem Arbeiterheere versagt; an
Nahrung für alle fehlt es nie, da keine falsche Theorie den
Arbeiter von dem Sparen abhält; die feste Wohnung ist
allen gemein und wird nach Bedarf erweitert. Der
Kommunismus hängt hier aufs Innigste mit der
Verkümmerung der geschlechtlichen Funktionen zu-
sammen; wo jedes Individuum geschlechtlich zur
vollen Entwicklung gelangt, gibt es keine Staaten-
bildung, da tritt die Familie auf und mit ihr das
Privateigentum.
Hiernach ist es klar, daß der Tierstaat für den von der
Sozialdemokratie erstrebten kommunistischen Staat nicht als
Vorbild dienen kann. Bebel nähert sich zwar den Prin-
zipien des Tierstaates, wenn er die künstliche Beschränkung
des Zuwachses der Bevölkerung befürwortet, allein ohne
Kastration wäre beim Menschen ein geschlechtsloser Arbeiter-
stand nicht zu erzielen. Schwerlich würden die Sozialisten-
führer für ein solches Programm Anhänger finden, geschähe
es doch, so wäre noch wenig damit gewonnen, da eine künst-
liche Steigerung der Fruchtbarkeit des Weibes nicht zu er-
reichen ist. DBebel hat eigentümliche Ideen über den
Darwinismus und die Leistungsfähigkeit der künstlichen
Züchtung. Er stellte sich vor, daß man durch Züchtung im-
stande wäre, jede beliebige erwünschte Eigenschaft hervor-
zurufen, und daß man auf diese Weise auch die Gesinnungs-
Das Privateigentum im Tierreiche. 23
weise des Zukunftsmenschen in bestimmte erwünschte Bahnen
würde leiten können.
So meint er (p. 198). Die Anwendung der Naturgesetze
und der Züchtung wird bezüglich der Erziehung des Menschen
„schließlich auch dahin führen, bestimmte körperliche und
geistige Eigenschaften hervorrufen zu können, welche ihm
die harmonische Entwicklung ermöglichen“. Ferner (p. 195)
bezüglich der erstrebten Erreichung gleich günstiger Lebens-
bedingungen für Alle: „ein solcher Zustand wirkt schließlich
dergestalt auf die Intelligenz und Einsicht ein, daß der Ge-
danke an Herrschaft über andere gar keinen Platz mehr in
einem Greehirn findet“. (!)
Wäre das richtig, so würde die Züchtung eines ge-
schlechtslosen Proletariates die Lösung der sozialen Frage
bringen können. Indessen ruhen alle diese Voraussetzungen
auf einer ganz irrigen Basis. Die Züchtung kann sich nur
der bereits vorhandenen Variationsbestrebungen bemächtigen
und so bestimmte Erscheinungen höher ausbilden oder unter-
drücken, nie aber vermag sie bestimmte Variationen zu er-
zeugen. Es ist ebenso unmöglich, einer Blume jede Farbe
und jeden Duft anzuzüchten, als einer Katze Hörner, Für
die menschliche Gesellschaft würde die Züchtung nur sehr
geringe Dienste zu leisten imstande sein. Ohne Zweifel
würde man, wenn es ein Vorteil oder eine Notwendigkeit
wäre, rote Haare und Sommersprossen ausmerzen können,
aber nur, indem man alle damit beanlagten Kinder um-
brächte. Diese „Auslese“ der Züchtung zieht eben Bebel
nicht in Betracht.
Da es somit keine Möglichkeit gibt, die menschliche
Gesellschaft in einer dem Kommunismus des Tierstaates
ähnlichen Weise zu organisieren, betrachten wir die zweite
der im Tierreiche entwiekelten Wirtschaftsweisen, die parti-
kularistische, wobei selbstverständlich alle niederen Organismen
»4 Das Privateigentum im Tierreiche,
mit hermaphroditischen Geschlechtsorganen außer Betracht
bleiben. Allgemeine Gesichtspunkte lassen sich angesichts
der enormen Mannigfaltigkeit der biologischen Bedingungen
schwer herausschälen. Es gibt Insekten, welche Jahre lang
als Larven leben, um dann für wenige Stunden als geschlechts-
reifes Tier und ohne noch Nahrung aufzunehmen dem Fort-
pflanzungsgeschäfte zu leben. Neben treuer Ehe treffen wir
Polygamie und Polyandrie, neben aufopfernder Liebe den
einsiedlerischen Griesgram der Spinnen, denen das kleinere
oft zwerghafte Männchen selbst am Hochzeitstage nicht nahen
darf, ohne in schwerer Gefahr zu schweben, vom Weibchen
verspeist zu werden. Fast alle Tugenden, Fehler und Leiden-
schaften der Menschenbrust lassen sich auch im Tierreiche
durch Beispiele belegen. Wenn sich somit allgemeine Züge
nicht angeben lassen können, so darf man doch sagen, dab,
und zumal auch bei den höheren Tieren, die Bildung einer
Familie, die Vereinigung von Mann und Weib in einem
Hausstande, eine gewisse Fürsorge für die Wohnstätte und
sorgsame Pflege der Nachkommenschaft die Regel bilden.
Das gesellige Zusammenleben schreitet nur ausnahmsweise
bis zu gemeinsamer Brutpflege vor, niemals zur Fürsorge für
die Ernährung der Gesamtheit. Die erworbene Nahrung ist
Privateigentum, fast immer auch Wohnung und Brut.
Um dieses sich klar zu machen, braucht man den Begriff
des Eigentumes nur durch jenen seiner Verneinung oder Be-
streitung zu prüfen, denn geraubt und gestohlen kann uns
eben doch nur werden, was unser Figentum ist. Wenn ein
Wasservogel nach stundenlangem Harren endlich einen lohnen-
den Braten in Form eines Fisches erjagt hat und nun andere
ihm die Beute streitig machen, so kann dies nur mit dem Dieb-
stahle verglichen werden. Es gibt auch professionelle Räuber,
welche es leichter finden, anderen die Beute abzujagen, als
selbst zu fischen, so die Raubmöven. Brehm erzählt uns,
a ee A 5 er 2
Das Privateigentum im Tierreiche. 95
wie er bei seiner Nordlandfahrt die Brüteplätze der Seevögel
beobachtete und namentlich auch durch den Diebstahl der
Eier frappiert wurde; hatte ein Vogel sein Nest verlassen,
so benutzte die Nachbarin die Gelegenheit ein Ei von jenem
in ihr Nest zu rollen, was die Betrogene ihrerseits bei Ge-
legenheit wieder vergalt. Nicht einmal das Nest, welches der
Vogel oft mit außerordentlicher Geduld und staunenswertem
Geschicke sich erbaut, ist sein unbestrittener Besitz. Nicht
immer sind es nur aufgelesene Halme, Federn usw., aus denen
das Nest konstruiert wird, in manchen Fällen liefert der
Vogel selbst einen Teil des nötigen Baumateriales, zumal
ist es das klebrige Sekret der Speicheldrüsen, welches als
Kitt Verwendung findet. So stellt der südamerikanische
Töpfervogel (Furnarius) seine backofenförmigen Nester aus
Lehm her, so auch die Schwalben. Nun hat man öfters
beobachtet, daß ein Schwalbennest von einem Paare Spatzen
besetzt wurde, ohne daß es den rechtmäßigen Eigentümern
möglich gewesen wäre, die frechen Eindringlinge zu vertreiben.
Nur Rache vermögen die Schwalben zu nehmen, indem sie
rasch und unversehens das brütende Spatzenweib durch Ver-
mauerung des kleinen Flugloches einschließen und lebendig
begraben, es dem Tode durch Verhungern und Ersticken
preisgebend.
Nichts kann klarer sein, als daß die Nahrung, welche
ein Tier erbeutet hat, oder daß das Nest, welches ein Vogel
sich erbaut, und die Eier, welche er hineingelegt hat, sein
Eigentum sind. Wo ihm dieses genommen wird, liegt ebenso
klar Diebstahl und Raub vor, als wenn einer Familie ihr
Hausgerät oder einem Geschäftsmann nächtlicherweile der
Inhalt seines Ladens ausgeräumt wird. Der ganze Unter-
schied zwischen der partikularistischen Haushaltung im Tier-
reiche wie in der menschlichen Gesellschaft ist eben lediglich
ein gradueller, bedingt durch das größere Maß von Ansprüchen
26 Das Privateigentum im Tierreiche.
und Bedürfnissen, welches beim Menschen, selbst auf den
niedersten Stufen der Gesittung, als Folge seiner kulturellen
Entwicklung sich einstellt.
Vergleicht man die sozialen Zustände im Tierreiche mit
jenen der menschlichen Gesellschaft, so kann man von ersteren
nur sagen: Der kommunistische Staat ist an die Geschlechts-
losigkeit des Arbeiterstandes geknüpft; wo es geschlechtliche
Paarung aller Individuen einer Art gibt, tritt mit dem Leben
in Isolierung oder in Familien auch das Privateigentum auf.
Man könnte wohl den Satz vertreten, daß der Mensch,
wie er eben doch nur ein Glied in der großen Kette der
höheren Organismen ist und zumal auch in sexueller Be-
ziehung von den übrigen Säugetieren nicht getrennt werden
kann, auch in bezug auf seine sozialen Verhältnisse Be-
ziehungen zu den nächstverwandten Geschöpfen darbieten
müsse. Andererseits kann uns das Tierreich niemals als
Muster für unsere sozialen Einrichtungen dienen, denn wir
finden ebenso gut wie für die Tugenden, so auch für die
Laster und Verbrechen der menschlichen Gesellschaft die
Seitenstücke im Tierreiche bis zur krassesten Ausbeutung
der Schwächeren durch Sklaverei, so z. B. bei Ameisen.
Und andererseits ist eben doch die menschliche Gesellschaft
durch die Eigenart und Vollendung ihrer kulturellen Ent-
wicklung zu Zuständen gelangt, welche auch neue eigenartige
Formen des sozialen Lebens bedingen müssen.
Wir kommen daher hier an dem Punkte an, wo der
Naturforscher dem Nationalökonomen das Feld räumt. Trotz-
dem mag es gestattet sein, einige weitere Betrachtungen hier
anzuknüpfen, die nichts prätendieren als ein Ausdruck des
„gesunden Menschenverstandes“ zu sein. |
Sicher ist sehr vieles berechtigt an der Kritik, welche
die Sozialdemokratie an den Zuständen im heutigen Europa
übt. Viele Millionen Menschen stehen in Waffen bereit, um
Das Privateigentum im Tierreiche. 97
ud
jeden Augenblick durch blutigen Krieg alle Segnungen der
Kultur zuschanden werden zu lassen, indes Handels- und
Zollangelegenheiten die Schwierigkeiten der Lage erhöhen.
‘Wäre Europa ein Staatenbund, so gäbe es keine Kriege mehr,
stehende Heere wären so entbehrlich wie in Nordamerika.
Die Ausschreitungen des Kapitalismus, selbst in seinen
wildesten Orgien als Ring usw., sind nirgends bekämpft.
Wenn es heute einem Millionenkonsortium Nordamerikas
einfiele, alles erwerbbare Land in Europa aufzukaufen und
brach liegen zu lassen, um den Wert der amerikanischen
landwirtschaftlichen Produkte um das dreifache zu steigern,
so würde die heutige Gesetzgebung noch nirgends die Mittel
bieten zur Verhütung des Unfuges, das arme Landvolk würde
sich das Fell über die Ohren müssen ziehen lassen, wie
seinerzeit das irische Volk durch die englischen Kapitalisten.
Auch in Deutschland sind die Landverhältnisse unhalt-
bar. Die 17 größten Grundbesitzer Deutschlands, zu ‘denen
vor allem die früheren Reichsunmittelbaren gehören, besitzen
ein Neuntel der Gesamtoberfläche des Deutschen Reiches.
Noch 136 solcher Großgrundbesitzer — so haben 150 Leute
alles Land in Deutschland in Händen, das „Volk“ mag dann
auswandern. Bis jetzt steht solchen Ausschreitungen des
Kapitalismus nichts im Wege; kein Gesetz gibt die Maximal-
größe des Landbesitzes an, keine Progressiv-Steuer setzt dem
Skandal ein Ende. Die Lage der so vielfach nach Brasilien
auswandernden Landarbeiter in Pommern bietet kaum Unter-
schiede gegen die Zustände in Irland. Verhungern mag, wer
in Armut und Krankheit erwerbsunfähig wird, Almosen gibt
ihm zeitweise und unzureichend die Mildherzigkeit, der Staat
aber erkennt für sich nicht die Verpflichtung an, den Arbeits-
losen und seine Familie ausreichend zu verpflegen. Man
darf getrost behaupten, daß der Wunsch nach Besserung
dieser Mißstände durch alle Schichten der Nation in Deutsch-
98 Das Privateigentum im Tierreiche.
land Sympathien genießt bis zur höchsten Stelle. Warum
nun die ablehnende Haltung der Sozialdemokratie, die sich
statt Hilfe anzunehmen in der Rolle des wilden Mannes
gefällt, der auf Krisen hofft, statt sie zu verhindern bestrebt
zu sein?
So berechtigt fast durchweg Bebels Kritik erscheint,
so schwach ist das Nebelbild eines Zukunftstaates, das er
entwirft. Welche Widersprüche! Freie Disposition des
Individuums über seine Arbeitstätigkeit und „Dirigierung“
der arbeitenden Massen an die Stellen, wo sie fehlten, Ab-
schaffung von „Geld“, aber Bezahlung mit Arbeitsmarken,
freiheitliche Entwicklung aber Vergewaltigung Aller, welche
ihren Glauben an Gott nicht preisgeben wollen. Diese
Widersprüche sind viel diskutiert worden; uns, um auf unser
Thema zurückzukommen, interessieren nur zwei Punkte, die
Stellung der Frau und das Privateigentum. In beiden
Punkten steht der sozialistische Entwurf mit Tatsachen in
Widerspruch, welche naturwissenschaftlich gut begründet er-
scheinen. Es ist in der Konstitution und in den physiolo-
gischen Bedingungen des Weibes bedingt, dab diesem im
sozialen Leben eine andere Rolle zufällt als dem Manne.
Es ist keine gesellschaftliche Ordnung von Wert denkbar
ohne die Bande des Familienlebens, welches dem Weibe die
Fürsorge für die Häuslichkeit und die Nachkommenschaft
zuweist. Weder das auf gleicher Stufe mit einem Lieblings-
pferde stehende faule Luxus-Weib, noch die ihrer Familie
durch Fabrikarbeit entzogene Frau des Proletariers stellen
Stufen von innerem und bleibendem Werte im Entwieklungs-
gang unseres kulturellen Lebens dar. Nur die Stellung der
Frau kann als eine ideale gelten, bei welcher auch ihr
Pflichten zufallen, bei welcher aber auch keine äußeren
Momente sie der Hingabe an ihr häusliches Wirken ent-
ziehen.
Das Privateigentum im Tierreiche. 29
Der zweite Punkt, in welchem die Sozialdemokratie über
das Ziel hinausschiebßt, ist die völlige Abschaffung des Privat-
eigentums. Es kann nicht unsere Aufgabe sein zu unter-
suchen, ob oder in welcher Weise eine Verstaatlichung der
Arbeitsmittel möglich sei, welche namentlich für den Grund-
besitz sehr ansprechend erscheint, wie sie denn schon vielfach
durchgeführt war, und es z. B. in manchen Kantonen der
Schweiz auch heute noch is. Wie es nirgends in der
Schöpfung ein Leben in Familien gibt ohne Privateigentum,
so wird auch in der sozialen Ordnung der menschlichen
Gesellschaft dasselbe nie ganz zu entbehren sein. Wohl mag
das Maximalmab an Vermögen staatlich bestimmt werden,
resp. das erreichbare Optimum; nötigenfalls auch das Erb-
recht beseitigt oder beschränkt werden, eine gänzliche Ab-
schaffung des Privateigentums erscheint untunlich. Selbst
der Zukunftsstaat Bebels schafft es nur scheinbar ab, da er
Arbeitsscheine als Zahlungsmittel einführt, und diese
Quittungen sind Geld, mögen sie nun aus Gold oder aus
Papier bestehen. Es liegt im Wesen der menschlichen Natur
begründet, daß es fleißige und faule, gute und böse, spar-
same und verschwenderische Menschen gibt, und darum wird
es auch stets Ungleichheit im Besitz wie in der Wert-
schätzung der Mitbürger geben, ebenso auch Unzufriedene
und Verbrecher. Die Einrichtung eines idealen Zustandes
der Gesellschaft, wie ihn Bebel schildert, kann notwendiger-
weise nur in der Phantasie gelingen.
Dies aber eben ist es, was wir naturwissenschaftlicher-
seits der Sozialdemokratie entgegenhalten müssen, daß sie
Forderungen und Ideen in das Bild ihres Zukunftsstaates
einfügt, die in Widerspruch stehen mit den allgemeinen
Existenzbedingungen, welche aus der Organisation des Men-
schen sich ergeben. Die Kultur, wie absonderliche Wege
sie auch manchmal einschlagen mag und in wie mannigfacher
30 Das Privateigentum im Tierreiche.
Formung sie sich nach Zeit, Ort und Volk auch präsentieren
mag, ist doch im großen und ganzen in ihren Zielen und
Wegen eingeschränkt durch die physiologischen Leistungen
und Ansprüche des Körpers, und eine soziale Reform-
bewegung, welche hierzu in Widerspruch tritt, ist praktisch
nicht durchführbar. Solche Punkte, denen gegenüber der
von der Sozialdemokratie betriebene Kampf aussichtslos
bleiben muß, sind: Die individuelle Variation in der
Charakter-Anlage, die Regulierung der Fortpflanzung in der
Form der Familie und die Existenz von Privateigentum.
Solange die Sozialdemokratie wähnt auf darwinistischer
Grundlage die Gesinnungsweise des Menschen modifizieren
und durch Umbildung der sozialen Verhältnisse die Ver-
breehen beseitigen zu können, so lange sie behauptet, jed-
wedes Privateigentum abschaffen zu können und gegen die
Familie als Basis der Fortpflanzung und Kindererziehung
ankämpft, wird man meines Erachtens ihr naturwissenschaft-
licherseits den Besitz eines realisierbaren Programms nicht
zugestehen können. Übrigens scheinen mir alle diese Punkte
keine notwendigen Elemente in der Kernfrage des Sozialismus
zu bilden, und da dieser, wie von seinen Fübrern anerkannt
wird, bezüglich des positiven konstruktiven Teiles seines
Programms noch vielerlei Modifikationen erleiden wird, so
mag es der Zukunft vorbehalten bleiben, die vielen Neben-
fragen, welche die Sozialdemokratie zu ihrem Schaden mit
dem essentiellen Teile ihres Programms verquickt hat, teils
fallen zu lassen, teils zu modifizieren. Vieles in den Ideen
und Forderungen der Sozialdemokratie ist wohl begründet
und wird ohne Zweifel zur Grundlage künftiger Verfassungs-
formen werden, denn gute und berechtigte Prinzipien, welche
einen Fortschritt in der Entwicklung der Menschheit be-
dingen, werden nicht dauernd durch reaktionäre Mittel nieder-
gehalten. Andererseits aber enthält die Sozialdemokratie in
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 31
ihrem heutigen Programme so vieles Verkehrte und Unwesent-
liche in Verbindung mit einer so weit gehenden Unduldsam-
keit gegen die Überzeugungen Anderer, daß man sie nur als
eine Oppositionspartei ansehen kann, nicht als eine praktisch
realisierbare Prinzipien verfolgende Partei. Dauerndes schafft
nicht einseitige Parteipolitik oder rohe Gewalt, nur gesunde
Ideen können dies leisten. Diesen zum Durchbruch zu ver-
helfen ist Sache der Kritik und einen Beitrag in diesem
Sinne vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus zu geben
bezwecken diese Zeilen.
Viertes Kapitel.
Die geographische Verbreitung der Fluß-
muscheln.
(Das Ausland, Stuttgart 1890, Nr. 48—49.)
(Übersetzt: „The Geological Distribution of the Fresh-water Mussels“.
The New Zealand Journal of Seience, Vol. I, Dunedin 1891, p. 151—154.)
Als vor einiger Zeit Herr Dr. von den Steinen das
Programm für die künftige Arbeit des „Auslandes“ entwarf,
ließ er die Frage, wie weit dabei Tier- und Pflanzenwelt Be-
rücksichtigung finden sollten, offen. Die Beschränkung des
Arbeitsfeldes auf Erd- und Völkerkunde schließt naturgemäß
Aufsätze rein zoologischen oder botanischen Inhalts aus. Das
Kleid der Erde aber, wie es in so charakteristischer Weise die
klimatischen Unterschiede verschiedener Kontinente und ihrer
einzelnen Länder zum Ausdrucke bringt, das Tier- und Pflanzen-
leben, welches den Menschen in verschiedenen geographischen
Breiten umgibt, und die mannigfachen Beziehungen, in welchen
derselbe zu fast allen Gebieten seines Kulturlebens steht, sind
zu innig mit der rein geographischen Kenntnis des Erdballs
verknüpft, als daß sie außer Betracht gelassen werden könnten.
32 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
Eine diesen Gesichtspunkten nicht gerecht werdende Be-
handlung der Erdkunde könnte in ihrer Einseitigkeit nie be-
friedigen, sie würde viele der Errungenschaften eines Hum-
boldt, Ritter, Hehn und anderer preisgeben. Wenn man
erwägt, welch ein großer Unterschied in der Behandlung der
Pflanzengeographie zwischen den Arbeiten eines Humboldt
und Griesebach einerseits und eines Engler andererseits be-
steht, wie sehr auf diesem wie auf zoogeographischem Gebiete
noch alles im Werden ist, so würde es jedenfalls eher der
Begründung bedürfen, wenn man alle diese wichtigen Gebiete
des Wissens und Forschens von einer geographischen Zeit-
schrift fernhalten wollte, als es im Gegenteile für deren Ein-
schluß in das Arbeitsprogramm erforderlich erscheint.
Es sind aber nicht nur die eben geltend gemachten
(Gründe, welche den Geographen zwingen, die organische Welt,
in deren Mitte und als deren Teilglied der Mensch auf der
Erde sich präsentiert, zu berücksichtigen, es kommt noch
ein anderer wesentlicher Umstand hinzu, auf welchen hier
besonders hingewiesen werden soll. Einen Einblick in die
natürliche Gliederung der Erdteile kann nur die Kenntnis
ihrer Entwicklungsgeschichte geben. Großenteils sind wir
hierfür auf die geologischen’ Aufschlüsse angewiesen. Allein
abgesehen von der lückenhaften Entwicklung der einzelnen
Schichten, die immer nur ein mäßig sicheres und unvoll-
kommenes Bild gewährt, fällt jede Möglichkeit geologischer
Erforschung für die unter den Meeresspiegel versenkten Ge-
biete weg. Hier tritt nun die Tier- und Pflanzengeographie
ergänzend ein. Es hätte des geologischen Nachweises des
tertiiren Zusammenhanges zwischen Europa und Nordafrika
nicht bedurft, um diese Tatsache zu erkennen, zu welcher
auch die Tiergeographie gekommen ist. Und in vielen anderen
Fällen sind wir lediglich auf letztere angewiesen. Ein Bei-
spiel möge dies erläutern!
u — —- 2
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 33
In einer zur Veröffentlichung vorbereiteten Abhandlung
über die Herkunft der Säugetiere Brasiliens glaube ich den
Nachweis führen zu können, daß ein Austausch von Säuge-
tieren zwischen Nord- und Südamerika erst ganz am Ende
der Tertiärzeit stattfand. Da nun die Alte Welt mit Nord-
amerika zusammen immer sicherer sich als das Ursprungs-
gebiet der plazentalen Säugetiere erweist, und diejenigen
Familien, welche, zumal an Nagetieren, für Südamerika be-
sonders charakteristisch sind, frühtertiär nur in Europa, nicht
aber in Nordamerika vertreten sind, so ist es klar, daß Süd-
amerika seinen ursprünglichen Stock von Säugetieren aus der
Alten Welt erhalten hat. Der Untergang der alten Ver-
bindungsbrücke, der Fortbestand des zentralamerikanischen,
beide Ozeane verbindenden Meeres bis gegen Ende der Ter-
tiärzeit haben Südamerikas Tierwelt infolge eben der lange
währenden Isolierung sein so wunderbar eigenartiges Gepräge
aufgedrückt. Über die Lage dieser alten Brücke, der fabel-
haften Atlantis, ist zurzeit keine Mutmaßung mit einiger
Wahrscheinlichkeit begründbar. Gelingen aber wird auch die
Lösung dieses Problems; das Mittel dazu liefern vor allem
die Küstenmollusken, welche weder durch die Meerestiefen
wandern, noch durch Strömungen als Larven auf so grobe Ent-
fernungen übertragbar sind. Die Zahl der Konchylienarten,
welche man in Südamerika und den Antillen einerseits, im
Mittelmeer und an den Küsten Westafrikas andererseits findet,
ist schon recht erheblich. Neuerdings sind auch einige Nudi-
branchien, die man bisher nur vom Mittelmeer und vom ost-
atlantischen Ozean kannte, von mir (Doris verrucosa, Brasilien)
und Bergh (Tethys leporina, Golf von Mexiko) nachgewiesen
worden. Es gibt zwar viele Naturforscher, denen die Mög-
‚ lichkeit eines solchen Zusammenhangs wegen der großen Tiefe
des Atlantischen Ozeans ausgeschlossen erscheint, allein ein
verständiger Grund, warum Hebungen um 8000 m, wie sie in
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 3
34 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
den Anden nachgewiesen sind, leichter begreiflich sein sollen
als gleich bedeutende Senkungen, ist nirgends vorgeführt.
Die Wissenschaft wird über solche Bedenken zur Tages-
ordnung übergehen, sofern sich die oben geltend gemachten
Gründe, denen zahlreiche andere ergänzend sich anschließen,
als zwingend erweisen.
Die geographische Verbreitung der Säugetiere in Ver-
bindung mit ihrem geologischen Auftreten und ihrer Verbrei-
tung während der Tertiärzeit liefert somit ein ausgezeichnetes
Hilfsmittel zur Erkennung der Verteilung und Verbindung
von Land und Wasser während der Tertiärzeit.e. Für die
Sekundärperiode, wo plazentale Säugetiere noch nicht oder
kaum vorhanden waren läßt dieses Hilfsmittel aber gänzlich im.
Stich. Gleichwohl werden wir auch dahin kommen, selbst
für diese entlegenen Perioden aus der geographischen Ver-
breitung der Tiere Rückschlüsse auf die Wege der Ver-
breitung ziehen zu können. Es sind aber nicht die Säuge-
tiere, welche hierfür in Betracht kommen, sondern die Süß-
wasserfaunen. Wenn man die Verbreitung der Süßwasser-
fische studiert, so wird man durch die Tatsache überrascht,
daß dieselbe ganz andere tiergeographische Regionen aufzu-
weisen hat, als die Landfauna. Eine Karte der verschiedenen
Reiche der Süßwasserfische sieht ganz anders aus als jene,
in welche die Wallaceschen Regionen der Landfaunen ein-
getragen sind. Weder die Tatsache ist bisher genügend ge-
würdigt, noch eine befriedigende Erklärung dafür gegeben ‘
worden. Ist es nicht im höchsten Grade überraschend, in
einer solchen Karte Chili und Patagonien vom übrigen Reste |
Südamerikas getrennt und mit Neu-Seeland vereinigt zu sehen? |
Wir werden finden, daß hinsichtlich der Süßwasser-Mollusken
ein ganz entsprechendes Verhältnis besteht. Und doch ist
die Erklärung unschwer zu geben. Es zeigt sich nämlich
beim Studium der Süßwasser-Mollusken, daß die paläonto-
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 35
logisch am frühesten erscheinenden Gattungen zu-
gleich auch die kosmopolitischen oder weitest ver-
breiteten sind. In allen Erdteilen und auf zahlreichen
größeren Inseln findet man in den Bächen und sonstigen
Gewässern vertreten die Gattungen Planorbis, Physa, Limnaea
und Ancylus.
Sie alle sind schon im Jura, ja zum Teil schon in der
Karbonformation nachgewiesen und repräsentieren die älteste,
also schon paläozoische Süßwasserfauna. Ihre weltweite Ver-
breitung würde bei der heutigen Verteilung von Wasser und
Land ein Rätsel bleiben müssen. Wollte man annehmen,
daß überall mehr oder minder gleichartige Bedingungen und
passive Wanderungen aller Art eine so gleichmäßige Ver-
teilung dieser Gattungen erklären könnten, so würde man es
nicht verstehen können, wie neben diesen weit verbreiteten
Gattungen auch solche mit engumgrenztem Wohnbezirke
vorkommen. Es setzt daher diese weite Verbreitung not-
wendig eine von der gegenwärtigen sehr abweichende Ge-
staltung und Verbindung der einzelnen Erdteile voraus.
Auch für die bereits im Jura sicher vertretene Gattung
Unio gilt noch das Gleiche, während alle übrigen erst später
erscheinenden Gattungen der Najaden oder Flußmuscheln
eine vollkommen andere geographische Verbreitung auf-
weisen. Namentlich die erst am Beginn der Tertiärzeit
oder kurz zuvor auftretende Gattung Anodonta und ebenso die
Süßwasserschnecken der Gattung Ampullaria und ihre nächsten
Verwandten haben eine weit engere Verbreitung, sie fehlen
auch beide in Chili und Westperu wie in Neu-Seeland und
Australien. Es hat mithin zur Zeit der Entstehung und Ver-
breitung dieser großen, d. h. sehr artenreichen Gattungen an
einer Verbindung Australiens mit dem asiatischen Festland
und seinen Inseln gefehlt, so daß dieselben in Ermangelung
der Verbindungsbrücke Australien und Neu-Seeland nicht er-
3*
36 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
reichen konnten. Ein ganz entsprechender Fall liegt vor in
der Süßwasserfauna von Chili und Peru, welche zwar die
alten Süßwassergattungen aufweist, nicht aber die erst später
hinzugekommenen Gattungen Ampullaria und Anodonta. Es
sind die zu Beginn der Tertiärzeit emporgestiegenen Anden
gewesen, welche diesen und anderen im übrigen Südamerika
so reich vertretenen Süßwassergattungen neuerer Zeit den
Zugang verlegten. Die tiergeographischen Ergebnisse stehen
hier mit den paläontologischen in einer so wunderbaren Über-
einstimmung, daß es schwer zu verstehen ist, wie man nicht
längst darauf aufmerksam wurde. Es ergibt sich also, dab,
wie die Verbreitung der Säugetiere für die Tertiärzeit, so
jene der Süßwassertiere für die Sekundärperiode das Mittel
abgibt zur Erkennung der ehemaligen Landverbindungen oder
der Gestaltung und des Zusammenhangs der Erdteile. Es
wird daher die Süßwasserfauna in bisher ungeahnter Weise
bedeutungsvoll für zoogeographische Zwecke; ihre Erforschung
wird sehr viel mehr in den Vordergrund treten.
Um diese Ergebnisse im einzelnen besser zu begründen
und zu erläutern, soll im folgenden die Verbreitung der Süß-
wassermuscheln der Familie der Najaden geschildert werden.
Diese Muscheln bilden nieht nur die artenreichste, sondern
auch die in Erscheinung und anatomischem Baue am meisten
variierende Familie der Muscheln. Schon in der Schale
bieten sie eine Mannigfaltigkeit, wie wir sie in keiner anderen
Familie der Muscheln wieder antreffen. Neben Formen mit
papierdünner Schale trifft man andere mit überaus dicker
schwerer Schale, neben solchen mit glatter andere mit rauher,
mit Furchen, Leisten oder selbst Stacheln versehener Aubßen-
fläche. Das Schloß der Schale ist bald einfach kreneliert
(Pliodon), bald mit mehreren starken, ineinander greifenden
Zähnen ausgerüstet, oder es sind die Zähne teilweise oder
ganz verschwunden. Die Mantellinie der Schale ist in der
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 37
Regel einfach, bei anderen aber ist sie am Hinterende ein-
gebuchtet, ein Zeichen, daß der Mantel an dieser Stelle mit
Siphonen versehen ist. Bei Unio sowohl wie bei Anodonta
sind die Ränder des die Schale erzeugenden Mantels frei,
d. h. untereinander nicht verwachsen, mit Ausnahme nur des
Hinterteiles, wo sie in der Gegend des Afters eine kurze
Strecke verwachsen sind. Es wird dadurch eine Analöffnung
des Mantels gebildet, durch welche die Kotmassen und das
bei der Atmung verbrauchte Wasser entleert werden. Unter
dieser Öffnung bilden die Mantelränder, ohne dabei zu ver-
wachsen, eine andere Öffnung, welche zur Einziehung des
Wassers dient. Bei manchen Gattungen findet nun hinter
dieser Öffnung eine abermalige Verwachsung der Mantel-
ränder statt, wodurch eine hinter und unter der analen liegende
Kiemen- oder Branchialöffnung gebildet wird. Man hat ver-
sucht, die Gattungen, welche mit zwei solchen Siphonal-
öffnungen versehen sind, als eine besondere Familie der
Muteliden den übrigen Unioniden entgegenzustellen. Es ent-
spricht das aber keineswegs den wirklich zwischen den ver-
schiedenen Gattungen obwaltenden Unterschieden, welche
vielmehr gegeben sind durch den Gegensatz der zahnlosen,
d. h. mit glattem Scharnier versehenen Anodonten und der
mit ineinander greifenden Zähnen des Schloßrandes aus-
gestatteten Arten der Gattung Unio. Um jede dieser beiden
Hauptgattungen gruppieren sich einige andere Gattungen,
von jeder der beiden genannten Gattungen aus ist es durch
Verwachsung der Mantelränder zur Bildung von Gattungen
gekommen, welche mit zwei Siphonalöffnungen versehen sind.
Neben einigen weit verbreiteten Gattungen hat die Familie
der Najaden eine Anzahl anderer kleinerer Gattungen auf-
zuweisen, von denen einige auf Afrika, die größere Zahl
ausschließlich auf Südamerika beschränkt sind. Zu letzteren
gehören aus der Anodontagruppe: die Genera Aplodon Spixe
38 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
(Monocondylaea), Mycetopus und Columba (Leila); aus der Unio-
gruppe: Hyria, Castalia und Castalina. Letztere von mir auf-
gestellte Gattung begreift einige zwischen Unio und Castalia
stehende Arten, welche nicht die regelmäßig gezähnelten
Seitenzähne von Castalia besitzen, mit dieser aber in der
Regel durch den Besitz von zwei Siphonalöffnungen über-
einstimmen. Außer dem Typus ©. Martensi v. Ih. des Rio
Camaquam ziehe ich dahin C. psammoica Orb., Orbignyana
Hupe und sulcata Krauss. Unio nodulosus, den noch Neumayr
kürzlich als Castalia in Anspruch nahm, ist offenbar ein nord-
amerikanischer Unio, und die ganze Hypothese Neumayrs,
welcher die Unionen durch Vermittlung der Castalien von
Trigonien ableiten wollte, stellt die Tatsachen auf den Kopf.
In Wahrheit ist Unio die älteste und über die ganze Erde
verbreitete Gattung der Familie, wogegen Castalia auf Süd-
amerika beschränkt und ohne besondere paläontologische Be-
deutung ist. Die Castalien sind in der Tat nichts anderes
als durch Vermittlung von Castalina aus südamerikanischen
Unionen hervorgegangene modifizierte Formen.
Die erwähnten, für Südamerika charakteristischen Gat-
tungen stehen alle untereinander oder mit den übrigen eben-
da vorkommenden Najaden in näherer Beziehung. Von
Bedeutung erwies sich hierfür die Untersuchung der Ent-
wicklungsvorgänge. Alle Najaden haben Brutpflege. Die
befruchteten Eier werden nicht aus der Schale ausgestoßen,
sondern gelangen in die jederseits als zwei häutige Lappen
zwischen dem Körper und dem die Schale erzeugenden
Mantel gelegenen Kiemen. Hier verbleiben sie bis zur be-
endeten Entwicklung der Larve. Man hat sich daran gewöhnt,
die in Europa beobachteten bezüglichen Verhältnisse zu ge-
neralisieren, sie als für alle Najaden gültig anzusehen, was ein
großer Irrtum ist. Die Larven der europäischen Anodonten
und Unionen durchlaufen ihre Entwicklung in der äußeren
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 39
Kieme. Wenn sie schließlich ausgestoßen werden, so gelangen
sie mittels eines langen Kleb- oder Byssusfadens an die Haut
von Fischen, wo sie sich mit einem beweglichen dornigen
Schalenaufsatze ihrer kleinen Schale anheften und von der
Epidermis umwachsen werden, um erst nach nahezu beendeter
Metamorphose wieder frei zu werden. Schon in Nordamerika
gibt es viele Arten, deren Embryonen den Schalenaufsatz
nicht besitzen, und bei allen untersuchten südamerikanischen
Najaden vermißte ich ihn, wie ich auch nie encystierte Larven
auf Fischen antraf. Die Entwicklung verläuft also hier wesent-
lich anders und vollzieht sich bei allen bisher darauf unter-
suchten Najaden Südamerikas in der inneren Kieme, was
vermutlich das ursprüngliche Verhalten darstellt. Auch sonst
schließen sich in Anatomie und Entwicklung die Anodonten
von Südamerika an die Unionen ihrer Umgebung, die euro-
päischen Anodonten aber an die Unionen Europas an. Es
scheint daher, daß die Gattung Anodonta sich nicht einheit-
lich entwickelt hat, sondern in den verschiedenen Erdteilen
ihre besondere Geschichte hatte. Jedenfalls können die süd-
amerikanischen Anodontaarten nicht bei diesem Genus bleiben,
wofür sich auch aus der Schale Anhaltspunkte ableiten lassen.
Ich habe eine sehr überraschende Beobachtung gemacht be-
züglich der Entwicklung der einzigen darauf untersuchten
hiesigen Anodonta, der A. Hertwigü v. Ih., die nebenbei be-
merkt Zwitter ist. Die Larve wird nicht von der kleinen
Schale umschlossen, aus welcher nach hinten ein schwanz-
artiger Körperteil hervorhängt, der hinten gespalten ist und
in zwei mit dicken Borsten besetzte Greiflappen endet. Eine
solche Larve ist noch von keiner anderen Najade bekannt,
vermutlich repräsentiert sie die Larvenform der ältesten
Najaden, und es wird zu erforschen sein, wie weit solche
archaische Larven noch bei anderen Gattungen der Najaden,
etwa den afrikanischen Spatha, vorkommen. Über Entwick-
40 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
lung afrikanischer Najaden wissen wir noch gar nichts. Es
wäre sehr zu wünschen, daß das lebhafte, heute der Er-
schließung Afrikas gewidmete Interesse auch nach dieser
Richtung hin Wandlung schaffe!
Wer in der Nähe von mit Muscheln besetztem Wasser
sein Standquartier hat, wird leicht zur Lösung der Aufgabe
beitragen können. Es ist, wenn man eine solche Muschel
öffnet, und in ein Becken mit Wasser legt, sehr leicht, die
jederzeit zwischen Mantel und Fuß herabhängenden Kiemen
zu sehen und darauf zu untersuchen, ob sie beide leer sind,
oder ob eine von ihnen Eiermassen birgt. In letzterem Falle
würde man das Tier mit samt der wiedergeschlossenen und
zugebundenen Schale in ein Glas mit Alkohol oder Brannt-
wein zu legen haben. Ist die Schale zu groß, so läßt man
das Tier in etwas Schnaps absterben, nimmt es aus der
Schale und legt es samt einem Zettel in etwas Tuch gewickelt
in das Glas, nachdem man auf den Zettel, wie in die Schale
die gleichlaufende Nummer mit Bleistift notiert hat. Wer
zur Untersuchung keine Zeit hat, kann einfach die aus dem
Wasser gezogene und abgewaschene Schale samt Tier in das
Sammelglas mit Branntwein einlegen. Sorgfältige Notierung
des Fundortes und das Datum sind nicht zu vergessen.
Die Najaden bilden, wie schon bemerkt, eine sehr arten-
reiche Familie. Neuerdings ist eine „Nouvelle @cole“* der
Malakologen in Frankreich bemüht, diese Speziesmacherei
im großen zu betreiben, wobei jede geringfügige Änderung
der Form einen neuen Namen erhält, und aus einer Art
deren 1—2 Dutzend gemacht werden. Wer wie Lea und
ich die ganze Gruppe eingehend studiert, kann unmöglich
verkennen, dab gerade Europa recht arm an verschieden-
artigen Typen von Najaden ist, und er wird daher ein solches
Verfahren um so weniger billigen können, als dabei die Varia-
tionsbreite der Art an ein und demselben Fundorte, die Ver-
ei
1
q
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 41
änderung der Schale nach Alter, Geschlecht und Standort
gar nicht studiert werden. Aber auch bei einer etwas vor-
sichtigeren und strengeren Kritik bleibt die Familie überaus
artenreich. In der letzten Ausgabe seiner Synopsis der
Najaden von 1870 zählt Lea 1293 lebende Arten auf, von
denen ihm aber 224 nicht durch Augenschein bekannt waren.
Davon entfallen etwa 1000 Arten auf die Gattung Unio, 200
auf Anodonta, 100 auf die kleineren Gattungen. Wenn auch
viele der von Lea aufgeführten oder beschriebenen Arten
in der Synonymie wieder untertauchen werden, so bleibt doch,
vom Zuwachs der letzten 20 Jahre abgesehen, eine über-
aus große Zahl von Arten übrig, und es ist klar, daß
alle aus der Entwicklung und Anatomie sich ergebenden
Anhaltspunkte zur Gruppierung sehr dankbar aufgenommen
werden müssen. Es ist daher sehr zu wünschen, daß die
Forschungsreisenden künftighin dieser Gruppe besondere
Aufmerksamkeit schenken und zumal auch Tiere, besonders
trächtige, in Alkohol aufbewahren. Die Schalen, von denen
möglichst eine größere Anzahl von jeder Art zu sammeln
ist, trocknet man, nachdem das Tier durch Kochen getötet
und entfernt worden ist, durch Einklemmen zwischen Leisten
oder nach Umwicklung mit Bindfaden in geschlossenem Zu-
stande, wobei kleine und junge, sowie gut ausgewachsene
aufzuheben sind.
Die Verteilung der Najadengattung über Südamerika ist
eine eigentümliche. In den westlich der Anden gelegenen
Teilen von Peru und Chili findet man lediglich die Gattung
Unio, welche auch östlich der Anden überall angetroffen wird.
Daneben aber finden sich östlich der Anden noch die oben
genannten, Südamerika eigentümlichen Gattungen. Von den-
selben ist Ayria auf Venezuela, Guyana und den Amazonas,
bezw. seine nördlichen Zuflüsse beschränkt. Es ist danach
klar, daß in der Tertiärzeit, als der Ozean noch das breite
42 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
%
Tal des Amazonas bis an den Fuß der Anden einnahm, die
Gattung Ayria auf die von Venezuela und Guyana gebildete
Insel beschränkt war. Es scheint, daß die Najadenfauna von
Kolumbia und vielleicht auch von Ecuador sehr wesentlich
von der des südlichen Teiles der Anden verschieden und
vielleicht mit der Zentralamerikas näher verwandt ist. Leider
sind diese Gebiete bezüglich ihrer Süßwasserfauna sehr unvoll-
kommen untersucht. Es ist aber leicht möglich, daß zur
Zeit, wo die Süß- und Brackwasserablagerung von Pebas, die
wir durch eine treffliche Arbeit von Dr. OÖ. Böttger genau
kennen, am oberen Amazonas 2000 englische Meilen landein-
wärts von seiner jetzigen Mündung gebildet wurden, nicht
nur das Hochgebirge von Guyana und das von Brasilien je
eine Insel repräsentierte, sondern daß auch Kolumbia noch
ein besonderes, vielleicht mit Mittelamerika verbundenes
Inselreich, darstellte. Wie dem auch sei, jedenfalls muß vor
Hebung der Anden an der Stelle des heutigen Chili eine
mit Süßwasser reichlich versehene Landmasse bestanden haben:
das geht aus dem Vorkommen zahlreicher, dem La Platage-
biete und Chili gemeinsamen Süßwasser-Gattungen und Arten
von Tieren hervor. Zwar ist die Tierwelt der Gewässer der La
Platastaaten und von Rio Grande do Sul eine weit reichere
als die Chilis, aber die dort vertretenen Gattungen finden
sich auch im Osten der Anden vor. Von den Najaden Ohilis
treffen wir eine Anzahl auch im La Platagebiete wieder, und
ihre Zahl wird sicher in dem Maße wachsen, als unsere be-
züglichen Kenntnisse zunehmen. Unio auratus von Chili hat
in Uruguay im U. rhuaeoieus, der chilenische U. araucanus im
U. jaba von Uruguay, U. atratus im U. lepidior des Uruguay-
stromes, U. montanus im U. beskeanus von S. Paulo u. a. so
nahe Verwandte, daß zum Teil die Einreihung in eine Spezies
in Frage kommen kann. Es fehlt mir leider noch zu sehr
an ausreichendem Vergleichsmaterial, doch scheint sich aus
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 43
den bisherigen Beobachtungen zu ergeben, daß namentlich die
kleinen südbrasilianischen Küstengebirge diese Reste einer alten
gemeinsamen Fauna des Chili-La Platagebietes beherbergen.
Die Süßwasserfauna von Rio Grande do Sul enthält zum
größten Teil Arten, die auch im Uruguaystrome sich finden;
daneben freilich auch dort fehlende Arten, zumal in den
(ebirgsbächen, welche in mehr oder weniger ähnlicher Form
auch in St. Catharina und weiter nördlich vorkommen.
Nicht nur die Muscheln der größeren Ströme, zumal des
Jacuhy-Guahyba, sind mit jenen des La Plata und zumal
des Uruguay zum größten Teil identisch, auch die anderen
Muscheln und Schnecken der Gattungen Corbicula, Azara, Am-
pullaria, Chilina, Lithoglyphus, Hydrobia haben identische
Spezies. Bringt man diese "Tatsachen in Verbindung mit
dem durch d’Orbigny, Darwin, Burmeister usw. nach-
gewiesenen ehemaligen weiteren Eindringen des Meeres in
die La Platapampas, sowie mit dem von mir gebrachten
Nachweis, daß zu Ende der Tertiärzeit oder im Beginne
unserer Zeitepoche die großen Binnenseen von Rio Grande
Meerbusen waren, daß mithin noch während der Diluvialzeit
die Hebung des ganzen Gebietes weiter vorschritt, so läßt
sich leicht daraus verstehen, wie einst in der Campanha von
Rio Grande do Sul die Gewässer des Uruguay und des
Jacuhy usw. in irgend welcher Verbindung standen. Übrigens
sei hier noch darauf hingewiesen, daß die in Chili vor-
kommenden Flußkrebse der Gattung Parastacus auch in Rio
Grande do Sul sich finden, ja die chilenische Bachgrabbe
Aeglaea laevis ist nicht nur auch hier gemein, sondern be-
herbergt auch massenhaft den eigentümlichen, von Gay als
Temnocephala beschriebenen Schmarotzer.
Und wie einst die Gewässer des Uruguay und des
Jacuhy müssen in Verbindung gewesen sein, so muß es auch
hinsichtlich der großen Stromgebiete des La Plata und Ama-
44 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
zonas der Fall gewesen sein. Nur so erklärt sich die merk-
würdige Tatsache, daß wir zahlreiche Arten von Najaden
kennen aus den verschiedensten Gattungen, welche im Ama-
zonas und im La Plata vorkommen. Es ist mir bisher nicht
möglich gewesen, zu ermitteln, ob etwa auch heutigen Tages
noch in der bolivianischen Tiefebene, zur Zeit der Über-
schwemmungen, vorübergehend ein solcher Zusammenhang
zustande kommt. Sollte es der Fall sein, so wäre zu wün-
schen, daß die diesbezüglichen Tatsachen an dieser Stelle
zusammengestellt würden.
Zurzeit, wo dieser Zusammenhang zwischen den beiden
ungeheuren Stromgebieten noch in ausgiebiger Weise bestand,
bildete das Hochland von Brasilien eine Insel. Die Ge-
wässer derselben, soweit sie nach Westen abflossen, empfingen
naturgemäß durch Einwanderung die Süßwasserfauna des La
Plata-Amazonas-Gebietes, wogegen die kurzen, zum Atlanti-
schen Ozeane sich wendenden Ströme, vor allem der Para-
hyba und der Rio S. Franeisco, die ursprüngliche Süßwasser-
fauna von Brasilien mehr oder minder unvermischt erhielten.
So ungenügend auch zurzeit noch die Erforschung dieser
Gebiete ist, so haben dieselben doch in Unio multistriatus,
cortaceus, ellipticus, Anodonta obtusa usw. eine, wie es scheint,
eigenartige Züge aufweisende Fauna. Namentlich die merk-
würdige Gruppe des so sonderbar skulpturierten Umio multi-
striatus Lea kennen wir nur aus diesen Strömen. Es ist
selbstverständlich möglich, daß mit der Zunahme der
Forschungen diese Ergebnisse hinfällig werden, aber es lohnt
doch offenbar der Mühe, einmal den Stand der Dinge, wie
er sich heutigen Tages darstellt, zu überblicken. Noch nie
ist bisher ein Versuch, wie der vorliegende, unternommen
worden, und dadie Wahrheit nach Baeos treffenden Ausspruche
eher aus einem Irrtume, als aus der Verwirrung emporsteigt,
so wird dieser Versuch mindestens den Fortschritt fördern.
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 45
Manche der erwähnten Ergebnisse dürften übrigens als
der einfache Ausdruck der beobachteten Tatsachen kaum
anfechtbar sein. Am wesentlichsten scheint mir das Ver-
hältnis zwischen der La Plata- und der chilenischen Fauna
zu sein. Die Erklärung desselben ergibt sich, wie mir scheint,
einfach aus dem Umstande, daß die Hebung der Anden,
welche in den Beginn der Tertiärzeit fällt, ein ursprünglich
einheitliches Gebiet in zwei Teile zerlegte, zwischen denen
fortab keinerlei Austausch mehr möglich war. Die beiden
Gebieten gemeinsamen Arten und Gattungen enthalten mithin
den ursprünglich gemeinsamen Stock von Süßwassertieren;
was hingegen im östlichen Südamerika allein vorkommt, stellt
den tertiären Zuwachs von Osten herkommend dar, für wel-
chen die Erhebung der Anden eine unübersteigliche Schranke
bildete, durch welche eine weitere Ausbreitung bis nach Chili
ausgeschlossen war.
Was wir bisher über die fossile Vertretung der Süb-
wasserkonchylien wissen, ist nur geeignet, diese Hypothese
zu unterstützen. Die einzige Gattung der Najaden, welche
weit in die Sekundärperiode zurückreicht, ist die Gattung
Unio, und diese ist zugleich auch die weitest verbreitete, die
einzige kosmopolitische. So wie in Chili, so ist auch in
Australien und Neu-Seeland nichts von Anadonten gefunden,
ebensowenig wie die Gattung Ampullaria, welche doch von
den Philippinen bis nach Brasilien nirgends in tropischen
stehenden oder fließenden Gewässern fehlt. Wenn, wie schon
erwähnt, Günther die Süßwasserfische von Chili und Neu-
seeland in eine Region vereint, so ergibt ein Studium der
Najaden nur eine Bestätigung dieses Schlusses. Der in Neu-
seeland wie in Australien gefundene Unio mutabilis Lea ist
der allernächste Verwandte des chilenischen Unio auratus, und
es finden sich noch gar mancherlei Parallelen, für deren Ver-
folgung es mir nur noch zu sehr an authentischem Material
46 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
erwachsener wie jugendlicher Najaden von Australien und
Neu-Seeland gebricht. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß
die Lektüre dieses Aufsatzes mir von mancherlei Seite her
Unterstützung in meinen bezüglichen Studien bringe!
Es scheint mir, daß die erwähnten Tatsachen, hinsicht-
lich der nahen Beziehungen der Süßwasserfauna von Chili
und Südbrasilien einerseits, dem so auffälligen Mangel zahl-
reicher anderer Oharakterformen Brasiliens in Chili anderer-
seits, lediglich durch die von mir vertretene Hypothese ihre
Erklärung finden. Wenn Alligatoren und Schildkröten den
(sewässern im Westen der Anden abgehen, so erklärt sich
das nur durch die erst in der Tertiärzeit erfolgende Ein-
wanderung derselben. Wie in den Najaden, so besteht be-
kanntlich auch betreffs der Schildkröten ein gewaltiger Gegen-
satz zwischen Süd- und Nordamerika. Eine gemeinsame
Fauna beider Amerikas gibt es nicht, im Gegenteil einen
(segensatz, wie er größer gar nicht gedacht werden kann,
eine Tatsache, die nur verständlich ist, wenn man eine bis
gegen das Ende der Tertiärzeit währende Trennung annimmt.
Ich glaube daher nicht, daß es die in dem Artikel über die
Eiszeit von Dr. OÖ. Ankel in dieser Zeitschrift (S. 476)
kürzlich erwähnte, vorübergehende miocäne Verbindung beider
Amerikas gegeben hat, oder daß sie doch einen anderen, als
rein insularen Charakter trug. Jedenfalls kam sie in fau-
nistischer Hinsicht wenig in Betracht, und auch nur der
Kolumbiaregion zugute.
Auch die Süßwasserfische von Nordamerika sind die der
paläarktischen Region, die Characiniden, Chromiden usw.
Südamerikas aber haben in Afrika gleiche Vertretung. Es
ist klar, daß der auch erst am Ende der Tertiärzeit aus
mehreren Teilen zusammentretende afrikanische Kontinent
infolge der allmählich sich herstellenden oder wieder lösenden
Verbindungen mit angrenzenden Erdteilen nach und nach
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 47
eine ziemlich gemischte Fauna erhielt, was sich namentlich
auch in der Fischwelt ausspricht. Es ist aber wahrscheinlich,
daß faunistische und paläontologische Funde diejenige Summe
von Formen, die Südamerika und Afrika gemeinsam sind,
als den ursprünglichen Stock eines gemeinsamen Gebietes
erweisen werden, dessen einzelne abgelöste Teile dann teils
durch die in ihnen sich vollziehenden Umwandlungen der
Arten, teils durch Austausch mit Nachbargebieten überaus
wesentliche Änderungen in der Zusammensetzung ihres orga-
nischen Lebens erfuhren. Die zwischen Südamerika und
Afrika einst vorhandene Verbindung, welche damals in einer
großenteils identischen Fauna sich erwiesen haben muß, ist
dadurch in einem Maße verschleiert worden, daß sie sich
nicht mehr in auffälliger Weise zu erkennen gibt.
Und doch bedarf es nur des verständigen, alle in Be-
tracht kommenden Verhältnisse berücksichtigenden Forschens,
um dieser Züge mehr zu finden, als man erwartet. Es hat
lange als eine sehr überraschende Erscheinung gegolten, daß
die afrikanische Testudo suleata sich auch in Patagonien finde.
Hat man auch später, um dieser Schwierigkeit zu entgehen,
die Trennung beider so entfernt lebenden Vertreter in zwei
Arten befürwortet, so bleibt die nahe Verwandtschaft dieser
Arten doch unverändert. Für mich würde die spezifische
Identität nicht wunderbarer sein, als es die Erscheinung ist,
daß von den so gemeinen und so charakteristischen Ponte-
derien Südamerikas nicht nur mehrere Genera, sondern auch
eine Spezies, Kichhornia natans, auch im tropischen Afrika
vorkommen, neben Zistia stratiotes, Lemna polyrhiza, und an-
deren brasilianischen Wasserpflanzen. Die weltweite Ver-
breitung vieler Arten von Wasserpflanzen von Pommern bis
Australien, von Südamerika bis Ostindien usw. wäre nicht
zu verstehen, wollte man nicht annehmen, .daß es sich darin
um alte, schon in den Gewässern der Sekundärperiode ver-
48 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
breitete Arten handle, deren Verbreitung sich in einer Zeit
vollzog, wo die jetzt gesonderten Kontinente noch unter-
einander zusammenhingen.
Chili und Südbrasilien gemeinsam können daher nur
alte, schon im Jura wohl entwickelte Typen sein; diejenigen
Gattungen aber und Familien, welche erst mit Ende der
Kreide oder frühtertiär auf der Bildfläche erscheinen, fanden,
als die weite Wanderung nach Südamerika beendet war, den
Zugang nach Chili durch die Anden verlegt. Wären Schild-
kröten und Krokodile in Südamerika entstanden oder alt-
heimisch, so wären sie östlich, wie westlich der Anden vor-
handen; ihr Mangel in Chili weist also auf tertiäre Ein-
wanderung. Auch die Daten, welche uns die Paläontologie
liefert, stimmen hierzu. Wenn es auch schon im Jura Vor-
läufer der Krokodile und Chelonier gab, so findet man die
heutigen Gattungsvertreter oder ihre Verwandten doch erst
im Eocän, oder in der oberen Kreide. Ihre Ankunft in
Südamerika konnte daher erst in eine Zeit fallen, als die
Anden bereits den Weg nach Chili verlegt hatten.
Der Umstand, daß diese Brücke, die oft belächelte und
doch eine unabweisbare Voraussetzung bildende „Atlantis“,
schon zur Miocänzeit fehlte, und das beim Mangel einer Ver-
bindung Südamerikas mit Nordamerika auch ein Austausch
zwischen beiden Gebieten unmöglich war, hat eben dem so
lange Zeit hindurch isolierten Südamerika das eigenartige
Gepräge aufgedrückt, welches ihm, wie fast keiner anderen
geographischen Provinz eigen ist. Wie schon erwähnt, prägt
sich dies auch in der durch Strauchs treffliche Monographie
so wohl bekannten Schildkrötenfauna aus. Nur eine einzige
Art hat Südamerika mit Nordamerika gemein, Cinosiernon
leucostomum, eine von Mexiko über Zentralamerika bis in den
Magdalenenstrom gehende Art. Da diese Gattung fast ganz
auf Nordamerika beschränkt ist, so dürften auch die beiden
oe
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 49
anderen, im nördlichen Teile von Südamerika gefundenen
Arten, dieses Genus als spättertiäre Eindringlinge angesehen
werden. Auch die wenigen Vertreter der Gattung Spelerpes,
ebenfalls in Neu-Granada zu Hause, und die einzigen Re-
präsentanten der Südamerika vollkommen abgehenden Sala-
mandrinen oder Urodelen, sind offenbar ebenso sicher nord-
amerikanische Eindringlinge, wie das pleistocäne Wasserschwein
von Mexiko den gleichen Weg in umgekehrter Richtung zurück-
gelegt hat. Die in Nordamerika vertretenen Trionychiden
fehlen in Südamerika ebenso vollkommen, wie die in Afrika
und Südamerika entwickelten und in letzterem Erdteile die
Hauptmasse aller Schildkrötenarten bildenden Chelyden in
dem an Schildkröten so überreichen Nordamerika auch nicht
mit einer einzigen Spezies vertreten sind.
Mehr als die Tatsache eines ehemaligen Zusammenhanges
zwischen Afrika und Südamerika läßt sich aus den bisher
betrachteten Tatsachen zwar nicht ableiten, aber die Aus-
sicht auf eine Erkennung der alten Küstenlinien durch ver-
gleichendes Studium der Küsten-Konchylien, besteht, wie wir
schon sahen, dennoch. Wenn man die Küstenmollusken des
östlichen und westlichen Südamerikas studiert, so wird man
durch die Tatsache überrascht, daß von einer einzigen Sipho-
naria") abgesehen, die Arten und auch zum Teil die Gattungen
der beiderlei Küsten vollkommen verschieden sind. Im Gegen-
satze dazu kehren an der brasilianischen Küste eine be-
trächtliche Anzahl der im Mittelmeer und an der afrikanischen
Küste des atlantischen Ozeanes beobachteten Arten wieder.
Die Tatsache erscheint um so bemerkenswerter, als selbst
verhältnismäßig wenig alte Sperren zwischen benachbarten
Meeren, wie die von Panama und Suez, sehr. bedeutende
Unterschiede in der Zusammensetzung der beiderseitigen
!) Hierzu gesellt sich nach Dall noch Cuspidaria patagonica, die
in Westindien und an beiden Küsten Südamerikas gefunden wurde.
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 4
50 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
Küstenfauna zur Folge haben. Es ist sehr zu bedauern, daß
die Mehrzahl der Conchyliologen fast ganz in rein zoologisch-
systematischen Aufgaben aufgehen und Fragen wie die eben
berührten daher ungebührlich vernachlässigt werden.
Es wird bei Studien über geographische Verbreitung
der Tiere im allgemeinen viel zu wenig Gewicht gelegt auf
die zu Grunde zu legenden Tierklassen. Betrachtet man |
z. B. die Vögel von Nord- und Südamerika, so treten die
unzweifelhaft auch da vorhandenen Unterschiede viel weniger
klar zu Tage, als es dem wirklich tiefgreifenden Gegensatze :
beider tiergeographischen Regionen entspricht. Vermöchte
man ebenso genau wie bei Säugetieren die paläontologische
Entwicklung zu verfolgen, so würde das Verhältnis schon
I
anders liegen. Außerdem aber bieten Vögeln und Insekten :
schmale Meeresarme kein ernstes Hindernis der Verbreitung, '
wie das für Säugetiere und andere Landtiere gilt. Mehr
noch als Säugetiere aber sind alle exquisiten Süßwassertiere, ,
zumal auch die Najaden, in ihrer Verbreitung durch Meeres- ,
arme gehemmt. Selbst Süßwasserbecken, die ab und zu,
leicht brackig werden, oder Flußmündungen in gleicher Lage
schließen das Vorhandensein von Najaden aus. Schon aus‘,
diesem Grunde verdienen die Süßwasserfaunen als Mittel zur
Erkennung der alten Kontinente und ihrer gegenseitigen
Verbindung in besonderem Maße unser Interesse. Hierzu
kommt noch, daB für verhältnismäßig wenige Tiergruppen
das paläontologische Material reichlich genug zufließt, um |
nicht nur für die Erkenntnis der Phylogenie, sondern auch
für das Studium der geographischen Verbreitung in älterer |
Zeit verwertet werden zu können. Mollusken und Säugetiere .
stehen in dieser Hinsicht obenan, allein die reichlichere Ent-
wicklung der Säugetiere und die Entstehung der plazentalen .
und überhaupt aller der mannigfachen Typen der Lebewelt
beginnt erst im Tertiär. Die Entdeckung von Vorläufern
|
|
Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln. 51
der plazentalen Säugetiere in der oberen Kreide von Nord-
amerika durch Marsh ändert hieran nichts. Für die Be-
urteilung der geographischen Verbreitung der Säugetiere in
der Sekundärperiode leisten uns daher die Säugetiere keine
Dienste, wohl aber die mannigfaltigen Glieder der Süßwasser-
fauna.. Wenn wir nun erkennen, daß die paläontologisch
ältesten Gattungen derselben auch die geographisch weitest,
ja allgemein verbreiteten sind, so wird auch eine genaue
Kenntnis der zeitlichen und räumlichen Verbreitung der SüB-
wassertiere uns in früher nie geahnter Weise gestatten, die
ehemalige Gestaltung des Festlandes zu veranschaulichen.
Beim heutigen Stande der Kenntnis gewinnt es den
Anschein, als ob aus mehr oder minder kontinuierlich zu-
sammenhängenden Landmassen sich während der Sekundär-
zeit drei Archikontinente abgliederten, ein arktischer, ein
antarktischer und ein tropisch-atlantischer. Der
erstere deckt sich mit der von Heilprin u.a. angenommenen
holarktischen Region. Der Zusammenhang Europas mit Nord-
amerika muß damals ein viel ergiebigerer gewesen sein, während
eine Landverbindung mit Südamerika bis ganz zu Ende der
Tertiärzeit nicht bestand, oder doch nur in Inselketten vor-
übergehend zum Ausdruck kam.
Der Zusammenhang von Südamerika mit Afrika scheint
sich auch aus den freilich noch wenig studierten Najaden
ableiten zu lassen. Die afrikanischen Jridina und Spatha
haben in den Mycetopus und Anodonta von Südamerika ihre
nächsten Verwandten. J/ridina oder ähnliche Formen sind
auch in den brasilianischen eocänen Süßwasserablagerungen
enthalten, welche White wohl irrig der Kreide zurechnet,
und selbst in Australien treffen wir einen Mycetopus oder ein
verwandtes Genus, wie auch in Asien. Es sind mithin nächst
der Gattung Unio diese dünnschaligen langgestreckten iridin-
artigen Formen, welche zunächst nach Unio auftreten. Ihre
r
52 Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.
geringe Verbreitung in Australien und ihr Mangel in Neu-
Seeland und Chili zeigen, daß die Landbrücke, die einst
Australien mit dem indisch-malayischen Gebiete verband,
ziemlich während oder kurz nach der offenbar aus der.
Kreidezeit erfolgten Einwanderung von Mycetopus abgebrochen
wurde. Wäre sie länger geblieben, so hätte ja auch
Australien seinen Stock von plazentalen Säugetieren erhalten! :
Die erst tertiär auftretenden Najadengattungen haben daher
so wenig wie die Ampullarien Australien oder Neuseeland
erreicht. Mancherlei Beobachtungen über Wirbelskulptur
weisen mich auf näheren Zusammenhang der afrikanischen :
und südamerikanischen Unio hin; doch kann erst die Unter-
suchung der Tiere diese, wie so viele andere Fragen lösen.
Dem archiborealen und archiatlantischen Konti-
N
nente der Sekundärzeit würde sich endlich als dritter der
archiaustrale von Chili über Neuseeland bis Australien '
reichende anreihen. Die Untersuchung der alten Faunen
wird es sicher einst gestatten, den Zeitpunkt des Abbruches
der alten Landbrücke ebenso genau zu bestimmen, wie den
der sukzessiven Zusammenschweißung der einzelnen großen
Teile, aus denen der afrikanische Kontinent sowohl, wie der
südamerikanische, vielleicht auch der australische sich zu-
sammensetzten.
Wenn ich hier neben bereits von mir als gesichert an-
gesehenen Resultaten auch diese Hypothesen über die Geo-
graphie der Sekundärzeit mit aufnahm, so geschah es vor-
nehmlich, um die Tragweite der aus dem Studium der Süb-
wasserfauna sich ergebenden Folgerungen vorzuführen. Wie
es sicher nicht bestritten werden kann, daß das Verständnis
der heutigen geographischen Verbreitung der Tierwelt in der‘
schon von Wallace begründeten Weise nur durch beständigen :
Hinblick auf die paläontologische Entwicklung erzielt werden :
kann, so dürfte sich auch gar bald die Überzeugung allgemein
Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna. 53
festsetzen, daß für die Erkenntnis dieser Veränderungen vor
allem die Süßwasserfauna in Frage kommt, und daß sie für
die geographische Verbreitung der Organismen während der
Sekundärzeit sowie für die Beurteilung der damaligen Vertei-
lung von Land und Wasser nicht nur in erster Linie, sondern
fast ausschließlich in Betracht kommt. Von diesem Gesichts-
punkte aus wird sich das Studium der Süßwasserfauna immer
mehr in den Vordergrund des Interesses schieben und in
dem Maße an Bedeutung gewinnen, als an Stelle öder, rein
kasuistischer Behandlung ein planvolles Studium mit klarer
verständnisvoller Fragestellung tritt.
Fünftes Kapitel.
Über die Beziehungen der chilenischen und süd-
brasilianischen Süßwasserfauna.
(Verhandlungen des deutschen wissenschaftlichen Vereins zu Santiago,
Vol. II, 1891, p. 142—149.)
Seit Jahren beschäftigt mich das Studium der Süß-
wassermuscheln Südamerikas. Obwohl es mir noch sehr an
Material fehlt, lassen sich doch bereits manche interessante
Ergebnisse erkennen, und auf eines derselben möchte ich
hier hinweisen.
Die großen zweiklappigen, als Maler-Muscheln bekannten
Najaden der Bäche, Flüsse und Teiche sind in Südamerika
in einer großen Anzahl von Gattungen vertreten. Man
glaubte dieselben früher, je nach der Verwachsung der
Mantelränder in zwei Familien trennen zu können. Bei der
einen, den Unioniden, sollten die Mantelränder nur hinten,
dem After entsprechend, eine kurze Strecke weit verwachsen
sein, während bei den anderen, den Muteliden, nach unten
vom analen Mantelloch noch eine zweite branchiale, d.h. der
54 Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna.
Abteilung dienende Öffnung durch eine abermalige Ver-
wachsung der Mantelränder gebildet wird. Diese Einteilung
hat sich mir als ganz hinfällig erwiesen. In Wahrheit
gruppieren sich die verschiedenen Gattungen um die beiden
altbekannten Genera Anodonta und Unio, von denen ersteres
ein glattes Scharnier oder Schloß besitzt, indessen bei Unio
der Schloßrand der Schalen mehrere ineinandergreifende
Zähne hat. Von jeder dieser beiden Grundtypen aus ist es
zur Bildung von Formen mit geschlossenen Atemloche des
Mantels gekommen. So in der Anodontagruppe bei Columba
(Leila), Spatha und Pliodon, in der Uniogruppe bei Hyria,
Castalia und Castalina. Unter letzteren Namen fasse ich die-
jenigen bisher zu Unio gestellten, aber Castalia-ähnlichen Arten
zusammen, bei denen in der Regel auch eine Verwachsung '
der Mantelränder behufs Bildung eines Atemsiphos erfolgt,
die Seitenzähne aber nicht krenuliert sind, wie ich es bei
einer n. sp. ©. martensi v. Ih. des Rio Camaquam beobachtete.
Ich ziehe der Schalenähnlichkeit halber zu Castalina noch °
U. psammoicus Orb., orbignyanus Hupe, Castalia sulcata Krauß
und Nehringi v. Ih. aus Säo Paulo. Die Gattung Castalia,
weit entfernt davon, in der Stammesgeschichte der Naja-
den eine Rolle zu spielen, wie sie ihr kürzlich Neu-
mayr hatte zuweisen wollen, ist eine auf Südamerika be-
schränkte und aus südamerikanischen Unionen durch Ver-
mittlung von Castalina hervorgegangene Gattung, mit der die
jedenfalls nicht aus Südamerika, vermutlich aus Nordamerika
stammende Chama plumbea — Unio nodulosus Wood absolut
nichts zu tun hat.
Südamerika hat in den Gattungen Ayria, Castalia, Casta-
lina, Aplodon (Monocondylaea), Columba und Mycetopus eine
Reihe von eigentümlichen und in anderen Erdteilen nicht
resp. nur durch analoge Formen teilweise vertretene
Charakter-Muscheln. Sie alle zeichnen sich vor den Najaden
‘ Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna. 55
anderer Erdteile, soweit solche bis jetzt darauf untersucht
sind, durch den merkwürdigen Umstand aus, daß die Brut
in die innere der beiden, zwischen Körper und Mantel
hängenden Kiemen des Tieres gelangt, nicht in die äußere,
wie es bei den europäischen und nordamerikanischen der Fall
ist. Es ist hierüber bisher noch von keiner chilenischen Art
_ etwas bekannt, doch muß es auch da die innere sein, welche
die befruchteten Eier aufnimmt und bis zur Entwicklung der.
Larve behält. Wer sich hierum bekümmern wollte, müßte
zu verschiedenen Jahreszeiten Muscheln sammeln. Es ist
nicht schwer, an den geöffneten und in eine Schüssel mit
Wasser gelegten Tiere zu sehen, ob die beiden Kiemen leer :
sind, oder ob eine geschwollen und mit Eiern gefüllt ist.
Um solche Tiere zur Untersuchung zu konservieren, genügt
es, das Tier, wie es ist, in ein Glas Alkohol oder Brannt-
wein zu legen und darin absterben zu lassen. Es wäre sehr
wünschenswert, daß in dieser Weise in Chili auch gesammelt
würde.
Während nun Amerika, im ganzen genommen, eines der
an verschiedenartigen Gattungen und Typen der Najaden
reichsten Gebiete der Erde ist, gehören Chili und Peru,
soweit es westlich den Anden gelegen, zu den in dieser Hin-
sicht ärmsten und einförmigsten Teilen des Erdballes, in-
sofern hier lediglich die Gattung Unio vorkommt. Diese viel
zu wenig beachtete Tatsache wurde zuerst von dem würdigen
Ehrenpräsidenten Ihres Vereins, Dr. R. A. Philippi, neben
Burmeister dem Nestor und dem Stolze der Natur-
forscher Südamerikas, bekannt gemacht. Man hat nie ver-
sucht, sie zu deuten, doch läßt sich; glaube ich, eine Er-
klärung leicht geben.
Die Tatsache selbst ist um so bemerkenswerter, als sie
nicht allein steht. Auch die Gattung Ampullaria, eine von
Westindien bis Patagonien in zahlreichen Arten verbreitete,
56 Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna.
in Süßwasser lebende Deckelschnecke fehlt westlich der
Anden. Und was für Chili gilt, trifft auch für Neu-Seeland
und Australien zu, wo weder Ampullaria noch Anodonta an-
getroffen wird. Hält man diese Beobachtungen zusammen
mit der Tatsache, daß die geographische Verbreitung der
Süßwasserfische, wie wir sie durch Günther kennen, viel
nähere Beziehungen zwischen Chili und Neu-Seeland als
zwischen Chili und dem Afrika darin näher stehenden Bra-
silien nachweist, so kann man nicht darüber im Zweifel sein,
daß in älterer Zeit die Verbindung der Erdteile unterein-
ander eine wesentlich andere war, als heutigen Tages. Bei
dem Studium der Süßwassermollusken überhaupt finde ich,
daß diejenigen Gattungen, welche sehr weit zurückreichen, in
den Jura oder selbst bis ins Carbon, wie Physa, Limnaea,
Unio u. s. auch kosmopolitisch sind. Es hat offenbar während
der Primär- und teilweise noch der Sekundärepoche keine
Hindernisse für eine gleichmäßige Ausbreitung der Süßwasser-
tiere über die ganze Erde gegeben, und diese Anordnung
der Landmassen muß sich zum Teil noch in die Sekundär-
und selbst Tertiärzeit erhalten haben.
Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint es nicht im
mindesten überraschend, wenn wir Unionen der Niaea-Gruppe,
welche auf Südamerika und Neu-Seeland resp. Australien be-
schränkt ist, zu beiden Seiten der Anden antreffen, denn
die Gattung Unio ist fossil schon vom Jura bekannt und die
große sperrende Scheidewand zwischen Chili und Brasilien
existierte damals noch nicht. Die Erhebung der Andenkette
an der Stelle, wo das Jura-Meer flutete, fällt in den Beginn
der Tertiärzeit oder das Ende der Kreideepoche Da mit
diesen gewaltigen Hebungen auch Senkungen werden ver-
bunden gewesen sein müssen, so läßt sich die damalige Kon-
figuration des Festlandes wohl kaum je sicher ermitteln. Die
Tatsachen aber, welche die geographische Verbreitung der
m Tr
Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna. 57
Süßwassertiere uns kennen lehrt, beweisen klar, daB vor
Hebung der Anden ein identisches Tierleben im Süßwasser
diesseits wie jenseits der Anden sich ausbreitete. Die
Hebung den Anden setzte dem Austausche ein Ziel.
Während Chili die aus der Sekundärzeit überkommenen
Formen beibehielt und weiter entwickelte, bekam das zu
Beginn der Tertiärzeit mit Afrika zusammenhängende östliche
Südamerika einen reichen Stock von Einwanderern, welche
ebenso wie die überkommenen Unionen ihre eigenartige Ent-
wicklung im Laufe der Tertiärzeit durchzumachen hatten.
Die reiche Gliederung der Stromsysteme Südamerikas ver-
anlaßte eine überaus mannigfache Entwicklung der Süßwasser-
Fauna, und der offenbar lange Zeit hindurch noch erhaltene
Zusammenhang der Gewässer des La Plata und des Ama-
zonas in der bolivianischen Tiefebene erklärt uns die über-
raschende Tatsache, daß zahlreiche Najaden nicht nur in
ähnlichen Formen, sondern selbst in identischen Spezies in
beiden Stromgebieten vertreten sind. Der Ausbreitung nach
Chili hin aber war durch die Kette der Anden eine unüber-
steigbare Schranke gezogen.
Meine Sammlung ist noch viel zu arm an Vertretern
der chilenischen Gewässer, um mir schon ein Urteil über die
Arten zu gestatten. Aber manche der Ähnlichkeiten sind
zu auffallend, um nicht ohne weiteres einzuleuchten. Unio
auratus Swains von Chili entspricht dem Unio mutabilis Lea
von Australien und Neu-Seeland, sowie dem Unio rhuacoieus
Orb. von Uruguay. Unio atratus Sow. von Chili ist wahr-
scheinlich mit Unio lepidior Lea. im Rio Uruguay, Unio
araucanus Phil. mit U. faba Orb. von Uruguay identisch und
Unio montanus Phil. steht U. beskeanus Dkr. von 8. Paulo
sehr nahe. Während die großen Ströme von Rio Grande
do Sul größtenteils mit den im Uruguay -Strome lebenden
identische Najadenarten beherbergen, steht es anders mit den
58 Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna.
Bächen der Gebirge. Es scheint fast, als habe sich in sie
der ältere einheimische Stock von Najaden zurückgezogen !),
denn ganz ähnliche Arten finden sich auch in den Küsten-
flüssen von St. Catharina, und gerade in diesen Gebirgs-
formen ist die Ähnlichkeit mit chilenischen Arten am aus-
geprägtesten.
Wenn man in Chili beginnt, diesen interessanten
Problemen die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen, so
werden sich die Berührungspunkte sicher noch sehr ver-
mehren. Neben den Unionen von Rio Grande do Sul kommen
auch andere Süßwassermollusken in Chili gleichfalls vor,
wie z. B. die eigentümliche Gattung Chilina, welche auf Chili
und das La Plata-Gebiet beschränkt ist. Auch bezüglich
der Süßwasser-Krebse besteht das gleiche Verhältnis. Man
hat einen dem europäischen Flußkrebs ähnlichen Parastaeus
chilensis M. Edw. beschrieben, der seine nächsten Verwandten
in Rio Grande do Sul hat (Parastacus brasiliensis v. Mart.).
E. v. Martens beschrieb eine zweite Art als A. pilimanus,
doch wären, nach Burmeisters mir brieflich gemachter
Mitteilung, beide Formen nur Mann und Weib einer einzigen
Spezies. Es wäre sehr wünschenswert, in Chili diesen
Krebsen nachzustellen, sowohl um die Arten mit den hiesigen
zu vergleichen, als auch um dort über ihre Lebensweise Be-
obachtungen anzustellen. Parastacus brasiliensis zieht sumpfiges
Terrain dem fließenden Wasser vor und errichtet von seinen
unterirdischen Galerien aus senkrecht zur Bodenoberfläche
aufsteigende Gänge, deren Ende er durch einen dieken 10
bis 12 cm hohen schornsteinförmigen Aufsatz krönt. Was
dieser Schornstein, dessen oberes Ende oft durch eine Platte
aus Lehm verschlossen wird, in biologischer Hinsicht be-
deutet, ist mir bisher nicht zu ermitteln gelungen. Nie habe
') In der Serra dos Taipes habe ich auch einen Vertreter der
andinen Fischgattung Triehomyeterus aufgetrieben.
Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna. 59
ich, trotz häufigen Suchens, den Krebs bei der Arbeit ge-
troffen, die, wie ich vermute, nur bei Nacht ausgeführt wird.
Ob wohl der chilenische Parastacus auch solche Schornsteine
in feuchten Niederungen aufwirft? (Ja! Ochsenius. S. auch
Gay, Zool. IH, 205.)
Eine andere eigentümliche Krustazee von Chili ist
die Süßwasserkrabbe Aeglea laevis Leach. Sie findet sich
nach E. v. Martens von mir zu bestätigender Angabe auch
in Rio Grande do Sul, und was mir besonders eigentümlich
erscheint, ich traf auf ihr den merkwürdigen Parasiten
massenhaft an, den Gay von den chilenischen Exemplaren
der Art als Temnocephala chilensis beschrieb. Meines Er-
achtens sind die chilenischen Gewässer noch sehr unvollkommen
auf ihre Krustazeen untersucht, und es verdiente dieser Gegen-
stand alle Sorgfalt. Manche Krebse fängt man in versenkten
Gefäßen an faulem Fleische usw., andere zwischen W asser-
pflanzen mit dem Netz oder beim Durchsuchen größerer
Mengen rasch herausgerissener Pflanzen, und wieder andere
greift man zwischen Steinen und beim Umdrehen von Stein-
blöcken. An solchen sitzen an der Unterseite auch häufig
kleine Schnecken oder erbsengroße Muscheln mit einem
Faden angesponnen, sowie als rasenförmige Überzüge Bryo-
zoen, oder auch die noch so wenig studierten, meist flachen,
wenig dicken Süßwasserschwämme. Alle diese Schätze wan-
dern in ein Glas mit weiter Öffnung, in das man Brannt-
wein füllt. Ein oder zwei solche Gläser lassen sich auch
bei Reisen in den Anden wohl mitführen, und unter den
Reisegefährten und Knechten finden sich für gewöhnlich
einige, welche man für den Fang von Muscheln, Krebsen
und Schnecken interessieren kann. Von den Muscheln sind
womöglich von jeder Sorte je einige mit dem Tier in einem
Glase mit Branntwein aufzubewahren, die anderen werden
abgekocht und nach Entfernung des Tieres getrocknet.
60 Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna.
Letzteres geschieht am besten mittels Einklemmen zwischen
zwei Leisten, damit die Schale in getrocknetem Zustande
geschlossen ist, oder man umwindet sie mit Bindfaden usw.,
ehe man sie trocknen läßt. Auch totgefundene Schalen
sind, wenn noch einigermaßen erhalten, aufzuheben, am wert-
vollsten sind natürlich immer die frisch gesammelten. Haupt-
sache ist genaue Notierung des Fundortes für jede Sammlung.
Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß diese Zeilen dazu bei-
tragen möchten, mir Unterstützung in meiner Arbeit unter
den Landsleuten in Chili zu schaffen. Es liegt mir dabei
daran, eine größere Anzahl Exemplare, alte wie junge, von
den einzelnen Fundorten zu erhalten, weil nur größere Serien
ein Urteil erlauben über die Variationsbreite der einzelnen
Arten. Nur reiches Material, alle Alters- und Geschlechts-
stadien, verbunden mit der Untersuchung des Tieres und
seiner Larven lassen schließlich ein sicheres Urteil zu über
die einzelnen Arten der Najaden, deren Unterscheidung ein
überaus schwieriges Gebiet darstellt. Schon einmal haben
hervorragende Vertreter des Deutschtums in Chili durch
Sammeln von Najaden die Wissenschaft gefördert, und Unio
Foncki und U. ochseniusi bewahren die dankbare Erinnerung
daran in der Wissenschaft auf. Möchte mir es beschieden
sein durch diese Darstellung der Sachlage, Mitarbeiter an
meiner schwierigen aber interessanten Aufgabe zu finden!
Wenn ich dann etwa nach Jahren es nochmals ver-
suchen sollte, Ihnen den Stand der hier behandelten Fragen
vorzuführen, so würde durch die Intervention Ihres Vereines
eine weit bessere, breitere und umfassendere Grundlage für
die betreffende Diskussion geschaffen sein, als das heute der
Fall ist.
Wenn schon überhaupt wahrscheinlich ist, daß man bald
die Berechtigung meines Standpunktes anerkennen wird, der
für Ermittelung der älteren vortertiären geographischen Be-
Über die Beziehungen der chilenischen u. südbrasil. Süßwasserfauna. 61
ziehungen der Erdteile und ihrer Floren und Faunen die
Süßwasserfauna in den Vordergrund schiebt, so glaube
ich, daß man angesichts der hier erwähnten Tatsachen die
Berechtigung der Forderung ohne weiteres zugestehen wird,
daß die Süßwasserfauna von Chili einerseits und von Süd-
brasilien und dem La Plata andererseits der sorgfältigsten
Untersuchung in besonderem Grade würdig sind und dab
diese Untersuchungen der genauesten gegenseitigen Kontrolle
bedürfen, immer aufeinander Bezug nehmen müssen, um die
übereinstimmenden oder korrespondierenden Formen fest-
zustellen und aus dieser durch paläontologische Funde er-
gänzten Übereinstimmung die Zusammensetzung der prä-
tertiären Süßwasserfauna zu ermitteln. Was der chilenischen
Süßwasserfauna abgeht und auch in der ganzen Tertiärzeit
fehlte, mögen es nun Anodonten und Ampullarien sein oder
Schildkröten und Alligatoren, ist tertiärer Zuwachs zur Fauna
Südamerikas, der aber nicht über Nordamerika einzog, mit
dem der Zusammenhang erst am Ende der Tertiärzeit zu-
stande kam, sondern über Afrika. In einer demnächst zu
publizierenden Abhandlung denke ich nachweisen zu können,
daß Siidamerika seinen alten Stock von Säugetieren nicht
aus Nordamerika, sondern aus der alten Welt bekam. Wo
die Brücke lag, wird die Wissenschaft einst feststellen. Ihr
Untergang in der Mitte der Tertiärzeit schuf eine durch die
miocäne und pliocäne Zeit währende Isolierung Südamerikas,
welche die Ausbildung der überaus eigenartigen Tierwelt
dieses Kontinentes ermöglichte. Während aber für die
Tertiärzeit die Säugetiere und ihre geographische Verteilung
stets in erster Linie stehen werden, ist das für die vor-
tertiären Zeiten anders. Weder Säugetiere noch Saurier und
andere Landtiere haben sich, von wenigen Ausnahmen ab-
gesehen, aus der Sekundärzeit bis in unsere heutige Zeit er-
halten. Wohl aber finden wir unter den Fischen so gut wie
62 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika
unter den Mollusken solche langlebige Typen massenhaft vor,
und es ist daher sicher wohl begründet, wenn zum Studium
der älteren Verbreitungsbezirke der Tierwelt von mir die
Süßwasserfauna hervorgezogen wird. |
Für Brasilien ist es schwer, das alt-einheimische Element
mit seiner Nachkommenschaft von dem massenhaften Zu-
wachs während der Tertiärzeit zu trennen. Lösbar aber ist
die Aufgabe, und zwar durch das Studium der vortertiären
Süßwasserfauna, wie sie uns durch die Bewehnerschaft der
Flüsse und Teiche von Chili und Westperu erschlossen wird.
Ihre Erforschung ist daher eine der wichtigsten Aufgaben,
welche auf tiergeographischem Gebiete für die nächste Zeit
ihrer Lösung harren. Durch Beobachtung seiner Umgebung,
durch Sammeln der Muscheln und Schnecken, der Krebse
und sonstige Süßwasserbewohner seiner Umgebung ist jeder
von Ihnen, meine Herren, in der Lage, mich in diesem
Studium fördern und eine der interessantesten, wissenschaft-
lichen Aufgaben ihrer Lösung nähern zu helfen. Tertiäre
Süßwasserablagerungen, die ja von hohem Interesse sein
würden, sind mir bisher in Chili nicht bekannt, doch wird
ohne Zweifel Ihre vielseitige Erfahrung in mehr als einem
Punkte mir Belehrung zuteil werden lassen können.
Sechstes Kapitel.
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-
Seeland und Südamerika.
(Das Ausland, Stuttgart 1891, Nr. 18.)
(Übersetzt: On the aneient Relations between New Zealand and South
America, Transaetions of the New Zealand Institute, Vol. XXIV, 1891,
p. 481-445.)
Die folgenden Erörterungen sind veranlaßt durch die
Lektüre der hervorragenden Arbeiten, welche H. Kapt.
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 63
Hutton!), F.G.S. über den Ursprung der Flora und Fauna
von Neuseeland veröffentlichte und welche mir durch die
Güte des Autors zugänglich wurden. Im großen ganzen
entsprechen dieselben auch den Vorstellungen, welche ich
über den ehemaligen Zusammenhang der in Betracht
kommenden Gebiete gewonnen, und das besonders im Gegen-
satze zu Wallace, mit dessen Ansichten ich mich ebenso
wie Hutton in vielen Punkten in Widerspruch befinde.
Der wesentlichste Mangel der Wallaceschen Studien
liegt meines Erachtens darin, daß er zu wenig Unterschied
macht zwischen den einzelnen Gruppen des Tierreiches. —
Vögel und Säugetiere, deren lebende Gattungen erst im
Tertiär auftreten, müssen offenbar eine andere geographische
Verbreitung zeigen als Knochenfische, Reptilien usw., welche
schon in der Kreide und bei Beginn des Tertiärs repräsen-
tiert waren, oder als viele Land- und Sübwassermollusken,
welche während der ganzen Sekundärepoche oder schon
paläozoisch angetroffen werden. A.R. Wallace (Darwinism.
