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BcgrDndet von H. Auspitz und F. J. Pick.
ARCHIV
Dermatologie und Syphilis.
Dalw miKlrknni tob
PralJI>OALLAirDEBBON,Dr.ARH[Na,Prof.BBHRBKD,D r.BBSNtB K,Pror.BEROBJ>r.BI;,&B0HK0,
P»r.BOH0K,Pror.nDHRI>IG, Prof.T. D0RlNQ,Pror.EBBHANH,Dr.Et.aBHBBRO,Pr<it.BPSTBni,
Dr.FABKr,ProLrQ(aBH,DrJ,QBOlIFELD,Praf.HALLOFEAU,Prof.BASLtJin),Dr,HBBZHEIIIEB,
Dr.HOOHSINOSB.Praf.MDABSOHN, Prot. JAHOVBKT, Dr. JOSEPH, Prof.XÖBKZB, Prot. KOPP,
Frof-IiAHG, Dr.LBDXBlfANM, Prof. LCXASIEVICZ, Dr.LUSTQARTEIi, Prof. t.HABJSCBAI^Ö,
Dr. dn HXBinL, Fror. UBACEK, Frei. NEDHANK, Di. OBEXLÄNDER, Frol. PBTEBBEK, Prot.
P08PBI>0W, J. K. PKOK80H, Prof. REDEB, Prot. RnXE, Prof. R^MA, Dr. O. ROBHNTHAI.,
Dr.aOHIFr,I>r.8CBfiTZ. Dr.80HtIBTER,Dr. BOBCMAOHER, Dr. BEADEK, Prof. TARHOWSKr,
Dr. TOUTOK, Dr. VLLMASS, Dr. TBIBL, Dr. v. WATRA8ZKWBSI, Prot. WBLANDER, Dr.
WINTBSHITZ, Prof. WOLFF, Dr. w, ZBISBI.
Fn[.CiiDUT, Fror. Uintrelemi, Proi. Lemr, Frol.Vemei, Fror. RlEt),
KBnlfibsn Bonn Berlin Bnilan Wlrn
henusgegeben von
Prof. F. J. Pick in Prag.
Dreiundsechzigster Band.
Hit ftchtiehn Tafeln.
Wien und Leipzig.
Wilhelm Braamaller,
k. B. k. Hat- and UnlTanKdibneliklDdlsr.
1902.
'■</'>
c
APR 2 1903 ^
APR 2 1903
K. u. k. Hofbnehdraeker«! A. Haue, Prag.
Inhalt
Original-Abhandlungen.
Aus der dennatologiBchen Uni?er8itat8klinik von Professor Jadassohn
in Bern. Über nodöse SyphiKde (^Erythema nodosum syphilitioam")
und syphilitische Phlebitis. Von Dr. Max Maronse, ehemaliger
Volontärarct der Klinik in Bern, z. Zt. Assistent an der dennatoL
Abteilung des st&dtischen Krankenhauses su Frankfurt a/M.
(Taf. I.) 8
Welche HautveränderuDgen können durch mechanische Reisung der
Haut hervorgerufen werden. Von Docent Dr. Ludwig Török,
Budapest 27
Aus der Abteilung fOr Haut- und venerische Krankheiten des St.
Stephansepitals in Budapest. Zur Ekzemfrage. I. Können mechanische
Einwirkungen und unter ihnen in erster Reihe das Kratzen Ekzem
verursachen ? Von Prof. S. R 6 n a, Budapest 89
In welchem Alter findet man die meisten Ansteckungen von Syphilis
und in welchem Alter brechen die meisten Falle von genereller
Parese aus? Von G. T. Hansen und Paul Heiberg 57
Naevusbilder und -Betrachtungen. Von Dr. med. Josef Schutz,
Frankfurt a. Main. (Hietu Taf. H-^Y.) 68
Aus der k. k. dermatologischen Universitätsklinik des Hofrathes Prof.
Dr. Kaposi in Wien. Über ein • eigenartiges Krankheitsbild von
Keratosis verrucosa. Von Dr. St. Weide^feld, Assistenten der
Künik. (Hiezu Taf. VI u. VII.) 76
Aus Dr, Max Josephs Poliklinik für Hautkrankheiten in Berlin. Über
ein von der Nase aasgehendes Sypbiloma hypertrophicum diffusum
faciei (Elephantiasis luetica). Von Dr. Gottfried Trantmann aus
München 97
Erwiderung zu dem Nachtrag der Arbeit F. v. Waldheims : „Haemang-
endothelioma cutis papulosum**. Von Dr. A. Gassmann, Spezial-
arzt fdr Hautkrankheiten in Basel und Leukerbad 107
Aus der dermatologisohen Klinik der kgl. Universität in Turin. Zur
Histologie der Keratosis pilaris. Von Prof. S. Giovannini. (Hiezu
Taf. Vni-Xn.) 168
Aus der Abtheilung für Haut- und venerische Krankheiten des St.
Stephansspitals in Budapest. (Vorstand Prof. Dr. 8. Röna.) Zur
Eksemfrage. II. Gibt es ein ,, Reflex-Ekzem**. Von Dr. J. Csillag. 218
Aus Dr. med A. Elsenberg's Abteilung für Haut- und venerische
Krankheiten am israelitischen Krankenbause in Warschau. Sarcoma
IV Inhalt.
idiopathicmn multiplex en piaques pigmentosum et lymphangiec-
toiies. Eine eigentümliche Form der sog. Sarcomatosis cutis. Von
Dr. Robert Bernhardt, Arxtam St. Lazarus-Hospital in Warschau.
(Hiezu Taf. XIII u. XIV.) 289
Zur Kenntnis der Dermatitis pyaemica. Von Dr. Ludwig Merk,
Privatdozent für Dermatologie und Syphilis in Graz. (Hiezu Taf. XV.) 263
Aus der dermatologischen Universitätsklinik des Professor Dr. G. Riehl
in Leipzig. Naevus vasculosus giganteus. Von Privatdozent Dr.
Erhard Riecke, Assistent. (Hiezu Taf. XVL) 259
Ein Fall von ausgebreiteter Gangrän nach intramuskulärer Injektion
von Hydrargyrum sozojodolicum. Von Dr. Hermann Neumann,
prakt. Arzt in Potsdam und Dr. E. 6 endig, Assistent am städt.
Krankenhaus in Potsdam. (Hiezu Taf. XVII.) 267
Aus der dermatologisohen Klinik des Hofrath Prof. Kaposi in Wien.
Zur Blasenbildung und Gutis-Epidermisverbindung. Von Dozent
Dr. Karl Kreibich. (Hiezu Taf. XVIII.) 281
Zur Frage: Wie kann man die durch eine syphilitische Schwanger-
schaft verursachte soziale Gefahr bekämpfen ? Von Professor Edvard
Welander in Stockholm 298
Zwei Fälle von Schädel- und Gehirnsyphilis nebst Obduktionsbefunden.
Von Prof. Heinrich Köbner in Berlin- Charlottenburg 821
Aus der Königlichen Universitäts-Poliklinik für Haut- und Geschlechts-
krankheiten in Berlin. (Direktor Prof. Dr. E. Lesser.) Zur Theorie
der Lupusheilung durch Licht. Von Dr. Franz Nagelschmidt. . 835
Aus der Abteilung für Hautkrankheiten und Syphilis des Herrn
Dozenten Dr. Spiegier an der Allgemeinen Poliklinik in Wien.
Über Kapillardruck-Messungen normaler und veränderter Haut.
Von Dr. Hugo Fasal, Assistent der Abteilung 341
Kleine Arbeiten und vorläufige Mitteilungen.
Zur Tripperbehandlung. Von Dr. Albert Hirschbruch, Posen.
(Mit 4 Abbildungen im Texte.) 849
Über ein neues und einfaches Verfahren der Tripperheilung. Vor-
läufige Mitteilung von Dr. Max von Ni essen, Wiesbaden. (Hiezu
eine Abbildung im Texte.) 854
Bericht Ober die Leistungen auf dem Gebiete der Dermatelogie
und Sypliilis.
Verhandlungen der Berliner dermatologisohen Gesellschaft 118
Verhandlungen der Wiener dermatologischen Gesellschaft 359
Hautkrankheiten 136, 406
Geschlechtskrankheiten 389
Buchanzeigen und Besprechungen 158, 478
N o n n «, Max. Sjphilia und Nerveoiystem. — Lang, Bdaard. Lehrbach der Hautkrank-
heiten.
Varia 160, 476
Personalien.
Originalabhandlungen .
Arak. f. D«rmat. v. Sjrph. Bd. LXIH.
A
6^
Ans der dermatolosMlS$a) IlnlmBtMtsldixiik von Professor
lieber nodöse Syphilide („Erythema
nodosum syphiliticum") und syphilitische
Phlebitis.
Von
Dr. Max Mareiuie,
«hem. Volontirarat dar Klinik In Bern, i. Zt. AMi«tent an der derinatol. Abtellnnf des
itidtlielien KrankenhAuaet in FraakAirl (Main).
(Hieza Taf. I.)
Die Bezeichnung „Erythema nodosum** und „exsudativuoi
multifonne* wird jetzt in doppeltem Sinne gebraucht: einmal
för .idiopathische', d. h. in ihrer Ursache unbekannte —
wohl nach der Meinung der Meisten infectiöse — Erkrankungen
und zweitens für symptomatische Exantheme, d. h. fiir
Dermatosen, bei denen eine andere uns mehr oder weniger gut
bekannte Krankheit zu Hautsymptomen fuhrt, die morphologisch
im wesentlichen den erwähnten „idiopathischen^ Erythemen
gleichen. Diese Aehnlichkeit kann speciell das klinische Bild
betreffen; sie kann aber auch auf weitgehenden Analogien in
der Pathogenese und damit auch in den histologischen Ver-
änderungen beruhen. Dem Erythema nodosum idiopathicum
ähneln in mehr oder minder auffallender Weise Knoten, die
bei einzelnen Menschen durch Jodkali verursacht werden ; ihm
ähneln manche Formen der vorläufig noch sogenannten „Tuber-
cuUde^ (z. B. Erytheme indure Bazin) ; ihm ähneln wohl
auch, wie der Fall von Orillard und Sabouraud (1) und
«in jüngst im Berner Spital beobachteter Fall zeigen, Exantheme
4 Marcase.
septischer Natur (ganz in* Analogie mit den Beobachtungen
Finger's (2) bei dem Yon ihm sogen. Erythema papulatum).
Zu denjenigen Krankheiten, bei denen dem idiopathischen
Erythema nodosum ähnliche Formen vorkommen, gehört auch
die Syphilis. Die Frage, in welchen Beziehungen diese „Com-
plication^ zur Lues steht, ist noch nicht definitiv entschieden.
So lange die Zahl der Fälle gering war, durfte man annehmen,
dass es si<ih um eibe zufällige Coincidenz zweier in ihrer
Aetiologie vollständig verschiedener Krankheiten handelte. Die
Iföglichkeit einer solchen Coincidenz war natürlich zuzugeben.
Aber es musste doch, als die Zahl der Fälle sich mehrte, auf-
fallen, dass diese Erythema-nodosum-Formen speciell im ersten
Jahre nach der Infection auftraten; es musste au£fallen, dass
in manchen Fällen bei Syphilis einzelne Knoten zu einer Er-
weichung kamen, die beim idiopathischen Erythema nodosum
nach fast allgemeinem Urtheil nie auftritt; auch wurde bei
dem immerhin im Ganzen seltenen Vorkommen des letzteren
die Coincidenz allmälig doch eine zu häufige. So wurde denn
z. B. von Leloir-Vidal (3) die Ansicht ausgesprochen, dass
die Lues die Prädisposition für das Erythema nodosum erhöhe,
wie man das vom Rheumatismus und der Tuberculose geglaubt
hat. Doch ist auch bei den letztgenannten A'Sectionen ein
Beweiff nach dieser Richtung nicht erbracht ; vielmehr li^gt die
Annahme nahe, dass die rheumatische Prädisposition auf Grund
dies Vorkommeiis riieümatischer Beschwerden beim Erythema
nodosum aufgebaut wurde, während andererseits die vielbe-
sprochenen I^Ue von Erythema nodbsux& mit schlechtem Ver«-
lauf (ü f f e 1 m an n) (4) viellbicht geradezu tuberculose Exanthisme
wai'en. Wie diese vermeintliche Disposition so war auch die
Bezeichnung des Erythema nodosum bei Lues als para«y{ihi-
litisc'he Eiirrankung, wie sie z. B. ^ournier (5) wählte,
ohne thatsächliche Begründung.
Den entscheidenden Schritt zu der dritten Auffassung:
dass das sogen. Erythema nodbsum bei Lues ^on disr Möglich-
keit zufälliger Coincidenz in einzelnen Fällen abgesehen) ein
wirklich syphilitisches Symptom sei, that zuerst, soweit
ich sehe, Mauriac (6) bereits 1880/81, indem er es geradezu
als „Erythema nodosum syphiliticum' bezeichnete und
Ueber nodöse Syphilide and nyphilitiache Phlebitis. 5
unter die „Productions gommeuses precoces du tisBu sous-
catane'' einreihte. Im wesentliichen den gleichen Standpunjct
yertraten de Beurmann und Claude (7) (der Unterschied
zwischen „Syphilide noueux^ und Gumma sei lediglich in der
differenten Intensität des Processes begründet), L e s s e r (8),
Bock (9), Jadassohn (10). }Im Ganzen aber ist die Arbeit
M a u ri a c^s nur selten beachtet worden, und nstmentlicb in
deutschen Lehrbäohern findet sich kaum etwas über diese
Krankhefitsform. Wie wenig diese im allgemeinen anerkannt
und gewürdigt ist, geht auch daraus hervor, dass Neisser ()1)
sich so vorsichtig äussert, wie folgt: .„ . . . möglich ist aber
auch; dass durch die Syphilis selbst (vielleicht duxch eiAe
syphilitische flrkrankung einer kleinen Arterie) die ]Erschejjiungen
des Erythema nodosum hervorgerufen werden können. M a u r i a c
beschreibt als eigne Form der im Frühstadium vorkommenden
syphilitischen Bindegewebshyperplasien eine Erythema-nodosum-
Form." Auf der anderen Seite betont Jarisch (12), dass
^Hautgummen an den Unterschenkeln, welche mit den Knoten
des Erythems in gewissen Phasen ihrer Bückbildung Aebnlich-
keit darbieten können, sich durch ihren trägen Verlauf ebenso
wie durch ihre Tendenz zur Schmelzung und zur Geschwürs-
bildung mit Leichtigkeit unterscheiden lassen" — erwähnt aber
die eigenartige Form des Erytheme noueux syphilitique nicht. ^)
Wenn maalloss die Literatur über das „Erythema nodosum
syphiliticum^ berücksichtigte, so dürfte man annehmen, dass
die pathologische Anatomie dieser Erkrankung noch ganz un-
bekannt ist. Es scheiAt mir aber, dass von zwei Fällen, die
PhiUpps on (13) in seiner Arbeit über Embolie und Metastase
in der Haut publioirt hat, einer, wenn auch nicht dem echten
Typus des Erythema nodosum syphiliticum entsprach, dodi
grosse Analogien mit demselben aufwies. Philippson be-
zeichnet diese Fälle als „necrotische Formen der
Secundärperiode^. Der erste von ihnen wies aber keine
Necrose auf, dagegen wich er durch die Böthung und ödematöse
^) cf. hieneu die Demonstration Nobl's (Archiv 67, 1 u. 2, p. 247)
und die daranf folgende Disonssion, in der nnr von „Goinoidenz** gesprochen
wurde. Der Nobl'sche Fall kann natürlich si'hr woM anf blosser Coin-
eidtnz beruht haben.
6 Marcnse.
Schwellung der Haut und durch eine stärkere Resistenz in der
tieferen Cutis von den gewöhnlichen Papeln vollständig ab.
In diesem Falle fand Philippson histologisch eine Phlebitis
und Endophlebitis obliterans, besonders der Subcutis. Ich werde
auf die Bedeutung dieses Befundes später eingehen.
Da das casuistische Material von Erytheme noueux syphi-
litique seit Mauria c's Publication im wesentlichen nur durch
die Arbeit von de Beur mann und Claude eine Bereicherung
erfahren hat und manche Fragen noch der Antwort harren, so
habe ich drei Fälle, die in letzter Zeit an der dermatologischen
Klinik in Bern beobachtet worden sind, zusammengestellt, und
das umso lieber, als in einem Falle die Möglichkeit zur histo-
logischen Untersuchung einer Efflorescenz vorlag, in den
anderen immerhin einige allgemeiner interessante Punkte con-
statirt werden konnten.
Die Krankengeschichten sind die folgenden:
I. Marie J., 26 Jabre alt.
Aas der Anamnese ist hervorzuheben, dass die Pat. als Kind
öfter an Augenentzündungen und im 17. Jahre an starkem eitrigem Aus-
flusB aus beiden Ohren gelitten hat. Die Infection fand im Februar 1900
statt. Primäraffakt wurde nicht beobachtet. Im April trat allgemeines
Unwohlsein, Appetitmangel, starke, 8 Tage anhaltende Diarrhoe auf; erst
Mitte Mai bemerkte die Pat. einen Ausschlag, der an der Vorderseite
beider Unterschenkel begann und sich allmälig über den ganzen Körper
ausdehnte. Eine specifische Behandlung hat noch nicht stattgefunden.
Status am 4./VI. 1900: Schwächliches, schlecht genährte»
Indii^iduum; Lunge, Herz etc. normal; Hämoglobin 72%. — Am linken
Handrücken eine seit einem Jshre bestehende, augenscheinlich tuberculöse,
fluctuirende Tendovaginitis ; eine analoge Affection am rechten Malleolus
extemus. — Primäraffect nicht zu finden. Multiple indolente Lymph-
adenitiden (cubital, cervical, inguinal). Ueber den ganzen Körper disse-
minirt ein aus papulo-sqnamöseu und -crustösen, bis fünfcentimesstück-
grossen Effloresoenzen zusammengesetztes Exanthem; Erosionen und
nässende Papeln an Genitalien und Anus ; Plaque auf der linken Tonsille.
Auf der Vorderseite des linken Unterschenkels findet sich ein
länglicher, kleinhandtellergrosser Herd von roth-violetter Farbe. Die
Haut ist an dieser Stelle stark geppannt und glänzend und tief und derb
infiltrirt; in der Mitte eine kleine, scharf geschnittene Ulceration. Ein
ähnlicher Herd, der durch Confluenz mehrerer kleiner entstanden zu sein
scheint, ist an der Vorderseite des rechten Unterschenkels vorhanden >
auch hier im Centrum einige kleine Ulcerationen. Ausserdem findet sich
am rechten Unterschenkel noch ein etwa zweifrankstückgrosser, nicht
Ueber nodöse Syphilide und syphilitische Phlebitis. 7
nloerirter Herd mit deutlicher Flaotnation ; beim Eröffiien desselben ent-
leert sich riemlich viel Eiter, der sich bei der üntersachnng aaf gewöhn-
lichen Nährböden als steril erweist. Ebenso enthielt ein Knoten, der sich
in den ersten Tagen des Aufenthaltes der Fat. im Spital am linken
Unterschenkel gezeigt hatte, för unsere Methoden sterilen Eiter.
Unter Behandlung mit Salioyl-Hg (im ganzen 1*15 Hg
salicyL in 7 Wochen) heilte das Exanthem vollständig ab.
