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Full text of "Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen"

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HANDBOUND 
AT  TUE 

UNIVERSITY  OF 


f>3 


ARCHIV 


FUE  DAS 


STUDIUM  DER  NEUEREN  SPRACHEN 
UND   LITTERATÜREN. 


BEGRÜNDET  VON  LUDWIG  HERRIG. 

HERAUSGEGEBEN 

YON 

ALOIS  BRANDL  UND  ADOLF  TOBLER. 


LVII.  JAHRGANG,  CX.  BAND,  /V 

DER   NEUEN   SERIE  X.  BAND.  ±  ü  y^  *\ 


^ 


*#*#* 


BRAUNSCHWEIG. 

DRUCK    UND    VERLAG    VONGEORGE    WESTERMANN. 
1903. 


Inhalts -Verzeichnis  des  CX.  Bandes, 

der  neuen  Serie  X.  Bandes. 


Abhandlungen.  Sejte 

MOspilli.     Von  Selma  Dorff 1 

Literarische    Umbildung    des'  Märchens   vom    Fischer    und    siner    Fru.     Von 

Reinhold  Steig 8 

Unbekannte  Briefe   von    a)  Schiller,    b)  F.  H.  Jacobi,  c)  A.  W.  Schlegel    an 

G.  Hufeland.     Von  R.  Priebsch 20 

Der  Urtext  der  Cyprianuslegende.     Von  V.  Ryssel 273 

Die    mittelhochdeutschen   Substantive    mit    dem    Suffix  -ier.     Von    Theodor 

Maxeiner 312 

Chatterton-Literatur.     Von  M.  Gothein 25 

Die  Bedeutung  des  Wortes  'lomantic'  bei  Fielding  und  Smollett.    Von  Gustav 

Becker 56 

Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen.     Von  Max  Förster  346 

Kennedy-Studien.     Von  F.  Holthausen 359 

Claude  Tillier  als  Pamphletist.    Von    Max    Cornicelius.    II.    (Fortsetzung 

statt  Schlufs) 67 

Claude  Tillier  als  Pamphletist.     Von  Max  Cornicelius.     III.    (Schlufs)     .  388 

Kleine  Mitteilungen. 

Ungedruckte  Briefe  aus  Klopstocks  Lebensabend.     (R.  Priebsch)      .      .     .  418 

Zur  deutschen  'Bauernpraktik'  (1508).     (Max  Förster) 421 

Zur  rhythmischen  Prosa  Englands   im  10. — 11.  Jahrhundert.     (F.  Lieber- 
mann)      98 

Zum  angelsächsischen  Menologium.     (F.  Liebermann) 98 

Charakteristik  Englands  im   12.  Jahrhundert.    (F.  Liebermann)  ....  99 

Mittel  englische  Forstausdrücke.     (F.  Liebermann) 100 

Roger  Bacon  als  Philolog.     (F.  Liebermann) 100 


IV 

Seite 

Zum  Havelok.     (F.  Holthausen) 100 

Nachtrag  zu  Archiv  CVIII,  288  ff.     (F.  Holthausen) 102 

Zur  Legende  von  Edward  dem  Bekenner.    (F.  Liebermann) 103 

Zur  mittelenglischen  Handschriftenkunde.     (M.  Förster) 103 

Zu  Scogan  und  'The  court  of  love'.     (J.  H.  Lange) 104 

Christopher  Anstey,  der  Verfasser  des  New  Bath  guide.    (Gustav  Becker)  104 

Zur  Geschichte  der  deutschen  Literatur  in  England.    (Georg  Herzfeld)    .  109 

Zum  angelsächsischen  Davidbild.     (Richard  Wülker) 421 

Das  Handschriftenverhältnis  in  Cnuts  Gesetzen.     (F.  Liebermann)  .     .     .  422 

Zum  Havelok.     (F.  Holthausen) 425 

Franzosen  über  Engländer  im   13.  Jahrhundert.     (F.  Lieb  er  mann)    .     .     .  426 

Fronleichnamsmysterien  zu  Beverley.     (F.  Lieb  ermann) 426 

Parallelen  zu  Chaueers  Prioresses  tale  und  Freres  tale.  ^(Max  Förster)     .  427 

Jamnes  und  Mambres  (zu  Archiv  CVHI,  15  ff.).     (Max  Förster)      .     .     .  427 


Zwei    Trobadorlieder    für    eine    Singstimme    mit    Klavierbegleitung    gesetzt. 

(Emil  Bohn) 110 


Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  125 
Verzeichnis    der   Mitglieder    der    Berliner   Gesellschaft   für   das   Studium   der 

neueren  Sprachen.     Januar  1903 144 

Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Dramatische  Handwerkslehre  von  Avonianus.     Zweite,  umgearbeitete  und 

vermehrte  Auflage.     (R.  Fischer) 153 

Albert  Brand:  Müller  von  Itzehoe.  Sein  Leben  und  seine  Werke.  (M.  Oeftering)  431 
J.  J.  Findlay,  Principles  of  class  teaching.  (Wilhelm  Münch)  .  .  .  .  155 
Sigismund  Friedmann,  Ludwig  Anzengruber.  (Richard  M.  Meyer)  .  .  .  163 
Otto  Frommel,  Neuere  deutsche  Dichter  in  ihrer  religiösen  Stellung.  (Richard 

M.  Meyer) 430 

Karl  Geuther,    Studien   zum    Liederbuch    der  Klara  Hätzlerin.     (Friedrich 

von  der  Leyen) 428 

Walter  Heuschkel,   Untersuchungen  über  Ramlers  und  Lessings  Bearbeitung 

von  Sinngedichten  Logaus.     (Friedrich  von  der  Leyen) 161 

Richard  M.  Meyer,    Grundrifs    der    neueren    deutschen    Literaturgeschichte. 

(Hermann  Jantzen) 151 

W.  Mo  es  tue,  Uhlands  Nordische  Studien.     (R.  M.  M.) 434 

Max  Morris,    Heinrich  von  Kleists  Reise   nach  Würzburg.     (Friedrich  von 

der  Leyen) 163 

O.  E.  Schmidt,  Kursächsische  Streifzüge.  (Richard  M.  Meyer)  .  .  .  .  162 
Moritz  Trautmann,    Kleine    Lautlehre    des    Deutschen,    Französischen    und 

Englischen.     Erste  Hälfte.     (Walther  Suchier) 159 

K.  Tumlicz,    Die  Lehre    von  den  Tropen  und  Figuren    nebst    einer    kurz- 

gefafsten  deutschen  Metrik.  4.  durchgesehene  Auflage.  (Richard  M.  Meyer)  158 
Neue  Literatur  zur  germanischen  Volkskunde.     (Robert  Petsch) 434 


V 
Seite 
Albert  Waag,    Bedeutungsentwickelung   unseres   Wortschatzes.     Auf  Grund 
von  Hermann  Pauls  'Deutschem  Wörterbuch'  in  den  Haupterscheinungen 
dargestellt.    (S.  Singer) 160 

The  complete  works  of  John  Lyly  now  for  the  first  time  collected  and  edited 
frorn  the  earliest  quartos  with  life,  bibliography,  essays,  notes,  and  index 
by  R.  Warwick  Bond.     (E.  Koeppel) 449 

Byrons  sämtliche  Werke  in  neun  Bänden,  übersetzt  von  A.  Böttger,  her- 
ausgegeben von  W.  Wetz.     (G.  Herzfeld) 454 

Shaksperes  Macbeth.  Tragödie  in  fünf  Akten  übersetzt  von  Friedrich  Theodor 
Vischer.  Mit  Einleitung  und  Anmerkungen  herausgegeben  von  Hermann 
Conrad.     (Rudolf  Fischer) 217 

William  Shakespeare.  Prosody  and  text.  An  essay  in  criticism,  being  an 
introduction  to  a  better  editing  and  a  more  adequate  appreciation  of 
the  works  of  the  Elizabethan  poets.  By  B.  A.  P.  van  Dam,  with 
the  assistance  of  C.  Stoffel.    (Aug.  Western) 202 

Encyclopaedic  English-German  and  German-English  dictionary.  Part  second: 
German-English.  Second  half:  K — Z.  Encyklopädisches  englisch-deut- 
sches und  deutsch-englisches  Wörterbuch.  Zweiter  Teil:  Deutsch-Eng- 
lisch.    Zweite  Hälfte:  K— Z.     (H.  Bieling) 167 

Old   and   Middle  English  texts,    edited   by  L.  Morsbach   and  F.  Holthausen. 

H.  Emare,  ed.  by  A.  B.  Gough.     (Wilhelm  Dibelius) 196 

Le  bone  Florence  of  Rome,  herausgeg.  von  W.  Vietor.  2.  Abteilung:  Unter- 
Buchung des  Denkmals  von  A.  Knobbe.    (M.  Weyrauch)  .     .     .     .     .     446 

Walter  Scott,  The  Border  edition  of  the  Waverly  novels,  edited  with  intro- 
ductory  essays  and  notes  to  each  novel  (supplementing  those  of  the 
author)  by  Andrew  Lang.     (A.  Brandl) 218 

The  complete  works  of  John  Gower.  Edited  from  the  manuscripts,  with  intro- 
ductions,  notes,  and  glossaries,  by  G.  C.  Macaulay.  Vols.  2,  3  The 
English  works.     Vol.  4  The  Latin  works.     (Lucy  Toulmin  Smith)   .     .     197 

G.  H.  Sander,  Das  Moment  der  letzten  Spannung  in  der  englischen  Tra- 
gödie bis  Shakespeare.     (R.  M.  M.) 449 

Julius  Zupitza,  Alt-  und  mittelenglisches  Übungsbuch  zum  Gebrauche  bei 
Universitätsvorlesungen  und  Seminarübungen.  Sechste  wesentlich  ver- 
mehrte Auflage,  bearbeitet  von  J.  Schipper.     (Erik  Björkman)      .     .     164 

Zur  Schulliteratur.     (Albert  Herrmann) 458 

Specimens   of  Middle  Scots   with  introduction,   notes  and  glossary  by  G.  G. 

Smith.     (A.  Brandl) 447 

C.  Stoffel,   s.  B.  A.  P.  van  Dam. 

C.  S  t  o f  f  e  1 ,  Intensives  and  down-toners.  A  study  in  English  adverbs.  (G.  Tanger)     169 

Max  Weyrauch,  Die  mittelenglischen  Fassungen  von  Guy  of  Warwick  und 

ihre  altfranzösische  Vorlage.     (Erik  Björkman) 444 

Gertrud  Dobschall,  Wortfügung  im  Patois  von  Bournois.    (Georg  Ebeling)     232 
Diderot,  Paradoxe  sur  le  Com^dien.    Edition  critique  avec  introduction,  notes, 

fac-simile  par  Ernest  Dupny.    (F.  Ed.  Schneegans) 229 


VI 

Seite 

Forschungen    zur    romanischen    Philologie.      Festgabe    für   Hermann    Suchier 

zum   15.   März   1900.     (Hermann  Suchier) 222 

Kristian  von  Troyes,  Cliges.  Textausgabe  mit  Einleitung,  Anmerkungen  und 
Glossar  herausgeg.  von  W.  Foerster.  Zweite  umgearbeitete  und  ver- 
mehrte Auflage.     (Alfred  Schulze) 468 

Methode  Toussaint-Langenscheidt.  Brieflicher  Sprach-  und  Sprechunterricht 
für  das  Selbststudium  der  spanischen  Sprache  von  S.  Gräfenberg. 
(P.  de.  Mugica) 473 

Johannes  Jungfer,    Über  Personennamen    in  den  Ortsnamen  Spaniens    und 

Portugals.     (P.  de  Mugica) 261 

C.  Marmier,  Geschichte  und  Sprache  der  Hugenottenkolonie  Friedrichs- 
dorf a.  T.     (Alfred  Pillet) 461 

Le  roman  de  Flamenca  publie  d'apres  le  manuscrit  unique  de  Carcassonne, 
traduit  et  accompagne  d'un  vocabulaire.  Deuxieme  edition  entierement 
refondue  par  Paul  Meyer.     (Adolf  Tobler) 464 

Kr.  Nyrop,    Manuel  phonetique  du  francais.     Deuxieme  edition  traduite  et 

remaniee  par  Emanuel  Philip ot.     (Adolf  Tobler) 239 

H.  Quayzin,  Au  Seuil  de  la  Litterature  et  de  la  Vie  litteraire  . . .  ä  l'usage 
des  Ecoles  superieures,  des  Gymnases,  des  Ecoles  normales  .  . .  (Adolf 
Tobler) 467 

Französische  Schullektüre.     (H.  Willert) 244 

Albert  Sleumer,  Die  Dramen  Victor  Hugos.     (Schultz-Gora) 227 

Antoine  Thomas,  Melanges  d'etymologie  francaise.     (Adolf  Tobler)    .     .     .     240 

Carl  Voretzsch,  Epische  Studien.  Beiträge  zur  Geschichte  der  französischen 
Heldensage  und  Heldendichtung.  I.  Heft:  Die  Komposition  des  Huon 
von  Bordeaux  nebst  kritischen  Bemerkungen  über  Begriff  und  Bedeutung 
der  Sage.     (W.  Cloetta) 220 

Verzeichnis  der  vom  1.  Dezember  1902  bis  zum  10.  März  1903  bei  der  Re- 
daktion eingelaufenen  Druckschriften 263 

Verzeichnis  der  vom  11.  März  bis  zum  6.  Juni  1903  bei  der  Redaktion  ein- 
gelaufenen Druckschriften 477 


M  ü  s  p  i  1 1  i. 


i. 

Müspüli,  as.  müd[t]spelli,  das  im  An.  als  Müspell  erscheint,  ist 
wohl  das  meist  umstrittene  Wort  der  Literatur  unseres  Volkes.  Es 
sind  geistvolle  Hypothesen  darüber  aufgestellt  worden,  die  aber  alle 
mit  Ausnahme  der  von  Detter,  Beiträge  z.  Gesch.  d.  d.  Spr.  u.  Lit.  21, 
S.  109,  an  einem  Grundübel  kranken:  dafs  sie  den  Lautbestand  der 
volleren,  also  as.  Form  zu  wenig  berücksichtigen  und  sich  infolge- 
dessen nicht  darauf  beschränken,  tatsächlich  für  das  As.  in  Betracht 
kommende  Wörter  zur  Erklärung  des  Kompositums  heranzuziehen. 
AVeltuntergang  und  Feuer,  diese  beiden  haben  die  Meinungen  be- 
einflufst  und  irregeführt.  Ich  nehme  mit  Detter  ganz  entschieden  an, 
dafs  sich  müd[t]spelli,  müspüli  aus  munßspelli  entwickelt  hat,  halte 
es  aber  nicht  für  prophetia,  sondern  für  ein  Synonymon  von  urdUi, 
urteili,  den  verdammenden  Spruch  des  Richters.  Es  ist  die  poetische 
Wiedergabe  des  neutestamentlichen  /.(jifia,  das  lateinisch  mit  Judi- 
cium, damnatio,  von  Luther  wechselweise  mit  Urteil  und  Gericht 
übersetzt  ist.  Müspüli  ist  als  Variation  des  Ausdruckes  zu  stüatago 
gestellt  und  dient  zur  Bezeichnung  der  Vollstreckung  des  Urteils, 
des  Strafgerichtes  vermittelst  furchtbarer  Naturgewalten.  Genau  wie 
y.oif.ia  tritt  es  für  das  Ereignis  ein,  wodurch  es  offenbar  wird,  näm- 
lich das  Verderben  am  Ende  der  Welt.  Man  vgl.  Apok.  17,  1: 
^cii<D  aot  to  KQifxa;  Luther:  ich  will  dir  zeigen  das  Urteil;  Weiz- 
säcker: ich  zeige  dir  das  Gericht.  Hier  ist  auf  xyi/na,  Urteil,  Gericht, 
als  auf  etwas  Sichtbares  hingewiesen;  worin  es  bestehe,  erhellen  die 
Verse  Apok.  18,  8.  10.  17—19  und  viele  andere.  2.  Petri  2,  3  lesen 
wir:  oig  to  xqT/liu  ixnaXat  ovx  uyytT,  zai  r\  anaXeia  uvkov  ov 
vvgtu^u.    Luther  übersetzt:   von  welchen   das  Urteil  von   alters  her 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  1 


2  Milspilli. 

nicht  säumig  ist,  und  ihre  Verdammnis  schläft  nicht;  Weizsäcker: 
ihr  Gericht  aber  ruht  von  alters  her  nicht,  und  ihr  Verderben  schlum- 
mert nicht.  Urteil,  Gericht,  Verdammnis  und  Verderben  sind  hier 
also  gleichwertig.  Beidemal  gibt  Weizsäcker,  dem  neueren  Sprach- 
gebrauche folgend,  y.QTjia,  das  Luthersche  Urteil,  durch  Gericht  wieder; 
denn  Urteil  im  Sinne  von  'Strafgericht,  Verderben'  mutet  uns  jetzt 
fremdartig  an,  während  Gericht  als  strafende  Tat  und  deren  Er- 
gebnis uns  ganz  geläufig  ist.  Nennt  doch  Lessing  sogar  die  Wunde, 
mit  der  Philoktet  sein  elendes  Dasein  hinschleppte,  ein  göttliches 
Strafgericht  (Laokoon  IV).  Auf  den  Vorgang,  wie  der  richterliche 
Spruch  mit  seiner  Wirkung  identifiziert  wird,  weist  eine  Bemerkung 
des  jungen  Gefangenen  im  7.  Auftritt  von  Lessings  Philotas:  'Die 
Götter  aber,  du  weifst  es,  König,  sprechen  ihr  Urteil  durch  das 
Schwert  des  Tapfersten.  Lafs  uns  den  blutigen  Spruch  aushören.' 
—  Die  Verquickung  der  Begriffe:  'Urteil,  Jgst.  Gericht,  Verdammnis, 
Verderben,'  welche  ich  für  müd\t\spelli,  mvspilli  annehme,  hat  be- 
kanntlich auch,  ohne  in  dem  Falle  die  Bedeutung  des  Wortes  zu  er- 
schöpfen, in  ae.  dorn,  ne.  doom  stattgefunden. 

Die  beiden  Stellen  im  Heliand,  in  denen  müd[t]spelli  erwähnt 
ist,  lauten  nach  der  Ausgabe  von  Sievers,  Germ.  Handbibl.  IV, 
Monacensis  2591/92,  anttat  mudspelles  megin  obar  man  ferid,  endi 
thesaro  uueroldes. 

4358/59.  Mutspelli  cumit  —  an  thiustrea  naht.  Von  2589/95 
ist  der  kurzgefafste  Sinn,  dafs  Böse  und  Gute  gemeinschaftlich  dem 
Gericht,  dem  Ende  der  Welt,  entgegenreifen  sollen.  Müdspelli  ist 
mit  megin  verbunden,  darunter  haben  wir  die  Kraft  Gottes  zu  ver- 
stehen, die  sich  in  dem  Strafgericht  durch  furchtbare  Naturgewalten 
kundgeben  wird.  Dies  lehren  uns  Parallelstellen,  so  4353/54  duom- 
dag,  drohtines  craft,  thiu  mikilo  meginstrengiu.  4358  ff.  heilst  es, 
dafs  mutspelli  kommen  wird  wie  der  Dieb  in  der  Nacht,  so  plötzlich, 
wie  einst  die  Sündflut  kam,  und  wie  das  Feuer  auf  Sodom  herabfiel : 

4374 / 76 :  so  farungo  uuard  that  fiur  kumen :  so  nuard  er  the  flod  so  samo. 
so  uuirdid  the  laxto  dag.  For  thiu  scal  allaro  liudio  gehuilie 
tfienkean  fora  themu  thinge. 

Thing  ist  Variation  des  Ausdrucks  zu  the  laxto  dag;  dieser  anderer- 
seits variiert  in  V.  4361  das  mutspelli  von  V.  4358,  und  wir  er- 
kennen in  ihm  den  stüatago  des  ahd.  Gedichtes,  f^itQav  XQiotMq  tcal 
uncoXtiag  (2.  Petri  3,  7),   den  Tag  des  Zorns  in  Rom.  2,    5,   der  als 


Müspilli. 

die  Offenbarung  des  gerechten  Gerichtes  Gottes  erläutert  wird.  So 
ergibt  sich,  dafs  mütspelli  und  thing  synonym  gebraucht  sind;  xgioig 
xai  äniüXeia  ist  die  Drohung,  welche  auch  .sie,  sowie  das  müdspelli 
aus  V.  2591,  enthalten.  Man  hat  gemeint,  weil  auf  das  müd[t]spelli 
des  Heliand  'Weltbrand,  Vernichtung  der  Welt  durch  Feuer'  nicht 
recht  passe,  das  Wort  müsse  gerade  hier,  wo  es  in  der  volleren  Form 
erhalten  ist,  in  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  verblafst  sein,  und 
zwar  hat  man  dies  unserem  Müspilli  und  der  nordischen  Mythologie 
zuliebe  angenommen.  Ersteres  berechtigt  nicht  im  mindesten  dazu, 
denn  müspille  (V.  57)  variiert,  wie  gesagt,  stüatago  (55)  und  steht 
in  demselben  Verhältnis  wie  -dieses  zu  vuiru  (56),  nämlich  dafs  es 
durch  das  Feuer  in  Erscheinung  tritt  (vgl.  Luc.  17,  29.  30;  2.  Petri 
3,  10).  Was  die  nordische  Mythologie  betrifft,  so  ist  bei  der  nicht 
abzuleugnenden  Durchsetzung  heidnischer  Vorstellungen  mit  christ- 
lichen kein  Grund  vorhanden,  Müspell  zu  dem  alten  Bestände  zu 
zählen.  Das  Wort  hat  vielmehr  sicherlich  unter  dem  Einflüsse  des 
Christentums  in  der  Bedeutung  'Gericht,  Verdammnis,  Verderben  am 
Ende  der  Welt'  festen  Fufs  in  der  Poesie  des  Nordens  gefafst. 
Möglicherweise  auch  hat  es  sich  geradezu  zur  kenning  für  das  ver- 
derbenbringende Feuer  weiter  entwickelt  (vgl.  Kauffmann,  Zs.  f.  d. 
Phil.  33,  S.  6);  doch  ist  diese  Annahme  durchaus  nicht  nötig.  Un- 
zweifelhaft richtig  aber  ist  es,  dafs  die  Müspellz  lytiir  als  Feuer- 
flammen aufzufassen  sind.  Auch  das  ungeheure  Heer  der  apoka- 
lyptischen gepanzerten  Reiter,  das  Verderben  über  die  Erde  bringen 
soll  (Apok.  9,  14 — 18),  müssen  wir  als  Verkörperung  von  Feuer- 
flammen  ansehen  (vgl.  Hebräer  1,  7;  Joel  2,  2 — 5;  Ps.  104,  4).  Diese 
gewaltigen  Reiterscharen  haben  unverkennbare  Ähnlichkeit  mit  den 
Müspellz  lydir.  Sie  kommen  über  das  Wasser,  denn  sie  werden  von 
den  Engeln,  die  am  Euphrat  gebunden  waren,  herbeigeführt;  ihre 
Kennzeichen  sind  Feuer,  Rauch  und  Schwefel;  ihre  Zahl  ist  viel 
tausend  mal  tausend.  Weissagungen  kriegerischen  Inhaltes,  wie  die 
soeben  erwähnte,  mufsten  den  kampfesfrohen  Germanen  besonders 
zusagen  und  jüdisch-christlichen  Ideen  das  Eindringen  in  den  Kreis 
heidnischer  Mythen  wesentlich  erleichtern. 

Nach  unserem  ahd.  Gedicht  fährt,  sowie  das  Blut  des  Elias  zur 
Erde  trieft,  der  stüatago,  das  •müspilli  ins  Land,  um  mit  Feuer  die 
Menschen  heimzusuchen.  Das  Wort  müspilli  steht  in  engster  Be- 
ziehung zu  Ludwig  dem  Deutschen,   für  den  meines  Erachtens  das 

1* 


4  Müspilli. 

Gedicht  als  poetische  Bufspredigt  bestimmt  war.  Um  diese  Auf- 
fassung zu  begründen,  mufs  ich  auf  den  bekannten  Bruderkrieg  nach 
Ludwigs  des  Frommen  Tode  eingehen.  Lothars  Ansprüche  zwangen 
Ludwig  und  Karl  zu  einem  Schutz-  und  Trutzbündnisse.  Sie  dräng- 
ten Lothar  zurück,  und  dieser,  unterstützt  von  der  Pipinschen  Partei, 
liefs  es  zum  Kampfe  kommen.  Ein  Gottesurteil  sollte  die  Schlacht 
bei  Fontanetum  (841)  sein;  sie  entschied  zu  Gunsten  der  beiden  ver- 
bündeten Brüder:  denne  half  mäk  andremo.  Das  Würgen  und 
Morden  aber  war  ein  so  entsetzliches,  dafs  die  Sieger  drei  Tage 
fasteten  und  beteten,  um  Gottes  Zorn  zu  besänftigen.  Schwere 
Schuld  lag  auf  den  hadernden  Blutsverwandten.  Ihre  Zwistigkeiten 
hatten  Greuel  im  Lande  heraufbeschworen,  welche  das  xqTjliu,  das 
müspilli  herauszufordern  schienen:  Treulosigkeit  und  Meineid,  Raub 
und  Mord  schrien  zum  Himmel.  Nun  war  durch  die  unselige  Schlacht 
das  Mafs  der  Sünden  gerüttelt  voll,  und  wenn  auch  die  Bischöfe  der 
siegreichen  Fürsten  geflissentlich  betonten,  dafs  es  sich  um  ein 
Gottesurteil  gehandelt  habe,  so  wird  diese  'Entschuldigung'  schwer- 
lich bei  allen  den  gewünschten  Eindruck  erzielt  haben.  Denn  im 
neunten  Jahrhundert  machte  sich  eine  starke  kirchliche  Opposition 
gegen  die  Gottesurteile  geltend.  Hatte  doch  unter  Ludwig  dem 
Frommen  der  Erzbischof  Agobard  von  Lion  (f  840)  in  zwei  Schrif- 
ten: 1)  Adver sus  legem  Gundobadi  et  impia  certamina  quae  per  eam 
geruntur,  2)  De  divinis  sententiis  —  sich  gegen  die  Gottesurteile  ge- 
wendet und  sie  als  unchristlich  und  widersinnig  nachgewiesen,  da 
Gott  erst  am  Jüngsten  Tage  richte  (Ebert,  Allgem.  Gesch.  d.  Lit.  d. 
M.  A.  im  Abendlande  Bd.  2,  S.  213.  Grimm,  R.  A.  S.  909).  Nach 
der  Schlacht  von  Fontanetum  mag  daher  das  angebliche  Gottesurteil 
von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus,  das  vom  Himmel  zu  er- 
wartende aber  in  gemeinschaftlicher  Besorgnis  häufig  erörtert  worden 
sein  und  dem  Verfasser  des  Müspilli  es  nahe  gelegen  haben,  zu  einer 
Zeit,  da  die  Wunden  noch  frisch  waren,  welche  der  Bruderzwist  dem 
Lande  geschlagen  hatte,  König  Ludwig  zu  schrecken  mit  dem  Offen- 
barwerden des  gerechten  Gerichtes  Gottes  an  dem  Tage  des  Zorns 
(Rom.  2,  5),  vor  dem  keine  irdische  Macht  zu  helfen  im  stände  ist, 
'Denkest  du  aber,  o  Mensch,  dafs  du  dem  Urteil  Gottes  entrinnen 
werdest?'  (Rom.  2,3.)  dar  ni  mac  denne  mäk  andremo  helfan  vora 
demo  müspille  (V.  57).  (Wahrscheinlich  nimmt  die  Stelle  auch  Bezug 
auf  Matth.  24,  40.  41;  Luc.  17,  34—36.) 


Mtispilli.  5 

II. 

Die  Grundbedeutung  des  Tätigkeitswortes  got.  spillön,  ahd. 
spellon,  mhd.  spellen,  ags.  spellian,  an.  spjalla  kann  nichts  anderes 
gewesen  sein  als  langsam,  auseinandersetzend  sprechen  und  zwar 
loqui,  sowie  colloqui.  (Vgl.  die  bekannten  Wörterbücher  der  ger- 
manischen Dialekte.)  Hinweise  hierauf  und  mannigfache  Belege 
finden  sich  in  Schröders  gehaltvoller  Abhandlung  über  das  spei,  Zs. 
f.  d.  A.  37,  S.  241  ff.,  welche  sich  eingehend  mit  dem  interessanten, 
tief  im  germanischen  Volksleben  wurzelnden  Worte  beschäftigt;  be- 
sonders kommen  für  die  Auffassung  des  genannten  Zeitwortes  Seite 
245,  246,  250,  258  und  263  in  Betracht.  Schröder  erwähnt  auch 
(S.  245),  dafs  im  Französischen  espeler  in  der  älteren  Zeit  für  expliquer 
gebraucht  wird.  (Vgl.  Körting,  Lat. -Rom.  Wb.  S.  8111:  altnfrk. 
spellon,  erklären,  deuten.)  Die  Bedeutungsschattierungen  des  Substan- 
tivs spei  laufen  denen  des  zugehörigen  Tätigkeitswortes  parallel;  die 
Grundbedeutung  zerfällt  für  das  Nhd.  in  die  drei  Bezeichnungen: 
Sprache,  Spruch,  Gespräch. 

Wo  wird  man  denn  langsam  und  auseinandersetzend,  demnach 
scharf  betont  und  feierlich  geredet  haben?  Naturgemäfs  bei  den 
sakralen  Vorgängen,  zu  denen  in  den  ältesten  Zeiten  nach  dem 
Zeugnis  des  Tacitus  auch  das  Gericht  gehörte.  (Germania  7.  11. 
Grimm,  R.  A.  243.  751.  MüllenhofF,  Deutsche  Altertumskunde  IV, 
Kap.  11,  S.  238  ff.)  Wir  wissen,  welche  wichtige  Rolle  dasselbe  in 
dem  Leben  unserer  Vorfahren  spielte,  deren  Denken  es  geradezu 
beherrschte.  Die  Gabe  weiser  Rede  wurde  hochgeschätzt.  Zahlreiche 
Beispiele  dafür,  in  denen  spräka  und  spei  durchaus  synonym  ge- 
braucht sind,  bietet  der  Heliand  (V.  572.  1376.  2466.  2650.  2672  u.a.). 
Wie  nun  spräka  das  Reden  in  der  Versammlung  der  freien  Männer, 
welcher  beratende  und  richtende  Gewalt  eigen  war,  bezeichnen  konnte, 
so  mufs  es  auch  mit  spei  der  Fall  gewesen  sein.  Unzweifelhaft  er- 
gibt sich  dies  aus  V.  2672/74:  ...  niuuas  im  is  uuordo  niud,  spaharo 
spello,  ac  sie  bigunnun  sprelcan  undar  im,  huo  sie  ina  so  craftagne 
fan  enumu  clibe  uurpin.  Die  Zeilen  gehören  in  den  Bericht,  dafs  die 
Juden  —  that  folc,  rincos  —  eine  Versammlung  abhielten,  um  zu 
beraten,  wie  sie  Jesum  töteten  (V.  2667/76). 

Das  Gericht  der  alten  Germanen  fand  unter  der  gröfsten  Feier- 
lichkeit statt;  dem  entspricht  das  strenge  Formelwesen  unserer  alten 
Rechtssprache.    Die  uns  überlieferten  Urteils-  und  sonstigen  Rechts- 


6  Müspilli. 

sprüche  zeigen,  auch  wenn  sie  in  Prosa  verfafst  sind,  eine  gehobene, 
feierliche  Ausdrucksweise  (Grimm,  R.  A.  31  ff.  Koegel,  Lit.  Gesch.  I, 
1,  242  ff.).  Es  ist  naheliegend,  zu  vermuten,  dafs  man  das  Wort 
spei  darauf  angewendet  habe  zu  einer  Zeit,  als  es  noch  nicht  dem 
Geschick  anheimgefallen  war,  in  den  Hintergrund  gedrängt  oder  in 
seiner  eigentlichen  Bedeutung  verkannt  zu  werden.  — -  Einige  der 
Spuren  des  Vorhandenseins  von  spei  und  spellen  auf  dem  Boden  der 
Rechtspflege  habe  ich  zusammengestellt. 

Ulfilas,  Rom.  11,  33:  loaiwa  uniisspilloda  sind  stauos  is  =  (<)c 
avz&QtvvrjTa  tu.  koi/uutu  uvtov.  Die  treffliche  gotische  Übersetzung 
des  griechischen  Textes  führt  uns  mitten  hinein  ins  germanische 
Gerichtsverfahren.  Der  Sinn  ist:  Gottes  Urteile  können,  da  sie 
Kundgebungen  der  höchsten  Weisheit  sind,  nicht,  wie  die  der  Men- 
schen, durch  Reden,  durch  Frage  und  Antwort  ausfindig  gemacht 
werden.  Uhusspittoda  ist  als  Fachausdruck  in  Beziehung  zu  stauos 
gebraucht,  wie  in  dem  ahd.  Gedicht  stuatago  durch  müspilli  variiert« 
wird.  Das  zu  Grunde  liegende  spillön  ist  mehr  als  colloqui  aufzu- 
fassen, weshalb  das  nhd.  'unaussprechlich'  in  dem  Falle  die  Be- 
deutung von  unusspilloßs  nur  streift;  'unerforschlich'  steht  ihr  am 
nächsten  (Zs.  f.  d.  A.  37,  S.  253). 

Ags.  spelbodan-oralores  (Bosworth,  an  Anglo-Saxon  Dict.  S.  901); 
spelboda-cansidicas,  legator,  disertus,  facundus  (Wright-Wülcker  I, 
202  2S).  Im  Anschlüsse  an  spelboda-orator  kommt  Schröder  in  seiner 
Abhandlung  meiner  Ansicht,  dafs  spei  ein  Ausdruck  des  Gerichts- 
lebens gewesen  sei,  entgegen,  indem  er  afr.  äsega,  ahd.  esago  =  juri- 
dicus  in  Parallele  zieht  (Z.  f.  d.  A.  37,  S.  250). 

An.  eidspjall,  Eidspruch.  Grägäs  30.  31.  pingskapa-pättr  S.  54. 
55  (her.  v.  Vilhjalmur  Finsen). 

Im  Nhd.  ist  das  spei  unserer  ehemaligen  Rechtssprache,  das 
auch  in  der  Form  spil  auftritt,  in  'Kirchspiel'  lebendig  geblieben, 
aber  seine  alte,  vom  kulturhistorischen  Standpunkte  so  interessante 
Bedeutung  ist  dem  Sprachbewufstsein  entschwunden  (Diefenbach, 
vgl.  Wb.  d.  got.  Spr.  2  §  141;  Paul,  Grundrifs  d.  germ.  Phil.  II  2, 
S.  109).  Richthofen  gibt  in  seinem  altfries.  Wb.  S.  1041  aufser 
kerkspel,  Kirchensprengel,  auch  ethspil  (edspil),  Amtssprengel,  und 
mnd.  dingspei  (dinxspel),  Gerichtssprengel,  an  und  führt  die  Ausdrücke 
ganz  richtig  auf  spei,  Sprache,  zurück,  nur  läfst  er  die  Zwischenstufe 
aufser  acht     Spei,  spil  bezeichnet,  von  colloquium  ausgehend,  eine 


Müspilli.  7 

Versammlung,  deren  Funktionen  im  weiteren  oder  engeren  Sinne 
unter  den  Gesichtspunkt  der  Rechtspflege  fallen;  ferner  sämtliche 
Menschen,  bezw.  Orte,  welche  durch  diese  Versammlung  rechtlich 
vertreten  werden,  wie  das  nhd.  Gericht  auch  soviel  wie  Gerichtsbezirk 
heifst.  Spei,  Sprache,  ohne  Vermittlung  des  colloquium  konnte  sich 
nicht  zu  kollektiver  Bedeutung  entwickeln. 

Wahrscheinlich  dürfen  wir  auch  'vor  Gericht  verspielen,  einen 
Prozefs  verspielen'  von  spellen  ableiten. 

Was  das  Bestimmungswort  munp  in  munpspelli  betrifft,  so  ist 
die  Tatsache,  dafs  es  der  alten  Rechtssprache  geläufig  war,  eine  so 
wohlbekannte,  dafs  ich  nicht  darauf  einzugehen  brauche.  Das  Urteil 
wurde  mit  Mund  und  Hand  gefällt;  daher  ist  müd[i\spelli,  müspilli 
als  der  Mundspruch,  der  Urteilsspruch  des  Richters  zu  erklären.  Die 
Zusammensetzung  von  Mund  mit  einem  Worte,  das  Rede  bedeutet, 
kommt  nicht  selten  vor,  wie  Detter  durch  eine  ganze  Reihe  von  Bei- 
spielen nachweist  (Beitr.  z.  Gesch.  d.  d.  Spr.  u.  Lit.  21,  S.  110). 

Lautliche  Schwierigkeiten  liegen  für  die  Erklärung  des  as. 
»ind[t]spelli  nicht  vor.  Von  dem  ahd.  müspilli,  sowie  dem  an.  Müspell 
glaube  ich  mit  Bestimmtheit,  dafs  sie  auf  einem  niederdeutschen,  zu- 
fällig nicht  belegten  müspelli  beruhen.  Dieses  kann  sich  aus  dem 
im  Heliand  bezeugten  müd[t\spelli  gebildet  haben,  indem  der  Ver- 
schlufslaut  am  Ende  des  ersten  Kompositionsgliedes  infolge  von 
Assimilation  schwand,  womit  selbstverständlich  nicht  gesagt  ist,  dafs 
die  Form  müspelli  nicht  schon  zur  Zeit  der  Entstehung  des  Heliand 
vorhanden  gewesen  sei.  Fälle,  in  denen  ein  dentaler  Verschlufslaut 
fortfiel,  sind  im  As.,  besonders  vor  s  -j-  Konsonant,  nichts  Unge- 
wöhnliches zu  nennen  (Holthausen,  Altsächs.  Elementarbuch,  §  239, 
249).    Spelli  verhält  sich  zu  spei  wie  beddi  zu  bed,  netti  zu  net. 

Das  Verschwinden  des  Kompositums,  sowie  sein  gänzliches 
Fehlen  in  den  Rechtsquellen  kann  nicht  zu  Bedenken  veranlassen, 
wenn  man  in  Erwägung  zieht,  wie  spei  überhaupt  allmählich  ins 
Dunkel  tauchte.  Nähere  Erörterungen  hierüber  behalte  ich  mir  für 
eine  spätere  Gelegenheit  vor.  Vermutlich  war  der  Ausdruck  zu  der 
Zeit,  aus  der  unsere  beiden  Denkmäler  ihn  übermitteln,  bereits  auf 
die  Poesie  beschränkt  und  ist  nur  auf  diesem  Gebiete  nach  dem 
Norden  gedrungen. 

Breslau.  Selma  Dorff. 


Literarische  Umbildung 
des  Märchens  vom  Fischer  nnd  siner  Fru. 


Dem  vom  Maler  Otto  Runge  geschriebenen  Fischermärchen, 
in  dem  die  Frau  durch  ihre  frevelhaften  Wünsche,  immer  höher 
und  höher  emporzusteigen,  sich  und  ihren  Mann  ins  Elend  treibt, 
ist,  seitdem  es  1812  gleichzeitig  zweimal,  in  der  Sammlung  von 
Büsching  und  in  der  der  Gebrüder  Grimm  hervortrat,  eine  all- 
gemeinere Beachtung  als  irgend  einem  anderen  Märchen  zu  teil 
geworden.  Schwindelnder  Aufstieg  und  jäher  Fall  waren  in  da- 
maligen Lebensschicksalen  etwas  Gewöhnliches.  Die  Stöfse,  die 
seit  den  Tagen  der  Revolution  an  dem  alteuropäischen  Dasein 
der  Staaten  rüttelten,  hatten  die  bisherigen  Lebenswege  ver- 
schüttet, aber  neue  nicht  zu  schaffen  vermocht.  Auf  ungebete- 
nem Pfade  drang  man  vor;  Kraft  und  Glück  entschieden,  wie 
weit  der  einzelne  vorwärts  kam;  wo  Kraft  und  Glück  versagte, 
war  Sturz  und  Ende  da.  Dem  Sinn  des  alten  Fischermärchens 
konnte  daher,  bewufst  oder  unbewufst,  mit  leichter  literarischer 
Nachhilfe  eine  auf  den  Geist  der  Zeit  gerichtete  Wendung  ge- 
geben werden.  Ja,  in  dieser  Gesinnung  schrieb  gewils  schon  der 
romantische  Maler-Dichter  seine  Erzählung  vom  Fischer  und  siner 
Fru.  Das  ist  früh  empfunden  worden.  Georg  Andreas  Reimer', 
der  sie  in  der  Handschrift  gelesen  hatte,  bemerkte  schon  1808 
(Zimmer  S.  277):  'Das  erste  und  bei  weitem  vortrefflichere  der 
beiden  Märchen  dürfte  eine  güldene  Anwendung  finden  auf  die 
Ereignisse  der  Zeit,  und  denen  eine  tüchtige  Beruhigung  ge- 
währen, die  nicht  Muth  und  Kraft  genug  haben,  es  sich  zu  ge- 
stehen, dafs  alle  menschlichen  Bemühungen,  in  wiefern  nicht  ihr 
letztes  Ziel  in  Gott  gesteckt  ist,  nichtig  sind  und  in  um  so  tiefere 
Abgründe  des  Verderbens  führen,  um  so  herrlicher  sie  zuerst  in 
irdischem  Glänze  strahlen/    Das  Märchen  duldete  daher  auch,  als 


Literarische  Umbildung  des  Märchens  rom  Fischer  und  siner  Fru.      0 

Runge  schon  nicht  mehr  lebte,  Anwendung  auf  den  einen,  gröfsten 
Mann  des  Schicksals:  auf  Napoleon.  Als  Jacob  Grimm  1814  in 
Frankreich  war  und  aus  seinen  persönlichen  Wahrnehmungen  die 
Hoffnung  geschöpft  hatte,  dafs  zu  unserer  Rettung  durch  Napoleons 
starren  Übermut  alle  diplomatische  Sorgfalt  zu  Schanden  werden 
würde,  da  antwortete  darauf  sein  Freund  und  Lehrer  Savigny  aus 
Berlin,  29.  April  1814,  wie  zur  inneren  Bestätigung  dem  anderen 
Bruder  Wilhelm  in  Kassel:  'Wissen  Sie  in  der  ganzen  Geschichte 
eine  grofse  Begebenheit,  die  in  ihrem  Gang  und  ihrer  Entwick- 
lung so  einfach,  anschaulich  und  vollständig  wäre  wie  die,  welche 
uns  zu  erleben  vergönnt  war?  Besonders  merkwürdig  ist,  wie 
alles  durch  eine  unaufhaltsame,  innere  Bestimmung  zu  diesem 
Ziel  getrieben  wurde,  nicht  durch  festen  Entschlufs  derer,  die  es 
bewirken  konnten,  was  besonders  in  dem  Kongrefs  zu  Chatillon 
recht  klar  wird.  Hier  hat  jemand  den  Fischer  und  sine 
Fru  aus  Ihrem  Buch  besonders  drucken  lassen,  was 
als  Biographie  Bonapartes  stark  gekauft  und  gelesen 
wird.'  Gewifs  die  höchste  allgemeine  Ausdeutung,  deren  dies 
Märchen  Runges  fähig  war. 

Literarisch  steht  die  Erzählung  vom  Fischer  immer  neben 
dem  Märchen  vom  Machandelboom.  Beide  wurden  zu  gleicher 
Zeit,  1806,  von  Runge  niedergeschrieben.  1808  erfolgte  durch 
Arnim  der  Druck  des  Machandel booms  in  der  Einsiedlerzeituug, 
1812  dann  erst  der  doppelte  Druck  des  Fischers:  in  dem  Archiv 
für  das  Studium  der  neueren  Sprachen  (CVII,  277)  habe  ich 
dargetan,  dafs  der  Text  der  Märchen  bei  Grimms  durch  ihres 
Verlegers  Georg  Reimer  Schuld  und  unberechtigte  Einmischung 
verdorben  ist,  dagegen  Arnim  für  den  Machandelboom  und 
Büsching  für  den  Fischer  den  der  Urschrift  am  nächsten  stehen- 
den Text  uns  bieten.  Bestätigung  erbringt  noch  ein  Aufsatz 
Jacob  Grimms  in  den  Altdeutschen  Wäldern. 

Wo  dieser  nämlich  im  'Kommentar  zu  einer  Stelle  in  Eschen- 
bachs ParcifaP,  mit  dem  die  Altdeutschen  Wälder  beginnen,  von 
der  Farbenreihe  schwarz,  weifs,  rot  handelt  und  die  Märchen 
durchgeht,  in  denen  Eltern  sich  ein  Kind  wünschen  so  weifs  wie 
Schnee,  so  rot  wie  Blut,  so  schwarz  wie  ein  Rabe  —  da  führt 
er  auch  (S.  11)  eine  Stelle  aus  dem  Eingang  des  'Märchens  vom 
Wacholderbaum'  an  und  schreibt  sie  in  folgender  Weise  hin: 


10     Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  Fischer  und  siner  Fru. 

Vor  eerem  huse  was  een  hoff,  darup  stund  en  Machandelboom, 
finnei  den  stün  de  frou  eens  in'n  winter  un  schalt  sik  eenen  appel,  un 
as  se  sik  den  appel  so  schalt,  so  snet  se  sik  in'n  finger  un  dat  bloot  feel 
in  den  snee  —  ach,  sed  de  frou,  un  süft  so  recht  hoch  up  un  sach  dat 
bloot  för  sik  an  un  was  so  recht  wehmödig,  had  ih  doch  een  Kind  so 
rot  as  bloot  un  so  witt  als  snee! 

Diese  Schreibung  Jacob  Grimms  entspricht  nun  aber  (bis 
auf  Druckversehen  wie  fen'  und  'ih')  genau  dem  Abdruck  Arnims 
in  der  Einsiedlerzeitung.  Nur  hat  Grimm,  mit  Ausnahme  von 
'Machandelboom'  und  'Kind',  überall  wieder  die  kleinen  Anfangs- 
buchstaben bei  Substantiven  hergestellt.  Jedenfalls  ist  Grimms 
Schreibung  in  den  Altdeutschen  Wäldern  durchaus  verschieden 
von  der  in  ihrem  ersten  Märchenbande.  Nun  aber  findet  sich 
die  ganze  Ausführung  und  Beispielreihe  der  Altdeutschen  Wälder 
auch  im  Anhang  der  ersten  Märchenausgabe  zum  Schneewittchen 
(1812.  Nr.  53,  S.  XXXII)  wieder,  nur  dafs  hier  die  Stelle  aus 
dem  Machandelboom,  dessen  Text  ja  der  erste  Märchenbaud  ganz 
enthielt,  nicht  wörtlich  ausgeschrieben  ist.  Der  Parcifalaufsatz 
entstand  ungefähr  zu  gleicher  Zeit  mit  Text  und  Anhang  zu  den 
Märchen.  Die  Märchen  kamen  nur  ein  wenig  früher  heraus  als 
die  Altdeutschen  Wälder.  In  jene  aber  war  ein  fremder  Ein- 
griff geschehen,  in  diese  nicht.  Jene  enthalten  den  verschlech- 
terten Text,  diese  den  der  Arnimschen  Wiedergabe  genau  ent- 
sprechenden. Wir  sehen  also  auch  hier  an  einem  greifbaren 
Beispiel  das  schon  erkannte  Verhältnis  bestätigt:  Grimms  haben 
von  Hause  aus  den  Arnimschen  Text  des  Machandelbooms  in 
Druck  gegeben,  und  ebenso  ist  es  natürlich  auch  mit  dem  Fischer- 
märchen geschehen;  alle  lautlichen  und  orthographischen  Ab- 
weichungen hat  Reimer  bewirkt. 

Ihrem  poetischen  Werte  nach  sind  die  beiden  Rungeschen 
Märchen  immer  mit  dem  gröfsten  Lobe  genannt  worden.  Als 
um  Neujahr  1811  Jacob  Grimm  für  Brentano  den  Plan  zu  einem 
Altdeutschen  Sammler  entwarf  (worüber  ich  in  der  Zeitschrift 
des  Vereins  für  Volkskunde  in  Berlin,  1902  S.  129,  berichtet 
habe),  war  die  Absicht,  den  Rungeschen  Machandelboom,  nach 
dem  Druck  des  Einsiedlers,  als  ein  Muster,  wie  man  Volkserzäh- 
lungen niederschreiben  müsse,  den  zu  versendenden  Aufforde- 
rungen beizufügen.  Dies  war  eine  Nachwirkung  der  begeisterten 
Stimmung,  mit  der  man  die  erste  Veröffentlichung  aufgenommen 


Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  .Fischer  und  siner  Fru.     1 1 

hatte.  Arnims  Blut  wurde  am  ersteu  wieder  kühl.  Er  glaubte 
nicht  an  die  sog.  Treue  der  volksmäfsigen  Überlieferung,  woran 
Jacob  Grimm  zähe  festhielt.  Arnim  betonte  immer  und  immer 
das  Recht  der  frei  schaffenden  Phantasie  jedes  einzelnen.  Da 
traf  es  sich,  dafs  er  1812  in  Berlin  den  Greifswalder  Professor 
Schildener,  einen  Freund  des  damals  schon  verstorbenen  Runge, 
kennen  lernte  —  er  ist  uns  auch  aus  Runges  Hinterlassenen 
Schriften  bekannt  — ,  und  nun  schrieb  Arnim  an  Jacob  Grimm 
(22.  Oktober  1812):  'Ein  Hauptspafs  ist  aber  wieder,  dafs  mir 
Schildener  erzählte,  Runge  hätte  die  Geschichte  vom  Fischer 
und  siner  Fru  einigen  Schiffern  erzählt,  die  hätten  sie  aber  alle 
anders  wissen  wollen  —  wie  aber,  das  war  ihm  entfallen  — 
kurz,  sie  waren  so  unzufrieden  mit  ihm,  wie  Ihr  mit  Clemens 
(und  seiner  freieren  Märchenbearbeitung).  Schade,  dafs  nicht 
der  Grofsvater  dieses  Schiffers  dabei  war;  der  hätte  den  Schiffer 
geprügelt,  weil  er  ihm  die  gute  alte  Geschichte  so  verdrehe/  Es 
ist  klar,  was  auf  diese  scherzhafte  Weise  ausgedrückt  werden 
sollte.  Wir  wissen  ja  auch  von  Tieck  und  Steffens,  dafs  Runge 
die  Fischergeschichte  noch  auf  andere  Weise  zu  erzählen  pflegte, 
als  er  sie  niedergeschrieben  hatte.  Ja,  Grimms  selber  bringen 
im  Anhang  schon  ihrer  ersten  Märchenausgabe  abweichende  Re- 
zensionen bei.  Jacob  Grimm,  von  den  Gegengründen  nicht  über- 
zeugt, half  sich  der  unleugbaren  Tatsache  dieser  Verschieden- 
heiten gegenüber  mit  dem  vergleichenden  Bilde  von  der  Haupt- 
sprache und  ihrer  Verzweigung  in  die  Mundarten. 

Sehr  merkwürdig  auch,  wie  Arnim  1812  die  beiden  Märchen 
beurteilte  und  ihrem  ästhetischen  Werte  nach  auseinander  hielt. 
Runge  selber  schon  war  sich  der  Ungleichartigkeit  des  Tones 
beider  Märchen  bewufst  gewesen:  'das  ersteh  bemerkt  er  1806, 
'ist  eigentlich  erhaben  pathetisch  und  wird  durch  die  Kümmerlich- 
keit und  Gleichgültigkeit  des  Fischers  sehr  gehoben,  das  andre 
ist  im  Grunde  mehr  wehmütig  als  traurig,  es  geht  oft  ins  Fröh- 
liche über/  'Die  Fabel  vom  Fischer/  schrieb  nun  Arnim  1812 
an  Grimms,  'schien  mir  damals,  als  ich  den  Machandelboom  ab- 
drucken liefs,  kein  eigentliches  Kindermärchen,  und  darum  nahm 
ich  es  nicht  auf,  weil  ich  in  dem  Kreise  der  bald  zu  schliefsenden 
Zeitung  nur  recht  charakteristische  Sagen  wünschte.  Selbst  der 
Machandel  boom  war  mir  wegen  einer  gewissen  darin  wohnenden 


12     Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  Fischer  und  siner  Fru. 

Grausamkeit  nicht  ganz  recht,  aber  die  Berührung  mit  Goethe  auf 
der  einen,  mit  der  nordischen  Romanze,  die  ich  damals  von  Wilhelm 
übersetzt  erhielt,  und  mit  dem  Cid  in  Hinsicht  des  Aufrichtens 
toter  Leiber  [auf  der  anderen  Seite]  bestimmte  den  Abdruck/ 
Das  letzte  sind  Hindeutungen  auf  Gesichtspunkte,  die  sich  aller- 
dings im  30.  Einsiedler- Blatte  ausgedrückt  finden.  Im  übrigen 
aber  war  dies  durchaus  gegründete  und  eigentümliche  Urteil  doch 
beeinflufst  durch  die  Ausstellungen,  die  Arnim  an  dem  ersten 
Märchenbande  der  Brüder  Grimm  zu  machen  hatte.  Da  der 
Band  nicht  blofs  Märchen  für  Kinder  zum  Lesen,  sondern  wesent- 
lich auch  Märchen  für  Eltern  zum  Nacherzählen  enthalte,  tadelte 
er,  dafs  dies  Verhältnis  auf  dem  Titel  des  Buches  nicht  zu  ge- 
nügendem Ausdruck  komme.  Er  wies  auf  einzelne  Märchen  hin,  die 
in  die  Sammlung  nicht  gehörten.  Der  Verschiedenartigkeit  des 
Tones,  die  in  den  Märchen  herrschte,  widersprach  er  von  Anfang 
an  auf  das  bestimmteste  und  traf  hierin  mit  Friedrich  Schlegel 
zusammen,  der  sich  auf  dieselbe  Weise  äufserte.  Arnims  Urteil 
hat,  so  fest  anscheinend  beide  Teile  in  ihrem  prinzipiellen  Gegen- 
satze beharrten,  dennoch  entscheidend  auf  die  spätere  Gestaltung 
der  Grimmschen  Märchen  eingewirkt.  Seinen  Anregungen  ent- 
sprechend ist  einzelnes  fortgelassen  oder  umgeändert,  das  Ganze 
aber  allmählich  auf  einen  gleichmäfsigeren  Ton  stilisiert  worden. 
Und  so  bewährte  sich  Arnims  Satz,  dafs  der  bildende,  fort- 
schaffende Trieb  im  Menschen  gegen  alle  Vorsätze  siegend  und 
schlechterdings  unaustilgbar  sei,  selbst  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  an  seinen  lieben  Gegnern  in  Kassel,  mochte  er  auch  bei 
der  Durchsicht  des  zweiten  Märchenbandes  wünschen  (10.  2.  1815), 
Wilhelm  hätte  noch  mehr  nachgeholfen,  denn:  'mancher  Märchen- 
schlufs  wäre  mehr  befriedigend  ausgefallen,  ich  meine  in  der  Art, 
wie  Runge  mit  seinen  beiden  Märchen  verfahren  ist/ 

Man  könnte  in  der  Übertreibung  sagen:  unsere  ganze  Lite- 
ratur von  damals  ist  eine  Verarbeitung  von  Märchenstoffen,  die 
jeder  Dichter  auf  seine  Weise  und  mit  seinem  Rechte  trieb. 
Auch  bei  Arnim  und  Brentano  ist  dies  der  Fall.  Brentano  wollte, 
wie  er  1810  Runge  ausdrücklich  schrieb,  den  Machandelboom 
und  den  Fischer  in  seine  Märchenbearbeitung  einfügen;  die  von 
Guido  Görres  schliefslich  herausgegebenen  Bände  enthalten  sie 
nicht  (vgl.  auch  Cardauns  1895  S.  5),  doch  hätte  Brentano,  wenn 


Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  'Fischer  und  siner  Fru.    13 

er  dazu  gekommen  wäre,  sie  gewifs  nicht  in  Runges  Wortlaut, 
sondern  in  der  ihm  eigentümlichen  Umbildung  vorgelegt,  und  am 
ehesten  hätten  die  Rheinmärchen  Gelegenheit  dazu  geboten.  Arnim 
aber  förderte  damals  wieder  seine  (erst  viel  später  aus  dem  Nach- 
lasse herausgegebene)  Päpstin  Johanna,  ein  Werk,  in  das  er  auch 
die  Leiden  und  Freuden  seiner  eigenen  Kindheit  und  Schulzeit 
eingeflochten  hat.  Von  bösen  Mächten  hervorgebracht  und  durch 
teuflische  Erziehung  innerlich  vernichtet,  besteigt  Johanna  schliefs- 
lich  in  rasender  Verblendung  den  päpstlichen  Stuhl  in  Rom,  stürzt 
dann  jäh  von  ihrer  Höhe,  wird  aber  durch  die  allversöhnende 
Macht  des  christlichen  Glaubens  gerettet.  Die  Parallele  zwischen 
der  Päpstin  Johanna  und  der  Frau  des  Fischers,  die  ja  auch  ihrem 
Wunsche  gemäfs  Papst  wurde,  aber  auch  noch  der  liebe  Gott 
werden  wollte,  bietet  sich  wie  von  selber  dar,  und  es  wäre  etwas 
Natürliches,  wenn  in  Arnims  Dichtung  sich  erweisen  sollte,  dafs 
beide   Erzählungsstoffe   miteinander   in  Berührung   gesetzt   seien. 

Nun  waren  mir  längst  Anklänge  au  das  Fischermärchen  in 
der  Päpstin  Johanna  und  eine  besondere  Art  der  Erzählung  des- 
selben aufgefallen.  Indessen  hätte  ich  nicht  gewagt,  sie  als  Um- 
dichtung  Arnims  hinzustellen,  sondern  eher  sie  für  die,  wenn 
auch  freie,  Wiedergabe  einer  rheinischen  Variante  des  Fischer- 
märchens gehalten.  Ein  direktes  Zeugnis  aber  belehrt  uns  eines 
anderen.  'Ich  habe/  schreibt  er  selbst  an  Jacob  Grimm,  'es  in 
meiner  Päpstin  zweimal  versucht,  das  Fischermärchen  von  der 
Frau,  die  Papst  und  Gott  wird,  ganz  wiederzuerzählen,  wie 
Runge;  beidemal  war's  mir  aber  unmöglich,  der  Ton  des  übrigen 
teilte  sich  dieser  Geschichte  unwillkürlich  in  einzelnen  Umständen 
mit,  und  so  soll  es  sein,  denn  jede  Zeit  und  jeder  Mensch  hat 
sein  Recht/  Nun  ist  es  leicht  für  uns,  den  betreffenden  Stellen 
in  Arnims  Dichtung  beizukommen. 

Von  Lucifer  ist  die  kleine  Johanna  dem  Spiegelglanz,  einem 
der  schrecklichsten  Philologen  Islands,  zur  Pflege  übergeben 
worden.  Über  Paris  gelangt  dieser  mit  dem  Kinde,  das  er  als 
Knaben  erzieht,  an  den  Rhein  und  gesellt  es  dem  jungen  Pfalz- 
grafen als  Spiel-  und  Lerngefährten.  Lucifer  versucht  vergeb- 
lich, in  das  von  seinen  Wächtern  treu  gehütete  Rheinschlofs  ein- 
zudringen. In  einen  Wasserstar  verwandelt,  gerät  er  beim  Unter- 
tauchen   unvorsichtig    in    das  Netz    des   armen,    treuen   Fischers 


14     Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  Fischer  und  siner  Fru. 

Thalmann,  der  sehr  verwundert  ist,  als  der  Vogel  ihn  anredet 
und  ihm  die  Erfüllung  dreier  Wünsche  für  seine  Freiheit  bietet. 
'Der  Thalmann  war  klug'  (fährt  Arnim  fort),  'er  fragte  nicht  erst 
seine  Frau,  sondern  sprach  zu  ihm'  —  und  wir  empfinden  hier 
eine  scherzhafte  Hinweisung  auf  Runges  Fischer,  der  gerade  erst 
durch  seine  Frau  zum  Wünschen  getrieben  wird.  Thalmann  also 
antwortet  dem  gefangenen  Wasserstar: 

Du  hältst  mich  für  ein  Kind 

Und  meinst,  ich  würd'  geschwind 

Mir  so  ein  Ubermafs  von  Glück  erwählen, 

Dafs  ich  in  aller  Schmach  mich  müfste  quälen. 

Nein,  Vögelchen,  ich  mag  kein  Gott  auf  Erden, 

Kein  Kaiser  oder  Papst  hier  werden, 

Doch  einen  Vogel,  der  so  reden  kann, 

Für  gutes  Geld  zu  bringen  an  den  Mann, 

Das  ist  ein  sicherer  Gewinn ! 

Wir  bemerken  hier  wieder  die  scherzende  Wendung  gegen  das 
Rungesche  Märchen.  Der  Vogel  wird  nun  rasch  in  das  Schlots 
des  jungen  Grafen  gebracht  und  macht  den  beiden  Kindern 
vielen  Spafs.  Der  gute  Thalmann  mufs  sich  hinsetzen  und  ihnen 
noch  recht  lange  zusehen.  Er  erzählt,  wie  er  sich  von  den  be- 
denklichen Fragen  des  Vogels  nicht  habe  fangen  lassen,  'weil  er 
die  Geschichte  wohl  gewuist/  Die  Kinder  fragen  neugierig: 
welche  Geschichte?  und  'der  Fischer  lief's  sich  nicht  lange  bitten, 
sondern  erzählte  ihnen  in  aller  der  Umständlichkeit,  die  Er- 
wachsenen so  unbequem  ist/  Wieder  eine  merkwürdige  Kritik 
des  Märchenvortrages.  'Wir  wollen  seine  Erzählung  zusammen- 
ziehen/ sagt  Arnim,  und  nun  gibt  er,  in  der  Tat  im  halben  Um- 
fange des  Rungeschen  Märchens,  die  folgende  Darstellung: 

'Ein  alter  Fischer  heiratete  ein  junges  Mädchen,  und  da  er 
seines  Alters  wegen  wenig  mehr  mit  seiner  Angel  fangen  konnte, 
die  Frau  aber  viel  verbrauchte  weil  sie  jung  war,  so  mufsten  sie 
gar  bald  ihr  Haus  verkaufen  und  wohnten  auf  einem  Kahne 
mitten  auf  dem  Rheine,  lebten  von  den  Fischen,  die  der  Alte 
angelte,  und  deckten  sich  Nachts,  wenn  sie  schliefen,  mit  dem 
alten  Segel  zu.  Die  junge  Frau  fror  Nachts  zuweilen,  der  Alte 
aber  schlief  fest  und  merkte  doch  im  Schlafe  aus  Gewohnheit, 
wenn  die  Angel  in  seiner  Hand  von  einem  Fisch  angebissen  und 
fortgezogen  worden;  eines  Tages  zuckte  die  Angel  so  stark,  dafs 


Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  Fischer  und  siner  Fru.      lo 

der  Fischer  schon  meinte,  einen  grofsen  Lachs  in  den  Kahn  zu 
ziehen,  aber  er  hob  mit  der  Angel  zu  seiner  Verwunderung  statt 
eines  Fisches  einen  bräunlichen  Vogel  mit  schwarzem  Schnabel 
in  den  Kahn,  den  er  ganz  erstarrt  anredete:  "Ei,  wie  magst  du 
heifsen?"  "Wasserstar  !"  sagte  der  Vogel  mit  Mühe,  weil  ihm  der 
Angelhaken  in  der  Kehle  safs.  "Wasserstar?"  sagte  der  Fischer 
verwundert,  "wo  hast  du  dein  Nest?"  —  Und  der  Wasserstar 
antwortete:  "Fischer,  wo  hast  du  dein  Haus?  mein  Nest  hat  die 
Frau  verkauft,  da  mufs  ich  mich  so  herumtreiben,  hab?  aber 
allerlei  dabei  gelernt,  und  wenn  du  mir  das  Leben  schenken 
willst,  so  tue  ich  dir  alles  zulieb,  was  du  wünschen  magst."  Der 
Fischer  sah  sich  nach  seiner  Frau  um,  da  diese  aber  noch  ganz 
fest  schlief,  so  fiel  ihm  gar  nichts  ein,  was  er  wünschen  sollte, 
und  sprach:  "Wasserstar,  weil  es  dir  so  gegangen  ist  wie  mir,  so 
will  ich  dir  den  Haken  ganz  umsonst  aus  dem  Schnabel  ziehn, 
möchte  doch  auch  keinen  drein  haben."  Bei  den  Worten  zog  er 
ihm  den  Haken  aus  dem  Schnabel  und  liefs  den  Vogel  fliegen, 
ehe  der  aber  untertauchte,  sagte  er  ihm:  "Fischer,  wenn  der  Voll- 
mond auf  den  Rhein  scheint,  da  ruf  mich,  und  ich  werde  dir  in 
allem  freundlich  zu  Gefallen  leben,  was  dein  Mund  wünschen 
mag."  —  Als  er  untergetaucht  war,  wachte  die  Frau  auf,  und  er 
erzählte  ihr,  was  sich  begeben,  da  wurde  die  Frau  böse,  dafs  er 
sich  gar  nichts  gewünscht  habe.  "Ja,  was  sollt  ich  mir  wün- 
schen?" fragte  der  Fischer.  "Haus  und  Hof,"  sagte  die  Fischerin 
ganz  zornig.  Da  lachte  der  Alte  und  wartete,  bis  der  Mond 
recht  herrlich  am  Himmel  stand  und  sich  im  Rhein  spiegelte,  da 
rief   er  so   freundlich,    dafs   sein    altes    Gesicht   sich  in   tausend 

Falten  legte: 

Mondschein,  Mondschein  überm  Rhein, 
Mondschein,  Mondschein  in  dem  Rhein, 
Vogel,  Vogel  überm  Rhein, 
Vogel,  Vogel  in  dem  Rhein, 
Dafs  mir  meine  Frau  nicht  frier', 
Schenke  doch  ein  Häuschen  ihr. 

Da  tauchte  der  Vogel  auf,  dafs  ihm  das  Wasser  von  seinem 
Schnabel  lief  und  sagte:  "Lafs  nur  dem  Kahn  seinen  Willen,  so 
kommst  du  an  das  Haus  gefahren."  Da  verschwand  der  Vogel, 
und  der  Fischer  tat,  wie  er  gesagt,  kam  ans  Land,  und  ein  Haus 
stand   da,   das  war  leer,   darum  gehörte  es  ihnen,   und  die  Frau 


16    Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  Fischer  und  siner  Fru. 

sagte,  dafs  sie  nun  nie  wieder  frieren  würde,  denn  das  Haus 
war  dicht  und  schön  gezimmert.  Um  es  hier  nur  kurz  zu  sagen, 
es  dauerte  nicht  bis  zum  nächsten  Mondwechsel,  da  fror  die 
Frau  schon  wieder  und  wollte  ein  Schlofs,   und  der  Fischer  rief 

wieder: 

Mondschein,  Mondschein  überm  Rhein, 
Mondschein,  Mondschein  in  dem  Rhein, 
Vogel,  Vogel  überm  Rhein, 
Vogel,  Vogel  in  dem  Rhein, 
Dafs  mir  meine  Frau  nicht  frier', 
Schenke  doch  ein  Schlöfschen  ihr. 

Das  geschah  dann  wieder,  im  nächsten  Monate  fror  sie  sehr,  weil 
sie  keine  Königskrone  hatte,  im  folgenden,  weil  ihr  die  Kaiser- 
krone fehlte,  endlich  wollte  sie  Papst  werden,  und  auch  das  ge- 
schah. Als  aber  die  Frau  wieder  vorm  nächsten  Mondschein 
den  Mann  Nachts  mit  dem  Ellenbogen  anstiefs,  dafs  sie  friere, 
sie  müsse  aller  Welt  Gott  sein,  da  wurde  dem  Fischer  recht 
bange,  er  ging  ganz  kleinlaut  an  den  Rhein  und  rief: 

Mondschein,  Mondschein  überm  Rhein, 
Mondschein,  Mondschein  in  dem  Rhein, 
Vogel,  Vogel  überm  Rhein, 
Vogel,  Vogel  in  dem  Rhein, 
Dafs  mir  meine  Frau  nicht  frier', 
Mach',  dafs  sie  die  Welt  regier'. 

Bei  diesem  Worte  rifs  ein  Fisch  dem  armen  Fischer  die  Angel- 
schnur ab,  er  wachte  aus  seinem  Traume  auf,  seine  Frau  klap- 
perte vor  Frost  mit  den  Zähnen,  da  war  weder  Haus,  Schlofs, 
weder  Königs-,  Kaiser-  noch  Papstkrone,  von  der  Welt  regierten 
sie  nichts  als  nur  mit  Mühe  ihren  Kahn,  aber  sie  hatten  beide 
dasselbe  geträumt,  und  weil  die  Angel  gerissen,  konnte  der  Alte 
keinen  Fisch  mehr  fangen,  weil  seine  Frau  Gott  werden  wollte, 
mufste  er  in  Hunger  mit  seiner  Frau  auf  dem  Rheine  sterben 
und  verderben,  ohne  Beichte  und  Absolution/ 

Arnim  trägt  also  die  Erzählung  nicht,  wie  Runge,  als  (wenn 
auch  phantastische)  Wirklichkeitsgeschichte,  sondern  als  Traum- 
geschichte vor.  Dadurch  dafs  er  die  Frau  jung,  den  Mann  alt 
sein  läfst,  wird  sehr  leicht  ihr  Verschwenden,  begehrendes  Wün- 
schen und  sein  mangelndes  Widerstehen  erklärt.  Das  durch- 
geführte Motiv  des  Frierens  der  jungen  Frau  ist  bei  der  nacht- 


Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  Fischer  und  siner  Fru.      17 

liehen  Beschäftigung  der  Fischer  gut.  Die  Wendung,  'um  es 
hier  nur  kurz  zu  sagen/  fällt  freilich  ganz  aus  dem  Rahmen  der 
Erzählung  heraus;  aber  es  ist  immer  zu  bedenken,  dafs  wir  es 
mit  einem  unvollendeten  und  vom  Verfasser  selbst  nicht  heraus- 
gegebenen Werke  zu  tun  haben. 

Sogleich  aber  setzt  Arnim  diese  Erzählung  mit  dem  Gange 
seiner  Dichtung  in  Beziehung.  Der  böse  Spiegelglanz  kann  es 
nicht  lassen,  wegen  der  Geschichte,  er  weifs  nicht  warum,  einen 
seltsamen  Hafs  auf  den  Erzähler,  den  armen  Thalmann,  zu 
werfen.  Die  beiden  Kinder  fangen  immerfort  wieder  den  ihm 
fatalen  Reim  'Mondschein,  Mondschein  überm  Rhein'  zu  singen 
an,  er  schlägt  im  Zorn  auf  sie,  gerät  in  Streit  mit  des  jungen 
Pfalzgrafen  treuem  Hüter  Hatto  und  verläfst  zum  Jammer  der 
Kinder,  die  voneinander  gerissen  werden,  das  Schlofs:  'Johannes 
(Johanna)  fühlte  in  dieser  sonderbaren  Einwirkung  des  Wasser- 
stars auf  sein  eignes  Schicksal  das  ganze  Märchen  von  dem 
Weibe,  das  Papst  und  Gott  wurde,  wie  seine  Geschichte  und 
wufste  doch  nicht,  warum,  und  weinte  entsetzlich  darüber/  So 
hat  Arnim  die  Umbiegung  des  Rungeschen  Märchens  dazu  be- 
nutzt, um  die  böse  Macht  Lucifers,  der  den  heiligenden  Auf- 
enthalt des  Kindes  in  dem  Rheinschlosse  zerstören  wollte,  für 
die  weitere  Entwicklung  des  Kindes  wirksam  werden  zu 
lassen. 

Aber  da  sowohl  Spiegelglanz  wie  Johanna  nur  dunkel  und 
unbewufst,  jedes  auf  seine  Weise,  von  dem  Märchen  ergriffen 
werden,  so  läfst  sich  vermuten,  dafs  einmal  in  der  Dichtung  noch 
ein  Punkt  erscheinen  werde,  wo  es  eine  neue  Bedeutung  für 
die  Handlung  erhielte.     Dieser  Punkt  tritt  wirklich  ein. 

Johanna  ist  Papst  geworden.  Der  Pfalzgraf,  der  sich,  um 
Nachstellungen  zu  entgehen,  lange  in  der  Verkleidung  eines 
Mädchens  in  Rom  aufgehalten  hatte,  wohnt  als  Freund  des 
Papstes  im  Palaste.  Bei  ritterlichem  Spiel  beide  am  selben  Tage 
verwundet,  werden  sie  in  der  folgenden  Nacht  halb  betäubt  unter 
den  schreckenden  Wirkungen  eines  Erdbebens  voneinander  ge- 
trennt. Der  Papst  sucht  sehnsüchtig  den  Pfalzgrafen.  Unbe- 
vvulst  geht  er  fort,  bis  er  an  dem  kleinen  Hause  der  alten 
Sabina,  in  deren  Hut  der  Pfalzgraf  gewesen  war,  stillsteht. 
Er   sieht    durch    das    offene    Fenster    in    das    reinliche   Zimmer. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  2 


18     Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  Fischer  und  siner  Fru. 

Sabina  spinnt  beim  Feuer  des  Herdes;  ein  Mädchen,  das  dem 
Pfalzgrafen  ähnlich  sieht,  sitzt,  ebenso  gekleidet,  ihr  gegenüber; 
Sabina  erzählt  ein  Märchen: 

Hör',  Kind,  lafs  die  Lampe  stehn  und  sei  geschickt, 

Ich  will  dir  erzählen,  wie  es  einem  Fischer  geglückt, 

Der  Fischer  war  alt  und  hatte  eine  junge  Frau, 

Die  war  nicht  fleifsig  und  war  auch  nicht  schlau, 

So  war  der  arme  Fischer  um  alles  gekommen, 

Mit  Müh'  hatt'  er  ein  Hüttchen  am  Flusse  bekommen, 

Das  Hüttchen  war  alt  wie  der  Fischer  und  schwach, 

Er  flickte  umsonst  das  zerlöcherte  Dach, 

Immer  klagte  die  Frau,  sie  liege  so  kalt, 

Wie  mufste  er  erst  frieren,  da  er  so  alt. 

Doch  kam  ihm  kein  Unmut,  er  safs  so  geduldig 

Mit  seiner  Angel,  als  war'  er  nichts  schuldig, 

Und  dürft'  doch  sich  nirgends  mehr  sehen  lassen, 

Sonst  wollten  ihn  seine  Schuldner  erfassen. 

So  safs  er  an  einem  Sonntagmorgen 

Und  dankte  zu  Gott,  dafs  die  Leute  ihm  borgen, 

Und  zog  in  Gedanken  die  Angel  heraus, 

0  Freude,  da  zappelt  ein  Fisch  eben  zum  Schmaus, 

Ein  Fischchen,  als  war  es  von  Silber  und  Gold, 

Das  hat  er  aus  dem  klaren  Wasser  geholt, 

Der  Fisch  heilst  Eeinera,  er  kennt  ihn  noch  nicht, 

Er  weifs  es  nicht,  dafs  der  Fisch  auch  spricht, 

Dafs  er  die  Schiffe  im  Laufe  kann  halten 

Und  im  Meere  übet  Teufelsgewalten, 

Aber  zu  Lande  verloren  ist, 

Denn  da  regiert  unser  Herr  Jesu  Cbrist. 

Mit  schauderndem  Gefühle,  schaltet  hier  Arnim  ein,  hört  Johannes 
das  Märchen  vom  Wasserstar  in  anderer  Gestalt.  Die  Erzäh- 
lerin fährt  fort: 

Der  Fisch  tut  den  Fischer  nun  freundlich  bitten: 

'Lafs  mich  leben,  ich  war  nicht  gern  zerschnitten.' 

'Ei,'  sagt  der  Fischer,  'einen  Fisch,  der  kann  sprechen, 

Möcht'  ich  nimmermehr  zerschneiden  und  zerstechen, 

Und  hab'  ich  auch  nichts  zu  essen  im  Haus, 

Ich  scheue  mich  doch,  dich  zu  essen  beim  Schmaus.' 

Er  machte  den  Fisch  von  der  Angel  los 

Und  warf  ihn  zurück,  ob  er  gleich  schön  grofs. 

Nun  sah  der  Fisch  zum  Wasser  heraus 

Und  sprach:  'Bedank'  mich,  jetzt  bitt  dir  was  aus, 


Literarische  Umbildung  des  Märchens  vom  Fischer  und  siner  Fru.      19 

Ich  geh  dir  alles,  was  du  haben  willst, 
Damit  du  zum  Lohne  deine  Wünsche  stillst.' 
'Ei,'  sagte  der  Fischer,  'mir  fällt  jetzt  nichts  ein, 
Die  Frau  will  ich  fragen,  was  ihr  Herz  mag  erfreun.' 

Das  Weh  der  Erinnerung  greift  bei  diesen  Worten  in  Johannes' 
Seele,  und  der  Keim,  durch  den  er  so  gewaltsam  in  seiner 
Kinderliebe  vom  Pfalzgrafen  losgerissen  worden  war: 

Mondschein,  Mondschein  überm  Rhein, 
Mondschein,  Mondschein  in  dem  Rhein, 

begleitet  als  Herzschlag  die  weitere  Erzählung  der  guten  alten 
Sabina,  wie  das  Weib  Papst  und  Gott  werden  will,  und  sein 
ganzes  Geschick,  das  er  seit  Jahren  nicht  bedacht  hat,  über- 
fällt mit  Grausen  den  horchenden  Johannes.  Die  schreckliche 
Beziehung  des  Märchens  auf  sein  eigenes  Leben  wird  ihm  plötz- 
lich klar.  Er  springt  vom  Fenster  zurück  und  läuft,  ohne  um- 
zusehen, den  Berg  hinan,  voll  Jammer,  als  habe  er  alles  ver- 
loren, als  sei  alles  schon  vorbei  und  ihm  bleibe  nichts  als  der 
ungeheure  Absturz  in  die  Tiefe.  Diese  Flucht  aber  wirkt  dazu 
mit,  dafs  Johannes  und  der  Pfalzgraf  sich  endlich  wiederfinden, 
vom  neuen  Papste  entsühnt  und  glückselig  werden. 

So  finden  sich  in  der  Tat  beide  Arten  der  literarischen  Ver- 
wandlung des  Märchens,  wovon  Arnim  zu  Jacob  Grimm  1812 
sprach,  noch  in  der  Päpstin  Johanna  wieder.  Die  gereimte  Be- 
arbeitung steht  dem  Rungeschen  Märchen  noch  sehr  nahe,  er- 
zählt mit  umständlichem  Behagen  und  ist,  glaub  ich,  die  frühere 
Niederschrift  Arnims:  wie  denn  überhaupt  die  Päpstin  Johanna 
ursprünglich  in  Versen  angelegt  war.  Für  die  prosaische  Ge- 
staltung schickte  sich  die  behagliche  Umständlichkeit  nicht  mehr, 
Arnim  mufste  sich  kürzer  fassen,  er  liefs  sich,  den  umgebenden 
Scenen  zuliebe,  freiere  Hand.  Dawider  streitet  keineswegs,  dal's 
Arnim,  anscheinend  im  entgegengesetzten  Sinne,  selbst  das  ge- 
reimte Märchen  vom  Fische  als  'andere  Gestalt'  des  Märchens 
vom  Wasserstar  bezeichnet.  Er  konnte  sich  auch  diese  Freiheit 
gestatten.  Und  so  ist  er  der  erste  Herausgeber  des  einen  und 
der  erste  Nutzniefser  des  anderen  Märchens  von  Otto  Runge 
geworden. 

Friedenau  bei  Berlin.  Reinhold  Steig. 


Unbekannte  Briefe 

von 

a)  Schiller,  b)  F.  H.  Jacobi,  e)  A.  W.  Schlegel  an  G.  Hufeland. 


Die  Originale  dieser  Briefe,  die  mir  freundlichst  zur  Ver- 
öffentlichung übergeben  wurden,  sind  im  Besitze  der  Frau  Flo- 
rence  Starling,  geb.  Sieveking,  London.  Ihr  Sammler  war  der 
Grofsvater  dieser  Dame,  Eduard  Heinrich  Sieveking  (1790 — 1868), 
der  Sohn  des  Hamburger  Senators  Heinrich  Christian  Sieveking 
(f  1809). 

a. 

Weimar  d.  21stn.  Febr.  89.' 

Haben  Sie  Dank  liebster  Freund  für  Ihre  schöne  und  feine  Be- 
urtheilung  meiner  Nied.  Geschichte,  für  Ihre  Güte  mir  diesen  Wunsch 
zu  erfüllen,  und  für  die  Feinheit,2  mit  der  Sie  den  großen  An- 
theil,  den  Ihre  Freundschaft  daran  hatte,  zu  verbergen  gewußt  haben. 
Daß  Sie  Sich  die  Mühe  genommen  haben,  ein  günstiges  Licht  über 
die  gute  Seite  diefes  Werks  zu  verbreiten  ist  mir  jezt  ein  um  so 
wesentlicherer  Dienst,  weil  es  dem  Himmel  gefallen  hat,  mich  in 
diefe  Carriere  zu  werfen,  wo  mir  ein  gewißer  Vorschuß  von  Credit 
sehr  gut  zu  statten  kommen  wird.  Dali  ich  Ihnen  noch  nicht  selbst 
geschrieben  habe,  wie  sehr  das  Vergnügen,  das  mir  meine  neue  Be- 
stimung  gewährt,  durch  die  Aufficht  vermehrt  wird,  in  näheren  Um- 
gang mit  Ihnen  zu  leben  —  ist  bloß  der  Ungewißheit  zu  zuschrei- 
ben, worin  ich  noch  biß  jezt  über  diese  Sache  gewesen  bin,  und  weil 
ich  nicht3  voreilig  seyn  wollte.  Sie  scheint  nunmehr  so  gut  als  ent- 
schieden und  ich  werde  auf  Ostern  einer  von  den  Ihrigen  seyn. 

Wenn  meine  Wünsche  erfüllt  werden,  liebster  Freund,  so  werden 
wir  einen  fröhlichen  Zirkel  zusammen  ausmachen   und  uns  das  bis- 


1  Im  Original  steht  fälschlich  das  Jahr  88,  ein  Versehen,  das  Schiller 
auch  sonst  passiert  ist,  vgl.  Brief  Nr.  290  der  Gesamtausgabe  von  F.  Jonas, 
Bd.  II,  S.  86  und  444.  2  Dieses  sowie  alle  gesperrt  gedruckten  Worte 
sind  im  Original  unterstrichen.      3  Aus  nichts  korrigiert. 


Unbekannte  Briefe.  21 

chen  Leben  soviel  möglich  zu  verschönern  suchen.  Reinhold  muß 
auch  von  seiner  abstrakten  Lebensart  etwas  nachlaßen,  und 
der  Lebensfreude  opfern.  Man  sagte  mir,  daß  er  sich  durch  seine 
verwünschten  Anspannungen  Zufälle  zugezogen  habe,  die  für  seine 
Gesundheit  bedenklich  sind.  Wahrlich  das  muß  er  bleiben  laßen  — 
denn  wenn  wir  uns  in  die  Charite  studieren,  wer  dankt  es  uns  ? 

Versichern  Sie  Reinholds  und  Schützens  meiner  Freundschaft 
vind  Liebe  —  ich  freue  mich  unter  euch  Leutchen  zu  wohnen,  und 
bilde  mir  schöne  Erwartungen  von  unserm  künftigen  Zusammenseyn. 

Auf  die  Recension  zurück  zu  kommen.  Ich  kenne  Ihre  strengen 
Grundsätze  über  historische  Wahrheit  u.  Treue  —  um  so  mehr  muß 
ich  die  seltene  Billigkeit  bewundern,  die  Sie  zu  Beurtheilung  meiner 
Geschichte  einen  Gesichtspunkt  wählen  ließ,  wo  sie  sich  gegen  diese 
strenge  Anforderungen  am  leichtesten  halten  kann.  Wie  wenige 
hätten  dieses  gekonnt  —  und  wie  viel  wenigere  hätten  es  gewollt! 
Der  Himmel  weiß,  wie  mir  die  Tante4  in  die  Feder  gekommen  ist. 
Das  einzige  entwarf  statt  unterwarf5  das  Sie  (Recen.  p.  419) 
rügten,  ist  ein  Fehler  des  Abschreibers.  Ueber  verschiedne  andre 
Punkte,  die  Sie  berührten,  freue  ich  mich  einmal  mündlich  mit  Ihnen 
zu  fechten. 

Ich  hoffe,  Ihnen  in  den  ersten  Wochen  des  März  einen  Besuch 
zu  machen,  und  einige  Arrangements  vorläufig  zu  treffen.  Leben 
Sie  recht  wohl  liebster  Freund  und  erinnern  Sie  sich  mit  Liebe  Ihres 

Schiller 

P.  S.  Wißen  Sie  etwa  ein  erledigtes  Logis  von  einigen  Zimmern 
in  einem  guten  Hause  —  so  laßen  Sie  mich  Nachricht  davon  haben. 
Man  soll  Mühe  haben,  dergleichen  zu  erhalten,  und  mir  ist  gerathen 
worden,  mich  in  Zeiten  darnach  umzusehen.  Beim  Diaconus  Schorch  6 
höre  ich  soll  eines  leer  stehen  nebst  einem  Lesesaal. 


b. 

Wohlgebohrner  Herr 
Hochzuverehrender  Herr  Doctor 
Vorigen  Sonnabend  hatte  ich  das  unerwartete  Vergnügen,  die 
Beurtheilung  meines  Gespräches  über  Idealismus  u.  Realismus, l  mit 


4  Vgl.  Eecens.  (Jen.  A.  L.  Z.  Montags  den  IG.  Februar  1789):  . . .  wenn 
z.  B.  S.  131  die  Herzoginn  Maria  von  Burgund  die  Urgrofstante  der 
Margaretha  von  Parma  genannt  wird  . . .'.  5  Bezieht  sich  auf  den  Satz 
'Eine  geschmeidige  Klugheit  entwarf  ihm  die  Dinge  (S.  203)',  der  von  H. 
als  eines  der  wenigen  falschen  Bilder  angezogen  wird.  6  Mit  Hilfe  des 
Schützschen  Ehepaares  (vgl.  Brief  vom  10.  März)  mietet  er  sich  schließlich 
bei  'zwei  alten  Jungfern  ein,  die  sehr  dienstfertig,  aber  auch  sehr  redselig 
sind'  (Brief  vom  13.  Mai). 

1  David  Hume  über  den  Glauben  oder  Idealismus  und  Realismus. 
Ein  Gespräch.     Breslau  1787. 


22  Unbekannte  Briefe. 

einem  sehr  verbindlichen  Schreiben  der  Expedition  der  Allg.  Lit. 
Zeit,  zu  erhalten;  und  ich  wende  mich  an  Ew.  Wohlgeboren,  um  bey 
denenselben  die  Versicherung  meiner  großen  Erkenntlichkeit  nieder- 
zulegen. 

Die  philosophischen  Einwürfe  meines  Recensenten 2  werde  ich 
nicht  außer  Acht  laßen,  und  ich  hoffe  er  soll,  wenn  ich  ihrer  öffent- 
lich gedenke,  wenigstens  eben  so  viel  Ursache  haben  zufrieden  mit 
mir  zu  seyn,  als  ich  es  mit  ihm  bin. 

Ueber  die  Behauptung  habe  ich  mich  gewundert:  das  Wort 
Belief  hätte  im  Englischen  den  NebenbegrifF  nicht,  den  das  deutsche 
Glaube  durch  den  theologischen  Gebrauch  erhalten  hätte.  Der  Re- 
censent  brauchte  nur  das  erste  beste  etwas  ausführliche  englische 
Wörterbuch  aufzuschlagen,  um  vom  Gegentheil  überführt  zu  werden. 
In  dem  von  Johnson  selbst  aus  seinem  größern  Wörterbuche  ge- 
machten Auszuge, 3  sind  bey  dem  Worte  Belief  sechs  Bedeutungen 
angegeben.  1.  Credit  given  to  something  which  we  know  not  of  our- 
selves.  2.  The  theological  virtue  of  faith;  firm  confi- 
dence    of    the    truths    of   religion.      3.   Religion;  the  body   of 

tenets  held 6.  Creed;   a  form  containing  the  articles  of  faith. 

-  Die  sechs  Bedeutungen  hat  Herr  Adelung  in  seinem  Wörterbuche 
übersetzt;  die  erste  aber  etwas  unrichtig.  —  In  Ainsworth 4  finden 
Sie:  Belief,  fides;  The  Belief,  symbolum  Apostolicum.  Im 
Boyer:5  Belief,  foi,  creance,  ou  croyance.    The  articles  of  our  belief, 

les  articles  de  notre  foi. Wie  würde  der  Recensent  Un- 

believer  geben,  wenn  er  Faith  dabey  gebrauchen  wollte? 

Wichtiger  als  dieser  philologische  Irthum  ist  ein  historischer, 
der  unmittelbar  vorher  geht,  u.  vermöge  deßen  von  mir  gesagt  wird, 
ich  hätte,  als  in  der  vollkomensten  Darstellung  meines  Systems  ge- 
hörig, auch  alle  diejenigen  Sätze  in  den  Resultaten  des  seel.  Wize- 
manns  (!)6  anerkannt,  die  er  ausdrücklich  als  seine  eigene,  be- 
sondre u.  verschiedene  Meinung  vorträgt,  nachdem  er  der  mei- 
nigen mehrere  Gründe,  nicht  ohne  Lebhaftigkeit,  entgegen  gesetzt 
hatte.  Aber  ich  mag  es  in  jeder  Beziehung  wohl  leiden,  mit  diesem 
edlen  jungen  Manne  identifiziert  —  so  wie  mit  gewißen  verwirrten 
Köpfen,7  einem  Lavater,  Herder,  Hamann  u.  König  Salomo,  mit- 
gefangen und  mitgehangen  zu  werden. 


2  All.  Lit.  Ztg.,  Mittwochs,  den  16ten  April  1788.  3  A  Dictionary 
of  the  English  Language  . . .  Abstracted  from  the  folio  edition,  by  the 
author.  London  1756;  in  8.  Auflage  1786.  4  Thesaurus  linguae  Latinae 
1761.  5  Dictionnaire  Royal,  Francois  et  Angloi.  La  Haye  1702.  6  Über 
Thomas  W.  Wizenmann,  den  Freund  Jacobis,  vgl.  ADB  43,678;  gemeint 
ist  dessen  anonym  erschienene  Schrift  'Die  Resultate  der  Jacobi'schen  und 
Mendelssohn'scheu  Philosophie  . . .'  (Leipzig  1786).  7  Vgl.  Recension : 
'Es  ist  ein  verzeihlicher  Irrthum,  wenn  ein  braver  Mann,  den  man  in 
schlechter  Gesellschaft  findet,  verkannt  wird.  Das  ist  aber  der  Fall,  wenn 
ein   Mann    von   Hn.  J.  [speculativem  Geiste  sich   zu   so   verwirrten 


Unbekannte  Briefe.  23 

Hier  würde  ich  mir  noch  die  Freyheit  nehmen,  auf  Veranlaßung 
einer  Stelle  am  Anfange  und  am  Schluße8  der  Beurteilung  meines 
David  Huine,  Ew.  Wohlgeboren,  als  einem  der  Vorsteher  der  Allg. 
Lit.-Zeit.,  einige  Bemerkungen,  weniger  in  Rücksicht  auf  mich  selbst 
u.  die  gegenwärtige  Recension,  als  auf  andre  Schriftsteller  u.  öfter 
widerkommende  Urtheile,  aus  demselbigen  Gesichtspunkte,  den  jüngst 
Herr  Becker  über  die  Unrechtmäfsigkeit  des  Negernhandels  gegen 
H.  Prof.  Meiners  9  nahm,  gehorsamst  vorzuschlagen,  weh  nicht  eine 
ziemlich  ernsthafte  Unpäßlichkeit  mich  zum  schreiben  ganz  unfähig 
machte. 

In  Hoffnung  dal.)  Ew.  Wohlgebohren  es  nicht  ungeneigt  auf- 
nehmen werden,  werde  ich  die  Ehre  haben  denenselben  künftige 
Woche  2  Exempl.  des  Alexis, ,0  französisch  und  deutsch  zu  über- 
schicken, wovon  ich  das  eine  Herrn  Profeßor  Schütz  zustellen  u.  mich 
demselben  bestens  empfehlen  zu  laßen  gehorsamst  bitte. 

Mit  aufrichtiger  Verehrung  und  herzlicher  Ergebenheit 
Ew.  Wohlgebohren 

gehorsamster  und 
Pempelfort  bev  Düßeldorf  d.  30l.  April  verbundenster  Diener 

im  F.  H.  Jacobi 


Der  Buchhändler  Fröhlich  wiederholte  mir  gestern  mündlich 
seinen  Wunsch,  daß  doch  das  Athenaeum  in  der  Allg.  Lit.  Zeitung 
möchte  angezeigt  werden.  Nun  ist  ein  Jahr  seit  seiner  Erscheinung 
verfloffen,  da  man  doch  sonst  bedeutende  Zeitschriften  gleich  bey 
ihrem  Anfange  anzuzeigen  pflegt,  welches  auch  in  der  That  der 
schickliche  Moment  dazu  ist.  Überhaupt  könnte  ein  Mitarbeiter,  wie 
ich  der  ALZ.  seit  mehr  als  drey  Jahren  gewesen  bin  wohl  mehr  Er- 
wiederung bey  ihr  finden.  Noch  nie  hat  die  ALZ.,  weder  mich  noch 
meinen  Bruder  auf  eine  Art  anerkannt,  wie  wir  es  erwarten  konnten ; 
dieses  Stillschweigen  ist  bey  der  weitläuftigen  Verbreitung  über  die 
gleichgültigsten  Gegenstände  so  auffallend,  daß  es  denen,  welche 
die  Gesinnungen  der  Redaktoren   gegen  uns  nicht  kennen,   absicht- 

Köpfen  gesellt,  als  Lavater  und  einige  andre  von  denen,  die  er  mit  Wohl- 
gefallen anführt.'  8  Gemeint  ist  wohl  neben  der  unter  Anm.  7  ange- 
führten, eine  Stelle  im  Schlufsabsatz  gegen  jene  'schalen  und  seichten 
Schriftsteller,  die  mit  ihm  nichts  gemein  haben  als  einige  Ausdrücke'  . . . 
9  Christoph  M.  Meiners;  über  die  Rechtmäfsigkeit  des  Negernhandels  im 
Göttinger  histor.  Magazin  II,  S.  398—410;  vgl.  über  ihu  ADB  21,  224. 
Becker?  vielleicht  Rudolf  Zacharias  B.,  der  Herausgeber  des  Allg.  Reichs- 
Anzeiger;  ADB  2,  228.  10  Alexis  oder  vou  dem  goldenen  Weltalter, 
Riga  1787. 

1  Ohne  Datum;  doch  wird  der  Brief  kurz  vor  dem  30.  Oktober  1799 
anzusetzen  sein,  dem  Datum  des  Schlegelschen  Abschiedes  von  der  Allg. 
Lit.  Zeitung  (Böcking,  Werke  XI,  427). 


24  Unbekannte  Briefe. 

lieb,  ersebeinen  muß.  Auf  die  Art  wie  der  erste  Band  meines  Shak- 
speare  2  ist  die  neue  Ausgabe  des  Eschenburgischen  3  ebenfalls,  un- 
mittelbar nach  der  Erscheinung,  angepriesen,  und  zwar  so  als  ob 
meine  Übersetzung  gar  nicht  vorhanden  wäre,  so  daß  jenes  dadurch 
so  gut  wie  zurückgenommen  ist.  Ich  muß  daher  erklären,  daß  ich 
nichts  mehr  für  die  AL.Z  arbeiten  werde,  bis  sie  ihre  Schulden  gegen 
mich  auf  eine  befriedigende  Art  abträgt.  Dieß  habe  ich  schriftlich 
gesagt,  damit  Sie  es,  wenn  es  Ihnen  gut  dünkt,  Ihrem  H.  Kollegen 
in  der  Redakzion,  mittheilen  können,  u.  weil  etwas,  das  ein  bloß 
litterarisches  Verhältniß  betrifft,  unsern  freundschaftlichen  Umgang 
nicht  stören  darf.  A  w    Schlegel. 

2  Allg.  Lit.  Zeitg.,  Mittwoch  1.  Nov.  1797  (2  Stücke).     3  Ebd.  Dienstag 
5.  Jnnius  1798. 

London.  R.  Priebsch. 


Chatterton-Literatur. 


Bei  wenigen  modernen  Dichtern  mufs  die  Literatur,  die  dem 
Biographen  zu  Gebote  steht,  mit  so  grofser  Vorsicht  behandelt 
werden  wie  bei  Thomas  Chatterton.  Das  Phantasiegewebe,  das 
sich  um  das  kurze  Leben  des  merkwürdigen  Dichterknaben  von 
Bristol  geschlungen  hat,  ist  heute  so  dicht,  dafs  die  Aufgabe 
für  den  Forscher  in  erster  Linie  eine  kritische  sein  mufs.  Die 
einzelnen  Fäden  des  Gewebes  müssen  bis  zum  Anfang:  zurück- 
verfolgt  werden,  um  zu  bestimmen,  ob  sie  an  Wahres  anknüpfen. 
Es  gehört  gewifs  eine  starke  Selbstverleugnung  dazu,  sich  durch 
keine  romantische  Anekdote  von  diesem  kritischen  Wege  ab- 
lenken zu  lassen,  um  so  mehr,  da  man  bald  gewahr  wird,  dafs 
die  ursprünglichen  und  zuverlässigen  Quellen  sehr  spärlich  flie- 
fsen.  Doch  mufs  dieser  Versuch,  dem  bisher  noch  alle  Bio- 
graphen aus  dem  Wege  gegangen  sind,  einmal  gemacht  werden, 
um  endlich  ein  einigermafsen  richtiges  Bild  dieser  merkwürdigen 
Erscheinung  der  englischen  Literaturgeschichte  zu  erhalten. 

Nur  sehr  wenige  Briefe  von  Chatterton  sind  uns  aufbewahrt, 
von  denen  mehr  als  die  Hälfte  auf  die  vier  Monate  seines  Lon- 
doner Aufenthalts  fallen.  Sie  sind  alle  psychologisch  höchst 
interessant,  wenn  auch  die  Ausbeute  für  Lebenstatsachen  sehr 
gering  ist  und  wir  bei  deren  Beurteilung  sehr  die  Seelenstim- 
mung des  Schreibers  in  Betracht  ziehen  müssen.  Den  frühesten 
und  besten  Bericht  über  das  Leben  des  Dichters  bietet  uns  ein 
Brief,  den  die  fast  vier  Jahre  ältere  Schwester  Chattertons, 
Mrs.  Mary  Newton,   an  Sir  Herbert   Croft,   den  Verfasser  des 


26  Chatterton -Literatur. 

Wertherromans  'Love  and  madness', x  im  Jahre  1778  schreibt. 
Die  Daten  und  Tatsachen,  die  sie  angibt,  sind  durchaus  zuver- 
lässig, die  Anekdoten  aus  der  gemeinsam  verlebten  Kinderzeit 
sind  überzeugend  durch  die  einfache  Schlichtheit  ihrer  Dar- 
stellung. 

Eine  Ergänzung  hierzu  sollten  die  Erinnerungen  an  die  Fa- 
milie Chatterton  von  Mrs.  Edkins 2  werden.  Mrs.  Edkins  war  eine 
Schülerin  von  Chattertons  Vater  und  Freundin  seiner  viel  jüngeren 
Frau,  der  sie  in  ihrem  Witwenstande  mit  Rat  und  Tat  geholfen 
hat.  Diese  nahen  Beziehungen  zu  den  Chattertons  veranlafsten 
im  Anfange  des  19.  Jahrhunderts,  also  30 — 40  Jahre  nach  dem 
Tode  des  Dichters,  einen  in  Bristol  ansässigen  Mr.  Cumberland, 
die  mehr  als  siebzigjährige  Frau  zu  interviewen.  Mr.  Cumber- 
land schrieb  ihre  Erzählungen,  wie  die  von  sechs  bis  sieben  an- 
deren Tanten  und  Gevattern  von  Chatterton,  auf  für  einen  Lon- 
doner Kupferstecher  R.  H.  Cromek,  der  augenscheinlich  die  Ab- 
sicht hatte,  ein  Leben  Chattertons  zu  schreiben,  der  aber  starb, 
ehe  er  sein  Material  gestalten  konnte.  Von  ihm  kam  es  dann 
später  in  Dix'  Hände,  der  es  als  Anhang  zu  seiner  Biographie 
druckte.  Chatterton  war  zurzeit  der  Cumberlaudschen  Auf- 
zeichnungen schon  eine  mythische  Persönlichkeit  in  Bristol  ge- 
worden, eine  ganze  Reihe  von  Fabeleien,  die  über  ihn  in  Umlauf 
Avaren,  sollte  nun  die  alte  Dame  als  einzige  überlebende  Zeugin3 
des  Chattertonschen  Hauses  mit  ihrer  Autorität  bekräftigen,  und 
sie  tat  dies  auch  gern.  Der  ganze  Bericht  macht  den  Eindruck 
des  Geschwätzes  einer  alten  Dame:  wenig  Tatsachen,  viel  ober- 
flächlicher Klatsch  und  oberflächliche  Charakteristik;  der  einzige 
Gewinn  ist,  dafs  uns  hier  die  Atmosphäre  des  täglichen  Lebens, 
in  der  Chatterton  erwuchs,  entgegenweht.  Überall  aber,  wo 
dieser  Bericht  in  Widerspruch  mit  Tatsachen,  die  von  Mutter 
und  Schwester  ausgesprochen  werden,  kommt,  ist  er  völlig  ab- 
zuweisen. Von  Augenzeugen  haben  wir  ferner  eine  Reihe  von 
Berichten    in   Briefen    von    Freunden   Chattertons,    nach    seinem 

1  Abgedruckt  in    öhatterton's   Works   ed.  by  Southey  and  Cottle  III, 
S.  459. 

2  Zuerst  abgedruckt  von  DLx,  Life  of  Chatterton,  1837,  appendix. 

3  Nach  ihrem  Berichte  macht   es  den   Eindruck,   als  wenn   sie  selbst 
Hausgenossin  der  Familie  war,  doch  ist  auch  dies  durchaus  nicht  sicher. 


Chatterton -Literatur.  27 

Tode  an  Beteiligte  in  dem  Gelehrtenstreite  über  die  Verfas 
sehaft  der  Rowley-Gedichte  geschrieben.  Sie  sind  alle  verdächtig 
in  ihrer  Glaubwürdigkeit,  da  diese  Freunde  Chattertou  innerlich 
nicht  nahe  standen  und  er  zu  keinem  offen  war.  Die  meisten 
waren  zudem  noch  so  jung,  als  sie  mit  Chatterton  verkehrten, 
dafs  sie  ein  wirkliches  Urteil  über  ihn  nicht  haben  konnten. 
Alle  waren  sehr  stolz  darauf,  dafs  sie  in  dem  berühmten  Ge- 
lehrtenstreit eine  Rolle  spielen  durften,  und  standen  sämtlich 
unter  dem  Eindruck,  dafs  nur  eine  Gelehrtenmarotte  die  Echt- 
heit der  Rowlev-Poems  bezweifeln  könne.  Ihrer  Meinung  nach 
war  jedenfalls  Chatterton  aufser  stände,  der  Verfasser  zu  sein. 
Was  wir  also  zur  Charakteristik  der  Persönlichkeit  daraus  lernen 
können,  ist  äufserst  wenig.  Am  schlimmsten  ist  hierin  ein  ge- 
wisser Thistlethwaite,  der  aufgeblasenste  unter  ihnen,  der  mit 
wichtigtuender  Grofssprecherei  einen  Brief  an  den  Dechanten  von 
Exeter,  Mr.  Milles, '  schreibt.  Er  sucht  darin  zu  beweisen,  dafs 
er  den  Freund  von  der  Schule  an  übersehen  habe  und  weit  eher 
selber  die  umstrittenen  Gedichte  geschrieben  haben  könne.  Die 
Tatsachen,  die  er  mitteilt,  widersprechen  sich  zum  Teil  selbst, 
sein  Zeugnis  fiele  am  besten  ganz  fort. 

Mit  gleicher  Vorsicht  sind  alle  biographischen  Skizzen  zu 
behandeln,  die  in  den  zahllosen  Rowley  -  Streitschriften 2  einge- 
bettet sind.  Abgesehen  davon,  dafs  sie  alle  mit  vorgefafster 
Meinung  geschrieben  sind,  stützen  sie  sich  auf  diese  Bristoler 
Berichte.  Auch  die,  welche  Chattertons  Verfasserschaft  anerken- 
nen, sind  nicht  zuverlässig,  teilweise  aus  Ungenauigkeit,  wie 
Warton,3  obgleich  bei  ihm  eine  Reihe  wichtiger  Bemerkungen  sich 
finden,  teils  aus  persönlicher  Gereiztheit,  wie  Walpole,4  der  gern 


1  Zuerst  gedruckt  iu  Milles'  Edition  of  Eowley's  poems  1782,  dann 
Works,  1803,  III  S.  466  ff.  Hier  sind  auch  die  anderen  Freundesbriefe 
abgedruckt. 

2  Eine  Aufzählung  der  hauptsächlichsten  Schriften  im  Rowley-Streit 
in  Dictionary  of  national  biography  Bd.  X  S.  152  f. 

3  Warton,  History  of  English  poetry,  1778,  vol.  II  sec.  VIII  S.  139—64 
(in  der  Ausgabe  1871  fortgelassen).  Warton,  Enquiry  into  the  authentieity 
of  the  poems  attributed  to  Thomas  Rowley,  1782. 

4  Letter  to  the  edition  of  the  miscellaneous  of  Th.  Chatterton,  1 778 ; 
Abgd.  Oentlemen's  magazine,  1782,  S.  189  ff..  247  ff.,  300  ff.,  347  ff. 


28  Chatterton -Literatur. 

den  Charakter  des  Dichters  so  häfslich  wie  möglich  schildern 
möchte. 

Von  längeren  Lebensbeschreibungen  ist  die  erste  von  Sir 
Herbert  Croft  in  seinen  Wertherroman  Love  and  madness1  ein- 
gefügt. Trotz  all  der  sentimentalen  Romantik,  in  die  Croft  das 
Lebensbild  des  Dichters  hineingestellt  hat,  sieht  es  uns  doch 
mit  ziemlicher  Wahrhaftigkeit  an.  Herbert  Croft  hat  sich,  aller- 
dings, wie  es  scheint,  in  etwas  ungrofsmütiger  Weise,  das  Material 
aus  der  besten  Quelle,  bei  Mutter  und  Schwester  geholt  und 
über  die  letzten  Lebensmonate  in  London  die  Hausgenossen  von 
Chatterton,  wie  auch  die  Totenzeugen  ausgefragt,  zu  einer  Zeit, 
da  die  Erinnerung  an  den  jungen  Selbstmörder  noch  nicht  ganz 
erloschen  war.  Herbert  Croft,  der  Chattertons  Rowley-Fiktion 
völlig  durchschaute,  hatte  den  guten  Takt,  die  Romantik  der 
Wahrheit  in  diesem  Leben  zu  erkennen;  einige  Irrtümer  sind 
auch  ihm  untergelaufen,  doch  sind  es  meist  ehrliche  Gedächtnis- 
fehler. Einiges  weniges  Ergänzende  findet  sich  in  dem  Berichte, 
den  der  junge  Shakspere-Fälscher  Ireland  in  seinen  Confessions2 
bringt. 

Joseph  Cottle,  der  eine  Herausgeber  der  Werke  Chattertons, 
hat  sich  zu  verschiedenen  Malen  3  mit  dem  Leben  seines  Lands- 
mannes beschäftigt,  doch  ist  er  als  Bristoler  Kind  jedem  Stadt- 
klatsch nachgelaufen  und  hat  daher  sehr  viel  zur  Vermehrung 
der  Irrtümer  beigetragen. 

Die  erste  selbständige  Lebensbeschreibung  verfafste  Gre- 
gory.4 Im  ganzen  noch  frei  von  Irrtümern,  doch  höchst  kahl, 
auch  zeigt  die  moralisierende  Tendenz  der  Biographie  ihren  Hel- 
den in  ganz  falscher  Beleuchtung. 

Chalmers3    kurzer  Lebensabrifs    ist    nichts   weiter    als    eine 


1  Love  and  madness,  1780,  S.  99  ff. 

2  Ireland,  Confessions,  1802,  S.  12  ff. 

3  Joseph  Cottle,  Mähern  Hills,  poems  and  essays,  1829,  I  4 — 7,  II 
380 — 432;  Early  recollections  of  Coleridge  and  Southey,  1837,  I  S.  256  ff. 
Price,  Memorials  of  the  Camynge  family,  1854.  Ein  Brief  Cottles  an 
Hearne. 

*  Ursprünglich  Kippis  Biograph.  Brit.  IV  578—619,  später  als  Einlei- 
tung zu  Works,  1803,  Bd.  I  S.  I  ff. 

5  Chalmers  English  poets,  1810,  XV  S.  367  ff. 


Chatterton-Literatur.  29 

Schmähschrift,  durch  die  der  Dichter  zu  einem  verkommenen 
Monstrum  gemacht  wird. 

Alles  aber,  was  sich  bisher  als  Schlinggewächs  um  die  histo- 
rische Gestalt  des  Dichters  geschlungen  hatte,  war  doch  ein 
leichtes  Rankenwerk  im  Vergleich  mit  dem  dichten  Gewirr,  mit 
dem  sie  im  Jahre  1837  durch  die  Biographie  von  John  Dix ' 
eingehüllt  wurde.  Dix  war  ein  notorischer  Fälscher,  er  nahm  alle 
bisherigen  Irrtümer  an  und  hat  dazu  eine  wahre  Anhäufung  von 
falschen  Tatsachen,  schiefen  Beurteilungen  und  absichtlichen  Fäl- 
schungen gebracht.  Man  sollte  bei  jeder  neuen  Tatsache,  die 
sich  nicht  weiter  als  auf  ihn  zurückführt,  aufs  äufserste  arg- 
wöhnisch sein.  Im  Anhang  bringt  Dix  die  schon  besprochenen 
Aufzeichnungen  von  Cumberland  und  die  völlig  irreführende 
Untersuchung  von  Tyson  über  ungedruckte  Gedichte  von  Chatter- 
ton. Von  späteren  Fälschungen,  die  auf  Dix  zurückgehen,  wird 
weiter  unten  die  Rede  sein.  Willcox'  ausführliche  biographische 
Einleitung2  zu  Chattertons  Gedichten  benutzt  Dix  als  Quelle  und 
hat  äufserst  geringen  Wert  als  Darstellung. 

1869  erschien  darauf  eine  ausführliche  Arbeit  von  Professor 
Wilson,3  die  den  Anspruch  macht,  die  Standard-Biographie  des 
Dichters  zu  sein.  Der  Verfasser  ist  mit  grofser  Begeisterung 
für  seinen  Helden  an  die  Arbeit  gegangen  und  sucht  als  erster 
seinem  Charakter  möglichst  gerecht  zu  werden  und  möglichst 
umfassend  dieses  Leben  und  Schaffen  nach  allen  Seiten  zu  durch- 
forschen, so  dafs  namentlich  für  die  Werke  einige  neue  wertvolle 
Untersuchungen  hinzugekommen  sind.  Das  ist  aber  auch  alles, 
was  man  zu  Gunsten  dieses  Buches  sagen  kann;  den  Quellen 
gegenüber  ist  Wilson  ganz  unkritisch  und  fügt  zu  den  alten  Irr- 
tümern noch  neue  hinzu. 

Von  geringem  Wert  ist  die  Einleitung  zu  W.  Skeats  Aus- 
gabe der  Gedichte  Chattertons4  von  Edward  Bell,  die  gar  nicht 
über  Wilson  hinausgeht  und  auch  den  wildesten  Fabeleien  noch 
eine  Möglichkeit  zugesteht. 


1  John  Dix,  A  Life  of  Chatterton,  1837. 

2  The  poetical  works  of  Chatterton,  with  notiees  of  his  life,  1844. 

3  Daniel  Wilson,  Chatterton,  A  bioyraphical  study,  18G9. 

4  The  poetical   works    of  Chatterton    .  .  .    with   a   memoir   by    Edward 
Bell,  1891. 


30  Chatterton -Literatur. 

Von  Bristol  aus  ist  dann  in  neuer  Zeit,  allerdings  mit  wenig 
Erfolg,  etwas  kritisches  Licht  in  dieses  Dunkel  geworfen  worden. 
Mr.  Williarn  George, '  ein  eifriger  Chatterton-Forscher,  hat  einige 
interessante  neue  Tatsachen  ermittelt.  Darauf  hat  Latimer  in 
seinen  Annalen  Bristols  im  18.  Jahrhundert  in  einem  kurzen 
Abschnitt  über  Chatterton  die  fest  beglaubigten  Tatsachen  des 
Lebens  zusammengestellt,  jedoch  ist  das  nur  ein  ganz  mageres 
Gerippe.  Der  Artikel  in  dem  Lexikon  der  englischen  Biographie2 
von  Charles  Kent  ist  wohl  etwas  vorsichtiger  wie  die  meisten 
Biographien,  doch  ist  auch  er  weit  entfernt,  eine  wirklich  rei- 
nigende Kritik  vorzunehmen.  Die  neueste  Biographie  ist  in 
deutscher  Sprache  erschienen. 3  Diese  Arbeit  hat  das  grofse  Ver- 
dienst, dafs  hier  zuerst  der  Versuch  einer  ästhetischen  Würdigung 
der  Werke  des  Dichters,  besonders  der  Rowley-Gedichte,  gemacht 
ist,  der  bisher  sämtliche  Biographen  aus  dem  Wege  gegangen 
sind.  Eine  Ausnahme  machte  nur  die  kleine  Schrift  von  Buxton- 
Forman, 4  die  in  aller  Kürze  eine  ausgezeichnete  Charakteristk 
Chattertons  als  Dichter  gibt. 

Helene  Richters  Biographie  zeigt  auch  einige  Ansätze  dazu, 
Chatterton  in  seiner  Zeit  als  Dichter  des  18.  Jahrhunderts  dar- 
zustellen, doch  liefse  sich  hier  noch  viel  mehr  sagen.  Was  aber 
die  kritische  Behandlung  der  biographischen  Quellen  anbetrifft, 
läfst  die  Verfasserin  alles  zu  wünschen  übrig;  auch  hier  wird 
die  Kritik  zu  Gunsten  der  romantischen  Ausmalung  des  Bildes 
unterdrückt  und  das  vorhandene  Material  gläubig  als  echte  Quelle 
benutzt. 5 

Auch  die  Werke  Chattertons  setzen  dem  Biographen  gröfsere 
Schwierigkeiten   als   die  anderer  Dichter  entgegen.     Sie  zerfallen 

1  W.  George,  New  facts  of  the  Chatterton  family,  1883. 

2  Dictionary  of  national  biography  Bd.  X  143  ff. 

3  Helene  Richter,  Thomas  Chatterton,  1900. 

4  Chatterton  and  his  tatest  editors,  London  1874. 

5  In  obiger  Besprechung  sind  nur  die  Hauptwerke  augeführt;  auf 
solche  Arbeiten,  wie  Chatterton,  an  essay  von  S.  R.  Maitland  (1857)  und 
Chatterton,  a  story  of  1770  von  Masson  (1875),  bin  ich  nicht  eingegangen, 
da  sie  Spätblüten  des  Rowley-Streites  sind.  Die  Dramen  über  Chatterton 
von  Heinrich  Blau  und  Alfred  de  Vigny  gehören  von  vornherein  in  ein 
underes  Kapitel,  da  sie  sich  selbst  als  Fiktionen,  allerdings  sehr  ver- 
unglückte, geben. 


Chatterton-Literatur.  31 

in  zwei  streng  geschiedene  Klassen:  die  von  Chatterton  in  mo- 
dernem Englisch  geschriebenen,  grösstenteils  von  ihm  selbst  ver- 
öffentlichten Gedichte  und  Abhandlungen  und  den  grofsen  Cyklus 
seiner  Schöpfungen,  die  er  zu  seinem  Rowley-Roman  verflocht, 
und  von  denen  er  nur  ein  einziges  selbst  veröffentlicht  hat.  Die 
letzteren,  auf  denen  allein  sein  Anspruch  ruht,  unter  die  bedeu- 
tenden Dichter  Englands  gerechnet  zu  werden,  scheinen  uns  in 
ziemlich  gutem  Zustande  und,  soweit  als  möglich,  vollständig 
überliefert  zu  sein. 

Es  ist  jedenfalls  ein  glücklicher  Umstand,  dafs  der  erste 
Herausgeber1  ein  guter  Philologe  war.  Tyrwitt  hat  die  Manu- 
skripte teils  in  Chattertons,  teils  in  Calcotts  und  Barrett s  Hand- 
schrift von  diesen  beiden  Besitzern  erhalten  und  nach  den  Hand- 
schriften genau  nachgedruckt.-  Die  zweite  Ausgabe  in  einem 
Quartprachtband  von  Milles,3  dem  unbeirrbaren  Vertreter  Row- 
leys,  ist  mit  Skeats  Worten  'zugleich  die  sorgfältig  fleifsigste  und 
vom  philologischen  Standpunkt  aus  die  wertloseste'. 

Die  erste  Gesamtausgabe  der  Werke  Chattertons  ist  von 
Southey  und  Cottle;4  zu  den  Rowley-Poems  sind  hier  einige 
neue  hinzugekommen,  sonst  sind  sie  nach  Tyrwitt  gedruckt. 
Die  Sammlung  der  Gedichte  in  modernem  Englisch  ist  hier  zuerst 
vorgenommen,  leider  in  völlig  willkürlicher  Reihenfolge.  Apo- 
kryph sind  hier  nur  einige  Prosastücke.  Die  Ausgabe  von  1844 
von  Willcox5  bringt  zwar  eine  andere,  aber  keine  bessere  Ordnung.6 

Die  jüngste  und  nach  vielen  Richtungen  höchst  verdienst- 
liche Ausgabe  ist  die  von  Professor  Skeat. "  Der  Text  ist  kritisch 
und  sorgfältig  durchgesehen  und  mit  höchst  nützlichen  Noten 
im  Anhang  erläutert.  Der  zweite  Band  enthält  die  Rowley-Ge- 
dichte  und  eine  kleine  Auswahl  dazu  gehöriger  Prosastücke.   Skeat 


1  Poems  supposed  to  have  been  written  at  Bristol  by   Thomas  Rowley 
and  others  ed.  by  Thomas  Tyrwitt,  1777. 

2  Ein  sehr  guter  Bericht  hierüber  findet  sich  bei  Skeat  II  327 — 346. 

3  Poems  supposed  to  have  been  tvritten  at  Bristol  in  the  fifteenth  Century 
by  Thomas  Rowley  by  Jeremiah  Milles  D.  D.  Dean  of  Exeter,  1782. 

4  The  works  of  Thomas  Chatterton,  London  1803. 

5  The  poetical  works  of  Th.  Chatterton,  1844. 

6  Einen  guten  Bericht  über  die  Ausgaben  gibt  Skeat  a.  a.  0.  II,  xxxni. 
1  Ihe  poetical  works  of  Thomas  Chatterton,  London  1891  (Aldine-edit.j. 


32  Chatterton -Literatur. 

hat  hier  die  zuerst  von  Wilson  ausgesprochene  Forderung^erfüllt, 
die  Gedichte  ins  Neuenglische  zu  übersetzen, '  und  hat  damit  erst 
ihre  rein  poetische  Schönheit  einen»  weiteren  Publikum  zugäng- 
lich gemacht.  Ein  einleitender  Essay  gibt  uns  ein  klares  Ver- 
ständnis für  die  Quellen  der  Sprache,  die  Chatterton  sich  ge- 
schaffen hat,  und  stellt  übersichtlich  die  zwingenden  Gründe,  die 
seine  Verfasserschaft  beweisen,  zusammen.  Der  erste  Band  ent- 
hält die  modern  englischen  Gedichte,  hier  endlich  chronologisch 
geordnet  und  mit  Erläuterungen  ihres  ersten  Druckes  oder  son- 
stiger Quellen.  Leider  sind  aber  in  diesen  Band,  und  zwar  hier 
zum  erstenmal  in  einer  Gesamtausgabe,  eine  Reihe  von  apo- 
kryphen Gedichten  aufgenommen,  veranlafst  durch  den  falschen 
Spürsinn  von  Tyson  oder  die  direkten  Fälschungen  von  Dix, 2 
Hoffentlich  werden  diese  in  einer  späteren  Auflage  fortbleiben. 
Es  soll  nun  in  dem  Folgenden  der  Versuch  gemacht  werden, 
der  Entstehung  der  Legenden  bis  zu  ihrem  Ursprung  nach- 
zugehen und  damit  zuerst  die  historische  Gestalt  des  jungen 
Dichters  freizulegen.  Allen  Biographen  Chattertons  ist  ein  Zug 
gemeinsam:  der  Wunsch,  nicht  nur  möglichst  früh  etwas  von 
seinem  Leben  erzählen  zu  können,  sondern  auch  die  sicheren  Er- 
eignisse zeitlich  immer  weiter  hinaufzuschieben.  Es  ist  dies  erklär- 
lich; da  das  ganze  Leben  nur  173/4  Jahre  gedauert  hat,  so  möchte 
man  nach  der  Kindheit  hin  den  Wirkungskreis  erweitern  und 
das  Wunderbare  dieses  psychologischen  Phänomens  noch  wunder- 
barer gestalten.  Chatterton  war  nun  aber,  wenn  wir  vorurteilslos 
die  Quellen  lesen,  kein  aufsergewöhnlich  frühreifes  Kind.  Zweier 
Dinge  erinnert  sich  die  Schwester  aus  seiner  frühesten  Jugend : 
seines  Wunsches,  sich  hervorzutun,  und  der  Mühe,  die  ihm  das 
erste  Lernen  gemacht  hat.  Dafs  sie  sich  des  ersteren  erinnert, 
ist  wohl  erklärlich,  da  den  Frauen  in  seinen  späteren,  namentlich 
in  den  letzten  Jahren  sein  unbändiger  Stolz,  der  ein  treibendes 
Hauptmotiv  für  seine  ganze  Lebenslaufbahn  geworden  ist,  manche 
bange  Stunde  gemacht  haben  wird  und  sie  der  Anekdoten  aus 
seiner  frühen   Kinderzeit,    die   Mrs.  Newton   erzählt,    oft   genug 

1  Leider  sind,  wie  schon  Buxton-Forman  hervorgehoben,  die  Verweise 
auf  die  von  Chatterton  gebrauchten  Worte  in  den  Fufsnoten  und  im  An- 
hang nicht  vollständig. 

*  Hierüber  weiter  unten. 


Chatterton-Literatur.  33 

gedacht  haben  werden.  In  diesen  weuigen  Anekdoten,  wie  er 
als  Kind  alle  seine  Spielgefährten  zu  seinen  Dienern  machte, 
wie  er  Mutter  und  Schwester  Putz  versprochen  habe,  wenn  er 
grofs  sei,  erkennen  wir  schon  genau  den  Siebzehnjährigen,  der 
für  das  erste  und  einzige  überflüssige  Geld,  das  er  in  London 
verdient  hatte,  den  Frauen  daheim  allerlei  glänzenden,  aber  un- 
nützen Kram  schickt,  den  man  den  Nachbarn  zeigen  kann  als 
das  Geschenk  des  Sohnes,  der  in  der  Fremde  weilt.  Ebenso 
pafst  dazu,  dafs  seine  Lust  am  Lernen  durch  die  glänzenden 
Initialen  eines  Musikmanuskriptes  erweckt  wurde,  dafs  er  sich 
stets  weigerte,  aus  kleinen  Büchern  zu  lesen;  alles  dieses  zeigt 
uns  den  geistigen  Keim,  aus  dem  sich  der  eigentümliche  spätere 
Charakter  entwickelte.  Was  dann  Mrs.  Edkins  dazu  berichtet, 
ist  wertlos,  so  ausführlich  und  selbstgefällig  auch  all  der  kleine 
Klatsch  ausgeführt  ist.  Die  Charakteristik  ist  so  oberflächlich, 
dafs  mau  sie  im  einzelnen  kaum  zu  widerlegen  braucht.  Wenn 
sie  erzählt,  dafs  die  Mutter  oft  gefürchtet  hätte,  er  könnte  ver- 
rückt werden  wegen  seines  seltsamen  Benehmens,  so  erklärt  sich 
das,  dafs  Mrs.  Edkins  nur  zu  oft  später  nach  seinem  Selbstmord 
von  seiner  Verrücktheit  hat  sprechen  hören  und  dies  nun  halb 
bewufst,  halb  unbewufst  in  so  frühe  Zeit  verlegt.  Dem  entgegen 
erklärt  die  Schwester:  'Ich  erinnere  mich  an  nichts  Besonderes, 
bis  er  zur  Schule  ging,  was  in  seinem  achten  Jahre  war/  Dies 
Datum  stimmt  genau:  sieben  Jahre  und  acht  Monate  war  der 
Knabe,  als  er  in  die  Armenschule  von  Bristol,  das  Colstonhospital, 
aufgenommen  wurde.  Wir  müssen  im  Auge  behalten,  dafs 
Mrs.  Newton  aufserordentlich  genau  in  ihren  Daten,  die  wir 
nachweisen  können,  ist.  So  heifst  es:  er  wurde  vierzehn  am 
20.  November  und  Lehrling  am  1.  Juli  darauf.  Auch  dieses  wich- 
tige Datum  stimmt.  Am  1.  Juli  1767  —  er  war  vierzehn  Jahre 
und  sieben  Monate  —  lief  Chattertons  Schulzeit  ab,  und  er 
wurde  zu  einem  Notar  als  Schreiber  gebracht.  Dazwischen  er- 
zählt sie,  dafs  der  Bruder  mit  zehn  Jahren  sein  schmales  Taschen- 
geld ausgab,  um  sich  Bücher  in  der  Leihbibliothek  zu  holen  — 
dies  ist  gewöhnlich  die  Zeit,  in  der  Kinder  ihre  erste  Lesewut 
mit  allem  Gedruckten,  was  sie  erlangen  können,  befriedigen. 
Chattertons  eigentümliche  Geistesanlage,  zugleich  sein  gesammelter 
Intellekt  und  der  Wunsch,  anderen  zu  imponieren,  wird  dadurch 
Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  3 


34  Chatterto« -Literatur. 

charakterisiert,  dafs  er  zwischen  elf  und  zwölf  Jahren  einen  Katalog 
von  70  Büchern,  die  er  gelesen  hat,  aufschrieb.  Darauf  heilst 
es  weiter:  'Mit  zwölf  Jahren  wurde  er  von  dem  Bischof  kon- 
firmiert: Er  machte  sinnvolle  ernste  Bemerkungen  über  das  Ehr- 
würdige der  Ceremonie  und  seine  eigenen  Empfindungen  und  Über- 
zeugungen. Bald  danach,  in  der  Woche,  in  der  er  Türschliefser 
war,  machte  er  einige  Verse  über  den  letzten  Tag,  ich  glaube, 
etwa  18  Zeilen;  schrieb  das  neunte  Kapitel  des  Hiob  und  nicht 
viel  später  einige  Kapitel  des  Jesaiah  ab/  Natürlich  war  bei 
den  Chatterton  -  Forschern  der  Wunsch  aufserordentlich  grofs, 
diese  von  der  Schwester  genannten  Gedichte  zu  finden.  Ein 
Mr.  Tyson  machte  sich  daran,  das  Bristoler  Lokalblatt  zu  diesem 
Zwecke  durchzustöbern,  und  siehe  da,  sein  Suchen  wurde  belohnt. 
Felix  Farleys  Journal  war  ein  typisches  Lokalblättchen,  in  das 
die  poetischen  Gemüter  Bristols  mit  Vorliebe  ihre  Gaben  nieder- 
legten. Dort  fand  Tyson  ein  kleines  Gedicht:  On  the  last  Epi- 
phany,  or  Christ  Coming  to  judgment,  das  16  Zeilen  lang  war, 
also  'beinahe'  die  Länge,  die  Mrs.  Newtons  Brief  forderte.  Wir 
haben  zwar  nicht  den  geringsten  Anhalt,  dafs  Chatterton  damals 
in  Felix  Farleys  Blatt  schrieb,  es  wäre  auch  psychologisch  völlig 
unerklärlich,  warum  er  der  Schwester,  wenn  sie  um  seine  Dichter- 
schaft wufste,  nichts  von  der  Veröffentlichung  des  Gedichtes  ge- 
sagt haben  sollte,  abgesehen  davon,  dafs  sie  das  Gedicht,  das 
sie  ja  kannte,  in  dem  Blatte  hätte  lesen  müssen,  doch  könnte 
dies  noch  hingehen.  Es  mufste  aber  eine  andere  Schwierigkeit 
überwunden  werden.  Das  Gedicht  ist  veröffentlicht  am  8.  Januar 
1763,  damals  war  Chatterton  erst  gerade  zehn  Jahre  alt.  Mrs. 
Newton  aber  sagt  ausdrücklich,  dafs  der  Anlafs  für  dieses  Ge- 
dicht seine  Konfirmation  gewesen  sei;  so  mufste  eben  Mrs.  Newton 
sich  geirrt  haben  und  der  Bruder  spätestens  um  Weihnachten, 
als  er  eben  erst  zehn  Jahre  alt  geworden  war,  konfirmiert 
werden!  Mrs.  Newton  aber  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  sehr 
genau  in  ihren  Daten,  zwölf  Jahre  war  auch  das  ganz  normale 
Alter  für  die  Feier,  und  Chatterton  hat  regelmäfsig  die  Schule 
vom  siebenten  bis  zum  vierzehnten  Jahre  durchgemacht.  Wenn 
trotzdem  sämtliche  Biographen  ohne  den  geringsten  Zweifel 
Tyson  gefolgt  sind,  so  liegt  das  ausschliefslich  an  der  Freude, 
nun   endlich   auch  die  gewünschte  frühe  Leistung  für  den  zehn- 


Chatterton-Lifceratur.  35 

jährigeu  Knaben  zn  haben.  Man  hatte  sich  bisher  mit  drei 
kleinen  Jugendgedichten  begnügen  müssen,  die  alle  drei  durch 
Sir  Herbert  Croft  erhalten  sind.  In  Love  and  madness  teilt 
Croft  nun  eines  davon  mit,  ein  satirisches  Stück:  The  apostate 
will.  Croft  hält  dies  Gedicht  für  Chattertons  frühestes;  es  ist 
datiert  den  14.  April  1764.  Elfeiuhalb  Jahre  war  der  jugend- 
Dichter,  auch  für  dies  Alter  eine  gute  Leistung.  Der  Stoff,  den 
er  wählte,  ist  sehr  erklärlich,  gerade  für  einen  Colstonschüler, 
der  in  dem  von  dem  Gründer  her  traditionellen  Hals  gegen  das 
Sektenwesen  erzogen  war  und  hier  einen  dieser  Sektengänger, 
die  überall  da  unterschlüpfen,  wo  sie  ein  vorteilhaftes  Plätzchen 
sehen,  schildert.  Bristol  ist  ja  einer  der  Hauptplätze  für  diese 
Sektenkämpfe  gewesen,  und  Namen  wie  Wesley,  Young,  Bing- 
ham '  und  Stillingfleet,  die  hier  genannt  werden,  sind  einem 
Bristoler  Kinde  jener  Tage  wohl  geläufig  gewesen,  auch  wenn 
er  ihre  gelehrten  Werke  nicht  gelesen  hat. 

Dies  Gedicht  hat  Croft  aus  einem  Notizbuch,  das  der  Mutter 
gehörte,  nach  Chattertons  Handschrift  abgeschrieben.  Gregory  - 
erzählt  nun,  dafs  die  Schwester  ihm  ein  Notizbuch  als  Neujahrs- 
gabe geschenkt,  das  er  ihr  nach  einem  Jahre  mit  Schriften,  be- 
sonders Poesie,  angefüllt  wiedergegeben  habe.  Leider  gibt  Gre- 
gory eine  falsche  Quelle,  nämlich  Mrs.  Newtons  Brief,  an,  und 
ich  habe  die  richtige  auch  nicht  finden  können. 

Die  beiden  anderen  Gedichte  sind  in  Crofts  Handschrift  in 
einem  Bande  von  Chattertons  Werken  mit  der  Bemerkung  ein- 
getragen :  'Diese  Gedichte  schrieb  Chatterton,  als  er  ungefähr 
elf  Jahre  alt  war/  Leider  ohne  weitere  Angabe,  möglicherweise 
stammten  sie  auch  aus  dem  Notizbuch.  Das  eine  ist  eine  Clirist- 
mas'  hymn,  die  stark  nach  einem  Schulexercitium  aussieht,  wenn 
man  solche  in  Colstone  school  voraussetzen  dürfte,  das  zweite, 
ein  Fragment,  Sly  Dick,  ist  wieder  eine  Satire,  eine  Nachahmung 
von  Gays  Fabel  The  miser  and  Plutus,  wie  der  sehr  ähn- 
liche Anfang  zeigt,  hier  wie  dort  erscheint  ein  nächtliches  Ge- 
spenst einem  Geizhals.  Nun  fand  Tyson  wieder  in  Felix  Farleys 
Journal,  genau   ein  Jahr   später   wie   das  erste,    7.  Januar  1764 


1  Siehe  Skeat  I  S.  8. 

2  Siehe  Works,  1803,  I  S.  X. 


36  Chatterton-Literatur. 

veröffentlicht,  ein  Gedicht,  The  churchwarden  and  the  appa- 
rition  betitelt,  das  ebenfalls  in  seinem  Anfange  auf  Gay  zurück- 
geht, auch  eine  Geistererscheinung  schildert,  aber  sich  auf  eine 
Lokalgeschichte  bezieht.  Auch  dieses  hat  Tyson  Chatterton  zu- 
geschrieben, während  der  umgekehrte  Schlufs  wohl  wahrschein- 
licher ist,  dafs  Chattertons  kleiner  Versuch  eine  Nachahmung 
dieses  Gedichtes  ist,  das  Latimer 1  Phillips,  dem  Unterlehrer  in 
Ch.s  Schule,  zuschreibt,  allerdings  auch  nur  auf  den  Grund,  dafs 
Phillips  ein  eifriger  Mitarbeiter  von  Felix  Farley  war.  Möglich 
wäre  es  ja,  dafs  dies  Thema  eins  von  denen  war,  mit  denen  Phil- 
lips mit  den  älteren  Schülern  der  Schule  in  poetischem  Wett- 
streit trat.2  Gays  Fabeln  waren  damals  sicher  in  den  Händen 
der  Schüler,  und  Chattertons  Gedicht  wäre  dann  auch  ein  Ver- 
such, mit  teilzunehmen  an  den  poetischen  Versuchen  der  Colston- 
schüler,  was  auch  den  ähnlichen  Anfang  der  Gedichte  näher  be- 
leuchten würde. 

Für  Chattertons  Verfasserschaft  von  The  churchwarden 
and  the  apparition  spricht  nichts.  Wir  werden  uns  also  wohl 
nach  wie  vor  mit  den  von  Croft  mitgeteilten  Kindheitsgedichten 
von  Chatterton  begnügen  müssen. 

In  dem  eben  erwähnten  apokryphen  Gedichte  wird  die  Nieder- 
legung eines  alten  Steinkreuzes  im  Kirchhof  von  St.  Mary  Redcliffe 
und  die  Applanierung  der  Gräber  gegeifselt.  Wie  sehr  diese  An- 
gelegenheit die  Bürgerschaft  von  Bristol  erregt  hat,  zeigt  das 
Lokalblatt,  das  eine  Zeitlang  voll  von  Angriffen  auf  den  Kirchen- 
vorstand war,  der  dies  anbefohlen  hatte.  Ein  solcher  Angriff, 
ein  Prosabrief  an  den  Herausgeber,  unterzeichnete  sich  'Fidl- 
ford,  the  gravedigger'.  Ich  lasse  hier  Tysons  Worte  folgen  als 
Probe  seiner  Schlufsfolgerung:  'Irgend  eine  Beweisführimg  an- 
zutreten, dafs  dies  von  Chatterton  geschrieben,  würde  heifseu, 
des  Lesers  Urteil  zum  besten  haben,  denn  keinem  anderen  Men- 
schen als  dem  Verfasser  der  Bristowe  tragedy  würde  eiue 
solche  Unterschrift  eingefallen  sein/  Zur  Erklärung  sei  hinzu- 
gefügt,   dafs    in    der    Ballade    The    Bristowe    tragedy,    or,    the 


1  Latimer,  Annais  of  Bristol  in  the  eighteenth  Century  printed  for  the 
authors,  1893. 

2  Siehe  Thistlethwaites  Brief,   Works,  1803,  III  467. 


Chatterton  -Literatur.  37 

deaihe  of  Syr  Charles  Bawdin  '  der  Name  Fullforcl  gar  nicht 
vorkommt,  dafs  es  nur  festgestellt  ist,  dafs  unter  König  Ed- 
ward IV.  ein  Sir  Balduin  Fulford  hingerichtet  worden  ist,  dessen 
historische  Persönlichkeit  möglicherweise  Chatterton  für  sein  Ge- 
dicht als  Sir  Charles  Bawdin  im  Auge  gehabt  hat.  Willcox2 
macht  zwar  schon  hierauf  aufmerksam,  trotzdem  nehmen  sonst 
alle  Biographen  3  diese  Entdeckung  Tysons  an  und  bewegen  sich 
mit  ihm  in  dem  Zirkelschlufs :  Folglich  ist  damals  schon  die  Ge- 
stalt Fulfords,  die  er  in  der  Ballade  behandelt,  ihm  im  Gedächt- 
nis gewesen. 

Es  läfst  sich  denken,  dafs  noch  weit  mehr  als  für  die  Werke 
in  modernem  Englisch  man  ein  möglichst  frühes  Datum  für  die 
Beschäftigung  des  Knaben  mit  dem  Rowley-  Roman  ansetzen 
möchte.  Hierfür  genügte  nun  der  schriftliche  Bericht  der  Schwester, 
obgleich  er  mündlich  von  der  Mutter  bestätigt  wurde,  gar  nicht. 
Mrs.  Newton  schreibt:  'Um  diese  Zeit  (d.  h.  nachdem  er  Lehr- 
ling bei  Lambert  geworden  war)  trug  mein  Bruder  die  Perga- 
mente, die  meinem  Vater  gehörten,  und  die  dieser  nicht  zu 
Bücherumschlägen  für  seine  Schüler  benutzt  hatte,  nach  seinem 
Comptoir/^So  und  nicht  anders  wufsten  es  Mutter  und  Schwester. 
Beide  versicherten  Bryant  und  Milles,  den  beiden  gelehrten 
Rowley- Verteidigern,  wiederholt,  dafs  Chatterton  sich  früher  nicht 
um  die  vergessen  daliegenden  Pergamente  gekümmert  habe,  son- 
dern erst  jetzt,  soviel  er  konnte,  davon  in  das  Comptoir  gebracht 
habe.  Milles  selbst  war  gewifs  zufrieden  mit  dieser  Darstellung, 
die  ja  sehr  zu  Gunsten  seiner  Auslegung  sprach.  Wie  dem  auch 
sei,  ob  Chatterton  schon  etwa  als  Knabe  wenigstens  die  Perga- 
mente, die  als  Bücherumschläge,  Schnittmuster  etc.  benutzt  waren, 
mit  Interesse  angesehen  hat,  wie  die  bunten  Initialen  des  Musik- 
manuskriptes seine  Phantasie  fesselten,  eins  ist  völlig  sicher: 
die  ihm  nächststehenden  Frauen  wufsten  nichts  davon;  zu  sehr 
stimmen  ihre  Aussagen  an  die  verschiedensten  Personen  überein, 
zu  ernsthaft  versichert  die  Schwester  in  dem  Briefe  an  Croft, 
dafs  sie   vor  dem  grofsen  Herzenskundigen    die   ganze  Wahrheit 

•  Skeat  II  S.  1  ff. 

3  The  poetical  works  of  Tlwm.  Chatterton,  1882,  I  S.  xxxvin  Anm. 
3  Siehe  Wilson    S.   19;    Bell    (Aldine    edition)    I    S.   xxxn;     Helene 
Richter  S.  14.  15. 


38  Chatterton-Literatur. 

gesagt  habe.  Zudem  ist  nicht  der  geringste  Grund  einzusehen, 
warum  sie  ein  früheres  Interesse  ihres  Bruders  für  die  Perga- 
mente hätte  verheimlichen  sollen.  Mrs.  Edkins  aber  wufste  nach 
dreifsig  bis  vierzig  Jahren  alles,  was  Mutter  und  Schwester  nach 
acht  bis  zehn  Jahren  nicht  wufsten.  Ganz  gruselig  klingt  ihr 
Bericht:  Wie  der  Knabe  der  Mutter  eine  Dachkammer  abge- 
schmeichelt habe  und  dort  sich  stunden-,  ja  ganze  Tage  lang 
ohne  Essen  eingeschlossen  habe,  wie  die  Frauen  unten  angstvoll 
sein  Treiben  beobachtet  hätten  und  auf  die  sonderbarsten  Ideen 
gekommen  wären,  wenn  er  mit  Tinte  und  Ocker  beschmutzt  end- 
lich heruntergekommen  wäre,  wie  sie  gemeint  hätten,  er  wolle 
unter  die  Zigeuner  gehen,  wie  Mrs.  Edkins  einmal  in  seine  Boden- 
kammer eingedrungen  wäre  und  ihn  dort  inmitten  seiner  Perga- 
mente sitzend  gefunden  habe,  wie  er  sie  hinausgeschickt  habe, 
da  sie  ihm  zu  klarsichtig  sei.  So  geht  es  weiter  fort  in  einem 
langen  Berichte,  in  dem  Mrs.  Edkins  die  Hauptrolle  spielt  und 
von  allen  Menschen  ihrem  'Pflegejungen'  am  nächsten  gestanden 
hat.  Dies  gereichte  nun  allen  Biographen  zur  gröfsten  Genug- 
tuung, sie  operieren  mit  diesem  ganzen  Kram  als  Tatsachen  und 
malen  mit  Freuden  das  romantische  Bild  des  Knaben  danach 
aus.  Doch  nicht  nur  die  Zeugnisse  der  Mutter  und  Schwester 
erweisen  das  alles  als  reine  Erfindung,  auch  innere  Gründe 
sprechen  dagegen.  Man  vergegenwärtige  sich  nur  die  ganze 
Situation.  Mit  sieben  Jahren  neun  Monaten  kommt  der  Knabe 
auf  die  Schule,  wo  er  vollständig  wohnt  und  den  sehr  strengen 
Regeln  unterworfen  ist.  Die  Schulstunden  dauern  im  Sommer 
Morgens  von  7 — 12,  Nachmittags  von  1 — 5  Uhr,  im  Winter  von 
8 — 12  und  von  1 — 4  Uhr.  Die  Kinder  mufsten  jeden  Abend 
um  8  Uhr  zu  Bett  sein;  in  den  Erholungsstunden  hatten  sie 
etwas  gröfsere  Freiheit,  denn  Mrs.  Newton  schreibt  Croft,  dafs 
sie  von  Schulkameraden  gehört  habe,  dafs  ihr  Bruder  in  den 
Erholungsstunden  lieber  gelesen  als  gespielt  habe.  Aufserhalb 
der  Schule  aber  durften  die  Kinder  nur  am  Samstag  und  den 
Heiligentagen  der  anglikanischen  Kirche  sein,  uud  auch  dann 
nur,  wie  Gregory  angibt,  von  1  —  7  oder  8  Uhr1  am  Nachmittag. 
In  diese  Schulzeit,  die  so  beschränkte  Stunden  der  Freiheit  dem 


1  Works  I  S.  vi. 


Chatterton-Literatur.  39 

Knaben  gewährte,  verlegt  nun  Mrs.  Edkins  ihren  hochroniantischen 
Bericht.  Doch  Mrs.  Edkins  wufste  wenigstens  nichts  von  einem 
bestimmten  Werke,  das  dem  jungen  Dichter  damals  schon  im 
Sinn  gelegen  hatte,  zu  berichten.  Hier  nun  sprang  Thistlethwaite 
mit  seinem  Bericht  ein.  Der  Bericht  in  seinem  Briefe  lautet 
folgendermafsen :  'Als  ich  eines  Tages  während  des  Sommers 
1764  in  der  Nähe  der  Schule  Horse-Street  herunterging,  traf  ich 
zufällig  Chatterton.  Wie  ich  mich  mit  ihm  unterhalte  über  einen 
Gegenstand,  an  den  ich  mich  nicht  mehr  erinnere,  teilte  er  mir 
mit,  dafs  er  einige  alte  Manuskripte  besäfse,  die  in  einem  Kasten 
von  Redcliffe  Church  gelegen  hätten,  und  dafs  er  einige  oder 
eins  von  ihnen  Phillips  geliehen  hätte.  Einen  Tag  oder  zwei 
danach  sah  ich  Phillips  und  wiederholte  ihm  die  Nachricht,  die 
ich  von  Chatterton  erhalten  hatte.  Phillips  zeigte  mir  das  Manu- 
skript auf  Pergament  oder  Velin,  das,  ich  bin  sicher,  Eli- 
nour  und  Iuga  war,  eine  Art  von  pastoraler  Ekloge,  die  nach- 
her in  'Town  and  Country  Magazine'  Mai  1769  veröffentlicht 
wurde.  Das  Pergament  schien  am  Rande  genau  beschnitten,  zu 
welchem  Zweck  oder  durch  welchen  Zufall  weifs  ich  nicht,  aber 
die  Worte  waren  augenscheinlich  ganz  und  unverstümmelt.  Da 
die  Schrift  gelb  und  blafs,  augenscheinlich  (wie  ich  mir  denke) 
durch  Alter,  geworden  war,  hatte  Phillips  mit  seiner  Feder  meh- 
rere Zeilen  nachgezogen  (welche,  soweit  meine  Erinnerung  geht, 
ohne  Versabteilung  und  ohne  Interpunktion  geschrieben  waren), 
und  auf  diese  Weise  mühte  er  sich,  ein  Verständnis  des  Sinnes 
zu  erhalten.  Ich  bemühte  mich,  ihm  zu  helfen;  doch  da  wir 
vollständig  unbekannt  waren  mit  den  Buchstaben,  Art,  Sprache 
und  Orthographie  der  Zeit,  in  der  die  Zeilen  geschrieben  waren, 
so  waren  alle  unsere  Anstrengungen  unfruchtbar;  und  wenn  wir 
auch  einige  Worte  erklären  und  verbinden  konnten,  so  blieb  uns 
der  Sinn  ganz  unverständlich.  Ich  meinesteils,  der  ich  wenig 
Geschmack  für  solche  Studien  hatte,  kümmerte  mich  nicht  um 
die  Enttäuschung;  Phillips  im  Gegenteil  kränkte  sich  augen- 
scheinlich, in  der  Tat  mehr,  als  ich  damals  dachte,  dafs  der 
Gegenstand  es  verdiente/  . . . 

Wieder  mufs  man  sich  die  Situation  klar  machen :  Der  zwölf- 
jährige Thistlethwaite,  der,  wie  sehr  erklärlich,  gar  kein  Interesse 
für  alte  Manuskripte  hatte,   trifft  den  elfjährigen  Chattertou   auf 


40  Chatterton-Literatur. 

der  Strafse,  der  ihm  erzählt,  dafs  er  eins  seiner  alten  Manuskripte 
aus  der  Hand  gegeben  habe  und  es  höchst  sorglos  seinem  Freunde, 
dem  Unterlehrer  Phillips,  überlassen  habe.  Phillips  macht  sich 
über  das  Manuskript  mit  Hilfe  von  Thistlethwaite,  sie  können  den 
Sinn  absolut  nicht  herausbekommen,  trotzdem  weifs  Thistlethwaite 
ganz  genau,  dafs  es  Elinoure  und  Iuga  war.  Höchstwahrschein- 
lich nämlich  lag  dies  Gedicht  Thistlethwaite  am  nächsten,  weil  es 
das  einzige  war,  das  Chatterton  selbst  veröffentlicht  hatte.  Es 
scheint  fast,  als  hätte  Thistlethwaite  aufser  diesem  Rowley- Gedicht 
nur  noch  Sir  Charles  Bawdin  gekannt,  der  auch  schon  1772  ' 
herausgekommen,  als  er  seineu  Bericht  für  Milles  am  4.  April 
1781,  also  17  Jahre  nach  dem  Ereignis,  schrieb;  denn  er  erwähnt 
diese  beiden  Gedichte  sehr  ostentativ. 

Was  wir  aber  authentisch  über  Chattertons  Behandlung  der 
Manuskripte  wissen,  klingt  ganz  anders.  Chatterton  hatte  augen- 
scheinlich gar  keine  besondere  Freude  an  der  Fälschung  alter 
Pergamente.  Im  Britischen  Museum  unter  Additional  Mss. 
5766  A  sind  sämtliche  noch  erhaltenen  Pergamente,  die  Chatter- 
ton als  Rowley-Originale  ausgegeben  hatte,  beisammen.  Sie  stam- 
men fast  alle  aus  Barretts  Besitz,  der  unter  Chattertons  Bristoler 
Patronen  sich  rühmte,  am  meisten  von  alten  Schriften  zu  ver- 
stehen, und  am  dringendsten  Originale  von  Chatterton  verlangt 
hat.  Von  den  42 2  Pergamentfetzen  sind  nur  acht  mit  Schrift 
bedeckt,  und  nur  zwei  davon  enthalten  Gedicht  -  Fragmente. 3 
Die  Fälschung  dieser  Pergamente,  die  meist  auf  kleinen  Stücken, 
wie  sie  an  echten  Pergamenten  frei  bleiben,  geschrieben  sind, 
ist  höchst  ungeschickt;  man  sieht  es  deutlich,  dafs  dieser  Teil 
der  Arbeit  für  Chatterton  nicht  der  angenehmere  war,  und  dafs 
er  sie  mehr  der  Not  gehorchend  hervorbrachte. 

Dafs  nun  der  elfjährige  Junge  nicht,  selbst  wenn  er  damals 
schon,  was  ganz  abzulehnen  ist,  im  stände  gewesen  wäre,  ein  Ge- 
dicht wie  Elenour  und  Iuga  zu  verfassen,  mit  grofsartiger  Sorg- 
losigkeit ein  solches  mühsam  von  ihm  gefälschtes  Pergament  aus 


1  In  der  Ausgabe  von  Tyrwitt  1777. 

2  Siehe  eine  genaue  Beschreibung  Works  III    S.  497  ff.   und  kürzer 
Skeat  I  S.  375  ff. 

3  N.  1 :  34  Zeilen  aus  2  he  story  of  William  Canynge  und  N.  6:  Lines 
of  W.  Canynge's  feast  (12  Zeüen).] 


Chatterton-Literatur.  41 

der  Hand  gegeben  haben  würde,  liegt  auf  der  Hand.  Thistlethwaite 
aber  glaubte  ja  auch,  dafs  er  mit  dieser  Geschichte  nur  bewiesen 
hätte,  dafs  Chatterton  schon  so  früh  ein  wirklich  echtes  Manu- 
skript fortgegeben  hätte.  Der  Grund,  weshalb  er  diese  Geschichte 
erfand,  liegt  auf  der  Hand:  in  seiner  Eitelkeit  wollte  er  der  erste 
sein,  der  ein  Rowley-  Manuskript  in  der  Hand  gehabt  hatte, 
darum  auch  wählte  er  als  Partner  dieser  Geschichte  Phillips,  der 
längst  tot  war.  Die  Art  aber,  wie  seine  Fabel  von  den  ver- 
schiedenen Biographen  aufgenommen  ist,  ist  lehrreich  für  solche 
Mythentradition.  Der  Brief  war  an  Dr.  Milles  geschrieben,  der 
eben  im  Begriff  war,  die  Prachtausgabe  der  Gedichte  Rowleys, 
des  Priesters  aus  dem  15.  Jahrhundert,  herauszugeben.  Milles 
pafste  diese  Geschichte  Thistlethwaites  gar  nicht,  denn  es  war 
weit  wahrscheinlicher,  dafs  ein  fünfzehnjähriger  als  ein  elfjähriger 
Knabe  den  Wert  alter  Manuskripte  erkannt  habe,  er  machte 
daher  zu  dem  Abdrucke  des  Briefes  an  dieser  Stelle  die  An- 
merkung: '  'Aus  guten  Gründen  mufs  man  hier  einen  Fehler  in 
Mr.  Thistlethwaites  Bericht  argwöhnen,  entweder  was  das  Datum 
oder  die  Umstände  anbetrifft/  Gregory,  der  sonst  nur  die  Be- 
richte von  Mutter  und  Schwester  kennt,  nimmt  Thistlethwaites 
Bericht  in  den  Text  auf,  aber  noch  mit  einem  Zweifel  an  der 
Richtigkeit.  Bei  Dix  scheint  ja  nun  durch  den  Bericht  von 
Mrs.  Edkins  Thistlethwaites  Erzählung  bestätigt.  "Willcox2  da- 
gegen, der  ein  merkwürdiges  Gemisch  von  Kritik  und  Leicht- 
gläubigkeit zeigt,  weist  die  ganze  Erzählung  als  Fälschung  ab. 
Nun  kommt  Wilson,  er  macht  selbst  auf  die  grofse  Unzuverläfs- 
lichkeit  des  Thistlethwaiteschen  Briefes  aufmerksam:  'Die  Fakten 
und  Daten  sind  viel  zu  gläubig  als  authentisch  angenommen/ 3 
Und  trotzdem  nimmt  er  selber  diesen  Bericht  als  völlig  authen- 
tisch an  und  nur,  weil  Thistlethwaite  Daten  angibt!  Charles  Kent 
und  Bell  erzählen  beide  die  Geschichte  als  authentisch,  ohne 
jeden  Kommentar.  Helene  Richter  endlich  legt  ihn  im  Texte 
selbst  einer  genauen  Schilderung  der  Entstehung  der  ersten 
Rowley-Schöpfung  zu  Grunde,   ohne  auch  nur  mit  einem  Worte 


1  Milles,  Vorrede  S.  5. 

2  Willcox,  1844,  I  S.  XLvn. 

3  D.  Wilson,  Chatterton  S.  39  ff, 


42  Chatterton-Literatur. 

zu  verraten,  dafs  diese  Schilderung  nicht  auf  authentischen 
Quellen  beruhe;  dann  wird  in  einer  Anmerkung  der  Zweifel  aus- 
gesprochen:  'Thistlethwaite  erzählt,  Elinoure  und  Iuga  1764  ge- 
sehen zu  haben,  ohne  dafs  seine  Zeugenschaft  unbedingt  glaub- 
würdig wäre/1 

Immer  wieder  treffen  wir  also  bei  den  Biographen  auf  den 
Wunsch,  für  ihr  Bild,  selbst  gegen  besseres  Wissen,  nicht  einen 
der  romantischen  Züge  zu  verlieren.  Wir  müssen  uns  aber  damit 
begnügen,  dafs  wrir  über  die  Rowley-  Träume  des  Kindes  gar 
nichts  wissen,  und  dafs  erst,  nachdem  Chatterton  Lehrling  bei 
dem  Notar  Lambert  geworden  war,  seine  Dichterphantasien  sich 
zu  dieser  Fiktion  kristallisiert  haben. 

'Seine  Stunden  im  Bureau  dauerten  von  8  Uhr  Morgens 
bis  8  Uhr  Abends/  schreibt  Mrs.  Newton.  'Er  hatte  wenig  für 
seinen  Herrn  zu  tun,  oft  nicht  zwei  Standen  am  Tage,  was  ihm 
Gelegenheit  gab,  seineu  Geist  auszubilden.  . . .  Mr.  Lambert  sagte 
mir  nicht  zwei  Monate,  ehe  er  von  Bristol  fortging,  er  wäre  nie- 
mals aufserhalb  des  Bureaus  während  der  Arbeitsstunden  ge- 
funden werden,  da  sie  oft2  den  Laufburschen  und  andere  Dienst- 
leute hinschickten,  um  nach  ihm  zu  sehen/ 

Chatterton  scheint  also  der  einzige  Schreiber  in  Mr.  Lamberts 
Bureau  gewesen  zu  sein.  Und  in  dieser  Einsamkeit  waren  täg- 
lich etwa  acht  bis  neun  Stunden  sein,  um  to  pursue  his  genious, 
wie  seine  Schwester  sagt.  Auf  dem  Bücherregal  fand  er  aufser 
Gesetzbüchern  eine  Ausgabe  von  Camdens  Britannia,  natürlich 
ein  englisches  Exemplar.  Dies  Buch  hat  mit  seinen  malerischen, 
anschaulichen  Schilderungen  von  Englands  Vergangenheit  viel- 
leicht mehr  zu  der  Bildung  des  Rowley-Traumes  beigetragen,  als 
man  angenommen  hat.  Ob  er  auch  Baileys  und  Kerseys  Wörter- 
bücher im  Office  fand,  ist  nicht  sicher,  jedenfalls  mufs  er  sie 
sich  früh  aus  der  Leihbibliothek,  die  1728  zuerst  in  Bristol  ein- 
gerichtet worden  war,  oder  sonst  woher  verschafft  haben.  Am 
1.  Juli  1768   kam  also  der  li'/Jährige  Junge   zu  Mr.  Lambert, 


1  Helene  Kichter,  Cliatterton  S.  18  ff. 

2  Das  Bureau  war  vou  dem  Hause  des  Advokaten,  in  dem  Chatterton 
wohnte,  mit  dem  Laufburscheu  zusammen  schlief  und  in  der  Küche  afs, 
getrennt.] 


Chatterton-Literatur.  43 

mit  einer  Fülle  freier  Zeit,  in  einem  Alter,  wo  alle  Knabenträume 
ins  Ungemessene  gehen,  ohne  Lehrer  und  Leiter,  augenscheinlich 
auch  ohne  Freund,  um  etwas  aus  der  Welt,  die  sich  in  ihm  aufbaute, 
mitzuteilen.  Zudem  scheint  er  von  frühester  Jugend  auf  ein  Kind 
gewesen  zu  sein,  bei  dem  die  Phantasie  übermäßig  im  Verhältnis 
zu  den  Gemütseigenschaften  ausgebildet  war.  Das  weibliche  Ge- 
schlecht hat  trotz  der  Frühreife  des  heranwachsenden  Knaben  in 
seinem  jungen  Leben  gar  keine  Rolle  gespielt.  Die  Vergnügungen 
der  jungen  Leute  seines  Alters  teilte  er  ebenfalls  nicht,  er  war 
durchaus  mälsig  und  fleifsig,  so  dafs  er  sich  höchst  ungern  in 
den  Arbeitsstunden  stören  liefs.  So  fast  gar  nicht  von  äufseren 
Interessen  abgezogen,  spann  sich  der  Knabe  fester  und  fester  in 
seine  Träume  ein. 

Damals  zuerst  hörten  die  Frauen  daheim  und  seine  Freunde 
ihn  mit  Begeisterung  von  dem  Schatz  sprechen,  den  er  entdeckt 
hatte,  und  mit  grofsem  Entzücken  von  dem  zweifellosen  Erfolg, 
den  sein  Plan  für  sein  zukünftiges  Leben  haben  sollte.  Irgend 
eine  chronologische  Reihenfolge  für  die  Entstehung  der  Rowley- 
Gedichte  herzustellen,  wird  wohl  für  immer  vergeblich  sein. 
Elinour  und  Iuga  als  erstes  so  früh  zu  datieren,  hat  sich  uns 
als  Fälschung  erwiesen,  ebenso  war  es  völlig  abzulehnen,  den 
Gedanken  an  die  Bristoice  trar/ed?/  schon  in  das  Jahr  1768, 
die  Abfassungszeit  des  Fullford-Briefes  in  Felix  Farleys  Journal, 
zu  legen. 

Auch  ein  dritter  Versuch  der  Biographen,  den  Beginn  des 
Rowley-Romans  in  die  frühe  Kinderzeit  zu  verlegen,  mufs  als 
gänzlich  legendenhaft  zurückgewiesen  werden.  Ein  seltsames 
Schriftstück  ist  uns  aufbewahrt,  halb  in  das  Gewebe  seiner  grofsen 
Fiktion  eingeschlossen,  halb  echter  Jungen-Schabernack,  es  ist 
dies  der  Stammbaum  der  Familie  de  Burgum.  Cottle,  der  ihn 
zuerst  in  seiner  Ausgabe  von  1803  veröffentlicht  und  kommentiert 
hat,  sagt  dort:  'Mr.  Burgum  war  ein  Zinngiefser  und  Teilhaber 
von  Mr.  George  Catcott.  . . .  Chatterton  schuldete  Mr.  Burgum 
etwas  Geld,  und  wie  er  ihn  eines  Tages  besuchte,  als  er  un- 
gefähr sechzehn  Jahre  alt  war,  sagte  er  ihm,  dafs  er  seinen 
Stammbaum  daheim  habe  von  Wilhelm  dem  Eroberer  an,  und 
nannte  ihm  viele  ausgezeichnete  Familien,  die  mit  ihm  zusammen- 
hingen.   Mr.  Burgum  drückte  den  Wunsch  aus,  den  Stammbaum 


44  Chatterton-Literatur. 

zu  sehen,  und  nach  wenigen  Tagen  überreichte  ihm  Chatterton 
das  Folgende/  So  berichtet  Cottle  noch  völlig  richtig  im 
Jahre  1803. '  Im  Oktober  1769  war  nämlich  Chattertons  Bericht 
über  die  Einweihung  der  alten  Brücke,  die  niedergerissen  und 
eben  durch  eine  neue  fertiggestellte  ersetzt  worden  war,  in  Felix 
Farleys  Journal  erschienen.  Es  war  dies  die  erste  Publikation  von 
Chatterton,  in  dem  von  ihm  erfundenen  Rowley-Dialekt  geschrieben. 
Nachdem  man  in  der  Redaktion  erfahren  hatte,  dafs  der  junge, 
noch  nicht  sechzehnjährige  Schreiberlehrling  Chatterton  der  Ver- 
mittler dieses  'alten'  Berichtes  war,  wurde  das  Interesse  einiger 
Leute  mit  antiquarischen  Neigungen,  die  damals  Bristol  wie  jede 
andere  Stadt  aufwies,  rege.  Drei  Männer  treten  jetzt  zuerst 
wichtig  und  bestimmend  in  das  Leben  des  jungen  Dichters  ein. 
'Als  er  bei  Mr.  Barrett  und  Catcott  eingeführt  worden  war,  wuchs 
sein  Ehrgeiz  täglich',  schreibt  die  Schwester.  Georg  Symes  Cat- 
cott, der  Zinngiefser,  war  nach  seinem  eigenen  Bericht  der  erste, 
der  von  den  in  St.  Mary  Redcliffe  gefundenen  alten  Dokumenten 
hörte,  sich  nun  mit  geschäftiger  Neugier  bei  Chattertou  einführte 
und  zu  seinem  gröfsten  Entzücken  von  diesem  die  Abschrift  von 
ein  paar  alten  Gedichten,  darunter  Bristowe  Tragedy,  und  wenige 
Tage  darauf  zwei  Originale,  das  eine  mit  Song  to  JElla,  seitdem 
verloren  gegangen,  und  die  sogenannte  Yello  Roll,  ein  Perga- 
ment mit  Münzzeichnungen,  erhielt.  Catcott  genofs  den  Ruhm, 
den  ihm  diese  Entdeckung  einbringen  mufste,  im  voraus.  Seine 
Fähigkeiten  waren  höchst  beschränkt,  seine  Eitelkeit  und  sein 
Ehrgeiz  aber  schrankenlos,  rühmte  er  sich  doch  unter  anderen 
törichten  Grofstaten,  dafs  in  seiner  Bibliothek  kein  Buch  jünger 
als  200  Jahre  sei.-  Catcott,  so  erzählt  er  selbst  weiter,  wäre 
zu  Barrett,  dem  Arzte,  der  damals  an  einer  Geschichte  Bristols 
arbeitete,  geeilt,  um  ihm  von  den  neuen  Funden  zu  berichten. 
Beide  Herren  sind,  so  schreibt  Catcott  am  21.  September  1778 
an    Milles,    sicher,     dafs    es    kurze    Zeit    nach    dem    Brücken- 


1  Works,  1803,  II  S.  455. 

2  Er  hat  seine  Eolle  bis  zu  Ende  durchgeführt;  das  Bristoler  Museum 
bewahrt  ein  mit  weifsem  Papier  durchschossenes  Exemplar  der  Rowley- 
Poems,  zu  dem  Catcott  eine  der  Satiren  Chattertons  auf  ihn,  Happiness, 
abgeschrieben  und  mit  Randglossen  erläutert  hat,  wo  er  alle  seine  Helden- 
taten selbst  erzählt. 


Chatterton-Literatur.  45 

berichte  gewesen  sei,  dafs  sie  mit  Chatterton  bekannt  wurden.  Der 
Compagnon  von  Catcott,  Mr.  Burgurn,  teilte  nun  den  literarischen 
Ehrgeiz  seines  Geschäftsgenossen  in  hohem  Mafse,  aber  er  konnte 
nicht  recht  gegen  ihn  aufkommen,  da  er  aus  ganz  obskurer 
Familie  stammte  und  einst  als  kleiner  Junge  nach  Bristol  ge- 
wandert war.  Ihn  und  seine  Schwächen  lernte  Chatterton  selbst- 
verständlich erst  durch  Mr.  Catcott  kennen.  Diesen  Schlufs 
machte  noch  Cottle  im  Jahre  1803,  da  er  Chatterton  'ungefähr 
sechzehn  Jahre  alt'  sein  läfst.  Innere  Gründe  des  Stammbaums 
selbst  stellen  dies  aufser  Frage,  eine  grofse  Menge  reichlich  hierin 
citierter  Werke  kann  Chatterton  erst  aus  der  Bibliothek  Mr.  Bar- 
retts '  zu  Gesicht  bekommen  haben,  da  doch  kaum  anzunehmen 
ist,  dafs  die  Bristoler  Leihbibliothek  solche  antiquarisch  heral- 
dische Bücher  auf  Lager  gehabt  hat.  Als  dann  aber  Cottle,  den 
dieser  Stammbaum,  der  in  seinem  Eigentum  war,  von  jeher  sehr 
interessierte,  alles,  was  er  darüber  auf  dem  Herzen  hatte,  noch 
einmal  ausführlich  in  seiner  Sammlung  von  Essays  Malvem  Hills  2 
zusammenfafste,  da  war  aus  dem  Sechzehnjährigen  ein  blue  coat 
hoy  geworden,  in  Cottles  Phantasie  hatte  sich  die  Scene  drama- 
tisch ausgestaltet,  und  er  wufste  nun  sogar  genau,  dafs  es  ein 
Samstag  gewesen  war,  d.  h.  ein  schulfreier  Wochentag.  Will- 
cox  erzählt  dies  als  eine  feststehende  Tatsache  Cottle  nach.8 
Wilson  konnte  sich  eines  Haupteinwurfes  gegen  diese  Datierung, 
über  den  Willcox  ganz  leicht  hinweggeschlüpft  war,  nicht  ent- 
ziehen, dafs  es  nämlich  höchst  unwahrscheinlich  sei,  dafs  der 
Knabe  dem  Compagnon  von  Catcott  diese  Arbeit  gebracht  haben 
könne,  die  schon  als  Quelle  die  in  St.  Mary  Redcliffe  gefundenen 
Manuskripte  angibt,  und  dafs  Burgum  seinem  Teilhaber  nie 
davon  gesprochen  hatte,  so  dafs  dieser  erst  nach  anderthalb 
Jahren  frühestens  von  anderer  Seite  davon  gehört  haben  soll. 
Wilson  aber  weifs  sich  flugs  zu  helfen:  so  mufs  denn  eben 
Chatterton  auch  schon  in  Barretts  und  Catcotts  Hause  als  Schul- 
knabe verkehrt   und  die  beiden  Herren    durch  sein  witziges  Ge- 

1  Latirner,  Annais  of  Bristol,  sagt  direkt:  all  the  books  qicoted  were  in 
Barrett's  Library,  leider  ohne  Quellenangabe. 

a  Siehe  Joseph  Cottle,  Malvem  Hills,  1829,  II  (Essay  IV  suggested 
bey  Chatterton' s  pedigree  of  De  Bergham). 

3  Works,  ed.  1844,  I  S.  xh  ff. 


46  Chatterton-Literatur. 

plauder  und  seine  blitzenden,  schönen  Augen  entzückt  haben. ' 
Bei  Barrett  verführte  den  Biographen  die  Nähe  des  Hauses  bei 
der  Schule  zu  dieser  Annahme,"2  der  Knabe  hätte  ja  leicht  ein- 
mal herüberspringeu  können.  Catcott  hatte  Wilson  selbst  eine 
Handhabe  gegeben.  Im  August  1788  hatte  Catcott  im  Gentle- 
man s  Magazine  entgegen  seiner  zehn  Jahre  früher  an  Milles 
gemachten  Mitteilung  behauptet,  dafs  er  die  Gedichte  von  Chatter- 
ton im  Anfange  des  Jahres  1768  erhalten  habe,  als  er  noch  die 
Tonsur  des  Knaben,  der  gerade  von  Colston  school  gekommen 
sei,  getragen  habe.  Catcott  widerruft  dies  zwar  einen  Monat  später 
selbst  mit  den  Worten :  'nunmehr  erinnere  ich  mich  selbst,  dafs 
es  ungefähr  drei  Wochen  oder  vielleicht  einen  Monat  nach  der 
Publikation  über  die  Brückeneröffnung  gewesen  war',  aufserdem 
stimmte  auch  der  Zeitpunkt  1768  gar  nicht,  denn  die  Tonsur 
wird  Chatterton  wohl  schon  wenige  Wochen  nach  seinem  Eintritt 
bei  Lambert  im  Juli  1767  zugewachsen  sein,  doch  für  Wilson 
genügt  dies,  um  die  frühe  Bekanntschaft  mit  Chatterton  fest- 
zusetzen. Helene  Richter,  die  sonst  als  einzige  den  De  Bergham 
Pedigree  richtig  datiert,  macht  zu  der  Bekanntschaft  mit  Catcott 
die  Bemerkung:  'Da  jedoch  die  Eindrücke  des  Auges  sich  dem 
Gedächtnis  zuverlässiger  einzuprägen  pflegen  als  Daten,  so  dürfte 
Catcotts  Erinnerung,  dafs  er  Chatterton  noch  mit  der  Tonsur  als 
Colstonschüler,  also  zu  einer  früheren  Zeit  als  Ende  1768,  ge- 
kannt habe,  trotz  des  späteren  Widderrufs  auf  einer  Tatsache 
beruhen/'5  Wenn  sich  aber  die  'Eindrücke  des  Auges'  erst  zehn 
Jahre  später  zeigen  und  die  richtige  Datierung  in  der  natürlichen 
Entwickelung  der  Verhältnisse  liegt,  so  werden  wir  doch  wohl 
diese  letztere  vorziehen  müssen  und  als  feststehende  Tatsachen 
des  Lebens  unseres  Dichters  annehmen,  dafs  sich  die  Dinge  ent- 
wickelten, wie  wir  vorher  konstatiert  haben:  am  14.  Oktober  1768 
erscheint  der  Brückenbericht,  wenige  Wochen  nachher  müssen  wir 

Wilson,  Chatterton  S.  50  ff. 

2  Croft  1780  (L.  a.  M.  S.  241)  erzählt  die  wunderliche  Anekdote,  dafs 
'Barrett  ihm  selbst  gesagt  habe,  clafs  er  oft  nach  der  Armenschule,  die 
nahebei  ist,  gesandt  habe  und  mit  Absicht  von  seiner  Meinung  abge- 
wichen sei,  um  zu  sehen,  wie  seine  wunderbaren  Augen  aufflammten  und 
glühten,   wenn  er  in  Eifer  geriet'. 

3  Helene  Richter,  Chatterton  S.  60. 


Chatterton -Literatur.  47 

die  Bekanntschaft  mit  Catcott  und  Barrett  ansetzen,  der  die  mit 
Mr.  Burgum  folgt,  und  frühestens  Ende  1768,  eher  Anfang  1769, 
den  Stammbaum  für  den  ehrsamen  Zinngiefser.  Die  Datierung 
dieses  Werkes  ist  nun  aber  wieder  wichtig  für  ein  paar  Gedichte, 
die  sich  nach  ihm  bestimmen  lassen.  Chatterton  schrieb  die  erste 
Hälfte  des  Stammbaumes  in  ein  Schulheft,  in  das  er  schon  zwei 
Gedichte  im  Rowley-Dialekt  eingetragen  hatte,  The  tournament 
und  The  gouler's  requiem,  von  denen  er  das  letztere  Canynge, 
dem  Haupthelden  seines  Romanes,  zuschrieb.  The  tournament 
hängt  aber  innerlich  eng  mit  dem  Stammbaum  zusammen. 

Chatterton  verteilte  die  Gaben  seines  Rowley-Romanes  durch- 
aus nicht  wahllos  an  seine  Bristoler  Patrone.  Dem  poetisch  an- 
gehauchten Zinngiefser  George  Catcott,  den  seine  Freunde  um 
seiner  grofsen  Worte  willen  'The  giant  great  heart'  nannten,  gab 
er  meist,  bis  auf  wenige  Ausnahmen,  die  poetischen  Ergüsse 
aus  Rowleys  Feder,  seinen  Compagnou  machte  er  glücklich  mit 
einem  langen  Stammbaum  vornehmer  Ahnen,  wobei  er  nicht  ver- 
gafs,  auch  sein  eigenes  Geschlecht  an  ferne  Vergangenheit  anzu- 
knüpfen. Dem  antiquarischen  Forscher  Barrett  aber  verschaffte 
er  all  die  alten  Dokumente,  die  dieser  für  seine  Geschichte 
Bristols  notwendig  hatte.  Nicht  nur  dafs  er  ihm  das  hohe  Alter 
von  Bristol,  das  Barrett  für  seine  Geschichte  immer  gefehlt  hatte, 
nachwies,  sondern  für  eine  ganze  Reihe  von  Bristoler  Bauten 
fanden  sich  immer,  wenn  Barrett  sie  gerade  brauchte,  die  Grün- 
dungsurkunden;  für  siebzehn  verschiedene  Kirchen  und  Kapellen 
fanden  sich  allmählich  Rowley-Berichte  mit  Angabe  des  Grün- 
ders, der  Jahreszahl  etc.,  bei  manchen  waren  noch  interessante 
Nebenumstände  beleuchtet.  Alte  und  neue  Biographen  Chatter- 
tons haben  viel  Papier  beschrieben  und  viel  Scharfsinn  angewandt, 
um  herauszubekommen,  was  für  gelehrte  Bücher  Chatterton- 
Rowley  gelesen  haben  mufs,  um  diese  und  jene  wichtige  histo- 
rische Notiz  oder  Namen,  die  er  in  diese  Berichte  hineinflicht,  zu 
kennen,  während  es  doch  sehr  nahe  liegt,  dafs  der  unglaublich 
kluge,  scharfsichtige  Junge  alles  das  von  Barrett  selbst  wufste, 
der  ihm  jedenfalls,  schon  um  ihn  geschickt  für  die  Nachforschung 
in  seinen  alten  Manuskripten  zu  machen,  alles  mitteilte,  was 
er  mit  Bienenfleifs  für  seine  schon  seit  Jahren  vorbereitete  Ge- 
schichte Bristols  gesammelt  hatte. 


48  Chatterton-Literatur. 

Einer  dieser  Gründungsberichte '  beschäftigte  sich  mit  St.  Mary 
Redcliffe,  der  Kirche,  um  die  sich  Chattertons  ganze  Fiktion  wie 
um  einen  Mittelpunkt  kristallisierte.  Gegründet  wurde  nach  ihm 
die  Kirche  in  ihrer  ersten  Gestalt,  ehe  sie  Cannynge  zu  dem 
jetzigen  Prachtbau  aufführte,  von  Simon  de  Burton.  Der  Anlai's 
war  ein  Gelübde,  das  Burton  an  die  Mutter  Gottes  tat,  ihr  ein 
Gotteshaus  zu  erbauen,  wenn  er  alle  Ritter  an  dem  Turniere 
besiege,  das  der  König  Edward  I.  zu  Ehren  seines  Weihnachts- 
besuches 1285  abhalten  liefs.  Ein  historisches  Faktum,  wie 
Barrett  stolz  dazu  bemerkt,  ahnungslos,  dafs  er  wohl  selbst 
Chattertou  dasselbe  gewiesen  haben  wird.  Den  gleichen  Stoff 
behandelte  Chatterton  nun  auch  noch  in  dem  erwähnten  Ge- 
dichte The  tournament ,  auch  hier  ist  der  Sieger  Symonne 
de  Burtonne,  aber  sein  Hauptgegner  ist  nicht  mehr  ein  Ritter 
Nevylle,  wie  in  der  Prosaschrift,  sondern  Johan  de  Berghamme. 
Dieser  gleiche  Johan  de  Berghamme  aber  spielt  ebenfalls  eine 
grofse  Rolle  in  dem  Stammbaum,  wo  er  nicht  nur  trotz  seiner 
Niederlage  eine  Blume  der  Ritterschaft  genannt  wird,  sondern 
auch  ein  grofser  Dichter  seiner  Zeit  ist.  Welches  von  diesen  beiden 
Werken  das  frühere  ist,  ob  der  Name  de  Bergham  im  Tourna- 
ment, der  ihm  irgendwo  zugeklungen,  wegen  seiner  Ähnlichkeit 
mit  Burgum  vielleicht  den  ganzen  Gedanken  des  Stammbaumes 
gegeben,  oder  ob  umgekehrt  der  Name  aus  dem  Stammbaum  in 
das  Gedicht  hineingekommen,  ist  schwer  zu  entscheiden.  Der 
Schlufs,  dafs  die  Prosaschrift  Vita  Burtoni  das  frühere  war,  da 
hier  der  wichtige  Name  noch  fehlt,  ist  wohl  aber  berechtigt. 
Jedenfalls  aber  sind  Gedicht  und  Stammbaum  zu  gleicher  Zeit 
entstanden;  diese  Folgerung  zieht  schon  Wilson,  was  ihm  die 
Genugtuung  gewährt,  dies  Gedicht  the  earliest  of  his  antique 
interludes  ascribed  to  Rowley's  pen  2  zu  nennen.  Helene  Richter 
aber,  die,  wie  gesagt,  den  Stammbaum  richtig  datiert,  nimmt 
trotzdem  den  Schlufs  Wilsons  an :  'Die  ersten  Gedichte',  heifst  es 
(S.  39),  'unter  die  er  nachweislich  die  Namen  seiner  Lieblinge  setzte, 
sind  "Das  Turnier  von  dem  guten  Priester  der  Johanniskirche 
Thomas  Rowley"   und  "Des  Wucherers  Totenklage   von  Meister 


Vita  Burtoni,  zuerst  veröffeutlicht  Works  1803,  II  S.  59. 
Wüson,  Th.  Chatterton  S.  69. 


Chatterton-Literatur.  40 

William  Canynge"/  Diese  Gedichte  sind  nun  aber  nach  unserer 
Folgerung  nicht  vor  Ende  1768  entstanden,  gehören  also  gerade 
zu  den  späteren,  was  bei  der  geringen  Möglichkeit  der  Datierung 
der  Rowley-Gedichte  immerhin  von  Wichtigkeit  ist.  Wir  können 
nur  noch  von  The  romance  of  the  knight,  die  als  Probe  von 
De  Berghains  Poesie  im  Stammbaum  mitgeteilt  ist,  und  von 
The  battle  of  Hastings  mit  Bestimmtheit  sagen,  dafs  sie  erst 
nach  seiner  Bekanntschaft  mit  den  Bristoler  Patronen  entstanden 
sind.  Wahrscheinlich  ist  auch  die  Ballade  of  charitie  erst  ein 
späteres  Produkt,  doch  so  völlig  sicher,  wie  alle  Biographen  an- 
nehmen, ist  es  nicht,  dafs  dies  das  letzte  seiner  Gedichte  sei,  da 
wir  nichts  weiter  wissen,  als  dafs  Chatterton  von  London  aus 
am  4.  Juli  1770  dieses  Gedicht  mit  einem  Glossar  versehen  an 
den  Herausgeber  von  'Town  and  country  magazine'  sandte,  und 
dafs  er  verschiedene  Male  dies  Glossar  von  Mutter  und  Schwester 
daheim  verlangt  hat.  Ob  er  es  aber  brauchte,  um  die  Ballade 
erst  zu  verfassen,  oder  nur  um  zu  der  fertigen  das  Glossar  hinzu- 
zufügen, das  können  wir  absolut  nicht  wissen. 

Leider  lassen  uns  alle  Kriterien  der  Sprache  völlig  im  Stich, 
so  merkwürdig  ungleich  auch  die  einzelnen  Gedichte  behandelt 
sind ;  es  scheint  diese  verschiedene  Verkleidung  in  die  alte  Sprache 
ganz  momentane  Willkür  Chattertons  gewesen  zu  sein.  Die  ver- 
breitete Ansicht,  der  auch  Skeat  zu  huldigen  scheint,  dafs  Chatter- 
ton seine  Rowley- Werke  erst  neuenglisch  dichtete  und  sie  dann 
in  seinen  Dialekt  verkleidete,  ist  doch  nicht  aufrecht  zu  halten, 
da  ein  ziemlich  grofser  Prozentsatz  von  reimbildenden  Endworten 
gleich  in  den  alten  Worten  gewählt  ist.  Über  Skeat  hinaus,  der 
in  seinem  Essay  über  die  Rowley-poems ,  der  Einleitung  zum 
zweiten  Bande  seiner  Ausgabe,  aufser  den  Wörterbüchern  von 
Kersey  und  Bailey  als  Hauptquellen  nur  noch  willkürliche  Wort- 
bildungen Chattertons  sieht, '  will  nun  Helene  Richter,  dafs 
Chatterton  in  seinem  Rowley-Dialekt  'nicht  nur  einzelne  Worte 
seiner  heimischen  Mundart  entlehnt,  sondern  überhaupt  charakte- 
ristische Eigentümlichkeiten  des  Lautstandes  und  Satzgefüges 
des  Gloucestershire-Dialektes  verwertet  habe,  indem  er  sie  will- 
kürlich auf  die  Schriftsprache  anwandte'.  -    Leider  bringt  sie  für 

1  Aldine  edition  II  S.  xxxv  f.       s  H.  Richter,  7  h.  Chatterton  S.  44. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  4 


50  Chatterton -Literatur. 

diese  interessante  Hypothese  auch  nicht  den  Ausatz  eines  Be- 
weises; jedenfalls  aber  wäre  der  Gedanke  einer  genaueren  Unter- 
suchung wert;  es  wäre  vielleicht  geeignet,  mit  den  von  Skeat 
als  willkürliche  Wortgebilde  Chattertons  in  Anspruch  genom- 
menen Worten  die  Untersuchung  zu  beginnen. 

Die  Zeit  also  vom  1.  Juli  1767  bis  zum  April  1770,  also 
einen  Zeitraum  von  zweidreiviertel  Jahren,  müssen  wir  als  die 
Entstehungszeit  der  Rowley-Gedichte  in  Anspruch  nehmen.  Skeat 
bezeichnet  die  Monate  Februar  bis  Juli  1769  als  die,  in  denen 
die  meisten  der  Rowley-Gedichte  entstanden  seien,  weil  in  dieser 
Zeit  keine  modern-englischen  Gedichte  nachzuweisen  sind;1  doch 
wenn  wir  auch  der  Bemerkung  Catcotts,  dafs  Chatterton  ihm 
schon  zu  Anfang  ihrer  Bekanntschaft  (also  Ende  1768)  fast  alle 
seine  Rowley-Gedichte  genannt  hatte,  wenig  Gewicht  beilegen, 
so  beweist  doch  die  Korrespondenz  mit  Dodsley  vom  21.  De- 
zember 1768  und  15.  Februar  1769,  dafs  das  Hauptwerk  2Ella 
schon  vorher  geschrieben  war.  The  Bristoioe  tragedy  war  das 
erste,  das  Chatterton  Catcott  übergab.  Elinoure  and  Iaga  er- 
scheint im  Mai  1769  in  'Town  and  country'.  Im  März  1769 
beginnt  die  Korrespondenz  mit  Walpole,  die  doch  auch,  ohne 
dafs  besondere  Gedichte  genannt  werden,  einen  ziemlichen  Vorrat 
davon  voraussetzt,  da  es  ja  Chattertons  ganze  Hoffnung  war, 
dafs  Walpole   Rowley  an  die  Öffentlichkeit  bringen  sollte. 

Diese  Korrespondenz  mit  Horace  Walpole  hat  auch  wieder 
noch  zu  einigen  Irrtümern  und  Legenden  Anlafs  gegeben.  Wil- 
sons Apologie  Walpoles, 2  worin  er  beweisen  möchte,  dafs  Wal- 
pole die  ersten  von  Barrett  gedruckten  Briefe  nicht  erhalten 
habe,  wie  Walpole  selbst  öffentlich  und  privatim  behauptete,  ist 
leicht  zu  widerlegen  gewesen,  da  der  eine  dieser  Briefe  im  Bri- 
tischen Museum  mit  Poststempel  aufbewahrt  ist  uud  ein  von 
Walpole  anerkannter  Brief  eine  genaue  Antwort  darauf  gibt. 
Der  zweite  ist  oben  abgeschnitten,  wahrscheinlich  von  Walpole 
selbst,  um  Proben  an  seine  Freunde  zur  Untersuchung. der  Echt- 
heit zu  senden.  Dieser  zweite  Brief  wird  dann  auch  die  unvor- 
sichtige Blofslegung  der  persönlichen  Verhältnisse  Chattertons 
enthalten  haben,  die  Walpoles  Argwohn  erregten,  wie  er  es  selbst 


1  Aldine  edition  S.  xliv.      2  Wilson,  Chatlerton  S.  173  ff. 


Ühatterton-Literatur.  51 

übrigens  auch  berichtet,1  so  dafs  wir  nicht  noch  einen  dritten, 
uns  nicht  erhaltenen  Brief  anzunehmen  brauchen,  wie  dies  Cottle  ~ 
und  nach  ihm  Helene  Richter  ■'  behaupten. 

Walpole  erzählt,  dafs  in  einem  der  Briefe  er  mehrere  Gedichte 
Rowleys  erhalten  habe,  darunter  ein  absolut  modernes  Pastorale, 
etwas  mit  alten  Worten  durchsetzt.  Daraus  schliefst  Gregory s 
und  nach  ihm  Helene  Richter,5  dafs  dies  Elinoure  and  Iuga  sei. 

Letztere  schreibt:  'Mit  diesem  Briefe  übersandte  Chatterton 
mehrere  Gedichte  Rowleys,  darunter  Elinoure  and  Iuga,  das  er 
um  diese  Zeit  in  modernisierter  Fassung  für  das  "Town  and 
country  magazine"  vorbereitete.  Nun  aber  ist  diese  moderni- 
sierte Fassung  von  Elinoure  and  Iuga  gar  nicht  von  Chatterton, 
sondern  ist  im  Juni  "by  WT.  S.  A.  aged  sixteen"  veröffentlicht, 
während  Chattertons  Gedicht  "written  three  hundred  years  ago 
by  T.  Rowley,  secular  priest  D.  B.  Bristol"  im  Mai  erschien. 
Dies  ist  aber  auch  der  Beweis,  dafs  er  nicht  dies  Gedicht  an 
Walpole  geschickt  haben  kann,  denn  da  er  noch  am  14.  April 
einen  Brief  an  Walpole  mit  dem  Postskript  versieht  "If  you  wish 
to  publish  them  yourself,  they  are  at  your  Service",  so  wird  er 
nicht  eines  dieser  Gedichte,  während  er  noch  auf  eine  Antwort 
von  Walpole  wartete,  selbst  veröffentlichen;  auf  die  Hoffnung 
einer  Antwort  von  Walpole  hatte  er  erst  am  24.  Juli  verzichtet. 

Der  eine  Hauptwunsch  der  Biographen  Chattertons,  in  sei- 
nem Leben  alles  möglichst  früh  datieren  zu  können,  war  so  durch 
Legenden  aller  Art  befriedigt,  einen  zweiten  Kristallisationspunkt 
für  diese  bot  sein  früher  Tod  in  der  Fremde  durch  Selbstmord. 
Hier  nun  hat  sich  glücklicherweise  die  Legendenbildung  so  wild 
gebärdet,  dafs  man  die  Hauptsachen  bald  durchschaut  hat,  dazu 
gehört  in  erster  Linie  die  unerhörte  Fälschung  von  Dix  über  den 
Totenschaubericht,  den  Dix  nicht  wagte,  selbst  in  seiner  Lebens- 
beschreibung aufzunehmen,  und  den  er  Mr.  Gutch  als  echt  über- 
gab, so  dafs  dieser  ihn  in  gutem  Glauben  veröffentlichte.6  Die 
Fälschung,  diese  innerlich  ganz  unmögliche  Fabelei,  die  ein  durch- 
aus sentimental  unangenehmes  Machwerk  ist,  wurde  aufgedeckt. 
Dix,  darüber  interpelliert,  behauptete,  diesen  Bericht  von  Southey 


1  Gentl.  mag.,  1782,  S.  247.     2  Works  III  S.  395.     3  H.  Richter  S.  153. 
Works  I  S.  xxxix.    5  H.  Richter  S.  153  f.    °  Notes  and  queries  VII  L38  f. 

4* 


52  Chatterton-Literatur. 

erhalten  zu  haben,  der  inzwischen  gestorben  war,  sich  also  nicht 
mehr  verteidigen  konnte.'  Das  wenige,  was  über  diese  letzte  trau- 
rige Zeit  in  dem  Dasein  des  jungen  Dichters  zu  erfahren  war,  haben 
schon  Sir  Herbert  Croft  in  Love  and  madness  und  Warton2  mit- 
geteilt. Damals  wufsten  sich  die  Hausleute  noch  an  den  selt- 
samen, rastlos  fleifsigen  jungen  Selbstmörder  zu  erinnern.  Manches, 
was  Croft  uns  mitteilt,  zeigt  uns  den  engen  Horizont  seiner  Lon- 
doner Hausleute,  wenn  z.  B.  die  Base  voll  Erstaunen  über  den 
vornehmen  Besuch  Sir  Herberts  ausruft:  'wie  sie  nur  hätte  denken 
können,  dafs  Cousin  Tommy  ein  so  grofser  Mann  war.  Die 
Mutter  hätte  ihr  schon  ein  Wort  darüber  schreiben  können,  dann 
hätte  sie  ihn  sicher  als  Gentleman  behandelt'.  Der  Totenbeschauer 
selbst  aber  erinnerte  sich  schon  damals  an  nichts  mehr,  die  Zeu- 
gen, die  er  nannte,  waren  alle  unauffindbar,  der  Name  des  Toten 
war  in  das  Kirchenbuch  falsch  als  William  Chatterton  eingetra- 
gen und  die  Stelle  seines  Grabes,  im  Armengrabe  bei  Shoe  Lane 
Workhouse,  nicht  mehr  zu  bestimmen.    So  im  Jahre  1778 — -1782. 

Wie  sollten  diese  Angaben  aber  der  romantischen  Phantasie 
der  Biographen  genügen.  Den  gefälschten  Totenschaubericht 
zwar  weisen  alle  völlig  zurück  bis  auf  Helene  Richter,  die  in 
einer  Anmerkung  die  Fälschung  erwähnt,  dann  aber  schliefst: 
'Doch  wenn  Gutchs  Mitteilungen  auch  als  Bericht  des  Toten- 
beschauers gefälscht  sind,  so  mag  doch  manches  kleine  Detail, 
das  sie  enthalten,  auf  wahrer  Überlieferung  beruhen/3  Dann  aber 
benutzt  sie  diesen  Totenschaubericht,  der  sechzig  bis  siebzig  Jahre 
nach  dem  Tode  Chattertons  noch  wahre  Überlieferungen  ent- 
halten soll,  durchweg  ausführlich  in  Text  und  Anmerkungen,  so 
dafs  dieses  ganze  Kapitel  wieder  noch  einen  Rückschritt  hinter 
die  englischen  Biographien  bedeutet. 

Einer  anderen  Legende  gegenüber  aber  zeigen  sich  auch 
diese  nicht  stark  genug.  Hier  haben  Dix  mit  seinem  Bericht 
von  Cumberland4   und  Cottle5   zusammen  sich  bemüht,   um  eine 


1  Das  Ganze  ist  als  Fälschung  und  reine  Erfindung  aufgedeckt.   Athe- 
naeum,  5.  Dez.  1857. 

3  Inquiry  into  the  autlienticity  of  the  poems  attributed  to  Thomas  Raw- 
ley,  1782.        3  Helene  Kichter,  Chatterton,  S.  235,  Anm. 

4  Dix,  Chatterton,  Appendix  A,  S.  299. 

5  Siehe  Price,  Memorials  of  the  Canynyes  family,  S.  293. 


Chatterton-Litcratur.  53 

höchst  sentimentale  Überlieferung  glaubhaft  zu  machen,  dafs  näm- 
lich Mrs.  Chatterton  mit  Hilfe  von  Freunden  sich  heimlich  die 
Leiche  habe  nach  Bristol  kommen  lassen,  um  den  Sohn  in  seinem 
geliebten  Kirchhof  von  Mary  Redcliffe  zu  begraben.  Es  ist 
amüsant,  bei  Bell,  Wilson  und  Helene  Richter  zu  lesen,  wie  jeder 
auf  seine  Weise  den  Versuch  macht,  diesen  beglückenden  Ab- 
schlufs  zu  retten.  Helene  Richter  hilft  sich  hier  damit,  dafs  sie 
ihm  zwar  die  äufsere  Glaubwürdigkeit  abspricht,  die  innere  aber 
rettet  'als  eine  Verherrlichung  der  alles  vermögenden  Mutterliebe', 
und  dazu  heifst  es  in  der  Anmerkung:  'Für  die  innere  Glaub- 
würdigkeit der  Legende  spricht  auch  Chattertons  letztwillige  Be- 
stimmung in  dem  nachträglich  fabrizierten  Totenschaubericht, 
durch  die  Chatterton  seiner  Mutter  und  seiner  Schwester  seinen 
Leib  vermacht/1  Es  ist  aber  eine  gefährliche  Methode,  in  einer 
ernsthaften  Biographie  eine  Fälschung  mit  einer  anderen  zu  belegen ! 

Wir  haben  gesehen,  wie  an  dem  gröfsten  Teil  der  Fälschungen 
und  Legenden,  die  Chattertons  Leben  und  Wirken  umflechten,  Dix 
beteiligt  ist.  Er  ist  nicht  umsonst  einer  der  'schamlosesten  lite- 
rarischen Fälscher  unseres  Jahrhunderts'-  genannt  worden. 

In  dem  gleichen  Jahre,  1857,  in  dem  er  in  seiner  Ent- 
gegnung auf  die  Entdeckung  der  Fälschung  des  Totenschau- 
berichtes Southey  verantwortlich  machte,  der  seit  vierzehn  Jahren 
tot  war,  hat  er  eine  gleiche  Fälschung  nach  genau  der  gleichen 
Methode  jenseits  des  Ozeans  begangen.  In  Skeats  Aldine  edition 
lesen  wir  auf  I,  S.  266  —  267  ein  zwölf  Zeilen  langes  Gedicht 
'Letze  Verse'  betitelt,  August  24.  1770  (dem  Sterbetage  von 
Chatterton)  datiert,  dazu  unter  dem  Strich  folgende  Anmerkung: 
Diese  letzten  Verse',  die  das  Datum  des  Todestages  des  Dich- 
ters tragen,  erschienen  zuerst  in  einer  Ausgabe  seiner  Werke,  in 
Boston  U.  S.  im  Jahre  1857  veröffentlicht.  Eine  Note,  'C  unter- 
zeichnet, wahrscheinlich  die  Chiffre  des  Herausgebers,  gibt  uns 
den  folgenden  Bericht:  'I.  R.  Dix  Esq.  hat  uns  freundlich  die 
folgenden,  nie  vorher  veröffentlichten  Verse  zukommen  lassen, 
von  denen  er  nachweist,  dafs  sie  sich  in  Chattertons  Taschen- 
buch  nach   seinem  Tode  gefunden  haben.     Sie  wurden  Mr.  Dix 


1  Helene  Richter,  Chatterton,  S.  244,  Anm. 

2  Notes  and  quertes,  sec.  IV  B.  IX,  S.  294. 


54  Chatterton -Literatur. 

von  Joseph  Cottle  gegeben,  der  sie  von  Mrs.  Newton  (Chatter- 
tons Schwester)  erhielt,  doch  zu  spät,  um  sie  in  die  Ausgabe 
seiner  Gedichte  aufzunehmen/  Man  sehe  nun  diesen  Bericht 
etwas  genauer  an:  Dix  behauptet,  diese  Verse  von  Cottle  er- 
halten zu  haben;  Cottle  aber  ist  1853  gestorben,  konnte  ihm  also 
nicht  mehr  entgegentreten  —  Cottle  soll  sie  von  Mrs.  Newton 
erhalten  haben,  aber  zu  spät  für  seine  Ausgabe;  während  Mrs.  New- 
ton auf  jede  Weise  diese  Ausgabe  von  ihres  Bruders  Werken 
unterstützte,  wird  sie  ein  so  wichtiges  Dokument  wie  die  letzten 
Verse  zurückgehalten  haben,  bis  es  zu  spät  war,  sie  zu  ver- 
öffentlichen: dann  wieder  behält  Cottle  sie  so  lange  heimlich  für 
sich,  bis  auch  Dix  sein  Leben  verfafst  hat,  in  dem  er  eine  solche 
Menge  von  unbedeutenden  Sachen  zuerst  veröffentlichte;  dann 
behält  Dix  diesen  Schatz  wieder  bei  sich,  bis  Cottle  stirbt,  um 
sie  dann,  bei  einer  Ausgabe  von  Chattertons  Werken  in  Amerika, 
wo  Dix  die  letzte  Hälfte  seines  Lebens  zubrachte,  dem  Editor 
zu  schenken.  Es  brauchte  wahrhaftig  nicht  Dix'  Name  dabei 
zu  sein,  um  bei  dieser  Kette  von  Un Wahrscheinlichkeiten  auf 
eine  Fälschung  zu  schliefsen.  Mich  hat  auf  diesen  Gedanken 
allerdings  zuerst  der  Stil  des  Gedichtes  gebracht,  der  gar  nichts 
von  Chatterton  hat.  Er  wird  verzweifelt  und  verdüstert  gewesen 
sein,  als  er  den  letzten  Entschlufs  fafste,  so  sentimental  aber  und 
abgeschmackt,  wie  besonders  die  letzten  Zeilen  dieses  Gedichtes 
sind,  hätte  er  niemals  gedichtet. 

Und  dem  gleichen  starken  Verdacht,  wie  diese  letzten  Verse, 
unterliegen  auch  die  Zeilen  an  Walpole.1  Dix  hat  sie  zuerst 
ohne  Angabe  ihrer  Herkunft  veröffentlicht.  Sind  aber  die  letzten 
Verse  falsch,  was  wohl  kaum  einem  Zweifel  unterliegen  kann, 
so  wird  auch  dies  Gedicht,  das  im  Stile  mit  dem  letzten  eine 
sehr  grofse  Ähnlichkeit  hat,  gefälscht  sein.  Auch  dieses  trägt  zu 
stark  das  Gepräge  des  19.  Jahrhunderts  und  ist  bei  genauerem 
Zusehen  mehr  ein  Resume'  von  Gedanken,  wie  sie  sich  der  Bio- 
graph Chattertons  von  den  Empfindungen  des  jungen  Dichters 
nach  dem  Zusammenbruch  seiner  Hoffnungen  macht,  als  der  ur- 
sprüngliche Ausdruck  bei  dem  Dichter  selbst.  So  schreibt 
De  Quincey   später   über  Walpole   'he   himself  being  one  of  the 

1  Skeat  I,  S.  32. 


Chattcrton-Literatur.  55 

fevv  men  in  any  Century,  who  had  practised  at  a  maturer  agc 
that  very  forgery,  which  in  a  boy  of  seventeen  he  reprehended 
as  unpardonable.  Did  he,  or  did  he  not  introduce  his  ovvn  Castle 
of  Otranto  as  a  translation  from  an  Italien  Ms.  of  one  Muralto?' 
Damit  vergleiche  man  das  Pseudogedicht  von  Chatterton  'The 
boy,  who  friendless,  fatherless,  forlorn,  Asks  thy  high  favour  - — 
thou  mayst  call  nie  cheat.  Say,  didst  thou  never  practise  such 
deceit?  Who  wrote  Otranto?  but  I  will  not  chide/  Chatterton 
selbst  aber  schreibt  über  diese  Affäre:  'Ich  begaun  mit  ihm  eine 
literarische  Korrespondenz,  die  endete  wie  wohl  die  meisten  dieser 
Art.  Ich  war  mit  ihm  über  das  Alter  eines  Manuskriptes  ver- 
schiedener Meinung.  Er  besteht  auf  der  Überlegenheit  seines 
Talentes,  was  kein  Beweis  von  Überlegenheit  ist.  Möglicherweise 
werden  wir  uns  noch  in  einer  der  Zeitschriften  auseinandersetzen, 
wenn  ich  auch  nicht  weifs,  wer  den  Anfang  machen  wird/ 1 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dafs  dieser  Brief  durchaus 
renommistisch,  mit  der  Absicht  zu  imponieren,  geschrieben  ist, 
aber  wir  haben  keine  Aufserung  von  Chatterton  in  Prosa  oder 
Poesie,  die  uns  eine  Stimmung  so  sentimental  —  und  so  offen 
vermuten  liefse.  Das  Gedicht  ist  in  Versmafs  und  Stil  etwas  dem 
sogenannten  Testament  Chattertons  nachgeahmt,  aber  gerade  der 
Vergleich  damit  zeigt  auch  den  grofsen  Unterschied.  Jeder,  der 
den  Charakter  des  seltsamen  Knaben  studiert  hat,  mufs  sehen, 
wie  fremd  ihm  die  Verse,  die  Dix  veröffentlicht,  sind. 

Wenn  wir  nun  all  diese  Schmarotzergewächse  der  Fälschungen, 
mit  der  eine  mifsverstandene  Romantik  die  historische  Erscheinung 
des  Dichters  umgeben  hat,  losgelöst  haben,  so  bleibt  das  Bild  der 
Wahrheit  darum  nicht  geringer  und  uninteressanter;  im  Gegenteil, 
man  sieht  erst,  wie  äufserlich,  unwesentlich  und  schief  all  diese 
nachträglichen  Ausschmückungen  sind.  Die  eigentlichen  Probleme, 
die  sein  Leben  und  seine  Werke  bieten,  treten  nur  reiner  und 
klarer  in  den  Vordergrund.  Das  Seelenbild  bleibt  in  seiner  selt- 
samen Gröfse  bestehen,  nur  befreit  von  einem  guten  Teil  falscher 
Sentimentalität;  auch  hier  erweist  sich  das  echte  und  wahre  Leben 
weit  reicher  und  interessanter  als  jede  tendenziöse  Erfindung. 

1  Skeat  I,  S.  333. 
Bonn.  M.   Gothein. 


Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic1 
bei  Fielding  und  Smollett. 


Eines  der  schwierigsten  "Wörter  hinsichtlich  der  Bedeutung  ist 
das  Wort  'romantisch'.  Es  ist  daher  sehr  wichtig,  dem  Gebrauche 
desselben  bei  den  einzelnen  Schriftstellern  nachzugehen.  Dafs  es 
aus  dem  Englischen  stammt,  ist  wohl  aufser  Zweifel.  Das  Grund- 
wort roman  erscheint  im  Mittelenglischen  mit  einem  t,  und  das  davon 
gebildete  Adjektiv  lautet  daher  romantic,  während  das  französische 
Adjektiv,  direkt  von  der  Form  roman  gebildet,  romanesque  lautet. 
Als  Zeit  des  frühesten  Vorkommens  des  Wortes  romantic  im  Eng- 
lischen gilt  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts,  worauf  Ludwig  Fried- 
länder (Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte  Roms,  5.  Aufl.,  Teil  II, 
S.  245)  hinweist.  Friedländer  beruft  sich  auf  Stellen  in  Pepys  und 
in  Evelyns  Tagebuch.  Es  begegnet  bei  diesen  Autoren  sowohl  auf 
Menschen  wie  auf  Naturscenen  angewandt.  In  welchem  Sinne  es 
in  letzter  Hinsicht  gebraucht  ist,  besagt  ein  Eintrag  Evelyns  vom 
23.  Juli  1679  (der  bei  Friedländer  übersehen  ist):  I  went  to  Clifden, 
that  stupendous  natural  rock,  wood,  and  prospect,  of  the  Duke  of 
Buckingham's,  buildings  of  extraordinary  expence.  The  grotts  in 
the  chalky  rock  are  pretty:  'tis  a  romantic  object,  and  the  place  alto- 
gether  answers  the  most  poetical  description  that  can  be  made  of 
solitude,  precipice,  prospect,  or  whatever  can  contribute  to  a  thing 
so  very  like  their  imaginations.'  Also  Evelyn  gebraucht  das  Wort 
für  eine  ganz  charakteristische  Landschaft:  wie  heute  noch  sind  ihm 
das  Aufsergewöhnliche,  das  Grofsartige,  auch  das  Düstere  (Grotten) 


1  The  diary  of  John  Evelyn,  ed.  by  William  Bray,  Lond.  &  New- York 

1889,  S.^229. 


Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic'  bei  Fielrling  und  Smollett.    57 

und  daß  Einsame  (solitude)  Merkmale  einer  romantischen  Landschaft. 
Objektiv  betrachtet  hat  auch  die  spätere  Zeit,  wie  Addison,1  das 
Wort  in  diesem  Sinne  aufgefafst.  Aber  bei  Evelyn  sehen  wir  deut- 
lich noch  einen  subjektiven  Gefühlswert  dem  Worte  innewohnen:  er 
nennt  diese  Landschaft  poetisch.  Addison  aber  findet  keinerlei  Wohl- 
gefallen an  solchen  Landschaften.  Erst  Thompson  will  mit  dem 
Worte  romantic  offenbar  wieder  etwas  Schönes  und  Gefälliges  be- 
zeichnen in  den  von  Friedländer  (S.  246)  angezogenen  Stellen  aus 
Spring  1025  und  Auturan  789. 

In  Bezug  auf  Personen  führt  Friedländer  einen  Eintrag  Evelyns 
vom  23.  September  1680  an,  ohne  ihn  abzudrucken  und  ohne  den 
Sinn  des  Wortes  festzustellen.  Die  Stelle  gibt  ein  Gespräch  wieder, 
das  Evelyn  mit  einem  Italiener  über  die  Königin  Christine  von 
Schweden  führte,  und  lautet:  He  spake  high  things  of  that  romantic 
Queene's  learning  and  skill  in  languages,  the  majestic  of  her  behaviour, 
her  exceeding  wit  and  that  the  histories  she  had  read  of  other  coun- 
tries,  especially  of  Italy  and  Rome  had  made  her  despise  her  owne. 
That  the  real  occasion  of  her  resigning  her  Crowne  was  the  Noble- 
men's  importuning  her  to  marrie,  and  the  promise  which  the  Pope 
had  made  her  of  procuring  her  to  be  Queene  of  Naples  which  also 
caus'd  her  to  change  her  religion;  but  she  was  cheated  by  his  crafty 
Holiness,  working  on  her  ambition,  that  the  reason  of  her  killing 
her  secretary  at  Fountaine  Beleau  was  his  revealing  that  intrigue 
with  the  Pope.  But  after  all  this  I  rather  believe  it  was  her  mad 
prodigality  and  extreme  vanity,  which  had  consum'd  those  vast  trea- 
sures  the  greate  Adolphus,  her  father,  had  brought  out  of  Germany 
during  his  [campaigns]  there  and  wonderfull  successes;  and  if  she 
had  not  voluntarily  resign'd,  as  foreseeing  the  event,  the  Estates  of 
her  kingdom  would  have  compelFd  her  to  do  so. 

Sicher  ist  hier  das  Wort  romantic  ein  Urteil  Evelyns  über  die 
Königin  und  nicht  das  des  Italieners.  Schwer  ist  es,  einen  genauen 
Sinn  hineinzulegen;  jedenfalls  soll  es  ein  abfälliges  Urteil  sein.  Der 
subjektive  Wert,  den  das  Wort,  auf  Personen  angewandt,  zum  Aus- 
druck bringt,  ist  also  dem  entgegengesetzt,  den  es  gerade  bei 
Evelyn  für  Naturscenen  bezeichnete. 


1  S.   lie  von  Friedländer,  1.  c.  S.  246,  angeführte  Stelle  aua :  'Remarks 
on  aeveral  parts  of  Italy  etc.  in  the  years  1701 — 1703.'| 


58    Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic'  bei  Fielding  und  Smollett. 

Suchen  wir  nach  Beispielen,  aus  denen  sich  etwas  mehr  für  den 
objektiven  Inhalt  des  Wortes  sehliefsen  läfst,  so  begegnen  uns  zu- 
nächst solche,  die  auf  den  Zusammenhang  des  Wortes  mit  den  Ro- 
manen der  damaligen  Zeit,  besonders  mit  den  Ritterromanen  hin- 
weisen. Der  Inhalt  dieser  Gattung  ist  als  gänzlich  'erdichtet'  ver- 
schrien. Diese  Bedeutung  erhält  nun  das  Wort  romantic,  und  damit 
verbindet  sich  als  subjektive  Empfindung  die  Vorstellung  des  Phan- 
tastischen. Den  Menschen,  den  man  mit  diesem  Worte  benennt 
oder  ihn  mit  dieser  Vorstellung  in  Verbindung  bringt,  will  man  als 
einen  Schwachkopf  hinstellen.  Dies  ist  die  Absicht  D'Avenants,  der 
in  seinem  Lustspiel  'The  man's  the  master'  (1668)  den  Ferdinand 
sagen  läfst:  This  style  is  somewhat  romantic.  My  fowlish  daughter 
never  reads  romances,  but  for  my  part,  I  esteem  Amadis  and  all 
such  discreet  records  of  love  and  honor.  Daher  gebraucht  auch 
Richard  Steele  in  seinem  1722  aufgeführten  Lustspiel  'The  con- 
scious  lovers',  I.  Akt,  2.  Scene,  das  Wort  im  Sinne  von  phan- 
tastisch. Bevil  junior  hat  seinem  alten  Diener  Humphrey  die  Er- 
lebnisse seiner  Geliebten  erzählt,  wobei  ihn  Humphrey  mit  der  Frage 
unterbricht,  ob  seine  eigene  Leidenschaft  für  das  Mädchen  es  sei 
oder  deren  Leidenschaft  für  ihn,  die  ihm  die  Abneigung  gegenüber 
einer  von  seinem  Vater  vorgeschlagenen  Heirat  eingeflöfst  habe. 
Darauf  gibt  ihm  Bevil  zur  Antwort:  I  shall  appear,  Humphrey,  more 
romantick  in  my  Answer,  than  in  all  the  rest  of  my  Story;  for  tho' 
I  dote  on  her  to  death,  and  have  no  little  Reason  to  believe  she  has 
the  same  Thoughts  for  me,  yet  in  all  my  Acquaintance,  and  utmost 
Privacies  with  her,  I  never  once  directly  told  her,  that  I  loved.  Die 
eigenartige  Begründung  zeigt  uns,  dafs  wir  dem  Worte  die  obige  Be- 
deutung geben  müssen.  Ähnlich  werden  wir  dies  Wort  bei  Pope  auf- 
zufassen haben,  wenn  er  Dunciade  III  von  'the  maid's  romantic  wish' 
redet. 

Diese  üble  Bedeutung  verliert  das  Wort  erst  bei 

Henry  Fielding  (1707— 1754). 
Auch  Fielding  geht  aus,  wie  die  Citate  zeigen  werden,  von  der 
allgemeinsten  Bedeutung,  die  wir  bisher  festgestellt  haben,  nämlich 
'erdichtet,  aus  der  Phantasie  geschöpft'.  Aber  gerade  er,  der  in 
seinen  Romanen  immer  wieder  betont,  er  wolle  mit  der  bisherigen 
Romantechnik  brechen,  indem  er  nur  das  Wahre  darstelle,  erklärt, 


Pie  Bedeutung  des  Wortes  'rom.iTitic'  bei  Fielding  und  Smollott.     r>0 

dafs  das  Ideale  öfter  im  Leben  zur  Wahrheit  werde,  als  gewöhnliche 
Naturen  anzunehmen  geneigt  seien.  So  werden  bei  ihm  diejenigen 
Menschen,  die  sich  in  idealer  Weise  über  die  eigennützigen,  nur  auf 
den  materiellen  Vorteil  bedachten  Menschen  erheben,  romantisch  ge- 
nannt. Und  zwar  gebraucht  Fielding  das  Wort  durchweg  zur  Be- 
zeichnung eines  idealen  Gefühlslebens;  sein  Werturteil  geht  also 
stets  auf  den  Inhalt,  nicht  auf  die  Form.  Auch  wo  er  daher  das 
Wort  auf  Naturscenen  anwendet,  tut  er  dies  nur,  indem  er  die  Natur 
mit  den  romantischen  Menschen  in  Beziehung  bringt.  Der  Typus 
eines  solchen  romantischen  Helden  begegnet  uns  schon  in  Fieldings 
erstem  Werke,  dem  Lustspiel  'Love  in  several  masques'  (1728):  Hier 
hat  er  den  Wisemore,  einen  Mann  von  der  idealen  Lebensauffassung 
des  Alceste  in  Molieres  'Misanthrope',  zu  solch  einem  romantischen 
Helden  gemacht.  Denn  dafs  diese  Molieresche  Figur  hier  verwertet 
ist,  scheint  mir  aus  folgenden  Gründen  sicher:  In  dem  Stück  wird 
angenommen,  dafs  Wisemore  dieselben  Konflikte  durchzumachen 
hatte  wie  Alceste;  denn  Lady  Matchless  sagt:  You  have  lost  an 
estate  for  want  of  money  and  a  mistress  for  want  of  wit1  [4.  Akt, 
2.  Scene].  Ferner  hat  Wisemore  dieselben  sittlichen  Anschauungen 
wie  Alceste,  aber  auch  das  gleiche  kindliche  Gemüt  wie  er,  wenn  er 
der  Lady  Matchless  auf  die  obige  Behauptung  zur  Antwort  gibt: 
In  my  opinion  the  only  title  to  the  first  should  be  right,  and,  to  the 
latter,  merit,  love  and  constancy.  Schliefslich  findet  sich  auch  Wise- 
more wie  Alceste  einer  verdorbenen  Gesellschaft  gegenüber,  die  eine 
andere  Wertung  der  Werte  eingeführt  hat.  Dies  offenbart  ihm  Lady 
Matchless  und  nennt  ihn,  da  er  trotzdem  seine  Ideale  hochhält,  ro- 
mantisch: ha!  ha!  ha!  then  know,  thou  romantic  hero,  that  right  is 
a  sort  of  knight-errant,  whom  we  have  long  since  laughed  out  of 
the  world.  Merit  is  demerit,  constancy  dulness,  love  and  out-of-fashion 
Saxon  word,  which  no  polite  person  understands.' 

In  diesem  Sinne  begegnet  das  Wort  noch  verschiedentlich: 

Tom  Jones,  VII.  Buch,  7.  Kap.:  He  (=  Mr.  Blifil)  was  indeed 

perfectly  well   satisfied  with  his  prospect  of  success,  for  as  to  that 

entire   and  absolute  possession   of  the  heart   of  his  mistress   which 

romantic  lovers  require,  the  very  idea  of  it  never  entered  his  head.2 


1  Fielding's  works,  ed.  James  P.  Browne,  Lond.  1871  (10  vol.),  vol.  I,  p.  143. 
l:ibid.  vol.  VII,  p.  319. 


00    Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic'  bei  Fielding  und  Smollett. 

Ebenda,  VII.  Bucb,  3.  Kap.,  beifst  es  von  der  Mrs.  Western, 
die  ihrer  Nichte  eine  Vorlesung  über  die  Ehe  hält:  which  [=  matri- 
mony]  she  treated  not  as  a  romantic  scheme  of  happiness  arising  from 
love  as  it  bath  been  described  by  the  poets,  nor  did  she  mention  any 
of  those  purposes  for  which  we  are  taught  by  divines,  to  regard  it  rather 
as  a  fund  in  which  prudent  women  deposit  their  fortunes  to  the  best 
advantage  in  order  to  reeeive  a  larger  interest  for  them  than  they 
could  elsewhere.1 

Ebenda,  XIII. Buch,  3.  Kap.:  For  she  [=  Mrs.  Fitzpatrick]  did 
not  in  the  least  doubt,  but  that  the  prudent  lady  [=  Lady  Bellaston] 
who  had  often  ridiculed  romantic  love,  and  indiscreet  marriages  in 
her  conversation,  would  very  readily  coneur  in  her  sentiments  con- 
cerning  this  match,  and  would  lend  her  utmost  assistance  to  pre- 
vent  it.2 

Diese  Bedeutung  müssen  wir  auch  zu  Grunde  legen,  wenn  wir 
das  Wort  aus  dem  Munde  der  unsympathischen  Personen  verneh- 
men, die  damit  die  idealen  Gestalten  zu  Phantasten  stempeln  wollen : 

The  Jesuit  caugbt  in  his  own  trap,  I.  Akt  9.  Scene: 
Der  junge  Laroon  hat  seine  Verheiratung  mit  der  reichen  Isabella 
um  eine  Woche  verschieben  müssen;  doch  ist  er  zuversichtlich,  denn 
er  weifs,  dafs  seine  Geliebte  ihm  treu  bleiben  wird.  Der  Vater  aber 
meint,  ein  Weib  gehöre  erst  dann  sicher  dem  Manne,  wenn  er  sie 
bei  sich  im  Bett  habe,  und  fährt  fort:  But  I  suppose  you  are  one 
of  those  romantic  whining  coxeombs,  that  are  in  love  with  a  woman 
behincl  her  back  . .  .3 

Good-natur'd  man,  V.  Akt,  1.  Scene:  Der  junge  Bon- 
cour hat  auf  sein  Erbteil  verzichtet,  um  seinen  Vater  vor  dem  Ruin 
zu  bewahren,  findet  aber  dafür  keine  Anerkennung  bei  seiner  Ge- 
liebten, die  ihn  deswegen  verläfst,  indem  sie  im  Hinblick  auf  die 
ihrer  wartende  Armut  sagt:  ...  I  hope  you  do  not  expect  me  to 
have  the  romantic  ideas  of  a  girl  of  fifteen  to  dream  of  woods  and 
deserts;  you  would  not  have  me  live  in  a  cottage  on  love.* 

Tom  Jones,  VII.  Buch,  3.  Kap.,  schildert  Mrs.  Western  ihrer 
Nichte  mit  unbewufster  Ironie  die  von  ihr  selbst  vertretene  Liebes- 
theorie mit  den  Worten :   . . .  You  will  allow  me,  I  think,  to  have 

1  Ibid.  p.  361.   —  2  Ibid.  vol.  VII,  p.  204.  —  3  Ibid.  vol.  II,  p.  359. 
—  4  Ibid.  vol.  IV,  p.  75. 


Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic'  bei  Fielding  und  Smollett.     61 

seen  the  world,  in  which  I  have  not  an  acquaintance  who  would  not 
rather  be  thought  to  dislike  dislike  her  husband  than  to  like  him ;  the 
contrary  is  such  out  -  of  -  fashion  romantic  nonsense,  that  the  very 
Imagination  of  it,  is  shocking.1 

Bisher  haben  wir  meist  Beispiele  von  romantischer  Liebe  an- 
geführt.  Doch  wendet  Fielding  das  Wort  auch  auf  andere  Ideale  an : 

The  Temple  beau,  I.  Akt,  3.  Scene:  Sir  Avarice  Pedant, 
der  seinem  Namen  alle  Ehre  macht,  sagt:  Ah!  these  universities  are 
fit  for  nothing  but  to  debauch  the  principles  of  young  inen ;  to  poison 
their  minds  with  romantic  notions  of  knowledge  and  virtue.'2 

Amelia,  IL  Buch,  2.  Kap.:  Booth  in  der  Erzählung  über  die 
Entstehung  seiner  Liebe  zu  Amelia:  I  now  entertained  a  design  of 
exerting  the  most  romantic  generosity,  and  of  curing  that  unhappy 
passion  which  I  perceived  I  had  raised  in  Amelia.3 

Ebenda,  X.  Buch,  4.  Kap.:  I  do  not  say  he  has  ever  offen- 
ded  her  by  any  open  declarations.  Nor  hath  he  done  anything  which 
according  to  the  most  romantic  notion  of  honour,  you  can  or  ought 
to  resent.4 

Wichtig  erscheinen  noch  Fieldings  Äufserungen  über  das  Verhält- 
nis der  romantisch  Liebenden  zu  der  Natur.  Hierbei  wird  der  in  der 
Folgezeit  so  oft  betonte  Gegensatz  von  Stadt  und  Land  hervorgekehrt: 

Love  in  several  masques,  II.  Akt,  1.  Scene:  Vermilia 
sagt  zu  Lady  Matchless:  Perhaps  the  hurry  of  diversions  and  Com- 
pany keep  the  mind  in  too  perpetual  a  motion  to  let  it  fix  on  one 
object.  WThereas  in  the  country,  our  ideas  are  more  fixed  and  more 
romantic,  courts  and  cities  have  few  heroes  and  heroines  in  love. 

Und  noch  wichtiger  scheint  darauf  die  Antwort  der  Lady  Match- 
less, in  der  wir  wiederum  vor  Thomson  das  Wort  romantisch  auf  eine 
schöne  Landschaft  angewendet  und  die  Beziehung  der  Natur  zu  den 
Menschen  ausgedrückt  finden :  Ah!  Vermilia,  let  the  jealous  husband 
learn  from  me,  there  is  more  danger  in  woods  and  purlingstreams 
than  in  an  assembly  or  a  playhouse.  When  a  beauteous  grove  is 
your  theatre,  a  murmuring  cascade  your  music,  nature's  flowery  lands- 
capes  your  scene,  heaven  only  the  spectator,  and  a  pretty  fellow  the 
actor,  —  the  Lord  knows  what  the  play  will  be.5 


1  Ibid.  vol.  VI,  p.  362—363.  —  2  Ibid.  vol.  I,  p.  191.  —  3  Ibid.  vol. VIII, 
p.  214.  —  4  Ibid.  vol.  IX,  p.  211.  —  5  Ibid.  vol.  I,  p.  79. 


62    Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic'  bei  Fielding  und  Smollett. 

The  author's  farce,  II.  Akt,  10.  Scene:  Moneywood,  die 
Wirtin  des  Dichters,  die  nicht  damit  zufrieden  ist,  dafs  ihre  Tochter 
den  armen  Dichter  liebt:  What,  I  suppose  he  has  filled  your  head 
with  a  pack  of  romantic  stuff  of  streams  and  dreams,  and  charms 
and  arms.  I  know  this  is  the  stuff  they  all  run  on  with  and  so  run 
into  our  debts,  and  run  away  with  our  daughters.  —  Come,  confess, 
are  not  you  two  to  live  in  a  wilderness  together  on  love  ?  * 

Joseph  Andrews,  III.  Buch,  5.  Kap.,  gibt  der  Verfasser 
folgende  Beschreibung  einer  romantischen  Landschaft:  ...  they  came 
to  one  of  the  beautifullest  spots  of  ground  in  the  universe.  It  was 
a  kind  of  natural  amphitheatre  formed  by  the  winding  of  a  small 
rivulet,  which  was  planted  with  thick  woods;  and  the  trees  rose 
gradually  above  each  other  by  the  natural  ascent  of  the  ground  they 
stood  on;  which  ascent  as  they  hid  with  their  boughs,  they  seemed 
to  have  been  disposed  by  the  design  of  the  most  skilful  planter. 
The  soil  was  spread  with  the  verdure  which  no  painter  could  imitate, 
and  the  whole  place  might  have  raised  romantic  ideas  in  eider  limbs 
than  those  of  Joseph  and  Fanny,  without  the  assistance  of  love.''1 

Tom  Jones,  VI.  Buch,  14.  Kap.,  sagt  die  Mrs.  Western  zu 
ihrem  Bruder  in  Bezug  auf  Sophia,  die  auf  dem  Lande  grofs  ge- 
worden ist:  It  is  living  at  home  with  you  (hat  she  has  learnt  romantic 
notions  of  love  and  nonsense. 3 

Ebenda,  XV.  Buch,  2.  Kap.,  heifst  es  von  Lady  Bellaston, 
die  dem  Lord  Fellamar  erklären  will,  wie  sich  ihre  Nichte  Sophia 
in  den  armen  Tom  Jones  verlieben  konnte:  Alas,  my  lord,  ans- 
wered  she,  consider  the  country,  the  bane  of  all  young  women  is  the 
country.  There  they  learn  a  set  of  romantic  love,  and  I  know  not 
what  folly,  which  this  town  and  good  Company  can  scarce  eradicate 
in  a  whole  winter.4 

Schliefslich  seien  nicht  die  Beispiele  verschwiegen,  wo  Fielding 
das  Wort  in  objektiver  Weise  synonym  mit  'aufserordentlich,  unge- 
wöhnlich' verwendet;  er  bezieht  es  aber  in  diesem  Sinne  nicht  auf 
Anschauungen  und  Gefühle,  sondern  auf  Vorgänge  und  Ver- 
knüpfungen : 

Don  Quixote  in  England,  I.Akt,  5.  Scene,  sagt  Dorothea 


1  Ibid.  vol.  II,   p.  315.   —  2  Ibid.  vol.  V,  p.  273.   —  3  Ibid.  vol.  VI, 
p.  351.  —  *  Ibid.  vol.  VII,  p.  321. 


I)ie  Bedeutung  des  Wortes  'romantie'  bei  Fielding  und  Sinollett.     63 

im  Hinblick  auf  die  gleichnamige  Heldin  in  Cervantes'  Don  Quijote 
(I.  Teil,  Kap.  30  ff.):  I  wish  my  adventures  may  end  as  bappily  as 
those  of  my  namesake  Dorothea's  did;  I  am  sure  they  are  very  near 
as  romantie. ' 

Tom  Jones,  VII.  Buch,  11.  Kap.,  wo  sich  der  Held  bei  den 
Rebellen  anwerben  lassen  will:  It  is  no  wonder,  therefore,  that  in 
circumstances  which  would  have  warranted  a  much  more  romantie 
and  wild  undertaking,  it  should  oeeur  to  him  to  serve  as  a  volunteer 
in  this  expedition.2 

Amelia,  V.  Buch,  9.  Kap.:  Colonel  James  sagt  zu  Booth,  der 
behauptet  hat,  dafs  er  drei  Jahre  lang  mit  seinem  Weibe  allein  ge- 
lebt hat,  ohne  ihrer  überdrüssig  zu  werden:  This  is  all  very  extra- 
ordinary  and  romantie  to  me.3 

Voyage  to  Lisbon:  Lastly,  the  Royal  Hospital  of  Greenwich 
which  presents  so  delightful  a  front  to  the  water,  and  doth  such 
honour  at  once  to  its  buildes  and  the  nation,  to  the  great  skill  and 
ingenuity  of  the  one,  and  to  the  no  less  sensible  gratitude  of  the 
other,  very  properly  closes  the  aecount  of  this  scene,  which  may  well 
appear  romantie  to  those  who  have  not  themselves  seen  that,  in  this 
one  instance,  truth  and  reality  are  eapable  perhaps  of  exceediny  the 
power  of  ßction. i 

Tobias  Smollett 

kennt  das  Wort  in  zwei  Verwendungen: 

1)  in  Bezug  auf  Personen  nimmt  er  es  objektiv  für  'aufsergewöhn- 
lich',  mit  subjektiver  Nebenbedeutung  für  'übertrieben,  phantastisch'. 

Diesen  Sinn  leitet  er  her  aus  den  Ritterromanen:  In  seinen 
'Travels  through  France  and  Italy'  schreibt  er  unter  dem  10.  No- 
vember 1764  aus  Nizza,  indem  er  nach  damaliger  Anschauung  die 
provenzalische  Sprache  mit  der  romanischen  Ursprache  identifiziert: 
As  the  first  legends  of  knight-errantry  were  written  in  Provencal,  all 
subsequent  Performances  of  the  same  kind  have  derived  from  it  the 
name  of  romance;  and  as  those  annals  of  chivalry  contain  extra- 
vagant adventures  of  knights,  giants,  and  necromancers,  every  im- 
probable story  or  fiction  is  to  this  day  called  a  romance.3 

1  Ibid.  vol.  III,  p.  76.  —  2  Ibid.  vol.  VI,  p.  404.  —  3  Ibid.  vol.  VIII, 
p.  425.  —  4  Ibid.  vol.  X,  p.  227—228. 

5  The  works  of  Tobias  Smollett,  in  8  vol.  ed.  by  James  P.  Browne, 
London  1872,  vol.  VIII,  p.  208. 


64    Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic'  bei  Fielding  und  Smollett. 

Peregrine  Pickle,  Kap.  98,  ist  von  einem  edlen  Wohltäter 
die  Rede,  der  aber  bei  der  Allgemeinheit  nur  Undank  geerntet  hat, 
insbesondere  handelt  es  sich  darum,  dafs  er  sich  einer  unglücklichen 
Waise  angenommen  hat,  worüber  Peregrine  berichtet:  Indeed  the  cir- 
cumstanse  of  his  espousing  that  cause  was  so  uncommon  and  ro- 
mantic, and  the  depravity  of  the  human  heart  so  universal,  that  some 
people,  unacquainted  with  his  real  character  imagined  his  views  were 
altogether  selfish.1 

Count  Fathom,  Kap.  15,  schreibt  Wilhelmine  in  einem  Brief 
an  Fathom,  der  angeblich  in  einer  grofsen  Geldverlegenheit  ist,  dafs 
sie  ihm  eine  Goldkette  zur  Verfügung  stellen  könne,  und  fügt  hinzu: 
. .  .  nor  seek  from  a  too  romantic  notion  of  honour,  which  I  know 
you  entertain  to  excuse  yourself  from  excepting  this  testimony  of 
my  affection.2 

Ebenda,  Kap.  27:  Die  Eindrücke,  die  Fathom  bei  seiner 
Landung  in  England  empfängt,  werden  zusammengefafst  in  den 
Satz:  In  a  word  he  beheld  the  wide-extended  plains  of  Kent  with  a 
lover's  eye  and  his  ambition  becoming  romantic,  could  not  help  fancy- 
ing  himself  another  conqueror  of  the  isle.3 

Ebenda,  Kap.  39:  Captain  Minikin  macht  Fathom  mit  den 
Insassen  des  Schuldgefängnisses  bekannt;  unter  diesen  ist  ein  Sir 
Mungo  Barebones,  der  von  dem  Wahne  verfolgt  wird,  dafs  er  alle 
Heiden  und  Juden  bekehren  müsse.  Auch  Captain  Minikin  selbst 
ist  von  ihm  angesteckt  und  fügt  daher  hinzu:  . .  .  and  if  he  could 
raise  by  in*cription  such  a  trifling  sum  as  twelve  hundred  thousand 
pounds,  I  make  no  doubt  but  he  would  accomplish  his  aim,  vast 
and  romantic  as  it  seems  to  be.!i 

Humphrey  Clinker  (Brief  des  J.  Melford  vom  10.  Mai): 
his  [=  Mr.  Serle's]  fortune  which  was  originally  small,  has  been 
greatly  hurt  by  a  romantic  spirit  of  gener  osityj* 

Ebenda  (Brief  J.  Melfords  vom  11.  Juni)  ist  die  Rede 
von  einem  Burschen,  der  eine  Anklage  gegen  Clinker  wegen  Strafsen- 
raubes  entkräftigen  will:  Surely  the  fellow  would  not  be  so  romantic 
as  to  take  the  robbery  upon  himself/6 


1  Ibid.  vol.  IV,  p.  414.  —  2  Ibid.  vol.  V,  p.  82.  —  3  Ibid.  vol.  V, 
p.  185.  —  4  Ibid.  vol.  V,  p.  269.  --  5  Ibid.  vol.  VII,  p.  93.  —  6  Ibid. 
vol.  VII,  p.  212. 


Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic'  bei  Fielding  und  Smollett.    G5 

2)  in  Bezug  auf  Naturscenen  bedeutet  romaniic  für  Smollett 
soviel  wie  schön.  Öfter  gebraucht  er  das  Wort,  ohne  Merkmale  einer 
solchen  romantischen  Landschaft  anzugeben,  nur  um  sein  Wohl- 
gefallen damit  auszudrücken.  Wenn  er  etwas  ausführlich  wird,  er- 
wähnt er  Felsen,  Ströme,  Schluchten,  auch  die  Einsamkeit;  das  Nähere 
zeigen  die  einzelnen  Beispiele: 

Peregrine  Pickle,  Kap.  18:  After  tea  Mifs  Emy  proposed 
an  evening  walk,  which  they  enjoyed  through  a  variety  of  little 
copses  and  lawns,  watered  by  a  most  romantic  stream  that  quite  en- 
chanted  the  imagination  of  Peregrine.1 

Ebenda,  Kap.  40:  ...  one  of  the  gentlemen,  whose  friend- 
ship  Peregrine  cultivated,  frankly  owned  he  was  in  possession  of  a 
most  romantic  place  in  one  of  the  provinces  and  deeply  enamoured 
of  a  country  life.2 

Humphrey  Clinker  (Brief  der  Lydia  Melford  vom 
20.  April):  We  set  out  for  Bath  to-morrow,  and  I  am  almost  sorry 
for  it,  as  /  begin  to  be  in  love  with  solitude,  and  this  is  a  charming 
romantic  place.3 

Ebenda  (Brief  J.  Melfords  vom  1.  Juli):  Scarborough 
though  a  paltry  town,  is  romantic  from  its  Situation  along  a  cliff 
that  overhangs  the  sea.k 

Ebenda  (Brief  desselben  vom  18.  Juli):  ...in  the  evening 
[we]  arrived  at  this  metropolis  [=  Edinburgh],  of  which  I  can  say 
very  little.  It  is  very  romantic,  from  its  Situation  on  the  declivity 
of  a  hill,  having  a  fortified  castle  at  the  top,  and  a  royal  palace  at 
the  bottom.3 

Ebenda  (Brief  desselben  vom  3.  September),  von  den 
Hebriden:  These  last  are  now  lying  before  me,  to  the  amount  of 
some  hundreds,  scattered  up  and  down  the  Deucaledonian  sea,  afford- 
ing  the  most  picturesque  and  romantic  prospect  I  ever  beheldfi 

Ebenda  (in  demselben  Brief)  ...  the  banks  of  the  lake 
[=  Longh  Lornond]  are  agreeably  romantic  beyond  all  conception.7 

Ebenda  (Brief  von  Matthew  Bramble  aus  Cameron, 
28.  August):  A  very  little  above  its  source  [=  des  Leven],  on  the 


1  Ibid.  vol.  III,  p.  129.  —  2  Ibid.  vol.  III,  p.  286.  —  3  Ibid.  vol.  VII, 
p.  32.  —  *  Ibid.  vol.  VII,  p.  249.  —  5  Ibid.  vol.  VII,  p.  302.  —  6  Ibid. 
vol.  VII,  p.  332.  —  7  Ibid.  vol.  VII,  p.  336. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  5 


66    Die  Bedeutung  des  Wortes  'romantic'  bei  Fielding  und  Smollett. 

lake  [=  Longk  Lornond],  Stands  the  house  of  Cameron,  belonging 
to  Mr.  Smollett,  so  embosomed  in  an  oak  wood,  tbat  we  did  not  see 
it  tili  we  were  within  fifty  yards  of  the  door.  I  bave  seen  the  Lago 
di  Garda,  Albano,  De  Vico,  Bolsena,  and  Geneva,  and  upon  niy 
honour,  I  prefer  Lough  Lomond  to  thera  all:  a  preference  which  is 
certainly  owing  to  the  verdant  islands  that  seem  to  float  upon  it^ 
surface,  affording  the  raost  enchanting  objects  of  repose  to  the  ex- 
cursive  view.  Nor  are  the  banks  destitute  of  beauties,  which  even 
partake  of  the  sublime.  On  this  side  they  display  a  sweet  variety 
of  wood-land,  corn-field,  and  pasture,  with  several  agreeable  villas, 
emerging,  as  it  were,  out  of  the  lake,  tili,  at  some  distance,  the  pro- 
spect  terminates  in  huge  mountains  covered  with  heath,  which  being 
in  bloom,  affords  a  very  rieh  covering  of  purple.  Every  thing  here 
is  romantic  beyond  Imagination.  This  country  is  justly  styled  the 
Arcadia  of  Scotland.1 

Ebenda  (von  demselben,  6.  September),  von  derselben 
Gegend:  Above  that  house  [of  Cameron]  is  a  romantic  glen  or  elift 
of  a  mountain,  covered  with  hanging  woods,  having  at  bottom  a 
stream  of  fine  water,  that  forms  a  number  of  cascades  in  its  descent 
to  join  the  Leven;  so  that  the  scene  is  quite  enchanting.  A  captain 
of  a  man  of  war,  who  had  made  the  cireuit  of  the  globe  with 
Mr.  Anson,  being  condueted  to  this  glen,  exclaimed  —  'Juan  Fer- 
nandez,  by  God!'2 

Ebenda  (Brief  der  Lydia  Melford  vom  7.  September 
aus  Glasgow):  The  people  are  very  courteous;  and  the  country 
being  exceedingly  romantic,  suits  my  tum  and  inclinations.3 


1  Ibid.  vol.  VII,  p.  350.  —  2  Ibid.  vol.  VII,  p.  353.  -  3  Ibid.  vol.  VII, 
p.  363. 

Berlin.  Gustav  Becker. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

[Fortsetzung  statt  Schlufs.] 


III. 

Nachdem  die  von  Tillier  geleitete  Zeitung  ein  so  unerwünsch- 
tes vorzeitiges  Ende  genommen,  Avar,  was  er  bei  ihrer  Über- 
nahme zwei  Jahre  zuvor  von  sich  gerühmt  hatte:  dafs  seine 
Feder  frei  sei  wie  die  des  Vogels  in  der  Luft,  erst  bittere 
Wirklichkeit  geworden;  auf  den  unsicheren  Ertrag  seiner  Schrift- 
stellerarbeit sah  er  sich  fortan  für  seinen  und  der  Seinigen  Unter- 
halt angewiesen.  Aber  er  war  einer  von  denen,  die  nicht  leicht 
verzagen.  Er  eröffnete  eine  Subskription  auf  eine  Serie  von 
24  Pamphleten,  dann  eine  zweite  auf  12,  die  er  nicht  mehr  zu 
Ende  bringen  sollte.  Die  Zahl  seiner  Abonnenten  gibt  er  1844 
auf  ein-  bis  anderthalbtausend  an;  die  Einnahme  genügte  für 
die  bescheidenen  Bedürfnisse  der  Familie.  In  der  ersten  dieser 
Flugschriften:  Comment  V Association peut  etre  remplacee,x  spricht 
er  sich  über  Nutzen,  Absicht  und  Form  des  Unternehmens  aus. 
Das  Eingehen  der  'Association'  hat  eine  Lücke  gelassen;  die  früher 
über  ihre  vermeintlichen  Heftigkeiten  am  lautesten  schrien,  sind 
jetzt  die  ersten,  so  behauptet  Tillier,  ihr  Verschwinden  zu  be- 
klagen. Einige  andere  freilich  äufsern  die  Ansicht,  eine  solche, 
die  Opposition  vertretende  Zeitung  sei  recht  gut  zu  entbehren; 
für  die  Raucher  des  Departements  genüge,  um  sich  ihre  Cigarre 
anzuzünden,   das  Papier   des   Präfekturblattes,    das   'Echo   de   la 

1  Sie  ist  am  7.  Juli  1843  erschienen,  und  die  nächsten  scheinen  mit 
ziemlich  kurzen  Abständen,  vielleicht  wöchentlich  eine,  gefolgt  zu  sein. 
Vgl.  die  'Bibliographie'  in  den  kürzlich  erschienenen  Etudes  sur  Claude 
Tillier,  Premiere  Serie,  par  Marius  Gerin.     Paris  1902. 

5* 


68  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

Nievre'.  Das  ist  gar  nicht  Tilliers  Meinung.  Er  setzt  den  Nutzen 
einer  oppositionellen  Zeitung  auseinander,  der  nicht  nur  in  dem 
liegt,  was  sie  wirklich  sagt,  sondern  auch  darin,  was  sie  sagen 
könnte : 

L'arbitraire  est  un  poltron  hargneux:  le  titre  seul  d'un  Journal  le  fait 
reculer,  comme  avec  un  pistolet  non  charge"  vous  faites  quelquefois  reculer 
un  voleur.  Prenez  une  fenille  de  papier;  badigeonnez-la  d'un  peu  de 
politique,  et  comme  ces  cränes  de  rögiment  qui  se  fönt  appeler  Bras-de- 
Fer,  Sans-Quartier,  Mange-Monde,  Brise-Montagne,  appelez-vous  le  Patriote, 
V Impartial,  V  Independant,  vous  ferez  une  peur  terrible  ä  l'administration : 
vous  ne  l'empecherez  pas  de  toucher  ses  appointements,  mais  vous  trou- 
blerez  sa  digestion,  vous  lui  ferez  faire  de  mauvais  reves;  et  du  diable  si, 
en  votre  presence,  eile  s'avise  de  maltraiter  qui  que  ce  soit! 

Dankbar  sogar  müfsten  die  Angegriffenen  einem  solchen 
Blatte  sein,  das  für  sie  eine  Schutzwehr  (garde-fou)  ist,  die  sie 
davor  bewahrt,  ganzlich  in  Lächerlichkeit  und  Absurdität  zu  ver- 
fallen. 

So  wäre  es  natürlich  das  richtigste,  eine  neue  Zeitung  zu 
schaffen.  Hieran  aber  kann  der  mittellose  Tillier  nicht  denken. 
Der  Stempel  und  die  durch  die  berufenen  Septembergesetze,  nach 
dem  Fieschischen  Attentat,  erhöhte  Kaution  hatten  seit  1835  in 
Frankreich  Zeitungsunternehmungen  sehr  erschwert. 

Nous  avons  la  petite  vanite,  nous  autres  Francais,  de  nous  croire  le 
peuple  le  plus  civilise  du  monde,  et  cependant,  cbez  nous,  l'hoinme  pauvre, 
füt-il  plein  des  verit^s  les  plus  utiles  et  les  meilleures  ä  dire,  n'est  qu'une 
boite  ferm^e. 

Was  Tillier  sonst  noch  über  die  Gefährlichkeit  dieses  Ge- 
werbes sagt,  ist  übertrieben.  Dieselben  Septembergesetze  hatten 
allerdings  auch  das  Gebiet  straffreier  Prefsvergehen  einzuschränken 
gesucht,  aber  gerade  in  den  ersten  vierziger  Jahren  liefsen  die 
Geschworenen  unter  anderem  die  unflätigsten  Angriffe  Armand 
Marrasts  auf  Louis  Philippe  wiederholt  ohne  die  gebührende  Be- 
strafung. Das  wesentliche  Hindernis,  das  Tillier  die  Gründung 
einer  neuen  Zeitung  unmöglich  macht,  bleibt  eben  seine  Armut. 
Auf  sie  kommt  er  daher  in  seiner  Erörterung  von  neuem  zurück. 
Und  da  auch  der  Gedanke,  eine  kleine  Aktiengesellschaft  unter 
seinen  Freunden  zusammenzubringen,  unausführbar  geblieben  ist, 
so  fragt  sich  Tillier,  ob  er  nicht  am  besten  mit  den  alten  Gegnern 
in  Nevers,  mit  dem  Bischof,  mit  Herrn  Avril,  der  die  'Association' 


Claude  Tillier  als  Pamphletisf.  69 

zu  Falle  gebracht,  seinen  Frieden  machte,  wenn  sie  jeder  nur 
3000  fr.  für  die  neue  Zeitung  beisteuern  wollten.  Auch  an  die 
Aristokratie  seiner  Heimat  Clamecy  hat  er  gedacht, 

de  Clamecy,  champ  fecond  en  epis,  mais  oü  croit  une  poign^e  de 
grands  imbeziles  de  pavots,  qui  veulent  absolument  Clever  leur  t§te  rouge 
et  inodore  par  dessus  les  bl£s. 

Aber  im  Anblick  des  seinem  Witze  so  willkommenen  Herrn 
Paillet   sind  ihm   solche  Friedensanwandlungen   leicht  vergangen; 

ma  förocite*  naturelle  les  a  surmontees.  Selon  aucuns,  je  suis  une  bete 
f^roce:  tout  ce  qui  me  distingue  de  la  race  feline,  c'est  ma  pipe  et  mon 
paletot;  or,  une  bete  feroce  ne  vend  pas  sa  proie,  surtout  quand  eile  est 
grasse  comnie  celle  que  je  tiens  sous  ma  griffe. 

Und  doch,  trotz  allem,  was  entgegensteht,  mufs  die  Furche, 
die  die  ' Association'  begonnen  hat,  weitergezogen  werden: 

il  reste  devant  nous  de  grands  espaces  en  friche  ä  f^conder;  quand 
je  n'y  ferais  croitre  qu'un  epi,  je  ne  eroirais  pas  avoir  perdu  ma  peine. 
Je  me  suis  fait  l'ouvrier  du  peuple,  et  tant  qu'il  me  battra  un  peu  de 
sang  dans  les  veines,  je  n'abandonnerai  pas  ma  täcbe. 

Und,  er  will  es  gar  nicht  verhehlen,  im  Grunde  ist  es  nicht 
so  sehr  politisches  Pflichtgefühl,  was  ihn  antreibt,  sondern  die 
Freude  an  diesem  Kampfe  gegen  die  'triviale'  Herrschaft  der 
Reichen.  Er  war  nur  eine  kleine  Mücke,  als  er  gegen  das  gröfste 
Tier  (le  plus  gros  animal)  dieses  Systems,  gegen  den  König  von 
Clamecy,  Herrn  Dupin  den  Alteren  anging;  damals  hätte  viel- 
leicht der  arme  Schulmeister  einen  goldenen  Bakel  erlangen  kön- 
nen, wenn  er  seine  Fahne  hätte  aufgeben  wollen: 

mais  le  plat  et  monotone  bonheur  du  riche  ne  me  convient  point; 
c'est  le  ciel  bleu  de  l'Egypte  que  ne  traverse  aueun  nuage ;  c'est  le  souffle 
toujours  tiede  que  l'eternel  printemps  vous  jette  ä  la  face;  c'est  l'eternel 
cantique  que  les  elus  cbantent  dans  le  paradis,  toujours  sur  le  menie  air; 
c'est  l'immuable  sourire  d'une  statue  qui  vous  regarde  toujours  du  meine 
oeil,  et  que  parfois  vous  souffletteriez. 

Tillier  siud  diese  Kämpfe  für  die  politisch  Unterdrückten 
unentbehrlich.  Wäre  ihm  seine  Waffe,  die  Feder,  genommen, 
dann  würde  sein  Leben  leer  und  langweilig  sein  wie  das  eines 
pensionierten  Hauptmanns;   er   müfste   an  der  Fettsucht  sterben. 

Also  durch  eine  Folge  von  Pamphleten  will  er  zwar  nicht 
die  eingegangene  Zeitung  ersetzen,  aber  doch  zunächst  die  ge- 
lassene Lücke  zur  Not  ausfüllen.    Wovon  er  sprechen  wird,  weifs 


70  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

er  selber  noch  nicht  recht.  Er  wird,  wie  ein  auf  Abenteuer  aus- 
ziehender Ritter,  seinen  Weg  erst  suchen,  nachdem  er  im  Sattel 
sitzt.  Inzwischen  sagt  schon  der  Titel,  den  er  für  seine  Flug- 
schriften gewählt  hat:  'De  choses  et  d'autres',  dafs  er  alle  Gegen- 
stände berühren  wird,  die  ihm  zugänglich  und  für  seine  Leser 
passend  sind.  Und  hier  wird  er  sogar  einen  Mangel  der  früheren 
Zeitung  ergänzen  können,  er  wird  auch  ganz  lokale  Angelegen- 
heiten behandeln.  Gern  wird  er  ihm  zugehende  Notizen  auf- 
nehmen und  verarbeiten.  Wenn  solche  Zuschriften  für  ein  Pam- 
phlet nur  irgeud  verwendbar  sind,  sollen  sie  einen  Ehrenplatz 
darin  erhalten.  Und  er  fügt  die  für  den  Schriftsteller  Tillier 
besonders  bezeichnenden  Worte  hinzu: 

II  n'est  pas  besoin  pour  cela  qu'elles  prerment  l'habit  babille  d'un 
beau  style  et  qu'elles  soieut  brod^es  de  brillantes  m£taphores.  Ne  vous 
genez  pas,  adressez-les-moi  telles  qu'elles  seront  tombees  de  votre  plume. 
Vous  savez  que  pour  faire  un  civet  il  faut  un  lievre;  or,  envoyez-moi  lc 
lievre,  et  je  vous  ferai  le  civet. 

Zum  Schlufs  weist  er  noch  den  albernen  Vorwurf  zurück, 
dafs  er  für  Geld  schreibe;  denn  ebensowenig  wie  irgend  eine 
andere  Arbeit  wird  diese  durch  ihren  Lohn  entwürdigt.  Er  ge- 
hört nun  einmal  leider  zu  der  grofsen  Menge  derer,  die  von 
ihrer  Arbeit  leben  müssen;  und  da  er  nichts  versteht,  als  seine 
Sprache  leidlich  zu  schreiben,  so  mufs  er  eben  schreiben,  um  zu 
leben.  Wenn  er  nicht  so  viel  bringen  wird  wie  die  'Association', 
so  werden  dafür  seine  Pamphlete  auch  nicht  allerlei  überflüssigen, 
gleichgültigen  Notizenballast  mitschleppen,  von  dem  jede  Zeitung 
umgeben  ist  wie  die  Melone  von  ihrer  Schale,  um  so  dicker,  je 
schlechter  die  Zeitung  und  die  Melone  ist.  Wer  übrigens  nur 
auf  Silbenzahl  und  Papier  abonnieren  will,  kann  sich  ja  an  das 
Regierungs-  und  Priesterblatt,  das  'Echo  de  la  Nievre'  halten. 

Gleich  das  erste  seiner  Pamphlete  zeigt  uns  Tillier  in  über- 
mütigster Angriffslust.  Es  ist  gegen  den  Klerus,  vor  allem 
gegen  den  neuen  Bischof  gerichtet,  der  vor  kurzem  erst,  am 
21.  März  1843,  in  Nevers  eingezogen  war. 

In  den  ersten  Jahren  der  revolutionären  Monarchie  mufste 
der  französische  Klerus  sich  sehr  zurückhalten,  und  noch  längere 
Zeit  dann  blieb  er  voll  Mifstrauen  gegen  die  neue  Regie- 
rung.    Nachdem    er   aber,   etwa  seit  1837,   der  veränderten  poli- 


Claude  Tillier  als  Famphletist.  71 

tischen  Lage  sich  anzupassen  begonnen  hatte,  gewann  er  über- 
raschend schnell  seinen  alten  Einfluß»  zurück;  seit  1839  liefs  die 
Kegierung  wieder  eifrig  ultramontane  Priester  die  bischöflichen 
Stühle  einnehmen.  Zu  ihnen  gehörte  auch  der  neue  Bischof  von 
Nevers,  M^1  Dominique-Augustin  Dufetre.  Er  war  ein  ansehn- 
licher Verwalter  seines  hohen  geistlichen  Amtes.  Die  sinnen- 
umfangende mystische  Pracht  des  katholischen  Kultus  hatte  einst 
schon  das  Auge  des  Kindes  entzückt  und  den  Knaben  gegen 
den  Wunsch  des  Vaters  in  den  Dienst  der  Kirche  gezogen;  und 
wie  er  sich  in  jenen  jungeu  Jahren  unter  den  anderen  Chor- 
knaben durch  anmutige  Gewandtheit  hervortat,  so  blieb  ihm  zeit 
seines  Lebens  die  Neigung  und  ein  besonderes  Geschick  zu 
würdevoller  Ausübung  der  heiligen  Amtshandlungen.  Auch  sein 
religiöses  Gefühl  war  von  Anfang  an  lebhaft  und  unbedenklich 
allen  traditionellen  Glaubensformen  zugewendet;  und  als  sehr 
bald  in  ihm  die  Gabe  starker  persönlicher  Wirkung  durch  freie 
Ansprache,  zumal  vor  grösseren  Zuhörermassen,  sich  zeigte,  da 
wurde  es  lange  Jahre  hindurch  sein  leidenschaftlich  geübter  Beruf, 
als  Missionsprediger  und  Leiter  von  Andachtsübungen  den  kirch- 
lichen Glauben  in  einer  überwiegend  unkirchlich  gesinnten  Zeit 
bei  Laien  und  Priestern  neu  zu  beleben. 

Alle  äufseren  Mittel  des  Redners  hatte  er  völlig  in  seiner 
Gewalt.  Wenn  sein  Wort  von  der  Kanzel  oder  auf  freiem  Platz 
eine  oft  nach  Tausenden  zählende  Zuhörermenge  mühelos  be- 
herrschte, dann  konnten,  solange  sie  ihn  hörten,  auch  feinere 
Geister  dem  starken  Eindruck  dieser  strömenden  Redekraft  sich 
nicht  entziehen.  Erst  die  ruhig  zurückkehrende  Erinnerung 
fand,  dafs  das  Gehörte  seine  rasch  zündende  Wirkung  nicht 
gerade  aus  seinem  Gehalt,  sondern  zunächst  durch  den  Ton  und 
Vortrag  des  Redners  empfing.  Daher  auch  blieb  seine  in  so 
vielen  Diözesen  Frankreichs  mit  Beifall  aufgenommene  Predigt 
in  dem  anspruchsvolleren  Paris,  das  noch  dazu  gerade  damals 
diu  A\  geistliche  Redner  wie  Lacordaire  und  Ravignan  verwöhnt 
war,  ohne  merkliche  Wirkung.  Den  feineren  Forderungen  eines 
zweifelnden,  suchenden  religiösen  Bedürfnisses  konnte  sie  doch 
nur  wenig  genügen. 

Dieser  Mann,  der  die  'pre'dication  exterieure  ou  apostolique', 
die  Lacordaire   als   seinen  Lebensberuf  bezeichnete,  in    der  Pro- 


72  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

vinz  jahrelang  mit  so  grofsem  Erfolg  ausübte,  dafs  man  ihn 
geradezu  den  provinzialen  Lacordaire  seiner  Zeit  nennen  kann, 
war  von  Natur  nicht  auf  tiefere  Gedankenarbeit,  sondern  auf 
energisches  Schaffen  in  praktischer  Tätigkeit  augelegt.  Stark 
und  hoch  gewachsen,  von  männlich  schöner  Körpergestalt,  fühlte 
er  vor  allem  das  Bedürfnis,  immer  umgetrieben,  unablässig  im 
Dienst  seiner  Kirche  beschäftigt  zu  sein.  Der  sichtbare  prak- 
tische Erfolg  zunächst  war  auch  das  Ziel  seiner  Predigt,  die  vor 
aller  Augen  sich  darstellende  Zurückführung  gleichgültig  gewor- 
dener Massen  in  den  Schofs  der  kirchlichen  Mutter.  Wenn  nach 
mehrwöchigen  von  ihm  geleiteten  Andachtsübungen  Tausende 
zur  Kommunion  sich  drängten,  wenn  als  Ertrag  eines  Missions- 
feldzuges gegen  unmoralische  Bücher  und  bildliche  Darstellungen 
ein  Scheiterhaufen  aus  Bänden  Voltaires  und  anderer  unfrommer 
Schriftsteller  des  18.  Jahrhunderts,  von  den  Neubekehrten  auf 
öffentlichem  Platze  aufgestapelt,  vor  ihm  stand,  dann  war  er  wie 
ein  siegreicher  Feldherr  der  getanen  Arbeit  von  Herzen  froh. 

Aber  auch  die  raschen  Eroberungen  dann  durch  geistliche 
Stiftungen  auf  längere  Dauer  äufserlich  zu  befestigen,  verstand 
er  wie  wenige  sonst.  Waisenhäuser,  Rettungshorte,  Vereine  wohl- 
tätiger Frauen  verdankten  in  den  Städten,  die  er  besuchte,  dem 
Unermüdlichen  ihr  Entstehen.  Als  bischöflicher  Bauherr  vor 
allem,  als  Gründer  oder  Wiederbeleber  von  Instituten,  die  der 
Wohltätigkeit,  der  Priester-  und  Volkserziehung  gewidmet  waren, 
ist  er  in  seiner  Bischofsstadt  den  Nachlebenden  in  der  Erinne- 
rung geblieben.  Im  amtlichen  Verkehr  mit  seinen  Untergebenen 
war  er,  wie  das  energisch  und  rasch  handelnde  Männer  ja  leicht 
ankommt,  oft  schroff  und  verletzend,  ebenso  schnell  aber  auch 
bereit,  die  Aussöhnung  der  unversehens  Gekränkten  zu  suchen ; 
mit  der  Zeit  konnten  doch  alle  unter  der  scharfen  Schale  den  Kern 
angeborener  Herzensgüte  und  treuer  Fürsorge  an  ihrem  Ober- 
hirten erkennen.  Es  trifft  sich  eigen,  wie  auch  von  ihm  der  an 
Tillier  erinnernde  Zug  erwähnt  wird,  dafs  er  unter  Freunden  unge- 
zwungen heiter  und  liebenswürdig  zu  sein  pflegte,  gegen  Ferner- 
stehende aber  leicht  eine  etwas  schroffe  Würde  herauskehrte.  Er 
war  im  Grunde  ein  guter,  lebensfrischer  Mann,  vom  hohen  Wert 
und  Ernst  seines  geistlichen  Amtes  ganz  erfüllt,  aber  auch  un- 
ermüdlich in  der  praktischen  Übung  christlicher  Pflichten. 


Claude  Tillier  als  PamplleÜBt.  73 

Diese  schlicht  menschlichen  Seiten  seines  Wesens  jedoch  er- 
kannten selbst  unbefangene  und  wohlwollende  Beobachter  erst 
mit  der  Zeit  an  dem  neuen  geistlichen  Würdenträger;  Tillier  aber 
war  zunächst  nur  überaus  kritisch  gestimmt  und  voll  Argwohn. 
Der  prächtige  Einzug  am  21.  März,  überhaupt  das  theatralisch 
imposante  Auftreten  des  neuen  Bischofs  in  der  Öffentlichkeit 
erregten  in  ihm,  dem  ein  formloses  Wesen  im  Verkehr  natür- 
lich war,  Widerwillen  und  offenen'  Spott.  Die  hastigen  Lob- 
reden des  rEcho  de  la  Nievre'  taten  das  ihre,  diese  Stimmung 
zu  steigern.  Acht  Tage  nach  seinem  Einzüge  besuchte  der  neue 
Bischof  das  College  von  Nevers,  ein  Ereignis,  versicherte  das 
Echo,  das  in  den  Fasten  dieser  Anstalt  Epoche  machen  werde: 
alle  Anwesenden  seien  unter  dem  Zauber  der  hinreifsend  unge- 
zwungenen Rede  M-1  Dufetres  geblieben.  Die  Attribution  der 
'eloquence  abondante  et  facile'  bleibt  seitdem  in  Tilliers  Pam- 
phleten dem  Gegner  angeheftet  wie  das  Beiwort  eines  homerischen 
Helden;  und  das  Geständnis  des  gerührten  Verfertigers  eines 
noch  überschwenglicheren  Berichtes  derselben  Echo-Nummer,  er 
sei  durch  des  Bischofs  rednerische  Gaben  an  den  heiligen  Vin- 
cenz  von  Paula  und  an  Fenelon  zugleich  erinnert  worden,  wird 
ebenso  von  Tillier  später  reichlich  ausgebeutet. 

An  dem  Ereignis  aber,  das  Tillier  den  Stoff  zu  seinem  ersten 
Pamphlet  gegen  Mul  Dufetre  lieferte,  der  feierlichen  Einführung 
einer  neuen  Heiligen,  Flavia,  in  die  Kathedrale  Saint-Cyr  von 
Nevers  im  Juni  1843,  war  der  Bischof  nur  mitwirkend,  wenn 
auch  vermöge  seines  hohen  geistlichen  Amtes  natürlich  an  erster 
Stelle  beteiligt.  Nicht  ihm,  sondern  dem  Generalvikar  Abbe" 
Gaume  verdankte  die  Kirche  den  Erwerb  dieser  Märtyrerreste. 
Sie  waren  im  Jahre  1838  in  Rom  in  den  Katakomben  der  hei- 
ligen Priscilla  entdeckt  worden;  der  Name  Flavia,  den  der  Sarg 
trug,  genügte  dem  glaubenseifrigen  Abbe,  die  Inhaberin  dem  be- 
kannten Geschlechte  der  römischen  Kaiser  zuzuweisen,  und  das 
kleine  Bronzegefäfs,  in  welchem  nach  damals  allgemeiner  An- 
nahme Blut  der  Gemarterten  aufbewahrt  wurde,  gab  ihm  auch 
die  Gewifsheit,  dafs  diese  Flavia  als  Christin  für  ihren  Glauben 
eines  gewaltsamen  Todes  gestorben  war.  Er  erbat  und  erlangte 
im  März  1842  vom  Papst  Gregor  XVI.  die  Gebeine,  welche 
man  noch  gefunden  hatte,   für  eine  Kapelle   der  Kathedrale  von 


74  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

Nevers  und  erhielt  dann  auch  über  die  Echtheit  der  Reliquien 
ein  apostolisches  Zeugnis,  das  er  am  21.  Juni  1843  dem  Bischof 
Dufetre  überreichte.  Nachdem  durch  Bischof  und  Kapitel  die 
päpstlichen  Briefe  geprüft  und  ordnungsgemäfs  befunden,  mithin 
jeder  Zweifel  ausgeschlossen  war,  wurde  die  neue  Heilige  am 
Peter-Paulstage  (29.  Juni)  früh  um  sieben  Uhr  in  grofser  Pro- 
zession aus  dem  bischöflichen  Palast  in  die  Kathedrale  über- 
führt; man  hatte  ein  Wachsbild  anfertigen  lassen,  dem  in  Kopf, 
Brust,  Händen  und  Füfsen  die  meisten  Gebeine  eingefügt  waren. 
M«r  Dufetre  celebrierte  die  Messe  und  unterrichtete  die  Gemeinde 
von  Saint-Cyr  über  die  Herkunft  ihrer  neuen  heiligen  Flavia. 
Dann  blieb  sie  noch  neun  Tage  der  Verehrung  der  Gläubigen 
ausgestellt.  * 

Sehr  lebendig,  in  behaglichster  Laune  führt  uns  der  Eingang 
des  Pamphlets  Sa  inte  Flavie  diese  öffentliche  Reliquienweihe 
vor  Augen.  Über  quälenden  Gedanken  ist  Tillier  des  Morgens 
erwacht  und  hat  sich  daher  zu  einer  Pilgerfahrt  nach  Saint-Cyr 
aufgemacht;  wenn  er  noch,  wie  1841,  nie  Saint-Martin  wohnte, 
dauerte  sie  nur  wenige  Minuten.  Da,  wie  er  der  Place  Ducale 
(dem  Platz  vor  dem  alten  Herzogsschlosse,  wo  heute  seine  Büste 
steht)  näher  kommt,  tönt  Chorgesang  an  sein  Ohr;  neugierig  tritt 
er  heran: 

deux  raugees  de  femmes  de  toutes  couleurs  et  aussi  de  toute  vertu, 
formaieut,  sur  la  place  Ducale,  comme  deux  haies  en  fleurs  au  milieu 
d'une  prairie,  un  gracieux  chemin  de  traverse.  Au-dessus  de  ces  gazes  et 
de  ces  rubaus,  la  mitre  de  M.  Dufetre  elevait,  avec  une  grande  majes?t£, 
son  double  pignon,  et  le  bec  de  corbin  de  sa  canne  episcopale  resplen- 
dissait  au  soleil,  entoure  d'une  plelade  de  tonsures.  C'6tait  le  chapitre 
qui  se  livrait  ä  la  fatigante  manceuvre  de  la  procession. 

Er  nähert  sich  noch  mehr  und  erkennt  nun  ein  schönes  junges 
Mädchen  aus  Wachs,  getragen  auf  einer  prächtigen  Sänfte,  die 
mit  acht  stämmigen  Priestern  im  reichen  Geschirr  ihrer  Meis- 
gewänder bespannt  ist.  Sie  ist  in  scharlachfarbenen  Sammet  ge- 
kleidet und  trägt  eine  blonde,  von  der  geschickten  Brennschere 
eines  heimischen  Haarkünstlers  nach  Pariser  Mode  frisierte 
Perücke.  Tillier  erkundigt  sich,  wer  das  sei.  Die  ist  von  ausser- 
halb frisch  angekommen,  antwortet  eine  von  den  kecken  Frauen, 

1  Crosuier,  Hagiologie  Nivernaise,  Nevers  1858,  S.  241  ff. 


Claude  Tillier  als  PampMetiBt.  75 

deren  Zunge  kein  Geschlecht  hat;  eine  ehrwürdige  Matrone  aus 
der  guten  Gesellschaft  aber  reicht  ihm  eine  Broschüre  mit  den 
Worten:  Lesen  Sie,  mein  Herr,  und  bekehren  Sie  sich.  Und  er 
liest  in  der  von  Abbe"  Gaume  verfafsten  Schrift,  dafs  auf  die 
Frage,  wer  sie  sei,  die  schöne  Unbekannte  antworten  würde:  ich 
komme  aus  der  heiligen  Stadt  der  Märtyrer,  ich  heifse  Flavia. 
Schon  dieser  Name,  sagt  der  Verfasser  weiter,  die  Lage,  in  der 
die  Heilige  in  den  Katakomben  gefunden  wurde,  die  historischen 
Anhaltspunkte  —  alles  kommt  zusammen,  um  die  Behauptung 
zu  rechtfertigen,  dafs  unsere  hochherrliche  Märtyrerin  zur  Familie 
der  Flavier  gehört,  der  kaiserlichen  Familie,  welcher  Titus,  Ves- 
pasian,  Domitian  entsprossen  sind. 

Dieses  Ursprungszeugnis  scheint  Tillier  etwas  dürftig  zu 
sein.  Er  sucht  darum  später  die  neue  Heilige  selber  auf,  kniet 
vor  ihrem  Schrein  nieder  und  beginnt  sich  mit  ihr  über  ihre 
Herkunft  und  die  Beweise  ihrer  Identität  zu  unterhalten : 

Je  vous  prie,  madame,  de  ne  point  prendre  en  maiivaise  part  la 
question  que  je  vais  vous  faire;  eile  ne  m'est  inspiree  que  par  le  vif  in- 
t£ret  que  je  vous  porte:  en  vous  voyant  si  belle  et  surtout  si  bien  coifffo, 
im  protestant   hü-meme  vous  adorerait.     Jugez  donc  si  moi   qui  suis  .  . . 

Pas  tant  de  compliments,  monsieur!  me  repondit  la  belle  inconnue; 
me  prenez-vous  pour  une  grisette?     Allons  au  fait,  s'il  vous  plait. 

Eh  bien!  oui,  madame,  allons  au  fait. 

Und  es  folgt  eine  aus  Spott  und  Ernst  gemischte  Erörte- 
rung Claude  Tilliers  über  die  kecken  historischen  Behauptungen 
und  Schlüsse  des  Abbe"  Gaume.  Er  schliefst  sie  mit  der  Be- 
merkung, dafs  er  an  Stelle  der  Heiligen  dem  Abbe'  wenig  dank- 
bar sein  würde  für  die  von  ihm  behauptete  greuliche  Herkunft 
und  für  die  Verwandtschaft  mit  Domitian, 

comme  si  la  rose  et  la  cigue  pouvaient  crottre  sur  la  meme  tige!  . . . 
quand  ;1  viendrait  me  dire  devant  ma  chässe: 

'Depuis  longtemps  je  r^pands  mon  äme  en  votre  presence,  vous  sup- 
pliant,  etc.  etc.'  je  lui  repondrais :  M.  Gaume,  allez  repandre  votre  ,äme 
ailleurs. 

Apprenez,  monsieur,  me  repondit  la  vierge,  que  je  ne  fais  de  mal- 
honn&tetes  ä  personne. 

Eh  bien  1  soit,  madame !  que  M.  Gaume  repande  son  äme  devant  vous 
tant  qu'il  lui  plaira;  mais,  franchement,  est-ce  que  vous  faites  des  mi- 
racles? 

Certainement,  monsieur,  me  repondit-elle. 


76  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

Damit  wendet  sich  die  Unterhaltung  der  Wundertätigkeit 
der  neuen  Heiligen  zu.  Zunächst  rasch  einige  Stiche  Tilliers  auf 
alte  und  neue  Gegner: 

Alors,  donneriez-vous  bien  un  pcu  d'esprit  ä  VEcho  de  la  Nievrel 

Pourquoi  non,  monsieur?  est-ce  que  la  puissance  de  Dieu  n'est  pas 
infinie? 

Inspireriez-vous  bien  un  petit  discours  de  dix  minntes  au  depute" 
de  l'arrondissement  de  Cosne? 

Cela  ne  me  parait  pas  impossible ;  Dieu  a  bien  tire"  une  source  d'eau 
vive  d'un  rocher. 

Et  le  roi  de  Clamecy,  M.  Dupin  ain£,  l'homme  au  boutoir,  feriez- 
vous  bien  en  sorte  qu'ayant  parle  blanc  il  ne  dit  pas  noir?  , 

La  langue  et  la  pens^e  des  mortels  sont  entre  les  mains  de  Dieu, 
mou  eher  monsieur  Claude. 

Enfin,  madame,  pourriez-vous  elever  d'un  cran  plus  haut  M.  Dufetre 
dans  sa  propre  estime? 

Oh!  pour  cela,  monsieur,  c'est  impossible. 

Zur  Einleitung  der  nun  folgenden  Erörterung  zeigt  Tillier 
zunächst  ganz  rationalistisch  —  denn  Eationalist  war  wesentlich 
der  in  Phantasie  und  Gemüt  so  leicht  bewegliche  Mann  —  den 
religiösen  Widersinn  des  Gebetes,  wenn  es  als  besondere,  gar  ein 
Wunder  verlangende  Bitte ~ aufgefafst  wird;  und  er  warnt  zu- 
gleich die  neue  Heilige  vor  gesetzwidriger,  weil  unbefugter  ärzt- 
licher Wirksamkeit.  Zum  Beweise,  dafs  sie  von  der  Staatsanwalt- 
schaft nichts  zu  fürchten  habe,  erzählt  sie  ihm  ein  letzthin  von 
ihr  geleistetes  Wunder. 

Ces  jours  passes,  une  femme  m'amene  une  espece  de  petit  aveugle; 
eile  le  plante  ä  genoux  devant  ma  chässe,  lui  pose  un  chapelet  entre  les 
mains  et  lui  ordonne  de  r^citer.  Or,  cette  vieille  imbezile  m'avait  amene 
un  aveugle  de  bon  aloi,  et  il  fallait  que  je  lui  rendisse  la  miniere;  vous 
concevez  que  j'aurais  au  taut  aime-  qu'elle  se  füt  adressee  ä  un„oculiste. 
Quand  le  gamin  eut  bien  tourne"  et  retourne*  son  chapelet,  on  lui  met  un 
morceau  d 'Stoffe  sous  les  yeux,  et  on  lui  demande  de  quelle  couleur  eile 
est;  il  r£pond  sans  h^siter  qu'elle  est  rouge;  or,  Feto  ff  e  6tait  noire.  On 
lui  en  präsente  un  second,  un  troisieme,  un  quatrieme,  tous  les  Chiffons 
enfin  que  les  vieilles  femmes  ont  dans  leurs  poches;  toujours  ce  vilain 
petit  eraille  devinait  ä  l'envers;  et  personne  lä,  pas  le  moindre  sacristain 
pour  le  souffler!  Vous  concevez,  monsieur,  quelle  dut  etre  maconfusion! 
une  proche  parente  de  Domitien  rester  en  figure  d'äne  devant  tout  le 
public  de  la  neuvaine!  ...  Je  suais  sous  le  velours  de  ma  pourpre  comme 
si  j'eusse  eu  la  fievre  cebrale;  je  me  repentais  presque  de  m'etre  laiss^e 
faire  martyre  par  M.  Gaume,  et  s'il  se  füt  trouve  lä,  je  lui  aurais  donne 
de  ma  palme  d'or  au  visage. 


Claude  Tillier  als  Paniphletist.  77 

Quoi !  madame,  vous  vous  seriez  port^e  ä  cette  extremite* ! 

Sans  doute,  monsieur;  une  sainte  n'aime  pas  plus  qu'uu  autre  qu'on 
la  ballotte.  Heureusement,  un  bon  jeune  homme  me  vint  en  aide;  il 
s'approche  de  mon  aveugle,  et  passant  une  rose  sous  son  nerf  olfactif, 
'nion  and'  lui  dit -dl,  'qu'est  cela?'  Alors,  les  yeux  du  malade  s'illu- 
minant  tout-ä-coup,  il  repondit:  'Monsieur,  c'est  une  rose'.  C'est  ainsi 
que  je  gu£ris  ce  petit  malheureux  de  sa  cöcite.  Bon  jeune  homme,  va, 
si  jamais  tu  veux  une  place  —  dans  le  banc  d'oeuvre,  tu  peux  t'adresser 
ä  moi. 

'Voilä,  certes,  un  miracle  tres  bien  exöcuteV 

mit  diesen  Worten  spricht  Tillier  der  Heiligen  seine  Anerken- 
nung aus.  Schon  aber  hat  er  einen  neuen  Skrupel  vorzubringen. 
Es  scheint  ihm  doch  sehr  seltsam,  dafs  Gott  vorzüglich  so  vielen 
Heiligen  niederen  Ranges  die  Kraft,  Wunder  zu  tun,  verliehen 
habe,  nicht  vielmehr  den  Aposteln  oder  auch  den  alten  Vätern 
seiner  Kirche,  die  Männer  der  Tat  und  des  Gebetes  zugleich 
gewesen  sind,  die,  statt  auf  irgend  einer  Arena  fruchtlos  ihr 
Blut  zu  vergiefsen,  bis  ans  Ende  ihres  Lebens  die  zwiefache 
Last  der  kirchlichen  Verwaltung  und  der  christlichen  Predigt  ge- 
tragen haben.  Hierüber  hat  Tillier  kürzlich  auch  seinen  Schütz- 
patron, den  heiligen  Claudius,  befragt,  und  der  hat  ihm  ver- 
sichert : 

Si  Dieu  accordait  ä  une  fillette  de  vingt  ans,  sous  prötexte  qu'elle 
a  6te"  vierge,  un  privilege  qui  me  serait  refuse*  ä  moi,  vieux  saint  ä  barbe, 
qui  ai  v£cu  quatre-vingts  ans  dans  les  privations  du  cölibat  ...  je  depose- 
rais  ma  barbe  et  mon  aureole  au  pied  de  son  tröne  öternel,  et  j'irais  des 
demain  m'engager  dans  les  dragons. 

Ferner  aber  haben  die  Wunder  überhaupt  das  gewichtige 
Bedenken  gegen  sich,  dafs  sie  die  Naturgesetze  aufheben: 

les  lois  de  la  nature,  c'est  la  charte  de  l'univers,  et  je  ne  sais  trop 
si  Dieu,  alors  qu'il  en  suspend  l'execution,  ne  commet  pas  une  illegalitö; 
d'ailleurs.  c'est  sur  ces  lois  eternelles  que  la  conservation  de  la  sociöte 
est  fondee  et  que  les  lois  humaines  ont  leur  base;  il  n'y  aurait  plus  rien 
de  stable,  rien  d'assure  parmi  nous,  si  nous  avions  en  France  trois  ä 
quatre  cents  bienheureux  qui  eussent  le  privilege  des  miracles. 