H. Edit., London 1889) hält auch jetzt noch an der „per-
manence of oceanic and continental areas“ fest. Ich bin
ebenso sehr überzeugt von der Irrigkeit dieser Lehre, welche
rein willkürlich die Tausendfadenlinie als im wesentlichen
der Grenze der alten Kontinente entsprechend ansieht, als
ich nicht daran zweifle, daß schon im kommenden Jahr-
hundert den Ideen Darwins und Wallaces über die
„natural selection“ als die Ursache der Artenbildung nur
noch ein historisches Interesse beigelegt werden wird. Ich
finde die Vorstellung von Wallace, wonach Land- und
Süßwassermollusken, Eidechsen usw. über den ganzen paci-
fischen Ozean durch Wogen des Meeres verbreitet worden
ı) F. W. Hutton, On the origin of the Fauna and Flora of
New Zealand. Pres. Adress to the Philosoph. Inst. of Canterbury 1883
and 1884.
64 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika,
sein sollen, mehr als kühn. Jedenfalls ist es bei solchen
Umständen nur natürlich, wenn man nach einer minder ge-
zwungenen Erklärung sucht.
Es ist eine merkwürdigerweise bisher noch kaum be-
achtete Tatsache, daß diejenigen Land- und Süßwasser-
mullusken, welche erst im Tertiär erscheinen, eine sehr be-
schränkte oder auf einige Regionen begrenzte Verbreitung
aufweisen, indes Gattungen, welche schon paläozoisch
existierten, kosmopolitisch sind. So sind Ampullaria und
Anodonta, die erst Ende der Kreide auftreten, weder in
Chili, noch in Australien, Neuseeland oder Polynesien ver-
treten. Die Gattung Unio aber, welche wir schon im Jura
kennen, fehlt in den obengenannten Gebieten nicht, wird
vielleicht auch auf Fidschi!) noch aufgefunden werden. In
Chili und Neu-Seeland ist Unio der einzige Vertreter der
Familie der Najaden, ebenso im südwestlichen Australien
und Westaustralien; aber in Nordaustralien findet sich noch
ein Vertreter der Gattung Mycetopus, welche in mehr oder
minder nahe verwandten Repräsentanten auch in Südamerika,
Afrika und Südasien angetroffen wird, und die offenbar auch
von letzterem Gebiete aus bis Australien vorgedrungen ist.
Noch weiter jedoch als Unio sind auch in der Südsee
vertreten: ZLimnaea, Physa, Planorbis, Ancylus, Amphipeplea,
Pupa, Zonites, Succinea, fast alles Gattungen, welche schon aus
dem Karbon nachgewiesen sind. Hierauf ist bisher viel zu
wenig geachtet; für die Nephropneusten (Pulmonata stylommato-
phora aut.) ist es auch zum Teil noch nicht möglich, weil
wir noch zu wenig von der Anatomie der in Betracht
kommenden Gattungen wissen. Habe ich doch vor einigen
Wochen hier durch anatomische Untersuchung eine unserer
„Hyalinen“ als eine Mikrocystis erkannt, eine Gattung, die
!) Eine Art angeblich auch auf den Sandwichsinseln (U. con-
tradens Lea).
|
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 65
aus anatomischen Gründen — Mangel des Receptaculum
seminis — wohl als eine der allerältesten anzusehen ist. Ist
doch die älteste bekannte Nephropneuste überhaupt eine
devonische Zonitide, vielleicht eine Microcystis resp. nahe
verwandte Gattung. Vielleicht gehören auch Patula, Strep-
tawis, Stenogyra u. a. zu dieser Gruppe uralter und kosmo-
politischer Landschnecken, deren Verbreitung in Raum und
Zeit eine eingehende Beachtung verdiente. Freilich ist dabei
sorgfältige anatomische Untersuchung die Vorbedingung, und
deshalb dürfte unsere Kenntnis auch nur langsam voran-
schreiten. Ferner sind manche derselben möglicherweise ein-
geschleppt. Dies alles ist minder zu befürchten bei den
Süßwasser-Mullusken, deren Einschleppung, wo sie nicht ab-
sichtlich oder mit Fischeiern usw. geschieht, in viel ge-
ringerem Umfange erfolgt, und bei denen wesentliche Irrungen
in der Bestimmung minder leicht zu befürchten sind.
Diese Momente haben mich veranlaßt, mich eingehend
mit dem Studium der Najaden zu befassen und überhaupt
der Süßwasserfauna, dem zuverlässigsten Wegweiser
für Erkenntnis der Geographie des Erdballes
während der paläozoischen und mesozoischen Zeit,
meine ganz besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Ich bin
überzeugt, daß der Wert der Sübwasserfauna in diesem Sinne
bald allgemein anerkannt werden wird, und sehe mich hierin
auch im Einverständnisse mit Professor Hutton, welcher so
einleuchtend nachwies, daß die Einwanderung von Vögeln
und Fröschen in Australien auf verschiedenen Wegen und
zu verschiedenen Zeiten vor sich gegangen sein muß. Auch
darin bin ich mit Hutton im Einverständnisse, daß eine
alte Verbindung zwischen Südamerika und Neu - Guinea
Australien usw. bestanden haben muß, welche die vielerlei
nahen Beziehungen beider Gebiete in Flora und Fauna er-
klärt. Aber in Bezug auf Südamerika selbst haben teils
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 5
66 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika.
meine eigenen Forschungen, teils sonstige neuere Ent-
deckungen so viel neue und wesentliche Gesichtspunkte er-
geben, daß manches an Huttons Darstellung einer Änderung
bedarf, worauf hinzuweisen der Zweck dieser Zeilen ist.
Hutton sagt: „Our general results then are that in
early mesozoic times N. Zealand, Eastern Australia and
India formed one biological region land probably extending
continuously from N. Zealand to N. S. Wales and Tasmania.
During the lower cretaceous period a large pacific continent
extended from N. Guinea to Chili, sending south from the
neiehbourhood of Fiji a peninsula that ineluded N. Zealand.
Nearly all the Southern part of America was submerged.
This continent supported dicotyledones and other plants,
insects, land-shells, frogs, a few lizzards and perhaps snakes
and a few birds, but no mammals. In the upper cretaceous
period N. Zealand became separated; the south pacifie con-
tinent divided in the middle between Samoa and the Society
Islands an (the eastern portion being elevated while the
centre sank) it ultimately became what we know now as
Chili, La Plata and Patagonia.“
Untersuchen wir nun, wie sich die faunistischen und
geologischen Tatsachen zu dieser Hypothese verhalten. Das
Studium der Süßwasserfauna zeigt uns eine überaus große
Übereinstimmung zwischen Chili und Südbrasilien. Die hier
wie dort mit Lemna und Conferva bedeckten, mit Binsen,
Typha, Sagittaria, Potamogeton usw. bestandenen Gewässer
beherbergen neben Unio, Cyrena, Pisidium Arten von Planorbis,
Limnaea, Ancylus, Physa, Chilina, dazu einige Gattungen
Frösche und Süßwasserfische, sowie an Krebsen Parastacus
und Aeglea.
Wie weit hinsichtlich der niederen Tierwelt die Über-
einstimmung geht, ist nicht bekannt. Aeglea laevis aber
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 67
kommt sowohl in Chili vor, wie in Rio Grande do Sul?).
In Santa Catharina traf Fritz Müller noch eine zweite
Spezies an. Eigentümlich ist die Verbreitung von Parastacus.
Außer in Chili finden sich Arten dieses Genus in Entrerios
in Argentinien (Burmeister), Uruguay (E. Berg), Rio Grande
do Sul (Hensel, v. Ihering) und St. Catharina (Fritz
Müller). Genau mit diesem Verbreitungsgebiete deckt sich
auch jenes der Chilinaarten. Kürzlich erhielt ich eine neue
zwischen /luminea und gibbosa stehende Spezies (mülleri mihi),
welche Fritz Müller im Itajahy in St. Catharina sammelte,
wo sie neben Lithoglyphus lapidum an Steinen gemein ist.
Vermutlich wird sich dieses Gebiet bis Parana ausdehnen,
aber es ist nicht wahrscheinlich, daß dasselbe bis Rio de
Janeiro sich erstrecken sollte, wo doch schon von vielen
Naturforschern gesammelt wurde. Auch tritt um Rio de
Janeiro herum in den zum Atlantischen Ozean ziehenden
Flüssen eine neue besondere Süßwasserfauna auf, zumal an
Najaden, während jene St. Catharina noch sehr denen aus
Chili gleichen?).
Wir haben es somit hier mit einem gemeinsamen Süb-
wassergebiete zu tun, das in ältester Zeit offenbar ein
auch geographisch einheitliches, zusammenhängendes Gebiet
repräsentierte. Ich will dieses alte Terrain als Archiplata
bezeichnen. Dasselbe muß als ein niederes und reichlich
mit Flüssen und Sümpfen durchsetztes Land bestanden
haben vor der Hebung der Anden, denn nur so erklärt sich
eine Verbreitung von Formen, die auf das Süßwasser an-
1) An beiden Stellen mit dem Parasiten Temnocephala chilensis
behaftet, der außer bei Parastacus hier auch bei Ampullaria canali-
culata vorkommt.
2) Ich erkenne etwa ein Dutzend Arten Unto aus Chile an, von
denen vielleicht noch einige eingehen. Davon aber kommen nicht
weniger als sechs in Rio Grande und La Plata vor, teils absolut identisch,
teils nur sehr wenig voneinander abweichend.
5*
68 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika.
gewiesen und beschränkt sind, und für welche die Kette der
Anden ebenso ein unübersteigbares Hindernis würde gebildet
haben, wie sie es tatsächlich für alle von Norden her nach
Süden eindringenden Einwanderer später bildete, mögen sie
nun Anodonta, Mycetopus usw. oder Ampullaria heißen, mögen
sie den Alligatoren und Schildkröten oder den Characiniden,
Chromiden usw. angehören, oder als Vertreter einer neuen
tropischen Süßwasserflora erscheinen, wie Viktoria und Ponte-
deriaarten. Diese alle fehlen nur deshalb in Chili, weil zur
Zeit ihrer Ausbreitung nach Archiplata hin bereits die Hebung
der Anden begonnen hatte und eine zwar noch nicht hohe
aber doch schon trennende Wasserscheide errichtet war,
welche der Ausbreitung gen Westen Schranken setzte.
Durch diesen tertiären Zuwachs ist dann die Tier- und
Pflanzenwelt östlich der Anden enorm verändert worden; die
Süßwasserfische — von denen ich z.Z. nur zwei Rio Grande
do Sul und Chili gemeinsame Genera kenne: Gobius und
Trichomyeterus — zogen sich nach Süden zurück oder gingen
unter im Kampfe gegen das Heer von neuen Eindringlingen.
Es ist Aufgabe künftiger Forschung, die gesamte Fauna und
Flora dieses Archiplatagebietes zu ermitteln. Vieles wird
dadurch verständlich werden. So die von mir aufgefundene
Verbreitung der Pinguine (Spheniscus magellanieus) an der
Küste von Rio Grande do Sul und mancher Lazertilier.
Die von mir in Rio Grande aufgefundenen Arten von
Liolaemus, Saccodeira und Urostrophus gehören Gattungen an,
welche vorzugsweise in Chili und Patagonien einheimisch sind.
Auch von patagonischen Sträuchern und Bäumen sind manche
noch im Süden von Rio Grande do Sul vertreten.
Wenn wir diese alte Tierwelt von Archiplata mit jener
von Neu-Seeland und Australien vergleichen, so finden wir
sehr viele Berührungspunkte. Die Erkenntnis, daß die
Unio-Arten Neu-Seelands und mancher angrenzenden Gebiete
#
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 69
nur in Chili und Südbrasilien nahe verwandte Arten besitzen,
bildete für mich den Ausgangspunkt zur Verfolgung der hier
behandelten Fragen. Ich hoffe durch Prof. Hutton und
andere Gelehrte in Neu-Seeland und Australien in den Stand
gesetzt zu werden, diese Frage einer auch auf die Tiere
sich ausdehnenden, gründlichen Untersuchung unterziehen zu
können. Günther vereint ja Neu-Seeland mit Chili und
Patagonien ebenfalls zu einer Region der Süßwasserfische,
und die Parastaciden lehren das gleiche, wie auch viele Tat-
sachen der Botanik auf eine alte Landverbindung zwischen
diesen Gebieten hinweisen.
Ehe wir weiter auf diese Verhältnisse eingehen, müssen
wir jedoch suchen, uns ein Bild von der Geologie Archi-
platas zu entwerfen. Die Ansicht Huttons, wonach dieses
ganze Gebiet während der Juraformation vom Meere bedeckt
gewesen sein soll, stützt sich vor allem auf die Verbreitung
verschiedener jurassischer Schichten in den Anden, Ohne
Zweifel nahm damals eine tiefe Meeresbucht die Stelle der
Anden ein, allein zu deren Seiten konnte niederes Festland
bestehen. In der alten Archiplatafauna haben wir es, was
Mollusken und Krustaceen betrifft, mit Gattungen zu tun,
welche direkt oder durch nahe Verwandte schon im Jura
vertreten sind. Außer dem altertümlichen Zuge dieser vor
die Hebung der Anden fallenden Fauna sprechen auch
geologische Funde dafür, daß Teile von Archiplata ein sehr
altes Festland repräsentieren. Außerhalb der Anden ist Jura
bisher weder am La Plata noch in Brasilien gefunden. In
Rio Grande do Sul ist nur Steinkohle nachgewiesen. Man
hat dieselbe öfters als jüngeren Datums ausgegeben, allein
ich habe selbst aus den Minen von S. Jeronymo einen
prächtigen Lepidodendronstamm gesehen. Liais!) gibt an,
1) Liais, Climats, Geologie, Faune du Brazil. Paris 1872. S. 201.
70 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika.
derselbe sei von Oaruthers als Flemingites Pedroanus be-
schrieben, und es fänden sich daneben Arten von Noegge-
rathia, Glossopteris, Odontopteris und Calamite. Ob nun diese
Flora wirklich dem Karbon oder, wie Liais meint, der Trias
angehört, wollen wir dahingestellt sein lassen; jedenfalls be-
weist sie, daß hier zu Beginn des mesozoischen Zeitalters
Festland mit reicher Flora existierte.
Kreideschichten sind in diesem Gebiete, also außerhalb
der Anden, nicht bekannt, sind aber zwischen Pernambuco
und dem Amazonas reich entwickelt und von White treff-
lich studiert worden. Dieser Forscher machte auch eine
kretazische Süßwasserformation bekannt, welche nahe bei
Bahia gelegen ist. In der Tertiärzeit reichte das Meer bis
an die Anden, wo bei Pebas eine von Böttger sorgfältig
untersuchte Brackwasserfauna abgelagert wurde. Neuerdings
hat nun Ochsenius!) nachgewiesen, daß bedeutende Teile
der Anden erst gegen oder nach Ende der Tertiärzeit auf
die jetzige Höhe gehoben wurden. Sowohl in Chili (370
S. Br.) als in Bolivia (Postosi) sind tertiäre Pflanzen ge-
funden worden, deren Bearbeitung Engelhardt übernahm,
Diejenigen von Chili sind noch nicht publiziert, gehören aber
Gattungen an, die jetzt fast nur in dem tropischen Süd-
amerika leben, auf ein warmes, feuchtes Klima hinweisen
und mit wenigen Ausnahmen in Chili erloschen sind. Ähn-
lich steht es mit den Arten von Cassia, Sweetia, Leptolobium,
Myrica usw., welche bei Potosi (190 S. Br.) in einer Höhe
von 4200 m gefunden wurden und unmöglich in der Höhe
gewachsen sein können, in welcher sie sich jetzt befinden.
Hiernach haben wir uns die heutige Flora von Chili
als eine dem rauheren Klima der Gegenwart angepaßte, wohl
!) Zeitschrift der Deutschen Geologischen Gesellschaft 1886, S. 766
bis 772, sowie „Die Natur“, Jahrgang 36, 1887, Nr. 40/41, sowie
39. Jahrgang, 1890, Nr. 38, 39.
ee
-
' Über die alten Beziehungen zwischen N eu-Seeland und Südamerika. 7]
großenteils von Süden her eingewanderte vorzustellen, welcher
' in der Tertiärzeit, als die Anden erst eine geringe Höhe be-
saßen, eine tropische vorherging, die bei Hebung der Anden
sich nach Brasilien und den angrenzenden tropischen Ge-
bieten verzog. Wie manche Änderung in der Tierwelt mag
mit solcher Änderung in der Flora Hand in Hand gehen!
Ich erinnere nur an das Fehlen der Gattung Ayla in Chili,
welche doch wahrscheinlich ebenso dem archiplatischen Ge-
biete gemeinsam zukam, wie die Cystignathidae, und welche
beide in Australien vertreten sind und in Afrika fehlen —
Tatsachen, welche von Bedeutung sind und erklärt sein
wollen. Meines Erachtens muß also Chili, falls nicht doch
noch einige Vertreter der Zylidae sich im Lande erhielten,
in der Tertiärzeit Hyla- Arten besessen haben.
Ochsenius erinnert daran, daß nach Le Conte!) auch
die Hebung der Sierra Nevada in Kalifornien eine post-
tertiäre war, daß im Titicacasee eine Reliktenfauna von
Krustaceen des pazifischen Ozeans lebe, und daß Agassiz
in dessen Nähe 900 m über dem Meeresspiegel fossile Korallen
fand, welche den rezenten des pazifischen Ozeans entsprechen.
Auch die Kreideablagerungen von Peru und Bolivia ver-
danken nach Ochsenius ihre Hebung wesentlich Vorgängen
der Quartärzeit, während gleichzeitig das chilenische kohlen-
führende Tertiär-Littoral eine Senkung erlitt. Auf solche
relativ späte Senkungen an der chilenischen Küste weist ja
‚auch die weitgehende Übereinstimmung von Flora und Fauna
Chiloös mit jener Chilis selbst hin. Die Unio z. B. von
Chilo& sind identisch mit jenen von Chili und vielleicht auch
von Neu-Seeland.
Die Ansicht von Ochsenius wird von vielen namhaften
Geologen geteilt, von anderen bestritten. Die hervorgehobenen
») Vgl. Vortrag „National Academy of Seience“, Washington,
3. Mai 18886.
73 Uber die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika.
Tatsachen lassen sich mit ihr wohl vereinen, insofern eben
aus unseren tiergeographischen Betrachtungen sich nur ergibt,
daß bei Beginn des Tertiärs oder bald danach auch in der
Gegend der heutigen Anden eine wenn auch geringe Er-
hebung schon eingeleitet gewesen sein muß, welche es erklärt,
wie die sukzessive von Norden anlangenden Einwanderer des
Süßwassers diese Wasserscheide nicht mehr überschreiten
konnten. Dieses niedere Mittelgebirge bot andererseits auch
den Weg dar, auf dem die plazentalen Säugetiere des argen-
tinischen Tertiärs ihren wohl oligocänen Einzug halten
konnten, der spätestens in die Zeit zu Beginn des Miocäns
fallen kann.
Fragen wir uns, wie hier die orographischen Verhält-
nisse bei Beginn des Tertiärs ausgesehen haben mögen, so
liegen wohl schon genug Daten zur Beantwortung der Frage
vor. Das Amazonastal ist vom Meere bedeckt gewesen, Ab-
lagerungen des Kreidemeeres, zum Teil vielleicht eher dem
Eocän zugehörig, nehmen nach Süden vom Amazonas sowohl
östlich in Para, Parnahyba, Sergipe usw. weite Strecken bis
gen Bahia hin ein, als auch westlich in Peru und Bolivia.
In der Richtung des Amazonas war am Ende der Kreide
und im Eocän Südamerika noch von Ozean zu Ozean quer
vom Meere durchbrochen. Wahrscheinlich schon im Eocän
begann dann die Hebung der Anden, und gar .bald darauf
wurden vor der noch niederen Andenkette die nach Böttger
oligocänen Pebasschichten in Brackwasser abgelagert.
Im Oligocän wird also vermutlich bereits in der Gegend
der heutigen Anden, eine Landverbindung zwischen dem
Hochlande von Guiana und Venezuela (Archiguiana) und
Archiplata existiert haben, auf welcher die ältere Fauna
plazentaler Säugetiere von Argentinien ihren Einzug hielt.
Diese Säugetierfauna schließt sich am nächsten jener
des europäischen Oligocän an, welche wahrscheinlich in mehr
' Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 73
oder minder übereinstimmender Weise auch in Afrika gleich-
| zeitig vertreten war. Zwar sind die vermeintlichen Anoplo-
therien Argentiniens als einer andern Gattung (Protero-
| therium) angehörig erkannt, aber sie passen doch ebenso wie
zumal die zahlreichen Nager eher zum europäischen Oligocän
als zu irgend einer andern Fauna.
Schlosser namentlich hat darauf hingewiesen, daß die
|im europäischen Oligocän vertretenen T’heridomydae sich als
Chinchillidae, Echimyidae und Caviadae nach Südamerika ver-
zogen haben. Von diesen Nagern sind dürftige Reste in
‚ Afrika erhalten, gar keine, weder rezente noch fossile, in
‘Nordamerika. Sie können mithin nicht über Nordamerika
‚ eingewandert sein, sondern setzen andere geographische Ver-
|
|
|
|
|
hältnisse voraus.
Zwischen Oligocän und Ende des Plioeän ist Südamerika
gänzlich isoliert gewesen, und daher rührt eben sein eigen-
artiges Gepräge in Flora und Fauna. Erst mit Ende des
‚ Pliocän, vielleicht erst nach demselben, erscheinen nord-
amerikanische Säugetiere in Südamerika, während auch um-
gekehrt südamerikanische bis Mexiko vordringen. Hierüber
' gibt es keine Meinungsverschiedenheit; ebenso weiß man aus
der Geologie von Zentralamerika, daß der Isthmus von Panama
erst am Ende des Tertiärs sich bildete.
Dagegen scheinen manche Forscher sich vorzustellen,
daß am Beginn des Tertiärs eine Verbindung zwischen Nord-
und Südamerika bestanden haben könne. Ohne Zweifel sind
hierbei vielerlei Umstände zu berücksichtigen, so z. B. die
Verbindung Floridas mit Westindien, auf welche die jetzt
durch Dall genauer beschriebenen miocänen Landschnecken
von Florida bestimmt hinweisen; über die wechselvollen Vor-
gänge im Bereiche der westindischen Inseln ist wohl ein recht
_ zuverlässiges Urteil zurzeit noch nicht möglich; allein gerade
für die älteste Zeit müssen wir meines Erachtens eine scharfe
74 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika.
Trennung des Gebietes der Vereinigten Staaten von jenem
Südamerikas annehmen. Die Süßwasserfauna beider ist näm-
lich enorm verschieden, sowohl bezüglich der Najaden und
anderer Mollusken als bezüglich der Fische, Schildkröten,
Amphibien usw. Nordamerika mit seinen Cypriniden, Uro-
delen usw. schließt sich in all diesen Punkten der palä-
arktischen Region an, Südamerika aber, d. h. Archiguiana,
bietet uns zu Afrika nahe Beziehungen. Hinsichtlich der
Süßwasserfische ist dies so bekannt, daß ich nicht darauf
eingehe, indem ich nur daran erinnere, daß Afrika durch
seine späteren Beziehungen zur mediterranen und indischen
Fauna so viele neue Elemente hinzugewonnen hat, daß die
alten gemeinsamen Züge nicht mehr so klar hervortreten.
Wie nach Hebung des Isthmus von Panama die Säuge-
tiere und Vögel und Lepidopteren der angrenzenden Gebiete
sich rasch vermischten, so geschah es auch mit allen anderen
lebhaft wandernden Geschöpfen des Wassers und des Landes,
So sehen wir Cinosternon-Arten und andere Schildkröten :
nach dem Norden Südamerikas eindringen, selbst zwei Arten
von Urodelen (Spelerpes) dringen bis Ecuador vor, und mehr
noch macht sich der Austausch bei den Batrachiern und
Lacertiliern bemerkbar. Wie wesentlich es ist, die beiden
Elemente, aus denen Südamerika entstanden, getrennt zu
betrachten, wird niemand verkennen, der sich Rechenschaft
zu geben sucht über die geographische Verbreitung der
Frösche. Raniden fehlen Archiplata ebenso vollkommen wie
Aglossa, Urodelen u. a., finden sich aber in Ecuad6r und
Colombien. Die Aglossa und Dendrobatidae sind auf Archi-
guiana, Afrika und Madagaskar beschränkt. Selbst einzelne |
Gattungen der Süßwasserfische wie Pimelodes haben Arten
in Südamerika und Afrika, dem gemeinsamen Gebiete der
Chromiden und Charaeiniden, und bei den Wasserpflanzen des
Genus /’ontederia haben wir sogar den Fall, daß eine und -
4%
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 75
dieselbe Spezies Fichhornia natans im Inneren von Afrika
und Südamerika sich findet. — Niemand, der sich ernstlich
mit dem Studium der Süßwasserfauna befaßt, kann die enorme
Verschiedenheit zwischen Nord- und Südamerika verkennen,
wobei Zentralamerika sich an Mexiko anschließt. Die marinen
Ablagerungen des Kreide- und Tertiärmeeres in Zentral-
amerika geben den Schlüssel hierfür ab. Ich glaube auch,
daß die in diesem Sinne sprechenden Tatsachen trotz ihrer
Verschleierung infolge der pleistocänen Vermischung beider
Fauneu, kaum ernstlich in Frage gezogen werden dürften,
wohl aber besteht seit Wallaces scharfer Verurteilung grobes
Vorurteil gegen die Annahme der „Atlantis“, der unter-
gegangenen, bis zum ÖOligocän erhaltenen Landverbindung
zwischen Archiguiana und Afrika. Als Grund führt man
die bedeutende Meerestiefe an; als ob eine Senkung von
5000 m an und für sich wunderbarer wäre als eine ebenso
bedeutende Hebung. Auch ist Wallace nicht einmal kon-
sequent. Wenn er Lemurien gelten läßt und an eine sogar
noch miocäne Landverbindung zwischen Neu-Guinea und Süd-
amerika denkt, sollte er auch der Atlantis nicht entgegen-
treten. Wo diese Brücke liegt, ist wohl zurzeit nicht zu
entscheiden. Die spärlichen Reste derselben können durch
wiederholte Hebung und Senkung ähnlich wie in Neu-Seeland
ihre alte Fauna großenteils oder ganz verloren haben. Die
subfossilen Bulimus aber in St. Helena weisen dieser Insel
einen Platz an als einem Teil dieser alten Brücke über den
Atlantischen Ozean, durch welche sich auch das Vorkommen
zahlreicher identischer Spezies von marinen Mollusken in
Brasilien, Westindien und an der atlantischen Küste von
Afrika erklärt.
Wenn es wohl auch nach dem bisher Bemerkten nicht
zweifelhaft bleibt, daß wir es in Archiplata mit einem alten
Festlandsgebiet zu tun haben, welches seit der Trias als
76 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika.
solches sich erhielt, so hat diese Ansicht, zu der ich durch
das Studium der Süßwasserfauna gelangte,') fast gleichzeitig
von anderer Seite eine unerwartete Bestätigung gefunden.
Der um die Kenntnis argentinischer Tertiär-Säugetiere hoch-
verdiente Forscher Florentino Ameghino?) hat nämlich
eine Abhandlung veröffentlicht über eine alte Säugetierfauna
Patagoniens, welche er teils der Kreide, teils dem unteren
Eocän zuschreibt, welche aber, wie ich vermute, vielleicht
ganz der Kreide angehört. Ameghino faßt die Mehrzahl
der australischen rezenten Beutler sowie Plagiaulaeiden und:
die mesozoischen Gattungen als Diprotodonta zusammen, Beutel-
tiere, welche charakterisiert sind durch Syndaktylie der zweiten
und dritten Fußzehe, ein Paar stark entwickelter oberer In-
zisiven, von zwei Paaren kleinerer begleitet, und ein Paar
sehr stark entwickelter unterer Inzisiven und kleine oder
fehlende Caninen. Es hat sich nun ergeben, daß in Pata-
gonien Schichten existieren, deren Säugetierreste ausschlieB-
lich aus Plagiaulaciden bestehen. Meines Wissens kennt
man keine tertiäre Fauna solcher Zusammensetzung, wohl
aber hat Marsh neuerdings Säugetiere der Kreide von Nord-
amerika beschrieben, die ebenso ausschließlich aus Plagiau-
laciden bestehen, und das ist für mich der Grund, weshalb
es mir wahrscheinlich dünkt, daß wir es auch bei den Plagiau-
laciden der Uferbänke des Rio St. Cruz in Patagonien mit
einer Kreidefauna zu tun haben.
Diese patagonischen Beuteltiere schließen sich keiner
anderen Gruppe lebender oder fossiler Beutler näher an als
vielen der rezenten australischen Gattungen. Das spricht
sich vor allem in dem einfachen quadrituberkularen Bau der
) H. v. Ihering, Die geographische Verbreitung der Fluß-
muscheln. „Ausland“ 1890, Nr. 48 und 49.
°®) Florentino Ameghino, Los Plagiaulacideos Argentinos.
Buenos Ayres 1890.
‘Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 77
Zähne aus, während die europäisch-nordamerikanischen Ver-
treter Höcker in zwei bis drei Längsreihen auf den Molaren
tragen. Das kommt weder in Australien noch in Patagonien
vor. Ich stimme hierin ganz mit Ameghino überein, nicht
aber darin, daß er durch eine — geographisch unmögliche —
eocäne Wanderung diese Plagiaulaciden von Patagonien nach
Nordamerika einwandern läßt. Außerdem haben nach den
neuen Entdeckungen von Marsh, welche Ameghino noch
nicht bekannt waren, schon in der Kreide in Nordamerika poly-
mastodonte und quadrituberkulare Diprotodonten zusammen-
gelebt, und sicher gehen daher beide Typen auch schon in
dem Jura nebeneinander her. Die Gattungen aber mit serialer
Anordnung der zitzenförmigen Tuberkel in zwei bis drei
Längsreihen scheinen nach dem australisch-archiplatischen
Gebiete niemals gelangt oder doch sehr früh wieder erloschen
zu sein. Wäre, wie Ameghino meint, in der Kreide ein
Landweg von Nordamerika nach Argentinien offen gewesen,
so würde diese Verbreitung unerklärlich sein. Die Gattung
Didelphys, welche zwar in Nordamerika tertiär vorkommt,
fehlt auch in Europa nicht, resp. es können von deren euro-
päischen Vorläufern, den Peratherien, die Didelphys nach
beiden Amerikas sich abgezweigt haben, ohne über Nord-
amerika nach Südamerika gelangen zu müssen. Die Didelphys,
die in Australien fehlen, sind daher der altweltlichen Ein-
wanderung zuzuschreiben.
Wenn nun Ameghino hieraus den Schluß zieht, daB
im mesozoischen Zeitalter ein Kontinent Australien und: Ar-
gentinien verbunden haben müsse, so spricht er dasselbe aus
wie Hutton, ich und viele andere Forscher, welche sich
mit Flora und Fauna beider Gebiete befaßt haben, nur daß er
mit mir diesem Kontinent ein höheres Alter gibt, als Hutton
es annahm. Der betreffende Satz lautet: Die rezenten australi-
schen Diprotodonten müssen sonach in diesem Kontinente
|
78 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika.
zum mindesten bis zur Basis des Eocäns zurückreichen, wo-
gegen die gemeinsamen Vorfahren der australischen und ar-
gentinischen Diprotodonten in eine viel weiter zurückgelegene
Epoche reichen müssen, während deren sie sich auf einem
weiten Kontinente ausbreiteten, welcher in mehr oder minder’
kontinuierlichem Zusammenhange Australien und Südamerika
vereinigte. Ameghino nimmt an, daß dieser Kontinent
sich im pazifischen Ozean befand und bis in die Trias
zurückreichte.
Es ist klar, daß diese Ergebnisse in vieler Hinsicht die
bisherigen Vorstellungen modifizieren müssen. Die von Hutton
erwähnte Theorie, wonach man an eine tertiäre Einwanderung.
nordischer Typen über die Andenkette nach dem australischen
Gebiete denken konnte, wird hinfällig; denn während der’
Kreide und im Beginn des Tertiärs gab es keine Anden-
kette, und als sie, wenn auch von geringer Höhenerhebung,
zustande kam, trug sie eine tropische, nicht eine alpine
Flora. Noch weniger ist an eine Einwanderung nordischer
Pflanzen über die ganze Länge der Anden von Nordamerika
her aus den angegebenen Gründen zu denken. Soweit über-
haupt ein Austausch von Pflanzen zwischen Australien usw.
und Siidamerika zustande kam, wird er dieselbe Landbrücke:
benutzt haben, auf der in anderer Breite oder in anderer
Zeit auch die antarktische Flora zeitweise vordrang. i
Ob überhaupt eine scharfe Scheidung zwischen süd-
amerikanischer und antarktischer Flora in dem Maße wie
bisher noch durchführbar sein wird, erscheint ‚mir zweifel-'
haft. Diejenigen, welche mir hierin nicht beipflichten, müssen’
allerdings zuvor die pflanzengeographischen Verhältnisse von’
Rio Grande do Sul, zumal dessen Süden kennen lernen, wo
neben argentinischen und in Uruguay gemeinen Pflanzen auch’
solche des mittleren Brasilien vorkommen, so Cedrela, Ery-
throsylon, Tecoma, Erythrina usw. neben Scutia, Duvaua, Celtis,
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 79
Jodina, Phyllanthus, Lucuma usw., ja selbst die patagonische
Berberis spinescens und, wie ich glaube, auch Colletia.
Es ergibt sich somit, daß das Bild von den Beziehungen
Südamerikas zu den anderen Faunengebieten, wie ich es hier
entworfen, in sehr starkem Gregensatze steht zu den Ansichten
von Wallace, daß aber bezüglich der Beziehungen zu Austra-
lien und Neu-Seeland, wenn auch hinsichtlich Südamerikas viel-
fach modifiziert, meine Darstellung gut harmoniert mit jener,
zu welcher Hutton und andere Forscher gelangt sind, welche
Flora und Fauna der australischen Region studiert haben.
Um zum Schlusse diese Resultate nochmals übersichtlich
zusammenzustellen, so wären sie nachstehende:
Südamerika ist von der Kreide bis zum Ende des Plio-
cän vollkommen von Nordamerika getrennt gewesen. Ein
"südamerikanischer Kontinent existiert erst seit dem Oligocän.
Er bestand dann aus zwei nur durch die schmale Landzunge
der Anden verbundenen Teilen, welche vor dem Oligocän
völlig voneinander getrennt waren. Diese beiden Teile sind
Archiplata, das Gebiet, welches heute von Chili, Argentinien,
Uruguay und Südbrasilien eingenommen wird, und Archi-
guiana, das Hochplateau von Venezuela und Guiana um-
fassend. Jedes dieser Gebiete besaß seine eigene Fauna und
Flora, welche voneinander so gänzlich verschieden waren,
wie heutigentags jene von Inner-Afrika und Nordamerika.
Archiguiana muß durch eine bis zum ÖOligocän erhaltene
Landbrücke, von der St. Helena noch einen Rest darstellt,
mit Afrika verbunden gewesen sein, indes Archiplata sich
nach Süden in einen südpazifisch-antarktischen Kontinent
fortsetzte, welcher während der ganzen mesozoischen Zeit
dieses Gebiet mit dem pazifischen Kontinent in Verbindung
brachte, von dem sich zuerst eine Anzahl polynesischer In-
seln, dann Neu-Seeland, zuletzt Australien und Neuguinea
ablösten. Ob die Atlantis nur nach Archiguiana, oder ob
80 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika,
ein südlicher Ausläufer gegen einen Teil von Brasilien ge-
richtet war, der sich zwischen Rio, Bahia und dem Rio
S. Francisco erstreckt, wie das Verhältnis zu Westindien,
welches Alter diesem Teile Brasiliens, sowie Archiguiana
zukommt, ob das brasilianische Küstengebirge auch erst
während der Tertiärzeit sich hob, wie ich vermute, das alles
bleibt ebenso noch zu untersuchen, wie der jedem dieser
Teile ursprünglich zukommende Anteil an jener ge-
mischten Fauna und Flora, welche wir jetzt als „süd-
amerikanische“ bezeichnen.
Während somit noch vieles unklar bleibt, scheint mir
das, was sich über Archiplata und seine Verbindung mit dem
antarktischen Kontinent ergibt, eine wesentliche Errungen-
schaft zu sein. Daß Archiplata eine alte gemeinsame Flora
und Süßwasserfauna besaß, daß die zu Ende der Kreide
oder im Eocän beginnende, aber in ihrer Hauptsache erst
bei und nach Ende des Tertiärs beendete Hebung der Anden
(an Stelle eines mit einem Golf südwärts nach Archiplata
eindringenden Jurameeres) von Anfang an eine Wasserscheide
schuf, welche die tertiäre, nach Archiplata eindringende Süß-
wasserfauna nicht überschreiten konnte; dieses wesentlichste
Resultat meiner bisherigen Süßwasserstudien scheint mir eine
ebenso einfache wie neue Erklärung zu geben für eine große
Menge sonst unverständlicher Tatsachen der geographischen
Verbreitung der Flora und Fauna Südamerikas.
Wenn dies also die Ergebnisse sind, zu welchen bezüg-
lich Südamerikas Tier-Geographie und Geologie überein- |
stimmend führen, so glaube ich andererseits, daß auch die
nordamerikanischen Forscher ihre eigenen Erfahrungen hier-
mit gut in Einklang bringen können. Heilprin!) erörtert
die Geschichte der Laramie-Region und ihrer stellenweise
') A. Heilprin, The geographical and geologieal distribution
of animals. London 1887, S. 210. A
nr
Be
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 81
4—5000 Fuß Mächtigkeit erreichenden lakrustinen Ab-
lagerungen, die anfangs rein marinen Oharakter aufweisen,
späterhin auf Ablagerung in Süßwasser hinweisen. Den
Ausgangspunkt bildete ein das Gebiet der Vereinigten Staaten
quer durchschneidender Arm des Meeres, welcher also während
der Kreidezeit einen Austausch von Süßwassertieren zwischen
Nord- und Südamerika ebenso verhindern mußte, wie einen
Austausch von Beuteltieren zwischen Patagonien und den
Vereinigten Staaten (a continental arm of the sea, which pro-
jected completely accross the United States during the creta-
ceous period).
Aber nicht nur auf den uns speziell berührenden Ge-
bieten Südamerikas muß die Wallacesche Lehre zurück-
gewiesen werden, sie ist auch unzureichend für Australien
und Polynesien. Wallace zwar meint, die Vögel seien für
Polynesien die einzige Gruppe des Tierreiches, „auf welche
wir etwas geben können“.
Mit mehr Recht wird man den Satz umdrehen können
und behaupten, daß neben den Säugetieren die Vögel die
einzige Gruppe sind, auf welche wir nichts geben können,
wenn wir die alte Geschichte Polynesiens zu entwirren suchen
wollen. Denn Vögel und placentale Säugetiere gehören in
ihren modernen Repräsentanten durchaus dem Tertiär an,
können also für die Verbreitungswege der Organismen während
der Sekundärepoche nicht in Betracht kommen. Zudem sind
die Vögel durch ihr aktives Flugvermögen und durch die
passiven Wanderungen, welche sie, vom Winde verschlagen,
durchmachen können, für Ermittelung alter geographischer
Landwege gar nicht verwertbar.
Wenn dagegen Wallace die Verbreitung der Lacertilier
über die polynesischen Inseln bis zu den Sandwichsinseln hin
durch Wanderungen derselben durch den Ozean erklären will,
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 6
82 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika,
so ist das eine ebenso kühne Hypothese, wie sein Versuch
einer Erklärung des Vorkommens identischer Süßwasserfische
in Neu-Seeland und Patagonien durch Transport ihrer Eier
mittels Eisberge. An solche Hypothesen mag sich klammern,
wer die Wallacesche Theorie von der Unveränderlichkeit der
Kontinente und Meerestiefen retten will, man kann aber nicht
verlangen, daB auch unbefangen urteilende Forscher eine so
unglaubliche Erklärung akzeptieren sollen.
Betrachten wir die Verhältnisse, wie sie in Wahrheit
liegen, so sehen wir von Westen nach Osten in Polynesien
die Tierwelt mehr und mehr verarmen. Eine ziemlich weite
und gleichmäßige Verbreitung haben an neueren, d. h. nicht
über das Tertiär hinausgehenden Gruppen des Tierreiches
nur solche, welche, mit Flugvermögen versehen wie Vögel
und Fledermäuse, mit aktiver und passiver Wanderung von
Insel zu Insel gelangen konnten, wobei wieder die Vögel eine
weitere Verbreitung zeigen als die Fledermäuse!),. Wenn
Vögel den Atlantischen Ozean überfliegen und auch sonst
weite Wanderungen vollführen, so stehen wir hiermit wirk-
lich auf dem Boden der Tatsachen. Sehen wir von dieser ;
Tertiärfauna ab, so haben wir zunächst solche Typen ins Auge ı
zu fassen, welche in unzweifelhaften Vertretern in die Kreide
zurückgehen, wie Schlangen und Anuren. Ihre Verbreitung :
ist eine ziemlich weite, namentlich auch auf den Fidschi- ;
inseln sind sie wohl vertreten. Noch weiter nach Osten aber :
reichen die Lacertilier, deren Reste unter den in der Lebe- :
welt vertretenen Reptiliengruppen geologisch am weitesten
zurückreichen. Ist das Zufall? Wenn schwimmende Bäume ;
und Eisberge solchen Transport vermittelt haben sollten,
warum transportieren sie denn nur solche alte Typen? Und
') Bezüglich der Fledermäuse hingegen ist es sehr wohl möglich,
daß sie im wesentlichen gleichen Schritt hielten mit den Muriden, die,
wie Wallace meint, früher auch in Neuseeland vertreten waren.
=
’
D
|
Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. 83
will man auch den Transport von Physa,') Limnaea und
anderen Süßwassermollusken durch das Meer sich vollziehen
lassen? Das ist einfach unmöglich, denn Salzwasser tötet
diese Bewohner des Süßwassers sofort. Auch die Land-
mollusken von Polynesien gehören einer sehr alten Gruppe des
Tierreiches an. Weit verbreitet sind Pupa-Arten, einer schon
in der paläozoischen Epoche vertretenen Gattung angehörig,
auch alle anderen Nephropneusten haben den einfachen Liebes-
pfeil usw. der Heliceen. Gattungen, die wie Unio schon im Jura
auftreten, reichen vielleicht nur bis Neu-Seeland, ebenso, resp.
bis Viti, die Parastaciden des Süßwassers, die nach Huxley
gleichfalls als von jurassischem Alter vermutet werden müssen.
Wir haben somit einen so ausgesprochen mesozoischen
Charakter der ostpolynesischen Fauna vor uns, daß nur die
Annahme eines sehr alten, schon im Verlaufe der mesozoischen
Periode mehr und mehr in Stücke brechenden pazifischen
Kontinentes eine natürliche Erklärung geben kann. Und je
mehr wir westwärts gehen, desto häufiger treten rezente Typen
auf. In Neuguinea die Gattung Sus und Muriden, in Australien
neben den Muriden auch Canis. Nur die Sucht, Australien
für ein der plazentalen Säugetiere gänzlich entbehrendes Land
zu erklären, hat Canis dingo zu einer Rasse des Haushundes
machen können. Dieser Irrtum ist unterdessen von Nehring?)
definitiv zurückgewiesen. Canis gehört offenbar zu den ältesten
Raubtieren, Canis-Arten finden sich in Indien wie auf Sumatra,
und Canis dingo ist ebenso ein domestizierter Wildhund, wie
Canis latrans der nordamerikanischen Indianer oder Canis
ingae der alten Peruaner.
1) Physa-Arten kommen auf den Fidschi- und Tonga-Inseln vor,
neben zahlreichen Suceinea-Arten, doch scheinen die kleinen Inseln im
ganzen der Erhaltung der Süßwasserfauna wenig günstig gewesen zu sein.
2) Nehring i. d. Sitzungsber. der naturforschenden Freunde.
Berlin 1882, S. 67. Zoolog. Garten 1885, S. 164.
6*
84 Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika.
Daß nicht mehr moderne Säugetiere!) nach Australien
und Neuguinea einwanderten, liegt offenbar daran, dab sie
im Lande eine den verschiedenartigsten Lebensbedingungen
so vollkommen angepaßte Fauna von Beuteltieren schon an-
trafen, daß nur wenige sich behaupten konnten. Die Theorie
von den schwimmenden Bäumen mit Sus, Canis, Muriden,
Eidechsen, Süßwasserschnecken usw. in ihren Ästen wird eben,
wie so vieles an der Wallaceschen Theorie, aufzugeben sein,
und auch die Botaniker werden wohl nicht zögern, die Trans-
porte durch Strömung und Wind auf ein bescheideneres Maß
zurückzuführen.
Jedenfalls steht der Wallaceschen Theorie von der
Unveränderlichkeit der Kontinente und Meerestiefen eine
andere entgegen, welche, sehr genau zwischen der Verbreitung
verschiedenalteriger Tiergruppen unterscheidend, aus der Ver-
breitung der paläozoisch und mesozoisch bereits auf unserem
Erdball vertretenen Gattungen und Familien die Verbreitungs-
wege zu erkennen bestrebt ist, auf welchen während der meso-
zoischen Epoche die Verbreitung der Organismen vor sich
ging. Möchte der hochverdiente Altmeister der Tiergeographie
ob dieser Wendung nicht zürnen, sich vielmehr an dem Ge-
danken erfreuen, daß, wie weit auch in einzelnen Fragen die
Meinungen geteilt sein mögen, doch er es war, welcher der
Tiergeographie ihre moderne solide Grundlage, ihre neue
Behandlungsweise, ihre Fragestellung wie ihre Ziele und
Aufgaben in mustergültiger Weise zugewiesen hat.
!) Eine ebenso überraschende moderne Einwanderung ist Mycetopus
rugatus des Victoria River in Nordaustralien. Meiner Meinung nach
stammt er aus Asien, nicht aus Südamerika, wo Mwycetopus im Archi-
platagebiete ursprünglich fehlte. Möchten die australischen Kollegen
doch Sorge tragen, daß Anatomie und Embryologie dieser Spezies unter-
sucht werden kann, deren Zugehörigkeit zu Mycetopus ‘so lange noch
fraglich bleibt.
|
|
|
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 85
Siebentes Kapitel.
Die Palaeo- Geographie Südamerikas.
(„Das Ausland“, Stuttgart 1893, Nr. 1-—4.)
Im vorigen Jahrgange des „Ausland“ gab ich in zwei
Artikeln vorläufige Mitteilungen über einige der wesentlichsten
Resultate meiner Studien über die geographische Verbreitung
der Süßwassertiere und die Rückschlüsse, welche aus ihnen
über die Verteilung der Festlandsmassen während der meso-
zoischen Epoche abgeleitet werden können. Die Beachtung,
welche diese mehrfach zum Teil oder in toto in andere
Sprachen übersetzten Artikel fanden, veranlaßte mich, den
Gegenstand, zumal nach der geologischen Seite hin weiter
zu verfolgen, wobei ich zu meiner Überraschnng die Er-
fahrung machen mußte, daß man Folgerungen, wie sie für
die Tiergeographie zuerst und im vollen Gegensatze zu
Wallace von mir bezüglich der alten Geschichte Südamerikas
entwickelt wurden, geologischerseits längst in fast überein-
stimmender Weise gewonnen und sogar kartographisch reali-
siert hat. Im folgenden soll nun an der Hand der bezüglich
geologischen Literatur, aber unter Kontrollierung und Er-
gänzung durch die tiergeographischen Tatsachen, die Ge-
schichte der Umwandlungen Amerikas dargestellt werden.
Den Geographen, die merkwürdigerweise diesen nur von
Naturforschern studierten Phasen der Entwicklung der Erd-
oberfläche bis jetzt wenig Beachtung widmen, möge diese
Studie besonders empfohlen sein. Die Ideen über Insel und
Festland scheinen zurzeit bei Geographen und Naturforschern
zum Teil recht verschieden zu sein. Von den Wallace-
schen Lehren, welchen diesen Ideen zum Teil zu Grunde
liegen, bleibt bezüglich der wichtigsten großen Axiome, wie
2. B. der Unveränderlichkeit der größeren beiden tiefen
Ozeane, nichts mehr bestehen. Ozeanische Inseln gibt es so
86 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
gut wie nicht, von kleinsten vulkanischen usw. abgesehen.
Alle sind einst Festland gewesen. Während der palaeo-
zoischen und eines Teiles der mesozoischen Epoche, überwog
die Festlandbildung auf der südlichen Hemisphäre und im
großen Ozean. Dann versank das Festland der Südsee immer
mehr, Asien und Europa vergrößerten sich. Alles ist in Fluß,
nichts bleibend als der Wechsel. Eine die heutige Konfi-
guration der Erdoberfläche als Basis der geographischen
Philosophie nehmende Auffassung!) könnte nur deskriptiv
Berechtigung haben, zu einem wissenschaftlichen Verständnisse
kann sie nicht führen. Auch hier ist die Entwicklungs-
geschichte die große Leuchte, auch hier ist das Gewordene
nur verständlich, wenn man seine Entstehungsweise kennt.
Für die Erkenntnis dieser Umwandlungen aber, das lehrt
auch die vorliegende Studie wieder, bietet die tiergeogra-
phische Forschung eines der wichtigsten Hilfsmittel dar.
Der älteren, naiven, geographischen Auffassung erschien
ganz Amerika als ein einheitlicher, großer natürlicher Kon-
tinent. In diesem Sinne hielt man die Felsengebirge für die
unmittelbare Fortsetzung der Anden. Alle diese verschiedenen
(Grebirgsketten sollten in ihrer Gesamtheit einen einzigen,
riesigen (rebirgszug repräsentieren, welcher von der Behrings-
strabe bis zum Feuerlande, in geringer Entfernung vom
stillen Ozean, wie ein Rückgrat den Körper des Erdteils
durchziehen sollte, aus einer einzigen Spalte hervorgehoben,
in einer Ausdehnung von mehr als 15000 Kilometer. Dieser
!) ©. F. Hettner, Die Typen der Land- und Meeresräume (Aus-
land 1891, p. 440 und 470). Was Hettner, der von Richthofens
Auffassung vorlegt, S. 446, gegen Tier- und Pflanzengeographie sagt,
statuiert zwischen dieser und der rein geographischen Betrachtung einen
Gegensatz, der unmöglich eine innere Berechtigung haben kann. Im
Gegensatz dazu, weise ich hier speziell hin auf die Übereinstimmung
der geologischen und der tiergeographischen Forschung, die beide völlig
unabhängig zu übereinstimmenden Resultaten führten.
|
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 87
' Auffassung setzt sich aber die Tatsache entgegen, daß am
' Isthmus von Panama die südamerikanischen Kordilleren
enden, wie denn auch den Einsenkungen von Nicaragua und
_ Tehuantepec, eine Verbindung der Gebirge von Mittel- und
Nordamerika nicht nachgewiesen werden kann.
Wenn somit schon die gegenwärtig zu beobachtenden
Verhältnisse der oben geschilderten Auffassung den Boden
entziehen, so wird deren Unhaltbarkeit völlig klar, wenn man
auch die ältere Geschichte Amerikas mit in Betracht zieht.
Wie wir in folgendem sehen werden, ist Amerika als Kon-
tinent, geologisch gesprochen, sehr jungen Datums. Man
kann nirgends auf der Erde zwei benachbarte Gebiete finden,
welche in gleicher Weise so lange voneinander getrennt ge-
wesen wären, wie Nord- und Südamerika. Ob in der paläo-
zoischen Periode einmal ein Zusammenhang bestand, ist sehr
fraglich und nicht nachweisbar, sicher aber waren in der
mesozoischen Epoche beide Amerika getrennt, und ebenso
während des größten Teiles der Tertiärformation. Wir wollen
diese Entwicklungsgeschichte des amerikanischen Kontinents
in folgendem skizzieren, müssen jedoch zuvor einen Blick
auf die geologischen Verhältnisse werfen.
1. Die geologischen Verhältnisse.
Wenn man von einem vorherrschenden Gesteine schlecht-
hin in Südamerika reden wollte, so kann als solches nur der
„Granit in Betracht kommen. Sehr häufig ruht die Mutter-
erde unmittelbar auf ihm auf. Granit und andere ältere
Massengesteine bilden mit den metamorphischen Gebilden
der azoischen Formation auch die Grundlage der Gebirgs-
länder von Brasilien und Guiana, wie der Kette der Anden.
Hierzu gesellen sich in großer Zahl vulkanische Bildungen,
besonders Trachyt, in den Anden Andesit. Diesen älteren
kristallinischen Gesteinen und vulkanischen Gebilden gegen-
88 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
über treten die sedimentären Formationen fast überall sehr,
zum Teil selbst in ganz überraschender Weise, zurück. Wie
Derby sagt, waren bis zum Jahre 1867 überhaupt noch
keinerlei Versteinerungen aus dem ganzen riesigen Brasilie
bekannt, auch jetzt sind es ihrer noch herzlich wenig. Di
Verhältnisse in Brasilien sind in vielfacher Hinsicht lehrreich
und charakteristisch; sie mögen daher hier zunächst dargelegt
werden, wobei ich der Darstellung von Osville A. Derby!)
folge.
Die Grundlage des großen brasilianischen Hochlandes
besteht aus alten metamorphischen Gesteinen, welche aus-
schließlich die Berge bilden und fast in allen Provinzen |
überall da erscheinen, wo eine tiefe Denudation der Ebene
erfolgte. Sie teilen sich in zwei Serien, eine ältere aus hoch-
kristallinischen Felsen, wie Granit, Syenit, Gneiß und Ton- ı
schiefer bestehende, und eine minder vollkommen kristalli-
nische, welche sich aus Quarz, Schiefer, Kalken und Eisen-
mineralien zusammensetzt. Hartt hat letztere dem huroni-
schen, erstere dem laurentinischen Systeme der azoischen
Formation zugeteilt, und diese Ansicht hat eine Bestätigung |
gefunden durch die an mehreren Punkten erfolgte Auffindung
des Eozoon canadense, des charakteristischen Leitfossils . des
laurentinischen Systems. In der Serra do Mar ist das häu-
figste und charakteristischste Gestein granitischer Gneiß mit
geringer Stratifikation, oft das Ansehen von Porphyr ge-
winnend, häufig Granaten enthaltend. In der Serra da
Mantiqueira herrschen schiefriger Gneiß und Tonschiefer vor.
Im Osten von Minas Geraes finden sich schöne Graphitlager,
und mancherlei Edelsteine treten auf, wie Chrysolith, Turmalin,
!) Orville A. Derby, Kap. V in der abgekürzten Übersetzung des
Buches von Wappaeus (J. E. Wappaeus, A Geographia phisica do
Brasil, Rio de Janeiro 1884). Für genaueres Studium sei verwiesen auf
Ch. F. Hartt, Geology and Physical Geography of Brasil, 1870.
Bus
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 89
' Amethist, Andasulit u. a., die indessen nur in geringem Grade
‚ ausgebeutet werden.
| Das huronische System ist speziell charakteristisch für
Goyaz und die Serra do Espinhaco, Glimmer- und Chlorit-
schiefer, sowie Quarz herrschen vor, erstere zuweilen biegsam,
und dann als Itakolumit bezeichnet. Wird der Glimmer
eisenhaltig, so nennt man ihn Itaperit, der bei Zurücktreten
des Quarzes in Hämatitlager übergeht, seltener in Magnetit.
Durch diese außerordentlich reichhaltigen und verbreiteten
Eisenlager stellen die huronischen Regionen von Brasilien
dieses unter die eisenreichsten Gebiete der Erde. Wo diese
Eisenlager zu Tage treten, sind sie überzogen mit einer Kruste
jüngeren Ursprunges von Eisenmineralien, welche durch
Limonit zu Konglomeraten verbunden sind und welche man
Tapanhoacanga nennt, und deren Ausbreitung oft meilenweit
reicht. Auch Marmor tritt massenhaft auf. Der schiefrige
Charakter der huronischen Schichten, welche in steilem
Winkel geneigt sind, verleiht den Bergen, die sie bilden, ein
eigentümliches, gezähntes Aussehen, welches sehr kontrastiert
gegen die Kuppeln und Spitzen des laurentischen Systems.
In diesem huronischen Systeme ruht der große Mineral-
reichtum Brasiliens. Das Eisen wird bis jetzt nur durch
eine geringe Zahl von Hüttenwerken ausgebeutet. Aus ihm
oder aus dem durch seinen Zerfall gebildeten Alluvium
stammt auch das in den zentralen Teilen Brasiliens ge-
wonnene Gold. Reich an diesem ist die Tapanhoacanga, in
welcher das Gold in unregelmäßigen Adern in einer eigen-
tümlichen Mischung von Eisenerz und Mangan, dem Jacu-
tinga, erscheint. Im übrigen erscheint Gold in Form von
Adern in Quarz.
Seit langer Zeit schon vermutete man einen Zusammen-
hang zwischen den diamantführenden Alluvionen von Minas
und Matto Grosso, und dies ist jetzt definitiv erwiesen durch
90 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
Derby und Gorceix, welche bei Diamantina Diamanten !
nachwiesen in Adern des huronischen Systemes, welche jenen
gleichen, in denen bei Ouro Preto die Topaze gefunden
werden. Die Serra do Espinhaco ist großenteils überzogen
von einer Decke von Sandstein. Er ist nicht selten mit dem |
Itakolumit verwechselt worden, allein er liegt ungleichförmig
über den Gebilden der azoischen Formation. Er wird wahr-
scheinlich dem Silur angehören, wiewohl sich beim Mangel _
von Fossilien darüber nichts Sicheres sagen läßt. Wahr- \
scheinlich gehört auch ein Teil der Sandsteine an der Wasser-
scheide des Tocantins und S. Francisco, sowie im Quell-
gebiete des Paraguay und Amazonas ebenfalls zum Silur.
In den Campos von Paranä trifft man horizontale }
Schichten von Sandstein, Kalk und Tonschiefer, welche den
Versteinerungen nach dem Devon angehören. Die Karbon-
formation ist von S. Paulo bis Rio Grande do Sul an zahl- ı
reichen Stellen nachgewiesen, in letzterem Staate und in
Santa Catharina wird sie auch abgebaut, freilich in geringem }
Maße. Diese letzteren beiden paläozoischen Formationen
sind oftmals von riesigen Massen von Diorit durchbrochen,
welche durch Verwitterung eine dunkelrote Erde liefern, die \
ihrer Fruchtbarkeit wegen berühmte ‚terra roxa“.
Nach Westen von diesen paläozoischen Formationen |
dehnt sich im Paranäbecken eine Lage von Sandsteinen aus,
begleitet von zahlreichen Schichten von Mandelstein-Trapp, |
welche nach Aussehen und Mineral sehr den Gesteinen der -»
europäischen und nordamerikanischen Trias gleichen, der man
sie vorläufig zurechnet. Diese Formation dehnt sich nach
Süden bis Rio Grande do Sul und Uruguay aus. In letzteren
beiden Staaten werden die in ihr häufigen Achate und Ame- i
tlıyste massenhaft gesammelt, resp. aus dem Alluvium aus-
gegraben, und exportiert. Auch im Tale des Rio S. Fran-
eisco finden sich harte Sandsteine und Kalke, welche dem
24
| Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 91
ı
/Silur und Devon angehören und in denen sich die durch
"Lunds Forschungen bekannt gewordenen, vermutlich plio-
‚cäne Säugetierreste enthaltenden Höhlen, vorfinden.
| Die Juraformation ist, soviel man weiß, in Brasilien
nieht vertreten, wohl aber die Kreide. Im mittleren Laufe
‚des Rio St. Franeisco enthält dessen Tal Sandsteine und Ton-
'schiefer mit Versteinerungen, welche jenen der Kreide-
formation des Parnahybatales gleichen. In dieser ganzen
‚Gegend ist der Boden mit Salz imprägniert, so daß man
erwarten kann, auf Salzlager zu stoßen. In der Kreide-
formation des Parnahybabeckens trifft man Kalkknollen,
welche Fische enthalten. Auch in Cearä trifft man diese
Formation.
Die Tertiärformation ist schwach vertreten. In den
Tälern des Oberlaufes der Flüsse Parnahyba und Tiet& in
S. Paulo und an verschiedenen Punkten in Minas Geraes
hat man kleine Becken von Süßwasserablagerungen an-
getroffen, die häufig Lignit enthalten. Tertiäre Brackwasser-
ablagerungen kennt man von Pebas am oberen Amazonas,
und auch sonst längs des Amazonas. Ebenda hat man bei
Purüs auch Kreide angetroffen mit charakteristischen Fossi-
lien. Die Kreideformation des nordöstlichen Brasiliens ist
im allgemeinen nicht weit von der Küste entfernt, auch wenig
über das Niveau des Ozeans erhoben. So sind die Süßwasser-
ablagerungen der Kreide von Bahia 30—40 m über den
Meeresspiegel gehoben, wogegen die Kreideschichten des
inneren Hochlandes in beträchtlich größerer Höhe liegen.
Längs der ganzen Küste, von Rio bis zum Amazonas, trifft
man tertiäre Ablagerungen, Plateaus bis zu etwa 100 m Höhe
bildend, welche an ihrem Abfall gegen das Meer aus bunt-
gefärbten Sanden und Tonen bestehen, welche der nördlichen
Küste des Landes ein sehr charakteristisches Aussehen ver-
leihen. Die Kreide- und Tertiärschichten Brasiliens haben
99 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
in Ch. White?) einen sehr eingehenden Bearbeiter gefunden.
Ein Teil derselben scheint indessen dem Eocän ‘anzugehören,
so nach Behrendsen?) die Schichten von Maria Farinha im |
Staate Pernambuco.
Eine Übersichtskarte der Geologie Südamerikas hat
kürzlich Prof. G. Steinmann?) für die 2. Auflage des phy-
sikalischen Atlas von Berghaus ausgearbeitet, dieselbe mit
einigen Erläuterungen begleitend, von denen einiges hier mit-
geteilt werden soll. Es ist zunächst bemerkenswert, dab fast \
alle Glieder der paläozoischen Formationen in Südamerika |
durch marine Ablagerungen vertreten sind. Die am meisten |
veränderten kamprischen und silurischen Schichten bieten
sehr wenig an Versteinerungen. Die reichste, bis jetzt be- ;
kannte paläozoische Fauna Südamerikas ist jene des Devon,
aus der über 150 Arten beschrieben wurden. Eine reiche |
von Ulrich beschriebene Devonfauna traf Steinmann im |
östlichen Hochlande von Bolivia. Dieselbe erweist sich als |
ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Devon von Nord- |
amerika einerseits, und jenem von Brasilien, den Falklands-
inseln und Südafrika andererseits. Die reichlich fossil-
führenden Tonschiefer und Sandsteine, welche in Brasilien
und Bolivien weit verbreitet sind, vertreten die Oriskany-
Sandsteine, die Oberhelderberg- und Hamiltonschichten Nord-
amerikas.. Ihre Fauna trägt einen amerikanischen, nicht
einen europäischen Charakter, wie das die beiden, besonders .
häufigen und charakteristischen Brachiopoden dartun. Von
diesen ist Jeptocoelia flabellites in Nordamerika, Bolivia, den ||
!) Ch. White, Contribuicöes a Paleontologia do Brasil, Archivos
do Museu nacional, Rio de Janeiro, vol. VII, 1887.
2) OÖ. Behrendsen, Zur Geologie des Ostabhanges der argen-
tinischen Kordillere, Zeitschr. d. Deutsch. Geolog. Ges., Jahrg. 1891,
S. 378.
3) G. Steinmann, A sketch of the Geology of South America,
American Naturalist, 1891, p. 855—860.
= es
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 93
Falklandsinseln und Südafrika, Vitulina pusiulosa in Nord-
amerika, Bolivia, Brasilien und Südafrika gefunden worden.
"Aus diesen und ähnlichen Beobachtungen geht hervor, daß
‚ein großes Devonmeer beträchtliche Teile von Südafrika und
! beiden Amerika umfaßte.
| Die Karbonablagerungen scheinen in Südamerika weit
| mehr beschränkt zu sein, als jene des Devon. Die Sand-
\ steine des unteren Karbon enthalten keine Fossilien. Das
! obere Karbon, welches universell verbreitete Brachiopoden
" und Gastropoden enthält, auch Vertreter der Gattung Fusu-
ı lina, ist bekannt von Peru, Bolivia und Teilen Brasiliens.
) Während des Perm, der Trias und des Jura war der
\ größte Teil Südamerikas über Meer, wie das in gleicher
| Weise auch in Nordamerika der Fall war. Nach den Unter-
| suchungen, die Brackebusch in Argentinien, Steinmann
j in Bolivia und Derby in Matto Grosse anstellten, gehört
\ der meist als triassisch betrachtete rote Sandstein grobenteils,
| wo nicht ganz, der Kreideformation an.
| Von hohem Interesse ist die Flora, welche während des
‘ Perm und der Trias auf dem südamerikanischen Kontinente
' existierte. Die Kohlenlager von Südbrasilien und jene der
argentinisch-chilenischen Kordilleren enthalten Vertreter der
sogenannten Glossopteris-Flora, welche von Südindien, Austra-
|lien und Südafrika bekannt ist. Das Alter dieser Kohlen-
lager ist kein einheitliches. Die Flora Südbrasiliens enthält
' einzelne paläozoische Pflanzentypen, weshalb man sie für
‚ Jungpaläozoisch hält. Dagegen gehören die Pflanzentypen der
| Kordilleren zur rhätischen Gruppe, und sie sind zum Teil
‚ gleichförmig überdeckt von marinen Schichten des unteren Lias.
In diesem Punkte ist nun die Darstellung von Stein-
‚mann, obwohl erst einige Monate alt, schon veraltet'). Es
1) Cf. Dr. Carlos Berg, La formaeion carbonifera de la Repu-
blica Argentina Annual Soc. eient. Argentin., tom. 31, p. 209ff. 1891,
94 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
steht heute fest, daß die Steinkohlen Argentiniens zwei ver- )
schiedene Floren bergen, von denen die eine die rhätische
ist, die andere der Korbonformation angehört. Der Nachweis
des Vorkommens echter Karbonpflanzen in Argentinien .
wurde fast gleichzeitig von zwei Seiten erbracht. 1888 be-
suchte Dr. L. Brackebusch die Kohlenminen von Rio del
Peternal bei Retamito in der Nähe von S. Juan. Unter den \
dort von Prof. Brackebusch gesammelten Fossilien be- |
stimmte Prof. F. Kurtz in Cordoba Archaeocalamites radiatus |
(Brgt.) Stur., Lepidodendron sp. cf. Volkmannianum Stbg., !
Cardiopteris sp. n. (Weissiana Kurtz). Ebenfalls von Retamito y
waren Dr. ©. Berg durch den Seminardirektor P. Meister |
neben einem Teil der schon genannten Arten auch Cordaites
bananifolius Brgt., Phaeopteras sp. und eine Cycadee zugegangen,
welche ihm von Dr. L. Szainocha in Krakau bestimmt
wurden. Nach letzterem Sachkenner gehören die betreffenden \
Arten von Archaeocalamites, Cordaites und Lepidodendron sehr ı
sicher dem Karbon und sehr wahrscheinlich seiner unteren
Abteilung zu. Szainocha hatte früher schon andere Samm-
lungen argentinischer Fossilien beobachtet, welche wie zumal |
jene von Cacheuta, Provinz Mendoza, der rhätischen Forma- |
tion angehören. Eine andere Fundstelle dieser Formation «
befindet sich zu Bajo de Dellis, Provinz S. Luis. Kurtz'
hat dieselben untersucht und darin u. a. Neuropteridium |
validum (©. Feistm.) gefunden, eine Art, die seither nur von
Östindien aus den Gondwanaschichten bekannt war. Die-;
selbe bildet nach Kurtz einen neuen Beleg für die weite
Verbreitung dieser rhätischen Flora, die man nur kennt aus
Deutschland, Schweden, Südafrika, Ostindien, Australien,
Tasmanien und Südamerika.
sowie dazu F. Kurtz in der Revista Argentina de Historia Natural, |
tom. 1, p. 193—196, Buenos Aires 1891. |
t
|
|
|
)
|
l
|
|
4 _
5°"
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 95
Marine Ablagerungen der Trias und des Jura finden
] sich in Südamerika nur im Westen, namentlich in der Kor-
‘dillere von 50—35° südl. Br. Die triassischen Fossilien
\ entsprechen dem Typus jener von Westkanada und Kali-
'fornien; als Leitfossil dient Pseudomonotis semicircularis Gabb.
Im allgemeinen wiederholt sich in den pazifischen Küsten
! Amerikas die gleiche Sukzession des marinen Lebens während
' der Juraformation, wie in Europa und Östindien, mit welchen
\ Regionen nahe faunistische Beziehungen bestehen. Merk-
|
\ würdig ist, daß ganz wie in Nordamerika, so auch in Süd-
amerika die marinen Ablagerungen von Trias und Jura auf
‚einen schmalen Streifen längs des pazifischen Ozeans be-
‚ schränkt sind.
Während der Kreideformation dehnte sich das Meer
viel weiter landeinwärts aus. Marine Kreidefossilien wurden
‘in fast allen Teilen der Anden gefunden, sodann, wie wir
sahen, im nordöstlichen Brasilien. Das Übergreifen des
Meeres während der Kreideformation und besonders des
‚älteren Teiles derselben ist auch in anderen Gebieten be-
obachtet, so namentlich auch in Zentraleuropa und Nord-
amerika. Die Kreideformation von Mexiko erweist sich als
; direkte Fortsetzung jener von Texas. Steinmann ist der
Meinung, dab diese untere Kreide von Nordamerika sehr
nahe Beziehungen darbiete zu jener von Südamerika. Die
| Gattung Aucella, die an den nordpazifischen Küsten weit ver-
breitet ist, wurde auch in Mexiko, Brasilien und bei Lima
gefunden. Das Kreidemeer, welches den zentralen Teil von
' Amerika bedeckte, setzte sich wahrscheinlich weit nach Osten
I Te mn
fort. Wir finden daher einige bemerkenswerte Beziehungen
zwischen der Kreide von Südamerika, besonders Kolumbien
und Peru, und jener von Nord- und Westafrika. Mehrere
‚ von Algier bekannte Arten von Buthiceras sind reichlich ver-
treten in der oberen Amazonasregion. Die rein marinen
96 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
Ablagerungen des zentralen Teiles von Amerika verschwinden !
gegen Norden und Süden, und scheinen durch sandige Ab-
lagerungen ohne Fossilien ersetzt zu werden. Wahrscheinlich
nimmt ein großer Teil der Rotsandsteinformationen von Bra-_
silien, Venezuela, Bolivien und Nordargentinien in Bezug zu
den marinen Sedimenten der älteren Kreide dieselbe Stellung |
ein, wie die Atlantosaurusbeds, die Trenity- und Tuscaloosa-
formationen im Norden, indem sie unter ihnen liegen oder
ein Äquivalent derselben repräsentieren.
Unabhängig von den marinen Kreideablagerungen der
Kordilleren, finden sich an der Küste von Südchili und |
namentlich auf der Insel Quirquina Glaukonitsandsteine,
welche eine reiche Fauna der obersten Kreide enthalten. |
Neben manchen Ammonites und Bakulites, die zum Teil mit
südindischen identisch sind, finden sich reichlich Gastropoden |
von tertiärem Typus. Diese Kreidelager sind gleichförmig |
überdeckt von einer Lignitformation, welche keine Kreide- |
fossilien enthält, aber stratigraphisch intim mit ihr zusammen- |
hängt. So bieten diese südehilenischen Schichten einen |
eigentümlichen Parallelismus dar mit der COhico-Tejogruppe |
von Nordkalifornien.
Ein anderer bemerkenswerter Punkt ist, daß in den J
chilenisch-peruanischen Kordilleren die mesozoischen Schichten |
eingelagert sind zwischen geschiehteten Massen von Porphyr, ,
Melaphyr und Andesit, die in ihrer Gesamtheit einige tausend
Meter mächtig sind. Dies ist die großartigste Entfaltung |
eruptiver Formationen der mesozoischen Epoche, die wir
kennen. Die Kordilleren von Südamerika, so bemerkenswert |
ob ihrer eruptiven Formationen aus jüngster Zeit, verdienen
daher keine geringere Beachtung wegen ihrer submarinen, ,
mesozoischen Eruptionen und der Injektion mesozoischer
Schichten durch granitische und dioritische Gesteine (Stein-
mann).
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 97
| Bezüglich der tertiären Formation kommt Steinmann
zu Folgerungen, die zum Teil irrig sind. Er weist zunächst
‚ darauf hin, daß die Klassifikation der argentinischen Tertiär-
|schiehten durch Döring und Ameghino unhaltbar sei,
| weil menschliche Reste nicht nur im Pliocän, sondern auch
a „miocänen Schichten von Ameghino angegeben würden“.
‘ Die argentinische Pampasformation sei nichts anderes als der
europäische interglaziale Löß. In diesem Falle würden die
‚vermeinten Pliocänschichten der großen Eiszeit angehören
und die Pehuelcheschichten nur die Moränenablagerungen der
letzten Eiszeit repräsentieren. Die von ihm in Patagonien
untersuchten Glazialablagerungen könnten leicht in zwei
‘Gruppen geschieden werden, solche einer ersten, ausgebreite-
teren Formation, die Niederungen wie Plateaus über 100 m
\hoch bedeckend, und eine jüngere Formation, deren Moränen
‚längs des Fußes der Kordilleren angetroffen werden. „Die
! Ausdehnung der Glazialablagerungen in den Anden scheint
‚beschrieb zuerst die Moränen der Kodilleren Nevada Ancachs,
‚etwa 90 südl. Br. bis zu 2500 m über Meeresspiegel hinab-
"reiehend. Ich selbst fand Moränenablagerungen in den Kor-
| dilleren von Copiapo (28° südl. Br.), etwa 1200 m über
BE nierel, während nördlich des Äquators Sievers
"Spuren früherer Vergletscherung in der Sierra Nevada de
Ist. Marta und in der Sierra Nevada do Perija antraf.
1
Ind größer zu sein, als man gemeinhin annimmt. Raimondi
N
1
I
\Daraus scheint sich zu ergeben, daß die Glazialperioden in
beiden Hemisphären nicht alternierten, sondern gleichzeitig
h eintraten. In Bolivia weisen Tufflager darauf hin, daß ehe-
jmals der Titicacasee eine viel größere Ausdehnung hatte
über das ganze Hochplateau von Südperu bis zur argen-
"tinischen Grenze“ (Steinmann I. e.).
Die ältere, auch von Burmeister geteilte Ansicht, vom
pleistocänen Alter der Pampas, welche Steinmann hier
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 2
98 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
vertritt, ist sehr eingehend von Ameghino kritisiert und |
widerlegt worden. Steinmann gegenüber muß zumal die /
Lößnatur der Pampas als Beweismittel für interglaziales
Alter zurückgewiesen werden. Mag immerhin, was doch \
fraglich ist, die Bildungsweise eine ähnliche sein, so ist es‘
sicher nicht die Bildungszeit. Irgendwelche glazialen Vor-
gänge sind in den Pampas nicht nachweisbar. Es gibt nur einen
Weg zur sicheren Bestimmung des Alters der Pampas, das ist '
die Vergleichung ihrer Säugetierwelt mit jener Nordamerikas.
Südamerika stand vor und bei Beginn der Tertiärperiode {
einerseits mit Australien-Neu-Seeland, andererseits mit Afrika 1
in Verbindung, und bekam so in gegenseitigem Austausche |
seinen ersten alten Stock von Säugetieren. Dann aber, als
nach Südamerika, als Toxodontien u. a. Südamerikaner nach |
Nordamerika. Erst in der zweiten Hälfte der Tertiärzeit !
kam ein Austausch der beiderseitigen Säugetierfaunen zu |
stande, auf eine erfolgte Landverbindung hinweisend. Wie
diese Brücke beschaffen gewesen sein muß, lehren uns die
fossilen Chinchilliden und Megalonyeiden von Kuba und An-"
goilla. Erst als diese ältere Brücke einbrach, entstand die |
heutige von Panama. So sehen wir denn unzweifelhaft süd-"
amerikanische Gattungen wie G@lyptodon, Mylodon, Hydrochoerus |
u. a. in Nordamerika auftreten, welches seinerseits an Süd-
amerika Repräsentanten der Gattungen AMastodon, Dicotyles,
Tapirus, Hippidium, Equus, Cervus, Auchenia, Antilope, Felis,
Smilodon, Lutra, Seiurus, Lepus, Hesperomys u. a. abgibt.)
Diese nordamerikanischen Einwanderer erscheinen großenteils
als absolute Fremdlinge in der südamerikanischen Fauna,‘
wie «es denn z. B. in Südamerika bis zu dieser Invasion |
überhaupt keine unzweifelhaften Artiodaktylen gab. ı
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 99
In Nordamerika nun hat man Säugetiere der Pampas-
formation in Ablagerungen gefunden, welche von marinen
‚ pliocänen Sanden überdeckt sind. Diese von mir in der
„Revista Argentina“ (T. I, 1891, p. 213) mitgeteilte Tatsache
kann nicht gut in Zweifel gezogen werden, weil sie von
Dall herstammt, welcher zurzeit wohl der beste Kenner der
marinen Konchylien von Nordamerika ist und sich gerade
' auch mit den tertiären besonders eingehend beschäftigt.
Wenn also Säugetiere der Pampasformation im nordamerika-
nischen Pliocän auftreten, so ist es klar, daß die Formation
der Pampas pliocän ist, nicht pleistocän.
In Argentinien ist die nearktische Invasion markiert
ı durch die araukanische Formation, bis in welche hinein
' Ameghino Artefakte des Menschen oder seines Vorläufers
glaubt verfolgen zu können. Offenbar kann der Ursprung
; des Menschen nicht in Südamerika gesucht werden. Sollte
/ er in Nordamerika pliocän gelebt haben, so kann er natür-
| lich mitsamt den anderen nordamerikanischen Einwanderern
‚ auch in Argentinien pliocän aufgetreten sein. Ameghino
; rechnet zwar die araukanische Formation zum Miocän, aber
! wie mir scheint, ohne zwingenden Grund. Ich meinerseits
| betrachte sie als untere Abteilung des Pliocän und die von
Döring und Ameghino als oligocän gedeutete patagonische
‘ Formation als miocän. Zurzeit ist diese Frage wohl noch
nicht sicher zu beurteilen, aber in dem Maße, als die Kenntnis
der Pliocänfauna von Nordamerika eine intensivere wird,
muß auch die Bestimmung des Zeitpunktes zuverlässiger
‘ gelingen, wann die Landverbindung zwischen beiden Amerikas
zustande kam. Leider ist uns überaus wenig bekannt, über
das nordamerikanische Pliocän; vielleicht weil man die be-
treffenden Schichten zum Teil dem Pleistocän zurechnet.
Betrachten wir die verschiedenen Tertiärfaunen von
Nordamerika, so sehen wir, daß die in der Regel, so auch
DE
100 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
von Cope dem unteren Miocän zugerechneten Whiteriver-beds
noch gänzlich frei von südamerikanischen Elementen sind,
und daß ihre Fauna keinerlei Vertretung in Südamerika hat.
In den miocänen John Day-Beds sind bereits zahlreiche,
aber noch weitaus nicht alle der später in Südamerika vor- |
kommenden Einwanderer vertreten, südamerikanische Elemente
fehlen, da die wenigen Edentaten wohl eher auf altweltliche
Typen zu beziehen sein dürften, und Didelphis wohl auch
von Europa kam. Ganz ähnlich steht es mit den Loupfork-
Beds. Rechnet man auch diese mit Cope, noch zum Miocän
und die Equus-Beds schon zum Pleistocän, so fehlt eben das
Pliocän ganz. Das ist sehr unwahrscheinlich, viel eher
werden die Equus-Beds pliocän sein. In ihnen ist das süd-
amerikanische Element reich vertreten, welches doch, wie wir
sahen, in Florida pliocän erscheint.
Strittig ist hiernach zumal das Alter der araukanischen
Formation, die zwar unmöglich, wie Steinmann meinte, .
pleistocän sein kann, wohl aber entweder, und wie ich denke,
am wahrscheinlichsten unteres Pliocän, oder, wie Ameghino
meint, oberes Miocän sein kann. |
2. Die Eiszeiten.
Es lassen sich, wie in anderen Teilen der Erde, so auch
in Südamerika zwei Perioden der Vergletscherung nach- |
weisen. Von der pleistocänen Eiszeit sprachen wir oben
schon anläßlich Steinmanns bezüglicher Angaben. Stein-
mann bestätigte, daß in Patagonien und in den Anden die
Ansammlung und Wirkung der Eismassen zeitweise eine
etwas größere war, als jetzt. Ob es nicht ein Mißbrauch des
Wortes „Eiszeit“ ist, dieses auf Südamerika anzuwenden,
möge dahingestellt bleiben, jedenfalls sind diese jüngeren
glazialen Erscheinungen sehr geringfügiger Art, nie haben
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 101
sie die allgemeinen physischen Bedingungen des Landes
wesentlich beeinflußt.
Es wäre das anders, wenn L. Agassiz recht behalten
hätte mit seiner Behauptung einer brasilianischen Eiszeit.
Auch hier in Rio Grande do Sul kann man nicht selten
Verhältnisse beobachten, die man auf Wirkungen von
' Gletschern oder Eisbergen zu beziehen in Versuchung kommt,
allein die vermeintlichen erratischen Blöcke sind offenbar an
' ihren Platz zu einer Zeit gelangt, als das angrenzende
mineralogisch identische Gebirge noch höher und weniger
| zersetzt war. In den Campos im Süden trifft man fern von
den Bergen auch niemals Felsblöcke, so wenig, wie in den
' Pampas Argentiniens.
Anders steht es mit einer älteren karbonen Eiszeit, über
die wir durch O. Derby') unterrichtet sind. In der Karbon-
region des Paranägebietes triftt man nämlich der Karbon-
formation angehörige Schichten von Tonschiefern, welche
kleinere und größere Blöcke aus verschiedenartigen Gesteinen
' in einer Weise eingelagert enthalten, die nur auf Transport
dureh Eis beziehbar ist.
Es hat bekanntlich nicht an einer großen Menge von
Versuchen gefehlt, die Eiszeiten auf kosmische Momente
ursächlich zurückzuführen, und ihnen eine regelmäßige Perio-
dizität zu vindizieren, Versuche, die in den geologischen Tat-
sachen so wenig Halt finden, daß man sie, wie Waagen
sich ausdrückt, kaum ernst nehmen kann. Waagen hat zu-
nächst darauf hingewiesen, daß die mächtigen See- wie Süb-
wasserschichten des vorderindischen Gondwana - Systems,
welche vom Karbon bis zum Jura reichen, in den ober-
karbonen Talchirschicehten in feinen Schiefertonen und Sand-
steinen oft gekritzte Felsblöcke bis zu sechs Fuß Durch-
1) „Neues Jahrbuch für Mineralogie“ 1888, Bd. II, S. 172—76, in
einem Briefe an Waagen.
102 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
messer enthalten, welche nur durch Ris können transportiert '
worden sein. Auch die ihnen entsprechenden Ekkaschichten
Südafrikas, sowie in Ostaustralien die Stony - Creekschichten
und Bachusmarsh - Schichten sind in gleicher Weise glazial.
Waagen hält diese Ablagerungen mit Glazialerscheinungen '
für gleichaltrig und bestimmt ihr Alter als oberkarbon. „In
Australien,“ sagt Waagen p. 183, „haben wir unzweifelhaft
unterkarbone Ablagerungen, Kulmschichten als Unterlage der
glazialen Bildungen; am Indus in der Salt-range haben wir
Schichten unzweifelhaft permischen Alters im unmittelbar
Hangenden derselben, und so bleibt uns nichts anderes |
übrig als die Annahme, daB sich die glazialen Vorgänge,
von denen bis jetzt die Rede war, zu einer Zeit abspielten,
als anderwärts die oberen Coal Measures zur Ablagerung ;
gelangten. Die Annahme der Phytopaläontologen, daß in :
Australien die Pflanzen das Ausschlaggebende seien, und daB
die paläozoischen Tiertypen dort bis in die mesozoische Zeit
herauf fortgelebt hätten, worauf die Pflanzenreste hinwiesen,
ist damit gänzlich unhaltbar geworden, und wir wissen nun
ganz bestimmt, daß in Australien, Afrika und Indien eine
Flora von mesozoischem Typus bereits zurzeit der Coal
Measures erscheint.“
In Australien folgten auf die devonischen Lepidodendron- ;
sandsteine die Schichten von Stroud, Port Stephens usw., ;
welche unterkarbon sind, und nach Feistmantel Arten von
Calamites, Rhacopteris, Archaeopteris, Cyelostigma und Lepi- |
dodendron enthalten. Auf sie folgen die schon erwähnten ı
oberkarbonen Schichten mit Glazialerscheinungen, und diese
enthalten schon eine wesentliche andere Flora mit Arten von
(Glossopteris, Noeggerathiopsis, Annularia usw. Waagen!) hat
1) V. Waagen, Die karbone Eiszeit, „Jahrb. d. K. K. Geol. Reichs- _
anstalt“ 1887, Bd. 57, p. 185. H. F. Blanford, Quart. Journ. Geol.
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 103
ohne Zweifel recht, wenn er das zeitliche Zusammenfallen
I der Glazialerscheinungen und des Auftretens einer neuen
Flora in ursächlichen Zusammenhang bringt. Dieselbe Er-
| scheinung kehrt nun in Südafrika wieder, wo die unter-
ı karbonen Tafelbergsandsteine Calamites-, Equisetum- und Lepi-
dodendron-Reste einschließen, indeB in dem darüber folgenden
Karoosysteme die untersten Schichten, die glaziale Erscheinung
aufweisenden Ekkaschiefer, wieder eine allerdings noch kaum
studierte Glassopteris-Flora enthalten.
In Indien ist die älteste bekannt gewordene Flora jene
der Talehirs, in welcher Gangamopteris angustifolia vorherrscht,
eine ursprünglich aus dem Bachusmarsh-Sandstein von Austra-
lien beschriebene Form. Darüber folgen die kaum als Ab-
teilung abzutrennenden Karhaibarischichten, worüber Feist-
mantel bemerkt: „Die häufigste Form ist Gangamopteris
cyelopteroides. Voltzia heterophylla Brogn. ist eine charakte-
ristische Art der europäischen unteren Trias, und ebenso
haben Albertia und Neuropteris ihre nächsten Verwandten in
den gleichen Schichten; alle Arten von Gangamopteris, (los-
sopteris, Vertebraria und Noeggerathiopsis sind nahe verwandt
mit Formen aus australischen Ablagerungen.“
Dieselbe Flora tritt nun auch in Oacheuta in Argentinien
auf, in der Szainocha Sphenopteris elongata Carr. und lobifolia
Morris, Thinfeldia odontopteroides Morr. und lancifolia Morr.,
sowie Zeugophyllites elongatus Morr. nachwies, alles australisch-
indisch-afrikanische Typen. In Verbindung mit ihnen findet
sich auch ein Süßwasserkrebs, Hstheria mangaliensis Jones,
der auch aus dem indischen Gondwana-Systeme (Danuda-
Schichten) bekannt ist.
Soe. London, vol. 31, 1875, p. 519; ferner Waagen, Denkschr. Kais.
Akademie W., 1878; sowie Waagen, Record Zool. Surv. of India
1878, sowie die beiden anderen schon zitierten Arbeiten.
104 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
Diese karbone Eiszeit fällt also auf der südlichen Halb- \
kugel ins obere Karbon, während sie in Europa erst im Perm
eintritt, dann aber auch zum Teil von neuem wieder auf die
südliche Hemisphäre übergreifend. In bezug auf die geo-
graphischen Verhältnisse leitet Waagen hieraus folgende |
Schlüsse ab. Zunächst ergibt sich, daß die aus mesozoi-
schen Pflanzentypen zusammengesetzte jüngere Flora auf dem
großen südlichen afriko-indo-australischen Kontinent sich
autochthon entwickelt hat, weil eben vor der oberkarbonen
Formation nirgends mesozoische Pflanzenformen angetroffen '
werden, die sich dann auf dem südlichen Kontinente hätten
ausbreiten können. Dagegen liegt die Annahme sehr nahe,
daß die mesozoischen Floren Europas, die alle eine große !
typische Ähnlichkeit zeigen, als Abkömmlinge jener palä- \
ozoischen Flora zu betrachten seien, die zur Zeit der Coal
Measures auf dem südlichen Kontinente zur Entwicklung
gelangte.