Schon am 17./yiII. 1900 wurde die Fat. wieder aufgenommen;
sie hatte ein Exanthem, das an den oberen Extremitäten aus ziemlich
zahlreichen kleineren, an den unteren aas bis zehncentstüokgrossen
papnlocrustösen Efflorescenzen bestand. Ausserdem fanden sich am rechten
Unterschenkel drei wenig hervorragende, etwa fonfcentstüokgrosse, derb
nnd tief infiltrirte Knoten, über denen die Haut stark geröthet und im
Centrum etwas violett verförbt war. — Nachdem zuerst 0*05 Hg salicyl.
iigicirt worden war, wurde die Hg-Behandlung zunächst beiseite gelassen,
weil die erste energische Cur ja erst vor Kurzem beendet worden war,
und um zu sehen, wie die Knoten gegenflber Jod sich verhalten würden.
Unter einer Behandlung mit 8 — 7 Gr. KJ pro die heilten die
Knoten mit bräunlich-bläulicher Verfärbung ohne eigentliche Narben-
bildung ab.
n. Selma W., 19 Jahre alt.
Aus der Anamnese ergibt sich, dass die Infection vor 7 Monaten
stattgefanden hatte und eine specifische Behandlung noch nicht erfolgt war.
Status am 8./V. 1901: Ernährungszustand ganz gut; Fat. macht
den Eindruck eines von Haus aus kräftigen Individuums. Allgemeines
Schwächegefühl, Kopfweh, Appetitlosigkeit, schlechter Schlaf. Morgen-
Temperatur 88^ Abend-Temperatur 89^ Im Urin Spur Albumen. Mehrere
grosse, ziemlich tiefe, schmierig belegte Ulcerationen an den Genitalien.
Auf dem ganzen Körper ein aus kleinen papulo-pustulösen Efflorescenzen
zusammengesetztes Exanthem. Auf den Streckseiten beider Arme, theil-
weise noch auf dem Handrücken, mehrere zwanzigcent- bis einfrank-
Stückgrosse Herde von folgender Beschaffenheit: Die Stellen sind theils
hellroth, theils lividroth, leicht erhaben, tief infiltrirt, einzelne auf Druck
schmerzhaft, die Mehrzahl aber nicht; die Begrenzung ist nicht besonders
scharf. An den Beinen finden sich dieselben Erscheinungen, nur in aus-
gedehnterem Maasse; hier ist die Aehnlichkeit mit Erythema nodosum
noch auffallender. Einer dieser Knoten zeigt centrale Erweichung. —
In der Mundhöhle findet sich eine grosse Anzahl kleinerer und grösserer
Herde von unregelmässig rundlicher Form mit schmalem, intensiv ge-
röthetemSaum und einem ziemlich dicken weiss-gelblicben Belag; dabei
starke Schwellung des Zahnfleisches und Salivation.
Nachdem zuerst ein ganz kurz dauernder Versuch mit minimalen
Dosen eines neuen Hg-Fräparates gemacht worden war, wurde speciell mit
Bücksicht auf das Fieber nur mit KJ behandelt (2—8—8 Gr. pro die) u. zw. bis
8 Marcajie.
zamaO./y« PAboi blieb aber die Abend-Temperatur imxoer über 38^; der
Mond (trotz )ocaler Behandlang mit H^O,) im wesentlichen unverändert;
von dem Exanthem r- und zwar sowohl von dem papulo-^ustulÖBen wie
auch von dem nodösen -r- ging eiA^ ^jizahl von Eüflorescenzen zurück,
zugleich aber bildeten 4oh immer wieder neue. Speciell ist l^ervor^u-
heben, dass (nach Status vom 17./V.) am rechten Unterschenkel, auf
der Innenseite der Tibia sieh aus einem rothen Knoten ein scharf
umschriebener, drehrunder, 2 — 8 Cm. langer, noch nicht
bleistiftdicker, dicht unter der Cutis gelegener Strang
entwickelt hatte, über dem die Haut leicht bläuHch verfärbt war.
Weiterhin oonstatirt man (Status vom 20./y.) auch auf der Aussen-
seite des Hnken Unterschenkels einen etwa 8 Cm. langen Strang von
fast Bleistiftdicke, der leicht geschlängelt, drehrund, scharf begrenzt ist
und von unten aussen nach vorn oben verläuft; die Haut darüber ist
verschieblich und blau-braun verfärbt. Der Strang am rechten Unter-
schenkel ist jetzt weniger deutlich. Dagegen ist ein neuer breiterer,
strangformiger, scharf abgesetzter Knoten über dem linken Oberarm lu
fühlen; die leicht gerothete Haut ist auch darüber gut verschieblich.
Die Temperaturkurve zeigt typische Febris remittens (86*5^ bis 89*4*).
Unter fortdauernder Jodkali-Behandlung bildeten sich
die Stränge theilweise zurück; auch von dem disseminirten Exanthem
involvierten sich viele Efflorescenzen, efi traten aber immer neue auf;
djie Temperatur h^elt sich immer noch über 88*, die Mundschleimhaut
blieb schlecht.
Es wurde dann am 80./y. eine Hg-Behandlung, zuerst mit
ganz schwachen Hg Cly-Injectio neu, begonnen, unter denen sehr bald
das Fieber aufhörte, die Mundhöhle sich reinigte, das Exanthem ab-
heilte, so dass die Fat. am Id./V. nach einer kräftigen Sublimat- Behandlung
in gutem Allgemeinzustand und ohne syphilitische Erscheinungen ent-
lassen werden konnte.
ni. Jakob W., 88 Jahre alt, kam am 25./IV. 1901 mit der vom
behandelnden Arzt gestellten Diagnose „Furunculose" ins Spital. Fat.
ist yerheirathet. Lues-Anamnese is^ jeder Beziehung negativ.
Status: Bei dem nicht sehr kräftigen, sonst ^ber gesunden Fat.
fand sich ein reichliches papulo-pustulöses, specifisches, über den ganzen
Körper, mit Ausnahme des Gesichtes, ausgebreitetes Exanthem ; besonders
betroffen sind Arme und Beine. An beiden Unterschenkeln sehr zahl-
reiche eitrig belegte Erosionen und Exulcerationen, in denen Strepto-
coccen mikroskopisch u^d culturell nachweisbar sind. Daneben sind an
den Streckseiten beider Unterschenkel mehrere, bis fünfcentstückgrosse,
tief und derb infiltrirte Knoten zu fühlen, über denen die Haut blau-roth
verfärbt ist. Einzelne Knoten sind in der Mitte erweicht; bei anderen
findet sich im Centrum ein kleines scharf geschnittenes, in die Tiefe der
Cutis reichendes Ulcus. — Das Allgemeinbefinden ist nicht wesentlich
gestört; Fat. klagt nur über ziehende Schmerzen in den Beinen.
Therapie: Ungt. einer. 8*0 pro dosi et die.
Ueber nodöse Syphilide and syphilitische Phlebitis. 9
Status am 9./y. Nach der sechsten Innnction Gingivitis merca-
rialis; Hg aasgesetzt. Sabjectives Befinden sehr gat, wenn aaoh noch
geringe Schmerzen in den Unterschenkeln. Exanthem stark im Ab-
blassen; Pyodermien anter Borvaseline erheblich gebessert. Von den
Knoten ist nar noch einer auf der Innenseite der Tibia deutlich zu
iuhlen. Excision dieses.
7./7I. Nach der 30. Einreibung wird Pat. auf eigenen Wunsch
entlassen. Das Exanthem ist bis auf sehr geringe Residuen abgeheilt;
ebenso die Pyodermien. Von den Knoten ist nichts mehr zu fühlen.
Zu diesen Krankheitsgeschichten möchte ich zunächst
klinisch Folgendes bemerken:
In allen drei Fällen war unzweifelhaft secundäre Lues
vorhanden, und zwar bei dem ersten und zweiten Fall sicher
im .ersten Jahr ; wahrscheinlich auch im dritten Falle, da der
Pat. ein sehr stark disseminirtes Exanthem hatte. In allen
drei Fällen waren die typisch secundären Erscheinungen schwerer
als der Norm entspricht: papulo-pustulöse und crustöse Exan-
theme ; im zweiten Falle war die Schwere der Erkrankung auch
noch durch die Munderscheinungen und durch das Fieber er-
wiesen. In sämmtlichen 3 Fällen bestanden (zweimal aus-
schliesslich, einmal wesentlich an den Uixterschenkeln) Symptome,
die an das idiopathische Erythema nodosum in mehr oder
weniger hohem Grade erinnerten. Am reinsten im zweiten
Falle, in welchem cutan- subcutane Knoten (mit einer Ausnahme)
ohne Erweichungs- Erscheinungen vorhanden waren. Beim ersten
P'all waren (jlie bei der ersten AufnaJbjQjie der Fat constatirten
Knoten an den Unterschenkeln durch Ulceration und Erweichung
vom E]7thema nodosum unterschieden; die bei der zweiten
Aufnahme derselben Pat. bestehenden Ejioten glichen aber dem
Erythema nodosum fast vollständig; es liegt ausserordentlich
nahe, .die erst beobachteten (ulcerirten) Stellen und 4ie erst
später erschienenen in der gleichen Weise zu erklären. Beim
dritten Falle waren neben vielen Stellen, die an eröffnete
F],irunkel erinnerten, erweichte Knoten, die Gummen ganz
ähnlich sahen, und derbe Knoten, die dem Erythema nodosum
geliehen, vorhanden; hier war die Erkrankung am längsten
unl^ehandelt geblieben; aber auch hier kann ein Zweifel
nicht besteheu, dass die erweichten und ulcerirten Stellen
ätialogisch und pathogenetisch mit den dem Erythema nodosum
ähnlichen identisch waren.
10 MarcQBe.
Es waren also in diesen drei Fällen Erscheinungen auf-
getreten, welche ganz oder in wesentlichen Punkten mit
dem Yon Mauriac und weiterhin von de Beurmann und
Claude gezeichneten Bilde des Erytheme noueux syphilitique
übereinstimmen. Auf die weitere Besprechung dieser Krank-
heitsform komme ich zurück, wenn ich den histologischen
Befund yon dem dritten meiner Fälle gegeben haben werde.
Das durch einen Oval&rschnitt im Unterhaatzellgewebe excidirte
Hautstüok wurde sonächst (leider darch ein Versehen der Länge nach)
halbirt Jede der beiden Hälften warde in Alcohol gehärtet und in toto
mit Haeroalaun vor - und nach der Weigerfschen Methode sur
Färbung des elastischen Gewebes nachgefärbt. Diese Blockfarbung wurde
genau nach den von Hedinger^) angegebenen Vorschriften vorge-
nommen, wie sie im hiesigen pathologischen Institut (Professor Langüans)
befolgt werden; die Methode hat sich für diese Untersuchung gut be-
währt Die beiden Stücke wurden in Serien geschnitten; die Serien sind
ununterbrochen, nur in der Mitte fehlen Schnitte, weil von dem einen
Block schon vorher (zur vorläufigen Diagnosestellung) etwas geschnitten
worden war.
Da es sich um einen im ganzen kugeligen bis leicht ovalen
Tumor handelt, so haben wir naturgemäss in den peripheren
Partien Tangentialschnitte ; in den centralen ist der Tumor
ganz durchschnitten. In allen Schnitten erscheint — schon bei
bei makroskopischer Besichtigung — die Einlagerung als eine
scharf umschriebene, rundliche bis orale Neubildung im Unter-
hautzellgewebe ; sie reicht bis an die untere Grenze der Cutis.
Schon in den ersten Schnitten, namentlich des einen Stückes,
fällt auf, dass diese Bildung bestimmte Beziehungen zu einem
Gefäss hat. Wir sehen nämlich circuläre Schichten elastischer
Fasern kreisförmig das neugebildete Gewebe begrenzen. Diese
elastischen Fasern bilden vollständig geschlossene, gewellte
Ringe in mehreren Schichten, die dicht aneinander gereiht
sind. Nach aussen dayon folgt eine ausserordentlich dicke
Lage (in Folge der tangentialen Schnittrichtung!) Muscularis,
welche von elastischen Fasern unregelmässig durchsetzt und
nach aussen scharf abgesetzt ist. Zwischen den Muskelfasern
und nach aussen Ton ihnen ist eine im allgemeinen wenig dichte
^) ,,üeber Intima-Sarcomatose von Venen und Arterien im sarcoma-
tösen Stmmen.** Virchow's Archiv Bd. CLXIV.
Ueber nodöse Syphilide und Byphilitische Phlebitis. H
Infiltration aus kleinen Rundzellen Yorbanden. Das Gefasslumen
ist vollständig ausgefüllt von einem Granulationsgewebe mit
vielen blasskernigen grossen Zellen, „Plasmazellen" und einer
Anzahl von Capillaren, vielfach mit deutlichem Endotbelbelag,
hie und da auch mit Blutkörperchen.
Wenn wir die Serie nach dem Centrum zu verfolgen, so
wird naturgemäss die Wand des Gefässes schmäler, sein Binnen-
raum grösser. Es finden sich ferner noch folgende Verände-
rungen : Während die Tunica externa (wir fassen nach T e s t u t^)
die Media und die Adventitia dieser — wie schon jetzt gesagt
werden darf — Vene zusammen) auf etwa '/^ der Circumferenz
gleichmässig und relativ schmal bleibt, findet sich an einer
Stelle eine dichtere und umfangreichere Einlagerung in
diese, so dass ihre äussere Contour gleichsam nach
au8sen vorgetrieben wird. In weiterem Verfolg dieser Partie
nach dem Centrum zu kann man constatiren, dass die zu-
nächst als Infiltrationsherd imponirende Einlagerung einen
immer grösseren Umfang anninmit und schliesslich sich auf
die Hälfte bis tiber zwei Drittel der Circumferenz erstreckt,
im ganzen in ungefähr sichelförmiger Anordnung. Dabei er-
leidet auch die Structur eine Veränderung. Zunächst findet
sich eine grössere Ansammlung epithelioider Elemente, speciell
im Centrum; weiterhin Detritus und coagulationsnekrotische
Massen. Diese Degeneration des „intraparietalen" Herdes
reicht schliesslich bis an die Elastica interna heran und wird
nur durch eine dünne elastische Fasermasse von dem Binnen-
räum getrennt, in dem sich inzwischen gleichartige Verände-
rungen vollzogen haben, so dass die eben erwähnten elastischen
Fasern gleichsam als letzte dünne Grenzschicht zwischen Wand-
Degenerationsherd und Binnen- Degenerationsherd ausgespannt
erscheinen. Die im Binnenraum des Gefässes eingetretenen
Metamorphosen betreffen einmal die zelligen Elemente. In
2 — 3 grösseren Herden sind die Zellen des Granulationsgewebes
aufgequollen, vacuolisirt, ihre Kerne blos noch wenig färbbar.
Das faserige Grundgewebe ist aufgelöst und schliessb'ch ist nur
noch Detritusmasse mit Eemträmmern vorhanden. An einzelnen
') Trait4 de l'Anatomie humaine. Vol. II.
12 Marc 0 86.
Stellen fioden sich an der Grenze des nekrotischen Materials
und dex* noch zeUigen Umrandung mehr oder weniger grosse
RieaenzeUen mit wandständigen Keraen und zum Theil vacuoli-
sirtem Protaplasma — an einer Stelle auch mit einer Ein-
lagerung von elastischen Fasqnoassen. Ausserdem i$t noch
hervorzuhehen, dass an der Innenwand der Elastica an einzelnen
Stellen eine Auflagerung von feinen elastischen Fasern zu con-
statiren ist, während der bei weitem überwiegende Theil des
den Binnenraum ausfüllenden Gewebes elastinfrei ist. Diese
Auflagerungen bestehen aus einem dichten Gewirr feinster
Fäserchen, welche zum grössten Theil der Elastica unmittelbar
aufliegen. Sie durchflechteo meist das noch wohl erhaltene
Granulationsgewebe und setzen sich nach innen scharf ab.
An anderen Stellen finden sich die gleichen Massen auch in
den bereits degenerirten Partien. Diese Fasermassen, an manchen
Stellen aber auch die Fasern der Elastica selbst, weisen bei
Immersion einzelne Degenerationserscheinungen auf (punkt-
förmigen Zerfall, Ausfransung etc.).
Die bisher beschriebenen Veränderungen finden sich in
regelmässiger Aufeinanderfolge in der ersten Hälfte des Knotens
bis etwa zum Centrum. In dem andern Stück sind im wesent-
lichen dieselben Veränderungen vorhanden; nur ist hier die
Anordnung eine nicht ganz so typische. Die Degeneration ist
viel gleichmässiger, so dass fast der ganze Innenraum des
Gefässes in eine nekrobiotische Masse umgewandelt ist; die
Gefässwand ist zum grössten Theil zerstört und nur unregel-
mässige Massen elastischer Fasern weisen auf die ursprüngliche
Venenwand hin. Hier sind denn auch die entzündlichen Erschei-
nungen der Umgebung stärker. In den letzten Schnitten, die
wieder tangential sind, findet man im Gentrum des Granulations-
gewebes wohl erhaltene elastische Fasern. Die Fasern, welche
die Elastica interna darstellen, bilden hier keine circulären
Bänder, sondern setzen sich aus kurze^ Stücken zusammen;
hier sind die Schnitte augenscheinlich tangential und schräg zur
ursprünglichen Venen wand verlaufen. Ausserdem aber finden
sich noch einige bemerkenswerthe Erscheinungen : An einzelnen
Stellen sind nämlich in der Umgebung des nekrotischen Ge-
webes, und zwar in den äusseren Partien, die offenbar der
Ueber nodöse Syphilide und syphilitische Phlebitis. 13
orsprünglichen, aber' stark zerstörten Venenwaud entsprechen,
Infiltrationsherde vorbanden, von denen einzelne sich einer
kleinen Vene anschliessen ; an anderen Stellen sind ettdo-
phlebitische, zum Theil obliterirende Wucherungen an Venen
zu constatiren; einzelne in der Nachbarschaft gelegene Arterien
sind normal. An 2 oder 3 Stellen kann man einige Schnitte
hindurch kleinis Knötchen im Querschnitt verfolgen, welche
grösstentheils aus Riesenzellen mit wesentlich wandständigen
Kernen und einem feinen Reticulum bestehen.
In der weiteren Umgebung des eben beschriebenen TutHorH
sind beträchtliche Veränderungen nicht zu constatiren -^
ausser einer geringen kleinzelligen Infiltration im Fettgewebe
und in den datüber liege&den Theilen der Cutis und einer
leichten Endothelwucherung an einzelnen Venen. Die Arterien
sind ganz normal.
Die Histologische Untersuchung hat also das
unzweifelhafte Resultat erg'eben: dass der beiün-
seremPat. excidirte Knoten eine Phlebitis (die An-
ordnung der Wandelemente, speciell des elastischen Gewebes
beweist mit Sicherheit die venöse Natur des GefassesI) mit
Uebergang in eine zum Theil nekröbiotisch umge-
wandelte Granulationsgeschwulst mit den wesent-
lichsten Charakteren eines Gumma darstellte. Es
geht aus diesem Befunde hervor, dass ein subcutaner Knoten,
der in der Secundärperiode der Syphilis auftrat und einem
Erjtheiüanodosum-Knoten auffallend glich, unzweifelhaft als
ein specifisches Produkt aufgefasst werden muss — das
Vorfiandensein von Epitheloid - und Riesenzelle n und von Necrose
in charakteristischer Anordnung spricht gegen eine nicht - sped-
fische Affection. Zweitens i3t von besonderer Wichtigkeit die
Thatsache, dass es in diesem Falle mit Bestimmtheit gelungen
ist, den Ausgang dieses Krankheitsherdes von eiüer
grössereti subcutanen Vene nachzuweisen; und zwar
kann aus dem relativen Freisein der Umgebung und aub der
Gesammtanordnung des Granuloms zu der Vene der Schluss
gezogen werden, dass der Krankheitsprocess wirklich Von der
Venenwand selbst ausgegangen ist. Der histologische Be-
fVind kann nur als eine Phlebitis proliferans et oblite-
14 Marcuse.
rans mit Bildung Ton Granulationsgewebe und
Necrobiose gedeutet werden. Von einer Torangehenden
Thrombose war nichts nachweisbar ; doch ist die Unterscheidung
eines organisirten und specifisch degenerirten Thrombus von
einer Phlebitis auf Grund eines Präparates aus einem späteren
Stadium der Erkrankung natürlich nicht mit Sicherheit möglich.