Und  er  zeigt,  wie  im  Laude  die  verschiedensten  öffentlichen 
und  privaten  Verhältnisse  dadurch  verwirrt  werden  müfsten.  Nur 
um  ganz  aufserordentliche  unentbehrliche  Wirkungen  hervor- 
zubringen, sollte  Gott  allenfalls,  und  dann  durch  gewaltige,  weit- 
hin   Eindruck    machende    Wunder,    den    gesetzlichen    Naturlauf 


78  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

unterbrechen  dürfen,  nicht  aber  durch  obskure,  anfechtbare,  die 
an  das  Wunder  erinnern,  das  einmal  auch  dem  Onkel  Benjamin 
in  Mulot  gelang. l 

'Ich  habe  Sie  ausreden  lassen/  antwortet  endlich  die  Heilige; 

mais,  selon  vous,  les  martyrs,  ce  n'est  donc  que  racaille,  lors  meme  qu'ils 
reunissent  sur  leur  blason  une  couronne  de  vierge  ä,  leur  palme?  Si  teile 
£tait  votre  opiniou,  nionsieur,  vous  devriez  bien  nie  prier  de  vous  en  gue>ir. 

Das  ist  nun  in  Wahrheit  nicht  Tilliers  Meinung. 

A  Dieu  ne  plaise  que  je  veuille  rabaisser  les  martyrs!  ces  couvictions 
inflexibles  qui  meurent  plutöt  que  de  ceder,  ces  d^voiiments  qui  se  laissent 
torturer  par  le  bourreau  et  montent  d'un  pas  ferme  ä  l'echafaud,  sont, 
sans  doute,  ä  quelque  cause  qu'ils  appartiennent,  de  belles  et  grandes 
choses;  mais  enfin,  ces  martyrs,  quels  sont-ils?  des  hommes  qui  ne  sont 
connus  que  par  leurs  suppüces,  souvent  que  par  un  nom  furtivement 
grave*  sur  une  muraille,  et  auxquels  on  a  fait  un  autel  de  leur  echafaud. 

Von  ihrem  Heiligenschein  will  Tillier  sich  doch  nicht  blenden 
lassen.  Er  sieht  Egoismus  in  einer  Aufopferung,  die  das  irdische 
Leben  von  sich  wirft,  weil  sie  fest  glaubt,  des  reichsten  himm- 
lischen Lohnes  gewils  zu  sein. 

Tout  le  mörite  donc  que  je  reconnaisse  ä  nos  martyrs,  c'est  d'avoir 
cru  aux  promesses  de  l'Eglise;  si  la  credulite*  fait  les  sots,  la  foi  fait  les 
saints;  je  le  sais,  je  me  soumets  et  je  dis:  'Priez  pour  nous';  mais  je 
m'abstiens  d'admirer.  Non,  la  foi  ne  peut  suffire  pour  elever  un  simple 
cordonnier  qui  toute  sa  vie  n'a  fait  que  des  souliers,  mais  qui  a  cru,  au- 
dessus  de  nos  grands  hommes;  on  aura  beau  l'ecrire  et  le  precher,  je 
n'admettrai  jamais  qu'une  couronne  toute  seche  de  martyr  efface  ces  cou- 
ronnes  de  lauriers  que  le  genie,  donnant  la  main  ä  la  vertu,  a  decern£es. 

Diesen  passiven  Glaubenshelden  stellt  er  die  weltlichen  Heroen 
der  Tat  gegenüber,  Helden  wie  die,  deren  Andenken  das  Pan- 
theon verewigt,  und  von  denen  die  neue  Heilige,  des  Bischofs 
Beispiel  folgend,  eben  mit  Verachtung  gesprochen  hatte. 

Ce  sont  les  Services  rendus  aux  hommes  qui  fönt  les  belles  actions; 
les  vertus  steriles  et  les  plantes  qui  fleurissent  avec  öclat  mais  sans  donner 
de  fruits,  sont  choses  que  je  prise  fort  peu.  Et  que  nous  importe  ä  nous 
du  sang  inutilement  verse,  du  sang  que  la  terre  boit  aujourd'hui,  et  dont 

1  Der  Koman  war  noch  nicht  als  Buch  erschienen,  als  diese  Anspie- 
lung gemacht  wurde.  Erst  unter  dem  neunten  Pamphlet  der  ersten  Reihe 
(Une  croix  de  plus)  findet  sich  die  Notiz:  Mon  oncle  Benjamin,  par 
C.  Tillier,  vient  d'etre  edite*  par  W.  Coquebert,  Paris,  rue  Jacob  48;  se 
vend  ä  Nevers  chez  Guizonni. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  79 

la  pluie  lavera  demain  jusqu'ä  la  moindre  trace?  Savez-vous  quels  sont 
les  veVitables  martyrs?  ce  sont  ceux  qui  sont  morts  pour  leur  pays!  ... 
Le  martyre  de  ces  hommes  que  vous  traitez  en  ennemis  vous  a  6t6  plus 
utile  que  tous  ceux  que  vous  preconisez;  car,  en  defendant  votre  patiie, 
c'est  aussi  votre  autel  qu'ils  ont  defendu. 

Nachdem  die  Heilige  noch  einmal  auf  die  Frage  der  Wunder 
zurückgekommen  und  Tillier  desgleichen  seine  Ansicht  über  die 
kleiuen  obskuren  Mirakel  noch  einmal  dargelegt  und  scherzhaft 
eine  bestimmte,  für  Nevers  zweifellos  sehr  vorteilbringende  Wunder- 
tat vorgeschlagen  hat,  wendet  sich  das  Gespräch  überhaupt  der 
zu  erwartenden  gemeinnützigen  Tätigkeit  der  neuen  Patronin  zu, 
die,  wie  Herr  Dufetre  versichert  hat,  das  glückliche  Nevers  unter 
ihren  besonderen  Schutz  nehmen  wird.  Tillier  verlangt  genauer 
zu  wissen,  was  für  Vorteile  dieser  Schutz  der  Stadt  eintragen, 
auf  welchen  Umkreis,  auf  welche  Personen  er  sich  erstrecken 
wird;  er  macht  die  Heilige  durch  seine  zudringlichen  Fragen 
schliel'slich  ungeduldig.  'Monsieur V  unterbricht  sie  ihn  mit  einem 
Ausdruck,  der  ihm  etwas  Domitianisches  zu  haben  scheint.  Er- 
schreckt zeigt  er  sich  nun  voll  Vertrauen  in  ihre  Kräfte.  Doch 
über  Möglichkeit  und  Wert  der  Heiligenwunder  überhaupt  bringt 
er  in  derselben  burlesken  Art  wie  vorher  neue  Skrupel  vor,  dar- 
unter den,  dafs  protestantische  Länder  ohne  Heiligenschutz  blühend 
und  reich  sind,  Italien  dagegen,  das  mit  Reliquien  so  wohl  aus- 
gestattet, das  so  reichlich  tonsuriert  ist  und  schon  so  viel  Weih- 
wasser getrunken  hat,  besonders  aber  Rom  so  heruntergekommen 
seien : 

sa  puissance,  sa  gloire,  ses  grands  hommes,  tout  s'en  est  alle"  avee 
ses  dieux,  et  ses  mamelles  epuisees  ne  peuvent  plus  nourrir  que  des  chan- 
teurs  et  des  capucins. 

Unc1  in  seinem  Eifer  apostrophiert  er  die  heilige  Stadt: 

O  Eome!  Romel  voilä  donc  oü  ta  catholicite"  t'a  reduite.  Au  pied 
de  ta  croix  il  ne  vient  plus,  au  lieu  de  lauriers  en  fleurs,  que  du  chieu- 
dent  et  des  orties;  ta  terre  d£sol6e  ne  produit  plus  qu'un  peuple  Idiot 
et  decrepit,  triste  regain  d'une  moisson  de  höros. 

Es  waren  die  Jahre,  als  Lamartine  seine  von  den  Italienern 
so  bitter  empfundene  geringschätzige  Meinung  über  das  'Land 
der  Toten'  aussprach. 

Und  auch  der  neuen  Heiligen  selber  mufs  Tillier  schließlich 
doch  wieder  vorhalten,   dafs  die  Stadt  in  den  fast  drei  Monaten, 


80  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

die  sie  nun  da  sei,  von  ihren  Taten  noch  nichts  gemerkt  habe: 
'Seht  ihr  nicht,  wie  das  alte  Clamecy  sich  ins  Fäustchen  lacht, 
wenn  es  von  euch  sprechen  hört;  ich  bin  überzeugt,  die  ziehen 
da  drüben  die  Protektion  Herrn  Dupins  des  Alteren  der  eueren 
vor/  Flavia  selber  scheint  bedenklich  zu  werden;  sie  wendet  sich 
an  Tillier  mit  der  Frage,  ob  nach  seiner  Meinung  wenigstens  die 
Priester  an  ihre  wunderwirkende  Kraft  glauben.  Auch  hierüber 
ist  Tillier  im  Zweifel;  es  ist  ihm  aufgefallen,  dafs  die  Priester, 
wenn  sie  Fieber  oder  Kolik  haben,  sich  immer  an  den  Arzt 
halten.  An  Herrn  Dufetres  festem  Glauben  allerdings  darf  man 
nicht  zweifeln;  wie  könnte  er,  der  als  Bischof  nichts  als  Wahr- 
heit zu  lehren  hat,  sonst  in  anderen  solchen  Glauben  zu  erwecken 
suchen.  Wie  könnte  er  unempfindlich  bleiben  gegen  die  lebens- 
gefährlichen Erfolge,  die  solche  wunderbare  Heiltätigkeit  zuweilen 
hat;  wie  erst  im  vergangenen  Jahre  noch,  wo  ein  Unglücklicher, 
ein  verheirateter  Mann  und  Familienvater,  der  schweifsbedeckt 
in  das  wunderbar  heilkräftige  Gewässer  der  heiligen  Brigitte  von 
Cosne  stieg,  sofort  am  Schlagflufs  starb.  Also  mufs  man  wohl 
annehmen,  dafs  Herr  Dufetre  von  der  heiligen  Flavia  irgend  ein 
grofses  Wunder  erwartet,  das  auch  die  zwei  oder  drei  Leute 
seiner  Diözese  noch  bekehren  wird,  welche  bei  der  Heiligen- 
prozession, diesem  letzten  seiner  Triumphzüge,  seiner  siegreichen 
Rede  entschlüpft  sind. 

So  kommt  die  Unterhaltung  der  beiden  endlich  zu  Betrach- 
tungen über  unmäfsigen,  auch  nach  Ansicht  der  Heiligen  unchrist- 
lichen priesterlichen  Pomp.  Eben  die  Erinnerung  an  ihre  Pro- 
zession bringt  sie  darauf. 

Oh !  oh !  fit  la  sainte,  avec  un  joli  petit  bäillement,  Monsieur  Dufötre 
aurait  bien  du  m'öpargner  les  fatigues  de  cette  procession;  je  suis  harassöe. 
Me  faire  promener  sur  la  place  Ducale  par  un  soleil  de  20  ä  25  degres, 
sans  ombrelle,  et  avec  une  robe  de  velours,  voilä  un  procöde*  bien  peu 
aimable ! 

Tillier  erwidert,  dafs  die  Neigung  des  Bischofs  zu  kirch- 
lichen Schaustellungen  und  Einzügen  unter  Kanonendonner  und 
mit  voraufmarschierender  Nationalgarde  sicherlich  nur  der  grö- 
fseren  Ehre  Gottes  dienen  solle,  die  Heilige  aber  meint,  der- 
gleichen Pomp  möge  irdischen  Mächten  anstehen,  schwerlich  aber 
den  Mächten  des  Himmels. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  81 

Le  Dieu  que  nous  adorons  est  ne*  dans  une  creche  et  mort  sur  une 
croix;  ce  n'est  pas  par  un  vain  4talage  de  choses  pr^cieuses  qu'il  faut 
l'honorer.  Cette  croix,  vous  devriez  vous  rappeler  ce  qu'elle  reprdsente. 
Homines  insensös!  c'est  son  gibet  que  vous  couvrez  d'une  couche  d'or  si 
<5paisse. 

Und  sie  beklagt  die  Entartung  der  christlichen  Kirche: 

Helas  I  monsieur,  qu'est  devenue  la  touchante  et  majestueuse  simpli- 
cite*  de  notre  6glise  primitive?  oü  sont  ces  chrötiens  avec  lesquels  j'ai  prie 
dans  les  cryjjtes?  oü  sont  ces  vieux  e'veques  qui,  vivant  dans  la  retraite 
et  le  d^nuement  absolu  des  choses  d'ici-bas,  ne  voulaient  faire  des  prosö- 
lytes  que  par  l'exemple  de  leurs  vertus?  Ceux  qui  se  disent  les  succes- 
seurs  des  apötres,  ceux  qui  se  laissent  appeler  les  envoyes  de  Dieu  par 
leurs  flatteurs,  ce  n'est  plus  au  coeur  du  chr^tien,  c'est  ä  ses  yeux  qu'ils 
s'adressent.  Au  lieu  de  parier  ä  sa  raison  et  ä  son  äme,  ils  etourdissent 
son  oreille  par  un  continuel  bourdonnement  de  psauraes  et  de  cloches; 
ils  lui  donnent  des  fetes  aujourd'hui  ä  cet  autel,  demain  ä  cet  autre;  ils 
l'arausent  par  des  processions  meines  de  raascarades,  oü  le  sauveur  des 
hommes  est  reprösente  par  un  enfant  portant  un  agneau  sous  son  bras ; 
ils  donnent,  comme  les  freres  ignorantins  ä  leurs  eleves,  des  mödaillons 
aux  dames  qui  ont  6te  bien  sages.  Cette  grande  et  severe  figure  de  Jesus- 
Christ  qui  jette  du  haut  de  sa  croix  un  regard  melancolique  sur  le  monde, 
ils  l'attifent  de  soie,  de  dentelles  et  de  verroterie,  cornme  une  sainte  Kenne. 

Unter  solchem  unaufhörlichen  Ceremonienspiel  ist  von  dem 
Dogma,  das  vor  allem  Entsagung  fordert,  nichts  mehr  übrig- 
geblieben; ein  Schauspiele  aufführender  Kultus  ist  an  seine  Stelle 
getreten.  Die  Heilige  verlangt,  dafs  der  Priester  wieder  ein 
wahrer  Jesus-Jünger,  ein  schlichter  Diener  des  Evangeliums  werde: 
qu'il  se  mele  au  peuple  comme  le  faisait  son  divin  maitre;  qu'au  lieu 
d'aller  boire  du  vin  rouge  ou  jouer  ä  la  bouillotte  chez  le  notaire  et  le 
percepteur  de  la  commune,  il  entre  dans  les  chaumieres,  qu'il  s'asseye  ä 
l'humble  foyer  sur  Pescabelle  du  pauvre;  que,  d6sesp£rant  de  convertir 
ses  paroiss:-ns  en  masse  et  par  arrondissement,  comme  a  eu  le  bonheur 
de  le  faire  M.  Dufetre,  il  les  prenne  homme  par  homme  et  conscience  par 
conscience;  qu'au  lieu  de  leur  faire  un  sermon,  il  converse  familierement 
avec  eux,  qu'il  öcarte  doucement  et  avec  la  sollicitude  attentive  d'un 
medecin  qui  leve  un  appareil,  les  voiles  qui  enveloppent  leur  esprit,  et 
qu'apres  les  avoir  6branl6s  par  la  puissance  de  ses  paroles  il  les  persuade 
par  l'exemple  de  ses  vertus  . . .  s'il  faut  tout  dire,  je  ne  connais  point  de 
röle  plus  honorable  et  plus  digne  d'un  homme  que  celui  d'un  pasteur 
rögnant  sur  sa  paroisse  par  l'ascendant  de  ses  vertus. 

So  legt  Tillier  seine  eigene  Auffassung  des  echten,  evan- 
gelischen Christentums  der  neuen  Heiligen  in  den  Mund.    Leider 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  Q 


82  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

tritt  zum  Schlufs  noch  der  Humorist  wieder  in  ihm  hervor  und 
zerstört  etwas  den  Eindruck  des  eben  Gesagten.  Tillier  spricht 
der  heiligen  Flavia  seine  Zustimmung  zu  solchen  ihrer  würdigen 
Anschauungen  aus;  aber  da  sie  so  viel  gesunden  Verstand  habe, 
müsse  sie  auch  einsehen,  dafs  ihre  Anwesenheit  in  Nevers  nur 
Schaden  bringen  könne. 

Croyez-moi,  rendez  votre  perruque  blonde  au  coiffeur,  vendez  votre 
robe  rouge  et  votre  paline  au  profit  des  pauvres,  et  retournez  ä  Rome. 
Nous  avons  assez  de  saints  que  nous  ne  prions  pas,  sans  qu'on  nous  en 
amene  encore  de  nouveaux;  vous  comprenez,  madame,  qu'une  ville  ne 
change  pas  de  saints  comme  eile  change  de  conseillers  municipaux. 

So  schliefst  er  sein  Pamphlet. 

Wir  begreifen,  dafs  es  den  heftigsten  Unwillen  unter  den 
Anhängern  des  Bischofs  erregte.  Aber  wenn  auch  in  der  sati- 
rischen Zeichnung,  die  Tillier  von  M^r  Dufetre  hier  gibt,  man- 
ches verzerrt,  anderes  ganz  falsch  ist,  der  Zug  eines  emsigen 
Reliquienkultes  wenigstens  war  richtig  wiedergegeben.  Auf  diese 
Förderung  christlicher  Heiligenverehrung  war  der  Bischof  eifrig 
bedacht,  nur  gerade  die  heilige  Flavia  hatte  er  nicht  selber  nach 
Nevers  gebracht.  Doch  wenige  Tage  nur,  nachdem  er  sie  mit 
so  grofsem  Pomp  in  seiner  Metropole  empfangen  hatte,  weihte 
er  in  der  neuen  Kirche  eines  Städtchens  seiner  Diözese,  Donzy, 
den  neuen  Altar:  er  hatte  dafür  gesorgt,  dafs  in  ihm  neben  an- 
deren im  Nivernais  besonders  verehrten  Heiligenreliquien  die 
noch  übrigen  Gebeine  der  heiligen  Flavia  niedergelegt  waren. 
Auch  der  Kirche  von  Saint-Cyr-sur-Loire  überliefs  er  nicht  lauge 
darauf  einige  Reliquien  des  Heiligen  mit  dem  Eber,  dem  seit 
Jahrhunderten  die  Hauptkirche  von  Nevers  geweiht  war,  und 
seiner  Mutter,  der  heiligen  Julitta.  Als  im  Oktober  1856  in 
Autun  der  Tag  der  Überführung  der  Reliquien  des  heiligen 
Lazarus  in  die  Kathedrale  dieser  Stadt  unter  der  Teilnahme  von 
fünf  Erzbischöfen  und  Bischöfen  feierlich  begangen  wurde,  hielt 
der  Bischof  von  Nevers  eine  feurige  Ansprache  an  das  Volk,  in 
der  er  die  Verehrung  der  Reliquien  heiliger  Männer  in  ihrer  Be- 
rechtigung und  Bedeutung  darlegte,  und  wie  Gott  selber  über 
ihrer  Erhaltung  wache;  und  den  unlängst  aus  dem  Krimkrieg 
zurückgekehrten  General  Mac-Mahon  unter  der  andächtigen  Menge 
erblickend,  brach  er  in  die  enthusiastisch  aufgenommenen  Worte 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  83 

aus:  Wollen  wir  denn  den  Kriegshelden  sinnlos  schelten,  der 
seineu  tapferen  Degen,  das  Werkzeug  seiner  Treue  und  seines 
Ruhmes,  in  Ehren  hält  wie  nichts  sonst?  Der  Bischof  Dufetre 
verehrte  die  Reliquien  des  heiligen  Lazarus  in  Autun  ebenso 
gläubig,  wie  der  Pater  Lacordaire  —  in  demselben  Jahr,  wo  er  von 
der  Französischen  Akademie  zum  Nachfolger  Tocquevilles  gewählt 
wurde  —  die  heilige  Magdalena  in  la  Sainte-Baume  in  der  Provence 
gestorben  und  begraben  sein  liefs.  Es  ist  phantastisch  über- 
spannt, das  in  jedem  edlereu  Menschen  angelegte  Gefühl,  das 
Hohe  und  Heilige  auch  an  den  leeren,  verlassenen  Resten  seines 
körperlichen  Daseins  noch  zu  verehren.  Viel  lieber  als  von  den 
eben  erzählten  Bemühungen  um  den  Heiligenkultus  hören  wir 
daher  von  Duf£tres  Fahrt,  kurz  ehe  er  nach  Nevers  kam,  zum 
alten  Bischofssitz  des  heiligen  Augustinus,  um  mit  sieben  Bischöfen 
einen  Teil  vom  rechten  Arme  des  gewaltigen  Kämpfers  feierlich 
von  Pavia  nach  Hippone  zu  geleiten.  Seit  jener  Zeit  fügte  er  sei- 
nem Taufnamen  Dominicus  noch  den  anderen,  Augustinus,  hinzu. 
Mit  diesem  Kultus  wäre  auch  Tillier  nach  dem,  was  er  über 
die  alten  Väter  der  Kirche  zur  heiligen  Flavia  geäufsert  hatte, 
innerlich  einverstanden  gewesen. 

Der  aber  hatte  zunächst  nicht  Zeit,  Recht  und  Unrecht  seiner 
letzten  Anklagen  von  neuem  zu  überdenken,  er  mufste  vielmehr 
sich  selber  nun  gegen  die  heftig  losbrechenden  Gegner  verteidigen. 
Quelques  pamjphlets  de  mes  adversaires  überschrieb  er  seine 
nächste  Flugschrift.  Er  hatte  sich  bisher  —  einfältig  genug,  wie 
er  jetzt  einsieht  —  für  den  einzigen  Pamphletisten  im  ganzen 
Departement  gehalten.  Mit  einem  Male  macht  er  die  Entdeckung, 
dafs  es  neben  ihm  von  Leuten  wimmelt,  die  Pamphlete,  wenn 
nicht  zu  schreiben,  so  doch  im  Gespräch  herumzutragen  verstehen. 
Von  solchen  Pamphleten  seiner  Gegner  will  er  diesmal  seinen 
Abonnenten  einige  Proben  geben. 

Da  ist  zunächst  ein  Doktor  der  Theologie,  ein  phantasie- 
loser, trockener  Weiser,  dem  Metapher,  Hyperbel,  Ironie  ganz 
unbekannte  Dinge  sind;  er  hat  Tilliers  Einfall,  die  Mittel  für 
eine  neue  Zeitungsgründung  durch  Schweigegelder  seiner  Gegner 
wie  M.  Avril  und  M^1"  Dufetre  sich  zu  verschaffen,  für  bare 
Münze  genommen.  Das  Pamphlet  gegen  die  heilige  Flavia  findet 
er  voller  Schmutzereien    und  von  einem  abstofsenden  Cynismus; 

6* 


84  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

Voltaire  oder  Marat  hätten  solche  Dinge  denken  können,  würden 
aber  nicht  so  schamlos  gewesen  sein,  sie  niederzuschreiben. 

Nachdem  Tillier  diesem  Gegner  mit  einigen  etwas  umständ- 
lichen Spottreden  gedankt,  ohne  den  Namen  zu  nennen,  weil 
ihn  dann  der  Bischof  avancieren  liefse,  wendet  er  sich  gegen 
einen  zweiten,  seinen  alten  Freund  Paillet.  Der  hatte  gleich  nach 
Erscheinen  des  ersten  Tillierschen  Pamphlets  feierlich  die  Worte 
vernehmen  lassen:  'Dieser  Mensch  bettelt  ja  nur  noch  um  Al- 
mosen'. Schärfer  und  viel  bitterer  lautet  hier  die  Entgegnung. 
Zunächst  erinnert  Tillier  seine  Leser  daran,  dafs  Herr  Paillet 
schon  viel  bessere  Pamphlete  als  dieses  letzte  gegen  ihn  ver- 
fertigt habe,  so  damals,  als  er  ihm  acht  Tage  Gefängnis  ver- 
schaffte. Er  verspottet  ihn  dann,  weil  er  trotz  der  Achtung 
seiner  Mitbürger,  die  er  so  gern  bei  jeder  Gelegenheit  sich  selber 
bezeugte,  nicht  wieder  in  den  Munizipalrat  gewählt  sei,  ein  Un- 
glück, das  alle  Musikanten,  und  wer  sonst  bei  den  Festlichkeiten 
der  Stadt  seinen  Verdienst  fand,  zu  Tränen  gerührt  hat.  Noch 
immer  aber  ist  er  Friedensrichter  und  Präsident  des  literarischen 
Klubs  von  Clamecy,  dies  mit  Recht,  da  er  in  zwei  Literatur- 
gattungen, auf  dem  Billard  und  im  Imperialspiel,  aufserordentliche 
Kenntnisse  besitzt.  In  seinem  Klub  hat  er  kürzlich  über  Tillier 
jenen  gewichtigen  Ausspruch  getan.  Es  ist  die  Aufserung  der  von 
dem  Pamphletisten  schon  einmal  zurückgewiesenen  bornierten  An- 
schauung: wer  Holzschuhe  macht,  um  seinen  Lebensunterhalt  zu 
finden,  arbeitet;  wer  sich  als  redlicher  Schriftsteller  Einnahmen 
verschafft,  der  bettelt.  Tillier  möchte  nun  wohl  auf  Herrn  Paillet 
die  einer  gefallenen  Gröfse  geschuldete  Rücksicht  nehmen;  auch 
verdankt  er's  eigentlich  doch  ihm,  dafs  er  nicht  mehr  Schulmeister 
ist;  aber  er  kann  es  nicht  unerwidert  hingehen  lassen,  dafs  Tote 
die  Lebendigen  angreifen.  Wenn  Herr  Paillet  ihn  einen  Bettler 
heifst,  so  hat  er  ihn  offenbar  mit  einem  anderen  verwechselt, 
dessen  nicht  sehr  erbauliche  Geschichte  —  es  ist  natürlich  Herr 
Paillet  selber  gemeint  -  -  Tillier  seinen  Abonnenten  mit  wenigen 
Worten  erzählen  will.  Dieser  andere  war  unter  der  Restauration 
ein  armseliges,  aber  höchst  betriebsames  Bureauschreiberlein; 
dann  gelang  es  ihm,  die  Stelle  eines  abgesetzten  Anwalts  zu  er- 
betteln, so  dafs  er  der  einzige  Mensch  ist,  dem  dieser  Anwalt 
Gutes  getan  hat.     Als  die  Julirevolution    und   mit  ihr   die   neue 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  85 

Monarchie  kam,  begann  er  auf  die  Restauration  zu  schimpfen. 
Er  sagte:  gewifs  hat  die  alte  Dynastie  dem  Lande  einen  grofsen 
Dienst  erwiesen,  indem  sie  mich  zum  Anwalt  machte;  aber  ihr 
Eidbruch  hat  dieses  Verdienst  vernichtet:  ich  kenne  sie  nicht 
mehr. 

II  fut  d'abord  tout  libertS,  tout  ordre  public;  mais,  la  liberte  eHant 
toinböe  dans  la  disgräce  de  la  cour,  il  finit  par  n'etre  plus  qu'ordre  public. 
A  cette  epoque,  il  prit  uue  canne,  porta  le  ventre  en  avant  et  rejeta  les 
epaules  en  arriere,  pose  symbolique  qui  indiquait  la  stabilite  du  gouverne- 
ment  en  m£me  temps  que  l'importance  du  personnage.  Vous  sentez  que 
les  bienfaits  de  la  Restauration  devaient  brüler  les  mains  ä  ce  g^nereux 
patriote;  aussi,  n'avait-il  rien  tant  ä  cceur  que  de  s'en  debarrasser.  II 
eut  bien  pu,  comme  tant  d'autres,  donner  sa  demission ;  mais  le  depute 
de  l'arrondissement  eüt  ete  assailli  de  petitions  au  sujet  de  sa  succession, 
et  il  voulait  epargner  cet  embarras  au  grand  homme!1  Ayant  donc  trouve 
im  bou  prix  de  sa  cbarge,  il  la  lava. 

'Louis-Philippe,  ö  mon  roü'  s'e"cria-t-il  alors,  tu  le  vois,  je  n'ai  plus 
rien  ä  cette  coupable  dynastie!  gratifie  maintenant  ton  serviteur  d'un  bon 
emploi ! 

Das  sieht  nun  freilich,  meint  Tillier,  sehr  ähnlich  einem 
Bettler,  der  seineu  vollen  Sack  verkauft  und  dann  an  an- 
deren Türen  weiter  bettelt.  Ein  verkäufliches  Amt  wiederzube- 
kommen, gelang  dem  Manne  allerdings  nicht,  doch  erhielt  er 
immerhin  eins  (die  Friedensrichterschaft),  das  ihm  nicht  viel 
Arbeit  macht  und  ganz  einträglich  ist.  'Wenn  Herr  Paillet  mich/ 
so  schliefst  Tillier  seine  Erzählung,  'für  diesen  grofsen  Bettler 
hielte,  so  täte  er  mir  viel  zu  viel  Ehre  an;  ich  gestehe  in  aller 
Demut,  dafs  ich  nicht  würdig  bin,  die  Strippen  seines  Schnapp- 
sacks zu  lösen,  ja  dafs  ich  zu  schwach  wäre,  einen  solchen  Bettel- 
sack zu  '.ragen/  Und  damit  sagt  er  ihm  für  immer  Lebewohl. 
Leid  ist's  ihm  doch,  ihn  zu  verlieren;  er  war  ein  so  ergiebiger 
Pamphletstoff. 

Auch  Herrn  Gaumes  Betschwestern  zahlen  Tillier  seine  An- 
griffe auf  ihre  neue  Heilige  eifrig  zurück.  Viele  behaupten,  dafs 
er  dafür  jetzt  dem  Tode  entgegengehe;  andere,  in  ihrer  Un- 
geduld, erklären  ihn  schon  für  tot  und  begraben.  'Ich  gehe  dem 
Tode  entgegen',  antwortet  er  ruhig,  'das  ist  wohl  möglich'. 

1  Dupin. 


86  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

II  y  a  longtemps,  en  effet,  que  les  annees  de  la  jeunesse,  ces  beaux 
oiseaux  de  passage,  qui  fuient  aux  approehes  de  l'hiver,  se  sont  envo!e>s 
de  moi.  J'ai  fait  plus  de  la  moitie  de  mon  voyage;  dejä  je  suis  sur  l'autre 
versant  de  la  vie,  terre  morne  oü  il  reste  ä  peine  aux  arbres  quelques 
feuilles,  et  dont  le  ciel  gris  et  gypseux  est  plein  de  neiges  qui  voltigent! 
Or,  quand  on  est  arrive"  ä  cette  pente,  on  roule  plutöt  qu'on  ne  descend. 
Mais,  que  je  sois  mort,  je  le  conteste.  Voilä,  du  reste,  un  miracle  qui 
est  hoc  ä  sainte  Flavie;  que  je  meure  aujourd'hui,  que  je  meure  demain, 
que  je  meure  dans  dix  ans,  les  vierges  emerites  de  M.  Gaume  ne  manque- 
ront  pas  de  dire  que  c'est  leur  sainte  qui  m'a  tue\ 

Etwas  erschreckt  hatten  ihn  anfangs  diese  drohenden  Prophe- 
zeiungen des  nahenden  Todes.  Aber  sein  ehrwürdiger  Schutz- 
patron ist  ihm  in  einer  der  letzten  Nächte  erschienen  und  hat 
ihn  beruhigt. 

Tu  tousses,  je  le  sais;  de  lä  haut  je  t'entends  tousser,  et,  sans  com- 
pliment,  je  trouve  que  tu  tousses  tres  bien ;  mais  ne  prends  point  de  sirop 
de  gornme,  c'est  un  liquide  insignifiant ;  couche-toi  tot,  leve-toi  tard,  et 
va  t'impr^gner  de  l'air  salutaire  de  la  campagne.  Je  n'affirme  pas  que 
ce  regime  te  guerira;  je  ne  suis  pas  moi  un  de  ces  saints  empiriques  qui 
fönt  la  medecine  comme  s'ils  avaient  besoin  de  cela  pour  gagner  leur  vie. 
Mais  si  sainte  Flavie  touche  ä  ta  poitrine,  eile  apprendra  ce  que  c'est 
qu'un  Claude:  d'un  coup  de  ma  crosse,  je  lui  mets  son  f^mur  en  cent 
morceaux. 

Ernsthaft  gesprochen  ist  es  aber  doch  erstaunlich,  welche 
heidenmäfsig  grausame  Vorstellung  diese  in  der  Schule  der  Prie- 
ster erzogenen,  mit  dem  Leib  und  Blut  Jesu  Christi  genährten 
Frauen  sich  von  den  Gegenständen  ihrer  gläubigen  Verehrung 
machen.  Sie  bilden  sich  ein,  die  neue  Heilige  werde  einen  armen 
Schriftsteller,  der  dazu  noch  Familienvater  ist,  durch  ihre  Wunder- 
kraft hinmorden,  weil  einige  seiner  Sätze  ihre  Ohren  beleidigt 
haben.  Wäre  das  denkbar,  dann  wäre  sie  Domitian  sicherlich 
noch  viel  näher  verwandt,  als  die  Lage  ihrer  Gebeine  in  den 
Katakomben  anzeigte.  Wenn  diese  heiligen  Frauen,  was  sie  so 
aussprechen,  drucken  liefsen,  würden  sie  das  blutigste  Pamphlet 
gegen  die  christliche  Religion,  das  sich  denken  läfst,  herausgeben. 
Wie  weit  ist  es  denn  von  der  Vorstellung,  dafs  die  Heiligen  er- 
morden, wer  über  sie  spottet,  bis  zu  dem  Schlüsse,  dafs  man  die 
morden  müsse,  welche  die  Heiligen  verspotten. 

Von  einem  Pfarrer  ist  Tillier  exkommuniziert  worden.  Dieses 
Pamphlet,  da  es  offenbar  um  dreihundert  Jahre  zurückzudatieren 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  87 

sei,  tut  er  beiläufig,  mit  wenigen  Worten  ab;  eingehend  aber  be- 
schäftigt ihn  noch  die  Antwort  an  M&  Dufetre.  Der  Bischof  hat 
gegen  ihn  gepredigt  und  hat  ihn  im  Gespräch  einen  'der  Hölle 
entstiegenen  Geist'  genannt.  Warum  nur?  Etwa  weil  Tillier  die 
Identität  der  Heiligen  angezweifelt  hat?  Aber  auch  der  Bischof 
hat  irgendwo  gesagt,  er  sei  fast  sicher,  dafs  sie  eine  Verwandte 
Domitians  sei.  Also  ist  er  nicht  ganz  sicher;  also  zweifelt  auch 
er;  also  ist  auch  er  ein  Geist  aus  der  Hölle.  Oder  verdient 
Tillier  das  Prädikat,  weil  er  nicht  an  die  absurden  Mirakel  glau- 
ben will,  mit  deren  Bericht  die  Jesuiten  im  Volke  hausieren,  an 
die  durch  das  Auflegen  eines  Heiligenbildes  geheilten  Kinder,  an 
die  Briefe,  die  Jesus  Christus  vom  Himmel  schreibt,  und  die  eine 
so  unglückliche  Vorstellung  von  seinem  Briefstil  geben  ? x  Und 
in  starken  Ausdrücken  macht  Tillier  weiter  seinem  Unwillen  Luft 
gegen  diese  'elenden  Scharlatane',  die  das  Antlitz  Gottes  seiner 
leuchtenden  Strahlen  entkleiden  und  es  uns  mit  den  grotesken 
Zügen  einer  Karikatur  darstellen. 

Ce  ciel  oü  tant  de  soleils  resplendissent,  cette  terre  si  fdconde,  si 
paree,  et  qui  nourrit  tant  d'etres  ä  ses  larges  rnamelles,  n'est-ce  pas  lä 
des  miracles  assez  £clatants  pour  reVeler  sa  grandeur,  sans  que  de  mala- 
droits  serviteurs  lui  pretent,  croyant  ainsi  le  rehausser,  le  röle  d'un  ecri- 
vain  public,  d'une  m£decine  ou  d'un  emplätre?  Mais  ces  colporteurs  de 
miracles,  ces  rnarckands  de  reliques,  ne  s'apercoivent  donc  pas  que,  dans 
l'interet  passager  de  leurs  ambitions  impies,  ils  ruinent  la  religion  en  la 
Livrant  aux  dörisions  des  incr^dules! 

Denn  auch  'die  wahren  Wahrheiten  der  Religion'  müssen 
unter  solchen  Mirakelpredigern  leiden.  Wer  sich  einmal  von 
ihnen  voll  Widerwillen  abgewendet  hat,  wird  fern  bleiben,  auch 
wenn  sie  ihm  wieder  das  lauterste  Gold  des  Evangeliums  dar- 
bieten; denn  auch  das  wird  er  nun  für  falsche  Münze  halten. 

Auch  die  angeordneten  neuntägigen  Andachtsübungen   (neu- 


1  Ähnlich  äufserte  sich  der  sanft  ironische  Ulrich  Hegner  zu  dem 
Wahn  Lavaters,  als  der  in  seiner  Überzeugung,  dafs  der  Apostel  Johannes 
leibhaftig  noch  auf  Erden  wandle  und  ihm  demnächst  persönlich  nahe 
treten  wolle,  auch  durch  vorläufige  Briefe  in  griechischer,  französischer 
und  englischer  Sprache  sich  bestärken  liefs.  Hegner  meinte,  als  er  nach 
Jahren  diese  Zettel  wieder  vor  Augen  bekam,  dafs  Johannes  während 
seines  jahrhundertelangen  Erdenwandels  doch  wohl  Zeit  gehabt  hätte, 
diese  Sprachen  besser  zu  lernen. 


88  Claude  Tillier  ak  Pamphletist. 

vaines)  vor  der  heiligen  Flavia  angegriffen  zu  haben,  ist  Tillier 
sich  wohl  bewufst;  vielleicht  hat  er  hierdurch  den  starken  Zorn 
des  Bischofs  erregt.  In  seiner  langen  Unterredung  hatte  er  der 
Heiligen  schliefslich  gesagt,  sie  müfste  doch  einsehen,  dafs  sie 
für  viele  eine  Veranlassung  zu  Müfsiggang  sei  und  einer  grofsen 
Zahl  armer  Familien  nur  Schaden  bringe.  Denn  während  die  Frauen 
den  Rosenkranz  vor  ihrem  Schrein  abbeten,  bessere  sie  doch 
nicht  die  Kleider  der  Kinder  aus  oder  koche  für  die  Männer 
die  Suppe;  sicherlich  kehre  so  manche  mit  Furcht  vor  Schlägen 
nach  Hause  zurück.  An  dieser  Meinung  hält  Tillier  fest.  Er 
findet,  dafs  das  Gebet,  das  Christus  uns  gegeben  und  zu  beten 
vorgeschrieben  hat,  alle  die  aufwiegt,  die  Herr  Gaume  zusammen- 
stellen könne  (algues  plutöt  que  fleurs  de  rh&orique).  Auch  die 
neuntägigen  Andachten  hat  Christus  nicht  vorgeschrieben,  darum 
hält  sie  Tillier  für  nichts  als  eine  schädliche  Zeitverschwendung. 
Ebenso  bleibt  er  bei  seiner  ketzerischen  Ansicht  über  die  Pro- 
zessionen mit  ihrem  starken  Aufgebot  gläubiger  Jungfrauenschaft. 
Nicht  Groll,  sondern  Dank,  dafs  er  nicht  mehr  darüber  gesagt, 
sei  der  Bischof  ihm  schuldig.  Öffentlich  hat  M?r  Dufetre  er- 
klärt, wie  das  Herz  ihm  geblutet  habe,  als  er  die  Inschrift  des 
Pantheon  las:  'den  grofsen  Männern  das  dankbare  Vaterland'. 
Tillier  hat  ihn  dafür  nicht  einen  der  Hölle  entstiegenen  Geist, 
ja  nicht  einmal  einen  Jesuiten  genannt.  Und  doch  empfindet  er 
den  gleichen  Schmerz,  wenn  er  die  Frauenregimenter  durch  die 
Stadt  manövrieren  sieht,  die  der  Bischof  als  Oberst  komman- 
diert, und  deren  Tambourmajor  der  Domschweizer  ist;  und  er 
begreift  nicht,  dafs  es  Mütter  gibt,  die  ihre  Töchter  für  die 
Kongregationen  anwerben  lassen.  Was  soll  den  Mädchen  diese 
ausschliefslich  geistliche  Erziehung?  Praktische  Hausmütter  zu 
werden  ist  ihre  von  Gott  gewollte  Bestimmung;  auch  patrio- 
tische Frauen  sollen  sie  einmal  sein;  werden  sie  das  bei  den 
ultramontanen  Priestern  lernen?  Und,  wie  er  das  liebt,  apostro- 
phiert er  die  geistlichen  Erzieher: 

Qui  etes-vous,  vous  qui  voulez  qu'on  vous  laisse  petrir  ä  votre  gre* 
l'äme  de  nos  enfants  ?  Votre  patrie  est-elle  en  France  ou  ä  Rome  ?  avez- 
vous  une  famille?  ä  quoi  tenez-vous?  pour  qui  travaillez-vous  ?  que  laissez- 
vous  apres  vous?  quels  rejetons  pousseront  de  vos  racines?  etes-vous 
autre  cliose  qu'un  pieu  sterile  enfonce  dans  le  sol  de  la  France?    Vous 


Claude  Tillier  als  Paniphletist.  89 

voulez  Induration  de  notre  jeunesse;  mais  vous  vous  trouvez  tr?s  Tuen 
comme  vous  fites,  sans  doute:  donc  vous  faconnerez  vos  e*leves  a  votro 
image;  or,  quel  germe  de  liberte*  et  de  patriotisme  avez-vous  rencontrc 
que  vous  ne  l'ayez  ecrase"  sous  vos  pieds? 

Was  soll  überhaupt  diese  Schaustellung  jungfräulicher  Keusch- 
heit Gutes  schaffen?  Sind  denn  diese  hier  öffentlich  aufge- 
führten Jungfrauen  wirklich  ehrbarer  als  die  anderen,  die  hinter 
den  Gardinen  ihres  Kämmerchens  züchtig  verborgen  mit  ihrer 
fleifsigen  Nadel  die  Wäsche  des  Hauses  oder  die  Sachen  ihrer 
Brüder  in  Ordnung  bringen?  Gewifs  ist  es  etwas  Hübsches, 
diese  frischen  Girlanden,  die  so  die  Priester  ihrer  Prozession  an- 
hängen; ob  aber  unter  diesen  Rosen  nicht  manch  eine  auch 
Blätter  ihrer  Krone  in  den  Strafsenschmutz  fallen  läfst?  Sind 
diese  priesterlichen  Herzenslenker  so  unbekannt  mit  dem  Leben, 
wie  es  wirklich  ist,  dafs  sie  nicht  wüfsten,  welchen  gefährlichen 
Kennerblicken  sie  diese  jungfräuliche  Reinheit  aussetzen?  Es  ist 
traurig  zu  sagen,  aber  es  gibt  nur  zu  viele  wenig  ehrbare  Ver- 
bindungen, die  bei  einer  Prozession  begonnen  haben,  und  die 
man  nie  von  einem  Priester  in  der  Kirche  hat  einsegnen  lassen. 

Das  sind  meine  Gedanken,  wie  sie  mir  mein  Herz  in  aller 
Einfalt  eingibt  —  so  schliefst  Tillier  diese  Abwehr  — ,  und  ich 
habe,  indem  ich  sie  offen  kundgebe,  der  Religion  einen  Dienst 
zu  erweisen  geglaubt.  Wenn  ich  darum  ein  höllischer  Geist  bin, 
dann  rechne  ich  nnYs  zum  Ruhme  an,  kein  Christ  zu  sein;  denn 
dann  kommt  allerdings  die  Wahrheit  nicht  mehr  vom  Himmel 
zu  uns,  sondern  aus  der  Hölle. 

Diese  eine  energische  Abweisung  seiner  Gegner  genügte  Tillier 
noch  nicht  gleich  darauf  ergriff  er  noch  einmal,  ausdrücklich  nur 
zur  Verteidigung  seines  Pamphletistenberufes,  das  Wort  in  der 
Flugschrift:  Du  Pamphlet.  Wieder  denkt  man  sofort  an  Couriers 
Pamphlet  des  Pamphlets;  aber  sie  haben  wenig  miteinander  ge- 
mein. Auch  Cormenin  hat  eine  ähnliche,  kürzere,  bei  ihm  sehr  not- 
wendige Selbstrechtfertigung  versucht  (Conclusum.  April  1837). l 
Soweit  Nachahmung  bei  dem  Pamphletisten  Tillier  deutlich  wird, 
zeigt  sich  leider  mehr  Cormenins  als  Couriers  Einflufs.  Die  Ver- 
anlassung, sich  noch  einmal  und  gründlich  über  seinen  Pamphlet- 

1  Gegen  Dupin.  Letztes  Stück  der  heitres  sur  la  Liste  civile  et  sur 
V Apanage.    Dazu  sein  Didactiaue  du  Pamphlet  im  Livre  des  Orateurs. 


90  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

kämpf  auszusprechen,  bot  Tillier  das  'Echo  de  la  Nievre'.  Es 
hatte  mit  einem  Citat  aus  einem  offenen  Briefe  Lamartines  (aus 
dessen  Zeitung  le  Bien  Public  in  Mäcon)  deutlich  auf  Tillier  hin- 
gewinkt. Von  dem  'elenden  Handwerk  eines  Tagespamphletisten' 
war  da  die  Rede,  wobei  Lamartine  zunächst  nur  an  Journa- 
listen dachte.  Nachdem  Tillier  erst  diese  gegen  den  Angriff 
verteidigt,  wendet  er  sich  in  seiner  Sache  gegen  das  'Echo  de 
la  Nievre'.  Neidische  Impotenz  allein  ist  es,  was  diese  Leute  zu 
blofsen  Verleumdungen  antreibt.  Weil  sie  selber  nur  stumpfe 
Waffen  haben,  weil  ihnen  Geist,  Phantasie,  jede  Gabe  der  Dar- 
stellung fehlt,  so  schimpfen  sie  eben.  Für  Tillier  bedeutet  das 
weiter  nichts  als  die  Gewifsheit,  dals  seine  Hiebe  gesessen  haben. 
Solche  Beschimpfungen  sind  wie  der  Schmutz,  mit  dem  Betrunkene 
eine  Statue  bewerfen :  der  nächste  Regen  wäscht  ihn  wieder  ab. 
Zu  gleicher  Leistung  könnten  sie  einen  Papagei  abrichten,  der 
alltäglich  nur  die  Worte  wiederholte:  Claude  ist  ein  infamer 
Mensch,  Claude  ist  ein  gottloser  Mensch,  Claude  ist  ein  erbärm- 
licher Mensch.  Wofern  nicht  ein  philosophischer  Kater  einem 
solchen  Dialektiker  frühzeitig  den  Hals  umdrehte,  wäre  er  für 
Tillier  ein  ebenso  wirksamer  Gegner  wie  die  Leute  vom  'Echo 
de  la  Nievre'.  Und  das  sind  die  Soldaten  MK1  Dufetres!  So 
wenig  sind  sie,  ist  er  selber  im  stände,  trotz  aller  gewichtigen 
Ankündigungen,  Claude  Tillier  mit  Erfolg  zu  bekämpfen. 

Aber  für  Tillier  handelt  es  sich  diesmal  nicht  um  ihn  allein, 
sondern  um  die  ganz  allgemeine  Frage:  warum  ist  das  Pamphlet 
infam,  warum  sind  Pamphletisten  erbärmliche  Menschen?  Es  ist 
auch  hier  der  Name,  was  die  Menge  betört,  wie  schon  Courier 
erfahren  und  so  drastisch  geschildert  hatte.  'O  Pöbel !'  ruft  Tillier, 
'wirst  du  dich  denn  immer  gegen  blofse  Namen  aufwiegeln  lassen  l' 

Une  soutane  passe,  et  tu  dis:  Voilä  un  komme  pieux;  si  c'est  un 
uniforme,  tu  dis:  Voilä  un  brave;  mais  regarde  donc  au  moins  ce  qu'il 
y  a  sous  cette  Stoffe.  Si  j'avais  donne*  ä  mes  petits  livres  le  titre  de 
Sermons,  tous  ces  badauds  qui  m'appellent  l'infame  pamphletaire,  m'ap- 
pelleraient  le  pieux  Claude. 

Infam  ist  das  Pamphlet  doch  nur,  wenn  es  zur  Verleumdung 
niedersteigt,  und  mit  gutem  Gewissen  kann  Tillier  seine  Wider- 
sacher fragen,  auf  welcher  Seite  der  publizistische  Kampf  so 
schmählich   geführt  wird.     'Wann  habe  ich  euch,   sei  es   als  Re- 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  Ol 

dakteur  der  ' Association'  oder  als  Pamphletist,  jemals  verleumdet? 
Citiert  mir  eine  Zeile  aus  meiner  Feder,  die  eine  über  euch  aus- 
gesprochene Verleumdimg  enthält.  Warum  auch  sollte  ich  euch 
verleumden?  Die  Verleumdung  ist  die  Waffe  des  Schwachen,  der 
Schwache  aber  seid  ihr!' 

Die  Gegner  wollen  dem  Pamphlet  das  Feld  der  persönlichen 
Angriffe  verbieten.  Sie  sollten  froh  sein,  meint  Tillier  dagegen, 
einen  Beamten  zu  haben,  der  die  Moralpolizei  der  Stadt  gratis 
besorgt.  Und,  ohne  Namen  zu  nennen,  zeigt  er  den  Nutzen  seiner 
Angriffe  auf  Herrn  Avril  in  Nevers,  Herrn  Paillet  in  Clamecy 
und  andere  Biedermänner  oder  wunderliche  Käuze.  Ein  fröh- 
liches und  leichtes  Tun  ist  doch  solche  Arbeit  durchaus  nicht, 
Stunden  der  Ermattung  und  Niedergeschlagenheit  kennt  Tillier 
nur  zu  wohl.  Er  unterbricht  wieder  einmal  seine  Erörterung, 
um  der  weichen  Stimmung,  die  ihn  mit  diesem  Gedanken  über- 
kommt, sich  gänzlich  hinzugeben,  und  läfst  ein  paar  Seiten  folgen, 
die  zu  dem  Schönsten  gehören,  was  der  Dichter  Claude  Tillier 
geschrieben  hat. 

En  ce  moment  je  suis  lä,  accoude  sur  la  fenutre  de  mon  atelier, 
contemplant  cette  belle  valle"e  de  Nievre  qui  s'emplit  d'ombre,  et  ressemble, 
avec  sa  foret  de  peupliers,  ä  un  champ  garni  de  gigantesques  epis  verts. 
Le  soleil  se  couche  derriere  moi:  ses  derniers  rayons  allument,  comme  un 
brasier,  les  ardoises  du  moulin;  ils  illuminent  la  cime  vacillante  des 
peupliers,  et  bordent  de  franges  roses  les  petits  nuages  qui  passent  ä 
l'horizon.  ...  La  Nievre,  cette  laborieuse  Nai'ade  que  les  tanneurs  forcent 
du  matin  au  oir  ä  laver  leurs  peaux,  a  fini  sa  journee;  eile  se  promene 
libre  et  tranquille  entre  ses  roseaux,  et  clapote  doucement  sous  les  racines 
des  saules.  A  cette  heure  si  belle  et  si  douce,  je  sens  ä  ma  vieille  lyre 
de  poete  une  corde  qui  se  reVeille.  J'aimerais  ä  decrire  ces  riants  tableaux, 
et  peut-6tre,  du  fond  de  cette  encre  immonde,  amenerais-je  quelque  pail- 
lette  d'or  au  bec  de  ma  plume.  Mais,  helas!  quand  je  voudrais  peindre 
et  chanter,  il  faut  que  j'ecrive,  que  je  martele  des  phrases  aggressives 
contre  mes  adversaires  ...  Quand  mon  äme  s'emplit,  comme  ce  vallon, 
de  paix  et  de  silence,  il  faut  que  j'y  tienne  la  colere  eveill^e;  quand  je 
voudrais  pleurer  peut-etre,  il  faut  que  je  rie!  — 

Derriere  cette  verdure  Prangere  et  cette  train£e  bleuätre  de  collines 
que  je  ne  connais  pas,  sont  les  premiers  arbres  qui  m'ont  abritt,  les  pre- 
mieres  collines  que  j'ai  foulees;  c'est  de  ce  cote  que  s'envolent  mes  pense*es, 
semblables  ä  des  pigeons  qui,  lache's  sur  une  terre  lointaine,  s'enfuient  ä 
tire-d'aile  vers  le  colombier  natal. '     C'est  lä  qu'est  ma  mere,  mon  frere, 

1  Dante,  Inferno  5,  82—84. 


02  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

mes  amis,  tous  ceux  que  j'aime  et  dont  je  suis  aime.  Quelle  destin£e  m'a 
donc  61oigne  de  ces  lieux?  Pourquoi  ne  suis-je  point  lä  avec  ma  femme 
et  mes  enfants?  Pourquoi  ma  vie  ne  s'y  ecoule-t-elle  pas  doucement  et 
sans  bruit  comme  l'eau  claire  d'un  ruisseau!  Helas!  ce  meme  soleil  qui 
s'est  leve  sur  mon  berceau,  il  ne  se  couchera  donc  point  sur  ma  tombe! 
Mandits  soient  ces  imprudents  persecuteurs  qui  m'ont  appris  que  j'avais 
une  arme  redoutable,  en  nie  foryant  ä  me  d£fendre!  Loup  feroee,  c'est 
pourtant  en  l^chant  leur  sang  que  cet  appetit  du  sang  m'est  venu.  Et 
que  m'importe  ä  moi  que  ce  Journal  preche  et  que  cet  eveque  fasse  le 
journaliste!  Cruel  pamphlet,  laisse-moi  un  instant  avec  mes  reves.  Ces 
oiseaux  aux  plumes  blanches  et  roses,  tu  les  effarouches  des  £clats  stri- 
dents  de  ta  plaisanterie.  Laisse-moi  passer  et  repasser  la  main  sur  leurs 
ailes ;  peut-etre,  h£las !  ne  reviendront-ils  plus  de  sitöt,  et  d'ailleurs,  ces 
messieurs  sont-ils  si  presses  qu'on  les  fustige? 

O  mes  amis!  que  faites-vous  en  ce  moment?  Tandis  que  je  suis  la, 
pensant  ä  vous  et  entoure*  de  vos  cheres  images,  vous  entretenez-vous  de 
moi  sous  vos  tonnelies?  Voici  l'heure  oü  ma  mere  se  repose  a  l'ombre 
de  son  petit  jardin ;  je  suis  bien  sur  qu'elle  reve  de  moi  en  arrosant  ses 
f leurs;  peut-etre  dit-elle  mon  nom  ä  sa  petite-fille.  O  ma  mere,  si  je  vous 
ecris  moins  souvent,  c'est  ce  dur  mutier  de  pamphletaire  qui  en  est  la 
cause;  mais  soyez  trauquille,  je  n'attendrai  point  pour  vous  revoir,  que 
l'hiver  ait  mis  entre  nous  ses  neiges.  Quand  le  ciel  commencera  ä  blan- 
chir,  que  ses  arbres  se  teindront  de  jaune,  qu'un  plus  pale  sourire  sera 
venu  aux  levres  de  l'automne,  j'irai  m'asseoir  ä  votre  foyer,  et  rajeunir 
ma  poitrine  ä  cet  air  que  vous  respirez.  Ces  beaux  chemins  oü  j'ai  tant 
reve,  tant  fait  de  vers  perdus  comme  le  cbant  dans  l'espace,  je  veux  me 
promener  encore  entre  leurs  grandes  haies  pleines  dejä  de  pourpre  et  d'or, 
et  toutes  brodees  de  clochettes  blanches!  et  ce  sera  pour  la  derniere  fois 
peut-etre.  — 

Je  veux  encore  6couter  les  fiots  amis  de  ma  riviere  de  Beuvron,  et 
les  £couter  longtemps.  L'eau  qui  mord  par  le  pied  mon  vieux  saule  de 
la  petite  Vanne,  l'a-t-elle  renvers£?  a-t-il  encore  ä  ses  racines  beaucoup 
de  mousse  et  de  petites  f leurs  bleues  ?$^Je  veux  encore  passer  une  heure 
sous  son  ombre,  contemplant  tantot  ces  noirs  rubans  d'hirondelles  qui 
flottent  dans  les  cieux,  tantot  ces  longues  train£es  de  feuilles  jaunes  qui 
s'en  vont  tristement  au  courant  de  l'eau  comme  un  convoi  qui  passe,  et 
tantot  aussi  ces  pales  veilleuses,  tant  redout^es  des  jeunes  filles,  et  qui 
sortent  de  terre  semblables  ä  la  flamme  de  la  lampe  qu'il  leur  faudra 
bientot  allumer.  Ces  images  de  deuil  plaisent  ä  mon  äme:  elles  la  rem- 
plissent  d'une  tristesse  douce  et  presque  souriante.  Je  me  repr^sente 
l'annee  comme  une  femme  phthisique  qui,  sortant  d'une  fete,  d^pouille 
lentement  et  une  ä  une  les  parures  dont  eile  elait  revetue,  pour  se  coucher 
dans  son  cercueil.  Mais  adieu,  ma  mere!  adieu,  mon  vieux  Clamecy! 
on  m'appelle;  je  me  suis  fait  l'executeur  des  coleres  de  la  soci6t6,  et  il 
faut  que  ma  täche  s'accomplisse !  J 


Claude  Ti liier  als  Pamphletist.  93 

So  ruft  er  selber  sich  zurück.    'Was  sagte  ich  doch  eben?  - 
Dals  diese  moralische  Strafgerichtsbarkeit,  die  das  Pamphlet  gegen 
Vergehen  ausübt,   denen    die  Gesetze    nicht   beikommen   können, 
dem  allgemeinen  Nutzen  dient/ 

Tillier  können  wir  eine  solche  ideale  Auffassung  seines  eigen- 
mächtig übernommenen  Zensoramtes  rückhaltlos  zutrauen,  weit 
mehr  als  Courier,  von  Cormenin  gar  nicht  zu  reden;  sie  schützte 
ihn  gegen  die  Abwege  der  nichtsnutzigen  Skandalsucht,  auf  die  die 
Publizistik  gewerbsmäfsiger  politischer  und  sozialer  Sittenpolizisten 
nicht  selten  gerät.  Tillier,  in  der  Stimmung,  in  Avelcher  wir  ihn 
eben  wieder  überrascht  haben,  läfst  uns  an  einen  italienischen 
Kampfgenossen  seiner  Zeit,  den  edlen  Giuseppe  Giusti  denken, 
der  in  einem  Gedicht  an  Gino  Capponi  ebenso  aufrichtig  und 
rührend  geklagt  hat: 

Misero  sdegno  che  mi  spiri  solo, 
Di  te  si  stanca  e  si  rattrista  il  core! 
O  farfalletta  che  rallegri  il  volo, 
Posandoti  per  via  di  fiore  in  fiore, 
E  tu  che  sempre  vai,  mesto  usignolo, 
Di  bosco  in  bosco  cantando  d'amore. 
Delle  vostre  dolcezze  al  paragone, 
In  quanta  guerra  di  pensier  mi  pone 
Questo  che  par  sorriso  ed  e  dolore! 

Aber  nicht  nur  im  Duell,  Mann  gegen  Mann,  kämpft  das 
Pamphlet,  und  nicht  nur  die  Waffen  leichten  Spottes  führt  es. 
In  allen  Ox-ofsen  Kämpfen  der  Geschichte,  wo  es  die  Freiheit  des 
Menschen  galt,  stand  es  vornan  in  Rede  oder  Schrift,  und  fast 
immer  entscheidend.  So  führt  uns  Tillier  die  Gracchen  vor,  Cicero, 
Luther,  Calvin,  Pascal;  ja,  er  braucht  sich  nicht  mehr  zu  scheuen, 
selbst  Christus  unter  die  Pamphletisten  zu  stellen,  während  Courier 
in  einer  ähnlichen  Übersicht  doch  nur  Paulus  genannt  hatte. 

L'Evangile,  c'est  la  ruche  qui  est  pleine  de  miel,  mais  qui  est  pleine 
aussi  d'aiguillons.  Cette  parole  si  calme,  si  sereine,  quand  eile  developpe 
les  sublimes  v^rites  du  christianisme,  cette  parole  qui  devient  presque 
tiede  quand  eile  exprime  l'amour  du  ciel  pour  la  terre,  tout-ä-coup  vous 
l'entendez  gronder,  et  la  voilä  qui  £clate  en  sanglantes  personnalites. 
J^sus-Christ,  le  meilleur  des  peres  et  le  plus  doux  des  maitres,  ce  roi  de 
tous,  qui  voulait  qu'on  laissat  les  petits  enfants  venir  ä  lui,  et  qui  abaissait, 
pour  les  benir,  ses  mains  jusqu'ä  leurs  blondes  tetes,  quand  les  Scribes 
et  les  Pharisiens  viennent  se  heurter  contre  lui,  il  devient  un  pamphl^taire 


94  Claude  Tillier  als  Paniphletist. 

inexorable.  ...  Et  que  ces  coleres  du  Christ  ne  nous  4tonnent  point!  II 
est  bon,  sans  doute,  plus  qu'aucun  homme  ne  peut  l'etre;  mais  il  n'y  a 
point  de  veritable  bonte  sans  haine  des  mechants,  et  de  deVouement  aux 
hommes  sans  indignation  contre  ceux  qui  les  oppriment. 

Zum  Schlüsse  kommt  er  wieder  auf  sich  selbst  zurück. 
Mit  Männern  wie  Courier  und  Cormenin  will  er  sich  nicht  ver- 
gleichen. Für  die  Arbeit,  die  er  zu  leisten  hat,  wäre  es  aber 
auch  gar  nicht  nötig,  so  grofse  Kräfte  aufzuwenden.  Um  etwas 
Dorngestrüpp  zu  entfernen,  braucht  es  keine  Axt,  und  mufs  man 
denn  ein  Sturmwind  sein,  um  ein  paar  Kerzen  auszublasen? 
Wohl  ist  er  nur  ein  Strohhalm,  doch  haben  einige,  denen  dieses 
Stückchen  Stroh  unters  Augenlid  geriet,  einen  Balken  dort  zu 
fühlen  geglaubt.  Unter  den  Erfolgen,  die  seine  Pamphlete  gegen 
Herrn  Dufetre  und  seinen  Anhang  bisher  schon  gehabt,  ist  min- 
destens einer  deutlich  genug: 

Votre  sainte,  qu'est-elle  devenue?  qui  parle  encore  de  ses  miracles? 
qui  achete  ses  medaillons  protecteurs?  qui  röcite  la  priere  de  M.  Gauine? 
pourquoi  se  tient-elle,  pauvre  vierge  delaiss^e,  triste  et  boudeuse,  dans  sa 
chapelle?  Pourquoi  M.  Dufetre  ne  lui  perrnet-il  plus  de  voir  personne? 
N'est-ce  pas  parce  que  nies  pamphlets  Tont  reduite  ä  Pexpression  qu'elle 
doit  avoir,  ä  une  pincee  de  poussiere?1 

Also  nimmt  Tillier  den  Namen  eines  Pamphletisten,  deu 
seine  Gegner  zum  Schimpf  ihm  vorwerfen,  ruhig  an.  'Den  Men- 
schen die  Wahrheit  zu  sagen,  ist,  was  ihr  auch  dagegen  schreiben 
mögt,  ein  edler  Beruf;  und  stolz  fügt  er  hinzu:  ich  will  noch 
lieber  mit  mir  selber  im  reinen  sein  als  mit  meinen  Mitmenschen. 
Er  findet  einen  hübschen,  bezeichnenden  Vergleich  für  die  ganz 
eigentümliche  Form  seiner  Kampfschriften: 

La  haie  est  humble,  ses  rameaux  trempent  dans  l'herbe;  mais  eile 
pique  de  ses  epines  le  malfaiteur  qui  veut  envahir  l'höritage  d'autrui ;  eile 
donne  ses  fleurs  sauvages  ä  la  bergere  qui  passe,  et  les  petits  oiseaux 
tressent  en  sürete*  leur  nid  entre  ses  branches:  j'aime  mieux  etre  une 
humble  haie  qu'un  grand  arbre  inutile. 

Gottlos,  wie  die  Priester  ihn  hinstellen,  mag  er  nach  deren 
religiösen  Begriffen  wohl  sein,  aber  gewifs  nicht  im  Sinne  der 
lleligion  Jesu  Christi. 

1  In  einem  späteren  Pamphlet  behauptet  Tillier  gar,  die  arme  Heilige 
sei  auf  den  Boden  geschafft,  und  ihre  wächsernen  Backen  seien  dort  von 
den  Ratten  gefressen  worden  (CEuvres  IV,  194). 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  95 

Et  qu'est-ce  que  le  juge  supreme,  si  je  comparaissais  demain  a  son 
tribunal,  aurait  donc  tant  ä  me  reprocher?  Je  n'ai  point  empli  mes  mains 
d'argent;  je  n'ai  point  trafique"  de  mapens^e:  je  Tai  donnee  aux  hommes 
teile  que  Dieu  me  l'envoyait,  comme  l'arbre  leur  donne  ses  fruits.  J'ai 
pris  des  mains  de  Dieu  ma  ration  de  pain  quotidien,  sans  jamais  lui  en 
demander  une  plus  grosse.  Quand  ce  pain  est  noir,  je  ne  me  plains  point; 
quand  il  est  blanc,  je  le  mange  de  bon  app^tit;  mais,  blanc  ou  noir,  je 
n'en  laisse  jamais  pour  le  lendemain ;  je  vais  droit  devant  moi  sans  re- 
garder  en  avant,  sans  regarder  en  arriere,  ne  eberchant  qu'ä  öviter  le 
caillou  qui  est  ä  mes  pieds  et  ne  l'evitant  pas  toujours.  Lorsque  je  ren- 
contre  une  mauvaise  herbe  sur  mon  chemin,  jel'arrache;  quand  c'est  une 
bonne  graine,  je  fais  un  trou  en  terre  et  je  l'y  depose:  si  eile  ne  vient 
pas  pour  moi,  eile  viendra  toujours  pour  un  autre.  Je  fais  comme  le 
papillon  qui  jouit  de  1'ete"  sans  songer  que  l'hiver  est  au  bout,  et,  pour 
les  quelques  jours  qu'il  a  ä  rester  sur  la  terre,  ne  se  donne  pas  la  peine 
de  se  batir  un  nid.  J'engage  mes  enfants  ä  faire  comme  moi,  je  leur 
legue  mon  exemple;  c'est  la  meilleure  des  richesses,  et  pour  celle-lä  du 
moins,  ils  ne  paieront  pas  de  frais  de  succession. 

Er  spricht  noch  weiter  über  die  persönliche  Form  seines 
Gottesglaubens  und  schliefst  dann  seine  Verteidigungsschrift  mit 
Worten  sicheren  Selbstgefühles :  Ich  habe  gesagt,  was  ich  bin ; 
mögen  die,  welche  mich  gottlos  nennen,  aufrichtig  erzählen,  was 
sie  sind.  Dann  wird  man  sehen,  dafs  sie  weniger  Religion  haben 
als  ich. 

So  bleibt  Tillier  fortan  seinen  geistlichen  Gegnern,  vor  allen 
dem  Bischof  an  der  Ferse,  immer  die  Feder  zum  Angriff  bereit. 
Wenn  dem  Bischof,  wie  auch  schon  seinem  Vorgänger  M«1  Naudot, 
jährlich  2000  fr.  für  seine  Visitationsreisen  vom  Generalrat  des 
Departements  bewilligt  werden,  allerdings  nur  mit  einer  Stimme 
Majorität,  so  bekämpft  Tillier  diese  Forderung  (A  M.  Dufetre, 
eveque  de  Nevers,  sur  Vindemnite  de  route  qui  lui  a  e'te  allouee 
par  le  conseil  gene'ral)1  und  sucht  später  in  einem  anderen 
Pamphlet  drastisch  zu  zeigen,  wieviel  mehr  der  arme  Pfarrer,  auf 
den  der  Bischof  'niederstöfst'  (sur  lequel  vous  vous  etes  abattu), 
und  der  für  eine  würdige  Bewirtung  seine  Mittel  erschöpft,  einer 
Entschädigung  bedürfe  (Deux  episodes  d'une  tournee  episco-pale).- 
Diese  Ausführungen  und  ähnliche  in  anderen  Pamphleten  geben 
aber  von  der  eifrigen  Amtstätigkeit  des  neuen  Bischofs  ein  sehr 


1  (Euvres  III,  151—159. 

2  (Euvres  III,  313—327.     Aus  dem  Jahre  184^. 


96  Claude  Tilller  als  Paniphletist. 

entstelltes  Bild.  Die  theatralisch-feierliche  Einführung  der  heiligen 
Flavia  war  wirklich  eine  die  Kritik  herausfordernde  Haudlung 
M^  Dufetres  gewesen,  dessen  ungestümer  Bekehrungseifer  schon 
früher  auch  geistlichen  Beurteilern  wegen  eines  gewissen  Maugels 
an  religiösem  Takt  bedenklich  erschienen  war.  Aber  selbst  hier 
lag  die  Schuld  zunächst  bei  dem  Entdecker  der  Heiligen,  und 
gänzlich  unbegründet  sind  Tilliers  Angriffe  auf  die  Visitations- 
reisen Dufetres.  Offenbar  war  die  Amtsführung  des  Bischofs 
Naudot  eine  nicht  sehr  straffe  gewesen  und  hatte  es  auch  in  den 
ersten  Jahren  nach  1830  selbst  mit  dem  besten  Willen  nicht  sein 
können.  Als  nun  sein  rühriger  Nachfolger,  noch  ein  Vierziger, 
frisch  und  fest  vom  ersten  Tage  ab  all  seinen  Amtspflichten  un- 
ermüdlich nachging,  da  fühlte  sich  ganz  natürlich  so  mancher 
Pfarrer  in  seinem  bisherigen  Stilleben  unsanft  aufgestört;  so 
hatten  sie  schon,  als  Dufetre  noch  Generalvikar  in  Tours  war,  über 
sein  schroffes  Vorgehen  gegen  eingerissene  Mifsbräuche  geklagt. 
Solche  Klagen,  die  erst  allmählich  der  unbefangenen  besseren 
Schätzung  wichen,  gelangten  dann  zu  Tillier,  und  allzu  rasch 
verarbeitete  er  diese  'Hasen'  zu  seinem  'Hasenpfeffer'.  Der  neue 
Bischof  hielt  mehr  als  der  frühere  darauf,  dafs  die  Würde  seines 
Amtes  auch  nach  aufsen  würdig  und  eindrucksvoll  sich  darstellte; 
die  Vorwürfe  aber,  die  Tillier  in  dem  gegen  die  Reiseentschädi- 
gung geschriebenen  Pamphlet  andeutet  und  in  dem  anderen  dann 
an  zwei  angeblichen  Erlebnissen  des  visitierenden  Bischofs  humo- 
ristisch zur  Anschaung  bringt,  sind  sicherlich  unbegründet.  Gerade 
die  Schlichtheit  seiner  persönlichen  Bedürfnisse  gegenüber  der, 
wie  es  scheint,  damals  unter  der  höheren  Geistlichkeit  Frank- 
reichs verbreiteten  Neigung  zu  Luxus  und  prunkvollem  Auftreten 
hebt  ein  sonst  ziemlich  ironischer  Beurteiler  au  dem  Generalvikar 
Dufetre  noch  1841  hervor,1  und  ganz  ausdrücklich  und  streng 
wies  der  neue  Bischof  seine  Pfarrer  an,  ihn  mit  der  gröfsten 
Einfachheit  zu  bewirten  und  ihm  nie  mehr  als  ein  Gericht  dar- 
zubieten. -  Der  eigentliche  Grund  der  Klagen  waren  wahrschein- 
lich überhaupt  die  häufigeren  Visitationen   und  hierbei   die   dem 


1  Biographie  du  Clerge*  contemporain  par  un  ^olitaire.    Paris  L841 — 43. 
Bd.  3. 

2  Crosuier,  Vie  de  M>'r  Dufetre,  eveque  de  Nevers.    Paris  1868.    S.  173. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  9? 

Vielbeschäftigten  zur  unbedingten  Gewohnheit  gewordene  Pünkt- 
lichkeit; dann  auch  Forderungen  an  die  Pfarrer,  wie  die,  welche 
sogleich  eines  seiner  ersten  Rundschreiben  brachte:  eine  genaue 
Chronik  (registre)  ihrer  Parochie  mit  allen  irgendwie  beachtens- 
werten, nicht  nur  den  kirchlichen  und  geistlichen  Ereignissen  zu 
führen.  Auf  die  christliche  Archäologie  und  die  Erhaltung  wichtiger 
kirchlicher  Denkmäler  war  in  Frankreich  damals,  seit  1830  etwa, 
die  Arbeit  bedeutender  Männer  gerichtet;  romantische  Voltairianer, 
wie  Merimee,  wirkten  hier  mit  den  Klerikalen  zusammen,  indem 
fromme  Gelehrte,  wie  Lenormant  und  Ozanam,  das  Bindeglied 
bildeten.  Diesen  Bestrebungen  hatte  auch  Dufetre  längst  seine 
rege  Teilnahme  zugewendet,  und  er  begann  jetzt  sofort  auf  die  ihm 
unterstehenden  Pfarrer  in  diesem  Sinne  zu  wirken.  Wie  er  aber 
neben  alledem  auch  ihr  eigenes  Wohl  im  Auge  hatte,  bewies 
später  seine  Gründung  einer  Alters-  und  Invalidenkasse  für 
emeritierte  Priester  seiner  Diözese.  Damals  (1852)  lag  Tillier 
längst  im  Grabe  und  konnte  seine  ungerechten  Angriffe  nicht 
mehr  gut  machen,  auf  die  der  Bischof  dem  Lebenden  heftig  er- 
widerte, '  die  er  aber  dem  Toten  nicht  nachgetragen  hat.  Dals 
sie  nicht  ohne  ärgerliche  Wirkung  blieben,  kann  man  auch  daraus 
schliefen,  dafs  die  ausführlichste,  in  Nevers  geschriebene  Bio- 
graphie Dufetres,  die  doch  ein  früheres  anonymes  Pamphlet  gegen 
den  Generalvikar  der  Erwähnung  wert  findet, 2  mit  keinem  Worte 
von  Tillier  spricht,  freilich  auch  nicht  von  der  heiligen  Flavia. 

1  Tillier  erwähnt  noch  einen  dieser  Angriffe  und  entgegnet  sehr  scharf 
in  seinem  Pamphlet:  Quelques  mots  sur  un  Mandement,  CEuvres  IV,  1 — 35. 

2  Crosnier  a.  a.  O.  S.  108. 

Berlin.  Max   Cornicelius. 

(Schiufa  folgt.) 


Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX. 


Kleine   Mitteilungen. 


Zur   rhythmischen  Prosa   Englands   im  10. — 11.  Jahrhundert. 

Joh.  Steenstrup  (Bogstavrimets  sidste  og  Enderimets  forste 
Tider  in  Histor.  Tidsskrift  7  R  IV,  119  ff.)  stellt  die  Form  der  letzten 
Gedichte  in  den  angelsächsischen  Annalen  und  der  rhythmischen 
Prosa  iElfrics  zusammen  mit  Dänemarks  lateinischer  Stilform  bald 
danach.  Besonders  bei  ^Elnoth  aus  Canterbury,  in  dessen  Vita  s. 
Gnutonis,  treten  Assonanz,  Stabreim  und  Endreim  nebeneinander  auf. 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Zum  angelsächsischen  Menologium. 

Die  Phraseologie  des  Dichters,  von  Imelmann  (Diss.  Berlin 
1902)  sorgfältig  auf  poetische  Quellen  zurückgeführt,  schöpft  einmal 
aus  einem  Rechtsinstitut.  Durch  Mariae  Himmelfahrt  hcefde  Nergend 
fostorlean  fcemnan  forgolden:  da  Christus  nicht  beim  Vater  erwachsen 
war,  verdiente  die  Erzieherin  Nährlohn.  Nach  einem  (jüngeren  ?) 
Zeitgenossen  des  Dichters  wird  bei  wifmannes  beweddunge  den  bis- 
herigen Pflegeeltern  der  Braut  dcet  fosterlean  bestimmt.  Ist,  was  ich 
nicht  sicher  behaupte,  das  Wort  nachgebildet  nordischem  föstrlaun, 
wie  drincelean  nach  drekkulaun,  so  spräche  auch  dies  dafür,  dafs 
der  Dichter  wenig  vor  1000  schrieb.  Dagegen  seine  Herkunft  er- 
hellt aus  solchen  Einzelheiten  nicht.  Imelmann  sammelt  fleifsig 
anglische  Merkmale  der  Sprache;  allein  bei  einem  im  11.  Jahrhun- 
dert überlieferten  und  frühestens  nur  kurz  vorher  verfafsten  Denk- 
mal beweisen  sie  für  die  Lokalisierung  des  Autors  nichts,  da  sie 
stark  in  der  Minderheit  gegenüber  der  xoivi]  stehen.  Einzelnes  e 
für  m  und  in  gegen  hier  viermal  so.  oft  vorkommendes  on  gibt  es 
in  den  Gesetzen  auch;  tid  als  Neutrum  belegt  Imelmann  dorther 
selbst.  Augustins  Grab  liegt  nach  dem  Dichter  cynestole  neah,  mynstre 
mcerum;  er  weifs  also,  dafs  die  Peter- Pauls -Abtei  aufserhalb  der 
Hauptstadt  lag.  Ihre  Nichtnennung  bedeutet  vielleicht,  dafs  der 
Dichter  auf  ihren  Ruhm  eifersüchtig  war,  also  zur  Kathedrale  ge- 
hörte; jedenfalls  aber  kannte  er  Canterburys  Topographie.    Er  er- 


Kleine  Mitteilungen.  99 

wähnt  nur  dieses  eine  Heiligengrab;  er  widmet  Augustin  zwölf  Verse; 
er  nennt  keinen  anderen  Heiligen  Englands.  Deutet  dies  nicht  nach 
Canterbury?  —  Gerade  der  Metropolitandom  durfte  mit  jener  Auto- 
rität königlichen  Gebots  sprechen,  welche  der  Dichter  seinem  Kalender 
am  Schlüsse  beilegt:  übrigens  bezeichnend  für  die  seit  Eadgar  herr- 
schende Verquickung  von  Kirche  und  Staat.  Imelmann  möchte  den 
Verfasser  Abingdon  zuweisen,  nur  weil  der  Codex  dorther  kommt. 
Und  da  die  Schrift  identisch  ist  mit  der  des  Anfangs  der  angel- 
sächsischen Annalen,  so  könnte  Imelmann  geltend  machen,  dafs  ihn 
Plummer  auf  eine  Abingdoner  Vorlage  zurückführt  {Saxon  ehron. 
II,  lxxxtx).  Allein  dafs  diese  aus  fremdem  Werke  nur  kopiert  war, 
steht  fest:  das  Menolog  also  vielleicht  auch.  Gegen  Abingdon  spricht 
ein  Argument,  freilich  nur  eines  ex  silentio:  der  Dichter  erwähnt 
Helenas  Kreuzfindung.  Nun  behauptete  Abingdon,  einst  von  ihr 
bewohnt  und  mit  einem  Wunderkreuz  beschenkt  worden  zu  sein  und 
letzteres  nebst  Nägeln  von  Christi  Kreuz  zu  besitzen  (Chron.  Abingd. 
I  7;  II  155.  279).  Hätte  bei  solchem  Anlafs  ein  Abingdoner  das 
verschwiegen  ?  —  Die  letzten  Worte  on  ßas  sylfan  tiid  können  nicht 
heifsen  'hoc  tempore',  als  wollte  Verfasser  den  gegenwärtigen  Heiligen- 
kalender der  Vergangenheit  oder  Zukunft  gegenüberstellen,  sondern 
—  wie  Hickes  und  Pieper  verstanden  —  'über  (betreffend)  jene  sel- 
bigen Festzeiten'. 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Charakteristik  Englands  im  12.  Jahrhundert. 

In  der  Londoner  Guildhall  wurde  etwa  1220  die  Handschrift 
des  British  Museum  Additional  14252  niedergeschrieben.  Ihr  Inhalt, 
von  Mary  Bateson1  genau  verzeichnet  und  sachkundig  erklärt,  ent- 
stand, soweit  er  datierbar  ist,  1210 — 17.  Aber  das  meiste  ist  un- 
datierbar  und,  offenbar  durch  einen  städtischen  Rechtsgelehrten  und 
Antiquar,  nur  gesammelt  oder  ins  Französische  übersetzt  aus  Auf- 
zeichnungen des  12.  Jahrhunderts.  Fast  alles  betrifft  Recht,  Ver- 
fassung, Gewohnheiten,  Verwaltung  Londons.  Nur  ist  mitten  hinein- 
geschoben fol.  101  eine  Bearbeitung  oder  Beschreibung  Britanniens 
bei  Heinrich  von  Huntingdon:2 

De  Bretaine,  ki  ore  est  apele  Engletere  e  ki  est  si  bonuree  sur  lux, 
altres  idles  e  ke  si  est  plentivuse  de  blez  e  de  arbres  e  large  de  bois  et 
de  riveres  e  de  veneisuns  e  de  oiseals  covenable  e  noble  de  bons  ehiens 
e  co  de  multes  manieres. 3  De  iceste  Bretaine  vus  voil  alkes  escrivre, 
e  puis  vus  musterai  une  partie  de  la  lei  de  la  cite  de  Lundres  . . . 

Das  Folgende,  ebenfalls  zumeist  geschöpft  aus  Heinrich  von 
Huntingdon,  der  als  uns  sages  clers  citiert  wird,  findet  man  exzerpiert 


1  A  London  municipal  collection  in  Engl,  histor.  rev.  1902,  p.  480. 

2  ed.  Arnold  p.  512.      3  Bis  hierher  Überschrift. 


100  Kleine  Mitteilungen. 

bei  Miss  Bateson.  Darunter:  Bretaine  ...  sur  tute  la  gent  del  siede 
est  ele  plus  travaillante  en  pelerinage.  E  plus  sunt  li  home  bels  e  clers 
ke  altres  homes:  quant  hom  les  veit,  sempres  pur  lur  bealte  dit  Vom, 
dura  il  sunt.  Zu  den  fünf  Sprachen  Britanniens  bei  Huntingdon 
fügt  er  die  sechste,  que  Vom  apele  Normand  e  Frances. 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Mittelenglische  Porstausdrücke. 

G.  J.  Turner,  Select  pleas  of  the  forest  (Seiden  soc.  1901),  druckt 
Archivalien,  die  Verwaltung  und  Gericht  des  englischen  Forsts  im 
13.  Jahrhundert  betreffen  und  im  lateinischen  Text  gerade  Tech- 
nisches meistens  in  Vulgarausdrücken  bezeichnen.  Gemäfs  der  nor- 
mannischen Einführung  des  Forstrechts  entstammen  diese  zwar  zu- 
meist, wie  cableiceum  (chablis)  'Windfall',  dem  Französischen,  gelten 
aber  so  gut  wie  woodward  als  heimisch.  In  Einleitung  und  Glossar 
erklärt  Turner  diese  Wörter  mit  der  Schärfe  des  Juristen,  der  Liebe 
des  Sonderforschers  und  einer  nur  für  Arbeiter  am  Staatsarchiv  mög- 
lichen Kenntnis  ungedruckter  Parallelen.  Für  Wörter  wie  berner, 
bercelet,  brach  stehen  hier  früheste  Belege.  Das  Wild  scheuchte  der 
Jäger  auf  taborando  (p.  44):  Tambour  schlagend  [das  Wort  tabur 
steht  (in  England  zuerst?)  bei  Radulf  de  Diceto  II  102]. 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Roger  Bacon  als  Philolog. 

E.  Flügel  (in  Wundts  Philos.  Stud.  XIX  164)  zeigt  in  einem 
für  die  Geschichte  der  Sprachwissenschaft  im  Mittelalter  wichtigen 
Aufsatze,  wie  Bacon,  der  strenge  Kritiker  der  klassischen  Philologie 
jener  Zeit,  der  geniale  Hinweiser  auf  neue  Ziele  und  Methoden,  die 
modernen  Sprachen  nur  selten  berührte  und  an  eine  Grammatik  für 
diese  kaum  dachte,  obwohl  er  die  Dialekte  wohl  vermerkte.  [Stellen 
stehen  zum  Teil  Mon.  Germ.  28,  569,  wo  auch  die  Quelle  für  Sla- 
visches  bei  Bacon  und  Literatur  angegeben  sind;  Haureau,  Not.  et 
Extr.  des  mss.  35  p.  226,  stellt  Bacons  Griechische  Etymologie  recht 
tief.]  Unter  britischen  Philologen  im  Jahrhundert  vor  und  mit  Bacon 
erwähnt  Flügel  auch  Johann  von  Salisbury,  Grosseteste,  Basingstoke. 
[Zeitlich  zwischen  Johann  und  Roger  steht  mit  mancher  sprachver- 
gleichenden Ahnung  der  Walliser  Girald  de  Barri,  der  Englisch 
'Teutonisch'  nennt  und  das  Brythonische  als  dem  Griechischen  oder 
Lateinischen  verwandt  erkennt;  Mon.  Germ.  27,  408  f.] 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Zum  Havelok. 

Die  neue  Ausgabe  des  Gedichtes  durch  Skeat  (Oxford  1 902) 
hat  mir  Gelegenheit  gegeben,  den  Text  nochmals  durchzugehen,  wobei 


Kleine  Mitteilungen.  101 

ich  einige  wettere  Verbesserungen  '  schwieriger  Stellen  gefunden  habe. 
V.  406  f.:  And  leue  pat  it  mote  wone 

In  heuene-riche  with  Qodes  sone! 

Diese  Stelle  hat  Morsbach  in  den  Engl.  Stud.  XXIX,  372  besprochen, 
und  er  sieht  in  Godes  sone  eine  Umschreibung  für  him,  da  der  Über- 
lieferung nach  Jesus  Crist  (V.  403)  das  Subjekt  ist.  Der  Dichter 
hätte  also  gesagt:  'Christus  ...  gestatte,  dafs  sie  (die  Seele)  im  Himmel 
bei  Gottes  Sohne  wohnen  möge!'  Ich  halte  eine  solche  Ausdrucks- 
weise für  unmöglich  und  schlage  vor,  God  hinter  leue  einzuschieben 
und  dafür  Godes  in  his  zu  bessern  —  dann  wird  die  Stelle  klar  und 
verständlich. 

V.  560  erg.    Also  thou  wilth  mi  lif  haue  [saue}', 
vgl.  V.  2226:  But  God  him  wolde  wel  haue  saue.    Das  Reimwort  ist 
in  beiden  Fällen  knaue. 

V.  738  1.        [Un]to  htm  and  to  hise  flöte. 

V.  762  ff.        TU  hise  sones  to  beren  fish  inne, 
Up  o  londe  to  seile  and  fonge. 
Forbar  he  neyper  tun  ne  gronge. 

Der  Reim  fonge  'fangen'  :  gronye  'Meierei,  Scheune'  (ne.  grange  — 
greindx)  ist  wohl  jedem,  der  sich  mit  dem  Havelok  beschäftigt  hat, 
seltsam  oder  verdächtig  vorgekommen.  Statt  gronge,  das  gerade  wie 
ein  Reim  fürs  Auge  aussieht,  würde  man  auch  eher  grange  oder 
grantige  erwarten.  Aber  auch  der  Sinn  der  Stelle  ist  unklar,  denn 
Grini  und  seine  Söhne  wollen  doch  auf  dem  Lande  keine  Fische 
mehr  fangen,  das  haben  sie  ja  schon  vorher  auf  der  See  getan! 
Ich  vermute,  dafs  fonge  für  change  'umtauschen'  verschrieben  ist,  und 
dafs  also  die  Fischer  ihre  Ware  nicht  blofs  verkauften,  sondern  auch 
für  die  in  den  Versen  767  ff.  aufgezählten  Lebensmittel  umtauschten. 

V.  810  1.        To  morwen  shal  ich  forth[ward]  pelle. 

V.  833  f.  1.    Ne  non  oper  fish  pat  douhte; 

His  meyne  feden  nouht  he  mouhte. 

Ich  ändere  also  blofs  with  V.  834  in  nouht  (oder  in  der  Orthographie 
der  Hs.  nouth). 

V.  1019  ff.     For  it  ne  was  non  horse-knaue 

po  pei  sholden  in  honde  haue, 

pat  he  ne  kam  pider,  pe  leyk  to  se. 

Skeat  ändert  po  V.  1020  in  pouh  und  übersetzt  den  Vers  in  den 
Anmerkungen:  'Though  they  happened  to  have  work  in  hand', 
i.  e.  had  plenty  to  do.  —  Ob  aber  der  Begriff  'Arbeit'  so  ohne  wei- 
teres ergänzt  werden  kann,  erscheint  mir  denn  doch  sehr  zweifelhaft. 
Ich  möchte  daher  po  in  for  ouht  'trotz  allem'  bessern.  Der  Sinn  der 
ganzen  Stelle  ist:  Kein  Pferdeknecht,  mochte  er  noch  so  viel  zu  tun 
haben,  unterliefs  es,  hinzukommen. 

1  Vgl.  Anglia,  Beiblatt  XI,  S.  306  und  359  ff.,  XII,  146 ;  Engl.  Stud. 
XXX,  343  f.      [Jetzt  noch  Förster,  Beibl.  zur  Angl.  XIV,  10  ff.] 


102  Kleine  Mitteilungen. 

V.  1220  1.      With  pat  [pat]  pou  ivilt  here  dwelle. 

V.  1269  1.      It  bi'kenneth  more,  he  shal. 
Ich  möchte  jetzt  also  lieber  pat  nach  more  als  dies  selbst  streichen. 

V.  1287  1.     But  on  [up]on  p>e  moste  Ml. 

V.  2269.         pat  he  sholden  him  god  feyth  bere. 
Der  Vers  gewinnt  entschieden  durch  eine  Umstellung: 

pat  he  god  feyth  him  sholden  bereu. 
Schon  Skeat  schreibt  him  sholden. 

V.  2290  f.      Bwan  he.  haneden  alle  pe  hing  gret, 
And  he  teeren  alle  dun  sei. 

Ich  möchte  jetzt  bessern: 

Hican  he  pe  hing  haueden  alle  gret, 
And  lue  teeren  dun[e]  set, 

streiche  also  alle  als  Wiederholung  im  zweiten  Verse. 

V.  2557.         With  ful  god  teepne  ye  ber  so. 

Das  rätselhafte  ye  ber  könnte  aus  pered  —  wered,  Part.  Prät.  von 
weren  =  ae.  werian  'wehren,  verteidigen,  schützen',  entstellt  sein, 
wenn  wir  für  letzteres  auch  die  Bedeutung  'bewehren'  annehmen 
dürfen. 

V.  2658  f.     panne  he  woren  fallen  dun  bopen, 
Grundlike  here  suerdes  ut-drowen. 

Man  stelle  im  ersten  Verse  um:  bopen  dun.  Der  Reim  dun  :  drowen 
ist  ganz  richtig,  wenn  wir  in  letzterer  Form  Einflufs  des  Sgl.  drou.gh 
(—  druy)  annehmen,  wie  z.  B.  in  den  ne.  Pluralformen  boughs  und 
ploughs.  Lautgesetzlich  wäre  ja  ae.  dröjun  zu  drowen  (=  dromn) 
geworden,  vgl.  Koeppel  in  Herrigs  Archiv  CIV,  14  ff. 

Kiel.  F.  Holthausen. 

Nachtrag  zu  Archiv  CVIII,  288  ff. 

(Die  Quelle  des  me.  Gedichtes  'Lob  der  Frauen'.) 

Gelegentlich  meines  diesjährigen  Aufenthaltes  in  England  konnte 
ich  das  in  Bd.  CVIII,  S.  288  ff.  nach  Wrights  Drucke  wiedergegebene 
altfranzösische  Gedicht  mit  der  Handschrift  vergleichen,  wobei  ich 
folgende  Abweichungen  Wrights  von  derselben  fand: 

V.  Wr.  5  que]  Hs.  qe,  desgl.  V.  40,  52,  98,  150,  154,  220,  311 
und  316.  —  45  Wr.  honme]  Hs.  homne,  desgl.  293.  —  127  Wr. 
suffry]  Hs.  soffry.  —  161  Wr.  il]  Hs.  e.  —  177  fehlt  de  in  der  Hs. 
—  228  Wr.  fenme]  Hs.  femne.  —  304  Wr.  mount]  Hs.  moul.  — 
322  Wr.  soffrir]  Hs.  soffri. 

In  vier  Fällen  weist  leider  mein  Text  gegenüber  Wr.  und  der 
Hs.  Fehler  auf,  nämlich  V.  168  homme]  Wr.  Hs.  honme.  —  195 
a  ce]  Wr.  Hs.  e  ce.  —  286  amistie]  Wr.  Hs.  amistee.  —  314  in] 
Wr.  Hs.  en. 


Kleine  Mitteilungen.  103 

Wichtig  sind  in  der  ersten  Liste  wohl  nur  da>  handschrift- 
liche e  für  Wrights  il  161,  mout  für  mount  304,  endlich  soffri 
für  so/fr«-  322. 

Kiel.  F.  Holthausen. 

Zur  Legende  von  Edward  dem  Bekenner. 

Kadweard  III.  soll  einem  Armen  Almosen,  da  er  keine  Münze 
hei  sich  hatte,  in  Gestalt  eines  Ringes  gereicht  haben,  den  dann  der 
hl.  Johannes  zwei  englischen  Palästina-Pilgern  für  den  König  zurück- 
erstattete. Diese  Geschichte  findet  sich  schon  bei  den  alten  Bio- 
graphen; Lives  of  Edw.  the  Conf.  ed.  Luard  p.  122.  373.  Ein  Do- 
minikaner zu  Parma  hat  sie  1320 — 44  seiner  Chronik  der  Päpste 
hinzugefügt;  nach  ihm  sagte  der  hl.  Johannes  (bei  diesem  der  Täufer), 
die  Jungfrau  Maria  habe  den  Ring  selbst  getragen.  So  Delisle,  No- 
tices  et  Extr.  des  mss.  35  p.  1  (1896),  379. 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Zur  mittelenglischen  Handsehriftenkunde. 

Eine  me.  Übersetzung  von  Boccaccios  De  claris  mulieribus 
('Boccasse  of  his  Booke  intitlede  in  the  Latyne  tongue  De  Preclaris 
Mulieribus'),  wohl  dieselbe,  welche  Zupitza  auf  Grund  von  Ms.  Add. 
10794  in  der  'Festschrift ...  des  fünften  allgemeinen  deutschen  Neu- 
philologentages' (Berlin  1892)  S.  93—120  besprochen  hat,  ist  laut 
'Centralblatt  für  Bibliothekswesen'  XV  (1898)  339  auch  in  einer 
Handschrift  enthalten,  welche  aus  der  berühmten  Sammlung  des 
Sir  Thomas  Phillipps  stammt  und  auf  der  Sothebyschen  Auktion 
vom  9.  Juni  1898   in   den  Besitz  des  Herrn  Bain   übergegangen  ist. 

Eine  von  Spiefs  und  Macaulay  nicht  angeführte  Handschrift 
von  Gowers  Confessio  amantis  (Pergament)  befand  sich  in  der  Biblio- 
thek des  Sir  Andrew  Fountaine  und  gelangte  auf  der  Sothebyschen 
Auktion  vom  12.  Juni  1902  in  den  Besitz  der  Firma  Quaritch,  welche 
somit  zurzeit  drei  Gower-Mss.  ihr  eigen  nennt  (Centralblatt  f.  Biblio- 
thekswesen XIX  [1902]  362). 

Dieselbe  Firma  (Quaritch)  erwarb  am  2.  Mai  v.  J.  ein  illu- 
miniertes Folio-Manuskript,  enthaltend  'The  Boke  of  Bochas  trans- 
lated  into  Englishe  by  John  Lydgate,  Monk  of  Bury'  (==  Falls  of 
princes  ?),  welches  aus  der  Bibliothek  des  Henry  White  stammt 
(Centralbl.  XIX  309). 

Ein  Folio-Ms.  des  14.  Jahrhunderts  (?)  mit  'Richard  Rolle  de 
Hampoles  Werken  in  Prosa  und  Versen'  (mit  seltsamen  Zeichnungen) 
gelangte  auf  der  Auktion  vom  14.  Juni  1902  an  Herrn  L.  Rosen- 
thal (Centralbl.  XIX  363). 

Würzburg.  M.  Förster. 


104  Kleine  Mitteilungen. 

Zu  Scogan  und  'The  Court  of  Love'. 

1)  In  seinen  'Chaucerian  and  other  pieces'  p.  545  Anrn.  zu 
491 — 504  vergleicht  Skeat  die  citierten  Stellen  mit  Fragment  B  des 
Rom.  Kose  2419—39,  2817—20  und  weist  ferner  zu  11.496—7  den 
Bezug  zu  Fragment  B  2819 — 20  'or  of  hir  chere  that  to  the  madc 
thy  lady  dere'  nach.  Er  möchte  daraus  und  aus  anderem  schliefsen, 
dafs  der  Court  of  Love  nach  Thynne's  edition  1532  verfafst  sei  (Intro- 
duction  §  71).  Dafs  aber  der  Verfasser  des  Court  of  Love  Frag- 
ment B  vor  Thynne  benutzt  und  gekannt  habe,  wird  ebenso  leicht 
anzunehmen  sein,  da  ich  in  meinen  Untersuchungen  über  Lydgate 
und  Fragment  B  des  Rom.  o.  Rose  zu  dem  Resultat  gekommen  bin, 
dafs  Lydgate  schon  im  Temple  of  Glas  Fragment  B  benutzt  hat, 
was  bei  noch  eingehenderer  Durchforschung  der  Werke  Lydgates 
sich  mit  Evidenz  erweisen  lassen  wird. 

2)  Skeats  Bemerkungen  zum  Court  of  Love  im  'Chaucer  canon' 
sind,  wie  Prof.  Brandl  nachgewiesen  hat,  mit  gröfster  Vorsicht  auf- 
zunehmen. Was  die  vocabulary-test  (a.  a.  0.  p.  134)  anbetrifft,  so 
sind  folgende  Berichtigungen  anzubringen. 

Skeat:  aureat,  817,  known  in  1599.  Ich  finde  aureat  bei  Lyd- 
gate, Reson  &  Sensuality  (1406—8?)  1312:  The  world  was  called 
aureate,  und  Balade  13:  O  aureat  licour  of  Cleo. 

as  blife,  161,  found  in  Lydgate  1413  —  schon  früher  bei  Lyd- 
gate, jedenfalls  Rom.  o.  Rose  B  2799  (von  Skeat  übersehen). 

demure,  653,  wird  von  mir  belegt  bei  Lydgate  in  der  Flour 
of  curtesie  (um  1400)  V.  139. 

Skeat  fragt  ferner:  And  what  is  rneant  with  'dye  and  sterve'? 
(ver>  301.)  Diese  Phrase  belege  ich  wieder  bei  Lydgate,  Pilgrimage 
1849:  Rather  he  ehes  to  dey  and  sterue. 

Zum  Schlufs  noch  eine  'Anmerkung'  zur  Note  Skeats,  Court  of 
Love  782  flawe  =  flave,  yelloiv,  known  in  1657. 

C.  o.  L.  782  And  Uly  forhede  had  this  creature,  With  lovelich 
broives,  flawe,  of  colour  pure.    Unten:  S.  flawe  (for  flave)  sie! 

'I  suspect  that  flawe  ivas  a  Northern  form;  cf.  braw,  as  a 
Northern  variant  of  brave?  Hat  im  Original  wirklich  flawe  ge- 
standen?  Oder  ist,  was  allerdings  dem  Sinne  nach  sehr  unwahr- 
scheinlich sein  dürfte,  gar  falwe  (yellowish)  zu  lesen? 

Weitere  phraseologische  Bezüge  zwischen  'Court  of  Love'  und 
Lydgate  werden  sich  gewifs  noch  nachweisen  lassen. 

Ein  ausführlicher  Artikel  aus  meiner  Feder  wird  demnächst 
erscheinen. 

Brandenburg  H.  J.  H.  Lange. 

Christopher  Anstey,  der  Verfasser  des  New  Bath  Guide. 

Christopher  Anstey  (1724 — 1805)  wird  gewöhnlich  in  der  Ge- 
lehrtenwelt mit  Stillschweigen  übergangen,  mehr  noch  bei  uns  Deut- 


Kleine  Mitteilungen.  105 

sehen  als  bei  den  Engländern.  Er  ist  zwar  nicht  mit  vielen  Erzeug- 
nissen seiner  Dichternmse  hervorgetreten ;  sein  Name  haftet  ernstlich 
nur  an  seiner  Satire  'The  new  Bath  guide'  (1766).  Aber  dieses 
kleine  Werk  kann  immerhin  einen  Platz  in  der  Geschichte  der  eng- 
lischen Satire  beanspruchen;  es  gibt  wenig,  das  sich,  was  Originalität 
anlangt,  mit  ihm  vergleichen  liefse.  Wie  fast  allen  Satiren  sieht  man 
einer  Skizzierung  des  Inhalts  zwar  nichts  Aufsergewöhnliches  an. 
Eine  Anzahl  junger  Menschenkinder  aus  der  Familie  der  B(lu)n(de)r- 
(hea)d,  nämlich  Sim  B.,  dessen  Schwester  Prudence,  beider  Cousine 
Jenny  W-d-r,  ihre  Haushälterin  Tabitha  Eunt  begeben  sich  im 
Sommer  1766  nach  Bath.  Sie  haben  ja  allen  Grund  dazu:  Sim  und 
Prudence  haben  sich  mit  Leckereien  den  Magen  verdorben,  sie 
müssen  notwendig  das  dortige  Wasser  trinken.  Sie  kommen  und 
staunen  das  herrliche  Bath  an,  mit  seiner  schönen  Lage  und  seinen 
liebenswürdigen  Menschen.  Da  sind  zunächst  die  freundlichen  Ein- 
wohner selbst,  die  die  neuen  Gäste  bewillkommnen  mit  Glocken- 
geläute, die  ihnen  auch  ein  Konzert  veranstalten.  Dafür  mufs  man 
sich  natürlich  nobel  zeigen,  und  Sim  bezahlt  daher  alle  Musikanten. 
Und  die  Gäste  nun!  Unsere  Kinder  gehen  ganz  in  Bewunderung 
der  schönen  Kleider  und  der  feinen  Sitten  auf.  Alle  diese  Leute 
zusammen  bei  einem  Mahle  oder  einem  Balle  zu  sehen,  ist  einfach 
eine  Sehenswürdigkeit.  Der  Liebenswürdigkeit  der  feinen  Gäste  ver- 
danken sie  es,  dafs  sie  in  ihren  Kreisen  verkehren  können.  Einige 
zeichnen  sich  ganz  besonders  durch  Anhänglichkeit  aus.  Da  ist  z.  B. 
der  Captain  Cormorant,  ein  Mann,  der  dem  Staate  sehr  gute  Dienste 
geleistet  hat,  und  den  man  also,  nach  seiner  eigenen  Meinung,  besser 
hätte  belohnen  müssen.  Er  ist  sehr  gebildet,  unterhält  sich  mit  Jenny 
über  Milton  und  Shakespeare.  Auch  sonst  läfst  er  ihr  alle  Auf- 
merksamkeit zu  teil  werden.  So  viel  er  nur  von  seiner  kostbaren 
Zeit  erübrigen  kann,  widmet  er  den  ortsunkundigen  Gästen  und 
kommt  deshalb  regelmäfsig  zum  Mittags-  und  Abendessen  zu  ihnen. 
Als  Mann  von  Weltkenntnis  weiht  er  den  jugendlichen  Sim  in  die 
grofsen  menschheitbeglückenden  Ideen  ein;  eine  der  wichtigsten  ist 
der  Begriff  von  der  Umsetzung  des  Geldes.  Dafür  gibt  es  besonders 
ein  Mittel,  das  Kartenspiel.  Sim  kann  zwar  noch  nicht  spielen,  aber 
der  Captain  meint,  er  lerne  es  rasch,  und  Cormorant  kann  ja  warten, 
solange  Sim  noch  etwas  Geld  besitzt.  Den  übrigen  Gewinn  stundet 
er  ihm  zu  20  Prozent.  —  Ein  anderer  auch  sehr  freundlicher  Mensch 
ist  der  methodistische  Priester  Roger,  das  heilst  er  ist  auch  unter 
dem  Namen  Nicodemus  bekannt.  Er  nimmt  sich  besonders  gerne 
der  Prudence  an  und  neckt  sich  immer  so  liebenswürdig  mit  ihr. 
Doch  sind  seine  Lebensanschauungen  etwas  düsterer  Art,  und  es  ge- 
lingt ihm,  Prue  von  ihrem  sündhaften  Seelenzustand  zu  überzeugen, 
so  dafs  sie  schliefslich  glücklich  ist,  als  ihr  eines  Nachts  ein  Engel 
in  der  Gestalt  Rogers  erscheint  und  ihr  auf  göttlichen  Befehl  Liebe 


106  Kleine  Mitteilungen. 

einflöfst.  —  Schliefslich  ist  der  heitere  pietistische  Priester  zu  erwäh- 
nen, der  lehrt,  dafs  es  weder  Sünde  noch  Übertretung  gebe,  womit 
er  sich  besonders  die  Gunst  der  Tabby  Eunt  erwirbt,  die  dafür  sorgt, 
dafs  sein  Geschlecht  nicht  ausstirbt.  —  Zu  diesem  Umrifs  des  In- 
halts kommen  noch  einige  Beigaben,  eine  Ode,  'die  Geburt  der  Mode' 
betitelt,  eine  Beschreibung  des  Badens,  der  Gesang  eines  Dichter- 
lings auf  den  ihn  unterstützenden  Koch  Gill  in  Bath,  die  Erzählung 
von  einer  Konsultation  der  Ärzte. 

Um  die  Bedeutung  des  New  Bath  guide  recht  zu  würdigen, 
müssen  wir  uns  nach  den  Patiren  umsehen,  die  schon  vorher  in  Eng- 
land entstanden  waren.  Man  hatte  sich  bereits  von  der  antiken 
Satire  abgewandt,  indem  man  nicht  mehr  allgemeine  Schilderungen 
von  Lastern  und  Schwächen  gab,  sondern  dieselben  in  lebendigen, 
handelnden  Personen  verkörperte.  Diesen  Fortschritt  benutzte  auch 
Anstey.    Aber  seine  Satire  unterscheidet  sich  von  den  vorhergehenden 

1)  in  dem  Gegenstand  der  Satire:  nirgends  vor  Anstey  finden 
wir  eine  Satire  gegen  das  gesamte  Treiben  einer  Stadt.  Humo- 
ristische Erzählungen,  deren  Helden  die  Einwohner  einer  Stadt  sind, 
waren  zwar  in  der  Schwankliteratur  vorhanden,  das  Altertum  hatte 
sein  Abdera,  wir  Deutschen  haben  unser  Schiida,  in  England  erzählt 
man  sich  solche  Schwanke  von  den  Bewohnern  von  Gotham.  Aber 
dies  sind  Schwanke  und  keine  Satire.  Doch  kennt  zwar  die  mittel- 
englische Zeit  eine  Satire  auf  die  Leute  von  Kildare  in  Irland,  aber 
dies  ist  eine  Satire  in  Predigten  auf  die  verschiedenen  Stände,  so 
dafs  die  Predigten  auch  auf  die  Bewohner  aller  anderen  Städte  und 
Dörfer  passen  würden.  So  hat  Anstey  zum  erstenmal  das  charakte- 
ristische Gepräge  einer  bestimmten  Stadt,  wie  sie  zu  seiner  Zeit  war, 
zum  Objekt  seiner  Satire  gemacht. 

2)  In  ihrer  Form:  die  Satire  ist  in  Briefen  abgefafst,  und  zwar 
in  der  Weise,  dafs  die  mitverspotteten  Personen  die  Schreiber  der 
Briefe  sind.  Auch  diese  Briefform  haben  wir  vorher  nicht  in  irgend 
einer  Satire.  Der  Vorteil,  der  sich  für  Anstey  dabei  ergab,  war,  dafs 
die  beifsende  satiristische  Stimmung  in  einen  angenehmen  Humor 
verwandelt  wurde.  Denn  alle  Schreiber  der  Briefe  sind  einmal  Be- 
wunderer des  Treibens  in  Bath,  ferner  aber  sind  sie  naiv  genug, 
nicht  zu  sehen,  wie  sie  getäuscht  werden.  Da  sie  gewissenhaft  über 
alles  berichten,  wird  alles,  was  sie  sagen,  zur  unbewufsten  Selbst- 
ironie. 

3)  In  der  Wahl  des  Metrums:  unter  den  von  den  einzelnen 
Schreibern  verwendeten  Metren  war  besonders  der  anapästische  Tetra- 
meter bisher  wenig  gebräuchlich.  Dieser  war  bisher  nur  von  Matthew 
Prior  hin  und  wieder  angewandt  worden  (vgl.  'Secretary'  und  'Down 
Hall').  Von  jetzt  ab  verwenden  die  Dichter  dieses  Versmafs  mit 
Vorliebe  für  die  poetische  Plauderei. 

Es  ist  klar,  dafs  zu  diesen  Vorzügen  formaler  Natur  noch  solche 


Kleine  Mitteilungen.  107 

inhaltlicher  Art  kommen  müssen,  um  die  Satire  zu  einem  Kunstwerk 
zu  machen.  Den  Inhalt,  der  mit  guter  Laune  erzählt  ist,  nahen  wir 
hereits  skizziert.  Wichtiger  vielleicht  sind,  wie  in  jeder  Satire,  die 
zahlreichen  Einzelheiten,  die  nicht  alle  wiedergegeben  werden  können. 
Hierin  offenbart  Anstey  einen  sprudelnden  Witz  und  Humor.  Die 
Charaktere  der  meisten  Personen  sind  alle  typisch.  Die  naiven  Brief- 
schreiber, besonders  der  fleifsigste  unter  ihnen,  Sim,  sind  im  ganzen 
glaubwürdig  dargestellt.  Starke  Zweifel  an  der  Naivität  darf  man 
sich  dagegen  hinsichtlich  der  Prudence  erlauben,  die  ihr  oben  er- 
wähntes Abenteuer  mit  Roger,  durch  das  sie  zum  Methodismus  er- 
wählt wird,  selbst  mit  kindlichem  Glauben  ihrer  Freundin  mitteilt. 
Die  Art  der  Satire,  die  also  ihre  besondere  Wirkung  durch  die  Ironie 
erhält,  wozu  das  vermeintliche  Lob  der  Briefschreiber  wird,  möge  ein 
Beispiel,  Sims  Bewunderung  der  Frauen,  die  so  fein  geputzt  sind 
und  eifrig  Karten  spielen,  charakterisieren;  Sim  sagt  von  ihnen: 

. . .  these  to  their  Husbands  more  Profit  can  yield 
'  And  are  much  like  a  Lilly  that  grows  in  the  Field ; 
They  toil  not  indeed,  nor  indeed  do  they  spin,  \& 
Yet  they  never  are  idle,  when  once  they  begin, 
But  are  very  intent  on  increasing  their  Store, 
And  always  keep  shuffling  and  cutting  for  more. 

Der  New  Bath  guide  erschien  1766;  die*  beiden  ersten  Auf- 
lagen wurden  rasch  vergriffen,  so  dafs  im  selben  Jahre  die  dritte 
noch  gedruckt  wurde.  Auch  einige  bedeutendere  Schriftsteller 
empfingen  das  Buch  mit  Applaus.  Am  20.  Juni  desselben  Jahres 
schrieb  Horace  Walpole  (Letters,  ed.  Cunningham,  vol.  IV,  S.  504) 
darüber  an  G.  Montague:  so  much  wit,  so  much  hwnour,  fun,  or 
poetry,  never  met  together  before.  I  can  say  it  by  heart,  though  a 
quarto  ....  Und  Gray  schrieb  an  Wharton  am  26.  August  (Werke, 
ed.  Edmund  Gosse,  London  1884,  vol.  III,  S.  243):  Have  you  read 
the  New  Bath  guide?  It  is  the  only  thing  in  fashion,  and  is  a  new 
and  original  kind  of  humour  . . . 

Aber  auch  die  spätere  Zeit  erkannte  dem  Werk  eine  gewisse 
Bedeutung  zu.  Noch  Byron  schreibt  in  seinen  Briefen  oft  davon, 
dafs  der  New  Bath  guide  noch  sehr  viel  gelesen  werde.  Ein  wich- 
tigeres Zeichen  seiner  Bedeutung  ist  jedoch  der  Einflufs,  den  das 
Werk  auf  die  späteren  Schriftsteller  ausübte.  Campbell  nahm  eine 
Partie  aus  dem  Werke  in  seine  Specimens  of  the  British  Poets  auf 
und  meinte,  Anstey  habe  die  'leading  characters'  aus  Smolletts 
Humphrey  Clinker  entlehnt.  Dies  ist  deswegen  ausgeschlossen,  weil 
Humphrey  Clinker  erst  1771  erschien.  Also  müfste  umgekehrt 
Smollett  die  entsprechenden  Anleihen  bei  Anstey  gemacht  haben. 
Aber  auch  dieses  bedarf  der  Berichtigung.  Einmal  sind  die  Per- 
sonen bei  Smollett  mit  viel  gröfserer  Ausführlichkeit  geschildert  als 
bei  Anstey,  der,  abgesehen  von  der  Charakterisierung  Sims,  sich  nur 


108  Kleine  Mitteilungen. 

mit  Andeutungen  begnügt.  Für  Matthew  Bramble,  Jeremy  Melford, 
Lydia  Melford  und  Mrs.  Tabitha  Bramble  gibt  es  irgend  welche 
Entsprechungen  nicht.  Lismahago  ist  zwar  auch  ein  gewesener 
Captain,  aber  gerade  hier  zeigen  sich  die  bedeutsamsten  Unterschiede : 
Lismahago  ist  ein  grundehrlicher,  idealistisch  angelegter  Charakter, 
während  Captain  Cormorant  ein  verkappter  Spitzbube  ist.  Ein 
Methodisten prediger  begegnet  auch  bei  Smollett,  aber  dies  ist  auch  im 
Gegensatz  zu  Roger  bei  Anstey  ein  braver  Kerl,  der  durch  Ge- 
wissenszweifel hindurchgeht,  aber  nie  seine  ehrliche  Gesinnung  ver- 
liert. Was  wir  dagegen  wohl  eher  als  einen  Einflufs  Ansteys  be- 
trachten können,  scheint  mir  allgemeinerer,  aber  um  so  wichtigerer 
Art  zu  sein.  In  allen  Werken,  die  Smollett  vor  dem  Jahre  1771 
schrieb,  hat  er  einen  derben,  fast  groben  Humor,  oder  aber,  es  gelingt 
ihm  wenigstens  nicht,  seinen  besseren  Humor  in  eine  geschlossene 
Form  zu  bringen.  Jetzt  auf  einmal  begegnet  uns  bei  ihm  ein  zarter 
und  freundlicher  Humor,  der  noch  dazu  in  die  Form  der  Ironie  ge- 
kleidet ist.  So  ist  z.  B.  Matthew  Bramble  ein  gichtkranker  und  nervöser 
Mann,  der  von  sich  selbst  berichten  mufs,  dabei  gewissenhaft  auch 
von  seinen  Grillen  berichtet  und  sie  auf  irgend  welche  Weise,  aber 
doch  etwas  schlecht,  zu  entschuldigen  sucht.  Dieselbe  unbewufste 
Selbstironie,  die  im  wesentlichen  aus  der  Briefform  sich  ergibt,  wie 
bei  Anstey  also!  Zum  Unterschied  gegenüber  Anstey  ist  noch  fest- 
zustellen, dafs  Smolletts  Humor  viel  feinerer  Art  ist  als  der  Ansteys, 
was  sich  vor  allem  daraus  von  selbst  ergibt,  dafs  Ansteys  Haupt- 
tendenz doch  die  Satire  ist,  während  Smollett  den  Humor  zum  Aus- 
druck zu  bringen  sucht. 

Noch  deutlicher  erkennt  man  den  New  Bath  guide  als  ein 
Vorbild  für  Thomas  Moores  The  Fudge  family  in  Paris  (1818).  Es 
ist  eine  Satire  auf  das  Strebertum  unter  dem  Kanzler  Castlereagh. 
Sie  ist  in  Briefform  geschrieben,  so  dafs  die  persiflierten  Streber 
selbst  die  Verfasser  der  Briefe  sind.  Moore  hat  den  einzelnen  Per- 
sonen die  verschiedenen  Metra  zuerteilt,  die  auch  Anstey  verwendete, 
und  besonders  den  anapästischen  Tetrameter  dabei  eine  gewisse 
Rolle  spielen  lassen.  Ebenso  hat  sich  Moore  offenbar  bemüht,  den- 
selben schwatzhaften  und  innigen  Ton  Ansteys  zu  finden,  doch 
kommt  bei  ihm,  in  den  Briefen  des  alten  Fudge  wenigstens,  mehr 
noch  die  bissige  Satire  zum  Vorschein  als  bei  Anstey. 

Beeinflussung  durch  Anstey  verraten  auch  schliefslich  die  In- 
goldsby  Legends  von  Thomas  Ingoldsby  [=  Richard  Harris  Barham] 
(1840).  Dieselben  sind  zwar  nicht  in  Briefen,  aber,  was  auf  dasselbe 
hinauskommt,  in  der  Ich-Form  geschrieben.  An  Versmafsen  und 
Reimkünsten  ist  Barham  reicher  als  Anstey.  Aber  der  Humor  hat 
einem  gewöhnlichen  Cynismus  Platz  gemacht. 

Der  New  Bath  guide  ist  seither  nur  noch  einmal  in  den  ge- 
sammelten Werken  von  Christopher  Anstey    1808   erschienen.    Auf 


Kleine  Mitteilungen.  109 

deutschen  Bibliotheken    habe   ich    dem  Buche   seinerzeit   vergebens 
nachgeforscht;  doch  besitzt  das  Englische  Seminar  der  Berliner  Uni- 
versität ein  Exemplar  der  dritten  Auflage  aus  dem  Jahre  1766. 
Berlin.  Gustav  Becker. 


Zur  Geschichte  der  deutschen  Literatur  in  England. 
(Nachträge  zum  Archiv  CV,  30.) 

1)  Am  11.  November  1790  wurde  in  Covent  Garden  zum  ersten- 
mal ein  Stück  aufgeführt,  das  den  Titel  'The  Germern  hoteV  führte. 
Es  ist  dies  eine  recht  gute  und  sinn-,  wenn  auch  nicht  wortgetreue 
Übersetzung  eines  Schauspiels  von  Job.  Christ.  Brandes:  Der  Gast- 
hof: oder  Trau,  schau,  wem  (zuerst  1769).  Die  Übersetzung  wurde 
einem  gewissen  Marshall  zugeschrieben,  in  Wirklichkeit  stammt  sie 
aber  von  dessen  Freunde  Thomas  Holcroft,  wie  aus  einer  Stelle 
seiner  Memoirs  (II,  68)  hervorgeht.  Vgl.  über  ihn  Brandl,  Coleridge 
S.  273:  Archiv  a.  a.  O.  S.  33;  ferner  Geneste  Bd.  VII,  S.  22.  Das 
Stück  fand  vielen  Beifall  und  wurde  etwa  ein  Dutzend  Mal  wieder- 
holt.   Goedeke2  IV,  77  erwähnt  diese  Übersetzung  nicht. 

9)  The  English  tavern  at  Berlin,  a  comedij,  London  1789.  Dies 
mittelmäfsige  Lustspiel,  welches  niemals  aufgeführt  worden  ist,  dreht 
sich  um  eine  bekannte  Anekdote  von  Friedrich  dem  Grofsen,  wonach 
der  König  einem  Pagen,  als  er  schlief,  eine  Rolle  Gold  in  die  Tasche 
gesteckt  haben  soll,  um  ihn  für  seine  Kindesliebe  zu  belohnen. 
Nebenbei  fällt  ein  Kompliment  für  die  nationale  Eitelkeit  der  Eng- 
länder ab,  was  damals  gerade  in  Romanen  und  Theaterstücken  recht 
häufig  vorkam.  Der  Wirt  berät  sich  mit  seiner  Frau,  welchen  Namen 
er  seinem  neu  eröffneten  Gasthof  geben  soll.  Sie  rät  ihm  zu  dem 
Namen  'The  English  hoteP  (a  name  that  comprehends  cleanliness, 
good  entertainment  and  honest  dealing). 

3)  Bisher  hatten  wir  nur  Gelegenheit,  über  die  deutsche  Lite- 
ratur die  Stimmen  der  berufsmäfsigen  Kritik  in  England  zu  ver- 
nehmen; es  trifft  sich  nun,  dafs  wir  wenigstens  einmal  auch  Urteile 
aus  dem  Publikum  zu  hören  bekommen.  In  der  wohlbekannten 
Monatsschrift  'Gentleman's  Magazine',  die  lange  Zeit  hindurch  im 
wesentlichen  nur  die  Zuschriften  von  Abonnenten  über  die  verschie- 
densten Themata  enthielt,  finden  wir  im  64.  Bande  vom  Jahre  1794 
mehrere  Briefe,  die  an  die  deutsche  Literatur  anknüpfen.  Den  An- 
stofs  dazu  gibt  eine  Korrespondentin,  die  (S.  138)  Tasso  im  Gegen- 
satz zu  der  'false  simplicity  of  Gesner*  lobt.  S.  211  wird  der  Gegen- 
stand von  einer  anderen  Dame  weiter  besprochen.  Sie  sagt:  Gesner 
I  am  not  at  all  acquainted  with  in  his  native  dress.  In  general,  I  like 
the  German  poetry  translated  into  English,  but  I  believe  a  translator 
can  scarcely  avoid  being  too  redundant:  he  must  use  cireumlocution 
to  mähe  a  particular  phrase  be  understood  in  anotJter  language,  by 


110  Kleine  Mitteilungen. 

which  means  perhaps  the  beautiful  simplicity  of  the  thought  is  beaten 
out  like  gold  into  tinsel.  Zeugt  diese  Äufserung  deutlich  von  einer 
Vorliebe  für  deutsche  Literatur,  so  noch  viel  mehr  die  eines  Dritten 
auf  S.  435:  I  believe  many  other  excellent  things  [aufser  den  vorher 
von  ihm  erwähnten  Briefen  eines  reisenden  Dänen  von  Fr.  Sneedorf : 
deutsche  Übersetzung  Züllichau  1793]  remain  in  the  German  lan- 
guage.  Can  any  of  your  correspondents  recollect  whether  a  small  vo- 
lume,  intituled  ' Fausten  (!)  or  the  Age  of  Philosophy' l  has  appeared 
in  English  since  1780?  I  Jiave  another  charming  work  in  German, 
viz.  The  Travels  of  a  very  intelligent  Prussian,  through  several  parts  of 
England  in  1782.  -  This  gentleman  chose  to  be  a  pedestrian,  and  as  the 
book  is  not  generally  known,  I  shall  be  happy  in  giving  some  account 
of  it  in  a  future  magaxine,  with  some  observations  upon  some  of  the 
translations  of  German  poetry.  Auch  hier  beobachtet  man  also 
wieder,  wie  das  englische  Publikum  viel  eher  geneigt  war,  zu  deut- 
schen Büchern  zweiten  und  dritten  Banges  zu  greifen  und  die  Meister- 
werke beiseite  zu  lassen. 

4)  Durch  die  Güte  meines  verehrten  Freundes  Mr.  Walter  Bye 
in  Norwich  habe  ich  das  'Common  place  book'  des  Lieut.  Col.  Bobert 
John  Harvey  aus  Thorpe  bei  Norwich  einsehen  dürfen.  Es  ist  im 
Jahre  1816  geschrieben  und  enthält  neben  vielen  Notizen,  die  uns 
hier  nicht  näher  angehen,  einige  kurze  Bemerkungen  über  die  hinter- 
lassenen  Papiere  von  Bobert  Harvey  of  Catton,  dem  Oheim  des  Ge- 
nannten, den  ich  bereits  in  meiner  Schrift  über  W.  Taylor  (S.  47) 
als  Übersetzer  der  'Minna  von  Barnhelm'  erwähnt  hatte.  Die  Papiere 
enthielten  danach  eine  Übersetzung  von  'Fiesco',  von  Wielands  'Dio- 
genes', von  Kotzebues  'Graf  von  Burgund',  seinem  Schauspiel  'Falsche 
Scham'  (u.  d.  T.  Gonsciousness)  und  ein  Bruchstück  (u.  d.  T.  Diet- 
helm)  aus  'Das  Schreibepult  oder  die  Gefahren  der  Jugend'  von  dem- 
selben Verfasser.  Die  wenigen  kritischen  Bemerkungen,  die  der 
Schreiber  dazu  macht,  sind  so  unwichtig,  dafs  es  sich  nicht  verlohnt, 
sie  wiederzugeben. 

Berlin.  Georg  Herzfeld. 

Zwei  Trobadorlieder 

für  eine  Singstimme  mit  Klavierbegleitung  gesetzt. 

Die  nachstehenden  Liederbearbeitungen  sind  auf  Anregung  des 
Herrn  Professor  Dr.  C.  Appel  entstanden,  der  mir  gegenüber  den 
Wunsch  äufserte,  es  möchten  gelegentlich  des    10.  Deutschen  Neu- 


1  Es  ist  dies;  Faustin,  od.  das  philosophische  Jahrhundert  von  Joh. 
Pezzl,  Zürich  1783,  vgl.  Goedeke-'  II,  50G. 

2  K.  Ph.  Moritz:  Reisen  eines  Deutschen  in  England  im  Jahre  1782 
(Berlin  1788):  englisch  u.  a.  in  Mavor,  The  British  tourists  etc.  vol.  4 
(1798),  in  Pinkertons  Voyages  vol.  2  u.  ö. 


Kleine  Mitteilungen.  111 

philologentages  (Breslau,  20. — 24.  Mai  1902)  einige  Trobadorlieder 
im  Urtext  und  mit  den  alten  Melodien  zum  Vortrage  gelangen.  Eine 
stattliche  Anzahl  von  Melodien  lag  in  A.  Restoris  Buche  'Per  la 
storia  musicale  dei  Trovatori  provenzali.  Appunti  e  Note'  (Rivista 
Musicale  Italiana,  vol.  II,  fasc.  1,  Torino  1895)  in  moderner  Notation 
vor.  Es  galt  nun  zunächst,  eine  engere  Auswahl  zu  treffen.  Nach 
längerem  Schwanken  fiel  diese  auf  die  Lieder:  Reis  glorios  von  Gui- 
raut  de  Bornelh,  Manta gens me malrazona  von  Peirol  und  Quant 
vey  la  lauzeta  von  Bernart  de  Ventadorn.  Von  diesen  standen 
mir  aufser  dem  Restorischen  Drucke  Abschriften  Prof.  Appels  aus 
dem  Codex  R  und  für  das  letztgenannte  Lied  noch  eine  Kopie 
aus  Codex  W  zur  Verfügung.  Die  Vergleichung  des  Druckes  mit 
den  Abschriften  hatte  zur  Folge,  dafs  ich  zum  Teil  zu  Resultaten 
gelangte,  die  sich  bezüglich  der  Fassungen  der  Melodien  mit  Restoris 
Wiedergabe  nicht  deckten.  Als  sehr  spröde  erwies  sich  das  Lied 
Quant  vey  la  lauzeta,  von  dem  bei  Restori  vier  Fassungen  (aus  den 
Codices  X,  W,  G  und  R)  mitgeteilt  waren.  Dafs  diesen  vier  Fassungen 
ein  bestimmter  Kern  zu  Grunde  liegt,  war  nicht  zu  verkennen,  aber 
diesen  Kern  wieder  aufzufinden  und  aus  dem  Wüste  von  Schnörkeln 
und  Verzierungen,  die  jeder  Abschreiber  nach  eigenem  Gutdünken 
freigebig  hinzugefügt  hatte,  herauszuschälen,  war  mit  nicht  unerheb- 
lichen Schwierigkeiten  verknüpft.  Am  vertrauenswürdigsten  erschien 
mir  Codex  R.  Der  Schreiber  mufs  kein  übler  Musikant  gewesen 
sein,  oder  er  mufs  gute  Vorlagen  gehabt  haben;  die  von  ihm  aufge- 
zeichneten Melodien  zeigen  gesunden  Flufs,  sind,  sobald  man  die 
nötigen  Versetzungszeichen  hinzufügt,  leicht  sangbar  und  haften  im 
Ohre.  Die  Versetzungszeichen  sind  allerdings,  wie  auch  Restori  be- 
merkt (S.  1 1  Anmerkung  und  anderwärts),  sehr  nachlässig  behandelt. 
Das  in  vielen  Liedern  im  Schlüssel  unbedingt  erforderliche  b  fehlt 
zumeist,  und  auch  im  Verlaufe  der  Melodien  ist  es  nur  selten  bei- 
gegeben. (Ich  komme  bei  dem  Peirolschen  Liede  noch  auf  diesen 
Kardinalfehler  der  Handschrift  zurück.) 

Aus  dem  Codex  R  allein  wäre  indes  die  Melodie  zu  Quant  vey 
la  lauzeta  kaum  herzustellen  gewesen ;  die  Heranziehung  der  übrigen 
Codices  und  die  kritische  Vergleichung  der  daselbst  mitgeteilten 
Melodiefassungen  war  unerläfslich.  Die  unter  Benützung  der  ver- 
schiedenen Lesarten  hergestellte  Melodie  trug  nun  zwar  einen  einiger- 
mafsen  einheitlichen  Charakter,  erwies  sich  aber  bei  der  Aufführung 
als  weit  weniger  wirksam  wie  die  beiden  anderen  Lieder.  Sie  war 
wohl  anhörbar,  schmiegte  sich  aber  den  Worten  des  Dichters  nicht 
so  eng  und  unmittelbar  an,  wie  diese  es  beanspruchen  durften.  Von 
einer  Veröffentlichung  dieser  auf  mannigfachen  Kompromissen  be- 
ruhenden Melodie  glaubte  ich  absehen  zu  müssen. 

Weit  günstiger  gestaltete  sich  das  Verhältnis  zwischen  Wort 
und  Ton  bei  den  beiden  anderen  Liedern.    Was  hier  der  Codex  R 


112  Kleine  Mitteilungen. 

bot,  konnte  ungezwungen  Note  für  Note  beibehalten  werden;  zu 
regulieren  waren  nur  die  Versetzungszeichen  und  der  Rhythmus. 
Die  Melodien  ohne  jede  Begleitung  vortragen  zu  lassen,  wäre  wohl 
tunlich  gewesen,  aber  besondere  Freude  würden  die  Hörer  an  einem 
solchen  Experiment  schwerlich  gehabt  haben.  Die  Begleitung  im 
Sinne  der  Zeit  zu  halten,  in  welcher  die  Lieder  entstanden,  war  nicht 
angänglich.  Einerseits  wissen  wir  blutwenig  darüber,  wie  man  vor 
siebenhundert  Jahren  begleitete,  und  dann  ist  das,  was  sich  von 
mehrstimmigen  Sätzen  aus  jener  Zeit  zu  uns  herübergerettet  hat,  so 
primitiv  und  —  gerade  herausgesagt  —  so  mifsklingend,  dafs  es  zur 
Nachahmung  und  Nachachtung  nicht  reizen  kann.  Konnte  doch 
noch  im  1 4.  Jahrhundert  ein  namhafter  Musikschriftsteller  (Egidius 
de  Muris  bei  Coussemaker,  Histoire  de  Pharmonie  p.  29)  bedauernd 
aussprechen,  er  halte  den  mehrstimmigen  Gesang  überhaupt  für  eine 
Unmöglichkeit!  —  Abschreckende  Beispiele  hätten  sich  auf  diesem 
Wege  wohl  herstellen  lassen,  aber  Freunde  wären  den  alten  Melodien, 
deren  starke  Lebensfähigkeit  meiner  Ansicht  nach  aufser  Frage  steht, 
schwerlich  erstanden.  —  Meine  Aufgabe  war  es,  zu  versuchen,  ob 
sich  für  die  alten  Lieder  unter  strenger  Wahrung  ihrer  melodischen 
Eigenart  eine  harmonische  Bearbeitung  finden  liefse,  die  sie  auch 
für  den  modernen  Geschmack  und  für  das  moderne  Ohr  annehmbar 
und  geniefsbar  mache.  —  Nicht  zu  umgehen  war  hierbei  eine  be- 
stimmte Einteilung  in  Takte.  Der  freie  oder,  um  einen  allgemein- 
verständlichen Kunstausdruck  zu  gebrauchen,  der  rezitativische  Vor- 
trag der  Melodien  mit  einzelnen,  an  den  rhythmischen  Einschnitten 
angebrachten  Accorden  würde  dem  Historiker  vielleicht  genehm  ge- 
wesen sein,  hätte  aber  dem  Gros  der  Hörer  das  Verständnis  der 
Lieder  eher  erschwert  als  angebahnt.  Der  Sache  selbst  wäre  damit 
wenig  gedient  gewesen.  Wer  sich  indes  darauf  steift,  die  alten  Melo- 
dien ohne  alle  ergänzenden  und  das  Verständnis  erleichternden  har- 
monischen Zutaten  geniefsen  zu  wollen,  der  werfe  schlankweg  die 
Taktstriche  und  die  Begleitung  über  Bord  und  singe  sich  die  Melo- 
dien in  der  Weise,  dafs  er  sich  nicht  sklavisch  an  die  Notenwerte 
hält,  sondern  sie  nötigenfalls  nach  den  Wortbetonungen  umwertet. 

Die  Begleitung  habe  ich  dem  Klavier,  dem  modernen  Allerwelte- 
instrument,  übergeben;  Harfe  und  Laute  wären  vom  historischen 
Standpunkte  aus  hierzu  entschieden  berechtigter  gewesen,  aber  wer 
spielt  sie  heutzutage?  Für  das  Pathos  des  Liedes  Reis  glorios  er- 
schien mir  der  vierstimmige  Satz  als, das  Gegebene;  fürPeirols  leicht 
dahinfliefsende  Weise  konnte  ich  mich  mit  dem  dreistimmigen  Satze 
begnügen.  Die  Tonhöhe  ist  so  fixiert,  dafs  die  Lieder  für  eine  Mittel- 
stimme bequem  ausführbar  sind.  Im  Verhältnis  zur  alten  Notierung 
steht  das  Lied  Reis  glorios  eine  grofse  Terz,  das  Peirolsche  Lied  eine 
grofse  Sekunde  höher.  —  Der  Aufgabe,  die  Lieder  vorzutragen,  unter- 
zog sich  Herr  Oberlehrer  Staritz  mit  bestem  Erfolge. 


118 


v.  Langsam. 

BEEE 


1.   Reis  glorios. 

Guiraut  de  Bornelh. 


Ö 


1.  Reis    glo  -  ri 

2.  Bei    com  -pan 

3.  Bei     dos    com 


os,       ve 

ho,       en 

panh,     tan 


rais       lums. 
chan  -  tan 
soi        en 


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2.  que vai         que  -  ren   lo  jorn      per 

3.  car la  gen  -   sor  que  anc      nas 


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2.   Manta  gens  me  malrazona. 

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Nicht  zu  langsam. 


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Man-  ta       gens      me  mal  -  ra    -    zo  -  na      quar  ieu      non    chant 
Par  -  ti    -    rai    m'endoncieu?    Non  ja:      que  sos     pretz       e 


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M'o   de     -    fen         e      m'o   ca     -   Ion- ja. 


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Quant  ieu      cuit        a  -  mar   a    -  lhors,  per    tot    lo      cors 


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120  Kleine  Mitteilungen. 

Das  Lied  Reis  glorios  besteht  im  Original  aus  sieben,  Hanta 
gens  me  malrazona  aus  sechs  Strophen.  Das  Peirolsche  Lied  hat 
aufserdem  noch  eine  aus  vier  Verszeilen  bestehende  Tornada,  für 
welche  dem  Versbau  nach  die  zweite  Hälfte  der  Melodie  Verwendung 
finden  mufste.  Wie  aus  der  Notenbeilage  ersichtlich  ist,  wurden  von 
Reis  glorios  drei  Strophen  und  von  Hanta  gens  zwei  Strophen  nebst 
der  Tornada  für  den  Vortrag  ausgewählt.  —  Die  alten  Melodien 
sind  stets  nur  auf  die  erste  Strophe  berechnet;  die  fol- 
genden Strophen  können  ihnen  wohl  bisweilen  ohne  weiteres  unter- 
gelegt werden,  öfter  aber  wird  die  Wortbetonung  nicht  mit  der  Melodie 
harmonieren.  Dafs  die  bei  den  Trobadorliedern  verwendeten  Noten 
nicht  als  mensural  zu  deuten  sind,  sondern  dafs  bei  ihnen  Länge 
und  Kürze  lediglich  von  der  Wortbetonung  abhängt,  dürfte  heut- 
zutage kaum  noch  bezweifelt  werden.  Welche  Umänderungen  in  der 
Melodie  vorzunehmen  sind,  kann  nur  von  Fall  zu  Fall,  d.  h.  nach 
der  Betonung  der  Silben,  entschieden  werden.  Spezielle  Beispiele 
für  dieses  Verfahren  führe  ich  bei  den  einzelnen  Liedern  an. 

Für  das  Lied  Reis  glorios  konnte  ich  aufser  dem  Restorischen 
Druck  und  der  Appelschen  Abschrift  noch  Ernesto  Monacis  Faksimile- 
Ausgabe  von  II  misiero  provenxale  di  S.  Agnese  (Rom  1880,  nach 
dem  Manoscritto  Chigiano)  benützen;  die  Melodie  befindet  sich  da- 
selbst auf  Tavola  V  und  VI.  Die  Verszeilen  1  und  3—5  weisen 
zwar  in  den  beiden  Codices  erhebliche  Varianten  auf,  gehen  aber 
doch  entschieden  auf  ein  und  dieselbe  Urquelle  zurück.  Auffallend 
ist,  dafs  dem  Schreiber  des  Manoscritto  Chigiano  der  Parallelismus 
der  ersten  und  zweiten  Verszeile,  der  im  Codex  R  minutiös  genau 
durchgeführt  ist,  gänzlich  abhanden  gekommen  ist,  während  er  die 
weniger  ins  Auge  und  Ohr  fallende  melodische  Übereinstimmung  der 
Endworte  der  dritten  und  vierten  Zeile  (ajuda  und  venguda)  nach 
Gebühr  zu  würdigen  gewufst  hat.  Gänzlich  konfus  ist  das,  wä,s 
er  an  Stelle  der  Melodie  der  zweiten  Verszeile  (Wiederholung  der 
Melodie  der  ersten  Verszeile)  gesetzt  hat;  hier  ist  ein  Zusammen- 
hang zwischen  den  beiden  Handschriften  unerfindbar.  Dafs  in 
beiden  Codices  eine  charakteristische  Eigentümlichkeit  der  Melodie 
—  ich  meine  die  absteigende  Quint  auf  das  Wort  fixeis,  die  offenbar 
eine  Umkehrung  der  die  Melodie  eröffnenden,  nach  oben  gehenden 
Quint  repräsentiert  —  gewahrt  ist,  möchte  ich  besonders  hervorheben. 
Auffallend  ist  im  Manoscritto  Chigiano  der  Schlufs.  Die  auf  das 
Wort  l'alba  fallende  Ligatur,  die  man  als  eine  Erinnerung  an  die 
eben  erwähnte  abfallende  Quint  —  unter  Zuhilfenahme  der  Zwischen- 
töne —  auffassen  kann,  hat  vor  der  Ligatur  des  Codex  R  entschieden 
den  Vorzug  der  Einfachheit  und  Natürlichkeit  und  könnte  möglicher- 
weise die  Urmelodie  sein.  (Die  von  Restori  auf  S.  24  mitgeteilte 
Übertragung  dieser  Ligatur  ist  in  rhythmischer  Hinsicht  anfecht- 
bar.)   Indes  liegt  doch   auch  in  der  Ligatur  des  Codex  R  ein  ge- 


Kleine  Mitteilungen.  121 

wisser  melodischer  Reiz,  der  zu  der  Stimmung  des  Ganzen  und  zu 
der  Bedeutung  des  Refrains  ausgezeichnet  pafst.  Ich  bin  deshalb 
von  der  Lesart  des  Codex  R  nicht  abgewichen.  —  Ein  !>  findet  man 
in  den  beiden  Handschriften  weder  am  Anfange  noch  im  Verlaufe 
der  Melodie  vorgezeichnet;  dem  Sinne  nach  ist  es  durch  das  ganze 
Lied  zu  ergänzen.  (So  auch  bei  Restori.)  Dafs  die  vorkommenden 
Subsemitonien  zu  erhöhen  sind,  ist  unzweifelhaft;  im  entgegengesetzten 
Falle  würde  der  Flufs  der  Melodie  arg  ins  Stocken  geraten.  (Bei 
Restori  findet  man  das  Erhöhungszeichen  ü  über  den  Noten.) 

Von  der  Restorischen  Übertragung  glaubte  ich  in  zwei  Punkten 
abweichen  zu  müssen.  Die  Pause,  durch  welche  die  Ligatur  auf  das 
Schlufswort  l'alba  in  zwei  Segmente  zerrissen  wird,  erscheint  mir  in 
der  Niederschrift  des  Codex  R  ebensowenig  begründet  wie  in  der 
Stimmung.  In  modernen  italienischen  Liedern  (Restori  führt  ein 
Beispiel  aus  einem  volkstümlichen  sicilianischen  Gesänge  auf  S.  24 
an)  mag  derartiges  vorkommen;  den  alten  Herren  des  12.  und 
13.  Jahrhunderts  dürften  solche  Absonderlichkeiten  weniger  ge- 
läufig gewesen  sein.  —  Die  Restorische  Auflösung  der  Ligaturen 
bei  den  Worten  ajuda  und  venguda  schliefst  sich  eng  an  die  Hand- 
schrift an.  Ich  habe  sie  trotzdem  nicht  adoptiert,  weil  es  sich  hier 
offenbar  um  Parallelstellen  handelt;  die  Gleichmäfsigkeit  des  Reims 
aber  verlangt  unbedingt  auch  eine  Gleichmäfsigkeit  der  Melodie- 
bildung. 

Die  Strophen  2  und  3  (im  Original  3  und  7)  lassen  sich  im  all- 
gemeinen den  Noten  ziemlich  ungezwungen  unterlegen;  da,  wo  ein- 
mal eine  betonte  Note  auf  eine  weniger  betonte  Silbe  fällt,  wird  ein 
verständiger  Sänger  das  Manco  leicht  durch  den  Vortrag  ausgleichen 
können.  Selbst  die  feinsten  musikalischen  Deklamationsvirtuosen 
der  Neuzeit  sind  bisweilen  gezwungen,  in  ähnlichen  Fällen  der  Melodie 
zuliebe  den  Text  in  den  Hintergrund  zu  stellen ;  unsere  gröfsten 
Lyriker,  Goethe,  Heine,  Wilhelm  Müller  u.  a.,  gestatten  sich  in  der 
Versbildung  und  Betonung  oft  gröfsere  Freiheiten,  als  den  Kompo- 
nisten lieb  ist.  Bei  einer  Stelle  des  Liedes  Reis  glorios  ist  indes  eine 
Radikalkur  erforderlich.  Im  Refrain  der  dritten  Strophe  würde  die 
vorletzte  Ligatur  (auf  die  zweite  Silbe  des  Wortes  sera  der  beiden 
ersten  Strophen)  bei  gleichmäfsiger  Textunterlage  auf  das  unbetonte 
Wörtchen  ni  fallen,  was  natürlich  ganz  undenkbar  ist.  Hier  mufs 
ein  Ausweg  gefunden  werden.  Wird  die  in  meiner  Bearbeitung  an- 
gegebene Rhythmisierung  des  Refrains  beibehalten,  so  wäre,  wie 
durch  kleinere  Noten  angedeutet  ist,  zu  singen: 

lo        fol    ge     -    los    —   ni 


122 


Kleine  Mitteilungen. 


Würde  hingegen,  was  ich  für  noch  besser  halte,   die  Melodie  in  den 
beiden  ersten  Strophen  rhythmisiert: 

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so  würde  sich  die  dritte  Strophe  in  folgender  Form   (Begleitung  ver- 
ändert) präsentieren  können: 


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In  Bezug  auf  den  Vortrag  bemerke  ich,  dafs  die  beiden  ersten 
Strophen  in  langsamem  Tempo  sehr  ernst,  aber  durchaus  nicht  schlep- 
pend zu  nehmen  sind;  die  dritte  Strophe  verlangt  ihrem  Inhalt  ent- 
sprechend ein  bedeutend  erregteres  Zeitmafs,  und  nur  die  Schlufs- 
ligatur  auf  Valba  würde  wieder  gemäfsigter  zu  singen  sein. 

Die  17  Lieder  von  Peirol,  deren  Weisen  Restori  mitteilt,  sind 
für  den  Musiker  von  hohem  Interesse.  Es  ist  ebenso  die  feste  und 
abgerundete  Form,  die  angenehm  berührt,  wie  die  Volkstümlichkeit 
der  Melodieführung.  In  der  Mehrzahl  sehen  sie  aus  und  singen  sich, 
als  ob  sie  ohne  Drehn  und  Deuteln  unmittelbar  aus  dem  Herzen 
geströmt  wären.  Die  von  mir  bearbeitete  Melodie  Manta  gens  me 
malrazona  hat  so  gar  nichts  von  den  Ecken  und  Knorren  an  sich, 
die  alten  Melodien  gewöhnlich  anzuhaften  pflegen;  sie  hätte  ebenso- 
gut im  19.  Jahrhundert  geschrieben  werden  können.  In  der  Restori- 
schen  Übertragung  nimmt  sie  sich  allerdings  nicht  so  natürlich  aus. 
Sie  ist  dem  Codex  R  entnommen  und  ebenso  wie  die  zu  Reis  glorios 
ohne  b  im  Schlüssel  notiert.  Im  Liede  selbst  ist  b  einmal  gesetzt 
und  zwar  an  einer  Stelle,  wo  der  Sänger  es  nicht  aus  eigenem  An- 
triebe hatte  ergänzen  können  oder  müssen:  vor  der  auf  die  zweite 
Silbe  von  perdut  fallenden  Note.  War  das  b  bei  der  hier  aufstei- 
genden Melodie  angenommen,  so  war  es  bei  der  bald  darauf  folgen- 


Kleine  Mitteilungen.  123 

den  Ligatur  (zweite  Silbe  von  jauximen,  absteigende  Melodie)  selbst- 
verständlich. Ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  letzten  Verszeile.  Der 
auf  die  letzte  Silbe  von  desconort  fallenden  Note  mufste  der  Sänger 
ein  b  vorsetzen,  um  den  streng  verpönten  und  unsangbaren  Tritonus 
(f — h)  zu  vermeiden,  und  dieses  b  zog  wiederum  die  Erniedrigung 
der  ersten  Note  der  auf  dona  fallenden  Ligatur  nach  sich.  War  auf 
diese  Weise  das  Versetzungszeichen  für  die  zweite  Hälfte  der  Melodie 
festgelegt,  so  konnte  seine  Anwendung  auf  die  erste  Hälfte  nicht 
mehr  zweifelhaft  sein;  im  anderen  Falle  hätte  die  Melodie  aus  zwei 
im  Charakter  gänzlich  voneinander  verschiedenen  Teilen  bestanden. 
Die  erste  Hälfte  wäre,  wenn  ich  mich  modern  ausdrücken  darf,  in 
Dur,  die  zweite  in  Moll  gewesen,  Bei  dem  echt  volkstümlichen 
Zuge  des  Liedes  ist  eine  solche  Zwiespältigkeit  nicht  anzunehmen. 
Restori  hat  das  in  der  Handschrift  R  für  die  zweite  Silbe  von  perdut 
vorgezeichnete  b  als  Schreibfehler  betrachtet  ('credo  sia  erroneo'  S.  61 
Anm.  2)  und  den  bei  desconort  entstehenden  Tritonus  übersehen; 
daraus  ergab  sich  mit  Notwendigkeit  die  Verzichtleistung  auf  das  b 
im  ganzen  Liede. 

Im  übrigen  enthält  die  Handschrift  nichts  Zweifelhaftes;  mit 
Ausnahme  der  bereits  erwähnten  Ligaturen  ist  nur  eine  einzige  Noten- 
gattung  (")  angewendet.  Wollte  man  dieser  einen  bestimmten  Wert 
anweisen,  so  entstünde  eine  Monotonie,  die  sich  beim  Absingen  meh- 
rerer Strophen  bis  zur  Unerträglichkeit  steigern  müfste;  ich  habe 
diesem  Übelstande  durch  Verlängerung  der  auf  stark  betonte  Silben 
fallenden  Noten  (f)  abzuhelfen  gesucht.  Dies  Verfahren  bei  den 
einzelnen  Strophen  sinngemäfs  anzuwenden,  würde  Sache  des  Sängers 
sein.  — 

Die  Einführung  des  dreiteiligen  Rhythmus  bei  den  Worten  tal 
desconort  (Restori,  Takt  30)  vermag  ich  nicht  zu  billigen;  der  ein- 
fache und  glatte  Flufs  der  Melodie  verschliefst  sich  dieser  Mischung 
des  Rhythmus  von  selbst.  Bei  emphatischer  Betonung  der  Silbe  tal, 
mit  welcher  sodann  die  Schlufssilbe  von  desconort  zu  harmonieren 
hat  —  diese  längeren  Noten  sind  im  Sinne  und  in  der  Wortbetonung 
begründet  — ,  kommt  die  in  der  letzten  Verszeile  des  Gedichtes  vor- 
handene Steigerung  entsprechend  zum  Ausdruck.  Danach  hat  sich 
nun  aus  symmetrischen  Gründen  die  Ligatur  auf  die  erste  Silbe  von 
dona  zu  richten.  Restori  hat  sie  in  Sechzehntelnoten  aufgelöst;  rasche 
Sechzehntelnoten  aber  passen  weder  zu  dem  Stimmungsgehalte  des 
Liedes,  noch  zu  dem  ganzen  Duktus  der  Melodie.  Das  von  Restori 
über  die  letzte  Note  der  Ligatur  gesetzte  ß  bedarf  des  darübergesetzten 
Fragezeichens  nicht;  selbst  ein  ganz  perverses  Ohr  könnte  sich  hier 
einen  Ganzton  nicht  denken. 

In  rhythmischer  Hinsicht  mache  ich  auf  einige  Stellen  beson- 
ders aufmerksam.  Mit  dem  Einschnitt  nach  den  Worten  M'a  tengut 
verhält  es  sich  ebenso  wie  mit  dem  Refrain  der  dritten  Strophe  des 


124 


Kleine  Mitteilungen. 


Liedes  Reis  glorios.  Man  kann  unmöglich  nach  dem  Muster  der 
ersten  Strophe  phrasieren:  Per  tot  lo  |  cors  m'intra  s'amors,  sondern 
nur:  Per  tot  lo  cors  \  m'intra  s'amors;  dadurch  rechtfertigt  sich  die 
von  mir  durch  kleinere  Noten  angedeutete  Änderung.  In  ähnlicher 
Weise  mufste  der  Anfang  der  Tornada  behandelt  werden.  —  In  der 
Schlufszeile  der  Tornada  ist  die  auf  die  zweite  Silbe  von  belha  fal- 
lende lange  Note  natürlich  anfechtbar;  wem  sie  Pein  macht,  dem 
schlage  ich  die  Phrasierung  vor: 


la      be-lha    cui 


Atem  zu  nehmen  hat  der  Sänger,  der  nicht  die  ganze  Phrase  in 
einem  Zuge  auszuführen  vermag,  nach  belha.  Die  Begleitung  ist  so 
eingerichtet,  dafs  sie  in  allen  erwähnten  Fällen  nicht  alteriert  zu 
werden  braucht.  —  Bei  dem  Vortrag  des  Peirolschen  Liedes  wird 
der  Sänger  darauf  zu  achten  haben,  dafs  er  nicht  ins  Pathetische 
verfällt,  sondern  leicht  und  ungezwungen  singt. 

Von  allen  Trobadorliedern,  die  mir  zu  Gesicht  gekommen  sind, 
scheinen  mir  die  Peirolschen  ihrer  melodischen  Gestaltung  nach  am 
ineisten  geeignet,  die  alten  Weisen  dem  allgemeinen  Verständnis 
näher  zu  bringen ;  eine  Neubearbeitung  sämtlicher  vorhandenen 
Peirolschen  Lieder  würde  zwar  recht  mühevoll  sein,  aber  jedenfalls 
ganz  überraschende  Resultate  im  Gefolge  haben.  Ob  der  poetische 
Gehalt  der  Lieder  bedeutend  genug  ist,  um  eine  solche  Arbeit  zu 
rechtfertigen,  vermag  ich  nicht  zu  beurteilen. 

Die  vorliegenden  Bearbeitungen  von  Trobadorliedern  sind,  wenn 
ich  nicht  irre,  in  der  gewählten  Form  ein  erster  Versuch ;  als  solchen 
möge  man  sie  auch  beurteilen.  Ich  schmeichle  mir  keineswegs,  das 
alleinig  Richtige  getroffen  zu  haben,  und  werde  für  jede  Mitteilung, 
die  auf  eine  Verbesserung  des  von  mir  Gebotenen  hinzielt,  aufrichtig 
dankbar  sein.  Emil  Bohn. 


Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

für  das  Studium  der  neuereu  Sprachea. 

Sitzung  vom  17.  Dezember  1901. 

Herr  Selge  sprach  über  den  Kanon  französischer  Schullektüre.  Der 
Vortrag  knüpfte  an  einen  in  der  Ztschr.  für  franz.  Spr.  u.  Lit.  erschie- 
nenen Aufsatz  an,  in  welchem  die  Aufstellung  eines  Kanons  französischer 
Schullektüre  für  die  mittleren  Klassen  von  Realanstalten  versucht  worden 
war,  und  hatte  den  Zweck,  eine  Diskussion  des  Themas  anzuregen.  Der 
Vortragende  liefs  sich  des  längeren  über  die  Schwierigkeiten,  aber  auch 
über  die  Notwendigkeit  der  Aufstellung  einer  Musterlektüre  aus  und 
suchte  dann  den  Wert  der  von  ihm  vorgeschlagenen  Schriften,  Alphonse 
Daudet,  Le  Petit  Chose  für  III  B,  George  Sand,  La  Mare  au  diable  für 
III  A,  S£gur,  Histoire  de  Napoleon  en  1812  für  II  B,  von  den  verschieden- 
sten Seiten  zu  beleuchten.  Zur  Erläuterung  und  zur  Abwehr  wurden 
eine  gröfsere  Zahl  vielgelesener  oder  von  anderer  Seite  vorgeschlagener 
Schulbücher,  wie  z.  B.  Bruno,  Le  Tour  de  France,  Jules  Vernes  Romane, 
Erckmann-Chatrian,  Histoire  d'un  Conscrit,  herangezogen,  deren  geringereu 
literarischen,  moralischen  oder  sprachlichen  Wert  der  Vortragende  dar- 
zulegen versuchte. 

Herr  Lamp recht  tritt  für  Bruno  und  D'Hombres-Monod  ein;  Le 
Petit  Chose  findet  er  für  Tertia  zu  schwer.  Für  Obertertia  sei  Boissonnet, 
Une  Familie  pendant  la  Ouerre,  zu  empfehlen.  Erckmann-Chatrian  müsse 
er  verteidigen,  S£gur  verwerfen.  Thiers,  Expedition  en  Egypte,  scheine  ihm 
recht  geeignet.  —  Herr  Selge  weist  noch  einmal  auf  die  Notwendigkeit 
hin,  das  ethisch-ästhetische  Moment  bei  der  Auswahl  der  Lektüre  in  Be- 
tracht zu  ziehen.  Danach  seien  D'Hombres  und  Monod,  die  nur  zeitlichen 
Wert  besitzen,  und  Erckmann-Chatrian,  deren  'Conscrit'  ein  weibischer 
Held  sei  und  nur  Verachtung  erwecken  könne,  zu  verwerfen.  Auch  die 
Expedition  en  Egypte,  die  für  die  Weltgeschichte  so  wenig  Bedeutung 
habe,  stehe  hinter  Segur  mit  seinem  grofsen  geschichtlichen  Hintergrunde 
weit  zurück.  —  Herr  Mackel  vermilst  in  dem  Kanon  die  grofsen  Namen 
der  französischen  Literatur.  Für  Obertertia  sei  Lame-Fleury  ganz  aus- 
gezeichnet. Segur  sei  zu  schwer,  Thiers  höchstens  für  Obersekunda  geeignet. 

Herr  Tobler  spricht  sodann  über  die  Etymologie  und  Bedeutung 
des  Wortes  maquereau.  S.  Sitzungsber.  d.  Kgl.  Preufs.  Akad.  d.  Wiss. 
vom  6.  Febr.  1902. 

Herr  Dr.  Lummert  wird  in  die  Gesellschaft  aufgenommen. 

Sitzung  vom  14.  Januar  1902. 

Der  Vorsitzende,  Herr  Tobler,  teilt  das  Ableben  eines  langjährigen 
Mitgliedes,  des  Herrn  Dr.  Karl  Biltz,  mit.     Der  Verstorbene  habe  nicht 


126  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

nur  immer  die  Sitzungen  der  Gesellschaft  regelmäfsig  besucht  und  rege 
daran  teilgenommen,  sondern  auch  durch  wertvolle  Vorträge  aus  dem  Ge- 
biete der  deutschen  Literatur,  besonders  auch  über  das  deutsche  Kirchen- 
lied, die  Mitglieder  erfreut.  Er,  der  Vorsitzende,  habe  der  Witwe  im 
Namen  der  Gesellschaft  sein  Beileid  ausgedrückt,  wofür  sie  herzlich  ge- 
dankt habe.  Er  fordert  sodann  die  Anwesenden  auf,  das  Andenken  des 
Verstorbenen  durch  Erheben  von  den  Sitzen  zu  ehren. 

Als  Revisoren  werden  die  Herren  Kuttner  und  Müller  vorgeschla- 
gen; ersterer,  der  zugegen  ist,  nimmt  die  Wahl  an. 

Sodann  hielt  Herr  Risop  seinen  Vortrag  über  die  Lautgestaltung 
von  ordonner.  Herr  Risop  betont  anderweitigen,  noch  in  jüngster  Zeit 
auftauchenden  Angaben  gegenüber,  dafs  das  e  der  Pänultima  des  altfran- 
zösischen Kirchen wortes  ordener  ursprünglich,  erst  später  durch  o  ver- 
drängt worden  sei.  Angesichts  der  zweisilbigen  Messung  des  auf  der  an- 
lautenden Silbe  betonten  Substantivs  ordene  müsse  es  befremden,  dafs 
das  Zeitwort  in  allen  seinen  Formen  nicht  nur  in  der  Schreibung,  son- 
dern auch  metrisch  stets  drei  Silben  gehabt  habe.  Der  Vortragende  hält 
für  wahrscheinlich,  dafs  in  vorgeschichtlicher  Zeit  zwischen  dem  Verbum, 
insonderheit  zwischen  dessen  stammbetonten  Formen  „und  dem  Substantiv 
hinsichtlich  der  Silbenzahl  und  der  Betonung  volle  Übereinstimmung  be- 
standen habe;  einen  Rest  solches  Verfahrens  glaubt  er  in  der  dem  Ber- 
liner Bernhard  eigentümlichen  3.  Sing.  Präs.  ordinet  wiederzuerkennen, 
deren  i,  als  Variante  von  sonstigem  e,  tonlos  und  ohne  Silbenwert  ge- 
wesen sein  könne  und  deingemäfs  vielleicht  derselben  Beurteilung  unter- 
liege wie  der  Vokal  der  Pänultima  von  multitüdine,  multitüdene,  wiewohl 
die  Betonung  ordinet  keineswegs  ausgeschlossen  sei.  Hat  aber  lat.  ordinal 
im  Anfange  wirklich  zweisilbiges  il  ordene  ergeben,  so  mufs  hinfort  eine 
Verlegung  des  Tones  auf  die  Pänultima  stattgefunden  haben,  deren  e,  wie 
mit  Hinblick  auf  die  Tatsache,  dafs  es  in  der  Schreibung  nie  unterdrückt 
wurde,  hervorgehoben  wird,  eine  deutlich  ins  Ohr  fallende  Aussprache 
gehabt  haben  mufs.  Der  Vortragende  bespricht  die  Motive,  durch  die 
die  Sprache  zu  diesem  Wandel  in  der  Betonung  bewogen  worden  sein 
kann.  Er  hält  die  sich  bietende  Möglichkeit,  dafs  zur  Zeit  der  karo- 
lingischen  Reform  zunächst  der  Infinitiv  ordener  wieder  auf  seine  volle 
lateinische  Silbenzahl  gebracht  worden  sei  und  nun  von  sich  aus  neues 
dreisilbiges  il  ordene  geschaffen  habe,  aus  verschiedenen  Gründen  für  un- 
zulässig; doch  scheint  dem  Vortragenden,  der  ähnliche  Vorgänge  inner- 
halb der  inchoativen  Präsensbildung  vergleichend  heranzieht,  die  An- 
nahme erlaubt  zu  sein,  dafs  ein  metrisch  ursprünglich  zweisilbiges,  akustisch 
aber  als  Proparoxytonon  empfundenes  il  ordene  deshalb  zu  nunmehr  drei- 
silbig gemessenem  il  ordene  übergegangen  sei,  weil  es  zu  dem  durch  das 
Nebeneinander  von  atme  amöns,  pdrt  partons,  vent  vendons  festgelegten 
rhythmischen  Prinzip  im  Widerspruch  stand,  und  dafs  die  neue  Messung 
nun  auch  auf  die  flexionsbetonten  Formen  übertragen  wurde.  Das  Sub- 
stantiv ordene  blieb  dabei,  gerade  wie  veu,  neu,  honneur,  parole,  amour 
u.  dergl.,  von  der  lediglich  durch  interne  Verhältnisse  des  Zeitwortes  her- 
beigeführten Neuerung  ausgeschlossen.  Dafs  ein  zwischen  zwei  Konso- 
nanten entstandener  Gleitlaut  auf  irgend  eine  Weise  den  Ton  erhalten 
könne,  scheint  durch  Gebilde  wie  montere  für  monier  (montre);  ouveüre 
für  oüver  (puvre) ;  accabele  für  accabel  (accable),  die  heute  im  Osten  und 
Westen  des  französischen  Sprachgebietes  erklingen,  bestätigt  zu  werden.  — 
Der  Vortragende  beleuchtet  nun  die  Ursachen,  die  zu  dem  Ersatz  von 
altfranz.  ordener  durch  neufranz.  ordonner  geführt  haben.  Er  weist  die 
Annahme,  dafs  die  Wendung  donner  Vordre  für  den  Wandel  verantwort- 
lich zu  machen  sei,  zurück  und  zeigt,  dafs  sich  Gestaltungen  wie  ordrener, 
il  ordrene  u.  dergl.  als  Zeugen  für  solche  Beeinflussung  nicht  verwenden 
lassen,  da  gerade  hinter  Dentalis  oder  r  -f-  Dentalis  sekundäres  r  gern 


für  das  Studiuni  der  neueren  Sprachen.  127 

spontan  auftrete.  Die  nicht  abzuleugnende  Einwirkung  von  donner  schlecht- 
hin ist  nach  Ansicht  des  Vortragenden  morphologischer  Natur.  Überall 
da,  wo  der  Stamm  von  doner  vor  dem  Tone  zu  den-  herabsank,  konnte 
ordener  leicht  als  eine  Art  Kompositum '  von  dener  angesehen  werden  und, 
mit  Rücksicht  auf  die  Lautgleichheit  von  denons  und  ordenons,  auch  der 
in  dem  Verhältnis  von  dönne  zu  denons  fühlbar  werdende  Dualismus  auf 
ordener  übertragen  werden,  so  dafs  der  Wandel  von  e  zu  o  zunächst  nur 
in  den  stammbetonten  Formen  vor  sich  gegangen  sein  kann.  Mit  grofser 
Reinheit  erscheint  das  Nebeneinander  von  dönne  denons  und  ordonne  or- 
denons in  den  Dichtungen  des  Gillion  le  Muisit,  während  in  der  Hand- 
schrift A  des  Livre  du  Chemin  de  Long  Estude  der  Christine  von  Pisa 
der  Vokalwechsel  nur  noch  für  ordener  festgehalten  erscheint,  der  Stamm 
von  donner  indessen  bereits  zu  einheitlichem  don  zurückgekehrt  ist.  Der 
hier  zu  Tage  tretenden  abweichenden  Behandlung  von  Ursache  und  Wir- 
kung im  weiteren  Verlaufe  der  Sprachentwickelung  stellt  der  Vortragende 
das  in  seinen  Studien  S.  125  ff.  erörterte  Verhalten  von  desis  und  nor- 
resis  vergleichend  zur  Seite.  Wenn  bei  Gillion  le  Muisit  gelegentlich 
schon  flexionsbetontes  ordonnons  auftritt,  so  geschieht  das  nur,  weil  sich 
bei  ihm  hie  und  da  auch  deutlicher  artikuliertes  donnons  vorfindet. 

Herr  Tob ler  äufsert  dagegen  Bedenken,  ob  jenes  e  in  ordene,  welches 
nur  Stützvokal  gewesen  sei,  vermocht  habe,  den  Accent  auf  sich  zu  neh- 
men; er  fragt,  ob  es  nicht  vielmehr  möglich  sei,  an  Analogiewirkung  zu 
denken:  man  hatte  neben  appelons,  welches  zweisilbig  gesprochen  wurde, 
appelle,  mit  offenem  e ;  so  hat  das  Volk  dazu  kommen  können,  ent- 
sprechend aecablons  —  accabelle  zu  bilden ;  das  ist  ja  das  Wesen  der  Ana- 
logie. Dies  gälte  freilich  nur  für  die  Zeitwörter  auf  eler;  es  wäre  fest- 
zustellen, ob  nicht  in  den  vom  Vortragenden  angezogenen  Mundarten  sich 
neben  preferons  oder  pref(e)rons  —  prefere  finde,  dann  könnte  danach 
souffrons  —  soufferre  {souffere)  gebildet  sein.  Ferner:  der  Vortragende 
erkläre  den  Ausfall  des  s  in  desis  durch  das  Vorbild  von  reis,  vidisti; 
an  dieser  allgemeinen  Auffassung,  die  auch  er  selbst  lange  vorgetragen, 
sei  er  irre  geworden,  seitdem  darauf  hingewiesen  ist,  dafs  doch  reis,  diese 
einzige  Form,  die  grofse  Anzahl  der  Perfekta  auf  esis,  wie  desis,  fesis  etc., 
nach  sich  gezogen  haben  müfste;  und  feeisti  sei  doch  ebenso  häufig  ge- 
braucht worden  wie  vidisti.  Allerdings  habe  im  Provenzalischen  das  einzige 
et%  =  estis  das  Vorbild  für  alle  anderen  et%  abgegeben.  Vielleicht  sei 
jenes  s  durch  Dissimilation  verschwunden.  Angeführt  hätte  noch  werden 
können  vilonie  neben  vilenie  =  villania,  wo  also  ein  e  einem  o  gewichen  sei. 

Sodann  sprach  Herr  Förster  zur  Geschichte  der  Deutschen  in  den 
Vereinigten  Staaten  Nordamerikas.  Lange  ist  ihre  Wichtigkeit  von  den 
amerikanischen  'Nationalisten'  nicht  gewürdigt  worden;  auch  sie  selbst 
haben  sich  nicht  hoch  genug  eingeschätzt  und  als  'Kulturdünger'  mifs- 
brauchen  lassen.  Das  ändert  sich  letzthin  in  erfreulicher  Weise;  der 
'Slumbering  Giant',  wie  ein  Amerikaner  das  Deutschtum  des  Landes 
nennt,  erwacht  und  fühlt  sich;  und  ohne  dem  neuen  Vaterlande  untreu 
zu  werden,  halten  die  Deutschen  der  V.  St.  den  Zusammenhang  mit  der 
alten  Heimat  fest.  Der  Vortragende  geht  insbesondere  auf  die  'Deutsch- 
amerikanische Gesellschaft  von  Illinois'  ein  und  auf  deren  Vierteljahrs- 
schrift, in  der  wir  vieles  mit  Teilnahme  lesen.  Jedenfalls  beweist  sie,  dafs 
die  Deutschen  in  Chicago  und  anderen  Städten  mit  grofsem  Eifer  daran 
gegangen  sind,  die  Geschichte  ihrer  Einwanderung  und  Ansiedelungen, 
deren  frühere  Schicksale  und  heutigen  Stand  genau  festzustellen,  dafs 
sie  an  Sprache  und  Schrifttum  treu  festhalten   und  dafs  sie  im   geistigen 


1  Der  Vortragende  erinnert  an  altfrz.  abandoins,  abandoigne,   sowie  an  vulgär- 
lateinisches  dtftndo,  dtfendidi,  dtftndidi. 


128  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

Austausche  mit  dem  alten  Deutschland  bleiben  wollen.  —  Redner  hob 
im  einzelnen  mehrere  anziehende  Gedichte  hervor  und  einen  Aufsatz  über 
Abraham  Lincoln,  der  nahezu  beweise,  dafs  dieser  Vertreter  der  Frei- 
heit deutschen  Ursprungs  gewesen  ist,  und  dafs  der  Name  der  Familie, 
wie  aus  einem  wort-  und  bildgetreu  mitgeteilten  'Warrant'  auf  2000  Acker 
Landes,  ausgestellt  dem  Grofsvater  des  Präsidenten,  hervorgeht,  ursprüng- 
lich nicht  'Lincoln'  —  Name  eines  englischen  Adelsgeschlechtes  — ,  son- 
dern 'Linkhorn'  gelautet  habe.  Im  übrigen  war  Linkhorn-Lincoln  immer 
ein  entschiedener  Freund  der  Deutschen  und  trat  den  'Nationalisten'  des 
'Knownothingtumes'  scharf  entgegen.  Die  deutsch  -  amerikanische  histo- 
rische Gesellschaft  zählte  im  zweiten  Jahre  bereits  470  Mitglieder;  ihre 
gedeihliche  Fortentwicklung  ist  zu  erwarten  und  zu  wünschen.  Eine  vor- 
treffliche Schrift  über  die  deutsche  Einwanderung  ist  die  des  Fräulein 
Bittinger,  deren  Vorwort  die  Bestrebungen  der  Gesellschaft  genau  kennen 
lehrt. 

Sitzung  vom  28.  Januar  1902. 

Herr  Risop  erörtert  im  Anschlufs  an  eine  kurze  Bemerkung  Herzogs 
(Untersuchungen  zu  Mace  de  la  Charit^s  altfranzösischer  Übersetzung  des 
Alten  Testamentes  S.  81  f.)  die  Herkunft  der  nach  Maces  Angabe  auf 
dem  Grabe  Alexanders  des  Grofsen  zu  lesenden  Inschrift  'Ici  gist  en  petite 
biere  Gil  a  qui  tox  li  mons  bries  iere'  und  zeigt,  dafs  der  in  ihr  nieder- 
gelegte Gedanke  bereits  bei  griechischen  und  römischen  Autoren,  einmal 
nahezu  in  der  gleichen  Form,  und  insbesondere  mit  Hinblick  auf  Alexan- 
der schon  im  Pseudocallisthenes  ausgesprochen  und  im  christlichen  Mittel- 
alter nicht  nur  in  den  Alexanderdichtungen  selbst,  sondern  auch  in  Nieder- 
schriften anderer  Art  oft  genug  mit  Beziehung  auf  den  Mazedonierkönig 
wiederholt  worden  ist.  Es  ist  Herzog  entgangen,  dafs  die  von  ihm  aus 
der  Discipbina  Clericalis  des  Petrus  Alphonsus  angezogene  Stelle,  die  dem 
Macöschen  Gedanken  doch  nur  inhaltlich  nahesteht,  einer  Erzählung  an- 
gehört, als  deren  Quelle  von  verschiedenen  Seiten  die  im  10.  Jahrhundert 
entstandene  Vita  Alexandri  Magni  des  Archipresbyters  Leo  (Historia  de 
preliis)  bezeichnet  worden  ist;  das  Irrige  dieser  Auffassung  ergibt  sich 
freilich  aus  der  Tatsache,  dafs  in  den  ältesten  Redaktionen  dieser  Vita 
von  einer  solchen  Überlieferung  auch  nicht  eine  Spur  zu  finden  ist.  Der 
Vortragende  vermutet,  dafs  jene  Erzählung  der  orientalischen  Alexander- 
sage entstamme  und  erst  durch  Petrus  Alphonsus  im  Abendlande  bekannt 
geworden  sei  und  demnach  umgekehrt  von  der  Disciplina  Clericalis  aus 
in  die  jüngeren  Fassungen  der  Vita  sowie  in  die  Gesta  Romanorum  Ein- 
gang gefunden  habe.  Im  übrigen  gelangt  der  Vortragende  zu  folgenden 
Ergebnissen:  ungeachtet  seiner  Vertrautheit  mit  der  Alexandersage  hat 
Mace  seine  Grabinschrift  doch  nicht  aus  ihr  geschöpft,  da  innerhalb  dieser 
Dichtungen  hie  und  da  wohl  von  dem  Grabe  Alexanders,  doch  nirgends 
von  einer  auf  demselben  befindlich  gewesenen  Inschrift  die  Rede  ist  Der 
Wortlaut  der  Manschen  Grabschrift,  an  den  nur  eine  einzige  von  Herzog 
nicht  berührte  Stelle  des  Roman  d'Alixandre  ed.  Michelant  S.  55  leise 
anklingt,  kehrt  auf  nicht  wenigen  Epitaphien  hervorragender  Persönlich- 
keiten des  Mittelalters  zum  Teil  mit  überraschender  Übereinstimmung 
wieder,  und  es  liegt  die  Vermutung  nahe,  dafs  erst  durch  ihre  Kenntnis 
Mace"  in  seiner  leicht  beweglichen  Einbildungskraft  dazu  gekommen  sei, 
auch  dem  Grabe  Alexanders  eine  sonst  nirgends  überlieferte  Inschrift  an- 
zudichten, in  der  überdies  der  sittlichen  Persönlichkeit  des  Welteroberers 
die  ihr  gebührende  Wertschätzung  zu  teil  wurde. 

Herr  Comic elius  sprach  über  'Goethe  und  Lavater'  im  Anschlufs 
an  den  16.  Band  der  'Schriften  der  Goethe-Gesellschaft'.  Auf  die  Inhalts- 
angabe dieses  von  Prof.  Heinrich. Funck  herausgegebenen  Bandes  liefs 
der  Vortragende   zunächst   einen   Überblick    über   die   Entwickelung   des 


für  das  Studium  der  neueren  Sprachen.  129 

Freundschaftsverhältnisses  folgen,  indem  er  dem  Hauptkeim  der  schliefs- 
lichen  Trennung  nachging  —  Lavaters  christlicher  Bekehrungssucht  — , 
der  von  Anfang  an  in  der  Verbindung  lag.  Dann,  ausgehend  von  Goethes 
hoher  Schlufsabschätzuug  dessen,  was  Lavater  menschlich  bedeutet  habe, 
stellte  er  die  beiden  Korrespondenten,  Lavaters  weiblich  angelegte  Natur, 
das  männlichere  Wesen  Goethes,  einander  gegenüber  und  sprach  von  der 
Art  des  Goetheschen  Anteils  an  den  Physiognomischen  Fragmenten  und  an 
Lavaters  praktischem  'physiognomischen  Genie'.  Stellen  aus  Goetbes  Brie- 
fen, die  angeführt  wurden,  um  Goethes  rückhaltloses  Vertrauen  gegenüber 
Lavater  in  den  besten  Jahren  ihrer  Freundschaft  zu  kennzeichnen,  gaben 
Veranlassung,  die  Sprache  der  beiden  zu  vergleichen,  einige  Goethesche 
Gedichte  —  'Seefahrt',  'Einschränkung',  'Grenzen  der  Menschheit'  —  in 
ihrem  Verhältnis  zu  diesem  Briefwechsel  zu  besprechen.  Das  letzte  dieser 
Gedichte  führte  zu  der  Betrachtung  zurück,  wie  die  Freundschaft  allmäh- 
lich überhaupt  immer  mehr  an  fester  gemeinsamer  Grundlage  verlor  und 
daher,  bei  Goethes  mit  den  Jahren  sich  steigernden  Anforderungen  an 
produktive  freundschaftliehe  Verbindungen,  auch  ohne  das  spezielle  Motiv 
der  Trennung  nicht  in  unverminderter  Festigkeit  hätte  ausdauern  können. 
Herr  Tob ler  regt  infolge  eines  Schreibens  des  Prof.  Appel-Breslau 
noch  einmal  die  Frage  an,  ob  die  Gesellschaft  in  corpore  dem  Neuphilo- 
logenverband beitreten  solle,  bezw.  ob  diese  Frage  zur  näheren  Erörterung 
auf  die  Tagesordnung  der  nächsten  Sitzung  zu  setzen  sei.  Der  Verband 
habe  eine  Statutenänderung  beschlossen,  wonach  ein  Verein  schon  dann 
dem  Verbände  beitreten  könne,  wenn  nur  die  Mehrheit  seiner  Mitglieder 
dafür  sei.  Er  sei  bereit,  zu  einer  neuen  Erörterung  Gelegenheit  zu  geben, 
doch  das  alte  Bedenken  bleibe  bestehen,  dafs  ein  grofser  Verein,  wie  die 
Berliner  'Gesellschaft',  ebenso  wie  ein  ganz  kleiner  Verein  von  wenigen 
Mitgliedern  nur  einen  einzigen  Delegierten  wählen  könne.  —  In  der  Dis- 
kussion hebt  Herr  Münch  hervor,  dafs  auf  den  Neuphilologen  tagen  nicht 
blofs  didaktische  Fragen  zu  erörtern  seien,  sondern  dafs  auch  wissen- 
schaftliche Vorträge  gehalten  werden  müfsten.  Es  sei  zu  hoffen,  dafs  das 
in  Zukunft  geschehe.  Jedenfalls  wäre  es  ein  Vorteil,  wenn  Forderungen 
der  Neuphilologen  den  Regierungen  gegenüber  von  gröfseren  Verbänden 
mit  grofser  Mitgliederzahl  vertreten  werden  könnten.  Auch  Herr  Mackel 
und  Herr  Lamprecht  sprechen  für  Zusammenschlufs,  während  Herr 
Tanger  empfiehlt,  alle  Vorteile  des  Anschlusses  und  die  Nachteile  eines 
Nichtanschlusses  doch  genau  zu  erwägen.  Herr  Direktor  Schulze  ist 
durchaus  dafür,  die  Frage  auf  die  nächste  Tagesordnung  zu  setzen  und 
sie  noch  einmal  zu  erörtern.  Eine  Statutenänderung  der  'Gesellschaft' 
sei  im  Falle  des  Anschlusses  nicht  nötig,  da  die  Satzungen  zwar  eine 
Lücke  aufweisen,  aber  kein  direktes  Verbot  enthielten.  Herr  Förster 
hält  es  für  praktisch,  eine  Abstimmung  durch  direkte  Umfrage  bei  den 
Mitgliedern  herbeizuführen.  —  Die  Frage,  ob  die  'Gesellschaft'  als  solche 
dem  Neuphilologenverbande  beitreten  solle,  wird  demnach  auf  die  Tages- 
ordnung der  nächsten  Sitzung  gesetzt  werden. 

Sitzung  vom  11.  Februar  1902. 

Zunächst  berät  die  Gesellschaft  über  Anschlufs  an  den  Verband 
der  Deutschen  Neuphilologischen  Lehrerschaft. 

Herr  Tobler  erklärt,  dafs  er  bitten  müsse,  einen  anderen  Vorsitzenden 
zu  wählen,  falls  die  Gesellschaft  in  corpore  beitreten  wolle;  er  sehe  sich 
ganz  aufser  stände,  die  Arbeitslast  einer  gröfseren  Korrespondenz  auf  sich 
zu  nehmen. 

Herr  Münch  bittet,  nach  dieser  Erklärung  von  einem  Beitritt  der 
'Gesellschaft'  als  solcher  ohne  weiteres  absehen  zu  wollen.  Es  sei  aber 
von  der  gröfsten  Wichtigkeit,  dafs  in  manchen  Fragen  ein  starker  1  >ruck 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  9 


130  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

auf  die  Regierungen  geübt  werde;  auch  den  Behörden  sei  es  nur  ange- 
nehm, wenn  sie  sich  bei  Reformen  auf  starke  Verbände  berufen  und 
stützen  können.  Wenn  der  gröfste  neusprachliche  Verein  Deutschlands  — 
das  sei  unsere  Gesellschaft  —  mit  möglichst  vielen  Mitgliedern  dem  all- 
gemeinen Verbände  beitrete,  so  sei  das  moralische  Gewicht,  das  darin 
liege,  die  Hauptsache ;  dafs  nur  ein  einziger  Delegierter  uns  zukomme, 
sei  nebensächlich.  —  Herr  Adolf  Müller  stellt  fest,  dafs  in  den  entschei- 
denden Hauptversammlungen  ja  doch  nicht  der  Delegierte,  sondern  jedes 
einzelne  Mitglied  als  solches  seine  Stimme  abzugeben  habe.  Ein  kor- 
porativer Beitritt  sei  durchaus  nicht  nötig,  wenn  nur  möglichst  viele  Mit- 
glieder zum  festen  Stamm  des  Verbandes  gehörten.  Nachdem  Herr  Bie- 
iing  sich  in  demselben  Sinne  ausgesprochen,  meint  Herr  Kuttner,  es 
sei  eine  Ehrenpflicht  jedes  neuphilologischen  Lehrers,  den  verdienstlichen 
Verband  durch  Beitritt  zu  unterstützen.  Die  'Gesellschaft'  habe  man 
immer  hochgehalten,  gerade  weil  sie  abseits  vom  Tageskampfe  stehe.  — 
Herr  Förster  beantragt,  eine  Urabstimmung  über  den  korporativen 
Beitritt  der  Gesellschaft  durch  schriftliche  Umfrage  bei  den  einzelnen 
Mitgliedern  herbeizuführen.  Herr  Selge  ist  dagegen;  ein  solches  Refe- 
rendum enthielte  Gefahren  für  den  Verein,  denn  einflufsreiche  Mitglieder, 
die  der  'Gesellschaft'  ihren  rein  wissenschaftlichen  Charakter  wahren 
wollten,  könnten  möglicherweise  zum  Austritt  gebracht  werden.  Herr 
Alfred  Schulze  erklärt,  dafs  er  als  Nichtmitglied  der  neuphilologischen 
Lehrerschaft  eine  gewisse  Vergewaltigung  für  sich  und  andere  in  solchem 
Antrag  sehe.  Herr  Adolf  Müller  hält  Herrn  Försters  Vorschlag  für 
unpraktisch;  nur  der  einzelne  hat  über  seinen  Anschlufs  an  den  Verband 
zu  entscheiden,  nicht  die  Gesellschaft  in  ihrer  Gesamtheit.  Nachdem 
Herr  Tanger  betont,  dafs  die  Berliner  'Gesellschaft'  kein  Verein  von 
Lehrern  sei,  und  nachdem  Herr  Münch  noch  einmal  darauf  hingewiesen, 
dafs  im  Verbände  die  rein  schultechnischen  Fragen  in  den  letzten  Jahren 
in  den  Hintergrund  getreten  seien,  betont  Herr  Mackel,  dafs  wir  uns 
freuen  müfsten,  wenn  wir  einen  Verband  haben,  in  welchem  die  neuphilo- 
logischen Forderungen  vertreten  werden.  In  der  Durchkämpfung  dieser 
Forderungen  würden  auch  diejenigen  Herren,  die  nicht  Lehrer  sind,  ihre 
Mithilfe  nicht  versagen.  Es  sei  dringend  zu  wünschen,  dafs  möglichst 
viele  Herren  dem  Verbände  beiträten. 

Der  Antrag  Förster  wird  mit  grofser  Mehrheit  abgelehnt.  Die 
Gesellschaft  rät  aber,  dafs  möglichst  viele  Mitglieder  dem 
Verbände  beitreten  und  eine  Gruppe  Berlin  gründen  möchten. 

Darauf  wird  nach  dem  Bericht  der  Revisoren  dem  Herrn  Kassen- 
führer Entlastung  erteilt. 

Herr  Spies  hält  den  ersten  Teil  seines  Vortrages  über  'Chaucer's 
Parson's  Tale  in  kritischer  Beleuchtung'.  Einleitend  weist  er. auf  die  Be- 
deutung der  Erzählung  von  Ch.s  Pfarrer  für  die  religiöse  Überzeugung 
des  Dichters  hin,  eine  Bedeutung,  die  aber  unverhältnismäfsig  spät,  erst 
durch  Tyrwhitt  1775,  erkannt  wurde.  Eine  kritische  Betrachtung  der 
P.  T.  beginnt,  im  letzten  Grunde  angeregt  durch  Sandras  1859,  erst  mit 
der  Gründung  der  Chaucer-Society.  Es  handelt  sich  bei  der  P.  T.  1)  um 
die  Quellen  ihrer  beiden  Teile,  der  Bufspredigt  und  des  in  diese  einge- 
schobenen Sündentraktats,  2)  um  ihre  Echtheit,  woran  sich  weitere  Fragen 
knüpfen.  Der  Glaube  an  die  Echtheit  geriet  zuerst  1876  durch  die  Unter- 
suchung von  H.  Simon,  Chaucer  a  Wicliffite,  ins  Wanken,  der  die  ur- 
sprünglich wicliffitische  P.  T.  für  interpoliert  erklärte  mit  katholisch- 
orthodoxen Elementen,  eine  Ansicht,  die  von  John  Koch  (Anglia  II  540 — 4, 
V  130  ff.),  von  Düring,  Koeppel  (Archiv  LXXXVII  29)  u.  a.  bekämpft, 
von  Eilers  (Die  Erzählung  des  Pfarrers  in  Ch.s  Canterbury-Geschichten  etc., 
Diss.,  Erlangen  1882),  ten  Brink,  Pollard  u.  a.  in  mehr  oder  minder  modi- 
fizierter Form  angenommen  wurde,  wenngleich  man  allgemein  die  Schwie- 


für  das  Studium  der  neuereu  Sprachen.  131 

rigkeit,  bei  dem  derzeitigen  Stande  der  Forschung  eine  sichere  Entschei- 
dung zu  treffen,  nicht  verkannte.  Diese  konnte  nur  mit  Hilfe  der  Quellen 
gefällt  werden.  So  entstand  die  genannte  Abhandlung  von  Eilers,  die  die 
Somme  de  Vices  et  de  Vertus  des  Frere  Lorens  als  Vorlage  des  Sünden- 
traktats zu  erweisen  suchte  und  hiermit  merkwürdigerweise  ziemlich  all- 
gemeine Zustimmung  fand.  Eine  Parallele  hierzu  Dildet  die  von  Maxk 
H.  Liddell  in  der  Furnivall- Festschrift  (An  English  Miscellany,  Oxford 
L900,  S.  255  ff.)  veröffentlichte  Quelle  zur  Bufspredigt.  Trotzdem  kann 
keine  von  ihnen  als  unmittelbare  Vorlage  Chaucers  in  Betracht  kommen. 
In  jüngster  Zeit  hat  die  Quellenfrage  eine  ganz  aufserordentliche  Förde- 
rung erfahren  durch  die  von  Miss  Kate  Oelzner-Petersen  (The  sources  of 
the  P.  T.,  Boston  19U1)  gefundenen  Werke,  auf  die  Chaucers  Fassung  im 
letzten  Grunde  zurückgeht.  Es  sind  das  für  die  Bufspredigt  Raymund 
von  Pennafortes  Summa  casuum  poenitentiae  (geschr.  spätestens  1243)  und 
für  den  Sündentraktat  Guilielmus  Peraldus,  Summa  seu  tractatus  de  viciis 
(geschr.  spätestens  1261).  Schon  mit  Hilfe  dieser  Untersuchung  kann  die 
Echtheit  der  P.  T.  bei  Heranziehung  neuer  Kriterien  endgültig  bewiesen 
und  andere  mit  der  P.  T.  zusammenhängende  Fragen  befriedigend  gelöst 
werden.  Diese  Erörterung  verspart  der  Vortragende  für  die  nächste 
Sitzung,  um  nicht  inmitten  eines  gröfseren  Abschnittes  abbrechen  zu 
müssen. 

Darauf  beginnt  Herr  Röttgers  seinen  Vortrag  über  die  Verbindung 
zweier  Substantiva  durch  de.  Nach  einigen  einleitenden  Worten  über  Be- 
ziehungen zwischen  Betonung  und  Syntax  im  Französischen  spricht  der 
Vortragende  über  die  festen  Verbindungen  zweier  Substantive  durch  de  und 
schlägt  folgende  Leitsätze  für  deren  Einteilung  vor:  1.  Die  alte  Sprache 
hatte  vielfach  keinen  Artikel,  wo  die  jüngere  Sprache  ihn  anwendet;  so 
auch  vor  dem  zweiten  Substantiv.  2.  Da,  wo  es  auf  Kürze  ankommt, 
haben  sich  viele  Verbindungen  aus  der  alten  Zeit  erhalten,  in  denen  das 
zweite  Substantiv  ohne  den  Artikel  steht.  3.  Bei  Masculina  wird  die 
Verbindung  nicht  erheblich  länger,  wenn  de  durch  du  ersetzt  wird.  Daher 
findet  sich  fast  durchgehends  die  Tendenz,  den  Artikel  zu  verwenden. 
Dem  entsprechend  werden  die  festen  Verbindungen  eingeteilt  in  1)  alte 
mit  de,  2)  ältere  und  neuere  mit  du,  3)  neuere  mit  de  la,  4)  alte  und  neue 
mit  des.  Bei  1)  sind  als  Untergruppen  zu  unterscheiden  a)  Verbindungen, 
bei  denen  das  erste  Substantiv  eine  Mafsangabe  ist  (statt  des  Substantivs 
kann  auch  ein  Adverb  stehen),  b)  Verbindungen,  bei  denen  das  zweite 
ein  Stoffname  ist,  c)  Angaben  geographischer,  politischer  und  anderer 
Verhältnisse,  bei  denen  das  zweite  Substantiv  meist  ein  Ländername, 
Flufsname  oder  dgl.  ist.  Die  bei  2)  3)  4)  in  Betracht  kommenden  Ver- 
bindungen gehören  zu  solchen,  wie  sie  unter  1  c)  erwähnt  sind.  Diese 
Einteilung^wird  durch  zahlreiche  Beispiele  belegt. 

Sitzung  vom  25.  Februar  1902. 

Herr  Spies  beendet  seinen  Vortrag  über  'Chaucers  Parson's  Tale  in 
kritischer  Beleuchtung'  und  handelt  im  zweiten  Teil  über  die  Einheit  und 
Echtheit  der  ganzen  P.  T.  Um  diese  zu  beweisen,  mufs  1)  gezeigt  werden, 
dafs  die  Bufspredigt,  die  nach  Simons  Hypothese  zweierlei,  und  zwar  ver- 
schiedenartige Bestandteile  enthalten  soll,  in  ihrer  überlieferten  Form  ein 
einheitliches  Ganze  bildet;  2)  dafs  Bufspredigt  und  Sünden  traktat  von 
einem  Verfasser  stammen,  und  dafs  3)  dieser  eine  Verfasser  Chaucer  ist 
(diese  beiden  Punkte  werden  aus  praktischen  Gründen  zusammen  erörtert) ; 
4)  dafs  Bufspredigt  und  Sündentraktat  von  Chaucer  zur  P.  T.  vereinigt  sind. 
Unabhängig  davon  ist  5)  die  retractatio  auf  ihre  Echtheit  zu  prüfen.  —  Zu- 
nächst wird  auf  Grund  der  Quellen  die  Einheit  der  Bufspredigt  und  die 
lTnmöglichkeit  der  Annahme  von  Interpolationen  gezeigt  durch  eine  Kritik 


132  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

von  Simons  Ausführungen  im  einzelnen.  —  Es  folgt  der  Beweis,  dafs 
Bufspredigt  und  Sündentraktat  denselben  Verfasser,  Chaucer,  haben  und 
zwar  in  doppelter  Weise:  1)  negativ  durch  eine  Entkräftung  der  Argu- 
mente der  Gegner  von  Chaucers  Verfasserschaft,  insbesondere  durch  die 
Widerlegung  der  von  Simon,  Eilers  u.  a.  gegen  einzelne  Stellen  der  P.  T. 
erhobenen  Einwände;  2)  positiv  durch  den  Nachweis  charakteristischer 
Übereinstimmungen  zwischen  der  P.  T.  und  den  Werken  Chaucers.  Aul'ser 
dem  von  Koeppel  und  Koch  beigebrachten,  nicht  immer  ganz  einwand- 
freien Material  ergeben  sich  neue  Kriterien  (quellentechnische),  wenn  man 
an  gewissen  Stellen  dieselbe  Art  von  Zusätzen  oder  Veränderungen  gegen- 
über der  jeweiligen  Quelle  in  den  Werken  Chaucers  und  in  der  P.  T. 
nachweisen  kann.  Die  betreffenden  Stellen  sind  nicht  alle  gleichwertig, 
müssen  vielmehr,  wie  Redner  des  näheren  auseinandersetzt,  aus  mancher- 
lei Gründen  nach  bestimmten  Gesetzen  methodisch  abgewogen  werden. 
In  ihrer  Gesamtheit  deuten  sie  aber  auf  eine  gleiche  Quellenbehandlung 
hin  und  beweisen  für  die  Einheit  und  Echtheit  der  P.  T.  Solche  Kri- 
terien sind:  Teufel  und  Hölle,  Himmel  und  ewiges  Leben,  Reue,  Bufse 
und  Vergebung,  die  Person  Christi,  die  Juden  und  andere.  Im  Anschlufs 
hieran  wird  die  Frage  der  Komposition  der  P.  T.  erörtert  und  dahin  be- 
antwortet, dafs  nur  Chaucer  Bufspredigt  und  Sündentraktat  zur  P.  T.  ver- 
einigt haben  kann.  Darauf  bespricht  der  Vortragende  die  der  P.  T.  an- 
gefügte retractatio,  für  deren  Echtheit  er  sich  unter  Beibringung  neuer 
Gründe  entscheidet,  und  weist  zuletzt  auf  die  aus  der  Echtheit  der  P.  T. 
für  Chaucers  religiöse  Überzeugung  sich  ergebenden  Folgen  hin. 

Herr  Dr.  Nobiling  hat  sich  zum  Eintritt  in  die  Gesellschaft  ge- 
meldet. 

Sitzung  vorn  11.  März  1902. 

Nach  Verlesung  des  Protokolls  der  Sitzung  vom  25.  Februar  sprach 
Herr  Sefton  De  Im  er  über  Ruskin.  Er  gab  zunächst  einige  Notizen  über 
sein  äufseres  Leben  und  hob  hervor,  dafs  es  ihm  an  regelrechter  Schulung 
gefehlt  habe.  Grofsen  Einflufs  hatten  auf  ihn  die  Bibel  und  die  Ilias. 
Gegen  Jeffreys  ästhetische  Lehre,  es  gäbe  keine  Begriffsbestimmung  der 
Schönheit,  erhob  sich  Ruskin  als  jugendlicher  Mann.  Schönheit  war  ihm 
mathematisch  beweisbar,  er  ging  dabei  aber  nicht  von  allgemeinen  Grund- 
sätzen, sondern  von  dem  Seemaler  Turner  aus.  Ferner  müsse  man  die 
Schönheit  über  das  ganze  Volk  verbreiten.  Plötzlich  änderte  er  seinen 
Standpunkt;  er  vertrat  nun  die  Ansicht,  Schönheit  könnten  nur  wenige 
einsehen;  jetzt  ist  auch  plötzlich  Tintoretto  sein  Mafsstab.  1844  geht  er 
unter  die  Pne-Raffaeliten.  Sein  Stil  ist  fliegend,  er  mischt  alles  durch- 
einander, aber  er  ist  anziehend.  Dann  betritt  er  das  soziale  Gebiet.  Unter 
dem  Einflufs  Carlyles  kommt  er  zu  dem  Satz,  dafs  die  Kunst  volkstüm- 
lich nur  werden  kann,  wenn  die  Gesellschaft  umgestaltet  wird.  Zu  etwas 
Dauerndem  hat  Ruskin  es  nicht  gebracht.  Er  hat  sich  selbst  richtig  ge- 
kennzeichnet mit  der  Grabschrift,  die  er  sich  selbst  aus  der  Bibel  ge- 
wählt:  Unstable   as  water  thou  shalt  not  excel  {Rubens  curse). 

Sodann  hielt  Herr  Paul  Pochhammer  einen  Vortrag  über  Dante: 
'Der  erste  Gesang  der  Divina  Commedia'.  Anknüpfend  an  das  eben  Ge- 
hörte wies  Herr  Pochhammer  darauf  hin,  dafs  gerade  der  erste  Gesang 
der  Commedia,  in  dem  Dante  das  Programm  seiner  Dichtung  entwickelt, 
es  sehr  gut  vertragen  kann,  aus  den  Erscheinungen  der  Gegenwart  heraus 
gewürdigt  zu  werden.  Auch  heute  treten  Männer  auf,  die  ein  ethisch- 
religiöses Ideal  verfolgen  und  uns  zeigen,  dafs  die  lupa  noch  nicht  besiegt 
ist,  die  Dante  in  seinen  Wald  zurücktrieb.  Nur  fragt  es  sich,  ob  sie 
Besseres  bieten,  als  der  erste  Denker  und  Dichter  aller  Zeiten  im  unsterb- 
lichen Kunstwerk  uns  vor  Augen  gestellt  hat.  Darum  ist  es  zu  bedauern, 
wenn   der  lichtvolle  Gedankengang   Dantes   durch  Wiedereinführung  der 


für  das  Studium  der  neuereu  Sprachen.  133 

längst  verworfenen,  rein  politischen  Deutung  der  herühmten  tre  fiere  des 
ersten  Gesanges  verdunkelt  wird,  wie  durch  J.  Kohler  (den  Berliner  Dichter 
und  Professor)  kürzlich  geschehen  ist.  Die  Tiere  bedeuten  sündhafte  Nei- 
gungen verschiedener  Stärke.  Die  lonxa  (lince)  ist  der  'lynx  pardinus' 
Brehms.  [Der  Vortragende  hatte  ein  für  ihn  in  Spanien  geschossenes 
Exemplar,  Geschenk  eines  seiner  schweizerischen  Dante-Hörer,  M.  Ber- 
gier-Lausanne,  zur  Stelle  gebracht.]  Sie  bedeutet  die  incidia,  die  Dante 
als  vom  Menschen  noch  überwindbar  und  ihm  persönlich  minder  gefähr- 
lich darstellt  ('poca  e  Voffesa,  sagt  er,  Purg.  XIII,  134,  im  Invidia-Kreise 
des  Berges),  weshalb  man  keinen  Panther  in  ihr  sehen  darf,  der  eine  Um- 
kehr erzwingen  würde,  wozu  Dante  die  Macht  zwei  dem  Menschen  absolut 
überlegenen  Tieren,  dem  Löwen  und  der  Wölfin,  vorbehält. 

Wie  aber  ist  diesen  beizukommen?  wie  überhaupt  das  Heil  zu  ge- 
winnen ?  Das  lehrt  nun  mit  der  Kraft  symbolischer  Darstellung  erst 
das  Gedicht  selbst,  das  endlich  als  solches  und  nicht  mehr  als  wissen- 
schaftliche Arbeit  zu  betrachten,  und  das  —  mit  seinem  dreifachen  Stufen- 
system der  7  in  der  9  und  der  darüber  stehenden  10  —  so  durchsichtig 
gearbeitet  ist,   dafs  es  selbst  den  Arbeitsplan  Dantes   klar  erkennen  läfst. 

Der  Dichter,  der  antischolastisch  vorgeht  (denn  Bernhard  von  Clair- 
vaux,  zu  dem  er  sich  führen  läfst,  war  Gegner  Abälards,  des  Vaters  der 
Scholastik,  Beatrice  verurteilt  die  Schule,  der  Dante  gefolgt  sei,  Purg. 
XXXIII,  85/86,  und  er  selbst  bestraft  sich  mit  Blindheit,  Par.  XXV,  121, 
als  eine  echt  scholastische  Frage  sich  ihm  aufdrängt),  hat  die  Siebenzahl 
der  Kapital-Sünden  beibehalten,  aber  er  hat  Reihenfolge  und  Bedeutung 
der  Stufen  abgeändert  und  selbständig  so  bestimmt,  wie  er  sie  für  den 
sittlichen  Aufstieg  zu  brauchen  glaubte.  Er  ihat  dann  seine  Bergtreppe 
(superbia,  invidia,  ira  etc.)  als  christliche  Sittenlehre  legitimiert  durch 
die  Segenssprechungen  der  Bergpredigt,  von  denen  er  nur  sechs  brauchbar 
fand,  weshalb  er  die  sechste  mit  Durst  und  Hunger  in  zwei  Teile  zerlegen 
mufste,  um  sieben  zu  bekommen. 

Sieht  man  hier  schon  die  Arbeit,  die  ohue  Gewaltsamkeiten  nicht 
durchführbar  war,  sollte  sie  den  Gedanken  des  Dichters  widerspiegeln, 
so  sind  solche  erst  recht  erkennbar  in  der  Hölle,  wo  Aristoteles  gezwungen 
wurde,  die  sieben  Stufen  zu  lehren,  die  er  nicht  gekannt  hat.  Daher  die 
von  den  Kommentatoren  stets  beklagten  Unstimmigkeiten  mit  malizia, 
bestialitä  etc.  und  das  Schweigen  der  beiden  heidnischen  Lehrer  über  die 
eresia,  die  der  geistvolle  Dichter  als  'accidia  der  Gebildeten'  auf  die  gleiche 
Stufe  mit  dem  Styx,  der  in  ira  und  tristixia  auslaufenden  'accidia  der 
Ungebildeten',  gesetzt  hat,  eine  Feinheit,  die  auch  erst  im  Zeitalter  des 
Atheismus  voll  gewürdigt  werden  kann. 

f£g  Erst  jetzt  wird  klar,  dal's  die  Hölle  Dantes  nur  die  erste  Strecke  des 
von  Gott  geschaffenen,  von  Christo  geöffneten  und  von  der 
Vernunft  gewiesenen  Heilweges  für  die  Lebenden  ist,  die  hier  im 
geistigen  Abstieg  die  Menschennatur  erkennen  sollen,  in  die  schon  Aristo- 
teles einen  so  tiefen  Blick  getan,  um  dann  in  dem  auf  dieselbe  Natur  ge- 
gründeten Christentum  des  Berges  den  sittlichen  Aufstieg  und  die  religiöse 
Befriedigung  zu  finden,  die  Vorbedingungen  der  seelischen  Erhebung  zu 
Gott,  deren  Zweck  die  Herabholung  der  Liebe  auf  die  Erde  ist. 
fc  J  Der  Vortragende  überreichte  den  Anwesenden  sein  Schriftchen  'Dante 
und  die  Schweiz'  mit  der  Skizze  für  Dante-Leser,  um  die  Nachprüfung 
seiner  Grundanschauung  über  den  Parallelismus  zwischen  Inferno  und 
Purgatorio  zu  erleichtern,  erinnerte  an  einen  früheren  Vortrag,  in  dem  er 
(selbstredend  vergeblich)  um  die  Untersuchung  der  drei  Dante- Begriffe 
'ira',  'amore  (Beatrice)  und  'ruota'  ersucht  hatte,  und  bat  um  Kritik  des 
Prosateils  seines  Dante -Werkes  (Teubner  1901).  Aus  seiner  Commedia- 
Wiedergabe  in  deutschen  Stanzen  teilte  er  schliefslich  den  ersten  Gesang 
mit,  der  bereits  klar  den  oben  skizzierten  Gedankengang  des  Ganzen  er- 


134  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

kennen  läfst:  Gott  will  nicht  begriffen  werden,  Virgil  erkennt  und  be- 
zeugt die  ihm  gesteckte  Grenze,  zugleich  aber  auch  den  Bedarf  des  Men- 
schen, den  er  auf  das  Weib  aufmerksam  macht,  das  jeder  in  sich  trägt, 
und  das  als  Führerin  zu  Gott  da  einsetzt,  wo  der  Verstand  die  unerläfs- 
liche  Vorarbeit  der  praktischen  Sittenlehre  zum  Abschluis  gebracht 
haben  wird. 

Von  den  im  Gesang  zur  Sprache  kommenden  Einzelheiten  interessiert 
neben  der  lonxa  besonders  der  Veltro.  Auch  hier  wurde  die  Deutung 
Kohlers  auf  Cangrande  abgelehnt,  unter  Berufung  auf  den  Text  (V.  103), 
dagegen  die  A.  Bassermanns  soweit  vertreten,  als  sie  sich  auf  den  ein- 
fachen Hinweis  auf  den  gerechten  Tataren-Chan  beschränkt,  von  dem 
Marco  Polo  erzählt.  Dante  wollte  sich  nicht  klarer  aussprechen,  als  er 
getan,  hat  aber  die  beiden  Worte  feltro  (V.  105)  sicher  in  der  Bedeutung 
'Filz'  gebraucht;  sie  sind  daher  in  unseren  Texten  klein  zu  schreiben. 

Herr  Tob ler  sprach  dem  Redner  seinen  warmen  Dank  aus  für  die 
Anregungen,  die  er  der  Dante -Forschung  gegeben,  und  für  die  Über- 
tragung, die,  wenn  man  auch  über  die  Angemessenheit  der  Stanze  anderer 
Meinung  sein  könne,  jedenfalls  von  feinem  Geschmack  und  ungewöhn- 
lichem Können  zeuge. 

Herr  Dr.  Nobiling  Avurde  zum  Mitglied  der  Gesellschaft  gewählt. 

Sitzung  vom  25.  März  1902. 

Im  Anschlufs  an  die  Verlesung  des  Protokolls  der  vorigen  Sitzung 
nimmt  Herr  Selge  das  Wort  zu  einer  Bemerkung  über  die  Pochhammer- 
sche  Auffassung  der  Divina  Commedia.  Für  die  Erklärung  und  Erkennt- 
nis einer  Dichtung  gebe  es  zwei  Arten  der  Behandlung:  1)  eine  objektive, 
rein  wissenschaftliche,  welche  den  Dichter  im  Rahmen  seiner  Zeit  und 
Umgebung  betrachte,  und  2)  eine  subjektive,  welche  die  Bedeutung  des 
Werkes  unabhängig  vom  Dichter  nach  seinem  Gegen warts werte  im  Auge 
habe.  Nach  der  ersten  Art  sei  Dante  ein  Kind  seiner  Zeit,  dessen  Dich- 
tung auf  dem  Boden  des  mittelalterlichen  Christentums  gewachsen  sei; 
nach  der  zweiten  wohne  dem  Dichter,  ihm  selbst  nicht  ganz  bewufst,  eine 
vorausschauende  Kraft  inne.  Das  einzelne  erhalte  allgemeine  Bedeutung, 
und  die  Dichtung  wüchse  sich  aus  zu  einer  Geschichte  des  inneren  Men- 
schen überhaupt.  Von  diesem  Standpunkte  aus  werde  dem  Vortragenden 
Virgil  zur  leitenden  Vernunft,  Beatrice  die  zu  höherem  Glück  führende 
Hoffnung.  Diese  zweite  Art  der  Auffassung  sei  die  höhere,  bedürfe  aber 
der  Korrektur  der  wissenschaftlichen  Forschung,  wenn  sie  nicht  in  Phan- 
tastik  ausarten  solle. 

Sodann  berichtet  Herr  Tobler  über  das  Buch  des  verstorbenen  Pro- 
fessors Georg  von  der  Gabelentz,  'Die  Sprachwissenschaft,  ihre  Aufgaben, 
Methoden  und  bisherigen  Ergebnisse',  sowie  über  die  'Me*moires  de  la  So- 
ciete  neophilologique  ä  Helsingfors,  III'.  S.  Deutsche  Lit.  Zeitg.  1902,  918 
und  Archiv  CIX,  221. 

Herr  Schultz-Gora  erörterte  verschiedene  etymologische  Dinge. 
Er  spricht  zunächst  über  den  Namen  Boieldieu,  stellt  fest,  dafs  er  aus 
dem  Mittelalter  stamme  und  ursprünglich  'Darm  Gottes'  bedeutet  haben 
müsse.  Es  handelt  sich  darum,  zu  verstehen,  wie  es  zu  einem  so  ge- 
arteten Namen  gekommen  sei;  der  Vortragende  meint,  dafs  es  nur  ein 
Spitzname  sein  könne,  der  zuerst  jemandem  gegeben  wurde,  welcher  häufig 
etwas  bei  dem  Darme  Gottes  beteuerte,  und  so  sei  denn  auch  ein  Foic- 
Dieu  ('Leber  Gottes')  in  Rogier  Foie-Dieu,  der  aus  dem  'Livre  de  la  Taille 
de  Paris'  zu  belegen  ist,  nicht  anders  zu  erklären.  Der  Name  gehört  also 
zu  der  noch  wenig  beachteten  Gruppe  von  Benennungen,  die  aus  Wörtern 
bestehen,  welche  von  dem  Betreffenden  selbst  oft  gebraucht  wurden;  es 
werden  einige  weitere  Beispiele  (Par-Reson,  Por-Amor,  prov.  No-m'en  cal) 


für  das  Studium  der  neueren  Sprachen.  135 

aus  Steuerrollen  und  Urkunden  beigebracht.  —  Des  weiteren  wird  über 
prov.  en  'Herr'  gehandelt.  Meyer-Lübke  und  Thomas  erkennen  richtig  in 
dem  Vokativ  domine  die  Grundlage,  der  proklitisch  zu  ne  wurde  wie  do- 
mina  zu  na;  beide  Gelehrte  bleiben  aber  die  Erklärung  des  e  in  en,  das 
wir  vor  konsonantisch  anlautenden  Eigennamen  haben,  schuldig  und  um- 
gehen damit  die  wirkliche  Schwierigkeit.  Der  Vortragende  sucht  wahr- 
scheinlich zu  machen,  dafs  von  der  Verbindung  auszugehen  sei,  z.  B.  lo 
castels  de  ne  Bertrun,  und  dafs  dieses  de  ne  zu  den  wurde  wie  de  lo  zu 
del.  Aus  den  sei  das  en  erst  abgelöst  worden,  gerade  so  wie  der  zuweilen 
im  Altprovenzalischen  auftretende  Artikel  el  mit  Gaston  Paris  als  aus 
Verbindungen  wie  del,  quel  erwachsen  zu  erklären  sei.  Die  ursprüngliche 
Form  wäre  also  vor  Konsonant  ne  gewesen  (vor  Vokal  n')  und  ist  ja  auch 
wenigstens  einmal  von  Chabaneau  belegt  worden.  —  Es  kommen  noch 
zur  Besprechung  afrz.  yamaux  (yamrnx)  und  prov.  nei.  In  yamuux,  das 
auf  yama  tä  (erster  Ton  der  Guidonischen  Skala)  zurückgeht,  dürfte  ein 
merkwürdiges  Flexions-s,  das  sogar  in  den  Obliquus  eingedrungen  ist 
sich  daraus  erklären,  dafs  es  in  der  gelehrten  Musik  eine  ganze  Reihe 
von  Hexachorden  gab,  die  man  mit  g,  c,  f,  g  etc.  beginnen  liefs,  und 
deren  erster  Ton  als  Solmisationssilbe  immer  ut  hatte;  vermutlich  wurden 
diese  Hexachorde  der  Kürze  halber  li  premiers  ut,  li  autres  tä,  li  tierx 
ut  etc.  genannt,  und  so  kann  ein  Flexions-s  durch  Übertragung  von  den 
Ordinalzahlen  an  das  ut  herangetreten  sein  und  sich  dort  festgesetzt  haben. 
In  prov.  nei  (Arnaut  Daniel  IX,  48)  erkennt  der  Vortragende  ein  von 
neiar  'leugnen'  gebildetes  Verbalsubstantiv,  das  seine  Entsprechung  in 
dem  afrz.  Substantiv  ni  findet. 

Herr  Oberlehrer  Emil  Jaegel  hat  sich  zum  Eintritt  in  die  Gesell- 
schaft gemeldet. 

'  Sitzung  vom  8.  April  1902. 

Der  Vorsitzende  Herr  Tob ler  teilte  mit,  dafs  das  Mitglied  der  Ge- 
sellschaft Herr  Geh.  Rechnungsrat  Dr.  Lieb  au  verstorben  sei.  Die  An- 
wesenden ehrten  das  Andenken  des  Dahingeschiedenen  durch  Erheben 
von  den  Sitzen. 

Herr  Röttgers  sprach,  seine  Betrachtung  über  die  Verbindungen 
zweier  Substantive  mit  de  fortsetzend,  von  denjenigen  Wortgruppen,  bei 
denen  zwei  Ausdrucksweisen  möglich  sind.  Steht  das  zweite  Substantiv 
ohne  Artikel,  so  haben  wir  es  mit  einer  engen,  im  anderen  Falle  mit 
einer  weiten  Verbindung  zu  tun.  Z.  B.  temps  d'oraye,  axe  de  la  terrc. 
Die  enge  Verbindung  kann  man  als  einen  Wortkomplex  betrachten,  der 
den  gewöhnlichen  französischen  Wortaccent  auf  dem  zweiten  Bestandteil 
trägt.  In  den  weiten  Verbindungen  behalten  beide  Teile  ihre  Selbständig- 
keit, können  daher  beide  gleich  stark  betont  sein.  Da  nun  die  Be- 
tonung in  naturgemäfser  enger  Beziehung  zum  Prinzip  des  Gegensatzes 
steht,  so  läfst  sich  daraus  schliefseu,  dafs  bei  den  engen  Verbindungen 
der  Gegensatz  im  zweiten  Begriff  zu  suchen  ist,  z.  B.  vase  d'or  im  Gegen- 
satz zu  vase  a" urgent,  de  fer.  Bei  den  weiten  Verbindungen  kann  der 
Gegensatz  in  beiden  zu  suchen  sein.  Da  aber  dann,  wenn  der  Gegensatz 
im  zweiten  Element  zu  suchen  ist,  die  enge  Verbindung  das  Naturgemäfse 
ist,  so  drängt  sich  die  Folgerung  auf,  dals  bei  der  weiten  Verbindung 
der  Gegensatz  sehr  oft  im  ersten  Bestandteil  zu  suchen  ist,  z.  B.  les  canaux 
de  lu  France  im  Gegensatz  zu  les  fleuves  de  la  France.  An  einer  grofsen 
Reihe  von  Beispielen  wird  untersucht,  ob  der  Sprachgebrauch  diese  An- 
sicht bestätigt.  Viele  derselben  fügen  sich,  sobald  der  Zusammenhang- 
genügend  beachtet  wird,  dieser  Regel.  Auch  läfst  sich  beweisen,  dafs 
stets,  wenn  ein  Seiendes  als  Thema  für  weitere  Ausführungen  einmal 
genannt  worden  ist,  die  Teilbegriffe  im  Verhältnis  des  Gegensatzes 
stehen  und  dann  das  zweite  Substantiv  den  Artikel  bekommt.    Vgl.  wegen 


136  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

der  Einzelheiten  die  Abhandlung  zum  Jahresbericht  der  Dorotheenschule, 
Beziehungen  zwischen  Betonung  und  Syntax,  Berlin  1902. 

Herr  Tobler  erkennt  die  Reichhaltigkeit  der  Sammlung  des  Vor- 
tragenden an,  die  manchen  veranlassen  werde,  weiter  über  die  Frage  nach- 
zudenken. Es  wäre  aber  wünschenswert,  wenn  man  Fälle,  in  denen  der 
Gebrauch  oder  Nichtgebrauch  des  Artikels  gar  nicht  zweifelhaft  sein  kann, 
von  vornherein  aus  der  Erörterung  ausscheide;  nehme  man  alle,  auch  die 
zweifellosen,  dazu,  so  wirke  man  nur  verwirrend.  Soif  de  bonheur  sei : 
Verlangen  nach  etwas  Glück,  soif  du  bonheur  wäre:  Verlangen  narb 
dem  Glück,  in  seinem  ganzen  Umfange.  Das  habe  wohl  nichts  mit  der  Be- 
tonung zu  tun.  Herr  Röttgers  erwidert,  dafs  trotzdem  wohl  eine  Reihe 
von  Verbindungen  mit  schwankendem  Gebrauch  vorkomme. 

Herr  Krüger  berichtete ,  über  die  Eindrücke,  welche  er  bei  einem 
Besuch  der  von  Direktor  Walter  geleiteten  Musterschule  in  Frankfurt  a.  M. 
empfangen  habe.  Obwohl  das  Latein  dort  erst  in  Untertertia,  das  Eng- 
lische in  Untersekunda  einsetzt,  waren  nach  seiner  Meinung  die  Leistungen 
der  Schüler  in  den  drei  Fremdsprachen  denen  der  alten  Realgymnasien 
gleichwertig ;  im  Französischen  und  im  Englischen  überragten  sie  sogar  den 
Durchschnitt  dieser.  Von  der  von  gegnerischer  Seite  behaupteten  Müdig- 
keit der  Schüler  war  nichts  zu  bemerken.  Er  kam  dann  auf  die  Gründe. 
Die  Tüchtigkeit  der  Lehrer,  die  er  anerkannte,  könnte  das  genannte  Er- 
gebnis nicht  erzielt  haben,  wenn  der  Grundplan  falsch  wäre.  Man  habe 
eben  das  Latein  auf  die  richtige  Stufe  verlegt  und  eine  der  Sprache  ent- 
sprechende geistige  Reife  der  Lernenden  abgewartet,  während  die  alten 
Gymnasien  und  Realgymnasien  viel  zu  früh  damit  anfingen  und  darum 
auch,  im  Verhältnis  zu  der  darauf  verwendeten  Zeit  und  Mühe,  recht 
Dürftiges  leisteten.  Im  Betriebe  der  neuen  Sprachen  lege  man  auf  aus- 
giebigen Gebrauch  der  fremden  Sprache  im  Unterricht  Wert;  die  Schüler 
der  oberen  Klassen  zeigten  demgemäfs  eine  erfreuliche  Fähigkeit,  nur  ( Ge- 
hörtes zu  verstehen  und  wiederzugeben.  Die  Grammatik  wurde,  wie  er 
zu  seiner  angenehmen  Überraschung  wahrnahm,  auf  allen  Stufen  geübt. 
Ein  noch  weiterer  Fortschritt  würde  es  ihm  scheinen,  wenn  das  Englische 
nach  U  III,  das  Latein  nach  U  II  gebracht  würde. 

Here  Mangold  bestätigte  aus  eigener  Erfahrung  die  vorgetragenen 
Urteile  und  erkannte  sowohl  die  Leistungen  der  Schüler  wie  ihre  Frische 
an.  —  Herr  Tobler  äufserte  sich  über  das  Hilfsmittel  des  Gesanges  im 
französischen  und  englischen  Unterricht.  Er  machte  einige  Bedenken  da- 
gegen geltend,  hob  aber  andererseits  hervor,  dafs  er  zur  Einübung  einer 
guten  Aussprache,  z.  B.  der  französischen  Diphthonge,  wohl  dienen  könne. 
Die  Herren  Werner,  Penn  er  und  Tru  eisen  teilten  mit,  dafs  sie  den 
Gesang  mit  Erfolg  in  ihren  Lehrstunden  anwendeten. 

Sitzung  vom  22.  April  1902. 

Herr  Tobler  legte  die  eingesandten  Vereinsberichte  der  Dresdener 
Gesellschaft  für  neuere  Philologie  und  des  Vereins  für  neuere  Philologie 
zu  Leipzig  vor,  sowie  eine  in  der  Revue  hispanique,  Paris  1901,  erschie- 
nene Abhandlung  von  Frau  Carolina  Michaelis  de  Vasconcellos  über  Pedro 
de  Andrade  Caminha. 

Sodann  sprach  Herr  Spies  über  G.  C.  Macaulays  Ausgabe  der  Con- 
fessio  Amantis,  die  Band  2  und  3  der  von  der  Clarendon  Press  veranstal- 
teten, auf  vier  Bände  berechneten  Gesamtausgabe  der  Werke  John  Gowers 
füllt.  Da  der  Vortragende  seine  Ausführungen  in  einer  Besprechung  und 
einigen  weiteren  Aufsätzen  in  den  Englischen  Studien  Bd.  31  niedergelegt 
hat,  kann  darauf  verwiesen  werden. 

Herr  Lamprecht  sprach  über  Duruy,  Notes  et  Souvenirs,  2  Bände, 
Paris  1901.     Der  erste  Band  umfafst  dreizehn,  der  zweite  sieben  Kapitel. 


für  das  Studium  der  neueren  Sprachen.  137 

Die  beiden  ersten  bebandeln  die  Kindheit,  Gymnasial-  und  Studienjahre, 
sowie  die  Anstellung  am  College  Henri  IV  in  Paris.  Im  dritten  gibt  der 
Verfasser  eine  im  Jahre  1847  vorgenommene  Prüfung  seines  Gewissens 
in  Bezug  auf  Religion,  Philosophie  und  Politik.  18-15  war  er  zum  zweiten 
Geschichtslehrer  an  dem  Lycee  Saint-Louis  befördert   worden,   wo  er  bis 

1861  blieb.  In  dieser  Zeit  veröffentlichte  er  Histoire  romaine  I.  II,  Histoire 
t/recqne  und  Histoire  de  France,  letztere  als  einen  Teil  einer  von  ihm  unter- 
nommenen und  auf  etwa  60  Bände  berechneten  Histoire  universelle.  Für 
diese  drei  Werke  erhielt  er  von  der  ihm  vorgesetzten  Behörde  Verwarnung 
und  Tadel.  Trotzdem  wurde  er  1861  inspecteur  d'acade^nie  de  Paris  und 
im  Nebenamt  Professor  der  Geschichte  an  der  Ecole  normale  supörieure, 

1862  inspecteur  general  de  l'jnstruction  publique  und  im  Nebenamt  Pro- 
fessor der  Geschichte  an  der  Ecole  polytechnique,  1863  am  23.  Juni  Unter- 
richtsminister (ohne  die  Kultusangelegenheiten  und  ohne  die  schönen 
Künste).  Kap.  7  enthält  seine  Ziele  im  allgemeinen;  um  sie  zu  erreichen, 
schickte  er  nach  anderen  Ländern  Schulmänner  und  Gelehrte,  damit  sie 
deren  Einrichtungen  kennen  lernten.  So  konnte  sein  Ministerium  schon 
1867  mit  Erfolg  auf  der  Ausstellung  erscheinen.  In  der  Volksschule 
setzte  er  pflichtmäfsig  seinen  Unterricht  durch,  gründete  Fortbildungs- 
schulen, tat  so  viel  als  möglich  für  die  Hebung  des  Ansehens  und  der 
Lage  der  Volksschullehrer  und  gründete  Volks-  und  Schülerbibliotheken ; 
in  den  Gymnasien,  von  denen  er  viele  zu  Spezialschulen  für  Acker- 
bau, Seidenfabrikation,  Weberei,  Bergbau  u.  a.  umwandelte,  erweiterte  er 
den  philosophischen  Unterricht,  führte  die  Geschichte  der  modernen  Civi- 
lisation  ein,  vereinfachte  die  Reifeprüfung,  suchte  die  alten  Sprachen  zu 
retten,  verkürzte  die  Zeit  des  Unterrichts,  hob  die  erziehliche  Seite,  sorgte 
für  Ausflüge  der  Pariser  Schüler  und  richtete  Fortbildungskurse  in  den 
Städten,  in  denen  sich  Akademien  befinden,  für  die  Lehrer  höherer  Lehr- 
anstalten ein.  Im  Universitätswesen  ist  sein  gröfstes  Verdienst  die 
Gründung  der  Ecole  des  hautes  etudes  und  der  Laboratorien  für  die 
experimentellen  Wissenschaften.  Manches  von  dem,  was  er  vorgeschlagen, 
ist  nicht  zur  Ausführung  gekommen.  Er  kannte  das  Streben  nach  Macht 
und  die  Unversöhnlichkeit  der  katholischen  Kirche,  ihre  Häupter  traten 
ihm.  je  länger  je  mehr,  heimlich  wie  offen,  entgegen,  am  schroffsten  der 
Bischof  von  Orleans,  Dupanloup.  Mit  dem  Kaiser  stand  er  als  Minister 
gut,  mit  den  drei  politischen  unter  seinen  Amtsgenossen  kühl ;  er  lobt 
den  Kaiser  wegen  seiner  Sorge  für  die  arbeitenden  Klassen  und  für  die 
unterdrückten  Völker,  wovon  wir  Deutsche  letzteres  nicht  ganz  unter- 
schreiben können.  Mit  Recht  sagt  er,  dafs  die  äufsere  Politik  Napoleon 
gestürzt  hat.  Die  Kaiserin  war  als  Spanierin  eifrige  Katholikin,  hatte 
jedoch  ein  edles  Herz  und  sittliche  Würde.  Obgleich  er  sich  einige 
Male  ihr  Mifsfallen  zugezogen  hatte,  blieb  sie  ihm  gewogen  und  unter- 
stützte seine  Bestrebungen.  In  den  beiden  Kapiteln  über  den  Kaiser  und 
die  Kaiserin  verwahrt  er  sich  ausdrücklich  dagegen,  irgendwie  der  Pflicht, 
des  Geschichtschreibers  nicht  gerecht  geworden  zu  sein.  Sein  bescheidenes 
Vermögen,  über  das  er,  zum  Minister  ernannt,  dem  Kaiser  einen  Ausweis 
einreichte,  vergröfserte  er  nicht,  obgleich  er  als  Minister,  wie  früher,  in 
jeder  Beziehung  sehr  bescheiden  lebte.  Der  Einflufs  und  die  Ränke  der 
klerikalen  Partei  brachten  es  dahin,  dafs  der  Kaiser  ihn  am  17.  Juli  1869, 
also  nach  einer  Amtsdauer  von  etwas  mehr  als  sechs  Jahren  (auf  seinen 
Antrag,  wie  die  Regierung  unwahr  sagte),  entlassen  mufste.  Er  konnte 
deshalb  nicht  einmal  seine  früheren  Stellungen  wiedererhalten,  und  der 
Kaiser  entschädigte  ihn  mit  einem  Platze  im  Senat.  1869/70  machte  er 
eine  Reise  nach  Ägypten,  Kleinasien,  Türkei,  Griechenland  und  Italien. 
1870  trat  er,  der  sechzigjährige  Minister  a.  D.,  als  gemeiner  Soldat  in  das 
Bataillon  seines  Stadtviertels  von  Paris  ein  und  machte  so  die  ganze  Be- 
lagerung mit.    Von  den  gelehrten  Körperschaften  wählte  ihn  die  Academie 


138  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

des  inscriptions  et  belles  lettres  1873,  die  Acad&nie  des  sciences  morales 
et  politiques  1879,  die  Academie  francaise  1884  zu  ihrem  Mitgliede.  Wahr- 
haft ergreifend  ist  das  letzte  Kapitel,  ein  offener,  wahrheitsgetreuer  Rück- 
blick ohne  stolze  Überhebung  und  ohne  erheuchelte  Bescheidenheit  auf 
sein  Leben.  Duruy  war  einer  der  edelsten  Charaktere,  der  strebsamsten, 
tüchtigsten  und  gewissenhaftesten  Minister  des  Kaiserreiches. 

Sitzung  vom  13.  Mai  1902. 

Herr  Tobler  sprach  über  die  Vorrede  der  neuen  Dante-Ausgabe  von 
Vandelli.  Im  Mai  1900  erliefs  der  Verleger  Alinari  ein  Preisausschreiben, 
worin  für  zwei  Gesänge  der  Divina  Commedia  Illustrationen  gefordert 
wurden.  Danach  wurde  von  demselben  Verleger  eine  illustrierte  Gesamt- 
ausgabe geplant,  und  Vandelli  wurde  mit  der  Herstellung  des  Textes  be- 
traut. Er  wollte  zuerst  den  Witteschen  Text  reproduzieren,  da  Witte  bei 
der  Wahl  der  Lesarten  methodisch  vorgegangen  ist.  Er  ist  aber  doch 
vielfach  seine  eigenen  Wege  gewandelt;  bedauerlicherweise  wird  er  aber 
nur  den  reinen  Text  ohne  Rechtfertigung  und  Noten  geben.  Der  Vor- 
tragende ging  sodann  auf  einzelne  Stellen  näher  ein,  bezüglich  deren  Van- 
delli die  Gründe  der  von  ihm  getroffenen  Wahl  unter  den  Lesarten  ein- 
leuchtend kennen  lehrt. 

Herr  Bieling  sprach  über  einige  mittelenglische  Konjunktionen: 
1)  das  koordinierende  mid,  verstärkt  durch  vorangehendes  and,  forp,  per 
und  per  forp,  sowie  durch  folgendes  alle;  2)  das  temporale  bi  entweder 
in  der  Verbindung  bi  that,  In  than  oder  alleinstehend;  3)  die  temporalen 
Konjunktionen  imony  Jmt  =  während,  entsprechend  altengl.  ämong  Jmm 
Jie,  mid  pam  pe;  amidden,  amidde  =  inzwischen,  amepen  that  =  so  lange 
bis;  4)  für  das  neuenglische  as  soon  as  wird  gebraucht  al  so  sone  as,  als 
fite  als,  so  rathe  so  und  das  seltene  as  cof  as ;  5)  bituix  pat  und  bituix 
and,  bitivene  and  =  inzwischen,  in  der  Zwischenzeit,  sogar  im  Sinne  von 
til;  6)  das  kausale  ofthat  =  weil,  auch  einfaches  of,  fälschlich  als  kon- 
zessives though  bezeichnet;  7)  das  konzessive  maugre,  verstärkt  durch 
where  (whether)  . . .  or  —  gleichgültig  ob  . . .  oder  ob;  in  Verbindung  mit 
who  so  =  gleichgültig  wer.  Einzeln  werden  behandelt  throughout,  in  kau- 
saler Bedeutung  touching  mit  of  und  to  statt  mit  dem  Accusativ,  ay,  ja, 
nag,  nein. 

Herr  Dr.  Dibelius  und  Herr  Oberlehrer  Dr.  Ludwig  haben  sich 
zur  Aufnahme  gemeldet. 

Sitzung  vom  23.  September  1902. 

Herr  Tobler  macht  Mitteilung  von  dem  Tode  zweier  langjähriger 
Mitglieder,  des  Prof.  E.  Wetzel  und  des  Geh.  Rechnungsrates  Holder- 
Egger.  Die  Gesellschaft  ehrt  das  Andenken  der  Verstorbenen  durch  Er- 
heben von  den  Sitzen. 

Herr  Schultz-Gora  spricht  über  ein  gegen  den  Hohenstaufen 
Friedrich  II.  gerichtetes  Sirventes,  welches  der  Cod.  Campori  unter  dem 
Namen  Guilhem  Figueiras  überliefert,  und  von  dem  Bertoni  in  seinen 
Rime  provenzali  inedite  No.  XX,  II  einen  diplomatischen  Abdruck  dar- 
geboten hat.  Der  Vortragende  macht  wahrscheinlich,  dafs  dies  Gedicht 
wirklich  Guilhem  Figueira  zum  Verfasser  habe,  stellt  dann  die  Abfassungs- 
zeit desselben  fest  (März  1239)  und  sucht  aus  den  politischen  Verhält- 
nissen heraus  verständlich  zu  machen,  wie  derselbe  Dichter,  der  uns  sonst 
als  eifriger  Bewunderer  Friedrichs  bekannt  ist,  dazu  kam,  eine  so  heftige 
Invektive  gegen  den  Kaiser  zu  richten.  Nach  einem  Hinweise  auf  das 
metrische  Vorbild  (eine  Kanzone  von  Raimon  de  Miraval)  wird  der  Text 


für  dns  Studium  der  neueren  Sprachen.  130 

in    zurechtgemachter  Gestalt   vorgelegt   und    nach    der  sprachlichen   und 
historischen  Seite  erläutert. 

Herr  Förster  spricht  über  'Neue  Erscheinungen  der  spanischen 
Literatur'.  Der  Vortragende  legt  einige  Hefte  des  grofs  angelegten  Werkes 
von  Conrad  Haebler,  Typographie  iberique,  vor,  in  welchem  Proben  alter 
spanischer  Drucke  gegeben  werden.  Iuteressant  ist,  dafs  die  ersten  Drucker 
eingewanderte  Schweizer  und  Deutsche  waren.  —  Im  16.  Bande  der  'Zeit- 
schrift f.  rom.  Philologie'  hat  Lidforss  auf  die  'reiche  Ernte'  hingewiesen, 
welche  das  Studium  des  Spanischen  biete.  Angeregt  durch  ihn  ist  eine 
Abhandlung  des  Schweden  Wisten  erschienen,  Etüde  sttr  le  Style  et  la 
Syntaxe  de  Cervantes,  worin  die  absoluten  gerundivischen  Konstruktionen 
des  Dichters  behandelt  werden.  So  sorgfältig  und  erschöpfend  die  Arbeit 
ist,  so  ist  sie  doch  einerseits  zu  weitgehend,  weil  sie  jede  Einzelheit  an- 
führt, andererseits  zu  eng,  weil  sie  sich  nur  auf  Cervantes  beschränkt; 
die  ganze  spanische  Literatur  hätte  untersucht  werden  müssen,  um  nicht 
ein  schiefes  Bild  vom  Sprachgebrauch  zu  geben.  Einzelne  Bemerkungen 
über  die  Echtheit  der  dem  Cervantes  zugeschriebenen  Werke  sind  durch- 
aus willkommen.  —  Als  gutes  Buch  über  Land  und  Leute  empfiehlt  der 
Vortragende  das  illustrierte  Werk  von  Karl  Eugen  Schmidt  über 
Cordoba  und  Granada,  das  für  4  Mark  recht  viel  bietet.  Hin  und  wieder, 
in  allgemeinen  geschichtlichen  Auseinandersetzungen,  sowie  bei  sprach- 
lichen Bemerkungen,  darf  man  dem  Verfasser  nur  mit  Vorsicht  folgen.  — 
Über  Lope  de  Vega  handelt  Wolfgang  von  Wurzbach  in  einem  Buche, 
in  welchem  eine  Fülle  anregender  und  interessanter  Bemerkungen  zu 
finden  ist. 

Sitzung  vom  14.  Oktober  1902. 

Herr  Rudolf  Tob ler  sprach  über  vier  neuentdeckte  Lieder  des  Trou- 
badours Cercamon.  Sie  sind  mit  einer  grofsen  Zahl  anderer  bisher  un- 
bekannter Lieder  und  Gedichte  von  Bertoni  im  7.  Bande  der  Studj  di 
filologia  romanza  publiziert  worden.  Die  Blütezeit  des  Troubadours  fällt 
nach  dem,  was  man  aus  der  Biographie  seines  Schülers  Marcabrun  und 
aus  den  in  seinen  eigenen  Gedichten  berührten  Ereignissen  erschliefsen 
kann,  in  die  dreil'siger  Jahre  des  12.  Jahrhunderts.  Unter  den  vier  neuen 
Liedern,  von  denen  der  Vortragende  kurze  Inhaltsangaben  und  Versuche 
metrischer  Übertragung  mitteilt,  sind  zwei  Liebeslieder;  ein  drittes  ist  eine 
Rüge  gegen  die  schlechten  Sitten  an  den  Höfen,  es  ist  wahrscheinlich 
veranlafst  durch  die  Entführung  Emmas,  der  Gattin  Wilhelms  VIII.  von 
Poitou,  durch  einen  Grafen  von  Angoumois;  das  vierte  ist  ein  Klagelied 
auf  den  Tod  eben  dieses  Wilhelm,  des  Gönners  des  Dichters,  der  1137  in 
S.  Iago  de  Compostella,  wo  er  als  Pilger  weilte,  gestorben  war. 

Herr  Adolf  Tob  ler  spricht  seine  Freude  darüber  aus,  dafs  nach  dem 
Vorgange  von  Diez  und  Heyse  hier  wieder  metrische  Übertragungen  ge- 
boten seien. 

Herr  Risop  erklärt  unter  Ablehnung  des  Vorbildes  fasse  den  in  den 
Dorfgeschichten  der  George  Sand  zu  findenden  Koni.  Präs.  fasse  (für 
j'aie)  als  eine  Neubildung  aus  dem  Ind.  tu  as.  Die  für  die  Volkssprache 
heute  freilich  nicht  mehr  vorhandene  Parallele  tu  parlas  —  parlasse  konnte 
leicht  dazu  führen,  dafs  auch  zwischen  Perf.  tu  punis  und  Konj.  Imperf. 
punisse  und  dann  auch  zwischen  den  entsprechenden  gleichlautenden  Prä- 
sensformen der  gleiche  Zusammenhang  empfunden  wurde,  so  dafs  sich 
nun  auch  an  tu  as  ein  neuer  Konj.  asse  anschliefsen  konnte,  eine  Be- 
wegung, die  durch  den  neuen  Imperativ  as,  seltener  asse  (neben  ayex), 
der  ebenso  wie  neues  veux  (neben  ■veuillex)  nach  allgemeinem  Brauch  an 
die  2.  Sing.  Präs.  Ind.  angelehnt  ist,  wesentlich  unterstützt  wurde.  Dieses 
Thema  giebt  dem  Vortragenden  Anlafs,  den  Beziehungen  nachzugehen, 
die   auch   sonst    innerhalb  der  Sprachentwickelung  zwischen  den   beiden 


140  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

Modi  des  Präsens  hinsichtlich  ihrer  lautlichen  Gestaltung  wahrzunehmen 
sind.  Er  erinnert  an  das  Verhältnis  von  siece,  dorce,  arce  zu  siec,  dorc, 
are  und  zeigt,  dafs  die  neuen  bezw.  vulgären  Konjunktive  peuve,  verde, 
dcule  und  auch  vale  nur  aus  der  3.  Plur.  Präs.  Ind.  stammen  können, 
und  nimmt  denselben  Zusammenhang  an  zwischen  analogischem  asseyent, 
savent  und  Konj.  asseye,  vulgär,  save.  Der  Vortragende  berührt  dann  den 
Einfluls,  den  umgekehrt  der  Konj.  Präs.  auf  die  Lautgestalt  des  gesamten 
Indikativs  früher  mehr  als  heute  selbst  in  der  Schriftsprache  ausgeübt 
hat,  und  bespricht  insbesondere  Indikative  wie  veuillent,  vaillent,  vaillit, 
vaillira,  tiegnent,  regnoit,  Part,  sachant,  deuillant,  reuillant,  tiegnant,  trespoi- 
gnant  u.  ä.,  neben  denen  es  zu  neuem  soyant  für  estant  seltsamerweise 
niemals  gekommen  ist;  wo  dieser  Fall  in  älterer  Zeit  vorzuliegen  scheine, 
sei  eher  an  das  schon  früh  in  der  Gestalt  soiant  für  seant  nachzuweisende 
Partizipium  von  begriffsverwandtem  seoir  zu  denken. 

Herr  Adolf  Tob ler  begrülst  derartige  Untersuchungen  zur  Formen- 
lehre, die  sich  auch  auf  das  neufranzösische  Gebiet  erstrecken,  mit  Freuden 
und  bespricht  sodann  in  günstigem  Sinne  die  neufranzösische  Phonetik 
von  dem  Dänen  Christopher  Nyrop,  die  1902  in  einer  Übersetzung  von 
Philippot  erschienen  ist.  Die  Besprechung  wird  im  Archiv  erscheinen. 
Eine  kurze  Erörterung  von  Einzelheiten  des  Nyropschen  Buches  schliefst 
sich  daran,  an  der  sich  die  Herren  Mackel,  Rödiger  und  Engwer 
beteiligen. 

Herr  Oberlehrer  Dr.  Engel  mann,  der  schon  früher  Mitglied  der 
Gesellschaft  war,  ist  wieder  in  dieselbe  eingetreten. 

Sitzung  vom  28.  Oktober  1902. 

Herr  Münch  hält  einen  Vortrag  über  'Sprache  und  Religion'.  Be- 
rührt wurde  die  Schwierigkeit,  die  Bedeutung  der  Sprache  für  unser  gei- 
stig-seelisches Leben  überhaupt  zu  bestimmen,  und  die  unzutreffenden 
Vorstellungen,  die  darüber  weithin  herrschen.  Dann  die  Schwierigkeit 
des  Einklangs  zwischen  dem  wirklichen  Seeleninhalt  des  einzelnen  und 
der  vorhandenenen  gemeinsamen  Sprache.  Ferner  die  trügerische  Hoff- 
nung, durch  Uuwandelbarkeit  der  »Sprache  auf  religiösem  Gebiet  die  Stetig- 
keit religiösen  Innenlebens  zu  sichern;  die  allmähliche  Entkräftigung  der 
Ausdrücke,  allerdings  neben  gewissen  Fällen  des  Gegenteils,  der  allmäh- 
lichen Vertiefung  des  Sinngehalts.  Weiterhin  die  Rolle  des  'Wortes'  in 
der  christlichen  Religion,  der  evangelischen  Konfession  zumal;  der  Ersatz 
lebendigen  Wortes  durch  s tatarische  Formelsprache  oder  gar  durch 
eine  kirchliche  Fremdsprache;  die  Tendenz,  durch  wesentlich  äufsere 
Eigenschaften  der  Sprachdarbietung  wenigstens  eine  gewisse  Stimmung 
zu  sichern.  Gegenüber  den  äufseren  Mitteln  der  Rhetorik  ward  auf  die 
Kraft  einer  von  innen  heraus  verwirklichten  guten  Rhetorik  im  Neuen 
Testament  hingewiesen,  besonders  in  gewissen  Teilen  der  Briefe  des  Paulus. 
Im  Anschlufs  hieran  kam  zur  Sprache  Kunst  und  Natur  bei  den  Kanzel- 
rednern verschiedener  Zeiten  und  Sprachen ;  versäumte  Sorgfalt  gegenüber 
der  äufseren  Sprachform  bei  vielen  geistlichen  Rednern  in  Deutschland; 
ferner  verkehrte  Beziehung  zwischen  sprachlichen  Lernzwecken  und  reli- 
giösem Inhalt  im  Schulunterricht.  Namentlich  aber  verweilte  der  Vor- 
tragende bei  dem  Verhältnis  der  verschiedenen  Sprachen  zu  dem  gleichen 
religiösen  Inhalt;  er  wies  darauf  hin,  wie  biblische  Stellen  vielfach  sich 
wenigstens  dem  Eindruck  und  der  Wirkung  nach  nicht  unerheblich  mit 
der  Sprache  modifizieren,  in  die  sie  übersetzt  werden,  und  wie  im  einzelnen 
bald  diese,  bald  jene  Sprache  die  wirkungsvollste  Wiedergabe  aufweise, 
welche  Vorzüge  im  allgemeinen  z.  B.  der  englischen  Bibelübersetzung  zu- 
zuerkennen seien,  was  die  französische  von  ihrem  nationalen.  Charakter 
behalte,   endlich    worin   tatsächlich   der  Wert   von   Luthers    Übersetzung 


für  das  Studium  der  neueren  Sprachen.  141 

gegenüber  jenen  anderen  liege,  und  wie  er  auch  dem  Text  des  hellenistischen 
Originals  des  Neuen  Testaments  nicht  blofs  vielfach  eine  gedrängte,  son- 
dern hie  und  da  eine  vertiefende  Wiedergabe  gegenüberstelle,  mindestens 
für  unser  Gefühl. 

Herr  Mackel  spricht  über  seine  Reiseeindrücke  aus  Frankreich.  Der 
Vortragende  führt  aus,  dafs  die  wichtigste  Sorge  für  den,  der  ins  Ausland 
gehe,  um  sich  im  Gebrauch  der  Sprache  zu  vervollkommnen,  die  sei,  sich 
regelmäfsigen  Verkehr  mit  gebildeten  Ausländern  zu  sichern.  Er  gibt 
Mittel  und  Wege  an,  wie  dieses  Ziel  speziell  in  Paris  zu  erreichen  sei. 
Er  spricht  dann  vom  Verkehr  mit  Franzosen,  vom  Besuche  der  Theater, 
der  Schulen,  der  Vorlesungen  in  der  Sorbonne  und  im  College  de  France. 
Er  führt  die  hauptsächlichsten  Aussprachefehler  an,  die  die  französischen 
Phonetiker  (Paul  Passy,  Abbe  Rousselot)  den  Deutschen  vorwerfen,  und 
meint,  dafs  diese  nicht  genug  die  verschiedenen  Gegenden  Deutschlands 
unterschieden,  Passy  auch  wohl  zu.  sehr  die  vulgäre  Aussprache  berück- 
sichtige. Er  erwähnt  dann  die  Übungen  Gillierons  auf  Grund  seines 
'Atlas  des  dialectes  francais'  und  gibt  die  Vorzüge  an,  die  dieser  Sprach- 
atlas nach  seiner  Vollendung  vor  dem  entsprechenden  Deutschen  Sprach- 
atlas von  Wenker  haben  werde.  Er  äufsert  sich  dann  über  die  vom 
1.  Oktober  1902  durchgeführte  Reform  des  französischen.  Gymnasial- 
unterrichts, über  den  von  der  Alliance  francaise  veranstalteten  Ferien- 
kursus, über  den  Ferienkursus  in  Villerville-sur-Mer,  der  unter  der  Lei- 
tung des  tüchtigen  Herrn  Bascan  stehe  und  sich  vor  ersterem  durch 
gröfsere  Berücksichtigung  der  Praxis  auszeichne,  und  über  seine  Reisen 
in  der  Normandie  und  Bretagne. 

Herr  Tobler  bestätigt,  dafs  die  Franzosen  Aussprachefehler  der 
Deutschen  verspotten,  die  diese  im  allgemeinen  gar  nicht  machen ;  Balzac 
z.  B.  verspottet  nur  das  Französische  mancher  deutschen  Juden,  an  an- 
deren Stellen  wird  die  Aussprache  der  Elsässer  verhöhnt.  Sodann  be- 
spricht Herr  Tobler  kurz  den  Sprachenatlas  von  Gillieron  und  Edmont, 
der  ganz  vorzüglich  geplant  und  gearbeitet  sei.  An  6o9  Orten  habe  der 
eine  der  Verfasser  selbst  Material  gesammelt,  im  Süden  sowohl  wie  im 
Norden  des  Landes.  Mit  einem  und  demselben  Questionnaire  habe  er  alle 
möglichen  Leute,  vorzugsweise  alte  Leute  aus  den  niederen  Ständen,  in 
kleinen  Dörfern  und  Weilern,  zum  Sprechen  gebracht  und  die  ermittelten 
Tatsachen  selbst  in  phonetischer  Schrift  aufgezeichnet.  Die  Wortformen 
sind  in  die  Karten  selbst  eingetragen,  die  Namen  der  Beobachtungsorte 
dagegen  durch  sinnreich  gewählte  Zahlen  vertreten.  Freilich  werde  dieser 
Atlas  ziemlich  kostspielig  werden  (ca.  1000  francs),  und  es  werde  lange 
dauern,  bis  er  vollendet  sei.     S.  Deutsche  Lit.  Zeitg.  1902  Sp.  1701 — 5. 

Die  Herren  Dr.  Willi  Splettstöfser  (Steglitz),  Dr.  Alfred  Heinze 
(Berlin),  Dr.  Fritz  Noack  (Gr.-Lichterfelde)  haben  sich  zum  Eintritt  ge- 
meldet. 

Prof.  Dr.  Richard  D  res  sei,  der  bereits  früher  Mitglied  der  Gesell- 
schaft war,  tritt  wieder  in  dieselbe  ein. 

Sitzung  vom  11.  November  1902. 

Herr  Kuttner  spricht  über  die  korsischen  Quellen  von  Chamisso 
und  Mörimee.     Der  Vortrag  wird  im  Archiv  erscheinen. 

Der  Vortrag  des  Herrn  Selge  über  A.  de  Musset  als  Dichter  und 
Mensch  konnte  wegen  Mangels  an  Zeit  nur  etwa  bis  zur  Hälfte  gehalten 
werden.  Der  Vortragende  behandelte  nach  einem  kurzen  Überblick  über 
des  Dichters  Leben  besonders  sein  Verhältnis  zur  Natur  in  seinen  Dich- 
tungen und  suchte  nachzuweisen,  dafs  er  den  Erscheinungen  in  der  Natur 
weniger  liebevoll  fühlend  als  ängstlich  fürchtend  oder  kritisch  beobachtend 
gegenübersteht. 


142  Sitzungen  der  Berliner  Gesellschaft 

Die   Herren   Dr.  Willi   Splettstöfser,    Dr.   Alfred    Heinze   und 
Dr.  Fritz  Noack  werden  in  die  Gesellschaft  aufgenommen. 
Der  alte  Vorstand  wird  für  1003  wiedergewählt. 

Sitzung  vom  25.  November  1902. 

Herr  Cornicelius  sprach  über  Claude  Tilliers  Gedichte.  Die  im 
Archiv  veröffentlichten  Gedichte  des  Humoristen,  deren  Kunstwert  nicht 
bedeutend  ist,  haben  nirgends  humoristische  Färbung.  Tillier  fühlte  sich 
offenbar  in  der  durch  Metrum  und  Reim  gebundenen  Eede  auch  geistig 
gebunden.  Daher  sein  ausschweifend  launisches  Lob  der  Prosa  gegenüber 
der  Reimpoesie  in  einem  Fragment  De  la  Poesie,  das,  nach  Tilliers  Tod, 
von  seinen  Freunden  in  die  zweite  Reihe  der  Pamphlete,  nicht  aber  unter 
die  'Werke'  1846  aufgenommen  wurde.  Im  zweiten  Teil  dieses  Fragmentes 
dann,  soweit  er  vollendet  ist,  gibt  Tillier  eine  eingehende,  mit  witziger 
Willkür  übertreibend  absprechende  Kritik  der  Ode  'Le  Poete'  von  V.  Hugo 
(Ödes  et  Ballades  IV),  den  er  übrigens  unter  den  Vertretern  der  'neuen' 
(romantischeu)  Poesie  am  höchsten  stellt.  —  Von  Tilliers  Gedichten  ist 
seine  Absage  an  die  Folie  (veröffentlicht  fast  gleichzeitig  mit  Kap.  8 — 10 
von  Mon  oncle  Benjamin)  wohl  das  beste ;  deutlich  gegliedert  in  der  Kom- 
position und  rein  im  Ton.  „Das  letzte  (7.)  dagegen  ist  zwiespältig  und 
unrein  in  der  Stimmung.  Ahnlich  enthält  das  dritte  nur  in  einzelnen 
Strophen  wirkliche  Poesie.  Die  Gedichte  4,  5,  und  nicht  nur  sie  bei 
Tillier,  erinnern  an  Gilbert  (Le  poete  nialheureux),  viel  weniger  an  Be- 
ranger,  der  besonders  nach  1830  auch  sozialistisch  gefärbte  Gedichte  heraus- 
gab. In  den  beiden  ersten,  rein  politischen,  im  einzelnen  nicht  überall 
klaren  Gedichten  ist  der  elegische  Abschlufs  des  zweiten  das  Beste.  Die 
besten  Gedichte  Tilliers  überhaupt  sind  seine  Elegien  in  Prosa.  Besonders 
eine  den  Gedankengang  des  Pamphlets  Du  Pamphlet  unterbrechende  Ab- 
schweifung (Oeuvres  3,  136  ff.),  in  der  Tillier  des  Beuvron-Flusses  gedenkt, 
wie  He'gesippe  Moreau  der  Voulzie,  Gilbert  der  heimatlichen  Saöne-Ufer 
in  elegischen  Versen  sich  erinnert  haben. 

Herr  Herzfeld  sprach  über  das  sogenannte  erste  Rätsel  des  Exeter- 
buches.  Nachdem  zuerst  Leo  (1857),  dann  Trautmann  (1883)  unhaltbare 
Theorien  über  dies  fragmentarisch  erhaltene  Gedicht  aufgestellt  hatten, 
wies  zuerst  Bradley  (1888)  nach,  dafs  wir  es  hier  nicht  mit  einem  Rätsel, 
sondern  mit  einem  dramatischen  (besser  lyrischen)  Monolog  zu  tun  haben. 
Seine  Ansicht  fand  nach  und  nach  immer  mehr  Anhänger  und  darf  jetzt 
als  die  herrschende  gelten.  Immerhin  war  man  noch  über  den  Ursprung 
des  Gedichtes  im  unklaren.  Kürzlich  haben  zwei  amerikanische  Gelehrte, 
Lawrence  und  Schofield,  in  zwei  einander  ergänzenden  Aufsätzen  (erschie- 
nen in  den  Publications  of  the  Mod.  Lang.  Assoc.  of  America,  vol.  17, 
Heft  2)  eine  neue  Erklärung  versucht.  Der  erstere  hält  das  Gedicht  für 
eine  Übersetzung  aus  dem  Altnordischen,  und  zwar  auf  Grund  metrischer 
und  lexikalischer  Erwägungen.  Der  Vortragende  zeigt  im  einzelnen,  wie 
diese  unhaltbar  sind.  Schofield  geht  einen  Schritt  weiter  und  behauptet, 
das  Fragment  gehöre  zur  Volsungasaga  und  sei  die  Klage  Signys  um 
ihren  Bruder  Sigmund  (Vols.  c.  3—8).  Er  gibt  dazu  einen  Kommentar, 
der  aber  nicht  alle  Schwierigkeiten  löst.  Unter  anderem  ist  es  nicht  zu 
erklären,  wie  Sigmund  als  Wulf  bezeichnet  werden  kann.  Auch  sonst 
stimmen  viele  Einzelzüge  nicht  zum  Original,  das  uns  die  Saga  getreu 
überliefert.  Man  kommt  also  schüefslich  zur  Ablehnung  dieser  neuen 
Hypothese;  höchstwahrscheinlich  gehört  das  Stück  zur  Herden-  oder 
Lokalsage,  was  noch  näher  zu  ermitteln  bleibt. 

In  der  sich  daran  anschliefsenden  Erörterung  gibt  Herr  Brandl  dem 
Vortragenden  darin  recht,  dafs  die  Form  durchaus  nicht  auf  aufser- 
englischen  Ursprung  des  Gedichtes  deutet.    Kurzzeilen  zwischen  den  Lang- 


für  das  Studium  der  neueren  Sprachen.  143 

zeilen  findet  man  auch  in  den  Zauber-  und  Lehrsprüchen,  strophische 
Gesätze  auch  in  der  geistlichen  Lyrik.  Man  darf  nicht  vergessen,  dafs 
wir  nur  einen  kleinen  Teil  der  ae.  Lyrik  besitzen,  obwohl  nach  den  Zeug- 
nissen sehr  viel  gesungen  worden  ist.  Als  eine  andere  mögliche  Auffassung 
des  Bruchstücks  stellt  er  die  hin,  dafs  es  sich  um  zwei  Wulfe  handele, 
der  eine  der  Gegner,  der  andere  der  Geliebte;  ihr  Wolf  heifse  Odoaker. 
Wo  finde  man  nun  einen  Wulf  und  einen  Odoaker  zusammen?  Im 
Heldeubuch,  wo  Wolfdietrich,  Odoaker  etc.  die  mannigfachsten  Abenteuer 
haben ;  es  gehöre  allerdings  später  Zeit  an.  Dafs  die  Sage  von  Dietrichs 
Exil  in  England  wohl  bekannt  war,  dafür  gibt  es  Zeugnisse,  wie  den 
Waldere,  Deor,  das  Wade  -  Fragment.  Daraus  würde  folgende  Deutung 
sich  ergeben :  die  beiden  ersten  Strophen  handeln  von  dem  Wolf,  der 
der  Gegner  ist,  die  dritte  und  vierte  von  ihrem  Wolf,  der  Odoaker  heifse, 
nach  dem  sie  sich  sehnt.  Das  Ganze  wäre  dann  eine  Art  poetischen  Briefes 
an  ihren  Odoaker,  worin  sie  ihn  von  der  Gefahr,  in  der  sie  sich  befindet, 
benachrichtigt  und  ihm  ihre  Sehnsucht  ausdrückt.  —  Herr  Herzfeld 
erkennt  diese  beiden  Wulfe  nicht  an,  bezweifelt  auch,  dafs  Wulf  als 
Appellativum  gebraucht  werden  kann.  —  Herr  Roediger  meint,  Wulf 
könnte  gleich  'Mann'  sein ;  wenn  es  hier  Name  sei,  könne  er  nicht  noch 
Ead-wacer  heifsen;  möglicherweise  sei  letzteres  hier  adjektivisch,  =  der 
über  den  Besitz  wacht.  Er  bezweifelt,  dafs  der  fränkische  Wolfdietrich  in 
England  bekannt  war;  aufserdem  hat  dieser  nur  mit  Theodorich,  nicht 
mit  Odoaker  zu  tun.  Das  Gedicht  kann  einfach  die  Klage  einer  Frau 
sein,  die  von  ihrem  Mann  durch  Kriegsläufte  getrennt'  ist,  und  dieser 
kann  ein  einfacher  Privatmann  Odoaker  sein.  —  Was  die  Parallele  mit 
Signi  betrifft,  so  sei  gar  keine  Ähnlichkeit  mit  diesem  Stoff  vorhanden.  — 
Die  Form  ist  sicher  nicht  besonders  nordisch,  wir  haben  auch  ahd.  Kurz- 
zeilen in  Sagen,  dann  solche  gnomischen  Inhalts  in  den  friesischen  Ge- 
setzen. Diese  Form  war  allgemein  germanisch.  Auf  einen  Einwurf  Brandts 
gibt  er  zu,  Adjektiv  könne  Ead-wacer  nicht  sein,  weil  es  dann  im  Vokativ 
Ead-wacera  lauten  müfste. 


Verzeichnis  der  Mitglieder 

der 

Berliner  Gesellschaft  für  das  Studium  der  neueren  Sprachen. 

Januar    1903. 


Vorstand. 


Vorsitzender:  Herr  A.  Tobler. 
Stellvertretender  Vorsitzender:       „      H.  Bieling. 
Schriftführer:  „      E.  Penn  er. 

Stellvertretender  Schriftführer:       „      G.  Krueger. 
Erster  Kassenführer:  „      E.  Pariselle. 

Zweiter  Kassenführer:  „      G.  Tanger. 

A.    Ehrenmitglieder. 

Herr  Dr.  Furnivall,  Frederick  J.,    3  St.  George's  Square,  Prim- 
rose Hill,  London  NW. 

„     Dr.   Gröber,    Gustav,    o.    ö.   Professor    an    der   Universität. 
Strafsburg,  Universitätsplatz  8. 

„     Dr.  Mussafia,  Adolf,  Hofrat,   o.  ö.  Professor  an  der  Uni- 
versität.   Wien  XIII,  Trauttmannsdorfferstrafse  50. 

„     Paris,  Gaston,  Mitglied  der  französischen  Akademie.    Paris, 
College  de  France. 
Frau  Vasconcellos,    Carolina    Michaelis    de,    Dr.    phil.     Porto, 
Cedofeita. 

B.    Ordentliche  Mitglieder. 

Herr  Dr.  Arnheim,  Joseph,    Realschuldirektor  a.  D.     Berlin  W., 
Motzstrafse  85  part. 
Dr.  B ah  1  sen,  Leo,   Oberlehrer  an  der  VI.  städtischen  Real- 
schule.   Frieden  au,  Hauffstrafse  7  I. 
„     Dr.  Berneker,  Erich  Karl,  Professor  an  der  deutschen  Uni- 
versität Prag.    Prag-Smichow,  Karlsgasse  16. 
Dr.  Bieling,  H.,  Professor,  Oberlehrer  am  Sophien-Realgym- 
nasium.   Berlin  N.,  Schönhauser  Allee  31 III. 
„     Boek,  Paul,  Professor,  Oberlehrer  am  Königstädtischen  Real- 
gymnasium.   Grofs-Lichterfelde,  Marthastrafse  2. 


Mitglieder- Verzeichnis  der  Berliner  Gesellschaft  etc.  145 

Herr  Dr.  Bohnstedt,  Kurt  K.  R.,  Oberlehrer  an  der  Haupt- 
Kadettenanstalt  Oranienstein  bei  Diez. 

„     Dr.  Born,  Max.     Berlin  NW.  52,  Thomasiusstrafse  26. 

„  Bourgeois,  Henri,  Konsul  der  französischen  Republik.  Ber- 
lin W.,  Pariser  Platz  5. 

„  Dr.  Brand  1,  Alois,  ord.  Professor  an  der  Universität.  Berlin  W., 
Kaiserin- Augusta-Strafse  73  III. 

„  Dr.  Carel,  George,  Professor,  Oberlehrer  an  der  Sophienschule. 
Charlottenburg,  Schlofsstrafse  25. 

„  Dr.  Churchill,  George  B.,  Professor  am  Amherst  College. 
Amherst,  Massachusetts,  U.  S.  A. 

„     Cohn,  Alb.,  Buchhändler.    Berlin  W.,  Kurfürstendamm  259. 

„     Dr.  Cohn,  Georg.    Berlin  W.,  Linkstrafse  29  III. 

„  Dr.  Conrad,  Herrn.,  Professor  an  der  Haupt-Kadettenanstalt. 
Gr. -Lichterfelde,  Berliner  Strafse  19. 

„     Dr.  Cornicelius,  Max.    Berlin  W.,  Luitpoldstrafse  4. 

„  Dr.  Di  bei  i  us,  W.,  Privatdozent  an  der  Universität.  Berlin- 
Grofs-Lichterfelde  O.,  Hobrechtstrafse  10. 

„  Dr.  Dieter,  Ferd.,  Oberlehrer  an  der  IV.  städtischen  Real- 
schule.   Westend,  Königin-Elisabethstrafse  1. 

„  Dr.  Dressel,  Richard,  Professor,  Oberlehrer  am  Kaiser-Wil- 
helm-Realgymnasium.   Friedenau,  Sponholzstrafse  53/54. 

„     Dr.  Ebeling,  Georg.    Charlottenburg,  Goethestrafse  56. 

„  Engel,  Hermann,  Oberlehrer.  Charlottenburg,  Leibniz- 
strafse  79  a. 

„  Dr.  Engel  mann,  Hermann,  Oberlehrer  an  der  Friedrichs- 
Werderschen  Oberrealschule.  Berlin  C,  Niederwallstr.  1 2. 

„  Dr.  Eng  wer,  Theodor,  Oberlehrer  an  dem  Kgl.  Lehrerinnen- 
Seminar  und  der  Augustasch ule.  Berlin  SW.  47,  Hageis- 
berger  Strafse  44. 

„  Falck,  Karl,  Oberlehrer  an  der  XL  städtischen  Realschule. 
Berlin  SW.,  Solmsstrafse  7  III. 

„  Dr.  Flindt,  Emil,  Oberlehrer.  Charlottenburg,  Schlüter- 
strafse  19. 

„  Dr.  Förster,  Paul,  Professor,  Oberlehrer  am  Kaiser- Wilhelm- 
Realgymnasium.    Berlin  SW.  12,  Kochstrafse  66. 

„  Dr.  Fuchs,  Max,  Oberlehrer  an  der  VI.  städtischen  Real- 
schule.   Friedenau,  Stubenrauchstrafse"  6. 

„  Dr.  Gade,  Heinrich,  Oberlehrer  am  Andreas-Realgymnasium. 
Berlin  NW.  21,  Turmstrafse  34  IV. 

„     Dr.  Goldstaub,  Max.    Berlin  W.  30,  Pallasstrafse  1. 

„  Dr.  Gropp,  Ernst,  Direktor  der  städtischen  Oberrealschule. 
Charlottenburg,  Schlofsstrafse  16. 

„  Grosset,  Ernest,  Lehrer  an  der  Kriegsakademie  und  am 
Victoria-Lyceum.  Berlin  SW.  48,  Wilhelmstrafse  146  IV. 

„     Haas,  J.,  Oberleutnant  a.  D.    Berlin  C,  An  der  Schleuse  5a. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  10 


146  Mitglieder- Verzeichnis  der  Berliner  Gesellschaft 

Herr  Dr.  Hahn,  O.,  Professor,  Oberlehrer  an   der  Victoriaschule. 
Berlin  S.  59,  Urbanstrafse  31  IL 
Harsley,  Fred,  M.  A.,  Lektor  der  englischen  Sprache  an  der 
Universität.    Berlin  W.,  Lützowufer  23. 

„     Dr.  Hausknecht,  Emil,   Professor,    Direktor  der  Oberreal- 
schule.   Kiel,  Holten auerstrafse  6. 

„     Dr.  H  e  c  k  e  r ,  Oscar,  Professor,  Lektor  der  italienischen  Sprache 
an  der  Universität.    Berlin  W.,  Ansbacher  Strafse  48. 

„     Dr.  Heinze,  Alfred,  Oberlehrer  am  Kaiser-Wilhelm-Realgym- 
nasium.   Berlin  W.,  Grofsgörschenstrafse  341. 

„     Dr.  Hellgrewe,  Wilh.,  Oberlehrer  an  der  städtischen  Ober- 
realschule.   Charlottenburg,  Wallstrafse  60  1. 

_     Dr.  Hend reich,   Otto,   Oberlehrer  an  der  Luisenstädtischen 
Oberrealschule.    Berlin  SO.  16,  Köpenicker  Strafse  39. 

„     Dr.  Herrmann,   Albert,   Oberlehrer  an  der  XII.  städtischen 
Realschule.    Berlin  O.,  Memeler  Strafse  44. 

„     Dr.  Herz  fei  d,  Georg.    Berlin  W.  10,  Kaiserin- Augustastrafse 
77  part. 

„     Dr.  Hosch,   Siegfried,  Professor,   Oberlehrer  an  der  Luisen- 
städtischen Oberrealschule.   Berlin  S.,  Oranienstr.  144 II. 

„     Dr.  Huot,  P.,  Direktor  der  Victoriaschule.  Berlin  S.  14,  Prinzen- 
strafse  5 1  IL 

„     Jaegel ,  Emil,  Oberlehrer  am  Kgl.  Prinz-Heinrichs-Gymnasium. 
Berlin  W.30,  Gleditschstrafse  49. 

„     Dr.  Johannesson,   Fritz,   Oberlehrer  am  Andreas-Realgym- 
nasium.   Berlin  SO.,  Köpenickerstrafse  133. 

,,     Kabisch,   Otto,  Professor,  Oberlehrer  am  Luisenstädtischen 
Gymnasium.    Johannisthai,  Waldstrafse  6. 

.,     Dr.  Käst  an,  Albert.    Berlin  W.  64,  Behrenstrafse  9. 

„     Dr.  Keesebiter,   Oscar,  Oberlehrer  an   der  IV.  städtischen 
Realschule.    Haiensee,  Westfälische  Strafse  38. 

,     Keil,  Georg,  Oberlehrer  an  der  Elisabethschule.  Berlin  S W.  48, 
Friedrichstrafse  32 III. 

„     Dr.  Keller,  Wolfgang,  aufserord.  Professor  an  der  Universi- 
tät.   Jena,  Inselplatz  7. 

„     Dr.  Knörk,   Otto,    Oberlehrer    an    der  Realschule    in    Grofs- 
Lichterfelde,  Elisabethstrafse  31. 

„     Dr.    Kolsern,  Adolf,   Dozent  an  der  Kgl.  Technischen  Hoch- 
schule.   Aachen,  Marktstrafse  11. 

„     Dr.  Krueger,  Gustav,  Oberlehrer  am  Kaiser -Wilhelm -Real- 
gymnasium.   Berlin  W.  10,  Bendlerstrafse  17. 

„     Dr.  Kuttner,  Max,   Oberlehrer  an  der  Dorotheenschule.    Ber- 
lin W.,  Motzstrafse  76. 

„     Lach,  Handelsschuldirektor.  BerlinSO.l  6,  Dresdner  Strafse  901. 

„     Dr.  Lamprecht,  F.,   Professor,    Oberlehrer   am  Gymnasium 
zum   Grauen  Kloster.     Berlin  C.  2,  Klosterstrafse  73  IL 


für  das  Studium  der  neueren  Sprachen.  147 

Herr  Langen  scheid  t,  C,  Verlagsbuchhändler.      Berlin  SW.  46, 
Hallesche  Strafse  17  part. 

„  LeTournau,  Marcel,  Lehrer  an  der  Humboldt- Akademie. 
Berlin  W.,  Lützowstrafse  71. 

„  Dr.  Lindner,  Karl,  Oberlehrer  am  Luisenstädtischen  Real- 
gymnasium.   Berlin  SO.,  Köpenicker  Strafse  88. 

„  Dr.  Löschhorn,  Hans,  Professor,  Oberlehrer  am  Kgl.  Lehre- 
rinnen-Seminar und  der  Augustasch ule.  Berlin  W.  35, 
Genthiner  Strafse  41 III. 

„  Dr.  Lücking,  Gustav,  Professor,  Direktor  der  III.  städtischen 
Realschule.    Berlin  W.,  Steglitzer  Strafse  8  a. 

„  Dr.  Ludwig,  Albert,  Oberlehrer  an  der  Hohenzollernschule. 
Schöneberg,  Meiningerstrafse  8. 

„  Dr.  Lummert,  August,  ordentlicher  Lehrer  an  der  Victoria- 
schule.   Berlin  S.  59,  Camphausenstrafse  3. 

„  Dr.  Mackel,  Emil,  Oberlehrer  am  Prinz-Heinrich-Gymnasium. 
Friedenau,  Dürerplatz  3. 

„  Dr.  Mangold,  Wilhelm,  Professor,  Oberlehrer  am  Askanischen 
Gymnasium.    Berlin  SW.  47,  Grofsbeerenstrafse  71. 

„  Dr.  Mann,  Paul,  Oberlehrer  am  Luisenstädt.  Realgymnasium. 
Berlin  SW.,  Neuenburgerstrafse  28. 

„     Marelle,  Charles.    Berlin  W.9,  Schellingstrafse  6 III. 

„  v.  Mauntz,  A.,  Oberstleutnant  a.  D.  Charlottenburg,  Knese- 
beckstrafse  2. 

„  Dr.  M erten s,  Paul,  wissenschaftlicher  Hilfslehrer  an  der 
Oberrealschule  in  Charlotten  bürg.  Berlin  W.,  Luther- 
strafse  44. 

„  Michael,  Wilhelm,  Oberlehrer  an  der  Oberrealschule.  Char- 
lottenburg, Kaiser-Friedrich-Strafse  92. 

„  Dr.  Michaelis,  C.  Th.,  Provinzial-Schulrat.  Berlin  W.,  Kur- 
fürsten strafse  149. 

„  Mugica,  Pedro  de,  Lizentiat,  Lehrer  der  spanischen  Sprache 
am  Orientalischen  Seminar.  Berlin  NW.  21,  Wilsnacker 
Strafse  3. 

„  Dr.  Müller,  Adolf,  Professor,  Oberlehrer  an  der  Elisabeth- 
schule.   Berlin  W.,  Geisbergstrafse  1 5. 

„  Dr.  Müller,  August,  ordentlicher  Lehrer  an  der  Kgl.  Elisa- 
bethschule.   Berlin  SW.,  Grofsbeerenstrafse  55  part. 

„  Dr.  Münch,  Wilhelm,  Geh.  Regierungsrat,  ord.  Honorar-Pro- 
fessor an  der  Universität.     Berlin  W.,  Bülowstrafse  104. 

„  Dr.  Münster,  Karl,  Oberlehrer  an  der  VII.  städtischen  Real- 
schule in  Berlin.    Köpenick,  Kurfürsten allee  1. 

„  Dr.  Naetebus,  Gotthold,  Bibliothekar  an  der  Universitäts- 
Bibliothek.     Grofs  -  Lichterfelde,  Moltkestrafse  22A. 

„  Dr.  Noack,  Fritz,  Oberlehrer  am  Gymnasium.  Grofs-Lichter- 
felde  O.,  Boyenstrafse  24. 

10* 


148  Mitglieder- Verzeichnis  der  Berliner  Gesellschaft 

Herr  Dr.  Nobiling,  Franz,  Oberlehrer  an  der  Realschule  zu  Pan- 
kow.   Berlin  N.  54,  Lothringerstrafse  82. 

„  Dr.  N  u  c  k ,  Richard,  Oberlehrer  an  der  Luisenstädt.  Oberreal- 
schule.    Berlin  SW.,  Gneisenaustrafse  88. 

_  Opitz,  G.,  Professor,  Oberlehrer  am  Dorotheenstäd tischen  Real- 
gymnasium.   Charlottenburg,  Goethestrafse  81  III. 

„  Dr.  Palm,  Rudolf,  Professor,  Oberlehrer  an  der  I.  städti- 
schen Realschule,  Lehrer  an  der  Kgl.  Kriegsakademie. 
Berlin  SW.,  Yorkstrafse  7  6  IT. 

„     Dr.  Pariselle,   Eugene,  Professor,  Lektor  der  französischen 
Sprache  an  der  Universität,  Lehrer  an  der  Kgl.  Kriegs- 
akademie.   Berlin  W.  50,  Rankestrafse  24 III. 
Dr.  Pen n er,  Emil,  Professor,  Direktor  der  XIH.  städtischen 

Realschule.    Berlin  NW.  23,  Schleswiger  Ufer  9. 
Reich,  G.,  Oberlehrer  am  Gymnasium.     Grofs- Lichterfelde, 
Schillerstrafse  22. 

„  Dr.  R  i  s  o  p ,  Alfred,  Oberlehrer  an  der  IL  städtischen  Real- 
schule.   Berlin  SW.  16,  Grofsbeerenstrafse  61  III. 

n  Dr.  Ritter,  0.,  Professor,  Direktor  der  Luisenschule.  Berlin 
N.  24,  Ziegelstrafse  12. 

_  Dr.  Roediger,  Max,  aufserord.  Professor  an  der  Universität. 
Berlin  SW.48,  Wilhelmstrafse  140 III. 

„  Roettgers,  Benno,  Oberlehrer  an  der  Dorotheenschule.  Ber- 
lin W.,  Fasanen strafse  83. 

„     Dr.  Rosenberg,    Oberlehrer    am    Köllnischen    Gymnasium. 
Charlottenburg,  Knesebeckstrafse  75. 
R  o  s  s  i,  Giuseppe,  Kgl.  italienischer  Vize-Konsul.  Berlin  NW.  40, 
In  den  Zelten  5  a. 

„  Dr.  Rust,  Ernst,  Oberlehrer  an  der  VIII.  städtischen  Real- 
schule.   Berlin  N.,  Dunckerstrafse  51. 

„     Dr.  Sabersky,  Heinrich.   Berlin  W. 35,  Genthiner  Strafse  22. 

„  Dr.  Sachse,  Richard,  Oberlehrer  am  städtischen  Realgymna- 
sium.   Charlottenburg,  Spandauer  Strafse  4. 

„  Dr.  Schayer,  Siegbert,  Oberlehrer  an  der  IV.  städtischen  Real- 
schule.   Berlin  NO.  43,  Georgenkirchplatz  11  II  1. 

„  Dr.  Schleich,  Gustav,  Professor,  Direktor  des  Friedrich- 
Realgymnasiums.    Berlin  NW.,  Albrechtstrafse  26  I. 

„  Dr.  S  c  h  1  e  n  n  e  r ,  R.,  Oberlehrer  an  der  Luisenstädtischen  Ober- 
realschule.   Berlin  S.,  Urbanstrafse  29. 

„  Dr.  Schmidt,  August,  Oberlehrer  an  der  Realschule.  Steglitz, 
Düppelstrafse  22. 

„  Dr.  Schmidt,  Karl,  Oberlehrer  am  Kaiser  -Wilhelm  -  Real- 
gymnasium.   Berlin  SW.,  Yorkstrafse  68. 

,,  Dr.  Schmidt,  Max,  Professor,  Oberlehrer  am  Prinz-Heinrich- 
Gymnasium.    Berlin  W.,  Rankestrafse  29  III. 


für  das  Studium  der  neueren  Sprachen.  14» 

Herr  Schreiber,  Wilhelm,  Oberlehrer  an  der  VI.  städtischen  Real- 
schule.   Berlin  SW.,  Bautzener  Strafse  8. 

„  Dr.  Schultz-Gora,  Oscar,  aufserord.  Professor  an  der  Uni- 
versität.   Charlottenburg,  Knesebeck strafse  85. 

„  Dr.  Schulze,  Georg,  Direktor  des  Königlichen  Französischen 
Gymnasiums.    Charlottenburg,  Marchstrafse  11. 

„  Dr.  Schulze- Veltrup,  Wilhelm,  Oberlehrer  am  Falk-Real- 
gymnasium.    Berlin  N.,  Hochstrafse  21 — 24. 

„  Dr.  Seifert,  Adolf,  Oberlehrer  an  der  städtischen  Realschule. 
Charlottenburg,  Kaiser-Friedrich-Strafse  52. 

„  Selge,  Paul,  Oberlehrer  an  der  Realschule.  Grofs-Lichterfelde, 
Holbeinstrafse  39  B  I. 

„  Dr.  Simon,  Philipp,  Oberlehrer  am  Bismarckgymnasium. 
Deutsch- Wilmersdorf,  Wilhelmsaue  11. 