Daß diese Kälteperiode überhaupt großen Einfluß auf ı
das organische Leben ausübte, geht auch hervor aus palä-
ontologischen Beobachtungen in Indien. Die Permfauna der
Salt-range ist Waagen zufolge eine überaus reiche, aber
auch eine mannigfach zusammengewürfelte. Der größte Teil
der Fauna stammt aus dem Osten, aus China, welches schon
zur Zeit der oberen Coal Measures von Amerika aus be-
siedelt worden war. Eine Besiedelung auf so enorme Ent-
fernungen hin kann nur stattfinden unter besonders günstigen
Umständen, unter Beihilfe von Meeresströmungen. Wahr-
scheinlich waren es auch diese, welche das Klima Chinas so
weit milderten, daß dort die Bildung der Coal Measures ihren
ungestörten Fortgang nehmen konnte, während im benach-
barten Indien große Eismassen sich anhäuften. Diese Meeres-
strömungen erreichten zu permischer Zeit auch die indische
Küste des großen südlichen Kontinentes und verursachten
| Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 105
" dort, warmes Wasser mit sich bringend, die reiche Entwick-
!lung des organischen Lebens im Productuslimestone. Eine
) andere, jedoch kleinere Zahl von Arten deutet auf Zu-
| sammenhang mit der Karbonfauna Australiens. Nach Old-
!ham findet sich diese letztere in die Glazialablagerungen
eingebettet, und sie ist daher wohl als eine Fauna des kalten
i
'
| Wassers aufzufassen. Diese Permfauna erscheint nun plötz-
"lich abgeschnitten, sobald die ersten Ablagerungen der Cera-
| titenschichten, d. h. der unteren Trias, sich einstellen. Wie
1 in der quartären Eiszeit, wird auch hier die eintretende Kälte
|
‚zunächst wohl eine horizontale Verschiebung der Faunen zur
“Folge gehabt haben, welche aber durch gleichzeitige Ver-
! änderungen in der Verteilung der Festlandsmassen und der
Meeresströmungen den Untergang der paläozoischen Fauna
| nicht hindern konnte.
Dieser Fall liegt Waagen zufolge in der Salt-range vor.
Während dort zur Zeit der zweiten karbonen Kälteperiode
|
‚|
I
|
|
|
eine warme, aus Osten kommende Strömung ein reiches Leben
| begünstigte, wurde diese Strömung zu Ende der Permzeit
plötzlich abgelenkt und durch eine aus dem hohen Norden
| kommende kalte Strömung ersetzt. Daß dies der Fall war,
| wird durch die eingeschlossenen Versteinerungen bewiesen,
| indem mit den untersten Schichten der Trias sich in der
\ Salt-range plötzlich sibirische Oephalopodentypen (Sibirites
| usw.) in großer Menge einstellen. Diese Meeresströmung
| bleibt nun durch die Zeit der ganzen Trias und des ganzen
Jura hindurch bestehen und veranlaßt ein tiefes Herabgreifen
der Grenzen der borealen Meeresprovinz gegen Süden, worauf
\
l
»
' für den Jura zuerst Neumayr hinwies.
Begleiten wir nunmehr Waagen noch in seinen Folge-
rungen über die karbonische Geographie. Maßgebend ist
| dabei zunächst die Tatsache, daß sich in Ostaustralien, Indien
und Afrika mächtige Schichtensysteme befinden, welche unter-
106 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
einander viel näher übereinstimmen, als mit irgend einer |
Schichtenfolge, welche aus Europa oder Amerika bekannt
geworden ist. Den Ausdruck „Amerika“ würde Waagen
nach dem früher Bemerkten jetzt auf Nordamerika be-
schränken. Der größte Teil dieser Ablagerungen ist offen-
bar aus Niederschlägen des süßen Wassers gebildet, und es
müssen riesige Seen und gewaltige Stromsysteme sich da
ausgebreitet haben, wo wir heute diese Schichten vorfinden.
Diese Beobachtung hat schon früher zur Annahme eines
großen Kontinentes geführt, welcher in frühen geologischen
Zeiträumen sich über einen großen Teil der Südhemisphäre |
ausbreitete, an Ausdehnung den jetzigen europäisch-asiati-
schen Kontinent wohl erheblich übertreffend. Leider hat .
Waagen sich nicht darüber ausgesprochen, in welcher Weise
man sich den Zusammenhang der südamerikanischen Festland- :
massen mit dem großen südlichen Kontinent vorzustellen hat,
Dieser Zusammenhang kann ja entweder zwischen Afrika und
Brasilien, oder zwischen La Plata und Australien antarktisch
stattgefunden haben.
„Die Geschichte dieses Kontinentes,“ sagt Waagen,
„scheint eine höchst eigentümliche gewesen zu sein. Statt
der großen Faltenzüge, die in der Nordhemisphäre die Ge- ;
birgserhebungen zusammensetzen, und so gewissermaßen das |
Gerippe der Kontinentalmassen bilden, finden wir hier Tafel- ‚
berge aus horizontal gelagerten Gesteinsmassen aufgebaut. .
Allerdings ruhen auch diese wieder auf gefalteten Gebirgs- ;
gliedern, allein es sind hauptsächlich nur archäische Gesteine, |
die von der Faltenbildung betroffen werden. Bereits zur .
devonischen Zeit sehen wir die Intensität der Faltenbildung
bedeutend reduziert; große Distrikte, wie Südafrika und /
Indien, zeigen die devonischen Gebilde größtenteils in hori- |
zontaler Lagerung, und alles was später folgt, wird nur hier |
und da lokal aus seiner horizontalen Lage gerückt. Während |
A ob =.
until
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 107
‚so die faltenbildende Tätigkeit auf diesem Teile der Erdober-
fläche mehr und mehr reduziert wird, scheinen zu gleicher
\ Zeit ungeheure Einbrüche die einst vorhanden gewesene grobe
Ländermasse mehr und mehr der Zerstückelung zugeführt zu
haben. Wir wissen aus der Verteilung der marinen Nieder-
schläge, daß zur jurassischen Zeit der einstige Kontinent
bereits in drei unabhängige Teile zerfallen war, und Afrika,
Indien und Australien durch Meeresarme von einander ge-
trennt waren; zur triassischen Zeit dagegen hing Afrika wahr-
scheinlich noch mit Indien zusammen, während Australien
| schon damals selbständig geworden war.“
So verkleinerte sich der einstige Kontinent mehr und
‚mehr, wahrscheinlich ungefähr in demselben Maße, als Europa
' und Asien dem Meere entstiegen. Heute existieren nur mehr
geringe Bruchstücke des einstigen südlichen Kontinentes, doch
‚lassen uns bereits diese durch die Mächtigkeit der horizontal
gelagerten Süßwasserschichten auf die gewaltige Ausdehnung
der Ländermassen schließen, der sie einst angehörten.
Nicht berücksichtigt hat Waagen hierbei jene pacifischen
“ Festlandgebiete, deren Reste uns in den Sandwich-Galapagos
u. a. Inseln des Stillen Ozeanes erhalten sind, und deren
Untergang offenbar schon zur Jurazeit in Gang war, in einer
Weise, die sich durch die geographische Verbreitung der
verschiedenen in der mesozoischen oder paläozoischen Epoche
zuerst auftretenden Tiergattungen teils schon jetzt erkennen
läßt, teils mit der Zeit genauer noch verfolgbar werden wird.
Auch bezüglich der Beziehungen Afrikas zu Indien und Süd-
amerika sind diese Angaben unterdessen durch Neumayr
mehr oder minder modifiziert worden. Das aber läßt sich
aus allen diesen Beobachtungen und Folgerungen schon ab-
leiten, daß die eigentümliche Verteilung der Festlandsmassen
zur Jurazeit nicht plötzlich und unvermittelt auftritt, sondern
an die paläozoische Geographie anknüpft.
108 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
3. Die geographische Entwicklung Südamerikas.
Es scheint sehr mißlich und zurzeit kaum möglich, des
Genaueren die geographischen Verhältnisse Südamerikas .
während der paläozoischen Epoche zu rekonstruieren. Je
weiter wir in der Reihe der Formationen zurückgehen, um |
so mehr nehmen marine Gebilde im Inneren Südamerikas
überhand. Silur und Devon sind, wie wir sahen, fast über- .
all in Südamerika reichlich entwickelt, andererseits aber gab .
es ohne Zweifel während der Karbonformation Festland in
Südamerika, das beweisen die in Südbrasilien und Argentinien ,
in reicher Entwicklung vorkommenden Steinkohlenflöze, die,
wie wir sahen, teils der Karbonformation, teils der Trias .
angehören, zufolge der in ihnen eingeschlossenen Flora. Es |
gab also auch schon in der paläozoischen Epoche Festland
in Südamerika, welches namentlich die südöstlichen Gebiete
einnahm, indes die übrigen Teile Südamerikas großenteils
vom Meer bedeckt waren. Dieser Zustand erhielt sich auch
in der mesozoischen Epoche, wo der größte Teil Südamerikas |
Festland war, während die Gegend, in welcher sich später
die Kordilleren erhoben, unter Meer lag.
Die Verbreitung von Meer und Festland während der
Juraformation hat Neumayr in seiner Erdgeschichte in einer
Karte dargestellt, die mir jedoch nur aus einer Kopie von
Frech') bekannt wurde. Neumayr gibt darin einen sino- ı
australischen Kontinent an, einen nearktischen und einen
brasilianisch-äthiopischen. Zentralamerika, der Norden und
Westen von Südamerika und der Westen von Nordamerika
sind vom Jurameer bedeckt gewesen, ebenso Feuerland, |
wogegen die Falklandsinseln dem Kontinente zugehörten.
Letzterer sendet von Südafrika her einen Ausläufer nach
Vorderindien, die große indo-malgassische Halbinsel.
1) R. Frech, Über die Meeresprovinzen der Vorzeit, Berlin 1889,
Separatabdruck a. d. „Naturw. Wochenschrift“.
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 109
Diese Karte bietet so eminent hervorragende Züge der
| Übereinstimmung mit jener, die ich nach der alten Verbrei-
tung der Süßwasserfaunen aufstellte, daß es wohl lohnt, die
'! Differenzen, die sich vorfinden, genauer ins Auge zu fassen.
Neumayr hat als Grundlage seiner Darlegungen die Ver-
| breitung des Jurameeres benutzt. Es ist aber klar, daß
" innerhalb des vom Meere freigelassenen Rahmens seine Kon-
struktionen rein hypothetisch sind. Wenn wir nun einerseits
' zoogeographisch zu gleichen Anschauungen kommen, anderer-
seits aber wesentlich andere Folgerungen sich ergeben sehen,
‚so ist es klar, daß da, wo für die rein geologische Kon-
struktion der Boden unsicher wird oder ganz fehlt, die geo-
graphische Verbreitung der Tiere und Pflanzen als ein über-
‚aus wichtiges Hilfsmittel ergänzend zur Seite tritt.
Ein erster Punkt, in dem die Neumayrsche Karte
unrichtig sein muß, ist die Annahme eines dem heutigen
identischen, pazifischen Ozeanes schon während der Jurazeit.
' Zoologische und botanische Gründe zwingen uns zur Annahme,
daß in der mesozoischen Epoche, vermutlich bis gegen die
Kreideformation hin ein pazifischer Kontinent bestand. Die
‘ Annahme von Wallace, wonach schwimmende Bäume und
Eisberge den Transport von Eidechsen, Landschnecken und
selbst Süßwassertieren auf diese, anfangs jeden Tierlebens
baren, ozeanischen Inseln besorgt haben sollen, steht nicht
im Einklang mit den Tatsachen, wie ich an anderer Stelle
nachwies. In Zusammenhang hiermit steht der zweite Irrtum.
Es fehlt bei Neumayr die Brücke zwischen Neu-Seeland und
Südamerika. Ob diese eine antarktische war, wie mir es
wahrscheinlich, oder eine mittel- resp. südpazifische, wie
Hutton annimmt, ist unentschieden. Der erste, welcher die
Notwendigkeit einer solehen Brücke betonte, war der Botaniker
J.Hooker. Auch Wallace nahm eine antarktische Brücke
an, stellte sie sich aber als miocän vor, was, wie Hutton
110 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
mit Recht betont, unmöglich zutreffen kann, da sonst ja |
miocäne Vögel und Säugetiere eine breite Straße der Wande-
rung offen gehabt hätten.
Ein dritter mutmaßlicher Fehler von Neumayrs Karte
ist es, daß auf ihr Südamerika als eine einheitliche Festland-
masse erscheint. Wie ich früher zeigte, setzt sich die süd- ,
amerikanische Fauna aus drei verschiedenen Elementen zu- ,
sammen, welche ebensovielen einst getrennten Gebieten ent- /
sprechen. Ich habe dieselben bezeichnet als Archiplata,
Archibrazil, Archiguiana. Ersteres Gebiet umfaßt Südbrasilien, j
die La Platarepubliken, Chili und Peru. Dieses Archi-
platagebiet hat eine einheitliche Fauna, und eine Anzahl
Süßwasserspezies sind Südbrasilien und Chili gemeinsam, |
Sie haben die Hebung der Anden überdauert, nach deren |
annähernder Beendung der Zusammenhang mit Archibrasil |
erfolgte, durch den die Archiplatafauna des östlich der
Anden gelegenen Teiles eine so komplette Umwandlung er-
fuhr. Archiguiana bietet einen sehr viel weniger aus- |
gesprochenen Gegensatz gegen Archibrazil dar. Beide sind
nur verschiedene Abteilungen einer einheitlichen Provinz, die
einst mit Afrika zusammenhing. Offenbar waren diese beiden
Provinzen längere Zeit durch das Amazonasmeer getrennt,
dadurch ihre charakteristischen Züge entwickelnd. Es ist |
möglich, dab diese Trennung erst bei der Transgression des .
Meeres zur Kreidezeit erfolgte, und daß daher Neumayrs
Karte hierin das Richtige trifft, doch wird dies davon ab- |
hängen, ob nicht im Amazonastale doch Juraversteinerungen .
aufgefunden werden, welche uns Brasilien und Archiguiana
als zwei durch eine Amazonasbucht getrennte Halbinseln |
dartun würden.
Man muß sich immer erinnern, daß die geologische „
Erforschung Südamerikas eigentlich erst im Beginne steht.
Daß im weiteren Fortschreiten dieser Forschung in dem
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 114
N ganzen von Neumayr als einheitlich aufgefaßtem Gebiete
A keinerlei Anzeichen des Jurameeres mehr gefunden werden
| sollten, ist kaum glaublich. Es ist namentlich klar, daß die
\ tiefgehende Trennung der beiden großen zoologischen Regionen
\ Südamerikas, von Archiplata einerseits, Brasilien und Archi-
| guiana andererseits, in die Jurazeit zurückreicht, und in der
‚ jurassischen Geographie ihre Ursachen hat. Auf eine solche,
den Geologen entgangene Notiz bin ich schon gestoßen. R.
! Av&-Lallement gibt in seiner „Reise in Brasilien“ I,
'p. 308, an, am Rio Piratinim, einem Nebenfluß des Uruguay,
! auf Gebiet von Rio Grande do Sul, Belemniten gefunden zu
Ü haben. Sollte hier die alte Trennungslinie zwischen Archi-
! plata und Archibrazil gelegen haben? Wahrscheinlich sind
' auch im östlichen Südamerika Juraschichten in größerer Aus-
| dehnung vorhanden gewesen, aber zerstört worden. Bei Porto
| Alegre und Säo Lourenco, im Süden von Rio Grande do Sul,
ruht das Alluvium unmittelbar auf dem Granit auf. Auch
| Burmeister!) berichtet von 200 m tiefen Bohrungen bei
Buenos Aires, aus denen sich ergab, daß das Tertiär un-
mittelbar auf den metamorphischen Gesteinen der azoischen
' Formation aufruht.
Andererseits wäre es auch möglich, daß die Trennungs-
linie im Süden von Buenos Aires läge, und daß zur Jurazeit
Archiplata auf mehr südliche Gegenden beschränkt war.
Die Malwinen oder Falklandsinseln sind jedenfalls erst relatif
' spät in der Tertiärzeit von Patagonien abgegliedert worden,
darauf weisen schon die daselbst vorkommenden canis-Arten
hin. Auch Chili muß weiter nach Westen gereicht haben,
da offenbar Chilo& lange mit Chili zusammenhing, mit dem
es die identische Süßwasserfauna teilt. Jedenfalls muß nach
dem Rückzuge des Jurameeres aus der Gegend der chile-
!) Desc. phys. Arg. Geologie, p. 154.
112 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
nischen Anden eine einheitliche, faunistische Region sich über |
Chili und Argentinien ausgebreitet haben, welche uns die
noch heute nachweisbaren Verwandtschaftsbeziehungen erklärt.
Offenbar ist die Festlandbildung in der Andengegend im
Siiden eher in Gang gekommen, als im Norden, weshalb
marine Kreidebildungen auch von Bolivia und Peru bis über
Ecuador hinaus bis Zentralamerika eine große Rolle spielen.
Die Tierwelt des Süßwassers trägt daher westlich der Anden
in der Archiplataregion einen ganz anderen Charakter als
in Ecuador und Columbien. Bei Lima trifft man noch die-
selbe Süßwasserfauna wie in Chili. Chilina, Unio aus der
Gruppe des chilenischen auratus, falls nicht damit identisch,
und mancherlei kosmopolitische Genera sind in Arten der '
Archiplatafauna vertreten, aber es fehlen, wie in Chili, alle
Glabaris - Arten (Anodonta - ähnlich) und andere Muteliden, |
ebenso wie Ampullaria. In Ecuador aber bewohnen zwei |
Ampullaria-Arten auch die Flüsse der Westküste, während
Unioniden da noch nicht gesammelt wurden. Die Fische be-
stätigen diese Auffassung. Während in Chili nur sehr wenige
Gattungen von Süßwasserfischen vertreten sind, meist Silu-
riden, aber die speziell charakteristischen Familien der
Characiniden und Chromiden fehlen, sind diese in den Ge- |
wässern des westlichen Ecuador vertreten, zum Teil auch
noch im nördlichsten Peru. Auch die beiden Sumpfschild- '
kröten Ecuadors, zwei Ölemmys-Arten, leben östlich, wie
westlich der Anden, während im Archiplatagebiet westlich
der Anden keine Schildkröten vorkommen. Die Landtiere
sind natürlich nicht an die engen Grenzen gebunden, wie die
Süßwassertiere, trotzdem lassen auch sie zum Teil ähnliche
Beziehungen erkennen. Unter den /guaniden, einer sehr alten,
zumal in Südamerika, aber auch in Madagaskar wie auf den
Gallapagos, Viti- und Freundschaftsinseln, vertretenen Familie,
existieren viele Formen, die von Venezuela und Ecuador bis |
| Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 113
\auf die Antillen sich verbreiten, indes die Gattungen Lio-
\laemus, Saceodeira und Urostrophus genau auf das Archiplata-
gebiet beschränkt sind, im Westen auf Chili und Peru, im
Osten auf Patagonien, Argentinien, Uruguay und Rio Grande
\do Sul. Wenn bis jetzt Geographen und Geologen die süd-
|
|
‚amerikanischen Anden als einheitliches System ansehen, so
I das offenbar verkehrt. Die tiergeographischen Tatsachen
\enthalten daher einen Wink zur Prüfung der Zusammen-
‚setzung und Entstehung der Anden.
Wir haben daher mit der Tatsache zu rechnen, daß die
ch. indischen Beziehungen der südamerikanischen
| Tier- und Pflanzenwelt sich nur auf Archibrazil und Archi-
‚guiana beziehen, während Archiplata mesozoisch mit Austra-
| lien und Neu-Seeland zusammenhing. Diese uralte Trennung
‚zwischen Archiplata und dem Rest von Südamerika erhielt
‚sich wenigstens für die Süßwasserfauna sehr lange. In den
älteren tertiären Schichten von La Plata oder in Patagonien
kommen aber die Konchyliengattungen der Archiplata in den
| Süßwasserablagerungen vor, Ampullarien und Glabaris er-
N scheinen erst pliocän und zwar mit Arten, die sich durch den
| Rio Paraguay nach dem Amazonas verfolgen lassen. Dies wäre
„nicht zu verstehen, wenn nicht die Ebene des Rio Paraguay in
| gleicher Weise, wie jene des Amazonas während des größeren
h Teiles der tertiären Formation vom Meere bedeckt gewesen
| wäre. Miocän existierte bei Paranä ein großer Golf des offen-
| bar weit ins Innere des Kontinentes eindringenden Meeres,
in dessen Ablagerungen auch Säugetiere der patagonischen
Formation angetroffen werden. Die nächst tiefere, größere
!
}
| Formation des Tertiäres, die guaranische reicht als ver-
| steinerungslose Bildung weit über die östlichen und nörd-
‚lichen Teile Argentiniens. Bei Buenos Aires trifft man in
‚einer Tiefe von 92 m auf die patagonische, in einer Tiefe
| von 112 m auf die guaranische Formation, die bis zur Tiefe
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 8
114 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
von 290 m vorhält:e Burmeister schließt aus diesen Tat- |
sachen (l. ec. 8. 224), daß bei Ablagerung der patagonischen |
Formation ein Meeresarm Corrientes und Südbrasilien von den
zum Teil inselförmig entwickelten Festlandspartien der Pampas-
gegend trennte. Er weist ferner darauf hin, daß Kreidemassen, |
vermutlich eretaceischen Alters in der Serra zwischen Cordoba
und S. Luis gefunden wurden, und daß man in Patagonien '
im Rio Negro und im Rio Chubut Ammoniten des Oolith ‘
findet.
So unvollkommen alle diese sparsamen Tatsachen uns!
auch über die ältere Geographie des La Plata aufklären,
so statuieren sie doch nicht im mindesten einen Gegensatz‘
zwischen den zoogeographischen und geologischen Tatsachen,
lassen vielmehr erwarten, daß bei Zunahme der geologischen '
Aufschließung des Paraguaytales und Argentiniens sich heraus-
stellen wird, in welcher Weise die Abgrenzung von Archi-
plata und Archibrazil beschaffen war. Diese Abgrenzung!
bestand für die Süßwasserfauna auch noch während des’
größten Teiles der Tertiärepoche, für die Landtiere jeden-
falls nicht so lange, da die sich hebenden Anden wohl schon
zu einer Zeit, da Brasilien noch Insel war, eine schmale
Brücke nach dem Norden schlugen. 1
Von ganz besonderer Bedeutung sind für die Weiter- |
verfolgung dieser Fragen die verwandtschaftlichen Beziehungen
der Säugetiere. In der mesozoischen Epoche gab es aber‘
Beuteltiere, aus denen sich vermutlich in der Kreideformation |
die ersten placentalen Säugetiere entwickelten. Die meso-
zoische Geographie nun läßt uns in der Hauptsache]
zwei große kontinentale Massen erkennen, eine euro-
päisch-asiatische, die mit Nordamerika und Austra-
lien zusammenhing, und eine brasilianisch-afrika-
nische. Es ist aber bemerkenswert, daß, soweit mir wenigstens
bekannt, cretaceische und eocäne Säugetiere weder aus Afrika,
| Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 115
noch aus Brasilien bekannt wurden, während man sie aus
‚fast allen Teilen der ersteren großen Kontinentalmasse kennt.
„Auf ihr wird daher der Beginn der Entwicklung placentaler
‚Säugetiere zu suchen sein. Auch als zu Ende der Kreide-
‚formation oder vielleicht erst eocän die Brücke zwischen
Afrika und Südamerika sank, mußten die inselförmig isolierten
Gebiete von Archibrazil und Archiguiana zunächst für die
‚Entwicklung des Säugetierlebens bedeutungslos bleiben. Es
bleiben dann aber zwei Wege offen, auf denen die Ein-
! wanderung von Säugetieren nach Archiplata erfolgen konnte:
entweder über die Anden von Nordamerika her, oder von
Australien aus.
| Würden etwa eocäne Säugetiere in Brasilien und Afrika
| entdeckt, so würde die Annahme einer Einwanderung von Afrika
N aus nach Südamerika nötig werden, für die bis jetzt keinerlei
[N
| Tatsachen angeführt werden können. In bezug auf den et-
| waigen Weg von Nordamerika her besteht eine in der „Revista
‚ Argentina“ enthaltene Kontroverse zwischen Ameghino und
| mir. Der argentinische Gelehrte gibt zu, daß mesozoisch und
‚tertiär bis zum Ende des Miocän beide Amerika getrennt
waren, meint jedoch, ohne die Annahme einer eocänen Land-
‚verbindung nicht auskommen zu können, angesichts der Ähn-
lichkeit der Säugetiere des argentinischen und nordamerika-
‚nischen Eocäns. Andererseits gibt Ameghino die Richtig-
keit meiner Argumentation zu, daß nämlich die zu Didelphys
‚führenden Peratherien und die zu den Therydomyden des euro-
‚päischen Eocäns führenden hystricomorphen Nager Argen-
tiniens in Nordamerika gar nicht oder erst später auftraten.
Es scheint mir kein zwingender Grund für eine solche An-
nahme vorhanden, wohl aber sprechen ernste Bedenken da-
gegen. Wie wir oben sahen, war in der Kreidezeit Mittel-
amerika, sowie ein großer Teil des nördlichen Südamerika,
ebenso wie Texas und Mexico, vom Meere bedeckt. Dieses
8*
116 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
zentralamerikanische Meer muB nun tertiär immer mehr zu-,
rückgewichen sein und das lehrt auch die Erfahrung. Heil-
prin!) hat eine in dieser Hinsicht überaus instruktive Karte,
veröffentlicht. Die eocänen marinen Schichten gehen wie
ein zusammenhängender Gürtel von Texas aus, längs des
Mississippi einen tiefen Golf bildend, quer durch Georgia,
Florida usw. hindurch. Nahezu parallel schieben sich daran |
die oligocänen, miocänen usw. Schichtengürtel. Die Karte,
erläutert somit sprechend das langsame Wachstum Nord-
amerikas gen Süden hin, bietet aber keinerlei Handhabe dar.
für die Hypothese, daß eocän plötzlich und vorübergehend eine;
große Zunahme des Festlandes erfolgt wäre, vielmehr zeigt.
diese Karte, sowie auch der Text, uns das nordamerikanische))
Eocän ganz an die noch weiter landeinwärts folgenden Kreide-)
schichten anknüpfend, nur als ein Glied in der Kette jener!
Vorgänge, durch welche die Küste Nordamerikas sukzessive;
mehr gegen Osten und Süden ausgedehnt wurde. Im Gegen-!
satz zu der einen rezenten Ursprung Floridas vertretenden |
Meinung von L. Agassiz ergibt sich aus Heilprins und;
E. A. Smiths Untersuchungen, daß ein großer Teil von]
Florida schon miocän als Festland existierte, da das Alter |
der den größten Teil der Halbinsel bildenden Schichten |
oligoeän ist. Ä
Wenn somit beide Amerika eocän ebenso getrennt waren, |
wie mesozoisch und miocän, so kann die ältere Säugetier-.
fauna Argentiniens nicht über Nordamerika eingewandert
sein. Wie mir scheint, weisen gerade Ameghinos neueste |
Untersuchungen uns auf die Richtung hin, aus der die Ein-
wanderung erfolgte. Zu den bemerkenswertesten, neuerdings
von Ameghino im patagonischen Eocän gemachten Funde
!) A. Heilprin, Contributions to the Tertiary Geology and Paleon- |
tology of the United States, Philadelphia 1884, „Journ. Ac. Nat. Se.“ |
II. vol. IX. pl. IV.
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. art
|
Bi
‘gehört der Nachweis der neuen Genera Protylacinus, Pera-
thereutes u. a, Raubtiere, welche zu den Dasyura gehören,
den gegenwärtig aus Australien beschränkten Beutelmardern.
Es wird also entweder die Brücke zwischen Australien und
\Archiplata doch bis ins Eocän erhalten geblieben oder die
'n schon in der Kreideformation erfolgt sein.
"Die Antwort auf diese Frage wird wohl von den eocänen
|
Y
'Süßwasserschichten Australiens erwartet werden müssen. Die
'Wallacesche Idee, daß Australien keine eigenen plazentalen
Säugetiere besitze, und dab es infolge frühzeitiger Isolierung
die mesozoische Fauna unverändert sich erhalten habe, wies
ich schon früher zurück. Volle Aufklärung kann uns erst
werden, wenn auch in Australien das ältere Tertiär reiche
(Ausbeute an Säugetieren geliefert haben wird. Leider ist
\gerade über die älteren fossilen Säugetiere der australischen
[region verhältnismäßig wenig bekannt. Moreno!) gibt an,
‚daß auf den Salomons-Inseln Beinknochen eines großen Säuge-
Itieres entdeckt worden seien, ähnlich jenen des Mammut, so-
"dann ein Backzahn des Mastodon und Reste des Dronte, der
‚großen erloschenen Vogelgattung von Bourbon. In Neu-
'Kaledonien habe Filhol die Knochen eines großen, fossilen
|Pachydermen entdeckt. Jedenfalls blieben Neu-Guinea und
‚Australien mit Asien lange genug verbunden, um Schweine,
"Mäuse und Hunde einwandern zu lassen, die noch heute
‚durch eigentümliche Arten daselbst vertreten sind.
So ist es klar, daß unsere Kenntnis der alten Geographie
‚Südamerikas für die Zeit von Kreide und Eocän wesentlich
von der Kenntnis der fossilen Säugetiere abhängt. Zurzeit
können wir aber sagen, daß mesozoisch und in der ersten
‚Hälfte des Tertiäres beide Amerika getrennt waren, daß
*) Fr. P. Moreno, El origin del hombre sudamerieano, Buenos
‚Aires 1882, p. 22.
|
—
118 Die Palaeo-Geographie Südamerikas,
somit die ältere Einwanderung entweder über Afrika nach
Guiana und Brasilien oder von Australien nach Archiplata
erfolgte. Für jene Annahme kann beim Mangel irgend
welcher eocäner und oligocäner Knochen im Gebiete von
Archiguiana und Brasilien kein Anhalt gewonnen werden;
indeß offenbar nähere Beziehungen bestanden zwischen der |
ältesten tertiären Säugetierfauna von Archiplata und Austra-
lien, welche uns einen Austausch der beiderseitigen Faunen |
bis ins Eocän wahrscheinlich machen.
Wenden wir uns nun der Betrachtung der in Südamerika
selbst während der tertiären Epoche erfolgten Veränderungen |
zu. Die Anden haben nicht nur jurassische, sondern vielfach |
auch cretaceische marine Schichten emporgehoben, so daß ihre
bis in die neueste Zeit fortgesetzte Erhebung offenbar erst
tertiär erfolgte. Es besteht aber darin ein Gegensatz zwischen
Archiplata und Archiguiana. In ersterem Gebiete hat die
Landbildung eher begonnen, als im Norden, wo das Kreide-
meer noch einen großen Teil von Bolivia, Nordperu und
Ecuador bedeckte, indeß im Süden, also im Archiplatagebiete,
die marinen Gebilde der Kreide sehr zurücktreten. Es ist
also in der Richtung der Anden, von Süden gen Norden
hin, das Land der Archiplataregion während der Kreide-;,
formation späterhin als ein anfangs schmaler Streifen Landes
aufgestiegen, der sukzessive breiter wurde. Dieser Streifen
Landes aber war nur die Verlängerung des bereits in Z
mesozoischen Epoche bestehenden Archiplatagebietes, dessen :
südlichste antarktische Gebiete wohl erst spät in der Tertiär- \
epoche versanken, wogegen allerdings die Brücke zwischen |
Archiplata und Australien die Eocänformation nicht über-:
dauert zu haben scheint. Die Abtrennung der Falklandinseln
vom Archiplatagebiete erfolgte erst, als es in demselben.
bereits Canis-Arten gab, deren eine auf jener Inselgruppe
sich erhielt.
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 119
Das relativ späte Verschwinden der antarktischen Land-
‘ massen von Archiplata gibt sich auch heute noch kund in
dem Gegensatze der Küstenkonchylien von Chili und Pata-
gonien, ein Gegensatz, der um so auffallender ist, als aus
' der Zeit der Landverbindung zwischen Brasilien und Afrika
sich eine große Anzahl von beiden Küstengebieten identischen
' Arten von Mollusken und anderen Seetieren erhalten hat.
' Und dieser Gegensatz der Mollusken an der östlichen und
‚ westlichen Küste Südamerikas ist ein sehr alter, schon im
‚ älteren Tertiär entwickelter. D’Orbigny und Philippi
haben gleichermaßen beobachtet, daß die marinen Konchylien
der Tertiärschichten östlich und westlich der Anden ver-
schiedenen Arten angehören. Noch wenig beachtet sind die
Beziehungen dieser marinen Faunen zu jenen von Neu-Seeland
und Australien, ein Gegenstand, zu dem viel zu bemerken
wäre. So findet sich in Argentinien in der patagonischen
Formation unter anderem Struthiolaria ornata Sow. als Re-
präsentant einer im übrigen nur in Neu-Seeland vorkommenden
Gattung, auch Vertreter von Crassatella.
Während somit im Süden die alte antarktische Land-
masse versank, muß bald die Verbindung mit Kolumbien in-
folge der fortschreitenden Hebung der Anden zustande ge-
kommen sein. Am längsten scheint Brasilien als Insel isoliert
geblieben zu sein, da einerseits im Amazonastale noch lange
marine und Brackwassermollusken sich erhielten, andererseits
erst pliocän die Binnengewässer des Amazonas- und La
Platagebietes in jenen Zusammenhang traten, welcher die
Einwanderung der brasilianischen Süßwassermollusken nach
Argentinien gestattete.
Sehr wesentliche Änderungen erlitt unterdessen der
äußerste Norden Südamerikas. Zahlreiche Land- und Süß-
wassermollusken Venezuelas finden sich auch auf den An-
120 Die Palaeo-Geographie Südamerikas.
tillen, ja selbst Vertreter der Pampassäugetiere oder ihnen :
nahestehende Arten gelangten nach Kuba und anderen Inseln
Westindiens, wohin sie eben nur über eine alte Landbrücke
kommen konnten. Diese Brücke muß breit und reichlich
bewässert gewesen sein, denn Unio scamnatus Morrel. von
Kuba, der einzige Vertreter der Gattung Unio in Westindien,
soweit bis jetzt bekannt, lebt auch in den Gewässern von
Honduras. Die heutige Landbrücke zwischen Nord-, Süd- _
und Zentralamerika, der Isthmus von Panama, ist höchstens y
plioeänen Alters, vermutlich erst am Ende jener Formation
entstanden oder noch später. Wir haben daher in tier-
geographischer Hinsicht mit zwei Brücken zu rechnen, der
älteren über die Antillen, und der Jüngeren von Panama,
Andere als pliocäne Säugetiere sind bis jetzt von den An-
tillen nieht bekannt geworden. Dies, in Verbindung mit der |
mächtigen Entwicklung, welche überall auf den Antillen die _
marinen, miocänen Schichten einnehmen, zeigt uns, daß bis
zur Miocänzeit es nicht, oder nur in geringer Entwicklung |
Land in Westindien gab, das erst pliocän in eine nur kurze
Zeit anhaltende Verbindung mit dem Norden Südamerikas
trat. Auch Florida dürfte in jener Zeit einen Teil seiner
westindischen Tiere durch Zusammenhang mit den Antillen
erhalten haben. Wie tiefgreifende Veränderungen hat in
relativ so kurzer Zeit die Geographie der Antillen erlitten,
wie bedeutende Senkungen sind da erfolgt, denn das Meer
zwischen Yucatan, Honduras und Cuba hat Tiefen von mehr
als 1000 Faden! Können so gewaltige Veränderungen in
relativ so kurzer Zeit sich vollziehen, wie soll da nicht in
sehr viel längeren Zeiträumen, seit dem Eocän oder vielleicht
selbst seit der Kreide, eine sehr viel bedeutendere Senkung
zwischen Afrika und Brasilien begreiflich werden. Die
jurassische Geographie erklärt, die Übereinstimmung der
Küstenkonchylien nicht, denn es befinden sich viele Gattungen
Y
Die Palaeo-Geographie Südamerikas. 121
darunter, die erst in der Kreide oder eocän erscheinen.
Interessant ist hierin die Verbreitung von Nerita ascensionis,
welehe nach E. Smith in Guinea, St. Helena, Ascension
und auf den beiden brasilianischen Inseln Trinidad und
Fernando Noronha gesammelt wurde.
Es ist, wie man sieht, schon ein ziemlich anschauliches
Bild, das wir gegenwärtig von der alten Geographie Süd-
amerikas uns entwerfen können. Vermutlich werden andere
auf Grund ihrer Spezialkenntnisse und reichlicherer Literatur
dasselbe wesentlich ergänzen können. Eine besonders wich-
tige Frage ist die Bestimmung des Zeitpunktes, bis zu wel-
chem eine zusammenhängende Landverbindung Afrikas mit
Brasilien und Archiplata mit Australien und Neu-Seeland ver-
knüpfte, endlich bleiben auch die oben erwähnten spät
tertiären Beziehungen zwischen beiden Amerika bezüglich des
Zeitpunktes des Eintrittes und der Dauer noch genauer zu er-
mitteln. Sind somit auch noch im einzelnen viele wichtige
Fragen zu lösen, so zeigt sich doch im ganzen zwischen den
neueren Ergebnissen tiergeographischer Forschung und jenen
der geologischen Studien über die alte Geographie des Erd-
balles eine so bemerkenswerte Übereinstimmung, daß offenbar
- die Rekonstruktion der mesozoischen und tertiären Geographie
Südamerikas, wie sie hier skizziert wurde, in ihren wesent-
lichsten, allgemeinen Zügen einen hohen Grad innerer Wahr-
scheinlichkeit für sich beanspruchen kann.
Es wäre gewiß sehr lehrreich, wenn in ähnlicher Weise
auch für andere Erdteile, unter möglichster Scheidung des
Tatsächlichen und Hypothetischen, die Paläogeographie uns
vorgeführt würde.
122 Die Unioniden Südamerikas.
Achtes Kapitel.
Die Unioniden Südamerikas.
A. Revision der von Spix in Brasilien gesammelten Najaden.
(Archiv für Naturgeschichte 1890, p. 123—1235.)
Das besondere Interesse, welches sich mir an das Studium |
der südamerikanischen Najaden zu knüpfen scheint, liegt vor
allem in der geographischen Verbreitung. In großen Zügen läßt
sich darüber etwa folgendes sagen. Südamerika hat mehr eigen-
artige charakteristische Najaden-Gattungen, als alle übrigen
Teile der Erde zusammen genommen. Die Gattungen Ap- |
lodon, Mycetopus, Columba, Hyria, Plagiodon und Castilia, so- _
wie die fragliche Byssanodonta sind auf Südamerika be- .
schränkt, während Afrika nur zwei ihm eigene Gattungen
besitzt, Iridina und Spatha, und Siam, China, Sibirien usw.
die Gattungen Solenaia und Dipsas. Einige wenige von schein-
bar hiermit widerstreitenden Daten habe ich im folgenden
richtig gestellt. Von diesen Gattungen ist Plagiodon auf den
La Plata beschränkt, ebenso Byssanodonta, soweit wir bisher
wenigstens wissen, denn Plagiodon rotundatus Mess. ist ein
echter Aplodon. Die letztere Gattung unterscheidet sich durch
leichtes Klaffen der Schale, sowie die Form der Ligamental-
bucht und breiten perlmutterlosen Saum von der nahestehenden
in Europa und Asien bis Java angetroffenen Gattung Miero-
condylaea, von der man sie bisher nicht richtig zu scheiden
wußte. Die Gattung Columba kennen wir aus Brasilien und
dem La Platagebiete, ob sie auch im Stromgebiete des Ama-
zonas vorkommt, ist angesichts der von Spix begangenen
Verwechslung noch nicht sicher zu sagen, wenn auch wahr-
scheinlich. Die Gattungen Castalia, Mycetopus und Aplodon
gehen vom Amazonas bis zum La Plata durch, aber Hyria
ist auf den Amazonas und Guiana beschränkt. Westlich der
Anden gibt es nur die Gattung Unio,
Die Unioniden Südamerikas. 123
Wie erklären sich nun diese eigenartigen Verbreitungs-
verhältnisse? Daß eine Reihe von Gattungen, ja selbst
Arten, wie z. B. Castalia ambigua, Anodonta trapezialıs, Ano-
donta trigona u. a. vom La Plata bis zum Amazonas durch-
gehen, findet seine Erklärung wohl leicht in den hydro-
graphischen Verhältnissen der Bolivianischen Tiefebene, wo
zurzeit des höchsten Wasserstandes ein enormer Süßwasser-
ozean zwischen Bolivia und Brasilien sich ausbreitet. Da
diese Gegenden der Wasserscheide zwischen Amazonas und
La Plata angehören, muß ein Zusammenhang beider Strom-
systeme hier wohl leicht stattfinden können. Leider habe
ich vergebens mich bisher bemüht, hierüber genauere Auf-
klärungen zu erlangen. Auch bezüglich der Fische ist man
neuerdings in Argentinien darauf aufmerksam geworden, dab
argentinische Arten bis in die südöstlichen Zuflüsse des
Amazonas durchgehen. Es ist namentlich Holmberg, von
dem wir weitere bezügliche Mitteilungen werden zu erwarten
haben.
Der Zusammenhang der Gewässer beider Stromsysteme,
der mir auch noch für unsere Tage als zeitweilig existierend
wahrscheinlich ist, muß jedenfalls zur Tertiärzeit ein sehr
viel ergiebigerer gewesen sein, Ja selbst noch im Beginne un-
serer gegenwärtigen Epoche reichte das Meer weiter land-
einwärts, wie d’Orbigny, Darwin und Burmeister von
La Plata, ich von Rio Grande do Sul nachwies. Konchylien,
welche von den rezenten der Rio Grande-Meeresküste nicht
verschieden sind, fand ich an der Lagoa merim und im
Camaquamstrome, an dessen Mündung in die Lagoa dos
patos. Die großen Seen der Lagoa dos patos und Lagoa
merim sind also zur Diluvialzeit, vermutlich auch noch länger
Meeresbuchten gewesen, welche durch Hebung der Küste
Binnenseen wurden. Es hat aber auch am Amazonas und
am La Plata nur geringer Hebungen bedurft, um aus Meeres-
124 Die Unioniden Südamerikas.
buchten Strombetten hervorgehen zu lassen. Nach Agassiz
hat der Amazonas von Tabatinga bis zur Mündung in einer
Ausdehnung von 2000 Meilen kaum 200 Fuß Fall, und die
mit der bolivianischen zusammenhängende Tiefebene von
Matto Grosso hat nur eine Erhebung von 150 m über dem
Meeresspiegel. Daß die Hebung seit der Tertiärzeit aber
eine sehr viel bedeutendere gewesen ist, beweisen u. a. auch
die Forschungen von L. Agassiz, welcher die tertiären
Sandsteine des Amazonasbecken bis zu einer Höhe von
800 Fuß an den Hügelketten hinauf verfolgte. Eine viel ge-
ringere Erhebung schon würde genügen, um Brasilien in eine
Insel umzuwandeln, Venezuela und Guiana in eine andere.
Es ist daher der amerikanische Kontinent am Ende der
Tertiärzeit aus 3 Gebirgsstöcken resp. Hochplateaus zusammen
getreten, den Anden, Brasilien und Guiana. Nur wer sich
diese Verhältnisse vergegenwärtigt, wird die geographische
Verbreitung der Tierwelt Südamerikas verstehen oder doch
mit Erfolg studieren können.
Die Hebung der Anden fällt bekanntlich in den Beginn
der Tertiärzeit. Nach ihrer Erhebung war der Verbreitung
von Süßwasserschnecken und -muscheln aus dem östlichen
Südamerika nach Chili ein Riegel vorgeschoben, und die
Fauna des westlich der Anden gelegenen Chili und Peru
repräsentiert uns zugleich die alttertiäre Süßwassertierwelt.
Von Najaden trifft man in Chili nur die Gattung Unio,
welche auch auf der Insel Chilo& in ganz übereinstimmenden
Arten sich findet. Das nähere Verhältnis freilich, in dem
die chilenische Fauna zur argentinischen und jener von Rio
Grande do Sul steht, bedarf noch der Erklärung. Ich er-
innere hier nur daran, daß außer Chilina auch die Crusta-
ceengattung resp. Spezies Aeglea laevis der Provinz Rio Grande
mit Chili gemein ist, die bisher noch nicht von Argentinien
bekannt wurde, aber wohl sicher auch da sich findet.
=7 _
Die Unioniden Südamerikas. 125
Es sind mithin die Najaden des La Platagebietes im
wesentlichen erst nach Hebung der Anden eingewandert und
. es wird Aufgabe der Zukunft sein, die Wege zu verfolgen,
welche dabei eingeschlagen wurden und zu ermitteln, welche
Gruppen von Arten und welche Gattungen den einzelnen
Gebieten eigen waren. Für Chili kommt, wie bemerkt, dabei
nur die Gattung Unmio in Betracht. Für Guiana wird die
Gattung Ayria reklamiert werden müssen, welche sich in
Bolivia und den südöstlichen Zuflüssen des Amazonas nicht
vorfindet und offenbar erst von Guiana und dem ÖOrinoco
aus in den Amazonas eingedrungen ist. Für weitere Schei-
dung werden aber erst Aufschlüsse über tertiäre Süßwasser-
ablagerungen abzuwarten sein. Als eine speziell brasilianische
resp. dem Stromsysteme des Rio 8. Franeisco angehörende
Formengruppe sehe ich Unio multistriatus und die nahe-
stehenden Arten an.
B. Anodonta und Glabaris.
(Zoologischer Anzeiger, Nr. 380 und 381, 1891.)
Bei den Muscheln finden wir ausgeprägter als bei den
meisten anderen Gruppen der Mollusken die Erscheinung,
daß derselbe phylogenetische Prozeß in den verschiedenen
systematischen Abteilungen sich wiederholt, zum Ausdrucke
gebracht. Ich habe einen ganzen Winter dem Studium der
Tiere der Muscheln an dem reichen Materiale der Kopen-
hagener Sammlung gewidmet, und trotz vieler neuer und un-
publizierter Beobachtungen die begonnene Arbeit abgebrochen,
weil mich die Unmöglichkeit zur Verzweiflung brachte, aus
identischen anatomischen Befunden auf natürliche Verwandt-
schaft zu schließen. Das Wesentlichste, was ich darüber
publizierte, hat sich durchweg als richtig erwiesen, so die
Darstellung des Verhaltens der Genitalorgane zu den Nieren,
die Modifikationen, welche das Gehörorgan erleidet und vor
vet
126 Die Unioniden Südamerikas.
allem der Bau der Kiemen. Pelseneer, dessen Arbeit!) \
ohne Zweifel die wertvollste seit langem über diese Gruppe |
publizierte darstellt, schließt sich ganz meiner die Nuculiden-
kieme zum Ausgangspunkt nehmenden Darstellung an?), und |
hat durch eine ganze Reihe interessanter neuer Funde diese ,
phylogenetische Anschauungsweise wohl ziemlich sicher be-
gründet. Wo wir nicht einer Meinung sind, dreht es sich |
mehr um Konvenienzfragen, als um sachliche Differenzen. .
So will Pelseneer die beiden primären Kiemenblätter der \
Nueuliden nur als eine Kieme gelten lassen, ich kann dies
mit Rücksicht auf das, was aus diesen beiden Blättern her- /
vorgeht, nicht richtig finden. Praktisch mag es gleichgültig
erscheinen, ob wir von einer aus zwei Hälften bestehenden .
oder aus zwei an der Basis zusammenstehenden Kiemen- ;
blättern reden, allein die Verhältnisse der Nuculiden sind
nicht die allein zu berücksichtigenden. Die von Fischer
mit Glück in der Systematik verwendete Tatsache, daß bald
eine, bald zwei Kiemen jederseits vorhanden sind, wird für .
die Systematik stets bedeutungsvoll bleiben. Will man nun
von einer Kieme jederseits reden, die dann bei voller Aus- ;
bildung aus zwei je aus zwei Blättern zusammengesetzten |
Blättern besteht, so ist Konfusion in diesen Halb- oder ,
Viertel-Kiemen sicher. Die Systematik ist daher in vollem ;
Rechte, wenn sie von Tetra- und Dibranchiaten im Sinne :
Fischers redet, wie wohl selbstverständlich Fischers Dar- ;
stellung nach den von mir und Pelseneer gemachten Dar-
legungen zu ergänzen ist. Sachlich stimmt Pelseneer darin \
mit mir überein, daß die primären Blätter der Tetrabranchia- '
ten den beiden einzigen der Nuculiden entsprechen, dagegen _
!) P. Pelseneer, Contrib. ä l’etude des Lamellibranches. Archives
de Biologie. Tom. XI, 1891, p. 147—812. Pl. 6—23.
®) H. v. Ihering, Zur Morphologie der Niere der sogenannten
Mollusken. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. 29. Bd. 1877. p. 610f. ı
|
|
|
x
‚
BER \ - uey
r
\
H
!
Die Unioniden Südamerikas. 127
hat Pelseneer wie ich glaube nicht gut daran getan, meine
' Einteilung in primäre und sekundäre Blätter nicht anzu-
‘nehmen. Wenn, wie wir übereinstimmend annehmen, das
innere Blatt der äußeren Kieme der Tetrabranchiaten nicht
I
|
dem inneren sondern dem äußeren Blatte der inneren Kieme
entspricht, so kann die durch die vergleichende Anatomie
gegebene Trennung der Blätter in primäre und sekun-
!
däre zu leichter Orientierung führen. Alle Tatsachen lassen
sich auf diese Weise nicht nur leicht verstehen, sondern auch
\ ausdrücken, so z. B. wenn wir bei Zucina nur die innere aus
' einem primären und einem sekundären Blatte bestehende
l
|
|
" Kieme antreffen, oder das sekundäre Blatt der äußeren Kieme
‚ bei den Veneriden u. a. sich in einen Appendix verlängern
sehen.
Ob es Zufall ist oder in meiner Betrachtungsweise der
Mollusken liegst, daß gerade mir immer die Wiederholung
identischer Entwicklungsprozesse in verschiedenen Gruppen
der Mollusken aufstößt, muß die Zukunft lehren. Bis jetzt
scheint mir nur ein Forscher, Simroth, diesen verwirrenden
Entwicklungs-Kongruenzen die volle Beachtung geschenkt zu
haben, die sie verdienen. Und doch kommt der, welcher
ohne weiteres aus anatomischer Übereinstimmung auf syste-
matische Verwandtschaft schließt, stets in Gefahr, zu irren.
Einen derartigen, gegenwärtig allgemein angenommenen Irr-
tum, sollen die folgenden Mitteilungen beseitigen.
Man pflegt nach dem Vorgange der Gebrüder Adams
die Najaden in zwei Familien oder Unterfamilien zu trennen:
Unioniden mit am unteren Umfange offener Branchialöffnung
und Muteliden, bei denen diese Öffnung durch Verwachsung
der Mantelränder geschlossen ist, eventuell auch diese Siphonal-
Öffnungen zu Siphonen entwickelt sind. Die späteren Autoren,
zumal Olessin und Pelseneer stimmen dieser Einteilung
zu, nur Lea hat, im Gegensatze zu dem was Pelseneer
128 Die Unioniden Südamerikas,
darüber meint. eine völlig andere Gruppierung. Er reißt.
z. B. nicht Zeila von den südamerikanischen Anodonten los,
obwohl die erstere Siphonen besitzt, letztere aber offene !
Branchialöffnung, was Lea bereits bekannt war, ebenso wenig |
trennt er Castalia und Ayria von Unio. Trotzdem hat sein i
Genus Platiris, für Iridina, Spatha, Mycetopus errichtet, nie
Eingang in die Systematik gefunden, weil es lediglich auf ;
untergeordnete Schalencharaktere gegründet war. Wer nun .
die Arten von Leila konchyliologisch untersucht, wird sich
der Erkenntnis nicht verschließen können, daß sie mit keiner |
Gruppe des Systems so nahe Beziehungen darbieten als mit
den südamerikanischen Anodonten, mit denen sie den Auf-
enthalt teilen. Nachdem ich bereits in Kopenhagen die
Überzeugung gewonnen, daß es zur Verwachsung der Mantel- .
ränder und Bildung von Siphonen in den verschiedensten .
Familien unabhängig von einander kommen könne, wurden
auch Zweifel in mir rege, daß der Eintritt oder das Aus-
bleiben der Verwachsung der Mantelränder von so hoher ;
Bedeutung sein sollte, um eine scheinbar so unnatürliche
Durcheinanderwürfelung der Gattungen zu rechtfertigen. Die
Beobachtungen, welche ich unterdessen in Südamerika an- ;
gestellt, ergaben die Begründung dieser Bedenken.
Die auf Südamerika beschränkte Gattung Castalia ist
gekennzeichnet 1. durch vertikal gekerbte Seitenlamellen,
2. durch geschlossene Siphonalöffnung.) Es scheint mir :
möglich, daß hierzu sich gesellen kann 3. die radiäre Skulptur
der Wirbel, doch kann erst die Zukunft über die angeblich
glatten Castalien und deren Tiere Entscheidung bringen. Im ,
Gegensatz hierzu hat das Tier von Unio die Branchialöffnung
hinten offen und an der Schale fehlt die vertikale Furchung
der Seitenlamellen. Eine Furchung findet sich zwar auch
‘) Mehrere Exemplare von Castalia quadrilatera d’Orb. aus dem |
Rio Paraguay, die ich untersuchte, zeigten dieses typische Verhalten.
Die Unioniden Südamerikas. 129
an den Seitenlamellen von Unionen, zumal südamerikanischer,
sehr häufig, aber sie ist mehr rückgebildet und steht nicht
vertikal sondern schräg. Bei einer besonders hierauf ge-
richteten Durchmusterung zahlreicher Unionen wird man
wohl manche auch vertikal krenulierte Seitenlamelle finden.
Ein Fall dieser Art, den chinesischen Unio plumbeus Chemn.
betreffend, hat eine gewisse Berühmtheit erlangt, weil Neu-
mayr sich dadurch verleiten ließ, diese Schale den Castalien
zuzuweisen, während sie doch in eine besonders in Nord-
amerika und Ostasien reich vertretene Gruppe von Unio ge-
hört. Ob diese Strichelung stärker oder schwächer markiert,
regelmäßig oder unregelmäßig, vertikal oder schräg ist, wird
an sich allein niemals zu einer naturgemäßen Abgrenzung
von Genera Anhalt bieten. Wohl aber war man berechtigt
diesem bei Unio jedenfalls sehr seltenen Merkmale mehr
Bedeutung beizumessen, wo dasselbe in Verbindung mit ge-
schlossener Siphonalöffnung auftrat wie bei Castalia. Alle
Kennzeichen, welche zur Charakterisierung dieser bisher für
so ausnehmend scharf begrenzt geltenden Gattung dienen
sollten, lassen uns aber nunmehr bei Zunahme unserer Kennt-
nisse so vollkommen im Stich, daß wir Unio und Castalia in
einander übergehen sehen, und von ein und derselben Art
ein Exemplar Unio, ein anderes Castalia sein kann.
Von Castalia undosa v. Mart. aus Piracicaba in Säo Paulo
habe ich durch die Güte des Herrn Carl Nehring eine
schöne Suite von Exemplaren mit Tier untersuchen können.
Der Schale nach, zumal also auch der regelmäßigen Krenulie-
rung der Seitenlamellen nach, ist die Art eine echte Castalia.
Unter 21 Exemplaren hatten 16 die Branchialöffnung ge-
schlossen, bei einem war die Verwachsung am ventralen
Ende der PBranchialöffnung nur eine minimale, bei vier
anderen fehlte sie vollkommen. Da immerhin in 80% der
Fälle die Verwachsung eingetreten war und die Furchung
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 9
130 Die Unioniden Südamerikas.
der Seitenlamelle eine regelmäßige ist, wird man nicht um-
hin können, die Art der Gattung Castalia zuzurechnen. Wer
aber bürgt uns dafür, daß nicht in einer Entfernung von |
einigen Meilen oder in anderen Flüssen dieselbe Art mit :
einem anderen Prozentsatze von Individuen mit unverwach- :
senen Siphonalöffnungen vorkommt? Wie, wenn an jenen
Stellen nicht 20, sondern 40 oder 60% der Individuen offene
Branchialsiphonen hätten? Und dann wird man nicht jedes
Mal eine so große Serie von Exemplaren zur Verfügung \
haben, und wird es dann vom Zufalle abhängen, ob man
eben Tiere mit offener oder geschlossener Branchialöffnung
antrifft.
Wie sehr letzteres Bedenken am Platze ist, geht daraus
hervor, daß ich bei einer verwandten Form von gleicher Her- |
kunft, Castalina Nehringi sp. n., von zwei untersuchten Tieren
das eine mit offener, das andere mit geschlossener Branchial-
öffnung antraf. Was ist da die Regel? Nur größere Serien '
können es lehren. Wenn nun für eine der hierher gehörigen ‘
Arten, Castalina psammoica d’Orb. die Angabe d’Orbignys
vorliegt, daß das Tier jenem von Unio gleiche, so wird |
wohl die Untersuchung zahlreicher Individuen lehren, daß
auch hier Individuen mit geschlossener Siphonalöffnung vor-
kommen. Der Schale nach ist letztere Art wie auch Castalina
Nehringi stets zu Unio gehörig, insofern die Seitenlamellen
nur schwach und schief gestreift sind. Dagegen habe ich
im Rio Camaquam in Rio Grande do Sul eine weitere hier-
her gehörige Art aufgefunden, bei welcher, zumal in der
vorderen Hälfte der Seitenlamelle, die vertikale Furchung
eine ganz regelmäßige ist, wenigstens bei einer ziemlichen
Anzahl von Exemplaren. Nach hinten hin werden die ver-
tikalen Rippen und Furchen der Seitenlamelle schwächer |
|
|
und feinere schief liegende treten hinzu. Ich besitze sowohl '
Exemplare mit sehr markierter Castalia-artiger Furchung als ‘
Die Unioniden Südamerikas. 131
‚ auch solche wo nur unregelmäßig angeordnete schief liegende
Furchen und Leistehen existieren. Von acht untersuchten
Tieren hatte nur eines die Branchialöffnung am Hinterende
offen. Hier haben wir also in Schale wie Tier teils Castalia,
teils Unio-Stadien, und das unter zahlreichen alle von einem
Fundorte stammenden Exemplaren. Ich werde diese Art
nächstens als Castalina martensi sp. n. beschreiben.
Für das von mir hier eingeführte neue südamerikanische
Genus Castalina würde die Diagnose lauten:
Testa laevi, quadrata vel subrotunda, inaequilaterali an-
tice rotundata, postice angulata, valvulis erassiusculis, natibus
‚ ad apices divaricate radiatis; dentibus cardinalibus crassis,
| partitis, lateralibus verticaliter suleatis vel irregulariter striatis.
Animal apertura branchiali aperta vel clausa.
Obwohl es in einzelnen Fällen schwierig sein kann, die
Zugehörigkeit einer Art zu diesem Genus zu beurteilen,
glaubte ich dasselbe doch aufstellen zu sollen, weil diese
unter sich sowohl zusammenstimmenden Arten eben weder
zu Unio noch zu Castalia passen und es auch nicht angängig
ist, ein so gut charakterisiertes Genus wie Castalia fallen zu
lassen. Wollten wir überall da, wo scheinbar gut geschiedene
Gattungen durch Übergänge verbunden sind, den Gattungs-
begriff zur Aufnahme beider Genera erweitern, so könnten
wir leicht dahin kommen, die neue Riesengattung mit der
Familiendiagnose sich decken zu sehen. Wahrscheinlich wird
Ähnliches wie hier für Castalia einst auch für Hyria nach-
gewiesen werden, und sicher würde Unio in diesem Falle
auch Margaritana und Anodonta absorbieren. Wenn aber bei
einer Riesengattung wie Unio, die an 1000 lebende Spezies
zählt, irgend etwas nötig ist, so wird es die Abscheidung
von größeren oder kleineren natürlichen Gruppen sein, nicht
aber die Erweiterung des Genusbegriffes. Diejenigen Natur-
9*+
132 Die Unioniden Südamerikas.
forscher sind meiner Ansicht nach auf einem Irrwege, welche
das System dazu bestimmt wähnen, die natürliche Verwandt-
schaft zum Ausdrucke zu bringen in der Form eines Stamm-
baumes. Wird dies auch naturgemäß stets bis zu einem ge-
wissen Grade geschehen, so erfordert doch die Notwendigkeit
der Orientierung in der immensen Formenfülle lebender und
ausgestorbener Organismen auch gebieterisch Rücksichtnahme '
auf das praktische Bedürfnis. Der „wissenschaftliche Zoo-
loge“, welcher nur zu gern geneigt ist, die schwierigen Par-
tien der Systematik Spezialisten und Dilettanten zu über-
lassen, vertritt mit seiner Forderung von absoluter Kongruenz '
von Phylogenie und System eine Forderung der Theorie,
welcher die Praxis sich entgegenstellt. Ich habe hierauf‘
kürzlich hingewiesen, anläßlich der Zweckmäßigkeitsforderung,
Heteropoden und Pteropoden als Unterordnungen beizube-
halten, und so muß ich auch hier wieder gegenüber der
Forderung der Theorie den Konvenienzstandpunkt des Syste- '
matikers vertreten. Realpolitik, nicht Prinzipienreiterei!
In höherem Grade noch als durch die Verhältnisse der
Siphonen, ist die Najadenfauna Südamerikas bestimmt durch
die embryologischen Resultate, die bisher gültigen Ansichten |
über den Haufen zu werfen und ganz neue Gruppierungen
anzubahnen. Seit meiner ersten kleinen Publikation, die
Embryologie deutscher Najaden betreffend, hat mich der“
Gegenstand stets interessiert. Hier in Südamerika traf ich
nie Unionenlarven auf Fischen. Auch das Fehlen von |
Schalenhaken an allen von mir untersuchten Spezies scheint
auf andere Entwicklungsbedingungen hinzuweisen, mehr noch |
würde es der Fall sein, wenn sich der Mangel des Byssus |
bestätigen sollte, den ich bisher nicht antraf!). Jedenfalls |
!) Als sicher sehe ich dies z. B. an für Umnio delodon Lam.
(Wymanni Lea), von dem ich mehrmals reife Larven untersuchte.
| Die Unioniden Südamerikas. 133
| steht eine europäische Umio-Larve einer europäischen Anodonta-
Larve sehr viel näher als erstere ihren Gattungsgenossen von
Südamerika, denn die bei den europäischen Vertretern auf-
Be N 24
‚tretenden Borsten fehlen hier stets. Davon abgesehen ist
ı die kleine Larve nicht wesentlich von der europäischen ver-
| schieden. Die von Porenkanälen durchsetzte Larvenschale
| umschließt, wie dort, vollkommen den Embryo. Ebenso ist
‚es bei Castalia quadrilatera d’Orb., von der ich ein trächtiges
oO untersuchte. Es hatte, wie alle bisher untersuchten süd-
nn —
‚amerikanischen Unioniden die Embryonen in der inneren
| Kieme. Die abgerundet dreieckige Larvenschale entbehrte
| der Schalenhaken, ob auch des Byssusfadens, ließ sich nicht
| entscheiden, weil das Tier eingetrocknet war. Auch hierin
also erweist sich Castalia als eine Unio nächstverwandte
Gattung.
Bekanntlich werden die europäischen Unioniden alle in
‚ der äußeren Kieme trächtig, ebenso die nordamerikanischen
‚ mit einigen wenigen Ausnahmen, bei denen alle vier Kiemen
' mit Brut erfüllt sind. Über Trächtigkeit und Entwicklungs-
geschichte von Unioniden aus Afrika, Asien, Australien usw.
‚ist noch gar nichts bekannt. Die südamerikanischen haben
die Brut ausnahmslos in der inneren Kieme. Vielleicht ist
' dies eine Folge davon, daß die bei den europäischen und
‚ nordamerikanischen Unioniden fast immer auf eine mehr oder
minder weite Strecke hin freien sekundären Kiemenblätter
hier stets an Abdomen und Mantel fest angewachsen sind,
wie bei den afrikanischen Muteliden. Ich habe dieses Ver-
halten bisher konstatiert bei: Castalia, Castalina, Unio, Glabaris
(den südamerikanischen „Anodonten“), Aplodon.
Als ich zum ersten Male eine trächtige südamerikanische
„Anodonta“, A. riograndensis v. M., antraf, bot sich mir ein
so überraschendes Bild dar, daß ich lange zweifelte, ob ich
es mit Larven von demselben Tiere zu tun habe, und nicht
\
134 Die Unioniden Südamerikas. |
etwa mit einem sonderbaren Parasiten. Indes die |
der Eihülle samt ihrer Mikropyle mit jener der reifen Ovarial-
eier ließ ja solche Zweifel nicht lange zu. Das am 28. Mai
1890 untersuchte Exemplar hatte in der Genitaldrüse viel
Sperma, sowie auch Eier, doch sah ich darunter keine ganz |
reifen. Die Membran war aber an diesen Eiern schon wohl
entwickelt, der große Kern deutlich. Die Durchmesser der
Eier resp. ihrer kugeligen Membran in der inneren Kieme '
betrug nur 0,071 bis 0,090 mm, häufiger letzteres. In jeder
der beiden inneren Kiemen waren in der Mitte je 8 bis
10 Fächer bis zur Hälfte mit Brut vollgestopft, durchweg
alle auf demselben Entwicklungsstadium stehend. Dieses
muß noch einigermaßen weit von der vollen Reife entfernt
gewesen sein, denn alle Embryonen waren noch in die un-'
verletzte Eihülle eingeschlossen, was nicht mehr der Fall ist,
wenn die Ausstoßung der Brut nahe bevorsteht. Durch die
Eihülle hindurch gewahrte man den dicken eingerollten im
Querschnitt U-förmigen Byssusfaden. Der aus der Dotter-
haut befreite Embryo mißt zirka 0,1 mm in Länge. Auch
bei Aplodon pazi Lea ist das Ei sehr klein, 0,075 mm im
Durchmesser. Ich muß auf diese geringe Größe der Eier‘
und Keime besonders hinweisen. Auch bei Glabaris wymanni
Lea mißt das reife Ei nur 0,09 mm. Im Gegensatze dazu
habe ich bei allen hiesigen Unionen das Ei 0,2 bis 0,3 mm groß '
gefunden. Ebenso ist es ja bei den europäischen Unio-Arten
und auch bei den europäischen Anodonta, in deren 0,25 mm
großem Ei das Keimbläschen allein so groß ist (0,08 mm
nach Flemming), wie das reife von der Dotterhaut um-
schlossene Ei unserer ebenso stattlichen Glabaris- Arten.
In der nebenstehenden Figur gebe ich eine Abbildung
des reifen Embryo der Glabaris wymanni Lea des Rio Cama-
quam. Die kleine nur 0,086 mm lange Larve besteht aus
drei Abschnitten: einem mittleren von der Schale bedeckten, \
‚ zahl größerer, etwas dunklerer Entodermzellen,
und nach vorn von ihnen zwei größere nieren-
Die Unioniden Südamerikas. 135
| einem kopfförmigen vorderen und einem hinteren schwanz-
| förmigen Teile. Der zylindrische gegen die Basis glocken-
/ förmig erweiterte Vorderteil ist allseitig mit Wimperepithel
| überkleidet, dessen 2 u lange Cilien lebhaft arbeiten. Am
‚ Mittelstücke erkennt man eine mäßige An-
förmige, in der Mittellinie aneinander gelagerte
Organe, welche ich für die Byssusdrüsen
halte. Das Epithel ist nur vorn seitlich noch
mit Wimpern besetzt, nach hinten hin einfach.
Vom Vorderende des Vorderteils her läßt sich
bei Ventralansicht von einer etwas vorsprin-
genden Kappe an der Spitze, welche, wie es
schien, der Öilien entbehrte, ein helleres Organ
gegen die Mitte des Körpers hin verfolgen,
das mir der Ösophagus zu sein scheint, doch
bedarf das Verhalten von Entoderm und
Ösophagus noch weiterer Untersuchung. Von
einem Schließmuskel ist noch nichts zu be-
. Fr ß Reife Larve
merken, was nicht überraschen kann, da die on
kleine Schale noch kein medianes Scharnier Glabaris wymanni
besitzt. Diese feine, wohl nur aus Kon- Lea. Verg. 180/1.
chyliolin bestehende Schale bedeckt den Mittelteil des Körpers
nur bis zur halben Höhe der Seiten. Hinten wie vorn ist
sie quer gerade abgestutzt, der leicht geschwungene Seiten-
rand ist fast gerade. In der Medianebene ist die Wölbung
der Schale eine regelmäßige von vorn nach hinten bis zum
letzten Achtel etwa, wo die Wölbung plötzlich abbricht und
sich eine kurze nicht gewölbte Endpartie in stumpfem Winkel
ansetzt. Diese Absetzung des Hinterendes der Schale ist
nur in Profilansicht zu bemerken, sie entspricht offenbar der
Zuspitzung des Mittelstückes des Körpers in den Schwanz,
136 Die Unioniden Südamerikas.
dessen Basis eben der Endteil der Schale noch bedeckt. In
der Medianlinie endet die Schale nach hinten in eine kurze,
scharfe unpaare Spitze. Der Schwanz ist kurz, kaum länger
wie breit und teilt sich nach hinten in zwei kurz abgerundet
endende Hälften, von denen jede etwa acht schwach haken-
förmig gekrümmte Borsten trägt. Dieselben sind steif, un-
beweglich, jedenfalls keine Cilien. Ich habe keine anderen |
Bewegungen an ihnen bemerken können, als jene, welche die
Bewegung der beiden Schwanzhälften bedingen. Da die ı
beiderseitigen Konkavitäten gegen die Mittellinie hin gerichtet
sind, so kann der Schwanz offenbar mit diesen beiden Bündeln
von Greifborsten sich an irgend welchen feinen Objekten
fixieren. Von den Borsten stehen die stärkeren, 0,005 mm
langen, mehr ventral und nach vorn, von da ab nehmen sie
gegen die Dorsomedianlinie an Größe ab.
Ein höchst eigentümliches und mir noch keineswegs recht
verständliches Verhalten bietet der Byssus dar. Derselbe
stellt ein überaus dünnes, breites, flaches Band dar, das an
Länge 6—10mal diejenige des Larvenkörpers übertrifft.
Während dasselbe an der noch in die Dotterhaut ein-
geschlossenen Larve einen dicken soliden Strang darstellt, an
dem nur die U-förmige Figur des Querschnittes auf eine
Einrollung hinweist, so breitet er sich am freigewordenen
Embryo ausnahmslos zu einem breiten unendlich dünnen
Bande aus, dessen Breite diejenige des Körpers etwas über-
trifft. Dasselbe ist etwa in der Mitte des Körpers an der
Ventralfläche befestigt, und wendet sich von da aus aus-
nahmslos nach vorn über den Vorderteil, aber Schale und
hintere Hälfte des Körpers freilassend. Außerdem besteht
auch eine Anheftung des Byssus am Vorderteile und diese
eben vermag ich mir nicht zu erklären. Wahrscheinlich
handelt es sich um Faltenbildung, welche durch das vordere
Ende der Schale bedingt wird.
Die Unioniden Südamerikas. 137
Diese sonderbare Larve, die ich im folgenden mit Rück-
„sicht auf das borstentragende Hinterende Lasidium nennen
“ werde, kenne ich also von zwei Arten amerikanischer „Ano-
" donten“. Da indes die Eier, Trächtigkeit, Anatomie usw.
“von Aplodon (Monocondylaea d’Orb.) aufs vollständigste mit
\ eben diesen „Anodonten“ übereinstimmen, zweifle ich nicht,
ı daß auch die Larvenform mehr oder minder identisch sein
f
" wird. Es ist klar, daß diese Larve den betr. südamerikani-
\ schen Formen ihren Platz außerhalb der Familie der Unio-
! niden anweist. Alle echten Anodonten, Unio, Margaritana,
ja selbst Castalia stimmen im Besitz einer Glochidium-Larve
überein. So wesentliche Unterschiede. innerhalb der Gattung
' Unio auch diese Larve nach den Beobachtungen von Lea
| und mir aufweist, stets ist doch eine kalkige von Poren-
kanälen durchsetzte und den Embryo resp. die Larve voll-
' kommen einschließende gleichklappige Schale vorhanden.
Im Gegensatze zu dieser Glochidium-Larve nun hat das
Lasidium eine kleine, den in drei Abschnitte gegliederten
Körper nicht einschließende Schale, einen mit Cilien besetzten
wimpernden Vorderteil und ein mit zwei Büscheln Greif-
borsten versehenes schwanzförmiges Hinterende. Es wird
glaube ich niemand bezweifeln, daß das Lasidium die ältere
Larvenform der Najaden ist. Das Glochidium ist eine inner-
halb der Lamellibranchier ganz isoliert dastehende Larven-
form, deren Verständnis auch durch die volle Aufklärung
ihrer Organisation nicht ganz ermöglicht worden. Diese
sonderbare Larve ist nur zu verstehen, wenn man sie als
das Endprodukt langwieriger phylogenetischer Prozesse an-
sieht, über welche aber beim Mangel irgend welcher Anhalts-
punkte bisher selbst Vermutungen fehlten. Das ist nun anders,
wo wir eines der wichtigsten dieser fehlenden Stadien kennen
gelernt haben. Es wird nun Aufgabe der vergleichenden
Embryologie sein, einerseits für das Glochidium aus dem
138 Die Unioniden Südamerikas.
Vergleiche mit dem Lasidium eine zuverlässige Deutung zu
gewinnen, andererseits das Lasidium selbst mit marinen
Acephalenlarven in Parallele zu bringen. Obschon mir
einige bezügliche Annahmen nahe zu liegen scheinen, möchte
ich doch diese meinen ohnehin schon weit genug gesteckten
Aufgaben ferner liegende Untersuchung anderen überlassen.
Wenn nun das Glochidium die Larvenform der Unio-
niden s. str. ist und hier uns im Lasidium eine ganz differente
einer anderen Familie zugehörige Larve entgegentritt, so fragt
es sich, welcher Familie denn dies sei. Ein Zweifel ist hier ,
kaum möglich, es handelt sich um die Muteliden, und zwar |
nicht um die Muteliden im Sinne von Adams, sondern in ;
einer ganz anderen Begrenzung. Hierauf weist auch eine
andere von mir gemachte Beobachtung hin. Ein Exemplar
von Monocondylaea fossiculifera d’Orb., welches ich aus Para-
guay besitze, hat unter dem Ligament die breite Schloßleiste
krenuliert. Die wie Zacken einer Säge vorspringenden 5 bis
6 Gruben sind mit einer homogenen gelblichen Masse erfüllt,
Zement, welches sich unter der ganzen Schloßleiste hinzieht
und ebenso bei Glabaris angetroffen wird, aber ohne jene
Krenulierung. Es ist das ein Verhalten, welches unmittel-
bar an jenes von Iridina (Pliodon) anknüpft, und im übrigen
bei keiner anderen Gattung der Najaden sich wiederholt.
Lea hat zwar ebenso wie d’Orbigny diesen Umstand über-
sehen, gleichwohl aber richtig erkannt, daß diese Art nicht
mit Monocondylaea d’Orbigny resp. also jetzt Aplodon Spix :
vereint bleiben kann, und für sie das Genus Fossula Lea |
vorgeschlagen. Dasselbe ist vor allem dadurch charakterisiert, :
daß die zahnförmigen hintereinander liegenden Vorsprünge
des Schlosses von wellenförmigen Ausbuchtungen der Schloß-
leiste selbst gebildet werden. Bei Aplodon hingegen ist die
Begrenzung der Schloßleiste eine geradlinige und von ihrer
Basis her treten als lokale Verdiekungen die beiden Zähne ı
ES
=
Die Unioniden Südamerikas. 139
'' ab, von denen der linksseitige stets der vordere ist. Einen
noch weiteren Schritt repräsentiert Plagiodon Lea, wo diese
\ Zähne seitlich durch senkrechte Flächen begrenzt in scharf-
/ eingeschnittenen Gruben der Gegenschale artikulieren. Zu
h dieser südamerikanischen Art gehört außer dem Leaschen
| Typus aber noch eine von Dr. Balzan im Rio Paraguay
' entdeckte, im Habitus Ap/odon nahe stehende neue Art, die
| ich demnächst als Plagiodon Balzani beschreiben werde. Eine
von Mousson irrigerweise hierher gerechnete Form (Pl.
rotundatus Mouss.) ist ein Aplodon. Wir sehen es also hier
innerhalb der südamerikanischen Muteliden zur Bildung von
Zähnen kommen, die man zwar Kardinalzähne nennen kann,
die aber eine ganz andere Entstehung haben als jene der
Unioniden oder jene anderer Muscheln.
Bei den südamerikanischen @Glabaris trifft man auch
häufig als individuelle Variation eine ganz ähnliche Aus-
buchtung der Schloßleiste wie bei Fossula, welche uns darauf
hinweist, daß Fossula-artige Formen den Ausgangspunkt bildeten.
Eine hierher gehörige interessante neue Form von S. Paulo
werde ich als Fossula piracicabana beschreiben. Auch bei ihr
bestehen noch, wenn auch in geringerer Zahl und nicht kon-
stant, 2—3 Ventrikelgruben in der zementbedeckten Schloß-
leiste unterhalb des Ligamentes.
Herr Prof. v. Martens, der mich auch in diesen Studien
mit dem reichen Schatze seines Wissens in liebenswürdigster
Weise unterstützt hat, unterzog die Frage der generischen
oder subgenerischen für die südamerikanischen „Anodonten“
aufgestellten Gruppen einer eingehenden Prüfung, aus der
hervorgeht, daß bei Ausschluß solcher Namen, die auch
außer-südamerikanische Formen berücksichtigen, @labaris Gray
die Priorität hat. Es wird auch dem exklusiven Konchylio-
logen nicht schwer fallen, sich mit der generischen Abtren-
140 Die Unioniden Südamerikas.
nung der südamerikanischen Vertreter von den holarktischen '
Repräsentanten der Anodonten zu befreunden, denn dieselben
bieten auch konchyliologisch viel abweichendes. Namentlich
ist die große scharf nach unten vorspringende dreieckige
Ligamentbucht auffallend. Hierin schließen sich die Glabaris- ,
Arten wieder an Afrikaner, zumal Spaika an. Es ist auf-
fallend, daß diese Analogie nicht eher beachtet wurde, und |
wäre nicht zu verstehen, wenn man nicht die verkehrten
Ansichten über Siphonen in Betracht zöge.
Der einzige wesentliche Unterschied zwischen Glabaris ;
und Spatha beruht in dem geschlossenen Branchialsipho der |
letzteren Gattung. Hierzu kommt dann die auffallend starke
Entwicklung des Retraktor anterior inferior bei Spatha, auch
jene des Elevator, welcher bei Glabaris entweder fehlt oder
rudimentär wird. Es sind das aber nur graduelle Unter-
schiede, die wohl vorzugsweise durch die Lebensweise bedingt
werden, insofern (labaris gleich Anodonta ruhiges Wasser ;
vorzieht, Spatha eine Flußform ist. Lea und Ulessin haben
geglaubt, die mehr oder minder starke Entwicklung dieser ı
Muskelnarben genüge zur Erkennung einer Spatha. Wenn
nun aber die große vordere Retraktornarbe bei Spatha etwa
80—90°/, der Größe jener des Adduktor ausmacht, so ver-
steht man nicht, warum bei 60—70 oder 40—50 °/, ein so ı
wesentlicher Unterschied gegeben sein soll, daß man ver-
schiedene Gattungen dafür schafit. In der Tat sind denn
auch die Autoren bei dieser willkürlichen Abgrenzung nicht
einig. So stellt Lea Anodonta Chaiziana Rang zu Anodonta, :
Olessin u.a. ziehen sie zu Spatha. Warum man dann aber
nicht auch Anod. dahomeyensis Lea und senegalensis Lea zu
Spatha stellt, ist schwer verständlich. Ein derartig gradueller
Unterschied ist eben zur generischen Abgrenzung nicht ge-
eignet; er könnte nur dann mit in Betracht gezogen werden,
wenn andere wesentlichere Differenzen damit Hand in Hand
in
Die Unioniden Südamerikas. 141
“ gingen. Das ist aber nicht der Fall. Die von Olessin zu
Spatha gezogene Anod. Chaiziana hat nach Rang, wie Lea
" (Synopsis p. 79 Anm.) angibt, die Branchialöffnung nicht zum
J Sipho geschlossen und soll eben dadurch sich vorzugsweise
von Spatha rubens unterscheiden. Vielleicht ist das Verhältnis
| ebenso wie bei Castalina. Offenbar ist aber eine Spatha mit
' offenem Branchialsipho noch keine Anodonta, sondern nur
| eine Glabaris. Ich zweifle nicht im mindesten, daß es in
' Afrika — von dem zur mediterranen Provinz gehörigen
‘ nördlichen Teile natürlich abgesehen — überhaupt keine
Anodonten gibt, so wenig wie in Südamerika, sondern nur
(@labaris und Spatha.
Die nahe Verwandtschaft aller dieser afrikanischen und
südamerikanischen Muteliden wird sofort klar, sobald man
sich nur von der verhängnisvollen Idee frei macht, als sei
die Verwachsung der Mantelränder unter der Branchialöffnung
ein Zeichen naher Verwandtschaft, während sie doch nur
der Ausdruck eines in den verschiedensten Gruppen von
neuem auftretenden Prozesses ist. Alle südamerikanischen
und afrikanischen Muteliden haben die beiden sekundären
Kiemenblätter jeder Seite fest an Mantel und Abdomen an-
geheftet, so daß der im Analsipho endende Suprabranchial-
raum völlig von der Mantelhöhle abgeschieden ist. Ge-
meinsam ist ferner ihnen allen die Existenz eines gemein-
samen Ano-superanalloches, eben des Analsiphos, welcher
aber nicht eine einfache kleine Siphonalöffnung ist, sondern
sich nach hinten über dem Adduktor in einen damit zu-
sammenhängenden Superanalraum fortsetzt. Bei Unioniden
' kommt dies selten, bei den südamerikanischen und wohl auch
afrikanischen Unio niemals vor. Die südamerikanischen Unio
stimmen in der Verwachsung der Kiemen mit den Muteliden
überein, allein der Analsipho ist klein und setzt sich nach
hinten hin nicht in einen Superanalraum fort, vielmehr sind
142 Die Unioniden Südamerikas.
die Mantelränder unter sich verwachsen und auf den Ad- !
duktor angeheftet. Bei europäischen und nordamerikanischen
Unioniden ist dies ähnlich, doch kommt meist weiter nach
hinten noch ein besonderes superanales Loch vor.
Da nicht nur die südamerikanischen Unioniden, sondern !
auch die südamerikanischen Muteliden die Brut in der inneren
Kieme tragen und sie alle angeheftete sekundäre Kiemen- ;
blätter haben, so vermute ich, daß hierin ein innerer Zu-
sammenhang vorliegt, denn die Unioniden der holarktischen
Region, welche in der äußeren Kieme trächtig werden, haben
die dorsalen Ränder der sekundären Kiemenblätter in der
Regel auf eine mehr oder minder weite Strecke hin frei.
Jedenfalls darf man nach allem, was wir gesehen, die Ver-
mutung aussprechen, daß die afrikanischen Muteliden, über
deren Fortpflanzung noch nicht das Mindeste bekannt ist,
auch in der inneren Kieme die Brut aufnehmen werden und
daß diese in ihrer Larvenform nicht dem Glochidium, sondern
dem Lasidium gleichen werden.
Nach dem, was wir nun wissen, wird man annehmen
müssen, daß die afrikanischen Muteliden im Tier nur hin-
sichtlich der Verwachsung der Mantelränder wesentliche Diffe-
renzen darbieten. Die Reihe ist dabei: 1. Glabaris mit offenem
Branchialsipho, 2. Spatha mit geschlossenem Branchialsipho,
3. Jridina und Mutela mit geschlossenem Branchialsipho und
noch eine Strecke weiter nach vorn hin verwachsenen Mantel-
rändern. Letztere zwei Gattungen sind nicht im Tiere, wohl
aber in der Schale verschieden, die bei Jridina eine krenu-
lierte, bei Mutela eine glatte Schloßleiste aufweist, auch sonst
noch Verschiedenheiten zeigt. Die Mutela entsprechende ı
Gattung Mycetopus hat den Branchialsipho offen, das Tier ı
von Solenaia ist nicht bekannt. Daß es auch in Südamerika (
Muteliden mit der Organisation von Spatha gibt oder gegeben
haben muß, beweist die Gattung Leila, bei der die Ver-
-
|
h
A
Ih
N
'
|
8
\
|
|
|
Die Unioniden Südamerikas. 143
ı wachsung der Mantelränder sogar zur Ausbildung einer
Mantelbucht geführt hat. Wie verkehrt würde es auch hier
wieder sein, die Identität des anatomischen Verhaltens zur
Klassifikation zu benutzen und Leila von Glabaris loszureißen
und zu den Sinupalliaten zu bringen!
Hiernach ergibt sich folgende Einteilung, wobei zumal
das Verhalten der Larve und der Kiemen zugrunde liegt.
Unionidae v. Ih. (nec Ad.)
Larve: Glochidium.
Hryria Lam.
Castalia Lam.
Castalina v. Ih.
Unio Retz.
Margaritana Schum.
(Cristaria Schum.)
(Pseudodon Gould, Tier unbekannt.)
Anodonta Lam.
Mutelidae v. Ih. (nec Ad.)
Larve: Lasidium.
(Solenaia Conr.) Fossula Lea.
Mutela Scop. Aplodon Spix.
Iridina Lam. Plagiodon' Lea.
Spatha Lea. Leila Gray.
Glabaris Gray. Mycetopus d’Orb.
Wenn Anodonta das Endprodukt eines Umwandlungs-
prozesses darstellt, so kann es offenbar mehrmals und von
verschiedenen Seiten her zur Ausbildung dieser Form ge-
kommen sein. Man kann sich vorstellen, daß ebensowohl
von /ridina aus, welche dem Schlosse nach der Stammform
Ä aller Muteliden und Unioniden am nächsten stehen dürfte,
' es durch regressive Schloßmetamorphose zur Entstehung von
144 Die Unioniden Südamerikas.
zahnlosen Formen hat kommen können, als von Unio aus
oder schon von denjenigen Unioniden her, welche die Vor-
läufer der Unioniden bildeten. Letztere Annahme ist aller-
dings rein hypothetisch und findet keinen Anhalt in dem,
was bisher über die Paläontologie der Gruppe bekannt ist,
die uns Unio als die älteste (sattung der rezenten Unioniden
kennen lehrt. Da zugleich Unio die einzige nahezu kosmopoli-
tische Gattung ist, so wird es wohl sehr wahrscheinlich, daß’
_ _Anodonta ebenso wie Margaritana, Cristaria u. a. nichts ist als \
eine Umwandlungsform von Unio, durch Verkümmerung des
Schlosses entstanden. Dieser Vorgang aber kann sich mög-
licherweise in sehr verschiedenen Gruppen wiederholt haben |
und zumal die ostasiatischen Anodonten sind, bevor nicht
Tier und Larve bekannt geworden, in ihrer systematischen
Stellung zweifelhaft.
Wir können daher zur Zeit nur sagen, daß es in der
paläarktischen und nearktischen Region Anodonten gibt, ver-
mutlich auch in der orientalischen. Dagegen fehlt Anodonta
in Südamerika und wohl auch in der äthiopischen Region,
wo (rlabaris und andere Muteliden ihre Stellung einnehmen."
Immens ist der Gegensatz zwischen der Unionidenfauna von
Südamerika einerseits und Nord- und Zentralamerikas anderer-
seits. Die Najaden, wie ich Unioniden und Muteliden zu-
sammen nennen will, von Nordamerika weisen auf alte Be-.
ziehungen mit Europa und Asien hin, diejenigen Südamerikas,
lassen mindestens zwei getrennte Elemente erkennen, welche
durch eine völlig abweichende Verteilung von Wasser und
Land während der Sekundärzeit bedingt sind. Ein Element
bildet das chilenisch-patagonische mit Neuseeland nächst ver-
wandte, dessen alte Fauna sich in Chili rein erhielt, weil die
Hebung der Anden den von Norden her kommenden Ein-
wanderern eine Schranke setzte, und darum gibt es in Chili
nur Unio, aber weder Glabaris und Castalia usw. noch Am-
Die Unioniden Südamerikas. 145
pullarien oder Schildkröten, Characiniden usw. Das zweite
‘Element im mittleren und vielleicht nördlichen Südamerika
östlich der Anden heimisch bietet gar keine Beziehungen dar
"zu Nordamerika, sondern nur zu Afrika. Zu ähnlichen
Resultaten führte bekanntlich die geographische Verbreitung
der Süßwasserfische, wie wir sie durch Günther kennen.