Die Anordnung des Granulationsgewebes und der necro-
lischen Partie macht es wahrscheinlich, dass es sich um einen von
der Intima ausgehenden Process gehandelt hat Dafür spricht auch
die Thatsache, dass an einer Stelle die Elastica interna nach
aussen vorgebuchtet und dass auf der Intima yerschiedentlich
eine Neubildung von elastischen Fasern vorhanden ist; hier
scheint der Process am ältesten zu sein. Dass es überhaupt
zu einer solchen Neubildung gekommen ist, stimmt mit Er-
fahrungen überein, die speciell Jores (14) und Fischer (15)
gemacht haben. Besonders interessant ist es, dass diese
elastischen Fasern, welche durch ihre Feinheit und ihre An-
ordnung mit Sicherheit als neugebildete zu constatiren waren,
sich auch an solchen Stellen erhalten haben, an denen die
Necrose schon nachweisbar ist — hier wäre also der Verlauf
so zu denken: Proliferation von Granulationsgewebe, Durch-
setzung dieses mit elastischen Fasern von der Intima aus, dann
Necrobiose desselben mit Erhaltenbleiben der elastischen Fasern
trotz ihrer Feinheit.
Neben der Endophlebitis specifica ist aber unzweifelhaft
auch eine gummös degenerirende Entzündung in der Wand der
Vene vorhanden, die aber nicht die ganze Circumferenz er-
griffen hat, sondern augenscheinlich von einer Stelle ausge-
gangen ist. Ob dieser grosse Herd in der Veneuwand durch
eine Fortpflanzung des Processes vom Binnenraum her entstanden
oder ob er auf die gleichzeitige specifische Erkrankung eines Ge-
fässes der Venenwand zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu
entscheiden. An einigen Stellen sind jedenfalls auch vasa
vasorum erkrankt und es könnte wohl sein, dass auch einzelne
der beschriebenen miliaren Gummata in den äusseren Schichten
der Venenwand aus einer solchen Gefässerkrankung sich ent-
wickelt haben. Der primären Erkrankung der Vasa vasorum
wird von einzelnen Autoren für die Entstehung des syphilitischen
üeber nodöse Syphilide und syphilitische Phlebitis. 15
Gefässprocesses grosses Gewicht beigemessen (cf. Lang und
Ulimann (16). Es wäre ja auch möglich, dass der ganze
Process ursprünglich eine specifische „embolische^ Entzündung
^on Gefässen der Yenenwand war.
Auf weitere Details des histologischen Befundes möchte
ich nicht eingehen — hinweisen möchte ich nur auf die grosse
Aehnlichkeit speciell der kleinen Knoten mit miliaren Tuberkeln
und auf das Vorkommen von unzweifelhaften elastischen Fasern
im Innern Yon Riesenzellen.
Durch die mikroskopische Untersuchung gewinnt unser
Fall ein besonderes Interesse nach zwei Richtungen: einmal
weil er einen neuen Beweis für die Bedeutung des Venen-
systems für die syphilitischen Erkrankungen überhaupt dar-
stellt, und dann, weil er sich ausserorclentlich gut einfügt in
die von Philippson aufgestellte Lehre von der Bedeutung
der Embolien und speciell der Venenverstopfungen für die Natur
der Erytheme, resp. der von innen her bedingten Hautkrank-
heiten.
Was den ersten Punkt angeht, so ist es vor allen Ri e d e r (17)
gewesen, welcher für die primäre und femer speciell für die
tertiäre Lues des Rectums den Beweis erbracht hat, dass ent-
gegen der weitverbreiteten Anschauung von der prädominirenden
Betheiligung der Arterien es (neben den Lymphgefassen) gerade
die Venen sind, welche (durch Endophlebitis und Phlebo-
sclerose) den wesentlichsten Antheil an der Propagation des
syphilitischen Processes haben. Aus der Zusammenstellung
von Proksch (18) wissen wir, dass die Syphilis auch der
eztraparenchymatösen Venen nicht so selten ist, wie es bislang
den Anschein hatte. ^) Ganz unabhängig davon ist Philippson
durch die Untersuchung von frischen subcutanen Gummata
zu dem Resultat gekommen, dass diese ihren Ausgangspunkt
^) Ygl. hiezu auch noch:
0 r 1 o w 8 k y : n^nr patb. Auat. der spinalen Syphilis" inLnbarsch-
Ostertags Ergebnissen. Y. 1898.
Forstmann: ,|Ein Fall von Darm Syphilis and Endophlebitis
syphilitica'' in Ziegler's Beiträgen. XXYH. 1900.
Franke 1: „Zar Lehre von der aoqairirten Magen-, Darm-Syphilis''
in Virchows Archiv. CLV.
16 Marcuse.
von Venen nehmen, während die Arterien fast immer unbetheiligt
sind. Diese Anschauung hat, soviel ich sehe, allgeibeine j^e-
stätigung bisher nur in einer Bemerkung Dariers gefunden,
der sagt, dass die erste Gefassveränderung bei deii subcutanen
Gummen fast stets eine kleine Vene an einer beschränkten
Stelle ihres Verlaufes trifft.*) Aber auch Biroh-Hirsch-
f eld^) sagt schon 1894, dass „in gummösen Herden eine starke
Betheiligung der Venen wände regelmässig nachzuweisen ist«**
In dem von mir beobachteten Falle war es zweifellos eine
grössere Vene des subcutanen Gewebes, die wie bei den von
Philippson beobachteten Fällen den Ausgangspunkt des
Knotens darstellte.^)
Die Thatsache, dass die subcutanen Gummata seiner Ftüle
von den Venen ausgehen, fügt sich bei Philippson bekanntlich
nur als ein Glied seiner Lehre von der Embolie und Metastase
bei Hautkrankheiten ein, welche den Lesern dieses Archivs zur
Genüge bekannt ist. Es ist hier nicht der Ort, auf diese Lehre
im Ganzen einzugehen und speciell zu prüfen, ob die Identifi-
cirung des Begriffs „Erythem" mit embolischer Hauterkrankung,
wie sie Philippson versucht, nach allen Richtungen zutrifft.
Für mein Thema genügt es hervorzuheben, dass ein Process,
der nach der Nomenclatur speciell der französischen Derma-
tologie als „Erytheme noueux syphilitique** bezeichnet wird,
sich als Phlebitis manifestirt, sich also in diesem Sinne als'
eine Stütze der Philippson'schen Anschauung erwiesen hat.
In demselben Sinne ist der bereits erwähnte von Philippson
selbst erhobene Befund einer Endophlebitis bei einem dem
Erythema nodosum syphiliticum sehr ähnlichen Erankheitsbild
zu deuten. Es wäre natürlich voreilig, nun etwa den Schluss
ziehen zu wollen, dass alle Fälle, welche dem Bilde des Ery-
thema nodosum sypiliticum entsprechen, Phlebitiden seien. Aber
^) Fournnier: Traite de la Syphilis, Periode tertiaire. (T. IL,
F. I.) 1901. p. 68.
') Pro kB ob: 1. c. p. 6.
') Anm. b. d. Correct.: Inzwiscben hat Blascbko (19) atisfarlicb
über einen Fall von TbrombophlebiÜB syphilitica berichtet, der Phi-
lippson's and meinen Befunden vollkommen entspricht, wenn auch das
klinische Bild durchaus von denjenigen abweicht, das meine Pat. darboten.
Ueber nodöse Syphilide nnd syphilitiecbe Phlebitis. 17
ich muss hier doch noch auf zwei Punkte aufmerksam machen,
die fiir diese Frage Bedeutung hahen:
1. Einmal nämlich auf die bei unsenn zweiten Falle ge-
fundenen Stränge. Diese konnten kaum anders, denn aln
Phlebitiden von geringer Länge gedeutet werden; es könnten
höchstens noch Lymphangitiden in Frage kommen, aber für
deren Diagnose lag sonst kein Anhaltspunkt vor. Entzündungen
der Venen im secundären Stadium sind uns speciell durch die
Zusammenstellung Yon Proksch besser bekannt geworden;
sie sind gewiss nicht häufig; aber es ist interessant, dass von
den 31 Phlebitiden der subcutanen Venen, die Proksch ge-
funden hat, 26 die Venen der unteren Extremitäten betreffen.
Die beiden Fälle, von denen Herr Professor Jadassohn^)
Notizen besitzt, waren ebenda localisirt. Nun sind aber auch
(wie die subcutanen Gummata nach Fournier in 427o &ller
Fälle) die dem „Erythema nodosum syphiliticum** entsprechenden
Affectionen speciell an den unteren Extremitäten localisirt.
Weist schon das auf eine Beziehung auch dieser Form zu den
Venen hin, so macht das directe Hervorwachsen eines phlebi-
tischen Stranges aus einem Knoten bei unserem zweiten Falle
diesen Zusammenhang fast zweifellos. Ich möchte nebenbei hervor-
heben, dass so kurze Venenstränge doch recht selten sind —
vielleicht sind sie auch nur nicht genügend beachtet worden,
immerhin werden sie doch ab und zu erwähnt, z. B. bei Gbs-
selin^) und bei Fournier.*)
2. Weiter erscheint mir erwähnenswerth, dass beim Ery-
theme noueux syphilitique, wie Mauriac ausführlich beschreibt
und auch de Beurmann und Claude heryorheben, neben
den eigentlichen Erythemknoten derbe, manchmal kleine und
runde Knoten im Unterhautzellgewebe vorhanden sind, über
denen die Haut verschieblich ist; diese bleiben entweder als
solche bestehen, oder sie gehen in Erythemknoten über; in
^) Der eine ist in der Dtsch. Medic. Wochschr. 1896 Nr. 11. im
Sitzangs-Bericht der Breslauer Vaterland. Ges. yeröffentlicht, von Proksch
nicht citirt; der andere betraf ein Mädchen mit aosgesprochen maligner
Laes nnd namentlich starken ülcerationen der Unterschenkel.
■) cf. Proksch, 1. c. p. 64.
*) 1. c. Per. prim. Pör. sec. f. ü. p. 706.
Ar eh. f. Dermal, u. Sypb. Bd. LXIU. 9
1{^ MarcuBe.
anderen Fällen wandeln sich die letzteren in diese isolirten
Knoten im Unterhautzellgewebe um.*) Solche Formen erinnern
ausserordentlich an die bekannten Knoten bei den „Tuber-
culides** und es ist darum besonders interessant, dass auch
bei einem typischen Fall der letzteren Philippson eine
„Thrombophlebitis tuberculosa" gefunden hat.^) Auch
das Vorkommen dieser subcutanen Knoten beim Erythema
nodosum syphiliticum scheint für die Bedeutung des phlebitischen
Processes bei dieser Form zu sprechen. Dabei werden wir die
oben genannten Differenzen (Uebergang der Knoten in Erythem-
Efflorescenzen und dieser in jene) ohne Zwang auf oberfläch-
lichere oder tiefere Localisation des erst befallenen Gefasses
und auf die Ausdehnung der umgebenden Beactionszone be-
ziehen können ; geht eine Efflorescenz mit oberflächlicher Infil-
tration und Böthung zurück und wird dann der subcutane
Knoten fühlbar, so werden wir annehmen dürfen, dass der
letztere in der mehr pastösen und diffusen Schwellung des
frischen Processes nicht fühlbar, aber doch schon vorhanden
gewesen ist (wie das z. B. bei einem in der Bemer Klinik be-
obachteten „Tuberculid'' sehr deutlich zu constatiren war).
Also auch wieder eine pathogenetische Analogie und eine
grosse klinische und anatomische Aehnlichkeit zwischen Lues
und Tuberculose 1
Ich glaube aus diesen klinischen Befunden und Analogie-
schlüssen und aus den beiden histologischen Befunden von
Philippson und von mir, den Wahrscheinlichkeitsschluss
ziehen zu dürfen, dass bei dem bisher sogenannten Erythema
nodosum syphiliticum Phlebitiden eine wesentliche Rolle spielen.
Ich muss ^un noch einmal zu dem klinischen Bilde der
Erkrankung zurückkehren. Der Begriff des Erythema nodosum
syphiliticum hätte wohl kaum statuirt werden können, wenn
nicht in vielen Fällen eine Erweichung und eine Perforation
ausgeblieben wäre. Es liegen hier die Verhältnisse ganz analog
wie bei dem Erytheme indure Bazins, in dessen typischen Fällen
^) Anm. b. d. Correct.: Blaschko, a. a. 0. p. 416.
*) Anm. b. d. Correct.: cf. die Demonstrationen auf dem letzten
GongreBB der D. D. G. von Alexander und namentl. von Juliusberg
and von Pinkns.
Üeber nodöse Syphilide und syphilitische Phlebitis. 19
m
die Involution ohne Ulceration stattgefunden hat; die zu
Fluctuation und Perforation gelangenden Knoten haben wohl
schon immer an „(Pommes scrofuleuses*' erinnert. Deswegen
sehen wir denn auch, dass Mauriac in seiner wirklich grund-
legenden klinischen Arbeit unter den „Affections syphi-
litiques precoces du tissu cellulaire suscutane*^
drei Formen unterscheidet, von denen er nur die erste
als „Erytheme noueux syphilitique* bezeichnet: n^Ue
est characterisee par la g6n6ralisation simultanee et sous forme
eruptive de neoplasies vari^es sur les differentes parties du
Corps, mais principalement aux membres inferieurs et moins
souveot aux supörieurs. Elle est souvent prec6dee et aecom-
pagn6e de phenomenes febriles et de perturbations rhumato-
neuralgiformes siegeant dans les parties, qui vont deveuir le
siege de ces neoplasies aigues. — Dans ces neoplasies qui sont
presque aussi dermiques qu*hypodermiques il y a des plaques
de veritable erythöme noueux, des tumeurs sous^cutanees, des
suffusions etendues ä apparence phlegmoaeuse, etc. Mais la
resolution est toujours la regle. Quelles que soieot sa forme
son ätendue, ses connexions etroites avec la peau et la vivacite
de ses symptomes, la neoplasie reste toujours solide et ne subit
a aucun degre la phase necrobiotique qui conduit au ramoUis-
sement** Bei der zweiten Form entstehen die Tumoren mehr
isolirt, langsamer, indolent, ohne acute Entzündungserschei-
nungen; sie neigen zu spontaner Involution, können aber er-
weichen. Die dritte Form wird von eigentlichen, schnell er-
weichenden und ulcerirenden Gummata dargestellt.
Diese Unterscheidungen erscheinen gegenüber den Be-
obachtungen Mauriacs selbst und gegenüber denen von de
Beurmann und Claude kaum im Princip aufrecht erhaltbar ;
durch die klinische Beschreibung meiner Fälle glaube ich eine
weitere Stütze für die von den letzterwähnten Autoren aufgestellte
These beigebracht zu haben: „Zwischen dem Erytheme
noueux syphilitique und den Gummata der Haut
und des Unterhautzellgewebes gibt es eine Serie
von intermediären Fällen, welche zwischen beiden
Formen unmerkliche Uebergänge darstellen und
beweisen, dass zwischen diesen klinischen Typen
•>♦
20 MaroQse.
•
nur eine Differenz in der Intensität des patholo-
gisch-anatomischen Processes vorhanden ist^
Wann daran noch Zweifel bestehen, so würden sie z. B. durch
den ersten unserer Fälle behoben werden: hier waren bei der
ersten Attaque central perforirte Knoten, d. h. nach der ge-
wöhnlichen Nomenclatur Gummata, bei der zweiten Attaque
typische, nicht erweichende Erythemknoten vorhanden. Wie
bei allen anderen Formen der Syphilis gibt es auch hier Ueber-
gänge zwischen scheinbar weit abliegenden Dingen.
Eine weitere Frage, die sich aufdrängt, ist die: gehören
diese Formen, welche zum Theil nur in ihrem Beginne, zum
Theil während ihres ganzen Verlaufes dem Erythema nodosum
so sehr ähneln, zu den Producten der secundären, der
tertiären oder der malignen Lues? Diese Frage wird vielen
fiberflüssig erscheinen; sie hat auch viel mehr theoretischen
als praktischen Werth; wir müssen jedes Symptom der Lues
heranziehen zu der immer noch in Discussion befindlichen
Frage nach den Ursachen der Differenzen der so verschiedeneu
Lues-Produkte.
Die Fälle, nach denen der Typus des Erythema nodosum
syphiliticum von Mauria c gezeichnet ist, haben zweifellos die
wesentlichsten Charaktere der Secundärperiode : neben dem
frühzeitigen Erscheinen multiple nicht gruppirte, sondern ganz
unregelmässig localisirte EfQorescenzen, die relativ acut auf-
treten und sich ohne Substanzverlust im Grundgewebe, d. h.
ohne Narbenbildung involviren. Wo aber EIrweichung tief ge-
legener Knoten und event. sogar Perforation statthat, da ist
klinisch naturgemäss die Analogie zum Gumma gegeben. Solche
erweichende Knoten würden dann relativ häufige Gombinationen
zwischen secundären und tertiären Produkten bedingen. — Ich
habe schon oben betont, dass es sich in meinen Fällen, und so
in manchen in der Literatur berichteten, auch abgesehen
von den nodösen Herden, um schwerere Fälle von Lues han-
delte, wie sich das besonders durch das Vorhandensein von
papulo-pustulösen Exanthemen documentirte. M a u r i a c
ist geneigt, das Erytheme noueux syphilitique zu der malignen
Lues zu rechnen, während Lesser das ausdrücklich bestreitet.
Auch hier müssen wir von einer scharfen Abgrenzung wohl
Ueber nodöBe Syphilide and syphilitische Phlebitis. 21
absehen, da — so charakteristisch auch das Bild typischer
maUgner Lues ist — doch üebergänge von dieser zu einfacher
j^SyphiUs secundaria gravis^ yorkommen. Besonders in unserm
zweiten Fall lag die Analogie zur malignen Lues nahe und
zwar wegen des lange anhaltenden Fiebers und wegen der be-
sonders zahlreichen papulo-pustulösen Efflorescenzea. Ferner
waren in demselben Sinne die an acute aphthöse Effloroscenzen
erinnernden Munderscheinungen aufzufassen, welche auch erst —
wie die Hauterkrankung und das Fieber — durch die Hg- Behand-
lung zurückgingen.^) — So weist denn alles darauf hin, dass wir
es bei diesen Knoten mit Formen zu thun haben, welche —
wie so manche andere — unserm Schema des Syphilisverlaufes
sich nicht recht einfugen wollen. Auch der histologische Be-
fund wird eine sichere Rubricirung nicht immer ermöglichen.
Li meinem Falle entsprach er zweifellos am meisten einem
wirklichen Gumma. Aber das muss natürlich selbst bei sehr
ähnlichen klinischen Bildern keineswegs immer so sein. Es ist
sogar wahrscheinlich, dass man bei solchen Formen, die dem
typischen Bilde des Erythema nodosum syphiliticum entsprechen,
Yon gummösen Veränderungen nichts finden würde. In diesem
Sinne ist zu betonen, dass in dem oben citirten Falle Phi-
lippson nur von Entzündungs-Erscheinungen, nicht aber von
Necrose spricht, und dass die einzige genauere histologische
Untersuchung einer syphilitisch erkrankten subcutanen Vene
Yon Mendel') irgendwelche specifische Veränderungen nicht
aufgedeckt hat, die Affection also nicht gummöser Natur war.