„  Sohier,  Albert,  Lehrer  an  der  Vereinigten  Artillerie-  und 
Ingenieur-Schule.     Berlin  W.,  Schöneberger  Ufer  25. 

„  Dr.  Sommer,  Oberlehrer  an  der  Hohenzollernschule  in  Schöne- 
berg.   Friedenau,  Sponholzstrafse  32. 

„  Dr.  Spatz,  Willy,  Oberlehrer  an  der  Hohenzollernschule. 
Schöneberg,  Hauptstrafse  146. 

„     Dr.  Speranza,  Giovanni.    Berlin  N.,  Pappelallee  112. 

„  Dr.  Spies,  Heinrich,  Privatdozent  an  der  Universität.  Berlin 
W.  57,  Kurfürstenstrafse  4 III  1. 

„  Dr.  Splettstöfser,  Willy,  Oberlehrer  an  der  Realschule. 
Steglitz,  Schlofsstrafse  110. 

„     Dr.  Strohmeyer,  Fritz.    Steglitz,  Am  Stubenrauchplatz  1. 

„  Stromer,  Theodor,  Schriftsteller.  Berlin  W.,  Kurfürsten- 
strafse 25,  Gartenhaus  IL 

„  Stumpff,  Emil,  Oberlehrer  an  der  Hohenzollernschule  zu 
Schöneberg.    Friedenau,  Illstrafse  9. 

„  Dr.  Tanger,  Gustav,  Professor,  Oberlehrer  an  der  VII.  städti- 
schen Realschule.    Berlin  S.,  Elisabethufer  32  III. 

„  Dr.  Thum,  Otto,  Lehrer  an  der  Berliner  Handelsschule.  Char- 
lottenburg, Kaiser-Friedrich-Strafse  73. 

„  Dr.  Tobler,  Adolf,  ord.  Professor  an  der  Universität,  Mitglied 
der  Akademie  der  Wissenschaften.  Berlin  W.  15,  Kur- 
fürstendamm 25. 

„  Dr.  Tobler,  Rudolf,  Oberlehrer  am  Joachimsthalschen  Gym- 
nasium.   Berlin  W.  15,  Kaiserallee  1. 

„  Tru eisen,  Heinrich,  Professor,  Oberlehrer  am  Real-Progym- 
nasium  in  Luckenwalde. 

„  Dr.  U 1  b  r  i  c  h ,  O.,  Professor,  Direktor  des  Dorotheenstädtischen 
Realgymnasiums.     Berlin  NW.  7,   Georgen  strafse  30/31. 

„  Dr.  Vollmer,  Erich,  Oberlehi-er  am  Bismarckgymnasium. 
Deutsch -Wilmersdorf ,  Güntzelstrafse  28. 


150  Mitglieder -Verzeichnis  der  Berliner  Gesellschaft  etc. 

Herr  Dr.  Waetzoldt,  Stephan,  Professor,  Geh.  Obei'-Regierungsrat 
und  vortragender  Rat  im  Ministerium  der  geistlichen  etc. 
Angelegenheiten.    Berlin  W.,  Neue  Winterfeldtstrafse  24. 

.,     Weis  stein,  Gotthilf,  Schriftsteller.  Berlin  W.,  Lennestrafse  4. 

„  Dr.  Werner,  R.,  Professor,  Oberlehrer  am  Luisenstädtischen 
Realgymnasium.    Tempelhof,  Albrechtstrafse  12. 

„  Wetzel,  Ernst,  Professor,  Oberlehrer  an  der  Luisenschule. 
Friedenau,  Moselstrafse  10. 

„  Wetzel,  Karl,  Oberlehrer  an  der  Charlottenschule.  Zehlen- 
dorf, Seehofstrafse  4. 

„  Dr.  Willert,  H.,  Oberlehrer  an  der  Luisenschule.  Berlin  W.  9, 
Köthenerstrafse  39  II. 

„  Dr.  Wychgram,  Jakob,  Professor,  Direktor  des  Kgl.  Lehre- 
rinnen-Seminars und  der  Augustaschule.  Berlin  SW.  46, 
Kleiubeerenstrafse  16  1. 

C.    Korrespondierende  Mitglieder.* 

Herr  Dr.  Bauert,  P.,  Lissabon. 

„     Dr.  Begemann,  W.,  Direktor  einer  höheren  Privat-Töchter- 

schule.    Charlottenburg,  Wilmersdorferstrafse  14. 
„     Dr.  Cl aufs,  Professor.    Stettin. 
„     Gerhard,  Legationsrat.    Leipzig. 
„     Dr.  G  u  t  b  i  e  r ,  Professor.    München. 
„     Dr.  Härtung,  Oberlehrer.    Wittstock. 
„     Humbert,  G,  Oberlehrer.    Bielefeld. 

„     Dr.  Jarnik,  Joh.  Urban,  Professor  an  der  tschechischen  Uni- 
versität.   Prag. 
„     Dr.  Kelle,  Professor  an  der  deutschen  Universität.    Prag. 
„     Dr.  Krefsner,  Adolf.    Kassel. 
„     Dr.  Kufal,  W.,  Professor.     Antwerpen. 
„     M  ad  den,  Edw.  Cumming.    London. 
„     Dr.  Meifsner,  Professor.    Belfast  (Irland). 
„     Dr.  Muquard,  J.,  Professor  am  College.    Boulogne-sur-Mer. 

Nagele,  Anton,  Professor.    Marburg  (Steiermark). 

Dr.  Neubauer,  Professor.    Halle  a.  S. 
„     Dr.  Ritz,  Oberlehrer.    Bremen. 

Dr.  Sachs,  C,  Professor.    Brandenburg. 
„     S  a  v  i  n  i ,  Emilio,  Professor.    Turin. 
„     Dr.  Scheffler,  W.,  Professor  am  Polytechnikum.    Dresden. 

Dr.  Sommermeyer,  Aug.    Berlin,  Körnerstrafse  18. 
51     Dr.  Steu  den  er,  Professor.    Rofsleben. 

Dr.  Wilmanns,  Professor  an  der  Universität.    Bonn. 


*  Berichtigungen  und  Ergänzungen  dieser  Liste  erbittet  der  Vorsitzende. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 


Richard  M.  Meyer,   Grundrifs   der   neueren  deutschen  Literatur- 
geschichte.    Berlin,  Georg  Bondi,  1902.     XV,  258  S.  8. 

Auf  seine  in  dieser  Zeitschrift  Band  CV,  376  ff.  besprochene  Literatur- 
geschichte läfst  Meyer  nunmehr  als  Ergänzung  den  Grundrifs  folgen. 
Vielfach  geteilt,  wie  über  das  beschreibende  Werk,  wfden  auch  die  An- 
sichten über  diesen  bibliographischen  Versuch  sein.  Aber  eines  ist  dabei 
wohl  sicher:  ein  in  vieler  Hinsicht  nützliches  und  brauchbares  Buch  hat 
er  ohne  Frage  geliefert.  Nur  über  den  Grad  des  Nutzens  wird  man  strei- 
ten können.  Am  klarsten  springt  sein  Wert  in  die  Augen,  wenn  man 
sich  vergegenwärtigt,  dafs  es  bisher  für  die  gewaltige  Fülle  der  deutschen 
Literatur  des  19.  Jahrhunderts  überhaupt  noch  kein  wissenschaftliches 
bibliographisches  Hilfsmittel  gab,  und  wer  weifs,  wie  schwer  es  ist,  sich 
ohne  ein  solches  die  notwendige  Literatur  allein  zusammenzusuchen,  wird 
schon  in  der  Tatsache,  dafs  hier  ein  erster  Versuch  gewagt  worden  ist, 
etwas  Erfreuliches  sehen.  Ein  weiterer  Vorteil  an  dem  Werke  ist  es,  dafs 
es  keinen  Anspruch  darauf  erhebt,  vollständig  zu  sein;  dafs  Meyer  den 
Mut  gehabt  hat,  auf  den  sehr  zweifelhaften  Vorzug  der  sogenannten  — 
im  vorliegenden  Falle  doch  kaum  erreichbaren  und  sieher  unnötigen  — 
Vollständigkeit  zu  verzichten,  ist  nur  anzuerkennen.  Auch  mit  der  An- 
ordnung des  Stoffes  kann  man  diesmal  zufriedener  sein  als  in  der  Literatur- 
geschichte —  trotz  Meyers  Ausführungen  in  'Euphorion'  VIII.  Denn  ob- 
gleich auch  hier  wieder  die  alte  Einteilung  nach  Jahrzehnten  beibehalten 
ist,  so  tut  sie  doch  der  Bibliographie  keinerlei  Eintrag,  zumal  ein  sorg- 
fältiges Register  und  zahlreiche  Verweisungen  das  Auffinden  des  Gesuchten 
sehr  erleichtern. 

Ebenso  selbstverständlich  wie  die  Anerkennung,  die  dem  Buche  als 
Gesamtleistung  gezollt  werden  kann,  ist  es  aber  auch,  dafs  man  in  vielen 
einzelnen  Dingen,  vielleicht  auch  in  manchen  grundsätzlichen  Fragen 
anderer  Meinung  als  der  Verfasser  sein  und  vielen  Bedenken  zugänglich 
sein  wird.  Da  ist  zunächst  die  grofse,  wichtige  Frage  nach  der  Auswahl 
des  Gebotenen.  Rein  objektiv  kann  sie  natürlich  nicht  sein;  denn  in  ihr 
müssen  sich  Wesen  und  Eigenart  des  Mannes  zeigen,  der  sie  getroffen 
hat.    Das  mufs  so  sein  und  schadet  auch  nicht  allzuviel,  da  die  allgemein 


152  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

als  grundlegend  anerkannten  Werke,  von  denen  aus  man  sich  schon  leicht 
selber  weiterhelfen  kann,  immer  angeführt  sind,  und  deshalb  lege  ich  auch 
auf  den  Vorwurf  der  Einseitigkeit,  der  von  manchen  Rezensenten  schon 
vorgebracht  worden  ist,  nicht  gerade  das  allerscbwerste  Gewicht.  Nur  bei 
der  Anführung  von  Rezensionen  wäre  wohl  eine  etwas  freiere  Auswahl 
zu  wünschen  und  zu  erreichen  gewesen;  sagt  doch  Meyer  selbst  im  Vor- 
wort, dafs  er  sich  dabei  vorzugsweise  an  diejenigen  kritischen  Organe  ge- 
halten habe,  denen  er  selbst  seit  Jahren  für  ihre  Berichterstattung  zu 
Dank  verpflichtet  sei!  Eine  andere  Eigentümlichkeit  sind  die  einzelnen 
Kapitel-  und  Abteilungsüberschriften,  deren  manche  wohl  recht  bezeich- 
nend sein  sollen,  die  aber  nur  geziert  klingen  und  dem  weniger  Kundigen 
doch  nicht  viel  besagen.  Zudem  sind  oft  genug  auch  recht  wenig  zuein- 
ander passende  Männer  in  eine  Rubrik  zusammengedrängt,  wie  etwa  Fried- 
drich  Wilhelm  IV.  und  Sapphir  (S.  83  F)  oder  F.  Poppenberg  und  Fürst 
Bismarck  (S.  245  J.  Kritik;  vgl.  hierzu  auch  Lit.  Centralbl.  1902, 
Sp.  117/18). 

Das  ganze  Werk  zerfällt  in  zwei  Hauptteile,  einen  allgemeinen  und 
einen  speziellen.  Der  erstere  ist  insofern  besonders  wichtig,  als  er  eine 
gute  Übersicht  über  die  allgemeinen  Dinge,  literargeschichtliche  Darstel- 
lungen, Auf satzsammlungen,  Anthologien,  Zeitschriften  usw.  bietet,  wäh- 
rend der  andere  vorwiegend  in  rein  bibliographischer  Form,  zuweilen  auch 
mit  einer  kritischen  Bemerkung  die  Sonderliteratur  zu  den  einzelnen  Zeit- 
abschnitten enthält.  Beide  Abschnitte  bringen  übrigens  auch  eine  Reihe 
rein  praktisch-pädagogischer  Anweisungen,  z.  B.  wie  man  am  vorteilhafte- 
sten üest,  wie  man  sich  Auszugssammlungen  anlegt,  wie  man  eine  wissen- 
schaftliche Arbeit  am  geschicktesten  anfängt  und  dergleichen ;  das  sind 
alles  Dinge,  die  manchem  Anfänger  gewifs  sehr  willkommen  sein  werden, 
aber  mitunter  klingen  solche  Ratschläge  doch  etwas  pedantisch,  so  etwa, 
wenn  es  S.  37  heilst:  'Ein  sehr  praktischer  Zwang  zum  aufmerksamen 
Lesen  wird  ausgeübt,  wenn  man  gelegentlich  Proben  ins  Lateinische  oder 
Französische  zu  übersetzen  versucht  —  freilich  aber  mit  Genauigkeit.'  — 
Ich  meine  doch,  ein  verständiger  Mensch  kann  auch  ohne  solches  Gewalt- 
mittel seine  Gedanken  hinreichend  zusammenraffen  —  und  Übersetzungen 
literarischer  Kunstwerke  in  eine  fremde  Sprache  gehören  nebenbei  zu  den 
schwierigsten  Dingen,  an  die  man  sich  als  Durchschnittsmensch  aufser  in 
Seminarübungen  nicht  wohl  heranmachen  sollte. 

Da  dem  Verfasser  selbst  an  Bemerkungen  seiner  Rezensenten  über 
Einzelheiten  gelegen  ist,  seien  auch  an  dieser  Stelle  einige  wenige  mit- 
geteilt. Nr.  55:  Der  zweite  Band  der  Wackernagel-Martinschen  Literatur- 
geschichte erschien  in  zweiter  Auflage  erst  1894.  —  Bei  Goethe  (S.  45) 
hätten  wohl  auch  an  dieser  Stelle  so  wichtige  Schriften  wie  die  von  Scholl, 
Hehn,  Steiner  (Goethes  Weltanschauung),  Haarhaus  Erwähnung  verdient. 
—  Bei  Tieck  (S.  47)  fehlt  eine  Verweisung  auf  Nr.  107/108,  bei  Brentano 
(S.  55)  auf  Nr.  109.  —  Nr.  807:  Grigorowitzas  Schrift  war  nicht  als  Dis- 
sertation, sondern  als  Buch  (Berlin,  Duncker,  1901)  anzuführen.  —  Zu 
Iffland  (S.  58)  fehlt  Bertha  Kipfmüller,  das  Ifflandsche  Lustspiel  (Heidel- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  153 

berger  Dissertation  1899).  —  S.  6ß  Lord  Byron.  Dafs  Li teraturau gaben 
über  englische  und  französische  Schriftsteller  (vgl.  z.  B.  noch  S.  102,  114) 
gegeben  werden,  ist  gewil's  nicht  nötig.  In  diesem  Buche  sucht  man  sie 
doch  nicht;  aufserdem  müssen  sie  naturgemäfs  dürftig  sein.  Nach  welchem 
Gesichtspunkte  die  neun  hier  angeführten  Schriften  von  und  über  Byron 
ausgewählt  sind,  ist  nicht  zu  erkennen.  Die  wichtigsten  Werke  und  Aus- 
gaben fehlen,  keine  einzige  Übersetzung  ist  genannt;  Nr.  1011a  ist  falsch 
citiert.  Der  Verfasser  des  gemeinten  Buches  heifst  Kichard,  nicht  B.  Acker- 
mann, und  der  Titel  ist  unvollständig  und  erweckt  infolgedessen  falsche 
Vorstellungen;  er  lautet:  Lord  Byron.  Sein  Leben,  seine  Werke,  sein 
Einflufs  auf  die  deutsche  Literatur.  —  Bei  Schwab  (S.  67)  vermifst  man 
die  'Deutschen  Volksbücher'.  —  Bei  Nr.  1255  hätte  wohl  auch  Fausts 
hübsche  Skizze  über  Sealsfield  (Postl)  in  den  Americana  Germanica  I  i, 
S.  1  ff.  erwähnt  werden  können.  —  Zu  W.  Hauff  (S.  87)  vgl.  noch  East- 
man, Wilhelm  Hauffs  'Lichtenstein',  in  Americ.  German.  III,  386  ff.  — 
Nr.  1471:  Hüffers  Werk  über  A.  von  Droste-Hülshofi  erschien  1890  in 
zweiter  Auflage.  —  Über  Lenau  (S.  104)  vgl.  noch  Mulfinger,  'Lenau  in 
Amerika,'  in  Americ.  German.  I  2,  S.  7  ff.  und  I  3,  S.  1  ff.  und  Roustan, 
'Lenau  et  son  temps,'  Paris  1898;  dazu  Klenze  im  Journal  of  Germanic 
Philology  III,  218  ff.  —  Bei  Fr.  Th.  Vischer  (S.  107)  fehlen  die  vorzüg- 
lichen Shakespeare -Vorträge.  —  Nr.  1925  ist  überflüssig,  da  dieser  Auf- 
satz Houbens  in  dessen  unentbehrlichem  Buche  über  Gutzkow  (Nr.  1925  a) 
wörtlich  abgedruckt  ist.  —  Zur  Biographie  Freiligraths  (S.  138)  vgl.  man 
die  Beiträge  von  Learned  und  Klara  Seidensticker  in  den  Americ.  Ger- 
man. I  1,  S.  54  u.  74  ff.  —  Nr.  2616:  Haeussers  Deutsche  Geschichte 
reicht  natürlich  nur  bis  zur  Gründung  des  deutschen  (nicht  des  nord- 
deutschen) Bundes,  und  sie  erschien  Berlin  1854 — 1857  (nicht  1859);  auch 
die  Geschichte  der  Reformation  und  der  Revolution  brauchten  nicht  zu 
fehlen.  —  Die  Nummern  3119 — 3121  finden  sich  doppelt  vor.  —  Nr.  4214: 
Willes  Aufsatz  über  K.  Hauptmann  steht  im  Liter.  Echo  III  (1901) ;  die 
dastehende  9  ist  wohl  Druckfehler. 

Breslau.  Hermann  Jantzen. 

Dramatische  Handwerkslehre  von  Avoniauus.  Zweite,  umge- 
arbeitete und  vermehrte  Auflage.  Berlin,  Hermann  Walther 
Verlagsbuchhandlung  G.  m.  b.  H.,  1902.    X,  292  S.    M.  5. 

Das  Buch  setzt  sich  einen  praktischen  Zweck,  es  will  dramatischen 
'Novizen'  das  dramatische  'Handwerk'  beibringen.  Der  Verfasser  scheidet 
mithin  die  unlernbare  'Kunst'  aus  seinem  Thema  von  vornherein  aus.  Das 
ist  ein  glücklicher  Gedanke.  Wenn  es  nun  wirklich  ein  dramatisches 
Handwerk  gäbe,  wäre  auch  das  Buch  ein  glücklicher  Wurf.  Die  Voraus- 
setzung für  ein  solches  'Handwerk'  kann  nur  sein,  dafs  für  das  Drama 
unveränderliche  Schablonen  existieren  —  gültig  für  alle  Zeiten  und  höch- 
stens verschieden  nach  den  Hauptarten  des  Dramas,  dafs  also  die  Form 
souverän  neben  dem  Inhalt  besteht.    Eine  solche  Annahme  ist  aber  ebenso 


154  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

unrichtig  wie  unkünstlerisch.  Im  Meisterwerk  ist  die  Form  stets  nur  un- 
willkürlicher Ausflufs  des  Inhalts.  Sie  ist  speziell,  nicht  generell.  Aller- 
dings erringt  sich  solch  eine  spezielle  Form  durch  die  anerkannte  Bedeu- 
tung ihres  Meisterwerks  gar  oft  eine  kanonische  Gültigkeit.  Die  ist  aber 
zeitlich  beschränkt,  gilt  nur  so  lange,  als  das  Werk  selber  gilt,  und  ver- 
pflichtet als  Vorbild  eben  nur  die  minderwertigen  Nachahmer.  Kommt 
dann  ein  Autor  von  etwas  künstlerischer  Eigenart,  so  wird  er  mit  der 
alten  Form  einen  Kompromifs  schliefsen  (ob  in  mehr  oder  minder  be- 
wufster  Art,  bleibt  gleichgültig),  und  es  entsteht  eine  Mischform.  Erscheint 
endlich  ein  wahrhafter  Dichter,  also  eine  starke  künstlerische  Individualität, 
so  wirft  er  die  alte  Form  einfach  über  den  Haufen  und  schafft  sich  zum 
neuen  Inhalt  seine  neue  Form.  So  leben  denn  Formen  allerdings  auch 
selbständig  weiter,  aber  nicht  auf  den  Höhen  des  Parnafs.  Rein  erhalten 
sie  sich  immer  nur  bei  den  Nachahmern.  Die  haben  aber  überhaupt  keine 
künstlerische  Lebensberechtigung,  denn  die  echte  Kunst  lebt  nur  in  der 
Eigenart  des  Künstlers.  Noch  weniger  haben  sie  Anspruch  auf  künst- 
lerische Nachzucht,  in  deren  Dienst  sich  dieses  Buch  stellen  will. 

Der  Verfasser  ist  freilich  anderer  Meinung.  Er  glaubt  an  die  allein- 
kunst-machende  Schablone.  Notwendigermafsen  hat  er  auch  seinen  Kunst- 
heiligen.  Das  ist  —  wie  schon  sein  Pseudonym  verrät  —  Shakespeare. 
Den  beobachtet  er  mit  Ehrfurcht  —  und  das  ist  recht,  aber  er  kanonisiert 
sofort  seine  Beobachtungen  für  andere  —  und  das  ist  vom  Übel  wie 
immer,  wenn  sich  auf  dem  Gebiete  der  Kunst  Erkennen  zu  Belehren  um- 
setzt, wenn  Individuelles  generalisiert  wird,  wenn  sich  der  Erklärer  zum 
Schulmeister  aufwirft.  Es  ist  ja  wahr,  der  Verfasser  hat  nicht  einen  verne- 
werten  Nürnberger  Trichter  für  Dramatiker,  die  es  werden  wollen,  verfafst. 
Er  spricht  meist  nur  von  dem  Grundrifs  und  läfst  für  das  Detail  der 
Eigenart  noch  Spielraum,  er  hat  Geist  und  Geschmack,  er  erfreut  durch 
gesundes  Urteil,  soweit  es  ihm  nicht  verbogen  wird  durch  sein  schiefes 
Prinzip.  Gegen  dieses  aber  kann  nicht  scharf  genug  Stellung  genommen 
werden  im  Interesse  der  Kunst,  die  es  verdirbt. 

Überschaut  man  die  Einzelheiten  des  Buches,  so  springt  dessen  System- 
losigkeit  in  die  Augen.  Der  Titel  deckt  bei  weitem  nicht  den  Inhalt. 
Alles  mögliche  wird  da  hineingeschmuggelt.  So  ein  Kapitel  über  Stoff- 
wahl. Die  Ratschläge  sind  klug  auf  unser  modernstes  Publikum  zuge- 
schnitten. Es  riecht  nach  Opportunität.  Der  Kernpunkt  des  Problems 
kann  freilich  nicht  getroffen  werden.  Dai's  der  Künstler  als  Mensch  Zeit- 
genosse ist,  seine  Zeit  verstehen  mufs,  um  ihr  mit  seiner  Kunst  etwas 
sagen  zu  können  —  das  ist  ein  Truismus  jenseits  jeder  Handwerkslehre, 
schon  weil  sich  solche  Zeitgenossenschaft  nicht  lehren  und  lernen  läfst. 
Ob  dann  ein  'Novize'  durch  das  Kapitel  über  den  Humor  humorvoller 
wird,  möchte  ich  bezweifeln,  so  zweifellos  humoristisch  mir  auch  der  Ver- 
fasser bei  dieser  Lektüre  erschienen  ist.  Dafs  zum  Schlufs  auch  über  den 
Verschleils  der  Ware,  über  Theaterdirektoren  und  Dramaturgen  geschäfts- 
mäfsig  gesprochen  wird,  scheint  mir  zum  Buchtitel  besser  zu  passen. 

Wenn   mir  nun   das  Buch   auch  nicht  gefällt,   weil  es  auf  einem  fal- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  155 

sehen  Prinzip  aufgebaut  und  systemlos  ausgebaut  ist,  so  begreife  ich  <l< ich 
seinen  Erfolg.  Es  liegt  die  zweite  Auflage  vor.  Ob  das  die  'Novizen' 
fertig  gebracht  haben?  Hoffentlich  nicht.  Wohl  eher  die  Laien,  die  in 
die  dramatische  Werkstatt  gar  gern  einen  neugierigen  Blick  haben  werfen 
wollen.  Und  auch  sie  werden  von  den  Theorien  vielleicht  weniger  befrie- 
digt worden  sein  als  von  den  literarischen  Illustrationsproben.  Soweit 
diese  rein  technische  Beobachtungen  enthalten,  sind  sie  ausgezeichnet. 
Analysen  von  inhaltlich  so  klaren  Stücken  wie  das  'Glas  Wasser'  oder 
die  'Journalisten'  geraten  musterhaft.  Bei  inhaltlich  schwierigeren  Dramen 
versagt  der  Verfasser.  Für  Hamlet  geht  es  nicht  ohne  Verrenkungen  ab, 
Ibsen  wird  überhaupt  vergewaltigt.  Die  Schablone  wird  zum  Procrustes- 
bett.  —  Im  ganzen  wirkt  das  Buch  vielfach  anregend,  mehrfach  über- 
zeugend, ist  aber  eine  gefährliche  Lektüre,  weil  es  die  Scheinwahrheit 
seines  falschen  Prinzips  so  philiströs  selbstverständlich  hinstellt.  Es  kon- 
struiert eine  und  eine  ideale,  dramatische  Werkstatt,  wo  es  doch  tatsäch- 
lich so  viel  Werkstätten  gibt  als  wahrhaftige  Dramatiker. 

Innsbruck.  R.  Fischer. 

J.  J.  Findlay,  Principles  of  Class  Teaching.     London,  Macraillan 
&  Co.,  New-York,  the  Macmillan  Company,  1902.    XXXII, 

442  S.  8. 
Ein  englisches  Lehrbuch  der  Unterrichtskunst  hätte  an  sich  auf  eine 
Besprechung  in  dieser  Zeitschrift  so  wenig  Anspruch  wie  sonst  irgend  ein 
technisches  oder  wissenschaftliches  Werk  in  der  fremden  Sprache.  Aber 
wenn  es  in  interessanter  Weise  Zeugnis  gibt  von  einer  Bewegung  im  eng- 
lischen Geistes-  und  Kulturleben,  so  darf  es  einen  solchen  Anspruch  wohl 
erheben.  An  der  selbständigen  Bedeutung  des  vorliegenden  Buches  könnte 
man  freilich  von  vornherein  deshalb  zweifeln,  weil  es  nur  einen  Band  von 
einem  umfassenderen  buchhändlerischen  Unternehmen,  nämlich  Macmillan's 
Manuals  for  Teachers,  bildet.  Aber  die  Leistung  Findlays  ist  doch  durch- 
aus nicht  gering  zu  schätzen :  nicht  blofs  dals  er  wirklich,  unabhängig 
von  nationaler  oder  internationaler  Überlieferung,  feste  Prinzipien  sucht 
und  einen  organischen  Aufbau  liefert,  sondern  er  zeigt  auch  bestimmte 
Fühlung  mit  dem  Wichtigsten,  was  auf  didaktischem  Gebiete  in  der  Welt 
gedacht  und  versucht  worden  ist.  Sein  Buch  ist  eines  der  Zeichen,  wie 
ernstlich  man  zurzeit  in  England  zu  einer  neuen,  tüchtigen  Grundlegung 
und  Ausgestaltung  des  Erziehungs-  und  Unterrichts wosens  hinstrebt.  An- 
lehnung namentlich  an  Deutschland  und  an  Amerika  wird  dabei  nicht 
verschmäht,  nicht  versäumt:  von  Deutschland  her  sind  es  zumeist  die 
pädagogischen  Grundlehren  Herbarts  zugleich  mit  den  Ideen  Fröbels,  von 
Amerika  her  die  organisatorischen  Versuche  der  Gegenwart  (z.  B.  von 
Professor  Dewey  in  Chicago),  die  sich  wirksam  zeigen.  Eine  vermittelnde 
Verarbeitung  dieser  weit  auseinanderliegenden  Anregungen  ist  das  Cha- 
rakteristische des  Buches.  Von  Herbart  (auf  dessen  Psychologie  als 
Untergrund  seiner  Pädagogik  übrigens  doch  nicht  genug  hingeblickt  wird) 
ist  die  bestimmte  Scheidung  der  drei  Hauptlinien  der  Erziehungstätigkeit 


156  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

beibehalten  unter  den  Bezeichnungen  Government,  Teaehiny,  Guidance, 
namentlich  aber  auch  die  stets  erneute  Polemik  gegen  die  psychologische 
Theorie  der  Seelenvermögen;  bei  den  Herbartianern  findet  Findlay  die 
Kulturstufentheorie  besonders  glücklich  (the  delightful  theory  of  culture 
epochs,  S.  30),  ebenso  wird  die  Forderung  der  Konzentration  (genauer 
correlation  und  concentration)  gewürdigt,  doch  nicht  ohne  dafs  allerlei  den 
Spott  herausfordernde  Auswüchse  zurückgewiesen  würden.  Die  Wirkung 
Fröbels,  die  sich  ja  überhaupt  gegenwärtig  im  Ausland  aufserordentlich 
viel  stärker  fühlbar  macht  als  bei  uns,  wie  denn  auch  weithin  'the  Kinder- 
garten' als  selbstverständliches  Glied  in  der  Gesamtorganisation  der  Er- 
ziehung betrachtet  wird,  diese  Wirkung  Fröbels  zugleich  mit  den  amerika- 
nischen Anregungen  tritt  hier  in  der  geforderten  breiten  Rolle  praktisch 
übender  Betätigung  hervor  und  in  den  Erwartungen,  die  sich  für  eine 
kräftige  Entwickelung  von  Intelligenz  und  Willen  oder  auch  Gemütsbil- 
dung  daran  knüpfen.  Zugleich  aber  hat  unser  Verfasser  gegenüber  ein- 
gewurzelten national -englischen  Anschauungen  und  Gepflogenheiten  Stel- 
lung zu  nehmen:  hier  handelt  es  sich  um  allerlei  Verkehrtheiten  in  der 
Organisation  der  Schule,  Durchkreuzung  der  Bildungszwecke  durch  grob 
utilitarische  Rücksichten,1  willkürliches  Beginnen  und  Abbrechen  des  Schul- 
besuchs, Drängen  auf  verfrühte  Spezialisierung  der  Schulstudien,  Auf- 
nahme zahlreicher,  äufserlich  nebeneinander  stehender  Fächer  mit  mini- 
maler Stundenzahl,  auch  Gleichgültigkeit  gegen  die  geschichtliche  Ent- 
wickelung aufserenglischer  Völker.  Dagegen  wird  an  den  Vorzügen  eng- 
lischen Schullebens  selbstverständlich  festgehalten  und  z.  B.  dem  deutschen 
Gerätturnen  nebst  frühzeitigen  halbmilitärischen  Freiübungen  wenig  Sym- 
pathie gewidmet  im  Vergleich  zu  den  einheimischen  ganzes  and  contests. 
Für  diese  recreations  and  physical  exerciees  wird  übrigens  eine  sorgfältige 
Unterscheidung  der  Stufen  und  ihrer  Bedürfnisse  gegeben,  wie  denn  über- 
haupt ein  genau  ausgeführter  Plan  der  wünschenswerten  Organisation  des 
gesamten  Schulwesens  dargeboten  wird.  Hierbei  wird  allerdings  zu  idealen 
Verhältnissen  hingestrebt,  einer  Schülerzahl  nicht  über  dreifsig  bei  einem 
reichlichen  Lehrkörper  (teaching  staff),  grofsem  Lehrgeschick  in  der  Ver- 
bindung und  Verwebung  der  herkömmlich  isolierten  Unterrichtsinhalte 
namentlich  für  die  frühere  Zeit  (je  ein  central  theme  auf  mehrere  Wochen); 
es  wird  eine  Sichtung  der  Elementarschüler  gefordert,  allgemeine  Einrich- 
tung von  higher  elementary  schools  für  die  Tüchtigeren.  Ferner  wird 
nicht  blofs  gegenüber  dem  rezeptiven  oder  abstrakten  Lernen  für  praktisch 
übende  Betätigung  überhaupt  (every  school  should  hare  its  Workshop  etc.), 
sondern  auch  für  eine  solche  von  elementar  künstlerischem  Charakter 
(Arbeit  in  colour,  clay,  chalk)  ein  erheblicher  Raum  verlangt. 


1  Im  englischen  Parlament  soll  unlängst  bei  einer  Kommissionsberatung  auf 
Grund  unangenehmer  Erfahrungen  im  Alltagsleben  die  Frage  erhoben  worden  sein: 
vhether  it  would  not  be  possible  to  devote  an  hour  or  two  a  week  to  the  teach- 
ing of  children  in  elementary  schools  how  to  trim,  light,  and  extinguish 
lamps!  Und  sie  wurde  wirklich  dahin  beantwortet:  that  such  an  innovation 
would  be  of  great  advantage  to  the  Community. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  157 

Der  Sinn  für  dies  persönliche  Können,  die  Begünstigung  der  Aktivität, 
die  Engländern  und  Amerikanern  immer  eigen  geblieben  ist,  verbindet  sich 
hier  mit  den  Gesichtspunkten  neuerer  Psychologie,  und  die  Rücksicht  auf 
die  praktischen  Lebensbedürfnisse  behauptet  sich  trotz  der  schon  ange- 
deuteten Polemik  doch  auch  hier.  So  werden  die  Lehrpläne  ausdrücklich 
unter  dem  doppelten  Gesichtspunkt  der  Ausstattung  für  das  Leben  (demands 
of  equipment)  und  der  Rücksicht  auf  die  Natur  der  entwickelungsbedürf- 
tigen  jungen  Seele  (considerations  of  child  nature)  aufgestellt.  Im  Vorder- 
grund bleibt  für  alle  Stufen  ein  Stoffgebiet,  das  als  Rumanities  bezeichnet 
wird  und  Poesie,  Geschichte  usw.  umfafst,  ihnen  schliefsen  sich  dann  an 
natural  sciences,  abstract  sciences,  arts  of  symbolic  or  conventional  expression 
(besonders  die  Sprache),  arts  of  representation  or  natural  expression  und 
unter  den  physical  recreations  auch  imitative  arts  of  construction. 

Für  uns  Deutsche  mag  im  besonderen  auch  interessant  sein  die  For- 
derung einer  Gabelung  der  Studien  in  den  secondary  schools  für  die  letzten 
zwei  Jahre,  so  dafs  der  einzelne  Schüler  nach  Anlage,  Ii  teresse,  Bedürf- 
nissen wählen  kann  (Begriff  der  elective  studies);  die  gleiche  Forderung  ist 
bekanntlich  in  den  letzten  Jahren  auch  bei  uns  mehrfach  erhoben  worden. 
Dabei  sei  gegenüber  den  Klagen  über  die  mehr  und  mehr  zu  Tage  tretende 
spezialisierende  Tendenz  auf  den  hübschen  Begriff  des  lspeeialism  concen- 
trative'  im  Gegensatz  zum  'specialism  exclusive'  aufmerksam  gemacht,  eine 
Unterscheidung,  die  vom  Headmaster  George  Smith  in  Edinburgh  her- 
rührt. Ferner  der  Versuch,  nach  Art  der  von  einem  Teil  unserer  Her- 
bartianer  als  Hauptnahrung  für  eine  bestimmte  Stufe  gepflegten  Robinson- 
Lektüre  auch  andere  Stoffe  von  ähnlicher  Ergiebigkeit  einzuführen,  wo 
denn  z.  B.  Hiawatha  als  vorzüglich  geeignet  für  amerikanische  Kinder  be- 
zeichnet, dagegen  eine  Bearbeitung  des  Beowulf  ('for  young  children')  doch 
noch  mit  Bedenken  aufgenommen  wird.  Weiterhin  mufs  es  gerade  den 
deutschen  Neuphilologen  interessieren,  dafs  die  zuerst  betriebene  Sprache 
an  Schulen  Französisch  sein  soll,  nicht  Latein,  dafs  Französisch  übrigens 
auch  der  höheren  Abteilung  der  Elementarschule  nicht  fehlen  soll  (wie 
denn  das  Ausland  in  diesem  Punkt  schon  vielfach  kühner  vorgegangen 
ist  als  wir),  dafs  für  eine  solche  neu  zu  lernende  fremde  Sprache  lange 
Zeit  täglich  eine  Lektion  gefordert  wird  (allerdings  vielleicht  von  kurzer 
Dauer),  dai's  baldigst  eine  in  der  fremden  Sprache  geschriebene  Grammatik 
benutzt  und  dann  der  gesamte  Unterricht  in  der  Fremdsprache  gegeben 
werden  soll.  Überraschend  hoch  schlägt  der  Verfasser  die  Bedeutung  der 
gegenwärtigen  Reformbewegung  im  neusprachlichen  Unterricht  an:  Quite 
deliberately  the  present  writer  ventures  to  assert  that  the  'reform'  in  Modem 
Language  Teaching  now  in  progress  is  one  of  the  most  noteivorthy  events  in 
the  sphere  of  Teaching  since  the  Renaissance,  surpassing  in  importance  eren 
the  results  of  introducing  Science  to  the  school.  Noch  zwei  andere  Stellen 
des  Buches  möchte  ich  mir  nicht  versagen  anzuführen,  die  eine  über  die 
Bedeutung  eines  erfreulichen  Schullebens  für  die  Übergangsjahre:  As  the 
boy  and  girl  approach  puberty,  they  unconsciously  turn  away  more  and 
more  from  the  homely  affections  of  childhood,  and  unless  they  are  attracted 


158  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

by  a  happy  and  vigorous  social  environment  among  cotnrades  at  school,  they 
tend  to  grow  inwards,  cultivating  an  exclusive,  personal  temperament,  ivhich 
tends  to  be  suspicious,  if  not  hostile,  to  all  the  ivorld  outside  —  to  parents  as 
well  as  to  teaehers  and  comrades.  The  one  eure  for  this  malady  —  and  it 
is  a  very  real  danger  —  is  an  environment  of  a  happy  school  society,  acti- 
vely  employed  both  in  work  and  plag.  Und  zum  Schlufs  das  S.  204  vom 
Verfasser  selbst  citierte  Wort  aus  einem  amtlichen  Bericht  über  den  Beruf 
des  Lehrers:  In  few  callings  in  life  is  it  more  necessarg  for  each  tvorker 
to  maintain  within  himself  an  open  ege  fixed  on  lofty  aims,  white  content 
to  tread  the  even  path  of  daily  routine  step  by  step  with  his  fellows. 

Nochmals  sei  gesagt,  dafs  das  schätzenswerte  Buch  nicht  nur  eine 
Bereicherung  der  pädagogischen  Literatur  ist,  sondern  uns  den  englischen 
Geist  in  energischem  Suchen  nach  neuer  Gestaltung  der  Unterlagen  des 
nationalen  Kulturlebens  zeigt.  Man  hat  sich  unserer  deutschen  pädago- 
gischen Ideen  mit  Ernst  bemächtigt:  würdigen  wir  nun  auch  unsererseits 
die  interessanten  englisch-amerikanischen  Bemühungen. 

Berlin.  Wilhelm  Münch. 

K.  Tumlicz.  Die  Lehre  von  den  Tropen  und  Figuren  nebst  einer 
kurzgefafsten  deutschen  Metrik.  Zum  Gebrauche  für  den 
Unterricht  an  höheren  Lehranstalten.  Vierte  durchgesehene 
Auflage.     Leipzig,  Frey  tag,  1902.     Geb.  M.  2. 

Welche  Bedeutung  eine  von  der  übrigen  Stilistik  losgelöste  Lehre  von 
den  Tropen  und  Figuren  für  die  Schulen  haben  soll,  ist  nicht  recht  er- 
sichtlich. So  steht  denn  hier  auch  in  der  alten  Schulmauier  noch  die  alte 
Terminologie,  mit  deutschen  Beispielen  belegt,  und  nur  in  ganz  übersicht- 
licher Weise  neu  geordnet.  Von  Moriz  Haupts  berühmter  Lehre,  die  Ter- 
mine in  Psychologie  aufzulösen  (Beiger,  M.  Haupt  als  akademischer  Lehrer, 
S.  150  f.),  ist  nichts  haften  geblieben.  Ob  etwa  bei  der  'Periossologie' 
(S.  37)  wirklich  nur  Synonyma  gehäuft  werden  ?  ob  das  Epitheton  ornans 
(S.  41)  wirklich  'ein  in  der  Vorstellung  des  Gegenstandes  am  meisten  her- 
vorragendes Merkmal'  betont  (was  obendrein  unlogisch  ausgedrückt  ist)? 
So  bleibt  auch  die  Auffassung  des  'kombinierten  Vergleiches'  (S.  3)  ganz 
äufserlich:  nicht  fünf  Vergleichungspunkte  liegen  in  dem  Beispiel  vor, 
sondern  einer:  die  Hartnäckigkeit,  die  natürlich  nur  in  mehreren  Mo- 
menten gezeigt  werden  kann. 

Aufserlich  ist  auch  die  Metrik;  z.  B.  ist  die  Darstellung  der  'unter- 
brochenen Strophen'  (S.  110)  ganz  von  dem  äufseren  Bilde  abhängig.  Mau 
freut  sich,  dafs  wenigstens  (S.  59)  vor  ganz  äufserlicher  Verwendung  der 
Zierate  gewarnt  wird.  —  Eigentlich  Unrichtiges  enthält  das  Buch  dagegen 
kaum  (nur  dafs  etwa  Petrarca  schwerlich  S.  108  der  'Vater  des  Sonetts' 
heifsen  dürfte).  So  lange  Stilistik  und  Metrik  für  unsere  Lehrer  und 
Schüler  eine  Art  Uniformkunde  bleiben,  statt  ein  Stück  Morphologie  zu 
sein,  tut  es  dies  übersichtliche  Buch  so  gut  wie  ein  anderes. 

Berlin.  Richard  M.  Meyer. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  159 

Moritz  Trautrnann,  Kleine  Lautlehre  des  Deutschen,  Französischen 
und  Englischen.  Erste  Hälfte.  Bonn,  Karl  Georgi,  1901. 
80  S.     M.  2. 

Mit  diesem  Heft  liegt  zur  Hälfte  eine  Neubearbeitung  vor  von  des- 
selben Verfassers  Werk  'Die  Sprachlaute  im  allgemeinen  und  die  Laute 
des  Englischen,  Französischen  und  Deutschen  im  besonderen',  dessen  Be- 
deutung und  Wert  in  dieser  Zeitschrift  Band  LXXIII,  1885,  426 — 13U  und 
LXXVII,  1887,  442 — 441  gebührend  hervorgehoben  worden  ist.  Mit  Recht 
hat  man  besonders  auf  die  Fülle  der  neuen,  selbständigen  Beobachtungen 
hingewiesen.  Hier  mag  genügen,  dafs  nur  die  Unterschiede  der  beiden 
Ausgaben  kurz  aufgezeigt  werden.  Die  bisher  erschienenen  80  Seiten  um- 
fassen hauptsächlich  wieder  den  ersten  Teil,  'die  Sprachlaute  im  allge- 
meinen,' der  dem  entsprechenden  Abschnitt  der  ersten  Ausgabe  gegenüber 
durch  Fortlassung  der  historischen  und  kritischen  Befrachtungen  des 
Verfassers  über  andere  Lautsysteme  stark  gekürzt  ist.  Der  eigentliche 
Text  ist  ziemlich  unverändert  geblieben,  die  geringen  Umgestaltungen 
scheinen  nur  aus  praktischen  Rücksichten  entsprungen  zu  sein.  So  ist 
wohl  die  vierte  Reihe  des  Vokalsystems,  die  durch  Verbindung  der  Zungen- 
artikulation von  u,  p,  r>  mit  der  Lippenstellung  von  i,  e,  $  hervorgebrachten 
Vokale  umfassend,  nur  deshalb  weggeblieben,  weil  derartige  Vokale  in  den 
näher  liegenden  Sprachen  nicht  vorkommen;  wenigstens  ist  ein  ähnliches 
Verfahren  den  Konsonanten  gegenüber  so  motiviert  worden  (§  115).  Ab- 
schnitt 7 :  'Einiges  über  die  Sprachlaute  im  Wort  und  im  Satze,'  ist  durch 
eine  Übersicht  über  Länge  und  Kürze  der  Silben  (§  211)  erweitert  worden, 
in  der  mir  allerdings  fraglich  erscheint,  ob,  selbst  unter  den  sonstigen  für 
diese  Zusammenstellung  geltenden  Voraussetzungen,  Silben  wie  strci,  pfrü 
ohne  weiteres  zu  den  kurzen  gezählt  werden  dürfen  oder  nicht  eher  den 
halblangen  zuzurechnen  sind. 

Von  dem  zweiten  Teil,  der  'die  Laute  des  Englischen,  Französischen 
und  Deutschen  im  besonderen',  diesmal  aber  in  anderer  Reihenfolge  be- 
handelt, liegt  aufser  der  etwas  erweiterten  Einleitung  über  die  beste  Aus- 
sprache der  drei  Idiome  der  Anfang  der  deutschen  Vokale  vor.  Zu  be- 
merken ist  dabei,  dafs  bei  der  Behandlung  der  Sprachen  nicht  wie  in  der 
früheren  Ausgabe  von  den  Schriftzeichen,  sondern  von  deren  Lautwert 
ausgegangen  wird.  Aufser  dem  Vorzug  gröfserer  Kürze  dürfte  dies  Ver- 
fahren für  den  Lernenden  den  Vorteil  haben,  dafs  er  so  noch  leichter  vor 
dem  Fehler,  die  Aussprache  seiner  Laute  den  Buchstaben  fremder  Sprachen 
zu  substituieren,  bewahrt  bleibt.  Überhaupt  empfiehlt  sich  das  ganze 
Buch  in  der  neuen  Gestalt  gerade  dem  Anfänger  durch  seine  klare  und 
präzise  Fassung.1 

An   Einzelheiten   möchte   ich  noch   bemerken:    Die  S.  11   auf  Abbil- 


1  Nicht  ganz  einwandfrei  scheint  mir  die  Beschreibung  der  Konsonanten  (§  107) 
als  des  Haltens  eines  im  giel  gebildeten  Hohlraumes,  der  durch  eine  Enge  oder 
vermittelst  der  Lösung  eines  Verschlusses  angeblasen  bezw.  erschüttert  wird,  in- 
sofern ja  bei  den  Labialen  ein  solcher  Hohlraum  ganz  fehlt. 


160  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

düng  6A  dargestellte  weiteste  Öffnung  der  Stimmritze  gilt  nach  Angaben 
der  Physiologen  von  Fach  nicht  für  das  gewöhnliche  Atmen,  sondern  nur 
für  die  tiefste  Einatmung  bezw.  Hauchen,  Husten;  zu  Abbildung  6C 
hätte  gesagt  werden  können,  bei  welcher  Funktion  die  betr.  'eigentümliche 
Gestalt'  der  Stimmritze  entsteht.  S.  29  (am  Schlufs  von  §  99)  ist  statt 
gis2  vielmehr  ges2  oder  fis2  zu  lesen.  S.  37  Z.  5  ist  statt  des  stimmlosen 
Zeichens  versehentlich  das  stimmhafte  gesetzt.  Nicht  klar  ist,  was  mit 
den  s,  p  des  Vordergaumengebietes  (§  176)  gemeint  ist. 

Halle  a.  S.  Walther   Suchier. 

Bedeutungsentwickelung  unseres  Wortschatzes.     Auf  Grund  von 
Hermann    Pauls    'Deutschem    Wörterbuch'    in    den    Haupt- 
erscheinungen dargestellt  von  Oberschulrat  Dr.  Albert  Waag, 
Privatdozent    für   deutsche   Sprache   und   Literatur    an   der 
technischen  Hochschule  Karlsruhe.    Lahr  i.  B.,  1901.    XVI, 
200  S.  8°. 
Das  Wörterbuch  Pauls  liegt  hier  'verzettelt'  und  nach  den  Kategorien 
von  Pauls  Principien,   mit  gelegentlicher  Herbeiziehung  andrer  Literatur, 
geordnet   und   dargestellt  vor.    Die  Mängel  seiner  Vorgänger  sind  auch 
W.s  Mängel,  hinausgekommen  ist  er  kaum  jemals  über  dieselben.    'Paral- 
lelen aus  den  Fremdsprachen  wurden  im  allgemeinen  ausgeschlossen;  denn 
etwas  Halbes  wollte  ich  hierin   nicht  geben'  (S.  VIII).     Darin   hegt  nun 
wohl  ein  Hauptmangel,  dafs  nicht  beachtet  wird,  wie  sehr  die  Bedeutungs- 
geschichte der  einzelnen  Worte  der  deutschen  Sprache  immer  von  ihren 
Nachbarsprachen  und  der  Gelehrtensprache  des  Latein  mitbestimmt  und 
in  neue  Bahnen   gelenkt  wird.    Wenn  W.  mit  dem  aus  dem  Englischen 
übersetzten   Sprichwort  'Wo  ein  Wille  ist,   da  ist  ein  Weg'  (S.  135)  die 
Bedeiitungsänderung  von  'Weg'  belegt,  so  zeigt  er,  dafs  ihm  die  Wichtig- 
keit dieser  Beziehungen  noch  gar  nicht  aufgegangen  ist.     Ich  kann  nicht 
'besitzen'  und  'Besitz'  aus  dem  Begriff  'auf  etwas  sitzen'   ableiten,  ohne 
den  bedeutenden  Einflufs  der  römischen  Rechtssprache  schon  lange  vor 
der  Rezeption  des  römischen  Rechts  in  Erwägung  zu  ziehen  und  zu  über- 
legen, ob  nicht  etwa  ein  Deutscher  in  der  Verlegenheit,   das  lat.  possidere 
und  possessio  recht  zu  übersetzen,  zu  diesem  Aushilfsmittel  gegriffen  habe; 
denn   sein   deutsches  gewere  passte  nicht   recht,  es   hatte  zunächst   mlat. 
investitura  entsprochen,  hatte  dann  aber  einen  weiten  Begriff  umfafst,  dem 
man  weder  mit  possessio,  noch  dominium,  noch  retentio  beikommen  konnte. 
Es  würde   hier   zu  weit  führen,    wenn   ich  im   einzelnen   auf  diesen 
Mangel  eingehen  wollte.     Ich  denke  anderwärts  auf  diese  Frage  zurück- 
zukommen und  werde  mich  dann  nicht  scheuen,  sie  herzhaft  anzuschnei- 
den,  statt   aus    Scheu,   etwas    Halbes   zu   geben,    an    derselben    vorüber- 
zugehen. ' 

Im  einzelnen  wäre  noch  folgendes  zu  bemerken :  S.  14  die  Verkürzung 
des  ersten  Vokals  von  'Hochzeit'  stammt  wohl  aus  Dialekten,  die  (wie  der 

1  S.  jetzt  Zs.  f.   deutsehe  Wortforsch.   III,   220  ff. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  161 

hiesige)  den  ersten  Vokal  aller  Composita  verkürzen.  S.  30  mül  ist  noch 
schweizerisch  allgemein  für  'Mund'  und  ebenso  in  Bern  auf  dem  Land 
süfen  für  'trinken'.  S.  32  'Haupt'  ist  noch  im  Berner  Oberland  geläufig. 
S.  33  das  Adjektiv  'licht'  empfinde  ich  durchaus  nicht  als  gewählten  Aus- 
druck, sondern  gebrauche  es  ungescheut  in  meiner  täglichen  Umgangs- 
sprache. S.  34  das  Substantiv  'Heim'  ist  wohl  dem  englischen  home 
nachgebildet.  S.  41  'stiften'  wurde  nicht  frühzeitig  verallgemeinert,  son- 
dern die  Grundbedeutung  ist  wohl  die  allgemeine;  vielmehr  hat  das  Sub- 
stantiv 'Stift'  eine  Bedeutungsverengerung  erfahren.  S.  42  nach  Heyne, 
Das  deutsche  Wohnungswesen  S.  45  ist  die  Grundbedeutung  von  'Stube' 
nicht  'heizbares  Gemach',  sondern  'Vorrichtung  zur  Erzeugung  heifsen 
Wasserdampfes'.  S.  64  'Schale'  an  Früchten  etymologisch  verschieden 
von  'Trink- Wagschale'.  S.  76  'haben'  zeigt  auch  heute  kein  Rechtsver- 
hältnis an,  sondern  ein  rein  tatsächliches  Verhältnis  zu  einem  Gegenstande, 
ebenso  wie  das  urverwandte  lateinische  habere;  die  Bedeutung  'halten' 
und  'innehaben'  hatte  das  Wort  wohl  schon  in  der  Ursprache  entwickelt, 
weiter  können  wir  nicht  hinauf;  die  Bedeutung  'halten'  für  die  ursprüng- 
liche zu  erklären,  ist  ganz  willkürlich;  in  deutschen  Dialekten,  die  'haben' 
und  'heben'  (das  zu  capere  gehört)  vermischt  haben,  tritt  sie  freilich  stark 
hervor.  S.  93  'nachten'  im  Sinn  von  'gestern  abend'  begegnet  noch  in 
Dialekten.  S.  121  als  Grundbedeutung  von  'schmeifsen'  wird  nicht  'Kot 
absondern',  sondern  nach  dem  Zeugnis  der  andern  germanischen  Sprachen 
und  des  verwandten  'schmitzen'  wohl  'schlagen,  werfen'  anzusetzen  sein. 
S.  149  bei  'schicken'  ist  zu  beachten,  dafs  es  bereits  mit  zwei  Grund- 
bedeutungen 'springen  machen'  und  'sich  ereignen  machen'  auf  die  Welt 
gekommen  ist,  indem  das  Grundwort  schelten,  dessen  Faktitiv  es  ist,  die 
Bedeutungen  'springen'  und  'sich  ereignen'  hatte,  zu  deren  Erklärung 
man  an  modern  vulgäres  'laufen'  (die  Sache  läuft)  anknüpfen  mag.  —  In 
'schmücken'  sind  wohl  zwei  etymologisch  verschiedene  Worte  zusammen- 
gefallen, deren  eines  zu  'schmiegen',  das  andere  zu  'schmuck',  lit.  smaugus, 
zierlich  (Zupitza,  die  gerraan.  Gutturale  S.  166)  gehört. 

Mit  diesen  Aussetzungen  wünsche  ich  den  Wert  des  Buches  durchaus 
nicht  herunterzusetzen.  Es  bietet  dem  Fachmann  nicht  viel  Neues,  aber 
manches  in  bequemer  Zusammenstellung,  und  wird  jedenfalls  dazu  bei- 
tragen, das  Interesse  an  den  einschlägigen  Problemen  in  weiten  Kreisen 
zu  erregen  und  zu  vermehren. 

Bern.  S.  Singer. 

Untersuchungen  über  Ramlers  und  Lessings  Bearbeitung  von 
Sinngedichten  Logaus.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  deut- 
schen Sprache.  Von  Walter  Heuschkel,  Dr.  phil.  Leipzig, 
Gustav  Fock,  1902.     M.  1,20. 

Heuschkel  bespricht  in  seinem  Büchlein  das  Verhältnis  der  Original- 
ausgabe von  Logaus  Sinngedichten  zu  der  Bearbeitung  durch  Lessing  und 
Ramler  oder  vielmehr  durch  Ramler  allein.     Doch  gibt  er  uns  nur  eine 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  11 


162  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

fleifsige  und  übersichtliche  Zusammenstellung;  der  Reihe  nach  führt  er 
uns  die  'Besserungen'  in  Lautlehre,  Flexion,  Wortschatz,  Metrik  und  Stil 
vor,  die  Ramler  dem  Text  Logaus  angedeihen  liefs.  Hoffentlich  erfüllt 
der  Verfasser  nun  auch  das  Versprechen,  das  er  am  Ende  seiner  Schrift 
gibt,  die  er  etwas  anspruchsvoll  'Untersuchungen'  nennt;  d.  h.  hoffent- 
lich teilt  er  uns  auch  möglichst  bald  die  Ergebnisse  seiner  Zusammen- 
stellungen mit  und  bringt  diese  Ergebnisse  dann  in  einen  gröfseren  Zusam- 
menhang. Dazu  würde  gehören,  dafs  er  den  Sprachgebrauch  Logaus  syste- 
matisch mit  dem  Sprachgebrauch  des  17.  Jahrhunderts  vergliche,  dafs  er 
dem  Mundartlichen  in  den  Sinngedichten  energischer  nachforschte,  dafs 
er  uns  auch  andere  Bearbeitungen  Ramlers  ausführlicher  schilderte,  damit 
sich  über  diese,  deren  Inkonsequenzen  im  einzelnen  auch  hätten  schärfer 
hervorgehoben  werden  sollen,  ein  zutreffendes  Urteil  gewinnen  läfst.  Es  wäre 
interessant,  wenn  der  Verfasser  bei  der  Gelegenheit  uns  gleich  eingehender 
erzählte,  wie  man  überhaupt  zu  Ramlers  und  Lessings  Zeit  über  Bearbei- 
tungen älterer  Dichter  dachte.  —  Dann  erst  würde  Heuschkels  Arbeit  zu 
einem  'Beitrag  zur  Geschichte  der  deutschen  Sprache',  wie  sie  jetzt  schon 
etwas  voreilig  getauft  ist.  Heuschkel  beurteilt  Randers  Bearbeitung  merk- 
würdig milde;  dem  18.  Jahrhundert  mag  sie  auch  als  zahm  und  pietätvoll 
gegolten  haben,  doch  hinterlassen  gerade  Heuschkels  Zusammenstellungen 
den  Eindruck,  als  habe  Ramler  den  Sinngedichten,  um  sie  verständlich 
und  glatt  zu  machen,  sehr  viel  Bezeichnendes  und  Reizvolles  genommen, 
nicht  nur  eine  Reihe  liebenswürdiger,  aber  immerhin  entbehrlicher  Alter- 
tümlichkeiten, sondern  auch  das  höchst  eindrucksvolle,  wenn  auch  hier 
und  da  unbeholfene  Gefüge  der  Worte,  nicht  minder  die  sehr  charakte- 
ristische Verskunst. 

München.  Friedrich  von  der  Leyen. 

O.  E.  Schmidt,  Kursächsische  Streif züge.  Leipzig,  Grunow,  1902. 
351  S.  M.  3,50,  geb.  M.  4,50. 
In  gehöriger  Proportion,  wie  man  etwa  von  einer  'Sächsischen  Schweiz' 
spricht  (für  die  übrigens  der  Verfasser  die  traditionelle  Begeisterung  nicht 
aufbringt,  S.  2),  dürfte  man  den  Autor  dieses  hübschen  Werkchens  einen 
'kursächsischen  Gregorovius'  nennen.  So  wundervolle  Wanderbilder  ent- 
springen freilich  seiner  Feder  nicht,  wie  sie  der  poetische  Geschichtschreiber 
Roms  dem  hesperischen  Boden  abgewinnen  durfte;  aber  in  der  Kunst, 
Landschaft  und  historisches  Erlebnis  in  Einklang  zu  bringen,  darf  Schmidt 
sich  wohl  seinen  Schüler  heifsen.  Die  friedliche  Idylle  des  schlachtbe- 
rühmten Mühlberg  (S.  15  f.)  oder  die  höfischen  Genrebilder  von  Beigern 
(S.  169)  wechseln  mit  Geschichtsbetrachtungen  ab,  in  denen  eine  warm- 
herzige Freude  an  der  engeren  Heimat  sich  mit  einer  aufrichtigen  Be- 
wunderung der  reichsgründenden  Hohenzollern  trefflich  verträgt.  Dieselbe 
Unparteilichkeit  bekämpft  auch  (S.  201)  den  Jesuitismus,  ohne  ihm  (S.  313) 
alle  Schuld  am  Erlöschen  der  'evangelisch-libertistisch-nationalen  Bewegung' 
zuzuschreiben.  —  Literarhistoriker  wird  der  Exkurs  über  das  Schildbürger- 
buch interessieren.     Schmidt  nimmt  Jeeps   Autorschaf tsbestiminung  an, 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  103 

leiht  aber  dem  Hofrichter  V.  Schönberg  andere  Motive:  er  sieht  in  der 
Spottschrift  auf  Schiida  einen  Ausdruck  derselben  adeligen  Contrerevo- 
lution,  der  als  beklagenswertestes  Opfer  der  Kanzler  Krell  zum  Gegenstand 
fanatischen  Hasses  wurde. 

Das  Buch  ist  mit  einigen  literarischen  Nachweisen  besser  als  mit  ein 
paar  bläfslichen  Bildern  geschmückt. 

Berlin.  Richard  M.  Meyer. 

Heinrich  von  Kleists  Reise  nach  Würzburg.  Von  Max  Morris. 
Berlin,  Skopnik,  1899. 

Betreffs  der  Untersuchungen  von  Morris  über  Kleists  Reise  nach 
Würzburg  möchte  ich  auf  die  gehaltreiche  Rezension  von  Spiridion  Wuka- 
dinovic  im  Euphorion  VIII,  771  f.  verweisen.  Dafs  Kleist  sich  auf  dieser 
Reise,  über  deren  Zweck  er  in  den  Briefen  an  seine  Braut  und  Schwester 
so  viele  geheimnisvolle  Andeutungen  macht,  von  den  Folgen  geschlecht- 
licher Verirrungen  befreien  wollte,  scheint  mir  durch  Morris  gesichert,  und 
es  ist  mir  auch  wahrscheinlich,  dafs  die  Natur  dieses  Leidens  Furcht  vor 
Impotenz  war.  Die  Untersuchung  von  Morris  ist  durchaus  vornehm  und 
taktvoll,  sie  bestätigt  und  vertieft  unsere  Einsicht  in  Kleists  Wesen ;  wie 
der  Dichter  sich  und  die  Seinen  mit  seinen  Fehlern  quält,  wie  unablässig 
und  mit  welchem  dauernden  Ernst  er  sich  von  ihnen  losringt,  und  welch 
ein  tiefes  Glück  er  empfindet,  als  er  sich  befreit  fühlt  und  Verzeihung 
erhalten  hat,  das  ist  alles  der  echte  Kleist.  —  Im  übrigen  leidet  die  Schrift 
an  manchen  Irrtümern,  Flüchtigkeiten  und  voreiligen  Schlüssen,  die  be- 
sonders den  Wert  der  zweiten  und  dritten  Mitteilung  beeinträchtigen  (Das 
Kätchen  von  Heilbronn  und  Gotthilf  Heinrich  Schubert.  —  Mord  aus 
Liebe),  worüber  man  das  Nähere  am  besten  bei  Wukadinovic  nachliest. 

München.  Friedrich  von  der  Leyen. 

Dr.  Sigismund  Friedniann,  Ludwig  Anzengruber.  Leipzig,  Her- 
mann Seemann  Nachfolger,  1902.  199  S.  M.  5. 
Der  Verfasser  erklärt  es  als  seine  Absicht,  'sehr  wenig  Biographie 
und  eine  ausführliche  kritische  Besprechung  sämtlicher  Werke'  zu  geben. 
Er  geht  hierbei  mit  ruhiger,  verständiger  Überlegung  vor  und  wahrt  sich 
auch  im  ganzen  ein  durchaus  selbständiges  Urteil,  indem  er  etwa  den 
'Ledigen  Hof  höher,  den  'Doppelselbstmord'  niedriger  stellt,  als  es  im 
allgemeinen  zu  geschehen  pflegt.  Die  Besprechungen  der  einzelnen  Dramen 
gehen  vorzugsweise  auf  die  Charakterzeichnung  und  daneben  mit  befrem- 
dender Vorliebe  auf  die  Moral  der  Dramen  aus,  wie  denn  z.  B.  ein  Ver- 
gleich des  'Vierten  Gebots'  mit  Sudermanns  'Ehre'  (S.  111)  in  der  Frage 
gipfelt,  ob  die  mehr  objektive  oder  die  mehr  moralistische  Wirkung  vor- 
zuziehen sei.  Der  Verfasser  selbst  steht  entschieden  auf  der  Seite  der 
moralistischen  und  spricht  zuweilen  (z.  B.  S.  127)  in  fast  vorgoethischer 
Weise  über  die  Nützlichkeit  bestimmter  Schlüsse,  was  immerhin  bei  einem 
so  ausgesprochen  pädagogischen  Autor,  wie  dem  gerade  dieses  Dramas, 
sich  allenfalls  noch  ertragen  läfst.    Verhältnismäfsig  selten  wird  die  Technik 

11* 


164  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

näher  beleuchtet,  so  bei  der  'Tochter  des  Wucherers'.  Am  besten  scheinen  uns 
die  Besprechungen  von  'Hand  und  Herz'  und  dem  'Vierten  Gebot'  gelungen. 

Eine  ziemlich  überflüssige  Beigabe  sind  die  allgemeinen  Betrachtungen, 
die  Friedmann  hineinzustecken  hebt,  z.  B.  über  die  Frauenfrage  (S.  75), 
die  mit  dem  dichterischen  Thema  des  'Ledigen  Hof  und  der  'Trutzigen' 
doch  eigentlich  recht  wenig  zu  tun  hat.  Ebensowenig  sind  die  Vergleiche, 
die  er  etwa  gelegentlich  der  'Elfriede'  mit  Ibsen  oder  ein  anderes  Mal 
(S.  118)  mit  Moliere  anstellt,  förderlich.  Wie  es  denn  kühn  genug  ist, 
Anzengruber  und  gar  den  Dichter  des  'Misanthrop'  als  Vertreter  einer 
optimistischen  Lebensauffassung  zu  bezeichnen !  Auch  der  Stil  entbehrt 
nicht  ganz  der  Phrasen;  geschmacklose  Bilder  wie  von  der  'englischen 
Krankheit'  und  dem  'Sanatorium'  verletzen  noch  mehr  als  die  stehenden 
Wendungen :  'Gute  Schlüsse,  wie  das  Publikum  sie  verlangt'  oder  'Anzen- 
gruber in  seiner  tiefen  Gerechtigkeitsliebe'.  Schlimm  ist  in  einem  Ver- 
such geistreicher  Bilder  der  Satz:  'Man  kann  sagen,  dafs  Anzengrubers 
Kunst  eine  Ader  desselben  tiefen  Quells  war,  der  aus  dem  Kristallfelsen 
im  Innersten  des  Volksherzens  hervorsprudelt.'  Indessen  werden  wir 
solche  Schwächen  gern  gegenüber  den  sehr  brauchbaren  Analysen  des 
Verfassers  übersehen. 

Berlin.  Richard  M.  Meyer. 

Alt-  und  mitteleuglisches  Übungsbuch  zum  Gebrauche  bei  Uni- 
versitätsvorlesungen und  Seniinarübuugen  mit  einem  Wörter- 
buche von  Julius  Zupitza.  Sechste  wesentlich  vermehrte 
Auflage,  bearbeitet  von  J.  Schipper.  Wien  und  Leipzig, 
Wilh.  Braumüller,  1902.   X,  337  S.  8.   Geb.  8  Kr.  =  M.  6,80. 

Die  fünfte,  von  Schipper  besorgte  Auflage  von  Zupitzas  bekanntem 
Lesebuch  erschien  1897;  sehr  schnell  ist  also  eine  neue  Auflage  erforder- 
lich geworden.  In  der  fünften  Auflage  waren  die  38  Nummern  der  vierten 
auf  04  vermehrt;  aber  auch  in  der  sechsten  sind  Erweiterungen  vorge- 
nommen, indem  vier  neue  Lesestücke  Aufnahme  gefunden  haben,  wogegen 
eins  (Johannes  XXI)  aus  Gründen,  die  im  Vorwort  einleuchtend  ausein- 
andergesetzt werden,  fortgelassen  worden  ist.  Das  Buch  umfafst  also  in 
der  letzten  Auflage  67  Lesestücke. 

Von  den  neu  aufgenommenen  Stücken  sind  zwei  altenglisch,  nämlich 
No.  XIV:  'Die  Eroberung  Britanniens  durch  die  Angelsachsen  und  die 
Bekehrung  der  Kenter  zum  Christentum'  (aus  Schippers  Ausgabe  von 
König  Alfreds  Übersetzung  von  Bedas  Kirchengeschichte)  und  No.  XVI: 
'Aus  König  Alfreds  Orosius:  Beschreibung  Europas.  —  Die  Reiseberichte 
von  Ohbere  imd  Wulfstän.' '  Diese  Stücke  werden  genau  nach  den  Hand- 
schriften und  ohne  die  theoretische  Accentuierung  wiedergegeben. 

Die   mittelenglische  Abteilung  ist  mit  zwei  neuen  Stücken  bereichert 

1  Schipper  schreibt  merkwürdigerweise  im  Titel  wie  im  Inhaltsverzeichnis 
Ohpere  statt  Ohthere,  wie  der  Name  im  Text  überall  heifst.  Ist  aber  doch  das 
Wort  gewifs   Oht-here  abzuteilen! 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  165 

worden.     Es  sind  dies   die  Erzählung  von  der  'Dame  Siriz'  und  ein   An- 
zug aus  Kölbings  Ausgabe  von  Arthur  und  Merlin  (V.  983—  1170,  die  über 
das  Wunderkind  Merlin  handeln). 

Trotz  dieser  Zusätze  ist  der  Preis  des  Buches  erfreulicherweise  nicht 
nennenswert  erhöht  worden. 

Die  Kritik,  die  der  fünften  Auflage  von  Holthausen,  Archiv  C,  S.  103  ff., 
zu  teil  geworden  ist,  hat  der  Herausgeber  so  gut  wie  durchgängig  dem 
Buche  zu  nutze  gemacht.  Wenn  er  hier  und  dort  nach  den  Bemerkungen 
Holthausens  sich  nicht  gerichtet  und  dessen  Besserungen  keine  Aufnahme 
gewährt  hat,  mag  er  wohl  im  allgemeinen  seine  besonderen  Gründe  dafür 
gehabt  haben.  Einigemal  scheint  aber  die  ausgebliebene  Aufnahme  der 
Holthausen  sehen  Besserungen  nur  auf  Versehen  zu  be  uhen.  Solche  Fälle 
verzeichnet  Holthausen  in  seiner  jüngst  erschienenen  Anzeige  der  sechsten 
Auflage,  Engl.  Stud.  XXXI,  S.  266—268. 

Ich  gehe  jetzt  zu  einigen  Einzelbemerkungen  über,  die  für  eine  even- 
tuelle siebente  Auflage  in  Betracht  kommen  würden;  ich  wiederhole  dabei 
einige  von  denjenigen  Besserungen  Holthausens,  die  mir  besonders  ein- 
leuchtend oder  notwendig  erscheinen. 

Im  Literaturverzeichnis  zu  den  Versen  vom  Kreuze  von  Ruthwell 
(No.  IV)  vermisse  ich  einen  Verweis  auf  Victors  North.  Runensteine;  die 
Besserungen  Vietors  zu  2  a  (S.  7),  wonach  dorstcß  und  hismazrcedu  zu  lesen 
ist,  sind  nicht  beachtet  worden,  obgleich  Holthausen  in  seiner  Anzeige 
der  fünften  Auflage  auf  diesen  Umstand  hingewiesen  hatte. 

Die  unrichtige  Längenbezeichnung  in  od,  dp  kommt  öfter  vor,  z.  B. 
No.  VII  (Cynewulfs  Juliana)  V.  694,  No.  IX  (aus  der  Genesis)  V.  2874, 
No.  X  (aus  der  Judith)  V.  134.  140.  185,  No.  XX  (Jakob  und  Esau)  Z.  76 
(S.  71).  Dagegen  findet  sich  das  richtige  od,  op  z.  B.  No.  VIII  (aus  dem 
Phönix)  V.  263.  322.  346.  363,  No.  XXIII  (aus  der  Sachsenchronik, 
anno  1036)  Z.  17,  No.  XXIV  (aus  der  Sachsenchronik,  anno  1065)  V.  25. 
—  No.  X  (aus  der  Judith)  V.  235  1.  pe.  —  Im  Stück  XIII  (Alfreds  Vor- 
rede zu  Gregors  Cura  pastoralis)  wird  durchgängig  ge  'und'  und  pt  (Re- 
lativpartikel) geschrieben,  was  mit  Holthausen,  Archiv  C,  S.  408,  sicher 
für  unrichtig  zu  halten  ist.  —  Im  Stück  XX  (Jakob  und  Esau)  fällt  die 
Längenbezeichnung  in  com  (Z.  15)  neben  eom  (Z.  27.  39.  54)  auf.  Im 
Glossar  wird  eom  geschrieben.  Z.  25  1.  pe.  Z.  69  ist  on  in  on  eorpan 
fatnysse  and  of  heofenes  deawe  wahrscheinlich  in  of  zu  ändern ;  vgl.  Z.  45 : 
sylle  pe  god  of  heofenes  deawe  and  of  eordan  fätnisse.  —  Im  Literaturver- 
zeichnis zu  No.  XXII  (aus  Byrhtnoths  Tod)  fehlt  Crows  Ausgabe  'Mal- 
don and  Brunnanburh',  Boston  und  London  1897;  dies  fällt  um  so  mehr 
auf,  als  gerade  in  dieser  Nummer  der  Herausgeber  sich  um  Vollständig- 
keit der  Literaturangaben  bestrebt:  nur  hier  werden  die  Lesebücher  an- 
gegeben, wie  im  Vorwort  zur  sechsten  Auflage  hervorgehoben  wird.  In 
diesem  Stück  wird  ohne  ersichtlichen  Grund  sowohl  he  (V.  13)  als  he 
(V.  7.  14.  15.  28  usw.)  geschrieben.  Betreffs  der  angeblichen  Lesart  Hearnes 
gehyrt  pu  (V.  45)  ist  auf  meine  Anzeige  von  Crows  eben  erwähnter  Aus- 
gabe, Archiv  CI,  S.  428,  zu  verweisen.  —  Die  Note  zum  Stück  XXVTI, 


166  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Z.  30  ist  zu  streichen,  da  auch  Morris  federfotetd  hat.  —  XXX  (aus  dem 
'Ormulum'),  Note  zu  V.  82,  I.  Salemann.  V.  15561  1.  forr.  —  XXXIII 
(aus  Genesis  und  Exodus)  V.  1288  hat  die  Hs.  sidhinges  lond.  Dies  ändert 
Schipper  mit  Fritsche  in  sigdhinges  lond.  Es  fragt  sich  aber,  ob  es  nicht 
besser  gewesen  wäre,  keinen  neuen  Buchstaben  hinzuzufügen,  sondern  ganz 
einfach  dh  in  hd  zu  ändern.  In  der  Note  zu  XXXIII,  1298  wird  auf 
M2  hingewiesen,  ohne  dafs  diese  Ausgabe  unter  dem  Titel  erwähnt  worden 
ist.  —  Im  Stück  XXXVI  (aus  der  Sage  von  Gregorius)  hätten  die  Halb- 
verse durch  Spatien  überall  bezeichnet  werden  sollen;  solche  finden  sich 
hier  nur  in  einigen  Versen.  V.  33  Komma  nach  hond  und  yivent.  — 
XXXVII  (aus  dem  Liede  von  King  Hörn)  V.  28  hätte  erwähnt  werden 
sollen,  dafs  die  Hs.  C,  dem  der  Text  folgt,  Fikenylde  (nicht  Fikenyld)  hat. 
Nach  V.  34  sind  die  zwei  Verse  in  OH  beizubehalten,  weil  notwendig  für 
V.  49,  worauf  mich  Herr  Professor  Brandl  freundlichst  aufmerksam  macht. 
V.  44  wird  luuep  der  Hs.  C  in  leuep  und  V.  114  furste  in  ferste  korrigiert. 
Dies  ist  aber  inkonsequent,  da  70  jute,  116  wurs,  139  schup  bewahrt  ist; 
zu  der  Änderung  von  furste  in  ferste  ist  Schipper  wohl  durch  den  Beim 
Suddene  :  kenne  (V.  143  f.)  bewogen  worden.  V.  50  ist  mit  OH  zu  lesen 
(Brandl).  V.  60  lautet  nach  Mätzner  und  Wifsmann  in  der  Hs.  C  and 
nerne  hü  in  here  honde.  Schipper  hat  and  nemen  hit  in  her  honde,  gibt 
aber  nicht  an,  was  in  der  Hs.  steht.  V.  88  hatte  Wifsmann  recht,  mit 
O  zu  lesen  wegen  der  Metrik;  ebenso  ist  V.  90  sivipe  mit  OH  zu  lesen 
(Brandl).  V.  116  steht  nach  Mätzner  was,  nicht  wes.  Der  sicher  falsche 
Reim  jonge  :  tipinge  (V.  127  f.)  läfst  sich  unschwer  nach  HW  beseitigen. 

—  V.  143  ist  nach  den  Auseinandersetzungen  Morsbachs  (Festschrift  für 
Wendelin  Förster,  S.  318  f.)  Suddenne  zu  lesen.  Im  Stück  XXXVIII 
(aus  dem  Havelok)  hat  Schipper  die  Besserungen  Holthausens  S.  100  seiner 
Ausgabe  übersehen  oder  wenigstens  gar  nicht  berücksichtigt.  V.  3  will 
Holthausen  a.  a.  O.  pat  streichen;  ebenso  for  V.  17.  V.  25  ist  mit  Holt- 
hausen  pe  beste  man  zu  lesen.  Über  V.  27 — 29  s.  Morsbach,  E.  St.  XXIX, 
S.  368  ff.  In  der  Note  zu  V.  8  1.  meri{lk).  In  der  Note  zu  V.  76  1.  loth, 
nicht  loth.  V.  118  ist  wohl  ben  nach  me  zu  ergänzen.  V.  127  will  Holt- 
hausen S.  100  and  streichen.  V.  152  schlägt  Holthausen  S.  100  hend  statt 
höndes  vor.  Im  Stück  XL  (Dame  Siriz)  wären  einige  von  den  Besserungen 
in  Mätzners  Text  aufzunehmen  gewesen:  V.  140  ist  pe  oder  pat  zu  lesen; 
ebenso  läfst  sich  ni  mette  V.  157  kaum  beibehalten.  V.  179  ist  seij  wohl 
in  seip  zu  ändern.  V.  281  ist  rene  in  renne  zu  ändern.  V.  324  1.  onon. 
Nach  Mätzner  steht  V.  22  pem,  V.  27  qvad,,  V.  375  graunte  und  V.  388 
give;  V.  407  steht  nach  Mätzner  Her;  V.  440  mid  fehlt  bei  Mätzner. 
Im  übrigen  möchte  ich  zu  diesem  Stück  auf  die  Bemerkungen  Holthausens, 
E.  St.  XXXI,  S.  267.  verweisen.  —  XLV  V.  33  ist  kaum  mit  Holthausen 
zu  korrigieren ;  der  ursprüngliche  Text  hat,  wie  mir  Brandl  schreibt,  wohl 
geheifsen:  heuedest  sinne:  of  Edward  länge  (zum  unreinen  Reim  vgl.  ded  : 
gret  V.  42);  so  ist  mit  einfacher  Umstellung  alles  geheilt.  V.  43  ys  ist  mit 
Brandl  aiis  1  (h)ys  (vgl.  ys  für  his  V.  6)  zu  erklären;  also:  'in  seine  Hand'. 

—  LXVI  (Spottged.  Dunbars  auf  James  Doig)  V.  3  1.  futt-syd. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  107 

Zum  Wörterbuch  möge  folgendes  bemerkt  werden:  S.  204,  Sp.  1, 
Z.  7  1.  efter  (nicht  eftir)  gold  (vgl.  XXV,  Z.  19).  S.  206,  Sp.  1,  Z.  4  v.  u. 
1.  andswarian.  S.  209,  Sp.  1  statt  cetbredan  hätte  eher  als  Stichwort  cet- 
bregdan  gegeben  werden  sollen;  vgl.  äbregdan  S.  202,  odbregdan  S.  287, 
töbregdan  S.  315.  S.  209,  Sp.  2  fehlt  das  Wort  awkwart  LX,  407.  S.  218 
1.  Beormas.  S.  215  1.  bidelve.  S.  228  gehört  dere  zu  derian.  S.  231  fehlt 
droupe  XLIX,  33.  S.  245  vermisse  ich  fulgehende  'sehr  nahe'  XXIII,  24. 
S.  240,  Sp.  1  1.  futt-syd.  S.  258,  Sp.  1,  Z.  16  v.  u.  1.  grid,  Z.  10  v.  u.  1. 
ne.  groom.  S.  263  1.  hicjan.  S.  266  houncurteis,  hounlaw  wären,  ebenso- 
wohl wie  hounsele,  mit  einem  Vermerk  unter  u  aufzuführen  gewesen. 
S.  266,  Sp.  1,  Z.  8  v.  o.  1.  imder stondan  (nicht  unter stondari).  S.  277  feblt 
unter  magern  me.  mait  präs.  sg.  2  XL,  49.  S.  283  fehlt  unter  ncefre  neiver 
XL,  118.  S.  285,  Sp.  1,  Z.  5  v.  o.  1.  XL,  173.  217.  232.  S.  287,  Sp.  1  1. 
odpeet,  oddeet  etc.  (nicht  odjmt  etc.).  S.  290  onsien  'Anblick,  Angesicht' 
und  onsien  'Not,  Mangel'  wären  als  zwei  verschiedene  Wörter  aufzuführen 
gewesen,  wie  bei  Sweet,  Stud.  A.-S.  Dict.  S.  290  fehlt  onwold  'in  der 
Gewalt',  vgl.  Holthausen,  Anglia,  Beiblatt  XI,  306,  E.  St.  XXXI,  268. 
S.  298,  Sp.  2  fehlt  sauten  'versöhnen',  XL,  220;  Z.  18  v.  o.  1.  XL,  222. 
S.  203  shog  ist  nicht  unter  seeacan  zu  finden.  Der  Besserung  Holthausens, 
Arch.  C,  S.  409,  ist  Schipper  nur  zur  Hälfte  gefolgt,  shog  hätte  unter 
schog  (S.  299)  aufgeführt  werden  sollen.  S.  305:  Das  Stichwort  sidhinges 
land  steht  im  Gegensatz  zu  dem  sigdhinges  lond  im  Texte  (XXXIII,  1288). 
S.  312  sueting  'Liebling'  (Dame  Siriz),  saeyn  'Knecht'  wären  mit  einem 
Vermerk  unter  sw-  aufzuführen  gewesen.  S.  319  fehlt  unter  unsele  Adj. 
hounsele  Sb.,  'Unglück,  Trauer'  XL,  175.  S.  320  fehlt  unter  unwise  (das 
übrigens  unwise  heifsen  sollte)  me.  onwis  XL,  218.  S.  331  fehlt  unter 
wunne  wonne  XL,  58.  Das  hier  aufgeführte  ivenne  XL,  26  gehört  zu 
uryn  'Wonne'. 

Upsala.  Erik  Björkman. 

Encycloppedic  English-German  and  German-English  dictionary. 
Part  second:  German-English.  Second  half:  K — Z.  Ency- 
klopädisches  englisch-deutsches  und  deutsch-englisches  Wör- 
terbuch. Zweiter  Teil:  Deutsch  -  Englisch.  Zweite  Hälfte: 
K — Z.  Berlin,  Langenscheidtsche  Verlagsbuchhandlung,  1902. 

Die  grofse  Ausgabe  des  encyklopädischen  Wörterbuches  von  Muret 
und  Sanders  ist  nun  zum  Abschlüsse  gelangt.  Die  Schlufslieferungen 
20 — 25  des  deutsch-englischen  Teiles  hegen  uns  vor;  sie  reichen  von  Seifen- 
bis  Zymotechnikum.  Beigefügt  ist  für  die  zweite  Hälfte  dieses  Teiles  der 
oben  abgedruckte  Doppeltitel  und  ein  Nachwort  des  letzten  Leiters,  Cor- 
nelis  Stoffel  in  Nijmegen,  vom  4.  September  1901. 

Über  den  Charakter  des  hochbedeutsamen  Werkes  habe  ich  mich  bei 
der  Anzeige  der  ersten  Hälfte  des  deutsch-englischen  Teiles  eingehend  ge- 
äufsert  [vgl.  Arch.  4,  421  N.  F.].  Ich  kann  auch  jetzt,  nach  dem  Ab- 
schlüsse des   ganzen  Werkes,  hier  nur  wiederholen,   dafs  eine  volle  Wür- 


168  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

digung  der  geleisteten  Arbeit,  wie  des  Anteils  jedes  einzelnen  Herausgebers 
erst  auf  Grund  einer  längeren  und  häufigen  Benutzung  des  nun  vollstän- 
digen Wörterbuches  möglich  sein  wird.  Stichproben  bestätigen,  wie  zu 
erwarten  war,  dafs  die  letzten  Hefte  sich  auf  der  Höhe  des  früher  Ge- 
leisteten gehalten  haben.  Ich  erwähne  hier  beispielsweise  die  Zeitwörter 
sein,  setzen,  sitzen,  spielen,  sprengen,  springen,  ivachsen,  wägen,  wiegen, 
wenden,  winden,  werden,  wollen,  zechen,  ziehen,  die  Hauptwörter  Sitz,  Sonne, 
Spiel,  Spitze,  Tal,  Tod,  Viertel,  Wahrheit,  Wasser,  Wein,  Welt,  Wicht, 
Wolf,  Zahl,  Zahn,  Zeche,  Zeit,  Zug,  Zunge,  die  Eigenschaftswörter  (und  Ad- 
verbien) spitz,  toll,  tot,  wahr,  warm,  weis,  weise,  weifs,  wett,  zeitig,  zeitlieh, 
zufrieden,  die  Zahlwörter  sieben,  tausend,  zehn,  zwei  nebst  ihren  Weiter- 
bildungen, die  Fürwörter  sein,  sie,  unser,  wir,  tver,  die  Partikeln  seit,  vor, 
während,  ivann,  wenn,  zu  und  die  lange  Reihe  der  Zusammensetzungen 
mit  um-,  un-,  ver-,  vor-,  weg-,  zer-,  zu-. 

Wenige  gelegentliche  Bemerkungen  mögen  hier  eine  Stelle  finden. 

Sitz  (im  Parlament)  vermisse  ich;  vgl.  dagegen  v.  sitzen:  im  Parla- 
mente sitzen,  to  be  member  of  (or  to  have  a  seat  in)  Parliament. 

Sonnenjungfrau  fehlt  unter  den  zahlreichen  Zusammensetzungen  mit 
Sonne;  ich  fand  neulich  in  einer  Besprechung  dies  Wort  als  zweifelhafter 
Herkunft  erwähnt  und  habe  mich  gelegentlich  darum  bemüht.  Es  stammt 
aus  Kotzebue  und  kann  sich  der  Ehre  rühmen,  von  einer  englischen  Dame, 
welche  den  in  England  zeitweilig  hochgeschätzten  Kotzebue  besonders  ver- 
ehrt zu  haben  scheint,  Anne  Plumptre  [Lowndes  Bibl.  Man.  p.  1889],  ins 
Englische  übersetzt  zu  sein;  vgl.  Loivndes  Bibl.  Man.  p.  1291:  The  Virgin 
ofthe  Sun;  a  Play,  in  five  Acts.  Translated  by  Anne  Plumptre.  Lond.  1799. 

Talsperre,  dam  across  a  valley,  ist  im  allgemeinen  zutreffend  und  kurz; 
genauer  ist  die  Übertragung  und  Erklärung  von  Baumann  in  der  kleineren 
Ausgabe:  dike  (or  wall)  across  a  valley  which  bars  (or  regulates)  a  river. 

Zymotechnikum  ist  ein  Wortungeheuer,  dem  eigentlich  nicht  zu  gönnen 
ist,  in  diesem  Wörterbuche  den  Beschlufs  zu  machen ;  hoffentlich  läfst  sich 
kein  Engländer  verleiten,  es  für  ein  in  Deutschland  wirkliches  Bürgerrecht 
besitzendes  Fremdwort  zu  halten;  Zymurgie,  zymurgy,  das  vielleicht  etwas 
gröfsere  Ansprüche  erheben  könnte,  fehlt.  Zytotechnie  und  Zytotechnik, 
die  in  Sachs-  Villatte  den  Reigen  schliefsen,  sind  hier  glücklich  verschwun- 
den, aber  nicht  ohne  Ersatz  zu  finden  in  den  meiner  Ansicht  nach  gleich- 
falls überflüssigen  Zymotechnie  und  Zymotechnik. 

Leider  war  es  auch  Immanuel  Schmidt  trotz  seiner  bewunderungs- 
würdigen Arbeitskraft  nicht  vergönnt,  die  Leitung  des  grofsangelegten 
Werkes  bis  zur  Vollendung  desselben  zu  führen ;  mitten  in  der  angestreng- 
testen Tätigkeit  verschied  er  an  den  Folgen  eines  Unfalles  am  11.  Mai 
1900.  Was  er  seiner  Familie,  seinen  Freunden  und  der  Wissenschaft  ge- 
wesen ist,  hat  an  dieser  Stelle  sein  Freund,  Hermann  Conrad  in  Lichter- 
felde, geschildert  [vgl.  Arch.  5,  241  N.  F.].  Die  Weiterführung  des  ency- 
klopädischen  Wörterbuches  übernahm  nun  auf  Bitte  der  Verlagshandlung 
Cornelis  Stoffel,  der  bereits  durch  mehrjährige  Mitarbeit  mit  der  Ein- 
richtung des  Ganzen  und   dem  Gange  der  Arbeit  vertraut  geworden  war 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  1G9 

und,  wie  er  bescheiden  sagt,  nur  die  von  seinen  Vorgängern  vorgezeichnete 
Bahn  weiter  zu  wandern  brauchte.  Von  der  bis  zu  I.  Schmidts  Tode 
festgehaltenen  äufseren  Einrichtung  des  Werkes  ist  auch  Stoffel  im  weiteren 
Verlaufe  der  Arbeit  nicht  erheblich  abgewichen,  so  dafs  der  einheitliche 
Charakter  trotz  des  mehrfach  eingetretenen  Wechsels  der  Leitung  gewahrt 
blieb.  Im  übrigen  bedarf  es  hier  nur  des  Hinweises  auf  die  bekannte 
Wertschätzung,  die  Stoffels  anglistische  Arbeiten  in  der  wissenschaftlichen 
Welt  geniefsen,  um  zu  zeigen,  wie  erfreulich  es  für  die  Verlagshandlung  sein 
inufste,  in  Stoffel  einen  ebenbürtigen  Nachfolger  I.  Schmidts  zu  gewinnen. 

In  seinem  Nachworte  spricht  sich  Stoffel  eingehend  über  seine 
Tätigkeit  aus  und  widmet  den  zahlreichen  Mitarbeitern  seinen  Dank  für 
ihre  werktätige  Beihilfe,  unter  besonderer  Hervorhebung  derer,  welche  von 
dem  Buchstaben  L  an  sich  in  die  Bearbeitung  der  einzelnen  Buchstaben 
des  Manuskriptes  geteilt  haben,  namentüch  aber  weiht  er  auch  seinem 
Vorgänger  Immanuel  Schmidt  liebevolle  und  wehmütige  Worte  der  Er- 
innerung im  Hinblick  auf  frühere  gemeinsame  Arbeit  und  von  Immanuel 
Schmidt  ausgegangene  geistige  Anregung. 

Die  Schlufsbe merkungen  der  Verlagshandluug  bringen  eine  Über- 
sicht über  die  Herstellungsweise  des  ganzen  Werkes  und  die  Kosten  des- 
selben. Eine  dankenswerte  Beigabe  sind  die  Bilder  der  Hauptmitarbeiter 
an  dem  bedeutsamen  Unternehmen,  Muret,  Sanders,  I.  Schmidt,  C.  Stoffel. 

Im  Nachworte  Stoffels,  wie  in  den  Schlufsbemerkungen,  wird  noch 
besonders  erwähnt  und  ist  auch  an  dieser  Stelle  hervorzuheben,  dafs  von 
dem  Artikel  Esparsette  an  die  Kevision  der  Etymologien  der  deutschen 
Wörter  in  den  bewährten  Händen  von  Max  Rödiger  lag;  zu  beachten 
ist  vornehmlich,  was  in  dem  Nachworte  Stoffels  über  die  Art  dieser  wert- 
vollen Mitarbeit  und  den  für  dieselbe  gestatteten  Rahmen  angegeben  ist. 

Eine  dankenswerte  Beigabe  zu  Heft  25  ist  hier  noch  zu  erwähnen,  die 
Zusammenstellung  der  älteren  und  neueren  deutschen,  österreichischen  und 
schweizerischen  Mafse,  Gewichte  und  Münzen,  bearbeitet  von  Hubert  Jansen. 

Druck  und  Papier  sind,  wie  in  allen  früheren  Lieferungen,  vorzüglich; 
ebenso  entspricht  die  letzte  Einbanddecke  in  sauberer  und  fester  Ausfüh- 
rung den  früheren.  Das  ganze  Werk  hegt  nun  in  vier  stattlichen  Bänden 
fertig  vor,  ein  überreiches  und  gediegenes  Rüstzeug  für  alle  Länder  eng- 
lischer und  deutscher  Zunge.  Hier  ist  in  jahrelanger  Arbeit  von  tüch- 
tigen und  geistig  hochstehenden  Männern  in  der  Tat  Ausgezeichnetes  ge- 
leistet worden,  getreu  dem  Worte,  das  einst  der  verdienstvolle  Begründer 
der  Verlagshandlung  sich  erkoren  hatte:  'Ohn'  Fleifs  kein  Preis.' 

Berlin.  H.  Bieling. 

C.  Stoffel,  Intensives  and  down-toners.  A  study  in  English 
adverbs  (Anglistische  Forschungen,  herausgeg.  von  J.  Hoops, 
Heft  1).     Heidelberg,  Winters  Verlag,  1901. 

Der  Name  des  Verfassers  hat  schon  seit  längerer  Zeit  auf  dem  Ge- 
biete der  Anglistik  einen   so  guten  Klang,  dafs  den  Freunden   des   Eng- 


170  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

lischen  jede  neue  Arbeit  aus  der  Feder  des  geschätzten  holländischen  Ge- 
lehrten willkommen  ist;  und  wenn  man  auch  in  einzelnen  Punkten  von 
der  Auffassung  des  Verfassers  abzuweichen  geneigt  sein  mag,  so  ist  es 
doch  erfreulich,  zu  finden,  dafs  diese  'Studie  über  englische  Adverbien' 
als  Ganzes  sich  den  bisherigen  Leistungen  Stoffels  würdig  anreiht. 

Mit  intensives  und  down-toners  bezeichnet  Stoffel  Wörter,  be- 
sonders Adverbien,  welche  zur  Verstärkung  oder  Abschwächung,  d.  h.  zur 
Bezeichnung  höherer  oder  niederer  Grade  von  Eigenschaften  oder  Zu- 
ständen dienen.  Das  Wort  'intensive'  ist  in  dieser  Verwendung  nicht  un- 
bekannt; 'down-toner'  aber  ist  von  Stoffel  neu  und  glücklich  gebildet 
worden. 

Das  Buch  zerfällt,  wie  schon  der  Titel  vermuten  läfst,  in  zwei  Teile: 
I.  On  intensive  Adverbs  und  II.  On  down-toning  Adverbs,  deren  jedem  eine 
einleitende  Betrachtung  vorausgeht.  Die  lakonischen  Überschriften  der 
acht  Kapitel  des  Buches  lassen  kaum  vermuten,  welche  Fülle  von  Er- 
scheinungen des  englischen  Sprachgebrauchs  in  ihrer  geschichtlichen  Ent- 
wickelung  und  verschiedenartigen  Verwendung  darin  behandelt  werden, 
mit  welchem  Feingefühl  der  Verfasser  dem  Werden  und  Walten  in  der 
Sprache,  nicht  blofs  der  älteren,  sondern  auch  der  neueren  und  neuesten, 
nachspürt  und  versucht,  uns  hier  und  da  anregende  Ausblicke  auf  die 
wahrscheinliche  Weiterentwickelung  derselben  tun  zu  lassen. 

In  der  Einleitung  zum  ersten  Teile  geht  Stoffel  davon  aus,  dafs  die 
Intensiva  meistens  von  Adjektiven  hergeleitet  sind,  welche  ursprünglich 
Vollständigkeit  ausdrückten,  die  aber  später  eine  Abschwächung  oder 
Verblassung  der  Bedeutung  erfuhren  und  nun  nicht  mehr  den  höchsten, 
sondern  nur  noch  einen  (sehr)  hohen  Grad  der  Eigenschaft  bezeichnen. 
Es  werden  somit  fortwährend  neue  Intensiva  gebraucht  und  beschafft. 
Stoffel  weist  dabei  auf  purblind  und  by  and  by,  auf  immediately , 
presently,  just  now  und  anon  als  Beispiele  hin.  Auch  very  much 
hätte  er  hier  heranziehen  können,  welches  heute  tatsächlich  schwächer 
wirkt  als  das  einfache  much.  In  einem  Exkurse  bespricht  er  dann  ever 
and  anon,  das  er  mit  dem  New  Engl.  Dict.  =  every  now  and  then, 
d.  h.  =  eontinually  at  intervals  setzt.  Er  erblickt  darin  wohl  mit  Kecht 
eine  wenn  auch  etwas  entstellte  Fortsetzung  des  me.  ever  in  oon  (urspr. 
=  'immer  in  eins,  in  einem  fort').  Das  einfache  and  anon  bedeutete 
and  presently  again,  wie  auch  das  NED.  feststellt.  Nähme  man  das 
and  in  ever  and  anon  als  ursprünglich  und  berechtigt  an,  so  ergäbe 
das  die  Wendung  ever  and  presently  again,  die  keinen  annehmbaren 
Sinn  ergäbe.  Stoffel  hält  also  das  and  in  ever  and  anon  für  'intru- 
sive',  für  unrechtmäfsig  eingeschoben.  Dem  anon,  dem  ae.  on  äne,  in  one 
=  'in  einem  fort,  in  eins'  stellt  er  dann  sehr  einleuchtend  die  Phrase 
after  one  zur  Seite,  wie  sie  sich  bei  Chaucer  findet.  Dieses  sei  nun  aber 
schon  so  lange  aufser  Gebrauch  gewesen,  dafs  manche  englische  Gelehrte 
der  späteren  Zeit  z.  B.  mit  der  Zeile  341  im  Prologue  der  Canterbury  Tales: 
Eis  (d.  h.  des  Franklins)  breed,  his  ale  ivas  ahvey  after  oon  nichts  Kechtes 
anzufangen  gewufst  haben.    Tyrwhitt  z.  B.  fafst  after  oon  —  after  one 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  171 

o'clock;  ein  anderer  (s.  bei  St.  S.  7)  erklärt  gar:  er  war  immer  hinter  einem 
her  (every  one  tvas  pressed  to partake  ofhis  hospitality)\  Stoffels  Auffassung 
der  Stelle  —  according  to  one  invariable  Standard  (d.  h.  immer  gleichmäfsig 
[gut  und  reichlich])  ist  offenbar  die  richtige. 

Solche  interessanten  Exkurse  und  Seitenblicke  finden  sich  öfter  in 
dem  Werke,  wie  es  denn  überhaupt  ein  wenig  des  Verfassers  Art  zu  sein 
scheint,  vor  dem  Leser  gewissermafsen  laut  zu  denken,  d.  h.  ihn  an  all 
den  anregenden,  neuen  Gedanken  teilnehmen  zu  lassen,  die  dem  Gelehrten 
bei  seiner  Arbeit  aus  der  Fülle  seines  Wissens  und  aus  seinen  schier  un- 
erschöpflichen Kollektaneen  fortwährend  zuströmen.  Abd  wenn  auch  zu- 
weilen die  Verfolgung  des  Hauptgedankens  erschwert,  die  Übersichtlich- 
keit des  Ganzen  durch  das  reiche  Beiwerk  ein  wenig  beeinträchtigt  wird, 
so  ist  doch  keiner  der  Exkurse,  keine  dieser  Nebenbemerkungen  gehaltlos, 
und  man  möchte  diese  Gedankenspäne,  diese  'Chips  from  a  Dutch 
Workshop'  nicht  missen. 

Auf  S.  10  f.  der  Einleitung  versucht  Stoffel,  der  etwas  befremdlichen 
Verwendung  von  soon  in  der  Phrase  soon  at  night  auf  den  Grund  zu 
gehen,  wie  sie  in  Elisabeths  und  Jakobs  I.  Zeit  sich  häufig  findet.  Alex. 
Gill  (Logonomia  Anglica  [1619])  gibt  an,  soon  habe  früher  so  viel  wie 
cito  bedeutet,  sei  aber  nun  'apitd  plurimos'  =  ad  primam  vesperam. 
Ich  vermeinte  schon,  hier  einem  englischen  Gegenstück  zu  dem  frz.  sur 
le  tantot  =  dans  Vapres-midi  begegnet  zu  sein.  Bei  näherem  Zusehen  aber 
erschien  die  Sache  mir  doch  in  anderem  Lichte.  Alex.  Gill  scheint  selbst 
keinen  Beleg  für  seine  Behauptung  beigebracht  zu  haben,  und  von  allen 
Beispielen,  die  Stoffel  anführt,  ist  keines  so  beschaffen,  dafs  es  uns  soon 
ohne  weitere  zeitbestimmende  Zusätze  zeigt;  und  doch  meineich, 
dafs  nur  ein  solches  als  wirklich  beweisend  und  entscheidend  gelten  könnte. 
In  allen  von  Stoffel  gegebenen  Belegen,  glaube  ich,  werden  wir  dem  Sinne 
vollkommen  gerecht,  wenn  wir  soon  in  seiner  eigentlichen  Bedeutung  = 
'bald,  früh,  zeitig'  verstehen,  wie  es  auch  Flügel  in  seinem  grofsen  Wb. 
tut,  welcher  soon  in  den  Shakespeareschen  Beispielen  durch  beizeiten, 
zeitig  übersetzt.  Auffallend  freilich  bleibt  ja  die  Häufigkeit  der  Ver- 
bindung von  soon  gerade  mit  at  night,  durch  die  Gill  offenbar  zu  seiner 
Ansicht  gekommen  ist,  aber  Stoffel  selbst  gibt  auch  Beispiele  für  soon  at 
supper,  sogar  soon  at  ßve,  wo  soon  etwa  =  pünktlich  ist.  Möglich, 
dafs  bei  weiterem  Suchen  sich  auch  Belege  für  soon  at  noon,  soon  at  mid- 
night  oder  ähnliche  finden;  jedenfalls  zeigen  meines  Erachtens  diese  Bei- 
spiele höchstens,  dafs  soon  oft  mit  at  night  verbunden  vorkam,  nicht  aber, 
wie  Gill  behauptet  hat  und  Stoffel  zu  glauben  scheint,  dafs  soon  für  sich 
ad  primam  vesperam  bedeuten  könne. 

Die  psychologische  Erklärung  für  die  so  häufige  Bedeutungs- 
abschwächung  findet  Stoffel  am  Schlüsse  der  Einleitung  wohl  mit  Recht 
in  der  weitverbreiteten  Neigung  der  Redenden,  sich  selber  starker,  hyper- 
bolischer Ausdrücke  zu  bedienen,  die  Farben  möglichst  dick  aufzutragen 
und,  von  sich  auf  andere  schliefsend,  die  Bedeutung  der  bekräftigenden 
Wendungen  anderer  entsprechend  geringer  anzuschlagen. 


172  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Der  erste  Abschnitt  beschäftigt  sich  vornehmlich  mit  den  Intensiven 
füll  und  pure.  Stoffel  weist  darauf  hin,  dafs  im  Ae.  swide  (geschwind; 
stark)  das  eigentliche  Intensivum  gewesen  sei,  dafs  dieses  bei  Chaucer 
zwar  nur  =  quickly  vorkomme,  sonst  aber  ziemlich  allgemein  bis  gegen 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  etwa  =  sehr  gebraucht  wurde,  während  very 
bis  ca.  1500  fast  nur  'wahrhaft,  wirklich'  bedeutet  habe.  Um  1350 
war  nach  Stoffels  Angabe  (S.  13)  statt  swide  ful  bereits  das  gebräuchliche 
Intensivum.  Es  hätte  gesagt  werden  können,  dafs  es  schon  in  den  Old 
English  Homilies,  im  Ormulum  und  bei  Lajamon,  also  ca.  150  Jahre 
früher,  in  manchen  Verbindungen  {ful  neh,  ful  wel,  ful  iwis)  nichts  Auf- 
fallendes war.  Bei  Shakespeare  begegnet  es  sowohl  noch  =  very  als  auch 
=  dem  modernen  fully.  Wie  hier  steht  Shakespeare  ähnlich  auch  mit 
dem  mehrdeutigen  Gebrauche  des  Intensivums  pure  auf  der  Schwelle  zum 
Ne.  Pure,  bei  welchem  einem  leicht  deutsche  Beispiele  wie  'rein  aus,  rein 
alle,  rein  vernarrt,  rein  unmöglich'  einfallen,  kam  nach  Stoffel  schon  um 
inoo  bei  Rob.  of  Gloucester  als  Intensivum  vor.  Purblind  hiefs  ur- 
sprünglich 'völlig  blind',  wurde  dann  auf  dem  gewöhnlichen  Wege  der 
Abschwächung  zu  'blöd-  oder  schwachsichtig'  und  kommt  bei  Shak.  in 
beiden  Bedeutungen  vor;  ja  sogar  noch  in  einer  dritten  Bedeutung  steht 
pure  bei  Shak.,  nämlich  in  der  moderneren  purely,  merely,  exelusively, 
Twelfth  Night  V,  82:  pure  for  his  love.  Dies  hätte  nach  Shak.s  Diktion 
auch  lauten  können  for  his  pure  love,  und  es  zeigt  sich,  meint  Stoffel 
hierbei,  wie  pure  in  mancher  Hinsicht  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  very 
hat;  z.  B.  in  for  its  very  helplessness  ersetzt  das  Adj.  very  ebenfalls 
das  Adv.  very  =  gerade.  So  findet  sich  auch  für  das  ne.  from  very 
fear  nie.  for  pure  drede.  Auch  an  die  adverbielle  Bedeutung  sogar 
in  my  very  dog  has  forgotlen  me  erinnert  Stoffel  zutreffend. 

Wenn  er  aber  meint,  ganz  ähnlich  wie  pure  sei  im  Me.  auch  das 
Adj.  fine  statt  eines  Adverbs  gebraucht  worden,  so  scheint  mir  hier  der 
Fall  doch  etwas  anders  zu  liegen.  Stoffel  denkt  hier  an  Fälle  wie 
me.  of  fyne  force  =  by  very  or  absolute  necessity,  wo  auch  das 
NED.  fyne  als  veraltet  für  'pure,  sheer,  absolute  or  perfecf  stehend  erklärt. 
Mir  scheint  dieser  Sinn  ganz  folgerichtig  aus  der  Bedeutung  fein  = 
rein,  ungetrübt,  ungemischt,  wie  bei  Metallen  (vgl.  eine  feine  Mark, 
ein  Pfund  fein),  hervorzugehen.  Das  Adj.  pure,  wie  Stoffel  es  vorhin 
vorführte,  stand  allerdings  in  Vertretung  des  Adverbs  purely  (cf.  pure  for 
his  love).  Aber  die  Beispiele,  wie  sie  z.  B.  im  NED.  gesammelt  sind  (of 
[tvith,  by]  fine  force  [awe,  strength,  herte}),  lassen  sich  alle  mit  den  eben 
angegebenen  adjektivischen  Bedeutungen  (lauter,  schier)  ganz  gut  ver- 
stehen und  wiedergeben,  so  dafs  ich  ebensowenig  wie  das  NED.  eine 
weitergehende  Parallelität  von  fine  als  Intensivum  und  pure  anerkennen 
möchte,  und  ich  bezweifle,  dafs  irgendwo  fine  adverbiell  als  Intensivum 
statt  finely  wie  pure  statt  purely  gebraucht  worden  ist. 

Stoffel  erörtert  dann  in  einem  weiteren  Exkurs  das  Chaucersche  for 
pure  ashamed  =  from  very  shamefastness.  Er  erblickt  in  ashamed 
ein  substantiviertes  Adj.  und  weist  auf  die  Häufigkeit  solcher  Substanti- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  173 

vierung  im  Me.  und  älteren  Ne.  hin,  während  im  jetzigen  Englisch  rich- 
tige Substantive  dafür  die  Regel  bilden.  So  fanden  sich  im  Me.  for  moist 
=  'wegen  der  Feuchtigkeit',  for  bright  'wegen  der  Helligkeit'.  Beispiele 
dagegen  wie  (Rom.  of  the  Rose  A  74,  75):  The  briddes  ...  Ben  in  May, 
for  the  sonne  brighte,  So  gladde  . . .,  wo  sonne  Genitiv  sein  soll,  sind  wohl 
besser  aus  dem  Spiele  zu  lassen,  da  man  es  dabei  vielleicht  nur  mit  einer 
einfachen  Nachstellung  des  Adj.  zu  tun  hat,  wie  gleich  Stoffels  nächstes 
Beispiel  (S.  19)  aus  Chaucers  Troilus  &  Criseyde  II  862 — 4  einen  solchen 
Fall  zeigt:  What  is  the  sonne  wers,  of  kinde  righte,  Though  tltat  a  man, 
for  feblesse  of  yen,  May  not  endure  on  it  to  see  for  brighte.  Hier  steht 
of  kinde  righte  des  Reimes  wegen  offenbar  für  of  righte  kinde  =  'nach 
(od.  zu)  ihrer  wahren  Natur'.  Man  tut  daher  wohl  gut,  Beispiele,  wo  mit 
dem  in  Frage  kommenden  Adjektiv  noch  ein  Substantiv  verbunden  ist, 
als  nicht  völlig  sicher  auszuscheiden.  Dagegen  ist  das  for  brighte  in 
diesem  letzteren  Citat  klar  genug:  hier  kann  bright  nur  für  brightness 
stehen,  wie  ja  auch  noch  im  Ne.  for  short  statt  for  shortness'  sake 
gebraucht  wird.  Stoffel  sieht  also  in  diesem  for  die  Präposition  in  ihrer 
kausalen  Bedeutung  'wegen'  und  in  dem  substantivierten  Adjektiv  ihren 
Kasus.  Von  manchen  Erklärern  ist  dieses  for  aber  mit  dem  alten  Präfix 
for-  =  very  verwechselt  worden,  wie  es  z.  B.  im  NED.  bei  for-dull,  for- 
cold  belegt  ist.  Auch  in  fünf  Chaucerschen  Stellen  glauben  Skeat  und 
das  NED.  for  =  very  annehmen  zu  sollen,  während  Stoffel,  for  als  Prä- 
position =  'wegen'  auffassend,  die  Stellen  entsprechend  anders  erklärt. 
Es  sind  folgende: 

1)  Rom.  of  the  Rose,  A  355  f.: 

Ful  salowe  was  waxen  hir  colour 

Hir  heed  for  hoor  was  whyt  as  flour. 

2)  Cant.  Tales,  A  2142  ff.: 

He  hadde  a  beres  skin,  col-blak  for  old; 
His  lange  heer  was  ktmbd  bihind  his  bak, 
As  any  ravenes  felher  it  shoon  for  black. 

3)  ib.  A  3120: 

The  Miller  that  for  dronken  icas  al  pale 

4)  ib.  A  4150: 

Ful  pale  he  was  for  dronken  and  nat  reed. 

5)  ib.  F  409  ff.: 

Amydde  a  free  for  drye  as  whyt  as  chalk, 
As   Canacee  was  pleying  in  hir  walk, 
Ther  sat  a  faucon  over  hir  heed  ful  hye. 

Mir  scheint  es  zweifellos,  dafs  Stoffels  Erklärungen  von  for  hoor  = 
on  account  of  old  age,  for  old  =  on  aecount  of  being  so  very  old,  for  black 
=  on  acc.  of  blackness,  for  dronken  =  on  acc.  of  drunkenness,  for  drye  = 
on  acc.  of  dryness  richtig  sind.  Aber  er  hätte  gut  getan,  den  in  allen 
diesen  Beispielen  erkennbaren  Typus  klar  aufzustellen :  Jemand  (od.  etwas) 
ist  so  oder  so,  resp.  tut  dies  oder  das,  wegen  dieses  oder  jenes  Um- 
Standes. 


174  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Läfst  man  sich  von  dieser  Auffassung  leiten,  so  ergeben  die  fünf 
Stellen  auf  leichte  und  ungezwungene,  in  grammatischer  und  stilistischer 
Beziehung  durchaus  befriedigende  Art  guten  Sinn,  während  man  das  von 
der  Erklärung  mittels  for  =  very  nicht  behaupten  kann.  Nur  wo  der 
aufgestellte  allgemeine  Typus  nicht  zu  erkennen  ist,  können  Zweifel  be- 
stehen, ob  das  for  so  oder  anders  zu  verstehen  sei.  Die  Chaucerschen 
Beispiele  aber,  gerade  wie  for  pure  ashamed  =  from  very  shamefastness, 
sind  meines  Erachtens  von  Stoffel  richtig  erkannt  worden.  Auf  seine 
sehr  ausführliche  Erörterung  hierüber  näher  einzugehen,  würde  zu  weit 
führen;  manches  davon,  scheint  mir,  wäre  vielleicht  auch  unnötig  ge- 
Avesen,  wenn  er  sich  über  den  zu  Grunde  liegenden  Typus  klarer  Rechen- 
schaft abgelegt  hätte. 

Nach  diesen  Exkursen  kehrt  Stoffel  noch  einmal  zu  pure  zurück  und 
zeigt,  dafs  im  18.  Jahrhundert  purely  auch  =  completely  oder  perfectly 
tvell  von  dem  Befinden  gebraucht  wurde,  was  sich  später  in  Thackerays 
Virginians  nachgeahmt  findet:  How  are  the  ladies?  Purely?  Heutzutage 
sei  dieser  Gebrauch  vulgär:  /  hope  the  ladies  are  all  pure  (Notes  and 
Queries  6,  1897,  377a).  Wohl  aber  werde  vor  Adjektiven  purely  zuweilen 
sogar  in  der  Adjektivform  =  completely,  perfectly  noch  in  neuerer  Zeit  oft 
genug  gebraucht:  a  purely  accidental  meeting;  und:  Mrs.  Talbot  is  pure 
well  (Miss  Oarter's  Letters  III,  198).  Sogar  =  nice  'famos,  prächtig'  sei 
es  im  17.  und  18.  Jahrhundert  vorgekommen,  z.  B.  ironisch:  you're  a 
pure  man  (sauberer  Bruder);  —  Well,  that  will  be  pure!  —  Lewis  told 
me  a  pure  thing!  —  Iwalked  purely  to-day  about  the  Park  (Stoffel  S.  28). 
Das  moderne  capital  scheint  mir  diesen  früheren  Sinn  des  pure  meist 
besser  zu  treffen   als  das  zu  matte  nice,  welchem  Stoffel  es   gleichsetzt. 

Stoffel  geht  dann  über  zu  very.  Er  findet,  dafs  es  vor  dem  16.  Jahr- 
hundert nur  in  der  Bedeutung  true,  real,  genuine,  nicht  aber  als  Inten- 
sivuni (=  sehr)  gebraucht  wurde.  Mir  scheint  es  mifslich,  das  Aufkommen 
einer  neuen  Bedeutung  zeitlich  so  fixieren  zu  wollen.  Ist  nicht  die  Evo- 
lution solcher  neuen  Bedeutungsschattierungen  immer  eine  ganz  allmäh- 
liche?  Ginge  es  z.  B.  nicht  an,  in  den  C.  T.  (Man  of  Lawe's  Tale,  E  342  f.): 

Thise  am  the  wordes  that  this  markis  sayde 
To  this  benigne  verr  ay  feithful  mayde 

verray  schon  =  sehr  zu  verstehen?  Andererseits  freilich  erscheint  es  mir 
gerade  bei  very  gar  nicht  so  ungeheuerlich,  zu  fragen,  ob  für  das  eng- 
lische Sprachbewufstsein  überhaupt  eine  so  deutliche  Evolution  statt- 
gefunden habe.  Wenn  wir  noch  in  Shak.s  Merchant  of  Venice  III,  225 
lesen  :  by  your  leave  I  bid  my  very  (=  true)  friends  and  countrymen,  Sweet 
Portio,  welcome  und  dazu  auch  Fälle  wie  my  very  friends  have  forsaken 
me  vergleichen,  wo  das  Adjektiv  very  zwar  durch  unser  Adverb  sogar 
wiedergegeben  wird,  wo  aber  dem  Engländer  recht  wohl  etwas  vorschweben 
kann,  wie  wir  es  etwa  ausdrücken  in:  die  richtige  (d.  h.  real)  Mutter  hat 
ihr  Kind  so  mifshandelt;  wenn  wir  ferner  Fälle  heranziehen  wie:  on  the 
very  spot,  in  the  very  act  und  ähnliche,   wo   die  Echtheit  sich   bis  zur 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  175 

Identität  steigert,  so  kann  man  wohl  auf  den  Gedanken  kommen,  dafs 
auch  in  den  Fällen,  wo  andere  Sprachen  ein  besonderes  Wort  wie  sehr, 
tres,  molto,  muy  usw.  statt  very  verwenden  {very  tall,  very  late  usw.), 
dem  englischen  Sprachbewufstsein  nach  wie  vor  very  =  truly,  really  vor- 
schwebt, natürlich  nicht  mehr  so  deutlich  und  kräftig  wie  früher,  sondern 
etwas  abgeschwächt. 

Wäre  unser  wahrhaft  auch  schon  so  verblafst  wie  very,  so  würden 
wir  in  solchen  Fällen  gar  nicht  nötig  haben,  für  very  zu  unserem  'sehr' 
zu  greifen.  Kurz,  eine  Abschwächung  in  very  =  sehr  im  Vergleich  zu  very 
=  truly ,  real,  genuine  soll  nicht  bestritten  werdei ,  aber  1)  scheint  sie 
mir  nicht  so  grofs,  dafs  man  in  dem  modernen  very  =  sehr  eine  wesent- 
lich neue  Bedeutung  erblicken  müfste,  und  2)  läfst  sich  ihr  Auftreten 
schwerlich  ganz  genau  datieren. 

Verfasser  meint  dann  S.  32  weiter,  in  Wendungen  wie  on  this  very 
spot,  in  the  very  act,  the  very  thing  I  was  going  to  say,  this  is  ttie  very 
man  I  want,  to  cid  to  the  very  hone,  the  house  shook  to  its  very  foundations 
sei  very  ein  word-sentence-modifying  adj.,  d.  h.  ein  Wort,  welches  nicht 
nur  als  Adjektiv  das  folgende  Substantiv,  sondern  auch  als  Adverb  die 
ganze  Satzaussage  näher  bestimmt.  Mir  will  das  nicht  recht  einleuchten. 
Wenn  ein  Satzinhalt  näher  bestimmt  wird,  so  wird  doch  wohl  in  erster  Linie 
das  Verb  als  Träger  des  Satzinhaltes  bestimmt.  Aber  z.  B.  in  dem  Satze 
the  house  shook  to  its  very  foundations  soll  meines  Erachtens  kein  Nach- 
druck darauf  gelegt  werden,  dafs  das  Haus  erbebte  (bei  Erschütterungen 
erbebt  ja  jedes  Haus),  sondern  darauf,  dafs  es  bis  in  seine  Grundfesten 
selbst  erbebte ;  dadurch  allein  wird  die  Ursache  als  eine  besonders  heftige 
Erschütterung  hingestellt.  Und  wie  steht  es  nun  gar  in  Wendungen  wie 
he  is  the  very  man  I  wantt  Da  heifst  the  very  man  nur:  gerade  der 
Mann,  der  richtige  Mann,  und  soweit  ich  es  zu  erkennen  vermag,  dient 
hier  very  nur  als  Bestimmung  zu  man,  nicht  aber  zur  Bekräftigung  der 
ganzen  Aussage :  etwa  =  truly  he  is  the  man  I  ivant. 

Der  älteste  und  stärkste  Sinn,  der  sich  aus  very  =  true,  real,  genuine 
ergab,  war  nach  Stoffel  (S.  33)  absolutely,  completely,  quite.  Ich  weifs 
nicht,  ob  wir  nicht,  wie  schon  angedeutet,  einfacher  und  vielleicht  mit 
mehr  Recht  sagen  können,  very  heifse  auch  als  Intensivum  immer  nur 
truly,  really,  wenn  auch  mehr  oder  weniger  abgeschwächt.  Dafs  hier 
und  da  einmal  just  oder  precisely  es  nach  modernem  Sprachgebrauch 
besser  vertreten,  ändert  daran  nichts,  denn  just  und  precisely  ergeben  sich 
unschwer  aus  der  Bedeutung  true.  So  möchte  ich  also  Ausdrücke  wie 
the  very  first,  last,  next,  same,  best  (überhaupt  very  vor  Superlativen,  wo 
sich  nach  Stoffel  allein  noch  der  älteste,  stärkste  Sinn  von  very  bis  jetzt 
erhalten  haben  soll)  lieber  erklären  als  really  oder  truly  the  first,  best  usw. 
statt  absolutely  the  first  usw.,  denn  really  oder  truly  wird,  wie  mir  scheint, 
dem  Sinne  vollauf  gerecht  und  hat  den  Umstand  für  sich,  dafs  es  sich 
an  die  eigentliche  Grundbedeutung  enger  anlehnt  als  completely,  absolutely, 
quite,  die  doch  gegen  very  =  true,  really,  genuine  erst  noch  eine  Sinnes- 
steigerung oder  doch  -änderung  bedeuten.    So  lassen  sich  also  meines  Er- 


176  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

achtens  auch  die  von  Stoffel  (S.  33)  angeführten  Sh.schen  Beispiele  sinn- 
gemäfs  unischreiben:  Oth.  I,  1,  88:  Now,  very  now  =  precisely  oder  just 
now ;  Lear  V,  3.  294 :  He  knows  not  what  he  says,  and  vain  is  it,  That  we 
present  us  to  him.  —  Edgar:  Very  bootless  =  really  bootless.  —  Meas.  for 
Meas.  IV,  3,  40:  Is  the  axe  upon  tlie  block,  sirrah?  Very  ready,  sir  =  truly 
ready,  sir.  In  dem  letzten  Beispiel  möchte  man  nach  modernem  Sprach- 
gebrauch gewifs  lieber  umschreiben:  quite  ready,  und  das  würde  Stoffels 
Ansicht  bestätigen ;  aber  wir  finden  neben  Ausdrücken  wie  I  hope  he  is 
quite  well  auch  noch  oft  genug  /  hope  he  is  very  well.  Wäre  nicht  noch 
ein,  wenn  auch  leiser  Bedeutungsunterschied  hier  zwischen  very  und  quite 
für  das  englische  Sprachgefühl  vorhanden,  so  hätte  doch  wohl  dieses  very 
sich  neben  quite  schwerlich  bis  in  das  neueste  Englisch  lebendig  erhalten 
können.  Deshalb,  glaube  ich,  ist  es  ratsamer,  z.  B.  das  very  ready  nicht 
=  quite  ready,  sondern  =  truly  ready  zu  verstehen.  Mag  der  Unterschied 
auch  gering  sein,  mir  scheint  er  doch  vorhanden  zu  sein. 

Die  Frage  Is  the  axe  upon  the  block,  sirrah?  wird  von  Abhorson,  dem 
Scharfrichter,  an  Pompey,  den  Diener  oder  vielmehr  Zuhälter  der  Mrs. 
Overdone,  gerichtet.  Dieser  Pompey  ist  eine  komische  Figur,  und  wenn 
wir  in  seine  Antwort  quite  statt  very  einsetzten,  so  würde,  scheint  mir, 
eine  gewollte,  in  dem  Munde  dieses  Menschen  komisch  wirkende  Nuance 
verloren  gehen.  Der  Scharfrichter  spricht  wie  ein  grofser  Herr  und  redet 
den  Diener  mit  sirrah  an,  und  Pompey  in  seiner  neuen  Stellung  als 
Scharf richterlehrling  versucht,  sich  recht  gewählt  auszudrücken,  deshalb 
sagt  er:  very  ready.  Quite  ready  würde  dagegen  als  Antwort  gerade  in 
dem  Munde  dieses  immer  cynischen,  immer  witzelnden  Lumpen  zu  schlicht 
und  farblos,  zu  nüchtern  und  vernünftig  klingen. 

Ehe  wir  very  verlassen,  möchte  ich  noch  einen  Punkt  erwähnen,  wo 
ich  anderer  Ansicht  bin  als  Stoffel.  Er  erblickt  in  Ausdrucksweisen  wie 
she  is  pretty  —  very,  wie  sie  sich  in  neuerer  Zeit  so  oft  finden,  eine  blofse 
Nachstellung  des  very  zum  Zweck  besonderer  Hervorhebung.  Ich  glaube 
aber,  dafs  wir  es  hier  mit  einer  Ellipse  zu  tun  haben,  und  dafs  hinter 
dem  very  einfach  die  Wiederholung  des  so  leicht  zu  ergänzenden,  weil 
schon  einmal  genannten  Adjektivs  unterblieben  ist,  gerade  wie  wir  auch 
sagen  können :  es  war  langweilig  —  schrecklich,  d.  h.  langweilig,  schreck- 
lich langweilig.  Dafs  hier  keine  Nachstellung  von  very  vorliegt,  scheint 
mir  genügend  klar  daraus  hervorzugehen,  dafs  sich  überall  davor  eine 
durch  Komma  oder  Gedankenstrich  angedeutete  Pause  findet. 

Das  nächste  Intensivum  bei  Stoffel  ist  right.  Das  ae.  Adj.  rihte,  führt 
er  aus,  sei  nicht  Intensivum  gewesen,  sondern  habe  nur  mit  Recht, 
richtig,  zutreffend  bedeutet.  Aber  schon  in  Piers  the  Ploughman 
komme  es  auch  =  very  vor  (z.  B.  X,  259  he  that  is  rijte  ryche);  auch 
schon  =  the  same  (B  XVII,  48 :  Thanne  seye  we  a  Samaritan  . . .  Ry- 
dynge  ...the  rijt  weye  we  jeden.)  Bei  Chaucer  finde  sich:  right  now  =  Shak.s 
very  notv  (just  now)  und:  he  nas  nat  right  fat.  Von  der  Mitte  des 
15.  Jahrhunderts  ab  werde  right  dann  regelmäfsig  als  Intensivum  ver- 
wendet, und  es  erreichte  im  frühen  Ne.  die  gröfste  Beliebtheit,   während 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  177 

es  nach  des  Verfassers  Meinung  im  jetzigen  Englisch  auf  gewisse  Titula- 
turen (Right  Hon.,  Rer1'.,  Worshipful)  beschränkt,  im  übrigen  aber  ein 
bewufster  Archaismus  sei.  Gewifs  fehlt  es  an  solchen  bewufst  altertümeln- 
den  Verwendungen  nicht.  Statt  right  soon  sagt  man  jetzt  in  der  Regel 
very  soon,  und  wer  right  soon  sagt  oder  schreibt,  tut  das  mit  einer  ge- 
wissen Absicht,  vielleicht  weniger,  um  sich  altertümlich  auszudrücken,  als 
um  nur  ein  wenig  anders  als  andere  zu  reden.  Ebenso  steht  es  mit  den 
anderen  Beispielen,  die  Stoffel  anführt:  right  quichly,  right  royally,  right 
few.  Aber  auch  hier  steigt  einem  bald  noch  ein  anderer  Zweifel  auf. 
Wenn  man  bedenkt,  in  wie  vielen  Fällen  right  als  A  lv.  in  seiner  starken 
ursprünglichen  Bedeutung:  recht,  richtig,  zutreffend,  völlig,  genau  u.  ähnl. 
verwendet  wird  {right  up,  out,  on,  over  down  there;  he  said  it  right  off; 
he  went  right  aicay;  right  over  the  way,  right  ahead;  he  was  shot  right 
through  the  keart;  he  broke  his  leg  right  over  the  knee;  outright,  doivnright, 
mit  nachgestelltem  right)  so  zeigt  das  zunächst,  dafs  right  durchaus  nicht 
immer  altertümlich  wirkt,  und  spricht  doch  auch  für  die  Annahme,  dafs 
der  Engländer  auch  in  den  von  Stoffel  angezogenen  Beispielen  das  right 
noch  als  stärker  empfindet  als  wir  z.  B.  unser  stark  verblafstes  'sehr',  mit 
anderen  Worten,  dafs  dem  englischen  Sprachempfinden  right  soon  und 
very  soon,  right  royally  und  very  royally,  right  feto  people  und  very  few 
people  nicht  völlig  gleichbedeutend  sind,  ähnlich  wie  es  mir  vorhin  schien, 
dafs  very  ready  nicht  ohne  weiteres  =  quite  ready  aufzufassen  sei. 

Stoffel  wendet  sich  dann  zu  quite.  Der  Ursprung  des  spätlateinischen 
und  allgemein-romanischen  quittus  sei  noch  nicht  aufgehellt.  Das  Adj. 
cwite,  quyt  sei  schon  in  der  Ancren  Riwle  (ab.  1230)  und  bei  Rob.  of 
Gloucester  belegt  und  heifse  dort:  free,  released,  discharged  from. 
Als  Adverb  begegne  es  in  R.  of  Brunne's  Langtoft  (Skeat  S.  50):  And 
chaced  htm  out  of  Norweie  quyte  &  clene,  wo  es  schon  completely  heifse. 
Die  Evolution  dieser  neuen  Bedeutung  aus  der  ursprünglichen:  'frei,  be- 
freit von'  mufs,  wie  solche  Beispiele  zeigen,  schon  ziemlich  früh  vor  sich 
gegangen  sein.  Auch  in  dem  nicht  Chaucerschen  Teile  des  Rom.  of  the 
Rose  B  2375  kommt  das  Adj.  quyte  =  entire,  perfect  vor:  Therfore  yeve 
it  hool  &  quyte,  und  entsprechend  quitly  —  entirely:  ib.  C  5843:  ...  he 
hath  geten  a  peny  or  two,  That  quitly  is  his  own  in  hold. 

Um  uns  diesen  Bedeutungswandel  verständlicher  zu  machen,  glaubt 
Stoffel  auf  elean  hinweisen  zu  können,  welches  ja  auch  ähnlich  zu  einem 
Intensivum  =  völlig  geworden  sei.  Aber  bei  elean  liegt  die  Sache  doch 
anders.  Sagen  wir:  it's  elean  eontrary,  rein  oder  völlig  entgegengesetzt, 
so  können  wir  zur  Not  elean  noch  ganz  wörtlich  nehmen:  der  Gegensatz 
ist  ein  ungemischter,  reiner,  d.  h.  kein  Schimmer  einer  Übereinstimmung 
ist  mehr  mit  ihm  verbunden.  Aber  wenn  Stoffel  S.  39  meint:  'quite  in 
exactly  the  same  way,  from  expressing  a  state  of  being  completely  released 
from  a  person  or  thing,  has  come  to  be  used  as  an  adverb  of  intensity 
with  the  sense  of  completely,  entirely,'  so  übersieht  er,  dafs  er  selber  zu 
released  das  completely  hinzugesetzt  hat  (quittus  =  freed,  released, 
discharged  from),   und   dafs   er   nun    mit   doch    wohl   etwas   zu   kühnem 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  12 


178  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Sprunge  annimmt,  quite  habe  schliefslich  seine  eigentliche  Bedeutung 
freed,  released  über  Bord  geworfen  und  das  ihm  willkürlich  hinzu- 
gefügte completely  als  neue  Bedeutung  angenommen.  Das  wäre  etwa  so 
—  um  es  an  einem  krassen  und  übertriebenen  Beispiel  recht  greifbar  zu 
machen  — ,  als  wenn  die  Verbindung  hocherfreut  schliefslich  dahin 
gelangte,  nicht  mehr  einen  Grad  von  Freude,  sondern  blofs  noch  Höhe 
zu  bedeuten.  Tatsächlich  also  trägt  die  Vergleichung  mit  clean  wenig 
oder  nichts  dazu  bei,  uns  den  Bedeutungswandel  von  'befreit'  zu  'völ- 
lig, ganz'  verständlicher  zu  machen.  Dafs  er  stattgefunden  hat,  ist  ja 
nicht  anzuzweifeln,  aber  wann,  wie  und  wo  er  vor  sich  gegangen  ist,  bleibt 
vorläufig  noch  eine  offene  Frage. 

Bei  Shak.,  in  der  Bibel,  sowie  bei  Milton  heifst  quite  durchweg  com- 
pletely, entirely.  Aber  im  18.  Jahrhundert  trat  dann  eine  weitere  Änderung 
in  der  Verwendung  dieses  Wortes  ein.  Bis  dahin,  sagt  der  Verfasser,  sei 
es  nur  'word-modifier'  gewesen;  von  nun  ab  trete  es  auch  als  'sentence- 
modifier'  auf.  Im  Anschlufs  an  die  Ausführungen  in  Sweets  New  English 
Grammar  legt  Stoffel  grofses  Gewicht  auf  die  saubere  Unterscheidung  der 
verschiedenen  Verwendungsarten  der  Adverbien  als  word-modifiers  (He 
acted  wisely  in  whatever  he  undertook),  sentence-modifiers  (He  wisely  ab- 
stained  from  interfering  between  them)  und  word- sentence-modifiers. 
Wortbestimmend  erhalten  die  Adverbien  im  Vergleich  zu  dem  bestim- 
menden Wort  stärkere  Betonung,  satzbestimmend  seien  sie  in  der  Regel 
schwach  betont.  Stoffel  sagt,  dies  sei  ein  ganz  brauchbares  Prüfungs- 
mittel, um  die  Funktion  des  Adverbs  zu  erkennen,  wenn  er  sich  auch 
nicht  verhehlt,  dafs  es  nicht  in  allen  Fällen  verläfslich  ist,  denn  zuweilen, 
z.  B.  'for  rhetorical  reasons',  können  auch  sentence-modifiers  stärker  be- 
tont werden.  So  könne  man  auch  sagen:  He  wisely  abstained  from 
interfering,  wo  es  gelte,  z.  B.  einem  Widerspruche  zu  begegnen  oder  einen 
Gegensatz  zu  betonen.  Die  Brauchbarkeit  dieser  Probe  ist  also  beschränkt. 
Ein  weiteres  Mittel  zur  Funktionsbestimmung  der  Adverbien  erblickt 
dann  Stoffel  auch  in  der  Stellung  derselben.  Wortbestimmend  stehen  sie 
immer  hinter  dem  Begriffsverb  und  in  der  Regel  vor  Adjektiven  und  an- 
deren Adverbien.  In  /  saw  him  only  yesterday  (=  /  saw  him  no  longer 
ago  than  yesterday)  modifiziere  only  das  Adv.  yesterday;  dagegen  in  I  only 
saw  him  yesterday  (=  /  did  not  see  him  before  yesterday)  sei  only  ein  sen- 
tence-modifier.  Gewifs  liegt  hierin  insofern  etwas  Wahres,  als  Stoffel  die 
Sache  darstellt,  wie  sie  vom  streng  grammatischen  Standpunkt  sein  sollte. 
Aber  in  der  Praxis  gestaltet  sie  sich  oft  anders,  denn  die  Regel  wird  nach 
meiner  Beobachtung  beim  Sprechen  und  in  der  Literatur  nicht  genau  be- 
folgt. /  only  saw  him  yesterday  wird  oft  genug  =  /  saw  him  only  yester- 
day =  erst  gestern  (d.  h.  'es  ist  noch  nicht  länger  her,  dafs  ich  ihn  sah) 
gebraucht,  gerade  wie  auch  =  ich  sah  ihn  nur  gestern  (d.  h.  gestern  zum 
ersten  und  einzigen  Male).  Dazu  kommt,  dafs  bekanntlich  only  auch 
hinter  yesterday  treten  kann :  /  saw  him  yesterday  only.  Hier  kommt  dann 
viel  auf  die  Betonung  an :  yesterday  only  =  einzig  und  allein  gestern ; 
yesterday  only  kann,  wenn  auch  weniger  nachdrücklich,  dasselbe  heifsen. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  179 

aber  auch:  erat  gestern.  Solange  die  Sprache  ohne  Angabe  der  Betonung 
geschrieben  wird,  läfst  sich  aus  der  blofsen  Wortstellung  mit  Sicherheit 
wenig  schliefsen,  so  dafs  auch  das  zweite  Prüfungsmittel  für  die  Funktions- 
bestimmung der  Adverbien  nicht  zuverlässiger  erscheint  als  das  erste. 

Da  die  Betonung  der  Wörter  im  Satze  im  Vergleich  zueinander  nicht 
blofs  hier  bei  quite,  sondern  auch  an  verschiedenen  anderen  Stellen  in 
Stoffels  Untersuchung  eine  wichtige  Rolle  zugewiesen  erhält,  so  möchte 
ich  hier  gleich  bemerken,  dafs  ich  von  der  Richtigkeit  der  Ansichten  des 
Verfassers  hierüber  nicht  überall  überzeugt  bin,  zuweilen  sogar  ihnen 
direkt  widersprechen  mufs.  Wenn  er  an  einer  späteren  Stelle  (S.  110) 
meint,  as  komme  in  manchen  (nicht  blofs  ad  hoc  konstruierten)  Fällen 
stark  (sogar  abnorm)  betont  vor,  z.  B.  in  She  tvas  as  clever  as  Mrs.  H. 
(um  nur  die  Gleichheit  an  cleverness  zu  betonen),  so  halte  ich  auch  dieses 
as  für  stets  relativ  schwach  betont.  Jedenfalls  bleibt  bei  einer  so  weit- 
gehenden Benutzung  der  Satzbetonung  als  Grundlage  für  gewisse  Folge- 
rungen zu  bedenken,  dafs  man  sich  dabei  auf  sehr  schwankendem  Boden 
befindet,  denn  die  Betonung  im  Satze  wird  nicht  allein  von  dem  aus- 
zudrückenden Sinne,  sondern  auch  sehr  durch  die  individuelle  Eigenart 
und  durch  die  Stimmung  des  Sprechenden,  ja  auch  von  der  Mode  und 
mancherlei  anderen  Verhältnissen  bestimmt,  z.  B.  dadurch,  ob  irgend  einem 
ausgesprochenen  oder  zu  erwartenden  Widerspruche  begegnet  werden  soll. 
Diese  letztere  Möglichkeit  hat,  wie  wir  sahen,  Stoffel  selber  berührt,  wenn 
auch  nur  nebenher  und  ohne  sich  dadurch  merklich  beeinflussen  zu  lassen. 
Die  mancherlei  anderen  Ursachen  für  die  Schwankungen  in  den  Satz- 
betonungsverhältnissen hat  er  meines  Erachtens  nicht  genügend  berück- 
sichtigt. Das  scheint  mir  einer  der  besserungsfähigen  Punkte  seiner  Ar- 
beit zu  sein.  Manches,  was  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  anfechtbar 
erscheint,  werde  ich  daher  nicht  weiter  erörtern,  wenn  nicht  besondere 
Gründe  es  erfordern. 

Doch  nun  zurück  zu  quite.  Stoffel  weist  treffend  darauf  hin  (S.  43  f.), 
dafs  quite  oft  noch  in  seinem  eigentlichen  Sinne  completely  gebraucht 
wird,  oft  aber  auch,  um  nur  noch  einen  gewissen  Grad  einer  Eigenschaft 
anzudeuten,  z.  B.  wenn  wir  zu  einem  eben  Eintretenden  sagen:  You  are 
qtiite  wet,  I  declare;  I  did  n't  know  it  was  raining.  Nicht  'völlig  nafs, 
bis  auf  die  Haut  durchnäfst'  soll  quite  wet  hier  ausdrücken,  sondern 
nur  einen  gewissen  Grad  von  Nässe  oder  gar  nur  von  Feuchtigkeit.  Die 
Bedeutung  dieses  quite  liegt  nach  Stoffel  irgendwo  zwischen  altogether  und 
somewhat.  Deutsch  läfst  es  sich  recht  verschieden  wiedergeben,  z.  B. 
durch  das  ebenso  abgeschwächte  ganz,  durch  ziemlich  (walking  has 
made  me  quite  tvarm),  durch  einigermafsen  (quite  frightened),  oft  auch 
durch  recht  oder  sehr  (it  was  quite  late  in  the  evening).  Stoffel  findet 
nun,  dafs  z.  B.  in  'You  are  quite  icet,  I  declare'  quite  das  wet  tatsäch- 
lich gar  nicht  mehr  bestimme,  sondern  ausschliefslich  eine  modale  Funktion 
ausübe.  Wenn  wir  das  so  verstehen,  dals  hier  quite  hauptsächlich  dazu 
dient,  der  ganzen  Aussage  das  Gepräge  der  individuellen  Stimmung  resp. 
der   Wirkung   des    auf   den    Sprechenden    hervorgebrachten   persönlichen 

12* 


180  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Eindrucks  zu  verleihen,  so  kann  man  Stoffel  wohl  beipflichten ;  aber  mir 
scheint,  dafs  quite  daneben  doch  auch  wet  näher  bestimme,  d.  h.  auch 
Gradbestimmuug  sei.  Die  Überraschung,  dafs  man  jemand  nafs  findet, 
wenn  man  gar  nicht  gewufst  hat,  dafs  es  regnet,  läfst  sich  ja  auch  auf 
andere  Weise  ausdrücken :  I  am  very  much  surprised  to  find  that  yoii  are 
wet,  I  did  n't  know  that  it  was  raining ;  aber  irgend  eine  Ausdrucksweise, 
wo  you  are  wet  ohne  quite  steht,  sagt  doch  nicht  ganz  dasselbe  wie  die 
mit  quite.  Quite  gibt  eben  zu  verstehen,  dafs  einem  der  Grad  der 
Nässe,  wo  man  doch  von  dem  Regen  überhaupt  nichts  wufste,  verhältnis- 
mäfsig  bedeutend  vorkommt.  Es  läfst  also  auf  einen  verhältnismäfsig 
heftigen  oder  länger  andauernden  Regen  schliefsen.  In  der  vorhin  ge- 
gebenen Umschreibung  kommt  jedoch  lediglich  die  lebhafte  Überraschung 
zum  Ausdruck,  dafs  es  regnet,  ohne  dafs  man  es  bisher  gemerkt  hat,  oder 
dafs  man  so  achtlos  gewesen  ist,  den  Regen  gar  nicht  zu  bemerken. 

Stoffel  verfolgt  dann  den  weiteren  Verlauf  dieses  zuerst  im  18.  Jahr- 
hundert zu  beobachtenden  Abschwächungsprozesses  und  der  damit  ver- 
bundenen Bedeutungsänderung  von  quite.  In  der  zweiten  Hälfte  des 
18.  Jahrhunderts  habe  man  angefangen,  darüber  in  England  Lärm  zu 
schlagen.  Zwar  sei  man  davon  zurückgekommen,  in  dieser  Verwendung 
von  quite  einen  Amerikanismus  zu  erblicken,  aber  man  regte  sich  dar- 
über auf  und  verwarf  sie,  wie  R.  G.  White  (Words  and  their  Uses,  1881) 
zeigt.  Wenn  White  (vgl.  S.  45)  übrigens  gegen  quite  a  number  mit 
der  Bemerkung  loszieht,  dafs  number  wegen  seiner  Unbestimmtheit 
nicht  korrekt  durch  quite  bestimmt  werden  könne,  so  übersieht  er  dabei 
einen  wichtigen  Umstand.  In  der  so  häufigen  Phrase  quite  a  number 
heilst  number  immer  so  viel  wie:  eine  (wenigstens  unter  den  obwaltenden 
Umständen)  beträchtliche  Zahl,  und  nicht  die  Unbestimmtheit  von 
number,  sondern  ihre  überraschende,  verhältnismäfsige  Gröfse  soll  durch 
quite  bestimmt  werden.  Das  älteste  Stoffel  bekannt  gewordene  Beispiel 
eines  derartigen  quite  steht  in  Richardsons  Pamela  {he  grows  quite  a 
rake;  s.  die  ganze  Stelle  bei  Stoffel  S.  46).  Hier,  meint  Stoffel  mit  Recht, 
sei  eine  Umschreibung  mit  very  oder  to  a  great  extent  nicht  angängig; 
quite  sei  hier  vielmehr  =  actually,  welches  ja  auch  ähnlich  modal  ge- 
braucht vorkomme,  um  zur  Bekräftigung  zu  dienen  und  die  Sache  zu- 
gleich als  überraschend  oder  unerwartet  hinzustellen.  Deutsch  wird  in 
solchen  Fällen  oft  'ein  richtiger'  das  quite  besser  wiedergeben  als  das 
Adv.  wirklich:  quite  a  rake,  'ein  richtiger  Wüstling'. 

Zu  dem  Beispiel,  welches  Flügel  in  seinem  grofsen  Wörterbuche  für 
dieses  quite  aus  Anthony  Trollope  gibt  (I  do  hear  that  she  has  been 
quite  admired),  und  wo  er  das  quite  admired  treffend  mit  'förmlich  be- 
wundert' wiedergibt,  bemerkt  Stoffel  sehr  scharfsinnig  und  richtig,  dafs 
etwa  very  much  statt  quite  hier  einen  ganz  entgegengesetzten  Sinn  er- 
geben würde. 

Stoffels  Verdienst  ist  es,  diese  Erscheinung  zuerst  im  wesentlichen 
richtig  beurteilt  zu  haben,  wenn  man  auch  bei  einigen  der  vielen  bei- 
gebrachten Beispiele  zweifeln  kann,  ob  sie  gerade  diese  Erscheinung  schla- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  181 

gend  veranschaulichen,  oder,  auf  seinen  Ausführungen  fufsend,  dies  oder 
jenes  noch  zur  weiteren  Klärung  hinzuwünschen  möchte.  In  Fällen,  wie 
it  malces  me  quite  icild,  quite  angry  z.  B.,  glaube  ich,  kommen  wir  sehr 
gut  aus,  wenn  wir  quite  einfach  =  completcly ,  cntirely,  natürlich  in 
dem  abgeschwächten  Sinne,  auffassen  und  nicht  mit  Stoffel  annehmen, 
dafs  dabei  auch  noch  angedeutet  werden  soll,  dafs  eine  solche  verhältnis- 
mäfsig  geringfügige  Sache  einen  doch  eigentlich  gar  nicht  so  sehr  aufregen 
sollte.  Das  mag  zuweilen  mit  hindurchklingen,  braucht  es  aber  nicht 
immer  zu  tun.  So  scheint  es,  dafs  man  da,  wo  quite  ein  Adjektiv,  ein 
adjektivisch  gebrauchtes  Partizip  oder  ein  Adverb  hinter  sich  hat,  oft 
besser  mit  der  Bedeutung  very  {very  much),  highly  de*-  richtigen  Sinn  trifft 
als  mit  actually,  really  =  förmlich,  tatsächlich,  d.  h.  dafs  durchaus  nicht 
in  allen  von  dem  Verfasser  aufgeführten  Stellen  Überraschung  {quite  wet), 
Ironie  {quite  admired)  oder  ähnliches  angedeutet  wird.  Z.  B.  in  dem  Satze 
(Edw.  Moore,  The  World  Nr.  97,  1754):  He  took  care  to  engage  my  attention 
by  some  interesting  discourse,  assuring  me,  as  offen  as  I  attempted  to  move, 
that  it  was  quite  early,  genügt  meines  Erachtens  'noch  ganz  früh'  oder 
'noch  sehr  früh'  vollauf  und  scheint  mir  besser  den  Sinn  zu  treffen  als 
die  Stoffeische  deutsche  Wiedergabe:  'Es  ist  faktisch  noch  ganz  früh'. 
Bei  quite  vor  Verben  und  anderen  Wortklassen,  z.  B.  Substantiven  und 
Zahlwörtern,  liegt  die  Sache  meist  einfacher,  obgleich  auch  hier  einige 
der  von  Stoffel  angeführten  Beispiele  sich  anders  auffassen  lassen.  Wenn 
es  in  Dickens'  Gt.  Exp.  81 b  (Househ.  Ed.)  heilst:  Dear  me!  It's  quite  a 
story,  and  shall  be  saved  tili  dinner-time,  so  soll,  das  ist  leicht  zu  erkennen, 
damit  nicht  etwa  blofs  gesagt  werden,  dafs  die  Sache  sich  nicht  so  kurz 
erzählen  läfst,  sondern  auch,  dafs  sie  interessant  oder  amüsant  genug  ist, 
um  als  selbständiges,  würziges  Zwischengericht  beim  Mittag  mit  aufgetischt 
zu  werden.  In  der  Bezeichnung  der  Angelegenheit  als  quite  a  story  wird 
die  individuelle  Auffassung  und  Stellungnahme  (oder  Stimmung)  des 
Redenden  zum  Ausdruck  gebracht,  mit  anderen  Worten :  quite  steht  hier 
in  modaler  Funktion. 

Sagen  wir:  There  were  quite  five  thousand  people  assembled  in  the  big 
hall,  so  steht  quite  in  seinem  eigentlichen  Sinne  'ganz',  d.  h.  an  der  Zahl 
5000  fehlte  nichts,  eher  mögen  es  noch  mehr  gewesen  sein.  Dagegen  in 
there  were  quite  five  persons  present  ivhen  the  concert  began  empfindet  jeder 
die  darin  liegende  Ironie. 

Wird  gesagt :  He  has  quite  convinced  me,  so  steht  quite  im  eigentlichen 
Sinne  =  ganz,  completely,  entirely.  Der  Satz  I  quite  expected  to  find  him 
at  home  drückt  wohl  eher  aus:  ich  erwartete  mit  ziemlicher  Bestimmtheit, 
ihn  zu  Hause  zu  treffen,  und  bin  nun  einigermafsen  überrascht,  dafs  er 
doch  nicht  da  ist.  Also  modal,  ohne  Ironie.  She  was  quite  admired, 
wie  wir  vorhin  sahen:  modal,  mit  feiner,  geschickt  verschleierter  Ironie.  Wie 
verschieden  sind  z.  B.  diese  letzten  drei  Fälle,  und  doch  ist  es  überall  nur 
das  einfache  quite,  das  diese  verschiedenen  Nuancen  bewirkt.  Freilich, 
zu  berücksichtigen  ist  immer  der  Zusammenhang.  Wenn  die  schriftliche 
Darstellung  der  Sprache  genügend   Rücksicht  nähme  auf  die  Betonung 


182  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

nicht  blofs  in  dynamischer,  sondern  auch  in  musikalischer  Beziehung,  so 
hätten  die  Erklärer  leichtere  Arbeit.  So  aber  heifst  es  hier,  wo  doch  die 
Sache  verhältnismäfsig  einfach  liegt,  auch  immer  noch:  Vorsicht,  um  von 
Fall  zu  Fall  zu  entscheiden,  wie  quite  gebraucht  ist. 

Stoffel  geht  dann  (S.  55)  zu  dem  viel  gebrauchten  Ausdruck  quite  a 
gcntleman  über  und  zeigt,  dafs  derselbe  zweierlei  heifsen  kann;  entweder: 
ein  ganzer  oder  wahrer,  echter  gentleman  oder:  ein  unter  den  obwaltenden 
Umständen,  d.  h.  verhältmäfsig  anständiger  oder  feiner  Mann,  der  zwar 
kein  wirklicher  g.  ist,  aber  doch  eine  unerwartete  Ähnlichkeit  mit  einem 
solchen  zeigt.  In  vielen,  aber  nicht  in  allen  Fällen  dürfte  hier  Stoffels 
Betonungstheorie  zutreffen:  quite  a.  g.  gegenüber  quite  a  gentleman. 
Aber  schon  der  Umstand,  dafs  für  quite  a.  g.  auch  a  perfect,  a  thorongh, 
a  true-bred g.,  a  g.  born  and  bred,  und  andererseits:  a  regulär  gentleman, 
in  alltäglichem  Gebrauch  sind,  scheint  zu  beweisen,  dafs  den  Engländern 
der  Ausdruck  quite  a  g.  eben  wegen  der  Unsicherheit  der  Betonung  zu 
wenig  klar  vorkommt,  sonst  hätten  sie  wohl  schwerlich  jene  soviel  ge- 
brauchten, auch  fast  schon  formelhaft  gewordenen  synonymen  Ausdrücke 
daneben  gestellt.  Übrigens  legt  auch  der  feinfühlige,  phonetisch  gründlich 
geschulte  Joh.  Storni  in  solchen  Fällen  nicht  soviel  Wert  auf  die  Be- 
tonung von  quite  wie  Stoffel. 

Um  seine  Betonungstheorie  zu  erläutern  und  zu  stützen,  prüft  Stoffel 
S.  58  ff.  eine  ganze  Reihe  von  Beispielen,  bei  denen  es  sich  auch  wieder- 
holt zeigt,  wie  wenig  er  die  Unsicherheit  der  Betonung  darin  berücksich- 
tigt. Das  genauer  auszuführen,  würde  hier  zu  weit  führen.  Wohl  aber 
mag  noch  bemerkt  werden,  dafs,  wenn  man  einmal  auf  die  Betonung  so- 
viel Gewicht  legt  und  Theorien  darauf  baut,  man  nicht  guttut,  nur  den 
dynamischen  Ton  oder  stress  zu  berücksichtigen,  sondern  davon  sorgfältig 
den  musikalischen  Ton  oder  pitch  getrennt  halten  sollte.  Durch  die  Ver- 
mengung der  beiden,  sich  oft  kreuzenden  oder  durchdringenden  Arten 
sind  schon  viele  schiefe  Urteile  über  Betonungsverhältuisse  veranlafst  wor- 
den. Man  denke  nur  an  die  verschiedenen,  sich  widerstreitenden  Ansichten 
über  die  Betonung  des  Französischen!  Das  läfst  sich  auch  an  quite  vor 
Adjektiv  oder  Adverb  zeigen.  Stoffel  citiert  den  Satz  (S.  60)  The  author 
is  getting  quite  intelligible  towards  the  end  of  the  book  und  meint,  mit 
schwach  betontem  quite  drücke  es  mit  bitterem  Sarkasmus  aus,  dafs  vor- 
her das  Buch  lauter  törichtes,  unverständliches  Zeug  enthalte,  mit  stark 
betontem  quite,  dafs  zwar  hier  und  da  einige  Dunkelheiten  in  dem  Buche 
seien,  dafs  aber  gegen  Ende  des  Buches  alles  klar  und  verständig  sei. 
Hier  also  fehle  der  Sarkasmus  gänzlich.  Recht  hat  er  mit  dieser  Unter- 
scheidung, aber  ob  wir  es  hierbei  ausschliefslich  oder  auch  nur  vorwiegend 
mit  dem  dynamischen  Accent  zu  tun  haben,  das  möchte  ich  bezweifeln. 
Ich  meine,  dafs  es  gerade  in  solchen  Fällen  mindestens  ebensoviel  auf 
den  musikalischen  Accent  oder  pitch  ankommt.  Bemüht  man  sich,  die 
Worte  the  author  is  getting  quite  intelligible  durchweg  in  gleicher 
Tonhöhe  zu  sprechen  und  dabei  das  erste  Mal  quite  dynamisch  schwächer, 
das  zweite  Mal   stärker  als   intelligible  hervorzubringen,  so  kann  man 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  183 

sich  davon  überzeugen,  dafs  uns  weder  das  eine  noch  das  andere  Mal 
völlig  klar  wird,  wie  der  Satz  gemeint  ist.  Jede  Unklarheit  verschwindet 
aber,  sobald  wir  auch  den  musikalischen  Ton  mitwirken  lassen.  Doch 
damit  geraten  wir  auf  das  Gebiet  der  experimentellen  Phonetik  oder  gar 
Physik,  in  welches  ich  mich  hier  nicht  hineinwagen  möchte.  Ich  wollte 
nur  an  einem  Beispiel  zeigen,  dafs  es  für  grammatische  Untersuchungen 
mifslich  ist,  sich  allzusehr  auf  die  Satzbetonung  zu  stützen.  Der  Philo- 
loge braucht  deshalb  aber  nicht  auf  die  Ergründung  solcher,  den  wirklich 
beabsichtigten  Sinn  offenbarenden  Feinheiten  zu  verzichten;  der  Zusam- 
menhang wird  in  den  weitaus  meisten  Fällen  ihn  genügend  leiten  und 
beraten.  Aus  dem  Zusammenhang  herausgerissene  Srtze  lassen  sich  leicht 
anders  verstehen,  als  der  Schriftsteller  sie  verstanden  wissen  wollte.  An- 
zuerkennen ist,  dafs  Stoffel,  dies  wohl  fühlend,  fast  durchweg  den  Leser 
über  den  Zusammenhang  seiner  Beispiele  genügend  aufklärt. 

Auf  S.  62  möchte  Stoffel  auf  Grund  seiner  bisherigen  Ausführungen 
nun  auch  z.  B.  zwischen  quite  a  young  lad  und  a  quite  young  lad 
sauber  den  Unterschied  feststellen.  In  dem  letzteren  Ausdruck  könne 
quite  leicht  mit  dem  stark  betonten  word-modifier  (wie  in  a  quite  un- 
answerable  objection)  verwechselt  werden;  d.  h.  doch  wohl,  hier  sei  quite 
gewöhnlich  stark  betont  und  es  heifse  also:  'ein  ganz  junger  Bursche,' 
während  quite  a  young  lad  eine  gewisse  Überraschung  ausdrücke,  dafs 
solch  ein  junger  Bursche  schon  dies  oder  jenes  tue.  Ich  gebe  zu,  dafs 
solch  ein  Unterschied  gemacht  werden  kann  und  öfter  gemacht  wird. 
Volkstümlich  scheint  mir  aber  das  Vorsetzen  des  Artikels  vor  quite  noch 
nicht  zu  sein,  und  wer  weifs,  ob  es  je  allgemein  üblich  werden  wird.  Sage 
ich  zu  jemand:  You'll  lilce  Mr.  Brown.  He  is  quite  an  old  friend  of  ours, 
so  wird  damit  eine  einfache  Tatsache  ausgesprochen,  ohne  jede  Beimischung 
von  Überraschung  oder  ähnlichem:  'Mr.  Br.  ist  ein  sehr  alter  Freund 
unserer  Familie.'  Nach  Stoffels  Theorie  müfste  es  nun  heifsen:  a  quite 
old  friend  of  ours.  Das  habe  ich  nie  gehört  und,  soviel  ich  weifs,  nie  ge- 
lesen. Am  Schlüsse  seiner  Studie  über  quite  weist  Stoffel  noch  auf  die 
Tatsache  hin,  dafs  quite  in  Vergleichungssätzen  wie:  This  pear  is  quite 
as  sweet  as  the  last  einfach  die  Gleichheit  des  Süfsigkeitsgrades  bei  beiden 
Birnen  ausdrücke,  dafs  dazu  aber  eine  zweifache  Verneinungsform  bestehe: 
this  pear  is  not  quite  so  sweet  as  the  last  und  this  pear  is  not  quite  as 
sweet  as  the  last.  Da  aber  über  den  etwaigen  Unterschied  zwischen  beiden 
sich  erst  urteilen  läfst,  wenn  der  allgemeine  Unterschied  zwischen  not  so 
. . .  as  und  not  as  ...  as  untersucht  ist,  so  kann  hierauf  erst  weiter  unten 
eingegangen  werden. 

Aus  Stoffels  Untersuchung  über  quite  ersehen  wir  also,  dafs  er  die 
verschiedenen  Verwendungen  von  quite  1)  in  dem  ganz  wörtlichen  Sinne 
complete(ly),  thoroughfly),  cntirefly),  2)  in  dem  abgeschwächten  Sinne  (real(ly)), 
emphatically,  highly,  very  und  3)  in  seiner  modalen  Funktion  als  Aus- 
drucksmittel der  individuellen  Stimmung,  der  Überraschung,  des  Zweifels, 
des  Nichtglaubens,  der  Ironie  oder  des  Sarkasmus  richtig  erkennt  und 
durch  zahlreiche  Beispiele  belegt  hat.    Wir  haben  aber  auch  gesehen;  dafs 


184  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

man  in  diesem  oder  jenem  Einzelfalle  zu  anderer  Auffassung  neigen  kann, 
und  dafs  vor  allem  seine  Betonungstheorie  auf  etwas  unsicheren  Füfsen 
zu  stehen  scheint  oder  zum  mindesten  nach  der  Seite  des  mit  hinein- 
spielenden musikalischen  Tones  noch  weiterer  sorgsamer  Untersuchung 
bedarf. 

Zwei  weitere,  sehr  eingehende  Studien  befassen  sich  alsdann  mit  as 
und  so.  Auf  das  NED.  sich  stützend,  gibt  Verf.  zunächst  eine  Geschichte 
dieser  Wörter  und  erinnert  daran,  dafs  so  aus  dem  ae.  swä,  as  aus  ealsiva 
hervorgegangen,  letzteres  also  ursprünglich  ein  verstärktes  so  gewesen  sei. 
Er  beleuchtet  auch  die  korrelativen  Verbindungen  so  ...  as,  as  ...  as, 
as  ...  so  in  ihrer  geschichtlichen  Entwicklung  und  nach  ihrer  Verwen- 
dung in  Sätzen  verschiedener  Qualität.  — -  Storni,  findet  er,  hat  zuerst 
darauf  hingewiesen,  dafs  Wendungen  wie:  a  man  as  busy  as  you  are 
und:  a  man  so  busy  as  you  are  nicht  dasselbe  bedeuten.  Wo  wir  also, 
abweichend  von  der  bisher  mit  grofser  Starrheit  selbst  von  englischen 
Grammatikern  festgehaltenen  Regel,  so  . . .  as  in  affirmativen  Sätzen  finden, 
hat  man  es  mit  besonderen,  anders  gearteten  Fällen  zu  tun. 

Stoffel  zeigt  nun  zunächst  an  dem  einfachen  so,  dafs  es  schon  von 
alters  her  als  grad-  oder  intensitätbestimmendes  demonstratives  Adverb  ge- 
braucht worden  ist.  Sätze  wie:  I  don't  remember,  it' s  so  long  ago 
heifsen  doch  nur :  It's  so  long  ago  that  I  don't  remember.  Überall,  wo  so 
solch  demonstratives,  gradbestimmendes  Adverb  ist,  wird  sich  ein  Folge- 
satz in  irgend  einer  Form  finden  oder  unschwer  ergänzen  lassen.  Er  kann 
auch  die  Form  eines  Infinitivsatzes  haben:  Will  you  be  so  kind  as  to 
shut  the  door?  Danach,  meint  Stoffel,  seien,  wenn  auch  mit  einiger 
Einschränkung,  auch  Stellen  zu  beurteilen  wie  (Macaulay,  Essays  IV,  146) : 
In  a  world  so  füll  of  temptation  as  this;  oder  (Townley  Mysteries  87 
[um  1460]):  Note  who  toould  not  be  glad  that  had  A  Child  so  lufand 
as  thou  art?  Sobald  man  einmal  sein  Augenmerk  darauf  richtet,  fühlt 
man  auch,  dafs  die  Einsetzung  von  as  für  so  in  solchen  Sätzen  nicht  mit 
Sicherheit  denselben  Sinn  ergeben  würde  wie  die  Sätze  mit  so  ...  as, 
und  Stoffel  findet,  dafs  in  bejahten  Sätzen  as  ...  as  schlechthin  die 
Gleichheit  bezeichnet,  so  ...  as  aber  zugleich  auch  auf  den  (hohen)  Grad 
einer  Eigenschaft  hinweist.  A  ivorld  so  fidl  of  temptation  as  this  heifst 
also  nicht  'eine  zweite  Welt,  die  ebenso  voller  Versuchung  ist  wie  diese', 
sondern:  'diese  unsere  Welt  ist  sehr  voll  von  Versuchungen,'  und  der 
Satz  aus  den  Townley  Myst.  heifst:  'Wer  würde  sich  nicht  freuen,  wenn 
er  dich,  du  so  überaus  liebevolles  Kind,  zu  eigen  hätte.' 

Die  vorhin  erwähnte  Einschränkung  liegt  nun  nach  Stoffel  (S.  75) 
darin,  dafs  man  in  Sätzen  wie  den  beiden  letzterwähnten  etwas  nicht  mit 
etwas  anderem,  aufser  ihm  Liegendem,  vergleicht,  sondern  dafs  dieses 
'Etwas'  sein  Mafs,  sein  Vergleichs  -  Standard  in  sich  selbst  hat,  d.  h.  an 
sich  selber  gemessen,  mit  sich  selber  verglichen  wird,  während  bei  as  . . . 
as  eins  mit  einem  anderen  verglichen  und  als  gleich  hingestellt  wird. 
Mit  anderen  Worten:  a  district  as  large  as  Hampshire  ist  nach 
modernem  Sprachgebrauch  ein  anderer  Distrikt,  der  dieselbe  Gröfse  wie  H. 


Beurteilungen  und  kurze    anzeigen.  185 

hat;  a  district  so  large  as  Hampshire  ist  H.  selbst,  dessen  Gröfse 
als  recht  beträchtlich  hingestellt  wird. 

Die  Tendenz  zu  dieser  Differenzierung  von  as  . . .  as  und  so  ...  as 
ist  unverkennbar  im  neueren  Englisch  vorhanden.  Aber  ich  möchte  doch 
nicht  mit  Stoffel  Abweichungen  von  dieser  so  sauber  aufgestellten  Kegel 
(S.  76)  direkt  als  Fehler  bezeichnen.  Er  citiert  zwei  solcher  vermeintlich 
fehlerhaften  Beispiele  (Rev.  of  Reviews,  15/3  1898,  200  a):  It  is  somewhat 
diffictdt  to  speak  of  the  Progress  of  the  World  in  a  month  that  has  been 
characterised  by  as  mtieh  retrogression  as  February  1S98,  gemeint  ist  der 
Februar  1898  selber;  und  nach  Stoffel  müfste  es  richtig  lauten:  by  so 
much  r.  as  F.  1898.  Und  (Academy  28/4  08,  445  b):  Fashionable  life,  opeu 
on  indulgent  terms  to  unencumbered  'brilliant'  persons,  I  coidd  not  endure, 
cven  if  I  had  not  feared  its  demoralising  effect  on  a  character  lohich  re- 
qut'red  looking  after  as  much  as  my  own.  Da  nur  der  eigene  Charakter 
gemeint  ist,  so  verlangt  Stoffel  hier  so  mueh  as.  Aber  wenn  man  auch 
zugeben  wird,  dafs  die  von  Stoffel  erläuterte  Unterscheidung  recht  glück- 
lich und  praktisch  ist,  nötig  scheint  sie  mir  nicht  zu  sein.  In  dem  letzten 
Satze  sagt  z.  B.  jemand,  das  fash.  life  wirke  schädlich  auf  einen  Charakter, 
der  ebensoviel  Kontrolle  verlange  wie  sein  eigener.  Da  der  Betreffende 
keinen  zweiten  Charakter  zum  Vergleich  wirklich  heranzieht,  sondern  in 
dem  ganzen  Ausspruche  nur  den  eigenen  meint,  so  kommt  kein  Mensch 
auf  den  Gedanken,  dafs  seine  Besorgnis  dem  gefährdeten  Charakter  eines 
zweiten  gelten  könnte.  Die  ausgedrückte  Gleichheit  geht  hier  durch  einen 
ganz  leichten  logischen  Schlufs  in  völlige  Identität  über.  Ich  meine  also, 
bei  as  ...  as  kann  man  es  wohl  mit  zwei  Vergleichsobjekten  zu  tun 
haben,  es  brauchen  aber  nicht  notwendig  zwei  zu  sein ;  es  kann  auch  eins 
sein,  welches  nachdrücklich  mit  sich  selber  identifiziert  wird.  Stoffel 
scheint  diese  doppelte  Möglichkeit  nicht  genügend  beachtet  zu  haben.  Wie 
man  früher  bei  solcher  Ausdrucks  weise  logisch  mühelos  auf  die  Identität 
der  Vergleichsglieder  schlofs,  so  tut  man  es  jetzt  noch,  wenn  der  Zusam- 
menhang ein  Mifsverständnis  unmöglich  macht.  Liegt  aber  Identität  vor, 
so  hört  man  z.  B.  aus  as  much  as  ...  nicht  mehr  eine  Vergleichung, 
sondern  nur  noch  das  much,  d.  h.  die  Grad-  oder  Intensitätsbestimmung 
heraus,  mit  anderen  Worten:  man  mag  finden,  dafs  so  ...  as  zur  Grad- 
bezeichnung klarer  und  einfacher  ist,  aber  as  ...  as  kann,  wie  früher 
regelmäfsig,  aufser  seiner  Funktion,  die  Gleichheit  von  zwei  Dingen  zu 
bezeichnen,  auch  immer  noch  die  des  neueren  so  ...  as  verrichten,  d.  h. 
als  Gradausdruck  dienen,  und  Stoffel  geht  doch  wohl  zu  weit,  in  as  ...  as 
statt  dieses  so  ...  as  geradezu  einen  Fehler  zu  erblicken. 

Stoffel  wrendet  sich  dann  zu  einer  Prüfung  von  Wendungen  wie: 
young  as  he  was,  he  was  shrewd  enough  to  under stand  . . .,  wo 
der  Sinn  deutlich  konzessiv  sei:  however  young  he  might  be  etc. 
Oder:  excitable  as  he  was,  he  offen  shocked  his  quiet  friends, 
wo  der  Sinn  kausal  sei:  as  he  was  so  very  excitable,  he  often  shocked  his 
friends.  Ja,  es  findet  sich  auch  mit  beteuernder  Kraft  z.  B.  bei  Shak. 
Oth.  II,  1.  203:  ßut  TU  set  doivn  the  pegs  that  make  this  musie,  As  honest 


186  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

as  I  am,  wo  man  heute  sagen  würde:  as  I  am  an  honest  man.  Wie  hier 
noch  bei  Shak.  das  erste  Adverb  as  vorhanden  ist,  so  sei  es  im  älteren 
Englisch  überhaupt  Regel,  dafs  so  oder  as  vor  dem  Adj.  oder  Adv.  stehe, 
und  zwar,  meint  Stoffel  nach  seiner  Theorie,  stehe  so  wo  der  Grad,  as 
wo  die  Gleichheit  bezeichnet  werden  soll.  Das  kann  man  zugeben  mit 
dem  Vorbehalt,  dafs  dabei  as  für  so  zwar  als  weniger  klar,  aber  doch 
nicht  geradezu  als  falsch  angesehen  werden  darf.  Diese  Wörtchen  werden 
im  modernen  Englisch  vorn  meist  fortgelassen.  Auf  S.  81  ff.  geht  dann 
Stoffel  auf  as  resp.  so  in  Verbindung  1)  mit  soon,  far,  long,  oßen,  surely, 
2)  mit  late,  early,  much,  near  ein.  Hier  findet  er  aber  selber,  dafs  in  dem 
Gebrauche  von  as  und  so  noch  Unsicherheit  herrscht.  Diese  Verbindungen 
werden  durch  die  verschiedenen  Jahrhunderte  und  durch  die  wichtigeren 
Literaturwerke  verfolgt,  aber  mir  scheint  aus  der  Fülle  der  Beispiele  mit 
Sicherheit  eben  nur  die  Unsicherheit  des  Sprachgebrauchs  hervorzugehen. 
Eine  Tendenz  zur  Differenzierung  in  Stoffels  Sinne  ist  bei  den  meisten 
der  betrachteten  Verbindungen  wohl  vorhanden,  aber  nicht  wenige  sei- 
ner Beispiele  scheinen  mir  in  demselben  Sinne  as  ebensogut  zuzulassen 
wie  so.  Er  führt  z.  B.  die  Phrase  an :  What's  the  odds  so  long  as  ue  are 
happy!  Seltsamerweise  kenne  ich  selber  und  auch  eine  Engländerin,  die 
ich  befragte,  aus  dem  alltäglichen  Gebrauche  davon  ausschliefslich  die 
Form  mit  as  ...  as,  wohl  verstanden  in  genau  demselben  Sinne:  'was 
tut's'  —  so  lange,  d.  h.  wofern  wir  nur  glücklich  sind,  d.  h.  so  lange  wir 
uns  dadurch  nicht  stören  oder  ärgern  lassen,  und  Stoffel  selber  gibt  (S.  89) 
von  dieser  Form  ein  Beispiel.  Ich  möchte  also  behaupten,  dafs  die  Sache 
doch  noch  zu  sehr  im  Flusse  ist,  um  schon  jetzt  Bestimmtes  darüber 
oder  gar  über  ihren  wahrscheinlichen  weiteren  Verlauf  sagen  zu  können. 
Aber  wegen  der  Fülle  von  scharfsinnigen  Bemerkungen,  von  zarten  Unter- 
scheidungen, die  sich  gerade  in  diesem  Teile  des  Buches  finden,  ist  sein 
Studium  allen  Fachgenossen  wärmstens  zu  empfehlen.  Sein  Inhalt  frei- 
lich läfst  sich  kurz  schwer  wiedergeben.  Treffend  weist  Stoffel  auf  den 
feinen  Unterschied  zwischen  so  soon  as  und  as  soon  as  hin  in  Sätzen 
wie :  as  soon  as  we  arrired,  we  heard  of  the  accident  (reine  Gleichzeitigkeit) 
und:  so  soon  as  the  Company  had  taken  their  seats,  the  concert 
began,  wo  aufser  der  Gleichzeitigkeit  auch  noch  angedeutet  wird,  dafs  mit 
dem  Beginn  des  Konzertes  so  lange  gewartet  worden  sei.  Er  macht  uns 
auf  die  ebenso  feine  Nuance  aufmerksam,  die  aus  einem  Satze  wie:  So 
soon  as  I  saw  his  face,  all  my  fears  vanished  herauszufühlen  ist, 
wo  wir  aufser  der  Gleichzeitigkeit  auch  noch  empfinden,  dafs  der  blofse 
Anblick  seines  Gesichtes  genügte,  um  alle  Furcht  zu  verscheuchen,  dafs 
mit  anderen  Worten  zwischen  dem  Erscheinen  des  Gesichtes  und  dem  Ver- 
schwinden der  Furcht  ein  Kausalnexus  besteht.  Stoffel  zeigt  uns  ähnliche 
feine  Schattierungen  bei  so  long  as  im  Vergleiche  zu  as  long  as  (Mifs 
Braddon,  Mount  Royal  I,  303):  TU  try  and  make  your  life  as  agreeable 
as  I  can  . .  .  so  long  as  you  don't  ask  me  to  ßll  the  house  with  visitors,  wo 
so  long  as  =  if  only,  'wofern  nur  nicht'  ist.  Und  wieder  anders  in 
(Puheh,  Oct.  27,  1894,  196  a):  But  what  does  it  all  matter  so  long  as  we've 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  187 

met,  and  it's  all  right  between  us?  wo  so  long  as  im  letzten  Gründe  so 
viel  bedeutet  wie:  da  wir  ja  nun  doch  beisammen  sind  und  alles 
zwischen  uns  in  schönster  Ordnung  ist. 

Er  findet  ferner  mit  Eecht,  dafs  so  surely  as  zu  einer  'phrasal 
conjunction'  geworden  ist,  dafs  es  soviel  bedeutet  wie:  tvhenever,  as 
offen  as  und  etwas  als  die  unausbleibliche  Begleiterscheinung  oder  Wir- 
kung von  etwas  anderem  erscheinen  läfst,  wie  z.  B.  in  der  bekannten 
Stelle  aus  Dickens'  'Christmas  CaroP  I:  'So  surely  as  the  elerk  came  in 
with  the  shovel,  the  master  predieted  that  it  would  be  necessary  for  thern 
to  part. 

Und  so  liefsen  sich  der  treffenden  und  feinen  Bemerkungen,  die  Stoffel 
in  diesem  umfangreichen  Teile  seines  Buches  macht,  noch  viele  andere  an- 
reihen, doch  mufs  ich  mich  hier  mit  dem  Hinweis  auf  diese  wenigen  be- 
gnügen. Wohl  aber  sei  es  noch  einmal  ausgesprochen,  dafs  es  mir  scheint, 
als  ginge  Stoffel  bei  manchem  seiner  so  ...  as- Beispiele  zu  weit,  wenn 
er  die  Zulässigkeit  oder  Möglichkeit  von  as  ...  as  mit  derselben  Bedeu- 
tung darin  bestreitet.  Das  Vorhandensein  einer  Tendenz  im  modernen 
Englisch,  dem  as  die  Funktion  einer  Bezeichnung  blofser  Gleichheit,  dem 
so  die  Funktion  einer  Gradbestimmung  im  Vergleich  mit  irgend  einem 
Mafse  oder  Standard  zuzuweisen,  soll,  wie  schon  gesagt,  nicht  in  Abrede 
gestellt  werden,  aber  ich  glaube,  Stoffel  berücksichtigt  nicht  genügend, 
dafs  mittels  des  vorhin  erwähnten,  ganz  einfachen,  sich  unbewufst  voll- 
ziehenden logischen  Schlusses  die  as  ...-Verbindungen  wie  früher  auch 
jetzt  noch  beide  Funktionen  verrichten  können,  und  dafs  daher  der  augen- 
blicklich bemerkbaren  Vorliebe  für  so  möglicherweise  einmal  wieder  eine 
Zeit  folgen  kann,  wo  man  dem  as  in  solchen  Fällen  die  Funktion  des  so 
wieder  ganz  übertragen  kann,  wie  in:  what's  the  odds  as  long  as  ue  are 
happy?  Möglich  auch,  dafs  dieses  so  in  gewissen  Verbindungen  sich 
definitiv  festsetzt,  z.  B.  in  so  surely  as  (=  whenever),  wo,  wie  Stoffel 
(S.  95)  meint,  ein  moderner  Schriftsteller  wohl  kaum  as  surely  as  ge- 
brauchen würde;  dafs  in  anderen  Fällen  aber  as  sich  behauptet,  z.  B.  in 
as  often  as,  wozu  Stoffel  S.  92  bemerkt,  dafs  er  kein  Beispiel  von  so 
offen  as  aus  dem  19.  Jahrhundert  habe  auffinden  können.  Jedenfalls 
scheint  es  mir  etwas  verfrüht  zu  sein,  mit  Stoffel  anzunehmen,  dafs  zum 
Zwecke  der  Gradbestimmung  dem  so  der  schliefsliche  Sieg  sicher  sei. 

Stoffel  geht  danach  (S.  100  ff.)  zu  den  Fällen  über,  wo  nach  seiner 
Ansicht  das  einfache  so  einen  hohen  Grad  an  sich,  ohne  Bezugnahme 
auf  eine  ausgedrückte  oder  zu  ergänzende  Norm  ausdrückt.  Er  denkt 
dabei  an  Fälle  wie:  you  are  so  kind,  wo  so  =  inexpressibly ,  also 
stärker  sei  als  very  (you  are  very  kind).  Wenn  nun  auch  durch  inex- 
pressibly oder  ein  ähnliches  Wort  sich  der  Sinn  dieses  so  in  den  meisten 
Fällen  praktisch  und  passend  umschreiben  läfst,  so  zeigt  sich  bei  wört- 
licherer Auffassung  von  so  doch,  dafs  sich  dazu  leicht  ein  Korrelativ  durch 
den  Zusatz  finden  läfst:  so  . . .  that  I  can't  teil  you  how  much  ...  oder 
to  what  extent  oder  degree  . . .  und  dieser  Zusatz  steckt  ja  schon  (nur  zu 
einem  einzigen  Wort  kondensiert)  in  inexpressibly.   Die  Grenze  dessen, 


188  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

was  man  ausdrücken  kann,  stellt  eben  die  Norm  dar,  woran  der  durch 
so  angedeutete  hohe  Grad  gemessen  wird. 

Aufmerksame  Beobachter  der  Sprache  (und  Stoffel  schliefst  sich  ihnen 
an)  haben  gefunden,  dafs  dieses  so,  welches  im  Umgangsenglisch  schon 
ziemlich  alt,  in  ernsterer  Literatur  aber  wohl  schwerlich  vor  dem  10.  Jahr- 
hundert anzutreffen  sei,  besonders  bei  Frauen  und  Kindern,  auch  wohl 
bei  sogenannten  'ladies'  men'  und  bei  denen  beliebt  sei,  die  gewöhnt  sind 
'to  lay  it  on  thick'.  So  charakterisieren  Phrasen  wie:  Thank  you  so  muck; 
—  it  was  so  kind  of  you  to  think  of  it;  —  that's  so  like  you;  —  Tm  so 
ylad  you  have  come!  und  ähnliche  ganz  vortrefflich  die  Ausdrucksweise 
der  Damen,  während  Männer  das  so  gewöhnlich  nur  da  anwenden  werden, 
wo  sich  ein  Folgesatz  bestimmten  Inhaltes  anschliefst  oder  als  selbst- 
verständlich ergänzen  läfst:  It  was  so  warm  that  I  coidd  not  do  this  or 
that,  wo  dann  so   demonstratives  Adverb  und  nicht  blofs  Intensivuni  ist. 

In  Sätzen  wie  (S.  103):  Their  principles  were  those  so  finely  expressed 
by  Louis  XVIII,  oder:  The  agitation  ichich  they  so  sedulously  maintained, 
ist  es  nach  Stoffels  Ansicht  sehr  schwer,  die  Kraft  und  Bedeutung  von 
so  zu  bestimmen.  Sollten  wir  hier  nicht  einfach  einen  Zusatz  zu  ergänzen 
haben  wie  etwa:  'dafs  es  gar  nicht  mehr  zu  übertreffen  oder  zu  überbieten 
war?'  Es  fällt  einem  dabei  unwillkürlich  ein,  wie  häufig  der  Franzose, 
besonders  in  der  Umgangssprache,  statt  il  est  si  aimable  sagt:  il  est  on 
ne  peid  plus  aimable  —  eine  interessante  Ausdrucksweise,  in  welcher  der 
korrelative  Zusatz  qu'on  ne  peut  pas  etre  plus  aimable  que  ca,  wenn  auch 
in  verkürzter  Form,  geradezu  an  die  Stelle  des  ursprünglich  demonstra- 
tiven Intensivums  si  getreten  ist. 

Wie  wir  eben  sahen,  dafs  so  ohne  ausgedrücktes  Korrelativ  als  Inten - 
sivum  gebraucht  wurde  und  wird,  so  zeigt  Stoffel  (S.  107  f.)  im  Me.  etwas 
Ähnliches  auch  bei  as,  z.  B.  (Troilus  and  Criseyde  II,  657):  (she)  gan  in 
her  lieed  to  pulle,  and  that  as  faste,  Whyl  he  and  dl  the  peple  forby  paste, 
wo  offenbar  leicht  zu  ergänzen  ist:  (as  faste)  as  faste  could  be.  Dieser 
Gebrauch  hielt  sich  ziemlich  lange.  Stoffel  citiert  noch  aus  Sheridans 
'Rivals'  I,  1:  You  look  as  hearty!  In  dem  jetzigen  Englisch  heifse  es 
gewöhnlich:  as  ...  as  ...  can  (oder  could)  be:  'as  poor  as  poor  can  (could) 
be.'  Aber  volkstümlich  kommen  durch  Fortlassung  von  can  (coidd)  be  als 
Ausdruck  eines  sehr  hohen  Grades  Verdoppelungen  zu  stände,  die  uns 
auf  den  ersten  Blick  befremden:  as  still  as  still,  as  dark  as  dark, 
as  hard  as  hard  usw. 

Nach  solchen  eingehenden,  man  möchte  fast  sagen  Vorstudien  über 
die  einzelnen  so  und  as  und  über  die  Paare:  as  ...  as,  so  ...  as  geht 
Stoffel  über  zu  not  as  ...  as,  für  welches  der  noch  vorwiegende  Gebrauch 
bekanntlich  not  so  ...  as  zeigt.  Seine  Ausführungen  scheinen  mir  hier 
etwas  umständlich;  auch,  glaube  ich,  legt  er  hier  stellenweise  wieder  zu 
viel  Wert  auf  die  Betontheit  oder  Unbetontheit  von  so  und  as  (jedenfalls 
bin  ich  nicht  überzeugt,  dafs  as  vor  Adj.  oder  Adv.  überhaupt  jemals  in 
natürlicher  Sprechweise  stärker  als  die  folgenden  Wörter  betont  sein  kann, 
vgl.  auch  S.  119);   aber  vermöge  seines  feinen  Sprachgefühls  trifft  er  das 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  189 

Richtige;  nur  hätte  das  zu  Sagende  einfacher  und  vielleicht  noch  deut- 
licher etwa  folgendermafsen  entwickelt  werden  können :  John  is  as  tall  as 
William,  d.  h.  J.  ist  ebenso  grofs  wie  W.,  ob  nun  W.'s  Gröfse  beträcht- 
lich oder  gering  sei.  Man  will  nur  die  Gleichheit  der  beiden  in  ihrer 
Gröfse,  wie  sie  nun  einmal  ist,  ausdrücken. 

Diese  Gleichheit,  wiederum  ohne  Rücksiebt  auf  die  Beträchtlichkeit 
oder  Geringfügigkeit  von  W.'s  Körperlänge,  wird  verneint  durch  die  Form : 
John  is  not  so  tall  as  William.  Dagegen  wollen  diejenigen,  welche  sagen: 
John  is  not  as  tall  as  William,  wohl  meistens  etwas  mehr  ausdrücken  als 
die  blofse  Verneinung  der  Gleichheit,  und  zwar  kann  nach  meinem  Gefühl 
darin  zu  gleicher  Zeit  noch  liegen:  1)  Der  Unterschied  zwischen  beiden 
mag  nur  gering  sein,  aber  jedenfalls  ist  ein  Unterschied  vorhanden;  oder 
2)  wir  wissen,  dafs  William  wirklich  hochgewachsen  ist,  aber  John  reicht 
an  diese  Gröfse  nicht  ganz  heran,  obgleich  auch  er  als  grofs  bezeichnet 
werden  kann.  —  Diese  subjektiven  Färbungen  der  Aussage  fehlen  bei  not 
so  ...  as,  welches  einfach  die  Ungleichheit  konstatiert. 

Mir  scheint  es,  als  finde  sich  im  Französischen  etwas  Ahnliches: 
Jean  est  aussi  grand  que  Ouillaume,  Jean  n'est  pas  si  grand  que  Ouillaume, 
Jean  n'est  pas  aussi  grand  que  Chcillaume,  wo  die  letzte  Form  nach  meinem 
Eindruck  dem  englischen  J.  is  not  as  tall  as  W.  entspricht.  Ahnlich 
sagen  wir  auch  deutsch  für  gewöhnlich:  'Hans  ist  nicht  so  grofs  wie  Wil- 
helm.' Wollen  wir  aber  stärker  das  wirkliche  Vorhandensein  eines  wenn 
auch  nur  kleinen  Unterschiedes  betonen,  so  heifst  es  auch  bei  uns  oft: 
'Hans  ist  nicht  ebenso  grofs  wie  Wilhelm.'  Da  dieser  Gebrauch  von  not 
as  ...  as  noch  verhältnismäfsig  jung  ist  —  er  taucht  vereinzelt  erst  im 
Anfang  des  18.  Jahrhunderts  auf  und  greift  dann  in  der  zweiten  Hälfte 
des  19.  Jahrhunderts  immer  weiter  um  sich  — ,  so  braucht  man  sich  nicht 
zu  wundern,  wenn  sich  nicht  alle  ihm  bisher  fügen,  wenn  sich  Schwan- 
kungen sogar  bei  ein  und  demselben  Schriftsteller  beobachten  lassen  (z.  B. 
Rev.  of  Reviews,  Febr.  15,  1896,  119  b):  It  was  remarked  the  other  day  that 
after  Mr.  Oladstone  no  man  excited  as  much  interest  and.  was  observed 
with  so  much  attention  in  the  United  States  of  America  as  Cecil  Rhodes, 
aber  mit  vollem  Recht  wünscht  Stoffel,  dafs  nun  die  englischen  Gram- 
matiker doch  endlich  aufhören  möchten,  dies  not  as  ...  as  als  eine  Ver- 
letzung of  the  King's  English  zu  brandmarken,  und  ich  möchte  hinzufügen, 
dafs  diese  Unterscheidung  von  not  as  ...  as  und  not  so  ...  as  natür- 
lich und  gerechtfertigt,  auch  bedeutend  genug  erscheint,  um  auch  all- 
gemein in  den  Lehrbüchern  der  englischen  Sprache  berücksichtigt  zu 
werden,  wenn  wir  auch  noch  nicht  so  weit  sind,  Abweichungen  davon  als 
Fehler  hinstellen  zu  dürfen. 

Im  Anschlufs  hieran  werden  dann  ziemlich  kurz  noch  eine  Reihe  von 
Fashimiable,  Colloquial,  and  Vulgär  Intensives  behandelt. 

Zunächst  vastly.  Storm  meint,  es  sei  jetzt  veraltet.  Stoffel  will  das 
nicht  in  vollem  Umfange  zugeben,  und  ich  möchte  es  meinerseits  über- 
haupt bestreiten,  denn  es  ist  mir  im  alltäglichen  Englisch  so  oft  begegnet, 
dafs  ich  nichts  Auffallendes  oder  gar  Veraltetes  daran  entdecken  kann. 


190  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Es  bedeutet:  'ungeheuer,  riesig,  kolossal,  klotzig'  usw.,  je  nach  dem  Ge- 
schmack, Stand  und  Bildungsgrad  des  Sprechenden.  Um  ca.  1850  kam 
dann  awful(ly)  als  fashionable  intensive  auf.  Es  heilst  eigentlich 'Furcht 
oder  wenigstens  Ehrfurcht  einf löfsend' ;  es  ist  daher  etwa  =  'imponierend, 
gewaltig,  riesig',  und  es  erfreut  sich  noch  heute  bei  allen  Schichten  der 
Bevölkerung  in  der  ungezwungenen  Unterhaltung  so  grofser  Beliebtheit, 
dafs  man  es  kaum  noch  als  slang  empfindet  und  sich  über  seine  Dauer- 
haftigkeit wundern  mufs. 

Als  beliebtestes  Schuljungen -Intensivum  verdient  jolly  erwähnt  zu 
werden;  im  Schottischen  braucht  man  dafür  gey.  Über  bloody,  bloom- 
ing,  blasting  hat  sich  Stoffel  schon  früher  in  seinen  'Studies  in  English' 
geäufsert.  Ihnen  gesellen  sich  als  Vulgarismen  hinzu:  sinful  (vgl.  er 
hat  sündhaft  viel  Geld)  und  cruel,  wozu  Stoffel  als  Beispiel  aus  dem 
'Engl.  Dialect.  Dict.'  die  Dubliner  Phrase  citiert:  I  am  poiverful  weak,  but 
cruel  easy.  Dafs  hier  und  schon  öfter  vorher  die  Adverbien  äufserlich  den 
Adjektiven  gleichen,  ist  nicht  überraschend,  denn  der  Bildung  des  Adverbs 
von  Adjektiven  mittels  der  Silbe  -ly,  welche  im  literarischen  Englisch  mit 
gewissen  Ausnahmen  allmählich  durchgedrungen  und  zur  Regel  geworden 
ist,  wird  in  der  Sprache  der  Ungebildeten  noch  heute  ungeschwächter 
Widerstand  entgegengesetzt. 

Zu  dem  Intens,  inortal  citiert  Stoffel  Beispiele  wie  (S.  128):  a  mortal 
laxy  fellow;  they  were  mortal  sure;  they  're  mortal  dear  to  look  at  und 
vergleicht  damit  for  six  mortal  weeks;  a  whole  mortal  season.  Wo 
mortal  statt  mortally  als  Intensivum  vor  Adj.  (resp.  Adv.)  steht,  ist 
es  entschieden  vulgär.  Die  beiden  letzten  Fälle,  wo  das  Adj.  mortal  vor 
Bezeichnungen  von  Zeitabschnitten  steht,  sind  anders  zu  beurteilen.  Stoffel 
sagt  kurz,  es  bedeute  interminable.  Gewifs  soll  damit  angedeutet  werden, 
dafs  die  Zeit  dem  Sprechenden  sehr  lang  vorkommt,  aber  man  hält  sich 
bei  solchen  Erklärungsversuchen  zunächst  doch  wohl  immer  am  sichersten 
an  die  Grundbedeutungen  der  Wörter.  Die  Zeit  kommt  einem  so  schreck- 
lich lang  vor,  dafs  man  daran  oder  wenigstens  darin,  d.  h.  vor  ihrem 
Ende,  zu  sterben  fürchtet,  dafs  man  meint,  das  Ende  nicht  erleben  zu 
können.  Damit  verglichen,  erscheint  interminable  als  Umschreibung  zu 
matt.  Das  Synonym  killing  wird  ja  auch  ähnlich  übertrieben  gebraucht: 
a  killing  beauty.  It  was  killing  kann  heifsen:  'es  war  zum  Totlachen.' 
Mit  der  Bedeutung  mortal  =  'todbringend'  (die  wenigstens  im  Kirchenlatein 
belegt  ist)  kommt  man  also  wohl  aus  und  kann  bei  Bezeichnungen  von 
Zeitabschnitten  etwa  übersetzen:  'sechs  tödlich  lange  Wochen,  eine  ganze 
tödlich  lange  Saison  hindurch.'  Von  der  alten  Wahrheit  ausgehend,  dafs 
allzuviel  (selbst  von  etwas  an  sich  Gutem)  ungesund  ist  und  daher  schliefs- 
lich  sogar  tödlich  wirken  kann,  will  man  also  mit  mortal  ausdrücken, 
dafs  eine  Eigenschaft  im  Übermafse  vorhanden  ist.  Wir  sprechen  ja  auch 
von  tödlicher  Langerweile  oder  sagen,  dafs  etwas  zum  Sterben  lang- 
weilig sei.  Von  der  Sicherheit,  mit  der  ursprünglich  der  Feind  im  Kampfe 
tödlich  getroffen  wird,  überträgt  man  die  Tödlichkeit  auf  jede  Sicherheit 
oder  Gewifsheit:  Are  you  quite  sure  of  it?    De  ad  sure,   was  also  völlig 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  191 

dem  Stoffeischen  Beispiele:  They  ivere  mortal  sure  entspricht.  Man 
hört  auch  im  Deutschen  in  neuerer  Zeit  mancherlei  befremdliche  Zusam- 
mensetzungen, z.  B.  todsicher,  welche  keine  innere  Berechtigung  haben, 
wie  sie  todmüde,  todmatt,  todkrank  usw.  für  sich  in  Anspruch 
nehmen  können.  Ich  vermute,  wir  haben  es  in  todsicher  nur  mit  einer 
Nachahmung  des  dead  sure  zu  thun,  was  mir  bei  der  starken  Durch- 
setzung der  deutschen  Sportsprache  mit  Anglizismen  nicht  unwahrschein- 
lich erscheint. 

Wieder  anders  schillert  die  Bedeutung  von  mortal  z.  B.  in:  any 
mortal  thing  =  any  thing  that  may  be  imagined.  Hier  drückt  in  be- 
jahten Sätzen  mortal  nur  in  besonders  kräftiger  Weise  die  absolute 
Beliebigkeit  der  Sache  aus,  die  ja  auch  schon  in  any  angedeutet  wird. 
Mortal  hat  sich  in  solchen  Fällen  wohl  am  weitesten  von  seiner  eigent- 
lichen Bedeutung  entfernt  und  entspricht  unserem  familiären  x-beliebig, 
wo  wir  —  unbekümmert  um  den  mathematischen  Ursprung  —  das  x 
offenbar  doch  auch  nur  als  eine  Verstärkung  von  beliebig,  also  als  ein 
rudimentäres  Intensivuni  empfinden.  —  Viel  häufiger  freilich  wird  sich 
mortal  so  stark  verblafst  in  Sätzen  der  Nichtwirklichkeit  (d.  h.  nega- 
tiven, fragenden  oder  bedingenden)  finden:  not  a  mortal  thing  to  eat, 
there  was  not  a  mortal  scrap  oder  drop  left;  did  he  speak  a  mortal 
tvord  the  whole  evening?  Hier  soll  durch  mortal  eben  die  Nichtwirklich- 
keit als  in  einem  sozusagen  tödlich  wirkenden  Übermafse  vorhanden,  d.  h. 
als  eine  völlige,  absolute,  nicht  zu  überbietende  Nichtwirklichkeit  hin- 
gestellt werden.  —  Stoffel  erinnert  bei  a  mortal  word  an  unser  'Sterbens- 
wörtchen'. Trotz  gewisser  Ähnlichkeit  in  Bedeutung  und  Anwendung  der 
Ausdrücke  sind  sie  im  Grunde  doch  recht  verschieden. 

'Sterbenswörtchen'  ist  wohl  zu  verstehen  als  leisestes  Wörtchen, 
wie  es  etwa  im  Sterben  noch  hingehaucht  wird;  vielleicht  ist  es  sogar  nur 
eine  Zusammenziehung  von  'sterbendes  Wörtchen',  welches  sich  auch  be- 
legt findet  (s.  Heyse,  Deutsch.  Wörterb.),  und  könnte  dann  auch  ein  Wört- 
chen bedeuten,  das  so  schwach  und  leise  klingt,  als  stürbe  es  selber  dahin. 
Jedenfalls  weist  'Sterbenswörtchen'  auf  einen  passiven  Zustand,  mortal 
ursprünglich  auf  eine  aktive  Wirkung  (todbringend)  hin,  deshalb  ist  die 
Ähnlichkeit  nur  eine  mehr  äufserliche. 

Es  werden  dann  die  vulgären  Intensiva  desperate,  icoundy  und 
consumedly  kurz  behandelt.  Letzteres  halte  ich  für  eine  volkstümliche 
Umformung  des  'mot  savant'  consummately.  Eine  gelegentliche  Ver- 
mengung der  beiden  gibt  auch  das  NED.  als  möglich  zu.  Consummate 
ist  nie  volkstümlich  gewesen,  wohl  aber  to  consume,  consumed  und 
davon  consumedly.  Das  Volk  brauchte  ausschliefslich  letzteres,  und 
zwar  wohl  auch  in  verschwommener  Weise  statt  consumingly  =  ver- 
zehrend, vernichtend,  ganz  ähnlich  also  wie  mortal  und  killing. 
Schliefslich  fand  dieser  ursprüngliche  Vulgarismus  auch  seinen  Weg  in  das 
Schriftenglisch  (McCarthy,  'Hist.  of  Our  Own  Times,'  II,  313):  Jokes  which 
set  the  whole  Company  laughing  consumedly. 

Hieran  schliefsen  sich :  damnably,  pernicious,  badly  und  sadly, 


192  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

welch  letzteres  Stoffel  zutreffend  für  etwas  feiner  als  badly  hält.  Ebenso 
richtig  scheint  mir  seine  Bemerkung,  dafs  mighty  als  Int.  vor  Adj.  und 
Adv.  jetzt  vorzugsweise  ironisch  gebraucht  werde.  Ganz  modern  sei 
simply,  einfach,  schlechthin  vor  Adj.,  Adv.  und  Verb.  =  nothing  more 
or  less  than.  Simply  ist  ein  interessanter  Beweis,  dafs  die  allgemeine 
mifsbräuchliche  Anwendung  sehr  kräftiger  Intensiva  schliefslich  zu  einer 
Reaktion  führt,  so  dafs  man  sich  dann,  um  einen  besonders  starken  Ein- 
druck hervorzubringen,  einer  affektierten  Bescheidenheit,  Mäfsigung  und 
Zurückhaltung  im  Ausdruck  befleifsigt,  daher  dann  Wendungen  wie: 
simply  (impossible),  not  half  (bad),  a  tidy  oder  decent  fellow  für  'Pracht- 
kerl, ganz  famoser  Kerl'. 

Diese  scheinbar  abschwächenden,  in  Wirklichkeit  aber  stark  intensiv 
wirkenden  Wörter  leiten  uns  hinüber  zu  den  eigentlichen  Abschwächungs- 
wörtern. 

Die  down-toners  schwächen  den  Grad  einer  Eigenschaft  ab;  sie 
drücken  einen  mäfsigen,  geringen  oder  auch  einen  gerade  nur  noch  wahr- 
nehmbaren Grad  der  Eigenschaft  aus.  Stoffel  findet,  dafs  rather  und 
nächst  ihm  pretty  unter  allen  hier  in  Betracht  kommenden  Wörtern  die 
charakteristischsten  seien.  Ihnen  schliefsen  sich  die  von  Stoffel  nur  kurz 
berührten  slightly,  somewhat,  tolerably ,  a  bit,  a  morsel,  a  mite, 
a  trifle  und  a  little  an.  Bei  letzterem  erwähnt  er  auch  die  in  neuerer 
Zeit  sich  öfter  findende  Nebenform  a  leetle,  welche  in  der  Tat  die  Be- 
deutung: '(nur)  ein  ganz  klein  wenig'  auszudrücken  scheint.  Woher  diese 
Form  leetle  stammt,  weifs  ich  nicht  genau  zu  sagen.  Ich  möchte  die 
Vermutung  wagen,  dafs  es  eine  scherzhafte  Nachahmung  der  Aussprache 
vieler  Ausländer,  besonders  solcher  romanischer  Herkunft  sei,  wenigstens 
habe  ich  gefunden,  dafs  in  Literaturwerken  und  auf  der  Bühne,  wo  z.  B. 
Franzosen  eine  Rolle  spielen,  sich  öfter  auch  dieses  leetle  findet.  Da  den 
Franzosen  der  offene  kurze  ?-Laut  von  Hause  aus  fehlt,  so  läge  der  eng- 
lischen Karikatur  immerhin  ein  gewisses  Mafs  richtiger  Beobachtung  zu 
Grunde.  Wie  dem  auch  sei,  Stoffel  hat  wohl  recht,  wenn  er  meint,  leetle 
drücke  the  very  smallest  degree  of  a  quality  aus,  denn  da  es  stets  einen 
entschieden  komischen  Beigeschmack  hat,  so  wird  das  darin  steckende  a 
little  noch  nicht  einmal  völlig  ernst  gemeint  oder  genommen,  und  das 
'wenig'  reduziert  sich  dadurch  auf  ein  wirkliches  Minimum,  wie  man  es 
wortreicher  ja  auch  mit:  (just)  the  least  bit;  (just)  the  tiniest  mite 
(oder  bit)  auszudrücken  sucht. 

Vorwiegend  befafst  sich  Stoffel  nun  mit  ratlier  und  pretty.  Rather 
bedeutete  ja  ursprünglich  eigentlich  sooner.  Die  Bedeutung  by  prefe- 
renee  (also  =  'lieber')  sei  bei  Chaucer  noch  selten,  das  dafür  übliche  liefer, 
liever  sei  aber  um  1550  bereits  veraltet  gewesen  und  wurde  nun  allgemein 
durch  rather  ersetzt.  Dafs  dies  geschah,  ist  nicht  überraschend;  auch 
bei  uns  wird  eher  und  lieber  vielfach  promiscue  gebraucht,  und  noch 
heute  sind  im  Englischen  die  Fälle  ganz  gewöhnlich,  wo  sooner  statt 
rather  =  'lieber'  steht  (Stoffel  citiert  u.  a.  aus  Punch  1883:  I  would 
sooner  steer  eight  men  than  one  woman  any  day). 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  193 

Auf  Personen  bezüglich  sei  rather  —  'lieber',  auf  Sachen  bezüglich 
etwa  =  'genauer  gesagt  oder  vielmehr',  pour  mieux  dire.  Aus  letzterer 
Bedeutung  habe  sich  dann  die  uns  hier  besonders  interessierende  Verwen- 
dung von  rather  als  down-toner  =  somewhat,  perceptibly  entwickelt  z.  B. 
in:  it  is  rather  cold  to-day;  I  rather  think  so;  a  rather  stiff 
piece  of  work;  rather  a  long  joumey. 

Den  Übergang  von  rather  =  'genauer  gesagt  vielmehr,'  pour  mieux 
dire,  zu  rather  =  etwas  oder  einigermafsen,  ziemlich  muls  man 
sich  wohl  so  denken,  dafs  man  ausging  von  Sätzen  wie:  He  is  not  exactly 
young;  he  is  rather  old  than  young  =  'genauer  gesagt  alt'.  It  is  not  very 
warm.  —  No,  it's  rather  cold  (than  warm).  Die  Zusätze  mit  than  fanden 
ihre  allgemeinste,  immer  passende  Fassung  in  dem  noch  jetzt  oft  sich 
findenden  Anhängsel  than  otherwise;  aber  gerade  diese  Selbstverständ- 
lichkeit des  Zusatzes  liefs  ihn  bald  überflüssig  erscheinen  und  vielfach 
fortfallen.  Nennt  man  nun  etwas  eher  kalt  als  warm,  so  liegt  ursprüng- 
lich darin,  dafs  es  nicht  weit  von  der  Mitte  zwischen  diesen  Gegenteilen 
entfernt  ist,  dafs  sein  Kältegrad  kein  sehr  grofser  ist,  dafs  es  also  nur 
einigermafsen  oder  mäfsig  kalt  ist.  Unnatürlich  oder  schwer  zu  ver- 
stehen ist  also  solch  ein  Übergang  nicht.  Stoffel  zeigt  dann,  dafs  dieser 
Gebrauch  von  rather  zuerst  vereinzelt  auftritt,  von  der  Mitte  des  acht- 
zehnten Jahrhunderts  ab  aber  immer  häufiger  wird.  Zunächst  zeigt  es 
sich  vor  Komparativen.  Hier  nimmt  auch  Stoffel  (S.  136)  als  Ursprung 
dieses  rather  eine  Ellipse  an.  Dem  Satze  aus  Fieldings  'Tom  Jones': 
her  consternation  was  rather  greater  than  his  had  been  liege  die  Konstruktion 
zu  Grunde :  her  const.  was  greater,  rather  than  less,  than  his  had  been.  Das 
ungeschickte  zweimalige  than  führte  dann  zur  Fortlassung  von  than 
less  und  zur  Vorsetzung  des  rather  vor  den  ersten  Komparativ,  zu  dem 
es  ja  in  enger  Beziehung  steht.  Wenn  Stoffel  aber  meint,  in  Scotts  'Rob 
Roy'  (Camden  Hotton's  ed.  S.  107  b)  habe  der  Autor,  um  das  häfsliche 
doppelte  tJian  zu  vermeiden,  zu  einem  noch  ungeschickteren  Mittel  ge- 
griffen, indem  er  das  erste  than  mit  as  vertauschte  (It  was  a  hovel  rather 
worse  as  better  than  that  in  whieh  he  had  dined),  so  trifft  das  nicht  zu, 
denn  as  statt  than  ist  kein  bloiser  Notbehelf  bei  Scott,  sondern  für  einen 
Schotten  nichts  Ungewöhnliches,  wie  sich  aus  Jamiesons  'Scottish  Dict.' 
s.  v.  as  ergibt.  Bei  genauerem  Zusehen  zeigt  es  sich  bald,  dafs  die  Um- 
schreibungen somewhat  oder  perceptibly  für  rather  durchaus  nicht 
immer  passen,  weil  sie  die  dem  rather  eigene  modale  Kraft,  d.  h.  die 
Fähigkeit  nicht  haben,  den  Zweifel,  ob  eine  Ungleichheit  vorliege,  auszu- 
drücken. Stoffel  zeigt  das  vortrefflich  (S.  135)  an  dem  aus  Fieldings  'Tom 
Jones'  citierten  Beispiel:  her  consternation  was  rather  greater  than  his  had 
been.  Er  findet,  hier  sei  es  zweifelhaft,  ob  zwischen  ihrer  Bestürzung  und 
der  seinigen  überhaupt  ein  Unterschied  war;  wenn  aber  einer  da  war,  so 
war  ihre  Bestürzung  die  gröfsere.  Es  ist  klar,  dafs  somewhat  oder  gar 
perceptibly,  für  rather  eingesetzt,  nichts  von  solch  einer  individuellen 
Ungewifsheit  auszudrücken  vermöchten.  Im  Deutschen  können  wir  dieses 
rather  bei  Komparativen  ganz  gut  durch  'womöglich  noch'  wiedergeben. 
Arohiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  13 


194  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Stoffel  berührt  (S.  142  f.)  dann  auch  die  Frage,  wie  es  sich  mit  a 
rather  . . .  und  rather  a  .  . .  verhalte.  Auf  Henry  Sweets  Ausführungen 
(New  Engl.  Grammar)  fufsend,  spricht  er  die  sehr  bestechende  Ansicht 
aus,  dafs  rather,  wo  es  in  erster  Linie  sentence-modifier  ist,  in  seiner  Stel- 
lung im  Satze  wie  alle  sentence-modifiers  weniger  gebunden  sei,  und  dafs 
es  alsdann  den  Artikel  hinter  sich  habe;  als  word - modif ier  stehe  es 
hinter  dem  Artikel,  d.h.  dicht  vor  dem  zu  bestimmenden  Worte; 
also:  he  told  us  rather  an  old  story  soll  danach  etwa  heifsen:  he  toldus 
a  story,  tvhich,  in  my  opinion,  might  be  called  an  old  story.  Hier  übt 
rather  a  als  s.-m.  modale  Funktion  aus.  Aber:  he  told  us  a  rather  old 
story  konstatiere  nur  die  Tatsache,  dafs  die  erzählte  Geschichte  schon 
ziemlich  oder  einigermafsen  alt  war.  Gewifs  eine  saubere,  feine  Unter- 
scheidung; aber  nach  meiner  Beobachtung  wird  sie  in  der  Praxis  durch- 
aus nicht  immer  befolgt,  und  ich  fürchte,  sie  ist  zu  fein  und  eigentlich 
zu  belanglos,  um  allgemein  durchzudringen.  Ich  würde  beim  Unterricht 
es  jedenfalls  nicht  für  ratsam  halten,  auf  die  Beobachtung  eines  solchen 
Unterschiedes  zu  dringen. 

Am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  über  rather  zeigt  Stoffel,  dafs  ihm 
die  häufige  Verwendung  von  rather  auch  als  Intensivum  nicht  ent- 
gangen ist.  Schon  am  Ende  der  Besprechung  der  eigentlichen  Intensiva 
haben  wir  gesehen,  dafs  der  Müsbrauch  derselben  zu  einer  Reaktion  führt, 
so  dafs  affektiert  mafsvolle,  bescheidene  oder  matte  Gradbestimmungen 
verwendet  werden,  um  eine  um  so  stärkere  Wirkung  hervorzubringen. 
Auch  rather  entging  dieser  Verwendung  durchaus  nicht;  es  dient  sogar 
als  besonders  kräftiges  Adverb  der  Bejahung  statt  des  einfachen  yes  (Do 
you  know  kim?  —  Rather!)  und  entspricht,  wie  Stoffel  richtig  bemerkt, 
ganz  unserem  na,  ob!  oder:  und  wie!  Dieses  als  Intens,  gebrauchte 
rather  ist  auch  vor  Adjektiven  und  Adverbien  so  häufig,  dafs  man  sogar 
bei  einigen  der  Beispiele,  die  Stoffel  für  rather  als  dmon-toner  beibringt, 
vielleicht  richtiger  es  als  Intensivum  auffafst;  z.  B.  (Richardsons  'Sir 
Charles  Grandison,'  Letter  VI):  He  has  remarkably  bold  eyes,  rather  ap- 
proaching  to  uhat  we  ivould  call  goggling.  Die  Augen  sind  auffallend 
bold,  d.  h.  vorstehend,  deshalb  scheint  es  natürlicher,  das  rather  =  very 
much  und  nicht  =  somewhat  zu  verstehen:  sie  kommen  den  richtigen 
Glotzaugen  sehr  nahe. 

Zuletzt  behandelt  Stoffel  pretty  als  doun-toner.  Er  findet,  dafs  es 
in  dieser  Verwendung  älter  ist  als  rather.  In  dem  neueren  Sprachge- 
brauche ist  es  nur  word-modifier.  Eigentlich  hübsch  bedeutend,  heilst 
es  als  doivn-toner,  etwa  soviel  wie  moderately,  und  sei  daher  etwas  stärker 
als  rather.  Wie  letzteres  könne  es  durch  Litotes  auch  als  Intensivum 
wirken:  It's  pretty  cold  this  morning.  Diese  Funktion  als  Intensivum 
ist  ja  auch  in  anderen  Sprachen  bei  den  entsprechenden  Wörtern  ganz 
gewöhnlich:  Im  Deutschen:  'Er  war  hübsch  artig;  eine  hübsche  Entfer- 
nung; ein  hübsches  Sümmchen;'  ebenso  im  Französischen:  joli  und  joli- 
ment.  Auch  Synonyma  von  pretty,  z.B.  nice,  tidy,  handy,  werden  so 
gebraucht. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  195 

Pretty  =  leidlich,  ziemlich,  also  als  down-toner,  ist  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  siebzehnten  Jahrhunderts  zu  belegen,  und  es  wird  im 
achtzehnten  Jahrhundert  ganz  gewöhnlich.  Es  steht  in  dieser  Bedeutung 
dem  rat  her  =  ziemlich  also  sehr  nahe,  und  es  entsteht  die  Frage,  ob 
die  beiden,  ohne  den  Sinn  des  Satzes  zu  ändern,  vertauscht  werden  können. 
Ursprünglich,  das  ist  ohne  weiteres  anzunehmen,  wird  pretty  wohl  nur 
Wörter  bestimmt  haben,  die  sich  ihrer  Bedeutung  nach  mit  ihm  vertrugen, 
d.  h.  mit  solchen,  die  den  Begriff  des  Günstigen,  Willkommenen,  Ange- 
nehmen in  sich  schlössen  (pretty  good,  pretty  industrious)  oder  doch  nichts 
ausgesprochen  Ungünstiges,  Unwillkommenes  oder  Unangenehmes  aus- 
drückten. Etwas  davon  scheint  auch  jetzt  noch  im  Sprachbewufstsein 
lebendig  geblieben  zu  sein.  Man  schreibt  schwerlich:  pretty  nasty, 
pretty  unfortunate,  sondern  wendet  da  wohl  lieber  rather  an.  Aber 
ich  glaube,  Stoffel  geht  zu  weit,  wenn  er  (S.  149)  meint,  in  dem  Satze 
(Fieldings  'Tom  Jones'  B.  IV,  eh.  3):  The  water  was  luckily  pretty 
shallow  in  that  part  könne,  ohne  den  Sinn  zu  ändern,  nicht  rather  für 
pretty  eintreten.  Pretty  solle  den  'glücklichen'  Umstand  andeuten,  dafs 
bei  so  flachem  Wasser  kein  ernstes  Unglück  geschehen  konnte;  rather 
würde  dagegen  nur  da  passen,  wo  das  flache  Wasser  unerwünscht  wäre, 
so  dafs  z.  B.  ein  Boot  dort  auf  den  Grund  geraten  könnte.  Ich  fürchte, 
das  Wort  luckily  hat  Stoffel  hierbei  zu  deutlich  vorgeschwebt  und 
ihm  diese  Auffassung  eingegeben.  Wenn  eine  Vertauschung  hier  völlig 
ausgeschlossen  sein  sollte,  so  wäre  es  auch  unzulässig,  zu  sagen:  SJie  is 
pretty  old;  we  are  pretty  tired,  und  doch  sind  diese  und  viele  an- 
dere Verbindungen,  wo  sich  kein  Begriff  des  Glücklichen,  Erwünschten 
oder  Angenehmen  mit  dem  zu  bestimmenden  Adjektiv  verbindet,  ganz 
gewöhnlich. 

Zum  Schlüsse  noch  ein  paar  kurze  Bemerkungen.  Vollständigkeit 
hat  Stoffel  nicht  angestrebt;  sie  war  auch  kaum  nötig,  denn  bei  den 
meisten  hier  etwa  noch  in  Betracht  kommenden  Wörtern,  wie  regulär, 
precious,  deuced,  devilish,  dammed,  darned,  a  icee  bit,  a  sight  (vor  too  oder 
vor  Komparativen)  u.  v.  a.,  liegen  die  Verhältnisse  ziemlich  klar  vor 
Augen.  Wohl  aber  wäre  es  willkommen  gewesen,  wenn  der  Verfasser 
nachdrücklicher  und  ausführlicher  auf  die  Tatsache  hingewiesen  hätte, 
dafs  wir  es  bei  den  Verstärkungs-  und  Abschwächungsworten  mit  einer 
allgemeinen,  überall  zu  beobachtenden  Erscheinung  in  der  Entwicke- 
lung  der  menschlichen  Sprache  zu  tun  haben,  und  dafs  sich  bei  aller 
Verschiedenheit  der  in  den  einzelnen  Sprachen  verwendeten  Mittel  doch 
auch  recht  viele  ganz  parallele  Entwickelungen  nachweisen  lassen.  Doch 
hätte  das  freilich  den  Charakter  des  Buches  nicht  wenig  verändert;  es 
wäre  mehr  sprachvergleichend  und  gewifs  auch  viel  umfangreicher  ge- 
worden. 

Aber  auch  wie  es  nun  vor  uns  liegt,  ist  es  für  jeden  Anglisten  eine 
wahre  Fundgrube  für  Belehrung  und  eine  höchst  anregende,  hocherfreu- 
liche Gabe. 

Berlin.  G.  Tanger. 

13* 


196  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Old  and  Middle  English  texts,  edited  by  L.  Morsbach  and 
F.  Holthausen.  II.  Emare,  ed.  by  A.  B.  Gough.  London, 
New- York,  Heidelberg,  1901.     M.  1,20. 

A.  B.  Gough  hat  in  seiner  Ausgabe  der  Ernare  die  Ergebnisse  von 
umfassenden  Arbeiten  verwendet,  die  sich  auf  die  Sprache  und  die  lite- 
rarische Vorgeschichte  des  Denkmals  erstrecken.  Des  Verfassers  Ansichten 
über  den  letzteren  Punkt  werden  von  anderer  Stelle  hier  besprochen 
werden;  was  dagegen  den  Text  anbetrifft,  so  mul's  ich  gestehen,  dafs  ich 
mich  den  Grundsätzen  des  Verfassers  nicht  anzuschliefsen  vermag,  auch 
nachdem  ich  von  seiner  Dissertation  'On  the  Middle  English  Metrical 
Bomance  of  Emare'  (Kiel  1900)  Kenntnis  genommen  habe.  Die  Sprache 
des  Dichters,  soweit  sie  sich  aus  den  ßeimen  ermitteln  läfst,  ist  aufser- 
ordentlich  farblos;  sie  scheint  mir  nur  den  reinen  Süden  und  den  reinen 
Norden  auszuschliefsen.  Die  Entstehung  des  Werkes  in  das  nordöstliche 
Mittelland  zu  verlegen,  liegt  gar  kein  triftiger  Grund  vor;  des  Verfassers 
hauptsächlichstes  Beweismaterial  besteht  in  thare,  thore  usw.,  sowie  jing, 
also  gerade  Formen,  die  in  allen  Gegenden  zu  belegen  sind  und  ganz  mit 
Unrecht  früher  zur  Dialektbestimmung  benutzt  wurden.  So  halte  ich  es 
denn  nicht  für  richtig,  g  <  ä  der  Handschrift  überall  zu  ä  zu  machen, 
noch  weniger,  die  Partizipialendung  -yng(e)  in  -end(e)  umzuwandeln;  letz- 
teres scheint  mir  auch  zu  des  Verfassers  Lokalisierung  weit  weniger  zu 
stimmen  als  -yng(e). 

Mit  der  Quantitätsbezeichnung  hat  sich  der  Verfasser  grofse  Mühe 
gegeben,  hat  aber  dadurch  nur  erreicht,  dafs  sich  nirgends  eine  Form 
findet,  gegen  deren  Quantität  berechtigte  Einwände  zu  machen  wären; 
dafs  aber  die  von  ihm  mit  Längezeichen  versehenen  Vokale  am  betreffen- 
den Orte  unbedingt  lang  sein  müfsten,  hat  mich  ebensowenig  überzeugen 
können  wie  die  unbedingte  Kürze  von  Lauten ,  die  eines  Striches  er- 
mangeln. So  interessant  auch  der  Versuch  der  Herausgeber  ist,  einmal 
auch  im  Me.  eine  genaue  Quantitierung  durchzuführen,  ich  glaube,  sie 
haben  mehr  übernommen  als  sich  ausführen  läfst.  Dem  Anfänger  werden 
die  Längebezeichnungen  gewifs  zunächst  die  Arbeit  erleichtern,  aber  in 
manchen  Fällen  werden  sie  ihm  auch  eine  geistige  Anstrengung  abnehmen, 
wo  sie  recht  am  Platze  wäre! 

Sonst  bietet  der  Text  kaum  zu  Bemerkungen  Anlafs.  Die  Lesarten 
der  Handschrift  sind  oft  glücklich  gebesseit;  im  allgemeinen  hat  sich  der 
Verfasser  der  nötigen  Zurückhaltung  befleifsigt. 

Noch  einen  Punkt  möchte  ich  erwähnen,  der  die  gesamte  Sammlung 
angeht.  Es  entspricht  meiner  Meinung  nach  nicht  den  Verdiensten,  die 
sich  die  deutsche  Wissenschaft  bereits  um  die  Anglistik  erworben  hat, 
wenn  die  neuen  Texte  sämtlich  in  englischem  Gewände  erscheinen  sollen, 
wo  doch  von  den  fünfzehn  angekündigten  oder  schon  veröffentlichten 
Bänden  volle  vierzehn  von  Deutschen  herausgegeben  werden!  Wir  haben 
nachgerade  das  Recht,  zu  verlangen,  dafs  jeder  Anglist,  welcher  Natio- 
nalität er  auch  angehöre,  Deutsch  verstehen  mufs.   Theoretisch  wird  diese 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  197 

Forderung   wohl  jeder   als  billig   anerkennen ;    es   hätte   aber   kaum    ein 
besseres  Mittel  gegeben,   sie  auch  praktisch  durchzusetzen,   als  wenn   eine 
gute  und  billige  Textbibliothek,  wie  sie  England  vorläufig  noch  nicht 
besitzt,  in  deutschem  Gewände  auf  dem  Büchermarkt  erschienen  wäre. 
Gr.-Lichterfelde.  Wilhelm  Dibelius. 

The  complete  works  of  John  Gower.  Edited  from  the  manu- 
scripts,  with  introductions,  notes,  and  glossaries,  by  G.  C. 
Macaulay,  M.  A.  Vols.  2  (pp.  CLXXIV,  519),  3  (pp.  655), 
The  English  works.  1901.  Vol.  4  (pp.  LXXVIII,  430),  The 
Latin  works.    1902.     Oxford.1 

These  three  handsome  volumes  complete  the  editor's  undertaking, 
which  began  in  1899  with  the  issue  of  Gower's  French  works,  including 
the  Mirour  de  l'Omme,  then  recently  discovered  by  Mr.  Macaulay.  To 
say  that  the  high  Standard  of  scholarship  set  up  at  the  beginning  is  fully 
maintained  in  the  succeeding  volumes  is  but  part  of  the  truth,  the  ac- 
complished  editor,  well  versed  in  all  three  of  the  mediaeval  languages,  has 
thrown  himself  into  the  spirit  of  the  author  and  the  circumstances  of 
his  times,  treating  the  poems  from  a  literary  and  historical  point  of  view 
no  less  than  on  their  philological  merits.  The  manuscript  Originals  have 
been  subjected  to  a  searching  criticism,  and  an  exhaustive  collation,  the 
labour  of  which  must  have  been  enormous  as  it  was  all  undertaken 
first  band.  The  result  if  the  whole  is  an  edition  that  is  a  model  of 
method  and  of  scientific  treatment,  in  which  no  important  aspect  seems 
to  have  been  neglected;  this  will  be  for  long  the  fiual  edition,  it  can 
hardly  be  superseded.  We  know  our  Gower  as  we  never  knew  him 
before. 

For  the  life  of  Gower,  to  which  30  pages  at  the  beginning  of  vol.  4 
are  devoted,  the  materials  are  so  scanty  that  to  write  his  biography  is  an 
impossibility.  "Almost  the  only  authentic  records  of  him"  says  Mr.  Macau- 
lay, "apart  from  his  writings,  are  his  marriage-licence,  his  will,  and  his 
tomb  in  St.  Saviour's  Church"  [Southwark,  London].  A  succession  of 
writers  have  copied  from  one  another  much  guess-work;  later,  the  more 
critical  Sir  Harris  Nicolas,  and  also  Pauli  published  interesting  documents 
and  notes,  but  careful  investigation  of  Originals  proves  that  scarcely  any 
of  these  relate  to  the  poet.  The  conclusione  of  the  editor  therefore  "so 
far  as  regards  the  records,  are  mostly  of  a  negative  character".  Setting 
aside  what  is  worthless  the  facts  seem  to  be  shortly  these,  that  John 
Gower  the  poet  was  of  a  Kentish  family  —  proved  by  the  arms  upon  his 
tomb,  by  his  relations  with  another  John  Gower  of  Kent,  and  by  the 
executors  of  his  will  being  meu  of  Kent ;  that  he  had  a  power  of  attorney 
from  his  friend  Chaucer  in  1378;  that  he  possessed  two  manors  in  Nor- 
folk and  Suffolk,  but  did  not  reside  upon  either  of  them;   that  he  was 


1  See  Archiv  f.  d.  Stud.  d.  neueren  Sprachen  u.   L/it.   Bd.   CV,  p.   390. 


198  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

married '  to  Agnes  Groundolf  in  the  oratory  in  his  lüdging  in  the  Priory 
of  St.  Mary  Overey,  Southwark,  in  1397, 8,  and  that  he  died  in  Oct.  1408. 
He  is  supposed  to  have  been  born  about  1330,  for  he  considered  himself 
old  in  1390,  and  had  suffered  from  ill  health  for  some  time;  during  the 
last  years  of  his  life  he  was  blind.  Mr.  Macaulay  gathers  besides  many 
interesting  particulars  relating  to  his  opinions  and  character  frorn  his 
writings.  But  though  in  the  Mirour  Gower  reviews  most  of  the  ranks  of 
society,  and  especially  speaks  of  the  merchant  class  with  appreciation  and 
respect,  there  is  nothing  that  definitely  answers  the  question  whether  he 
himself  followed  any  profession  or  occupation.  One  expression  "ainz  ai 
vestu  la  raye  manche"  appears  to  allude  to  the  custom  that  apprentices  at 
law  weoe  stripes  upon  their  sleeves,  and  that  therefore  there  was  the  "possi- 
bility  that  Gower  was  bred  in  the  law,  though  he  may  not  have  practised 
it  for  a  living"  (the  editor  had  already  disposed  of  the  guesses  by  Leland 
and  others  ;that  he  was  a  judge).  There  is  no  improbability  in  this,  it 
was  part  of  the  education  of  many  a  gentleman  to  study  law,  his  friends 
Chaucer  and  Occleve  appear  to  have  done  the  same;  and  the  lease  of  his 
manors  in  1382  for  the  reut  of  £  40  a  year,  and  the  terms  of  his  will, 
alike  indicate  that  he  was  a  man  of  fair  means. 

Gower's  character  as  shadowed  in  his  writings  is  that  of  a  man  of 
simple  tastes,  just  and  upright,  "who  believes  in  the  Subordination  of  the 
various  members  of  society  to  one  another,  and  who  will  not  allow  him- 
self to  be  ruled  in  his  own  household  either  by  his  wife  or  his  servauts". 
He  constantly  upheld  "the  equality  of  all  men  before  God",  saw  the  cor- 
ruptioas  of  the  Church  and  the  misdeeds  of  the  friars,  and  yet  notwith- 
standing  these  early  Wicliffite  opinions  in  his  later  days  he  denounced 
the  Lollards.  The  conservative  nature  of  the  studious  man  of  gentle 
nurture,  holding  steadfastly  to  the  old  faith  as  years  went  on,  could  not 
discern  the  deeper  meaning  of  "this  new  Secte  of  Lollardie",  which  shocked 

him  as  it  did  Occleve. 

"This  newe  tapinage 

Of  lollardie  goth  aboute 

To  sette  Cristes  feith  in  doute," 

and  he  exhorts  his  readers  to  eschew  the  "newe  lore"  (Conf.  Aman.  Lib.  V 
11.  1810,  1821). 

A  strongly  religious  man,  knowing  his  Bible  thoroughly,  he  believed 
in  "the  moral  government  of  the  world  by  Providence",  and  was  a  fear- 
less  rebuker  of  evil  whether  he  found  it  among  high  or  low.  From  the 
Vox  Clamantis  we  learn  his  true  patriotism  and  his  pride  in  England 's 
greatness,  how  he  watched  the  progress  of  affairs  and  lamented  the  griev- 
ous  evils  under  Richard 's  rule.  The  Gronica  Tripertita  shows  Richard's 
fall  as  a  moral  consequence  of  those  evils,  and  looks  forward  hopefully 
to  better  things  under  the  new  King.    The  line  from  the  Mirour  adopted 


1  Two  or  three  passages  in  the  Speculum  Meditantis  {Mirour),  w.hich  was  written 
between  1376 — 1379,  allow  it  to  be  inferred  that  this  was  a  second  marriage,  as 
the  poet  then  alludes  to  his  wife.     The  inference   is  taken  with  caution. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  199 

as  a  motto  by  the  editor,  "O  gentile  Engleterre,  a  toi  j'escrits",  expresses 
the  strong  motive  which  inspired  him.  Neither  statesman  nor  politician, 
Gower  was  a  moral  philosopher,  poet,  and  man  of  letters,  who  employed 
bis  considerable  gifts  consciously  for  the  benefit  of  bis  countrymen ; 
learning  in  the  English  work  of  his  later  years  {Confessio  Amantis  was 
first  written  in  1390)  to  temper  instruction  with  amusement,  and  so  to 
find  the  way  to  their  hearts: 

"y  undertok 
Iu  »nglesch  forto  make  a  book 
WBich  stant  betwene   ernest  and  game, 
I  have  it  maad  as  thilke  same 
Wbich  axe  forto  ben  excusid, 
[for  lack  of  curious  skill]. 
But   this  y  knovve  and  this  y  wot 
That  y  have  do  my  trewe  peyne 
With  rüde  wordis  and  with  pleyne 
In  al  that  evere  y  couthe  and  myghte, 
This  bok  to  write  as  y  behighte, 
So  as  siknesse  it  soffre  wplde ; 
And  also  for  my  daies  olde." 

The  chronological  order  of  the  poet's  chief  works  is  now  made  piain 
by  Mr.  Macaulay's  labours  as  follows. 

1.  Speculum  Meditantis  (Mirour  de  l'Omme,  French)  1376 — 1379. 

2.  Vox  Clamantis  (Latin).  After  the  Peasant's  rising  in  the  summer 
of  1381,  perhaps  1382. 

?>.  Confessio  Amantis  (Engbsb).  The  first  recension  bears  the  date 
1390,  a  fact  hitherto  overlooked  which  scatters  many  conjectures  to  the 
winds.  A  change  in  the  epüogue  of  some  copies  took  place  within  the 
same  regnal  year,  i.  e.  before  June  21,  1391.  The  third  changes  were 
made  in  the  Prologue,  dedicating  the  poem  to  Henry  of  Lancaster  instead 
of  to  Kichard  II,  and  in  other  lines,  not  later  than  June  1393. 

4.  Cronica  Tripertita  (Latin)  ?  about  end  of  1400.  I  do  not  find 
any  attempt  to  date  this  poem,  but  it  closes  with  events  occurring  in 
this  year. 

Mr.  Macaulay  discusses  the  connection  of  these  poems  with  the  poli- 
tical  events  of  Richard  II's  reign,  and  points  out  how  the  Latin  works 
clearly  show  the  political  development  and  change  of  view  of  their  author. 
Especially  interesting  is  the  first  Book  of  Vox  Clamantis  which  figura- 
tively  describes  the  "overwhelrning  impression"  made  upon  him  by  the 
Peasant's  rising,  and  "the  terror  inspired  by  it  among  those  of  his  social 
Standing"  (confirming  the  accounts  of  Froissart  and  Walsingham).  In 
truth,  the  student  of  this  troublous  reign  and  its  complex  problems,  who 
already  counts  upon  Gower  among  his  witnesses,  will  find  that  the  ana- 
lysis  of  Vox  Clamantis  and  the  notes  thereto,  and  especially  the  notes  to 
the  Cronica  Tripertita,  give  valuable  aid;  embodying  in  the  later  case 
careful  comparison  with  the  evidence  of  original  authorities,  which  the 
editor  modestly  hopes  may  "have  some  small  value  as  a  contribution  to 
the  history  of  a  singularly  perplexing  political  Situation". 


200  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

The  volume  of  Latin  works  contains,  besides  Vox  Clamantis  and 
Cronica  Tripertita  a  dozen  or  more  small  pieces,  to  several  of  which  a 
personal  interest  attaches.  Of  these  a  prose  description  of  his  large  works 
in  the  three  languages,  found  in  several  MSS.,  seenas  froni  its  position  in 
the  Fairfax  Codex  intended  to  be  a  separate  notice,  (it  was  a  previous 
version  of  tbis  wbicb  led  the  editor  to  the  discovery  of  the  Mirour  de 
l'Omme).  Included  are  the  ünes  Eneidos  Bucolis  sent  to  Gower  by  a  cer- 
tain  philosopher  whom  Mr.  Macaulay  plausibly  conjectures  to  have  been 
Chaucer's  "philosophical  Strode"  —  Kalph  Strode  —  of  the  last  stanza 
of  Iroilus.  In  others  Gower  speaks  of  his  failing  sight  and  his  blindness. 
There  are  the  lines  composed  for  his  own  tomb  (found  in  a  Glasgow  MS.), 
others  urge  the  disposal  of  wealth  during  life,  ref erring  to  the  neglect  of 
executors  to  provide  prayers  for  the  departed  soul.  The  com  et  of  1402 
is  the  subject  of  a  few  lines  addressed  to  archbishop  Arundel ;  and  to  the 
same  ecclesiastic  is  "Epistolam  . .  misit  senex  et  cecus  Johannes  Gower" 
apparently  to  be  sent  with  the  copy  of  Vox  Clamantis  and  Cronica  Tri- 
pertita in  the  All  Souls  Library,  Oxford,  as  this  is  the  only  MS.  in  which 
the  epistle  occurs. 

Of  Vox  Clamantis  itself,  consisting  of  10,265  lines  arranged  in  seven 
books,  we  get  an  analysis  in  English ;  a  detailed  account  of  the  ten  MSS. 
in  which  it  is  found,  four  of  which  are  contemporary  with  the  author; 
and  a  long  list  of  textual  errors  in  Coxe's  edition  for  the  Koxburghe  club 
(1850).  The  comparative  annotation  of  the  poem  brings  out  an  important 
point  previously  unnoticed,  namely  the  great  extent  to  which  it  is  a  com- 
pilation ;  Gower  here  not  only  borrowed  largely  from  Ovid  but  "repeatedly 
takes  not  lines  or  couplets  only,  but  passages  of  eight,  ten  or  even  twenty 
lines  from  the  Aurora  of  Peter  Riga,  from  Alexander  Neckam,  De  Vita 
Monachorum,  from  the  Speculum  Stultorum,  or  from  the  Pantheon". 
Mr.  Macaulay  is  somewhat  indignant  at  these  "plagiarisms";  but  the  un- 
recognized  absorption  of  the  writings  of  others  in  former  days  was  not 
always  found  the  moral  blot  that  it  is  at  present.  He  wisely  preserves 
the  mediseval  spelling  of  the  Latin,  appending  a  list  of  the  principal  differ- 
ences  from  classical  orthography,  and  adds  in  form  of  a  Glossary  "words 
which  are  unclassical  in  form  or  usage",  a  valuable  gift  for  the  student. 
In  dealing  with  the  Confessio  Amantis,  which  was  the  editor's  first 
aim,  he  has  had  a  big  task.  The  poem  contains  about  32,318  lines  in 
eight  books;  and  it  is  found  in  about  forty  Manuscripts,  all  of  which 
(except  one  or  two)  he  has  personally  examined.  These  he  classifies  in 
six  groups  belonging  to  three  recensions,  giving  a  detailed  account  of  each 
one.  The  text  in  the  present  edition  follows  the  MS.  Fairfax  3  (Bodleian 
library)  of  the  third  recension,  respecting  which  the  editor  remarks  in  his 
Prefatory  Note  that  he  "has  become  more  and  more  convinced,  as  his 
work  went  on  of  the  value  and  authentic  character  of  the  text  given  by 
the  Fairfax  MS.  of  the  Confessio  Amantis,  which  as  proceeding  directly 
from  the  author,  though  not  written  by  his  hand,  may  claim  the  highest 
rank  as  an  authority  for  his  language".   A  critical  apparatus  of  variations 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  201 

and  notes  accompanies  the  text  througkout.  In  a  füll  and  masterly  in- 
troduction  the  popularity  of  the  poem,  which  was  even  translated  into 
Spanish  and  Portuguese,  and  the  Standard  position  of  the  author  are 
pointed  out  and  justified ;  while  the  literary  eharacteristics  of  the  work, 
its  date  and  circumstances  are  treated  in  a  most  interesting  manner. 
Gower  here  rnade  his  fame  as  a  teller  of  stories,  his  talent  for  which, 
although  not  dramatic  or  humourous  as  Chaucer,  Mr.  Macaulay  ranks  at 
a  high  level.  His  technical  skill  in  verse,  and  his  command  over  the  lan- 
guage  and  expression  are  "surprising  in  that  age  of  half-developed  Eng- 
lish  style",  he  is  able  to  realize  his  ideals  however  limited  his  literary 
Standard.  Important  also  is  the  editor's  testimony  to  his  power  to  combine 
the  French  and  English  elements  of  the  language  "in  harmonious  alliance", 
and  his  success  in  combining  "the  French  syllabic  with  the  English 
accentual  system  of  metre".  An  ever  useful  analysis  of  the  work  follows. 
Two  sections  on  orthography  and  phonology  are  carefully  worked  out, 
especially  with  reference  to  the  language  of  Chaucer,  bringing  out  the 
remarkable  result  that  Gower's  usage  has  less  instability  of  vowel-sound 
than  Chaucer's,  and  that  he  is  surer  in  preserving  sound-form  in  rhymes, 
whereas  Chaucer  is  apt  to  change  the  sound  to  suit  his  rhymes.  The 
subjects  of  grammatic  Inflexion,  Dialect,  and  Metre  are  also  fully  dealt 
with;  the  dialect  is  English  of  the  Court  with  a  southern  tendency,  in- 
fluenced  by  a  partial  use  of  Kentish  forms.  The  usage  and  influence  of 
French  forms  are  also  not  neglected.  And  in  connection  with  the  sub- 
ject  of  language  is  a  long  Glossary  headed  by  a  most  interesting  surn- 
mary  comparing  the  vocabularies  of  Gower  and  Chaucer.  Notwithstanding 
the  much  more  extensive  word-list  of  Chaucer  (his  English  work  being 
twice  as  long,  and  of  a  wider  variety  than  Gower's)  it  appears  that  Gower 
has  more  than  600  words  not  used  by  Chaucer.  "Most  of  these  are  com- 
paratively  new  formations  from  French  or  Latin"  with  a  sprinkling  of 
old  English  words.  Gower  is  the  first  or  only  authority  for  a  consider- 
able  bist  of  words  in  the  New  English  Dictionary,  which  it  has  been 
thought  worth  while  to  specify. 

Finally  the  English  work  includes  the  interesting  poem  In  Praise  of 
Peaee  (of  1400)  from  the  Trentham  MS.,  formerly  printed  with  Chaucer's 
works. 

The  fore-going  sketch  but  imperfectly  indicates  the  importance  of 
Mr.  Macaulay's  contribution  to  our  knowledge  of  Middle  English,  and  of 
the  growth  of  our  language  and  literature  in  that  vital  period  the  second 
half  of  the  fourteenth  Century.  For  the  first  time  we  have  out  of  intimate 
and  accurate  knowledge  the  truth  about  Gower,  his  work  Stands  enhanced 
in  merit,  and  his  real  relations  to  literature  are  appraised  at  their  due 
value.  The  study  of  the  MSS.  discloses  the  poet's  own  alterations  in  cer- 
tain  aspects  of  his  two  principal  works,  and  shows  the  real  reasons  for 
these,  Clearing  his  character  from  time-serving  timidity.  As  a  necessity 
Mr.  Macaulay,  while  paying  due  respect  to  previous  writers  and  editors, 
English  and  foreign,  does  not  fail  to  point  out  their  numerous  errors  and 


202  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

short-comings;  in  the  light  of  his  sober  judgment  and  critical  power  over 
a  wider  ränge  of  fact,  his  strictures,  always  temperate,  must  be  conceded. 

Tbree  facsimiles,  from  French,  English,  and  Latin  manuscripts,  adorn 
the  work. 

Oxford.  Lucy  Toulmin   Smith. 

William  Shakespeare.  Prosody  and  text.  Au  essay  in  criticism, 
being  an  introdnction  to  a  better  editing  and  a  more  ade- 
quate  appreciation  of  the  works  of  the  Elizabethau  poets. 
By  B.  A.  P.  van  Dam,  M.  D.,  with  the  assistance  of  C.  Stoffel. 
Leyden  1900. 

Of  the  two  authors  of  the  above  mentioned  book,  the  latter  is  well 
known  to  English  philologists  as  the  writer  of  several  very  interesting 
papers  on  different  English  linguistical  subjects,  while  the  other  is  a  'new 
hand\  And  he  is  not  only  a  'new  hand'  in  the  learned  republic  of  Eng- 
lish philology,  but  as  the  two  letters  attached  to  his  name  indicate,  he  is 
not  a  philologist  at  all,  but  a  medical  man  who  has  evidently  grown 
tired  of  curing  the  living,  and  has  therefore  turned  to  the  dead.  I  have 
no  doubt  that  many  critics,  after  reading  his  book,  will  jaolitely  or  im- 
politely  ask  him  to  go  back  to  his  proper  business  and  leave  the  dead 
alone.  For  the  results  to  which  he  comes,  are  in  many  cases  truly  start- 
ling.  In  the  first  part  of  the  book,  called  Prosody,  there  is  made  an 
attempt  to  show  that  in  many  cases  where  Shakespeare's  text  has  been 
judged  corrupt  by  modern  editors,  it  is  really  the  knowledge  of  the  said 
editors  that  is  corrupt  and  that  the  metre  is  easily  put  to  rights  when 
we  remember  that  in  Shakespeare's  time  many  words  either  actually  were, 
or  at  least  might  be,  pronounced  otherwise  than  now.  Words  might  some- 
times  get  an  additional  syllable,  sometimes  lose  a  syllable  by  different 
processes,  which  are  gone  through  in  detail.  In  order  to  prove  this,  a 
large  number  of  examples  are  adduced  from  contemporary  poets,  where 
this  addition  or  cutting  off  of  a  syllable  are  shown  not  only  by  the  require- 
ments  of  the  metre  but  also  by  the  spelling  of  the  words.  Much  of  what 
the  learned  authors  adduce  is  well  known  and  may  be  considered  as  re- 
ceived  facts,  but  perhaps  by  far  the  greater  part  is  new  and,  at  the  first 
blush,  seems  improbable  enough.  And  yet,  though  they  may  have  com- 
mitted  Wunders  and  often  gone  too  far  in  their  conclusions,  it  seems  to 
nie  not  only  that  their  views  deserve  to  be  weighed  seriously,  but  that 
on  the  whole  they  have  hit  upon  the  right  principle,  and  that  Shake- 
speare critics  would  do  well  to  study  the  book  carefully.  In  many  cases 
it  will  throw  new  light  on  passages  which  have  hitberto  baffled  the  exer- 
tions  of  the  learned;  in  other  cases  it  may  at  least  give  hints  as  to  the 
right  way  of  solving  the  problem. 

I  shall  first  give  a  short  summary  of  the  first  part,  before  I  try  to 
answer  the  question  how  far  the  authors  are  correct  in  their  views. 

I.    Additional    Syllables.     The  ending  es  both  in   the  genitive 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  203 

and  the  plural  was  often  sounded  as  a  füll  syllable  and  not  only  after 
sibilants.    The  received  reading  of  M.  of  V.  II,  5,  43 : 

Will  be  worth  a  Jcwess'  eye 

is  due  to  Pope's  misunderstanding  of  the  word  Jewes  in  the  Folio,  which 
is  sirnply  the  genitive  of  Jew.  That  Jew  was  used  both  by  Sh.  and 
and  bis  contemporaries  as  a  feminine,  is  beyond  doubt,  while  it  is  equally 
certain  that  any  word  Jewess  does  not  occur  in  Sh.  —  The  letters  l  and  r 
often  constitute  a  separate  syllable,  for  instance  assembely,  childeren;  so 
also  e  and  i  in  such  words  as  gorgeous,  gracious.  The  words  villain  and 
jealous  are  often  pronounced  vilian  and  jealious  in  three  syllables. 

IL  Aphseresis,  i.  e.  the  loss  of  the  first  syllable  of  a  word,  e.  g. 
noyance  for  annoyance,  lay  for  allay,  sume  for  assume,  change  for  exchange. 
Very  often  this  is  shown  in  print,  but  in  lots  of  cases  the  printers  have 
printed  the  füll  form  though  the  metre  clearly  shows  that  Sh.  must  have 
intended  the  aphetised  one. 

III.  Syncope,  partly  of  vowels,  e.  g.  barb'rous,  mod'rate,  ev'dent, 
foll'tver,  advent'rotis,  partly  of  consonants  or  of  a  vowel  and  a  consonant, 
e.  g.  nee'l  for  needle,  ta'n  for  taken,  gov'nor  for  governor,  anc'tor  for  an- 
cestor;  fa'r,  bro'r  mo'r  for  father,  brother,  mother,  de'l  for  devil  and  so  on. 

IV.  Dropping  of  consonants:  houns  for  hounds,  stockin  for 
stocking,x  ta  for  take,  sha  for  shall,  of  which  more  below. 

V.  A  p  o  c  o  p  e :  Afric  for  Africa,  Gonxal  for  Gonxalo,  Burgund  for  Bur- 
gimdy,  mar  for  marry,  etern  for  etemal,  sev  for  seven,  heav  for  heaven,  aft  for 
öfter,  bet  for  better,  hund  for  hundred,  even  for  erening,  morn  for  moming. 

VI.  Synalephe  and  Coalition:  an'  abortive  for  any,  so  hol' a  man 
for  holy,  s'estimable  for  so,  y'are  for  ye,  not  fornewot,  I've  for  Ihane,  i'th' 
for  in  the,  le'm'  for  let  me,  T  se  for  I  shall,  this  for  this  is,  there  for  there  are. 

VII.  Change  of  Syllabic  Accent:  ab'surd,  adver' sary,  ad'vise, 
for'hid,  reme'dy,  something',  etc.  — 

On  the  basis  of  such  differences  of  language  between  the  16th  and 
19th  centuries  the  authors  try  to  set  'corrupt'  passages  right.  And  there 
can  be  no  doubt  that  they  often  succeed  in  showing  that  the  text  is  cor- 
rect  as  we  have  it  either  in  one  of  the  Quartos  or  in  the  Folio  of  1623, 
if  we  only  read  it  in  the  right  way.  For  in  many  cases  the  printers  have 
either  deliberately  changed  the  spelling  by  printing  aphetised  or  apoco- 
pated  forms  in  füll,  or  by  tampering  with  the  text  in  other  ways.  I  shall 
now  proceed  to  pick  out  sorae  passages  where  I  think  the  authors  have 
succeeded  in  restituting  the  true  text,  after  which  I  shall  also  point  out 
some  cases  where  I  think  their  exertions  have  been  in  vain. 

In  Macb.  II,  3,  108 — 111  the  Globe  Ed.  has  adopted  Steevens's  reading: 

So    were  their  daggers,   whicli  unwiped  we  found 
Upon  their  pillows: 

They  stared,  and  were  distracted;  no  man's  life 
Was  to  be  trusted  with  them. 


1  This,  of  courae,  is  not  really  a  case  of  dropping,  but  of  place-shifting  (?i  for  n). 


204  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

This,  of  course,  cannot  be  correct,  as  two  of  the  lines  are  too  short. 
The  Folio,  on  the  contrary,  has: 

So  were  their  Daggers,  which  unwip'd  we  found 
Upon  their  Pillowes:  they  star'd,  and  were  distracted, 
No  mans  Life  was  to  be  trusted  with  them, 

and  Steevens,  of  course,  rnade  the  change,  because  he  was  unable  to  scan 
the  two  last  lines.  But  by  reading  pill's  instead  of  pillows,  and  marines 
in  two  syllables,  we  find  that  the  reading  of  the  Folio  is  quite  correct 
as  it  Stands.  The  question  then  is  whether  we  are  justified  in  reading 
pill's  for  pillows  and  mannes  for  man's.  As  far  as  I  know,  the  form  pill 
has  not  been  found  so  printed  in  Sh.  or  his  contemporaries ;  but  it  seems 
highly  probable  that  such  a  form  may  have  existed  as  well  as  mead  beside 
meadow,  shade  beside  shadow,  which  are  exactly  analogous.  Moreover  the 
shortened  forms  arr  for  arrow,  morr  for  morrow,  sorr  for  sorrow  seem 
to  be  demanded  by  the  metre  in  some  other  passages  (L.  L.  L.  V,  2,  261 ; 
T.  &  G.  IV,  2,  6;  Pilgr.  15,  11),  and  that  mannes  might  be  pronounced 
in  two  syllables  is  beyond  doubt. 
M.  of  V.  II,  9,  51  reads  thus: 

I  will  assume  desert.     Give  me  a  key  for  this, 

which  cannot  be  correct  as  containing  six  accents  instead  of  five;  the  line 
mußt  be  read  thus : 

I'll  sume  desert.     Give  me  a  key  for  this, 

which  sets  it  right  at  once.  For  as  Sh.  uses  shamed  for  ashamed  (Sonnets 
72,  13),  say  for  assay  (Per.  I,  1,  59),  surance  for  assurance  (T.  A.  V,  2,  46), 
stonish  for  astonish  (Venus  825),  and  lots  of  other  words  with  aphseresis 
of  the  prefix  a,  there  seems  to  be  little  doubt  that  he  would  also  use 
sume  for  assume  and  that  it  is  simply  owing  to  the  printer  when  the  füll 
form  is  found  in  this  passage.  —  In  the  same  way  the  irregulär  line  in 
M.  ofV.  III,  2,  111: 

0  love,  be  moderate,  allay  thy  ecstasy, 
which  also  contains  two  extra  syllables,  must  be  read  thus: 

0  love,  be  mod'rate,  lay  thy  ecstasy, 

there  being  no  doubt  about  the  short  form  lay,  as  it  really  occurs  in  T.  &  C. 
IV,  4,  55.  —  That  Sh.  used  roid  for  avoid,  and  change  for  exehange  is 
quite  certain  (see  Cor.  IV,  5,  88,  and  M.  of  V.  III,  4,  66).  Therefore  there 
can  be  little  doubt  that  these  forms  are  the  correct-  ones  in  Lear  I,  1,  126, 
which  must  be  read : 

Of  her  kind  nurs'ry.     Hence  and  void  my  sight, 
and  ibid.  V,  3,  166: 

1  do  forgive  thee. 

Let's  change  charity. 

It  is  a  well  known  fact  that  the  adverb  ivhether  is  often   used   in 
the  older  language  as  a  monosyllabic   and  then   often   written  where.    It 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  205 

seems  very  probable  then  to  assume  that  such  words  as  father,  mother, 
brother,  other,  might  also  be  used  as  monosyllabics,  e.  g.  Temp.  V,  1,  12: 

His  brother  and  yours,  abide  all  three  distracted, 

where  the  pronunciation  bro'r  sets  the  metre  right  at  once.  Such  a  pro- 
nunciation  has  nothing  stränge  in  it  to  a  Norwegian,  who  is  accustomed 
to  his  own  contractions  of  the  same  words  (far,  mor,  bror),  and  though, 
of  course,  the  pronunciation  of  Norwegian  words  does  not  prove  anything 
as  to  Shakespeare's  pronunciation  of  English,  yet  a  development  in  a 
language  so  nearly  related  to  English  as  Norwegian  may  count  for  some- 
thing  in  determining  whether  a  certain  development  in  English  is  probable 
or  not.  Now,  as  the  Norw.  forms  far,  mor,  bror,  fjcer  have  developed  out 
of  fader,  moder,  broder,  fjeder,  and  as  the  English  whether  is  known  to 
have  been,  at  a  certain  period,  pronounced  tohere,  there  can  be  nothing 
preposterous  in  assuming  that  also  fa'r,  mo'r,  bro'r,  o'r  once  existed  be- 
side  father,  mother,  brother,  otlier.  There  are  several  other  cases  in  which 
Norwegian  furnishes  parallels  to  English,  for  instance  the  shortened  forms 
ha  and  gi  for  have  and  gire.  The  short  forms  are  now  the  only  ones  in 
use  in  spoken  Norwegian;  that  such  was  once  the  case  in  English  is  quite 
certain.  At  the  first  blush  it  seems  inexplicable  that  fuller  forms,  such 
as  father  and  have,  should  again  be  able  to  drive  out  shorter  ones,  as 
fa'r  and  ha,  and  at  present  it  certainly  seems  highly  improbable  that  the 
Norwegian  far  etc.  should  ever  be  exchauged  again  for  fader  etc.  And 
yet  I  think  even  this  phenomenon  may  be  explained.  In  democratic 
societies  like  the  English  and  the  Norwegian,  there  is  a  constaut  current 
from  the  lower  classes  upwards.  People  who  have  received  little  or  no 
learning  in  their  youth,  may  by  the  favour  of  circumstances,  by  lucky 
speculations  and  the  like,  be  placed  in  positions  that  demand  at  least 
some  degree  of  education,  and  as  education  partly  manifests  itself  in  the 
way  of  speaking,  it  is  quite  natural  that  such  people  should  try  and 
imitate  their  'betters'.  But  as  they  have  not  access  to  the  most  refined 
circles,  they  are  often  reduced  to  learn  to  talk  fine  by  the  same  means 
as  foreigners,  viz.  through  books.  In  this  way  they  very  often  overdo  it ; 
they  are  anxious  to  show  that  they  know  how  it  ought  to  be,  and  pro- 
nounce  letters  which  are  really  mute  in  the  language  of  educated  people. 
Thus  it  may  happen  that  the  füll  form  of  a  word  is  vulgär,  while  the 
shortened  form  belongs  to  educated  speech.  And  the  children  and  grand- 
children  of  those  who  from  sheer  ignorance  spoke  finer  than  the  educated 
classes,  will  in  their  turn  constitute  the  educated  classes  and  bring  with 
them  forms  which  were  quite  vulgär  in  their  grandfathers'  time.  There 
are  a  few  cases  in  spoken  Norwegian  which  I  think  may  be  explained 
in  this  way.  The  verb  scelge  (to  seil)  is  pronounced  seih  by  educated 
people.  But  if  I  go  into  a  shop,  I  invariably  hear  the  people  inside 
the  counter  pronounce  it  selgd,  sounding  the  g,  which  they  no  doubt 
think  is  finer.  In  the  same  way  the  verb  written  l0be  (to  run)  is  pro- 
nounced  by  educated   people  l<üpd;   but  the   lower  classes  in   Christiania 


206  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

now  say  lobe,  with  a  b,  which  seems  to  be  contrary  to  nature.  The 
explanation  of  this  I  think  is  the  following.  Thirty  years  ago  the  verb 
l0be  was  not  used  at  all  by  tbe  juvenile  population  of  Cbristiania:  tbe 
children  of  tbe  educated  said  springe,  the  others  expressed  themselves 
much  uiore  forcibly  by  means  of  flyea:  flyve  (to  fly).  But  the  extended 
primary  education  of  later  years,  as  well  as  the  spreading  of  newspapers, 
has  brought  the  illiterate  more  in  contact  with  the  literary  language,  where 
lobe  is  of  frequent  occurrence.  They  have  then  adopted  this  verb,  but  in 
its  literary  form,  just  as  the  educated  classes  have  adopted  videnskab  in 
its  literary  form  with  a  d  instead  of  a  t  (cf.  vide  pron.  vite).  Thus  it  may 
happen,  I  think,  that  a  worn  down  form  may  in  course  of  time  be  sup- 
planted  by  the  corresponding  literary  form,  seemingly  a  back  ward  deve- 
lopment.  That  such  a  reaction  has  really  taken  place  in  English,  we 
have  direct  evidence  in  such  words  as  can,  shall,  will  (ivol),  in  which  the 
final  consonant  in  now  always  sounded.  But  that  it  was  formerly  often 
dropped  is  proved  by  the  contracted  forms  can't,  shan't,  won't,  which  can 
only  be  explained  in  this  way.  And  the  pronunciation  of  what,  that,  let 
as  wha',  tha',  le'  seems  no  more  unnatural  in  English  than  the  pronun- 
ciation of  the  corresponding  words  in  Norwegian :  hvad,  det,  lad,  which 
are  now  always  pronounced  va,  de,  la.  — 

On  the  whole,  there  can  be  little  doubt  that  apocope  of  one  or  more 
final  sounds  plays  a  much  greater  part  in  16th  Century  English  than  has 
hitherto  been  assumed.  The  spelling  in  the  old  editions  clearly  shows 
that  it  was  usual  on  occasion  to  cut  away  many  endings  which  are  now 
always  pronounced,  and  though  in  many  cases  the  füll  form  was  printed, 
the  metre  shows  that  the  curtailed  forms  were  intended.  Even  now  the 
addition  of  the  suffix  -al  to  words  already  ending  in  -ic  is  optional. 
I  have  mentioned  already  the  forms  arr,  mead,  morr,  sorr,  pill  for 
arrow  etc.  There  is  also  direct  evidence  that  the  ending  -y  was  often  left 
out;  see  for  instance  Mac.  III,  4,  124  (augurs  =  auguries),  Harn.  III,  4,  83 
{mutine  =  mutiny),  Lear  II,  4,  136  (naught  =  naughty),  and  so  on.  We 
may  therefore  conclude  with  good  reason  that  Sh.  sometimes  used  marr 
insteed  of  marry,  as  this  pronunciation  not  only  in  many  cases  sets  the 
metre  right,  e.  g.  Rom.  &  J.  III,  5,  122,  which  must  be  read: 

I  will  marr  yet;  and  when  I  do  I  swear, 
but  also  explains  the  pun  ibid.  I,  2,  13,  where  the  first  Quarto  has: 

P.     Younger  than  she  are  happy  mothers  ruade. 

C.     But  too  soon  marr'd  are  those  so  early  married, 

which  the  Folio  attempts  to  better  by  reading  made  instead  of  married, 
while  the  intended  pun  is  brought  out  clearly  by  reading: 

Büt  too  soon  marr'd  are  those  so  early  marr'd, 

thus  playing  upon  marr'd  from  to  to  mar  and  from  to  marrfy). 

Of  other  interestiug  examples  of  apocope  the  following  deserve  to  be 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  207 

mentioned.  There  is  no  doubt  that  Spenser  could  use  the  word  hearen 
as  a  monosyllabic,  e.  g.  Astrophel  153 : 

Whose  praiers  importune  shall  the  heav's  för  ay, 

where  both  the  metre  and  the  spelling  shows  the  monosyllabic  nature 
of  the  word.  It  may  therefore  also  be  assumed  that  Sh.  could  do  the 
same,  and  that  the  true  reading  of  Venus  &  A.  730  ought  to  be: 

Wherein  she  fram'd  thee,  in  high  heav's  despite. 

Besides,  the  old  Shakespeare  texts  show  a  few  instances  of  confusion  be- 
tween  lieavenly  and  heavily,  which  is  easily  explained  by  assuming  that 
both  might  be  shortened  to  heav'ly.  That  coffin  might  be  shortened  to 
coff,  and  thus  get  confused  with  coffer  seems  very  probable  from  Per.  III, 
2,  69  and  III,  4,  2.  One  and  the  same  object,  viz.  a  ehest,  is  here  called 
coffin  in  the  former  place  and  coffer  in  the  latter.  That  coffin  is  the  right 
word  is  not  doubtful,  and  the  wrong  word  in  III,  4,  2  can  only  be  ex- 
plained by  assuming  that  Sh.  used  the  apocopated  form  coff,  which  an 
ignorant  printer  changed   to  coffer.     The   passage   is   thus   given   in  the 

editions : 

Ger.     Madam,  this  letter,  and  some  certain  jewels 
Lay  with  you  in  your  coffer,  which  are 
At  your  command.     Know  you  the  charaeter? 

Th.      It  is  my  lord's. 

The  second  and  fourth  of  these  lines  are  too  short,  which  shows  there 
must  be  something  wrong  here.  Though  van  Dam  and  Stoffel  do  not 
give  their  own  reading  of  this  passage,  I  think  I  am  not  far  wrong  if 
I  surmise  they  would  read  it  in  the  following  way: 

Cer.     Madam,  this  letter,  and  some  certain  jewels 

Lay  with  you  in  your  coff,  which  are  at  your 
Command.    Know  you  the  charact? 

Th.  'Tis  my  lord's. 

That  charaeter   might  be  shortened   to  charact   is  shown   by  M.  f.  M. 

V,  1,  56: 

In  all  his  dressings,  characts,  titles,  iorms. 

The  running  together  of  two  words,  one  of  which  ends  in,   and  the 

other  begins  with  a  vowel,  is  so  well  known,   besides   being  testified  by 

the  existence  of  such  words   as  to  don,  to  doff,  I'm,  I've,  etc.,  that  it  is 

not  necessary  to  dwell  upon  it  here.    That  van  Dam  and  Stoffel  assume 

such  synalephe  in   a  large  number  of  cases  where  nobody  has  hitherto 

thought  of  it,    is   only   what  might  be   expected;   but   there  seems  little 

reason  to  doubt,  for  instance,  that  any  must  be  pronounced  an'  in  L.  L.  L. 

I,  1,  104: 

Why  should  I  joy  in  any  abortive  birth. 

Some  of  these  coalitions,  as  tJi'art,  thou'rt,  thou'll,  y'are,  you're,  you'll, 
have  already  been  treated  of  by  Prof.  Jespersen  in  his  Progress  of 
Language.  Greater  Opposition  will  probably  be  raised  to  such  coalitions 
as  bym'  —  by  me,  le'm'  =  let  me,   which  last   by  the  bye  reminds    one 


208  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

strikingly  of  the  colloquial  Norwegian  la'n  =  lad  kam,  Fse  =  I  shall, 
i'm  =  in  him  (cp.  Norw.  i'n  --  i  den,  i  harn),  and  yet  several  of  these 
have  survived  to  the  present  day,  for  instance  let's,  TU,  Fd. 

I  cannot  here  deny  myself  the  pleasure  of  presenting  to  the  reader 
the  authors'  treatment  of  Mac.  I,  6,  6 — 10,  where  the  Globe  edition  reads: 

Smells  wooingly  here:  no  jutty,  frieze, 
Buttress,  nor  coign  of  vantage,  but  this  bird 
Hath  made  his  pendent  bed  and  procreant  cradle : 
Where  they  most  breed  and  haunt,  I  have  observed 
The  air  is  delicate.     See,  see,  our  honour'd  hostess. 

The  first  of  these  lines  is  too  short,  and  the  last  is  too  long.  Besides, 
the  word  most,  which  is  Rowe's  emendation  for  the  impossible  tnust  of 
the  Folio,  does  not  seem  to  have  hit  the  mark.  Now,  it  sometimes  hap- 
pens  that  we  find  printed  must  where  Sh.  evidently  wrote  'se  =  sliall, 
because  in  many  cases  it  makes  no  great  difference  whether  we  read  shall 
or  must.  But  in  this  case  must  makes  nonsense  of  the  passage,  and  most 
is  a  doubtful  amelioration.    The  authors  propose  the  following  plausible 

reading : 

Smells  woo'ngly  here.    No  jut,  frieze,  butteress, 
Nor  com  of  vantage,  but  this  bird  hath  made 
His  pendent  bed  and  procr'ant  cradle.    Where 
They'se  breed  and  haunt,   I  have  observ'd  the  air 
Is  delicate.     See,  see,  our  honour'd  hostess, 

thus  setting  the  metre  and  the  sense  of  the  passage  right  at  the  same  time. 
A  following  chapter  gives  a  great  number  of  instances  of  how  words 
were  often  accented  otherwise  than  now,  and  how  many  seeniing  irregu- 
larities  may  be  aecounted  for  by  bearing  this  in  mind.  Thus  Harn.  I, 
3,  59  must  be  read  thus: 

Look  thou  charac'ter.     Give  thy  thought  no  tongue. 

But  as  this  is  generali)'  admitted,  though  perhaps  not  to  the  same  extent 
as  supposed  here,  I  shall  waste  no  more  time  upon  it. 

I  have  already  remarked  that  I  think  the  learned  authors  go  some- 
times too  far  in  their  attempts  to  set  Shakespeare's  lines  right.  As  they 
observe  themselves  in  the  foot-note  to  page  209,  it  is  their  'deliberate 
opinion  that  Shakespeare  never  wrote  shorter  lines  of  blank  verse'  than 
of  ten  or  eleven  syllables.  The  broken  lines,  therefore,  which  are  to  be 
found  in  the  text  handed  down  to  us,  they  'hold  to  be  due  to  the  maiming 
which  the  text  underwent  at  the  hands  of  printers  and  editors'. 

Now  there  can  in  my  opinion  be  no  doubt  that  such  broken  lines 
as  occur  in  the  middle  of  a  speech,  e.  g.  the  line  treated  of  above,  Upon 
their  pillows  {Mac.  II,  3,  109),  are  due  to  corruptions  of  or  tampering 
with  the  text,  and  I  also  think  it  the  duty  of  critics  to  start  from  the 
assumption  that  such  lines  were  correct  from  Shakespeare's  hand.  But 
I  do  not  see  why  we  should  assume  that  Shakespeare  never  wrote  shorter 
lines.  Of  course  it  is  impossible  to  prove  either  the  one  or  the  other, 
but  sometimes  there  occurs  in   the  oldest  texts   a  short  line,  whose  very 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  209 

abruptness  seems  to  me  to  give  a  peculiar  force  to  the  expression,  e.  g. 
Mac.  II,  2,  02,  where  the  short  line: 

Making  the  green  one  red 

seems  to  gain  by  its  shortness,  as  a  long  pause  is  demanded  after  green. 
In  the  same  way,  in  Mac.  III,  1,  40,  the  word  Farewell  does  not  seem 
out  of  place  standing  alone  as  it  does.  I  would  here  also  call  attention 
to  bbe  words  Speak  to  me!  0  speak!  Harn.  I,  1,  129,  132,  135,  which 
seem  to  have  good  legs  to  stand  upon  by  themselves.  The  proposed 
emendation : 

That  inay  t'ye  d'ease  and  grace  to  me,  speak  to  me: 

If  thou  art  privy  to  thy  country's  fate, 

Which,  happily,  foreknow'ng  m'avoid,  o  speak! 

does  not  strike  me  as  any  amelioration,  especially  as  the  contrast  between 
thee  and  me  in  the  first  of  these  lines  is  quite  lost  by  this  reading.  I  also 
think  modern  critics  should  be  very  cautious  in  assuming  curtailed  forms. 
These  can  hardly  be  considered  otherwise  than  as  poetical  licenses  or  as 
colloquial  forms,  and  we  are  hardly  justified  in  believing  that  such  a 
master  in  verse-making  as  Sh.  would  heap  up  too  many  of  them  in  one 
line.    Thus,  the  proposed  reading  Harn.  II,  1,  78: 

f  P.     Ophelie,  what's  the  matter? 
0-  O,  m'lord,  m'lord, 

I've  been  so  fright, 

does  not  seem  very  plausible  with  its  repetition  of  m'lord,  m'lord,  con- 
stituting  together  one  verse-foot;  why  not  reading  my  lord  only  once,  but 
in  füll?  In  the  same  way  I  cannot  bring  myself  to  believe  that  the  pro- 
posed reconstruction  of  Lear  IV,  2,  21  foll.  is  right.    It  runs  thus: 

G.     A  mistress'  mand.      Wear  this;  spare  Speech;  decline 

Your  head:  this  kiss,  if  it  durst  speak,   would  Stretch 

Thy  spirits  up  into  the  air:  conceive, 

And  fare  thee  well. 
jE1.  Yours  in  the  ranks  of  death. 

G.     My  most  dear  Gloucester!     O,  the  difference 

Of  man  and  man !     T'ye  a  wom's  serv'ce'  are  due : 

My  fool  usurps  my  bod'. 
0.  Ma'm,  here  comes  m'lord. 

But  the  curtailings  and  coalitions  in  the  two  last  lines  seem  more  than 
can  be  reconciled  to  good  taste  in  the  writer.  However  these  lines  are 
to  be  understood,  there  seems  to  be  a  logical  contrast  between  thee  and 
my,  between  woman  and  fool.  It  then  seems  unfortunate  to  propose  to 
read  ye  and  wom'  as  unaccented  syllables,  not  to  mention  the  maiming 
of  the  words  in  that  line.  For  aught  I  see,  we  might  as  well  propose 
the  following: 

O,  what  a  difference  of  man  and  man! 
To  thee  a  woman's  Services  are  due, 
My  fool  usurp3  my  bod' 

Ma'm  here's  my  lord. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    OX.  14 


210  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

But  the  words  My  fool  usurps  my  body  are  suspect.  Nor  do  I  see  the 
necessity  of  changing  the  beginning  of  this  passage.  Ol'  course  it  is  the 
broken  line  Gonceive,  and  fare  thee  well,  that  has  led  the  authors  to  try 
another  line  -  shif  ting.  But  I  think  we  niay  well  suppose  Sh.  to  have 
written  the  words  as  they  stand ,  cp.  the  line  Farewell  in  Macbeth, 
mentioned  above.  Of  course,  we  rnust  then  read  mistress's  in  three 
syllables.  In  the  sanie  way,  I  cannot  say  that  I  like  the  proposed  re- 
modelling  of  Harn.  I,  4,  12,  where  the  received  text  is  contracted  into 
one  line  thus: 

Harn.    The  tri'mph  of's  pledge. 

Hör.  Is't  cusloin? 

Harn,.  Ay,  marr'  is't: 

I  don't  believe  Sh.  would  use  an  emphasizing  word  like  marry  uuacceuted. 
I  should  therefore  much  inore  prefer  to  read: 

The  triumph  of  his  pledge. 

Is't  custom  ? 

Ay: 

leaving  out  altogether  the  words  marry  is't.  —  Conversely  I  would  re- 
eommend  the  short  instead  of  the  füll  form  of  near(er)  in  Mac.  II,  3,  147, 
where  the  authors  propose  to  read: 

—  —      —     —      —      —     —     the  near  in  blood, 

Th'  nearer'  bloody', 

with  the  last  syllable  accented  both  of  nearer  and  bloody.  To  my  mind 
it  sounds  better  to  read: 

—  —  ■    —     —  '   —      —      —     the  near  in  blood, 
The  near  bloody', 

the  accent  on  the  last  syllable  of  bloody  going  very  well  as  in  contra- 
distinction  to  the  preceding  blood,  but  nearer'  bloody'  seems  rather  jarring. 

On  the  whole,  though  I  think  it  cannot  be  denied  that  many  of  the 
curtailed  forms  adduced  by  van  Dam  and  Stoffel  really  existed  in  Eliza- 
bethan  English,  yet  I  am  inclined  to  believe  that  the  authors  have  beeu 
too  ready  to  admit  them  in  the  single  instances.  Our  knowledge  of 
Shakespeare's  genuine  text  is  too  limited  to  allow  no  to  set  it  right  in 
every  case  where  it  is  evident  that  the  received  text  is  corrupt.  But  still 
I  think  the  authors  have  done  good  work  in  drawing  the  attention  of 
scholars  to  these  linguistic  facts,  as  they  may  go  a  long  way  to  help  them 
in  correcting  the  text,  even  though  this  remedy  is  us  panacea.  —  Nor 
can  I  unconditionally  subscribe  to  the  somewhat  startling  assertions  that 
'the  use  or  non-use  of  the  s,  especially  as  the  sign  of  the  plural,  was 
a  purely  arbitrary  matter'  (page  81),  or  that  :Elizabethan  Speakers  hardly 
troubled  about  such  trifles  as  the  pronunciation  of  final  consonants' 
(page  157).  — 

The  first  part  of  the  book  concludes  with  a  very  füll  and  very  inter- 
esting  survey   of   the   history  and  structure  of  the  Heroic  Line   and  the 


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Blank  Verse.  The  results  of  the  investigation  is  thus  given  by  the  authors 
themselves  (page  209): 

'The  unit  of  Shakespeare's  blank  verse  is  a  line  of  either  ten  or  eleven 
syllables. 

In  this  line  there  may  or  may  not  be  one  or  more  verse-pauses.  If 
there  are  one  or  more  verse-pauses,  these  may  occur  after  any  syllable 
in  the  line. 

The  verse-accents  are  on  the  even  syllables,  but  accentual  inversions 
may  occur  in  the  case  of  the  first,  the  second,  the  third,  and  the  fourth 
accent,  on  condition  that  such  inversion  be  preceded  by  a  verse-pause. 
There  may  also  be  two  accentual  inversions  in  a  line,  but  these  nrust 
never  be  consecutive  ones,  and  the  fifth  accent  cannot  under  any  circum- 
stances  suffer  inversion. 

The  only  essential  difference  between  blank-verse  and  heroic  verse 
is  the  absence  of  rhyme  in  the  former;  and  the  greater  latitude  of  ex- 
pression  thereby  secured  may  manifest  itself  in  a  greater  diversity  in 
the  place  of  the  verse-pause,  and  an  iucrease  in  the  number  of  unstopt 
ünes.'  — 

The  authors  are  themselves  aware  that  their  conception  of  Shake- 
speare's blank  verse  has  not  up  to  now  been  accepted  by  a  single  editor, 
a  single  critic,  or  a  single  Shakespearian  scholar,  and  that  it  is  in  flat 
contradiction  with  the  general  opinion  which  has  gradually  taken  root  on 
the  subject  of  Shakespeare's  dramatic  verse  (page  212).  To  this  I  have 
only  to  add  that  this  part  of  the  book  seems  to  me  to  be  far  the  best, 
and  I  am  fully  cocvinced  that  their  view  of  the  structure  of  blank  verse 
will  in  time  do  completely  away  with  all  phantastic  views  set  forth  by 
Dr.  Guest  and  the  anonymous  writer  in  the  Quarterly  Review,  quoted 
on  page  225. 

The  second  part  of  the  book,  containing  Criticism  of  the  Text 
of  Shakespeare  is  likewise  divided  into  several  chapters.  In  the  first 
of  these  are  discussed  the  various  Causes  of  the  Mistakes  in  the 
Text.  These  causes  are  manifold,  such  as  differences  in  spelling, 
misprints,  line-shif  tings,  which  are  to  be  laid  at  the  printer's  door, 
or  arbitrary  alterations  of  the  punctuation  or  the  text,  as  well  as 
omissions  and  additions,  which  are,  as  a  general  rule,  due  to  the 
carelessness  or  ignorance  of  editors  and  correctors  of  the  press.  Themost 
interesting  of  these  causes  is  perhaps  line-shifting,  or  'the  mangling 
of  verse  by  subjecting  the  individual  lines  to  arbitrary  processes  of  short- 
ening  or  lengthening,  while  leaving  intact  the  words  of  which  the  lines 
are  made  up.'  As  an  example  I  shall  give  the  following:  Harn.  V,  2, 
369—372  is  thus  printed  in  the  Folio: 

Which  have  solicited.    The  rest  is  silence.    O,  o,   o,   o.     Dyes. 

Hora.     Now  cracke  a  Noble  heart: 

Goodnight,  sweet  Prince, 

And  flights  of  Angela  sing  thee  to  thy  rest, 

Why  do's  the  Druinme  come  hither? 

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212  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Modern  editors  try  to  set  this  right  by  leaving  out  the  0,  o,  o,  o,  and 
printing  Goodnight,  sweet  prince  in  the  same  line  with  the  preceding  one. 
But  this  still  leaves  the  last  line  incomplete.  The  following  reniodelling 
proposed  by  van  Dam  and  Stoffel  recommends  itself  as  very  plausible: 

Which  have  solicited.     The  rest  is  silence. 

■O,  o,  o,  o!  {Dies.) 

Hör.  Now  cracks  a  noble  heart. 

Good  night,  sweet  prince!     And  flights  of  angels  sing 
Thee  to  thy  rest!  —  Why  does  the  drum  come  hither? 

By  this  simple  means  everything  is  set  right  without  changing  or  leaving 
out  a  single  word.    Truly,  no  Solution  can  be  simpler. 

In  dealing  with  the  text  of  the  single  works  the  authors  divide  these 
into  three  groups,  viz. 

I.  the  works  for  which  only  one  source  has  come  down  to  us,  sc.  the 
poems  and  those  plays  that  are  found  only  in  the  Folio  of  1623; 

II.  the  plays  which  are  found  not  only  in  the  Folio,  but  also  in  one 
or  more  Quartos,  and 

III.  the  plays  of  which,  in  addition  to  a  Version  printed  from  the 
manuscript,  we  also  possess  surreptitious  copies. 