Ohne Zweifel hat eine Landverbindung zwischen Afrika und
| Südamerika während der mesozoischen Epoche existiert, eben-
\ so wie zwischen Archiplata (Chili-Patagonien bis gegen Süd-
‚ brasilien) und Neuseeland. Südamerika entstand erst in der
Tertiärzeit aus ganz verschiedenartigen Stücken. Der Gegen-
satz zwischen den Ergebnissen meiner Studien über geo-
‚ graphische Verbreitung der Süßwasserfauna und den Wallace-
schen Regionen erklärt sich daraus, daß Wallace nur Tier-
gruppen verwertete, die tertiär in ihren heutigen Vertretern
' erscheinen, während die Verbreitung der Süßwasserfauna die
‚ mesozoische Geographie uns vor Augen führt. Ich verweise
hierüber auf meine im „Ausland“ 1890 Nr. 48 und 49, so-
wie 1891 Nr. 18 veröffentlichten Artikel.
C. Najaden von S. Paulo und die geographische Verbreitung
der Süßwasserfauna von Südamerika.
(Archiv für Naturgeschichte 1893, p. 113—140.)
Als Basis für die folgenden Erörterungen müssen zu-
nächst die einzelnen Listen von Najaden der verschiedenen
hydrographischen hier in Betracht kommenden Systeme dienen.
Unioniden vom Stromgebiete des Rio Paranä.
Unio greeffeanus (Dkr.) v. Ih.
„ ‚Jirmus Lea var. Boettgeri v. Ih.
„ aethiops Lea var. piracicabana v. Ih.
„ efulgens Lea.
„ ellipticus Spix.
„ paulista v. Ih.
w. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 10
146 Die Unioniden Südamerikas.
Unio caipira v. Ih.
„ Fontaineanus Orb.
Castalina nehringi v. Ih.
Castalia undosa v. Mart.
Aplodon lentiformis Liea.
Fossula fossieulifera Orb.
Glabaris trapezia Spix.
„ rotunda Spix.
„ nehringi v. Ih.
% tenebricosa Lee.
Mycetopus siliquosus Spix.
Das Verdienst, diese erste Übersicht von Unioniden aus |
dem Parana-Gebiete ermöglicht zu haben, kommt ganz aus-:
schließlich Herrn C. Nehring zu, denn bisher war aus dem
ganzen oberen Paranä nichts von Najaden bekannt.
Um das Verhältnis dieser Formen zu denen benachbarter |
Gebiete beurteilen zu können, gebe ich zunächst eine Über-
sicht der mir zurzeit aus dem nördlich an S. Paulo an-
schließenden Gebiete bekannt gewordenen Najaden. In diesem
Gebiete haben wir zunächst in S. Paulo den Rio Parahyba
do Sul, welcher im Staate Rio de Janeiro u. a. die Neben-
flüsse Rio Negro, Conigo, Macucu und Conceigäo aufnimmt, |
aus denen Najaden bekannt wurden. Direkt zum Ozean |
fließen im Staate Rio de Janeiro der Macacu und Macahe.
Daran schließt sich nach Norden der Rio S. Francisco an,
und an kleineren Küstenflüssen der Rio Paraguassü bei Bahia. |
Letzterer scheint sich faunistisch nicht vom Rio S. Francisco.
zu unterscheiden, ob aber das Gleiche auch von der Um-|
gebung vom Rio de Janeiro gilt, kann erst später sich zeigen.‘
Es ist, wie ich (l. c. pag. 165) zeigte, unter dem Namen,
Unio ellipticus und multistriatus recht vielerlei Verschiedenes}
zusammengefaßt. Ich habe damals zunächst elliptieus abge-
| Die Unioniden Südamerikas. 147
trennt und besser charakterisiert, mich seitdem aber über-
zeugt, daß auch die übrigen von mir in der Synonymie zu-
| sammengefaßten Arten noch heterogenes enthalten. Zunächst
"habe ich U. psammactinus Phil. (= ewpansus Charp.), wie schon
| zuvor erörtert, als gute Art kennen gelernt. Ich glaube nun
auch außer dem echten U. multistriatus Lea noch eine oder
‚die andere Form als gute Spezies gelten lassen zu sollen, bin
aber bei dem Mangel an Material außer Stande, bis jetzt mir
) ein Urteil zu bilden über die Variabilität. Ebenso liegt die
‚nahe Verwandtschaft von U. Pfeiferi Dkr. mit U. hylaeus Orb.
| und jluctiger Lea auf der Hand, ohne daß ich das zur Klärung
‚der Frage nötige Material kannte.
N
|Aus dem Rio Parahyba do Sul und der Umgebung
N von Rio de Janeiro sind bis jetzt bekannt:
Unio multistriatus Lea.
I
11 . .
! „ eoriaceus Dkr. (Rio negro).
|
| „ granubferus Dkr. (Rio Macahe).
) „ pfeiferi Dkr. (Rio negro).
„ psammactinus Phil. (Rio Conigo).
| „ martensi v. Ih. (Rio Oanceicau).
j „ beskeanus Dkr.
„ dunkerianus Lea (Rio Macacu).
| „ rotundus Spix.
„ fontaineanus Orb.
„ ellipticus Spix.
Dies ist wohl alles, was aus der Umgebung der so oft
\ besuchten Hauptstadt Brasiliens bisher bekannt wurde, wobei
wohl U. granuliferus und coriaceus noch als synonym eingehen
dürften. Ich habe bisher nie irgend eine Glabaris, Leila usw.
‚aus Rio de Janeiro oder dem Küstengebiet von da bis Rio
Grande do Sul zu sehen bekommen können. Vielleicht ist
es nur Zufall. Erwähnt sind für Rio de Janeiro in der
— m — mg, _ men
148 Die Unioniden Südamerikas.
Literatur von Lea (Obs. VII. p. 79) Glabaris senegalensis Lea
von Rio Macucu durch Cuming, aber als vermutlich irrig
von Lea in Frage gezogen, und Glabaris trapezialis Lam, so-
wie Leila pulvinata Hupe von Hupe. Letztere zwei Arten
stammen sicher vom Amazonas, ihr Vorkommen auch bei.
Rio de Janeiro ist bisher nicht bestätigt.
Aus dem Gebiete des Rio S. Franeisco und Pa.
guassü sind bekannt:
Unio elliptieus Spix.
„ rotundus Spix (t. v. Martens Mus. Berol.).
„ Fontaineanus Orb.
„ beskeanus Dkr. (Rio Paraguassü t. v. Martens).
„ multistriatus Lea.
Castalia ambigua Lam (pectinata Spix).
Aplodon reticulatus (Mor.) Rve.
» ‚Franeiscanus Mor.
(rlabaris bahiensis Küst.
a hertwigii v. Ih.
u moricandiü Lea.
n radiata Spix.
" obtusa Spix.
5 trapezea Spix.
b soleniformis Orb. var. solenidea Rve.
Mycetopus siliquosus Spix (Rio Paraguassü).
Kommen wir nunmehr auf die Najaden des Paranä-,
Gebietes zurück, so treffen wir darunter zunächst zwei weit
verbreitete Arten: Glabaris trapezea Spix und Mycetopus sili-
quosus Spix. Diese beiden Arten treffen wir nicht pur im
La Plata wieder, sondern auch im Stromgebiete des Rio S.
Francisco, ja sogar im Gebiete des Amazonas. Diese gemein-i
samen Arten, denen sich, wie wir sehen werden, zahlreiche
andere anschließen, weisen uns somit auf eine geologische!
|
u
\
BE |
Die Unioniden Südamerikas. 149
Epoche zurück, in welcher die hydrographischen Verhältnisse
' wesentlich andere waren. Von diesen weiter verbreiteten
! Arten abgesehen, hat das Paranä-Stromsystem mithin mit
" dem. Gebiete des Rio S. Franeisco sowie mit jenem des
Parahyba do Sul gemeinsam bis jetzt nur Umo ellipticus Spix
| und Unio Fontaineanus Orb. Unter einander haben der Para-
hyba und der S. Francisco außer den eben genannten zwei
Arten noch gemein: Unio multistriatus, beskeanus, rotundus,
denen sich ja wohl fernerhin noch manche anschließen werden.
Wenn wir demnach das vom Parahyba do Sul zum
8. Franeisco reichende Gebiet als ein faunistisch mehr oder
minder einheitliches ansehen können, so fragt es sich, ob
dasselbe gewisse charakteristische Züge besitze. Das scheint
' nun in der Tat der Fall zu sein und betrachte ich als solche
Züge:
1. Die Anwesenheit eines Vertreters der Gruppe von
Unio hylaeus Orb., welche sonst nur noch in Bolivien, Para-
guay und in Guiana vorkommt und der chilenisch-argentini-
schen Fauna fremd ist.
2. Die Anwesenheit der Gruppe des U. multistriatus Lea
und seiner Verwandten. Auch das ist eine nördliche Gruppe,
von der bisher kein Vertreter im La Plata-Gebiete oder
westlich der Anden gefunden wurde. Nach Mousson würde
sie auch im Amazonas-Gebiete vorkommen, doch wird eine
genauere Untersuchung der betreffenden Exemplare nötig sein.
Diese Gruppe ist neben der starken und eigentümlichen zu
V förmigen Zeichnungen führenden Radialskulptur vor allem
auch charakterisiert durch die tief gefurchte Schale, bei der die
Zwischenräume zwischen den Furchen wie niedere Lamellen
sich erheben. Unioniden mit sulkater Schale sind zumal im
nördlichen Südamerika sowie in Zentralamerika entwickelt,
allein dieselben haben weder diese Wirbelskulptur noch im
Tiere Ähnlichkeit. Bei allen bisher beobachteten Unio von
150 Die Unioniden Südamerikas.
Südamerika ist eine einfache Analöffnung des Mantels da
und keine superanale und die Kiemen sind allerseits an-
gewachsen. Unio rowelli Lea und U. scamnatus Morel. aber,
deren Anatomie Lea mitgeteilt hat, besitzen die Superanal-
öffnung und haben die sekundäre Lamelle der inneren Kieme
frei. Für die Verwandten der U. multistriatus-Gruppe wird
man sich daher nicht in Zentralamerika, sondern unter den
zum Teil sehr ähnlichen Formen aus Afrika (U. natalensis :
Lea z. B.) und Indien umzusehen haben, wo wie ich schon !
erwähnte U. radula Bens. und U. coriaceus Dkr. identisch ist.
3. Die Abwesenheit von Glabaris-Arten aus der Gruppe |
von @!. trigona Spix, welche im Amazonas-Gebiete zumal im
westlichen so überaus reich entfaltet ist.
Der letztere Punkt stellt zugleich einen solchen dar, in '
welchem dieses S. Francisco-Gebiet mit jenem des Paranä |
übereinstimmt. Im übrigen überwiegen im Gebiete des Paranä-
stromes doch sehr die Beziehungen zu der La Plata-Fauna.
Etwa die Hälfte der Arten obiger Liste von S. Paulo- Arten
stimmt überein mit Arten des La Plata und wahrscheinlich
stammt von da auch Aplodon lentiformis, welche Lea ohne
nähere Herkunftsangabe von L. Paz neben vielen anderen
Arten des La Plata erhielt. Glabaris nehringi ist zwar bis-
her nicht im La Plata-Gebiete selbst, wohl aber in jenem
von Rio Grande do Sul nachgewiesen, welches faunistisch nur
eine Abzweigung der La Plata-Fauna repräsentiert. Castalina "
nehringi steht der Castalina-Form von Rio Grande do Sul
nahe und von den Unio-Arten des Paranä wird möglicher-
weise noch eine oder die andere sich als identisch erweisen
mit solchen des La Plata, ich ziehe es aber vor, beim
Mangel von Vergleichsmaterial lieber möglicherweise Zu-
sammengehöriges vorläufig noch getrennt zu lassen, als
mich der Gefahr auszusetzen, Irrungen in der Synonymie
zu schaffen.
Die Unioniden Südamerikas. 151
Es ist natürlich mißlich, auf ein so unvollkommenes
ı Beobachtungsmaterial gestützt, schon allgemeine Schlüsse zu
“ ziehen und so sehe ich von einer genaueren Durchführung
" des Vergleiches ab, nur auf einige Punkte hinweisend, welche
" bei Fortführung der Untersuchung der Prüfung bedürfen.
Es ist auffallend, daß die Gruppe der großen schweren
Unionen, die mit U. delodonta Lam. verwandt sind, im Paranä
bisher fehlt. Es ist das vermutlich kein Zufall, denn diese
Unionen lassen sich vom La Plata bis Paraguay und zum
Amazonas (U. wheatleyanus Lea) verfolgen, fehlen aber im
Östen nicht nur im Paranä, sondern auch im S. Franeisco.
Genau das gleiche gilt für Unmio parallelepipedon Lea und
verwandte. Auch die Glabaris-Arten aus der Gruppe von
Gl. trigona Spix, ebenso Glabaris trapezialis Lam. u. a. sowie
wohl die Zeila-Arten schließen sich hierin an. Dies ist um
so auffallender, als andererseits eine Anzahl dem Paranä
und La Plata-Gebiete gemeinsame Arten im Paraguay und
Amazonas fehlen, nämlich Fossula fossiculifera, Glabaris rotunda,
nehringi und tenebricosa. Es wird damit doch wahrscheinlich,
daB diese Arten ursprünglich im Stromgebiete des Paranä
heimisch waren und in demselben zum La Plata vordrangen.
Um hierüber weiteres bemerken zu können, lasse ich die
Liste der Arten des La Plata folgen.
Najaden des Rio La Plata, von der Vereinigung des
R. Paranä und R. Paraguay abwärts.
Unio variabilis Wood.
„ paranensis Lea.
„ patelloides Lea.
a rudis Lea.
„ locellus Lea.
„ delodonta Lam. (= Wymanni Lea).
„ wheatleyanus Lea.
ED EEE FR
152
Die Unioniden Südamerikas.
Unio lacteolus Lea.
borroughianus Lea.
„ parallelepipedon Lea.
trifidus Lea.
guaranianus Orb.
Castalina psammoica Orb.
Castalia ambigua Lam. var. inflata Orb.
Aplodon paraguayanus Orb.
„ parchappi Orb.
8 corrientensis Orb.
Plagiodon isocardioides Lea.
Fossula fossiculifera Orb.
Glabaris lucida Orb.
mortoniana Lea (weddeli Hupe).
”
A trigona Spix.
er soleniformis Orb.
tenebricosa Lea.
R limnoica Orb.
h trapezialis Lam.
3 riograndensis v. Ih.
8 susannae Griff.
n puelchana Orb.
5 patagonica Lam.
a latomarginata Lea.
n trapezia Spix.
„ rotunda Lea (Obs. X p. 13).
“ brevis Sow.
n sirionos Orb.
s bergi v. Ih. sp. n. (= sinuosa Kust. nec Lam.).
„ wymanni Lea (coll. v. Ih.).
Leila blainvilleana Lea.
Mycetopus siliquosus Orb.
Die Unioniden Südamerikas. 153
Mycetopus legumen v. Matt.
N clessini v. Ih.
Für die durch den kurzen nach vorn abfallenden Dorsal-
rand, große Wirbel und hohe geränderte Form von @1. sirionos
sich gut unterscheidende von Küster (p. 90 T. 22 fie. 1, 2)
als Anodonta sinuosa Lam. beschriebene Art schlage ich den
Namen @!l. bergi sp. n. vor, sie dem Direktor des Museums
in Montevideo, Herrn Dr. ©. Berg widmend, dem ich u. a.
auch diese Art verdanke. Außer letzteren von S. Jos&
stammenden Exemplaren besitze ich auch ein anderes aus
dem La Plata. Bei einigen ist das Perlmutter rötlich, bei
anderen gräulich. A. susannae Griff. ist eine der Glabaris
riograndensis nahe verwandte gute Art. @/. Mortoniana, mit
der @l. weddeli Hupe offenbar identisch, halte ich hier eine
@l. trigona Spix (= chiquitana Orb.) sehr nahe stehende Art,
die höher ist und einen gleichmäßiger gerundeten Ventral-
rand hat; Mortoniana kenne ich übrigens nicht, wohl aber
chiquitana, wovon ich auch ein von d’Orbigny herrührendes
Exemplar besitze. Mancherlei mir noch unklare Unio lasse
ich hier beiseite.
Hinsichtlich ihrer geographischen Verbreitung läßt die
La Plata-Fauna eine Anzahl verschiedener Elemente erkennen.
Eines, das wir schon besprochen, sind die von Rio Paranä
her uns bekannten Arten. Ein zweites Element bilden weit
verbreitete Arten, die am La Plata ihre Südgrenze finden
und offenbar von den zentralen Gebieten Südamerikas aus
nach den verschiedenen Richtungen hin sich verbreiteten.
Ein drittes Element sind die dem La Plata mit dem Ama-
zonas gemeinsamen Arten, auf welche ich gleich zu sprechen
komme, nach Aufführung der Arten des Rio Paraguay. Als
viertes Element schließen sich endlich gewisse, bisher noch
nicht in Argentinien, aber in Uruguay und Rio Grande do Sul
beobachtete Arten an, welche mit solchen aus Chili identisch
154 Die Unioniden Südamerikas.
oder nächst verwandt sind, und von denen anzunehmen ist, ı
daß sie auch in Argentinien nicht ganz fehlen werden.
Najaden aus dem Rio Paraguay.
Aus diesem Gebiete ist überaus wenig von Unioniden
bekannt geworden. Prof. v. Martens teilt mir mit, daB
Rohde in der Laguna Gaiba Unio aethiops Lea sammelte,
doch nehme ich bei der Schwierigkeit in der Bestimmung
gerade dieser Gruppe die Art nur als fraglich auf. Anodonta |
poreifera Gray, welche aus Paraguay beschrieben wurde, halte
ich für latomarginata Lea, welche früher publiziert wurde,
und aus Paraguay bekannt ist. Vielleicht irre ich, denn
Grays kurze Beschreibung entbehrt der Figur.
Unio paraguayensis Lea.
„ aethiops Lea.
„ hylaeus Orb.
„ parallelepipedon Lea.
Castalina psammoica Orb.
Castalia ambigua Lam. var. inflata Orb.
„ quadrilatera Orb.
Plagiodon balzani v. Ih.
Fossula balzani v. Ih.
(Glabaris trapezialis Lam.
N riograndensis v. Ih.
s latomarginata Lea.
= obtusata Hupe (Rio Apa, v. Ih.).
“ lingulata Hupe.
2 soleniformis Orb. var. apae v. Ih.
Leila blainvilleana Lea.
„ eastelnaudii Hupe.
Eine ganze Reihe von Arten fehlt in dieser Liste, welche
sowohl in Bolivien in Zuflüssen des Amazonas gefunden
ie
Die Unioniden Südamerikas. 155
\ wurden, als auch im La Plata. Ich lasse daher zunächst
' noch eine Übersicht der Najaden des Amazonasgebietes folgen.
Ich bemerke dazu, dab alle von d’Orbigny und
Castelnau resp. Hup& aus Bolivia angegebenen Unioniden
aus dem Stromgebiete des Amazonas kommen, auch jene von
Chiquitos. Unter den Philippischen Arten wird bei Ord-
nung der Synonymie noch manches einzuziehen sein, doch
nehme ich für die mir fehlenden Arten vorläufig noch in
folgender Liste alles auf. Ich bemerke dies nur, weil durch
diese Vereinfachung der Synonymie offenbar die Zahl der
beiden Stromgebieten gemeinsamen Arten sich relativ noch
erhöht.
Ich bemerke noch, daß ich die von Olessin aus Ecuador
angegebenen Arten zum Teil nicht als sicher bestimmt an-
sehe. So beschreibt Clessin eine Anodonta pastasana (Malak.
Blätter N. F. Bd. I 1879 p. 173 T. XI Fig. 1), welche
offenbar mit A. subsinuata Phil. identisch ist. Das Exemplar
von Philippi war weniger bauchig und jünger, daher war
das von Clessin untersuchte dickschaliger und dunkler. Das
sind Unterschiede, wie sie auch an einem Fundorte zu be-
obachten sind; ob die etwas mehr vorstehenden Wirbel bei
Clessins Exemplar zur Beibehaltung von pastasana als Lokal-
varietät von subsinuata genügen, muß erst an reichlicherem
Material geprüft werden.
Najaden des Amazonasbeckens.
Unio rhombeus Spix.
„ wheatleyanus Lea (Rio negro).
„ suavidicus Lea (juvenis zu voriger?).
„ burroughianus Lea (Bolivia).
„ parallelepipedon Lea (Bolivia).
? „ multistriatus Lea.
„ Aylaeus Orb. (Bolivia).
156 Die Unioniden Südamerikas.
Unio patelloides Lea (Amazonas).
Castalina orbionyana Hupe.
Castalia ambigua Lam. nebst var. küsteri v. Ih.
a quadrilatera Orb. (Bolivia).
Hyria avicularis Lam.
„ eorrugata Lam.
syrmatophora Sow.
„ transversa Hupe.
castelnaudiü Hupe.
rugosissima Sow.
browniana Lea.
Aplodon jaspideus Hupe (Amazonas; Bolivia).
„ guaranianus Orb. (Bolivia).
Glabaris amazonensis Lea (oberer Amazonas).
“2 wheatleyi Lea (Parä).
solidula Hup6 (oberer Amazonas).
castelnaudi Hup® (oberer Amazonas).
trigona Spix (Amazonas; Bolivia).
morteniana Lea (Bolivia; Ecuador).
„ subrostrata Phil. (Peru).
" ucayalensis Phil. (Peru).
4 solidula Hupe (oberer Amazonas).
incarım Phil. (oberer Amazonas; Peru).
subsinuata Phil. (oberer Amazonas; Peru).
schroeteriana Lea (oberer Amazonas Hup6;
Rio negro Lea).
\ obtusula Hupe (Bolivia).
® reticulata Rve.
„ ensiformis Spix (Bolivia Orb.; Guiana Lea
Obs. XII p. 27).
Ri trapezia Spix.
sirionos Orb. (Bolivia).
Die Unioniden Südamerikas. 157
Glabaris trapezialis Lam.
5 exotica Lam.
Leila esula Jan (Bolivia).
„ spieii v. Ih. (Amazonas).
„ blainvilleana Lea („Brasilien“; Ecuador t. Olessin).
„ pulvinata Hup& (Amazonas Hupe, Spix, Perü
t. Mousson).
Mycetopus soleniformis Orb. (Bolivia).
“ siliquosus Spix (Bolivia).
n clessini v. Ih. (Bolivia).
= ventricosus Orb. (Bolivia).
x longinus Spix (oberer Amazonas, Columbia,
Ecuador).
r staudingeri v. Ih. (oberer Amazonas).
4 oceidentalis Olessin (Pastasa, Ecuador).
4 falcatus Higgins (oberer Amazonas).
Mousson (Mal. Blätter Bd. 16, 1869 p. 186) führt Unio
elipticus Spix aus dem Amazonasgebiet auf. Was er über
die rauhe Streifung der Schale bemerkt, zeigt, daß, so wie
das meistens geschah, damit multistriatus Lea gemeint ist.
Aus Mangel an genügendem Material führe ich @!. retieulatus
Rve. als besondere Art an, obwohl sie vermutlich identisch
ist mit @l. lucida Orb. vom La Plata.
Hinsichtlich der Najaden des Amazonasgebietes hat
Philippi darauf hingewiesen, daß es in Perü viele Ano-
donten und keine Unio gebe. Der Ausdruck Perü soll dabei
jedenfalls nur das östlich der Anden gelegene Gebiet be-
treffen, denn in dem "westlichen Abschnitte dieses Landes
gibt es ebenso wie in Chili Unio- und Chilina- Arten, aber
keine Anodonten resp. @labaris und Ampullarien. Dagegen
sind aus dem Ucayalifluß allerdings bisher keine Unionen
bekannt geworden. Es ist jedoch irrig, daraus zu schließen,
daß dem Amazonas und seinen Nebenflüssen Unionen fehlten.
158 Die Unioniden Südamerikas.
Die vorliegende Liste zeigt das, und sind sowohl vom So-
limöes als von Rio negro und dem Madeira resp. deren Neben-
flüssen Unio-Arten bekannt. Daß deren Zahl so gering ist,
wird wohl nicht nur in stärkerem Vorwiegen der „Anodonta“,
sondern auch in schlechter Nachforschung seinen Grund
haben. In der Regel scheinen nur die leichter zugänglichen
Teiche und Sümpfe auf Najaden abgesucht worden zu sein. °
Es wäre sehr zu wünschen, daß einmal speziell den Najaden °
dieses Gebietes die Aufmerksamkeit zugewendet würde, wobei
dann natürlich mit dem Schleppnetze in den größeren Strömen '
gearbeitet werden müßte.
Der auffallendste Zug an den Unioniden des Amazonas
ist die reiche Entwicklung des Genus Hyria. Die Arten
dieser Gattung sind gefunden im Amazonas und in den
nördlich desselben gelegenen Gebieten, teils in den Zuflüssen '
des Amazonas, teils auch in anderen Flüssen, zumal von
Britisch Guiana, dagegen ist noch keine Ayria bekannt ge-
worden von Ecuador, Ost-Peru und Bolivia. Ebensowenig
trifft man im Gebiete des La Plata und S. Francisco, kurz
südlich des Amazonas Hyria-Arten. Diese Verbreitung weist
darauf hin, daß Ayria, eine sonst nirgends wieder angetroffene
Gattung, dem Gebiete von Guiana und seiner Umgebung
entstammt. Die Gattung kann dann erst relativ spät in den
Amazonas vorgedrungen sein, dessen dermaliges Gebiet ja
während des größten Teiles der Tertiärzeit vom Meer bedeckt
war. Es weist uns zugleich diese beschränkte Verbreitung
darauf hin, daß das Gebiet, in welchem Hyria entstand,
längere Zeit hindurch isoliert gewesen sein muß. Ayria ist
nichts anderes als ein Unio und zwar ein spezifisch südame-
rikanischer Unio mit verwachsener Branchialöffnung.
Es ist nun sehr interessant, daß wir gerade in Süd-
amerika Unionen kennen, welche als Vorläufer von //yria gelten
müssen. Es ist das jene schon früher erwähnte kleine Gruppe
Die Unioniden Südamerikas. 159
! von Unionen, bei denen die Radialskulptur Ayra-artig ist,
‚ indem die vor und hinter dem Wirbel gelegenen Radiärstrahlen
stark konvergieren, Vförmig nach unten zusammenstoßend.
Im Grunde ist das auch der Typus der Radialskulptur aller
südamerikanischen Unio und Castalia, der Unterschied ist nur
der, daß bei Hyria der Winkel ein weniger spitzer ist und
daß die gegeneinander laufenden Strahlen etwas bogenförmig
‚ eingebuchtet sind. Dadurch kommt es, daß mehrere Strahlen
von beiden Seiten sich treffen (V), während bei den süd-
! amerikanischen Unio immer nur 2 Strahlen, in der Regel der
7. und 8. oder 8. und 9. in V Form zusammenstoßen, die
andern aber divergieren oder sich doch nicht treffen. Bei
' den obenerwähnten Umo-Arten nun: DO. hylaeus Orb., U.
pfeiferi Dkr. und U. fluetiger ist die Skulptur genau die
gleiche, wie bei Ayria. Diese Unionen wird man um so eher
als die Quelle anzusehen haben, aus welcher der Ursprung
von Hyria abzuleiten ist, als eine dieser Arten U. /luetiger
Lea in Guiana lebt. Die anderen beiden sind bei Rio de
Janeiro (U. pfeiferi) und im Rio Paraguay und in den boli-
vianischen Zuflüssen des Amazonas gefunden. Diese Unio-
Gruppe dürfte also in älterer Zeit eine weitere Verbreitung
im zentralen und nördlichen Teile Südamerikas gehabt haben
und es in dem inselartig isolierten Gebiete von Guiana und
Umgebung zur Entwicklung der Hyria gebracht haben. Diese
Umo-Gruppe ist im Paranägebiete, in Rio Grande do Sul,
Uruguay, im südlichen Argentinien und in Chili nicht ver-
treten. Im La Plata gibt es eine ähnliche Form, U. guara-
nianus Orb., bei welcher aber die Skulptur eine andere und
der Wirbel gewölbter ist. Es wird somit im La Plata diese
Gruppe von Norden her im Paraguaystrom eingewandert sein,
wie so viele andere Amazonasformen. Daß es sich in ihnen
wirklich um Glieder der Gattung Unio handelt, habe ich an
Exemplaren von U. hylaeus Orb. gesehen. Die Branchial-
160 Die Unioniden Südamerikas.
öffnung ist nach unten offen. Die Kiemen sind mit ihren
sekundären Lamellen allseitig angewachsen. In der inneren
Kieme hatten zwei Exemplare Eier, das größere solche in
Furchung, das kleinere von nur 25 mm Länge reife Embry-
onen mit dreieckiger an den Winkeln abgerundeter von
Porenkanälen durchsetzter Schale ohne Haken.
Was man bis jetzt von den Unioniden . von Guiana, ;
Venezuela usw. weiß, ist zu dürftig, um faunistische Ver-
gleiche zu gestatten. Im allgemeinen wird dieses Gebiet
jedenfalls auch außer Hyria noch charakteristische Züge haben.
Unio Stevensi Lea, granosus Brug. usw. sowie Anodonta tortilis
u. a. sind dem Gebiete eigen. Im Norden desselben treten
auch zentralamerikanische Typen auf, denn es kann kaum
zweifelhaft sein, daß Unio demeraraensis Lea nahe mit U.
dysoni Lea, scamnatus Morel u. a. verwandt ist, vielleicht
sogar mit einer dieser Arten zusammenfällt, von denen wir
oben sahen, daß sie anatomisch von den südamerikanischen
Unionen verschieden sind. Sonderbar ist aber, daß auch
Glabaris ensiformis Spix in Guiana vorkommt. Man könnte
annehmen, sie sei mit /yria in den Amazonas eingewandert,
indes widerspricht dem der Umstand, daß sie auch in Bolivia
vorkommt. Hätte sie gegen die Strömung den Amazonas bis
zu seinen bolivianischen Quellflüssen aufwärts durchwandert,
so müßte Ayria sie begleitet haben, was ja nicht der Fall |
ist. So scheint es mir eher wahrscheinlich, daß von Ost-
Peru, Ecuador usw. her gewisse Formen nicht nur nach
Süden, sondern auch nach Norden und Osten vordrangen.
Noch jetzt besteht bekanntlich im Cassiquiare eine breite
Wasserstraße zwischen Orinocco und Amazonas resp. Rio
negro und in der Tertiärzeit werden natürlich noch wesent-
lich andere hydrographische Verhältnisse bestanden haben.
Wir wissen, dab während der mittleren Tertiärzeit das ı
Amazonastal vom Meere erfüllt war bis zum Fuße der :
Kenn
Die Unioniden Südamerikas. 161
Anden, wo Boettgers Untersuchungen uns die Brackwasser-
fauna von Pebas haben kennen gelehrt. Damals werden
auch die Llanos von Columbien und Venezuela vom Meere
bedeckt gewesen sein, so daß das Hochland von Guiana als
Insel abgeschlossen war. Als dann die jetzigen hydrographi-
schen Verhältnisse sich ausbildeten, trat natürlich eine Ver-
mischung beider Faunen ein — wie aber?
Es erhebt sich hier die wichtige Frage, ob Unioniden
überhaupt stromaufwärts wandern können. Es ist klar, dab
sie im Unterlaufe der Flüsse dazu imstande sein werden,
ebenso auch, daß sie abwärts leicht wandern können, und
daß selbst Stromschnellen und kleinere Wasserfälle ihnen
kein Hindernis bereiten, wohl aber ist das natürlich in um-
' gekehrter Richtung der Fall. Es ist durch die ganze Or-
ganisation der Muschel ausgeschlossen, dab sie eine stark
abschüssige Partie des Strombettes hinaufklettern, ganz ab-
gesehen von der gerade an solchen Stellen exzessiv gesteigerten
Macht der Strömung. Die Verbreitung von Ayria bestätigt
diese Annahme, da die Gattung wohl von Norden her zum
‚ Amazonas hinabgestiegen, nirgends aber in dessen fernere
Zuflüsse hinaufgewandert ist. In gleichem Sinne ist es zu
verstehen, daß von der bolivianisch-paraguayischen Najaden-
fauna, welche abwärts in den La Plata vorgedrungen ist,
doch kein Glied im oberen Laufe des Paranä gefunden wird.
Diese Verhältnisse sind überaus lehrreich und sie beweisen
uns, daß, wo die heutigen hydrographischen Verhältnisse nicht
zur Erklärung der geographischen Verbreitung ausreichen,
nur eine andere Verteilung und Verbindung der Flüsse und
Seen während der Tertiärzeit den Schlüssel liefert.
Solche andere hydrographische Verhältnisse müssen zumal
auch im zentralen Brasilien und in Bolivien während jener
Zeit bestanden haben, wo Hyria noch durch das Amazonas-
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 11
162 Die Unioniden Südamerikas.
meer auf das Hochland von Guiana beschränkt blieb. Es
ist klar, daß lange Zeit hindurch in den Gebieten, wo sich
heute die Grenzscheiden von Amazonas und La Plata be-
finden, Süßwasserseen und sumpfige von Flüssen durchzogene
Niederungen bestanden haben müssen, welche von einer ein-
heitlichen Süßwassertierwelt belebt waren. Darauf weist klar
die Tatsache hin, daß schon jetzt die meisten der im Rio
Paraguay nachgewiesenen Najaden auch in den bolivianischen
Zuflüssen des Amazonas bekannt sind. Von den oben an-
geführten 17 Arten von Paraguay kommen 8 auch in den
angrenzenden Gebieten von Bolivia vor in Zuflüssen des
Amazonas. Richtiger wäre es wohl auch, Unio paraguayensis
Lea diesen Arten zuzurechnen, da sie kaum von U. wheatleyanus
verschieden sein dürfte. Sehen wir aber hiervon und auch
von der vermutlichen Identität von @Grlabaris reticulata und
lueida ab, so müssen wir doch jener Liste der Paraguayarten
ohne Zweifel auch jene in Bolivia usw. nachgewiesenen Arten
zurechnen, welche noch nicht im oberen Laufe des Flusses,
sondern nur im unteren bisher nachgewiesen wurden. Rechnen
wir diese Arten (DV. burroughianus, Gl. trapezialis, trigona,
mortoniana, trapezia, sirionos, Mye. siliquosus, clessini) noch
hinzu, so haben wir von 25 Arten des Rio Paraguay bereits
16, d. h. 64°/, in den bolivianischen Zuflüssen des Amazonas
nachgewiesen, ein Resultat, welches um so beachtenswerter
ist, als einerseits erst sehr wenig in diesen Gebieten ge-
sammelt ist, und andererseits die Artbegrenzung ziemlich
eng gewählt wurde. So ist es z. B. sehr wahrscheinlich,
daß sich U. rhombeus Spix des Amazonas als identisch mit
U. paranensis Lea erweisen wird und ähnliches mehr, womit
schon bei jetzigem Stande der Kenntnisse die Summe der
identischen Spezies auf mehr als 70°/, steigen würde. Auch
da, wo Lücken noch vorhanden sind, handelt es sich nicht
um faunistische Gegensätze. So ist z. B. Plagiodon bisher
Die Unioniden Südamerikas. 163
! noch nicht!) im Amazonasgebiete nachzuweisen, allein die
Gattung ist selten, besteht bisher nur aus zwei Arten, die
je nur in einem Exemplare bekannt sind und ist außerdem
nichts als eine spezialisierte Form von Aplodon, einer in
beiden Gebieten nachgewiesenen Gattung.
Während wir hinsichtlich der Beziehungen zwischen dem
Paraguay und dem Madeira somit schon über einen reich-
lichen Schatz guter Beobachtungen verfügen, steht das nicht
so hinsichtlich des Rio S. Francisco und des Paranä. Auch
hier begegnen wir, wie wir oben sahen, einigen weit ver-
breiteten Arten und anderen, die dem Parahyba und Paranä
gemeinsam zukommen, allein die Beobachtungen sind noch
zu sparsam. Das wenige, was uns vorliegt, zeigt keine sehr
nahen Beziehungen zur bolivianisch-paraguayischen Fauna an.
Auffallend ist es zumal, daß die dort so stark entwickelte
Gruppe der @lab. trigona und ihrer Verwandten ganz fehlt.
Andererseits lassen sich nähere Beziehungen der Paranä-
Fauna zu jener des Rio Uruguay und von Rio Grande do
Sul nachweisen. Da ich Aussicht auf mehrere Sendungen aus
diesen Gebieten habe, hoffe ich, später eingehender darüber
handeln zu können. Hier interessiert uns vor allem die Tat-
sache, daß eine Anzahl Arten durch den Paranä in den
La Plata und bis Uruguay und Rio Grande do Sul sich
verfolgen lassen, welche in Paraguay fehlen. Es hat somit
der Unterlauf des La Plata von zwei Richtungen her neue
Najaden erhalten: durch den Rio Paranä und den Rio Paraguay.
Während die hervorgehobenen Tatsachen der geographi-
schen Verbreitung unzweifelhaft feststehen, könnte bezüglich
ihrer Deutung nur dann eine abweichende Meinung vertreten
werden, wenn man an eine umgekehrt stromaufwärts gerichtete
1) Dieses ist nieht richtige. Von der Gattung Iheringella Pils.
(Plagiodon Lea) kennen wir durch H. Adams eine Art Ih. semisulcata
aus dem oberen Amazonasgebiet in Ost-Peru.
1
164 Die Unioniden Südamerikas.
Wanderung glauben wollte. Die zahlreichen Fälle des Paranä
machen dies bei gegenwärtigem Stande unmöglich. Diese
Fälle, zumal der enorm mächtige 17 m hohe Salto grande,
lassen selbst die Annahme einer Abwärtswanderung kaum |
zu, denn die unten glücklich angelangten Muscheln würden
in den noch 120 km weiter in felsigen Schluchten sich fort-
setzenden Stromschnellen und Fällen keine passenden Existenz-
bedingungen finden. Ohne Zweifel lagen in der Tertiärzeit
auch in dieser Hinsicht die hydrographischen Verhältnisse
anders, und erst fortgesetzte Hebungen werden die jetzt be-
stehenden Terrainschwierigkeiten geschaffen haben. Der An-
nahme einer Aufwärtswanderung steht auch der Umstand |
entgegen, dab in der Miocänzeit Entrerios Meeresboden war. |
Vermutlich hing dieser weit ins Innere eindringende Meer-
busen zeitweise mit den Amazonasbecken zusammen. Brasilien
wäre dann, und das ist ja auch die allgemeine Annahme,
längere Zeit hindurch Insel gewesen. Die Süßwasserfauna
dieses alten Brasiliens konnte, als die Meere zurückwichen,
sich über die neu auftauchenden Gebiete ausbreiten, und so
erklärt sich die Verbreitung einer Reihe von Arten über das
enorme (sebiet der Flüsse Rio S. Francisco, Paranä, Ama-
zonas und Paraguay.
Wäre dieser Zusammenhang der Binnenwässer ein sehr
lang anhaltender, allseitiger gewesen, so hätte er zu einem
völligen Austausche der Faunen führen müssen. Das ist aber
nicht der Fall. Wir finden eine Anzahl Arten des archi-
brasilischen Gebietes, wie man dieses vom Rio S. Franeisco zum _
Rio Paranä reichende alte brasilianische Gebiet nennen kann, .
in Paraguay, La Plata und Amazonas wieder, aber die boli-
vianische Amazonastypen fehlen in Archibrasilien. Es wird
also die Scheidung in die jetzt getrennten Flußgebiete des
zentralen Brasiliens früher erfolgt sein, als der Eintritt der
peruanisch-bolivianischen Süßwasserfauna in den Paraguay.
Die Unioniden Südamerikas. 165
Die so weitgehende Übereinstimmung der Süßwasserfauna
von Bolivien und Paraguay macht es wahrscheinlich, daß der
Zusammenhang der Gewässer in der bolivianischen Tiefebene
die Tertiärzeit überdauert hat. Bekanntlich dehnen sich in
der bolivianischen Tiefebene und weiterhin in Matto-Grosso
zahlreiche Seen und Sümpfe aus, welche zur Zeit der Über-
schwemmung einen vollständigen Süßwasserozean darstellen.
Ich kann mich der Vermutung nicht erwehren, daß hier zur
Zeit der Überschwemmung auch gegenwärtig noch zeitweise
eine Verbindung der Gewässer des Amazonas und des La
Plata statt hat. Sollte dies aber auch irrig sein, so wird
doch der von uns erschlossene Zusammenhang keinesfalls sehr
weit zurück zu verlegen sein. In dieser Hinsicht haben sich
durch Fl. Ameghinos Forschungen wichtige Resultate er-
geben. Der genannte argentinische Forscher hat sich zwar
wesentlich nur um fossile Wirbeltiere bekümmert, dabei aber
auch mancherlei an Konchylien aus Süßwasserablagerungen
gesammelt. Dieselben haben das von mir aus zoogeographi-
schen Gründen erschlossene Ergebnis vollkommen bestätigt,
wonach Glabaris und Verwandte sowie Ampullaria der argen-
tinischen Fauna ursprünglich fremd und erst relativ sehr spät
eingewandert sind.
Die Pampasformation hielt man bis vor kurzem fast all-
gemein noch für pleistocän. Es ist aber nachgewiesen, dab
Säugetiere der Pampasformation in Nordamerika in Ab-
lagerungen vorkommen, welche von unzweifelhaft pliocänen
marinen Schichten bedeckt sind. Die Pampasformation ist
also pliocän. Während aber in den älteren Formationen und
noch in unteren und mittleren Pliocän von Süßwasserkon-
chylien nur die Gattungen Unio, Corbicula, Chilina, Palu-
destrina, Succinea vertreten sind, erscheinen im Lujanense, dem
oberen Plioeän, zuerst Ampullaria und laut brieflicher Mit-
teilung Ameghinos auch Glabaris. Alle diese der alt-
166 Die Unioniden Südamerikas.
argentinischen Fauna fremder Elemente werden also wohl
gleichzeitig ihren Einzug in die zahllosen Seen, Sümpfe und
anderen süßen Gewässern gehalten haben, in denen sich die
Pampasformation, von Wind, Regen und Überschwemmungen
unterstützt, ablagerte.
In älteren Zeiten bildete offenbar Argentinien und Chili
ein einheitliches faunistisches Gebiet, für welches ich den
Namen Archiplata vorgeschlagen habe. Ich komme hier ein-
gehender auf ein Thema zu sprechen, über welches ich schon
an anderer Stelle!) kurz meine Erfahrungen mitgeteilt habe.
Werfen wir zunächst wieder einen Blick auf die Najaden.
Es tritt uns da die Tatsache entgegen, daß von den chileni-
schen Unio-Arten die meisten auch in Patagonien, Uruguay
und Rio Grande do Sul leben. Unio rhuacoicus Orb. besitze
ich in einem von d’Orbigny selbst so bezeichneten Exemplare
von Montevideo, welches absolut identisch ist mit U. auratus
Sws. Beide Arten fallen zusammen. D’Orbigny vermochte
diese Art von einer sehr ähnlichen, die er jaba nannte, nicht
recht zu trennen. Letztere Art ist nun im Rio Grande do
Sul häufig und sie unterscheidet sich von rhuacoicus leicht
durch die längeren lamellaren, dünnen Kardinalzähne. Es
gibt in Chili sehr ähnliche Exemplare.
Unio lepidior Lea von Uruguay ist identisch mit U. diplo-
don Phil., beide nur eine Varität des chilenischen U. atratus.
Eine andere Spezies, die zu beiden Seiten der Anden vor-
kommt, ist Unio frenzeli sp. n., die ich von Dr. Frenzel
erhielt und die aus Patagonien stammt. Ich erhielt sie von
Sowerby als jragilis Sws. von Patagonien und als atratus
Sws. von Chili. Beide Bestimmungen scheinen mir falsch,
')H. v.Ihering, Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln,
„Ausland“ 1890 p. 941—944 sowie p. 968—973. — Ferner: Über die
alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika. „Ausland“
1891 p. 344-351.
Te we
Die Unioniden Südamerikas, 167
wesentlich ist hier aber nur, daß eben diese Art zu beiden
Seiten der Anden vorkommt. An diese identischen Arten
schließen andere nahe verwandte sich an. Unio koseritzi Olessin
vom Rio Grande do Sul ist wohl nur eine etwas kleinere
Varietät von Unio montanus Phil. Dem chilenischen U, casa-
blancae Phil. entspricht eine argentinische Art mit lamellaren
Zähnen, die ich für piceus Lea halte und auch U. aethiops
Lea ist sehr ähnlich.
Die Übereinstimmung der Süßwassermollusken be-
schränkt sich nicht auf die Unionen. Auch Zimnaea viator
lebt in Patagonien und Chili, ebenso Planorbis peregrinus
Orb., Suceinea meridionalis Orb. u. a. Es ist mir nicht alles
diesbezügliche völlig bekannt, doch ist z. B. wohl kaum zu
bezweifeln, daß Physa rivalis Sow., eine am La Plata und in
Südbrasilien gemeine Art, die auch in Lima vorkommt, auch
in Chili nicht fehlen wird. Hat man erst einmal diesen
Verhältnissen die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt, so
werden sich ohne Zweifel noch manche Tatsachen ergeben,
die mir jetzt entgehen. So kenne ich von der Gattung Chrlina
noch keine Art, welche zu beiden Seiten der Anden nach-
gewiesen wäre. Und doch ist diese Gattung Chilina eine der
Charakterformen von Archiplata. Dieselbe ist außerhalb des
Archiplatagebietes nirgends lebend oder fossil bisher nach-
gewiesen. Chilina-Arten kommen vor in Chili und dem west-
lichen Peru, sodann in Patagonien, am La Plata, in Uruguay,
Rio Grande do Sul und in St. Catharina. Auch die in Argen-
tinien und Rio Grande do Sul so häufig vertretene Gattung
Paludestrina kommt in Chili vor.
Die Verbreitung von Chilina charakterisiert sehr gut das
Archiplatagebiet, ist aber keineswegs dessen einziges und
hauptsächlichstes Charakteristikum. Wesentlich sind hierfür
auch die Dekapoden. Aus Westperu scheint bisher nichts
von diesen Krebsen bekannt zu sein, aus Chili kennt man
168 Die Unioniden Südamerikas.
die Gattungen Parastacus und Aeglea. Beide finden sich auch
in St. Catharina und Rio Grande do Sul, sowie in Uruguay
und Argentinien, nicht dagegen bei Rio de Janeiro oder in
anderen nördlichen Gebieten Südamerikas. Von Parastacus
sind mir in Rio Grande do Sul drei Arten bekannt geworden;
ich hoffe, dieselben mit den Typen von Philippis verschie-
denen Arten aus Chili vergleichen und dann darüber berichten
zu können. Von Aeglea kommen in St. Catharina zwei Arten vor,
eine davon ist Aeglea laevis Leach, die auch in Rio Grande
do Sul und Uruguay vorkommt und in Chili. Weder v. Mar-
tens noch Berg haben bei Vergleichung mit chilenischen
Exemplaren Unterschiede gefunden. Dort wie hier ist der
Krebs mit demselben Parasiten: Temnocephala chilensis Gay
besetzt.
Die niedre Tierwelt der Binnenwässer von Chili ist ganz
unbekannt. Jene Argentiniens ist neuerdings von J. Frenzel
studiert worden. Je tiefer man in der Stufenleiter der Tier-
welt hinabsteigt, umsomehr stellen sich kosmopolitische For-
men ein. Vielfach ist deren weite Verbreitung sicher der
Verschleppung durch Wasservögel zuzuschreiben, allein da-
neben spielt sicherlich auch ein seit der Sekundärepoche und
wohl noch länger über alle Gewässer der Erde verbreiteter
Grundstock von altkosmopolitischen Gattungen und Arten
eine große Rolle. Von kosmopolitischen Gattungen treffen wir
in der gemeinsamen Archiplatafauna die Gattungen Planorbis,
Limnaea, Physa, Aneylus, Pisidium, Suceinea, denen sich als
nahezu kosmopolitisch Unio, Corbieula resp. Uyrena usw. an-
reihen. Das alles sind alte, seit dem Jura und zum Teil
schon viel länger lebende Gattungen, die uns schon den Satz
erläutern, daß kosmopolitische Gattungen sehr alte sind.
Im Gegensatze nun zu dieser weiten Verbreitung der
kosmopolitischen Gattungen fehlen in Chili diejenigen jün-
geren Gattungen, deren Vertreter erst in der Tertiärperiode
Die Unioniden Südamerikas. 169
erscheinen oder kurz zuvor. So fehlen außer Unio alle anderen
Gattungen südamerikanischer Najaden in Chili gänzlich,
ebenso die Gattung Ampullaria, und dieses Verhältnis tritt
uns auch in anderen Gruppen entgegen und zeigt uns, daß
‚zur Zeit, als jene der Archiplata-Fauna ursprünglich fremden
Elemente ihren Einzug in Argentinien hielten, die Anden als
Wasserscheide bestanden und das Vordringen in die chile-
nischen Gewässer verhinderten.
Hinsichtlich des Alters und der Hebung der Anden sind
die Ansichten noch sehr geteilt. Die Existenz mariner Reste
in den Anden bis zu Höhen von 4000 m glaubte die Sueßsche
Theorie durch die Annahme von entsprechenden Schwan-
kungen im Niveaustande des Ozeans erklären zu können —
eine Annahme, die, wie schon das Vorhergehende klar macht,
vom Standpunkte der zoogeographischen Betrachtung aus als
mit den Tatsachen unvereinbar außer Erörterung bleiben muB,
was umso eher angeht, als ihr auch von geologischer Seite
durch Ochsenius u. a. der Boden entzogen wurde. Wäh-
rend nun Ochsenius namentlich auf solche Erscheinungen
hinweist, welche neuere und noch fortschreitende Hebungs-
vorgänge erhärten, vertritt Ameghino den entgegengesetzten
Standpunkt, indem er die Abwesenheit von Edentaten in Chili
als Beleg dafür heranzieht, daß schon in der ersten Hälfte
der Tertiärzeit die Anden für diese Säugetiere eine unüber-
schreitbare Schranke bildeten. Wäre die Tatsache selbst
gesichert, so müßte man Ameghino beistimmen, allein ich
zweifle nicht, daß alttertiäre Säugetiere auch in Chili noch
gefunden werden. Die schon von Ochsenius herangezogene
tertiäre Flora der Anden, zum Teil in sehr bedeutender Höhe
von ihm gesammelt, ist jetzt von Engelhardt bearbeitet.
Es geht daraus hervor, daß die Anden damals eine rein
tropische, üppige Urwaldvegetation trugen, deren Gattungen
und selbst Arten heute in den brasilianisch-bolivianischen
170 Die Unioniden Südamerikas.
Walddistrikten angetroffen werden. Nur die Gattung Fagus \
repräsentiert ein Element gemäßigter Breiten, sonst sind es
alles tropische Gattungen.
Als Tatsache wird man sonach es anzusehen haben,
daß da, wo heute die Anden sich erheben, zur Jurazeit
Meer sich befand. Während der Kreidezeit bildete sich als
eine schmale Landzunge an der Stelle der Anden die erste
Anlage des Gebirges, im Norden abgeschlossen durch das
Meer, dessen Anwesenheit noch in der Kreidezeit seine Ab-
lagerungen in dem bolivianisch-peruanischen Teile der Anden
verraten. In der Tertiärzeit schloß sich mehr und mehr
Land an diesen somit immer breiter werdenden Streifen an u
und in der eocänen Zeit trat dieses Landgebiet mit dem
Hochlande von Guiana, vielleicht zeitweise auch mit Brasilien
in Verbindung, eine Brücke bildend, auf welcher ein Aus-
tausch südamerikanischer und altweltlicher Säugetiere sich
vollzog. Die ältesten plazentalen Säugetiere Argentiniens
resp. Patagoniens knüpfen an jene der alten Welt an, nicht !
an jene Nordamerikas. Namentlich die charakteristischen
Nagetiere Südamerikas fehlen in Nordamerika, sind aber in
Europa durch die Theridomyiden repräsentiert. Ein Aus-
tausch von Säugetieren zwischen Nord- und Südamerika fand
erst seit Beginn der pliocänen oder schon am Ende der «
miocänen Formation statt, bis dahin waren beide Amerika
getrennt, wobei vermutlich der äußerste Norden Südamerikas
ebenso wie Zentralamerika und Westindien sich näher an
Mexiko anschlossen. Die lange Trennung beider Faunen bis
zur Pliocänformation ist es aber, welche die Schuld an jener !
enormen Verschiedenartigkeit beider Faunen trägt, die noch
heute so auffällig ist, trotzdem seit dem Ende der miocänen
Formation immerzu ein reger gegenseitiger Austausch bestand.
Dieser Austausch macht es vielfach schwierig, die früher ;
getrennten zoogeographischen Regionen im einzelnen nach-
Die Unioniden Südamerikas. al
_ zuweisen, wenigstens für die Landtiere — für die Sübwasser-
_fauna ist dagegen der Unterschied noch heute fast ebenso
groß, wie in der älteren Tertiärzeit. Während Nordamerika
_ mit den europäischen Gewässern die Menge der Oypriniden
gemein hat, fehlen diese in Südamerika völlig und sind da
ersetzt durch Chromiden, Characiniden u. a. in Afrika reich
vertretene Gruppen. Auch die Najaden von Südamerika
schließen sich aufs innigste an jene Afrikas an, sind aber
enorm verschieden von jenen Nordamerikas und dieser Gegen-
satz in den Najaden stammt schon aus der Sekundärepoche,
denn White hat für die Laramieregion den kontinuierlichen
Zusammenhang der bekannten nordamerikanischen Unioniden
mit Formen der Kreide und des Eocänes nachgewiesen. Im
Gegensatze dazu haben jene knotigen Unioniden, welche der
nordamerikanischen Fauna ein so eigentümliches Gepräge
geben, und die auch in China und im Tertiär in Europa
vertreten sind, keine Repräsentanten in Südamerika und
in Afrika. Ohne Zweifel stammen auch die nordamerikani-
schen Unionen von Arten mit radiärer Skulptur des Wirbels
ab, und Reste davon haben sich noch vielfach auf dem
Schild erhalten. Wie bei Trigonia, wird auch bei Unio die
Knotenskulptur das spätere sein, an Radialskulptur an-
knüpfend. Die gemeinsamen Grundformen aller Unionen, die
sich in Südamerika, Neuseeland usw. rein erhalten haben,
können aber nur in der Juraformation oder früher gesucht
werden und schon in der Kreideformation resp. bei deren Aus-
gang sind gewisse zoogeographische Gegensätze, zumal in
Amerika, wohl entwickelt gewesen.
An diesem alten Gegensatze zwischen Nord- und Süd-
amerika hat die ergiebige seit dem Beginn der Pliocänperiode
bestehende Verbindung beider Amerika nichts oder sehr wenig
geändert. Und diese Verbindung muß früher weit massiger
gewesen sein. Abgesehen von Säugetierfunden ist auch ein
172 Die Unioniden Südamerikas.
Unio, U. scamnatus Morel. nach Lea sowohl in Kuba als in |
Honduras gemein. Es scheint mir, daß diese Tatsache nicht
hoch genug angeschlagen werden kann, sie beweist uns, daß
schmale Landbrücken und vorübergehende Verbin- |
dungen auf die Süßwasserfauna kaum Einfluß haben, °
Im Gegensatze aber weist eine nahe Verwandtschaft in der
Süßwasserfauna auf einstigen Zusammenhang der Gewässer |
hin, auf breite, reichlich und mannigfach bewässerte Zwischen- '
länder. Die Tatsache, daß auch Unioniden gelegentlich ein- |)
mal durch eine Ente oder Schildkröte, an deren Fuß oder
Kiefer sie sich festklemmten, verschleppt werden können,
darf angesichts solcher Tatsachen nicht überschätzt werden.
Ebensowenig, wie solche Verschleppungen von Wasser zu
Wasser in Zentralamerika und von da nach Südamerika nach- '
weisbar sind, ebensowenig hat über die Anden ein solcher '
Tausch stattgefunden, trotzdem, wie wir sehen, die Anden erst
relativ spät ihre beträchtliche Höhe erreichten und in der
Mitte der Tertiärzeit noch ein von üppigster Tropenvegetation
überkleidetes Mittelgebirge darstellten.
Der einzige Einwurf, den man diesen Darlegungen ent-
gegenstellen könnte, ist die weite Verbreitung von Ampullaria-
Arten von Süd- bis Nordamerika. Nun liegt aber hinsichtlich
Ampullaria der Fall wesentlich anders, als bei Unio, denn
Ampullaria ist eine relativ junge Gattung, die kaum über
die Tertiärzeit hinausreicht. In den Süßwasserschichten der
„Kreide“ von Bahia fehlt Ampullaria noch. Statt ihrer
finden sich nach White!) Vertreter der nordamerikanischen '
Gattungen Lioplacodes und Pleurocera. Diese Bestimmungen
!) Charles A. White, Contribuicdes ä paleontologia do Brazil.
Archivos do Museu nacional Rio de Janeiro, Vol. VII, 1887. — Nach
Ö. Behrendsen, Zur Geologie des Ostabhanges der argentinischen
Kordilleren, Zeitschr. d. deutsch. geolog. Ges., Jahrg. 1881 p. 378, sind |
diese vermeinten Kreideschiehten eocän,
Die Unioniden Südamerikas. 173
scheinen mir nicht recht sicher, namentlich die vermeintlichen
Pleurocera halte ich für Pachychilus-Arten. Dagegen sind unter
den von White beschriebenen Naticiden viele, die sehr an
Ampullarien erinnern; Lunatia subhumerosa White ähnelt aus-
nehmend der Ampullaria canaliculata Lam. Eine andere dieser
Natieiden ist mit Tylostoma torrabriae Sharpe aus der spani-
schen Kreide identisch. Jedenfalls haben wir es da mit
weitverbreiteten marinen Formen zu tun, welche den Aus-
gangspunkt für Ampullaria gebildet haben können, und deren
Verbreitung über Nord- und Südamerika, sowie über die alte
Welt bis nach Australien, nicht überraschen kann. Die
Entstehung der Ampullarien und ihre Anpassung an das
Süßwasser fällt eben in eine relativ späte Zeit, in den Beginn
des Tertiäres. Nach Archiplata, nach Neu-Seeland und
Polynesien, die zu jener Zeit bereits von diesen Ursprungs-
gebieten der Ampullarien abgetrennt waren, gelangten daher
keine Ampullarien. Spät erst erreichten sie Archiplata, und
ihrem Vordringen nach Chili war dann durch die Anden
eine Schranke gesetzt. Mit den übrigen, von Norden her
gen Süden vordringenden Mollusken kamen die Ampullarien
auch nach Rio Grande do Sul. Alle diese La Plata-Ampullarien
gehören Typen an, die im Norden bis zum Amazonas weit
verbreitet sind, und es ist die Frage, ob überhaupt irgend
eine einzige Ampullaria im La Plata-Gebiete existiert, welche
im Amazonasgebiete nicht auch vorkommt. Mehrere dieser weit
verbreiteten Arten reichen selbst bis Mexiko und den Antillen.
Da mit dieser enormen Verbreitung eine entsprechende der
Najaden nicht Hand in Hand geht, so scheint mir das Ver-
hältnis nur begreiflich, wenn man bedenkt, daß die Anpassung
an das Süßwasserleben gleichzeitig an verschiedenen Punkten
und bei marinen Arten von sehr weiter Verbreitung begann.
Daß die erst in der letzten Hälfte der Tertiärzeit bis
Rio Grande und zum La Plata vordringenden Ampullarien
174 Die Unioniden Südamerikas.
keine besonderen Arten im Süden aufweisen, ist hiernach |
nicht überraschend. Sonderbar aber ist, daß im Gegensatz zu |
den bis zum Amazonas reichenden Arten von Rio Grande do Sul :
an dessen Grenze in St. Catharina eine besondere Art auf- :
tritt, A. sordida Sws (= intermedia Sow.), welche von da an
bis über Rio de Janeiro hinaus vorherrscht resp. wenigstens i
im Süden die einzige Vertreterin der Gattung ist, und welche |
im Amazonas fehlt. St. Catharina muß daher in seinen
geographischen Beziehungen mehrfachem Wechsel unterlegen ı
haben, da es einerseits an der Archiplatafauna teil nimmt, 3
andererseits aber auch als ein Teil des brasilianischen |
Littorales erscheint. Die Übereinstimmung der Süßwasser- !
fische in den mancherlei kleinen Küstenflüssen des östlichen 1!
Brasiliens macht es überhaupt wahrscheinlich, daß von hier {
aus einst weit in den Ozean hinein sich Land ausdehnte, ı
ein Teil jener Atlantis, ohne welche wir weder die Überein- ı!
stimmung der Süßwasserfauna und Flora von Brasilien und y
Guiana mit jener Afrikas begreifen, noch auch die Be- |
ziehungen der alttertiären Säugetierfauna zur altweltlichen |
statt zur nearktischen erklären können.
Wie sehr auf diesen Gebieten noch Klärung nötig ist, |
zeigt der (segensatz, in welchem diese Resultate zu denen!
einer anderen zoogeographischen Studie stehen, jener von
P. Oppenheim „Die Land- und Süßwasser-Schnecken der \
Vieentiner Eoeänbildungen“®). Auf Grund der Beobachtung, !
dab die bis zum Eocän in Europa nachweisbaren afrikanischen |
Beziehungen dann aufhören, während südamerikanische u. a. !
Typen vorwiegen, schließt Oppenheim, daß die Theorie der‘
Atlantis unbegründet sei. Mir scheint der Grund unserer s0'
verschiedenartigen Ergebnisse vor allem darin zu liegen, daß‘
Oppenheim Begriffe, welche den heutigen tiergeographischen '
') Denkschriften der Math. nat. Klasse der k. k. Akad. d. Wissensch.,
Wien, Bd. 57, 1890.
Die Unioniden Südamerikas. 175
Verhältnissen entnommen sind, vielfach in eine Epoche hinein-
trägt, wo sie nicht hingehören. Meines Erachtens berück-
sichtigt man bisher viel zu wenig, daß ein sehr großer Teil
unserer Land- und Sübßwasserschnecken in früherer Zeit
kosmopolitisch verbreitet waren, so daß ihre heutige zer-
rissene oder reduzierte geographische Verbreitung kein Recht
gibt, von australischen, afrikanischen usw. Typen zu reden.
Wie kann z. B. Columna ein afrikanisches Element
repräsentieren, wenn es tertiär auch in Nordamerika sich
fand? (lausilia fehlt heute der nearktischen Region, war
aber tertiär dort vertreten. Eine Gruppe kommt sogar im
nördlichsten Südamerika vor, vielleicht über Zentralamerika
dahin vorgedrungen und dann fehlte Clausilia wohl dem
atlantischen Kontinente. Wie leicht aber mögen fossile
Funde auch hier weitere Verbreitung in alter Zeit lehren!
Ein sehr instruktives Beispiel dieser Art liefert Oppenheim
selbst, indem er im Eocän Partula nachweist. Wenn er aber
dann Partula als Repräsentanten des polynesischen Elementes
im europäischen Eocän gelten läßt, so ist das unrichtig, denn
Partula ist eine in älterer Zeit offenbar über die ganze Erde
verbreitet gewesene Gattung, von der sich aber nur in der
Südsee noch lebende Reste erhielten. Es wird das bewiesen
durch den Nachweis miocäner Partula-Arten in Florida, den
zuerst Heilprin 1887 beibrachte. Dall!) erkennt zwar die
Tatsache später auch an, hält es aber für unwahrscheinlich,
daß ein so moderner Type wie Partula im Miocän vorkommen
solle, stellte die Arten daher zu Bulimulus, wozu übrigens
andere Autoren Partuwla als Subgenus ziehen. Ein Zeichen,
wie sehr selbst unsere hervorragendsten Fachgenossen noch
von Wallaceschen Irrlehren eingenommen und an un-
») W. H. Dall, Contributions to the tertiary Fauna of Florida.
Transact of the Wagner Free Institute of Science Philadelphia. Vol. 3.
1890 p. 5.
176 Die Unioniden Südamerikas.
befangener Würdigung der klaren Tatsachen verhindert sind!
Daß Achatinella ebenfalls außerhalb Polynesiens mesozoisch |
oder tertiir nachgewiesen werden wird, kann nur eine Frage
der Zeit sein. Der Rest von noch nicht als kosmopolitisch
nachgewiesenen Gattungen ist für die Binnenconchylien }
Polynesiens schon jetzt kleiner, und fast alle die kosmo- |
politischen Gattungen sind seit dem Jura bekannt, ein
Zeichen dafür, daß Polynesien eine uralte, schon in der
mesozoischen Epoche isolierte Festlandsfauna besitzt, und |
nicht eine von Treibholz und Eisbergen im Sinne von ,
Wallace kompilierte. Es ist mir eine besondere Genug-
tuung, mich hierin mit Dr. Oppenheim ganz einverstanden |)
zu wissen, und ich denke, daß die scheinbar zwischen unserer |
Darstellung bestehenden Gegensätze in dem hier angedeuteten }
Sinne sich müssen aufheben lassen. Wenn White Recht |
hat, daß die charakteristische Süßwasserfauna von Nord- !
amerika dort bis in die mesozoische Epoche zurück verfolg- !
bar ist als endemisch, und wenn andererseits für Archiplata
meine Darstellung richtig ist, so kann lediglich die Annahme |
einer alten Landverbindung zwischen Afrika und Brasilien ,
die Übereinstimmung beider Gebiete in der Süßwasserfauna
erklären.
Die Opposition gegen diese Ansicht stützt sich vor allem .)
auf den Widerspruch von Wallace, trotzdem diese Opposition
eine ganz unklare ist. Wenn Wallace sich Lemurien gegen- ı
über minder ablehnend verhält, die relativ spät erfolgte Ab- |
trennung der Antillen und von Madagaskar nicht bezweifelt, so j
ist doch nicht einzusehen, warum eine Senkung, die schon in «
der Zeit der eocänen oder oligocänen Formation beginnt,
nicht sehr viel größeren Umfang angenommen haben kann.
Wallace läßt ferner außer acht, daß zur Zeit dieser Trennung.
diejenigen Gruppen des Tierreiches, welche seinen Betrach-:
tungen zumeist zugrunde liegen, Säugetiere und Vögel, fast:
Die Unioniden Südamerikas. 1R7
ausschließlich durch heute erloschene Typen vertreten waren.
Will man daher diesen alten Verbindungen nachspüren, so
muß man sich an diejenigen Gruppen halten, welche bereits in
der mesozoischen Epoche in heute noch lebenden Gattungen
reichlich entwickelt waren. Das hat Wallace nicht getan,
zumal die Süßwasserfauna hat er ganz außer acht gelassen
— und doch ist sie das beste, vielfach sogar das einzige Mittel,
um die geographischen Verhältnisse der älteren Epochen zu
rekonstruieren. Ist es nicht beachtenswert, wenn einer der
gründlichsten Kenner fossiler Süßwasserfaunen Ch. White
(l. c. p. 233) sagt; That the living types of fresh water mol-
luske have come down to the present time from remote geo-
logical periods almost unchanged.*“ Nun vergleiche man ein-
mal die Einteilung der Süßwasserprovinzen, welche Günther
für Süßwasserfische gewonnen, und die Resultate meiner
Studien über geographische Verbreitung der Süßwassermol-
lusken, und dann frage man sich, ob eine Behandlungsweise
zoogeographischer Fragen, welche alle diese Gruppen, über-
haupt die ganze Süßwasserfauna außer acht läßt, die Atlantis-
frage mit irgend welcher Aussicht auf Erfolg beurteilen kann.
Fassen wir die Ergebnisse nach dieser Hinsicht zu-
sammen. Die Archiplatafauna schließt sich an jene von Neu-
Seeland und Australien an. Letzterer Erdteil hat tertiär so
viele Veränderungen und westliche Zuwanderer erhalten, daß
diese Beziehungen vielfach verschleiert worden sind. Neu-
Seeland hat sie reiner bewahrt, worauf ich zurückkomme.
Sowohl die Mollusken wie Süßwasserfische und Süßwasser-
krebse ergeben übereinstimmend dieses Resultat, welches zu-
erst Hooker für die Flora, später Hutton für die Fauna
erörtert hatte, und welches in Südamerika außer mir auch
Moreno und Ameghino erkannten. Die alte Archiplata-
fauna hat keinerlei nähere Beziehungen zu jener des übrigen
Südamerika und die paläontologischen Funde zeigen, daß
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 12
178 Die Unioniden Südamerikas.
erst in der Tertiärzeit das nördliche oder Amazonaselement
seinen Einzug hielt.
In Nordamerika erweist sich die Süßwasserfauna als ein
Glied jener der holarktischen Region. Mancherlei spezielle
Eigentümlichkeiten drücken der nearktischen Subregion ein
spezielles Gepräge auf, allein dieses vermindert sich bei der
Berücksichtigung auch der fossilen Formen. Es muß somit
in der mesozoischen Epoche eine breite Landverbindung mit
gemeinsamen Stromsystemen die nearktische und paläarktische
Subregion vereinigt haben. Auch in Nordamerika wie in
Archiplata geht geologisch diese Süßwasserfauna weit zu-
rück. Für viele der charakteristischen Arten hat White die
Stammformen in der Laramieregion nachweisen können. Es
handelt sich also in Nordamerika wie in Archiplata um eine
altansässige Süßwasserfauna, die sich bis in die mesozoische
Epoche zurück verfolgen läßt.
Zwischen diesen beiden Süßwasserfaunen nun treffen wir
eine von beiden total verschiedene, welche die innigsten Be-
ziehungen zur afrikanischen aufweist. Sind auch verwandte
erloschene Gattungen von Muteliden vermutlich einst über
die ganze Erde verbreitet gewesen, so sind doch die conchylio-
logisch nicht trennbaren Gattungen Glabaris und Spatha jetzt
auf diese Gebiete beschränkt, deren Najaden auch sonst die
vielfachsten Analogien aufweisen. Auch die Süßwasserfische
verhalten sich übereinstimmend. Nordamerika schließt sich
Eurasien, Archiplata Neu-Seeland an und das Amazonas Ele-
ment an Afrika. Auf diese beiden Regionen sind die Pime-
lodinen, Charaeiniden und Chromiden beschränkt und diese
Verwandtschaft wäre noch auffallender, wenn nicht Afrika nach
Aufhebung der Beziehung mit Südamerika in näherer Ver-
bindung mit der holarktischen und indischen Region getreten
wäre, dadurch u. a. auch zu zahlreichen Cypriniden kommend.
Ob es identische Spezies noch zwischen Afrika und Süd-
Die Unioniden Südamerikas. 179
amerika gibt, ist für Fische und Mollusken noch nicht er-
wiesen oder unwahrscheinlich, aber in der Süßwasserflora haben
sich solche identische Spezies erhalten wie die weit verbreitete
Pistia stratiotes und eine im Innern Afrikas und Südamerikas
vorkommende Pontederie, Fichhornia natans. In Chili fehlen
die Pontederien und Nymphaen ganz, sie sind auch nach
Argentinien wohl erst mit den Ampullarien, Glabaris usw.
gekommen.
Angesichts dieser Tatsachen gibt es keine andere Er-
klärung, als die einer alten Landverbindung zwischen Bra-
silien und Guiana einerseits und Afrika andererseits. Jeder
Versuch, die eigenartige Süßwasserfauna Archibrasiliens und
Archiguianas von Norden oder Süden her einwandern zu
lassen, scheitert an den entgegenstehenden zoogeographischen
und paläontologischen Tatsachen. Nur eine mesozoische bis
ins Eocän, vielleicht sogar ins Oligocän erhaltene Land-
verbindung zwischen Afrika und dem Amazonasgebiete, die
Atlantis Ungers, vermag diese überraschenden Tatsachen
zu erklären. Trotz des scharfen Urteils von Wallace bleibt
diese Erklärung die einzige wissenschaftlich begründete, wo-
bei allerdings die ganze Grundlage der Diskussion zum Teil
erst von mir geschaffen wurde und eine von der Wallace-
schen total differente ist. Wo sich Widersprüche ergeben, die
so fundamental sind, wie die zwischen Wallace und den Er-
gebnissen meiner Süßwasserstudien, muß eine befriedigende
Erklärung notwendig zu finden sein, und sie liegt darin, daß
Wallace nur Gruppen berücksichtigt hat, deren Verbreitung
in das Tertiär fällt, wogegen die Hauptgrundzüge für die
geographische Verbreitung der Süßwasserfaunen schon in der
mesozoischen Epoche geschaffen waren.
Werfen wir nun einen Blick auf die ehemalige Aus-
dehnung von Archiplata und seine Fauna. Ich bemerkte
oben, daß die Stelle der Anden während der Zeit der Jura
192
180 Die Unioniden Südamerikas.
und zum Teil auch der Kreideformation vom Meere einge-
nommen war. Trotzdem darf man sich nicht vorstellen, daß
es damals nirgends Land gab im Archiplata. Vermutlich hat }
es in diesen Gegenden, seit hier in Argentinien und Chili
wie in Rio Grande die Vegetation der Carbonflora oder einer
ihr unmittelbar folgenden Formation abgelagert wurde, stets
Land gegeben, wenn auch in einer uns wohl noch auf lange ver-
schlossenen, vielfach wechselnden Art und Weise. Die Archi-
platafauna enthält im wesentlichen Formen, die bis zum Jura |
zurückgehen oder weiter. Nur ein großer reich bewässerter ant-
arktischer Kontinent kann die Übereinstimmung in der Süß-
wasserfauna so entlegener Gebiete, wie Chili und Neu-Seeland,
erklären. Immerhin ist diese Übereinstimmung keine kom- |
plette, teils sind die Spezies andere, teils auch die Gattungen.
Die Parastaciden scheinen nicht über die ganze südliche Hemi- 1
sphäre verbreitet gewesen zu sein, wie die Astaciden über |
die nördliche; die Gattungen sind in Chili, Australien und
Neu-Seeland verschieden. Die Gattungen Chilina kennt man
bisher nur aus Archiplata, wo sie möglicherweise aus Auri-
culiden entstand, einer in Archiplata fehlenden, sonst kosmo-
politischen Familie. Es geht danach nicht an, sich vorzu-
stellen, daß Archiplata seine Süßwasserfauna etwa aus Neu-
Seeland durch Einwanderung erhalten hätte. Es handelt sich
vielmehr um Bruchstücke eines mesozoischen pazifischen Kon-
tinents — mittelpazifisch oder antarktisch, das bleibt zu unter- °
suchen —, der eine mehr oder minder einheitliche Süßwasser- 1
fauna besaß. Es muß daher schon in der mesozoischen Epoche |
im Süden von Südamerika Land gegeben haben.
Die Ausdehnung des alten Archiplatagebietes wird unsam
besten durch die Gattungen Chilina und Parastacus erläutert.
Erstere kommt in Patagonien, Chili und dem westlichen Peru
vor, sodann am La Plata, sowie in Rio Grande do Sul und !
St. Catharina. Ungefähr ebenso wird wohl die Verbreitung von i
Die Unioniden Südamerikas. 18i
Parastacus sein; diese Krebse sind in St. Catharina, Rio Grande
do Sul, Uruguay, Argentinien (Corrientes) und Chili konstatiert.
In allen diesen Gegenden finden sich auch Arten von Aeglea.
Dagegen sind die Trichodaetyliden offenbar ein brasilianisches
Element, das zwar in St. Catharina durch Trichodactylen,
in Rio Grande do Sul durch Sylviocareinus Vertretung hat,
aber offenbar infolge nördlicher Einwanderung, da es in
Patagonien und Chili fehlt. Von den Unionen sprach ich
schon. Auffallend ist es mir, daß diese gemeinsamen Spezies
wie U. auratus und Verwandte in Rio Grande und St. Catharina
vorzugsweise die Gebirgsbäche bewohnen, während im Unter-
lauf der Flüsse und den Sümpfen usw. das eingewanderte
Element vorwiegt. So haben diese Bäche auch in Süd-
brasilien ihre besonderen Chilina-Arten, während im breiten
Guahyba die La Plataart fluminea Mat. sich findet. In diesen
Gebirgsbächen trifft man u. a. auch in Rio Grande Ckklo-
mycterus-Arten, neben Gobius der einzigen Süßwassergattung,
welche von Fischen in Rio Grande und Chili gemeinsam vor-
kommen. Da allerdings noch die zu einer Subfamilie ge-
hörigen Gattungen Nematogenys und Heptapterus in Chili und
Rio Grande vorkommen, wird man wohl die ganze Gruppe der
Siluridae opisithopterae als ursprüngliches Archiplataelement in
Anspruch zu nehmen haben. Unter den Eidechsen sind die
in Rio Grande do Sul vorkommenden Gattungen Urostrophus,
Saccodeira, Liolaemus über das ganze Archiplatagebiet ver-
breitet, fehlen aber nördlich desselben. Urodelen gibt es
nirgends im Archiplatagebiete, doch fehlen diese auch dem
übrigen Südamerika und Afrika, mit Ausnahme von zwei
über den Isthmus nach Columbien vorgedrungenen Arten
von Spelerpes.. Von Batrachiern fehlen Archiplata -Raniden
und Aglossa sowie Dendrobatiden, welche dagegen im nörd-
lichen Südamerika und in Afrika vorkommen. Charakte-
ristisch sind im Archiplatagebiete die Cystignathidae, welche
182 Die Unioniden Südamerikas.
in Afrika ebenso wie //yla fehlen. Ein Einwurf gegen meine
Darstellung bildet unter diesen Umständen das Fehlen von Ayla- ;
Arten in Chili. Vermutlich waren sie früher in Chili vorhanden
— vielleicht selbst jetzt noch. Daß mit dem vollkommenen \
Wechsel der Vegetation in Chili auch die Tierwelt erhebliche \
Modifikationen erlitt, läßt sich ja ohnehin kaum anders erwarten. \
Es ist ja natürlich, daß diese erst durch meine betreffenden °
Arbeiten beachteten Verhältnisse im einzelnen überall genauer
zu verfolgen sind. Wenn wir z. B. außer Characiniden, '
Chromiden usw. auch Schildkröten und Alligatoren in Chili
vermissen, so ist es wahrscheinlich, daß auch ihnen durch
die Wasserscheide der Anden der Weg verlegt war, es ist |
aber andererseits auch denkbar, daß diese relativ alten \
Gruppen teilweise auch in Chili vertreten waren und nur
ausstarben. Jedenfalls wird daher erst die Kontrolle palä-
ontologischer Befunde diesen Folgerungen, soweit sie auf i
das Fehlen brasilianischer Typen westlich der Anden sich
beziehen, volle Sicherheit schaffen.
Alle diese Betrachtungen sind gerade durch die Dürftig- '
keit der paläontologischen Befunde im östlichen Südamerika
so sehr erschwert. Was in der Art aus Brasilien bekannt |
wurde, ist nur sehr wenig, und vollends Säugetierreste '
führende Ablagerungen, wie sie so zahlreich aus allen For- !
mationen in Argentinien nachgewiesen sind, fehlen seither !
in Brasilien fast ganz. So kann denn die Dürftigkeit und ’
Unsicherheit der hier mitgeteilten Resultate, soweit sie sich :
auf Brasilien beziehen, nicht Wunder nehmen. Eine besondere
Schwierigkeit entsteht auch aus der Inkongruenz in der Ver- :
breitung der terrestren und fluviatilen Faunen. Schon in
der Pliocänzeit und von da ab bis heute findet zwischen
Nord- und Südamerika ein Austausch der Faunen statt,
welcher die Erkenntnis der ursprünglich jedem einzelnen |
Gebiete zukommenden Elemente überaus erschwert. Dieser
Die Unioniden Südamerikas. 183
Austausch bezieht sich aber nur auf die Landtiere, für
deren Vermischung schon ein schmaler Isthmus die Be-
dingung gewährt. Aber selbst die viel breitere Landver-
bindung, wie sie in der Tertiärzeit, als Westindien und
Zentralamerika vereint waren, bestand, hat die Süßwasser-
faunen der getrennten Gebiete kaum alteriert. So kann es
denn auch sein, daß die in den Anden gebildete Landver-
bindung von Archiplata und den nördlichen Distrikten lange
Zeit hindurch nur die Landfauna, aber gar nicht die Süß-
wassertierwelt beeinflußte. Endlich können Tiere, die wie
Schildkröten zeitweise an Land gehen oder die wie Alligator
latirostris in meilenweiten Wanderungen landeinwärts neu
angelegte Teiche und Viehtränken in Besitz nehmen, sich der
Verbreitung der Landtiere eher anschließen, wo Unioniden
völlig getrennt bleiben. Ja selbst unter den Süßbwasser-
konchylien werden diejenigen, welche sich leicht auch mit
treibenden Wasserpflanzen ausbreiten, einen weiteren Ver-
breitungsbezirk haben können als die an den Boden ge-
bundenen Najaden. So habe ich hier eine Lehmgrube beob-
achtet, die nach der ersten Überschwemmung reichlich mit
Lemna, Pontederien usw. und Ancylus, Limosina und Ampullaria
besetzt war und blieb, nicht aber mit Najaden. Es macht
sich so leicht niemand eine Vorstellung von der enormen
Bedeutung, welche für das Verständnis südamerikanischer
Süßwasserfaunen die Pontederien haben, zumal jene der
Gattung Eichhornia. Dicht erfüllen sie alle stillen Buchten,
toten Arme, stehenden Wasser, vom Winde abwechselnd
auf die eine oder andere Seite getrieben. Die Schiffahrt
machen sie an vielen dafür bestimmten Stellen unmöglich, bis
eine Überschwemmung alles miteinander fortnimmt und dem
Untergang in der Lagoa, im Meere, auf überschwemmten
später wieder trocknenden Gebieten weiht. Solche Inseln
sind in den großen Strömen des La Plata und Amazonas
184 Die Unioniden Südamerikas.
oft groß genug, um Rehe oder Tiger auf enorme Distanzen
ihrer Heimat zu entführen, wie viel mehr die an ihnen
lebenden Mollusken, Krebse usw. So erklärt sich das bisher
nicht Beachtete Faktum, daß zahlreiche Mollusken, die im
nördlichen Brasilien und bei Bahia vorkommen, aber südlich
dann fehlen, am La Plata und in Rio Grande do Sul wieder
auftreten. Bulimulus sporadieus Orb., Borus oblongus Müll.,
Helix heliaca Orb., Streptaxis ammoniformis Orb., Omalonyz
unguis Fes., Simpulopsis rufovirens Mor., Helieina carinata Orb.,
Ampullaria canaliculata Lam. und andere Arten, Planorbis
tenagophilus Orb. und viele andere sind solche von Norden
her vorgedrungene Arten. Nur Bulimulus papyraceus Mawe
kommt auch bei Rio Janeiro vor, da ich ihn aber auch auf
Pontederien gesammelt habe, rechne ich seine südwestlichen
Vertreter ebenfalls zu den von Norden her eingewanderten
und vermutlich durch Pontederien eingeschleppten Arten.
Diese Verhältnisse verdienen insofern Beachtung, als offenbar
die mit Pontederien wandernden Formen stromabwärts sehr
viel rascher ein Stromgebiet in Besitz nehmen können, als
Najaden und andere im Boden lebende Muscheln, mithin
auch paläontologisch eher auftreten können.
Bemerkenswert ist es jedenfalls, daß diese nördlichen
Einwanderer am La Plata schon fast alle als identisch mit
Amazonasarten erwiesen sind und es keinesfalls zur Hervor-
bildung besonderer charakteristischer Spezies oder Arten-
gruppen gebracht haben. Zwar kommen einige auch bis
nach Patagonien hin, im Rio Negro nämlich, vor, allein nur
in Arten, die auch am La Plata selbst vorkommen. Auch
Glabaris puelchana Orb., bisher nur von dort bekannt, besitze
ich aus dem Süden von Rio Grande. Die charakteristischen
Genera des Archiplatagebietes dagegen haben in Patagonien
auch einzelne selbständige Arten neben solchen, die mit
Chili gemeinsam sind.
Die Unioniden Südamerikas, 185
Eine Bestätigung meiner Archiplatatheorie wird wohl
noch auf anderem Wege, nämlich durch das Studium der
geologischen Geschichte der marinen Mollusken möglich sein.
Es ist bekannt, daß die marinen Mollusken von Chili und
Patagonien sehr verschieden sind, kaum zwei bis drei weit
verbreitete Spezies gemeinsam besitzend. Dieser Unterschied
bestand nach Philippi schon in der Tertiärzeit, ein Zeichen
dafür, daß Südamerika mit antarktischen Landmassen in
Verbindung war, welche eine gleichmäßige Ausbreitung der
Küstenfauna verhinderten. Trotzdem wird wohl die Küsten-
fauna der Ost- und Westküste Archiplatas damals minder
verschieden gewesen sein, als heutigen Tages, denn an der
Küste von Patagonien lebte damals u. a. auch die Gattung
Struthiolaria, welche heute auf Neu-Seeland beschränkt ist.
Struthiolaria ornata Sow. gehört der patagonischen, Formation
an. Nach d’Orbigny erleidet der Charakter der Küsten-
fauna längs der chilenisch-peruanischen Küste keine großen
Änderungen, aber nahe der Ecuadorgrenze bei Payta und
von da an aufwärts ändert sich das Verhältnis völlig. Da
diese Änderung mit der mutmaßlichen Grenze von Archiplata
zusammenfällt, wäre ein ursächlicher Zusammenhang nicht
undenkbar. Natürlich werden vor allem die Temperaturver-
hältnisse hierbei einen bestimmenden Einfluß ausüben, allein
möglich wäre es doch immerhin, daß auch von der alten
Trennung der Küstenfauna sich Spuren in diesen Gegensätzen
nachweisen lieben.
Ein anderes zu beachtendes Moment ist die große
Ähnlichkeit, welche die westafrikanische und die brasilianische
Küstenfauna aufweisen. Die alten Ideen von Wanderungen
von Küstenarten mittels der Strömungen quer durch den
Ozean sind durch die neueren Plankton-Studien definitiv
beseitigt. Identische Küstenspezies weisen auf ehemaligen
Zusammenhang der Küsten hin, und an solchen Spezies sind
186 Die Unioniden Südamerikas.
nicht nur die Mollusken, sondern auch alle anderen Gruppen
der marinen Tierwelt zu beiden Seiten des tropischen
atlantischen Ozeanes reich. Jedenfalls ist dies ein Gegen-
stand, welcher ein eingehendes Studium verdiente'), zumal
an der Hand derjenigen Daten, welche die Paläontologie
ergänzend liefert. Immerhin machen diese Verhältnisse es
wahrscheinlich, daß auch von dieser Seite aus Resultate zu
erwarten sind, welche mit den aus dem Vergleiche der Süß-
wasserfaunen sich ergebenden übereinstimmen. So offenbar
in allen diesen Fragen das meiste noch zu tun ist, so ent-
halten doch andererseits meine Studien über die geographische
Verbreitung der Süßwasserfaunen Südamerikas Tatsachen, die
bisher nicht bekannt oder beachtet waren, und welche wohl
nur auf dem hier versuchten Wege eine befriedigende Er-
klärung finden können. Diese Ergebnisse reichen über die
Süßwasserfauna hinaus. Wenn es erst seit der pliocänen
Zeit einen amerikanischen Kontinent gibt und erst während
der Tertiärzeit in einer noch zu erforschenden Weise die
verschiedenen Gebiete sich aneinander schlossen, aus denen
das Gerüst des späteren Festlandes von Südamerika sich
bildete, und wenn jedes dieser Teilstücke seine eigene
Geschiehte und verschiedenartige Verbindung mit anderen
Teilen der Erde besaß — so wird wohl die Zeit vorüber
sein müssen, wo man Südamerika schlechthin als eine ein-
heitliche natürliche zoogeographische Region behandelte. Es
wird sich jetzt vielmehr überall darum handeln müssen, die
verschiedenen Gebiete gesondert zu studieren, aus denen
Südamerika sich bildete und den Anteil zu ermitteln, den
jedes dieser Gebiete zu der späteren einheitlichen südame-
rikanischen Fauna beisteuerte.
') Die von Studer besprochenen Schleppnetzstudien der Gazelle
fallen zu weit nördlich, um für diese Frage in Betracht zu kommen.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 187
Neuntes Kapitel.