^) Ich möchte hier an die Analogie mit den von J. Neumann
(Archiv XXXVI, p. 361) pnblicirten Fällen von £i7thema nodosum im An-
Bchlnss an aphthöse Procesee der Schleimhaut des Mundes und der weib-
lichen Genitalien erinnern. Neumann ist der Ansicht, dass diese Haut-
aflection „durch die directe Einwirkung jener Infectionskeime bezw.
deren giftige Stoffwechselpro dnkte entstehen, die den Gmndproceas
hervorrufen und dass sie die localen Manifestationen der Infeotion an der
Haut darstellen." In unserem Fall war die aphthöse Affection des Mundes
und das Erythema nodosum syphilitisch; erwähnt sei daher noch, dass
eine von den Patientinnen N^eumann's, bei der allerdings der nodöse
Charakter der Hautaffection sehr wenig ausgesprochen gewesen zu sein
scheint, V» ^^^ vorher an einem syphilitischen Primir-Affeot und an
Secundärsymptomen erkrankt war.
») cf. Fournier, 1. c. f. II. 1899. p. 706.
22 Marcnse.
Weitere Aufklärungen könnte noch das therapeutische Ver-
halten geben. Darüber wissen wir aber, soviel ich sehe, nicht
genug. Zwar wird in her Literatur wiederholt betont, dass die
Erkrankung auf Jodkali gut reagirt Von allen Unterscheidungs-
mitteln der secundären und der tertiären Produkte scheint
noch immer die therapeutische Beaction das beste zu seinJ)
Es wäre aber, da auch tertiäre Produkte auf Hg meist sehr
gut reagieren, nothwendig, in jedem Falle zuerst EJ zu geben
und erst, wenn das nicht schnell und energisch — d. h. nicht
in der für tertiäre Produkte so charakteristischen Weise —
wirkt, zu Hg überzugehen. Das haben wir in unserm zweiten
Falle gethan — es zeigte sich unter KJ keine vollständige
Heilung, sondern nur einzelne Knoten gingen zurück — unter
Sublimat-Injetionen trat Heilung ein. Im ersten Fall ging das
Recidiv der Knoten auf KJ zurück (Vq Salicyl-Quecksilber-
Injection hat vermuthlich einen Einfluss nicht gehabt). Es ist
sehr wohl möglich, dass die therapeutischen Resultate in solchen
Fällen sehr verschieden ausfallen werden; es wäre das ein
weiterer Beweis für die Anschauung, dass diese Formen eben
als „intermediäre** aufzufassen sind.
Ein gewisses allgemeines Interesse hat endlich auch die
Thatsache, dass bei diesen Formen eine in vielen Fällen recht
schnell einsetzende Erweichung von syphilitischen Produkten
auftritt, die mit einer acuten Vereiterung wohl zu vergleichen
ist. In unseren Krankengeschichten ist erwähnt, dass die
culturelle Untersuchung der durch Incision entleerten Flüssigkeit
auf gewöhnlichen Nährböden wachsende Mikroorganismen nicht
ergab. Das gleiche Resultat hat Herr Professor Jadassohn
auch sonst verschiedentlich erhalten. Es stimmt das ganz mit
der von verschiedenen Seiten und auch an der Bemer Klinik
gemachten Erfahrung überein, dass pustulöse Efflorescenzen
der Frühlues, wenn sie ganz frisch untersucht werden, Staphylo-
oder Streptococcen nicht enthalten — ein weiterer Hinweis
darauf, dass die Erscheinungen der malignen Lues, deren Efflo-
rescenzen die erweichenden Knoten jedenfalls nahe stehen,
wohl nicht durch eine Mischinfection bedingt sein können.
^) cf. Jadassohn: Intemation. Dermatolog. Congress in London
1896. pag. 859.
üeber nodöie Syphilide und Byphilitische Phlebitis: 23
Zam Schluss mochte ich noch eine diagnostische Bemer-
kimg hinzufügen. Wo sich die Eoioten relativ langsam ent-
wickeln und wo Erweichung eintritt, da wird die Unterschei-
dung dieser Syphilisform von dem idiopathischen Erythema
nodosum selbstverständlich sehr leicht sein. Aber aus der
Literatur wie auch aus meinen Beobachtungen geht hervor,
dass diese beiden Momente keineswegs immer vorhanden sind.
Ich kann nicht zugeben, was Bock betont, dass „ die Syphilides
nodulaires precoces du tissu cellulaire de la peau** und die
cutanen Gummata einen langsamen Verlauf haben, meist von
AUgemein-Erscheinungen begleitet sind und nicht die entzünd-
lichen Alterationen aufweisen, welche für das Erythema nodosum
charakteristisch sind; acutes Auftreten und Fieber kommen
vielmehr auch bei dem nodösen Syphilid der Frühperiode vor,
wrie unser zweiter Fall beweist. Man wird also auch beim
Erythema nodosum an die Differentialdiagnose gegenüber Lues
denken müssen.^)
Naturgemäss erlauben die wenigen Beobachtungen, über
die ich berichten konnte, nicht, definitive Schlüsse zu ziehen
Aber ich glaube doch aus ihnen wie aus dem in der Literatur
niedergelegten Material Folgendes mit Wahrscheinlichkeit ent-
nehmen zu können:
L In seltenen, auch nach anderer Richtung
meist relativ schweren Fällen von Lues treten —
unter Bevorzugung der auch für das idiopathische
Erythema nodosum als Prädilections-Stellen gel-
tenden Eörperregionen — Erythema-nodosum-
ähnliche Eff lorescenzen auf, die in der Regel als
eine specifische Exanthemform zu betrachten und
nach französischem Beispiel wohl am besten als
„nodöse Syphilide^ zu bezeichnen sind. .
U. Die nodösen Syphilide erscheinen gewöhn-
lich im ersten Jahre post infectionem, finden sich
oft zugleich mit anderen secundären Hautmani-
festationen und nehmen einen verschiedenartigen
Verlauf: bald werden sie spurlos resorbirt, bald
^) cf. Jarisch: 1. c. p. 114.
24 MarouBe.
erweichen und alceriren sie. Sie reagiren auf
specifische Behandlung; doch ist die specielle
Wirkung der Hg- resp. der Jod-Therapie auf diese
Erkrankungsform noch nicht genügend fest-
gestellt.
III. Aus klinischen Gründen wie' auf Grund
von pathologisch-anatomischen Untersuchungen
(Philippson's und mein Fall) ist schon jetzt der Aus-
gang dieser Herde von den subcutanen Venen
recht wahrscheinlich. Es sind grosse Analogien
im klinischen wie im anatomischen Bilde vor-
handen zwischen dieser Form und gewissen no-
dösen „Tuberculiden**, deren Ausgang Ton den
Venen durch die Untersuchungen Philippson's
wahrscheinlich gemacht worden ist.
rV. Aus klinischen Gründen (bald acutes, bald
chronisches Entstehen, bald Resolution, bald Er-
weichung, yerschiedene therapeutische Resultate)
ist es wahrscheinlich, dass diese Erkrankungs form
bal d mehr zursecundären, bald mehr zur tertiären
Syphilis zu rechnen, also als intermediäre zu be-
zeichnen ist. In meinem Falle ist histologisch die
gummöse Natur der Krankheit nicht zweifelhaft.
Für das wohlwollende Interesse, mit dem mich Herr Pro-
fessor Dr. Jadassohn bei Anfertigung vorstehender Arbeit
in liebenswürdigster Weise unterstützt hat, sage ich meinem
hochverehrten früheren Chef auch an dieser Stelle herz-
lichen Dank.
Ueber nodöse Syphilide und syphilitische Phlebitis. 25
Literatur.
1. Orillard et Saboaraud: Erytheme noueax au cours d'ane
septicömie k streptocoques. M6d. moderne 1898.
2. Finger: Beitrag zar Aetiologie and pathologischen Anatomie
des Erythema multiforme und der Purpura. Archiv 1898.
8. Yidal et Leloir: Trait6 dösoriptif des maladies de la pean.
4. Uffelmann: Ueber eine ominöse Hauterkrankung. Deutsch.
Aroh. f. klin. Med. 1872 und 1876.
5. Fournier: Trait6 de la Syphilis. 1899—1901.
6. Mauriao: Affections syphilitiques prdcoces. Annales 1 880 — 1881 .
7. De Beurmann et Claude: Erythemes noueux syphilitiques.
Annales 1896.
8. Lesser: a) üeber Syphilis maligna. Archiv 1882. f>) Lehrbuch
der Geschlechtskrankheiten 1901.
9. Bock: Erytheme noueux. Joum. des maladies cntanees et
syph. 1891.
10. Jadassohn: a) Erythema exsudativum multiforme et nodosum.
Lubarsch-Ostertags Ergebnisse etc. IV, 1896. h) Schwalbe-
Ebsteins Handbuch der prakt. Medicin. in. 1. pag. 686.
11. Neisser: Hautkrankheiten. Schwalbe-Ebsteins Handbuch
der prakt. Medicin. III. 2. pag. 69.
12. J arisch: Hautkrankheiten. Nothnagel. XXIY. 1. pag. 114.
13. Philip pson: a) Üeber Metastase und Embolie der Haut.
Arch. LI. b) Delle Gomme sifilitiche. Giom. ital. delle mal. ven. e d.
pell. lY. 1894.
14. Jores: Zur Eenntniss der Regeneration und Neubildung
elastischen Gewebes. Ziegler's Beitrage. XXVII. p. 881.
16. Fischer: Ueber Entzündung, Sderose und Erweiterung der
Yenen mit besonderer Berficksiohtigung des elastischen Gewebes der
Gefasswand. Ibid. pag. 494.
16. Lang und Ullmann: Lubarsch-Ostertags Ergebnisse etc.
1898. pag. 680.
17. Bieder: a) Histologische Untersuchungen im Primärsstadium
der Syphilis. D. med. Wochensohr. 1898. b) Zur Pathologie und Therapie
der Mastdarmstrikturen. Archiv f. klin. Chirurg. 1897. c) Beiträge zur
Histologie und pathologischen Anatomie der Lymphgefasse und Yenen.
Centralbl. f. allg. Pathologie und path. Anat. 1898. 1.
18. Proksch: Yenen- Syphilis. Monographie. Bonn. 1898.
19. Blaschko: Thrombophlebitis syphilitica. Yerhandlungen der
deutschen dermat. Ges. YH. Gongr. Breslau. 1901.
26 MarcQse.
20. Giro de: PhUbite dans l'^rythime polymorphe. Annal. de la
derm. et syph. IX. 12.
21. Vgl. ansserdem nocli besonders die am Ende seiner Arl>eit von
Ehrm ann gegebene Literatur über symptomatische eto. Erytheme: Hand-
bnch der Haatkrankheiten von Mracek; Abth. lY.
Erkiftning der Abbildungen auf Tai I.
Fig. 1. Uebersiohtsbild aas den ersten Schnitten: a) Die das Ge-
fässlumen obliterirende Grannlationsmasse. h) Capillareu in dem Granu-
lationsgewebe. o) Elastische Schichten der Gef&sswand. d) Mnscolfire
Schicht der Gefasswand.
Fig. 2. üebersichtsbild aas der Mitte des Tamors: Die Gef&ss-
wand sum grössten Theil zerstört, das Geschwalstgewebe in eine nekro-
biotisohe Masse amgewandelt.
Archiv f Dermatologie u Syphilis BandlXIII
''m^M..
u
Welche Hautveränderungen können durch
mechanische Reizung der Haut
hervorgerufen werden/^
Von
Docent Dr. ludwig Török, Budapest.
In meiner Arbeit über die Bedeutung der ekzematösen
Hautveränderungen und über die allgemeinen Reactionen der
Haut^ habe ich jene Hautveränderungen, welche unter dem
Einflüsse der verschiedensten Ursachen in gleicher Weise ent-
stehen und allein für keine dieser Ursachen und folglich auch
für keine einzelne Krankheit charakteristisch sind, unter dem
Namen der allgemeinenReactionen derHaut zusammen-
gefasst Zu den allgemeinen Reactionen der Haut rechnete
ich die folgenden: 1. congestiv-hyperämische, ein seröses oder
zelliges Exsudat aufweisende, auf kleinere oder grössere Bezirke
localisirte Hautveränderungen, wie wir sie bei den verschiedenen
Arten yon Roseolen, von Erythemen, bei den Papeln und Flecken
der Urticaria, denKnötchen der Prurigo, dem Ekzema papulosum zu
beobachten Gelegenheit haben. Diese entstehen nach Einwirkung
schwächerer Reize auf die Haut. 2. Hautveränderungen mit conge-
stiver Hyperämie, serösem oder zelligem Exsudat, bei welchen
ausserdem noch durch die Einwirkung stärkerer, aber nicht con-
centrirter Reize') auf die Epidermis abnorme Yerhomung mit
') Vortrag gehalten in der Sitzung Tom 10. Mars 1902 der dermato-
logiflcben Section des Badapester königlichen Aerztevereines.
*) Annales de Dermatologie 1896.
*) Konzentrirte würden Necrosen, Degenerationen hervorrufen, welche
f&r die Ursache charakteristisch sind.
28 Török.
Schuppung, resp. nach stärkerer Einwirkung des Beizes und
der aJs Folge derselben eintretenden stärkeren Serumexsudation
ans den Gefassen und des Einströmens des Serums in die Epi-
dermis — Bläschenbilduug und Nässen vorhanden sind. Diese
Hautveräuderungen gelangen als schuppende, vesiculöse und
nässende Ekzemaüsation und als yesiculöse und bullöse Derma-
titis zur Beobachtung. 3. Hautveränderungen, bei welchen in Folge
einer gleichmässigen und massigen Hypertrophie der Epidermis und
des Papillarkörpers die Oberhautfelderung stärker ausgesprochen
erscheint. Gleichzeitig besteht congestive Hyperämie und zumeist
sind die betreffenden Stellen von Blutpigment bräunlich gefärbt
Diese Veränderung, die Lichenisation, entsteht nach länger
währender, chronischer Einwirkung von äusseren, insbesondere
von mechanischen Reizen.
Die allgemeinen Reactionen können schon auf der normalen
Haut künstlich hervorgerufen werden; unter pathologischen
Verhältnissen entstehen sie aber oft viel rascher und leichter
und dies so sehr, dass der Grad der Reaction in gar keinem
Verhältnisse steht zu der einwirkenden Ursache, welch letztere
in diesen Fällen bloss als auslösende Gelegenheitsursache zu
figuriren scheint, während die Hautveränderung, welche als
Folge der Einwirkung der auslösenden Gelegenheitsursache ent-
steht, durch Eigenschaften der Haut und disponirende Momente
bedingt zu sein scheint.
Die allgemeinen Reactionen der Haut sind häufig von Anfang
an mit subjectiven Beschwerden (Jucken, Brennen, Schmerzen)
verbunden. Ihre Entwicklung geschieht daher in vielen Fällen
von Anfang an unter Kratzen, Reiben und Scheuem. Es müsste daher
die Frage aufgeworfen werden, welchen Einfluss diese mechanische
Reizung der Haut auf die Entwicklung der allgemeinen Reactionen
der Haut ausübt. Bei der Untersuchung dieser Frage musste
vorerst der Einfluss der mechanischen Reizung auf die normale
Haut bestimmt werden, denn es ist gewiss, dass die mechanische
Reizung auch unter pathologischen Verhältnissen beiträgt zur
Entwicklung von Hautveränderungen, welche auf der normalen
Haut unter ihrem Einfluss entstehen. Eine zweite Untersuchung
galt der Frage, ob das Scheuern und Kratzen unter patho-
logischen Verhältnissen solche mit Jucken einhergehende, zu
Hantveränderangen dorob mechaniBche ReizuDg der Haut. 29
den allgemeinen Reactionen gestellte Hautveränderungen hervor-
zurufen im Stande ist, welche sie auf normaler Haut zu erzeugen
unfähig ist.
Die zur Entscheidung dieser Fragen angestellten Versuche
wurden in der Weise ausgeführt, dass die mit Seife, Alkohol
und Aether gereinigte Hautoberfläche mittels einer sterilisirten
Bürste, oder mittels eines mit sterilisirter Gaze umwickelten
Fingers gerieben wurden. In den Fällen, welche eine längere
Beobachtung beanspruchten, wurde hierauf ein Deckverband an-
angelegt In den P'ällen, in welchen die mechanische Reizung der
Haut Wochen hindurch fortgesetzt wurde, wurde die Haut au
einer circumscripten Stelle anfangs einmal, später 2 — 3 Mal
täglich gebürstet. Dieses geschah in 2 Fällen. Wir theilen hier
das Versuch sprotokoU des einen mit:
T. B., 29jäbr]ge8 kräftiges Individuam, mit leiuhter Keratosis pilaris
behaftet. Der Yersach wird an der Innenfläche des linken Arme^
ansgefnhrt
1. Tag. 37i Minuten lang währendes Bürsten. Auf der gebürsteten
Hantfläche bilden sich auf hyperämischer Basis miliare blasse, rundliche
Erhebungen. Kurze Zeit darauf schwillt die ganze gescheuerte Stelle in
etwa kindshandgrosser Ausdehnung beinahe urticariaartig auf. Auf der
angeschwollenen Stelle sind pankt- und strichförmige, blutige oberflächliche
Excoriationen vorhanden. Die Anschwellung selbst ist blass, von einem
hyperämischen Hofe umgeben. Dumpfer Schmerz, der etwa 6 Stunden
lang währt.
2. Tag. 2 Minuten lang währendes, schwaches Scheuem mit der
Börste. Aehnliche Hautveränderung wie Tags zuvor, jedoch geringeren
Grades. Verlauf wie vorher.
4. Tag. Am 3. Tag wurde wegen Schmerzhaftigkeit der Versuchs-
stelle das Börsten derselben unterlassen. Heute l Minute lang währendes
Scheuem. Die Hyperämie der Stelle ist ständig geworden. Auch die
nächsten zwei Tage wurde wegen Schmerzhaftigkeit der Versuchsstelle
das Scheuem derselben unterlassen. Vom 7. Tage angefangen wurde das
Börsten einmal täglich 1 — 2 Minuten lang vorgenommen, vom 13. Tage
an täglich 3 Minuten lang. Das Scheuem wurde jetzt von der Haut
besser vertragen uiAd es gelang weniger, selbst durch stärkeres Börsten
sie zu excoriiren. Die Hyperämie der Versuchsstelle verliert ihre hell-
rothe Farbe immer mehr und machte einer bräunlichen Pigmentation
Platz. Die Oberhautfelderung ist allmälig etwas stärker ausgeprägt ge-
worden. Keine subjectiven Beschwerden.
21. Tag. Leichte Steigerang der Pigmentation und Oberhaut-
felderung. Nach 6 Minuten langem Scheuern ist weder Excoriation noch
Schmerz vorhanden.
30 Török.
22. Tag. NacbU leichtes Jacken. Dieses wiederholt sich Ton Zeit
zu Zeit im weiteren Verlaufe des Versuches.
In den nächsten Wochen wurde der Versuch in der Weise fort-
gesetzt, dass die Versuchsstelle 2 Mal bis 3 Mal t&glioh gescheuert wurde.
Am Anfange der 8. Woche wurde folgender Status aufgenommen: die
Versaohsstelle hell -kaffeebraun, ihre sämmtlichen Furchen tiefer, als die
der Nachbarschaft, an ihrer Oberfläche haften feine Schftppohen in geringer
Zahl. Es hatten sich demnach die Veränderungen entwickelt, welche einer
Liohenisation leichteren Grades entsprechen.