The  authors  take  it  for  granted  that  all  the  works  of  Sh.  have  been 
printed  from  his  own  manuscripts.  When  we  ask  how  it  is  then  possible 
that  they  contain  so  many  evident  mistakes,  so  many  omissions  and 
additions,  they  answer  by  referring  to  the  fact  that  it  was  not  the  custom 
of  the  authors  at  that  time  to  correct  the  proof-sheets.  The  printing 
was  wholly  left  to  the  compositor  and  the  corrector,  and  these  did  not 
scruple,  if  they  thought  fit,  to  alter  the  text  arbitrarily,  to  omit  words 
or  lines  which  they  did  not  understand,  and  even  add  words  that  were 
not  in  the  manuscript.  Besides,  according  to  a  passage  quoted  from 
de  Vinne's  book  The  Invention  of  Printing,  it  seems  that  the  compositor 
was  not  always  in  the  habit  of  having  the  MS.  before  him,  but  'that  it 
was  customary  to  employ  a  reader  to  read  aloud  to  the  compositors,  who 
set  the  types  from  dictation,  not  seeing  the  copy.  . . .  When  the  compo- 
sitors were  educated,  the  method  of  dictation  may  have  been  practised 
with  some  success;  when  they  were  ignorant,  it  was  sure  to  produce  many 
errors.'  From  this  it  is  concluded  that  'if  two  Elizabethan  editors  happen 
to  edit  the  same  manuscript,  hundreds  of  small  discrepancies  are  sure  to 
appear  in  the  two  texts  they  turn  out.' 

Respecting  the  plays  of  the  first  group,  special  interest  is  attached 
to  the  attempt  of  the  authors  to  reconstruct  the  blank  verse  form  of  the 
opening  scene  of  the  Tempest,  which  is  printed  as  prose  both  in  the  first 
Folio  and  in  all  subsequent  editions.  I  will  not  say  I  believe  the  authors 
have  succeeded  in  giving  us  Shakespeare's  genuine  text  in  every  detail 
of  this  scene,  nor  do  I  believe  the  authors  theraselves  will  claim  credit 
for  this,  but  their  attempt  has  at  all  events  convinced  me  —  and  will, 
I  believe,  convince  all  who  study  it  without  preconceived  notions  —  that 
this  scene  is  in  blank  verse,  even  though  there  may  be  objectionable  de- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  213 

tails  in  the  reconstruction.    Thus,  I  don't  think  the  very  first  line  a  good 
one,  whether  Sh.  wrote  it  in  that  form  or  not: 

Mast.      Boatswain. 

Boats.  Here,  master.    What  cheer? 

Mast-  Good.    Speak  to 

The  mariners. 

In  order  to  make  blank  verse  out  of  this,   we  must  accent  what  and  to. 
But  other  lines  are  quite  perfect,  for  instance  the  following: 

Ant.  Where's  the  master,  boatswain? 

Boats.    D'ye  not  near  himV     You  mar  our  labour.     Keep 

Your  cabins!     'S  blood!     You  do  assist  the  storm. 
Gon.       Nay,  good,  be  patient. 
Boats.  When  the  sea  is.     Hence! 

What  cares  these  roarers  for  the  narae  of  king? 

To  cabin!     Silence!     Trouble's  not! 
Gon.  Good,  yet 

Remember  whom  thou  hast  aboard. 
Boats.  None  that 

I  more  love  than  myself.     You  are  a  couns'lor; 

If  you  can  mand  these  elements  to  silence, 

And  work  the  peace  o'th'  present,  we  will  not 

Hand  a  rope  more ;  use  your  authority. 

If  you  can  not,    give  thanks  y'have  liv'd  so  long, 

And  make  yourself  ready'  in  your  cabin  for 

The  mischance  of  the  hour,  if  it  so  hap.  — 

Cheerly,  good  hearts!  —  Out  of  our  way,  I  say.    (Exit.) 

I  believe  no  one  will  dispute  this  being  blank  verse;  but  if  this  is 
blank  verse  I  do  not  see  any  reason  why  the  rest  of  the  scene  should  not 
be  blank  verse  as  well.  It  may  also  be  noted  that  of  the  whole  scene 
only  one  word  of  the  Folio  text  has  been  left  out  and  only  one  word 
added  to  it.  The  rest  of  the  alterations  merely  concern  the  spelling  and 
form  of  the  words.  I  consider  it  as  proved  beyond  doubt  that  Sh.  wrote 
this  scene  in  blank  verse. 

The  second  group  of  plays  comprises  Eich.  IL,  LI.  Henry  IV.,  Rieh.  III., 
Tr.  &  Gr.,  Tit.  And.,  Lear,  and  Oth.,  and  a  searching  investigation  has 
led  the  authors  'to  the  conclusion  that  both  the  Quarto  printer  and  the 
Folio  printer  (or  the  F.  corrector)  must  have  had  füll  or  partial  access 
to  the  genuine  manuscripts'.  —  That  the  Folio-edition  of  the  plays  is  not 
a  mere  reprint  of  the  Quartos  is,  of  course,  proved  by  the  many  dis- 
crepancies  between  them.  At  the  same  time  they  have  so  many  errors 
in  common  that  they  cannot,  on  the  other  hand,  be  wholly  independent 
of  each  other.  The  authors  assume,  as  a  general  rule,  that  though  the 
editors  of  the  Folio  had  access  to  Shakespeare's  manuscripts,  these  were 
only  now  and  then  had  recourse  to,  while  the  type  was  mainly  set  up 
f rom  the  Quarto :  'When  a  work  was  reprinted,  the  ordinary  practice  must 
have  been  to  set  up  the  type,  not  from  the  manuscript,  but  from  a  copy 
of  the  edition  immediately  preceding.  Of  course  it  is  far  easier  for  a 
compositor  to  set  up  a  work  from  a  printed  text  than  from  a  manuscript, 


214  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

and  Shakespeare's  hand  may  well  have  been  hard  to  decipher.  . . .  We 
shall  therefore  be  pretty  near  the  truth  if  we  assume  that  tbe  F.  printer 
thougbt  fit  to  consult  bis  convenience  by  using  the  Q.  as  his  "copy",  at 
the  same  time  looking  with  intermittent  attention  into  tbe  MS.  upon 
occasions,  and  in  certain  cases   even  printing  froni  the  MS.  exclusively.' 

I  must  leave  it  to  others  to  decide  if  this  view  of  the  matter  is  cor- 
rect  or  not.  I  requires  a  far  deeper  knowledge  of  the  different  editions 
than  I  can  boast  of  to  pronounce  upon  tbe  question.  I  can  only  say 
that  in  many  cases  a  difficulty  seenis  to  be  solved  by  this  way  of  looking 
at  it,  in  other  cases  the  attempt  to  set  the  text  right  seems  less  success- 
ful.  This  also  applies  to  the  attempt  at  reconstructing  the  opening  scene 
of  K.  Lear,  where  many  a  lucky  hit  is  mixed  up  with  what  I  am  inclined 
to  consider  as  the  overstraining  of  a  preconceived  theory.  Thus,  the 
authors  are  no  doubt  right  in  supposing  the  beginning  of  this  scene 
to  be  in  blank  verse  as  well  as  all  the  rest,  and  the  way  the  metre  is 
reconstructed  is,  I  believe,  mainly  correct;  so  is  probably  their  reading 
of  lines  67 — 81  (from  Then  poor  Cordelia  —  Speak  again),  where  they 
seem  to  have  succeeded  very  well  in  conciliating  the  texts  of  the  Q.  and 
the  F.  —  But  I  have  no  doubt  that  Shakespeare  critics  will  take  ex- 
ception  at  many  details. 

We  now  come  to  the  tbird  group  of  plays,  viz.  those  of  which  there 
are  also  found  surreptitious  copies.  These,  as  everybody  knows,  are  sup- 
posed  to  have  been  stolen  by  sborthand  writers,  who  jotted  them  down 
by  ear  during  the  Performance,  and  they  therefore  do  not  only  contain 
many  mistakes  due  either  to  misconception  of  the  spoken  words,  or  to 
blunders  in  deciphering  the  shortband  notes,  but  also  often  leave  out 
whole  passages.  Consequently  they  are  much  shorter  than  the  editions 
printed  from  the  MS.  It  would  seem,  therefore,  that  no  great  weight  can 
be  laid  upon  words  and  passages  found  in  tbese,  but  wanting,  in  the  legal 
editions.  And  yet  van  Dam  and  Stoffel  attach  a  high  value  to  them, 
because  in  several  cases,  instead  of  giving  less  than  the  genuine  copies, 
they  really  give  more,  that  is  to  say,  they  contain  fresh  matter  not  to 
be  found  anywhere  eise,  and  what  is  more,  this  fresh  matter  may  to  great 
advantage  be  inserted  in  the  generally  received  texts,  thereby  throwing 
quite  a  new  ligbt  upon  several  passages  of  the  latter.  As  an  example 
instar  omnium  the  authors  give  the  well-known  passage  from  R.  &  J.  II,  6, 
where  Romeo  and  Juliet  meet  in  the  friar's  cell  to  get  married.  As  the 
two  Quartos  have  only  two  lines  in  common  in  this  scene,  it  has  always 
been  supposed  that  the  original  text  as  we  know  it  only  from  the  sur- 
reptitious Quarto  has  afterwards  been  rewritten  by  Sh.,  who  must  con- 
.sequently  have  cancelled  almost  the  whole  scene,  and  substituted  a  wbolly 
new  text.  But  as  the  lines  supposed  in  this  manner  to  have  been  can- 
celled by  Sh.  are  by  far  tbe  most  beautiful  of  the  whole  scene,  I  fully 
agree  with  the  authors  when  they  say  that  'if  Shakespeare  had  cancelled 
and  rewritten  tbese  splendid  lines,  we  should  have  to  conclude  that  be- 
tween  1597  and  1599  he  had  had   a  fit  of  mental  alienation.'    The  only 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  215 

conclusion,  therefore,  that  can  be  drawn  from  this,  is  that  both  the  text 
of  the  surreptitious  Quarto  and  that  of  the  later  Quarto  belong  to  the 
original  play,  and,  in  fact,   by  putting  them  together  we  get  a  text  that 
at  once   commends   itself  to  any  one  who  has  eyes  to  see  and   ears   to 
hear.    There  may  be  still  more  lines  wanting  in   this   beautiful  scene,  so 
that  it  is  by  no  means  certain  that,  by  welding  the  two  texts  together, 
the   authors  have  really  succeeded    in  restoring   the  genuine  text   as  it 
flowed  from  Shakespeare's  pen ;   there  is  no  ascertaining  this  now.    But 
what  seems  to  me  to  be  beyond   reasonable  doubt,  is   that  the  text  as 
restored  by  van  Dam  and  Stoffel  is  the  nearest  approach  to  Shakespeare's 
own  words  that  is  now  possible.     But  if  this  is  so,  the  lines  left  out  in 
the  later  Quarto  must  have  been  in  Shakespeare's  MS.,  and  as  this  Quarto 
is  supposed  by  the  authors   to  have  been  printed   from   the  manuscript, 
the  question  naturally  arises  how  it  has  come  to  pass  that  these  beautiful 
lines  could   be  left  out  by  the  compositor.    To  solve  this  difficulty  the 
authors  suppose  that  the  compositor  made  use  of  the  surreptitious  Quarto 
and  set   up  the  type  from  that,  all  the  way  comparing  it  with  the  MS., 
in   which    he   had   already   marked    those   lines   which  were   left    out  in 
the  printed  copy  before  him.     But  when  he  got  to  II,  6,  he  is   supposed 
to  have  for  a  moment  forgotten  all  about  the  printed  copy,  and  'in  his 
eagerness  to  get  on  set  in  type  only  the  marked  passages  in  the  Ms.'  — 
Here  I  must  join  issue   with   the  authors.     First,   if  the  printer   before 
going  to  work  had   compared   the  first  Quarto  with  the  MS.,  he  would 
have  found    so  many  discrepancies   between    them    that  he  would   most 
probably  have  preferred  printing  directly  from   the  MS.  to  this  constant 
turning  from  one  to  the  other.     Secondly,  if  it  was  his  'eagerness   to  get 
on'  that  made  him  for  a  moment  forget  that  he  had  really  two  copies  to 
print  from,  it  is  more  probable  that  he  would  have  forgotten  the  written 
copy  and  contented  himself  with  the  printed  one,  than  vice  versa;  for  as 
the  authors  themselves  say  in  another  place,  it  is  much  easier  to  set  up 
type  from  a  printed  copy  than  from  a  written  one,  and  we  can  not,  there- 
fore, suppose  that  the  compositor,  if  he  wanted  to  get  on  with  his  task, 
should    choose   the  expedient    which   would    most   probably   prevent   his 
getting  on.    The  only  explan ation  possible  of  this  remarkable  fact,  there- 
fore, is  that  the  lines  in  question  were  not  to  be  found  in  the  MS.  from 
which  the  compositor  was  printing.    But,  again,  if  these  lines  had  never 
been  cancelled  by  Sh.,  we  can  only  infer  that  the  MS.  from   which  the 
second  Quarto  was  printed  was  not  Shakespeare's  own,  but  an  imperfect 
copy  of  it,  and  this  copy  may,  for  aught  we  know,  have  been  got  in  an 
illegal  way.   The  publisher  may  have  bribed  one  of  the  actors  to  get  him 
a  copy,   and  in  his  eagerness  to  do  this  secretly,  this  actor  may  well  be 
supposed  to  have  left  out  lines  here  and  there.     He  may  have  been  dis- 
turbed  in  his  work  and  have  had  to  put  it  off  for  some  time,  and  when 
he  recommenced  it,  he  may  have  started   from  a  wrong  place,  it  is  im- 
possible  to  say  how  the  blunders  may   have  been  brought  about.    Or, 
when  he  had,  for  instance,  copied  the  lines: 


216  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

O,  so  light  a  foot 
Will  ne'er  wear  out  the  everlasting  flint, 

and  raised  his  eyes  from  the  paper  he  was  writing  on,  to  see  what  fol- 
lowed,  his  eyes  met  again  the  words  So  light  a  foot,  and  he  may  then 
have  passed  over  the  next  two  lines,  believing  them  'to  be  the  same  he 
had  been  copying.  — 

Of  the  other  examples  of  how  lost  lines  may  be  recovered  from  the 
surreptitious  Quartos,  I  shall  only  mention  the  following :  In  Harn.  I,  2, 
105 — 107,  the  generally  received  text  runs: 

—     —     —     —     and  who  still  hath  cried, 
From  the  first  corse  tili  he  that  died  to-day, 
'This  must  be  so.' 

But  it  must  be  admitted  that  if  Nature  had  cried  nothing  eise,  it  would 
hardly  be  worth  recording.  If  we  turn  to  the  surreptitious  Quarto,  we 
find  the  following  line  inserted  between  105  and  106: 

None  lives  on  earth,  but  he  is  born  to  die, 

and  there  can  be  little  doubt  that  this  line  has  been  wrongly  left  out, 
.since  it  is  on  this  line  that  'the  whole  passage  hinges.' 

I  cannot  conclude  this  review  without  regretting  that  the  authors  in 
mentioning  other  modern  editors  sometimes  indulge  in  terms  which  they 
themselves  call  'measured',  it  is  true,  but  which  cannot  fail  to  make 
a  painful  impression  on  English  readers.  Of  course  modern  editors  may 
have  committed  blunders  which  van  Dam  and  Stoffel  have  detected  and 
set  right,  but  it  is  hardly  fair  to  say  that  'the  latter-day  views  as  respects 
editorial  work,  seem  calculated  to  create  confusion  all  along  the  line  in 
modern  editions  of  old  authors'  (page  197),  and  they  are  hardly  justified 
in  saying  that  'the  outcome  of  their  Joint  efforts,  as  we  find  it  exhibited 
in  modern  editions,  such  as  the  well  known  Globe  Edition  may  justly 
be  described  as  illogical  eclectic  bungling'  (page  271),  or  that  'they  are 
troubled  with  the  curious  propensity  of  choosing  the  greater  of  two  evils' 
(page  300).  The  Cambridge  editors,  especially,  find  little  favour  with  the 
authors,  who  assert  that  'the  poorest  figure  is  cut  by  the  C.  editors' 
(page  314)  '. . .  in  whom  logic  and  method  are  often  far  to  seek'  (page  315), 
and  '. . .  the  C.  editors  are  not  consistent  in  anything  except  in  incon- 
sistency'  (page  338).  Such  expressions  are  so  much  the  more  to  be  re- 
gretted  as  the  authors  admit  that  'so  long  as  Mr.  Howard  Furness's  New 
Variorum  Edition  is  unfinished,  the  Cambridge  Edition,  with  all  its  im- 
perfections  on  its  head,  supplies  a  want  which  no  other  edition  can  fill 
up.'  —  I  am  sorry  to  have  to  point  out  such  blemishes  in  a  work  that 
is  so  interesting  and  original  in  its  views,  and  which  in  spite  of  possible 
mistakes  in  details,  has  certainly  carried  the  study  of  Shakespeare  a  good 
step  forward.  — 

Fredriksstad  (Norway).  Aug.  Western. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  217 

Shaksperes  Macbeth.  Tragödie  in  fünf  Akten  übersetzt  von 
Friedrich  Theodor  Vischer.  Mit  Einleitung  und  Anmer- 
kungen herausgegeben  von  Professor  Dr.  Hermann  Conrad. 
Stuttgart,  J.  G.  Cottasche  Buchhdlg.  Nachf .  (G.  m.  b.  H.),  1901. 

Macbeth  in  Vischers  trefflicher  Übersetzung  zu  einer  Schulausgabe 
zu  verwenden,  war  eine  glückliche  Idee,  denn  gerade  dieses  Stück  eignet 
sich  nach  Inhalt  und  Form  für  die  Schullektüre  wohl  am  besten  von 
allen  Tragödien  Shaksperes.  Es  übersteigt  mit  seinem  Problem  nicht  die 
Fassungskraft  der  Halbreifen  und  wirkt  durch  die  Klarheit  seiner  künst- 
lerischen Gliederung  paradigmatisch. 

Die  konkrete  Eignung  für  den  Schulzweck  erhält  das  Buch  durch 
Conrads  weitausgreifende  Einleitung  und  die  reichlich  gebotenen  Anmer- 
kungen am  Schlüsse.  Sorgen  diese  in  bester  Weise  für  das  Verständnis 
der  Einzelheiten,  so  will  die  Einleitung  das  Ganze  in  helles  Licht  rücken. 
Dabei  verschmäht  Conrad  eine  systematische  Anordnung  —  wohl  zum 
Vorteil  für  seine  jungen  Leser.  Er  greift  die  wichtigsten  Punkte  heraus 
und  ordnet  sie,  wie  mir  scheint,  in  eine  pädagogisch  absinkende  Reihe. 

So  steht  an  erster  Stelle  die  'Charakteristik'.  Hier  wird  —  vornehm- 
lich an  der  Figur  des  Helden  —  das  Drama  seinem  geistigen  Gehalt  nach 
erläutert.  Danach  kommt  das  formale  Moment  im  'Bau  des  Dramas'  zur 
Sprache.  In  das  letzte  Drittel  der  Einleitung  teilen  sich  speziellere  Ana- 
lysen. Meist  passen  sich  diese  Exkurse  dem  Schulzweck  an,  so  in  den 
beiden  ersten  Hauptstücken  sowohl  hinsichtlich  der  sachlichen  Darstellung 
wie  auch  in  der  halbnaiven  Textierung.  Den  übrigen  Kapiteln  merkt 
man  freilich  an,  dafs  hier  der  Herausgeber  die  Gelegenheit  benützt  hat, 
seine  persönlichen  Ansichten  über  wissenschaftliche  Einzelheiten  vor- 
zutragen, mögen  diese  auch  über  den  Zweck  des  Schulbuches  hinausgehen. 
Es  ist  also  zuviel  des  Guten,  aber  weil  es  meist  gut  ist,  was  da  gesagt 
wird,  so  stumpft  sich  das  methodische  Bedenken  dagegen  ab.  Die  jungen 
Herren  der  Schule  werden  eben  diese  Seiten  einfach  überschlagen. 

Mir  sind  diese  illegitimen  Erweiterungen  selbstverständlich  gerade  das 
Interessanteste  am  Buche. 

Sehr  nett  gemacht  ist  der  dritte  Abschnitt:  'Zeitrechnung'.  Der  Ver- 
fasser erörtert  den  Widerspruch  zwischen  der  wirklichen  Dauer  der  Hand- 
lung, wenn  man  sie  auf  ihren  'realen'  Verlauf  prüft,  und  der  scheinbaren 
Dauer,  wie  sie  uns  von  der  Bühne  herab  vorkommt.  Überflüssig  war 
wohl  die  Mühe  der  genauesten  Ausrechnung  der  'realen'  Zeit  auf  Tage 
und  Stunden,  sehr  hübsch  ist  es  aber,  wie  Conrad  die  Kunststückchen 
Shaksperes  aufdeckt,  die  ihn  seine  Handlung  scheinbar  so  sehr  konzen- 
trieren liefsen,  woraus  sich  für  den  Zuschauer  die  gröfsere  dramatische 
Wucht  des  Ganzen  ergibt. 

Der  folgende  Abschnitt  über  'poetische  Form'  ist  mifsraten.  Ein  paar 
Allgemeinheiten  über  Sprachstil  und  Versbau  sind  in  gedrängter  Kürze 
(eine  Druckseite)  so  allgemein  hingestellt,  dafs  sie  zu  Unrichtigkeiten 
werden,  weil  sie  den  Eindruck  hervorrufen,  als  wäre  das  Drama  stilistisch 


218  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

und  metrisch  zwar  meisterhaft,  aber  einheitlich  ausgeführt.  Nun  ist  aber 
gerade  dieses  Drama  ausgezeichnet  durch  seinen  individualisierten  Stil. 
Nirgends  hat  es  Shakspere  so  sehr  verstanden,  seine  Hauptfiguren  schon 
durch  die  feinstabgestufte  Sprache  zu  charakterisieren.  Der  Held  und 
die  Heldin  sprechen  —  weil  so  verschieden  in  ihrem  Wesen  —  künst- 
lerisch starkunterschiedene  Idiome,  und  diese  variieren  sich  wieder  — 
ohne  darüber  ihren  Grundton  zu  verlieren  —  nach  den  eigenartigen  Stim- 
mungen, die  die  wechselnden  Situationen,  mithin  die  Geistes-  und  Gemüts- 
lagen ihrer  persönlichen  Träger,  des  Helden  oder  der  Heldin,  mit  sich 
bringen.  Das  Drama  bezeichnet  den  Gipfelpunkt  in  der  stilistischen  Ent- 
wickelung  des  Dichters.  Die  Ausführung  dieser  Tatsache  hätte  freilich 
den  Eahmen  des  Buches  gesprengt,  aber  eine  Andeutung  hätte  leicht 
Platz  finden  können. 

Die  Quellenstudie  des  nächsten  Kapitels  ist  in  ihrer  sachlichen  Be- 
handlung sehr  gut  gelungen.  Hingegen  erwecken  die  Schlufskapitel  über 
'Abfassungszeit'  und  'Urheberschaft'  gerechtfertigte  Bedenken.  Wenn  ich 
trivial  werden  dürfte,  müfste  ich  sagen,  der  Verfasser  hört  hier  das  lite- 
rarische Gras  wachsen.  Er  ist  ein  übertriebener  Skeptiker  gegenüber  den 
äufseren  Kriterien  und  ein  Zelot  für  die  inneren  des  Stils  und  der  Metrik. 
Die  Schlüsse  aus  dem  scheinbar  objektiven  Material  werden  subjektiv, 
weil  zwei  Prämissen  des  Verfassers  nicht  unangefochten  bestehen :  er  zieht 
die  Bedenklichkeit  der  Überlieferung  nicht  in  Rechnung,  und  er  glaubt 
an  die  Stetigkeit  der  Entwickelung  des  Dichters  zum  Besseren.  Diese  Vor- 
aussetzungen sind  aber  —  weil  unbeweisbar  —  blofs  willkürlich. 

Trotz  dieser  —  für  den  eigentlichen  Zweck  des  Buches  —  nur  unter- 
geordneten Ausstellungen  mufs  das  Ganze  als  gelungen  bezeichnet  werden. 

Wien.  Rudolf  Fischer. 

Walter  Scott,  The  Border  edition  of  the  Waverly  novels,  edited 
with  introductory  essays  and  notes  to  each  novel  (supple- 
menting  those  of  the  author)  by  Andrew  Lang.  London, 
Macmillan,  1902.  24  vols.  crown  8,  green  cloth.  3  sh.  6  d.  each. 

Die  Romane  Walter  Scotts  sind  lange  im  Schatten  der  Literatur- 
geschichte gestanden,  obwohl  sie  beim  Erscheinen  eine  neue  Gattung  dar- 
stellten: den  historischen  Prosaroman,  der  alsbald  durch  Alexis  und  Hauff, 
Vigny,  M^rim6  und  den  Verfasser  der  'Drei  Musketiere',  sowie  durch  Man- 
zoni  einen  Siegeslauf  durch  Europa  nahm  und  selbst  in  Amerika  die 
Cooperschen  Indianer  hervorrief.  Vielleicht  hatte  die  reiche  Biographie 
Scotts,  die  sein  Schwiegersohn  Lockhart  1837  veröffentlichte,  den  Ein- 
druck erweckt,  als  wüfste  man  schon  alles.  Doch  gehört  Lockharts  Werk 
zu  jener  älteren  Art  Dichterbiographien,  die  zwar  die  Lebens-  und  Buch- 
geschichte, aber  nicht  die  Kunstentwickelung  geben  und  hiemit  einer 
psychologischen  Forschungsweise  nur  das  Material  vorbereiten.  Nicht  die 
Erbauung  von  Abbotsford,  der  Erwerb  vormals  unerhörter  Honorare  und 
der  heroische  Kampf  gegen  einen  furchtbaren  Bankerott  ist  uns  an  Scott 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  210 

das  Interessanteste,  sondern  wie  er  dazu  kam,  zuerst  seine  Versepen  zu 
dichten,  dann  zu  Waverley  überzugehen  und  allmählich  die  technische 
Höhe  von  'Ivanhoe'  und  'Quentin  Durward'  zu  erklimmen ;  zur  Aufhellung 
dieser  Fragen,  zur  Darlegung  seiner  Vorbilder  und  Quellen  ist  aber  mehr 
als  ein  halbes  Jahrhundert  lang  nichts  geschehen.  Erst  die  vorliegende 
Neuausgabe,  zu  der  Andrew  Lang  die  Einleitungen  beisteuerte,  brach 
1892  das  Eis.  In  England  schlössen  sich  daran  Separatausgaben  des 
'Talisman'  und  'Ivanhoe'  für  die  Clarendon  Press,  von  'Old  Mortality' 
und  'Legend  of  Montrose'  für  die  Cambridge  University  Press,  in  denen 
mehr  oder  minder  auch  den  Quellen  Scotts  nachgegangen  ist.  Neuesten s 
haben  zwei  Leipziger  Dissertationen  denselben  Gegenstand  gefördert: 
M.  Schüler,  Quellenuntersuchung  zu  'Rob  Eoy'  (1901),  hat  in  diesem 
Romane  manche  autobiographische  Züge  aus  Scotts  eigener  Liebesgeschichte 
aufgedeckt,  und  L.  K.  Roesel,  'Die  literarischen  und  politischen  Be- 
ziehungen Sir  Walter  Scotts  zu  Goethe'  (1901),  Nachwirkungen  des  Werther 
in  'Waverley',  des  Egmont  in  'Kenilworth',  der  Mignon  in  'Peveril'  und 
'Legend  of  Montrose'  verfolgt.  Endlich  wagte  sich  K.  Gaebel,  'Beiträge 
zur  Technik  der  Erzählung  in  den  Romanen  Walter  Scotts'  (Marburger 
Diss.  1901),  an  den  literarhistorischen  Kern  und  hat  allerlei  Beachtens- 
wertes vorgebracht,  das  weiter  gesponnen  zu  werden  verdient. 

Jetzt  ist  die  'Border  edition'  Andrew  Längs,  die  1892  noch  durch 
einen  sehr  hohen  Preis  umzäunt  war,  in  billigem  Neudruck,  doch  mit 
ungekürztem  Apparat,  sowie  mit  denselben  240  Illustrationen,  die  nicht 
einmal  geschmacklos  sind,  erschienen,  so  dafs  auch  minder  bemittelte 
Bibliotheken  und  Gelehrte  sie  anschaffen  können.  Die  Einleitungen  sind 
zwar  wesentlich  biographischer  und  ästhetischer  Art.  Lang  beginnt  regel- 
mäfsig  mit  der  äufseren  Entstehungsgeschichte  eines  Romans ,  haupt- 
sächlich nach  Lockhart,  dessen  Fleifs  und  Takt  durch  eine  nochmalige 
Durchmusterung  der  vielbändigen  Originalkorrespondenz  des  Dichters  nur 
in  ein  helleres  Licht  gerückt  wurde.  Dann  gibt  er  seine  Meinung  über 
den  Grad  des  Gefallens,  das  der  Roman  ihm  einflöfst  —  'Quentin  Dur- 
ward' stellt  er  am  höchsten  — ,  und  knüpft  daran  eine  Besprechung  aus- 
gewählter, zeitgenössischer  Rezensionen.  Endlich  benutzt  er  manchmal 
die  Gelegenheit  zu  einer  Vergleichung  mit  der  wirklichen  Geschichte, 
z.  B.  bei  'Kenilworth'  an  der  Hand  von  Froude,  bei  'Ivanhoe'  an  der  von 
Freeman.  Immerhin  machen  die  Anmerkungen  auf  eine  Reihe  von  Einzel - 
quellen  aufmerksam,  so  dafs  man  sie  nicht  übersehen  darf.  Natürlich 
sind  alle  Vor-  und  Nachbemerkungen  zu  Scott  selbst  beibehalten.  Drei 
Romanen,  die  viele  keltische  Lehnwörter  in  sich  bergen,  'Waverley',  'Tales 
of  the  Crusaders'  und  'The  surgeon's  daughter',  sind  ziemlich  ausführliche 
Glossare  (ohne  Citate)  beigegeben.  Druck  und  Ausstattung  sind  so  schön, 
dafs  der  Preis  billig  zu  nennen  ist.  Es  wäre  nur  zu  wünschen,  dafs  auch 
die  Quellen  und  innere  Entstehungsgeschichte  sorgfältige  Behandlung  er- 
fahren hätten ;  wie  viel  da  fehlt,  ist  schon  aus  einem  Vergleich  mit  der 
Ivanhoe-Ausgabe  der  Clarendon  Press  zu  ersehen. 

Berlin.  A.  Brandl. 


220  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Carl  Voretzsch,  Epische  Studien.  Beiträge  zur  Geschichte  der 
französischen  Heldensage  und  Heldendichtung.  I.  Heft: 
Die  Komposition  des  Huon  von  Bordeaux  nebst  kritischen 
Bemerkungen  über  Begriff  und  Bedeutung  der  Sage.  Halle  a.  S., 
Max  Niemeyer,  1900.    XIH,  420  S.  8. 

Es  würde  ein  eitles  Bemühen  sein,  den  überaus  reichen  Inhalt  dieses 
Buches,  das  für  Germanisten  nahezu  von  gleicher  Bedeutung  ist  wie  für 
Komanisten,  auch  nur  in  knappen  Zügen  in  den  Rahmen  einer  räumlich 
doch  immerhin  beschränkten  Anzeige  zu  bringen.  Die  zahllosen  Fäden 
aufzuweisen,  die  der  Verfasser  mit  bewunderungswürdiger  Geschicklichkeit 
von  einer  Dichtung  zur  anderen  spinnt,  würde  zwecklos  sein  und  keine 
richtige  Würdigung  der  Arbeit  ermöglichen,  wenn  nicht  zugleich  gezeigt 
würde,  wie  er  das  scheinbar  unentwirrbare  Gewebe  aufzudröseln  versteht. 
Das  würde  aber  zu  zahlreichen  und  verwickelten  Auseinandersetzungen 
führen,  die  man  am  besten  im  Buche  selber  nachliest.  Und  das  zu  tun, 
kann  nicht  warm  genug  empfohlen  werden,  denn  jeder  Leser  wird  davon 
nicht  nur  Nutzen,  sondern  auch  wirklichen  Genufs  und  Vergnügen  haben, 
so  dafs  er  das  Buch,  wenn  er  einmal  angefangen,  sicher  auch  zu  Ende 
lesen  wird.  Denn  der  Verfasser  versteht  seinen  Stoff  so  meisterhaft  zu 
behandeln,  die  zahlreichen  Fragen  derartig  zu  stellen  und  zu  beantworten, 
dafs  man  ihm  bis  zum  Schlüsse  mit  spannender  Aufmerksamkeit  folgt. 
Seinen  Gegenstand  beherrscht  er  im  vollsten  Mafse,  auf  dem  Gebiete  des 
germanischen  Epos  ist  er  nicht  weniger  gut  zu  Hause  als  auf  dem  des 
romanischen,  und  überall  mufs  man  die  gegebene  Lösung  als  durchaus 
möglich  bezeichnen,  wenn  auch  nicht  immer  als  wahrscheinlich. 

Denn  dafs  sich  alles  in  Wirklichkeit  so  verhalten  habe,  wie  der  ge- 
lehrte Verfasser  es  darstellt,  möchte  ich  doch  nicht  unbedingt  bejahen. 
Gar  manches  kann  ja  nicht  zweifelhaft  erscheinen,  so  der  überzeugend 
nachgewiesene  Einflufs  des  Coronement  Loo'is  und  des  Ogier  auf  die  Ein- 
leitungsscenen  des  Huon  de  Bordeaux,  wodurch  zugleich  die  von  Longnon 
angenommene  historische  Grundlage  (die  lebensgefährliche  Verletzung  des 
Sohnes  Karls  des  Kahlen  durch  Albuin)  für  Huons  Tötung  Carlots  weg- 
fällt. Auch  zahlreiche  andere  Entlehnungen  und  Analogien  hat  Voretzsch 
dank  seiner  ungewöhnlichen  Belesenheit  darzutun  vermocht.  Anderes 
wieder  erscheint  angesichts  der  lückenhaften  Überlieferung  fast  zu  schön 
gefügt,  um  wahr  zu  sein.  Welch  eigentümlicher  Zufall  z.  B.,  dafs  der 
'Urhuon'  iins  in  dem  sonderbaren  Prolog  der  Turiner  Hs.  des  Lothringer- 
epos erhalten  sein  sollte,  derselben  Hs.  aus  dem  Jahre  1311,  die  uns  auch 
eine  Version  des  Huon  de  Bordeaux  mit  zahlreichen  Zusätzen  überliefert! 
Freilich  kann  sich  Voretzsch  gerade  dafür  auf  keinen  geringeren  als 
G.  Paris  berufen,  aber  trotzdem  mufs  ich  die  Bedenken  teilen,  die  Ph.  Aug. 
Becker  in  der  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXV,  373  dagegen  geltend  gemacht  hat. 
(Beachtenswert  sind  auch  Beckers  Ausführungen  über  den  'pseudo-histo- 
rischen  Alberich'  im  XXVI.  Bande  derselben  Zeitschrift.)  Solche  Zweifel 
beruhen  im  letzten  Grunde  auf  einer  abweichenden  Anschauung;  sie  hin- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  221 

dem   mich  nicht,  die  Folgerichtigkeit  und  Möglichkeit  der  Resultate,  zu 
denen  Voretzsch  gelangt  ist,  ausdrücklich  anzuerkennen. 

Der  eigentlichen  Untersuchung  über  Huon  de  Bordeaux  gehen  davon 
unabhängige,  rein  theoretische  'kritische  Bemerkungen  über  Begriff  und 
Bedeutung  der  Sage'  (d.  h.  der  Sage  überhaupt;  voraus  (S.  1—49).  Voretzsch 
sucht  darin  seine  Anschauungen  über  die  Entstehung  des  Epos,  die  er 
bereits  in  der  'Französischen  Heldensage'  (Heidelberg  1894;  in  etwas  um- 
gearbeiteter französischer  Übersetzung:  La  legende  heröique  francaise, 
Bruxelles  1901)  und  in  der  'Das  Merowingerepos  und  die  fränkische  Hel- 
densage' betitelten  Abhandlung  (in  Philol.  Studien.  Festgabe  für  Eduard 
Sievers.  Halle  1896.  S.  53  ff.)  dargelegt  hatte,  weiter  zu  begründen  und 
zu  verteidigen.  Die  neuen  Ausführungen  treffen  nicht  den  Kern  der 
Frage,  und  diejenigen,  die  bisher  den  Begriff  'Heldensage',  wie  ihn  Voretzsch 
auffafst,  für  das  französische  Epos  nicht  gelten  lassen  wollten,  werden 
schwerlich  bekehrt  sein.  Ich  kann  auch  z.  B.  nicht  finden,  dafs  sich 
Gautier  wirklich  solcher  Widersprüche  schuldig  gemacht  hat,  wie  Voretzsch 
ihm  vorwirft.  Denn  dafs  das  französische  Epos  sagenhafte  Elemente,  ja 
ganze  Sagen  aufgenommen  und  verarbeitet  habe,  liegt  doch  auf  der  Hand 
und  ist  gewifs  keinem  Menschen  eingefallen  zu  bestreiten.  Der  Kern  der 
Frage  ist  der:  Haben  sich  Erinnerungen  an  historische  Ereignisse  blofs 
durch  mündliche  Weitererzählung  (in  prosaischer  Form)  durch  Jahrhun- 
derte hindurch  in  dem  Grade  von  Genauigkeit  und  Treue  vererben  kön- 
nen, den  das  durch  Jahrhunderte  von  den  geschilderten  Ereignissen  ge- 
trennte französische  Epos  voraussetzt?  Diese  Frage  bejaht  Voretzsch 
ebenso  entschieden,  wie  sie  G.  Paris,  Rajna  und  andere  verneinen.  Was 
mich  betrifft,  so  bleibe  ich  nach  wie  vor  in  der  Reihe  dieser  letzteren, 
denn  auch  ich  bin  der  Überzeugung,  dafs  sich  so  bestimmte  historische 
Erinnerungen,  wie  sie  die  Epen  bei  all  ihren  Ungenauigkeiten,  Verwechse- 
lungen usw.  immerhin  voraussetzen,  nicht  durch  blofses  Erzählen  Jahr- 
hunderte hindurch  erhalten  können.  Die  Erinnerung  wird  sich  bei  denen, 
die  nicht  Augenzeugen  waren,  bald  verdunkeln,  besonders  werden  die 
Namen  der  handelnden  Personen  bald  vergessen  und  beliebig  durch  andere 
ersetzt  werden,  über  die  zeitlichen  Verhältnisse  wird  jede  Anschauung 
bald  fehlen  usw.  Um  das  festzuhalten,  bedarf  es  eben  der  Fessel  des 
Verses  oder  der  schriftlichen  Aufzeichnung,  und  die  Ependichter  haben 
entweder  aus  Liedern  oder  schriftlichen  Quellen  oder  aus  beidem  zugleich 
geschöpft.  Dazu  hat  dann  mündlich  überlieferte  Prosaerzählung  wohl 
Sagenhaftes  aller  Art,  besonders  Wandersagen,  die  bald  auf  diese,  bald 
auf  jene  Person  übertragen  wurden,  Lokalsagen,  Märchen  u.  a.  m.,  aber 
keine  Geschichte  beigesteuert.  Die  allenfalls  darin  enthaltenen  historischen 
Erinnerungen  waren  jedenfalls  so  verschwommen,  dafs  man  sie  nicht  mehr 
erkennen  konnte.  Dagegen  sieht  Voretzsch  die  Heldensage  als  die  Quelle 
der  Epen,  als  die  Überlieferin  des  Stoffes  selbst  an,  den  die  Ependichter 
übernahmen  und  nur  zu  verarbeiten  brauchten.  Er  läfst  es  (S.  29)  sogar 
dahingestellt,  ob  'eine  so  gefafste  Sage  sich  von  dem  Epos  nur  noch 
durch  die  äufsere  Form,  durch  die  prosaische  Einkleidung  unterscheidet', 


222  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

und  fährt  dann  fort:  'Zu  vermuten  ist,  dafs  die  epische  Behandlung  in 
den  Einzelheiten,  zumal  in  der  Schilderung,  immer  etwas  vor  der  Prosa- 
sage voraus  hat,  dafs  der  epische  Dichter  sich  nicht  mit  der  metrischen 
Wiedergabe  des  Gehörten  begnügt.'  Mir  scheint,  dafs  Voretzsch  auf  alle 
Fälle  auch  den  AnteU  der  Dichter  selbst  und  der  dichterischen  Tradition 
an  den  französischen  Epen  bedeutend  unterschätzt. 

Am  Schlufs  des  ebenso  interessanten  wie  gelehrten  Buches  findet  man 
noch  eine  Reihe  willkommener  Beilagen:  Auszüge  und  die  sämtlichen 
Kapitelüberschriften  aus  dem  französischen  Prosaroman  von  Huon  (S.  375 
bis  402),  den  Prosaauszug  des  14.  Jahrhunderts  (B.  N.  fr.  5003),  die  von 
Alber icus  junior,  filius  Clodii  handelnden  Stücke  aus  Jacques  de  Guises 
Annales  historiae  illustrium  principum  Hannonie  und  eine  Filiationstafei 
der  behandelten  Epen. 

Jena.  W.  Cloetta. 

Forschungen  zur  Romanischen  Philologie.  Festgabe  für  Hermann 
Suchier  zum  15.  März  1900.  Halle  a.  S.,  Max  Niemeyer, 
1900.     V,  646,  xxxvi  S.  8.1 

Eine  freudige  Überraschung,  ja  eine  Ehrung  seltener  Art  wurde  mir 
zu  teil,  indem  mir  von  einer  Anzahl  früherer  Hörer  der  vorliegende  Band 
überreicht  wurde.  Es  geschah  dies  an  dem  Tage,  an  dem  ich  dereinst  im 
Jahre  1875  zum  ordentlichen  Professor  in  Münster  ernannt  worden  war. 
Meine  Freude  stieg  noch,  als  ich  mich  beim  Lesen  davon  überzeugte,  dafs 
unter  den  elf  Abhandlungen  des  Bandes  keine  war,  die  nicht  wertvollen 
wissenschaftlichen  Inhalt  in  eine  wohldurchdachte,  auch  äufserlich  streng 
gehaltene  Form  gekleidet  hätte. 

1.  Der  Verfasser  des  ersten  Artikels,  Charles  Bonnier,  französischer 
Lektor  an  der  Universität  Liverpool,  teilt  aus  seiner  im  französischen 
Nordgau  belegenen  Heimat  (Templeuve),  über  die  er  schon  manche  dan- 
kenswerten Aufschlüsse  gegeben  hat,  52  mundartliche  Sprichwörter  mit, 
die  er  mit  Übersetzung  und  mit  Erläuterungen  versieht.  Die  Beachtung, 
die  er,  einer  Anregung  Hugo  Schuchardts  folgend,  der  metrischen  Form 
dieser  Sprichwörter  schenkt,  verdient  besondere  Anerkennung.  Es  ist  ihm 
auch  gelungen,  den  Gegenstand  zu  beleben  und  anziehend  zu  gestalten. 
Nur  die  phonetischen  Bezeichnungen  hätten  vielleicht  durch  praktischere 
Auswahl  gewinnen  können. 

1  Als  ich  auf  die  Bitte  der  Redaktion  eine  Anzeige  dieses  Werkes  übernahm, 
dachte  ich  nicht,  dafs  sich  die  Erfüllung  meines  Versprechens  so  lange  hinziehen 
würde.  Die  Verspätung  ist  in  Umständen  begründet,  die  aufserhalb  des  Bereichs 
meines  Willens  lagen.  Sollte  aber  aus  meiner  Besprechung  eine  persönliche  Note 
hervorklingen,  so  wird  der  Leser  dies  begreiflich  finden  und,  wofern  dies  nötig 
sein  sollte,  entschuldigen.  Der  Band  ist  bis  jetzt  angezeigt  worden  im  Lit.  Central- 
blatt  1901  Sp.  25  (P.  F[örster]),  in  der  Deutschen  Literaturzeitung  1901  Sp.  164 
(W.  Meyer-Lübke),  in  Behrens'  Zeitschrift  für  französische  Sprache  und  Literatur 
XXIV.  1  (O.  Schultz -Gora),  in  der  Revue  critique  1901  I  S.  224  (A.  Jeanroy), 
iu  der  Romania  XXIX  S.  466  und  579—585  (L.  Havet,  A.  Thomas,  G.  Paris), 
im  Giornale  storico  della  letteratura  italiana  XXXVI  S.  475. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  223 

2.1  A.  Philippide,  Professor  an  der  Universität  Jassi,  behandelt  die 
vielunistrittene  Frage  von  der  Beschaffenheit  des  lateinischen  Wortaccents. 
Er  macht  einige  Einwendungen  gegen  Louis  Havet,  der  für  das  längere 
Wort  zwei  Accente  annahm :  einen  musikalischen  auf  der  gewöhnlichen 
Tonsilbe,  einen  exspiratorischen  auf  der  anlautenden  Silbe.  Ich  gehöre 
nicht  zu  den  Anhängern  von  Havets  Hypothese,  möchte  aber,  ehe  ich  auf 
die  Frage  eingehe,  erst  die  neuen  Untersuchungen  von  Vendryes  gelesen 
haben,  dessen  Buch  mir  noch  nicht  zugänglich  geworden  ist.  In  der 
zweiten  Hälfte  seines  Aufsatzes  bespricht  Philippide  den  rumänischen 
Wortaccent  und  betrachtet  in  lehrreicher  Weise  die  rumänischen  Wörter 
und  Wortformen,  in  denen  anscheinend  oder  in  Wirklichkeit  eine  Ver- 
schiebung des  lateinischen  Accents  stattgefunden  hat. 

Philippide,  der  mich  einst  mit  aufopfernder  Bemühung  in  die  Kenntnis 
seiner  Muttersprache  eingeführt  hat,  ist  jetzt  mit  der  Ausarbeitung  eines 
den  gesamten  rumänischen  Wortschatz  umfassenden  Wörterbuches  be- 
schäftigt. Möge  es  dem  lieben  Freunde  vergönnt  sein,  die  gewaltige  Arbeit 
zu  glücklichem  Abschlufs  zu  führen! 

3.  M.  Wilmotte,  Professor  an  der  Universität  Lüttich,  knüpft  an  seine 
Studien  über  die  Sprachgeschichte  des  Wallonischen  an,  zu  deren  besten 
Kennern  er  zählt,  und  geht  auf  die  Mundart  der  von  W.  Förster  heraus- 
gegebenen Handschrift  von  Gregors  Dialogen  ein.  Das  Ergebnis  seiner 
sorgsamen  Prüfung  der  Lautformen  ist,  dafs  die  Übersetzung  der  Dialoge 
aus  Nordwallonien  herrührt,  wahrs  heinlich  aus  Lüttich  selbst  oder  aus 
der  Umgegend  von  Lüttich.  Gleichzeitig  mit  dieser  Untersuchung  erschien 
die  Schrift  von  Leo  Wiese,  Die  Sprache  der  Dialoge  des  Papstes  Gregor, 
Halle  1900.2  Sie  ist,  wie  W.  Försters  Schule  erwarten  läfst,  mit  philo- 
logischer Sorgfalt  und  Gründlichkeit  ausgeführt.  Wiese  vergleicht  die 
Sprache  der  Dialoge  mit  Urkunden  der  Abtei  Orval  und  hält  die  Über- 
einstimmung für  hinreichend,  um  mit  Behrens  die  Entstehung  der  Über- 
setzung in  Orval  anzunehmen.  So  sehr  ich  bestrebt  sein  möchte,  mich 
hier  auf  eine  blofse  Berichterstattung  über  den  mir  gewidmeten  Band  zu 
beschränken,  glaube  ich  doch  in  dieser  jetzt  viel  diskutierten  Streitfrage 
kurz  Stellung  nehmen  zu  sollen. 

Ich  halte  aber  die  von  Wilmotte  befürwortete  sprachliche  Lokalisie- 
rung für  die  besser  begründete.  Gegen  Wieses  Entscheidung  spricht  schon 
die  allgemeine  Erwägung,  dafs  ein  Kloster  nicht  eine  bestimmte  Mundart 
vertritt  und  seine  Mitglieder  sich  keineswegs  aus  der  nahen  Umgebung 
zu  rekrutieren  pflegen,  zumal  wenn,  wie  es   mit  Orval  der  Fall  ist,  das 


1  Vgl.  E.  Bourciez  in  der  Revue  critique   1901,  I,  S.   273. 

2  Vgl.  M.  Wilmotte  in  Behrens'  Zeitschrift  XXII  S.  186,  E.  Herzog  in  dei 
Zeitschrift  für  romanische  Philologie  XXV  S.  757,  Arn.  Krause  in  diesem  Archiv 
CVI  S.  207,  A.  Doutrepont  im  Bulletin  du  Musee  beige  V  4,  Stengel  in  der  Deut- 
schen Literaturzeitung  1900  Sp.  2539.  Übrigens  hätte  Leo  Wiese,  für  den  die 
Welt  nur  aus  Komanisten  zu  bestehen  scheint,  wohlgetan,  auf  dem  Titel  anzu- 
geben, dafs  seine  Schrift  von  einer  französischen  Übersetzung  der  Dialoge  Gregors 
handelt. 


224  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Kloster  nicht  in  der  unmittelbaren  Nähe  einer  gröiseren  Stadt  liegt.  Dafs 
die  von  ihm  benutzten  Orvaler  Urkunden  nicht  in  den  Originalen,  sondern 
nur  in  Abschriften  aus  späterer  Zeit  erhalten  sind,  ist  ihm  schon  von 
Wilmotte  entgegengehalten  worden,  der  auch  auf  die  in  Berlin  gefundene 
Sammlung  von  21  Originalurkunden  hingewiesen  hat.  Diese  Sammlung 
ist  seitdem  von  Delescluse  und  Hanquet  herausgegeben  worden  (Nouvelles 
chartes  in^dites  de  l'abbaye  d'Orval,  Brüssel  1900).  Auch  hat  Wiese  einige 
umfangreiche  Texte  aus  Lüttich  nicht  herangezogen,  wie  die  Chronik  des 
Jean  des  Preis  dit  d'Outremeuse  und  das  Cartulaire  de  l'öglise  Saint- 
Lambert  de  Liege.  Ich  will  hier  nur  eine  Beobachtung  anführen,  der  ich 
einige  Wichtigkeit  beimesse.  In  den  Dialogen  geht  Subj.  Präs.  4  auf  ons 
aus  (aions  habeamus),  aber  in  den  Urkunden  aus  Orval,  die  Leo  Wiese 
sprachlich  analysiert,  auf  iens  (aiens).  Um  dieser  Schwierigkeit  zu  be- 
gegnen, sagt  Wiese  S.  128:  'Es  scheint  mir  besser  anzunehmen,  dafs  der 
gelehrte  Übersetzer  unserer  Dialoge,  wie  er  im  Präs.  Ind.  nur  die  Endung 
-ons  gebraucht,  ebenso  dieselbe  auch  im  Konjunktiv  ausschliefslich  an- 
wendet, dafs  also  die  später  überall  eindringende  analogische  Form  in  den 
Dialogen  früher  herrscht.'  Die  Logik  dieses  Satzes  habe  ich  nicht  heraus- 
gefunden. Im  Präs.  Ind.  ist  das  -ons  allen  französischen  Mundarten  des 
Mittelalters  gemeinsam,  ein  Vergleich  mit  diesem  ons  des  Ind.  ist  also 
gar  nicht  am  Platze.  Dafs  die  analogische  Form  im  Konjunktiv  später 
überall  eingedrungen  wäre,  ist  gleichfalls  unrichtig;  in  den  lothringischen 
Mundarten  lautet  die  Endung  noch  heute  -ins.  Nun  gehen  die  ein- 
schlägigen Formen  des  Subjunktivs  in  den  alten  Lütticher  Texten  auf 
ons  aus,  in  den  alten  lothringischen  Texten  auf  iens:  aions  Cart.  S.  Lam- 
bert I  493,  puissons  J.  Preis  I  810,  rechivons  I  637.  Wenn  nun  die  Or- 
valer Gegend,  der  südlichen  Lage  im  Herzogtum  Lützenburg  entsprechend, 
in  diesem  Zuge  mit  Lothringen  geht,  wie  Leo  Wiese  konstatiert,  gleich 
den  Moralia  in  Hiob,  denen  ich  seit  lange  lothringische  oder  südwallo- 
nische Heimat  zugeschrieben  habe,  so  kann  eine  unbefangene  Entscheidung 
nur  dahin  lauten,  dafs  die  Endung  ons,  als  Subj.  Präs.  4,  gegen  Orval 
und  für  Lüttich  sprechen  mufs.1 

4.  Joseph  B6dier,  Professor  an  der  Pariser  Ecole  normale,  versucht 
hier  den  Tristan  des  Thomas  inhaltlich  herzustellen.  Bekanntlich  sind 
uns  von  diesem  Werke  nur  Bruchstücke  erhalten,  die  sämtlich  ziemlich 
dem  Ende  der  Geschichte  angehören.  Der  Text  wird  von  B£dier  mosaik- 
artig hergestellt,  indem  die  drei  aus  Thomas  geflossenen  Werke,  das  nor- 
wegische, deutsche  und  englische,  zu  einer  Erzählung  verschmolzen 
werden.  Dabei  ist  durch  beigesetzte  Konkordanzen  und  typographische 
Zeichen  der  Text  so  eingerichtet,  dafs  der  Leser  mit  Leichtigkeit  in  das 
Verfahren  einen  Einblick  gewinnt.  Der  so  hergestellte  Text  reicht  bis 
zur  Ankunft  Tristans  am  Hofe  des  Königs  Marc.     Seitdem  hat  B6dier, 


1  Am.  Krause  begeht  in  diesem  Archiv  CVI  S.  211  einen  Fehler,  wenn  er 
den  Dialogen  im  Subj.  Präs.  4  die  Endung  ions  zuschreibt:  sie  lautet  nur  ons, 
wie  in  puissons,  so  auch  in  aions,  soions. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  225 

der  jetzt  eine  Ausgabe  der  Thomasschen  Tristanbruchstücke  unter  der 
Presse  hat,  in  einem  besonderen  Buche  die  alte  Tristangeschichte  mehr 
im  Anschlufs  an  die  Berolversion  aufs  reizvollste  nacherzählt  (le  Roman 
de  Tristan  et  Iseut,  Paris  s.  d.  [1900])  und  zwar  für  den  unbegrenzten 
Leserkreis  des  grofsen  Publikums,  nicht  für  die  enge  Zunft  der  Philo- 
logen. 

5.  Georg  Schläger,  Schuldirektor  in  Weida  und  Verfasser  der  fein- 
sinnigen Studien  über  das  Tagelied,  Jena  1895,  behandelt  Musik  und 
Strophenbau  der  Chansons  ä  toile.  Ausgehend  von  einer  sorgfältigen 
musikalisch-metrischen  Beschreibung  —  die  Transkriptionen  von  zwanzig 
Melodien  in  moderne  Notenschrift  sind  im  Anhang  mitgeteilt  — ,  wird  hier 
eine  Reihe  wichtiger  Fragen  mit  kompetentem  Verständnis  erörtert.  Seinen 
Ausgangspunkt  nimmt  Verfasser  vom  Vortrag  der  Chansons  de  geste, 
dem  einige  wertvolle  Schlufsfolgerungen  zu  gute  kommen.  Wichtig 
scheinen  mir  zumal  seine  Erörterungen  über  die  Refrains,  die  nach  Melodie 
und  Inhalt  geprüft  werden.  Schläger  gelangt  zu  dem  Schlufs,  dafs  der 
Refrain  ursprünglich  einen  integrierenden  Bestandteil  der  Chansons  ä  toile 
bildete,  keineswegs  als  selbständig  überlieferte  Dichtung  gelebt  hat,  um 
die  sich  nach  einer  verbreiteten  Auffassung  das  Ganze  des  Liedes  als 
Paraphrase  gerankt  hätte.  Die  Einführung  fremder  Refrains,  die  sich  in 
einigen  Gedichten  zeigt,  ist  eine  sekundäre  Erscheinung  und  erst  aus 
späterer  Zeit  zu  belegen.  Die  le  irreiche  Forschung  wird  dann  noch  auf 
das  Tanzlied  Bele  Aalix,  auf  die  Melodien  des  provenzalischen  Agnesspiels, 
auf  die  Musik  zu  Aucassin  ausgedehnt.  In  einem  Punkte  von  geringer 
Bedeutung  kann  ich  die  Ansicht  des  Verfassers  nicht  teilen:  ich  glaube 
nicht,  dafs  die  erzählenden  Lais  gesungen  worden  sind.  Die  Notenlinien, 
die  zu  den  Anfängen  einiger  Lais  in  der  Aucassinhandschrift  gezogen 
sind,  schreibe  ich  einem  Versehen  des  Liniierers  zu,  der  gemeint  haben 
wird,  es  sollten  lyrische  Lais  eingetragen  werden,  und  berufe  mich  darauf, 
dafs  die  Notenlinien  leer  geblieben  sind. 

6.  Karl  Warnke,  Professor  am  Gymnasium  zu  Koburg,  Die  Quellen 
des  Esope  der  Marie  de  France.  Ich  verweise  auf  die  eingehende  Be- 
sprechung von  Georg  Cohn  in  diesem  Archiv  CVI  S.  426—452.  Auch  ich 
bin  der  Überzeugung,  dafs  Karl  Warnkes  Name  zu  den  besten  Namen 
auf  romanischem  Forschungsgebiet  zu  zählen  ist. 

7.1  Berthold  Wiese,  Lektor  für  Italienisch  an  der  Universität  Halle 
und  Professor  an  der  Oberrealschule,  gibt  eine  oberitalienische  Christo- 
phoruslegende  in  sechszeiligen  Strophen  heraus.  Wiese  ist  nicht  eigent- 
lich mein  Hörer  gewesen.  Zu  meinen  Schülern  gehört  er  etwa  mit  dem- 
selben Recht,  mit  dem  ich  mich  zu  seinen  Schülern  zählen  könnte, 
auch  wenn  er  sich  hier  mit  freundlicher  Motivierung  darauf  beruft,  dafs 
er  einmal  'Einführung  in  das  Rumänische'  bei  mir  gehört  habe.  Was 
ich  meinerseits   im  freundschaftlichen  Verkehr   mit  Berthold  Wiese   ge- 

1  Vgl.  Wiese  selbst  ira  Literaturblatt  für  germanische  und  romanische  Philo- 
logie 1900  Sp.  230  und  Mussafias  Besprechung  ebenda  Sp.  216. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  15 


226  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

wonnen  habe,  ist  sicher  nicht  geringer  anzuschlagen,  als  was  er  mir  ver- 
danken mag. 

8.  Karl  Weber,  Oberlehrer  an  derselben  Schule,  teilt  sechzehn  Märchen 
mit,  die  zugleich  als  Probe  der  Redeweisen  des  niederen  Volkes  in  Toskana 
willkommen  sind.  Weber  hat  gelehrte  Anmerkungen  beigegeben  und  bei 
Gelegenheit  des  siebenten  Märchens,  einer  Version  der  Crescentiasage, 
auch  Genaueres  über  die  Leggenda  di  santa  Ouglielma  mitgeteilt,  die  er 
herauszugeben  beabsichtigt. 

9.1  Eduard  Wechfsler,  Privatdozent  in  Halle,  Gibt  es  Lautgesetze? 
Diese  wertvolle  Untersuchung,  die  einer  der  brennendsten  Fragen  der 
Sprachforschung  gewidmet  ist,  gibt  zunächst  (S.  349 — 438)  mit  vorzüg- 
licher Klarheit  und  eindringender  Gründlichkeit  eine  Formulierung  und 
Geschichte  des  Problems  und  erörtert  sodann  (S.  438 — 528)  die  verschie- 
denen Kategorien  der  phonetischen  Veränderungen,  deren  Wechfsler  zwölf 
unterscheidet.  Gleich  bei  der  ersten  (Veränderungen  der  Artikulations- 
basis) geht  er  auf  die  Bedeutung  der  ethnischen  Substrate  für  die  Ent- 
stehung der  romanischen  Mundarten  ein.  Alles,  was  der  Verfasser  vor- 
bringt, ist  anregend  und  fördernd ;  doch  nehme  ich  in  mehreren  Stücken 
einen  anderen  Standpunkt  ein,  was  näher  darzulegen  ich  mir  freilich  im 
Rahmen  dieser  Besprechung  versagen  mufs. 

10.  Franz  Saran,  Privatdozent  in  Halle  und  bereits  als  hervorragender 
Rhythmiker  bekannt,  hat  infolge  von  Krankheit  seinen  Beitrag  nicht  voll- 
enden können  und  wird  das  Ganze  nächstens  in  Niemeyers  Verlag  er- 
scheinen lassen.  Saran  hält  das  System  der  romanischen  Verse  für  alter- 
nierend und  bespricht  in  dem  vorliegenden  Abschnitt  die  von  französischen 
und  fremden  Metrikern  über  das  französische  Versprinzip  geäufserten  An- 
sichten bis  gegen  1800. 

II.2  Karl  Voretzsch,  Professor  an  der  Universität  Tübingen,  fügt  hier 
zu  seinen  scharfsinnigen  literarhistorischen  Untersuchungen  über  die 
Renartbranchen  und  über  Ogier  den  Dänen  eine  ihnen  gleichwertige  lin- 
guistische: er  prüft  an  dem  Material  des  provenzalischen  Wort-  und  For- 
menschatzes die  zuerst  von  Schuchardt  aufgeworfene  Frage,  ob  und  in- 
wieweit im  Galloromanischen  die  Diphthongierung  von  ö  und  e  ursprüng- 
lich an  ein  folgendes  u  bzw.  *  gebunden  gewesen  ist.  Ich  bedaure,  mir 
ein  näheres  Eingehen  auf  die  Darlegungen  des  Verfassers  hier  versagen 
zu  müssen. 

Hinter  dem  aus  den  Musiknoten  zu  Schlägers  Artikel  bestehenden 
Anhang  bildet  eine  den  Inhalt  der  einzelnen  Beiträge  genau  analysierende 
Übersicht  den  Schlufs  des  Bandes. 

Halle  a.  S.  Hermann  Suchier. 


1  Vgl.  H.  Hirt  in  den  Indogerm.  Forschungen  XII  Anz.  S.  6,  H.  Schwarz  in 
der  Vierteljahrsschrift  für  wiss.  Philosophie.  XXV  S.  246,  H.  Stolz  in  der  Neuen 
philol.  Rundschau  von  Wagener  und  Ludwig  1900  S.  39,  J.  Subak  im  Literatur- 
blatt für  germ.  u.   rom.  Philologie   1902  S.   241. 

2  Vgl.  Horning  im  Literaturblatt  für  germanische  und  romanische  Philologie 
1900  Sp.   289. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  227 

Albert  Sleumer,  Die  Dramen  Victor  Hugos.  Eine  literarhisto- 
risch-kritische Untersuchung.  (Literarhistorische  Forschungen, 
herausgeg.  von  Schick  und  v.  Waldberg,  XVI).    Berlin  1901. 

Auf  die  Bezeichnung  'literarhistorisch  -  kritische  Untersuchung'  kann 
dieses  Buch  nicht  Anspruch  erheben.  Es  ist  vielmehr  in  der  Hauptsache 
ein  Komplex  von  sorgfältigen  Inhaltsangaben  und  ebenso  sorgfältig  zu- 
sammengetragenen Nachrichten  über  die  Aufführungen  der  einzelnen  Hugo- 
schen  Stücke,  die  Parodien,  Opernkompositionen  und  andere  Dinge,  welche 
sich  daran  geschlossen  haben.  Nach  dieser  Kichtung  hin  kann  das  Buch 
Dienste  leisten.  Dagegen  ist  es  fast  wertlos,  was  die  kritischen  Partien 
angeht,  weil  hier  jede  Geübtheit  und  Selbständigkeit  des  Urteils  fehlt. 
Wer  gleich  in  der  Besprechung  des  ersten  Dramas  so  weit  irre  geht,  zu 
sagen:  'Wir  müssen  "Cromwell"  als  ein  wohlgelungenes  Stück  bezeichnen' 
(S.  50),  der  darf  sich  nicht  wundern,  wenn  man  von  den  in  den  darauf 
folgenden  Kapiteln  angestellten  Betrachtungen  über  die  anderen  Stücke 
Hugos  nicht  mehr  viel  Gutes  erwartet.  Verfasser  scheint  denn  auch  ge- 
fühlt zu  haben,  dafs  die  Kritik  nicht  seine  starke  Seite  ist,  so  wenigstens 
erklären  sich  am  besten  die  langen  Zusammenstellungen  von  Urteilen  an- 
derer, unter  denen  auch  Paul  de  Saint  Victor  nicht  fehlt,  der  es  ja  fertig 
bekommen  hat,  vom  'Ruy  Blas'  zu  sagen:  c'est  un  clief-d'muvre  en  tous 
sens  und  von  dem  berüchtigten  Monolog  Karls  V.  in  'Hernani'  zu  be- 
merken :  on  riait  autrefois,  on  j  leurerait  presque  aujourd'hui  ä  la  plainte 
magnanime  de  Charles- Quint  abdiquant  son  co&iir,  lorsqu'il  nionte  au  trotte 
de  l'Empire(\).  Die  Charakteranalysen  bleiben  nur  an  der  Oberfläche,  auch 
die  der  Frauen  gestalten,  welche  nach  S.  Ö  Verfasser  sich  zum  besonderen 
Vorwurfe  genommen  hat.  Ein  irgendwie  tieferes  Eindringen  mufste  zu 
einem  von  des  Verfassers  Ergebnis  sehr  abweichenden  Schlüsse  führen, 
nämlich  dafs  Hugos  Figuren  nicht  lebenswahr  sind,  sondern  samt  und 
sonders  an  grofser  Unwahrscheinlichkeit  leiden.  Und  das  ist  ja  auch  sehr 
erklärlich.  Hugos  ausgeprägter  Lyrismus  machte  ihn,  ebenso  wie  die  an- 
deren Bomantiker,  unfähig,  aus  sich  herauszutreten  und  Gestalten  von 
Fleisch  und  Blut  zu  schaffen,  und  wenn  es  S.  5  heifst:  'Hugo  ist  nicht 
stets  im  stände  gewesen,  sein  eigenes  "Ich"  hinter  den  dramatischen  Cha- 
rakteren zurücktreten  zu  lassen,'  so  ist  für  'nicht  stets'  einzusetzen  'nie- 
mals'. Die  lyrische  Begabung  Hugos  erklärt  es  auch,  warum  er  so  oft 
zum  Melodramatischen  herabsank,  sie  erklärt  es  ferner,  wie  er  seine  Dra- 
men in  derartig  kurzer  Zeit  produzieren  konnte,  dafs  Goethe,  von  dieser 
Schreibgeschwindigkeit  erschreckt,  zu  Eckermann  äufserte:  'Wenn  Victor 
Hugo  lange  in  der  Nachwelt  zu  leben  gedenkt,  so  mufs  er  anfangen, 
weniger  zu  schreiben  und  mehr  zu  arbeiten.'  Die  Gespräche  Goethes  mit 
Eckermann,  welche  Verfasser  nicht  benutzt  hat,  hätten  ihm  überhaupt 
manche  Belehrung  über  V.  Hugo  gewährt.  Das  gleiche  gilt  von  Julian 
Schmidts  'Geschichte  der  französischen  Literatur  seit  der  Bevolution1  1789'; 

1  Dieses  Buch,  dessen  annalistische  Anordnung  mit  daraus  folgender  geringer 
Übersichtlichkeit    wohl    manche    abschreckt,    hat    den  Vorzug,    dafs    der  Autor    die 

15* 


228  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

man  findet  sie  nirgends  angeführt,  während  sonst  allerhand  wertlose 
Schreibereien  mit  rührender  Gewissenhaftigkeit  zu  Rate  gezogen  und  ge- 
bucht werden.  So  kommt  es  denn  wohl,  dafs  vielerlei  Unrichtigkeiten 
und  Schiefheiten  untergelaufen  sind,  z.  B.  wenn  S.  25  gesagt  wird,  dafs 
'vor  dem  "Cromwell"  Hugo  schon  mit  seinen  Bomanen  die  Herzen  ein- 
genommen hatte,'  also  mit  dem  Han  d'Islande  und  dem  Bug-Jargal,  diesen 
ungeheuerlichen  Produkten,  oder  wenn  Verfasser  nicbt  weifs,  was  man 
von  der  Beschäftigung  Hugos  mit  Shakspere  zu  halten  hat,  oder  die  Über- 
setzung von  Delaplace  in  eine  ganz  falsche  Zeit  verlegt  wird  (S.  331, 
Anm.  2),  oder  über  das  Verhältnis  des  Verses  von  A.  Chenier  zu  dem 
Verse  der  Romantiker  Unzutreffendes  zum  Vorschein  kommt  (S.  321), 
oder  es  S.  367  heifst,  dafs  Hugo  längst  vor  der  Abfassung  seines  ersten 
Dramas  die  Literatur  mit  den  köstlichsten  Erzeugnissen  seiner  Lyrik 
beschenkt  hatte  usw.,  vgl.  Thurau  in  der  Zeitschr.  f.  franz.  und  engl. 
Unterricht  I,  30,  Anm.  7.  Zuweilen  widerspricht  Verfasser  sich  selber: 
S.  357  wird  gesagt,  dafs  Hugo  nicht  zeigt,  'wie  der  Charakter  der  Kurti- 
sanen sich  allmählich  läutert,  sondern  er  denselben  schon  dichterisch  ver- 
klärt dem  Zuschauer  gegenüberstellt,'  und  S.  361  heifst  es:  'Die  läuternde 
Macht  der  Liebe  stellte  Hugo  in  Marion  und  Tisbe  dar;'  S.  364  spricht 
er  von  der  vergeblichen  Anstrengung  eines  Lyrikers,  der  Dramatiker  werden 
möchte,  und  gleich  auf  der  folgenden  Seite  ist  mit  einemmal  von  den 
Verdiensten  die  Rede,  welche  Hugo  sich  nicht  zum  wenigsten  um  die 
dramatische  Dichtung  seines  Vaterlandes  erworben  hat. 

Nach  dem  Obigen  wird  man  mir  wohl  erlassen,  auf  die  einzelnen 
Dramenanalysen  des  Buches  näher  einzugehen,  hingegen  ist  es  Pflicht  des 
Referenten,  zu  sagen,  dafs  das  letztere  ziemlich  reich  ist  an  Stilblüten, 
von  denen  nur  zwei  angeführt  seien:  'ein  Drama,  dessen  Lesung  wir  mit 
Interesse  aufnehmen,'  'die  träumerischen  Gefilde  der  spanischen  Halbinsel' 
(S.  50,  79).  Es  sei  zum  Schlüsse  auf  den  lesenswerten  Aufsatz  von 
Doumic,  den  Verfasser  noch  nicht  kennen  konnte,  hingewiesen:  L'ccuvre 
du  Romantisme  au  theätre  in  der  'Revue  des  deux  mondes'  vom  15.  April 
1902,  und  ferner  noch  ein  Punkt  klargelegt,  der  S.  183,  Anm.  3  berührt 
wird.  Es  ist  hier  von  Granier  de  Cassagnacs  Artikel  im  'Journal  des 
D6bats'  vom  1.  November  1833  die  Rede,  und  dann  heifst  es  mit  Bezug 
darauf:  'Alex.  Dumas  soll  aus  "Egmont"  unerlaubte  Entlehnungen  ge- 
macht haben.'  Das  ist  in  der  Tat  der  Fall,  doch  handelt  es  sich,  soweit 
ich  sehe,  nur  um  den  Monolog  Albas,  und  abgesehen  von  der  Gleichheit 
der  Situation  —  Sentinelli  erwartet  den  Monaldeschi  wie  Alba  den  Egmont 
—  ist  das  Mafs  des  an  Vorstellungen  und  Worten  Entlehnten  verhältnis- 
mäfsig  bescheiden,  wie  folgende  Nebeneinanderstellung  zeigen  mag. 


Dinge,  über  welche  er  spricht,  wirklich  gelesen  hat,  und  verdiente  weit  mehr  be- 
nutzt zu  werden,  als  es  geschieht,  wenn  auch  nicht  in  der  Art,  wie  Blaze  de  Bury 
es  in  seinem  Aufsatze  Idees  sur  le  Romantisme  getan  hat,  indem  er  eine  im  zweiten 
Bande  S.  383  stehende  treffende  Erörterung  Wort  für  Wort  heriibernimmt,  ohne 
seine  Quelle  zu  nennen. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  229 

Goethe,  Egmont.    4.  Aufzug.  Alex.  Dumas,  Christine,  acte  4,  sc.  7. 

Alba:   Er  ist  es!   —   Egmont!    Trug  Sentinelli:  C'est  bien  lui;  son  cheval 

dich  dein  Pferd  so  leicht  herein  und  de  vitesse  redouble;  je  le  vois  accourir 
scheute  vor  dem  Blutgeruche  nicht  und  d'ecume  blanchissant ;  il  sc  cabre;  d'a- 
vor  dem  Geiste  mit  dem  blanken  Schwert,  vance  a-t-il  flaire  le  sang?  . . .  Mais  sous 
der  an  der  Pforte  dich  empfängt?  —  ton  eperon  plus  rapide  il  s'emporte;  de 
Steig'  ab!  —  So  bist  du  mit  dem  einen  ce  chäteau  fatal  tu  depasses  la  porte; 
Fufs  im  Grab!  und  so  mit  beiden!  —  et  tu  n'apereois  pas  au  terme  du  chemin 
Ja,  streichl'  es  nur  und  klopfe  für  sei-  un  spectre  qui  t'attend  une  6p6e  ä  la 
neu  mutigen  Dienst  zum  letztenmale  den  main?  ...  Descends  de  ton  cheval,  flatte 
Nacken  ihm  —  son    cou    nerveux!     Ses    pieds   t'ont  ra- 

mene  d'une  course  rapide;  aus  mains 
d'un  ecuyer  abandonne  sa  bride,  et  dis- 
lui  qu'aujourd'hui  pour  la  derniere  fois 
de  son  maitre  insolent  il  a  senti  le  poids ! 
Son  maitre,  un  pas  encore!  . .  .  en  ma 
puissance  il  tombe. 

(Se  penchant  ä  la  fenetre) 
II  va   toucher  le  seuil.   —  Bien!  —  un 
pied  dans  la  tombe, 

(se  rejetant  sur  le  theätre) 
deux!   —   Ah!  —  Mon  coaur  bondit  avec 
rapidite  .  .  . 
Berlin.  Schultz-Gora. 

Diderot,  Paradoxe  sur  le  Come'dien.  Edition  critique  avec  intro- 
duetion,  notes,  fac-simile  par  Ernest  Dupuy.  Paris,  Socie'te 
francaise    d'Imprimerie    et    de    Librairie,    1902.      XXXIII, 

178  S.  grofs-8. 
Ein  Zufall  liefs  H.  E.  Dupuy  eine  leider  am  Schlufs  unvollständige 
Handschrift  des  Paradoxe  sur  le  Comedien  finden,  in  deren  Schrift  er  bei 
näherer  Untersuchung  mit  Sicherheit  die  Hand  Naigeons,  des  Freundes 
Diderots,  zu  erkennen  glaubte.  Diese  wichtige  Entdeckung  erlaubt  uns 
einen  Einblick  in  die  Werkstätte  Naigeons  zu  tun.  Eine  sorgfältige  Prü- 
fung der  Handschrift  und  des  Textes  ergab  die  überraschende  und,  wie 
mir  scheint,  sichere  Tatsache,  dafs  Naigeon  in  unverantwortlicher  Weise 
das  Werk  seines  Freundes  überarbeitet  hat,  und  dafs  der  Paradoxe  ihm 
zum  Teil  seine  jetzige  Gestalt  verdankt.  Die  Beweisführung  des  Heraus- 
gebers ist  eine  doppelte.  Einmal  geht  er  von  der  äufseren  Gestalt  der 
von  ihm  entdeckten  Handschrift  aus,  dann  vergleicht  er  den  Text  mit  der 
sicher  von  Diderot  stammenden,  wenig  beachteten  kürzeren  Fassung  der 
Abhandlung  über  die  Schauspielkunst,  die  in  der  Correspondance  de  Grimm 
(15.  Oktober  bis  1.  November  1770)  erschienen  war  als  'Observations  sur 
une  brochure  intitulee  Garrick  ou  les  Acteurs  anglais;  ouvrage 
contenant  des  reflexions  sur  l'art  dramatique,  sur  l'art  de  la  representation 
et  le  jeu  des  acteurs ;  avec  des  notes  historiques  et  critiques  sur  les  diff£- 
rents  theätres  de  Londres  et  de  Paris;  traduit  de  l'anglais'.  Der  Text  der 
Hs.  Naigeons  ist  vielfach  und  zwar  von  derselben  Hand  korrigiert  und 
mit  Zusätzen  am  Eand  versehen,  die  dieselbe  Schrift  aufweisen,  aber  ver- 
schiedene Tinte,  daher  zu  verschiedenen  Zeiten  entstanden  sind.    Ist  die 


230  Beurteilungen  und    kurze  Anzeigen. 

Handschrift  wirklich  von  Naigeon,  so  gibt  es  nur  eine  annehmbare  Er- 
klärung des  eigentümlichen  Zustandes  des  Textes.  Ein  Zufall  hat  uns 
den  Entwurf  Naigeons  zu  seiner  Ausgabe  in  die  Hände  gespielt,  sämtliche 
Korrekturen  und  Abweichungen  von  den  ursprünglichen  'Observations' 
sind  sodann  Naigeon  zuzuschreiben.  Wie  liefse  sich  die  Tatsache  erklären, 
dafs  alle  Zusätze  und  Korrekturen  von  der  Hand  Naigeons  geschrieben 
sind,  wollte  man  annehmen,  dafs  Diderot  selbst  seine  'Observations'  zum 
'Paradoxe'  umgearbeitet  habe?  Selbst  die  Annahme,  dafs  Naigeon  dem 
Freunde  als  Sekretär  bei  der  Ausarbeitung  diente,  scheitert  an  der  Tat- 
sache, dafs  die  Zusätze  am  Rande  offenbar  zu  verschiedenen  Zeiten  ent- 
standen sind.  Diese  Erwägungen  stützt  H.  Dupuy  durch  die  Ergebnisse 
eines  genauen  Vergleiches  der  älteren  'Observations'  mit  der  späteren 
Fassung  des  Paradoxe.  Alle  Zusätze  haben  ihren  Ursprung  in  Stellen 
aus  Diderots  Werken  und,  was  noch  schwerwiegender  ist,  in  der  'Cor- 
respondance'  von  Grimm  und  anderen  Schriften  von  Freunden  und  Zeit- 
genossen Diderots,  die  Naigeon  zugänglich  waren.  Die  Wiederholung 
einzelner  Gedanken  und  Bilder  in  verschiedenen  Werken  auch  eines  Schrift- 
stellers von  dem  übersprudelnden  Reichtum  Diderots  würde  allein  nicht 
beweisend  sein.1  Hier  aber  häufen  sich  die  Übereinstimmungen  derart, 
dafs  man  auf  Grund  der  Untersuchung  der  beiden  Texte,  die  H.  Dupuy 
mit  Umsicht  vorgenommen  hat,  mit  dem  Herausgeber  den  gröfsten  Teil 
des  Paradoxe  Naigeon  zuschreiben  wird,  selbst  wenn  man  nicht  sämtlichen 
mit  vielem  Fleifs  und  Scharfsinn  herangezogenen  Vergleichstellen  denselben 
Wert  beilegen  sollte  und  einige  Übereinstimmungen  dem  Zufall  zuschreibt. 
Diderots  Ruhm  wird  durch  diese  Entdeckung  übrigens  nicht  im  geringsten 
geschmälert.  Naigeon  hat  keinen  eigenen  neuen  Gedanken  hinzugefügt; 
er  erweitert,  führt  oft  nicht  ohne  Geschick  den  Text  Diderots  aus,  öfters 
aber  verwässert  er,  was  Diderot  kurz  und  gedrungen  in  seiner  Schrift  aus- 
gesprochen hatte,  und  benutzt  zu  diesen  Zusätzen  stets  fremde  Anregung. 
Nichtssagende  Zusätze,  Verflachung  des  Ausdrucks  oder  aber  die  Ein- 
führung derber  Wendungen,  die  Diderots  lebhaften,  kraftvollen  Stil  nach- 
ahmen wollen,  augenfällige  Mifsverständnisse,2  Sprachfehler  verraten  den 
ungeschickten  Nachahmer  von  Diderots  Eigenart.  Manche  Geschmack- 
losigkeiten, besonders  die  unnatürliche,  plumpe  Durchführung  der  Scene  des 
D£pit  amoureux  mit  den  'aparteV  zweier  Schauspieler,  die  abwechselnd 
als  Eraste   und  Lucile  und  als  zankende  Ehegatten  reden,  entfallen  dem 


1  H.  Dupuy  erwähnt  nicht,  dafs  folgender  Satz  der  Observations'  (also  sicher 
von  Diderot)  'je  crains  bien  que  nous  n'ayons  pris,  cent  ans  de  suite,  l'hdroisme 
de  Madrid  pour  celui  de  Rome'  fast  wörtlich  in  dem  siebenten  Brief  Diderots  an 
Melle  Jodin  wiederkehrt. 

2  Der  bezeichnendste  von  dem  Herausgeber  erwähnte  Fall  ist  die  im  Zusam- 
menhang sinnlose  Schreibung  S.  106:  '.  . .  avec  la  poesie  du  reste,'  wo  du  reste 
irrtümlich  aus  dem  Anfang  des  folgenden  Satzes  herübergenommen  ist.  Aufser 
den  zahlreichen  von  H.  Dupuy  hervorgehobenen  Stellen  sei  die  Änderung  S.  24 
erwähnt:  'une  femme  malheureuse,  mais  vraiment  malheureuse  pleure  et  ne  nous 
touche  point,'  statt  der  richtigen  Bemerkung  Diderots:  'et  il  arrive  qu'elle  ne  nous 
touche  point;  il  arrive  pis  .  .  .' 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  231 

Interpolator.  Diderot  hätte  wohl  kaum  in  so  ungeschickter  Weise  daa 
Beispiel  des  Schauspielers  Polus,  der  als  Elcctra  mit  der  Totenurne  seines 
eigenen  Sohnes  auf  der  Bühne  erschien  und  durch  seine  Klagen  die  Zu- 
schauer erschütterte,  in  einer  Schrift  gewählt,  die  beweisen  soll,  dafs  die 
'sensibilite'  und  der  natürliche  Ausbruch  der  Leidenschaft  keine  dauernde 
Wirkung  auf  der  Bühne  erzielen  können.  Denn  Polus'  Schmerz  wirkte, 
gerade  weil  man  in  ihm  'un  pere  dösole'  sah.  Die  ganze  Stelle  ist  un- 
beholfen und  unklar. 

Der  Überarbeiter  hat  aus  der  Abhandlung  Diderots  einen  Dialog  ge- 
macht, indem  er  den  Text  durch  oft  nichtssagende  Einwürfe,  Ausrufe 
unterbrach  und  künstlich  Frage  und  Antwort  herstellte.  Der  aufdring- 
liche Materialismus  und  atheistische  Fanatismus  Naigeons  zeigt  sich  in 
mehreren  von  H.  Dupuy  hervorgehobenen,  den  Zusammenhang  störenden 
Ausfällen  gegen  die  Priester,  in  dem  unmotivierten  materialistischen  Be- 
kenntnis S.  14,  wo  nach  der  Bemerkung,  der  Dichter  müsse  alles  'dans  le 
monde  physique  et  dans  le  monde  moraP  eifrig  beobachten,  der  Inter- 
polator  einschiebt  'qui  n'en  est  qu'un'.  —  Fragt  mau  sich,  wodurch  Naigeon 
zu  diesem  seltsamen  Mifsbrauch  des  in  ihn  gesetzten  Vertrauens  geführt 
wurde,  so  wird  man  ihn  nicht  etwa  als  Betrüger  und  Plagiator  bezeichnen, 
sondern  die  Selbstverblendung  des  Mannes  bewundern,  der  in  dem  naiven 
Glauben  gehandelt  hat,  Diderots  geistvolle  Skizze  durch  seine  Umarbeitung 
erst  zum  Kunstwerk  gemacht  zu  haben. 

Aus  der,  wie  mir  scheint,  festgegründeten  Beweisführung  ergibt  sich 
für  die  Kritik  der  nachgelassenen  Werke  Diderots  ein  Resultat  von  der 
gröisten  Tragweite.  H.  Dupuy  nimmt  mit  Recht  an,  dafs  auch  die  übrigen 
Schriften  Diderots,  soweit  sie  durch  Naigeon  vermittelt  worden  sind,  einer 
eingehenden  Prüfung  bedürfen. 

Durch  die  Feststellung  des  Anteils  Naigeons  an  der  Ausarbeitung 
des  'Paradoxe'  erklären  sich  einige  chronologische  Schwierigkeiten.  Wäh- 
rend die  Hauptarbeit  1773  entstand,  finden  sich  einzelne  Erwähnungen 
von  Ereignissen  aus  den  Jahren  1776,  1777,  1778.  Hatte  Naigeon  eine 
Umarbeitung  der  Schrift  Diderots  unternommen,  so  ist  aus  dem  Zustand 
der  Handschrift  klar  zu  ersehen,  dafs  er  immer  wieder  den  Text  vornahm 
und  ergänzte.  Ferner  liegt  kein  Grund  mehr  vor,  mit  den  Herausgebern 
der  Werke  Diderots,  Ass^zat  und  Tourneux,  das  Gelegenheitsstück  'La 
Piece  et  le  Prologue',  dessen  Inhalt  in  einem  der  Zusätze  des  Paradoxe 
mitgeteilt  wird,  bald  nach  1771  anzusetzen,  statt  1776,  1777. 

Der  Text  Naigeons  und  die  'Observations'  Diderots  sind  nebenein- 
ander abgedruckt  und  mit  einem  kritischen  Kommentar,  den  Varianten 
der  Handschrift  und  dem  Nachweis  der  Parallelstellen  aus  anderen  Schrif- 
ten Diderots  und  seines  Kreises  versehen;  im  Anhang  sind  einige  Seiten 
der  Hs.  in  Faksimile  wiedergegeben,  worauf  der  Abdruck  der  Petersburger 

1  Aufser  den  von  H.  Dupuy  erwähnten  Fällen  noch  S.  175  'renversee  entre  Pillot- 
Pollux'.  der  seltsame  Vergleich  tragischer  Helden  mit  hippogryphes,  in  der  Schrei- 
bung hypogriffes,  die  irgend  ein  Mifsverständnis  von  Seiten  des  Überarbeiters  ver- 
muten läfst. 


232  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Hs.  des  'Paradoxe'  folgt,  die  eine  Kopie  der  Hs.  Naigeons  ist,  aber  mit 
einigen  weiteren  Zusätzen.  Auch  dieser  Text  ist  von  wertvollen  erklären- 
den Anmerkungen  begleitet. 

Heidelberg.  F.  Ed.  Schneegans. 

Gertrud  Dobschall,  Wortfügung  im  Patois  von  Bournois  (Departe- 
ment du  Doubs).  Heidelberger  Dissertation.  Darmstadt, 
G.  Otto  Hofbuchdruckerei,  1901.  98  S. 
Während  so  manche  das  arme  andare  (aller)  fast  zu  Tode  hetzen,  so 
dafs  sich,  wenn  es  so  weiter  geht,  bald  eine  besondere  awcfare-Philologie 
abzweigen  wird,  bleiben  grofse,  wichtige  Gebiete  der  romanischen  Philo- 
logie fast  ganz  ohne  Pflege.  Da  ist  es  mit  lebhafter  Freude  zu  begrüfsen, 
dafs  sich  jemand  gleich  zu  Beginn  seiner  literarischen  Tätigkeit  auf  ein 
Gebiet  wirft,  das  bisher  als  Ganzes  überhaupt  noch  nie  bearbeitet  worden 
ist,  das  der  romanischen  Dialektsyntax.  Und  dieser  jemand  ist  — 
man  sollte  es  kaum  für  möglich  halten  —  eine  Dame.  Gertrud  Dobschall 
hat  den  Ruhm,  zum  erstenmal  auf  romanischem  Gebiete,  wenn  auch  nicht 
eine  ganze  Dialektsyntax,  so  doch  den  einen  wichtigen  Teil  derselben,  die 
Wortfügung,  in  trefflicher,  gründlicher  Weise  behandelt  zu  haben.  Über 
der  ganzen  Arbeit,  die  viele  'manu liehe'  Dissertationen  in  ihrer  Flachheit 
tief  beschämt,  liegt  der  Sonnenschein  treuer,  philologischer  Tätigkeit,  die 
sich  dadurch  nicht  beirren  läfst,  dafs  heute  noch  mehr  als  früher  weite 
Kreise  alles  streng  Philologische  aus  tiefster  Seele  verabscheuen. 

Der  Ausgangspunkt  für  die  Anordnung  ist  natürlich  Ries'  scharf- 
sinnige Schrift  'Was  ist  Syntax',  Marburg  1894,  an  der  die  Verfasserin 
aber  auf  den  einleitenden  Seiten  nicht  mit  Unrecht  Kritik  übt.  Sie  be- 
spricht dann  mit  selbständigem  Urteil  die  wenigen  Arbeiten,  die  versucht 
haben,  Ries'  Forderungen  gerecht  zu  werden:  Holthausens  Syntax  in 
seinem  altisländischen  Elementarbuch,  Weimar  1895;  Behaghels  Syntax 
des  Heliand,  Prag  1897;  Weises  Syntax  der  Altenburger  Mundart,  Leip- 
zig 1900;  L.  Sütterlins  Die  deutsche  Sprache  der  Gegenwart,  Leipzig 
1900,  und  Meyer-Lübkes  Romanische  Syntax,  Leipzig  1899,  welch  letz- 
terer aber  doch  mit  dem  alten  'System'  ganz  gewaltig  mehr  aufgeräumt 
hat,  als  man  nach  der  Angabe  der  Verfasserin  S.  11  glauben  könnte. 

Ihre  Ausführungen  fafst  G.  Dobschall  (S.  13)  dahin  zusammen,  1)  dafs 
man  Syntax  nicht  als  Lehre  vom  Wortgefüge  bezeichnen  solle,  da  syn- 
taktische Gebilde  durchaus  nicht  aus  Worten  zusammengefügt  zu  sein 
brauchen ;  2)  dafs  die  Wortfügungslehre  einen  Teil  der  Syntax  bilde  neben 
der  Satzlehre,  die  den  eigentlichen  Kern  ausmache.  Wortgruppen  gehören 
in  die  Wortfügungslehre.     Diese  letztere  teilt  die  Verfasserin  ein  in 

A.  Wortgruppen:  I.  Gruppen,  in  denen  ein  Wort  mit  selbständiger 
Bedeutung  sich  zu  einem  anderen  fügt,  das  auch  seine  selbständige  Be- 
deutung bewahrt:  1)  Zwei  Substantiva  verbunden  durch  et puis;  2)  Gruppen 
durch  Vergleich  gebildet;  3)  Zwei  Zahlwörter;  4)  Wortgemination;  5)  Meh- 
rere Präpositionen.  —  IL  Gruppen,  in  denen  ein  Wort  die  Bedeutung  des 
anderen  modifiziert,   bezüglich  ergänzt:    1)  Gruppen  mit  einem  Verbum: 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  283 

a)  V.  finitum  mit  Infinitiv;  b)  V.  finitum  mit  Partizip;  c)  V.  mit  Nomen  ; 
d)  V.  mit  Adjektiv;  e)  V.  mit  Adverb.  —  2)  Gruppen  mit  einem  Sub- 
stantiv: a)  S.  mit  Substantiv;  b)  S.  mit  Verb;  c)  Demonstrativ  mit  S. ; 
d)  Artikel  mit  S. ;  e)  Präposition  mit  S. ;  f )  Adverb  mit  S. ;  g)  Bestimmtes 
Zahlwort  mit  S.;  h)  Mengebegriff  mit  S.  —  3)  Gruppen  mit  einem  Ad- 
jektiv: a)  A.  mit  Adjektiv;  b)  A.  mit  Personalpronomen;  c)  A.  mit  In- 
finitiv. —  4)  Gruppen  mit  einem  Adverb:  a)  A.  mit  Adverb;  b)  A.  (bez. 
Adjektiv)  mit  Adverb  zur  Steigerung;  c)  Demonstrativ  mit  A. ;  d)  Prä- 
position mit  A.  —  5)  Gruppen  durch  Vergleich  gebildet.  —  6)  Gruppen 
mit  que. 

B.  Syntaktische  Mittel  der  Zusammenfügung:  1)  Wort- 
stellung; 2)  Kongruenz;  3)  Accent;  4)  Pausen  (Tempo);  5)  Gesten,  nur 
beim  gesprochenen  Wort. 

Nach  diesem  System  wird  nun  .in  der  vorliegenden  Arbeit  die  Wort- 
fügung, und  zwar  zunächst  nur  die  Wortgruppe,  im  Dialekt  von  Bournois 
behandelt,  das  50  km  nordöstlich  von  Besancon  und  11  km  von  Isle-sur- 
le-Doubs  liegt,  und  das  1894  nur  noch  395  Bewohner  zählte.  Den  Dia- 
lekt kennen  wir  durch  die  von  Roussey  gesammelten  Contes  populaires 
recueillis  ä  Bournois  und  durch  das  von  ihm  verfafste  Glossaire  du  Parier 
de  Bournois,  beides  Paris  1894.  Zum  Vergleiche  werden  die  spärlichen 
syntaktischen  Bemerkungen  herangezogen,  die  sich  in  den  Arbeiten  über 
die  ostfranzösischen  Dialekte  finden,  z.  B.  bei  Contejean,  Dartois,  Haillant, 
Horning,  Martin,  Rabiet  u.  a.,  in  denen  vielfach  die  Syntax  mit  der  Be- 
merkung abgefertigt  wird:  eile  n'a  rien  ou  presque  rien  de  particulier. 

Ein  echter  Philologe  will  auch  als  Anfänger  nicht  gegängelt  und  ge- 
bändelt sein.  Er  will  seinen  eigenen  Weg  gehen,  will  flügge  werden.  So 
sei  es  ferne  von  mir,  die  Verfasserin  belehren  zu  wollen.  Wenn  ich  gleich- 
wohl im  folgenden  ein  paar  Bedenken  äufsere,  so  äufsere  ich  sie  als  meine 
Meinung,  die  ich  als  Rezensent  zu  sagen  verpflichtet  bin. 

S.  22.  Unter  der  Überschrift  'Gruppen  durch  Vergleich  gebildet'  be- 
merkt Dobschall:  Zwei  Substantiva  werden  einander  beigeordnet  durch 
tant  —  tant  und  treten  so  in  das  Verhältnis  des  Vergleiches  zueinander, 
mit  distributivem  Sinne.  Dafür  wird  als  einziger  Beleg  angeführt:  devn 
de  be  büke  dtcve  tä  pü  be  lü  tä  pü  be  lätr  mit  der  wortgetreuen  Über- 
setzung, die  ich  des  leichteren  Verständnisses  halber  hier  und  sonst  wieder- 
hole :  d'avec  des  beanx  bonquets  d' hiver  tant  plus  beau  l'un,  tant  plus  beau 
l'autre.  Allein  tant  gehört  doch  zu  dem  Komparativ  '(um)  soviel  schöner 
das  eine,  (um)  soviel  schöner  das  andere',  und  daher  ist  die  zweite  Über- 
setzung 'teils  das  eine  schöner,  teils  das  andere  schöner'  nicht  zutreffend. 
Und  mit  dieser  Erscheinung  würde  ich  das  aus  Meyer-Lübke  §  221  her- 
übergenommene Beispiel  quant  eles  entrent  el  mostier,  Tot  l'en  ve'issies  es- 
clairier,  Tant  por  les  pieres,  tant  por  Vor,  Tant  por  la  beaute  Melior 
Part.  10723  vielleicht  nicht  verglichen  haben  ;  sicher  nicht  das  aus  Rausch- 
maier,  Über  den  figürlichen  Gebrauch  der  Zahlen  im  Altfranzösischen, 
als  Parallele  —  zu  kurz  —  citierte  Onques  ansanble  nevit  nus  Tant  rois, 
tant  contes  ne  tant  dus  Xe  tant  barons  a  une  messe  Erec  6907,  was  doch 


234  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

bedeutet  'soviel  Könige,  soviel  Grafen,  soviel  Fürsten'.  Dafs  diese  Stelle 
nicht  auf  Linie  steht  mit  der  im  heutigen  Dialekt,  zeigt  schon  der  Um- 
stand, dafs  man  in  ersterer  tant  contes  ne  tant  dus  Ne  tant  barons  weg- 
lassen könnte,  ohne  dafs  die  Konstruktion  dadurch  gestört  würde,  wäh- 
rend in  unserer  Stelle  tant  plus  beau  l'autre  nicht  wegbleiben  könnte. 
Was  vorhergeht,  kann  nicht  für  sich  bestehen. 

S.  23.  Zwei  Zahlwörter.  Wenn  in  diesem  Dialekt  deux  und  trois 
aneinander  gereiht  werden,  um  eine  unbestimmte  kleinere  Menge  aus- 
zudrücken ä  du  trä  gulq  (en  deux  trois  goulees),  so  bleibt  mir  fraglich,  ob 
man  darin  einen  Germanismus  zu  sehen  habe,  wie  D.  anzunehmen  ge- 
neigt ist.  Eine  solche  Ausdrucksweise  kann  sich  doch  wohl  spontan  ent- 
wickeln. Fraglich  bleibt  mir  das  schon  darum,  weil  dieselbe  Erscheinung 
noch  in  einem  anderen  romanischen  Sprachgebiet  sehr  häufig  anzutreffen 
ist,  wo  von  dem  Einflüsse  des  Deutschen  keine  Rede  sein  kann,  dem  Ru- 
mänischen: peste  douä-trei  xile  a  ixbutit  de  a  rämas  singur  xiua 
Stäncescu,  Alte  basme  1G5;  ia  douä-trei  vinaturi  si  te  du  acolo  eb.  168; 
roagä  pe  stäpin  sä  läse  sä  frigä  douä-trei  pasäri  la  bucätäria  lui  eb.  168; 
Cu  dar  mie  s'o  däruitT  Gu  doi,  trei  galbeni  infloriti  Sezätoarea  7;  Din 
noü  doue  trei  ciomege  pe  spetele  calulut  si  dm  noü  ne  porniräm  Crasescu, 
Schite  II  64;  Doue  tret  lovituri  si-am  purces  mai  iute  eb.  II  65;  Doi  tret 
pumni  impärtiti  intre  densi  le  astämpärarä  pofta  eb.  IV  302.  Mit  vr'o 
davor  Mal  strigä  Pepelea  de  vr'o  doaüe  trei  ort  cäträ  dinsa,  darä  hasca 
nu'i  da  niciun  rcspuns  Sbiera,  Povesti  3 ;  Cärciuma  era  pustie,  numai 
vr'o  doi  trei  betivi  sforäiaü  pe  sub  niese  Crasescu,  Schite  II  115.  Aber 
auch  drei  und  vier  werden  so  aneinander  gereiht:  Altä  data  mtr'o  jume- 
tate  de  ceas  wnpleam  tret  patru  coloane  si  acte,  poftim  eb.  I  156.  Mit 
vr'o  davor:  ineä  vre-o  trei-patru  cälctoru  ca  astä-di  si  ne  mäntuim  de 
datorii  eb.  I  23;    Ciopärlä  si  cu  vre-o  trei-patru  fläcäi   Vau  prins  eb. 

I  229;  Popa  a  bodogänit  ca  vr'o  trei  patru  minute  eb.  II  69;  Apro- 
piindu-se  de  fereasträ,  alese  vr'o  trei  patru  lese  eb.  III  90;  abia  se  de- 
pärtä  ca  de  vr'o  trei  patru  stänjeni  si  vexu  . .  .  Stäncescu,  Alte  basme  31. 
Vier  und  fünf:  Längä  läutarl,  pe  niste  scäunele  micl,  cu  mänele  incruci- 
sate,  sedeaü  vr'o  patru  cinci  femei  imbräcate  foarte  ciudat  Crasescu, 
Schite  II  203.  Zehn  und  zwanzig:  N'apucä  sä  faeä  dece  dour-deci  de 
pasi,  si  etä  ca  . . .  Ispirescu,  Basme  12  ("Ausgabe  von  1892).  Zehn  und 
zwölf:  Pe  piatä,  craü  vr'o  10,  12  cäruti  de  prin  säte  Crasescu,  Schite  II 
214;  und  dazu  stellt  sich  das  Italienische:  e  si  starä  dieci,  dodici 
giorni  Imbriani,  Novell,  fior.  284.  Zwei  Beispiele  für  doue-trei  hatte 
ich  schon  in  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXIV  514  gegeben. 

Dieselbe  Erscheinung  begegnet  im  Piemontesischen,  wo  wiederum 
germanische  Einwirkung  gewifs  nicht  vorliegt,   du-trei,  von  Meyer-Lübke 

II  §  571  allerdings  aus  duo  aid  tres  hergeleitet.  Im  Toskanischen :  Una 
porera  donna,  che  avea  tre,  quattro  figlioli  Pitre,  Novell,  pop.  to- 
scane  164;  sarä  die',  tre  once  di  farina  eb.  Etwas  Ahnliches  kannte 
übrigens  schon  das  Lateinische  in  seinem  sex-septem  (Terenz,  Horaz), 
wo  der  gleiche  Anlaut  im  Spiele  sein  mag,   s.  Schmalz,  Latein.  Stilistik 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  235 

§  30.  Es  ist  wohl  auch  nicht  ganz  richtig,  wenn  die  Verfasserin  meint, 
im  Neufranzösischen  wäre  solche  Ausdrucksweise  unmöglich,  es  müsse  <>n 
als  Bindeglied  zwischen  beide  Zahlen  treten;  liest  man  doch  On  n'entre 
point  ä  Naples  comme  cela  quand  les  laxzaroni  ne  veulent  pas  qu'on  y 
entre.  Chi  se  battra  deux,  trois  jours,  peut-etre  Dumas,  Emma  Lyonna 
113.  Sonst  habe  ich  mir,  wo  es  sich  um  zwei  andere  Zahlen  und  um 
andere  Sprachgegend  handelt,  angemerkt:  V'lä  qu'on  marche  dans  le  bois, 
y  a  ben  sept-huit  hommes  au  moins  Maupassant,  Les  Prisonniers  (in 
meiner  Ausgabe  S.  170);  die  Erzählung  spielt  in  !den  Ardennen.  Dazu 
liefse  sich  gewifs  noch  manches  andere  stellen. 

S.  25.  Zur  Gemination  der  Eigennamen,  sule  n  faxe  tudj  rä  e  djä-djä 
(cela  ne  faisait  toujours  rien  ä  Jean-Jean),  vgl.  den  hübschen  Aufsatz  von 
Foerster  Zs.  f.  rom.  Phil.  XXII  269. 

S.  2(.!.  tu  petsu  (tont  partout)  würde  ich  unter  Wortgemination  nicht 
einreihen  (lo  bb  du  ä  tu  petsu,  le  bon  Dieu  est  tout  partout).  Man  charak- 
terisiert das  doch  nicht  zutreffend,  wenn  man  sagt,  dafs  sich  hier  mit 
dem  zweiten  tu  eine  Präposition  verbinde,  oder  'besser  gesagt',  dafs  beim 
ersten  Wort  die  Präposition  fehle,  tout  tritt  zu  dem  ganzen  Ausdruck 
partout  hinzu.  Die  Wendung  würde  nur  dann  hierher  gehören,  wenn  es 
hiefse  partout,  partout,  und  daraus  kann  unmöglich  tout  partout  mit  Weg- 
fall des  ersten  par  entstehen.  Auch  Ausdrücke  wie  de  plus  fort  en  plus 
fort  würde  ich  hier  nicht  unterbringen. 

S.  30.  D.  hat  gewifs  recht,  wenn  sie  in  Fällen  wie  le  djä  ett  rätrq  d 
pe  le  tsä  (les  gens  etaient  rentres  de  par  les  champs)  nicht  dasselbe  de  par 
sieht  wie  in  de  par  le  roi.  Mit  par  les  champs  wird  eine  Örtlichkeit  an- 
gegeben, und  diese  präpositionale  Ausdrucksweise  wird  als  Ganzes  zu 
rentrer  mittelst  de  in  Beziehung  gesetzt.  Nur  eine  äufserliche  Betrach- 
tungsweise würde  hier  von  der  Verbindung  zweier  Präpositionen  sprechen, 
während  de  und  par  syntaktisch  miteinander  nichts  zu  tun  haben.  Ich 
glaube  auch,  dafs  in  afrz.  Fällen  wie  ele  se  reclaimme  De  par  celui  que 
il  plus  aimme,  Et  de  par  la  dame  des  ciaus,  Et  de  par  Deu  qui  est  li 
miaus  Et  la  doueors  de  pi'e'te  Chlyon  4071  nicht  das  in  keiner  Handschrift 
stehende  de  part  vorliege,  wie  A.  Schulze  in  dem  eben  erschienenen  treff- 
lichen Glossar  zu  dieser  Dichtung  (Berlin  1902)  annimmt,  sondern  halte 
par  für  die  bei  Beteuerungen  übliche  Präposition  per;  und  der  ganze  Aus- 
druck par  celui,  par  la  dame,  par  Deu  wird  als  solcher  von  soi  reclamcr 
mittels  der  in  diesem  Falle  gebräuchlichen  Präposition  de  abhängig  ge- 
macht. Und  so  braucht  das  aus  Eostand  angeführte  de  par  tous  les 
diables,  in  dem  D.  mit  Eecht  per  sieht,  nicht  nach  dem  Muster  von  de 
par  le  roi  gebildet  zu  sein,  sondern  kann  Fortsetzung  des  eben  aus 
Chrestien  belegten  altfranzösischen  Brauches  sein. 

S.  33.  Wie  sich  in  der  Verbindung  vouloir  mit  dem  Infinitiv  die 
reine  Zukunftsbedeutung  entwickelt  habe,  erklärt  sich  die  Verfasserin  so : 
veux-je  manger?  'Ich  will;  aber  werde  ich  essen?' /e  te  veux  tuer!  'Ich  will 
und  werde  dich  töten',  was  ich  nicht  recht  glaube.  Ich  meine:  der  Wille, 
etwas  zu  tun,  schliefst  das  Moment  des  Zukünftigen  in  sich.    Und  im 


236  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Laufe  der  Zeit  ist  letzteres  so   stark  in  den  Vordergrund  getreten,  dafs 
daneben  der  Begriff  des  Wollens  ganz  geschwunden  ist. 

S.  86.  Wenn  auch  in  Fällen  wie  vö  pyi  krer  kel  ete  ej,  e !  (vous  pouvex 
croire  qu'elle  [nicht  il]  etait  aise,  hein!)  que  Accusativ  des  Mafses  sein 
könnte,  'wie  sehr',  so  ist  doch  diese  Annahme  für  die  anderen  beigebrachten 
Stellen  kaum  richtig.  Es  wird  die  Konjunktion  que  'dafs'  vorliegen.  — 
Eb.  Es  ist  doch  heute  kaum  ein  Zweifel,  dafs  afrz.  faire  acroire  facere 
ad  credere  ist,  also  in  a  croire  zu  zerlegen  ist. 

S.  37.  Wie  in  vwele  ke  lu  vxen  e  tost  n  bwen  gros  nuris  (voilä  qu'ils 
le  firent  ä  teter  une  bonne  grosse  nourrice)  'eine  dicke  Amme'  adverbial 
sein  soll,  wie  auch  S.  60  angenommen  wird,  ist  mir  nicht  recht  verständ- 
lich. Warum  nicht  einfach  Objekt  wie  in  teter  sa  merel  Dafs  wir  so  zwei 
Accusative  haben,  der  eine  abhängig  von  faire,  der  andere  von  dem  In- 
finitiv, kommt  auch  in  der  Schriftsprache  vor:  le  hasard  m'a  fait  vous 
rencontrer  Verm.  Beitr.  I2  209  f.  Oder  II  y  avait  en  eile,  derriere  ses  yeux, 
quelque  chose  de  perfide  et  d'insaisissable  qui  me  faisait  l'execrer  Mau- 
passant, M.  Parent  209.  —  S.  38  afrz.  faire  mit  folgendem  a  und  Infinitiv 
ist  nicht  dasselbe  wie  faire  mit  reinem  Infinitiv. 

S.  39.  Für  das  interessante  le  kiviset  nd  vxe  rä  k  dd  käx$  ka  d  se  trü 
(La  Cuissette  ne  faisait  rien  que  de  causer  que  de  sa  truie)  kann  man  kaum 
mit  der  Verfasserin  für  das  zweite  que  de  eine  Angleichung  in  der  Form 
annehmen,  indem  rien  in  doppelter  Beziehung  stünde  rien  que  de  causer, 
rien  que  de  sa  truie,  sondern  ich  meine:  es  hätte  zunächst  nicht  anders 
heifsen  sollen  als  ne  faisait  rien  que  de  causer  de  sa  truie.  Indem  der 
Sprechende  das  zum  Ausdruck  bringen  will,  drängt  sich  die  andere  Form 
ein :  ne  causait  que  de  sa  truie,  und  beide  mischen  sich.  Ähnlich  wird 
sich  das  S.  98  angeführte  Beispiel  lu  ruq  (1.  rnq)  nd  fxe  rä  k  säbyä  k  dsd 
bell  (le  renard  ne  faisait  rien  que  semblant  que  de  se  baisser)  erklären. 

S.  41.  In  diesem  Dialekte  heifst  es  fast  stets  il  avait  beau  ä  se 
fouiller  (el  eve  be  e  s  füyt);  also  mit  ä.  Zu  dem  Citat  (il  fait  bon  mit  In- 
finitiv) Verm.  Beitr.  I  180  (2.  Aufl.  I  217)  vgl.  auch  meine  Bemerkung 
zu  Mer.  68  im  Archiv  CHI  419.  Für  das  Auftreten  von  ä  hatte  ich  mir 
angemerkt  et  puis  Une  fait  pas  toujours  bon  ä  courir  les  chemins,  quand 
le  soleil  est  couche  Merim^e,  Colomba  102,  2  (Schmager),  das  ich  in  der 
neuen  Auflage  der  Beiträge  S.  218  wiederfinde. 

S.  43.  Wegen  mettre  mit  reinem  Infinitiv  s.  auch  die  Bemerkung  zu 
Mer.  203  im  Archiv  CHI  426;  Pisqu'on  fait  ben  couver  d's  oeufs  dans  une  boite 
chaude,  on  peut  ben  en  mett'  couver  dans  un  lit  Maupassant,  Toine  57. 

S.  45.  Ich  hebe  hervor,  dafs,  während  sonst  in  den  Mundarten  viel- 
fach avovr  zur  Bildung  der  zusammengesetzten  Zeiten  reflexiver  Verba 
verwendet  wird,  hier  alle  Partizipia  der  Reflexiva  mit  etre  verbunden 
werden.  —  S.  51.  *sum  habutus  auch  altprov.  Jacob  comtet  li  tot  per  orde 
cossi  es  avut  Prise  Jer.  28;  pauc  s'enha  falit  quar  no  et%  avut  compaynho 
Gesta  Kar.  Magn.  1819  in  P.  Andere  Beispiele  geben  Suchier  Denkm.  518 
Anm.  76,  Appel  Inedita  XIX,  Appel  Chrest.  XL  (2.  Auflage).  —  S.  59 
afrz.  emboele  und  esboele  sind  nur  dialektisch  verschieden,  em-  =  es-. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  237 

S.  60.  Interessant  ist  övrd  m  lern  {ouvre-moi  la  moi);  mötrq  m  lu  m 
{montrex-moi  le  moi),  wofür  die  Verfasserin  den  Grund  in  'besonderen 
Accentverhältnissen'  sehen  möchte.  Es  handelt  sich  wohl  nur  darum, 
dafs  Wörtchen  von  kleinem  und  kleinstem  Umfange  doppelt  gesetzt  sind. 
Ahnliche,  wenn  auch  nicht  gleiche  Vorkommnisse  habe  ich  Zs.  f.  rom.  Phil. 
XXIV  518  zu  Mer.  588  besprochen  und  bald  darauf  G.  Cohn  Archiv 
CVI  441.  Wer  in  Berlin  aufgewachsen  und  vor  der  Sprache  des  gemeinen 
Mannes  nicht  ängstlich  gehütet  worden  ist,  der  kennt  'nimm  se  dir  se 
denn  se  doch'.  Auch  diese  beiden  Stellen  könnte  der  Mann  aus  dem  Volk 
wiedergeben  mit  'öffne  mir  sie  mir',  'xeige  mir  ihn  mir'.  A.  a.  0.  hatte 
ich  aus  Wildenbruchs  Quitzows  beigebracht:  Gib  mir  meinen  Glauben 
Mir  wieder!  IV  10.  Wenn  es  aber  bei  Theuriet,  Contes  de  la  Marjo- 
laine  22  heifst:  (ils)  m'en  veulent  de  ne  nie  pas  m'etre  resigne  ä  moisir 
dans  leurs  taupinieres,  so  wird  ein  Druckfehler  vorliegen.  Weiter  gehe 
ich  darauf  hier  nicht  ein. 

Eb.  Wenn  es  an  einer  Stelle  der  Erzählungen  heifst:  el  grülE  le  pö 
{eile  tremblait  la  peur  que  ...),  so  braucht  noch  nicht  ein  Fehler  vor- 
zuliegen, weil  es  an  anderer  heifst:  ä  grülä  d  fre  {en  tremblant  de  froid), 
sagt  doch  die  Umgangssprache  nicht  nur  trembler  de  fievre,  sondern  auch 
trembler  la  fievre  —  den  Grund  für  solche  Ausdrucksweise  erörtere  ich 
hier  nicht  — ,  sagt  nicht  nur  erever  de  faim,  sondern  auch  crever  la  faim : 
Je  crevais  la  faim  et,  toutes  les  nuits,  je  revais  dupoteau  de  Satory  Filon, 
Babel  Rev.  Par.  IV  232;  c'est  trop  d'avoir  ereve  deux  mois  la  faim  en- 
semble  Zola,  Travail  10;  sans  ta  greve,  ils  n'auraient  pas  ereve  la  faim 
pendant  deux  mois  eb.  66^  s.  auch  Lotsch,  Zolas  Sprachgebrauch  S.  28,  2. 

S.  61  Anm.  Also  wie  afrz.  il  s'en  vint.  —  S.  67,  1  (gegen  Ende)  avec 
in  adverbialer  Verwendung  ist  ursprünglich  und  ist  öfter  aus  der  heutigen 
Volkssprache  belegt;  s.  u.  a.  Sonderabdruck  S.  44  zu  85;  il  va  trouver  un 
beau  soir  sa  fille  Rosine,  il  couche  tranquillement  avec  Zola,  Fecondite 
181;  je  n'ai  jamais  voulu  les  mettre  moi-meme  en  ozuvre,  battre  monnaie 
avec  Ders.,  Travail  149;  Vous  avex  donne  votre  argent  ä  des  vers  a  soie?  ... 
—  Mais  non!  . . .  j'en  ai  aeh'te  avec  Gyp,  Jacquette  et  Zouzou  108,  u.  a. 
Und  so  auch  sans:  Dommage  si  les  p'tits  garcons  viennent  pas!  —  Ben, 
on  s'amusera  sans!  ...  on  s'amusait  bien  sans  les  aut's  fois  eb.  65.  — 
Eb.  mettre  ä  nom  würde  ich  in  diesen  Zusammenhang  nicht  einreihen. 

S.  69.  le  nö  dd  gqrs  {la  nom  de  garce)  läfst  sich  wegen  des  weiblichen 
Artikels  vergleichen  mit  et  toujours  la  diable  de  musique!  M6riniee,  Co- 
lomba  38,  14.  Et  quelles  diables  d'histoires!  Ohnet,  L'äme  de  Pierre  215. 
Man  sagt  cette  diable  de  femme  und  umgekehrt  ce  bete  de  depart  bei  Ro- 
bert, Questions  42  gegenüber  cette  grande  diablesse  de  fille  blonde  m'a 
mis  le  feu  dans  le  sang  Zola,  Fecondite"  63.  Aus  dem  Rumänischen  könnte 
man  vergleichen  o  astfei  de  muiere  'ein  solches  Frauenzimmer',  Se  mdnie 
fiulü  de  boerü  cänd  vedu  o  a st-  fei  de  batjocura  Ispirescu,  Basme  64  gegen- 


1  So  kann  man  einen  armen  Schlucker  als  un  creve-la-faim  bezeichnen,   Mau- 
passant,  Fille  de  ferme  28. 


238  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

über  Imperätesa  spuse  cä  si  ea  a  visatü  totü  unü  astü-felü  de  visu 
eb.  119.  —  Eb.  In  dtrame  le  tsäb  (entre  mi  les  jambes)  ist  me  doch  kein 
Substantiv. 

S.  70.  kd  st9  pur  sör  djifre  eve  tä  evü  d  mä  däflq  (que  cette  pauvre 
soeur  Jouffroy  avait  tant  eu  de  mal  d'enfiler,  sc.  des  guirlandes  de  lierre). 
Das  de  vor  dem  Infinitiv  ist  nicht  rein  mechanisch  durch  das  erste  de 
vor  mal  hervorgerufen,  noch  liegt  die  Ursache  am  Accent,  sondern  macht, 
da  die  alte  Sprache  sich  auch  so  ausgedrückt  haben  könnte,  überhaupt 
keine  Schwierigkeit. 

S.  72  f.  Während  Koussey  als  allgemeine  Eegel  aufstellt,  dafs  in 
seinem  Heimatdialekte  männliche  wie  weibliche  Vornamen  mit  dem 
Artikel  erscheinen,  le  jüstin,  lu  köstd,  la  Justine,  le  Constant,  konstatiert 
Dobschall,  dafs  in  den  Erzählungen  nur  die  weiblichen  Vornamen  den 
Artikel  haben,  nicht  die  männlichen;  also  wie  im  Italienischen ;  vgl.  auch 
das  Nebeneinander  La  Josine  et  Nanet  sont  lä  Zola,  Travail  6.  Im  Archiv 
C  368  (1898)  hatte  ich  darauf  hingewiesen,  dafs  in  der  französischen  Volks- 
sprache der  Artikel  auch  bei  männlichen  Vornamen  begegne,  und  habe 
im  Sonderabdruck  22  (Vollmöllers  Jahresbericht  V  I  182)  Belege  für  beides 
gegeben.  Jetzt  bringt  Wimmer,  Spracheigentümlichkeiten  des  modernsten 
Französisch,  erwiesen  an  Erckmann-Chatrian,  Zweibrücken  1900,  auch  aus 
diesem  Schriftsteller  Beispiele  für  männliche  und  weibliche  Vor- 
namen.   Doch  wird  bei  ihm  deutscher  Einilufs  vorliegen. 

S.  75.  Der  bestimmte  Artikel  in  e  pö  e  yeve  de  vwepr!  ö,  le  kel!  (et 
puis  il  y  avait  des  guepes!  Euh,  les  quelles!)  ist  satzanalytisch  nicht  mehr 
zu  begreifen,  sondern  ist  analogisch  von  solchen  Fällen  übertragen,  wo  er 
im  Ausruf  zu  Recht  besteht,  wie  z.  B.  les  maudites  guepes! 

S.  76.  Der  Artikel  vor  Adjektiv  -{-  Substantiv  nach  partitivem  de  ist 
heute  aus  Schriftstellern  oft  zu  belegen,  besonders,  wie  schon  gesagt, 
wenn  das  Adjektiv  petit  ist:  Qu'est-ce  que  c'etait  alors?  —  Mais  des  ae- 
trices  ...  des  ...  des  petites  ouvrieres  Maupassant,  M.  Parent  169; 
Vous  savez,  docteur,  que  les  femmes  ont  des  petits  moyens  ä  elles  Zola, 
F4condite  17;  Des  büches  etaient  dans  un  coin,  avee  du  menu  bois  eb. 
110;  tous  les  egouts  de  la  grande  ville  roulaient  des  petits  eadavres  eb. 
210;  West-ce  pas,  Vietoire,  que  ce  n'est  pas  dans  la  rue  que  nous  allons 
retrouver  un  si  bon  matelas  ni  de  la  si  bonne  nourriture?  eb.  249; 
Oui,  oui,  monsieur  Jordan,  c'est  du  bon  travail,  comme  on  pouvait 
Vesper  er  Ders.,  Travail  161;  Ils  etaient  alors  Monds  et  frises  comme  des 
petits  moutons  eb.  474;  S'il  ne  faisait  plus  des  petits  bateaux  qui 
marchaient  sur  l'eau,  il  etait  devenu  ...  un  ouvrier  mecanicien  tres  intelli- 
gent eb.  485  usw.  Viele  andere  Belege  findet  man  bei  Bastin,  Cxlanures  44 ; 
Robert,  Questions  34;  Stier,  Syntax  288. 

S.  78.  de  quoi?  im  Sinne  von  'was?'  auch  neuprovenzalisch,  s.  Her- 
zog, Materialien  §  41. 

S.  79.  Ist  pour  sür  wirklich  ein  Germanismus?  A  m'  mange  la  tele, 
pour  sür!  Maupassant,  M.  Parent  95;  Pour  sür  que  je  t'invite,  mon 
gendre  Ders.,  Toine  66  (spielt  in  der  Normandie) ;   Si  je  mariais  Julienne 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  239 

contre  son  gre,  conclut-elle,  il  reviendrait  pour  sür  chaque  nuit  m'injurier 
et  me  battre  Zola,  Travail  509;  Ne  dis  donc  pas  toujours  «pour  sür!  .  .  .» 
e'est  horriblement  vulgaire  Gyp,  Jacquette  et  Zouzou  81. 

S.  80.  Meine  Auffassung  von  il  avait  si  faim  habe  ich  inzwischen  in 
der  Besprechung  des  dritten  Bandes  von  Toblers  Beiträgen,  Literaturblatt 
1902  Sp.  27,  geäufsert. 

Ich  hätte  gern  mehr  gesagt,  wäre  auch  gern  auf  die  eine  oder  andere  der 
zur  Sprache  gebrachten  Erscheinungen  etwas  näher  eingegangen,  indes  . . . 

Druckfehler  begegnen  nicht  ganz  wenig.  Bitter  ist  enclytisch  (64). 
Auch  die  Schreibung  oe  in  neufranzösischen  Wörtern  stört  hier  wie  sonst. 

Doch  das  sind  Kleinigkeiten,  die  den  Wert  der  Arbeit  nicht  herab- 
setzen. Ich  nehme  sie  gern  zur  Hand  und  wünsche,  dafs  die  Verfasserin 
recht  bald  Zeit  finden  möge,  den  zweiten  Teil  zu  veröffentlichen;  und 
wünsche  noch  etwas  mehr:  statt  immer  wieder  die  Lautverhältnisse  eines 
altfranzösischen  Textes  zu  untersuchen  und  zum  Teil  dieselben  Erschei- 
nungen zu  konstatieren,  sollten  sich  mehr  Kräfte  der  Darstellung  der 
syntaktischen  Eigentümlichkeiten  der  heutigen  Dialekte  zuwenden.  Dafür 
wäre  die  Arbeit  von  Gertrud  Dobschall  ein  hübsches  Muster. 

Charlottenburg.  Georg  Ebeling. 

Kr.  Nyrop,  Manuel  phon&ique  du  francais.  Deuxieme  Edition 
traduite  et  reinanie'e  par  Einanuel  Philipot,  niaitre  de  Con- 
ferences ä  njniversite  de  Rennes.  Copenhague,  Det  Nor- 
diske  Forlag,  1902.     VIII,  184  S.  8. 

Dafs  die  zweite  Auflage  des  1893  zum  erstenmal  und  zwar  in  dänischer 
Sprache  erschienenen  Buches  nun  gleichzeitig  in  dieser  und  in  franzö- 
sischer dargeboten  wird,  entspricht  ohne  Zweifel  einem  an  manchem  Orte 
gehegten  Wunsche.  Das  kleine  Buch  wird  fortfahren,  gute  Dienste  zu 
tun,  zumal  da  Verfasser  und  Übersetzer  vereint  sich  haben  angelegen  sein 
lassen,  den  Text  der  ersten  Ausgabe,  wo  dazu  Anlafs  war,  zu  berichtigen 
oder  zu  vervollständigen.  Da  das  Werk  in  weiten  Kreisen  bereits  bekannt 
und  geschätzt  ist,  sei  hier  nur  auf  ein  paar  Stellen  hingewiesen,  wo  viel- 
leicht Besserungen  immer  noch  angebracht  sein  würden.  Die  S.  7  aus 
Adam  Paulsen  herübergenommene  Bestimmung  des  Begriffs  'Geräusch' 
im  Unterschied  von  'Laut'  ist  hier  nicht  an  ihrer  Stelle,  da  Paulsen  nicht 
von  dem  artikulierten  'Geräusch'  spricht,  das  in  der  Sprache  eine  Bolle 
spielt,  sondern  des  Wortes  weiteren  Sinn  im  Auge  hat.  —  S.  27.  Da 
späterhin  von  der  Verschiedenheit  der  Artikulation  des  k  je  nach  der 
Natur  des  folgenden  Vokals  gehandelt  wird,  so  könnte  hier  ähnliches  von 
den  Labialen  gesagt  werden,  die  vor  a  mit  ganz  anderer  Lippenstellung 
gebildet  werden  als  vor  u  (s.  Archiv  CIX  224).  Eine  stimmlose  bilabiale 
Spirans  besitzt  meines  Erachtens  die  toskanische  Mundart  in  ihrem  inter- 
vokalen einfachen  p  von  papa,  lupo,  apostolo.  —  Dafs  pa  (pas)  ebenda  und 
S.  31  nicht  mit  dem  Zeichen  des  offenen  a  und  pwa:r  (poire)  S.  27,  ptvasö 
S.  32  nicht  mit  dem  Zeichen  des  stimmlosen  w  erscheinen,  werden  nur 


240  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Druckversehen  sein.  Nicht  als  oh  auf  die  völlige  Stirn nilosigkeit  von  w 
und  j  nach  anderen  Stimmlosen  sonderliches  Gewicht  zu  legen  wäre. 
Selbst  die  Auffassung,  nach  welcher  es  im  Französischen  steigende  Di- 
phthonge in  der  Tat  gibt,  oie,  huile,  hier  nicht  Konsonanten  als  Anlaute 
haben,  läfst  sich  ganz  wohl  verfechten  und  stöfst  nicht  auf  die  gleichen 
Schwierigkeiten  wie  die  entgegengesetzte,  wann  auf  Hiatus  und  Bindung 
die  Rede  kommt,  üb  die  Sprechweise,  nach  der  'Gretchen'  und  chretienne 
in  der  Mitte  gleich  lauten,  'Bestien'  und  'Restchen'  einen  tadellosen  Reim 
abgeben,  die  einzige  und  die  allein  richtige  sei,  darüber  darf  man  un- 
gleicher Ansicht  sein.  —  Was  S.  86  über  den  Gleichlaut  der  Ausgänge 
ie,  ue,  oue  usw.  mit  i,  u,  ou  usw.  gelehrt  wird,  halte  ich  für  unzutreffend, 
freue  mich  aber,  in  den  Ausführungen  der  folgenden  Seite  eine  gewisse 
Annäherung  an  die  Ansicht  zu  spüren,  die  ich  mir  und  zwar  nicht  in  der 
romanischen  Schweiz  noch  auch  beim  Anhören  blofs  emphatischer  oder 
sentimentaler  Rede  gebildet  habe.  —  Geht  der  Verfasser  in  der  Forderung 
der  Assimilation  etwas  weiter,  als  mir  gut  scheint  (chfal  für  eheval,  egliss- 
protestante  u.  dgl.),  so  billige  ich  durchaus,  was  er  hinsichtlich  der  Bin- 
dung empfiehlt,  hätte  überhaupt  noch  manche  Einzelheit  ausdrücklich  zu 
loben,  wie  etwa  die  loi  des  trois  consonnes  S.  68,  die  klare  Darlegung  des 
Unterschiedes  zwischen  mouilliertem  n  und  nj  S.  40,  der  wahren  Natur 
der  stimmhaften  Verschlufslaute  S.  23,  die  eben  keine  Verschlufslaute 
sein  könnten,  wenn  sie  durchaus  stimmhaft  wären.  In  der  zur  Anwendung 
gebrachten  Terminologie  und  in  der  gewählten  phonetischen  Schrift  ist 
jede  verwirrende  Neuerung  vermieden.  Dafs  der  Verfasser  im  Unterschied 
von  den  meisten  Franzosen  das  dem  offenen  o,  nicht  das  dem  offenen  e 
nahestehende  a  das  offene  nennt,  wird  man  nur  billigen.  Wie  vor  den  bei 
Skandinaviern  häufig  zu  beobachtenden  Aussprachefehlern,  so  warnt  er  auch 
vor  denen,  die  Deutsche  sich  am  leichtesten  zu  schulden  kommen  lassen. 
Berlin.  Adolf  Tobler. 

Antoine  Thomas,  Melanges  d'ötymologie  francaise  (Uni versitz  de 
Paris.  Bibliotheque  de  la  Faculte*  des  lettres,  XIV).  Paris, 
Alcan,  1902.  in,  217  S.  8.  Frs.  7. 
Der  Verfasser,  dem  die  Etymologie  des  Französischen  und  des  Pro- 
venzalischen  schon  so  viel  verdankt,  vereinigt  in  dem  vorliegenden  Bande 
dritthalbhundert  etymologische  Notizen,  von  denen  mehr  als  die  Hälfte 
zum  erstenmal  veröffentlicht  werden,  während  die  übrigen,  nicht  immer 
völlig  gleichlautend,  in  den  Jahrgängen  1899  und  1900  der  Romania  be- 
reits vorgelegt  waren.  Sie  gelten  zum  grofsen  Teile  weniger  bekannten 
Wörtern,  sei  es  völlig  untergegangenen  der  Denkmäler  älterer  Zeit,  sei  es 
solchen,  die  heute  nur  in  Mundarten  fortleben.  Dafs  dieser  Umstand  den 
Wert  des  Vorgetragenen  in  keiner  Weise  mindert,  braucht  Kundigen  nicht 
gesagt  zu  werden.  Handelt  es  sich  zumeist  um  Feststellung  des  Ursprungs 
vereinzelter  Wörter,  so  hat  der  Verfasser  doch  oft  Gelegenheit  gefunden, 
auf  merkwürdige  Vorkommnisse  hinzuweisen,  von  denen  er  längere  Reihen 
von  Beispielen  vorzuführen  vermocht  hat,   und  für  diese   wird  man   ihm 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  241 

besonders  dankbar  sein.  Ich  erwähne  die  Fälle  von  Verwachsen  des  zum 
weiblichen  Artikel  gehörigen  a  mit  dem  Anlaute  des  Nomens  S.  9,  den 
Abfall  eines  irrig  als  Artikel  aufgefafsten  anlautenden  /  S.  21,  den  Wandel 
von  inlautendem  *  nach  r  in  d  S.  29,  von  vortonigem  e  in  %  vor  mouillier- 
tem l  oder  n  S.  34,  von  intervokalem  r  in  s  S.  67,  diejenigen  von  ver- 
schiedenen Arten  der  Dissimilation  S.  88,  von  Bildungen  mit  den  Suffixen 
-usca  und  -uscula  S.  98,  mit  -aricius,  ferner,  was  der  Verfasser  S.  122  zur 
Rechtfertigung  seiner  Erklärung  von  f'eis  neben  fesis  beibringt,  die  Bei- 
spiele von  Übertritt  eines  eigentlich  zum  Artikel  gehörigen,  aber  mit  dem 
vokalischen  Anlaut  eines  Nomens  verwachsenen  s  in  r  S.  133,  die  Dar- 
legung des  Unterschiedes  der  Schicksale  von  pt  und  von  unbetontem  pit 
S.  4,  wo  man  übrigens  gern  hören  möchte,  was  der  Verfasser  über  das 
Verhältnis  von  it.  aceattare  zu  capitare  denkt. 

Ist  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  Herrn  Thomas'  Forschung  zu  Ergeb- 
nissen gelangt,  die  zu  keinem  Einwand  Anlafs  geben,  und  in  denen  jeder 
willig  und  dankbar  Zuwachs  zum  gesicherten  Wissen  über  die  Herkunft 
französischer  Wörter  erkennen  wird,  so  hat  er  in  einigen  anderen  sich  be- 
gnügt, fremde  Aufstellungen  besser,  als  zuvor  geschehen  war,  zu  begründen 
oder  auch  solche  abzuweisen  oder  anderwärts  aus  eignem  blofse  Möglich- 
keiten anzudeuten  oder  die  Richtung  anzugeben,  in  welcher  zu  suchen 
wäre  (s.  aiger,  alwidier,  amelanche,  armon,  breneehe,  cadarz,  poule,  cusche- 
ment,  hurebec,  h^mignon,  pave,  savalle);  unaufgeklärt  scheint  mir  auch  plie, 
das  ich  mit  afz.  pläix  nicht  zu  vereinen  weifs. 

Wenn  mir  in  mehreren  Fällen  noch  Zweifel  bleiben,  über  die  so  leicht 
nicht  hinwegzukommen  ist,  so  Hegen  deren  Gründe  vorzugsweise  in  der 
Schwierigkeit,  die  Entwickelung  der  Bedeutung  des  zu  erklärenden  Wortes 
aus  der  des  angeblichen  Etymons  zu  begreifen;  manchmal  freilich  auch 
in  der  geringen  Glaublichkeit  der  angenommenen  Art  der  Wortbildung; 
bisweilen  treten  auch  beide  Arten  von  Bedenken  zusammen;  seltener  ist 
gegen  die  angenommene  Art  des  Lautwandels  Einspruch  zu  erheben. 
aacier  soll  =  *adaciare  (von  acies)  sein,  heifst  aber  'stumpf  machen'!  Zur 
Stütze  dieser  Annahme  soll  das  gleichbedeutende  prov.  asimar  dienen,  das 
auf  ein  wahrlich  nicht  glaubliches  lat.  *acimen  zurückgeführt  wird,  und 
aufserdem  engl,  to  set  tke  teeth  on  edge,  das  ebenfalls  gleichbedeutend  sein 
soll,  aber  durchaus  nicht  ist  (es  heifst  vielmehr  'die  Zähne  zusammen- 
beifsen').  Die  Deutung  von  bourgeon  aus  *burrionem  (von  burra)  möchte 
ich  nicht  gerade  ablehnen,  doch  steht  sie  in  Widerspruch  mit  dem,  was 
S.  35  Anm.  6  über  die  Schicksale  eines  i  im  Hiatus  unter  den  hier  vor- 
liegenden Umständen  gelehrt  wird.  —  Gegen  die  Gleichsetzung  von  lyones. 
cadola  mit  catabola  (xmaßolrj)  ist  von  seiten  des  Lautwandels  gewifs  nichts 
einzuwenden;  aber  auch  wenn  man  von  der  Bedeutung  'Grundlage'  des 
griechischen  Wortes  ausgeht,  so  gelangt  man  doch  nur  sehr  schwer  zu 
dem  Sinne  'Schiffshütte'  des  Provenzalischen.  —  Ähnliches  ist  gegenüber 
chancera  im  Verhältnis  zu  eaneerem  ('Mitgift'  —  'Krebs'  oder  meinetwegen 
'Gitter')  zu  bemerken  oder  gegenüber  chebiche,  das  aufserdem  durch  sein  b 
aus  intervokalem  p  auffällt,   oder  dagagne  'Art  Netz'  (von  decania).    Da 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  16 


242  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

mhd.  spenan  und  prov.  espanir  beide  'entwöhnen'  bedeuten,  so  wird  man 
kein  Bedenken  tragen,  sie  für  eins  zu  halten ;  schwer  zu  begreifen  aber 
ist,  was  freilich  dem  französischen  Etymologen  keine  Sorge  zu  machen 
braucht,  wie  aus  einem  deutschen  spen  'Brust'  oder  'Muttermilch'  ein 
Verbum  spenan  hat  gewonnen  werden  können,  das  'entwöhnen',  'von  der 
Brust  trennen'  bedeutet,  jable  'Falz  in  den  Fafsdauben'  und  dessen  süd- 
liche Nebenformen  fallen,  was  die  Laute  angeht,  durchaus  mit  'Gabel' 
zusammen;  aber  wie  sind  auch  hier  die  Bedeutungen  zu  vereinigen?  — 
Für  das  männliche  lioube  scheint  mir  ahd.  chlobo  (auch  nordisch  und 
niederländisch)  ein  besseres  Etymon  als  gr.  y).vcpr\,  weil  die  germanischen 
Wörter  die  entsprechende  konkrete  Bedeutung  bereits  haben.  Der  Anlaut 
macht  keine  Schwierigkeit.  —  Zu  dem  prov.  mespesol,  für  welches  Herr 
Thomas  willkommene  Belege  und  eine  kaum  abzuweisende  Deutung  zu 
geben  vermocht  hat,  war  ratsam  zu  bemerken,  dafs  man  von  Verben  ab- 
geleitete Adjektiva  gleicher  Bildung  nicht  kennt.  —  Auch  für  *museeus 
als  Etymon  von  prov.  mois  scheint  mir  aufser  der  lautlichen  Möglichkeit 
nichts  zu  sprechen.  —  moleisse  (* molaticia)  ist  eine  höchst  befremdliche 
Bildung,  zu  der  nur  auf  Umwegen  die  Sprache  gelangen  konnte,  und  für 
die  weder  mola  noch  moitdre  einen  geeigneten  Ausgangspunkt  abgeben, 
moulin  keiner  sein  kann.  —  revola  bezeichnet  ein  Steineichengehölz. 
Kann  ein  aus  robur  gewonnenes  robulla  diesen  Sinn  gehabt  haben?  — 
scion  zu  ags.  cldh  zu  stellen,  ist  gewagt,  weil  die  Buchstaben gruppe  ei 
des  Angelsächsischen  eine  ganz  andere  Lautgruppe  darstellt  als  lat.  ei; 
gleiches  gilt  von  dem  über  frz.  serene  Gesagten.  —  Für  tie  scheint  mir 
weder  der  Lautbestand  des  got.  tiuhan  (das  erst  im  Neuhochdeutschen 
ein  blofses  l  im  Stamme  hat)  noch  seine  Bedeutung  dieses  als  Etymon 
zu  empfehlen.  —  Hinwieder  dürfte  dessen,  was  eine  veillote,  d.  h.  ein 
kleiner  Heuhaufen,  mit  einer  Schraube  gemein  hat,  zu  wenig  sein,  als  dafs 
man  jenes  Wort  mit  viticula,  fz.  vrille  in  Zusammenhang  bringen  dürfte. 
Auch  die  Gleichsetzung  von  nfz.  veule  mit  einem  angenommenen  Adjektiv 
*völus,  das  aus  volare  gewonnen  wäre,  scheint  gewagt;  weder  Laut  (afz. 
wenn  nicht  immer,  doch  meist  mit  eu  im  Stamm),  noch  Form  (e  in  beiden 
Geschlechtern  fast  immer)  sprechen  dafür. 

Sind  im  vorstehenden  einige  Zweifel  zum  Ausdruck  gekommen,  die 
gegenüber  der  Fülle  von  durchaus  überzeugenden  Herleitungen  wenig  be- 
sagen, so  sei  im  folgenden  noch  einigen  wiederum  geringfügigen  Zusätzen 
Raum  gegönnt,  die  wenigstens  für  die  Aufmerksamkeit  zeugen  mögen, 
mit  welcher  ein  dankbarer  Leser  den  Darlegungen  des  gelehrten  Verfassers 
gefolgt  ist:  Zu  laise  'Breite'  S.  11  konnte  auf  Roniania  XVIII  550  (gegen 
XV  628),  Lit.-Blatt  1890,  108  und  Zts.  f.  rom.  Philol.  XVIII  240  ver- 
wiesen werden.  —  S.  15.  Da  Godefroy  aim  'Ohm'  nur  männlich  kennt, 
sei  Rom.  XVII  569  in  Erinnerung  gebracht,  wo  man  in  einer  Lütticher 
Urkunde  von  1236  wie  (in  Buchstaben)  ahne  liest.  —  S.  20.  Wenn  art 
als  Bezeichnung  des  Fischergerätes  dient,  so  erinnert  dies  an  die  Verwen- 
dung von  'Kunst'  als  Name  des  Kochherdes,  worüber  Grimm  Wb.  V  2683 
und  das  Schweizerische  Idiotikon  III  368  unterrichten.  —  Was  S.  24  Anm. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  243 

über  auvent  geäufsert  ist,  hat  schon  Diez  im  Wb.  gesagt.  —  Die  S.  29 
angenommene   Form  marxeile   findet  man   wirklich    im  Altfranzösischen, 
Rom.  XVIII  78  Z.  7867.    —    S.  51.    Zu  den  vielen  Formen  des  Namens, 
mit  denen  der  Squalius  cephalus  bezeichnet  wird,  gehört  auch  chabuisseau 
bei  Sachs.  —  cloitre  hat  schon  Meyer-Lübke  auf  claustrium  zurückgeführt, 
Neutr.  135.    Was  ist  von  clostre  Gregor  Ezech.  5,  36  zu  halten?   —  Was 
S.  52  über  chiauler   gesagt  wird,   leuchtet   unbedingt   ein,   doch   konnte 
dem   l  noch  ein  Wort  gegönnt  werden.     Zu  erwarten   war  *cheler  (vgl. 
veler,  agneler)  aus  afz.  chaeler,  das  mag  wohl  auch  bestanden  haben,   und 
von  ihm  wird  das   l  in  die  Form  übergegangen   sein,  die  man   statt  an 
chael  an    die   Pluralform   cheaits   (Sachs)    anlehnte.    —   Von   chiunkesme 
'Pfingsten'  S.  52  hat  Scheler  im  Jahrbuch  XIV  439  gehandelt.   —  S.  59 
und  178.    Zu  corolla  ist  zu  bemerken,  dafs   die  Quantität  des  Tonvokals 
bei  Körting  unrichtig  angegeben  ist.    —    S.  62.    Zu  degeit  war  der  laut- 
lichen Schwierigkeit  zu  gedenken,  auf  welche  Foerster  zu  Guill.  d'Angl. 
179  hinweist.   —   S.  66.    Zu  enuble  hätte  die  Form  obnuble  berücksichtigt 
werden  sollen.  —  Zu  esclem  68  gehört  ohne  Zweifel  auch  das  bei  Gode- 
froy  nachgewiesene  eselame;  übrigens  vgl.  Diez  unter  sghembo.  —  iviere  93 
gibt  Anlafs  zu  der  Frage,  warum,  wenn  es  wirklich  von  *nivaria  kommt, 
es  nicht  wenigstens  e  im  Anlaut  hat.  —  S.  104.   Aus  Anlafs  von  malevix, 
hörte  man  gern,   wie  der  Verfasser   über  das  de  mal  vis   im  Aiol  3807 
denkt.    Damit  soll  das  Gewicht  des  von  Horning,  Lat.  c.  S.  33,  und  von 
G.  Paris,  Romania  XIII  133,  geäufserten  Bedenkens  nicht  gemindert  wer- 
den. —  Zu  den  Belegen  für  marcheil  gesellt  sich  auch  Ph.  Thaon  Comp. 
551,  wozu  des  Herausgebers  Bemerkung  S.  74  der  Einleitung  und  die  von 
G.  Paris,  Romania  VII  125,  zu  ziehen  ist.  —   S.  105.   Ein  Beleg  für  das 
seltene  amerok(e)  ist  auch  Romania  XIII  515  zu  finden.  —  S.  117.  Auch 
die  Form  pelestre  verdiente  erwähnt  zu  werden.     Sie  ist  bei  Godefroy  be- 
legt, und  paletre  findet  sich  aufserdem  in  dem  Miracle  de  la  Vierge  d'Or- 
leans  II  25   (Notices  et  Extraits  XXXIV  2).     P.  Meyer  hat  im   Glossar 
zu  diesem  Texte   sich  mit  dem   Worte   beschäftigt.     Aus  pyrethrum   ist 
durch  wunderliche  Entstellung  deutsch  'Bertram'  geworden.  —  S.  123.  Zu 
redois  haben  wir  im  Jahrbuch  VIII  79  die  seltsame  Glosse  asinini  coloris, 
die  einige  Schwierigkeit  macht.    —    Zu  prov.  repetnar  S.  127   kann  man 
aufser  den   bei  Godefroy  beigebrachten  Belegen  für  repenner  auch  Peler. 
vie  hum.  10496  und  SMartin  5957  (Söderhjelm2)  fügen  und  das  prov.  Sub- 
stantiv repenada,  Mahn  Ged.  63,  3.  —  S.  167.    voriger  (vomicare)  hat  Gode- 
froy zu  belegen  versäumt.     Qui  le  siecle  n'a  tout  vongie  (:  congie)  Et  tout 
vomi  et  gitie  pner,  GCoins.  VI,  III  500 ;   vonchier  statt  nonchier  der  Aus- 
gabe ist  sicher  zu  lesen  in  der  Cisterzienser  Regel  482 ;  Envious  soi  meisme 
ronge  Premierement  e  puis  voonge   Sour  autrui  tote  sa  malice,    Romania 
XII  148,  wird  wohl  berichtigt  werden  müssen.    Was  ist  davon  zu  halten, 
dai's  auch   vochier,   das  man   sonst  nur  als  französische  Wiedergabe  von 
rocare  kennt,  unverkennbar  im  Sinne  von  vongier  'kotzen'  vorkommt?    Et 
puis  apres  a  escopi  Et  a  vouchie  et  a  vomi.    Tant  a  vouchie  le  fol,  le  glout 
Que  eele  senti  le  degout  Aval  ses  nages  degouter,   Barb.  u.  M.  IV  193,  186 

16* 


244  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

(so  auch  bei  Montaigl.  u.  Rayn.  V  107);  La  röine  la  (eine  Schwangere) 
vit  palir,  Goulor  müer  et  tressalir  Et  a  ses  flans  sovent  toucher  Et  sospirer, 
sovent  voucher,  Flor  u.  Bl.  (Du  Meril)  S.  7.  Soll  man  hier  ändern,  oder 
darf  man  an  eine  Nebenform  ohne  n  denken?  Den  Einfall,  es  sei  von 
der  (französisch  meines  Wissens  nicht  bekannten)  Redensart  'den  Herrn 
Ulrich  rufen'  (s.  Schweiz.  Idiotikon  I  184)  euphemistisch  nur  das  Rufen 
ausgesprochen  worden,  wird  niemand  ernst  nehmen  wollen.  —  S.  159.  Die 
Zurückweisung  von  Littres  schwer  begreiflicher  Deutung  von  tudieu  aus 
tue  Dieu  ist  1879  in  der  Zeitschr.  f.  d.  Gymnasialwesen  XXXIII  S.  411 
bereits  erfolgt.  Wenn  ich  damals  der  Hoffnung  Ausdruck  gab,  die  rich- 
tige Erklärung  aus  vertu  Dieu  (Gottes  Wunder!)  werde  sich  als  nicht 
erst  von  mir  gefunden  erweisen,  so  erfahre  ich  jetzt  mit  Vergnügen  durch 
Herrn  Thomas,  dafs  in  der  Tat  Cotgrave  das  Zutreffende  bereits  gesagt 
hatte. 

Ich  kann  mich  von  dem  trefflichen  Buche  nicht  trennen,  ohne  auch 
für  die  reichhaltigen  und  genauen  Indices  gedankt  zu  haben,  die  eine  volle 
Ausschöpfung  des  reichen  Inhalts  so  sehr  erleichtern.  Bücher  ähnlicher 
Anlage  sollten  eine  gleichartige  Zugabe  nie  vermissen  lassen. 

Berün.  Adolf  Tobler. 

Französische  Schullektüre. 

Von  den  vorliegenden  22  Bändchen  unterziehen  wir  nur  20  einer  Be- 
sprechung; die  folgenden  beiden  scheiden  ohne  weiteres  aus: 

1)  Choix   de  r^cits  bibliques.     Herausgeg.  von  G.  Keutel   (Vel- 

hagen  &  Klasing,  1902), 
weil  eine  solche  Sammlung  als  völlig  ungeeignet  für  die  Klassenlektüre 
erscheint.  Wie  wird  sich  der  protestantische  Lehrer  verhalten,  wenn  katho- 
lische oder  jüdische  Schüler  ihm  erklären,  dafs  sie  solche  biblischen  Ge- 
schichten nur  mit  ihrem  Geistlichen,  resp.  gar  nicht  lesen  dürfen?  Und 
wird  nicht  bei  der  Behandlung  vieler  Abschnitte,  so  z.  B.  der  Gleichnisse, 
die  theologische  Seite  mehr  Berücksichtigung  finden  als  die  sprachliche? 
Wie  leicht  es  ist,  den  Zweck,  dem  diese  französischen  biblischen  Erzäh- 
lungen dienen  sollen,  aus  den  Augen  zu  verlieren,  beweist  der  Herausgeber 
selbst,  wenn  er  in  der  Einleitung  sagt:  'Um  auch  einige  Proben  hebräischer 
Poesie  zu  bringen,  sind  . . .  einige  Psalmen  . . .  eingefügt  worden.'  Aufser- 
dem  haben  die  Schüler  die  deutsche  Übersetzung  immer  zur  Hand,  sie 
kennen  die  Geschichten  zum  Teil  auswendig,  Französisch  würden  sie  daran 
kaum  lernen. 

2)  Fenelon,  Le  traue"  de  l'dducation  des  filles.    Für  den  Gebrauch 

in  Lehrerbildungsanstalten  bearbeitet  von  R.  Weniger   (Vel- 

hagen  &  Klasing,  1902), 
weil  diese  Ausgabe  nicht  für  Schulzwecke  bestimmt  ist;   sagt  doch  der 
Herausgeber  am  Schlufs  der  Einleitung  selbst,  die  Abhandlung  sei  'eine 
treffüche  Einführung  in  das  verantwortungsreiche,  aber  auch  herrliche  Amt 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  24h 

des  Erziehers'.  So  brauchen  wir  also  auf  diesen  Traktat  über  Mädchen- 
erziehung  nicht  näher  einzugehen,  der  zu  zwei  Dritteln  ein  Traktat  über 
Kindererziehung  überhaupt  ist,  noch  auf  die  Vergötterung  Fenelons,  die 
sich  in  der  Biographie  kundgibt  und  kaum  je  einen  leisen  Widerspruch 
gegen  seine  Ansichten  aufkommen  läfst,  noch  auf  die  Anmerkungen,  die 
sonst  zu  manchen  Ausstellungen  Anlafs  geben  könnten. 

Von  den  übrigen  20  Ausgaben  enthalten  neun  mehrere  Stücke  in  einem 
Bändchen  vereinigt. 

3)  Choix  de  nouvelles  modernes.  Herausgegeben  von  Grube. 
VI.  Bändchen  (Velhagen  &  Klasing,  1902). 
Diese  Auswahl  zeugt  von  einem  seltsamen  Geschmack,  drei  Erzäh- 
lungen von  Merimee:  Mateo  Falcone,  die  Geschichte  von  dem  Vater,  der 
seinen  Sohn  erscbiefst,  die  gruselige  Vision  Karls  XL  und  die  gräfsliche 
Sklavengeschichte  Tamango,  eine  von  der  Vicomtesse  Josephine  du  Peloux, 
Un  Episode  de  la  campagne  de  Naples  (1806),  die  Abenteuer  zweier  Damen, 
die  Fra  Diavolo  in  die  Hände  fallen  und  mit  knapper  Not  gerettet  wer- 
den, woran  sich  dann  noch  ein  Bericht  von  den  Schicksalen  des  Sohnes 
der  einen  Dame  anschliefst,  die  mit  der  Episode  gar  nichts  zu  tun  haben. 
Die  Behandlung  des  Textes  ist  eine  sehr  konservative;  in  der  letzten  Er- 
zählung wird  direkt  Falsches  oder  Unverständliches,  wie  il  y  eu  (64,  1) 
oder  ces  röchet  decorees,  comme  je  viens  de  vous  le  dire  (63,  6),  wo  nichts 
vorher  von  einer  Dekoration  gesagt  ist,  aufgenommen  und  in  den  Anmer- 
kungen verbessert  oder  ergänzt.  Sonst  enthalten  die  Anmerkungen  man- 
cherlei Übersetzungen,  die  ins  Wörterbuch  gehören  oder  in  jedem  Wörter- 
buche zu  finden  sind,  wie  von  transcendant,  escopette,  se  prelasser,  pecca- 
dille,  gourde,  hoquet  etc.,  oder  auch  grammatische  Regeln,  die  jeder  Lehrer 
ebensogut  geben  kann,  wie  zu  II  y  a  bien  lonytemps  que  je  ne  t'ai  vu 
oder  zu  jouer  du  violon  oder  zu  La  plupart  demanderent  etc.,  zuweilen 
enthalten  sie  Unrichtiges  und  Schiefes.  So  z.  B.  1,  21  (les  meines  qui 
sont  restees  en  terre)  sans  se  consumer  'ohne  zu  vermodern'  statt  'ohne 
vom  Feuer  verzehrt  zu  werden';  11,  21:  que  je  perde  mon  epaulette 
'ich  will  mich  degradieren  lassen';  12,  19:  sa  blessure  refroidie  seine 
erkaltete  Wunde  (aus  welcher  nicht  mehr  warmes  Blut  flofs) ;  14,  26  ist 
die  Auseinandersetzung  zu  bourre  in  der  Stelle  les  bourres  de  ses  deux 
fusils  arriveraient  ä  deux  d'entre  nous  aufserord entlich  ungeschickt ;  16,30: 
proscrit  Geächteter  (dessen  Todesurteil  wegen  seiner  Straftaten  bereits 
feststeht);  21,  4:  Ihere  are  more  things  ...  Berühmtes  Citat  aus 
Shakspere,  1.  Aufzug,  5.  Scene;  32,  22:  force  lux  fut  d'offrir  'not- 
gedrungen mufste  er  arbeiten';  67,  31:  amphitryon  Gastgeber,  Wirt. 
Amphitryon  ...  durch  Moliere  in  seinem  gleichnamigen  Lustspiel 
typisch  geworden  für  jemand,  der  gern  Gäste  sieht  und  reich  bewirtet  etc. 
Manchmal  geben  die  Anmerkungen  nicht,  was  man  erwartet,  wie  bei 
Mateo  Falcone  die  Verweisung  auf  Chamisso  oder  eine  Erklärung  von 
botte  (62,  14)  in  Tant  il  y  a  que  nous  sommes  au  ßn  fond  de  la  botte  in 
P.-L.  Couriers  Brief  aus  Kalabrien  etc. 


246  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

4)  Choix  de  nouvelles  modernes.  V.  Bändchen.  Fantaisies  et 
contes  von  Mme  Henriette  Francois.  Herausgegeben  von 
B.  Breest  (Velhagen  &  Klasing,  1901). 

Diese  Sammlung  enthält  neun  Erzählungen,  und  obgleich  eine  Vor- 
bemerkung der  Redaktion  besagt:  'Viele  haben  einen  tieferen  symbolischen 
Sinn,  der  ihrer  Lektüre,  wenn  sie  richtig  geleitet  wird,  ethischen  Wert 
verleiht',  so  kann  ich  nicht  umhin,  Nr.  1,  3,  7  für  albern,  Nr.  2,  4,  6  für 
unpassend  zu  halten,  auch  Nr.  5  würde  ich  nicht  zur  Lektüre  besonders 
empfehlen,  gegen  8  und  9  ist  nichts  einzuwenden.  Unpassend  erscheint 
mir  Nr.  2  wegen  des  Tons,  in  dem  der  Eulenkönig  geschildert  ist,  vgl. 
z.  B.  S.  21 :  Le  Roi,  sur  son  trone,  etait  roide,  presque  rigide,  d'une  majeste 
que  seid  peut  posseder  Voint  de  Dieu,  le  monocle  solidement  encadre  au  coin 
de  Vozil  etc.,  Nr.  4  wegen  des  Inhalts  überhaupt,  der  nicht  für  Kinder  ge- 
eignet ist,  Nr.  6  wegen  der  Einleitung:  Ein  mächtiger  Fürst  in  China 
hatte  einen  redlichen  Minister,  aber  der  Fürst  war  auch  dankbar.  Vous 
comprenex,  bien:  un  prinee  «reconnaissant!»,  und  der  Minister  war 
auch  uneigennützig.  Vous  avez  bien  compris:  un  ministre  «desinte- 
resse!»  C etait  bien  inutile  de  ma  part,  n'est-ce  pas?  de  vous  dire  oü  cela 
se  passait;  ces  chinoiseries  n'arrivent  qu'en  Chine! 

Taugt  aber  auch  der  Lesestoff  nicht  viel,  so  sind  die  Anmerkungen 
sehr  lehrreich;  hier  nur  eine  ganz  kleine  Auswahl.  4,  18:  Vierge  wird 
nur  von  der  Jungfrau  Maria  gesagt;  d.  J.  von  Orleans  heifst:  La  pu- 
eelle  d' 0.;  jedes  unverheiratete  Mädchen  ist  eine  demoiselle.  4,  21: 
la  Marion.  In  verschiedenen  Orten  in  Frankreich  setzt  man  in  der 
vertraulichen  Rede  den  Artikel  vor  den  Eigennamen.  13,  12:  mise- 
reux,  Neubildung,  von  misere.  13,  25:  excentrique  aus  dem  lat.  ex 
'aus'  und  eentre  'Mittelpunkt'.  14,  13:  Oerome  =  Gerard  Gerhard. 
14,16:  exsangue  veralteter  Ausdruck.  17,23:  {Ne  demandant  qu'ä  mar- 
cher  ...  sur  la  grande  route  du  progres)  route  du  progres  'Fortschritts- 
partei'. 18,  7:  les  lettres  die  schöngeistige  Wissenschaft.  18,  10:  (ear) 
je  ne  sacke  pas,  hier  der  Konjunktiv,  weil  der  Satz  eine  Ungewifsheit 
ausdrückt.  36,28:  pronostic  Prognose,  d.  h.  ärztliches  Urteil  über  den 
Verlauf  einer  Krankheit.  44,2:  eeriture  gothique  alte  Handschrift  im 
Mittelalter,  wird  noch  heut  in  Deutschland  geschrieben  und  gedruckt.  54,  6: 
anneau  ist  jeder  beliebige  Ring;  bague:  Ehering;  baguette  (Z.  11)  Stab. 

5)   Choix   de  nouvelles   modernes.     IV.  Bändchen   (Velhagen  & 
Klasing,  1901). 

Diese  Auswahl  von  Novellen  enthält  nur  eine  Erzählung :  Un  voyage 
force  von  Mme  H.  Francois,  herausgegeben  von  B.  Breest.  Fräulein 
Jouvenot  macht  mit  John  Barlow  eine  Kahnfahrt  an  der  Küste  von  Jersey. 
In  einem  Anfall  von  Eifersucht  springt  der  junge  Mann  ins  Wasser  und 
schwimmt  der  Küste  zu ;  seine  Bemühungen,  das  Boot  wieder  zu  erreichen, 
sind  vergeblich,  und  Laura  treibt  ins  offene  Meer  hinaus.  Besinnungslos 
wird  sie  von  der  Mannschaft  eines  Segelschiffes  aufgefunden,  auf  dem  sie 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  247 

wochenlang  krank  daniederliegt;  von  Kapstadt  gibt  sie  ihren  Angehörigen 
die  erste  Nachricht;  auf  der  Weiterfahrt  nach  Sydney  begegnet  man  einem 
englischen  Dampfer,  der  sie  in  die  Heimat  zurückbringt.  John  Barlow 
wird  zu  einem  Jahr  Gefängnis  verurteilt.  —  Diese  Geschichte  wird  nun 
ausgesponnen  zu  133  Seiten  Text  in  einer  manchmal  merkwürdigen  Sprache; 
vgl.  z.  B.  S.  16:  ces  feines  qui  vous  laissent  aneantis,  brises  devant  le  de- 
dale  indechiffrable  du  labyrinthe  de  la  vie  oder  S.  37 :  cette  faim  qui,  lente- 
ment,  mais  sürement  la  terrassait.  Wenn  ein  Mann  ins  Meer  stürzt  und 
der  Sturm  sich  alsbald  legt,  so  ist  das  ausgerechnet  ein  holoeauste  (S.  48)  etc. 
Druckfehler  und  Interpunktionsversehen  sind  mehrfach  vorhanden.  Inter- 
essant war  mir,  dafs  man  die  Norweger  das  Französische  in  derselben 
geistreichen  Weise  radebrechen  läfst  wie  sonst  die  Deutschen,  vgl.  S.  42: 
Oui,  ma  gaptaine,  c'edre  in  canot  de  beche.  —  Barfetement.  —  In  cheune  fille  etc. 
Aus  der  grofsen  Anzahl  lehrreicher  Anmerkungen  hier  auch  nur  wieder 
zwölf  Proben.  2,  2:  claquemure  seltener  Ausdruck.  2,  3:  störe  engl. 
Ausdruck  für  Fenstervorhang.  4,  25:  In  England  ist  im  allgemeinen  der 
Verkehr  zwischen  der  männlichen  und  weiblicheu  Jugend  ein  harmloser, 
ungezwungener ;  in  Frankreich  dagegen  darf  ein  junges  Mädchen  nie  allein 
ausgehen  usw.  6,  32:  Auch  bei  uns  existieren  noch  Anklänge  an  jene 
alt-heidnische  Lehre  (gemeint  ist  die  Kunst  der  Auguren);  wir  sprechen 
vom  'Unglücksraben',  vom  'Pechvogel'  u.  dgl.  m.  S,  25  (Ses  yeux  etaient 
d'un  bleu  fdience):  bleu  fa'ience  Delfter  Blau.  42,  30  (verse-lui  quelques 
goidtes  de  ce  ^etit  vin-lä):  petit  vin  geringer  (Land-)Wein  (trotzdem  43,6 
quelques  goidtes  d'eau-de-vie  steht).  50,  10:  die  bretonische  Sprache  ist 
der  englischen  sehr  ähnlich.  58,  13  {ses  regards  —  die  des  Richters  — 
fouillaient  le  visage,  l'expression  «du patient»):  V  expression  «-du  patient  •■> 
der  Ausdruck  eines  'Patienten',  d.  h.  eines  Leidenden.  61,  28  (un  de  ces 
manches  en  cellulo'id  qui  joue  si  admirablement  l'ivoire):  jouer  Vivoire 
ins  Elfenbeinfarbene  spielen.  77,  12  (Me  Stevens,  Vun  des  meilleurs  avo- 
cats  de  Jersey):  Mr  Stevens  =  Mister  (Herr)  Stevens.  94,  12:  Peerage- 
book  gleichbedeutend  etwa  unserer  'Rangliste',  in  welcher  die  Namen 
sämtlicher  Adelsfamilien  verzeichnet  sind.  94,20:  sa  Seigneurie  (offen- 
bar Übersetzung  von  his  Lordship):  Seine  Herrlichkeit,  Titel,  den  die 
französischen  Pairs  (Grofs- Vasallen)  haben. 

6)  Recueil  de  contes  et  re"cits  pour  la  jeunesse.  V.  Bändchen. 
Herausgeg.  von  B.  Schmidt  (Velhagen  &  Klasing,  1902). 
Von  den  vier  hier  gebotenen  und  besonders  für  'die  Mädchenwelt' 
bestimmten  Erzählungen  erscheint  mir  die  dritte  ganz  angemessen,  die  an- 
deren nicht,  und  zwar  Nr.  1  nicht,  weil  Liebesgeschichtchen  nicht  die  ge- 
eignete Lektüre  für  Mädchenschulen  sind,  und  Nr.  2  und  4  nicht,  weil 
ich  den  Grundsatz  für  unberechtigt  halte,  dafs  das  fadeste  Zeug  immer 
noch  gut  genug  zur  Mädchenlektüre  ist.  Die  Anmerkungen  enthalten 
sehr  viel  Überflüssiges  und  sind  zum  Teil  in  einem  wunderbaren  Deutsch 
abgefafst;  vgl.  11,19:  Iphigenie,  Tochter  des  Königs  Agamemnon,  sollte 
der  Diana  hingeschlachtet  werden,   um  den  Griechen  günstige  Winde  zur 


248  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Überschiffung  nach  Troia  zu  erhalten.  39,  15:  Sie  schien  ganz  im  stände 
sich  im  Leben  durchzuschlagen.  56,  22:  In  ihrem  Blicke  lag  etwas  duftig 
Süfses,  wie  die  ferne  Ahnung  einer  mögüchen  Zukunft,  etc.  Inhaltlich 
interessant  sind  z.  B.  16,  14:  mail  eig.  Maillespiel,  hier:  früher  gebräuch- 
licher französischer  Postwagen.  16,  17:  drag  (englisches  Wort)  niederer 
Phantasie -Wagen.  Drag  oder  drague  eig.  Schlammräumer,  d.  h.  Ma- 
schinenboot um  den  Grund  eines  Gewässers  zu  reinigen.  73,  6:  Adieu, 
la  bonne  femme  et  les  bons  enfants!  Lebet  wohl,  gute  Frau  und 
gute  Kinder.  Herr  von  Coulanges  wendet  mit  Fleifs  den  blofs  auf  dem 
Lande  gebräuchlichen  Artikel  la,  les  an,  etc.  Eine  Anmerkung  fehlt  zu 
16,  6  f.:  Elle  fait  ses  chapeaux,  comme  dans  un  monsieur  en  habit 
noir,  se  dit-il  en  souriant;  zu  77,  32  und  78,  1:  Agesilas,  helas!  zu 
85,  9  ff.:  Ombres  chinoises,  die  im  Text  nur  mit  Bezug  auf  einen  ganz 
bestimmten  Fall  erklärt  sind,  etc. 

7)  Ausgewählte  Erzählungen   von  A.  Theuriet.     Herausgeg.  von 

K.  Falck  (Velhagen  &  Klasing,  1902). 

Von  den  zehn  hier  gegebenen  Erzählungen  sind  mir  II  (Un  fils  de 
veuve),  III  (La  pipe)  und  X  (Noel  au  village)  schon  in  anderen  Ausgaben 
begegnet;  ich  meine,  wenn  man  eine  neue  Sammlung  veranstaltet,  so  soll 
man  auch  Neues  bieten.  Was  den  Inhalt  betrifft,  so  wird  man  IV  (Les 
peches)  und  VI  (Louloute  et  Mititi)  nicht  in  einer  Mädchenschule  lesen 
können  und  kaum  in  der  Sekunda  einer  Knabenschule.  (Höher  als  bis 
Sekunda  wird  man  doch  mit  diesen  Erzählungen  nicht  gehen  wollen.) 
Bei  den  Anmerkungen,  die  überreichlich  gegeben  sind  —  das  Wort  sou 
z.  B.  bekommt  deren  zwei,  S.  13  und  91  — ,  ist  mir  u.  a.  aufgefallen:  zu 
18,  15:  II  n'y  a  plus  d 'enfants  fehlt  der  Verweis  auf  Moliere.  36,  22: 
Nemorin  ist  ungenügend  erklärt,  vgl.  Florians  Estelle.  47,  27:  (ses  yeux 
d'or  vert)  or  vert  mit  Silber  legiertes  Gold.  68,  14  wird  den  Schülern 
unverständlich  sein.  Zu  83,  14 :  on  le  flambe  ä  un  feu  de  paille,  nämüch 
das  eben  geschlachtete  Schwein,  fehlt  eine  Anmerkung.  Ein  überflüssiger 
Verweis  auf  die  Bibel  steht  86,  14,  auf  Lafontaine  53,  6  und  85,  21. 

8)  Voltaire,  Diderot,  Rousseau.     Morceaux  choisis.     Herausgeg. 

von  P.  Voelkel  (Velhagen  &  Klasing,  1902). 
Der  Gedanke,  aus  den  Werken  eines  hervorragenden  Schriftstellers 
eine  Auslese  zu  treffen,  vom  Besten  das  Schönste  auszuwählen,  um  in 
kurzem  dem  Leser  an  einigen  recht  charakteristischen  Proben  den  Schrift- 
steller in  seiner  Eigenart  und  zugleich  in  seiner  Vielseitigkeit  vorzuführen 
—  dieser  Gedanke  ist  durchaus  zu  loben.  Was  nun  die  vorliegende  Aus- 
gabe betrifft,  so  erscheint  der  Umfang  eines  Bändchens  etwas  knapp  für 
Voltaire  und  Diderot  und  Eousseau,  und  als  geschickt  und  ausreichend 
kann  man  höchstens  die  Auswahl  aus  Eousseau  bezeichnen.  Dals  bei 
Diderot,  ebenso  wie  bei  Voltaire,  die  Romane  beiseite  gelassen  worden 
sind,  war  vielleicht  notwendig,  aber  dann  ist  auch  Rameaus  Neffe  keine 
Schullektüre  —  die  Auszüge  daraus  nehmen  die  Hälfte  des  Diderot  ge- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  249 

widmeten  Raumes  ein  — ,  und  die  paar  Artikelchen,  die  den  ersten  Teil 
bilden,  geben  keine  Vorstellung  von  der  Bedeutung  Voltaires.  Die  An- 
merkungen enthalten  zumeist  alles  Wünschenswerte,  nur  bieten  sie  —  und 
das  Buch  soll  doch  wohl  in  Prima  gelesen  werden  —  an  Wort-  und  Sach- 
erklärungen viel  zu  viel,  z.  B.  Übersetzungen  von  ajustement,  recfierckc, 
depot,  ä  merveille,  il  a  fait  la  campagne,  haletant,  ecouter  etc.  oder  An- 
gaben über  Caesar,  Pompeius,  Cicero,  Ovid,  Horaz  etc.  Sonst  ist  mir 
u.  a.  aufgefallen:  24,  2:  '7e  Marini  ...  schwülstig  und  geschmacklos, 
Urheber  der  Marinismus  genannten  Verirrung.'  über  Marinismus  hätte 
mehr  gesagt  werden  müssen.  Zu  32,  27 :  Quelle  est  donc  cette  dame  . . . 
qui  fait  la  recerence  en  religiease?  fehlt  eine  Notiz.  Zu  39,  18:  une  espece 
d'hommes  qui  ont  abruti,  dam  VEurope,  le  genre  kumain  mufste  von  Vol- 
taires Verhältnis  zur  Kirche  gesprochen  werden.  51,  11  (Diderot  spricht 
von  den  Figuren  auf  einem  Gemälde):  eomme  elles  vont  en  ondoyant  et  en 
pyramidant!  Die  Übersetzung:  'wie  die  Wirkung  sich  abstuft  und  stei- 
gert' ist  falsch  und  macht  den  folgenden  Satz  unverständlich.  64,  13: 
dafs  fantome  nicht  'Gliederpuppe'  ist,  beweist  die  Gleichstellung  mit 
modele,  ferner  Zeile  15  f. :  Quand  eile  a  approche  de  cette  idee  le  plus  pres 
qu'elle  a  pu,  und  Zeile  30  f. :  lorsqu'elle  s'est  une  fois  elevee  ä  la  hauteur 
de  son  fantome.  73,  14  fehlt  eine  Anmerkung  zu  plain-chant,  85,  8  eine 
zu  financier  etc. 

9)  La  Bretagne  et  les  Bretons.  Zusammengestellt  von  A.  Mühlan. 
Mit  6  Abbildungen  und  einem  Übersichtskärtchen  (Vel- 
hagen  &  Klasing,  1902). 
Es  ist  an  sich  gewifs  verdienstlich,  von  einer  französischen  Provinz 
eine  Monographie  zu  liefern,  in  welcher  die  verschiedenen  Schriftsteller, 
die  über  diese  Provinz  geschrieben  haben,  zu  Worte  kommen;  nur  ist 
dann  zu  verlangen,  dafs  man  über  Land  und  Leute  eine  einigermafsen 
erschöpfende  Darstellung  erhalte.  Das  ist  bei  der  vorliegenden  Ausgabe 
nicht  der  Fall.  Wer  sich  hier  etwa  Auskunft  holen  wollte  über  Handel, 
Gewerbe,  Unterricht,  Volkssprache  usw.,  würde  wenig  oder  gar  nichts 
finden.  Der  Coup  d'oeil . . .  gdographique  beschäftigt  sich  fast  ausschliefs- 
lich  mit  der  Südküste,  denn  was  Coppee  von  Brest  erzählt,  das  liefse  sich 
mit  wenigen  Änderungen  von  jedem  anderen  französischen  Kriegshafen 
sagen.  An  den  Coup  d'oeil  schliefsen  sich  zwei  Märchen,  von  denen  das 
erste  weder  La  Nuit  des  ßois  noch  La  Feve,  sondern  La  Butte  aux  Fees 
heifsen  sollte  und  das  zweite:  Histoire  de  Moustachej  kein  ausgesprochen 
bretonisches  Märchen  ist,  vgl.  Bruder  Lustig  bei  Grimm.  Der  nächste 
Abschnitt:  Les  Bretons,  enthält  vier  Seiten  "Traditions  de  la  Bretagne', 
dann  eine  Erzählung  La  Groac'h,  von  der  mir  unklar  geblieben  ist,  wann 
sie  spielt;  manche  Anmerkungen  deuten  auf  die  Gegenwart:  die  breto- 
nischen Bauern  nennen,  die  Bauern  pflegen  vielfach  etc.,  während  bei 
une  bague  d'argent  de  trente  blancs  gesagt  wird:  Der  blanc  war  eine 
Scheidemünze,  die  im  14. — 16.  Jahrhundert  ausgeprägt  wurde,  und  zu  les 
Couplets  connus  de  la  peste  d'Elliant  bemerkt   wird:   Im  6.  Jahrh.  wurde 


250  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

ganz  Europa  von  der  Pest  heimgesucht  etc.  Darauf  folgt  eine  Schilde- 
rung: La  Hütte  du  Sabotier,  sodann  allerlei  über  Volksbräuche  und 
schliefslich  eine  Reihe  von  Gedichten,  welche  unterbrochen  wird  durch 
einige  bretonische  Sprichwörter,  die  durchaus  nicht  immer  nur  bretonisch 
sind,  wie  z.  B.  Mieux  vaut  sagesse  que  richesse;  Qui  ne  sait  obeir,  ne  satt 
pas  Commander  etc.  Die  Stücke  sind  zumeist  Souvestre  und  Brizeux  ent- 
nommen. Druckfehler  sind  mehrfach  vorhanden.  Die  Anmerkungen  haben 
mich  nicht  sonderlich  befriedigt.  Zu  6,  25:  la  lutte  pour  la  vie  fehlt  eine 
Notiz,  ebenso  zu  12,  4 :  les  feux  de  la  Saint-Jean.  Wenn  14,  32  ausein- 
andergesetzt wird,  was  ein  Leuchtturm  ist,  so  hätte  auch  17,  31  semaphore 
erklärt  werden  können.  23,  4:  les  cathedrales  se  fleurissent  de 
roses  triples,  elles  ajourent  leurs  elochers  de  galeries  en  tri- 
lobes  'die  Hauptkirchen  schmücken  sich  mit  dreifachen  Rosetten;  sie 
durchbrechen  ihre  Türme  mit  dreiteiligen  (gotischen)  Galerien'.  Was  sind 
das  für  Rosetten,  und  ist  en  trilobes  durch  'dreiteilig'  richtig  übersetzt? 
Verdiente  nicht  das  Verb  ajourer  ebenso  wie  trilobe  eine  besondere  Er- 
wähnung? Beide  Wörter  finden  sich  nicht  in  Sachs  oder  Hatzfeld-Darme- 
steter.  Ist  trilobe  wirklich  'dreilappig,  dreiteilig',  wie  im  Wörterverzeichnis 
steht?  Ich  denke,  das  heifst  trilobel  37,6:  Les  bols  se  remplissent  mufste 
erklärt  werden;  denn  bol  ist  nicht  Glas,  wie  im  Wörterverzeichnis  steht. 
39,  10:  les  filles  en  äge  'die  älteren  Mädchen'.  'Altere  Mädchen'  hat 
doch  im  Deutschen  eine  eigentümliche  Bedeutung.  46,  4:  les  tape- 
fers  =  les  forgerons  die  Schmiede,  qui  tapent  les  fers;  vgl.  das 
deutsche  tapfer  (! !).  Wenn  72,  6  die  Rede  ist  von  den  vierges  de  l'Edda, 
so  erwartet  man  in  den  Anmerkungen  andere  Aufklärung  als:  'Edda, 
Name  von  zwei  wichtigen  Sammelwerken  der  altnordischen  Literatur  aus 
dem  7.,  8.  und  13.  Jahrh.'  74,24:  la  demiere  trompette  et  les  voix 
de  l'Apocalypse  'die  Trompete  (Posaune)  des  Jüngsten  Gerichts  und  die 
Stimme  der  Offenbarung  des  hl.  Johannes'  usw. 

10)  Ascensions,  voyages  ae*riens,  evasions.  Ausgewählt  und  er- 
klärt von  F.  J.  Wershoven.  Mit  6  Abbildungen  (Renger,  1902). 
Ob  man  sich  ein  ganzes  Semester  mit  Bergbesteigungen,  Luftschiff- 
fahrten und  Entweichungen  beschäftigen  will,  wird  einerseits  vom  Ge- 
schmak  des  Lehrers  und  andererseits  auch  wohl  vom  Charakter  der  Schule 
abhängen;  an  sich  sind  die  Geschichten  ganz  interessant.  Die  dreizehn 
Stücke  —  das  Inhaltsverzeichnis  gibt  nur  zwölf  an  —  rühren  nach  dem 
Vorwort  des  Herausgebers  'von  guten,  zum  Teil  hervorragenden  Schrift- 
stellern' her;  leider  mufs  ich  gestehen,  dafs  mir  von  diesen  'guten,  zum 
Teil  hervorragenden  Schriftstellern'  Bezier,  Mangin  und  Barbou  bisher 
nicht  begegnet  sind;  auch  der  Herausgeber  uuterläfst  es,  irgend  etwas 
über  sie  mitzuteilen.  Whymper  und  Tyndall  haben  doch  wohl  englisch 
geschrieben,  aber  es  wird  nicht  gesagt,  wer  die  Übersetzungen  geliefert 
hat,  von  denen  die  zweite  zuweilen  stark  an  englische  Ausdrucksweise  er- 
innert. Druckfehler  sind  nicht  selten.  Die  Anmerkungen,  die  nur  'Realien' 
behandeln,  dürften   nicht  schwer  zu  beschaffen  gewesen  sein   und  geben 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  251 

durchaus  nicht  immer  die  erforderliche  Auskunft.  Ebenso  wie  über  die 
genannten  drei  Autoren  erwartet  man  eine  Notiz  über  Mirbel  (S.  1*)  und 
Boissonnas  (S.  93).,  ferner  über  Dr.  Paccard  (S.  4),  den  General  Curten 
(S.  92),  den  Admiral  Saisset  (S.  94  f.);  denn  die  zu  l'amiral  Saisset  S.  112 
gegebene  Anmerkung  besagt  ebensowenig  wie  die  zu  Godard  S.  105  usw. 
Was  hat  es  ferner  für  eine  Bewandtnis  mit  dem  Annuaire  du  Bureau  des 
longitudes  (S.  50)?  mit  der  Soeiete  franeaise  de  navigation  aerienne  (S.  66)? 
Sind  die  barometres  temoins  ä  minima  (S.  67)  genügend  erklärt  mit  dem, 
was  darüber  im  Text  steht?  Nous  avions  fait  passer  l'air  dans  les  tubes 
ä  potasse  (S.  68)  mufste  doch  wohl  erörtert  werden.  Was  sind  das  für 
petites  fioles  de  verre  (S.  75),  die  Latude  der  Pompadour  schickt?  usw. 

11)  Histoire  de  France.     IL  Teil  von  1589—1871.     Herausgeg. 
von  H.  Gade  (Gaertner,  1902). 

Die  aus  Werken  von  Ducoudray  und  Bordier-Charton  entnommenen 
Abschnitte  sollen  ein  Bild  von  300  Jahren  französischer  Geschichte  geben, 
aber  die  108  Seiten  kann  man  höchstens  als  eine  Geschichtstabelle  be- 
zeichnen; Fakten  folgen  auf  Fakten,  man  wird  nicht  durch  die  einzelnen 
Epochen  geführt,  sondern  gehetzt.  Darunter  leidet  natürlich  auch  die 
Darstellung:  Hauptsätze,  immer  einer  hinter  dem  anderen,  höchstens  mal 
durch  einen  Relativ-  oder  Partizipialsatz  erweitert,  das  ist  fast  alles. 
Nimmt  man  nun  noch  einen  häufigen  Wechsel  der  Tempora  hinzu  —  bald 
wird  in  ein  und  demselben  Abschnitt  in  der  Gegenwart,  bald  in  der  Ver- 
gangenheit er.;ählt  — ,  so  wird  man  begreifen,  dafs  die  Lektüre  dieses 
Buches  sich  zu  einer  recht  unerfreulichen  gestaltet.  'Die  Anmerkungen 
sind  so  knapp  wie  möglich  gehalten  . . .  Was  sonst  noch  . . .  erforderlich 
ist,  wird  der  Lehrer  ohne  Mühe  aus  dem  Schatze  seines  eigenen  Wissens 
geben  können,'  sagt  der  Herausgeber  am  Ende  des  Vorworts.  Ich  meine, 
der  Lehrer  wird  genug  zu  tun  haben,  wenn  er  alles  erklärt,  was  in  den 
Anmerkungen  nicht  erwähnt  ist,  wenn  er  hie  und  da  die  Übergänge  zwischen 
den  einzelnen  Abschnitten  herstellt,  und  wenn  er  die  Einseitigkeit  der 
französischen  Darstellung  kompensiert,  die  sich  mehrfach,  besonders  aber 
auf  den  letzten  Seiten  unangenehm  bemerkbar  macht. 

Die  noch  übrigen  elf  Bändchen  wollen  ein  Ganzes,  das  Werk  eines 
Schriftstellers,  geben. 

12)  Michaud,    Histoire    de    la    troisieme   croisade.     Erklärt   von 
O.  Klein.     Mit  2  Karten  und  1  Plan  (Renger,  1902). 

Diese  Geschichte  des  dritten  Kreuzzuges  wird  sich  gut  als  Klassen- 
lektüre oder  vielleicht  noch  besser  als  Privatlektüre  in  Sekunda  verwenden 
lassen,  da  die  Sprache  Schwierigkeiten  nicht  bietet  und  alles,  was  einer  Erklä- 
rung bedarf,  in  den  Anmerkungen  ordentlich  und  gründlich  erörtert  wird. 

13)  Porchat,  Le  berger  et  le  proscrit.     Erklärt  von  J.  Heuschen 

(Renger,  1902). 

Ob  man  gut  daran  getan  hat,  ein  Werk  Porchats  wieder  auszugraben 
und  es  unseren  Schulen  zur  Anfangslektüre  anzubieten,  weifs  ich  nicht; 


252  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

jedenfalls  würde  man  das  Buch,  wenn  es  deutsch  geschrieben  wäre,  auf 
der  Mittelstufe  nicht  mehr  zum  Lesen  empfehlen.  Die  Personen  sind  fast 
durchweg  von  einer  geradezu  beängstigenden  Herzensgüte  und  Vornehm- 
heit der  Gesinnung;  der  böse  Feldhüter  stürzt  in  einen  Abgrund;  ein 
zweiter,  nicht  ganz  so  Schlimmer  wird  von  einem  Tage  zum  anderen  ein 
wahrer  Musterknabe,  und  dazu  sind  die  Begebenheiten,  in  denen  uns  diese 
Personen  vorgeführt  werden ,  grofsenteils  unglaubwürdig  und  unwahr- 
scheinlich. Die  38  Anmerkungen  werden  den  Kindern  wenig  helfen,  wenn 
ihnen  nicht  eine  Übersicht  über  den  Verlauf  der  Bevolution  gegeben  wird. 
Was  sollen  sie  ferner  mit  Angaben  anfangen  wie:  'die  Sendlinge  (!)  des 
Konvents  trugen  als  Amtszeichen  die  dreifarbige  Schärpe'  oder  'ein  Prie- 
ster, welcher  den  republikanischen  Eid  (!)  nicht  hat  leisten  wollen'  ?  usw. 
Die  Bekanntschaft  mit  Simson  und  Goliath  andererseits  darf  man  in 
Tertia  schon  voraussetzen. 

14)  Gräville,   Dosia.     Herausgeg.   von   L.  Wespy   (Velhagen   & 
Klasing,  1902). 

Während  die  Dosia  des  Originals  eine  ganz  amüsante  und  witzige 
Person  ist  —  ich  denke  dabei  besonders  an  ihre  Schilderung  der  verschie- 
denen Gouvernanten,  die  sie  gehabt  hat  — ,  erscheint  sie  in  dieser  Schul- 
ausgabe als  ein  russisches  Abbild  der  Berliner  Bange.  Es  wird  in  dem 
Auszug  —  dafs  es  ein  solcher  ist,  erfährt  man  ganz  gelegentlich  in  den 
Anmerkungen  —  nicht  klar,  worin  denn  eigentlich  ihre  törichte  Erziehung 
bestanden  hat,  und  das  darf  uns  nicht  verschwiegen  werden,  wenn  uns 
die  Heldin  nicht  unsympathisch  werden  soll.  Ebenso  fehlt  die  Erzählung 
von  der  ersten  Ehe  der  Fürstin,  die  zu  Sophiens  Charakterisierung  un- 
erläfslich  nötig  ist,  auch  entbehrt  man  ungern  die  hübsche  Schilderung 
der  Regatta  und  des  Eisfestes.  Kurz  dieser  Auszug  ist  kein  Ersatz  des 
Originals,  und  wenn  man  glaubt,  Dosia  in  der  Schule  lesen  zu  sollen, 
dann  wähle  man  lieber  die  vollständige  Ausgabe.  Unter  den  Anmerkungen, 
die  viel  Überflüssiges  enthalten,  ist  mir  aufgefallen:  14,  11:  ä  travers 
les  charmilles  aus  dem  Buchenwalde.  17,  8:  Antäos,  Sohn  des  Po- 
seidon und  der  Amphitrite.  Zu  74,  3:  nous  ekangerons  tout  cela 
konnte  auf  Moliere  verwiesen  werden.  82,29:  (Elle  patine,  dit-il,)  comme 
un  patin  anglais,  premiere  marque  'so  läuft  nur  ein  englischer 
Schlittschuhläufer,  soll  also  wohl  heifsen:  ganz  hervorragend  gut'.  Die 
Erklärung  ist  unrichtig  und  zerstört  den  Witz.  11-1,  14:  Ne  reveillons  pas 
le  chatf  Wie  heifst  der  Schlufs  der  Redensart,  und  warum  verhindert  die 
Fürstin  Dosia,  den  Satz  zu  Ende  zu  sagen?  usw. 

15)  Greville,  Aline.    Herausgeg.  von  F.  Erler  (Velhagen  &  Kla- 

sing, 1902). 
'Die  Kürzung  des  im  Original  übrigens  den  Titel:  l'Avenir  d 'Aline 
führenden  Romans  ist  von  der  Verfasserin  gütigst  selbst  besorgt  worden', 
sagt  der  Herausgeber  am  Schlufs  der  Einleitung.    Während  aber  die  Ver- 
fasserin   sich  im   Original   in  häufigen,  längeren   Ausführungen  bemüht, 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  253 

uns  Alinens  Verschlossenheit,  Egoismus  und  Herzlosigkeit  verständlich 
zu  machen ,  sind  in  diesem  Auszug  all  die  schönen  psychologischen 
Betrachtungen  gestrichen  worden,  so  dafs  uns  die  Heldin  völlig  unbe- 
greiflich erscheint.  Wenn  uns  in  dem  grölseren  Werke  die  anderen  Per- 
sonen durch  Beschreibung  ihres  Lebensganges  und  Charakters  einiger- 
mafsen  nahe  gebracht  werden .  hier  stehen  sie  uns  fremd  gegenüber 
und  vermögen  uns  nicht  sonderlich  für  sich  zu  erwärmen.  So  bleibt 
also  nur  die  Handlung  übrig,  die  nicht  gekürzt  worden  ist,  und  die 
ist  allerdings  schon  im  Original  dürftig  genug.  Aber  interessant  ist 
dieser  Auszug  doch;  denn  er  beweist,  dafs  es  selbst  der  Verfasserin 
nicht  gelungen  ist,  ihr  Werk  auf  den  Umfang  einer  solchen  Schulausgabe 
zu  verkürzen,  ohne  es  gründlich  zu  verunstalten.  Die  Anmerkungen  sind 
einfach  grofsartig,  hier  einige  Proben:  18,  20:  La  lettre  etait  ainsi 
concue:  concevoir  empfangen,  begreifen,  verstehen,  abfassen;  übersetze: 
der  Brief  war  folgenden  Inhalts.  38,  8:  Nach  parier  und  c  aus  er  fehlt 
der  Artikel  vor  dem  Gegenstand  der  Unterhaltung.  80,  14:  philosophe 
bedeutet  1.  Weisheitsfreund,  Weltweiser,  2.  fig.  wie  hier  zufriedener,  nicht 
aus  seiner  Ruhe  zu  bringender  Mensch,  3.  Freidenker  =  esprit  fort 
(engl,  free-thinker),  4.  Oberprimaner   eines  französ.  Gymnasiums;   usw. 

16)  Theuriet,  Raymonde.     Herausgegeben  von  K.  Schmidt  (Vel- 

hagen  &  Klasing,  1902). 
Dadurch,  dafs  das  erste  Kapitel  des  Originals  weggelassen  worden  ist, 
erleidet  die  Charakteristik  Noels  Einbufse,  und  wir  erfahren  nun  über- 
haupt nicht,  was  sich  denn  Antoiue  eigentlich  in  Paris  für  eine  Stellung, 
auf  die  doch  mehrfach  angespielt  wird,  erworben  hat.  Auch  das  Feigen- 
blatt, das  gegen  Ende  dem  Roman  aufgeklebt  wird,  scheint  mir  nicht  be- 
sonders geschickt  angebracht  zu  sein.  Es  ist  nicht  recht  glaublich,  dafs 
Noel  seiner  von  ihm  geschiedenen  Ehefrau  seine  Tochter,  die  das  Gericht 
ihm  zugesprochen  hat,  aus  Mitleid  sollte  überlassen  haben  in  dem  Glau- 
ben, mütterliche  Zärtlichkeit  könne  vielleicht  ihr  steinernes  Herz  erweichen. 
Abgesehen  von  diesen  beiden  Ausstellungen  liest  sich  der  Auszug  nicht 
übel.  Die  Anmerkungen  geben  über  alles  Sachliche  Aufschlufs,  und  der 
Herausgeber  bemüht  sich  auch,  hin  und  wieder  grammatischen  Erschei- 
nungen auf  den  Grund  zu  gehen;  sie  ragen  jedenfalls,  wenn  sie  auch  nicht 
immer  Zustimmung  finden  können,  über  das  Niveau  der  landläufigen  An- 
merkungen hervor. 

17)  Loti,  P6cheur  d'Islande.    Herausgegeben   von  H.  Engelmann 
(Velhagen  &  Klasing,  1901). 

Weggelassen  oder  gekürzt  sind  besonders  die  Kapitel,  welche  Sylvestre 
betreffen,  auch  ist  alles  ausgeschieden,  was  zarte  Ohren  irgendwie  belei- 
digen könnte,  so  dafs  uns  hier  statt  der  bretonischen  Fischer,  die  uns 
Loti  vorführt,  sehr  wohlerzogene  Salonfischer  entgegentreten.  Ich  meine, 
man  sollte  ein  Werk  wie  den  PScheur  d'Islande  nicht  nach  irgend  einer 
Seite  hin    zu  verbessern   suchen.     Andererseits   ist   zuzugeben,    dafs   der 


254  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Auszug  geschickt  gemacht  ist,  und  dafs  die  Lektüre  dieser  verkürzten 
Ausgabe  fast  denselben  tiefen  Eindruck  erzeugt,  den  das  Original  zurück - 
läfst.  Die  Anmerkungen  sind,  soweit  sie  sprachliche  Erscheinungen  be- 
treffen, nicht  immer  einwandfrei ;  über  diejenigen,  welche  sich  auf  Schiffs- 
bau u.  ä.  beziehen,  kann  ich  mir  kein  Urteil  erlauben. 

18)  Daudet,  Tartarin  de  Tarascon.     Herausgeg.  von  Gassmeyer 
(Velhagen  &  Klasing,  1901). 

Der  Herausgeber  hat  sich  nicht  darüber  geäufsert,  was  ihn  veranlafst 
hat,  zu  den  schon  vorhandenen  Schulausgaben  des  Tartarin  eine  neue 
hinzuzufügen,  und  doch  möchte  man  darüber  gern  Auskunft  haben;  denn 
ohne  eine  solche  Angabe  erhält  man  keine  Antwort  auf  die  verschiedenen 
Fragen,  die  sich  erheben,  wie  z.  B. :  Hat  der  Herausgeber  diese  Schul- 
ausgabe ohne  besonderen  inneren  Drang  vielleicht  nur  hergestellt,  weil  in 
einer  bestimmten  Sammlung  Tartarin  noch  nicht  enthalten  war?  Hält  er 
etwa  seine  Verstümmelung  des  Daudetschen  Textes  für  weniger  roh  als 
die  anderweitig  vorgenommene?  Oder  ist  er  gar  der  Meinung,  seine  An- 
merkungen seien  besser  als  die  seiner  Vorgänger?  Bevor  aber  hierüber 
nicht  genügende  Aufklärung  gegeben  wird,  kann  man  diese  Ausgabe  als 
eine  berechtigte  nicht  anerkennen,  und  wir  brauchen  uns  nicht  weiter 
damit  zu  beschäftigen. 

19)  Chailley-Bert,  Pierre,  le  jeune  commercant.     Herausgeg.  von 
J.  Kämmerer  (Velhagen  &  Klasing,  1902). 

Dafs  dieses  Büchlein  eine  passende  Lektüre  für  die  'höheren  Klassen 
der  . . .  Realgymnasien'  sei,  wie  der  Herausgeber  auf  dem  Titelblatt  sagt, 
bezweifle  ich  sehr,  dagegen  wird  es  sich  in  'Handelslehranstalten'  und 
auch  in  kaufmännischen  Fortbildungsschulen  verwenden  lassen.  Der  Aus- 
zug ist  nicht  allzu  sorgfältig  hergestellt,  so  ist  nicht  klar,  wie  M.  Pidault 
sagen  kann  (S.  64) :  il  paratt  que  vous  avex  des  griefs  contre  nous  depuis 
l'autre  jour,  ebenso  ist  unverständlich  (S.  75) :  pour  ceux  dont  vous  parlex, 
am  Anfang  des  25.  Kapitels  (S.  76)  heifst  es:  Pierre  ne  connaissait  per- 
sonne ä  Marseille  und  am  Schlufs  (S.  78):  il  s'apercut  qu'il  n'etait  que 
temps  d'aller  rejoindre  son  ami,  ohne  dafs  im  Verlauf  des  Kapitels  ein 
Wort  von  dieser  Freundschaft  gesagt  ist,  etc.  Die  paar  Anmerkungen, 
zum  Teil  recht  wunderliche,  sind  fast  durchweg  überflüssig,  und  wenn 
man  es  für  nötig  findet,  zum  Text  Erklärungen  zu  geben  wie:  avoir 
une  fameuse  mine  prächtig  aussehen,  je  suis  ä  vous  ich  bin  zu  Ihren 
Diensten,  le  pr emier  venu  der  erste  beste  etc.,  warum  fehlen  dann  der- 
artige Anmerkungen  zu  den  30  Seiten  Lecons  de  choses  im  Anhang? 
Auch  das  Wörterverzeichnis  läfst  manches  zu  wünschen  übrig. 

20)  Erckmann-Chatrian,  Histoire  d'un  conscrit  de  1813.    Heraus- 

gegeben von  E.  Pariselle.    Mit  2  Karten  (Freytag,  1902). 
Die   38.    Auflage,    die   ich    besitze,    umfafst   310    Seiten,   die   Schul- 
ausgabe 95,   also   etwa  ein   Drittel  des  Originals,   und  doch  wird   dieser 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  255 

Auszug  nirgends  als  solcher  bezeichnet;  die  Bemerkung  auf  dem  Titel- 
blatt: 'Für  den  Schulgebrauch  herausgegeben'  läfst  doch  auf  eine  Ver- 
kürzung —  und  noch  dazu  eine  solche  Verkürzung  —  nicht  ohne  weiteres 
schliefsen.  So  werden  also  die  Schüler  glauben,  ein  Werk  von  Erckmann- 
Chatrian  gelesen  zu  haben,  während  sie  in  der  Tat  von  ihrer  Darstellungs- 
weise keine  Vorstellung  erhalten  haben.  Die  mehr  als  epische  Breite,  mit 
der  sie  erzählen,  gehört  ganz  wesentlich  mit  zur  Eigenart  der  beiden,  und 
die  geht  verloren,  wenn  man  nur  auf  eine  gewissenhafte  Wiedergabe  der 
Fakten  bedacht  ist.  —  Gegen  die  in  den  Anmerkungen  gegebenen  sach- 
lichen Erklärungen  dürfte  kaum  etwas  zu  sagen  sein,  vgl.  Archiv  CVIII, 
168,  eher  gegen  die  sprachlichen.  4,  13:  J'avais  ä  peine  etc.  'aber  kaum 
hatte  ich  . . .'  (vgl.  Anm.  zu  1,7),  und  1,  7  steht:  'Nebengeordnete  Sätze 
entbehren  im  Französischen  häufiger  als  im  Deutschen  eines  verbindenden 
Adverbs.'  4,  18 — 20:  M.  Ooulden  s'arretait  tout  ä  coitp  dans  son  travail, 
et  regardant  un  instant  les  vitres  Manches,  U  s'ecriait  ....  Dem  Subjekt 
werden  zwei  Prädikate  beigelegt,  deren  zweites  durch  ein  appositives 
Partizipium  näher  bestimmt  ist.  —  Also  ist  regardant  appositives  Partizip 
zu  s'ecriaitt  Vgl.  Mackel,  Archiv  CV,  48  ff.  59,  23:  'Das  Demonstra- 
tivum  ce  in  Verbindung  mit  dem  Verb  etre  wird  gern  bei  Situations- 
schilderungen verwendet,  während  das  Deutsche  anschaulicher  schildernde 
Verben  bevorzugt';  etc. 

21)  Naurouze,  SeVerine  1814 — 1815.  Herausgeg.  vod  A.  Müller 
(Freytag,  1902). 
'Die  nötigen  Aufschlüsse  über  das  Leben  des  Verfassers',  welche  die 
Einleitung  in  allen  Freytagschen  Ausgaben  bieten  soll,  beschränken  sich 
auf  acht  Zeilen,  die  keinerlei  Zeitangaben  enthalten.  Wenn  in  der  Ein- 
leitung gesagt  wird :  'Die  für  Frankreich  und  das  Geschick  Napoleons  so 
ereignisreichen  Jahre  1814 — 1815  führt  J.  Naurouze  dem  Leser  in  an- 
schaulichen, lebenswahren  Bildern  vor',  so  ist  das  so  zu  verstehen,  dafs 
wir  —  wenigstens  in  dieser  Schulausgabe,  ich  kenne  das  Original  nicht  — 
von  den  grofsen  Ereignissen  dieser  Zeit  mit  einigen  knappen  Worten 
unterrichtet  werden  —  Le  coup  de  massue  de  Waterloo  nous  etourdissait 
ist  z.  B.  die  Schilderung  der  Schlacht  bei  Waterloo  (S.  80)  — ,  von  einem 
Miterleben  ist  nicht  die  Rede;  das  Buch  bietet  vielmehr  einen  auf  histo- 
rischer Grundlage  sich  aufbauenden  Liebesroman  von  ziemlich  simpler 
Handlung,  die  noch  dazu  zum  Teil  recht  unwahrscheinlich  ist.  Der  Aus- 
zug befriedigt  nicht  sonderlich ;  gar  oft  kommen  einem  beim  Lesen  allerlei 
Fragen,  über  die  man  völlig  im  dunkeln  bleibt,  wie  z.  B.:  Welcher  Art 
mag  wohl  die  Erziehung  Severinens  gewesen  sein,  und  wer  hat  diese  nach 
ihrer  Mutter  Tode  geleitet?  Bei  der  Heldin  des  Bomans  ist  diese  Frage 
doch  wohl  berechtigt.  Wozu  treten  ihr  Vater  und  ihre  Grofsmutter  in 
dem  Roman  auf,  und  in  welcher  Beziehung  stehen  sie  zur  Handlung? 
Wie  stellt  sich  Horace  nach  der  Ankunft  bei  seinem  Onkel  zu  Severine 
und  ihren  Verwandten,  und  welche  Studien  macht  er  bei  Sylvain?  Wie 
verläuft  die  Reise  der  Mme  d'Aurac  durch  Feindesland  zu  ihrem  Gatten? 


256  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Wie  verhalten  sich  bei  der  Einquartierung  der  Grofsfürst  und  seine  Wirte 
zueinander?  Woher  weifs  Wolfgangs  Bruder  etwas  von  Lionel?  Wie 
kann  Söverine  (S.  59)  sagen:  Ecoutex  mon  histoire,  oncle  Sylvain,  und 
(S.  93):  Elle  a  donc  un  peu  aide  ä  te  sauver,  ta  pauvre  petite  fianceel  etc. 
Auch  die  Anmerkungen  lassen  manches  zu  wünschen  übrig.  6,  22 :  Die 
Präposition  ä  bezeichnet  bei  Verben  der  Wahrnehmung  usw.  —  Wenn 
man  eine  Regel  wörtlich  aus  Lücking  (§  454)  anführt,  so  darf  man  ruhig 
sagen,  woher  man  sie  hat.  8,  31 :  Mon  eher,  nous  sommes  . . .  Mon  pere 
arreta  d'un  geste  le  mot  qui  allait  jaillir.  Warum  wohl?  Anmerkung  fehlt. 
11,4:  Ne  croyex-vous  pas  qu'il  serait  grand  temps  . . .  Beachte  den  Indika- 
tiv! —  Der  Indikativ  müfste  doch  est  heifsen.  36,  12:  Comment  deqouvrir. 
In  dieser  Weise  wird  der  Infinitiv  im  Sinne  einer  Personalform  häufig 
gebraucht,  um  etc.  —  Das  ist  eine  sehr  bequeme  Art,  Regeln  zu  geben, 
vgl.  auch  39,  15:  Le  pillage  se  poursuivit  atroce.  Atroce  ist  prädikatives 
Adjektiv  =  als  grausam,  das  in  ähnlichen  Fällen  neben  dem  Adverb  ge- 
braucht wird.  48,  16:  du  uhlan  konnte  erklärt  werden,  um  so  mehr  als 
uhlan  im  Wörterverzeichnis  fehlt.  50,  18:  Die  Verbindung  des  Demonstra- 
tivums  ce  mit  dem  Verbum  etre  wird  gern  bei  Schilderungen  verwendet  etc., 
vgl.  oben  unter  Nr.  20.  59,  11:  Une  sienne  niece  eine  Nichte  von  ihm, 
eine  seiner  Nichten.  —  Der  Zusatz  'altertümliche  Wendung'  besagt  nicht 
viel;  etc. 

22)  Laune,  Me"rnoires  (Tun  collegien.  Edition  autoris£e,  suivie 
d'un  commentaire  et  d'un  r£p£titeur,  par  R.-C.  Kukula;  revue 
par  J.  Deläge  (Vienne,  Graeser  &  Co.,  1902). 
Dafs  diese  Ausgabe  auch  in  Deutschland  gebraucht  werden  wird, 
glaube  ich  nicht,  wir  produzieren  selbst  über  unseren  Bedarf.  Aufserdem 
aber  ist  diese  Bearbeitung  fürchterlich  und  geeignet,  dem  Schüler  das 
Französische  für  immer  zu  verleiden.  Der  erste  Teil  enthält  137  Seiten 
Text  und  ein  Vocabulaire  bis  S.  212,  der  zweite  Notes  S.  1 — 50,  einen 
Repeliteur  S.  54 — 77  und  Matieres  pour  une  repötition  generale  S.  77  f. 
Ich  habe  immer  ein  Kapitel  Text  gelesen,  dann  die  dazu  gehörigen  Notes, 
ohne  mich  viel  um  die  zahlreichen  Verweisungen  (vgl.  z.  B.  die  Notes  zu 
S.  114:  11  voir  24,  3.  —  12  voir  43,  18.  —  15  voir  35,  26)  zu  kümmern, 
und  schliefslich  den  R£p6titeur  und  habe  dann  immer  beim  folgenden 
Kapitel  mich  erst  einen  Augenblick  orientieren  müssen,  wo  ich  eigentlich 
war.  Wenn  aber  der  gewissenhafte  Schüler  sich  bei  jedem  erklärten  Wort 
durch  die  betreffende  Anmerkung  hindurcharbeitet  und  sämtliche  Ver- 
weisungen nachschlägt,  so  wird  ihm  ohne  allen  Zweifel  jeder  Zusammen- 
hang verloren  gehen,  und  wenn  er  auch  noch  all  die  schönen  Proverbes 
auswendig  lernt  —  und  das  mufs  er;  denn  sonst  kann  er  einen  Teil  der 
im  R6p6titeur  enthaltenen  Fragen  nicht  beantworten  —  und  sich  die 
Antworten  für  die  Conversation  im  R6p£titeur  zurechtlegt  und  sich 
die  hin  und  wieder  gegebenen  R6ponses  einprägt,  dann  wird  ihm  sicher- 
lich diese  französische  Lektüre  zur  Qual  und  zum  Ekel  werden.  Nicht 
zu  übersehen  ist,  dafs  der  Schüler  sich  auf  die  Notes  ebenso   wird  prä- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  257 

parieren  müssen  wie  auf  den  Text;  denn  wenn  die  Herausgeber  in  der 
Einleitung  sagen,  der  Commentaire  sei  bestimmt  für  eures  . . .  dejä  assex 
avanees  dans  la  partie  theorique  de  l'idiome  qu'ils  etudient,  so  ist  das  nichts 
als  eine  Redensart.  Die  Memoires  d'un  coll^gien  liest  man  überhaupt 
nicht  in  der  Prima,  und  vorgeschrittenen  Schülern  braucht  man  im 
Wörterverzeichnis  —  um  ganz  beliebig  ein  Beispiel  herauszugreifen  —  auf 
S.  149  nicht  Vokabeln  zu  verdeutschen  wie:  blanc,  ble,  blessure,  bleu, 
blonse,  bamf,  boire,  bois,  und  vorgeschrittenen  Schülern  gibt  man  kein 
Exercice  de  style  mit  Satzanfängen  auf  (Notes  58)  oder  einen  Brief  wie 
den  auf  S.  60.  Also  der  Schüler  mufs  sich  auf  die  Anmerkungen  prä- 
parieren und  zwar  mit  dem  Wörterbuch ;  denn  die  Vokabeln  zu  den  Notes 
stehen  nicht  im  Vocabulaire,  nur  hin  und  wieder  sind  deutsche  Über- 
setzungen in  Klammern  zugefügt,  aber  selbst  vorgeschrittene  Schüler 
möchten  vielleicht  noch  einmal  nachseheu,  was  agences,  gens  sans  aveu, 
taie,  acuite,  bechique,  badine,  maxagran  usw.  bedeutet.  Schliefslich  möchte 
ich  noch  wissen:  Wenn  der  Lehrer  sich  davon  überzeugt,  ob  Text  und 
Anmerkungen  vorbereitet  sind,  wenn  er  dann  an  der  Hand  des  R6pe"- 
titeur  die  Conversation,  Extension  de  la  conversation,  Rep^tition  generale 
vornimmt,  wenn  er  all  die  schönen  Exercices  de  style  anfertigen  läfst, 
wenn  er  endlich  —  da  die  Herausgeber  sich  begnügt  haben,  eine  'quantite 
d'exereices  rektivement  restreinte'  zu  geben  —  es  sich  angelegen  sein  läfst, 
'd'elargir,  sehn  les  besoins  de  la  classe,  le  cadre  que  nous  avons  trace', 
wieviel  Semester  liest  er  dann  an  diesen  Memoires? 

Um  nun  auf  Einzelheiten  einzugehen,  so  kann  man  mit  der  Kürzung 
des  Textes  einverstanden  sein;  das  Vocabulaire  ist  nicht  vollständig;  es 
fehlt  bille,  etre  de  foree  avec,  cahier  de  correspondance,  mener  de  front  und 
wahrscheinlich  noch  verschiedenes  andere,  auch  die  Übersetzungen  ge- 
nügen nicht  immer:  eenseur  Vizedirektor,  pion  Studienaufseher,  licencc 
Staatsprüfung,  agregation  (Wettbewerb  um  eine  aufserordentliche)  Pro- 
fessur etc.  In  den  Anmerkungen,  die  zum  Teil  ein  mir  fremdes  Deutsch 
aufweisen,  wie  Robott,  Titscherkugeln,  Mautschranken,  Hohlhippe,  plat- 
tein usw.,  wird  die  Gelegenheit  benutzt,  in  Anknüpfung  an  irgend  ein 
Wort  alles  mitzuteilen,  was  jemals  über  dieses  Wort  geschrieben  ist,  so 
z.  B.  stehen  bei  faire  suisse  (S.  26)  zwei  Artikel  aus  Delesalle  und  Rozan 
von  zusammen  40  Zeilen,  bei  argot  des  barrieres  (S.  27)  eine  Abhandlung 
von  47  Zeilen,  zu  40,  3 — 24  folgt  überflüssigerweise  ein  Aufsatz:  A  quoi 
se  passe  la  vie  d'un  komme  von  90  Zeilen,  worin  bewiesen  wird,  dafs  ein 
Mann  von  70  Jahren,  der  sein  Leben  lang  gearbeitet  hat,  in  der  Tat  nur 
11  Jahre  gearbeitet  hat,  dafs  man  nicht  drei  Jahr  beim  Militär  dient,  son- 
dern nur  eins,  usw.  Zu  70,  31 — 72,  25  wird  ohne  Grund  eine  Übersetzung 
einer  Stelle  aus  Sallust  beigebracht  von  87  Zeilen  usw.  usw.  Eine  weise 
Beschränkung  findet  dagegen  bei  literarischen  Notizen  statt,  vgl.  die  Notiz 
zu  Montesquieu  (S.  53)  4  Zeilen,  Merime'e  (S.  116)  5  Zeilen,  Corneille 
(S.  135)  8  Zeilen;  sehr  hübsch  ist  zu  129,  11:  le  celebre  Labiche.  Verweise 
vermifst  man  bei  pion  (S.  43),  Cour  des  Miracles  (S.  83),  la  paille  humide 
(S.  91).    Ist  L'accusation  de  jansemsme  (32,  1)  den  Schülern  ohne  weiteres 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  17 


258  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

klar?  Eine  mehr  als  weise  Beschränkung  herrscht  in  Bezug  auf  die 
Grammatik;  denn  die  wird  in  den  Anmerkungen  gar  nicht  behandelt. 
Die  etymologischen  Bemerkungen  sind  zum  Teil  recht  anfechtbar.  4,  30: 
bacealaureat  (peut-etre  du  latin  bacca,  laureus,  baie  de  laurier). 
26,  32:  Aubain  du  latin  advena  oder  de  alibi  natus.  Taupin  (124,  5) 
ist  nicht  ungewisser  Herkunft,  mijoter  (128,  19)  kann  man  wenigstens 
noch  eine  Stufe  zurückverfolgen,  und  die  zu  ba ssiner  (39,  27)  abgedruckte 
erste  Erklärung  von  Rozan  ist  gewifs  Unsinn. 

Wir  könnten  nun  ferner  sprechen  von  der  Fülle  von  Sprichwörtern, 
die  in  den  Notes  aufgeführt  werden,  und  die  zum  Teil  gar  keine  sind, 
wie  zu  75,  27:  Que  celui  qui  croit  etre  debout  prenne  garde  qu'il  ne  tombe, 
oder  von  der  grofsen  Menge  von  Unrichtigkeiten  in  den  Erklärungen  oder 
von  den  zahlreichen  Druckfehlern,  die  in  den  beiden  Verzeichnissen  nicht 
verbessert  sind,  und  noch  von  vielen  anderen  Dingen,  aber  wir  wollen 
lieber  noch  einen  Blick  werfen  auf  die  Conversation  im  Rep^titeur. 
Ich  kenne  verschiedene  Schulbücher,  in  denen  den  Lesestücken  Fragen 
in  französischer  Sprache  beigefügt  sind,  aber  ein  Questionnaire,  in  dem 
zum  Teil  auch  die  Antworten  gleich  mitgegeben  werden,  in  dem  der  Lehrer 
angewiesen  wird,  wann  er  Fermex  vos  livres  oder  C est  ca  oder  Q'a 
marehe  assez,  bien  u.  ä.  zu  sagen  hat,  das  ist  mir  noch  nicht  vor- 
gekommen ;  man  weifs  nicht,  ob  man  mehr  den  Mut  der  Herausgeber  be- 
wundern soll,  die  das  den  Lehrern  anbieten,  oder  den  Mut  der  Lehrer, 
die  das  benutzen.  Allerdings  —  wenn  dieses  Frage-  und  Antwortspiel 
gehörig  gepaukt  ist,  dann  kann  der  Inspektor  ruhig  kommen.  Welch  ein 
Triumph  der  neuen  Methode! 

Nachwort.  Vier  weitere  Bändchen  haben  gemeinsam,  dafs  die  Heraus- 
geber in  dem,  was  sie  eigenes  dem  Text  hinzufügen,  sich  ausschliefslich 
der  französischen  Sprache  bedienen. 

1)  Seines  et  esquisses  de  la  vie  de  Paris.  I.  Avec  pr^face  et 
notes  par  K.  Sachs  (Glogau,  Flemming,  1902). 
'Les  deux  £crivains,'  sagt  der  Herausgeber  in  der  Einleitung  —  näm- 
lich Richepin  und  Ginisty  —  'dont  je  donne  les  extraits  ont  composd,  il 
est  vrai,  beaueoup  d'ouvrages,  dont  la  lecture  ne  saurait  convenir  aux 
6coles;  mais  les  esquisses  suivantes  abregees  avec  grand  soin  ad  usum 
Delphini  rencontreront  certainement  un  aecueil  favorable  meine  pres  des 
critiques  les  plus  severes  au  point  de  vue  de  la  moraliteV  Wenn  die  Lek- 
türe nicht  nur  einen  beliebigen  Lesestoff  darreichen,  sondern  mit  den 
Hauptvertretern  der  französischen  Literatur  bekannt  machen  und  zu  ein- 
gehenderem Studium  ihrer  Werke  anregen  soll,  so  ist  der  Standpunkt  des 
Herausgebers  durchaus  zu  verwerfen;  denn  eine  genaue  und  wahre  Be- 
kanntschaft mit  seinen  Autoren  vermittelt  er  nicht,  und  sie  etwa  zur 
Privatlektüre  zu  empfehlen,  wird  doch  auch  in  den  'classes  sup£rieures' 
nicht  ohne  weiteres  angehen.  Unmoralisch  sind  ja  nun  die  hier  veröffent- 
lichten Skizzen  Pariser  Strafsen leben s  wohl  nicht,  aber  stellenweise  ge- 
schmacklos, so  z.  B.  5,  32  ff. :   Un  glisseur  sans  la  plaque  blancfie  au  der- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  259 

riere,  c'est  aussi  peu  naturel  qu'un  prince  sans  crachat  sur  la  poitrine  oder 
27,  9  f.  (Ihr  wollt  Italien  sehen  ?  Dazu  kann  ich  euch  verhelfen) :  et  cela, 
moyennant  la  faible  somme  de  quinxe  Centimes,  trois  sous,  juste  le  meme 
prix  que  pour  les  chalets  de  necessite,  usw.  Ob  die  Anmerkungen  deutsch 
oder  französisch  abgefafst  werden,  erscheint  mir  im  Grunde  ziemlich 
gleichgültig;  bei  den  deutschen  —  die  ja  allerdings  den  Schüler  im  Fran- 
zösischdenken stören !  —  genügt  oft  eine  kürzere  Darstellung  und  wird 
häufig  gröfsere  Klarheit  erreicht,  bei  den  französischen  liegt  die  Gefahr 
nahe,  dafs  man  ein  Wort  durch  sich  selbst  erklärt  (so  12,  81:  lampe  de 
schiste.  (Huüe  de)  schiste  est  une  huile  qui  se  prepare  avec  du  schiste; 
e'est  donc  une  lampe  dans  laquelle  on  brüle  cette  huüe;  20,11:  anemique, 
atteint  d'anemie,  sans  force;  47,14:  eboulis,  amas  de  choses  eboulees,  etc.), 
oder  dafs  sie  Schwierigkeiten  nicht  beseitigen,  sondern  im  Gegenteil  neue 
bringen  (so  10,  13:  hublot  ou  hulot  est  un  petit  sabord  pour  donner  de 
l'air  et  pour  laisser  passer  les  cäbles;  20,  22:  l' aubergine  ou  l'albergine 
est  une  variete  de  la  morelle,  dont  . . .  usw.).  Sonst  enthalten  die  Anmer- 
kungen zu  der  vorliegenden  Ausgabe  viel  Überflüssiges  (vgl.  45,  4:  cent 
sous  5  francs),  sie  bringen  allerlei  Namen,  die  den  Schülern  unbekannt 
sind  (3,  22:  Felix  Pyat,  14,  31:  Bruant  usw.),  sie  lassen  zuweilen  im  Stich, 
wenn  man  Unterweisung  erwartet  (so  27,  25  zu  bandit  calabrais  qui  illu- 
strait  les  romances  il  y  a  quarante  ans,  oder  40,  14 :  dans  une  allusion 
transparente  usw.),  oder  sie  —  befriedigen  nicht  recht;  so  25,  16,  wo  der 
herumziehende  Brillenverkäufer:  J'ai . . .  les  bonnes  conserves!  ausruft  und 
conserves  als  eingemachtes  Gemüse  u.  ä.  gedeutet  wird;  27,  7,  wo  le 
pays  oü  fleurit  V oranger  (und  28,  36:  Cest  la)  falsch  erklärt  wird,  vgl. 
Alexandre,  Les  Mots  qui  restent  139  f.;  36,  15,  wo  bondon  eine  Käseart 
ist  und  nicht  la  bonde  d'un  tonneau,  u.  dgl.  mehr. 

Die  drei  letzten  Bändchen  bilden  die  ersten  französischen  Veröffent- 
lichungen der  Neusprachlichen  Reformbibliothek,  herausgegeben  von  Dir. 
Dr.  Bernhard  Hubert  und  Dr.  Max  Fr.  Mann   (Leipzig,  Rofsberg,  1902): 

2)  Quatre  nouvelles  modernes.     Annote'es  par  B.  Hubert. 

3)  Thiers,  Expedition  de  Bonaparte  en  Egypte  et  en  Syrie.    An- 

note*e  par  O.  Schulze. 

4)  Nouveau  choix  de  contes  et  nouvelles  modernes  par  D.  Besse\ 
'Der  fremde  Schriftsteller  mufs   nicht  nur  in  seiner  Sprache  erklärt, 

sondern  es  mufs  auch  die  Übersetzung  aus  der  fremden  Sprache  ins 
Deutsche  umgangen  werden.  Die  Bände  der  Neusprachlichen  Re- 
formbibliothek sind  deshalb  einsprachig,  und  zwar  ersetzt  der  Kom- 
mentar zugleich  die  Präparation  und  das  Spezialwörterbuch',  so 
heilst  es  in  den  Grundsätzen  der  Neusprachlichen  Reformbibliothek.  — 
Dafs  das  Wörterbuchwälzeu  eine  zeitraubende  und  leidige  Arbeit  ist,  ist 
sicher,  dafs  es  aber  ein  besonderer  Genufs  für  den  Schüler  ist,  der  den 
entsprechenden  deutschen  Ausdruck  für  ein  fremdes  Wort  sucht,  aus  den 
in  französischer  Sprache  aufgezählten  Merkmalen  selbst  das  deutsche  Wort 
zu  finden  oder  zu  erraten,  erscheint  mir  nicht  sicher.     Denn  den    klaren 

17* 


260  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

und  bestimmten  deutschen  Ausdruck  mufs  der  Schüler  haben,  wenn  ihm 
der  französische  ebenso  klar  und  bestimmt  sein  soll,  und  wenn  er  auch 
so  reformiert  sein  sollte,  dafs  er  das  gefundene  deutsche  Wort  nicht  aus- 
spricht, so  wird  er,  wenn  er  etwa  bei  Hubert  zu  2,  5  liest:  planche  (f.): 
souvent,  dans  une  chambre,  il  y  a  des  planches  attachees  au  mur  pour  y 
placer  quelque  chose,  doch  wenigstens  bei  sich  denken:  Ah  so,  das  ist  also 
eine  Konsole,  eine  Etagere,  ein  Regal  oder  so  was.  Ist  aber  der  ent- 
sprechende deutsche  Ausdruck  nicht  gefunden,  so  operiert  man  mit  un- 
klaren Begriffen,  und  das  haben  auch  die  Herausgeber  gefühlt;  denn  wer 
weifs  wie  oft  setzen  sie  das  deutsche  Wort  hinzu,  so  Hubert  zu  43,  8: 
l  o  up :  cet  animal  sauvage,  ressemblant  ä  im  grand  ehien,  que  les  Allemands 
appellent  «Wolf»,  oder  Besse  zu  64,  9:  epervier :  gros  oiseau  qui  se  nourrit 
de  petits  oiseaux  (a.  «Sperber»),  oder  Schulze  zu  35,  5:  lentille  (f.):  en 
allemand  «Linse»  —  pigeon:  en  allemand  «Taube»,  und  so  noch  viele  Male, 
leider  aber  nicht  oft  genug.  Mögen  also  auch  die  sachlichen  Erklärungen 
so  französisch  wie  möglich  sein,  mindestens  das  Wörterverzeichnis  sei 
deutsch;  wie  anerkennenswert  es  auch  ist,  dafs  die  Herausgeber,  um  dem 
Schüler  die  Arbeit  des  Nachschlagens  abzunehmen,  sie  sich  selbst  auf- 
bürden, soweit  sie  natürlich  nicht  selbständig  die  Umschreibungen  liefern. 
Bei  einem  Wörterverzeichnis  würde  übrigens  auch  der  Übelstand  ver- 
mieden werden,  dafs  die  Herausgeber  ganz  nach  ihrem  Gutdünken  ein- 
zelne —  und  zum  Teil  alltägliche  —  Wörter  erklären  und  andere,  die  dem 
Schüler  vielleicht  unbekannt  sind,  einfach  mit  Stillschweigen  übergehen; 
man  vergleiche  z.  B.  nur  die  ersten  Seiten  von  Huberts  Annotations  mit 
dem  Text. 

Was  nun  die  einzelnen  Bände  betrifft,  so  enthält  der  von  Hubert 
herausgegebene:  Boum-Boum  von  Claretie,  Une  guenson  difficile  von 
Legouve*,  La  chevre  de  M.  Seguin  von  Daudet,  Yvon  et  Finette  von 
Laboulaye,  die  eine  ganz  passende  Lektüre  für  Mittelklassen  bilden.  Bei 
der  Erzählung  von  Claretie  ist  mir  aufgefallen,  dafs  Huberts  Text,  über- 
einstimmend mit  dem  von  Hengesbach  (in  Maitres  Conteurs,  Berlin  1898), 
manche  Abweichungen  vom  Original  aufweist,  so  Hu.  2,  4.  He.  40,  2: 
une  petite  planche,  Cl.  342:  une  planche;  Hu.  3,  21.  He.  41,  23:  repondait, 
Cl.  344:  repetait;  Hu.  3,  25.  He.  41,  27:  s'entretenaient,  Cl.  344:  s'entre- 
regardaient;  Hu.  6,  7.  He.  44,  7:  Commenl,  Cl.  347:  N'importe  comment; 
Hu.  6,  31.  He.  44,  32:  les  yeux  fixes,  Cl.  348:  les  yeux  levis;  Hu.  7,  29. 
He.  45,  31:  Je  ne  le  verrai  plus,  Cl.  350:  Je  ne  le  verrai  pas.  Aber  diese 
Übereinstimmungen  sind  wohl  zufällig,  denn  wenn  Hubert  den  Text  aus 
den  Maitres  Conteurs  abgedruckt  hätte,  so  hätte  er  es  doch  wohl  sagen 
müssen. 

Die  Auswahl  von  Besse-  (Les  meres  von  Daudet,  Le  retour  von  Bazin, 
La  premiere  Edition  und  Courage  de  femme  von  Normand  und  Anne  des 
lies  von  Feval)  ist  geschickt,  und  die  einzelnen  Stücke  sind  interessant, 
sie  waren  mir  auch  deswegen  besonders  interessant,  weil  ich  sie  in  an- 
deren Sammlungen  noch  nicht  gelesen  hatte.  Eine  bessere  Erklärung 
wäre  zu  wünschen  zu  3,  3  l'ile  de  Laputa:  tle  imaginaire.    Die  Insel 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  261 

Laputa  stammt  bekanntlich  aus  Gullivers  Reisen.  Auch  mit  der  Anmer- 
kung zu  Seraphin  (4,7)  werden  die  Schüler  nicht  viel  anzufangen  wissen. 

Dafs  Bonapartes  Zug  nach  Ägypten  aus  Thiers  in  den  Schulen  gern 
gelesen  wird,  beweist  die  grofse  Zahl  von  Ausgaben,  die  davon  vorhanden 
sind,  und  von  denen  einige  mehrere  Auflagen  erlebt  haben.  Vorarbeiten 
standen  also  reichlich  zur  Verfügung,  und  so  dürfte  der  Herausgeber, 
soweit  sachliche  Erläuterungen  in  Betracht  kamen,  schon  sehr  viel  Brauch- 
bares vorgefunden  haben,  wenn  er  auch  über  einzelne  Punkte  noch  be- 
sondere Studien  angestellt  hat.  Die  Haupttätigkeit  des  Herausgebers 
wird  also  auf  sprachlichem  Gebiet  zu  suchen  sein,  darin,  dafs  er  beson- 
ders darauf  bedacht  war,  die  Einleitung,  die  Anmerkungen  und  den  An- 
hang in  recht  schönem,  korrektem,  gefälligem  Französisch  abzufassen. 
Jedoch  wenn  man  meint,  Herr  Schulze  habe  sich  viel  um  Korrektheit, 
Glätte  des  Stils  und  derartiges  gekümmert,  so  ist  man  im  Irrtum;  er  hat 
höchst  einfach  sein  Manuskript  zu  Herrn  Dr.  Duchesne  geschickt.  'Avant 
de  finir,  nous  nous  faisons  un  devoir  d'exprimer  nos  remerciements  les 
plus  empresses  ä  Monsieur  le  Dr.  A.  Duchesne,  lecteur  de  francais  ä  l'uni- 
versite"  de  Leipzig,  qui  a  bien  voulu  parcourir  notre  manuscrit  et  nous 
donner  ses  conseils  precieux  sur  maint  point  linguistique.'  (Pr£face  IV.) 
Also  die  Mitarbeiter  an  der  einsprachigen  Reformbibliothek  lassen  sich 
—  zum  Teil  wenigstens  —  ihr  Französisch  korrigieren?  Dann  mufs  es 
doch  wohl  so  beschaffen  sein,  dafs  man  es  der  Öffentlichkeit  nicht  zeigen 
darf?  und  trotzdem  lernen  die  Jungen  bei  ihnen  nach  der  neuen  Me- 
thode in  unglaublich  kurzer  Zeit  das  reinste  und  korrekteste  Französisch 
sprechen  und  schreiben.  Dürfen  sich  die  Schüler  ihre  französischen  Ar- 
beiten durchsehen  lassen  ?  Nein,  natürlich  nicht,  aber  die  Reformlehrer 
dürfen  es,  die  nicht  müde  werden,  oft  und  laut  zu  versichern,  nur  sie 
wüfsten  und  nur  sie  könnten.  —  Bei  der  vorliegenden  Ausgabe  betraf, 
wie  wir  gesehen  haben,  die  Haupttätigkeit  des  Herausgebers  die  sprach- 
liche Seite;  der  Titel  des  Buches  müfste  also  richtig  lauten :  Expedition 
de  Bon  aparte  en  Egypte  et  en  Syrie  par  Adolphe  Thiers.  Annotee  par 
Duchesne  et  Schulze. 

Berlin.  H.  Willert. 

i 
Über  Personennamen  in  den  Ortsnamen  Spaniens  und  Portugals. 
Von  Johannes  Jungfer.    Wissenschaft!.  Beilage  zum  Jahres- 
bericht des  Friedrichs-Gymnasiums  zu  Berlin.    Ostern  1902. 

El  Dr.  Jungfer,  profesor  berliner,  ha  publicado  en  esta  memoria  parte 
de  su  gran  obra  en  manuscrito  sobre  'Nombres  propios  geogräficos  de 
Espana',  limitändose  ahora  ä  los  de  personas  en  los  de  pueblos.  Hay  en 
estos  un  material  inmenso  que  estudiar,  hasta  el  presente  descuidado. 
De  apellidos,  solo  tenemos,  que  yo  sepa,  el  libro  de  Godoy  Alcäntara, 
titulado  'Ensayo  histörico  etimolögico  filologico',  defectuoso,  especialmente 
en  cuanto  ä  etimologias.  En  esto,  el  nuevo  trabajo  supera  con  mucho 
ä  aquel,  si  bien   el  autor  no  es  filölogo,  sino  historiador.    Algunas  hay 


262  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

interesantisimas,  v.  gr.  Bolibar,  del  vasco  bolibarri,  bolini-barri,  cuya  pri- 
mera  parte  es  indudablemente  castellana,  molino,  con  la  m  cambiada  en  b, 
al  revös  que  en  macallao  (bacalao),  makilla  (bäculo),  Matrolo  (Bartolo), 
mimmdia  (bimendia,  dos  montes),  etc.  El  origen  que  Pott  le  atribuyo, 
olivar,  es  de  los  llamados  de  mocosuena  (como  suena). 

Paeheco  es  sin  duda  Pachico,  diminutivo  de  Pacho,  como  lo  es  Pacorro 
de  Paco,  Francisco,  y  como  es  aumentativo  de  igual  forma  Pachon,  que 
no  viene  de  patiens  ni  del  flamenco  patryshond,  etimologias  que  la  Aca- 
demia  inventö  para  su  uso  particular. 

Kespecto  ä  nava,  nombre  tan  discutido  y  que  tanto  preocupö  al 
Sr.  Hübner,  quien  me  preguntö  si  conocia  su  origen,  no  lo  creo  vasco. 
Acudir  al  vascuence  cuando  se  ignora  de  dönde  procede  un  vocablo,  es 
como  el  recurso  acadömico  de  refugiarse  en  el  ärabe  cuando  no  se  sabe 
por  dönde  salir.  Me  parece  sencillamente  que,  asi  como  los  valles  an- 
gostos  llevan  la  denominaciön  de  hox,  acepciön  que  la  Academia  no  trae 
en  sentido  de  alfox,  que  es  lo  mismo  y  nada  tiene  que  ver  con  el  ärabe, 
al  valle  ancbo  debieron  de  compararle  con  nave. 

El  nombre  Coso  de  Zaragoza  ('abreviaciön  Saracosta,  de  Caesarau- 
gusta'),  no  se  relaciona  etimolögicamente,  por  supuesto,  con  su  apelaciön 
anterior,  foso,  sino  que  tue"  llevado  de  Italia  por  los  soldados  aragoneses. 
Hacerle  venir  de  eursus  (Acad.)  es  desatino.  Sierra  Morena  ('dunkles  Ge- 
birge') puede  compararse  con  Scimarxwald. 

Ha  pasado  por  mis  manos  todo  el  manuscrito  de  la  extensa  obra,  de 
la  cual  solo  es  pequefia  parte  esta,  y  el  autor  debe  de  tener  en  las  suyas 
infinidad  de  observaciones  que  me  ha  sugerido  su  lectura.  Como  estudio 
histörico,  esta  becho  con  la  mayor  paciencia  y  minuciosidad,  habiendo 
acudido  ä  muchos  libros  de  consulta,  entre  los  que  bay  unos  cuantos  que 
be  prestado  gustoso.  El  'Zeitschrift  für  romanische  Philologie',  los  nom- 
bres  Hübner,  Schuchardt,  Humboldt,  etc.,  las  mejores  autoridades  figuran 
en  el  trabajo,  muy  recomendable  ä  los  romanistas. 

Berlin.  P.  de  Mugica. 


Verzeichnis 

der   vom  1.  Dezember  1902   bis   zum  10.  März  1903 
bei  der  Redaktion  eingelaufenen  Druckschriften. 


The  American  Journal  of  philology.  XXIII,  3  [W.  P.  Mustard,  Tenny- 
soniana.  —  Reviews:  Pessel's  Present  and  past  periphrastic  tenses  in  Ags. ; 
Calloway's  Appositive  participle  in  Ags.].  —  4  [V.  F.  Smith,  The  tale  of 
Gyges  and  the  king  of  Lydia.   —   Report:   Romania;  Englische  Studien]. 

Zeitschrift  für  österreichische  Volkskunde.  VIII,  6  (Januar  1903) 
[J.  Blau,  Huhn  und  Ei  in  Sprache,  Brauch  und  Glauben  des  Volkes  im 
oberen  Angeltale,  Böhmerwald.  —  R.  Kaindl,  Beiträge  zur  Volkskunde  des 
Ostkarpathengebietes.  -  -  Kleine  Mitteilungen,  Chronik,  Bibliographie]. 

Journal  of  comparative  literature,  edited  by  G.  E.  Woodberry, 
J.  B.  Fletcher,  J.  E.  Spingarn.  New  York,  McClure.  I,  1  [Edito- 
rial.  —  Ch.  Bastian,  Huguenot  thought  in  England.  —  J.  E.  Spingarn, 
Unpublished  letters  of  an  English  humanist.  —  P.  Toldo,  Moliere  en 
Italic  —  Notes,  reviews].     101  S.    Jährlich  M.  12. 

Sutro,  E.,  Das  Doppelwesen  der  menschlichen  Stimme.  Versuch 
einer  Aufklärung  über  das  seelische  Element  in  der  Stimme.  Berlin, 
Fussinger,  1902.     XIV,  324  S.     M.  3. 

Grammont,  M.,  Observations  sur  le  langage  des  enfants  (Extrait 
des  Melanges  linguistiques  offerts  ä  M.  A.  Meillet  par  ses  Kleves).  Macon, 
Protat,  1902.    26  S.  8. 

Rieger,  W.  L.,  Ziffern -Grammatik,  welche  mit  Hilfe  der  Wörter- 
bücher ein  mechanisches  Übersetzen  aus  einer  Sprache  in  alle  anderen  er- 
möglicht.   Graz,  Styria,  1903.    XII,  196  S. 

Literaturblatt  für  germanische  und  romanische  Philologie.  XXIII, 
11,  12;   XXIV,  1,  2  (Nov.  1902  —  Febr.  1903). 

Modern  language  notes.  XVII,  7  [D.  H.  Gerould,  Offa  and  Labhraidh 
Maen.  —  C.  Searles,  The  Leodilla  episode  in  Bojarclo's  Orlando  innamo- 
rato.  IL  —  R.  Ferguson,  Goldsmith  and  the  notions  Grille  and  Wandrer 
in  Werther's  Leiden.  IL  —  A.  S.  Cook,  Old  English  notes.  —  G.  Hempl, 
Etymologies.  I.  —  J.  W.  Bright,  Notes  on  the  Caedmonian  Exodus].  — 
8  [G.  Hempl,  Etymologies.  IL  —  F.  E.  Bryant,  Did  Boccaccio  suggest 
the  character  of  Chaucer's  Knight?  —  J.  D.  Rodeffer,  Chaucer  and  the 
Roman  de  Thebes.  —  L.  S.  Potwin,  The  source  of  Tennyson's  'Lady  of 
Shalott'.  —  J.W.  Bright,  Notelets  on  the  Canterbury  tales.  —  E.  B.  Reed, 
Herrick's  indebtedness  to  Ben  Jonson.  —  C.  C.  Clark,  A  possible  source 
of  Matthew  Arnold's  Dove  Beach.  —  J.  C.  Adams,  Incidents  from  the 
life  of  St.  George,  1416].  —  XVIII,  1  [J.  F.  Tupper,  The  comparative 
study  of  riddles.  —  D.  B.  Shumway,  Notes  on  Murner's  Schelmenzunft.  — 
F.  A.  Wood,  Etymological  notes.  —  C.  C.  Marden,  Notes  on  the  text  of 


264  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

the  Libre  d'Apolonie].  —  2  [W.  H.  Hulme,  Hrotswitha  and  Terence.  — 
C.  A.  Turrell,  A  contribution  to  the  study  of  König  Kother.  —  0.  M. 
Johnston,  The  Old  French  adverb  totejor.  —  0.  B.  Schlutter,  Other  doubt- 
ful  words  in  Sweet's  Dictionary  of  Ags.  —  R.  T.  Holbrook,  Romanic 
lexicographical  miscellanies]. 

Die  neueren  Sprachen  .  .  .  herausgegeben  von  W.  Vietor.  X,  7 
[Fr.  Klincksieck,  Die  Lektoratsfrage.  Berichte.  Besprechungen.  Ver- 
mischtes]. 8  [Anna  Brunnemann,  Victor  Hugo.  Berichte.  Besprechungen. 
Vermischtes].  9  [E.  W.  Scripture,  A  record  of  the  melody  of  the  Lord's 
Prayer.    Berichte.     Besprechungen]. 

The  modern  language  quarterly.  V,  3  [A.  Rambeau,  Augiers  L'Aven- 
turiere  of  1848  and  1860.  —  Observations,  reviews,  modern  language 
teaching  etc.]. 

Schweizerisches  Archiv  für  Volkskunde  . . .  herausgeg.  von  Ed.  Hof  f- 
mann-Krayer  und  Jules  Jeanjaquet.  VI,  4  [S.  Meier,  Volkstümliches 
aus  dem  Frei-  und  Kelleramt.  A.  Rossat,  Chants  patois  jurassiens. 
H.  Schuppli,  Kinderlieder.  E.  Bufs,  Der  Alpsegen  im  Entlebuch.  Mis- 
zellen.    Bücheranzeigen.     Fragekasten]. 

Schweizerisches  Idiotikon  . . .  XLVI.  Heft  (Band  V.  Bogen  22—31). 
Bearbeitet  von  A.  Bachmann  und  R.  Schoch,  H.  Bruppacher, 
E.  Schwyzer.    Frauenfeld,  Huber,  1902.    4. 

Schöne,  Prof.  Alfred,  Über  die  beiden  Renaissancebewegungen  des 
15.  und  18.  Jahrhunderts.  Rede  zur  Feier  des  Geburtstages  Seiner  Majestät 
des  Deutschen  Kaisers  und  Königs  von  Preufsen  Wilhelm  IL  gehalten  an 
der  Christian -Albrechts-Universität  am  27.  Januar  1903.  Kiel,  Lipsius  & 
Tischer,  1903.    24  S.  8. 

Maurus,  P.,  Die  Wielandsage  in  der  Literatur  (Münchener  Beiträge 
herausgegeben  von  Breymann  und  Schick,  25).  Erlangen,  Deichert,  1902. 
XXV,  226  S.    M.  5. 

Thiergen,  Dr.  Oscar,  Professor  am  Königl.  Kadettenkorps  Dresden, 
Methodik  des  neu  philologischen  Unterrichts.  Leipzig,  Teubner,  1902.  183  S.  8. 

G utersohn,  J.,  Prof.,  Zur  Methodik  des  neusprachlichen  Unterrichts. 
Beilage  zum  Programm  des  Gymnasiums  in  Lörrach.  Lörrach,  Gutsch, 
1902.    37  S.  4. 

The  Journal  of  Germanic  philology.  IV,  1  [P.  S.  Allen,  Unpublished 
sonnets  of  Wilhelm  Müller.  —  G.  T.  Flom,  Etymological  notes  on  some 
English  dialect  words.  —  K.  Campbell,  Source  of  Davenant's  Albovine.  — 
E.  H.  Mensel,  Zu  den  langen  Flexions-  und  Ableitungssilben  im  Ahd.  — 
G.  Hemple,  Ae.  heerfest.  —  A.  S.  Cook,  Arming  of  combatants  in  the 
knight's  tale.  —  M.  Schuyler  Jr.,  Etymology  of  Dutch  'Kabeljauw'.  — 
C.  C.  Bushnell,  A  parallelism  between  Lucan  and  lines  in  'Tintern  Abbey'. 

—  A.  H.  Thorndike,  Relation  of  'As  you  like  it'  to  Robin  Hood  plays.  — 

—  G.  Hemple,  The  runes  and  the  Germanic  shift.  —  Reviews]. 

German  American  annals,  continuation  of  the  quarterly  Americana 
Germanica.  A  monthly  devoted  to  the  comparative  study  of  the  histo- 
rical,  literary,  linguistic,  educational  and  commercial  relations  of  Germauy 
and  America  [M.  Learned,  The  American  ethnographical  survey ;  Benj.  Herr's 
Journal  of  1830;  German  day  in  New  York.  —  K.  Francke,  Deutsche 
Persönlichkeit.  —  G.  J.  Hexamer,  German  achievement  in  America.  — 
H.  W.  Putnam  and  H.  Small,  Annual  report  of  the  German  Museum 
Association.  —  Studies  and  problems.  —  New  publications].  Berlin,  Mayer 
u.  Müller;  New- York,  Stern;  Leipzig,  Brockhaus,  1903.     72  S.    25  cents. 

Life  and  times  of  G.  J.  Goschen,  publisher  and  printer  of  Leipzig 
1752 — 1828,  by  his  grandson  Viscount  Goschen.  In  two  vols.  illustrated. 
London,  J.  Murray,  1903.    XXI,  465,  VIII,  481  S.     Geb.  M.  32  net. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  205 

Ritterhaus,  Adeline,  Privatdozent  an  der  Univ.  Zürich,  Die  neu- 
isländischen Volksmärchen.  Ein  Beitrag  zur  vergleichenden  Märchen- 
forschung.    Halle  a.  S.,  Niemeyer,  1902.    L,  457  S.    M.  12. 

C ollin,  Chr.,  Björnstjerne  Björnson.  In  2  Bänden.  Einzige  berech- 
tigte Übersetzung  aus  dem  Norwegischen  von  C.  G.  Mjöen.  Band  I, 
1832—1850.    Mit  22  Illustrationen.    München,  Langen,  1903.     194  S. 


Weise,  O.,  Prof.,  Ästhetik  der  deutschen  Sprache.  Leipzig,  Teubner, 
1903.  VIII,  309  S.  LA.  Allgem.  Teil:  Die  Schönheiten  unserer  Sprache. 
a)  Lautwirkungen,  b)  Kraft  und  Milde  des  Ausdrucks,  c)  Würde  und 
Anmut,  d)  Anschaulichkeit  und  Lebendigkeit,  e)  Anhang.  —  B.  Besonderer 
Teil:  Die  Schönheiten  der  poetischen  Ausdrucksweise,  a)  Sprache  Goethes 
und  Schillers,  b)  Schmuck  und  Reinheit  der  Dichtersprache,  c)  Ein  Blick 
in  die  Dichterwerkstatt,  d)  Einflüsse  bestimmter  Gegenden,  e)  Metrisches. 
Ein  gutes,  anregendes  Buch,  aus  dem  für  den  Unterricht  viel  zu  gewinnen 
ist.    A.  B.] 

Janus  -  Blätter  für  Literaturfreunde,  Monatsschrift  für  Literatur  und 
Kritik.  Jauer,  O.  Hellmann.  I,  1  [Grillparzer-Heft]  —  2  [Ibsen-Heft]  — 
3  [Lenau-Heft]  —  4  LDehmel-Heft]. 

Martin,  Ernst,  Dr.,  o.  Prof.  d.  deutschen  Philologie,  Wolfram  von 
Eschenbach,  Rede  zur  Feier  des  Geburtstages  S.  Majestät  des  Kaisers  am 
27.  Januar  1903  in  der  Aula  der  Kaiser-Wilhelms-Universität  Strafsburg 
gehalten.     Strafsburg,  Hertz,  1903.    23  S.  8.     M.  1. 

Schillers  philosophische  Schriften  und  Gedichte  (Auswahl).  Zur  Ein- 
führung in  seine  Weltanschauung.  Mit  ausführlicher  Einleitung  heraus- 
gegeben von  E.  Kühnemann  (Philosophische  Bibliothek,  Bd.  103).  Leip- 
zig, Dürr,  1902.    328  S.    M.  2. 

von  Platen,  August  Graf,  Dramatischer  Nachlafs,  herausgeg.  von 
E.  Petzet.    Berlin,  Behr,  1902.     LXXXXVII,  193  S.     M.  6. 

Deutsche  Art.  Auszüge  aus  den  Schriften  von  E.  M.  Arndt,  nebst 
einigen  Briefen  una  Gedichten  (Lebende  Worte  und  Werke,  III).  Düssel- 
dorf und  Leipzig,  Langenwinter,  1903.     172  S. 

Tardel,  H.,  Dr.,  Studien  zur  Lyrik  Chamissos.  Bremen,  Winter, 
1902.     64  S.    M.  1. 

Jessen,  K.  D.,  Heinses  Stellung  zur  bildenden  Kunst  (Palaestra 
XXI).    Berlin,  Mayer  &  Müller,  1902.    XVIII,  226  S.     M.  7. 

Erinnerungsblätter  aus  dem  Leben  Luise  Mühlbachs.  Gesammelt  und 
herausgeg.  von  ihrer  Tochter  Thea  Ebersberge r.     Leipzig,  H.  Schmidt, 

1902.  XVII,  307  S.    M.  5. 

Boetticher,G.,  Prof.  Dr.,  Hermann  Sudermann,  Frau  Sorge  (Deutsche 
Dichter  des  19.  Jahrhunderts.  Ästhetische  Erläuterungen,  herausgeg.  von 
Lyon,  3).    Leipzig,  Teubner.    46  S.     M.  0,50. 

Loewenberg,  J.,  Gustav  Frenssen  (von  der  Sandgräfin  bis  zum 
Jörn  Uhl).    Mit  einem  Bildnis  Gustav  Frenssens.     Hamburg,  Glogau  jr., 

1903.  39  S.    M.  0,50. 

Büchmann,  G.,  Geflügelte  Worte.  Der  Citatenschatz  des  deutschen 
Volkes,  gesammelt  und  erläutert.  Fortgesetzt  von.W.  Robert-tornow. 
21.  verm.  u.  verb.  Aufl.  bearb.  von  E.  Ippel.  Berlin,  Haude  &  Spener, 
1903.    XXXI,  823  S. 

Hauffen,  A.,  Die  deutsche  mundartliche  Dichtung  in  Böhmen  (er- 
weiterter Sonderabdruck  aus  der  Monatsschrift  'Deutsche  Arbeit').  Prag, 
Calve,  1903.    92  S. 

Goedel,  G.,  Etymologisches  Wörterbuch  der  deutschen  Seemanns- 
sprache.   Kiel  u.  Leipzig,  Lipsius  &  Tischer,  1902.     520  S.    M.  7. 

Waldeckisches  Wörterbuch  nebst  Dialektproben,  gesammelt  von 
H.  Bauer,  Rechtsanwalt,  herausgeg.  von  Prof.  Dr.  H.  Collitz  (Wörter- 


266  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

bücher  herausgeg.  vom  Verein  f.  niederd,  Sprachforschung,  IV).     Norden 
u.  Leipzig,  Soltau,  1902.    XXVI,  108,  320  S.    Brosch.  M.  8. 

Siebs,  Th.,  Prof.  Dr.,  Zur  Einführung  der  neuen  Rechtschreibung. 
Ein  Wort  an  alle,  besonders  an  die  Behörden.    Breslau  1903.     14  S. 

Velhagen  und  Klasings  Sammlung  deutscher  Schulausgaben.  97.  u. 
98.  Lieferung.  Deutsche  Prosa.  III.  und  IV.  Teil:  Moderne  erzählende 
Prosa.  Bielefeld  und  Leipzig,  Velhagen  &  Klasing,  1903.  XXVI,  156, 
XVIII,  192  S.  12°.    Geb.  ä  M.  1. 

Jaeger,  O.,  Deutsche  Dichterstoffe  in  Aufsatzform,  vermehrt  durch 
Einzelsätze,  für  den  Unterricht  in  der  Rechtschreibung.    Zum  Gebrauche 
an  höheren  Lehranstalten  sowie  Bürgerschulen  und  für  den  Privatunterricht. 
3.  verb.  u.  verm.  Aufl.    Leipzig,  Freytag,  1903.    VIII,  136  S.   Geb.  M.  2. 
Freytags  Schulausgaben  und  Hilfsbücher  für  den  deutschen  Unterricht: 
Schillers  Gedankenarbeit.    Für  Schule  und  Haus.     Herausgeg.  von  Ge- 
heimrat Dr.  A.  Matthias.    179  S.    Geb.  M.  1. 
Grillparzers  Gedichte   und   Prosa  (Auswahl).     Für  den   Schulgebrauch 
herausgeg.  von  Geheimrat  Dr.  A.  Matthias.    175  S.    Geb.  M.  1,50. 
Das  goldene  Vlies,  für  den  Schulgebrauch  herausgeg.  von   Geheimrat 

Dr.  A.  Matthias,    216  S.    Geb.  M.  1. 
Der  Traum  ein  Leben,  für  den  Schulgebrauch  herausgeg.  von  Geheimrat 

Dr.  A.  Matthias.     112  S.     Geb.  M.  0,75. 
König  Ottokars  Glück  und  Ende,  für  den  Schulgebrauch  herausgeg.  von 

Dr.  G.  Waniek.     176  S.    Geb.  M.  1. 
Ein  Bruderzwist  im  Hause  Habsburg,  für  den  Schulgebrauch  herausgeg. 

von  Dr.  G.  Waniek.     140  S.    Geb.  M.  0,80. 
Weh  dem,  der  lügt,  für  den  Schulgebrauch  herausgeg.  von  R.  Scheich, 
k.  k.  Gymnasialprofessor.     94  S.     Geb.  M.  0,75. 

Englische  Studien.  XXXI,  3  [P.  Fijn  van  Draat,  The  loss  of  the 
prefix  ge-  in  the  modern  English  verb  and  some  of  its  consequences.  — 
H.  A.  Nesbitt,  On  some  difficulties  in  learning  English.  —  E.  Ruete, 
O.  Gildemeister].  —  XXXII,  1  [W.  Heuser,  Eine  neue  me.  Version  der 
Theophilus-Sage.  —  J.  Douglas  Bruce,  The  breaking  of  the  deer  in  'Sir 
Gawayne  and  the  green  knight'.  —  W.  J.  Lawrence,  Some  characteristics 
of  the  Elizabethan  -  Stuart  stage.  —  P.  H.  Pughe,  Matthew  Arnold  as 
critic  of  his  age  and  social  reformer.  —  H.  Eitrem,  Stress  in  English 
verbs  -f-  ad  verb  groups]. 

Anglia  XXV,  4  [R.  A.  Williams,  Die  Vokale  der  Tonsilben  im  Codex 
Wintoniensis.  —  Albrecht  Wagner,  Eine  Sammlung  von  Shakespeare- 
Quartos  in  Deutschland].  —  XXVI,  1,2  [F.  Küchler,  Carlyle  und  Schiller. 
—  Ewald  Flügel,  Liedersammlungen  des  XVI.  Jahrhunderts,  besonders 
aus  der  Zeit  Heinrichs  VIII.  IV.  —  O.  B.  Schlutter,  Zu  den  ae.  Denk- 
mälern: eine  zweite  Abwehr  und  Richtigstellung]. 

Beiblatt  zur  Anglia.   XIII,  11,  12;  XIV,  1,  2  (Nov.  1902  — Febr.  1903). 

Sickermann,  Dr.  H.,  Kurze  Geschichte  der  engl.  Literatur  in  den 
Grundzügen  ihrer  Entwickelung.  Mit  Zeittafel  und  Namenregister  (Leh- 
manns Volkshochschule,  2.  Bändchen).  Stuttgart  u.  Zweibrücken,  F.  Leh- 
mann, 1902.     164  S.  12°. 

Allen,  Ph.  Seh.,  Studies  in  populär  poetry  (Decennial  publications 
of  the  university  of  Chicago).    Chicago,  University  press,  190'^.    23  S.  fol. 

Miles,  L.  W.,  King  Alfred  in  literature.  Diss.  of  Johns  Hopkins 
univ.     Baltimore,  Murphy,  1902.    130  S. 

Björkman,  E.,  Skandinavian  loan-words  in  Middle English.  Part  I 
(Studien  zur  engl.  Philologie  herausgeg.  von  Morsbach,  XI).  Halle,  Nie- 
meyer, 1902.     S.  193—360.    M.  5. 

Stolze,  M.,  Zur  Lautlehre  der  altengl.  Namen  im  Doomsday  book. 
Berlin,  Mayer  &  Müller,  1903.    50  S. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  267 

Vogel,  Zur  Flexion  des  englischen  Verbums  im  XI.  und  XII.  Jahr- 
hundert.    Berlin,  Mayer  &  Müller,  1903.     70  S.    M.  1,60. 

Western,  Jessie  L.,  The  three  day's  tournament,  a  study  in  romance 
and  folklore,  being  an  appendix  to  the  author's  'Legend  of  Sir  Lancelot' 
(Grimm  library  XV).    London,  Noett,  1902.    59  S.    2  sh. 

ürtmann,  Fr.  J.,  Formen  und  Syntax  des  Verbs  bei  Wycliffe  und 
Purvey.  Ein  Beitrag  zur  me.  Grammatik.  Nebst  einem  Anhange.  Berlin, 
Mayer  &  Müller,  1902.    VII,  195  S.    M.  2,40. 

Schünemann,  M.,  Die  Hilfszeitwörter  in  den  engl.  Bibelübersetzungen 
der  Hexapla  (1388—1611).  Berlin,  Mayer  &  Müller,  1902.  60  S.  M.  1,60. 
Wager,  Lewis,  The  life  and  repentaunce  of  Marie  Magdalene.  A  mo- 
rality  play  reprinted,  from  the  original  edition  of  1566 — 7,  edited  with  intro- 
duction,  notes,  and  glossarial  index  by  F.  J.  Carpenter.  Chicago,  The 
university  press,  1902.    XXXV,  91  S. 

Sander,  G.  H.,  Das  Moment  der  letzten  Spannung  in  der  englischen 
Tragödie  bis  zu  Shakespeare.    Berlin,  Mayer  &  Müller,  1902.    68  S. 

Lily,  John,  The   complete  works,   now  for  the   first  time  collected 
and  edited  from  the  earliest  quartos  with  life,  bibliography,  essays,  notes, 
and  index,  by  R.  W.  Bond.    3  vols.    Oxford,  Clarendon  press,  1902.   42  sh. 
Bekk,  A.,  Shakespeare.   Des  Dichters  Bild,  nach  dem  Leben.    Pader- 
born, Schöningh,  1902.     143  S. 

von  Mauntz,  A.,  Heraldik  in  Diensten  der  Shakespeare-Forschung. 
Selbststudien.     Berlin,  Mayer  &  Müller,  1902.    XI,  331  S. 

Tolman,  A.  H.,  Wl.it  has  become  of  Shakespeare's  play  'Love's 
labour's  won'  ?  (The  decennial  publications,  from  vol.  VII).  Chicago,  The 
university  of  Chicago  press,  1902.    34  S.  fol. 

Deloney,  Th.,  The  gentle  craft.  Edited  with  notes  and  introduction 
by  Prof.  Dr.  A.  F.  Lange  (Palaestra  XVIII).  Berlin,  Mayer  &  Müller, 
1903.     XLIV,  128  S.     M.  8. 

The  faire  maide  of  Bristow,  a  comedy  now  first  reprinted  from  the 
quarto  of  1605,  edited  with  an  introduction  and  notes  by  A.  H.  Quinn. 
Publications  of  the  university  of  Pennsylvania,  series  in  philolotry  and 
literature,  VIII,  1.     Philadelphia,  Ginn,  1902.     96  p.  4°.     $  1. 

Brandl,  L.,  Erasmus  Darwin's  Temple  of  nature  (Wiener  Beiträge 
zur  englischen  Philologie,  XVI).  Wien  und  Leipzig,  Braumüller,  1902. 
XII,  203  S. 

The  poems  of  Anne  Countess  of  Wincelsea,  from  the  original  edition 
of  1713  and  from  unpublished  mss.  edited  with  an  introduction  and  notes 
by  Myra  Reynolds  (The  decennial  publications,  2"<l  series,  vol.  V).    Chi- 
cago, The  university  of  Chicago  press,  1903.     CXXXIV,  436  S. 
Collection  of  British  authors.    Tauchnitz  edition.     ä  M.  1,60. 
Vol.  3613 — 14:  A.  Hope,  The  intrusions  of  Peggy. 
„      3615:    R.  Kipling,  Just  so  stories. 
„     3616:   E.  Th.  Fowler,  Fuel  of  fire. 
„     3617:   W.  E.  Norris,  The  credit  of  the  country. 
„     3618:   H.  G.  Wells,  The  sea  lady. 
„     3619—20:   R.  N.  Carey,  The  highway  of  fate. 
„     3621—2:   R.  Hitchens,  Felix. 
„     3623—24:   C.  M.  Crawford,  Cecilia. 
„     3625:   S.  Levett- Yeats,  The  Lord  Protector. 
„     3626:   Rhoda  Broughton,  Lavinia. 
„     3627:   F.  Anstey,  A  Bayard  from  Bengal. 
fl     3628:   W.  W.  Jacobs,  The  lady  of  the  bärge. 
fl     3629:   G.  Parker,  Donovan  Pasha  and  some  people  of  Egypt. 
„     3630—1:   A.  E.  Mason,  The  four  feathers. 
„     3632:   M.  Pemberton,  The  house  under  the  sea. 
„     3633—34:   Th.  Dixon,  The  leopard's  spots. 


268  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Pünjer,  J.,  Rektor,  und  H.  Heine,  Oberlehrer,  Lehrbuch  der  engl. 
Sprache  für  Handelsschulen.  Kleine  Ausgabe  mit  einem  Anhange.  Berlin, 
Carl  Meyer.     VII,  119  S.    Geb.  M.  1,20. 

Schöninghs    Ausgaben    ausländischer    Klassiker    mit    Erläuterungen. 

V.  Shakespeares  König  Lear,  mit  Anmerkungen  von  L.  Schunck,  Ober- 
lehrer.   Paderborn,  Schöningh,  1902.     168  S. 

Gesenius,  F.  W.,  English  syntax,  translated  from  the  'Grammatik 
der  engl.  Sprache'.    3rrt  edition,  8.— 10.  thousand.     Halle,  Gesenius,  190?.. 

VI,  184  S.     Brosch.  M.  2. 

Lehmann,  E.,  Professor  in  Kaiserslautern,  Lehr-  und  Lesebuch  der 
englischen  Sprache.  Nach  der  Anschauungsmethode  mit  Bildern  bearbeitet. 
Nebst  einem  grammatischen  und  poetischen  Anhang.  7.  gänzlich  neubearb. 
Auflage.     Mannheim,  Bensheimer,  1902.     246  S. 

Frey  tags  Sammlung  französischer  u.  englischer  Schriftsteller.   Leipzig, 
Freytag.    8.    Geb. 
W.  Preston,   History   of  the  conquest  of  Mexico,  herausgeg.  von  Prof. 
Job.   Leitritz.     I.  Bd.,  VIII,   126  S.,  M.  1,50;  hiezu  ein  Wörter- 
buch, M.  0,60.    IL  Bd.,  IV,  122  S.,  M.  1,50;  hiezu  ein  Wörterbuch, 
M.  0,60. 
J.  S.  Fletcher,  In  the  days  of  Drake,  gekürzt  herausgeg.  von  Dr.  Kon- 
rad Mai  er.    VIII,  86  S.,  M.  1,20;  hiezu  ein  Wörterbuch,  M.  0,40. 
G.  A.  Henty,   Wulf  the  Saxon,   a  story  of  the  Norman   conquest,  ge- 
kürzt herausgeg.  von  Oberl.  Dr.  R*.  Besser.    IV,  119  S.,  M.  1,40; 
hiezu  ein  Wörterbuch,  M.  0,50. 
Walter  Scott,  The  talisman,  a  tale  of  the  crusaders.    In  gekürzter  Fas- 
sung für  den  Schulgebrauch  herausgeg.  von  J.  Bube.    VIII,  136  S., 
M.  1,50;  hiezu  ein  Wörterbuch,  M.  0,60. 
H.  C.  Adams,  The  first  of  June,  or  schoolboy  rivalry.    Für  den  Schul- 
gebrauch herausgeg.  von  Oberlehrer  Dr.  H.  Ullrich.    VI,  117  S., 
M.  1,40;  hiezu  ein  Wörterbuch,  M.  0,50. 
G.  A.  Henty,  Bonnie  Prince  Charlie.     Gekürzt  für  den  Schulgebrauch 
herausgeg.  von  Oberlehrer  J.  Mättig.    VI,  125  S.,  M.  1,50;  hiezu 
ein  Wörterbuch,  M.  0,50. 
Englische  und  französische  Schriftsteller  der  neueren  Zeit.    Für  Schule 
und  Haus  herausgegeben  von  J.  Klapperich: 
XVIII.  Bändchen :    London    old   and    new,   History  —  monuments   — 
trade  —  government,  ausgewählt  und  mit  erläuternden  Anmerkungen 
herausgeg.  von  Prof.  Dr.  J.  Klapperich.   Mit  11  Abbildungen  und 
1  Plan  von  London.    Glogau,  Flemming,  1902.    VIII,  112  S. 
Englisches  Lesebuch  von  J.  Seh  mar  je  und  E.  Barnstorf  f.    2.  verb. 
Auflage.     Flensburg,  A.  Westphalen,  1902.    VIII,  265  S.    Geh.  M.  1,80. 
Velhagen  und  Klasings  Sammlung  französischer  und  englischer  Schul- 
ausgaben.    English  authors.    Bielefeld  und  Leipzig: 
Lief.  82  B:  J.  K.  Jerome,  Three  men  in  a  boat  (to  say  nothing  of  the 
dog).   Mit  Anm.  zum  Schulgebrauch  herausgeg.  von  Dr.  K.  Horst, 
Oberlehrer.    Mit  1   Karte  der  Themse  und   7  Abbildungen.     1902. 
VIII,  134  S.,  dazu  28  S.  Wörterbuch.     Geb.  M.  1,30. 
Lief.  83  B:  M.  R.  Mitford,  Selected  stories  from  Our  village,  herausgeg. 
von  Prof.  Dr.  G.  Hallbauer.    1902.  VI,  88  S.,  dazu  27  S.  Wörter- 
buch.    M.  0,90. 
Lief.  84   B:    J.   Milton,   Paradise   lost    (book   I— VI),    herausgeg.    von 
Oberlehrerin  Luise  Spies.    1902.  X,  123  S.,  dazu  39  S.Wörterbuch. 


Revue  des  langues  romanes  XLV,  6,  novembre  1902  [B.  Sarrieu,  Le 
parier  de  Bagneres-de-Luchon  et  de  sa  valtee  (Haute-Garonne).  A.  Vidal, 
Les  cartulaires  d'Albi.     PeUissier,   Documents  sur  les  relations  de  l'empe- 


Verzeichnis  der  eingelaufener!  Druckschriften.  269 

reur  Maximilien  et  de  Lud.  Sforza  (suite).  G.  TheVond,  Contes  langue- 
dociens  (suite).     Bibliographie.     Ohronique]. 

Vollniöller,  Karl,  Zweites  Beiheft  zu  'Über  Plan  und  Einrichtung 
des  Romanischen  Jahresberichtes.  Erlangen,  Junge,  l%z.  XXII,  224  S.  8 
[S.  IX- XIX  Plan  des  Jahresberichtes.  S.  XX— XXII  Verzeichnis  der 
jetzigen  Mitarbeiter.  S.  1 — 148  Sechstes  Verzeichnis  der  für  den  Jahres- 
bericht bis  Anfang  1901  eingelieferten  Rezensionsexemplare.  S.  149 — 188 
Siebentes  desgleichen  reichend  bis  April  1902.  Verzeichnis  der  im  Jahres- 
bericht gebrauchten  neuen  Abkürzungen.  Verzeichnis  der  darin  citierten 
Zeitschriften,  Sammelwerke  usw.  mit  den  dafür  gebrauchten  Abkürzungen]. 

Zauner,  Dr.  Adolf,  Die  romanischen  Namen  der  Körperteile.  Eine 
onomasiologische  Studie.  Eingereicht  als  Habilitationsschrift  bei  der  philo- 
sophischen Fakultät  in  Wien.    Erlangen,  Junge,  1902.     194  S.  8. 


Revue  de  philologie  francaise  et  de  littörature  p.  p.  L.  Cledat. 
XVII,  1  [P.  Horluc  et  L.  Cledat,  La  rep6tition  de  'si'  dans  les  propo- 
sitions  conditionnelles  coordonnees  (bezieht  sich  auf  Abschnitt  3  der  vierten 
Reihe  der  Verm.  Beitr.,  Sitzungsberichte,  28.  Febr.  1901).  L.  Cledat,  Le 
participe  passe,  le  passe"  compose'  et  les  deus  auxiliaires.  F.  Baldensperger, 
Les  premieres  deiinitions  francaises  de  l'humour.  —  Comptes  rendus. 
Chronique.     Comptes  rendus  sommaires]. 

Zeitschrift  für  französ:«che  Sprache  und  Literatur  . . .  herausgeg.  von 
Dr.  D.  Behrens,  Prof.  an  der  Universität  zu  Giefsen.  XXV,  2  u.  4.  Der 
Referate  und  Rezensionen  erstes  und  zweites  Heft.    Berlin,  Gronau,  1903. 

La  vie  de  saint  Alexis,  poeme  du  XIe  siecle,  texte  critique  accom- 
pagne"  d'un  lexique  complet  et  d'une  table  des  assonances,  publik  par 
Gaston  Paris.    Nouvelle  Edition.    Paris,  Bouillon,  1903.    63  S.  kl.  8. 

Les  höros  de  roman,  dialogue  de  Nicolas  Boileau-Despr£aux,  edited 
with  introduction  and  notes  by  Thomas  Frederick  Crane,  professor  of 
the  romance  languages  in  Cornell  University.  Boston,  Ginn  &  Co.,  1902. 
VI,  282  S.  8.     Geb.  Sh.  3,6. 

Fofs,  Ernst,  Dr.  phil.,  Die  'Nuits'  von  Alfred  de  Musset.  Erläute- 
rungen zu  denselben.  Berlin,  Ebering,  1902  (Berliner  Beiträge  zur  germ. 
u.  rom.  Philol.,  Rom.  Abteilung  13).     176  S.  8.    M.  4,80. 

Gourdon,  Georges,  Chansons  de  geste,  couronnees  par  l'Academie 
francaise.  Pr^face  du  Vicomte  E.  Melchior  de  Vogüe\  Deuxieme  Edition, 
augmentee.     Paris,  Lemerre,  1903.    XII,  256  S.  8.    Fr.  3. 

Gerhards  französische  Schulausgaben.  Leipzig,  Gerhard,  1902  und 
1903.    Kl.  8: 

5.  Perdue  par  Henry  Greville.  Allein  berechtigte  Schulausgabe  von 
M.  von  Metzsch.  Vierte  von  Dir.  Dr.  Wasserzieher  verbesserte 
Auflage.  I.  Text.  VI,  167  S.  M.  1,50.  IL  Anmerkungen  und 
Wörterbuch.    45  S.    M.  0,25. 

10.  Strasbourg  par  Paul  et  Victor  Margueritte.  Für  das  ganze  deutsche 
Sprachgebiet  allein  berechtigte  Schulausgabe  von  Dir.  Dr.  Ernst 
Wasserzieher.  I.  V,  128  S.  Mit  einem  Kärtchen  und  der  Ab- 
bildung des  Strafsburger  Münsters.    M.  1,20.    IL    48  S.    M.  0,40. 

11.  Episodes  de  la  guerre  de  1870/71  par  Paul  et  Victor  Margueritte. 
Für  das  ganze  deutsche  Sprachgebiet  allein  berechtigte  Schulausgabe 
von  Direktor  Dr.  Ernst  Wasserzieher.  I.  IV,  139  S.  Mit  einem 
Plan  der  Belagerung,  sowie  einer  Abbildung  der  Stadt  und  Festung 
Beifort.    IL   48  S.    M.  1,40  und  0,40. 

Sammlung  französischer  und  englischer  Schulausgaben.    Bielefeld  u. 
Leipzig,  Velhagen  &  Klasing,  1902.    Kl.  8.     Geb. 
138.  Voltaire,  Diderot,  Rousseau.     Morceaux  choisis.   Mit  Anmerkungen 
zum  Schulgebrauch  herausgeg.  von  Prof.  Paul  Voelkel,  Oberlehrer 


270  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

am  Kgl.  Französischen  Gymnasium  zu  Berlin.    IV,  148  S.     Dazu 
Anmerkungen  40  S.    M.  1,30. 

Bauer,  J.,  A.  Englert  und  Dr.  Th.  Link,  Französisches  Lesebuch. 
Dritte  durchgesehene  und  vermehrte  Auflage.  München  u.  Berlin,  Olden- 
bourg,  1901. 

Burtin,  le  dr.  E.,  Choix  de  poesies.  Dix-septieme,  dix-huitienie  et 
dix-neuvieme  siecles  avec  notices  biographiques  ä  l'usage  des  6coles 
Troisieme  edition.     Berlin,  Herbig,  1903.     VIII,   132  S.  8.    Geb.  M.  1,60 

Boerner-Kukula,  Lehr-  und  Lesebuch  der  französ.  Sprache  .. 
für  Mädchenlyceen  bearbeitet  von  AI.  Stefan.  I.  Teil.  IV,  123  S.  8 
Geb.  K.  2.     II.  Teil.    IV,  171  S.  8.    Geb.  K.  2.    Wien,  Graeser  &  Co.,  1902 

Bulletin  du  Glossaire  des  patois  de  la  Suisse  romande.  Zürich  1902 
S.  57 — 73  [L.  Gauchat,  La  derniere  page  de  l'histoire  du  patois  ä  la 
Chaux-de-Fonds.     O.  Chambaz,  Lindeman  de  fita]. 

Glossaire  des  patois  de  la  Suisse  romande.  Quatrieme  rapport  annuel 
de  la  redaction,  1902.    Neuchatel,  Attinger,  1903.     12  S.  8. 

Siepmann's  primary  french  course.  First  year.  Comprising  a  first 
reader,  grammar  and  exercises  with  questions  for  oral  practice  and  an 
alphabetical  vocabulary  by  Otto  Siepmann,  head  of  the  modern  language 
department  at  Clifton  College.  Illustrated  by  H.  M.  Brock.  London, 
Macmillan  &  Co.,  1902.    XIV,  229  S.  8.     Geb. 

First  term.     Lessons   in   colloquial   french   based  on  the  tran- 

script  of  the  Association  phonetique  with  a  chapter  on  the  french  sounds 
and  their  phonetic  Symbols,  list  of  words  for  practice  in  pronunciation 
and  complete  vocabularies.  Illustrated  by  H.  M.  Brock.  London,  Mac- 
millan &  Co.,  1902.    VI,  82  S.  8.    Geb. 

Strotkötter,  G.,  Professor  am  Kgl.  Gymnasium  zu  Arnsberg,  La 
vie  journaliere,  Konversationsübungen  über  das  tägliche  Leben.  Zweite 
Auflage,  Ausgabe  A.  Leipzig,  Teubner,  1902.'  82  S.  gr.  8.  Geb.  Aus- 
gabe B  (ohne  danebenstehenden  deutschen  Text  der  Gespräche,  dagegen 
mit  einem  kleinen  Vokabular)  128  S.  kl.  8.  Geb.  (Über  die  erste  Auflage 
s.  Archiv  CVIII  262.) 

G£nin,  Luden,  et  Joseph  Schamanek,  Conversations  francaises 
sur  les  tableaux  d'Ed.  Hoelzel.  XL  Le  port.  XII.  Le  bätiment. 
XIII.  La  mine  et  la  forge.  Interieur  d'une  houllere  [1.  houillere!].  Vienne, 
Hoelzel,  o.  J.  Die  Hefte  XI  und  XII  zu  12  Seiten  und  einem  bunten 
Bilde  kosten  je  M.  0,50;  das  Heft  XIII  hat  zu  gleich  viel  Text  zwei 
Bilder  und  kostet  M.  0,70. 

Lagarde,  Louis,  auteur  de  la  'Clef  de  la  conversation  francaise',  et 
Dr.  August  Müller,  professeur  ä  la  'Elisabethschule'  de  Berlin,  A  tra- 
vers  la  vie  pratique,  morceaux  de  conversation  sur  Paris,  Berlin  et  autres 
sujets  avec  questionnaires  et  vocabulaire.  Berlin,  Weidmann,  1903.  VI, 
197  S.  8.    Geb. 

Ackerknecht,  Julius,  Professor  an  der  Kgl.  Friedrich-Eugens-Real- 
schule zu  Stuttgart,  Wie  lehren  wir  die  neuen  Vereinfachungen  des  Fran- 
zösischen? (Abdruck  aus  'Die  neueren  Sprachen'.)  Marburg  (Hessen), 
Elwert,  1902.   27  S.  8.    M.  0,50. 

Dannheifser,  Dr.  Ernst,  Die  Entwickelungsgeschichte  der  franzö- 
sischen Literatur  (bis  1901).  Gemeinverständlich  dargestellt.  Mit  einer 
Zeittafel.  (Lehmanns  Volkshochschule.  Herausgeg.  von  Dr.  Ernst  Dann- 
heifser.)    Zweibrücken,  Lehmann,  1901.    216  S.  kl.  8.    Geb.  M.  0,80. 

Paris,  Gaston,  Mediseval  french  literature,  translated  from  the  french 
by  Hanuah  Lynch.  London,  Dent  &  Co.,  1903  (The  Temple  cyclopaedic 
primers).     161  S.  kl.  8.    Geb.  Sh.  1. 

Paris,  Gaston,  (Fünf  Artikel  über:)  Christian  von  Troyes.  Cliges  ... 
Zweite  Auflage.  Halle,  Niemeyer,  1901.  Aus  'Journal  des  Savants'  Fe- 
bruar, Juni,  Juli,  August,  Dezember  1902. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  271 

Hilka,  Alfons,  Die  direkte  Rede  als  stilistisches  Kunstmittel  in  den 
Romanen  des  Kristian  von  Troyes.  Ein  Beitrag  zur  genetischen  Ent- 
wickelung  der  Kunstformen  des  mittelalterlichen  Epos.  Halle,  Niemeyer, 
1903.     177  S.  8  (Dissertation  aus  Breslau). 

Gröber,  Gustav,  Die  Frauen  im  Mittelalter  und  die  erste  Frauen- 
rechtlerin (Christine  de  Pisan).  In  'Deutsche  Revue'  herausgegeben  von 
R.  Fleischer,  Stuttgart,  Dez.  1902.     9  S.  8. 

Gossart,  Ernest,  Antoine  de  La  Säle,  sa  vie  et  ses  ceuvres.  Deuxieme 
Edition.     Bruxelles,  Lamertin,  1902.     4b'  S.   8. 

Holl,  Dr.  Fritz,  Das  politische  und  religiöse  Drama  des  16.  Jahr- 
hunderts in  Frankreich  (Münchener  Beiträge  zur  roman.  u.  engl.  Philol. 
herausgegeben  von  H.  Breymann  und  J.  Schick,  XXVI.  Heft).  Erlangen 
und  Leipzig,  Deichert,  1903.    XXVI,  219  S.  8.    M.  5,50. 

Meier,  Konrad,  Racine  und  Saint -Cyr  (Sonderabdruck  aus  'Die 
neueren  Sprachen').     Marburg  (Hessen),  El  wert,  1903.     71  S.  8.    M.  1,20. 

Paris,  Gaston,  Le  Journal  des  Savants.  (Einleitender  Artikel  zum 
ersten  Jahrgang  der  mit  Januar  1903  beginnenden  Reihe.  Der  an  der 
Spitze  des  von  den  fünf  Klassen  des  Instituts  gewählten  Redaktions-Aus- 
schusses stehende  Verfasser  erzählt  die  Geschichte  der  berühmten  Zeit- 
schrift von  ihrer  Gründung  im  Jahre  1(565  bis  auf  die  Gegenwart.)    34  S.  4. 

Counson,  Albert,  Lucrece  en  France;  L'Anti-Lucrece  (Sonderabdruck 
aus  Le  Musee  beige,  revue  de  philologie  classique  publiee  sous  la  direction 
de  F.  Collard  et  J.  P.  Walfang.  VIe  ann6e,  nu  4.  Louvain,  Peeters,  1902). 
20  S.  8. 

Hoff  mann,  Alfred,  aus  Metz,  Edme  Boursault  nach  seinem  Leben 
und  in  seinen  Werken.  Inaugural-  Dissertation  aus  Strafsburg.  Metz, 
Lothringer  Druckanstalt,  1902.     145  S.  8. 