Das neotropische Florengebiet und seine
Geschichte.
(Englers botanische Jahrbücher, Vol. XVII, 1893, pp. 1—54.)
Die geographische Verbreitung der Tiere und Pflanzen
wird der Natur der Sache gemäß von Spezialisten studiert,
welche nur in einem der beiden Gebiete eingehendere Kennt-
nisse besitzen. So natürlich sich dies ergibt, so klar erweist sich
doch auch wieder für diejenigen, welche von weiteren Gesichts-
punkten aus diese Probleme untersuchen, die Notwendigkeit,
auch auf die Resultate der verwandten anderen Disziplinen
Rücksicht zu nehmen. So hat Wallace!) auch die floristischen,
Engler?) auch die zoologischen Ergebnisse eingehend be-
rücksichtigt. Man kann sogar sagen, daß Engler sich voll-
kommen auf den Boden der Wallaceschen Lehren stellte,
und wenn dieser Boden sich als unsicher erweist, so werden
auch die auf ihn basierten Grundanschauungen zu revidieren
sein. Dies ist nun meines Erachtens der Fall. Ich habe
durch das Studium der Süßwasserfauna und zumal der Unio-
niden Anschauungen gewonnen, die jenen von Wallace sich
schroff entgegenstellen, und zwölfjähriges Wirken in Süd-
brasilien hat mich eine Reihe von bisher nicht beachteten
wichtigen Tatsachen kennen gelehrt, aus denen ich mir suk-
zessive ein Bild von der Entstehung der jetzt zu einem Kon-
tinent vereinten Gebiete der neuen Welt konstruierte, welches
viele zoologische Probleme aufhellt, und von dem ich glaube,
daß es gleichermaßen auch botanisch zutreffendere Anschau-
ungen gewährt. Wenn tertiär und mesozoisch sehr erheblich
1) A.R. Wallace, Island Life II. edit. London 1882. Ich werde
daher hier mehr auf dieses Buch Bezug nehmen, als auf desselben Autors
„Geographische Verbreitung der Tiere“.
2) A. Engler, Versuch einer Entwickelungsgeschichte der Pflanzen-
welt. Leipzig I. 1879, II. 1882.
188 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
verschiedenartige geographische Verhältnisse der Ausbreitung
des Tierlebens zugrunde lagen, so müssen diese heute unter
den Meeresspiegel versunkenen Kontinentalgebilde ja auch für
die einstige Verbreitung der Floren maßgebend gewesen sein.
Unter diesen Umständen war es für mich ein Bedürfnis,
mir darüber klar zu werden, ob die Entwicklung der Floren
eher meinen oder Wallaces Anschauungen entspreche, wo-
bei mir natürlich das bahnbrechende Werk von Engler sehr
viel wesentlichere Dienste leistete als die in ihrer Art ja
auch klassische Arbeit von Grisebach'). Indem ich meine
bezüglichen Anschauungen hiermit der Kritik unterbreite,
kann ich nicht unterlassen, speziell darauf hinzuweisen, daß
ich eben Zoologe und nicht Botaniker bin. Der Mangel
irgend welcher in Botanik erfahrenen Forscher im Staate
Rio Grande do Sul hat mich allerdings seit Jahren genötigt,
mich sukzessive einigermaßen in der Flora meines Wohn-
gebietes heimisch zu machen, wobei ich zumal den Herren
Professoren Hieronymus in Berlin und Schwacke in
Ouro Preto für liebenswürdige Hilfe zu Danke verpflichtet
bin; allein der Mangel an Literatur erschwert mir diese Tätig-
keit ausnehmend. Es ergab sich, daß die von mir aufgefun-
denen zoologischen Grenzlinien der Verbreitung auch in der
Flora ausgesprochen sind, doch möchte ich auf diese spe-
zielleren Verhältnisse ?) hier nicht eingehen. Nur einige Worte
zur Orientierung und zur Richtigstellung bezüglicher Irrtümer
bei Grisebach und Engler.
Der Norden von Rio Grande do Sul schließt sich
floristisch völlig an St. Catharina an. Die Philodendron, auf
welche Engler als Grenzlinie so hohen Wert legt, sind in
den Urwäldern der Costa da Serra keine Seltenheit; daß sie
') A. Grisebach, Die Vegetation der Erde. Leipzig 1872.
’) H.v.Ihering, As arvores do Rio Grande do Sul. Porto Alegre
1892 (in Komm. bei R. Friedländer & Sohn in Berlin).
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 189
in den argentinischen Missiones fehlen sollten, wie Engler
meint, ist kaum glaubhaft, zumal ja ihre Existenz für den
oberen Uruguay durch Sellow festgestellt ist. Es fällt also
ihre Südgrenze mit jener der Affen des Genus Cebus zu-
sammen und meine Cebus-Linie wäre zugleich die Grenzlinie
für die Oreadenregion. Im Süden des Staates fehlen die
Philodendron, dagegen reicht echt brasilianische Urwald-
vegetation mit mächtigen Cedrela, Cabralea usw. bis nahe an
den 32.0 s. Br. Diese Grenzlinie der Cedrela, meine Pacca-
Linie, umschließt die Serra dos Taipes mit der Kolonie
Säo Lourenco, dürfte sich dann aber schräg nach Norden
und Westen zum Uruguay ziehen. Als Grenze der brasilia-
nischen Südregion sehe ich den Uruguaystrom an, von seiner
Mündung bis zu den Missiones, weil Myrmecophaga, ‘Nasua
und andere Oharakterformen den Uruguay in seinem Unter-
laufe nicht überschreiten, während am anderen Ufer in Vis-
cacha ein echt argentinischer Typus auftritt. Hierin also
stimme ich ganz mit Engler überein, ebenso in der Ein-
beziehung der verschiedenen nordargentinischen Regionen von
Lorenz!) in die brasilianische Subregion. Die Verhältnisse
der Verbreitung der Tiere stimmen in Rio Grande also sehr
gut überein mit jenen der Pflanzen, aber über den Wert der
einzelnen Linien läßt sich streiten. In Wahrheit reicht die
brasilianische Urwaldregion, gen Süden sukzessive verarmend,
bis nahe zur Stadt Pelotas, und daher muß doch wohl auch
die Paeca-Linie als deren Grenze gelten, doch geht ja eben
‘in anderen Formationen die Region weiter bis zum Uruguay.
Es gibt in St. Catharina viele Genera, die nicht bis Rio
Grande reichen usw., wir haben es also mit vielerlei Grenz-
linien zu tun und es geht kaum an, eine derselben willkürlich
herauszugreifen. Diese Grenzlinien sind wie die konzentrischen
1) P.G. Lorenz, La vegetaecion del Nordeste de la Provineia
de Entrerios, Buenos Ayres 1878.
190 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Ringe, welche ein ins Wasser geworfener Stein erzeugt, und
nur wo zwei solcher Systeme mit den äußersten Grenzlinien
sich berühren und durchschneiden, sind wirkliche in der Natur
wohl begründete Grenzlinien vorhanden.
I. Zoogeographische Einführung.
Die Darstellung von Wallace setze ich hier als bekannt
voraus, nur einige Hauptpunkte rekapitulierend. Die Grund-
lage aller Raisonnements ist für Wallace sein Axiom von
der Unveränderlichkeit der Kontinente und der großen Meeres-
tiefen. Deshalb soll Amerika nie andere Beziehungen gehabt
haben als die heutigen. Südamerika ist für Wallace immer
isoliert gewesen bis auf die nur zeitweise unterbrochene Ver-
bindung mit Nordamerika, von dem es seine Tier- und
Pflanzenwelt erhielt. Dagegen hat Asien weiter gen Süden
und Osten sich erstreckt, so daß die Philippinen, Japan,
‚Java, Borneo, Celebes, nicht aber die Australien näher ge-
legenen Inseln tertiär angeschlossen waren. Australien wurde
schon mesozoisch isoliert und hing mit Neu-Guinea usw. und
Neu-Seeland zusammen, wogegen die mehr gen Osten folgen-
den polynesischen Inseln stets isoliert waren und von Austra-
lien her durch Wind, Wogen, Vögel, Treibholz usw. bevölkert
wurden und daher der australischen Region zuzuzählen sind.
Im allgemeinen betrachtet Wallace die 1000 Fadenlinie als
die eingeschobene Grenze der früheren größeren Kontinente,
und sieht alle Inseln, welche von erheblich tieferen Meeren
umgeben sind, als ozeanisch an.
Sowohl die Lehre von der Konstanz der Kontinente und
Meerestiefen als die Beschränkung der Senkungen im Ge-
biete alter Kontinente auf 1000 Faden sind rein willkürliche
Annahmen. Wallace rechnete daher Neu-Seeland früher
zu den Inseln, die nie mit Kontinenten in Verbindung standen,
da ja das Meer zwischen ihm und Australien 2600 Faden
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 191
tief ist. Seit aber die neuseeländischen Geologen die dortige
Flora bis in den Jura zurückverfolgten und alle dortigen
Naturforscher, Hutton vor allen, die Unhaltbarkeit der
Wallaceschen Darstellung erwiesen, rechnete Wallace auch
Neu-Seeland zu den kontinentalen, einst mit Australien ver-
bunden gewesenen Inseln. Die 1000 Fadenlinie hat damit
ihre Bedeutung verloren. Auch Madagaskar ist, obwohl es
noch miocäne Säugetiertypen vom Festlande her erhielt, durch
Meerestiefen von 1600 bis 2000 Faden von Afrika getrennt.
Wenn die Seychellen und Mauritius durch 2200 bis 2600
Faden Meerestiefe von Madagaskar getrennt sind, so ist nun
doch nicht einzusehen, warum es mit einem Male „really ab-
surd“ sein soll (Wallace p. 448) anzunehmen, daß auch sie
einst an Afrika angeschlossen gewesen sein sollen. Der ein-
zige logische Schluß, den die etwas größere Meerestiefe
zwischen ihnen und Madagaskar zuläßt, könnte der sein, dab
ihre Abgliederung schon etwas früher, also oligocän begann.
Unter den Umständen ist es verständlich, daß sie keine Säuge-
tiere, wohl aber Reptilien, Amphibien und straußähnliche
Vögel besaßen. Sobald einmal zugegeben ist, daß Neu-
Seeland und Madagaskar alte und erst tertiär isolierte Fest-
landsstücke sind und mithin Senkungen, die erst während der
Mioeänperiode beginnen, Tiefen von 1—2000 Faden erzeugen
konnten, so ist nicht einzusehen, warum Senkungen, die schon
miocän begonnen, nicht zu Tiefen von 3—4000 Faden sollen
geführt haben. Das Wallacesche Axiom von der Unver-
änderlichkeit der großen Meerestiefen ist nichts als das
Postulat einer falschen Theorie. Wir werden uns daher im
folgenden nicht weiter um diese Irrlehre bekümmern, sondern
an der Hand der biogeographischen — worunter die Ver-
breitung von Tieren und von Pflanzen verstanden sei — der geo-
logischen und paläontologischen Tatsachen die gegenseitigen
und ehemaligen Beziehungen der Faunen und Floren erörtern.
192 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Ich stelle der Wallaceschen Darstellung die folgende
entgegen. Den Ausgangspunkt aller biogeographischen For-
schung muß die Geographie der mesozoischen Epoche bilden.
Da es damals keinerlei rezente Typen von Säugetieren und
Vögeln gab, so fallen diese Gruppen, fast die einzigen, welche
effektiv von Wallace berücksichtigt sind, hier weg. Die
Frösche, Schlangen, Krokodile und Schildkröten gehen in
ihren rezenten Gattungen ebenso wie die Knochenfische, zu
welchen die Süßwasserfische gehören, zum Eocän und zum
Teil selbst oder in verwandten Vorläufern in die Kreide
zurück. Eine Insel, die miocän vom Festlande abgegliedert
wurde, wie Madagaskar, wird daher altertümliche Säugetier-
formen haben konservieren können; erfolgte aber die Ab-
gliederung schon eocän, so werden Säugetiere fehlen, aber
Frösche, Schlangen usw. sich finden können. Das ist es, was
wir z. B. in Mauritius oder Viti sehen. Erfolgte die Ab-
gliederung schon im Beginn der eocänen Formation oder gar
in der Kreide, so werden diese Typen fehlen und von Wirbel-
tieren des Landes ist nichts zu erwarten als Eidechsen, da
diese weit in die mesozoische Region zurückreichen. In der
Tat finden sich Eidechsen auf sehr vielen der „ozeanischen“
Inseln, so auch auf den polynesischen Inseln, östlich von Viti,
bis zu denen weder Frösche noch Schlangen vordrangen. Ich
schließe daraus, daß diese Inseln schon mesozoisch oder eocän
abgegliedert wurden. Daß sie Vögel haben, erklärt sich aus
deren Flugvermögen, die Fledermäuse aber verhalten sich
im wesentlichen wie Landtiere, sie gehen nicht über Neu-
Seeland und Viti hinaus, folgen also der Verbreitung der
Frösche. Wenn nun Wallace diese Eidechsen der Südsee-
inseln mit Treibholz dahin gelangt sein läßt, so ist zu er-
widern, daß keinerlei Tatsachen derartiges beweisen, dab wie
die Wirbeltiere sich auch die andern Tiergruppen verhalten,
indem tertiäre Tiergruppen fehlen, und daß es keine Bäume
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 193
gibt, welche die Eigentümlichkeit haben, nur mesozoische
Tiergruppen als Passagiere aufzunehmen und tertiäre zurück-
zuweisen. Für näheres verweise ich auf meine Arbeit über
Ameisen.
Für die Erkenntnis der mesozoischen Geographie kommen
lediglich in Betracht: Eidechsen, Mollusken, Insekten und
einige andere niedere Tiere. Von ganz besonderer Bedeutung
ist für die Erkenntnis der Landverteilung in der Kreide-
und KEocänformation die Sübwassertierwelt, deren Gepräge
vielfach ein altertümlicheres ist als jenes der Landtiere. Von
den Flußmuscheln ist die älteste schon im Jura auftretende
Gattung Unio und sie ist die einzige weit verbreitete, indes
die tertiär auftretenden Genera Margaritana und Anodonta
im wesentlichen holarktisch sind und nur in der alten Welt
etwas weiter gen Süden reichen, ohne Australien zu erreichen.
Auf den kleineren Inseln sind die Unioniden schlecht ver-
treten, wohl vielfach erloschen, doch sind die betreffenden
Nachforschungen nicht speziell darauf gerichtet gewesen, und
mögen sie daher auf den Sandwichsinseln so gut wie auf
Madagaskar oder den Philippinen usw. bei sachkundiger
Nachforschung noch gefunden werden. Die Land- und Süß-
wasserschnecken der Südseeinseln sind kosmopolitische Gat-
tungen, daneben einige wenige jetzt auf sie beschränkte, die
man aber wie Zartula z. B. neuerdings im europäischen
Eocän fand.
Die Südseeinseln gehören also als aufragende Bergspitzen
einem mesozoischen Kontinente an, der zuerst östlich von
Viti sukzessive abgegliedert wurde, erst etwas später wurden
auch die Vitiinseln und Neu-Seeland abgeschnitten, jedenfalls
erst tertiär, und muß also die asiatisch-australische Brücke
während der älteren Tertiärepoche erhalten gewesen sein.
Die Idee der mesozoischen Abgliederung ist ein Irrtum,
basiert auf die Annahme, daß Australien keine placentalen
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 13
194 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Säugetiere besitze. Neuerdings erkennt Wallace selbst für
Neu-Seeland die allerdings noch fragliche Existenz von Säuge-
tieren an. Canis dingo, den man zu einem verwilderten Haus-
hund hatte machen wollen, erwies sich Nehring als gute
australische Spezies, neben der Muriden, Fledermäuse usw.
nur sehr sparsam die placentalen Säugetiere in Australien
vertreten. Neu-Guinea hat eine Art Sus, die fossilen Dick-
häuterknochen Neu-Caledoniens scheinen noch nicht genauer
untersucht zu sein. Jedenfalls ist es, um mit Wallace selbst
zu sprechen, really absurd zu glauben, daß schwimmende
Bäume, welche das Tierleben über die australische Region
verbreitet haben sollen, auch Schweine und Hunde in ihren
Zweigen sollen beherbergt haben. Die Trennung der australi-
schen und orientalischen Region dürfte daher in den Beginn
der Miocänformation fallen.
In bezug auf seine Süßwasserfauna zerfällt Südamerika
in drei Regionen. Die nördliche, vermutlich in Guatemala
endende, schließt sich der paläarktischen nahe an. Das
nördliche und mittlere Südamerika hat keine Spur von Ver-
randtschaft mit Nordamerika, sondern nur mit Afrika und
Madagaskar, zum Teil auch noch Vorderindien. Die Chromi-
den und Characiniden sind zwei überaus reich gegliederte
große Familien echter nie im Meer vorkommender Süßwasser-
fische, welche auf Südamerika, Afrika, Madagaskar und zum
Teil noch Bengalen beschränkt sind. Nicht nur die größeren
Gruppen, sondern zum Teil selbst die Genera sind identisch,
ebenso steht es mit den Muscheln. Ich schließe daraus, dab
von Guiana und Brasilien bis Bengalen mesozoisch und wohl
noch eocän ein großer Kontinent bestand, den ich Arch-
helenis nannte, welcher zur Zeit, da er noch einheitlich
und durch Meer von der holarktischen Region abgesondert
war, keine placentalen, vielleicht überhaupt keine Säugetiere
besaß, wohl aber eine reiche Süßwasserfauna und identische
|
|
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 195
Reptilien und Aınphibien. Am meisten gesechwunden sind
die altgemeinsamen Züge in Vorderindien, trotzdem besitze
ich eine dortige Süßwassermuschel Unio radula Bens. auch
von Rio de Janeiro, und die nur im Kardinalzahn ausge-
sprochenen Unterschiede sind so geringfügig, daß ich sie nur
als Ausdruck von Lokalvarietäten ansehe. Ein Gegenstück
bildet ein Süßwasserfisch Symbranchus bengalensis, der von
einer überaus nahestehenden brasilianischen Art Symbranchus
marmoratus nur durch etwas anderes Profil der Schnauze
verschieden ist, Unterschiede, die ebenfalls besser als Varie-
täten einer einzigen Spezies gedeutet würden. Am klarsten
sind die alten gemeinsamen Beziehungen zwischen Afrika
und Südamerika ausgesprochen; da indes die alte Archhelenis
sukzessive in eine ganze Anzahl Stücke zerfiel, so hatte jedes
seine eigene Geschichte, und so blieben denn z. B. viele
Gattungen in Südamerika und Madagaskar erhalten, die
anderswo ausstarben. Merkwürdige Beispiele dieser Art sind
die archaische Arachnide Uryptostemma westermanni Guer. in
Brasilien und Guinea, die Amphibie A/ypoyeophis rostratus in
Südamerika, West-Afrika und auf den Seychellen. Ich will
hier nicht Bekanntes wiederholen und kehre daher lieber zur
Süßwasserfauna zurück. Wallace hat sehr Recht, wenn er
das Vorkommen von Üentetiden, einer Familie der Insekten-
fresser, in Kuba und Madagaskar auf tertiäre Einwanderung
von Norden her bezieht, da die Gattung Centetes auch im
europäischen Tertiär nachgewiesen ist. Es wäre aber ver-
kehrt, dies auch auf die Süßwasserfauna auszudehnen. Afrika
und Madagaskar haben mit ihren miocänen Säugetieren auch
Cypriniden erhalten, dies beweist, daß Madagaskar Teil eines
zusammenhängenden Landkomplexes war, denn nach Süd-
amerika sind Cypriniden nie gekommen, trotzdem seit Ende
der Miocänformation Nord- und Südamerika durch Land ver-
bunden waren. Es ist also der Einzug der Cypriniden nach
13%
ich
196 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Afrika und Madagaskar erst erfolgt, als bereits die atlantische
Brücke zwischen Afrika und Südamerika unterbrochen war.
Im Gegensatze hierzu schließt sich die Süßwasserfauna
des südlichen Teiles von Südamerika und von Chili unmittel-
bar an jene von Neu-Seeland und zum Teil von Australien
und Tasmanien an. Nicht nur die Gattungen, sondern zum
Teil selbst die Spezies der Süßwasserfische sind identisch,
Am La Plata und in Südbrasilien gibt es von Krebsen,
Schnecken, Muscheln usw. Arten, die identisch sind mit chile-
nischen, wie z. B. Aeglea laevis, Parastacus spinifrons Phil, '
Unio auratus u.a. Arten. Neben dieser zur Identität von Spezies
sich steigernden Übereinstimmung geht ein Kontrast wunder-
barster Art einher, indem es in Südbrasilien und Argentinien
Schildkröten und Krokodile, Characiniden und Chromiden,
Ampullarien, Glabaris und viele andere brasilianische Mute-
liden usw. gibt, die samt und sonders in Chili fehlen. Ich
habe das alte Gebiet der einheitlichen Süßwasserfauna Archi-
plata genannt und rechne dazu außer Chili und einem Teil
des westlichen Peru die La Platastaaten und das äußerste
Ende von Südbrasilien. ‘Der Grund nun, warum dieses ur-
sprünglich einheitliche Gebiet jetzt so enorme Differenzen
zeigt, ist die tertiäre Hebung der Anden, welche den von
Norden herkommenden Einwanderern den Weg nach Chili
verlegte.
Sowohl Brasilien wie Guiana müssen längere Zeit Inseln
gewesen sein, da das Amazonasmeer noch tertiär bis Pebas
am Fuße der Anden reichte. Wir finden daher im älteren
Tertiär von Argentinien nur die alte Archiplatafauna und
erst pliocän erscheinen die Ampullarien, Glabaris u. a. von
Norden kommende Einwanderer. Besonders wertvoll sind für
Beurteilung dieser Beziehungen die Säugetiere. Man kennt
bisher aus dem ganzen Gebiete der Archhelenis keine Säuge-
tierknochen des älteren Tertiär, wohl aber kommen sie massen-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 197
haft vor in Nordamerika und in Patagonien. In beiden Ge-
bieten lassen sich die Säugetiere bis zur Kreide zurückver-
folgen. Die argentinische Eocänfauna muß in Austausch mit
der australischen gestanden haben, denn nur von da kann sie
ihre Beuteltiere aus der Gruppe der Dasyura erhalten haben.
Ein Austausch mit Nordamerika ist nicht nachweisbar. Es
fehlen Dinoceraten u. a. nordamerikanische Gruppen ebenso
vollständig als dem älteren Tertiär Nordamerikas die charak-
terischen Gruppen Südamerikas abgehen. Die Anoplotheriden
und Theridomyiden Patagoniens schließen sich an die eocäne
Tierwelt der alten Welt an. Argentinien kann daher nur
über antarktische Landmassen seine eocänen Säugetiere er-
halten haben. Dann brach die Brücke ab und entwickelten
sich in längerer Isolierung die eigenartigen Typen Südamerikas.
Erst pliocän resp. mit Ende der Miocänformation kam eine
Landverbindung zwischen Nord- und Südamerika zustande,
über welche die pliocänen Säugetiere Nordamerikas ihren
Einzug hielten. Da man ferner in pliocänen Schichten Nord-
amerikas die Säugetiere der Pampas antrifft, so ist es klar,
daß diese pliocän sind.
Mit diesen Ergebnissen steht das in Einklang, was wir
über die geologische Geschichte Amerikas wissen. Nord-
amerika war mesozoisch und frühtertiär mehr gen Norden
entwickelt, das Kreidemeer deckte Texas, Mexiko und die süd-
lichen Golistaaten. Ganz allmählich vergrößerte das Land ter-
tiär sich gen Süden und Osten. Auch der Norden von Süd-
amerika, Westindien und Zentralamerika waren vom Kreide-
meer bedeckt und man kennt von da weder Säugetiere noch
Landschnecken aus dem älteren Tertiär. In Südamerika
nahm das Jurameer die ganze Länge der Anden ein, wich
aber am ehesten im Süden zurück, wo sich die Archiplata-
fauna ausbreitete. Das Kreidemeer überdeckte noch die
peruanisch-bolivianischen Anden und es wird sich wohl er-
198 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
geben, daß auch eocän das Amazonasmeer noch mit dem
stillen Ozean zusammenhing. Daß die Anden nicht eine ein-
heitliche Entstehung hatten, geht aus dem total verschiedenen
Verhalten der Süßwasserfauna in ihrem Norden und Süden
hervor. Während in Chili das Gebirge eine scharfe fau-
nistische Grenzscheide bildet, haben im Norden, zumal also
in Ecuador, die Anden keinerlei Bedeutung für die Ver-
teilung der Süßwasserfauna, deren Verbreitung bis an die
pazifischen Küsten somit erfolgt sein muß, ehe die Anden
sich zu heben begannen, was dort wohl erst miocän geschah.
So wenig wie die ältere Säugetierfauna Argentiniens
kann die Tierwelt des Süßwassers von Guiana und Brasilien
über Nordamerika eingewandert sein. Man kennt Süßwasser-
schichten aus der Kreide von Bahia, worin Glabaris und Myee-
topus vorkommen, während gleichzeitig in marinen Schichten
Vorläufer der Ampullarien, als Naticiden gedeutet, sich finden.
In Nordamerika hat White die fossilen Süßwasserkonchylien
eingehend studiert und gefunden, daß sie sich bis in den Jura
zurückverfolgen lassen. Es kann in der Tat kein Zweifel
darüber obwalten, daß die dortigen jurassischen Unioniden die
Vorläufer jener der Laramieformation sind, und daß zwischen
diesen und den tertiären und rezenten genetische Beziehungen
obwalten. Von Muteliden und sonstigen auf Südamerika und |
Afrika hinweisenden Formen fehlt jede Spur. |
Wir sehen somit, daß die Süßwasserfauna von Brasilien
und Guiana innigst verwandt ist mit jener von Afrika, und
daß sie wie auch jene von Nordamerika sich bis in die meso-
zoische Epoche zurückverfolgen läßt, und schon damals waren
beide so scharf geschieden wie heute. Nordamerika und Süd-
amerika sind seit unvordenklichen Zeiten getrennt gewesen,
vermutlich von jeher, und erst pliocän erfolgte Verbindung
und Austausch der Faunen. Es kann daher nicht zweifel-
haft sein, daß Brasilien und Guiana, Archamazonien, wie ich
ee
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 199
sie nannte, mesozoisch und wohl noch eocän mit Afrika ver-
bunden waren. Ich habe also diesen von Amazonas bis Ben-
galen reichenden mesozoischen Kontinent Archhelenis genannt.
Das hat nichts gemein mit einer miocänen Landbrücke zwi-
schen Europa und Nordamerika, der auf Irrtum basierten
Atlantis von Heer. Andererseits verbanden mesozoisch und
noch eocän antarktische Landmassen Patagonien mit Neu-
Seeland und Australien. In der Kreidezeit gab es daher
für die Verbreitung der Tiere und Pflanzen zwei völlig ge-
trennte Riesenkontinente, die Archhelenis und die Archi-
notis. Letztere, von der sich schon mesozoisch die östlichen
Südseeinseln abgliederten, sandte einen Ausläufer nach Pata-
gonien und setzte Australien mit Ostasien in Verbindung,
welches seinerseits sowohl mit Europa als mit Nordamerika
in Zusammenhang stand. In einer noch früheren Zeit müssen
etwas andere Beziehungen bestanden haben durch den Zu-
sammenhang beider Archikontinente, wodurch gewisse kosmo-
politische Gruppen ihre Verbreitung fanden. Im einzelnen
wird in der mesozoischen Geographie noch viel zu schaffen
sein; daß aber diese auf zoogeographische Betrachtungen ge-
stützten Konstruktionen eine reelle Unterlage haben, geht
schon daraus hervor, daß man geologischerseits zu ganz ähn-
lichen Folgerungen gekommen ist. Neumayrs Karte der
Jura-Geographie zeigt die Archhelenis klar vor Augen und
denkt Neumayr, daß vorjurassisch Australien angeschlossen
war. Damit kämen wir auf die Karbonformation zurück,
für die man ja auch (Waagen) die Existenz eines tropischen
vom La Platagebiete über Südafrika und Indien bis Austra-
lien reichenden Kontinents behauptet hat.
Hervorheben muß ich aber noch, daß die Brücke zwischen
Afrika und Südamerika eher einbrach als jene zwischen Indien
und Afrika, und daß erst nach der Unterbrechung des Aus-
tausches mit Südamerika der Zusammenhang mit Ostasien
200 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
zustande kam, wahrscheinlich oligocän. So kommt es, daß
speziell neotropisch-afrikanische Typen nicht nach Australien
gelangen konnten, während solche australische Formen, die
auch über Asien sich verbreitet hatten, nach Afrika gelangten,
aber nicht nach Südamerika.
Zu weiterer Orientierung sei auf folgende Arbeiten von
mir verwiesen: „Die geographische Verbreitung der Fluß-
muscheln“, Ausland 1890 Nr. 48 bis 49. — „Über die alten
Beziehungen zwischen Neu-Seeland und Südamerika“, Aus-
land 1893 Nr. 18, sowie Philosoph. Trausact of the New
Zealand Institute 1892. — „Paläogeographie von Süd- und
Zentralamerika“, Ausland 1892. — „Über die Beziehungen
der chilenischen und südbrasilianischen Süßwasserfauna.“
Verh. d. deutschen wissensch. Vereins zu Santiago Bd. I.
1891 p. 143—149. — Die Ameisen von Rio Grande do Sul.
Berliner Entomolog. Zeitschr. 1893. — Unioniden von S. Paulo
und die geographische Verbreitung der Unioniden in Süd-
amerika. Archiv f. Naturgeschichte 1893. — Die Insel Fer-
nando de Noronha, „Globus“ Bd. LXII. 1892 p. 225—230.
II. Die Verbreitungsmittel der Pflanzen.
Diejenigen Forscher, welche von dem Axiom ausgehen,
daß die Geographie unserer Erde weder tertiär noch meso-
zoisch nennenswerte Veränderungen erlitt, erklären alle durch
größere Meerestiefen von den Kontinenten geschiedene Inseln,
denen rezente Gruppen der Wirbeltiere fehlen, von Vögeln
natürlich abgesehen, für ozeanische Inseln, die nie an Kon-
tinente angegliedert waren. Daraus erwächst ihnen die
Nötigung, alles Tier- und Pflanzenleben dieser Inseln für
importiert zu erklären, und da haben sie denn ihrer Phan-
tasie frei die Zügel schießen lassen. Es ist unglaublich, was
auf diesem Gebiete dem gesunden Menschenverstand zuge-
mutet, was da ausgeklügelt und kritiklos weiter zitiert wird.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 201
Alle diese unglaublichen Annahmen hier zu kritisieren, würde
viel zu weit führen; so wollen wir nur die Verbreitungsmittel
der Pflanzen prüfen.
. Die Verbreitung von Pflanzen über trennende Scheiden
hin kann geschehen durch den Menschen oder durch natür-
liche Agentien. Die erstere gliedert sich in absichtlich
oder unabsichtlich erfolgte; jene ist bezüglich ihres Ursprunges
in der Regel nicht zweifelhaft, wohl aber kann das bezüglich
der anderen der Fall sein. Schiffe fahren oft in Ballast und
können Sand, Erde usw. mit Sämereien von einem Orte zum
anderen tragen, sie bringen Getreide und andere Produkte,
die auch Samen von Unkräutern enthalten, auch das impor-
tierte Vieh kann Samen, die mit Widerhaken versehen sind,
einschleppen. Das ist z. B. der Ursprung der als Kletten in
Schafwolle importierten Disteln der Pampas. Im übrigen sei
nur auf bezügliche Bemerkungen von Engler (I. p. 198)
verwiesen. Selbst die Eisenbahnen sind vielfach Verbreiterinnen
von Pflanzen, und das auch schon während ihres Baues
(Wallace p. 514). Es zeigt sich jedoch hierbei wie auch
sonst so oft, daß viele importierte Pflanzen unter sonst gün-
'stigen Bedingungen nicht zur Entwicklung gelangen, oder
selbst wenn sie sich gut entwickeln und Samen tragen, nach
einigen Jahren wieder eingehen. Wie bei den Tieren, so
gibt es daher auch bei den Pflanzen unter den nahezu kosmo-
politischen Arten solche, die seit langer Zeit über ein weites
_ Gebiet verbreitet sind, und solche, die erst durch den Men-
schen weit verbreitet wurden. Letztere habe ich ceenokosmisehe
ı genannt, im Gegensatze zu den palinkosmischen. So gut wie
Camponotus rubripes Drur., C. sexguttatus Fab. u. a. Ameisen
in mancherlei Rassen über alle fünf Erdteile palinkosmisch
verbreitet sind, so wird es auch botanisch an Seitenstücken
‚nicht fehlen. Dodonaea viscosa, Mucuma urens, vielleicht auch
Acacia farnesiana scheinen mir solche palinkosmische Arten
202 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
zu sein. An letztere Verbreitung würde sich jene der Koa-
Akazie auf den Maskarenen- und Sandwichsinseln anreihen,
doch wird in jedem einzelnen Falle nur die vergleichende )
Spezialforschung entscheiden können, welche Deutung die |
gebotene ist. Daß es aber auch bei den Pflanzen enorm |
verbreitete Spezies und Genera gibt, lehrt das Wiederauftreten }
arktischer Formen in antarktischen Breiten, auf das ich zurück- |
zukommen habe. Hier genüge der Hinweis, daß die Frage,
nach dem Ursprunge kosmopolitischer Genera und Arten,
ebenso botanisch wie zoologisch eine schwierige, aber durch
paläontologische und phytogeographische Studien lösbare ist, }
daß aber die Annahme von Verschleppung, wenn sie gene-}
ralisiert und unterschiedslos durch alle Fälle angewandt wird, .)
den Knoten durchhaut, den wir lösen sollen. i
Die natürlichen, von Menschen unabhängigen Verbreitungs-
mittel der Pflanzen sind: Wind, Tiere (zumal Vögel), Eisberge |
Strömungen.
Wind. Daß viele Pflanzen sehr leichte Samen haben,
dab andere in Form, Befiederung, Flügeln, Pappus usw.;
Mittel zur besseren Verbreitung durch Wind und Ströme}
besitzen, ist unbedingt richtig, ebenso daß wirklich auf diesem|
Wege Pflanzen über eine geringe Entfernung hin verbreitet
werden können — eine Verbreitung aber über Hunderte und)
Tausende von Kilometern hin ist nieht nachgewiesen und sie)
muß nach allem, was wir tatsächlich beobachten, als eine,
irrige Annahme zurückgewiesen werden. Wäre eine solche,
enorme Verbreitung dieser Samen wirklich der Weg, auf,
dem sich die Ausbreitung derselben vollzieht, so würden!
innerhalb weiter Gebiete alle phytogeographischen Grenzen
verwischt werden müssen. Das aber gerade ist nicht dex!
Fall. Engler (I. p.57) hat darauf hingewiesen, daß viele
Pflanzen von Korsika, Sardinien und Sizilien (doch wohl auch‘
Capri?) in Italien fehlen. Die Erklärung ist eine geologische,
| Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 203
| MN fällt aber etwas anders aus, als Engler damals wähnte,
_ wie das durch die Arbeiten von Forsyth Major') und
EB Oppenheim?) nachgewiesen wurde. Die von Engler
hervorgehobenen, von Forsyth Major eingehender disku-
tierten Verhältnisse haben in des letzteren Tyrrhenis-Theorie
eine vollkommen ausreichende Erklärung erhalten. Wenn
die alten Grenzlinien der Tyrrhenis zoologisch noch nach-
weisbar sind, so kann uns das kaum wundern, daß sie aber
auch floristisch noch so deutlich zum Ausdruck kommen, ist
erstaunlich. Wenn Wind, Vögel, Schiffe usw. wirklich in
dem Maße als man vielfach glaubt, für die Verbreitung
wirksam wären, so müßten diese Differenzen längst verwischt
sein. Reste der alten Tyrrhenis sind nicht nur in Sardinien
und anderen Inseln gegeben, sondern teilweise selbst der
italienischen Westküste angeschlossen, wie der Monte Argen-
tario und andere Teile des Küstengebirges von Toskana.
Trotzdem ist der Monte Argentario heute noch floristisch
ebenso isoliert, wie die benachbarten Inseln. Wo bleibt da
. die vermeintliche nivellierende Tätigkeit der Vögel, Winde
und Schiffe? „Vögel und Schiffe besuchen das eine Gebiet
wie das andere“, sagt Engler (1. p. 57), und ebenso ist es mit
dem Winde. Dieser letztere scheint nicht einmal hinreichend,
um Moose kosmopolitisch zu verbreiten. Wallace sagt (p. 368),
daß die Sporen der Laub- und Lebermoose so winzig seien,
daß frei fruktifizierende Arten leicht über die ganze Welt
müßten verbreitet werden können. Daß es nicht geschehe,
müsse von Eigentümlichkeiten der Konstitution abhängen.
Wenn, wie wahrscheinlich, den Moosen ein sehr hohes Alter
zukommt, so braucht das Vorkommen an weit getrennten
1) Forsyth Major, Die Tyrrhenis. Kosmos VII. Jahrg. 1883.
p- 1ff. und 83ff.
®) P. Oppenheim, Beiträge zur Geologie der Insel Capri. Zeit-
schrift d. Deutsch. geol. Ges. 1889. p. 468 ff.
204 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Fundorten nicht im mindesten auf Verbreitung durch den N
Wind bezogen zu werden. So sagt denn ein kompetenter |
Spezialist, R. Spruce, daß das Vorkommen einzelner tropi- |
scher Typen in England als ein Überleben aus dem älteren l
Tertiir anzusehen sei, da keines der jetzt vorkommenden |}
Ausbreitungsmittel der Pflanzen diese Moose von den Tropen |
nach England bringen könne. Die Wind-Theorie steht also |
nicht einmal hier bei so extrem geeigneten Sporen mit den zu
beobachtenden Erscheinungen im Einklang. Auch R. Schom- |
burgh (Reisen in Britt. Guiana. III. 1848. p. 793), welcher
sehr geneigt ist, an Erklärung durch Verschleppung zu glauben,
weist auf die Verbreitung von Farnen und Lycopodien hin,
welche um so weniger auf zufällige Verbreitungsmittel zu be-
ziehen sei, „als es bis jetzt noch nirgends gelungen ist, die-
selben aus Sporen zu ziehen“. Es sei auf die betreffende
Liste verwiesen.
England ist erst nach der Eiszeit vom Kontinent ab- :
getrennt worden. Trotzdem gibt es Engler (I. p. 182) zufolge
eine ganze Anzahl Pflanzen, welche bei ihrer postglacialen
Ausbreitung die nördlichen Küsten des Kontinents erreichten,
aber nach England nicht hinüber gelangten. Eine so wichtige
Barriere bildet für die Ausbreitung der Pflanzen selbst ein
so schmaler Meeresarm wie der Kanal. Und das gleiche ‚
sehen wir so vielfach auch bei Inselgruppen, wie den Gala-
pagos, Uanaren usw., wo die einander so nahe liegenden
kleinen Inseln ihre endemischen Arten haben. Gewiß haben
alle diese Pflanzen ihre Verbreitungsmittel, allein diese be-
wirken die Verbreitung im Wohngebiete, nicht aber über :
dasselbe hinaus. Die Insel Fernando Noronha besteht nächst :
der Hauptinsel aus einer Anzahl kleiner, in unmittelbarster
Nähe gelegener und relativ spät abgetrennter Inselchen. Auf
den bewohnten Plätzen sind zahlreiche Unkräuter angesiedelt,
auf den unbewohnten Inseln aber fehlen sie. Ridley selbst,
| Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 205
_ obwohl im Sinne von Wallace diese Inseln für ozeanisch
haltend, empfindet Zweifel, ob man dem einzigen Frucht
fressenden Vogel der Insel, einer Taube, den Import sämt-
licher Frucht tragender Pflanzen zuschreiben dürfe. Diese
_ Inseln waren, obwohl einst nach Osten viel größer, doch vor
relativ kurzer Zeit um ca. 150 Fuß niedergesenkt, so daß
ihr Areal noch unendlich viel kleiner war. Dies und die oft
langen Dürren haben die Flora sehr modifiziert, in der
das Fehlen von Wasserpflanzen, Farnen und epiphytischen
Orchideen sehr auffällt. Nun gibt es keine Pflanzen, deren
kleine Samen zum Transport vom Wind geeigneter erscheinen,
als Orchideen und Farne. Trotzdem nun jetzt Bedingungen
auf der Insel gegeben sind, welche diesen Pflanzen die Exi-
stenz ermöglichten, fehlen sie doch bis auf ein Farnkraut.
Sicher ist nun, daß auf der Hauptinsel die Vögel die Samen
von Beeren, Früchten usw. verbreiten, aber wenn Wind und
Vögel nicht einmal auf Büchsenschußweite von einer Insel
zur andern die Pflanzen verbreiten, wie soll man da glauben,
daß diese Verbreitungsmittel auf Hunderte, wo nicht gar
Tausende von Kilometern wirksam seien ?
Und doch, was wird nicht diesen Agentien zugemutet!
Das Vorkommen identischer Pflanzen auf den antarktischen
Inseln, von Hooker, dem Entdecker der Tatsache, schon
richtig auf einstmalige große Ausdehnung antarktischer Land-
massen bezogen, soll durch Vögel, Wind und Meer vermittelt
sein. Der Annahme einer so enormen Verbreitung durch
den Wind, etwa für Kompositen mit Pappus, steht schon
die Annahme entgegen, daß auch die pappuslösen antarkti-
schen Kompositen die gleiche Verteilung zeigen. Wallace
erklärt das Wiederauftreten von Gattungen gemäßigter Breiten
in den Anden als eine durch Wind und Vögel bewirkte
Überführung von der kalifornischen Sierra Nevada nach den
“Anden, allein beide haben nicht eine einzige Spezies gemein.
206 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Ich komme auf die Theorie der Andenwanderung weiterhin
zurück. Hier sollte zunächst nur gezeigt werden, daß eine
sorgfältige Prüfung der Tatsache die Theorie der Verbreitung |
von Samen auf riesige Entfernungen nicht bestätigt. Wenn |
wir z. B. finden, daß eine Orchideenart, Bolbophyllum recurvum
Lindl., im tropischen Afrika und in Guiana heimisch ist, so
wird man das nicht auf Übertragung durch Wind deuten |
dürfen, weil dieser Fall nur ein einzelner in der großen ®
Menge identischer Species ist, darunter selbst Wasserpflanzen, |
und außerdem gerade Dolbophyllum eine der weitest ver- !
breiteten und also wohl älteren Gattungen ist. Die Mehrzahl
der Gattungen epiphytischer Orchideen hat viel engere Ver-
breitung und es scheint, daß die epiphytische Lebensweise }
in dieser Gruppe zum großen Teil erst während der Tertiär-
epoche erworben wurde. Daher erklärt sich auch ihr Fehlen
auf den schon mesozoisch isolierten Sandwichsinseln.
Vögel. Es ist zur Genüge bekannt, wie viele Pflanzen
durch Vögel verbreitet werden, indem dieselben Beeren,
Früchte usw. verspeisen und mit den Faeces die Samen ent-
leeren. Die Hauptgrundlage für diese Angelegenheit scheint |
auch heute noch die Darstellung von Darwin in der „Ent- |
stehung der Arten“ zu sein. Ich habe diese Beobachtungen |
und Versuche nachgeprüft und bestätigt gefunden. Neues
ergab sich mir aber bezüglich epiphytischer Pflanzen, resp. |
solcher, die epiphytisch entstehen. Einer der Charakter- |
bäume der hiesigen Flora ist die Figueira (Ficus tweediana). |
Es ist ein wahrer Genuß, einen solchen mächtigen Baum zu
sehen, wenn er mit vielen Tausenden reifender Früchte
beladen von Insekten und Vögeln belagert ist. Überall findet
man dann im Vogelkot die Samen, aber nie entsteht ein
einziger Schößling daraus. Erst allmählich kam ich dahinter,
daß das, was mir anfangs Ausnahme schien, die Regel ist:
der epiphytische Ursprung. Ich kenne aber auf meiner |
| Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 207
Insel!) zurzeit nur eine junge Figueira auf einer noch
lebenden Erythrina erista galli, ebenso eine auf einer benach-
barten Insel. Jedenfalls kommt von den Millionen von
' Samen kaum einer jährlich zur Entwicklung, etwa wie bei
so vielen tierischen Eingeweidewürmern, bei denen ja auch
die enorme Zahl der Eier umgekehrt proportional ist der
Chance, die zur Fortentwicklung nötigen Bedingungen anzu-
treffen. Ich vermute, daß auch die anderen hiesigen mehr
den Urwald bevorzugenden Feigen ebenso entstehen; jeden-
falls wird die Meinung von Wallace (die Tropenwelt p. 35),
daß epiphytisch entstehende Feigen ein Uharakteristikum
der Tropen der östlichen Hemisphäre seien, danach zu
modifizieren sein.
Genau ebenso wie diese und wohl die meisten tropischen
Feigen entwickelt sich Dodonaea viscosa. Man trifft Stöcke,
die dem Boden entsteigend sich völlig wie Lianen verhalten,
allein nie sieht man sie frei emporwachsen. Sie senden an
dem Aste resp. Stämmchen das Wirtes herab ihre hier und
da anhaftenden Luftwurzeln, aus denen schließlich, wenn sie
den Boden erreichten, der Stamm wird. Ich habe die
mit sehr klebrigem Gewebe umgebenen Samen auf Salix
humboldtiana ausgesät und sah sie keimen und sich wohl
entwickeln; leider hat man mir später die Weiden abgehauen.
Nun habe ich aber außerdem auch diese Samen in völlig
intaktem Zustande im Vogelkot wiedergefunden und zwar
noch umgeben von der zähklebrigen Hülle. Es wird also die
klebrige Substanz in ihrer Anheftungsbefähigung nicht alteriert
durch die Passierung des Vogeldarmes. Mit Phoradendron-
Beeren, deren Samen ich auch auf passende Pflanzen säte,
2) Cf. meine Karte und sonstige Beschreibung (in Petermanns
Mitteilungen 1887, p. 289 ff. Taf. XV) bezüglich der Inseln des Rio
Camaquam an dessen Mündung in die Lagoa dos patos.
208 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
ist mir, obwohl ich den Beginn der Keimung sah, die \
Züchtung nicht gelungen, vielleicht, weil eingetretene Trocken-
heit sie unterbrach, vielleicht, weil es der vorherigen Passierung
des Vogeldarmes bedarf, wie die Brasilianer das für lex
paraguayensis versichern. Die auffallenden Farben vieler
Früchte dienen daher als Lockmittel für Vögel, auch da, |
wo man es kaum erwarten sollte. So habe ich gesehen, wie
unsere hiesigen großen Tyranniden reife Schoten des Cayenne-
pfeffers fressen und die Beobachtung noch durch die Sektion |
gesichert. Auch Ridley drückt sein Erstaunen darüber aus,
daß die überaus scharfen Früchte von Sapium gleichwohl |
von den Vögeln gefressen werden, welche solchermaßen sie
über die ganze Insel reichlich verbreiten, sowie über die |
Nebeninseln. |
Daß in Fällen wie dem letzteren diese Vögel die Ver-
breitung vermitteln, ist nicht zu bezweifeln. Es ist auch ‘
möglich, daß Grisebach (II. p. 512) Recht hat, wenn er |
die Verbreitung der Laurineen über Madeira und die Kanaren
den Tauben zuschreibt; es ist aber eine Annahme und zwar
keine zwingende, wenn man die ganze Vegetation dieser
Inseln für importiert ausgibt. Daraus, daß Vögel hinfliegen, |
folgt höchstens, daß die Vegetation importiert sein kann, {
nicht, daß sie es sein muß. Einen sehr beachtenswerten |
Einwurf gegen die Theorie der ehemaligen Landverbindung |
bildet allerdings das von Wallace erwähnte Fehlen aller
mit großen Früchten versehenen Bäume, d. h. zumal der 1
Cupuliferen. Hier kommt aber auch in Betracht, ob nicht '
trotz ihres geologisch hohen Alters diese Bäume in ihren
recenten Vertretern sich etwa erst spät-tertiär auf den von
Engler (II. p. 209 u. 213) angedeuteten Wegen verbreiteten,
daher sie dann nach den frühzeitig isolierten Inseln nicht
gelangen konnten. Diese Frage ist jedenfalls eingehender '
Studien würdig. |
|
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 209
Engler nimmt doch wohl mehr als nötig!) auf die Ver-
breitung von Pflanzen durch Vogelmist Rücksicht, und wenn
er (I. p. 108) äußert, daß wir über die Tätigkeit der Vögel
bei Pflanzenwanderungen noch im unklaren sind, wenn er
für die Beziehungen zwischen mediterraner und Kapflora
diese Mitwirkung ausschließt und sie in anderen Fällen als
ganz unsicher ansieht, so erscheinen seine bezüglichen Be-
merkungen viel mehr als Konzessionen herrschenden Ideen
gegenüber, denn als zwingende Resultate eigener Forschung.
Von diesen Ideen dürfte man aber mehr und mehr zurück-
kommen, resp. sie auf bescheidenes Maß beschränken. Ist
es überhaupt sicher, daß Zugvögel mit vollem Magen auf die
Reise gehen? Engler (I. p. 180) weist selbst darauf hin,
dab ein voller Kropf, der wohl beim Fliegen hinderlich sein
mag, durch Ausbrechen beim Flug erleichtert wird. Wenn
es sich bestätigt, daß viele der von weiter Reise anlangenden
Zugvögel nicht einen leeren, sondern einen mit Steinen ge-
füllten Magen darbieten, so ist überhaupt den an Vogelzug
anknüpfenden Spekulationen der Boden fast ganz entzogen.
Aber auch hiervon abgesehen, habe ich in der Literatur
keinen Fall finden können, der unzweifelhaft auf die euro-
päischen Zugstraßen zu beziehen wäre. Hätten die Wander-
vögel die ihnen oft zugeschriebene Bedeutung für Verbreitung
der Pflanzen, so würden die Zugstraßen der Vögel als deren
Fäkalstraßen sich floristisch ebenso darstellen, wie etwa die
prähistorischen Handelsstraßen aus den Fundstücken karto-
graphisch rekonstruierbar sind. Von dem ist aber keine
Rede. Engler weist (I. p. 144) darauf hin, daß, wenn der
ı) So (II. p. 290) bez. Caucalis melanantka in Abessinien und
Madagaskar u. a. ähnlich verbreitete Formen, deren Verbreitung kaum
anders als durch Vögel zu erklären sei. Wenn aber Säugetiere und
Süßwasserfische die gleiche Verbreitung besitzen, so gab es einst andere
' zur Verbreitung geeignetere geographische Bedingungen.
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 14
210 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Transport durch Vögel wirklich von großer Bedeutung N
wäre, die Flora der beiden Küsten der Baffinsbai nicht
so verschieden sein könnte, daß die Verbreitung der |
Pflanzen in den Abruzzen, Pyrenäen, Atlas und so weiter ;
(I. p. 110) gleichermaßen widerspreche, und vielerlei an-
deres, was uns nötigt, die Erklärung anderswo als durch
Vögelzüge zu suchen.
Wenn nun schon in beschränkten Grenzen die Vogel- !
straßen sich als von geringer Bedeutung für den Austausch #
der Florenelemente erweisen, was soll man dann erst sagen ı
zu den Phantastereien, die gar vom Nordpol bis zum Süd-
pol Vogelwanderungen als Verbreitungsmittel in Anspruch
nehmen? Diese Albatroßtheorie stammt von Grisebach
(II. p. 496). „Mit der Beute, die dieser Vogel verschlingt, |
kann er auch die Samen von Pflanzen, welche mit den
Flüssen ins Meer gespült, in den Magen der Fische über- :
gehen, in einzelnen Fällen ausstreuen, so daß sie an fernen {
Küsten aus seinem Dünger aufkeimen.“ Die ins Wasser
gelangenden Früchte usw. werden in den Flüssen schon von |
den Sübßwasserfischen gefressen. Ich habe das z. B. bei
Fieus tweediana beobachtet, wo sich kaum eine Feige an:
der Oberfläche des Wassers zeigen kann, ohne schon von \
den Teiragonopterus ergriffen zu sein. Die wenigen, welche :
etwa doch bis ins Meer gelangen, sollen nun Seefische ;
fressen, diese dann gleich vom Albatroß erhascht werden, !
der darauf gen Norden abgeht. Welchen Wert muß eine |
Theorie haben, die solche Hilfsmittel braucht, um sich halten ')
zu können, und daß im Sinne dieser Theorie die Geschichte :
vom Albatroß Wichtigkeit hat, geht aus der liebevollen Ver-
tiefung hervor, mit der Wallace p. 259 sie aufwärmt. Und |
doch ist daran alles auf falsche Voraussetzungen basiert. |
Der Albatroß stößt nicht auf Fische nieder, lebt mehr von,
Weichtieren und Aas, die beiden Arten der Küsten von Chili, |
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 11
Argentinien und Südbrasilien’) sind von jenen Nordamerikas
verschieden, ihr Wohngebiet ist im Süden vorzugsweise
zwischen 30 Grad und 40 Grad gelegen, obendrein noch
wird ihre Verdauung als eine besonders rasche angegeben.
An derartigen abenteuerlichen Erklärungen fehlt es aber
auch sonst nicht. Daß Heuschrecken anhaftende Sämereien
nach den Kanaren hinübergetragen haben sollten (Grisebach
II. p. 512), setzt für den, der eigene Erfahrungen hat, Be-
dingungen voraus, die kaum zutreffen; nachgewiesen ist nur
und zwar durch Darwin, daß Heuschrecken keimfähige
Grassamen im Darm enthielten. Auch die oft wiederkehrende
Annahme vom Import von Samen durch Vögel, zwischen
deren Gefieder sie stecken sollen, ist unstatthaft. Ridley
(I. c. p. 14) läßt Samen von (Gonolobus micranthus durch
Elaenea eingeschleppt sein, da dieser Vogel sein Nest mit
jenen Samen füttere. Ich habe oft in Nestern von Hlaenea
und anderen kleinen Vögeln Pappus-Samen usw. gefunden,
nie aber an den brütenden Vögeln. Ich habe ausgedehnte
Erfahrungen über die hiesige Ornis und darf für mein Urteil
immerhin Beachtung beanspruchen. Niemals sah ich Sämereien
im Gefieder und ich würde ein derartiges Vorkommnis für
ein Märchen erklären, wenn nicht Engler (I. p. 179) angäbe,
dab Kerner?) zugestehe, daß Vögel gelegentlich Samen im
Gefieder tragen, und Homeyer es, wenn auch als Selten-
heit, bestätige. Die betreffenden Samen mögen zum Teil
vielleicht erst beim Sturz des geschossenen Vogels ins
Gefieder gelangt sein, sollten sie aber dem Nest entstammen,
so sind sie für die Verbreitung bedeutungslos, da der an
sein Nest gebundene Vogel weite Wanderungen nicht unter-
!) Diomedea melanophrys Boie kommt bei Rio Grande do Sul
vor, aber nicht sehr häufig. Ein totes Exemplar fand ich nach Sturm
an der Küste.
?) Österr. bot. Zeitschr. 1879 p. 213.
14*
Pe
212 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
nimmt. Auch v. Kerner mibßt daher den Zugvögeln für
die Verbreitung der Pflanzen ebenso wie Engler nur be-
schränkte Bedeutung bei und ich muß mich ihnen darin
ganz anschließen.
Meeresströmungen. Wie die Samen der Süßwasser-
pflanzen zumeist im Wasser und durch das Wasser verbreitet
werden, so gibt es auch Pflanzen, welche an den Gestaden
des Meeres wachsen, zeitweise oder regelmäßig mit den
Wurzeln in Meerwasser getaucht, und deren Verbreitung
daher auch durch das Meerwasser besorgt wird, sei es dab
sie wie Ahizophora mucronata u. a. schon mit ausgekeimtem
Samen ins Meer fallen oder in eine zum Schwimmen ge-
eignete Samenhülle eingeschlossen sind. Fast alle hierher
gehörigen Beobachtungen beziehen sich auf die vulkanischen
Inseln oder Korallenriffe der Südsee. Nicht selten erhebt
sich, oftmals nur für kürzere Zeit, eine vulkanische Insel,
die dann durch angeschwemmte Samen eine kärgliche Vege-
tation erhält. So entdeckte 1867 das englische Kriegsschiff
Falcon in der Tongagruppe die Falconinsel als eine Un-
tiefe, an der man 10 Jahre später Rauch aufsteigen sah und
wo sich 1885 die 75 m hohe Insel erhob. Diese ward 1889
von der Egeria') besucht. Die Flora beschränkte sich auf
zwei kleine Kokospalmen und drei nicht näher bezeichnete
Pflanzen, außerdem traf man gestrandete Früchte von Pan-
danus und Barringtonia, von Tieren einen Regenpfeifer (Ae-
tites incana) und eine Motte. Beobachtungen über die erste
Vegetation solcher Inseln teilte kürzlich ©. M. Woodford’?)
mit. Neu entstandene Koralleninseln erhalten danach ihre
erste Vegetation meist durch solche angeschwemmte Säme-
reien, die längeren Aufenthalt im Seewasser vertragen, sO
') Of. Proe. R. Geogr. Soc. VII. 1890, p. 157.
?) Proc. Geogr. Soc. 1890, p. 395.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 913
Casuarinen, Tournefortia argentifolia, Scaevola koenigi, Guettarda
speciosa, Calophyllum inophyllum, Pandanus. Die Flora bleibt auf
diese Pflanzen beschränkt, wenn die Insel so fern von anderen
liegt, daß Landvögel sie nicht erreichen können, andernfalls
sind es namentlich die Tauben, welche Feigen, Uanariennüsse
usw. zuschleppen, und Woodford traf solche einmal 40 engl.
Meilen von den Salomoninseln entfernt auf See.
Besonders genau hat Schimper') diese Strandvegetation
und ihre Verbreitung studiert. Adizophora, Barringionia, Nipa
und /pomoea pes caprae sind die Vertreter der vier charak-
teristischen Formationen dieser indomalayischen Strandvege-
tation, die 48 Arten von Dicotyledonen umschließt. Die
ostafrikanische Mangrove ist schon etwas verarmt, aber von
rein ostindischem Charakter, die westafrikanische ist sehr viel
ärmer und aus anderen Arten gebildet, die ihrerseits in Süd-
amerika und Westindien wiederkehren, wo auch die oben-
genannte /pomoea sich findet. Über Australien hin nach der
Südsee verarmt diese Strandflora sehr rasch und nur einige
wenige ihrer Glieder erreichen die Marquesas- und Sand-
wichsinseln. Bezüglich der Verbreitungsmittel nimmt Schim-
per an, daß Vögel und Wind nur kleine Samen forttragen und
nur auf relativ kurze Strecken, dagegen spielen die Meeres-
strömungen eine große Rolle in der Verbreitung dieser Samen,
die abgesehen von der viviparen Khizophora mit wasserdichten
Schalen und Schwimmvorrichtungen versehen sind.
Hier haben wir es zum ersten Male mit sicheren Tat-
sachen zu tun und sehen die Verbreitung dieser Pflanzen und
die Verbreitungsmittel im Einklang. Zweifelhaft kann nur
bleiben das Verhältnis zwischen der westafrikanischen und
1) A. F. W. Schimper, Die indomalayische Strandflora. 1891. cf.
auch Englers (Entwicklungsgesch. II. p. 182) Auszug aus Jouans Ar-
beit über die Vegetation der Marquesasinseln.
214 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
der südamerikanischen Mangrove, das meines Erachtens nur
durch alte Landverbindung sich erklärt. Wäre die Verbreitung
dieser schwimmenden Samen und Keime eine unbegrenzte,
so hätten sie auch die Galapagos und die amerikanische
Westküste erreichen müssen. Das ist aber nicht der Fall;
die wenigen Arten, die von Californien bis Peru gefunden
werden, sind mit jenen Westindiens identisch und sind also
seit der Miocänformation von ihnen abgetrennt, ohne sich
verändert zu haben. Nichts steht daher der Annahme im
Wege, dab schon eocän dieselben Arten an dem Nordgestade
des archhelenischen Kontinents entwickelt waren, dessen ur-
sprünglich einheitliche Strandflora also wohl schon damals
sich in eine westliche und östliche Hälfte gliederte. Da-
gegen lassen sich keine Tatsachen anführen, welche einen
Samentransport von Afrika nach Südamerika wahrscheinlich
machen. Wallace hielt Fernando Noronha für eine ozeani-
sche Insel, die durch Meeresströmungen usw. ihre erste Flora
erhielt, also von Afrika her. Die Flora ist jedoch ohne Spur
speziell afrikanischer Züge, vielmehr ebenso wie die Tierwelt
brasilianischen Ursprunges. Daß auch von der brasilianischen
Küste her gelegentlich Samen dahin getrieben werden können,
geht wohl daraus hervor, daß Ridley bei der Suche nach
angeschwemmten Samen nur solche von Mucuna urens traf.
Solche Mucuna-Samen sind auch die einzigen, die ich an den
sandigen Gestaden der Lagoa dos patos sammelte. Sie keimen
hier aber so wenig wie in Fernando Noronha, denn die Pflanze
ist keine Strandpflanze, sondern eine Schlingpflanze des
Waldes. Ridley versichert ausdrücklich, daß die Pflanze
auf Fernando Noronha fehlt.
Es ist somit klar, daß es einige Dutzend Strandpflanzen
gibt, welche durch das Meer verbreitet werden, allein es ist
eine ungeheuerliche Übertreibung, hierauf hin die ganze Flora
der ozeanischen Inseln von Meeresströmungen, Vögeln, Wind
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 215
usw. abzuleiten, wie das Darwin, Wallace und Grise-
bach meinten. Auch hier sehen wir wieder die nüchternen
Tatsachen in grellem Widerspruche mit den gewagten Hypo-
thesen, die sie erklären sollen. Ich kenne die südamerika-
nische Küste an vielen Stellen von Rio bis Montevideo,
_ allein nirgends liegen die Verhältnisse so, daß angeschwemmte
Samen Aussicht auf Ansiedelung hätten. Nur an Flußmün-
dungen und in Buchten trifft man die aus wenigen Arten be-
stehende Mangrove, im übrigen felsige Ufer oder flachen
Sandstrand. Hier keimt nichts, und selbst wenn die Samen
etwas landeinwärts vom Winde getrieben würden, geraten sie
auf Dünen oder Camp. Nirgends in der einförmigen Camp-
vegetation der öden Küste trifft man etwaige fremdartige
resp. nicht ohnehin im Lande weitverbreitete Typen der Flora.
Daß viele Samen mit Strömungen, in hohen Breiten wohl
auf Eisbergen verbreitet werden, ist richtig, nicht aber, dab
sie am Meeresstrande wachsen können. Schon 1700 be-
hauptete Sloane, daß der Golfstrom die Samen von Abrus
precatorius L. an die Küsten von Schottland treibe, und dieser
Samentransport ist seitdem sowohl für England als für die
Canaren, Azoren usw. vielfach bestätigt, nirgends aber haben
sie sich angesiedelt, nicht einmal die obengenannte Spezies,
die doch zur Strandvegetation gehört. Von der Seekokos-
palme der Seychellen weiß man, daß von den Strömungen ihre
Früchte bis nach Sumatra über das Indische Meer hin ver-
breitet werden, ohne daß doch dadurch irgendwo diese Palme
angesiedelt worden wäre. Welche Ungereimtheit liegt darin,
die Flora der Sandwichsinseln für eine eingeschleppte zu
halten und sich vorzustellen, daß fast alle, auch die ent-
legensten Gebiete der Erde, selbst Inseln wie Ceylon, die
Mascarenen usw., durch Meeresströmungen Vertreter ihrer
Flora nach diesen Inseln abgesandt haben. Die für eine
solche Erklärung nötigen Hypothesen finden bei gewissen-
916 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
hafter Prüfung keine Bestätigung, und darum muß die Er-
klärung falsch sein.
Zusammenfassung. Bezüglich der Verbreitung der
Pflanzen bestehen dieselben Gegensätze der Auffassung, wie
bezüglich jener der Tiere. Die eine beansprucht, mit den
teils nachweisbaren, teils vermuteten Verbreitungsmitteln der
Organismen bei der gegebenen oder aber in geringen Grenzen
modifizierten Anordnung der Erdteile die Probleme der geo-
graphischen Verbreitung der Organismen (Biogeographie) lösen
zu können, die andere hält diese Verbreitungsmittel dazu für
nicht ausreichend und postuliert eine ehemalige andere An-
ordnung und Verbindung der Kontinente. Wenn sich nach-
weisen läßt, daß die Verbreitung der Landschnecken, der
Süßwassermollusken, Reptilien usw. nicht ohne alte, längst
untergegangene Landbrücken zu verstehen ist, so müssen die
Resultate geographischer Forschung notwendig auch für phyto-
geographische Studien maßgebend sein, denn wo Landtiere sich
verbreiteten, fehlten auch Pflanzen nicht. Um so zwingender
wird diese Nötigung, wenn eine unbefangene Prüfung uns zeigt,
daß auch botanisch die Lehre von der Unveränderlichkeit
der Kontinente unhaltbar ist, weil die zur Besiedelung ent-
legener Inseln oder für den Austausch zwischen entfernten
Kontinenten postulierten Faktoren nur Phantasiegebilde sind.
Durch die Meeresströmungen werden nur Strandpflanzen
verbreitet, durch den Wind werden Samen nur in sehr be-
schränkten, durch Vögel in weiteren, aber nicht in enormen
Grenzen verbreitet. Die wirklich nachweisbaren Verbrei-
tungsmittel reichen daher nicht im entferntesten hin, um die
heutigen Verbreitungsgrenzen der Organismen zu erklären,
auch nicht bei Erweiterung des Gebietes durch die Hinzu-
rechnung der untergetauchten Landmassen bis zur Tausend-
fadenlinie, ja nicht einmal bei Ausdehnung auf die Zwei-
tausend- und Dreitausendfadenlinie.
| Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 217
III. Der Austausch der Floren von Nord- und
Südamerika.
Eine der merkwürdigsten Erscheinungen auf phytogeo-
graphischem Gebiete ist das Auftreten arktischer Arten im
antarktischen Südamerika. Eine ähnliche Erfahrung lehrt
die Verbreitung der Tiere, und hier bot sie Wallace An-
laß zur Annahme von wiederholten und zuletzt längs der
Grate der Anden erfolgten Einwanderungen von Norden gen
Süden. In seiner Geograph. Verbreitung der Tiere (G. V. 1.
p- 53) bemerkt er, daß die Anden tertiär, als sie etwa zur
Hälfte ihrer Höhe gehoben waren und als Patagonien noch
nicht aus dem Wasser emporragte, eine Straße für die Ein-
wanderung der Arten der nördlichen gemäßigten Zone ab-
gaben, und daß zur Eiszeit, als die Anden bereits zur jetzigen
Höhe erhoben waren, nördliche Typen von Schmetterlingen
und Käfern über die ganze Kette des Felsengebirges und der
Anden bis nach Patagonien wanderten. So vollzog sich zwar
zu verschiedenen Malen aber stets von Nordamerika aus die
Besiedelung Südamerikas.
In seinem Island Life (p. 520 ff.) dehnt Wallace diese
Theorie auch auf die Pflanzen aus, sowie auf. die außer
der Andenkette gelegenen Teile Südamerikas von Gebirgs-
charakter. „Die großen Gebirgsmassen von Guiana und Bra-
silien z. B. müssen, bevor ihre Sedimentbedeckung durch
Denudation beseitigt wurde, sehr viel höher gewesen sein,
und sie mögen so die Südwärtswanderung von Pflanzen unter-
stützt haben, bevor die Hebung der Anden beendet wurde.
Die gegenwärtig fast ununterbrochene Kette von Gebirgen
‘und Hochland, welches die arktischen mit den antarktischen
Ländern in Verbindung setzt, ist nur am Isthmus von
Panama in einer Distanz von ungefähr 300 Meilen unter-
brochen. Solche Distanzen sind keine Barrieren für die
Verbreitung der Pflanzen. Daher finden wir nicht nur eine
218 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
große Anzahl nordischer Gattungen und Arten längs dieser
Wanderungsroute verbreitet, sondern in Südchili und Feuer-
land sehen wir sie geradezu einen großen, wichtigen An-
teil der gesamten Vegetation bilden“.
Diese ganze Darstellung ist eine sonderbare Mischung
von richtigen und verkehrten Angaben. Zunächst einige
Korrekturen. Es ist vollkommen unrichtig, daß im älteren
oder mittleren Tertiär Patagonien noch unter Wasser ge- |{
wesen sei. Die eocäne Säugetierwelt von Patagonien ist |
eine ganz unglaublich reiche. Schon hunderte von Arten
hat man aus ihr beschrieben, ebenso eine Reihe von strauß-
artigen Riesenvögeln von immensen Dimensionen. Nur sehr
ausgedehnte Landmassen konnten diese reiche Fauna er-
nähren. Es ist daher völlig falsch, wenn man die südliche j
Zuspitzung Amerikas zum Ausgangspunkt weitgehender Spe-
kulationen macht. Diese antarktische Landmasse kann da-
mals nicht mit Nordamerika in Verbindung gestanden haben,
denn es fehlen in Patagonien speziell nordamerikanische
Typen, aber es finden sich solche von Europa und Australien.
Ein zweiter geologischer Irrtum ist die Annahme, daß |
Brasilien tertiär ein sehr viel höheres Bergland gewesen sei.
Brasilien war schon in der ganzen mesozoischen Epoche ||
Festland, so daß während dieser ganzen Epoche die De- .
nudation schon an der Zerstörung paläozoischer Sedimente
tätig war. Die Gebirgszüge müssen größtenteils erst tertiär
entstanden sein, denn die jetzt getrennten Flußsysteme bieten
in ihrer Fauna vielfach eine Übereinstimmung dar, welche ;
nur durch die Unterbrechung eines ehemaligen Zusammen- |
hanges sich erklärt. Von Rio Grande do Sul bis zumf
Amazonas haben alle Küstenflüsse eine Anzahl Süßwasser-
fische gemeinsam. Indem ich auf meine Arbeit über geo-
graphische Verbreitung der Unioniden verweise, bemerke ich
nur noch, daß diese aus zoogeographischen Tatsachen er-
15
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 219
| schließbare Ansicht auch durch geologische Beobachtungen
‚ gesichert wird. So wies Gorceix nach, daß tertiäre Binnen-
seen sich an der Stelle befanden, wo heute die Wasserscheide
ist zwischen dem Küstenflusse Rio Doce und dem zum
S. Franeisco fließenden Rio das Velhas.
Will man somit nicht in Widerspruch treten zu geo-
logisch festgestellten Tatsachen, so darf man bezüglich
Amerikas zweierlei nicht vergessen: daß vor und bei Beginn
des Tertiärs das Kreidemeer Nord- und Südamerika trennte,
daß Patagonien nur der Ausläufer immenser antarktischer
Landmassen war, an die auch Neu-Seeland und Australien
angeschlossen waren. Stellen wir uns nun vor, welcherlei
Austausche der Floren überhaupt in Südamerika möglich
waren. Zunächst mußte die antarktische Landmasse eine
einheitliche Flora tragen. Dies steht im Einklang mit der
Tatsache, daß zahlreiche identische und vikarierende Spezies
von Pflanzen in Patagonien und Chili einerseits, in Australien
und seiner Umgebung bis Neu-Seeland andererseits vor-
kommen. Diese Arten konnten entsprechend der Hebung
der Anden sukzessive großenteils bis zu den Anden von Peru
und Kolumbien vordringen, nicht aber bis zu den Felsen-
gebirgen. Tatsächlich gibt es auch nicht eine einzige Glacial-
pflanze, welche den Anden und den Felsengebirgen, oder der
Sierra Nevada gemeinsam wäre. Andererseits mußte sich
pliocän über die von Westindien und Zentralamerika ge-
bildete Brücke ein enorm ergiebiger Austausch von Pflanzen
vollziehen. So kommt es, daß von Bolivia und Brasilien bis
nach Mexiko unzählige Arten verbreitet sind, und daß die
Glieder dieser Flora gemeinsame Schicksale erleiden konnten.
Entsprechend der Hebung der Anden und der mexikanischen
Gebirgszüge konnten viele bis dahin rein tropische Arten mehr
und mehr dem Standorte im Gebirge sich anpassen, so dab
sie nur an diesen gebirgigen Fundorten sich erhielten. So
290 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
kommt es, daß von Mexiko bis Peru identische Arten von
Land- und Wasserpflanzen, von Pflanzen der Ebene, der
Waldungen und der Gebirge verbreitet sind, daß aber weder
Glieder der arktisch-alpinen Flora Nordamerikas nach den
Anden und Patagonien, noch auch antarktische Pflanzen
nach den Gebirgen von Nordamerika gelangten. Die ant-
arktischen Arten, von denen einige weit über die Anden
sich verbreiteten, gehen nicht über den Isthmus von Panama
hinaus. So hat schon Grisebach angegeben (1I. p. 446ft.).
So sehen wir, daß die geographische Verbreitung gerade
den Austausch erkennen läßt, den man erwarten konnte, daß
dagegen der kühne Sprung über Zentralamerika vom Peak
von Veragua bis zu den Anden von Neu-Granada nur ein
Gebilde der Wallaceschen Phantasie ist. Fände durch
Vögel und Wind eine Übertragung auf solche Distanzen hin
statt, so müßten eben auch die arktisch-alpinen Pflanzen der
Felsengebirge nach den Anden gelangt sein. Vögel haben
keinen Anlaß, so riesige Entfernungen in einem Zuge zurück-
zulegen, Zugvögel im Sinne wie in Europa gibt es in Süd-
amerika überhaupt nicht, und nirgends auf der Erde sind
die Vögel der Tropen Zugvögel. Wäre der Wind auf solche
Entfernungen maßgebend, so hätte er die Samen andiner
Kompositen nach den Felsengebirgen, oder die leichten
Samen der Rhododendron nach den Anden tragen können
und müssen, wo sie eben so gut wie auf dem Himalaya oder
auf den Hochgebirgen von Java passende Existenzbedingungen
hätten finden können. In Wahrheit ist weder der Wallace-
sche Salto mortale über Zentralamerika, noch auch die zufällige
Verbreitung von Samen durch Wind, Vögel usw. als bedeutungs-
volles und auf weite Entfernungen wirkendes Moment im Aus-
tausche der Floren von Nord- und Südamerika nachweisbar.
Betrachten wir nunmehr zunächst die arktisch-alpinen
Gattungen, welche in den Anden vertreten sind. Engler
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 221
(II. p. 94) führt in einer Liste identischer Arten von Süd-
amerika und Australien und Neu-Seeland drei an, welche
„vom antarktischen Amerika über den Äquator hinweg bis
Nordamerika verbreitet sind“: Daueus brachiatus, Crantzia
lineata, Myosurus aristatus. Nach Engler würde die Wande-
rung dieser Arten über die Felsengebirge und Sierra Nevada,
von da nach den Anden, über sie bis zur Magellanstraße
und dann durch die antarktische Drift nach Australien usw.
erfolgt sein. Engler!) steht in diesen Fragen ganz auf dem
Standpunkte von Wallace. Unter diesen drei Arten ist aber
nur eine, die Crantzia, welche auch auf den Anden nach-
gewiesen ist, es fehlt also die tatsächliche Unterlage für die
andine Wanderungslinie. Myosurus aristatus tritt in Chili
und wieder in Kalifornien auf. Da Myosurus-Arten auch als
Ackerunkräuter verschleppt wurden, ist Vorsicht geboten, im
übrigen aber kommen tatsächlich Pflanzenwanderungen an
der Westküste von Chili bis Kalifornien vor, diesen würde
sich Myosurus aristatus anreihen; eine arktisch-alpine, über die
Anden gewanderte Art ist sie nicht.
Es gibt noch eine. Anzahl weiterer nordischer Arten,
welche antarktisch wieder auftreten, so (Gentiana prostata,
Trisetum subspicatum, Primula farinosa var. magellanica u. a.,
keine einzige von ihnen aber ist andin, Primula-Arten fehlen
sogar völlig in den Anden. Wie kann man nun diese Arten
als arktisch-alpine Einwanderer über die Anden ansehen?
Es gibt im Gegensatze hierzu einige weitverbreitete Arten
der südamerikanischen antarktischen Flora, welche sich über
ganz Südamerika bis Zentralamerika verbreiten, aber diese
Pflanzen überschreiten, wie zuerst Grisebach (II. p. 615)
hervorhob, nieht den Isthmus von Panama. Unrecht hat
‘ hierin Grisebach nur bezüglich der Drimys winteri, welche
Di ef. Bd. I. p.'149, 175, 198 usw.
2293 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
in einigen Varietäten doch noch bis Mexiko vorkommt, aber
auch sie ist weder in Südamerika noch in Mexiko alpin. Es
ist dies also eine jener gegen Temperaturdifferenzen fast
indifferenten Pflanzen, die weder megatherm noch mikrotherm
sind und die ich heterotherm zu nennen vorschlage. Da
die zentralamerikanische Landbrücke nie eine Eiszeit erlebte,
so konnte über sie hin nur ein Austausch von megathermen
oder von heterothermen Pflanzen erfolgen.
Wenn wir nun gleichwohl auch arktisch-alpine Genera
an der voraussichtlich von Norden her erfolgten Einwanderung
teilnehmen sehen, so darf man doch nicht außer acht lassen,
daß mikrotherme Pflanzen nicht stets mikrotherm gewesen
zu sein brauchen, sondern früher auch heterotherm sein
konnten, wie so viele andere Pflanzen noch heute. So ist
z. B. unter den Kruziferen Draba arktisch und antarktisch,
Lepidium fast kosmopolitisch, aber den hohen Norden und
die Hochgebirge meidend, Nasturtium tropisch und boreal.
Ranuneulus, Polygonum u. a. findet man vom hohen Norden
an durch alle Klimate. sStellaria media, Samolus valerandi,
Veronica anagallis, Parietaria debilis u. a. kosmopolitische Arten
sind gegen Klimadifferenzen unempfindlich oder sie müssen es,
als sie über die Tropen hin sich verbreiteten, gewesen sein.
Andere Arten sind nur in subtropischen Gebieten kosmo-
politisch wie Vallisneria spiralis, Limosella aquatica usw. Nichts
kann uns nötigen zu glauben, daß mikrotherme Pflanzen stets
mikrotherm waren. Instruktiv sind darin die Gramineen.
Viele gemeine nordische Arten von Poa, Festuca usw. er-
scheinen antarktisch unverändert wieder. Wenn sie daher
jetzt in den Tropen fehlen, so kann dies doch nicht von
jeher der Fall gewesen sein und daher finden wir einzelne
Arten darunter, die in tropischen Hochgebirgen wie Phleum
alpinum noch Stationen bewahrt haben, nur in vikariierenden
Formen erscheinen. Ähnlich steht es bei den Tieren. Die
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte, 223
Lamas u. a. Aucheniaarten der Anden fehlen jetzt den
Tropen, sind aber doch durch sie pliocän von Nordamerika
her eingewandert. Genau ebensogut können auch Sarijraga,
Vaeeinium, Valeriana, Bartsia usw. die Tropen tertiär passiert
haben. Die Gattungen Adinoceros und Elephas sind heute
exquisite Megathermen, und doch finden sich Vertreter von
ihnen unter jener diluvialen Säugetierfauna Europas, welche
den Unbilden der Eiszeit erfolgreich Widerstand zu leisten
vermochte!
Wenn aber Engler (II. p. 328) meint, gewisse Gruppen,
wie echte Sazifrageae, Valerianaceae, Ribes usw., welche jetzt
unter den Tropen nur in den höheren Regionen der Gebirge
angetroffen werden, müssen vor der Ausbildung der gegen-
wärtigen Höhendifferenz zwischen den Hochgebirgen und dem
Meere dem tropischen Gebiete ganz gefehlt haben; es müssen
daselbst nur Megistothermen!) existiert haben, so kann nach
dem eben Bemerkten diese Folgerung nicht als begründet
"anerkannt werden. Jede einzelne Gattung und Art hat ihre
| besondere Geschichte und davon hängt großenteils ihre Ver-
breitung ab. Es wird auch botanisch Gattungen geben, die
| von jeher megatherm waren, und andere, die es erst miocän,
| pliocän oder pleistocän wurden. So läßt sich, glaube ich
. aus der Verbreitung der Rhododendron dartun, daß sie bereits
plioeän dem Klima der gemäßigten Zonen oder Standorte
, angepaßt waren. Arten von Rhododendron finden sich in der
holarktischen Region, kehren im Himalaya, in Java u.a. asiati-
schen Inseln wieder, haben sogar mit einer Art Nordaustralien
erreicht, fehlen aber in Neu-Seeland, Polynesien und Süd-
l
| 2). In Widerspruch hierzu und in Übereinstimmung mit meiner
' "Darstellung nimmt Engler (II. p. 101) an, daß der große Formenkreis
der Bartsien sich in früherer Zeit auch einmal über das äquatoriale
Gebiet hinweg erstreckte, wie noch jetzt die Arten von Castilleja von
Brasilien bis Nordamerika verbreitet sind.
994 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
amerika. Sie müssen also vor der miocänen, aber nach der
eocänen Formation sich im indoaustralischen Gebiete ver-
breitet haben, damals als megatherme resp. heterotherme
Tropenpflanzen. Als aber zu Ende der Miocänformation
Nord- und Südamerika in Verbindung traten, gab es schon
keine megatherme Khododendron mehr. Deshalb konnten sie
die Anden nicht erreichen, wogegen eine sehr nahe stehende
Gattung Dejaria in Mexiko wie auf den Anden die Alpen-
rosen vertritt, und diese Gattung ist so wenig andin wie
alpin, daß sie auch in Florida und an der Küste von Georgia
noch gedeiht.
Auch die paläontologischen Befunde lehren ja, daß die
einzelnen Gattungen nicht von jeher die gleichen Ansprüche
an Wärme und Klima erhoben, so dab wir fossil Pflanzen-
gemeinschaften in Europa antreffen, welche heute Glieder
verschiedenartiger Provinzen darstellen. Und dies dauerte bis
fast zur Eiszeit hin an, denn in den oberpliocänen Schichten
von Niederrad und Höchst am Main finden sich nach Geyler
und Kinkelin') neben Juglans, Aesculus, Carya, Liquidambar
auch Corylus avellana, Betula alba, Picea vulgaris usw. und
sogar zwei heute in den Alpen wachsende Kiefern, Pinus
cembra und montana.
Wir werden im folgenden sehen, daß diejenigen Gattungen,
welche aus Nordamerika nach Südamerika eingewandert sind,
durchaus unter diese Gesichtspunkte fallen. Man könnte fast
sagen, alpine Gattungen existieren in den Anden gar nicht.
Die Vegetation der Anden stimmt im Norden vielfach mit
jener Mexikos, im Süden mit jener des antarktischen Amerika
überein, außerdem sind Elemente der neotropischen Flora,
wie Chusquea, Opuntia usw., sodann endlich die holarktischen
Eindringlinge in ihr vertreten. Diese letzteren aber sind
') Abh. der Senekenbergschen Naturf. Ges. 1887.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 295
nicht im mindesten auf die Anden beschränkt, es gibt von
ihnen andine Arten neben solchen der tropischen oder sub-
tropischen Regionen, es gibt aber in letzteren auch Vertreter
holarktischer Genera, welche nicht in den Anden vorkommen.
Zu den Familien, die von Nordamerika her einwanderten,
gehört u. a. jene der Caprifoliacen mit den Gattungen
Viburnum und Sambucus; in der Liste andiner Pflanzen von
Weddell kommt aber von ihnen nur eine einzige Art vor,
Sambucus peruviana, und diese existiert noch im subtropischen
Argentinien. Viburnum kommt auch in Zentralamerika und
Jamaika vor. Alchemilla pinnata, Gentiana cuspidata, Senecio
albicaulis, Aster marginatus, Krigeron cinerascens, Hieracium
frigidum und viele andere Arten sind in den Anden ver-
breitet, aber auch im subtropischen Argentinien nach Lorenz.
Das sind also Arten, die in den Tropenwaldungen der süd-
brasilianischen Region ebensogut gedeihen, wie in 4000 Meter
Höhe auf den Anden. Neben solchen heterothermen Arten
gibt es dann natürlich unzählige, welche jetzt nur noch andin
oder nur noch subtropisch vorkommen, in ersterem Falle
aber früher ebenfalls heterotherm waren. Man muß sich
eben doch nur in Erinnerung behalten, daß auch in der süd-
brasilianischen Region und in den subtropischen Waldgebieten
Argentiniens massenhaft Arten von Zanuneulus, Clematis,
Anemone, Rubus, Alchenilla, Valeriana, Gnaphalium, Senecio,
Plantago, Gentiana usw. vorkommen, es wäre somit gänzlich
verkehrt, mit diesen Gattungsnamen ohne weiteres die Anden-
wanderung zu verknüpfen. Sie alle sind über rein tropische
Gebiete eingezogen und je nach ihren Eigentümlichkeiten
sind sie entweder in tropischen Gebieten oder in subtropischen
geblieben oder sie haben sich nur in gemäßigten Breiten
erhalten, sei es in der Ebene oder auf den Anden. Sehr
viele dieser Arten, welche das mexikanische Hochland mit
den Anden gemein hat, sind auf das Gebirge von Kolumbia
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 15
226 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
bis Peru beschränkt, andere im Gegenteil treten erst weiter
südlich in Chili auf und im Norden in Kalifornien, allein
auch das sind keine speziellen Alpenwanderer. Anemone
decapetala wird gefunden im westlichen Nordamerika, in Chili,
aber auch im subtropischen Argentinien. Auch die Acaena-
Arten sind nicht an die Anden gebunden und Acaena
laevigata, die einzige Art, welche von Patagonien bis Mexiko
reicht, fehlt in Weddells Liste andiner Pflanzen, so daß:
ihre Verbreitung jener von Primys winteri ganz entspricht.
Wie man auch die Frage beleuchtet, stets ergibt sich,
daß die von Norden her eingewanderten Gattungen als
megatherme Tropenpflanzen einwanderten, daß sie zwar zum
Teil der andinen Flora sich einverleibten, daneben aber großen-
teils auch in den subtropischen Waldgebieten persistierten.
Wenn wir aber nun wissen, daß einst ausgedehnte Land-
massen antarktisch existierten, so darf die Anwesenheit dieser
holarktischen Gattungen nicht auf Einwanderung aus Nord-
amerika bezogen werden, wo dieselbe Gattung auch in Neu-
Seeland, Australien usw. wiederkehrt. Daß ein großer Teil
dieser Gattungen der gemäßigten Zone in Wahrheit antark-
tischen Wanderungen entstammt, kann kaum bezweifelt
werden. So sind Aanunculus, Rubus, Potentilla, Geum, Epilobium,
Veronica, Gentiana, Senecio, Gnaphalium, Plantago u. a. außer
in der holarktischen Region und im südlichen Südamerika
auch in Australien, Tasmanien und Neu-Seeland vertreten,
Ihnen schließen sich viele andere an, welche auf die südliche :
Halbkugel beschränkt sind. Die Liste dieser Pflanzen gab: :
Hooker, eine abgekürzte, die weiter verbreiteten Arten weg-
lassende Wiederholung bringt Engler (II. p. 94), welcher
auch die zahlreichen vikariirenden Spezies zusammenstellt.
Stellen wir uns nun vor, daß diese weitverbreiteten Arten
einst von den antarktischen Landmassen, mit denen auch
die Sandwichsinseln nah zusammenhingen, sich weithin ver- ;
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 227
| breiteten, so ist doch klar, daß sie nach der Zerlegung des
ungeheuren Areales in zahlreiche Stücke nicht auf allen
gleichmäßig sich erhielten, so daß von den in Südamerika
vertretenen Gattungen einzelne im ganzen altozeanischen
Florengebiete, andere nur in Teilen desselben sich erhielten.