Je nach der Intensität und Dauer des Scheuerns können
nach einmaligem Scheuern kleinere Differenzen in der Er-
scheinungsweise derHautveränderungen zurBeobachtung gelangen.
Die diffuse ödematöse Anschwellung der gescheuerten Stelle
kann langsamer zur Entwicklung kommen, ganz gering bleiben.
Statt der blutigen, durch Lädirung der Papillen entstandenen
Excoriationen sieht man an Stellen, an welchen bloss ein Theil
der Epidermis abgerissen und tiefere Lagen der Malpighi'schen
Schichte blossgelegt wurden, Erosionen, aus welchen helles,
binnen kurzem zu dünnen hellbräunlichen Borken eintrocknen-
des Serum austritt. Wird die Yersuchsstelle mehrere Tage
hintereinander weniger intensiy gescheuert, dann sieht man
manchmal die Hyperämie und leichtes Oedem der PapiUar-
schichte in einzelnen zerstreuten kleinpapelförmigen Herden
ständig werden, bevor sie sich auf der ganzen Versuchsstelle
in diffuser Weise etablirt.
Sehen wir nun von denjenigen Veränderungen ab, welche
Folgen der mechanischen Loslösung einzelner Hautpartikelchen
(Ablösung von Homschicbtpartikeln, Erosion und Excoriation),
sowie von den einfachen Kaliberveränderungen der Gefässe
(Hyperämie und Ischämie) sind, so lassen sich als Folgen
der mechanischen Heizung der normalen Haut
durch Bürsten oder Scheuern die folgenden Haut-
veränderungen bezeichnen:
1. Miliare oder mohnkorngrosse, ganz ober-
flächlich in der Papillarschichte gelegene, ödema-
töse, oder hyperämisch-ödematöse, binnenEurzem
verschwindende Erhebungen, oder ganz gleichge-
artete grössere Flecken. Diese Hautveränderungen ent-
stehen nach einmaligem, mehrere Minuten währendem Scheuem
der Haut. Durch wiederholtes Scheuem an mehreren nach-
HBatveränderangen durch meohanisohe ReiEnng der Haut. 31
einanderfolgenden Tagen nimmt die Yon massigem Oedem be-
gleitete Hyperämie einen ständigeren Charakter an.
2. Lichenisirte Flecken, d.h. unter congestiver
Hyperämie und Oedem entstehende, später von
Blutpigment braun gefärbte Flecken, an welchen
die Oberhautfelderung stärker ausgeprägt ist, als
in der normalen Nachbarschaft und an welchen
feine Schüppchen haften. Diese Hautveränderung ent-
wickelt sich nach wochenlang täglich wiederholtem Scheuem und
Bürsten der normalen Haut.
Wird eine Hautstelle, welche empfindlichere Gefasse be-
sitzt, gescheuert, dann ist die Reaction eine stärkere. Es ent-
stehen dann schon nachmässigemScheuern congestiv-hyperämische
und ödematöse „entzündliche^, imPapillarkörper gelegene Papehi,
wie dies bei fönendem Versuche der Fall war. Ich brachte eine
Spur des unter dem Namen „ Juckpuher^ käuflichen Präparates')
auf eine Stelle der Beugeseite meines Unterarmes. Unter Jucken
entwickelten sich hierauf mehrere urticariartige Erhebungen.
Die Quaddeln und das Jucken verging nach etwa 1 Vs Stunden.
Am nächsten Tage war noch eine leichte, rosige Hyperämie
der betreffenden Stelle vorhanden, welche nach weiteren 24
Stunden abblasste. Nun scheuerte ich diese Stelle kurze Zeit
und in massigem Grade, worauf mehrere lebhaft hyperämisch-
ödematöse, miliare, kleinstecknadelkopfgrosse, in der PapiUar-
schichte gelegene Erhebungen entstanden, welche 10 Stunden
lang bestanden und beinahe fortwährend juckten. Auch am
nächsten Tage war es möglich, diese Papeln durch Reiben wieder
hervorzurufen. Die Juckempfindung verging, als ich die
Gipfel der Papeln abgekratzt hatte. Wird der Versuch in der
Weise ausgeführt, dass die mit „Juckpulver^ berührte Haut-
stelle an mehreren Tagen nach einander des öfteren massig
gescheuert wird, wie dies in der Ellbogenbeuge von Dr. Schein
vorgenommen wurde, dann entstehen etwas derbere, in der
Papillarschichte localisirte, hyperämische Papeln, welche mehrere
Tage lang bestehen bleiben, auch wenn sie nicht weiter ge-
scheuert werden.
Aus diesen beiden Versuchen ist ersichtlich; dass die
Veränderungen, welche durch Scheuern und ähn-
lichen mechanischen Reizungen auf der Haut her-
') Dieses besteht ans feinen brann-röthliohen H&roben, welche die
Früchte der Siliqna hirsnta s. Mncaua pruriens, juckende Faseln, auch
Knhkrfitze (Pols a gratter) genannten, in die Classe der Leguminosa ge-
hörenden Pflanxe bedecken.
I
I
32 Torök.
vorgebracht werden, leichter entstehen, einen
etwas höheren Grad erreichen, einen mehr «ent-
zündlichen" und ständigeren Charakter besitzen,
wenn die mechanische Beizung eine Hautstelle
betrifft, we Iche empfindlichere, reizbarere Gefässe
besitzt.
Dafür, dass die mechanische Beizung der Haut bei empfind-
licheren, pathologischen Hautgefassen viel leichter und in höherem
Masse congestive Hyperämie und Serumexsudation zu erzeugen ver-
mag, können auch andere Belege vorgebracht werden. Ein Peitschen-
hieb bringt auf der normalen Haut eine striemenförmige Quaddel
hervor; auf dermographischer Haut genügt einfaches Darüber-
iahren mit dem Fingernagel, um eine prallgespannte Quaddel
mit ausgebreitetem hyperämischen Hofe zu erzeugen. Ständiger
Druck verbunden mit Beibung, wie sie beim Buderu, beim
Lawn-Tennis-Spiel, bei längerem Marsche in schlecht sitzenden
Schuhen statt&idet, führt zu Serumexsudation aus den Haut-
gefassen und consecutiv zur Abhebung der Epidermis in tieferer
oder höherer Lage; bei der Epidermolysis hereditaria bullosa
genügen biezu unvergleichlich geringere mechanische Einflüsse,
wie z. B. der Druck der Scheere beim Zuschneiden, der ein-
fache Druck nicht zu enger Schuhe, der Strumpfbänder etc. Ein
relativ leichtes Scheuem einer Hautatelle, an welcher eine durch
Mückenstich hervorgerufene Quaddel bis auf eine leichte Hyper-
ämie zurückgegangen war, lässt die Quaddel und das Jucken
von neuem entstehen.
Ich glaube, dass auch in Bezug auf die Lichenisation
unter pathologischen Verhältnissen eine gewisse Prädisposition
der Haut mitspielt, in Folge deren die Haut in gewissen Fällen
auf mechanische Insulte, wie das Scheuern und Kratzen, leichter
und rascher zu der gleichmässigen Hypertrophie der Epidermis
und der Papillen, welche der Lichenisation zu Grunde liegt,
angetrieben wird, als unter normalen Verhältnissen. Dabei
lasse ich es nicht ausser Acht, dass jemand, der von Jucken
geplagt wird, seine Haut häufiger und ausdauernder scheuert
und kratzt, als dies bei unseren Versuchen an normaler Haut
geschah, dass demnach eine hochgradigere und sich rascher
entwickelnde Lichenisation die Folge der intensiveren mecha-
nischen Beizung sein muss. Es ist aber auffallend, dass trotz
vorhandenen Juckens und der in Folge dessen ausgeübten
mechanischen Insulten die Lichenisation der Haut beim Pruritus
HaatveranderaDgen durch mechaoische Reizung der Haut. 33
senilis oder bei der chronischen Urticaria überhaupt nicht in
die Erscheinung tritt, wahrend sie sich bei der Prurigo Hebrae
und beim Liehen simplex chronicus prompt und in hohem
Grade entwickelt Insbesondere bei Recidiyen des Liehen
simplex chronicus gewinnt man den Eindruck, dass die Rasch*
heit der Entwicklung und der Grad der Lichenisation in keinem
Verhältnisse steht zu dem Grade der mechanischen Insulte,
welche die Haut getroffen, d. h., dass in diesen Fällen relativ
geringere mechanische Reizung als auf normaler Haut, zur
Hervorbringung der Lichenisation genügen. Ich glaube also,
dass bei der Entstehung der Lichenisation in Tielen Fällen
u. zw. insbesondere in jenen, in welchen sie sich rasch und in
hohem Grade entwickelt, einer besonderen Disposition der Haut
eine Rolle zukommt, welche als grössere Empfindlichkeit ihrer
Gefässe und gesteigerter proliferirterer Reizbarkeit der Epidermis-
zellen mechanischen Insulten — (Scheuem, Kratzen) — g%en-
über zum Ausdruck gelangt. In anderen Fällen sind diese Fähig-
keiten der Haut herabgestimmt.
Aus all dem geht hervor, dass mechanische Reize, wie das
Kratzen, Scheuem und Reiben bei der Entstehung von im
Papillarkorper localisirten congestiv-hyperämischen „entzünd-
lichen*' Papeln und Flecken mitwirken und nach längerer Ein-
wirkung zu der als Lichenisation bezeichneten Hautveränderung
fähren.
In meiner, eingangs citirten Arbeit habe ich ausgeführt,
dass die vesiculöse und nässende Ekzematisation hauptsächlich
durch die Einwirkung von chemischen und thermischen Reizen
auf die Haut hervorgerufen wird. Ich habe aber überdies an-
genommen, dass bei Vorhandensein einer besonderen Disposition
der Haut zur Ekzematisation auch mechanische Reize, wie z. B.
das Kratzen und Scheuern, im Stande wären, die nässende und
vesiculöse Ekzematisation hervorzurufen, falls nämlich unter
pathologischen Verhältnissen eine noch weitere Steigerung der
Reizbarkeit der Hautgefässe stattgefunden hat. Ich kam zu
dieser Schlussfolgerung auf Gmnd jener Erklämng, welche ich
auf das Auftreten der secundären, sogenannten reflectorischen
Ekzeme im Anschluss an artificielle Ekzeme angewendet hatte.
Die Haut der betreffenden Kranken ist zur Ekzematisation
Arch. f. Derm&t. u. Syph. Bd. LXIII. 3
84 Török.
disponirt d. h. es tritt bei ihnen schon nach der Einwirkung
geringerer chemischer Beize eine Senunezsudation solchen Grades
an den Oefassen auf, welche zur Entwicklung von Bläschen
und Nässen fuhrt. Ich habe nun ursprünglich angenommen,
dass das Jucken von dem primären, durch chemische Beize
yerursachten Herd auf andere Hautregionen ausstrahlt und dort
reflectorisch die Beizbarkeit der Gefässe noch weiter steigert. In
Folge dieser gesteigerten Beizbarkeit wären nun mechanische
Einwirkungen, wie das Kratzen und Scheuem, welche auf der
normalen Haut die yesiculöse und nässende Ekzematisation
heryorzururufen nicht im Stande sind, befähigt diese auf der
auch schon ursprfinglich reizbareren, zur Ekzematisation geneigten
Haut zu verursachen. Ich habe aber diese Erklärung später
aufgegeben und die Entstehung der secundären Herde zurück-
geführt auf die directe Einwirkung jener chemischen Substanzen,
welche die primäre artificielle Elkzematisation verursacht hatten.
Die Substanzen, welche den primären Herd hervorgebracht haben,
gelangen nämlich unmittelbar oder mittelbar auf eine andere
Stelle der Hautoberfläche (Uebertragung durch die Hände, durch
die Kleider, durch Verflüchtigung etc.). Auf dieser rufen sie dann
in Folge einer besonderen Idiosynkrasie der Hautgefasse gegen-
über bestimmten chemischen Substanzen oder in Folge einer
erhöhten Beizbarkeit derselben gegenüber chemischen Beizen
überhaupt die vesiculöse und nässende Ekzematisation her-
vor, selbst wenn sie bloss in minimalen Quantitäten einzu-
wirken Gelegenheit hatten. Die Entwicklung der secundären
Herde geschieht unter Jucken und Brennen und ist in Folge
dessen zumeist von Beiben, Scheuern oder Kratzen begleitet.
Aber die letzterwähnten mechanischen Insulte sind trotzdem
nicht die Ursache der secundären Ekzematisation, wie ich anfangs
geglaubt habe, sondern die chemische Beizung. Das Kratzen
und Scheuem steigert die Hyperämie und Exsudation, steigert
demnach jenen Process, welcher über Einwirkung der chemischen
Beize schon seinen Anfang genommen hatte ; es kann demnach
hiedurch die Entwicklung der Bläschen uud des Nässens be-
schleunigt werden Ueberdies werden durch die mechanischen
Insulte höher gelagerte Epidermispartikel entfernt und durch
das hierauf sich entwickelnde Nässen die ödematöse Dnrchtränkung
der tieferen Epidermisschichten manifest.
Hantveränderungen daroh mechanische Reizung der Haut. 35
Ich führe demnach das Entstehen der primären vesica-
lösen und nässenden Eczematisation, sowie die im Anschloss an
artificielle Ekzeme auftretenden secandären Herde hauptsächlich
auf die Einwirkung chemischer (resp. thermischer) Reize zurück.
Hiemit war aber das Auftreten secundärer Herde und das
Weiterschreiten gegen die Nachbarschaft noch nicht erklärt in
Fallen, wo dies erst nach längerem Bestehen eines Ekzemherdes
geschah, wo also das Vorhandensein der die ursprüngliche
Ekzematisation verursachenden Substanz nicht mehr supponirt
werden konnte. Diese Fälle suchte ich durch eine Modification
meiner ursprünglichen Annahme zu erklären. Ich supponirte
nämlich, dass in gewissen Fällen während des Bestandes eines
primären Ekzemherdes auf einer zur Ekzematisation geneigten,
reizbareren Haut die Empfindlichkeit der Hautgefässe auch
anderer Stellen, in Folge Ausstrahlung der Juckempfindung
Yon der ursprünglichen Stelle gesteigert wird. Nun könnten
beliebige chemische oder thermische Reize, welche gewohnheitS'
massig oder zufällig mit der Haut in Berührung kommen, in
erster Reihe Wasser und Seife, eyentuell die auf den primären
Herd applicirten Arzneistoffe etc., die secundäre vesiculöse und
nässende Ekzematisation hervorrufen. Bei der Erklärung des
Weiterschreitens des Eczems und der Entwicklung secundärer
Herde musste deshalb in erster Reihe auf chemische u&d ther-
mische Reize gedacht werden, weil diese l. schon auf der normalen
Haut eine Serumtranssudation aus den Gefässen von solchem
Qrade zu produciren im Stande sind, welche dann secandär in
der Epidermis zur Entwicklung von Bläschen und zu Nässen
fuhrt, und 2. weil der Inhalt frischer Bläschen und des frischen
Exsudates, welcher aus nässenden Stellen austritt, vollkommen
frei ist von Bakterien. Es mussten daher pathologische Ein-
wirkungen angenommen werden, welche zur Hervorbringung
solcher bakterienfreier Hautveräaderungen befähigt sind. Vor
Kurzem sind Bockhart, Bender und Ger lach') auf
Grund experimenteller Untersuchungen zu der Folgerung ge-
langt, dass bakterienfreie Bläschen auch durch Einwirkung von
Staphylococcentoxin, welches durch Filtriren von Bouillon-
>) Monatshefte far Dermatologie. Bd. XXKHI. Heft 4.
3*
36 Törak.
culturen der Staphylococcen gewonnen wurde, verursacht werden.
Es muss demnach auch mit der Möglichkeit gerechnet werden,
dasa hochgradige Exsudation, welche zur Bildung bakterienfreier
Bläschen führt, mittelbar auch durch die Einwirkung von Sta-
phylococcen verursacht werden kann.
Wir müssen uns aber noch mit der Frage befassen, ob
das Eratzen, Scheuern und Beiben, welche, wie bekannt und
wie auch die oben mitgetheilten Ergebnisse beweisen, auf nor-
maler Haut keine vesiculöse und nässende Ekzematisation her-
vorzubringen im Stande sind, dies unter pathologischen Ver-
hältnissen auf empfindlicherer Haut bei gesteigerter Beizbarkeit
der Hautgefasse zu thun befähigt sind. Das Aufwerfen dieser
Frage ist berechtigt, denn wir wissen aus gewissen klinischen
Erfahrungen, welche so zu sagen Experimente darstellen, dass
mechanische Insulte höheren Grades und längerer Dauer, wie
Druck und gleichzeitige Beibung beim Budern, beim Lawn-
tennis-Spiel, nach langen Märschen in schlecht sitzenden
Schuhen schon auf der normalen Haut eine hochgradige Serum-
exsudatioD aus den Hautgefässen hervorrufen, welche zur Bildung
von Blasen führt und wir haben dargelegt, dass auch durch
Bürsten und Scheuem eine massigere Serumexsudation aus den
Oefassen der normalen Haut verursacht wird. Nun ist aber der
wichtigste, essentielle Process bei der Bläschenbildung und bei
dem Nässen gerade der Austritt von Serum aus den Oefassen.
Das Aufwerfen dieser Frage ist aber umso mehr berechtigt, als die
Entwicklung der vesiculösen und nässenden Ekzematisation zu-
meist von Jucken begleitet wird, demnach der Ansporn zur
mechanischen Beizung der Haut durch Eratzen, Scheuem und
Beiben ebenfalls zumeist vorhanden ist.
Es kann natürlich nur davon die Bede sein, ob das Eratzen
auf der zur Ekzematisation geneigten, d. h. mit überaus em-
pfindlichen Gefässen versehenen Haut die vesiculöse und nässende
Ekzematisation hervorzurufen im Stande ist. Wir haben schon
gesehen, dass das Eratzen dies auf der normalen und mit „ Juck-
pulver^ leicht gereizten Haut zu produciren nicht im Stande
ist. Die klinische Erfahmng zeigt überdies, dass das Kratzen
trotz langen Bestandes juckender Hautkrankheiten (verschie-
dene Pruritusarten, Liehen planus, Urticaria etc.) kein Nässen
und keine Bläschenbildung zur Folge hat. Das Eratzen könnte
demnach bloss unter bestimmten, disponirenden Verhältnissen
Haatveränderungen durch mechaniBche Reizung der Haut. 37
eine so hochgradige Exsudation von Serum aus den Gefas8e^
zur Folge haben, welche zur Bläschenbilduug und zu Nässen
fuhren. Wir haben weiter oben gesehen, dass bei der Production
der Ekzematisation durch chemische und thermische Agentien
in vielen Fällen von der Annahme einer besonderen Disposition
zur Ekzematisation, d. h. einer besonderen Empfindlichkeit der
Hautgefasse nicht Umgang genommen werden konnte. Um wie
viel mehr musste demnach bei der Fragestellung eine solche
krankhafte Disposition ins Auge gefasst werden in dem Falle,
in welchem von einem Beize, dem Kratzen, die Rede ist, von
welchem es bekannt ist, dass er die Gefasswände der normalen
Haut nicht in dem Grade zu Tcrändern im Stande ist, dass
hiedurch eine länger währende und hochgradigere Serumexsu-
dation zu Stande käme.