Societä  filologica  romana: 
I  Documenti  d'Amore  di  Francesco  da  Barberino  . . .  a  cura  di  Fran- 
cesco Egidi.     Fase.  II,  S.  49—96.     L.  3. 

La  novella  di  duo  preti  et  un  cherico  inamorati  d'una  donna  (heraus- 
gegeben von  H.  Varnhagen).  Erlangen,  Junge,  1902.  16  S.  8.  M.  0,80 
(s.  Archiv  CIX,  S.  487;. 

Salvion i,  Carlo,  Di  un  documento  dell'antico  volgare  mantovano, 
nota  (aus  den  'Rendiconti  del  R.  Istituto  lombardo  di  scienze  e  lettere', 
Serie  II,  vol.  XXXV,  1902.  S.  957—970).  [Grammatische  und  lexikalische 
Erörterungen  zu  den  von  V.  Cian  im  fünften  Supplement  zum  Giorn.  stör, 
d.  lett.  ital.  1902  mitgeteilten  Auszügen  aus  des  mantuanischen  Notars 
Vivaldo  Belcalzer  (f  um  1310)  Bearbeitung  der  lat.  Encyklopädie  De 
proprietatibus  rerum  des  Bartholomäus  Anglicus  in  seiner  Mundart  und 
zu  dem  schon  von  Cian  selbst  seiner  lehrreichen  Arbeit  beigefügten  lexi- 
kalischen Anhang.] 

Salvioni,  Carlo,  Del  plurale  femminile  di  la  declinazione  esposto 
per  a  ed  an  in  qualche  varietä  alpina  di  Lombardia  (Rendiconti  del  R.  Isti- 
tuto lombardo,  S.  II,  vol.  XXXV,  p.  905—919). 

Biadene,  Leandro,  Origine  dell'ospedale  di  Asolo,  documenti  editi 
ed  annotati.  (Appendice  agli  Statuti  delle  Opere  Pie  amministrate  dalla 
Congregazione  di  Caritä  di  Asolo.)  Asolo,  tipogr.  di  F.  Vivian,  1903. 
25  S.  8. 

Rassegna  critica  della  letteratura  italiana  pubbl.  da  E.  Percopo  e 
N.  Zingarelli.  VII,  9 — 12  [E.  Proto,  Per  un  passo  oscuro  della  Vita 
Nuova.  G.  Zaccagnini,  Un' ambasceria  di  Bernardino  Baldi.  N.  Vaccaluzzo, 
Un  mito  del  Paradiso  terrestre.     Recensioni,  Bollettino,  Annunzi  ecc.]. 

Giornale  storico  d.  letteratura  ital.  diretto  da  F.  Novati  e  R.  Renier. 
Fase.  121  [P.  Savj-Lopez,  Lirica  spagnuola  in  Italia  nel  secolo  XV.    A.  Sa- 


272  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

viotti,  Feste  e  spettacoli  nel  seicento.  —  Varietä:  P.  Toynbee,  Dante's 
references  to  glass.  Benedetto  Soldati,  La  coda  di  Gerione.  —  Rassegna 
bibliografica:  B.  Croce,  Estetica  come  scienza  dell'espressione  e  linguistica 
generale  (G.  Gentile).  E.  Keller,  Die  Reinipredigt  des  Pietro  da  Barsegape 
(C.  Salvioni).  A.  Pieralli,  La  vita  e  le  opere  di  J.  Nardi  I.  I  due  felici 
rivali,  cominedia  di  J.  Nardi  pubbl.  da  A.  Ferrajoli  (F.  Pintor).  —  Bol- 
lettino  bibliografico.  Annunzi  analitici.  Pubblicazioni  nuziali.  Communi- 
cazioni  ed  appunti.     Cronaca]. 

Petrocchi,  Policarpo,  La  lingua  e  la  storia  letteraria  d'Italia  dalle 
origini  fino  a  Dante.     Roma,  Loescher  &  Co.,  1903.    304  S.  kl.  8.     L.  4. 

Mascetta  Caracci,  Lorenzo,  Shakespeare  e  i  classic!  italiani  a  pro- 
posito  di  un  sonetto  di  Guido  Guinizelli,  saggio.  Lanciano,  Carabba,  1902. 
46  S.  8. 

Pochhammer,  Paul,  Die  Wiedergewinnung  Dantes  für  die  deutsche 
Bildung  (Sonderabdruck  aus  'Aus  der  Humboldt-Akademie.  Dem  General- 
sekretär Herrn  Dr.  Max  Hirsch  zu  seinem  70.  Geburtstage  gewidmet  von 
der  Dozentenschaft'.     Berlin,  Weidmann,  1902).     14  S.  8. 

Wulff,  Fredrik,  Deux  discours  sur  P^trarque  en  r^sume-  (Extraits  de 
Förhandlingar  vid  det  VIe  attmänna  Nordiska  Filologmötet  i  Upsala, 
14—16  aug.  1902).    Upsala,  1902.     26  S.  u.  2  Bl.  Phototypie. 

Wulff,  Fredrik,  Petrarca  i  Vaucluse  (Särtryck  ur  'Finn').  Lund, 
1902.     12  S.  4  mit  vielen  Ansichten. 

Farinelli,  Arturo,  (Artikel  über:)  A.  Galletti,  Le  teorie  drammatiche 
e  la  tragedia  in  Italia  nel  secolo  XVIII.  I.  Cremona,  Fezzi  1901  und 
A.  Parducci,  La  tragedia  classica  italiana  del  secolo  XVIII  anteriore 
alPAlfieri.  Rocca  San  Casciano,  Cappelli,  1902.  Aus  'Rassegna  biblio- 
grafica della  Letteratura  italiana',  X,  10 — 11,  1902.   23  S.  8. 

Dieter  ich,  H.,  Geschichte  der  byzantinischen  und  neugriechischen 
Literatur,  und  Hörn,  P.,  Geschichte  der  türkischen  Moderne  (Die  Lite- 
ratur des  Ostens  in  Einzeldarstellungen,  Bd.  IV).  Leipzig,  Amelang,  1902. 
X,  242,  74  S. 

Polonskij,  G.,  Die  Geschichte  der  russischen  Literatur  (Sammlung 
Göschen  Nr.  166).    Leipzig,  Göschen,  1902.     144  S.  12°.    Geb.  M.  0,80. 

Morawsky,  S.,  Echo  der  russischen  Umgangssprache.  Mit  einem 
russisch-deutschen  Spezial Wörterbuch  von  H.  Sack.  2.  Auflage.  Leipzig, 
Giegler,  1902.     120,  71  S.    Brosch.  M.  2,60. 

von  Marnitz,  L.,  Russische  Grammatik  auf  wissenschaftlicher  Grund- 
lage für  praktische  Zwecke  bearbeitet.  2.  verb.  Auflage.  Leipzig,  Ger- 
hard, 1902.    VII,  151  S.    Brosch.  M.  2,60,  geb.  M.  3. 


Masacek,  J.,  Das  böhmische  Verbum  in  seinen  Formen  und  Zeiten. 
Prag,  Haase,  1903.     Heft  3  u.  4,  ä  80  Heller. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


In  verschiedenen  Aufsätzen,  die  unter  dem  Titel  'Syrische 
Quellen  abendländischer  Erzählungsstoffe'  in  dieser  Zeitschrift 
(Bd.  XCIII,  1—22.  241—280.  XCIV,  369—388.  XCV,  1—54) 
erschienen,  sind  die  syrischen  Texte  der  Kreuzauffindungs- 
legende, der  Siebenschläferlegende  und  der  Silvesterlegende  in 
deutscher  Übersetzung  veröffentlicht  und  dabei  ist  nachgewiesen 
worden,  dafs  diese  Erzählungsstoffe  in  syrischer  Sprache  abgefafst 
worden  sind,  so  dafs  der  syrische  Text  der  Urtext,  alle  anders- 
sprachigen Rezensionen  aber,  einschliefslich  des  früher  für  den 
Originaltext  angesehenen  griechischen  Textes,  nur  Übersetzungen 
und  Bearbeitungen  des  syrischen  Urtextes  sind.  Das  gleiche 
gilt  auch  von  der  Cyprianuslegende,  deren  Kern,  den  Theodor 
Zahn  zuerst  in  griechischer  Sprache  veröffentlicht  hat  (in  'Cyprian 
von  Antiochien  und  die  deutsche  Faustsage',  Erlangen  1882), ' 
die  Quelle  der  mittelalterlichen  Faustsage  ist. 

Nachdem  schon  P.  Bedjan  im  dritten  Bande  der  von  ihm 
herausgegebenen  syrischen  Acta  Martyrum  et  Sanctorum  (Paris 
1892,  S.  322—344)  den  syrischen  Text  des  'Martyriums  des 
Cyprianus  und  der  heiligen  Jungfrau'  herausgegeben  hatte,  haben 
uns  die  beiden  englischen  Damen,  deren  Namen  immer  ehrenvoll 
mit  der  Auffindung  und  Veröffentlichung   des  ältesten  syrischen 


1  Diese  Monographie  Zahns  überhebt  der  Verpflichtung,  in  einlei- 
tenden Vorbemerkungen  über  den  Inhalt  der  Legende,  ihre  Bestandteile 
und  Ausstrahlungen  eingehend  zu  handeln,  wie  dies  seinerzeit  betreffs  der 
oben  genannten  Erzählungsstoffe  geschehen  ist. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  18 


274  Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 

Evangelientextes  verknüpft  sein  werden,  weitere  orientalische 
Texte  der  Cyprianuslegende  beschert:  Frau  Dr.  Agnes  Smith 
Lewis  hat  den  syrischen  Text  in  zwei  neuen  Rezensionen  in  den 
Studia  Sinaitica  Nr.  IX  (S.  245 — 278)  veröffentlicht  und  in  den 
Studia  Sinaitica  Nr.  X  (S.  185 — 203)  eine  englische  Übersetzung 
ihrer  Textedition  folgen  lassen,  und  Frau  Margaret  Dunlop  Gibson 
hat  in  Nr.  VIII  der  Studia  Sinaitica  (S.  68 — 81)  eine  arabische 
Übersetzung  der  Legende  (ohne  beigefügte  englische  Übersetzung) 
zum  Druck  gebracht,  zugleich  aber  auch  noch  (ebenda  S.  64 — 78) 
einen  neuen  griechischen  Text  abgedruckt. 

1.    Die  syrischen   Texte. 

Der  Text  P.  Bedjaus  ist  dem  vortrefflichen  Berliner  Cod.  222 
entnommen,  über  dessen  Inhalt  und  Bedeutung  in  der  Besprechung 
von  Eduard  Sachaus  'Verzeichnis  der  syrischen  Handschriften 
der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin'  in  der  'Byzantinischen  Zeit- 
schrift' (X,  621  ff.)  gehandelt  wird.  Frau  Dr.  Agnes  Smith  Lewis 
hat  ihrer  Edition  den  Text  des  Cod.  syr.  Add.  12,  142  des  Bri- 
tischen Museums  zu  Grunde  gelegt  und  in  den  Anmerkungen 
unter  dem  Texte  die  Varianten  der  oberen  Schrift  des  berühmten 
sinaitischen  Palimpsestes  mitgeteilt,  dessen  untere  Schrift  den 
bereits  erwähnten  ältesten  Evangelientext,  dessen  obere  Schrift 
aber  in  der  Hauptsache  'ausgewählte  Schriften  heiliger  Frauen' 
enthält.  Nur  ein  kleines  Stück  des  Anfanges  ist,  da  es  in  der 
Londoner  Handschrift  fehlt,  blofs  nach  dem  Sinaitexte  zum 
Abdruck  gebracht. 

Im  nachstehenden  ist  der  deutschen  Übersetzung  der  Text 
der  Londoner  Handschrift  zu  Grunde  gelegt  worden,  und  unter 
dem  Texte  werden  die  Varianten  der  beiden  anderen  Texte  mit- 
geteilt, wobei  wir  auch  unwesentliche  Abweichungen  gebucht 
haben,  weil  bei  einer  Vergleichung  des  gegenseitigen  Verhältnisses 
der  verschiedenen  Texte,  welchem  Zwecke  ja  die  ganze  Publi- 
kation dienen  soll,  auch  scheinbar  ganz  Unbedeutendes  von  Wert 
sein  kann. 

Dafs  aber  der  syrische  Text  das  Original  und  der  griechische 
seine  Übersetzung  ist,  und  dafs  nicht  das  umgekehrte  Verhältnis 
stattfindet,   das  ergibt  sich   aus  einer  Vergleichung  dieser  beiden 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende.  275 

Texte  selber.  Beweiskräftig  sind  in  dieser  Hinsicht  zunächst 
solche  Stellen,  wo  sich  die  Abweichung  des  einen  Textes  vom 
anderen  nur  so  erklärt,  dafs  der  griechische  Ausdruck  auf  eine 
bestimmte  Auffassung  des  syrischen  Ausdrucks  zurückgeht  — 
sei  es  nun,  dafs  der  Verfasser  mit  dem  von  ihm  gewählten  Aus- 
druck den  vom  Griechen  vorgezogenen  Sinn  wirklich  im  Auge 
hatte,  sei  es  auch  nicht  — ,  während  die  umgekehrte  Möglichkeit, 
dafs  der  syrische  Text  auf  eine  (vom  gewöhnlichen  bezw.  dem 
im  Originale  beabsichtigten  Sinne)  abweichende  Auffassung  eines 
griechischen  Textwortes  zurückgehen  könnte,  ausgeschlossen  ist. 
So  erklärt  sich  in  §  67  oigurtveofrat  als  Wiedergabe  des  syrischen 
Partizips  pälhä,  das  sowohl  'Verehrer'  als  'Soldat'  bedeuten  kann, 
indem  es  der  Grieche  in  dem  letzteren  Sinne  fafst  (obwohl  diese 
Fassung  vom  Syrer  jedenfalls  nicht  beabsichtigt  war),  wogegen 
umgekehrt  der  Syrer  otq  irevia9-at  n»  Xqioko  nicht  durch  'Soldat 
Christi  sein'  (was  zugleich  'Verehrer  Christi  sein'  bedeuten  könnte) 
wiedergegeben  haben  würde.  Es  erinnert  dies  an  den  verwandten 
Fall  in  der  Siebenschläferlegende  (Bd.  XCIII,  S.  243),  wo  ol 
nxQurtvofitvoi  neben  ol  eldoilolurout  auf  Doppelübersetzung  von 
palhin  zurückzugehen  scheint.  Ferner  erklärt  sich  in  §  65  der 
Ausdruck  'Gekreuzigter'  beim  Griechen  statt  des  dem  Zusammen- 
hange allein  angemessenen  Ausdrucks  'Kreuz'  beim  Syrer  ohne 
alle  Schwierigkeit  daraus,  dafs  im  Syrischen  das  Nennwort  slibä 
beide  Bedeutungen  hat.  In  ganz  ähnlicher  Weise  spricht  für 
Originalität  des  syrischen  Textes  auch  dies,  dafs  in  §  40  der 
syrische  Ausdruck  hailä  sowohl  'Heer',  was  nach  dem  Zusammen- 
hang gemeint  sein  mufs,  als  auch  'Kraft'  bedeutet;  wenn  nun 
aber  der  griechische  >)  dvva^tg  dafür  hat,  so  könnte  zwar  a  priori 
haila  Übersetzung  von  Övvu^iq  sein,  da  aber  von  beiden  Bedeu- 
tungen des  syr.  haila  die  Bedeutung  'Heer'  das  Vorrecht  hat,  so 
ist  es  immerhin  wahrscheinlicher,  dafs  der  Grieche  bei  der  Über- 
setzung von  haila  den  weniger  passenden  Begriff  wählte,  als  dafs 
dieser  das  ursprüngliche  Textwort  gewesen  wäre.  Wreiter  gibt 
es  verschiedene  Stellen,  bei  denen  die  Abweichung  des  einen 
Textes  vom  anderen  sich  am  einfachsten  so  erklärt,  dafs  der 
Grieche  den  syrischen  Ausdruck,  weil  er  in  irgend  einer  Hinsicht 
Anstofs  an  ihm  nahm,  verbessern  wollte.  So  sagt  Justa  §  6, 
dals  sie  bereits   Christin   sei,  was   der  Grieche,  da   der  formelle 

18* 


276  Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 

Übertritt  noch  nicht  erfolgt  war,  umwandelt  zu:  Zyto  tyru  tov 
Xqiotov.  Auch  hier  ist  es  wenig  wahrscheinlich,  dafs  der  syrische 
Ausdruck  freiere  Wiedergabe  des  griechischen  sei.  Ein  ähnlicher 
Fall  liegt  §  25  vor:  hier  wird  das  syrische  Textwort  'Gebote' 
ursprünglich  sein,  indem  der  Sinn  ist,  dafs  bei  Befolgung  der 
göttlichen  Gebote  der  dauernde  Genufs  der  Paradieses vvonnen 
eintreten  sollte;  der  Ausdruck  y.Ttaf.iuriov  scheint  aber  ebenso  eine 
vermeintliche  Verbesserung  des  nach  dem  Syrischen  voraus- 
zusetzenden ursprünglichen  Textwortes  xtXevof.idTuw  zu  sein,  wie 
die  Lesungen  der  syrischen  Paralleltexte  'Genüsse'  bezw.  'Seg- 
nungen' für  'Gebote'  dem  unmittelbaren  Zusammenhange  schein- 
bar angemessener  sind.  Sekundär  scheint  beim  Griechen  auch 
die  Beziehung  der  allgemeinen  Erwähnung  des  Götzendienstes 
auf  das  von  dem  Volk  Israel  verehrte  goldene  Kalb  in  §  21, 
die  Vertauschung  des  Wortes  'Glieder'  mit  dem  näherliegenden 
Begriff  'Nacken'  in  §  62,  die  Einfügung  des  ncög  vor  dem  ersten 
Satze  vom  Anfange  des  zweiten  Satzes  der  Rede  her  in  §  75,  etc. 
Syrischen  Urtext  läfst  auch  die  Variante  'der  du  dich  nach  Babel 
wendetest'  und  'der  du  den  Bei  zerstörtest'  §  32  vermuten,  mag  nun 
ersteres  (beim  Syrer;  oder  letzteres  (beim  Griechen)  das  Ursprüng- 
liche sein;  denn  diese  Abweichung  geht  auf  die  doppelte  Bedeu- 
tung des  syrischen  Zeitwortes  hfakh  zurück,  sofern  dieses  sowohl 
«sich  wenden'  als  'umwenden'  (d.  i.  'zerstören')  bedeuten  kann. 
Schliesslich  gibt  es  auch  eine  ganze  Reihe  von  Textabweichungen, 
die  sich  dadurch  ohne  Schwierigkeit  erklären,  dafs  man  im  sy- 
rischen Texte  ein  Wort  falsch  las  bezw.  durch  ein  ähnliches  er- 
setzte, während  bei  der  Annahme  eines  griechischen  Original- 
textes die  Entstehung  der  Abweichung  nicht  erklärt  werden 
könnte.  Hierher  gehören  Fälle  wie  §  9,  wo  der  syrische  Text 
hat:  'ich  führe  euch  ins  Himmelreich',  der  griechische  dagegen: 
'ich  schenke  euch  das  Himmelreich',  was  darauf  zurückgeht,  dafs 
der  Grieche  mälekh  statt  mdel  las.  Sehr  beweiskräftig  ist  z.  B. 
auch  die  Wiedergabe  des  syrischen  Textwortes  Euthymios  durch 
'"Av&i^iog  in  §  67,  was  sich  bei  syrischer  Textvorlage  sehr  leicht 
erklärt,  und  ebenso  leicht  auch  die  Verwechselung  der  syrischen 
Formen- für  'er  hat  mich  gesandt'  und  'sende  mich'  in  §  32.  So 
mag  auch  die  auffallende  Wendung  tv  rif>  o/vQWf.iuvn  statt  des  rich- 
tigen 'im  Zimmer'  §  9  darauf  zurückgehen,  dafs  der  Grieche  statt 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende.  277 

btawänä  fälschlich  bhesnä  (vgl.  2  Cor.  10,  4  Pesch.)  las  (vgl.  die 
Anmerkung  zu  §  101,  wo  im  Griechischen  der  Ausdruck  'von 
Engeln  gepeinigt'  sehr  auffallend  ist).  Ebenso  löst  sich  alle 
Schwierigkeit,  wenn  man  in  §  47  annimmt,  dafs  syr.  'älmä  'Welt', 
dessen  Wiedergabe  o  xoa/nog  ist,  nur  falsche  Lesung  für  camma 
'Volk'  (d.  h.  das  Menschenvolk)  ist.  Weitere  Fälle  dieser  Art 
sind  auch  noch  in  §  52  und  53  aufzuweisen:  im  ersteren  könnten 
die  abweichenden  Wendungen  'die  zu  ihm  ihre  Zuflucht  nehmen' 
beim  Syrer  und  'die  von  ihm  geraubt  werden'  beim  Griechen  darauf 
zurückgehen,  dafs  statt  des  Textwortes  metgawsm  vom  Griechen 
metgajsin  gelesen  wurde,  und  im  letzteren  findet  der  auffällige 
Ausdruck  'der  Fremde'  zur  Bezeichnung  des  Teufels  eine  an- 
sprechende Erklärung  durch  die  Annahme,  dafs  in  der  syrischen 
Textvorlage  des  Griechen  der  Genitiv  'der  Rechtlichkeit'  zum 
Adjektiv  'fremd'  (was  bedeutet:  'der,  dem  Rechtlichkeit  fremd 
ist')  aus  Versehen  ausgefallen  war.  In  Fällen  aber,  wo  der 
Grieche  den  richtigen  Ausdruck  hat,  erklärt  sich  die  Abweichung 
im  syrischen  Texte  bisweilen  durch  eine  spätere  innersyrische 
Texteskorruption,  wie  in  §  78,  wo  'ätct,  'Zeichen'  (statt  'aträ  'Stelle', 
was  jedoch  i.  S.  v.  Bibelstelle  gemeint  sein  könnte)  das  richtige  Text- 
wort ist,  das  übrigens  im  Berliner  Codex  wirklich  im  Texte  steht. 
Betreffs  des  gegenseitigen  Verhältnisses  der  drei  uns  vor- 
liegenden Rezensionen  des  syrischen  Textes  ist  besonders  darauf 
hinzuweisen,  dafs  der  Londoner  Text  der  Frau  Dr.  Agnes  Smith 
Lewis  (S ')  vielfach  kürzer  gehalten  ist  als  die  beiden  anderen 
Texte,  der  von  Bedjan  herausgegebene  Berliner  Text  (Sb)  und 
der  des  sinaitischen  Palimpsestes  (S s),  welche  auch  im  Wortlaute 
einander  so  nahe  stehen,  dafs  sie  einen  einheitlichen  Texttypus 
darstellen  bezw.  auf  einen  solchen  zurückgehen.  Nun  könnte  ja 
a  priori  die  kürzere  Fassung  von  S1  die  Folge  von  Kürzungen 
des  Urtextes  oder  von  zufälligen  Auslassungen  sein.  Da  wir 
aber  andererseits  die  Beobachtung  machen,  dafs  abweichende 
Fassungen  des  Wortlautes  in  S s  und  S b  mit  dem  griechischen 
Texte  übereinstimmen  (s.  z.  B.  §  37*,  44 c,  52 a),  so  liegt  die  An- 
nahme näher,  dafs  die  Abweichungen  von  Ss  und  Sb  und  ebenso 
auch  deren  mit  dem  griechischen  Texte  zusammengehenden  Zu- 
sätze auf  eine  nachträgliche  Berücksichtigung  des  griechischen 
Textes  zurückgehen.    Aber  sei  dem,  wie  ihm  wolle  —  jedenfalls 


278  Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 

erschien  es  geraten,  die  kürzere  und  auch  sonst  abweichende 
Textfassung  von  S!  als  Text  zu  bieten,  die  Zusätze  und  Ab- 
weichungen von  Ss  und  Sb  aber  als  Varianten  unter  den  Text 
zu  weisen. 

2.     Der  arabische  Text. 

Die  arabische  Übersetzung  der  Cyprianuslegende  ist  eine 
Wiedergabe  des  griechischen  und  nicht  des  syrischen  Textes, 
was  eines  näheren  Beweises  nicht  bedarf.  Es  würde  danach  ge- 
nügen, den  arabischen  Text  nur  für  Rekonstruktion  des  grie- 
chischen Textes  zu  verwerten,  wenn  nicht  ein  anderes  schwer- 
wiegendes Moment  die  Mitteilung  des  Textes  in  extenso  ratsam 
erscheinen  liefse.  Es  ergibt  sich  nämlich  aus  einer  Vergleichung 
des  syrischen  und  arabischen  Wortlautes  mit  dem  griechischen, 
dafs  letzterer  mehrfach  verkürzt  ist,  ebenso  wie  eine  Vergleichung 
des  Wortlautes  des  griechischen  und  arabischen  Textes  dasselbe 
Resultat  bezüglich  des  syrischen  Textes  (d.  h.  S1)  ergibt.  Da 
liegt  es  nun  aber  nahe,  anzunehmen,  dafs  uns  der  arabische  Text 
unter  seinem  Plus  gelegentlich  auch  ein  echtes  Stück  erhalten 
haben  kann,  das  in  beiden  anderen  Texten  verloren  gegangen  ist, 
also  sowohl  im  syrischen  Urtexte,  den  man  später  aus  Rück- 
sichten auf  den  rein  erbaulichen  Zweck,  den  man  mit  der  Über- 
lieferung dieser  Literaturwerke  verband,  kürzte,  als  auch  in  der 
griechischen  Übersetzung,  die  man  aus  demselben  oder  aus  an- 
deren Gründen,  wie  z.  B.  aus  ästhetischen  Rücksichten  auf  den 
Stil  und  den  Inhalt  oder  aus  Rücksichtnahme  auf  dogmatische 
Korrektheit,  gleichfalls  kürzte.  Eine  indirekte  Bestätigung  erhält 
diese  Annahme  dadurch,  dafs  uns  in  §  46  ein  Stück  erhalten  ist, 
bei  dem  man  leicht  den  Grund  einsieht,  der  zu  seiner  Streichung 
Anlafs  gab,  weil  man,  selbst  im  Munde  Satans,  es  für  anstöfsig 
hielt,  zu  sagen,  dafs  'niemand  anders  sündige  als  Gott  allein'. 

Für  die  Zwecke  der  Rekonstruktion  des  ursprünglichen  Wort- 
lautes der  griechischen  Übersetzung  bietet  die  arabische  Über- 
setzung besonders  insofern  eine  willkommene  Handhabe,  als  es 
möglich  ist,  innergriechische  Zusätze  mit  ihrer  Hilfe  (und  unter 
gleichzeitiger  Heranziehung  des  syrischen  Urtextes)  auszuschei- 
den,  wie  z.  B.  in  Kapitel  1  (§  4)   die  Worte   y.tu   oorfwv   tunov 

VlXQfVV. 


Der  Urtext  der  Cypriauuslegende.  279 

3.     Der  neue   griechische   Text. 

Bei  textkritischen  Untersuchungen,  für  die  die  nachstehenden 
deutschen  Übersetzungen  willkommenes  Material  bieten  sollen, 
mufs  natürlich  auch  der  neue  in  den  Studia  Sinaitica  Nr.  VIII 
aus  der  sinaitischen  Handschrift  Nr.  497  mit  herangezogen  wer- 
den. Obwohl  nun  die  Durchführung  der  textkritischen  Arbeit 
anderen  überlassen  bleibt,  so  sei  doch  so  viel  als  unmafsgebliches 
Resultat  einer  blofs  vorläufigen  Untersuchung  von  Kap.  I  und 
der  von  Zahn  (S.  137  der  oben  genannten  Monographie)  heraus- 
gehobenen Beispiele  mitgeteilt,  dats  der  sinaitische  Text  zumeist, 
jedoch  durchaus  nicht  ausschliefslich,  mit  dem  Texte  des  Cod. 
Paris.  1454  (=  R)  zusammengeht,  welchem  Zahn  meist  den  Text 
des  Cod.  Paris.  1468  (=  P)  vorzieht,  weil  letzterer  'eine  unge- 
künstelte Treue  zeigt',  während  ersterer  'überall  einen  nach  der 
Norm  des  Gewöhnlichen  korrigierten  Text  bietet'.  Von  beson- 
derem Interesse  ist  dabei,  dafs  die  griechische  Textvorlage  der 
alten  lateinischen  Übersetzung,  wie  in  dem  anzuführenden  Falle 
ihre  ältere  Rezension  in  Acta  SS.  Sept.  VII,  217 — 219  noch 
deutlich  erkennen  läfst,  dem  Texte  der  Sinaihandschrift  am  näch- 
sten gestanden  hat;  wenigstens  geht  dies  aus  dem  Anfange  des 
§  2  in  Kap.  1  hervor,  wo  die  aus  'addebatur  autem  et  virgo'  von 
Zahn  rekonstruierte  Textvorlage  nQogtxtdrj  de  xal  ng  naQfrtvog 
wirklich  im  Sinaitext  noch  vorliegt. 


Für  die  Benutzung  der  Übersetzungen  ist  zu  beachten,  dafs 
alles,  was  zur  Verdeutlichung  des  Zusammenhanges  hinzugefügt 
werden  mufste,  durch  eckige  Klammern  kenntlich  gemacht  ist. 
Was  in  runden  Klammern  steht,  dient  der  Erläuterung  des  Textes. 

Die  Einrichtung  der  Variantenbezeichnung  erklärt  sich  von 
selbst,  wie  auch  dies,  dafs  der  das  Ende  der  Textabweichung 
bezeichnende  zweite  Buchstabe  (also  a  . . .  a)  überall  da  weggelassen 
ist,  wo  die  Variante  sich  nur  auf  das  nächste  Wort  bezieht,  und 
wo  sie  aus  derselben  Wortzahl  resp.  ganz  analogen  Wendungen 
besteht.  Die  Zeichen  +  (—  fügt  hinzu)  und  >  {—  läfst  aus)  sind 
die  üblichen. 

Die   römischen   Ziffern    der  gröfseren    Abschnitte    sind    der 


280 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


Kapiteleinteilung  Zahns  entnommen  (nur  dafs  dieser  arabische 
Ziffern  gewählt  hat).  Die  arabischen  Ziffern  der  kürzeren  Ab- 
schnitte (§§)  sind  von  mir  hinzugefügt  worden,  um  eine  bequeme 
Übersicht  zu  ermöglichen. 


Syrischer  Text. 
245  Das  Martyrium 

des  Zauberers  Cyprianus  und  der 
Jungfrau  Justa. 

1  Beim  Aufgange  unseres  Er- 
lösers a  Jesus  Christus  vom  Him- 
mel auf  die  Erde  und  bei  der 
Erfüllung  der  Worte  der  Pro- 
pheten wurde  alles  unter  dem 
Himmel  erleuchtet,  dafs  sie  auf 
den  einen  Gott  Vater,  der  alles 
hält,  und  auf  unseren  Herrn  Jesus 
Christus  und  auf  den  heiligen 
Geist  sich  taufen  liefsen  im  wah- 
ren Glauben.  2  Es  war  aber  eine 
Jungfrau  mit  Namen  Justa,  und 
der  Name  ihres  Vaters  war  Aede- 
sius  und  der  b  ihrer  Mutter  Cli- 
donia,  c  in  der  Stadt  Antiochien, 
die  bei  Daphne  liegt.  3  Diese 
Selige  aber  hörte  einen  Diakon 
mit  Namen  Praylius  aus  einem 
Fenster,  das  d  ihrem  Hause  nahe 
war;  e  und  als  sie  hörte e  die 
Grofstaten  Gottes  und  wie  unser 
Erlöser,  unser  Herr  Jesus  Christus, 
sich  mit  dem  Leibe  bekleidete 
und  die  Verkündigung  der  Pro- 
pheten und  die  Geburt  von  Maria 
f  und  die  Verehrung  der  Magier 
und  über  den  Aufgang  des  Ster- 
nes f  und  £  die  Lobgesänge  der 
Engel  und  die  Zeichen  und  Wun- 


Arabischer  Text. 

Das  Martyrium  von  Cyprianus 
und  Justina. 

Im  Namen  des  Vaters  und  des 
Sohnes  und  des  heiligen  Geistes, 
des  einen  Gottes !  Das  Martyrium 
des  heiligen  Cyprianus,  des  edel- 
sten, lautersten  Märtyrers  unter 
den  Priestern,  und  der  heiligen 
Justina.  Beider  Gebet  sei  mit 
uns  allen !    Amen ! 

1  Nachdem  die  Erscheinung 
unseres  Herrn  und  unseres  Gottes 
Jesus  Christus  bei  seinem  Erschei- 
nen auf  der  Erde  emporgestrahlt 
war  und  die  Worte  des  Propheten 
sich  erfüllt  hatten,  da  ward  der 
ganze  bewohnte  [Erdkreis,]  der 
unter  dem  Himmel  ist,  von  der 
Rede  unseres  Erlösers  durchleuch- 
tet: es  glaubte  die  Menschheit  an 
einen  Gott,  den  Vater,  der  alles 
umfafst,  und  an  einen  Herrn 
Jesus  Christus  unseren  Gott  und 
an  den  heiligen  Geist,  unseren 
Führer,  und  es  wurden  erhellt 
durch  die  Taufe  und  durch  den 
herrlichen  [Gottes]dienst  die  See- 
len derer,  die  an  Christus  glaub- 
ten. 2  Zu  diesen  gehörte  [auch] 
Justina  die  Jungfrau,  die  aus  der 
Stadt  Antiochia  war;  der  Name 


Erklärung  der  Zeichen:  b  =  der  von  Bedjan  edierte  Text  des 
Cod.  Berol.  222;  s  =  Cod.  Sinaiticus. 

a  unseres  Herrn  -}-  b.  —  b  Name  -\-  b.  —  c  und  sie  war  -\-  b.  — 
«1  eorum  b.  —  e  welcher  redete  über  Wunder  und  über  b.  —  f  (um- 
gestellt) b.  —  g  auch  [über]  +  b. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


281 


der,1  die  h  in  seinem  Namen  und  h 
durch  seine  Kraft  geschahen,  und 
über  '  die  Erlösung  des  J  Kreuzes 
und  die  Auferstehung  von  den 
Toten  und  von  seiner  k  Verherr- 
lichung gegenüber  seinen  Jüngern 
und  von  *  den  lebendigen  Wor- 
ten l  m  seiner  frohen  Botschaft  m 
an  "  seine  Apostel  und  über  die 
Auffahrt  zum  Himmel  und  über 
°  das  Sitzen  zur  Rechten  und 
246  über  sein  *  unauflösliches  König- 
reich p  und  über  die  unvergäng- 
lichen Seligkeiten  und  über  das 
Leben,  das  nicht  stirbt.  4  Und 
sie  hob  an  und  sprach  zu  ihrer 
Mutter:  'Höre  auf  deine  Tochter, 
meine  Mutter,  P  und  wende  dich 
von  dem  Irrtum  ab  Q  und  lafs 
dich  retten  aus  1  der  ewigen 
r  Qual,  gleichwie  ich  gehört  habe, 
dafs  es  sagen  die  Schriften  s  un- 
seres Herrn  Jesu  Christi,  s  der  den 
Himmel  und  die  Erde  und  alles, 
was  auf  ihnen  ist,  gemacht  hat. 
*  Denn  die  [Götterbilder  sind 
nichts,  von  Silber  und  von  Holz 
und  von  Gold  sind  sie,  Werk  von 
Menschenhänden ,    stumme    und 


ihres  Vaters  war  Hedesius  und 
der  Name  ihrer  Mutter  Clidonia. 
3  Und  als  diese  Jungfrau  dasafs 
und  aus  dem  Fenster  ihrer  Woh- 
nung schaute,  hörte  sie  die  Rede 
eines  Mannes  mit  Namen  Pray- 
lius,  wie  er  die  Grofstaten  unseres 
Gottes  vorlas,  die  da  bestehen  in 
seiner  Menschwerdung  und  seiner 
unausdeutbaren  Geburt  von  der 
Jungfrau  Maria  und  dem  Nieder- 
fallen der  Magier  vor  ihm  und 
dem  Erscheinen  des  Sternes  und 
dem  Preise  der  Engel  und  den 
Wunderheilungen  und  Zeichen, 
die  durch  ihn  geschahen,  und  sei- 
ner Auffahrt  in  die  Himmel  und 
seinem  Sitzen  zur  Rechten  des  Va- 
ters. Und  als  sie  diese  Worte  hörte, 
konnte  sie  die  Glut  ihres  Glaubens 
an  Christus  nicht  aushalten  und 
fafste  den  Entschlufs,  den  Diakon 
Praylius  mit  eigenen  Augen  zu 
schauen,  damit  er  sie  die  Wurzeln 
des  Glaubens  ganz  erschöpfend 
lehre;  doch  begegnete  ihr  dieser 
nicht  in  dieser  Zeit.  4  Und  eines 
Tages  sprach  sie  zu  ihrer  Mutter: 
'O  Mutter  Clidonia!  höre  meine 


1  Bis  hierher  ist  der  Text  aus  dem  sinaitischen  Palimpseste  entnommen 
und  die  Varianten  aus  dem  Texte  Bedjans,  im  folgenden  aber  der  Text  aus 
dem  Cod.  syr.  Add.  12,  142  des  Britischen  Museums  und  die  Varianten 
aus  dem  sinaitischen  Palimpseste  und  dem  Texte  Bedjans. 

h  >  s.  —  '  seine  Anheftung  ans  b.  —  k  Darlegung  s.  —  1  >  sb.  — 
«i  dem  Testamente  (ßmd^y.r])  b.  —  »  die  s.  —  o  sein  sb.  —  P  Und  als  die 
Selige  dies  gehört  hatte,  verwunderte  sie  sich  sehr,  und  der  Sinn  der  Jung- 
frau erglühte  *  im  Glauben  an  die  Wahrheit  (in  Kraft  und  in  der  Wahr- 
heit des  Glaubens  an  Christus  b)  und  (sie  entbrannte  -+-  b)  in  Liebe  zum 
heiligen  Geiste;  und  sie  sehnte  sich  und  verlangte  danach,  dafs  sie 
(auch  -4-  s)  bekannt  würde  dem  Diakon  Praylius,  und  sie  vermochte  es 
nicht;  und  (sie  hub  an  -4-  b)  sprach  zu  ihrer  Mutter:  'Meine  Mutter,  höre 
auf  deine  Tochter'.  —  q  >  sb.  —  r  Qualen,  die  in  der  äufsersten  Finster- 
nis sind  s;  Qual,  welches  die  äufserste  F.  ist  b.  —  s  derer,  die  Galiläer 
genannt  werden,  weil  sie  ihn  verehren  sb.  —  t  Es  sind  nämlich  (wirk- 
lich -4-  s)  die,  die  wir  alltäglich  verehren,  stumme  und  nichtige  Statuen, 
weil  sie  von  Stein  sind  und  von  Holz  und  von  Gold  und  von  Silber, 
Werk  von  Menschenhänden,  welche,  wenn  einer  von  den  Galiläern  käme, 
so  könnte  er  ohne  Hände  durch  Rede  und  durch  Gebet  sie  alle  vertilgen  sb. 


282 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


blinde  Statuen  ohne  Seele.'  *  5  Da 
sprach    zu    ihr    ihre    n   Mutter: 

24? v  'Nein,  *  meine  Tochter!  Lafs 
nicht v  deinen  Vater  diesen  Ge- 
danken hören.'  6  Es  antwortete 
aber  die  w  Selige  und  sprach  zu 
x  ihrer  Mutter x:  y  'Wissen  sollt 
ihr,  mein  Vater  und  meine  Mut- 
ter, y  dafs  ich  z  von  jetzt  an  z 
Christin  bin  und  a  Christus  mei- 
nen Erlöser  a  verehre,  h  weil  ich 
durch  diesen  Diakon  c  den  Weg 
des  Lebens  erfahren  habe. c  Und 
es  gibt  also  keinen  Gott  aufser 
(1  Vater,  Sohn  und  heiligen  Geist, d 
und  e  r  gibt  e  Leben  den  Men- 
schen, f  die  an  ihn  glauben,  f  und 
rettet  sie  vom  Verderben  der  Sün- 
den und  S  eignet  ihnen  zu  Leben, 
das  nicht  stirbt.'  S  1  Und  als  sie 
dies  gesagt  hatte,  L  bekreuzigte 
sie  sich  im  dreifaltigen  Namen 
und  fing  an  zu  beten  im  Namen 
unseres  Herrn  Jesus  Christus.  h 
IL  8  Ihre  Mutter  '  aber  sagte 
ihrem  Vater  alles,  was  die  Selige 
gesagt  hatte.  k  9  Da  sogleich  er- 
schienen ihnen  Scharen  unzäh- 
liger Engel,  die  brennende  Lam- 
pen hielten,  im  1  Feuer,  und  in 
ihrer  Mitte  sahen  sie  Christus, 
welcher  m  sprach :  'Kommt  zu  mir, 

248  und  in  das  *  Himmelreich  will 
ich  euch  einführen  mit  allen 
"  Heiligen,   die   vor   mir   Gnade 


Worte  und  willfahre  meinem  Rate, 
der  dir  durch  richtige,  wahrhaf- 
tige [Tatsachen  nahe  gelegt  wird, 
dafs  diese  Götter,  denen  wir  immer- 
fort Schlachtopfer  darbringen,  wie 
ich  aus  fester  Überzeugung  weifs, 
Bilder  sind,  die  keine  Seelen 
haben,  aus  Stein  und  Holz  und 
Silber  *  und  Gold,  die  weder  sich  69 
selbst  noch  anderen  nützen  kön- 
nen. Und  wir,  o  Mutter,  sind 
unverständige  Leute,  wenn  wir 
fortfahren,  sie  zu  verehren,  —  sie, 
von  denen  ich  bestimmt  weifs, 
dafs,  wenn  einer  von  den  Christen 
beten  und  sie  verfluchen  würde, 
sie  zusammenstürzen  und  zu 
Grunde  gehen  würden.'  5  Da 
sprach  ihre  Mutter  zu  ihr:  '0  mein 
Kind !  Du  weifst,  mit  welcher 
Beharrlichkeit  dein  Vater  an  den 
Göttern  hängt ;  so  lafs  denn  diese 
Ansicht  fern  von  dir  sein.  Denn, 
wenn  er  dies  von  dir  erfährt,  so  wird 
sein  Zorn  gegen  dich  sehr  heftig 
werden.'  6  Da  sprach  die  heilige 
Jungfrau  Christi  zu  ihrer  Mutter: 
'Wenn  mein  Vater  sich  erzürnt, 
so  kann  ich  es  durchaus  nicht 
abwenden,  dafs  er  sich  erzürnt. 
Doch  magst  du  und  [auch]  er, 
mein  Vater,  es  wissen :  ich  sehne 
mich  nach  Christus,  verlange  nach 
dem  nutzbringenden  Glauben  und 
will  eine  Christin  werden,  dieweil 


u  (wahnwitzige  und  +  s)  in  ihrer  Erkenntnis  verdunkelte  sb  (ihre 
Mutter  >  s;  wohl  nur  aus  Versehen).  —  v  Lafs  nicht,  meine  Tochter  sb.  — 
w  Heilige  sb.  —  x  ihr  sb.  —  y  Es  werde  von  dir,  meine  Mutter,  gewufst, 
und  mein  Vater  möge  wissen.  —  z  >  s;  nun  b.  —  »  und  von  jetzt  an, 
meine  Mutter,  Christus  sb.  —  b  den  sb.  —  c  viele  Tage  [kennen]  gelernt 
habe,  wo  ich  über  die  Hoheit  Gottes  [predigen]  hörte  sb.  —  «l  ihm  sb.  — 
p  Grofstaten  s;  Rettung  b.  —  f  >  sb.  —  S  gibt  denen,  die  ihn  lieben, 
ewiges  Leben  sb.  —  h  unterzog  sie  sich  allein  dem  Gebete,  indem  sie 
zu  Christus  betete  sb.  —  i  >  sb.  —  k  indem  sie  die  gute  Absicht  der 
Jungfrau  erzählte  sb.  —  1  Zimmer  sb.  —  m  zu  ihnen  -f-  sb.  —  n  Ge- 
rechten sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


283 


gefunden  haben !'  Und  als  Aede- 
sius,  °  der  Vater  des  Mädchens,  ° 
dieses  Gesicht  gesehen  hatte,  er- 
fafste     ihn     °    grofses     Staunen. 

10  Und  am  frühen  Morgen  stand 
er  auf  und  nahm  sein  Weib  und 
p  seine  Tochter,  die  Selige;  p  und 
sie  gingen  zur  Kirche  <*  samt  dem 
Diakon  r,  indem  sie  ihn  baten, 
dafs  er  sie  zum  Bischof  s  bringen 
möge.  *  Und  als  er  sie  hingebracht 
hatte,  empfing  sie  der  Bischof  *, 
und  u  sie  fielen  vor  seinen  Füfsen 
nieder  und  baten  u  ihn,  er  möge 
ihnen    das   Siegel  Christi   geben. 

11  ss  XJnd  er  wollte  es  ihnen  nicht 
u  geben,  bis  ihm  nu  der  Diakon  er- 
zählt hatte  von  der  Vision  Christi, 
v  die  er  gesehen  hatte,  und  von 
dem  Glauben  und  der  Liebe  der 
Jungfrau  zu  Christus  v.  12  Aede- 
sius  aber  schor  w  sein  Haar,  weil 
er  ein  Priester  der  Götter  gewesen 
war,  und  fiel  vor  den  Füfsen  des 
Bischofs  nieder;  und  x  er  gab 
ihnen  dreien x  das  Siegel  Christi. 

249  l3  Der  heilige  *  Aedesius  y  aber 
ward  des  z  Priestertums  gewürdigt 
und  lebte  a  [nur  noch]  kurze  Zeit 
und  ging  zur  Ruhe  ein  im  wah- 
ren Glauben  a. 

III.  14  Die  heilige  Jungfrau 
aber  ging  allezeit  in  b  die  Kirche 
Christi.  15  c  Ein  Mann  aber,  ein 
Scholastikus  c  von  vornehmem  Ge- 


ich,  seit  ich  die  Unterweisung  des 
weisen  Diakonen  Praylius,  un- 
seres hochgeehrten  Nachbars,  aus 
meinem  Fenster  gehört  habe,  an 
Christus  glaube.  Denn  ich  habe 
ihn  sagen  hören,  dafs  er  der  Gott 
der  Lebendigen  und  der  Toten 
ist,  und  dafs  es  keine  Erlösung 
gibt  aufser  durch  ihn.'  7  Da  erhob 
sie  sich  in  Eile,  indem  sie  Christus 
um  Hilfe  anflehte  [und]  betete. 

II.  8  Ihre  Mutter  aber  erzählte 
ihren  Manne  alles,  was  sie  von 
ihrer  Tochter  gehört  hatte.  Und 
er  sprach  zu  ihr:  'O  Weib!  Was 
hat  unsere  Tochter  betroffen? 
Doch  müssen  wir  in  dieser  An- 
gelegenheit wach  bleiben  und  uns 
den  unsterblichen  Göttern  bittend 
nahen ;  und  sie  werden  uns  über 
die  Verirrung  unserer  Tochter 
Auskunft  geben.'  Als  er  dieses 
Wort  zu  seinem  Weibe  gesprochen 
hatte,  wachten  sie  zusammen ; 
danach  schlummerten  sie  ein. 
Und  das  Mädchen  Justina,  die 
Hochzuschätzende,  wandte  sich 
in  ihrem  Interesse  mit  demütigem 
Flehen  an  Gott,  dafs  ihre  See- 
len nach  Erleuchtung  verlangen 
möchten ;  und  siehe,  der  Herr,  der 
denen  zueilt,  die  ihn  um  Hilfe 
anflehen,  erhörte  die  Gebete  der 
Heiligen.  9  Und  er  stellte  sich 
zu  ihren  Eltern  hin  mit  der  Fülle 


o  >  sb.  —  P  die  Jungfrau  s;  seine  Tochter  b.  —  Q  Gottes  -(-  sb.  — 
r  Praylius  -f-  sb.  —  s  dessen  Name  Hippolytus  (Optatus  b)  war  sb.  — 
t  Und  es  empfing  sie  der  Bischof,  weil  der  Diakon  für  sie  bat.  —  »  als 
sie  vor  (wörtl.  'auf')  den  Füfsen  des  Bischofs  niedergefallen  waren,  baten 
sie  s;  sie  fielen  aber  etc.  b.  —  ss  aber  sb.  —  tt  bewilligen  sb.  —  nn  sein  s. 

—  v  >  b ;  und  von  der  Liebe  der  Jungfrau  zu  Christus  s.  —  w  das  Haar 
seines  Hauptes  und  seines  Bartes  sb.  —  x  und  sie  drei  empfingen.  — 
y  >  b.  —  z  Grades  des  -)-  s.  —  a  nach  dieser  Ehrung  ein  Jahr  und  sechs 
Monate;  und  so  entschlief  er  in  Frieden  in  Christi  Lehre  (wörtl.  'Worte')  sb. 

—  b  das  Haus  Gottes  sb.  —  c  Aglaidas  aber,  ein  (Mann,  ein)  Scholastikus  s; 
Ein  Scholastikus  aber,  mit  Namen  Euglidon,  welcher  war  b. 


284 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


schlechte,  (1  in  seinen  Taten  aber 
schlecht  und  in  e  die  Liebe  zum  e 
Irrglauben  an  die  f  toten  Götzen 
s  verstrickt,  dieser  sah  die  Selige 
allezeit  zum  Gotteshause  gehen; 
und  als  er  sie  sah,  wurde  er  h  in 
Liebe  zu  der  Jungfrau  verstrickt 
und  sandte  viele  Leute  zu  *  ihr, 
k    um  sie  zu  heiraten.     16  Und 

I  zu  allen  sprach  sie  mit  lauter 
Stimme ' :  'Ich  bin  Christo  ver- 
lobt.' Der  Gottlose  aber  versam- 
melte in  der  Wut  des  Satans  viel 
Volks  und  beobachtete  sie,  als 
sie  zum  Gotteshause  ging,  und 
wollte  sie  gewaltsam  [entjführen. 

250  *  m  Und  als  die  herbeigekommen 
waren,  die  sie  gewaltsam  [ent-] 
führen  sollten,  da  schrien  mit 
lauter  Stimme  die,  welche  mit  der 
Jungfrau  waren.  17  Und  als  es 
die  gehört  hatten,  die  in  ihrem 
Hause  waren,  da  kamen  sie  her- 
aus m  mit  Schwertern  in  den  Hän- 
den, und  es  flohen  die,  welche  da 
herbeigekommen   waren,    um  die 

II  Magd  Gottes  gewaltsam  °  zu 
ergreifen.  18  Die  Heilige  p  aber 
i  bekreuzigte  sich  mit  dem  Zei- 
chen Christi  und  ergriff  den  Un- 
verschämten 1 ;  und  sie  warf  ihn 
auf  die  Erde  und  schlug  ihm  ins 
Gesicht,  und  sie  zerrifs  seine  Klei- 
der und  liefs  ihn  [dann]  ganz  ver- 
wundert stehen,  wie  ihre  Schwester 
Thekla  es  mit  dem  unverschämten 
Alexander  gemacht  hatte.    Und 


der  himmlischen  Heerscharen 
während  ihres  Schlummers,  und 
er  sprach  zu  ihnen:  'Kommet  her 
zu  mir,  so  will  ich  euch  geben 
himmlische  Güter.'  Da  erschraken 
Hedesius  und  sein  Weib  infolge 
der      furchtbaren     Erscheinung. 

10  Und  er  stand  auf  in  tiefer 
Nacht  und  nahm  seine  Tochter 
und  sein  Weib  und  kam  zum 
Hause  des  Diakon  Praylius.  Und 
sie  baten  ihn,  dafs  sie  er  zu  dem 
Bischof  hinbringen  solle;  und  er 
tat  ihren  Willen,  und  Hedesius 
verneigte  sich  vor  dem  Bischof 
und  bat  ihn,  er  möchte  ihnen 
das    'Siegel    in    Christus'   geben. 

11  Aber  er  verstand  sich  nicht 
dazu,  dies  zu  tun,  bis  dafs  sie 
ihm  von  der  Erscheinung  Christi 
und  dem  Glauben  der  Jungfrau 
erzählt  hatten.  12  Und  Hedesius 
liefs  sich  das  Haar  seines  Haup- 
tes und  seines  Bartes  scheren, 
dieweil  er  ein  Priester  der  Götzen 
gewesen  war;  und  sie  verneigten 
sich,  er  und  seine  Gemahlin  und 
die  heilige  Jungfrau,  und  sie 
empfingen  alle  drei  das  Siegel 
der  Taufe.  13  Und  er  würdigte 
ihn  des  Grades  der  Presbyter- 
würde, und  er  blieb  darin  ein 
Jahr  und  sechs  Monate,  und  er 
vollendete  *  seinen  Lebenslauf  im  70 
Glauben  an  Christus. 

III.  14  Und  die  Jungfrau  be- 
suchte  beständig  die   Kirche   in 


d  er  war  aber  sehr  reich  an  vergänglichem  Reichtum  -f-  sb.  —  e  den  sb. 
—  f  >  sb.  —  g  festgehalten  (von  etc.).  —  h  in  Verlangen  nach  sb.  — 
i  der  Seligen  sb.  —  k  damit  sie  sie  bäten,  dafs  er  sie  heiraten  dürfe.  — 
1  alle  entliefs  sie,  indem  sie  zu  ihnen  sprach.  —  m  Und  die,  welche  im 
Hause  der  Jungfrau  waren,  kamen  heraus  s;  Und  die,  die  bei  ihr  waren, 
riefen  mit  lauter  Stimme  die  herbei,  die  im  Hause  der  Jungfrau  waren; 
als  sie  aber  herausgekommen  waren  b.  —  n  Braut  s.  —  o  gefangen  zu 
nehmen  sb.  —  l»  Jungfrau  -f-  sb.  —  Q  ergriff  ihn  allein  und  bekreuzigte 
sich  mit  dem  Zeichen  Christi  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


285 


sogleich    ging    sie    zum    Gottes- 
hause. 

IV.  19  Er  aber  ging  in  r  gro- 
fsem  Zorn  zum  Zauberer  Cypria- 
nus  und  bewilligte  ihm  zwei  Ta- 
lente Goldes  s,  ob  er  nicht  durch 
seine  Zaubereien  die  heilige  Jung- 
frau einfangen  könnte,  *  indem 
der  Wahnwitzige  nichts  davon 
wufste  l,  dafs  die  Kraft  Christi 
unbesiegbar  ist.  20  Der  Zauberer 
Cyprianus  aber,  als  er  dies  hörte, 
bedauerte  den  Jüngling  und  berief 
durch  seine  Zauberkünste  einen 
starken  n  Dämon ;  v  und  dieser  ant- 
wortete ihm:  'Was  hast  du  mich 
gerufen  ?'  Cyprianus  aber  sprach 
zu  ihm :  'Ich  w  bin  befriedigt,  wenn 
du  eine  Jungfrau  von  den  Gali- 
251  läern,  *  wenn  du  kannst,  x  zu 
mir  x  herbringest.'  21  Der  schänd- 
liche Dämon  aber  versprach  ihm, 
y  dafs  er  sie  herbeibringen  werde  >T, 
während  er  [doch]  die  Wahrheit 
(bezw.  'in  Wahrheit  sie')  nicht  be- 
siegen konnte.  Es  antwortete  Cy- 
prianus und  sprach  zu  ihm:  'Sage 
mir,  was  deine  Werke  sind,  z  da- 
mit ich  mich  auf  dich  verlasse 
und  dich  aussende'  z.  —  Es  ant- 
wortete der  verfluchte  Dämon  und 
sprach  zu  ihm :  'Ich  bin  a  ein  Re- 
bell gegenüber  Gott  und  gehor- 
same b  dem  Satan.  c  Und  die 
Eva  habe  ich  zum  Sündigen  ge- 
bracht, und  den  Adam  habe  ich 
aus  dem  Paradiese  vertrieben,  und 
der  d  Segnungen  und  Wonnen 
habe  ich  ihn  beraubt;  und  den 


demütigen  Gebeten  und  Anliegen 
an  Christus  immerdar.  15  Und 
siehe,  ein  Mensch  Namens  Gala- 
bius,  aus  einem  vornehmen  Ge- 
schlechte, sehr  reich,  aber  von  ver- 
derbten Sitten  und  im  Dienste 
der  Götzen  eifrig,  nachdem  er  die 
heilige  Jungfrau  bei  ihrem  immer- 
währenden Gehen  zur  Kirche  er- 
blickt hatte,  verliebte  sich  in  sie 
und  sandte  viele  Männer  und 
Weiber  zu  ihr  hin,  indem  er  be- 
absichtigte, sie  zu  heiraten.  16Doch 
sie  wies  die  Menge  der  Abge- 
sandten zurück  und  sprach  zu 
ihnen :  'Ich  bin  schon  Christus 
versprochen.'  Da  liefs  er  sich  von 
einer  Menge  von  seinen  Freunden 
begleiten  und  schickte  sie  hinter 
ihr  her  bei  ihrer  Rückkehr  aus 
der  Kirche,  in  der  Absicht,  sie 
unter  Anwendung  von  Gewalt  zu 
entführen.  ,7  Da  kamen  ihre 
Leute  heraus  und  alle,  die  in 
ihrem  Hause  waren,  mit  gezück- 
ten Schwertern,  und  sie  verdräng- 
ten und  beschimpften  jene.  Doch 
er  brach  plötzlich  los  und  packte 
die  Jungfrau  am  Halse.  18  Da 
zeichnete  sie  sich  mit  dem  Zei- 
chen des  Kreuzes  Christi  und 
warf  ihn  zur  Erde  auf  seinen 
Rücken ;  und  alsdann  machte  sie 
ihn  kraftlos,  so  dafs  er  sich 
krümmte,  und  zerrifs  sein  Gewand 
und  überhäufte  ihn  mit  Schmäh- 
reden, indem  sie  ähnlich  tat  wie 
die  grofse  Lehrmeisterin  Thekla. 
IV.  19  Und  er  ergrimmte  und 


r  seinem  vielen  Zorne  sb.  —  s  und  Silbers  -\-  sb.  —  t  Der  Wahn- 
witzige aber  wufste  nicht  sb.  —  n  >  sb.  —  v  Der  starke  (schlimme  b) 
Dämon  aber  antwortete  und  sprach  zu  ihm  sb.  —  w  will,  dafs  b.  — 
x  mir  b.  —  y  >  sb.  —  z  damit  ich  mich  darauf  verlasse  und  dich  gegen 
sie  aussende  (und  dir  vertraue  s)  sb.  —  a  der  Rebell  Gottes  sb.  —  i>  mei- 
nem Vater  -j-  sb.  —  o  Die  Eva  aber  sb.  —  d  Genüsse  sb. 


286 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


Kain  habe  ich  gelehrt,  seinen 
Bruder  zu  töten,  und  habe  die 
Erde  mit  dem  Blute  verunrei- 
nigt«"; f  und  Buhlerei  und  Zau- 
berei habe  ich  grofs  werden  lassen, 
s  und  alle  Völlerei  und  Trunken- 
heit habe  ich  veranlafst,  h  und 
nichtssagendes  Gelächter  habe  ich 
provoziert;  *  und,  dafs  sie  die 
Götzen  füi'chten  sollten,  habe  ich 
die  Menschen  gelehrt  k  und,  dafs 
Christus  gekreuzigt  würde,  habe 
ich  angeraten ;  J  jegliche  Stadt  l 
habe  ich  zum  Einsturz  gebracht, 
und  die  Mauern  habe  ich  umge- 
stürzt, und  die  Häuser  habe  ich  in 
Stücke  gesprengt ™.'  Und  als  der 
11  Dämon  gesagt  hatte,  dafs  dies  ° 
252  von  ihm  getan  wurde,  *  sprach  er 
zu  dem  Zauberer  P:  'Und  dies 
alles  habe  ich  getan ;  und  diese 
könnte  ich  nicht  besiegen  ?'  22  Hier- 
auf sprach  Cyprianus  zu  ihm: 
'Nimm  diese  Arznei  und  sprenge 
sie  rings  um  das  Haus  der  Jung- 
frau herum,  und  [dann]  will  ich 
ihr  die  Besinnung  rauben,  und 
sogleich  wird  sie  dir  gehorchen.' 
Und  als  er  dies  zu  dem  Dämon 
gesagt  hatte,  ging  er  schnurstracks 
zu  dem  Hause  i  jener  Jungfrau. 
V.  23  Die  r  Selige  aber  stand 
auf,  um  in  der  neunten  Stunde 
in  der  Nacht  zu  Gott,  der  sich 
der  Reuigen  erbarmt,  zu  beten ; 
s  und  da  sie  das  Kommen  des 
Dämons  bemerkt  hatte,  *  so  betete 
sie  nur  um  so  mehr  *  zu  dem 
lebendigen  Gotte,  weil  nihr  Sinn 


ging  zu  Cyprianus  dem  Zauberer, 
dieweil  er  zu  jener  Zeit  dahin  aus 
Afrika  gekommen  war  und  der 
üble  Ruf  seiner  Ränke  und  Listen 
in  dem  ganzen  Orte  vernommen 
wurde.  Und  der  vorerwähnte  Ga- 
labius  ging  zu  ihm  hinein  und 
versprach  ihm,  dafs  er  ihm  zwei 
Talente  Geld  geben  wolle,  wenn 
er  seine  Absicht  erreicht  und  die 
Jungfrau  sich  erbeutet  hätte.  Aber 
der  Elende  wufste  nicht,  dafs  die 
Kraft  Christi  nicht  bezwungen 
werden  kann.  20  Da  rief  Cypria- 
nus durch  seine  Zaubereien  einen 
Dämon  herbei  und  sprach  zu  ihm : 
'Wir  haben  uns  in  eine  Jungfrau 
von  der  Religion  der  Christen  ver- 
liebt; und  ich  ersuche  dich,  dafs 
du  sie  mir  herbringest,  wenn  dir 
das  möglich  ist.'  21  Da  versprach 
der  elende  Dämon  das,  was  ihm 
nicht  möglich  war,  gleich  als  ob 
er  die  Macht  dazu  habe.  22  Und 
Cyprianus  sprach  ihm :  'Nimm 
dieses  Medikament  und  wirf  es 
[rings]  um  ihr  Haus ;  dann  will 
ich  hineingehen  und  will  ihren 
Verstand  verwirren,  und  in  die- 
sem Momente  wird  sie  dir  zu 
Willen  sein.' 

V.  23  Und  die  Jungfrau  lei- 
stete in  dieser  Stunde  Gott  gerade 
das  Gebet  der  dritten  Stunde  in 
der  Nacht  ab;  und  nachdem  sie 
das  Tun  des  Verruchten  bemerkt 
hatte,  zeichnete  sie  ihren  ganzen 
Leib  mit  dem  Zeichen  des  Kreu- 
zes   und  flehte   zu  ihrem   Herrn 


e  und  Dornen  und  Disteln  hat  sie  um  meinetwillen  hervorgebracht  -J-  sb. 
—  f  Buhlerei  aber  sb.  —  S  Völlerei  aber  s;  Völlerei  b.  —  h  aber  sb.  — 
i  >  sb.  —  k  >  sb.   --  1  Städte  sb.   --   "'  und  sie  alle  zerstört  -f-  sb.  — 


n  schlimme  -f-  b.  —  o  alles 
i"  >  b.  —  s  sie  aber,  als  sb.  ■ 
entbrannten  in  sb. 


-\-  b.   —   P  Cyprianus   -\-  b. 
—  t  stand  auf  und  betete  sb. 


-  q  >  sb.  - 
«i  ihre  Nieren 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


287 


trunken  war  von  seiner  Liebe 
und  von  u  der  Kraft  des  Kreuzes. 
Und  sie  bekreuzigte  v  sich  mit 
dem  w  Zeichen  Christi,  und  mit 
lauter  Stimme  rief  sie  aus  und 
sprach:  24  'Herr,  der  du  alles 
hältst,  x  Gott,  Vater  y  unseres 
Herrn  Jesus  Christus,  der  du  die 
menschentötende  Schlange  z  ge- 
tötet z  und  die,  die  [schon]  a  dem 
Satan  verfallen  waren,  gerettet 
hast,  25  b  Herr  Gott b,  der  du  den 
Menschen  nach  deinem  Bilde  ge- 
schaffen hast  und  liefsest  ihn  im 
253  Paradiese  der  Wonnen,  *  damit 
er  an  deinen  c  Geboten  Freude 
haben  sollte,  d  und  d  durch  die 
Verführung  der  e  Schlange  wurde 
er  vertrieben.  26  Und  als  er  so 
gesündigt  hatte,  liefsest  du  f  ihn 
nicht  [fallen],  sondern  durch  die 
Kraft  deines  Kreuzes  heiltest  du 
seine  Wunden  und  machtest  ihn 
wieder  gesund  durch  S  Christus, 
den  Erlöser  der  Welten  £,  durch 
den  die  h  Kreaturen  '  geschaffen 
sind  und  die  Himmel  eingerichtet 
wurden  und  die  Erde  k  ausge- 
dehnt wurde  und  die  Wasser  und 
die  Urfluten  eingedämmt  wurden, 
1  so  dafs  alle  Wesen  dich  als  Gott 
anerkennen  l.  27  m  Unser  Herr 
Jesus  Christus,  n  rette  deine  Magd 
und  lafs  nicht  die  Versuchung 
0  des  Feindes  °  an  P  mich  heran- 


mit  lauter  Stimme,  indem  sie 
sprach:  24  'Mein  Gott,  der  du 
alles  hältst  durch  deinen  geliebten 
Sohn  Jesus  Christus,  der  du  den 
menschenmordenden  Drachen  in 
die  Eiseskälte  und  das  Feuer 
[hinab]gestofsen  und  die  von  ihm 
erjagten  [Seelen]  erlöst  hast,  der 
du  *  den  Himmel  ausgespannt  71 
und  die  Erde  befestigt  hast  und 
die  Sonne  hast  emporstrahlen  und 
den  Mond  leuchten  lassen,  25  und 
der  du  den  Menschen  aus  Erde 
nach  deiner  Ähnlichkeit  geschaf- 
fen und  [ihm]  durch  deinen  Sohn 
das  Wesen  der  Weisheit  vorge- 
zeichnet hast,  und  der  du  ihn  in 
das  Lustgefilde  des  Paradieses 
gesetzt  hast,  damit  er  sich  an  den 
Wonnen,  die  du  geschaffen  hat- 
test, ergötze.  26  Und  nachdem  ihn 
der  Freche  betrogen  hatte,  woll- 
test du  doch  ihn  nicht  fahren 
lassen,  der  du  dich  den  Menschen 
[gnädig]  zuneigst;  sondern  in  dei- 
ner Kraft  hast  du  ihn  gerufen 
durch  deinen  einzigen  Sohn,  un- 
seren Herrn  Jesus  Christus,  durch 
den  die  Welt  erleuchtet  wurde 
und  der  Himmel  sich  ausspannte 
und  das  Wasser  flofs,  und  hast 
ihn  allen  Geschöpfen  als  den  Gott 
kundgetan.  2"  Wolle  jetzt,  o  mein 
Herr,  mich,  deine  Magd,  erretten, 
und  lafs  mich  nicht  die  satanischen 


v  ihren  Leib  sb.  —  w  Siegel  (d.  i.  Kreuzeszeichen)  sb.  —  x  >  s.  — 
y  des  einzigen  [Sohnes]  sb.  —  z  in  die  unterste  Finsternis  versenkt  hast  sb.  — 
»  von  ihr  (der  Schlange,  d.  i.  dem  Satan)  eingefangen  waren  sb.  —  t>  der 
du  die  Sonne  leitest  und  den  Mond  (mein  Herr  -f-  b)  durch  dein  Gebot 
hell  machst  sb.  —  c  Genüssen  s;  Segnungen  b.  —  «1  Herr,  [allmächtiger 
Gott,  aber  sb.  —  e  verfluchten  -f-  b.  —  f  o  Barmherziger  -j-  s b.  —  g  dei- 
nen Gesalbten  (=  Christus).  —  1»  Welt  (s  plur.?)  sb.  —  i  gesund  geworden 
sind  (?)  s;  vollendet  (wörtl.  'versiegelt')  ist  b.  —  k  festgegründet  wurdest. 
—  1  und  alle  Kreaturen  bekennen  dich,  dafs  du  unser  Gott  bist  sb.  — 
m  Vater  unseres  Herrn  b  (davor  'und'  sb).  —  «  durch  dessen  Hand  du 
d.  M.  retten  mögest  sb.  —  o  >  sb.  —  P  sie  sä. 


288 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


kommen.  Dir,  mein  Herr,  habe 
ich  das  Gelübde  getan,  dafs  ich 
i  Jungfrau  bleiben  will,  r  dem 
Einzigen,1'  unserem  Herrn  Jesus 
Christus.  s  Rette  deine  Magd,  s 
4  weil  sie  dich  liebt,  und  ll  dir  bin 
ich  zugetan  u  von  meinem  ganzen 
Herzen  und  von  meiner  ganzen 
Seele  und  von  aller  meiner  Kraft v. 
Du,  mein  Herr,  hast  w  das  Licht 
deiner  Liebe  w  in  meiner  Seele 
angezündet.  x  Ich  bitte  dich,  mein 
Herr,  lafs  mich  nicht  in  die 
Hände  des  Bösen  [fallen],  damit 
ich  nicht  das  Versprechen,  das 
ich  dir  y  gewidmet  habe,  über- 
254  trete.  *  z  Vertreibe  die  Gedanken 
des  a  Empörers  aus  b  meinem 
Sinne  und  bewahre  mich  in  dei- 
ner Wahrheit  V  28  Und  als  sie 
dies  gesagt  hatte,  bekreuzigte  sie 
*'  sich  mit  dem  Zeichen  Christi 
und  hauchte  den  Dämon  an. d 

VI.  29  Und  er  ging  beschämt 
davon  e  und  trat  vor  Cyprianus; 
und  f  Cyprianus  sprach  zu  ihm : 
'Wo  ist  die,  um  derentwillen  du 
entsendet  worden  bist  £?'  30  Es 
antwortete  der  Dämon  und  sprach 
zu  ihm:  'Frage  mich  nicht,  h  weil 
ich  dir's  nicht  sagen  kann;  denn 
ein  Zeichen  habe  ich  dort  gesehen 
und  bin  geflohen.'  31  Cyprianus 
aber  lachte  ihn  aus  und  berief 
wieder  durch  seine  Zauberkünste 
einen  Dämon,  der  mächtiger  war 
als  der  frühere;  und  '  es  prahlte 
der  Verfluchte  k  und  sprach  zu 


Versuchungen  berühren,  dieweil 
ich  mich  dir  verschrieben  habe 
und  deinem  einzigen  Sohne  Jesus 
Christus.'  28  Und  als  sie  dieses 
Gebet  gebetet  hatte  und  sich  mit 
dem  Zeichen  des  Kreuzes  bewehrt 
hatte,  hauchte  sie  den  Dämon  an 
und  schickte  sie  ihn  gedemütigt 
fort. 

VI.  29  Und  der  Dämon  ging 
und  trat  beschämt  vor  Cyprianus 
hin.  Und  Cyprianus  sprach  zu 
ihm:  'Wo  ist  die,  zu  der  ich  dich 
gesandt  habe?  Wie  habe  ich  ge- 
wacht, und  du  bist  [so]  gekom- 
men ? !'  30  Und  es  sprach  zu  ihm 
der  Dämon:  'Frage  mich  nicht! 
Ich  kann  es  dir  doch  nicht  sagen, 
[wie  es  zugegangen  ist],  —  weil 
ich  [nämlich]  ein  Zeichen  erblickte 
und  mich  davor  fürchtete  und 
umkehrte.'  3l  Und  es  lachte  ihn 
Cyprianus  aus  und  hiefs  ihn 
gehen;  und  er  berief  durch  seine 
Zaubereien  einen,  der  stärker  war 
als  dieser.  Und  als  ein  anderer 
zu  ihm  trat,  sprach  er  aufgeblasen 
zu  Cyprianus :  3'2  'Ich  kenne  schon 
deine  Lage  und  die  Schwach- 
heit meines  Genossen,  und  darum 
sende  mich !  Ich  werde  schon 
deine  Trauer  heben.  33  Nimm 
dieses  Medikament  und  wirf  es 
[rings]  um  ihr  Haus,  während  ich 
zu  ihr  hingehen  will.'  Und  Cy- 
prianus nahm  das  Medikament 
und  machte  damit,  was  ihm  der 
Dämon  befohlen  hatte.    34  Hier- 


q  mein  Herr  -\-  s.  —  »"  und  deinem  Einzigen,  deinem  Sohne  sb.  — 
s  >  sb.  —  t  denn  dich  liebt  sie  sb.  —  u  dich  habe  ich  lieb  gewonnen, 
Vater  s;  nach  dir  sehne  ich  mich  b.  —  v  mein  (unser  b)  Herr  Jesus 
Christus  +  sb.  —  w  dein  Licht  s.  —  x'Doch  -j-  sb.  —  y  versprochen 
habe  sb.  —  z  Doch  -j-  sb.  —  a  Bösen  b.  —  *>  mir  sb.  —  c  ihren  Leib  s.  — 
d  und  schickte  ihn  schimpfend  fort  +  sb.  —  e  >  sb.  —  fers.  —  S  Und 
ich  wachte  [doch];  und  du  bist  [so]  heruntergekommen  (d.  i.  kraftlos  ge- 
worden)! sb.  —   •'  denn  etc.  sb.  —  »  als  sb.  —  ^  >  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


289 


Cyprianus:  32  'Ich  kenne  deinen 
Auftrag,  '  auch  die  Kraftlosigkeit 
des  früheren.  m  Sende  mich,  mein 
Vater, '  dafs  ich  deinen  Willen 
ausführe.'  83  Und  Cyprianus 
spricht  zu  ihm:  'Nimm  "  diese 
Arznei  und  schütte  sie  aufserhalb 
des  Hauses  der  Jungfrau  aus; 
und  [dann]  werde  ich  kommen 
und  sie  überreden.'  34  Und  als 
der  Dämon  an  den  Ort  gekommen 
war,  von  dem  Cyprianus  ihm  gesagt 
hatte,  da  stand  die  °  Magd  Gottes 
255  aber  da,  *  um  zu  beten  um  die 
sechste  Stunde  der  Nacht  P,  indem 
sie  also  sprach:  35  'Um  Mitter- 
nacht bin  ich  aufgestanden,  um 
dich  zu  preisen  ob  deiner  gerech- 
ten Gerichte,  3<J  Gott  des  Alls, 
1  Herr  der  oberen  und  unteren 
[Wesen]  «i,  der  du  zu  Schanden 
gemacht  hast  den  Satan  r  durch 
deine  Kraft  und  hast  ihn  ernie- 
drigt unter  die  Füfse  deiner  Schü- 
ler.r  Möchte  doch  die  Wahrheit 
deiner  Erbarmung  bei  mir  blei- 
ben, s  o  Gott,  37  der  du  das  Opfer 
Abrahams  *  angenommen  hast 
u  und  erhört  das  Gebet  Daniels  u, 
und  der  du  v  dich  nach  Babel 
gewendet v  und  den  Drachen  ge- 
tötet hast  w  und  [so]  den  Baby- 
loniern  die  Erkenntnis  x  deiner 
Gottheit  kundgetan  hast,  y  Gott, 


auf  ging  der  Dämon  hinein  zu 
der  Jungfrau  und  berührte  sie; 
und  sie  betete  in  der  sechsten 
Stunde  von  der  Nacht,  indem  sie 
sprach :  35  'Um  Mitternacht  stehe 
ich  da,  um  dir  zu  danken  wegen 
deiner  gerechten  Urteilssprüche.' 
Und  nachdem  sie  die  Schlechtig- 
keit des  Verruchten  bemerkt  hatte, 
erhob  sie  ihre  Hände  in  die  Höhe, 
indem  sie  sprach:  36  'O  du  Gott 
des  Alls  und  Herr  des  Erbar- 
mens !  O  du  Hüter  der  Strömung 
der  Luft  und  dessen,  was  seinen 
Wirkungskreis  oben  hat,  und  der 
du  den  Drachen  unter  die  Erde 
hingeschreckt  hast;  der  du  den 
[listigen]  Teufel  zu  Schanden  ge- 
macht 37  und  das  Opfer  Abra- 
hams für  grofs  angesehen  hast; 
der  du  nach  Babel  gegangen  bist 
und  den  Drachen  getötet  hast; 
der  du  durch  den  gläubigen  Daniel 
das  Volk  von  Babel  deine  Kennt- 
nis gelehrt  hast;  der  du  durch  dei- 
nen geliebten  Sohn  alle  Dinge  zu- 
sammengewebt hast  und  hast  hell 
gemacht,  was  *  vordem  finster  war ;  72 
der  du,  o  mein  wohlgeneigter  Herr, 
mich  nicht  preisgeben  wirst  dem 
Gelächter  des  Feindes  und  seiner 
Schadenfreude  über  mich.  38  Son- 
dern behüte  meine  Glieder  in 
Keuschheit  und  behüte  die  Lampe 


1  und  -f~  sb.  —  m  Darum  sb. 

1  Der  griechische  Text  hat  dafür:  'Darum  sandte  mich  mein  Vater', 
womit  die  weitere  Abweichung  zusammenhängt,  dafs  es  im  griech.  Texte 
weiter  heifst:  'So  nimm  nun  das  Gift,  sprenge  es  rings  um  ihr  Haus,  und 
ich  will  kommen  und  sie  überreden.  Cyprianus  aber  nahm  das  Gift  und 
tat,  wie  ihm  der  Dämon  befohlen  hatte.' 

n  dir  -\-  s.  —  o  heilige  +  sb.  —  P  und  brachte  ihr  Gebet  Gotte 
dar  -(-  sb.  —  q  Herr  (und  Herr  b)  des  Erbarmens,  Gesetz  der  Himm- 
lischen und  [Gegenstand  der]  Furcht  für  die  Irdischen  sb.  —  r  und 
hast  ihn  unter  unsere  Füfse  gestofsen.  Ja,  mein  Herr!  sb.  —  s  >  sb.  — 
*  für  grofs  angesehen  hast  sb.  —  u  >  sb.  —  v  den  Bei  zerstört  hast  sb. 

—  w  durch  die  Hand  deines  Knechtes  Daniel  4-  sb.  —  xmein  Herr  -\-  sb. 

—  y  >  sb. 


Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX. 


19 


290 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


der  du  durch  deinen  eingebore- 
nen Sohn  unseren  Herrn  Jesus 
Christus  alles  geordnet  z  und  alles, 
was  in  Dunkelheit  verborgen  ist, 
ans  Licht  hervorgebracht  hast, 
il  auch  die  Toten  a  lebendig  ge- 
macht hast1',  —  und  nun,  mein 
Herr,  in  der  Fülle  deiner  Güte 
wende  dich,  Allerbarmer c,  nicht 
von  mir  ab,  38  sondern  bewahre 
(1  meine  Seele  und  meinen  Leib  d 
256  für  *  deine  Heiligkeit,  e  auch  e 
die  Lampe  meiner  Jungfräulich- 
keit bewahre,  dafs  sie  nicht  ver- 
lösche, damit  ich  hineingehe  mit 
dem  Bräutigam  Christus  in  seine 
Kammer  und  f  ihm  meine  Jung- 
frauschaft hingebe  in  Reinheit 
und  Heiligkeit1!' 

VII.  39  Der  Dämon  aber  ging 
beschämt  &  von  ihr  weg  s  und 
zeigte  sich  dem  Cyprianus;  und 
es  hob  h  Cyprianus  an  und  sprach 
zu  ihm:  'Wo  ist  die,  um  derent- 
willen du  ausgesandt  worden  bist  ?' 
r  Er  antwortete  und  sprach  zu 
ihm :  Tch  kann  es  dir  nicht  sagen ; 
denn  ich  sah  irgend  ein  Zeichen 
und  fürchtete  mich  und  floh  da- 
von.' 40  Hierauf  berief  Cyprianus 
den,  von  dem  er  wähnte,  dafs  er 
s  unter  ihnen  s  der  Stärkste  sei, 
*  der  der  Vater  der  Dämonen  war; 
und  er  sprach  zu  ihm :  'Was  ist 
das  für  eine  Kraftlosigkeit,  dafs 
dein  u  Heer  v  besiegt  worden  ist  ?' 
41  Es   antwortete   w  und    sprach 


meiner  Jungfräulichkeit  unausge- 
löscht,  damit  ich  in  deine  Kam- 
mer [mit]  hineintreten  und  deinen 
heiligen  Namen  in  allen  seinen 
Eigenschaften  preisen  darf,  Vater 
und  Sohn  und  heiligen  Geist  bis  in 
alle  Ewigkeit.  Amen!'  Und  als 
sie  ihr  demütiges  Flehen  vollendet 
hatte,  fuhr  sie  den  Dämon  an 
und  brachte  ihn  höhnend  zum 
Entweichen. 

VII.  39  Und  er  ging  und  trat  vor 
Cyprianus,  und  er  sprach  zu  ihm: 
'Und  wo  ist  die,  zu  der  ich  dich 
geschickt  habe  ?'  Und  der  Dämon 
sprach:  'Ich  bin  besiegt  worden, 
ohne  dafs  ich  im  stände  bin,  es 
dir  zu  sagen  [,  wie  es  zugegangen 
ist].  Ich  sah  ein  furchtbares  Zei- 
chen und  kam  in  Angst  und  Zit- 
tern.' Da  lachte  er  ihn  aus  und 
liefs  ihn  gehen.  40  Und  nun  rief 
Cyprianus  den  Obersten  der  Dä- 
monen herbei  und  den  allermäch- 
tigsten  von  ihnen.  Und  als  er 
gekommen  war,  sprach  er  zu  ihm: 
'Was  ist  das  für  ein  Betrug  und 
für  eine  Erbärmlichkeit,  da  ich 
doch  sehe,  dafs  deine  Macht  in 
ihrem  ganzen  Umfange  bereits 
besiegt  worden  ist?'  41  Und  der 
Satan  sprach  zu  ihm:  Tch  will  es 
dir  jetzt  versprechen;  so  sei  denn 
bereit!'  Und  Cyprianus  sprach 
zu  ihm:  'Beschreibe  mir  zuvor  die 
Merkmale  deiner  Tapferkeit  und 
das   Kennzeichen   deines  Sieges, 


z  der  du  sft.  —  a  und  die,  die  gestorben  (waren  -\-  b)  sb.  —  b  der 
die  Armen  reich  macht  und  läfst  sie  von  seinen  Gütern,  die  nie  aufhören, 
satt  werden  und  macht  lebendig  (du  machst  lebendig  b)  die,  die  dem  Tode 
überliefert  waren  -{-sb.  —  c  und  heiliger  König  -+-  sb.  —  d  meine  Glieder  sb. 
—  e  und,  mein  Herr  sb.  —  f  rein  ihm  hingebe  das  Pfand  (Tutgaß'r/xr/), 
das  du  mir  gegeben  hattest,  Herr  (-{-  b),  durch  deinen  Christus,  durch 
dessen  Vermittelung  (wörtl.  'Hand')  du  gepriesen  werdest  in  Ewigkeit  der 
Ewigkeiten  sb.  —  s  >  sb.  —  1»  er  sb.  —  <■  Der  Dämon  sb.  —  s  >  sb.  — 
t  und  -f-  b.  —  «  ganzes  -f-  sb.  —  v  schon  -f-  b.  —  w  der  Dämon  -j-  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


291 


x  zu  ihm  der  Dämon  x :  'Ich  werde 
sie  dir  bringen;  jetzt  sei  y  be- 
reit!' 42  Es  antwortete  Cyprianus 
und  sprach  zu  ihm:  z  'Ich  lasse 
sie  in  heftiges  Fieber  sechs  Tage 
257  verfallen2,  und  um  *  Mitternacht 
werde  ich  sie  dir  gefügig  machen.' 
VIII.  43  Und  der  Dämon  ging 
fort  und  erschien  der  a  Jungfrau 
in  Gestalt  einer  *>  anderen  Jung- 
frau, und  er  ging  hinein  und 
setzte  sich  auf  das  Bett,  als  ob 
er  ein  Frauenzimmer  wäre;  und 
[dann]  begann  der  Böse  zu  der 
Magd  Gottes  in  reuiger  Haltung 
zu  sagen :  44  'Ich  bitte  dich,  Magd 
Gottes,  nimm  mich  auf,  dafs  ich 
bei  dir  sein  kann ;  r  Christus  dein 
Herr  hat  mich  gesandt0  zu  dir; 
denn  auch  ich  bin  eine  Jungfrau 
gleich  wie  du,  ll  und  zeige  mir  d, 
was  der  e  Kampf  der  Jungfrau- 
schaft [zu  bedeuten  hat]  oder 
welchen  Lohn  die  haben,  die  sie 
bewahren  in  Reinheit.  Denn  gar 
sehr  sehe  ich  dich  durch  f  den 
Kampf  mitgenommen.'  45  Die  hei- 
lige Jungfrau  aber,  die  Magd 
Gottes,  antwortete  und  spricht  zu 
ihr:  'Den  Lohn  der  Jungfrau- 
schaft um  Christi  willen  kann 
nicht  der  Mund  eines  Menschen 
schildern,  weil  ihr  Lohn  sehr  grofs 
ist.  Denn  Gott  verheifst  denen, 
die  ihn  lieben  und  ihre  Jungfräu- 
lichkeit bewahren,  etwas,  was  kein 
Auge  gesehen  und  kein  Ohr  ge- 
hört hat,  und  was  in  keines  Men- 
schen Herz  gekommen  ist.   Wer  s 


dafs  ich  dir  glauben  kann  !'  Und 
er  sprach  zu  ihm :  'Als  ich  gegen 
Gott  rebelliert  hatte,  wurde  [mir] 
der  Himmel  versperrt,  und  ich 
wurde  aus  dem  Hochsitze  der 
Engel  vertrieben ;  und  ich  berückte 
die  Eva  und  beraubte  den  Adam 
der  Lustgefilde  des  [Paradieses]- 
gartens ;  und  ich  lehrte  den  Kain, 
dafs  er  den  Abel  töten  sollte,  und 
vermlafste  das  Volk  der  Israeli- 
ten, dafs  sie  das  Götzenbild  ver- 
ehrten. Und  ich  brachte  die  Auf- 
lehnung zur  vollen  Ausbildung 
und  lehrte  den  Unglauben ;  und 
ich  zerstörte  die  Städte  von  Grund 
aus  und  machte  die  Mauern  dem 
Erdboden  gleich,  und  ich  rifs 
die  Wohnungen  nieder;  und  ich 
bewirkte,  dafs  Christus  gekreu- 
zigt wurde;  und  ich  liefs  Mose's 
meuternde  Genossen  in  die  Erde 
sinken,  und  ich  lehrte  Zauberei 
und  Rebellion;  und  alle  diese 
Taten  habe  ich  getan.  Und  wie 
kannst  du  wähnen,  dafs  mir  der 
Mut  fehle?  42  Ich  will  [also] 
hingehen,  und  dann  will  ich  sie 
durch  verschiedenartige  Fieber- 
hitze aufregen  und  ihren  Verstand 
erschüttern.  Und  sei  du  bereit!' 
VIII.  43  Und  nach  Mitternacht 
wandelte  sich  der  Satan  in  die 
Gestalt  einer  Jungfrau,  und  er 
trat  [nun]  wirklich  an  das  Haus 
der  Jungfrau  heran  und  klopfte 
an  die  Tür  und  trat  ein;  und  er 
setzte  sich  zu  dem  heiligen  Mäd- 
chen   und    fing;    an    zu    ihr    zu 


x  >  sb.  —  y  nur  -f-  b.  —  z  Ich  reibe  sie  auf  durch  ein  heftiges  Fieber 
und  stelle  mich  zu  ihr  hin  sechs  (>s;  wohl  nur  durch  irrtümliche  Wieder- 
holung des  Wortes  'Fieber'  entstanden)  Tage  sb.  —  a  heiligen  -\-  sb.  — 
b  >  sb.  —  c  weil  ich  von  Christus,  deinem  (meinem  b)  Herrn,  gesandt 
worden  bin  sb.  —  d  darum,  meine  Schwester,  sage  sb.  —  e  Lohn  b.  — 
f  die  Enthaltsamkeit  sb.  —  S  also  -f-  b. 

19* 


292 


Der  Urtext  der  Cypriauuslegende. 


kann  die  Seligkeiten  erfassen,  die 
Gott  denen  verheifst,  die  ihn  lie- 
ben   und    ihre    Jungfräulichkeit 

258  bewahren  *  in  Reinheit  h.  Der 
Kampf  der  Jungfräulichkeit  in 
dieser  Welt  währet  geringe  Zeit; 
denn  '  die  Seligkeiten,  die  für  sie 
aufbewahrt  sind  in  jener  Welt, 
vergehen  nicht,  lösen  sich  auch 
nicht  auf '.'  46  Der  böse  Dämon 
aber  fing  an,  mit  der  Magd  Gottes 
mit  Hinterlist  zu  reden,  k  indem 
er  zu  ihr  sprach  k :  47  'Siehe,  ich 
habe  gehört,  dafs  Eva  im  Para- 
diese Jungfrau  und  nicht  verhei- 
ratet worden  war ;  und  als  Adam 
sie  erkannt  hatte  und  sie  Kinder 
gebar,  empfing  sie  die  Erkenntnis 
des  Guten  und  des  Bösen  (plur.) ; 
und  um  ihretwegen  wurde  die 
1  Welt  (=  Menschheit?)  geboren 
und  kam  es  zu  der  Aufeinander- 
folge der  "'  Geschlechter  und 
Generationen  ,u.'  48  Die  heilige 
Jungfrau  aber,  als  sie  dies  hörte, 
stand  auf,  um  wegen  der  Worte 
des  Hinterlistigen  n  zu  beten; 
und  der  verfluchte  Dämon  heftete 
sich  an  ihre  Sohlen  °,  ob  er  viel- 
leicht Gelegenheit  fände,  sie  zu 
fangen.  Die  P  Selige  aber,  die 
Magd  Gottes,  Q  erkannte  die  Hin- 
terlist des  r  Satans  und  geriet  in 
grofse  Unruhe  r,  weil  sie  s  begriff, 
dafs  es  der  x  Verführer  sei ;  49  und 
sie  wandte  sich  eiligst  zum  Ge- 
bete u  vor  Gott  und  bekreuzte  sich 
mit    dem    Zeichen    des    Kreuzes. 

259  Und   sie  hauchte  *  den  Dämon 


sprechen :  44  'Ich  weifs  wohl,  dafs 
du  in  vielerlei  Gemütsbewegung 
hineingeraten  bist;  und  ich  bin 
gekommen,  dich  zu  fragen.  Denn 
ich  weifs  wohl,  was  es  mit  dir  für 
eine  Bewandtnis  hat  und  was 
dein  jungfräulicher  Lebenswandel 
zu  bedeuten  hat  und  was  dir  in- 
folge der  um  ihretwillen  schlaflos 
verbrachten  Nächte  zu  teil  wird; 
denn  ich  sehe,  dafs  du  sehr  nieder- 
geschlagen bist.'  45  Da  sprach  die 
heilige  Jungfrau:  'Die  Vergeltung 
für  sie  (die  Jungfräulichkeit)  ist 
reich,  und  der  Kampf  um  sie  ist 
leicht!'  46  Da  sprach  der  Satan: 
'Hat  es  nicht  mit  ihm  folgende 
Bewandtnis?  —  Denn  ich  hatte 
allerdings  diesen  *  Lebenswandel  73 
erwählt,  wie  du  ja  wahrnimmst, 
seit  meinen  Jugendjahren;  und 
ich  habe  schon  viele  Bücher  stu- 
diert, und  sie  alle  sagen,  dafs 
niemand  anders  sündigt  als  Gott 
allein.  Und  in  Rücksicht  hier- 
auf habe  ich  mich  mit  der  Welt 
näher  eingelassen,  ohne  dafs  mein 
Lebenswandel  [deshalb]  Abbruch 
erlitten  hätte.  47  Denn  Eva  war 
[Jungfrau]  im  Paradiese;  und 
nachdem  sie  zu  Willen  war  und 
tat,  was  sie  tat,  da  gelangte  sie  zur 
Erkenntnis  der  schönen  Dinge ' 
und  der  ganzen  Welt.'  4S  Und 
als  der  Satan  dies  gesagt  hatte, 


1  Nach  den  anderen  Texten  ist 
vielmehr  hinter  -'und  die  ganze  Welt' 
das  Prädikat  ausgefallen. 


h  ohne  Befleckung.  Denn  -j-  sb.  —  i  die  Seligkeit  jener  Welt  für  die 
(eig.  'der')  Gerechten  ist  unvergänglich  und  unauflöslich.  —  k  und  sprach 
zu  ihr  s.  —  1  das  Volk  (=  die  Menschheit?)  s.  —  m  Kreaturen  sb.  — 
n  zum  Gebet  zu  gehen  b.  —  o  und  ging  heraus  mit  ihr  (zum  Gebetshause  -|-  s) 
-(-  sb.  —  P  Heilige  b.  —  q  es  wurde  ihr  bewufst  b.  —  r  Feindes  sb.  — 
s  erkannte  sb.  —  *  schlimme  -f-  sb.  —  u  zu  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


298 


durch  die  Kraft  v  Jesu  Christi 
an,  und  er  floh  beschämt  von  der 
Magd  Gottes;  und  er  ging  betrübt 
zu  dem,  der  ihn  ausgesandt  hatte. 
50  Die  Heilige  aber  w  stärkte  sich 
in  der  Stärke  Christi x  und  ruhte 
aus  von  der  Peinigung  durch  den 
Hinterlistigen,  und  sie  pries  Gott, 
y  dafs  er  ihr  im  Kampfe  geholfen 
habey.  Und  sogleich  verliefs  sie 
das  Fieber.  51  Und  sie  fing  an 
zu  sagen2:  52  Preis  sei  dir,  Chri- 
stus, der  die  a  stärkt,  die  zu  ihm 
ihre  Zuflucht  nehmen,  und  leuch- 
ten läfst  b  seine  °  herrlichen  Strah- 
len denen,  die  d  blind  sind  in- 
folge der  Finsternis  des  Bösen. 
53  Du,  o  Herr,  e  in  deiner  grofsen 
Gnade  f  gib  mich  nicht  preis,  dafs 
ich  nicht  besiegt  werde  von  dem, 
dem  Rechtlichkeit  fern  ist,  son- 
dern hilf  deiner  Magd,  die  auf 
dich  hofft.  Denn  mein  Fleisch 
ist  eingeschrumpft  wegen  der 
Furcht  vor  dir  und  wegen  deiner 
Gerichte,  vor  denen  ich  mich 
fürchte  &.  Gib  Lobpreis  deinem 
heiligen  Namen,  dafs  h  meine 
Hasser  [es]  sehen  und  *  zu  Schan- 
den werden,  da  du,  o  Herr,  mir 
geholfen  und  mich  getröstet  hast 
durch  deine  dreifältige  Kraft.  * 

IX.  54  Der  Dämon  aber  ging 
fort  und  erschien  dem  Zauberer 
260  Cyprianus,  *  k  und  er  antwortete 
und  sprach  zu  ihm :  'Auch  ich 
bin  *  wiederum  besiegt  worden 
von    einem    einzigen    schwachen 


wurde  die  Jungfrau  ungeduldig, 
und  es  schüttelte  sie  Erschauern 
und  Hitze,  und  ihr  Bewufstsein 
schwand  ihr;  und  sie  erhob  sich, 
indem  sie  dem  folgte,  der  sie  an- 
angeredet hatte,  ohne  den  zu  ken- 
nen, der  sie  [so]  getäuscht  hatte, 
und  sie  ertappte  den  Satan,  der 
vor  ihr  hergegangen  war.  49  Und 
nachdem  sie  sich  [dann]  entschlos- 
sen hatte,  aus  der  Tür  des  Hauses 
herausgehen,  besiegelte  sie  sich 
mit  dem  Zeichen  des  Kreuzes ; 
und  der  Satan  sprang  auf  wie 
jemand,  der  vor  Schwerthieben 
aufspringt.  50  Und  nachdem  die 
Heilige  gesehen  hatte,  was  ge- 
schehen war,  zeichnete  sie  wie- 
derum das  Zeichen  des  Kreuzes. 
Und  der  Satan  entwich  in  Schimpf 
und  Schande.  —  Darauf  erholte 
sie  sich  ein  wenig,  indem  sie 
sprach:  'Weh  mir!  Da  doch  wenig 
fehlte,  dafs  meine  Sünden  aufge- 
rüttelt worden  wären  und  ich 
[dann]  in  der  Hölle  hätte  wohnen 
müssen.'  Hierauf  kehrte  sie  zu- 
rück und  schlofs  die  Tür  zu  und 
salbte  mit  ihren  Händen  ihre 
Augen ;  und  der  Schüttelfrost  und 
die  Hitze  wichen,  und  sie  ward 
[wieder]  gesund.  51  Da  erhob  sie 
ihre  Hände  zum  Himmel,  und  sie 
sprach,  indem  sie  unter  Tränen  zu 
unserem  Gotte  dem  Segenspender 
betete :  5'2  'Dir  sei  Lob,  o  Christus 
unser  Gott,  dieweil  du  die  Hilfe 
deines    Schwertes    gesandt    und 


v  >  sb.  —  w  ermutigte  sich.  —  *  und  er  floh  beschämt  vor  der 
Magd  Gottes  -\-  b.  —  y  >  sb.  —  z  also  -\-  sb.  —  a  errettet  s.  —  b  und 
seine  Knechte  gemäfs  (hin  zu  ö?)  dem  Willen  seines  Vaters  leitet;  er,  der 
hat  leuchten  lassen  sb.  —  c  hellen  sb.  —  d  erblindet  waren  sb.  —  e  unser 
Herr  Jesus  Christus  -f-  sb.  —  f  und  Huld  -\-  sb.  —  g  sondern  (und  b) 
in  deiner  Gnade  sei  mir  gnädig  -f-  sb.  —  h  die  irrenden  Heiden  (wörtl. 
'Völker')  sb.  —  i  und  preisen  deine  Dreiheit,  Vater  und  Sohn  und  hei- 
ligen Geist  in  alle  Ewigkeit.   Amen!  sb.  —  k  >  b.  —  1  >  sb. 


294 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


Weibe.'  55  Es  antwortete  Cypria- 
nus  und  sprach  m :  'Wo  ist  deine 
Siegeskraft?  Sage  es  mir!'  56  Es 
antwortete  der  Dämon  "  und 
sprach  zu  ihm :  'Frage  mich  nicht, 
weil  ich  es  dir  nicht  sagen  kann; 
denn  ich  habe  ein  Zeichen  ge- 
sehen und  °  geriet  in  Unruhe  und 
floh  davor.  Wenn  du  aber  willst, 
dafs  ich  dir  die  Wahrheit  sage, 
so  schwöre  mir  P,  und  ich  sage 
es  dir.'  57  Es  antwortete  Cy- 
prianus  und  sprach  zu  ihm:  'Bei 
wem  soll  ich  dir  denn  schwören  ?' 
Der  Dämon  sprach  4:  'Schwöre 
mir  *!  bei  meiner  grofsen  Kraft, 
die  bei  mir  immerwährend  ist!' 
58  Cyprianus  sprach  r  zu  ihm  r : 
'Nein,  bei  deiner  grofsen  Kraft! 
ich  lasse  nicht  von  dir.'  59  s  Und 
der  Dämon  fafste  Vertrauen  *  und 
sprach  zu  ihm:  'Ich  sah  das  Zei- 
chen dessen,  der  gekreuzigt  wor- 
den ist,  und  ich  geriet  in  Unruhe, 
auch  fürchtete  ich  mich,  und  floh 
davor.'  60  Cyprianus  sprach  u  zu 
ihm:  'Der  also,  der  gekreuzigt 
worden  ist,  ist  gröfser  als  du?!' 

61  Der  Dämon  spricht:  v  'Habe 
Geduld  und  v  höre  mich,  und  ich 
will  dir  die  Wahrheit  sagen.  Jeder, 
der  w  raubt  und  betrügt  x,  hängt 
uns  an  und  wird  unser  Genosse 
y  an   jenem  schrecklichen  Orte; 

62  z  denn  die  Pein  ist  bitter,  denn 
sie  machen  Eisen  glühend  und 
legen  es  [so]  auf  die  Glieder  a  der 
Männer    und   auch   der  Weiber; 

261  und  so  wird  er  *  durch  die  grau- 
same   Glut    gepeinigt    vor    dem 


den  kämpfenden  Feind  geschla- 
gen hast;  dir  sei  Preis,  o  Herr 
Christus  mein  Gott,  du  Licht  der 
Welt,  das  meine  Pupille,  meine 
Naturanlage,  erleuchtete,  die  der 
Satan,  mein  Feind,  verdunkelt 
hatte;  dir  sei  Lob,  o  Christus, 
mein  Gott,  du  Auge,  das  nicht 
schlummert,  sondern  erbarmend 
schaut  auf  alle  die,  die  auf  dich 
trauen!  Jetzt  habe  ich  erfahren, 
dafs  deine  Rechte  mir  geholfen 
und  mich  heraufgezogen  hat  aus 
dem  Brunnen  des  Elends  und 
aus  der  Tiefe  des  Schlammes.  Ich 
danke  dir,  o  du  Freund  des  Men- 
schengeschlechts, dafs  du  meine 
Niedrigkeit  nicht  unbeachtet  ge- 
lassen hast,  sondern  mich  be- 
schützt hast  durch  deine  Macht, 
die  aller  Dinge  mächtig  ist,  wenn 
der  Fremde  [auch  schon]  über 
jemanden  Gewalt  gewonnen  hat. 
O  Herr!  präge  die  Furcht  vor 
dir  meinem  Fleische  ein,  53  und 
in  deiner  Gerechtigkeit  erbarme 
dich  meiner,  und  verleihe  deinem 
Namen,  o  Herr,  Lobpreisung!' 

IX.  54  Da  trat  der  Satan  in 
Schimpf  und  Schande  vor  Cy- 
prianus hin;  55  und  Cyprianus 
sprach  zu  ihm :  'Was  ist  das  für 
eine  Sache,  du  arger  Prahlhans, 
der  es  fertig  bringt,  die  Erde  und 
das  Meer  vergehen  zu  lassen !  Es 
hat  dich  eine  einzige  Jungfrau 
besiegt,  *  derart,  dafs  ich  sehe,  74 
dafs  deine  Macht  nichts  zu  be- 
deuten hat.'  56  Es  antwortete  ihm 
der  Satan :  'Es  ist  mir  nicht  mög- 


m  zu  ihm:  Und  +  sb.  —  n  aber  -\-  b.  —  o  fürchtete  mich  b.  — 
P  dafs  du  nicht  von  mir  weggehen  wirst  -j-  s.  —  Q  zu  ihm:  Schwöre  b. 
—  r  >  sb.  —  s  Aber  sb.  -  t  zu  ihm  -\-  sb.  —  u  >  b.  —  v  >  sb.  — 
w  sündigt  b.  —  x  hier,  dieser  +  sb.  —  7  dort  aber  -\-  sb.  —  z  >  sb.  — 
a  des  Mannes  oder  Weibes  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


295 


Richterstuhle  dessen,  der  gekreu- 
zigt worden  ist;  und  auch  die 
Engel  bedrängen  sie  in  Grausam- 
keit.' 63  Cyprianus  spricht b :  'Auch 
ich  will  also  ein  Freund  dessen 
sein,  der  gekreuzigt  worden  ist, 
dafs  nicht  auch  ich  dem  grausamen 
Gerichte  anheimfalle.'  64  Der  Dä- 
mon spricht:  'Und  hast  du  nicht 
mir  geschworen  c  bei  meiner  gro- 
fsen  Kraft,  c  dafs  du  nicht  d  lügst.' 
—  Cyprianus  sprach:  'Bei  wem 
habe  ich  dir  geschworen  und  ge- 
logen?' —  Der  Dämon  spricht: 
'Bei  meiner  grofsen  Kraft!'  — 
65  Cyprianus  sagte:  'Dich  mifs- 
achte  ich,  und  deine  e  grofse  Kraft 
verachte  ich.  Denn  in  dieser 
Nacht  vertraue  ich,  dafs  —  indem 
ich  zu  dem  Gebet  und  zu  dem 
Flehen  f  der  Jungfrau  f  meine  Zu- 
flucht nehme  und  S  flehe  in  derS 
Kraft  des  Kreuzes  —  h  auch 
durch  dasselbe  ll  deine  ganze  lüg- 
nerische Kraft  erniedrigt  wird. 
Denn  auch  ich  bekreuzige  mich 
mit  dem  Kreuze  und  verleugne 
dich  '  und  deine  ganze  Kraft  '.' 
G6  Und  als  er  so  gesprochen  hatte, 
bekreuzigte  er  sich  mit  dem  Zei- 
chen unseres  Erlösers  und  sprach: 
'Preis  sei  dir,  Christus,  unbesiegte 
Kraft!'  und  sogleich  floh  der 
Satan.  —  Und  es  sprach  Cypria- 
nus :  'Von  jetzt  an  glaube  ich  an 
262  Christus,  *  k  und  er  entreifst  mich 
der  ganzen  Kraft  des  Bösen.' 
Der  Dämon  aber  ging  beschämt 
davon. 

X.  67  Cyprianus  aber  nahm 
seine  Zaubertabellen  und  lud  sie 
seinen    vier  Hausgenossen    auf; 


lieh,  es  dir  zu  sagen;  [ich  wurde 
besiegt,]  weil  ich  das  furchtbare 
Zeichen  gesehen  habe;  da  geriet 
ich  in  Angst  und  mufste  mich 
[schliefslich]  zurückziehen.  Und 
wenn  du  es  [durchaus]  erfahren 
willst,  so  schwöre  mir;  und  ich 
will  es  dir  sagen.'  57  Es  sprach 
Cyprianus  zu  ihm :  'Bei  wem  soll 
ich  dir  schwören?'  Er  sprach  zu 
ihm :  'Bei  den  starken  Gewalten, 
die  in  mir  dauernd  wohnen !  Nicht 
sollst  du  einen  anderen  an  meine 
Stelle  setzen.'  58  Da  sprach  Cy- 
prianus zu  ihm:  'Und  sind  in 
Wahrheit  die  festen  Gewalten  in 
dir?  [So]  will  ich  nicht  einen 
anderen  an  deine  Stelle  setzen.' 
59  Und  nachdem  der  Satan  an 
seine  rechte  Seite  getreten  war, 
sprach  er:  'Ich  sah  das  Zeichen 
des  Gekreuzigten,  und  ich  fürch- 
tete mich  davor  und  zog  mich 
zurück.'  60  Da  sprach  zu  ihm 
Cyprianus:  'So  ist  der  Gekreu- 
zigte gröfser  als  du  ?'  61  Es  ant- 
wortete der  Satan :  'Ja ;  dazu 
kommt,  dafs  allen  denen,  welche 
wir  hier  verführen,  und  die  unsere 
Werke  tun,  62  glühend  gemachte 
Halseisen  auf  ihre  Hälse  gelegt 
werden;  und  die  Engel  des  Ge- 
kreuzigten führen  sie  in  diesem 
Zustande,  bis  dafs  sie  stehen  vor 
seinem  [Richter]stuhle.'  63  Da 
sprach  Cyprianus  zu  dem  Satan: 
'Da  bin  ich  allerdings  begierig, 
ein  Freund  des  Gekreuzigten  zu 
werden,  damit  ich  nicht  schliefs- 
lich in  diese  harte  Strafe  verfalle.' 
64  Und  es  sprach  zu  ihm  der 
Satan:  'So  willst  du  mich  im  Stiche 


t>  zu  ihm  -f-  s.  —  c  >  b.  —  d  mich  belügst  b.  —  e  >  sb.  —  f  >  b. 
K  verehre  die  s.  —  h  durch  welches  sb.  —  i  >  sb.  —  k  dafs  sb. 


296 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


und  so  ging  er  hin  zum  Gottes- 
hause und  fiel  vor  den  Füfsen 
des  l  Priesters  m  Euthymius  nieder 
und  sprach  n  zu  ihm:  68  'Geseg- 
neter Knecht  Gottes !  °  Ich  bitte 
dich :  ich  will  ein  Verehrer  Gottes 
und  unseres  Herrn  Jesus  Christus 
sein  und  eingezeichnet  werden  v  in 
das  Buch  «  der  Gläubigen  <«,  die 
ihn  verehren.'  69  Der  r  Priester 
Euthymius  aber  wähnte,  er  könnte 
auch  die,  die  in  der  Kirche  waren, 
betrügen  wollen,  und  der  Heilige 
sprach  zu  Cyprianus:  70  'Es  ist 
genug,  dafs  du  viel  Volks  drau- 
fsen  verführt  hast.  Schone  deiner 
selbst  und  komme  nicht  trüge- 
rischerweise in  die  Kirche  Gottes; 
denn  die  Kraft  Christi  läfst  sich 
nicht  besiegen.'  71  Es  antwortete 
Cyprianus  und  sprach :  'In  Wahr- 
heit weifs  auch  ich,  mein  Herr, 
dafs  er  unbesiegbar  ist.  Denn  in 
dieser  Nacht  habe  ich  s  Dämonen 
gegen  die  heilige  Jungfrau  Justa 
gesandt,  und  durch  ihr  Gebet 
und  durch  ihre  Liebe  zu  Christus 
hat  sie  sie  besiegt.  72  Aber  nimm 
meine  Zauberbücher,  mit  denen 
263  ich  alles  *  Böse  verrichtet  habe  *, 
und  verbrenne  sie  mit  Feuer. 
Und  erbarme  dich  meiner,  und  u 
ich  will  zu  der  Herde  Christi  ge- 
hören.' TA  Der  heilige  v  Euthy- 
mius aber,  als  er  dies  von  w  jenem 
Zauberer  hörte,  nahm  seine  Ta- 
bellen und  verbrannte  sie  mit 
Feuer;  x  und  er  segnete  ihn  und 
y  fing  an,  zu  ihm  zu  sprechen: 
z  'Sei  beständig  z  im  Gotteshause 


lassen,  nachdem  du  mir  doch  ge- 
schworen hast?'  65  Cyprianus 
sprach:  'Ich  lasse  dich  fahren, 
und  ich  fürchte  mich  nicht  vor 
deinen  Kräften,  da  ich  ja  in  die- 
ser Nacht  durch  die  Gebete  und 
Bitten  der  heiligen  Jungfrau  zu 
der  Gewifsheit  gekommen  bin, 
dafs  kein  anderer  Gott  ist  aufser 
Jesus  Christus  der  Gekreuzigte, 
vor  dessen  Kreuze  eure  Kräfte 
nicht  standzuhalten  vermögen.  So 
will  ich  mich  denn  bekreuzigen 
und  will  mich  von  dir  trennen 
und  mich  mit  ihm  ins  Einver- 
nehmen setzen.'  66  Und  als  er 
dies  geredet  hatte,  bekreuzigte  er 
sich,  indem  er  sprach:  'Dir  sei 
Lob,  o  Christus  Gott,  der  du  dich 
nicht  von  deiner  Herde  abwen- 
dest. Entweiche,  o  Satan!  denn 
siehe,  ich  will  meinem  Christus 
anhangen/ 

X.  67  Und  sogleich  liefs  er  sich 
seine  Zauberbücher  reichen  und 
übergab  sie  einigen  Jünglingen ; 
und  er  ging  zum  Tempel,  hin  zu 
dem  seligen  Bischof  Anthimus, 
und  er  verneigte  sich  vor  ihm, 
indem  er  sprach :  68  'O  du  gerech- 
ter Knecht  Gottes!  Ich  glaube, 
dafs  dem  himmlischen  Gotte  das 
Heer  angehört;  so  bringe  mich 
zu  der  Heerschar  Christi !'  69  Der 
Bischof  aber  wähnte,  er  sei  [nur] 
gekommen,  um  die  Brüder,  die 
hier  waren,  zu  verzaubern.  Und 
er  sprach  zu  ihm:  70  '0  Cypria- 
nus! Die,  die  aufserhalb  der 
Kirche  sind  und  die  dir  anhangen, 


1  heiligen  sb.  —  m  Anthimos  s;  Euthymius  des  Bischofs  b.  —  "  so 
(zu  ihm  r-  b)  sb.  —  "  Auch  ich  sb.  —  P  von  unserem  Herrn  -f-  s.  — 
q  derjenigen  sb.  —  v  heilige  Anthimos  sb.  —  s  verfluchte  (?)  -j-  s.  — 
t  mein  Herr  -f-  sb.  —  »  auch  -f-  sb.  —  v  >  s.  —  w  dem  sb.  —  x  ihn  aber 
segnete  er  sb.  —  y  sprach  b.  —  z  Halte  dich  nun,  mein  Sohn,  immer  auf  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


297 


zurzeit  des  Gebets !'  74  Cyprianus 
aber  ging  in  Freuden  zu  seinem 
Hause,  und  alle  Götzen,  die  er 
hatte a,  zertrümmerte  er,  und  die 
ganze  Nacht  schlug  er  mit  seinen 
Händen  auf  sein  Gesicht  und 
auf  seine  Brust,  und  er  sprach  h : 
75  'Ich  wagte  es,  deiner  Kraft, 
c  mein  Herr  Jesus  Christus,  ent- 
gegenzutreten durch  alles  das 
Böse,  was  ich  getan  habe.  Und 
wie  (l  kann  ich  dich  segnen  mit 
e  dem  Munde,  mit  dem  ich  [einst] 
die  Menschen  verfluchte,  die  f  dei- 
nen Namen  anriefen?'  76  Und  er 
warf  Staub  auf  sein  Haupt  und 
warf  S  sein  Angesicht  £  auf  die 
Erde  h  und  weinte  h  bis  an  den 
siebenten  Tag. 

XI.  77  j  Und  nach  sieben  Tagen 
stand  er  früh  an  dem  k  Morgen 
auf,  der  den  grofsen  Sabbat  ein- 
leitet, und  ging  zum  Gotteshause, 
264  *  und  als  er  auf  dem  Wege  dahin- 
ging,    *  sprach    er    im    Gebete: 

78  'Christus,  ein  Helfer  derer,  die 
ihn  in  Wahrheit  anrufen,  wenn 
ich  wert  bin,  dein  Knecht  zu  sein, 
so  zeige  mir  irgend  ni  eine  Stelle, 
wenn  ich  in  dein  heiliges  Haus  hin- 
eingehe, n  o  mein  Herr"!  und  dafs 
ich  hören  kann  °  aus  der  °  Vor- 
lesung p  der  heiligen  Schriften, 
dafs  du  mich  angenommen  hast.' 

79  1  Und  als  er  ging  i  in  das 
Gotteshaus,  r  hörte  er  den  s  Psalm- 
sänger, welcher  *  sprach :  'Du  hast 
es  gesehen,  Gott!  schweige  nicht, 
und  a  du,  o  Herr,  entziehe  dich 


mögen  dich  auf  die  Probe  stel- 
len, ob  du  ein  treuer  Anhänger 
der  Kirche  Christi  werden  willst.' 
71  Und  es  sprach  Cyprianus:  'Ich 
bin  allerdings  der  Gewifsheit, 
*  dafs  Christus  nicht  besiegt  wer-  75 
den  kann,  und  er  hat  es  bewiesen 
dadurch,  dafs  der  Satan  entwei- 
chen mufste  und  die  heilige  Justina 
obsiegte.'  72  Und  er  sprach  zu 
dem  Bischöfe:  'Es  seien  dir  ein- 
gehändigt diese  Bücher,  durch  die 
ich  einst  Zauberei  trieb,  und  ver- 
brenne sie  mit  Feuer;  mir  aber 
sei  gnädig!'  73  Und  es  nahm  der 
Bischof  die  Bücher  und  ver- 
brannte sie  und  segnete  ihn  und 
hiefs  ihn  gehen,  indem  er  sprach : 
'Geh  demütig  zur  Kirche!'  74  Und 
er  ging  in  seine  Wohnung,  und 
er  zerstampfte  alles,  was  darin 
war,  und  warf  es  auseinander. 
Und  er  blieb  während  der  Nacht, 
indem  er  bei  sich  selbst  weh- 
klagte und  sprach:  75  'Wehe  mir 
Elendem !  Wie  kann  ich  es  wagen, 
mich  an  dem  Lobpreise  Christi  zu 
beteiligen,  da  ich  doch  diese  zahl- 
reichen Missetaten  getan  habe? 
Und  wie  kann  ich  ihn  preisen 
mit  meinem  Munde,  durch  den 
ich  viele  Menschen  verflucht  und 
die  unreinen  Satane  zu  Hilfe  ge- 
rufen habe.'  76  Und  er  tat  Asche 
auf  sein  Haupt,  indem  er  sich  von 
Gott  Gnade  und  Vergebung  erbat. 
XL  77  Und  als  die  Morgen- 
dämmerung nahegekommen  war 
und    der    grofse    Sabbat    ange- 


a  in  seinem  Hause,  indem  er  sie  anbetete  (?)  -f-  s.  —  *>  also  -f-  sb.  — 
c  unser  b.  —  d  mein  Herr  -f-  sb.  —  e  diesem  meinem  sb.  —  f  bei  deinem 
Namen  sb.  —  S  sich  sb.  —  h  schweigend  sb.  —  i  Aber  b.  —  k  grofsen  s. 
—  1  betete  er  und  sprach  also:  sb.  —  m  ein  Zeichen  b.  —  n  >  b.  — 
o  die  sb.  —  P  deiner  s.  —  <1  Und  er  ging  hinein  sb.  —  r  und  -\-  sb.  — 
s  Psalm  sb.  —  t  so  -f-  sb.  —  n  >  sb. 


298 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


mir  nicht';  und  weiter  hörte  er 
Jesaia,  der  da  sprach:  Siehe, 
v  mein  Knecht  v  wird  einsichtig 
und  wird  sich  erheben,  so  dafs 
viele  über  ihn  staunen  werden; 
w  und  weiter  sagte  David :  80  Meine 
Augen  kommen  den  Nachtwachen 
zuvor,  damit  ich  über  dein  Wort 
nachsinne;  und  weiter  sagte  Je- 
saia: 81  Fürchte  dich  nicht,  mein 
Knecht  Jakob  und  Israel,  den 
ich  erwählt  habe  w ;  und  wiederum 
x  den  Apostel,  der  gesagt  hat: 
82  Christus  hat  uns  erkauft  vom 
Fluche  des  Gesetzes;  und  wie- 
derum y  sagte  David :  'Wer  kann 
die  Wundertaten  des  Herrn  er- 
zählen z  ?'  und  wiederum  das  Evan- 
gelium, das  gesagt  hat:  'Jeder, 
der  an  mich  glaubt,  wird  nicht  zu 
Grunde  gehen,  sondern  er  wird 
ewiges  Leben  haben,  und  weiter, 
dafs  sie  a  verkündigten,  dafs  jeder, 
der  a  nicht  das  Zeichen  trüge, 
hinausgehen  solle.'  * 
265  XII.  83  Cyprianus  aber  stand 
auf  der  Schwelle  der  Tür,  und 
es  sprach  zu  ihm  to  einer  der  Dia- 
konen :  'Steh  auf,  geh  hinaus !' 
84  c  Und  es  antwortete  Cyprianus 
und  sprach  zu  ihm:  'Ich  bin  ein 
Knecht  Christi ;  und  du  sagst  zu 
mir,  dafs  ich  hinausgehen  soll?' 
Und  der  Diakon  sprach  zu  ihm: 
'Du  bist  [es]  noch  nicht  vollkom- 
men, (1  Cyprianus !'  85  Und  Cy- 
prianus sprach  zu  ihm  A :  'So  wahr 
Christus  lebt,  der  die  Dämonen 
zu  Schanden  gemacht  und  sich 
e  meiner  und  e  der  Jungfrau  er- 


brochen war,  da  kam  er  zur 
Kirche,  indem  er  sich  [vor  Gott] 
demütigte  und  sprach :  78  'O  mein 
Herr  Jesus  Christus!  Wenn  ich 
gewürdigt  bin,  von  dir  vollkom- 
men als  Knecht  bezeichnet  zu 
werden,  so  gib  mir  ein  Zeichen, 
dafs  ich  es  höre  in  deinem  Tempel 
aus  deinen  göttlichen  Schriften 
und  seine  Bedeutung  verstehe.' 
79  Und  bei  seinem  Eintritt  in  die 
Kirche  hörte  er  den  Ausspruch 
des  Propheten  David:  80  'Meine 
Augen  holten  die  Nachtwachen 
ein,  um  deine  Worte  zu  studie- 
ren'; 1  und  den  Propheten  Jesaia: 
Siehe,  mein  Jüngling  wird  ein- 
sichtig werden;  -  und  wiederum 
David:  Siehe,  du  hast's  gesehen, 
o  Herr;  so  schweige  nicht,  mein 
Herr;  entferne  dich  nicht  von 
mir ; 3  und  nochmals  Jesaia : 
81  Fürchte  dich  nicht,  Jakob  mein 
Kind  und  Israel  mein  Geliebter; 
siehe  ich  habe  dich  erwählt;4  und 
den  Apostel  Paulus :  82  Christus 
hat  sich  uns  losgekauft  von  dem 
Fluche  des  Gesetzes.3  Hierauf 
hörte  er  die  frohe  Botschaft  des 
Evangeliums,  und  nach  der  Be- 
lehrung des  Bischofs  und  nach- 
dem der  Diakon  es  zu  den  Kate- 
chumenen  gesagt  hatte,  gingen 
sie  heim. 

XII.  83  Da  setzte  sich  Cypria- 
nus hin,  und  es  sprach  zu  ihm  der 
Diakon  Asterius:  'Geh  hinaus  vor 


1  Ps.  119, 148.    2  Jes.  52, 13.    3  Ps. 
35,  22.    4  Jes.  44,  2.    5  Gal.  3,  13. 


v  er  s.  —  w  >  s;  und  weiter  einen  anderen  Psalm,  der  da  sagt  etc.  b. 

—  x  auch  +  s.  —  y  David,   der  sagte  sb.  —   z  und  hören  allen  seinen 
Preis  (syr.  Plur.)  -4-  sb.  —  a  ausrufen,  dafs  der,  welcher  (b  im  Plur.)  sb. 

—  b  der  Diakon  Namens  Asterius  (syr.  Asteri)  sb.   —   «  >  sb.  —    d  Cy- 
prianus sprach  (zu  ihm  -\-  s)  sb.  —  e  >  b. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


2M9 


barmt  hat,  —  nicht  gehe  ich  hin- 
aus, bis  dafs  ich  [es]  vollkommen 
bin.'  86  Asterius  aber  der  Dia- 
kon ging  hin  und  meldete  es  dem 
Bischöfe,  und  der  Bischof  rief 
den  Cyprianus  und  wiederholte 
ihm  die  Worte  f  der  heiligen 
Schriften  f  und  betete»;  und  so 
h  taufte  er  ihn  im  Namen  unseres 
Herrn  Jesus  Christus.  87  Und 
nach  acht  Tagen  wurde  er  Verkün- 
diger '  der  verborgenen  Mysterien. 
Und  k  als  Pfingsten  gekommen 
war  k  und  er  von  der  Güte  Gottes 
erfüllt  wurde,  88  heilte  er  Krank- 
heiten und  Schmerzen  !  im  Namen 
Jesu  Christi  l.  89  Und  ehe  noch 
m  ein  Jahr  zu  Ende  war,  ward  er 
Beisitzer  des  Bischofs;  und  sech- 
zehn Jahre  hatte  er  den  Stuhl  * 
266  der  Heiligkeit  inne.  90  Und  da- 
nach berief  der  heilige  n  Euthy- 
mius  °  die  Bischöfe,  die  rings  um 
ihn  herum  [amteten],  und  be- 
sprach mit  ihnen,  was  (plur.)  der 
Kirche  Gottes  p  zukommt.  Und 
solange  er  noch  am  Leben  war, 
gab  er  <i  ihm  den  bischöflichen 
Stuhl.  91  r  Und  wenige  Tage  da- 
nach entschlief  der  Bischof  Euthy- 
mius  in  Christus s  und  überliefs 
ihm  die  Herde  Christi;  *  denn 
der  heilige  u  Cyprianus  hatte  sich 
viele  Verdienste  erworben.  92  Und 
die  heilige  Justa  machte  er  zur 
Diakonissin;  und  viele  erleuchtete 
er,  indem  er  v  sie  allen  verderb- 
lichen Häresien  entrifs,  und  er 
fügte  hinzu  zur  w  Kirche  Christi, 


die  Kirche !'  84  Da  sprach  zu  ihm 
Cyprianus:  'Ich  bin  schon  ein 
Knecht  Christi  geworden,  und  du 
willst  mich  hinausschicken  ?'  Da 
sprach  er  zu  ihm :  'Du  gehörst  [noch] 
nicht  zu  den  vollkommenen  Knech- 
ten.' 85  Und  Cyprianus  sprach  zu 
ihm:  'So  wahr  Christus  lebt,  der 
den  Satan  gebändigt  und  die  Jung- 
frau gerettet  und  sich  meiner  er- 
barmt hat,  siehe,  ich  gehe  nicht 
heraus,  bis  dafs  ich  es  vollkommen 
werde.'  86  Und  der  Diakon  hinter- 
brachte dem  Bischöfe  seine  Rede, 
da  rief  ihn  der  Bischof  zu  sich  und 
bat  ihn,  ihm  seinen  Wunsch  vor- 
zulegen, entsprechend  dem,  dafs 
das  Gesetz  dies  verlangt,  und  liefs 
ihn  [ab]schwören  und  taufte  ihn. 
87  Und  am  *  achten  Tage  ward  76 
er  geweiht  als  Verkündiger  der 
Geheimnisse  Christi  Gottes;  und 
am  fünfundzwanzigsten  Tage 
machte  er  ihn  zum  Unterdiakon 
(vnodtdxovoq),  und  am  fünfzigsten 
Tage  stand  er  im  Range  der  Dia- 
konen [würde].  88  Und  die  Gnade 
[Gottes]  stand  ihm  immer  bei 
gegen  die  Satane,  und  er  heilte 
viele  von  vielen  Krankheiten,  und 
er  brachte  viele  von  dem  falschen 
Glauben  an  die  Götzen  zurück 
und  brachte  sie  dahin,  dafs  sie 
Christen  wurden.  89  Und  nach- 
dem ihm  [so]  ein  volles  Jahr  ver- 
gangen war,  würdigte  ihn  der 
Bischof  des  [Bei]sitzes  und  der 
Erlangung  des  Ranges  des  Prie- 
stertums.    90  Hierauf  berief  der 


f  des  Gesetzes  und  aus  dem  Neuen  Testamente  und  aus  dem  Alten  sb. 
—  g  über  ihm  -f-  b.  —  h  nahm  er  und  taufte  sb.  —  i  der  Wahrheit  und 
Lehrer  -f-  sb.  —  k  während  noch  Pfingsten  war,  wurde  er  Diakon;  (und 
er  wurde  etc.)  sb.  —  1  >  s.  —  m  das  sb.  —  n  Anthimus  sb.  —  o  der 
Bischof  -f-  b.  —  P  zuträglich  sei  sb.  —  q  dem  Cyprianus  b.  —  r  aber  s.  — 
s  in  Frieden  -f-  sb.  —  t  >  s.  —  u  Herr  -\-s.  —  v  >  sb  (fälschlich).  —  w  Herde  sb. 


300 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


indem  er  die  Worte  der  Propheten 
x  überlieferte,  auch  die  Befehle 
unseres  Herrn  erfüllte  x. 


selige  Anthimus  seine  Bischöfe, 
die  um  seine  Stadt  herum  [im 
Amte  standen],  und  er  legte  ihnen 
seine  Angelegenheiten  dar,  und 
er  trat  ihm  im  ganzen  Umfange 
sein  Bistum  und  seinen  Thron  ab. 
91  Und  nach  wenigen  Tagen  voll- 
endete der  Bischof  Anthimus  sei- 
nen Lebenslauf,  und  er  überliefs 
ihm  seine  Herde,  indem  sie  ihn 
zum  Bischof  machten.  Und  nach 
seiner  Einsetzung  sandte  er  zur 
seligen  Justina,  dafs  sie  zu  ihm 
kommen  solle,  indem  er  sehn- 
lichst wünschte,  dafs  seine  An- 
ordnungen durch  sie  bei  den  Leu- 
ten bestätigt  und  durchgeführt 
würden.  Und  nachdem  die  Selige 
gekommen  war,  erzählte  er  ihr 
alles,  was  ihm  begegnet  war;  und 
als  das  Volk  es  hörte,  dankten  sie 
Gott,  dem  Veranstalter  von  stau- 
nenerregenden, herrlichen  Wun- 
dertaten. 92  Und  Cyprianus  betete 
über  ihr  und  setzte  sie  ein  als 
Oberin  der  Nonnen,  und  er  über- 
gab ihr  die  Menge  der  Jung- 
frauen, die  in  der  Lebensweise 
Christi  ihr  Leben  zu  führen  ge- 
dachten. Und  der  heilige  Cypria- 
nus weidete  unterdessen  die  Herde 
Christi  in  Sorgsamkeit  und  Furcht 
Gottes,  indem  er  ohne  Unterlafs 
beklagte,  was  er  in  seinem  frü- 
heren Leben  von  Schlechtigkeiten 
getan  hatte. 

Und  als  der  listige  Teufel  sah, 
dafs  Cyprianus  sich  tatsächlich 
von  ihm  abgewendet  hatte,  da  er- 
grimmte er  über  ihn  gar  sehr; 
und  der  Heilige  hatte  schon  zur 
Zeit  seiner  Taufe  den  Wunsch  ge- 


x  erfüllte  und  die  Worte  unseres  Herrn  Jesus  Christus,  die  er  von 
der  Einsammlung  des  Weizens  und  der  Verbrennung  des  Unkrautes  ge- 
sagt hat  (Matth.  13,  30)  sb. 


Der  Urtext  der  Oyprianuslegende. 


301 


hegt,  dafs  ihm  der  Herr  Macht 
über  die  unreinen  Geister  geben 
möchte,  so  dafs,  ebenso  wie  sie  in 
seinem  früheren  Leben  unter  sei- 
ner Macht  gewesen  waren,  die 
Gnade  Christi  sie  wiederum  ver- 
treiben werde,  und  dafs  Cyprianus 
die,  denen  er  in  der  vergangenen 
Zeit  ein  Freund  gewesen  war, 
[nun]  durch  die  Gnade  Christi 
bekämpfe  und  vertreibe,  ent- 
sprechend dem  Willen  unseres 
wohlgeneigten  Gottes,  der  daran 
Gefallen  hat,  dafs  man  ihn  sich 
geneigt  macht  zum  Guten,  da  er 
doch  nicht  den  Tod  des  Sünders, 
der  Gott  verleugnet,  will,  ent- 
sprechend dem,  dafs  'er  will,  dafs 
er  umkehre  und  so  am  Leben 
bleibe'.'  Und  der  selige  Cypria- 
nus heilte  alle  Krankheiten  und 
Wunden  und  vertrieb  die  Dä- 
monen, indem  er  bei  sich  sagte 
die  Worte  des  Apostels  Paulus: 
Wo  *  die  Schuld  überreich  ist,  da  77 
ist's  noch  mehr  die  Gnade.2 


Indem  er  sich  abmühte  a  um 
den  wahren  Glauben,  b  sah  er, 
wie  das  Volk  zerstreut  war,  und 
den  Wolf,  wie  er  raubte.  93  Der 
heilige  Cyprianus  aber  c  lehrte 
durch  Briefe  viele  aus  der  Stadt d. 
94  Der  Erzbösewicht  aber,  e  der 
tückische  Satan e,  reizte  durch 
267  '  Leute  des  Irrglaubens  *  dazu 
auf,  dafs  sie  den  Heiligen  vor 
Eutolmius  dem  Ostgrafen  ver- 
leumdeten und  ihm  sagten :  95  'Cy- 


Und  in  diesen  Tagen  kümmerte 
sich  der  König  Decius  um  uns 
und  erhob  gegen  die  Christen  ein 
Wüten  in  jeglicher  Provinz  und 
Landschaft;  und  er  zwang  sie, 
vor  den  Götzenbildern  zu  erschei- 
nen. 9,!J  Und  der  selige  Cyprianus 
hörte  nicht  auf  zu  schreiben  und 
[Botschaft]  zu  senden  an  die  Gläu- 
bigen  in  allen  Landstrichen,  in- 


1  Ez.  18,  28.    2  Rom.  5,  20. 


a  für  b.  —  t>  denn  (er  sah  etc.)  sb.  —  c  ermahnte  sb.  —  d  und  be- 
freite viele  von  der  Furcht  vor  dem  verderblichen  Wolfe  -\-  sb.  —  ?  die 
giftige  (wörtl.  'bittere')  Schlange  (davor  'und'  +  b)  sb.  —  f  Verehrer  der 
Götzen  sb. 


302 


Uer  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


prianus  8  ist  der  Lehrer  der  Chri- 
sten, h  und  er  h  vernichtet  den 
Ruhm  der  Götter  durch  seine 
1  vielen  Zaubereien  mit  einer  Jung- 
frau, und  er  bringt  die  ganze 
Schöpfung  durch  seine  Briefe  in 
Aufregung,  und  k  Jungfrauen 
macht  er  zu  Weibern' k.  96  Der 
Graf  aber  ward  mit  Zorn  erfüllt 
und  befahl  l  den  Richtern,  dafs 
sie  den  m  Cyprianus  u  und  die 
Jungfrau  B  in  Fesseln  °  sorgfältig 
[überwacht]  nach  der  Stadt  Da- 
maskus schaffen  und  sie  vor  ihn 
hinbringen  sollten.  97  Und  als 
sie  hineingekommen  waren  p  vor 
ihn  P,  sprach  der  Graf  zu  Q  ihnen : 
'Du  bist  der  Lehrer  der  Christen, 
der  du  r  ehedem  viele  s  davon 
abgebracht  hast,  die  Götter  zu 
preisen,  und  durch  den,  der  ge- 
kreuzigt worden  ist,  viele  verleitet 
hast,  indem  du  ihn  s  höher  stellst 
als  die  Götter.'  98  Der  heilige 
Cyprianus  aber  sagte:  *  'Warum 
hast  du  dich  hingegeben  u  dem 
Hochmute  der  Bosheit  und  dem 
Wahnsinn  ,l  des  Bösen?  Denn 
268  ich  war,  wie  *  du  gesagt  hast,  an 
v  den  Feind  der  Redlichkeit v  ge- 
kettet, w  indem  ich  der  Lehrer 
der  Heiden  war  x  und  viele  durch 
alle  verschiedenen  Arten  der 
Sünde  tötete  x.    "  Und  als  Chri- 


dem  er  sagte:  '0  meine  Brüder! 
Lafst  uns  nicht  ängstlich  besorgt 
sein  um  dies  zeitliche  Leben ! 
Und  wenn  wir  dem  Tode  nicht 
entrinnen  können,  so  lafst  uns 
um  Christi  willen  sterben,  damit 
wir  durch  ihn  leben;  denn  "die 
Besitztümer  dieser  Zeit  sind  nicht 
wert  der  Herrlichkeit,  die  über 
uns  aufgehen  soll".1  Und  darum 
wollen  wir  nicht  [falsche]  Rück- 
sicht nehmen  auf  Wohnung  und 
auf  Stellung  und  auf  flüchtigen, 
vergänglichen  Reichtum  und  nicht 
auf  Kinder  und  nicht  auf  die 
Tränen  eines  Weibes  und  nicht 
auf  Besitz,  und  keines  von  den 
vergänglichen  Dingen  soll  uns 
zum  Anstofs  werden,  der  uns  los- 
reifsen  könnte  von  dem  Wandel, 
der  nicht  zu  Grunde  geht.  Denn 
nicht  gibt  es  ein  Glück,  das  er- 
habener und  wunderbarer,  und 
keines,  das  bei  Gott  gepriesener 
ist,  als  wenn  einen  von  uns  mit 
ein  wenig  Blut  der  König  der 
Himmel  für  sich  erkauft.  Darum 
schreibt  der  selige  Paulus,  indem 
er  sagt:  "Was  kann  uns  trennen 
von  der  Liebe  Christi  ?  Sorge  oder 
Elend  oder  Furcht  oder  Schwert? 
Siehe,  ich  bin  dessen  gewifs,  dafs 


1  Rom.  8,  18. 


g  >  sb.  —  1»  >  sb.  —  i  >  b.  —  k  durch  die  Zeichen,  die  er  tat 
(tut  b)  sb.  —  1  allen  sb.  —  m  heiligen  +  sb.  —  n  samt  der  heiligen  (Jung- 
frau +  s)  Justa  sb.  —  o  und  +  sb.  —  P  >  sb.  —  <1  ihm  b.  —  r  einst  b.  — 
s  dazu  brachtest  [die  Götter]  zu  preisen,  jetzt  aber  durch  Zaubereien  sie 
lehrst  und  verleitest  und  den  Sinn  der  Menschen  aufregst  und  den,  der 
gekreuzigt  worden  ist,  b;  davon  abgebracht  hast,  die  Götter  zu  preisen, 
hauptsächlich  durch  den,  der  gekreuzigt  worden  ist,  indem  du  durch  seine 
vielen  Zaubereien  das  Gehör  der  Menschen  irreführst  und  ihn  (NB.  dieser 
Text  ist  jedenfalls  nicht  korrekt  überliefert)  s.  —  t  Wie  sb.  —  n  dem  Wahn- 
sinn und  dem  Irrtume  b;  dem  Hochmute  und  Irrtume  der  Bosheit  s.  — 
v  die  der  Redlichkeit  Entfremdeten  und  ihre  Feinde  sb.  —  w  und  -f-  sb. 
—  x  habe  ich  viele  getötet  und  viele  dazu  gebracht,  dafs  sie  Ehebruch 
trieben  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


303 


stus  y  mich  errettete,  auch  y  mir 
half  durch  diese  Jungfrau,  da 
verliebte  sich  ein  Scholastikus 
von  der  Familie  der  Clidonia  z  in 
sie,  und  als  er  der  Magd  Gottes 
nichts  Böses  antun  konnte,  indem 
er  sie  zur  Frau  nehmen  wollte, 
100  da  kam  er  zu  mir  und  bat 
mich,  dafs  ich  a  ihm  den  Freund- 
schaftsdienst erweisen  sollte.  Ich 
aber,  im  Vertrauen  auf  meine 
Zauberbücher,  sandte  Dämonen 
gegen  sie,  und  durch  das  Zeichen 
Christi  trieb  sie  sie  in  die  Flucht, 
und  so  [geschah  es]  sogar  mit 
dreien.  101  Ich  sendete  auch  ihren 
Obersten,  und  durch  das  Bild 
des  Zeichens  Christi  erniedrigte 
sie  b  die  heilige  Jungfrau  b.  Und 
als  ich  das  sah,  was  geschehen 
war,  beschwor  ich  den  Dämon, 
dafs  er  mir  sagen  sollte,  aus 
welchem  Grunde  c  er  die  Kraft 
<l  der  Jungfrau  nicht  überwinden 
konnte.  e  Und  indem  der  Dämon 
infolge  des  f  Engels  Pein  litt 
269  (eig.  brannte), '  102  sagte  er  *  mir 
die  ganze  Wahrheit,  und  er  sagte 
weiter  zu  mir:  "Weil  ich  der  Er- 
finder alles  Bösen  S  bin."  loa  h  Und 
ich  überlegte  es  mir  und  J  gab 
meine  Zaubertabellen  dem  frü- 
heren Bischöfe,  k  indem  '  alle  ' 
obrigkeitlichen  Personen  der  Stadt 
dabei  standen, m  und  er  verbrannte 


nicht  Leben  noch  Tod  noch  [ir- 
gend] eine  andere  Kreatur  uns 
zu  trennen  vermag  von  der  Liebe, 
die  in  Jesus  Christus  ist," '  "um 
dessen  Willen  ich  alle  Dinge  für 
Kehricht  zu  achten  gelernt  habe, 
um  Christum  zu  gewinnen."2  "So 
stehet  denn  nun,  meine  Brüder, 
im  Glauben,  festgewurzelt,  uner- 
schütterlich!"3' Diese  Worte  und 
mehr  noch  als  sie  schrieb  der 
selige  Cyprianus  nieder,  und  er 
brachte  viele  Märtyrer  zu  Gott 
hin.  94  Und  als  der  listige  Teufel, 
der  in  der  früheren  Zeit  sein 
Freund  gewesen  war,  das  sah, 
indem  er  [nun]  sein  Widersacher 
war,  so  ertrug  er  es  nicht,  sondern 
ging  hinein  unter  die  Leute  von 
den  Götzendienern,  und  er  reizte 
sie  auf,  den  seligen  Cyprianus  zu 
verklagen.  Und  sie  gingen  nach 
Damaskus  hin  und  verklagten  ihn 
bei  Quirinianus,  dem  Obersten  der 
Stadt,  indem  sie  sagten :  95  'In 
unserer  Gegend  ist  dieser  Mann 
mit  Namen  Cyprianus  Bischof. 
Nicht  gehorcht  er  dem  Befehle 
der  Könige  und  verehrt  nicht  un- 
sere Götter  und  hört  nicht  auf, 
die  Götter  und  die  Könige  zu 
verfluchen,  und  er  wünscht  durch 


1  Rom.  8,  35  u.  38. 
1  Kor.  16,  13. 


VPhil.  3,  8. 


y  >  sb.  —  z  mit  Namen  Aglai'das  sb.  —  »im  AVahnwitze  der  Freund- 
schaft [es]  bewirken  sollte  (?)  s;  den  Wahnwitz  der  Freundschaft  er- 
weisen sollte  (?)  b.  —  t>  sie  sb.  —  c  sie  (. . .  konnten)  s.  —  <i  dieser  sb.  — 
e  Aber  b.  —  f  heiligen  -\-  b.  —  S  und  alles  Häfslichen  -f-  sb.  —  h  Ich 
aber  sb.  —  *  brachte  hin  sb.  —  k  und  -f-  sb.  —  1  viele  und  (auch  -f-  b) 
die  sb.  —  m  verbrannte  man  s;  verbrannte  ich  b. 

1  So  läfst  sich  nach  dem  griech.  Text  ('von  Engeln  gepeinigt')  über- 
setzen; doch  ist  es  geratener,  anzunehmen,  dafs  der  griech.  Text  sekundär 
ist,  infolge  einer  Korruption  des  syr.  Textes  entstanden,  und  dafs  der  ur- 
sprüngliche (syrische)  Text  lautete:  'indem  er  in  Verlegenheit  war  infolge 
seiner  Sendung  (d.  h.  des  Milserfolges  derselben)'  etc. 


304 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


sie  mit  Feuer.  104  Auch  ich  bitte 
dich  jetzt,  dafs  du  dich  lossagst 
von  dem  Wahnwitz  der  Götzen 
und  in  das  Gotteshaus  kommen 
und  die  unbesiegbare  Kraft  Christi 
kennen  lernen  mögest.'  105  Da  er- 
grimmte der  Graf  "  über  ihn  und 
befahl  n,  dafs  er  aufgehängt  und 
gekämmt  werde ;  106  auch  die  hei- 
lige Jungfrau  befahl  er  mit  neuen 
0  Stricken  aufs  Gesicht  zu  schla- 
gen, indem  sie  einander  gegen- 
über hängen  sollten.  —  P  Und 
die  Jungfrau  fing  an  zu  sagen: 
107  'Preis  sei  dir,  wahrer  «  Christus, 
dafs  du  mich,  die  ich  [dessen] 
nicht  wert  war,  zugelassen  hast, 
dafs  ich  deinen  Willen  vollführen 
kann,  und  r  dafs  ich  um  deines 
Namens,  der  seine  Verehrer  er- 
höht, geschlagen  werde'  r.  Und 
als  die  Henker  davon,  dafs  sie 
die  s  Selige  schlugen,  müde  ge- 
270  worden  waren,  *  *  sie  aber  nur 
um  so  mehr  *  Gott  lobte,  da  be- 
fahl der  Graf,  dafs  sie  von  ihr 
ablassen  sollten.  Und  als  Cy- 
prianus  gekämmt  worden  war, 
fühlte  er  nichts  von  dem  Käm- 
men. 108  Es  antwortete  der  Graf 
und  sprach  zu  ihm :  'Opfere u, 
und  du  wirst  v  den  Qualen  ent- 
gehen und  nicht  elendiglich  ster- 
ben.' 109  Der  heilige  Cyprianus 
antwortete  und  sprach  zu  ihm : 
'Warum  erhebst  du  dich  über 
Gott,  dafs  du  dich  von  ihm  los- 
sagst und  dem  Evangelium  Christi 
dich  nicht  anschliefsen  willst? 
Denn  mich  machst  du  nicht  von 
dem  Wege  des  Lebens  abwendig; 


seine  Zaubereien  die  Frauen  für 
seinen  Glauben  zu  gewinnen ;  und 
er  hat  bei  sich  eine  Jungfrau, 
eine  Zauberin  mit  Namen  Justina, 
und  beide  werden  nicht  müde, 
an  alle  Städte  zu  schreiben  *  mit 
ihren  Zauberkünsten,  indem  sie 
die  Männer  und  die  Weiber  ver- 
führen.' 96  Und  als  der  Präfekt 
ihre  Rede  hörte,  ergrimmte  er  hef- 
tig und  sandte  Soldaten;  und 
diese  brachten  sie  beide  nach 
Damaskus.  97  Und  sie  traten  vor 
das  Angesicht  des  Stadtpräfekten 
gefesselt.  Da  sprach  er  zu  Cy- 
prianus: 'Du  bist  also  Cyprianus, 
der  die  Leute  verdirbt,  so  dafs 
sie  uns  nicht  [mehr]  gehorchen, 
der  unsere  Götter  verflucht,  der 
die  Verehrung  Jesu  des  Naza- 
reners,  des  Gekreuzigten,  lehrt.' 
98  Da  antwortete  ihm  der  Heilige, 
indem  er  sprach:  'Ja,  ich  bin  es 
in  Wahrheit!  Aber  siehe,  ich  war 
einstmals  in  dem  gleichen  Irrtume 
und  ein  Freund  deines  Vaters 
des  Satans,  mehr  verhext  als  ihr; 
nicht  kannte  ich  den  Weg  der 
Wahrheit,  sondern  ich  hielt  den 
Irrtum  für  Licht.  "  Und  als  es 
dem  wohlgefiel,  der  in  Wahrheit 
mein  Gott  ist,  so  zeigte  er  mir 
den  Weg  der  Wahrheit  durch 
eine  herrliche  Jungfrau.  Das  ist 
die  Alte,  die  du  bei  mir  siehst,  in 
welche  sich  in  ihrer  Jugend  einer 
der  vornehmsten  adeligen  Jüng- 
linge verliebt  hatte,  indem  er  mit 
ihr  Zusammensein  wollte.  Und 
nachdem  er  sich  gar  sehr  abge- 
müht hatte  mit  dem,  was  er  er- 


n  und  schäumte  vor  Zorn  und  befahl  betreffs  des  Seligen  sb.  — 
o  Riemen  (wörtl.  'Häute')  sb.  —  P  Die  heilige  Jungfrau  aber  sprach 
also:  sb.  —  «l  Gott  sb.  —  r  dafs  du  mich  gewürdigt  hast,  um  deines 
Namens  willen  geschlagen  zu  werden  sb.  —  s  Heilige  sb.  —  t  und  sie 
nur  sb.  —  u  nun  -f-  so.  —  ▼  diesen  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


305 


denn  ich  w  laufe,  dafs  ich  zu  den 
Himmlischen,  die  das  Königreich 
ererben,  hinkomme,  und  dafs  ich 
x  gewürdigt  werde  durch  diese 
Martern,  die  du  an  mich  heran- 
bringst, y  der  unvergänglichen 
Seligkeiten' y. 110  Der  Graf  sprach: 
z  'Und  um  dieser  Qualen  willen 
ererbst  du  das  Himmelreich  ?  Ich 
werde  dir  a  gröfsere  als  diese  zu 
teil  werden  lassen.'  m  Und  er 
befahl,  ihn  zum  b  Gefangenen- 
hause zu  c  führen  und  die  heilige 
Justa  (1  mit  ihm ;  und  (l  er  befahl, 
dafs  sie  e  sorgsam  bewacht  wer- 
den sollten.  Und  als  sie  in  das 
271  *  f  Gefangenenhaus  hineingekom- 
men waren,  ward  es  hell  durch 
die  f  Güte  unseres  Herrn  Jesu 
Christi  S  ihnen  gegenüber  S.  — 
112  h  unc]  wenige  Tage  nachher 
befahl  der  Graf,  dafs  man  sie 
vor  seinen  Richterstuhl  bringen 
sollte  ' ;  und  der  Graf  hob  an  und 
sprach  zu  den  Seligen:  'Täuscht 
euch  nicht  durch  den  Glauben 
und  die  Zauberei  des  sterblichen 
Mannes  und  verliert  [nicht]  euer 
Leben !'  l13  k  Es  antwortete  aber 
Cyprianus  und  k  sprach  zu  ihm : 
'Dieser  Tod  erwirbt  denen,  die  ihn 
1  lieben,  ewiges  Leben.'  114  m  Da 
antwortete  der  Graf  von  Sinnen 
und  sprach:  'Man  soll  einen 
Kessel  heizen  und  Pech  und 
Wachs  und  Schwefel  hineintun 
und  [dann]  den  u  Seligen  °  in  den 
Kessel  °,  wenn  er  siedet,  hinein- 
werfen.'   115  Und  als  sie  ihn  hin- 


strebte, und  doch  seinen  AVillen 
nicht  erreicht  hatte,  1()0  kam  er 
schliefslich  zu  mir  und  gab  mir 
viel  Gold  und  Silber,  damit  ich 
durch  meine  Listen  mich  ihrer 
bemächtige.  Da  rief  ich  einen 
Dämon  herbei  und  sandte  ihn  zu 
ihr,  damit  er  sie  verführe.  Und 
er  kehrte  beschämt  zu  mir  zu- 
rück ;  und  ich  sandte  einen  zwei- 
ten, und  es  ging  ihm,  wie  es  dem 
ersten  ergangen  war.  101  Da  rief 
ich  als  dritten  ihren  Obersten  her- 
bei; und  nachdem  er  mit  grofser 
Prahlerei  gegangen  war,  kehrte 
auch  er  beschämt  zurück.  Und 
als  ich  ihn  fragte,  indem  ich  mich 
über  ihn  mokierte:  "Wie  ist  es 
deinem  Eifer  und  deiner  Macht 
ergangen  ?  Bist  du  schon  schwach 
geworden  ?"  l02  Da  sprach  er  zu 
mir:  "Ich  habe  das  Zeichen  des 
Gekreuzigten  gesehen  und  habe 
mich  davor  gefürchtet  und  bin 
davor  geflohen."  Da  sprach  ich 
zu  ihm :  "So  ist  also  Christus  gro- 
fser als  du?"  Und  er  sprach:  "Ja! 
Wo  seine  Kraft  ist,  ist  keiner  von 
uns  im  stände,  an  diesen  Ort 
nahe  heranzukommen  und  etwas 
auszurichten."  103  Und  nachdem 
ich  sein  Wort  gehört  und  mei- 
nen Verstand  zusammengenom- 
men hatte,  da  verfluchte  ich  ihn, 
und  ich  verfluchte  seine  Kraft 
und  bekreuzigte  mich  mit  der 
Kraft  des  Kreuzes.  Und  ich  er- 
hob mich  und  verbrannte  die 
Zauberbücher;  und  ich  eilte  zum 


w  eile  s  b.  —  x  wert  sei  s.  —  y  ihrer  (d.  i.  der  Himmlischen)  b ;  >  s. 

—  sg  >  sb.  —  a  also  -f-  sb.  —  1>  Gerichtshause  s.  —  c  bringen  und  zu 
-f-  sb.  —  d  >  sb.  —  t  im  Hause  des  Terentiuus  bewacht  werden  sollte  sb. 

—  f  Haus  hineingekommen  war,  ward  das  Haus  erfüllt  von  der  (ward 
das  ganze  Haus  hell  durch  die  s)  sb.  —  S  >  sb.  —  h  Aber  sb.  —  i  ^  und 
als  sie  herbeigekommen  waren,  da  sprach  der  Graf:  sb.  —  k  Cyprianus 
aber.  —  •  ersehnen  sb.  —  m  Der  Graf  aber  befahl  von  Sinnen:  sb.  — 
n  Heiligen  sb.  —  «in  ihn  hinein  b. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  20 


306 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


eingetan  hatten,  nahm  er  P  kei- 
nen Schaden.  116  Hierauf  befahl 
9  der  Graf  r,  die  s  selige  Justa 
*  zum  Kessel  herbeizuführen  *.; 
und  als  sie  herbeigekommen  war, 
flöfste  der  Böse  ihr  Furcht  ein, 
und  sie  fing  an,  sich  zu  fürchten. 
Der  selige  Cyprianus  aber  schrie 
und  sprach  zu  ihr:  U7  'Komme, 
Magd  Gottes  u !  Denn  u  du  hast 
72  mir  gezeigt  den  Weg  *  des  Lebens 
und  hast  mir  geöffnet  die  Tür 
des  Himmels  und  hast  mir  ge- 
zeigt die  Herrlichkeit  Christi. 
v  Du  hast  dich  kräftig  gezeigt 
gegenüber  den  Dämonen,  w  auch 
ihren  Obersten  hast  du  x  für 
nichts  geachtet x  durch  die  Kraft 
des  Kreuzes  y.  Und  wie  solltest 
du  dich  vor  dem  Feuer  fürchten?' 
Die  Selige  aber  bekreuzte  ihren 
ganzen  Leib  und  stieg  hinan 
zum  Feuerkessel;  und  die  beiden 
z  freuten  sich  und  frohlockten  z 
inmitten  des  Kessels  wie  inmitten 
a  erquickenden  Taus.  ll8  b  Und 
es  antwortete  c  Cyprianus  und 
sprach:  'Preis  sei  dem  Gott  in 
den  Höhen  und  Frieden  auf 
Erden  und  gute  Hoffnung  den 
Menschen,  die  rechtschaffen  d  und 
gläubig!'  Und  er  sprach  weiter"1: 
'Weil  der  Satan  vom  Himmel  ge- 
fallen ist  e  und  von  den  Füfsen 
aller  derer  zertreten  wird,  e  die 
an  den  König  Christus  f  unseren 
Erlöser  f  glauben  s  —  denn  s  den 


Bischof  und  liefs  mich  taufen  und 
wurde  ein  Knecht  Christi.  104  Und 
da  du  nun  diese  Worte  von  mir 
gehört  hast,  o  Präfekt,  so  lafs 
diesen  Irrtum  fahren,  der  dich 
umstrickt  hat;  und  da  du  nun 
die  Wahrheit  kennen  gelernt  hast, 
so  glaube  an  Christus,  der  dein 
Leben  an  sich  nimmt,  um  dir  das 
ewige  Leben  zu  geben.'  105  Und 
während  noch  der  Präfekt  seine 
Rede  hörte,  ward  er  sehr  zornig 
und  befahl,  dafs  sie  zusammen 
ausgestreckt  und  mit  Geifseln 
von  Fvinds[leder]riemen  geschla- 
gen werden  sollten.  Hierauf  be- 
fahl er,  dafs  der  Heilige  auf  ein 
Schöpfrad  gebunden  und  zugleich 
mit  ihm  umgedreht  werden  sollte, 
*  damit  seine  Knochen  zerrieben  79 
würden.  106  Und  er  trat  herzu, 
um  der  Jungfrau  ins  Gesicht  zu 
schlagen ;  und  als  ihr  dies  Schmerz 
bereitete,  sprach  sie: 107  'Ich  danke 
dir,  o  mein  Herr  und  mein  Gott, 
dafs  du  mich,  deine  Magd,  ge- 
würdigt hast,  diese  Strafen  zu  er- 
leiden um  deines  Namens  willen.' 
Und  es  banden  die  Diener  den 
Heiligen  auf  dem  Schöpfrad  fest, 
und  sie  setzten  es  in  Umlauf; 
doch  nützte  ihr  Tun  nichts,  son- 
dern er  war,  wie  wenn  man  ihm 
keinerlei  Schmerz  bereitet  hätte, 
indem  er  betete.  lü8  Und  es  flehte 
der  Präfekt  den  Heiligen  an,  in- 
dem er  sagte:  'Glaube  das  Sinn- 


P  durch  (in?)  nichts  sb.  —  1  er  sb.  —  r  wieder  -f-  s.  —  s  heilige  sb.  — 
*  herbeizuführen  und  auch  sie  zum  Kessel  heranzubringen  sb.  —  n  (und 
meine  Schwester  -f-  s),  die  du  etc.  sb.  —  v  die  du  etc.  sb.  —  w  und  -j-  sb. 
—  x  zu  nichte  (eig.  'wie  nichts')  gemacht  sb.  —  y  das  die  stärkt,  die  da- 
nach verlangen  -f-  sb.  /■  waren  zufrieden  und  vergnügt  sb.  —  a  zarten 
(bezw.  'feuchtfrischen',  wenn  anders  zu  lesen)  sb.  —  b  >  sb.  —  c  der 
selige  -(-  sb.  —  cl  >  sb.  —  e  deshalb  ist  alles  in  Frieden;  denn  durch  das 
Wort  Christi,  der  auf  der  Erde  war,  wurde  der  Satan  zu  Schanden,  und 
seine  Kraft  ward  erniedrigt  und  ward  zum  [Gegenstand  des]  Zertretens 
für  die  Menschen  sb.  —  t  >  sb.  —  S  und  durch  die  Kraft  des  Kreuzes 
half  er  seinen  Kindern  und  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


F07 


Bösen  und  h  alle,  die  ihm  gehor- 

273  samen,  hat  er  in  Finsternis  *  ein- 
geschlossen — ,  '  so  preise  ich 
dich,  den  Gott  des  Alls k,  dafs 
du  uns  gewürdigt  hast,  dafs  wir 
um  deines  Namens  willen  Schmach 
erleiden.  *  Ich  bitte  dich,  unser 
barmherziger  Herr  \  dafs  m  du 
unser  Opfer  annehmen  mögest  ni 
zum  Wohlgefallen  deiner  Er- 
habenheit.' 119  °  Und  der  Graf 
hörte  es  und  lachte  und  sprach : 
'Ich  werde  euch  widerlegen  und 
die  P  ganze  Kunst  eurer  Zaube- 
reien.' 12°  Athanasius  aber,  sein 
Beisitzer  (avyxd&eÖQog),  i  der 
Freund  des  Unreinen,  sprach 
zum  Grafen:  'Mir  möchte  deine 
Hoheit,  mein  Herr,  befehlen,  und 
ich  würde  [dann]  herantreten  an 
das  Sieden  des  Kessels  r  im  Na- 
men der  Götter  und  8  die  grofse 
Kraft  Christi  besiegen.'  121  Der 
Graf  aber  sprach  zu  ihm:  'Tritt 
herzu !'  und  als  er  an  den  e  Kes- 
sel herantrat,  erhob  er  seine 
Stimme  und  sprach:  122  'Grofs 
ist  der  Gott  Zeus  und  der 
Vater  der  Götter  a  Asklepiadus, 
v  der  den  Menschen  Gesundheit 
verleiht!'  Und  als  er  an  die 
lohende  Feuersglut  herangetreten 
war,  fiel  er  nieder,  und  alle  seine 
Glieder  zerbarsten  w  wie  Wachs 
vor  dem  Feuer.  123  x  Den  heiligen 
Cyprianus    aber   und    die   Jung- 

274  fraux  bewahrte  *  die  Gnade  ohne 
Schaden,  dieweil  sie  Gott  prie- 
sen. —  Der  Graf  aber  ward  be- 


lose! Bist  du  denn  nicht  schon 
dumm  geworden,  wenn  du  an 
einen  Menschen  glaubst,  der  als 
Rebell  den  Tod  erlitten  hat?  Und 
warum  hast  du  kein  Mitleid  mit 
dir  selber  ?'  109  Es  sprach  zu  ihm 
der  Selige:  'O  dafs  doch  meine 
Dummheit  dich  verleitete  und  du 
glauben  würdest  an  Christus  mei- 
nen Herrn,  der  dafür,  dafs  du 
[mich]  peinigen  läfst,  mir  das 
Himmelreich  geben  wird.  Aber 
schon  ist  dein  Verstand  verdun- 
kelt, so  dafs  du  es  vorziehst,  dem 
Satan  deinem  Vater  zu  willfah- 
ren.' 110  Und  der  Erzürnte  ward 
[noch  mehr]  grimmig;  und  er 
sprach  zu  ihm:  'Wenn  du,  o  du 
arger  Greis,  durch  [Erleidung] 
meiner  Strafen  das  Himmelreich 
erlangst,  so  will  ich  dich  bestrafen 
mit  vielen  Strafen,  auf  dafs  ich 
sehe,  ob  dein  Christus  kommen 
wird  und  dich  dann  meinen  Hän- 
den entreifst.'  Und  er  trat  zu  den 
Dienern  und  [befahl  ihnen],  dafs 
sie  das  Schöpfrad  samt  ihm  heftig 
herumdrehen  sollten,  um  seinem 
Leben  ein  Ende  zu  machen.  Und 
als  sie  taten,  was  er  ihnen  be- 
fohlen hatte,  nützte  alles  nicht, 
was  sie  an  ihm  taten.  m  Und 
der  Präfekt  befahl,  dafs  er  ins 
Gefängnis  gehen  sollte,  und  er 
übergab  die  Justina  einem  seiner 
Genossen,  Namens  Andranius 
(Andronicus?),  damit  er  sie  ver- 
wahre, um  sich  ihre  Sache  [noch] 
zu  überlegen.    112  Und  nach  we- 


ll jeden,  der  etc.  sb.  —  «  um  seinetwillen  s;  darum  b.  —  k  und 
Herrn  der  Gnade  +  sb.  —  1  Und  ferner  bitten  wir  dich  und  preisen 
dich  sb.  —  m  unser  Opfer  angenommen  werde  b.  —  o  Und  als  der  Graf 
dieses  hörte,  lachte  er  sb.  —  P  >  sb.  —  <l  und  -f  sb.  —  r  in  Kraft  und 
+  b.  —  s  du  würdest  -\-  b.  —  t  feurigen  -j-  sb.  —  n  Asklepius  sb.  — 
v  und  er  verleiht  b.  —  w  sie  fielen  [zu  Boden]  und  wurden  verzehrt  und 
zerschmolzen  -f-  sb.  —  x  Die  Heiligen  (Der  heilige  Cyprianus  und  die 
Jungfrau  bei  ihm  s)  aber  —  sie  sb. 

20* 


308 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


trübt  und  sprach:  'Was  soll  ich 
tun,  da  doch  der  Priester  und 
Freund,  den  ich  hatte,  [so]  elendig- 
lich gestorben  ist?  J*  Was  soll  ich 
diesen  schlimmen  Leuten  antun  ? 
Ich  weifs  es  nicht.'  —  Es  ant- 
wortete Terentius  und  sprach  zu 
ihm :  'Nicht  sollst  du  dir  zu  schaf- 
fen machen  mit  diesen  Menschen, 
die  du  als  schlimm  bezeichnest! 
Und  nicht  kannst  du  der  Wahr- 
heit widerstehen  ;  denn  die  Kraft 
der  Christen  ist  unbesiegbar.  Aber 
sende  sie  dem  Könige,  indem  du 
den  Fall  ihrer  Torheit  anzeigst.' 
Der  Graf  aber  schrieb  eine  Ana- 
phora, in  welcher  so  stand:  ' — 
Dem  grofsen  Könige  Cäsar,  der 
da  herrscht  z  auf  der  Erde  und 
auf  dem  Meere  z,  Diocletianus, 
Heil !  Entgegen  dem  Befehl  a  dei- 
ner Majestät  sind  diese  Leute 
aufgetreten,  und  ich  habe  b  sie  er- 
griffen :  den  Cyprianus,  der  der 
Lehrer  der  Christen  war,  c  und 
die  Jungfrau  mit  Namen  Justa. 
Und  aus  den  Hypomnemata, 
(1  mein  Herr  <l,  e  ersiehst  du,  wie 
viele  Qualen  und  Martern  ich 
ihnen  auferlegt  habe ;  und  [doch] 
willfahrten  sie  mir  nicht,  dafs  sie 
auf  deine  Gesetze,  mein  Herr, 
gehört  hätten.  f  Und  siehe,  so  f 
sende  ich  sie  deiner  grofsen  Re- 
gierung.' —  Der  König  aber,  als 
275  er  diese  *  Hypomnemata  der  Seli- 
gen gelesen  hatte,  wunderte  sich 
Ssehr  über  ihre  Standhaftigkeit  h, 
und  es  baten  ihn  seine  Freunde 
und  sprachen  zu  ihm:  'Stelle  dich 
nicht  der  grofsen  Kraft  Gottes 
entgegen!'  —  Der  König  aber,  als 


nigen  Tagen  befahl  der  Präfekt, 
sie  beide  vorzuführen ;  und  er 
sprach  zu  dem  Heiligen :  'Nötige 
uns  nicht,  dafs  wir  dich  umbringen 
um  des  Gekreuzigten  willen,  mit 
dem  du  prahlst!'  113  Der  Heilige 
sprach:  'Jeder,  wer  stirbt  um  des 
Namens  Jesu  Christi  willen,  der 
wird  leben  in  Ewigkeit.'  114  Und 
als  der  Präfekt  seine  Rede  hörte, 
befahl  er,  einen  grofsen  Kessel 
{yuh/.uov)  herbeizubringen ;  und 
er  befahl,  dafs  Naphtha  und 
Pech  und  Schwefel  hineingewor- 
fen würde,  und  dafs  es  alles  flüssig 
werden  solle,  und  wenn  es  sie- 
den würde,  sollten  die  beiden 
Heiligen  lebendig  hineingeworfen 
werden.  115  Und  als  sie  seinen  Be- 
fehl ausgeführt  hatten,  stürzten  sie 
den  Heiligen  hinein;  und  es  fiel 
zugleich  mit  ihm  himmlischer  Tau 
[wie]  Hagel  in  den  Kessel  hinein. 
11(5  Und  als  er  sah,  wie  die  heilige 
Justina  zugleich  mit  ihm  herbei- 
gebracht und  in  den  Kessel  ge- 
worfen wurde,   sprach  er  zu  ihr: 

117  'Freue  dich,  o  Jungfrau  Justina, 
Braut  Christi,  weil  ich  durch  dich 
den  Weg  der  Wahrheit  kennen 
gelernt  habe.'  Und  sie  fiel  nieder 
und  warf  sich  im  Kessel  zu  Boden. 

118  Da  sprach  der  Heilige  mit  lau- 
ter Stimme:  'Lob  sei  Gott  in  der 
Höhe  und  auf  der  Erde  Frieden 
und  Freude,  dieweil  unser  Herr 
Jesus  Christus,  als  er  vom  *  Hirn-  80 
mel  herabkam,  in  seiner  [Heils-] 
durchführung  einen  Leib  ange- 
zogen hat  und  [so]  Frieden  auf 
der  Erde  ward;  und  indem  er 
zu  uns   herabgestiegen    ist,    sind 


y  Und  er  rief  den  Terentius,  seinen  Freund,  und  sprach  zu  ihm  +  s  b. 

—  z  auf  dem  Meere  und  auf  der  Erde  s.  —  a  und  der  Eegierung  -\-  sb.  — 
t>  >  sb.  —  c  samt  der  sb.  —  <!>$&.  _  e  erkennst  sb.   —   f  Darum  sb. 

—  K  >  sb.  —  1'  und  es  wollte  auch  er  sie  peinigen  -+-  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


309 


er  '  es  hörte,  sprach  k  zu  Cypria- 
nus k :  'Der,  welcher  der  Lehrer  der 
Christen  ist,  J  samt  der  Jungfrau  ' 
Justa,  — •  da  sie  sich  die  gehaltlosen 
Häresien  derer  auserwählt  haben, 
die  Christen  genannt  werden,  und 
das  Leben  fahren  gelassen  und 
sich  den  Tod  erwählt  haben, 
124  darum  befehle  ich  in  Be- 
ziehung auf  sie,  dafs  [ihnen]  ihre 
Häupter  mit  dem  Schwert  abge- 
schlagen werden  sollen.'  ,25  Und 
als  die  Heiligen  m  zum  Tode  m 
geführt  wurden,  an  einen  Ort,  wo 
sie  vom  Leben  zum  Tode  gebracht 
werden  sollten  n,  126  da  baten 
sie  °  die  Henker,  dafs  sie  ihnen 
ein  wenig  Zeit  gewähren  möchten, 
dafs  sie  beten  könnten  °.  —  Und 
der  heilige  P  Herr  Cyprianus  p 
fing  an  zu  beten,  <J  indem  er  sagte : 
127  'Gedenke,  o  Herr,  deiner  Kirche 
allerorten  und  aller  deiner  r  gläu- 
bigen und  r  wahren  Diener  und 
sei  ein  Genosse  s  derer,  die  deinen 
Namen  lieben  s !' 128  Und  er  machte 
27ö  das  Kreuzeszeichen  *  Christi  über 
seinen  ganzen  Leib  und  stellte 
die  Jungfrau  *  Justa  zu  seiner 
Rechten  hin;  129  und  er  bat  die 
Henker,  dafs  sie  vor  ihm  ent- 
hauptet würde.  13°  Und  die 
Henker  taten  so.  —  Und  der  hei- 
lige Cyprianus  sprach:  'Preis  sei 
dir,  Christus,  u  dem  Ermutiger 
seiner  Verehrer  " !'  —  v  Und  es 
war  dort  ein  hochgestellter  Mann 
mit  Namen  Theoktistus,  w  ein 
gläubiger   Mann w,    und    er    trat 


wir  ohne  unser  Verdienst  seine 
Knechte.  Er  sandte  sein  Erbar- 
men in  den  Kessel  auf  uns,  und  es 
wur»  le  uns  alsTau  und  [zur]  Freude 
zu  teil.  Dir  sei  Lob,  o  Christus 
unser  Gott,  die  weil  du  uns,  dei- 
nen Knechten,  nicht  deine  Gnade 
entzogen  hast ;  Lob  deiner  Wohl- 
geneigtheit, Lob  deinem  Lieben ! 
Denn  du  hast  deinen  geheiligten 
Namen  erhabener  als  das  [Welt-] 
All  gemacht.'  119  Und  als  der 
Fürst  sein  Wort  hörte,  sprach 
er:  'Ich  wundere  mich,  wie  um 
eines  Menschen  willen,  der  ge- 
kreuzigt und  begraben  wurde,  der 
Tod  dem  Leben  vorgezogen  wird.' 

120  Da  sprach  einer  der  Dabei- 
sitzenden ,  einer  von  den  Ge- 
nossen des  Präfekten:  'Deine 
Hoheit  möge  mir  doch  befehlen, 
dafs  ich  an  den  Kessel  heran- 
trete und  im  Namen  der  geprie- 
senen Götter  flehe,  und  alsdann 
wirst  du  ihren  Untergang  sehen.' 

121  Und  es  erlaubte  ihm  der  Fürst, 
und  er  ging  eilends  zum  Kessel 
hin,  indem  er  sagte:  122  'O  Her- 
mes und  Asklepius,  ihr  Geprie- 
senen unter  unseren  herrlichen 
Göttern,  höret  mich  und  zerstöret 
die  Zaubereien  dieser  beiden,  die 
euch  nicht  anbeten,  damit  sie 
verbrannt  werden!'  Und  während 
er  noch  dieses  Wort  sprach,  ging 
aus  dem  Kessel  eine  feurige  Lohe 
heraus,  die  ihn  ganz  und  gar  ver- 
brannte. 123  Und  nachdem  die 
beiden  Heiligen  es  gesehen  hatten, 


i  die  Anaphora  b.  —  k  also:  Cyprianus  sb.  —  1  die  in  Antiochien 
sind,  samt  einer  Jungfrau  Namens  sb.  —  ni  >  sb.  —  »  bei  einem  Flusse 
mit  Namen  Galos  -\-  sb.  —  o  dafs  man  ihnen  gewähren  möchte,  dafs  sie 
eine  kurze  Zeit  beten  dürften  sb.  —  l>  >  sb.  —  q  und  (>  b)  also  zu 
sagen  sb.  —  r  >  sb.  —  s  aller  derer,  die  um  deines  Namens  willen  arm 
sind.  —  *  >  sb.  —  u  unserem  Erlöser  (wörtl.  'Lebendigmacher')  sb.  — 
▼  >  s;  aber  b.  —  w  >  b. 


310 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


herzu  und  begrüfste  den  heiligen 
x  Märtyrer,  als  er  durch  das 
Schwert  vom  Leben  zum  Tode 
gebracht  wurde. —  Fulv[i]us  aber, 
der  Beisitzer  des  Königs,  befahl, 
dafs  [auch]  y  sein  Kopf  durch  das 
Schwert  abgeschlagen  werden 
sollte.  z  —  Und  als  sie  vollendet 
hatten  und  auch  der  selige  Theok- 
tistus  mit  ihnen,  wurden  die  Lei- 
ber2 der  a  drei  Seligen  den  Vögeln 
hingeworfen  viele  Tage  lang;  doch 
sie  b  nahten  ihnen  b  nicht.  — 
c  Ein  Schiffer  aber,  ein  gläubiger 
Mann,  als  er  c  von  dem  Ende  der 
Seligen  hörte,  weil  d  er  gleichen 
277  Geschlechts  wie  der  selige  *  Theok- 
tistus  war,  e  nahm  mit  sich  gläu- 
bige Männer  von  den  Seinigen  e 
und  f  setzte  sief  sechs  Tage  und 
sechs  Nächte  hin,  s  bis  sie  die 
Leichname  der  seligen  h  Märtyrer 
den  Wächtern  gestohlen  hatten, 
1  weil  mehr  als  Gold  und  Silber 
und  wertvolle  Perlen  die  Ge- 
beine der  k  Seligen  ihnen  wert- 
voll waren.  *  Und  sie  brachten 
sie  nach  der  m  Stadt  Rom  n  samt 
ihren  Akten  (vno/ny/j/.iaru)  und 
gaben  sie  einem  Weibe  n  mit  Na- 
men Rufina  vom  °  berühmten  Ge- 
schlechte der  Familie  der  Clau- 
dier.  Und  die  gläubige  Rufina 
nahm  P  die  Gebeine  der  heiligen 
Märtyrer  P  und  legte  sie  an  einen 
hochgeehrten  Ort,  i  indem  sie  in 
reine  Linnen  und  wohlriechende 
Spezereien  gewickelt  waren.  Q  Und 


wurde  ihr  Glaube  noch  weit  mehr 
gesteigert,  und  sie  beteten,  indem 
sie  sprachen :  'Dir  sei  Lob,  o  unser 
Gott  Jesus  Christus;  denn  deine 
Gnade  ist  mächtig  gewesen  an 
uns,  und  die  Lohe  hat  den  ver- 
brannt, der  dich,  den  Sohn  des 
allmächtigen  Gottes,  nicht  als  un- 
seren Gott  erkannt  hat.  Du  bist 
der  Gott,  derWunderwerke  schafft.' 
Und  nachdem  der  Präfekt  ge- 
sehen hatte,  was  sich  zugetragen 
hatte,  war  er  erstaunt  und  ver- 
wirrt, und  er  sprach:  'So  wahr 
der  Gott  lebt!  Nicht  weifs  ich, 
was  ich  mit  diesen  beiden  Zau- 
berern tun  soll,  weil  ihr  Christus 
tatsächlich  über  die  Strafen  und 
über  die  Götter  obgesiegt  hat.' 
Hierauf  sprach  er  zu  einem  der 
bei  ihm  Dabeisitzenden :  'Was  soll 
ich  mit  ihnen  tun?  Was  kannst 
du  mir  in  ihrer  Sache  raten  ?'  Da 
sprach  er  zu  ihm:  'O  Präfekt, 
schlage  ihnen  die  Köpfe  ab,  wenn 
bei  allem,  was  du  als  Strafe  über 
sie  verhängt  hast,  ihr  Christus 
ihnen  durchhilft.'  124  Und  es  ge- 
fiel ihm  diese  Ansicht,  und  er  be- 
fahl, ihnen  ihre  Köpfe  mit  dem 
Schwerte  abzuschlagen.  125  Und 
als  er  sie  den  Dienern  überant- 
wortet hatte  und  sie  an  den  Ort 
hingegangen  waren,  da  sprach 
der  Heilige  zu  ihnen:  126  'Lafst 
uns  eine  einzige  Stunde  in  Ruhe! 
Wir  wollen  beten.'  Und  sie  taten 
es;   da  beugten  die  beiden   ihre 


x  >  b.  —  y  der  Kopf  des  heiligen  Cyprianus  s.  —  z  Und  sie  schlugen 
seinen  (des  heiligen  Cyprianus  +  b)  Kopf  ab.  Die  Leiber  aber  (wurden  etc.)  sb. 

—  a  >  s b.  —  '»  beschädigten  sie  sb.  —  c  Schiffer  aber,  gläubige  Männer, 
hörten  sb.  —  «1  der  selige  Theoktistus  ihres  Geschlechtes  war.   —  e  >  sb. 

—  f  es  setzten  sich  die  Leute  sb.  —  s  und  so  stahlen  sie  etc.  sb.  —  h  >  sb. 

—  i  und  es  waren  ihnen  wertvoll  mehr  als  etc.  sb.  —  k  Märtyrer  sb.  — 
1  Sie  brachten  aber  die  Gebeine  der  Märtyrer  sb.  —  <«  Hauptstadt  b.  — 
«  und  die  Akten  und  (bezw.  'betreffend')  ihre  Kämpfe  gaben  sie  einer  Ma- 
trone sb.  —  o  hohem  sb.  —  P  die  Leiber  der  Seligen  sb.  —  n  >  sb. 


Der  Urtext  der  Cyprianuslegende. 


311 


jedermann,  der  r  an  die  Seligen 
herantrat,  empfing  Heilung  und 
Hilfe  von  ihnen  r.  —  Dies  ge- 
schah aber  unter  dem  Konsulat 
278  des  Diocletianus  *  in  der  s  Stadt 
Nicomedien s  am  fünfzehnten  im 
Monat,  der  da  heifst  l  Chaziran 
(Juni),  indem  unser  Herr  Jesus 
Christus  regiert  im  Himmel  und 
auf  Erden11.  —  Zu  Ende  ist 
das  Martyrium  des  v  Zau- 
berers Cyprianus  und  der 
Jungfrau  Justaw  und  des 
gläubigen  Theoktistus w. 


Knie  und  fielen  vor  Gott  gegen 
Osten  hin  nieder.  Dann  erhoben 
sie  sich  und  hoben  zum  Himmel 
ihre  Hände  empor,  indem  sie 
sagten:  'Wir  loben  dich  und  wir 
danken  dir,  o  unser  Herr  und 
Gott  Jesus  Christus,  dafs  du  uns 
Geringe  gewürdigt  hast,  dafs  wir 
dieses  Ziel  erreichen  sollten.  Nun 
bitten  wir  dich,  dafs  du  *  unsere  81 
Seele  in  Frieden  aufnehmen  möch- 
test, 127  und  schenke  deiner  gan- 
zen Kirche  Gnade  und  deinem 
gläubigen  Volke  Frieden  und 
mache  deine  Gnade  an  allen  wun- 
derbar, wie  du  sie  an  uns  wunder- 
bar erwiesen  hast.  Lob  sei  deinem 
heiligen  Namen  in  allen  seinen 
Eigenschaften,  Vater  und  Sohn 
und  heiligem  Geist,  in  alle  Ewig- 
keiten. Amen!'  128  Und  er  machte 
über  sich  und  die  Jungfrau  das 
Kreuzeszeichen  und  stellte  sie  zu 
seiner  Rechten  hin,  und  sie  beug- 
ten ihre  Nacken,  129  und  sie  er- 
suchten den  Scharfrichter,  dafs  er 
zuerst  der  Jungfrau  den  Kopf 
abschlagen  möchte.  Und  er  tat  so 
und  schlug  nach  ihr  seinen  Kopf 
ab.  130  So  wurden  sie  auf  diese 
Weise  mit  dem  Schwerte  vom 
Leben  zum  Tode  gebracht  am 
zweiten  des  ersten  Teschrin  (Ok- 
tober), am  Donnerstage,  in  der 
sechsten  Stunde  vom  Tage,  zum 
Lobpreis  für  unseren  Gott,  dem 
Lob  sei  in  Ewigkeit.  Amen !  Und 
Preis  sei  Gotte  immerdar  und  um 
uns  sein  Erbarmen.    Amen ! 


r  geht  und  herantritt  an  die  Gebeine  der  Seligen  (der  heiligen  Märtyrer  b), 
empfängt  Heilung  und  Hilfe  (und  sie  preisen  Gott  +  s)  sb.  —  s  be- 
rühmten Stadt,  welche  Nicomedien  ist  sb.  —  t  Juni,  d.  i.  sb.  —  n  Ihm 
und  seinem  Vater  und  dem  heiligen  Geiste  sei  Preis  und  Ehre  und  Lob- 
preisung und  Preis  und  Verehrung,  jetzt  und  immerdar  in  alle  Ewigkeit. 
Amen!  +  b.  —  v  >  b.  —  w>6;  Jahwe  sei  Preis.  Amen!  +  b. 


Zürich. 


V.  Ryssel. 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dein  Suffix  -ier. 


Erster  Teil. 
Sprachliche  Einleitung. 

Dafs  eine  grofse  Anzahl  der  in  den  mhd.  Texten  vorkommenden 
französischen  Lehnwörter  ein  ost-  und  nordostfranzösisches  Gepräge 
an  sich  trägt,  wird  wohl  heute  kaum  mehr  bestritten  werden  können. 
Daher  darf  man  wohl  auch  annehmen,  dafs  in  den  zahlreichen  aus 
dem  Französischen  übernommenen  Fremdwörtern  mit  dem  Suffix 
-ier,  e,  das  auch  öfter  blofs  -ir,  e  geschrieben  wurde,  die  durch 
deutsche  Reim  Wörter  erwiesene  fallende  Betonung  der  Endung,  wenn 
vielleicht  auch  nicht  direkt  auf  ein  nord-  und  ostfrz.  -ier,  e,  so  doch 
auf  aus  -ier,  e  entstandenes  -ir,  e  zurückzuführen  sein  wird,  indem 
das  e  vielfach  erst  auf  deutschem  Boden,  gerade  so  wie  bei  anderen 
deutschen  Wörtern,  hinzugefügt  wurde.  So  schreibt  die  Heidelberger 
Hs.  des  Tristan  (nach  der  v.  Grooteschen  Ausgabe;  Zählung  nach 
Bechstein)  zwar  meist  -ier,  e,  jedoch  auch  quartir  3308  (-iere  2802, 
3001),  banire  4578,  4797  {-iere  viermal),  manire  4572  (-iere  12672), 
organifiret  4803,  geburdiret  (=  buhurdieret)  5052  \voluntirz  3611, 
das  man  auch  zum  Vergleich  heranziehen  kann]  und  im  Trist.  U 
bethfchelir  2371  (betschiliere  pl.  913). 


Cloetta  trägt  im  dritten  Bande  der  Romanischen  Forschungen, 
1887,  S.  63  f.,  die  Lehre  vor,  dafs  im  Norden  Frankreichs  lateinisches 
freies  a  infolge  der  Einwirkung  eines  palatalen,  gutturalen  oder 
i-Lautes  zuerst  allgemein  zu  ie  wurde  (S.  44);  ebenso  sei  vulgärlatei- 
nisches freies  §  zuerst  zu  ie  geworden  (S.  52),  wodurch  beide  ie  mit- 
einander reimen  konnten;  im  Westen  ging  nun  ie  sehr  bald  in  ie  über 
—  auch  ie  -j-  weibl.  e  wurde  zu  iee  — ,  während  der  Osten  länger 
die  fallende  Betonung  beibehielt;  nachdem  nun  hier  ie  -\-  weibl.  e 
zu  ie  geworden  war,  habe  ein  Teil  dieser  Gegend  ebenfalls  die  stei- 
gende Betonung  wie  im  Westen,   also  ie,   angenommen,  ein  anderer 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.        313 

habe  ie  in  i  verwandelt.    Hinzuzufügen  wäre  noch,  dafs  sich  ie  end- 
lich, wie  teilweise  im  Neufranzösischen,  zu  e  vereinfachte. 

Es  interessiert  uns  hier  besonders,  wie  -arium  und  -örium  (mit 
dem  früh  in  manchen  Wörtern  -erium  zusammenfiel)  wirklich  in  den 
ostfranzös.  Denkmälern  wiedergegeben  werden.  Vorauszuschicken 
ist,  dafs  -örium,  -öria  immer  -ir,  -ire  ergeben  sollten;  so  könnte  desi- 
derium  eigentlich  nur  über  desieir  zu  desir  werden;  da  aber  auch 
hier  das  j  nach  dem  r  wegfallen  kann,  so  erhalten  wir  durch  ein 
Suffix  *erum  auch  desier  (Cloetta  S.  55).  Im  allgemeinen  ergeben 
die  Wörter  auf  -arium  und  -erium  die  gleiche  Endung,  so  dafs  man 
vielleicht  annehmen  darf,  dafs  das  häufigere  -arium,  das  durch  Um- 
laut zu  -erum  wurde,  bei  Wörtern  mit  dem  ursprünglichen  Suffix 
-erium  eindrang  (vgl.  W.  Röhr,  Sprachliche  Untersuchung  der  Dime 
de  penitance  in  den  Rom.  Forsch.  8,  1896).  Verschwiegen  darf  nicht 
werden,  dafs  Gaston  Paris  und  mit  ihm  andere  geneigt  sind,  ein 
Suffix  -iarius  anzunehmen  (vgl.  Horning  in  Gröbers  Zs.  f.  r.  Ph.  14, 
1890,  S.  386—88;  Keuffer,  Rom.  Forsch.  8,  1896,  S.  400.  464);  eine 
neue  Theorie  über  die  Suffixe  -arius,  -erius  stellt  Marchot  in  der  Zs. 
f.  r.  Ph.  17,  1893,  S.  288—92  auf. 


Beantworten  wir  zuerst  die  Frage,  wie  -arium,  -erium  (-erum) 
heute  im  östlichen  Sprachgebiet  wiedergegeben  werden. 

Nach  Horning  (Zs.  f.  r.  Ph.  14,  386)  ist  im  lothringisch- 
burgundischen  Gebiete  die  Grundform  e(y)  bei  den  männlichen, 
e(y)r  bei  den  weiblichen  Wörtern ;  auch  kann  sich  daraus  qe,  oer  (er) 
(Horning,  Ostfrz.  Grenzdialekte  zwischen  Metz  und  Beifort,  Frz.  Stu- 
dien 5,  4,  S.  56)  oder  ay,  ayr  entwickeln  (wie  z.  B.  im  westlothringi- 
schen Tannois,  Zs.  f.  r.  Ph.  16,  1892,  S.  460;  in  Bourberain,  Cöte 
d'Or,  ay,  oer,  Zs.  12,  1888,  S.  579). 

In  der  Metzer  Gegend  aber  spricht  man  überall  i  bei  den  männ- 
lichen, ir  bei  den  weiblichen  Wörtern  aus,  ebenso  in  einigen  Vogesen- 
dialekten  (besonders  in  den  von  Horning  mit  D  und  E  bezeichneten) 
i(r)  neben  e(r)  (Horning,  Grenzdialekte  §  14),  selbst  wenn  freies  § 
und  die  dem  Bartschischen  Gesetze  unterliegenden  Verben  in  den 
genannten  Gegenden  oft  diphthongisch  bleiben  (§31  und  10);  Bei- 
spiele :  pemi  (pommier),  prpnir'  (premiere),  popir'  (paupiere).  Beson- 
ders in  den  mit  BD  EG  bezeichneten  Strichen  lauten  die  dem 
Bartschischen  Gesetze  folgenden  Verben  und  männl.  Partie,  meist 
auf  i  aus:  sesi  (chasser);  dasselbe  trifft  dort  auf  freies  §  zu:  pi  (pied), 
livfrf  (lievre),  pir'  (pierre). 

Die  Entwickelung  zu  i  läfst  sich  aber  auch  sonst  im  Loth- 
ringischen nachweisen;  so  z.  B.  in  der  Mundart  der  frz.  Ortschaften 
des  Kantons  Falkenberg,  Kreis  Bolchen  in  Lothringen  (vgl.  Con- 
stant  This,  Diss.  1887).    -arium,  -erium  =  i:  froeti  (forestier);   nur 


314         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

bei  vorhergehendem  Nasal  tritt  dazu  ein  e-Nachklang:  proemie  (pre- 
mier),  proemir'  f. ;  püssir'  (poussiere).  Die  Verben  und  Participien, 
die  dem  Bartschischen  Gesetze  folgen,  haben  jedoch  jöe',  yoe'  ent- 
wickelt, S.  12;  auch  offenes  §  wird  meist  zu  joe,  yoe,  S.  15;  -ieme 
zu  -j(y)oem,  S.  48. 

Ebenso  zeigt  sich  in  der  westlothringischen  Mundart  von  Tan- 
nois  im  Maasdepartement  neben  dem  bereits  genannten  gewöhn- 
licheren ay,  ayr  auch  i,  ir  bei  -arius;  z.  B.  sädlay  (chandelier), 
pawsäyr  (poussiere),  rivayr  (riviere),  aber  papi  (papier),  pani  (panier) ; 
Wörter,  die  dem  Bartschischen  Gesetze  folgen,  zeigen  meist  i:  m~e%i 
(manger),  doch  lautet  das  männl.  Partie,  auf  e  aus;  §  zu  i  in:  pi  (pied), 
plr  (pierre),  lim  (lievre);  auch  in  bir  (biere),  in  dawzim  (deuxieme), 
Avie  überhaupt  bei  der  Zahlendung  -ieme. 

Sehr  gewöhnlich  läfst  sich  ebenfalls  die  Entwickelung  zu  i  im 
Neuwallonischen  nachweisen  (vgl.  Horning,  Zur  Kunde  des  Neu- 
wallonischen, Zs.  f.  r.  Ph.  9,  1885,  S.  480—496).  Im  Dialekt  von 
Seraing,  südlich  von  Lüttich,  wird  -arius  zu  i,  z.  B.  premi  m.,  prümir'f., 
lumir',  pusir';  gleich  behandelt  sind  im  Wallonischen  mesti  (metier) 
und  etifr)  (entier;  s.  Zs.  12,  1888,  S.  257  u.  580,  Z.  6,  7).  Die  In- 
finitive, die  dem  Bartschischen  Gesetze  unterliegen,  erscheinen  in 
Seraing  mit  i,  z.  B.  mani  (manger;  auch  in  Huy,  Zs.  12,  1888,  S.  259), 
euci  (coucher);  die  entsprechenden  männl.  Participien  endigen  auf  i, 
die  weibl.  aber  auf  cy':  mani,  maney'  (in  Huy  i,  iy',  Horning,  Ostfrz. 
Grenzdialekte  §  72  Anm.);  ebenso  wird  ie  aus  §  zu  i,  z.  B.  pi  (pied), 
lif  (lievre),  fif  (fievre),  pir'  (pierre),  bi  (bien),  ti  (tiens).  Ziemlich 
stimmt  damit  überein,  was  Zeliqzon  in  Zs.  17,  1893,  S.  420 — 423 
über  die  Mundart  in  der  preufsischen  Wallonie  und  in  Belgien  längs 
der  preufsischen  Grenze  berichtet;  wenige  Orte  weichen  bei  -arius 
zu  e,  bei  den  Infinitiven,  die  dem  Bartschischen  Gesetze  unterliegen, 
zu  (y)e  aus;  -ieme  erscheint  als  -im,  z.  B.  doezim'  (deuxieme),  S.  433. 
Im  Südwallonischen  findet  man  für  -arium  und  freies  ^  auch  zahl- 
reich ie  (ye)  (Marchot,  Zs.  16,  1892,  S.  549).  —  Der  Wandel  zu  i 
greift  wohl  auch  teilweise  in  den  pik  ardischen  Dialekt  über. 

Ebenso  läfst  er  sich  in  der  Franche-Comte  nachweisen;  so 
im  unteren  Doubsthal  in  der  Umgegend  von  Baume-les-dames  (vgl. 
Otto  Martin,  Das  Patois  in  der  Umg.  v.  B.-l.-d.,  Halle,  Diss.,  1888). 
-arium,  -erium,  -a  wird  i,  ir:  tchandelie  (neufrz.  Umschrift,  was  aus 
Martins  Darstellung  in  diesem  Punkte  nicht  hervorgeht),  premie 
(premier),  premtrement,  lemtre  (lumiere),  maimre  (maniere);  daneben 
einige  gelehrte  Bildungen  auf  -ere;  auch  i  in  pie  (pied),  pire  (pierre), 
bin  (bien),  vlnt  (vient),  S.  1 6 ;  die  Wörter,  die  dem  B.  Gesetze  folgen, 
haben  i :  tchie  (eher),  tchairdgie  (charge),  mairtchie  (marcher),  tchaissie 
(chasser),  S.  12. 

Am  Neuchäteller  See  gelangen  wir  bereits  in  das  frankopro- 
venzalische  Sprachgebiet  (vgl.  Horning,  Über  Dialektgrenzen  im 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         315 

Romanischen,  Zs.  17,  1893,  S.  172/73)  und  treffen  eine  anderartige 
Entwickelung  an.  In  Dompierre,  unweit  dieses  Sees,  ergeben  -arium,  a 
ae,  aerd,  dagegen  i,  irg  bei  vorhergehendem  i-Element:  fevrä''  (fevrier), 
fromadzt  (fromager),  S.  415/16;  -erium  wird  i:  md&i  (mutier),  mpfri 
(moutier),  Zs.  14,  423;  -eria  aber,  wohl  durch  Suffixaustausch  mit 
-aria,  derg:  mataerg  (matiere),  S.  424;  freies  §  wird  gewöhnlich  zu  ae; 
entier  =  etyi,  bien  =  be.  Wenn  -atum,  a  unter  dem  Einflufs  des 
Bartschischen  Gesetzes  stehen,  so  zeigen  sie  im  Mask.  %,  im  Fem.  ä : 
niddxi,  mddzä  (manducatum,  a),  S.  404  [in  Lignieres,  canton  de  Neu- 
chätel,  dagegen  noch  die  alte  Betonung  martsid  st.  martsi  (mercatum), 
411],  die  dazu  gehörigen  Infinitive  i:  lest  (laisser),  S.  409,  410 
(s.  Gauchat,  le  patois  de  Dompierre,  Zs.  f.  r.  Ph.  14,  1890). 

Noch  südlicher,  in  Lyon,  wird  -arius  zu  i,  -aria  zu  iri:  furi 
(februarium),  chariri  =  carraria;  die  Infinitivendung  der  1.  Konju- 
gation wird  nach  einem  moulliertem  Laute  zu  i:  molhi  (molliare), 
affeiti  (affectare);  ebenso  in  chira  (cara);  freies  §  zu  i  (s.  Cledat  im 
Krit.  Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  rom.  Phil.  1,  364/65). 


Im  Mittelalter  schrieb  man  im  nord-  und  ostfranzösischen 
Gebiete  meist  -ier,  -e;  jedoch  kann  darunter  je  nach  dem  Texte  und 
der  Gegend  Verschiedenes  verstanden  werden.  Teilweise  ist  -ier(e) 
vielleicht  noch  -ier(e)  gewesen,  teilweise  aber  auch  schon  zu  -ier(e)  ge- 
worden; auch  Vereinfachung  des  letzteren  zu  -er(e)  läfst  sich  bereits 
nachweisen;  das  Material  folgt  weiter  unten.  —  Die  Endung  -er(e) 
einer  nur  sehr  kleinen  Anzahl  mhd.  Fremdwörter  mag  auf  diese  fran- 
zösische -er(e)-Yorm.  zurückzuführen  sein,  wofern  nicht  das  e,  wie  im 
Niederrheinischen,  aus  einem  dialektischen  Wandel  des  ie  zu  e  zu 
erklären  ist;  meist  aber  ist,  besonders  in  späterer  Zeit,  die  Endung  -er 
entweder  durch  deutsche  Betonung  des  Wortes  oder,  wie  bei  den 
Wörtern,  die  eine  handelnde  Person  bezeichnen,  durch  Vertauschung 
mit  dem  entsprechenden  deutschen  Suffix  hervorgerufen  worden; 
auch  mag  hier  und  da  einmal  eine  gelehrte  deutsche  Neubildung  aus 
dem  Lateinischen  heraus  vorliegen. 

Kehren  wir  nun  zu  -ier(e)  zurück.  Für  dieses  Suffix  kann  also 
teilweise  die  Betonung  -ier(e)  in  Anspruch  genommen  werden;  be- 
sonders aus  dem  wallonischen,  aber  auch  lothringischen  Gebiet,  ja 
aus  der  Pikardie,  der  Franche-Comte  und  aus  Burgund  lassen  sich 
einzelne  Beweise  für  dieselbe  beibringen  (s.  weiter  unten).  Vermut- 
lich aber  bezeichnete  dann  dieses  ie  meist  noch  ein  doppelgipfliges  i, 
das  aber  oft  genug,  auch  in  den  Handschriften,  Vereinfachung  zu 
-ir(e)  erfuhr,  wie  sich  dies  ja  noch  heute  nach  unserer  obigen  Dar- 
legung in  einer  grofsen  Zahl  nord-  und  ostfranzösischer  Patois  nach- 
weisen läfst. 

In  manchen  Texten   findet  man  jedoch   auch   daneben,   freilich 


316         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

seltener,  -eir(e).  Man  wird  dabei  an  die  oben  angeführte  heutige 
Aussprache  erinnert.  Vielleicht  ist  diese  durch  die  weitere  Differen- 
zierung des  doppelgipfligen  i  entstanden.  Auf  diese  Weise  könnte 
man  sich  am  besten  das  Nebeneinander  von  -ir  und  -eir  aus  -arium, 
-erium  in  demselben  Texte  erklären,  falls  -eir  in  den  betreffenden 
Worten  nicht  gerade  als  gelehrte  Bildung  aus  -erium  angesehen 
werden  mufs  {-eir  enthielte  dann  blofs  als  Zusatz  ein  ostfranzösisches 
parasitisches  i).  Nach  Keuffers  Darstellung  in  den  Rom.  Forsch.  8, 
S.  464  ist  dagegen  -eir  aus  -ieir  entstanden;  es  müfste  dann  -ier  erst 
zu  -ier,  dann  durch  parasitisches  i  zu  ieir  umgewandelt  und  dieses 
zu  -eir  vereinfacht  worden  sein,  -ieir  läfst  sich  im  ganzen  selten  be- 
legen, und  es  wird  je  nach  den  Texten  -ieir  oder  -ieir  auszusprechen 
sein;  man  mufs  darin  nicht  sofort  einen  Schreibfehler  erblicken,  der 
aus  dem  Schwanken  des  Schreibers  zwischen  -ier  und  -eir  entsprungen 
ist.  —  Endlich  ist  auch  hier  daran  zu  erinnern,  dafs  Chevalier  sowohl 
als  auch  öfter  bachelier,  die  ich  beide  weiter  unten  wiederholt  an- 
führen werde,  zuweilen  im  Französischen  mit  -er  in  -er-Reimen  oder 
in  ^-Assonanz  vorkommen,  so  dafs  man  für  diesen  Fall  ein  Suffix 
-aris  zu  Grunde  legen  mufs,  das  dann  in  ostfranzösischer  Gestalt 
ebenfalls  als  -eir,  d.  h.  e  mit  paras.  i  erscheinen  kann  (vgl.  Voll- 
möller, Münchener  Brut,  S.  XXVIII  und  Böhmer,  Rom.  Studien  1, 
607).  Man  darf  daher  bei  einer  -eir-Form  dieser  beiden  Wörter,  sofern 
sie  nicht  im  Reime  erscheint,  über  deren  Entstehung  im  Zweifel  sein. 
Auch  auf  deutschem  und  zwar  niederrheinischem  Gebiete  trifft 
man  in  den  Fremdwörtern  -ezr-Formen  an ;  doch  ist,  wie  man  sich 
aus  dem  Folgenden  überzeugen  wird,  dieses  ei  wahrscheinlich  erst 
dort  entstanden.  Die  niederrheinische  Hs.  N  des  Tristan  (s.  die 
Varianten  in  der  v.  Grooteschen  Ausgabe)  schwankt  zwischen  -ier, 
-er,  -eir:  rifere  16888,  riv-,  rifeire  5348,  17108;  fchiffalier  5580  81, 
-eirs  13302;  befchelere  pl.  913  Trist.  U,  -eir  2371;  crogieren  Trist. 
5578,  croigeyren  9168;  pinf-,  famblieren,  dagegen  turneyren,  int- 
fchunferet,  gefloreret,  justeren.  Beachtet  man  dabei,  dafs  dieselbe  Hs. 
das  parasitische  *  z.  B.  in  gebeirs  (=.  gebärdest!)  Trist.  U  335,  feilde 
(=  selde)  1209,  ßeit  (  —  steht)  1264,  weirlich  (=  wahrlich)  2034, 
sowie  rait,  dait,  mvyt,  mvys  (=  mufs),  doit,  groiffe  (=  grofse)  schreibt, 
so  wird  man  wohl  annehmen  dürfen,  dafs  das  -eir  der  Fremdwörter 
aus  -er  (statt  -ier)  im  Dialekt  weiterentwickelt  wurde.  —  Gerade  so 
steht  es  mit  der  niederrheinischen  Hs.  des  Karl  Meinet.  Sie  ver- 
wandelt nicht  nur  das  -ier  der  fremden  Wörter,  sondern  auch  das  der 
deutschen  gern  zu  -er  und  schiebt  öfter,  wie  auch  sonst  im  Text,  das 
parasitische  i  ein:  scher(e)  fast  ausschliefslich,  scheer  233,  scheir  411 
(=  schier);  vere  (=  4)  10.  168.  287,  veir  538,  7.  159,  6,  57.  331,  58; 
deyr  (=  Tier)  55;  veirtzich  37,  43;  in  Fremdwörtern:  22  mal  feire, 
veyre  u.  s.  w.  (=  fier)  neben  ebenfalls  häufigem  fiere,  fyere  oder  fere, 
vere;   geassineirt  (Partie.)    150,   27.    160,    21;    geaszinieirt   162,    2; 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         317 

gefu[r]neirt  256,  57;  maneir  538,  8;  OlyueirAW,  36  [neben  häufigem 
-er(e)];  geordineir [t]  AI 2,  30.  Selten  wird  für  -ier  -ir  geschrieben, 
das  nach  Ausweis  der  sonstigen  Reime  er,  eir  zu  sprechen  ist:  schire 
361;  veir  (—  fier)  :  hyr  (=  hier)  379;  fire  (=  fz.  fier)  :  schere  3*,  15; 
reuyr  :  fier  183,  58;  reuiren  acc.  sg.  47,  46;  reuyre  (acc.  sg.)  :  schere 
48,  2;  (dat.)  :  schere  72,  63;  (acc.)  i.V.  69,  36,  sonst  -er(e).  Daraus 
erklärt  sich  wiederum  der  Reim  Olyuer  :  dir  439,  43,  wo  i  =  e  oder 
ei  gesprochen  werden  mufs.  Aus  anderen  Reimen  geht  hervor,  dafs 
das  -ier  der  Fremdwörter  nicht  nur  mit  ursprünglichem  ie,  sondern 
auch  öfter  mit  e  gebunden  wird.  So  kann  reimen :  Olyuer (e)  mit  here 
(hehr)  331,  23;  :  here  (Herr)  357,  30.  372,  10;  :  scher (e)  oft;  :  veir 
(vier)  331,  58;  :  feir,  veir,  veyre  (=  fier)  431,  44.  439,  32.  424,  18; 
banere  mit  keysere  370,  40;  :  keren  114,  15;  :  sere  197,  28;  aufserdem 
oft  mit  feyre,  fere,  fiere,  schere,  kreyeren  87,  12,  vestieren  198,  27. 
Aus  alledem  erhellt  wohl,  dafs  fremdes  -eir  erst  auf  deutschem  Boden 
aus  -er  entstand. 

Die  Hauptmasse  der  deutschen  Fremdwörter  auf  -ir,  -ier  geht 
mit  ihrem  Suffix  auf  wirklich  gesprochenes  ostfranzösisches  -ir  aus 
-ier  zurück.  Ich  nehme  mit  Cloetta  an,  dafs  unter  der  ostfranzö- 
sischen Orthographie  -ier  in  vielen  Fällen  blofses  -ir  zu  verstehen 
ist.  Wenn  dann  deutsche  Schreiber  in  diesem  -ir,  wie  bei  anderen 
Wörtern  deutschen  Ursprungs,  oft  als  Gleitlaut  vor  dem  r  ein  e  (=  d) 
einschoben,  so  stimmte  ihre  Schreibung  -ier  äufserlich  mit  der  land- 
läufigen nord-  und  ostfranzösischen  überein.  Ein  Beweis  dafür,  dafs 
das  nord-  und  ostfranzösische  -ier  m  den  hier  in  Frage  kommenden 
Texten  oft  nur  -ir  bedeutete,  liegt  einmal  in  der  monophthongi- 
schen Schreibung  -ir,  die  öfter  für  -ier  steht  oder  damit  wechselt. 
Bei  meiner  Suche  nach  Wörtern  auf  -irfe)  habe  ich  zu  meiner  Freude 
doch  mehr  gefunden,  als  ich  anfangs  erwartet  hatte.  Wenn  auch 
gewifs  noch  weitere  Fälle  aus  anderen  Denkmälern  als  den  unten 
angeführten  beigebracht  werden  könnten,  so  dürften  die  von  mir 
verzeichneten  Wörter  zum  Beweise  schon  ausreichen.  Ich  habe  dabei 
auch  manchmal  Fälle  angezogen,  in  denen  nicht  gerade  immer  das 
Suffix  -arium,  -erium  vorliegt,  aus  denen  man  indes  erkennen  kann, 
dafs  der  Wandel  von  ier  :  ir,  von  ie  -}-  Kons.  :  i  -f-  Kons,  auch  in 
anderen  Wörtern  desselben  Textes  stattfand.  Auch  mögen  hier  und 
da  einmal  umgekehrte  Schreibungen,  also  ie  statt  richtigem  i,  als 
weitere  Stütze  dafür  dienen,  dafs  ie  für  die  betreffenden  Schreiber 
nur  noch  i  war.  Einen  weiteren  Beweis  für  die  «-Aussprache  des  ie 
finden  wir  in  manchen  Reimen,  mag  auch  die  Zahl  dieser  Fälle 
eine  beschränkte  sein.  Zu  bedenken  ist,  dafs  ein  Dichter  doch  nicht 
immer  blofs  für  seine  Gegend  schrieb,  sondern  auch  weiterhin  be- 
kannt werden  wollte,  so  dafs  er  es  vermeiden  mufste,  Reime  zu  ge- 
brauchen, an  denen  andere  Anstofs  nahmen. 

Cloetta  führt  S.  45 — 47  seiner  Ausgabe  des  Poeme  moral  eine 


318         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

Anzahl  Beweise  für  die  fallende  Betonung  des  Diphthongen  ie  oder, 
was  für  uns  noch  wahrscheinlicher  ist,  für  dessen  Wandel  zu  i  auf. 
So  reimt  z.  B.  in  den  pikardischen  Texten  Disme  de  penitanche  und 
Renart  le  nouvel  zweisilbiges  ie  (aus  -tu,  iee,  i  -J-  a)  mit  diesem 
(diphthongischen)  ie,  wie  in  chevalerie  :  pitie,  felounie  :  envoie  (m.), 
meisnie  :  pourcachie  (m.),  pourcachie  (f.)  :  pitie,  vie  :  pitie  u.  s.  w. ;  im 
Vegez  (aus  der  Franche-Comte)  findet  sich  aufserdem  nach  Wendel- 
borns Diss.  §  23  mie  :  pie  (pedem),  barberie  :  pie;  im  Girart  de 
Rossillon  (Franche-Comte)  nach  Breuers  Diss.  §  23  envie  :  devie 
(vetat).  In  Aliscans,  das  von  Guessard  und  de  Montaiglon  nach 
der  Arsenalhandschrift  aus  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  heraus- 
gegeben wurde  und  vielleicht  im  Dialekt  von  Artois  geschrieben  ist, 
finde  ich  in  einer  /e-Tirade  im  Reim  die  männlichen  Participien  con- 
traloie  2101,  travellie  2103.  —  Es  liegen  hier  also  wohl  schon  Reime 
von  ie :  %,  ja  man  könnte  vermuten  von  %  :  i  vor;  denn  auch  ie  kann 
schon  einsilbig  im  Verse  auftreten,  wie:  ot  la  virgene  trenchie  la  teste 
in  La  vie  sainte  Juliane  1273.  —  Der  Wandel  von  ie  :  i  läfst  sich 
ferner  durch  andere  Reime  nachweisen;  in  der  Geste  de  Liege: 
martir  :  droiturier  :  nonchier;  tint  :  detint  (perf.)  :  sovient  :  nient  : 
Justinien;  in  Amis  et  Amiles:  charriere  :  dire;  in  der  Chanson  des 
Loherains:  maisnie  :  arriere  (s.  Cloetta).  Görlich  führt  in  seinem 
Burgundischen  Dialekt  im  13.  u.  14.  Jahrh.,  Frz.  Studien  VII,  S.  47, 
aus  der  von  P.  Meyer  in  der  Romania  6  veröffentlichten  burgun- 
dischen  Handschrift  aus  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  den  Reim 
mauere  :  dire  an.  In  Aliscans  finde  ich  inmitten  einer  ir-Tirade  (!) 
Vers  624/25  avancir  :  esforcir  (beide  aus  -ier  entstanden),  desgleichen 
avafnjcir  990,  efforcir  995;  dasselbe  ist  mit  bailiier  1166  der  Fall 
(das  sonst  —  897  und  5197  —  in  «er-Tiraden  erscheint),  wenn  man 
nicht  annimmt,  dafs  hier  baillir  nach  der  2.  Konjugation  (s.  Bartsch, 
Chrestomathie)  mit  umgekehrter  Schreibung  vorliegt.  Nicht  ganz  so 
beweiskräftig  sind  ir-üeime  mit  dem  Worte  entir  (entier),  da  i  aus  iei 
entstanden  sein  könnte;  so  Philippe  Mousket:  entirs  :  safirs,  mar- 
tir s  :  entirs;  Renart  le  nouvel:  viestir  :  entir  (s.  Cloetta). 

Ich  gebe  nun  eine  kleine  Übersicht  über  die  Schreibung  von 
-arium,  -erium  in  den  verschiedenen  Denkmälern,  ziehe,  wie  bereits 
bemerkt,  auch  andere  Fälle  von  ie  :  i  heran  und  verweise  dabei  auf 
die  vorangegangene  Besprechung;  besonders  wichtig  ist  für  uns  die 
Schreibung  -ir(e). 

1)  In  den  Urkunden  von  Douai  (pikardisch;  Ch.  Bonnier, 
Etüde  critique  des  chartes  de  Douai  de  1203  ä  1275,  Zs.  f.  r.  Ph. 
14,  1890)  finde  ich  durchweg  -ier  für  das  Suffix  -arius;  blofs  entire- 
ment  in  Urk.  87,  4  (a.  1260),  in  Urk.  89,  7  (a.  1276),  100,  4  (a.  1275) 
und  Compigne  neben  Compiegne  in  Urk.  95,  5,  6  (a.  1269)  fielen 
mir  auf. 

2)  Der  pikardischc  Text  Aucassin    und    Nicolete,    h.  v. 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         319 

Suchier,  2.  A.,  zeigt  destrir  (Schi ach trofs),  civre  (Ziege);  cevalers,  levrer 
(Windhund);  sonst  -ier  (s.  S.  65  und  59). 

3)  In  der  Dirne  de  Penitance,  pikardisch,  13.  Jahrh.,  er- 
giebt  -arium  -ier;  -erium  teils  -ier:  mestier,  moustier,  teils  i:  desir; 
avoutire  (adulterium)  (:  enpire);  matire  (:  dire);  s.  Rohrs,  Rom.  Forsch. 
8,  1896. 

4)  In  A 1  i  s  c  a  n  s  (s.  oben),  vielleicht  im  Dialekt  von  Artois  ge- 
schrieben, finden  sich  neben  gewöhnlichem  -ier(e)  zahlreiche  -irfe). 
Ich  verweise  zuerst  auf  die  bereits  genannten  Wörter  auf  -ir  aus 
-ier,  die  mit  gewöhnlichem  -ir  reimen;  ferner  auf  Fälle,  wo  der  Ko- 
pist sogar  im  ier(e)-Re\m  statt  ie  manchmal  i  schreibt;  so  notierte  ich 
im  Reim:  crupire  593,  flekire  605,  pourire  (Staub)  611,  quarire  613, 
levrire  615,  estrievire  (!)  1445  (vgl.  estriviere  1465),  charrire  6864, 
prisir  (inf.)  7633,  estrahir  (umherirrend)  7641,  levir  (Keule)  4531 
(levier  z.  B.  4692);  entire  f.  1449,  derire  591.  1444.  1450,  arire  585. 
1448.  —  Innerhalb  des  Verses  stehen:  Haucebir  (Eigenname)  290. 
5053,  Aucebir  3959  (vgl.  Hauchebier  152,  Haucebier  154.  5055  und 
Hahibier  in  Wolfram  von  Eschenbachs  Willehalm),  pourire  680,  cau- 
dire  (Kessel)  7849,  laissir  881,  li  portirs  1600  (vgl.  portier  1598), 
ehir  (teuer)  3238,  cirre  (Gesicht)  4668,  perire  (Steinwurfmaschine) 
8325,  escuir  3228,  4310  (escuier  4331);  endemefnßirs  4181  (vgl. 
entremefnjtiers  4149),  entir  705.  1875.  3352,  derire  73.  280.  1068. 
2661.  4107,  derir  4293.  4304,  arire  18  mal,  espü  acc.  sg.  15  mal 
(espiel  acc.  sg.  5457.  8041,  norm  pl.  4707),  tirc  1032.  7104,  firtes 
(=  fierte)  1G06.  4985.  8022,  firte  4878.  5488.  5805.  7358,  pirre  2877 
(pierre  3153),  quir  1.  P.  sg.  präs.  2921.  3132.  3359.  3465.  4557. 
4705.  7786.  7796,  quirt  3.  P.  3074.  6823.  7593,  requirent  5693, 
aquire  1.  P.  konj.  7117,  eschile  5080  (esciele  5076.  5087),  ir  (= 
gestern)  7377,  iint  (präs.)  6947.  — ■  Umgekehrte  Schreibungen  im 
tr-Reim  sind:  lasier  (=  Mufse)  633,  cuellier  4308,  vielleicht  das  schon 
früher  erwähnte  bailiier  1166;  innerhalb  des  Verses:  estrievirel  1445 
(estriviere  1465),  oierent  perf.  3773,  maintenier  4793,  plaisier  4855, 
abrieves  3542.  5344  (abrives  4968),  abrieve  5511,  dieable  6813;  zweifel- 
haft sind:  vieltes  (=  Verachtung)  7529,  vielte  7713  (da  vieutes  2447 
und  das  Adverb  vieument  2114  zu  belegen  sind),  consievir  4316 
und  fiel  (=  Sohn)  acc.  sg.  289  (da  auch  3321  im  acc.  sg.  schon  fiex 
geschrieben  wird;  /  kann  für  u  stehen,  x  =  us). 

5)  Das  Poeme  moral,  wallonisch,  Hs.  aus  dem  Anfang  des 
13.  Jahrhunderts,  h.  v.  Cloetta,  Rom.  Forsch.  3,  1887,  hat:  loivir 
(=  locarium),  litire,  mestir  (in  einer  ier-Tirade),  volentirs;  derrir  (in 
ter-Tirade);  Pire  (=  Petrus);  Infinitive:  trenchir,  estrilhir,  torchir, 
laissir,  porcacir,  pechir,  wozu  ich  füge  trebuchir,  drecir,  aidir,  tra- 
vilhir,  adrecir,  correcir;  —  mervillit  (partic),  pechit  (Sb.);  bin  (bien), 
tine  (tienne),  siele.  —  donieir  (=  denier);  iei  auch  in  deschirieir  Inf. 
und  pietieix,  sonst  -ie  überall  (s.  S.  53.  247.  251.  260  der  Ausgabe); 


320         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

umgekehrte  Schreibung  in  estruiere  (neben  enstruire;  dreisilbig),  saie- 
sier  (neben  saisier  =  satiare;  zweisilbig),  s.  S.  55. 

6)  In  der  gleichen  Hs.  wie  das  Poeme  moral  steht  auch  Li 
Ver  del  Juise,  herausgeg.  von  Hugo  von  Feilitzen,  Diss.,  Upsala 
1883.  In  diesem  Texte  befindet  sich  inmitten  einer  i-Assonanz,  ent- 
weder in  diese  eingestreut  oder  vom  Dichter  damit  gereimt,  aciers  : 
trenehit  (aus  trenchiet)  271/72,  so  dafs  man  also  acirs  :  trenchit  zu 
lesen  hat;  vgl.  S.  XXXI  der  Einleitung.  —  baceleir  (=  bachelier 
oder  bacheler)  i.  V.  322.    Sonst  nur  die  Schreibung  ie. 

7)  Li  Dialoge  Gregoire  lo  Pape,  Hs.  spätestens  aus 
dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts,  wallonisch,  aus  dem  Südwesten 
von  Lüttich,  hrsg.  von  W.  Foerster,  1876,  1.  Teil  (Text).  Ich  fand 
dort:  celir  =  cellarium  35,  7  neben  celier  35,  8.  94,  16.  222,  8,  cellier 
94,  10,  22;  tintenir  (tinctor)  191,  21,  vgl.  S.  375;  uns  enfes  bouirs 
=  puer  armen  tarius  228,  14  neben  enfantbouier  190,  10;  denir  243,  6 
=  denarium,  neben  denier  274,  20.  281,  18;  —  Pirre,  s  (Petrus), 
sehr  häufig,  neben  Pierres  5,  13;  Pirron  156,  14;  pirre  {=  pierre) 
71,  17.  73,  14.  95,  1,  2.  143,  9.  145,  15,  23.  186,  11,  12,  13.  255,  5 
neben  pierre  73,  16;  Tirri  190,  15;  bire  (feretrum)  258,  1;  quinzime 
207,  2  (dagegen  quaranteime  im  Sermo  298,  3);  Inf.  alaschir  (relax are) 
192,  8  (vgl.  relaschet  =  relaxat  281,  4);  lowi%  part.  perf.  (=  locati, 
mercenarii  pl.)  62,  21.  Eine  umgekehrte  Schreibung,  jedoch  vom 
Schreiber  selbst  verbessert,  ist  colhier  (=  cueillir)  30,  20  (s.  S.  372). 
—  Als  gelehrte  Bildungen  mit  parasitischem  i  sind  wohl  anzusehen: 
magisteire  (magisterium)  9,  25.  133,  19;  mysteire  (mysterium)  122,  24. 
240,  13.  259,  10.  266,  17.  267,  1;  misteire  192,  6,  7.  228,  7;  cimi- 
teire  —  coemeterium  265,  17;  ministeire  272,  17;  Eleutheire(s)  = 
Eleutherius  153,  16.  172,  1,  da  sonst  überall  mit  obigen  Ausnahmen 
im  Texte  -ier,  e  erscheint.  In  chandeleir  (=  candelabrum)  58,4.  211, 
4,  8  steht  -eir,  wie  sonst  im  Text,  für  -er  (auch  z.  B.  candeler  in  einer 
e-Assonanz  in  Huon  de  Bordeaux,  Bartschs  Chrest. 5  201,  25).  — 
Aus  der  grofsen  Menge  der  -ier  seien  blofs  hervorgehoben :  messagier 
23,  18,  quartier  49,  20;  cheualier(s)  44,  22.  45,  4,  9.  78,  8.  120,  16. 
127,  7.  191,  1.  229,  3.  245,  21.  248,  8;  lo  mangier  53,  12.  58,  9. 
76,  2.  119,  14.  264,  22;  maronier  223,  23.  277,  15;  moustier  4,  2. 
12,  8;  maniere  12,  15.  15,  12.  73,  9.  115,  11;  desier  18,  6.  57,  10. 
153,  19.  160,  23.  234,  16.  246,  21.  256,  2.  264,  9;  mestier(s)  223,  15. 
240,  23.  242,  10. 

8)  In  dem  den  Dialogen  folgenden  Sermo  de  sapientia 
findet  sich  auch  mateire  287,  34  und  matere  292,  31,  32,  deseier 
294,  19,  aber  desier  283,  11,  24;  sonst  überall  -ier. 

9)  In  der  gleichen  Hs.  wie  7  und  8  stehen  auch  die  sprach- 
verwandten Moralia  in  Job  fragmenta.  Hier  finden  wir  fast 
überall  -ier;  nur  miseire  339,  13;  magistere  326,  10.  355,  25;  neben 
häufigem    desier   auch    oft  deseier.    —    tinent   (für  tienent)   317,  34 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         321 

(s.  S.  377),  319,  26.  322,  31;  paruinent  (für  parvienent)  361,  40,  da- 
gegen tient  365,  26.  —  Umgekehrte  Schreibungen  sind  vielleicht : 
paisieble  323,  28.  367,  36  (paisieblement  134,  20  Dial.  Greg.,  s.  Anni.); 
taisieble  359,  30,  taisieblement  318,  26.  349,8;  saintieblement  367,  33; 
consiewons  322,  16  (vgl.  porsiwance  78,  10  Dial.  Greg,  und  bet.  i  in 
siwent  3.  P.  pl.  präs.  328,  3);  atrieblet  3.  P.  sg.  präs.  360,  27,  32; 
contrieblet  3.  P.  sg.  319,  25.  340,  36,  contrieblat  p.  def.  360,  24,  con- 
trieblanz  340,  31,  l'atrieblement  358,  1  (auch  trieleir  312b  im  Poeme 
moral,  mit  Ausfall  des  b,  s.  Ausgabe  S.  100). 

10)  Im  Münchener  Brut,  wallonisch,  Hs.  aus  dem  Ende 
des  12.  oder  dem  Anfang  des  13.  Jahrhunderts,  hrsg.  von  Hof  mann 
und  Vollmöller,  1877,  fand  ich  nur  eine  Form  mit  *:  perire  (-—  per- 
riere,  Stein wurfm aschine)  647  (auch  bei  Jenrich,  Die  Mundart  des 
M.  Br.,  Diss.,  Halle  1881,  S.  18,  genannt);  -arius,  -erius  erscheinen 
meist  als  -ier,  z.  B.  cevalier,  Chevalier  17  mal  in  ier-Reimen;  mestier 
(:  cevalier)  448,  (:  Chevalier)  3127;  maniere  (:  arriere)  3.691;  deseiers 
(:  volentiers)  1966;  dagegen  cornere  (:  ariere)  1919;  gelehrte  Bildung 
ist  wohl  mateire  (:  eire  —  war)  206,  i.  V.  3709.  —  Suffix  -aris  liegt 
dagegen  bei  chevaleir  vor,  das  sonst  mit  -ier  erscheint,  in:  chevaleirs 
pl.  :  bacheleirs  pl.  1811/12;  Suffix  -aris  für  letzteres  Wort  ist  bezeugt 
durch  bacheleir  :  porteir  441,  :  demandeir  2818,  :  doneir  4105  (vgl. 
Einleitung  S.  XXVIII),  bachelers  :  peirs  (Väter)  4093;  bacheler  i.V. 
dreimal,  bachelier  i.  V.  sechsmal. 

11)  Im  Maccabäerfragment  (zuletzt  herausgegeben  von 
Emil  Münchmeyer,  Tva  fragment  af  Maccabeer-Böckerna,  Diss.,  Up- 
sala),  in  wallonischer  Umschrift,  finden  sich  matire  174  und  banire 
(letzteres  nicht  von  M.  auf  S.  XIX  genannt),  sonst  -ier:  Chevaliers, 
destrier,  promiere,  mestier. 

12)  Aus  den  wallonischen  Urkunden  bringt  Wilmotte 
(Etudes  de  dialectologie  wallone,  Romania  17  [1888],  18  [1889],  19 
[1890])  im  §  8  der  grammatischen  Einleitung  nur  zwei  uns  interessie- 
rende Beispiele  über  den  Übergang  von  ie  :  i,  deren  eines  aus  einer 
Urkunde  der  Abtei  von  Robermont  a.  1274  besonders  bemerkenswert 
ist:  watiers  (=  Walter)  c'om  apelle  ivotir.  Ich  fand  in  den  hier 
veröffentlichten  Urkunden  zwar  meist  -ier,  jedoch  auch  -ir,  und  zwar 
in  den  Lütticher  Urkunden:  manire  (zweimal),  I  a.  1236;  pru- 
mirex,  III  a.  1241;  bin  (=  bien)  neben  maniere,  VI  a.  1249;  che- 
ualirs  neben  masuier,  XI  a.  1269;  cheualirs,  Eenirs,  dokirest  (in 
XIX  dokieres),  XIII  a.  1272;  bonir  (und  -ier),  cheualirs  (und  -iers), 
renirs  (Eigenname),  XV  a.  1276;  bonir  (zweimal),  neben  -ier  {de  terre), 
bin  {■=■  bien),  cheualier,  maniere,  riviere,  XVIH  a.  1277;  wathir  (drei- 
mal), wathirs  (neben  watier,  wathier),  bin  (=  bien),  bonir  (zweimal), 
renirs,  dokires,  XXI  a.  1280;  cheualirs,  XXIII  a.  1291.  —  In  den 
Urkunden  aus  dem  Süden  Lüttichs:  Rennirs,  cheualir  neben 
Renniers,  cheualier,  maniere,  balhiers,  IX  a.  1265.  —  In  den  Na- 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  21 


822         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

raürer  Urkunden:  masuir  neben  -ier,  entirement,  aber  cheual-,  bailh-, 
bonier,  IV  a.  1261;  bonnire  (fünfmal,  dasselbe  wie  oben  bonir)  neben 
mariniere,  denier,  mestier,  V  a.  1263;  manire  (dreimal),  VI  a.  1267; 
manire,  VIII  a.  1270;  cheualir,  bailir,  li  balirs,  li  bailirs  (zweimal), 
bonnir  (dreimal),  masuir  (dreimal)  neben  -ier,  mannire  (dreimal), 
denir,  entires  (fem.  pl.),  moitit  (=  moitie),  XI  a.  1272;  dieselbe  Ur- 
kunde hat  in   einer  anderen  Abschrift,  XII  a.  1272,   überall  -ier(e). 

13)  In  Jean 's  de  Stavelot  Chronik  (Lütticher  Dialekt) 
findet  man  primiier  und  premirement,  licenchiies,  fevrir  und  -ier, 
grief,  grif,  gref;  baeheleirs  (s.  Keuffer,  Die  Stadt  Metzer  Kanzleien, 
Rom.  Forsch.  8,  1896,  S.  492). 

14)  In  den  lothringischen  Urkunden  (auch  in  den  Metzer 
Amansakten)  ergiebt  -arium  viel  häufiger  -ier  als  -eir,  das  in  der 
Schreibung  -eiz  in  quarteiz  und  frousteiz  erscheint  (Keuffer  S.  400 
bis  402,  461,  464).  Ich  finde  in  der  von  Keuffer  veröffentlichten 
Urkunde  des  kaiserlichen  Bezirksarchivs  a.  1259  aber  auch  chevelirs, 
cellerirs,  dagegen  in  einer  Urkunde  aus  1228  chevalier,  S.  496  (che- 
velliers  S.  461  von  K.  citiert),  und  -eir  in  drei  Urkunden  a.  1325, 
S.  506:  l'o(u)lieir,  li  olieir  (Phuilier  =  ole-arium);  vgl.  mangieir, 
S.  464  =  manducare. 

15)  Im  Lothringischen  Psalter,  hrsg.  von  Apfelstedt, 
Afrz.  Bibl.  v.  Förster,  4.  Band,  1881,  Hs.  a.  1365,  ergiebt  -arium,  a 
-ier,  e,  wird  aber  oft  -ieir,  e,  besonders  im  Femin. ;  so  in  solieir,  secu- 
lieir  (mit  Suffixvertauschung),  in  papieire  (Hs.  M  hat  paupire,  Keuffer 
S.  484),  poucieire,  lumieire;  -erium,  a  =  -ieir,  e  :  mestieir,  maisieire 
neben  -iere;  halbgelehrt  sind  miseire,  refrigeire  (s.  Apfelstedt  §  58. 
64.  80  und  Wörterbuch). 

16)  Die  altlothringischen  Predigten  des  h.  Bern- 
hard v.  Clairvaux  (Buscherbruck,  Rom.  Forsch.  9,  1896)  haben 
bei  -arium  -ier;  bei -aria  einmal  chambereire  neben  chambriere ;  -erium 
=  -eire  [adulteires,  neben  avouteire  (bei  Kesselring,  s.  u.),  empeire], 
-ere  [adultere,  emperes],  -ier  [saltier,  mestiers];  -eria  =  -eire  [mateire; 
gelehrt  ist  misere]  und  -iere  [mauere,  maniere],  S.  691,  692.  —  Die 
Hs.  B  hat  für  -arium,  a  meist  -ier(e),  jedoch  primeer,  pouseire,  cham- 
brere;  für  -erium,  a  -eir(e),  -er(e)  (deseir  einmal,  sonst  desier),  S.  734. 
Die  -eir-,  -er-Formen  finden  sich  bekanntlich  in  einer  Reihe  moderner 
lothringischer  Patois. 

17)  Die  lothringischen  Predigten  Gregors  über 
Ezechiel  (die  Hs.  wird  noch  ins  12.  Jahrh.  gesetzt)  zeigen  neben 
-ier  -er;  die  lothringische  Übersetzung  der  Predigten  des  Bischofs 
Haimo  von  Halberstadt  (13.  Jahrh.)  hat  neben -ier -eire  (avou- 
teires) ;  s.  Kesselring,  Die  betonten  Vokale  im  Altlothringischen,  Diss., 
Halle  1890,  S.  39. 

18)  In  der  lothringischen  Hs.  E  des  Girbert  de  Metz,  aus 
der  Geste  des  Loherains,  13.  Jahrh.  (hrsg.  von  Stengel,  Rom.  Stud.  1, 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         323 

1875,  S.  441 — 552),  fand  ich  nur  z'er-Formen;  blofs  iei  in  arieire 
S.  478  24 ;  das  häufigere  bacheleir  reimt  in  der  e-  ( —  ei-)Tirade  (470  12, 21, 
488  20,  489  30,  490  27,  490  4),  scheidet  also  aus  der  Reihe  der  Bei- 
spiele aus. 

19)  In  der  lothringischen  Guerre  de  Metz  en  1324,  Hs. 
des  15.  Jahrhunderts,  hrsg.  von  Bouteiller  und  Bonnardot,  findet  sich 
Strophe  240  entire  (==  entiere) :  taniere  :  furniere  :  darriere  (hier  sprach 
also  wohl  auch  der  Kopist  das  ie  der  übrigen  Reimwörter  wie  i); 
sonstige  Beispiele  vom  Übergange  des  ie  zu  i  auf  S.  440 :  conlinent, 
tilz,  tis,  pitaille,  Thiry,  Uwes  ( =  lievres),  chivre,  brifment. 

20)  Der  im  Gebiete  der  Franche-Comte  entstandene  Yzopet, 
Hs.  des  13.  Jahrhunderts,  hrsg.  von  Förster,  1882,  Afrz.  Bibl.,  5.  Bd., 
zeigt  nur  -ier;  jedoch  lassen  sich  einige  *  für  ie  aus  e  belegen,  §  23. 

21)  Im  Girart  de  Rossillon  (aus  dem  nördlichen  Teile  der 
Franche-Comte),  der  zwischen  1330  und  1334  verfafst  wurde,  wäh- 
rend die  Hs.  aus  dem  Jahre  1416  stammt,  treffen  wir  zwar  meist 
-ier,  aber  auch  -er  in  ouvrer,  meurtrers,  consoiller,  messaiger,  her 
(locarium)  und  -ire  in  adortire,  avotire  (adulterium);  vgl.  dazu  auch 
tirce,  aligre,  sowie  die  bereits  früher  genannten  Reime  devie  (vetat) : 
envie,  revient  :  devint,  endlich  aus  Besanconer  Urkunden  dreimal 
tenier  als  umgekehrte  Schreibung  (vgl.  Breuer,  Sprachl.  Untersuchung 
des  G.  v.  R.,  Diss.,  Bonn  1884,  S.  25,  2(5). 

22)  Der  V6gece  des  Priorat  von  Besancon,    Hs.  des 

13.  Jahrhunderts  (vgl.  Wendelborn,  Sprachl.  Untersuchung  der  Reime 
der  V.-Versifikation  des  Pr.  v.  B.,  Diss.,  Bonn  1887),  hat  häufig,  wie 
auch  die  Urkunden  aus  dortiger  Gegend,  -ier;  i  aber  in  menire  (ma- 
nire  auch  in  einem  anderen  Texte);  man  vergleiche  damit  die  bereits 
oben  erwähnten  Reime  pie  (pied)  :  mie,  pie  :  barberie,  sowie  vint  präs. 
—  e  dagegen  in  menere,  bachiler;  in  Urkunden  z.  B.  revere  (-iere), 
premere,  mennere,  manere,  bannere. 

23)  In  Burgund  (Cöte  d'Or,  Saöne-et-Loire,  Yonne),  aber  auch 
in  Bourbonnais,  Nivernais,  Haute-Marne  trifft  man  in 
den  Urkunden  häufiger  -ere  statt  -iere;  z.  B.  man-,  men-,  meiner e, 
chiv-,   chevalers  (s.  Goerlich,  Der  burgundische  Dialekt  im  13.  und 

14.  Jahrh.,  Frz.  Studien  7,  1.  Heft,  S.  37);  jedoch  weist  Goerlich 
auch  zwei  Formen  auf  -ir  nach :  menire  aus  Autun  in  Saöne-et-Loire 
und  escuyr  aus  Haute-Marne;  umgekehrte  Schreibungen:  tenier; 
ocierre  :  dire,  S.  78  (letzteres  aus  einer  burgundischen  Handschrift 
des  14.  Jahrhunderts);  aufserderu  einige  Formen  mit  -eir(e),  z.  B. 
ryveire,  meneire  aus  Cöte  d'Or,  maneire  aus  Saöne-et-Loire,  chivaleirs, 
confemoneir  im  Floovant  (vgl.  auch  Goerlich,  S.  47,  2.  Absatz). 


21! 


324 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 


Zweiter  Teil. 

Die  mhd.  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier 

(Material  und  Etymologien). 

In  der  Liste  der  behandelten  Wörter  sind  diejenigen  mit  einem  -j- 
versehen  worden,  deren  altfranzösische  Entsprechung  genauer  als  bis- 
her mitgeteilt  wird;  vor  Wörter,  deren  Etymologie  früher  anders  an- 
gegeben war,  oder  vor  solche,  die  noch  nicht  in  den  mhd.  Wörter- 
büchern verzeichnet  sind,  setze  ich  ein  *.  Man  vergleiche  besonders 
damit  die  Angaben  in  Lexers  mhd.  Taschenwörterbuch. 

Alphabetisch  geordnete  Liste. 
I.  Wörter  auf  -ier,  -iere  (die  Varianten  werden  nicht  angeführt) ;  Nr.  1 — 90. 

*  collier  f.  62  b. 

*  condwier  n.  (m.)  f.  61. 
cur  ier  m.   17. 
lankenier  n.  88. 


arzibiere  68. 

*  balier  m.   36. 
f  balteniere  m.   15. 

*  banier   n.  ra.    58a;   10, 

Anm.   2. 
baniere  f.  58  b. 
barbir  ra.,  persönlich,  38. 

*  barbier  n.   60  a. 

*  barbiere  f.  60  b. 

f  batschelier  m.  14. 
•j*  blamenser  n.  47  d. 
braisier  m.  22. 

*  breuier  n.  54. 
brustenier  d.  85. 

*  buhier  n.   51. 

*  bursier  m.  39. 
divier  74. 
drumier  69. 

*  eculier  m.  35. 

*  eskelier  m.  21. 

*  gramangyer  n.  47  c. 
7  gropiere  f.   1 . 
groyr  n.   73. 
grusenier  n.  90. 
hanthier  77. 

*  harpiers  m.   18. 
f  harschier  m.   43. 

*  her  servier  n.  81. 
huffenier  n.  87. 
hurtenier  m.   84. 
f  iubelier  m.  42. 

*  karnir  m.  34. 

*  klistier  f.  n.  63. 
krocanir  79. 
kollier  n.  62  a. 


*  lendenier  m.  78. 

*  liniere  n.  50. 

*  luminere  f.  5. 

f  mangier  n.  47  a. 
maniere  f.  2. 

*  massalgier  m.  28. 

*  miniere  f.  8. 

y  ministrere  m.  25. 
miusenier  n.  86. 
7  myssagere  ra.  29. 
noklier  m.   16. 

*  olyuere  in.  oder  f.  27. 

*  omilier  m.  41. 

*  panzier  n.  44. 
papier  n.   57. 

*  parlier  m.   37. 
parribiere   67. 

*  personier  n.  53. 

■\  petit  mangiere  n.  47  b. 
petschier  n.   56. 
quartier  n.   45. 

*  rivier  m.  n.  64. 
riviere  f.  64. 

*  rosier  m.  26. 
saliere  71. 
scheitier  70. 

f  schevalier  m.   19. 

*  schinier  n.  48.  82. 

*  schinnelier  n.  48.  82. 
schivir  72. 


scholier  75. 

*  semftenier  n.  80. 
slementschier  ?  47  e. 

*  soldenier  m.   12. 
soldier  m.   11. 

*  (?)  spaldenier  m.  d.  83. 

*  spalier  n.   49. 
spozzenier  89. 
sur ziere  f.  3. 

*  tabemier  m.  24. 

*  täfe'r  n.   52. 

*  tehtier  n.  46. 
f  toblier  m.  23. 
trappier  m.  31. 
y  treviers  65  c. 

*  trisolier  m.  33. 

■f  tschier  sb.  f.  10,  Aura.  1. 
■}*  tschier  adj.  65  a. 

*  turkopelier  ra.  30. 

*  turnier  abstr.   m.  40. 
7  ussier  ra.  20. 

_/Ee»*  65  d. 

visiere  f.  n.  6.  55. 

*  visier  f.  7. 
flastr  76. 

*  floriere  f.  n.   4. 
7  voluntirz  65  b. 

*  forehtier  m.   13. 
fortr  m.  32. 
frontiere  f.  9. 
weifier  66. 
zimier  n.  59  a. 

*  zimier e  f.  59  b. 
zimier  de  f.  n.  59  c,  d. 


II.  Weiterbildungen  auf  -ifejrcere,  -i(e)rere, 

Nr.  91—129. 


-i(e)rre  u.  s.  w.  (meist  f); 


artschierer  117. 
astronomirre  95. 


bantzyerer  120. 
barbier  er  112. 


briuirer  122. 
bursier  er  116. 


busunier  99. 
drappierer  114. 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.        325 


gewardierer  100. 
hovierer   125. 
hüsierer  128. 
iubelierer  118. 
chrigirre  91. 
kroyerre  92. 
luminierer  105. 
papierer  121. 


pfiratierre  94. 
parlierer  113. 
partirer  10.'*. 
patelierre  96. 
pfaffierer  127. 
pitschierer  115. 
planircr  111. 
polierer  110. 


regier  er  107. 
scholierer  123. 
sigillierer  129. 
spendiere  126. 
stolzierer  124. 
suppierre  97. 
talierer  102. 
tafermrer  119. 


tendlier  108. 
trumlierer  104. 
tumiere  100. 
tyostier  98. 
fabeliercere  101. 
visier  er  106. 
floitirre  93. 


III.    Ersatz  von  -ier  durch  -<®re,  -ere,  -er  (f  oder  *);   Nr.  130 — 133. 
buckelcere   130.       mamazre  131.       paltencere  133.       valkencere  132. 


In  jedem  Abschnitte  sind  die  Wörter  soweit  als  möglich  nach 
ihrem  zeitlichen  Auftreten  im  Mittelhochdeutschen  geordnet  worden. 
Um  die  Übersicht  zu  erleichtern,  verweise  ich  öfter  auf  die  Belege 
in  den  grofsen  mhd.  Wörterbüchern  von  Benecke- Müller -Zarncke 
(abgekürzt  Benecke)  und  Lexer;  aufserdem  auf  Schades  altdeutsches 
und  Lübbens  mittelniederdeutsches  Wörterbuch.  Nur  wo  ich  Zusätze 
gebe  oder  auf  Unterschiede  aufmerksam  mache,  bin  ich  vollständiger. 
Die  französischen  Wörterbücher  von  Godefroy  und  Saint  Palaye  werden 
mit  G.,  S.  P.,  das  mittellateinisch- französische  Du  Canges  mit  D.  C. 
bezeichnet.  Die  vorliegende  Zusammenstellung  der  Wörter,  zugleich 
unter  Angabe  ihrer  Etymologie,  geschah  bereits  1891;  sie  hat  nur 
noch  einzelne  Erweiterungen  erfahren.  Dagegen  ist  die  vorausgehende 
sprachliche  Einleitung  erst  1899  verfafst  worden. 

I.    Wörter  auf  -ier,  -iere. 

A.    Feminina. 

1)  gropiere  Wig.  1980;  eropier  Krone  731  (Hs.  P  tropier,  t  statt  c 
verlesen !  V  chropier) ;  man  kann  hier  gegen  Scholl  lesen :  vil  mänec 
bänier,  d^cke  üud  eropier,  braucht  also  nicht  die  verkürzten  Reimwörter 
der  Hss.  durch  e  zu  erweitern.  Nach  Grimms  Gr.  noch:  groppier  M.  B. 
8,  149,  gropir  13,  119; 

=  afrz.  cropiere  (vgl.  Littre^. 

2)  maniere,  manire,  vgl.  Lexer;  Karlm.  538,  8  maneir  (dat.)  :  veir 
(=  vier) ; 

=  afrz.  maniere,  nfrz.  maniere  (Littre) ;  nord-  u.  ostfrz.  man(n)ire  (neben 
menire);  s.  die  Nummern  12,  22,  23  der  sprachlichen  Einleitung;  man- 
(men-)eire  läfst  sich  zwar  auch  im  Ostfrz.  belegen,  s.  jedoch  das  über  Karl 
Meinet  in  der  Einleitung  Gesagte. 

3)  la  surxiere  Parz.  780,11;  Varianten  an  anderen  Stellen  des  Parz. 
sind:  surxir,  -ier,  surx-,  surtxiere;  lassvrxxiere,  lasvrxiere  j.  Tit.  5106,  5786, 
sursiere  5217,  larsrsiere,  larsursiere  5206.  5357; 

=  afrz.  sorciere  (Littre) ;   in  sourcerie  =  sortilege,  D.  C,  wird  o :  ou. 

4)  De  salvatsch  ekvnaten  .  der  tugend  ein  florier  .  ir  hertze  an  den 
geraten  was  .  da  von  kos  si  in  bei  namen  schiere,  j.  Tit.  1165  in  der  Strafs- 
burger  Hs.,  Germ.  25,  S.  173;  die  Heidelberger  Hs.  hat  fälschlich  das 
bekanntere  florie  (:  schiere).  Im  Benecke  noch:  einen  kränz  von  rösen 
röt,  der  was  der  meit  floriere  MSH  3,  274b  (=  Zierde,  Schmuck);  gab  ein 
durchflorier  Hätzl.  2,  63,  77  (=  vollkommener  Schmuck;.  Danach  scheint 
allerdings  ein  Neutrum  vorzuliegen. 


326         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

Das  Wort  mag  dennoch,  trotz  des  letzten  vielleicht  fehlerhaften  Bei- 
spiels, das  afrz.  Fem.  floriere,  flouriere  sein  =  boite  a  mettre  la  fleur 
de  farine  (sonst  =  marchande  de  fleurs),  Godefroy.  Im  Deutschen  also 
'Behälter'  der  Tugend.  Das  Wort  könnte  sich  aber  auch  aus  *florure.  statt 
floreure  ableiten,  was  in  G.  wohl  die  ähnliche  Bedeutung  hat,  mit  Über- 
gang von  ü  :  i ;  s.  meine  Dissertation  §  21. 

5)  durch  des  hemels  (zu  lesen:  helmes)  lumener e  :  schere,  Karlm. 
56,61;  stach  Kayphas  in  de  lumynere  :  fyere  66,35;  by  des  helmes  lumi- 
nere  :  schere  197,  40;  in  des  helmes  luminere  :  schere  "202,  18.  Das  zweite 
Beispiel  zeugt  für  das  Fem.,  Lexer  giebt  fälschlich  Neutr.  an. 

Man  könnte  vermuten,  dafs  es  eine  Weiterbildung  auf  -enier  wäre, 
wie  sie  z.  B.  in  lendenier  (Nr.  78 — 90)  vorliegt;  doch  sind  diese  Wörter 
Maskulina  oder  Neutra.  Es  wird  das  gelehrte  luminaire  sein,  S.  P.,  das 
'Licht,  Beleuchtung'  bedeutet,  aber  auch  in  übertragenem  Sinne  'Aus- 
sicht', (luminaire  auch  bei  Girart  de  Rossillon  6265.  6300;  im  lothr. 
Psalter  135,  7.)  Endlich  kann  das  Wort  auf  den  Gegenstand,  durch  den 
man  blickt,  übertragen  worden  sein.  Bestätigt  wird  das  durch  das  afrz. 
lumiere,  das,  wie  auch  heute  'Licht'  (vgl.  Bartsch,  Chrest.),  aber  auch  die 
von  uns  verlaugte  Bedeutung  hat:  ceillieres  dans  le  masque  du  heaume, 
S.  P.  Da  nun  bei  Karlm.  alle  -ier  zu  -er  werden,  so  kann  dieses  Wort 
auch  mit  den  Wörtern  auf  ursprünglich  -iere  reimen. 

6)  er  traf  den  bastart  in  sin  visiere  LuM  IIa  u.  öfter;  foramina  in 
galea,  'in  der  visir  Schm.  Fr.  a.  1460.  Das  erste  Beispiel  kann  ebenfalls 
Fem.  sein.  Erst  in  späterer  Zeit  wird  visier  Neutrum,  so  aus  Weig.  1605 : 
das  visier  des  Helms  (Hulsius  149b)  und  bei  Schmeller  Fr.:  das  visier  = 
die  Maske,  Larve;  in  Schwaben  eine  bäuerische  Haube; 

=  afrz.  visiere,  S.  P.  Davon  zu  trennen  ist  vielleicht  das  folgende 
Wort. 

7i  Chr.  5,  314  a.  1467  'mit  visier'  =  Plan  des  Gebäudes;  'auf  die 
visier'  =  Abeichung,  Np.  246  (15.  Jahrb.),  ferner  bei  Schm.  Fr.  Beispiele 
für  das  Fem.  visier  =  Mafs,  Modell,  Aufrifs,  Plan. 

Das  afrz.  visiere  hat  bei  S.  P.  nur  die  Bedeutung  'Helmvisier';  familiär 
ist  es  nach  Littre  auch  gleich  'vue'.  Daher  könnte  Nr.  7  auch  darauf 
beruhen;  oder  aber  auf  einem  *visure,  dessen  ü  :  i  wurde,  vgl.  meine 
Diss.  §  21.  Im  Mittellateinischen  bedeutet  'visura'  prospectus  und  inspectio 
(D.  C).  Visier  in  der  Bedeutung  'Abeichung'  käme  dem  am  nächsten. 
Verständlich  ist  uns,  wie  sich  daneben  recht  gut  die  anderen  oben  ange- 
führten Bedeutungen  entwickeln  konnten.  —  Zum  Substantiv  gehört  noch 
oisierrüte  Fasn.;  mhd.  visieren,  durchvisieren,  schildern,  abeichen  =  frz. 
viser;  visierung,  Abeichung,  Bauplan  und  visierer,  s.  unter  Nr.    106. 

8)  'wir  haben  uns  vor  und  uzbehalten  alle  ander  miniere,  erz  und 
metal';  'und  aber  alle  minier,  saltz  und  metal  uns  zustendig  ist  und  zu 
verliehen  haben',  Mone,  Zs.  2,  285  f.  aus   1490. 

Beide  Beispiele  scheinen  im  Singular  zu  stehen  und  die  davorstehenden 
'alle  ander'  bezw.  'alle'  auf  ein  Fem.  zu  weisen. 

Das  Wort  ist  das  zahlreich  belegte  afrz.  Fem.  miniere,  nfrz.  miniere  = 
Mine,  Bergwerk,  Grube,  Erzgang  (G.,  S.  P.,  Littrö,  Sachs);  vgl.  aus  dem 
Münchener  Brut  13/14: 

De  metals  de  totes  manieres 
Sunt  plentevouses  Ies  minieres; 

im  mlat.  minera,  minerale  Dfg.  362  a,  ngl.  253  b.  Nur  einmal  belegt  G. 
auch  ein  Mask.  minier  =  Mine.  Ich  setze  daher  gegen  Lexer  hier  das 
Fem.  an. 

9)  frontiere  Zimr.  ehr.  =  afrz.  frontiere,  nfrz.  frontiere  (G.,  Littre). 

10)  Anm.    1.     Ich    füge    hinzu    das    nicht    hierher  gehörende,    dem 

Bartschischen  Gesetze  folgende  schier,  tschier  f.,  P.  u.  S.  =  afrz.  chiere, 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         327 

chire,  Littre.  —  Anm.  2.  banier  st.  Fem.,  Parz.  708,  25  =  le  pannier, 
Korb  bei  Lexer,  ist  zu  streichen,  da  das  Wort  hier  Fähnlein  am  Speer  be- 
deutet und  frz.  banniere  ist;  vgl.  Bartsch  zur  Stelle. 

B.    Maskulina. 

11)  soldier  (soldiers  mit  flexivischem  s  im  Erek),  vgl.  Lexer; 

=  afrz.  soldier,  Burguy  I,  221.  Dazu  mhd.  soldieren  =  *  soldier,  bei 
Littre  einmal  afrz.  solder,  das  sonst  in  der  volleren  Form  soldeier  u.  s.  w. 
erscheint.  —  Zu  soldier  gehört  auch  das  Fem.  soldierse  Parz.  311,  24,  das 
aus  dem  Mask.  durch  Anhängen  des  im  Fränkischen  beliebten  Suffixes 
-se  (aus  frz.  -esse)  gebildet  ist  (Weinhold,  Mhd.  Gr.  §  20");  eine  ähnliche 
frz.  Bildung  finde  ich  in  'dorne  Margeritain  le  (weibl.  Art.)  Courieresse' , 
Urk.  87  a.  1200  aus  Douai  (Pikardie),  Zs.  f.  r.  Ph.  14,  1890,  S.  330.  - 
soldierse  reimt  mit  trippanierse  (Var.  trippen-)  mit  dem  gleichen  Suffix; 
das  zu  Grunde  liegende  Wort  soll  das  frz.  trupendiere  =  Hure  sein. 

12)  soldenier,  soldemr,  Hartm.,  Geo.,  Jer. ;  könnte  nach  Wackernagel 
Vermischung  von  solde?icere  (zum  Verbum  soldenen)  mit  soldier  sein.  — 
Das  Vb.  soldenieren  im  Gerh.  wäre  dann  davon  abgeleitet.  —  Aber  sol- 
denier könnte  auch  aus  einem  *soldenierer  (s.  Nr.  91  — 129),  zum  Vb.  solde- 
nieren gehörig,  und  das  Zeitwort  aus  der  Konkurrenz  von  solden  und  sol- 
dieren entstanden  sein.  Wahrscheinlich  ist  jedoch  soldenier  gleich  afrz. 
*  soldenier  soudenier  bei  D.  C.,  mit  Auflösung  des  l  zu  u;  'soudener' 
auch  bei  Godefroy  aus  der  Conquest  of  Ireland  1376. 

13)  forehtier  Parz.,  Lanz.,  WTWh.  (Hs.  K  forhtier); 

=  afrz.  forestier  (S.  P.)  mit  ostfranzösischem  Übergang  von  s  zu  %. 
Die  Varianten  forestyer,  vorstier  im  Wh.  379,  25  haben  noch  s,  wie  z.  B. 
im  MOnchener  Brut  (wallon.)  277  forestiers  zu  belegen  ist.  Der  Form 
forstcere  (:  leere)  im  Wh.  389,  28  liegt  dagegen  das  bereits  ahd.  Fremd- 
wort forst  zu  Grunde. 

14)  batschelier,  baschelier  Part.  B.,  watschilier  Rauch  Script.  2,  307, 
808.  MSH  2,  02p,  watschelier  Lcr.  4,289;  bcetscelier  (:  mir)  WWh.  290,24 
(Hs.  K),  baschelier  m,  betschelir  z,  betschilir  1,  batxelir  n,  patseelier  t;  bet- 
fchiliere  pl.  Trist.  U.,  v.  Grootesche  Ausg.  913,  Hs.  H,  bescheliere  B,  be- 
fehelere  N  (niederrheinisch),  bon  bethfchelir,  acuteix!  2371  H  (=  hört!), 
befchelier  B,  brn  befcheleir  (paras.  i),  acurtoeis  [=  a  curt  oeis  (paras.  i)  = 
hört  kurz]  N;  beschelier  Troj.  31042,  MSH  II,  86  a;  betschilier  Troj.  32428; 
bachelere  (pl.)  :  fere  (=  fier)  Karlm.  264,  29.  292,  40,  (:  schere  =  schien 
219,35,  batxelere  (pl.)  :  fiere  181,51,  basallere  (pl.)  :  sere  (—  sehr)  208,21. 
Sonstige  Beispiele  bei  Lexer; 

=  altfrz.  baichelier,  bachelier,  baceler,  bacheler  u.  s.  w.  (s.  die  Ein- 
leitung) ;  die  Formen  mit  *  in  der  zweiten  Silbe  sind  dem  Ostfranzösischen 
entlehnt,  vgl.  bachiler  im  Vegece  (Franche-Comt6)  und  das  zu  schevalier 
Gesagte;  basaller  läfst  sich  in  den  vortonigen  Silben  mit  mhd.  schaf aliers 
vergleichen. 

15)  balteniere  Bit.;  im  Karlm.  reimt  das  Wort,  wie  auch  die  son- 
stigen Wörter  auf  -ier,  mit  ursprünglichem  ie,  aber  auch  mit  e:  paltinere  pl. 
(:  vere  =  vier)  10,  42;  paltenere  pl.  (:  schere)  189,  37.  147,  58.  149,  7; 
dat.  sg.  (:  schere)  150,19.  153,39.  159,  46;  (:  fere  =  fiere)  168,  7,  (:  fiere) 
151,  81;  nom.  sg.  (:  vnfere  =  nicht  fiere)  227,  52;  paltener  n.  sg.  (:  vnfeir) 
142,  33;  acc.  (:  feir  =  fier)  169,  5;  pl.  (:  feir)  149,  1;  paltenere  n.  sg. 
(:  were  =  wäre)  140,  65;  palteneren  dat.  pl.  (:  zeren  —  verköstigen)  149,  1:-!. 
paltener  i.  V.  100,  24,  30.  135,  9,  17; 

=  afrz.  paltenier,  paltonier  (vgl.  G.  unter  pautonier);  über  paltensere 
s.  Nr.  133. 

16)  noklier,  nuklir,  nakeler,  vgl.  Lexer;  noklir  j.  Tit.  2540; 
=  afrz.  nocüer  =  patron  du  navire,  pilote,  G.  und  S.  P. 


328         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

17)  curier  Trist.  U.  2327.  2433  ==  Läufer,  kurrier  Wig.  10582. 
Ammenh.  =  Läufer  im  Schachspiel;  nd.  currersp&l.   Chr.  7. 

Für  beide  Fälle  ist  wahrscheinlich  alt-  und  nfrz.  courrier  (S.  P.)  an- 
zusetzen. Ein  Beleg,  wo  courrier  auch  im  Schachspiel  erscheint,  ist  nir- 
gends aufzutreiben. 

18)  beas  harpiers  (nom.)  :  schevaliers  Trist.  13301. 

Es  setzt  ein  nicht  zu  belegendes  afrz.  harpier  -4-  flex.  s  voraus;  ein 
Nom.  harpieres  zum  obliquus  harpeor  (S.  P.)  kann  nicht  zu  Grunde 
liegen. 

19)  schevalier  Krone,  Helbl.,  xevalier  Wig.,  schevelier  Trist.  H  2031; 
die  Heidelberger  Hs.  des  Tristan  schreibt  fchavelier  (Ausg.  v.  Groote) 
5580/81,  fchevelier  5602,  fehevalier  9169.  18883,  fchevaliers  13302;  F  eherelier, 
chevalier,  chiveilir,  chivailirs,  fchivilir;  B  fchevelier,  schevelir,  kivaliers, 
fchievalier ;  N  fchiff alier,  fchiffaleirs  (e  -j-  paras.  i,  wie  dort  noch  mehr  bei 
Wörtern  auf  -ier).  —  cavalier  Apoll.,  schafaliers  Fragm.,  xay,  tschä  tscha- 
valier!  Gerh.,  Otn.A.,  ahtschavelier !  Dietr.,  Rab.,  xcehtxovadier !  Hpt.  Zs. 
18.  91,  74.  schivalier  Herb. 

Das  Wort  erscheint  in  den  nord-  und  ostfrz.  Denkmälern  in  der  Form 
ceval-,  cheval-ier  oder  -er,  z.  B.  in  Aliscans  chevalier(s)  429.  749,  cevalier 
647,  in  Aucassin  cevalier,  -er;  meist  cheualier  in  den  wallonischen  Ur- 
kunden, Rom.  17 — 19;  in  den  Dialogen  Gregors  und  im  Hiob  nur  che- 
ualier(s),  auch  im  Maccabäerbruchstück ;  im  Brut  ceval-,  chevalier(s),  -eir; 
cheualier  im  Girbert  de  Metz;  daneben  aber  läfst  sich,  gerade  so  wie  in 
den  mhd.  Texten,  ein  Schwanken  in  den  vortonigen  Vokalen  feststellen. 
Z.  B.  zeigen  zwei  Lütticher  Urkunden  aus  1248,  Urk.  4  und  5,  Rom.  17, 
neben  e — a  in  cheual-,  ceual-ier  i — a  in  chiualier.  Über  nord-  und  ostfrz. 
Formen  mit  -ir  in  der  Endung  ist  bereits  oben  ausführlicher  berichtet 
worden.  Der  lothringische  Ezechiel  zeigt  i—e  und  i—a:  chivelier,  chiraliers 
(s.  Kesselrings  Diss.);  auch  in  der  Guerre  de  Metz  wird  S.  297  unten  ein 
chivelliers  angeführt.  Haimo  v.  Halberstadt  (lothr.)  hat  cheval-,  chivalier; 
i — a  auch  im  lothr.  Bernhard:  chivaliers,  chivals,  aber  cheralerie  (s.  Kessel- 
ring u.  Buscherbruck  in  den  Rom.  Forsch.  9);  auch  in  Burgund  und  den 
sich  daran  anschliefsenden  Gebieten  ist  i — a  nachzuweisen:  in  Urkunden 
aus  Bourbonnais,  Nivernais,  Yonne  chivalers  und  im  bürg.  Floovant  chi- 
valeirs  (Goerlich,  Burg.  Dial.  S.  37).  e — e  erscheint  im  Metzer  Gebiet: 
chevelliers  (Keuffer,  Rom.  Forsch.  8,  S.  461),  und  chevelirs  fand  ich  eb. 
S.  496  in  einer  Urkunde  aus  1259,  ebenso  in  Aliscans  (aus  Artois)  cevelier 
3688  (neben  cheval-,  cevalier).  —  Formen  mit  a — e,  a — a,  wie  sie  in  deut- 
schen Texten  vorkommen,  sind  zu  erschliefsen  aus  chareaulx,  Guerre  de 
Metz  208  a,  Hs.  D  [vgl.  chaminer  (inf.)  293  c,  chamin,  S.  408  im  Friedens- 
vertrag; auch  Keuffer,  Rom.  Forsch.  8,  S.  350,  weist  im  Metzischen  eine 
solche  Form  nach;  chavols  (Haare)  im  Bernh.,  Rom.  Forsch.  9,  S.  681]. 
Der  mhd.  Form  mit  i — *':  schivilir,  kann  man  (für  die  zweite  Silbe)  frz. 
a — i  in  bachiler  aus  dem  Veg&ce  an  die  Seite  stellen  (s.  Wendelborns  Diss. 
§  64).  txovcelier  mit  o — e  ist  in  Bezug  auf  die  erste  Silbe  mit  chuualiers 
(neben  cheualier)  in  der  14.  wall.  Urk.  a.  1273  in  Rom.  18  zu  vergleichen, 
wie  ja  auch  u  oder  o  statt  vortonigem  e  im  Wallonischen  eintreten  kann 
(heute  ist  noch  im  Nord-  und  Ostfrz.  strichweise  derselbe  Wandel  zu  be- 
merken): prumirex,  wall.  Urk.  3  aus  1241,  Rom.  17;  proiRierement  Urk.  15 
a.  1280,  Rom.  18,  Urk.  10  a.  1272,  Rom.  19,  promiere  (neben  premier)  Urk.  2 
a.  1248,  Rom.  19;  promier  (premier  3u3,  36)  Hiob  300,  29;  promiers  Dial. 
Greg.  57,  7.  73,  6;  soduieres  (Verführer)  334,  13;  promiere  im  Maccabäer- 
bruchstück; über  den  Wandel  von  i  zu  u  vergleiche  auch  das  in  meiner 
Dissertation  S.  40  zu  zimiure  Gesagte. 

20)  ussier  kommt  vor  Parz.  596,  10.  621,  12.  66:>>,  11.  667,  30.  urssier 
WWh.  9,  3,  24.  438,  6.  Die  Form  für  den  Parz.  scheint  Lachmann  aus  D, 
für  Wh.  aus  K  entnommen  zu  haben.     Ein  Nom.  Sg.  ist  nicht  darunter; 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         329 

ein  Dat.  Sg.,  ein  Acc.  Sg.  und  ein  Nom.  PL  haben  kein  flexiv.  e.  Daher 
könnte  der  Nom.  Sg.  blofs  auf  r  ausgehen. 

Im  Altfrz.  zeigt  das  Wort  in  der  ersten  Silbe  die  verschiedensten 
Formen.  Im  Mlat.  lautet  die  wahrscheinlich  ursprünglichste  Form  us- 
ceri-um,  -us,  D.  C.  Daraus  konnten  zwei  Formen  entstehen,  die  eine,  die 
aus  c  ein  vorausgehendes  i,  die  andere,  die  das  c  zu  c,  s  entwickelte.  Also 
afrz.  usscher  (im  D.  C.  einmal  belegt)  [im  Ital.  auch  usciero] ;  oder  uissier. 
Die  Aussprache  s  könnte  nun  im  Mhd.  durch  die  Schreibung  rs  aus- 
gedrückt sein,  wenn  man  dafür  die  dialektische  Aussprache  rs  annimmt, 
wobei  das  r  vielleicht  noch  verstummte.  Da  der  Accent  auf  der  Schlufs- 
silbe  liegt,  kann  das  frz.  ü  nach  ostfrauzösischer  Weise  leicht  zu  u  werden. 
Diese  Aussprache  mag  zum  Teil  in  den  Handschriften  vorliegen,  die  blofs 
ws(s)-,  uss-  schreiben ;  es  mufs  aber  stets  dabei  beachtet  werden,  dafs  ü 
nicht  immer  durch  die  Schrift  wiedergegeben  wurde.  Die  frz.  Form  uissier 
selbst  kann  noch  im  Frz.  folgende  Wandlungen  erfahren:  üi  vereinfacht 
sich  zu  ü,  vgl.  ussier  bei  Godefroy;  oder  der  Nebenaccent  rückt  von 
dem  ü  auf  das  *',  wodurch  das  ü  selbst  zu  einem  konsonantischen  ü,  u 
und  endlich  einem  vü,  vu,  hü,  hu  wird.  Dies  ist  ausgedrückt  durch  die 
frz.  Schreibungen  vuissier,  vissier,  wissier,  huisser,  G. 

Einer  dieser  schwankenden  Aussprachen  suchen  nun  die  mhd.  Schrei- 
bungen gerecht  zu  werden;  ich  gebe  die  Varianten.  Parz.  D  ussier  würde 
frz.  ussier  sein,  Parz.  G  visier,  vessier  frz.  vissier  entsprechen  und  zirfier, 
verderbt  wohl  statt  ursier,  frz.  ussch[i]er,  uxier;  die  gleiche  Aussprache 
für  g  in  ursier,  ebenso  in  Wh.  K  urssier  und  t,  s  ursier.  m  ussier  = 
ussier  und  ursier  =  ussch[i]er;  p,  o  ussier,  uxier,  ussier  =  ussier;  n  tissier, 
usser  —  ussier,  usser;  wisir  =  vissier,  wissier;  x  hussier  =  frz.  huissier; 
1  ussir,  uxier  =  ussier;  örser  :  halzibir  in  1  zeigt  wahrscheinlich  dialek- 
tische Ausartung  auf  deutschem  Gebiete;  die  frz.  Nebenform  oissier  (G.) 
dürfte  ihr  nicht  entsprechen.  —  Andere  mlat.  Formen  vom  gleichen  Stamm 
bei  D.  C.  sind  uss-arius,  -eria,  -erius,  huisserium. 

21)  eskelier;  so  schreibt  fünfmal  Wh.  K,  sonst  eskelir,  -ir,  einmal 
esklire  (acc.  sg.);  entgegen  der  Hs.  K  hat  Lachmann  an  drei  Stellen  die 
Form  mit  kl  in  den  Text  eingeführt.  —  m,  n  haben,  wo  Varianten  ge- 
geben werden:  eskelyr,  m  auch  -ier;  1  escelir;  o,  t  esckelier;  1,  p,  o  endlich 
noch  es(c)kelier  und  eschelier.  Die  Belegstellen  findet  man  bei  Steiner, 
Germ.  Studien  II,  256.  Auch  im  Wh.  290,  24  steht  an  Stelle  von  bä- 
tschelier  etschlir  x,  eschelir  p,  esckelier  o.  Aufserdem  escelier  j.  Tit.  835. 
3468.  4007.  4248.  4164.  4228,  eseelire  (nom.  sg.)  3466,  escelir  acc.  pl.  3949. 
4189,  esclier  810;  im  Loh.  escalier. 

Die  Eskeliere  befehligen  die  Rotten :  die  den  man  rotte  jach,  amazure 
und  eskelir,  WWh.  366,  27;  an  die  die  rotte  horten,  ich  meine  hohe  kvnige 
und  esceliere,  j.  Tit.  4164.  Sie  haben  noch  folgende  Beiwörter:  eskelire 
'an  fürsten  krefte  ziF,  WWh.  256,  1;  'an  der  fürsten  zil'  372,  10;  'esklir 
vil  rieh  erkant'  98,  26.  Sie  werden  neben  Königen,  Emeralen  und  Ama- 
zuren  genannt,  ohne  dafs  aus  einer  bestimmten  Reihenfolge  vielleicht  eine 
Rangabstufung  zu  erkennen  wäre. 

Bisher  hatte  man  kein  entsprechendes  Etymon  finden  können.  Saint 
Palaye  sagt,  escler  bedeute  'slave,  esclavon'  und  unter  'sclavinia':  sie  nostri 
Sclavos  Esclers  appellarunt;  auch  Godefroy  erklärt  escler,  ascler,  asciier 
als  'esclavon,  mot  devenu  synonyme  de  pai'en,  infidele'.  Man  mufs  zu- 
geben, dafs  bei  einem  grofsen  Teil  der  dort  angegebenen  Beispiele  mit. den 
esclers  ein  Volksstamm  gemeint  ist.  S.  33  seiner  Habilitationsschrift  'Über 
die  Quellen  Ulrichs  v.  d.  Türlin'  teilt  nun  Suchier  folgende  Stelle  aus 
dem  älteren  Moniage  Guillaume  mit: 

Voles  dir  de  dant  Tibaut  V  Escler 

et  de  Guillaume  le  marcis  au  cort  nes  u.  s.  w. 


330         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

Hier  hat  also  der  aus  dem  Willehalm  bekannte  König  Tybalt  das  Beiwort 
l'Escler   erhalten.     Auch   in  Aliscans   finde  ich,  dafs  der  roi  Tiebaut  238 
oder,   wie  er  in  2773  genannt  wird,    Tiebaus  d'Arrabe  in  1199  roi  Tiebaut 
l'Escler  (in   einem   4-Reim)  heifst.     Ob   aber  hier  Escler  eine  Würde   be- 
deuten soll,   wird  in  Aliscans   durch  die  nun  folgenden  Stellen   wieder  in 
Frage  gestellt,  wo  die  Esclers  nur  ein  Volk  bedeuten  können : 
Ke  ne  fuiroie  por  Türe  ne  por  Escler  (er-Reim)  850, 
.XXX.  rois  furent  que  Persant  que  Eselei  (ez-Reim)  1782, 
Entor  Orenge  a  .C.  mite  d'Escles  (eVReim)  2431, 
Dont  pais  morurent  .M.  Türe  et  .M.  Escler  (er-Reim)  3376, 
Et  .C.  milliers  qe  Persans  qe  Esclers  (es-Reim)  4389, 
Quida  ke  fussent  Sarrasin  ou  Escler  (in  e-Assonanz  und  Reim)  4813, 
Por  tant  k'il  fust,  Sarrasins  ne  Esclers  (er-Reim)  5637, 
Ne  l'ose  ataindre  Sarrasin  ne  Escler, 
Türe  ne  Persant  d'une  lance  abiter  5665/66, 
Et  .XXX'".  que  Persant,  que  Escle  (6-Reim)  5858. 

Gewöhnlich  werden  die  Sarrasin  und  Escler  nebeneinander  genannt,  so : 

Or  vos  ont  mort  Sarrasin  et  Escler  787 ; 
dieselbe  Verbindung   in   den    Stellen    1529.  4892.   5337.   5574.   7398.    7517. 
7556.  8056.  8218.  8351.     Escler  allein  kommt  noch  vor  in: 

Puis  tret  l'espee  qu'il  toli  ä  V Escler  1697, 

Et  il  me  dirent  fix  fu  ä  .1.  Escler  3200, 

Et  si  me  dirent  fiex  ert  ä  .1.  Escler  3261. 
In  diesen  drei  Stellen  mag  Escler  einen  hohen  Fürsten  bedeuten ;  dagegen 
wohl  nicht  in : 

Ke,  s'en  Orenge  m'asaloient  Escler  3119, 

K'il  ne  soit  pris  de,  paiens  ne  d'Escles  1373. 

Eine  Würde  bedeutet  dagegen  wohl  Esclier  in: 

Quant  la  noisse  oirent  ceux  Saracins  Asciier,   Prise   de  Pampelune, 

in  Godefroys  Wb., 
ebenso  in  einer  Stelle,  die  ich  in  Bartscbs  Chrestomathie"'  205,  14/15  aus 
Huon  de  Bordeaux  notierte: 

iluec  avoit  un  Sarrasin  Escler: 
amires  ert  set  vinx  ans  ot  passes; 
vielleicht  auch  in: 

il  n'a  caiens  Sarrasin  ne  Escler, 
tant  soit  haut  hom,  se  il  li  faisoit  mel, 
que  il  ne  soit  pendus  et  trai'n^s.  Eb.  202,  22  ff. 

Endlich  finde  ich  jetzt,  dafs  Leo  Wiener  im  American  Journal  of  Philo- 
logy  16,  1895  in  seiner  Zusammenstellung  französischer  Wörter  bei  Wolfram 
von  Eschenbach  ein  bei  Godefroy  unter  'amiral'  stehendes,  zu  unserer 
Deutung  sehr  passendes  Beispiel  bringt: 

Puis  fut  il  rois,  amiras  et  esclers,  Alesch; 

also  wohl  aus  einer  anderen  Aliscans-Handschrift.  Eine  etwaige  Rang- 
ordnung darf  hierin  nicht  erkannt  werden;  so  wechselt  z.  B.  amiral  oder 
amires  im  Huon,  S.  201,  35  bei  Bartsch,  einmal  mit  roi. 

Von  eskelier  abgeleitet  ist  eskelirie  WWh.,  Hs.  K  287,  5  =  Fürsten- 
stand, das  ebenso  gebildet  ist,  wie  baronie  zu  barun,  -on. 

22)  bi  dem  braisiere  (dat.)  P,  breisiere  V,  Krone  3673; 
=  alt-  und  nfrz.  braisier,  m.  (S.  P.  und  Littrö). 

23)  toblier  und  toblire;  beide  Formen  sind  in  der  Krone  im  Nom. 
anzusetzen;  einmal  wird  auch  im  Dat.  8891  doplyereV,  toplire  P,  also  pl 
geschrieben ; 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         331 

=  altfrz.  doblier,  doplier,  doublier  u.  s.  w.,  G.  Das  Wort  bedeutet 
meist  ein  zusammenlegbares  Tisch-  oder  anderes  Tuch;  ein  Gefäfs,  Mafs, 
das  das  Doppelte  fal'st;  ferner,  wie  hier,  eine  Art  Schüssel.  Es  leitet  sich 
aus  lat.  duplum  ab;  vgl.  G.  und  S.  P.  unter  doublier  und  D.  C.  unter 
doubl-,  dubl-,  duplarium. 

24)  tabemier  Ammenh.,  Dfg.  a.  1512,  tauemir  eb.  a.  14.  Jahrb.; 
=  afrz.  tavernier,  S.  P. ;  die  Weiterbildung  tabernierer  unter  Nr.  119. 

25)  mynistrere  pl.  (:  vere  =  vier)  Karlm.  287,  12;  (:  schere)  296,  48; 
aufserdem  291,  Ol.  292,  8; 

=  afrz.  menestrier,  Littre;  bei  Godefroy  auch  ministrer. 

26)  Dar  stonden  lilien  ind  rosiere  (:  olyuere)  Karlm.   181,  :'. ; 
=  afrz.  rosier,  Littre\ 

27)  Zederbom  ind  olyuere  (:  rosiere)  Karlm.  184,  4.  Da  stoenden  ... 
Xederbam  ind  oleuere  (:  fiere)  eb.  88,  21 ; 

=  afrz.  olivier,  z.  B.  in  Aliscans  2298  und  46(i0;  dort  aber  auch  oliver 
3782  und  in  der  gleichen  Bedeutung  oliviere  f.  606,  6860,  die  sämtlich  im 
Reim  zu  belegen  sind.  Welches  Geschlecht  dem  deutschen  Fremdwort 
zu  Grunde  liegt,  bleibt  unentschieden. 

28)  massalgier,  Verwalter,  Hausmeister,  Rta.  (Aachen). 

Dem  Worte  steht  in  der  Bedeutung,  wenn  auch  nicht  ganz  in  der 
Form,  afrz.  messagier  (G.,  S.  P.  und  D.  C.)  =  sergent,  huissier,  bedeau 
gegenüber.  Am  nächsten  würde  dem  deutschen  Wort  ein  *messaillier 
kommen,  aus  messagerius  (D.  C.)  und  dies  aus  *missatiearius,  ebenso  wie 
auch  ein  messeilliere,  messilier  =  Flurhüter  aus  mlat.  messegerius  bei 
D.  C.  mit  mouilliertem  /  weiter  entwickelt  worden  ist.  lg  des  deutschen 
Wortes  soll  wohl  Ij,  also  Mouillierung  ausdrücken.  Das  a  der  ersten  Silbe 
aus  e  in  Position  ist  im  Ostfrz.  oft  belegt.  Massa  steckt  wohl  nicht  in 
dem  Worte,  wie  Lexer,  der  als  Etymon  mlat.  massarius  giebt,  anzunehmen 
scheint. 

29)  myssagere  (pl.  =  Boten)  :  rittere,  Karlm.  348,  41; 
==  afrz.  messagier,  z.  B.  Dial.  Greg.  28,  18. 

30)  turkopelier  Stat.  d.  o.  188;  ist  im  Altfrz.  bei  D.  C  einmal  in 
etwas  verkürzter  Form  als  turcupler  a.  1443  belegt.  Die  volle  Form  ist 
im  Nfrz.  noch  als  turcopolier  vorhanden  (Littre);  ältere  frz.  Beispiele  sind 
sonst  nicht  angegeben.  Das  mlat.  Wort  lautet  bei  D.  C.  turcopularius  = 
qui  turcopulis  conductis  prsefeetus  erat,  turcopulerius,  turcoplarius. 

Das  Simplex  turköpel  =  afrz.  turcople,  D.  C,  S.  P.  =  mlat.  turco- 
polus,  D.  C,  ist  im  Mhd.  von  Wolfram  v.  Eschenbach  an  zu  belegen  und 
soll  sich  nach  Littre  aus  mgr.  ivfmöiiovloi  —  Türkenkind  herleiten. 