So ist Nertera depressa von den Sandwichsinseln über Neu-
' Seeland und Australien bis zum südlichen und andinen Süd-
‚ amerika verbreitet, Fragarıia chilensis findet sich ebenfalls auf
' den Sandwichsinseln, fehlt aber in Neu-Seeland usw., die
' Gattung Osteomeles hat das andine Südamerika lediglich mit
den Sandwichsinseln gemein. Wenn nun dort einzelne Formen
sich erhielten, welche in Australien und Neu-Seeland aus-
starben, so kann auch in Südamerika ein und die andere
Gattung sich erhalten haben, welche in Australien und Neu-
Seeland erloschen ist. Dies kann gelten von Vaceinium,
welches übrigens auf den Sandwichsinseln wiederkehrt, ebenso
wie Aster und Zrigeron. Letztere beiden Gattungen sind auch
auf den Alpen von Neu-Guinea nachgewiesen. Daß die süd-
amerikanischen Veronica nicht mit den nordamerikanischen
verknüpft sind, sondern mit denen von Neu-Seeland, erkennt
auch Engler an (II. p. 100), und ebenso bezüglich Fagus,
indem die Arten des antarktischen Amerika sich den übrigen
antarktischen der Sektion Notofagus anreihen, nicht den
holarktischen. Die antarktischen Caltha-Arten von Südamerika
können nicht von den holarktischen abgeleitet werden, sondern
gehören mit jenen der übrigen antarktischen Gebiete in die-
selbe Sektion. Diese Übereinstimmung zwischen den antark-
tischen Gebieten ist so ausgesprochen, sei es in identischen
oder vikariirenden Arten oder Gattungen, sei es in bestimmten
Familien, daß ich um so weniger auf sie hier einzugehen
brauche, als ja schon Engler das eingehend durchführte.
Besonders muß noch auf die Verbreitung der Koniferen
hingewiesen werden. Im südlichen Amerika trifft man Podo-
10>
298 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
carpus und Araucaria ziemlich weit verbreitet und im antark- \
tischen Gebiete auch Fitzroya, Daerydium, Libocedrus. Alle |
diese Koniferen sind im australisch-neuseeländischen Gebiete |)
weit verbreitet und entstammen somit offenbar dem antark-
tischen Kontinente der mesozoischen Epoche. Dafür, daß |
irgend eine Konifere aus Nordamerika jemals nach Südamerika !
vorgedrungen sei, fehlt jeder Anhalt, da die nordamerikanischen |
Formen, Pinus speziell, wohl bis Guatemala und Kuba, nicht i
aber bis Südamerika vordrangen. Zibocedrus zwar ist auch
in Kalifornien vertreten, aber auch in Neu-Seeland, Neu-
Kaledonien, Japan und China und war fossil noch sehr viel }
weiter verbreitet. Eher könnte man versucht sein, die fossile
Sequoia des chilenischen Eocän oder Miocän auf kalifornische
Einwanderung zu beziehen, allein eine solche Annahme würde
ganz isoliert ohne Seitenstück dastehen, und um so gewagter |
erscheinen, als auch Seguoia in der Kreide schon weite Ver-
breitung hatte und überdies das chilenische Vorkommen nur
auf Blattreste basiert ist. Es kann daher Seguoia ganz wohl |
die gleiche Verbreitung wie Araucaria gehabt haben, indes 4
tut man besser, bis zum Nachweis von Früchten diesem
Befunde keine zu hehe Bedeutung beizumessen und sich an |
das zu halten, was sicher feststeht. So ergibt sich denn, daß |
diese Koniferen des südlichen Südamerika nur einen Teil !
der antarktisch-australischen Flora ausmachen und nicht über !
Nordamerika eingewandert sind. Die Abietineae und Taxaceae )
gehören der nördlichen Hemisphäre an und scheinen nie das !
antarktische Gebiet erreicht zu haben. Ob die einst kosmo-
politischen Araucarien ursprünglich der südlichen Hemisphäre !
entstammen, ist schwer zu sagen. Wenn in der Kreide und |
im Eocän von Australien bis Deutschland eine vielfach
identische Mischflora herrscht, so fehlt jeder Anhalt, von;
europäischem oder australischem Elemente darin zu reden.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 2929
| meint, es sei noch nicht nachgewiesen, daß die Südpolar-
| länder einst die Wiege der antarktischen Koniferentypen
| gewesen, so dürfte darin wohl eine Unterschätzung dessen,
‘was aus Neu-Seeland bekannt ist, liegen. Dort reichen
Dammara und Araucaria nicht bloß in den Jura, sondern
letztere selbst auch in die Trias!) zurück. Es kann danach
keinem Zweifel unterliegen, daß Koniferen einst auf den
Sandwichsinseln existierten, dort aber ebenso wie Araucaria
in Neu-Seeland erloschen.
| Dagegen fehlt dem ganzen Gebiete der Archhelenis jede
eigentümliche Konifere. In Brasilien haben sich Podocarpus
und Araucaria etwas gen Norden ausgebreitet, in Afrika und
Madagaskar trifft man wieder Podocarpus und dann Callir:s,
gleichfalls eine australische Gattung. Diese indo-australischen
Typen sind Glieder jener miocänen und pliocänen Einwande-
rung, welche das Tier- und Pflanzenleben jener Gebiete so
mächtig umgestaltete, gerade so wie der Juniperus der Gebirge
Abessyniens ein Glied jener mediterranen Tertiäreinwande-
rung darstellt, deren Ausläufer jetzt der Kapflora einen
guten Teil ihrer charakteristischen Eigentümlichkeit verleihen,
und welche im übrigen äquatorialen Afrika sich nicht er-
halten, außer auf den Höhen der Gebirge. Gewiß werden
in der ersten Hälfte der mesozoischen Epoche auch in Arch-
helenis Koniferen existiert haben, aber sie erloschen zeitig,
ohne es zur Erzeugung eigenartiger und dauerhafter Genera
zu bringen. Was daher jetzt im Gebiete der Archhelenis
existiert von Koniferen, entstammt miocäner oder pliocäner
Einwanderung, in Eocän und Kreide wird es vermutlich
schon keine Koniferen mehr in diesem Gebiete gegeben haben.
Neben den kosmopolitischen Genera Araucaria, Podocarpus
usw. geht nun die andere Gruppe zirkumpolarer Koniferen,
ı) Cf. Hector, Transact. New Zealand Inst., vol. XI. 1879 p. 536.
230 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
welche nie den Äquator überschritten. Nur Pinus erreicht \
die Wallace-Linie, offenbar infolge von postmiocänen Wande-
rungen. Diese Abietineen und Taxeen bildeten von der |
Kreide an einen Hauptanteil der Waldflora von Grönland,
Spitzbergen und anderen hochnordischen Gebieten, über :
welche hin sich bis zum Tertiär und vielleicht noch in dieses ı
hinein der Austausch zwischen der nearktischen und palä- \
arktischen Region vollzog.
Wie mit den Koniferen scheint es mir auch mit den
Droseraceen zu stehen. Die andine Sektion der Psychrophilen ®
kehrt in Tasmanien und Neu-Seeland wieder. Drosera-Arten
kommen auch in Südbrasilien auf feuchten Wiesen vor, unter
ihnen auch die europäische Dr. intermedia, während eine
andere holarktische Art bis zu den Sandwichsinseln reicht.
Sehr reich entwickelt ist die Gattung in Australien, von wo
eine Art, Dr. indica, sich bis zum tropischen Afrika und |
Indien verbreitet hat, eine Verbreitung, die demnach in der \
oligocänen Formation sich vollzogen haben dürfte. Da im
übrigen Drosera den Tropen fast ganz fehlt, so dürfte sich
die Anpassung an ein gemäßigtes Klima schon in der ersten °
Hälfte des Tertiärs vollzogen haben, so daß über die pliocäne
tropische Landbrücke Zentralamerikas Drosera so wenig hat
vordringen können wie Rhododendron. Es steht hiermit im
Einklang, daß man von ganz Zentralamerika und Mexiko
keine Drosera-Arten kennt. Auch hier drängt eine unbefangene '
Kritik dazu, die südamerikanischen Arten von dem unter-
getauchten antarktischen Kontinente abzuleiten, nicht aber
von Nordamerika.
Wir haben offenbar überall zwischen Gattungen zu unter-
scheiden, die schon lange an ganz bestimmte thermische Be-
dingungen angepaßt sind, und anderen, bei denen dies erst
ganz kürzlich erfolgt ist. Alieracium ist in Europa im wesent-
lichen eine alpine Gattung, in Südamerika kommt sie auf den
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 231
En
Anden vor wie in der tropischen Vegetation der Tiefebene.
Nichts wäre verkehrter als /lieracium mit Rücksicht auf die
europäischen Verhältnisse als eine ganz junge posttertiäre
Gattung anzusehen; die Eiszeit hat nur die jetzigen Lebens-
gewohnheiten der übriggebliebenen europäischen Arten er-
zeugt oder fixiert. Als ein solcher ganz moderner Anpassungs-
vorgang muß uns auch die Verbreitung von Celtis tala gelten:
Argentinien und Südbrasilien, dann wieder Texas. Bedenkt
man, daß neben dieser Art in Argentinien andere vorkommen,
die weit gen Norden reichen, daß einzelne Arten von Peru
bis Westindien reichen, so kann man nicht zweifeln, daß auch
Celtis tala pliocän über das ganze tropische Südamerika ver-
breitet war, dann aber in den Tropen erlosch. Cyperus com-
pressus ist über die ganze Erde verbreitet, aber nur in den
Tropen, wogegen Cyperus flavescens sowohl in der holarktischen
Region lebt als in Afrika und Brasilien. Den Ausgangs-
punkt bilden überall die weitverbreiteten heterothermen Pflanzen,
die dann entweder heterotherm bleiben oder aber sukzessive
sich mehr einem bestimmten Klima anpaßten und dann pan-
tropisch sind oder eine bipolare Verbreitung aufweisen, indem
sie im Tropengürtel erloschen oder auf zusagende hohe Stand-
orte sich zurückzogen. Wenn wir Geum urbanum L. und
Potentilla anserina L. in der nördlichen wie in der südlichen
gemäßigten Zone enorm weit verbreitet finden, so können
wir diese Verbreitung nur verstehen, wenn wir annehmen,
daß diese Pflanzen einst auch in der Äquatorialzone ver-
breitet waren, daß sie einst megatherme und heterotherme
Arten besaßen.
Wenn solche weit verbreitete Arten nun auch im ant-
arktischen Amerika auftreten, so liegt darin nach dem, was
wir über die Geschichte der antarktischen Region wissen,
nichts Überraschendes. Da über Zentralamerika nur Glieder
der Tropenflora resp. subtropische Arten einwandern konnten,
239 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
so werden wir alle Gattungen gemäßigter Breiten, für die
sich die Annahme heterothermer pliocäner Arten ausschließen
läßt und welche gleichwohl in Südamerika wieder auftreten,
von der antarktischen Einwanderung ableiten müssen. Ich
glaube in der Tat, daß man in dieser Hinsicht nicht skep-
tisch genug sein kann. Wenn wir in Australien in der eocänen
Flora Fagus, Alnus, Quercus usw. finden und die südameri-
kanischen damit in Verbindung zu bringen haben, so müssen
neben Fagus, Salix usw. anch noch andere jetzt in Südamerika
erloschene Gattungen mit eingewandert sein, so doch wohl
auch Quereus, überhaupt alle Genera, welche in der Kreide
von Australien und Neu-Seeland vorkommen. Die wenigen
weitverbreiteten Genera, welche wie Viola z. B. in Neu-Seeland
sich finden, in Südamerika nicht, dürften da erloschen sein.
Es kann aber auch der umgekehrte Fall sich ereignet haben,
wie etwa mit Vaceinium. Ich bezweifle nicht, daß manche
der vorzugsweise den gemäßigten Zonen eigenen Gattungen
Siidamerikas über Zentralamerika einwanderten, doch finde
ich, daß beim Mangel fossiler Ausweise hierüber in vielen
Fällen sicheres nicht zu sagen ist. Gattungen, deren Er-
scheinen in Südamerika man mit einiger Sicherheit auf Ein-
wanderung von Nordamerika her beziehen kann, sind: ‚Berberis,
Lupinus, Astragalus, Juglans, Spiraea, Itibes, Pedicularis, Vale-
riana, Hieracium, wahrscheinlich auch Sawifraga, Bartsia, Alche-
milla. Dies alles sind Gattungen, die auf den Felsengebirgen
oder auf der kalifornischen Sierra Nevada einerseits und auf
den Anden andererseits vorkommen, die aber in Südamerika
nicht auf die Anden beschränkt sind. Es kommen auf den
Anden auch Gattungen der holarktischen Region vor, welche
in Nordamerika nicht alpin sind, wie Sambucus. Daneben
“finden sich dann auch Vertreter nordischer Genera in Pata-
gonien oder an der Magellansstraße, welehe andin nicht vor-
kommen. Überhaupt spielen die Anden in der Physiognomie
TEE
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 933
Südamerikas eine untergeordnetere Rolle als die Alpen oder
der Himalaya in der alten Welt. Man könnte die Anden
aus der südamerikanischen Flora herausnehmen, ohne irgend
etwas an dem Gesamtbilde der südamerikanischen Vegetation
zu ändern. Gattungen, die wie Drimys und Acaena ihren
Weg bis Mexiko fanden, hätten ihn auch ohne die Anden
gefunden, welche in dieser Wanderung keine Rolle spielen.
Aus diesen Gründen kann ich es nicht billigen, wenn
Engler das argentinisch-chilenische Gebiet zum südameri-
kanischen Florenreiche, aber das südchilenische Waldgebiet
in das altozeanische Florenreich bringt. Scharfe Grenzen sind
da, wo drei verschiedene Floren sich mischen, nicht gegeben.
Bis zum Miocän gab es nur zwei Florenelemente in Süd-
amerika, das tropische und das antarktische, und diese alten
Grundelemente dürften noch heute die Basis für die Ein-
teilung abgeben, wo doch die Einwanderung über Zentral-
amerika neue Elemente massenhaft zugeführt hat. Noch ehe
die Verbindung mit Nordamerika zustande kam, waren die
beiden Teile, aus denen die Anden sich bildeten, in Ver-
bindung getreten und auf ihren noch wenig erhobenen Höhen-
zügen ergoß sich vielleicht die tropische Flora von Guiana
und Brasilien bis zum mittleren Chili (37° s. Br.), auf tro-
pisches Klima hinweisend und ebenso gänzlich frei von nord-
amerikanischen Formen als etwa die miocänen und alttertiären
Säugetierfaunen von Argentinien. Diese Flora starb bis auf
kümmerliche Reste aus bei fortschreitender Hebung der Anden
und nun wird auch das antarktische Element weiter gen
Norden vorgerückt sein. Als dann später in Argentinien
weitere Elemente von Norden her anlangten, konnten sie die
Anden nicht mehr überschreiten, und so konnten z.B. Pistia
Stratiotes und Arten von Victoria, Eichhornia, Pontederia,
Heteranthera usw. nach Südbrasilien und Argentinien kommen,
nicht aber nach Chili. In Kolumbien aber und Ecuador
234 Das neotropische Florengebiet nnd seine Geschichte.
besteht ein solcher Gegensatz nicht. Ob diese Wasserpflanzen
in Eeuador die westlichen wie die östlichen Gewässer be-
siedeln, in strenger Analogie mit dem was die Fauna dar-
bietet, habe ich noch nicht ermitteln können, jedenfalls aber
betont auch Engler, daß dort die Tropenflora durch die
Anden keine Unterbrechung erfährt. Dort allerdings könnte
sich von Panama aus eine einheitliche Vegetation zu beiden
Seiten der Anden gen Süden verbreitet haben, allein auf die
Siißwassertiere und ebenso die Süßwasserpflanzen paßt beim
Mangel großer langer Ströme diese Erklärung nicht. Ohne
also hierüber bis jetzt Klarheit gewinnen zu können, finde
ich doch im allgemeinen bestätigt, daß auch botanisch wie
zoologisch der Süden und der Norden der Anden Differenzen )
zeigt, welche aus klimatischen Bedingungen nicht erklärt
werden können, sondern aus geologischen. So sehr daher
auch diese außer von mir nie beachteten Verhältnisse erst
der Klärung bedürfen, so scheint mir doch aus dem, was
darüber vorliegt, bereits wahrscheinlich, daß zoologische und
botanische Forschung auch hier zu übereinstimmenden Er-
gebnissen kommen werden.
Aus dem Vorausgehenden ergibt sich, daß die Wallace-
sche Theorie von der kontinuierlichen Wanderung arktisch-
alpiner Arten von Nordamerika über die Felsengebirge und
Anden bis zur Magellansstraße ein Irrtum ist. Engler weist
(Il. p. 224) darauf hin, daß keine der verbreiteten Glacial-
pflanzen der Felsengebirge auf dem mexikanischen Hochlande
vorkommt, während Wallace sie bis zum Peak von Orizaba
und von da in kühnem Sprunge nach Neu-Granada gelangen
') Ich möchte glauben, daß hierin Grisebach einen zutreffenderen
Standpunkt einnimmt als Engler, wenn er (II. p. 478) betont, daß die
Wüste Atacama zwei Florenelemente trenne: das chilenische und das
peruanische, wiewohl ja auch er die weite Wanderung einzelner andiner
Genera anerkennt.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 235
läßt. Die wirklich nachweisbaren Wanderungslinien zwischen
Nord- und Südamerika führen über Zentralamerika und dann
teils zum östlichen Südamerika, teils längs der pazifischen
Küste nach Chili, wobei dann, den klimatischen Verhältnissen
entsprechend, in letzterem Falle besonders Xerophile in Be-
tracht kommen. Mit den Begriffen xerophil und hygrophil
dürfte es übrigens ebenso stehen wie mit der Mega- und
Mikrothermie; auch sie stellen keine unveränderlichen und
von jeher gegebenen Momente dar. Eine Liste identischer
Spezies und Genera, welche Chili und Kalifornien gemein
haben, gab Engler (II. p. 224), doch ist dieselbe von Voll-
ständigkeit weit entfernt. Außer mancherlei Kompositen
fehlen z. B. Pleetritis major, Montia fontana, Lepuropetalon
spathulatum, Valeriana urtieaefolia, Fagonia chilensis mit ihren
kalifornischen und europäischen Varietäten californica und
eretica und Arten von Callitriche, Alsine, Acanthonyctia, Sucks-
dorfia u.a. Es mag allerdings vielfach schwierig sein, diese
pazifische Litoralflora von der andinen zu trennen. Manche
Arten finden sich auch zu beiden Seiten der Anden und
können daher der östlichen Zuglinie entstammen. Diese
Wanderungslinien müßten zum Gegenstande speziellerer Studien
gemacht werden.
Wenn somit auch an den pazifischen Küsten eine
Wanderungslinie herzog oder vielleicht noch zieht, und
andererseits, wie Engler (II. p. 149, 175, 198) dartut, eine
Verbreitung ostasiatischer Formen längs der pazifischen
Küsten zum westlichen Nordamerika nachweisbar ist, so ist
es auch denkbar, daß Glieder dieser Einwanderung nicht
nur im Tropengürtel, sondern auch in Nordamerika aus-
starben. Die Verbreitung der Lardizabalaceen (Himalaya,
China, Japan, Chili) ist wohl kaum anders zu verstehen.
Hiermit geraten wir allerdings vor die weitere Perspektive,
daß indoaustralische Gattungen zirkumpazifisch Chili und
936 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte,
Feuerland erreicht haben können. Claytonia wird angetroffen
in Neu-Seeland, Australien, Ostasien, Nordwestamerika und
im antarktischen Amerika, so daß man ebensowohl an eine
zirkumpazifische wie an eine antarktische Wanderung denken
könnte. Dazu kommt, daß in der Tertiärzeit die jetzt regen-
armen Gebiete der pazifischen Küste Amerikas bei geringerer
Höhe der Gebirge in bezug auf die atmosphärischen Nieder-
schläge günstiger gestellt waren und Wanderungen auch von
hygrophilen Gattungen zulieden, die dann wieder an geeig-
neten Punkten, etwa der Wüste Atacama, die Anden über-
schreiten konnten.
Bei allen diesen Wanderungen sehen wir einen Austausch
von Norden nach Süden wie auch in umgekehrter Richtung
sich vollziehen. Nicht nur das neotropische Element mit
seinen charakteristischen Familien, ‚wie Cacteen, Bromelia-
ceen usw. zieht über Zentralamerika nach Mexiko usw. ein,
sondern auch Glieder der antarktischen Flora, wie Drimys,
Acaena, Calceolaria usw., während holarktische Caprifoliaceen,
Spiraea, Lupinus, Polemoniaceen, Zeibes, Valeriana usw. weit
nach Südamerika eindringen, indes andere, wie Eichen, den
Äquator nicht erreichen. So und nicht anders kann und
muß sich der Austausch zwischen zwei früher getrennten Ge-
bieten vollziehen, wenn sie in Kontakt treten, wobei nur die
klimatischen Bedürfnisse der wandernden Elemente maßgebend
sind. Wallace hingegen (p. 527) stellt eine sonderbare ge-
künstelte Theorie auf, um zu erklären, daß nur nordische
Arten und Gattungen in das antarktische Gebiet kommen
konnten, nicht umgekehrt. Es sei nämlich im Norden eine
zusammenhängende Landmasse gegeben, indes auf der süd-
lichen Hemisphäre Südafrika, Patagonien und Australien
geringe Ausdehnung hätten und weit getrennt seien. Mag
aber der Zusammenhang mit dem Norden noch so schmal
sein, immer bietet eine solche Brücke Raum sowohl für Hin-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 237
wie für Herwanderung. Weder die Tatsachen noch die Er-
klärungen sind bei Wallace richtig. In der Flora Mexikos
überwiegen die tropisch-südamerikanischen Genera, aber in
seiner Hochgebirgsflora ist das antarktische Element noch
durch Colobanthus, Acaena, Geranium, Fuchsia usw. vertreten
und auch außerhalb des Hochgebirges finden sich dort wie
in Kalifornien teils dieselben Gattungen, teils Primys, Mimulus,
Caleeolaria und andere Glieder jener antarktischen Flora, die
vom südlichen Amerika aus sich über Süd- und Zentral-
amerika bis Mexiko und Kalifornien ausbreitete. Alle diese
Genera sind aber nicht ausschließlich andin. Die Mutisiaceen
und Zscallonia aber, welche in den Anden die Alpenrosen
vertreten, kommen zwar bis zum Äquator hin vor, da aber
nur (Grisebach II. p. 439) an der Grenze des ewigen
Schnees. Nach Zentral- und Nordamerika sind diese andinen
Hochgebirgsformen so wenig gekommen wie die nordameri-
kanischen Rhododendron nach den Anden.
Daß der Wallacesche Erklärungsversuch gänzlich ver-
fehlt ist, dürfte aus dem Vorausgehenden hinlänglich klar
hervorgehen. Es steht um ihn nicht besser auf zoologischem
Gebiete. Es ist gewiß eine auffallende Erscheinung, daß im
südlichen Argentinien und in Chili nordische Typen von In-
sekten wieder auftreten, Oarabiden, Zasius unter den Ameisen,
von Schmetterlingen Colias, Lycaena, Argynnis. Lasius und
Lycaena, obwohl sonst holarktisch, treten aber auch in Neu-
Seeland wieder auf, Colias im Himalaya, auf den Sandwichs-
inseln, Argynnis in Australien. Alle drei oben genannten
Schmetterlingsgattungen finden sich auch (nach A. Agassiz)
auf den Galapagos, wo kaum ein halb Dutzend Arten ge-
funden wurde. Soll auch das wieder Zufall sein, oder ist
es nicht vielmehr ein Zeichen, daß die Eiszeit nichts mit der
Verbreitung dieser Gattungen zu tun hatte, sondern daß es
sich in ihnen um ein Überbleibsel einst weit verbreiteter
238 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Gattungen handelt, die heute mikrotherm sind, einst aber
megatherm waren?
Gerade diese Übereinstimmung der Ergebnisse auf den
verschiedensten Gebieten gibt den sicheren Beweis, daß die
antarktischen Beziehungen von Archiplata nur durch ehe-
maligen Landzusammenhang zu erklären sind. Nicht Strand-
und Seepflanzen allein sind in diesen antarktischen Gebieten
identisch, nicht solche allein mit Pappus oder Beeren und
Früchten, es nehmen vielmehr ganz allgemein alle Kategorien
der Flora daran Teil bis zu den Wasserpflanzen, Sumpfpflanzen
und den Koniferen. Bei solcher Sachlage hat man botanischer-
seits um so weniger Veranlassung, an den Wallaceschen
falschen Hypothesen fest zu halten, als die richtige Erklärung
gerade von einem eminenten Botaniker, von J. Hooker zu-
erst aufgestellt und begründet wurde. Sie geriet durch die
Wallaceschen Lehren in eine völlig unverdiente Vergessen-
heit, bis von Neu-Seeland aus zuerst wieder ihre Berech-
tigung nachgewiesen wurde. Hutton in seiner sehr wich-
tigen Arbeit weist auf die Notwendigkeit hin, zur Erklärung
der biogeographischen Phänomene auf Hookers Ansicht von
der einstigen Existenz antarktischer Landmassen zurückzu-
gehen. Hutton sagt darüber, daB er zuerst 1872 die Hypo-
these aufgestellt habe, daß während der Kreideformation ein
antarktischer Kontinent sich nordwärts nach Polynesien aus-
dehnte, Australien mit Südamerika und vielleicht Südafrika
verbindend. Letztere Annahme, wesentlich der Struthio-
niden halber vertreten, habe er durch Wallace überzeugt
wieder fallen lassen. Dieser Kontinent müsse nach der Jura-
und vor der Eocänperiode existiert haben. Die Entdeckungen
in Patagonien scheinen mir es wahrscheinlich zu machen, daß
wenigstens bei Beginn des Eocänes dieser Zusammenhang noch
bestand. Die fossilen Stämme der Kerguelen wie der Crozet-
inseln bezieht Hutton offenbar mit Recht auf diesen Konti-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte, 239
ad
nent. Die Koniferen sind Gewächse, welche nur auf Konti-
nenten oder großen Inseln gedeihen, sie fehlen den sog. ozea-
nischen Inseln. Schon dieser Umstand und die geringe Be-
fähigung ihrer Samen zu weiten und zufälligen Wanderungen
macht die fossilen Koniferen der Kerguelen zu Zeugen einstiger
ausgedehnter antarktischer Landmassen. Auch Ameghino
zieht aus seinen Studien über das patagonische Eocän die
Folgerung, daß ein Zusammenhang mit Australien bestanden
haben müsse.
So wirken alle Faktoren zusammen, um die Anteilnahme
von Wind, Meer und Vögel an der Verbreitung der Pflanzen
auf ein bescheideneres und mit den tatsächlichen Erfahrungen
in Einklang stehendes Maß zu reduzieren. Die Wanderung
längs der Felsengebirge und Anden bis nach Feuerland er-
weist sich ebenso als unhaltbares Phantasiegebilde wie die
Weiterverbreitung von Feuerland durch Meer, Eisberge und
Albatrosse. Im Gegensatze zu der geschilderten Wallace-
schen Darstellung kann nur die von mir wie von Hooker,
Hutton, Ameghino u. a. geforderte antarktische meso-
zoische und vielleicht noch eocäne Landverbindung die in-
timen Beziehungen erklären, welche zwischen dem Archi-
' platagebiete und Neu-Seeland, Australien usw. bestehen.
IV. Die Archhelenis.
Es ist eine bekannte Tatsache, daß viele Arten und
Gattungen von Brasilien oder Guiana in Afrika, Madagaskar
usw. wiederkehren. Ich möchte auf diese als bekannt voraus-
gesetzten Verhältnisse nicht näher eingehen, sondern direkt
an die Darstellung von Engler (II. p. 162ff.) anknüpfen.
Das tropische Amerika hat danach bestimmte Gattungen mit
dem tropischen Afrika gemein (Engler II. p. 176 ff.), andere
mit Madagaskar, wieder andere reichen von Südamerika über
' Afrika, Madagaskar, die Mascarenen und Vorderindien in
240 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
das Monsungebiei. Eben solche Beziehungen zeigen uns
manche Gruppen des Tierreiches, jedoch nur solche, die be-
reits im Eocän oder mesozoisch repräsentiert waren. So
stellt sich das tropische Gebiet heutigen Tages als eine pan-
tropische, bis zum nördlichen Australien reichende Region
dar. Dieselbe bietet Anlaß zu einer Gliederung in eine neo-
tropische und eine paläotropische Subregion, die jede wieder
bestimmte charakteristische Züge aufweist. Teils sind in
Südamerika besondere Gruppen erst während der Tertiär-
zeit entstanden und daher auf den Kontinent beschränkt wie
die Kakteen, Bromeliaceen usw., teils hat die tertiäre Ein-
randerung indoaustralische Typen nach Afrika und Mada-
gaskar gebracht (Proteaceen, Koniferen, Nepenthaceen usw.),
welche nach Südamerika nicht gelangen konnten. So sehen wir |
einerseits einen alten Stock gemeinsamer Arten, Gattungen, |
Familien usw., andererseits tertiäre Beeinflussungen, welche
bei veränderter geographischer Konfiguration nur eines der
mancherlei jetzt getrennten Gebiete betrafen.
Daß diese Sachlage der von mir vertretenen Auffassung ı
eines einstigen Zusammenhanges von Südamerika und Afrika
sehr günstig ist, bedarf keines besonderen Hinweises. Engler !
(II. p. 174) äußert bezüglich des Zusammenhanges der alt-
und neuweltlichen Tropenflora: „die gegenwärtig existierenden
Wege der Verbreitung und die uns bekannten Verbreitungs-
mittel wollen da nicht mehr zur Erklärung ausreichen“.
Namentlich fehlen Engler zufolge die tatsächlichen Belege :
dafür, daß in der Kreide und im älteren Tertiär im nordöst- |
lichen Asien und im nordwestlichen Amerika die rein tropischen :
Gattungen existierten, von denen die jetzt pantropischen Arten
der gleichen Gattung abgeleitet werden könnten.
Diese Schwierigkeit dürfte größer sein, als man ohne i
weiteres anzunehmen geneigt sein könnte. Drude hat hervor- \
gehoben, daß nur drei Palmenarten dem neotropischen und :
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 241
paläotropischen Gebiete gemeinsam zukommen. Daß dieses
Verhältnis nur durch den Menschen bedingt sein sollte, ist
doch kaum wahrscheinlich, da die Aaphia des Amazonen-
stromes eine eigenartige Varietät darstellt, also schon lange
dort wachsen wird. Der Übertragung durch das Meer steht
die Tatsache des raschen Erlöschens der Keimkraft bei den
Palmen entgegen, auch müßte man dann für Cocos eine
Wanderung von Westen nach Osten, für Hlaeis und Raphia
eine solche in umgekehrter Richtung annehmen. Daß Palmen
‚durch das Meer verbreitet wurden, steht nur für Cocos und
Nipa fest, typischen Gliedern der Strandflora, aber weder
die im Monsungebiet verbreiteten Früchte der Seychellen-
Doppelkokusnuß, noch andere durch die Strömung verschleppte
Palmenfrüchte keimen am Meeresstrande, möglicherweise mit
Ausnahme von Manicaria, deren Verbreitung indessen auch
auf dem pliocänen Landwege von Guiana nach den Antillen
‚erfolgt sein kann.
Nähere Beziehungen zwischen den neotropischen Palmen
und jenen von Afrika usw. ergeben die @eonomeae, die unter
10 Gattungen 7 südamerikanische haben, 2 in Westafrika,
lin Indien. Die Morenieae gehören ebenfalls dem tropischen
Amerika an, haben aber eine Gattung auf den Mascarenen.
Was an fossilen Palmen aus der holarktischen Region von
Kreide und älterem Tertiär bekannt wurde, gehört lediglich
zu den kosmopolitischen Sabaleae und den Coryphinae. Es
ist immerhin möglich, daß die Sabaleae erst tertiär in das
tropische Südamerika eindrangen, und daß sie der Arch-
helenis ganz fehlten. Dafür spricht ihr Fehlen im Gebiete
‚des Amazonas sowie in Afrika, auf Madagaskar und den
Mascarenen. Die Anwesenheit von Sabaleen in Südamerika
kann zum Teil auf pliocäner Einwanderung von Mexiko, zum
Teil aber auch von ihrer Anwesenheit in der frühtertiären
Flora von Chili herrühren, in der nach Engelhardt die
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 16
242 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Gattungen Sabal und Flabellaria vorkamen. Diese Palmen
des älteren chilenischen Tertiär passen vollkommen in die
sonstige Umgebung von Fagus, Sequoia, Ephedra, Persea,
Apocynophyllum, Bombax, Ilex usw., sie sind Glieder jener
holarktischen Kreide- und Eocänflora, welche über Asien
nach Australien bis nach Neu-Seeland und Chili sich aus-
breitete. Engelhardt!) hat diesen Gesichtspunkt nicht in
Betracht gezogen, er hat alle diese Blätter nur mit tropisch-
amerikanischen verglichen. Es wird um so mehr nötig sein,
auch die australisch-antarktische Flora in Vergleich zu ziehen,
als ja doch die Resultate einer solchen ausschließlich auf
Blätter basierten Studie einigermaßen unsicher sind.
Man hat in Europa und Nordamerika im älteren Tertiär
und in der Kreide eine große Anzahl von jetzt auf die
Tropen beschränkten Gattungen vertreten gefunden, allein
doch mit gewissen Unterschieden. Während manche tropische
Familien wie Menispermaceae, Musaceae, Pandanaceae, Anonaceae
u. a. sicher nachgewiesen scheinen, fehlt für andere ein der-
artiger Nachweis völlig, so für die. Malpighiaceae, Tern-
stroemiaceae, Passifloraceae, Combretaceae, Burseraceae, Olusiaceae,
Dilleniaceae, Podostemaceae, Pontederiaceae, Aizoaceae, Balano-
phoraceae, Fafflesiaceae, Hydnoraceae, Olacaceae, Nyctagineae, indes
er für viele andere wie Zingiberaceae, Sterculiaceae usw. ganz
unsicher ist. Es ist daher um so eher möglich, daß ein Teil
von diesen Familien in jener Zeit der holarktischen und
indoaustralischen Flora fehlte, als ja auch Engler wiederholt
auf den Gegensatz zwischen Vorderindien und Hinterindien
hinweist, einen Gegensatz, den man auch zoologischerseits zu
konstatieren hat bei Berücksichtigung älterer Gruppen. Es
fehlen allerdings im älteren europäischen Tertiär auch
') H. Engelhardt, Über Tertiärpflanzen von Chili. Abh. d.
Senckenbergschen Naturf. Ges., Frankfurt a. M. 1891.
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Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 243
andere Familien, die dort sicher von der Kreide ab ver-
treten gewesen sein müssen, wie Primulaceae, Compositae USW.,
während andere wie die Euphorbiaceen vielleicht erst oligocän
von der Archhelenis her eindrangen. Wenn in Engler und
Prantls Werk die Vermutung ausgesprochen wird, die Kom-
positen möchten, weil sie erst miocän auftreten, jungen Alters
sein, so muß das mit Rücksicht auf die weltweite Verbreitung
dieser enormen fast '/,, aller Phanerogamen umschließenden
Familie offenbar falsch sein.
Es ist daher ja offenbar in bezug auf negative Charaktere
die größte Vorsicht geboten, und doch lassen sich solche
Gesichtspunkte unmöglich ganz zurückdrängen. Engler hat
darauf hingewiesen, dab viele Familien, wie Betulaceae,
Fagaceae, Caprifoliaceae usw. niemals nach Afrika, Madagaskar
und Vorderindien gelangten. Engler hätte diese ganz richtige
Bemerkung auch auf das tropische Amerika ausdehnen
müssen. Wenn wir Südamerika unter den von mir hervor-
gehobenen historischen Gesichtspunkten betrachten, so ist es
klar, daß in bezug auf alle diese Familien Archiplata sich
an das holarktisch-australische Gebiet anschließt, Arch-
amazonien aber an Afrika. Von den im Beginn des Tertiäres
schon in Australien vertreten gewesenen Gattungen finden
wir im antarktischen und andinen Südamerika Fagus, Alnus,
Salz, erstere in der Untergattung Notofagus, also auf den
antarktischen Ursprung hinweisend.. Die in Nordamerika
von der Kreide an vertretenen Hamamelidaceae sind so wenig
wie die Abietineen je nach Südamerika gelangt und von den
Magnoliaceen treffen wir die antarktisch-australische Gattung
Drimys, nicht aber die nordamerikanischen Magnolien. Pinus
ist bis Westindien, Eichen und Walnüsse sind bis Neu-Granada
vorgedrungen, nicht aber bis zum Äquator. Platanaceen
fehlen wie in Afrika. Die südamerikanischen Proteaceen
sind zum Teil (Aoupala) mit australischen generisch identisch,
16*
944 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
gehören also der antarktischen Einwanderung an, wie jene
Afrikas der indoaustralischen. Irgend welche eigenen charakte-
ristischen Typen hat Afrika so wenig wie das tropische
Amerika an Koniferen, Caprifoliaceen usw. Sind daher auch
tertiir einzelne weit verbreitete Gattungen aus diesen ge-
nannten Familien in das Gebiet der Archhelenis eingedrungen,
so erweisen sie sich doch klar durch alle diese Momente als
Einwanderer. Für Engler, der noch die neotropische Region
als eine gegebene einheitliche Größe behandelte, trat dieser
Gesichtspunkt nicht hervor, des doch floristisch ebenso über-
zeugend sich aufdrängt wie faunistisch.
Bei der Unvollkommenheit des vorliegenden phytopalä-
ontologischen Materiales kann man zurzeit schwer über den
Ursprung des tropischen Elementes in Südamerika diskutieren,
das was vorliegt aber spricht dafür, daß es damit ebenso steht
wie mit der Tierwelt: Dieses tropische Element kann weder
über Nordamerika noch von Neu-Seeland und Australien her
eingewandert sein. Die oben von mir genannten tropischen
Familien der Archhelenis fehlen im älteren chilenischen
Tertiär ebenso wie in Nordamerika. Vielleicht erweist eine
erneute Prüfung der chilenischen Fossilien, daß einige Familien,
die man nicht da erwartet hätte, wie Myristicaceae, Bixaceae,
Samydaceae, Bignoniaceae bei anderer Deutung der Blätter
wegfallen und daß statt dessen noch einige weitere australische
Züge hinzutreten. Immerhin kann man selbst bei der von
Engelhardt gegebenen Darstellung den Ursprung dieser
Flora nur im antarktischen Gebiete suchen, wenn es auch
noch fraglich bleiben kann, ob selbe in das ältere Tertiär
vor der Vermischung mit dem brasilianischen Elemente fällt
oder nicht. In gleicher Weise bereitet die nordamerikanische
Kreide- und Tertiärflora die dortige holarktische vor. Es
gibt da keine Tatsachen, welche die Annahme einer Ein-
wanderung dieser mit der afrikanischen so sehr harmonieren-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 245
den neotropischen Flora über Nordamerika oder über Pata-
gonien gestatten.
Dies alles ist kein klarer Beweis, es ist aber ein natur-
gemäß sich aufdrängender Gesichtspunkt, welcher der weiteren
Forschung zur Prüfung unterbreitet werden muß. Was mir
zoogeographisch wie paläontologisch auf festerer Grundlage
sich darstellt, das scheint mir auch für diese phytogeographi-
schen Probleme die einzig mögliche Lösung zu sein. Ich
werde in einem folgenden Abschnitte besonders darauf hin-
weisen, wie gut sich die Flora des Süßwassers den Verhält-
nissen der Süßwasserfauna anschließt.
Am wenigsten Zweifel kann nach der geologischen Seite
hin bleiben. Sowohl Wallace!) wie Engler”) geben an,
daß Afrika wie Vorderindien eocän von der holarktischen
Region abgetrennt waren. Unklar bleibt dabei nur das Ver-
hältnis der in der Iybischen Wüste gefundenen fossilen
Pflanzen, mit Rücksicht darauf nämlich, ob sie der europäischen
Tertiärflora sich anschließen oder als Glieder der eocänen
äthiopischen Flora anzusehen sind. Aoyena indessen, eine
dieser wenigen Gattungen, ist eocän auch in Griechenland auf
Euboea nachgewiesen. Das ist ein Wink, diesen Teil des
nördlichen Afrika der holarktischen Eocänflora zuzuweisen.
Daß diese und einige andere Gattungen jetzt nur in Afrika
vorkommen, ist nicht im mindesten ein Anlaß, von afrikani-
schen Typen im europäischen Tertiär zu reden, wie man es
getan hat. Nilpferd und Giraffe, viele Antilopen und der
Strauß sind gewiß exquisit feine Charatertypen der afrikani-
schen Fauna, und doch wie verkehrt wäre es, ihr Auftreten
im europäischen Tertiär auf „afrikanische* Typen zu be-
ziehen, denn wir wissen, daß sie alle außerhalb Afrikas ent-
standen, wohin sie erst in der letzten Hälfte des Tertiäres
„ı Isllı p. 528:
2) II. p. 282, 312 und p. 307.
246 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
einwanderten. Ebenso steht es mit den afrikanischen Räus,
Ericaceae, Pelargonieae, Royena u. a.
Es ist mir nicht möglich gewesen, in der Literatur irgend
welchen Beweis dafür zu finden, daß in der holarktischen
Region in Kreide oder Eocän irgend welche afrikanischen
Eindringlinge erschienen. v. Ettingshausen!) hat sich ohne
Zweifel ein bleibendes Verdienst erworben durch den Nach-
weis, daß im europäischen Tertiär neben kosmopolitisch tropi-
schen Typen auch das indoaustralische Element reich ver-
treten ist. Nach den neuerdings beigebrachten Bestätigungen
scheint mir es nicht mehr wahrscheinlich, daß man diesen
Ergebnissen der Ettinghausenschen Forschungen noch
länger Zweifel entgegensetzt, deren Grund weniger in den
Objekten der Untersuchung als in den verkehrten theoretischen
Folgerungen zu suchen ist. Wäre Engler nicht durch die
irrige Darstellung bei Wallace zu der falschen Annahme
verleitet worden, daß Australien seit dem Jura isoliert
geblieben, so würde er mit mir haben anerkennen müssen,
daß es sonderbar nur wäre, wenn das australische und hol-
arktische Kocän große prinzipielle Verschiedenheit aufwiesen.
Übrigens hat ja v. Ettingshausen nicht nur in Europa
australische, sondern auch in Australien europäische Gattungen
wie (Quercus, Fagus, Salie usw., daneben aber auch Myrica,
Apocynophyllum, Cinnamomum usw. nachgewiesen. Ich kann
wie Engler nicht genug warnen vor dem Gebrauche der
Ausdrücke europäische, afrikanische usw. Typen. v. Ettings-
hausen unterschätzt offenbar die Tragweite der tertiären
Wanderungen, durch welche überall die einheimischen Floren
enorm umgestaltet wurden. Wenn nun v. Ettingshausen
Callitris, Widdringtonia, Podocarpus, Muyrica, Rhus usw. als
') CE v. Ettingshausen, Das australische Florenelement in
Europa. Graz 1890.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 947
afrikanische Typen deutet, so kann ich das um so weniger
billigen, als ja jene Koniferen noch heute dem indoaustrali-
schen Gebiete angehören, aus dem sie tertiär nach Afrika
eindrangen, und aus dem auch Podocarpus nach Südamerika
gelangte. Auch Dombax kann nicht als Repräsentant von
Südamerika gelten bei der weiten Verbreitung der Bombaceen
über die Tropen, doch mag es, zumal bei Unsicherheit
mancher der bezüglichen Bestimmungen, zurzeit wohl noch
nicht möglich sein, sich ein Bild von der einstigen Ver-
breitung dieser Familie zu entwerfen.
Man hat auch in der zoologisch-paläontologischen Lite-
ratur nicht selten vom Auftreten afrikanischer Typen im
europäischen Eocän geredet, es ist mir aber bisher nicht
möglich gewesen, mich von der Richtigkeit der Annahme zu
überzeugen. Wenn man eine beliebige Art am ehesten
einer in Afrika lebenden vergleichbar findet, so ist das kein
Beweis. Von auf Afrika beschränkten Gattungen werden
genannt Spatha, Mutela, Columna. Erstere ist beim Mangel
von Ausweisen über Muskeleindrücke ganz unsicher und wohl
falsch bestimmt. Mutela-artige Muscheln müssen einst weiter
verbreitet gewesen sein, sie finden sich auch jetzt noch in
Indien, Nordaustralien und Südamerika. Nur Columna ist heute
auf die äthiopische Region beschränkt, allein diese Gattung
ist sowohl in Europa wie in Nordamerika im Untereocän
nachgewiesen. Von da ab verschwinden, wie Oppenheim
sagt, die wenigen äthiopischen Typen des europäischen Ter-
tiäres ganz. Mag man nun immerhin Columna eine afrikani-
sche Type nennen, was ist damit gewonnen, wenn solche
afrikanische Typen in der holarktischen Region schon am
Ende der Kreide verbreitet waren (Zaramie)? Als afrikanische
Typen kann man nur solche anerkennen, die in Afrika ent-
standen, und die gibt es eben nicht in der Kreide oder im
Eocän Europas.
248 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Meine Darstellung, wonach in der Kreide ein einheit-
liches Kontinentalgebiet von der holarktischen Region durch
die indoaustralische Region bis zum antarktischen Südamerika
reichte, findet somit botanischerseits eine vollkommene Be-
stätigung in den Ettingshausenschen Forschungen. Ein-
zuschränken sein aber wird diese Generalisation, wie ich mit
Engler betone, bezüglich Vorderindiens, Afrikas und Arch-
amazoniens, kurz eben des Gebietes, welches ich Archhelenis
nannte. Wäre dieses Gebiet schon im Jura oder noch länger
isoliert, so würde der floristische Kontrast ein enormer sein.
Das ist er aber nicht und viele Familien müssen beiden großen
Gebieten von jeher gemeinsam zugekommen sein. Solche
kosmopolitische Familien, ja selbst Gattungen kommen auch
in Polynesien bis zu den Sandwichsinseln vor. Es wird
sich mit der Zeit entscheiden lassen, wie lange dieser
Zusammenhang erhalten blieb, der offenbar während des
Jura bestand und noch in der Kreide oder während eines
Teiles derselben. Die ältesten Dicotyledonen konnten sich
dann von Australien aus sowohl nach Polynesien als nach
Südamerika verbreiten, und vielleicht bildete letzteres, resp.
überhaupt die antarktische Landmasse, auch die Brücke, durch
welche die Archhelenis angeschlossen war. Man hat geo-
logischerseits einen großen jurassischen Kontinent rekon-
struiert, der ziemlich gut mit der Archhelenis sich deckt,
aber dabei hat man auf antarktische Landmassen gar nicht
Rücksicht genommen. Blandford meinte, daß vom Perm
bis zum Miocän Indien mit Südafrika vereint war. Die
australischen, indischen, südafrikanischen und brasilianisch-
argentinischen Kohlenlager weisen uns durch ihre überein-
stimmende Flora auf die Richtigkeit der daraus bezüglich
alter Landverbindungen gezogenen Schlüsse hin. Ich ver-
weise hierüber auf die Arbeiten von Waagen und bezüglich
des Jura auf Neumayrs Erdkunde. Die darin gegebene
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 249
kartographische Darstellung der Archhelenis ist mir übrigens
| und zwar leider nur in einer Kopie erst bekannt geworden,
| nachdem ich bereits auf die Notwendigkeit einer mesozoischen
‚ Landverbindung zwischen Afrika und Brasilien aufmerksam
geworden war durch meine Süßwasserstudien. Wallaces
' Widerspruch berührt den Kern der Sache wenig, weil er
auf mesozoische Tiergruppen keine Rücksicht nimmt. Daß
Lemurien pliocän nicht mehr bestanden haben kann, muß
man Wallace unbedingt zugeben, doch hatten Blandford,
' Woodward u. a. das auch nicht behauptet.
| Wallace hat nun gerade mit Bezug auf Australien und
‚ Polynesien besonders verhängnisvolle Irrtümer begangen. Neu-
Seeland bildet für ihn eine besondere Subregion, Polynesien
| eine weitere, zu der er auch die Neu-Hebriden, Neu-Cale-
| donien und die Fidschi-Inseln rechnet. In Wahrheit liegt
das Verhältnis völlig anders. Betrachten wir z. B. die Ver-
breitung der Frösche, so sehen wir dieselben über alle Kon-
| tinente und kontinentalen Inseln verbreitet bis nach Neu-
Seeland und Viti, aber nicht weiter nach Osten hin. Genau
ebenso verhalten sich die Schlangen. Wäre es Zufall, Treib-
holz usw., was diese Verbreitung bestimmte, so müßten zum
mindesten die Schlangen die gleiche Verbreitung haben wie
die Eidechsen. Daß nun diese Treibholztheorie total falsch
ist, geht daraus hervor, daß die Eidechsen schon früh meso-
zoisch auftreten, Frösche und Schlangen aber erst im Eocän
oder in der oberen Kreide. Wir müssen daraus schließen,
dab die bis zu den Sandwichsinseln reichende mesozoische
Landbrücke, auf der die Eidechsen sich verbreiteten, bereits
abgebrochen war, als die Frösche und Schlangen in Szene
traten, und dab damals die antarktischen Landmassen noch
bis Neu-Seeland und Viti reichten.
Wenn dies richtig ist, so müssen auch botanisch Parallel-
bildungen nachweisbar sein und das sind sie in der Tat.
250 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Alle kosmopolitischen Familien reichen bis auf die Sandwichs-
inseln, und sicher haben auch Koniferen und andere alte
Familien dieselben erreicht. Die heutige Flora der Südsee-
inseln östlich von Viti repräsentiert sich bei Abzug der im-
portierten und der vom Meer angeschwemmten Strandflora
als eine sehr arme, in der natürlich sehr viele Gattungen,
die ehemals da vorkamen, erloschen sein werden. Obwohl |
Engler sie im Sinne von Wallace entstanden wähnt, er-
kennt er doch an (II. p. 262), daß diese altozeanische Flora
„die Zeichen hohen Alters an sich trägt“. Wenn einzelne
Arten oder Gattungen der Sandwichsinseln erst wieder in
Neu-Seeland oder auf den Anden, andere in Madagaskar
oder auf den Maskarenen wieder erscheinen, dazwischen ganz
fehlend, so ist es sicher eine viel ansprechendere Erklärung,
sich diese Gattungen als Überbleibsel von einst kosmopoliti-
schen Gruppen vorzustellen, wie zu glauben, daß die Anden,
Chili, Neu-Seeland, Neu-Caledonien, Indien, Ceylon, Mada-
gaskar, die Maskarenen usw. alle durch isolierte Beiträge die
Kompilationstlora der Sandwichsinseln zu bilden geholfen
haben, noch dazu durch Verbreitungsmittel, die eben nur in
der Phantasie in solchem Umfange wirksam sind! Es ist
ebenso schwer, mit Grisebach das Vorkommen _ identi-
scher (rattungen auf weit voneinander entfernten ozeanischen
Inseln nur aus der Analogie der Räumlichkeit und des Klimas
zu erklären, wie mit Wallace sich vorzustellen, daß die zu-
fälligen, den Transport vermittelnden Momente von Insel zu
Insel wirkten, unter sorgfältiger Vermeidung des Festlandes.
Dagegen ist es leicht verständlich, wenn weit entfernte, aber
einst durch Landmassen verbundene Inseln, die im älteren
Tertiär isoliert wurden, identische Pflanzen bewahrten, die
auf den Kontinenten größtenteils erloschen im Kampfe ums
Dasein. Auf den Kontinenten wechselten überall vielfach
die klimatischen und geographischen Bedingungen, Ein-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 951
wanderung und Austausch modifizierten immerzu die Flora,
die in stetem Wechsel begriffen war, indes auf den Inseln
zwar auch manche Pflanzengruppen erloschen, im ganzen
aber konservative Stabilität der Vegetation den altertümlichen
Stempel aufdrückte. |
Engler erkennt die nahen Beziehungen der Flora von
Neu-Caledonien zu jener von Viti an, betont aber den scharfen
Gegensatz beider zur Flora der Sandwichsinseln. Anderer-
seits erkennt aber Engler auch an, daß das ostpolynesische
altozeanische Florenelement sich in der australischen Region
nur im antarktischen Südamerika erhalten hat. Dies wird
leicht verständlich, wenn man bedenkt, daß die Sandwichs-
inseln schon mesozoisch isoliert wurden, indes Australien,
Viti, Neu-Seeland usw. während des älteren Tertiäres tropi-
sche Einwanderer erhielten, die der Flora ein neues Element
zuführten. Dieses indische Element ist nicht bis Südamerika
gekommen, da die Brücke nach Südamerika eher unterbrochen
worden zu sein scheint als jene bis Viti. Nur von Norden
her konnten in das südliche Südamerika die tropischen Typen
der Archhelenis einwandern, viele jedoch kamen wohl bis
Argentinien, nicht aber über die Anden. Wenn man daher
die eingewanderten Elemente aus der chilenischen Flora zu
eliminieren vermag, so muß der Vergleich der antarktisch-
chilenischen Flora mit jener der Sandwichsinseln ganz be-
sonders instruktiv werden für die Erkennung jenes altozeani-
schen Elementes.
Es sind tatsächlich viele Pflanzenfamilien bis Neu-
Caledonien und Viti gekommen, nicht aber weiter. Ich kann
freilich diese Verhältnisse mit der mir zur Verfügung stehen-
den Literatur nicht klar legen, und so beschränke ich mich,
auf einige Familien hinzuweisen, die teils sicher, teils wie
mir es scheint in diese Kategorie gehören. Es sind das
Coniferae, Araceae, Casuarinaceae, Nepenthaceae, Proteaceae,
952 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Ulmaceae, Malpighiaceae u. a., sowie nach Engler (II. p. 308) |
auch Anacardiaceae und Burseraceae. Engler hat (II. p. 164)
eine Liste über die Verbreitung der tropischen Familien ge- }
geben unter Berücksiehtigung derjenigen, die auch in Poly-
nesien noch vorkommen oder fehlen. Wenn somit von den |}
Sandwichsinseln aus über Viti, Australien, die Molukken usw.
sukzessive der Einbruch der alten Archinotis sich vollzog, so !
geschah dies in Etappen und jeder dieser Etappen müssen
andere Verbreitungslinien entsprechen. Natürlich sind die- |
selben nur mit Vorsicht und unvollkommen zu rekonstruieren, |
da z. B. manche Familien, die einst bis Viti reichten, dort |
oder auf Neu-Seeland oder auf beiden erloschen sein können.
Eben aus diesem Grunde scheint mir es so nötig zu sein, ||
die Betrachtung auf die gesamte organische Natur auszu- |
dehnen, denn der Fortschritt in einer Disziplin muß auch
auf jenen in andern rückwirken und nicht alle Disziplinen
sind in Bezug auf das doch vor allem grundlegende fossile
Material gleich günstig situiert.
Der Zusammenhang des indoaustralischen Gebietes muß ,
jedenfalls länger erhalten geblieben sein als jener von
Australien und Neu-Seeland. Wenn Gattungen wie Cunis,
Sus, Muriden usw. bis Neu-Guinea und Australien vordringen
konnten, so muß dieses Gebiet bis zum Miocän, vielleicht
noch während eines Teiles desselben im Zusammenhange mit
Asien erhalten geblieben sein. So konnten denn auch Gat-
tungen der Archhelenis bis Nord- und ÖOstaustralien vor-
dringen, welche, soviel ich sehe, bis Neu-Seeland nicht kamen.
Dies alles sind Fragen, die zurzeit, wie mir scheint, noch nicht
entscheidbar sind. Jedenfalls stimmen auch hier die Ergeb-
nisse botanischer Forschung eher zu meiner Darstellung als
zu jener von Wallace, dessen Regionenabgrenzung floristisch
keine Bestätigung findet. Übrigens ist es nur ein Zugeständnis
in diesem Sinne, wenn Wallace Celebes als eine anomale
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 953
Insel ansieht; dann sind doch aber Neu-Guinea und Australien
eben solche anomale Inseln. Je nachdem man eine andere
Tiergruppe wählt, fällt das Resultat anders aus, und es ist
ziemlich willkürlich, gerade die Beuteltiere zum entscheiden-
den Faktor zu machen. Trotzdem bleibt die Tatsache be-
stehen, daß für manche Gattungen der Familien des Tier-
reiches die Wallace-Linie eine Bedeutung hat, die ihr
botanisch nirgends zukommt. Das ist ein Zeichen dafür,
daß es unter den indoaustralischen tropischen Pflanzenfamilien
keine von miocänem oder pliocänem Alter gibt. Diese ganze
Tropenflora reicht ins Eocän oder in die Kreide zurück.
Relativ junge Pflanzenfamilien gibt es offenbar nur in ge-
ringer Zahl, sie ausfindig zu machen wird eine der wichtig-
sten Aufgaben künftiger Forschung sein müssen. Wenn
unter den über Viti nicht hinausgehenden Familien sich
auch solche befinden müssen, die im östlichen Polynesien
erloschen sind, so wird für viele doch in gleicher Weise die
alte Landverbindung maßgebend gewesen sein, wie sie es
war für Frösche und Schlangen, denen sich ja im wesent-
lichen auch die plazentalen Säugetiere anschließen. Alle
von Viti ab fehlenden Familien muß man im Verdachte
haben, daß sie erst eocän Australien erreichten.
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, in anderer Weise die
Beziehungen der jetzt scharf geschiedenen Florenelemente zu
erklären. Hier ist vor allem die Theorie der Atlantis zu
nennen, wie sie Heer in seinem klassischen Werke über die
Urwelt der Schweiz entwickelte. Danach soll eine die Canaren
passierende miocäne Landbrücke nach Nordamerika und West-
indien den atlantischen Ozean noch pliocän durchquert haben.
Es würde mich hier zu weit führen, die Gründe darzulegen,
welche gegen eine so lange anhaltende und eine nordatlan-
tische Brücke sprechen; ich will mich darauf beschränken,
auf einige dafür wichtige Tatsachen hinzuweisen. Wir sehen
954 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
miocän wie pliocän in Westindien Heliceen und Landdeckel-
schneeken auftreten und sich bis auf unsere Tage erhalten,
welehe charakteristisch sind für das europäische ältere Tertiär.
Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß diese Gattungen ihr
jetziges Wohngebiet über Asien und das pazifische Nord-
amerika erreichten. Es muß dann eine erheblich mehr gen |
Süden reichende Landmasse in der Gegend der Aleuten beide :
Kontinente verbunden haben. Echte Helix gibt es in Nord-
amerika östlich der Felsengebirge nicht, wohl aber in deren
Westen, von wo aus sie sich über Zentralamerika weit nach |}
Südamerika verfolgen lassen. Diese und andere in gleicher
Lage befindlichen Gattungen fehlen auch tertiär in den öst-
lichen Vereinigten Staaten.
In dieser Annahme einer ostasiatisch-kalifornischen Ein-
wanderung treffe ich mit Engler (I. p. 175) zusammen. Es |
ist aber klar, daß diese Brücke nicht von jeher bestand und \
nicht die einzige war. Die Art, wie zirkumpolar eine iden- 4
tische Flora und Fauna ausgebreitet war und noch ist, zwingt
uns zu der Annahme, daß die jetzt getrennten hochnordischen
Gebiete einst zusammenhingen und daß hier eine eigenartige
Flora frühzeitig entwickelt war, die erste im Laufe der ter-
tiären Epoche Hand in Hand mit Abnahme der Temperatur
weiter gen Süden hinabrückte. Dies ist botanisch festgestellt
und analoge Fälle sind zoologisch bekannt. So weist Emery
darauf hin, daß schon im älteren Tertiär eine Trennung in
zwei Regionen bezüglich der Ameisen bestand. Im Norden
herrschte die jetzige nordeuropäische und zirkumpolare Fauna,
im Süden (Sizilien) finden sich zahlreiche indoaustralische
Typen. Ebenso steht es mit den Landmollusken. Nun finde |
ich die Anwesenheit indoaustralischer Typen verbürgt im
europäischen älteren Tertiär, keine Spur davon aber für
Nordamerika nachweisbar, weder botanisch noch zoologisch.
Ich schließe daraus, daß die nordpazifische Brücke erst miocän
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 255
entstand. Wäre sie von jeher vorhanden gewesen, so hätten
indoaustralische Typen im ganzen Tertiär herrschen müssen,
auch in Nordamerika. Die Tatsachen reden aber bezüglich
| des älteren Tertiärs nur für einen Austausch über die grön-
\ ländisch-nordische Brücke.
Wir wissen, daß während des ganzen Tertiärs ein, wie
es scheint, ab und zu unterbrochener Austausch von Säuge-
tieren zwischen Nordamerika und Europa statthatte. Dabei
ı ist aber die auffällige Tatsache zum Vorschein gekommen,
' daß mancherlei Gattungen oder selbst Familien an diesem
ıı Austausch nicht teilnahmen. Da dies nicht auf mangelnde
ı Landverbindung beziehbar ist, so bleibt nur die Annahme,
daß eben über die nordische Brücke nur Tiere der gemäßigten
Zone wandern konnten und daß von dem Austausche alle
Gattungen ausgeschlossen blieben, deren Verbreitung sich
N nicht so weit gen Norden erstreckte. So haben wir das
sonderbare Verhältnis, im argentinischen Tertiär Anoplotheriden
und Theridomyden anzutreffen, welche sich an jene des euro-
| päischen Tertiär anschließen, niemals aber nach Nordamerika
' kamen. Es sind dies also paläarktische Gattungen, die über
Australien!) nach Südamerika kamen und die nur deshalb nie
nach Nordamerika gelangten, weil sie von Australien durch
die Tropen bis Europa vordrangen, nicht aber bis zum hohen
Norden.
Erst miocän und pliocän dürfte bei Abbruch dieser
alten Brücke die nordpacifische hinzugekommen sein, über
welche dann subtropische, vielleicht selbst tropische Gewächse
‘von Asien hineinwandern konnten. Dies kann, wie Engler
anführt, der Ursprung für manche tropische Übereinstim-
mungen in der Flora geworden sein, und gerade diese späteren
Einwanderungen erschweren die Untersuchung so enorm.
t) Richtiger wohl über Afrika (Zusatz von 1907).
956 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Wenn wir z. B. von den Musaceen die Gattung Ravenala in
Madagaskar und in Guiana finden, so kann sie ebensowohl
ein Glied der archhelenischen Flora sein als der Rest einer
einst in Asien weitverbreiteten Gattung, die miocän über '
Lemurien nach Madagaskar und über Kalifornien nach Süd-
amerika gelangte. Sicher urteilen läßt sich eben nur, wo
ausreichende paläontologische Tatsachen zugrunde liegen.
So viel ich sehe, ist aber aus dem ganzen Gebiete der Arch-
helenis über die Flora von Kreide und Eoeän nichts bekannt. |
Erst wenn diese Lücken einigermaßen ausgefüllt sind, wird
es möglich sein, die hier aufgeworfenen Probleme klar zu |
stellen. Bis dahin handelt es sich nur um Vermutungen. |
Alles aber, was bisher über Geschichte und Verbreitung der |
tropischen Gewächse bekannt ist, läßt viel eher Überein- "
stimmung mit den. von mir vorgelegten zoogeographischen
Resultaten erwarten als mit jenen von Wallace. So sagt
Engler (II. p. 329): „Theoretisch ist anzunehmen, daß das
neotropische Element ursprünglich noch weniger von dem '
paläotropischen Element verschieden war als jetzt.“ Wenn
ich im Gegensatze hierzu nun nicht an eine eocäne pan-
tropische Region glaube, sondern zwischen Bengalen und
Hinterindien die alte Scheide zwischen der Archhelenis und
dem indoaustralischen Gebiete voraussetze, so treffe ich ja
auch hierin mit den bekannten Darlegungen Englers über
die Zugstraße der Cupuliferen usw. zusammen.
V. Die Flora des Süßwassers.
Als ich darauf aufmerksam geworden, daß die Tierwelt
des Süßwassers in höherem Grade als jene des Festlandes
altertümliche Züge bewahrt und durch die sonderbare Mischung
uralter und junger Typen im höchsten Grade eines kritischen
Studiums würdig sei, drängte sich mir der Gedanke auf, daß
die Wasserpflanzen wohl in ähnlicher Weise interessante Re-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 257
sultate ergeben möchten. Der Erfolg bestätigte diese Voraus-
setzung vollkommen. Es steht um die Pflanzen des Süßwassers
‚ wie um die Tiere desselben Wohngebietes; man hat sich beim
. Studium der geographischen Verbreitung nie um sie gekümmert.
| Und doch sind sie weniger Verschleppungen ausgesetzt als
„ die Pflanzen des Landes und daher vielfach wichtiger als jene.
| Der Güte des Herrn R. A. Philippi danke ich einige
Mitteilungen über die chilenische Süßwasserflora.. Von weit-
verbreiteten Arten finden sich da u. a. Arten Myriophyllum
und Callitriche, die auch in Europa vorkommen, Zanichellia
palustris, mehrere auch in Europa angetroffene Arten von
| Potamogeton, Ranunculus aquatilis, Ceratophyllum chilense, Jussiaea
repens, Anacharis chilensis, Lemna gibba und minor, Typha
. angustifolia, Arten von Chara und Nitella, sodann die auch in
Argentinien vorkommende Rhizocarpee Azolla magellanica.
Letztere Art muß als antarktisches Element angesehen werden,
, eine Azolla-Art, A. rubra, die in Neu-Seeland vorkommt, findet
sich auch in Südamerika, wo dann wohl erst tertiär das
ı Verbreitungsgebiet gen Norden hin sich ausdehnte. Aydro-
cotyle elongata, Novae-Zealandiae, moschata und Myriophyllum
variaefolium und robustum kommen nach Engler (II. p. 71)
Chili und Neu-Seeland gemeinsam zu. Als vermutlich auf
Irrtum beruhende Angaben sieht Philippi an: die einer
Podostemacee (Dlandowia striata), sowie von 2 Alisma-Arten.
Dagegen ist die Anwesenheit der Alismaceae durch Sagittaria
chilensis verbürgt. Dies ist der einzige amerikanische Zug in
der Süßwasserflora von Chili. Alisma major reicht von Eu-
, ropa bis Australien, ebenso Caldisia parnassifolia, aber weiter
1 nach Osten hin fehlen die Alismeae. So scheint es, als seien
\ sie nicht ursprünglich kosmopolitisch gewesen, sondern von
der holarktischen Region her vorgedrungen. Andererseits ist
', es möglich, daß die Gattung Sagittaria früher in Neu-Seeland
| ‚existierte und dort. durch die (pliocäne) Eiszeit vernichtet
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 7
958 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
wurde. Letzteres sehe ich als sicher an für die in Neu-
Seeland fehlenden Ceratophyllum-Arten, da diese die arktischen
und antarktischen Breiten meiden, ihre einstige Anwesenheit
in diesem Gebiete aber durch das Vorkommen auf den
Fidschiinseln wie in Australien bezeugt wird. Es wäre dann
Sagittaria die einzige Gattung, deren Fehlen in Neu-Seeland
uns in dem Bilde der allgemeinen Übereinstimmung der
Wasserpflanzen auffällt.
Alle diese eben genannten Chili mit Neu-Seeland, Viti
usw. gemeinsame Wasserpflanzen sind auch in Argentinien
und Südbrasilien vertreten, zum Teil in identischen Arten,
ebenso Sagittaria. In Guiana dagegen fehlen nach Schom-
burgk Azolla, Myriophyllum, Callitriche, Anacharis, Potamogeton,
Zanichellia. Sehr viel wichtiger als diese negativen Charaktere
sind die enormen Unterschiede, die sich dadurch ergeben,
daß östlich der Anden eine ganze Reihe von Familien in
Südbrasilien und Argentinien vertreten sind, welche in Chili
ebenso vollkommen fehlen wie in Neu-Seeland und offenbar
niemals diese Gegenden erreichten. Es sind die Nymphaeaceae,
Pontederiaceae, Podostemaceae, Bulomaceae und Pisiiaceae. Wir
müssen annehmen, dab diese Familien dem Norden entstammen
und nach dem La Plata erst gelangten, als bereits die Kette
der Anden eine unüberschreitbare Wasserscheide bildete.
Nach dem, was wir über das Auftreten des Amazonas-Ele-
mentes am La Plata bis jetzt wissen, fällt dieser Zeitpunkt
in das Pliocän. Als solches ist die Pampasformation un-
weigerlich anzusehen, seit Glieder dieser Tierwelt in Nord-
amerika im Pliocän nachgewiesen sind. Es verhält sich also
hierin die Süßwasserflora genau wie die Tierwelt des Süb-
wassers. Übereinstimmung bis zur Identität der Spezies dies-
seits wie jenseits der südlichen Anden einerseits, enormer
Kontrast andererseits durch Eindringen tropischer Elemente: |
in die La Plata-Region.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. ° 9259
Wenn diese in Chili fehlenden Familien von Norden
her kamen, so können sie sowohl von Nordamerika stammen
als auch aus Archhelenis. Es scheint mir kaum zweifelhaft,
daß beide Fälle vertreten sind. Die Nymphäaceen sind im
wesentlichen eine holarktische Familie, deren Existenz in
Europa während der Tertiärperiode durch mancherlei zweifel-
lose Funde erwiesen ist. Von der Gattung Nelumbo reicht
eine Art von Ostasien bis Nordaustralien, eine andere von
Westindien bis zum Magdalenenstrom. Die australischen
Nymphäen sind offenbar von Asien her eingewandert, aber
östlich von Australien gibt es keine Nymphäen. Es ist daher
sehr wohl möglich, daß die Arten dieser Familie erst tertiär
in das Gebiet der Archhelenis eindrangen. Die Wasserpflanzen
sind für solche Wanderungen günstiger gestellt als die größeren
Tiere. Während die seit Ende der Miocänperiode bestehende
‘Verbindung von Nord- und Südamerika weder für die Mu-
scheln noch für die Fische irgend welchen Austausch zur
Folge hatte, erstrecken sich manche Wasserpflanzen von
Argentinien bis Pennsylvanien. So von den Pontederieen
Heteranthera reniformis und Pontederia cordata. Ebenso ver-
hält sich auch Pistia stratiotes. Ihr sehr nahe stehende Arten
existieren in der jüngeren Kreide von Südfrankreich und im
Tertiär von Nordamerika. Es kann daher Pistia sehr wohl
von der holarktischen Region aus nach Afrika, Madagaskar,
Östindien und Südamerika vorgedrungen sein. Daß alle Pistia-
Formen einer einzigen Spezies angehören, wie Engler angibt,
möchte doch fraglich sein. Lorentz führt aus Argentinien 2,
Schomburgk aus Guiana 4 Spezies an.
Während es mir für Pistiaceen und Nymphäaceen wahr-
scheinlich dünkt, daß sie der holarktischen Region entstammen,
glaube ich, daß die anderen drei Familien ursprünglich der
Archhelenis angehören. Dafür spricht ihre Verbreitung, auch
ihr Fehlen in fossilen Schichten der holarktischen Region.
17%
960 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Am reinsten haben wohl die Podostemaceen dieses alte Ver-
breitungsgebiet gewahrt. Sie finden sich in den Gebirgs-
strömen des östlichen Südamerika, in Afrika, Madagaskar und
Vorderindien und fehlen in Hinterindien, auch die angebliche
Vertretung in Australien ist ganz unsicher. Die Gattung Tri-
sticha ist in Afrika und im tropischen Südamerika vertreten,
eine Art Tr. hypnoides Spreng. haben beide so entlegenen Ge-
biete gemein, ein gerade bei der Lebensweise dieser Wasser-
pflanzen höchst bemerkenswertes Faktum. Und es steht nicht
allein. Von den Pontederien ist die Gattung Heteranthera im
tropischen und subtropischen Amerika und in Afrika vertreten.
Die im übrigen südamerikanische Gattung Eichhornia hat eine
Art aufzuweisen, E. natans Solms, welche außer in Südamerika
auch im tropischen Afrika vorkommt. Dagegen kommt die
in Ostafrika und Indien vertretene Gattung Monocharis auch
in Australien vor und die Spezies M. vaginalis hat das’ tro-
pische Asien mit Ostafrika gemein.
Von den Butomaceen ist eine Gruppe in Südamerika
entwickelt, eine andere in der alten Welt. Butomus kommt
in der gemäßigten Zone von Europa und Asien in einer Art
vor, Tenegocharis latifolia ist von Ostafrika über Indien bis
Australien verbreitet. Das Erscheinen von Dutomus-Früchten
im europäischen Tertiär würde daher dieser Annahme nur
widersprechen, wenn es schon in das Eocän fiele oder gar
in die Kreide. Alle Gattungen, die über Asien oligocän
oder untermiocän Australien erreichten, werden ebenso gut
auch Europa haben erreichen können. Es scheint dabei sich
so zu verhalten, daß die Arten, welche Ostafrika mit Austra-
lien gemein hat, dem indischen Gebiete entstammen, denn
wir kennen, so viel ich sehe, keine Art, die von Südamerika
über Afrika, Asien bis Australien reichte, wohl aber solche, die
Südamerika und Afrika, und wieder andere, die Afrika mit
Indien und Australien gemein sind. Eine solche dem indo-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 261
australischen Gebiete zuzurechnende Familie dürften die Apo-
nogetonaceae sein mit der von Australien bis Madagaskar und
Afrika verbreiteten, aber Südamerika fehlenden Gattung Apo-
nogeton. Derartige enorme Wanderungen müssen doch eben
auch Zeit in Anspruch genommen haben, und so kann man sich
gut vorstellen, wie Gattungen, welche der westlichen, d. h. süd-
amerikanisch-afrikanischen Partie der Archhelenis zukamen,
in der tertiären Wanderung das malayische Gebiet erst er-
reichten, als Australien schon abgeschnitten war. Das ist ein
Gegensatz, der auch faunistisch überall hervortritt. Die indo-
australische Fauna erreichte Afrika erst, als die Brücke nach
Amerika schon unterbrochen war, die neotropisch - afrika-
nischen Typen gelangten bis zu den Molukken, nicht aber bis
Australien. Nur Gattungen, die entweder dem ganzen Ge-
biete oder dem vorderindischen Teile desselben allein zukamen,
konnten Australien erreichen. Die neotropisch-afrikanische
Ameisenfamilie der Doryliden ist nach Indien und den Sunda-
inseln vorgedrungen, nicht aber bis Australien, während
Polystachis sich von Australien bis Afrika über die Tropen
der alten Welt verbreitete, ohne Südamerika zu erreichen.
Ob dieses indoaustralische Element ursprünglich der
Archhelenis entstammt oder Australien und Hinterindien,
wird in vielen Fällen kaum zu entscheiden sein. Gesichts-
punkte wie die eben geschilderten müssen daher um so höher
zu veranschlagen sein, so lange das fossile Material aus den
Tropengebieten noch so kärglich zufließt.
Was ich hier bezüglich der Verbreitung der Wasser-
pflanzen bemerkte, kann nur den Zweck haben, auf einige
auffallende Tatsachen hinzuweisen, die mit zoogeographischen
parallel gehen. Zu einer genaueren Orientierung fehlt mir
die Literatur. So kann ich mich z. B. nicht darüber orien-
tieren, ob in Ecuador westlich der Anden dieselben Wasser-
pflanzen vorkommen, wie östlich derselben. Sollte dies der
262 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Fall sein, so würden sich darin die Wasserpflanzen ebenso
verhalten, wie die Tiere des Süßwassers, so daß nur in ihrem
südlichen Teile die Anden eine scharfe pbytogeographische
Grenzlinie repräsentieren würden. Andererseits ist zu unter-
suchen, ob nicht viele der von Europa bis Australien, Neu-
Seeland und Chili verbreiteten Pflanzen dem Gebiete der
Archhelenis ursprünglich fehlten. Nach Schomburgk fehlen
in Guiana Myriophyllum, Callitriche, Anacharis, Potamogeton,
Zanichellia u. a., die zum Teil auch im äquatorialen resp.
südlichen Afrika fehlen. Es ist also sehr wohl möglich, daß
diese Gattungen einst der holarktischen Region sowie dem
antarktischen Kontinent angehörten und der Archhelenis
fehlten wie die Cupuliferen.
So liegt denn das interessante Ergebnis vor, daß die
Wasserpflanzen von Chili aus Gattungen sich zusammen-
setzen, die auch in Argentinien und Neu-Seeland vorkommen,
daß aber andererseits von Norden her tropische Formen nach
dem La Plata vorgedrungen sind, welche in Chili ebenso
fehlen wie in Neu-Seeland. Es stellt sich ein Gegensatz
heraus zwischen dem tropischen Gebiete der Archhelenis und
dem Gebiete der Archinotis, deren kosmopolitische Arten von
der holarktischen Region durch die indoaustralische bis zum
südlichen Südamerika gelangten. Nur das Vorkommen von
Sagittaria in Chili kann etwa auf spätere Einwanderung be-
zogen werden, sonst ist dort die alte Süßwasserfauna des
Archiplatagebietes rein erhalten geblieben, während in Argen-
tinien von Nordamerika und vom Amazonasgebiete her tro-
pische Typen einwanderten, die natürlich in Neu-Seeland völlig
fehlen. Vollkommene Übereinstimmung der Gattungen und
selbst der Arten, neben enormen Unterschieden, ganz wie
bei den Tieren des Süßwassers. Es scheint kaum möglich,
diese Widersprüche anders als durch die hier vorgetragene
Erklärung zu lösen.
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 263
VI. Schlußwort.
Es sind sehr vielerlei Tatsachen, welche die von mir
vorgetragene Auffassung unterstützen, aber es stehen ihnen
andere entgegen, welche zu widersprechen scheinen, und
diese sollen hier hervorgehoben werden. Wenn Afrika und
Südamerika bis zum Eocän vereint waren, so wird man in den
zwischenliegenden, sogenannten ozeanischen Inseln wie Fer-
nando Noronha, Ascension, St. Helena Reste der alten ge-
meinsamen Flora erwarten dürfen. Dies ist aber kaum der
Fall. Wenn die Brücke eocän abgebrochen wurde, so muß
diesen Inseln der ganze tertiäre Zuwachs der benachbarten
Kontinente fehlen, sowohl die eigenartigen Erwerbungen, als
die Einwanderer. Esist aber zu bedenken, daß St. Helena
länger mit Afrika, Fernando Noronha länger mit Brasilien ver-
eint geblieben sein kann, so daß Züge des zunächst liegenden
Festlandes in der Flora erscheinen konnten, wie das tatsäch-
lich der Fall ist.
Fernando Noronha ist durch Ridleys Bearbeitung gut
bekannt geworden. Es liegt zirka 300 englische Meilen vom
Festlande ab, durch einen 2000 Faden tiefen Meeresarm ab-
getrennt. Brassner gibt an, daß Wallace ihm versicherte,
Fernando Noronha müsse eine echte ozeanische Insel sein,
die den Strömungsverhältnissen nach ihr organisches Leben
von Afrika her erhalten habe. Das ist sicher falsch, denn
sowohl die weiter verbreiteten Arten hat die Insel mit Bra-
silien gemein, als auch die Gattungen, in denen endemische
Arten vorkommen. Ridley suchte am Strande nach Samen,
fand aber nur die von Mucuna urens, einer enorm verbreiteten,
auch in Pernambuco vorkommenden Art, welche aber in Fer-
nando Noronha nicht akklimatisiert ist, da sie eben am Meeres-
strande nicht wachsen kann. Wäre die ganze Flora eine im-
portierte, so müßten doch wenigstens die marinen Strand-
pflanzen, welche Brasilien und Westafrika gemein haben, sich
964 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte,
vorfinden, was mit einer Ausnahme nicht der Fall ist. Vögel,
denen man den Import zuschreiben könnte, sind nur in einigen
wenigen Arten vertreten. Daß Fernando Noronha in der Tat
nichts ist als ein abgelöstes Stück von Brasilien, wird daraus
klar, auch reichte die Insel, wie geologisch nachweisbar, einst
weiter in der Richtung gegen den Kontinent.
Es ist daher interessant, die Veränderungen resp. die Ein-
buße von Gattungen usw. zu studieren, welche die Insel er-
litten hat, weil das auch auf ähnliche Verhältnisse in anderen
Inseln Licht werfen kann. Es fehlen den Waldungen Musa-
ceen und andere großblätterige Pflanzen, ferner Palmen, holzige
Lianen, Malpighiaceen und andere oben von mir als mutmaß-
liches archhelenisches Element in Anspruch genommene Gat-
tungen, ebenso epiphytische Orchideen. Es gibt einige kleine
Flüßehen und einen tiefen Teich, der von einer Xitella erfüllt
ist, sonst fehlen alle Wasserpflanzen. Es kommen gelegent-
lich Zeiten langanhaltender, selbst bis 2 Jahre währender
Dürren vor, die hieran wie am Fehlen der Farne Schuld sein
mögen. Nach Wallace ist das Vorwiegen der Farne ein
charakteristisches Merkmal der ozeanischen Inseln, aber auf
Fernando Noronha fehlen sie bis auf eine Art gänzlich. Es
ist erwiesen, daB in relativ junger Zeit das Meer mindestens
100 Fuß höher stand, so daß von der ganzen Inselgruppe
sehr wenig mehr außer Wasser geblieben sein dürfte und
die Reste aller Vegetation auf die Bergspitzen sich zurück-
gezogen haben müssen.
Diese Verhältnisse sind überaus lehrreich für den Ver-
gleich mit der Flora von St. Helena. Ähnlich wie in Fer-
pando Noronha das brasilianische, so ist dort ein südafri-
kanisches Element nachweisbar, doch ist dasselbe kein speziell
afrikanisches, sondern eher ein altozeanisches. Mesembryan-
themum, Pelargonium, Wahlenbergia sind auch in Australien
durch Arten vertreten, die zum Teil nach Engler den süd-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 265
afrikanischen sehr nahe stehen, und auch bei P’hylica beweist
das Vorkommen dieser Gattung auf Madagaskar, Tristan
d’Acunha und der Amsterdaminsel einstige weite Verbreitung.
Im übrigen ist die Insel schon im Beginn des 16. Jahr-
hunderts mit Ziegen besetzt worden, welche die alte, über-
aus reiche Waldvegetation großenteils zerstörten und sicher-
lich sehr viele Gattungen austilgten, so doch wohl auch die
Palmen, deren jungen Blättern alles Vieh sehr nachstellt
Wie auf Fernando Noronha fehlen Wasserpflanzen. Viel-
leicht war auch diese Insel zeitweise noch kleiner, als sie
jetzt schon ist. So darf man über die St. Helena fehlenden
Gruppen nicht urteilen, da wir nur kümmerliche Reste der
alten Vegetation kennen. Wie vorsichtig man in dieser Hin-
sicht sein muß, beweist das Beispiel der Landschnecken, unter
denen die interessantesten, die großen, schönen Dulimus, aus-
gestorben und uns nur subfossil bekannt sind. Einige der-
selben hat v. Martens, wie ich glaube, mit Recht zu Dulimus
subgenus Pachyotus gebracht, einer sonst nur in den Küsten-
waldungen Brasiliens vertretenen Gruppe, wogegen Fischer
sie zu den afrikanischen Achatinen zieht. Anatomisch stimmen
fast alle diese bulimusartigen Schnecken untereinander überein.
Es liegt somit auf Fernando Noronha wie auf St. Helena
eine schon lange isolierte und durch Mangel weiter Flußtäler
und sonstige Momente der alten Charakterformen teilweise
beraubte Tropenflora vor, über deren einstige Beschaffenheit
sich nicht urteilen läßt. Daß sie den angrenzenden Kon-
tinenten näher stand, lehren aber positive Züge, und dies
wird noch klarer bei einem Blicke auf die Flora der Azoren
und Kanaren, denn diese knüpft unmittelbar an die europäische
an. Das Vorkommen von Myrsine, Ocotea usw., welches man
als afrikanische Beziehung auffaßte, kann ebenso gut auf die
europäische Tertiärflora bezogen werden, von der sich ja
manche Gattungen in Afrika erhielten, denn die obigen
266 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Gattungen sind von enorm weiter Verbreitung, Myrsine reicht
bis zu den Sandwichsinseln. Es waren Heer und Hooker,
welche zuerst die Beziehungen von Makaronesien, worunter
ich mit Engler die Azoren, Kanaren und Madeira verstehe,
zur europäischen Tertiärflora nachwiesen. Dagegen hält
Wallace diese Flora nicht für eine Isolations-, sondern
für eine Kompilationsflora, von Wind, Vögeln usw. zusammen-
getragen. Die Landschnecken läßt er durch Vögel und Wirbel-
stiirme, welche die Eier mit sich trugen, befördert werden.
Wer die großen fossilen /Zelices, welche in Madeira in enormen
Massen existieren, kennt und die Eier und ihre Ablage von
Helix memoralis usw. beobachtet hat, wird Wallace in diesem
Phantasiebilde unmöglich begleiten können. Diese Schnecken
sind nach Madeira gekrochen. Es gibt, glaube ich, heute
keinen Malakologen mehr, der daran zweifelt. Besonders
überzeugend haben in neuerer Zeit Kobelt für die Land-
deckelschnecken, Oppenheim für die Heliceen den Zu-
sammenhang mit der europäischen Tertiärfauna nachgewiesen.
Wenn dieser Zusammenhang schon miocän oder oligocän
abgebrochen wurde, so kann das Fehlen placentaler Säuge-
tiere usw. nicht auffallen. Auch hier stehen alle unbefangenen
Untersuchungen botanisch wie zoologisch der Wallaceschen
Kompilationslehre schroff entgegen.
Es gibt nur ein Element in der Wallaceschen Dar-
stellung, dem man eine gewisse Berechtigung nicht abstreiten
kann, der Mangel von Kupuliferen in Makaronesien, den
Wallace erklärt durch die Größe der Früchte, welche sie
zur Einschleppung durch Vögel nicht geeignet macht. Es
ist aber möglich, daß mit dem Erlöschen der Säugetiere auf
diesen Inseln die Verbreitungsmittel für manche Pflanzen
hinwegfielen, und ebenso, daß die Kupuliferen hier wie
anderswo erloschen. Die Gattung Quercus war eocän auch
in Australien verbreitet, wo sie erlosch. Die jetzige Ver-
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 267
a
breitung der Gattung macht ganz den Eindruck, als ob sie
eine pliocäne Rückeroberung eines lang verlorenen Gebietes
darstelle, welches sich denn auch in den durch die pliocäne
Geographie gebotenen Grenzen halten mußte.
Die Wallacesche Lehre von den ozeanischeu Inseln
ist überall im Niedergang, so auch durch Baurs Studien
bezüglich der Galapagos, denen A. Agassiz einige durchaus
nicht beweiskräftige geologische Momente entgegenhielt. Wir
kennen keine anderen „ozeanischen“ Inseln, als einzelne
neuerlich entstandene vulkanische Südseeinseln und die auf
ähnlichen Erhebungen entstandenen Koralleninseln. Sie alle
haben eine extrem arme Flora, deren Hauptbestandteil die
vom Meer verbreitete Strandflora ist, welcher dann Tauben
noch Samen von einzelnen Früchten hinzufügen. Das sind
die nackten Tatsachen, alles andere ist Phantasie. Ein Blick
auf die innere Zusammensetzung der Flora der Sandwichs-
inseln zeigt ebenso wie bei der Tierwelt deren altkosmo-
politischen Charakter in Verbindung mit dem Einfluß langer
Isolierung. In einer Arbeit über Verbreitung der Ameisen
habe ich kürzlich speziell nachgewiesen, wie die Insekten der
Südseeinseln durchaus nicht australische, vom Winde ver-
schlagene sind, sondern kosmopolitische. Hiermit stimmt auch
die enorme Küstenfauna der Sandwichsinseln. Von Indien bis
zu den Sandwichsinseln reicht eine identische Küstenfauna.
Wäre diese nur durch die Wogen des Meeres verbreitet, so
hätte sie von den Sandwichsinseln aus auch bis Kalifornien
kommen können, was nicht der Fall ist. Amerikanische Züge
sind in der Flora der Sandwichsinseln so wenig vorhanden,
wie andine oder maskarenische. Es sind kosmopolitische
Pflanzen vorhanden, von denen ebenso in Nordamerika wie in
anderen Gebieten sich einzelne erhielten, die anderswo erloschen.
Was wir neuerdings erfahren haben, zeigt uns einen
Gegensatz zwischen der Fauna der Tiefsee und jener der
268 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Küsten, sowie zwischen Küstentieren und pelagischen, be-
rechtigt uns aber nicht zum Glauben, daß die pelagischen
Larven der Küstentiere über unbegrenzte Räume hin sich
verbreiten könnten. Ähnlich scheint es auch botanisch zu
stehen. Daß die Mangrove Südamerikas von Afrika her
durch die Wogen befördert sei, ist eine mindestens unwahr-
scheinliche Annahme, der die von Fernando Noronha mit-
geteilten Beobachtungen nicht zur Stütze dienen können.