Das Experiment lieferte jedoch auch für die obige An-
nahme keine Stützen. Es gelang nämlich auch auf
empfindlicher Haut nicht durch Scheuern und
Reiben eine Serumexsudatiou in dem Masse zu
erzeugen, dass es hiedurch zu Bläschenbildung
und andauerndem Nässen gekommen wäre. Meine
diesbezüglichen Experimente sind die folgenden :
Bei einer Serie der Fälle (6) war ein nässendes, artefici-
elles Ekzem der Hände und Unterarme zugegen. Es wurde
nun eine der ekzematisirten Hautfiäche benachbarte, scheinbar
gesunde Hautstelle nach vorhergehender Reinigung mit Aether
mit dem Finger, der mit steriler Gase umwickelt war, 2 — 3
Minuten lang gescheuert. Es entstand eine Hyperämie und
leichtes Oedem, letzteres manchmal in Papelform. Hatte ich die ober-
flächlicheren Epidermisschichten losgerissen, dann entstand, ganz
wie auf der gesunden Haut, leichtes Nässen, welches bald ver-
siegte. Das ausgesickerte Serum trocknet dann zu einer dünnen,
fimisartigen Borke. Stellenweise, wo die Papillen beschädigt
wurden, trat Blutung auf. Man könnte jedoch gegen diese
Versuche einwenden, dass es fraglich ist, ob die postulirte
grössere Empfindlichkeit in den zu den Versuchen benützten
Fällen vorhanden war. Denn die Ekzematisation war doch
bloss an jenen Hautstellen zugegen, welche der primären Ein-
wirkung der chemischen Agentien ausgesetzt waren.
Dieses Gegenargument kann aber gegen die folgenden
Versuche nicht mehr zu Felde geführt werden. In zwei Fällen
war neben der nässenden Ekzematisation der Hände und Vorder-
arme im Gesichte lebhafte congestive Hyperämie, Oedem und
stellenweise (um die Nase herum) Schuppung zugegen. Dem
weiter oben Ausgeführten zu Folge kann daher nicht ange-
38 Török.
nomnen werden, dass die erhöhte Empfindlichkeit in diesen Fällen
nicht zugegen war. Bei diesen Fällen wurden zu wiederholten Malen
scheinbar gesunde Stellen der Schläfen- und Stimgegend ge-
scheuert. Es konnte hiemach nie die Bildung von Bläschen
und die Entwicklung ständigen Nässens beobachtet werden.
Bloss bei einem Versuche schien die ausgesickerte Serummenge
eine grössere zu sein, denn es bildete sich nach Eintrocknen des
Serums eine etwas dickere Borke. Ein länger bestehendes
Nässen war aber auch bei diesem Versuche nicht producirbar.
Es konnten demnach keine experimentellen Stützen für die
Annahme beigebracht werden, dass durch das Scheuem und
ähnliche mechanische Insulte auf empfindlicher, zur Ekze-
matisation geneigter Haut eine Semmezsudation aus den
Papillargefässen Ton solchem Grade berrorzurufen sei, welche
Grand zur Bläschenbildung und zum Nässen abgeben könnte.
Es ist bekannt, dass durch Eratzen und Scheuem die
Hyperämie und das Oedem ekzematisirter Stellen gesteigert
wird. Auch das Nässen wird zumindest vorübergehend ge-
steigert. Trockene ekzematisirte Stellen können durch die
mechanischen Insulte zum Nässen gebracht werden. Der letzt-
erwähnte Effect des Kratzens tritt aber nicht in jedem Falle
auf. In manchen Fällen ist es bloss möglich, durch Scheuem
frischer hyperämischer ödematöser und schuppender Flecken
leichtes Nässen hervorzomfen, welches sich bloss wenig von
dem auf normaler Haut auf oberflächlichen Erosionen derselben
unterscheidet. Es tritt wohl des öfteren mehr Serum aus, als
unter normalen Verhältnissen, dieses trocknet aber bald zu
Borken ein. Das Nässen etablirt sich nicht. In anderen Fällen
bleibt das Nässen länger bestehen, wie z. B. in dem folgenden
Falle. Hier hatte sich im Anschlüsse an feuchte Sublimat-
verbände, welche nach einer Panaratiumoperation angelegt
worden waren, ein langwieriges, nässendes Ekzem der linken
Hand entwickelt. Allmälig hatte sich der Zustand gebessert
und war auf dem Handrücken beinahe vollkommen abgeklungen.
Es bestand hier nur mehr eine blassrosige Marmorirung und
ganz geringe Schuppung über dem Mittelhandknochen des
Zeigefingers. Die Mitte des Handrückens wurde kurze Zeit
gescheuert und sogleich trat auf einer 10 Heller grossen Stelle
lebhaftes Nässen auf, welches an der betreffenden Stelle 4
Tage lang anhielt. Der Grad des Nässens, welches
durch Eratzen und Scheuern auf der ekzema-
tisirten Haut heryorgerufen werden kann, hängt
demnach nicht bloss von dem Grade des ausgeübten
mechanichen Insultes, sondern yielraehr noch von
dem Zustande der Gefässe ab.
Aus der Abtheiltmg ftr Haut- und venerische Zrankheiten des
8i Stephansspitäls in Budapest.
Zur Eczemfrage.
L Können mechanische Einwirkungen nnd unter ihnen in erster
Reihe das Eratzen Eczem verursachen?')
Von
Prof. S. Röna, Budapest.
Durch die Veröffentlichungen und Discussionen über Eczem
der letzten Jahre konnten wir zur Ueberzeugung gelangen, dass
wir uns mit der Eczemfrage von vom befassen müssen. Es
bedarf neuer minutiöser klinischer Beobachtungen, neuer experi-
mental - pathologischer Forschungen, neuer histologischer und
bakteriologischer Untersuchungen um über das Wesen, Actio-
logie und Pathogenese des Eczems Positives wissen zu können«
Ich meinestheils versuche dies auf meiner Abtheilung. Aber
schon die bisherigen, die Aetiologie betreffenden experimental-
pathologischen und klinischen Untersuchungen gaben solche
Ergebnisse, dass ich es schon jetzt für meine Pflicht erachte,
die Discutirung folgender Fragen anzuregen: 1. Können
mechanische Einwirkungen und unter ihnen in
erster Reihe das Eratzen Eczem verursachen?
2. Gibt es ein Beflexeczem?^
Wie allgemein bekannt, liess Ferdinand Hebra in
der Aetiologie des sogenannten idiopathischen Eczems
nach den chemischen die mechanischen Einwirkungen die
wichtigste Rolle spielen.
') Vorgetragen in der dermatolog. nnd nrolog. Seotion det Bnda-
pester königl. Aerztevereins 17. M&rz 1902.
') Die 2. Frage vnrd H. Dr. Csillag, der sich auf meiner Abthei-
Inng mit dem Stndinm der durch chemische Einwirkungen verursachten
Hautläsionen befasst, weiter unten erörtern.
40 R6na.
F. H e b r a's Aufiiassang (Hautkrankheiten, 1860, pag.
378—379) war folgende:
.MechaniBche Einwirkungen aller Art sehen wir Eczeme erzeogen'
n. zw. sowohl bei gesunden als auch bei kranken Individuen,
häufiger allerdings und leichter bei letzteren. Einige derselben sind
wohl allerwärts bekannt, und werden von Niemanden in Zweifel gezogen.
Andere werden jedoch oft nicht gehörig gewürdigt, und es scheint uns
demnach nicht überflüssig, auf dieselben hier aufmerksam zu machen.
So sehen wir häufig Bruchbänder, Strumpfbänder, Gürtel, Schmuck-
gegenstände, als: Ohrgehänge, Armbänder; Kleidungsstücke, als: Schnür-
leibchen, ünterhosenbänder, Hosenträger, Männer- und Frauenhüte zu eng
anliegende Kleidungsstücke jeder Art, an den betreffenden Hautstellen
alle Eciemformen vom squamösen bis zum impetiginösem
erzeugen. Weiters wird durch den Druck bei Ausübung gewisser (be-
werbe, durch die Einwirkung von Werkzeugen, durch Tragen von
Lasten etc. die Haut so gereizt, dass ein Ausbruch mannigfacher Eczem-
erscheinungen darauf erfolgt. Aber auch das Sitzen in der, bei dieser
Gelegenheit auf die zwischen Sitzknorren und einer harten Unterlage
(dem Sitze) gepresste Haut ausgeübte Druck, sowie das Liegen von
solchen Kranken, die durch lange Zeit das Bett zu hüteu genöthigt sind,
genügt, um Eczeme hervorzurufen, besonders dann, wenn diebetreffenden
Individuen noch anderwärtig krank, in specie hautkrank sind."
„Ein bisher jedoch gänzlich unbekanntes und vernachlässigtes
Eozemerzeugendes Moment gibt das Kratzen der Kranken ab. An
Individuen, welche entweder in Folge von äusseren Hautreizen (als:
Epizoen, Krätzmilben, Kleiderläusen, Filzläusen, Kopfläusen» Wanzen oder
Mücken), oder in Folge mannigfacher innerer Zustände von intensivem
Hautjucken geplagt werden, kann man alle das Eczem charakteri-
sirenden Symptome vom Eczema papulosum bis zum Eczema
impetiginosum beobachten.**
Ganz in H ehr a'schem Sinne spricht sich Lesser aus (Hantkrank-
heiten, 1896, pag. 26 und 27). Kaposi (Path. u. Therapie d. Haut-
krankheiten, 1899, IL, pag. 613) aberweicht schon wesentlich von Heb ra
ab. Er sagt: „Mechanische Einwirkungen, Druck und Reibung machen
wohl selten originär Eczem, aber sehr häufig und in der lästig-
sten Weise, wo die Haut durch irgend einer der früher
erwähnten Schädlichkeiten eczematös erkrankt war. Da
kann der Druck von der Hutkrämpe, vom Strumpfband, das Reiben der
Manchette, des Kragens, des Mieders etc. genügen, um sofort einen
frischen Eczemausbruch zu veranlassen.*'
Unter den mechanischen Einwirkungen lässt Kaposi nur dem
Kratzen eine grössere unddirecte eczematogene Eigenschaft zukommen
(pag. 614).
„In dem Sinne ist, wie Hebra zuerst aufmerksam gemacht, das
Kratzen als solches selbst ein Eczem hervorrufendes Agens, indem
Zur Eozemfrage. 41
durch Reizung der Follikel, der Papillen es zn Hyperamie in Form von
Strichen und Striemen und zn diszeminirteii oder aggregirten
Exsudationsformen des Eczema kommt. Daher ist jedes beste-
hende Eozem vermöge des damit verbundenen Kratzens selber die Qnelle
nenerlichen Eozems und daher findet sich solches jederzeit bei allen
Hantkrankheiten, Scabies Prurigo, Urticaria, Ichthyosis, Pemphigus
pruriginosus, Pruritus cutaneus.'^
Kaposi's Ansicht, kurz zusammengefasst, ist folgende: Druck
undReibung verursacht selten, hingegen dasEratzen sehr
oft originär Kczem. Er behauptet aber nicht mehr, dass das
Kratzen alle Formen des Eczems verursacht, sondern nur Hyper-
ämie in Form von Strichen und Striemen und disseminirte und aggre-
girte Exsudationsformen des Eczems.
Noch weniger nimmt Jarisch Hebra^s Standpunkt ein. (Haut-
krankh., p. 278.) Seiner Ansicht nach verursachen mechanische Einwir-
kungen selten primär Eczem, spielen aber eine grosse Rolle bei schon
vorhandener eczematöser Disposition.^)
Auch Török (Gyögyaszat, 1896, pag. 494 etc. und Handbuch der
Hautkrankheiten 1898 [ungarisch]), der zwar dem Eratzen und anderen
ähnlichen mechanischen Einwirkungen eine grosse Rolle in der Genese
des Eczems zutraut, bedingt schon dort, wo das Kratzen etc. nässen-
des Eczem hervorrufen soll, die nöthige Prädisposition.
Brocq äussert sich auch mit einer gewissen Reserve (Annales
de Denn., 1900, pag. 187) :
aLe grattage provoque Papparition de l'ecz6ma. Gette proposition
de P6cole viennoise est parfaitement vnde, pourvu que le s^jet seit pre-
dispos^ et qu'il seit en ötat d*opportumt6 morbide. Certes, on pourrait
se demander, si dans ces cas le grattage est la vMtable cause e£&ciente
de Pecz^ma; s'il y a grattage il y a en effet prurit et c^est en realite le
trouble morbide d*oü depend le prurit, qui est le generateur reel de la
dermatose; mais si cette remarqne est vrai pour une vaste categorie de
faits dans lesquels les phenomönes prurigineux dominent par leur
intensitö la se^e morbide, et deviennent dds lors la dominante etio-
logiqne, il convient de reconnaitre, que dans beauooup de
cas le grattage semble reellement naitre la dermatose. De
lä une premiSre groupe d'eczemas dits traumatiques ou m^-
caniques par grattage, premier groupe qui n^est pas ton-
jonrs comme on le voit parfaitement pur comme patho-
gen i e."
Besnier endlich verhält sich in seiner neuesten Arbeit über Eczem
(La Pratique dermatol., 1901, TL, pag. 98) ganz ablehnend.
^) Anmerkung während der Gorrectur: In dieser Arbeit
konnte die neueste von obiger abweichende Auffassung Török's im
Artikel : „Welche Hautveränderungen können durch die mechanische Irri-
tation der Haut hervorgerufen werden?'' (Orvosi Hetilap 1903, Nr. 80-81)
nicht berficksichtigt werden, da dieser Artikel am 17. März 1902 nach
meinem Vortrag und nach der daraufgefolgten Discusion vorgelesen wurde.
42 Röna.
,»La pari du traamatisme, et particalierement da grattage, dant
la localisation, le deTeloppement, rangment et les oomplications de
Teczema est manifeste et considerable. Mais dans tons les cas, Paetion
m6caniqae, si 6nerg^qae qu'elle seit, k eile seule, ne prodnit pas
le Processus d'eczematisation; bien des fois noas avons 6tabli
pabliqaement que le prarit le plus excessif de certaines pbtiriases, pedi-
cnlose pubienne, phtiriase commone dite des ydtemeats, pmrit senile
pur, qnoique proToqnant les grattages les plus energiques peat Stre
ind^finiment prolongö, sans prodoire d'eczematisation."
^La genese des lesions ecz6matiqaes dans les cas on elles derivent,
pour un part du grattage provoqa6 par le pmrit, est toajoors eztre-
mement compleze, et il faadrait pour en developper la serie oompo-
sante reprendre Thistoire entiere des pruriginöses/
(Ich bemerke nur so nebenbei, dass meine Untersnohungen schon
im Gange waren, als ich diese letzte Enunciation Besnieres las.)
All diese Gitate hielt ich deshalb für nothwendig, um
auch die weniger Eingeweihten zu überzeugen, dass bei den
Klärungsversuchen der Eczemfrage, den durch mechanische
Einwirkungen yerursachten Hautveränderungen nachzugehen
nicht überflüssig war.
Und da unter den mechanischen Einwirkungen in der
Dermatologie das Kratz en die häufigste und wichtigste ist,
imd weil von den übrigen, so Yom Druck etc. auch schon
Kaposi abgesehen hat, und weil die im Anschluss an letztere
entstandenen Läsionen, schon aus dem Gesichtspunkte der ausser-
liehen Schädlichkeiten, als Resultate complexer Patho-
genie zu betrachten sind, habe ich nui* jene Hautverände-
rungen eingehender studirt, die ihren Ursprung dem Kratzen
yerdanken.
Bei meinen Untersuchungen schwebte mir der von ÜLst
sämmtlichen neueren Autoren anerkannte Tjpus des „vesi-
culösen und des aus diesem hervorgehenden näs-
senden Eczems*' vor meinen Augen. Uebrigens machte auch
bei den älteren Autoren die Vesikelbildung und das Nässen
das Wesen des „Ekzems* aus.
Ich habe folgende Untersuchungen gemacht:
L Es wurde von Neuem all jenen Hautverändemngen
nachgeforscht, welche durch das Kratzen experimentell
hervorgerufen werden können:
Zur Ecsemfrage. 4B
a) an gesunder, nicht juckender Haut; b) an gesunden
und nicht juckenden Hautstellen „eczematöaer^, also prädispo-
nirter Invividuen; c) an gesunder, aher artificiell zum Jucken
gebrachter Haut; d) an gesunden, aber artificiell zum Jacken
gebrachte Hautstellen „eczematöser", also prädisponirter Indi-
Tiduen.
II. Es wurden auch all jene Hautyeränderungen unter-
sucht, welche im Verlaufe der juckenden Hautkrankheiten und
Terschiedenen Pruritus durch das Kratzen verursacht werden.
Es wurden also untersucht: a) Scabies; b) Pediculi
capitis, pubis, yestimenti, cimex lectul.; c) die
Prurigos. die Urticarien, Liehen planus, Mycosis
fungoides; d) Pruritus.
ad 1 a): Kratzen and Reiben an gesunder, nicht Jucken*
der Haut.
An mir selbst und an anderen, hauptsächlich reinen Personen übte
ich das Kratzen und Reiben aus, oder liess es ausüben und zwar mehr-
mals im Tage, oder durch mehrere Tage wiederholt mit wechselnder
Daner nnd Intensit&t mittelst Nagel und Kleidungsstoffe.
Die so entstandenen Hautläsionen sind die allgemein bekannten:
a) Abstreifung der oberflächlichen Homschichten. Dies zeigt sich
in Gestalt einer mehlartig abschilfernden Linie auf hyperämischer Basis.
In Stunden verschwindet diese Erscheinung spurlos.
fi) Abstreifung der tieferen Homschichten. Bei dieser ist an ein-
zelnen hyperämischen Punkten oder auch an kleineren Flächen ein Durch-
sickern des Serums durch die Malpighi'scbe Schicht nnd Schmerz zu
constatiren. Die aasgetretene kleinere oder grössere Menge Serums trocknet
sehr rasch zu einer lackartigen oder gummiähnlichen Kruste ein, welche
sich nach kurzer Zeit ablöst. In Stunden, eventuell später, verschwindet
auch die Hyi>erämie.
r) Durch intensiveres und länger andauerndes Kratzen werden
auch die Papillen lädirt; dementsprechend sieht man auf der hyperämi-
sirten Fläche einzelne blutende Punkte, welche rasch zu braunen oder
schwanen Krusten eintrocknen. Die Krusten bleiben tagelang als solche
bestehen nnd ihre Umgebung, welche sogar etwas anschwillt, wird noch
hyperämischer. An ihrer Stelle bleiben noch lange braune Pigmentflecke
und Streifen zurück.
Ausser diesen habe ich keine anderen Läsionen hervorrufen können,
mag das Kratzen und Reiben noch so lange gewährt haben.
ad 15): An gesunden nnd nicht juckenden Hauts teilen
secsematöser^, also prädisponirter Individuen.
4 Fälle wurden untersucht: 2 Mädchen, die seit Jahren wiederholt
an „Eczem** gelitten haben und während der Yersuchszeit an d en Ohren,
44 Ronä.
Axillarhöhlen und Inguinalgegenden mit näsBender Flechte behaftet
waren; 1 Mann mit veBiculösem Jodoformdermitis and endlich 1 Mann
mit nässendem Mercurialeozem.
Trotz der mehrtägigen Irritation dnrch Kratzen nnd Reiben ent-
standen nur flüchtige Hyperämien and Excoriationen.
ad I e)i An gesander, aber artificiell zam Jacken ge-
brachter Haat.