31)  trappier  Stat.  d.  o.,  Weist.,  drapper  Frkf.  Brgmstb.  a.  1452; 
nach  Grimms  Gr.  noch:  frappier  in  Lanz.  Chronik; 

=  alt-  und  nfrz.  drapier  (S.  P.  und  Littrö).  [Das  frz.  Verbum  wird 
draper  und  drapper  geschrieben  und  leitet  sich  von  frz.  drap  ab.]  Die 
mlat.  Formen  des  Subst.  s.  bei  Schade;  das  dort  aufgeführte  trappär  ist 
natürlich  aus  dem  Mlat.  abzuleiten.  —  Die  Weiterbildung  drappierer 
s.  unter  114. 

32)  forir  Hans.;  vorere  Urkdb.  der  Stadt  Göttingen  a.  13t!4  u.  1397; 
noch  heute  ist  Furier  =  Quartiermacher  (vgl.  Bech,  Germ.  20,  S.  31); 

=  frz.  fourrier. 

33)  trisolier  Chr.  10.  170,  12  (Nürnberg)  a.  1449;  trisinier  Basel. 
Chr.,  16.  Jh.;  zum  Teil  hat  es  vielleicht  infolge  deutschen  Accents  abge- 
schwächte Endung  oder  ist  deutsche  Weiterbildung  auf  -er  zum  Subst. 
tresor,  trisor,  tresel,  trisel  in :  treseler  Stat.  d.  O.,  Schb.,  irisier  Altsw.  334,  1 1 , 
St.  a.  1484,  triesler  Voc.  1482,  tresorer  Hans.  1377,  trisorer  Stat.  d.  O. ; 

=  afrz.  tresorier  (S.  P.  und  Littr£)  mit  Wechsel  von  r  :  l  oder  n. 

34)  kamir,  karnyr,  kernier  =  Ledertasche;  vgl.  Lexer;  ein  spät  be- 
legtes Wort. 


332         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

Es  braucht  nicht  wegen  des  anlautenden  c  vor  a  das  ital.  carniere  zu 
sein,  wie  es  Schm.  und  das  Dwb.  angeben,  sondern   kann   frz.  carnier  — 
Jagdtasche,  carnassiere  (Littre,  Sachs)  sein ;  vgl.  auch  Diez  unter  cimeterio 
und  Körting  unter  carnarium. 

Das  Wort  ist  nach  Littre'  sehr  gebräuchlich;  daneben  existiert  alt- 
uud  nfrz.  charnier  in  drei  Bedeutungen:  endroit  oü  l'on  garde  les  viandes 
sahfes  et,  en  g6n£ral,  toute  espece  de  viande;  gibeciere;  cimetiere.  Von  den 
altfrz.  Beispielen  zeigen  zwei  auch  anlautend  c  in  der  Bedeutung  'Grab' 
(im  Ahd.  haben  wir  schon  carnare  =  Beinhaus,  das  später  zu  kerner 
wurde,  aufgenommen);  alle  anderen  von  derselben  oder  den  anderen  Be- 
deutungen haben  cb.  Man  mufs  annehmen,  dafs  eine  Form  mit  ea-  von 
altfrz.  Zeit  her  ihr  Leben  weiter  fristete  und  endlich  die  Bedeutung  car- 
nassiere allein  behielt.  Das  Französische  besitzt  noch  mehr  solcher  Doppel- 
formen, ohne  dafs  man  sie  aus  einem  bestimmten  frz.  Dialekt  oder  auch 
aus  der  Gelehrtensprache  abzuleiten  braucht,  denn  ihre  Verbreitung  ist 
eine  viel  zu  allgemeine. 

35)  eines  fürsten  eculier  Altsw.  229,  3  (:  vier).  Ich  weifs  das  l 
nicht  zu  erklären,  wenn  man  afrz.  escuier  (Knappe)  mit  verstummtem  s 
zu  Grunde  legt.  Zwar  finde  ich  auch  l'escul  =  Schild  in  der  Guerre  de 
Metz  .V.*e,  wozu  der  Herausgeber  bemerkt,  es  liege  ein  überflüssiges  l  vor. 
Vielleicht  ist  das  Wort  aus  der  Vermischung  von  eskelier  (s.  Nr.  21)  mit 
escu-ier,  -ir,  -yr  (Sprachl.  Einleitung  Nr.  1  und  23)  entstanden,  oder  noch 
wahrscheinlicher  ist  es  gleich  afrz.  esculier  (s.  Godefroy  unter  escuelier), 
das  auch  einmal  in  der  Bedeutung  'Mundschenk,  der  das  Tischgeschirr 
zu  verwahren  hat'  vorkommt  in:  de  la  cuisine  le  scuiler. 

36)  Nach  Grimms  Gr.:  Heinricus  balier  M.  B.  8,  472;  Otto  walier 
eb.  8,  485;  Lexer:  baiiger  Mone  Zs.  2,  321  a.  1451,  Germ.  18,  371; 

=  afrz.  baillier,  G.;  aus  wallonischen  Urkunden  (s.  Nr.  12  der  sprachl. 
Einleitung)  sind  die  den  mhd.  Formen  entsprechenden  balhiers,  balirs  zu 
belegen,  aufserdem  dort  bailhier,  bailir(s). 

37)  parlier  Mone  Zs.  1,  23  a.  1471,  perlir  Bair.  Landesordng.  v.  1553, 
perlier  a.  1618  und  1673;  polier  Schm.  Fr.  1,  385;  Kwb.  35;  Schöpf  485; 

=  afrz.  parlier  (G.,  S.  P.);  einmal  pallier,  G. ;  der  r-Ausfall  kann  im 
Französischen  und  Deutschen  selbständig  erfolgt  sein.  —  paller  findet 
man  z.  B.  im  ostfrz.  Girart  de  Rossillon;  s.  Breuers  Diss.  S.  32;  auch 
im  Ostfranzösischen  kann  in  diesem  Wort  statt  pari-  perl-  stehen,  s.  Yzo- 
pet,  Anm.  zu  3353.  —  Dazu  mhd.  parlieren  (L.),  auch  in  über-p.  =  afrz. 
parier.  Das  Mask.  parlier  könnte  aber  auch  auf  Kontraktion  aus  parlierer, 
Nr.  113,  beruhen;  man  vergleiche  damit  noch  die  modernen  parleur-char- 
pentier;  -macon  bei  Sachs. 

38)  barbir  (persönl.)  Chr.  10.  414,  23  (15.  Jahrh.); 

=  alt-  und  nfrz.  barbier  (S.  P.,  Littr6) ;  könnte  aber  auch  aus  bar- 
bierer (Nr.  112)  kontrahiert  sein;  dazu  barbieren  Chr.  11  (15.  Jahrh.)  = 
altfrz.  barbier  (S.  P.,  G.,  D.  C). 

39)  bursier  Dfg.  85a  a.  1507; 

=  alt-  und  nfrz.  boursier  (Littrö)  =  ouvrier  qui  fait  et  qui  vend  des 
bourses  —  Beutelmacher  Dfg.  Dann  bedeutet  aber  das  Wort  auch  tr£- 
sorier,  notaire  (vgl.  D.  C.  und  S.  P.),  und  in  dieser  Bedeutung  existiert  es 
auch  im  ausgehenden  Mittelalter  in  der  Weiterbildung  bursierer,  s.  Nr.  116. 

40)  der  furnier  (Abstraktum),  Chr.  10.  186,  3  (355,2  ein  furnier),  den 
durnir,  tumir  (acc.)  eb.  2.  25,  2,  5;  den  furnier  schauen,  Kell.  Erz.  54,  5 
(und  10);  tornir  Dfg.  588  b;  nhd.  das  Turnier. 

Es  ist  ein  nicht  zu  belegendes  Subst.  tournier  dafür  anzusetzen,  dem 
das  öfter  zu  belegende  mlat.  Neutrum  tornerium  =  torneamentum,  hasti- 
ludium,  tournoi  bei  D.  C.  entspricht.  Den  Infinitiv  tournier,  tornier, 
tourner  belegt  zwar  S.  P.  kein  einziges  Mal  in  der  speciellen  Bedeutung 
des  im  Mhd.  häufigen  furnieren  (auch  in  ge-t.  und  in  turnisrunge),  dessen 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         333 

Etymologie  überall  falsch  angegeben  wird.  Die  altfrz.  Beispiele  haben 
gewöhnlich  die  erweiterte  Form  tournoier,  die  die  besondere  Bedeutung  des 
mhd.  Vb.  turnieren  annehmen  kann;  und  so  finde  ich  auch  in  S.  P.  je 
einmal  das  zugehörige  Subst.  tornoier,  tournoier,  tournouer  in  der  Bedeu- 
tung 'Turnier'. 

Das  allgemein  gebrauchte  Wort  für  Turnier  ist  im  Mittelalter  im 
Französischen  und  Deutschen  das  Mask.  tournei,  tournoi  (bezw.  turn-). 

Zum  obigen  turnier  gehören  noch  die  späten  turnier-helm,  -lieh  (Var. 
turneierlich),  -isch  und  das  uoch  unter  Nr.  100  zu  besprechende  turnie- 
rcere  u.  s.  w. 

41)  omilier,  omeliger,  m.  Ob.; 

=  afrz.  omelier  (G.).  Dagegen  hat  nfrz.  homiliaire,  Littre-  =  afrz. 
omeliaire,  Godefroy,  gelehrte  Endung. 

42)  inbelier  Dfg.  126c  a.  1505,  iuwelier  (kölnisch)  eb.  a.  1507; 
entspricht  einem  afrz.  *juellier  (Godefroy  hat  -uel-  nur  in  juellour);  bei 
S.  P.  joiailier;  nfrz.  joaillier;  unter  Nr.  118  s.  iubelierer. 

43)  har schier  Zimr.  cbr.; 

=  afrz.  archier,  D.  C.  Es  ist  nicht  nötig,  italienischen  Ursprung  an- 
zunehmen;  die  Weiterbildung  artschierer  unter  Nr.  117.  Anlautendes  h  in 
Wörtern,  die  es  etymologisch  nicht  haben  sollten,  läfst  sich  im  Osten  im 
Mittelalter  öfter  nachweisen;  s.  Breuers  Diss.  über  Girart  v.  Rossillon 
S.  38,  108  a. 

C.    Neutra. 

44)  panxier  Er.,  pancier  Orl.,  banxier  Weinschwelg,  pantxier  Chr.  4, 
bantxier  eb.  8,  panexir  Mz.  3,  381 ;  infolge  deutschen  Accents  abgeschwächte 
Formen  in  bantxer  u.  s.  w.  Gleichfalls  abgeschwächt  sind  wohl  die  mittel- 
deutschen pancir  Herb.  4735,  panxir  Ludwigs  Krzf.  3457,  Jeroschin  00  a, 
96  a,  da  der  Accent,  wie  aus  den  Versen  hervorgeht,  auf  a  ruht  und  ir 
in  der  Senkung  steht;  das  *  tritt  bekanntlich  im  Md.  für  obd.  e  in  den 
schwachen  Flexionssilben  ein.  —  Mnd.  pariser,  -txer,  -sxer,  -scher,  vgl. 
Lübben.  —  Nhd.  panxer,  mask.; 

=  afrz.  pancier.  Italienische  Etymologie  braucht  nicht  angenommen 
zu  werden.  Die  Ableitung  panexirer  unter  Nr.  120 ;  die  Zusammensetzungen 
bei  Lexer. 

45)  quartier  Trist.  2802.  3001.  3308,  hier  hat  Hs.  H  quartir; 

=  alt-  und  nfrz.  quartier;  dazu  quartieren,  quatieren  seit  Ende  des 
14.  Jahrhunderts,  vom  Subst.  abgeleitet  oder  aus  mlat.  quartare  neu  gebildet. 

46)  tehtier,  -ir,  -er,  testier  (Lexer),  testir  Herb,  und  WWh.  412,  24 
Hs.  t;  mnd.  tester  im  Braunschw.  Urkdb.  1,  25. 

Erschliefst  ein  nicht  zu  belegendes  *  testier  mit  ostfrz.  Übergang  von 
s  zu  ^.  Sainte  Palaye  führt  aus  Cotgrave  'testier'  an  =  qui  appartient 
ä  la  töte;  qui  sait  m^nager  sa  töte;  soll  das  erstere  sich  auf  ein  Adj.  oder 
Subst.  beziehen?  —  Die  gewöhnliche  afrz.  Form  ist  das  Fem.  testiere 
(S.  P.  und  D.  U.);  ebenso  ist  das  ital.  testiera  weiblich. 

47  a)  Manie  gepaur  wird  schimelgra,  Der  selten  hat  gezzen  m  ans  ier 
bla,  Renn.  9772  (nach  Alwin  Schultz,  Höf.  Leben  I,  392);  =  Umkehrung 
von  47d.  manger  ein  petit  äzen  sie,  Orl.  978.  6680.  11109;  =  Um- 
kehrung von  47  b.  mansier,  manger  selbst  ist  afrz.  mangier,  manger 
(Littrö),  nfrz.  manger. 

47b)  ein  petit  mangiere  (acc.)  :  schiere  (Hs.  V  pitet,  P  mangire 
:  schier)  Krone  6467;  pittit  mangier  ist  in  gesunt,  Marner,  ed.  Strauch  XI, 
2,  25  (nach  Schultz,  Höf.  Leben  I,  392).  Und  äzen  alle  schiere  Ein  klein 
pittimansiere  (acc.)  Reinfr.  732;  pitemansier  (acc.)  j.  Tit.  2616;  wohl  ent- 
stellt in:  ein  piromanigir  (acc.)  Kindh.  89,  11,  ein  pitrimensier  Wilh.  v. 
Orlens  in  Zs.  21,  S.  200  a,  15;  entspricht  einem  afrz.  anzusetzenden  petit 
mangier. 


334         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

4  7c)  ein  gramangyer  V,  gramansgir  P  (acc.)  :  gir  (acc),  Krone  7649. 

Bei  Littrö  ist  unter  manger  ein  afrz.  Beispiel  im  PI.  aus  dem  18.  Jahr- 
hundert angegeben :  Les  barons  . . .  se  pristrent  ä  donner  les  grans  man- 
gers et  les  outrageuses  viandes.  Das  mhd.  Wort  ist  also  aus  einem  grant 
mangier  entstanden. 

47 d)   blamenser ,  ntr.  Buch  v.  g.  sp.,  blamentschier  Geo.  1913; 

=  afrz.  blanc  mangier,  blanc  mengier,  manger,  Littrö;  in  den  deut- 
schen Ra.  869  wize  spise. 

47  e)  Was  ist  das  erste  Element  von  slementsehier  j.  Tit.  599,  Ausg. 
von  Hahn?  Schultz  giebt  flementschier  an;  hat  so  der  alte  Druck?  Er 
vermutet,  es  sei  =  flau  (Kuchen)  manger. 

Gleichen  Stammes  wie  47  sind  ferner  das  Vb.  menschieren  Jüngl.  = 
afrz.  mangier;  petit  menschuwer,  s.  meine  Diss.  S.  38,  6;  mangeix  WWh., 
das  sich  zu  den  zahlreichen  mhd.  Fremdwörtern  auf  -eix  stellt. 

48)  schinnelier;  scinnelier,  scillier  P arz.  D  ;  schiliier,  schellier,  tsehil- 
lier,  sehinier;  aufserdem  die  Varianten  tschilier,  schinilier,  Neutrum;  vgl. 
Lexer. 

Es  ist  ein  das  Knie  schützender  Panzer;  nicht  im  Mnd.  belegt,  schin- 
nelier kann  zwar  nicht  das  von  A.  Schultz  erwähnte  afrz.  Fem.  genoilliere, 
-olliere,  -ouilliere  sein,  wohl  aber  das  Mask.  genoillier,  genoullier,  genoiller,  G. 
Die  deutschen  Formen  mit  //  können  dabei,  wie  Schade  annimmt,  aus 
n(e)l  kontrahiert  und  angeglichen  sein ;  ebenso  wurde  nl  :  n(n)  in  sehinier. 
Sehinier  mag  aber  auch  auf  einem  *  sehinenier  (aus  deutsch  schine)  be- 
ruhen (ebenso  schinnelier,  indem  n — n  zu  n — l  differenziert  wurde?);  vgl. 
die  Wörter  unter  78 — 90.  Vielleicht  ist  sehinier  überhaupt  davon  zu 
trennen  und  hat  eine  eigene  frz.  Etymologie,  während  schinnelier  und 
schiUier  zusammengehören.  Man  vergleiche  auch  das  bei  Lexer  ange- 
führte gleichbedeutende  ital.  Fem.  sciniera. 

49)  skalier,  -er,  Lexer;  entspricht  einem  afrz.  espalier  m.;  die  frz. 
Formen  bei  Godefroy  zeigen  ein  au  vor  dem  1:  espaulier  m.  u.  8.  w. ; 
ein  Fem.  in  der  gleichen  Bedeutung  aber  zeigt  al:  espaliere,  ebenso  das 
Vb.  espalliir.  Es  braucht  hier  nicht  das  ital.  Fem.  spalliera  vorzuliegen. 
Das  prosthetische  s  fehlt  (in  der  Kegel)  im  Wallonischen;  auch  andere 
ostfrz.  Texte  lassen  dies  zuweilen  zu. 

50)  ist  er  . . .  alsam  ein  liniei  e  sieht,  ein  Spiegel  klar  der  tugende 
u.  s.  w.,  MSH  2,  359b  (Meister  Friedrich  von  Sonnenburk).  In  Dfg.  ist 
lineale,  -earium  =  ling-er,  Var.  -ier,  15.  Jahrb.,  im  Ngl.  linia  =  linier, 
15.  Jahrb.;  linealis  =  linierleich,  150'2. 

Vielleicht  ist  ein  frz.  *lignier,  das  ich  einstweilen  nicht  nachweisen 
kann,  zu  Grunde  zu  legen.  Es  existiert  ein  frz.  ligner  (inf.)  =  unserem 
nhd.  'liniieren'. 

51)  Manec  buhier  was  ergangen,  Wolfd.  D  IX,  203.  Wie  es  scheint, 
hat  es  dort  dieselbe  Bedeutung  wie  'das  buhurdieren',  'der  turnei'.  Ebenso 
kommt  ein  substantivierter  Infinitiv  vor:  'mit  hertem  buhieren  suln  wir 
die  schoene  enpfän'  eb.  195;  darauf  werden  die  Speere  zerbrochen.  Bei 
der  Hochzeit  werden  ebenfalls  die  Speere  zerbrochen,  zwölf  Tage  lang, 
'daz  man  ze  allen  ziten  niwan  buhierens  pflac',  eb.  207.  Ein  Infinitiv  eb. 
199:  'Do  wolte  ouch  buhieren  Wolf  her  Dieterich',  dann:  'd6  wart  nach 
prise  gestochen  von  manegem  ritter  guot  und  vil  der  sper  zerbrochen' 
und  177:  'da  hetens  kurzwile  vil,  da  mohte  man  gerne  warten  manec 
ritterspil,  buhieren  unde  stechen  .  .  .  man  sach  da  zerbrechen  manic 
starkes  sper'. 

Ebenso  kommt  buhieren  im  Ls.  3,  412  (469)  und  bohieren  im  Rosen- 
garten D  2407  vor. 

buhieren  kann  wohl  kaum  auf  einer  Kontraktion  aus  dem  gleich- 
bedeutenden buhurdieren  beruhen,  das  zusammengezogen  als  burdieren  und 
in  burderie  Karlm.  208,  23.  292,  42  vorkommt;  buhier  selbst  scheint  statt 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         335 

des  Fem.  buhurdiere  aus  ostfrz.  *bouhourdure  gesetzt  (s.  meine  Diss. 
S.  28,  -I)  und  zugleich  mit  dem  ähnlich  klingenden  afrz.  pouhier,  phohier 
bei  Godefroy,  das  'heraut'  bedeutet,  verwechselt  worden  zu  sein,  einem 
Wort,  das  wohl  auch  im  frz.  turnei  öfter  gebraucht  wurde;  der  Inf. 
buhicren  kann  deutsche  Weiterbildung  aus  buhier  sein. 

52)  tälier  (ntr.)  Mur.,  tälir  Voc.  v.  1445,  tälirpret,  täller  Voc. 
v.  1419  und  1429  und  E.  A.  (vgl.  Schneller);  delier  Chr.  4  (15.  Jahrb.); 
das  deller  Narr.,  Erlösg.  (dat.);  teler  acc.  Fasn. ;  täler,  dax,  deiler  Cgm. ; 
teuer,  deller,  teler,  taller,  teuer,  teile  Dfg. ;  dazu  Ableitungen.  —  Im  Nhd. 
der  Teller; 

=  afrz.  taillier,  Brett,  auf  dem  der  Schneider  arbeitet;  dann  in:  esp£e 
ä  haut  taillier  (=  breite  Klinge),  vgl.  D.  C.  Im  Italienischen  bedeutet 
tagliere,  tagliero  =  legno  piano,  ritonda  a  foggia  di  piattello  dove  si 
tagliano  su  le  vivande,  vgl.  Manuzzis  Wb.  Gegen  die  frz.  Etymologie  ist 
daher  nichts  einzuwenden.  Das  Wort  mufs  früh  deutschen  Accent  be- 
kommen haben,  wodurch  das  i  der  Endung  umlautend  auf  das  alj  wirkte. 
Vgl.  auch  talier  fem.  unter  den  Wörtern,  die  auf  frz.  -ure  zurückgehen, 
in  meiner  Diss.  S.  29,  9  und  das  Verb  teilieren. 

53)  Weib  und  man  |  schauten  mich  an  |  mit  lachen  so  |  mein  per- 
sonier  |  kunglicher  zier.     Wolkenstein. 

Nach  Beda  Weber  =  Mumnierei,  angenommene  Rolle.  Das  Wort  ist 
wohl  deutsche  Neubildung  auf  -ier  am  Stamm  person.  Dazu  das  Verb 
personieren  =  leiblich  gestalten  (im  Ls.  und  den  Fasn.),  das  wahrschein- 
lich auch  Neubildung  ist. 

54)  breuier,  -ir  [briefer],  viaticus,  Wegweiser,  auch  Lebensunterhalt; 
breuiere,  -ier,  -ir  [briefer]  =  breviarius,  -ium,  (Ge)betbuch.  [briaer,  brieffer], 
gelehrt  bnfar  —  vgl.  Dfg.  und  ngl.  unter  'viaticus'  und  'breuiarium'  — , 
nhd.  das  Brevier;  die  Weiterbildung  briuirer  unter  122. 

Das  Wort  entspricht  dem  altfrz.  gelehrten  breviere  m.,  S.  P.  =  alt- 
uud  nfrz.  breviaiie;  mit  der  Endung  -iere  kommt  es  noch  vor  als  Adj.  in: 
livres  brevieres,  G.  Die  oben  eingeklammerten  Formen  mögen  auch  den 
Ton  auf  der  letzten  Silbe  haben ;  dann  wäre  also  -er  nicht  aus  -ier  durch 
deutschen  Accent  auf  der  ersten  Silbe  entstanden. 

55)  visier,  ntr.,  s.  Nr.  6. 

56)  Eine  deutsche  Neubildung  auf  -ier  an  dem  slavischen  Stamm 
petsch,  pitsch  ist  das  späte  Neutrum  p  et  schier ,  pitschier  u.  s.  w.,  nd. 
pitxeer  a.  1528,  u.  s.  w.,  vgl.  Lübben.  Der  früheste  mhd.  Beleg  zum  Sub- 
stantiv scheint  nach  dem  DWb.  bei  Königshofen  im  15.  Jahrb.  zu  sein, 
der  zum  Verbum  pitschieren  in  Fichards  Archiv,  15.  Jahrh.;  die  späteren 
Beispiele  im  DWb.     Im  Französischen  existiert  das  Wort  nicht. 

57)  papier,  s.  Lexer;  seit  dem  14.  Jahrh.  die  Belege.  Kann  ge- 
lehrtes deutsches  Wort  sein,  aber  auch  aus  dem  frz.  papier  stammen. 

D.     Verschiedenes  Geschlecht  bei  gleichen  Stämmen. 

58)  a.  —  banier  u.  s.  w.,  ntr.  (s.  Lexer);  selten  mask.,  s.  unten. 

Es  erschliefst  ein  altfrz.  banier.  So  finde  ich  in  der  Guerre  de  Metz 
84 e  und  152a  in  Hs.  P,  wenn  auch  gegen  die  Silbenzahl  des  Verses,  banier 
statt  baniere.  'banier'  kommt  sonst  im  Altfrz.  nur  als  nomen  agentis  bei 
G.,  S.  P.,  D.  C.  vor.  Mlat.  banerium,  bannearium,  pannerium  ist  in  D.  C. 
nur  aus  lat.  Niederschriften  auf  deutschem  Gebiete  zu  belegen  und  natür- 
lich auch  in  Dfg. 

b.  —  baniere,  banire  u.  s.  w.,  fem.,  vgl.  Lexer  und  Nr.  10,  Anm.  2; 

=  afrz.  baniere,  S.  P.,  ostfrz.  banire  (s.  Nr.  11  der  sprachl.  Einleitung). 

banier,  e  erscheint  auch,  wohl  meist  infolge  deutschen  Accents,  als 
banner  u.  s.  w.;  jedoch  trifft  das  nicht  für  den  Karlm.  zu,  der  hier 
nur  betontes  -er(e)  hat,  z.  B.  banere  (dat.)  :  keysere  370,  40.    Man  findet 


336         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

dort  das  Neutrum  in:  Eyn  bmier  daer  geuen  47,  54,  dat  bannere  (:  schere) 
221,  13.  478,  28;  dat  banere  (:  fere)  370,  57;  dat  baner  i.  V.  478,  26;  aber 
auch  einmal  das  Mask. :  den  bariner  (acc )  i.  V.  472,  33;  aufserdem  viele 
Fälle  im  Dativ,  die  ein  Neutrum  oder  Maskulinum  erschliefsen  lassen. 
Belege  für  Neutrum  und  Fem.,  die  zugleich  in  Athis,  Herbort  und  Livl. 
Reimchronik  vorkommen,  brachte  W.  Grimm  zum  Athis  B,  62  Anm. 
Jedoch  zeugt  Ath.  E  112  'sin  banier'  (nom.)  nicht  für  ein  Neutrum.  Auch 
die  bei  Lexer  und  Beuecke  gegebenen  Beispiele  beweisen,  dafs  oft  in  dem- 
selben Texte  das  Geschlecht  wechselt,  so  in  Wigal.,  Lieht.,  Erek,  Herb., 
Otn.  (in  den  Varianten),  Wolfd. 

59)  a.  —  sin  ximier  (acc),  neutr.,  Trist.  H  2048;  daz  ximiere  Amgb. 
29  c,  ximier  Enenk.  340.  44;  daz  ximir  Lieht.  297,  30;  diu  zimier  (pl.) 
Troj.  188  c;  rilichiu  zimier  (pl.)  eb.  210b;  zimier  ntr.  Parz.  319,  25. 

b.  —  zer  ximiere  (dat.)  Parz.  687,  14,  also  fem.;  ximier,  der  diu 
riterschaft  erdähte,  WWh.  29,  28;  mit  aller  ir  ximiere  j.  Tit.  4679;  mit 
der  riehen  ximiere  eb.  1509;  mit  richer  ximiere  Krone  2828,  22995;  Wig. 
1869:  zu  einer  ximiere;  Troj.  25866:  diu  ximier  (sing.). 

Unentschieden  bleiben:  nom.  ein  ximier  Ga.  1.  472;  sin  ximier  W. 
Gast  3842.  Mai  120,  28;  Wh.  v.  Ost.  37  b;  ein  ximiere  Albr.  16,  553;  vil 
manec  ximier  Roseng.  H  637;  ximier  Karl  45a;  acc:  ximier  vil,  Loh. 
5163,  swaz  ximier  eb.  5179;  ximier  Helbl.  13,  51;  -iere  Jerosch.  bei  Frisch 
2,  476,  Albr.  30,  262;   ze  ximiere  Wh.  v.  Ost.  84  a,  von  ximier  Bit.  86i>2. 

Dem  Neutrum  entspricht  das  afrz.  Mask.  eimier,  S.  P. ;  das  Italienische 
kennt  nur  die  Mask.  eimiero,  eimiere.  Für  das  Fem.  des  Mhd.  mufs  ein 
afrz.  eimiere  erschlossen  werden,  entsprechend  dem  mlat.  eimeria  neben 
eimerium,  span.  eimera;  oder  sollte  vielleicht  der  Ausgangspunkt  die  Form 
zimiure  der  Krone  bilden,  mit  Übergang  von  ü  :  il  Siehe  meine  Disser- 
tation S.  39,  9. 

c.  —  ximierde  fem.,  deutlich  in  Parz.  679,  9.  687,  14  (Hss.  D,  F). 
703,  13.  708,  25.  757,  8,  16;  WWh.  64,  1.  82,  3.  89,  10.  103,  28.  125,  27. 
207,  26.  411,  5.  428,  18.  j.  Tit.  5684;  ist  deutsche  Neubildung  mit  dem 
Suffix  -de  (aus  idä,  §  2(33  der  Mhd.  Gr.  von  Weinhold)  zum  Infinitiv 
ximieren,  der  selbst  wieder  im  Deutschen,  ohne  einem  frz.  Infinitiv  zu 
entsprechen,  aus  dem  Subst.  ximier  gebildet  wurde.  Wahrscheinlich  hat 
das  deutsche  synonyme  'xierde',  zum  Infinitiv  xieren  gehörig,  die  Neu- 
bildung hervorgerufen. 

d.  —  Suffix  -de  kann  aber  auch  das  Neutrum  vertreten,  daher  dax 
ximier  de  Trist.  H  1696  und  WWh.  125,  27  Hs.  1  im  Gen. :  riches  ximirdes. 

Unentschieden  im  Geschlecht  bleiben:  das  ist  rieh  zimierde  MS.  2, 
370b,  vil  ximierde  Tit.  2,  4;  ir  ximirde  (nom.)  Lieht.  83;  manic  rieh  xi- 
mierde Reinfr.  B.  1857,  so  riche  ximierde  (n.  sg.)  Ot.  20  a. 

60)  a.  —  barbier,  neutr.,  vgl.  Benecke,  Lexer; 

=  afrz.  *  barbier,  G.  (mentonniere);  das  afrz.  Beispiel  erscheint  nur 
in  der  Form  barber. 

b.  —  barbiere,  fem.,  vgl.  Benecke,  Lexer; 

=  afrz.  barbiere,  G.  (mentonniere) ;  vgl.  auch  Grandgagnage,  Walion. 
Wb.  zu  barbire. 

Eine  frz.  Etymologie  war  bisher  zu  beiden  Wörtern  nicht  gegeben 
worden.    Dazu  die  mhd.  Neubildung  barbieren,  mit  einer  Barbiere  versehen. 

Über  die  Verteilung  der  Formen  zwischen  Neutr.  und  Fem.  in  mhd. 
Texten  brachte  zuerst  Belege  W.  Grimm  in  der  Anm.  zu  Athis  B  61  (Ab- 
handig. der  Berl.  Akad.  1844,  S.  403). 

Gl)  mit  werdem  condwiere,  Parz.  821,  28;  Var.:  werdem  Dd,  groz- 
zem  g,  froelicher  d,  groszer  g,  manger  G.  —  unt  dö  frou  Enite  siner  freude 
was  ein  condewier;  Var.  kundwir  D,  Parz.  401,  13.  —  durch  der  minne 
condwier,  Parz.  741,  15.  —  mit  grozem  kundewiers,  WWh.  391,  1;  Var. 
gundewiers  K,  t,  eondiwiern  o. 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         337 

Das  Wort  bedeutet  'das  Geleit'.  Aufserdem  kommt  es  vor  im  Namen 
Condivir  ämürs  (s.  S.  70,  d  meiner  Dissertation),  der  wohl  als  'das  Geleite 
(Begleiterin)  Amors'  (der  bei  Wolfram  sonst  die  or- Form  zeigt)  aufgcfafst 
werden  mufs.  Wenn  man  die  obigen  Stellen  in  anderer  Reihenfolge:  'ein 
condewier  siner  freude',  'durch  condwier  der  minne'  liest,  so  ist  im  Namen 
'Amor'  durch  'freude'  oder  'minne'  ersetzt  worden.  Auch  wird  von  der 
Minne  ausgesagt,  sie  'condwierte  mir  freude  in  daz  herze  min'  495,  22,  'in 
sin  manlich  herze  höhen  muot'  736,  6.  Es  kann  demnach  gar  nicht  be- 
zweifelt werden,  dafs  der  Name  obige  Erklärung  verlangt.  Eine  Bestä- 
tigung dafür,  dafs  der  Name  ein  Substantiv  mit  abhängigem  Genetiv  ist, 
liegt  einmal  in  Lachmanns  getrennter  Schreibung,  die  wohl  durch  Hss. 
bestätigt  sein  mufs,  dann  auch  darin,  dafs  die  Flexion  des  ersten  Teiles 
des  Namens  eintreten  kann;  in  214,  11  hat  Hs.  D  'durch  condivieren' , 
g  'kundwirn'  ämürs;  508,  22:  'äne  Condwlrn  ämürs'  bei  Lachmann  auch 
im  Text. 

Condwier  selbst  macht  etwas  Schwierigkeiten  in  der  Ableitung.  Im 
j.  Tit.  2126  finde  ich,  gerade  so  wie  es  auch  ein  Teil  der  Varianten  zu 
Parz.  821,  28  bestätigt,  das  Fem.  für  das  Wort  in  'in  siner  kondeivier'. 
Auf  conduetura  (S.  P.)  kann  das  Fem.  nicht  beruhen,  da  dies  zu  con- 
duiture  hätte  werden  müssen.  Es  existiert  aber  ein  Simplex  duiere, 
duyere  =  retraite,  terrier  und  duere  =  Wasserrinne  (vgl.  S.  P.  und  G.), 
beide  aus  einem  *duceriam  abzuleiten;  man  vgl.  mlat.  conducherium  = 
Miete,  conducherii  =  frz.  conduchers  u.  s.  w.  bei  D.  C.  Das  Fem.  würde 
also  ein  frz.  *conduiere  voraussetzen.  Die  zweite  im  Mhd.  vorkommende 
Form  geht  auf  ein  frz.  Mask.  zurück,  was  wohl  durch  das  beibehaltene 
flex.  s  in  WWh.  391,  1  K,  t  bezeugt  wird.  Ein  Subst.  conduier  habe  ich 
nicht  gefunden;  wrohl  aber  existiert  der  substantivierte  Infinitiv  'le  de- 
duire'  =  joie,  was  wohl  erlaubt,  auch  ein  'le  conduire'  als  Etymon  des 
mhd.  Neutr.  anzunehmen.  —  Dazu  gehört  noch  das  mhd.  con-,  cun-dtv-, 
-diw-,  -duw-,  -dewieren  u.  s.  w.,  mit  zuo-,  be-,  über-  =  frz.  conduire.  — 
üi  des  frz.  Infinitivs  wurde  zu  üi,  so  dafs  diese  Betonung  mit  der  von 
ostfrz.  *condui(e)re  übereinstimmte,  worauf  dann  das  vortonige  ü  teilweise 
nach  ostfrz.  Art  zu  u,  w  u.  s.  w.  weiterentwickelt  werden  konnte.  Vgl. 
das  in  meiner  Diss.  S.  48  zu  'salwieren'  Gesagte. 

Die  Etymologie  Bartschs  in  den  Germ.  Stud.  2,  144,  Condwir  ämürs 
sei  gleich  coin  de  voire  amour,  ist  zurückzuweisen.  % 

62)  a.  —  kollier,  gollier  u.  s.  w.,  neutr.,  s.  Lexer;  nach  Grimms  Gr. 
auch  in  den  MB.  7,  248;  —  goller,  göller  u.  s.  w.  sind  wohl  meist  mit 
deutschem  Accent  auszusprechen. 

=  afrz.  collier,  S.  P. 

b.  —  Ich  finde  aber  auch  das  Fem.  gollier  Troj.  34544,  'abe  der 
collier',  eb.  36222; 

=  afrz.  colliere  f.,  S.  P. 

63)  Eine  gelehrte  deutsche  Neubildung  auf  -ier  ist  klistier,  kriestere, 
vgl.  DWb.  und  Lexer.  Die  ?'e-Formen  treten  erst  seit  der  zweiten  Hälfte 
des  II.  Jahrhunderts  auf.  Nach  Wackernagel  würde  hier  das  rj  des  griech. 
y.lvaz/'ofior)  behandelt  wie  ahd.  £;  eine  «e-Form  ist  aber  im  Ahd.  nicht 
nachzuweisen.  In  der  Form  clister  kommt  es  schon  in  den  Fundgr.  1, 
322,  34  vor;  wo  der  Accent  hingelegt  wurde,-  ist  nicht  sicher.  Das 
niederrh.  cleister  aus  Mone  Auz.  8,405b  beweist  nichts;  isländisch  soll  es 
klistr  heifsen.  Das  e  bleibt  ferner  in  glisteri  Kaiserchr.  2,  594,  glisterei 
Horneck,  clisterie  Dfg.  127,  nl.  klistery  Kil.;  e  :  i  in  christiry  Voc.  1445. 
Worauf  liegt  in  der  Kaiserchronik  der  Ton?  Es  könnte  dort  dieselbe  Bil- 
dung wie  im  Ahd.  munisteri  =  monasterium  sein ;  für  glisterei  ist  eine 
Weiterbildung  auf  griech.  in  =  mhd.  ie  anzunehmen,  wie  sie  im  Mittel- 
hochdeutschen zahlreich,  auch  an  deutschen  Stämmen,  vorkommt;  clisterie 
und  klistery  mögen  gerade  so  gebildet  sein  ;  clisterie  könnte  aber  auch  ein 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  22 


338         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

'clisterje'  (aus  mlat.  clisterium)  bedeuten.  Die  niederrh.  und  niederd.  Bei- 
spiele mit  -er  im  DWb.  haben  wohl  den  Accent  auf  der  Schlufssilbe;  es 
steht  hier  -er  für  obd.  -ier. 

Eine  direkte  Entlehnung  der  i(e)- Aussprache  aus  der  neugriechischen 
des  Tj  ist  nicht  möglich,  weil  das  Frz.,  Ital.  und  Mlat.  ein  e  zeigen  und 
doch  eine  dieser  Sprachen  erst  das  Wort  vermitteln  mufste. 

Das  Wort  erscheint  im  Deutschen  nicht  nur  als  Neutrum,  sondern 
auch  als  Femininum ,  ebenso  zeigt  es  im  Niederländischen  beide  Ge- 
schlechter. Auch  dem  Altfranzösischen  ist  das  Fem.  nicht  unbekannt; 
Littre  bringt  une  clistere  aus  Alebrant ;  sonst  kommt  im  Alt-  und  Nfrz. 
das  Mask.  vor  (vgl.  Littrö).  Auch  der  Wechsel  von  1  :  r  ist  zu  belegen:  bei 
Eust.  Desch.  cristere  (vgl.  S.  P.);  im  Ital.  clistere,  -o  neben  cristere,  -o; 
mlat.  clisterium,  cristerium. 

64)  Alle  Geschlechter  sind  zu  belegen  in  rivier,  e  =  Flufs,  Flufs- 
gebiet,  Revier;  s.  Lexer. 

In  der  Bedeutung  'Flufs'  sind 

Fem.:  di  reveir,  riveir  Fromm.  2,  450  a.  bi  einer  rivier  Lanz.  5137, 
diu  riviere  Trist.  16888  (so  fasse  ich  die  Stelle  auf). 

Mask.:  j.  Tit.:  an  einen  rivier  1136,  bi  einem  schonen  riviere  6l)94; 
Myst. :  (in  dem  river  2,  181,  3),  in  den  river  eb.  16;  Ludw.  Krzf.  1218: 
an  den  rivir;  Karlm.  47,  45 — 47: 

Da  begonde  hey  zo  loessgeten     (zu  lesen   -eren) 
All  langes  den  reuiren. 
Tahge  is  dat  wasser  genant. 

Neutr. :   (daz  rivier)  Dav.  v.  Augsb.,    dat  river  Crane;   in  diu  rivier 
acc.  pl.  WWh.  40,  23,  daher  wohl  auch  Neutr.:  ame  rivier  Parz.  118,  12. 
Dat  sy  durch  schawen 
Woulden  gaen  an  dat  reuyr 
Dat  vloes  schoen  ind  fler 
Vur  der  portzen  zo  dale.  Karlm.   183,  57  —  60; 

ebenso  48,  2  dat  reuyre;   184,  1  van  dem  ryuer  (:  fier). 

In  der  Bedeutung  'Revier'  ist  das  Wort  meist  Femininum.  Im  Karlm. 
jedoch  ist  es  Neutrum :  ouer  dat  reuere  (:  schere)  52,  24 ;  vp  dat  ryuere 
(:  schere)  73,  12;  vp  dat  selue  ryuere  (:  schere)  94,  45;  vp  eyn  ryuere 
(:  schere)  88,  16;  op  (fein  reuyre  (i.  V.)  69,  36;  dat  ryuere  (:  schere)  93,  55; 
aufserdem  im  Dat.  mit  dem  Artikel  dem:  88,  22.  70,  6.  72,  63.  94,  26. 
155,  7.  Auch  in  der  Heidelberger  Hs.  des  Tristan  (v.  Grootes  Ausg.)  5348 
liegt  wohl  das  Neutrum  vor: 

Vnd  vant  ouch  da  vil  fchire 

Vf  einem  waltreviere 

Viel  ritter  Britvne, 

während  die  anderen  Hss.  eitler  haben. 

Dem  mhd.  Fem.  entspricht  afrz.  riviere,  nfrz.  riviere  (S.  P.,  D.  C, 
Littre),  in  denselben  Bedeutungen  wie  im  Mhd.  —  Dem  mhd.  Neutr.  und 
Mask.  aber  darf  man  wohl  ein  *  rivier  m.  gegenüberstellen.  Im  Mlat. 
kommt  ein  riparium  =  Flufszoll  und  einmal  riperium  in  der  gleichen  Be- 
deutung oder  auch  —  fluvius,  ripa  vor  (D.  C),  so  dafs  auch  ein  frz. 
Mask.  rivier  möglich  ist.  Über  die  weitere  Verteilung  des  Geschlechtes 
prüfe  man  noch  den  Artikel  lantrivier(e)  bei  Lexer  nach. 

65)  Anm.  Ich  schliefse  hier  kurz  an:  a)  das  dem  Bartschischen  Ge- 
setze folgende  Adj.  chier,  chir  (s.  Nr.  1  der  sprachl.  Einleitung),  eher,  das 
z.  B.  in  Parz.  113,  4  und  140,  6  in  G  g  g  als  tsehier  erscheint,  ferner 
tschir  g,  chier  g,  jedoch  e  in  seer  D  und  in  schere,  schera  zweier  anderer 
g-Hss. ;  b)  das  Adverb  voluntiers,  das  im  Tristan  in  H  3611  als  volun- 
tirx   (vgl.  frz.   volentirs  unter  Nr.  5  der   sprachl.   Einleituug),   in   F   als 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         339 

woluntiers  vorkommt;  c)  das  Adverb  travers,  trcvers,  das  nach  nordfran- 
zösischer Art  -ers  zu  -iers  diphthongierte  und  nun  zu  -irs  verwandelte, 
aufserdem  den  bei  Chevalier  in  der  ersten  Silbe  beobachteten  Wechsel  zu  i 
in  den  Varianten  aufweist;  vgl.  die  Varianten  zu  Parz.  812,  12;  WWh. 
87,  4.  88,  17.  391,  2  und  z.  B.  Formen  wie  treviers,  -irs,  trivirs,  -iers, 
aber  auch,  trevers;  d)  endlich  das  Adj.  fier,  fer,  das  in  einer  Reihe  von 
Dichtungen  als  fier,  vier  erscheint,  besonders  häufig  als  fiere,  fyere, 
vere,  fere,  veir,  feir(e),  veyre,  feyr(e)  im  Karlm.  Davon  abgeleitet  ist  das 
Verb  fieren. 

E.    Zweifelhafte  Etymologien. 

66)  mit  sidinen  weif  ier  en,  Lanz.  4441;  ^frz.  guipure  kann  nicht  zu 
Grunde  liegen. 

67)  j.  Tit.  3630:  Der  schar  vil  sariande  grozlichen  mert  wol  Ninive 
die  riche  |  Die  mit  kueln,  bogen,  hatschen,  lantzen  |  Vil  der  parribiere 
die  machent  orrse  decke  wite  schranzen.  —  Ob  entstellt  aus  patelirre 
(s.  Nr.  96  unten)?     Wie  hat  wohl  der  alte  Druck? 

68)  arzibiere,  eine  Metallmasse?  Var.  axxubire,  arxubiere,  der  ar- 
dobiere;  vgl.  Friedr.  Zarncke,  Graltempel  (Abb.  d.  legi,  sächs.  Gesellsch. 
d.  Wiss.  XVII,  phil.  hist.  VII,  1879). 

69)  pouken  und  drumieren  sluoc  man.  Apoll.  11199  A.;  in  Lexers 
Taschenwörterbuch  auch  trumbiere  genannt.  —  Dazu  vergleiche  man  das 
Vb.  trumbieren  Ga.  1.  473  neben  trumben  u.  s.  w. 

70)  'pro  seh  eitier  pro  galeis',  Rechngsb.  der  Stadt  Breslau  ad  1301, 
Codex  dipl.  Sil.  S.  5. 

71)  wir  wollen  hawen  ir  saliere  (:  schiere),  Heldb.  K.  624,  35;  ein 
isin  hüt,  ein  saler,  Keisersb.,  bei  Oberl.  Ein  Helm,  wie  angegeben  wird, 
kann  es  wohl  nicht  sein,  da  Wolfd.  D  V,  12  Hs.  f  statt  'daz  spalier  guot 
von  siden'  ein  sali  er  u.  s.  w.  zeigt.  Es  scheint  also  ein  Kleidungsstück 
zu  sein.  Hängt  es  vielleicht  mit  dem  im  Mittelenglischen  vorkommenden 
celure,  Var.  selure,  süure,  celatura  zusammen,  mit  Übergang  von  frz.  ü  :  i 
(siehe  meine  Dissertation  §  21)?  Das  e  der  ersten  Silbe  kann  nach  ostfrz. 
Weise  zu  a  werden. 

72)  sehivir  Hss.  H,  C,  schmiere  A  in  Ga.  1,  472,  ein  Rüstungsstück. 
7:->)  groyr,  vgl.  Lexer  und  92  unten. 

74)  divier,  Vintl. 

75)  sc  kotier,  scholir  bei  Schrn.  Fr.  2,  407,  wie  es  scheint  die  ältere 
Form  für  das  spätere  scholder,  scholler;  s.  auch  scholierer  unter  123. 

76)  flasir  Dfg.  321c. 

77)  hanthier,  Flieg.  Bl.,  16.  Jahrh.,  hantieren  (dat.  pl.)  (:  füren), 
Narr.  a.  1494;  dazu  das  Vb.  hantieren,  auch  mit  ver-,  und  hantierunge  stf., 
die  erst  im  14.  Jahrh.  auftreten,  hanthier  ist  wahrscheinlich  deutsche 
Neubildung  zu  hantieren,  das  wohl  nicht  deutschen  Ursprungs  ist,  wie 
das  DWb.  2,  1133  angiebt:  aus  hand  -(-  tieren,  eueren  =  in  der  Hand  um- 
drehen, sondern  nach  Lexer  und  Kluge  (Etym.  Wb.  d.  dtsch.  Spr.)  von 
frz.  hanter  herstammen  soll. 

F.    Wörter  auf  -en-,   -in-,   -anier,  die  Rüstungsstücke 
bezeichnen   und    meist   deutlichen   deutschen    Stamm   haben. 

78)  lendenier  in.,  lendenierstrick,  auch  lendner,  lendener,  lender, 
s.  Lexer;  im  Acc.  lendeniere  Krone  2859;  nach  Grimms  Gr.  noch  in  WWh. 
231,  26,  Limburger  Ohr.  61;  —  mnd.  lendener  (Lübben)  =  Lendengürtel. 

Das  Wort  gehört  zu  deutsch  lende,  besser  aber  noch  zu  mnl.  lendene, 
vgl.  Franck,  Mnl.  Gr.  im  Glossar;  man  vergleiche  es  noch  mit  dem  von 
Alw.  Schultz  im  Höf.  Leben  angeführten  gleichbedeutenden  afrz.  lasniere. 

79)  krocanier  Herb.  4736;  nicht  im  Mnd.;  Geschlecht  nicht  ersicht- 

22* 


340         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

lieh;  scheint  ein  Panzerstück  zu  sein.  Vgl.  die  Anmerkung  zur  Stelle, 
wo  ein  frz.  croc  als  Waffe  angeführt  wird.  Vielleicht  läfst  sich  noch  ein 
französisches  entsprechendes  Wort  ausfindig  machen. 

80)  semftenier,  -ir,  semftinir,  senff-,  senf-,  senphtenier,  samstener 
(entstellt),  neutr.,  s.  Lexer;  mnd.  samftener,  s.  Lübben. 

Das  semftenier  ist  eine  gepolsterte  Binde,  die  man  um  den  Unterleib 
legte,  und  die  noch  die  Oberschenkel  bedeckte,  vgl.  Alw.  Schultz,  Höf. 
Leben;  manchmal  auch  in  zweideutigem  Sinne  gebraucht.  Gehört  viel- 
leicht zu  mhd.  sen/te  (semfle)  adj.  und  subst.,  senften,  semften  vb. 

81)  hersenier,  härsenier,  hersnier,  härsnier,  neutr.,  s.  Lexer;  her- 
sinier  Türl.  Wh.  in  Zs.  21,  S.  '202,  11,  65  b;  aufserdem  notierte  ich  her- 
seniere  (dat.)  Krone  7372 ;  Trist.  H  6242 ;  nach  A.  Schultz  steht  härsenier 
auch  Mel.  6091  und  Tandareis  8559.    Nicht  im  Mnd. 

Das  hersenier  ist  ein  Kopfpanzer  unter  dem  Helm.  Im  Mnl.  her- 
senier. Gehört  zu  mnl.  hersene  =  Hirn;  vgl.  Franck,  Mnl.  Gr.  im  Glossar. 
Die  bei  Lexer  gegebenen  Etymologien  sind  zurückzuweisen. 

82)  sehinier,   schinnelier    s.  unter  48. 

83)  spaldenier,  -ir,  md.  spaldener(e),  mask.  und  neutr.,  s.  Lexer; 
nach  Alw.  Schultz  auch  Tandareis  12731;  —  mnd.  spoldener,  s.  Lübben; 
dort  auch  citiert:  'diplois,  spoldener'  Dfngl. 

Davon  zu  trennen  ist  spalier,  s.  oben  unter  49,  und  spanaröl  u.  s.  w. 
mit  unbekannter  Etymologie. 

Das  spaldenier  bedeutet  eine  Bekleidung  Gewappneter  unter  dem 
Harnisch;  die  Etymologie  ist  noch  nicht  aufgeklärt.  Es  scheint  ein 
Fremdwort  zu  Grunde  zu  liegen. 

84)  'darüber  zwen  hurtenier'  m.,  Lieht.  450,  14.  Ist  wahrscheinlich 
dasselbe  Rüstungsstück  wie  das  schinnelier;  vgl.  Alw.  Schultz,  Höf.  Leben ; 
nicht  im  Mnd.  zu  belegen. 

hurtenier  gehört  zum  mhd.  Fremdwort  hurt,  vgl.  Lexer;  der  h.  soll 
daher  vor  dem  Stofs  schützen. 

85)  brustenier,  neutr.,  vgl.  Lexer.  Es  ist  der  Brustpanzer  des 
Pferdes  und  gehört  zu  deutsch  brüst;  nicht  im  Mnd.  zu  belegen. 

86)  miusenier,  mioxxenier,  neutr.,  vgl.  Lexer;  nicht  im  Mnd.  Es 
ist  ein  Panzer  zum  Schutze  der  Armmuskeln;  müs  stf.  =  Muskel  liegt 
zu  Grunde. 

87)  huffenier,  neutr.,  s.  Lexer;  huffnier  Türl.  Wh.  in  Zs.  21,  S.  202, 
21.  —  Das  h.  ist  ein  Schutzpolster  um  die  Hüfte  (vgl.  Alw.  Schultz); 
auch  zweideutig  gebraucht;  gehört  zu  deutsch  huf—  Hüfte.  —  Das  Wort 
ist  im  Mnd.  nicht  zu  belegen. 

88)  lankenier,   lankenir,  vgl.  Lexer;   nicht  im  Mnd.;   neutr. 

Das  /.  ist  eine  Decke  über  die  'lanken'  (lanke  =  Hüfte,  Lende, 
Weiche)  des  Bosses.  Vgl.  auch  das  davon  abgeleitete  Vb.  ver-lankenieren 
(Lexer). 

89)  spoxxenier,  Hs.  C  spossenier,  wohl  ein  Rüstungsstück  über  den 
Arm,  Ga.  1,472;  neutr.?  —  Nicht  im  Mnd.  Eine  Etymologie  fand  ich  nicht. 

90)  grüsenier,  neutr.,  in  Zeitz  Satz.;  grüsener  Jenaer  St.  a.  1540; 
mnd.  grusenir,  grüsener,  gruxener  (Lübben).  Was  es  war,  geht  aus  diesen 
Stellen  nicht  hervor.     Etymologie? 

II.   Weiterbildungen  auf  -i(e)rcere,  -i(e)rere,  -i(e)rre  u.  s.  w. 

Zum  Verständnis  der  hier  behandelten  Wörter  verweise  ich  ausdrück- 
lich auf  die  S.  63  und  64  meiner  Dissertation  stehende  Anmerkung. 

Da  sich  die  Wörter  mit  der  Endung  -ierre,  -irre  (samt  wei- 
teren Vereinfachungen)  fast  gar  nicht  im  Nominativ  Singular,  jedoch 
häufig  in  anderen  Kasus  vorfinden,  da  ferner  drei  derselben  bei  Wolfram 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         341 

von  Eschenbach  im  Plural  im  Reime  stehen,  und  weil  sich  endlich  in 
grofser  Zahl  daneben  längere  Formen  auf  -ierer(e),  -iercare  vorfinden,  so 
neige  ich  der  Ansicht  zu,  dafs  man  hier  überhaupt  nicht  von  einer  bei 
den  mhd.  Dichtern  stattfindenden  Verallgemeinerung  der  im  Französischen 
nur  auf  den  Nominativ  Singular  beschränkten  Form  -ier(r)efs)  aus  -ator 
sprechen  darf;  -ier(r)e  hätte  dann  vor  seiner  Aufnahme  ins  Deutsche  im 
Ostfranzösischen  zu  -irfrje  werden  müssen;  vielmehr  liegen  hier  Zu- 
sammenziehungen aus  deutschen  Neubildungen  auf  -ierer(e)  vor. 

Nur  in  der  französischen  Literatursprache  des  Ostens  lebte  der  alte 
Nominativ  wahrscheinlich  damals  noch  weiter,  was  schon  aus  dem  Um- 
stand hervorgeht,  dafs  die  obliquen  Formen  auf  -eur,  -itr  (  atorem)  be- 
reits seit  Beginn  des  13.  Jahrhunderts  in  deutschen  Texten  im  Nomina- 
tiv Singular  gebraucht  werden;  so  hat  Wolfram  als  Nominative 
tiostmr(e),  schahteliur,  l'ampriure,  l'ascantmre;  punjür.  Die  nord-  und 
ostfranzösische  Volkssprache  wird  wohl  damals  nur  noch  die  obliquen 
Formen  gekannt  haben. 

Nähme  nun  jemand  trotzdem  an,  deutsches  -i(e)rre  entspreche  direkt 
frz.  -ierre  aus  -ator,  so  könnte  er  noch  weiter  ausführen,  man  treffe  bei 
Wolfram  im  m-e-Reim  frz.  -ier(r)e  nicht  nur  bei  Substantiven  an,  die 
dem  Bartschischen  Gesetze  unterliegen,  z.  B.  patelirre,  sondern  auch  bei 
anderen  Wörtern,  wie  astronomirre,  suppirre,  und  zwar  infolge  einer 
bereits  auf  französischem  Boden  erfolgten  Vertauschung  des  -erre  mit 
-ierre,  wobei  man  z.  B.  die  bei  Goerlich  im  'Burg.  Dialekte'  aus  der 
Franche-Comte*  angeführten  commandierres,  rendierres,  emperiere  zum  Be- 
weise heranziehen  kann  [diese  Angleichung  ist  auch  anderswo  nach- 
zuweisen]; sogar  für  den  ostfranzösischen  Übergang  von  ie  :  i  bei  -ator 
wüfste  ich  ein  prechires  aus  Val  Benoit  (Lütticher  Gegend)  anzuführen 
(s.  Romania  17,  S.  55-1).  —  Allein  ich  möchte  es  in  diesem  strittigen 
Punkte  lieber  mit  den  Schreibern  derjenigen  Hss.  halten,  die  öfter  -iercere 
(wie  in  Parz.  G)  oder  -ierer  schrieben,  also  -i(e)rre  blofs  als  kontrahierte 
Form  betrachteten ;  die  sonstigen  zahlreichen  vollen  Formen  anderer  Texte 
unterstützen  uns  in  dieser  Ansicht. 

A.    Von  Infinitiven  weitergebildet. 

91)  chrigirre  nom.  pl.  Parz.  D  32,  17;  chrigiren  dat.  pl.  D  81,  13. 
Aus  einem  *  chrigierer(e)  kontrahiert,  zum  Verbum  chryeren  D,  krie- 

gieren  d,  Parz.  68,  19  =  crier  gehörig. 

Anm.  Davon  zu  trennen  sind  krter,  kriger  R'einfr.  und  als  Var.  zu 
Parz.  81,  13  in  d  kriegern  (dat.),  die  zum  Vb.  krten  gehören. 

92)  kro-yer-re  nom.  pl.  Parz.  d  32,  17,  grogiere  eb.  g,  cro-ier-en 
dat.  pl.  Parz.  G  g  81,  13;  grö-ier  Licht.  69,  17. 

Diese  Formen  beruhen  auf  den  nicht  kontrahierten  Parz.  81,  13  dat. 
pl.  kro-ier-er-n  g,  grog-ier-er-en  g,  krögierer  Part.  14533,  grögierer  Ls.  2, 
246,  kroirer  Apoll.  18975. 

Vollere  Formen  auf  -cere  sind:  Parz.  G.  32,  17  nom.  pl.  chroier-cere 
und  crojier-mre  Bit.;  croir-cere  Wg.,  grögier-cere  Licht.,  grogier-cer  Hpt. 
Zs.  18,  91,  kroyr-ere  Ernst;  aufserdem  nach  Alw.  Schultz,  Höf.  Leben, 
groyer-är  Ottokar  von  Steier  DCXCVIII. 

krögierer  gehört  zu  dem  zahlreich  belegten  Verbum  kroijieren;  auch 
in  den  Varianten  zu  Parz.  68,  19  und  Wh.  372,  3.  401,  2.  Es  'kroijieren' 
die  Knappen: 

Daz  gap  er  üz  dem  ringe  Den  knappen  algeliche,  Die  von  den  schilten 
riche  Und  von  den  helmen  sprächen,  Da  von  si  niht  zerbrachen  Sin  lop 
noch  sine  wirde.  Mit  edelen  herzes  girde  Kroijierents  üf  in  alle  Und 
riefen  dö  mit  schalle  Geliche  und  allgemeine :  . . .  'Mit  hoher  melde  sol 
man  Kroijieren  sinen  lip.'   Turn.  1102. 


342        Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

Man  vergleiche  damit  aus  dem  j.  Titurel  1829:  Waz  die  anderen  füren 
uf  helmen  und  uf  Schilden,  Gestricket  mit  den  snuren  oder  mit  dem 
pensei  dar  uf  gebilden,  Dax  prüfen  die  der  wappen  r'öcke  warten.  Ferner 
aus  Mai  und  Beaflor  88,  25:  Maneger  von  den  wäpen  sprach,  Dax  man 
kroijieren  nennet,  An  dem  man  dax  erkennet,  Dax  si  die  decke  xerrent  hin, 
Wan  dar  an  lit  ir  gewin.  —  Diese  Beispiele  in  Schultz,  Höf.  Leben.  — 
Hier  scheint  demnach  kroijieren  das  Beschreiben  und  Loben  der  Zieraten 
und  Malereien  auf  Helm  und  Schild  —  also  des  groyr's  (?)  —  zu  be- 
deuten. Damit  sollen  die  Turnierer  zur  Tapferkeit  angespornt  werden. 
Gleichzeitig  wird  der  Kampfruf  damit  verflochten,  wodurch  kroijieren  oft 
die  Bedeutung  kriieren  annimmt.  —  Das  Verbum  kroiieren  u.  s.  w.  (vgl. 
Lexer)  dürfte  kaum  zum  Subst.  groyr,  Vintl.  9654,  gehören;  croier  bei 
Eeinfr.  17343,  kreiger  eb.  633,  vgl.  Bech,  Germ.  22,  43.  —  Dfg.  311a: 
juba,  crista  qua?  superponitur  galese,  ein  kreye-r,  -rer,  krayer;  ngl.  113  a: 
conus,  creyer  uff  eiin  helme  o.  knöpf  uff  eim  tache,  kleinat  auf  eynem 
heim,  eyn  heim  tecken;  ngl.  120b:  crista,  timmer  van  dem  heim,  wappen  (!), 
kreycr  o.  vogels  kamp.  [Das  Wort  kreyer,  tessera,  ut  datur  clam  militi- 
bus,  ne  fiat'confusio  inter  eos  (D Wb.  2143,  1),  heute  kreijere  =  'Jauchzer' 
auf  dem  Hunsrück  (DWb.)  ist  nicht  damit  zu  vergleichen,  sondern  ge- 
hört zum  Vb.  kreigen  neben  krten.] 

Ich  bezweifle,  dafs  groyr  etc.  mit  crey  [s.  DWb.  5,  2136  (4)]  oder  mit 
kreide  [DWb.  2138  (4  b)]  zusammenmengt,  wie  Bech  in  der  Germania  22 
annimmt,  aber  auch  kroijieren  mit  dem  lautverwandten  kreiieren  u.  s.  w. 
statt  krUeren  (wie  kreien  u.  s.  w.  neben  krlen),  wiewohl  es  oft  mit  diesem 
in  der  Bedeutung  zusammenfällt  und  verwechselt  wird. 

Sollte  kroijieren  nicht  afrz.  gueroier,  guerroier  -  befehligen  (Littrö), 
streiten,  drängen,  bekriegen  (Bartschs  Ohrest.)  sein,  während  groyr  eine 
andere  Ableitung  hätte? 

9:j»)  floitirre  nom.  pl.  Parz.  D  19,  11,  floytiere  n.  pl.  Wh.  1  382,  16, 
n  flotiere,  o  floytier,  m  flotyer,  t  flottier. 

Aus  floitierer  eb.  p  und  Wh.  v.  W.  kontrahiert,  zum  Vb.  floytieren 
gehörig. 

Auf  -cere;  floiticrcere  Parz.  G  g. 

Anm.    floytere  eb.  g  gehört  zum  Vb.  floyten,  Parz.  d  764,  2. 

94)  paratierre  acc.  pl.  Parz.  g  297,  9,  partierre  D,  partier e  d;  Trist. 
8350  Hs.  H  paratyere  nom.  sg.  i.  V. 

Parz.  g  297  kommt  auch  partirer  vor,  aufserdem  paratierer  Trist., 
Hs.  0;  aus  diesen  Formen  entstanden  die  obigen. 

Gehört  zum  Vb.'  partieren  und  einer  anzusetzenden  volleren  Form 
*paratieren  aus  afrz.  barat-,  baret-,  barter  (letzteres  v.  J.  1373  aus  Valen- 
ciennes),  G.  Das  Wort  ist  nicht  aus  frz.  barateur,  wie  Lexer  angiebt, 
entwickelt. 

Auf  -cere:  Parz.  G  g  g  partierare  und  Trist.,  Hss.  F  B  N  partierere 
(also  -ere). 

95)  astron-omirre  nom.  sg.  D  d,  -omire  g,  -imiere  G  Parz.  773,  26. 
Aus  einem  *  astronomierer(e)  und  dies  aus  dem  Vb.  *  astronomiereu. 

96)  patel-ierre  gen.  pl.  g,  -iere  g,  -irre  D  d  g  g,  putelirre  (statt 
pat-)  G  :  viere  g,  virre  (=  Strecke,  Reihe)  die  übrigen  Hss.,  Parz.  183,  7.  — 
patelirre  n.  pl.  K  1  p  t,  padelirre  n  :  dirre  (n.  sg.  =  dieser)  K  1  p  t  n, 
WWh.  223,  10.    patelirre  j.  Tit.  2568.  6076. 

Ist  aus  einem  * patelier-er(e)  kontrahiert;  zu  einem  mhd.  Vb.  *pate- 
lieren  (im  mnl.  baltelieren,  vgl.  Franck,  Mnl.  Gr.)  =  afrz.  bat-eiller,  -iller 
(D.  C),  bat-aillir,  -illier  (S.  P.)  gehörig,  patelierre  ist  nicht,  wie  bisher 
angegeben  wurde,  der  afrz.  Nom.  bataillier(r)e  (Suffix  -ator),  noch  bataillier 
(Suffix  -arius),  vgl.  G.;  es  könnte  höchstens  aus  dem  letztgenannten  Worte 
weiterentwickelt  worden  sein. 

Auf  -cere:  patelirmre  g  Parz.  183,  7  (gegen  den  Reim!). 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier.         848 

97)  daz  so  verre  üz  ir  geboten 
Arabel  diu  verfluocht  ist  komn, 
mir  und  den  goten  ist  benomn, 
der  ich  e  jach  ze  kinde, 

von  taverne  ingesinde, 

von  salscn  suppierren 

sich  Tybald  muose  vierren 

von°*sinem  wibe,  und  alle  ir  kint, 

diefhie  durch  rehte  räche  sint  ...  WWh.  44,  13. 

Var.  suppirren  m,  suppirren  1,  suppteren  K,  suppijeren  t,  suppiren  p,  sop- 
pyren  n,  suspiriern  (entstellt)  o;  fierren  m,  virren  lnp,  vijrren  t,  fieren  K, 
viern  o. .. 

In  Übersetzung:  Dafs  Arabel,  die  Verfluchte,  so  von  ihren  Gesetzen 
abgewichen  ist,  dafs  mir  und  den  Göttern  die  geraubt  ist,  die  mein  Kind 
war,  durch  solches  Wirtshausgesindel !  dafs  durch  solche  Topflecker  [eigent- 
lich Salsen-(=  Saucen-)esser]  Tybald  von  seinem  Weibe  getrennt  sein 
mufsl  ebenso  auch  ihre  Kinder,  die  sie  zu  rächen  gekommen  sind! 

Das  Wort  suppierre  ist  aus  einem  *suppierer(e)  kontrahiert,  zum  Vb. 
*  suppieren  =  afrz.  souper  gehörend.  Die  richtige  Bedeutung  ist  schon 
im  Benecke  angegeben;  dagegen  ist  die  Lexersche  Angabe,  dafs  es  Fem. 
und  mit  supparje  =  Suppe  zusammenzustellen  sei,  falsch. 

98)  tyostier  im  Wh.  und  Parz.;   s.  meine  Diss.  S.  64,  2.  Abschnitt. 

99)  busunier  in  einer  g-Hs.  von  Parz.  879,  15. 

Entstanden  aus  *busunierer;  vom  Vb.  pusunieren  (im  kl.  Lexer)  ab- 
geleitet. 

100)  die  tumiere  nom.  pl.  Krone  763;  ist  Kontraktion  zur  Variante 
turnierer  eb.,  auch  turmrer,  torn-,  dornierer  Dfg.  588  c;  ngl.  367  c;  aus 
dem  Vb.  furnieren  =  afrz.  tournier  gebildet.  (Vgl.  das  Abstr.  'der  tur- 
nier'  unter  40.) 

Aufserdem  die  Formen  turniercere  Bit.  8542,  turnierere  Leys;  vgl.  auch 
Ring  8d,  38;  Netz  7831. 

101)  fabeliercere  (:  msere)  Krone  22112;  zu  einem  *fabelieren  = 
afrz.  fabler,  G.,  gehörig. 

102)  talierer  (fem.  -iererin)  Pass.  Rechtsbuch;  teurer,  Gesatz  der 
Handwerkerzünfte  zu  München  um  1346  (Cgm.  544);  taliern  dat.  pl.  (nomen 
agentis)  a.  1386  bei  Schm.  Fr.  (-ier  st.  -ier[r]e). 

Der  talierer  ist  ein  Händler  in  'talieren';  s.  letzteres  Wort  bei  den 
Wörtern  auf  -ure,  die  im  Deutschen  zu  -ier  werden,  in  meiner  Dissert. 
S.  29,  9.    talierer  ist  aus  dem  mhd.  teilieren  =  afrz.  taillier  weitergebildet. 

103)  Und  welcher  kramer  talierer  oder  taliererin  oder  partirer  noch 
partirerin  das  vberfur  . . .  Pass.  Rechtsb. 

Aus  mhd.  partieren  =  afrz.  partir  weitergebildet. 

104)  zwen  posauner,  zwen  trumlierer,  Gest.  Rom.  96. 

Gehört  zu  einem  *  trumbelieren,  *trumlieren.  Mit  afrz.  trumeler  'faire 
la  d£bauche'  und  trumeleur  'debauche'  hängt  es  wohl  nicht  zusammen. 
Es  geht  wahrscheinlich  auf  frz.  trompe  zurück,  davon  die  Weiterbildung 
trompille  (trompiculum)  =  petite  trompe  und  afrz.  trompiller  =  jouer  de 
la  trompe  (S.  P.) ;  auf  letzterem  würde  ein  mhd.  *  trumbelieren,  *  trumlieren 
beruhen,  woraus  sich  das  nomen  agentis  entwickelte. 

Das  nfrz.  trommel  (Littre)  scheint  erst  wieder  aus  dem  deutschen 
trommel  [und  dies  mit  deutschem  Accent  aus  trompille  (wie  ein  Wort 
mit  dem  Suffix  -el)]  ins  Französische  zurückgekehrt  zu  sein;  man  ver- 
gleiche die  mhd.  trumbel,  trumel  bei  Lexer  und  Vb.  trumelen,  Apoll. 

105)  Claus  der  luminierer,  Schreib,  a.  1350. 

Vgl.  das  Vb.  illuminieren,  aus  dessen  Simplex  es  weitergebildet 
sein  wird. 


344         Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dem  Suffix  -ier. 

106)  vis  ier  er,  visirer,  viser  er,  vgl.  Lexer. 

Zum  Vb.  visieren  =  viser  weitergebildet;  vgl.  Nr.  7. 

107)  regierer,  regerer,  vgl.  Lexer;  auch  in  statordenung-reg. 
Gehört   zum  spätmhd.  regieren,  -eren.     Letzteres   entweder   aus    lat. 

regere  neugebildet  oder  aus  afrz.  gelehrtem  und  seltenem  reger,  regir  (S.  P.) ; 
vgl.  auch  Godefroy  unter  reger. 

108)  'der  tendlier',  Rauch  1,  440.  447  (in  Grimms  Gr.  II,  142). 
Aus  einem  *  tendlier  er  (e)  kontrahiert;  gehört  zum  Vb.  tändelirn  Ot.  117  b 

(Weig.  Wb.).  Letzteres  ist  wahrscheinlich  deutsche  Neubildung  an  dem 
Stamm  tant  (aus  ital.  tanto)  mit  Erweiterung  durch  das  Suffix  -el  und 
fremder  Infinitivendung.  Sonstige  Formen  mit  Suffix  -er  an  tendl-  u.  s.  w. 
s.  bei  Schm.  Fr.  1,  610. 

109)  ge-wardierer,  Mone  Zs.  2,  418  =  der  Münzwardein. 

Aus  einem  *wardieren  und  dies  aus  afrz.  guarder  gebildet;  ital.  Ety- 
mologie ist  unnötig.  Daneben  quarder  eb.  4,  20  mit  -er  an  fremdem  Stamm. 
Man  vergleiche  damit  mhd.  ge-warten,  wodurch  sich  die  Vorsilbe  ge-  erklärt. 

110)  polier  er,  politor  Dfg.  445  b,  bollierer  Beisp.,  pal-,  pulierer  HbM., 
hamasch-palierer  Tuch. 

Weitergebildet  zum  mhd.  pol-,  poll-,  boll-,  pul-,  pal-,  pall-,  bal-,  ball- 
ieren (Lexer),  auch  mit  durch-  und  ge-;  aus  frz.  polir  oder  lat.  polire  abzu- 
leiten ;  'polier'  steckt  auch  in  boüierknecht,  pollierscheibe,  bollierung  bei  Tuch. 

111)  planirer,  politor,  tuchscherer,  Dfngl.  297a. 

Zum  Vb.  ^planieren  (mhd.  nicht  vorhanden)  =  afrz.  planier,  planer, 
planir,  G. 

B.    Von  Infinitiven  oder  nomina  agentis   auf  -ier 
weitergebildet. 

1 12)  barbierer  Beh.,  Böhm.  a.  1358,  Chr.  11  (15.  Jahrh.);  palbierer  Fasn. 
Gehört  zum  mhd.  Vb.  barbieren  Chr.  11  =  afrz.  barbier  und  zu  barbir, 

s.  oben  unter  38. 

118)  parlier  er  Chr.  1  a.  1407,  Tuch.,  Anz.  24,  210  (14...  Jahrh.). 

Gehört  zum  mhd.  Vb.  parlieren  —  afrz.  parier  (mit  Übergang  zu 
den  ier- Verben  infolge  Analogie)  und  zum  Subst.  parlier,  s.  oben  unter  37. 

114)  drappierer  Gr.  W.  5,  299;  drapperer  Frkf.  Brgmstb.  a.  1452; 
nach  Grimms  Gr.  noch  trappirer  Lanz.  Chron.  2. 

Aus  trappier,  s.  unter  31,  gebildet;  man  kann  auch  ein  Vb.  *  frap- 
pieren, * drappieren  =  afrz.  draper  als  Ausgangspunkt  nehmen. 

C.   Von   Infinitiven  oder  Abstrakten   auf  -ier  weitergebildet. 

115)  pitschierer  Stieler  80,  17.  Jahrh.,  im  DWb. 

Zum  Vb.  pitschieren  oder  Subst.  pitschier  (s.  56)  weitergebildet. 

D.    Von   nomina  agentis  auf  -ier  weitergebildet. 

116)  bursierer  =  Einnehmer,  Frkf.  Insatzbuch  a.  1400  und  Mone 
Zs.  12,  229  a.  1398,  Dfg.  85  a  (ebendort  auch  burchierer  —  rs  :  rs  oder  r%  — 
und  burchener,  burssner). 

Aus  bursier,  Nr.  39,  entstanden. 

117)  zwei  tüsent  artschierer  Kcsp.  a.  1 402. 

Aus  harschier,  Nr.  43,  entstanden,  oder  sollte  -er  die  in  der  jüngeren 
Zeit  übergreifende  Pluralendung  sein? 

118)  iubelierer  Dfg.  126c   a.  1507. 
Aus  iubelier,  Nr.  42,  entstanden. 

119)  tafernirer  Zeitz  cop.  462a,  tabernierer  Chr.  3.  142,  19;  tau-er- 
nierer,  -ernirer  Dfg. 

Aus  labernier,  Nr.  24,  entstanden.  Aus  dem  bereits  ahd.  taverne  wurde 
taverncere,  -er  (Lexer)  gebildet. 


Die  mittelhochdeutschen  Substantive  mit  dein  Suffix  -ier.         315 

E.    Von  Abstrakten   auf  -ier  weitergebildet. 

120)  bantxyerer  Mz.  3,  120  a.  1841,  panexirer  eb.  381  a.  1357. 
Aus  panxier,  Nr.   14,  entstanden. 

121)  papierer,  s.  Lexer. 

Aus  papier,  Nr.  57,  weitergebildet. 

122)  briuirer  a.  1 129  Dfg.,  bretiierer  eb.  a.  1140,  breuirer  eb. 

Von  brevier,  Nr.  54,  gebildet;  diese  Weiterbildung  ist  hier  möglich, 
weil  das  Brevier  als  'Wegweiser'  im  Leben  gelten  kann. 

123)  scholierer,  scholirer;  kontrahiert  zu  schollyer,  schollir;  vollere 
Form :  schollirär  (s.  Lexer). 

Aus  scholier,  Nr.  75,  entwickelt;  Formen  wie  scholderer,  scholierer u.  s.w. 
sind  aus  scholder,  scholler  gebildet  worden. 

F.    Weiterbildungen  auf  -ierer  am  deutschen   Stamm 
oder  am  bereits   ahd.   Fremdwort. 

124)  stolxierer  Renn.;  aus  dem  Vb.  stolxieren  und  letzteres  aus 
deutsch  stolx. 

125)  hov-,  hofier  er,  vgl.  Lexer;  aus  dem  Vb.  hov-,  hofieren  und 
letzteres  aus  deutsch  hof. 

12ü)  spendiere  Rta.;  ist  aus  einem  *  spendier er (e)  kontrahiert  und 
letzteres  von  einem  Vb.  *  spendieren  abgeleitet,  spendieren  mufs  spät  aus 
mhd.  spenden  =  ahd.  fremdem  spendön,  spenton  neu  gebildet  sein.  Von 
letzterem  stammt  ahd.  spentari  =  mhd.  spendsere. 

127)  pfaffierer  Cds.  a.  1430;  aus  pfaffe  (ahd.  pfaffo  —  lat.  papa) 
weitergebildet. 

128)  hüsierer  Rotw. ;  aus  dem  Vb.  hüsieren  und  dies  aus  deutsch  hüs. 

129)  sigillierer  Wattb.  273;  zum  Vb.  * sigillieren,  vorhanden  in 
versigillieren  Apoll.  S. ;  sonst  mhd.  Vb.  sigelen  =  ahd.  sigljan  und  dies 
aus  sigel,  bereits  gotisch  sigljö  und  ahd.  in  sigilla,  vgl.  Franz,  Die  lat.- 
rom.  Elemente  im  Ahd.  S.  Öl. 


III.    Ersatz  von  französisch  -ier  durch  -cere,  -ere,  -er 
im  Ober-  und  Mitteldeutschen. 

Wahrscheinlich  sind  diese  Wörter  schon  in  früh-mhd.  Zeit  entlehnt 
worden.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dafs  dieselben  aus  Niederdeutschland 
zu  uns  gekommen  sind. 

130)  buekelcere  u.  s.  w.,  buekeläre  im  Pfaffen  Konrad,  s.  Lexer;  im 
Mnd.  bokeler,  s.  Lübben;  im  Mnl.  bokelare,  s.  Franck. 

Aus  afrz.  bouclier  (S.  P.)  entwickelt;  auch  ist  eine  deutsche  Neu- 
bildung zum  mhd.  Fremdwort  buckel  nicht  ganz  ausgeschlossen. 

131)  marncere  u.  s.  w.,  s.  Lexer;  nicht  im  Mnd.  belegt;  im  Mnl. 
marnier,  maronier,  s.  Franck. 

Aus  afrz.  maronier,  -innier  (Bartsch,  Chrest.)  entwickelt. 

132)  valkencere  u.  s.  w.,  s.  Lexer;  mnd.  — ,  mnl.  — ,  im  Neuniederl. 
nach  Grimms  Gr.  ralkenier. 

Im  Afrz.  würde  ein  *falconier  entsprechen;  in  S.  P.  sind  nur  Formen 
mit  Vokalisierung  des  l  zu  belegen :  fau-  faulconnier. 

183)  paltencere  u.  s.w.,  s.  Lexer;  mnd.  poltenere,  s.  Lübben;  mnl. — . 

Aus  afrz.  paltenier  vielleicht  entwickelt;  vgl.  mhd.  balteniere  unter  15; 
eine  gelehrte  deutsche  Bildung  mag  jedoch  auch  vorliegen. 

Bad-Ems,  im  Juli  1899.  Theodor  Maxeiner. 


Die  Rleinliteratnr  des  Aberglaubens  im  Altenglischen. 


Von  zwei  oder  drei  Texten  abgesehen,  war  schon  1866  im 
dritten  Bande  von  Cockaynes  Leechdoms,  Wortcunning,  and 
Starcraft  so  ziemlich  alles  publiziert  worden,  was  uns  bis  heute 
an  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  in  altenglischer  Sprache  vor- 
liegt. Trotzdem  ist  diese  ganze  Literaturgattung  bisher  so  gut 
wie  unbeachtet  geblieben.  Wülkers  Grundrifs  der  angelsächsischen 
Literatur  (1885)  sowie  die  englische  Literaturgeschichte  von 
ten  Brink  (1878,  2  1899)  übergehen  sie  mit  wenigen  Worten; 
und  die  anderen  erwähnen  sie  überhaupt  nicht.  Auch  Einzel- 
untersuchungen darüber  existieren  nicht.  So  befremdlich  diese 
Tatsache  Späteren  erscheinen  mag,  so  erklärt  sie  sich  doch 
leicht  aus  der  historischen  Entwickelung  unseres  Faches:  einer 
Zeit,  welche  die  'Volkskunde'  noch  kaum  ernstlich  in  den  Ge- 
sichtskreis der  Anglistik  gezogen  hatte, l  mufsten  die  hier  in 
Frage  kommenden  Denkmäler,  weil  als  Einzelerscheinungen  auf- 
gefafst,  unverständlich  bleiben,  zumal  sie  sich  in  keiner  der 
üblichen  Kunstgattungen  der  Literatur  unterbringen  liefsen.  Erst 
ein  Vergleich  mit  ähnlichen  Texten  anderer  Sprachen  eröffnet 
uns  das  richtige  Verständnis  für  die  Stellung  dieser  ganzen  Gat- 


1  Wer  auch  heute  noch  die  'Volkskunde'  scheel  anzusehen  geneigt  sein 
sollte,  lese  die  glänzenden  Ausführungen  A.  Dieterichs  in  seinem  Vortrage 
'Über  Wesen  und  Ziele  der  Volkskunde'  (Hessische  Blätter  für  Volks- 
kunde 1902,  I  169 — 194).  —  Leider  nimmt  der  'Jahresbericht  für  ger- 
manische Philologie'  noch  immer  keine  Rücksicht  auf  englische  Volks- 
kunde, wie  auch  die  anderen  Abschnitte  der  'Hilfswissenschaften'  leider 
fast  ausschliefslich  Deutschland  berücksichtigen. 


Die  Klein literatur  des  Aberglaubens  im  Altenglisch.cn.  Ml 

tung  im  Kulturleben  wie  in  der  Literaturgeschichte,  ja  sogar,  wie 
wir  unten  an  zwei  Beispielen  sehen  werden,  für  die  richtige  Deu- 
tung des  Wortsinnes.  Eine  allseitige  Beleuchtung  und  Einreihung 
dieser  altenglischen  Texte  vermag  ich  nun  freilich  auch  heute 
noch  nicht  zu  bieten.  Dazu  müfsten  vor  allem  die  in  diesem 
Falle  überreichlich  fliefsenden  handschriftlichen  Quellen  fürs  Latei- 
nische und  Mittelenglische  besser  ausgeschöpft  werden.  Aber  die 
Rücksicht  auf  eine  bald  zu  erwartende  neue  Gesamtdarstellung  der 
altenglischen  Literatur  veranlafst  mich,  schon  jetzt  das  wenige,  was 
ich  mit  Hilfe  des  gedruckten  Materials  und  einiger  Ergänzungen 
aus  Handschriften  zu  Erfurt,  München,  Cambridge  und  Rom  • 
zur  Beleuchtung  dieses  Literaturkreises  beisteuern  kann,  hier  vor- 
läufig zusammenzustellen.  Wenn  es  mehrfach  auch  nur  nackte 
Literaturangaben  sind,  so  hoffe  ich  doch  schon  dadurch  manchen 
Text  aus  seiner  Isoliertheit  herausgehoben  zu  haben.  Später  werde 
ich  ausführlicher  auf  verschiedene  dieser  Texte  eingehen  können. 
1)  Ich  beginne  mit  dem  unstreitig  weitverbreitetsten  meteoro- 
logisch-astrologischen Werke,  der  sogen.  'Bauernpraktik',  welche 
den  Ausfall  der  Jahreszeiten  aus  dem  Wochentage  prophezeiht, 
auf  den  der  Jahresanfang  oder  das  Weihnachtsfest  fällt.  Die 
älteste  mir  bekannte  Form  dieser  Prophezeiungen  ist  in  grie- 
chischer Sprache  abgefafst  und  gibt  sich  als  ein  Werk  des  alt- 
testamentlichen  Ezra:2  Tov  7igo(frtxov  ^'EüSqu  /liäyvfooiq  tt(qi  tmv 
tnxu   tjf.uQiov.3      Zahlreiche    Übersetzungen,    Bearbeitungen    und 


1  Für  welche  ich  den  Herren  G.  Mercati,  E.  Stollreither  und  A.  Rogers 
meinen  Dank  auch  hier  aussprechen  möchte. 

2  Wie  Ezra,  der  Historiker  der  Rückkehr  aus  dem  babylonischen  Exil, 
zum  Propheten  und  Wahrsager  gestempelt  werden  konnte,  erkennt  man 
leicht,  wenn  man  einen  Blick  tut  in  die  übrigen  unter  seinem  Namen 
überlieferten  Apokryphen,  namentlich  das  sogen.  Liber  quartus  Esdrae 
(ed.  R.  James  in  Texts  and  Studies  III  2)  und  die  interessante  Visio 
beati  Esdrae  (ed.  Mercati,  Studi  e  Testi  Nr.  5,  1901,  S.  70  ff.),  welche  ein 
Glied  in  der  Kette  bildet,  die  empor  zu  Dante  führt.  Noch  im  15.  Jahr- 
hundert werden  'Dyuers  iokyns  of  weper'  (Digby  88  f.  12 b)  dem  'Edras  the 
profute'  zugeschrieben.     Vgl.  auch  S.  352  Anm.  1. 

3  Veröffentlicht  von  Boissonade,  Notices  et  Extraits  des  mss.  de  la 
bibl.  du  Roi  XI,  2.  S.  18b'  Anm.;  ein  anderer  Text  bei  Du  Gange,  Gloss. 
graec.  S.  548;  Proben  bei  Tischendorf,  Apocalypses  apocryphae  S.  XIII  f. 
Vgl.  auch  c.  08  der  nur  in  äthiopischer  Übersetzung  erhaltenen  Chronik 
des  Bischofs  Johannes  von  Nikias  des  7.  Jahrhunderts  (ed.  Zotenberg,  Not. 
et  Extr.  XXIV  1,  S.  408  f.). 


348  Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen. 

Nachahmungen  finden  sich  in  lateinischer  Sprache ]  als  Revelatio 
Esdrae  de  qualitatibus  anni  oder  unter  anderen  Titeln  und 
Verfassernamen.  Aus  dem  Lateinischen  stammen  dann  direkt 
oder  indirekt  die  nicht  seltenen  volkssprachlichen  Versionen,  wie 
die  verschiedenen  altfrauzösischen 2  Bearbeitungen  in  Vers  oder 
Prosa,  die  provenzalische, 3  die  altitalienische,4  die  spanische,3  die 
deutschen,6  die  holländischen7  und  die  englischen  Versionen. 
Dagegen  geht  die  rumänische8  Übersetzung  nach  Gaster  auf  eine 
slavische  Vorlage  zurück. 

In  altenglischer  Sprache  sind  bisher  zwei  Versionen  gedruckt: 
eine  ältere  aus  dem  MS.  Junius  23  (um  1100),  veröffentlicht 
von  Cockayne,  Leechdoms  III  162  2ö  — 164 12;  eine  jüngere  aus 
Vesp.  D.  XIV  f.  75 b  (um  1120),  gedruckt  von  Aismann,  Anglia 


1  Handschriften  dafür  weisen  nach  P.  Meyer,  Bull,  de  la  Soc.  des  anc. 
text.  188?.  S.  P5  f.,  und  G.  Hellmann,  Die  Bauern-Praktik  (Berlin  1896) 
S.  56  ff.  Dazu  Ms.  Digby  75  und  103;  Rawl.  B.  196;  Rawl.  C.  486  und  814  ; 
Ashm.  345  f.  68a  und  f.  69a;  1393;  Cleop.  B.  IX;  Gott.  App.  dipl.  16  E. 
Gedruckt  sind  lat.  Texte  bei  Migne,  Patrol.  lat.  XL  95 1 ;  P.  Meyer  a.  a.  0. 
S.  88  Anm. ;  Revue  des  langues  romanes  III  1M4 ;  G.  Mercati,  Studi  e  testi 
Nr.  5  (Rom  1901)  S.  74  ff.,  dessen  älteste  Version  aus  einer  Lorscher  Hand- 
schrift des  9.  Jahrhunderts  stammt;  nach  gütiger  Mitteilung  Mercatis  auch 
bei  F.  Patetta,  Dal  libro  dei  segreti  di  Cipriano  Casolani,  Siena  1902  (Per 
nozze  Raimondi  Palmieri-Nuti),  und  bei  G.  Giannini,  Una  curiosa  raccolta 
di  segreti  e  di  pratiche  superstiziose,  Cittä  di  Castello  1898. 

2  Literatur  in  Gröbers  Grundrif's  II  1,  S.  874;  dazu  Digby  86,  ed. 
Stengel  S.  8  (Halle  1871),  und  Ashm.  842  f.  28. 

3  Bartsch,  Denkmäler  der  prov.  Lit.  S.  315;  vgl.  Suchier,  Denkmäler 
I,  122. 

4  Fragment  einer  italienischen  Version  des  18.  Jahrb..  bei  G.  Mercati 
a.  a.  O.  S.  79. 

5  In  Cod.  lat.  Par.  (nouv.  acq.)  299  des  14.  Jahrh.  Anfang  bei  G.  Hell- 
mann a.  a.  O.  S.  57  f. 

6  In  Cod.  germ.  Monac.  398  (a.  1435).  Anfang  bei  Hellmann  S.  57. 
Aufserdem  bilden  diese  Prophezeiungen  den  Hauptteil  des  deutschen 
Volksbuches  Der  Pauren  Practiek  (zuerst  1508),  worüber  die  treffliche  Neu- 
ausgabe von  G.  Hellmann  (Berlin  1896)  zu  vergleichen  ist.  Die  deutsche 
Version  des  Volksbuches  ist  dann  auch  übergegangen  in  die  Übersetzungen 
dieses  Werkes  ins  Dänische,  Schwedische,  Englische  (1642),  Tschechische 
und  Finnische. 

7  Zwei  holländische  handschriftliche  Versionen  des  15.  Jahrh.  nennt 
Hellmann  S.  56  f. 

8  Bei  Gaster,  Chrestomatie  romäna  II  58;  andere  Handschriften  und 
Drucke  (nach  1795)  in  Gröbers  Grundrifs  II  3,  S.  423. 


Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen.  349 

XI  369.  Inhaltlich  stimmen  beide  im  wesentlichen  überein,  das 
sprachliche  Gewand  ist  jedoch  zumeist  verschieden.  Dies  er- 
klären wir  wohl  am  besten  daraus,  dafs  beide  unabhängige  Über- 
setzungen derselben  lateinischen  Version  darstellen,  wobei  natür- 
lich nicht  ausgeschlossen  ist,  dafs  schon  die  zu  Grunde  liegenden 
lateinischen  Texte  mehrere  Abweichungen  aufwiesen.  Diese  ge- 
meinsame lateinische  Vorlage  scheint  in  eine  Klasse  zu  gehören 
mit  der  unter  Bedas  Werken  z.  B.  bei  Migne  XC  951  gedruckten 
Version,  die  sich  handschriftlich  in  den  Mss.  Tib.  A.  III  f.  36% 
Reg.  12.  C.  XII  f.  86 b  und  Un.  Libr.  Cambr.  Hh.  VI.  11  f.  67 
finden  soll.     Der  Anfang  stimmt  sogar  fast  wörtlich  überein : 

Jun.-Ms.:  Gif  middeswinter  raessedeg  bid  on  Sunnandeg, 
ponne  bid  god  winter  &  lengten  windi  &  drige  sumer  &  wingeardas 
gode  &  sceap  beod  weaxende  &  hunu  [lies  huni]  beod  genihtsum 
&  eal  sib  bid  genyhtsumo. 

Pseudo-Beda:  Si  prima  feria  [al.  nativitas  Domini]  fuerint 
Kalend.  Januarii,  hiems  bona  erit,  ver  ventuosum,  aestas  sicca, 
vindemia  bona,  boves  [Cod.  Amplon.  0.  62b  f.  182'':  oves]  cres- 
cunt,  mel  abundabit,  vetulae  morientur,  abundantia  et  pax  erit. 

Vesp.-Ms.:  Donne  forme  geares  dseig  byd  Sunendseig,  hit 
byd  god  winter  &  windig  lsenctetid,  dryge  sumer,  god  hserfest,  & 
scep  tyddriged  [lies  tyddriged],  &  hit  byd  grid  &  wsestme  manig- 
feald. 

Ein  dritter  altenglischer  Text  findet  sich  in  MS.  Tib.  A.  III 
f.  39b  (um  1020),  ist  aber  noch  nicht  veröffentlicht  worden. 

Zwei  verschiedene  mittelenglische  Bearbeitungen  in  vier- 
taktigen  Reimpaaren  hat  Denham  für  die  Percy  Society  (A  Col- 
lection  of  Proverbs  and  Populär  Sayings  relating  to  the  Seasons, 
1846,  S.  69  ff.)  aus  Harl.  2252  (15.  Jahrh.)  gedruckt.  Die  mittel- 
englische Versversion  in  Ashmole  189  f.  210a  ist  wohl  identisch 
mit  Denhams  zweitem  Gedichte.  Mittelenglische  Prosaversionen 
stehen  in  Digby  88  f.  77  (Hoive  all  ye  yere  ys  rewlyde  by  the 
day  that  Cristemas-day  fallytlie  on),  Ashm.  393  f.  36  und  1447 
f.  39 a.  Neuenglische  Fassungen  haben  wir  in  mehreren  meteoro- 
logischen Büchern  des  16.  Jahrhunderts,  worüber  G.  Hellmann 
a.  a.  O.  S.  61  zu  vergleichen  ist.  Auch  der  Name  des  vermeint- 
lichen Verfassers,  Ezra,  ward  bis  in  die  neuenglische  Zeit  in  frei- 
lich entstellter  Form  als  Erra  Pater  fortgeführt.  In  der  ersten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  erschien  ein  oft  neu  gedrucktes 
Wetterbüchlein:    A   Prognostication    for    euer    of   Erra    Pater, 


350  Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen. 

a  Jeioe  hörne  in  Jewrye  and  Doctoure  in  Astronomy  and  Phi- 
sicke,  welches  die  mannigfachen  Anspielungen  auf  einen  Wetter- 
propheten 'Erra  Pater'  in  der  Literatur  des  16.  und  17.  Jahr- 
hunderts —  am  bekanntesten  ist  die  Stelle  bei  Butler,  Hudibras 
I  1,  129  —  veranlafst  hat. 

2)  Prophezeiungen  aus  dem  Wehen  des  Windes  in  den 
'Zwölf  Nächten'  sind  oft  mit  den  eben  genannten  verbunden: 
schon  in  dem  altenglischen  Jun.-Ms.  23  (Leechdoms  III  164) 
und  noch  in  der  deutschen  Bauernpraktik  von  1508.  Dafs  beides 
nicht  englische  bezw.  deutsche  Originalfassungen  sind,  zeigt  ein 
Vergleich  mit  folgendem  Fragmente,  das  sich  ebenfalls  als  An- 
hang zu  den  Jahreszeitsprophezeiungen  im  Cod.  Ampi.  O.  62 lj 
f.  182 b  (S.  XIV)  findet:1 

Si  uentus  fuerit  in  nocte  Christi,  principes  et  maiores  peribunt. 
Si  secunda  nocte,  vindemia  peribunt.  Si  tertia,  reges  peribunt  seu 
morientur.  Si  quarta,  panis  ex  parte  peribit.  Si  quinta,  naute 
peribunt. 

Vgl.  etwa:  peore  feordan  niht  gif  wind  byd,  lef2  byd  litel. 
Deere  V  niht  gif  wind  byd,  ponne  byd  frecne  on  seo  and  seipu  for- 
weordad. 

3)  In  der  Junius-Handschrift  folgen  altenglische  Prophe- 
zeiungen aus  dem  Tage  der  Weihnachtswoche,  an  welchem  die 
Sonne  scheint.  Dieselben  Prognosen  finden  sich  lateinisch  im 
Digby-Ms.  88  f.  40.  Prognosen  aus  der  Art  des  Sonnenaufganges 
sind  sehr  alt:  ein  griechischer  Text  bei  M.  Heeger,  De  Theo- 
phrasti  qui  fertur  nto)  arj^iiidjy  libro  (Leipzig,  Diss.  1889  S.  66  f.), 
ein  lateinischer  (ob  übersetzt  aus  dem  vorigen?)  im  Cod.  Ampi. 
Q,.  355  f.  15;  deutsch  einiges  in  der  Bauern  Practick  (1508) 
S.  9  f. 

4)  'Donnerbücher'  oder  Boovzoloyta  kenne  ich  in  altenglischer 
Sprache  zwei:  ein  älteres  in  zwei  stark  divergierenden  Hand- 
schriften  (Jun.  23   f.  149a  und   Tib.  A.  III   f.  38a)    überliefert, 

1  Andere  Hss.:  Kawl.  C.  814;  Digby  86;  Ashm.  345  f.  69,  welch  letz- 
tere, dem  Anfange  nach,  wörtlich  zum  Altenglischen  zu  stimmen  scheint: 
Si  in  prima  nocte  ventus  fuerit,  ordinati  moriuntur  in  illo  anno  =  Oyf  se 
ivind  byod  on  pa  forma  niht,  gehadode  iveras  sweltad. 

a  Das  Lateinische  lehrt,  dafs  lef  hier  für  hlaf  'Brot'  steht  und  also 
nicht  'dantage'  bedeutet,  wie  Cockayne  übersetzt.  Danach  ist  wohl  ein 
Substantiv  lef  'damage',  das  einzig  auf  obiger  Stelle  beruht,  aus  unseren 
Wörterbüchern  (Bosworth-Toller,  Hall,  Sweet)  zu  streichen. 


Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen.  351 

welche  beide  in  Cockaynes  Leechdoms  III  166 — 168  und  180 — 182 
abgedruckt  sind;  das  jüngere  aus  Vesp.  D.  XIV  f.  103 b  ver- 
öffentlicht von  Afsmann  in  Anglia  X  185.  Beide  gehen  offenbar 
auf  lateinische  Vorlage  zurück,  die  ich  aber  für  den  älteren  Text 
noch  nicht  nachweisen  kann.  Fast  denselben  Wortlaut  wie  die 
jüngere  altenglische  Version  zeigen  folgende  lateinische  Donner- 
regeln, die  ich  dem  Erfurter  Cod.  Ampi.  O.  62b  fol.  182 b  f.  ent- 
nehme, wo  sie  von  einer  deutschen  Hand  der  ersten  Hälfte  des 
14.  Jahrhunderts  in  kleiner,  flüchtiger  Kursive  eingetragen  sind : 

Si  tonat  in  Januario,  in  illo  anno  erunt  validi  uenti,  annona 
bona  et  omnes  fruetus,  strages  magna  in  populo  et  habundantia 
rerum  est.  [fol.  183a]  Si  in  Febrario,  erunt  multi  infirmi.  Si  in 
Martio,  strages  magna  est  in  populo  et  habundantia  rerum  om- 
nium.  Si  in  Aprili,  annus  bonus  erit  et  fertilis  et  fures  peribunt. 
Si  in  Maio,  fames  erit.  Si  in  Junio,  est  habundantia  omnium 
rerum  et  pestilentie  in  populo.  Si  in  Julio,  annona  multa  et 
pugnantes  peribunt.  Si  in  Augusto,  prineipes  moriuntur  et  multi 
infirmi  erunt.  Si  in  Septembri,  annona  multa  est  et  strages  populi 
erunt.  Si  in  Octobri,  multi  uenti  erunt  et  annona  bona.  Si  in 
Novembri,  omnium  rerum  est  habundantia.  Si  in  Decembri,  multa 
erit  rerum  habundantia  et  pax  bona  erit. 

Vgl.  An  gl.  X  185:  On  Ianuarius  monde  gyf  hü  fmnrett,  hü 
boded  toweard  mycele  windes  &  ivel-gewcende  eorete  weestme  &  gefiht. 
On  Februarlus  monde  gyf  hü  punreck,  hü  boded:  manegra  manna 
eweahn  &  meest  peere  ricen  u.  s.  w. 

Dieselben  Donnerregeln  finden  sich  bei  Leonard  Digges, 
A  Prognostication  euerlastinge  (London  1556)  nach  Brand,  Pop. 
Ant.  S.  714.  Mittelenglische  Versionen  in  Ashm.  189  f.  102  und 
342  f.  134.  Das  schwedische  Volksbuch  Sibyllae  Projphetia  ent- 
hält sogar  noch  heutigentages  stets  seine  'Tordöns  märketecken 
(Hellmann  S.  52). 

Lateinische  Texte  stehen  in  der  Cambridger  Hs.  Gg.  I.  1 
(vgl.  Romania  XV  325);  Digby  57;  75;  88;  114;  Rawl.  C.  814; 
Ashm.  345;  342;  393;  zwei  stark  erweiterte  lateinische  Versionen 
unter  Bedas  Werken  bei  Migne  P.  1.  XC  609  ff.  Eine  griechische 
Fassung,  'Z,(OQOaaTQOv  ai]f.tiin)(rig  kov  anoTtkovf.tt'vüiv  ex  rrjg  nQWTi^g 
ßgovTjjg  Y.n.W  l'xaarov  e'rog,  bei  Boissonade,  Notices  et  Extraits  XI 
2,  S.  184  Anm.;  andere  Ausgaben  verzeichnet  Krumbacher,  Byz. 
Lit.  S.  630.  Gaster  hat  in  seiner  Chrestomathie  zwei  auf  sla- 
vischer  Quelle  beruhende  rumänische  Donnerbücher  abgedruckt, 
wozu  Gröbers  Grdr.  II  3,  S.  422  zu  vergleichen  ist. 


?>52  Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altengliscben. 

Eiu  Vorbild  fand  diese  ganze  Gattung  in  dem  Handbuch 
der  Auguralwissenschaft  TTto'i  dioa^eioSp  des  Laurentius  Lydus 
(ed.  Wachsmuth,  Leipzig  1897,  c.  22 — 41).  In  letzter  Linie  geht 
freilich,  worauf  mich  Prof.  G.  Hellmanu  hinweist,  dieser  Donner- 
glaube auf  sumerisch-babylonische  Anschauungen  zurück. 

5)  Die  altenglische  Fassung  der  zwei  Unglückstage  jedes 
Monats,  welche  bei  Cockayne,  Leechdoms  III  224,  gedruckt  ist, 
vergleicht  sich  mit  den  lH/ntQai  atarj^eioj[.i£vai  th>v  dciStxa  f.n]v(vv, , 
von  denen  drei  Versionen  von  Boissonade,  Notices  et  Extraits 
XI  2,  S.  187  Anna.,  veröffentlicht  sind.  Genau  dieselbe  Fassung 
wie  im  Altenglischen  findet  sich  noch  1658  in  einer  Art  Volks- 
almanach  The  Book  of  Knowledge  und  daraus  abgedruckt  bei 
Brand,  Populär  Antiquities  S.  318,  woselbst  der  ganze  Abschnitt 
über  Days  Lucky  or  Unlucky  zu  vergleichen  ist.  Allerhand 
mittelenglische  Aufzählungen  von  Unglückstagen  stehen  in  MS. 
Digby  88  f.  62b2  und  f.  77  a;  Rawl.  C.  81  f.  58 b  und  C.  211 
f.  9b;  Ashmole  340  f.  54;  342  f.  131;  391  f.  5;  1406  f.  107; 
1416  f.  123;  1481  f.  25.  Lateinische  Texte  weist  nach  P.  Meyer, 
Bull,  de  la  Soc.  des  anc.  text.  1883  S.  4;  dazu  MS.  Digby  83; 
88;  176;  Rawl.  C.  483  und  939;  Ashm.  328;  342;  346;  361; 
1462.  Eine  provenzalische  Version  steht  bei  Suchier,  Denkmäler 
I  122.  Über  die  altfranzösischen  vgl.  Gröbers  Grdr.  II  1,  S.  1031, 
über  die  rumänische  ebendort  II  3,  S.  422. 

6)  An  je  einem  bestimmten  Montage  der  Monate  April, 
August  und  Dezember  wird  gewarnt  vor  Aderlafs,  Medizin-Ein- 
nehmen  und  Essen  von  Gänsefleisch  in  einem  altenglischen  Stücke, 
welches  der  Rezeptsammlung  in  Harl.  585  angehängt  und  daher 
mit  dieser  bei  Cockayne,  Leechdoms  III  76,  abgedruckt  ist.  Der 
gleiche  Text  findet  sich  lateinisch  in  einem  Pseudo-Bedaschen 
Aderlafsbuche  De  mimitione  sanguinis  sive  de  phlebotomia 
(Migne  XC  960;    in    einer  zweiten,    leicht   abweichenden   Form, 

1  In  einer  Pariser  Handschrift  werden  auch  diese  "EaSqn  rq>  lepei  zu- 
geschrieben. 

2  Inc.  'An  extracte  of  freer  John  Somerys  Kalender  of  ille  days  in 
the  yere'.  Gemeint  ist  offenbar  derselbe  frere  J.  Somer,  welcher  mit  frere 
N.  Lenne  zusammen  im  Prolog  zu  Chaucers  Astrolabe  genannt  wird.  Tyr- 
whitt  hat  J.  Somers  Kalender  in  Vesp.  E.  VII  nachgewiesen.  Aber  auch 
das  Kalendarium  des  Karmelitermönches  'Nicholas  de  Linea'  (oder  'de 
Lenne')  ist  uns  noch  erhalten:  es  findet  sich  in  den  Ashmole -Mss.  5 
(XIV  s.),  379,  890  und  789. 


Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen. 


353 


unten  als  B  bezeichnet,  ebendort  S.  955;  vgl.  Ashm.  1280  (s.  XIII) 
f.  171 b);  ebenso  griechisch  bei  Boissonade,  Notices  et  Extraits  XI 
2,  S.  187  Anm.,  nur  dafs.  im  Griechischen  an  Stelle  der  Gans 
das  Schwein  genannt  wird.  Dafs  der  altenglische  Text  eine 
wörtliche  Übersetzung  aus  dem  Bedaschen  Aderlafsbuche  ist, 
lehrt  folgende  Gegenüberstellung: 

Pry  dagae  syndon    on   geare,  Plures  sunt  dies  Aegyptiaci,  in 

pe  we  Egiptiaci '   hatad,    pset  is      quibus  nullo  modo  nee  per  ullam 


necessitatem  licet  homini  vel  pe- 
cori  sanguinem  minuere,  nee  po- 
tionem  impendere;  sed  ex  his  tri- 
bus  [lies  tres]  maxime  observandi: 
oetavo  Idus  Apriles  illo  die  lunis, 
intrante  Augusto  illo  die  lunis, 
exeunte  Decembri  illo  die  lunis, 
cum  multa  diligentia  observan- 
dum  est,  quia  omnes  venae  tunc 
plenae  sunt. 


on  ure  gepeode  plihtlice  dagas, 
on  pani  natopseshwon  for  nanre 
neode  ne  mannes  ne  neates  blöd 
sy  to  wanienne:  pset  is  ponne  ut- 
gangendum  pam  monpe,  pe  we 
Aprelis  hatad,  se  nyhsta  monan- 
dseg  an;  ponne  is  oper  ingangen- 
dum  pam  monpe,  pe  we  Agustus 
hatad,  se  seresta  nionan-dseg; 
ponne  is  se  pridda  se  seresta 
monan-da3g  sefter  utgange  pses 
monpes  Decembris. 

Se-pe  on  pysum  prim  dagum 
his  blöd  gewanige,  sy  hit  man, 
sy  hit  nyten,  pses-pe  we  seegan 
gehyrdan,  pset  sona  on  pam  for- 
man  dsege  oppe  pam  feorpan 
dsege  his  lif  gesendad,  ojDpe  gif 
his  lif  Isengre  bid,  past  he  to  pam 
seofopan  da3ge  ne  becymd.  Odde 
gif  he  hwilene  draanc  drincd  |)am 
prim  dagum,  his  lif  he  geasndad 
binnan  XV  dagum.  Gif  hwa  on 
pisum  dagum  aesenned  bid,  yfe- 
lum  deade  he  his  lif  gesendad. 
&  se-pe  on  pysum  ylcum  prim 
dagum  gose  flsesces  onbyriged, 
binnan  feowortiges  daga  fyrste 
he  his  lif  gesendad. 

"ETtQai  Gin^^itao/itej'ai  rj/iieQai  X^q^tiGui  uno  JajQiy.ov  ßißXlov 
uQiarov  tig  rfleßoio/ntag  y.at   y.afru.Qcm<;  Kai  zu  nQOtiQrjiiiva.    z/tT 


Qui  in  istis  diebus  hominem 
aut  pecus  ineiderit,  aut  statim 
aut  in  ipso  die  vel  in  tertio  mo- 
rietur  aut  ad  septimum  diem  non 
perveniet.  Et  si  potionem  quis 
aeeeperit,  quindeeimo  die  [B:  intra 
quindeeim  dies]  morietur.  Et  si 
masculus  sive  mulier  in  his  diebus 
nati  fuerint,  mala  morte  morien- 
tur.  Et  si  quis  de  auca  in  ipsis 
diebus  mandueaverit,  quindeeimo 
die  [B:  intra  quindeeim  vel  qua- 
draginta  dies]  morietur. 


1  Wenn  im  Lateinischen  und  Altenglischen  diese  drei  Tage  als  Dies 
Aegyptiaci  bezeichnet  werden,  so  beruht  das  auf  einer  Vermengung  mit 
den  wirklichen  altrömischen  Dies  Aegyptiaci,  worüber  P.  Meyer,  Bull,  de 
la  Soc.  des  anc.  text.  1883,  S.  94,  und  die  dort  angeführte  Literatur  zu 
vergleichen  ist. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  23 


354  Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen. 

yiyv(vcsxav  (ag  brav  tv/tj  Iv  ij/iepu  rijg  tß<)o/uadoc  SiVri^a  fj  oydoij 
tov  jJixifißQtov  (.irjvoc  rj  tov  sfnotX'kiov  fj  tov  AvyovGTOV,  er  tuv- 
raig  yovv  jatq  fjfitoatg,  ijrot  tuiq  oydoaig  T(ov  TiQO&iQrjpuvtov  tqkZv 
jiiTjvcüVf  dti  unlyeafrat  naavg  nQa£to>g,  t'£aiQeT(og  (flißoro[.ilag  xai 
xa&uQO~uog  xai  aWijg  öoat(og  otuodynoTtovr  ßoi]d'ijf.tUTog.  c0  yuQ 
cfltßoTOtitfnac  iv  raTg  TiQotiQrj/utvuig  fjfitQuig,  Jjyovv  ruTg  oyöouig 
zctjy  xqimv  [itjvm}',  Ti]v  "xttjv  ov  (fHavti  •  o/aouog  aal  o  ßotf&rjf.ia 
Xa/itßuv(ov}  ukXu  xai  o  ta&iiov  yoi'otiov  y.Qtag  tv  Tuvraig  raTg 
ij/ntoatg,   ßiod~avajMTar6g  Igti. 

Neuenglisch  findet  sich  derselbe  Text,  genau  stimmend  zu 
der  lateinischen  Fassung  B,  noch  1658  in  einem  Book  of  Know- 
ledge) daraus  abgedruckt  bei  Brand,  Populär  Antiquities  (Neu- 
druck 1900)  S.  318  f.  Eine  mittelenglische  Version  haben  wir 
im  Ashm.-Ms.  342  f.  136b  ({These  bene  III  perlous  Mone-dayes 
in  pe  yere  . . .')  und  Ashm.  59  f.  133. 

7)  Drei  andere  Tage  im  Jahre,  welche  für  das  Horoskop 
eines  Menschen  von  gröfster  Bedeutung  sind,  stehen  altenglisch 
im  Ms.  Cal.  A  XV  f.  127  *  (ed.  Cockayne,  Leechdoms  III  154). 
Offenbar  sind  sie  geschöpft  aus  einem  Pseudo-Bedaschen  Werke 
De  Nativitate  infantium  libellus  (bei  Migne  XC  960,  hand- 
schriftlich im  Cod.  Ampi.  Q.  357;  Rawl.  C.  328;  Ashm.  342; 
1280  [s.  XIII]),  wenn  auch  die  Tage  selbst  nicht  ganz  überein- 
stimmen.    Man  vgl. 

Dreo    dagas    syndon    on   XII  Tres   dies   et   noctes   sunt,   in 

mondum    mid    prim   nihtum,    on  quibus  si  vir  natus  fuerit,  corpus 

pam  ne  bid  nan  wifmann  aken-  eius  sine  dubio  integrum  manet 

ned ;  &  swa  hwylc  wsepned-mann  (MSS. :  caro  eius  incorrupta  per- 

on  pam  dagum  akenned  bid,   ne  manebit)   usque  in  diem   iudicii. 

forrotad    bis    lichama   nsefre   on  Hoc    est    in   VI    Kalendas    Fe- 

eordan,  ne  he  ne  fulad  ser  domes  bruarii  (lies  Januarii  ?)  et  III  Ka- 

dsege.    Nu  is  an   para  daga  on  lendas     et    Idus    Februarii;     et 

sefterwyrdne   Dec[em]ber,    &    pa  suum     mysterium     mirabile     est 

twegen  on  foreweardan  Januarie  valde. 
pam  monpe;   &  feawe  synd,  pe 
pas  geryne  cunnan   oppe  witan. 

Eine  mittelenglische  Version  steht  im  Ashm.-MS.  1438  f.  50: 
In  ye  jere  yer  be  thre  days  and  thre  nyghtes,  if  a  chyld  be 
getyne  usw.  Der  erste  Satz  findet  sich  deutsch  in  der  Pauren 
Practick  (1508)  S.  6:  Es  spricht  Beda:  drey  tag  vnd  drey 
nacht  seind;  wirt  dann  ain  kind  geboren,  des  leib  bleybet 
gantz  biss  an  den  jüngsten  tag. 

8)  Die  altenglischen  Prognosen  aus  dem  Wochentage  der 


Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen.  355 

Geburt,1  welche  aus  Junius  23  f.  148b  bei  Cockayne,  Leechdoms 
III  162,  abgedruckt  sind,  stimmen  im  grofsen  und  ganzen  wört- 
lich zu  einer  lateinischen  Version,  welche  ich  hierunter  ans  dem 
Cambridger  Ms.  Gg.  I.  1  f.  393b  (Auf.  15.  Jahrb..)  zum  Vergleich 
folgen  lasse,  obgleich  das  Altenglische  einen  etwas  volleren  Text 
voraussetzt : 

Quando  puer  nascitur.  Si  natus  fuerit  homo  die  dominica, 
securus  et  speciosus  erit.  Si  feria  secunda,  durabitur  eciam  mar- 
tirio.  Si  feria  tercia,  religiosus  erit.  Si  feria  quarta,  amatus  et 
amabilis  erit.  Si  feria  quinta,  pacificus  et  diues  erit.  Si  feria  sexta, 
malignus  et  longeuus  erit.    Si  Sabbato,  fortis  et  longeuus  erit. 

Vgl.  bes.  Swa  hwilc  man  swa  on  Sunnandceg  odde  on  niht 
acenned  biet,  orsorglice  leofeed  he  &  bid  f (Egger.  Gif  he  on  Monandceg 
odße  on  niht  acenned  bid,  he  bid  aeweald  fram  mannum,  lewde  swa 
clceroc  sweper  he  bid.  Gif  he  on  Tiwesdceg  bid  acenned  oßde  on  da 
niht,  se  bid  cewerd 2  on  his  life,  &  bid:  man  &  dweere. 

Zwei  andere  Versionen  lateinischer  Nativitäten  nach  Wochen- 
tagen stehen  im  Cod.  Ampi.  Q.  386  f.  22 b  und  f.  121 b. 

9)  Krankheitsprognosen  aus  dem  Monatstage  der  Erkrankung 
haben  wir  in  zwei  altenglischen  Fassungen:  die  eine  zusammen 
mit  der  lateinischen  Vorlage  Leechdoms  III  150  f.,  die  jüngere 
ebenda  S.  182.  Ein  ähnlicher  lateinischer  Text  steht  im  Cod. 
Ampi.  F.  276  f.  70. 

1  Der  De  generatione  hominis  betitelte  Abschnitt  bei  Cockayne,  Leech- 
doms III  146,  vergleicht  sich  mit  einem  lateinischen  Texte  im  Ashm.-Ms. 
1397  f.  3  Qualiter  infans  crescit  in  venire  matris  sue,  einem  mittelenglischen 
in  Ashm.  1391  (s.  XV)  f.  12  und  einem  altfriesischen,  der  jetzt  am  be- 
quemsten in  Heusers  Altfriesischem  Lesebuche  (Heidelberg  1903)  S.  87 
zugänglich  ist.  —  Zu  dem  bei  Heuser  folgenden  Stücke  über  Adams  Er- 
schaffung aus  acht  Teilen  hat  schon  Grimm  Mythol.  531  ff.  drei  andere 
Texte  verglichen.  Hinzu  kommen  die  lateinischen  Versionen  in  Digby  88 
f.  I,  Eawl.  C.  499  f.  153,  Ashm.  1285  f.  4  (s.  XIII),  zwei  mittelenglische 
in  Ashm.  1388  f.  120  und  Rawl.  C.  814  f.  87 b  (gedruckt  in  Macrays  Katalog 
V  422)  und  eine  altfranzösische  bei  P.  Meyer,  Bull,  de  la  Soc.  des  anc. 
text.  1883  S.  95. 

2  Das  Latein  zeigt,  dafs  Cockaynes  Übersetzung  'he  shall  be  corrupt 
in  his  life'  nicht  richtig  ist.  Vielmehr  wird  obiges  ce-werd,  dem  lat.  reli- 
giosus entsprechend,  identisch  sein  mit  dem  mve-weard  der  Blickl.  Hom. 
161  27.  Ein  Adjektiv  cewerd  'perverse',  welches  nur  auf  obiger  Stelle  zu 
beruhen  scheint,  ist  daher  höchstwahrscheinlich  aus  unseren  Wörterbüchern 
(Bosworth-Toller  und  Hall)  zu  streichen.  —  Des  Zusammenhanges  wegen 
ist  auch  wohl  das  folgende  man  dt  divcere  (Cockayne:  sinful  &  perverse) 
in  man  gediveere  oder,  mit  Toller,  in  mandwmre  zu  bessern. 

23* 


356  Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altengliscben. 

10)  Der  Einflufs  des  Mondes  auf  die  Erfüllung  der  Träume 
ist  in  zwei  verschiedenen  altenglischen  Texten  behandelt,  die 
beide  bei  Cockayne,  Leechdoms  HE  154  f.  und  158  f.,  gedruckt 
sind.  Der  erstere,  in  zwei  Handschriften  überlieferte,  vergleicht 
sich  mit  einer  lateinischen  Version  im  Cod.  Vat.  lat.  642  f.  91  ff. 
(s.  XII  ine),  deren  Anfang  ich  dank  der  Güte  G.  Mercatis  hier 
mitteilen  kann : ! 

Luna  I  quiequid  in  somnis  uideris,  siue  bonum  siue  malum, 
non  est  dubium  quod  in  gaudium  conuertetur.  . . .  Luna  II  et  III 
quidquid  uideris,  uanum  est  nee  in  animo  ponas.  . . .  Luna  IUI 
et  V  effectum,  spem  et  remedium  et  actus  futurum  significat. 
Luna  VI  et  VII  quiequid  uideris  orienti  commenda.  Luna  VIII 
et  Villi  cito  fiet  quidquid  uideris  in  somnio  tuo.  Luna  X  uanum 
est,  sed  nee  in  animo  ponas  et  pro  nichilo  ducas.  Luna  XI  inter 
tres  dies  fiet  somniura  tuum.  Luna  XII  quiequid  uideris  in  som- 
nio, scies  quia  certum  est.  Luna  XIII  quiequid  uideris,  inter  dies 
octo  fiet  usw. 

Vgl.  On  anre  nihte  ealdne  monan  swa  hwset  swa  pe  mseted, 
pset  cymd  to  gefean.  On  tweigra  nihta  monan  &  on  preora  nsefd 
pset  swefen  naenige  fremednesse  godes  ne  yfeles.  On  feower  nihta 
&  on  fifa  pset  bid  god  swefen ;  wite  pu  pset  georne  on  pinre  heortan. 

On  XII  nihta  &  on  XIII  binnan  prim  nihton  pu  gesihst 

pset  pe  ser  on  swefne  setywde. 

11)  Zwei  Traumbücher  sind  in  altenglischer  Sprache  auf 
uns  gekommen,  die  beide  augenscheinlich  aus  dem  Latein  über- 
setzt sind  und  ursprünglich  in  alphabetischer  Reihenfolge  nach 
den  geträumten  Gegenständen  angeordnet  waren.  Das  eine  der- 
selben ist  uns  in  zwei  Handschriften  (Junius  23  fol.  150b  —  153b 
und  Tib.  A.  III  fol.  36 a  —  38 a)  überliefert  und  danach  von 
Cockayne  in  seinen  Leechdoms  IH  168 — 180  veröffentlicht  wor- 
den. Das  lateinische  Original  desselben  habe  ich  noch  nicht 
finden  können.  Dafs  der  altenglische  Text  aber  tatsächlich  auf 
eine  lateinische  Vorlage  zurückgeht,  ergibt  sich  daraus,  dafs  man 
bei  Substitution  lateinischer  Ausdrücke  für  die  altenglischen 
Namen  der  geträumten  Gegenstände  sofort  eine  alphabetische 
Anordnung,  wie  sie  auch  in  allen  griechischen  und  lateinischen 
Traumbüchern  üblich  ist,  herausbekommt:  earn  (aquila),  beon 
(apes),  fuglas  (aves),  ncedre  (anguis),   weter  (aqua),  gold  (aurum), 


1  Unter  Auslassung  der  zu  jedem  Tage  gehörigen  Psalmstellen. 


Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  AltengliscLen.  357 

feoh   (argentum)   beard   (barbam),   earm   (brachium) , 

gyrdel  (cingulum),  beag  (corona),  lic  (corpus),  yrnan  (currere)  usw. 
Bei  dem  zweiten  Traumbuche  ist  die  lateinische  Vorlage 
gleich  in  der  einzigen  erhaltenen  Handschrift  (Tib.  A.  III  fol. 
25b  —  50 b)  mitüberliefert,  leider  aber  nicht  von  Cockayne  ab- 
gedruckt, der  Leechdoms  III  198 — 214  nur  die  altenglische  Inter- 
linearversion veröffentlicht  hat.  Doch  gibt  er  bei  schwierigeren 
Vokabeln  häufig  das  lateinische  Lemma  unter  dem  Texte  an. 
Überdies  würde  man  auch  ohnehin  an  Inhalt,  Wortgebrauch  und 
Anordnung  den  lateinischen  Ursprung  erkennen  können.  In  der 
Überschrift,  De  somniorum  diversitate  secundum  ordinem  abc- 
darii  Danielis  prophetae,  ist  das  Traumbuch  dem  Propheten 
Daniel  zugeschrieben.  Dies,  sowie  die  annähernde  Übereinstim- 
mung des  allein  mir  zur  Verfügung  stehenden  Anfanges  macht 
es  nicht  unwahrscheinlich,  dafs  wir  es  mit  der  lateinischen  Version 
des  folgenden,  noch  ungedruckten  griechischen  Traumbuches  zu 
tun  haben:  ^OveiQOXQaixov  ßißXtov  vov  nQoq/jXov  Javii{k  nqbc,  rov 
ßaaiXta  NußovyoÖovoaoQ  xard  dlffdßrjTOv  (im  Cod.  Berol.  Phillipp. 
1479  bei  Krumbacher,  Geschichte  der  byzantinischen  Literatur 
S.  630).     Man  vgl. 

Fugelas  on  swefenum  se  pe  gesyhd  &  mid  him  winneä,  saca 
surae  hit  getacnad. 

*AQyvQu  tj  yQvod  ntTttvd  idv  tdrjg,  uxu.iqov  fid/r^v  ar^iuivu. 

Lateinische  Traumbücher,  zum  Teil  wohl  identisch  mit  den 
beiden  obengenannten,  finden  sich  in  den  Münchener  Codd.  lat. 
666,  5125,  15  613,  18  921,  26  639,  den  Erfurter  Codd.  Ampi. 
Q.  21,  Q.  186,  Q.  375,  Q.  387;  Cambr.  Un.  Libr.  Gg.  I.  1;  Bodl. 
Digby  81,  86  (Xin  s.)  und  103  (XII  s.);  Harl.  4166;  Erlanger 
Un.  Bibl.  917;  Wolfenbüttel  Aug.  fol.  87.  7;  Ashm.  179;  345. 

12)  Über  die  sechs  Versionen  altenglischer  'Himmelsbriefe' 
vergleiche  die  Literatur  bei  Napier  und  Priebsch  in  der  Furnivall- 
Festschrift  (1901)  S.  355  ff.  und  397  ff.,  sowie  weiterhin  bei 
Gaster,  Literatura  populara  romäna,  Bucuresti  1883,  S.  371  ff., 
und  in  Gröbers  Grdr.  II  3,  S.  408  f.  Seitdem  kommen  hinzu 
A.  Dieterichs  grundlegende  Aufsätze  in  'Blätter  für  hessische 
Volkskunde'  (1901)  III  9  ff.  und  'Hessische  Blätter  für  Volks- 
kunde'  (1902)  I  19  ff;  W.  Köhler  ebenda  I  143  ff.;  F.  Branky 
im  Archiv  für  Religionswissenschaft  (1902)  V  149  ff.;  eine  mittel- 
englische Version  ed.  Macray  in  Not.  &  Quer.  9  VHI  240;  eine 


358  Die  Kleinliteratur  des  Aberglaubens  im  Altenglischen. 

neuenglische  (ca.  1677)  aus  dem  Kirchenregister  von  Bedlington, 
Northumberland,  ed.  Fowler  im  'Antiquar/  XXXIX  (1903)  38  ff. 
Wahrscheinlich  gehört  auch  hierher  ein  mittelenglisches  Gedicht 
'Testamentuui  Domino,  beg.  'Wyteth  wele  all  yat  bene  here.  . . . 
In  wytnes  of  yat  ych  thynge  |  Myne  awne  sele  yer-to  I  hynge' 
(in  den  Mss.  Ashm.  61  f.  106  und  189  f.  109). 

Ziehen  wir  zum  Schlufs  ein  kurzes  Facit.  Für  eine  Reihe 
von  altenglischen  Texten  gelang  es,  eine  direkte  oder  indirekte 
lateinische  Vorlage  sicher  nachzuweisen,  für  andere,  sie  höchst 
wahrscheinlich  zu  machen.  Zuweilen  konnten  wir  die  Wurzeln 
sogar  bis  in  den  griechisch-orientalischen  Kulturkreis  zurückver- 
folgeu. '  Künftige  Forschung  wird  zweifellos  weitere  Quellen 
zu  Tage  fördern  und  die  Abhängigkeit  der  altenglischen  Klein- 
literatur des  Aberglaubens  von  lateinischen  Vorlagen  lückenloser 
und  straffer  beweisen,  als  mir  beim  ersten  Anhieb  möglich  war. 
Jedenfalls  stehen  wir  schon  jetzt  vor  der  interessanten  Tatsache, 
dafs  ein  grofser  Teil  der  volkskundlichen  Literatur  Altenglauds 
—  später  wird  mau  höchst  wahrscheinlich  sagen :  die  ganze  mit 
Ausnahme  der  Zaubersprüche  —  Übersetzungsliteratur  ist,  also 
auf  gelehrter  literarischer  Übertragung  beruht  und  nicht  ein 
Niederschlag  altererbter  heimischer  Vorstellungen  ist,  so  sehr  sich 
diese  mit  ersterer  mischen  mögen.  Dem  widerstreiten  jedoch 
nicht  die  beiden  anderen  Tatsachen,  dafs  vieles  von  dem  lite- 
rarisch Übertragenen  im  Laufe  der  Zeit  volkstümlich  geworden 
ist,  und  dafs  neben  der  ursprünglich  gelehrten  Schicht  auch  in 
Altengland  echt  volkstümliche,  heidnisch-germanische  Überliefe- 
rungen umgingen,  deren  Spuren  aus  Bufsbüchern  und  Predigten 
von  A.  Fischer,  Aberglaube  unter  den  Angelsachsen  (Meiningen, 
Progr.  1891),  fleifsig,  aber  ohne  genügende  Ausscheidung  des  Ge- 
lehrten zusammengestellt  sind. 


1  In  letzter  Linie  liegen  die  Wurzeln  auch,  hier  wahrscheinlich  bei 
den  Babyloniern.  Wenigstens  kannten  diese  bereits  Traumbücher  sowie 
allerhand  Wetter-,  Geburts-  und  Krankheitsprognosen  aus  dem  Monde,  den 
Gestirnen,  dem  Donner  oder  dem  Winde  (vgl.  z.  B.  'Wenn  im  Monat  Elu 
vom  1.  bis  zum  30.  Tage  Winde  wehen,  so  wird  Regenflut  und  Hoch- 
wasser eintreten').     S.  Bezold,  Ninive  und  Babylon  (1903)  S.  78  ff. 

Würzburg.  Max   Förster. 


Kennedy-Studien. 


I.    Zur  Erklärung  und  Textkritik. 

Die  verdienstliche  Ausgabe  von  W.  Kennedys  Dichtungen, 
die  J.  Schipper  kürzlich  veröffentlicht  hat,1  bietet  trotz  ihrer 
Vorzüge  doch  dem  Nachprüfenden  noch  Punkte  genug,  an  denen 
die  Kritik  und  die  weitere  Forschung  einzusetzen  hat.  Manche 
Stelle  hat  ja  Schipper  selbst  in  seinen  dankenswerten  Anmer- 
kungen unerklärt  lassen  müssen,  und  die  Quellenfrage  ist,  wenig- 
stens für  das  längste  Gedicht  Kennedys,  The  Passioun  of  Christ, 
von  ihm  überhaupt  nicht  erledigt  worden.  Ich  glaube  in  beiden 
Beziehungen  durch  die  folgenden  Bemerkungen  das  Verständnis 
des  Dichters  ein  gutes  Stück  gefördert  zu  haben  und  hoffe,  dafs 
die  uns  jetzt  eigentlich  erst  erschlossenen  Dichtungen  Kennedys 
auch  andere  Fachgenossen  veranlassen  werden,  sich  eingehender 
mit  dem  bisher  ziemlich  vernachlässigten  Zeitgenossen  Dunbars 
zu  beschäftigen.  —  Ich  ordne  meine  Bemerkungen  nach  der 
Reihenfolge  der  Dichtungen  in  Schippers  Ausgabe. 

1.   Pious  Counsale. 

Str.  I,  V.  5 :     of  kissing  mak  eonscience 
erklärt  Seh.  in  den  Noten:  'instead  of  kissing  let  us  consult  our 
eonscience'.    Es  bedeutet  vielmehr:  'lafs  uns  aus  dem  Küssen  ein 
Gewissen   machen'  (vgl.  'sich  kein  Gewissen  aus  etwas  machen'), 
'lafs  uns  das  Küssen  ernst  nehmen'. 

Ib.  7  lies:    Puneis  oure  flesehe  for  [all]11  oure  grit  offence. 


1  The  Poems  of  Walter  Kennedy  edited  ivith  Introductions,  various 
Readings,  and  Notes  by  J.  Schipper  etc.  Vienna  1901  (=  Denkschriften 
der  Kaiserl.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien,  philos.-histor.  Klasse, 
Bd.  XLVIII,  I). 

2  Eckige  Klammern  bedeuten  Ergänzungen,  runde  dagegen  vorzuneh- 
mende Streichungen. 


360  Kennedy-Studien. 

2.    Against  Moup  pankless. 

IV,  28  ff.  Hier  ist  die  Interpunktion  nicht  richtig:  hinter 
eild  gehört  ein  Komma,  hinter  hess  V.  30  ein  Semikolon;  mit 
V.  31  beginnt  eine  neue  Periode. 

Ib.   31   f.         Quhen  pen  and  purss  and  all  is  peild, 

Tak  pair  a  meiss  of  Moup  pankless. 
Was  bedeutet  pen  hier?    'Feder'  gibt  keinen  Sinn,   aber  'Hürde, 
Hühnerstall'  wenigstens  auch  keinen  guten.    Man  könnte  an  pell 
'pall,  costly  sorth  of  cloth'  oder  pan  'garment'  oder  pung  'Beutel' 
denken.    Die  letzte  Zeile  ist  vielleicht  zu  bessern: 

Ta[l]k  pair  a-miss  of  M.  p., 
'dann  reden  sie  (sc.  die  Betrogenen,  Gerupften)  übel  vom  undank- 
baren Munde'.     Wie  sollte  meiss  'reward'  bedeuten  können? 

V,  35.  fra  in  py  bag  pow  beir  pyne  ene 

soll  nach  Seh.  bedeuten :  'forthwith  bear  thy  eyes  in  thy  bag', 
obwohl  es  dem  Zusammenhange  nach  ein  temporaler  Nebensatz 
sein  mufs.  Ich  nehme  fra  hier  in  der  Bedeutung  als  Konjunktion, 
die  fra  patt  'seit,  von  der  Zeit  an,  dafs'  schon  im  Ormulum  hat. 

Ib.  38.  Call  ye  nocht  piss  ane  kankert  eaiss? 

kankert  soll  hier  nach  Seh.  'cross,  ill-conditioned,  avaricious' 
(Jamieson)  bedeuten.  Das  N.  E.  D.  gibt  aber  Bedeutungen  an, 
die  hier  viel  besser  passen,  nämlich  'infected  with  evil;  corrupt, 
depraved'. 

VI,  43.  Or  py  complexioun  gadder  cald. 

Seh.  erklärt  gather  hier  als  'become',  während  doch  offenbar  cald 
hier  Subst.  'Kälte'  ist! 

Ib.  46.  And  of  py  gilt  remit  and  grace. 

Die  Lesart  der  Hs.  M,  be  grace,  ist  entschieden  die  bessere. 

3.  The  Praise  of  Aige. 

H,   13.  Deffy  pe  devill,  dreid  Ood  and  domisday, 

druckt  Seh.  nach  den  Hss.  Bt  und  Bo,  während  M  deid  'Tod' 
statt  God  bietet.  Der  Herausgeber  verteidigt  God  als  Antithese 
zu  devill;  da  aber  deid  und  domisday  alliterieren  und  auch  in 
einem  engen  begrifflichen  Verhältnis  zueinander  stehen,  möchte 
ich  deid  für  die  bessere  Lesart  halten. 

4.  Praise  of  our  Lady. 

II,   10.  pe  beriale  bosome,  pat  our  Miss  in  bred. 

Über  beriale  sagt  der  Herausgeber  nichts.  Es  kann  hier  natür- 
lich nicht  =  ne.  burial  sein;  ich  setze  es  =  Orms  berrhless  'sal- 
vation',  einer  Neubildung  zu  ae.  beorjan,  das  hier  also  schon 
sein  End-s  verloren  hätte  (vgl.  ne.  burial,  riddle  etc.)  und  für 
älteres  *berjels  stehen  würde. 


Kennedy-Studien.  361 

IV,  27.  pe  hevyne  stellat. 

Letzteres  soll  nach  Seh.  'multitude  of  stars'  bedeuten.  Es  heifst 
einfach  'gestirnt'  und  kommt  von  lat.  stellatus. 

Ib.  32  1.         Speciosa  facta  es  et  [valde]  suavis. 

VI,  41.  Ruby  of  reup,  riche  lass,  and  hevinnis  gem. 

Lass  ist  kaum  richtig:  einmal,  weil  es  nicht  zu  ruby  und  gern  ' 
pafst,  zweitens,  weil  es  als  Anrede  der  Gottesmutter  zu  vulgär 
klingt;   es  ist  gewifs  dafür  glass  zu  lesen   und  bricht  für  riche. 

\il,   55.  Blist  he  py  binde,  pat  come  of  Josues  trybef 
Für  Josues   ist  Jesses  zu  lesen,   vgl.  S.  61,  V.  844:    That   wes 
pe  floure  quhilk  fra  pe  Jesse  grew,  und  Isaias  XI,  1:  Et  egre- 
dietur  virga  de  radice  Jesse,  eine  bekannte  messianische  Weis- 
sagung. 

Vlll,  57.  pocht  we  brelc  vowis,  prayeris,  pilgrimage  and  hechtis. 
Der  Vers   ist  offenbar  zu   lang,   weshalb   ich   and   zu   streichen 
vorschlage    und    die   zwei   letzten   Substautiva  als   Kompositum: 
pilgrimage-hechtis   fassen  möchte,   was  auch  dem  Ganzen    einen 
besseren  Sinn  gibt. 

Ib.  61.  pe  playand  leid 

ist  gewifs  durch  'boiling  lead'  richtig  erklärt;  playen  erscheint 
im  Me.  in  dieser  Bedeutung  gewöhnlich  als  plaioen  {=  aisl. 
plaget),  vgl.  Stratm.-Bradley  unter  plajen,  ferner  Fritz  Schulz, 
Die  engl.  Gregorlegende,  Glossar  S.  109  unter  plawe. 

Ib.  63.  stowis  ist  eher  die  2.  als  die  3.  Person  Sgl.,  wie 
der  Herausgeber  meint,  vgl.  pe  V.  58,  poio  fechtis  V.  59,  standis 
V.  60,  filio  tuo  V.  64,  beseike  py  sone  V.  65,  grant  V.  69,  py, 
pow  V.  70,  pow  art  V.  71,  py  man  V.  72. 

5.    The  Passioun  of  Christ. 

Eigentümlicherweise  ist  es  Seh.  entgangen  (vgl.  S.  24),  dafs 
Ludolfs  von  Sachsen  Vita  Christi,  den  Kennedy  selbst  V.  196 
(S.  35)  als  Autorität  citiert,  die  Hauptquelle  dieser  Dichtung  ist. 


1  Die  Beiwörter  der  Jungfrau  Maria,  die  Kennedy  in  diesem  Gedichte 
häuft,  lassen  sich  fast  alle  aus  der  lat.  geistlichen  Literatur  des  Mittel- 
alters nachweisen,  vgl.  den  Index  Marianus,  Sectio  VII:  encomiastica,  in 
Mignes  Patrol.  lat.,  tom.  219,  Sp.  503  ff.  Folgende  Ausdrücke  stimmen 
ziemlich  genau  überein:  clostir  of  Christ  V.  1  =  claustrum  Dei;  flour  de 
lyss  ib.  =  lilium ;  herbar  of  amouris  ib.  =  hortus  deliciarum ;  princess  of 
hepyn,  hell,  erd  &  paradis  3  =  regina  coelorum,  mundi-  oder  imperatrix 
coelorum,  mundi  universalis;  nuryss  to  Qod  5  =  nutrix  Dei;  modir  of 
favouris  ib.  =  mater  consolationis,  misericordiae,  liberationis ;  protectrix 
tili  all  pepill  9  =  protectrix  vitae;  berial  bosom  10  =  sinus  securitatis; 
revar  of  grace  1 7  =  rivus  gratiae ;  ruby  of  reup  41=  rabus  ardens,  mira- 
bilis;  hevinnis  gern-  ib.  =  gemma  coelestis;  rosare  58  =  rosarium  gratiarum; 
rute  of  our  remeid  =  radix  benedictionum,  bonorum  omnium,  consolationis. 


362  Kennedy-Studien. 

Ich  habe  die  mühsame  Arbeit  unternommen,  die  einzelnen  Stro- 
phen der  Dichtung  mit  dem  Inhalt  dieses  ungeheuren  Folianten  l 
zu  vergleichen,  und  gebe  im  zweiten  Teile  dieser  Studien  die 
ausgehobenen  Stellen  des  Originals  kurz  zusammengestellt,  damit 
jeder  selbst  bequem  nachprüfen  kann.  Der  Dichter  hat  immer 
nur  einzelne  Sätze  und  Stellen  aus  dem  Wust  von  Erzählung, 
Kommentar  und  Betrachtungen  herausgerissen,  zuweilen  vor- 
greifend oder  vorher  Gesagtes  nachholend,  was  die  Vergleichung 
des  Gedichtes  mit  der  Quelle  natürlich  sehr  erschwerte.  Da  der 
alte  Druck  leider  weder  Seiten-  noch  Bogenzählung  hat,  konnte 
ich  nur  nach  den  Kapiteln  eitleren,  die  oft  recht  lang  sind. 
Unmöglich  ist  es  nicht,  dafs  mir  hie  und  da  etwas  entgangen, 
und  ein  Nachprüfender  wird  vielleicht  noch  eine  kleine  Ährenlese 
veranstalten  können.  Aber  irgendwie  Bedeutendes  glaube  ich 
bei  der  recht  anstrengenden  Untersuchung  nicht  übersehen  zu 
haben. 

Daneben  hat  Kennedy  zuweilen  noch  andere  Quellen  benutzt, 
wie  im  zweiten  Teile  dieser  Abhandlung  gezeigt  werden  wird.  — 
Natürlich  ist  die  Kenntnis  der  Quellen  von  höchster  Bedeutung 
für  die  Erklärung  und  Textkritik  einerseits,  die  Würdigung  des 
Gedichtes  andererseits.  Hier  sollen  zunächst  nur  die  Quellen 
zur  Besserung  des  Textes  herangezogen  werden. 

a)  Prologue. 

Str.  I,  1.  Der  Ausdruck  er  istin  knycht  erinnert  als  An- 
rede Christi  an  V.  1177:  cristyn  Kyng. 

TTT,   17.      Throu  spirituall  pith  moir  potent  proteetour. 

Schipper  macht  zu  diesem  Verse  keine  Bemerkung,  obwohl  er 
ganz  unverständlich  ist.  Proteetour  kann  sich  ja  weder  auf  das 
vorhergehende  hing  Salomone,  noch  auf  we  beziehen.  Man  wird 
wohl  moir  in  moist  ändern  müssen  und  proteetour  —  als  Vokativ 
gefalst  —  mit  fiou  in  V.  15  zu  verbinden  haben. 

Ib.  18.  Stranger  pan  Hectour,  Judas,  or  Sampson. 
Unter  Judas  ist  hier  selbstverständlich  nicht  der  Verräter,  wie 
Seh.  meint,  sondern  der  jüdische  Held  Judas  Maccabaeus  zu 
verstehen,  der  mit  Hektor,  Sampson  und  Alexander  (V.  20)  zu 
den  sogen,  nine  worthies  gehörte,  vgl.  Flügels  Wb.  unter  worthy 
und  Craigie,  Anglia  XXI,  359  ff. 

IV,  28.      Wilder  in  wit  than  Nabelt  Garnales. 
Die    beiden    letzten   Worte    sind    einfach    eine    Entstellung    von 
Nabal  Carmeles  (vgl.  1.  Sam.  XXV,  2  f.). 


1  Das  Werk  war  mir   auf  der  hiesigen  Universitätsbibliothek  in   dem 
schönen  Druck  von  1478  (Nürnberg,  Koburger)  zugänglich. 


Kennedy-Studien.  363 

V,  34.     Bot  he  pat  studyis  heirefter  his  estait, 
Lies  heir  efter. 

VI,  37  f. 

To  reid  the  Seige  of  pe  toun  of  Tire, 

The  Life  of  Tursalem,  or  Heetor,  or  Troylus. 

Lies  cite  statt  toun  und  [Ar\tur  statt   Tursalem. 
Ib  41  1. 

Thcm  ivane  storyis  sali  mak  [paim]  na  remeid. 

VII,  48  1. 

Profd  (to)  pe  Saide,  his  Ood  worship  and  dreid, 
streiche  also   das    sinnlose    to,   denn  profit   ist  Objekt,  pe   sende 
Subjekt,  vgl.  V.  47:  pe  spirit  lies  delectacioun. 

VIII,  51  1. 

Quhilk  [pat]  in  deid  ar  pure  be  ignorance. 
Ib.  53  1. 

In  inglis  toung  I  think  (to)  mak  remembranee. 
Wegen  make  mit  reinem  Inf.  vgl.  Mätzners  Gramm.  III,  S.  24. 

A.,  67.    The  help  of  him  in  caussis  in  pis  caiss. 
Man  lese  it   statt   des   ersten  in   und  ändere   die  Interpunktion: 
Semikolon  nach  conforting  V.  66,   Komma   nach   caiss.     It  be- 
zieht sich  auf  qrace  V.  65  und  ist  Subjekt,  help  Objekt. 
Ib.  69  f.    ' 

Apoun  pe  eroee,  in  price  of  his  ransoun; 
Sa,  in  pis  hope,  my  purpois  now  I  foune. 

In  price  of  his  ransoun  verstehe  ich  nicht  und  möchte  es  als 
Entstellung  von  toip  precious  raunson  auffassen;  foune  ist  nicht 
mit  Seh.  als  'to  fondle'  zu  erklären  (ne.  faion),  sondern  =  ae. 
ftindian,  ne.  found  'prove,  try,  practice'  (vgl.  New  Engl.  Dict. 
S.  492,  Kok  3  oben). 

b)  Passio. 
I,  74.     Als  of  his  Oodheid,  and  vthir  ereatur. 
Da  das  Reimwort  in  V.  72    ebenfalls  creatour  ist,    vermute   ich 
in  V.  74  eine  Entstellung  aus  dem  schott.  Adverb  atur  =  atover 
'darüber  hinaus'. 

IV,  94  1. 

As  bandonit  knyeht,  and  [unjtill  law  bundin. 

V,  101  1. 

Marey  and  Piete  maid  ane  (füll)  hevy  mane, 
da  der  Vers  sonst  zu  lang  ist. 

vn,  ii3  f.  i. 

Than  pe  Fader,  all[mighty],  riehtuis  Lord, 
[  Unjtill  his  Sone  to  pas  gaif  eommand(e)ment. 

V.  114  habe  ich  blols  Than  in  Un  geändert,  während  Seh.  ganz 
überflüssigerweise  eine  Umstellung  vornimmt:  Gaif  tili  his  Sone 
to  pas  commandement. 


364  Kennedy-Studien. 

Ib.  116.     And  he  rieht  sone  schew  him  his  sentement. 
Für  him   ist  doch  wohl  paim   zu  lesen,   da  ja    der  Sohn  Gottes 
zu  den  vier  Tugenden  spricht. 

vm,;i26. 

. . .  thairfor  be  noeht  affeir. 
Das  letztere  Wort   ist  nicht  =  afferit,   sondern  =  a  fe.r,  eigtl. 
on  fear  'in  Furcht',  vgl.  N.  E.  D.  unter  afear  Adv. 

IX,  127.    Dafs  consentit  für  das  contentit  der  Hs.  zu  lesen 
ist,  ergibt  sich  aus  der  Quelle,  die  consensit  hat. 

X,  134  1.    Tlmn  but  delay  seho  wird  (un)to  pe  montane, 
streiche  also  un  vor  to. 

Ib.  135.    cousingnes  (:  pas)  ist  nicht  von  afrz.  cusinage  ab- 
geleitet, sondern  —    ne.  cousiness  'Cousine'. 

Ib.   136.     Der  Vers    ist    durch    Einsetzung   von  pat    hinter 
ihoucht  oder  al  vor  demselben  leicht  zu  bessern: 

Apoun  hir  fute,  thoucht  [pat]  seho  had  gret  pane. 

XI,  141.    This  worthy  lady,  but  mannis  syne  hur  a  child. 

Der  Vers  ist  nicht  blofs  schlecht  gebaut,  sondern  auch  sinnlos: 
warum  'ohne  Mannes  Sünde'?  Wir  müssen  wohl  mannis  in  man 
=  ae.  me.  man  'Sünde'  bessern;  syne  ist  natürlich  =  ae.  siädan, 
ne.  since  'seitdem,  später'. 

Ib.  145  1.   Till  blind  pe  sycht,  to  will  a  herb[e]rour. 

XII,  151.  Quhill  he  be  his  ded  pe  saule  price  laid  doun. 

Säule  kann  nicht  mit  Seh.  =  ne.  sole  verstanden  werden,  son- 
dern ist  gewifs  in  hale  'ganz'  zu  ändern,  wobei  der  richtige  Gegen- 
satz zu  arlis  V.  150  herauskommt.  Saule  ist  jedenfalls  durch 
saule  in  V.  150  hervorgerufen,  wie  der  Schreiber  des  Gedichtes 
überhaupt  häufig  gedankenlos  Worte  aus  benachbarten  Versen 
wiederholt. 

XIII,  158  1. 

With  [Mary]  his  moder,  in  [pe\  cribe  allane. 
Laings  Einschiebung  von  Mary  wird  durch  die  Quelle  bestätigt, 
welche  liest:  cum  Maria,  matre  eius. 

XIV,  162. 

In  [tili]  the  tempill  his  moder  him  present. 
Da  V.  164  auf  he  wes  Lord  and  king  endet,  hat  Seh.  den  ersten 
geändert:  [did]  him  bring.  Aber  die  Reime  167  f.  (am  Schlufs 
der  Strophe)  lauten  ebenfalls  king  :  bring,  weshalb  ich  die  Besse- 
rung des  Herausgebers  verwerfen  mufs.  Wenn  wir  present  als 
Präteritum  nehmen,  ist  der  Vers  ganz  in  der  Ordnung,  und 
V.  164  liegt  die  Besserung  lord  potent  doch  sehr  nahe.  King 
wird  hier  aus  V.  167  vorweggenommen  sein. 

XV,  171.    TJie  gentill  licht  tili  Iserall  pe  king. 

Lies  Israeli;  desgl.  in  XVH,  186,  wo  es  auf  angell  und  teil  reimt. 


Kennedy-Studien.  365 

Ib.  173  1.  Thair  [for]  he  send  his  men  of  armes  bald. 

Vgl.  V.  177. 

XVIII,  190  1. 

Mair  of  his  life,  [as]  vnto  the  tivelft  jeir. 

Ib.  191.  Schippers  mencioun[age]  halte  ich  für  eine  sehr 
unglückliche  Verbesserung  des  handschriftlichen  mencioun,  zumal 
V.  193  nach  der  Überlieferung: 

In  Naxareth  he  maid  his  hantage 
metrisch  schlecht  ist.  Auch  servand  in  gret  homage  (V.  194) 
ist  weniger  gut  als  das  überlieferte  . .  .  reverence.  Also  dürfte 
Laings  Besserung  der  zwei  ersten  Reimworte:  recordence  :  resi- 
dente und  die  Beibehaltung  von  reverence  das  Richtige  treffen. 
Die  Quelle  gibt  leider  keinen  Anhalt. 

Ib.  195  1.  Thoucht  pai  wer  pure,  and  he  [wes]  a  riche  Lord. 

XIX,  197  1. 

Fra  of  his  age  XII  jeris  wer  eumin  [round] 
und  1.  V.  199  dann   fund  statt   fundin.     Einen   Reim    mimin  : 
fundin  halte  ich  in  unserem  Gedichte  für  unmöglich. 

Ib.   203.    Bene  neir  our  harne,  syne  turnit  Jieir  agane. 
Bene  kann   nicht,  wie  Seh.  meint,   das  lat.  Adverb  ('well')   sein, 
sondern  ist  offenbar  =  ne.  been,  Part.  Prt.,  abhängig  von  einem 
zu  ergänzenden  haue,  vgl.  we  the  soucht  im  vorhergehenden  Verse. 

XX,  210.  Or  he  exeeid  pe  micht  of  his  Oodheid. 

Ich  möchte  be  statt  pe  lesen,  exeeid  ist  =  ne.  exceeded,  hier  in 
intransitiver  Bedeutung,  vgl.  Hawes,  Past.  Pleas.  XI,  IV:  Phebus 
above  all  sterres  in  lyght  . . .  Dothe  exceede,  im  N.  E.  D.  S.  370,  5. 
He  muls  sich  auf  pe  sterne  V.  208  beziehen. 

XXI,  213  1. 

He  thoeht  it  tyme  to  shaw  [htm]  Lord  and  King. 
Diese  Ergänzung   von  Laing   wird    durch    den    Sinn,   die   Gram- 
matik und  die  Quelle  gefordert,  vgl.  et  se  mundo  ostendat.    Vgl. 
ferner  V.  220:  to  schaw  him  man  werray. 

Ib.   215.    He  tuke  his  leife,  and  to  floun  Jordane  füre,  1.  floum. 

XXII,  224  1. 

He  gat  diseipillis,  syne  jeid  in[to]  plane. 

xxrri,  227 1. 

And  I  myeht  leif  but  sleip,  [but]  meit  or  drink. 
Möglich  wäre  auch  die  Einsetzung  von  or. 

XXIV,  234  f. 

Bot  of  [pi\  life  a  gentill  rememberance 
May  mak  mencioun,  etc. 

Statt  a  ist  wohl  of,  on  oder  wip  zu  lesen. 

XXV,  244  f.  1. 

Quhilk  in  pe  lymbe  lag.  cryand  day  and  nyeht: 
lUp  [do]  pe,  hevin,  and  cum  doun,  lampe  of  lyeht!' 


366  Kennedy-Studien. 

Schippers  Interpunktion  (keine  Kommata  nach  nycht,  pe  und 
doun)  zeigt,  dais  er  den  Zusammenhang  und  Sinn  der  beiden 
Verse  nicht  richtig  verstanden  hat;  er  übersetzt  demgemäfs  falsch: 
'and  who  had  come  down  as  the  lamp  of  light'.  V.  245  enthält 
eben  den  Ruf  der  Väter  in  der  Vorhölle.  Up  ist  entweder  Imp. 
von  ae.  yppan  'öffnen'  oder  Adverb;  in  diesem  Falle  (mir  der 
wahrscheinlichere)  wäre  do  dahinter  oder  davor  einzuschieben: 
'tue  dich  auf !'  Zu  lampe  of  lycht  vgl.  V.  932. 
XXVH,  259. 

That  his  manheid  to  de  fra  God  couth  borrow. 
Sollte  nicht  fra  God  in  for  man  zu  bessern  sein? 
XXVni,  260  1. 

On  Wedin[s]day  in  hous  of  Caiphes  pai. 
Ib.   266.     That  na  offence  be  did  to  freind  nor  faa. 
Lies  he  statt  be. 

XXIX,  269  1. 

That  him  nocht  wamit  of  [pe]  ewil  nacioun. 

XXX,  278. 

He  said  pe  grace,  and  syne  pe  grace  began. 
Lies  meal  oder  meiss  (V.  285)  statt  des  zweiten  grace.    Vgl.  die 
Quelle:  benedictioneque  facta  per  dominum  comedunt. 

Ib.   279.     Sayand:  Jje  lambe  tili  eit  I  thrist  gretlye. 
Dafs  thrist   hier  'dürste,  verlange'   bedeutet,   kann   doch   keinem 
Zweifel  unterliegen;  vgl.  auch  die  Quelle:  desiderio  desideravi. 

XXXI,  286. 

Syne  wesche  pair  feit,  pat  ran  to  sched  his  blude. 
Sch.  nimmt  an  diesem  Verse  Anstofs,  da  nur  Judas  beabsichtigt 
habe,  Christi  Blut  zu  vergiefsen.     Aber  pair   kann  doch  so  viel 
wie  ne.  those  bedeuten,  also  läfst  sich  auch  die  Stelle  auf  Judas 
allein  beziehen. 

XXXII,  290  1. 

Peter  thocht  sehame  and  [he]  said  schortlie:  Nay. 

XXXV,  312  1. 

In  forme  of  breid  [he]  blissit  with  his  hand. 
Die  zweite  Vershälfte  verstehe  ich  als  Relativsatz. 
XXXVII,  324  1. 

How  pat  pe  hing  [had]  panis  to  his  deid. 

Ib.  328  f.  3it  wald  it  melt  and  gar  pe  watter  spring 
Profound  to  think  quhat  desiris  pi  hing. 

Ich  setze  nach  spring  ein  Komma  und  ändere  profound.  in  con- 
found:  'so  würde  es  doch  schmelzen  und  das  Wasser  (der  Tränen) 
springen  lassen,   bestürzt  zu  denken  (wenn  es  daran  denkt)'  etc. 
XLI,  351  f.  1. 

[pan]  Judas  said:  Quhom  pat  je  se  me  kiss, 
Hald  \je]  him  fast,  and  rieht  waiiy  him  leid. 


Kennedy-Studien.  367 

Ib.   357.     Sa  fer  into  his  hert  he  gat  a  fall 
ist  jedenfalls  die  richtige  Lesart  und  hier  einzusetzen.   Das  davor- 
stehende [Bo\t  auerice  wes  ist  gewifs  nichts  anderes  als  eine  mit 
in  den  Text  geratene  Randglosse!     Was  Seh.  schreibt: 

[Bo\t  auerice  wes  into  his  hert  ifaü 
ist  von  Seiten  des  Sinnes  mindestens  sehr  bedenklich  und  schliefst 
sich  auch  gar  nicht  ans  vorhergehende  an.    Selbst  die  Ergänzung 
von  ..t  zu  [Bo]t  möchte  ich  bezweifeln  und  glaube,  dafs  der  Rest 
des  ersten  Wortes  vielmehr  zu  [i]t  zu  ergänzen  sei. 

XLII,  359  1. 

Kissit  his  rnouth  fer  suettar  [wes]  pari  balm. 
Vor  fer  ist  natürlich  ein  Relativum  zu  ergänzen;  suettar  braucht 
nicht  in  sueitar  geändert  zu  werden. 

Ib.  362.     Bot  with  pat  face  rnair  sueiter  pari  J>e  lawn. 
Sueiter   stammt   wohl    aus  V.  359    und    mag   für    smother   oder 
finer  gesetzt  sein.    Vgl.  übrigens  II,  10:  Haill,  silk  to  graipe! 

Ib.  3641.  Sayand  [to  htm]:  Freind,  quhat  maid  pe  cum  heir? 

XLIH,  365  1. 

[pari]  at  pe  jowis  he  sperit,  quhorn  pai  soucht. 

Ib.  369.     For  be  vertu  of  his  Godheid  unseyne. 
Lies  pe   statt    be;  pe   vertu   ist   Objekt,   abhängig    von    systeyne 
V.  371,   während   fragilite  ib.  Subjekt  ist.     Seh.    nimmt  fälsch- 
lich an,  systeyne  sei  hier  reflexiv  zu  fassen. 

XLI'V,  376  f.  1. 

Quhen  Peter  [it]  saw,  his  hert  wes  füll  of  cair; 
Thairfor  to  [help]  his  kind  hing  he  wes  boun. 

XLV,  380  1. 

Quhill  [pat]  his  ßngeris,  quhillc  quhit  wes,  wox  bla. 

XLVI,  389. 

Thai  gart  pam  haist,  for  ony  suld  paim  taynt. 
Lies  him  statt  pam  und  lest  statt  for,  vgl.  die  Quelle:   o  quam 
violenter  eum  imjjellebant! 
XLVm,  400  f.  1. 

Annas  houss  wes  [pe]  first  into  pe  gait; 
Thairfor  Orist  wes  first  [un]till  him  present. 
Ib.  404  1.  Annas  [pan]  sperit  him  rieht  deligent. 

XLLX,  409. 

Said:  To  pe  bischop  makes  pou  sie  ansueir? 
Ansueir   kann   nicht   auf   saluiour  V.  407    reimen;    sollte   etwa 
retour  dafür  einzusetzen  sein? 

L,  417  1.  Bevenge  nocht  jour  iniure  rior  [jour]  offence. 

LI,  424  1.  Quhair  he  [gan]  grat  and  als  [his]  handis  wränge. 
Grat   ist   nicht   mit  Seh.  als  Perf.  von  greit  zu  fassen,    sondern 
ist  Inf.  =  aisl.  grata,  daher  gan  davor  zu  ergänzen. 


368  Kennedy-Studien. 

LH,  429  1. 

Till  pai  witnes,  quhilk  [htm]  aceusit  swa. 

Ib.  432.    I  coumand  pe  speik  and  als  pe  sidh  to  say. 
Der  Vers    wird  besser,    wenn  wir  (nach  V.  428)    bid   statt   cou- 
mand setzen. 

LHI,  436  1. 

[ And']  als  as  juge  eumand  in  jugement. 

Ib.  440  1.  Sayand:  He  is  gilty  and  be  laiv  suld  de. 

LIV,  444  1. 

That  nobill  prince  {pai)  defoulit  linder  fute. 
pai   überladet   den  Vers   und   ist   unnötig,   da   das   Subjekt   aus 
V.  442  zu  ergänzen  ist. 

Ib.  446.  Sum  on  pe  clieik,  sum  on  pe  wissage  baire. 
Über  letzteres  Wort  hat  sich  der  Herausgeber  nicht  geäufsert, 
aber  da  er  kein  Komma  dahinter  setzt  (der  folgende  Vers  be- 
ginnt: Spat  in  his  face),  scheint  er  es  als  Adjektiv  =  ne.  bare 
'bar,  blofs'  aufzufassen.  Ich  möchte  es  als  Prät.  von  bereu  in 
der  Bedeutung  'schlagen'  nehmen  und  deshalb  ein  Komma  hinter 
baire  setzen. 

LV,  449  1. 

Thai  hurt  his  [neck]  and  all  his  body  (pai)  frei. 
Sch.  ergänzt  back,  aber  der  lat.  Text  hat:  in  collo  percusserunt. 
Das  zweite  pai  ist  überflüssig  und  verschlechtert  den  Vers. 

LVI,  458. 

Ire  is  pair  gid,  feid  flemes  him  fra  resoun. 
Statt  him  1.  Jjaim,  vgl.  das  vorhergehende  pair  und  in  dem  fol- 
genden Verse  pair  law,  pai  mak. 

Ib.  459.  Will  is  pair  law,  inwy  pai  mak  sereff. 
Nach  sereff  ergänzt  Sch.  ay  als  Reimwort  (:  pray  und  sla)  und 
fafst  sereff  als  'servant\  Dies  pafst  aber  schlecht  in  den  Zu- 
sammenhang, da  will  als  law,  pride  als  prince,  cupid  als  king 
bezeichnet  wird.  Sereff  wird  wohl  für  sofferain  =  sovereign 
verschrieben  sein;  kleine  Reimungenauigkeiten  wie  diese  Asso- 
nanz begegnen  im  Gedichte  häufig! 

Ib.  462.  Falset  is  faith,  quhilk  lierd  hankis  his  hand. 
Diese  Stelle  ist  von  Sch.  ganz  mißverstanden  worden.  Er  über- 
setzt: 'which  herdsman  (herd)  fastens  (hankis)  his  hand;,  wäh- 
rend herd  offenbar  Adverb  —  hard  ist,  vgl.  V.  998:  Quhilk  ded 
hankis  herd  in  his  bandis.  Das  Verbum  hank  bedeutet  hier 
so  viel  wie  'to  catch',  vgl.  das  N.  E.  D. 

LVn,  463  f. 

Man,  be  thou  kind,  quhom  for  this  pane  he  dreis. 
Aus    der   Anmerkung   geht   hervor,   dafs    der  Herausgeber   diese 
Konstruktion    nicht   richtig   aufgefalst  hat.     Es   ist   offenbar  ein 


Kennedy-Studien.  369 

Bedingungssatz  der  Möglichkeit  ohne  Konjunktion  und  bedeutet 
also:  'Mensch,  wenn  du  gütig  bist!' 

Ib.  467.    His  gret  trublance  with  reuth  pe  mynd  regressis 
Into  pe  tyme,  as  pou  had  present  bene. 

Dies  übersetzt  Seh.:  'had  returned  with  ruth  to  the  rnind  at  the 
time',  etc.,  was  es  unmöglich  bedeuten  kann.  Da  der  Heim  auf 
cerssis  und  persis  offenbar  rehersis  oder  reversis  statt  des  sinn- 
losen regressis  verlangt  (allerdings  reimt  auch  V.  604  persit  : 
pressit),  ist  eine  dieser  Formen  dafür  einzusetzen,  wobei  ich  zu- 
gleich pe  in  pi  ändere;  pi  mynd  ist  dann  Subjekt.  Vgl.  V.  522  f.: 
Gif  of  himself  or  vthiris  rehersing  He  sa  inquirit,  oder  V.  549: 
His  gret  diseis  with  all  [pi]  hert  reherss!  —  Das  Komma  nach 
tyme  ist  zu  streichen  und  nach  reherssis  einzufügen,  denn  into 
pe  tyme  gehört  dem  Sinne  nach  ans  Ende  des  Verses:  als  ob 
du  zu  der  Zeit  seines  Leidens  zugegen  gewesen  wärest.  Es  be- 
deutet also  nicht:  'at  that  time,  if  thou  hadst  been  present'  etc., 
wie  Seh.  übersetzt. 

Ib.  469  1.  Of  (all)  his  passioun,  and  all  his  panis  sene. 
Das  erste  all  ist  eine  das  Versmafs  störende  Vorwegnahme  des 
zweiten ! 

LVUI,  472  1. 

The  cruell  panis,  quhilk  [pat]  befor  is  tauld. 
LIX,  477  ff.  sind  folgendermaßen  zu  interpungieren : 

'Gif  pow  be  Orist,'  pai  said,  'ws  schaiv  planly!' 
"The  sone  of  God,  promit\t]it  saluionr" 
Orist  said,  "I  am,  as  je  haue  tald  trewly." 

Sch.s  Übersetzung,  die  seiner  verkehrten  Interpunktion  entspricht: 
'Show  thyself  plainly  to  us  as  the  Son  of  God,  the  promised 
Saviour'  ist  daher  zu  verwerfen.  Vgl.  die  Quelle:  Et  tunc  dixe- 
runt ei:  (Si  tu  es  Cristus,  ...  die  nohis !'  ...  Tunc  dixerunt 
omnes:  'Tu  ergo  es  filius  Deif  ...  Qui  ait:  'Vos  dicitis,  quia 
ego  sum' 

LX,  484  f.  1. 

'Off  [mair]  witnes',  quod  pai,  'we  haue  no  neid, 
For  we  haue  her[d\  of  his  mouth  blasfem\ing\ 

Vgl.  die  Quelle:   Quam  tarnen  responsionem   ipsi  blasphemiam 
reputantes  dixerunt:  'Quid  adhicc  desideramus  testimonium? 
LXL  492. 

Quhill  be  to  de  to  Pilat  wes  present. 
Lies  he  statt  be. 
LXIL  500  1. 

Thai  said  (pai):  'We  find  him  [pur  folk]  pervertand.' 

Die  Hs.  hat  Than  statt  Thai.  Vgl.  die  Quelle:  Et  coeperunt 
aecusare  eum  false.  . . .  'Flunc  invenimus  subvertentem  gentem 
nostram! 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  24 


370  Kennedy-Studien. 

Ib.  503  1.  [Than]  Pilat  said:  lOf  jour  awne  je  haue  lawis. 
Vielleicht  ist  eben  dies  Than  nach  V.  500  versetzt  worden. 
LXIII,  511. 

His  avarice  sa  pervinst  verite. 
Lies  perist  (=  perished),  das  im  Schottischen  auch  transitiv  ge- 
braucht wird,  vgl.  Flügel  und  Muret. 
LXIV,  514  f.  1. 

Na  eherite  nor  piete  gart  pai(m)  schaw, 
Bot  gret  malice  gart  pair  hert[is]  indure. 

Für  gart  paim  ist  wohl  gan  pai  zu  schreiben ;  gart  ist  wieder 
eine  Vorwegnahme  aus  dem  folgenden  Verse.  Vgl.  die  Quelle: 
Quod  fecerunt  non  in  misericordiam. 

Ib.  518  1.  As  fals  propheit  pai  had  gart  him  [toi]  de. 

LXV,  519  1. 

In[to]  pe  tolbuth  Pilat  enterit  in. 
LXVI,  526  1. 

Orist  said:  'My  kinrik  in(to)  pis  warld  is  nocid.' 
Ib.  530  1.  Quhilk{is)  fra  pe  jowis  gret  iniquite. 
LXVH,  533  1. 

Pilat  [un]to  pe  jowis  jeid  agane. 
Ib.  5351.  The  jowis  er y and  say{an)d,  he  suld  be  slane. 
Sayand   ist  stumpfsinnig  nach  cryand  gebildet.     Oder   ist  cryd 
sayand    zu    lesen?     Vgl.   V.    995  f.:    ...    cryit    our    saluiour, 
Sayand :  'Fader,  . . . 

Ib.  537  1.  Till  all  pe  land  techeand  of  jow[e]ry. 

LXIX,  548  f.  1. 

How  to  Pilat  pai  [haue]  him  brocht  agane. 
His  gret  diseis  with  all  [pi]  hert  re/ierss. 

LXX,  554  f. 

Off  pe  kindschip  of  Herod  and  Pilat 
Thai  toer  rieht  blüh;  etc. 

Sch.  hat  zu  Unrecht  nocht  für  rieht  gesetzt,  vgl.  die  Quelle:  Uli 
canes  laetantes  de  foedere  Herodis  et  Pilati. 
LXXI,  563  ff. 

That  gart  Pilat  speir  and  furth  to  pam  pas, 

Quhen  pai  likit  to  haue  Barrabam, 

Or  Jhesu,  etc. 

Lies   Quhether   statt  Quhen,   vgl.   die   Quelle :    Pilatus   ergo  . .  . 
proposuit  eis  sub  distinetione  optionem,   dicens  quod  . . .  libe- 
raret  eis  Barrabam  vel  Jesum  . .  . 
LXXH,  568  1. 

[pan]  Pilat  said:  Quhat  ewill  hes  he  done? 
Ib.  570  1.  Thai  cryit:  Tollie  away  [him]/  take  him  sonef 
LXXin,  575. 

For  pai  haue  spuljeit  to  pe  heid  all  bair. 


Kennedy-Studien.  371 

Sch.  verwandelt  to  in  po,  meint  aber,  besser  hiefse  es  wohl  po 
pis  statt  to  pe.  Eher  ist  him  für  haue  und  hide  statt  heid  zu 
lesen,  wobei  to  bleiben  kann,  also: 

For  pai  him  spuljeit  to  pe  hide  all  bair, 
d.  h.  'sie  zogen  ihn  ganz  nackt   bis   auf  die  Haut   aus',   vgl.  die 
Quelle :    spoliatur    .  . .    et    vestibus   exuitur    et    coram    omnibus 
denudatur. 

Ib.  580  f.  He  was  mair  tender  in  his  body, 

Than  is  pe  sclieyne  into  a  mannis  e. 

Statt  in  V.  580  setzt  Seh.  in[to];  ich  würde  as  to  'in  Bezug 
auf  vorziehen ;  sclieyne  ist  schwerlich  'faculty  of  seeiug',  sondern 
=  ne.  skin. 

LXXIV,  587  1. 

Off  his  body  pe  spirit  {for)  to  confort. 

LXXV,  589. 

1  hat  fair  joung  prinee,  pe  sone  of  Ood  etern. 
Da  V.  591  auch  auf  eterne  ausgeht,  ist  in  V.  589  wohl  supern 
das  ursprüngliche.    Vgl.  denselben  Keim  V.  1380  und  1382. 

Ib.  591  1.  Off  fairheid  floure,  pe  rute  of  rut[h]e  eterne.    (Vgl.  V.  282.) 

Ib.  593  f.  1. 

With  his  fais  [he]  is  now  met,  allace, 

That  he  vneaiss  myght  stand  apoun  pe  ground. 

be  statt  he  in  V.  594  bei  Seh.  ist  wohl  nur  ein  Druckfehler. 
LXXVI,  596  1. 

Thai  handillit  htm  [with]  rieht  [gref]  fellony. 
Sch.  ergänzt  nur  with  und  zwar  wenig  passend  vor  fellony. 

Ib.  602  1.  His  tender  hid  fra  heid  to  fute  pai  r[a]ife. 
Raife   erfordert   doch   der  Reim   auf   claife   V.  601    (vgl.   auch 
V.  681  raif). 

LXXVm,  614. 

Hirn  for  to  pyne  pai  think  pai  haue  na  wit. 
Wit  ist  hier  wohl  nicht  'Verstand',  sondern  =  ae.  ivite  'Strafe'. 
Sch.  bemerkt  nichts  zur  Stelle. 
LXXIX,  620  1. 

In  purpour  cled,  quhilk  noyis  him  fellon[l]y. 
Ib.   623.    Bot  Pilat  said:  lNa  can  in  him  I  find.' 
Sch.  ändert  can  in  sin;    da  aber   die  Quelle   liest:    non    invenio 
in  eo  causam,  ist  offenbar  caus  dafür  zu  schreiben. 
LXXXI,  631  f.  1. 

[Than]  Pilat  said:  'Thow  speikis  nocht  to  me? 
Wait  pou  nocht  [pat]  I  haue  pe  in  mi  will'? 

LXXXJI,  640  1. 

The  jowis  [pan]  said  all  with  ane  assent. 
Ib.  643  1.  For  pat  ryndis  pi  lordis  mai[e]stie. 

24* 


372  Kennedy-Studien. 

LXXXIH,  650  1. 

Thai  euer  refresehit  with  new  torment  [a]gane. 

LXXXVI,  666  f.  1. 

Pilot  saw  [pat]  he  couth  nocht  cum  gude  speid 
Hirn  (to)  saif  but  tribulance  of  pe  pepill. 

Cum   im   ersten  Verse    ist   offenbar   lateinisch   (Schreiberscherz?) 

für  wiih. 

Ib.  669  1.  Bardbam  he  gart  be  gevin  pam  [un]till. 

LXXXVII,  676  ff.  1. 

Quhilk  pam  forbad  all  innocent(is)  to  sla. 
Thai  wrang  pair  freind  [for]  to  confort  pair  faa; 
Thai  slay  thair  Lord,  quhilk  did  [pam]  riss  fra  pane, 
And  loussit  the  theif,  wes  quik  to  sla  agane. 

Im  ersten  Verse  lies  an  innocent;  wes  quik  V.  679  würde  be- 
deuten: 'der  bereit  war',  während  Seh.  quik  als  Adverb  fassen 
möchte. 

LXXXIX,  691. 

To  confort  him  amang  paim  neid  ans  is 
liest   die   Hs.      Seh.   bessert:    neid    [nane]    is,    was   aber   keinen 
rechten    Sinn   gibt.     Ich    habe   an    uneith  'kaum'   für   neid   (vgl. 
vneaiss  V.  594)  gedacht  und  möchte  ane  stehen  lassen. 

XCI,  703  1. 

Sum  makand  seorne,  [and]  sum  dirisioun. 

Ib.  705  f.  1. 

lo  se  pis  prince  it  wes  a  piete,  allace, 
On  euery  side  sustene  [füll]  feil  torment. 

Sch.  setzt  hinter  allace  ein  Semikolon;  zu  V.  706  vgl.  füll  feil 
deris  V.  719. 

XCni,  715  f.  1. 

For,  [la],  the  day  sali  cum  pat  je  sali  say: 
Wemen  ar  blis[si]t  pat  na  barnis  beris. 

Vgl.  die  Quelle:   Quoniam  ecce  venient  dies  etc. 

Ib.  721  1.  (0)  Lord,  quhat  sali  worth  of  ws,  pat  ar  gilty? 

XCIV,  728. 

Nyne  thousand  and  sevin  led  quik  with  pame. 
Da  es  nach  Fl.  Josephus  {De  hello  lud.  VII,  17)  97  000  waren, 
ist  zu  ändern:  And  ny'ne[ty]  sevin  thousand  etc.1 
XCV,  733  f. 

Sa  pus  endit  pe  malice  and  pe  feid 
Aganis  Crist,  quhilk  held  saikleslie. 

Sch.  ergänzt  pai  vor  held,  was  aber  wegen  saikleslie  nicht  an- 
geht.    Schon  aus  graphischen  Gründen  liegt  es  näher,  he  zu  er- 

1  Wenn  K.  in  V.  727  Ten  htmdreth  thousand  gegenüber  den  1  100000 
der  Quelle  setzt,  so  ist  dies  wohl  dem  Unistaude  zuzuschreiben,  dafs  eleven 
nicht  in  den  Vers  gepafst  hätte.  Oder  sollte  der  Dichter  decies  C  millia 
statt  undeeies  etc.  in  seiner  Quelle  gelesen  haben  ? 


Kennedy-Studien.  373 

ganzen;    lield  hat  hier   noch   die  jetzt   ausgestorbene   Bedeutung 
'hielt  aus,  ertrug'. 
XCVI,  738  1. 

[And]  bitter  wyne  myx[i]t  with  gall  pai  had. 

Ib.  740  I.  He  taist[it\  it  and  put  it  fra  him  syne. 

C,   766.     Noiv  all  the  lethis  on  his  tender  hak. 
Lethis  ist  'Glieder',  nicht  'Channels  or  small  runs  of  water',    wie 
Seh.  fragend  erklärt. 

Ib.    768.    Fra  heid  to  fute  pai  bralc  baithid  and  ryme. 
Lies:  baiih  lith  and  lyme  (=  ne.  limb). 

CI,  771  1.  [Fid]  mony  panis  Jie  tholit  of  befor. 

Ib.  776  1.  Quhilk{is)  him  handillis  füll  fair  in  every  pari. 
Fair  ist  gewifs  nicht  richtig,  weshalb  ich  sair  dafür  lese.    Besser 
wäre  noch  Quhilk  handillis  him  zu  schreiben. 

CIV,  794  1. 

Quha  the  so  hie  lies  [tane]  fro  me,  my  seil? 
d.  h.  'Wer  hat  dich   so  hoch   von  mir   genommen,    mein  Glück?' 
Der  'sectional  rhyme'  ist  natürlich  hie  (1.  he)  :  me. 

Ib.  797.  I  my  noeht  luke,  bot  pow  abone  me  draw. 
Statt  luke  möchte  ich  lune  =  aisl.  schwed.  lugna,  dän.  lune 
'still,  ruhig  werden'  setzen,  was  einen  guten  Sinn  gibt  und  den 
Reim  auf  abone  herstellt.  Das  entsprechende  Subst.  lune  be- 
legen Mätzner  und  Stratmann  aus  den  Old  Engl.  Hom.  I,  197; 
das  Verb  ist  bisher  meines  Wissens  im  Englischen  noch  nicht 
nachgewiesen.    Vgl.  darüber  Karsten,  Nominalbildning  II,  260  f. 

CV,  799.  O  may  kind  King,  of  pis  parting,  allace; 
der  Zusammenhang  fordert  sin  pi  statt  of  pis. 

Ib.   801.     Ol  biiding  of  all  helping  so  naice 
druckt  Seh.  und  meint,  naice  sei  =  ne.  nice.    Dagegen  sprechen 
Sinn  und  Reim  (:  allace).    So  naice  ist  einfach  in  solaice  'Trost' 
zu  bessern.    Die  Konstruktion  von  helping  ist  allerdings  unklar: 
bedeutet  es  ' 'adiuvantibus'  oder  'adiuvans  (sc.  solacinm)>el 

Ib.  803  1.  Haist  for  to  bring  me  in(to)  pi  rigne  sone  harne. 

Ib.  805.     Deith  with  his  dart  will  smyt  my  hert  in  two. 
Hier  reimt  natürlich  dart  :  hert  (1.  hart),  was  Seh.  nicht  erkannt 
hat,  da  er  einen  Reim  auf  -ing  (V.  803  f.)  verlangt. 

CVI,  812  1. 

My  claithis  ar  partit  and  [on]  paim  cuttis  laid. 
Vgl.  Hampoles  Psalter  XXI,  18:    On  mai  clathe  pai  laid   kut 
(N.  E.  D.  unter  cut  1,  a). 

CVII,  813  ff. 

Pilat  wrait  pe  titill  abone  his  heid: 

Jhesu  o/  Naxareth,  of  the  jowis  kitig. 

Syne  on  pe  croce  stake  it  up  abone  his  lieid. 

Die  Wiederholung    von    abone  his  heid   in  V.  813  und  815   ist 
gewifs  ein  Schreibfehler!     Die  Quelle  bietet:  Scripsit  autem  P. 


374  Kennedy-Studien. 

in  quadam  cliarta  tabulae  affixa  titulum,  et  posuit  tabulam 
cum  cavilla  super  crucem.  Demgemäfs  möchte  ich  in  V.  813 
apone  a  bred  statt  abone  his  heid  schreiben. 

Ib.  816  1.   Written  in  Greik,  [in]  Ebrew,  and  Latyn. 

CVIII,  821. 

Thairfor  pai  said:   Writ  nocht:  King  am  I. 
Nach  der  Quelle:    Koli  scribere:   Rex  ludaeorum,  ist   wohl   zu 
bessern:  King  of  Jowrie. 
CX,  838  f. 

Ihe  joy  pay  tyne  agane  [he]  gart  paim  tvyn, 
The  quhilk  [pe]  scheip  on  his  bak  brockt  harne. 

Die  Ergänzungen  und  Verbesserungen  rühren  von  Seh.  her,  nur 
möchte  ich  tynit  statt  tyne  lesen  und  vor  scheip  noch  lost  oder 
toill  ergänzen. 

CXI,  841  ff.  1. 

(As)  Naxareth  in  Inglis  toung  is  to  say 

[Sol]as,  jouth,  fairheid,  innocence  or  new, 

Quhilk  tili  [pe]  on[l]y  king  apply  ive  may, 

(That  tves)  pe  floure  quhilk  fra  pe  [rute  of]  Jesse  grew, 

His  haly  life  his  gret  pacience  [did]  schew. 

Vgl.  die  Quelle:    Nazarenus,   quod  interpretatur  floridus,   qui 
est  flos,  qui  de  radice  Jesse  ascendit  und  die  Bemerkung  oben 
zu  Praise  of  our  Lady  V.  55. 
CXH,  850. 

Quhilk  betaikinnis  folk  in  four  kind  of  syn. 
Ich  stelle  um:  Quhilk  folk  betaikinnis  etc. 
CXIV,  864  1. 

For  (ew)ill  wynnyng  pai(r)  followis  syn  and  vice. 

CXV,  871  f.  1. 

With  pam  auld  men  quhilk  [pat]  in  gouernyng 
All  pe  pepill  of  pe  tempill  at[wite]. 

So  ergänze  ich  den  Reim  auf  perfite  und  dispit',  Sch.s  at  sit  gibt 
keinen  passenden  Sinn.  Die  Quelle  hat:  id  est,  iudieibus  ordi- 
näriis. 

CXVI,  877  1. 

Quhilk(is)  standis  stif  be  inobedienee. 
CXVII,  883  und  CXVIH,  890  hat  Seh.  ganz  unnötig  das 
schott.  Relativpron.  at  in  pat  geändert. 
CXVH,  883  1. 

The  thrid  at  sat,  [pat]  wes  pai  cruell  knychtis. 

CXVin,  891  1. 

Quhilk  [pat]  pe  body  haldis  into  eis. 

CXIX,  899  1. 

In  cald,  [prist,]  hunger,  walkand  nyeht  and  day. 
Oder  In  cald.  and  hungert    (Vgl.  V.  971.) 


Kennedy-Studien.  375 

Ib.   901.    T[h]ocht  sum  wer  heidit,  sum  stanzt,  and  sam  slane. 
Heidit  ist  nicht  'enthäutet,  geschunden',  sondern  'enthauptet',  vgl. 
Mätzner,  Wb.  2,  456  unter  hefden. 

Ib.,  902  1. 

lhai  thocht  all  saeit  [per]with  hevinily)  to  wyn. 

Sch.s  loith  hevinly  [Miss]  verstehe  ich  nicht. 
CXX,  904  f.' 

The  fourt  blasfemit  Grist  [pat]  wes  pe  theife, 
Quhilk  on  pe  croce  [did]  hi(a)ng  on  his  left  hand. 

Vgl.  die  Quelle:    cum    unus    Masphemando    diceret,    und:    The 
tothir  theif  V.  909. 

Ib.  907  1.  Gif  pou  be  king  quhilk  rigne[s]  in  pis  land. 

CXXI,  911  f. 

This  crabbit  theif,  pat  hang  on  his  rycht  hand, 
Quhilk  but  prophacy  expletit  his  pennanee. 

Lies  left  statt  rycht  (vgl.  V.  905)   und  prophete  =  pro  fit  statt 
des  sinnlosen  prophacy. 

Ib.  914  1.  The  saynd  of  God  [pai]  ay  reput  mysehance. 

Ib.  915.     Tha[i]  murne  euer  be  pai  in  trublanee, 
1.  [jif]  pai  be. 

Ib.  917  1.  And  [God}  mynnis  na  thing  of  all  thair  pyne. 

CXXII,  925  f.  1. 

Fra  pat  tyme  furth,  quhill  his  life  can  indure, 

genau  wie  die  Hs.!     Seh.  ändert,   den  Vers  verschlechternd,    in- 
dure in  dure. 

CXXIII,  924  1. 

Now  dollouris  on  euer  ilk  ane  syid 

In  [pe]  departing  of  pir  tender  freindis. 

Statt  dollouris  1.  dollour  is. 

CXXIV,  936. 

Fra  twelf  tili  ihre  he  let  no  thing  espire, 
1.  expire,  hier  von  den  Sonnenstrahlen  gebraucht,  vgl.  das  N.  E.  D. 
unter  expire  I,  3. 
CXXVII,  957. 

Moir  causis  me  pi  lufe  and  na  pane  to  ery. 

and  na  stört  das  Metrum   und  gibt  keinen  Sinn.     Ich  vermute, 
dafs  dafür  nor  (nördl.  =  than)  zu  setzen  ist,  vgl.  S.  13,  V.  27. 
CXXVin,  962  f.  1. 

[  And]  syne  a  spowng  [ful]  fast  apon  it  stak, 
Als  intill  wynakar  {pai)  soupit  it  füll  sone. 

CXXIX,  967  1. 

Fra  [pat]  he  tuke,  he  wald  noeht  drink  of  it. 

CXXX,  974  1. 

0  man,  at  none  with  [wo ful]  mynd  behald, 
vgl.  die  Quelle:  cogitabis  mente  lugubri  et  devota.    Wo  ful  steht 
V.  1004;  ruthful  (vgl.  V.  1191)  würde  auch  passen. 


376  Kennedy-Studien. 

cxxxn,  993. 

For  mannis  saule,  [pe]  qnhilk  man  lies  maid  matt. 
Da  mait  auf  allace   reimen  soll,   hat  Seh.  lasche   dafür   gesetzt, 
das  er  mit  'relaxed'  übersetzt.     Dies    pafst   aber  nicht   zum   fol- 
genden:   Off  hevinnis   blis,    das    einen  Infinitiv   erfordert.     Ich 
möchte  deshalb  pas  vorschlagen. 
CXXXin,  996  ff.  1. 

Sayand :  Fader,  I  eoumend  in  pi  handis 

My  pimist  spreit  now  tak  into  pi  eure, 

Qiihilk  Ded  hankis  [ful\  herd  in[to]  his  bandis. 

Sch.  hat  V.  996  me  vor  in  eingeschoben,  weil  tak  sonst  ohne 
Objekt  stände.  Vgl.  aber  die  Quelle:  Pater,  in  manus  tuas 
commendo  spiritum  meum !  Das  Semikolon  nach  handis  ist 
daher  zu  streichen  und  my  pimist  spreit  and  xoivov  zu  beiden 
Infinitiven  zu  konstruieren. 
CXXXIV,  1005  1. 

Off  all  solace  pou  had  [pair]  tynt  pe  sycht, 
oder  1.  tynitt 

CXXXV,  1014  f. 

The  Sone  of  Ood  in  to  pi  handis  pou  braee 
Fra  me  pure  knycht,  etc. 

Statt  brace  1.  ivraste  (Prät.  von  ae.  wrcestan). 
CXXXVI,  1020  1.  wie  in  V.  1106: 

He  synnit  neuer  in  word,  [in]  ded,  nor  thocht. 

CXXXVII,  1023  1. 

And  in  pi  hert  [if]  reuth  had  ony  roume. 
Ib.  1029.    And  his  confort  is  noiv  ded,  allace. 
Ich  lese:  as  now  [is]  ded. 
CXXXVIH,  1031. 

Quhen  in  p>e  jard  be  enterit  for  to  pray. 
Lies  he  statt  he. 

Ib.  1035.    Syne  pai  knychtis  him  dang,  quhill  he  was  haiss. 
Statt  haiss  möchte  ich  baiss  =  ne.  base  'low'  lesen. 
CXXXIX,  1037  1. 

Quhen  [pat]  pow  saw,  pat  he  wes  eleyne  of  syn. 
Ib.  1039  1.  Fals  witnes  pou  socht  [for]  to  challange  him.     > 
Ib.  1042.     With  stoundis  scharpe  put  fra  him  all  solace. 
Lies  stouris  statt  stoundis. 
CXL,  1045  1. 

With  his  awne  blude  pai  raife  (it)  fra  him  on  force. 

CXLI,  1052  1. 

With  sa  gret  force,  quhill  [pat]  pai  neir  him  slew. 

CXLII,  1063  1. 

And  I  for  dule  neir  deis  in[to]  pis  place. 
Ib.  1064.    For  sueit  Jhesu  is  ded  fra  me,  allace. 
Sollte  nicht  for  me  statt  fra  me  zu  lesen  sein? 


Kennedy-Studien.  :;77 

CXLHI,  1067  1. 

The  [tempill]  wale  füll  sone  intwa  it  schüre, 
vgl.  die  Quelle :  velum  templi  .  . .  scissum  est  in  duo.    Seh.  er- 
gänzt hah)  hinter  sone. 
CXLIV,  1075. 

With  sie  a  woce  sa  sone  pat  he  suld  de. 

Dieser  Vers  bezieht  sich  auf  die  letzten  Worte  Christi,  nicht 
auf  das  Geräusch  des  Erdbebens,  wie  Seh.  meint,  vgl.  die  Quelle: 
quod  voce  magna  clamans   sie  cito  exspiravit. 

Ib.  1078.    And  uthir  by  for  ded  sone  can  pas. 
Ob   diese   Zeile   wirklich   das   bedeutet,   was   Seh.   angibt:    'And 
others  for  the  dead  ones  (i.  e.  to  see  them)  soon  began   to  pass 
hy*?     Man  mufs  doch  wohl  ändern  (vgl.  V.  1079): 

And  uthir  [men]  for  d[r]ed  sone  by  can  pas. 

CXLVI,  1086  1. 

Allace,  quhat  pane[is]  had  pis  sneit  virgin. 
Ib.  1091:  brace  übersetzt  das  lat.  penetrata. 
CXLVm,  1106  1.  wie  in  V.  1020: 

Qnhilk  neuer  synnit  in  xoord,  [in]  dede,  nor  thocht. 

CXLIX,  1107  1. 

To  wile  personis  sen  (pat)  poiv  hes  bene  justice. 

Ib.  1111  1.  To  haue  said  nay,  nane  [wicht]  myeht  pe  [haue]  blamit. 
hatte  hat  schon  Seh.  richtig  ergänzt. 

CL,  1116.  With  strif  iquit  now  lufe  and  cherite. 
Statt  iquite  (Hs.  1  quite)  lies  i[s]  quit,  vgl.  die  Quelle  '  V.  25  f.: 
Redditur  pena  premiis,  Offensa  benefieiis.    Mit  Sch.s  iquit  ist 
nichts  gewonnen! 

Ib.  11201.  Quhilk  is  Ooddis  sone,  put  twa  thevis  (had)  betioene. 
had  ist   ohne   Zweifel   zu    streichen,    vgl.    die    me.   Übersetzung 
desselben  Gedichtes  V.  68:  pe  goode   hongep   among  pe  ivikke. 
Seh.  liest  hes,  fragt  aber:  'or  are  we  to  read  isV 

CLI,  1123. 

Thoucht  I  wes  teile,  thron  [pi]  flewour  now  I  sehyne. 

flewoiir  ist  nicht  =  flavour,  sondern  =  flouwer,  vgl.  die  Quelle 
(das  lat.  Gedicht)  V.  40:  de  tuo  flore  fulgeo. 
CLm,  1136  1. 

He  set  me  croce  agane,  yt  hote  pe  tre. 

Ich  bessere:  agane  p[a]t  ho[l]te,  pe  tre,  vgl.  das  lat.  Gedicht  V.  49: 
Ligno  lignwm  opposuit. 

Ib.  1139.  Thocht  he  saw  nocht,  he  restorit  be  me. 
Dieser  Vers   enthält  den   reinsten    Unsinn,   den   auch    Sch.s  Er- 
klärungsversuch  nicht  beseitigen  kann  (er  schiebt  is  vor  be  ein). 
Mit  Hilfe  des  lat.  V.  50:    Et  solvit   quod.    non   rapttit   bessere 


1  Das  lat.  Gedicht,  gedruckt  in  diesem  Archiv  Bd.  CV,  23  ff. 


378  Kennedy- Studien. 

ich:  TJiocht  he  s[i]aw  nocht,  he  [all]  restorit  be  me,  wobei  staw 
=  stawl,  stal  'stahl'  ist,  vgl.  dieselbe  Form  V.  399. 

Ib.  1 140.  Frethand  pe  man,  pat  had  noeht  to  lay  doun. 
lay  doun  hat  hier  offenbar  die  technische  Bedeutung  'Geld  hinter- 
legen,  als  Pfand  geben;    einsetzen,    einlegen,   zahlen'.     Sch.s    Er- 
klärung  mufs   ich   ablehnen.     Man  vgl.  auch   die  Quelle  V.  51: 
Ut  debitores  liberet. 

CLIV,  1144  1. 

Be  my  sneit  frute  [pe]  bitter  dede  is  slane. 

Ib.  1146.    I  am  pe  first  daystern  pat  gart  kith. 
Letzteres   soll  heifsen :   'which  caused  knowledge  (!)  or  which  be- 
came   known',   was   ganz   unmöglich   ist.     Da   ein   Objekt   fehlt, 
haben  wir  einfach  gart  in  gan  it   zu  bessern,   wovon    dann    der 
Inf.  kith  abhängt. 

CLV,  1152  1. 

This  nobill  frute,  quhilk  [pat]  jour  hert  sair  deris. 

CLVI,  1156  1. 

Thairfor,  lady,  I  do  jow  [now]  na  wrang. 

CLVn,  1164  1. 

Condampnit  men  [down]  of  [pe]  croce  to  ta. 

pe  hat  schon  Seh.  ergänzt. 

Ib.  11691.  Syne  but  delay  [down]  of  pe  croce  pame  tak. 

CLVIH,  1175  1. 

Kest  pair  carionis  in[to\  a  place  neir  by. 

CLIX,  1177  1. 

Bot  fra  pai  saw  pat  cristyn{nit)  kingis  face. 

Vgl.  V.  1:  hau,  cristin  knycht! 
Ib.  1181  ff. 

Ihrow  pe  rieht  syd  him  woundit  a  blind  knycht 
With  a  scharp  speir,  quhill  binde  and  watter  cleir 
Agane  natonr  his  ded  hert  woundit  suith. 

Seh.  hat  suith  in  sair  verändert,  aber  damit  kommt  die  Stelle 
nicht  in  Ordnung,  vgl.  die  Quelle:  de  corpore  extineto  sanguis 
vertis  et  aqua  pura  miracidose  manavit.  Das  woundit  der 
letzten  Zeile  ist  wohl  eine  Wiederholung  aus  V.  1181;  ich  möchte 
bessern:  Agane  natour  [fra]  his  ded  hert  [gan  streim\. 

Assonanzen  sind  ja  in  unserem  Gedichte  nichts  Seltenes. 
CLX,  1190. 

Syne  bischope  maid  and  marter  deit  he. 

Da  in   der   ersten  Satzhälfte   ein  Verbum  finitum  fehlt,   möchte 
ich  ändern :        Syne  [wes]  he  bischop  maid  and  marter  deit. 
CLXI,  1191  f. 

With  reuthfull  hert  remember  at  evinsang 
With  cruell  dede  quhilk  deit  hes  pi  king. 

Das  with  (Hs.  w<)  in  V.  1192  ist  gewifs  in  pat  (sonst  p'  abge- 
kürzt) zu  bessern. 


Kennedy-Studien.  379 

Ib.  11 93  f.  Bekald  quhat  pane,  quhat  tyme,  qnhat  place  pou  hang. 
He  hes  tholit  etc. 

Seh.  ändert  pou  in  pe,  wobei  aber  der  folgende  Satz  ganz  in  der 
Luft  schwebt.  Ich  möchte  pou  hang  in  hou  sträng  bessern;  das 
Komma  nach  hang  ist  dann  natürlich  zu  streichen. 

Ib.  11951.  And  [als]  quhat  pane  and  pyne  dreit  hes  pis  ding, 
puhat  ist  wohl  nur  ein  Druckfehler. 
CLXn,  1198  ff. 

Efter  pat  deid  as  bond  pis  knycht  had  tane, 
And  of  evinsang  pe  tyme  approchit  neir, 
Ane  gret  noble,  quhilk  Joseph  heckt  to  name, 
Come  fra  pe  court  [of]   Christ  for  tili  inquyre. 

Die  erste  Zeile  übersetze  ich:  'nachdem  der  Tod  diesen  Ritter 
(d.  i.  Christus)  als  Unterpfand  genommen  hatte';  Sch.s  Erklärung: 
'after  this  knight  had  taken  the  dead  one  as  he  was  bound  to 
do'  ist  gänzlich  verfehlt,  da  ja  erst  später  erzählt  wird,  wie 
Joseph  den  Leichnam  vom  Kreuze  nimmt.  Das  And  von 
V.  1199  überladet  den  Vers  und  pafst  besser  vor  ane  V.  1200; 
in  V.  1201  habe  ich  of  dem  Rhythmus  zuliebe  eingeschoben. 
CLXHI,  1208  1. 

Quhilk(is)  in  pe  tonn  wes  haldin  maist  indigne. 

CLXV,  1222  f.  müssen  sich  auf  Christus  (vgl.  him  V.  1221) 
beziehen;  mit  him  V.  1224  geht  Kennedy  dann  wieder  auf  Joseph 
über,  him  in  1225  ist  wieder  Christus.  Darf  man  vielleicht  eine 
Lücke  annehmen,  durch  die  der  Schlufs  von  Str.  CLXV  und 
der  Anfang  des  Folgenden  ausgefallen  wären? 
CLXVI,  1229  ff. 

Thal  his  deid  corps  tili  oynt  be  tuke  in  eure; 

Of  diuerss  spieis  a  sindry  mixtour 

Fra  corruptioun  his  body  tili  inbahne; 

Syn  to  pe  croce  pai  come  baith  but  demaner. 

In  V.  1229  1.  he  statt  be  und  verwandle  das  Semikolon  nach 
eure  in  ein  Komma;  in  V.  1230  ergänze  with  vor  a  und  Komma 
hinter  mixtour.  V.  1232  hat  Seh.  demaner  in  dwalm  verwan- 
delt, das  aber  schwerlich  'delay'  bedeuten  kann.  Delay  wird  das 
richtige  Wort  sein,  denn  die  Assonanz  delay  (=  dein)  :  inbalme 
(—  inbam)  kann  bei  Kennedy  nicht  auffallen. 

CLXVII,  1234  1. 

Of  pat  hur  de  [for]  to  lowss  pe  lokis  sträng. 

Ib.  1237  1.  7 hat  hevinlie  hurde  syne  in  [his]  armis  he  thrang. 

Ib.  1238  f.  Be  come  doun  richer,  pan  quhen  he  up  ascendit, 
Be  all  pe  gold  pat  he  had  on  him  spendit. 

Be   gibt  keinen  Sinn,  man  lese  for  'trotz'.     Sch.s  Übersetzung: 
'By  as  much  as  all  the  gold  which  he  had  ever  before  spent  on 
himself  scheint  mir  alles  eher  als  überzeugend  zu  sein. 
CLXVHI,  1244  1. 

Bot  quhen  sehe  saw  pat  neuer  a  pari  wes  soun[d]. 


380  Kennedy-Studien. 

CLXX,   1254  1. 

His  bludy  corps  in[to]  hir  armis  scho  thrang. 

CLXXH,  1270  f. 

Thy  teth  is  haiv,  changit  cheik  and  chyne, 

Thy  toung  is  clwig,  pou  may  nocht  speik  nor  na. 

Statt  teth  1.  hew  'Farbe'  (ne.  hue);  vor  cheik  ergänze  baith;  na 
in  V.   1271    ist   wohl   =    eng,  'know\      Sch.s   teth   'temper,   dis- 
position'  kann  doch  nicht  'appearance,  face'  bedeuten! 
CLXXm,  1275. 

Jerusalem,  pou  ceiss  nocht  of  pi  syn. 
Ceiss    war    beizubehalten,    nicht   in    ceissis   zu   ändern,    das   den 
Vers  verdirbt. 

Ib.  1278  1.  Throu  all  joivry,  transgressouris  {for)  to  confound. 
Ib.  1280  1.  Thy  fals  laivis  [may]  nocht  reformit  be. 
Auch  micht  wäre  als  Ergänzung  möglich. 
CLXXIV,  1287  f.  1. 

Quhilk  gart  hir  murne  [here]  baith  in  ded  and  thocht, 
Bot  ressoun  this  [greif]  greife  offendit  nocht. 

him  in  V.  1287  gibt  keinen  Sinn;  ich  vermute,  dafs  him  (für 
hir)  durch  das  folgende  murne  entstanden  ist. 

CLXXV,  1290.     On   snppyne    ist   offenbar   nach   Analogie 
von  on  groiofe  (vgl.  V.  249)  gebildet. 
Ib.  '1291  f.  1. 

Off  his  marey  beseite  him  [pe]  to  bring 
Out  of  pis  warld  prolific  is  wip  pyne. 

Die  Ergänzung  von  ße  'dich'  in  V.  1291  ist  nötig,  weil  sonst  das 
Objekt  fehlt;  prolific  is  loip  in  V.  1292  habe  ich  statt  des  sinn- 
losen prolixit  pat  in  gesetzt  und  betrachte  die  letzte  Vershälfte 
als  Relativsatz. 

Ib.  1295.     With  cruell  ded,  je  thoch  he  did  no  myss. 
je  versteht  Seh.  nicht;   es  ist   offenbar  =  ne.  yea  'ja',   hier   als 
Verstärkungspartikel  gebraucht. 

CLXXVI,  1297  1. 

Thair  kingis  corps  spicit  [ful]  richely. 

Ib.  1299  ff. 

And  as  pe  vse  of  pat  into  jowry, 

Ihe  gret  lordis  and  men  of  dignite 

Off  preeius  spiee  to  mak  a  conspectioun. 

Seh.  bemerkt  nichts  zu  dieser  mir  unverständlichen  Stelle.  Die 
Quelle  hat:  ac  etiam  cum  aromatibus,  sicut  mos  Judaeis  est 
sepelire  s.  personas  venerabiles.  Nach  use  ist  jedenfalls  wes 
oder  is  statt  of  einzusetzen  und  pat  einfach  in  par  zu  ändern; 
ferner  möchte  ich  The  vor  gret  (V.  1300)  in  For  bessern,  end- 
lich conspectioun  V.  1301  in  confectioun. 
CLXXVn,  1306. 

Now  unwsit  with  ony  creatour. 


Kennedy-Studien.  381 

Nach  dem  Lat. :  in  quo  nondum  quisquam  po Situs  fuerat, 
ist  wohl  tll  vor  noiv  zu  ergänzen. 
CLXXIX,  1320. 

With  e  to  se  pat  corps  defit  all. 
defit  ist  =  me.  defeit  'marred,  disfigured',  vgl.  N.  E.  D.,  die  feh- 
lende Senkung  ist  leicht  herzustellen,  wenn  wir  [with-]all  schrei- 
ben.    Natürlich  gehört  defit  zu  corps. 

Ib.  1323.    That  pat  parting  of  ded  bure  neir  pe  braid. 
Der  Gen.  of  ded  'des  Todes'  hängt   ab    von  pe   braid  'Angriff, 
vgl.  pe  bitter  dedes  brayde   in  Hampoles  Prick  of  Consc.   1925 
(N.  E.  D.    unter  braid  1,1  b);   parting    ist    die   Trennung    vorn 
Leichnam. 

CLXXX,  1324  1. 

Off  his  keiping  Joseph  had  [rieht]  yret  eure, 

vgl.  rieht  yret  force  V.  1327. 

Ib.  1329.    Till  herb[e]ry,  for  hini  nerit  pe  nycht. 
Lies  paim  statt  liim,  da  ja  von  drei  Personen  die  Rede  ist. 

CLXXXI,  1332  f. 

He  estounit  with  gret  proplexite. 

The  sepultur  gart  tili  his  hert  propyne. 

Ergänze  wes  nach  He  V.  1332,  1.  perplexite  ib.  und  yret  pyne 
statt  propyne  V.  1333. 

CLXXXH,  1340.  Scho  braist  pe  graif  übersetzt  das  Lat. 
et  ipsum  (sc.  monumentum)  amplectitur. 

CLXXXin,  1345  f. 

In  hi[r]  closit  scho  brdssit  with  bdndis  twa, 
Thai[r]  ddis  ihre  scho  mdid  hir  inhdbitdnce. 

Statt  In  1.  And,  statt  inhabitance  des  Metrums  wegen  habi- 
tance;  closit  ist  dann  Objekt  zu  brassit  'verschlofs',  das  natür- 
lich nicht  reflexiv  sein  kann! 

Ib.  1347  1.  A  band  wes  dule  of  hir  [sweit]  sonis  wa, 
vgl.  dazu  V.  1428. 

Ib.  13491.  The  tothir  wes  profound[est]  confidance. 

Ib.  1350.     Thal  immortall  he  suld  rais  in  haist. 
Lies  aris  statt  rais  (oder  ergänze  him  vor  rais1?). 

CLXXXIV,  1357. 

Bot  Pe  ladyis  hir  causit  mak  resisting. 
Sinn  und  Metrum  verlangen  restiny. 

CLXXXVI,  1372. 

Than  did  pe  ßrst  tvithoutin  comparisound. 
Lies  wiihout  comparisoun. 
CLXXXVII,  1377  1. 

For  sickar  armes  pai  soncht  (in)  pe  sepulture. 
Das  armes  der  Hs.  ist  Unsinn,   1.  aimes   und   streiche  in.     Das 
Lat.  hat  abweichend:  illuc  primo  corpus  eins  inspiciunt. 


382  Kennedy-Studien. 

CLXXXVm,  1382. 

Throw  dispen[s]acioun  [of]  pe  Ood  superne. 
Ich  glaube,  dafs  pe  zu  streichen,  resp.  für  of  verschrieben  ist. 

Ib.  1385.     Into  pe  lymbe  pe  saulis  giffis  conf[orting], 
1.  saul,   vgl.  die  Quelle:    anima  vero  cum  sanctis   patribus    in 
limbo.     Das  Komma  hinter  conforting  ist  zu  streichen. 
CXC,  1396. 

Into  pe  lymbe  pe  saulis  giffis  lieht. 
Lies  saul  wie  in  V.  1385;  vor  licht  mag  vielleicht  hevinly  aus- 
gefallen  sein,   wenn   nicht   vor   saul   ein   Adjektiv   (blissit   nach 
V.  1407,  oder  haly,  immortalTj  fehlt. 

Ib.  1398  f.  Thairfor  pe  knychtis  but  dreid  sleippit  sone, 
For  his  body  sali  riss  in  na  corrupcioun. 

Im  ersten  Verse  stelle  ich  des  Metrums  wegen  um:  but  dreid 
pe  knychtis;  im  zweiten  ist  For  unverständlich  und  na  corrup- 
cioun zu  lang.  Statt  in  na  ist  vielleicht  but  zu  schreiben,  oder 
statt  na  corr.  einfach  perfectiounl 

CXCI,  1401  1. 

Moir  sueit  [is]  to  speik  of  my  Saluiour. 

Ib.  1403.     Thy  hurde  to  hid  to  skaill  I  tuke  na  eure. 
Statt  skaill  ist  wohl  skill  'reason'  zu  lesen. 

Ib.  1406  1.  Gtude  will  for  ded  ressaue,  (sueit)  Jesu,  my  Lord! 
sueit  überfüllt  den  Vers  und  ist  zu  streichen.    Vor  diesem  Verse 
(nach  recorde)  darf  natürlich  keine  stärkere  Interpunktion  stehen, 
da  V.  1406  der  Nachsatz  zu  Bot  sen  pou  wait  (V.  1404)  ist. 

CXCH,  1408  1. 

[Un]to  pe  fathiris  (quhilk)  in  the  lymbe  pat  lay. 
Statt  pat  lay  kann  nicht  did  lay  gesetzt  werden,  das  ja  'legten' 
bedeuten  würde;  vielmehr  ist  quhilk  zu  streichen. 

Ib.  1410  f.  And  of  pe  sonday  neir  eomyn  wes  pe  day. 
Than  be  pam  led  out  of  pe  lymbe  away. 

Für  sonday  möchte  ich  einfach  son  setzen;  be  in  V.  1411  ist 
offenbar  für  he  verdruckt. 

Ib.  1413.     His  nobill  Corps  to  ryiss  syne  bownit  [he]. 
Lies  raiss  (trans.)  wie  in  V.  1420. 
CXCHI,  1416  f. 

Quhilk  pe  Jowis  on  gude  friday  doun  thrang, 
The  cruell  ded  and  pane  of  his  passioun. 

Statt  The  in  V.  1417  mufs  Throu  stehen,  um  Sinn  in  die  Stelle 
zu  bekommen. 

CXCIV,  1422  f.  1. 

Ihis  nobill  knyeht  throw  his  a(n)gelite 

On  pasche  day  raiss,  and  (so)  o/  pe  graif  out  past. 

agelite  kommt  auch  in  V.  1565  und  1647  vor;   so  in  V.  1423 

überfüllt  den  Vers. 


Kennedy-Studien.  383 

CXCV,   1430  f.  1. 

[Till]  hir  Jhesu,  for  all  wo  füll  remeid, 
Come  etc. 

Bei  dieser  Ergänzung  und  Interpunktion  wird  Sch.s  Einschiebung 
von  panis  nach  wofull  überflüssig. 

Ib.  1433  1.  Sayand:  Raul!  haill!  [pou]  berar  of  the  hing. 

CXCVH,  1445. 

Boith  heid  and  feit,  his  body  and  his  face. 

Sch.  bessert  heid  in  handis;  näher  liegt  das  nördliche,  auch 
metrisch  passendere  hend  (=  aisl.  hendr). 

CXCVIII,  1448  1. 

Efter  this  [talk]  pan  schew  our  Saluiour. 

Ib.  1454  1.  To  confort  hir  thairfor  [now]  wald  I  go. 

CXCIX,  1457. 

Quhill  pat  he  tili  hir  apperit. 

Sch.  ergänzt  atte  last  vor  pat,  ich  möchte  es  nach  hir  ein- 
schieben. 

Ib.  1458.    Als  said  woman  to  greit:  Quhat  alis  the? 

Sch.  ergänzt  pis  vor  woman ;  nach  dem  Lat. :  et  dixit  Uli  Jesus : 
'Midier,  quid  plorasf  möchte  ich  bessern:  Als  said  to  greit: 
'Woman,  etc.,  wobei  keine  Zusätze  nötig  werden,  denn  tili  hir 
ist  leicht  aus  dem  vorhergehenden  Verse  zu  ergänzen. 

CC,  1464.  Scho  ansuerit:  Rabone. 
Sch.   ergänzt  (is   it  pef  gegen   die  Quelle   nach  Rabone.     Viel- 
leicht genügt,  na  ping  bot  hinter  ansuerit  einzufügen. 

CCI,  1474. 

Bot  him  to  nech  lie  forbad,  [and]  pretend. 

Besser:  forbad  he. 
CCIII,  1489  1. 

[Quham]  he  for  dred(our)  in  his  passioun  forsulce. 

CCIV,  1491. 

Him  for  to  seik  with  mynd  and  will  present. 

Da  das  Reimwort  in  V.  1493  ebenfalls  present  (Verbum)  ist 
und  hier  nicht  geändert  werden  kann,  möchte  ich  an  erster  Stelle 
feruent  vorschlagen. 

Ib.  1494  1.  (All)  Confort[and]  him  and  bad  him  be  deligent. 

CCV,  1497  1. 

[Un]to  Sanct  James  last  apperit  he. 

Ib.  15001.  Quhill  he  him  saw  agane  [a]riss  fra  ded. 

Ib.  1503.     Als  breid  he  put,  pat  his  brethir  mycht  eit. 
Statt  he  ist  wohl  be  zu  schreiben,  vgl.  das  vorhergehende  a  burd 
be  set.    Die  Quelle  liest:  'Ponite  mensam  et  panem!'   Zu  ändern 
ist  demnach  nichts  weiter,  trotz  Sch. 


384  Kennedy-Studien. 

CCVI,  1505. 

Off  his  discipillis  passand  on  pasche  day. 
Der  Zusammenhang  der  Stelle  verlangt:  Off  his  discipillis  [tioä] 
passit  ön  pasche  däy,  vgl.  die  Quelle:    Ipsa   autem  die  resur- 
rectionis  duo  ex  LXXII  discipiäis  eins  . .  .  ibant. 

Ib.  1509.     Quhilk  ar  pe  sarmonis  quhilk  je  at  per  speir. 
L.  aiper  st.  at  per,  vgl.  die  Quelle:  quos  confertis  ad  invicem. 

ccvn,  i5ii  i. 

[J.wd]  ane,  to  name  wes  callit  Cleophas. 

Ib.  1513.    Thir  cruell  dedis  quhilum  thir  dais  wes. 
L.  quhilk  on  st.  quhilum,   vgl.  die  Quelle:  quae  facta  sunt  in 
illa  his  diebus? 

Ib.  1516  1.  Als  tiruit  [wes]  tvith  mony  panis  feil. 
Seh.  ergänzt  ein  unmögliches  Mm  vor  with;   man    beachte,   dais 
he  (=  Jesus)  Subjekt  im  vorhergehenden  Verse  ist!  —  V.  1517 
1.  Israeli  statt  Iserall  (:  feil). 

CCVin,  1521. 

Als  rise  fra  dede,  syne  in  his  glore  enter? 
Wegen    des   Reimes   auf   me   und   prophaey   lies:    enter    in   his 
glory,   da  mit  der  Schreibung  entre   doch  noch  keine  Besserung 
erzielt  wird. 

CCIX,  1526. 

He  sonjeit  him,  or  he  wald  forthir  pas. 
Lies  fenjeit  und  as  (statt  or),  vgl.  die  Quelle:  finxit  se  longius 
ire.     Fenjeid  ist  =  ne.  feigned,  vgl.  V.  137. 

Ib.  1530.    Into  dispair,  quhairfor  with  him  thai  füre. 
Der  Sinn    verlangt   with  paim  he,   vgl.  die  Quelle:    tandem    in- 
travit  cum  Ulis. 

CCXI,  1541  f.  1. 

Into  pe  way  hoiv  [pat]  he  talkit  with  pame, 
Breikand  pe  breid,  syne  how  [pat]  pai  him  knew. 

Möglich  wäre  auch:  [and]  syne  how  pai. 

Ib.  1545.     Throu  dispositioun  of  Qod  omnipotent. 
Letzteres  überfüllt  den  Vers:  1.  potent. 

CCXII,  1548  1. 

Jhesus  come  [in]  and  in  pe  myddis  stude, 

vgl.  die  Quelle:  Jesus  intrans  ad  eos. 

Ib.  15491.  And  to  pame  said:  Peace  mot  [un]to  joiv  be! 

Ib.  1550.     Thai  presumyt  pat  a  spreit  bene  had  he. 
Ich  stelle  um:  a  spreit  pat  bene  had  he. 

CCXHI,  1559. 

Quhair  pat  pe  speir  schair  a  wound  deip  and  wid. 
Lies:  a  icound  schair. 


Kennedy-Studien.  385 

CCXIV,  1560  f. 

His  febill  hert,  quhilk  dreiv  him  in  dispair, 

In  mair  errour  Orist  wald  noeht  let  him  incress. 

htm  in  V.  1561  überfüllt  den  Vers   und  ist  auch   als  falsch   zu 
streichen,  weil  his  hert  Objekt  zu  incress  ist. 

Ib.  1566.    He  stude  in  ße  myddis  of  his  communite. 
Streiche  ße   und    of  nietri   causa   (vgl.  Mätzner  Wb.   unter  mid 
S.  553,  d). 

CCXV,  1569. 

His  saule  to  tyne  ßis  pietuous  Prince  had  reuth. 

tyne  (aisl.  tyna)  bedeutet  nicht  loose'  (sc.  'from  error'),   sondern 
'lose',  'verlieren'! 

CCXVI,  1577  1. 

That  our  Lord  wes  [irijto  his  sieht  present. 
Ib.  15791.  [Bot]  he  said:  Thomas,  blissit  mot  ßai  be. 

CCXVin,  1594  1. 

Bot  nane  of  ßame  him  perfhtlie  [ßar]  hiew. 

CCXIX,  1599. 

Thai  did  command,  fand  fische  aboitndandlie. 
Statt  command  ist  offenbar  obey  zu  setzen. 

Ib.  1601.     AU  kind  of  ereatour  in  hevin,  in  erd  and  see. 
in  hevin  überfüllt  den   Vers  und  ist  zu  streichen.     Oder  ist  All 
kind  zugesetzt? 

CCXX,  1602. 

Fra  Peter  saw  fra  Orist  cumin  ives  he. 
Das  zweite  fra   ist  wohl  durch  ßat   zu  ersetzen;   aber   was   be- 
deutet  die   zweite  Vershälfte?     Die   Quelle   hat:    Tunc   Petrus 
audito  quia  dominus  est.     Ist   etwa    our  lord   statt   cumin   zu 
lesen  ? 

Ib.  1603  1.  His  hevinly  grace  [so]  kindillit  his  fervour. 

CCXXI,  1610  f. 

Quhilk  his  seruandis  wisseis  into  stres, 
Than  all  ße  nycht  had  bene  at  ße  fisehing. 

Than  ist  offenbar  ein  Fehler  für  that  (relativum). 

CCXXII,  1618  1. 

And,  tili  male  [final]  end,  of  dais  fourtie, 
Vgl.  die  Quelle:  peregrinari  adhuc  per  dies  XL  voluit.     final 
habe  ich  metri  causa  nach  V.  1640  ergänzt,  of  hat  hier  natürlich 
zeitliche  Bedeutung. 

Ib.  1622  1.  How  ßai  vthir  myeht  eonserue  in{to)  ße  fay. 

CCXXIII,  1628  1. 

(To)  set  his  manheid  on  his  Faderis  ryeht  hand. 

CCXXV,  1643. 

Out  of  ße  mirknes  ße  man  to  gid  to  glore. 
Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  25 


386  Kennedy-Studien. 

Streiche  pe   vor  man;   vgl.  V.  1642,   wo   es   zweimal   ohne   Ar- 
tikel steht! 

CCXXVI,  1647.  agilite  ist  nicht  zu  ändern,  da  die  Quelle 
per  dotem  agilitatis  bietet. 

Ib.  1649  1.  And  pai  behaldand  {and)  sa  ascendit  on  hicht. 

CCXXVIII,  1663  f.  Seh.  behauptet,  diese  beiden  Reime 
(die  Angabe  'V.  1664 — 1666'  ist  wohl  ein  Versehen)  unterschieden 
sich  nicht  vom  vorhergehenden.  Aber  remane  :  agane  ist  doch 
von  ascensioun  genügend  verschieden! 

CCXXIX,  1665. 

The  tent  day  fra  his  ascensioun. 

Der  Vers  ist  zu  kurz;  man  lese  our  Lordis  statt  his,  vgl.  die 
Quelle:  Die  vero  deeima  ab  ascensione  domini. 

Ib.  1668  1.  Lik  to  pe  cumin[g]  of  ane  felloun  sehour, 
vgl.  das  Lat.:  tamquam  advenientis  Spiritus  i.  flatus  vehementis. 

Ib.  1669  f.  And  in  paim  remanit  in  pat  felloun  stowr, 
Quhair  pair  remanit  a  hundreth  and  twenty. 

Der  letzte  Vers  ist  ganz  in  Ordnung,  vgl.  die  Quelle:  ubi  erant 
sedentes  . . .  diseipuli  fere  CXX  .  . .  congregati,  aber  V.  1669, 
=  dem  lat.  Et  replevit  sonus  ille  vel  Spiritus  sanetus  totam 
domum,  ist  offenbar  sehr  verderbt  überliefert.  Zunächst  scheint 
felloun  eine  Wiederholung  aus  der  vorhergehenden  Zeile  zu  sein, 
remanit  aber  eine  Vorwegnahme  desselben  Wortes  der  folgenden 
Zeile.  Eine  sichere  Heilung  ist  unmöglich,  man  könnte  etwa 
bessern :  And  [all]  pat  [hous  gan  fill]  pat  [ferly]  stowr. 

CCXXX,  1673  1. 

Thair  cludy  mynd\is~\  with  fire  wer  to  attend. 
Ib.  1674.     Quhilk  dreid  of  dede  had  sa  pair  trublance  spend. 
Seh.   ändert  pair  in    ivith   und   spend  in   sperit  (:  apperit);  ich 
möchte  pair  beibehalten,  dafür  aber  quhilk  durch  for  'denn'  er- 
setzen und  spend  in  sterit  'stirred'  bessern. 

Ib.  1676  1.  Bot  fra  to  paim  pat  eon/ort  [down]  wes  send. 
CCXXXI,  1681  f. 

Quhilk  man  fra  ewill  to  God  turnit  sa  eleyne? 
Off  his  cumin,  and  he  haue  hap  to  tatst. 

Im  ersten  Verse  1.  ill  st.  ewill  und  1.  god  'gutes'  st.  God  'Gott'; 
im  zweiten  1.  cumin[g]  und  tilge  das  Komma  dahinter,  denn  der 
Satz  bedeutet:  'wenn  er  das  Glück  hat,  sein  Kommen  zu  schmecken'. 
Ib.  1684  1.  And  him  [to]  follow  in  gret  powerte. 

CCXXXn,  1687  ff. 

And  of  a  eowart,  quhilk  denyit  his  name 

He  garris  contempne  all  erdly  pane;  etc. 
Of  in  V.  1687,  das  gewifs  aus  dem  vorhergehenden  Verse  ein- 
gedrungen ist,   mufs  gestrichen  werden,   wie  V.  1689   zeigt;   um 


Kennedy-Studien.  387 

das  Metrum  herzustellen,  genügt  die  Einfügung  von  pe  vor  oder 
von  pat  nach  quhilk. 
CCXXXIH,  1694  1. 

Quhilk  is  so  [wise],  without  process  of  tyme. 
Letzterer   Zusatz   gehört   zu   aquent   to  be  V.   1693:    wenn    man 
gesündigt  hat,  ist  es  gut,  schnell  einen  Beichtvater  zu  finden. 

Ib.  1698  f.  And  his  gret  grace  in  sehort  tyme  to  retour 
The  lang  offenee  done  to  pi  Saluitour. 

Ich  möchte    Thron  this   statt  And   his   und  recour  (=  recover) 
schreiben.     Sonst  bleiben  mir  die  Verse  unverständlich. 

CCXXXIY,  1704  1. 

[J.wd]  als  he  mag,  male  satisfaetioun. 
Oder  ist  noch  ful  statt  mak  zu   setzen,   das   schon   in  V.  1703 
vorkommt? 

Ib.  1706.  And  be  with  me  unto  pe  warldis  end. 
with  me?    Mit  dem  Verfasser?    Es  mufs  doch  wohl  him  (=  his 
Maker)  heifsen. 

CCXXXV,  1708. 

0  Ooddis  Sone,  in  manheid  immortall! 
Der  Reim  auf  reabill  und  stabill  verlangt  immutabill  statt  im- 
mortall', denn  dafs  der  Sohn  Gottes  unsterblich  ist,  versteht  sich 
doch  von  selbst. 

Ib.  1712.    In  hevin  empire  pat  pai  pi  face  mag  se. 
Hevin  braucht  nicht  in  das  den  Vers  verderbende  hevinnis  ge- 
ändert zu  werden,  vgl.  V.  4. 

Kiel.  F.  Holthausen. 


25" 


Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

[Schlufs.] 


IV. 

Übereilt  und  aufgebauscht,  wenngleich  nicht  so  ungerecht- 
fertigt wie  die  Angriffe  auf  das  Verhalten  Dufetres  zu  seinen 
Pfarrern,  erscheint  auch,  was  Tillier  über  die  Zurücksetzung  des 
weltlichen  Unterrichts  durch  den  Bischof  in  dem  folgenden  Pam- 
phlet (Nr.  7.  8  der  ersten  Reihe)  ausführt.  Als  M&1"  Dufetre  in 
seine  neue  Diözese  einzog,  war  der  Kampf  der  französischen 
Bischöfe  gegen  das  Universitätsschulwesen  des  Staates  schon 
heftig  entbrannt.  Von  dem  neuen  Bischof  in  Nevers  aber  er- 
fahren wir, l  dafs  er  acht  Tage  nach  seiner  Ankunft  schon  dem 
College  der  Stadt  einen  feierlichen  Besuch  abstattete  und  ebenso 
bei  der  Preisverteilung  im  August  nicht  nur  zugegen  war,  son- 
dern in  seiner  Rede,  dem  vor  ihm  sprechenden  Deputierten 
des  Arrondissements  Manuel  zustimmend,  das  nationale  Schul- 
wesen rühmte.2  Und  er  tadelte  zugleich  streng  die  damals 
von  mehreren  geistlichen  Pamphletisten  gegen  die  Staatsschulen 
gerichteten  äufserst  heftigen  Angriffe,  denen  die  Mehrzahl  der 
Bischöfe  doch  eifrig  zustimmte.  Die  Regierung  war  denn  auch 
zunächst  wohl  zufrieden  mit  ihm;  das  ihm  eben  um  diese  Zeit 
verliehene  Kreuz  der  Ehrenlegion,  von  Tillier  in  seinem  nächsten 
Pamphlet3  ironisch  und  bitter  begrüfst,  sprach  das  für  jedermann 
deutlich  aus. 

Von  den  Besuchen  im  College  ist  bei  Tillier  nirgends  die 
Rede;  vielleicht  wollte  er  hiervon  nichts  wissen.    Aufserdem  aber 


1  'Echo  de  la  Nievre'  vom  1.  April.      2  Daselbst  29.  August. 
3  Une  croix  de  plus. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  389 

lag  ihm  ja  der  elementare  Volksunterricht  zunächst  am  Herzen, 
und  unter  den  Volksschulen  hatte  der  Bischof  die  Privatschule 
der  'freres  des  e*coles  chre*tiennes\  der  sogenannten  Ignorantins, 
bei  ihrer  Preisverteilung  im  August  nicht  nur  ausschliefslich 
durch  seinen  Besuch  ausgezeichnet,  sondern  auch  in  seiner  Rede, 
wie  Tillier  sie  auffafst,  die  Lehrer  der  weltlichen  Schulen  be- 
schimpft. Das  erregt  den  früheren  Schulmeister  zu  einer  hef- 
tigen Erwiderung,  in  der  er  die  ganz  unleugbaren  grofsen  Ver- 
dienste um  den  elementaren  Unterricht,  welche  die  christlichen 
Lehrbrüder  sich  schon  damals  in  Frankreich  erworben  hatten, 
spöttisch  herabsetzt.  Der  Widerwille  gegen  das  für  sein  Gefühl 
herausfordernde  Behaben  des  Bischofs  und  nicht  weniger  seine 
gegen  jede  religiöse  Schablone  rebellierenden,  man  könnte  in 
diesem  allgemeinen  Sinne  sagen :  protestantischen  Anschauungen 
machen  Tillier  blind  und  ungerecht  gegen  die  Erziehungsarbeit 
der  einstmaligen  geistlichen  Konkurrenten. 

Nur  einen  Augenblick  zu  Beginn  seiner  Schrift  läfst  er  der 
in  die  Kindheit  zurückgehenden  Erinnerung  Raum  —  an  den 
Augustmonat,  der  ihm  die  das  ganze  übrige  Jahr  hindurch  sehn- 
süchtig herbeigewünschte  Ferienfreiheit  brachte  — ,  dann  geht  er 
sofort  zum  Angriff  auf  Herrn  Dufetres  Rede  bei  diesem  Festakt. 
Dafs  der  Bischof  die  Verdienste  der  Lehrbrüder  herausstreicht, 
verdenkt  ihm  Tillier  nicht  so  sehr,  obwohl  ihm  das  Lob  über- 
trieben scheint;  die  Schule  der  Ignorantins  ist  eben  auch  die 
bischöfliche  Schule: 

il  est  bien  permis  ä  un  marchand  d Stoffes  de  pr^coniser  l'excellence 
de  son  stoff  ou  de  son  madapolam,  et  ä  un  epicier  d'exalter  son  huile 
ä  quinquet  ou  son  gruyere;  cependant,  la  concurrence  a  ses  droits  comme 
toute  autre  guerre.  II  ne  faut  point  denigrer  le  commerce  qui  contrarie 
le  nötre;  faites  votre  enseigne  aussi  brillante  que  vous  le  voudrez,  mais 
ne  couvrez  pas  de  boue  celle  de  votre  voisin:  cela  ne  sied  pas  ä  un  in- 
dustriel  bien  elevä,  surtout  quand  il  a  l'honneur  d'appartenir  ä  l'öglise. 

So  zu  verfahren  aber  hat  Herr  Dufetre  'die  Ehre  gehabt'. 
Er,  der  es  gewifs  recht  häfslich  fände,  wenn  man  ihn  Messen- 
verkäufer, Kerzenverkäufer,  Bücherverkäufer  nennte,  scheut  sich 
doch  nicht,  anzudeuten,  dafs  die  Laienschulmeister  Erziehungs- 
verkäufer wären:  sie  unterrichteten  nur,  um  Geld  zu  verdienen, 
die  Ignorantiner  aber  widmeten  sich  aus  reiner  Hingebung  der 
Jugenderziehung,  wie  Tillier  das  ironisch  ausführt: 


390  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

ils  ont  rompu  avec  toutes  les  jouissances  d'ici  bas;  ils  se  nourrissent 
de  legumes;  ils  n'ont  pour  vetement  qu'une  robe  de  bure:  voilä  pourquoi 
leur  enseignement  est  superieur  ä  celui  des  maitres  d'e"cole  laiques,  espece 
vorace  qui  se  nourrit  de  chair  et  qui  porte  des  redingotes. 

Diese  Vorzüge  ihrer  Toilette  und  ihrer  Ernährung  leugnet 
Tillier  nicht,  lieber  aber  hätte  er  von  Herrn  Dufetre  versichern 
hören,  dafs  sie  eine  gründlichere  Kenntnis  der  Grammatik  be- 
säfsen,  zumal  sie  sich  keiner  staatlichen  Prüfung  zu  unterziehen 
brauchten.  Man  sieht  nicht,  mit  welchem  Recht  er  das  behauptet. 
Gesetzlich  waren  seit  1831  die  geistlichen  Elementarlehrer  an 
dieselben  Prüflingsbedingungen  gebunden  wie  ihre  weltlichen  Kol- 
legen; möglich,  dafs  die  Vorschrift  nicht  überall  streng  befolgt 
wurde.  Vor  allem  aber  wendet  sich  Tillier  wieder  heftig  gegen 
den  Vorwurf  der  Lohnarbeit;  da  auch  er  einst  Laienschulmeister 
war,  so  will  er  im  Namen  seiner  früheren  Kollegen  Herrn  Du- 
fetre hierüber  ein  Wort  ins  Ohr  sagen. 

Gewifs  unterrichten  die  Laienlehrer  für  Geld;  aber  welche 
Profession  vermöchte  der  Bischof  in  der  Gesellschaft  aufzufinden, 
die  nicht  für  Geld  arbeitet? 

Tout  l'inconvenient  qu'il  y  a,  c'est  que  certains  gagnent  dix  mille 
francs  par  an,  avec  une  indemnite  de  route  de  deux  mille  francs,  ä  se 
prelasser  dans  un  choeur,  tandis  que  d'autres  retirent  ä  peine  quelques 
livres  de  pain  noir  du  travail  de  toute  leur  journee;  mais,  assurement,  ce 
ne  sont  pas  les  maitres  d'ecole  qui  s'engraissent  de  la  portion  des  autres. 

Tillier  bleibt  also  bei  seiner  Ansicht,  dafs,  weil  man  eine 
Arbeit  für  Geld  tut,  das  durchaus  kein  Grund  ist,  sie  schlecht 
zu  tun.  Auch  der  Himmel  bezahlt  ja  die  Menschen  mit  ewigen 
Glückseligkeiten,  um  gute  Werke  von  ihnen  zu  erlangen.  Was 
nur  um  Gottes  willen  getan  wird,  wird  meistens  ziemlich  schlecht 
getan ;  und  Tillier  erzählt  die  auch  bei  uns  aus  Hebels  Schatz- 
kästlein allgemein  bekannte  Geschichte,  wie  ein  Kapuziner  einmal 
um  Gottes  willen  rasiert  wurde. 

Aber  auch  die  Ignorantiner  arbeiten  ja  gar  nicht  um  Gottes 
willen.  Sie  erhalten  600  fr.  pro  Dreispitz,  sie  haben  Wohnung 
und  Wohnungseinrichtung  umsonst,  leben  gemeinsam  wie  die 
Ameisen  und  die  Soldaten,  und  ihre  Uniform,  wenn  sie  ihnen 
nicht  geschenkt  wird,  kostet  jedenfalls  nicht  viel.  Sechs  solcher 
zusammenwohnender  Brüder  haben  also  3600  fr.  für  ihren  ge- 
meinsamen   Kochtopf,    das    ist    das    Gehalt    eines   gewöhnlichen 


Claude  Tillier  als  Pamphletist,  391 

Unterpräfekten  für  sich  und  seinen  ganzen  Hausstand.  Wie  ver- 
schieden ist  die  Lage  der  für  Geld  arbeitenden  weltlichen  Schul- 
meister!    Tillier  spricht  davon,  als  gehörte  er  noch  zu  ihnen. 

Nous  avons  beau  nous  faire  sonneurs  de  cloches,  pr£coniseurs,  tam- 
bours  de  la  garde  nationale,  beau  vendre  du  tresson  et  des  lacets,  sur 
dix  d'entre  nous  il  n'y  en  pas  un  qui  puisse  Clever  son  revenu  jusqu'ä 
six  cents  francs;  et  pourtant  chacun  de  nous  a  une  femme,  un  marmot, 
deux  marinots,  trois  marmots  et  davantage  encore,  car  la  misere  est  tres 
prolifique.  . . .  Votre  Ignorantin  est  tranquille  et  repu  dans  son  petit 
monastere,  comme  l'dtait  le  rat  de  La  Fontaine  dans  son  fromage  de  Hol- 
lande; personne  ne  vient  l'y  tourmenter,  et  s'il  n'y  engraisse,  il  faut 
qu'il  y  mette  une  mauvaise  volonte  bien  decidöe.  Mais  pour  nous,  ces 
läches  et  ignobles  oppressions  qui  foulent  toute  position  subalterne,  vien- 
nent  encore  s'ajouter  aux  mille  privations  de  l'indigence.  La  faira  n'est 
pas  notre  plus  cruel  ennemi :  nous  sommes  les  souffre-douleurs  de  la  com- 
mune; le  maire  du  village  nous  vexe  d'une  facon,  le  conseil  municipal 
nous  vexe  de  l'autre,  les  parents  de  nos  marmots  nous  vexent  chacun  ä 
la  sienne;  le  eure  de  son  cöte"  qui  n'aime  guere  l'universite  et  qui  aime 
beaueoup  les  je"suites,  se  fait  presque  un  cas  de  conscience  de  nous  perse*- 

cuter  autant  que  cela  lui  est  possible.  . . .  Voilä  quelle  est  notre  position 

Et  encore  ce  pain  si  dur  que  nous  mangeons  et  que,  pour  broyer,  il  nous 
faut  des  dents  de  fer,  vous  avez  l'air  de  nous  le  reprocher;  mais  vous 
voulez  donc  que,  comme  les  betes  fauves,  nous  vivions  de  l'herbe  qui 
croit  le  long  des  chemins,  ou,  comme  les  oiseaux,  des  fruits  sauvages  que 
les  buissons  fönt  eclore! 

Immer  mehr  ereifert  er  sich;  er  gibt  die  Schilderung,  die 
wir  kennen,  von  der  unablässig  angespannten,  aufreibenden  Tätig- 
keit des  Kommunal-Schulmeisters,  der  in  seiner  übervollen  Klasse 
den  wechselseitigen  Unterricht  leitet;1  er  wagt,  die  Mühe  und 
den  öffentlichen  Nutzen  eines  solchen  Lehrers  über  die  Arbeit 
eines  Bischofs  zu  stellen. 

Mit  dieser  öffentlichen  Herabsetzung  der  weltlichen  Lehrer 
hat  sich  aber  Mß?  Dufetre  nicht  begnügt;  in  seiner  Rede  hat  er 
aufserdem  noch  den  Schülern  der  geistlichen  Schulen  angekün- 
digt, dafs  jeden  Sonntag  eine  Messe  allein  für  sie  gelesen  werden 
solle,  und  dafs  alljährlich  am  Sankt-Niklastag  er  selber  für  sie 
die  Messe  lesen  und  ihr  Gast  sein  werde.  Sicherlich,  sagt  Tillier 
bitter,  wenn  die  Ignorantiner  künftig  in  ihren  Prospekten  diesen 
doppelten  Vorzug  vor  den  Kommunalschulen  nicht  erwähnen,  so 


1  Archiv  Bd.  CVIII,  S.  101  ff. 


392  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

halte  ich  sie  für  die  uneigennützigsten  Menschen  auf  Gottes  Erd- 
boden. Und  heftig  greift  er  den  Bischof  wegen  dieser  unge- 
rechten Zurücksetzung  der  die  weltlichen  Schulen  besuchenden 
Kinder  an. 

M.  Dufetre  abuse  de  ses  fonctions.  S'il  peut  dire  aujourd'hui:  'Les 
eleves  des  6coles  chrötiennes  seront  seuls  admis  ä  teile  Instruction  reli- 
gieuse',  qui  l'emp&chera  de  dire  demain:  'Les  enfants  des  6coles  chretiennes 
seront  seuls  admis  au  sacrement  de  la  confirmation?' 

Dies  nun  war  nicht  nur  eine  phantastische  Übertreibung 
Claude  Tilliers.  Wirklich  hatte  unlängst  der  Abbe*  Combalot  in 
seinem  heftigen  Pamphlet  gegen  das  Monopol  des  Universitäts- 
unterrichts den  Kirchenoberen  zugerufen:  'Verbietet  den  Prie- 
stern eurer  Sprengel,  die  Kinder,  die  das  Monopol  noch  in  sei- 
nem Schofse  zurückzuhalten  versucht,  zur  Konfirmation  und  zum 
Abendmahl  zuzulassen/  Tillier  spricht  über  das  ganze  Verfahren 
des  Bischofs,  der  ebenso  auch  die  Lehrschwestern  vor  den  welt- 
lichen Lehrerinnen  durch  seinen  Besuch  ausgezeichnet  hatte,  ernst- 
haft das  Urteil  mit  den  Worten:  Wenn  diese  Handlungsweise 
des  Herrn  Dufetre  auch  nicht  ungesetzlich  sein  mag,  so  ist  sie 
doch  nicht  gerecht:  die  Gerechtigkeit  aber,  scheint  mir,  sollte  die 
Legalität  der  Bischöfe  sein. 

Könnte  man  nun  aber  Herrn  Dufetre  wenigstens  damit  ent- 
schuldigen, dafs,  wie  behauptet  wird,  der  Unterricht  der  'christ- 
lichen' Schulen  in  Nevers  wirklich  besser  sei  als  der  der  Kom- 
munalschulen? Tillier  scheint  das  nicht  gänzlich  abweisen  zu 
wollen;  wenigstens  haben  auch  nach  seiner  Meinung  die  Brüder 
die  bessere  Lehrmethode,  die  des  Simultanunterrichts.  Die  Streit- 
frage, ob  die  1815  aus  England  nach  Frankreich  herüber- 
gebrachte Lancastersche  Methode  des  wechselseitigen  Unterrichts 
dem  alten  Simultanunterricht  vorzuziehen  sei  oder  nicht,  war  in 
Frankreich  unter  der  Restauration  und  auch  noch  in  den  ersten 
Jahren  nach  1830  fast  eine  politische  Parteifrage.  Weil  der  Papa- 
geienunterricht der  wechselseitigen  Methode  besonders  für  die 
Religionslehre  unzulänglich  war,  hatten  die  'Brüder  der  christlichen 
Schulen'  an  der  von  Delasalle,  dem  Stifter  ihrer  Kongregation, 
im  18.  Jahrhundert  eingeführten  Simultanschule  festgehalten.  Seit- 
dem galt  die  wechselseitige  Schule  für  die  liberale  Form  des 
elementaren    Unterrichts.     In   dieser  Anschauung  ist  Tillier,   der 


Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

selber  beide  Methoden  praktisch  erprobt  hatte,  nicht  mehr  be- 
fangen. Er  rät  der  Gemeinde  Nevers  ernstlich,  statt  der  bis- 
herigen zwei  Lehrer  für  ihre  400  Elementarschüler  vier  anzu- 
stellen und  dann  Simultanschulen  einzurichten. 

Andererseits  greift  er  nun  doch  gerade  den  Religionsunter- 
richt der  Brüder  an,  um  dessentwillen  sie  bei  ihrer  überlieferten 
Methode  geblieben  waren. 

Les  pretres  disent  et  de  bonnes  dames  croient  que  l'education  fournie 
par  les  Ignorantins  est  eminemment  religieuse.  Entendons-nous,  s'il  vous 
plait:  il  y  a  deux  religions,  l'uue  qui  agrandit  et  eleve  l'äme  vers  le  ciel 
par  l'amour  des  hommes,  l'autre  qui  l'opprime  par  la  crainte  de  Dien,  et 
la  tient  meurtrie  contre  terre.  La  premiere  est  la  religion  de  l'Evangile, 
l'autre  est  cette  religion  qui  se  prelasse  dans  nos  eglises,  toute  chamarr£e 
de  broderies,  et  qui  se  celebre  ä  grand  renfort  de  plain-chant  et  de  cierges. 
C'est,  en  un  mot,  la  religion  du  pretre. 

Der  Ignorantiner  aber  ist  ganz  und  gar  Untergebener  der 
Priester:  'er  ist  das  Werkzeug,  das  den  Mörtel  anrührt,  womit 
die  Priester  das  Gebäude  ihrer  Macht  aufrichten  wollen*.  Es  ist 
ein  rein  mechanischer,  äufserlicher,  man  könnte  sagen  nur  körper- 
licher Gottesdienst,  den  sie  nach  Tilliers  Meinung  ihren  Schü- 
lern andressieren;  'die  Sache  so  angesehen,  wäre  auch  Ver-Vert, 
unser  verstorbener  Landsmann  (Gressets  Papagei  im  Kloster  der 
Visitandinerinnen  in  Nevers),  ein  Christ'.  Diese  Marionetten- 
frömmigkeit, wie  er  sie  weiterhin  noch  nennt,  und  deren  Prak- 
tiker er,  wie  Carlyle,  mit  einem  Automaten  von  menschlicher 
Gestalt  vergleicht,  der  die  Augen  dreht,  die  Lippen  bewegt  und 
sich  vor  dem  Beschauer  verneigt,  ist  für  Tillier  der  Baum  ohne 
Frucht,  den  Jesus  auf  seinem  Wege  fand  und  abzuhauen  be- 
fohlen hat. 

Je  suis  bien  sür  qu'il  fait  plus  de  cas  de  la  marmite  d'airain  oft 
une  pauvre  femme  prepare  la  soupe,  que  de  votre  encensoir.  Pensez-vous 
donc  que  ce  soit  pour  lui  qu'il  a  fait  la  religion? 

Und  hier  gibt  uns  Tillier  nun  sein  eigenes  religiös-moralisches 
Glaubensbekenntnis : 

Cette  religion,  c'est  pour  les  hommes,  pour  les  hommes  seuls  qu'il 
l'a  faite;  c'est  un  code  de  morale  6crit  de  sa  main  et  signe"  de  son  nom 
qu'il  a  fait  tomber  des  cieux  sur  la  terre:  il  sait  l'argile  dont  il  nous  a 
faits  et  de  quelles  feroces  passions  le  levain  fermente  dans  nos  cceurs.  II  a 
voulu  nous  imposer  l'obligation  de  nous  rendre  heureux  les  uns  les  autres 


394  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

en  accomplissant  les  pröceptes  de  la  loi.  S'il  a  mis  ces  pre*ceptes  sous  la 
protection  d'un  culte,  s'il  a  ordonne*  qu'on  lui  dressät  des  autels,  c'est  que 
son  nom,  bien  qu'il  soit  ecrit  en  caracteres  £clatants  sur  la  surface  de  la 
terre  et  ä  la  voüte  du  firmament,  n'est  pas  lisible  pour  tous;  il  n'a  pas 
voulu  qu'il  s'effacät  de  la  memoire  des  hommes  sous  le  frottement  insen- 
sible des  siecles;  il  a  institue"  certaines  c£r6monies,  pour  nous  rappeler 
sans  cesse  dans  les  cieux  un  Dieu  qui  nous  röcompenserait  selon  le  bien 
que  nous  aurions  fait  ä  nos  freres,  ou  nous  punirait  selon  le  mal  que  nous 
leur  aurions  inflige";  mais  ces  c6r£monies  ne  sont  presque  que  des  choses 
de  forme :  c'est  Pöcorce  de  la  religion ;  c'est  la  boite  oü,  pour  le  conserver, 
il  a  mis  son  Evangile.  Vous,  maladroits  eleveurs  d'enfants,  qui  vous 
croyez  bien  avant  dans  ses  bonnes  gräces  parce  que  vous  lui  avez  fait  de 
ces  chr^tiens  qui  ne  sont  bons  qu'ä  psalmodier  son  nom  dans  une  eglise, 
pieux  faineants  qui  ont  des  callosit£s  aux  genoux  au  lieu  de  les  avoir 
aux  mains,  vous  vous  trompez  grossierement,  il  ne  vous  en  sait  pas  plus 
de  gre"  que  si  vous  lui  aviez  fait  un  lutrin  ou  un  serpent:  ce  qu'il  aime, 
ce  sont  ces  chr^tiens  d'action  qui  l'honorent  en  faisant  chaque  jour  un 
peu  de  bien  ä  leurs  semblables,  et  le  prient  en  accomplissant  rigoureuse- 
ment  tous  leurs  droits;  ces  chr6tiens-lä  ne  sont  peut-etre  que  d'honnetes 
gens,  mais  bien  certainement  ils  auront  une  bonne  place  en  paradis.  Dieu 
n'a  rien  promis  ä  ceux  qui  exöcuteraient  minutieusement  les  pratiques  de 
son  culte,  et  il  a  promis  le  ciel  ä  celui  qui  donnerait  un  verre  d'eau  en 
son  nom. 

Gesunder  Verstand  und  praktische  Erfahrung  könnte  den 
Ignorantinern  sagen,  dafs  ihre  religiöse  Erziehung,  die  der  mittel- 
alterlichen Bildung  angemessen  war,  in  den  Tagen  nach  Voltaire 
nicht  mehr  zeitgemäfs  ist.  Ihre  Zöglinge,  die  von  den  Eltern 
oft  genug  nur  aus  einem  angewöhnten  religiösen  Schlendrian  in 
die  christlichen  Schulen  geschickt  werden,  erscheinen  in  der  heu- 
tigen Gesellschaft  lächerlich  oder  büfsen,  in  einem  begreiflichen 
Rückschlag,  den  ihnen  in  der  Jugend  angetanen  widernatürlichen 
Zwang  später  durch  ebenso  unnatürliche  Ausschweifungen. 

So  willkürlich  und  einseitig  diese  Darstellung  Tilliers  ist,  sie 
geht  deutlich  aus  eigener  tiefer  Überzeugung  hervor.  Die  fol- 
genden, für  den  Menschen  und  den  Dichter  charakteristischen 
Betrachtungen  lassen  daran  nicht  zweifeln. 

S'il  m'^tait  permis  d'avoir  une  opinion  sur  cette  matiere,  je  dirais 
qu'en  general  les  instituteurs  sont  trop  presses  d'inculquer  des  ide"es  reli- 
gieuses  ä  leurs  eleves ;  il  semble  qu'ils  aient  peur  que  le  diable  ne  vienne 
les  leur  prendre  entre  les  mains.  La  religion,  selon  moi,  n'est  pas  un 
joujou  qui  convienne  ä  l'enfance;  ses  sombres  ve"rit£s  qui  ont  fait  £clater 
tant  de  forts  cerveaux  d'hommes  ne  peuvent  tenir  dans  une  tete  de  dix 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  395 

ans:  qui  veut  les  y  faire  entrer,  ressemble  ä  un  homme  qui  s'aviserait 
de  planter  un  ebene  dans  un  pot  ä  fleurs.  *  . . .  Pour  moi,  si  j'6tais  ehargö 
d'elever  un  enfant,  au  lieu  de  lui  faire  craindre  Dieu,  je  chercherais  ä  le 
lui  faire  aimer,  et  cela  ne  me  semble  pas  bien  difficile.  Je  l'emmenerais 
dans  la  campagne  par  une  pale  journee  d'automne,  alors  que  le  regard 
du  soleil  est  doux  comme  celui  que  jette  une  mere  ä  son  enfant,  et  je  lui 
dirais:  Ces  fruits  qui  pendeut  aux  arbres  et  qui  sont  pleins  d'un  suc  si 
doux,  ces  belies  fleurs  dont  la  prairie  est  brode'e,  ces  papillous  qui  vont 
flottaut  dans  les  airs  comme  un  morceau  de  soie  empörte"  par  le  vent  et 
semblent  vouloir  jouer  avec  vous,  c'est  pour  vous  que  Dieu  votre  pere  a 
fait  tout  cela  . . .  En  behänge  des  biens  qu'il  vous  envoie,  il  ne  vous  de- 
mande  qu'une  chose:  c'est  que  vous  l'aimiez  de  tout  votre  cceur  et  que 
vous  aimiez  de  meme  les  hommes  qui  sont  vos  freres.  L'observation  de 
ce  grand  prdeepte  moral  qui  renferme  tous  les  autres  et  que  l'auteur  de 
l'Evangile  seul  a  trouve\  ne  peut-elle  suffire  pour  les  rendre  agr£ables 
ä  Dieu  ?  ...  Ce  Dieu  qui  est  leur  pere,  ce  Dieu  qui  aimait,  lorsqu'il  6tait 
sur  terre,  ä  s'entourer  de  leurs  faces  souriantes  et  rebondies,  trouve  tres 
mal,  assurement,  qu'on  les  torture  en  son  nom  et  pour  l'amour  de  lui;  il 
aime  mieux  les  voir  jouant  et  courant  qu'attaches  par  les  genoux  aux 
dures  pierres  d'une  cath^drale.  Quand  vous  le  croyez  oecupe"  ä  regarder 
deux  arm£es  qui  se  beurtent  sur  un  champ  de  bataille,  il  contemple  du 
haut  de  son  tröne  des  enfants  qui  se  roulent  dans  l'herbe. 

Tillier  ist  darum  nicht  der  Meinung,  die  der  Bischof  in  seiner 
Rede  bei  der  Preisverteilung  im  College  ausgesprochen  hatte, 
dafs  die  christliche  Religion  die  Basis  jeder  moralischen  Erziehung 
sein  müsse: 

Selon  moi,  les  instituteurs  commencent  par  la  fin.  La  religion,  au 
lieu  d'etre  la  base  de  toute  öducation,  devrait  en  etre  le  complement, 
comme  la  croix  est  le  complement  d'une  eglise. 

Und  so  ist  er  weit  entfernt  von  irgend  welcher  Feindschaft 
gegen  die  echte,  evangelische  Lehre  des  Christentums: 

bien  loin  de  l'attaquer  moi-meme,  je  regarderais  comme  un  mauvais 
citoyen  celui  qui  tächerait  d'en  d^tourner  le  peuple.  A  cette  societe"  si 
miserable,  mendiante  qui  se  croit  riche  parce  qu'elle  a  de  loin  en  loin 
quelques  perles  cousues  ä  ses  haillons,  il  faut  les  croyances  consolantes 
du  christianisme.  Tous  ces  philosophes  de  journaux  et  d'aeademie,  qui 
travaillent,  avec  tant  de  bruit  et  si  peu  de  besogne,  ä  soulager  la  misere 
du  peuple,  ont-ils  trouve"  encore  quelque  chose  qui  vaille  les  paroles  de 
l'Evangile:  Heureux  ceux  qui  souffrent,  parce  que  le  royaume  des  cieux 
leur  appartient? 


1  Vgl.    die   Betrachtungen    Gottfried    Kellers:    Der   Grüne   Heinrich, 
Band  2,  Kap.  11. 


396  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

Das  Christentum  ist  keine  Altweiberreligion,  kein  leeres 
Glocken-  und  Kirchenliedergeklinge,  kein  unfruchtbarer  Weih- 
rauchnebel, der  in  den  Wolken  des  Himmels  sich  verliert,  es  ist 
im  Gegenteil  eine  Religion  für  Männer,  Bürger,  Philosophen. 
In  einem  anderen  Pamphlete  noch,  das  eine  Unterredung  des 
heiligen  Claudius  mit  dem  lieben  Gott  schildert1  und  zunächst 
wieder  die  Entartung  des  katholischen  Kultus  angreift,  berührt 
Tillier  in  der  Tat  die  wichtigsten  religionsphilosophischen  Pro- 
bleme: die  Wirksamkeit  des  Gebetes,  den  freien  Willen,  den 
Zufall.  Hier,  in  dem  Pamphlet  gegen  die  christlichen  Schulen, 
führt  er  schliefslich  noch  aus,  wie  grofs  die  politische  Bedeutung 
ist,  die  dem  Christentum  zukommt:  von  dieser  Seite  angesehen, 
strahlt  es  am  hellsten. 

Qu'est-ce  que  nos  chartes,  en  comparaison  de  l'Evangile?  nous  les 
öcrivons  sur  parchemin  avee  une  plume  tremp£e  dans  notre  sang,  et,  le 
lendemain,  passe,  avec  son  armee,  un  roi  qui  les  d^chire:  mais  l'Evangile, 
cette  magnifique  declaration  des  droits  de  l'homme,  est  6ternel ;  sa  couverture 
de  fer  est  ä  l'6preuve  du  boulet  et  de  la  bombe;  les  conquerants  auraieut 
plus* tot  fait  de  raser  toutes  les  capitales  du  monde  que  d'en  retrancber 
une  syllabe!  L'Evangile,  c'est  l'oppression  interdite  aux  rois;  c'est  la 
liberte"  assur6e  aux  peuples  comme  un  droit  et  imposee  comme  un  devoir. 
J^sus-Christ,  dans  ce  divin  livre,  nous  recommande  de  nous  aimer  les  uns 
les  autres;  il  y  proclame  encore  qu'il  est  notre  pere  et  que  nous  sommes 
tous  freres;  or,  parmi  les  freres,  y-a-t-il  des  maitres  et  des  esclaves? 

Diese  Religion  haben  die  Priester,  verräterisch  mit  den 
Königen  paktierend,  freilich  verfälscht;  sie  mufs  zurückkehren 
zu  dem  Geiste,  von  dem  sie  anfangs  erfüllt  war.  Nicht  im  min- 
desten glaubt  Tillier  die  Rede,  dafs  das  Christentum  nunmehr 
seine  Zeit  gehabt  habe;  sie  hat  im  Gegenteil  kaum  begonnen. 
Bisher  sind  noch  alle  Revolutionen  vergeblich  gewesen: 

Appelons-en  ä  une  puissance  plus  forte  que  celle  des  hommes  . . . 
prenons  Jesus-Christ  pour  chef  ...  La  r£forme  dlectorale  est  dans  l'Evan- 
gile bien  plus  encore  que  dans  la  charte.  Tous  les  hommes  sont  freres, 
donc  ils  sont  6*gaux  entre  eux;  n'est-ce  pas  la  le  principe  de  toute  legis- 
lation  ? 

Mit  diesem  lebhaften  Bekenntnis  seines  politischen  Christus- 
glaubens,  dem   Lamennais   deutlich   seinen   Stempel   aufgedrückt 


1  Un  quart  d'heure  de  conversation  entre  mon  saint  patron  et  le  bon 
Dieu.     Das  letzte  der  ersten  Reihe. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  397 

hat,  schliefst  das  Pamphlet  gegen  die  christlichen  Elementarschulen 
in  Nevers  und  ihren  Protektor,  den  Bischof. 

Mit  dem  höheren  Schulunterricht  (der  Instruction  secondaire') 
beschäftigt  sich  das  Pamphlet,  welches  den  Titel  trägt:  Von  den 
Jesuiten.  Die  Jesuiten  spielten  seit  lange  eine  wichtige  Rolle 
im  höheren  französischen  Schulunterricht.  Unter  der  Restauration 
war  ihre  Kongregation,  obwohl  vom  Gesetz  verboten,  bald  wieder 
zu  mächtigem  Einflufs  herangewachsen,  und  in  den  'kleinen  Semi- 
narieir'  waren  sie  als  Leiter  und  Lehrer  erfolgreich  tätig.  Diese 
geistlichen  Gymnasien  hätten,  ihrer  eigentlichen  und  ursprüng- 
lichen Bestimmung  zufolge,  nur  Vorbereitungsschulen  für  zukünf- 
tige Priester  sein  sollen;  aber  sie  nahmen  daneben  Laienschüler 
in  solcher  Menge  auf,  dafs  ihre  Konkurrenz  den  weltlichen  An- 
stalten gleicher  Gattung  empfindlich  zu  werden  begann.  Ihre  Leiter 
verlangten  von  den  Eltern  der  aufzunehmenden  Schüler  nichts 
als  das  Versprechen,  die  Söhne  in  den  geistlichen  Stand  ein- 
treten zu  lassen,  wenn  Gott  sie  dazu  'beruf en'  habe;  durch  kirch- 
liche Sammlungen,  durch  Schenkungen  und  Vermächtnisse  ständig 
bereichert,  konnten  diese  klerikalen  Anstalten  ihren  Zöglingen 
Lehre  und  auch  noch  Unterhalt  unentgeltlich  geben,  während  die 
weltlichen  Anstalten  ihren  Unterricht  sich  teuer  bezahlen  liefsen. 
Dabei  war  seit  1814  Anstellung  der  Lehrer,  Aufsicht  des  Unter- 
richts allein  den  Bischöfen  überlassen.  Solche  Zustände  führten 
noch  unter  Karl  X.  und  unter  einem  Unterrichtsminister,  der 
selbst  dem  Episkopat  angehörte,  zu  dem  Rückschlag  durch  die 
Ordonnanzen  von  1828.  Die  geistlichen  Sekundäranstalten  wurden 
wieder  in  die  Schranken  ihrer  eigentlichen  Bestimmung  zurück- 
gewiesen; zugleich  versuchte  man  die  Jesuiten  daraus  zu  ver- 
drängen, indem  man  fortan  von  allen  Lehrern  und  Beamten 
dieser  Schulen  die  eidliche  Versicherung  verlangte,  dafs  sie  keiner 
verbotenen  geistlichen  Kongregation  angehörten.  Nun  brachte 
allerdings  die  neue  Charte  der  Julirevolution  in  ihrem  69.  Artikel 
auch  das  Versprechen  der  Lehrfreiheit  und  der  Neuordnung  des 
öffentlichen  Unterrichts;  aber  in  den  ersten  Jahren  nach  1830 
ging  die  Stimmung  in  weiten  Kreisen  des  Volkes  so  stark  gegen 
den  Klerus,  dafs  der  Episkopat  zunächst  gar  nicht  an  die  Mög- 
lichkeit dachte,  mit  diesem  Verfassungsversprechen  gegen  die 
Ordonnanzen    von    1828    anzukämpfen.     Selbst    im    März    1837 


398  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

noch  blieb  er  ruhiger  Zuschauer,  als  in  der  zwölftägigen  Kammer- 
debatte des  Guizotschen  Gesetzentwurfs  über  den  Sekundär- 
unterricht auch  die  Frage  der  geistlichen  Schulen  eingehend  er- 
örtert wurde  und  ein  von  der  Kammer  angenommener  Antrag 
Vatout  die  gegen  die  Jesuiten  gerichtete  Klausel  der  Ordon- 
nanzen von  1828  auf  alle  Leiter  freier  Lehranstalten  ausdehnen 
wollte. 

Die  Regierung  aber  und  mit  ihr  viele  Kammermitglieder 
hielten  dergleichen  Abwehrmafsregeln  gar  nicht  für  nötig;  sie 
fürchteten  die  geistliche  Macht  nicht  mehr.  Und  doch  war  seit 
1835  etwa  —  seit  der  Abbe"  Lacordaire  unter  ungeheurer,  an- 
fangs mehr  neugieriger  Teilnahme  besonders  der  gebildeten  Jugend 
seine  Fastenpredigten  in  der  Notre-  Dame  -Kirche  begann  und 
sein  Kampfgenosse,  der  junge  Graf  Montalembert,  in  die  Pairs- 
kammer  eintrat  —  der  religiöse  und  politische  Einflufs  des  Klerus 
schon  wieder  im  Steigen.  1837  wurde  Lacordaire  durch  den 
Abbe"  de  Ravignan  abgelöst,  einen  Jesuiten,  dessen  menschlich 
reine,  von  wahrer  Frömmigkeit  und  christlicher  Hingabe  erfüllte 
Persönlichkeit  mit  weicherer,  aber  ebenso  mächtiger  Beredsamkeit 
den  schon  auf  Tausende  sich  belaufenden  Zuhörerkreis  festhielt. 
Die  Regierung  beharrte  in  ihrer  wohlwollenden  Haltung.  Sie 
liefs  unter  den  Unterrichtsministern  Villemain  und  Cousin  frei- 
gewordene Bischofsstühle  von  jungen  Bischöfen  ultramontaner 
Richtung  besetzen,  und  sie  begann  auch,  unter  denselben  Mi- 
nistern, mündliche  Unterhandlungen  über  eine  Neuordnung  der 
geistlichen  Unterrichtsbefugnis.  Im  Oktober  1840,  im  Ministerium 
Soult-Guizot,  dessen  führender  Minister  in  der  Tat  von  Anfang 
an  Guizot  war,  trat  abermals  Villemain  an  die  Spitze  der  Unter- 
richtsverwaltung. Er  nahm  jene  Besprechungen  wieder  auf  und 
legte  dann  im  Jahre  1841  den  Kammern  einen  neuen  Gesetz- 
entwurf über  den  Sekundärunterricht  vor.  Da  zeigte  sich  sofort, 
wie  hoch  inzwischen  die  Ansprüche  des  Klerus  gestiegen  waren. 
Der  neue  Entwurf,  dem  Kommissionsantrag  von  1836  folgend, 
wollte  den  kleinen  Seminarien  dieselben  Rechte  geben  wie  allen 
anderen  Schulen,  die  nicht  zur  Universität,  der  grofsen  von 
Napoleon  gegründeten  Körperschaft  aller  staatlichen  Unterrichts- 
anstalten, gehörten ;  sie  sollten  also  vor  allem  das  Recht  unbe- 
schränkter Aufnahme  und  Ausbildung  von  Laienschülern  erhalten. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  399 

Natürlich  sollten  sie  dafür  sich  denselben  Bedingungen  sowie 
auch  der  Prüfung  ihrer  Lehrer  durch  die  Universität  unterwerfen. 
Wie  eine  unerhörte  Zumutung  wiesen  die  Bischöfe,  welche  bis 
dahin  Leiter  und  Lehrer  dieser  Schulen  nach  freiem  Gutdünken 
eingesetzt  hatten,  diese  Forderung  des  Staates  zurück.  Mehr 
als  fünfzig  protestierten  in  öffentlichen  Briefen  an  religiöse  Jour- 
nale, und  die  Regierung  war  schwach  genug,  dem  Ansturm  zu 
weichen  und  ihren  Entwurf  zurückzunehmen.  Mit  dieser  erfolg- 
reichen Abwehr  allein  nicht  zufrieden,  eröffnete  nun  die  klerikale 
Partei  ihrerseits  den  Angriff  gegen  den  Universitätsunterricht. 
Bischöfliche  Hirtenbriefe,  von  jüngeren  Geistlichen  ausgehende 
Pamphlete,  zum  grofsen  Teil  von  abstofsend  brutaler  Leiden- 
schaft erfüllt,  nicht  am  wenigsten  die  Artikel  Louis  Veuillots, 
des  neugewonneneu  Journalisten  dieses  streitbaren  Klerikalismus, 
in  der  Zeitung  l'Univers  schilderten  die  unleugbaren  Mängel 
der  religiösen  und  moralischen  Erziehung  in  den  Anstalten  der 
Universität  in  den  grellsten  Farben.  Und  von  Montalembert 
auf  diesen  neuen  Weg  gewiesen,  forderten  die  Bischöfe  nun 
weiter,  da  auf  eine  Ausnahmestellung  ihrer  klerikalen  Schulen 
nicht  zu  hoffen  war,  die  Freiheit  des  höheren  Schulunterrichts 
überhaupt.  Keine  Beschränkung  der  Lehrer  durch  Staatsprüfungen, 
ungehinderte  Zulassung  der  Schüler  aller  Anstalten  zum  Bacca- 
laureatsexamen.  Nur  unter  der  Flagge  unbedingter  Unterrichts- 
freiheit konnte  der  Episkopat  hoffen,  auch  die  Jesuiten,  von  allen 
Ordensgeistlichen  die  einzigen,  die  noch  dem  höheren  Unterricht 
sich  widmeten,  und  die  er  in  einem  erweiterten  Schulbetrieb  gar 
nicht  missen  konnte,  ungehindert  in  seine  Anstalten  wieder  ein- 
zuführen. Daher  nahmen  die  eifrigsten  unter  den  Bischöfen 
von  vornherein  sich  auch  der  Jesuiten  und  ihrer  Lehrtätigkeit 
energisch  an. 

Hiermit  aber,  indem  sie  für  den  in  weiten  Kreisen  noch 
immer  leidenschaftlich  gehafsten  und  gefürchteten  Orden  ein- 
traten, boten  sie  vor  der  öffentlichen  Meinung  eine  willkommene 
Blöfse,  auf  die  sich  alsbald  die  lautesten  und  heftigsten  Angriffe 
ihrer  Gegner  richteten.  Die  Professoren  Michelet  und  Quinet, 
welche  in  den  geistlichen  Pamphleten  am  meisten  mitshandelt 
worden  waren,  unterbrachen  im  Frühjahr  1843  den  geraden  Gang 
ihrer  Vorlesungen  am  College  de  France,  um  ihren  ohnedies  schon 


400  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

aufgeregten  jugendlichen  Hörern  das  Wesen  und  die  Gefahr  der 
Gesellschaft  Jesu  zu  schildern.  Erst  hierdurch  eigentlich  und 
nachdem  die  beiden  Professoren  ihre  Vorlesungen,  unter  dem 
Titel  'Von  den  Jesuiten'  zu  einem  Bändchen  vereinigt,  zum 
Druck  gegeben  hatten,  traten  die  Jesuiteu  wieder  in  den  Vorder- 
grund der  öffentlichen  Aufmerksamkeit,  und  die  Forderung  der 
Unterrichtsfreiheit  auf  Seiten  der  Geistlichkeit  schien  weiter 
nichts  mehr  zu  besagen  als  Beherrschung  des  Unterrichts  durch 
die  Jesuiten.  Inzwischen  blieb  auch  die  Regierung  nicht  untätig; 
am  2.  Februar  1844  legte  sie  dem  Parlament  einen  neuen  Ent- 
wurf vor.  Er  kam  den  Ansprüchen  der  Bischöfe  weit  entgegen, 
liefs  ihnen  nicht  nur  die  Wahl,  entweder  ihre  Schulen  so  zu 
behalten  wie  bisher  oder  sie  im  Sinne  des  Entwurfs  vom  Jahre 
1841  in  Privatanstalteu  umzuwandeln,  er  wollte  sogar  auch  im 
ersten  Falle  die  Hälfte  der  abgehenden  Schüler  zum  gewöhnlichen 
Baccalaureatsexamen  zulassen.  Trotzdem  protestierte  fast  der  ge- 
samte Episkopat  auch  gegen  diesen  neuen  Gesetzentwurf,  dessen 
gröfste  Nachgiebigkeit  allerdings  schon  von  der  Pairskammer  be- 
seitigt wurde,  und  der  wieder  von  allen  Vorstehern  und  Lehrern 
der  Privatanstalten  die  schriftliche  Versicherung,  keiner  in  Frank- 
reich verbotenen  Kongregation  anzugehören,  verlangte. 

In  diesen  Kämpfen  trat  nun  auch  Dupin,  dessen  politischer 
Einflufs  in  den  letzten  Jahren  merklich  zurückgegangen  war,  als 
Verteidiger  des  Staates  und  der  Universität  noch  einmal  auf  kurze 
Zeit  in  den  Vordergrund.  Schon  in  seiner  Rede  zur  Wiedereröff- 
nung der  Sitzungen  des  Kassationshofes  im  November  1843  hatte 
der  alte  Jesuitenfeind  aus  den  Zeiten  der  Restauration  den  Orden 
heftig  angegriffen  und  dann  im  März  darauf  in  der  Deputierten- 
kammer bei  der  Diskussion  über  die  geheimen  Fonds  die  Regie- 
rung in  ihrem  schüchternen  Vorgehen  gegen  allzu  herausfordernde 
geistliche  Angriffe  zu  stärken  gesucht.  'Regierungsgewalt,  ich  er- 
mahne dich,  sei  unerbittlich  (implacable)',  so  hatte  er  seine  Rede 
unter  stürmischem  Beifall  der  Kammer  geschlossen.  'Unbeugsam' 
(inflexible)  setzte  er  dann  selber  an  die  Stelle  des  letzten,  allzu 
stark  erscheinenden  Wortes.  Nicht  lange  darauf,  unter  dem  Ein- 
flufs dieser  Rede  Dupins,  ist  Tilliers  Pamphlet  über  die  Jesuiten 
geschrieben.  Und  mit  demselben  Titel,  den  Michelet  und  Quinet 
für  die  ihre  Vorlesungen  nebeneinanderstellende  Jesuitenbroschüre 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  401 

gewählt  hatten,  Hefs  er  es  ausgehen.  Seine  angeborene  Neigung 
zur  Paradoxie  hat  ihm  auch  hier  großenteils  die  Feder  geführt. 
Sie  reizte  ihn  zum  Widerspruch  gegen  die  damals  allgemeine 
Jesuitenfurcht,  welche  die  beiden  berühmten  Pariser  Professoren 
so  lebhaft  zum  Ausdruck  brachten,  und  die  Tillier  selbst  früher 
geteilt  hatte. 

'Ohne  Frage  leben  wir  heute  in  der  Jesuitenzeit,  ich  wünschte, 
es  wäre  statt  dessen  Flieder-  und  Rosenzeit';  so  beginnt  er  sein 
Pamphlet.  Nur  von  ihnen  spricht,  diskutiert  und  schreibt  man 
seit  sechs  Monaten  und  darüber,  die  Journale  sind  ganz  schwarz 
von  diesem  düsteren  Namen.  Tillier  aber  kann  trotz  alles  Suchens 
keine  Jesuiten  entdecken.  Vor  langen  Jahren  hat  er  BeYangers 
Lied  auf  die  Väter  gelesen  und  sogar  —  mit  recht  falscher 
Stimme  —  mitgesungen: 

Hommes  noirs,  d'oü  sortez-vous? 
Nous  sortons  de  dessous  terre, 
Moitie  renards,  moitie*  loups. 

Diese  'zoologische  Kennzeichnung'  will  er  sich  zu  nutze  machen ; 
mit  einem  Be>anger  in  der  Tasche  geht  er  auf  die  Suche.  Er 
sieht  sich  den  Abbe"  Ve"drine  an,  der  im  'National'  für  einen 
Jesuiten  gilt,  der  aber  schleppt  nur  den  Schwanz  seiner  Soutane 
hinter  sich  her;  und  den  Abbe"  Combalot  findet  er  eigentlich  gar 
nicht  so  verschieden  von  Herrn  Genin,  dem  bekannten  Sprach- 
und  Literaturforscher  und  wütenden  Jesuitenfeind. l  Wenn  er 
nun  aber  auch  von  dem  Bischof  von  Chälons  sagt,  an  seiner  pfif- 
figen und  vergnügten  Miene  hätte  er  zwar  den  unlängst  vom  Staats- 
rat Verurteilten  erkannt,  sonst  aber  an  ihm  nichts  mit  Berangers 
Jesuitendefinition  Übereinstimmendes  gefunden,  so  sehen  wir 
deutlich,  worauf  diese  ganze  Ironie  hinaus  will.  Denn  der  Bischof 
von  Chälons  hatte  ja  frank  und  frei  vor  aller  Welt  bekannt:  'ich 


1  Es  geht  das  auf  die  bei  beiden  gleich  grobe  Form  der  Polemik. 
Genin  est  un  tape-dur,  il  a  toujours  besoin  de  taper  sur  quelqu'un.  Quaod 
ce  n'est  pas  sur  un  poete,  c'est  sur  un  jesuite ;  quand  ce  n'est  pas  sur  un 
vi  van  t,  c'est  sur  un  mort.  So  notiert  Sainte-Beuve  1846.  1844  war  G. 
Redakteur  am  'National'  und  redigierte  zugleich  anonym  eine  kleine,  gegen 
die  Priesterpartei  gerichtete  periodische  Sammelschrift:  Les  Actes  des 
Apotres,  von  der  Sainte-Beuve  (Chroniques  Parisiennes  229)  urteilt:  c'est 
äcre,  violent  et  du  pur  XVIIIe  siecle. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  26 


402  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

bin  Jesuit,  meine  ganze  Geistlichkeit  ist  jesuitisch,  alle  unsere 
guten  Christen  sind  es,  und  wir  machen  uns  eine  Ehre  daraus. 
Ja  wir  sind  Jesuiten  und  werden  es  immer  sein.'  Derselben 
Meinung  ist  eben  Claude  Tillier:  mögen  die  streitbaren  Kleri- 
kalen heute  dem  Orden  angehören  oder  nicht,  aus  Gallikanern 
und  Patrioten  sind  sie  doch  alle  mehr  oder  weniger  ultramontan 
und  jesuitisch  geworden.  Er  benutzt  darum  sein  Bdranger-Citat 
nur  noch,  um  sich  an  einigen  persönlichen  Gegnern  zu  reiben: 
an  einem  geistlichen  Professor  des  College  in  Nevers,  an  einem 
Redakteur  des  'Echo  de  la  Nievre',  vermeintlichen  Jesuiten,  die 
aber,  wenn  der  Fuchs  heute  noch  so  viel  Geist  hat  wie  zu 
Lafontaines  Zeiten,  vom  Fuchs  wenig  an  sich  zeigen  und  vom 
Wolf  auch  nicht  viel. 