Daß es sich in der Mangrove um alte Küstenpflanzen handelt,
zeigt auch ihre Anwesenheit an den pacifischen Küsten
Amerikas, die doch seit Schluß der miocänen Formation
vom atlantischen Gebiete abgeschnitten sind. Hier ist die
Annahme, daß die jetzige Verbreitung durch ehemalig andere
geographische Verhältnisse sich erkläre, wohl ebenso be-
rechtigt, wie nach Ascherson für die marinen Potamoge-
tonaceen. Wenn wir identische Küstenmollusken nicht nur
in Guinea und Brasilien antreffen, sondern auch auf den
Inseln Fernando Noronha, Ascension, St. Helena, so ist das
in einer mit den beobachteten biologischen Tatsachen über-
einstimmenden Weise nur zu erklären durch die Annahme
ehemaliger Küstenverbindung. Andererseits haben die Ost-
und Westküste von Südamerika kaum zwei bis drei Arten
Konchylien gemein und sehr viel größer ist die Zahl solcher
identischer Spezies auch nicht im älteren Tertiär, das uns
in Argentinien u. a. eine sonst auf Neu-Seeland beschränkte
Gattung (Struthiolaria) vorführt, ein Zeichen, daß eben schon
im Beginn des Tertiärs Patagonien nach Süden hin mit
antarktischen Landmassen zusammenhing, indes im Norden
das Archiplatagebiet in eine Halbinsel endete.
Das, was biogeographische Forschungen uns als Postulat
aufzwingen, ist somit gleichermaßen Resultat geologischer
Studien. Bedeutungslos ist dagegen der Wallacesche Ein-
wurf, daß es unwahrscheinlich sei, daß Tiefen von mehreren
Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte. 269
tausend Faden durch Senkung entstanden seien. Wenn für
Madagaskar schon eine pliocäne oder im Miocän beginnende
Senkung Meerestiefen von 1500—2000 Faden schuf, so
werden Senkungen, die schon eocän begannen, die doppelte
Tiefe haben erreichen können. Daß es auch große Gebiete
der Ozeane gab, so der nordatlantische und der nord- und
südpacifische, die vermutlich von jeher sehr große Tiefen
besaßen, wird man Wallace zugeben können, ja noch mehr:
diese Meere müssen einst erheblich tiefer gewesen sein, die
Versenkung großer Teile der Archhelenis und der Archinotis
müssen durch Seitendruck zu teilweiser Verflachung der einst
tieferen angrenzenden Becken geführt haben. Daß von den
untergetauchten Kontinenten es vorzugsweise vulkanische Berg-
spitzen sind, die hervorragen, ist nicht wunderbar: Island,
welches Wallace zu den kontinentalen Inseln rechnet, ist
fast rein vulkanisch, und auch auf den vulkanischen Azoren
gibt es miocäne Schichten mit Fossilien.
Überblicken wir das Resultat dieser Betrachtungen, so
stehen sie in scharfem Gegensatze zur Wallaceschen Lehre
von der Unveränderlichkeit der Kontinente und großen Meeres-
tiefen. Sehr viel Beziehungen dagegen treten hervor zu den
Darstellungen vön Hooker, Heer, Ettingshausen und
vor allem von Engler. Wo Englers Darstellung irrig ist,
sind entweder veraltete falsche Ansichten über die geologische
Geschichte Amerikas daran schuld, oder die Irrtümer der
Wallaceschen Lehren. Entkleidet man Englers Buch
dieser Irrtümer, so ergibt sich eine Uereinstimmung zwischen
seiner und der von mir vorgetragenen Auffassung, die mir
eine weitere Garantie für die Berechtigung der letzteren
darbietet. Die Wallaceschen Axiome von den ozeanischen
Inseln und von der Unveränderlichkeit der Meerestiefen und
Kontinente stehen ihrem inneren Werte nach auf gleicher
Stufe mit der berühmten, von Wallace eifrig verteidigten
270 Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.
Darwinschen Selektionstheorie, von der auch diejenigen
sich nicht überzeugen können, die um elegante Schlagworte
sich nicht kümmernd der Artenfrage unbekümmert nach-
spüren. |
So lange der Schleier, der noch über der Kreide- und
Eoeänflora der Archhelenis liegt, nicht wenigstens an einigen
Stelien gelüftet sein wird, muß es überaus schwierig und
teilweise unmöglich sein zu beurteilen, welche Familien
kosmopolitisch und welche der Archhelenis eigen waren. Um
so mehr wird man dem Ergebnis zoologischer Studien, wo
diese besser von fossilem Materiale begünstigt sind, Beachtung
schenken müssen. Besonderen Wert lege ich darauf, daß
die Süßwassertiere von Archamazonien sehr nahe Beziehungen
bieten zu Afrika und daß das vorliegende paläontologische
Material eine Ableitung dieses tropisch südamerikanischen
Elementes weder von Nordamerika noch vom antarktischen
Amerika her gestattet. Neben dieser alten gemeinsamen
Fauna erscheinen dann aber tertiäre Einwanderungen aus
der holarktischen Region, welche identische Formen sowohl
nach Westindien und Südamerika als nach Afrika, Mada-
gaskar und Bengalen führen konnten. Hierin eben liegt die
enorme Schwierigkeit dieser Untersuchungen begründet. DaB
botanisch sich ähnliche Verhältnisse ergeben dürften, zeigt
die Verbreitung der Wasserpflanzen, von denen die Ponte-
deriaceen und Podostemaceen, die wir als archhelenisches
Element ihrer Verbreitung nach in Anspruch nehmen müssen,
fossil holarktisch nicht angetroffen wurden, zumal nicht in
Kreide und Eoeän.
Wenn der Wallaceschen Auffassung Südamerika als
einheitlicher Begriff erschien, der meinen aber als das Produkt
der tertiären Verschmelzung verschiedener Teile, deren meso-
zoische Beziehungen total differente waren, so bedingt diese
veränderte Auffassung auch ganz neue Aufgaben. Nicht nur
Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien. 271
müssen die jedem derselben eigenartigen Gruppen eruiert,
sondern es müssen auch die Austauschlinien studiert werden.
So hat sich mir ergeben, daß Süßwassermollusken von Rio
Grande do Sul und dem La Plata, welche in St. Catharina
und Rio, kurz im südlichen Küstengebiete fehlen, in Bahia
wieder auftreten. Es sind das Kolonisten, welchen einst
Kommunikationen zum Rio S. Francisco und zum La Plata
vom Amazonas aus offen standen. Ihnen schließen sich viele
Landtiere an, welche durch das La Plata-Tal einwanderten
und nur teilweise dann bis ins östliche Brasilien vordringen
konnten. Wahrscheinlich werden hierin die Wasserpflanzen
analoge Beziehungen darbieten. Südamerika gestaltet sich
somit zu einem der wichtigsten biogeographischen Gebiete:
der Erde, dessen Studium auch über weit entlegene Regionen
maßgebenden Aufschluß geben kann. Die Übereinstimmung,
welche in dieser Hinsicht phytogeographische und zoogeo-
graphische Verhältnisse erkennen lassen, berechtigt zu der
Erwartung, dab man für das Studium der Pflanzengeographie
nicht mehr die Wallacesche Darstellung, sondern die hier
vorgetragene zum Vergleiche heranziehen werde.
Zehntes Kapitel.
Zur Geschichte der marinen Fauna von
Patagonien.
(Zoologischer Anzeiger No. 548, 1897, p. 530—535.)
Übersetzt ins Englische: Revista do Museu Paulista, Band II, p. 372—880.
In folgendem gebe ich einen kurzen Bericht über eine
von mir in Portugiesisch geschriebene Arbeit, welche in
Bd. II der Revista do Museu Paulista erscheinen wird. Durch
diese Untersuchung ist es möglich geworden, auch bezüglich
der Mollusken, die einzelnen tertiären Formationen von Pata-
272 Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien.
gonien und Argentinien zu scheiden und zu charakterisieren.
Während für d’Orbigny und Darwin die Ablagerungen
von St. Cruz als einheitlich galten, unterscheiden die argen-
tinischen Forscher zwei Formationen, die patagonische und
die Santa Cruzer. Durch die Sammlungen von Carlos
Ameghino, welche mir von dessen Bruder Florentino zum
Studium anvertraut wurden, sind nicht nur zahlreiche neue
Arten bekannt geworden, sondern ist auch für die große
Mehrzahl derselben die Formation, der sie entstammen, fest-
gestellt worden. Wir kennen jetzt 50 Arten aus der pata-
gonischen, 70 aus der St. Cruz-Formation, Sieben Arten sind
beiden Formationen gemeinsam, wie auch der allgemeine
Charakter beider der gleiche ist. Die Zahl der lebenden
Arten istin beiden eine recht geringe, 6% in der patagonischen,
7% in der St. Cruz-Formation (Trochita corrugata Rve. und
magellanica Gray, T’rophon laciniatus Mart. und varians Orb,.,
Magellania globosa Lam.).
Im allgemeinen lassen sich aus dem Charakter der
Molluskenfauna beider Schichten schwer Anhangspunkte ent-
nehmen zur relativen Altersbestimmung. Interessant sind
immerhin in dieser Hinsicht die Arciden, welche in der
älteren patagonischen Formation durch Cueullaea und Cueullaria,
in der St. Oruz-Formation durch Arca und Peetunculus ver-
treten sind. An ausgestorbenen Gattungen findet sich nur
eine, Amathusia Phil, eine auffallende Form, von Philippi
den Veneriden zugerechnet, von mir dem Schlosse nach, das
nur Kardinalzähne hat, für eine G/yeimeris mit schwach ent-
wickelten Siphonen und daher nicht klaffender Schale ge-
halten. Die Varietät der Amathusia angulata Phil. von St. Cruz
ist eine kolossale Schale von 25 cm Länge.
Es bestätigt sich weder die Annahme von d’Orbigny
und Darwin, daß lebende Arten ganz fehlen, noch jene von
Neumayer, daß keinerlei Beziehungen zum europäischen
Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien. 273
Tertiär nachweisbar seien. Die mächtige Cucullaea dalli Ih.
‚entspricht sehr der ©. erassatina Lam. des Pariser Beckens
und nur in letzterem kommen auch Arten von dArca sect.
cucullaria vor. Die riesigen Peetunculus der St. Cruz-Formation
sind wohl dem P. pulvinatus Lam. zuzurechnen und ein wei-
terer entschieden auf europäisches Tertiär hinweisender Zug
ist die Anwesenheit von Seutella.
Es ist zu erwarten, daß eine weitere Verfolgung dieser
Beziehungen zum europäischen Tertiär die Frage der Alters-
bestimmung der einzelnen patagonischen Formationen wesent-
lich klären wird. Bisher war diese Frage fast nur auf Grund
der fossilen Säugetiere erörtert, und diese scheinen dazu
recht wenig geeignet. Nicht nur, daß nach dem Charakter
derselben, zumal der Huftiere und Nager, die patagonische
Formation von Ameghino für eocän, von Zittel für miocän,
von Schlosser für pliocän gehalten wurde, es ist auch allen
‚diesen Forschern entgangen, daß man irrigerweise die ältere
Formation für die jüngere gehalten hatte. Erst 1894 zeigten
Ameghino und bald darauf Mercerat, daß in Wahrheit die
patagonische Formation die ältere ist. Man muß, um die
wirklich vorhandenen Schwierigkeiten richtiger zu würdigen,
sich erinnern, dab Südamerika im Beginne der Tertiärzeit
isoliert wurde und es bis zu Beginn des Pliocäns blieb. Es
fehlen daher jene Wechselbeziehungen mit den Faunen anderer
Gebiete, welche in Europa und Nordamerika $o wesentlich
zur Sicherung der Altersbestimmung beigetragen haben.
Als Momente, welche von wirklich bedeutendem Werte
für die Altersbestimmung der patagonischen Schichten sind,
können wir gelten lassen:
1. Die Anwesenheit von Dinosauriern und kretazeischen
Fischen in der guaranischen Formation, mit welcher die
‚obere Kreide abschließt. Das Verhältnis der Formation mit
Pyrotherium, welche nach Mercerat auf jene folgt, nach
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 18
274 Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien.
Ameehino eine eingeschaltete Stufe der guaranischen For-
mation ist, hat sich aus den wenigen mir vorliegenden Mol-
lusken (Ostrea pyrotheriorum Ih., Potamides patagonensis Ih.)
nicht entscheiden lassen. |
2. Die durch Seutella, Pectuneulus cf. pulvinatus, Cueullaea
dalli usw. dargebotenen Beziehungen zum älteren europäischen
Tertiär.
3. Das Erscheinen von Säugetieren, welche nach Zittel
jenen des älteren europäischen Pliocäns entsprechen, in der
araukanischen Stufe der Pampasformation. Diese Tatsachen
und das Auftreten von typischen Pampassäugetieren im nord-
amerikanischen Pliocän haben das pliocäne Alter der Pampas-
formation resp. ihrer Hauptmasse klargestellt.
Wenn man sonach die Schichten mit Pyrotherium dem
unteren, die patagonische Formation dem oberen Eocän ver-
gleicht und der St. Oruz-Formation oligocänes und unter-
miocänes Alter zuschreibt, so dürfte man wohl der Wahrheit
ziemlich nahe kommen.
Von besonderem Interesse sind die Beziehungen zwischen
den palaeogenen Schichten von St. Cruz und jenen von Chili,
zumal in Navidad. Nach meinen Untersuchungen ergeben
sich für die patagonische Formation 24%, für jene von St. Cruz
20% von Arten, welche auch im chilenischen Tertiär von
Navidad usw. vorkommen. Hierzu kommen die schon er-
wähnte, beiden Fundstellen gemeinsame Gattung Amathusia
und viele korrespondierende Arten. Die in St. Cruz ver-
tretenen Familien sind fast ausnahmslos auch in Nividad
vorhanden.
Zittel hat auf die Beziehungen des St. Cruz- Tertiäres
zu jenem von Neu-Seeland hingewiesen und eine Anzahl
identischer Spezies namhaft gemacht. Leider ist mir die:
Literatur über Tertiär von Neu-Seeland nicht zugänglich.
Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien. 275
Die jetzt über die Tertiärfauna von Patagonien vor-
liegenden Aufschlüsse, in Verbindung mit denen, die wir über
das chilenische Tertiär durch Philippi’s ausgezeichnetes
Werk und durch die Arbeiten von Steinmann und Moe-
ricke erhalten haben, gestatten uns in großen Zügen die
Geschichte der Mollusken des magellanischen Bezirkes zu
entwerfen. Eine Reihe von Gattungen sind seit der älteren
Tertiärzeit hier erloschen oder wie Struthiolaria nur in Neu-
Seeland usw. erhalten geblieben. Von den jetzt in Süd-
patagonien und im magellanischen Distrikt überhaupt lebenden
Vertretern der Gattungen Voluta, Trophon, Turritella, Natica,
Venus, Oytherea, Dosinia, Pecten usw. können wir nachweisen,
daß sie die Abkömmlinge der sehon in der Tertiärzeit hier
vertretenen Arten jener Gattungen sind. Es kommt aber
auch der Fall vor, daß Gattungen, die im älteren Tertiär
vertreten waren, jetzt zwar ebenfalls vertreten sind, aber in
Arten oder Sektionen, welche auf einen anderen Ursprung
hinweisen. Im Tertiär von St. Cruz kommen typische Arca
vor, aber der einzige heutige Vertreter der Gattung (Lissarca
rubrofusca Sm.) gehört einer anderen Sektion an und weist
durch die Verbreitung dieser Art auch über Neu-Georgien
und die Kergueleninseln auf antarktische Herkunft späteren
Datums hin. Die Gattung Cardium, heute in der magellanischen
Fauna und in Chili nur durch je eine sehr kleine Art
repräsentiert, war im Tertiär an beiden Stellen durch schöne
große Arten vertreten. Die schon tertiär vorhandenen Fa-
milien, in welchen eine solche spätere Ersetzung stattfand,
sind Cardüdae, Cerithüdae, Fissurellidae und die Genera Arca
und Mactra (Mulinia).
Diese Verhältnisse weisen uns hin auf den Zuwachs, den
die Fauna durch Zuwanderung erlitten hat. Hierhin zählen
zunächst jene Gattungen, welche im chilenischen Tertiär ver-
treten sind, im argentinischen fehlen oder wie im Falle von
18*
276 Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien.
Mactra durch Arten aus anderen Sektionen vertreten waren.
Zu den im chilenischen Tertiär vertretenen und von da später
in den magellanischen Distrikt eingewanderten Gattungen
gehören u. a. Purpura, Monoceros, Concholepas, Mulinia.
Eine Anzahl Arten scheint durch die Tiefsee aus nor-
dischen Breiten zugewandert zu sein und hierauf komme ich
weiterhin zurück. Nächstdem fand aber auch eine spättertiäre
oder, wie wahrscheinlicher, pleistoeäne Einwanderung aus
antarktischen Gebieten statt, welche in hohem Maße auf den
Gesamtcharakter der Fauna umgestaltend einwirkte Es ist
nicht angänglich, von dem einen winzigen Vertreter der
Gattung Fissurella, den diese im patogonischen Tertiär hat,
die ganze reiche Vertretung, welche die Gattung im magel-
lanischen Bezirke und in Chili besitzt, abzuleiten. Hiervon
abgesehen sind Füssurella- Arten im Tertiär von Patagonien
und Chili nicht vertreten und Arten der Gattungen Acmaea,
Patella, Gadinia, Siphonaria, Bullia fehlen im argentinischen
Tertiär ebenso völlig wie im chilenischen. Die weite Ver-
breitung mancher der hier in Betracht kommenden Arten im
antarktischen Gebiete bis Neu-Seeland (Siphonaria redimieulum
Rve.), am Kap der guten Hoffnung (Patella barbara L.), oder
an den Kerguelen, Auklandsinseln usw. (Patella aenea Gm.)
weist auf eine relativ späte Einwanderung aus antarktischen
(sebieten hin. Eine der hierbei in Betracht kommenden Arten
(Siphonaria Lessoni Blv.) kommt an der patagonisch - argen-
tinischen Küste und an der pacifischen Küste von Südamerika
vor und zwar reicht sie dort, entsprechend der weiter gegen
Norden ziehenden Isotherme viel weiter nach Norden als in
Argentinien. Wenn eine derartige zu beiden Seiten des
Kontinents sich ausbreitende Art in den Ausgangspunkten in-
folge von Temperaturerniedrigung erlischt, so erhält sie sich
direkt oder in spezifisch umgewandelter Form an den Küsten
von Peru und Chili einerseits, von Südbrasilien andererseits,
Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien. 277
Das ist der Fall von Dullia. In diesem Falle kann es sich
nicht etwa um ein Glied der alten gemeinsamen Tertiärfauna
handeln, denn in dieser kommen, in Chili wie in Patagonien,
Arten von Bullia so wenig vor wie solche von Siphonaria. Laevi-
litorina caliginosa Gld., die einzige Litorina der magellanischen
Provinz kommt auch neben den anderen Arten der Gattung
in Neu-Georgien und bei den Kerguelen vor, während im
patagonischen Tertiär, so weit bis jetzt bekannt, Litorinen
ganz fehlen. So ergänzen einander paläontologische und
zoogeographische Momente, um zu erweisen, daß eine erst
spät erfolgte Zuwanderung antarktischer Elemente die alte
Fauna des magellanischen Bezirkes mächtig umgestaltet hat,
und wir werden kaum irren, wenn wir als die Ursache dieser
Wandlungen die Eiszeit in Anspruch nehmen, über deren
Ausdehnung in Patagonien wir neuerdings durch Steinmann
und Nordenskjöld eingehendere Berichte erhalten haben.
Kein Wunder daher, wenn, um mit Philippi zu reden, in
Chili der Übergang vom Tertiär zum Quartär sich nicht all-
mählich vollzogen hat, sondern im schroffen Wechsel. Dieser
Zuzug von Süden hat aber die magellanische und chilenische
Fauna in viel höherem Maße beeinflußt und umgestaltet als
jene der argentinischen Küste, über die ich wichtige neue
Daten beizubringen habe, welche die mancherlei irrigen Dar-
stellungen Pfeffers zu berichtigen haben. Die La Plata-
mündung ist, wie ich schon früher zeigte, keine zoogeogra-
phische Schranke, die Grenze zwischen der argentinisch-
südbrasilianischen und der patagonischen Fauna liegt am
Rio negro.
Eine mit dem hier erörterten Gegenstande innig ver-
bundene Frage ist die nach der Existenz bipolarer Arten
und Gattungen. Unter den Mollusken der magellanischen
Provinz befinden sich folgende fünf, welche auch in arktischen
Gebieten leben: Saricava aretica L., Lasea rubra Mont.,
278 Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien.
Puncturella noachina L., Mytilus edulis L., Peeten vitreus Ch.,
und bei Ausdehnung der Betrachtung auf andere antarktische
Gebiete kämen noch hinzu: Kellia suborbicularis Mtg., Seissurella
erispata Flem., Natica groenlandica Beck, Dentalium entalis L.
Diese Aufzählung, die bezüglich weiter verbreiteter aber nicht
eigentlich bipolarer Arten erheblich erweitert werden könnte,
betrifft fast nur Arten von weiter, ja universaler Verbreitung.
Man wird für viele derselben nicht zweifeln können, daß sie
ihren Weg von Pol zu Pol durch die kalten Schichten der
Tiefsee genommen haben. Um über den Umfang solcher
mutmaßlicher Wanderungen mir gerade auch in bezug auf
die magellanische Provinz klar zu werden, habe ich die
Normansche Liste der im nordatlantischen Ozean in Tiefen
unter 2000 m gefangenen Mollusken durchgesehen und ge-
funden, daß nur vier der magellanischen Fauna zukommende
Arten auch in jener Liste von 202 Arten vorkommen, also
nur 2°/,. Es sind dies außer den schon oben angeführten
beiden weitverbreiteten Arten von Sazicava und Scissurella
noch Kelliella miliaris Phil. und Puneturella noachina L.
Es gibt daher keine eigentlich bipolaren Arten und fast
dasselbe gilt von den Gattungen, wo selbst bei den wesentlich
den hohen Breiten angehörigen meist auch einzelne Arten
in der gemäßigten Zone oder in den Tropen angetroffen
werden. Es gibt antarktische Genera, wie Photinula, Struthiolaria,
Modiolarca, welche in der arktischen Zone keine Vertreter
haben, und arktische, wie Volutharpa, Bueeinopsis, Lacuna,
Moelleria, Cyprina, Mya usw., welche im antarktischen Gebiete
fehlen. Manche Gattungen, welche in der arktischen Region
eine ganz hervorragende Rolle spielen, wie Buceinum, Sipho,
Margarita, Astarte, Cardium sind antarktisch sehr schwach, oft
nur mit einer bis zwei Arten vertreten. Manche Gattungen
von weiter Verbreitung treten nur auf der nördlichen Halb-
kugel in die polare Zone ein (Chenopus, Bulla, Anomia), andere
2
Zur Geschichte der marinen Fauna von Patagonien. 279
in gleicher Weise nur auf der südlichen (Monoceros, Bullia,
kanella, Marginella, Fissurella). Man.wird sich daher hüten
müssen, die Analogie zwischen den beiden zirkumpolaren
Faunen so zu überschätzen, wie es geschehen ist.
Auch in bezug auf die Erklärung der vorhandenen
Analogien hat man vielfach gefehlt, indem man die Er-
scheinungen von einem einzigen Gesichtspunkte aus erklären
wollte. In Wahrheit ist das ein kompliziertes Problem, für
das nach Ortmann drei Erklärungswege in Betracht kommen:
1. Wanderung arktisch-litoraler Formen durch die Tiefsee
nach der antarktischen Zone oder umgekehrt. 2. Allmähliche
Anpassung einst weit verbreiteter Gattungen an die Lebens-
bedingungen in hohen Breiten. 3. Wanderungen längs der
Küsten des pacifischen Amerika und des westlichen Afrika.
Die letztere Erklärung, gleichzeitig von Bouvier und
Ortmann aufgestellt, steht im Widerstreit mit der Tatsache,
dab längs der pacifischen Küste Amerikas ganz verschiedene
Faunen einander ablösen und findet keine Stütze in dem,
was wir über die pleistocänen Mollusken von Kalifornien
und Chili wissen.
Diese ganzen Erörterungen sind in ein neues Stadium
getreten durch die vorliegende Untersuchung, welche an Stelle
der Hypothesen eine feste Grundlage setzt, für die historische
Entwicklung der magellanischen Fauna. Diejenigen Forscher,
welche sich mit der Verbreitung mariner Tiergruppen befassen,
diein bezug auf paläontologisches Material ungünstiger gestellt
sind als die Mollusken, werden nicht umhin können, die
Resultate aufmerksam zu verfolgen, welche auf letzterem
Gebiete errungen wurden.
Noch auf einen Punkt sei hingewiesen. Die Anwesen-
heit von Gattungen subtropischer Gebiete wie Perna, Ficula,
Scutella usw., im patagonischen Tertiär läßt keinen Zweifel
darüber, daß damals ein erheblich wärmeres Klima dort
280 Geschichte der neotropischen Region.
herrschte, welches nach meiner Berechnung etwa einem
Unterschiede von 20 Breitengraden entspricht. Daß auch
in Navidad es ähnlich gewesen, beweisen die Vertreter der
Gattungen Conus, Mitra, Oliva, Terebra, Lucina, Avieula.
Dieser Punkt ist wichtig, weil manche Geologen als
Beweis für die Nathorstsche Theorie der tertiären Ver-
schiebung der Pole auch das relativ kalte Klima von Chili
angeführt haben, wie wir sehen, mit Unrecht. Zugleich be-
stätigen diese Ergebnisse die von mir wie Hutton, Ameghino
u. a. vertretene Anschauung, wonach noch tertiär eine kon-
tinentale antarktische Landmasse existierte, an die in wechseln-
der Folge die benachbarten Gebiete angeschlossen waren.
Dafür sprechen auch pflanzengeographische und phytopalä-
ontologische Beobachtungen, u. a. auch die Existenz tertiärer
Koniferen auf den heute baumlosen Kergueleninseln und die
Tatsache, daß die dort nachgewiesene fossile Art Araucari-
owylon schleinitziüi Göppert auch an der Magellanstraße auf-
gefunden wurde.
Elftes Kapitel.
Geschichte der neotropischen Region.
(Übersetzung von: The History of the Neotropical Region, Seience
1900, p. 857—864.)
In Nr. 276 der Science vom April 1900 veröffentlichte
Dr. Henry F. Osborn einen Artikel über die geologischen
und faunistischen Beziehungen zwischen Europa und Amerika
während der Tertiärperiode, auf den ich hier Beziehung
nehmen möchte, da es für die Wissenschaft doch wohl von
Vorteil sein dürfte, die verschiedenen Meinungen zu erörtern,
zu denen uns unser Studium geführt hat.
Es ist seltsam, daß Herr Osborn von all den zahlreichen
Abhandlungen, die von mir über die Geschichte der neo-
Geschichte der neotropischen Region. 281
tropischen Fauna veröffentlicht worden sind, keine Kenntnis
hat. Es scheint füglich notwendig, zuerst einmal über diese Ab-
handlungen und die neuen, in ihnen gemachten Entdeckungen
und begründeten Ideen, einige Worte zu sagen. Indem ich
mich hier nur auf diejenigen von meinen Publikationen beziehe,
in welchen die geologischen und zoogeographischen Verhält-
nisse Südamerikas gründlich erörtert worden sind, nenne ich
die folgenden:
l. „Die geographische Verbreitung der Flußmuscheln.“
Das Ausland, Stuttgart 1890, Nr. 48—49. Übersetzt: The
Geographical Distribution of the Freshwater Mussels. The
New Zealand Journal of Science, Vol. I, Dunedin 1891,
p. 151-154.
2. „Über die Beziehungen der chilenischen und süd-
brasilianischen Süßwasserfauna.“ Verhandlungen des deutschen
wissenschaftlichen Vereins zu Santiago, Vol. II, 1891, p. 143
bis 149.
3. „Über die alten Beziehungen zwischen Neu-Seeland
und Südamerika.“ Das Ausland, Stuttgart 1891, Nr. 18.
Übersetzt: On the ancient relations between New Zealand
and South America. Transactions of the New Zealand
Institute, Vol. XXIV, 1891, p. 431—445.
4. „Die Palaeo-@eographie Südamerikas.“ Das Ausland,
Stuttgart 1893, Nr. 1—4.
5. „Revision der von Spix in Brasilien gesammelten
Najaden.“ Archiv für Naturgeschichte, 1890, p. 117—170,
Dal, 1X.
6. „Najaden von S. Paulo und die geographische Ver-
breitung der Süßwasserfauna von Südamerika.“ Archiv für
Naturgeschichte, 1893, p. 45—140, Taf. III—IV.
7. „Das neotropische Florengebiet und seine Geschichte.“
Englers Botanische Jahrbücher, Vol. XVII, 1893, p. 1—54.
282 Geschichte der neotropischen Region.
8. „Die Ameisen von Rio Grande do Sul.“ Berliner
entomologische Zeitschrift, Band 39, 1894, p. 321—446.
9, „Os Molluscos dos terrenos terciarios da Patagonia.*
Revista do Museu Paulista, Vol. II, 1898, p. 217—382,
Pl. II—IX, mit Schlußwort in Englisch, p. 372—380.
Das Studium der Süßwasserfauna und besonders der
Unioniden von Südamerika führte mich zu dem Resultate der
Trennung zweier Subregionen, nämlich der „Archiplata“
und der„Archamazonia“. Erstere umfaßt Chili, Argentinien,
Uruguay und Südbrasilien; die Archamazonia Mittel- und
Nordbrasilien (Archibrasil), Guiana, Venezuela usw. (Archi-
guiana). Archiplata enthält zahlreiche Gattungen von Mol-
lusken, Crustaceen usw., die Chili und dem La Plata-Gebiete
gemeinsam sind, wie z. B. Diplodon, Chilina, Parastacus, Aeglea
usw., einschließlich vieler Arten und selbst ihrer Parasiten
(Temnocephala), welche beiderseits der Anden identisch sind.
Es steht dies in scharfem Gegensatze zu der Archamazonia-
fauna insofern, als tropische Gattungen sich bis zum Rio
La Plata und Rio Negro ausdehnen, welche in Chili und
Peru vollständig fehlen. In Ecuador hingegen bilden die
Kordilleren keine derartige zoogeographische Grenze, was
sicherlich wohl seinen Grund in der Verschiedenheit der
geologischen Geschichte der beiden Teile der Anden hat.
So z. B. sind in Chili und in der ganzen Archiplata die
vorherrschenden Dekapodenkrebse, die Parastaciden und
Aegleiden, in Archamazonia aber die Potamoniden. Dr. Ort-
mann hat meinen Darlegungen gegenüber behauptet, daß
wohl biologische Verschiedenheiten der wahre Grund sein
dürften, weshalb die in die Archiplata eingedrungenen Pota-
moniden ausstarben, die Parastaciden aber gediehen. Die
Beobachtungen, die aber von mir über die Biologie der
Crustaceen gemacht worden sind, weisen die Unrichtigkeit
dieser Behauptung zur Evidenz nach. In Nordargentinien,
Geschichte der neotropischen Region. 283
Rio Grande do Sul und St. Catharina leben beide zusammen
in den gleichen Gewässern, und während die Potamoniden
Flüsse und Bäche vorziehen, wo sie zwischen Wasserpflanzen
leben, wählt sich der Parastacus schlammiges Gebiet aus, wo
er in die Erde sich einwühlen kann, während Aeglea in der
Lebensweise mit den Potamoniden übereinstimmt.
Daß die Darlegung auf geographischem Gebiete liegt,
wird auch durch die Tatsache erwiesen, daß Arten von
Unioniden, Muteliden, Ampullariiden usw., welche im La Plata
und im Rio Paraguay vorkommen, fast alle Amazonasarten
sind. Überdies sind die faunistischen Beziehungen des Paranä-
flusses von denen des Paraguayflusses völlig verschieden. Diese
zoogeographischen Tatsachen werden uns noch durch die
Geologie bestätigt, welche uns das Vorkommen von Diplodon,
Chilina, Strophocheilus usw., in der Entreriosformation nach-
weist, also von Gattungen, die doch die reine Archiplata-
fauna darstellen. Alles das weist darauf hin, daß die Ein-
wanderung des Archamazoniaelementes in die Archiplata
jüngeren Datums ist. Die Einwanderung des Archamazonia-
elementes fand im Pliocän oder auch im Posttertiär statt,
und es bildeten die Anden sowohl für die Süßwasserkrebse
und Süßwassermuscheln als auch für die Fische, Schildkröten
und Alligatoren ein unübersteigliches Hindernis.
Es ist augenscheinlich, daß die zwei faunistischen Ele-
mente Südamerikas den geographischen Bezirken entsprechen,
die während der größeren Hälfte der Tertiärzeit durch den
Ozean getrennt wurden. Die Vermischung der beiden Elemente
und besonders das Eindringen der bolivianischen Ameisen, Land-
schnecken usw. in Ostbrasilien ist keineswegs beendigt, sondern
eine Tatsache, die wir noch heute beobachten. Es ist höchst
wahrscheinlich, daß ganz dieselben Bedingungen, welche nicht
nur für die Süßwasserfauna, sondern auch für die Landgastro-
poden von entscheidender Bedeutung sind, auch die Geschichte
284 Geschichte der neotropischen Region.
der Säugetiere bestimmt haben, welche Brasilien nur in der
Pliocänzeit erreicht haben.
Obgleich nun diese Folgerungen hinsichtlich der ver-
schiedenen faunistischen Elemente der neotropischen Fauna,
wenn man als Grundlage die zoogeographischen Arbeiten
des Verfassers annimmt, vollkommen zutreffend zu sein
scheinen, so gestaltet sich die Frage schwieriger und hypo-
thetischer, wenn wir uns die alten Beziehungen zwischen
Archiplata und Archamazonia zu den übrigen Bezirken der
Erde vorstellen.
Die Verbindung der Archiplata mit einem großen ant-
arktischen Kontinente während der Kreide- und Eocänfor-
mation nimmt man jetzt allgemein an, aber die geschicht-
lichen Tatsachen, die von Osborn über diesen Punkt ge-
geben werden, sind sehr unvollständig. Der erste, der diese
Frage erörterte, war der bedeutende Botaniker Sir William
Hooker, aber das Werk von Wallace und besonders seine
Lehre von der Permanenz der großen Tiefen des Ozeans ver-
zögerte die weitere Entwicklung. Erst 1883 schlugen Hutton
für Neu-Seeland und 1890 der Schreiber dieses andere Wege
ein und veröffentlichten neue Tatsachen zugunsten der
Hookerschen Lehre, welche auch durch Fl. Ameghino
bestätigt wurden.
Für eine ehemalige Verbindung zwischen Afrika und
Archamazonia habe ich 1890 Beweise erbracht zugunsten
eines mesozoischen „archiatlantischen Kontinentes“; welcher
während des älteren Tertiäres bestand. Zuerst glaubte ich
auf Grund einiger paläontologischer Tatsachen, welche von
Schlosser mitgeteilt wurden, daß dieser Kontinent eocänen
Säugetieren den Zugang von Südafrika nach Europa eröffnet
habe, eine Ansicht, die jetzt von Ameghino und Osborn
vertreten wird; 1893 aber änderte ich meine Meinung und
stellte den Satz auf, daß plazentale Säugetiere weder in
Geschichte der neotropischen Region. 285
Archamazonia noch im äthiopischen Afrika gelebt hätten.
Den alten Kontinent, der Archamazonia mit Afrika verband,
bezeichnete ich als atlantisch im Jahre 1890, eine Be-
zeichnung, die ich 1892 durch Helenis ersetzte und 1893
durch Archhelenis, in der Absicht, eine Verwechslung mit
der Atlantis zu vermeiden, einen Namen, den Unger für
eine Landbrücke vorschlug, die nach ihm Südeuropa und
Zentralamerika verband.
Ich will hier nicht wiederholen, was ich an anderer Stelle
über die innigen Beziehungen zwischen den Süßwasserfaunen
Brasiliens und Guianas mit dem äquatorialen Afrika gesagt
habe, sondern ich möchte nur einige Bemerkungen über die
geographische Verbreitung der Süßwassermuscheln machen.
Nordamerika stimmt in den Unioniden mit ihren hauptsäch-
lichsten Vertretern, wie Unio, Margaritana und Anodonta mit
Eurasien überein. Das archiplatische Element von Süd-
amerika wird nur durch das Genus Diplodon, welches in der
holarktischen Region keine Vertreter hat, gebildet, eine Gat-
tung, die sich in Neu-Seeland und in Australien vorfindet.
Die zahlreichen angeblichen Gattungen von Unio, die man von
Nordamerika kennt, stimmen alle in der charakteristischen
Skulptur der Wirbel überein, die bei Diplodon ganz ver-
schieden ist. Ich betrachte daher Diplodon als Genus und
die nordamerikanischen Sektionen von Unio nur als Subgenera.
In der archhelenischen Region haben wir Vertreter von Unio-
niden, welehe mit Diplodon näher verwandt sind, als mit Unze,
keine Anodontas, aber zahlreiche Vertreter der Muteliden.
Die südamerikanischen „Anodonta“ gehören alle zu Glabaris,
einem Genus der Muteliden, welches mit Spatha von Afrika
verwandt ist.
Wenn wir die geologische Geschichte betrachten, so
können wir die gegenwärtigen nordamerikanischen Unioniden
in diesem Lande bis in die Juraperiode hinein verfolgen,
986 Geschichte der neotropischen Region.
und was wir von den fossilen Muscheln Neu-Seelands und
der Archiplata kennen, sind nur Unioniden aus der Gattung
Diplodon. Andererseits zeigen uns Kreideablagerungen von
Bahia Vertreter von Glabaris und Mycetopoda. Die tatsäch-
liehen Bedingungen für die Verbreitung waren daher schon
in der mesozoischen Periode geschaffen, und für die enge
Beziehung zwischen den Süßwasserfaunen des tropischen
Afrika und Südamerika kann daher keine andere Erklärung ge-
geben werden, als die Annahme einer ehemaligen Landbrücke;
wenn man annehmen wollte, diese Faunen wären nur die
Überreste einer ehemaligen kosmopolitischen tropischen Fauna,
so müßte der paläontologische Befund ein ganz anderer sein.
Hinsichtlich der geologischen Verbreitung der Säugetiere
Südamerikas gehen die Ansichten der betreffenden Autoren
sehr auseinander. Über einen Punkt indessen kann kein
Zweifel sein, nämlich über den Austausch von nord- und
südamerikanischen Typen in der Pliocänzeit. Nordamerikani-
sche Zoologen müssen entscheiden. ob dieser wechselseitige
Austausch am Schlusse der Miocänzeit oder erst im Pliocän
begann. Wir dürfen daher die argentinische Araukan-
formation als pliocän betrachten, in welcher die nördlichen
Artiodaktylen und andere nordamerikanische Einwanderer
zuerst erscheinen: die Entreriosformation, die neotropische
Formen enthält, muß dann als Miocän angesehen werden.
Diese Formation wurde von Fl. Ameghino 1889 für eocän,
1898 für oligocän, und von dem Verfasser 1898 für miocän
gehalten. Für die Ansicht von Ameghino spricht das Er-
gebnis der Studie von G. Alessandri über die fossilen
Selachierzähne von Entrerios, die er für eocän hält. Herr
A. Smith-Woodward, dem ich das bezügliche Material
unseres Museums schickte, schreibt mir: „Ich bin der An-
sicht, daß die Formation nicht älter sein kann als miocän,
wahrscheinlich ist sie pliocän.“ Ich habe darauf aufmerksam
Geschichte der neotropischen Region. 287
gemacht, daß in den Entreriosschichten sich Monophora darwini
vorfindet, eine Scutellide mit durchbrochener Scheibe, welche
auch in der entsprechenden Formation der nördlichen Küste
von Patagonien gemein ist. Scutelliden mit durchbrochener
Scheibe kennen wir nicht früher als aus dem Miocän. Anderer-
seits sind die Mollusken dieser Formation größtenteils aus-
gestorbene Arten, und ich kann erstere daher nicht für
pliocän halten.
Zittel hat in seinem Handbuch die Beziehungen zwischen
den beiden amerikanischen Säugetierfaunen trefflich dargelegt.
Indessen bin ich geneigt zu glauben, und in diesem Punkte
stehe ich im Gegensatze zu seiner und Ameghinos Ansicht,
daß das Genus Didelphys') in Südamerika als ein Glied der
nordamerikanischen Einwanderung auftritt. Wenn dieses
Genus von den patagonischen Mikrobiotheriiden abstammt,
wie Ameghino vermutet, so mag es in der jüngeren Eocän-
zeit von Patagonien und der Archinotis seinen Ausgang ge-
nommen haben, und nachdem es Europa in der Eocän- und
Nordamerika in der Miocänperiode erreicht hat, sich im
Pliocän nach Südamerika gewandt haben. Wenn Ameghino
Recht hat, stammen die Proboscidia von den Pyrotheriiden
des patagonischen Eocänes ab und kehrten nach ihrem Er-
scheinen in Europa und Nordamerika während der Pliocän-
zeit nach Argentinien zurück in der Form des Mastodon.
Wenn diese Wanderung eine verhältnismäßig feststehende
Tatsache ist, so ist es dagegen ganz fraglich, auf welche Weise
Patagonien seine reiche Säugetierfauna in der Laramieperiode
(resp. zur Zeit der oberen Kreide) erhielt. Florentino
Ameghino führt aus, daß dies auf dem Wege einer Land-
brücke geschehen sein muß, welche die beiden Amerikas
zum Beginne der Tertiärzeit verband. Über diesen Punkt
1) Infolge der neueren Literatur bin ich jetzt geneigt, zu glauben,
daß doch Ameghino in diesem Punkte im Recht ist. April 1907.
288 Geschichte der neotropischen Region.
hat zwischen Ameghino und dem Verfasser in der Revista
Argentina de Historia Natural, Bd. I, Buenos Aires 1891,
p. 122 ff. und 281 ff., eine Erörterung stattgefunden, in welcher
ich diese Annahme bekämpft habe. Die Süßwasserfaunen
beider Amerikas, wie ich schon gezeigt habe, sind so voll-
ständig verschieden, daß nur eine lange und absolute Tren-
nung diese Tatsache erklären kann; die geologische Geschichte,
sowohl von Nord-, als von Südamerika weist auf eine gewaltige
Entwicklung des Ozeans in der Kreidezeit hin, der die beiden
Amerikas trennte, und auch in der Tertiärzeit das nordamerika-
nische Gebiet nur langsam anwachsen ließ. Diese angebliche
ursprüngliche Verbindung der beiden Amerikas wird keines-
wegs durch Tatsachen gestützt, sondern ist einzig und allein auf
die vorherrschenden falschen Vorstellungen von der Geschichte
des austral-asiatischen Gebietes gegründet. Die eocänen
Säugetiere von Patagonien und Nordamerika bestätigen diese
Vermutung gewiß nicht. Die eocänen Faunen von Reims und
Puerco entsprechen, obwohl diese Örtlichkeiten weiter von-
einander entfernt sind, als Nord- von Südamerika, einander
genau, aber die Säugetierfaunen von Patagonien und Nord-
amerika aus der frühesten Tertiärperiode sind vollständig ver-
schieden voneinander. Wir finden nichts von Toxodontia, den
Pyrotheriiden, und den echten Fdentaten in Nordamerika,
und nichts von Artiodactyla, Perissodactyla, Amb/ypoda in
Patagonien. Die Ordnungen und Familien, die in Patagonien
und Nordamerika vertreten sind, mögen solche sein, die über
den ganzen Bezirk verbreitet waren, der von plazentalen
Säugetieren in der Laramieperiode eingenommen wurde.
Die dritte Wanderstraße wurde nach Ameghino und
Osborn durch die Landmassen bestimmt, welche Brasilien
und Afrika verbanden. In meinen Abhandlungen und be-
sonders in meiner Erörterung mit Ameghino habe ich die
Wichtigkeit dieser eocänen Landbrücke anerkannt, aber ich
|
Geschichte der neotropischen Region. 989
konnte nicht glauben, daß sie zur Verbreitung von Säuge-
tieren gedient hat, da ich der Ansicht bin, daß Archamazonia
in der größeren Hälfte der Tertiärzeit durch den Ozean von
Archiplata getrennt war. In diesem Falle hat Brasilien nur
in der Plioeänzeit Säugetiere bekommen, als die Verbindung mit
Afrika schon lange unterbrochen war. Ich habe Ameghinos
und Osborns Gedankengänge geprüft, um die Tatsachen,
die ihre Meinungen beweisen sollen, bestätigen zu können,
‚aber sie scheinen mir sehr unzureichend. Osborn bezieht
sich auf die Gattungen Manis und Orycteropus der äthiopischen
Region, die auf antarktischem Wege von Südamerika aus
Eingang gefunden hätten. Es muß indessen bemerkt werden,
‚daß die Edentaten der alten Welt sich auch in Asien vor-
finden, und dab sie zu den Nomarthra gehören, während alle
patagonischen Vertreter Xenarthra sind. Beide mögen von
einem gemeinsamen austral-asiatischen Vorfahren stammen,
denn wenn die südafrikanischen Edentaten von der pata-
gonischen eocänen Fauna herrührten, würden sie Xenarthra
sein. Das Genus Orycteropus findet sich auch im Miocän
von Samos, und dürfte aus seiner indoaustralischen Heimat
sowohl nach Samos, als nach Afrika eingewandert sein. Es
mag hier noch bemerkt werden, daß ich schon dargetan habe,
daß die Klaue der Dasypodiden sich zur Form eines Hufes
‚entwickelt, und es ist unrichtig, die Xenarthra mit den Ungw-
culata zu vereinigen, da sie Ungulata sind. Proboseidea und
Hyracoidea sind überhaupt keine patagonischen Säugetiere,
‘obgleich in der patagonischen Laramie- und Pyrotheriumfauna
die Pyrotheriiden und Archaeohyraciden Beziehungen zu
den oben erwähnten lebenden Familien aufweisen. Der Fall
liegt hier ebenso, wie bei dem einzigen patagonischen Insekten-
fresser, dem Genus Necrolestes, das etwa mit den Chryso-
chloriden von Südafrika zu vergleichen wäre. Augenschein-
lich sind die wenigen Vertreter der Insektenfresser aus dem
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 19
290 Geschichte der neotropischen Region.
patagonischen Eoeän, die Prosimien und Hyracoideen isoliert
stehende Glieder von Gruppen, welche in anderen Gebieten,
die damals mit Patagonien in Verbindung standen, wohl ver-
treten waren. So steht es mit Chrysochloris, als Beweis für
patagonisch-südafrikanische Wanderung, nicht besser, als mit
der Hypothese der Landbrücke, die die Antillen mit Mada-
gaskar verbunden haben sollte, die einzigen Orte, wo heut-
zutage Vertreter des Genus Centetes gefunden werden, welches
sich, wie Wallace versichert, auch im europäischen Tertiär
vorfindet.
Die nahen Beziehungen der Süßwasserfaunen Afrikas
und Brasiliens und die gewaltigen Unterschiede, welche
zwischen den Süßwasserfaunen von Archamazonia und Archi-
plata bestehen, beweisen, daß beide Gebiete während der
größeren Hälfte der Tertiärzeit vollkommen ebenso getrennt
waren, wie die beiden Amerikas. In diesem Falle dürfte
die patagonische Säugetierfauna Ecuador oder Kolumbien
anläßlich der Hebung der Anden erreicht haben, aber nicht.
Brasilien, und sowohl Brasilien wie die äthiopische Region
dürften während der Eocänzeit ohne Säugetiere, und be-
sonders ohne placentale Säugetiere, gewesen sein. Als gegen
Schluß der Eocänzeit diese Landbrücke versank, bestanden
bereits viele Typen, welche sich bis auf unsere Zeit erhalten
haben, und so finden wir an den zentralamerikanischen und
brasilianischen Küsten dieselben Arten von Mangroven und
mit ihnen zahlreiche identische Formen von Crustaceen, Mol-
lusken usw.; auch die Verbreitung von Manatus muß hier
angeführt werden.
Wir wenden uns nun den Beziehungen Südamerikas mit
Australien und Neu-Seeland zu. Die Gesichtspunkte, die
Hutton und der Verfasser über diesen Gegenstand auf-
gestellt haben, scheinen allgemein anerkannt zu werden und
es liegt daher kein Grund vor, die Frage hier weiter zu er-
Tr ET
Geschichte der neotropischen Region. 291
örtern. Ich möchte indessen bemerken, daß nicht nur die
Süßwasserfauna den Beweis für das Bestehen einer ant-
arktischen Landbrücke zwischen Australien, Neu-Seeland und
Patagonien liefert, sondern auch andere zoologische sowohl
als botanische und paläontologische Tatsachen. Osborn sagt
nur, daß diese Wanderung die Verbindungskette mit Austra-
lien herstellte, indem sie sowohl polyprotodonte als auch
diprotodonte Marsupialen ins Land brachte. Ameghino
(Censo, p. 250) sagt, daß auf diesem ausgedehnten ant-
arktischen Bezirke die Säugetierfauna der Kreidezeit sich
ausbreitete, die er beschrieben hat. Ein anderer Schluß
ist logisch wohl nicht möglich, und wir können nicht
zweifeln, daß die eocäne Fauna des australischen Gebietes,
obwohl sie heute noch keineswegs bekannt ist, der von
Patagonien sehr analog und zum Teil mit ihr identisch ge-
wesen sein muß.
Die verschiedenen Entwickelungszentren (adaptive radia-
tions) der Ordnungen und Familien, haben den lebenden
Faunen Australiens und Patagoniens ein sehr verschiedenes
Aussehen gegeben; so sind in Australien nur Monotrematen
und Marsupialen, in Patagonien hauptsächlich hystricomorphe
Nager und Edentaten übrig geblieben. Die gegenwärtige
Fauna von Australien, Neu-Guinea und andere Nachbarinseln
haben durch die miocäne Einwanderung einige placentale
Einwanderer bekommen, wie Canis und Uromys in Australien,
Sus und Uromys auf Neu-Guinea, und andere Genera auf
den Molluken. Dies beweist, daß Australien und Neu-Guinea,
wenigstens während der Miocänzeit mit Asien noch ebenso
verbunden waren, wie in den vorhergehenden Perioden. Es
bestand also im älteren Tertiär eine zusammenhängende
Landmasse von Patagonien über Australien und Asien nach
Europa und Nordamerika. Dieses gewaltige Gebiet, meine
Eurygaea, war das Geburtsland der placentalen Säugetiere.
19=
2923 Geschichte der neotropischen Region.
Die Stenogaea (oder Archhelenis) erstreckte sich vom tro-
pischen Südamerika bis nach Afrika, Madagaskar und Ben-
galen und war in der Eoeänzeit ohne Säugetiere.
Es ist gewiß, daß wir heutzutage noch keine Kenntnis
von den eocänen Säugetieren Australiens, Brasiliens und
Afrikas haben, aber aus den Tatsachen, die wir gegeben
haben, ist es ersichtlich, daß höchstwahrscheinlich künftige
Entdeckungen bestätigen dürften, was wir erwarten.
Paleophytische Studien haben den Beweis geliefert, welch
große Ähnlichkeit zwischen der Kreideflora Nordamerikas
und Eurasiens besteht. Nach Fr. Kurtz erscheint dieselbe
Flora auch in St. Cruz, Patagonien bei Cerro Guido (Revista
Museu La Plata, Vol. X., 1899, p. 43f.). Auf Grund der
oben gegebenen Tatsachen kann diese Flora Patagonien von
Nordamerika aus nicht erreicht haben, da die beiden Amerikas
damals getrennt waren und ein südamerikanischer Kontinent
noch nicht bestand. Wir können also unmöglich glauben,
daB eine durch die Anden gebildete Landbrücke für die
Wanderung gedient habe, da diese damals noch nicht be-
standen haben, wie die marinen Kreidelager der Anden
beweisen. Es muß also damals eine Verbindung zwischen
dem antarktischen Kreidekontinent, der Archinotis des Ver-
fassers und Asien existiert haben. Es mag noch bemerkt
werden, daß das Genus Quercus in den Kreidelagern von
Patagonien sowohl als von Australien vertreten war, wo es
sich heutzutage nicht mehr vorfinde. Was in Australien
und Patagonien für Quereus und andere Genera gilt und
was in Patagonien hinsichtlich der Säugetiere beobachtet
wird, mag auch in Australien bei den früheren placentalen
Säugetieren zutreffen. Ferner muß man sich erinnern, daß
Australien sowohl wie auch Südamerika, die durch die Ver-
einigung von verschiedenen Teilen sich entwickelt haben,
jedes seine Geschichte für sich hat.
Geschichte der neotropischen Region. 293
Ich möchte hier noch einmal eine Tatsache berühren,
die sich auf die Süßwasserfauna bezieht: nämlich die Ver-
breitung der cyprinoiden Fische. Diese holarktischen Fische
erreichten Australien, daß durch das Meer schon isoliert
war, nicht, sondern wanderten nach Afrika und Madagaskar
ein. Lemuria muß also mit Asien noch in Verbindung ge-
standen haben, als Australien schon isoliert war. So bietet
uns Afrika dieselbe Vermischung von eingeborenen Elementen
und neogenen Einwanderern, wie Argentinien und Süd-
brasilien, infolge des Eindringens von archamazonischen Ein-
wanderern.
Wäre dieses Eindringen in der eocänen Periode erfolgt,
so würden die Cypriniden Brasilien erreicht haben; wenn
man aber annimmt, sie sei pliocän, so würden diese Fische
Madagaskar nicht erreicht haben. Wahrscheinlich empfing
Afrika seine placentalen Einwanderer zu eben derselben Zeit,
als die Einwanderung der Oypriniden in Afrika Platz griff,
was eines der merkwürdigsten Ereignisse in der Zoogeographie
darstellt.
Wir haben keinerlei Kenntnis der Säugetiere aus der
Kreide- und Eocänzeit von Brasilien, Guiana, Afrika und
Australien; eine vollständige Geschichte der Säugetiere auf
Grund eines unvollständigen Materials hin aber zu geben,
ist nicht wohl möglich. Doch es wird durch Kombination
der bekannten Tatsachen wahrscheinlich, daß während der
Kreide- und Eoeänzeit die Archhelenis oder Stenogaea keine
plazentalen Säugetiere besaß, und daß ihr Ursprung in der
Eurygaea zu suchen ist.
Was nun die Benennungen anbetrifft, die durch Bland-
ford, Lyddecker und den Verfasser angewandt worden sind,
so ist zu sagen, daß es die Absicht der beiden ersten Autoren
war, jetzt bestehenden zoogeograpischen Gebieten Namen bei-
zulegen, während die von mir eingeführten Namen sich auf
294 Geschichte der neotropischen Region.
von mir vermutete, ehemalige zoogeographische und geogra-
phische Regionen beziehen. Die beiden Kontinente der
Kreidezeit, Eurygaea und Stenogaea mögen während eines
Teiles der Eocänzeit bestanden haben und dann zerstückelt
worden sein. Von der Stenogaea oder Archhelenis wurde
erst Bengalen und dann Madagaskar abgetrennt, während
Archamazonia, nachdem die Verbindung mit Afrika unter-
brochen worden war, aus Archiguiana und Archibrasilien
bestand. Eurygaea teilte sich 1. in Archiboreas, welches
dem gegenwärtigen holarktischen Gebiete entspricht, und 2. in
Archinotis, von welchem sich in der Eocänzeit Archiplata
abtrennte.
Die Vergleichung der Verbreitung der Säugetiere mit
derjenigen der Süßwasserfauna weist uns besonders auf die
Verschiedenheit der geograpischen Bedingungen hin, welche
hierbei maßgebend gewesen sein müssen. Während die Ver-
breitung der lebenden Säugetier-Typen das Ergebnis von geo-
graphischen Veränderungen in der Tertiärzeit ist, weisen die
grundlegenden Tatsachen für die Verbreitung der Süßwasser-
fauna auf die mesozoische Periode hin. In der Süßwasser-
fauna von Chili hat sich ein solches Überbleibsel aus der
Kreidefauna in fast unverändertem Zustande erhalten, und
selbst die Verbindung der beiden Amerikas hat die Süßwasser-
fauna Südamerikas keineswegs verändert. Andererseits sind
Vertreter der archamazonischen Fauna bei den geographischen
Veränderungen Zentralamerikas und der Antillen in die süd-
lichen Teile der nearktischen Region eingewandert. So finden
wir am Rio Usumacinta in Mexiko neben Cypriniden und
Chromiden auch Characiniden und Lepidosteus, und ferner-
hin Arten von Glabaris, neben solehen von nördlichen Unio-
niden und Anodontas. Ein weiterer Unterschied in der Ver-
breitung von Säugetieren und Süßwassermuscheln ist folgender.
Die ersten wandern auf den Landbrücken in zwei Rich-
Geschichte der neotropischen Region. 295
tungen, die Süßwasserfauna gewöhnlich aber nur in einer, je
nachdem ihr hierzu durch die Strömungen Gelegenheit ge-
geben wurde So kommt es, daß, obwohl in Afrika eine
Einwanderung von ÜOyprinidenfischen stattfand, doch keine
entsprechende Auswanderung von äthiopischen Typen erfolgte.
Etwas Ähnliches ist das plötzliche Erscheinen von äthiopischen
faunistischen Elementen in dem Niltale, was, wie durch palä-
ontologische Tatsachen erwiesen worden ist, nur am Schlusse
des Pleistocänes geschehen sein kann. Während die Ver-
bindung der beiden Amerikas im Pliocän genügte, um die
Verbreitung der Säugetiere in einer Weise zu modifizieren,
daß es ohne paläontologische Forschungen unmöglich sein
würde, den Ursprung der verschiedenen faunistischen Elemente
wiederzuerkennen, haben die Süßwasserfaunen allen Verände-
rungen in der Gestaltung des Kontinentes widerstanden, fast
ohne sich zu modifizieren.
Die Süßwasserfauna ist also nicht nur älter, sondern
auch viel konservativer, als die Verbreitung der Säugetiere.
Eines der schlagendsten Beispiele hierfür bietet uns die Ge-
schichte von Afrika. Während die charakteristischen Säuge-
tiere neogene Einwanderer sind, und Lydekker infolge-
dessen ganz korrekt handelt, wenn er Afrika nur als ein
Anhängsel der holarktischen Region ansieht, und seine Arc-
togaea aufstellt, ist Afrika hinsichtlich der Süßwasserfauna
ein Teil von Südamerika, und hat nur durch die neogene
Einwanderung der Cypriniden einige Umänderungen erfahren.
Wenn man also die Säugetiere betrachtet, gehört Afrika zur
Arctogaea, mit Rücksicht aber auf seine Süßwasserfauna zur
archhelenischen Region.
Dieses Beispiel lehrt wie verkehrt es ist, wenn man,
wie eg gegenwärtig geschieht, die Konstruktion von zoogeo-
graphischen Gebieten und Karten in ein System zwängen
will. Wir können wohl Karten für die verschiedenen Klassen
996 Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung.
und Ordnungen zusammenstellen, aber nicht für das gesamte
Tierreich überhaupt, weil die geologische Geschichte der ver-
schiedenen Gruppen eben eine ganz verschiedene ist. Wenn
Osborn sagt, es sei für uns noch eine ungelöste Frage, „wie
wir die gegenwärtige Verbreitung mit der der Vergangenheit
in Zusammenhang zu bringen haben“, so sagt er hiermit nur,
was bei Wallace und Engler in ihren hervorragenden Werken
über Zoogeographie und Phytogeographie der leitende Ge-
danke gewesen ist; wenn er aber des weiteren sagt: „und
wie man ein System aufstellen könne, welches mit den beiden
obigen Tatsachen in Einklang stände*“, so legt er uns hier-
mit tatsächlich eine Frage vor, die ebenso widersinnig sein
würde als die Herstellung von Beschreibungen und Abbil-
dungen, die sich gleichzeitig auf Ei, Larve, Puppe und
imago selbst beziehen. Die Werke über Zoogeographie sind
fast ausschließlich Erörterungen über die Verbreitung von
Säugetieren und Vögeln, und die wenigen Worte, die den
anderen Klassen gelten, sind nur schmückendes Beiwerk.
Eine falsche Methode kann aber keine allgemein gültigen
Resultate ergeben. Für die Erforschung der zoogeogra-
phischen Beziehungen und Gebiete zum Beginne der Tertiär-
zeit und der vorausgehenden mesozoischen Epoche ist es
aber nötig, die alten Klassen zu studieren und in den Be-
reich der Diskussion zu ziehen, und, wie ich schon vor zehn
Jahren betont habe, besonders die Süßwasserfauna.
Zwölftes Kapitel.
Die Helminthen als Hilfsmittel der zoo-
geographischen Forschung.
(Zoologischer Anzeiger, Bd. XXVI. Nr. 686, 1902, p. 42—51.)
Die neotropische Region galt den älteren Zoogeographen
als eine der natürlichsten und einheitlichsten Regionen. Diese
Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung. 297
Schule nahm den amerikanischen Kontinent als gegebene
Größe hin und ließ dementsprechend keine anderen Be-
ziehungen desselben zu anderen Kontinenten gelten als die
bekannten arktischen. Diese Auffassung führte zu völlig
verkehrten, mit den Tatsachen der Paläontologie in Wider-
spruch stehenden Schlußfolgerungen.
Gegen diese Auffassung machte ich seit 1889 Opposition
auf Grund der Tatsachen, welche sich aus dem Studium der
Süßwasserfauna und ihrer räumlichen und zeitlichen Ver-
breitung ergeben. Diese Untersuchungen, in Verbindung mit
jenen von Florentino Ameghino über die Herkunft der
patagonischen Säugetiere, haben die Grundlage geschaffen
für die heute gültigen Anschauungen. Wir wissen jetzt, daß
der amerikanische Kontinent als solcher erst seit dem Pliocän
besteht und daß die Geschichte der einzelnen Komponenten
eine ganz verschiedenartige war. Wenn wir von den auf
Südamerika selbst bezüglichen Veränderungen absehen, so
bleibt als wichtigste Tatsache die Verbindung der beiden
Amerikas zu nennen, welche in der letzten Hälfte der Miocän-
formation zustande kam. Von allen anderen Momenten ab-
gesehen, haben wir daher in der neotropischen Fauna die alt-
einheimischen oder autochthonen Elemente von jenen zu unter-
scheiden, die fremden Ursprungs oder heterochthon sind, d. h.
erst pliocän aus Nordamerika nach Südamerika einwanderten.
Während für die Vögel und Reptilien das bezügliche
Material noch viel zu unvollständig ist, um sichere Folge-
rungen zuzulassen, steht dies bei den Säugetieren weit
günstiger, so daß die allgemeinen Resultate der Forschungen
Ameghinos bereits gut bekannt und z. B. in dem trefilichen
Handbuche der Paläontologie von K. von Zittel sorgfältig
berücksichtigt sind.
Es schien mir nun von besonderem Interesse, die Frage
aufzuwerfen und zu studieren, ob die verschiedenartigen
998 Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung.
beiden Gruppen von Säugetieren, auf die ich hinwies, in
bezug auf ihre Eingeweidewürmer konstante und charakte-
ristische Unterschiede aufwiesen.
In dieser Hinsicht wird es zum Verständnis des folgenden
nötig sein, einige Betrachtungen allgemeiner Art vorauszu-
schicken. Naturgemäß ist uns jeder Einblick in die palä-
ontologische Entwicklung der parasitisch lebenden Würmer
verschlossen; doch bietet immerhin die Entwicklungsstufe der
einzelnen Familien, der Grad der Degenerierung und ihr
Verhältnis zu den Wirtstieren einigen Anhalt zur Beurteilung
der Fragen. Die Entstehung von Eingeweidewürmern aus
frei lebenden Würmern wird man sich offenbar wesentlich
auf zweierlei Art vorstellen können: einmal durch die Um-
wandlung von Ektoparasiten in Entoparasiten und sodann
durch die Angewöhnung von zufällig mit der Nahrung in
den Darmkanal der Wirtes gelangten Würmern an die neue
Umgebung.
In ersterer Hinsicht bietet uns die neotropische Fauna
einen interessanten Beleg in den durch Brauns Abhandlung
gut bekannt gewordenen Arten der Gattung Ülinostomum,
welche teils im Rachen, teils aber auch schon in der Speise-
röhre von Reihern und verwandten Vögeln leben. Bezüglich
des zweiten Vorganges scheinen Belege für derartige noch
Jetzt erfolgende Einwanderungen kaum vorzuliegen.
Es würde sich in dieser Hinsicht wesentlich nur um
Nematoden und Trematoden handeln können, während für
die Acanthocephalen und Cestoden frei oder ektoparasitisch
lebende Stammformen überhaupt in der heutigen Fauna nicht
nachweisbar sind. Diese Gruppen sind es auch, welche durch
den Verlust des Darmkanales die höchstgradige Anpassung
an die Besonderheiten des Parasitismus bekunden und welche
wir daher auch als besonders alte, jedenfalls schon aus der
mesozoischen Fauna übernommene Gruppen anzusehen haben.
Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung. 299
Damit steht in Einklang die weite geographische Verbreitung,
welche uns nicht darüber in Zweifel läßt, daß schon die alt-
tertiären Stammformen der plazentalen Säugetiere mit Ver-
tretern der wesentlichsten heute bekannten Gattungen von
Helminthen ausgerüstet waren.
Diese Verhältnisse und die Beibehaltung von Ein-
geweidewürmern während weitgehender Wanderungen und
unter wesentlich veränderten geographischen und klimatischen
Verhältnissen werden es uns nicht wunderbar erscheinen
lassen, wenn die autochthonen Säugetiere Südamerikas wesent-
lich dieselben Typen von Helminthen aufweisen, wie jene
anderer Regionen der Erde. Zu einer Ausbildung von
charakteristischen, neuen Typen von Helminthen ist es in
der Tertiärzeit, wenigstens in Südamerika, nicht gekommen,
so daß wir immer wieder auf die schon angedeutete Folge-
rung hingewiesen werden, wonach die Helminthen der Wirbel-
tiere im großen und ganzen als eine alte Gruppe des Tier-
reiches anzusehen sind.
Andererseits aber ist es einleuchtend, daß eine so lange
und komplette Isolierung, wie sie die Säuger Südamerikas
in der Tertiärepoche durchzumachen hatten, nicht ohne Einfluß
bleiben konnte auch auf die spezifische Ausgestaltung ihrer
Parasiten. Wir werden also, wenn die hier vorgetragene Auf-
fassung richtig ist, bei den autochthonen Säugetieren Süd-
amerikas Helminthenarten vorfinden, welche ihnen eigen-
tümlich sind, während wir bei den heterochthonen neben
anderen auch solche Parasiten anzutreffen werden erwarten
können, welche noch jetzt bei den Säugetieren der hol-
arktischen Region vorkommen. Die folgenden Darlegungen
werden dartun, daß die bisher beobachteten Tatsachen genau
den erörterten Voraussetzungen entsprechen.
Um diese Frage zu prüfen, habe ich insbesondere die
Verbreitungsverhältnisse der Acanthocephalen studiert. Be-
300 Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung.
sondere Umstände veranlaßten mich hierzu, namentlich die
Untersuchung einer neuen, im Magen des Jaguars lebenden
Art, deren Diagnose!) ich beifüge.
Bei den in Brasilien lebenden Säugetieren sind bis jetzt
folgende Arten von Kechinorhynchus beobachtet worden:
A. Autochthone Säugetiere:
(Figantorhynehus echinodiscus Diesing in Myrmecophaga u. a.
Myrmecophagidae.
Echinorhynchus novellae Parona in Artibeus.
e elegans Diesing in Chrysothrixe, Hapale u. Midas.
R, spirula Olfers in Cebus, Midas und Nasua.
A microcephalus Rud. in Didelphys und Caluromys.
B. Heterochthone Säugetiere:
Echinorhimcehus gigas Göze in Tayassu und Sus.
h campanulatus Diesing in Felis.
t) Echinorhynchus onzicola n. sp.
E. corpore crassiuseulo, laevi, subeonico, antice latiore; collo:
angusto, annuliformi; proboseide cylindriea, octoseriatim uncinata.
Longitud. 12 mm, lat. max. 4 mm Habit. in ventrieulo Felis onzae L.
Diese Art ist auffallend durch ihre kurze, gedrungene Gestalt und
durch das verbreiterte Vorderende, während das Hinterende verjüngt
ist. Der kurze, glatte Hals, der weit schmäler ist als das Vorderende
des Körpers, umgibt ringförmig die Basis des Rüssels, Der Körper ist.
glatt, unbewehrt, der Rüssel hat die Haken in acht Längsreihen an-
geordnet, Die Exemplare wurden gefunden im März 1901 in Bahuriü,
Staat S. Paulo, im Magen von Felis onza L., wo sie in großer An-
zahl in der Magenwandung festsitzen, Löst man ein Exemplar ab. so
gewahrt man einen kreisförmigen Eindruck, in dessen Zentrum eine
tiefe Grube die Einsenkung des Rüssels anzeigt. Die Form des Körpers
und die Zahl der Hakenreihen des Rüssels unterscheidet die Art sicher
von E. campanulatus Dies., welche im Darme des Jaguars und anderer
amerikanischer Katzenarten lebt.
Als neue Wirtstiere seien hier noch angeführt für E. retieulatus?
Porzana albicollis Vieill. und für E. inscriptus: Turdus flavipes Licht.,
nach Beobachtungen in S, Paulo.
Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung. 301
Echinorhynchus pardi Huxley in Felis.
RN onzicola Ih. in Felis.
s momiliformis Bremser in Mus.
Bei den Vögeln ist es weniger leicht, in gleicher Weise
die einheimischen und eingewanderten Typen zu unterscheiden,
ich gebe daher nur mit Reserve die folgende Übersicht.
A. Autochthone Vögel:
Gigantorhynchus spira Dies. in Gypagus und Cathartes.
r taenioides Dies. in Cariama.
Echinorhynchus vaginatus Dies. in Pferoglossus, Rhamphastus,
Ftupieola.
A reticulatus Westr. in Limnopardalis u. Porzana.
= galbulae Westr. in Galbula.
" dendrocopi Westr. in Ayphocolaptes.
e tanagrae Rud. in Tanagra.
a orioi Rud. in Ostinops.
B. Heterochtone Vögel.
Echinorhynchus inseriptus in Turdus.
5 striatus Köze in Ardea, Tantalus, Platalea u. Ceryle.
u sphaerocephalus Brems. in Larus.
z emberizae Rud. in Zonotriehta u. Pseudochloris.
Yes lagenaeformis Westr. in Urubitinga, Busarellus
u. a. Accipitres.
S candatus Zed. in Polyborus, Aceipiter u. a.
Aceipitres.
n tumidulus Rud. in Crotophaga und Coceyzus.
e oligaconthoides Rud. in Busarellus u. Harpagus.
Aus Reptilien kennt man aus Südamerika 3 Arten von
Echinorhynchus, E. megacephalus Westr., oligaconthoides Rud.
und rhopalorhynchus Dies., aus Amphibien nur £. lutzi Ha-
mann, aus Dufo.
302 Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung.
Aus Süßwasserfischen E. macrorhynchus Dies. aus Ara-
paima und E. arcuatus Dies. aus Macrodon.
Bezüglich der Wirtstiere sei hier bemerkt, daß in dem
Werke von Diesing eine Anzahl schwer zu ermittelnder
Artnamen enthalten sind, welche auch in das Kompendium
der Helminthologie von O. von Linstow übergegangen sind.
Die beiden von letzterem angeführten Arten von Dicholophus
beziehen sich auf Cariama cristata L., Turdus humilis Licht.
ist ein Museumsname für T. albiventris Spix. Unmöglich war
es mir, zu ermitteln, was unter Felis mellivora Il. gemeint
ist, sowie mit Pantherophis ceae Natterer!). Im allgemeinen
besteht zwar eine große Ähnlichkeit zwischen den Acantho-
cephalen der neotropischen und der übrigen Regionen, aber
die erstere hat doch einen eigentümlichen Charakterzug im
Besitze der Gigantorhynchidae, und die drei bis jetzt bekannten
Arten sind auf autochthone Wirtstiere Südamerikas beschränkt.
Ich fasse hierbei diese Familie in der von Hamann be-
gründeten Weise auf und lehne es ab, dieselbe durch Auf-
nahme von ZKechinorhynchus gigas und moniliformis zu einer
wenig natürlichen umzugestalten.
Die Süßwasserfische Südamerikas haben nicht nur be-
züglich der Acanthocephalen, sondern überhaupt bezüglich
ihrer Helminthen charakteristische Arten. Auch die ameri-
kanischen Alligatoren haben keine Art von Parasiten mit
den Krokodilen der alten Welt gemeinsam. Etwas anders
steht es mit den Batrachiern, bei welchen in der Pliocänzeit
die Verhältnisse mächtig umgestaltet wurden durch die riesige
Einwanderung von holarktischen Vertretern von Bufo, Hyla
und verwandten Gattungen, welche die ihnen eigenen Para-
‘) Nach Mitteilung des Herrn Dr, von Marenzeller ist Felis
mellivora Ill. — Felis jaguarondi Lacep. und Pantherophis ceae Fitzgr.
= Drymobius bifossatus (Radde) Blgr. M. Braun.
Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung. 303
siten auch auf die mit ihnen zusammenlebenden Cystignathus
usw. übertrugen.
Das Studium der im Vorausgehenden mitgeteilten Listen
ergibt, daß bei den höheren autochthonen Landtieren Süd-
amerikas durchweg nur besondere, ihnen eigentümliche Arten
von Acanthocephalen angetroffen werden und das gleiche gilt,
wie gleich bemerkt sei, auch für die übrigen Vertebraten.
Etwas anders verhalten sich die heterochthonen Formen, bei
welchen neben besonderen Arten von Acanthocephalen auch
solche vorkommen, welche eine weitere Verbreitung besitzen.
Echinorhynchus moniliformis, in Rio Janeiro und S. Paulo
in der Wanderratte getroffen, muß außerhalb der Betrachtung
bleiben, als durch Schiffe importiert. Dagegen ist das Vor-
kommen von #. gigas im Darme des Nabelschweines, Dieo-
tyles resp. Tayassı, insofern von besonderem Interesse, als es
darauf hinweist, daß die spättertiären Suiden der holark-
tischen Regionen mit dieser bemerkenswerten großen Art von
Echinorhynchus infiziert waren.
Bei den Vögeln finden wir gemeine europäische Arten
von KEchinorhynchus bei Wasservögeln und Tagraubvögeln
reichlicher vertreten. So kommt E, sphaerocephalus in Europa
bei //aematopus und Anas, E. striatus Götze bei Nycticorax L.,
Ardea einerea L., Cygnus olor Gm. und Haliaötus albieilla L. vor,
während bei den europäischen Arten von Buteo, Milvus, Circus
usw. Echinorhynchus caudatus u. E. lagenaeformis ebenso gemein
sind, wie in Brasilien bei den entsprechenden Raubvögeln.
Was sich aus diesen Erörterungen für die Acantho-
cephalen ergibt, muß überhaupt auf die Entozoen ausgedehnt
werden. Nehmen wir z. B. den südamerikanischen Camp-
fuchs, so besitzt derselbe unter 7 bei ihm beobachteten Hel-
minthen nur zwei amerikanische Arten, Filaria acutiuscula Mol.
und Ligula reptans Dies., welche auch bei anderen südameri-
kanischen Säugetieren häufig angetroffen werden.
304 Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung.
Eustrongylus gigas z. B. wird nicht nur in der Niere von
Canis azarae und jubatus gefunden, sondern auch bei dem
europäischen Fuchs und Wolf, sowie auch bei den Zutra-
Arten von Deutschland und Brasilien. Dasselbe gilt für
Ascaris mystax Rud., Strongylus trigonocephalus Rud. und Hemi-
stomum alatum Dies. Überall, wo wir Vertreter der Gattung
Canis untersuchen, sei es in Deutschland, Asien oder Süd-
amerika, finden wir dieselben charakteristischen Eingeweide-
würmer bei ihnen vor, zu denen sich dann je nach den lokalen
Bedingungen noch einige weitere Arten hinzugesellen.
Ganz die gleichen Beobachtungen machen wir, wenn wir
die Arten von Tayassu und Sus miteinander in bezug auf
ihre Eingeweidewürmer vergleichen oder jene von Fels oder
Cermus.
Es ist unter diesen Umständen zu verwundern, daß keine
größere Vermischung der Entozoen im südamerikanischen
Faunengebiete stattgefunden hat. Eine Prüfung der oben
mitgeteilten Listen weist uns nur in einem Falle, nämlich bei
Echinorhynehus spirula eine solche Vermischung auf, indem
die genannte Art außer bei Affen auch beim Rüsselbären
vorkommt, welche allerdings mit diesen unter ganz identischen
Bedingungen zusammenlebt.
Daß derartige Übertragungen von Parasiten auf neue Wirts-
tiere nicht nur möglich sind, sondern auch in ausgedehntem
Umfange tatsächlich stattfinden, wissen wir am besten vom
Menschen, bei welchem nicht nur zahlreiche künstliche In-
fizierungen gelungen sind, sondern auch die übergroße Zahl
seiner Parasiten auf Übernahme von anderen Tieren hin-
weist. Es muß möglich sein, auf komparativem Wege die
Parasiten festzustellen, welche dem Menschen ursprünglich
eigentümlich waren und welche er, wie z. B. Trichocephalus
dispar mit den Affen gemein hatte. Neben diesen ursprüng-
lichen oder pithecoiden Parasiten hat der Mensch nicht nur
Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung. 305
durch seine verschiedenartige Nahrung, welche ihm sogar
Eingeweidewürmer der fischfressenden Säugetiere zuführt,
zahlreiche neue Entozoen gewonnen, sondern auch die Zahl
dieser ihm ursprünglich fremden Parasiten in außergewöhn-
lichem Maße vergrößert durch den täglichen Umgang mit den
von ihm domestizierten Haustieren. So hat er vom Schwein
Ascaris lumbrieoides, vom Hunde Ascaris mystaz, Eustrongylus
gigas usw. aufgenommen. Ist diese Ansicht richtig, so werden
die betreffenden caninen, suinen, ovinen usw. Parasiten des
Menschen jenen Naturvölkern abgehen, welche sich nicht im
Besitz der betreffenden Haustiere befinden. Die Frage nach
dem Ursprunge der menschlichen Helminthen kann einerseits
auf dem eben angedeuteten Wege, andererseits dadurch ge-
löst werden, daß man die zugehörigen ursprünglichen Wirts-
tiere auf vergleichendem Wege feststellt.
Bei solchen vergleichenden Betrachtungen müssen natür-
lich die Tiere verschiedener Lebensbezirke getrennt behandelt
werden. Ich wies schon darauf hin, daß die Süßwasserfauna,
wenigstens bei den passiver Verschleppung nicht ausgesetzten
' höheren Formen, Fälle von weiter Verbreitung der Helminthen
| nicht aufzuweisen hat. Es liegt dies daran, daß viele Ele-
mente der Süßwasserfauna ein weit höheres Alter besitzen
als die entsprechenden Vertreter der Landfauna, namentlich
der Säugetiere und Vögel. Es ist daher durchaus kein Zu-
fall, wenn wir paläarktische Entozoen bei gewissen neotropi-
schen Säugetieren, Vögeln und Amphibien antreffen, nicht
aber bei den Süßwasserfischen.
Diese Verhältnisse weisen uns darauf hin, daß die ge-
nannten Landtiere durch ihre Wanderungen ihre Parasiten
nicht etwa los werden, sondern dieselben auch unter“ ver-
änderten Verhältnissen beibehalten. Dies erklärt sich einer-
seits aus einer gewissen Anpassungsfähigkeit, andererseits aus
dem Umstande, daß die als Zwischenwirte dienenden niederen
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 20
306 Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung,
Tiere überall auf Erden eine weitgehende Analogie aufweisen. |
So lebt, wie P. S. Magalhäes nachwies, die Larve des in
der Wanderratte schmarotzenden Kchinorhynchus moniliformis
in Periplaneta americana, während deren Stelle in Europa
offenbar Periplaneta orientalis vertritt. Die Larve von Echino- 4
rhymehus gigas lebt in Europa in den Engerlingen, zumal jenen |
von Melolontha vulgaris, in Nordamerika aber, wo der Mai- |
käfer nicht vorkommt, in Larven von Zachnosterna. In beiden
Fällen handelt es sich um unterirdisch an Pflanzenwurzeln
lebende Käferlarven. Es ist hiernach klar, daß ein tieferer
Einblick in die Verbreitungsverhältnisse der Helminthen nicht
möglich ist, ohne die Anwendung der von mir seit 1889 in
die zoogeographische Forschung eingeführten analytischen
Methode, welche im Gegensatz zur älteren deskriptiven Me-
thode und sie ergänzend bestrebt ist, nicht nur die allgemeine |
(reschichte der betreffenden Regionen zu ermitteln, sondern
ganz speziell und bis auf die einzelnen Gattungen herab die
verschiedenen faunistischen Elemente zu scheiden, aus deren
Vereinigung die heutige Mischfauna entstand.
Ich bin überzeugt, daß diese Methode auf keinem Ge-
biete größere Erfolge aufzuweisen haben wird, als auf jenem \
der Helminthologie, wo sie nieht nur im Dienste der Zoo-
geographie steht, sondern auch in jenem der Paläontologie. i
Haeckel meint in seiner speziellen Phylogenie bei Erörterung
der Platoden, daß man bei Mangel von zoologischen Daten
für die Ermittelung der Phylogenie auf die Morphologie an- }
gewiesen sei. Diese aber gibt uns nur ganz allgemeine -
Anhaltspunkte, wogegen die erörterten Beziehungen der
Helminthen zu ihren Wirtstieren die Möglichkeit darbieten,
ganz präzise Angaben zu gewinnen über das Alter einzelner
Arten und Gattungen. Wenn wir z. B. bei den verschiedenen
Canis-Arten aller Erdteile Eustrongylus gigas in der Niere '
antrefien, aber auch noch in verschiedenen anderen Raub-
Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung. 307
tieren und diese Tatsache mit dem pliocänen Alter der
Gattung Canis in Verbindung bringen, so können wir nicht
darüber in Zweifel bleiben, daß schon die obermiocänen
Vorfahren dieser Raubtiere mit dem erwähnten Parasiten
besetzt waren. Besonders günstig aber liegen in dieser
Hinsicht die Verhältnisse bei denjenigen Inseln, welche seit
längerer Zeit von den benachbarten Kontinenten abgegliedert
sind. Sie zeigen uns die Fauna der Isolierungsepoche un-
verändert oder umgestaltet, und wenn wir bei ihren Land-
tieren Helminthen vorfinden, welche auch bei den entsprechen-
den Formen des Nachbarkontinents angetroffen werden, so
muß das Alter dieser Helminthen ein etwas höheres sein,
als jenes der Isolierung. Derartige Inseln kennen wir nicht
nur aus der Tertiärzeit, sondern auch aus Kreide (Australien)
und Jura (Sandwichsinseln).
In dieser Hinsicht ist es von Interesse, daß nach den
Untersuchungen von Zschokke die Cestoden der Mono-
tremen und aplazentalen Säugetiere alle Anoplocephalinen
' und jenen der Insektivoren nahe verwandt sind. Die Ver-
hältnisse liegen übrigens in Australien insofern etwas kom-
pliziert, als nach langer Isolierung pliocän eine Landverbindung
nach Norden zu stande kam, durch welche Land- und zum
Teil auch Süßwassertiere übertragen wurden. Zu diesen
späten Einwanderern gehört Canis dingo, eine gute Spezies,
wie Nehring nachwies, übrigens auch fossil in Australien
gefunden. Leider wissen wir noch nicht, wo die von
Ameghino entdeckten kretazeisch-eocänen Säugetiere Pata-
goniens ihr Äquivalent haben, ob in Australien, wie von
Ihering, oder in Afrika, wie Ameghino und Osborn ver-
muten. In solchen zweifelhaften Fällen vermag das Studium
der Helminthen offenbar auch in anderen Gebieten ebenso
wichtige Aufschlüsse zu erteilen, wie wir das bereits für die
neotropische Region feststellen konnten. Es wird uns zwar
20*
308 Die Helminthen als Hilfsmittel der zoogeographischen Forschung.
offenbar die Geschichte der paläozoischen Helminthen stets
unbekannt bleiben, nicht so aber jene der mesozoischen und
tertiären Entozoen, da, wie wir gesehen haben, die Beziehungen
der verschiedenen (sruppen der Helminthen zu den beher-
bergenden Landtieren, auch der schon früh und durch lange
Zeit hindurch isolierten Regionen, keinen Zweifel darüber
aufkommen lassen, daß wir es in diesen Parasiten mit alten,
schon mesozoisch wohl entwickelten Gruppen zu tun haben.
Wir können unsere Betrachtungen zum Schlusse in
folgende Sätze, um nicht zu sagen „biologische Gesetze“,
zusammenfassen, welche sich auf das Verhältnis der Hel-
minthen zu den sie beherbergenden Säugetieren und Vögeln
beziehen:
1. Die Landtiere werden durch ihre Wanderungen, auch
die ausgedehntesten nicht ausgeschlossen, von ihren Hel-
minthen nicht befreit, weil die als Zwischenwirte dienenden
niederen Tiere überall auf Erden unter sonst gleichen Be-
dingungen analoge Verhältnisse aufweisen; wenn auch in den
neuen Wohngebieten zum Teil andere Parasiten hinzukommen,
bleiben doch die alten Verhältnisse zum großen Teil unver-
ändert bestehen, wie dies besonders in Südamerika auffällig
ist, wo die holarktischen Helminthen nicht bei den autoch-
thonen, sondern nur bei den heterochthonen, spät eingewan-
derten Säugetieren und Vögeln angetroffen werden.
2. Unter diesen Umständen gestaltet sich die Hel-
minthologie zu einem wertvollen Hilfsmittel für die analyti-
sche Methode der Zoogeographie, von welchem man sich
wichtige Dienste, namentlich auch bei solehen Gruppen be-
hufs Ermittelung ihrer Geschiehte versprechen darf, für
welche nicht genügend geologische Daten vorliegen resp. der
Natur der Sache nach nicht erwartet werden können.
3. Die Helminthologie in diesem Sinne aufgefaßt, wird
auch Gegenstand der paläontologischen Forschung, indem
Die Tertiärkonchylien Südamerikas, 309
die Beziehungen der Helminthen zu ihren Wirten, zu deren
Wanderungen und zu ihrem geologischen Alter es gestatten,
über das Alter der einzelnen größeren Gruppen, ja selbst
Gattungen und Arten, exakten Aufschluß zu gewinnen.
Dreizehntes Kapitel.
Die Tertiärkonchylien Südamerikas als Mittel
zur Rekonstruierung der alten Küstenlinien des
Kontinentes.
(April 1907.)
Wie ich schon in der Einleitung hervorgehoben habe,
kam mir es im Laufe der letzten Jahre bei meinen zoogeo-
graphischen Studien vor allem darauf an, die gegenseitigen
Beziehungen der tertiären Faunen der verschiedenen Gebiete
Amerikas zu ermitteln. Die Zahl der Arten von littoralen
Mollusken, deren Verbreitung von Nordamerika bis Pata-
gonien reicht, ist eine bedeutende, und wir können daraus
folgern, daß zu Beginn der Tertiärzeit, wo die klimatischen
Gegensätze der verschiedenen Zonen nicht so ausgeprägt
waren wie heute, und das Meer in Patagonien eine beteutend
höhere Temperatur hatte als gegenwärtig, diese Verbreitung in
nord-südlicher Richtung eine wesentlich gesteigerte hätte sein
müssen, sofern die geographischen Verhältnisse die gleichen
gewesen wären. In Wahrheit aber liegt gerade der ent-
gegengesetzte Fall vor und sind die eogenen Mollusken von
Patagonien einerseits, Florida, den Antillen und so weiter
andererseits total verschieden. Dieser Umstand erklärt sich
durch die Landbrücke, die Archhelenis, welche damals Bra-
siiien und Afrika verband. Patagonien erhielt daher Zu-
wanderer an marinen Invertebraten einerseits von Süden her,
was die Beziehungen zur chilenischen und neuseeländischen,
310 Die Tertiärkonchylien Südamerikas.
älteren Tertiärfauna erklärt, andererseits längs der Ostküste
der Archhelenis aus dem indischen Ozean. Da letzterer in
unmittelbarem Zusammenhange mit dem großen europäischen
Mittelmeer stand, so läßt sich leicht verstehen, warum das
Eocän von Patagonien, die patagonische Formation, nähere
Verwandtschaft zum europäischen Eocän zeigt, als zum nord-
amerikanischen. Ein riesiges, tropisches Meer reichte da-
mals von Zentralamerika, das großenteils unter dem Meeres-
spiegel begraben lag, quer durch Europa und Asien hin bis
Australien, zum Teil auch die Gebiete überflutend, in welchen
sich später die mächtigen Kettengebirge der Alpen und des
Himalaya erhoben. Diesen tropischen Ozean bezeichnen wir
mit Süss als die Thetis. Besonders charakteristisch sind in
diesem eocänen Ozeane die Nummuliten, welche dagegen in
den patagonischen gleichzeitigen Ablagerungen, überhaupt in
der antarktischen Region, vollkommen fehlen. Dies ent-
spricht ganz dem eigenartigen Charakter des Ozeanes, welcher
sich im Süden der Archhelenis ausbreitete, und für welchen
ich den Namen der Nereis eingeführt habe. In der eogenen
Fauna von Patagonien fehlen eben nieht nur eine größere
Anzahl von charakteristischen Gattungen der Tropen, wie
Cypraea, Strombus, Harpa, Conus, Spondylus usw., sondern
auch die Vertreter solcher Familien, welche, wie die Ceri-
thiiden, Litoriniden, Rissoiden und andere gegenwärtig eine fast
kosmopolitische Verbreitung haben, und fast noch mehr für
die gemäßigten Regionen der Meere, als für die heißen
charakteristisch sind. Dies zeigt uns, daß es nicht oder doch
nicht ausschließlich Temperaturunterschiede waren, welche die
damaligen zoogeographischen Provinzen bedingten, sondern
die abweichende Verteilung von Land und Meer.