Das Jacken proyocirte ich bei mir selbst and noch bei 24 anderen
gesnnden Menschen, gewöhnlich an der Beugefläche eines Unterarmes
mittelst den Kernhaaren der Mucuna prüriens (Jackbohne, Kratz-
bohne). Wenn wir kleine Quantitäten dieser Haare auf die Haat sanft
aufstreichen, entstehen nach einigen Minuten hirse- bis hanfkorngrosse
Quaddeln auf hyperämischer Basis (wie bei den verschiedenen Prnrigos)
in unregelmässigen Gruppen, welche intensiv jucken und sich auf das
provocirte Kratzen noch vermehren. Wie immer aber die eingestreuten
Flächen juckten (7« — 2 Stunden, ja, bei manchen sogar durch Tage hin-
durch), wie immer auch gerieben und geJaratzt worden ist, entstanden
nur diese Quaddeln und verschiedengradige Epithelabschürfungen.
Dasselbe beobachteten wir bei jenen, die an einer und derselben
Stelle durch mehrere (6—8 Tage) hindurch wiederholt mit dem Juck-
pulver bestreut wurden. Einen diffus geschwollenen lichenoiden status
bemerkten wir in drei Fällen nach 8 — lOtägigem Reiben und Kratzen,
welcher sich aber 2—3 Tage später ganz zurückbildete. Bläschen oder
I^ässen entstand auch bei diesen nicht.
ad I d): An gesunden, aber artificiell zum Jucken ge-
brachten Hautstellen „eczematöser", also prädi sponirter
Individu en.
Es wurden 14 Fälle untersucht:
Gruppe A. 9 Fälle: In 7 Fällen entsteht seit Wochen und Mo-
naten, in zwei Fällen seit Jahren zeitweilig sich wiederholendes nässendes
Eczem.
Während der Versucbszeit waren sämmtliche krank. Bei 6 von
den 9 Patienten wurde 8—8 Tage hindurch Juckpulver eingestreut. Nach
starkem Jucken nnd intensivem Kratzen und Reiben entstanden nur
hyperämisch-ödematöse Papeln und Excoriationen. Bei einem Kranken
stellte sich nach 4tägigem Einstreuen und Kratzen beginnende Lichen-
infication ein nnd es traten 3 miliare Pusteln auf. Bei einem Kranken
sah ich nach Stägigem Einstreuen und Kratzen beginnende Liehen -
infication.
Ich muss noch bemerken, dass bei zweien dieser Kranken während
der Yersuchsdauer auch an mehreren nicht eingestreuten Stellen ein
Jucken entstand, aber auf das intensive Kratzen zeigten sich auch hier
nur punkt- oder streifenförmige Excoriationen und hyperämisch-ödematöse
Papeln; dass hingegen bei einem dieser Kranken einmal an einer nicht
gekrazten Stelle eine papulo-vesiculöse Erruption spontan auftrat. Bei
einem Patienten schloss das peripher sich ausbreitende Eczem die in der
Zar £czemfrage. 45
N&he dieses Eczems durch das viermalige Einstreuen enstandenen hype-
rämisclien Knötcben ein, während bei demselben die von den eriarankten
Stellen ganz entfernt durch viermaliges Einstreuen entstandenen Knöt-
chen spurlos verschwanden.
Gruppe B. In 2 Fällen war ein acutes nässendes Eczem vor-
handen. Bei diesen entstanden nach 8 — Btägigen Einstreuen und Eratzen
nur Knötchen und Excoriationen.
Gruppe C. In zwei Fällen war Disposition zu Jodoformeozem
vorhanden. Bei dem einen wurde nach Ablauf der Jodoformdermitis 4 Mal,
und während einer Recidive wieder 2 Mal auf eine gesund gebliebene
Stelle Juckpulver eingestreut. Beim anderen streute ich das Pulver nach
Ablauf der Dermitis auf eine noch etwas hyperämisohe Stelle. Das
Resultat war immer das Entstehen von hyperämisch-ödematösen Papeln.
Gruppe D. Bei einer Frau, bei der sich an den Händen seit
Monaten zeitweise vesioulöse Erruptionen zeigten, so auch während der
Yersuchszeit (an der linken Hand), wurde auf eine gesunde Stelle des
linken Unterarmes 8 Tage hindurch Juckpulver eingestreut, und auf das
Kratzen entstanden nur hyperämisch-ödematöse Papeln, welche, da das
Jucken noch weitere 7 Tage bestand, immer durch neue abgelöst
wurden. Hernach wurde der rechte Arm zwei Tage hindurch einge-
streut, worauf wieder nur die besagten Papeln entstanden, und erst am
dritten Tage zwischen diesen auch einige ausgesprochene kaum bemerk-
bare Bläschen.
Der Inhalt der Bläschen wurde auf Agar geimpft, welcher steril
blieb. Die Kranke litt an Ulcera der Genitalien, welche mit Jodoform
behandelt wurden, und es ist höchst wahrscheinlich, dass die erwähnten
Bläschen durch zufallig von den Genitalien hingerathenem Jodoform ver-
ursacht worden sind, da sich bei dieser Patientin in der Gegend der
Jodoformapplication stets Yesikeln zeigten. Thatsache ist, dass ich der-
artiges nicht mehr beobachtete, und die nachherigen Einstreuungen und
Kratzen verursachten nur die schon bekannten Papeln, Excoriationen
und drei Pusteln. Bei dieser Kranken stellte sich übrigens zeitweise auch
Hämoptoe ein.
ad Ua): Scabies. Ich habe 157 an Scabies leidende Kranke
untersucht. Die Krankheit bestand zwischen mehreren Wochen und Mo-
naten, einigemal auch über 1 Jahr. Von diesen zog ich nur 150 nicht
behandelte und 2 vor längerer Zeit behandelte (im Ganzen 152) Fälle in
Betracht, also nur solche, bei denen medicamentöse (chemische) Reize
keine Rolle gespielt haben.
Gruppe A. Bei 88 Patienten fand ich ausser den Milbengängen
nur punkt- oder streifenfSrmige Excoriationen, zerstreute, in manchen
Fällen gruppirte hirsekomgrosse hyperämisohe Papeln und bei einem
Theile pigmentirte kleine Narben.
Aus diesen hebe ich folgenden Fall heraus : Seit langem Ulcus
und Eczem an einem Unterschenkel, seit Wochen Scabies mit starkem
Jucken. Das Eczem blieb nur auf den Unterschenkel beschränkt.
46 Röna.
GrappeB. An 24 Patienten fand ich autser den obigen Haat-
Iftsionen noch Impetigines and Ecthymata, an 6 noch Fnrnnkeln
and Lymphangoitis, als typische Vertreter der Staphylocoooen-
infection. An einem Kranken war noch eine circamacripte Lichenification
zu sehen.
Gruppe G. An 84 Kranken beobachtete ich ausser Excoriationen
and fmpetigines etc. noch folgende Hautlftsionen :
1. Bei 20 zerstreute, manchmal in grosser Zahl, stecknadelkopf-
grosse, hauptsächlich perifollicalftre Pusteln oder Papulo-Pusteln mit
lebhaft rothem Hofe.
2. Bei 6 Stecknadelkopf- bis hirsekomgrosse — mitunter auch
grössere Pusteln oder Papulo-Pusteln, aasnahmsweise Yesico-Pustelm
welche zu Ghruppen vereinigt, linsen- bis kronengrosse und selbst nooh
grössere, scharf begrenzte Plaques bildeten, die Torübergehend naosten
und sich nach rascher Eintrocknung zu eben so grossen, mit dünnen
Borken oder Schnppen bedeckten Stellen nmwandelten. An den Rändern
dieser Plaques konnte man auch in einzelnen Fällen das Auftreten frischer
Pustelchen constatiren.
8. Bei 7 wohl ausnehmbar durch Vereinigung typischer Impetigines
hervorgegangene zwanzigheller- bis handflächengrosse, scharf begrenzte
borkige Plaques. Nach Entfernung der Borken kamen hanfkom- bis
linsengrosse, eiternde oder blutende Gruppen von Ezooriatiotten zum Vor-
schein. Auch an der Peripherie und in der Nachbarschaft dieser Plaques
constatirte ich frische miliare Pustelchen. In einem Falle sah ich circi-
näres Weiterkriechen und Zusammenfliessen mehrerer Plaques zu grossen
borkigen Flächen.
Wir fanden auch die Formen 2 und 3 zusammen.
In die Kategorie 2 und 8 reihe ich nooh 2 Kranke, die schon seit
langem nicht behandelt worden sind.
Gruppe D. Ich habe 4 Kranke ausser Acht gelassen, die bei
ihrem Eintritte schon in Behandlung standen, und bei denen stellenweise
Gruppen von Vesikeln und Papulo - Vesikeln zu sehen waren. Diese
waren keine reine Fälle, da auf deren schon chemische Stoffe einge-
wirkt haben.
Auch habe ich folgenden nicht behandelten Fall ausge-
schieden :
J. K., 16 Jahre alt, angeblich seit 2 Wochen hautkrank mit starkem
Jucken. Pat schwitzt sehr stark während der Arbeit« Stat. präs. Typische
Scabies; der grössere Theil der allgemeinen Decke mit Excoriationen,
excoriirten hyperämisch-ödematösen Papeln, disseminirten miliaren Pustel-
chen besäet. In den Schenkelbeugen, an den Seitentheilen des Hoden-
sackes, an der unteren Fläche des Penis zahlreiche punktförmige,
nässende Stellen, sämmtliche geborstenen Vesikeln entsprechend und
durch Zusammenfliessen letzterer entstandene grössere, nftssende, hype-
lämische Stellen und hie und da einzelne hirsekomgrosse, unversehrte
Vesikeln.
Zur Eczemfrage. 47
Hier mmate ich aach den Sohweiss als interoarrirenden Agens
in Betracht sieben. Anf diesen Fall komme ich übrigens noch zurück.
ad II b)i Epizoen. 1. Zahlreiche, mit Pedionli pnbis und capitis
behaftete Personen wurden untersucht. Bei den Ersteren wurden stets
nur Exooriationen gefunden, bei Letzteren immer nur Impetigines und
durch Zusammenfliessen dieser entstandene grössere borkige Plaques an
der Kopfhaut, am Nacken etc. und höchstens vereinzelte oder zahlreiche
miliare Pusteln.
2. 42 durch Pediculi yestimenti geplagte Pat. wurden untersucht
Die Dauer des Juckens Tariirte zwischen einer Woche und mehrere
Monate.
Qruppe a). In 22 Fällen fand ich an den bekannten LocaUsations-
stellen oder am grösseren Theil der Haut nur punkt- oder streifenförmige
Exeoriationen. In 1 Falle auch Urticaria factitia. In 6 F&Uen waren ausser
den Exooriationen zahlreiche hirsekomgrosse, hyper&mische, solitäre
Knötchen, deren grösster Theil excoriirt war und welche nach Stunden
spurlos yerschwanden. In 1 Falle war auch hochgradige Lichenification
vorhanden.
Gruppe 6). In 9 F&llen waren ausser Exooriationen Impeti-
gines und Ecthymata und in 1 Falle unter diesen hochgradige
Melanose zu sehen; in 1 Falle ausser den obigen Veränderungen sahi-
reiche stecknadelkopfgrosse Papulo-Pusteln, in I Falle Phlegmone
und in 1 Falle Erysipel.
8. Gimex lectularius. In 6 F&llen fimd ich nur Exooriationen
und Urticaria papulosa in Gruppen.
ad II e): Prurigo s. Ich untersuchte 19 F&lle.
Gruppe A. 15 Fälle von unbehandelter Prurigo Hebra. Unter
diesen:
a) In 6 Fällen waren nur Excoriationen, unversehrte und excorürte
Prurigoknötchen, winzige Narben.
ß) In 3 Fällen ausser den obigen Läsionen disseminirte aber zahl-
reiche miliare Pusteln, und zwar sowohl an der Kuppe der Prurigo-
knötchen, als^auch unabhängig von diesen und in 4 Fällen noch ausser-
dem Impetigines. In 1 Falle, während einer heftigen Attaque an einer
durch dichtgedrängte Prurigoknötchen entstandenen handtellergrossen,
ödematösen Stelle Ablösung der tieferen Hornschicht, Serumaustritt und
lackartige Kruste. Auf die gegen das Jucken angewandten Mittel schwand
diese Läsion in 2 Tagen spurlos.
Endlich complicirte in einem Falle die Prurigo die Scabies. In
diesem Falle sah man an der rechten Hüftengegend auf einer hand-
grossen, rothen, infiltrirten Hautstelle zahlreiche hirsekom- bis linsen-
groBse und durch Zusammenfliessen dieser entstandene grössere gelb-
liche Borken; zwischen diesen zahlreiche miliare Vesico-Pusteln.
Letztere kann man auch an anderen Stellen wahrnehmen. Nach Ent-
fernung der Borken entstehen hirsekomgrosse und grössere, tiefere»
48 R6na.
blutende Excoriationen. Also hier waren Impetigines vorhanden, deren
ZnBammenflienen ein „Ecsema impetiginosum'' imitirte.
Gruppe B. Verschiedene Prnrigos.
a) In 1 Falle von seit Jahren bestehender Prurigo adultorum
waren nur unversehrte und lädirte Prurigoknötchen su veneichnen.
ß) In 8 F&llen von Prurigo gravidarum nur Excoriationen
und Prurigoknötchen zu sehen.
adllcE): Liehen planus. In 5 F&llen von (stark juckendem)
Liehen planus waren ausser den specifischen Lftsionen noch geringfügige
Excoriationen und zwischen diesen in 2 Fällen Impetigines und in
1 Falle zahlreiche miliare hyperämisch ödematöse Knötchen zu sehen.
Auch einen 6. Fall rechne ich hieher, obzwar nur der Typus „comeus'^
zu constatiren war und oharakteristisohe Lichenpapeln nirgends zu ent-
decken waren. In diesem Falle bestand duröh 4 Wochen hinduroh, Tag
und Nacht andauerndes, quälendes Jucken, und die Kranke traumatisirte
in unsinnigster Weise ihre Haut. Patientin beobachtete ich 14 Tage lang
und fand ausser dem ^Liehen corneus^ an den Unterschenkeln und
ausser den Excoriationen, an grossen Flächen der Oberschenkel hoch-
gradige Licheninfioation und an der ganzen Hautfläche hirsekomgrosse,
hyperämisch-ödematöse Knötchen, welche, wenn wir der Pat. nur für
Stunden Beruhigung verschafften, spurlos verschwanden.
ad II e): Mycosis fungoides. In 2 Fällen entstanden trotz des
wochenlangen intensivsten Juckens und wahnsinnigsten Kratzens nur
Excoriationen und Impetigines.
ad n/): Urticaria. Zahlreiche, an acuter und chronischer Urti-
caria Leidende zeigten nur Excoriationen.
ad n g): Juckende Psoriasis vulgaris beobachtete ich nur
in 1 Falle und konnte nur Excoriationen constatiren.
ad n h): Pruritus, 81 Fälle.
Gruppe A. In 4 Fällen von Pruritus hiemalis und in 20 Fällen
anderer (theils partiellen, theils universellen) Pruritus theilweise unbe-
kannten Ursprunges, habe ich Excoriationen und Pigmentirungen ge-
funden ; weiters (unter diesen) in 2 Fällen noch hyperämisc h-ö d e m a-
töse Knötchen zerstreut und in Gruppen, in 2 Fällen Impetigines
und Ecthymata, in 3 Fällen perifolliculäre lichenoide Knötchen und
endlich in 10 Fällen an kleineren oder grösseren, bis handtellergrossen
Stellen ausgesprochene Lichenification.
Gruppe B. In 1 Falle von Pruritis hiemalis waren ausser
den Excoriationen, Impetigines und Ecthymata an den Unterschenkeln
aus gruppirten Impetigines hervorgegangene bis handtellergrosse borkige,
eiternde und an 2 Stellen circa thalergrosse fahle lioheninfioirte Plaques
zu sehen, welch' letztere stellenweise mit Pusteln und Excoriationen
besäet war. Ein Pendant zu dem war ein anderer Pruritusfall, bei dem
scharfbegrenzte, aus miliaren Pusteln zusammengesetzte verschieden-
grosse Plaques vorhanden waren, welche theils in Eintrocknung, theils
in Desquamation begriffien, mit ihren Rhagaden das Bild eines „Eczema
Zur Ecsemfrage. 49
craqnel^ oder fendill^*^ abgaben. Diese Plaques heilten im Gentram
ab, schritten aber an der Peripherie durch Auftreten Ton miliaren und
grösseren (ab origine) Pusteln weiter. Diese 2 Fälle erinnern an jene
BUder, die wir bei der Scabies beschrieben haben.
Gruppe G. In je 1 Falle Ton tabetischem, diabetischem und
nephritischem und endlich in 2 Fällen von icterischem universellem Haut-
jucken waren nur Ezcoriationen zu beobachten.
Analysiren wir Dun die Ergebnisse obiger Unter-
suchungen.
1. Wenn wir die Haut gesunder Menschen wiederholtem
intendyem Eratzen aussetzen, so wird das Resultat nur die
Loswühlung der tieferen Homschichten oder des ganzen Epithels
sein. Im ersteren Falle tritt Serum auf die Oberfläche und
trocknet zu lackartiger Kruste ein, im letzteren Falle Blut,
wodurch schwärzb'che Krusten entstehen. Um die Krusten ent-
steht eyentuell ein hyperämischer Hof.
2. Dasselbe beobachten wir auch dann, wenn wir gesunde
und nicht juckende Hautstellen „Eczematöser" denselben me-
chanischen Insulten aussetzen.
3. Wenn wir aber die gesunde Haut vorher artificiell
mittelst Mucuna pruriens intensiv juckend machen, dann
treten zuerst die Folgen des Juckpulvers, hirse- bis hanfkom-
grosse, sehr stark juckende Quaddeln auf hyperämischer Basis
auf, welche durch Kratzen noch vermehrt und excoriirt werden.
Wenn wir dieselbe Procedur durch mehrere Tage hindurch
wiederholen, bekommen wir auch keine andere Erscheinungen
zu sehen, höchstens, dass sich in vereinzelten Fällen die An-
ÜEUigssymptome einer Licheninfication zeigen.
4. Dieselben Veränderungen beobachten wir auch dann,
wenn wir gesunde und von den kranken Stellen entfernte Haut-
partien ,yEczematöser^ derselben Procedur (Bestreuung mit
Juckpulver) unterwerfen^ und höchstens, dass bei dem Einen
oder Anderen die Quaddeln grösser und länger bestehend sind
und dass sich bei diesen eine Tendenz zur Lichenification
zeigt. Auch können in Folge Infection kleine Pusteln ent-
stehen.
Wenn wir nun diesen Erscheinungen jene gegenüberstellen,
die wir experimentell durch chemische Stoffe, z. B. Arnicatinktur
hervorgerufen hatten, wo, wenn überhaupt Reaction eingetreten
Areh. f. D«raat. n. Sjph. Bd. LXIII. 4
50 Bona.
ist, Ton den einzelnen Ausnahmen abgesehen, in enter Reihe
Papulo-Vesikeln oder eine diffosse papulo-vesiculöse Dermitis
entstanden: so ist es nicht gewagt zu behaupten, dass, wenn
Letzteres als acutes arteficielles Eczem angesprochen
wird, solches durch das Kratzen weder an gesunder noch an
artificiell juckend gemachter Haut nie und nimmer erzeugt
werden kann.
Es könnte aber der Einwand gemacht werden, dass das
Juckpulyer zum Sohafien dej^rtifffr Voihj,iltnis8e, unter welchen
das Eratzen „Eczem** Jf^^Ruiien^^&ä^^Niicht geeignet ist.
Dann betrachten wir /4^ ^^^ ^^^ Autore^ l^ezogenen Ver-
hältnisse: [ APR 2 ;9Q3 ^1
1. Die ScabiesL^as sahen wir nie|^ AVir sahen, dass
in 88 unter 152 FällenK^wd das Juckentundantensive Eratzen
zwischen Wochen und MongtegCTM/tetJMtrpunkt- oder streifen-
förmige Excoriationen, zerstreute hjperämisch-ödematöse Enöt-
chen zu entdecken waren; nichts sonst! Jemand könnte
aber den Einspruch erheben, dass ja eben diese Enötchen
schon das sogenannte „Eczema papulosum*^ bedeuten?