Jesuiten  also  findet  er  nicht;  allerdings  aber  Priester  mit 
Dreispitzen  aller  Sorten  und  selbst  Mitraträger, '  die  gegen  die 
Universität  in  Wort  und  Schrift  pamphletieren,  sieht  er  genug. 
Doch  kann  Tillier  in  solcher  Opposition  allein  ein  flagrantes 
Symptom  von  Jesuitismus  um  so  weniger  finden,  da  er  von  der 
Magermilch,  mit  der  diese  Mutter  ihre  Kinder  säugt,  selber  ge- 
kostet hat.  Übrigens  sind  die  Pamphlete  dieser  ehrwürdigen 
Personen  nicht  nur  sehr  miserabel,  nichts  als  bergeshohe  Beschul- 
digungen und  ungeheuerliche  Verleumdungen  —  denn  wie  könnte 
es  Männern  der  christlichen  Nächstenliebe  mit  dem  Kratzen  und 
Beifsen  sogleich  gelingen  — ,  in  ihrer  Taktik  überhaupt  ist  so 
wenig  von  der  traditionellen  Geschicklichkeit  der  Kongregation 
gewesen,  dafs  ihre  Angriffe  der  Universität  den  gröfsten  Vor- 
teil gebracht  haben.  Mildern  wir  die  dem  Pamphletstil  unver- 
meidliche Übertreibung,  so  entspricht  diese  Behauptung  Tilliers 
der  Lage,  wie  sie  wirklich  war.  Noch  bei  den  Verhandlungen 
über  das  neue  Unterrichtsgesetz  1837  war  das  Monopol  der  Uni- 
versität in  der  Deputiertenkammer  heftig  angegriffen  worden, 
jetzt  aber  nach  den  mafslosen  Verleumdungen  der  klerikalen 
Gegner  traten  selbst  die  radikalen  Blätter  fast   ohne  Ausnahme 


1  M"r  Dufetre  trat  mit  seinem  Widerspruch  unter  diesen  nicht  be- 
sonders hervor.  Aber  auch  er  griff  in  einem  ausführlichen  Memoire  vom 
4.  März  1844  an  den  Minister  dessen  letzten  Gesetzentwurf  an.  Liberte 
d'enseignement.    Recueil  des  actes  episcopaux  . . .,  Paris  1845/46,  I  152  f. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  403 

für  sie  ein.    Was  aber  im  Grunde  deren  Meinung  von  dem  staat- 
lichen Unterrichtsraonopol  war,  spricht  Tillier  hier  offen  aus: 

Le  fait  est  qu'avant  cette  croisade  des  ßveques,  l'Universite'  avait 
une  foule  sinon  d'ennemis,  au  moins  de  contradicteurs  qui  lui  rendaient 
la  vie  tres  dure;  on  s'accordait  ä  dire  quo  son  enseignement  n'6tait  pas 
en  rapport  avec  les  besoins  et  les  tendances  d'une  sociöte*  que  trois  ou 
quatre  rövolutions  avaient  transformee;  qu'il  £tait  bon  pour  amuser  de 
riches  et  bavardes  oisivete's,  mais  qu'il  ue  valait  plus  rien  pour  un  peuple 
industriel  et  travailleur,  obligö*  de  vivre  ä  la  sueur  de  son  corps,  et  qui 
n'avait  pas  le  loisir  de  parier  latin;  qu'il  £tait  ternps  que  la  vieille  robe 
noire  en  cent  endroits  rapiecee,  ftit  remplac£e  par  un  vetement  plus  £pais 
et  plus  solide.  On  comparait  l'&lucation  qu'elle  fournit,  au  style  des 
mauvais  e"crivains,  qui  regorge  de  mots  et  est  döpourvu  d'idees. 

Und,  seine  eigene  Schulzeit  in  der  Erinnerung,  fährt  er  fort: 

De  ses  bancs,  vous  sortez  bacheliers  es  lettres ;  mais  qu'est-ce  qu'un 
bacbelier  es  lettres?  un  grand  niais  qui  rapporte  fierement  du  march£, 
dans  une  belle  besace  neuve,  des  pois  qui  ne  veulent  pas  cuire.  Apres 
dix  ans  d'^tudes,  votre  bachelier  es  lettres  n'est  pas  seulement  capable 
d'etre  instituteur  primaire.  S'il  n'a  de  bons  parents  qui  ont  l'honneur 
de  possdder  quelques  mille  6cus  de  rente,  il  faut,  pour  gagner  sa  vie  du 
jour,  le  pain  de  tout  de  suite,  qu'il  se  fasse  maitre  d'^tude.  Or,  de  tous 
les  valets  le  plus  malheureux,  c'est  sans  contredit  le  maitre  d'6tude. 
J'ai  marchö,  moi,  quelque  temps  dans  ce  rüde  chemin,  et  pour  beaueoup 
je  ne  voudrais  y  repasser.  Je  me  rappeile  encore  avec  effroi  combien  je 
me  trouvais  ä  plaindre  quand,  mon  bouquet  de  rhe'torique  au  cöte\  comme 
un  domestique  ä  la  Saint- Jean,  j'allais  offrir  mes  Services  aux  revendeurs 
de  grec  et  de  latin  de  la  capitale.  Combien  j'en  voulais  ä  mon  pere  de 
ne  pas  m'avoir  fait  une  place  ä  son  £tabli! 

So,  echt  demokratisch,  dachten  viele  aus  Tilliers  Lager  über 
den  vom  Staate  in  der  Universität  monopolisierten  höheren 
Unterricht;  andere  vermifsten  an  ihm  einen  religiös-moralischen 
Einflufs  auf  seine  Schüler,  und  viele,  wie  A.  Marrast,  der  lei- 
tende Redakteur  des  'National',  verabscheuten  das  pädagogische 
Regiment  Victor  Cousins,  der  den  philosophischen  Unterricht 
innerhalb  der  Universität  despotisch  beherrschte.  Gegen  die  An- 
mafsung  des  Klerus  aber  findet  die  Universität  mit  einem  Male 
Fürsprecher  bis  weit  in  die  Reihen  der  Radikalen  hinab.  Denn 
immer  ungescheuter  fordert  im  höheren  Schulunterricht  die  Geist- 
lichkeit nicht  die  Freiheit  für  alle,  sondern  das  Monopol  für  sich 
allein.  Das  'Gehet  hin  und  lehret  alle  Völker',  das  'Ite  et  docete' 
des  Evangeliums  nimmt  sie  zur  Stütze  und  legt  das  'docete',  das, 

26* 


404  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

wie  der  griechische  Text  zeigt,  in  diesem  Zusammenhang  doch 
nur  bedeutet:  'machet  zu  Jüngern',  im  Sinne  eines  allgemeinen 
Lehrprivilegiums  der  Geistlichkeit  aus.  Der  voltairische  Hohn,  den 
Tillier  über  solche  Deutung  ausgielst,  erscheint  uns  um  so  mehr 
gerechtfertigt,  da  bis  in  die  neueste  Zeit  in  Frankreich  diese  Art 
Auslegung  sogar  in  der  ernsten  Geschichtschreibung  vertreten 
wird.  'Diese  Interpretation  der  Worte  des  Evangeliums/  sagt 
Tillier,  'riecht  allerdings  etwas  jesuitisch'  — 

iiiais  les  gens  qui  affichent  ces  extravagantes  pretentions,  sont  trop 
absurdes  pour  etre  ä  craindre.  A  qui  persuaderont-ils  qtfallex,  et  enseignex 
veuille  dire:  allez,  et  euseignez  tout  ce  qui  peut  etre  enseignö;  enseignez 
non  seulement  l'Evangile,  mais  le  latin,  le  grec,  les  math^matiques,  la 
physique  et  la  chimie.  S'il  en  etait  ainsi,  les  pretres  pourraient  arguer  de 
ces  paroles  qu'ils  ont  le  droit  exclusif  d'enseigner  la  danse,  l'escrime,  et 
meme  la  noble  science  du  bäton.  D'ailleurs  les  apötres  eussent  öte"  fort 
ernbarrass£s,  s'il  leur  eüt  fallu  enseigner  autre  chose  que  l'Evangile,  et 
Simon-Pierre,  ä  moins  que  le  Saint-Esprit  ne  Feilt  considörablernent  aide", 
eilt  fait,  ce  me  semble,  un  fort  mauvais  professeur  de  rhitorique. 

Also  nichts  als  turbulente  Priester  kann  er  erblicken,  ganz 
ungefährlich  für  alles,  was  in  Frankreich  wirklich  lebendige, 
nationale  Kraft  ist.  Er  kann  sich  in  Bildern  seiner  Gering- 
schätzung wieder  einmal  gar  nicht  genug  tun,  eins  reiht  sich  ans 
andere.  Nur  wenn  sie  wirken,  wie  Lamennais  gewirkt  hat,  können 
heute  die  Priester  neuen  Einflufs  gewinnen.  Die  Julirevolution 
bot  ihnen  die  grofse  Gelegenheit,  die  sie  verpafst  haben.  Und 
hier  hören  wir  wieder  das  Bekenntnis  seines  politischen  Christen- 
tums: 

A  leur  place,  j'aurais  pris  franchement  la  cocarde  du  peuple;  cette 
liberte1  qu'il  venait  de  baptiser  avec  son  sang,  j'aurais  voulu,  moi,  la  bap- 
tiser  avec  mon  eau  bönite;  je  l'aurais  portee  sur  mon  autel,  et  je  l'aurais 
mise  sous  la  protection  de  ce  Christ,  mort  non  seulement  pour  la  r£- 
demption  des  pecheurs,  mais  aussi  pour  l'affrancbissement  du  genre  hu- 
main.  Aux  jeunes  martyrs  de  cette  liberte  j'aurais  donne"  autant  d'encens 
et  de  prieres  qu'aux  martyrs  de  la  religion;  sans  cesser  d'etre  pretre 
j'aurais  voulu  etre  citoyen;  quand  il  y  aurait  fallu  r^clamer  pour  le  peuple 
des  droits  viol6s  ou  meconnus,  je  ne  me  serais  point  senti  gene  par  ma 
soutane.  Ces  mots  sublimes  de  liberte,  d'dgalit£,  de  fraternite\  je  les  aurais 
fait  grouder  comme  un  orage  sous  les  voütes  de  mes  cathedrales,  et  peu 
ni'eüt  importe"  que  le  pape  les  eüt  entendus  de  Rome!  en  priant  pour  la 
grandeur  et  la  gloire  de  la  France,  j'aurais  force  la  multitude  subjuguee 
ä  courber  ä  cöte"  de  moi  son  raide  et  fier  genou,  ä  incliner  son  front  avec 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  405 

le  mien  devant  la  croix,  en  lui  montrant  attache*  ä  ce  sacre*  gibet  celui 
de  tous  qui  aima  le  plus  les  hommes  et  travailla  avec  le  plus  d'abn^gation 
ä  leur  affranchissement  et  ä  leur  bonheur. 

Nichts  von  alledem  aber  ist  heute  wahrzunehmen ;  die  Prie- 
ster sind  in  ihren  Ideen  und  Bestrebungen  geblieben,  wie  sie  vor 
Jahrhunderten  waren. 

Le  temps  qui  empörte  les  vieux  empires  et  en  remet  de  neufs  ä  leur 
place,  qui  renouvelle  les  peuples,  qui  refait  les  civilisations,  n'a  pas  change" 
im  seul  bouton  ä  leur  soutane.  Ils  restent  immobiles  et  noirs,  au  milieu 
des  soci^tes  qui  se  transforment,  comme  leurs  vieilles  cathödrales  au  milieu 
de  nos  villes  rajeunies;  au  lieu  de  suivre  les  g£nerations  qui  marchent 
par  enjambees,  ils  s'^puisent  ä  vouloir  les  retenir  autour  d'eux;  mais  il 
ne  leur  reste  que  les  malades  et  les  estropie's. 

Darum  braucht,  das  ist  Tilliers  feste  Überzeugung,  eine 
konstitutionelle  Regierung  vor  ihnen  keine  Furcht  zu  haben,  und 
den  Königen  hat  der  Sturz  der  Bourbonen  gezeigt,  was  die 
Stütze  des  Priestertums  wert  ist. 

Es  ist  auch  gar  nicht  ihr  unmittelbarer  politischer  Einflufs, 
den  man  heute  noch  wie  in  früheren  Zeiten  fürchtet,  wohl  aber 
besorgt  man  ernstlich,  dafs  sie  unter  einem  allzuwenig  be- 
schränkenden Gesetz  den  höheren  Schulunterricht  gänzlich  in 
ihre  Hände  bringen  und  'mit  ihren  ultramontanen  Lehren  die 
Jugend  vergiften  würden'.  So  stehen  die  Gegner  der  geistlichen 
Lehrfreiheit  zögernd  vor  dem  Dilemma:  Allgemeines,  also  auch 
den  Priestern  gewährtes  Recht,  höheren  Schulunterricht  zu  er- 
teilen, oder  Erhaltung  des  Universitätsmonopols?  Tillier  aber 
zählt  nicht  zu  den  Bedenklichen  und  ist  auch  hier  vor  allem  für 
die  Freiheit  ohne  weiteres. 

Quand  bien  meme,  du  reste,  le  clerge"  devrait  s'emparer  infailliblement 
de  l'instruction,  serait-ce  une  raison  pour  lui  en  escarper  lesbords?  Pour 
que  les  pretres  s'emparassent  de  l'instruction,  que  faudrait-il?  que  la  ma- 
jorite  des  f amilies  eüt  place-  en  eux  sa  confiance;  or,  la  majorite  des  fa- 
milles,  c'est  la  Nation.  C'est  donc  parce  que  vous  leur  supposez  la  con- 
fiance de  la  Nation,  que  vous  voulez  les  exclure  de.l'enseignement  public? 
mais  prenez  garde  ä  ce  que  vous  allez  faire!  agir  ainsi  envers  eux  c'est 
leur  dire:  'Nous  ne  voulons  pas  que  vous  enseigniez,  parce  que  vous  en- 
seigneriez  trop  bien  si  nous  vous  permettions  d'avoir  des  chaires.'  Pour 
moi,  je  vous  avoue  que  je  me  trouverais  tres  honore"  d'etre  exclu  de  cette 
maniere.  Si  votre  intention  est  de  rehausser  les  pretres,  vous  ne  sauriez 
employer  un  meilleur  moyen  que  celui-ci.  Je  serais  fäch£,  sans  doute, 
que  vos  Colleges  tombassent  devant  les  maisons  religieuses,  mais  j'aime 


406  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

encore  mieux  l'^galite'  devant  la  loi  que  vos  Colleges.  Qu'est-ce  que  cette 
liberte-  d'instruction  secondaire  que  la  Charte  nous  a  promise,  et  qu'elle 
nous  fait  si  longtemps  attendre,  si  ce  n'est  la  liberte"  de  concurrence  ap- 
pliqu^e  ä  Tenseignement  public?  Or,  qui  a  le  droit  d'ouvrir  aux  uns  la 
porte  de  la  concurrence  et  de  la  fermer  pour  les  autres?  Peut-on  m'em- 
pecher  de  tirer  profit  de  la  superiorite*  que  j'ai  sur  mes  rivaux?  Est-ce 
aux  faibles  et  aux  maladroits  qu'il  faut  sacrifier  les  habiles  et  les  forts, 
et  est-il  raisonnable  d'abattre  un  chene  parce  que  son  ombre  dtouffe 
quelques  chötifs  arbustes? 

Tillier  fürchtet  die  Konkurrenz  der  geistlichen  Lehrer  nicht, 
und  auch  die  anderen  von  der  unterrichtenden  Geistlichkeit  etwa 
drohenden  Gefahren  abzuhalten,  scheint  ihm  nicht  schwer.  Mit 
recht  leichtfertigen  Redewendungen  und  auf  Grund  seiner  doch 
räumlich  beschränkten  Erfahrung  setzt  er  wieder  die  Unterrichts- 
erfolge der  geistlichen  Anstalten  herab;  aber  selbst  wenn  der 
Zudrane:  zu  ihnen  unter  dem  neuen  Gesetz  noch  so  sehr  über- 
handnähme,  so  mufs  sich  eben  der  Staat  das  ausgedehnteste 
Aufsichtsrecht  über  den  Unterricht  vorbehalten.  Und  derselbe 
Mann,  der  eben  noch  so  lebhaft  für  die  völlige  Freiheit  der 
Unterrichtsbefugnis  eingetreten  ist,  führt  nun,  ganz  im  Geiste 
napoleonischer  Staatsauffassung,  aus,  wie  eingehend  die  Regierung 
den  Unterricht  selber  für  alle,  also  auch  für  die  geistlichen  An- 
stalten zu  reglementieren  habe. 

Du  moment  que  vos  inspecteurs  auront  la  faculte"  de  p^netrer  chez 
eux  tous  les  jours  et  ä  toute  heure,  ils  ne  pourront  leur  rien  cacher  de 
ce  qu'ils  fönt  ni  de  ce  qu'ils  disent;  leurs  eleves  seront  derriere  leurs 
grilles  comme  des  oiseaux  dans  une  voliere. 

Aber  gerade  diese  Bedingung,  die  dem  despotischen  Idealis- 
mus des  schreibenden  Politikers  so  bei  der  Hand  zu  liegen 
schien,  konnten  die  handelnden  Männer  der  Politik  damals  von 
dem  Minister  nicht  erlangen.  In  der  ersten  Kammer  brachte 
Persil  einen  Antrag  ein :  'die  kleinen  Seminare  werden  unter 
die  Aufsicht  des  Kultusministers  gestellt,  welcher  sie  besuchen 
lassen  darf,  so  oft  es  ihm  gut  erscheint';  die  Kammer  aber 
liefs  sich  von  dem  Justiz-  und  Kultusminister,  dem  auch  von 
Tillier  oft  verspotteten  Martin  du  Nord,  überzeugen,  dals  eine 
solche  Bestimmung  noch  Ol  in  das  ohnehin  hochgehende  Feuer 
der  geistlichen  Erregung  giefsen  würde,  und  lehnte  den  An- 
trag ab. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  107 

Unter  den  allgemeinen  Bedingungen  für  die  Zulassung  zum 
höheren  Lehramt  findet  die  von  jedem  Bewerber  geforderte 
schriftliche  Versicherung,  keiner  in  Frankreich  verbotenen  Kon- 
gregation anzugehören,  bei  Tillier  nichts  als  Hohn.  Er  stellt  es 
beinahe  so  hin,  als  ob  erst  der  damalige  Unterrichtsminister  Ville- 
main  auf  diese  Form  der  Schutzwehr  gegen  die  Jesuiten  verfallen 
wäre,  die  doch,  wie  wir  wissen,  schon  in  den  Ordonnanzen  von 
1828  sich  fand,  und  die  auch  die  Deputiertenkammer  1837  wieder- 
aufrichten wollte.  'Rom/  so  sagt  Tillier  spottend,  'war  durch 
die  Furche,  mit  der  Romulus  das  neue  Stadtgebiet  umzog,  nicht 
sicherer  geschützt  als  unsere  öffentliche  Erziehung  durch  den 
Gesetzentwurf  dieses  wachsamen  Ministers.  ...  Es  ist  schade, 
dafs  nicht  auch  Herr  Martin  du  Nord,  nach  dem  Beispiel  seines 
Kollegen,  die  Bankerottierer  gesetzlich  anhält,  zu  schwören,  dafs 
sie  rein  seien  von  jedem  Betrüge;  so  könnte  er  am  einfachsten 
den  Richtern  langwierige  Untersuchungen  ersparen/ 

Weiter  kritisiert  Tillier  die  von  Direktoren  und  Lehrern  ge- 
forderten akademischen  Grade,  wobei  er  sich  indessen  nicht 
genau  •  informiert  zeigt.  Er  findet  sie  zu  hoch,  und  die  Kom- 
missionen, von  denen  die  Kandidaten  in  einer  besonderen  Prü- 
fung aufserdem  noch  das  Zeugnis  ihrer  Lehrbefähigung  (brevet 
de  capacite")  zu  erlangen  haben,  sieht  er  derart  zusammengesetzt, 
dafs  in  ihnen  wieder  die  Vertreter  der  Universität  den  Ausschlag 
geben.  Jene  Gradforderungen  würden  zudem  nicht  allein  den 
Zudrang  der  Geistlichen  zum  freien  höheren  Unterricht  ein- 
schränken, sie  müssen  zugleich  auch  die  Laienlehrer  beengen ;  Tillier 
findet,  der  Villemainsche  Entwurf  sei  hier  den  neuen,  damals 
in  der  Entstehung  begriffenen  Befestigungen  von  Paris  zu  ver- 
gleichen: etwas  zur  Abwehr  nach  aufsen,  viel  mehr  zur  Abwehr 
nach  innen.  Und  wieder  läfst  er,  auch  hierin  ein  echter  Fran- 
zose, seine  wenig  begeisterte  Auffassung  des  Lehrerberufes  zu 
Tage  kommen: 

Votre  terre  promise  n'est  pas  dejä  un  si  beau  pays,  pour  que  vous 
er»  rendiez  l'acces  si  difficile.  Si  vous  mettez,  ä  tous  les  passages,  des 
corps-de-garde  d'universitaires  qui  vexent  les  passants;  si,  pour  penetrer 
chez  vous,  il  faut  des  prodiges  de  patienee  et  de  courage,  nul  ne  voudra 
aller  par-lä.  Vous  savez  cela  aussi  bien  que  moi,  dans  toute  profession 
il  faut  qu'on  recolte  en  proportion  de  ce  qu'on  a  sem£:  or  qui  voudra 
desseeher  dans  d'arides  6tudes  les  fraicb.es  annees  de  la  jeunesse,  effeuiller 


408  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

les  courtes  roses  de  son  printernps  sur  des  bouquins,  et  laisser  sa  lanipe 
allumee  jusqu'ä  vingt-cinq  ans  pour  acqu^rir  le  droit  d'ouvrir  wie  inai- 
son  d'6ducation  qui  lui  rapportera  rnoins,  peut-etre,  qu'une  boutique  de 
menuiserie,  qu'un  comptoir  d'äpicier  ou  qu'une  fabrique  d'allumettes  chi- 
miques?  Si  vous  m'engagez  ä  creuser  dans  mon  champ  des  sillons  larges 
et  profonds  comme  des  foss6s,  il  faut  que  vous  ine  garantissiez  qu'il  y 
poussera  des  epis  grands  comme  des  arbres. 

Die  noch  längere  Dauer  des  Monopols  der  Universität  im 
Unterrichtswesen  weist  Tillier  kurzweg  mit  der  Bemerkung  zu- 
rück: dafs  der  Staat  eigene  Colleges  habe,  mag  vorteilhaft  sein, 
solange  aber  die  Universität  bestehen  bleibt,  werden  wir  sicher- 
lich keinen  freien  höheren  Schulunterricht  erhalten.  Er  zeigt 
jetzt  auch,  weshalb  ihm  die  strengste,  bis  in  die  geringsten  Einzel- 
heiten des  Unterrichts  eingehende  Aufsicht  des  Staates  über  das 
Schulwesen  notwendig  erscheint.  Einfach  darum,  weil  der  Staat 
dafür  zu  sorgen  hat,  dafs  der  Unterricht  vor  allen  Dingen  ein 
nationaler  sei.  Daher  darf  er  nicht  zulassen,  wenn  er  nicht  selber 
sich  an  die  Wurzel  schneiden  will,  dafs  die  Unterrichtsfreiheit 
in  klerikalen  Händen  gemifsbraucht  werde,  um  das  Vaterlands- 
gefühl der  nachwachsenden  Jugend  zu  schwächen  oder  gar  zu 
zerstören.  Und  Tillier  führt  des  näheren  aus,  wie  diese  Gefahr 
wirklich  drohe,  und  traut  also  der  jesuitischen  Geistlichkeit,  nach 
den  Erfahrungen  vergangener  Zeiten,  noch  immer  schlimme 
Kräfte  zu.  Daher  soll  kein  Lehrer  andere  als  die  unter  den 
Augen  der  Regierung  angefertigten  und  von  ihr  approbierten 
Lehrbücher  gebrauchen  dürfen;  in  denen  aber  müssen  hinter  den 
Geboten  Gottes,  welche  die  allen  Menschen  gemeinsame  Moral 
umfassen,  die  besonderen  Gebote  der  französischen  Nation  zu 
finden  sein:  'Was  nützen  euch  die  Institutionen,  wenn  ihr  keine 
Bürger  habt,  sie  lebendig  zu  machen.  Sorgt  also  vor  allem  für  eine 
öffentliche  Erziehung,  die  euch  Bürger  schafft;  nur  dann  werdet 
ihr  die  Freiheit  erhalten  und  noch  erweitern/  Nicht  gelehrte, 
sondern  nationale  Erziehung,  das  ist  der  Kern  seiner  Forderung; 

ce  qu'il  vous  faut  maintenant,  ce  sont  des  citoyens,  et  beaucoup  de 
citoyens;  des  citoyens  avant  tout.  II  est  temps  d'opposer  une  morale 
publique  ä  ce  torrent  de  corruption  qui  tornbe  d'en  haut  et  rejaillit  sur 
tout  le  pays. 

Sie  allein  auch  wird  die  verschiedenartigen  Bestandteile  des 
französischen  Staatsgebietes  zusammenhalten  können. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  409 

Si  de  tous  ses  habitants  vous  ne  faites  des  Francais,  pourquoi  l'Al- 
sacien,  qui  parle  allemand,  se  croirait-il  le  frere  du  Provencal,  qui  res- 
semble  ä  un  Espagnol? 

Von  demselben  nationalen  Geiste  soll  der  elementare  Unter- 
richt erfüllt  sein,  darum  vor  allem  mufs  er  in  nähere  Verbindung 
mit  dem  höheren  gebracht  werden. 

Les  deux  e"ducations  sont  deux  sceurs  qui,  bien  que  destin^es  ä  un 
6tat  diffe>ent,  doivent  airner  d'un  meme  amour  leur  mere  qui  est  la 
France.  Que  l'education  primaire  ait  la  meme  direction,  la  meme  disci- 
pline  que  l'education  des  Colleges;  que  toutes  les  6coles  de  France,  soit 
communales,  soit  particulieres,  aient  les  memes  livres  de  morale  et  d'in- 
struction;  que  ces  fiers  Ignorantins,  qui  ne  relevent  que  des  e>eques, 
soient  Obligos  de  subir  le  joug  commun,  et  qu'ils  ne  puissent  faire  faire 
ä  leurs  Kleves  un  signe  de  croix  qui  ne  soit  pas  ordonne"  par  la  loi! 

Sind  so  ideal-patriotische  Forderungen  aber  unter  der  zei- 
tigen Regierung  mit  ihren  schlaffen  Ministern,  mit  dieser  trotz 
mannigfacher  Opposition  so  feigherzigen  Kammer  gegen  den 
zähen  Widerstand  der  Geistlichkeit  durchzubringen?  Handeln 
nicht  selbst  die  Wähler,  die  die  souveräne  Gewalt  in  Händen 
haben,  wie  ein  schlechter  König,  der  sich  sehr  wenig  um  die 
Interessen  des  Staates,  viel  mehr  um  die  seiner  Dynastie  be- 
kümmert ? 

Ces  capacit^s  sonnantes  dont  le  percepteur  cote  le  diplöme,  trouvent 
toujours  que  leur  representant  vote  bien,  pourvu  qu'il  leur  fasse  obtenir 
quelque  chose.  Ce  sont  des  chauve-souris,  qui,  si  elles  eussent  assiste"  a 
la  cre'ation,  eussent  demande"  qu'il  n'y  eüt  point  de  soleil.  II  y  a  profit 
pour  eux  ä  avoir  un  d^pute"  minist£riel,  et  jarnais  vous  ne  les  ferez  con- 
sentir  ä  en  choisir  un  autre,  ä  moins  que  ce  ne  soit  un  d^pute"  ministre. 

So  mufs  eben  das  Volk  selber  herangerufen  werden.  In 
einen  dringenden,  leidenschaftlichen  Appell  an  das  souveräne  Volk 
klingt  das  Pamphlet  aus.  Das  Volk  selber  mufs  dafür  sorgen, 
dafs  es  kräftige,  in  seinem  Sinne  handelnde  Minister  bekomme, 
denn  ein  Gesetz,  wie  das  jetzt  zur  Verhandlung  stehende  über 
den  höheren  Schulunterricht,  darf  nicht  um-  schwacher  Minister, 
schlechter  Priester  willen  mangelhaft  gemacht  werden. 

Fais-la  (,  peuple  souverain,)  comme  si  tous  les  ministres  £taient  forts, 
et  comme  s'il  n'y  avait  pas  un  seul  pretre  en  France.  La  seule  cbose 
qui  doive  arreter  ton  attention,  c'est  ce  que  la  liberte"  te  demande  et  ce 
que  le  bien  de  tous  exige  qu'on  lui  sacrifie.  Les  pretres  sont  de  mauvais 
citoyens,  je  le  sais;   mais,  enfin,  est-ce  leur  faute,  si  tu  as   de  mauvais 


410  Claude  Tillier  als  Painphletist. 

ministres;  et  faut-il,  ä  cause  de  cela,  leur  6corner  leur  part  du  droit  com- 
mun?  Les  lois  ne  sont  pas  faites  pour  un  jour;  ce  ne  sont  pas  de  ces 
herbes  ephemeres  qui  sortent  de  terre  au  printemps  et  qu'on  r^colte  en 
dte\  C'est  un  arbre  que  tu  plantes,  et  dout  tu  n'auras  que  les  premieres 
feuilles,  mais  qui  abritera  les  g^ndrations  futures  sous  son  ombre.  C'est 
un  bätiment  duquel,  pauvre  barbon  tout  grisonnant,  tu  jouiras  bien  moins 
que  tes  fils.  Et  d'ailleurs,  quand  tu  ferais  une  loi  d'exception  contre  les 
pretres,  ä  quoi  cela  t'avancerait-il?  la  faiblesse  de  tes  ministres  rendrait 
encore  ton  ceuvre  inutile.  Si  tes  ministres  sont  trop  faibles  pour  main- 
tenir  les  pretres  sous  le  joug  de  la  discipline  commune,  ils  seront  trop 
faibles  egalement  pour  les  empecher  de  sortir  de  la  loi  d'exception  dans 
laquelle  tu  les  auras  enferm£s.  L'instruction,  au  Heu  de  devenir  la  proie 
des  pretres  y  entrant  de  plain-pied  et  ayant  la  clef  dans  leur  poche,  de- 
viendra  la  proie  de  pretres  s'y  introduisant  furtivement  et  ä  l'aide  de 
fausses  clefs :  or,  des  deux  manieres  de  se  laisser  voler,  je  ne  vois  pas 
trop  quelle  est  la  bonne. 

Aber  in  deinem  Hause  Frankreich  bist  du,  souveränes  Volk, 
am  Ende  doch  der  Herr,  die  Minister  sind  nur  die  ersten  unter 
deinem  Gesinde  (tes  premiers  domestiques).  Ihre  Schwäche  jetzt 
der  trotzenden  Geistlichkeit  gegenüber  liegt  am  Tage;  die  lacht 
der  leichten  über  sie  verhängten  Strafen.  Nur  Herr  Dupin 
bildet  sich  ein,  dafs  solche  schüchternen  Mafsregelungen  der 
weltlichen  Obrigkeit  auf  Geistliche  einen  Eindruck  machen. 
Wenn  er  sie  —  in  der  erwähnten,  von  der  Kammer  mit  rau- 
schendem Beifall  aufgenommenen  Rede  vom  19.  März  1844  — 
gegen  den  übergreifenden  Klerus  nicht  anders  'erbarmungslos' 
haben  will  ('impitoyable'  statt  'implacable'  läfst  Tillier  ihn  sagen), 
dann  ist  nicht  so  bald  zu  erwarten,  dafs  der  dunkelwogende 
Strom  in  sein  altes  Bett  zurücktritt.  Tillier  polemisiert  noch 
weiter  gegen  Dupin,  offenbar  um  den  Eindruck  jener  Rede  in 
der  Heimat  abzuschwächen.  Immer  heftiger,  demagogischer  wird 
seine  von  neuem  das  Volk  apostrophierende  Sprache,  eine  Fülle 
von  Bildern  und  Vergleichen  drängt  sich  vor  seinem  erregten 
Geiste : 

Singulier  souverain  que  celui  dont  le  diademe  disparait  entre  le 
chapeau  ä  plumes  d'un  ministre  et  le  bonnet  ä  deux  pointes  d'un  eVeque! 
Mais,  si  tu  te  laisses  traiter  en  esclave  par  le  premier  qui  ose  te  parier 
en  maitre,  pourquoi  donc  fais-tu  des  rövolutions  ?  Es-tu  comme  ces  göants 
de  la  fable,  qui  secouaient  les  montagnes  qui  les  öcrasaient  et  faisaient 
trembler  la  terre  seulement  pour  avoir  la  satisfaction  de  changer  de  cotä? 
La  France  est-elle  une  mer  qui,  le  lendemain  d'une  tempete,  quand  des 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  111 

vagues  hautes  comme  des  montagnes,  l'ont  boulevers£e,  präsente  la  meme 
surface  que  la  veille?  Puisque  tu  es  si  bien  dispose  ä  servir  quand  tu 
as  un  oppresseur,  que  ne  restes-tu  tranquille  sous  sa  main?  Le  bceuf 
qui  se  sent  ne*  pour  le  joug  n'a  pas  la  sottise  de  se  revolter  contre  le 
laboureur,  lorsqu'il  l'attele.  Quand  on  n'est  qu'une  lagere  girouette  que 
le  moindre  souffle  manie  ä  son  gre,  on  ne  cherche  point  ä  lutter,  comme 
un  navire,  contre  le  vent  qui  passe.  A  la  verit6,  nos  peres  ont  ob&  ä  un 
empereur;  mais,  quel  peuple  eut  jamais  un  plus  grand  et  plus  glorieux 
maitre  ?  Et  eux,  encore,  ils  6taient  bien  moins  les  serviteurs  de  Napoleon 
que  ses  compagnons  d'armes;  s'ils  le  suivaient,  c'est  qu'il  les  conduisait 
toujours  oü  ils  voulaient  aller:  ils  marcbaient  tant  que  l'aigle  volait,  et 
l'aigle  ne  s'arretait  que  sur  le  clocher  d'une  capitale.  Mais  toi,  vois  quels 
sont  ceux  qui  te  tordent,  comme  une  rouette,  entre  leurs  mains ;  qui  met- 
tent  leur  volonte*  ä  la  place  de  ta  volonte*  abolie!  Va!  quand  trente-deux 
millions  d'hommes  ne  peuvent  se  faire  obelr  par  six  ministres,  ils  sont 
dignes  de  ramper  sous  des  pretres! 

So  weit  hat  ihn  der  Zug  seiner  lebhaften  Improvisation 
wieder  fortgerissen  von  dem  Standpunkt,  den  er  bei  Beginn 
seiner  Betrachtungen  einnahm,  als  er  mit  ruhiger  Ironie  auf  die 
von  der  Geistlichkeit  drohenden  Gefahren  herabsah.  Nichts 
kann  deutlicher  zeigen,  dafs  wir  hier  keinen  Politiker  vor  uns 
haben. 

Durch  Dupins  Stellung  in  der  Jesuitenfrage  war  die  Hal- 
tung, welche  wir  Tillier  in  diesem  Pamphlet  annehmen  sehen, 
vor  allem  bestimmt  worden.  Nicht  lange  zuvor  schon  hatte  er 
gegen  diesen  mächtigsten  seiner  Gegner,  und  den  er  sicherlich 
unter  allen  am  herzlichsten  hafste,  noch  einmal  einen  heftigen 
Angriff  unternommen,  der  zwei  Nummern  seiner  ersten  Pamphlet- 
reihe (14  und  15)  füllte:  Comme  quoi  j'aurais  voulu  me  vendre 
ä  M.  Dupin.  Das  Pamphlet  ist  wahrscheinlich  1844  veröffent- 
licht;1 eine  Notiz  Dupins  in  seinen  Memoiren,  vom  25.  Februar 
dieses  Jahres,  ist  wohl  darauf  zu  beziehen.  Dupin  bemerkt  da, 
dafs  ihm  vom  königlichen  Prokurator  in  Nevers  ein  gegen  ihn 
gerichtetes  Libell  zur  Kenntnis  gebracht,  und  dafs  die  Erlaubnis 
zur  gerichtlichen  Verfolgung  des  Verfassers  eingeholt  worden  sei. 


1  In  einer  in  den  'Werken'  weggelassenen  Anmerkung  sagt  Tillier, 
das  Pamphlet  habe  dem  gegen  die  'Dotation  des  Herzogs  von  Nemours' 
gerichteten  (Nr.  11 — 13)  eigentlich  vorangehen  sollen,  aber  mit  Rücksicht 
auf  den  Tod  von  Dupins  Vater  (21.  November  1843)  habe  er  es  damals 
nicht  ausgegeben.    Vgl.  jetzt  Gerin,  Etudes  I  310  f. 


412  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

Er  habe  gedankt,  aber  abgelehnt.  Schwerer  nimmt  Tillier  eine 
über  ihn  ausgesprochene  Verleumdung,  dafs  er  seine  Dienste 
Dupin  angeboten  und  erst,  nachdem  er  zurückgewiesen  sei,  sich 
gegen  ihn  gewendet  habe.  Zur  Widerlegung  dieser  Lüge  hat  er 
sein  Pamphlet  geschrieben.  Mit  bitteren  Worten  wirft  er  von 
neuem  der  herrschenden  Klasse  in  Clamecy  ihre  eigene  poli- 
tische Korruption  ins  Gesicht,  die  jeder  neuen  Regierung  ihre 
Gesinnung  feilhält.  Noch  infamer  würde  er  als  Schriftsteller 
sich  erscheinen,  wenn  er  seine  der  Freiheit  geweihte  Feder  ver- 
kaufen wollte. 

Je  suis  le  plus  ch£tif  et  le  plus  inconnu  de  ceux  qui  ecrivent  pour 
le  peuple;  je  n'ai  dans  ma  main  qu'une  pauvre  plume  de  roitelet;  mais, 
ä  Dieu  ne  plaise  que  je  la  vende  jamais  ä  nos  oppresseurs! 

Und  er  erinnert  in  ausführlicher  (uns  schon  bekannter)  Dar- 
stellung daran,  wie  er  als  Kommunallehrer  gegen  den  König  von 
Clamecy  die  Fahne  der  Empörung  erhoben  und  so  dem  langen 
Schwanz  der  Anhänger  in  der  Stadt  die  willkommene  Veranlassung 
geboten  habe,  ihn  durch  allerlei  Schikanen  endlich  aus  seiner 
Stellung  zu  verdrängen.  Und  warum  sollte  er  sich  jetzt  ver- 
kaufen? Genügt  für  seine  Ansprüche  doch  völlig,  was  seine 
freie  Feder  ihm  verdient.  Er  gibt  eine  ausführliche,  reizende 
Schilderung  behaglicher  Dürftigkeit. 

Mes  appetits  sont  moderet  et  mon  estomac  est  tout  petit.  Quand  il 
ne  uie  faut  qu'une  cötelette  pour  le  remplir,  pourquoi  donc  irais-je,  pour 
avoir  un  aloyau,  me  faire  le  garcon  d'un  boucher?  Ma  table  est  etroite, 
mal  servie  et  menie  tres  peu  servie.  Je  croirais  insulter  un  estomac  tant 
soit  peu  comme  il  faut  que  de  l'y  inviter.  Je  mange  ma  maigre  soupe 
dans  des  cuillers  d'^tain.  Je  fais  ma  boisson  quotidienne  de  la  piquette 
du  pays;  aussi,  quand  Dieu  m'envoie  du  boui'gogne,  je  le  trouve  deli- 
cieux!  c'est  un  avantage  que  n'ont  pas  les  amis  de  M.  Dupin.  Comme 
je  ne  hante  pas  les  grandes  dames,  ma  toilette  me  coüte  fort  peu,  et  la 
leur  ne  me  coüte  rien.  J'ai  pour  principe  qu'on  n'est  point  vetu  d'un 
habit  qu'on  garde  au  porte-manteau ;  aussi  n'ai-je  pour  toute  garde-robe 
qu'un  paletot  d'agröable  6paisseur  pour  l'hiver  et  qu'une  ch^tive  redingote 
pour  les  jours  16gers  de  la  belle  saison ;  et  menie  les  puristes  en  fait  de 
toilette  trouvent  qu'il  manque  ä  mon  pantalon  des  sous-pieds.  Je  recule 
autant  que  possible  l'existence  de  ces  vetements,  et  si  je  pouvais  leur 
conferer  la  longeVite'  des  habits  de  noces  de  nos  grands-peres,  sans  scru- 
pule  je  la  leur  confe>erais.  Quand  ils  sont  e>aill6s  au  coude  ou  ailleurs, 
je  n'en  ai  nul  souci.  Je  m'inquiete  fort  peu  que  la  mode,  quand  je  passe 
devant  eile,  me  regarde  de  travers.    Cela  ne  nuit  point  ä  ma  consideration 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  413 

aupres  de  ceux  qui  me  connaissent,  et  je  ne  tiens  guere  ä  la  consideVation 
öphdmere  des  passants.  J'ai  d'ailleurs,  quand  on  me  salue,  la  satisfaction 
de  me  dire  que  ce  n'est  pas  ä  mon  habit  qu'ou  s'adresse.  Je  n'ai  point 
de  domestiques  pour  me  mal  servir;  j'ai  mes  deux  enfants  qui  suffisent 
tres  bien  ä  cette  besogne.  Comme  ils  n'ob&ssent  jamais  ä.  ma  premiere 
injonction,  cela  me  procure  l'avantage  de  m'indigner  contre  eux;  ainsi 
mon  humeur  conserve  toujours  une  salutaire  äpret6,  et  mon  style  de 
pamphlötaire  se  maintient  toujours  ä  la  trempe  qui  lui  convient.  Quelque 
bornees  que  soient  mes  ressources,  elles  me  permettent  encore  d'etre  la 
dupe  de  certaines  gens.  Je  connais  bien  des  riches  qui  n'ont  pas  le  meme 
avantage.  C'est  un  luxe  dont  je  suis  fier,  et  qui,  Dieu  merci,  ne  m'a 
jamais  manque".  J'aime  mieux  cela,  du  reste,  que  d'acheter  des  cache- 
mires  ä  ma  femme.  Or,  ä  qui  vit  ainsi  et  ne  veut  pas  vi  vre  mieux,  ä 
quoi  servirait-il  d'etre  un  nabab?  . . .  Nous  autres,  les  Tillier,  nous  sommes 
de  ce  bois  dur  et  noueux  dont  sont  faits  les  pauvres.  Mes  deux  grands- 
peres  6taient  pauvres,  mon  pere  £tait  pauvre,  moi  je  suis  pauvre:  il  ne 
faut  pas  que  mes  enfants  derogent.  Avec  trois  mille  fraucs  on  peut  vivre. 
Mon  fils  gagnera  probablement  moins;  mais  s'il  se  permettait  de  gagner 
davantage,  je  reviendrais,  ombre  irrite"e,  £pancher  ses  sacs  d'ecus  par  les 
fenetres.  ...  Et  d'ailleurs,  pourquoi  m'inquieterais-je  donc  tant  de  mes 
enfants?  Quand  mon  dernier  acces  de  toux  sera  venu  et  que  j'aurai 
rendu  ä  Dieu  ma  plume  avec  mon  äme,  est-ce  que  le  soleil  s'äteindra? 
est-ce  que  la  terre  cessera  de  se  couvrir  de  verdure?  Le  pere  de  tous, 
qui  donne  leur  päture  aux  petits  des  oiseaux,  la  refusera-t-il  aux  petits 
du  pamphl^taire? 

So  plaudert  er  weiter,  mit  sich  allein  vor  aller  Welt,  bis  er 
sich  aus  solchen  Phantasien  zurückholt  mit  den  Worten: 

Et  moi,  qui  m'amuse,  comme  un  sot,  ä  faire  du  sentiment  avec  ces 
messieurs ! 

Ein  anderes  Argument  werden  sie  besser  würdigen.  Herr 
Dupin  könnte  einen  Anhänger  wie  Tillier  zu  seiner  Verteidigung 
jetzt  sehr  wohl  gebrauchen.  Er  ist  sichtlich  rückwärts  gegangen. 
Tillier  will  in  Clamecy  eine  scharfe  Kritik  (die  er  wiedergibt) 
von  Dupins  letzter  Rede  im  landwirtschaftlichen  Verein  gehört 
haben.  Und  er  kommt  zu  dem  Schlufs:  Herrn  Dupins  politische 
Rolle  ist  ausgespielt.  Die  Regierung  fürchtet  ihn  nicht,  und  die 
Opposition  in  der  Kammer  mag  nichts  mehr  von  seiner  zwei- 
deutigen Unterstützung  wissen.  — 

Das  Pamphlet  gegen  Dupin  wie  das  bald  darauf  folgende 
gegen  die  Jesuiten  zeigen  uns  Claude  Tillier  noch  in  seiner 
humoristischen  Kraft,  die  das  Leben  und  seine  Unbill  in  einem 
freien,  stolzen  Gemüte  zu  bemeistern  vermag.    Unterdessen  aber 


414  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

nagte  die  schleichende  Krankheit  immer  tiefer  in  die  Wurzel 
seines  Lebens.  Zwar  spottete  er,  wie  Laurence  Sterne,  selbst 
über  seinen  tödlichen  Husten;  aber  den  letzten  Pamphleten  des 
späten  Frühjahrs  und  des  Sommers  1844  glaubt  man  doch  die 
mühsamere  Anspannung  der  Kräfte  anzufühlen.  Eine  kleine  rein 
humoristische  Skizze:  Physiologie  du  Professeur  de  rhetorique, 
die  man  in  den  Werken  unter  die  Pamphlete  gegen  das  Ende 
hin  versetzt  hat  (IV  251 — 262),  gehört,  wie  ihr  politisches  Gegen- 
stück, die  Physiologie  de  VElecteur  de  petite  ville  (das.  245 — 49, 
aus  dem  Feuilleton  der  'Association'  vom  7.  November  1841), 
sicherlich  auch  in  jene  Zeit  noch  fröhlichen  Kampfes.1  Es  schil- 
dert den  Lehrer  der  Muttersprache  in  der  Unterprima  (wie  wir 
ja  sagen  würden)  als  bei  esprit;  seine  höchst  sorgfältige  Aus- 
drucksweise : 

Le  langage  du  professeur  est  chätie*  avec  rigueur;  il  est  pour  ainsi 
dire  bross£; 

seine  dichterischen  und  literarischen  Bestrebungen,  seine  Ver- 
ehrung Racines  und  seinen  Abscheu  vor  den  neumodischen  Ro- 
mantikern, besonders  vor  Victor  Hugo.  Keiner  kennt  besser  als 
er  die  Insektenart,  welche  man  Alexandriner  nennt, 

insecte  dont  le  raäle  a  douze  pieds  et  dont  la  femelle,  contrairement 
ä  ce  qui  a  lieu  dans  toutes  les  races,  en  a  treize. 

Er  kennt  die  ganze  geheimnisvolle  Organisation  dieses  bewun- 
derungswürdigen Insekts : 

il  vous  indiquera  d'un  doigt  sür  celui  qui  boite,  soit  qu'il  ait  un 
pied  de  moins,  soit  qu'il  ait  un  pied  exuberant,  celui  qui  a  la  taille  trop 
pres  de  la  queue  ou  des  epaules,  celui  qui  bruit  irreguliereinent,  celui 
enfin  qui  marchera  sur  les  talons  de  son  chef  de  file,  ce  qu'on  appelle 
enjamber. 

Mit  vierzig  Jahren  pflegt  er  inspecteur  primaire  zu  werden, 
oder  inspecteur  d'acade*mie,  oder  auch  Friedensrichter.  Wenn 
das  letzte,  so  verändert  er  sich  völlig  in  seinem  neuen  Beruf, 
baut  vergnügt  seinen  Kohl,  kennt  Racine  nicht  mehr,  und  aus 
seinen  Manuskripten  darf  seine  Frau  nun  Lockenwickel  für  die 
kleine  Athenais  machen  oder  Eselshörner  für  den  kleinen  Oskar. 


1  Wie  jetzt  Gerin  a.  a.  O.  310  nachweist,  zuerst  Ass.  24.  2.  1842  er- 
schienen. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  415 

Solche  heitere  Bilder  kann  der  todkranke  Mann  nicht  mehr 
in  sich  aufrufen.  Eines  der  letzten,  noch  von  ihm  selber  ver- 
öffentlichten Pamphlete:  Non,  il  n'y  a  pas  eu  de  Revolution 
de  Juillet,  das  sich  gegen  die  gesamte  innere  und  äufsere  Politik 
der  Regierung  richtet  und  zum  Teil  Klagen  wiederholt,  die  wir 
schon  kennen,  hat  einen  forciert -rhetorischen  Anstrich.  Doch 
gerade  was  wir  von  Tilliers  eigentlichem  Wesen  darin  vermissen, 
machte  es  dem  gewöhnlichen  radikalen  Leser  damals  schmack- 
hafter; es  ist  nach  Tilliers  Tode  noch,  bis  1847  elf  mal,  auf- 
gelegt worden. x  Wie  dieses  Pamphlet  mit  seiner  stark  in 
Anaphern  arbeitenden  Rhetorik  deutlich  unter  Cormenins  Einflufs 
geschrieben  ist,  so  auch  das  schon  erwähnte,  ebenfalls  gegen 
die  Regierung  und  ihre  Kammermajorität  gerichtete:  Dotation 
du  duc  de  Nemours.  Auch  dieses  enthält  zur  wesentlichen 
Charakteristik  Tilliers  nichts  Neues.  Es  wendet  sich  gegen 
die  im  Jahre  1844  zum  drittenmal  von  König  Louis  Philipp 
erhobene  Forderung  einer  Dotation  für  seinen  zweiten  Sohn,  der 
seit  dem  unglücklichen  Tode  des  Herzogs  von  Orleans  für  die 
Zeit  der  Unmündigkeit  des  Grafen  von  Paris  zum  Regenten 
designiert  war;  hier  hätte  Tillier  eigentlich  wissen  müssen,  dafs 
schon  die  Minister  dem  Verlangen  des  hartnäckigen  Königs  nur 
mit  gröfstem  Widerstreben  nachgegeben  hatten,  und  dafs  die 
Bewilligung  der  Kammer  von  vornherein  ganz  unwahrscheinlich 
war.  Man  hat  den  Eindruck,  dafs  Tillier  vor  allem  eine  bequeme 
Gelegenheit  zu  Angriffen  gegen  den  König  und  seine  Söhne,  in 
deren  Beurteilung  er  Cormenin  nur  allzu  blindlings  folgte,  nicht 
ungenutzt  vorüberlassen  wollte. 

Das  letzte  von  Tillier  selber,  wie  es  scheint,  noch  zum 
Druck  gegebene  Pamphlet,  dessen  Ausgabe  er  aber  nicht  mehr 
erlebte,2  enthält  die  ergreifende,  bei  uns  in  Pfaus  Übersetzung 
längst  bekannte  Klage  um  die  Mutter.  Es  trägt  die  Auf- 
schrift: M.  de  Ratisbonne,  ou  un  commis-voyageur  de  la  sainte 
Vierge.  Der  Bischof  Dufetre  hat  den  älteren  der  beiden  vom 
Judentum  zum  Katholizismus  bekehrten  Brüder  Ratisbonne  — 
die  Bekehrung   des  jüngeren  in  Rom  1842    hatte  auch  in  Paris 


1  Bourquelot,  La,  Litterature  francaise  contemporaine  G,  478. 

2  Nach  GeVin  S.  312  Ende  Oktober  1844  ausgegeben. 


416  Claude  Tillier  als  Pamphletist. 

Aufsehen  erregt '  —  zu  eiuer  Gastpredigt  nach  Nevers  gerufen. 
Tillier  hat  ihn  gehört  und  kritisiert  ihn  jetzt.  Er  ist  für  ihn  'un 
pauvre  sire';  er  weifs  im  Grunde  nichts  zu  sagen  als  immer 
wieder:  il  faut  aimer  Marie.  Diese  himmlische  Mutter  sollte 
Tillier  mehr  lieben  als  seine  eigene  irdische,  die  eben  jetzt  neben 
ihm  sitzt,  alt  und  taub  und  nur  um  ihn  besorgt! 

Ma  mere  est  ä  cöte"  de  mon  fauteuil  de  malade;  eile  est  sourde,  la 
pauvre  femme,  et  nous  ne  pouvons  guere  nous  faire  entendre;  mais  eile 
est  lä  qui  m'enveloppe  de  tous  ses  regards,  qui  cherche  ä  deviner  dans 
mes  yeux  ce  que  je  desire,  et  dans  le  moindre  pli  de  mon  front  ce  qui 
me  deplait;  eile  a  quitte"  l'autre  moitie  de  sa  famille,  celle  qui  n'a  pas 
besoin  d'elle,  pour  prendre  sa  part  de  mon  agonie.  Les  soins  qu'elle 
avait  donnes  ä  mon  enfance,  eile  les  prodigue  ä  ma  precoce  vieillesse. 
Elle  a  dejä  vu  mourir  un  fils,  et  eile  vient  encore  me  preter  l'appui  de 
son  bras  pour  me  faire  descendre  plus  doucement  les  pentes  de  la  vie.  ... 
Et  quand  j'ai  ä  aimer  une  pareille  mere,  on  voudrait  que  j'allasse  porter 
mes  adorations  ä  une  mere  dont  mes  sens  ne  me  rendent  pas  compte! 

Pauvre  mere!  de  quelle  lourde  main  Dieu  vous  a-t-il  donc  mesure 
les  larmes  qu'il  a  mises  sous  votre  paupiere!  Dieu  ne  serait-il  donc 
juste  envers  les  meres?  Un  fils  ne  peut  enterrer  qu'une  fois  sa  mere; 
mais  une  mere,  de  combien  de  fils  souvent  ne  porte-t-elle  pas  le  deuil !  . . . 
Oh!  combien  je  suis  moins  ä  plaindre  qu'elle!  Je  meurs  quelques  jours 
avant  ceux  de  ma  gehöration;  mais  je  meurs  dans  cet  äge  oü  finit  la 
jeunesse,  et  apres  lequel  la  vie  n'est  plus  qu'une  longue  döcadence.  Je 
rendrai  ä  Dieu  mes  facultas  telles  qu'il  nie  les  a  donnees;  mon  imagi- 
nation  vele  toujours  d'un  vol  libre  dans  l'espace,  et  le  temps  n'a  point 
blanchi  les  plumes  de  son  aile.  . . .  Belle  et  päle  automne !  tu  ne  m'as 
point  vu,  cette  annde,  dans  tes  chemins  bordes  d'herbes  fl£tries;  je  n'ai 
vu  ton  doux  soleil  et  je  n'ai  senti  tes  brises  parfumees  que  de  ma  fenetre; 
mais  nous  nous  en  irons  ensemble!  Je  veux  mourir  avec  la  derniere 
feuille  des  peupliers,  avec  la  derniere  fleur  de  la  prairie,  avec  le  dernier 
chant  des  oiseaux,  enfin  avec  tout  ce  qui  est  doux,  avec  tout  ce  qui  est 
beau  dans  l'annee.  II  faut  que  ce  soit  la  premiere  bise  qui  me  dise:  II 
faut  partir!  —  Ne  vaut-il  pas  mieux  mourir  ä  temps  que  de  vieillir? 

Im  Herbst  dann  wirklich,  wie  er  erwartete,  in  der  Jahres- 
zeit, die  ihm  so  lieb  war,  die  er  wiederholt,  im  Vers  und  in 
Prosa,  mit  einer  matten,  dem  Tode  nahen  Frau  verglichen  hat, 
am  12.  Oktober  1844  ist  Claude  Tillier  in  Nevers  gestorben. 
Aufrecht  und  an  der  Arbeit  blieb  er  bis  zuletzt;  vier  Tage  vor 
seinem  Tode  war  er  in  Clamecy  und  nahm  Abschied  von  seinen 


1  Sainte-Beuve,  Chroniques  Parisiennes  S.  93. 


Claude  Tillier  als  Pamphletist.  417 

Freunden.  In  den  letzten  Septembertagen  hatte  er  zur  Vermäh- 
lung der  Tochter  eines  alten  Freundes  in  Clamecy  mit  einem 
jungen  Gelehrten,  der,  schon  damals  von  der  Universität  wieder- 
holt ausgezeichnet,  später  ein  geachteter  Physiker  und  Meteorologe 
geworden  ist,1  noch  einen  poetischen  Glückwunsch  in  die  Heimat 

geschickt : 

Un  voile  blanc,  sainte  et  touchante  chose, 
Devant  l'autel  ce  matin  s'inclinait. 
Heureux  parents,  vous  faites  un  bouquet 
D'un  laurier  vif  et  d'une  rose. 

Seine  eigensten  Gedichte  hat  er  in  Prosa  geschrieben  und 
selbst  über  seine  Pamphlete,  wie  wir  gesehen  haben,  in  unbe- 
kümmerter Laune  hingestreut.  Eine  das  Wesen  suchende  Be- 
urteilung auch  des  Politikers  Tillier  mufs  sich  zuvor  mit  dem 
humoristischen  Dichter  genauer  bekannt  machen. 

1  Mari6-Davy.  Nach  einer  freundlichen  Mitteilung  von  Herrn  Am6dee 
Catonne\  dem  man  eine  im  'Echo  de  Clamecy'  1901  abgedruckte  Con- 
ference über  Claude  Tillier  verdankt. 

Berlin.  Max  Cornicelius. 


Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  27 


Kleine   Mitteilungen. 


Ungedruckte  Briefe  aus  Klopstoeks  Lebensabend. 

Die  Originale  der  unten  mitgeteilten  Briefe  befanden  sich  früher 
im  Besitz  der  Frau  Elisabeth  Cramer-Sieveking,  der  ältesten  Tochter 
des  Syndikus  Karl  Sieveking  (f  1847)  und  des  Enkelkindes  der 
Adressatin,  Frau  Johanna  Margareta  S.,  geb.  Reimarus,  der  Seele 
des  gastfreundlichen  Hauses  ihres  Gatten  Georg  Heinrich,  zu  Neu- 
mühlen. Frau  Elisabeth  C.-S.  überliefs  sie  käuflich  dem  British 
Museum1  am  15.  Dezember  1890;  sie  bilden  nun  unter  dem  Buch- 
staben P  einen  Teil  des  Sammelbandes  Additional  33  610  A-T. 
a)  und  b)  sind  auf  Quart-,  ß  c)  und  d)  auf  Oktavbogen  geschrieben.  Im 
Gegensatz  zu  dem  in  der  Anmerkung  erwähnten  Jugendbriefe  ist  die 
Handschrift  des  Dichters  durchaus  leicht  lesbar,  nur  sind  die  Züge  in  d) 
etwas  zitterig.  —  Für  die  literarische  Tätigkeit  oder  die  literarischen 
Beziehungen  Klopstoeks  ergeben  die  Briefe  wenig  Neues:  immerhin 
gewinnen  wir  aus  c)  und  seiner  Einlage  einen  Beitrag  zur  Textkritik 
der  Ode  'Unbekannte  Seelen',  während  uns  a)  den  Messiassänger  in 
einer  Art  Mäcenas-Rolle  gegenüber  der  Pforte  zeigt,  d)  endlich  sein 
Verhältnis  zu  F.  Stolberg  nach  dessen  'Bekehrung'  berührt.  Um  so 
deutlicher  sehen  wir  in  das  Privatleben  des  Dichtergreises,  sehen  ihn 
im  Kreise  der  ihn  verhimmelnden  und  verhätschelnden  'lieben  Freun- 
dinnen', stets  zu  harmlosen  Scherzen  aufgelegt,  nicht  ohne  dabei  eine 
dem  Alter  eigentümliche  Geheimniskrämerei  zu  beobachten;  daneben 
spricht  fast  aus  jeder  Zeile  eine  selbstbewufste  Eitelkeit,  die  wie  ein 
König  oder  Fürst  Gnaden  und  Ehrenstellen  leutselig  verleiht,  sei's  die 
Widmung  einer  Ode  oder  einen  Messias -Vorleserposten  an  der  Pforte. 

London.  R.  Priebsch. 

a) 

Ich  habe  Ihnen,   mich  deucht,  gesagt,   dafs  ich  in  die  Prinzessin  von 
Thurn  u.  Taxis2  verhebt  bin.     Jetzt  frage  ich  Sie,  Liebste  Sieveking,   um 


1  Ms.  Egerton  24o7  enthält  einen  Jugendbrief  Klopstoeks  an  Meta,  abgedruckt 
Schnorre  Archiv   15,  2'-'>~>  ff. 

2  Therese  Mathilde  Amalie  (Erbprinzefs  von  Thurn  und  Taxis,  geb.  Herzogin 
von  Mecklenburg-Strclitzj.  der  Kl.  die  Ode  'Das  Denkmal'  (1794)  gewidmet  hat 
als  Dank  für  eine  ihm  Winter  1795/96,  zugleich  mit  einem  anonymen  Briefe,  zu- 
gesandte Efldene  Dose,  der  ein  Emailgemälde  aus  Her  Hermannsschlacht  einsrffüttt 
war  (Munker,  Klopt»to<  k  s.  542). 


Kleine  Mitteilungen.  419 

Rath,  ob  ich  Ihr  eine  so  deutliche  Liebeserklärung  mache  darf,  als  ich 
vorhabe?  Ich  werde  Sie  nämlich  bitten,  oder  vielmehr  einladen:  In  der 
Pforte  vier  Vorlesern  des  Messias  vier  kleine  goldne  Medaljen  zu  geben, 
die  zusamen  von  ungefähr  den  Werth  von  100  M.  hätten.  Die  Vorlesungen 
werden  in  der  Zeit  von  einem  Jahre  gehalten.  Der  Rector  bestimmt  die 
Tage,  an  welchen  es  geschehen  soll:  u.  die  jungen  Leute  wählen  den  jedes- 
maligen Vorleser  unter  sich.'  Die  Deutlichkeit  der  Liebeserklärung  werden 
Sie  mir  zugestehn ;  aber  nun  auch  finden,  dafs  es  sich  für  einen  Privat- 
mann nicht  schickt,  an  Prinzessinen,  u.  dan  auch  nicht  für  mein  Alter, 
Liebeserklärungen  zu  machen;  u.  Sie  werden  es  mir  also  natürlicher  Weise 
abrathen.  Allein  was  soll  ich  nun  thun,  da  ich  die  Sache  einmal  sehr 
lebhaft  wünsche?  Könte  ich  den  nicht  in  Hamburg  bleiben?  u.  muß  ich 
den  notwendig  nach  Regensburg  gehn?  In  dem  Falle,  dafs  Sie  mit  dem 
Nichtverreisen  zufrieden  sind,  bitte  ich, Sie  um  keinen  Rath,  sondern  ich 
gebe  Ihnen  den,  nicht  zu  bescheiden  zu  seyn.  Der  ihrige 

den  5  May  1800  Klopstock 

b) 

Als  mir  der  Gedanke  von  der  Belohnung  der  pförtnischen  Vorleser 
kam,  war  auch  gleich  der  Zweyte  da:  Aber  ja  kein  Fürst,  sondern  ein 
Bürger!  Aus  dem  Bürger  wurde  bald  eine  Bürgerin ;  und  es  währte  auch 
gar2  nicht  lange,  dafs  Sie,  L.  Sieveking,  die  Bürgerin  waren.  In  der 
Freude  über  die  Sache,  gab  ich  meinem  gestrigen  Briefe  (den  kein  sterb- 
liches Auge  sehen  soll!)  die  Scherzhafte  Wendung,  die  er  hat.  Sie  sind 
für  das  Verreisen  nach  Regensburg,3  ich  bin  es  nicht.  Daraus  folgt  gar 
nicht,  dafs  ich  Mathilde  Amalia  deswegen  auch  nur  um  ein  Haar  breit 
weniger  liebe,  als  sonst.  Der  Punkt,  worauf  es  mir  ankam,  war:  Weder 
Fürst  (also  auch  nicht  der  Markgraf  von  Baden,4  den  ich  hochachte  u. 
liebe)  noch  Fürstin  sollten  belohnen.  Aber  welchen  Bür[ger]5  oder  welche 
Bürgerin  soll  ich  nun  wählen,  da  Sie  für  meine6  Wahl,  mit  der  ich  doch 
so  zufrieden  war.  nicht  gewesen  sind?  Wen  ich  Sie  hier  um  Ihren  Rath 
bitte,  so  bitte  ich  Sie  zugleich  um  Ihren  Beystand  bey  der  Ausführung. 
Aber  am  besten  wäre  es  gleichwol,  wen  Sie  umkehrten,  u.  mir  gegen  Sich 
selbst  bey  ständen.  Der  Ihrige 

den  0.  May  Klopstock 

Adresse:  An  Madam  Sieveking. 

ß 
[Antwort  der  Frau  Sieveking.] 
Mein  bester  Klopstock 

Ich  beantworte  Ihren  Brief  gleich,  weil  er  mir  viele  Freude  macht. 
Dafs  ich  ihn  Niemand  zeigen  kann,  thut  mir  recht  wehe. 

1  Ob  dieser  Plan  zur  Ausführung  gekommen  ist,  weifs  ich  nicht  zu  sagen. 
Am  20.  März  desselben  Jahres  hatte  Kl.  dem  Rektor  der  Pforte,  C.  W.  E.  Heim- 
bach, nebst  einem  Briefe  die  Göschen.  Prachtausgabe  des  Messias  zur  Aufstellung 
in  der  Schulbibliothek  zugesandt,  was  auch  unter  grofsen  Feierlichkeiten  zu  Ostern 
(15.  April)  geschah  (vgl.  Munker  S.  546;  Heimbach,  Klopstock  Fever  in  Schul- 
pforte. Grimma  1800).  Der  überschwengliche  Bericht  Heiuibachs  (s.  auch  unten  c) 
mag  ihm  den  Gedanken   nabegelegt  haben. 

2  Vorher  j  a  durchstrichen. 

3  Über  Ursache  oder  Absicht  der  Reise,  zu  der  es  aber  sicher  nicht  gekommen 
ist,  sind  wir  nicht  unterrichtet ;  doch  scheint  es  sich  nach  obiger  Stelle  um  eine 
Kinladung  der  Prinzessin  gehandelt  zu  haben,  die  in  dem  schönen  (verlorenen?) 
Brief  enthalten  gewesen  sein  wird,  auf  den  sich  Frau  Sieveking  in  ihrer  Antwort 
(oben  fi  gegen  Schlufsj  bezieht. 

4  Über  Kl.s   Beziehungen  zu  ihm   vgl.   Munker  S.   467  ff. 

5  -ger  verrieben.       6  Aus  mit  meiner  korrigiert. 

27* 


420  Kleine  Mitteilungen. 

Ich  fühle  ganz  das  Ehrenvolle  in  der  Absicht  und  das  liebevolle  des- 
wegen tut  es  mir  wehe.  Ich  fühle  dafs  ich  der  Prinzessin  eine  grofse 
Freude  rauben  würde  wenn  Sie  ihr  nicht  schrieben.  Es  palst  nicht  für 
mich  so  zu  belohnen,  die  die  Ihnen  einen  so  schönen  Brief  schreiben 
konnte,  die  mufs  dafür  belohnt  werden. 

d.  22.  Aug.  1800  c) 

Wen  meine  Vermutung  wahr  seyn  solte,  dafs  der  edle  Unbekante  wohl 
eine  edle  Unbekante  seyn  möchte;  so  werden  Sie  mir  keine  kleine  Freude 
machen,  wen  Sie  Ihr  einen  Wunsch,  den  ich  habe,  als  verzeihlich  vor- 
stellen wollen:  Er  ist:  Ich  habe  die  fünf  an  Sie  gerichteten  Oden  ver- 
anlafst.  Dafür  möchte  ich  die  Belohnung  erhalten,  dafs  ich  Sie,  ich  sage 
nicht  fünfmal;  aber  doch  mehr  als  Einmal  küssen  dürfte.  Sie  sind  grofs- 
mütig,  L.  S.  u.  Sie  werden  mir  also  bey  der  Unbekanten,  die  es  dan  frey- 
lich mir  nicht  bliebe,  durch  Ihre  Fürbitte  beystehen.  —  Ich  hatte  gestern 
vor  Ihnen  eine  Änderung  zu  sagen,  die  ich  in  der  Ode:  Unbekante  Seelen  ' 
gemacht  habe.  Die  beyden  letzten  Verse  der  letzten  Strophe  sind  jetzt  diese : 
Ihre  Stime.  Kein  Sturm  wirbelt;  aus  Hainen  weht's 
Von  den  Siegen  des  guten  Maus. 
Ich  bitte  um  den  versprochenen  Brief  von  Schmeiffer.2       Der  Ihrige 

Klopstock 

P.  S.  In  Heimbachs  Briefe  kommt  etwas  von  einem  seidenen  Kiffen3 
vor.     Schade,  dafs  ein  solches  Kiffen  so  bald  verdirbt. 

d) 

Hierbei  Schmeiffers  Brief.  Sie  konten,  L.  S.  zur  Ausrichtung  Ihres 
Auftrages  keine  bessere  Gesandtin  wählen,  als  die  P.4  Sie  verschwieg  mir 
indefs  doch  nicht,  dafs  Sie  bei  Gebung  des  Auftrages  ein  wenig  satirisch 
ausgesehn  hätten.  Das  Satirische  war,  denke  ich,  von  der  unschuldigsten 
Art.  Den  hätte  es  auch  nur  ein  wenig  Schuld  auf  sich  geladen  gehabt; 
so  hätten  Sie  ja  den  Ton  verkannt,  den  ich  meiner  Bitte  durch  das  Wort 
verzeihlich,  gegeben  hatte:  u.  diese  Verkeilung  glaube  ich  nun  einmal 
nicht.  Den  irrte  ich  hierin,  so  verlöre  ja  dadurch  der  schöne  Tag,  den 
Sie  mir  den  2.  Jul.  machten.    U.  der  sol  auch  nicht  Eine  Blume  verlieren. 

Sie  erinnern  Sich,  dafs  Sie  die  Ode:  Unbekante  Seelen,  erst  nach 
Errathung  eines  von  mir  aufgegebenen  Räthsels,  bekomen  solten.  Ich  liefs 
den  Einfall  vom  Päthsel  dem  Scheine  nach,  fahren,  u.  gab  die  Ode.  Aber 
ich  sage  Ihnen  jezt,  dafs  das  Päthsel  aufgegeben  ist.  — 


1  Das  Autograph  der  'Im  Junius  1800'  datierten  Ode  liegt  auf  einem  Quart- 
bogen bei.     Die  Schlufsworte  lauten  hier: 

Ihre  Stime.     Kein  Sturm  wirbelt,  kein  Fels  erschallt 

Vo m  Getöse  des  Ozeans. 
Sonst  finden  sich  folgende  Abweichungen  vom  Druck  (Pawel  S.  150  f.):  Überschrift: 
Unbekante    Seelen.     5  treuere.      7  schlaget  (st.  strafet).      9    nicht    eure 
Seelen  euch  leugne.     31  Aber  (st.  O). 

2  Johann  Gottfried  S.,  bekannter  Physiker  und  Chemiker,  vgl.  ADB  31,  633. 

3  Vgl.  Heimbach  a.  a.  O.  S.  11:  Die  zwei  Alumnen  Küttner  und  Rüger  trugen 
Kl.s  Geschenk    auf  einem  Kissen  von  weifser  Seide    mit  jungem  Grün  geputzt. 

4  Vielleicht  Fried.  Elisabeth  Poel,  geb.  Busch,  die  zu  den  'liebsten  Freunden' 
des  alten  Dichters  gehörte  (Munker  S.  541).  —  Es  scheint  —  denn  ganz  klar  ist 
mir  die  Sache  nicht  — ,  dafs  hinter  der  edlen  Unbekanten  (in  c)  Frau  Sieve- 
king  zu  suchen  ist,  an  die  Kl.  fünf  Oden  gerichtet  —  d.  h.  doch  wohl  ihr  ge- 
widmet —   hat. 


Kleine  Mitteilungen.  421 

Ich  habe  endlich  diesen  Morgen  einen  Brief  von  St.*  eröffnet.  Er 
sagt  mir  darin  nichts  von  der  traurigen  Sache;  und  schliefst  den  Brief: 
„Ach  liebster  Klopstock!  Sie  Kl.  und  mein  ältester  Freund!  Welche 
Gefühle  ergreifen  mich!  Ich  drücke  Sic  mit  der  ehrerbietigsten  Zärtlich- 
keit an  mein  Herz!"  Dieser  Schlufs  hat  mich  erschüttert.  Sie  sehen, 
was  darin  liegt.  Der  Ihrige 

den  25.  Aug.  Klopstock 

Zur  deutschen  'Bauernpraktik'  (1508). 

Die  ersten  Ausgaben  der  deutschen  'Bauernpraktik'  enthalten 
zum  Schlufs  ein  Kapitel  '  Von  den  XII  gueten  Freytagen',  für  welches 
der  Herausgeber,  Geh.  Rat  G.  Hellmann,  keine  Quelle  hat  nach- 
weisen können.  Indes  geht  auch  dieser  Abschnitt  auf  eine  alte  Vor- 
lage zurück,  nämlich  einen  lateinischen  Text,  den  soeben  G.  Mercati 
aus  einer  vatikanischen  Handschrift  des  12.  Jahrhunderts  (Cod.  lat. 
3838)  unter  dem  Titel  'Un  apoerifo  di  demente  Romano'  (=  Studi 
e  Testi  Nr.  5,  Roma  1901,  S.  80  f.)  veröffentlicht  hat.  Ein  Vergleich 
des  beiderseitigen  Anfanges  zeigt,  dafs  es  sich  um  eine  ganz  wört- 
liche Übersetzung  handelt. 

Sant  Clemens  schreibt  vnnd  Ego  Clemens,  Romanus  pontifex, 
spricht:  Ich  wil  euch  machen  ewigs  paraui  uobis  uitam  eternam.  In- 
ieben. Ich  han  gefunnden  in  dem  ueni  in  canonibus  apostolorum,  quod 
buch,  das  da  haissett  Canones  Apo-  Dominus  dixit  ad  beatum  Petrum, 
stolorum,  da  Gott  sprach  zu  sant  magistrum  meum;  de  duodeeim  die- 
Peter  von  zwölff  freytagen,  in  den  bus  Ueneris,  in  quibus  omnes  chri- 
alle  Christen-menschen  in  wasser  stiani  in  pane  et  aqua  ieiunare  de- 
vnnd  brot  fasten  sollen,  usw.  bent  usque  ad  uesperas,  usw. 

Dieselben  zwölf  Freitage,  aber  mit  anderer  Begründung  als  Ein- 
leitung, nennt  ein  lateinischer  Text  bei  P.  Meyer,  Bulletin  de  la  Soc. 
des  an9.  textes,  1883,  S.  97,  woselbst  auch  eine  französische  Version 
abgedruckt  ist.  Eine  spätgriechische  Übersetzung  bei  Mercati  S.  238  ff. 
Über  die  rumänischen  Texte  vgl.  Gaster  in  Gröbers  Grdr.  II  3,  S.  410. 
Quellen  zu  anderen  Teilen  der  'Pauern  Practick'  siehe  oben  S.  347, 
350,  351,  354. 

Würzburg.  Max  Förster. 

Zum  angelsächsischen  Davidbild. 

F.  Liebermann  hat  in  Bd.  CIX  dieser  Zeitschrift  eine  Notiz 
S.  377  über  meine  Deutung  des  Davidbildes  (zu  S.  63  meiner  Ge- 
schichte der  englischen  Litteratur)  gegeben.  Dabei  ist  jedoch  über- 
sehen, dafs  ein  Nachtrag  S.  XII  des  ersten  Abzuges  meines  Buches 
die  Erklärung  des  Bildes  schon  weiter  gefördert  hat,  als  es  diese 
Notiz  tut.  Damit  nun  nicht,  durch  Liebermann  veranlagst,  noch  an- 
dere sich  an  der  Erklärung  dieses  Bildes  versuchen,  so  gebe  ich  hier, 
was  die  zweite  umgeänderte  und  vermehrte  Auflage  meiner  Literatur- 
geschichte, mit  der  ich  gerade  jetzt  beschäftigt  bin,   zu  dem  Bilde 


1  Friedrich    L.  Stolberg,    der    am   1.  Juni   1800    zum    Katholizismus    übertrat. 
Vgl.  ADß  36,  35U  ff. 


422  Kleine  Mitteilungen. 

bringen  wird.    Ich  hoffe,  dafs  damit  die  ganze  Frage  genügend  er- 
ledigt wird! 

Ein  ähnliches  Bild  wie  das  unsere  ist  gegeben  in  H.  Ottes  Hand- 
buch der  kirchlichen  Kunstarchäologie  (5.  Auflage  bearbeitet  von 
Wernicke.  Leipzig  1883.  Bd.  I,  S.  523).  Es  ist  dem  Psalter  Karls 
des  Kahlen  entnommen.    Hier  steht  der  Vers  dabei: 

Quattuor  hie  socii  comitantur  in  ordine  Dauid 
Asaph  et  (He)man  Ethan  atque  Idithun. 

Die  Sänger  und  Spielleute  Davids  sind  erwähnt :  1  Chron.  15(16  nach 
anderer  Zählung),  V.  1 9 :  'Denn  Heman,  Assaph  und  Ethan  waren 
Sänger  mit  ehernen  Cymbeln  helle  zu  klingen',  und  1  Chron.  17  (16), 
V.  42 :  'Heman  und  Jedithun  mit  Trompeten  und  Cymbeln  zu  klingen, 
und  mit  Saitenspielen  Gottes'.  Von  Psalmen  werden  mit  Asaphs 
(Assaphs)  Namen  zusammengebracht:  Ps.  50,  73  und  75  —  83  einschl., 
mit  dem  Jedithuns  (Idithun,  auch  Idithim)  Ps.  39,  62,  77.  Heman 
wird  zugeschrieben  Ps.  88,  Ethan  endlich  Ps.  89.  Auf  unserem 
Bilde  ist  bei  der  Überschrift  Ethan  der  untere  Strich  des  E  abge- 
sprungen, so  dafs  E  wie  F  aussieht.  Rechts  kann  man  auf  der  für 
unser  Bild  in  London  angefertigten  Photographie  idithun  oder  idithim 
lesen  (un  und  im  lassen  sich  in  angelsächsischer  Schrift  ja  fast  nie 
unterscheiden).  Über  dem  Spielmann  rechts  unten  erkennt  man  auf 
der  Photographie  noch  .ema.,  also  gleich  Heman.  So  mufs  der  vierte 
Musiker,  dessen  Name  ganz  unleserlich  ist,  Asaph  sein.  Die  vier 
Sänger  und  Musiker  werden  wie  angelsächsische  Jongleure  dargestellt. 
Ethan  wirft  Messer  und  Kugeln,  Idithun  spielt  ein  geigenartiges 
Instrument,  Asaph  bläst  Posaune  und  Heman  Hörn.  David,  hinter 
dessen  Haupt  auch  der  Name  steht,  sitzt  würdevoll  auf  seinem 
Throne  mit  der  Knieharfe  vor  sich  (nicht  Zither,  wie  Liebermann 
sagt).  Der  heilige  Geist  läfst  sich  auf  ihn  herab.  Im  Gegensatz  dazu 
findet  sich  auf  dem  Bilde  bei  Otte  viel  Bewegung.  Nicht  nur  die 
vier  Begleiter  tanzen,  sondern  selbst  König  David,  der  sehr  jung 
dargestellt  ist,  macht  trotz  seiner  Harfe  Tanzbewegungen. 

Leipzig-Gohlis.  Richard  Wülker. 

Das  Handschriftenverhältnis  in  Cnuts  Gesetzen. 

Cnuts  Gesetze  *  liegen  in  fünf  angelsächsischen  Hss.  G  D  B  A  L 
und  vier  Übersetzungen  12.  Jahrhunderts  vor,  nämlich  drei  latei- 
nischen, Q[uadripartitus],  J[nstituta],  C[onsiliatio],  und  in  den  Leis 
Willelme.  -  D  und  W  3  ziehen  nur  wenige  Stücke  aus;  auch  J  über- 
springt viel;  von  B4  ist  der  Anfang  verloren;  L[ambard]  kommt  nur 

1  Meine  Qesetxe  der  Angelsachsen  S.  278.     2  Ebd.  S.  529.  G12.  618.  492. 

3  12— 8,2=  W  1—2;  9,1  =W  17,3;  II  2a  — 3  =  W  39— 41,1;  II  15, 1 
=  W  13;  15,  1  —  19,2  =  W  39,  1—44,  2;  20  =  W  25;  24  —  31,  2  = 
W  45  —  52,2;  71a  — 71,  2  =  W  20  — 20,  2  a,  auch  diese  nur  mit  Aus- 
lassungen und  Änderungen. 

4  Die  Spur  einer  verlorenen  Hs.  etwa  um  1100— 1150  erhielt  auch  B  2, 
d.i.  B's  Korrektor  im  16.  Jahrhundert,  deutlich  122,1.  II 18.  19,2.  22,1. 


Kleine  Mitteilungen.  123 

insoweit  in  Betracht,  als  er  nicht,  wie  zumeist,  buchstäblich  B  oder  A 
wiederholt  oder,  wie  unzählige  Male,  blofse  Druckfehler,  Verderb- 
nisse —  des  16.  Jahrhunderts  oder  frühere  in  verlorenen  Mittelglie- 
dern —  und  willkürliche  Archaisierungen  aufweist,  sondern  allein 
ein  ganzes  Wort  bewahrt. 

Gleich  im  Prolog  verordnet  Cnut  him  sylfum  to  cynescipe  7  folc\e\ 
to  ßearfe.  Nur  L  hat  folc,  es  fehlt  G  A  C,  aber  Q,  übersetzt  commune, 
J  regni,  und  D,  hier  überall  ändernd,  bietet  ßeode.  Dafs  folce  von 
Cnut  gemeint  war,  folgt  aus  seinem  Erlasse  von  1020:'  to  minum 
kynescype  7  to  ealles  folces  ßearfe.  Die  verlorene  Vorlage2  L's  heifse  1. 
Dafs  L  auch  aus  G  schöpfe,  folgere  ich  aus  der  Zeile  I  7,  3 :  7  ficct  beo 
his  beweddode  wif,  die  GLQC  J  haben,  AD  aber  auslassen,  und  aus 

I  2  saulum  to  hcele  in  GL,  was  ADQC  auslassen.  Freilich  bleibt 
die  Möglichkeit,  L  nehme  beides  aus  1.  Umgekehrt  ward  L  benutzt 
durch  G  2,  den  Korrektor  G's  im  1 6.  Jahrhundert,  I  1 2 ;  G  2  klam- 
mert ein  L  fehlendes  Wort  ein  II  71. 3 

D  begeht  zwei  Fehler  mit  C  gemeinsam  gegen  GBAQ,  näm- 
lich XL  gegen  LX  II  1 5,  2  und  synne  gegen  synnan  II  6 ;  ihre  ver- 
lorene Vorlage  heifse  de.  Bei  der  Spärlichkeit  der  Argumente  bleibt 
jedoch  die  Möglichkeit,  dafs  D  und  C  selbständig  abwichen. 

A  gemeinsam  mit  Q  läfst  Wörter  aus  II  14,  1   gegen  GJC, 

II  46,  2  gegen  GBC,  überspringt  eine  Zeile  DI  68,  la  gegen  GBC, 
ändert  Ausdrücke  in  leichtere  oder  modernere,  so  leete  riht  zu  wille 
(uolo)  II  75  gegen  GJ,  nime  (aeeipiemus)  zu  lese  (metemus)  II  68 
gegen  GC,  verderbt  fyrdwite  zu  fyrdung  II  12  gegen  GBJC,  blote 
zu  hlotce  (sorte)  II  5,  1  gegen  GBC  und  deore  zu  deope  (profunde) 
II  2, 1  gegen  GDB  JC.   Die  verlorene  Vorlage  von  A  und  Q  heifse  aq. 

J  begeht  mit  L  den  Fehler  uitam  (feorh)  II  16  gegen  freme  G, 
freoma  B,  feorme  A,  commodo  Q,  C,  vermutlich  gemäfs  einer  verlorenen 
Vorlage  il.  J  läfst  II  3  eine  in  GDBC  stehende  Zeile  gemeinsam 
mit  aq  aus,  folgend  einer  gemeinsamen  Vorlage  aqil.  W  liest  39,  1 
XL  solz  wie  J  II  15,  1  XL  sol.  gegen  GDBAQC;  44,  2  nam 
prendre  wie  J  II  19,  2  aeeipere  ndme  und  47,  1  ne  volt  wie  J  II  25  a 
noluerit  gegen  GBAQC;  45  ne  mort  ne  vif  wie  JC  DI  24  vivum 
nee  mortuum  gegen  GBAQ,;  41,1  l'anme  wie  G  J  II  3  saule  gegen 
DBAQC;  41  defendun  wie  AJC  II  3  forbeodad  gegen  GDBQ; 
40  prohibemus  wie  II  2, 1  BQ  JC  forbeodad  gegen  G  A.  Jedoch  setzt 
W  52,  2  utlage  mit  A  II  31,  2   gegen  utlah  GB,    13  sa  were  mit  A 


24,3.  30,  1.  42.  55.  56.  57.  65.  72.  73a.  80,1.  In  II  ü8,  lb  hat  der  Kor- 
rektor durch  Rasur  den  Text  Cnuts  geändert,  so  dafs  er  Cnuts  Quelle, 
nämlich  Edgars  sog.  Canones,  entspricht.  Und  jene  Stellen  sind  zumeist 
solche,  die  keine  Parallele  in  einem  der  anderen  Texte  haben.  Eben  darum 
läfst  sich  B  2  nicht  klassifizieren ;  doch  steht  II  75  leete  riht  in  B  2  G 
deutlich  gegen  BA.         *  .Qes.  Agsa.  S.  274. 

2  Vgl.  Wroblewski  Über  altengl.  Ges.  des  K.  Knut  13.  Auch  arcere 
II  15   1   in  L  für  rcere  GBA  entstammt  wohl  nicht  D,  sondern  1. 

:;  Dreimal  setzt  G2  Zahlwörter  aus  L  über  Zahlen  II  71,1.  Wenn 
G  2   kleiner  Besserungen   fähig  war,  so  schöpfte  er  auch  I  Epilog  aus  L. 


424 


Kleine  Mitteilungen. 


II  1 5,  1  his  weores  gegen  G  D  B  Q,  J  C :  ein  Beweis,  dafs  W  zwei  Les- 
arten für  II  15,  1  benutzte,  denn  W  39,  1  steht  statt  Wergeides  eine 
Geldsumme.  Vermutlich  also  stammt  W  aus  aqil  oder,  wenn  der 
letztere  Fall  auf  zwei  selbständigen  Abweichungen  beruht,  aus  iL 

Die  drei  oder  vielmehr  vier  gemeinschaftlichen  Fehler  von  B 
und  A,  nämlich  twa,  peofman  II  18.  32  gegen  tuwa,  peowman  in 
GQ,  JC  und  beo  II  33,  1  a  statt  beö  in  GQ,  fcestan  statt  faste  man 
1 1 6  a,  sind  so  geringfügig,  dafs  sich  darauf  keine  Theorie  hätte  auf- 
bauen sollen. 

Ebenfalls  nur  zufällig  scheinen  gemeinsam  zu  irren  GB  I  22,  3 
mit  syn  gegen  synd  (sunt,  continentur)  in  AQC,  G  J  II  3.  73  a  mit 
sawle  (anima)  gegen  sawla  (animas)  und  landan  (terms)  gegen  lande 
(terra)  in  B  A  Q  C,  G  Q  J  C  II  4  a  mit  forfaran  gegen  forfare  in  B  A ; 
ferner  mit  den  überflüssigen  Zufügungen  B  J  men  (hominibus)  II  30,  7 
gegen  GAQC  und  B2  J  anddaga  (dies  statutus)  II  19,  2  gegen 
G  B 1  A  Q  C.  Zu  II  1 8  fügen  gegen  G  B 1  A  Q 1 1  C,  sinngemäfs,  aber 
überflüssig,  ein  necesse  Q2J  und  im  1 6.  Jahrhundert  [ausQ2?]  neod 
B  2  :  wahrscheinlich  eine  unabhängige  Stilerleichterung  durch  mehrere 
Schreiber.    Hieraus  ergäbe  sich  folgender  Stammbaum: 

Archetyp 


<E      l 


B2 


de? 


aqil 


i>      A 


aq 


\ 


r~r 

j  i 

w 


l 

g's 
So  einfach  aber  erklären  sich  die  Abweichungen  der  Texte  ge- 
wifs  nicht  alle.  Zunächst  nämlich  bieten  Q,  J  (und  C  ?)  in  ihren  ver- 
schiedenen Ausgaben,  die  Ql.2,  Jl.2  (und  Cl.2)  heifsen  mögen, 
mehrfach  zwei  verschiedene  Lesungen,  deren  jede  bald  mit  der  einen, 
bald  mit  der  anderen  Klasse  stimmt.  So  fügen  BJl  habbe  7  (habet 
vel)  ein  in  71,  5  gegen  GAQJ2C.  Mit  afylle  B,  fylle  A,  occisus  J, 
peremerit  C  hat  Ql  affligat,  aber  Q2  aecuset  mit  teon  wylle  G  II  20; 
mit  licceras  A  (parasiti  C)  hat  Q,  1  liguritores,  aber  Q,  2  besser  adula- 
tores  mit  liceteras  (adulatores)  GDBJ  II  7;  und  mit  GB  liest  J2C2 
ualde  II  76,  3,  was  AQJlCl  fehlt,  und  mit  odde  reaflac  (rapiendo, 
rapina)  BAJC  bietet  rapina  Q, 2,  während  GQl  diese  Wörter  fehlen, 
II  47.    Vermutlich  hatten  in  diesen  Fällen  aq,  il,  aqil  und  schon  der 


Über  die  Zeichen  Q,  l.  2  siehe  sechs  Zeilen  weiter. 


Kleine  Mitteilungen.  425 

Archetyp  zwei  Textformen  (entweder  durch  Zeilenüberschreibung  oder 
Randbemerkung),  von  denen  GBAC  nur  eine  bewahrten.1  So  druckt 
L  II  29  neben  ade  mit  GBAJC,  am  Rande  al.  lade,  wie  Q  lada, 
vermutlich  aus  einem  Doppeltext  in  1,  il  und  aqil :  es  sei  denn,  Lam- 
bard  habe  das  Wort  etwa  aus  Bromtons  Q,  herausgepflückt.  Auch 
II  76,  1  a  liest  L  mit  A  tyge,  während  G  lege,  JC  scrinii  bieten,  und 
setzt  an  den  Rand  alias  teah,  d.  i.  Nominativ  vermutlich  zu  ieage  in  Q,. 

Aber  nicht  nur  die  in  Q,  in  J,  in  1  variierenden  Lesungen 
zwingen  zur  Annahme  doppelgestaltigen  Archetypes:  ohne  solche 
läfst  sich  auch  nicht  erklären,  dafs  bald  das  eine,  bald  das  andere 
Paar  der  Handschriften  vom  Reste  abweicht.  So  haben  AC2  eine 
gewifs  nicht  Cnut  gehörige  Überschrift  gegen  GDQ,  J;  und  BC  bieten 
gegen  GAQ  schon  hinter  dem  ersten  Teile  den  richtiger  erst  hinter 
dem  ganzen  Werke  passenden  Epilog.  Wenn  G  den  Paragraphen 
51,  1  hinter  52,  Q,  und  J  52  hinter  52,  1  versetzen,  so  standen  ver- 
mutlich in  aq,  il,  aqil  und  dem  Archetyp  Umordnungszeichen,  die 
nur  BA  und  de  richtig  verstanden.  Statt  beodap  führen  das  deut- 
lichere forbeodap  ein  einmal  BQJC  gegen  GA  II  2,  1,  das  andere 
Mal  A  JC  gegen  GBQ,  II  3.  Weniger  originale  Lesarten  bieten 
GC  mit  his  soene  (privilegium)  gegen  hü  in  B  AQJ  II  73, 1;  GQJC 
mit  cefre  (semper)  gegen  efen  DA  I  2,  2;  ferner  GQ,  47;  BJ  71,  5; 
B  AQ,  JC  II  20;  s.  o.  Der  Archetyp  hatte  jenes  folee  im  Prolog  wohl 
am  Rande,  ebenso  aqil  und  aq;  da  übersahen  es  GdcA,  während  es 
QJ1  in  den  Text  setzten.  Von  den  drei  Lichtzinsterminen  geben 
GA  nur  zwei;  Maria  Reinigung,  von  Cnut  zweifellos  mitgemeint, 
steht  richtig  in  LQJC  I  12.  Entweder  hat  jeder  der  drei  —  de,  Q, 
und  il  —  die  auf  der  Hand  liegende  Besserung  selbständig  vollzogen, 
wofür  vielleicht  der  vor  1100  unmögliche  Fehler  in  L  spricht,  oder 
die  Wörter  standen  am  Rande  im  Archetyp,  in  aqil  und  in  aq  und 
wurden  durch  G  und  A  übersehen. 

So  zeigen  sich  deutliche,  aber  höchstens  ein  Dutzend  Stellen, 
an  denen  unsere  Hss.  nicht  auf  eine  archetype  Lesung  sich  zurück- 
führen lassen.  Beruht  also  die  Variation  auf  dem  Benutzen  zweier 
gleich  authentischen  Gesetz-Ausfertigungen?  Solche  Annahme  ist 
möglich,  aber  nicht  notwendig.  Vielmehr  kann  der  Archetyp  an 
jenem  Dutzend  Stellen  Änderungen  privaten  Ursprungs  gezeigt  haben, 
die  bald  der  eine,  bald  der  andere  Abschreiber  beachtete. 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Zum  Havelok. 

V.  1674  ff.  bietet  die  Hs.: 

Hwanne  he  hauede  his  wille  yat, 
pe  stede,  pat  he  onne  sat, 
Smot  Ubbe  with  spures  faste. 


1  Für 'Gerüfte'  1148,2  ist  hearme  GBA,  wasQ2C  sinnwidrig  damno 
übersetzen,  Metathese  oder  archetyper  Schreibfehler  statt  hrcame;  QlJ 
übertragen  sinngemiil's  clamore,  ohne  dafs  sie  hrenme  gelesen  haben  müssen. 

2  Vielleicht  nur  zufällig  überspringen  sie  II  26,1  gegen  GBQJ. 


426  Kleine  Mitteilungen. 

Ich  hatte  dies  in  meiner  Ausgabe  geändert: 

Hwanne  he  hauede  his  wille  yet[e], 
pat  he  onne  sat,  ße  stede, 
Smot  Ubbe  etc. 

Skeat  in  seiner  neuen  Ausgabe  schreibt: 

Hivanne  [pat]  he  his  wille  quath, 
pe  stede,  pat  he  onne  sat, 
Smot  Ubbe  etc. 

In  einer  Besprechung  der  letzteren  im  Mod.  Lang.  Quart.  V,  154  ff. 
durch  W.  W.  G[reg]  nimmt  der  Rezensent  an  Skeats  Änderungen 
mit  Recht  Anstofs,  aber  seinen  eigenen  Vorschlag,  wat  (yat)  =  quat 
als  durch  Reimnot  hervorgerufene  ungrammatische  Form  (statt 
des  richtigen  Part  Prt.  quepen)  aufzufassen,  kann  man  kaum  ernst 
nehmen !  Da  in  der  Hs.  y  und  das  Runenzeichen  für  w  nicht  unter- 
schieden werden, x  kann  man  an  der  betreffenden  Stelle  auch  yat 
lesen,  was  schon  bei  Stratin  an  n-Bradley  S.  263 b  richtig  als  Part.  Prt. 
von  jäten,  jeten  (ae.  jeatan)  erklärt  worden  ist,  vgl.  auch  Mätzners 
Wtb.  2,  337 b.  Das  Verbum  bedeutet  'to  grant,  concede;  bewilligen, 
gewähren',  und  dies  gibt  auch  einen  vorzüglichen  Sinn,  wenn  man 
nur  V.  1674  he  auf  Havelok,  his  aber  auf  Ubbe  bezieht.2  Ich  be- 
daure,  dies  erst  jetzt  erkannt  und  Stratin.-Bradleys  einleuchtende  Auf- 
fassung der  Form,  die  auch  Skeat  entgangen  zu  sein  scheint,  früher 
übersehen  zu  haben. 

Kiel.  F.  Holthausen. 

Franzosen  über  Engländer  im  13.  Jahrhundert. 

Les  Anglais  du  Moyen  Age  d'apres  les  sources  francaises  führte 
Langlois  in  Revue  histor.  52,  p.  298  vor.  Ph.  Lauer  (Le  regne  de 
Louis  IV,  1890,  p.  296)  edierte  aus  dem  Historiker  Wilhelm  von 
Nangis  eine  Sage  mit  einem  Ausspruche  König  Ludwigs,  der  bis 
936  in  England  flüchtig  gelebt  hatte,  in  welcher  sich  die  Meinung 
der  Franzosen  des  13.  Jahrhunderts  spiegelt:  Les  Anglois  sont  en- 
fantibles  et  folz  de  sens  =  Anglos  sensu  esse  pueriles  et  fatuos;  nee 
id  mirum,  cum  extra  mundum  conversentur. 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Fronleichnamsmysterien  zu  Beverley. 

A.  F.  Leach  edierte  Beverley  town  documents  for  the  Seiden  So- 
ciety 1900.  Unter  den  Urkunden,  1306 — 1582,  die  zumeist  latei- 
nisch, seit  1493  englisch  lauten,  betrifft  vieles  das  jährliche  Schau- 
spiel. Jede  der  38  Zünfte  schmückte  ein  hölzernes  castellum,  wo  sie 
sich  der  Kirchenprozession  präsentierte,  und  spielte  oder  liefs  spielen 


1  Vgl.  Hupe,  Anglia  XIII,  194. 

2  Oder  hätten  wir  ne.  zu  übersetzen:  When  he  (Ubbe)  had  his  will 
granted  —  als  er  seinen  Wunsch  gewährt  bekommen  hatte'?  Vgl.  über 
diese  Konstruktion  im  Me.  Mätzners  Gramm.3  III,  88. 


Kleine  Mitteilungen.  427 

eine  pagenda  (pagina  ludi).  Die  Fronleichnamsgilde,  1330 — 50  zu- 
nächst aus  Priestern  gebildet,  ordnete  und  führte  den  Aufzug,  aus 
dem  das  Spiel  vor  1379  entstand.  Die  Krämer,  die  reichsten,  spielten 
zwei  Stücke:  Black  Herod  und  Domesday,  die  Walker  'Schöpfung 
Adams',  die  Tuchscherer  'Adam  und  Seth',  die  Goldschmiede  'Drei 
Könige  von  Cöln',  die  Barbiere  'Taufe  Christi',  die  Tuchmacher 
Demyng  Pylate,  die  Gelbgiefser  'Kreuzigung',  die  Schmiede  'Himmel- 
fahrt'. Zum  'Paradies',  welches  die  Hayrers  darstellten,  gehörten  u.  a. 
2  wenges  angeli,  2  visers,  1  firsparr,  1  worme.  P.  xlüj.  XLvij.  l.  i,ij. 
lAx  f.  33—7.  45.  99.  109.  111.  118.  Vgl.  Leach  in  Engl  miscell. 
für  Furnivall  1900. 

Berlin.  F.  Liebermann. 

Parallelen  zu  Chaucers  Prioresses  Tale  und  Freres  Tale 

enthalten  die  'Fragmente  der  Libri  VIII  Miraculorum  des  Caesarius 
von  Heisterbach'  (13.  Jahrhundert),  welche  kürzlich  A.  Meister  als 
13.  Supplementheft  der  'Römischen  Quartalschrift'  Rom  1901  ver- 
öffentlicht hat.  Die  67.  Erzählung  des  III.  Buches  handelt:  De  scho- 
lari,  quem  Iudaei  pro  cantu  de  sancta  Maria  oeciderunt,  quem  beata 
Maria  Herum  vivificabat  (S.  189  ff.)  und  die  17.  Erzählung  des 
II.  Buches :  De  advocato,  quem  diabolus  vivum  rapuit,  dum  iret  facere 
exactionem.  Doch  können  beide  nicht  die  direkten  Vorlagen  Chaucers 
gewesen  sein.  —  Übrigens  enthält  der  Band  verschiedene  andere 
Erzählungen,  in  denen  das  Absingen  eines  Marienliedes  einem  Ret- 
tung schafft. 

Würzburg.  Max  Förster. 

Jamnes  und  Mambres  (zu  Archiv  CVIII,  15  ff.) 

sind,  worauf  mich  Dr.  Glauning  hinweist,  auch  in  dem  frühmittelengl. 
Margareten-Leben,  ed.  Cockayne  (1862)  p.  1 6,  citiert.  Margarete  fragt 
den  Teufel,  der  ihr  im  Gefängnis  erscheint,  wer  er  sei.  Dieser  ant- 
wortet: hiverto  schuld  i  teilen  fte  ant  mi  tale  tealin,  lufsum  lefdi,  of 
ure  cunde  ant  ure  cun,  ps&t  tu  cost  te  seolf  iseon  in  Iames  [Ms.  B : 
Iameines]  ant  Imembres  [B:  Manbres]  bokes  ibreuet.  Die  Stelle  ist  um 
so  interessanter,  als  sie  klar  zeigt,  dafs  dem  Verfasser  der  Legende 
(d.  h.  wohl  der  lateinischen  Vorlage),  ebenso  wie  dem  Origenes  u.  a., 
ein  'Buch',  eine  besondere  Schrift  über  Jamnes  und  Mambres  bekannt 
war.  In  der  altenglischen  Margareten-Legende  (ed.  Cockayne,  Cam- 
bridge 1861,  p.  43)  findet  sich  nichts  Entsprechendes. 

Würzburg.  Max  Förster. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 


Studien  zum  Liederbuch  der  Klara  Hätzlerin.    Von  Karl  Geuther. 
Halle,  Niemeyer,  1899.     166  S.  8.     M.  3,60. 

Das  Liederbuch  der  Klara  Hätzlerin,  d.  h.  das  Liederbuch,  das  Klara 
Hätzlerin  abschrieb,  wurde  1840  von  Haltaus  herausgegeben.  Es  ist  wohl 
die  merkwürdigste  Sammlung  derart  aus  dem  ausgehenden  deutschen  Mit- 
telalter. Weltliche  und  geistliche,  lyrische  und  epische,  didaktische  und 
allegorische,  volkstümliche  und  verkünstelte,  bürgerliche  und  ritterliche 
Kunst,  alles  bringt  dies  Buch  im  tollsten  Durcheinander.  Neben  den  geist- 
lichen Dichtungen  des  Mönchs  von  Salzburg  und  den  ernsten  und  beredten 
Mahnungen  Suchenwirts  steht  das  unflätige  Werbungsgedicht  Hermanns 
von  Sachsenheim  oder  die,  Rosenplüt  zugeschriebenen,  schmutzigen  Lehren 
der  Buhlerei,  die  eine  Mutter  der  Tochter  erteilt;  nach  belanglosen  Ge- 
legenheitsversen erscheinen  umständlichst  ausgeführte  Dichtungen,  das 
Derbe  neben  dem  Zarten,  echte  und  ewig  junge  neben  der  überlebtesten 
Kunst.  Es  ist  ein  fortdauerndes  Hin  und  Her,  bald  singt  sich  die  Liebe 
ihre  hinreifsenden,  leidenschaftlich  überströmenden  Lieder,  bald  erklingen 
schlichte,  echt  volkstümliche  Weisen,  dann  wollen  wieder  farblose,  kon- 
ventionelle und  banale  Lieder  und  Sprüche  kein  Ende  nehmen,  oder  das 
Volkstümliche  artet  aus  zur  bäuerischen  und  plumpen  Roheit.  Unser 
Liederbuch  führt  uns  fast  zu  allen  Dichtern  des  13.  und  14.  Jahrhunderts, 
zu  Konrad  von  Würzburg  und  Oswald  von  Wolken  stein,  zu  Hermann  von 
Sachsenheim  und  dem  Suchenwirt,  zum  Teichner  und  zum  Mönch  von 
Salzburg  und  zu  manchem  andern ;  es  gibt  die  lebendigste  und,  man  möchte 
sagen,  die  kompendiöseste  Vorstellung  von  der  Dichtung  des  deutschen  aus- 
gehenden Mittelalters,  von  seiner  Wirrnis  und  von  seiner  Überfülle  an 
Leben. 

An  diesem  Liederbuch  gingen  nun  die  Germanisten  6  Jahrzehnte  vor- 
bei, sie  lasen  und  citierten  daraus,  aber  um  seiner  selbst  willen  haben  sie 
es  nie  studiert.  Das  ist  eine  Vernachlässigung,  die  man  auch  dann  nicht 
begreift,  wenn  man  sich,  ungern  genug,  daran  erinnert,  wie  gering,  alles 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  429 

in  allem,  das  Interesse  für  die  ganze  deutsche  Literatur  von  1250 — 1500 
bisher  war.  —  1899  hat  also  endlich  Geuther,  einer  Anregung  Philipp 
Strauchs  folgend,  mit  Studien  zur  Hätzlerin  begonnen.  Die  Liedersamm- 
lung, die  sie  abschrieb,  bewahren  uns,  wenn  auch  nicht  so  vollständig,  auch 
zwei  andere  Handschriften,  demgemäfs  untersucht  G.  zuerst  das  Verhältnis 
dieser  3.  Handschriften:  leider  nicht  zusammenhängend,  sondern  mit  grö- 
fseren  Unterbrechungen.  Diese  Untersuchung  scheint  mir  klar  und  über- 
zeugend, ich  kann  ihr  nicht  in  die  Einzelheiten  folgen,  sie  macht  aber 
gewifs,  dafs  unser  Liederbuch  vielfach  verbreitet  war  und  vielfach  abge- 
schrieben wurde,  und  dafs  es  sich  dabei  stetig  vermehrte  (vgl.  über  die 
ursprünglichen  Teile  der  Sammlung  besonders  S.  39).  Manche  der  ein- 
zelnen Lieder  sind  aufserdem  noch  in  anderen  Handschriften  erhalten,  die 
G.  übersichtlich  und  dankenswert  zusammenstellt  (S.  31  nach  Liedern, 
S.  47  nach  Handschriften  geordnet).  In  der  Mitteilung  von  Varianten  aus 
diesen  Handschriften  ist  der  Verfasser  sehr  behutsam,  fast  ängstlich:  doch 
war  diese  Zurückhaltung  vielleicht  am  Platz.  In  der  Einzeluntersuchung  der 
Lieder  bemüht  sich  G.  besonders,  die  namenlosen  Lieder  bestimmten,  an- 
derweitig bekannten  Dichtern  zuzuweisen,  er  bereichert  dabei  den  Suchen- 
wirt und  den  Teichner  und  namentlich  Hermann  von  Sachsenheim,  diesen 
gleich  um  mehrere  Lieder.  Wenn  diese  sehr  beachtenswerten  Ergebnisse 
standhalten,  so  sind  sie  um  so  bedeutsamer,  als  wir  bisher  nur  Dichtungen 
aus  dem  Greisenalter  Hermanns  besafsen  und  diese  durch  G.'s  Nachweise 
nun  durch  Dichtungen  aus  den  Mannesjahren  höchst  willkommen  ergänzt 
würden.  Leider  ist  G.  mit  seinen  Kriterien  wieder  sehr  ängstlich  und 
sparsam,  und  diesmal  war  die  Zurückhaltung  sicher  nicht  am  Platz,  er 
beschränkt  sich  nämlich  darauf,  zu  den  in  Frage  kommenden  Liedern  bei 
der  Hätzlerin  aus  anderen  Dichtungen  Hermanns  ähnliche  oder  gleich 
lautende  Wendungen  beizubringen,  die  zudem  grofsenteils  allgemein  ge- 
brauchte Formeln  sind  und  darum  im  besonderen  Fall  die  Abhängigkeit 
einer  Dichtung  von  einer  anderen  nicht  erweisen  können.  Weder  die  Kri- 
terien der  Sprache,  noch  die  des  Reims,  die  der  Verskunst,  die  des  Stils 
sind  energisch  und  methodisch  verwertet;  das  bleibt  alles  späteren  Unter- 
suchungen vorbehalten.  Aber  die  verwahrloste  Überlieferung  des  späten 
Mittelalters  erschwert  die  Handhabung  dieser  Kriterien  besonders  dem 
Anfänger  zu  sehr,  aufserdem  ist  G.'s  Streben  so  ernst  und  sein  Auftreten 
so  bescheiden,  dafs  man  ihm  seine  Fehler  nicht  vorhalten  mag,  er  wird 
sie  selbst  am  besten  wissen.  Vielleicht  setzt  er  seine  Studien  fort  und 
erweitert  sie  einmal  zu  einer  neuen  kritischen  und  kommentierten  Ausgabe 
der  Hätzlerin,  wenn  er  in  die  schwere  Rüstung  der  Philologie  hinein- 
gewachsen ist  und  ihre  Waffen  kräftiger  führen  gelernt  hat.  Möchten 
diese  Studien,  die  einen  Anfänger  sofort  zu  lohnenden  Ergebnissen  führten, 
auch  bei  andern  Lust  und  Liebe  für  das  ausgehende  Mittelalter  wecken. ' 
München.  Friedrich  von  der  Leyen. 


1  Es  sei  hier  auf  die  sehr  fördernde  Besprechung  der  Schrift  Geuthers  durch 
Michels  (Anz.  1'.  deutsch.  Altert.  28,  342  f.)  verwiesen,  die  vieles  von  dem  nach- 
holt,  was  G.  versäumt  hat. 


430  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Otto  Frommel,  Neuere  deutsche  Dichter  in  ihrer  religiösen  Stel- 
lung.    Berlin,  Gebr.  Paetel,  1902.     VI,  237  S. 

Je  stärker  das  religiöse  Problem  in  der  neueren  Literatur  selbst  her- 
vortritt —  ich  erinnere  nur  etwa  an  Polenz,  Dreyer,  Remer  — ,  desto 
lebhafteres  Interesse  mufs  auch  die  Frage  erregen,  welche  Rolle  es  in  der 
Dichtung  älterer  scheinbar  oft  religiös  indifferenter  Dichter  gespielt  habe. 
Insbesondere  hat  das  bekannte  Buch  von  Filtsch  über  Goethes  Religions- 
anschauungen z.  B.  bei  dem  verstorbenen  E.  Curtius  eine  wahrhaft  enthu- 
siastische Aufnahme  gefunden ,  wie  wir  aus  seinen  eben  erschienenen 
Briefen  ersehen.  Auf  diesen  Pfaden  bewegt  sich  auch  Frommeis  Buch, 
und  es  ist  von  dem  gleichen  Geiste  milder  Versöhnlichkeit  getragen.  Zwar 
seinen  protestantischen  Standpunkt  verleugnet  der  Verfasser  so  wenig, 
dafs  er  sich  (S.  216)  zu  dem  Urteil  hinreifsen  läfst,  der  geistige  Höhen- 
stand der  katholischen  Kirche  liege  tief  unter  dem  Roseggers!  So  betont 
er  wohl  auch  das  evangelische  Gefühl  C.  F.  Meyers  zu  stark,  das  doch 
wohl  in  dessen  'sittlichem  Pathos'  (S.  233)  seinen  eigentlichen  Sitz  hat 
und  demgemäfs  mehr  von  allgemein  moralischer  als  von  spezifisch  religi- 
öser Färbung  ist.  Um  so  besser  kommt  aber  jener  Geist  der  Milde  denen 
gegenüber  zum  Ausdruck,  deren  aulserkirchliche  Stellung  keineswegs  immer 
so  versöhnlich  und  so  objektiv  beurteilt  worden  ist.  Namentlich  in  unserm 
Fontane  versteht  er  mit  liebendem  Eindringen  den  wehmütigen  Ernst  hinter 
der  angeblichen  'Frivolität'  (S.  154)  zu  zeigen,  wobei  auf  den  Gegensatz 
der  'Müuchener'  und  der  'Berliner'  ein  scharfes  Licht  fällt.  Der  'realistische 
Idealismus'  Fontanes  wird  aus  seiner  Persönlichkeit  (S.  147)  erklärt,  ge- 
rade wie  Hebbels  Stellung  gegen  alle  geoffenbarte  Religion  ruhig  im  Zu- 
sammenhang mit  seinen  Kunst-  und  AVeltanschauungen  erläutert  wird. 
Der  Vergleich  mit  Novalis  (S.  35)  führt  freilich  nicht  in  die  Tiefe.  — 
Frommel  macht  auch  daraus  kein  Geheimnis,  dafs  an  der  Kirchenfeind- 
lichkeit der  literarischen  Kreise  die  Kirche  eine  Hauptschuld  trägt  (S.  230), 
wobei  er  freilich  mit  Unrecht  Paul  Heyse  aus  der  'vornehmen  Kunst' 
ausweist. 

Am  wenigsten  scheint  uns  der  Aufsatz  über  Marie  von  Ebner-Eschen- 
bach  fördernd.  Hier  hat  sich  der  Verfasser  wohl  auch  in  der  Beurteilung 
der  Äbtissin  im  'Gemeindekind'  ganz  vergriffen,  weil  er  eben  doch  un- 
willkürlich den  lutherischen  Standpunkt  einnimmt,  wo  mit  katholischen 
Voraussetzungen  zu  rechnen  wäre.  Sonst  weifs  er  Dichterstellen  mit  Ge- 
schick zu  verwerten,  z.  B.  für  C.  F.  Meyer  (S.  139). 

Auffallend  dürftig  sind  die  Schlufsbemerkungen  ausgefallen.  Frommel 
weifs  doch  eigentlich  nicht  recht  etwas  Allgemeineres  aus  dem  Glaubens- 
bekenntnis der  acht  von  ihm  betrachteten  Autoren  zu  erkennen;  denn  dafs 
das  Christentum  bei  jedem  Dichter  ohne  Ausnahme  Spuren  hinterlassen 
hat,  versteht  sich  doch  wohl  ohnehin  von  selbst,  und  dafs  hervorragenden 
Persönlichkeiten  ein  innerer  sittlicher  Ernst  nicht  fehlen  wird,  kaum  min- 
der. Das  soziale  Interesse  aber,  das  Verfasser  als  neues  Merkmal  heraus- 
heben möchte,  ist  doch  bei  Theodor  Storm  so  gut  wie  gar  nicht  zu  ent- 
decken.   Ist  es  nicht  schliefslich  doch  ein  vergebenes  Bemühen,  die  reli- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  431 

giöse   Stellung   von    Hebbel    und   Rosegger,   C.   F.  Meyer   und   Gottfried 
Keller  als  Beleg  einheitlicher  Zeitphänomene  auffassen  zu  wollen? 
Berlin.  Richard  M.  Meyer. 

Albert  Brand:  Müller  von  Itzehoe.  Sein  Leben  und  seine  Werke 
(Literarhistorische  Forschungen  herausgeg.  von  Schick  und 
v.  Waldberg,  XVII).  Berlin,  E.Felber,  1901.    99  S.   M.  2,40. 

Erich  Schmidt  hat  in  seinem  Buche  'Lenz  und  Klinger'  (Berlin  1878) 
zwei  Kraftgenies  der  Sturm-  und  Drangperiode  geschildert.  Brand  bringt 
jetzt  eine  tüchtige  Monographie  eines  ihrer  Hauptwidersacher,  Müller, 
nachdem  dessen  Freund  und  Führer,  Nicolai,  das  eigentliche  Haupt  der 
Antigenies,  'der  Geist  der  Verneinung',  'der  geborene  Feind  des  Schönen', 
schon  von  Minor  (Lessings  Jugendfreunde,  Deutsche  Nationalliteratur  72) 
gewürdigt  worden  ist. 

Auf  Schröder,  Muncker  und  Pröhle  fufsend  und  sie  vielfach  ergän- 
zend, macht  uns  Brand  hier  mit  dem  Werdegang  eines  Zeitgenossen  un- 
serer klassischen  Dichter  bekannt,  der  zur  Fahne  des  Berliner  Buchhänd- 
lers Nicolai  schwört  und  kräftig  gegen  die  Originalgenies  wettert.  Müllers 
Lebensweg  ist  sehr  einfach.  1743  als  Sohn  eines  Arztes  zu  Hamburg 
geboren,  besucht  er  die  besten  Bildungsstätten  seiner  Vaterstadt,  kommt 
sehr  bald  in  das  rationalistische  Lager  unter  dem  Einflute  von  Reimarus, 
studiert  dann  in  Helmstädt  Medizin,  wird  aber  später  Buchhändler  und 
Schriftsteller,  zuerst  in  Magdeburg,  dann  in  Hamburg  und  schliefslich  in 
dem  schleswig-holsteinischen  Städtchen  Itzehoe,  wo  er  hochbetagt  im 
Jahre  1828  starb. 

Für  die  Literaturgeschichte  kommt  Müller  hauptsächlich  als  Roman- 
schriftsteller in  Betracht.  Als  Lyriker  (Gedichte  der  Freundschaft,  der 
Liebe  und  dem  Schmerze  gesungen)  gehört  er  wirklich  zu  den  'poetischen 
Insekten,  die  uns  von  Liebe  vorsummen',  wie  es  im  Almanach  der  deut- 
schen Musen  (1771,  S.  107)  heifst.  Müllers  Muse  war  äufserst  reich  und 
die  Zahl  seiner  Romane  grofs:  Der  Ring  1777.  —  Geschichte  der  Seva- 
ramber  1783.  —  Eine  Romanserie,  Komische  Romane  aus  den  Papieren 
des  braunen  Mannes  in  acht  Bänden  1784 — 1791  enthaltend  die  Herren 
von  Waldheim,  Emmerich  und  die  Geschichte  des  Herrn  Thomas. 
Einige  Erzählungen  in  den  Straufsfedern.  —  Selim  der  Glückliche  1792. 
—  Friedrich  Brack  1793—95.  —  Novantiken  1799.  —  Antoinette  1802.  — 
Ferdinand  1802.  —  Familie  Benning  1808.  —  Drei  Übersetzungen  aus 
dem  Holländischen:  Sara  Reinert  179(5,  Wilhelm  Leerwend  1798—1800 
und  Klärchen  Wildschütt  1800.  Müllers  Hauptwerk,  das  ihm  einen  Namen 
in  der  Literaturgeschichte  sichert,  ist  der  Roman  Siegfried  von  Linden- 
berg, 1779  (im  Auszug),  1781/82  (vollständig)  und  oft  abgedruckt. 

Brand  hat  die  Bedeutung  und  literarische  Stellung  aller  dieser  Ro- 
mane im  allgemeinen  klar  und  richtig  darstellt.  Nur  wäre  vielleicht  eine 
noch  gröfsere  Präcision  in  der  Charakterisierung  der  drei  Gruppen,  Lohen - 
Steingruppe  —  Nicolaischule  (Müller)  —  Sturm  und  Drang  (Werther),  zu 
wünschen  gewesen.     Müller  gibt,   ebenso  wie  Nicolai   in   seinem  'Sebaldus 


432  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Nothanker',  in  allen  seinen  Romanen  ein  nüchternes,  karikiertes  Bild  des 
ganzen  sozialen,  politischen  und  literarischen  Deutschland.  Unzählige 
Doktrinen  und  Debatten  mufs  der  Leser  geduldig  hinnehmen.  In  einer 
Menge  von  Anzeigen  in  der  Jenaer  Allg.  Lit.-Ztg.,  in  der  Allg.  Deutschen 
Bibl.,  Goth.  gel.  Ztg.,  im  Deutschen  Museum,  in  der  Neuen  Leipz.  Lit.- 
Ztg.  rühmen  die  Rezensenten  dem  hausbackenen  Müller  alle  möglichen 
Vorzüge  nach  und  räumen  ihm  eine  exceptionelle  Stellung  ein :  'Unter 
dem  zahllosen  Schwall  abortierter  Mifsgeschöpfe  wieder  einmal  das  Er- 
zeugnis eines  Mannes'  (Jenaer  Allg.  Lit.-Ztg.  1787,  13.  Jan.,  S.  97).  Den 
Anforderungen  des  'ekeln  Kunstrichters',  denen  er  einst  genügen  konnte 
(Eschenburg,  Beispielsammlung,  1795,  VIII,  268),  genügt  er  heute  nicht 
mehr  ganz.  Der  Kultur-  und  Literaturhistoriker  wird  aber  immer  seine 
helle  Freude  an  S.  v.  L.  haben.  Es  ist  ja  ganz  interessant,  zu  verfolgen, 
wie  der  vor  der  Weisheit  der  Schulmeister  ängstlich  gehütete  Junker  S., 
'der  sich  herzlich  freut,  dafs  es  Zirkel  gibt,  wenn  er  in  den  Bach  spuckt' 
(S.  45  bei  Reclam),  auf  dem  falschen  Wege  umkehrt  und  ein  braver  Ehe- 
mann wird.  Wenn  Bergk  (Die  Kunst,  Bücher  zu  lesen,  Jena  1799,  S.  204) 
vom  Romanschriftsteller  verlangt,  dafs  er  nicht  allein  'die  Tugend  lobens- 
wert und  das  Laster  verabscheuungswürdig  macht,  sondern  dals  er  auch 
die  Torheiten,  Narrheiten,  Inkonsequenzen  und  albernen  Wünsche  der 
Menschen  geifselt',  so  könnte  man  meinen,  Bergk  habe  diese  Forderung- 
direkt  aus  dem  S.  v.  L.  abgeleitet.  Müllers  Roman  ist  wie  das  hundert- 
torige  Theben,  und  durch  alle  Tore  ist  der  Verstandes-  und  Gedächtnis- 
kram, der  im  Gehirn  des  Herrn  Müller  aufgespeichert  war,  mit  Sack  und 
Pack  eingezogen,  ohne  dafs  eine  ästhetische  Zollrevision  stattfand. 

Brand  analysiert  eingehend  und  treffend  die  Typen  des  S.  v.  L.  Nur 
ungern  vermissen  wir  dabei  den  freilich  auch  im  Roman  etwas  zu  kurz 
gekommenen  Pastor  Loci,  trotz  der  Frau  Pastorin  'ein  ernsthafter,  ver- 
ständiger und  gewissenhafter  Mann;  keiner  von  den  schleichenden  Bück- 
lingsfabrikanten, die  zwar  auf  der  Kanzel  Donnerstimme  reden  und  mit 
dem  Hammer  des  Gesetzes  alles  gleich  irdenen  Töpfen  zerschmeifsen 
oder  wie  die  ausgeschlürfte  Schale  eines  weich  gesottenen  Eies  zerknirschen 
wollen  und  inter  privatos  parietes  jedem  den  Fuchsschwanz  streichen,  bei 
dem  es  fette  Bissen  oder  doch  wenigstens  einen  guten  Beichtpfennig  gibt, 
den  Grofsen  und  Reichen  mit  neuer  Mär  hofieren,  fix  bei  der  Hand  sind, 
wenn  sie  einem  Kollegen  einen  Konfirmanden  oder  eine  Kopulation  weg- 
schnappen können,  keine  noch  so  berüchtigte  Sünderin  aus  dem  Beicht- 
stühle weisen,  aber  desto  glühender  ihren  Eifer  fürs  hl.  Zion  an  einer 
armen  Dirne  bewähren,  die  in  einem  schwachen  Augenbücke  nicht  daran 
dachte,  ihr  Fleisch  zu  kreuzigen'  (S.  37  bei  Reclam). 

Ein  Londoner  Arzt  schrieb  auf  den  Arzneizettel  seiner  Rekonvales- 
zenten, um  deren  Genesung  zu  beschleunigen:  'Recipe  alle  Tage  ein  paar 
Stunden  einige  Blätter  Peregrine  Pickle'  (Anz.  d.  deutschen  Merkur,  Juni 
1783).  Dasselbe  will  Müller  mit  seinem  Roman,  der  alles  beschreibt,  was 
zwischen  Himmel  und  Erde  ist,  der  Lehrbuch  und  Katalog  zugleich  ist, 
für  die  kranken,  verbildeten  Deutschen  leisten.  Sie  mögen  ruhig  täglich 
einige  Kapitel  S.  v.  L.  lesen,  und  bald  werden  sie  moralisch  gesunden. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  433 

Klar  und  überzeugend  legt  Brand  das  Verhältnis  Müllers  zu  Fielding, 
Smollett  und  Sterne  dar.  Cervantes  und  Wieland  sind  etwas  zu  kurz 
gekommen ;  von  Wezel,  an  den  nach  Muncker  (A.  D.  B.)  manches  in 
Müllers  Roman  erinnert,  spricht  Brand  gar  nicht. 

Erich  Schmidt  betout  in  einer  Rezension  von  Bobertag  (Schnorrs 
Archiv  IX  410 — 111)  den  'engen,  nie  aus  den  Augen  zu  verlierenden  Zu- 
sammenhang zwischen  Roman  und  Drama'.  Brand  hat  diesen  Punkt 
wenig  beachtet.  S.  51  führt  er  zwar  an:  'P.  L.  Bunsen  gab  1791  das 
Lustspiel:  S.  van  L.  naar  den  Roman  van  den  Heere  Müller  in  Amster- 
dam heraus'.  Von  dem  Stück  selbst  vermerkt  er  nichts.  Entgangen  ist 
ihm,  dafs  Bunsen  ein  Deutscher  ist,  'fürstl.  Waldeckscher  Regierungsrat 
und  Bibliothekar  zu  Arolsen'  (Meusel,  Gel.  Deutschland  I  507),  und  dafs 
sein  Stück  nach  Goedeke  (Gruudr.  2.  Aufl.  V  376)  in  Frankfurt  1790  ge- 
druckt wurde.  Auf  dem  Titelblatt  des  mir  zugänglichen  Exemplars 
(Augsburg  1790  in  der  'Deutschen  Schaubühne'  '23.  Band)  heifst  der  Ver- 
fasser nicht,  wie  überall  sonst,  P.  L.  Bunsen,  sondern  P.  C.  Bunsen. 
Schröder  (Lexikon  V  433)  verzeichnet  eine  Aufführung  des  Stückes  am 
Stadttheater  zu  Hamburg  vom  13.  März  l81o-  Das  fünfaktige  Prosa- 
lustspiel ist  der  dramatisierte  Roman  nach  Art  der  Brülow  und  Scholvin, 
die  mit  der  Dramatisierung  des  Heljodorschen  Romanes  von  Theagenes 
und  Chariklea  vorangegangen  waren,  mit  demselben  negativen  Erfolg. 
Von  den  90  Kapiteln  des  Romans  sind  manche  gestrichen,  andere  einfach 
herübergenommen,  und  statt  Kapitel  ist  Scene  darüber  geschrieben,  das 
Ganze  in  fünf  Abteilungen  gebracht  und  Lustspiel  genannt.  In  diesen 
Änderungen  besteht  die  ganze  dramatische  Tätigkeit  des  Herrn  Regie- 
rungsrats. 

Mit  wenigen  Worten  sei  Müllers  Tätigkeit  als  Journalist  gedacht. 
Als  Herausgeber  des  'Deutschen',  dessen  erste  Nummer  nach  Brand  (S.  17) 
am  1.  Januar  1771  erschien  (wonach  also  Kawczynskis  Angabe  [Moralische 
Zft.  1880  S.  30]  zu  korrigieren  ist),  zeigt  er  sich  als  patriotischen  Mann, 
und  das  ist  ihm  bei  der  damaligen  Französelei  hoch  anzurechnen.  'Mit 
dem  Weizen  der  populärwissenschaftlichen  Wochenschriften  ist  freilich 
auch  das  Unkraut  der  journalistischen  Vielschreiberei  aufgekommen' 
(Brandl  in  der  Zs.  f.  d.  Altertum  XXVI  S.  27),  und  ob  der  'Deutsche' 
zum  Weizen  zu  rechnen  ist,  soll  dahingestellt  bleiben. 

Müller  war  von  1779 — 1797  auch  ein  eifriger  Mitarbeiter  an  Nicolais 
'Allg.  Deutschen  Bibl.'  Die  Chiffren  seiner  Beiträge  finden  sich  bei  Par- 
they (Die  Mitarbeiter  Nicolais  an  der  A.  D.  B.,  Berlin  1842). 

Zum  Schlafs  noch  einige  Bemerkungen.  S.  1  nennt  Brand  Johann 
Elias  Schlegel  den  bedeutendsten  Dramatiker  vor  Lessing.  Dieser  Ehren- 
titel kommt  mit  viel  gröfserem  Rechte  dem  Strafsburger  Schulvorstand 
K.  Brülow,  1585 — 1627,  zu  (s.  Scherer,  Geschichte  des  Elsafs  S.  59).  S.  42 
ist  Damm  erwähnt,  und  da  wären  einige  Worte  über  diesen  Philologen 
und  Theologen,  der  das  Christentum  in  christlichen  Naturalismus  umzu- 
giefsen  trachtete,  am  Platze  gewesen. 

Müller  hat  sein  ganzes  Leben  lang  für  das  literarische  Eigentums- 
recht gekämpft  und  heftige  Worte  gegen  die  literarischen  Freibeuter  ge- 
Archiv f.  n.  Sprachen.    CX.  28 


434  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

funden,  die  schamlos  seine  Werke  nachdruckten.  Da  wäre  es  ihm  wohl 
zu  gönnen  gewesen,  dafs  er  selbst  noch  die  Früchte  seines  Kampfes  ge- 
nossen hätte.  Er  starb  aber  am  23.  Juni  1^28,  und  am  16.  Juli  wurde 
im  Hamburger  Korrespond.  die  Verordnung  eines  hochweisen  Rates  der 
freien  Hansestadt  wider  den  Nachdruck  publiziert,  in  welcher  —  endlich!  — 
die  Unrechtmäfsigkeit  dieses  ehrlosen  Gewerbes  anerkannt  wurde  (Neuer 
Nekrolog  der  Deutschen,  1828,  2.  Teil,  S.  506). 

München.  M.  Oeftering. 

W.  Moestue,  Unlands  Nordische   Studien.     Berlin,  W.  Süfserott, 
o.  J.     65  S. 

Moestue  stellt  sauber  zusammen,  wie  sich  Uhlands  nordische  Studien 
entwickelten  (S.  8  f.),  und  wie  sie  auf  seine  Dichtung  wirkten  (S.  56  f.). 
Es  stellt  sich  heraus,  dafs  Uhland  das  Altnordische  bis  1821,  vielleicht 
sogar  bis  1826  nur  aus  Übersetzungen  kennen  lernte  (S.  23,  26  f.).  Früh 
ergriff  ihn  das  Interesse  an  der  deutschen  Poesie  (S.  25  Anm.),  das  sich 
an  der  Lektüre  der  vielen  ihm  dienenden  Zeitschriften  (S.  29)  nährte.  Das 
hiermit  eng  zusammenhängende  altnordische  Studium  (S.  31  f.,  bes.  33) 
blieb  aber  auf  stoffliche  Momente,  vorzugsweise  aus  der  Sagengeschichte 
und  Mythologie  ('Thor'  und  Aufnahme  der  Arbeit  S.  36;  'Odin'  S.  39), 
beschränkt;  das  grammatikalische  (S.  49)  und  etymologische  (S.  52)  Inter- 
esse blieb  immer  dienend.  —  Als  Quelle  für  Dichtungen  Uhlands  kommt 
aus  dem  Bereich  der  altnordischen  Poesie  nur  Saxo  (S.  56  f.,  vgl.  03)  in 
Betracht. 

Berlin.  R.  M.  M. 

Neue  Literatur  zur  germanischen  Volkskunde. ' 

Seit  unserm  letzten  Berichte  ist  endlich  wieder  ein  methodologisches 
Schriftchen    erschienen,    worin    sich    der   verdienstvolle    Herausgeber   des 


1  1)  E.  H  offmann  -Kr  ay  er,  Die  Volkskunde  als  Wissenschaft.  Zürich, 
F.  Amberger,  1902.  34  S.  8.  M.  1.  ree.  Strack,  Hess.  Bll.  für  Volksk.  1  160  ff. 
—  2)  Drews,  'Religiöse  Volkskunde',  eine  Aufgabe  der  praktischen  Theologie. 
Monatsschrift  für  die  kirchliche  Praxis.  I  1  ff.  (1901).  —  Ders.,  Religiöse  Volks- 
kunde. Hess.  Bll.  f.  Volksk.  I  27  ff.  —  R.  Petsch,  Religiöse  Volkskunde.  'Christ- 
liche Welt'.  1901,  Sp.  690  ff.  —  3)  Folk-Lore.  A  quarterly  review  of  myth, 
tradition  et  custom.  Band  XII  (1901).  London,  D.  Nutt.  VHI,  559  S.  8. 
21  sh.  —  4)  Zeitschrift  des  Vereins  f.  Volkskunde,  hrsg.  v.  K.  Wein- 
hold.  (Seit  dessen  Tode  hrsg.  v.  J.  Bolte.)  Bd.  XI.  Berlin,  A.  Ascher  &  Co., 
1901.  478  S.  gr.  8.  M.  16.  —  5)  Zeitschrift  für  österreichische  Volks- 
kunde, hrsg.  v.  M.  Haberlandt.  VII.  Wien,  Vereinsverlag,  1901.  Kommissionär: 
Gerold  &  Co.  264  S.  gr.  8.  —  6)  E.  Langer,  Deutsche  Volkskunde  aus  dem 
östlichen  Böhmen.  Bd.  I.  Braunau,  Selbstverlag  d.  Hrsg.,  1901.  167  S.  (Die 
neuen  Jahrgänge  werden  erheblich  stärker.)  —  7)  Hessische  Blätter  für 
Volkskunde,  hrsg.  v.  Ad.  Strack.  I.  Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1902.  Bisher 
2  Hefte.  168  S.  8.  —  8)  Ergebnisse  und  Fortschritte  der  germanisti- 
schen Wissenschaft  im  letzten  Vierteljahrhundert.  Im  Auftrage  der 
Gesellschaft  für  deutscht-  Philologie  herausgegeben  von  Richard  Bethge.  Leipzig, 
ü.  lt.  Reisland,   1902.    Darin:  It.  Petsch,    Volksdichtung'  und  'Volkskunde',  S.  477 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  435 

'Schweizerischen  Archivs  für  Volkskunde',  Hof f mann-Krayer,  über  die 
Aufgaben  unserer  Wissenschaft  und  über  ihr  Verhältnis  zu  den  Nachbar- 
fächern ausspricht.  Gegen  seine  Aufstellungen  hat  neuerdings  Ad.  Strack 
in  Giefsen  Widerspruch  erhoben,  und  wir  können  die  Einwände  dieses 
gründlich  geschulten,  weitblickenden  Rezensenten  nicht  ohne  weiteres  von 
der  Hand  weisen.  Hoffmann-Krayer  setzt  sich  vor  allen  Dingen  mit  der 
Ethnographie  und  Kulturgeschichte  auseinander  und  scheidet  die  erstere 
insofern  von  der  Volkskunde,  als  sie  sich  nur  mit  solchen  Völkerschaften  be- 
fasse, die  aufserhalb  der  Peripherie  unserer  modernen  Kulturstaaten  liegen, 
und  möglichst  alle  Lebensäufserungen  derselben  in  Betracht  ziehe,  während 
die  Volkskunde  aus  den  Lebensäufserungen  der  modernen  Kulturvölker 
dasjenige  herausgreife,  was  noch  altertümlich,  primitiv  oder  im  volktüm- 
lichen  Sinn  beeinflusst  sei.  Weiter  als  diese  etwas  verschwommenen  An- 
gaben leitet  uns  seine  Charakterisierung  der  Volkskunde  im  Gegensatz  zur 
Kulturgeschichte:  Diese  berücksichtigt  das  individuell-civilisatorische,  jene 
das  generell -stagnierende  Element.  Dabei  mufs  aber  dann  immer  zuge- 
geben werden,  dafs  diese  Wissenschaften  sich  fortwährend  kreuzen  oder 
doch  berühren.  Auch  ist  es  damit  nicht  getan,  dafs  die  Volkskunde  es 
nur  mit  den  ungebildeten  Schichten  zu  tun  habe;  Strack  weist  mit  Recht 
darauf  hin,  dafs  wir  uns  ebensogut  mit  den  Aufserungen  des  Aberglaubens 
oder  mit  den  Überbleibseln  bestimmter  Sitten  und  Gebräuche  in  den  höchst- 
kultivierten Kreisen  zu  befassen  haben.  Wenn  endlich  Hoffmann-Krayer, 
sicherlich  mit  Recht,  bemerkt,  dafs  wir  von  einer  stammheitlichen  Volks- 
kunde allmählich  zu  einer  umfassenden  Disziplin,  zu  allgemeinen  Gesetzen 
aufsteigen  müssen,  so  möchte  ich  doch  fragen,  ob  die  allgemeine  Völker- 
kunde, die  Ethnolog'e,  nicht  dieses  selbe  Problem  zu  lösen  bestrebt  sei. 
Für  mich  stellt  sich  die  Sache  etwa  folgendermafsen  dar:  Der  Grund- 
unterschied zwischen  primitiven  Zuständen  und  der  modernen  Hochkultur 
besteht  darin,  dafs  in  dieser  das  Individuum  zu  seinem  Recht  kommt, 
während  in  jener  der  einzelne  eben  nur  ein  Mitglied  seiner  Horde  ist  und, 


bis  506.  —  9)  Lohre,  H.,  Von  Percy  zum  Wunderhorn.  Beiträge  z.  Geschichte 
der  Volksliedforschung  in  Deutschland.  (Palaestra  XXII.)  Berlin,  Meyer  &  Müller, 
1902.  136  S.  8.  M.  4.  —  10)  K.  Bücher,  Arbeit  und  Rhythmus.  3.,  stark  ver- 
mehrte Auflage.  Leipzig,  B  G.  Teubner.  1902.  VIII,  455  S.  M.  7.  —  11)  Jakob- 
sen,  J.,  Fär0ske  folkesagn  og  ceventyr.  3.  Hcefte.  K0benhavn,  S.  L.  Möller, 
1900.  S.  321 — 480.  —  12)  G.  Luck,  Rätische  Alpensagen.  Gestalten  und  Bilder 
aus  der  Sagenwelt  Graubündens.  Buchdruckerei  Davos  A.-G.,  1902.  87  S.  8.  — 
13)  Reiser,  K.,  Sagen,  Gebräuche  und  Sprichwörter  des  Allgäus.  II.  Band. 
Kempten,  Kösel.  V,  764  S.  8.  M.  12.  —  14)  Deutsche  Mundarten,  hrsg. 
v.  J.  W.  Nagl.  Bd.  I,  H.  4.  Wien,  C.  Fromme,  1901.-  S.  269  bis  383.  8.  — 
15)  Deutsche  mundartliche  Dichtungen.  Für  den  Schulgebrauch  heraus- 
gegeben von  Dr.  W.  Kahl.  Mit  einer  Karte.  Prag,  Leipzig  und  Wien,  Freytag 
&  Tempsky,  1901.  XXVI,  201  S.  8.  —  16)  Arnold,  R.  F.,  Die  deutschen  Vor- 
namen. 2.,  umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage.  Wien,  Holzhausen,  1901.  VI, 
75  S.  kl.  8.  —  17)  Ir mi seh,  L.,  Wörterbuch  der  Buchdrucker  und  Schriftgiefser. 
Braunschweig,  Westermann,  1901.  IV,  83  S.  8  —  18)  Gloth,  W.,  Das  Spiel 
von  den  sieben  Farben.  (A.  u.  d.  T. :  Teutonia,  Arbeiten  zur  germanischen  Philo- 
logie, hrsg.  v.  W.  UM.  1.  Heft.)  Königsberg  i.  Pr.,  Gräfe  &  Uuzor,  1902.  VIII, 
92   S.   8.     M.   2. 

28* 


436  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

selbst  wenn  sich  eigene  Gedanken  und  Gefühle  in  ihm  regen,  damit  nicht 
durchdringen  kann,  falls  sie  nicht  bei  der  Allgemeinheit  einen  psychischen 
Widerhall  finden.  Das  primitive  Denken  verläuft  nach  ganz  bestimmten 
Gesetzen,  die  teils  in  der  Natur  des  Menschen  überhaupt  begründet  sind 
und  seiner  Eigenschaft  als  organisches  Wesen  entsprechen,  teils  dem  ur- 
sprünglichen Hordencharakter  der  Menschheit  entstammen  und  mit  der 
Treffsicherheit  und  Ausnahmslosigkeit  von  Naturgesetzen  wirken.  Wir 
erinnern  etwa  an  die  Macht  der  Analogie,  an  die  Ideen  der  Vergeltung 
u.  A.,  worüber  an  dieser  Stelle  nicht  ausführlich  zu  handeln  ist  (vgl.  meine 
Ausführungen  über  volkstümliches  Denken  im  laufenden  Jahrgang  der 
'Mitteilungen  und  Umfragen  zur  bayerischen  Volkskunde').  Nun  betont 
zwar  Hoffmann-Krayer,  ein  vielen  gemeinsamer  Brauch  sei  nicht  so  zu 
erklären,  dafs  unter  bestimmten,  gleichen,  äufseren  Bedingungen  bei  allen 
Menschen  mit  Notwendigkeit  das  gleiche  Ergebnis  statthaben  müfste,  son- 
dern durch  einen  von  Person  zu  Person  unsichtbar,  aber  mit  unwidersteh- 
licher Gewalt  wirkenden  Angleichungsprozefs,  der  sich  um  so  sicherer  da 
abspiele,  wo  der  einzelne  noch  nicht  genug  persönliche  Eigenart  besitzt, 
um  sich  der  Beeinflussung  durch  seine  Mitmenschen  zu  entziehen.  Diese 
Ausführungen  sind  durchaus  richtig,  nur  hätte  sich  der  Verfasser  nicht 
gegen  Post  wenden  sollen,  wie  Strack  gezeigt  hat,  sondern  eher  gegen  die 
naturwissenschaftliche  Richtung  der  Ethnologie,  die  etwa  der  Engländer 
Andrew  Lang  eingeleitet  hat.  Dieser  glaubte  noch  vor  wenigen  Decennien 
mit  Sicherheit  behaupten  zu  dürfen,  dafs  zwei  weit  entfernt  voneinander 
wohnende  Völker  unter  gleichen  äufseren  Bedingungen  etwa  das  gleiche 
Märchen  oder  die  gleiche  Sitte  hervorbringen  müfsten.  Die  Unhaltbarkeit 
seiner  Hypothese  lag  auf  der  Hand.  Die  Masse  der  bei  den  verschieden- 
sten Stämmen  anzutreffenden  Märchen  z.  B.  ist  so  ungeheuer  grofs  und 
der  innere  Aufbau  dieser  kleinen  Kunstwerke  so  kompliziert,  dafs  wir 
durchaus  nicht  überall  auf  die  gleichen  äufseren  und  die  ihnen  entsprechen- 
den inneren  Voraussetzungen  schliefsen  dürfen.  Lang  ist  denn  auch  mehr 
und  mehr  von  seiner  krassen  Anschauung  zurückgekommen.  Die  Wahr- 
heit liegt  in  der  Mitte  zwischen  Gebundenheit  und  freier  Tätigkeit  des 
Individuums.  Zwar  sind  bei  allen  Völkern  im  Grunde  dieselben  seelischen 
Tendenzen  wirksam,  aber  die  Erscheinungsformen,  unter  denen  das  gemein- 
same Prinzip  verwirklicht  wird,  müssen  zuerst  von  irgend  einem  einzelnen 
einmal  erfunden  sein.  Ob  diese  Erfindung  von  der  ganzen  Horde  oder 
gröfseren  Gemeinschaft  angenommen  und  zum  Gemeingut  erklärt  wird 
oder  nicht,  hängt  ganz  davon  ab,  ob  sie  der  besonderen  Eigenart  des 
Stammes  entspricht.  Diese  ist  eben  wieder  sehr  verschieden,  je  nachdem 
ein  Volk  in  einer  kalten,  heifsen  oder  gemäfsigten  Zone  wohnt,  auf  Fleisch- 
nahrung oder  Pflanzenkost  angewiesen  ist,  kriegerischer  Tätigkeit  oder 
friedlichem  Faulenzen  huldigt,  eine  aufsteigende  Entwickelung  verfolgt 
oder  von  einer  früher  erreichten  Stufe  herabgesunken  ist.  Nehmen  wir 
als  ein  Beispiel  etwa  die  Sitte  des  Opfers.  Es  entspringt  aus  der  all- 
gemeinen Idee  der  Vergeltung:  Gleiches  mit  gleichem.  In  den  Kräften 
der  Natur  sieht  der  primitive  Mensch  Wesen  von  seiner  Art,  nur  von 
gröfserer  Macht  und  Stärke.    Er  sucht  ihren  Zorn   durch  Geschenke  ab- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  437 

zuwenden  oder  ihre  Güte  durch  Gaben  der  Dankbarkeit  dauernd  an  sich 
zu  fesseln.  So  entsteht  das  Opfer,  das  eine  allgemeine  ethnische  Bedeutung 
hat.  Die  Erscheinungsform  dieser  Sitte  aber,  der  Gegenstand  und  der 
Verlauf  des  Opfers  hängt  ganz  von  der  Lebensweise  und  dem  Kultur- 
zustande des  einzelnen  Stammes  ab.  Der  Kannibale  verzehrt  seinen  kriegs- 
gefangenen  Feind  zu  Ehren  seiner  Götter,  Viehzüchter  bringen  die  Erst- 
linge ihrer  Herde,  Ackerbauern  die  Früchte  ihres  Feldes  dar.  Besonders 
lehrreich  ist  etwa  die  Geschichte  des  Opfers  bei  den  Hebräern,  wo  die 
verschiedenen  Formen,  die  geschichtlich  aufeinander  folgten,  späterhin  zum 
Teil  nebeneinander  bestanden.  Wir  hören,  dafs  besondere  Opfer  von  den 
Erzvätern  eingeführt  wurden;  aber  nur  die  spätere  Kulturentwicklung 
mit  ihrer  historischen  Denkweise  konnte  hier  an  bestimmte  Namen  an- 
knüpfen. Dabei  leitet  den  Geschichtschreiber  das  ganz  richtige  Gefühl, 
dafs  irgend  eine  bestimmte  Persönlichkeit  zu  irgend  einer  Zeit  zum  ersten- 
mal, etwa  durch  den  Anblick  eines  wogenden  Ahrenfeldes  überwältigt, 
dem  Stammgotte  eine  Probe  dieses  Erntesegens  unter  bestimmten  Formen 
dargebracht  haben  müsse,  die  der  Denkweise  und  den  Empfindungen  der 
Allgemeinheit  nicht  widersprachen.  Das  Individuum,  das  die  Führerrolle 
übernahm,  ragte  also  doch  nicht  zu  stark  über  seine  Umgebung  hervor. 
Ganz  anders  der  Psalmist,  der  an  Stelle  des  äul'seren  Zeichens  die  innere 
Gesinnung,  die  über  der  Opfergabe  oft  genug  verloren  gegangen  sein 
mochte,  zu  setzen  sucht :  'Denn  du  hast  nicht  Lust  zum  Opfer,  ich  wollte 
dir  es  sonst  wohl  geben;  aber  Brandopfer  gefallen  dir  nicht.  Die  Opfer, 
die  Gott  gefallen,  sind  ein  geängsteter  Geist;  ein  geängstetes  und  zer- 
schlagenes Herz  wirst  du,  Gott,  nicht  verachten.'  (Ps.  51,  18.  19.)  Der 
heilige  Sänger  drang  mit  seiner  Auffassung  nicht  durch.  Das  Volk  hängt 
eben  immer  an  äufseren  Zeichen  und  hat  ein  gröfseres  Verständnis  für  sicht- 
bare Taten  als  für  das,  was  tief  innen  im  Herzen  vorgeht.  So  hat  denn 
die  christliche  Kirche  das  Opfer  mit  übernommen,  wenngleich  wir  es  nicht 
mehr  mit  Erstlingen  der  Herden  und  der  Feldfrüchte,  sondern  etwa  mit 
geweihten  Kerzen  zu  tun  haben :  Wiederum  eine  neue  Erscheinungsform 
des  alten,  sich  ewig  gleichbleibenden  Grundgedankens.1  Die  Ethnologie 
hätte  nun.  wie  ich  glaube,  diesen  allgemeinen  Gedanken  festzuhalten  und 
psychologisch  zu  erklären,  die  Kulturgeschichte  müfste  die  verschiedenen 
Erscheinungsformen,  die  ihr  die  Ethnographie  darbietet,  in  einen  welt- 
historischen Znsammenhang  bringen,  die  Volkskunde  aber  würde  die  ethno- 
graphisch-beschreibende und  kulturgeschichtlich -entwickelnde  Betrach- 
tungsweise mit  Beziehung  auf  eine  bestimmte,  stammliche  oder  ständische 
Gemeinschaft  (vgl.  etwa  den  Aberglauben  der  Seeleute)  verbinden.  Die 
deutsche  Volkskunde  hat  also  nicht  blofs  das  Leben  der  sefshaften,  zäh 
am  Hergebrachten  festhaltenden  bäuerlichen  Bevölkerung  unserer  Heimat 
zu  beobachten  und  mit  der  Art  und  Sitte  der  Landbewohner  in  den  Nach- 
barländern zu  vergleichen,  um  die  deutschen  Eigentümlichkeiten  heraus- 


1  Man  beachte  auch  die  Auffassung  des  Leidens  und  Sterbens  des  Heilandes 
als  eines  Sülmeopfers  —  wohl  die  höchste  Opferidee,  zu  der  die  Menschheit  jemals 
gelangt  ist. 


488  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

zuarbeiten,  sondern  wir  haben  alle  Stände  ohne  Ausnahme  in  Betracht  zu 
ziehen  und  das  Fortwirken  primitiver  Anschauungen  und  volkstümlicher 
Denkweise  bis  zu  den  geistigen  Führern  der  Nation  hinauf  zu  verfolgen. 
So  werden  wir  der  Ethnologie  und  der  Kulturgeschichte  vieles  von  dem 
zurückzahlen  können,  was  sie  an  Vorarbeiten  für  uns  geleistet  haben,  und 
ihre  allgemeinen  Gesetze  durch  die  Beobachtungen  an  konkreten  Einzel- 
fällen einschränken  oder  erweitern,  prüfen  oder  vertiefen  können. 

So  wird  denn  die  Volkskunde  als  ein  Bindeglied  mitten  hineingestellt 
zwischen  die  sich  immer  mehr  zersplitternden  Einzel  Wissenschaften;  von 
seiten  der  Geschichtsforschung  ist  ja  auch  der  Wert  volkskundlicher 
Arbeiten  so  weit  anerkannt  worden,  dafs  dem  'Gesamtverein  deutscher 
Geschichtsvereine'  eine  eigene  Sektion  für  Volkskunde  angegliedert  werden 
mufste,  die  auch  bei  der  letzten  Jahresversammlung  in  Düsseldorf  wie- 
derum zusammengetreten  ist  und  hoffentlich  immer  mehr  erstarken  wird.1 
Auch  von  seiten  anderer  Disziplinen,  deren  Vertreter  etwa  praktisch  mit 
dem  Volk  zu  verkehren  haben,  wird  uns  jetzt  gebührende  Berücksichtigung 
zu  teil.  Der  theologische  Professor  Drews  hat  einen  Mahnruf  an  die  Land- 
geistlichen erlassen,  sich  mit  religiöser  Volkskunde  eingehend  zu  beschäf- 
tigen, und  ich  selbst  habe  seinem  warmherzigen  Aufrufe  ein  paar  Winke 
über  bestimmte  Einzelheiten  in  der  'Christlichen  Welt'  nachfolgen  lassen. 
So  scheint  sich  denn  auch  bei  uns  die  junge  Wissenschaft  endlich  die  zen- 
trale Stellung  zu  erringen,  die  ihr  von  Bechts  wegen  gebührt  und  in  dem 
mehr  kosmopolitischen  England  schon  längst  angewiesen  ist.  Auch  die 
letzten  Jahrgänge  des  'Folk-Lore',  einer  der  vornehmsten  und  gediegensten 
wissenschaftlichen  Zeitschriften,  bringt  nicht  blofs  eine  grofse  Anzahl  von 
Einzelbeiträgen,  besonders  aus  den  verschiedensten  Kolonien  des  Britischen 
Keiches,  sondern  geht,  wie  immer,  mit  Lebhaftigkeit  auf  allgemeinere,  prin- 
zipielle Fragen  ein ;  besonders  die  Presidential  Adresses,  die  jeder  Jahrgang 
bringt,  und  die  in  vollendeter  Form,  aber  mit  lebhaftem  Temperament  zu 
den  verschiedensten  Problemen  der  Anthropologie  und  Ethnologie  Stellung 
zu  nehmen  pflegen  sind  sehr  wohl  geeignet,  unseren  Blick  zu  erweitern 
und  zu  schärfen.  Da  wendet  sich  etwa  Brabrook  (XII  12  ff.)  gegen  den 
von  Andrew  Lang  neuerdings  vertretenen  Begriff  einer  allmählichen  reli- 
giösen Degeneration  der  Menschheit,  der  gegenüber  er  eine  mehr  evolu- 
tionistische  Anschauungsweise  vertritt  und  mit  Geschick  verteidigt.  Sehr 
wichtig  für  jeden,  der  sich  mit  germanischer  Mythologie  zu  befassen  hat, 
ist  auch  der  reichhaltige ,  sorgfältig  geordnete  Fragebogen  Notes  and 
Queries  on  Totemism  (XII  385  ff.).  —  Auch  unsere  deutsche  'Zeit- 
schrift des  Vereins  für  Volkskunde'  hat  ja  die  grofsen  ethnologi- 
schen Gesichtspunkte  nie  verleugnet,  und  der  neue  Herausgeber.  Johannes 
B  o  1 1  e ,  folgt  den  Bahnen ,  die  Altmeister  Weinhold  eingeschlagen  hat. 
Aus  dem  überreichen  Inhalt  seien  hier  nur  einige  Beiträge  hervorgehoben, 
die  Brauch  und  Glauben  in  grofsen  Zusammenhängen  betrachten,  v.  N ege- 
lein verfolgt  die  Keise  der  Seele  ins  Jenseits  (XI  10  ff.,   149  ff.,  -ItiS  ff.). 


1  Einen  kurzen,   vorläufigen  Bericht  gab  O.  Brenner  in   den   'Mitteilungen  und 
Umfragen  zur  bayerischen  Volkskunde,  Jahrgang    l'.tU2,  No.   3.' 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  439 

Er  findet  fast  bei  allen  Völkern  deutliche  Beweise  für  die  Annahme,  dafs 
die  Seele  sich  noch  eine  Zeitlang  nach  dem  Begräbnis  in  der  Nähe  des 
Körpers  aufhalte,  bis  sie  sich  auf  den  Weg  ins  unbekannte  Land  begibt. 
Er  zeigt,  wie  mau  ihr  diesen  Weg  zu  erleichtern,  ihre  Rückkehr  dagegen 
mit  allen  Mitteln  zu  verhindern  sucht.  Haben  sich  in  dem  Sande  oder 
in  der  Asche,  die  des  Nachts  ausgestreut  ward,  am  Morgen  Fufsspuren 
gefunden,  so  ist  die  Seele  zurückgekehrt.  Sie  selbst  ist  also  unsichtbar, 
läfßt  aber  eine  Spur  zurück  wie  die  Menschen,  die  sich  unsichtbar  machen 
können,  doch  ihren  Schatten  nicht  zu  beseitigen  vermögen.  Man  sucht 
nun  den  Weg,  auf  dem  die  Seele  zurückkehren  könnte,  durch  Dornen, 
Pfähle  oder  ausgegossenes  Wasser  unwegsam  zu  machen.  Lieber  aber  als 
diese  Heilmittel  werden  Vorbeugungsmafsregeln  angewendet,  indem  man 
etwa  dem  Toten  die  Füfse  bindet  oder  die  Tür  sehliefst,  durch  die  er  ge- 
tragen ward,  oder  auch  die  Leiche  durch  ein  Loch  in  der  Wand  hinaus- 
reicht. —  Der  skandinavische  Forscher  Feilberg  mustert  (XI  304  ff., 
120  ff.)  die  verschiedenen  Erscheinungsformen  des  Glaubens  an  den  bösen 
Blick  bei  den  Völkern  des  Nordens.  Schlechte  Weiber,  Verbrecher,  mythi- 
sche Wesen,  gewisse  Tiere  (Wolf,  Schlange,  Basilisk)  können  durch  ihren 
Blick  menschliche  Tätigkeiten,  wie  Backen,  Brauen,  Buttern  usw.,  unmög- 
lich machen,  Kinder  und  junge  Tiere  in  grofse  Gefahren  bringen.  Feilberg 
gibt  Belege  für  die  einzelnen  Formen  des  Aberglaubens  und  für  die  gegen 
den  schiefen  Blick  angewendeten  Heilmittel,  bietet  auch  eine  natürliche 
Erklärung  der  mythischen  Vorstellung  aus  Wahrnehmungen  über  die  hyp- 
notisierende Kraft,  die  der  Blick  des  Menschen  und  gewisser  Raubtiere 
auszuüben  vermag.  Er  kommt  aber  mit  diesen  Erklärungen  nicht  immer 
aus.  In  einigen  Fällen  möchte  ich  eher  an  ethisch-pädagogische  Motive 
denken.  Wenn  es  z.  B.  heilst,  dafs  die  erste  Milch,  die  einer  Kuh  nach 
dem  Wurfe  entnommen  wird,  zugedeckt  werden  müsse,  damit  weder  die 
Sonne  noch  irgend  sonst  ein  Licht,  noch  ein  böser  Blick  darauf  falle,  so 
erinnere  ich  an  die  humane  Vorschrift  des  jüdischen  Gesetzes:  'Du  sollst 
das  Kalb  nicht  in  der  Milch  seiner  Mutter  braten.'  Von  diesem  Gesichts- 
punkte aus  wären  noch  andere  der  von  Feilberg  mitgeteilten  Züge  zu  er- 
klären. —  Auch  der  Aufsatz  v.  Negeleins  über  das  Pferd  im  Seelenglauben 
und  Totenkult  (XI  406  ff.,  XII  14  ff.)  spricht  keineswegs  in  allen  ein- 
schlägigen Fragen  das  letzte  Wort.  Der  Verfasser  scheidet  nicht  scharf 
genug  zwischen  den  Anschauungen,  die  an  das  Pferd  entweder  als  Reit- 
tier oder  als  Haustier  usw.  anknüpfen.  Seine  eigenen  Parallelen  zeigen 
uns,  dafs  vieles,  was  vom  Pferde  gilt,  anderwärts  von  der  Kuh,  vom  Kamel 
usw.  berichtet  wird,  während  anderes  wieder  einzig  und  allein  zu  der 
Eigenart  des  Pferdes  stimmen  will.  Hier  mufste  gesondert  werden.  Auch 
die  psychologischen  Ausdeutungen  lassen  zuweilen  zu  wünschen  übrig. 
Wenn  beim  indischen  Rofsopfer  der  Priester  den  Schwanz  des  Pferdes 
berühren  soll,  so  hat  v.  Nägelein  sicherlich  recht  mit  der  Erklärung,  dafs 
der  feinere  Instinkt  des  Tieres  den  Menschen  in  ein  besseres  Jenseits 
leiten  solle.  Wenn  aber  manche  wilde  Stämme  einen  Verbrecher  auf  dem 
Rücken  eines  wilden  Pferdes  ins  Weite  hinausjagen,  so  beabsichtigen  sie 
sicherlich  nicht,  ihm  die  Freuden  des  Paradieses  zu  gönnen,  und  halten 


440  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

sich  nicht  an  den  feinen  Instinkt,  sondern  im  Gegenteil  an  die  Wildheit 
des  Tieres,  wie  denn  auch  eine  deutsche  Sage  in  ähnlicher  Lage  einen 
wilden  Hirsch  statt  des  Pferdes  eintreten  läfst.  Was  die  Pferdeköpfe  an 
unseren  niedersächsischen  Bauernhäusern  anlangt,  so  bin  ich  auch  der 
Meinung,  dafs  sie  auf  das  Rofsopfer  der  alten  Germanen  zurückgehen, 
möchte  aber  zur  Erklärung  darauf  hinweisen,  dafs  die  aus  Ägypten  aus- 
gewanderten Israeliten  die  Pfosten  ihrer  Haustüren  mit  dem  Blute  des 
Passahlammes  bestrichen,  um  den  Todesengel  zum  Vorübergehen  zu  ver- 
anlassen. Die  Spur  des  Opfers  aufsen  am  Hause  sollte  beweisen,  dafs  im 
Inneren  Verehrer  des  Gottes  wohnten.  — 

Erwähnt  seien  hier  noch  ein  paar  Aufsätze  über  die  volkstümliche 
Bedeutung  der  Pflanzen.  Wein  hold  spricht  über  die  Bedeutung  des 
Haselstrauches  im  altgermanischen  Kultus-  und  Zauberwesen  (XI  1 — 16). 
E.Lemke  betrachtet  die  Eibe  in  der  Volkskunde  (XII  25—38,  187-108), 
und  Blümmel  und  Rott  schildern  die  Verwendung  der  Pflanzen  durch 
die  Kinder  in  Deutsch-Böhmen  und  Niederösterreich  (XI  49 — 64).  Von 
den  reichhaltigen  literarischen  Aufsätzen,  die  teilweise  aus  dem  Gebiet 
der  Volkspoesie  in  das  der  Kunstdichtung  übergreifen,  seien  Heuslers 
Ausführungen  über  die  altnordischen  Rätsel  (XI  117—119),  sowie  einige 
Aufsätze  von  Bolte  erwähnt,  der  mit  der  ihm  eigenen  unvergleichlichen 
Belesenheit  ein  dänisches  Märchen  von  Petrus  und  dem  Ursprung  der 
bösen  Weiber  (XII  252 — 262)  und  die  Schwankerzählung  von  der  geist- 
lichen Auslegung  des  Kartenspiels  behandelt  (XI  376 — 406).  —  Neben 
der  Berliner  Zeitschrift  ist  das  wichtigste  Organ,  das  unsere  Wissenschaft 
auf  deutschem  Boden  vertritt,  die  von  M.  Haberlandt  vortrefflich  redi- 
gierte 'Zeitschrift  für  österreichische  Volkskunde'.  Sie  zeichnet 
sich  vor  anderen  ähnlichen  Unternehmungen  auch  dadurch  aus,  dafs  sie 
sehr  gute  und  reichhaltige  bibliographische  Zusammenstellunden  bringt, 
was  bei  Weinholds  Zeitschrift  leider  nur  zu  bald  eingestellt  wurde,  so  dafs 
wir  uns  mit  den  betreffenden  Abschnitten  im  'Jahresbericht  über  die  Er- 
scheinungen auf  dem  Gebiete  der  germanischen  Philologie'  oder  in  den 
'Jahresberichten  für  neuere  deutsche  Literaturgeschichte'  behelfen  müssen. 
Stärker  als  andere  Zeitschriften  berücksichtigt  die  österreichische  die  volks- 
tümlichen Realien.  An  eine  frühere,  ausgezeichnete  Abhandlung  von 
M.  Eysn  über  die  bei  den  Salzburger  Bauern  gebräuchlichen  Zaunformen 
knüpft  Josef  Blau  in  seinem  Aufsatz  über  die  Zäune  im  Böhmerwald  an 
(XII  1—8).  Derselbe  behandelt  mit  Sachkenntnis  und  Humor  Huhu  und 
Ei  in  Sprache,  Brauch  und  Glauben  des  Volkes  (XIII  166—185).  Auch 
das  Mundartliche  geht  hier  nicht  ganz  leer  aus,  wie  z.  B.  eine  Abhandlung 
von  Dachler  über  die  Beziehungen  zwischen  den  niederösterreichischen, 
bayerischen  und  fränkischen  Mundarten  und  Bewohnern  beweist  (VIII 
81 — 98).  —  Recht  erfreulich  ist  die  Wahrnehmung,  dafs  trotz  des  Ein- 
gehens einer  so  vorzüglich  bewährten  Zeitschrift  wie  der  'Blätter  für 
Pomm ersehe  Volkskunde'  im  allgemeinen  ein  Nachlassen  des  öffent- 
lichen Interesses  doch  nicht  festzustellen  ist.  Neue  Unternehmungen  er- 
scheinen fast  alljährlich  auf  dem  Plane.  In  Böhmen  z.  B.,  wo  der  er- 
bitterte Kampf  der  Stämme  in  den  letzten  Jahren  das  nationale  Gewissen 


Beurteilungen  uud  kurze  Anzeigen.  111 

außerordentlich  geschärft  hat,  arbeitet  nicht  nur  die  von  Hauffen  ge- 
leitete 'Gesellschaft  zur  Förderung  deutscher  Wissenschaft,  Kunst  und 
Literatur',  sondern  auch  die  einzelnen  Teile  des  Landes  suchen  den  volks- 
kundlichen Betrieb  innerhalb  ihrer  Grenzen  zu  zentralisieren.  Zu  den  be- 
kannten 'Mitteilungen  des  nordböhmischen  Exkursionsklubs'  und  Alois 
Johns  umsichtig  geleitetem  Blättchen  'Unser  Egerland'  tritt  jetzt  ein 
neues,  breiter  angelegtes  Unternehmen:  'Deutsche  Volkskunde  aus  dem 
östlichen  Böhmen'.  Der  Herausgeber,  Dr.  Eduard  Langer  in  Braun  au, 
verfolgt  ein  weitherziges,  zugleich  wissenschaftliches  und  praktisches  Pro- 
gramm. Er  unterrichtet  seine  Leser  über  die  Probleme  der  deutschen 
Rechtschreibung,  macht  sie  mit  der  einheimischen  Poesie  bekannt,  führt 
sie  in  die  Geschichte  ihres  Landes  zurück  und  klärt  sie  über  dessen  poli- 
tische Stellung  auf.  Vor  allem  aber  wird  uns  sein  Unternehmen  wichtig 
durch  die  exakte  Aufzeichnung  volkstümlicher  Lieder,  Sprüche  und  Sagen, 
die  als  Vorarbeit  für  gröfsere  Sammelwerke  dienen  sollen.  Der  Heraus- 
geber verspricht  die  Ergänzungshefte  zu  den  bisher  erschienen  Bänden. 
Wir  wünschen  seinem  Unternehmen  von  Herzen  einen  guten  Fortgang, 
zugleich  aber  einen  einheitlichen  Zusammenschlufs  der  böhmischen  Be- 
strebungen ohne  persönliche  Differenzen.  —  Rüstig  schreitet  auch  die 
'Vereinigung  für  hessische  Volkskunde'  fort,  die  an  Stelle  ihrer  bisher 
veröffentlichten,  nur  für  das  eigene  Land  bestimmten  Umfragen  eine  neue, 
grofse  Zeitschrift  herausgibt:  'Hessische  Blätter  für  Volkskunde', 
die  sich  unter  der  fachkundigen  Leitung  von  Adolf  Strack  an  weitere 
Kreise  wendet  und,  nach  den  vorliegenden  Heften  zu  urteilen,  unsere  Dis- 
ziplin nicht  blofs  durch  Materialsammlungen,  sondern  auch  durch  streng 
wissenschaftliche  Auseinandersetzungen  fördern  will.  Auch  sie  beschäftigt 
sich  vorzugsweise  mit  Brauch  und  Glaube.  So  beschreibt  uns  Schulte 
die  Kirchweihfeier  im  Vogelsberge,  und  ein  sehr  bedeutsamer  Aufsatz 
Dieterichs  bespricht  auf  Grund  seiner  gediegenen  Kenntnis  der  germa- 
nischen Rechtspflege  die  Bedeutung  einiger  noch  heute  üblichen,  volks- 
tümlichen Strafen,  des  Eselrittes  und  des  Dachabdeckens,  worin  er  die 
illegitimen  Auswüchse  älterer  regulärer  Rechtsmittel  nachweist.  Besonders 
wertvoll  wird  die  Zeitschrift  dadurch,  dafs  sie  zur  Bekräftigung  des  Vor- 
getragenen öfters  gröfsere  Stellen  aus  älteren  Handschriften  und  Drucken 
heranzieht,  um  sie  etwa  in  der  Art  Gustav  Frey  tags  kulturgeschichtlich 
zu  erläutern.  —  Ehe  wir  zu  den  Einzelschriften  übergehen,  die  unsere 
Disziplin  geliefert  hat,  erlaube  ich  mir,  auf  meine  kurzen,  geschichtlichen 
Ausführungen  über  die  Methoden  und  Erfolge  der  deutschen  Volkskunde 
in  den  letzten  fünfundzwanzig  Jahren  hinzuweisen. 

An  Sammlungen  und  wissenschaftlichen  Besprechungen  der  Erzeug- 
nisse der  Volkspoesie  ist  verhältnismäfsig  wenig  nachzutragen.  Lohre 
hat  seine  sorgfältigen  und  klaren  Ausführungen  nunmehr  vollständig  vor- 
gelegt und  zeigt  uns,  mit  welchen  Schwierigkeiten  die  ersten  Liebhaber 
unserer  Wissenschaft  zu  kämpfen  hatten,  bis  sie  den  Begriff  des  Volks- 
liedes zunächst  gefühlsmäfsig  erfafsten.  Erst  jetzt  können  wir  das  recht 
würdigen,  was  'Des  Knaben  Wunderhorn'  zu  seiner  Zeit  geleistet  hat,  und 
wie  weit  seine  Herausgeber  auch  über  Herder  hinausgegangen  sind.    Inter- 


442  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

essant  aber  wäre  es  gewesen,  dieser  Sammlung  gegenüber  die  Begründung 
der  eigentlich  wissenschaftlieben  Methode  durch  Ludwig  Uhland  zu  ver- 
folgen. —  Büchers  klassisches  Werk  geht  zum  drittenmal  in  die  Welt 
hinaus.  Die  neue  Auflage  hat  abermals  eine  wesentliche  Vermehrung  des 
Tatsachenbestandes  aufzuweisen,  auf  dem  die  Untersuchung  beruht,  und 
damit  auch  eine  Vertiefung  des  Beweisverfahrens.  Siebenzig  neue  Texte 
sind  hinzugefügt  worden,  was  nur  durch  die  rege  Mitarbeit  der  dankbaren 
Leser  und  Benutzer  ermöglicht  wurde,  wie  ja  denn  selten  ein  Buch,  trotz 
aller  Einwendungen  und  Bedenken,  von  allen  Seiten  mit  so  lebhafter 
Freude  begrüfst  worden  ist  als  dieses.  Geschmückt  ist  die  neue  Ausgabe 
durch  die  Abbildung  einer  böotischen  Terrakottengruppe  aus  archaischer 
Zeit:  sie  zeigt  uns  griechische  Brotbäckerinnen,  die  ihre  Arbeit  unter  Be- 
gleitung von  Flötenmusik  verrichten. 

Die  Sammlung  färöischer  Sagen  und  Märchen  von  Jakobsen  ist, 
was  den  Text  anlangt,  abgeschlossen;  doch  steht  der  Schlufs  des  Wörter- 
buches noch  aus,  das  bei  der  Schwierigkeit  der  mitgeteilten  Texte  unent- 
behrlich ist.  —  Das  Büchlein  von  Luck  erhebt  keine  wissenschaftlichen 
Ansprüche,  sondern  bringt  stimmungsvolle  Nachdichtungen.  —  Reisers 
Werk  ist  nun  endlich  fertig  geworden.  Die  Vorzüge  dieser  Sammlung 
haben  wir  schon  bei  der  Besprechung  des  ersten  Bandes  gebührend  her- 
vorgehoben, dem  sich  nun  der  Schlufs  des  Werkes  würdig  an  die  Seite 
stellt.  Ebenso  sorgfältig  und  zuverlässig  wie  dort  die  Sagen,  werden  hier 
Sitte,  Brauch  und  Glauben  des  Allgäus  in  der  Folge  des  festlichen  Jahres 
und  im  Anschlufs  an  die  Hauptabschnitte  und  wichtigsten  Vorkommnisse 
des  menschlichen  Lebens  geschildert  und  teilweise  durch  deutliche  Abbil- 
dungen illustriert.  In  aller  Kürze  behandelt  Reiser  auch  die  Mundart  des 
Landes,  doch  fehlt  leider  eine  Darstellung  der  Syntax,  wofür  uns  freilich 
die  sehr  reiche  Zusammenstellung  der  volkstümlichen  Sprichwörter,  Redens- 
arten, Bdder  und  Vergleiche  einigen  Ersatz  liefert.  Wir  wollen  von  dem 
trefflichen  Buch  nicht  scheiden,  ohne  dem  Verfasser  für  das  Geleistete 
von  Herzen  zu  danken  und  den  Wunsch  nach  einem  dritten  Band  aus- 
zusprechen, der  die  Volkslieder,  Märchen  und  Rätsel  des  Allgäus  zu  um- 
fassen hätte.  —  Da  wir  hier  mehrmals  von  Mundartenforschung  zu  reden 
hatten,  so  sei  gleich  darauf  hingewiesen,  dafs  von  N  a gl s  Zeitschrift  end- 
lich eine  vierte  Lieferung  erschienen  ist,  die  u.  a.  eine  Abhandlung  des 
Herausgebers  über  den  qualitativen  Lautwert  des  ahd.  ä  enthält.  —  Das 
Büchlein  von  Kahl  unterscheidet  sich  von  den  ähnlichen  Sammlungen  Dähn- 
hardts  und  Regenhardts  dadurch,  dafs  es  nicht  nach  Landschaften,  sondern 
geschichtlich  angeordnet  ist  und  den  Leser  von  Simon  Dach  bis  zu  Stelz- 
hamer  führt.  Die  Auswahl  ist  nicht  immer  glücklich,  wie  uns  jeder 
Kenner  Fritz  Reuters  bezeugen  wird;  die  Einleitung  gibt,  meist  im  An- 
schlufs an  Behaghel,  eine  knappe  Charakteristik  der  einzelnen  Mundarten 
und  kurze  Biographien  der  Dichter. 

Arnolds  interessantes  Büchlein  dient  der  Kulturgeschichte  und  zeigt 
uns  die  im  Laufe  der  Jahrhunderte  fortschreitende  Beeinträchtigung  unseres 
germanischen  Namen  Schatzes  durch  Kultureinflüsse  von  aufsen  her.  So 
iührt  die  Kirche  mit  Vorliebe  Namen  aus  der  Bibel  und  der  Legende  ein, 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  143 

die  Renaissance  greift  auf  das  alte  Rom  zurück  usw.  Für  die  Wahl  des 
Vornamens  in  neuester  Zeit  stellt  Arnold  in  sehr  geschickter  Weise  die 
verschiedenen  psychologischen  'Hilfen'  fest.  Da  entscheidet  etwa  die  Fa- 
milientradition, oder  ein  ethischer,  auch  wohl  religiöser  Grundsatz  gibl 
dem  Kinde  dem  Namen  mit  (Leberecht,  Gottlieb).  Rücksichten  auf  die 
Herrscherfamilie ,  auf  politische  Verhältnisse  machen  sich  geltend,  vor 
allem  aber  werden  in  Zeiten  starken  literarischen  Interesses  beliebten 
Modedichtungen  gern  Vornamen  entlehnt.  Zum  Schlufs  erhalten  wir  eine 
Übersicht  über  das  Ergebnis  einer  in  Wiener  Volksschulen  vorgenommenen 
Namenszählung.  Da  zeigt  sich  u.  a.,  dafs  unter  den  männlichen  Namen 
Karl,  Josef  und  Franz.  unter  den  weiblichen  Maria  und  Anna  am  häu- 
figsten vertreten  sind.  —  Manches  kulturgeschichtlich  und  volkskundlich 
Interessante  bringt  Irmischs  Büchlein,  doch  hat  auf  diesem  Gebiet 
eigentlich  Klenz  mit  seinem  Werke  über  die  deutsche  Drucksprache  den 
Rahm  abgeschöpft.  —  Kulturgeschichtlich  sehr  wichtig  ist  auch  die  kleine, 
eigentlich  dem  literarischen  Gebiet  angehörige  Schrift  von  Gloth.  Er  be- 
handelt von  der  philologischen  und  sittengeschichtlichen  Seite  her  das 
Spiel  von  den  sieben  Farben,  das  auf  Grund  eines  älteren,  ziemlich  ver- 
breiteten Spruchgedichtes  die  symbolische  Bedeutung  der  Farben  für  das 
Minneleben  in  der  Form  einer  halb  dramatischen  Fastnachtsbelustigung 
darlegt  und  in  zwei  Fassungen  erhalten  ist,  deren  ältere  wir  in  Kellers 
Fastnachtspielen  (No.  103)  finden,  während  Oswald  Zingerle  eine  jüngere, 
aus  jener  abgeleitete  Version  1866  in  den  'Wiener  Neudrucken',  Heft  1, 
veröffentlicht  hat.  Leider  hat  Gloth,  obwohl  er  die  Unzulänglichkeit  des 
Kellersehen  Abdruckes  ausdrücklich  hervorhebt,  eine  Neuausgabe  des 
Spieles  nicht  geboten.  Seine  kulturgeschichtlichen  Erläuterungen  dagegen 
begrüfsen  wir  mit  Dank.  Es  ist  ihm  gelungen,  die  symbolische  Ausdeu- 
tung der  Farben  aus  dem  äufserlich  gerichteten,  zu  Allegorien  und  Spiele- 
reien neigenden  Sinn  des  ausgehenden  Mittelalters  zu  erklären  und  nament- 
lich die  Wanderung  der  Liebessymbolik  von  Frankreich  nach  Deutschland 
nachzuweisen.  Mit  Recht  zieht  der  Verfasser  auch  das  Nachleben  dieser 
Vorstellungen  im  Volkslied  heran,  hätte  aber  hier  etwas  tiefer  greifen 
dürfen.  Gern  weist  das  Volk  etwa  auf  die  grüne  Farbe  der  Kleidung  des 
Weidmanns  auch  in  Liebesliedern  hin,  wenngleich  der  einzelnen  Farbe 
nicht  mehr  eine  bestimmte  Bedeutung  zugesprochen  wird.  Interessant  ist 
No.  1794  im  Deutschen  Liederhort  von  Erck  und  Böhme,  wo  für  jeden 
Stand  eine  besondere  Farbe  in  Anspruch  genommen  wird.  Für  den  leb- 
haften Farbensinn  des  Volkes  weisen  wir  noch  darauf  hin,  dafs  z.  B.  in 
Berlin  ohne  weiteres  jeder  Schutzmann  ein  'Blauer',  jeder  Geistliche  ein 
'Schwarzer',  jeder  Sozialdemokrat  ein  'Roter'  genannt  wird. 

Im  ganzen  betrachtet,  zeigt  die  Arbeit  des  letzten  Jahres  ein  starkes 
Überwiegen  der  kulturgeschichtlichen  und  mythologischen  Seiten  unseres 
Faches,  wogegen  die  bisher  so  stark  gepflegte  literarische  zurückzutreten 
scheint.  Wir  wollen  darüber  nicht  schmälen,  hoffen  aber,  in  unserem 
nächsten  Bericht  wieder  auf  einige  tüchtige  Sammlungen  aus  dem  Ge- 
biete der  Volkspoesie  hinweisen  zu  dürfen. 

Würzburg.  Robert  Petsch. 


1 1  i  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Die  mittelenglischen  Fassungen  der  Sage  von  Guy  of  Warwick 
und  ihre  altfranzösische  Vorlage  von  Dr.  Max  Weyrauch. 
(Forschungen  z.  engl.  Sprache  u.  Lit.,  begr.  von  Kölbing.) 
Breslau,  M.  &  H.  Marcus,  1901.    VI,  96  S.     M.  3,20. 

Der  vorzeitige  Tod  des  hervorragenden  Herausgebers  des  me.  Guy  of 
Warwick  hatte  die  Vollendung  seiner  Arbeit,  wozu  auch  eine  allgemeine 
Einleitung  gehörte,  worin  das  gegenseitige  Verhältnis  der  Hss.  genau  be- 
sprochen werden  sollte,  unmöglich  gemacht.  Eine  eingehende  Untersuchung 
der  letztgenannten  Frage,  die  Zupitza  schon  vorher,  obgleich  nicht  er- 
schöpfend, behandelt  hatte,'  wird  in  unserem  Buche  mit  grofsem  Fleifse 
und  Umsicht  vorgenommen.  Dieser  Untersuchung  schliefst  sich  eine  Dar- 
stellung des  Handschriftenverhältnisses  des  afrz.  Guy  an,  die  hauptsäch- 
lich auf  der  Winnebergerschen  Dissertation  über  das  betreffende  Thema 
(Marburg  1889)  sich  fufst,  und  woran  eine  Erforschung  des  Verhältnisses 
der  englischen  Handschriften  zu  den  französischen  sich  anreiht. 

Zuerst  werden  die  englischen  Hss.  jede  für  sich  bezüglich  ihrer  Eigen- 
tümlichkeiten graphischer  Natur  und  der  in  ihnen  zu  bessernden  Kor- 
ruptionen untersucht.  Obwohl  diese  Untersuchung  einen  gröfseren  Raum 
einnimmt,  als  man  erwarten  könnte  (38  S.),  da  sie  im  allgemeinen  für  die 
eigentliche  Aufgabe  nur  indirekt  von  Belang  ist,  dürfte  ihre  Aufnahme  in 
die  Abhandlung  jedoch  zu  billigen  sein,  da  sie  uns  die  Hss.  in  gebesserter 
Gestaltung,  wodurch  die  Hauptaufgabe  der  Arbeit  sehr  erleichtert  wird, 
darbietet.  Von  den  Hss.  werden  in  dieser  Weise  nur  fünf  eingehend  be- 
handelt und  zwar:  die  beiden  Auchinleck-Mss.,  das  Caius-Ms.,  das  Fragment 
im  Sloane-Ms.  und  die  Papierhs.  der  Cambridger  Universitätsbibliothek. 2 
Die  Besserungen  werden  vielfach  durch  Heranziehung  der  entsprechenden 
Stellen  der  afrz.  Hss.,  die  dem  Verfasser  in  Abschriften  zugänglich  waren, 
bestätigt.  Ein  solches  Hilfsmittel  stand  Zupitza  nur  ausnahmsweise  zur 
Verfügung.  Die  in  diesem  Teile  enthaltenen  Emendationen  sind  im  all- 
gemeinen sehr  einleuchtend  und  für  das  Hauptthema  sehr  wichtig.  Als 
Hauptergebnis  der  Untersuchung  wird  geltend  gemacht,  dafs  sämtliche 
Handschriften  Abschriften  sind.  Besonders  reich  an  Textkorruptionen  und 
schlechten  Reimen  ist  die  Hs.  der  Cambridger  Universitätsbibliothek  (c, 
bei  Zupitza  E.  E.  T.  8.:  C).3  Es  wird  auch  klar  gemacht,  dafs  die 
Schreiber  bei  dem  Bestreben,  die  Korruptionen  ihrer  Vorlagen  zu  bessern, 
nicht  zu  einer  französischen  Hs.  gegriffen  haben  können,  was  ja  auch  gar 


1  Zur  Literaturgeschichte  des  Guy  von  Warwick,  Sitzungsberichte  der  phil.- 
hist.  Klasse  der  Kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften.   Wien,  1873,  vol.  LXXIV. 

2  Die  von  Zupitza  nicht  gebesserten  oder  anders  erklärten  Stellen  werden 
passend  mit  einem  Sternchen  bezeichnet.  Die  von  dem  Verfasser  gegebenen  Er- 
gänzungen und  Berichtigungen  Zupitzas  sind  überaus  zahlreich,  wie  diese  Stern- 
ehen zur  Genüge  zeigen. 

3  Weyrauch  sagt  ganz  kurz:  'er  nennt  diese  Handschrift  C.  Indessen  hätte 
erwähnt  werden  sollen,  dafs  Zupitza  in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie 
diese  Tis  c  und  die  Hs.  in  Cajus  College  C  nennt  (vgl.  Tanner  S.  52);  dadurch 
wäre  die  schon  an  und  für  sich  verwickelte  Nomenklatur  demjenigen,  der  die  ein- 
schlägige  Literatur  benutzen  will,   ein  wenig  einfacher  gemacht. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  445 

nicht  zu  verwundern  ist,  da  ein  solcher  Vorgang  zu  diesen  Zeiten  auch 
sonst  kaum  nachzuweisen  ist. 

Danach  läfst  sich  der  Verfasser  auf  seine  eigentliche  Aufgabe  ein. 
Zunächst  werden  einige  Textverschlechterungen  der  englischen  Hss.  auf- 
gezählt, die  nicht  das  Werk  der  Schreiber  dieser  Handschriften  sind,  son- 
dern die  entweder  schon  in  den  Vorlagen  enthalten  sein  müssen  (eine 
Menge  solcher  Irrtümer  waren  schon  vorher  angeführt)  oder  dadurch  ver- 
ursacht waren,  dafs  der  Übersetzer  sein  afrz.  Original  mii's verstand.  Dann 
werden  die  englischen  Teile  in  ihrem  Verhältnis  untereinander  näher 
untersucht.  Es  würde  uns  zu  weit  führen,  mit  dieser  Untersuchung  uns 
hier  eingehender  zu  beschäftigen.  Als  Hauptrcsultat  gilt,  dafs  die  schon 
von  Zupitza  aufgestellte  Einteilung  in  vier  englische  Versionen  für  richtig 
zu  halteu  ist.  Es  wird  hier  nur  das  Verhältnis  dieser  Versionen  zuein- 
ander allseitiger  und  klarer  beleuchtet. 

Der  Abschnitt  über  die  französischen  Handschriften  ist,  wie  schon 
gesagt,  in  vielen  Punkten  ein  Referat  der  genannten  Winnebergerschen 
Dissertation.  In  mehreren  Einzelheiten,  die  für  die  Beurteilung  des  Ver- 
hältnisses zu  deu  englischen  Handschriften  von  Belang  sind,  werden  aber 
die  Ausführungen  Winnebergers  ergänzt  und  berichtigt.  Wie  W.  bewiesen 
hat,  zerfallen  die  von  ihm  untersuchten  Handschriften  in  zwei  Gruppen. 
Im  letzten  Abschnitt  seiner  Arbeit  erlangt  Weyrauch  nun  das  Resultat, 
dafs  die  französischen  Vorlagen  von  den  mittelenglischen  Handschriften 
alle  zu  einer  Gruppe  (der  O-r-o-f-Gruppe)  gehörten.  Dies  wird  nicht  nur 
dadurch  bewiesen,  dafs  die  englischen  Handschriften  eine  überaus  grofse 
Menge  -f  -Verse  in  Übereinstimmung  mit  der  genannten  afrz.  Gruppe  auf- 
weisen, wogegen  die  -{--Verse  der  anderen  afrz.  Gruppe  (a  P  G)  in  den 
englischen  Handschriften  fehlen,  sondern  auch  dadurch,  dafs  die  englischen 
Handschriften  eine  von  der  anderen  afrz.  Gruppe  abweichende  Version, 
und  zwar  die  von  O-r-o-f,  bieten.  Eine  Sonderstellung  nimmt  aber  der 
erste  Teil  der  Hss.  A  und  C  ein,  insofern  sie  ein  Gemisch  beider  afrz. 
Versionen  repräsentieren;  auch  c  schliefst  sich  in  einem  Abschnitt  der 
anderen  afrz.  Version  an.  Diese  Mischungen  haben  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  schon  in  den  betreffenden  afrz.  Vorlagen  stattgefunden.  Es  wird 
nun  noch  ein  Versuch  gemacht,  die  Stellung  der  verloren  gegangenen  afrz. 
Vorlagen  zu  den  vorhandenen  afrz.  Handschriften  festzustellen. 

Das  vom  Verfasser  behandelte  Thema  ist  in  vielen  Punkten  ein  sehr 
verwickeltes  und  zeitraubendes.  Eine  vollständige  Würdigung  der  Arbeit 
ist  nur  für  denjenigen  möglich,  der  das  ungeheure  Material  durchforscht 
hat.  Zu  eingehenderen  Studien  auf  diesem  Gebiete  habe  ich  keine  Ge- 
legenheit gehabt.  Soweit  ich  die  Resultate  der  Arbeit  habe  prüfen  können, 
haben  sie  mir  durchaus  eingeleuchtet.  Ein  endgültiges  Urteil  aller  vom 
Verfasser  behandelten  Eragen  mufs  berufeneren  Kräften  überlassen  werden. 

Zuletzt  ein  paar  Kleinigkeiten.  S.  5  Z.  5  v.  o.  1.  itherd.  Kanu  nicht 
die  zweimal  in  nQ  auftretende  Schreibung  cm  arabite  so  erklärt  werden, 
dafs  man  a-  mit  a-  in  afrz.  arabi  zusammenstellt?  S.  11  Z.  10  v.  u.  1. 
sigt  statt  rigt.     S.  11  Z.  8  v.  u.  1.  elvis  oder  elvish  statt  elvich. 

Upsala.  Erik  Björkman. 


446  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Le  bone  Florence  of  Rorae,  hsg.  von  W.  Vietor.    2.  Abtlg. :  Unter- 
suchung des  Denkmals  von  A.Knobbe.  Marburg  1899.  59  S.  8. 

Im  ersten  Kapitel  dieser  Untersuchung,  welche  die  nachträgliche  Ein- 
leitung zu  dem  seinerzeit  von  Herrn  Professor  Vietor  gegebenen  Abdruck 
der  Bone  Florence  bildet,  behandelt  (S.  1 — 3)  Verfasser  'das  genealogische 
Verhältnis  der  englischen  Fassung  zu  den  fremden  Versionen 
des  Stoffes'  und  sucht  dabei  die  Ergebnisse  der  Wenzelschen  Dissertation 
(Marburg  1800),  die  sich  mit  den  verschiedenen  Fassungen  unserer  Sage 
beschäftigt,  zu  berichtigen.  In  der  Tat  wird  man  ihm  auch  darin  bei- 
pflichten müssen,  dals  für  die  Hss.  M,  P  und  S  eine  gemeinsame  Vor- 
lage y  anzunehmen  ist,  durch  deren  Vermittelung  erst  sie  auf  dieselbe 
Quelle  zurückgehen  wie  die  englische  Version  R.  Wenn  dagegen  Knobbe 
innerhalb  der  MPS -Gruppe  noch  für  M  und  P  eine  gemeinsame  Vor- 
lage z  annimmt,  so  ist  demgegenüber  der  Umstand  anzuführen,  dafs  P 
trotz  aller  Ähnlichkeiten  mit  M  zu  viele  Züge  aufweist,  die  sich  in  R 
finden,  in  M  aber  fehlen  (vgl.  S.  4);  diese  Annahme  scheint  mir  daher 
nicht  haltbar. 

Das  zweite  Kapitel  (S.  3 — 12)  beschäftigt  sich  mit  der  Charakte- 
ristik der  englischen  Bearbeitung,  wobei  zum  Vergleich  beson- 
ders die  Hs.  P  herangezogen  wird.  Es  wäre  gut  gewesen,  dann  und  wann 
auch  die  anderen  Versionen,  besonders  Q,  zu  berücksichtigen.  Auf  diese 
Weise  hätte  sich  sicher  herausgestellt,  dafs  die  Abweichungen  der  eng- 
lischen Version  von  der  französischen  P  nicht  in  dem  Mafse  auf  Rech- 
nung des  Bearbeiters  zu  setzen  sind,  wie  es  Herr  Knobbe  (z.  B.  S.  9)  tut. 
Trotzdem  aber  sind  die  Rückschlüsse,  die  er  auf  den  Verfasser  der  eng- 
lischen Version  macht,  und  die  Brandls  in  Pauls  Gruudrifs  (1.  Aufl.,  II.  Bd., 
1.  Abt.,  S.  669)  ausgesprochene  Ansicht  bestätigen,  zweifelsohne  richtig. 

Der  Stil  der  Dichtung  wird  im  dritten  Kapitel  (S.  13 — 25)  nach  der 
von  Kölbing  in  seiner  Amis  und  Amiloun-Ausgabe  eingeschlagenen  Me- 
thode untersucht.  Bei  den  unter  'Nachahmungen  ?'  gegebenen  Stellen  aus 
Emare,  Sir  Perceval  und  Torent  of  Portyngale  ist  allerdings  kaum  Ent- 
lehnung anzunehmen. 

Kapitel  IV  (S.  25 — 48)  wird  durch  die  Betrachtung  der  Sprache 
des  Denkmals  ausgefüllt,  der  sich  in  Kapitel  V  (S.  49 — 52)  die  Bestim- 
mung von  Ort  und  Zeit  der  Entstehung  des  Werkes  anschliefst. 
Der  Versuch  einer  Lokalisation  war  schon  von  0.  Wilda  in  seiner  Disser- 
tation 'Über  die  örtliche  Verbreitung  der  zwölfzeiligen  Schweifreimstrophe 
in  England'  (Breslau  1887)  unternommen  worden.  In  Übereinstimmung 
mit  Wilda  kommt  Herr  Knobbe  zu  dem  Resultat,  dafs  als  Ort  der  Ab- 
fassung die  Grenze  zwischen  Norden  und  Mittelland  anzunehmen  ist.  Er 
entscheidet  sich  aber  für  das  nördliche  Mittelland,  während  nach  Wilda 
der  südliche  Norden  die  Heimat  des  Dichters  war.  Natürlich  ist  es  bei 
dem  Übergreifen  der  sprachlichen  Erscheinungen  im  Grenzgebiet  zweier 
Dialekte,  und  so  auch  hier,  schwer,  eine  genaue  Entscheidung  zu  treffen. 
Überzeugend  sind  dagegen  die  Ausführungen  Herrn  Knobbcs  über  die 
Zeit  der  Abfassung. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  447 

Das  sechste  und  letzte  Kapitel  bringt  (S.  52 — 59)  die  metrische 
Untersuchung  des  Denkmals.  Der  gleiche  Stabreim  der  Cauda  mit 
dem  ihr  vorangehendeu  Verse  dürfte  bei  der  auf  S.  59  citierten  Stelle 
Zufall  sein;  dessen  ungeachtet  hat  aber  Verfasser  mit  der  Behauptung, 
dafs  die  Gesetze  des  germanischen  Alliterationsverses  nicht  im  entfern- 
testen gewahrt  sind,  unbestreitbar  recht. 

Pr.-Stargard.  M.  Weyrauch. 

Specimens  of  Middle  Scots  with  introduction,  notes  and  glossary  by 
G.  G.  Smith.    Edinburgh,  Blackwood,  1902.    LXXV,  374  s. 

Mit  Recht  beklagt  sich  Smith  über  die  Unklarheit  des  Begriffes 
'Mittelschottisch'.  Läfst  man  ihn,  wie  es  in  diesem  Buche  geschieht,  in 
der  zweiten  Hälfte  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  einsetzen,  so  ist  zwar 
das  Gros  der  schottischen  Chaucer-Schule  von  Henrison  an  einbezogen, 
aber  ohne  das  Haupt,  Jakob  I.,  und  zugleich  ist  eine  sprachliche  Ab- 
grenzung fast  in  keinem  Punkte  sicher  zu  legen,  wie  Smith  im  Kapitel 
über  die  grammatischen  Eigentümlichkeiten  auch  betont.  Wollte  man 
Jakob  I.  einbeziehen,  so  bliebe  für  das  Altschottische  aufser  Barber  und 
Huchown  fast  nichts  übrig.  Vom  Standpunkt  der  englischen  Literatur- 
geschichte aus  sieht  man  überhaupt  keine  schottischen  Denkmäler,  die  sich 
als  gleichzeitig  mit  den  altenglischen  erweisen  lassen,  fühlt  sich  daher  ver- 
sucht, auf  die  ganze  Periode  'Altschottisch'  zu  verzichten.  Auch  kann 
man  den  Anfang  des  Mittelschottischen  nicht  gut  auf  die  Reformationszeit 
herabdrücken,  weil  da  die  Dichtung  im  heimischen  Idiom  bereits  verebbt. 
Wäre  es  nicht  praktischer,  sachliche  Gruppierungen  und  Titel  zu  wählen, 
z.  B.  Barbersche  Periode,  Chaucer-Schule,  Reformationszeit,  frühpresbyte- 
rianische  Zeit,  siebzehntes  Jahrhundert?  Bei  solchem  Vorgehen  hätte 
Smiths  Buch  die  Überschrift  'Scottish  literature  under  the  influence  of 
Chaucer  and  the  reformers'  erhalten  können,  denn  über  diese  Sphäre  un- 
gefähr erstreckt  es  sich. 

Sein  Hauptwert  liegt  in  dem,  was  Smith  aus  den  ältesten  Sammel- 
handschriften beibringt.  Diese  werden  zuerst  beschrieben  (S.  LXVII 
bis  LXXIII).  Da  ist  eine  lateinische  Hs.  von  Makculloch,  datiert  1477, 
mit  schottischen  Interpolationen  in  Versen,  die  erst  zum  Teil  gedruckt  sind ; 
bisher  war  man  hierüber  auf  einige  kurze  Bemerkungen  von  Laing  (bei 
Schipper  S.  13  wiederholt)  angewiesen.  Ferner  eine  Sammelhandschrift 
genealogischer  und  geschichtlicher  Art,  ca.  1500  von  J.  Gray  gemacht  und 
mit  Versen  untermischt,  von  denen  Smith  namentlich  das  religiöse  Gedicht 
'This  warld  is  verra  vanite'  zum  Abdruck  bringt.  Etwaige  Zweifel  an  der 
schottischen  Herkunft  dieses  Gedichtes  aus  sprachlichen  Gründen  lehnt  er 
ab,  mit  Recht;  denn  es  enthält  nicht  blols  nörtliche  Reime  (ee,  deej,  son- 
dern auch  spezifisch  schottische  Wörter  und  Schreibweisen,  z.  B.  wy  (:  tree), 
eneugh,  quhill. 

Von  den  jüngeren  Gedichtsammlungen  ist  Asloane  genau  beschrieben, 
doch  wie  bei  Schipper  S.  7  ff.  nur  nach  dem  Bericht  von  Gibb  1810  in 
den  Chalmers  ms.  collections,  da  der  Besitzer,  Lord  Talbot,  'is  unable  to 


448  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

graut  access  to  the  volurae':  lächerliche  Unnoblesse!  Bannatyne-Ms.  und 
Maitland-Ms.  sind  kurz  skizziert;  aus  dem  letzteren  wird  'The  mourning 
uiaiden'  mitgeteilt,  das  aber  schon  bei  Laing  steht;  im  übrigen  erhalten 
wir  aus  diesen  Sammlungen  lauter  schon  bekannte  Proben  von  Henrison, 
Dunbar  und  Scott.  Neu  ist  ein  Stück  aus  John  of  Ireland,  Opera  theo- 
logica  1490,  'the  earliest  extant  example  of  original  literary  prose  in 
Scots'  S.  92 — 101;  der  Verfasser  sagt  zwar,  lateinisch  zu  schreiben  hätte 
er  besser  verstanden ;  er  schreibe  aber  doch  in  'the  commoune  langage  of 
bis  cuntre',  denn  'I  knaw  bat  Gower,  Chauceir,  the  monk  of  Berry  and 
monywthir  has  writtin  in  inglis  tong  rieht  wisly,  induceand  personis  to 
lefe  vicis  and  folow  wertuis'.  Der  englische  Einfluss  ist  also  deutlich  be- 
zeugt. Lehrreich  ist  der  Abdruck  von  vier  zeitlich  gesonderten  Stellen 
aus  dem  Register  of  the  Privy  Council  1546,  1552,  1567,  1618;  man  kann 
über  die  Entwickelung  der  schottischen  Kanzleisprache  manches  daraus 
entnehmen ;  freilich  ist  der  Dialektgebrauch  in  diesen  Akten  vielfach  auch 
davon  abhängig,  ob  der  Schreiber  in  Edinburg  safs  oder  auf  dem  Lande 
oder  bei  König  Jakob  VI.  in  London :  in  letzterem  Falle  ist  der  englische 
Einschlag  am  stärksten,  während  er  in  der  Feder  eines  Friedensrichters 
vom  Dorfe  am  wenigsten  fühlbar  wird.  Diese  Verhältnisse  hätten  —  bei 
der  Reichhaltigkeit  des  gedruckten  Materials  —  längst  eine  Untersuchung 
verdient;  endlich  hat  sie  Dr.  Ritter  hier  in  die  Hand  genommen.  Die 
jüngste  Probe,  die  Smith  abdruckt,  stammt  aus  den  bisher  unveröffent- 
lichten Hss.  von  A.  Bysset,  'The  rolment  of  courtis'  1622;  die  Schreibung 
ist  immer  noch  sehr  ausgeprägtes  Schottisch. 

Von  den  Beigaben  sind  die  'Early  transition  texts'  —  aus  Ratis  Raving, 
Bruce,  Lancelot  and  Rauf  Coiljear  —  ein  Tribut  an  den  schwankenden 
Begriif  'Mittelschottisch'.  Anmerkungen  und  Glossen  werden  es  dem  An- 
fänger sehr  erleichtern,  sich  einzulesen.  Die  grammatische  Einleitung  ist, 
was  Laut-  und  Flexionslehre  betrifft,  mehrfach  unklar  geraten.  Ich  hebe 
nur  den  wichtigsten  alten  Unterscheidungspunkt  des  Schottischen  vom 
Nordenglischen  hervor,  nämlich  die  Verwechslung  von  v  und  w.  Smith 
konstatiert  das  Erscheinen  von  v  für  w  nur  für  'some  texts  printed  abroad' 
(S.  XXVIII)  und  das  Wort  void  statt  wood  in  'King  Hart'.  Ich  finde  es 
aber  z.  B.  auch  in  der  ersten  Nummer  von  Chapmans  Sammelband  1508, 
die  nach  Smith  S.  LXXIV  in  Edinburg  gedruckt  wurde:  bevale  70  10, 
folloving  71  8,  reuardit  73  n;  sowie  in  Hay's  Hs.  betuix  80  l,  ansuere  80  27, 
alssua  83  28.  Das  Umgekehrte,  nämlich  Vorkommen  von  w  statt  v,  wird 
von  Smith  mit  den  Worten  erörtert:  'The  contrary  is  seen  in  wardour 
=  verdure  48  16.'  Wer  aber  genauer  zusieht ,  findet  w  für  v  in  einer 
grofsen  Anzahl  von  Hss.,  die  kein  v  für  w  haben.  Man  kann  für  die  von 
Smiths  Proben  illustrierte  Zeit  geradezu  den  Satz  aufstellen:  w  für  v  ge- 
hört zur  gewöhnlichen  Physiognomie  des  Schottischen,  v  für  w  zu  den 
auffallenden  Eigentümlichkeiten  gewisser  Schreiber  und  Setzer.  Statt 
weiter  solche  Ausstellungen  zu  machen,  will  ich  aber  lieber  hervorheben, 
dafs  Smith  einen  hübschen  Ansatz  zu  schottischer  Dialekt  -  Syntax  ge- 
wagt, die  heute  in  England  so  beliebten  Theorien  von  keltischem  Einfluis 
zurückgewiesen   und   gegenüber   dem    überschätzten  Einilufs   des   FranzÖ- 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  449 

sischen  im  sechzehnten  Jahrhundert  den  lateinischen  in  gerechtes  Licht 
geschoben  hat.  Das  Buch  ist  als  Ganzes  ein  willkommenes  Zeichen  dafür, 
dafs  sich  das  germanische  Schottland  philologisch  auf  seine  Vergangen- 
heit besinnt. 

Berlin.  A.  B  ran  dl. 

G.  H.  Sander,  Das  Moment  der  letzten  Spannung  in  der  eng- 
lischen Tragödie  bis  zu  Shakespeare.  Berlin,  Mayer  &  Müller, 
1902.    68  S.    M.  1,60. 

Das  'Moment  der  letzten  Spannung'  ist  von  G.  Freytag  in  die  Drama- 
turgie eingeführt  worden,  und  die  Fruchtbarkeit  seines  empirischen  Stand- 
punktes hat  sich  vielleicht  nirgends  heller  offenbart  als  in  der  Entdeckung 
dieses  bis  dahin  nicht  beachteten  Muskels  an  der  Anatomie  des  Dramas. 
Sander  geht  nun  von  Hinweisen  der  'Technik  des  Dramas'  auf  Shakespeare 
aus,  um  die  Geschichte  des  wirksamen  Kunstmittels  bis  auf  den  Meister 
der  Tragödie  zu  verfolgen.  Er  weist  nach,  dafs  in  der  antiken  Tragödie 
nur  bei  Sophokles  in  der  'Antigone'  sich  Ansätze  zeigen.  Englische  Dra- 
men nehmen  das  Motiv  dann  ganz  neu  auf.  Marlowe  verwendet  zwar 
im  'Faustus'  (S.  34)  nur  das  schon  von  der  epischen  Quelle  gegebene 
Hilfsmittel,  bringt  es  aber  im  'Tamburlaine'  (S.  31)  in  neuer  und  origi- 
neller Weise  an  (S.  34 ;  Rekapitulation  S.  47).  Shakespeare  führt  es  dann 
in  'Richard  III.'  mit  neuer  Kraft  durch  (S.  52),  während  er  es  in  'Richard  IL' 
(S.  53)  nicht  gegen  die  Quellen  einzuführen  wagt.  Sonst  aber  (S.  65)  ge- 
braucht er  es  von  Romeo  und  Julie'  an  regelmäfsig.  Sander  sieht  die 
Ursache  (S.  67)  darin,  dafs  diese  letzte  Spannung  uns  besonders  nach- 
drücklich darauf  hinweist,  wie  das  Schicksal  der  Helden  in  der  Hand 
höherer  Mächte  Hegt. 

Berlin.  R.  M.  M. 

The  complete  works  of  John  Lyly  now  for  the  first  time  col- 
lected  and  edited  frora  the  earliest  quartos  with  life,  biblio- 
graphy,  essays,  notes,  and  index  by  R.  Warwick  Bond,  M.  A. 
Vol.  I:  Life.  Euphues:  The  anatomy  of  Wyt.  Entertain- 
ments. Vol.  LT:  Euphues  and  his  England.  The  plays. 
Vol.  III:  The  plays  (continued).  Anti-Martinist  work.  Poems. 
Glossary  and  general  index.  Oxford  at  the  Clarendon  press 
1902.     42  sh. 

'The  work  liere  offered  to  Elixabethan  stitdents  is  the  first  collected  edi- 
tion  of  an  author  tvhose  i?nmense  importance  to  English  literature  is  begin- 
ning  to  receive  a  tardy  recognition'  —  diesen  Worten,  welche  die  Vorrede 
des  Herausgebers  eröffnen,  können  wir  getrost  hinzufügen,  dafs  diese  statt- 
liche Ausgabe  für  viele  Jahrzehnte  die  Grundlage  jeder  ernstlichen  Be- 
schäftigung mit  dem  berühmten  Euphuisten  bleiben  wird.  Man  kann  in 
dieser  Arbeit,  der  Frucht  mehrerer  mühevoller  Jahre,  hin  und  wieder  einige 
Weitschweifigkeiten  und  Wiederholungen  lästig  empfinden,  manchmal  eine 
verschiedene  Anordnung   des    Stoffes  wünschen,   die   reichlichen   Anmer- 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  2ü 


450  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

kungen  werden  sich  aus  den  Sammlungen  anderer  Forscher  noch  ergänzen 
und  berichtigen  lassen :  über  die  liebevolle  Hingabe  Bonds  an  seine  Arbeit 
kann  nur  eine  Stimme  der  Anerkennung  und  des  Lobes  sein.  Wir  ver- 
danken ihm  die  sorgfältigste,  manches  Neue  bietende  Darstellung  des 
Lebens  und  Wirkens  John  Lylys. 

Der  erste  Band  bringt  an  erster  Stelle  einen  Neudruck  der  Ende  De- 
zember 1578  veröffentlichten  editio  princeps  des  Euphues  mit  den  Lese- 
arten der  späteren  Ausgaben.  Dieser  Neudruck  ist  von  Anmerkungen  be- 
gleitet, die  wir  dankbar  begrüfsen  als  den  ersten,  wohlgelungenen  Versuch, 
das  Verhältnis  Lylys  zu  seinen  Vorbildern  im  einzelnen  festzustellen  und 
seine  zahllosen,  der  Mythologie,  der  Geschichte  und  Literatur  des  klas- 
sischen Altertums  entlehnten  Beispiele  und  Gleichnisse  auf  ihre  Quellen 
zurückzuführen.  Schlagend  wird  durch  diesen  Kommentar  bewiesen,  wie 
vollkommen  der  Stilist  Lyly  von  seinem  Meister  George  Pettie  abhängig 
ist,  von  dem  Erfinder  der  als  Euphuismus  berühmt  gewordenen  Schreib- 
weise. Bond  selbst  bemerkt  über  Lylys  Schuld  an  den  Guevara-Über- 
setzer Thomas  North  und  an  Pettie  zusammenfassend:  'Whatever  Lyly's 
debt  to  "The  Diall"  in  point  of  subject-matter,  he  owes  Utile  to  it  directly  in 
point  of  style.  In  Pettie,  on  the  other  hand,  who  indeed  owes  much  of  his 
manner  to  North,  we  have  an  exact  model  of  the  style  of  Euphues'  (I,  138). 
Dagegen  mufs  ich  sagen,  dafs  es  mir  ganz  unklar  geblieben  ist,  was  Lyly 
als  Stilist  der  englischen  Guevara-Übersetzung  verdanken  soll:  ich  wül'ste 
nicht,  welche  Eigentümlichkeit  seines  Stiles  nicht  auch  bei  Pettie  zu  fin- 
den wäre.  Eine  genaue  Vergleichung  des  Pettieschen  'Pallace'  mit  der 
Northschen  Arbeit  fehlt  uns  leider  immer  noch,  sie  mufs  unbedingt  ge- 
liefert werden,  bevor  wir  ein  richtiges,  endgültiges  Urteil  über  Petties 
Originalität  fällen  können.  Vorläufig  kann  ich  nur  wiederholen,  was  ich 
schon  vor  zehn  Jahren  in  meinen  'Studien  zur  Geschichte  der  italienischen 
Novelle  in  der  englischen  Literatur  des  16.  Jahrhunderts'  (S.  26)  gesagt 
habe:  Pettie  war  meines  Erachtens  'vollkommen  berechtigt,  von  neuen 
Moden  in  Phrasen  und  Worten  zu  sprechen,  die  er  in  seinem  Buche  ein- 
geführt habe'. 

In  den  eben  erwähnten  Studien,  welche  der  sonst  auch  deutsche  Ar- 
beiten gewissenhaft  benutzende  Herausgeber  nicht  gekannt  hat,  würde  er 
auch  die  Hauptverschiedenheit  zwischen  der  Vortragsweise  Petties  und 
Lylys  kennen  gelernt  haben:  Pettie  verwendet  als  warnende  oder  lockende 
Beispiele  gern  die  durch  William  Painter  in  die  englische  Literatur  ein- 
geführten Gestalten  der  italienischen  Novellisten,  namentlich  Bandellos, 
während  Lyly  diesem  Kreise  ganz  fern  bleibt.  Er  citiert  nur  —  höchst 
wahrscheinlich  wieder  im  Anschlufs  an  Pettie  —  die  allgemein  bekannten 
Freundschaftstypen  Titus  und  Gisippus,  und  von  den  italienischen  Autoren 
sind  im  Euphues  nur  Petrarca  und  Ariost  flüchtig  erwähnt. 

Mit  gleicher  Sorgfalt  ist  der  zweite  Teil  des  Lylyschen  Romans,  'Eu- 
phues and  his  England',  zum  Abdruck  gebracht  und  kommentiert. 

In  dem  einleitenden  Aufsatz  über  'Euphues  and  Euphuism'  wird  man 
mit  besonderem  Interesse  die  Tabelle  der  an  den  Wortlaut  und  an  die 
Gedanken  des  Euphues   erinnernden    Shakespeare-Stellen   durchsehen. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  451 

Neue  Urteile  von  Zeitgenossen  Lylys  über  seinen  Stil  und  neues  Material 
für  die  Erkenntnis  des  Fortlebens  des  Euphuismus  bringt  Bond  nicht 
bei  —  es  wird  deshalb  nicht  vom  Übel  sein,  wenn  ich  zwei,  soweit  ich 
sehe,  noch  nicht  beachtete  zeitgenössische  Zeugnisse  für  die  hohe  Schätzung 
und  die  schnelle  Entwertung  dieser  Schreibweise  anführe.  In  einer  der 
Elisabethischen  Vorstudien  für  den  historischen  Roman,  in  Thomas  De- 
loneys  unterhaltlicher  Erzählung  'Thomas  of  Reading,  or  the  Sixe  Wor- 
thie  Yeomen  of  the  West'  erscheint  mitten  unter  den  realistisch  gehaltenen 
bürgerlichen  Gestalten  ein  hochgeborenes,  romantisches  Liebespaar:  Mar- 
garet mit  der  lilienweilsen  Hand,  die  Tocbter  des  verbannten  Earl  von 
Shrewsbury,  die  sich  in  ihrer  Not  der  Frau  des  Tuchmachers  Gray  als 
Magd  verdingen  mufs,  und  der  Herzog  Robert  von  der  Normandie,  der 
Bruder  Henry  Beauclerkes,  des  Königs  von  England,  den  dieser  gefangen 
hält,  weil  er  sich  mit  dem  französischen  König  Lewis  gegen  seinen  könig- 
lichen Bruder  verbündet  hatte.  Dieser  gefangene  Prinz  verliebt  sich  in 
die  schöne  Magd  und  wird  auch  von  ihr  geliebt,  aber  diese  Liebe  wird 
ihr  Verderben:  bei  einem  gemeinschaftlichen  Fluchtversuch  werden  sie 
gefangen  genommen,  der  Herzog  wird  geblendet,  Margaret  geht  ins  Kloster. 
Im  allgemeinen  läfst  Deloney  seine  Leute  ein  schlichtes,  nüchternes  Englisch 
sprechen  —  in  die  Reden  des  vornehmen  Liebespaares  aber  hat  er  wieder- 
holt naturgeschichtliche  Gleichnisse  von  der  Art  des  Euphues  eingeflochten. 
So  sagt  z.  B.  der  verliebte  Herzog  bei  seinem  Werben:  A  bird  was  nerer 
seene  in  Pontus,  nor  true  love  in  a  fleeting  mind:  never  shall  remove  the 
affection  of  my  heart  whieh  in  nature  resembleth  the  stone  Abiston,  ivhose 
fire  can  never  be  cooled. '  Bei  Lyly  ist  dieser  fabelhafte,  sich  nie  abkühlende 
Stein  Abeston  dreimal  erwähnt  (vgl.  Bonds  Anmerkung  I,  332).  Margaret 
möchte  zungenlos  gewesen  sein  wie  der  Storch:  I  would  I  had  beene  like 
the  Storke  tongueless,  then  should  I  never  have  caused  your  disquiet. 2 

Während  sich  Deloney  in  seiner  vor  1600  verfafsten  Erzählung  einer 
Eigentümlichkeit  des  Euphuismus  bedient,  um  die  Reden  seiner  feinen 
Leute  von  dem  Gespräch  der  bürgerlichen  zu  unterscheiden,  warnt  Thomas 
Middleton  in  einigen,  wenige  Jahre  später  niedergeschriebenen  Versen 
ausdrücklich  vor  der  Verwendung  der  einst  so  beliebten,  jetzt  aber  immer 
der  Entlehnung  verdächtigen  Euphuismen.  In  dem  metrischen  Prolog  seiner 
kleinen  Sammlung  von  Prosa-Erzählungen:  'Father  Hubburd's  Tale;  or 
the  Ant  and  the  Nightingale',  gedruckt  1604,  gestattet  die  Nachtigall  der 
Ameise,  ihre  Geschichte  in  Prosa  zu  erzählen: 

Well,  teil  thy  tales;  but  see  thy  prose  be  good, 
For  if  thon  Euphuize,  which  once  was  rare, 
And  of  all  Eiiglish  phrase  the  life  and  blood, 
In  those  times  for  the  fashion  past  compare, 
I'll  say  thou  borrow'st,  and  condemn  thy  style, 
As  our  new  fools,  that  couut  all  following  vile.3 

1  Vgl.  'Eaily  English  Frose  Romances'  ed.  W.  J.  Thoms,  London  1858,  vol.  I 
p.   138. 

2  Ib  S.   140. 

3  Vgl.   die  Bullensche  Ausgabe,  London   1886,   vol.  VIII,  S.   62. 

29* 


452  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Mit  grofser  Wärme  tritt  der  Herausgeber  für  Lylys  Verdienste  als 
Dramatiker  ein,  als  Bahnbrecher  und  Lehrmeister  Shakespeares,  dessen 
Verhältnis  zu  Lyly  nicht  nur  in  den  Anmerkungen,  sondern  auch  in  dem 
den  Dramen  vorausgestellten  Aufsatz:  Lyly  as  a  Playwright  (II,  231  ff.) 
beleuchtet  ist.  Aufserdem  sind  besonders  eingehend  Lylys  Beziehungen 
zu  Chaucer  und  zu  der  italienischen  Literatur  besprochen.  Bonds  An- 
sicht, dafs  Lyly  dieser  letzteren  auch  als  Dramatiker  ziemlich  unabhängig 
gegenüberstehe,  scheint,  was  sachliche  Entlehnungen  angeht,  vollkommen 
richtig  zu  sein;  dafs  sich  aber  bei  ihm  gerade  deutlichere  Übereinstim- 
mungen mit  Tassos  anmutiger  dramatischer  Pastorale  'Aminta'  ergeben 
(vgl.  Bond  II,  483),  läfst  doch  vermuten,  dafs  die  zierlichen  Schäfer, 
Schäferinnen  und  Nymphen  des  Engländers  der  italienischen  Anregung 
innerlich  mehr  verdanken,  als  sie  in  ihren  Worten  und  Taten  erkennen 
lassen.  Die  ganze  niedliche  Schar  der  Lylyschen  Figuren  sieht  man  in 
dieser  schönen  neuen  Ausgabe  gern  und  auch  nicht  ohne  ein  gewisses 
ästhetisches  Behagen  an  sich  vorübergleiten  —  freilich  aber  doch  immer 
mit  der  Empfindung,  dafs  die  Musik,  welche  diesen  Marionettentanz  be- 
seelte, für  uns  verklungen  ist. 

Bond  ist  geneigt,  seinem  Dichter  aufser  den  bekannten  Dramen  auch 
noch  eine  gröfsere  Zahl  von  Maskenspielen  zuzuschreiben ,  die  an  ver- 
schiedenen Orten  zur  Begrüfsung  der  Königin  Elisabeth  und  bei  anderen 
festlichen  Anlässen  aufgeführt  wurden.  Diese  Vermutung  hat  manches 
für  sich,  solche  Arbeiten  können  wohl  zur  teilweisen  Ausfüllung  der  spä- 
teren Jahre  Lylys  gedient  haben,  aus  denen  uns  keine  gröfseren  Werke 
überliefert  sind.  Zwingend  läfst  sich  der  Beweis  für  seine  Autorschaft  aller- 
dings nicht  führen  —  und  wer  nicht  an  die  Echtheit  dieser  dramatischen 
Skizzen  glauben  will,  braucht  wenigstens  nicht  zu  befüchten,  dafs  er  durch 
seine  Zweifel  den  Dichterruhm  Lylys  empfindlich  schmälert:  es  handelt 
sich  um  leichte,  auf  Bestellung  gelieferte  Ware.  Etwas  störeud  wirkt, 
dafs  Bond  diese  Entertainments  zwischen  die  beiden  Teile  des  Euphues 
eingeschoben  hat,  sie  würden  nach  den  Dramen  an  ihrem  richtigen  Platze 
gewesen  sein. 

Den  Beschlufs  der  Ausgabe  bildet  Lylys  'Anti-Martinist  Work',  d.  h. 
seine  Beiträge  zu  der  famosen  Martin  Marprelate-Controversy,  und  eine 
stattliche  Anzahl  von  Gedichten,  die  Bond  als  das  Eigentum  seines  Poeten 
betrachten  möchte.  Sicherheit  wird  sich  auch  betreffs  der  meisten  dieser 
Gedichte  schwerlich  je  gewinnen  lassen. 

Lyly  ist  einer  von  jenen  Autoren,  deren  Persönlichkeit  ganz  hinter 
ihren  Werken  zurücktritt:  nur  seine  pathetische  Klage  über  die  Ungunst 
des  Schicksals  in  einer  seiner  Bittschriften  an  die  Königin  ist  im  Ge- 
dächtnis der  Nachwelt  haften  geblieben.  Bond  hat  auch  für  die  Biographie 
des  Euphuisten  eingehende  Untersuchungen  vorgenommen,  und  es  ist  ihm 
gelungen,  einige  Tatsachen  und  Daten,  besonders  die  Jahre  seiner  Petitio- 
nen an  die  Königin  genauer  zu  bestimmen,  sowie  einige  eigenhändige 
Briefe  Lylys  zu  entdecken.  Überall  hat  man  auch  in  diesem  Abschnitt  das 
wohltuende  Gefühl,  dals  er  selbständig  geforscht  und  keine  Mühe  gescheut 
hat,  der  frei  gewählten  Aufgabe  nach  bestem  Können  gerecht  zu  werden.  — 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  t53 

Wiederholt  hat  sich  Bond,  wie  gesagt,  mit  Lylys  allenfallsigon  Be- 
ziehungen zu  Chaucer  beschäftigt  (vgl.  I  401,  II  123,  III  503  f.).  Ich  möchte 
seine  vergleichenden  Bemerkungen  um  eine  interessante  Parallelstelle  ver- 
mehren: die  Worte  des  Euphues:  Tlie  Sun  shineth  uppon  the  dungehill,  and 
is  not  corrupted  (I  193,  19,  wozu  die  Anmerkung  auf  S.  332  f.  zu  vergleichen 
ist)  erinnern  uns  sofort  an  eine  Stelle  der  Parson's  Tale:  Certes,  holy  writ 
may  nat  been  defoided,  na-more  than  the  sonne  that  schyneth  on  the  mixen 
(Variante:  a  dongehul,  vgl.  Morris  III  349;  Skeats  Chaucer  IV  630,  912  ff.). 
Bei  Peraldus  steht  dieses  Gleichnis  nicht  (vgl.  Miss  Petersens  Abhandlung 
'The  Sources  of  the  Parson's  Tale'  S.  70),  es  ist  aber  ein  sehr  alter  Ge- 
meinplatz des  Mittelalters,  der  aus  der  theologischen  Literatur  bald  in  die 
weltliche  übergegangen  ist.  Der  älteste,  mir  aus  zweiter  Hand  bekannte 
Beleg  findet  sich  in  einem  Sendschreiben  des  Papstes  Nikolaus  I.  aus 
dem  Jahre  886:  nee  potest  solis  radius  per  cloacas  et  latrinas  transiens 
aliquid  exinde  contaminationis  attrahere1  —  spätere  weltliche  Wieder- 
holungen sind  zu  lesen  in  einem  Sonett  des  Guido  Guinicelli,2  bei  Pe- 
trarca3 und  in  einer  Sentenzensammlung  des  14.  Jahrhunderts,  betitelt 
'Fiore  di  Virtü'.4  Nach  Lyly  ist  mir  derselbe  Gedanke  bei  dem  Dra- 
matiker Thomas  Middleton  begegnet  (vgl.  die  Strafsburger  Doktorschrift 
von  Otto  Ballmann,  'Chaucers  Einflufs  auf  das  englische  Drama  etc.', 
Anglia  XXV  75)  und  bei  dem  Earl  of  Stirling  (vgl.  'Croesus'  III  2). 

Zu  dem  hübschen  Liede  des  Trico  in  'Campaspe'  (Akt  V  Sc.  I ;  vol.  II 
S.  351)  sagt  Bond:  A  different,  but  inferior  and  I  think  later,  version  of 
Lyly's  song  altering  the  fourth  line  and  also  substituting  the  sparrow  for  the 
robin  is  given,  with  'Oupid  and  my  Campaspe'  but  without  source  or  author 
speeified,  in  Thos.  Lyle's  'Ancient  Ballads  and  Songs',  1827  (ib.  S.  551  f.). 
Dieser  zweite  Text  der  mir  nicht  vorliegenden  Lyleschen  Sammlung  scheint 
die  spätere  Umformung  des  Liedes  zu  bieten,  welche  in  dem  von  Ford 
und  Dekker  gemeinschaftlich  verfafsten  moralischen  Maskenspiel  'The  Sun's 
Darling'  (lic.  1624)  von  Delight  vorgetragen  wird.  Ford  und  Dekker  haben 
sich  Lylys  zierliche  Verse  mit  der  damals  so  oft  zu  bemerkenden  Unbe- 
fangenheit angeeignet  und  dabei  den  Sperling  für  das  Rotkehlchen  ein- 
geführt :  Chirrup  the  Sparroiv  flies  away,  For  hee  feil  too  't  ere  break  of  day. 
Ihre  Veränderungen  beschränken  sich  jedoch  nicht  auf  diese  Vertauschung 
und  die  vierte  Zeile;  sie  haben  Lylys  zwölfzeilige  Strophe  in  zwei  sechs- 
zeilige  verwandelt  und  auch  in  der  ersten  Strophe  das  Schlufscouplet  des 
Liedes  als  Refrain  verwendet,  weshalb  zwei  Zeilen  der  ursprünglichen 
Fassung  beseitigt  werden  mufsten.  An  Shakespeares  Cymbeline-Ständchen 
erinnert  der  Ford-Dekkersche  Wortlaut  infolge  dieser  Änderungen   nicht 

1  Cf.  Lorenzo  Mascetta  Caracci  'Shakespeare  e  i  Classiei  Italiani  a  proposito 
di  un  Sonetto  di  Guido  Guinizelli',  Lanciano  1902,  S.  18,  Anm.  1.  Ein  ganz 
interessantes  Schrift chen,  nur  teile  ich  betreffs  aller  der  von  ihm  emphatisch 
betonten  Übereinstimmungen  zwischen  Shakespeare  und  den  Italienern  seine  ge- 
legentlich ausgesprochene  Meinung:  Certo  non  e  da  eseludere  la  possibilitä  d'in- 
contri  accidentali  (S.  17). 

2  Cf.  ib.  S.    18;  Gaspary  'Gesch.  d.   it.  Lit.'  S.   105. 

3  Cf.  Caracci  1.   c. 

4  Cf.  Gaspary  ib.  S.  105. 


151  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

mehr  (vgl.   Dramatic  Works  of  Thomas  Dekker,  London   1873,  vol.  IV 
pp.  304,  442). 

Zum  Schlufs  möchte  ich  noch  darauf  aufmerksam  machen,  dafs  die 
absonderliche  Handlung  von  Lylys  einziger  Vers-Komödie  'The  Woman 
in  the  Moone'  zusammengefafst  ist  in  einem  Sonett  eines  schottischen 
Zeitgenossen,  des  Sir  William  Alexander,  Earl  of  Stirling.  Wie  Pandora, 
die  unruhige  Heldin  Lylys,  wird  auch  Stirlings  Dame  von  allen  sieben 
Planeten  beherrscht,  nur  kommen  bei  ihm,  der  eine  Verherrlichung  der 
Geliebten  beabsichtigt,  ausscbliefslich  die  guten  Einflüsse  der  Planeten 
zur  Geltung: 

Lo,  in  my  faire  each  of  the  planets  raignes : 

She  is  as  Saturne,  ever  grave  and  wise, 

And  as  Jove's  thunderbolts,  her  thund'ring  eyes 

Do  plague  the  pride  of  men  with  endlesse  paines: 

Her  voyce  is  as  Apollo's,  and  her  head 

1s  over  garnish'd  with  his  golden  beames, 

And  6  her  heart,  which  never  fancie  taraes, 

More  fierce  then  Mars  makes  thousands  to  lie  dead. 

From  Mercurie  her  eloquence  pioceeds, 

Of  Venus  she  the  sweetnesse  doth  retaine, 

Her  face  still  füll  doth   Phoebe's  lightnesse  staine, 

Whome  likewise  she  in  chastitie  exceeds 

(cf.  The  Poetical  Works  of  Sir  Wm.  Alexander  etc.    In  three  vols.    Glas- 
gow, 1870;  vol.  I,  p.  75  f.). 

Strafsburg.  E.  Koeppel. 

Byrons  sämtliche  Werke  in  neun  Bänden,  übers,  von  A.  Böttger, 
hrsg.  von  Prof.  Dr.  W.  Wetz.  Leipzig,  o.  J.  (1902).  Max 
Hesses  Verlag. 

Es  war  vorauszusehen,  dafs  der  Abschlufs  der  grofsen  Murrayschen 
Ausgabe  von  Byrons  Werken  in  Deutschland  nicht  ohne  Nachwirkung 
bleiben  werde.  So  haben  wir  schon  eine  neue  Biographie  des  Dichters  von 
der  Hand  R.  Ackermanns,  eine  zweite  von  E.  Koppel  ist  seit  einiger  Zeit 
angekündigt,1  und  jetzt  liegt  auch  eine  Neuausgabe  von  A.  Böttgers  Über- 
setzung vor,  die  Professor  Wetz  besorgt  und  mit  einer  ausführlichen  Ein- 
leitung und  Anmerkungen  ausgestattet  hat. 

Böttger  war  gewifs  ein  Dichter  von  nicht  geringer  Begabung,  und 
seine  Übersetzung  hat  von  jeher  in  Ansehen  gestanden.  Freilich  liegt  in 
dieser  Tatsache  ein  Vorzug  und  zugleich  eine  gewisse  Gefahr.  Ein  Dichter, 
der  sich  seinen  bestimmten  Stil  bereits  gebildet  hat,  wird  diesen  bewufst 
oder  unbewufst  auch  bei  der  Übertragung  der  Werke  eines  Dritten  zur 
Geltung  bringen.  Ferner  ist  zu  erwägen,  dafs  mit  der  Fähigkeit  zu  dich- 
terischer Produktion  die  Fähigkeit  des  Übersetzers  nicht  immer  gleichen 
Schritt  hält.  Wer  dächte  hier  nicht  an  Gildemeister,  der,  soviel  bekannt 
ist,  nie  selber  auch  nur  ein  Gedicht  veröffentlicht,  wohl  aber  die  nach 
allgemeinem  Urteil  beste  Byron  -  Übersetzung  hinterlassen   hat?    Ahnlich 


1  Ist   inzwischen  erschienen. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  155 

steht  es  mit  Alex.  Neidhardt,  dessen  Arbeit  zwar  öfter  an  Härte  des  Aus- 
drucks leidet,  dafür  aber  durch  ihre  Treue  in  der  Wiedergabe  der  dich- 
terischen Vorlage  entschädigt.  Bei  einer  kritischen  Durchsicht  der  Böttger- 
schen  Übersetzung  stellt  es  sich  bald  heraus,  dafs  sie  keineswegs  fehlerfrei 
ist  und  nicht  durchweg  den  Anforderungen  entspricht,  die  man  heutzutage 
stellen  darf.  Es  finden  sich  bei  ihm  nicht  wenige  Härten  und  Ungenauig- 
keiten,  selbst  Mifsverständnisse  des  Originals  kommen  vor.  Dafs  Böttger 
eine  unvollständige,  vielleicht  auch  nicht  fehlerlose  Ausgabe  von  Byron 
benutzt  hat,  sei  nebenbei  erwähnt.  Der  Herausgeber  hat  demgemäfs  (spe- 
ziell bei  den  lyrischen  Gedichten)  andere  Übersetzer  —  wie  den  hoch- 
begabten E.  Ortlepp,  ferner  Dr.  Bärmann,  Bernd  von  Guseck  u.  a.  —  zu 
Worte  kommen  lassen.  Auch  hat  er  ausnahmsweise,  was  sehr  zu  billigen 
ist,  selbst  die  bessernde  Hand  angelegt,  wo  eine  wichtige  Nuance  des 
Textes  nicht  getroffen  zu  sein  schien  (vgl.  Bd.  VIII,  S.  7). 

Es  ist  interessant  zu  beobachten,  wie  die  Übersetzung,  je  nach  dem 
verschiedenen  Charakter  der  Dichtungen,  auch  verschieden  gut  ausfällt. 
Am  wenigsten  gelungen  erscheinen  mir  die  mehr  individuellen  Schöpfun- 
gen, d.  h.  die  lyrischen  Gedichte  und  der  dulde  Harold,  ein  Werk,  das 
wegen  der  gehäuften  Schwierigkeiten  gleichsam  als  Prüfstein  für  die  Ge- 
schicklichkeit des  Übersetzers  dienen  kann.  Besser  sind  schon  die  nach 
Stoff  und  Form  leichter  zugänglichen  kleinen  Epen  geraten.  Am  meisten 
befriedigen  die  Dramen.  Es  hegt  dies  vielleicht  auch  daran,  dafs  Böttger 
sie  erst  zuletzt  in  Angriff  genommen  haben  mag,  als  seine  Kräfte  der 
Aufgabe  gegenüber  gewachsen  waren.  Ich  möchte  an  einer  Keihe  aus 
verschiedenen  Werken  ausgewählter  Proben  zeigen,  inwieweit  die  Böttger- 
sche  Arbeit  verbesserungsbedürftig  erscheint. 

Ich  beginne  mit  den  lyrischen  Gedichten: 

On  the  Death  of  a  Young  Lady  (ed.  Coleridge  I,  5) 

Oh!  could  that  King  of  Terrors  pity  feel, 
Or  Heaven  reverse  the  dread  decree  of  fate. 

O  hätte  docb  der  Todesfürst  ein  Herz, 

O  wenn  der  Himmel  sie  noch  aufbewahrte. 

Still  they  call  forth  my  warm  affections'  fear, 
Still  in  my  heart  retain  their  wanted  place. 

In  meinem  Herzen  bleibt  der  holde  Stern 
Und  lockt  mir  Tränen  ab  und  Klagetöne. 

Lines  icritten  beneath  an  elm  in  Harrow  Chtirchjard  (ib.  S.  96) 

Where  now  ahne,  I  muse,  who  oft  have  trod: 
With  those  1  loved,  the  soft  and  verdant  sod. 

Wo  ich  allein  jetzt  bin,  der  oft  vor  Jahren 
Den  Raum  betrat  mit  der  Genossen  Scharen. 

Hebrew  Melodies  (ed.  Coleridge  III,  381) 

Ske  walks  in  beauty  like  the  night 
Of  cloudless  climes  and  starry  skies. 

Sie  geht  in  Schönheit  gleich  der  Nacht 
In  wolkenlosem  Sternenlicht. 


456  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Unübertrefflich  ist  hier  Gildemeister: 

In  ihrer  Schönheit  wandelt  sie 
Wie  wolkenlose  Sternennacht. 

Since  thy  triumph  was  bought  by  thy  (yow) 
Da  dich  dein  Gelübde  befreit.     (Ib.   387.) 

Aus  'Ghilde  Harold',  was  übrigens  besser  mit  Junker  als  mit  Ritter 
Harold  übersetzt  wird,  habe  ich  folgendes  angemerkt: 

Vorw.   2,   5.         and  guileless  beyond   Hupe's  imagining 

Voll  Unschuld,  wie  sie  atmet  im  Gedicht. 

4,  1.  Oh!  let  ihat  eye,  which,  wild  as  the  gazel/e's 

Now  brightly  bold  or  beautifully  shy  etc. 

O  lafst  den  Blick,  der  voll  Gazellenglut 
Bald  kühn  erglänzt,  bald  wuuderlieblich  zagt. 

5,  6.  Xear  the  lyre 

Of  him  who  hailed  thee,  loveliesl  as  thou  wast. 

Zur  Leier  dessen,  der  dich  preist  allein. 

Canto  I,  2,  9.    Flaunting  wassailers  of  high  and  low  degree. 

Zecher  aller  Art,  die  seine  Lüste  nährten. 


I,  3,   7.  Nor  all 

Can  blazon  evil  deeds,  or  consecrate  a  crime. 

Nicht  läfst  das  Laster  noch  der  Frevel  sich  um  nachten. 
5,  2.  Nor  made  atonement  when  he  did  amiss. 

Doch  fühlt  er  im  Begang'nen  nimmer  Reue. 
8,   5.  But  this  none  knew,  nor  haply  cared  to  know ; 

Doch  mocht'  er  niemand  seine  Qual  vertrau'n. 

12,  4.  And  fast  the  white  rocks  faded  from  his  view, 

And  soon  were  lost  in  ctrcumambienl  foam. 

Die  weifse  Klippe,  die  dem  Blick  entweicht, 
Verschwamm,  bis  ganz  im   Nebel  sie  entschwand. 

14,   8.        And  soon  un  board  the  Lusian  pilots  leap, 

And  stter  'twixt  ftrtile  shores  where  yet  few  rustics  reap. 

Das  Schiff  bringt  Lotsenkraft  in  sich're  Bucht 
An  Lusitaniens  Strand,  wo  überreiche  Frucht. 

Man  vergleiche  ferner  folgende  Stehen:  7,  3;  19,  5;  25,  2;  26,  3;  28, 
2;  34,  7;  35,  5;  37,  4;  41,  5—7;  62,  6;  66,  1-2;  69,  3-4;  72,  8-9;  74, 
7;  75,  4;  83,  5;  88,  4;  91,  9. 

Sind  obige  Stehen  ungenau  oder  ungeschickt  übertragen,  so  gibt  es 
einige,  die  Böttger,  durch  den  Gleichklang  der  Worte  in  beiden  Sprachen 
verleitet,  direkt  falsch  übersetzt  hat.    Z.  B. : 

24,   3.  a  fiend, 

A  Utile  fiend  lhat  scoffs  incessantly. 

Ein  Feind,  ein  winz'ger  Feind  voll  Spott  und  Hohn. 

(Es  mufs  natürlich  'Kobold'  oder  'Teufel'  heifsen.) 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  45« 

Oder:  53,  2.    To  swell  one  bloated  chiefs  unwholesome  reign 

Des  blut'gen   Häuptlings  freche  Macht  zu  schwellen. 

Im  'Corsair'  habe  ich  folgendes  zu  beanstanden: 

I,   25.  Come  when  it  will  —  we  snatch  the  life  of  Life. 

Es  komme,  wann  es  will  —  wir  sind  bereit. 

66.  But,  they  forgive  his  silence  for  success. 

Doch  sie  verzeih'n  das  Schweigen  ihm  von  Herzen. 

259.  Nor  deemed  that  gifts  bestowed  on  better  men 

Bad  left  him  joy,  and  means  to  give  again. 

Er  glaubte  nicht,  dafs  seine  boss'ren  Gaben 
Vermöchten  ihn  noch  andere  zu  erlaben. 

333.  So  let  it  be  —  it  irks  not  me  to  die; 

But  thus  to  urge  them  whence  they  cannot  fly. 

Nicht  Furcht  des  Todes  ist  es,  was  mich  quält, 
Jedoch  das  jene  schnödem  Fall  vermählt. 

Canto  HI,   1197.      But  ere  he  sank  below  Cithaeron's  head, 

Doch  eh'  er  sank  auf  des  Cithärons  Thron. 

1384.  that  Spirit  stern  and  high 

Had  proved  unwilling  as  unfit  to  die. 

Da  würde  wohl  gebändigt  solch  ein   Geist; 
Doch  bleibt  er  stolz,  indem  er  Kraft  beweist. 

Vergleiche  ferner:  v.  48,  147,  209,  3G9,  617,  648,  863,  932  (Druckfehler 
für  'vergeblich'?),  1211,  1257  usw. 

Auch  hier  wieder  zwei  Fälle  falscher  Übertragung: 

1388.  The  heat  of  fight,  the  hurry  of  the  galt, 

Leave  scarce  one  thought  inert  enough  to  quail: 

Des  Sturmes  Tosen,  wie  der  Schlacht  Gewühl 
Betäubt  wohl  jedes  quäle u de  Gefühl. 

1699.  And  now  he  turned  him  to  that  dark-eyed  slave 

Whose  brow  was  bowed  beneath  the  glance  he  gave, 

Er  wandte  zu  der  holden  Sklavin  sich 

Auf  deren  Stirn  der  vor'ge  Glanz  erblich  (!) 

Zu  'Sardanapal'  (Akt  I)  ist  weniger  zu  bemerken: 

30.  the  softening  voices  of  women  .... 

must  chime  in  to  (he  echoes  of  his  revel. 

Die  weichen  Stimmen  von  Frauen   .... 
Verhallen  in  dem  Rausche  seiner  Lust. 

359.  /  let  then  pass  their  days,  as  best  might  suit  them. 

Liefs  ihnen  ihre  Tage  frei  verbringen.  — 
439.  Some  broad  banqueis  inloxicating  glare 

Im  berauschten  Auge  beim  rohen  Zechgelag! 

Delegated  cruelty  (71)  heifst  nicht  'wilde'  Grausamkeit,  for  state  {'2V-K) 
nicht  'des  Standes  halber'. 


458  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

decimated  (230)  ist  mit  'arg  besteuern',  unlimited  (293)  mit  'unbedingt', 
to  blench  (310)  mit  'erbeben',  jeers  (466)  mit  'Scherz'  nicht  richtig  wieder- 
gegeben. 

Vers  459  kann  nach  dem  Zusammenhang  it  will  nicht  'wohl  möglich', 
sondern  nur  'gewifs'  bedeuten. 

Aus  den  oben  angeführten  Stellen  wird  man  entnehmen  können,  wie 
weit  mein  Urteil  berechtigt  war.  Glätte  der  Verse,  Schwung  und  Verve 
im  Ausdruck  wird  man  Böttger  ohne  weiteres  zugestehen  müssen ;  auf  der 
anderen  Seite  aber  berührt  es  bei  einem  so  formgewandten  Dichter  eigen- 
tümlich, wie  oft  er  sich  durch  die  Reimnot  verleiten  läfst,  schiefe  Aus- 
drücke, undeutliche  Wendungen  zu  gebrauchen,  auch  von  dem  Original 
so  weit  abzuweichen,  dafs  es  kaum  wiederzuerkennen  ist.  Dafs  manche 
Stellen  gut,  sogar  mit  glänzendem  Gelingen  übersetzt  sind,  darf  hier  natür- 
lich nicht  verschwiegen  werden  (vgl.  z.  B.  'Childe  Harold'  I,  39,  44;  'Cor- 
sair'  II,  4,  10,  13  u.  a.  m.). 

Ein  besonderes  Lob  gebührt  der  Biographie  des  Dichters,  die  Wetz  bei- 
gesteuert hat.  Sie  ist  selbstverständlich  mit  Benutzung  des  neuerschlossenen 
Materials  ausgearbeitet  und  vortrefflich  geeignet,  einem  weiteren  Leser- 
kreise das  Verständnis  Byrons  zu  erschliefsen.  Auf  ein  paar  Stellen  zur 
Charakteristik  des  Dichters  (S.  31,  44  etc.),  die  neue  und  selbständige  An- 
schauungen vertreten,  sowie  die  objektive  Darstellung  des  Ehekonfliktes 
sei  noch  besonders  hingewiesen.  Für  das  Verständnis  des  Textes  ist  überall 
durch  kurze  Erläuterungen  und  Anmerkungen  gesorgt;  leider  vermifst  man 
solche  bei  den  'English  Bards  and  Scotch  Reviewers'  wo  sie  gerade  sehr 
erwünscht  wären. 

Es  ist  begreiflich,  dafs  eine  so  schwierige  und  umfangreiche  Aufgabe, 
wie  die  Neubearbeitung  der  Böttgerschen  Übersetzung,  nicht  gleich  beim 
ersten  Wurf  gelingen  kann.  Gerade  Wetz,  der  so  entschieden  auf  eine 
neue  Durchsicht  des  Schlegel-Tieckschen  Shakespearetextes  gedrungen  hat, 
wird  sich  der  Überzeugung  nicht  verschliefsen,  dafs  auch  in  unserem  Falle 
ein  ständiges  Feilen  und  Arbeiten  an  dem  Text  vonnöten  ist.  So  empfehlen 
wir  denn  das  Werk  in  der  Zuversicht,  dafs  in  einer  neuen  Auflage,  die 
hoffentlich  bald  folgt,  die  bessernde  Hand  des  Herausgebers  sich  betätigen 
werde. 

Berlin.  G.  Herzfeld. 

Zur  Schulliteratur. 

1)  Schulbibliothek  französischer  und  englischer  Prosaschriften, 
hrsg.  von  L.  Bahlsen  und  J.  Hengesbach.  39:  Modern 
English  novels,  hrsg.  von  Dr.  A.  Mohrbutter;  40:  In  the 
Far  East,  hrsg.  von  Dr.  K.  Feyerabend. 

In  dem  erstgenannten  Bändchen  finden  sich  zehn  kurze,  aus  einer 
Anzahl  neuerer  Zss.  ausgewählte  Erzählungen,  die  zwar  zumeist  von  un- 
bedeutenden, unbekannten  Autoren  herrühren,  aber  wegen  ihres  einfachen, 
klaren  Stils  und  ihres  interessanten ,  leicht  verständlichen  Inhaltes  als 
Lesestoff  immerhin  zu  verwerten  sind,  besonders  zu  privater  oder  kur- 
sorischer Lektüre. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  t-59 

Die  gegebenen  Übersetzungshilfen  sind  bisweilen  etwas  zu  frei  oder 
ungenau;  z.  B.  S.  133,  zu  23,  19:  1  Iwpt  winning  with  a  greenhorn's  hick 
mit  unerhörtem  Glück,  statt:  mit  dem  Glücke,  das  die  Dummen  zu  haben 
pflegen  (nach  dem  Sprichworte:  Die  Dummen  haben  am  meisten  Glück). 
—  S.  135,  zu  53,  31 :  Some  place  of  uorship  was  in  course  of  erection  sollte 
errichtet  (erbaut)  werden,  statt:  war  im  Bau  begriffen,  wurde  gerade  ge- 
baut. —  S.  135,  zu  55,  15:  no  eine  whatever  to  the  whereabouts  of  my  dear 
Nora  nichts  Näheres  über  meine  Nora,  statt:  nichts  Näheres  über  den 
Aufenthalt  meiner  lieben  Nora.  —  In  der  Anmerkung  S.  137,  zu  81,  32: 
throughout  the  livelong  night,  die  ganze  Nacht  hindurch,  wäre  auf  den  ent- 
sprechenden deutschen  Ausdruck :  'die  liebe  lange  Nacht'  hinzuweisen.  — 
Ein  Druckfehler  für  'da'  ist  wohl  'dafs'  in  der  Anmerkung  S.  133,  zu  19, 
17  (as  it  puts  you  out  dafs  es  Sie  irre  macht)  und  'chat'  für  'catch'  in 
dem  Satze  S.  30 :  The  mannet  in  ivhich  they  (sc.  lions)  are  caught  is  nearly 
the  same  as  that  in  which  we  here  chat  rats  or  miee. 

Mit  Bezug  auf  die  zweite  Erzählung  ('Slick  Bradley'  von  Frederick 
Marryat)  ist  noch  darauf  hinzuweisen,  dafs  sie,  was  dem  Herausgeber  ent- 
gangen zu  sein  scheint,  weiter  nichts  ist  als  eine  englische  Fassung  von 
Fritz  Beuters  Läuschen :  'De  Wedd'.  Eine  Anmerkung  hätte  in  dieser  Er- 
zählung auch  der  volkstümliche  Gebrauch  des  weiblichen  Pronomens  'she' 
für  'the  pendulum'  verdient  in  dem  Satze :  Here  she  goes,  there  she  goes  (bei 
Beuter:  Hir  geiht  'e  hen,  dor  geiht  'e  hen). 

Das  an  zweiter  Stelle  genannte  Bändchen  No.  40  enthält  drei  farben- 
prächtige, spannende  Erzählungen,  deren  Schauplatz,  wie  schon  der  vom 
Herausgeber  gewählte  Gesamttitel  andeutet,  der  Orient  ist.  Es  sind  dies: 
I.  The  Miracle  of  Purun  Bhagat  (aus  dem  Second  Jungle  Book  von  Rudyard 
Kipling);  IL  A  Struggle  for  a  Kingdom  (ein  Auszug  aus  dem  Roman 
'The  Fascination  of  the  King'  von  Guy  Boothby) ;  III.  In  a  Citron  Garden 
(aus  dem  Sammelbande  'From  the  Five  Rivers'  von  Mrs.  Flora  Annie 
Steel).  —  Alle  drei  Erzählungen  werden  von  den  Schülern  sicher  mit 
Interesse  und  Nutzen  gelesen  werden.  An  den  beigegebenen,  geschickt 
und  sorgfältig  zusammengestellten  Anmerkungen  finde  ich  nichts  Wesent- 
liches auszusetzen. 

2)  First  steps  in  English  conversation.    For  use  in  schools.   Auf 
Grund  der  preufsischen  Lehrpläne  von  1901  bearbeitet   von 
Dr.  M.  Thamm.  Gotha,  F.  A.  Perthes,  1902.   66  S.   Mk.  0,80. 
Das  Hilfsbuch  bietet  auf  der  einen  Seite  zu  viel,  auf  der  anderen  zu 
wenig.    Es  ist  kaum  anzunehmen,  dafs  die  Mehrzahl  der  in  Kap.  I  und  II 
angegebenen  Wörter  sich  überhaupt,  geschweige  denn   mit  Anfängern  als 
'First  steps',  zu  Zwecken  der  Schulkonversation  fruchtbringend  verwenden 
lassen.     Was  soll  ein  Schüler  mit  solchen  Wörtern  anfangen,  wozu  über- 
haupt solche  Wörter  lernen  wie  die  englische  Übersetzung  der  folgenden, 
den  Reigen   der  'First  steps'  eröffnenden   Begriffe:  Kultusminister,  Ober- 
schulrat,   Schulrat,    Provinzialschulrat,    Geheimrat,   Regierungskommissar, 
Inspektionsreise.  Kuratorium,  Kuratoren,   Schulkommission,   Aufsicht  der 
Gesundheitspolizei,  Lehrerkollegium,  Konferenz,  Direktorenkonferenz,  ge- 


460  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

prüfter  Lehrer,  Anstellung,  Ernennung,  Probekandidat,  Probejahr,  Probe- 
lektion, Lehrverfahren  u.dgl.  m.?  Ganz  abgesehen  davon,  dals  die  Mehr- 
zahl der  genannten  Ausdrücke  sich  recht  wenig  dazu  eignen,  die  Grund- 
lage für  Sprechübungen  der  Schüler  zu  bilden,  haben  sie  auch  für  das 
spätere  praktische  Leben  der  meisten  Schüler  kaum  irgend  welche  Ver- 
wendbarkeit. 

Viel  überflüssiges,  über  den  Rahmen  der  Schule  Hinausgehendes 
findet  sich  auch  in  dem  15  Seiten  füllenden  Abschnitt  VIb,  wo  eine 
Fülle  von  technischen  Ausdrücken  aus  dem  Gebiete  der  Grammatik  und 
Phonetik  gegeben  wird,  die  nur  das  Gedächtnis  des  Schülers  unnötig  be- 
lasten. Der  Verfasser  sagt  zwar  in  dem  Vorwort,  das  Kapitel  'Grammatik' 
sei  ziemlich  ausführlich  behandelt,  so  dafs  man  eine  englische  Besprechung 
der  einfachen  grammatischen  Regeln  nicht  lange  hinauszuschieben  brauche, 
aber  die  neuen  Lehrpläne,  auf  die  er  sich  zur  Empfehlung  oder  zum  Be- 
weise der  Existenzberechtigung  seines  Buches  beruft,  weisen  ja  gerade  den 
Gebrauch  der  englischen  Sprache  bei  der  Behandlung  der  Grammatik  und 
Phonetik  zurück. 

Zu  eingehend  und  für  das  spätere  praktische  Leben  der  meisten  Schüler 
kaum  verwertbar  erscheinen  mir  auch  viele  den  übrigen  Unterrichtszweigen 
entnommene  termini  technici,  die  höchstens  für  solche  (mir  nicht  bekannten) 
deutschen  Schulen  Zweck  hätten,  deren  allgemeine  Unterrichtssprache  das 
Englische  wäre  (in  ähnlicher  Weise  wie  etwa  am  College  Francais  Royal 
zu  Berlin  das  Französische). 

Bietet  so  das  Buch  in  mancher  Hinsicht  etwas  zu  viel,  so  vermilst 
man  andererseits  so  manches,  was  doch  für  'First  steps  in  English  con- 
versation'  wohl  in  Betracht  käme.  Man  bedauert,  dafs  sich  der  Verfasser 
auf  Gegenstände  des  Schullebens  beschränkt  und  nicht  noch  einige  andere, 
zum  Teil  dankbarere  Gesprächsstoffe  behandelt  hat,  wie  etwa  Verwandt- 
schaft und  Familie,  Teile  des  Körpers,  Kleidung,  Wohnung,  Wetter,  Reisen, 
Stadt  und  Land  u.  dgl.  m.  —  Zu  erwähnen  wäre  auch  noch,  dafs  in  dem 
letzten  Kapitel  (Vocation  in  life),  welches  als  Unterlage  für  Fragen  nach 
dem  künftigen  Berufe  der  Schüler  oder  nach  dem  Berufe  ihrer  Angehörigen 
dienen  soll,  zwar  die  Gelehrten,  Techniker,  Kaufleute,  Beamten  zu  ihrem 
Rechte  kommen,  aber  nicht  ein  einziges  Handwerk  besonders  genannt  wird. 

Im  einzelnen  sind  mir  noch  folgende  Kleinigkeiten,  teils  Ungenauig- 
keiten,  teils  Druckfehler,  aufgefallen:  Der  Gebrauch  des  best.  Art.  statt 
des  Poss.  in  Wendungen  wie  to  put  the  hands  on  the  desk,  to  hold  up  the 
hand,  to  fix  the  eyes  upon  the  master  (S.  11),  to  put  on,  to  take  off  the  over- 
coat,  the  hat,  cap  (S.  9),  to  hold  the  copy-book  with  the  left  hand,  to  keep 
the  fingers  straight  on  the  penholder  (S.  56);  unvollständige  oder  ungenaue 
Verdeutschungen  wie  aceented  on  the  first  syllable  Ton  auf  der  ersten 
Silbe  (S.  21),  to  put  into  the  conjunctive  mood  in  den  Konjunktiv  gesetzt 
werden  (S.  27),  preposition  of  place  Verhältniswörter  des  Ortes  (S.  25), 
Compound  preposition  zusammengesetzte  Umstandswörter  (S.  25),  for  want 
of  mature  judgement  Unreife  des  Urteils  (S.  61),  the  name  of  t/ie  recipient 
Adressat  (S.  62),  to  admit  a  candidate  zur  Prüfung  zulassen  (S.  63),  to  be 
a  born  scholar   studiert   haben  (S.   65),    ferner  die  englischen  Ausdrücke 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  461 

half  a  year  (statt  a  half  year)  ein  Halbjahr  (S.  9),  to  enter  in  (statt  intö) 
conversation  (S.  22),  leading  dates  of  the  history  Hauptdaten  der  Geschichte 
(S.  31)  (statt  of  history),  three  dimensions  of  the  Square  drei  Dimensionen 
des  Raumes  (S.  3y)  (statt  of  space);  endlich  die  unter  den  Berichtigungen 
S.  IV  nicht  angegebenen  Druckfehler  enroling  (S.  7),  slighly  (S.  18),  figti- 
rativelg  =  metamorphically  im  bildlichen  Sinne  (S.  20)  statt  metaphorically, 
enlargment  (S.  30),  listof  (S.  31),  broadth  (S.  38),  disgress  (S.  58). 

3)  Heinrich    Schmitz,    Englische   Synonyma    für    die   Schule   zu- 

sammengestellt.   Zweite,  verbess.  u.  vermehrte  Aufl.    Gotha, 
F.  A.  Perthes,  1902.     VI,  92  S.     M.  1. 

Diese  zweite  Auflage  unterscheidet  sich  von  der  ersten  im  wesent- 
lichen durch  ein  hinzugekommenes  Verzeichnis  der  in  den  Beispielen  ent- 
haltenen Wörter.  Besondere  Berücksichtigung  ist  dabei  der  Aussprache 
der  vorkommenden  Eigennamen  gewidmet.  Die  gegebenen  Unterschiede 
der  Synonyma  sind  dem  Standpunkte  gereifterer  Schüler  entsprechend  er- 
läutert. Auch  die  getroffene  Auswahl  erscheint  ausreichend.  So  dürfte 
das  Büchlein  von  Schmitz  auch  neben  den  synonymischen  Handbüchern 
von  Meurer,  Dreser,  Klöpper  und  Krüger  seinen  Platz  behaupten. 

4)  Dettloff    Mueller,    Analysis    of    Commercial    Correspondence. 

Textbook    for    Commercial    Academies    and    Handelshoch- 
schulen.1    Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1902.     142  S. 

Das  vorliegende  Buch  empfiehlt  sich  ebenso  durch  seine  äufsere  Aus- 
stattung wie  durch  seinen  gediegenen  Inhalt.  Aus  der  Praxis  für  die 
Praxis  entstanden,  behandelt  es  nach  einer  Einleitung  über  Geschäftsbriefe 
im  allgemeinen  die  wichtigsten  Kapitel  aus  dem  Gebiete  der  kaufmänni- 
schen Korrespondenz  und  zwar  in  gründlicher,  übersichtlicher  Darstellung. 
Zum  Schluls  hat  der  gegenwärtig  an  der  Leipziger  Handelslehranstalt 
wirkende  Verfasser  noch  ein  Kapitel  'Abstract  of  the  Law  on  Sales'  an- 
gefügt. 

In  pädagogischer  Hinsicht  erregt  mir  ein  Punkt  Bedenken,  nämlich 
die  zum  Glück  nur  einmal  (S.  7  f.)  vorkommenden  'Exercises  to  be  cor- 
rected',  in  denen  dem  Leser  ein  von  Fehlern  wimmelnder  englischer  Text 
gedruckt  vorliegt,  den  er  korrigieren  soll.  Bei  diesem  mit  Recht  jetzt 
ganz  veralteten  Verfahren  wird  sich  nur  zu  leicht  die  gedruckte  falsche 
Form  dem  Auge  und  Gedächtnis  des  Schülers  einprägen. 

Berlin.  Albert  Herrmann. 

C  Marmier,  Geschichte  und  Sprache  der  Hugenottenkolonie  Fried- 
richsdorf a.  T.    Marburg,  Elwert,  1901.    IV,  136  S.  8. 

Die  Beschreibung  der  Mundart  und  der  Schicksale  einer  französischen 
Ansiedelung  mitten  im  deutschen  Gebiet  ist  gewifs  eine  der  anziehendsten 


1  Warum  der  Verfasser    einen  Unterschied   macht   zwischen  'Commercial  Aca- 
demies' und  'Handelshochschulen',  vermag  der  Referent  nicht  recht  einzusehen. 


462  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Aufgaben,  die  sich  ein  junger  Romanist  bei  uns  stellen  kann.  C.  Marmier 
ist  ihr  in  doppelter  Hinsicht  gewachsen:  er  ist  mit  den  Verhältnissen  und 
der  Sprache  von  Friedrichsdorf  a.  T.  seit  seiner  Kindheit  vertraut,  und  er 
zeigt  sich  auch  für  die  wissenschaftliche  Behandlung  des  Gegenstandes 
wohl  vorbereitet. 

Wir  erhalten  zunächst  (S.  3 — 16)  Mitteilungen  über  die  Geschichte 
des  Ortes,  der  1687  unter  dem  Schutze  des  Landgrafen  Friedrichs  II.  von 
Hessen -Homburg  durch  hugenottische  Flüchtlinge  aus  verschiedenen 
Gegenden  Frankreichs  gegründet  wurde  und  zehn  Jahre  später  neuen,  be- 
trächtlichen Zuwachs  erhielt.  Seitdem  hat  er  sich  im  allgemeinen  günstig 
entwickelt,  und  jetzt  ist  er  ein  gewerbfleifsiges  Städtchen  von  etwa  1200  Ein- 
wohnern. Von  diesen  redet  die  eine  Hälfte  nur  deutsch,  die  andere  noch 
französisch.  Wenn  die  Nachkommen  der  Refugierten  im  Gegensatze  zu 
den  benachbarten  Kolonien  gerade  hier  ihre  Sprache  und  Art  mit  auf- 
fallender Zähigkeit  bewahrt  haben,  so  verdanken  sie  es  teils  der  Sorge 
ihrer  früheren  Regierung,  die  1731  die  Niederlassung  von  Deutschen  und 
die  Ehe  mit  deutschen  Mädchen  verbot  und  die  merkwürdige  Bestimmung 
lange  durchführte,  teils  ihren  eigenen  Bemühungen,  vor  allem  dem  von 
alters  her  geübten  Brauch,  ihre  Pfarrer  und  einige  ihrer  Lehrer  aus  der 
französischen  Schweiz,  wo  nicht  aus  dem  Mutterlande  selbst,  zu  berufen. 
Die  einstige  Abgeschlossenheit  ist  freilich  heute  nicht  mehr  möglich.  Der 
starke  Zustrom  von  auswärts,  der  schon  zu  dem  oben  angegebenen  Zahlen- 
verhältnis geführt  hat,  zerstört  natürlich  den  einheitlichen  Charakter  Fried- 
richsdorfs. Hierdurch,  wie  überhaupt  durch  die  veränderten  Anforderungen 
und  Anschauungen  der  Gegenwart  wird  das  Französisch  auch  der  ein- 
gesessenen Familien  bedroht.  Es  geht  langsam,  aber  stetig  zurück  und 
wird  sich  trotz  aller  Anstrengungen  kaum  dauernd  halten.  Die  verschie- 
denen Momente  dieses  Prozesses  werden  hübsch  erörtert. 

Die  Grammatik  nimmt  sodann  den  breitesten  Raum  ein  (S.  17 — 105). 
Das  Material  ist  ziemlich  reich  und  macht  den  Eindruck  der  Zuverlässig- 
keit. Die  Fassung  der  Regeln  und  die  Erklärung  der  Ausnahmen  über- 
zeugen meistens.  Die  Lautlehre  geht  vom  jetzigen  Stande  des  Idioms 
aus  und  vergleicht  ihn  mit  dem  des  'Hochfranzösischen'.  Unter  den  vor- 
liegenden Verhältnissen  scheint  mir  dieses  Verfahren,  mit  dem  man  aller- 
dings manche  Mängel  und  Unbequemlichkeiten  in  den  Kauf  nehmen  mufs, 
den  Vorzug  vor  dem  historischen  zu  verdienen,  bei  dessen  strenger  An- 
wendung zuviel  Längstbekanntes  wiederholt  worden  wäre.  Beachtenswert 
ist  im  Vokalismus  die  fast  konsequente  Beobachtung  des  Gesetzes,  dafs 
vor  dem  Ton  nur  geschlossene  Vokale  vorhanden,  unter  dem  Ton  alle 
Vokale,  welcher  Qualität  sie  auch  seien,  vor  einfachen  stimmhaften  Kon- 
sonanten lang,  vor  einfachen  stimmlosen  Konsonanten,  vor  mehrfacher 
Konsonanz  und  im  Wortauslaut  kurz  sind,  vor  nasalen  Konsonanten  aber 
die  Vokale  vor  und  unter  dem  Ton  gewöhnlich  nasaliert  werden.  Der 
Konsonantismus  ist  weniger  wichtig,  da  er  von  dem  Durchschnitt  des 
Französischen  weniger  abweicht,  doch  zeigt  er  auch,  wie  der  Vokalismus, 
an  einigen  Zügen  die  Einwirkung  des  Picardischen  und  Champagnischen, 
das   die  Mehrzahl   der  Eingewanderten   von   Hause   aus   redete,  oder  die 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  463 

Fortdauer  eines  älteren  Sprachstandes.  In  der  Formenlehre  bieten  die 
Pronomina,  zum  Teil  auch  das  Verbum  genug  des  Interessanten.  Die  Auf- 
nahme eines  langen  und  sorgfältigen  Abschnittes  über  die  Syntax  ist  be- 
sonders zu  erwähnen  und  zu  loben.  Im  einzelnen  bemerke  ich  folgendes : 
S.  36  (s.  auch  S.  65)  boulir*  ist  regelmäfsig  entwickelt  (lat.  bullire).  S.  15 
wäre  das  gascognische  h  wegen  der  Verschiedenheit  des  Ursprunges  besser 
nicht  mit  dem  normannischen  und  lothringischen  in  einem  Atem  genannt 
worden.  S.  46  hätten  die  Beispiele  für  picardisches  Je  (=  frz.  eh)  voll- 
ständig mitgeteilt  werden  sollen:  es  fehlen  planque,  poquettes,  roquelle,  en- 
saquer.  S.  51  ff.  escurieu  (nfz.  eeureuil)  und  chevreu  (nfz.  chevreuil)  haben 
nicht  mouilliertes  l,  sondern  einfaches  /  verloren  (vgl.  afz.  escuiruel,  ehevruel), 
teilen  also  das  Schicksal  von  aieu(l),  filleu(l),  tilleu(l).  S.  54  i  n'y  a  'es 
gibt'  erklärt  sich  schwerlich  durch  Übergang  des  ly  von  il  y  a  zu  ny. 
Es  folgt  wohl  dem  Vorgang  von  i  n'a  'er  hat',  auch  'es  gibt',  bei  dem 
der  Verfasser  mit  Recht  Übertragung  von  i(l)  n'a  point  (oder  pas),  viel- 
leicht auch  von  il  en  a  annimmt  (S.  59).  Sie  konnte  leicht  eintreten, 
seitdem  sonst  bei  point  (oder  pas)  das  ne  wegzufallen  begann,  weil  das 
Füllwort  als  der  eigentliche  Träger  der  Negation  empfunden  wurde  (S.  99). 
Die  gleiche  Deutung  würde  ich  auch  auf  n'en  für  ein  zu  erwartendes  en 
anwenden  (je  n'en  prends,  tu  n'en  veux  mit  positivem  Sinn);  die  hierfür 
von  Marmier  versuchte  (S.  55)  ist  etwas  kompliziert.  Mit  der  Auffassung, 
dafs  in  rous  l'allex  donc  ehercher?  i(l)  vous  a  voulu  dire  que(l)qae  chose  u.  a. 
'die  beiden  Verba  zu  einem  Begriff  zusammengefafst'  seien  (S.  75),  bin 
ich  nicht  einverstanden.  Die  Voraussetzung  einer  Einwirkung  des  Deut- 
schen bei  point?  'nicht?'  (S.  100)  ist  überflüssig,  wie  das  genau  ent- 
sprechende pas?  zeigt. 

Das  Wörterbuch  (S.  106  ff.)  bringt  nur  die  Wörter,  die  'im  Hoch- 
französischen entweder  unbekannt  oder  veraltet  sind  oder  aber  in  Fried- 
richsdorf in  anderer  Form  und  Bedeutung  auftreten',  und  gibt,  wenn 
möglich,  Belege  für  sie  aus  dem  Altfranzösischen  (nach  Godefroy,  der 
mitunter  vorsichtiger  hätte  benutzt  werden  sollen)  oder  dem  heutigen 
Picardischen  (Corblet)  und  Champagnischen  (Tarbe).  Entlehnungen  aus 
dem  Deutschen  und  Neubildungen  sind  nicht  selten,  aguimanche  'ge- 
kleidet, eingehüllt'  ist  meines  Erachtens  aus  endimanehe  'sonntäglich  an- 
gezogen' entstanden,  wobei  en  mit  a  gewechselt  hat  (vgl.  arage  aus  enrage) 
und  di  zu  gi  geworden  ist  (vgl.  das  ähnliche  quenailles  aus  frz.  tenailles, 
S.  46).  aris  (mit  hörbarem  s)  ist  aus  (l)a  vis  hervorgegangen  wie  ante 
aus  (l)a  rue  (S.  24);  daran  ist  avisser  angeglichen  worden,  s' enfournaquer 
'sich  verstecken'  bedeutet  ursprünglich  'in  den  Ofen  kriechen',  empierger 
'verwickeln'  hätte  unter  den  Wörtern  mit  anorganischem  r  (S.  52)  genannt 
werden  können,  bouehie,  brassie  und  pounie  (=  poignee)  hätten  wegen 
des  dialektischen  Überganges  von  afz.  -iee  zu  -ie  in  der  Lautlehre  er- 
wähnt werden  müssen ;  die  Versicherung,  dafs  diese  Formen  auf  -ie  neben 

1  Der  Verfasser  gibt  die  Wörter  in  phonetischer  Transkription  (nach  dem 
System  von  Koschwitz)  wieder  und  setzt  in  Klammern  die  Schreibung  hinzu,  deren 
man  sich  im  Französischen  bedienen  würde.  Ich  wähle  die  letztere  aus  äufseren 
Gründen. 


464  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

denen  auf  -ee  (vielmehr  -iee)  in  der  alten  Sprache  Destanden,  genügt  doch 
nicht  und  ist  in  dieser  Fassung  ungenau,  echeau  (richtiger  eehau  tran- 
skribiert) 'Kanal,  besonders  die  Ableitungsrinne  im  Keller'  ist  nicht  Kür- 
zung von  echeneau,  sondern  =  echaux,  das  nichts  mit  echeneau  zu  tun  hat 
(s.  Dict.  Gen.).  gaiole  'bunt,  gescheckt'  ist  wohl  von  gai  beeinflufst.  gueuler 
'brüllen'  ist  nicht  blofs  champagnisch.  hargoter  'trödeln,  tändeln'  ist  eher 
=  dem  alten  harigoter  'in  kleine  Stücke  schneiden'  (also  etwa  'die  Zeit  mit 
kleinlicher  Arbeit,  mit  Spielereien  vertreiben')  als  =  dem  unvolkstümlichen 
und  auch  lautlich  nicht  recht  passenden  ergoter.  hamoclie  'Bruch,  Ver- 
stauchung' ist  eine  merkwürdige  Ableitung  von  älterem  hargne  (hernia). 
ramancher  'immer  wiederholen'  ist  von  ramancfier  'mettre  un  manche' 
(Godefroy)  zu  unterscheiden  und  offenbar  identisch  mit  remäclier  'wieder- 
käuen'. Unverständlich  bleibt  mir  die  Bemerkung:  'pelle,  s.  f.  =  Pfanne. 
Bei  La  Curne  findet  sich  pelle  =  poele  ä  frire.  Hfr.:  pelle  =  Schaufel.' 
Sollen  die  beiden  Wörter  etymologisch  dieselben  sein?  S.  114  1.  dechevele, 
S.  119  quillier. 

Trotz  dieser  geringen  Ausstellungen  stehe  ich  nicht  an,  die  Arbeit  als 
eine  erfreuliche  Leistung  zu  bezeichnen,  und  hoffe,  dem  Verfasser  noch  öfter 
auf  dem  Gebiete  der  Patoisforschung  zu  begegnen,  das  seit  einiger  Zeit  auch 
von  Anfängern  nicht  mehr  so  scheu  gemieden  zu  werden  scheint  wie  früher. 

Breslau.  Alfred  Pillet. 

Le  roman   de  Flamenca   publik    d'apres   le   manuscrit  unique   de 
Carcassonne,  traduit  et  accompagne*  d'un  vocabulaire.  Deuxierue 
Edition   entierernent   refondue   par  Paul  Meyer,   membre   de 
LTnstitut.    Tome  premier.    Paris,  Bouillon,  1901.    V,  416  S. 
kl.  8. 
Die  neue  Ausgabe  von  Flamenca  genauer  Prüfung  zu  unterwerfen, 
drängte  es  mich  schwerlich  minder  stark  als  irgend  einen   der  überhaupt 
wenigen,  für  die  man  Texte  solcher  Art  druckt.     Das  Werk  ist  für  die 
Geschichte  der  Literatur  und  die  der  Sitten  so  bedeutsam,  dafs  man  immer 
gern  zu  ihm  zurückkehrt.     Dazu  blieb  in  dem  Texte,  wie  man   ihn  1865 
vorgelegt  bekommen  hatte,  auch   nachdem  aufser  des   Herausgebers  Be- 
mühungen diejenigen  mehrerer  Rezensenten  ihm  zu  gute  gekommen  waren, 
doch  noch  manches  dunkel,  und   es  mufste  reizen,  nachzusehen,  in  wel- 
chem Mafse  die  in  fünfunddreifsig  Jahren  von  der  romanischen  Philologie 
gemachten  Fortschritte  befähigt  hätten,  über  die  Schwierigkeiten  hinweg- 
zugelangen,  die  früher  vollem  Verständnis  und  Genüsse  des  Gedichtes  im 
Wege  standen.    Endlich  hatte  gerade  ich  fast  das   ganze  45.  Stück  der 
Göttingischen   Gelehrten   Anzeigen   vom  Jahre   1866   mit  Vorschlägen   zu 
besser  befriedigender  Gestaltung    oder  richtigerer  Auslegung   des  Textes 
gefüllt,  und  man  wird   mein  Verlangen  natürlich   finden,  mich  zu   über- 
zeugen, ob  der  Herausgeber  meinen  Beiträgen  einigen  Wert  beigelegt  habe. 
Trotzdem  habe  ich  die  neue  Ausgabe  erst  nach  Neujahr   1903   geprüft, 
so   viel   andere  Arbeit    drängte  sich    immer    wieder   dazwischen ;    und    so 
kommt  es,  dafs  Chabaneau  in  der  Rev.  d.  lang.  rom.  XLV  S.  1 — 43,  Mussafia 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  465 

in  den  Sitzungsberichten  der  Wiener  Akademie  CXLV,  x,  Thomas  im 
Journ.  des  Sav.,  Juni  1901,  S.  363—374  mir  mit  sehr  lehrreichen  und  ein- 
gehenden Besprechungen  zuvorgekommen  sind,  in  denen  ich  zum  Teil  be- 
reits ausgesprochen  sehe,  was  ich  zu  sagen  gedachte,  zum  Teil  empfohlen 
finde,  was  mir  durchaus  annehmenswert  scheint,  ohne  dafs  ich  selbst 
darauf  gekommen  wäre,  bisweilen  allerdings  auch  auf  Vorschläge  stofse, 
denen  ich  beizustimmen  nicht  vermag.  Der  dunklen  Stellen  bleiben  auch 
heute  noch  ziemlich  viel,  an  denen  der  Scharfsinn  der  Gelehrten  sich  zu 
erproben  Anlafs  haben  wird.  Was  meine  eigenen  früheren  Besserungs- 
versuche oder  Verteidigungen  des  Überlieferten  gegenüber  unnötigen  Ände- 
rungen des  Herausgebers  betrifft,  so  finde  ich  zu  meiner  Befriedigung, 
dafs  sie  zum  grofsen  Teile  die  Zustimmung  des  Herausgebers  gefunden 
haben,  er  seinen  Text  stillschweigend  so  lauten  läfst,  wie  von  mir  be- 
antragt war.  Dafs  er  es  nicht  überall  getan  hat,  will  ich  nicht  mifs- 
billigen ;  auch  mir  scheint  heute  nicht  mehr  alles,  was  ich  vor  sechsund- 
dreifsig  Jahren  für  unbedenklich  hielt,  gleich  einleuchtend  wie  damals. 
Aber  einiges  unberücksichtigt  Gebliebene  aus  jener  Besprechung  halte  ich 
noch  jetzt  für  der  Annahme  oder  doch  der  Erwägung  wert;  und  wer 
jenes  alten  Jahrganges  der  Göttingischen  Anzeigen  habhaft  werden  kann, 
wird  bei  sorgsamem  Studium  des  Gedichtes  vielleicht  doch  noch  die  eine 
oder  andere  Bemerkung  darin  finden,  die  ihm  Steine  des  Anstofses  aus 
dem  Wege  räumt.  Hier  nun  blofs  einige  Nachträge,  zu  denen  auch  nach 
den  Besprechungen  der  oben  genannten  ausgezeichneten  Kenner  immer 
noch  Anlafs  gegeben  zu  sein  schien.  Dafs  damit  nun  schon  die  letzten 
Ähren  gelesen  seien,  bin  ich  weit  entfernt  zu  glauben. 