Der große Tropenozean, die Thetis, war von Osten nach
Westen und von Norden nach Süden von einer mehr oder
minder einheitlichen Molluskenfauna besetzt, und viele Gat-
Die Tertiärkonchylien Südamerikas. 3ll
tungen, die wir heute auf ein geringes Areal beschränkt
sehen, waren damals fast über das ganze Gebiet der Thetis
verbreitet. So kennen wir z. B. die Gattung Acanthina (Mono-
ceros) heute nur von der pacifischen Küste von Süd- und
Mittelamerika, aber während des älteren Tertiäres hat sie
sowohl in Chili, wie auch in Europa und Australien gelebt.
Neben den weiter verbreiteten Gattungen gab es aber schon
damals solche, die nur der westlichen oder der östlichen
Hälfte der Thetis eigen waren. Siphonalia, Cominella, Trophon
und andere Gattungen der Osthälfte der Thetis, kommen
zwar noch im Eocän von Europa vor, nicht aber in Nord-
amerika, während andererseits verschiedene Gattungen wie
z. B. Venus der nordamerikanisch-europäischen Provinz eigen-
tümlich aber im indischen Ozeane nie vertreten waren. An-
dere Gattungen wie z. B. Bullia waren im nordamerikanischen
Eocän vorhanden, sind dort aber weiterhin erloschen, während
sie in Europa und Asien bis auf unsere Tage sich erhielten.
Diese Verbreitungsverhältnisse der marinen Invertebraten
des älteren Tertiäres müssen wir uns vor Augen halten, wenn
wir die gegenwärtige Verbreitung vieler tropischer Arten von
Mollusken verstehen wollen.
Es gibt eine größere Anzahl von Mollusken der Tropen,
welche in den Antillen und im indischen Meere vorkommen,
aber an den afrikanischen Küsten fehlen. Hierhin gehören
eine ganze Anzahl Arten von Lotorium, Persona reticulata Link,
Marginella minuta Pfr., Pyrula reticulata L., Trophon anceps
Lam., Zueina edentula L., Pitar laetum L., Asaphis deflorata L.,
viele Arten von Äissoina u. a. mehr. Natürlich ist die Zahl
dieser Arten in der Tertiärzeit eine beträchtlich größere
gewesen. Jtissoina decussata Mont., eine gemeine Art des
Wiener Beckens, ist jetzt im Mittelmeere nahezu oder ganz
‚erloschen, Oliva ispidula L., eine häufige Art von Östindien,
findet sich nach Gabb im Pliocän von Costa Rica. Das
312 Die Tertiärkonchylien Südamerikas.
lokale Aussterben einzelner Arten hat eine auffallende
diskontinuierliche Verbreitung zur Folge, die zum Teil zu
wunderbaren Verhältnissen führt. So z. B. gibt es eine Anzahl
chilenischer Arten, wie Calyptraea trochiformis Gm., Crepidula
dilatata Lam., Purpura eingulata L., Cardium ringens Gm.,
welehe nur noch in Westafrika wiederkehren. Offenbar sind
auch diese Arten alte Elemente der Thetis, deren Verbreitung
in die Zeit fällt, in welcher-noch das Meer Zentralamerika
überflutete. Ich verweise in dieser Hinsicht auf mein Buch
über die tertiären Mollusken von Patagonien, in welchem
auch die chilenischen Mollusken eingehend analytisch, d. h.
nach Herkunft der verschiedenen Elemente dieser Fauna
erörtert sind.
Im Gegensatze zu der von mir angewandten historischen
Untersuchungsmethode findet man in der Literatur über die
geographische Verbreitung der Mollusken überall die Meinung
ausgesprochen, dab die heutige Verbreitung der marinen
Mollusken, soweit sie nicht längs der bekannten Küsten sich
vollzog, durch die Meeresströmungen verursacht worden sei.
Es war meine Absicht, eine Anzahl Belegstellen hierfür an-
zuführen, aber ich habe davon abgesehen, weil ich überhaupt
eine andere Ansicht nicht ausgesprochen gefunden habe.
Besonders erstaunlich ist mir es gewesen, daß auch ein
Geologe, Johannes Walther, in seiner verdienstvollen Ein-
leitung in die Geologie, Jena 1894, diesen völlig verfehlten
Standpunkt einnimmt. Es ist überhaupt schwer verständlich,
wie man hat glauben können, auf Grund der heutigen geo-
graphischen Verhältnisse die Verbreitung der Seetiere erklären
zu können.
Schon die Beziehungen der chilenischen marinen Fauna
zu jener von Westafrika und dem Mittelmeer oder die
identischen Arten, welche sich an beiden Seiten von Zentral-
amerika finden, zwingen ja zu einem ganz anderen Vorgehen,
Die Tertiärkonchylien Südamerikas. 313
da auch die kühnste Phantasie diese Verbreitungsverhältnisse
nicht von Wanderungen um das Kap Horn herum zu er-
klären sich getraut. Wenn man aber in diesem Falle auf
die Geographie des älteren Tertiäres zurückgreift, warum
nicht auch in anderen Fällen? Simroth hat früher auch
die Ähnlichkeit zwischen der ost- und westindischen Fauna
durch passive Wanderung der Larven um das Kap der guten
Hoffnung herum erklären wollen, hat diese kühne Hypothese
aber in seiner Bearbeitung der Mollusken im Bronnschen Tier-
reiche wieder fallen lassen. Besonders häufig hat man die Ähn-
lichkeit der westafrikanischen marinen Fauna mit jener von
Brasilien und den Antillen durch Wanderungen der Larven
quer durch den atlantischen Ozean zu erklären versucht.
Allen diesen Hypothesen ist nun neuerdings der Boden ent-
zogen worden durch die positiven Resultate der Plankton-
expedition der Humboldtstiftung. Professor V. Hensen hat
schon füher darauf hingewiesen, daß das Plankton der Küsten
verschieden ist von jenem der Hochsee. Die Ergebnisse der
Planktonexpedition haben diese Schlußfolgerungen in vollem
Umfange bestätigt. Es hat sich dabei herausgestellt, dab
das Plankton der Tropen sehr reich ist an Larven von See-
tieren, daß diese aber selbst im Golfstrome nach Norden hin
bis zum Verschwinden abnehmen. Die Larven der littoralen
Seetiere finden sich in Menge nahe der Küste, werden dann
aber gegen den freien Ozean hin immer seltener, um schließlich
fast zu verschwinden. Die vereinzelten Larven von Küsten-
tieren, welche durch den Zufall weit hinaus in den Ozean
getrieben werden, sind nach der übereinstimmenden Über-
zeugung der verschiedenen Verfasser dem sicheren Unter-
gange geweiht. Nur einer der hierbei in Betracht kommenden
Autoren, Mortensen, kann sich noch nicht von dem Gedanken
frei machen, daß die Ähnlichkeit zwischen der westafrikani-
schen und der ostamerikanischen litoralen Echinodermen-
314 Die Tertiärkonchylien Südamerikas.
fauna auf Rechnung von Wanderungen der Larven durch
den Ozean zu setzen sei. Nichtsdestoweniger sind die von
ihm mitgeteilten Tatsachen dieser Hypothese absolut nicht
günstig, denn auch Mortensen erkennt rückhaltlos an, daß
die Echinodermen dem echten Hochseeplankton fremd sind.
Bemerkenswert finde ich noch die Äußerung von Simroth:
„Die geographische Ausbreitung der Muscheln durch ihre
Larven geht dem Ufer entlang, nicht quer durch den Ozean
(l. e. p. 39).“ Simroth ist also durch die positiven Beob-
achtungen zu einem Resultate gelangt, das gerade entgegen-
gesetzt ist jenem, zu welchem früher Spekulationen ihn geführt
hatten. Ich sehe hier von einer weiteren Diskussion. des
(regenstandes ab, und verweise nur auf die wesentlichste,
für die Erörterung dieser Frage in Betracht kommende
Literatur').
Angesichts des kläglichen Schiffbruches der Strömungs-
theorie wird um so weniger der von mir beschrittene Weg
beanstandet werden können. Übrigens wird es heute niemand
mehr einfallen, die Geschichte z. B. der verschiedenen Säuge-
tierfaunen lediglich aus der Verbreitung der rezenten Arten
ableiten zu wollen. Man ist längst daran gewöhnt, diese
Geschichte aus der Kombinierung der fossilen und lebenden
Vertreter und aus ihren ehemaligen Wanderungen zu rekon-
struieren. Warum sollten wir bei den Mollusken anders vor-
gehen? Gibt es doch unter den lebenden marinen Mollusken
') Dr. Heinrich Simroth, Die Gastropoden der Planktonexpedition,
Kiel u. Leipzig 1895, Band II. F. d.
Dr. Heinrich Simroth, Die Acephalen der Planktonexpedition,
Kiel u. Leipzig 1896, Band II. F. e.
Prof, Valentin Haecker, Die pelagischen Polychaeten und
Achaetenlarven der Planktonexpedition, Kiel u. Leipzig 1898,
Band II. d. H,
Th. Mortensen, Die Echinodermen der Planktonexpedition, Kiel
u. Leipzig 1898, Band II. J.
Die Tertiärkonchylien Südamerikas. 315
nicht nur unzählige Gattungen, sondern auch viele Arten,
welche bereits im Eocän auftreten. In dieser Hinsicht ver-
dienen die Mollusken sogar den Vorzug vor den Säugetieren,
und es ist nicht der Versuch, dieses Material in vergleichend
zoogeographischem Sinne zu verwerten, welcher der Recht-
fertigung bedarf, sondern die auf irrige Voraussetzungen
basierte Drifttheorie.
Zwei Erfahrungssätze sind es namentlich, die sich aus
meinen Studien über die Geschichte der marinen Faunen
Südamerikas ergeben, und auf welche ich hier besonders
hinweisen möchte:
1. Die Verbreitung der Küstenmollusken erklärt sich
nicht nur durch recente, den heutigen geographischen Ver-
hältnissen entsprechende Wanderungen. Sie ist vielmehr
das Produkt von Wanderungen, welche sich in der älteren
Tertiärzeit vollzogen bei einer von der heutigen ganz ver-
schiedenen Verteilung von Wasser und Land.
2. Die Anpassung der litoralen Arten an ganz bestimmte
Temperaturbedingungen des Meeres, wie sie uns heute vor
Augen tritt, ist erst am und nach dem Ende der Pliocänzeit
zustande gekommen.
Auch letzterer Umstand erklärt viele Verhältnisse, die
wir bei Berücksichtigung nur der heutigen physikalischen
Bedingungen nicht verstehen können. Mytilus edulis z. B.,
eine in Europa einheimische Art, welche nach Nordamerika
erst posttertiär gelangt ist, muß miocän zusammen mit vielen
anderen marinen Mollusken, wie Arten von Bullia, Oxystele
und anderen Gattungen, von Europa aus längs der Westküste
Afrikas nach dem Kap der guten Hoffnung und von da
weiter in die antarktische Region gelangt sein, wo sie jetzt
weit verbreitet ist und in Patagonien schon in pliocänen
Ablagerungen vorkommt. Heutigentages sind solche Wande-
rungen von litoralen Arten der kalten und gemäßigten Meere
316 Die Tertiärkonchylien Südamerikas.
durch die Tropenzone nicht mehr möglich, und der einzige
Weg, der noch den an kaltes Wasser angepaßten marinen
Mollusken in der Richtung von Pol zu Pol offen steht, ist
die Tiefsee.
Aus meinen soeben mitgeteilten Untersuchungen ergeben
sich verschiedene Anhaltspunkte für die Beurteilung der
Verteilung von Land und Meer während der Tertiärzeit. Ich
habe versucht, dieselben in Form einer Kartenskizze nieder-
zulegen, bemerke aber dabei, daß ich mich zum Teil an die
von Ortmann veröffentlichte Karte gehalten habe, soweit
nämlich dieselbe sich auf die von meinem Untersuchungs-
gebiete weiter abliegenden Teile der Erde bezieht. Ich über-
nehme daher die Verantwortung nur für denjenigen Teil der
Karte, in betreff dessen mir genügende eigene Erfahrungen
zu Gebote stehen, d. h. also namentlich Südamerika, Afrika
und das antarktische Gebiet. Ein Vergleich meiner Karte
mit derjenigen Ortmanns, welche sich auf die Verhältnisse
zur Zeit der oberen Kreide und des Eocänes beziehen, ergibt
große Differenzen. In erster Linie bemerke ich dabei, daß
meines Erachtens für obere®Kreide und Eocän kein Grund
vorliegt zur Annahme von so bedeutenden Veränderungen
der Erdoberfläche, wie sie aus Ortmanns Darstellungen sich
ergeben würden. Ich selbst glaubte früher, daß die Brücke
zwischen Afrika und Brasilien sich nicht so lange erhalten
hätte, als es sich jetzt herausstellt. Es liegen eben jetzt neue
Resultate der Forschung vor, und nur diese sollen in Folgen-
dem besprochen werden. Der Vergleich zwischen der eogenen
Molluskenfauna von Patagonien einerseits und von Nord- und
Zentralamerika andererseits hat uns dargetan, daß nur eine
Südbrasilien mit Afrika verbindende Landbrücke imstande
gewesen sein kann, den Austausch der marinen Faunen des
südlichen und nördlichen Südamerika komplet zu verhindern.
Zu demselben Resultate hat nun aber auch der Vergleich
Die Tertiärkonchylien Südamerikas. 317
der nordbrasilianischen und der patagonischen marinen Fauna
der oberen Kreide geführt. Die reiche Entwicklung der
fossilienführenden oberen Kreide im nördlichen Brasilien läßt
uns eine marine Transpression erkennen, welche eine vorüber-
gehende Erscheinung war, so daß die tertiäre Küste von
Nordbrasilien weiter östlich als die heutige gelegen war, was
uns das völlige Fehlen tertiärer Seekonchylien in Brasilien
erklärt. In der Karte Ortmanns, fig. 6, welche sich auf
die obere Kreide bezieht, finden wir Brasilien bereits völlig
von Afrika isoliert, und letzteres durch eine der Atlantis
von Heer entsprechende Landbrücke mit Zentralamerika
verknüpft. Die jetzt uns bekannten paläontologischen Tat-
sachen lassen diese Darstellung als irrig erkennen und tun
dar, daß in dieser Hinsicht zur Zeit der oberen Kreide die
Verhältnisse nicht wesentlich anders lagen als während der
unteren Kreide, auf welche sich fig. 5 von Ortmann be-
zieht. Der große Kontinent der oberen Kreide, den Ort-
mann konstruiert und „Mesozonia“ genannt hat, gerät
daher in Wegfall.
Ein zweiter Punkt, in welchem durch meine Unter-
suchungen eine Änderung bedingt wird, betrifft das Südende
von Afrika, welches noch im Eocän bedeutend weiter nach
Süden gereicht haben muß.
Ein dritter Punkt bezieht sich auf die Küsten der
Archinotis, d. h. der mit Patagonien verknüpften ant-
arktischen Landmasse, welche westlich von Südamerika sehr
viel weiter gegen den Pol hin zurückgezogen war, als östlich.
Ein letzter Punkt endlich ist die Verknüpfung von
Zentralamerika resp. Teilen dieses und der angrenzenden
Gebiete mit den Sandwichsinseln und wohl noch anderen
Inseln des Stillen Ozeans. Ich finde es ratsam, dieses hypo-
thetische Land mit einem besonderen Namen zu belegen,
318 Die Tertiärkonchylien Südamerikas.
als welehen ich Paeila in Anwendung bringe. Die Ver-
gleichung der Tertiärkonchylien von Chili und Kalifornien
zeigt uns, daß die beiderseitigen marinen Faunen während
des älteren Tertiäres außer Zusammenhang waren und daß
erst im Pleistocän ein Austausch der faunistischen Elemente
beider Gebiete stattfand. Im Gegensatz dazu aber konnte
die Fauna der Südküste der Thetis, d. h. des zentralen,
eocänen großen Mittelmeeres ungehindert bis Chili gelangen,
und erklärt uns dies den von Philippi hervorgehobenen
mediterranen oder richtiger wohl nordatlantischen Charakter
der eogenen marinen Fauna von Chili.
Im Miocän finden wir dann die geographischen Ver-
hältnisse der Erde bedeutend verändert und schon erheblich
den gegenwärtigen angenähert. Zur See sind die Küsten-
tiere des nördlichen Südamerika bis zum La Plata vor-
gedrungen, aber die Landverbindung der beiden Amerikas
ist noch nicht hergestellt; erst im Pliocän erfolgte der gegen-
seitige Austausch von Säugetieren Nord- und Südamerikas.
Patagonien war keinesfalls schon damals von den Falklands-
inseln und von der antarktischen Landmasse getrennt, wie
dies Ortmann annimmt. Nordische Säugetiere sind nicht
nur bis Patagonien vorgedrungen, sondern wie z. B. Arten
von Canis, auch bis zu den Chilo@inseln und Falklandsinseln.
Die jetzige definitive Verbindung des Atlantischen und Paci-
fischen Ozeans im äußersten Süden von Südamerika hat sich,
wie aus der Geschichte der marinen Konchylien hervorgeht
erst posttertiär vollzogen. Auch Südafrika muß im Miocän
eine ganz andere Konfiguration gehabt und weiter nach Süden
gereicht haben, da es Konchylien mediterranen Ursprungs
gestattete, sich in der antarktischen Region und namentlich
auch bis Patagonien zu verbreiten. Dis gilt nicht nur für
Mytilus edulis, die gemeine europäische Miesmuschel, sondern
auch für die zahlreichen Arten der Gattung Bullia, welche
Geschichte und Verbreitungswege der Brackwasserfauna.. 319
zu Ende der Tertiärzeit in Patagonien ebenso unvermittelt
auftreten, wie etwa die modernen Huftiere im Pliocän von
Argentinien.
Vierzehntes Kapitel.
Geschichte und Verbreitungswege der Brack-
wasserfauna des östlichen Südamerikas.
(April 1907.)
Schon die Verbreitung der marinen Invertebraten einer
ausgedehnten und abwechslungsreichen Küste bietet Erschei-
nungen, welche schwer zu verstehen sind. Gastropoden z. B.,
welche, wie Purpura, Litorina usw. dem Leben an Felsen an-
gepaßt sind, werden durch eine weit ausgedehnte Sandküste
in ihrer weiteren Verbreitung offenbar in hohem Grade ge-
hindert werden, und es ist sehr wohl möglich, daß manche
der jetzigen isolierten Vorkommnisse nicht durch passive
Wanderungen der Larven sich erklären, sondern in Zu-
sammenhang stehen mit einer ehemals anders beschaffenen,
weiter in den Ozean reichenden und buchtenreichen Küste.
Viel schwieriger wird die Erklärung noch, wenn wir unser
Augenmerk auf diejenigen Seetiere richten, welche in dem
halbsalzigen, sogenannten brackischen Wasser der Flußmün-
dungen und stiller, mehr oder minder durch Zuflüsse ausge-
süßter Buchten leben. Manche dieser Buchten sind durch
vorgelagerte Inseln geschützt, der Eingang ist nicht selten
eng, oder selbst sehr schmal, und wie z. B. die Barre von
Rio Grande do Sul seicht und durch die starke Dünung
der vorgelagerten Sandbänke schwer zugänglich. Die zarten
Larven der vereinzelten, etwa hierher gelangenden Brack-
wassertiere werden daher wenig Aussicht haben, die für ihre
Existenz geeigneten Gebiete zu erreichen, und das um so
390 Geschichte und Verbreitungswege der Brackwasserfauna,
mehr, als an der Mündung solcher Buchten und Binnenseen
in der Regel die marine Fauna noch vorherrscht, und außer-
dem eine seewärts gerichtete Strömung oft das Eindringen
erschwert oder unmöglich macht.
Es ist daher gewiß eine auffallende Erscheinung, wenn
wir an weit voneinander gelegenen Flußmündungen, noch dazu
oft unter ungünstigen Verbreitungsbedingungen eine und die-
selbe Brackwasserart wieder antreffen, und da die Frage
nach den Verbreitungsmitteln dieser Arten meines Wissens
noch nicht diskutiert worden ist, so dürfte es wohl ange-
bracht sein, wenn ich hier meine bezüglichen Beobachtungen
und Schlußfolgerungen mitteille.. Unter den Mollusken ist
die gemeinste und weitest verbreitete Brackwasserart Bra-
siliens Tagelus gibbus Spengl. Diese Muschel wird auch in
Zentralamerika und im Süden von Nordamerika, sowie in
Westafrika angetroffen, man findet sie aber nie im offenen
Ozeane, sondern an den bereits angegebenen Örtlichkeiten
mit brackischem Wasser. Es handelt sich um eine Art von
weiter Verbreitung nicht nur in geographischer, sondern auch in
geologischer Hinsicht, eine der Thetis entstammende Muschel,
die wir fossil aus dem Miocän von Nordamerika und von
Argentinien kennen. Diese miocänen Vertreter sind rein
marin, und die Anpassung an das Brackwasser muß erst
zu Ende der Tertiärzeit erfolgt sein.
Neben dieser eben besprochenen Art findet man an der
Küste von Argentinien und Südbrasilien im Brackwasser sehr
häufig eine große Corbula der Untergattung Erodona, Corbula
mactroides Daud., welche auch unter dem Namen der Azara
labiata Maton bekannt ist. Diese nach Form und Farbe
etwas vielgestaltige Art lebt massenhaft im Unterlauf des
La Plata, in dem der Mündung nahe gelegenen Teile der
Lagöa dos Patos, in Rio Grande do Sul und endlich in der
Mündung des Rio Ribeira bei Iguape, im Staate Säo Paulo.
Geschichte und Verbreitungswege der Brackwasserfauna.. 321
In fossilem Zustande treffen wir sie zunächst in der Nähe
der Magellanstraße in oligocänen Schichten, und weiterhin
massenhaft in posttertiären und vielleicht auch spättertiären
Ablagerungen Argentiniens, zumal auch der Provinz Buenos
Aires. Auch aus Rio Grande do Sul kennen wir besonders
nördlich von Porto Alegre Ablagerungen dieser Muscheln, die
zu einer Zeit da gelebt haben müssen, als das posttertiäre
Meer die Lagöa dos Patos erfüllte, so daß Walfische bis Porto
Alegre gelangen konnten, und Austernbänke gegenüber dieser
Stadt sich bildeten. Auch in St. Catharina und Säo Paulo
hat man posttertiäre Ablagerungen dieser Muschel gefunden,
welche aber, wie auch die lebende Art dieser Region, einer
etwas abweichenden Varietät, der Corbula mactroides prisca
Mart. angehören.
Von Gastropoden kommt hier nur die Gattung Littorinida«
in Betracht, von der eine Art, Z. ausitralis Orb. sowohl in
Rio Grande do Sul, als am La Plata im Brackwasser gemein
ist. Es würden hier noch verschiedene Arten von Neritina
und Melampus erwähnt werden können, aber diese Gattungen
sind nicht so exklusiv dem Brackwasser angepaßt, wie die
oben erwähnten.
Für alle diese Arten sind wir zu der Annahme gezwungen,
daß sie zur Tertiärzeit eine marine Lebensweise führten, und
erst im Pliocän dem Leben in den Aestuarien sich anpaßten.
Die geologischen Befunde weisen uns aber darauf hin, daß
zu jener Zeit nicht nur die Verteilung von Wasser und Land
eine andere war, sondern auch der Verlauf und die gegen-
seitige Verbindung der hier ausmündenden Flüsse. Stellen
wir uns nun vor, daß zu Ausgang der Tertiärzeit das Land
in Südbrasilien und Argentinien sich erheblich weiter in den
Ozean hinein erstreckte, wie dies ja durch viele Tatsachen
dargetan wird, so konnte es einen bedeutenden Strom geben,
in welchen außer den argentinischen auch die südbrasilianischen
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 2l
322 Geschichte und Verbreitungswege der Brackwasserfauna.
Flüsse einmündeten. Wenn nun mit dem Einbruche des
älteren Küstenlandes das Meer von diesem einheitlichen Fluß-
systeme Besitz ergrifl, so wurden aus den Zuflüssen des
tertiären Stromes die isolierten Küstenflüsse des heutigen
südlichen Brasiliens. Die Brackwasserfauna des alten
Aestuares wurde weiter landeinwärts gedrängt, und so er-
hielten die jetzt getrennt ausmündenden Flüsse und Ströme
alle die gleiche Brackwasserfauna.
Es gibt eine Reihe von Tatsachen, welche dafür sprechen,
daß die Verhältnisse sich wirklich in diesem Sinne abspielten.
Besonders auffallend ist die Übereinstimmung der Süßwasser-
fauna von Iguape und St. Catharina mit jener von Rio Grande
do Sul. Glabaris riograndensis Ih., eine gewöhnliche Art von
Rio Grande do Sul, findet sich auch bei Iguape und in
St. Catharina, aber durchaus nicht im Küstengebiete zwischen
Bahia und Säo Paulo. Dasselbe gilt für die Gattung Chilina,
ein Archiplataelement, welches weder im Innern von Säo
Paulo noch nördlich von diesem Staate angetroffen wird,
und dessen Existenz im Küstengebiete von Südbrasilien bei
Betrachtung der heutigen hydrographischen Verhältnisse un-
verständlich bleibt, während es ohne weiteres zu begreifen
ist, wenn man annimmt, daß die südbrasilianischen Küsten-
flüsse einst viel weiter seewärts sich erstreckten, und auf
diese Weise die Elemente einer gemeinsamen Süßwasser-
fauna von Argentinien her erhielten.
Ich gehe hier auf diese Verhältnisse nicht weiter ein,
weil ich auf sie weiterhin zu sprechen komme in dem Ab-
schnitte über Archiplata. Nur soviel möge hier noch
bemerkt werden, daß alle mir bis jetzt bekannt gewordenen
Tatsachen geologischer und biologischer Art die hier vor-
getragene Auffassung bestätigen. Die Geologie weist uns
darauf hin, daß Südbrasilien einst weiter ozeanwärts reichte.
Die riesigen Einbrüche, welche die Bildung des Atlantischen
Geschiehte und Verbreitungswege der Brackwasserfauna.. 393
Ozeans zur Folge hatten, haben auch die Küstenlandschaft
stark beeinflußt und terrassenförmige Bruchflächen hervor-
gerufen, mit denen sich besonders v. Siemiradzki beschäftigt
hat. Reste des versunkenen Küstenlandes sind uns in zahl-
reichen Inseln erhalten, und die Übereinstimmung von deren
Fauna und Flora mit jener des Festlandes weist darauf hin,
daß diese Losreißung erst am Ende der Tertiärzeit oder
pleistocän erfolgt ist. Bei solchen Ereignissen pflegt es vor-
zukommen, daß die Senkung zunächst eine sehr hochgradige
ist und dann teilweise durch nachfolgende Hebung wieder
ausgeglichen wird. Die Geologie bezeichnet solche Über-
griffe des Meeres als Transgression, und ein solcher Fall
einer pleistocänen Transgression des Meeres ist für Süd-
brasilien und die angrenzenden Teile der La Plata-Staaten
nachgewiesen. Dies alles sind verhältnismäßig einfache, klar
zu beweisende Vorgänge, aber unbekannt, bedauerlich un-
bekannt ist uns der Zustand der Küstenlandschaft, welcher
der geschilderten und auch in meinem Buche über die
Tertiärmollusken Argentiniens eingehend erörterten Trans-
gression des Meeres vorausging. Nach dieser Seite hin vermag
meines Erachtens nach lediglich die Biologie Aufschluß zu
geben. In diesem Sinne hat unsere Arbeit erst begonnen.
Im Südwesten des Staates Rio Grande do Sul z. B. finden
wir zwei kleine Gebirge, die Serra dos Tapes und die Serra
do Herval, welche dieselbe Fauna und Flora, wenn auch in
etwas verarmtem Zustande besitzen, wie das Küstengebirge
nördlich von Porto Alegre, von dem sie durch campos oder
Steppen getrennt sind. Unter den heutigen geographischen
Verhältnissen war eine solche Wanderung der Tier- und
Pflanzenwelt des Urwaldes über die Grasfluren hinweg nicht
möglich. Wir gelangen auch hier zu der Überzeugung, daß
der Schlüssel für das Verständnis dieser Verbreitungsver-
hältnisse der Organismen nur oder vorzugsweise durch die
21°
324 Archiplata.
Biologie uns erschlossen werden kann, und zahlreich sind
die weiteren Fälle, in denen wir zu der gleichen SchlubB-
folgerung getrieben werden.
Fünfzehntes Kapitel.
Archiplata.
(April 1907.)
Es sind eigentümliche zoogeographische Tatsachen, welche
mich veranlaßten, das chilenisch-argentinische Gebiet als ein
besonderes Schöpfungszentrum der Tier- und Pflanzenwelt
Südamerikas anzusehen, für welches ich den Namen der
Archiplata vorschlug, Das vergleichende Studium der
Süßwasserfayna läßt uns viele Züge einer alten Gremeinsam-
keit der Lebewelt von Chili und Argentinien erkennen. So
sind Gattungen der Mollusken, wie Diplodon und Chilina,
und der Örustaceen, wie Aeglea und Parastacus, in ähnlichen
und zum Teil sogar identischen Arten in Chili, Argentinien und
Südbrasilien vertreten. Daneben aber finden wir Differenzen
auffälligster Art, indem die charakteristischen Gattungen der
Süßwassertiere Brasiliens weit nach Argentinien hin sich
verbreiten, ohne aber Chili erreicht zu haben. Ich folgerte
daraus, daß es sich um zwei verschiedene Schöpfungs-
zentren, Archiplata und Archibrasil, gehandelt habe,
welche vermutlich lange voneinander isoliert waren und erst
zu einer Zeit miteinander in Verbindung traten, als bereits
die Kette der Anden die Möglichkeit einer Verbreitung der
subtropischen Einwanderer bis nach Chili ausschloß. Nach
unseren heutigen Erfahrungen muß diese Darstellung in
wesentlichen Punkten eingeschränkt werden. Der Grund-
gedanke zwar, daß durch die Erhebung der Anden ein früher
einheitliches, faunistisches Gebiet in zwei Stücke geschnitten
Archiplata. 3925
wurde, deren Geschichte von da ab sich in verschiedener
Weise abspielte, ist unzweifelhaft richtig, nicht zu beweisen
aber ist die Annahme, daß zu einer früheren Zeit Archiplata
und Brasilien durch Meer getrennt gewesen seien. Zugunsten
meiner Auffassung ließen sich folgende Tatsachen anführen:
Rengger gibt an, in Paraguay fossile Austern angetroffen
zu haben, von denen sich ohne Nachprüfung nicht sagen
läßt, ob sie dem miocänen Meere von Entrerios angehörten,
oder ob sie etwa in dem posttertiären Meere gelebt haben,
welches den Unterlauf des La Plata erfüllte. Andererseits
kennt man Brackwassermuscheln von Pebas am oberen
Amazonenstrom, welche auf die Nähe des wahrscheinlich
eocänen und wohl pacifischen Meeres hinweisen. Wer vermag
zu sagen, welche Entdeckungen uns die so dürftig bekannte
Geologie von Paraguay, Bolivien und dem Amazonasgebiete
noch vorbehalten hat? Jedenfalls aber muß ich einräumen,
daß die letzten Dezennien keinerlei Tatsachen zutage ge-
fördert haben, welche der von mir aufgestellten Hypothese
günstig sind. Auffallend ist es natürlich, dab wir aus
Brasilien bisher nichts an fossilen Säugetieren kennen als
solche, welche der Pampasfauna verwandt und pliocänen oder
pleistocänen Alters sind. Sollte Archiplata schon im älteren
Tertiär mit Archibrasil verbunden gewesen sein, so müßten
wir in Brasilien doch auch irgendwo Ablagerungen mit Säuge-
tierknochen finden, welche Beziehungen aufweisen mit den
mannigfaltigen Kreide- und Tertiärfaunen Patagoniens, mit
welchen uns Fl. Ameghinos wichtige Untersuchungen ver-
traut gemacht haben.
Wir bleiben daher in Erwartung einer besseren geologi-
schen Durchforschung dieser Länder nach wie vor auf Ver-
mutungen angewiesen, und da ich im Laufe der letzten zehn
Jahre viel interessantes neues Material erhalten habe in betreft
der Süßwasserfauna Südamerikas, so halte ich es für an-
326 Archiplata.
gebracht, hier eine Anzahl der wichtigsten Resultate mit-
zuteilen.
Unter den primitiven Elementen der Archiplatafauna ist
die Dekapodengattung Aeglea eine der wichtigsten. Man kannte
aber bisher die Verbreitung der Gattung im südlichen Brasilien
nur ungenau, weshalb ich einiges Bezügliche hier mitteile.
Aeglea intermedia Gir., welche bisher nur aus St. Catharina
bekannt war (von wo das Museum Paulista topotypische
Exemplare dieser von Fritz Müller als A. odebrechti be-
schriebenen Art aus der Kolonie Hansa besitzt), haben wir
auch aus Paranä (von Ourinho und Piraquära) und dem
Staate Säo Paulo (von Santo Amaro, nahe der Hauptstadt,
und Os Perüs) erhalten. Bemerkenswert ist nun, daB wir
die zweite Art, Aeglea laevis Latr., welche bisher aus Chili,
Argentinien und Rio Grande do Sul bekannt war, auch aus
Franca im äußersten Westen des Staates Säo Paulo erhalten
haben. Die letzteren Exemplare stammen aus dem Strom-
gebiete des Rio Paranä, während Aeglea intermedia ganz oder
vorzugsweise den Küstenströmen Südbrasiliens eigen ist. Die
spezifische Abtrennung letzterer Art von der weit verbreiteten
Stammform, Aeglea laevis, weist wohl auf eine durch längere
Zeit erhaltene Isolierung des betreffenden Stromsystemes hin,
und wir sind wohl im Rechte, wenn wir diese verschiedenen
Flüsse des Küstengebietes als Reste eines größeren, vom
Ozean zerstörten Stromsystemes deuten.
Die Gattung Parastacus ist noch gut vertreten in Rio
Grande do Sul und St. Catharina, konnte aber bisher von
mir in den Staaten Paranä und Säo Paulo nicht aufgefunden
werden. Dagegen erhielt ich aus St. Catharina und von
Iguape im Staate Säo Paulo ein anderes charakteristisches
Archiplataelement, Arten nämlich der Gattung Chilina.
Eines der wichtigsten Resultate meiner Studien über
die geographische Verbreitung der Mollusken des Süßwassers
Archiplata. 327
von Südamerika ist der Gegensatz, in welchem die Fauna
des Paranäsystemes zu jener des Paraguaysystemes steht.
Es gibt zwar eine Anzahl charakteristischer Arten und Gat-
tungen, welche beide Stromsysteme miteinander gemein haben,
aber das Paraguaysystem ist ausgezeichnet durch eine ganze
Anzahl eigentümlicher Formen, welche auch im Amazonas-
gebiete leben und wahrscheinlich erst relativ spät, zu Ende
der Tertiärzeit, in den Paraguaystrom gelangten. Hierhin
gehören von den Mollusken verschiedene Gruppen der Gat-
tungen Ampullaria und Glabaris, sowie die Gattungen Ceratodes
und Zeila. Keine dieser Formen ist im Paranäsysteme fluß-
aufwärts gewandert, und wir können daraus schließen, daß
bedeutende hydrographische Veränderungen in diesem Teile
Südamerikas Platz gegriffen haben, bevor die Invasion der
Amazonaselemente in das Paraguaysystem vor sich ging.
Daß überhaupt in dem von Matto Grosso, Paraguay,
Argentinien und Ostbrasilien gebildeten Gebiete südwärts des
Amazonasstromes ursprünglich eine mehr oder minder ein-
heitliche Molluskenfauna lebte, geht unter anderem aus folgen-
dem Umstande hervor. (Grlabaris latomarginata Lea, welche
im Paraguayflusse sehr gemein ist, habe ich auch aus dem
Staate Paranä erhalten aus dem Gebiete des Paranästromes.
Glabaris riograndensis, eine gemeine Art von Argentinien und
Südbrasilien, kommt auch in Bahia vor. Von der Gattung
Fossula kennen wir eine Art, . balzani v. Ih. aus dem Strom-
gebiete des Paraguay, und zwar aus einem linken Nebenflusse
desselben, dem Rio Apa, wogegen f fossieulifera Orb. dem
Paranäsysteme angehört und die dritte Art, £. brasiliensis v. Ih.
aus Küstenflüssen des Staates Bahia stammt. Ebenso steht
es mit der einzigen Mycetopoda-Art des mittleren östlichen
Brasilens, M. siliquosa Spix, welche aus dem Paranäsysteme
und seinen Nebenflüssen bekannt ist, sowie aus dem Rio
Paraguassü im Staate Bahia.
8 Archiplata.
>)
16)
Die Gattung Castalina ist auf das Stromgebiet des Rio
Paranä beschränkt. Mehrere der Charakterformen des Paranä-
systemes kommen auch im Rio S. Francisco vor, nicht aber
im Amazonas.
Wir müssen daraus schließen, daß von den heutigen
abweichende hydrographische Verhältnisse in dem hier ge-
schilderten Gebiete bestanden, als die Verbreitung der eben
behandelten Arten vor sich ging.
Ein anderes Gebiet, in welchem außerordentlich weit-
gehende Umwandlungen der hydrographischen Verhältnisse
Platz gegriffen haben müssen, ist das Vorland am Fuße der
Kordilleren, von Bolivia an nordwärts. (Glabaris trapesialis
Lam., eine häufige Art des Amazonasgebietes, kommt auch
im La Plata vor und im südlichen Mexiko. Miycetopoda
weddeli Hup& kennen wir von Bolivien und Nicaragua, Myce-
topoda subsinuata Sow. von Keuador, Columbia und West-
guatemala. Glabaris jewetti Lea und bridgesi Lea des Nica-
raguasees gehören zur Gruppe der Glabaris exotica Lam.,
welche dem Amazonasgebiete eigen ist und in Bahia und
Südbrasilien durch @l. riograndensis v. Ih. ersetzt wird. So
haben wir einerseits am Fuße der Anden Muscheln, welche
den Seen und sonstigen stehenden Gewässern eigen sind,
resp. auch dem ruhigeren Wasser des Unterlaufes großer
Ströme, von Buenos Aires bis Mexiko verbreitet, und keine
dieser Arten kommt im östlichen Brasilien vor, andererseits
nähere Beziehungen der Süßwasserfauna des Paranäsystems
mit jener des Rio S. Francisco zu konstatieren. Der jetzigen
Verbreitung der Süßwassermollusken ging eine andere voraus,
in welcher charakteristische Arten und Gattungen sich durch
das mittlere und südliche Brasilien und die La Plata-Staaten
verbreiten konnten, und eine letzte Modifikation führte end-
lich die heutige Amazonasfauna in den Paraguaystrom und
von da in den La Plata. Seit wann aber gibt es einen Rio
|
Archiplata. 329
La Plata, seit wann mündet derselbe bei Buenos Aires aus,
und welches war die zunächst vorausgehende Verteilung der
Stromsysteme? Alle diese Fragen sind noch unaufgeklärt.
Im allgemeinen scheinen die neueren Untersuchungen mehr
dafür zu reden, daß Archiplata und Archibrasil zoo-
geographischer Provinzen repräsentierten und nicht durch
Meer gesonderte Inseln oder Kontinente. Es ist aber auch
zu bedenken, daß Archiplataelemente sekundär in die Ströme
des südlichen Brasiliens haben einwandern können zu einer
Zeit, wo die topographischen Verhältnisse noch anders lagen,
und namentlich die großen Wasserfälle noch nicht gebildet
waren, welche gegenwärtig aktiven Wanderungen der Tier-
welt stromaufwärts unüberschreitbare Barrieren setzen.
So schließe ich dieses Kapitel mit einer wenig erfreu-
lichen Perspektive. Obwohl sich das positive Material der
Untersuchung in erfreulicher Weise vervollständigt hat, und
obwohl zahlreiche, wichtige zoogeographische Tatsachen fest-
gestellt worden sind, so befinden wir uns doch hinsichtlich
der alten Beziehungen von Archiplata und Archibrasil
jetzt fast noch mehr im unklaren, als zu Beginn dieser
Studien. Mit der Zeit wird die kombinierte biologische und
geologische Erforschung Südamerikas auf viele der hier an-
geregten Fragen Antwort zu geben vermögen. Es ist nicht
die Aufgabe dieser Schrift, ein mehr oder minder plausibles
und komplettes Bild von dem Entwicklungsgange der Faunen
Siidamerikas zu entwerfen, sondern Bausteine zu einem solchen,
heute noch unmöglichen Unternehmen zusammenzutragen, und
so weit als möglich, die daraus resultierenden allgemeinen
Gesichtspunkte zusammenzustellen. Ich habe mich daher
auch immer bemüht, gesicherte Tatsachen und Vermutungen
auseinander zu halten. So viel aber dürfte aus diesen Studien
schon jetzt ersichtlich sein, daß keine andere zoogeographische
Region in bezug auf die Geschichte ihrer Flora und Fauna
330 Archhelenis und Archinotis.
so zahlreiche, so schwierige und komplizierte Probleme der
wissenschaftlichen Forschung zur Lösung darbietet, als die
neotropische Region oder die Neogaea.
Sechzehntes Kapitel.
Archhelenis und Archinotis.
(April 1907.)
Die beifällige Aufnahme, welche meine Darlegungen
über die in der Überschrift genannten alttertiären Kontinente
gefunden haben, würden mich mit großer Befriedigung erfüllen
müssen, wenn ich nicht im Verlaufe meiner paläontologisch-
geologischen Untersuchungen zu der Überzeugung geführt
worden wäre, daß die Voraussetzungen meiner Argumentation
z. T. sicherer Begründung entbehren. Die Einwürfe, die ich
in Fortführung meiner bezüglichen Studien mir habe entgegen-
halten müssen, sind wesentlich die folgenden:
1. Verschieden geartete Sübwasserfaunen können in dem-
selben Kontinente nebeneinander bestehen, ohne durch Meeres-
arme getrennt zu sein. Meine Annahme, der zufolge Archi-
plata und Archamazonia ihre charakteristische biologische
Ausbildung der Separation durch Meeresteile verdanken, ist
daher an sich keine zwingende.
2. Das Meer, welches die eben genannten beiden alt-
tertiären (ebiete Südamerikas meiner früheren Darstellung
nach getrennt haben soll, läßt sich nicht geologisch nach-
weisen. Die Spuren des Meeres, welche wir in Südbrasilien
im Küstengebiete zu konstatieren vermögen, sind pleistocänen
Alters und von geringer, lediglich lokaler Bedeutung. Das
eogene südliche Meer, die Nereis, deren Fauna wir aus der
patagonischen Formation kennen, ist zumal im Norden nicht
weit in das Land eingedrungen. Die marinen Ablagerungen,
Archhelenis und Archinotis. 331
welche am ehesten zu meiner Auffassung stimmen könnten,
diejenigen von Entrerios sind miocän und gehören einer
schmalen, in das Land einspringenden Bucht an. Allerdings
gibt Rengger an, Bänke fossiler Austern im Süden von
Paraguay beobachtet zu haben, welche vielleicht einem Aus-
läufer der Bucht der Entreriosformation angehören. Das
Meer aber, welches uns die Trennung der Fauna Argentiniens
und Brasiliens hätte erklären sollen, würde der oberen Kreide
und dem Eocän haben angehören müssen. Vielleicht decken
spätere geologische Forschungen noch in Paraguay, Bolivia
und ÖOstperu marine alttertiäre Ablagerungen auf, aber die
Tatsachen, an die wir uns doch zunächst halten müssen, sind
meiner früher vorgetragenen Auffassung nicht günstig. Ich
erkenne in dieser Hinsicht die Einwürfe von Dr. ©. A. Derby’)
als berechtigt an, bemerke aber, daß ich nie der Meinung
war, der betreffende Meeresarm habe Südbrasilien durchquert.
Ich nahm vielmehr an, er habe sich im äußersten Süden von
Rio Grande do Sul oder im Norden von Argentinien befunden.
3. Der Meeresarm, von dem ich früher annahm, dab er
während des Tertiäres das Amazonastal erfüllt habe, läßt
sich nicht nachweisen. Die Forschungen von Hart, Derby,
Katzer und anderen Geologen haben keinerlei Belege hier-
für zu Tage gefördert und machen es wahrscheinlich, daß
Süßwasser die fossilleeren Ablagerungen jenes Gebietes ge-
liefert hat. Auch hier fehlen uns bis jetzt positive geo-
logische Tatsachen, aber in einem Punkte haben mich neuere
Erfahrungen zur Modifizierung meiner Ansichten gebracht.
Man hat früher die Süßwassermuscheln der Gattungen Hyria,
Prisodon und ZLeila, welche Guiana und dem Amazonastale
eigentümlich sind, nicht aus den südlichen Zuflüssen des
Amazonas gekannt. Neuerdings aber habe ich dieselben aus
1) OÖ. A. Derby, Seienee XIII, 1901, New-York. p. 348—349.
339 Arehhelenis und Archinotis.
dem oberen Laufe des Rio Araguaya erhalten und beschrieben,
nachdem zuvor schon einzelne Schalen durch von den Steinen
aus dem Xingu mitgebracht worden waren. Ich hielt früher
Hyria und Verwandte für ein Element der Fauna von
Guiana und Venezuela, welches nach Rückzug des Meeres
aus dem Amazonastale in dieses eingedrungen sei. Diese
Annahme ist aber jetzt nicht mehr zulässig, da die betreffenden
Muscheln nicht stromaufwärts durch die Zone der Cataracte
haben wandern können. Auch die eigentümliche Lage dieser
in allen Zuflüssen des Amazonas wiederkehrenden Zone von
Stromschnellen und Wasserfällen weist auf mächtige Ein-
brüche hin, so daß das Amazonastal sich als eine große
Senkungsregion darstellen würde, deren Alter festzustellen
wäre und vielleicht in die gleiche Zeit fällt, wie die definitive
Bildung des Atlantischen Ozeans, also in das Oligocän.
Alle die soeben aufgeführten Momente legen uns ange-
sichts der unzureichenden geologischen Erforschung des mitt-
leren und nördlichen Südamerikas eine abwartende und
reservierte Haltung auf. Es sind eben zu viele und wichtige
Punkte, in welchen wir noch jeder Aufklärung entbehren.
Weder haben sich die von mir früher supponierten
Meere nachweisen lassen, noch haben sich andererseits eogene
Säugetiere in Brasilien auffinden lassen, welche jenen von
Patagonien entsprechend wären. Sollten Archiplata und Arch-
amazonia wirklich nicht durch Meer voneinander getrennt
gewesen sein, so müßten doch die Säugetiere des älteren
patagonischen Tertiäres auch in Brasilien angetroffen werden.
Auffallenderweise liegt dafür bis jetzt nicht das mindeste
Anzeichen vor und wir stehen aufs neue vor einem Rätsel.
Auch die eocäne Säugetierfauna des mittleren und südlichen
Afrika ist uns ebenso völlig unbekannt, wie jene von Austra-
lien und von Brasilien, und die bezüglichen Diskussionen
leiden daher an großer Unsicherheit. Im Laufe der letzten
Archhelenis und Archinotis. 333
Jahre hat Florentino Ameghino den Nachweis erbracht,
dab die Säugetiere Südamerikas, soweit sie diesem Kontinente
ursprünglich eigen sind, nahe Beziehungen zur afrikanischen
Fauna aufweisen und daß auch ein Gegensatz zwischen alt-
und neuweltlichen Edentaten während des älteren Tertiäres
nicht existierte. Auch Osborn hat sich in diesem Sinne
für die Archhelenistheorie ausgesprochen. Es ist sehr auf-
fallend, daß man aus Nordamerika, aus den älteren tertiären
Schichten weder Affen noch Papageien kennt. Der Ursprung
beider Tiergruppen ist unzweifelhaft in der Archhelenis zu
suchen, und dieser Umstand bestätigt die oben erörterte
Schlußfolgerung, wonach Archamazonia und Archiplata wäh-
rend des älteren Tertiäres nicht voneinander durch Meer
getrennt waren. Wir dürfen daher erwarten, daß eocäne
Säugetiere, ähnlich jenen Patagoniens, in Brasilien noch auf-
gefunden werden.
Die neuere Erforschung des oberägyptischen Eocänes
hat auch dazu beigetragen, die Vergleichungspunkte zwischen
den Faunen von Afrika und Patagonien zu vermehren.
Lydekker hat diese brasilianisch-westafrikanischen Bezie-
hungen zwar auch erwähnt (l. c. p. 133—135), aber er nimmt
für eine große Anzahl von charakteristischen Elementen der
Archhelenis einen nordischen Ursprung an und ist der Mei-
nung (p. 134), dab ein tertiärer Zusammenhang zwischen
Südafrika und Südamerika nur in hohen Breiten bestanden
habe. Da meine Ansichten in diesem Punkte von denen
Lydekkers stark abweichen, mögen sie hier noch etwas
näher besprochen werden. Glücklicherweise sind wir in dieser
Hinsicht nicht mehr auf Vermutungen angewiesen, sondern
auf klar sprechende geologische Tatsachen. Der breite Zu-
sammenhang zwischen Afrika und Südamerika, welcher in
der Sekundärepoche bestand, ist kartographisch von Neu-
mayr in seiner Erdgeschichte (LI, p. 336) dargestellt worden
334 Archhelenis und Archinotis.
und seine Auffassung hat keinen Widerspruch erfahren.
Mehrfach hat man gegen diese Ansicht den Einwand erhoben,
daß die ozeanischen, zwischen Südamerika und Afrika ge-
legenen Inseln ihrer Struktur nach nicht Reste von Festlands-
gebieten, vielmehr vulkanischen Ursprunges seien. Dies ist
aber nicht richtig. Eine Abhandlung von Ernest Schwarz!)
in Südafrika bringt auf Grund sorgfältiger Untersuchungen
von Gesteinen der Inseln Tristan d’Acunha und St. Paul
den Nachweis, daß es sich um Gneiß und metamorphische
Felsmassen handele. Er folgert daraus, daß diese Inseln
für eine Verbindung zwischen Afrika und Südamerika sprechen,
doch seien weitere Untersuchungen nötig.
Die oben erwähnte Karte Neumayrs muß aber wohl
in einem Punkte korrigiert werden, insofern nämlich der
„brasilianisch-äthiopische Kontinent“ in nordwestlicher Rich-
tung noch weit in den pazifischen Ozean sich fortgesetzt
haben muß. Aus diesem Kontinente ging dann durch starke
Einbrüche in seiner nördlichen Hälfte die eogene Archhelenis
hervor, deren Zerfall während der Oligocänzeit die Bildung
des Atlantischen Ozeans zur Folge hatte. Säugetiere der
Archiplata haben daher nur während des Eocänes und viel-
leicht noch eines Teiles des Oligocänes nach Afrika gelangen
können. Es sind aber jedenfalls nicht ausschließlich pata-
gonische Säugetiere gewesen, welche diesen Weg betreten
haben. Die schwerfälligen, von Schilfgras lebenden Sirenien
der Gattung Manatus sind Brasilien und Westafrika eigen
und nicht im älteren patagonischen Tertiär vertreten. Die
fossile Gattung Aibodon der miocänen Entreriosformation
erscheint erst nach Bildung des Atlantischen Ozeans in
Argentinien.
') Ernest H.L. Schwarz, The former Land-Gonnection between
Africa and South-America. The Journal of Geology, vol. XIV, Chicago
and New York, 1906, p. 81—90.
Archhelenis und Archinotis. 335
Wirft man einen Blick auf die von mir hier veröffent-
lichte Karte der Verbreitung von Land und Meer während
des Eocänes, so bemerkt man, daß Südafrika damals weiter
nach Süden vorsprang, und man würde daher auch an einen
Zusammenhang dieses Erdteiles mit der Archinotis denken
können. Dem widersetzt sich aber der Umstand, daß Formen
des indoeuropäischen Ozeans unbehindert nach Patagonien
vordringen konnten. Es muB also ein offener Zusammenhang
zwischen der Nereis und dem indischen Ozean bestanden
haben. Andererseits aber muß die Ostküste der Archhelenis
sich weit nach Süden verlängert haben, wodurch der Zuzug
von Gattungen der tropischen Thetis eingeschränkt wurde.
Im jüngeren Tertiär dagegen, als bereits die Archhelenis
zerstört war und die westindische Fauna freien Zugang zu
den Küsten Argentiniens hatte, bestanden im Süden geo-
graphische Verhältnisse, welche der europäisch - westafrikani-
schen marinen Fauna Wanderungen in die antarktische Region
und auch nach Patagonien gestatteten. Ob es sich dabei
teilweise wenigstens um Inselketten in einem flachen Meere
handelte, wird sich nur aus den biologischen Wechsel-
beziehungen beider Gebiete folgern lassen. Auf die Be-
ziehungen der Tierwelt Patagoniens zu jener von Australien
und Neu-Seeland komme ich hier nicht weiter zurück. Nur
eine der wesentlichsten neueren Entdeckungen möge hier noch
erwähnt sein, der Nachweis des Vorkommens der aus Australien
und von den Lord Howe-Inseln bekannten fossilen Schild-
krötengattung Miolania in der oberen Kreide von Pata-
gonien. Die geographische Verbreitung der Schildkröten ist
ja überhaupt eines der Gebiete, welche in hervorragenden: Maße
dazu beigetragen haben, die Überzeugung von der ehemaligen
Existenz eines antarktischen Kontinentes zu befestigen. Dieser
Kontinent ist aber im wesentlichen ein mesozoischer gewesen,
und wenn er auch als Archinotis noch im Eocän teilweise
336 Archhelenis und Archinotis.
bestanden haben muß, so ist damit doch nicht gesagt, daß
es sich um eine ununterbrochene Landverbindung zwischen
Patagonien einerseits, Neu-Seeland und Australien anderer-
seits gehandelt habe. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist in
diesem Punkte die Neumayrsche Karte der Kontinente der
Jurazeit unrichtig. Vermutlich werden die bezüglichen Studien
von OÖ. Nordenskjöld nach dieser Richtung hin Aufschluß
geben. Die von diesem Verfasser gewonnenen Erfahrungen,
denen zufolge das Ende Südamerikas sich über die Falklands-
inseln und Südgeorgien nach Osten verlängerte, stimmen in-
sofern gut zu meinen Erfahrungen, als letztere dartun, daß
während des älteren Tertiäres Mollusken der Litoralzone
von Patagonien nach Neu-Seeland wandern konnten, nicht
aber von Chili aus. Wegen der Details der tertiären Küsten-
mollusken verweise ich auf mein neues, wiederholt zitiertes
Werk.
Eine interessante Diskussion der tiergeographischen Be-
deutung eines antarktischen Kontinentes durch F. Blaschke
findet man in den Verhandlungen der k. k. zoologisch-bota-
nischen Gesellschaft in Wien, Band 54, 1904, p. 144—155.
Auch A. Beddards, Text-book of Zoogeography, Cam-
bridge 1895 möge verglichen werden. Ferner verweise ich
noch auf die 1867 veröffentlichte Schrift von Ruetimeyer,
„Die Herkunft unserer Tierwelt“ und auf die neueste Auf-
lage des trefflichen Lehrbuches der Zoologie von ©. Grobben.
In beiden ist die Archinotisfrage erörtert.
Hier muß ich schließlich nur noch einige Worte der Be-
gründung meiner Karte der Kontinente der Eocänzeit widmen.
In bezug auf die Details des Küstenverlaufes ist sie natur-
gemäß unsicher, in der Hauptsache aber ist sie auf eine Reihe
von Tatsachen gegründet, welche jederzeit leicht kontrollier-
bar sind. Besonderen Wert lege ich in dieser Hinsicht auf
die tertiären Molluskenfaunen. Die Biologie gibt uns nur all-
Archhelenis und Archinotis. 337
gemeine Aufschlüsse über den Zusammenhang jetzt getrennter
Gebiete, die Wanderungslinien der marinen Mollusken ge-
statten aber eine Reihe von weiteren Schlüssen, welche die
Ausdehnung der bezüglichen Kontinente präziser zu fassen
erlauben, und gerade diese Tatsachen sind es, welche ich in
folgendem noch rekapitulieren möchte.
Wir haben danach festzustellen:
1. Daß die Zerstörung des brasilianisch-äthiopischen
Kontinentes in seiner nördlichen Hälfte schon während der
Kreidezeit begann, und daß die damit in Verbindung stehende
Transgression des Meeres das heutige brasilianische Küsten-
gelände von Norden her bis gegen Espirito Santo hin unter
Wasser setzte.
2. Daß die Festlandsregion, in welcher es niemals zu
einer Bedeckung durch das Meer der Kreide- und der Tertiär-
zeit kam, von Espirito Santo und Rio de Janeiro bis Nord-
argentinien, resp. bis zum Rio Negro reichte.
3. Daß das eogene tropische Thetismeer über den Norden
von Südamerika hinflutend freien Zugang zur Küste von Chili
hatte.
4. Daß von einer kurzen obereocänen Unterbrechung
abgesehen die Landbrücke zwischen Patagonien und Chili
während der ganzen Tertiärzeit sich erhielt.
5. Daß die Archinotis nicht nur mesozoisch, sondern
auch, noch im Eocän ostwärts sich über die Falklandinseln
und Südgeorgien bis gegen Neuseeland hin erstreckte, die
Wanderung von marinen Mollusken und Brachiopoden be-
günstigend.
6. Daß dagegen ein Austausch der marinen Faunen
zwischen Chili und Neu-Seeland im älteren Tertiär nicht
stattfand, was darauf hinweist, daß die Landverbindung in
der Richtung beider Gebiete weiter gegen den Pol hin vor-
drang, als im Osten von Patagonien.
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis. 22
338 Archhelenis und Archinotis.
7. Daß zwischen Südafrika, resp. seinem weiter südwärts
reichenden damaligen Vorlande, das ich im Anschluß an
Webers Darstellung als Archiprotea bezeichnen möchte,
und der Archinotes ein offener Meeresarm die Kommunikation
zwischen der Nereis und dem indischen Ozeane herstellte.
8. Daß ein Austausch der alttertiären marinen Faunen von
Chili und Californien durch eine in der Richtung der Breiten-
grade verlaufende Kontinentalmasse die Pacila, verhindert
wurde. Letztere Annahme stützt sich weniger auf geologische,
als auf biologische Gründe. Beweisbar scheint zunächst nur
das Vorhandensein einer Barriere, welehe den Austausch
der Küstenfaunen verhinderte, und welche an und für sich
wohl ebenso gut durch ein tiefes und breites Meer, als durch
eine Insel oder einen Kontinent gebildet werden konnte.
Register.
A
Abrus precatorius 215.
Acanthina 311.
Acantocephalen 298.
Aeglea 59, 66, 168.
— intermedia 326.
— laevis 43, 326.
Afrika 74.
— Geschichte von 29.
— Südende von 316.
Afrikanischen Flora, Geschichte der
245.
Afrikanische Typen 247.
Agassiz, L., 71, 101.
Aglossa 74.
Albatroßtheorie 210.
Alligator 183.
Alpine Gattungen von Pflanzen 224.
Alte Küstenlinien Südamerikas 309.
Alte Wanderungen der Küsten-
mollusken 315,
Alter der Compositae, geologisches
243.
— der Helminthen 307.
— der Nymphäaceen 259.
— tropischer Pflanzen, geologisches
243.
Altozeanische Flora 250.
Amathusia Phil. 272, 274.
Amazonasbeckens, Najaden des 155.
Amazonas-Gebiet, La Plata- 44.
Amazonas-La Plata-Arten 163,
Amazonasmeer 198.
| Amazonastales, Meer des 331.
Amazonas und La Plata, Wasser-
scheide zwischen 123.
Ameghino, FI. 5, 76, 97, 99, 100,
115, 165, 307, 325, 333.
Ameisen 20,
Ameisenschutz der Ceeropien 10.
Amerika 1, 86.
Amethyst 89.
Ampullaria 35, 43.
— Verbreitung von 172.
Analytische Methode der Zoogeogra-
phie: Säugetiere Australiens 306.
| Aneylus 35.
Anden 113, 198.
— arktisch-alpine Pflanzen der 220.
— Entstehung der 113.
— Hebung der 57, 119.
— tertiäre Flora der 169.
— Vegetation der 232.
— Wanderungen längs der 206, 217.
Anodonta 35, 39.
Anoplocephalinen 307.
Anoplotherien 73.
Anpassung der Küstenmollusken an
Temperaturbedingungen 315.
Antarktische Molluskengattungen
278.
— Pflanzen 219.
— Wanderungen 226.
— Flora, Ursprung der 220.
Aplodon 37, 122.
Aponogetonaceae 261.
22*
340
Araucaria 228.
Araukanische Formation 99.
Archamazonien 198.
Archhelenis 1, 194, 199, 239, 249,
285, 294, 309, 330.
Archiatlantischer Kontinent 52, 284.
Archiaustraler Kontinent 52.
Archiborealer Kontinent 52.
Archiboreas 294.
Archibrasil 1, 110, 113, 164, 324.
Archiguiana 72, 74, 110, 113.
Archinotis 1, 199, 294, 316, 330.
Archiplata 1, 67, 69, 72, 75, 110,
113, 118, 179, 185, 196, 294, 322,
324.
Archiplatafauna 177.
Archiplatatheorie 185.
Archiprotea 338.
Arktisch-alpine Pflanzen der Anden
220.
Arktisch-antarktische Pflanzen 202.
Artische Molluskengattungen 278.
Arctogaea 29.
Argentinien, Karbonpflanzen in 94.
Argentiniens fossile Binnenkonchy-
lien 165.
Artenbildung 14.
Arten, bipolare 277.
des patagonischen Tertiär 275.
endemische 204.
Entstehung der 9, 12.
heterotherme 225.
Ascaris mystax 304.
Ascherson 268.
Astaciden 180.
Atavismus 12.
Atlantis 33, 48, 75, 174, 179, 199,
253, 285, 317.
Ausgestorbene Riesenvögel von
Patagonien 218.
Austern von Paraguay, fossile 325.
Australische Flora 247.
Register.
Australischen Gebietes, eocäne
Fauna des 291.
Autochthone Säugetiere Südameri-
kas 308.
Ave-Lallement, R. 111.
Azara 43.
— labiata 320.
Azolla 257.
Azoren, Flora der 265.
B.
Bartsia 223.
Baur 207.
Bebel 17.
Beddards, A. 336.
Behrendsen, O. 92, 172.
Belemniten 111.
Berg, Carlos 93.
Bergh 33.
Beuteltiere 84.
Beziehungen, Chilenisch - Kaliforni-
sche floristische 235.
Bienen 20.
Binnenfauna Polynesiens 176.
Binnenkonchylien Argentiniens, fos-
sile 165.
Binnenmollusken Brasiliens,
verbreitete 184.
Binnenseen vonBrasilien, tertiäre 219,
Bipolare Arten 277.
— Pflanzen 231.
Blandford 248.
Blaschke, F. 336.
Bolbophyllum recurvum 206.
Böttger, O. 42, 161.
Boulenger 6.
Brackebusch 9.
Brackwasserfauna des östlichen Süd-
amerikas 319.
Brackwassermollusken, Verbrei-
tungsmittel 320.
Brackwassermuscheln von Pebas 325.
Brasilien, Geologie von 218.
weıit-
Te
Register. 341
Brasilien, Tertiäre Binnenseen v. 219. | Chili und Patagonıen, Küstenkon-
— Weitverbreitete Binnenmollus-
ken 184,
Brehm 24.
Bulimus von St. Helena 75.
Bullia 277, 318.
Burmeister 58, 97, 111.
Byssanodonta 122.
Byssus 132.
C.
Cabralea 189.
Camponotus rubripes 201.
Canaren 204.
Canis 83.
— dingo 194.
Cassiquiare 160.
Castalia 38, 128.
Castalina 38, 122, 131.
Castilleja 223.
Caucalis melanantha 209.
Caviadae 73.
Cebus 189.
Ceeropien, Ameisenschutz der 10.
Cedrela 189.
Celebes 252.
Celtis tala 231.
Cenokosmische Pflanzen 201.
Centetes 195.
Cerithiiden 310.
Cestoden 298.
Chilenisch -kalifornische floristische
Beziehungen 235.
Chilenische Süßwasserflora 257.
Chilenischen Tertiärs, Mollusken des
318.
— Pflanzen des 244.
Chilenisch- westafrikanische marine
Mollusken 312.
Chili, Süßwasserfauna von 53.
— Unioarten von 57.
Chilina 43, 58, 67, 322.
Chilinaarten 181.
chylien von 119,
Chiloe 71, 111.
Chilomyecterus 181.
Chinchillidae 73,
Chrysochloris 290.
Cinosternon 74.
Clausilia 9, 175.
Claytonia 236.
Clessin 127.
Clinostomum 298.
Columba 38, 122.
Columna 175, 247.
Compositae, Geologisches Alter der
243.
Conservativer Charakter der Süb-
wasserfauna 295.
Cope 100.
Corbieula 43.
Corbula mactroides 320.
Crantzia 221.
Cryptostemma westermanni 195.
Cucullaea 273.
Cupuliferen, Zugstraße der 256.
Cypriniden 171, 293.
Cystignathidae 181.
D.
Dall 73, 99.
Darwin 12, 14, 16, 17.
Dasyura 117.
Daueus 221.
Dendrobatidae 74.
Derby, O. 88, 93, 101, 331.
Deszendenz 16.
Devonfauna 92.
Didelphys 77.
Dinosaurier 273.
Diorit 90.
Diprotodonta 76, 77.
Dipsas 122.
Diskontinuierliche Verbreitung ma-
riner Mollusken 312,
342
Dodonaea viscosa 207.
Döring 97, 99.
D’Orbigny 119, 185.
Drifttheorie 315.
Drimys winteri 221.
Droseraceen 230.
Drude 240.
E.
Echimydae 73.
Eehinorhynehusarten der südameri-
kanischen Wirbeltiere 300.
Eehinorhynehus, Larve von 306.
Edentaten 289, 333.
Eichhornia 75, 183, 260.
Eidechsen 192.
Eigenmann 6.
Eingeweidewürmer, Ursprung der
298.
Einwanderer, neogene 293.
Eiszeit 97, 100, 204, 222.
— karbone 101.
Ektoparasiten 298.
Embryo der Glabaris 134.
Endemische Arten 204.
Engler 7, 32, 187, 201.
Engelhardt 70, 169.
Entozoen bei südamerikanischen
Wirbeltieren, paläarktische 305.
Entoparasiten 298.
Entstehung der Anden 113.
— der Arten 9, 12.
Entreriosformation 286.
Entwicklungskongruenzen 1297.
Entwicklung Südamerikas, geo-
graphische 108.
Eocäne Fauna
Gebietes 291.
— Säugetiere 114.
Eoeän, oberägyptisches 333.
Eoeänzeit, Karte
der 336.
Eogene Fauna von Patagonien 310.
des australischen
der Kontinente
Register.
Eozoon 88.
Epiphytischer Ursprung wilder
Feigen 207.
Erodona 320.
Europäischen Tertiär, indo-australi-
sche Typen im 255.
Eurygaea 291, 293, 294.
Eustrongylus gigas 304.
F.
Fagus 227.
Falklandsinseln 111.
Fauna des australischen Gebietes,
eocäne 291.
— des Paraguaysystemes 327.
— des Paranäsystemes 327.
— spättertiäre Zuwanderer
magellanischen 277.
— von Madeira 266.
— von Patagonien, eogene 310.
— von Patagonien, marine 271.
Feigen, epiphytischer Ursprung wil-
der 207.
Fernando Noronha Insel 204, 214,
263.
Festuca 222.
Ficus tweediana 206.
Filhol 117.
Fischer 126.
Flemingites 70.
Flora, altozeanische 250.
— australische 247.
— der Anden, tertiäre 169.
— der Azoren 265.
— der Kanaren 265.
— der Sandwichsinseln 267.
— des Süßwassers 256.
— Geschichte der afrikanischen 245.
— Patagoniens 292.
— Ursprung der antarktischen 220.
— von Madeira 266.
— von St. Helena 364.
Florengebiet, das neotropische 187.
der
43
Register.
Florenaustausch von Nord- und Süd-
amerika 217.
Floridas, Ursprung 1, 6.
Floristische Beziehungen, chilenisch-
kalifornische 233.
Flußmuscheln 31.
— Wanderungen der 161.
Formation, guaranische 113.
— patagonische 272.
— St. Cruz 272.
Forschungen, zoogeographische 296.
Fossile Austern von Paraguay 325.
— DBinnenkonchylien Argentiniens
165.
Fossula 138, 327.
Frech 108.
Frösche 192.
Furnarius 25.
6.
Galapagos 204.
Gattungen, kosmopolitische 168.
— von Pflanzen, alpine 224.
Gegenbaur 15.
Genera, kosmopolitische 202.
Gentiana 221.
Geographische
amerikas 108.
Geologie von Brasilien 218.
— von Südamerika 87, 92.
Geolugisches Alter der Compositae
243.
— tropischer Pflanzen 243.
Geologische Verbreitung der Säuge-
tiere Südamerikas 286.
Geonomeae 241.
Geschichte der afrikanischen Flora
245.
— der marinen Mollusken 185.
— des La Plata-Stromes 329.
— von Afrika 295.
— von Südamerika 79.
Gigantorhynchidae 302.
Entwicklung Süd-
343
Glabaris 139.
— Embryo der 134.
— ensiformis 160.
— latomarginata 327.
— riograndensis 322, 327,
— trapesialis 328.
— trigona 163.
Glacialpflanzen 219.
Glochidium-Larve 137.
Glossopteris-Flora 93.
Götte 15.
Golfstrom 215.
Gorceix 219.
Granit 87.
Griesebach 32, 188, 208.
Grobben, C. 336.
Guaranische Formation 113.
Günther, A, 6.
H.
Häckel 14, 17.
Haecker, Valentin 314.
Hart 331.
Hebung der Anden 57, 119, 217.
Heer 253.
Hehn 32.
Heilprin 116, 80.
Helenis 285.
Helieces Westindiens 254.
Helminthen 296.
— Alter der 307.
— mesozoische 308.
— Ursprung der menschlichen 305.
Hensen, V. 313.
Heterochthone Säugetiere
amerikas 308.
Heteropoden 132.
Heterotherm 222.
Heterotherme Arten 225.
Hettner, C. F. 86.
Hieracium 230.
Hieronymus 188.
Holarktische Region 57.
Süd-
344
Holmberg 123.
Homologie 15.
Hooker, J. 109, 205.
Humboldt 32.
Hutton, E. Kapt. 63, 65, 77, 109,
191.
Hydrobia 43.
Hyla 71, 182.
Hypogeophis rostratus 195.
Hyracoidea 289.
Hyria 38, 41, 158, 331.
Iu J.
Iguaniden 112.
Ihering, H. von 11, 188, 307.
Iheringella 163.
Ilex paraguayensis 208.
Indoaustralische Typen
päischen Tertiär 255.
Insel Fernando Noronha 204.
Inseln, ozeanische 85, 267.
Iridina 122, 138.
Isolationsflora 266.
Isthmus von Panama 73, 120.
Itakolumit 89.
Juniperus 229.
Juraformation 95.
Jurameer 111.
im euro-
K.
Kanaren, Flora der 265.
Karbonablagerungen 93.
Karbone Eiszeit 101.
Karbonpflanzen in Argentinien 94.
Karte der Kontinente der Eoeänzeit
336.
Katzer 331.
Kobelt 266.
Kompilationsflora 266.
Kongruenzen, Entwicklungs-
Koniferen 297.
Konstanz der Meerestiefen 190.
Kontinent 106.
127.
Register.
Kontinent, archiatlantischer 52.
— archiaustraler 52.
— archiborealer 52,
Kontinente der Eoeänzeit,
der 336.
— der Kreidezeit 294.
— Unveränderlichkeit der 190.
Kosmopolitische Genera 202.
— Gattungen 168,
Kreideformation 91, 95.
Kreidezeit, Kontinente der 294.
Kuba 120.
Küstenkonchylien von Chili
Patagonien 119.
— Patagoniens, südafrikanischer Ur-
sprung von 318.
Küstenlinien Südamerikas, alte 309.
Küsten-Mollusken 33.
— alte Wanderungen der 315.
— Anpassung der, an Temperatur-
bedingungen 315.
— Meeresströmungen und die Ver-
breitung der 312.
— von Südamerika 49.
Kurtz, F. 94.
Karte
und
L.
Lacertilier 82.
Lagoa dos patos 123, 321.
— merim 123.
Lamarck 16.
Lamas 223.
Landdeckelschnecken
254.
La Plata-Amazonas-Gebiet 44.
— Stromes, Geschichte des 329.
— Wasserscheide zwischen Ama-
zonas und 123.
Lardizabalaceen 235.
Larve, Glochidium 137.
— von Echinorhynchus 306.
Larven der littoralen Seetiere 313.
Lasidium 137.
Westindiens
Register.
Lea 40, 127.
Le Conte 71.
Lebende Arten des patagonischen
Tertiär 275.
Leila 331.
Lemurien 75, 176, 249.
Lepidodendron 69.
Leptocoelia 92.
Liais 69.
Limnaea 35, 83.
— viator 167.
Liolaemus 68.
Lithoglyphus 43.
Littoralen Seetiere, Larven der 313.
Litorinida 310, 321.
Lombroso 18.
Lorenz 189.
Lund 91,
Lydekker 295, 333.
M.
Madagaskar 191, 192.
Madeira, Fauna von 266.
— Flora von 266.
Magellanischen Fauna, spättertiäre
Zuwanderer der 277.
Major, Forsyth 203.
Mangrove 213, 268.
March 76.
Marine Fauna von Patagonien 271.
Marine Moliusken, chilenisch-west-
afrikanische 312.
— diskontinuierliche
312.
— Geschichte der 185.
— westindisch-ostindische 311.
Marmor 89.
Martens, E. von 58.
Mauritius 191.
Megatherme Pflanzen 222.
Megistothermen 223.
Meer des Amazonastales 331.
Meerestiefen, Konstanz der 190.
Verbreitung
345
Meeresströmungen und die Ver-
breitung der Küstenmollusken 312.
— Verbreitung von Pflanzen durch
212.
Melampus 321.
Menschlichen Helminthen, Ursprung
der 305.
Mesozoische Helminthen 308.
Mesozonia 316.
Methode, analytische, der Zoogeo-
graphie: Säugetiere Australiens
306.
Mierocondylaea 122.
Mierotherme Pflanzen 222.
Miolania 335.
Mollusken, chilenisch - westafri-
kanische marine 312.
— des chilenischen Tertiärs 318.
diskontinuierliche Verbreitung
mariner 312.
Molluskengattungen,
278.
— arktische 278.
Mollusken, Geschichte der marinen
185.
— Küsten- 33.
— Tiefsee- 278.
— Verbreitung littoraler von Nord-
amerika bis Patagonien 309.
Molluskenwanderungen durch die
Tiefsee 316.
Mollusken, westindisch - ostindische
marine 311.
Monophora 287.
Moose, Verbreitung der 203.
Moreno 117.
Mortensen 313.
Mucuna 263.
— Samen 214.
Müller, Fritz 10.
Muriden 83.
Murray 7.
Muscheln, Phylogenie der 126.
antarktische
346
Mutelidae 53, 127, 138, 143.
Mycetopoda 327, 328.
Mycetopus 38, 51, 64, 84, 122.
Myosurus 221.
Mytilus edulis 315, 318.
N,
Najaden 144.
— aus dem Rio Paraguay 154.
— des Amazonasbeckens 155.
— des Rio La Plata 151.
Nathorst 280.
Natürliche Verwandtschaft 132.
Nehring, Ü. 146, 194, 307.
Nematoden 298.
Nematogenys 181.
Neogene Einwanderer 295.
Neotropische Florengebiet, das 187.
Nereis 310.
Nerita ascensionis 121.
Neritina 321.
Neu-Kaledonien 117.
Neumayr, M. 2, 108, 199, 248,
333.
Neu-Seeland 62, 191.
— Tertär von 274.
Niaea-Gruppe, Unionen der 56.
Niltal 295.
Nordamerika 198.
Nordenskjöld, O. 336.
Nord- und Südamerika, Florenaus-
tausch von 217.
Nymphäaceen 259.
— Alter der 359.
0.
Oberägyptisches Eocän 3833.
Ochsenius 59, 70, 169.
Östlichen Südamerikas, Brackwasser-
fauna des 319.
Oppenheim, P. 174, 176, 208,
266.
Öreadenregion 189.
Register.
ı'Ortmann 316.
ı Oryeteropus 289.
Osborn 5, 307, 333.
' Ozeanische Inseln 85, 207.
' Ozean, paeifischer 109.
| P.
ı Paeifisecher Ozean 109,
Pacila 318.
Paläarktische Entozoen bei
amerikanischen Wirbeltieren 305.
Palinkosmische Pflanzen 201.
ı Pampasformation 97, 99, 274.
Panama, Isthmus von 73, 120.
, Pantropische Arten von Pflanzen 240.
— Pflanzen 231.
Paraguay, fossile Austern von 325.
Paraguaysystemes, Fauna des 327.
Parana 113.
Paranäsystemes, Fauna des 327.
Parasiten auf neue Wirtstiere, Über-
tragungen von 304.
— des Menschen, pithecoide 304.
Parastaciden 180.
Parastacus 43, 58, 67, 168.
Partula 175, 193.
Patagonien, ausgestorbene Riesen-
vögel von 218.
— eogene Fauna von 310.
— Küstenkonchylien von Chili und
119.
— marine Fauna von 271.
— Säugetiere von 218.
Patagoniens, Flora 292.
— südafrikanischer Ursprung von
Küstenkonchylien 318.
Patagonische Formation 272.
Patagonische Schichten 273.
Patagonischen Tertiär, lebende Ar-
ten des 275.
Pebas 42, 70, 91.
— Brackwassermuscheln von 325.
Pebasschichten 72.
süd-
—
En LT SET a ee
Register.
Peetuneulus 273.
Pelseneer 126, 127.
Peratherien 77, 115.
Pfeffer 7.
Pflanzen, alpine Gattungen von 224.
— antarktische 219.
— arktisch-antarktische 202.
— bipolare 231.
Cenokosmische 201.
— des chilenischen Tertiärs 244.
der Anden, arktisch-alpine 220.
durch Meeresströmungen, Ver-
breitung von 212.
— geologisches Alter tropischer 243.
— megatherme 222.
— microtherme 222.
— Palinkosmische 201.
—— Pantropische 231.
—- pantropische Arten von 240.
— Verbreitungsmittel der 200, 216.
— Xerophile 235.
— zirkumpaeifische Wanderungen
von 236.
Bhilippi 119, 185.
Philodendron 188.
Phoradendron-Beeren 207.
Phylogenie der Muscheln 126.
Physa 35, 83.
— rivalis 167.
Pimelodes 74.
Pinguine 68.
Pinus 228.
Pistia 259.
Pithecoide Parasiten des Menschen
304,
Plagiaulaeiden 76.
Plagiodon 122, 139.
Plankton-Expedition 313.
Planorbis 35.
— peregrinus 167.
Platiris 128.
Pleistocäne Transgression des Meeres
in Südbrasilien 323.
347
Poa 222.
Podocarpus 227.
Polynesien 81, 249.
Polynesiens, Binnenfauna 176.
Pontederien 47, 183, 260.
Potamogetonaceen 268.
Primula 221.
Priscacara 6.
Prisodon 331.
Privateigentum im Tierreiche 16.
Proboseidea 289.
Protylacinus 117.
Pteropoden 132.
Pupa 83.
Pyrotherium 273.
0.
Quereus 232.
R.
Racovitza, R. 3.
Radialskulptur der Unioniden 171.
Radula 10.
Raniden 74.
Raphia 241.
Recluz, Elys& 4.
Regionen der Wirbelsäule 11.
Region, holarktische 51.
Rengger 325, 331.
Restitutionsatavismus 12,
Retentionsatavismus 12.
Rhododendron 220, 223.
Ribodon 334.
Ridley 204, 214, 263.
Riesenvögel von Patagonien, aus-
gestorbene 218.
Rio Grande do Sul, Steinkohle von 69.
— de Janeiro, Unioniden von 147.
— La Plata, Najaden des 151.
— Paraguassu 327.
— Paraguay, Najaden aus dem 154
— Paranä, Unioniden des 145.
— S Franeisco 328.
348
Rio S. Franeisco, Unioniden des 148.
Ritter 32.
Rissoiden 310.
Ruetimeyer 836.
S.
Saceodeira 68.
Säugetiere 33.
— Australiens, analytische Methode
der Zoogeographie 306.
— eocäne 114.
— Südamerikas, autochthone 308.
— Sidamerikas, geologische Ver-
breitung der 286.
— Südamerikas, heterochthone 308.
— von Patagonien 218.
Sagittaria 257.
Salomons-Inseln 117.
Samenverbreitung durch Vögel 206.
— durch Wind 202.
Sandwichsinseln 227.
— Flora der 267.
Schichten, patagonische 273.
Schildkröten 46, 112.
Schimper 10, 213.
Schlangen 192.
Schlosser 73.
Schmankewitsch 14.
Schomburgh, R. 204.
Schwacke 188.
Schwarz, Ernest 334.
Seetiere, Larven der littoralen 313.
Selektionstheorie 9, 12, 16, 270.
Sequoia 228.
Seychellen 191.
S. Franeiseo 148.
Simroth 127, 314.
Siphonaria 49, 276.
Solenaia 122.
Sozialdemokratie 22.
Spättertiäre Zuwandererder magella-
nischen Fauna 277.
Spatha 39, 122, 140, 247.
Register.
Spelerpes 74.
Spheniscus 68.
Spruce, R. 204.
Stammbaum 132.
St. Cruz-Formation 272.
Steinkohle von Rio Grande do Sul 69.
Steinmann, G. 92, 93, 97, 100.
Stenogaea 292, 294.
St. Helena, Bulimus von 75.
— Flora von 264.
Strandvegetation 213.
Struthiolaria 119, 185.
Suceinea 83.
Südafrikanischer Ursprung von.
KüstenkonchylienPatagoniens318.
Südamerika 1.
— Geologie von 87.
— Geschichte von 79.
— Küstenmollusken von 49.
Südamerikanischen Wirbeltieren,
paläarktische Entozoen bei 305.
— Wirbeltiere, Echinorhynchusarten
der 300.
Südamerikas, alte Küstenlinien 309.
— autochthone Säugetiere 308.
— Brackwasserfauna des östlichen
319.
— die Unioniden 122.
— geographische Entwicklung 108.
— Geologie 92.
Geologische
Säugetiere 286.
— heterochthone Säugetiere 308.
— Tertiärkonchylien 309.
— Süßwasserfauna 145.
— Vögel 50.
Südbrasilien, pleistoeäne Trans-
gression des Meeres in 323.
Südende von Afrika 316.
Südseeinseln 193.
Süß 310.
Süßwasserfauna, konservativer Cha-
rakter der 29.
Verbreitung der
Register.
Süßwasserfanna von Chili 53.
— von Südamerika 145.
Süßwasserfaunen 34, 330.
Süßwasserfische 34, 46.
Süßwassermollusken 34.
Süßwasserflora, chilenische 257.
Süßwassers, Flora des 256.
Sus 83.
Symbranchus bengalensis 195.
Szainocha, L. 94.
T.
Tagelus gibbus 320.
Tapirus 6.
Temnocephala 43, 67.
Termiten 20.
Tertiäre Binnenseen von Brasilien
219.
— Flora der Anden 169,
Tertiärkonchylien Südamerikas 309.
Tertiär, indoaustralische Typen im
europäischen 255.
— lebende Arten des patagonischen
275.
Tertiärs, Mollusken des chilenischen
318.
— Pflanzen des chilenischen 244.
Tertiär von Neuseeland 274.
Testudo 47.
Theridomydae 73, 115.
Thetis 310, 318, 335.
Tiefsee-Mollusken 278.
Tiefsee, Molluskenwanderungen
durch die 316.
Tierreiche, Privateigentum im 16.
Tierstaaten 19.
Tierstöcke 19.
Titieacasee 71.
Transgression des Meeres in Süd-
brasilien, pleistocäne 323.
Treibholztheorie 249.
Trematoden 298.
Trichomyeterus 58.
349
Trigonia 171.
Tristan d’Acunha 334.
Tristicha 260.
Tropischer Pflanzen, geologisches
Alter 243.
Turmalin 88.
Typen, afrikanische 247.
— im europäischen Tertiär, indo-
australische 255.
Tyrrhenis-Theorie 203.
U.
Übertragungen von Parasiten auf
neue Wirtstiere 304.
Unger 179.
Unio 35, 41, 64.
Unioarten von Chili 57.
Unio auratus 166.
— hylaeus 159.
Unionen der Niaea-Gruppe 56.
Unionenlarven 132.
Unionidae 53, 127, 143.
Unioniden des Rio Paranä 145.
— des Rio S. Franeisco 148.
— Radialskulptur der 171.
— Südamerikas, die 122.
— Verschleppung der 172.
— von Rio de Janeiro 147.
Unio plumbeus 129.
— radula 195.
— scamnatus 120.
Unveränderlichkeit der Kontinente
190.
Ursprung der antarktischen Flora 220.
— der Eingeweidewürmer 298.
— der menschlichen Helminthen 305.
— Floridas 116.
— wilder Feigen, epiphytischer 207.
V.
Variationen 10.
Varietät 14.
Vegetation der Anden 232.
350
v. Ettingshausen 246.
Verbreitung der Küstenmollusken,
Meeresströmungen und die 312.
— der Moose 203.
— der Säugetiere Südamerikas, geo-
logische 286.
— littoraler Mollusken von Nord-
amerika bis Patagonien 309.
mariner Mollusken, diskontinuier-
liche 312.
Verbreitungsmittel der Brackwasser-
mollusken 320.
— der Pflanzen 200, 216.
Verbreitungsverhältnisse der Acan-
thocephalen 299.
Verbreitung von Ampullaria 172.
von Pflanzen durch Meeres-
strömungen 212.
Veronica 227.
Verschleppung 202.
— von Unioniden 172.
Verwandtschaft, natürliche 132.
Viola 232.
Viti 192, 251.
Vitulina 93.
v. Kerner 212.
v. Martens 139.
Vögel, Samenverbreitung durch 206.
— von Südamerika 50.
Vogelstraßen 210.
v. Siemiradzki 323.
W.
Waagen 101, 104.
Wallace 63, 81, 109, 179, 187,
190, 249.
Wanderungen, alte,
mollusken 315.
der Küsten-
Register.
Wanderungen, antarktische 226.
— der Flußmuscheln 161.
— längs der Anden 217.
— von Pflanzen, zirkumpacifische 236.
Wasserscheide zwischen Amazonas
und La Plata 123.
Weber 338.
Weismann 14.
Wespen 20.
Westindiens, Helices 254.
— Landdeckelschnecken 254.
Westindisch-ostindische
Mollusken 311.
White, Charles 70, 92, 172.
Wind, Samenverbreitung durch 202.
Wirbelsäule, Regionen der 11.
Wirbeltiere, Echinorhynchusarten
der südamerikanischen 300.
marine
je paläarktische Entözoen bei süd-
amerikanischen 305.
Wirtstiere, Übertragungen von Para-
siten auf neue 304.
Woodford, ©. M. 212.
BI
Xerophile Pflanzen 235.
2.
Zirkumpaeifische Wanderungen von
Pflanzen 236.
Zoogeographie, analytische Methode
der: Säugetiere Australiens 306.
Zoogeographische Forschungen 296.
Zschokke 307.
Zugstraße der Cupuliferen 256
Zugvögel 220.
v. Ihering, Archhelenis und Archinotis.
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