128.  Der  Vorschlag,  non  zu  tilgen,  scheint  mir  nicht  annehmbar; 
eher  möchte  ich  fari  mit  fassa  vertauschen.  —  153.  Ans  der  Hs.  wird  zu 
Ens  zu  bessern  sein,  vgl.  178  und  6971;  ane  palst  neben  ges  wenig.  — 
307.  Die  im  Glossar  für  levadura  angesetzte  Bedeutung  scheint  für  die 
Stelle  wenig  schicklich;  ich  möchte  das  a  von  semblaria  mit  lev.  verbinden 
und  aleradura  als  'Übertreibung',  'übertreibende  Schilderung'  verstehen; 
vgl.  alevament  in  Alberichs  Alexander  Z.  24.  —  488.  Die  im  Glossar  unter 
el  vorgeschlagene  Änderung  von  el  zu  il  wird  überflüssig,  sobald  man 
faire  el  cais  gelar  so  versteht,  wie  es  nach  Mafsgabe  von  faire  al  quaix 
glassar  (s.  Romania  XV  220  Z.  1658)  geschehen  mufs  und  in  der  Zs.  f. 
rom.  Phil.  XI  149  von  mir  empfohlen  ist,  ohne  dafs  man  es  beachtet 
hat.  —  755.  L.  tost;  ebenso  5407.  —  766.  Da  sian  sehr  wohl  einsilbig 
sein  kann  (vgl.  die  handschriftliche  Lesart  in  Z.  1334),  so  darf  tut  blei- 
ben. —  81C  L.  no-i  es  per  gap;  vgl.  7856.  —  898.  Eine  Form  ca  oder  qua 
aus  quam  darf  man  unbedenklich  bestehen  lassen:  ebenso  1094,  wo  c'a 
mala  (statt  ca  mala)  dadurch  höchst  unwahrscheinlich  wird,  dafs  a  mala 
in  entsprechendem  Sinne  nicht  vorzukommen  scheint.  Die  Form  ca,  für 
welche  aus  Anlafs  von  ta  schon  Diez,  Altrom.  Sprachdenkm.  S.  48,  zu 
Boeth.  7  eingetreten  ist,  findet  sich  dreimal  auch  im  SHonorat  63,  82, 
103,  freilich  auch  da  vom  Herausgeber  immer  in  e'a  zerlegt.  —  1024.  Es 
ist  wohl  nur  ein  Versehen,  dafs  oilo  nicht  wie  2579,  6187  als  ein  Wort 
geschrieben  und  als  blofse  Bejahungspartikel  erkannt  ist.  —  1676.  Das 
Archiv  i.  n.  Sprachen.    CX.  30 


466  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

Komma  soll  nach  neis  stehen.  —  1802.  L.  a  (statt  de)  quinxe  legas;  vgl.  Pres 
a  sis  liues  ou  a  set,  RCharr.  4426 ;  au  giet  d'une  fonde  Arriverent  pres  de 
la  tor,  Mer.  4758;  quant  il  vint  a  une  Uwe  pres  de  nos  gens,  RClary  66; 
a  deus  liues  pries  estoit,  Mousk.  27592;  Cele  nuit  se  logier ent  pres  a  liue 
et  demie,  BComm.  1830,  2184;  A  huit  liues  pries  de  la  mer,  Eust.  M  4; 
A  une  liewe  pres  fönt  leur  nefx  arriver,  BSeb.  V  492;  A  une  lieuve  pres 
s'est  la  nuit  kosteles,  Bast.  1433;  dont  il  est  parle  ey  dessus  a  deux  feuillets 
pres,  Menag.  I  141.  —  1906.  L.  fon  domna  de  bella  teira,  vgl.  sos  ries  cors 
tan  joios  De  tan  bela  tieira,  BBorn  Domna,  puois  de  me  no-us  chal  Z.  14. 
—  2577.  Der  Vers  wird  mir  durch  das,  was  das  Glossar  unter  quan  sagt, 
nicht  verständlich.  —  2843.  L.  tan  com,  viu.  —  2852.  Nach  dieser  Zeile 
ein  Punkt,  nach  der  nächsten  ein  Fragezeichen.  —  2966.  Der  Vers  scheint 
mir  eine  Frage  zu  sein.  Der  Verliebte  hätte  gern  weiter  geträumt.  —  3232. 
Dafs  sera  auch  männlich  sei,  hat  Chabaneau,  Rev.  d.  lang.  rom.  XIII  117, 
XXVI  120,  XXXI  614,  in  Erinnerung  gebracht;  s.  auch  Appel,  Ined.  389, 
40,  33.  —  3928.  L.  neis  a  patx  donar.  —  4078.  L.  suffri  ssi.  —  4102.  E  ja 
non  aurai  gaug  massem,  Si  davaus  midonx  gauh  no~m  ve  ist  überliefert, 
und  massem  erklärt  der  Herausgeber  mit  supreme  (maximum).  Ein  solches 
Wort  ist  aber  meines  Wissens  nie  gefunden  worden,  und  die  Annahme 
seiner  Existenz  hat  alles  mögliche  gegen  sich.  Man  lese  non  aurai  gaug 
mas  sem  und  übersetze  'ich  werde  keine  (andere)  Freude  haben  als  un- 
vollständige, halbe'.  Vgl.  E  pexara-m  si  non  sentetx  Quom  es  joys  frevo- 
litx  e  sems,  Quan  de  servixi  no  ven  gratx,  Mahn  Ged.  227,  6;  Belege  von 
sem  de  ale.  re  würden  hier  nicht  dienen.  —  4257.  L.  destina,  wozu  lo  neu- 
trales Objekt  ist.  —  4323.  L.  ja  für  a.  —  4505.  L.  motx  i  agues  'dafs  da 
Worte  vorgekommen  wären'.  —  4527.  Von  enuios  der  Hs.  abzugehen,  ist 
kein  Anlafs;  ebensowenig  4542  von  der  Nominativform  colpavols.  —  4549. 
L.  Qu'ieu  non  vi  ane  aissi.  —  4653.  L.  E  totx  bes  plus  mi  plaxeria  mit 
leichter  Anakoluthie.  —  4864.  L.  il.  —  4906.  L.  Ja  nos.  —  4984.  L.  ab 
tan.  —  5177.  L.  es  tornatx.  —  5235.  L.  d'elas  pregar  (vgl.  Mussafia  zu 
6456,  und  Z.  6880,  wo  der  Herausgeber  selbst  von  der  Richtigkeit  dessen 
überzeugt  erscheint,  was  an  den  beiden  anderen  Stellen  erst  gefordert 
werden  mufste).  —  5331  und  5333  ist  sols  nicht  minder  notwendig  als  in 
dem  daz wischenstehenden  Verse.  —  5599.  Hier  scheint  pren  an  die  Stelle 
des  wohl  aus  der  vorhergehenden  Zeile  herübergenommenen  pert  gesetzt 
werden  zu  müssen.  —  5879.  L.  el  l'ac.  —  6243.  Für  prega  ist  perga  zu 
schreiben;  die  Verwünschung  hat  den  gleichen  Sinn  wie  in  531,  1032; 
so  auch  Chabaneau.  —  6265.  Vielleicht  l'adeigna.  —  6363  schreibt  der 
Herausgeber  del  bans,  6729  al  bains;  aber  besser  6728  el[s]  bains.  —  6422. 
Die  nächstliegende  Besserung  des  Textes  scheint  mir  de  nostr'amor;  vgl. 
7068.  —  6771.  a  ist  zu  tilgen.  --  7021.  L.  el  laus.  —  7067.  L.  E  qwl 
und  in  der  folgenden  Zeile  s'amor.  —  7158.  L.  plaxers.  —  7775.  L.  Ques 
ieu.  —  Nach  7849  ist  ein  Punkt,  nach  7851  ein  Fragezeichen  zu  setzen. 
—  8043.  L.  Cel. 

Ein  paar  Bemerkungen  seien  auch  noch  zum  Glossar  gestattet:  Wenn 
antremans  5168  für  eins  mit  entrenant  gehalten  wird,  so  spricht  der  Reim 
eapellans  keinesfalls  für  diese  Ansicht;  afz.  entre  mains  heilst  nicht  allein 


Beurteilungen  uud  kurze  Anzeigen.  467 

'in  Besitz,  in  Gewalt',  sondern  scheint  auch  adverbialer  Ausdruck  der  Zeit, 
so  z.  B.  Renart  3302  (=  Martin  XIV  392).  -  Zu  den  unter  bossi  bei- 
gebrachten Stellen  füge  ich  Quascus  sern  gnaba  e  se-n  ri,  Qieta  lengua  e 
fai  bosci,  Quant  au  dire  als  trobadors  Que  ses  valor  non  es  ricors,  Appel, 
Ined.  5,  2,  22.  —  Das  weibl.  demonstr.  Adjektiv  eil  2675  fehlt  im  Glossar. 
—  Wenn  es  7889  heifst  Las  espaxas  ab  los  elms  coton,  so  kann  letzteres 
Verbum  ebensogut  zu  einem  Infinitiv  eotir  gehören,  den  wir  in  den  Leys 
III  218  finden :  Viratz  . . .  Cavals  ferir  e  trabucar  E  eotir,  wie  zu  einem 
sonst  in  alter  Zeit  unbekannten  cotar.  —  devesar  ist  nach  dem  Texte  in 
desvesar  (7864)  zu  berichtigen.  —  en  dons  220  verdiente  Aufnahme  ins 
Glossar;  ebenso  laissa  27G2.  —  nembrat  (=  membrat)  scheint  mir  wie  das 
afz.  membre,  mit  dem  es  der  Herausgeber  ganz  richtig  für  gleichbedeutend 
hält,  mit  'besonnen,  verständig'  richtiger  übersetzt  als  mit  digne  de  me- 
moire. Die  zahlreichen  Stellen,  wo  man  dem  Worte  in  afz.  und  in  prov. 
Quellen  begegnet,  lassen  meistens  die  eine  und  die  andere  Deutung  zu, 
einige  aber  doch  nur  die  erste.  Das  häufige  ä  la  chiere  membree  oder 
raison  ot  membree,  FCandie  19,  sprechen,  wie  mir  scheint,  für  sie;  noch 
entschiedener  Fulliea  est  volable  E  oisel  entendable  E  cuintes  e  membrex, 
TJmbles  e  atemprex,  Ph.  Thaon  Best.  2751.  —  Dafs  plagesia  für  plageria 
stehe,  ist  mir  zweifelhaft.  Es  ist  doch  ohne  Zweifel  von  plages,  plaides 
abgeleitet,  in  welchem  s  nie  mit  r  wechselt,  und  das  man  bei  Appel,  Chrest., 
belegt  findet,  aufserdem  Mahn,  Ged.  305,  4,  Appel,  Ined.  21,  2,  16,  und 
Guillem  de  Cerv.  (Romania  XV  96)  1007,  bei  Raynouard  unter  playde  IV 
549.  plaideria  ist  dagegen  an  der  einzigen  Stelle,  wo  es  vorzukommen 
schien,  sicher  mit  plaideiaria  zu  vertauschen.  —  Unter  sai  wäre  der 
temporale  Gebrauch  von  de  sai  'seit'  122  der  Erwähnung  wert  gewesen. 
Berlin.  Adolf  Tobler. 

H.  Quayzin,  Au  Seuil  de  la  Litte'rature  et  de  la  Vie  litteraire  . . 
ä  Fusage  des  Ecoles  supeneures,  des  Gymnases,  des  Ecoles 
normales  . .,  Stuttgart,  Bonz  &  Co.,  1902.  XVI,  256  S.  8. 
Französische  Chrestomathien,  auch  solche  für  höhere  und  oberste  Klas- 
sen, haben  immer  noch  Gönner;  es  liegt  auch  auf  der  Hand,  welche  Vor- 
züge dem  Studium  kürzerer  und  recht  mannigfaltiger  Lesestücke,  gegen- 
über oder  doch  neben  demjenigen  von  sogenanntem  'Ganzem',  eigen  sind. 
Das  Buch,  das  Herr  Quayzin  seinen  Premiers  Essais  und  seinen  Premieres 
Lectures  unter  vorstehendem  Titel  hat  folgen  lassen,  enthält  eine  grofse 
Zahl  geschickt  ausgewählter  Prosastücke,  die  wohl  nur  zum  allerkleinsten 
Teile  den  Zwecken  des  Unterrichts  bereits  dienstbar  gemacht  waren,1  sol- 
cher Verwendung  aber  fast  alle  durchaus  wert  sind.  Ausnehmen  möchte 
ich  hiervon,  sei  es  als  überhaupt  unwürdig,  strebender  Jugend  vorgeführt 
zu  werden,  sei  es  als  wenig  geeignet,  sie  anzusprechen,  etwa  die  Nummern 
52,  53,  54,  64,  85,  92,  112,  117,  120,  122,  140,  wobei  mir  ganz  gleichgültig 
ist,  ob  die  Ausweisung  Lamartine,  Vinet,  Verlaine  trifft  oder  einen  meiner 

1  Von   den  dazwischen   gestreuten  uud  den  im  Anbang  zusammengestellten  Ge- 
dichten gilt  das  gleiche  nicht. 

30* 


468  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

romanischen  Landsleute,  die  in  den  waadtländer  Mädchenpensionaten  in 
Ehren  stehen,  oder  einen  gänzlich  Unbekannten.  Ein  Gebrechen  der  Samm- 
lung liegt  darin,  dafs  manche  der  Stücke,  die  sie  enthält,  aus  dem  Zu- 
sammenhang gelöst,  in  dem  sie  ursprünglich  standen,  nicht  voll  verständ- 
lich oder  auch  ganz  ungeniefsbar  werden.  Sehr  oft  wäre  es  möglich,  mit 
ein  paar  Zeilen  das  Erforderliche  zu  geben;  aber  auch  der  Lehrer  wird 
nicht  immer  das  Buch  kennen  und  noch  seltener  es  zur  Hand  haben,  aus 
dem  die  nötige  Aufklärung  zu  holen  wäre.  Es  gilt  dies  z.  B.  von  den 
Nummern  20,  22,  32,  43,  99,  100.  Auch  sonst  wären  hie  und  da  An- 
merkungen nützlich  gewesen,  die  vielleicht  selbst  der  eine  oder  der  andere 
Lehrer  vermissen  wird,  S.  41  über  Joseph  Prudhomme,  S.  42  über  das 
Buch  des  Herrn  Bodley,  S.  37  über  die  gesungenen  Beminiszenzen 
aus  Cinq-Mars,  S.  86  über  die  Bibelstelle,  die  Bossuet  zum  Texte  dient, 
und  so  öfter. 

Zweierlei  aber  wird  mir  besonders  schwer,  dem  Verfasser  zu  verzeihen : 
Die  unglaubliche  Fahrlässigkeit,  mit  der  er  die  Korrektur  des  Druckes 
vollzogen,  und  die  nicht  geringere,  womit  er  das  den  Schlufs  des  Buches 
bildende  Wörterverzeichnis  zusammengestellt  hat.  Verschuldet  die  erste 
eine  Menge  zu  kurzer  oder  zu  langer  Verse,  Unverständlichkeiten  durch 
falsche  Interpunktion,  Entstellungen  von  Eigennamen  wie  Nataud,  Lichten- 
berg statt  Lichtenberger,  Vinnet  statt  Viennet,  andere  Fehler  wie  oe  für  oe- 
oder  oe,  für  oe,  Jambes  de  Barbier  statt  Iambes  usw.,  so  bewirkt  die  andere, 
dafs  der  Schüler  jeden  Augenblick  von  seinem  Glossar  im  Stiche  gelassen 
oder  auch  irre  geführt  wird.  Dafs  fin  'Ende,  Absicht'  heifse,  bleibt  ihm 
zwar  nicht  vorenthalten;  über  fin  de  nonrecevoir  aber  sagt  man  ihm  nichts. 
tour  f.  heifst  'Turm,  Gang.  Spaziergang',  was  schon  eine  Belehrung  von 
zweifelhaftem  Werte  ist ;  von  tour  ä  tour  ist  keine  Rede.  Findet  der  Leser 
S.  54  son  teint  est  ambre  de  colorations  chaudes,  so  sagt  das  Vokabular 
dazu:  ambrer  'mit  Amber  räuchern',  attrait  heifst  'Neigung'.  Über  bois 
de  renne,  bobo,  holte,  tout  de  hon  hört  man  nichts,  cloisonner  heifst  'ver- 
schlagen' in  emaux  cloisonnes  d'or.  S.  42  kommt  depouiller  des  scrutins 
vor;  hinten  erfährt  man  nur,  dafs  das  Verbum  'plündern,  berauben'  heifse. 
S.  178  liest  man  le  rat  n'eut  garde  d' aller  voir;  das  Vokabular  lehrt  avoir 
garde  de  'sich  hüten'.  S.  163  de  pair  ä  compagnon,  Vokabular:  pair 
'Standesherr'.  Man  hört  wohl  sagen,  Reden  sei  Silber,  Schweigen  Gold; 
aber  wie  soll  man  hier  Reden  und  Schweigen  bewerten?  Ein  Lehrer  wird 
sich  schwer  dazu  verstehen,  zu  seinem  Gehilfen  im  Unterricht  ein  Buch  zu 
nehmen,  das  dem  Schüler  so  wenig  das  Beispiel  gewissenhafter  Sorgfalt  gibt. 

Berlin.  Adolf  Tobler. 

Kristian  von  Troyes,  Clig£s.  Textausgabe  mit  Einleitung,  An- 
merkungen und  Glossar  hrsg.  von  W.  Foerster.  Zweite, 
umgearbeitete  und  vermehrte  Auflage.  Halle  a.  S.,  M.  Nie- 
meyer, 1901.   XLV,  231  S.  8.  (Romanische  Bibliothek  Bd.  1.) 

Die  neue  Ausgabe  des  Clige^stextes  bedeutet  gegen  ihre  Vorgängerin 
in   jeder   Beziehung   einen   Fortschritt:    Der  Text  hat   an    nicht   wenigen 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  L69 

Stellen  gewonnen,  die  literargeschichtliche  Einleitung  erscheint  in  mehr  als 
verdoppeltem  Umfange,  das  Glossar  verrät  die  bessernde  Hand,  und  mit 
Freude  begrüfst  man  eine  Reihe  von  Anmerkungen,  die  den  Text  in  seiner 
jetzigen  Gestalt  rechtfertigen.  Ich  gebe  im  folgenden  einige  Bemerkungen 
zu  dem  Texte,  der  bei  der  mangelhaften  Überlieferung  trotz  sorgfältiger 
Durchsicht  natürlich  noch  immer  an  der  einen  oder  anderen  Stelle  der 
Verbesserung  fähig  bleibt. 

V.  36.  Worauf  soll  sich  ele  beziehen?  Man  mufs  doch  annehmen, 
dafs  der  in  V.  36 — 39  ausgedrückte  Wunsch  sowohl  auf  die  clergie  als  auf 
die  chemlerie  Bezug  habe.  Das  scheint  mir  nur  möglich,  wenn  man  hinter 
n'isse  (V.  38)  statt  des  Punktes  ein  Komma  setzt  und  V.  41  L'enors  qui 
s'i  est  arestee  als  nachträgliche  Erläuterung  des  ele  in  V.  36  auffafst.  Die 
clergie  und  die  chevalerie  bilden  gemeinsam  die  enor  Frankreichs.  —  V.  314 
ist  me%  verdruckt  für  mes.  —  V.  192  f.  lauten:  Et  puis  qu'il  ne  m'aimme 
ne  prise,  Amerai  le  je,  s'ü  ne  m'aimme'?  Es  geht  kaum  au,  dafs  zu  dem 
Hauptsatze  Amerai  le  je  zweimal  inhaltlich  und  fast  wörtlich  dasselbe  als 
Nebensatz  gesellt  wird.  Man  wird  auch  hinter  Amerai  le  je  ein  Frage- 
zeichen zu  setzen  haben.  »S"*7  ne  m'aimme  ?  ist  dann  eine  entrüstete  noch- 
malige Infragestellung  des  Vorangehenden.  —  V.  520  ist  avoiier  verdruckt 
für  anvoiier.  —  V.  510  de  quoi  eil  se  diaut  ist  deswegen  auffällig,  weil 
bisher  von  einem  doloir  des  Alixandre  nicht  die  Rede  war,  sondern  nur 
von  dem  der  Soredamors  (V.  510).  So  ist  denn  auch  in  S  diese  Subjekt 
zu  se  diaut,  und  man  wird  gut  tun,  (mit  S)  zu  lesen:  Ales  cele  ne  set  que 
il  viaut  Ice  de  quoi  ele  se  diaut.  —  V.  702  Das  ?  hinter  comant  wird  zu 
streichen  und  hinter  quassex,  (V.  704)  zu  setzen  sein.  —  V.  716  ff.  scheint 
mir  eine  Frage  nicht  am  Platze.  Was  in  Frage  gestellt  wäre,  würde  — 
wie  es  doch,  da  die  Frage  negiert  ist,  der  Fall  sein  müfste  —  in  keinerlei 
Gegensatz  zu  dem  unmittelbar  vorher  Ausgeführten  stehen.  Man  wird 
besser  —  mit  geringfügiger  Änderung  —  A  folgen  und  lesen :  Done  (A:  don) 
est  li  cuers  el  rentre  mis.  Eine  Folgerung  ist  (an  Stelle  der  negierten  Frage) 
wohl  angebracht.  —  Hinter  1268  setze  Komma.  —  V.  1724  ist  d'armes  für 
d' armer  verdruckt.  —  V.  1930  lies  mit  S:  li  uns  desor  l'autre  s'äire.  — 
V.  2490  ist  seisons  wohl  verdruckt  für  reisons,  wie  die  beiden  früheren 
Texte  (ohne  Variante)  lesen.  —  Hinter  V.  2527  mufs  ein  Punkt  stehen.  — 
V.  2537  lies  (mit  M  B  C  T  R) :  Ainx  li  dient  qu'il  li  sovaingne  De  la  guerre 
qu' Ethiocles  Prist  ancontre  Polinices;  denn  in  dem  Streit  zwischen  Alixandre 
und  Alis  spielt  letzterer  doch  die  Rolle  des  Eteokles,  der  'den  Streit  begann' 
(prist  la  guerre).  —  V.  2615  lies  mit  S:  Et  se  leus  vient  (wenn  die  Gelegen- 
heit sich  bietet).  —  Mit  V.  2827  f.  gestehe  ich  nichts  anfangen  zu  können. 
Der  Dichter  sagt  (2826),  es  sei  durchaus  unmöglich,  dafs  in  einem  Leibe  zwei 
Herzen  vereinigt  wären,  und  fährt  fort:  'Und  wenn  sie  zusammenkommen 
könnten  (d.  h.  doch:  wenn  es  gleichwohl  physisch  möglich  wäre,  was  so- 
eben für  unmöglich  erklärt  wurde),  so  könnte  es  nicht  wahr  (Wahrheit) 
scheinen.'  Das  verstehe  ich  nicht.  Sicher  ist,  dafs  die  beiden  Verse  ohne 
jeden  Schaden  fehlen  könnten,  und  so  gut  man  dem  Zeugnis  aller  Hss. 
entgegen  an  einigen  Stellen  gezwungen  ist,  eine  Lücke  im  Texte  des  Cligös 
anzunehmen,  würde  man  auch  wohl  umgekehrt  berechtigt  sein,  Verse  für 


470  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

unecht  zu  halten,  obschon  sie  in  allen  Hss.  überliefert  sind.  —  Hinter 
V.  2826  würde  eine  stärkere  Interpunktion  angebracht  sein.  —  Dafs 
V.  3085  mitten  in  der  Rede  der  Fenice  ein  neuer  Abschnitt  einsetzt, 
ist  ein  offenbares  Versehen.  —  V.  3335  (Si  come  il  dut  ai  je  manti)  ist 
auf  Mussafias  Einspruch  das  Fragezeichen  hinter  dut  getilgt;  ich  würde 
auch  an  seiner  Stelle  kein  Komma  setzen,  sondern  lediglich  die  Worte  Si 
come  il  dut  mit  Anführungsstrichen  versehen ;  denn  die  Anmerkung  zu  der 
Stelle  ist  im  Irrtum,  wenn  sie  meint,  es  handle  sich  bei  ai  je  manti  um 
die  Inversion  des  Subjektes  im  Nachsatz  eines  Bedingungssatzes.  lSi  come 
il  du?  ist  regelrechtes  Objekt  und  veranlafst  als  solches,  an  der  Spitze 
des  Satzes  stehend,  die  Inversion  von  je.  —  Hinter  V.  3505  mufs  ein 
Punkt  oder  mindestens  Semikolon  stehen.  —  Die  Verse  3517 — 22  würde 
ich  in  Gedankenstriche  einschliefsen.  —  Hinter  3612  stände  statt  eines 
Punktes  besser  ein  Kolon,  da  361:5  die  Begründung  des  Vorhergehenden 
enthält.  —  V.  3807—08:  Les  Sesnes  a  travailliex  tant  Que  tox  les  a  morx 
et  ocis,  (Jaus  afolex  et  c-aus  conquis.  Die  Reimwörter  sind  mit  AMBCT 
zu  vertauschen.  —  Den  Vers  3844  wird  man  besser  nicht  zu  dem  Voran- 
gehenden ziehen.  Es  geht  nicht  an  zu  fragen:  'Was  wartet  und  zögert 
der,  welcher  ...  nur  ihr  gegenüber  feig  ist?'  Zu  der  Frage  eil  qu'atant  et 
por  quoi  tarde  pafst  als  Relativsatz  nur  3843 :  qui  por  li  est  par  tot  hardix. 
Hinter  hardix  ist  also  ein  Fragezeichen  zu  setzen  und  V.  3841  als  selb- 
ständige neue  Frage  oder  vielmehr  fragend  verwunderter  Ausruf  aufzu- 
fassen, indem  man  entweder  mit  A  S'est  vers  li  sole  acoardix?  oder  mit  ge- 
ringfügiger Änderung  S  folgend:  Et  ei  tox  est  acoardix?  liest.  — V.  3992 — 93 
verstehe  ich  so :  Denn,  handelte  es  sich  einzig  um  Befehlen  (d.  h.  hätte  ich 
nur  zu  befehlen,  ob  du  den  Kampf  mit  dem  Herzog  unternehmen  sollst 
oder  nicht),  so  würde  es  geschehen  (d.  h.  so  würde  ich  dir  deine  Bitte  ab- 
schlagen). So  dafs  denn  die  Worte  solemant  por  comander  zweckmäfsig  in 
Kommata  eingeschlossen  würden.  — V.3997  würde  ich  hinter  que  ein  Komma 
setzen.  —  V.  4000  würde  ich  statt  queisse  lieber  mit  der  Mehrzahl  der  Hss. 
meisse  lesen.  Denn  davon  kann  ja  keine  Rede  sein,  dafs  Clig6s  seinen 
Oheim,  der  überhaupt  nicht  wünscht,  dafs  er  den  Kampf  unternehme, 
geschweige  denn  sofort  es  tue,  um  Aufschub  bittet.  Wohl  aber  kann  Cliges 
seiner  entschiedenen  Willenserklärung  die  Worte  hinzufügen:  'Auch  weifs 
ich  nicht,  warum  ich  damit  noch  lange  zögern  sollte',  vos  wäre  dat. 
ethicus,  der  der  Rede  einen  wohl  angebrachten  Anstrich  von  Keckheit  gibt. 

—  V.  4030  würde  ich  lieber  mit  S  tint  oder  mit  P  B  C  T  R  prent  statt 
mit  A  pant  lesen,  da  doch  der  Schild  nicht  an  den  enarmes  um  den  Hals 
gehängt  wurde.  —  V.  4450  ist  zu  interpungieren :  Assex  i  poi  sanblanx 
veoir  D'amor.  —  Se  je  neant  an  sai?  (Ob  ich  wohl  etwas  davon  verstehe?) 
Öil:  tant  que  mar  le  pansai.  —  V.  4651  ist  de  rans  verdruckt  für  des  rans. 

—  V.  4661  ist  zu  interpungieren:  Cest  il?  —  Voire,  sans  nule  dote.  — 
V.  4767  würde  ich  die  Lesart  von  S  vorziehen,  da  gar  kein  Grund  vor- 
liegt, den  Namen  Lancelots,  der  eben  genannt  ist  und  Subjekt  war,  wie 
er  es  auch  für  4767  bleibt,  zu  wiederholen.  —  Das  Komma  hinter  croit 
(5141)  ist  besser  zu  streichen.  —  Hinter  5175  setze  man  Doppelpunkt,  die 
beiden    folgenden   Verse  (5176 — 77)   schliefse  man  in   Parenthese  ein.   — 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  171 

Hinter  r>209  würde  ich  ein  Fragezeichen  setzen.  —  V.  5231  scheint  mir 
si  con  vos  dites,  obgleich  in  allen  Hss.  überliefert,  nicht  haltbar,  da  Fenice 
das  diesen  Worten  Vorangehende  nicht  geäufsert  hat.  Man  wird  lesen 
müssen:  s'est  con  vos  dites.  —  Hinter  V.  5075  mufs  Punkt  stehen,  s.  Tobler, 
Berliner  Sitzungsberichte  1901,  I,  '249  Anm.  —  Hinter  V.  5733  mufs  min- 
destens ein  Komma  stehen.  —  V.  5800  f.  lauten:  Or  se  deust  Deus  correeier 
Et  giter  fors  de  ta  baillie.  Foerster  vermifst  mit  Recht  in  diesen  an  den 
Tod  gerichteten  Worten  das  Objekt  zu  giter  und  nimmt  deshalb  eine  Lücke 
an.  Einfacher  ist,  man  liest:  Or  te  deust  Deus  corr.  Für  correeier  aucun 
'Jemandem  grollen'  vgl.  z.  B.  Marque  05  c  1 :  se  ge  savoie  que  vos  por  ce 
le  feissiex  ne  vos  ne  nus  des  autres,  n'i  a  nul,  tant  soit  nies  amis,  que  ge  ne 
le  corocasse  tot.  —  Die  Verse  5903—60,  die  in  A  fehlen,  sehen  in  der  Tat 
verdächtig  aus.  Es  ist  nicht  glaublich,  dafs  die  Arzte  die  Fenice  erst 
schlagen  (5903)  und  sie  kurz  darauf  ermahnen:  N'aiiex  mie  de  nos  peorf  — 
Wenige  Zeilen  später  scheint  mir  A  wieder  im  Recht,  wenn  es  (5979)  den 
Hauptsatz  zu  Mes  se  nus  vos  a  correcie  (5977)  statt  Vostre  folie  descovrex 
lauten  läfst:  Vostre  pleisir  nos  descovrex.  —  V.  6124  ist  les  statt  le  ge- 
druckt. —  V.  6180  . .  clos  estoit  . .  li  cemetires  de  haut  mur,  S'i  cuidoient  estre 
a  seur  Li  Chevalier  qui  se  dormoient  Et  la  porte  fermee  avoient  Par  dedanx, 
que  nus  n'i  antrast.  Es  ist  nicht  ersichtlich,  ob  et  la  porte  fermee  avoient 
noch  zu  dem  Relativsatz  gehören  oder  zu  cuidoient  estre  a  seur  koordiniert 
sein  soll.  Das  erstere  scheint  mir  nahezu  unmöglich:  'Die  Ritter,  welche 
schliefen  und  die  Türe  geschlossen  hatten'  geht  doch  wohl  nicht  an.  Aber 
auch  die  zweite  Möglichkeit,  die  dadurch  angedeutet  werden  müfste,  dafs 
qui  se  dormoient  in  Kommata  eingeschlossen  würde,  scheint  mir  das  Rich- 
tige nicht,  da  das  Verschliefsen  der  Tür  doch  im  Kausal  Verhältnis  zu 
dem  Sicherheitsgefuhl  der  Ritter  steht,  was  nicht  zum  Ausdruck  kommt. 
Man  erwartet:  Que  la  porte  fermee  avoient.  Nun  bietet  S  qui,  das  aber  in 
dieser  Hs.  häufig  mit  que  verwechselt  wird;  z.  B.  5908  die  Konjunktion: 
Et  l'emperere  dit  au  mire  Qui  or  li  loist  comander;  6193:  Au  mur  seprant 
et  monte  a  mont  Qui  (die  übrigen  Hss.  car)  mout  estoit  forx  et  legiers,  so 
auch  774  hat  S  qui,  alle  übrigen  Hss.  car,  1108  lesen  die  meisten  Hss. 
car,  C  T  que,  S  qui  etc.  Auch  umgekehrt  schreibt  S  statt  qui  —  que :  812 
(für  qui  =  'si  Von'),  889  (Lors  a  an  son  euer  remire  Que  eil  estoit),  767, 
4543  etc.  Entsprechend  se  für  si  (5246)  und  si  für  se  (735)  etc.  Vgl.  die  An- 
merkung S.  391  zu  den  von  mir  herausgegebenen  Predigten  des  H.  Bern- 
hard I  §  6.  Man  wird  demnach  V.  6180  in  der  Tat  statt  et  —  que  ein- 
führen dürfen.  —  V.  6238  ff.  Es  ist  sehr  auffällig,  dafs  Clig£s  den  Tod 
nur  deshalb  'garstig'  schilt,  weil  er  das  Gemeine,  Verachtete  am  Leben 
lasse,  nicht  aber  —  was  doch  die  Hauptsache  für  Clig6*s  ist  —  deshalb,  weil 
er  das  Edelste,  Beste,  Fenice  nämlich,  ihm  entrissen !  Ich  finde  dafür 
keine  andere  Erklärung  als  die,  dafs  hinter  6238  eine  Lücke  vorliegt.  — 
Hinter  0500  darf  kein  Semikolon  stehen,  da  ce  (V.  0563)  erst  durch  V.  6567 
seinen  Inhalt  erhält:  ce  (que  bien  sai  que  morir  m'estuet)  me  done  harde- 
mant.  —  Hinter  0014  ist  das  Komma  zu  streichen,  während  hinter  6625, 
6639  und  6679  (hinter  fame)  eins  fehlt. 

Im   Glossar  wird  delivrance  wohl  mit  Bezug   auf  V.   1432   (Qu'autre 


472  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

delivranee  n'i  voi)  mit  'Ausweg'  übersetzt,  was  dort  anscheinend  recht  gut 
pafst.  Gleichwohl  heifst  es  wie  sonst  'Befreiung',  nur  liegt  der  eigentüm- 
liche Gebrauch  von  autre  vor,  von  dem  Tobler  V.  B.  III  73  handelt.  — 
V.  1901  heifst  eharmer  nicht  'zurichten',  sondern  wirklich  'verzaubern'; 
statt  zu  sagen:  sie  haben  von  den  acht  Rittern  im  Kampfe  drei  erschlagen, 
sagt  der  Dichter  scherzend:  sie  haben  die  acht  Ritter  so  verzaubert,  dafs 
sie  nur  fünf  übrig  liefsen.  —  an  pardons  wird  im  Glossar  'vergeblich' 
übersetzt,  eine  Bedeutung,  die  es  zweifellos  oft  hat,  die  aber  an  den  beiden 
Stellen,  wo  es  mir  im  Cliges  begegnet  ist,  gerade  nicht  pafst.  Es  steht 
1)  V.  4468:  Por  quoi  ploroit  il  dons?  —  Por  quoi?  Ne  fu  mie  an  pardons, 
Qu'assez  i  ot  reison  por  quoi.  —  2)  V.  5320 :  De  vostre  onele  qui  crerroit 
dons  (sagt  Fenice  zu  Cliges)  que  li  fusse  si  an  pardons  Pucele  estorse  et 
esehapee?  Für  beide  Stellen  liegt  diejenige  Bedeutung  zu  Grunde,  die 
em  pardons  verschiedene  Male  in  oben  citierten  Predigten  des  H.  Bern- 
hard hat,"  wo  es  zur  Wiedergabe  von  lat.  gratis  dient,  so  z.  B.  16,  8: 
A  darriens  doies  croire,  ke  tu  la  vie  permenant  ne  poies  aquester  per  nule 
tele  desserte,  s'en  ne  la  te  donet  tot  en  pardons  (nisi  gratis  tibi  detur) 
oder  44,  30 :  por  ceu  lor  comandet  om  a  doner  em  pardons  ceu  qu'il  em 
pardons  unt  reeeut  (quae  acceperunt  gratis,  gratis  nihilo  minus  dare 
jubentur);  118,  46.  Godefroy  gibt  weitere  ähnliche  Beispiele.  'Umsonst, 
um  nichts'  wäre  hier  und  auch  an  jenen  beiden  Cligesstellen  eine  an- 
gemessene Wiedergabe  von  em  pardons.  Lat.  gratis,  'umsonst'  'um  nichts' 
und  so  auch  an  pardons  besagen  nun  aber,  je  nachdem  das  Subjekt  sich 
gebend  oder  empfangend  verhält,  notwendig  zweierlei:  1)  ohne  Bezahlung 
zu  erhalten,  2)  ohne  Bezahlung  zu  leisten,  und  diesen  verschiedenen 
Standpunkt  des  Subjektes  kann  man  denn  auch  gleich  in  der  Übersetzung 
von  an  pardons  zum  Ausdruck  bringen:  was  man  leistet,  ohne  Entgelt 
dafür  zu  erhalten,  kann  nicht  gefordert  werden,  es  geschieht  'ohne  Not'; 
was  man  annimmt,  ohne  Entgelt  zu  bieten,  fliefst  einem  'unverdienter- 
mafsen'  zu.  Im  ersteren  Falle  befindet  sich  Cliges  V.  4-168,  sein  Weinen 
ist  gewissermafsen  das  Entgelt  für  die  Trennung  von  der  Geliebten,  es 
geschieht  nicht  'ohne  Not' ;  im  letzteren  Fenice  V.  5320,  die  als  Vermählte 
sich  im  'unverdienten'  Besitze  ihrer  Jungfräulichkeit  befindet.  —  dessevelir 
kann  V.  6620  nicht  'aus  dem  Grab,  Sarg  herausnehmen'  heifsen,  wie  das 
Glossar  lehrt.  Darüber  läfst  der  Zusammenhang  keinen  Zweifel:  Cliges 
hat  seine  Geliebte  aus  der  Gruft  geholt  und  trägt  sie  davon  si  l'acole  et 
beise  et  anbrace,  während  Jehan  den  Sarkophag,  in  dem  sie  gelegen,  sorg- 
fältig wieder  schliefst.  Nachdem  Fenice  in  den  Turm  gebracht  ist,  heifst 
es:  Adone  la  dessevelissoient,  also  offenbar:  'da  wickelten  sie  sie  aus  den 
Leichentüchern'.  Ich  finde  zwar  bei  Godefroy  keine  weitere  Stütze  für 
diese  Bedeutung,  noch  habe  ich  selbst  eine  vorzubringen ;  da  aber  ensevelir 
zweifellos  im  Cligiis  selbst  (V.  6070)  und  in  einer  von  Godefroy  beigebrachten 
Stelle  (D'un  drap  de  seie  d' Almarie  Fu  la  meschine  ensevelie)  'zum  Zwecke 
des  Begräbnisses  in  Tücher  wickeln'  bedeutet,  so  steht  die  Berechtigung 
jener  Übersetzung  für  dessevelir  aufser  Frage. 

Marburg  a.  L.  Alfred  Schulze. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  17:; 

Methode  Toussaint-Langenscheidt.  Brieflicher  Sprach-  und  Sprech- 
unterricht für  das  Selbststudium  der  spanischen  Sprache  von 
Dr.  S.  Gräfenberg. 

Dicen  que  es  un  m£todo  excelente  el  de  estas  cölebres  cartas  para 
aprender  un  idioma;  y  en  efecto,  conozco  ä  alguien  que  esta  ä  ellas  muy 
agradecido,  al  menos  en  cuanto  ä  las  francesas. 

Si  serä  bueno  el  m^todo  aqui,  donde  se  goza  de  una  constancia  y 
una  paciencia  que  envidiamos  los  meridionales ;  aqui  donde  hacen  bueno 
el  refrän  de  'con  paciencia  y  sin  fatiga,  a  un  elefante  se  trago  una  hor- 
miga'.  Yo  aseguro  que  en  mi  pais  un  editor  de  este  genero  se  arruinaba 
completamente.  Esperemos  que  el  Sr.  Langenscheidt  obtenga  un  exito 
con  esta  concienzuda  obra.    Y  ahora,  vamos  ä  ocuparnos  de  ella. 

Agradezcamos  ante  todo  al  autor  laborioso  el  deseo  de  que  Espafta 
vuelva  a  adquirir  su  iniportancia  de  un  tiempo.  Pero  en  ninguna  parte 
se  ecba  de  ver  signo  alguno  de  regeneraciön  patria.  Lo  ünico  sano,  el 
pueblo,  vegeta  bajo  el  poder  clerical  y  la  indiferencia  de  los  gobiernos, 
que  ni  siquiera  cuidan  de  su  instrucciön ;  y  la  ensefianza  sigue  monopoli- 
zada  en  la  mayor  y  mejor  parte  de  la  peuinsula  por  los  jesuitas,  unas 
atroces  calamidades  como  instructores  y  educadores,  unos  pulpos  chupa- 
dores  que  esterilizan  el  vigor  intelectual. 

Que  despuös  del  latin  sea  el  ärabe  el  idioma  del  cual  proceden  mäs 
vocablos,  siendo  asi  que  este  adoptö  muchisimos  del  otro,  no  lo  admitira 
quien  haya  estudiado  algo  el  lexico  espanol;  la  lengua  que  ha  influido 
mäs,  despues  de  la  latin a,  es  el  frances. 

No  habia  necesidad  de  aconsejar  ä  sus  paisanos  que  sean  atrevidos 
para  chapurrar  el  castellano  cuando  les  depara  la  providencia  un  espanol, 
que  serä,  de  higos  ä  brevas.  Precisamente  bay  mucbo  fatuo  indocto  que, 
sabiendo  mil  veces  menos  la  lengua  extrana  que  el  extranjero  el  alemän, 
se  bace  insoportable  por  su  inmodestia  y  obliga  al  forastero  a  dejarle  con 
la  palabra  en  la  boca.  En  eso,  como  en  toda  relaciön  con  gentes,  lo  que 
se  necesita  es  mucho  tacto,  y  evitar  meterse  en  libros  de  caballerias  sin 
suficientes  armas  ni  preparaciön  necesaria.  Justamente  esta  la  falta  de 
conocimientos  de  los  que  'se  lanzan'  ä  hablar  chapurrado  con  el  extranjero 
en  razön  directa  con  su  descaro;  por  algo  dicen  que  'la  ignorancia  es 
atrevida'. 

Respecto  ä  la  pronunciaciön,  no  estoy  conforme  con  el  autor  en 
mucbos  puntos.  Por  abora,  niego  rotundamente  que  la  eh  de  Munich  se 
pronuncie  boy  k  Antes,  es  posible.  Ahora,  jamäs  se  lo  be  oido  ä  los 
espanoles  que  acä  vienen,  ni  ä  aquellos  con  quienes  be  estado  alli.  Niego 
tainbien  que  la  ch  sea  igual  ä  tsch;  yo  lo  dije  en  un  extracto  de  gramä- 
tica,  en  que  no  puede  uno  meterse  en  dibujos  fon^ticos ;  pero  iue"  baciendo 
una  salvedad  en  el  prologo.  Niego  que  se  diga  en  Espana  Kilogramo, 
por  mäs  que  se  empene  la  Academia.  Niego  que  reuma  se  pronuncie  en 
dos  silabas,  ä  no  ser  en  boca  del  vulgo  iletrado  (con  permiso  de  la  Aca- 
demia).   Niego  que  la  d  final  se  pronuncie,  ä  no  ser  por  algun  tipo  cursi 


474  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

de  los  de  Taboada,  que  dicen  v.  gr.  debilidax;  asi  como  la  de  ado,  a  no 
ser  por  algün  lechuguino  afecta-do  que  nada  haya  estudia-do,  y  por  tanto 
no  sepa  que  la  misma  Academia,  con  ser  ultraconservadora,  recomendö 
hace  ya  afios  se  adoptara  el  uso  corriente  de  pronunciar  ao,  como  pro- 
nuncian  los  alemanes  que  han  vivido  afios  en  Espana  y  han  rozado  con 
la  gente  mäs  conocida  e"  ilustrada.  AI  autor  le  puedo  presentar  en 
Berlin  uno  de  esos  sefiores.  Dejese  de  asesores  academizantes  que  no 
conocen  el  espafiol  ni  por  el  forro.  Y  en  cuanto  ä  lecturas  modernas, 
dicho  sea  de  paso,  haga  en  la  segunda  ediciön  una  diferencia  grandisima 
entre  Valera  y  Galdös,  prefiriendo  ä  este  por  lo  que  toca  al  lenguaje 
vivo,  corriente,  sin  atildamientos  ni  tiquismiquis  estilisticos ;  esa  es  mo- 
neda  falsa,  que  no  circula  mäs  que  entre  media  docena  de  gatos  . .  madri- 
lenos.  Por  supuesto,  en  la  escena  se  pronuncia  ado.  Aqui  tambien,  como 
en  todos  los  paises,  la  literatura  teatral  hace  el  papel  conservador  acad£- 
mico.    En  la  lectura,  tambien  se  dice  ado. 

Tampoco  es  cierto  que  no  tengamos  el  sonido  au  doble  de  Haus,  v.  gr. 
I  No  pronunciamos  asi  en  austero,  traumätico,  traumatismo,  balaustre, 
aunque,  etc.?  Todo  lo  mäs,  habrä  una  pequefiisima  diferencia  fon^tica; 
pero  admitiendo  que  ch  sea  igual  ä  tsch,  no  merece  la  pena  citarla.  El 
mismo  autor  dice:  'auf  all  die  feinen  Unterschiede  einzugehen,  ist  für  un- 
sere Zwecke  nicht  nötig.'  Estamos  conformes,  en  esto,  y  en  no  meterse 
en  lios  foneticos  sobre  la  pronunciaciön  de  la  e.  Eso  se  queda  para  el 
escudrifiador  Araujo,  que  en  la  revista  de  Vietor  diö  ä  luz  un  ciento  y 
la  madre  de  pronunciaciones  distintas,  ä  cuäl  mäs  curiosas,  que  yo  jamäs 
en  mi  pecadora  vida  he  oido  en  mi  pais. 

Vuelvo  ä  no  estar  de  acuerdo  respecto  ä  muchas  interpretaciones  de 
vocablos,  v.  gr.  huerta  Garten,  adseribirse  por  alistarse,  conscrito  por 
quinto,  conscripcion  por  quinta,  car gante  beschwerlich,  natura  (podtico,  lo 
cual  olvida  la  Academia)  por  naturalexa,  oidor  por  oyente,  lonja  (dialectico 
ya  hoy)  por  bolsa,  nao  por  nave.  Cartapaeio  no  es  hoy  dia  Schreibheft, 
llamado  sencillamente  cuaderno,  sino  que  significa  grofses  Couvert,  acep- 
ciön  que  no  trae  la  Academia,  y  se  16e  en  'PequeBeces'.  Cargaxon  por 
eargamento  es  un  desatino  acade"mico.  Bou  no  es  Fischerboot,  sino  un 
procedimiento  especial  de  pesca.  Cuan,  sin  acento,  no  significa  wie  sehr; 
esto  es  cuan.  Como  el  autor  dice  Nichts  Falsches  angewöhnen,  yo  no 
traduciria  Koffer  por  cofre  (22),  mueble  llamado  ä  desaparecer,  sino  baut 
(1?.),  6  mundo,  y  asi  se  evitaria  que  ä  los  espafioles,  en  Alemania,  les 
hablasen  de  'eofres  que  facturar',  fräse  que  les  deja  con  palmo  y  medio 
de  boca  abierta.  La  acepciön  principal  de  cuita  es  hoy  Kummer,  no 
Mühseligkeit. 

En  cuanto  ä  la  pronunciaciön  y  escritura  de  los  diptongos,  nos  encon- 
tramos  hoy  en  una  situaciön  nada  halagüena.  En  este  punto,  la  Aca- 
demia hace  mangas  y  capirotes  con  los  acentos  escritos  y  la  acentuaciön, 
de  modo  que  los  infelices  autores  de  gramäticas  y  diccionarios,  ademäs 
de  maestros,  nos  vemos  y  nos  deseamos  para  desembrollar  el  lio  orto- 
gräfico.     Los  simples  mortales  pronunciamos,  v.  gr.  boi-na,  je-sui-ta,  etc. 


Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen.  175 

Pero  los  acadömicos  se  empenan  en  acentuar  y  pronunciar  bo-i-na,  je-su-i-ta, 
contra  el  uso  corriente  y  la  escritura  periodistica,  eso  que  cuanto  mäs 
ignorante  sea  un  periodista  con  mäs  afän  se  agarra  ä  la  escritura  pedan- 
tesca,  ä  esas  nimiedades  que  vienen  de  arriba,  del  olimpo  de  los  inmor- 
tales.  Como  sobre  ascuas  ha  pasado  el  autor  sobre  esa  marana,  y  ha 
hecho  muy  bien. 

No  hay  trazas  de  que  se  convenzan  al  fin  los  fonetistas  alemanes 
de  la  pronunciaciön  igual  de  b  y  v.  Los  que  hemos  estudiado  con  tra- 
bajo  en  el  extranjero  a  pronunciar  la  v  labiodental,  creo  tenemos  derecho 
ä  afirmar  que  no  hay  tal  en  castellano.  En  prueba  de  ello,  suelo  referir 
lo  que  un  alumno  mio  franc^s  escucho  de  su  recomendado  al  llegar  ä 
Espafia:  'vous  serez  ici  ä  merveille,  vous  allez  demeurer  chez  un  batuf. 
Calcülese  el  asombro  del  joven  ä  quien  le  iban  ä  instalar  en  una  cuadra. 
Luego  resultö  que  el  buey  era  viudo,  digo  viuda  (veuve). 

Lo  de  'dank  den  Bemühungen  der  spanischen  Akademie  um  die  Ver- 
einfachung der  Rechtschreibung'  en  voces  que  llevan  consonantes  mudas, 
6  ha  entendido  mal  el  autor,  6  padece  una  confusiön,  6  es  una  guasa 
fina.  Hacernos  pronunciar  por  real  decreto  obscuro,  substancia,  subscribir, 
substituir,  substraer,  septimo,  Septtembre,  subscripeion,  etc.  etc.,  es  lo  mismo 
que  si  una  Academia  alemana  se  empenase  en  que  se  pronunciara  hoy 
v.  gr.  la  t,  ya  suprimida,  en  achxig.  La  Academia  pensö:  '^los  alemanes 
escriben,  v.  gr.  Subscription ?  pues  nosotros  no  hemos  de  ser  menos,  siendo 
un  pueblo  latino'.  La  diferencia  consiste  en  que  nosotros  no  pronuncia- 
mos  ni  la  b,  ni  la  p.  Ella  misma  escribe  oscurecido  en  el  articulo  abro- 
mado,  porque  se  le  olvidö  esa  b  al  entretenerse  en  retrogradar  la  escritura. 
Y  lo  mismo  ocurriö  con  la  voz  sustancia,  en  el  articulo  agua.  Y  otro 
tanto  en  el  articulo  aguachirle,  escribiendo  en  cambio  en  el  mismo  insub- 
stancial,  6  insustancial  en  el  articulo  chirle.  En  esto  se  han  entretenido 
los  sefiores,  en  poner  bb  donde  no  las  habia  ya ;  pero,  por  no  haber  puesto 
atenciön  en  ese  nimio  juego,  se  escaparon  muchas  bb  iniitiles  de  adorno, 
como  las  de  los  vocablos  citados  y  otros,  v.  gr.  claroscuro.  En  la  ediciön 
pröxima  leer^mos  obstentar  y  obstentacion,  como  escribio  Lope  de  Vega  en 
'Antes  que  te  cases  . . .'  Y  absorpcion,  absorpto,  recepta  (Rezept),  siepte,  etc. 
Una  gran  ventaja,  la  ünica,  tiene  el  haber  introducido  de  nuevo  esas  letras 
ya  relegadas  al  olvido,  y  es :  que  el  mäs  bolonio  puede  conocer  al  punto 
quien  es  un  buen  escritor  y  quien  uno  malo;  aquel  no  se  cuida  para 
nada  de  ellas ;  en  cambio  el  escritorzuelo  se  agarra  ä  ellas  como  una  lapa 
ä  la  pefia,  por  ser  la  sola  librea  que  le  hace  acade'rnico,  y  por  tanto  sabi- 
hondo  (con  h).  Por  un  detalle  nimio  se  llega  ä  conocer  un  gran  defecto 
en  una  persona  6  un  pueblo.  Ese  afän  de  agarrarse  ä  cosas  viejas  e  inii- 
tiles constituye  todo  un  emblema  en  nuestra  patria;  61  ha  llevado  ä  esta 
ä  ser  lo  que  hoy  es.  En  la  America  espaiiola,  donde  se  habla  mucho 
mäs  castellano  que  en  la  tierra  madre,  la  ortografia  tiende  ä  la  simpli- 
ficaciön,  en  cambio.    Alli  se  camina  hacia  adelante.    En  Espana  hacia  aträs. 

Hay  en  la  obra  ejercicios  en  prosa,  v.  gr.  el  87,  que  tienen  mucho 
de   verso,   achaque  muy   comün   hasta   en   los  mejores  escritores.     En   61 


476  Beurteilungen  und  kurze  Anzeigen. 

hay  varias  rimas:  diciendo,  eiego,  bueno,  ello,  correo,  dinero  y  modesto 
entresuelo. 

Aunque,  como  hemos  visto,  el  autor  es  academizante,  se  escapa  sin 
querer  de  la  nornia  conservadora  al  escribir,  muy  bien,  dieciseis,  que  la 
Academia  no  admite,  por  mäs  que  lo  diga  un  academico  en  sus  obras. 
Esta  es  otra  particularidad  de  la  sabia  corporaciön.  En  comunidad,  mäs 
papistas  que  el  papa.  Y  una  vez  en  libertad,  como  chicos  que  salen  de 
una  escuela,  se  desparraman  por  doquier,  y  se  fisgan  en  su  propia  autori- 
dad.  Ademäs  de  esa  innovaciön,  yo  admitiria  otras  de  que  en  otras  oca- 
siones  he  bablado,  tomadas  del  mismo  academico  independiente  (Galdös, 
el  mäs  espanol),  y  afiadiria  varias  mäs,  v.  gr.  venticinco,  asi  escrito  por 
un  autor  respetable. 

En  el  pärrafo  72  2  pudo  anadirse  que  se  ha  de  usar  lo  menos  posible 
las  voces  Caballero  y  senora  en  la  conversaciön. 

A  los  alemanes  les  parece  bien  el  empleo  de  los  signos  de  admiraciön 
e  interrogaciön,  invertidos,  al  principio  de  una  fräse.  Los  espaiioles  no 
comprenden  esa  ventaja  de  ver  ya  al  momento  el  tono  del  discurso,  y 
varios  escritores  dejan  ya  de  ponerlo,  por  no  entender  lo  präctico  de  ese 
uso,  y,  como  buenos  inonos  de  imitaciön,  por  remedar  ä  los  extranjeros. 

En  caso  de  citar  una  etimologia,  yo  pondria  la  verdadera,  la  exacta. 
^Porque  no  decir,  v.  gr.  que  el  origen  de  nombre  es  nominem,  mejor  que 
nomenl  Asi  podria  el  alumno  formarse  idea  mäs  fija  y  segura  del  des- 
arrollo  fonetico. 

Tambi^n  habria  yo  de  suprimir  detalles  intitiles,  y  sobre  todo  hacer 
caso  omiso  de  todo  färrago  que  embrolle  al  estudiante,  el  cual  bastante 
quehacer  tiene  con  retener  lo  esencial  en  el  manejo  del  idioma.  'Sevilla, 
Stadt  in  Andalusien.'  ^Qui6n  no  lo  sabe?  Y  ^quieh  ignora  que  Navarra 
es  una  provincia  espanola? 

Esto  se  va  haciendo  ya  muy  largo  y  pesado,  y  no  hay  mäs  remedio 
que  terminar,  por  falta  de  espacio  ademäs,  dejändome  en  el  tintero  por 
otra  parte  mucho  bueno  que  abona  en  favor  de  la  obra.  Concluire  re- 
comendando  muy  especialmente  al  autor  benemerito  ä  que  sea  cauto  en 
punto  ä  pronunciaciön.  Entre  varios  pormenores  que  he  dejado  exprofeso, 
por  temor  ä  molestar  al  que  esto  lea,  recuerdo  que  se  recomienda  en  el 
libro  pronunciar  un  pelo  como  si  un  fuese  um,  esto  es,  como  v.  gr.  campo. 
Y  no  hay  tal. 

Los  defectos  que  he  sacado  ä  relucir  constituyen  una  minima  parte 
de  la  extensa  obra,  trabajada  con  la  mayor  conciencia  que  puede  exigirse. 
Asi  es  que  deseo  al  autor  y  al  editor  el  exito  que  ambos  se  merecen. 

Nota.  Es  de  advertir  que  al  autor  le  ba  parecido  excelente  ejercicio 
la  lectura  de  'Parada  y  Fonda',  que  tengo  como  'Leseübung'  en  mi  Gra- 
mätica,  y  ha  incluido  la  comedia  en  su  trabajo,  con  comentarios,  no 
siempre  felicesJ 

Berlin.  P.  de  Mugica. 


Verzeichnis 

der  vom  11.  März  bis  zum  6.  Juni  1903  bei  der  Redaktion 
eingelaufenen  Druckschriften. 


Frän  filologiska  föreningen  i  Lund.  Spräkliga  uppsatser.  Lund  1897. 
166  S.  8  [A.  Kock,  Etymologisk  undersökning  av  nägra  svenska  ord. 
J.  Paulson,  In  Lucretium  adversaria.  A.  Ahlberg,  Adnotationes  in  accen- 
tum  Plautinum.  E.  Rodhe,  Transitivity  in  modern  English.  Tb.  Hjelm- 
qvist,  Petter,  Per  och  Pelle.  M.  Pin  Nilsson,  De  republica  Atbeniensium 
a  Clisthene  constituta.  E.  Sommarin,  Anteckningar  vid  läsning  af  Kor- 
maks  saga.  Sven  Berg,  Bidrag  tili  frägan  om  det  attributiva  adjektivets 
plats  i  modern  franska.  Claes  Lindskog,  De  usu  pronominum  personalium, 
quae  subjecti  vice  funguntur,  apud  elegiacos  poetas  latinos  observationes. 
H.  Söderbergb,  Rimstudier  pä  basis  af  rimmets  användning  hos  moderna 
svenska  skalder].  IL  Lund  1902  [A.  W.  Ahlberg,  Nägra  anmärkninger 
tili  imperfektets  och  aoristens  syntax  hos  Thukydides,  35  S.  H.  Borelius, 
Etüde  sur  l'emploi  des  pronoms  personnels  sujets  en  ancien  francais,  20  S. 
A.  Kock,  Till  frägan  om  den  östnordiska  avledningsändelsen  -eise,  8  S. 
M.  P.  Nilsson,  Das  Ei  im  Totenkultus  der  Griechen,  12  S.  E.  Walberg, 
Etüde  sur  la  langue  du  ms.  ancien  fonds  royal  3466  de  la  Bibliotheque 
royale  de  Copenhague,  32  S.  M.  Wisen,  Miscellanea,  HS.  F.  Wulff, 
Trois  sonnets  de  P£trarque  selon  le  ms.  sur  papier,  Vat.  3196  (et  une 
rectification),  32  S.]. 

Journal  of  comparative  literature.  Vol.  I,  no.  2  [L.  Einstein,  The 
relation  of  literature  to  history.  —  J.  B.  Fletcher,  Pr^cieuses  at  the  court 
of  Charles  I.  —  Ch.  Bastide,  Huguenot  thought  in  England.  —  G.  Becker, 
Summaries  of  periodical  literature  1902.  I.  Germany.  —  Reviews.  — 
Books  received].    New  York,  Phillips,  1903.     198  S. 

The  international  quarterly  ed.  by  Fr.  A.  Richardson.  VII,  1 
[W.  Rhys-Davids,  Christianity  and  Buddhism.  —  Brander-Matthews,  Deve- 
lopment of  the  French  drama.  —  C.  Elson,  Folk-song  and  classical  music. 
—  E.  Reich,  The  partition  of  Austria-Hungary.  —  G.  Tarde,  The  inter- 
play  of  human  minds.  —  J.  Royce,  The  problem  of  natural  religion.  — 
Le  Braz,  The  legend  of  death  among  the  Bretons.  —  W.  Jenks,  Lessons 
from  Dutch  colonization.  —  E.  Gosse,  Alfred  de  Vigny.  —  M.  Payne, 
Björnstjerne  Björnson.  ■ —  A.  Heilmeyer,  Tendencjes  in  modern  German 
sculpture.  —  W.  Massingham,  The  decline  in  parliamentary  power,  -r- 
S.  Jordan,  The  sure  seal:  An  international  issue.  —  B.  Bishop,  The  negro 
and  public  Service].     Burlington  1903.     210  S. 

Zeitschrift  für  österreichische  Volkskunde.  IX,  1 — 2  [F.  Stolz,  Über 
die  Leichen bretter  im  Mittelpinzgau.  —  M.  Höfler,  Gebäcke  in  der  Zeit 
der  sogenannten  Rauchnächte.  —  R.  v.  Grienberger,  Lungauer  Korn- 
speicher. —  J.  Eigl,  Niedertraxl-Güt'l  als  eine  Type  der  Wohnstätte  eines 
Kleinbauern  im   salzburgischen  Flachgaue.   —   J.  Eigl,  Das  Adamgut  in 


478  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Neuhofen  bei  Krai wiesen.  —  K.  Toldt,  Eine  slowenische  Wallfahrt  in 
Unterkrain.  —  M.  Wägerbauer,  Das  Vergelt's  Gott  -  Sammeln  im  Salz- 
burgischen. —  Chronik,  Literatur,  Mitteilungen].     88  Seiten. 

Reich,  EL,  Der  Mimus.  Ein  literarentwickelungsgeschichtlicher  Ver- 
such. I  1 :  Theorie  des  Mimus.  XII,  413  S.  II  2:  Entwickelungsgeschichte 
des  Mimus.     S.  417—900.     Berlin,  Weidmann,  1903.. 

Seeger,  A.,  Der  Bildungswert  der  modernen  Sprachen  und  die  Be- 
rechtigungsfrage der  Realschule.     Wien,  Holder,  1903.     VI,  78  S. 

Glauning,  F.,  Didaktik  und  Methodik  des  englischen  Unterrichts 
(Handbuch  der  Erziehungs-  und  Unterrichtslehre  für  höhere  Schulen  ed. 
A.  Baumeister.  III.  Band,  2.  Abteilung,  2.  Hälfte).  München,  Beck, 
1903.     109  S.    M.  2,50  M. 

Beiträge  zur  neueren  Philologie,  Jakob  Schipper  zum  19.  Juli  1902 
dargebracht  [Zum  Geleit.  —  A.  Schröer,  Prinzipien  der  Shakspere-Kritik. 
■ —  H.  Richter,  George  Eliots  historischer  Roman.  —  J.  Ellinger,  Über  die 
altertümelnde  Sprache  in  dem  Roman  'The  prince  and  the  pauper'  von 
Mark  Twain.  —  E.  Söffe,  George  Cruikshank.  —  E.  Aschauer,  Zur  Wal- 
lace-Frage.  —  K.  Luick,  Über  Otways  'Venice  preserved'.  —  R.  Dittes, 
Zu  Surveys  Aneisübertragung.  —  D.  Schmid,  George  Farquhar  als  Epiker. 

—  A.  v.  Weilen,  Der  'Kaufmann  von  London'  auf  deutschen  und  franzö- 
sischen Bühnen.  —  F.  Arnold,  Ferdinand  Raimund  in  England.  —  J.  Koch, 
Die  neapolitanische  Handschrift  von  Chaucers  'Clerke's  tale'.  —  L.  Wurth, 
Dramaturgische  Bemerkungen  zu  den  Geisterscenen  in  Shaksperes  Tra- 
gödien. —  L.  Kellner,  To  suggest.  Ein  Beitrag  zur  neuenglischen  Lexiko- 
graphie. —  B.  Hoenig,  Memoiren  englischer  Offiziere  im  Heere  Gustav 
Adolfs  und  ihr  Fortleben  in  der  Literatur.  —  E.  Sokoll,  Zur  Technik  des 
altgermanischen  Alliterationsverses.  —  R.  Fischer,  Der  Monolog  in  Mac- 
beth als  formales  Mittel  zur  Figuren-Charakterisierung.  —  R.  Richter, 
Der  Vers  bei  Dr.  John  Donne.  —  R.  Brotaneck,  State-Poems.  —  W.  Du- 
schinsky,  Der  Wiener  neuphilologische  Verein  1894 — 1902].  Wien  und 
Leipzig,  Braumüller,  1902.     501  S.     M.  12. 

Literaturblatt  für  germanische  und  romanische  Philologie.  XXIV, 
3—5  (März  — Mai). 

Modern  language  notes.  XVIII,  3  [W.  Batt,  Contributions  to  the 
history  of  English  opinion  of  German  literature.  —  P.  Reiff,  Pandae- 
monicum  germanicum  by  R.  Lenz.  —  W.  Struck,  Notes  on  the  shorter 
old  English  poems.  —  E.  Morton,  Chaucer's  identical  rimes.  —  Reviews. 

—  Correspondence.  —  Brief  mention.  —  Personal].  —  4  [F.  Tupper,  Ori- 
ginals and  analogues  of  the  Exeter  book  riddles.  —  E.  Menger,  Notes  on 
the  history  of  free  open  o  in  Anglo-Norman.  —  J.  Fletcher,  Mr.  Sidney 
Lee  and  Spenser's  Amoretti.  —  E.  Scripture,  Current  notes  in  phonetics. 

—  F.  Hemelt,  Points  of  resemblance  in  the  verse  of  Tennyson  and  Theo- 
critus.  —  J.  M.  Hart,  Allotria  III.  —  Reviews.  —  Correspondence].  — 
5  [J.  Bright,  Jottings  on  the  Csedmonian  Christ  and  Satan.  —  A.  Schinz, 
A  plea  for  more  study  of  French  literature.  —  H.  Bennet,  Tirso  de  Mo- 
lina's  El  condenado  por  desconfiado.  —  T.  Dieckhoff,  Notes  on  a  passage 
in  Goethe's  Egmont.   —   W.  Stevens,  The  'gipoun'  of  Chaucer's  Knight. 

—  A.  Lange,  On  the  relation  of  Old  Fortunatus  to  the  Volksbuch.  — 
R.  T.  House,  The  chronology  of  Les  chätiments.  —  G.  H.  Gerould,  The 
new  version  of  the  Teophilus.  —  E.  S.  Ingraham,  Neuf  mois  sur  vingt 
ans.  Adate  in  the  career  of  J.  A.  de  Ba'if.  —  Reviews.  —  Correspon- 
dance.  —  Brief  mention]. 

Publications  of  the  modern  language  association  of  America  ed.  by 
C.  H.  Grandgent.  Vol.  XVII.  New  series  vol.  X  [E.  Cait  Morris,  On 
the  date  and  composition  of  the  'Old  Law'.  —  H.  Grandgent,  Cato  and 
Elijah :  a  study  in  Dante.  —  S.  Sheldon,  Practical  philology.  —  H.  Car- 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  479 

ruth,  Fate  and  guilt  in  Schiller's  Die  Braut  von  Messina.  —  H.  Thorndike, 
The  relations  of  Hamlet  to  contemporary  revenge  plays.  —  S.  Baldwin, 
The  literary  influeuce  of  Sterne  in  France.  —  C.  Hoyt,  The  home  of  the 
Beves  Saga.  —  W.  Lawrence,  First  riddle  of  Cynewulf.  —  H.  Schofield, 
Siguy's  lament.  —  R.  Hooker,  The  relation  of  Shakespeare  to  Montaigne.  — 
S.  Cook,  Notes  on  the  Ruthwell  cross.  —  T.  Hatfield,  Scholarship  and 
the  Commonwealth.  —  R.  Weeks,  Aimer  the  chötif.  —  A.  Haas,  The 
comedies  of  J.  E.  Krüger.  —  G.  Matzke,  Contributions  to  the  history  of 
St.  George.  —  Proceedings  of  the  19th  annual  meeting.  —  Proceedings  of 
the  7th  annual  meeting].     Cambridge  1903.     171  S. 

Die  neueren  Sprachen  .  .  .  herausgegeben  von  W.  Vietor.  X,  10 
[Dr.  Block,  Die  Reform  des  höheren  Unterrichts  in  Frankreich.  Berichte, 
Besprechungen,  Vermischtes]. 

Schweizerisches  Archiv  für  Volkskunde  .. .  herausgeg.  von  Ed.  Hoff- 
naann-Krayer  und  Jules  Jeanjaquet.  VII,  1  [E.  Hoffmann-Krayer, 
Schatzgräberei  in  der  Umgebung  Basels  (1726  —  1727).  V.  Pellandini, 
Spigolature  di  folklore  ticinese.  A.  Schaer,  Balthasar  Han's  und  Hans 
Heinrich  Grob's  'Schützenausreden'.  J.  Pocke,  Die  hölzernen  Milch- 
rechnungen des  Tavetschtals  (Graubünden).  Miszellen.  Kleine  Chronik. 
Bücheranzeigen]. 

The  modern  language  quarterly,  ed.  by  F.  Heath.  VI,  1  [Obituary- 
Professor  Earle.  —  E.  Kastner,  The  French  symbolists.  —  R.  W.  Chambers, 
The  modern  language  library  at  University  College.  —  Studies  in  trans- 
lations.  I.  Goethes  italienische  Reise.  —  Reviews.  —  Announcements.  — 
Modern  language  teaching.  —  Index  of  authors  appearing  in  the  biblio- 
graphical  lists  for  1902].     London,  Nutt,  1903.     47  S. 

German  American  aunals,  continuation  of  the  quarterly  Americana 
Germanica.  A  monthly  devoted  to  the  comparative  study  of  the  histori- 
cal,  literary,  linguistic,  educational  and  commercial  relations  of  Germ  an  y 
and  America,  publ.  by  the  German  American  historical  society.  I,  3 — 5, 
März  —  Mai  [Papers  from  the  American  ethnographical  survey.  Notes. 
Studies  and  problcms.  Chronik.  Rundschau.  In  Sachen  Arno  Holz]. 
New  York,  Stern;  Berlin,  Mayer  &  Müller;  Leipzig,  Brockhaus;  London, 
H.  Paul  etc.     S.  135—302.     Subskription  3  $. 


Eddica  minora.  Dichtungen  eddischer  Art  aus  den  Fornaldarsögur 
und  anderen  Prosawerken  zusammengestellt  und  eingeleitet  von  A.  Heus- 
ler  und  Wilhelm  Ranisch.     Dortmund,  Ruhfus,  1903.    CVIII,   160  S. 

H.  Ibsens  sämtlliche  Werke  in  deutscher  Sprache.  Durchgesehen 
und  eingeleitet  von  G.  Brandes,  J.  Elias,  P.  Schienther.  I.  Band. 
Berlin,  Fischer,  1903.    XLIX,  567  S.    M.  3,50. 


Hoogvliet,  J.  M.,  Lingua.  Een  beknopt  leer-  en  handbook  van 
algemeene  en  Nederlandsche  taalkennis,  meer  bepaaldelijk  bestemd  voor 
ieeraren  en  onderrijzenden  in  moderne  en  oude  talen.  Amsterdam,  van  Loog, 
1903.    XXI,  176  S. 

Chr.  Ischyrius  Homulus,  texte  latin  publik  avec  une  introduction  et 
des  notes  par  Alphonse  Roersch,  Charge-  de  cours  ä  l'Universite"  de  Gand, 
Gand,  Librairie  neerlandaise,  1903.  XLII1,  63  S.  8.  M.  2,50.  (Lateinische 
Übersetzung  des  flämischen  Dramas  Elckerlijk  von  Petrus  Diesthemius, 
der  nach  der  Meinung  des  Herausgebers  des  Originals  mit  dem  1507  ver- 
storbenen Karthäuser  Petrus  Dorlandus  eins  ist.  Der  Übersetzer,  Ischyrius 
oder  Stercke,  hat  sein  Werk  aus  Maestricht  1536  datiert,  wo  er  städtischer 
Lehrer  war.  Der  Abdruck  der  lat.  Übersetzung  folgt  der  Ausgabe  von 
Köln  1536  fast  durchaus.)  . 


480  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Trautinann,  M.,  Finn  und  Hildebrand.  Zwei  Beiträge  zur  Kenntnis 
der  altgermanischen  Heldendichtung  (Trautmanns  Bonner  Beiträge  zur 
Anglistik,  Heft  VII).     Born  ,  Hanstein,  1903.     VIII,  131  S.     M.  4,50. 

Brie,  F.,  Eulenspiegel  in  England  (Palaestra  27).  Berlin,  Mayer  & 
Müller,  1903.     VII,  151  S.     M.  4,80. 

Meyerfeld,  M.,  Von  Sprach'  und  Art  der  Deutschen  und  Engländer. 
Kritische  Worte  und  Wortkritik.     Berlin,  Mayer  &  Müller,  1903.     112  S. 


Deutsch-österreichische  Literaturgeschichte.  Ein  Handbuch  zur  Ge- 
schichte der  deutschen  Dichtung  in  Österreich -Ungarn.  Herausgegeben 
von  W.  Na  gl  und  J.  Zeidler.  21.  Lieferung.  Wien,  Fromme,  1903. 
S.  145—192.     M.  1. 

Seemüller,  J.,  Deutsche  Poesie  vom  Ende  des  XIII.  bis  in  den 
Beginn  des  XVI.  Jahrhunderts  (Sonderabdruck  aus  Band  III  der  'Ge- 
schichte der  Stadt  Wien',  herausgegeben  vom  Altertumsverein  zu  Wien). 
Wien,  Holzhausen,  19o3.     81  S.  fol. 

Andreen,  A.,  Studies  in  the  idyl  in  German  literature  (Augustana 
Library  publications.    Number  3).     Rock  Island,  111.,  1902.     96  S. 

Strzemcha,  P.,  Deutsche  Dichtung  in  Österreich  im  19.  Jahrhun- 
dert. Blumenlese,  für  Schulzwecke  ausgewählt  (Freytags  Schulausgaben 
und  Hilfsbücher  für  den  deutschen  Unterricht).  Leipzig,  Freytag,  1903. 
255  S.     M.  2. 

Bräutigam,  L.,  Übersicht  über  die  neuere  deutsche  Literatur 
1880—1902.     Kassel,  Weil's,  1903.     77  S.     M.  1. 

Literarisches  Jahrbuch,  verbunden  mit  einem  Schriftsteller-Lexikon. 
Herausgeg.  von  P.  Thiel.  Erster  Jahrgang  1902  [Vorwort.  —  Einleitung. 
—  C.  Busse,  Die  deutsche  Lyrik  im  Beginne  des  20.  Jahrhunderts.  — 
H.  Mielke,  Der  deutsche  Roman  im  Beginn  des  20.  Jahrhunderts.  — 
R.  Friedemann,  Das  deutsche  Drama  im  Beginn  des  20.  Jahrhunderts.  — 
P.  Ehlers,  Die  dramatische  Musik  im  Beginn  des  20.  Jahrhunderts.  — 
Schriftstellerlexikon].     Köln,   Hoursch   &  Bechstedt,   1903.     VIII,  320  S. 

Hoff  mann,  J.,  Die  Wormser  Gescbäftssprache  vom  11.  bis  13.  Jahr- 
hundert (Sonderabdruck  aus  Acta  Germanica  VI,  2).  Berlin,  Mayer  & 
Müller,  1903.    91  S.    M.  2,80. 

Hechtenberg,  K.,  Der  Briefstil  im  17.  Jahrhundert.  Ein  Beitrag 
zur  Fremdwörterfrage.     Berlin,  Behr,  1903.     47  S.     M.  1,50. 

Kuttner,  Dr.  Max,  Echo  der  deutschen  Umgangssprache.  Zweiter 
Teil.  Wie  spricht  man  in  Berlin  ?  Zweite  Auflage.  Leipzig,  Giegler,  1902. 
204  S.  8.     Geb.  M.  2. 

Ch.  Fulda,  Antixenien.  1.  Heft.  Trogalien  zur  Verdauung  der 
Xenien  Ü797).  Herausgeg.  von  Lud.  Grimm  (Sauers  Deutsche  Literatur- 
denkmale des  18.  und  19.  Jahrhunderts,  Dritte  Folge  Nr.  5).  Berlin,  Behr, 
1903.     XVIII,  45  S.     M.  1,20. 

Türck,  Hermann,  Eine  neue  Faust-Erklärung.  Dritte  unveränderte 
Auflage.     Berlin,  Eisner,  1902.     150  S.  8.     Geb. 

Diary  and  letters  of  William  Müller.  With  explanatory  notes  and 
a  biographical  index  edited  by  Ph.  Schuyler  Allen  and  J.  Taft  Hat- 
field.    Chicago,  Chicago  press,  1903.    201  S. 

Sulger-Gebing,  E.,  Wilhelm  Heinse.  Eine  Charakteristik  zu  sei- 
nem 100.  Todestage.     München,  Ackermann,  1903.     39  S. 

Fries,  A.,  Vergleichende  Studien  zu  Hebbels  Fragmenten  nebst 
Miszellaneen  zu  seinen  Werken  und  Tagebüchern  (Berliner  Beiträge  zur 
germ.  u.  rom.  Philologie,  E.  Ebering,  XXVI.  Germ.  Abt.  Nr.  11).  Berlin, 
Ebering,  1903.     59  S.     M.  2,40. 

Franz  Schön  in  g,  Der  Mittelwälder  Horaz  und  seine  Glatzischen 
Gediente.    Ein  Beitrag  zur  Mundart  des  Adlergebirges  und  des  Braunauer 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  481 

Ländchens.  Mit  Glossar  als  Entwurf  zu  einem  Adlergebirgs  -  Idiotikon 
von  E.  Langer  (Langers  Deutsche  Volkskunde  im  östlichen  Böhmen, 
I.  Band,  1.  Ergänzungsheft).     Braunau,  Lantrr,   1903.     XVIII,  320  S. 

Deutsches  Lesebuch  für  höhere  Schulen.  Herausgeg.  von  Hellwig- 
Hirt-Z er nial -Spiels.  Probeband.  Leipzig,  Dresden,  Berlin,  Ehler- 
mann,  190:1     1UG  S. 

F.  Schiller,  Wallenstein.  Ein  dramatisches  Gedicht.  Für  den  Schul- 
gebrauch herausgeg.  von  F.  Ullsperger  (Frey tags  Schulausgaben  und 
Hili'sbücher  für  den  deutschen  Unterricht).  Leipzig,  Frey  tag,  1902.  336  S. 
M.  1,25. 

Fechner,  H.,  Anleitung  zur  Erteilung  des  ersten  Leseunterrichts 
nach  der  Normalwörtermethode  mit  Vorkursus  auf  phonetischer  Grund- 
lege. Begleitwort  zu  der  'Neuen  Fibel'  (Ausgabe  A  und  B)  und  dem 
'Ersten  Lesebuch'.     Berlin,  Wiegandt  &  Grieben,  1902.     IV,  74  S.     M.  1. 

Biblisches  Geschichtsbuch  bearbeitet  und  mit  einem  Hilfsbuch  für 
den  evangelischen  Religions-Unterricht  versehen  von  L.  H.  Fischer  und 
D.  Scholz.  Ausgabe  für  Berliner  Gemeindeschulen.  Berlin,  Praufsnitz, 
1903.     327  S. 

Beiblatt  zur  Anglia.    XIV,  3—5  (März— Mai). 

The  literary  echo,  a  fortnightly  paper  intended  for  the  study  of  the 
English  language  and  literature  (founded  by  W.  Weber),  ed.  by  Th.  Jaeger. 
VI,  1—6  (January  -  March).  Heilbronn,  Salzer,  1903.  144  S.  Halbjähr- 
lich M.  2. 

Trautmanns  Bonner  Beiträge  zur  Anglistik,  Heft  XII,  Sammelheft 
[H.  Forstmann,  Untersuchungen  zur  Guthlac-Legende.  —  L.  Ostermann, 
Untersuchungen  zu  Ratis  Raving  und  dem  Gedicht  The  thewis  of  gud 
women.  —  A.  Schneider,  Die  me.  Stabzeile  im  15.  und  16.  Jahrhundert.  — 
W.  Heuser,  Festländische  Einflüsse  im  Mittelenglischen].    Bonn,  Hanstein, 

1902.  182  S.    M.  5. 

Meyer,  E.,  Englische  Lautdauer.  Eine  experimentalphonetische 
Untersuchung  (Skriffer  utgifna  af  K.  Humanistika  Vetenskaps-Samfundet 
i  Uppsala.  VIII,  3).  Uppsala,  Lundström;  Leipzig,  Harrassowitz,  1903. 
111  S. 

C.  Darling  Bück,  A  sketch  of  the  linguistic  conditions  of  Chicago 
(The  decennial  publications  of  the  university  of  Chicago,  VI).  Chicago, 
Chicago  press,  1903.     20  S. 

Chauncey  B.  Tinker,  The  translations  of  Beowulf.  A  critical  biblio- 
graphy    (Yale   studies   in   English,   A.   Cook,   XVI).     New  York,   Holt, 

1903.  149  S. 

Biblical  quotations  in  old  English  prose  writers.  Second  series.  Edited 
with  the  Latin  Originals  index  biblical  passages,  and  index  of  principal 
words  by  Albert  S.  Cook  (Yale  bicentennial  publications).  New  York, 
Scribner,  1903.    X,  397  S. 

Die  altenglischen  Metra  des  Boetius.  Herausgeg.  und  mit  Einleitung 
und  vollständigem  Wörterbuch  versehen  von  E.  Krämer  (Trautmanns 
Bonner  Beiträge  zur  Anglistik,  Heft  VIII).  Bonn,  Hanstein,  1902.  149  S. 
M.  4,50. 

Foley,  H.,  The  language  of  the  Northumbrian  gloss  to  the  gospel 
of  saint  Matthew.  Part  I :  Phonology  (Yale  studies  in  Enghsh,  A.  Cook, 
XIV).    New  York,  Holt,  1903.    VI,  81  S. 

Jordan,  R.,  Die  altenglischen  Säugetiernamen.  Zusammengestellt 
und  erläutert  (Anglistische  Forschungen  von  J.  Hoops,  Heft  12).  Heidel- 
berg, Winter,  1901     XII,  212  S.    M.  6. 

W.  W.  Newell,  The  legend  of  the  Holy  Grail  and  the  Perceval  of 
Chrestien  of  Troyes  [Papers  reprinted  from  the  Journal  of  American  folk- 
lore].    Cambridge,  W.  Sever,  1902.    VI,  94  S. 

Archiv  f.  n.  Sprachen.    CX.  31 


482  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Schünemann,  M.,  Die  Hilfszeitwörter  in  den  englischen  Bibelüber- 
setzungen der  Hexapla  1388—1611.  Berlin,  Mayer  &  Müller.  1902.  60  S. 
The  ile  of  ladies,  herausgegeben  nach  einer  Hs.  des  Marquis  von  Bath 
zu  Longleat,  dem  Ms.  Addit.  L0303  des  Brit.  Mus.  und  Speghts  Druck 
von  1598  von  J.  B.  Sherzer.  Berlin,  Mayer  &  Müller,  1903.  117  S.  M.  3. 
Fischer,  S.,  Das  interlude  of  the  four  elements.  Mit  einer  Einleitung' 
neu  herausgegeben  (Marburger  Studien  zur  englischen  Philologie,  Heft  5). 
Marburg,  Elwert,  1903.     £6  S.     M.  2. 

Kr  od  er,  A.,  Shelleys  Verskunst  (Münchener  Beiträge  zur  roman.  u. 
engl.  Philologie,  von  Breymann  und  Schick,  XXVII.  Heft).  Erlangen  u. 
Leipzig,  Deichert,  1903.     XXVII,  235  S.     M.  5,50. 

J.  Ruskin,  Praeterita  Band  I.  Was  aus  meiner  Vergangenheit  viel- 
leicht der  Erinnerung  wert.  Erlebtes  und  Gedachtes  im  Umrifs.  Aus  dem 
Englischen  von  Anna  Heuschke.     Leipzig,  Diederichs,  1903.     428  S. 

Ch almers,  P.,  Charakteristische  Eigenschaften  von  R.  L.  Stevensons 
Stil  (Marburger  Studien  zur  engl.  Philologie,  Heft  4).  Marburg,  Elwert, 
1903.     57  S.     M.  1,40. 

Collection  of  British  authors.    Tauchnitz  edition.    ä  M.  1,60. 
Vol.  3635:   Th.  Dixon  jr.,  The  leopard's  spots.    Vol.  2. 
„     3636:   Elinor  Glyn,  The  reflections  of  Ambrosine. 
„     3637 — 8:  R.  Bagot,  Donna  Diana. 
„     3639:   W.  E.  Norris,  Lord  Leonard  the  luckless. 
„     3640 — 1:  G.  Parker,  The  seats  of  the  mighty. 
„     3642:   J.  M.  Barrie,  The  little  white  bird. 
„     3643 — 4:  Mrs.  H.  Ward,  Lady  Rose's  daughter. 
„     3645:   M.  Betham-Ed wards,  A  humble  lover. 
„     3646:  George  W.  E.  Russell,  A  Londoner's  log-book. 
„     3647:   Dorothea  Gerard,  The  eternal  woman. 
„     3648 — 9:   H.  Rider  Haggard,  Pearl-maiden. 
„     3650:   Gertrude  Atherton,  The  splendid  idle  forties. 
„     3651 — 2:   Flora  Annie  Steel,  The  hosts  of  the  lord. 
„     3653:   Eden  Philipotts,  The  striking  hours. 
„     3654 — 5:   Frank  Norris,  The  pit. 
„     3656:  George  Moore,  The  untilled  field. 
„     3657 — 8:  Percy  White,  Park-Lane. 

L'ebe,  F.,  und  Müller,  M.,  Lehrbuch  der  englischen  Sprache  für 
Handelsschulen.  Auf  Grund  des  Lehrbuchs  der  englischen  Sprache  von 
O.  Boerner  und  O.  Thiergen.  Leipzig  und  Berlin,  Teubner,  1903.  XVI, 
337  S. 

Glauning,  F.,  Lehrbuch  der  englischen  Sprache.  Grammatik  und 
Übungsbuch.  Erster  Teil:  Laut-  und  Formenlehre.  München,  Beck,  1902. 
IX,  235  S.    M.  2. 

Englische  Parlamentsreden.  Für  den  Schulgebrauch  herausgeg.  von 
Aronstein  (Freytags  Sammlung  französ.  u.  engl.  Schriftsteller).  Leipzig, 
Freytag,  1903.    VII,  140  S.    M.  1,60. 

F.  H.  Burnett,  Little  Lord  Fauntleroy  (1886).  Edited  with  explana- 
tory  notes  by  A.  Stoeriko  (Perthes'  Schulausgaben  engl,  und  französ. 
Schriftsteller,  Nr.  34  B).    Gotha,  Perthes,  1902.     129  S. 

H.  Lecky,  The  American  war  of  independence.  Für  den  Schulgebrauch 
herausgegeben  von  G.  Opitz  (Freytags  Sammlung  französischer  und  eng- 
lischer Schriftsteller).     Leipzig,  Frey  tag,  1903.     XIV,  135  S.     M.  1,60. 

Capt.  Marryat,  The  children  of  the  new  forest.  Annotated  by  L.  P. 
Eykman  and  C.  J.  Voortman,  teachers  at  Amsterdam  (The  Gruno 
series  II).     Groningen,  Noordhoff,  1902.     278  S. 

M.  Schweigel,  Der  deutsche  Kaufmann  in  England.  Ergänzung  zu 
English  spoken  oder  Der  englisch  sprechende  Geschäftsmann.  Mit  Angabe 
der  Aussprache.    Karlsruhe,  Bielefeld,  1903.    53  S.    M.  0,90. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Stier,  G.,  Little  English  talks.  Ein  Hilfsmittel  zur  Erlernung  der 
englischen  Umgangssprache.  Für  die  höheren  Knaben-  und  Mädchen- 
schulen.   Köthen,  Schulze,  1908.     VIII,  114  S. 


Romania  ...  p.  p.  P.  Meyer  et  G.  Paris.  1903  Janvier.  125  [F.  Lot, 
La  chanson  de  Landri.  P.  Meyer,  Les  manuscrits  francais  de  Cambridge 
(Trinity  College).  —  Melanges:  J.  Popovici,  Les  noms  des  Roumains  de 
l'Istrie.  J.  Cornu,  disette  =  decepta.  J.  Cornu,  Tant  mieux,  tant  pis,  tant 
plus,  tant  moins.  J.  Cornu,  Poche  'cuiller  ä  pot'.  —  Comptes  rendus: 
A.  Tobler,  Etymologisches  (G.  P.).  P.  Andraud,  La  vie  et  Foeuvre  de 
Raimon  de  Miraval  (A.  Jeanroy).  Les  Enseignements  de  Robert  de  Ho 
dits  Enseignements  de  Trebor  p.  p.  Mary-Vance  Young  (G.  P.).  Über  die 
Vengeance  d'Alexandre  von  Jean  le  Venelais,  Dissert.  von  Karl  Sachrow. 
Die  Vengeance  Alixandre  von  Jehan  le  Nevelon  herausgeg.  von  Schultz- 
Gora  (E.  Walberg).  —  Periodiques.     Chronique]. 

Revue  des  langues  romanes.  XLVI,  1  [M.  Grammont,  'Ragotin'  et 
le  vers  romantique.  J.  Vianey,  La  robe  grise  de  Macette.  A.  Vidal,  Les 
deliberations  du  Conseil  communal  dAlbi  de  1372  ä  1H88.  G.  Bertoni, 
Notereile  provenzali.  J.  Ulrich,  La  traduction  du  N.  Testament  en  ancien 
haut  engadinois  par  Bifrun,  suite  et  fin.  —  Bibliographie]. 

Studj  di  filologia  romanza  pubbl.  da  E.  Monaci  e  C.  De  Lollis. 
Fase.  2ü  (Vol.  IX,  Fase.  'S1')  [P.  Savj-Lopez,  II  canzoniere  provenzale  J. 
A.  Ferretto,  Notizie  intorno  a  Caleca  Panzano  trovatore  genovese  e  alla 
sua  famiglia.  G.  Crocioni,  'La  Intervenuta  ridicolosa',  commedia  in  dia- 
letto  di  Cingoli  (Macerata)  1606.  F.  L.  Mannucci,  'Del  Libro  de  la  misera 
humana  condicione,  prosa  genovese  inedita  del  secolo  deeimo-quarto.  Gius. 
Flechia,  Note  lessicali  ed  onomatologiche  di  Giovanni  Flechia.  F.  D'Ovidio, 
Per  il  dialetto  di  Campobasso.  G.  Popovici,  Nuove  postille  al  dizionario 
delle  Colonie  rumene  d'Istria.  Bullettino  bibliografico].  Torino,  Loescher, 
1903.     S.  489—734.     L.  12. 

'Con  questo  fascicolo  cessa  la  pubblicazione  degli  Studj  di  filologia 
romanxa.' 

Meunier,  l'abbe"  J.-M.,  de  la  Societe*  de  linguistique  de  Paris,  ancien 
61eve  de  FEcole  pratique  des  Hautes  Etudes,  beende"  es  lettres,  professeur 
ä  ITnstitution  Saint-Cyr  de  Nevers,  La  prononciation  du  latin  classique 
(Extrait  de  la  Revue  du  Nivernais).    Nevers  1903.   VII,  38  S.  8.    Fr.  1,50. 

Meyer,  Wilhelm  aus  Speyer,  Professor  in  Göttingen,  Das  turiner 
Bruchstück  der  ältesten  irischen  Liturgie.  Ein  Kapitel  spätester  Metrik. 
Wie  ist  die  Auferstehung  Christi  dargestellt  worden?  Aus  den  Nach- 
richten der  K.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen.  Philologisch- 
historische Klasse.     1903.     Heft  2.     S.  163—254. 

Richter,  Elise,  Dr.  phil.,  Zur  Entwicklung  der  romanischen  Wort- 
stellung aus  der  lateinischen.     Halle  a.  S.,  Niemeyer,  1903.    X,  176  S.  8. 


Zeitschrift  für  französische  Sprache  und  Literatur  . . .  herausgeg.  von 
Dr.  D.  Behrens.  XXV,  5  u.  7.  Der  Abhandlungen  drittes  und  viertes 
Heft  [K.  Morgenroth,  Zum  Bedeutungswandel  im  Französischen.  E.  Dann- 
heifser,  Studien  zur  Weltanschauung  und  Entwickelungsgeschichte  des 
Dramatikers  A.  Dumas  fils.  D.  Behrens  und  J.  Jung,  Bibliographie  der 
französ.  Patoisforschung  für  die  Jahre  1892 — 1902,  mit  Nachträgen  aus 
früherer  Zeit]. 

Revue  de  philologie  francaise  et  de  litterature  ...  p.  p.  L.  Cledat. 
XVII,  2  [L.  Vignon,  Les  patois  de  la  region  lyonnaise:  le  pronom  regime 
de  la  8e  personne  (suite).  F.  Vezinet,  Le  latin  et  le  problerne  de  la  langue 
internationale.     E.  Casse  et  E.  Chaminade,  Vieilles  chansons   patoises  du 

31* 


484  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

Perigord.    L.  Cl£dat,   Sur  le  traitement  de  C  apres  la  protonique  et  la 
pönultieme  atones.  —  Comptes  rendus.     Chronique]. 

Meyer,  Paul,  Notice  d'un  manuscrit  de  Trinity  College  (Cambridge) 
contenant  les  vies  en  vers  francais  de  Saint  Jean  l'aumönier  et  de  Saint 
Clement,  pape.  Pire"  des  Notices  et  Extraits  des  maDuscrits  de  la  Biblio- 
theque  Nationale  et  autres  bibliotheques.  Tome  XXXVIII.  Paris,  Klinck- 
sieck,  1903.     51  S.  4.     Fr.  2. 

Die  altfranzösische  'Histoire  de  Joseph',  kritischer  Text  mit  einer 
Untersuchung  über  Quellen,  Metrum  und  Sprache  des  Gedichts  von  Wil- 
helm Steuer.     Erlangen,  Junge,  1903.     180  S.  8.    M.  4,80. 

Einige  Gedichte  Friedrichs  des  Grofsen  in  ursprünglicher  Fas- 
sung IL  nach  den  Manuskripten  der  königlichen  Archive  in  Berlin  zum 
erstenmal  herausgegeben  von  Prof.  Dr.  Wilhelm  Mangold.  Wissenschaft- 
liche Beilage  zum  Jahresbericht  des  Askanischen  Gymnasiums  in  Berlin. 
Ostern  1903.  Berlin,  Weidmann,  1903.  (Programm  Nr.  55.)  24  S.  4.  (Der 
erste  Teil  ist  1901  erschienen,  s.  Archiv  CVI  475.) 

L'Echo  litteraire,  Journal  bimensuel  destine"  ä  l'etude  de  la  langue 
francaise,  fonde  par  Aug.  Reitzel,  publie  par  Anna  Brunnemann,  Schrift- 
stellerin in  Dresden,  Marcel  Hebert,  ancien  directeur  de  l'Ecole  Föneion 
ä  Paris,  et  Dr.  Ph.  Rofsmann,  Oberlehrer  an  der  Oberrealschule  in  Wies- 
baden. XXIIPme  annee.  N"  1—6.  Heilbronn,  Salzer,  1903.  96  S.  8. 
Jährlich  M.  4.  (Jede  Nummer  der  Zeitschrift  mit  dem  seltsamen  Titel 
umfafst  zwei  Druckbogen,  von  denen  der  eine  'Supplement'  betitelte  und 
besonders  paginierte  ganz,  der  andere  zum  gröfsten  Teil  dem  unterhal- 
tenden Lesestoff  eingeräumt  ist,  der  letztere  aufserdem  einzelne  Bemer- 
kungen zur  Grammatik  oder  kleine  Aufgaben  bringt.  Zahlreiche  Anmer- 
kungen unter  dem  Text  ersparen  dem  wenig  beschlagenen  Leser  die  Be- 
nutzung eines  Wörterbuches.  Von  N°  4  ab  ist  Anna  Brunnemann  'ecrivain 
ä  Dresde'  und  von  N'J  0  ab  ist  Rofsmann  durch  Ed.  Platzhoff- Lejeune  er- 
setzt, welcher  sich  als  'agrege'  ä  l'Universite  de  Geneve'  bezeichnet,  neben- 
her aber  wie  sein  Vorgänger  'Dr.'  ohne  Artikel  vor  seinen  Namen  setzt. 
Das  Echo  könnte  gelegentlich  auch  einmal  vor  diesem  Germanismus  in 
Deutschland  geschriebener  Titelblätter  warnen.  In  N"  6  ist  statt  der  Fort- 
setzung des  im  'Supplement'  begonnenen  Romans  von  Bazin  der  vier- 
undzwanzigste Bogen  eines  ganz  anderen  Werkes  gegeben !) 

Anthologie  des  poetes  francais.  Sammlung  französischer  Gedichte  von 
Dr.  Theodor  Engwer,  Oberlehrer  am  Kgl.  Lehrerinnen-Seminar  und  der 
Kgl.  Augustaschule  zu  Berlin.  Neu  bearbeitete,  vermehrte  und  bis  auf 
die  neueste  Zeit  fortgeführte  Auflage  von  Beneckes  Sammlung  franzö- 
sischer Gedichte.  Mit  16  Porträts.  Bielefeld  und  Leipzig,  Velhagen  & 
Klasing,  1903.    XVI,  306  S.  8.    Geb.  M.  2. 

Freytags  Sammlung  französischer  und  englischer  Schriftsteller. 
Leipzig,  Freytag,  1903.    8.    Geb. 

Henri  Malin,  Un  collegien  de  Paris  en  1870.  Für  den  Schulgebrauch 
hrsg.  von  Prof.  Bernhard  Lade,  Oberl.  an  der  Grofsh.  Oberrealschule 
zu  Darmstadt.  IV,  95  S.  M.  1,25  (Wörterbuch  dazu,  40  S.,  M.  0,50). 

Perthes'  Schulausgaben   englischer  und  französischer  Schriftsteller. 
Gotha,  Perthes,  1903.    Geb. 

44.  Regne  de  Louis  XIV.  Aus  Histoire  de  France  par  Victor  Duruy. 
Für  den  Schulgebrauch  bearbeitet  von  Dr.  Ludwig  Klinger,  Ober- 
lehrer an  der  Kgl.  Oberrealschule  zu  Gleiwitz.  Mit  einer  Karte, 
einer  Skizze  und  einer  genealogischen  Tabelle.  VIII,  150  S.  (Wörter- 
buch 29  S.).     M.  1,80  und  M.  0,40. 

45.  Campagne  de  1809  aus  den  Mömoires  du  general  baron  de  Marbot. 
Mit  2  Plänen.  Für  den  Schulgebrauch  bearbeitet  von  Dr.  P.  Stein - 
bach,  Oberlehrer  am  Kgl.  Gymnasium  zu  Chemnitz.  IX,  127  S. 
(Wörterbuch  26  S.).     M.  1,50  und  M.  0,30. 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  485 

Teubners  Bibliothcque  francaise  ä  l'usage  des  classes.  Leipzig, 
Teubner,  1908.    Geb. 

Guerre  de  la  succession  d'Espagne  (chap.  XVII — XXIII  du  Siecle  de 
Louis  XIV)  par  Voltaire.  Edition  precedoe  d'une  notice  biogra- 
phique  et  suivie  d'un  commentaire,  d'un  repötiteur  et  d'une  carte 
par  J.  Ellinger,  docteur  en  philosophie,  professeur  ä  l^Ecole  reale 
Francois  Joseph  de  Vienne.  Revue  par  J.  Deläge.  I.  Texte  et 
Vocabulaire,  VIII,  142  S.     IL   Notes  et  rep&iteur,  42  S. 

Velhagen  &  Klasings  Sammlung  französischer  und  englischer 
Schulausgaben.    Bielefeld  u.  Leipzig,  1902.    Kl.  8.     Geb. 

Prosateurs  francais:  139.  Poum,  aveutures  d'un  petit  garcon  par  Paul 
et  Victor  Margueritte.  In  Auszügen  mit  Anmerkungen  zum  Schul- 
gebrauch herausgegeben  von  Dr.  A.  Mühlan,  Oberlehrerin  Glatz. 
76  S.  und  18  S.  Anhang.     M.  0,75. 

Schulze,  Alfred,  Zu  den  altfranzösischen  Bernhardhandschriften. 
(Sonderabdruck  aus  'Beiträge  zur  Bücherkunde  und  Philologie  August 
Wilmanns  zum  25.  März  1908  gewidmet'.  S.  889 — 404.)  Leipzig,  Harrasso- 
witz,  1908.    8. 

Amis  und  Amiles.  Ein  altfranzösisches  Heldengedicht  in  deutsche 
Verse  übertragen  von  Heinrich  Grein.  Mit  einem  Vorwort  von  Prof. 
Dr.  Gustav  Körting,  Kiel.  Kiel,  Cordes,  1902.  IV,  92  S.  8.  M.  2. 
Übertragen  in  fünffüfsige  iambische  Verse  ohne  feste  Cäsur,  ohne  Reim 
oder  Assonanz,  mit  sechssilbigem  Laissenschlufs.  Für  die  Anmerkungen 
wäre,  soweit  sie  Topographie  von  Italieu  angehen,  mit  Nutzen  Rajnas  Ab- 
handlung Un'  iscrizione  nepesina  im  Arch.  stör.  ital.  1887  berücksichtigt 
worden.  Dafs  bisweilen  der  Text  in  Einzelheiten  mifsverstanden,  auch  der 
Ton  nicht  völlig  getroffen  ist,  darf  nicht  verschwiegen  werden. 

Moliere,  Amphitryon,  verdeutscht  von  Carl  Moser.  Berlin,  Gold- 
schmidt, 1902.     72  S.  8.     M.  2. 

Prudhomme,  Sully,  Gedichte  in  deutschen  Versen  von  J.  Schnitz- 
ler, mit  einer  französischen  Vorrede  von  Sully  Prudhomme.  Berlin,  Ollen- 
dorff.  [1903].  99  S.  8.  M.  2.  Dem  sehr  schätzenswerten  Pr.  ist  vielleicht 
ein  Übermafs  von  Ehre  angetan  worden,  als  man  ihn  vor  einiger  Zeit, 
gewifs  ohne  sein  Wissen  oder  Wollen,  Europa  als  den  ersten  zeitgenössi- 
schen Dichter  vorstellte.  Auf  der  anderen  Seite  aber  hätte  ihm  die 
Kränkung  erspart  bleiben  sollen,  dafs  ein  Teil  seiner  Gedichte  in  angeb- 
liches Deutsch  durch  jemand  übersetzt  ist,  der  in  Bezug  auf  Sprachrichtig- 
keit, Versbau,  Reim  auch  den  bescheidensten  Wünschen  nicht  zu  genügen 
vermag.  Selten  hat  man  so  schönes  Büttenpapier  so  jammervoll  mifsbraucht. 

Otto,  Dr.  Emil,  Französische  Konversations-Grammatik  zum  Schul- 
und  Privatunterricht.  Neubearbeitet  von  H.  Runge,  Gymnasialoberlehrer 
in  Eisenberg.  Erster  und  zweiter  Teil.  27.  Auflage.  Heidelberg,  Groos, 
1903.    VII,  187,  147,  54  S.  8.     Zusammengeb.  M.  3,60. 

Sudre,  Leopold,  docteur  es-lettres,  professeur  au  lycee  Montaigne  et 
ä  la  Guilde  Internationale,  Petit  manuel  de  prononciation  francaise  ä 
l'usage  des  Prangers.  1er  fascicule:  Voyelles  francaises.  Paris,  Didier, 
1903.     64  S.  kl.  8. 

Risop,  Dr.  Alfred,  Oberlehrer,  Begriffsverwandtschaft  und  Sprach- 
entwickelung (Beiträge  zur  Morphologie  des  Französischen).  Berlin,  Weid- 
mann, 1903.     39  S.  4. 

Polen tz,  Emil,  Französische  Relativsätze  als  prädikative  Bestim- 
mungen und  verwandte  Konstruktionen.  Wissenschaftliche  Beilage  zum 
Jahresbericht  des  Andreas-Realgymnasiums  zu  Berlin.  Ostern  1903.  Berlin, 
Weidmann,  1903.     Programm  Nr.  105.     55  S.  4. 

Harnisch,  Dr.  A.,  Dir.  der  Realschule  zu  Kassel,  und  Dr.  A.  Du- 
chesne,  Lektor  der  französ.  Sprache  an  der  Univ.  Leipzig,  Methodische 
französische  Sprechschule,  Französische  Texte,  Systematisches  Wörterver- 


186  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

zeichnis,  Phraseologie.  I.  Teil,  mit  einem  Plane  von  Paris.  Ausgabe  A. 
Für  die  Mittelstufe  der  Realanstalten  und  für  Gymnasien.  Leipzig,  Spindler 
(1903).  VI,  137  S.  Geb.  M.  2.  Ausg.  B.  Für  den  Unterricht  an  höheren 
Mädchenschulen  eingerichtet  von  Bertha  Härder,  Oberlehrerin  an  der 
Stadt,  höh.  Töchterschule  II  zu  Hannover.    VI,  140  S.    Geb.  M.  2. 

Rosen berg,  Felix,  Un  voyage  de  vacances  ä  Paris.  Wissenschaft- 
liche Beilage  zum  Jahresbericht  des  Köllnischen  Gymnasiums  zu  Berlin. 
Ostern  1903.     Programm  Nr.  63.     Berlin,  Weidmann,  1903.     19  S.  4. 

Newell,  William  Wells,  The  legend  of  the  holy  grail  and  the  Perceval 
of  Crestien  of  Troyes  (papers  reprinted  from  the  Journal  of  American 
Folk-lore).     Cambridge,  Mass.,  Sever,  1902.    VI,  94  S.   8.     Doli.  1. 

Vising,  Johan,  Studier  i  den  franska  romanen  om  Hörn.  I.  34  S.  8. 
(In  Tnbjudning  tili  den  offentliga  föreläsning,  med  hvilken  prof.  Gustaf 
Fredrik  Steffen  kommer  att  tillträda  sitt  ämbete  vid  Göteborgs  högskola 
af  högskolans  rektor'.     Göteborg,  1903.) 

Crescini,  Vincenzo,  Gli  affreschi  epici  medievali  del  museo  di  Tre- 
viso.  (Atti  del  R.  Istituto  veneto  di  scienze,  lettere  ed  arti,  1902 — 3. 
T.  LXII,  parte  seconda.)  S.  267 — 272.  Kurze  Notiz  über  zwei  dem  Ende 
des  13.  oder  dem  Beginn  des  folgenden  Jahrhunderts  angehörende  Fresken, 
die  Scenen  aus  dem  Lai  d'Aristote  und  der  Entree  en  Espagne  darstellen. 

Grofs,  Max,  Geffrei  Gaimar.  Die  Komposition  seiner  Reimchronik 
lind  sein  Verhältnis  zu  den  Quellen  (V.  819—3394).  Inaugural-Dissertation 
aus  Strafsburg.     Erlangen,  1902.     VI,  136  S.  8. 

Triwunatz,  Dr.  Milosch,  Guillaume  Budö's  De  l'iustitution  du 
prince.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Renaissancebewegung  in  Frank- 
reich (Münchener  Beiträge  zur  roman.  u.  engl.  Philologie  herausgeg.  von 
H.  Breymann  und  J.  Schick,  XXVIII.  Heft).  Erlangen  und  Leipzig, 
Deichert,  1903.    XV,  108  S.  8.    M.  2,80. 

Samfiresco,  Mlle  Elvira,  ancienne  eleve  de  la  Faculte*  des  lettres 
de  Paris,  professeur  de  francais  au  Lycee  de  jeunes  filles  de  Bucarest, 
docteur  de  l'Universite*  de  Paris,  Manage  polemiste,  philologue,  poete. 
Paris,  Fontemoing,  1902.    XXX,  559  S.  8.    Fr.  7,50. 


Bartsch,  Karl,  Chrestomathie  provencale  (Xe — XVe  siecles).  Sixieme 
Edition  entierement  refondue  par  Eduard  Koschwitz.  I.  Textes.  Mar- 
burg, Elwert,  1903.  4-18  Sp.  8.  M.  8,50.  (Das  Glossar  soll  im  Laufe 
des  Jahres  erscheinen  und  unentgeltlich  nachgeliefert  werden.) 

Poesie  provenzali  allegate  da  Dante  nel  De  vulgari  eloquentia  (Testi 
romanzi  per  uso  delle  scuole  a  cura  di  E.  Monaci).  Roma,  Loescher  &  C, 
1903.  23  S.  8.  L.  0,60.  In  derselben  Sammlung  sind  1902  erschienen:  II 
proemio  del  marchese  di  Santillana,  14  S.,  L.  0,50,  und  Lusiada  de  Luis 
de  Camöes,  estratti  dal  canto  III,  con  un  sunto  di  tutto  il  poema, 
32  S.,  L.  1. 

Voyage  au  Purgatoire  de  St.  Patrice,  visions  de  Tindal  et  de  St.  Paul, 
textes  languedociens  du  quinzieme  siecle  publies  par  A.  Jeanroy,  pro- 
fesseur ä  l'Universite\  A.  Vignaux,  archiviste  municipal  de  Toulouse. 
Toulouse,  Privat,  1903.     LXI,  141   S.  8.     Fr.  4. 

Levy,  Emil,  Provenzalisches  Supplement-Wörterbuch.  Berichtigungen 
und  Ergänzungen  zu  Raynouards  Lexique  roman.  Fünfzehntes  Heft. 
Leipzig,  Reisland,  1903.    ,S.  129—256  (gitat—jejunar). 

Thomas,  Antoine,  Etymologies  limousines  (Extrait  de  la  Revue  des 
parlers  popidaires).     Paris,  Welter,  1903.     21  S.  8. 

Zingarelli,  Nicola,  Documentum  liberalitatis.  Nozze  Zingarelli- 
Jannotti.  34  S.  -4.  Edizione  di  cento  esemplari  fuori  commercio.  Napoli, 
1903.  [In  der  Hochzeitsgabe  für  seineu  Bruder  Raffaele  sammelt  und 
erläutert  der  gelehrte  Professor  an  der  Universität  von  Palermo  zahlreiche 


Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften.  487 

Stellen  aus  provenzalischen,  italienischen  und  anderen  mittelalterlichen 
Autoren,  wo  von  der  Tugend  der  Freigebigkeit  die  Rede  ist;  manches 
davon  weifs  er  auf  Aul'serungen  aus  dem  Altertum  zurückzuführen.] 


Societä  filologica  romana: 
II  libro  de  varie  romanze  volgare,   Cod.  Vat.  3793  a  cura   di  S.  Satta 

e  F.  Fgidi.     Roma  1903.     Fase.  II  (S.  49—90).     L.  3. 
ßullettino,   Num.  IUI   [V.  Federici,  Un  transunto   delY  Ars  notaria  di 
Giovanni   da  Tilbury.     V.    De   Bartholomaeis,    Nota    Bonvesiniana. 

F.  Hermanin,    La    Grotta   degli    Angeli    a    Magliano    Pecorareccio. 

G.  Crocioni,  II  frammento  Barberiniano  delle  chiose  di  Jacopo  Ali- 
ghieri].    90  S.    L.  2. 

Rajna,  Pio,  L'iscrizione  degli  Ubaldini  e  il  suo  autore  (Estratto  dal- 
l'Archivio  storico  italiano,  Serie  V,  vol.  XXXI,  1903).     70  S.  8. 

Madrigali  e  Ballate  del  secolo  deeimoquarto.  —  'Per  le  inclite  nozze 
della  signorina  Lina  Farina  col  marchese  Vincenzo  Trigona  di  Dainam- 
mare  queste  rime  d'amore  che  ebbero  musica  e  spirito  nel  forte  e  soave 
trecento  Severino  Ferrari  pubblicava  gratulante'.  Febbraio  MDCCCCIII. 
'24  S.  8.  (Aus  den  Handschriften  Laurenz,  palat.  LXXXVII  und  Paucia- 
tich.  26  in  Florenz,  teilweise  schon  früher  gedruckt.) 

Scan  f  er  lato,  A.,  Lezioni  italiane.  Kurze  praktische  Anleitung  zum 
raschen  und  sicheren  Erlernen  der  italienischen  Sprache  für  den  münd- 
lichen und  schriftlichen  freien  Gebrauch.  ..Zweite  Auflage.  Leipzig,  Teub- 
ner,  1903.  VI,  246  S.  8.  Geb.  M.  2.  (Über  die  erste  Auflage  s.  Archiv 
CVI,  230.) 

Giornale  storico  della  letteratura  italiana  diretto  da  F.  Novati  e 
R.  Renier.  Fase.  122.  123  [E.  Bertana,  La  mente  di  G.  Leopardi  in 
aleuni  suoi  'Pensieri  di  bella  letteratura'  italiana  e  di  estetica.  G.  Salve- 
mini, II  'liber  de  regimine  civitatum'  di  Giovanni  da  Viterbo.  —  Varietä: 
B.  Feliciangeli,  Aleuni  documenti  relativi  all'  adolescenza  di  Battista  e 
Costanzo  Sforza.  G.  Mancini,  Una  intercenale  inedita  di  L.  B.  Alberti. 
A.  Benzoni,  Una  lettera  di  Melchiorre  Cesarotti.  E.  Bellorini,  Silvio  Pel- 
lico  e  Federico  Confalonieri.  —  Rassegna  bibliografica :  Frä  Guittone 
d'Arezzo,  Le  rime  a  cura  di  Fl.  Pellegrini.  Vol.  I  (M.  Pelaez).  J.  Sanesi, 
Per  l'interpretazione  della  'Commedia'  (G.  Fraccaroli).  D.  Ronzoni,  Pagine 
sparse  di  studi  danteschi  (U.  Cosmo).  G.  Federzoni,  Studi  e  diporti  dan- 
teschi.  A.  Bassermann,  Orme  di  Dante  in  Italia  (A.  Belloni).  G.  Pedrotti, 
Alfonso  de'  Pazzi  accademico  e  poeta  (G.  Secchi).  A.  Manzoni,  I  Pro- 
messi  sposi  raffrontati  sulle  edizioni  del  1825  e  1840  con  un  commento  di 
P.  Petrocchi  (P.  Bellezza).  —  Bollettino  bibliografico.  —  Comunicazioni 
ed  appunti.  —  Cronaca]. 

Todt,  Oberlehrer  Dr.  August,  Die  franko-italienischen  Renartbranchen, 
ein  Beitrag  zur  altitalienischen  Sprach-  und  Literaturgeschichte.  Darm- 
stadt,  Ottos  Hofbuchdruckerei,  1903  (Dissertation  aus  Giefsen).  X,  11 1  S.  8. 

Vofsler,  Karl,  Weltgeschichte  und  Politik  in  der  italienischen  Dich- 
tung vor  Dante.  27  S.  8  (aus  'Studien  zur  vergleichenden  Literatur- 
geschichte' herausgegeben  von  Dr.  Max  Koch,  Prof.  in  Breslau,  III,  2, 
Berlin  1903). 

Hauvette,  Henri,  chargö  de  cours  ä  la  Faculte*  des  Lettres  de 
l'Universite"  de  Grenoble,  Un  exile"  florentin  ä  la  cour  de  France  au 
XVP'  siecle.  Luigi  Alamanni  (1495 — 1556),  sa  vie  et  son  ceuvre.  Paris, 
Hachette  et  Cie,  1903.    XIX,  583  S.  8.    Fr.  10. 

Orsi,  Pietro,  Privatdozent  für  neuere  Geschichte  an  der  Universität 
Padua,  Das  moderne  Italien,  Geschichte  der  letzten  150  Jahre  bis  zum 
Ende  des  19.  Jahrhunderts.  Übersetzt  von  F.  Goetz.  Leipzig,  Teubner, 
1902.    X,  380  S.  8.    M.  5. 


488  Verzeichnis  der  eingelaufenen  Druckschriften. 

La  perfecta  casada  por  el  maestro  F.  Luys  de  Leon,  texto  del  siglo 
XVI,  reimpresiön  de  la  tercera  ediciön,  con  variantes  de  la  primera,  y  un 
prölogo  por  Elizabeth  Wallace,  membro  del  cuerpo  de  profesores  de 
lenguas  romances  de  la  Universidad  de  Chicago.  The  decenDial  publi- 
cations,  second  series,  vol.  VI.  Chicago,  University  press,  1903.  XXVII, 
119  S.  8.    Geb.  Doli.  1,50. 

Nyrop,  Kristoffer,  Kortfattet  spansk  Grammatik  udarbejdet  til  Selv- 
studium  og  Undervisning.  Tredje  forbedrede  Udgave.  Kobenhavn,  det 
Schubotheske  Forlag,  1903.     126  S.  8.     Geb. 

Pietsch,  Karl,  Preliminary  notes  on  two  old  Spanish  versions  of 
the  Disticha  Catonis.  (The  University  of  Chicago  founded  by  John  D. 
Rockefeller.  The  deceDnial  publications.  Printed  from  volume  VII.)  Chi- 
cago, 1902.    42  S.  4. 

Beer,  Dr.  Rudolf,  Lektor  der  spanischen  Sprache  an  dem  romanischen 
Seminar  der  k.  k.  Universität  Wien,  Spanische  Literaturgeschichte.  Leip- 
zig, Göschen,  190?..    I.  Bd.,  148  S.,  IL  Bd.,  164  S.  kl.  8.    Geb.  je  M.  0,80. 

Groussac,  Paul,  directeur  de  la  Bibliotheque  Nationale  de  Buenos 
Aires,  Une  enigme  litteraire,  le  'Don  Quichotte'  d'Avellaneda ;  Le  drame 
espagnol;  Hernani;  Philologie  amüsante;  Carmen.  Paris,  Picard,  1903. 
XII,  303  S.  8.     Fr.  3,50. 

Densusianu,  Ovide,,  Histoire  de  la  lange  roumaine.  Tome  premier, 
fascicule  III.  Paris,  Leroux,  1902.  S.  305 — 510.  (Mit  dieser  Lieferung 
ist  der  erste  Band  abgeschlossen.  Es  wird  ein  zweiter  ebenfalls  in  drei 
Lieferungen  erscheinen,  der  fr.  15,  für  Nichtsubskribenten  fr.  20  kosten 
und  die  Geschichte  des  Laut-  und  des  Formenwandels  im  Rumänischen 
seit  dem  16.  Jahrhundert  sowie  die  neueren  fremden  Einflüsse,  die  Bil- 
dung des  literarischen  Rumänisch  darstellen  soll.) 


Masazik,  J.,  Sloveso  ceske"  ve  svych  tvarech  a  casich.  Das  böh- 
mische Verbum  in  seinen  Formen  und  Zeiten.  Heft  5  und  6.  Prag, 
Haase,  1,903.     S.  129— 2U8. 

O.  Äsböth,  Russische  Chrestomathie  für  Anfänger.  Accentuierte 
Texte  mit  vollständigem  Wörterverzeichnis.  Leipzig,  Brockhaus,  1903. 
IX,  191  S. 

Neffgen,  Grammatik  der  samoanischen  Sprache  nebst  Lesestücken 
und  Wörterbuch  (Bibliothek  der  Sprachenkunde  für  den  Selbstunterricht, 
79.  Teil).     Wien  und  Leipzig,  Hartleben.     VIII,  167  S.    M.  2. 


Register 

zu 

Arehiv  Band  CI— CX  (Neue  Folge  I— X). 


A.    Sachregister. 


Kursiver  Druck  bedeutet:  Abhandlungen,  Kleine  Mitteilungen,  Sitzungsberichte.  In 
Antiqua  sind  die  Anzeigen  gedruckt,  wobei  der  Name  des  Rezensenten  in  Klammern 
folgt.     Grofse  Ziffern  geben  den  Band  [CI — CX  =   1  — 10],    kleine  die  Seitenzahl. 


I.  Allgemeines. 

Harvard  studies  a.  notes  in  philol. 
a.  liter.  V  (Herzfeld)  1 182. 

Otia  Merseiana,  public,  of  the 
Arts  Faculty  Univ.  Coli.  Liverpool 
(Brandl)  4  204. 

Fr  an  filol.  fören.  i  Lund  (Holt- 
hausen)  1 156. 

M£m.  de  la  Societe"  neo-phil.  ä 
Helsingfors  III  (A.  Tobler)  9  221. 

Sitxungsber.  d.  Berl.  Qesellsch.  f.  d. 
Stud.  d.  neueren  Sprachen  2  362,  4  134, 
249,  ßl46,   8148,   10125. 

Neuphil.  Mitteilungen  (A.  Tobler) 

4  248. 

Langlois,  Manuel  de  bibliograph. 
histor.  (Schulze)  6  324. 

Stein,  Manuel  de  bibliogr.  gen£- 
rale  (Schulze)  6  326. 

Gelehrtengeschichte. 

Harnack,  Gesch.  d.  Preufs.  Akad. 
d.  Wissensch.  (R.  M.  Meyer)  8  391. 

Briefe  aus  d.  Frühzeit  d.  dtsch. 
Philol.  an  G.  F.  Benecke,  ed.  Baier 
(Singer)  9  378. 

E.  Meyer,  L.  Hölscher  f  dl- 

Segert- Stein,  D.  Sanders  (R.  M. 
Meyer)  1421. 

Wülker,  Briefwechsel  zw.  A.  Ebert 
u.  F.  Wolf  (A.  Tobler)  4  244. 

Haym,  Aus  meinem  Leben  (R.  M. 
Meyer)  9  380. 

Conrad,  Gedenkrede  auf  I.  Schmidt 

5  241. 

Sprachwissenschaft. 

Dietrich,  Grundlagen  d.  Völker- 
verk.-spr.  (R.  M.  Meyer)  9  386. 

Archiv,  Register.     Bd.  CI     I  \. 


Soames,  Introd.  to  Engl.,  French, 
German  phonetics  (Wagner)  5  428. 

Trautmann,  Kl.  Lautlehre  d.  Deut- 
schen, Frz.,  Engl.  I  (Suchier)  10  159. 

Tappolet,  Stand  d.  Mundarten  in  d. 
dtschen  u.  frz.  Schweiz  (Mackel)  9384. 

Klinghardt,  Artikul.-  u.  Hörübg. 
(Schatz)  1155. 

Erueger,  Auslassung  oder  Ellipse? 
7  350.  8107. 

Wiener,  Gesch.  d.  Wortes  lZigeuner' 
9  280. 

May,  Sind  d.  fremdart.  Ortsnamen 
in  Brandenb.  u.  Ostdtschland  slav. 
od.  germ.?  (Mackel)  2  389. 

Literatur. 

Elster,   Weltlit.  u.  lÄt.-verglg.  7  33. 

Avonianus,  Dramat.  Handwerks- 
lehre (Fischer)  10153. 

Morley,  Stud.  in  liter.  (Meyer)  1154. 

Gaylay  and  Scott,  Introduct.  to 
the  method.  a.  mater.  of  lit.  criticism 
(Fischer)  9  407. 

Worsfold,  Exerc.  of  judgm.  in 
liter.  (Borsdorf)  8  389. 

Spingarn,  Hist.  of  liter.  criticism 
in  the  renaiss.  (Brandl)  5  393. 

Tumlicz,  Lehre  v.  d.  Tropen  u. 
Figuren  (R.  M.  Meyer)  10158. 

Mott,  Poet  as  teacher (R.  M.Meyer) 
6389. 

Taylor,  Class.  herit.  of  the  Middle 
Ages  (R.  M.  Meyer)  8  416. 

Vofsler,  Poet.  Theor.  in  d.  Früh- 
renaiss.  (Wendriner)  6  222. 

Fischer,  Kunstformen  d.  mittel- 
alterl.  Epos  (R.  M.  Meyer)  B  162. 

Stiefel,  Schivanklit.  im  IG.  Jh.  III 
5  89. 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Schönbach,  Gesamm.  Aufsätze  z. 
neueren  Lit.  in  Dtschland,  Österr., 
Amerika  (R.  M.  Meyer)  7135. 

Stern,..  Einfühl.  u.  Associat.  in  d. 
neuern  Ästhetik  (R.  M.  Meyer)  1  421. 

Fremdsprachl.  Erzähl,  in  'Kürsch- 
ners Bücherschatz'  (Carel)  5  185. 

Waigel,  Romantik,  Neuromantik, 
Frauenfrage  7  253. 

Büchmann,  Geflüg.  Worte  (A.  Tob- 
ler)  1  399. 

Harbottle  a.  Dalbiac,  Dict.  of 
quotat.,  French  a.  Ital.  (A.  Tobler) 

ö  453. 

Burdach,  Ursprung  der  Salomo- 
Sage  8  Ml. 

Wechssler,  Sage  v.  hl.  Gral  in  Ent- 
wickelg.  bis  Wagners  Parsifal  (Frev- 
mond)  4219. 

Bolte,  Bigorne  u.  Chicheface  6  1- 

Läzilr,  Fortun atus-Märchen  (Jan- 
tzen)  1163. 

Steig,  Lit.  Unibild.  d.  Märchens  v. 
Fischer  und  siner  Fru  10  8. 

Bolte,    Noch   einmal    Hiobs    Weib 

6  140. 

Hauffen,  Bild  v.  Rerxensschlüssel 
510. 

Liebau,  Nachtr.  %u  Edw.  III.  von 
Engl.  u.  d.  Gräfin  v.  Salisb.  8  M3- 

Liebau,  Edw.  III.  v.  Engl.  u.  d. 
Gräfin  v.  Salisb.  —  Edw.  III.  im 
Lichte  europ.  Poesie  (Jellinek)  9  410. 

Liebermann,  Zur  Hss.-kuncle  2  471. 

Schweizer  Archiv  f.  Volkskunde 
(A.  Tobler)  4  248. 

Neue  Lit.  z.  Volkskunde  (Petsch) 

7  146. 

Lit.  der  Volksmärchen  u.  Sagen 
(Petsch)  4  381. 

Petsch,  Neue  Btr.  z.  Kenntnis  d. 
Volksrätsels  (Jantzen)  4  379. 

— ,  Formelhafte  Schlüsse  im  Volks- 
märchen (Schultz)  7  408. 

Unterrichtswesen. 

Pädag.  Monatshefte  (Penner)  5  128. 

Roberts,  Educat.  in  the  19th  cent. 
(Münch)  7185. 

Paulsen,  Deutsche  Universitäten 
(R.  M.  Meyer)  9  146. 

Findlay,  Principles  of  class  teach- 
ing  (Münch)  1U  155. 

Bärwald,  1)  Neue,  ebenere  Bahnen 
im  fremdsprachl.  Unterr.  2)  Eignet 
sich  der  Unterricht  im  Sprechen  u. 


Schreiben  einer  fremden  Sprache  f. 
d.  Schule?  (Carel)  7  215. 

Hasberg,  Praktische  Phonetik  im 
Unterricht  (Schultz-Gora)  8  260. 

Kuhnau,  Musikal.  Quacksalberei 
ed.  Benndorf  (Jellinek)  8179. 

Wiese,  Geistige  Heimatlosigk.  in 
d.  dtschen  Gegenwart  (Münch)  1 153. 


II.  Germanische  Sprachen. 

Allgemeines. 

Loewe,  Ethnol.  u.  sprachl.  Glie- 
derg, d.  Germ.  (Jantzen)  3  161. 

Holthausen,  Etymol.  I  7  379. 

Neue  Lit.  z.  germ.  Volkskunde 
(Petsch)  10  443. 

1.   Gotisch. 

Jantzen,    Got.    Sprachdenkmäler 
(Mackel)  1408. 
Friedmann,  Lingua  got.  (Roediger) 

3162. 

2.  Skandinavisch. 

Bernstein,  Order  of  words  in  Old 
Norse  prose  (Mackel)  2  386. 

Luick,  Gesch.  d.  anord.  Diphth.  im 
Engl.  7  322. 

Liebermann,  Ermengard  v.  Nar- 
bonne  4  361. 

v.  d.  Leyen,  Märchen  in  Götter- 
sagen d.  Edda  (Jellinek)  4  391. 

Holthausen,  Schwed.  Lobspruch  auf 
d.  dtsche  SpracJie  5  364. 

Ibsens  sämtl.  Werke  in  dtscher 
Sprache  ed.  Brandes,  Elias,  Schlen- 
ther  (Heusler)  2  387.  5129. 

Funk,  Prakt.  Lehrgang  z.  Erlern, 
d.  Schwed.  (Holthausen)  4  392. 

3.  Deutsch. 

Allgemeines. 

Neue  Publik,  d.  'Gesellsch.  z.  För- 
derung dtscher  Wissensch.,  Kunst 
u.  Lit.  in  Böhmen'  (Petsch)  3  357. 

Seiler,  Entwickelg.  d.  dtschen  Kul- 
tur. II  (Kinzel)  5  373. 

Heil,  Gründung  d.  nordostdtschen 
Kolonialstädte  u.  Entwickelg.  bis 
Ende  des  13.  Jahrhunderts  (Glöde) 

2  390. 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Maydorn,  Dtsches  Leben  im  Spie- 
gel dtscher  Namen  (Petsch)  2  385. 

Kuhns,  Germ.  a.  Swiss  settlem.  of 
colon.  in  Pennsylv.  (Keidel)  9387. 

Meyer,  E.  H.,  Dtsche  Volkskunde 
(Petsch)  1416. 

Förster,  Z.  dtschen  Bauernpraktik 
10  421. 

Dähnhardt,  Volkstüml.  aus  d.  Kgr. 
Sachsen,  I  (Branky)  2  399. 

Schmidt ,  Kursächs.  Streifzüge 
(R.  M.  Meyer)  10162. 

Evers,  Dtsche  Sprach-  u.  Lit.-gesch. 
im  Abrifs  (Jantzen)  5  97. 

Bächtold,  Kl.  Schriften  ed.  Vetter 
(Weinhold)  5  372. 

Sprache. 

Behaghel,  Dtsche  Sprache  (Schatz) 
9  383. 

Finck,  Dtscher  Sprachbau  (Freu- 
denberger)  5  101. 

Scholz,  Gesch.  d.  dtschen  Schrift- 
sprache in  Augsburg  bis  1374  (Wes- 
sely)  3  353. 

Waag,  Bedeut.-entwicklg.  unseres 
Wortschatzes  (Singer)  10160. 

Kluge,  Etym.  Würterb.  d.  dtschen 
Sprache0  (Much)  6  358. 
Dorff,  Müspilli  101- 
Björkman,  Drei  deutsche  Pflanzen- 
namen 7  375. 

Holthausen,  Kegel  und  Verwandtes 
5  365. 

Maxeiner,  Mhd.  Substantive  mit 
d.  Suffix  -ier  10  312. 

Hempl,  German  orthogr.  and 
phonol.  I  (Heusler)  1400. 

Vietor,  Aussprache  des  Schrift- 
deutschen (Holthausen)  3  356. 

Siebs,  Dtsche  Bühnenaussprache 
(Kinzel)  5108. 

Kaeding,  Häufigkeitswb.  d.  deut- 
schen Sprache  (Morgenstern)  5  103. 

Kaufmann,  Deutsche  Grammatik 
(Schatz)  9  384. 

Meyer,  Formenl.  u.  Syntax  d.  frz. 
u.  dtschen  Tätigkeitswortes  (Schulze) 
1  232. 

Hauschild,  Verstärk.  Zusammen- 
setzung bei  Eigenschaftswörtern  im 
Deutschen  (Glöde)  4160. 

Holthausen,  Asächs.  Elementarb. 
(Leitzmann)  6  168. 

Nagl,  Dtsche  Mundarten,  Zs.  f. 
Bearbeitung  d.  mundartl.  Materials 
(Schatz)  1 172.  5  126- 


Heilig  u.  Lenz,  Zs.  f.  hochdtsche 
Mundarten  (Schatz)  6172. 

Schatz,  Mundart  v.  Imst,  Laut- 
u.  Flexionslehre  (Bremer)  3  169. 

Hoffmann,  Schlesische  Mundart 
(Vogt)  7  407. 

Mentz,  Frz.  im  mecklenb.  Platt  u. 
Nachbardialekten  (Glöde)  1  403.  3368. 

Hörn,  Deutsche  Soldatensprache 
(Petsch)  5  113. 

Gerzon,  Jüdisch-deutsche  Sprache 
(Schatz)  9  389. 

Literatur. 
Storch,  Dtsche  Lit.-gesch.  (Haake) 

1  406. 

Nagl  u.  Zeidler,  Dtsch-österreich. 
Lit.-gesch.  (Meyer)  4  363. 

Meyer,  Grundr.  d.  neueren  dtschen 
Lit.-gesch.  (Jantzen)  10  151- 

Meyer,  Dtsche  Lit.  des  19.  Jhs. 
(Jantzen)  5  376. 

Frommel,  Neuere  dtsche  Dichter 
u.  ihre  relig.  Stellung  (Meyer)  10  430. 

Werner,  Vollendete  und  Ringende 
(Prem)  6  384. 

Heinzel,  Beschreib,  d.  geistlichen 
Schauspiels  im  dtschen  Mittelalter 
(Michels)  4  366. 

Schneider,  Spaniens  Anteil  an  d. 
dtschen  Lit.  d.  16.  u.  17.  Jhs.  (Bolte) 
3165. 

Herzfeld,  Z.  Gesch.  d.  dtschen  IM. 
in  England  5  30.  10  109. 

Vofsler,  Dtsch.  Madrigal,  Gesch. 
seiner  Entwickelg.  bis  Mitte  18.  Jhs. 
(Wurzbach)  1166. 

Kl.  asächs.  Sprachdenkmäler  ed. 
Wadstein  (Leitzmann)  5  381. 

Packaly,  Variat.  im  Heliand  u. 
d.  asächs.  Genesis  (Spies)  6  171- 

Panzer,  Hilde-Gudrun  (Much)  8395. 

Burdach,  W.  v.  d.  Vogelweide  I 
(Hampe)  9152. 

Gusinde,  Neidh.  m.  d.  Veilchen 
(Jantzen)  8176. 

Lemcke,  Textkrit.  Untersuch,  zu 
den  Liedern  H.s  v.  Morungen  (Singer) 

1160. 

W.  v.  Eschenbachs  Parsifal  und 
Titurel  ed.  Martin,  I  (Schatz)  7  401. 

Nolte,  Eingang  d.  Parsifal  (Boet- 
ticher)  7137. 

Biedermann,  Einwirkg.  d.  Kolm. 
Meisterliederhs.  (t)  auf  d.  Textgestal- 
tung der  Gedichte  H.s  v.  Meifsen 
(Mackel)  2  393. 


Register  zu  Archiv  Band  CI— CX. 


Laudiert,  Des  Gottesfreundes  im 
Oberland  Buch  v.  d.  zwei  Mannen 
(Seemüller)  1162. 

Euling,  Stud.  über  H.  Kaufringer 
(Schatz)  7  402. 

Golz,  Genovefa  in  d.  dtschen  Dich- 
tung (Berger)  6  370. 

Stiefel,  Quellen  d.  Esopus  v.  Waldis 
9  249. 

Kopp,  J.  Grünwald  7  1- 

Genther,  Stud.  z.  Liederbuch  d. 
K.  Hätzlerin  (v.  d.  Leyen)  10  428. 

Carolina  und  ihre  Vorgänger  ed. 
Kohler  (Schatz)  7  401. 

Bolte,  Liederbuch  Chr.s  v.  Schallen- 
berg 6  l?'y- 

Haake,   öryphius  u.  seine  Zeit  3  1  • 

Urban,  Owenus  u.  dtsche  Epi- 
gramm, d.  17.  Jhs.  (Schultz)  8178. 

Dorn,  B.  Neukirch  (Haake)  2  393. 

J.  J.  Bodmer,  ed.  Stiftung  Schny- 
der  v.  Wartensee  (Brandl)  8 182. 

Wanick,  Gottsched  u.  d.  dtsche 
Lit.  seiner  Zeit  (Minde-Pouet)  6  374. 

Coym,  Gellerts  Lustspiele  (Haake) 
4  377. 

Priebsch,  Ungedruckte  Briefe  aus 
Klopstocks  Lebensabend  10418. 

Lessing,  Minna  v.  Barnhelm  ed. 
Wolstenholme  (Berger)  6  173. 

Heuschkel,  Untersuch,  über  Ram- 
lers u.  Lessings  Bearbeit.  v.  Sinn- 
gedichten Logaus  (v.  d.  Leyen)  10 ltJ1- 

v.  Stockmayer,  Dtsche  Soldaten- 
stücke d.  18.  Jhs.  seit  'M.  v.  Barn- 
helm' (Boetticher)  4  374. 

Bleich,  Die  Märchen  des  Musäus 
81,273.  95. 

Jacobs ,  Gerstenbergs  Ugolino 
(Haake)  4  378. 

Brand,  Müller  v.  Itzehoe  (Oefte- 
ring)  10  431. 

Grundmann,  Geograph,  u.  völker- 
kundl.  Quellen  u.  Anschauungen  in 
Herders  'Ideen  z.  Gesch.  d.  Mensch- 
heit' (Singer)  8184. 

Herxfeld,  Gesch.  v.  Bürgers  Leonore 
in  England  6  354. 

Herold,  F.  A.  C.  Werthes  u.  d. 
dtschen  Zriny-Dramen  (Haake)  3  363. 

Publ.  of  the  Glasgow  Goethe- 
Soc.  II  (Morris)  3168. 

Haarhaus,  Goethe  (Morris)  3  362. 

Meyer,  Goethe  (Köster)  4156. 

Huch,  Goethe  (R.  M.  Meyer)  4  376. 

Witkowski,  Dichter  u.  Darsteller  I, 
Goethe  (Lehmann)  7145. 


Prem,  Goethe  (Steig)  7  403. 

Jahrmarktsfest  zu  Plundersweilern 
ed.  Herrmann  (Schultz)  9  391. 

Meyer,  R.  M.,  Goethes  Sprüche  6 19- 

Ritter,  Goethes  Sprüche  in  Prosa 
8132. 

Meyer,  R.  M.,  'Böser  Geist'  in  der 
Domseene  4  355. 

E.  Schmidt,  Danteskes  im  Faust 
7  241. 

Stanger,  Zwei  engl.  Faust- Über- 
setzungen 6  355. 

Köster,  Goethes  Elpenor  1  257. 

Morris,  Goethes  Pandora  4  1. 257. 

Geiger,  Kunsthist.  Aufsatz  Goethes 
u.  Polemik  wider  d.  Weimarer  Kunst- 
ausstell.  1  5- 

Gerstenbergk,  O.  v.  Goethe  u.  ihre 
Sühnein  Briefen  (Minde-Pouet)  9401. 

v.  Komorzynski,  Schikaneder  (Wal- 
ze!) 8  417. 

Pietsch,  Schiller  als  Kritiker  (Leh- 
mann) 6  380. 

Priebsch,  Unbek.  Briefe  v.  Schiller, 
F.  H.  Jacobi  und  A.  W.  Schlegel  an 
Hufeland  10  20. 

Consentius,  Quellenfrage  v.  Schil- 
lers Geschickte  des  30 jähr.  Krieges 
4122.  6241. 

Mauerhof,  Schiller  u.  H.  v.  Kleist 
(W.)  2395. 

Badstüber,  H.  v.  Kleist  (Steig)  9402. 

Morris,  H.  v.  Kleists  Reise  nach 
Würzburg  (v.  d.  Leyen)  10  163. 

Minde-Pouet,  H.  v.  Kleists  Sprache 
u.  Stil  (Singer)  1409. 

Busse,  Novalis'  Lyrik  (Jantzen) 
1408. 

Bischoff,  L.  Tieck  als  Dramatiker 
(Berger)  2  396. 

Hoffmanns  Werke  ed.  Schweizer 
(Boetticher)  1168. 

Steig,  Entstehungsgeschichte  der 
Märchen  u.  Sagen  der  Brüder  Grimm 
7  277. 

Moestue,  Unlands  nord.  Studien 
(R.  M.  Meyer)  10  434. 

E.  Schmidt,  Uhland  als  Dolmetscher 
L.  de  Vegas  1 1- 

Krüger,  Der  junge  Eichendorff 
(Haake)  5  U*. 

Kopp,  Liedersammlung  des  Frhrn. 
v.  Reiffenberg  5  265. 

Jahn,  Immermanns  Merlin  (Haake) 
4  376. 

Bankwitz,  Religiöse  Lvrik  d.  A. 
v.  Droste-Hülshoff  (Jantzen)  5  H6- 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Richter,    Freiligrath    als    Über- 
setzer (R.  M.  Meyer)  6  381. 
Hebbel  ed.  Werner  (Meyer)  8186. 
Hebbels  Briefe  ed.  Werner  (Meyer) 

7  405. 

Poppe,  Hebbel  und  sein  Drama 
(Jantzen)  6  379. 

Bismarck,  his  reflect.  and  remin. 
(Harsley)  3  184. 

Ritter,  Heyse  u.  Bums  8  133. 

Friedmann,  Anzengruber  (Meyer) 
10  163. 

Bartels,  G.  Hauptmann   (Haake) 

1  168. 

German  lyrics  and  ballads  ed. 
Hatfield  (Delmer)  6  381. 

Böhme,  Dtsches  Kinderlied  und 
-spiel  (Branky)  2  399. 

Drohsin,  Dtsche  Kinderreime  u. 
Verw.  (Branky)  2  399. 

Frommel,  Kinder-Reime,  -Lieder 
und  -Spiele  (Petsch)  7  366. 

Bahlmann,  Münsterländ.  Märchen 
(Petsch)  5123. 

Eskuche,  Siegerländ.  Kinderlieder 
(Branky)  2  399. 

Sprichwörter  und  alte  Volks-  und 
Kinderbleder  in  Kölner  Mundart. 
(Petsch)  4  390. 

Stillfried,  In  Lust  u.  Leed  (Glöde) 
1  174. 

Piper,  Ut  'ne  lütte  Stadt  (Glöde) 

3174. 

Vogt,  Schles.  Weihnachtsspiele. 
(Weinhold)  6  369. 

Wackerneil,  Altere  Volkslieder  und 
volkstüml.  Lieder  aus  Tirol  1283.  21- 

Bolte,  Altweibermühle,  Tiroler  Volks- 
sehauspiel  2  241. 

Hoffmann-Krayer,  Altweibermühle 
4  355. 

Heyl,  Volkssagen,  Bräuche  u.  Mei- 
nungen aus  Tirol  (v.  Hörmann)  5H8. 

Kaiser,  Franzel  in  da  Fremd 
(Branky)  2  407. 

Unterrichtswesen. 

Schröder,  Höherer  Lehrerstand  in 
Preuisen  (A.  Tobler)  3  468. 

Vietor,  Dtsches  Leseb.  in  Laut- 
schrift (Schatz)  5  127. 

Flachsmann,  Irrwege  im  Leseb. 
f.  Volksschulen  (Herrmann)  8  227. 

Friedmann,  Gram,  tedesca  (Bovet) 
9  389. 

Naumann,  Anleitung  z.  Abfassung 
dtscher  Aufsätze  (Boetticher)    1 179. 


Lehmann,  Schiller  in  der  heutigen 
Schule  1273. 

Qeyer,  Schiller  in  d.  heutigen  Schule 
3  257. 

4.  Holländisch. 

Meyer,  Sprache  der  Buren  (Psi- 
lander)  9  l57- 

5.  Englisch. 

Allgemeines. 

Vietor,  Einführ,  in  das  Stud.  der 
engl.  Philol.  (Schleich)  1  421. 

Trautmann,  Bonner  Beiträge  zur 
Anglistik  (Herrmann)  7  163. 

Garnett,  Essays  of  an  ex-librarian 
(Brandl)  8  207. 

Green,  Conquest  of  Engl.  (Brandl) 

5  388. 

Hunt,Engl.  church  from  597—1066 
(Liebermann)  5  386. 

Förster,  Symbolformen  d.  alt.  engl. 
Kirche  6  348,  480. 

Liebermann,  Matrosenstell.  a.  Land- 
gut, d.  Kirche  London  4  17. 

Roeder,  Familie  bei  den  Angel- 
sachsen (Halm)  5  389. 

Padelford,  Old  English  musical 
terms  (Brandl)  4  393. 

Förster,  Kleinlitt.  d.  Aberglaubens 
im  Ae.  10  346. 

Liebermann,  Charakteristik  Engls. 
im  12.  Jahrh.  10  99. 

-  Engl.  u.  Frx.  im  12.  Jh.  4  125. 

—  Angli  caudati  4  124. 

—  Franzosen  über  Engl,  im  13. 
Jahrh.  10  426. 

Maitland,  Engl,  law  and  the  re- 
naiss.  (Liebermann)  8  435. 

Creighton,  Age  of  Eliz.  ed.  Aron- 
stein  (Spies)  7168. 

Sizeranne,  Zeitgenöss.  englische 
Malerei  (Förster)  5176. 

Mason,  Counties  of  Engl.  ed.  Badke 
(Penner)  3188. 

Gordon,  London  life  a.  institut. 
ed.  Ackermann  (Penner)  3  187. 

Klöpper,   Engl.   Reallex.   (Keller) 

8  424. 

Lewin,  Engl.  Realienkunde  (Herr- 
mann) 4  425. 

Sprache. 

Sanders,  Encykl.  engl.-dtsches  u. 
dtsch.-engl.  Wb.  IL  Dtsch.-Engl. 
A— E  (Bieling)  4421. 


6 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Muret- Sanders,  Encycl.  English- 
German  and  German-Engl.  dict.  II 
(Bieling)  10167. 

Wright,  Engl.  dial.  dict.  (Keller) 
4  418. 

Thomas,  Naval  wordbook  (Krue- 
ger)  7  203. 

Björkman,  Engl.   Wortkunde  3  347. 

—  Mise.  %.  engl.   Wortkunde  1  390. 

Kluge,  Orrms  awwermod  (xu  1 3ä0J 
2  351. 

Skeat,  Concise  etym.  dict.  of  the 
Engl,  language  (Förster)  8 l88- 

Kluge  und  Lutz,  Engl,  etymol. 
(Schleich)  1*25. 

Skeat,  Notes  on  Enal,  etvmol. 
(Björkman)  9162. 

Finster,  Etymol.  v.  ne.  shanty  7H2. 

Ritter,  Etymol.  v.  ne.  ooxe  9  l28- 

Western,  Darstell,  d.  engl.  Aus- 
sprache (Holthausen)  4  202. 

Günther,  Manual  of  Engl,  pro- 
nunciat.  (Penner)  6193. 

Scripture,  Researches  in  experiin. 
phonetics  (Brandl)  6179. 

Tamson,  Word-stress  in  English 
(Schleich)  4199- 

Holthausen,  Ausspr.  von  ne.  father 
u.  rather  5  371.   ) 

Reimann,  Abrifs  d.  engl.  Syntax 
(Krueger)  1208. 

Stoffel,  Intensive  and  down-toners 
(Tanger)  10169. 

Koeppel,  Engl.  Wortbildungslehre 
4  25,  279. 

—  Analogiewirkg.  xw.  ivurxelcerw. 
Zeit-,  Haupt-  u.  Beiwörtern  d.  engl. 
Sprache  6  28- 

Klaeber,  Ae.  Bedeutungslehre  9  305. 

IAebermann,  Streoneshealh  8  368. 

Hittle,  Mid   u.  wid   (Spies)  9  404. 

Old  English  glosses  ed.  Napier 
(Herzfeld)  7160. 

Harris,  Glossary  of  the  West-Saxon 
gospels  (Brandl)  2  409. 

Förster,  Frührne.  u.  anglofranxös. 
Glossen  aus  Digby  172  9  314. 

Callaway,  Appos.  partic.  in  anglo- 
saxon  (Hecht)  8  428. 

Sarraxin,  Me.  Vokaldehn,  in  offe- 
ner Silbe  u.  Streitbergs  Dehnungsges. 
1  65. 

Luick,  Entwickl.  von  ae.  ü,  i  und 
Dehnung  in  offener  Silbe  überhaupt 

243.   3  55. 

—  Diphth.  von  nie.  ü,  l  und  verw. 
dtsche  Erschein.  3  267. 


Koeppel,  Ae.  i  xu  nie.  e  4  127. 

Björkman,  Scand.  loan-words  in 
me.  I.  (Luick)  7  412. 

Liebermann,  Kaufmann.  Engl,  um 
1480  7  108. 

—  Engl.  d.  Gewerke  9127. 

—  Me.  Forstausd?-ücke  10  100. 
Conrad,  Eingeschob.  Sätxe  im  heut. 

Engl.  7  330.  8  78. 

Tanger,  to  be  to  im  Vergleich  mit 
I  shall  5  311. 

Liebermann,  At  one's  fingers'  ends 
588- 

Wittert,  Bildl.  Verneinung  i.  Ne.  5  37. 

Tamson,  John  Bull  1  396. 

Ritter,  Land  of  cakes  8 140. 

Müller,  Untersuch,  über  d.  Namen 
d.  nhbr.  Liber  vitae  (Füchse!)  7  409. 

Liebermann,  Nhbr.  Laute  um  710. 
8  370. 

Literatur. 

Brückner,  Talks  about  Engl,  liter. 
(Herrmann)  3  401. 

Macmillan's  library  of  Engl,  clas- 
sics  (Brandl)  6  401. 

Arber,    Brit.   anthol.    (Schoembs) 

5145. 

Husrenholtz,  Engl,  reader  (Herr- 
mann) 6  420. 

Biogr.  of  great  Englishmen  ed. 
Wershoven  (Lindberg)  3  395. 

Förster,  Textbess.  xu  Gropp  und 
Hausknechts  Auswahl  engl.  Gedichte 
285. 

Ellinger,  English  letters  (Lewin) 
8  459. 

Lewis,  Foreign  sources  of  mod. 
Engl,  versification  (Schoembs)  3370. 

Bronson,  Short  history  of  Amer. 
liter.  (Brandl)  5  402. 

Keller,  Lit.  Bestreb,  v.  Worcester 
in  ags.  Zeit  (Konrath)  6  175. 

Steineck,  Ae.  Dichtungen  in  wort- 
getreuen Übersetzungen  (Holthausen) 
3  376. 

Liebermann,  Rhytm.  Prosa  Engls. 
im  10.— 11.  Jh.  10  98. 

Cook,  Bibl.  quotat.  in  Old  Engl, 
prose-writers  (Keller)  4  397. 

Napier,  Nachträge  xu  Cooks  Bibl. 
quotat.  in  Old  Engl,  prose-writers 
1  309.  2  29.  7  105. 

Mätzner  u.  Bieling,  Ae.  Sprach- 
proben nebst  Wörterb.  II,  12.  Lief. 
(Penner)  5137. 

—  13.  Lief.  (Dibeliusj  9169. 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Underhill,  Span,  liter.  in  theEngl. 
of  the  Tudors  ( Brand  1)  5  146. 

Einstein,  Ital.  Renaiss.  in  Engl. 
(Brandl)  9171. 

Manly,  Speeimens  of  the  pre- 
Shakesp.  drama  (Brandl)  2  409. 

Smith,  Specimens  of  Middle  Scots 
with  introduct.  (Brandl)  10  447. 

Sander,  Moment  d.  letzten  Span- 
nung in  den  engl.  Tragödien  bis 
Shakesp.  (Meyer)  10*49. 

Fehr,  Weitere  Btrge  z.  engl.  Lyrik 
d.  15.  u.  16.  Jhs.  7  48. 

Carpenter,  Metaphor  and  simile 
in  the  minor  Elizab.  drama  (Brandl) 
3  381. 

Schoembs,  Orlando  für.  in  der 
engl.  Lit.  des  Zeitalters  der  Elisab. 
(Keller)  5143. 

Cross,  Development  of  the  Engl. 
novel  (Brandl)  5146. 

Alden,  Rise  of  formal  satire  in 
Engl,  under  class.  influence  (Brandl) 
6185. 

Koeppel,  D.  Quixote,  S.  Pansa  u. 
Dulcinea  in  der  engl.  Liter,  bis  zur 
Restauration  1  87. 

Zeiger,  Btrge.  z.  Gesch.  d.  Einfl. 
d.  neueren  dtschn.  Lit.  auf  d.  engl. 
(Herzfeld)  8  437. 

Ritter,  Zu  engl.  Liedern  8  l39- 

Herford,  Age  of  Wordsworth 
(Brandl)  1188. 

Saintsbury,  Hist.  of  19th  cent.  liter. 
(Brandl)  1188. 

Autobiogr.  of  a  Slander.  A.  Lin- 
coln, ed.  Hammond.  (Lindberg)  3395. 

Jones,  Renasc.  of  the  Engl,  drama 
(Meyersfeld)  2  423. 

Fischer,  Letzte  Londoner  Theater- 
saison 4  162. 

Brandl,  Chrousts  Fund  einer  der 
alt.  ags.  Aufxeichn.  7  103. 

Beowulf  and  the  fight  at  Finns- 
burgh  transl.  Hall  (Dibelius)  9  403. 

Beowulf,  ed.Heyne-Socin  (Jantzen) 
3  175. 

Beowulf,  übertr.  v.  Heyne  (Holt- 
hausen)  3  373. 

Holthausen,  Zum  Beowulf  5  366. 

Klaeber,  Zum  Beoivulf  8  368. 

—  Beowulf  2724  f.  4  287. 

Liebermann,  Z.  Gesch.  Byrhtnots  1 15. 

Syinons,  Cynewulfs  Wortschatz 
(Brandl)  5134. 

Liebermann,  Zur  Gynewidf-Frage 
5  367. 


Christ  of  Cynewulf,  transl.  Whit- 
man  (Spies)  7  159. 

Madert,  Sprache  d.  ae.  Rätsel  d. 
Exeterbuches  u.  d.  Cynewulffrage 
(Herzfeld)  6  389. 

Holthausen,  Quelle  der  ae.  Fata 
apostolorum  6  343. 

Barnouw,  Schicksale  d.  Apostel  ein 
unabhäng.  Gedieht?  8  371. 

Holthausen,  Gedichte  in  Aelfr.s 
Übersetz,  d,   (Jura  past.  6  346. 

—  Allit.  Vorrede  zur  ae.  Übersetz. 
v.   Gregors  Dialogen  5  367. 

Wiese,  Sprache  d.  Dial.  d.  Papstes 
Gregor  (Krause)  6  207. 

Förster,  Ae.  Boethius  6  342. 
Liebermann,  Wulfstan  u.  Onut  3  47. 

—  Hss. -Verhältnis  in  Cnuts  Ge- 
setzen 10422. 

Barnouw,  Runenstelle  d.  Himmel- 
fahrt 7  382. 

Holthausen,  Fragm.  von  Worcester 
6  347. 

Crow,  Maldon  und  Brunnanburh 
(Björkmann)  1  426. 

Förster,  Lat.-ae.  Fragm.  d.  Apokr. 
v.  Jamnes  u.  Mambres  8  15- 

—  Jamnes  u.  Mambres  10  427. 

—  Ae.  Nicodemus-Evangel.  7  311. 
Liebermann,     Ags.     Benediktiner- 
regel 4  125. 

—  Aethelwolds  Anhang  zur  Bene- 
diktinerregel 8  375. 

—  Ags.  Verordn.  üb.  d.  Dunsaite  2  267. 

—  Abfassungszeit  v.  'Rectit.  sing, 
person.'  u.  ags.  'aferian'  9 73- 

—  Ags.  Kränungseid  9  375. 

—  Ags.  Davidbild  9  377. 
Wülker,  Ags.  Davidbild  10  421. 
Förster,  Zur  4.  Blickt.  Homilie  3 149. 
Liebermann,    Rituale   Dunelmense 

4  122. 

—  Ags.  Fieberbeschwör.  4  123. 
Napier,  Ags.  Fieberbeschwör.  4  361. 
Liebermann,   Ags.  Rubriken  4 123. 

—  Winchestersche  Grundstücks- 
grenzen  5  369. 

—  Ags.  Annalen  6  345. 

—  Verlorene  ags.  Annalen  4 124. 

2  Saxon  chronicles  ed.  Plummer 
(Liebermann)  4  188. 

Searle,  Onomasticon  Anglo  -  sax. 
(Liebermann)  2  222. 

Searle,  Anglo-saxon  bishops,  kings 
and  nobles  (Liebermann)  4  l87- 

Liebermann,  Zum  Old  Engl,  mar- 
tyrol.  5  86. 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Liebermann,  Heiligen  Engte.  4  358. 

—  Ags.  Menologium  10  98. 
Förster,  Ae.  Quintin.-Leg .  6  258. 
Holthausen,  Ae.  Spruch  aus  Win- 

frids  Zeit  6  347. 

Liebermann,  Liber  vitae  of  Neiv- 
minster  4  359. 

—  Ags.  Protest  gegen  Cölibat  9376. 

-  Engl.  Schaustell.  um  1115  7  106. 

—  Ags.  Hss.  in  Burton  im  12.  Jh. 
9  376. 

—  Zur  ae.  u.  me.  Hss.-kunde.  5  369. 

—  Ae.  u.  me.  Hss.  7  385. 

-  Me.  Hss.-kunde  4  360. 
Förster,  Me.  Hss.-kunde  10103. 
Liebermann,   Me.   Hss.   in  Dublin 

7  107. 

Brotanek,  Zu  7  J°s.  Me.  Hss.  in 
Dublin  8133. 

Liebermann,  Me.  in  neuen  Hss.- 
Katal.  d.  Cambr.  Colleges  4  126. 

—  R.  Bacon  als  Philol.  10  100. 

—  Engl,  bei  d.  Nottaufe  1223  4360. 
Holthausen,  Me.  Genesis  7  386. 

Me.  Genesis  u.  Exodus  9  126. 
Lovewell,  Life  of  St.Cecilia  (Brandl) 
3177. 
Havelock,  ed.  Holthausen  (Heuser) 

8  197. 

Holthausen,  Zum  Havelock  10  100, 425. 

Förster,  Zu  Havelock  V.  2461  7107. 

Weyrauch,  Me.  Fassungen  v.  G. 
of  Warwick  u.  ihre  afrz.  Vorlage 
(Björkman)  10  «4. 

Liebermann,  G.  of  Warwicks  Ein- 
flicfs  7107. 

Koeppel,  Histor.  Anspiel,  im  'Rom. 
of  OtueV  7  392. 

Liebermann,  Osterspiel  zu  Leicester 
7108. 

—  Fronleichnamsmysterien  zu  Be- 
verley  10426. 

Queen' s   minstrels  1302   4 126. 

—  Mistery  plays  in  a  chapel  in 
the  14&  cent.  4  360. 

—  Spielleute  u.  Narren  im  14.  u. 
15.  Jh.  9  377. 

—  Richard  d.  Reimer  Eduards  5  87. 

-  Reimer  v.  Worcester  7  386. 

—  Chevalier  au  cygne  in  Engl.  7 106. 
Hahn,  Pricke  of  Conscienee  V.  7651 

bis  86  6  349. 

Le  bone  Florence  of  Borne  ed. 
Vietor  (Weyrauch)  10  446. 

Ernare,  ed.  Gough  (Dibelius)  10196. 

Holthausen,  Quellen  d.  me.  Gedichts 
Lob  der  Frauen  8  288.  io  102. 


Förster,  Shirley-hss.  3  149. 
Hahn,   Einflufs  d.   Planeten  6  351. 
Holthausen,  Me.  Disput  zw.  Maria 
u.  d.  Kreuze  5  22. 

—  Me.  Gedicht  Cleanness  6  349. 

—  Pride  of  Life  8  32. 
Liebermann,  Legende  von  Edw.  d. 

Bekenner  10  103. 

Lindberg,  Satire  on  Blacksmiths 
1395. 

Gast  of  Gy  ed.  Schleich  (Spies) 
6179. 

Gower,  ed.  Macaulay  (Toulmin 
Smith)  5  390.  10197. 

Chaucer  ed.  Pollard  (Koch)  2  410. 

Seymour,  Chaucer  Stories  ed. 
Klöpper  (Fahrenberg)  1  207. 

Koeppel,  Chaucer s  'Rom.  ofthe  Rose' 
u.  Sackvilles  'Induction'  1 145. 

Chaucer,  Caunterb.  Tales,  Prolog 
ed.  Zupitza  (Förster)  3178. 

Oelzner-Petersen,  Sources  of  the 
Parson's  tale  (Spies)  8  430. 

Förster,  Parallelen  zu  Chaucers 
Prioresses  tale  u.  Fr  er  es   tale  10  427. 

Koeppel,  Lydgates  '  Vowes  of  Pecok' 
8  29. 

Me.  Gedicht  'Boke  of  Cupide'  ed. 
Vollmer  (Dibelius)  3  179. 

Lange,  Scogan  u.  'Court  of  love' 
10  104. 

Neilson,  Origins  and  sources  of 
the  'Court  of  Love'  (Brandl)  6  390. 

Förster,  Burghs  Leben  u.  Werke  1 29. 

—  Passe  forthe,  thou  pilgryme  (zu 
I2i>)  2  213. 

Jacob's  well  I  ed.  Brandeis  (Di- 
belius) 7166. 

Seege  of  Troye  ed.  Wager  (Brandl) 
6  182. 

Brix,  Me.  Übersetz,  d.  Speculum 
humanae  salvat.  (Förster)  6  182. 

Brandl,  Th.  Beckets  Weissagung 
über  Edw.  III.  u.  Heinr.  V.  2  352. 

Koeppel,  Lindsays  Anspiel,  auf  nie. 
Dichtungen  8  60- 

Brown,  Wallace  and  Bruce  restud. 
(Herrmann)  7  419. 

Generydes  ed.  Wright  (Holthau- 
sen) 6  351. 

Bergau,  Untersuch,  über  Quelle 
u.  Verfasser  des  me.  Reimgedichts 
Vengeaunce  of  goddes  deth  (Suchier) 
8199. 

Fehr,  Lüder  d.  Hs.  Sloane  2593  9  33. 

—  Lieder  d.  Fairfax-Ms.  6  48. 

—  IAeder  d,  Hs.  Add.  5665   6  262. 


Eegister  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


9 


Liebermann,  Me.  Gedicht  über  Gärt- 
nerei 5  88. 

-    Liber   custumarum    v.   North- 
anipton  4  361. 

—  Me.  Bischofssegen  4  360. 
Neumann,  Treatice  of  London  1 143. 
Brandt,   Berichtig,  zu  'Treatice  of 

London'  2  471. 

Finster,  Stabreimendes  ABC  des 
Aristoteles  5  296. 

—  Kl.  Mittig.  zur  me.  Lehrdich- 
tung 4  293.  6  H5. 

aolthausen,  Kennedy -Studien  10  359. 

Gra/,  Unknoivn  editions  of  Hey- 
■wood's  'Play  of  Love'  6  141- 

Cox,  Arte  or  crafte  of  rhetoryke 
ed.  Carpenter  (Brandl)  2  418. 

Bolte,  Orimald  u.  d.  Oberammer- 
gauer  Passionsspiele  5  1- 

Liebermann,  Zic  Th.  Sackville  6  352. 

Nitzer,  Quelle  r.  Turbervilles  'Trag, 
tales  Nr.  2'  6143. 

Sidney,  Defense  of  poesy  ed.  Cook 
(Brandl)  3  383. 

Lily  ed.  Bond  (Koeppel)  10  449. 

Lily,  Endymion  ed.  Baker  (Brandl) 

2  419. 

Kyds  Span.  Tragödie  ed.  Schick 
(Keller)  3  385.  (Druckfehlerverbess. 
4  469.) 

Spenser,  Faerie  queene  ed.  Warren 
(Koeppel)  6186. 

Koeppel,  Spensers  Florimell  u.  d. 
Britom.-Sage  d.  Anton.  Liberalis  7  394. 

Koeppel,  Qreenes  'Mad  preest  of  the 
sonne'  2  357. 

Gilbert,  Greenes  Selimus  (Anders) 
8  206. 

Bang,  Patient  Grissill  7  HO- 
Guggenheim,  Quellenstudien  zu 
S.  Daniels  'Delia'  (Schoembs)  3 180. 

Hughes,  Misfortunes  of  Arthur 
ed.  Grumbine  (Sarrazin)  7  423. 

Jahrb.  d.  dtschen  Shakespeare- 
Gesellschaft  (Schoembs)  5  138. 

Chiarini ,  Studi  Shakespeareani 
(Herford)  1 186. 

Lee,  Life  of  W.  Shakespeare  (Di- 
belius)  5  396. 

van  Dam,  William  Shakespeare 
(Western)  10  202. 

Klöpper,  Shakesp.-Realien  (Brandl) 
8  436. 

Deutschbein,  Shakespeare  -  Gram- 
matik (Sarrazin)  1 184. 

Franz ,  Shakespeare  -  Grammatik 
(Herrmann)  6  404. 


Sarrazin,  Shakespeares  Lehrjahre 
(Keller)  4  400. 

Madden,  Diary  of  Master  W.  Si- 
lence  (Brandl)  1  187. 

Holthausen,  Zu  Shakesp.  Pich.  III. 
1,  2,  55  ff  7  109. 

Churchill,  Rieh.  III  up  to  Shake- 
speare (Fischer)  9  407. 

Sarrazin,  Scenerie  u.  Staffage  im 
'Sommernachtstraum''  4  67« 

Shakespeares  'J.  Caesar',  'Henry  V 
ed.  Hudson  (Sarrazin)  2  421. 

Shakespeares  'Macbeth'  übers,  v. 
Vischer,  ed.  Conrad  (Fischer)  10  21". 

Conrad,  Vischer  u.  Dar.  Tieck  als 
Macbeth  -  Übersetzer  6  70. 

Shakespeares  'Tempest'  ed.  Wag- 
ner (Anders)  7  170. 

Stiefel,  Quelle  v.  Fletchers  'Island 
Princess'  3  277. 

Petsch,  Zu  Dedekind- Scheids  Gro- 
bianus  8  148. 

Förster,  Zu  Dedekind- Scheids  Gro- 
bianus  3  148. 

Jürgens,  Epistolae  Ho-Elianae 
(Herzfeld)  9  42f. 

Dametz,  J.  Vanbrugh  (Sarrazin) 
4  402. 

Reynolds,  Treatment  of  nature  in 
English  poetrv  between  Pope  and 
Wordsworth  (Brandl)  3  387. 

Ritter,  Thomson  und  Euripides 
7  396. 

Gays  Singspiele  ed.  Sarrazin  (Herz- 
feld) 5150. 

Becker,  Bedeut.  d.  Wortes  'romantic' 
bei  Fielding  u.  Smollett  10  56. 

—  Chr.  Anstey  10  104. 

Heuser,  Angebliclie  Quellen  zum 
'  Vicar  of  Wakefield'  8  64. 

Reitterer,  Peter  Pindar  (Meyer- 
feld) 6  408. 

Ritter,  Wolcot  als  Mitarbeiter  an 
G.  Thomsons  'Scottish  Airs'  8 141- 

—  Wolcot  u.  Bürger  7  397. 

—  Wolcot  in  Deutschland  7  398. 
Gothein,  Chatterton-Literatur  10  25. 
Jantzen,   Chattertons  'Aella'  6  352. 
Meyerfeld,  R.  Bums  (J.  Schmidt) 

4  403. 

Ritter,  Berichtig,  z.  Cent.  Bums 
v.  Henley  u.  Blender son  3  151- 

Molenaar,  R.  Burns'  Bezieh,  z.  Lit. 
(Ritter)  5  403. 

Ritter,  Citate  bei  Bums  8  141. 

Herzfeld,  W.  Taylor  v.  Norwich 
(Kellner)  4  204. 


10 


Register  zu  Archiv  Band  CI— CX. 


Lyrical  ballads  by  Wordsworth 
and  Coleridge  1798  ed.  Hutchinson 
(Förster)  4  212. 

Yarnall,  Wordsworth  and  theCole- 
ridges  (Brandl)  9189. 

Brotanek,  Untersuch,  über  das 
Leben  u.  d.  Dichtg.  A.  Montgomeries 
(Schoembs)  3  378. 

Herxfeld,  Neue  Quelle  für  Lewis' 
'Monk'  4  310. 

Delmer,  W.  Scotts  Korrespondenx 
7  399. 

Förster,  Scotts  Korrespondenx  8  377. 

Franke,  Quellen  d.  'Lay  oj  the  last 
MinstraV  1325. 

Border  edit.  of  the  Waverley  novels 
ed.  Lang  (Brandlj  10  218. 

Pesta,  G.  Crabbe  (Herzfeld)  6  409. 

Byrons  sämtl.  Werke,  übers.  Bött- 
ger,  ed.  Wetz  (Herzfeld)  10  454. 

Byron,  Prisoner  of  Chillon  ed.  Köl- 
bing  (Herzfeld)  5 150-  _ 

Jantxen,  Byrons  'Giaour'  6  286. 

Knörich,  Ausw.  engl.  Gedichte  aus 
Th.  Moores  u.  Byrons  poet.  Werken 
(Mangold)  1436. 

Holthausen,  Tegner  u.  Byron  1 141. 

Ritter,  Byron  u.  C/iateaubriandS^- 

Jantxen,  Quellenuntersuch,  xu  den 
Dichtungen  B.  Cornwalls  8  302. 

Richter,  P.  B.  Shelley  (Brandl)  4406. 

Zupitxa,  Shelleys  Prometheus  un- 
bound  2  297.  3  Ol,  309. 

Th.  Carlyle,  Sartor  resartus  ed. 
McMechan  (Kraeger)  7  425.  8212,439. 
9  172. 

Schmeding,  Wortbildung  bei  Car- 
lyle (Franz)  8  208.  9  129. 

Garnett,  8unpubl.  letters  ofTh.  Car- 
lyle 2  317. 

Geiger,  Brief  Macaulays  8  142. 

Hahn ,  Beaconsfield's  '  Venitia', 
Denkmal  Byrons  u.  Shelleys  (Herz- 
feld) 4  407. 

Herxfeld,  G.  Borrow  7  62. 

Tennyson ,  Memoir  by  bis  son 
(Gothein)  5  151. 

Koeppel,  Tennyson  (Gothein)  5  151. 

3  Christmas  stories  from  Dickens 
ed.  Conrad  (Herrmann)  6  422. 

Cricket  on  the  hearth  ed.  Heim 
(Lindberg)  3  397. 

Feis,  Wie  wir  arbeiten  und  wirt- 
schaften müssen;  Gedankenlese  aus 
Ruskin  (Speck)  1 191- 

—  Wege  zur  Kunst;  Gedanken- 
lese aus  Ruskin  (Sarrazin)  2  424. 


Dalgleish,  Life  of  Queen  Victoria 
ed.  Klöpper  (Herrmann)  3  397. 

Burnett,  Little  lord  Fauntleroy 
ed.  Eykman  und  Voortman  (Herr- 
mann) 6  420. 

Crawford,  A  tale  of  a  lonely  parish 
(Herrmann)  6  419. 

Harraden,  The  fowler  (Herrmann) 
6  419. 

Stories  for  the  schoolroom  ed. 
Bube  (Herrmann)  2  440. 

Ch.  Darwin  u.  a.,  Modern  travels 
and  explorations  ed.  Krollick  (Wer- 
ner) 2  429. 

Petsch,  Engl.  Volksrätsel  3  350. 

Klöpper,  Folklore  in  Engl,  and 
America  (Petsch)  4  424. 

Tauchnitzbände. 

Anstey,  Brass  bottle  (Fischer)  7 191. 
Alexander,    Mrs.    Crichton's   cre- 
ditor  (Opitz)  2  425. 

—  Barbara  (Meyerfeld)  3  392. 

—  Through  fire  to  fortune  (Fi- 
scher) 6  416. 

Bagot,  Roman  mystery  (Fischer) 

6  412. 

Betham-Edwards,  Storm-rent  sky 
(Brandl)  4  216. 

—  Reminiscences  (Brandl)  4  216. 
Black,    Wild   Eelin   (Biedermann) 

4  214. 

Braddon,  Rough  justice  (Marg- 
graff)  1202. 

Bret  Harte,  Ancestors  of  P.  Atherly 
and  other  stories  (Potter)  1 195. 

—  Stories  in  light  and  shadow 
(Schoembs)  4  414. 

Broughton,  Dear  Faustina  (Opitz) 
1  197. 

—  Foes  in  law  (Fischer)  9  432. 
Caine,  Manxman  (Penner)  1  200. 

—  Christian  (Weselmann)  4  410. 
Coleridge,   King   with   two   faces 

(Fischer)  5164. 

Craik,  Cola  Monti  ed.  Opitz  (Kutt- 
ner) 1436. 

Crawford,  Roseof  vesterdav  (Marg- 
graff)  2  427. 

—  In  the  palace  of  the  king 
(Fischer)  9  426. 

Doyle,  Uncle  Bernac  (Opitz)  1  430. 

—  Tragedy  of  the  Korosko  (Herz- 
feld)  1434. 

—  A  duet  (Fischer)  6  417. 
Francis ,     Duenna    of    a    genius 

(R.  T.)  5  174. 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


11 


Gaskell,  Cranford  ed.  I.  Schmidt 
( Krueger)  1 198- 

Gerard,  Spotless  reputation  (Marg- 
graff)  1  434. 

—  Forgotten  sin  (Meyerfeld)  3392. 

Glyn,  Visits  of  Elizabeth  (Fischer) 
7  139. 

Grand,  Babs  the  impossible  (Fi- 
scher) 7  437. 

Harraden,  H.  Strafford  and  the 
remitt.  man  ( Boretius)  2  427. 

Hewlett,  Forest  lovers  (Sherwood) 

6  418. 

Life    and    death    of   Richard 
Yea-and-Nay  (Fischer)  7  433. 

•    New  Canterb.  tales   (Fischer) 
9  433. 

Hichens,  Flames  (Fischer)  8  450. 

The  slave  (Fischer)  8  450. 
Holdsworth,  Gods  arrive  (Meyer- 
feld) 3  392. 

Hope,  Phroso  (Fahrenberg)  1  432. 

-  Simon  Dale  (Marggraff)  1  435. 
Hopkins,    Idler    in    old    France 

(R.  T.)  5 174. 

-  Man  in  the  iron  mask  (Fischer) 

7  436. 

Jacobs,  Master  of  craft  (Fischer) 

8  458. 

Kinross,  An  opera  and  Lady  Gras- 
niere (Fischer)  7  193. 

Kipling,  The  second  jungle  book 
(Brandl)  1202. 

Captain  courageous  (Brandeis) 
7201. 

Vier   Erzähl,   v.  Kipling    ed. 
Ellinger  (Krueger)  8  223. 

Monkshood  (Förster)  5  427. 
Levett -Yeats,  Traitor's   way  (Fi- 
scher) 9  423. 

Maartens,  Some  women  I  have 
known  (Fischer)  9  436. 

Marshall,  Castle  meadow  (Penner) 
4  216. 

-  Escape  from  the  tower  (Fischer) 

5162. 

In   the  choir  of  Westminster 
Abbey  (Fischer)  5  163. 

Du  Maurier,  Martian  (Potter) 
1  429. 

Merrick,  One  man's  view  (Wesel- 
mann) 2  428. 

Worldlings  (Fischer)  8  456. 

Merriman,  In  Kedars's  tents  (Wesel- 
mann) 1 196. 

-  Roden's  corner  (Biedermann) 
3  391. 


Moore,  Jessamy  bride  (Penner) 
3  390. 

-  Neil  Gwyn  (Fischer)  7  191. 
Norris,  Fight  for  the  crown  (Fi- 
scher) 5  166. 

Ouida,  Altruist  (Opitz)  3185. 

-  Massarenes  (Vollmer)  6 188. 

—  La  strega  and  other  stories 
(Vollmer)  6189. 

-  Streetdust   and    other   stories 
(Fischer)  8  71. 

Paston,  Fair  deceiver  (Meverfeld) 
3  392. 

Pemberton,  Garden  of  swords 
(Brandl)  4  218. 

—  Phantom  army  (Speck)  4  41". 

—  Footsteps  of  a  throne  (Fischer) 
7  196. 

Philips,  E.  Clarke  and  other  stories 
(Fischer)  8  73. 

Rüssel,  Collections  and  recollec- 
tions  (Brandl)  5  158. 

Savage,  White  lady  of  Khamina- 
vatka  (R,  T.)  5175. 

Schreiner,  Trooper  P.  Halket  of 
Mashonaland  (Brandl)  1204. 

Stevenson,  Across  the  plains,  In- 
land voyage  ed.  Ellinger  (Krueger) 
6  421. 

Trevelyan,  American  revolution 
(Speck)  4  416. 

Trollope  u.  a.,  South  Africa  ed. 
Feyerabend  (Penner)  2  435. 

Mark  Twain,  Tramp  abroad  ed. 
Mann  (Krueger)  8  225. 

Vizetelly,  With  Zola  in  England 
(Brandl)  5178. 

Ward,  Helb.  of  Bannisdale  (Bie- 
dermann) 4  412. 

Wells,   Stolen    bacillus    (Fischer) 

5168. 

War   of   the  worlds   (Fischer) 
5169. 

-  Invisible  man  (Fischer)   5 170. 

-  The  time  machine  (Fischer)  5 172. 
Tales  of  space  and  time   (Fi- 
scher) 7199. 

-  Love  and  Mr.  Lewisham  (Fi- 
scher) 7  200. 

-  First  men  in  the  moon  (Fischer) 

9  428. 

—  Wheels  of  chance  (Fischer) 
9  430. 

Wilkins,  Love  of  parson  lord 
(Fischer)  8  75. 

Z.  Z.,  The  world  and  a  man  (Voll- 
mer) 6187. 


12 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Unterrichtswesen. 

Zupitza,  Ae.  u.  me.  Übungsbuch 
(Björkman)   10164. 

Leitritz,  Altengl.  Unterrichts-  u. 
Schulwesen  (Keller)  5132. 

Flügel,  Ne.  Leseb.  z.  Einführ,  in 
d.  Studium  d.  Denkmäler  selbst.  I 
(Brandl)  2  «7. 

Aronstein,  Entwickelg.  d.  höheren 
Knabenschulen  in  Engl.  (Münch)  1 206. 

Sander,  Aus  Schottlands  Schulen 
(Münch)  7  441. 

Walter,  Englisch  nach  d.  Frankf. 
Reformplan  (Mangold)  5  181- 

—  Engl,  in  d.  Untersek.  nach  d. 
Frankf.  Reformplan  (Mangold)  5 185. 

Krüger,  Schwierigkeiten  des  Eng- 
lischen (Fahrenberg)  2  436. 

Breul,  Betrachtg.  u.  Vorschläge 
betr.  Gründg.  eines  Reichsinstituts 
f.  Lehrer  des  Englischen  in  London 
(Herrmann)  6  425. 

Herrmann,  Zur  Schulliter.  10458. 

Dubislav  u.  Boek,  Lese-  u.  Übungs- 
buch d.  engl.  Sprache  f.  mittlere  u. 
obere  Klassen  (Herrmann)  4  425. 

Gaspey  -  Runge,  Engl.  Konvers.- 
Lesebuch  (Herrmann)  7  442. 

Ohlert,  Engl.  Leseb.  f.  ob.  Klassen 
höherer  Mädchenschulen  (Marggraff) 
1211. 

Wershofen ,  Zusammenhängende 
Stücke  z.  Übersetzen  ins  Englische 
(Herrmann)  6  424. 

Smith,  Trip  to  Engl.  ed.  Wendt 
(Herrmann)  4  408. 

Smith,  Trip  to  Engl.  ed.  Wendt 
(Lewin)  8  460. 

Candy,  First  days  in  Engl.  (Lewin) 

8  461. 

Hausknecht,  Engl.  Student  (Lewin) 
2  430. 

Krön,   Little  Londoner  (Dibelius) 

1  439. 

Boerner  u.  Thiergen,  Lehrbuch  d. 
engl.  Sprache  (Marggraff)  1  212. 

Lehrbuch  der  engl.  Sprache, 
Ausg.  B,  f.  höhere  Mädchenschulen 
(Marggraff)  1442. 

Gesenius-Regel,  Engl.  Sprachlehre, 
Ausg.B.,  Unterstufe  (Herrmann)  4  425. 

Engl.  Sprachlehre,  Ausg.  B. 
Unterstufe — Oberstufe  (Herrmann) 

8  227. 

Krüger-Trettin,  Lehrbuch  d.  engl. 
Sprache  (Herrmann)  9  191. 


Ohlert,  Elementarbuch  der  eng- 
lischen Sprache  f.  höhere  Mädchen- 
schulen (Boretius)  1  440. 

■ —  Schulgramm,  d.  engl.  Sprache 
f.  höh.  Mädchenschulen  (Boretius) 
1440. 

Plate,  Lehrgang  d.  engl.  Sprache 
(Herrmann)  5  179. 

Plate -Kares,  Engl.  Unterrichts- 
werk II  (Herrmann)  9  192. 

Thiergen,  Elementarbuch  d.  engl. 
Sprache  (Marggraff)  1  212. 

-  Oberstufe  z.  Lehrbuch  d.  engl. 
Sprache  C  (Herrmann)  8  226. 

Baumgartner,  Internat.  English 
teacher  (Carel)  1  239. 

Wright,  Beginner  (Herrmanu)  6424. 

Asher,  Fehler  d.  Deutschen  (Herr- 
mann) 9190. 


III.  Romanische  Sprachen. 

Allgemeines. 

Gröber,  Grundr.  der  rom.  Philol.  II 
(Cloetta)  1213. 

Forsch,  z.  rom.  Philol.,  Festgabe 
f.  Suchier  (Suchier)  10  222. 

Körting,  Lat.-rom.  Wb.  (A.  Tobler) 

7  447. 

1.  Französisch. 

Allgemeines. 

Koschwitz,  Anleit.  z.  Stud.  d.  frz. 
Phil.  (Braunholtz)  7  457. 

Rodhe,  Essais  de  phil.  mod.  I 
(A.  Tobler)  7  454. 

Thomas,  Essais  de  phil.  fr.  (Cohn) 
3  208. 

Julleville,  Hist.  de  la  langue  et 
litt.  fr.  ,(A.  Tobler)  3  451. 

Ott,  Etüde  sur  les  couleurs  en 
vieux  fr.  (A.  Tobler)  5  191. 

Klöpper,  Frz.Reallex.  (Risop)  2441. 

Söhring,  Werke  bild.  Kunst  in 
afrz.  Epen  (Freymond)  7  444. 

Fouifl6e,  Psychol.  du  peuple  fr. 
(A.  Tobler)  1  467. 

Böddeke-Leitritz,  Frankr.  i.  Gesch. 
u.  Gegenwart  (Engwer)  8  467. 

Köcher,  Ancien  Regime  (Stern- 
feld) 8  468. 

Braunholtz,  Books  of  reference 
for  students  and  teachers  of  French 
(Schulze)  7  459. 


Register  zu  Archiv  Band  CI— CX. 


L3 


Texte. 

A.  Tobler,  Leg.  v.  hl.  Julian  1  99, 339. 
2109. 

R.  Tobler,  Prosafassung  d.  Leg.  v. 
hl.  Julian  6  294.  7  79. 

Zimmermann,  Li  houn.  et  li  ver- 
tues  des  dames  par  J.  Petit  d'Arras 
8380. 

Steffens,  afrx.  Liederhs.  d.  Bodl. 
in  Oxford,  Douce  308  4  331. 

Sprache. 

Svedelius,  Anal,  du  lang,  appliquee 
ä  la  laugue  fr.  (A.  Tobler)  1  224. 

Thibaut,  Wb.  d.  frz.  u.  dtschen 
Sprache  (Engwer)  1  442. 

Favre,  Dict.  de  la  langue  fr.  (Berni) 
5  458. 

Stavenhagen,  Petit  dict.  fr.-allem. 
et  allem.-fr.  (Pariselle)  2  463. 

Lotsch,  Wb.  z.  mod.  frz.  Schrift- 
stellern (Lamprecht)  5  2°0. 

Nyrop,  Gramm,  hist.  de  la  langue 
fr.  I  (Risop)  5  451. 

Voretzsch,  Einführ,  in  d.  Stud. 
d.  afrz.  Sprache  (A.  Tobler)  8  255. 

Nonnenmacher,  Prakt.  Lehrb.  d. 
afrz.  Sprache  (Risop)  5  454. 

Deschanel,  Deiorni.  de  la  langue 
fr.  (A.  Tobler)  1  222. 

Nyrop,  Manuel  phon.  du  franc. 
(A.  Tobler)  10  239. 

Quiehl,  Frz.  Ausspr.  u.  Sprach- 
fertigk.  (A.  Tobler)  3  249. 

Eggert,  Phonet.  u.  meth.  Studien 
in  Paris  (A.  Tobler)  5  464. 

Rydberg,  Gesch.  d.  frz.  a  (Meyer- 
Lübke)  3  439. 

Thomas,  Melanges  d'£tym.  fr.  (A. 
Tobler)  10  240. 

Ritter,  aprieum  >  abri  9  129. 

A.  Tobler,  afrx.  läis  3156. 

Herzog,  frx.  sage  9  130. 

Franke,  Frz.  Stilistik  (A.  Tobler) 

3^4. 

Mackel,  Btr.  %.  frx.  Stilistik  u.  Syn- 
tax 5  48. 

Westholm,  Etüde  hist.  sur  la  con- 
struct.  du  type  'li  filz  le  rei'  en 
fr.  (A.  Tobler)  3  441. 

Schöningh,  Stell,  d.  attrib.  Adj. 
im  Frz.  (Bück)  3  442. 

Ebeling,  Vm.  Btr.  III,  14  ff.  4  129. 

Steinbart,  Btr.  xu  d.  Vm.  Btr.  xur 
frx.  Gramm.  '6  l5s- 


Alexandre,  Les  mots  qui  restent 
(A.  Tobler)  6  453. 

Len6,  Subst.  postverbal  dans  la 
langue  fr.  (A.  Tobler)  5  203. 

Körting,  Formenbau  d.  frx.  Nomens 
in  geschichtl.  Mitwicklung  (Ebeling) 
5  429,  6195- 

Meyer,  Formenlehre  u.  Syntax  d. 
franz.  u.  dtschen  Tätigkeitswortes 
(Schulze)  1232. 

A.  Tobler,  Zu  d.  Oxforder  Olossen 
8145. 

A.  Tobler,  Zu  d.  Atisg.  d.  So//r  v. 
Nausay  7  H4. 

Tardel,  Engl.  Fremdwörter  in  d. 
mod.  frz.  Sprache  (R.  Tobler)  5  201. 

Dobschall,  Wortfügung  im  Patois 
v.  Bournois  (Ebeling)  10  232. 

Marmier,  Gesch.  u.  Sprache  der 
Hugenottenkol.  Friedrichsdorf  a.  T. 
(Pillet)  10  461. 

Wulff,  Rythmicite"  de  l'alexandrin 
fr.  (A.  Tobler)  6  221. 

Literatur. 

Antoine,  Resume*  prat.  de  la  litt. 
fr.  (Herrmann)  7  456. 

Brunetiere,  Manuel  de  l'hist.  de 
la  litt.  fr.  (Morf)  6  212. 

Quayzin,  Au  seuil  de  la  litt,  et 
de  la  vie  litten  (A.  Tobler)  10467. 

Toldo,  Le  courtisan  dans  la  litt.  fr. 
et  ses  rapports  aree  Vozuvre  du  Ca- 
stiglione  4  75,  313.  5  60. 

Voretzsch,  Epische  Stud.  (Cloetta) 
10  220. 

Paris,  Litt,  normande  avant  l'an- 
nexion  (1204)  (A.  Tobler)  4  241. 

Marchot,  Roman  bret.  en  France 
au  moyen  age  (Freymond)  4  219. 

Rigal,  Theatre  fr.  avant  la  Pe- 
riode class.  (Morf)  7  443. 

Wilmotte,  Passions  allem,  du  Rhin 
et  l'ancien  theatre  fr.  (Cloetta)  44-';- 

Klein,  Chor  i.  d.  wichtigsten  Trag, 
d.  frz.  Renaiss.  (Cloetta)  8  201. 

Fest,  Miles  gloriosus  in  d.  franz. 
Kom.  vom  Beginn  der  Renaiss.  zu 
Moliere  (Stiefel)  3195. 

Voigt,  Naturgefühl  in  d.  Lit.  d. 
frz.  Renaiss.  (Bovet)  1  457. 

Toinet,  Recherches  autour  des 
poemes  h^r.-epiques  fr.  du  17e  s. 
(Morf)  7  207. 

Gisi,  Frz.  Schriftsteller  in  u.  v. 
Solothurn  (Berni)  1454. 


14 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Weber,  Comedie  rosse  i.  Frankr.  5  343. 

Clödat,  Chansons  de  geste:  Roland, 
Aimeri  de  Narb.,  Couronnement  de 
Louis,  übers.  (A.  Tobler)  2  466. 

Zimmermann,  Totenklage  in  den 
afrz.  Chansons  de  geste  (Springer) 
6  458. 

Liebermann,  Leis  Willelme  6 113. 
7134. 

Bestiaire  de  Philippe  de  Thaün 
ed.  Walberg  (A.  Tobler)  5  194. 

IÄebermann,  Quelle  f.  Waces  Roman 
de  Rou  8  380. 

Warnke,  Quellen  d.  Esope  d.  Marie 
de  France  (Cohn)  6  426. 

Aucassin  u.  Nicol.  ed.  Suchier 
(Schulze)  2  224. 

Aue.  u.  Nicol.,  übers.  Michaut 
(R.  Tobler)  8  465. 

Kristian  v.  Troyes,  Cliges  ed.  För- 
ster (Schulze)  10  468. 

Meraugis  v.  Portlesguez  ed.  Fried- 
wagner (Ebeling)  3  403. 

Beaumanoir,  Cout.  de  Beauv.  ed. 
Salmon  (A.  Tobler)  5  197. 

Zwei  afrz.  Dichtungen  ed.  Schultz- 
Gora  (Risop)  5  445. 

Chansons  et  dits  artes.  du  13 e  s. 
ed.  Jeanroy  et  Guy   (Cloetta)  4  428. 

Lais  et  descorts  franc.  du  13 e  s. 
ed.  Jeanroy  (A.  Tobler/  9  219. 

Li  livres  du  gouvern.  des  rois  ed. 
Molenaar  (A.  Tobler)  3  434. 

Herzog,  Untersuch,  zu  Mac6s  de 
la  Charite  afrz.  Übersetz,  des  Alten 
Testaments  (Risop)  9193. 

Sieper,  Echecs  Amoureux  (R.  Tob- 
ler) 4  399. 

Weiske,  Quellengesch.  zu  Aimeri 
de  Narb.  7  129. 

Rohnström,  Et.  sur  J.  Bodel  (Zen- 
ker) 8  245. 

Alain  Chartier,  Curial  ed.  Heucken- 
kamp  (Krause)  3  430. 

Becker,  Margareta  v.  Nararra  u.  d. 
Complainte  p.  un  prisonnier  2  95. 

Frank,  Dem.  voyage  de  la  reine 
de  Navarre  aux  bains  de  Chauterets 
(Morf)  1  230. 

Buchner,  Bisher  unbek.  Druck  d. 
5.  Buches  r.  Rabelais  aus  1549  7124. 

Köhler,  Alliter.  b.  Ronsard  (Hart- 
wig) 9  437. 

Clement,  H.  Estienne  et  son  oeuvre 
fr.  (A.  Tobler)  4  238. 

Ayer,  Tragic  heroines  of  P.  Cor- 
neille (Braunholtz)  3  454. 


Loseth,  Observ.  sur  le  Polyeucte 
de  Corneille  (A.  Tobler)  3  454. 

Schneegans,  Moliere  (Vofsler)  8462. 

Oethinger,  Das  Komische  bei  Mo- 
liere (Pillet)  8  240. 

Moliere,  Prec.  ridic.  ed.  Mangold 
(Pariselle)  9  449. 

Giraud,    Pascal     (Heuckenkamp) 

5  457. 

Schirmacher,  Voltaire  (Carel)  3188. 

Voltaireana  ined.  ed.  Mangold 
(E.  Ritter)  8  465. 

Diderot,  Paradoxe  sur  le  comedien 
ed.  Dupny  (Schneegans)  10  229. 

Jugendged.  Friedrichs  d.  Gr.  ed. 
Mangold  5  325.  Q  89. 

Mangold,  Nachahm.  Montesquieus 
u.  Bossuets  r.  Friedr.  d.  Gr.  2  331. 

E.  Ritter,  Notes  sur  Mme  de  Stael 
(Morf)  5  455. 

O.  Schulze,  Die  Landschlacht  bei 
Aboukir  u.  ihre  Darstellung  bei  Thiers 
9136. 

Cornicelius,  Aus  d.  Leben  Claude 
Tilliers  8  90. 

• —  Ergänz,  zu  d.  Werken  Claude 
Tilliers  9  107. 

—  Claude  Tiliier  als  Pamphletist 
9  338.   10  67,  338. 

Sleumer,  Die  Dramen  Victor  Hugos 
(Schultz-Gora)  10  227. 

Kar^nine,  G.  Sand,  vie  et  oeuvres 
(A.  Tobler)  4  437. 

Born,  G.  Sands  Sprache  in  'Les 
maitres  sonneurs'  (Berni)  8  228. 

A.  de  Musset  ed.  Hahn  (Werner) 

8  236. 

Giraud,  Essai  sur  Taine  ( A.  Tobler) 

6  452. 

Schenk,  Etüde  sur  la  rime  dans 
Cyrano  de  Bergerac  (Kalepky)  9443. 

Vogüe,  Les  morts  qui  parlent 
(A.  Tobler)  4  242. 

Boylesve,   La    Becquee    (Engwer) 

7  209. 

Pasque"  u.  v.  Bamberg,  Auf  den 
Spuren  d.  frz.  Volksliedes  (Marelle) 

2  46U. 

Frz.  Volkslieder  ed.  Ulrich  (Carel) 
7  212. 

Unterrichtswesen. 

Mey,  Frankreichs  Schulen  (Pari- 
selle) 9  450. 

Lange,  Beobacht.  und  Erfahr,  auf 
d.  Gebiete  d.  Anschauungsmeth.  im 
frz.  Unterr.  (Carel)  1  233. 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


L5 


Rofsmann,  Studienaufenthalt  in 
Paris  (Engwer)  6  226. 

Schuhe,  Zu  Archiv  98a^>5  (Nfrx. 
Gramm.)  1  151. 

Baumgartner,  Gramm,  franc.  — 
Exerc.  de  franc.  (Carel)  1  239. 

Bierbaum,  Lehrb.  d.  frz.  Sprache 
nach  anal.-dir.  Methode.  —  System. 
Repet.-   u.  Ergänz.-Gramm.   (Carel) 

Börner,  überstufe  z.  Lehrbuch  der 
frz.  Sprache  (Carel)  1  238. 

Breymann,  Frz.  Lehr-  u.  Übungsb. 
f.  Gymnasien  (Carel)  5  213. 

Günther,  Syntax  d.  frz.  Sprache 
f.  d.  ob.  Klassen  höh.  Lehranstalten 
(Carel)  5  213. 

Lachenmaier,  Elementarb.  d.  frz. 
Sprache  für  die  mittl.  Klassen  höh. 
Lehranstalten  (Carel)  5  211. 

Link,  Gramm,  de  rdcapit.  de  la 
langue  fr.  (Carel)  5  214. 

Plattner,  Ausführl.  Gramm,  der 
frz.  Sprache  I  (Schulze)  4  443. 

—  Ausführl.  Gramm,  der  franz. 
Sprache  II  (Pariselle)  5  463. 

Prinjer,  Lehr-  u.  Lernb.  der  frz. 
Sprache  II  (Carel)  1  238. 

Ulbrich,  Elementarb.  der  franz. 
Sprache  f.  höhere  Lehranstalten.  B 
(Engwer)  7  211. 

Diehl,  Franz.  Übungsb.  I  (Carel) 
5206. 

Combe,  Pauvre  Marcel  ed.  Wüllen- 
weber  (A.  Tobler)  1458. 
Engelke,  La  classe  en  fr.  (Engwer) 

8  468. 

Flammarion,  Lect.  choisies  ed.  El- 
sässer  (Mangold)  6  225. 

Conteurs  contemp.  ed.  Henges- 
bach  (Mangold)  6  225. 

Johannesson,  Frz.  Leseb.,  Unter- 
u.  Mittelstufe  (Knörk)  4  450. 

—  Frz.  Übungsbuch  f.  d.  Unter- 
stufe (Knörk)  4  460. 

Kriete,  Samml.  frz.  Ged.  (Engwer) 
7210. 

Kühn,  1)  Frz.  Leseb.  f.  Anfänger; 
2)  Frz.  Leseb.  Unterstufe;  3)  Frz. 
Leseb.  Mittel-  u.  Oberstufe;  3a)  Wb. 
zu  3)  (Carel)  5  206. 

Lotsch,  Übungsb.  zum  Übersetzen 
a.  d.  Dtschen  ins  Frz.  (Krueger)  7  461. 
„  Mackenroth,  Mündl.  und  schriftl. 
Übungen  zu  Kuhns  frz.  Leseb. 
(Carel)  8470. 

Ohlert,  Lese-  u.  Lehrb.  d.  franz. 


Sprache  für  höhere  Mädchenschulen 
(Carel)  5  214. 

Paris,  Les  Francais  chez  eux  et 
entre  eux,  übers,  v.  Beck  (Pariselle) 

Sieben  Erzähl,  von  Halövy  u.  a. 
ed.  Pariselle  (Carel)  3  436. 

Paul,  En  terre  sainte  ed.  Michaelis 
(Carel)  5  209. 

Saure,  1)  Frz.  Leseb.  für  höhere 
Mädchenschulen;  2)  Frz.  Lesestoffe 
als  Unterlage  im  mündl.  Ausdruck; 
3)  Tableau  chronol.  de  la  litt.  fr. 
(Kalepky)  4  236. 

Wetzel,  45  frz.  Lieder  (Springer) 
5  202. 

Willert,  Frz.  Schullekt.  10  244. 

Heine,  Einführ,  in  die  frz.  Kou- 
vers.  B  (Carel)  5  210. 

Schmidt,  Manuel  de  convers.  sco- 
laire  (Engwer)  8  468. 

Stier,  Causeries  franc.  (Pariselle) 
8261. 

Strotkötter,  Vie  Journal.,  Kon- 
vers.-übg.  (Pariselle)  8  262. 

Krön,  Guide  epist.  (Pariselle)  8263. 

2.  Provengalisch. 

R.  Tobler,  Aprov.  Version  d.  Dist. 
Catonis  (Suchier)  4  245. 

Pillet,  Aprov.  Lieder hs.  N2  im. 
365.  2179. 

A.  Tobler,  Drei  kl.  pror.  Rätselaufg. 
1397. 

Pätzold,  Individ.  Eigentümlichk. 
einiger  hervorragend.  Trobadors  im 
Minneliede  (Springer)  1  226. 

Bohn,  Zwei  Trobadorlieder  m.  Kla- 
vierbegleitung 10  HO- 

Coulet,  Der  Troubadour  G.  Mon- 
tanhagol  (A.  Tobler)  1  462. 

Roman  de  Flamenca  ed.  Meyer 
(A.  Tobler)  10  464. 

Wolter,   F.  Mistral   (Appel)  6  204. 

Mistrals  Mireio  ed.  Koschwitz 
(Schneider)  6  461. 

Savj-Lopez,  La  novella  prov.  del 
Pappagallo  (A..  Tobler)  9  230. 

Appel,  Wiederum  xu  J.  Rudel  7  338- 

Gesta  Caroli  Magni:  Lat.  Text 
mit  prov.  Übersetz,  ed.  Schneegans 
(Pillet)  3  459. 

Kolsen,  Ergänz,,  xu  Appels  pror. 
Chrestom.  1 147. 

Levy,  Prov.  Suppl.-Wb.  II  (Appel) 
4  230. 


16 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


3.  Italienisch. 

Sprache. 

Hecker,  Neues  deutsch-ital.  Wb. 
(A.  Tobler)  5  216. 

Reinhardstoettner,  Vocab.  sist.  ital. 
(Hecker)  6  228. 

Studi  glottol.  ital.  ed.  G.  de  Gre- 
gorio  (A.  Tobler)  4  247. 

Gregorio,  Studi  glottol.  ital.  II 
(Niedermann)  7  462. 

Sabersky,  Betonungswb.  d.  ital. 
Sprache  (Hecker)  6  460. 

—  Einige  Namen  von  Bergen, 
Tälern  etc.  in  Umgeb.  von  Madonna 
di  Campiglio  (Gärtner)  4  468. 

Brückner,  Charakter,  der  germ. 
Elemente  im  Ital.  (Mackel)  4  221. 

Literatur. 

Landau,  Gesch.  der  ital.  Lit.  im 
18.  Jh.  (Wurzbach)  4  226. 

Ebner,  Btr.  z.  Gesch.  d.  dramat. 
Einheiten  in  Ital.  (Wendriner)  2  461. 

Fiske,  Catal.  of  the  Dante  col- 
lection,  Cornell  Univ.  Library  (A. 
Tobler)  7  221. 

Kohler,  Dantes  Heilige  Reise  ( Arn  - 
heim)  7  219. 

Oelsner,  Dante  in  Frankreich  bis 
Ende  d.  18.  Jhs.  (Wiese)  2  229. 

Biadene,  Libro  d.  tre  scitt.  e  i 
Volg.  d.  falsa  scuse  e  d.  vanitä  di 
Bonvesin    de   la   Riva   (A.   Tobler) 

9  226. 

Dobschall,  Zu  Petrarcas  Sonett :  Era 
il  giorno  3  335. 

Hecker,  Boccaccio -Funde  (Wen- 
driner) 9  231. 

Dichtungen  d.  M.  Buonarroti  ed. 
Frey  (Cornicelius)  4  461. 

Robert-tornow,  Ged.  d.  M.  Buo- 
narroti   ed.    Thouret    (Cornicelius) 

1  240. 

Samml.  ausgew.  Briefe  an  M.  Buo- 
narroti ed.  Frey  (Cloetta)  7  217. 

H.  Meyer,  M.  Bändeltet  nach  seinen 
Widmungen  8  324.  9  83. 

Stötzner,  Boccalini  u.  sein  Einflufs 
auf  d.  dtsclie  Lit.  3  107. 

Gerboni,  G.  N.  Eritreo  (Wendri- 
ner)  4  235. 

Bovet,  Le  peuple  de  Rome  vers 
1840  d'apres  les  sonnets  de  G.-G. 
Belli  (Wendriner)  2  467. 


Unterrichtswesen. 

Meli,  Grundrifs  d.  ital.  Gramm. 
(Hecker)  3  463. 

Botazzi,  Neue  theoret.-praktische 
Gramm,   der  ital.  Sprache  (Hecker) 

5  218. 

Lovera,  Gramm,  d.  ital.  Umgangs- 
sprache (Hecker)  5  223. 

Boerner  u.  Lovera,  Lehrb.  d.  ital. 
Sprache  (Hecker)  5  220. 

Zuberbühler,  Kl.  Lehrb.  d.  ital. 
Sprache  (Hecker)  6  459. 

Hecker,  Piccolo  Ital.  (Wiese)  7222. 

Kürschner,  Ital.  parlato  (Hecker) 

3  464. 

Scanferlato,  Lezioni  ital.  (Hecker) 

6  230. 

Kleinpaul,  Italienischer  Sprach- 
führer (Hecker)  7  463. 

Breitinger,  Italienische  Briefe  z. 
Rückübersetzen  in  das  Italienische 
(Hecker)  7  467. 

4.  Spanisch. 

Jungfer,  Personennamen  in  den 
Ortsnamen  Spaniens  u.  Portugals 
(Mugica)  10  261. 

Echev.  y  Reyes,  Voces  usadas  en 
Chile  (A.  Tobler)  5  234. 

Macias,  a  gal.  trobador  ed.  Ren- 
nert  (A.  Tobler)  5  465. 

Araujo,  Gram,  del  Poema  del  Cid 
(Mugica)  1244. 

Collecc.  de  autos  del  siglo  XVI 
ed.  Rouauet  (A.  Tobler)  7  225. 

Wisten,  Etudes  sur  le  style  et 
la  syntaxe  de  Cervantes  (Walberg) 
8250. 

L.  de  Vega,  Arte  nuevo  de  hazer 
comedias  ed.  Morel-Fatio  (Farinelli) 
9  458. 

Ludwig,  L.  de  Vegas  Dramen  aus 
dem  karol.  Sagenkreise  (Farinelli) 
2  446. 

Negueruela,  Farsa  llam.  Ardamisa 
ed.  Rouanet  (A.  Tobler)  7  224. 

Pages,  Grau  dicc.  de  la  lengua 
castell.  (Mugica)  9  234. 

Acad.  Espan.,  Dicc.  de  la  lengua 
castell.  (Mugica)  5  229. 

Torres,  Gram,  hist.-compar.  de  la 
lengua  castell.  (Mugica)  3  467. 

Gräfenberg,  Briefl.  Sprachunterr. 
des  Span.,  Meth.  Toussaint-Langen- 
scheidt  (Mugica)  10*73. 


Register  zu  Archiv  Band  CI— CX. 


17 


5.  Rätoromanisch. 

( reflelin,Germ.  Bestandteile  d.  räto- 
roman.  Wortschatzes  (Mackel)  7  203. 

6.   Rumänisch. 

Manliu,  1)  Exerc.  grad.  de  gram. 
si  comp.  2)  Curs  pract.  de  gram, 
rom.  3)  Curs  pract.  de  stil  si  comp. 
I)  An  toi.  rom.  5)  Carte  de  cetire. 
6)  Retor.  si  stillst.  7)  Curs  elem.  de 
liter.  8)  Poeta  rom.  9)  Gram,  istor. 
si  comp.  10)  Povat.  stud.  limbei  rom. 
.(Hristu)  7  226. 


IV.  Ältere  und  fernerliegende 

Sprachen. 

1.   Griechisch. 

Thumb,  Griech.  Sprache  im  Zeit- 
alter d;  HeUen.  (Meyer-Lübke)  84.73. 

Oefteriog,  Heliod.  u.  seine  Bedeut. 
f.  .1.  Lit.  (Wohlfahrt)  9  452 

Griech.  Epigr.  u.  kl.  Dichtungen 
in  dtscher  Übersetzg.  d.  16.  u.  17.  Jhs. 
ed.  Rubeusohn  (Haake)  4  371. 


2.  Lateinisch. 

Mtvrr,  W.,  Fragm.  Burana  (A.Tob 
lerj  9 

Pirson,  Langue  des  inscript.  lat. 
de  la  Gaule  (A.  Tobler)  8239. 

Vodoz,  TluVitre  lat.  de  Et.  Textor 
(Springer)  1  228. 

3.  Irisch. 

Cook,  Iris//  parall.  to  the  Beoundf 
story  :'.  '")l- 

4.  Slavisch. 

Polauski,  Labiale  u.  Palatale  im 
Neuslav.  (Zupitza)  2384. 

Kolsen,  Index  zu  d.  wissenschaftl. 
Arbeiten  Wesselowskis  2  464. 

5.  Finnisch. 

Godenhjelm,  Handbook  of  the 
bist,  of  the  Finn.  lit.,  transl.  by 
Butler  (Lindberg)  1  159. 

6.   Syrisch. 

Byssel,  Urtext  d.  Cyprianuslegend< 
10  273. 


B.    Personenregister. 

Kursiver  Druck  bedeute!   <  >riginalbeitrag. 


Anders,  Shakespeare's  Tempest 
ed.  Wagner  7  170 —  Gilbert,  Greene's 
Selimus  8  206. 

Appel,    Wiederum   zu   J.    Rudel 

7  338.  _  Levy,  Prov.  Suppl.-Wb.  II 
4  230.  _  Wolter,  F.  Mistral  6  204.  _ 

Arn  heim,  Kohler,  Dautes  Hei- 
lige Reise  7  219. 

Bang,  Fat.   Qrissiü  7  HO. 

Barnouw,  Runenstelle  d.  Himmel- 
fahrt 7  382.  —    Schicksale  d.  Apostel 

8  371. 

Becker,   Marg.  r.  Navarra  u.  d. 
Complainte  pour  un  pris.   295- 
Bedeutung  d.   Wortes  'romantic'   bei 
Fielding  it.  Smollett  10  56.  —  Christ. 
Anstey  10  104. 

Berger,  Bischof,  L.  Tieck  als 
Dramat.  2  396 —  Lessing,  M.  v.  Barn- 

Archiv,  Register.     Bd.  CI — CX. 


beim  ed.  Wolstenholme  0  173.  —  Golz, 
Genovefa  in  d.  dtschen  Dicht.  6  370. 

Berni,  Frz.  Schriftsteller  in  u. 
v.  Solothurn  1  454.  _  Favre,  Dict. 
de  la  prononc.  fr.  5  458.  _  Born , 
G.  Sands  Sprache  in  'Les  maitres 
souneurs'  8  228. 

Bieder  man  n,Merriman,Roden's 
corner  3  391.  —  Black,  Wild  Eeliu 
4  214.  _  Ward,  H.  of  Bannisd.  4  412. 

Bieling,  Sanders,  Encykl.  engl.- 
dtsch.  u.  dtsch.-engl.  Wb.  II,  Lief. 
1  12  4  421.  _  Muret-Sanders,  En- 
cycl.  Engl.-Germ.  and  Germ. -Engl. 
dict.  10167. 

Björkman,  Mise.  x.  engl.  Wort- 
hunde I  390.  _  Engl.  Wortkunde  3347. 
—  3  dtsche  Pflanxennamen  7  :~5.  — 
Crow,   Maid.  a.  Brunnanb.  1  426.  — 


18 


Register  zu  Archiv  Band  CI— CX. 


Skeat,  Notes  on  Engl.  etym.  9  162.  — 
Zupitza,  Ae.  u.  ine.  Übuugsb.  10  164. 
-  Weyrauch,  Me.  Fassungen  v.  G. 
of  Warwick  u.  ihre  afrz. Vorlage  10444. 
Bleich,  Märchen  d.  Musäus  81» 
273.  9  5. 

Boetticher,  Hoffmanns  Werke 
ed.  Schweizer  1  168.  —  Naumann, 
Anleit.  z.  Abfass.  dtscher  Aufsätze 
1 179.  —  y.  Stockmayer,  Dtsche  Sol- 
datenstücke d.  18.  Jhs.  seit  'Minna 
v.  Barnhelm'  4  374.  _  Nolte,  Eing. 
d.  Parzival  7  137. 

B  0  h  n  ,  Zwei  Trobadorlieder  mit 
Klavierbegleitung  10  HO. 

B  o  1 1  e ,  Altweibermühle,  Tiroler 
Volksschauspiel  2  241.  —  Grimald  n. 
d.  Oberammergauer  Passionsspicle  5  1- 

—  Bigorne  u.  Chicheface  6  1-  —  Lie- 
derbuch Chr.  v.  Schallenbergs  6  139.  — 
Noch  einmal  Hiobs    Weib   6  HO-    - 
Schneider,   Spaniens  Anteil   an   der 
dtschen  Lit.  d.  16.  u.  17.  Jhs.  3165. 

Boretius,  Ohlert,  Elementarb.  d. 
engl.  Sprache  f.  höh.  Mädchenschulen 

1  440.  —  Ohlert,  Schulgramm,  d.  engl. 
Sprache  f.  höh.  Mädchenschulen  1 44°- 

—  Harraden,  H.  Strafford  and  the 
remitt.  man  2  427. 

Borsdorf,  Worsfold,  Exerc.  of 
judgment  in  lit.  8  389. 

Bovet,  Voigt,  Naturgefühl  in  d. 
Lit.  d.  frz.  Renaiss.  1  457.  —  Fried- 
mann,  Gramm,  tedesca  9  389. 

Brand  eis,  Kipling,  Capt.  courag. 
7201. 

B ran  dl,   Th.  Beckets  Weissagung 
über  Edw.  III.  u.  Heinr.  V.  2  352.  J 
Berichtig.  %.  'Treat.  of  London'  1, 143  ff. 

2  471.  —  Chrousts  Fund  einer  d.  älte- 
sten ags.  Aufzeichn.  7  103 —  Madden, 
Diary  of  Master  W.  Silence  1 187.  _ 
Saintsbury,  Hist.  of  19th  cent.  lit. 
1  188.  -  Herford,  Age  of  Words- 
worth  1  188.  —  Kipling,  See.  jungle 
book  1  202.  _  Schreiner,  Trooper  P. 
Halket  of  Mashonaland  1  204.  _ 
Harris,  Gloss.  of  the  West  Saxon 
gosp.  2  409.  _  Manly,  Specim.  of  the 
pre-Shakesp.  drama  2  409.  —  Flügel, 
Ne.  Leseb.  z.  Einführ,  in  d.  Stud. 
d.  Denkmäler  selbst  I  2  417.  _  Cox, 
Arte  or  crafte  of  rhetoryke  ed.  Car- 
penter  2  418.  —  Lily,  Endym.  ed. 
Baker  2  419.  _  _  Lovewell,  Life  of 
St.  Cecilia  3  177.  —  Carpenter,  Me- 
taphor  a.  simile   in  the  minor  Eliz. 


drama  3  381.  _  Sidney,  Defense  of 
poesy  ed.  Cook  3  383.  —  Reynolds, 
Treatment  of  nat.  in  Engl,  poetry 
betw.  Pope  a.  Wordsworth  3  387.  — 
Otia  Merseiana,  publ.  of  the  Arts 
Fac.  Univ.  Coli.  Liverpool  4  204.  — 
Betham-Edwards,  Storm-rent  sky; 
Reminisc.  4  216.  —  Pemberton,  Gar- 
den of  swords  4  218.  —  Padelford, 
O.  Engl,  music.  terms  4  393.  —  Rich- 
ter, Shelley  4  406.  __  Symons,  Cyne- 
wulfs  Wortschatz  5  134.  —  Cross, 
Develoj:>m.  of  the  Engl,  novel  5  146. 

—  Chandler,  Rom.  of  roguery  I  5  146. 

—  Underhill,  Span.  lit.  in  the  Engl, 
of  the  Tudors  5  146.  _  Rüssel,  Col- 
lect, a.  recollect.  5  158.  —  Vizetelly, 
With  Zola  in  Engl.  5  178.  —  Green, 
Conquest  of  Engl.  5  388 —  Spingarn, 
Hist.  of  lit.  critic.  in  the  renaiss.  5  393. 

—  Bronson,  Short  hist.  of  Amer.  lit. 
5  402.  —  Scripture,  Researches  in 
experim.  phonetics  6  179.  —  Seege 
of  Troye  ed.  Wager  6  182.  —  Alden, 
Rise  of  form.  sat.  in  Engl.  6  185.  — 
Neilson,  Origins  a.  sources  of  the 
'Court  of  love'  6  390.  _  Macmillans 
libr.  of  Engl,  classics  6  401.  —  Stift. 
v.  Schnyder  v.  Wartensee,  J.  J.  Bod- 
mer  8  i82-  —  Garnett,  Essays  of  an 
ex-librar.  8  207 —  Klöpper,  Shakesp.- 
Real.  8436.  —  Einstein,  Ital.  Renaiss. 
in  Engl.  9  171.  —  Yarnall,  Words- 
worth a.  the  Coleridges  9l89-  - 
Border  edit.  of  the  Waverley  novels 
ed.  Lang  10218.  —  Smith,  Specimens 
of  Middle  Scots  with  introduet.  10447. 

Branky,  Böhme,  Dtsch.  Kinder- 
lied u. -spiel;  Drohsin,  Dtsche  Kin- 
derreime u.  Verwandtes;  Eskuche, 
Siegerländ.  Kinderlieder  ;Dähnhardt, 
Volkstum!,  aus  d.  Kgr.  Sachsen  I 
2  399.  —  Kaiser,  Franzel  in  da  Fremd 
2  407. 

Braunholtz,  Ayer,  Tragic  he- 
roines  of  Corneille  3  454.  —  Kosch- 
witz,  Anleit.  z.  Stud.  d.  frz.  Phil.  7457. 

Bremer,  Schatz,  Mundart  von 
Imst,  Laut-  u.  Flex.-lehre  3169. 

Brotanek,  Zu  7"«.  Me.Hss.  in 
Dublin  8133. 

B  u  c  h  n  e  r ,  Bisher  unbek.  Druck  d. 
5.  Buches  v.  Rabelais  1549  7  124. 

Bück,  Schöningh,  Stellg.  d.  attrib. 
Adj.  im  Frz.  3  442. 

Burdach,  Ursprung  d.  Salomo- 
Sage  8131. 


Register  zu  Archiv  Band  CI-—OX. 


19 


Ca  rcl ,  Lange,  ßeobacht.  u.  Erfahr, 
auf  d.  Gebiete  d.  Anschauungsmeth. 
im  frz.  Unterr.  1  '-'•'•  Bierbaum, 

Lehrb.  d.  frz.  Sprache  nach  anal.- 
dir.  Methode;  Bierbauni  u.  Hubert, 
System,  Repetitions-  u.  Ergänzungs 
gramm.  L  236.  —  Börner,  Oberstufe 
z.  Lehrb.  d.  frz.  Sprache  1238.  _ 
Pünjer,  Lehr-  u.  Lernbuch  d.  frz. 
Sprache  II  l  238.  .  Baumgartner, 
Gramm,  francaise;  Excrc.  de  fran- 
cais  ;  Internat.  Engl,  teacher  l  239.  - 
Schirmacher,  Voltaire  3188.  —  7  Er- 
zähl, v.  Hale\v  u.  a.  ed.  Pariselle 
3  436.  —  Fremdsprachl.  Erzähl,  in 
Kürschners  Bücherscbatz  5  185. 
Diehl,  Frz.  Übungsbuch  I  5  206.  _ 
Kühn,  1)  Frz.  Leseb.  f.  Anfänger; 
2)  Frz.  Leseb.,  Unterstufe;  3)  Frz. 
Leseb.,  Mittel-  u.  Oberstufe;  3a)  Wb. 
zu  3)  5  206.  —  Paul,  En  terre  sainte 
ed.  Michaelis  5  209.  _  Heine,  Ein- 
führ, in  d.  frz.  Konvers.  B  5  210.  — 
Lachenmaier,  Elementarbuch  d.  frz. 
Sprache  f.  d.  mittl.  Klassen  höherer 
Lehranst.J  5  211.  —  Breymann,  Frz. 
Lehr-  u.  Übungsb.  f.  Gymn.  I  5  213. 

—  Günther,  Syntax  d.  frz.  Sprache 
f.  d.  ob.  Klassen  höh.  Lehranst.  5213. 

—  Link,  Gramm,  de  re"capit.  de  la 
langue  fr.  5  214.  _  _  Ohlert,  Lese- 
u.  Lehrb.  d.  frz.  Sprache  f.  höhere 
Mädchenschulen  5  214.  —  Frz.  Volks- 
lieder ed.  Ulrich  7  212.  _.  Bärwald, 
1)  Neue,  ebenere  Bahnen  im  fremd- 
sprachl. Unterricht;  2)  Eignet  sich 
der  Unterricht  im  Sprechen  und 
Schreiben  einer  fremden  Sprache  für 
die  Schule?  7  215.  _.  Mackenroth, 
Mündliche  u.  schriftliche  Übungen 
8  470. 

Cloetta,  Gröber,  Grundr.  d.  rom. 
Phil.  1  213.  _  Klein,  Chor  in  d. 
wicht.  TragÖd.  d.  frz.  Renaiss.  3  201. 

-  Wilmotte,  Passions  allem,  du 
Rhin  et  l'anc.  tb.6u.tre  fr.  4  426.  __ 
Chansons  et  dits  art6s.  du  XIII0 
siecle  ed.  Jeanroy  et  Guy  4  428.  — 
Samml.  ausgew.  Briefe  an  M.  Buona- 
rroti  ed.  Frey  7  217.  —  Voretzsch, 
Epische  Stud.  I  10  220. 

Cohn,  Thomas,  Essais  de  phil. 
fr.  3  208.  _  Warnke,  Quellen  d.  Esope 
d.  M.  de  France  6426. 

Conrad,  Gedenkrede  auf  Im  m. 
Schmidt  5  241.  _  Vischer  u.  D.  Tieck 
als  Macbeth-  Übersetzer  6  70.  —  FAn- 


geschobene  Sätxe  im  heut.  Englisch  1 

'(  330.   8  78. 

Consentius,  Zar  Quellenfrage  v. 
Schillers  Gesch.  d.  30jähr.  Krieges 
.[  122.  6  241.      ♦ 

Cook,  Irish  parallel  to  the  Beo- 
iculf  story  3  154. 

C  o  r  n  i  c  eliu s ,  Aus  dem  lieben  Cl. 
Tilliers  8  90-  —  Ergänz,  x.  d.  Werken 
Gl.  Tilliers  9  107.  --  Cl.  Tillier  als 
Pamphletist  9338. 1067, 338.  __  Robert- 
tornow,  Ged.  d.  M.  Buonarroti  ed. 
Thouret  1  240.  -  Dichtungen  des 
M.  Buonarroti  ed.  Frey  4  461. 

Delmer,  Scotts  Korr espond.  7399. 

—  Germ,  lyrics  a.  ballads  ed.  Hat- 
field  6  381. 

Dibelius,  Krön,  Little  Londoner 
1439.  _-  Me.  Gedicht  'Boke  of  Cu- 
pide' ed.  Vollmer  3  179.  —  Lee,  Life 
of  Shakesp.  5  396.  —  Jacob's  well  I 
ed.  Brandeis  7  166.  —  Mätzner-Bie- 
ling,  Ae.  Sprachproben  II,  13.  Lief. 

9  169 —  Beow.  a.  the  fight  at  Finnsb. 
transl.  Hall  9403 —  Emare  ed.  Gough 

10  196. 

Dobschall,  Zu  Petrarcas  Sonett : 
Era  il  giorno  ...  3  335. 
Dorff,  Müspilli  10  1. 
E  b  e  1  i  n  g ,  Vm.  Btrge.  III 14  ff.  4 129. 

—  Meraugis  v.  Portlesguez  ed.  Fried- 
wagner 3  403.  —  Körting,  Formen- 
bau des  frz.  Nomens  in  geschichtl. 
Eutwickl.  5  429.  6195.  __  Dobschall, 
Wortfüg.  im  Patois  von  Bournois 
10  232. 

Elster,  Weltlü.  und  Lit. -vergleich. 

7  33. 

Engwer,  Thibaut,  Wb.  d.  frz.  u. 
dtschen  Sprache  1  442.  —  Rofsmann, 
Studienaufenthalt  in  Paris  6  226.  _ 
Boylesve,  La  Becquee  7209.  —  Saml. 
frz.  Ged.  ed.  Kriete  7  210.  _  Ulbrich, 
Elementarb.  d.  frz.  Sprache  f.  höh. 
Lehranstalten  7  211.  —  Böddeke  u. 
Leitritz,  Frankr.  in  Gesch.  u.  Gegen- 
wart 8  467.  _  Engelke,  Classe  en  fr. 

8  468.  —  Schmidt,  Man.  de  convers. 
scol.  8  468. 

Fahrenberg,  Seymour,  Chaucer 
Stories  ed.  Klöpper  1  207.  —  Hope, 
Phroso  1  432.  —  Krüger,  Schwierigk. 
d.  Engl.  2  436. 

Farinelli,  Ludwig,  L.  de  Vegas 
Dramen  aus  d.  karol.  Sagenkreise 
2  446.  _  L.  de  Vega  ed.  Morel-Fatio 

9  45*. 

2* 


■_.,, 


Register  zu  Archiv  Band  CI  — CX. 


Fehr,   Lieder  d.   Fair  f.  Ms.   648. 

—  Lieder  d.  Hs.  Add.  5665  6  262.  _ 
Weit.  Btrge.  %.  engl.  Lyrik  d.  15.  u. 

W.Jhs.  7  48 Lieder  d.  Hs.  Sloane 

2593  9  33. 

Fischer,  Letzte  Lond.  Theater- 
saison  4162.  —  Marshall,  Escape  froni 
the  Tower  5  162.  —  Marshall,  In  the 
choir    of  Westminster   Abbey    ■>  163. 

<  oleridge,  King  with  2  faces  5164. 

—  Norris,  Fight  for  the  crown  5 166. 

Wells,  Stolen   bacillus   5168.   _ 
Wells,  War  of   the  worlds  5169. 
A\rclls,  Invisible  man  5170.  — Wells, 
Time  machine  5  172 —  Bagot,  Roman 
mystery  6  412 —  Alexander,  Through 
fire  to  fortune  6416.        Doyle,  Duet 

6  417.  _  Anstey,   Brass  bottle  7-191- 

-  Moore,  Neil  Gwyn  7  191-  —  Kin- 
rnss,    An    opera  a.  Lady  Grasmere 

7  L93.  —  Pemberton,  Footsteps  of  a 
throne  7  196.  —  Wells,  Tales  of  space 
a.  time  7  199.  —  Wells,  Love  a.  Mr. 
Lewisham  7  200.  —  Hewlett,  Life  a. 
death  of  R.  Yea-and-Nay  7  433. 
Hopkins,  Man  in  the  iron  mask 
7  436.  —  Grand,  Babs  the  impossible 

7  437.  —  Glyn,  Visits  of  Eliz.  7  439. 

—  Ouida,  Streetdust  a.  other  stories 

8  71.      -    Philips,   E.  Clarke  8  73.   _ 
Wilkins,   Love  of  parson  Lord  8  7-3. 

-  Hichens,  Flames;  Slave  8  450.  _ 
Merrick,  Worldlings  8  456.  —  Jacobs, 
Master  of  craft  8  458.  __  Churchill, 
Rieh.  III.  up  to  Shakesp.  9  407.  _ 
Gaylay  a.  Scott,  Introduct.  to  the 
method  a.  mater.  of  lit.  critic.  9407. 

—  Levett-Yeats,  Traitor's  way  9423. 

-  Crawford,  In  the  palace  of  the 
king  9  42t).  _  Wells,  First  men  in 
the  moon  9  428.  —  Wells,  Wheels  of 
chance  9430.  .  Broughton,  Foes  in 
law  9432.  —  Hewlett,  New  Canterb. 
tales  9433.  —  Maartens,  Some  women 
I  have  known  9436.  —  Avonianus, 
Dramat.  Handwerkslehre  10 153.  - 
Shakesp.s  Macbeth  übers.  Vischer, 
ed.  Conrad  10  '->'• 

Förster,  Burghs  Leben  u.  Werke 
1  '-'•'•  -  lexthess.  xu  Oropp  u.  Haus- 
knechts Auswahl  engl.  Gedichte  2  85. 

-  Passe  forthe,  Ihmi  pilgryme  2  213. 
Zu   Dedekind- Seheids    Grobianus 

3148.        Am-  -/.  Blickt.  Homilie  3149. 
Shirley-hss.  :'-  149.  —   Kl.  Mitteil, 
x.  me.  Lehn/ ich/.  1  293.  <;  145.  —  Stab- 
reim.  ABC  d.  Aristot.  5  296.      -  Ae. 


Quint in. -Legende  6  258.  —  Ae.  Boethius 
6342.  —  Symbolformeii  der  alt.  engl. 
Kirche  6  348,  480.  Zu  Havelock  2461 
7  107.  _  Etyvi.  v.  ne.  shanty  7H2.  - 
.1/'.  Nicod.-Evang.  7  311.  __  Lat.-ae. 
Frag  in.  d.  Apokr.  r.  Jamnes  u.  Main 
bres  8  15.  10  427.  -  Scotts  Korresp. 
8377.  Frühme.  u.  itnglufrx.  Glossen 
aus   Digby   172  !>:;i»  Me.   Hss.- 

kunde  ioio.3.  __  Kleinlit.  des  Aber- 
glaub.  im  Ae.  10  346.  __  Zur  dtsehen 
Bauernpraktik  10  421.  _  Parall.  xu 
Ghaucers  Prioresses  täte  und  Freres 
tale  10  427.  —  Chaucer,  Caunterb. 
tales  pro  log  ed.  Zupitza  3 178-  — 
Lyrie.  ballads  by  Wordsworth  a. 
Coleridge  ed.  Hutchinson  4212.  — 
Sizeranne,  Zeitgenöss.  engl.  Malerei 
5176-  -  Kipling,  Monkshood  5  1-7. 
-  Brix,  Me.  Übersetzung  d.  Specul. 
hum.  salvat.  6 182.  —  Skeat,  Conc. 
etvm.  dict.  of  the  English  language 
8188. 

Franke,  Quellen  des  Lag  of  the 
last  Minstrel  1325. 

Franz,  Schmeding,  Wortbild.  b. 
Carlyle  8  208.  9  120. 

Freudenberger,  Finck.Dtscher 
Sprachbau  5  101. 

Freymoud,  Marchot,Roman  bret. 
en  France  au  moyen  age  4219. 
Wechfsler,  Sage  vom  heil.  Gral  in 
Entwickl.  b.  Wagners  Parsifal  4210. 
-  Söhring,  Werke  bild.  Kunst  in 
afrz.  Epen  7  444. 

F  ü  c  h s  e  1 ,  Müller,  Untersuch,  über 
d.  Namen  d.  nhbr.  Liber  vitae  7  409. 

Garnett,  8  unpubl.  letters  of  Car- 
lyle 2  317. 

Gartn  er,  Sabersky,EinigeNamen 
v.  Bergen,  Tälern  etc.  in  d.  Umgeb. 
v.  Madonna  di  Campiglio   1  468. 

Geiger,  Kunsthistorischer  Aufsatz 
Goethes  u.  Polemik  wider  </.  Wein/. 
Kunstausstell.  15.  —  Brief Macaulays 
8  1 12- 

Geyer,  Schiller  in  d.  heut.  Schule 
3  257. 

Glöde,  Stillfried,  In  Lust  und 
Leed  1174.  Mentz,  Frz.  im  meckl. 
Platt  u.  Nachbardial.  1403.  3368.- 
Heil,  Grund,  der  nordostdeutschen 
Kolonialstädte  u.  Entwickl.  b.  Ende 
13.  .Ins.  23<J0-  —  Piper,  Ut  'ne  lütt 
Stadt  3174.  —  Hauschild,  Verstärk. 
Zusammensetz.  b.  Eigenschaftswör- 
tern im  Deutschen  4  |l" 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


21 


Gothein,  ChaUerton-Lit.  1025.  - 
'Tennyson',  memoir  by  Ins  son  5151- 

—  Koeppel,  Tennyson  5  151. 
Greg,  Unknown  edit.  <>f  Heyuood's 

Play  o/  Love  6141- 

Eaake,  Oryphius  und  seine  Zeit 

81.  —  Bartels,  G.Hauptmann  L168. 

Storch,    Dtsche   Lit.-gcsch.  1  106. 

I  >orn,  B.  Neukirch  2393.  Herold, 
F.  A.  ( '.  Werthes  u.  d.  deutschen 
Zrinydramen  3-363.  -  Griech.  Epigr. 
u.  kl.  Dichtungen  in  dtscher  Über- 
setz, d.  16.  u.  17.  .Ihs.  ed.  Ruben- 
sohn  4371.  --  Jahn,  Immermanns 
Merlin  4  376.  _  Coym,  Gellerts  Lust- 
spiele 4377.  —  Jacobs,  Gerstenbergs 
Ugolino  4378.  —  Krüger,  Der  junge 
Eichendorf f  5  114. 

Hahn,  Pride  of  conscienee  7651 
bis  7686  6349.  _  Einfl.  d.  Planeten 
6  351.  —  Roeder,  Familie  b.  d.  Angel- 
sachsen I  5  389. 

Harn  p  e,  Burdach,  W.  v.  d.  Vogel- 
weide I  9  152. 

Harsley,  Bismarck,  his  reflect. 
a.  reminisc.  3  ig4 

Hartwig,  Köhler,  Allit.  b.  Ron- 
sard 9  437. 

Häuften,  Bild  v.  Herxensschliissel 

5  10. 

Hecht,  Callaway,  Appos.  partic. 
in  Anglo-Sax.  8  428. 

Heck  er,  Meli,  Grundr.  d.  ital. 
Gramm.   3  163.  Kürschner,    Ital. 

parlato  3*6* —  Botazzi,  Neue  theor.- 
prakt.  Gramm,  d.  ital.  Sprache  5218. 

—  Boerner  u.  Lovera,   Lehrb.   der 
ital.  Sprache  5220 —  Lovera,  Gramm, 
der  ital.  Umgangssprache  5  223.    - 
Reinhardstoettner,  Vocab.  sist.  ital. 

6  228.   _  _    Scanferlato,    Lezioni    ital. 
6  230.  _  Zuberbühler,  Kl.  Lehrb.  d. 
ital.  Sprache  6  459.  —  Sabersky,  Be- 
ton.-Wb.   d.   ital.   Sprache  6  460.  - 
Kleinpaul,   Ital.   Sprachführer  7  163. 

Breitinger,  Ital.  Briefe  7  467. 

Herford,  Chiarini,  Studi  Shakesp. 
1186. 

Herrin  ann,  Smith,  Trip  to  Engl, 
cd.  Wendt  4  408.  __  Stories  for  the 
schoolroom  ed.  Bube  2  440.  —  Dal- 
gleish,  Life  of  Queen  Victoria  ed. 
Klöpper  3  397.  —  Brückner,  Talks 
about  Engl.  lit.  3  401.  _  Dubislav 
u.  Boek,  Lese-  u.  Ub.-buch  d.  engl. 
Sprache  für  mittl.  u.  obere  Klassen 
I  '-"'■      ( iesenius-Regel,Engl.Sprach- 


lehre  B,  Unterstufe  4*25.  —  Lewin, 
Engl.    Real.-kunde   4  425.   .      piate, 
Lehrgang  d.  engl.  Sprache  5179-  - 
Franz,    Shakesp.-<  Irarnm.    •»  104. 
Crawford,  Tale  of   a   lonely  parish 
6*19  Dana. Ich,  The  lowler  C  11". 

( ;runo  Seriesl.  Little  Lord  Faunt- 
leroy  by  Burnett  6420.  -  Hugen- 
holtz,  Engl.  Reader  6420.  —  3  Christ- 
111:1s  stories  l'mni  Dickens  ed.  Con- 
rad  (1422.  _  Wright,  Beginner  6  424. 

—  Wershofen ,  Zusammenhängende 
Stücke  z.  Übers,  ins  Engl.  6  424.  _ 
Breul,  Betracht,  u.  Vorschläge  betr. 
Gründung  eines  Reichsinstituts  für 
Lehrer  d.  Engl,  in  London  6  425.  _ 
Bonner  Btrg.  z.  Anglistik  7#t63.  . — 
Brown,    Wallace    a.    Bruce    restud. 

7  H9.  —  Gaspey  und  Runge,  Engl. 
Konvers.-Leseb.  7  442.  ..  Antoiue, 
R6sume*  prat.  de  litt.  fr.  7  456.  _ 
Thiergen,  Oberstufe  z.  Lehrb.  der 
engl.  Sprache  C  8  226.  —  Gesenius- 
Regel,  Engl.  Sprachlehre  B,  Unter-  u. 
Oberstufe  8227.  —  Flachsmann,  Irr- 
wege im  Leseb.  f.  Volksschulen  8227. 

—  Asher,  Fehler  d.  Dtschen  9  190.  _ 
Krüger  u.  Trettin,  Lehrb.  der  engl. 
Sprache  9191.  _  Plate-Kares,  Engl. 
Unterr.-werk  II  9 192.  —  Zur  Schullit. 
10  458. 

Herzfeld,  Neue  Quelle  f.  Lewis' 
lMonk'  4  310.  —  Z.  Gesch.  d.  dtschen 
Literatur  in  Engl.  5  30.  —  Qesch.  von 
Bürgers  Leonore  in  Engl.  6  354.  — 
G.  Borroiv  762.  —  Harvard  stud.  a. 
notes  in  philol.  a.  lit.  V  1 182.  — 
Doyle,  Tragedy  of  the  Korosko  1 434. 
Hahn,  Beaconsfield's  'Venetia', 
ein  Denkmal  Byrons  u.  Shelleys  4  407. 
-  J.  Gays  Lustspiele  ed.  Sarrazin 
5 150.  .  Prisoner  of  Chillon  ed. 
Kölbing  5 150.  —  Madert,  Sprache 
d.  ae.  Rätsel  d.  Exeterbuches  u.  d. 
Cynew.-frage  6  389 —  Pesta,  G.Crabbe 
6  409.  —  Old  Engl,  glosses  ed.  Napier 
7 160 — Zeiger,  Btr.  z.  Gesch.  d.  Einfl. 
d.  neueren  dtschen  Lit.  auf  d.  engl. 

8  437.  —  Jürgens,  Epist.  Ho-Elianae 
9421.  Byrons  sämtl.  Werke  übers. 
Böttger,  ed.  Wetz  10  454. 

Herzog,  Fr  &.  sage  9  130. 
Heuckenkamp,  Giraud,  Pascal 
5  457. 

Heuser,  Angebt.  Quelle  v.  'Vicar 
of  Wakefield'  8  64.  —  Havelock  ed. 
Holthausen  8197. 


22 


Register  zu  Archiv  Band  CI— CX. 


II  eusler,  Hempl,  Germ,  orthogr. 
a.  phonol.  I  1  400.  —  Ibsens  sämtl. 
Werke  in  dtscher  Spr.  ed.  Brandes, 
Elias,  Schienther  2  387.  5  129. 

Hoff mann-K rayer,  Altweiber- 
mühle  4  355. 

Holthausen,  Tegner  u.  Byron 
1 141.  —  Me.  Disput  xw.  Maria  u.  d. 
Kreuxe  5  22.  —  Schwer/.  Lobspruck 
auf  d.  dtseke  Sprache  5  3*i4.  —  Kegel 
u.  I  erwandtes  5  365.  —  z.  Beowulf 
5366.  AML  Vorrede  x.  ae.  Übersetz. 
v.  Gregors  Dial.  5  367.  —  Aussprache 
v.  ne.  father  u.  rather  5  371.  —  Quelle 
d.  ae.  Fäta  apostol.  6  343.  —  Qea\.  in 
Aelfreds  Übersetx.  d.  Cura  pastor.  6  346. 

—  Ae.  Spruch  aus  Winfrids  Zeit  6347. 
—  Fragm.  r.  Worcester  6  347.  —  Me. 
Ged.  Gleanness  6  349.  —  Zu  Shakesp.s 
Rieh.  III  1,  2,  55  ff.  7 109.  _  Etym.  I 
7379.  _  Me.  Genesis  7386.  _  Pride 
of  life  8  32.  _ .  Quellen  d.  me.  Ged. 
'Lob  d.  Frauen'  8  288.  10  102.  _  Me. 
Genesis  u.  Exodus  9 126.  —  Z.  Hare- 
lock  10100,  42"..  _  Kennedy-Stud.  10359. 

Fran  filol.  fören.  i.  Lund  1 156. 
-  Vietor,  Aussprache  d.  Schriftdtsch. 
3  356.  —  Beowulf  übertr.  v.  Heyne 
3  373.  _  Steineck,  Ae.  Dicht,  in 
wortgetreuer  Übers.  3376.  — Western, 
Darstell,   d.   engl.  Aussprache  4  202. 

—  Funk,  Prakt.  Lehrg.  zur  Erlern, 
d.  Schwed.  4  392.  —  Generydes  ed. 
Wright  6  351. 

v.  Hörnemann,  Heyl,  Volks- 
sagen, Meinungen  und  Bräuche  aus 
Tirol  5  HS. 

Hristu,  Manliu,  l)  Exerc.  grad. 
de  gram,  si  comp.  2)  Curs  pract.  de 
gram.  rom.  3)  Curs  pract.  de  stil  si 
comp.  4)  Antol.  rom.  5)  Carte  de 
cet.  6)  Betör,  si  Stilist.  7)  Curs  elem. 
de  lit.  8)  Poet.  rom.  9)  Gram,  istor. 
si  comp.  10)  Povat.  stud.  limbei 
rom.    7  226. 

J  a  n  t  z  e  n  ,  Byrons  '  Giaour'  6  286.  _ 
Chattertons  'Aella'  6352.  —  Quellen- 
untersuch.  x.  d.  Dicht.  B.  Cornwalls 
8  302.  —  Läzär,  Fortunatus-Märchen 
1163.  _  Busse,  Novalis'  Lyrik  1408. 

—  Loewe,  Ethnol.  u.  sprachl.  Glieder, 
d.  Germ.  3161.  —  Beowulf  ed.  Heyne 
u.  Socin  3l"5.  —  Petsch,  Neue  Btr. 
z.  Kenntn.  d.  Volksrätsels  4  379.  - 
Evers,  Dtsche  Sprach-  u.  Lit.-gesch. 
im  Abrifs  5  97.  _  Bankwitz,  Relig. 
Lyrik  d.  A.  v.  Droste-Hülshoff  5H6- 


-  Meyer,  Dtsche  Lit.  d.  19.  Jhs. 
5  376.  —  Poppe,  Hebbel  und  sein 
Drama  6379.  _  Gusinde,  Neidh.  m. 
d.  Veilchen  8176.  —  Meyer,  Grund- 
rifs  d.  neueren  deutschen  Lit.-gesch. 
10151. 

Jellinek,  v.  d.  Leyen,  Märchen 
in  d.  Göttersagen  d.  Edda  4  391.  — 
Kuhnau,  Musik.  Quacksalberei  ed. 
Benndorf  8179.  —  Liebau,  Edw.  III. 
v.  Engl,  und  die  Gräfin  v.  Salisb. ; 
Edw.  III.   im   Lichte   europ.  Poesie 

9  410. 

Kalepky,  Saure,  1)  Frz.  Leseb. 
für  höhere  Mädchenschulen  I  und 
II;  2)  Franz.  Lesestoffe  als  Unter- 
lage zu  Übungen  im  mündl.  Aus- 
druck; 3)  Tabl.  chronol.  de  la  litt, 
fr.  4  236.  —  Schenk,  Etüde  sur  la 
Birne  dans  Cyrano  de  Bergerac  9443. 

Keidel,  Kuhns,  Germ.  a.  Swiss 
settlem.   of  col.   in    Pennsylv.  9  387. 

Keller,  Kyds  Span.  Tragedy  ed. 
Schick  3  385.  4  469.  .  _  Cook,  Bibl. 
quotat.  in  old  Engl,  prose  writers 
4  397.  —  Sarrazin,  Shakesp.s  Lehr- 
jahre 4  400.  —  Wright,  Engl.  dial. 
dict.  4418-  —  Leitritz,  Altengl.s  Un- 
terrichts- und  Schulwesen  5 132.  _ 
Sehoenibs,  Orlando  für.  in  d.  engl. 
Lit.  des  Zeitalters  d.  Elis.  5  143.  - 
Klöpper,  Engl.  Reallex.  8  424. 

Kellner,  Herzfeld,  W.  Taylor 
v.  Norwich  4  204. 

Kinzel,  Siebs,  Dtsche  Bühnen- 
aussprache 5108-  —  Seiler,  Entwickl. 
d.  dtschen  Kultur  II  5  373. 

Klaeber,  Becnc.  2724  f.  4  287.  _ 
Z.  Beow.  8  368.  —  Ae.  Bedeut.-lehre 
9  305. 

Kluge,  Orrms  awwermod  ( ;  u  1 3i>°) 
2  351. 

Knörk,  Johannesson,  Frz.  Lese- 
buch, Unter-  u.  Mittelstufe  4456.  _ 
Johannesson,  Frz.  Üb. -buch  f.   die 
Unterstufe  4  460. 

Koch,  Chaucer  ed.  Pollard  u.  a. 

2  410. 

Koeppel,  D.  Quix.,  S.  Panxa  u. 
Dulcinea  in  der  engl.  Liter,  bis  zur 
Restaur.  1  87.  —  Chaucers  'Rom.  of 
the  Rose'  und  Sackvilles  'Indtiction' 
1  145.  _  j?.  Greenes  'Mad  preest  of 
the  sonne'  2  357.  —  Engl.  Wortbild. - 
lehre  4  25,  279.  —  ae.  %  xu  me.  e  4  127. 

-  Analogiezvirkgn.  xw.  wurxelverw. 
Zeit-,   Haupt-  u.  Beiwörtern  d.  engl. 


Register  zu  Archiv  Band  CI     CX. 


23 


Sprache  6  28.  —  Hist.  Anspiel,  im 
'JRom.  of  Otueb'  7  392.  —  Spensers 
Florimell  u.  d.  Britomartis- Sage  d. 
Anton.  Liberalis  7  394.  —  Ijydgates 
ADices  of  pecok'  8  29.  __  Ldndsays 
Anspielungen  auf  nie.  Dicht.  S'1"-  -  - 
Spenser,  Faerie  Queene  ed.  Warren 
6186.  —  Lily  ed.  Bond   10  "'■' 

Kolsen,  Ergänz.  %.  Appels  prov. 
Chrestom.  1  W7.  -  -  Index  zu  den 
wissenschaftl.  Arbeiten  Wesselofskis 

2  464. 

Konrath,  Keller,  Lit.  Bestreb, 
v.  Worcester  in  ags.  Zeit  6  175. 

Kopp,  lÄedersamml.  F.  v.  Reiffen- 
bergs  5  265.  —  j.  Grünwald  7  1- 

Köster,  Goethes  FApenor  1  257.  _ 
Meyer,  Goethe  4156. 

Kraeger,  Carlyle,  Sartor  resartus 
ed.  Mc-Mechan  7  425.  8  212,439.  y  172. 

Krause,  Chartier,  Ourial  ed. 
Heuckenkamp  3  430.  __  Wiese,  Spr. 
d.  Dial.  d.  Papstes  Gregor  6  207. 

Krueger,  Auslass.  od.  Ellipse? 
7  350.  8  107.  —  Gaskell,  Cranford  ed. 
Schmidt  1  198.  _  Reimann,  Abrifs 
d.  engl.  Syntax  1  208.  —  Stevenson, 
Across  the  plains,  Inland  voyage  ed. 
Ellinger  6  421.  —  Thomas,  Naval 
wordbook  7  203.  —  Lotsch,  Üb.-buch 
z.  Übers,   aus   d.  Dtschen  ins  Frz. 

7  461.  _  4  Erzähl,  von  Kipling  ed. 
Ellinger  8  223.  __  M.  Twain,  Tramp 
abroad  ed.  Mann  8  225. 

Kuttner,  Craik,  Cola  Monti  ed. 
Opitz  1436. 

L am p recht,  Lotsch,  Wb.  z.  mod. 
frz.  Schriftstell.  5  200. 

Lange,  Seogan  u.  '  Court  of  Love' 

10  104. 

Lehmann,  Schiller  in  der  heut. 
Schule  1  273.  —  Pietsch,  Schiller  als 
Kritiker  6380.  _  Witkowski,  Dichter 
u.  Darstell.,  I.  Goethe  7145. 

Leitzmann,  Kl.  asächs.  Sprach- 
denkmäler ed.  Wadstein  5  381.  — 
Holthausen,  Asächs.  Elementarbuch 

6  168. 

Lewin,  Hausknecht,  Engl.  Stu- 
dent 2430.  —  Ellinger,  Engl,  letters 

8  459.  —  Smith,  Trip  to  Engl.  ed. 
Wendt  8  460.  _  Oandy,  First  days 
in  Engl.  8  461. 

v.  d.  Leyen,  Heuschkel,  Unter- 
such, über  Randers  und  Lessings 
Bearb.  v.  Sinnged.  Logaus  10  161-  — 
Morris,    H.    v.    Kleists    Reise    nach 


Würzburg  10163.  —  Genther,  Stud. 

■/..    Liederb.   d.   K.    Hätzlerin    1"  128- 
Liebau,  Naehtr.  vu  Edw.  III.  v. 
Engl.   u.  d.    Gräfin   v.   Salisb. 

Liebermann,  Gesch.  Byrhtnots 
1 lr>.  Ags.  Verordn.  über  d.  Dun s>rii 
2  267.  _  Zur  Hss. -künde  2  471. 
1 1  'nlfst.  u.  Cnid  3  47.  —  Matrosen- 
steil,  aus  Landgut,  d.  Kirche  London 
I  17.  Rituale  Dunelmense  4122.  _ 
Ags.  Fieberbeschwör.  4  12;;-  —  Ags. 
Rubriken  4 123.  —  Verlor,  ags.  Annalen 
4  '-1-  —  Angli  caudati  4  121.  _  Ags. 
Benedict.-regel  4125.  —  Engl.  u.  Fr: . 
im  12.  Jh.  4  125.  —  Queen 's  minstrels 
1302  4 126.  —  Me.  in  neuen  Hss.- 
Katal.  d.  Cambr.  Coli.  4  126.  _  Heilige 
Engl.s  4  358.  —  Liber  vitae  of  New- 
minster  4  359 —  Me.  Hss.-kundc  Hain- 
pole u.  Lydgate  4  360.  —  Me.  Bischofs- 
segen 4  360.  _  -  Engl.  b.  d.  Nottaufe 
1223  4  360.  —  Mistery  plays  in  a 
chapel  in  the  14Ul  cent.  4  360.  —  Liber 
custuniarum  von  Northampton  4361. 

—  Ermeng,  von  Narbonne  4  361.  — 
Z.  Old  Engl,  inartyrol.  5  86 —  Riehard 
d.. Reimer  Edw.s  5  87.  —  Me.  Gedicht 
über  Gärtnerei  5  88.  —  At  one's  fingers' 
ends  5  88.  —  Cynew.-frage  5  367.  - 
Ae.  u.  me.  Hss.-kunde  5  369.  —  Win- 
chestersche  Grundstücksgrenzen  5  •"',',•,■ 

—  Leis  Willelme  6  H3-  —  Ags.  Annal. 
6  345.  _  Th.  Sackrille  6  352.  _  Engl. 
Schaustell,  um  1115  7  106.  _  Cheral. 
au  cygne  in  Engl.  7 10ß-  —  G.  of 
Wartcicks  Einfl.  7  107.  _  Me.  Hss. 
in  Dublin  7  107.  —  Kaufmann.  Engl, 
um  1 180  7  108.  —  Osterspiele  zu  Lei- 
cester  7  108.  —  Ae.  u.  me.  Hss.  7  385. 

—  Reimer  von  Worcester  7  386.  — 
Streoneshealh  8  368.  —  Nhbr.  Laute 
um  710  8  370 —  Aethelwolds  Anh.  \. 
Benedict.-regel  8  375 —  Quelle  f.  Waces 
Rom.  de  Rou  8  380.  —  Abfassungs- 
zeit v.  'Rectitud.  sing,  persona  u.  ags. 
'aferian'  9  73.  —  Engl.  d.  Gewerke 
9  127.  —  Ags.  Krönungseid  9  375.  — 
Ags.  Protest  gegen  d.  Cölibat  9  376.  _ 
Ags.  Hss.  in  Burton  im  12.  Jh.  9  376. 

—  Ags.  Davidbild  9  377.  —  Spielleide 
u.  Narren  im  14.  u.  15.  Jh.  9  377.  — 
Ags.  Menolog.  10  98.  —  Rhgtm.  Prosa 
Engls  im  10.— 11.  Jh.  10  98.  _  Cha- 
rakter. Engl.s  im  12.  Jh.  10  99.  - 
R.  Bacon  als  Phil.  10  WO.  --  Me. 
Forstausdr.  10  100.  —  Leg,  t-on  Edw. 
d.   Bek.    10103.    __    Hss.-cerhältn.   in 


24 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Cnuts  Gesetzen  10  422.  —  Fronlei ch- 
namsmyster.  xu  Beverley  10  420.  — 
Franzosen  über  Engl,  im  13.  Jh. 
10  426.  —  Searle,  Onomast.  Anglo- 
Sax.  2  222.  _-  Searle,  Anglo-Sax. 
bishops,    kings,    a.   nobles  4 187.    — 

2  Sax.  chron.  ed.  Plummer  4188.  — 
Hunt,  Engl,  church  from  597 — 10b'6 
5386.  _  Maitland,  Engl,  law  a.  the 
renaiss.  8  435. 

L  i  n  d  b  e  r  g ,  Satire  on  Blacksmiths 

1  395.  —  Godenhjelm,  Handbook  of 
the  hist.  of  the  Finn.  lit.  trausl. 
Butler  1 159.  -  Mod.  Engl,  writers  IL 
Autobiogr.  ol  a  slander.  Abr.  Lin- 
coln ed.  Hammond.  III.  Biogr.  of 
great  Englishmen.  Brit.  eloquence 
ed.  Wershoven  3  395.  __  Cricket  on 
the  hearth  ed.  Heim  3  397. 

Luick,  Entwickl.  r.  ae.  ü,  %  und 
Dehn,   in    off.   Silbe    überhaupt  2 43. 

3  55.  —  Diphthong,  v.  me.  ü,  i  und 
verwandte  dtsehe  Erschein.  3267.  — 
Oeseh  d.  anord.  Diphth.  im  Engl. 
7  322.  —  Björkmau,  Scand.  loan- 
words  in  me.  I  7  41-. 

Mackel,  Btr.  %ur  frx.  Stilist,  it. 
Synt.  548.  —  Jantzen,  Got.  Sprach  - 
denkm.  1  402.  —  Bernstein,  Order  of 
words  in  Old  Korse  prose  2  386.  — 
May,  Fremdart.  Ortsnamen  in  Bran- 
denb.  u.  Ostdtschl.  slav.  od.  germ.? 

2  389.  —  Biedermann,  Einwirk,  der 
Kolm.  Meisterliederhs.  auf  d.  Text- 
gestalt, d.  Ged.  H.s  v.  Meifsen  2393. 

-  Brückner,  Charakter,  der  germ. 
Elemente  im  Ital.  4221.  —  Genelin, 
German.  Bestandteile  des  rätorom. 
Wortschatzes  7  203 — Tappolet,  Stand 
d.  Mundarten  in  d.  dtschen  u.  frz. 
Schweiz  9  384. 

Mangold,  Nachahmung  Montes- 
quieus  und  Bossuets  von  Friedrieh, 
dem  Orofsen  2  331.  . —  .Jugendgedichte 
Friedr.s  d.  Gr.  5325.  <jS9.  —  Knörich, 
Ausw.  engl.  Ged.  aus  Moores  und 
Byrons  poet.  Werken  1  436.  _  Walter, 
Engl,  nach  d.  Frankf.  Reformplan 
5  181.  _  Walter,  Engl,  in  d.  Unter- 
sek.  nach  dem  Frankf.  Reformplan 
5185.  -  Flammarion,  Lect.  choisies 
ed.  Elsässer  6  225.  —  Conteurs  con- 
temp  ed.  Hengesbach  b'  225. 

Marelle,  Pasque  u.  v.  Bamberg, 
Auf  d.  Spuren  des  frz.  Volksliedes 
2  460. 

Marggraff,     Braddon ,    Rough 


justice  1202.  _  Ohlert,  Engl.  Leseb. 
f.  ob.  Klassen  höh.  Mädchenschulen 
1  211.  —  Boerner  u.  Thiergen,  Lehrb. 
d.  engl.  Sprache  1  212.  _  Thiergen, 
Elementar!»,  der  engl.  Sprache  1212. 

—  Gerard,  Spotless  reputat.  1  434.  __ 
Hope,  Simon  Dale  1 435.  __  Boerner 
u.  Thiergen,  Lehrb.  d.  engl.  Sprache, 
B.  f.  höh.  Mädchenschulen  1442.  . 
Crawford,   Rose   of  yesterday   2  4-7. 

M  a  x  e  i  n  e  r ,  Mhdtsch.  Subst.  mit 
Suffix  -ier  10  312. 

Meyer ,  E.,  Gedenkrede  auf  L.  Hiil- 
scher  9  1- 

Meyer,  H.,  M.  Bandello  nach  sei- 
nen Widmungen  8  324.  9  83. 

Meyer,  R.  M.,  'Böser  Geist'  in  d. 
Domscene  4  355.  __  Goethes  Sprüche 
G  19-  —  Morley,  Stud.   in   lit.    1  IM. 

-  Stern,  Einfühl,  und  Associat.  in 
d.  neueren  Ästhetik  1 421.  —  Segert- 
Stein,  D.  Sanders,  Gedenkbuch  1421. 

-  Fischer,  Kunstformen  d.  mittel- 
alt. Epos  3  162.  —  Nagl  u.  Zeidler, 
Dtsch.  -  Österreich.    Lit.-gesch.   4  363. 

—  Huch,  Goethe  4  376.  _  Richter, 
Freiligrath  als  Übersetzer  6381-  - 
Mott,  Poet  as  Teacher  6  389.  _ 
Schönbach,  Gesamm.  Aufsätze  zur 
neueren  Lit.  in  Dtschl.,  Österr.  u. 
Amerika  7135.  —  Hebbels  Briefe  ed. 
Werner  7  405.  —  Hebbel  ed.  Werner 
8 186.  —  Harnack,  Gesch.  d.  Preufs. 
Akad.  d.  Wissensch.  zu  Berlin  8391. 

—  Taylor,  Class.  herit.  of  the  middle 
ages  8416.  —  Paulsen,  Dtsehe  Uni- 
vers. 9 146.  —  Haym,  Aus  meinem 
Leben  9380.  —  Dietrich,  Grundlagen 
der  Völkerverkehrssprache  9  386.  - 
Tumlicz,  Lehre  v.  d.  Tropen  u.  Fig. 
10158.  __  Schmidt,  Kursächs.  Streif- 
ziige  10  162.  —  Friedmann,  Anzen- 
gruber  10 163.  —  Froinmel,  Neuere 
dtsehe  Dichter  in  ihrer  relig.  Stell. 
10430.  _  Moestue,  Uhlands  nordische 
Stud.  10  434.  _  Sander,  Moment  d. 
letzten  Spannung  in  engl.  Tragöd. 
bis  Shakesp.  10  449. 

Meyerfeld,  Jones,  Renasc.  of 
the  Engl,  drama  2  423.  _  Alexander, 
Barbara  3  392.  _  Gerard,  Forgotten 

sin  3392 Holdsworth,  Gods  arrive 

3  392.  _  Paston,  Fair  deeeiver  3392. 

—  Reitterer,  Peter  Pindar  64°8- 
Meyer- Lübke,  Rydberg,  Gesch. 

d.  franz.  a  3  439.  _  Thumb,  Griech. 
Sprache  im  Zeitalter  d.  Hellen.  8473. 


Register  zu  Archiv  Band  <I— CX. 


25 


Michels,  Heinzel,  Beschreib,  d. 
geistl.  Schauspiels  i.  dtschen  Mittel- 
alter 4  366. 

Miude-Pouet,  Warnick,  Gott- 
sched  u.  d.   dtsche  Lit.   seiner  Zeil 

6  374.  —  Gerstenbergk,  0.  v.  Goethe 
u.  ihre  Söhne  in  Briefen  9  401. 

Morf,  Frank,  Dem.  voyage  de 
la  reine  de  Navarra  aux  bains  de 
Chauterets  1230.  _  Ritter,  Notes  sur 
Mme  de  Stael  5455.  _  Brunetiere, 
Manuel  de  l'hist.  de  la  litt.  fr.  6212. 
Toinet,  Recherches  autour  d. 
poemes  her.-6piques  fr.  du  17''  siecle 

7  207.  —  Rigal,  Thäätre  fr.  avant  La 
periode  class.  7  443. 

Morgenstern,    Kaeding,    Häu- 

figk.-Wb.  d.  dtschen  Sprache  5103. 

Morris,  Goethes  Pandora  41.257. 

-  Publ.  of  the  Glasg.  Goethe  Soc.  II 
3168.  —  Haarhaus,  Goethe  3  362. 

Much,  Panzer, Hilde-Gudrun  8395. 

-  Kluge,  Etym.  Wb.  d.  deutschen 
Sprache  6  358. 

M  u  g  i  c  a ,  Aranjo,  Gram,  del  poema 
del  Cid  1  244.  _  Torres,  Gram,  hist.- 
compar.  de  la  lengua  castell.  3  467. 

—  Acad.  Espaii.,  Dicc.  de  la  lengua 
castell.  5  229.  _.  Pages,  Gran  dicc. 
de  la  lengua  castell.  9  234.  —  Jungfer, 
Personennamen  in  den  Ortsnamen 
Spaniens  und  Portugals  10  261.  _ 
Gräfenberg,  Briefl.  Sprachunterr.  d. 
span.  Sprache,  Meth.  Touss. -Lan- 
gensch.  10  473. 

Münch,  Wiese,  Geist.  Heimat  - 
losigk.  in  d.  dtschen  Gegenw.  1 153. 

—  Aronstein,  Entwickl.  d.  höheren 
Knabenschulen  in  England  1 206.  . — 
Roberts,  Educ.  in  the  19th  cent.  7185. 

—  Sander,  Aus  Schottlands  Schulen 
7  441.  —  Findlav,  Princ.  of  class 
teach.  10155. 

Xapier,  Naehtr.  %u  Cooks  Bibl. 
quotat.  in  old  Engl,  prose  writers 
1  309.  2  29.  7  105.  _  Ags.  Fieberbeschw. 
4361. 

Neumann,  Treatice  of  London 
1  143. 

Niedermann,  Gregorio,  Studi 
glottol.  ital.  II  7  462. 

Nitzer,  Quelle  xu  Turbcrvilles 
'Trag,  tales'  Nr.  2  6143. 

Oeftering,  Brand,  Müller  von 
Itzehoe  10  431. 

Opitz.  Broughton,  Dear  Fau- 
stina 1 197.  —  Doyle,  Uncle  Bernac 

Archiv,  Register.    Bd.  CT— CX. 


I  130.        Alexander,  Mrs.  <  Jrichton's 

creditor2425.—  Ouida,  Altruist  :'.  185. 

Pariselle,    Stavenhagen,    Petit 

'lief,  fr.-allem.  et  allem. -fr.  I  2  4o;i.  _ 
Plattner,  Ausfuhr!.  Gramm,  der  frz. 
Sprache!!  5463.  Stier,  Causeries 
fr.  8261-  Strotkötter,  Vie  Journal. 
8  262.  —  Paris,  Les  Francaie  chez 
eux  et  entre  eus  8262.  .  Krön, 
Guide  ep>ist.  8263.  Moliere,  Prea 
ridic.  ed.  Mangold  9  449.  -  Mey. 
Frankreichs  Schulen  9  450. 
Penner,  Caine,  Manxman   1200. 

-  Trollope  u.  a.,  South  Africa  ed. 
Feyerabend  2435 —  Gordon,  London 
life  a.  institut.  ed.  Ackermann  3 187. 

-  Mason,  Counties  of  Engl.  ed. 
Badke3l88-  -—  Moore,  Jessamy  bride 

3  390.   _-   Marshall,  Castle  Meadow 

4  216.    —  Rädag.    Monatshefte   5128. 

-  Mätzner  u.  Bieling,  Ae.  Sprach- 
proben nebst  Wb.  II,  12.  Lief.  5137 

-  Günther,  Manual  of  Engl,  pro- 
nunc.  gramm.  6 193. 

P  e  t  s  c  h ,  Zu  Dedekind-  Scheids  Gro- 
bianus  3148.  _  Engl.  Volksrätsel  3350. 

-  Meyer,  Dtsche  Volkskunde  1  416. 

-  Maydorn,  Dtsches  Leben  i.  Spie- 
gel dtscher  Namen  2  385.  —  Neue 
Publ.  d.  'Gesellsch.  z.  Förder.  dtscher 
Wissensch.,  Kunst  u.  Lit.  in  Böh- 
men' 3  357.  -  -  Frömmel,  Kinder- 
Reime,  -Lieder  und  -Spiele  3  366.  _ 
Lit.  d.  Volksmärchen  u.  Sagen  4381. 

Sprichwörter  u.  alte  Volks-  und 
Kinderlieder  in  Köln.  Mundart  4390. 
-  Klöpper,  Folklore  in  Engl.  a. 
America  4  424.  —  Hörn,  Deutsche 
Soldaten  spräche  5  113.  — Bahlmann, 
Münsterländ.  Märchen  5123.  —  Neue 
Lit.  z.  Volkskunde  7 146.  —  Neue 
Lit.  z.  dtschen  Volkskunde  8420.  _ 
Neue  Lit.  z.  germ.  Volkskunde  10443. 

Pillet,  Apror.  Liederhs.  JSP  im, 
365.  2179.  __  Gesta  Caroli  Magni, 
lat.  Text  und  prov.  Übersetz,  ed. 
Schneegans  3459.  —  -  Oettinger,  Ko- 
mische bei  Moliere  8  240.  —  Marmier, 
Gesch.  u.  Sprache  d.  Hugenottenkol. 
Friedrichsdorf  a.  T.  10  461. 

Pott  er,  B.  Harte,  Ancestors  of 
P.  Athaly  a.  other  stories  1 195.  — 
Du  Maurier,  Martian  1  429. 

Prem,  Werner,  Vollendete  und 
Ringende  6  384. 

Priebsch,  Unbekannte  Briefe  v. 
Schiller,   F.   H.  Jacobi  und  A.   W. 

3 


26 


Register  zu  Archiv  Band  CI — CX. 


Schlägel  an  Hufeland  10  20-  —  Un- 
gedr.  Briefe  aus  Klopstocks  Lebens- 
abend 10  418- 

Psilander,  Meyer,  Sprache  der 
Buren  9157. 

Risop,  Klöpper,  Franz.  Reallex. 
Lief.  1—5  2  441.  _  2  afrz.  Dicht, 
ed.  Schultz -Gora  5  445.  —  Nyrop, 
Gramm,  hist.  de  la  langue  fr.  I 
5451.  —  Nonnenmacher,  Praktisch. 
Lehrbuch  der  afrz.  Sprache  5454.  — 
Herzog,  Untersuch,  z.  M.  de  la  Cha- 
rites  afrz.  Übers,  d.  Alt.  Test.  9 193. 

Ritter,  E.,  Voltair.  ined.  ed. 
Mangold  8  465. 

R  i  1 1  e  r ,  O.,  Bericht.  %.  Gent.  Bums 
v.  llenley  und  Henderson  3 151-  — 
Tlio)>ison  und  Euripides  7  396.  — 
Wolcot  und  Bürger  7  397.  -  -  Wolcot 
in  Dtschl.  7  398.  -  Goethes  Sprüche 
in  Prosa  8132.  —  Heyse  und  Burns 
8 133.  _  Zu  engl.  Liedern  8139.  _ 
Land  of  cakes  8 140.  —  Gitate  bei 
Burns  8141-  —  Woleot  a.  Mitarbeiter 
an  Thomsons  'Scott,  airs'  8 141-  - 
Byron  und  Chateaubriand  9 128-  — 
Etym.  r.  ne.  ooxe  9 128.  • —  apricum  > 
abri  9129-  —  Molenaer,  Burns  Be- 
zieh, z.  Lit.  5  403. 

Roediger,  Friedmann,  Lingua 
gOt.  3  162. 

Ryssel,  Urtext  der  Cyprian.-leg. 
10  273. 

Sarrazin,  Me.  Vokaldehn,  in  off. 
Silbe  u.  Streitbergs  Dehn.-ges.  1 65.  — 
Scenerie  u.  Stoff,  im  ' Sommernachis- 
traum' 4  67.  _  Deutschbein,  Shakesp.- 
Gramm.  1 1*4.  —  Shakesp.s  J.  Caesar 
u.  Henry  V.  ed.  Hudson  2  421.  _ 
Feis,  Wege  z.  Kunst.  Gedankenle.se 
aus  Ruskin  2  424.  —  Dametz,  Van- 
burgh  4  402.  _  Hughes,  Misfort.  of 
Arthur  ed.  Grumbine  7  423. 

Schatz,  Klinghardt,  Articul.-  u. 
Hörfibg.  1 155-  --  Nagl,  Deutsche 
Mundart.,  Zs.  f.  Bearb.  des  mund- 
artl.  Mater.  1  172.  5  126.  —  Vietor, 
Dtsches  Leseb.  in  Lautschrift  5  127. 
-  Heilig  und  Lenz,  Zs.  f.  hdtsch. 
Mundart.  6172.  —  W.  v.  Eschenbachs 
Parzival  und  Titurel  I  ed.  Martin 
7  401.  —  Carolina  u.  Vorgänger  I  ed. 
Kohler  7  401.  _  Euling,  Stud.  über 
Kauf ringer  7  402 —  Behaghel,  Dtsche 
Sprache  9  383.  —  Kaufmann,  Dtsche 
Gramm.  9  384 —  Gerzon,  Jüd. -dtsche 
Sprache  9  389. 


Schick,  vgl.  Zupitza. 

Schleich,  Vietor,  Ein  führ,  in  d. 
Stud.  d.  engl.  Phil.  1  421.  __  Kluge 
u.  Lutz,  Engl.  Etym.  1425.  —  Tam- 
son,  Wordstress  in  Engl.  4  199- 

Schmidt,  E.,  Uhland  als  Dolm. 
Lope  de  Vegas  11-  —  Danteskes  im 
Faust  7  241. 

Schmidt.  J.,  Meyerfeld,  Burns 
4  403. 

Schneegans,  Diderot,  Parad. 
sur   le  Comedien   ed.  Dupuy  10  229. 

Schneider,  Mistrals  Mireio  ed. 
Koschwitz  6  461. 

Schoembs,  Guggenheim,  Quel- 
lenstud.  z.  Daniels  'Delia'  3180.  — 
Lewis,  For.  sources  of  mod.  Engl, 
versific.  3  370.  —  Brotanek,  Unter- 
such, über  Leben  u.  Dicht.  Mont- 
gomeries  3  378.  —  ß.  Harte,  Stories 
in  light  a.  shadow  4  414.  __  Jahrb. 
d.  dtschen  Shakesp.-Gesellsch.  5138. 
—  Arber,  Brit.  anthol.  5145. 

Schultz,  Petsch,  Form elhaf te 
Schlüsse  im  Volksmärchen  7  408.  _ 
Urban,  Owenus  u.  dtsche  Epigramm, 
d.  17.  Jhs.  8178.  _  Jahrmarktsfest 
zu  Plundersweilern  ed.  Herrmanu 
9  391. 

Schultz -Gora,  Hasberg,  Prakt. 
Phonet.  im  Unterr.  8260.  —  Sleumer, 
Dramen  V.  Hugos  10  227. 

Schulze,  A.,  Zu  Archiv  98^5 
1 151.  —  Meyer,  Formenl.  u.  Synt. 
des  frz.  u.  dtschen  Tätigkeitswortes 
1232.  _  Aue.  u.  Nicol.  ed.  Suchier 
2  224.  —  Plattner,  Ausführl.  Gramm, 
d.  frz.  Sprache  1  4443.  _  Langlois, 
Manuel  de  bibliogr.  hist.  6  324.  — 
Stein,  Manuel  de  bibliogr.  generale 
6  326.  —  Braunholtz,  Books  of  refe- 
rence  f.  students  and  teachers  of 
French  7  459.  _  Krist.  von  Troyes, 
CligSs  ed.  Förster  10  468. 

Schulze,  O.,  Landschi.  b.  Aboukir 
u.  ihre  Darstell,  b.  Thiers  9  136. 

Seemüller,  Lauchert,  D. Gottes- 
freundes im  Oberl.  Buch  von  den 
2  Mannen  1 162. 

Sherwood, Hewlett, Forest  lovers 
6  418. 

Singer,  Lemcke,  Textkrit.  Un- 
tersuch, z.  d.  Liedern  H.s  v.  Morun- 
gen  1 160.  —  Minde  -  Pouet,  H.  von 
Kleists  Sprache  und  Stil  1409.  - 
Grundmann,  Geogr.  u.  Völkerrecht!. 
Quell,  u.  Anschauungen  in  Herders 


Register  zu  Archiv  Band  Cl     CX. 


27 


'Ideen  /..  Gesch.  .1.  Menschh.'  8184. 
-  Briefe  aus  d.  Frühzeit  d.  dtschen 
Phil,  an  G.  F.  Benecke  ed.  Baier 
9 :;"s  Waag,  Bedeut.-entwicklung 
uns.  Wortschatzes  LO  L60. 

Smith,  Toulmin,  Gower  ed. 
Macaulay  5  390.   10197. 

Speck,  Feis,  Wie  wir  arbeit,  u. 
«drisch,  müssen,  Gedankenlese  aus 
Kuskin    1  Wl-  Trevelyan,   Amer. 

revalut.  4  416.  —  Pemberton,  Phan- 
tom arrny  4  417. 

Spies,  Pachaly,  Variat.  i. Heliand 
und  in  der  asächs.  Genesis  6171.  - 
Gast  of  Gy  ed.  Schleich  6179. 
( 'hrist  of  Cynew.  transl.  Whitman 
7  159.  —  Creighton,  Age  of  Eliz.  ed. 
Aron stein  7168.  _  Oelzner-Petersen, 
S(  mrces  of  the  Parson's  tale  8  430. 
Mittle,  Mid  u.  wi<l  9404. 

Springer,  Pätzold,  Individualist. 
Eigentümlichk.  einiger  hervorrag. 
Trob.  im  Minneliede  1226.  —  Vodoz, 
Theätre  lat.  de  R.  Textor  1  228.  _ 
Wetzel,  15  frz.  Lieder  5  202.  _  Zim- 
mermann, Totenklage  in  den  afrz. 
Chans,  de  geste  6  458. 

Stanger,    2   engl.   Faust  - 1  "bers . 

6  355. 

Steffens,  Afrx.  Liederhs.  d.  Bodl. 
in  Oxford,  Douce  308  4331. 

Steig,  Entsteh.-gesch.  d.  Märchen 
u.  Sagen  d.  Brüder  Grimm  7  277.  — 
Lit.  Umbild.  d.  Märchens  r.  Fischer 
u.  seiner  Frau  10  8.  —  Prem,  Goethe 

7  403.  _  Badstüber,  H.  v.  Kleist  9402. 

S  t  e  i  n  b  a  r  t ,  Btr.   x.   d.  Vm.  Btr. 
%.  fr;.   Gramm,  r.  Tobler  3158. 
Sternfeld, Köcher,  Anc.  Regime 

8  468. 

Stiefel,  Quelle  r.  Fletehers  'Island 
Princess'  3  277.  __  Schwankliter,  im 
16.  Jh.  III  5  89.  —  Quellen  d.  Esopas 
v.  Waldis  9  240.  _  Fest,  Miles  glo- 
rios, in  d.  frz.  Kom.  v.  Beginn  der 
Renaiss.  zu  Moliere  3195. 

Stötzner,  Boccalini  u.  sein  Einfl. 
auf  d.  dtsche  Lit.  3  107. 

Suchier,  R.  Tobler,  Aprov.  Ver- 
sion d.  Dist.  Catonis  4  245.  —  Bergau, 
Untersuch,  über  Quellen  und  Verf. 
d.  Vengeaunce  of  goddes  deth  8 199. 
—  Trautmann,  Kl.  Lautlehre  des 
Dtschen,  Frz.  u.  Engl.  I  10159.  — 
Forsch,  z.  rom.  Phil.  10  222. 

T.,  R.,  Francis,  Duenna  of  a  ge- 
nius  5174-  —  Hopkins,  Idler  in  old 


France  5174.        Savage,  White  fcady 

of  Khamiu.  5  IT">- 

Tamson,  John  Bull  I 

Tanger,  tn  he  to  im  Vcnjl.  mit 
I  shall  5  311.  _  Stoffel,  Intens,  a. 
down-toners  10  169. 

Tobler.  A..  Leg.  v.  Id.  Jul.  1  99, 
339.  2109.  3  kl.  prov.  Rätselauf g. 
1  397.  -  Afrx,.  läis  3156-  —  Zu  der 
Ausg.  d.  Sone  von  Nausay  7  U4-  — 
Zu  d.  Oxf  Glossen  8 145 —  Deschanel, 
Deform,  de  la  langue  fr.  1  222. 
Svedelius,  Anal,  du  lang.  1 224.  — 
Büchmann,  Geflüg.  Worte  1  399. 
Combe,  Pauvre  Marcel  ed.  Wüllen- 
weber  1 458.  - .  Coulet,  Troub.  G. 
Montanhagol  1 462.  _  Fouillee,  Psych, 
du  peuple  fr.  1  467.  _  Cledat,  Chans, 
de  geste  2  466.  .  -  Franke,  Franz. 
Stilist.  3  244.  _  Quiehl,  Frz.  Aus- 
sprache und  Sprachfertigk.  3249.  _ 
Livres  du  gouvern.  des  rois  ed,.  .Mo- 
lenaer  3  434.  —  Westholm,  Etüde 
hist.  sur  la  construct.  du  tvpe  'li 
filz  le  rei'  en  fr.  3  441.  _  Julleville, 
Hist.  de  la  langue  et  litt.  fr.  3451- 

—  Löseth,  Observ.  sur  le  Polyeucte 
de  Corneille  3  454.  _  Schröder,  Höh. 
Lehrerstand  in  Preufsen  3  468.  — 
Clement,  H.  Estienne  et  son  oeuvre 
fr.  4  238.  _  Paris,  Litt.  norm,  avant 
l'annex.  4  241.  —  Vogüe,  Morts  qui 
parlent  4  242.  —  Wülker,  Briefwechs. 
zw.  A.  Ebert  und  F.  Wolf  4  244.  _ 
Studi  glottol.  ital.  4247.  _  Schweizer 
Archiv  f.  Volkskunde  4  248 —  Neu- 
philolog.  Mittig.  4  248.  _  Karenine, 
G.  Sand,  vie  et  reuvre  4  437.  —  Ott, 
Etudes  sur  les  coul.  en  vieux  fr. 
5191.  __  Best,  de  Ph.  de  Thaün  ed. 
Walberg  5194.  __  Beaumanoir,  Cout. 
de  Beauv.  ed.  Salmon  5  197.  —  Lene, 
Subst.  postverb.  dans  la  langue  fr. 
5  203.  —  Hecker,  Neues  dtsch-ital. 
Wb.  I  5  216.  —  E.  y  Reyes,  Voces 
usadas  en  Chile  5  234.  —  Eggert, 
Phon,  und  method.  Stud.  in  Paris 
5  464.  __  Macias  ed.  Rennert  5465.  — 
Wulff,  Rythmic.  de  l'alex.  fr.  6  221. 

—  Giraud,  Essai  sur  Taine  6452.  — 
Alexandre,    Mots   qui   restent   G  453. 

—  Harbottle  a.  Dalbiac,  Dict.  of 
quotat.,  French  a.  Ital.  6  453.  _ 
Fiske,  Catal.  of  the  Dante  collect. 
7  221.  —  Negueruela ,  Farsa  llam. 
ardam.  ed.  Rouanet  7  224.  _  Col- 
lecc.    de    autos    del    siglo    XVI    I 


28 


Register  zu  Archiv  Band  CI— CX. 


ed.  Rouanet  7225.  —  Körting,  Lat.- 
rom.  VVb.  7*47.  —  Rodhe,  Essai  de 
phil.  mod.  I  7  454.  —  Pirson,  Langue 
d.  inscript.  lat.  de  la  Gaule  8239. — 
Voretzsch,  Einführ,  in  d.  Stud.  der 
afrz.  Sprache  8  255.  —  Lais  et  des- 
corts  fr.  du  13e  siecle  ed.  Jeanroy 
u.  a.  92W.  —  Mem.  de  la  Soc.  neo- 
phil.  ä  Helsingfors  III  9  221.  —  Biä- 
dene.  Libro  d.  tre  scritt.  e  i  Volg. 
d.  falsa  scuse  e  d.  vanitä  di  B.  de 
la  Riva  9226-  —  Savj-Lopez,  Nov. 
prov.  d.  Pappagallo  9  230.  —  Meyer, 
Fragin.  Burana  9  456.  —  Nyrop,  Ma- 
nuel phon.  du  fr.  10  239.  —  Thomas. 
Mc'l.  d'etym.  fr.  10  240.  __  Rom.  de 
Flamenca  ed.  Meyer  10  464.  —  Quay- 
zin,  Au  seuil  de  la  litt,  et  de  la  vie 
litt.  10  467. 

Tob ler,  R.;  Prosa fass.  d.  Leg.  v. 
hl.  Jul.  6  294.  7  79.  _  Sieper,  Echecs 
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3  der  neueren  sprachen 

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