Nun ist es wahr, dass die Autoren auch ein „Eczema
papulosum** anerkennen, bei welchem die Enötchen unverändert
bestehen können; aber abgesehen davon, dass dies eine Aus-
nahme bildet, denn in der Regel entwickeln sich aus den
Papeln Vesikeln — sagen die Autoren nicht, dass das Eratzen
nur ein „Eczema papulosum'', sondern dass es alle Formen
des Eczema erzeugen kann, dass also auch das „Eratzeczem''
alle Stadien und so auch das Vesiculöse durchmachen kann .
Das wird aber durch meine Untersuchungen widerlegt,
und zwar nicht nur in den 88 Fällen der Gruppe A, sondern
auch in den weiteren 30 Fällen der Gruppe B, in welchen
ausser den obbenannten Läsionen nur typische, heute schon
allgemein Tom „Kczem'' abgesonderte Impetigines und Ecthy-
mata constatirt wurden.
Also unter 152 Scabiesfällen waren bei 118 nur
hjperämisch-ödematöse Enötchen zu bemerken,
die sich nicht zu Vesikeln umwandelten. Es wäre
aber hier noch der Einwand möglich, dass vielleicht bei all
diesen 118 Scabiösen jene Eigenschaft der Haut fehlte, welche
Zur Eoiemfrage. 51
zur Bildung des Tesiculösen Eczema diaponirt? Dieser Einwand
wäre zwar nicht von Belang, weil sie anerkennen würde, dass
dieser Umstand unverhaltnissmässig seltener zu Tage tritt, als
wir es bisher annahmen, aber er wird auch direct durch jenen
Fall widerlegt, wo im Anschluss an ein Unterschenkelgeschwür
seit langem auch ein Unlerschenkeleczem bestand, und wo trotz
der intercurrirenden Scabies an den übrigen Körpertheilen nur
die bezeichneten hyperämisch-ödematösen Papeln und Excoria*
tionen auftraten. Er wird aber auch durch jenen Fall zu Nichte
gemacht, welchen ich von den 152 Scabiesfallen ausschied. Es
ist dies jener Fall, wo am Stamme durch das Eratzen
nur Excoriatiönen und zerstreute hyperämisch-
ödematöse Papeln erzeugt wurden; hingegen in den
Schenkelbeugen, am Scrotum undPenis durch Dazwischen-
treten des profusen SchWeisses Vesikeln und aus
diesen nässende Punkte und durch Zusammenfliessen letzterer
grössere nässende Flächen entstanden.
Von diesen Kranken exstirpirte ich auch ein hyperämisch-ddematöses
Knötchen nnd ein geborstenes Yesikelchen behufs mikroskopischer Unter-
such nng. Die klinischen Differenzen beider L&sionen waren anoh in der
histologischen Stmotnr scharf ausgedrückt.
Am hyp er ämisoh-ödemat Ösen Knötchenkonnteich mit freiem
Ange kaam eine minimale Erosion bemerken, und unter dem Mikroskope
zeigte sich folgendes Bild : Das Epithel war im ganzen Oebiet des Knötchens
fast normal, ausgenommen in der Mitte ein 4—5 papillengrosses Stückchen,
wo die Homsohieht ganz fehlte nnd wo die Zellen des Rete nur an 2 Inter-
papillarzapfen Kern&bnng zeigten. Die Papillen waren dieser Stelle
entsprechend ganz verschwommen nnd ebenso wie die Snbpapillarschioht
mit mononadeären Leukocyten infiltrirt. Die Papillär- and Sabpapillar-
gefasse amgab eine ans mononncleären Leukocyten bestehende Scheide.
Die Lymphspalten waren nur wenig erweitert.
Also es war eine kleine Erosion mit minimalem papillären und
subpapillaren Oedem und geringfügiger perivasculärer Infiltration vor-
handen.
Ein ganz anderes Bild gab das geborstene Yesikelchen. Hier
war makroskopisch die nässende Fläche das hervorstechendste Phänomen.
Bei kleiner Yergrösserung fehlte dieser entsprechend der grössere
Theil der Malpighi'schen Schicht, deren Stelle kernhaltige Hornzellen
einnahmen. An 2 Stellen oberhalb der Papillen fehlt die Malpighi-
sche Schicht ganz. In den überbleibenden Theilen des Rete Malphigi
sind Vesikeln zu sehen. In der papillären und subpapillären Schicht ist
ansgesprochenes Oedem und massiges Infiltrat zn constatiren.
52 Bona.
Bei erheblicher YergrösBening sieht man an den Grenzen der
Bässenden Stelle in dem verbreiterten Bete Malpighi ein intercellulares
Oedem. Die Eeratohyalinschicht fehlt hier. An der erodirt
Boheinenden Stelle sind kernhaltige Homsellen wahrzunehmen, auf denen
unmittelbar die Papillartchicht folgt Die Zellen des hier überbliebenen
Bete sind total pertarbirt, hochgradig ödomatös und an 2 Stellen sieht
man mikroskopische Yesikeln mit wenigen mononncleftren Leukocyten.
Nach diesem kleinen Elxciirs auf die zerstreuten hjper-
ämisch-ödematösen Knötchen zurückkommend, muss ich noch
bemerken, dass selbst bei Beurtheilung dieser man nicht das
Eratzen als alleinige Pathogenie für sämmtliche Knötchen hin-
stellen darf. Man darf nämlich auch das nicht ausser Acht
lassen, dass selbst jene nicht alle durch das Kratzen ent-
stehen, sondern dass ein Theil durch die Menge der männ-
lichen Milben und Larven erzeugt wird, welche keinen
Gang bohren, sondern sich nur eben in die Homschicht ein-
graben. Ich, meinestheils, glaube nämlich, dass ein Theil der
bei einer mehrere Monate währenden Scabies an der Brust
und am Bauche etc. zum Vorschein kommenden Knötchen durch
die erwähnten Milben erzeugt werden.
Man darf endlich auch jene Thatsache nicht unberück-
sichtigt lassen, dass das eine oder andere hyperämisch-ödema-
töse Knötchen secundär, als reactiye Erscheinung um die
durch das Kratzen yerursachte minimale Exco-
riation, oder um die bei dieser Gelegenheit hineingerathenen
Fremdkörper (Schmutz, avirulente Bakterien etc.) auftritt.
All dies bedarf aber noch weiterer Untersuchungen.
Was die übrigen 34 Scabiesfalle anbelangt, waren in 20 F&llen
ansser den schon erörterten Veränderungen Eerstreut, manchmal in grosser
Zahl stecknadelkopfgrosse, zumeist perifollicnläre Pusteln
oder Papulo-Pusteln mit lebhaft hyperämischem Hofe zu
beobachten. Nachstunden oder nach eintägigem Bestände trockneten sie
ein und an ihrer Stelle entstanden winzige Borken oder borkige Schuppen.
Zu bemerken ist, dass ich die Entwicklung dieser Pusteln mit besonderer
Aufmerksamkeit verfolgte, und fand, dass ihr Beginn stets ab origine
eine Eiterung war und dass sie ab ovo durch banale Eitermikro-
ben hervorgerufen worden sind, und dass sie nicht durch secund&re
Vereiterung einzelner, durch Milben verursachter Vesikeln zu Stande ge-
kommen waren, obzwar, wenn dies auch bei einem oder anderem geschehen
wäre, man doch nicht von einer, durch das Kratzen hervorgerufenen
Vesikel reden könnte. Uebrigens waren diese solch unansehnliche Erschei-
nungen, dass ihrer in den Lehrbüchern nirgends Erwähnung ffesohieht,
obzwar sie, wie wir es gesehen haben, bei den meisten juckenden Haut-
krankheiten vorkommen. Ich glaube auch nicht, dass irgend jemand diese
Pnsteloben als „Eczem** ansprechen würde.
Zur Eciemfrage. 53
Ein solches excidirtes Pastelchen zeigte folgenden histo*
logischen Ban:
Bei kleiner Vergrösserun^: Auf 'einer circa 8 — 10 papillen-
grossen Stelle ist die Homsohioht mit scharfer Begrenzung losgerissen,
an ihrer unteren Flftcbe klebt ein Klampen zasammengeballter Zellen,
nnter diesen ist ein einziger grosser Hohlraom zu sehen, dessen Basis die
Beste der Malpighi'sohen Schicht bilden, welcher die m&ssig ödematöse
und infiltrirte rapillarschicht omgrenzt. An den Grenzen ist der Ueber-
gang ins Gesunde ein jäher.
Bei erheblicher Vergrössernnff: Die Decke des Hohlraumes
besteht ans kernlosen Homzeflen; der auKlebende Zellklumpen ist aus
mehrkernigen weissen Blutkörperchen gebildet; am Grunde sieht man
Beste der Malpighischicht, aber in dem Bete ist nur geringgradiges
interoelluläres Oedem vorhanden, yon einer intraoeilulären
Alteration fehlt jede Spur. Die Papillär« und Subpapillarschicht zei^
an dieser Stelle eine ziemliche Menge polynuclarer Leukocyten und ein
massiges perivasculares, rundzelliges Infiltrat Durch Bakterienfärbnng
kann man Gruppen von Staphylocoocen wahrnehmen.
Also der histologische Bau dieser Läsion ist toto coelo
yerschieden von dem der hyperämisch-ödematösen und der
erodirten Yesikel.
Derselben Beurtheilung fallen jene 5 Fälle anheim, wo
den vorigen ähnliche, stecknadelkopfgrosse oder etwas grössere,
manchmal dazwischen noch grössere Pusteln oder Papulo-
Pusteln zu Gruppen vereinigt, linsen- bis kronengrosse oder
grössere Plaques, und nach ihrer Eintrocknung borkige oder
schuppende Stellen bildeten. An den Rändern einzelner Plaques
konnte ich, wie schon erwähnt, das Auftreten frischer miliarer
Pusteln beobachten. Auch in diesen Fällen habe ich nie eine
vorhergehende Vesikelbildung constatiren können, stets ent-
standen ab ovo Pusteln.
Nun mag man wie immer die eczematösen Hautläsionen
auffiEtssen, das können wir nicht zugestehen, dass ab origine
entstandene Pusteln als Elementarläsionen des Eczems ange-
sprochen werden.
Aus den neueren Experimenten Bockhardt's, Bender's nnd
Gerlach's geht nämlich henror. dass die Toxine der Staphylococcen
wohl klare, anfaoffs sterile Bläscnen provociren können, und so eventuell
selbst die wasserldaren Yesikeln auf BakterienwirkuDg zurückgeführt
werden können, aber dass die Staphylococcen selbat nie solche,
sondern stets Pusteln erzeugen.
Es ergibt sich also aus diesen Experimenten, dass die
ab origine Pusteln von den eczematösen Läsionen aus-
zuscheiden sind.
Zu alldem füge ich noch hinzu, dass auch in diesen
5 Fällen die Läsionen rapid (in Tagen oder einer Woche)
54 Ron».
heilten und sich durch die stärksten antiscabiösen Mittel nicht
Terschlimmerten, im Gegentheil, ihr grösster Theil verschwand
nach Anwendung derselben.
Diese miliarenPusteln entsprechen yollkommen jenen»
welche Bockhardt, Bender und Gerlach mittelst Rein*
cultur des Staphylococcus pyogenes aureus und albus auf vorher
irritirter Haut hervorrufen konnten.
Und wenn jemand trotzdem im Zweifel wäre, ob diese
Läsionpn durch pyogene Bakterien oder durch das
Kratzen verursacht werden, der kann sich vor der ersteren
Auffassung nicht verschliessen, wenn er die letzten 9 Scabies-
falle in Betracht zieht^ wo das Hervorgehen der kreuzer- bis
handtellergrossen, scharf begrenzten, mit dickeren Borken be-
deckten Plaques aus banalen, hanfkorn- bis linsengrossen
Impetigines mit Leichtigkeit von den Läsionen selbst abzulesen
war oder deren Entwicklung aus denselben verfolgt werden
konnte.
Auch in diesen Fällen yerschlinraierten sich die einselnen Plaqae»
nicht anf die antiscabiöse Therapie, und nur 1—2 Plaques massten noch
besonders behandelt werden.
Diese letzteren (5-|-9) 14 FSlle unter 162 sind also jene, wo wir
früher im Verlaufe der Scabies yon „Eczema impetiginosum"
sprachen.
Ich glaube aber, dass nach dem bisher Vor-
gebrachten behauptet werden kann, dass bei den
152 8cabieskrankendire et durch die mechanischen
Insulte keine solche Läsionen entstanden sind,
welche wir mit Becht als „Eczem** betrachten
könnten.
2. Uebergehen wir nun zu den Epizoen.
In Anwesenheit der Pediculi capitis beobachtete ich fast aus-
nahmslos nur £xcoriationen und Impetigines and durch Zusam-
menflieseen letztererer entstandene borkige oder nässende Plaques. Ich
glaube, dass dies heute von Jedem zugegeben wird.
Im Anschluss an Pediculi pubis, wenn chemische Einflüsse die
mechanischen Insulte nicht complicirten, konnten nur zerstreute Excoria-
tionen wahrgenommen werden.
Das alles ist kein „Eczem^. Das Kratzen im Anschluss an
Wanzenbisse provocirte auch nur Excoriationen.
Von den 42 Fällen mit Pediculi vestimenti sahen wir bei
22 nur Excoriationen. Die in 6 Fällen noch ausserdem beobachteten dicht
gedrängten aber isolirten hirsekomgrossen hyperämisch - ödematösen
Knötchen bildeten sich rapid in Stunden zurück und waren grösstentheils
wohl ausnehmbare Residuen der durch die Läuse verursachten Urticaria
papulosa. Nur ein kleiner Bruch theil dieser Knötchen konnte direct durch
Zar EcEemirage. 55
dM Kratsen veninacht worden sein und diese könnten ebenso wenig Ar
etwas anderes angesprochen werden, als für Reactionserscheinnngen nie-
drigster Stafe, wie wir dies schon bei der Scabies bemerkten.
Die öbrigen Fälle boten überhaupt keine zu analysirenden Momente.
Also das durch die Bisse der Epizoen provo-
cirte Kratzen verursachte auch keine eczematöse
Läsion.
3. Betrachten wir jetzt die Prurigo-Fälle.
Unter den 19 Pmrigoftllen sind nar jene mit Liohenification und
ein mit Scabies complicirter Fall zu analysiren; aber bei letzterem
deckten sich die Läsionen derart mit den pyodermitisohen Läsionen
der letzten 9 Scabiesfalle, dass ¥rir nur schon Gesagtes wiederholen
müssten.
Auf die Lichenification werde ich bei der Pru-
ritusgruppe zurückkommen.
Wir sehen, dass das Eratzen auch imVerlaufe
der Prurigo kein Eczem verursacht, und dass, was
wir hier früher als impetiginöses Eczem bezeich-
neten, auch hier, wie bei der Scabies, als Pyoder-
mitis aufzufassen ist.
4. Unter 6 Lichenplanusfällen waren nur 2, wo aasser den £xoo-
riaiionen noch sehr zahlreiche, Yorüberbergehende, nyperämiBeh-ödematöse
miliare Knötchen znr Beobachtung gelangten. Aach diese halte ich, wie bei
der Scabies und Pediculosis für Reactionserscheinungen
niedrigsten Grades.
Die 2 Fälle von Mycosis fun^oides, die Urticarien, der mit
Jacken einhergehende Psoriasisfall zeigten keine solche Erscheinongeo,
die zu analysiren wären.
Bei der letzten Gruppe (Pruritus) haben wir — da die 2 Fälle mit
borkigen eiternden Plaques zu den schon öfter erwähnten pyodermitischen
Läsionen zu rechnen sind und da die hie und da bemerkten hyperämitoh-
ödematösen Knötchen auch schon öfters olassificirt worden smd — nur
mehr die Fälle mit Lichenification vor uns.
Nach meiner Affassung können wir aber hier von der Liehesifi-
cation ganz absehen, da selbe klinisch vom ^^acuten Eczem** ^^anz gut
unterschieden werden kann. Die wahre Licheninfication zeigt nie Bläs-
chen und ein Torübergehendes Nässen nur dann, wenn die tieferen
Homschiohten abgekratzt werden, und endlich Eiterung, wenn eine
Infection durch Staphylococcen stattfindet. Auch durch ihren histo-
logischen Bau ist die Lichenification vom acuten Eosem wohl
nnterscheidbar.
Wir können also sagen, dass auch bei den
Terschiedenen Pruritusarten zufolge desEratzens
kein Eczem entsteht.
Wenn wir uns nun die Ergehnisse meiner Untersuchungen
vor Augen halten, so müssen wir die im Titel meiner Arbeit
aufgestellte Frage mit Nein beantworten. Nach diesen Ergeb-
nissen können die mechanischen Einwirkungen, unter ihnen in
56 Bona.
erster Reihe das Kratzen weder auf die gesunde, noch auf die
prädisponirte Haut einen derartigen Beiz ausüben, dass selbe
mit „Eezem^ reagiren müsste.
Ich glaube, durch obige Untersuchungen klargelegt zu
haben, dass das, was das Eratzen selbst auf prädisponirten Haut-
stellen unmittelbar erzeugt, nicht als „eczematös** betrachtet
werden darf und dass das, was wir im Verlaufe von jucken-
den Hautkrankheiten und Hautjucken bisher un-
richtig als „eczematöse Erscheinungen*' und als
„Eczematisation*' bezeichnet haben, nicht das unmittelbare
Resultat von Eratzen und Prädisposition ist, sondern dass sich
zwischen diesen ,beiden Factoren noch ein dritter unbedingt
einkeilen muss, nämlich die eitererregenden Bakterien,
damit jene Veränderungen zu Stande kommen.
Bei diesem Stande der Dinge aber müssen wir diese
Läsionen aus der Gruppe „Acute Eczeme^ ausscheiden und
sie dorthin einreihen, wohin sie gehören, zu den P 7 o d e r-
m i t i d e n.
Nach alldem sind meine Gonclusionen diese:
Die mechanischen Einwirkungen und unter
ihnen in erster Beihe das Eratzen verursachen
selbst bei Prädisponirten keine anderen Verände-
rungen als Excoriationen, flüchtige reactive
Hyperämie und geringes Oedem und nur nach längerer
Zeit und nur bei besonders dazu geeigneten Personen um-
schriebene oder mehr difiPusse Hypertrophie des Epi-
thels und des Papillarkörpers (die Licheninfi-
cation). Die von den Autoren als vesiculöses oder
nässendes Eczem bezeichnete Hauterkrankung
kann das Eratzen allein unter keiner Bedingung
hervorrufen.
In welchem Alter findet man die meisten
Ansteckungen von Syphilis
und in welchem Alter brechen die meisten
Fälle von genereller Parese aus?
Von
C. T. Hansen und Panl Heiberg.
In Kraepelins Psychiatrie^) findet man eine sehr große
Reihe von Wahrscheinlichkeitsbeweisen für den kausalen Zu-
sammenhang zwischen Syphilis und genereller Parese. Die
geographische und soziale Ausbreitung der generellen Parese
wird mit einer Reihe anderer Momente hervorgehoben, um die
Hypothese der Abhängigkeit der generellen Parese von voraus-
gegangener Syphilis zu beweisen. Auch die ganz eigentäm-
liche Weise, auf welche die Zufälle von genereller Parese
zwischen den verschiedenen Altersklassen verteilt sind, werden
hier sorgfaltig behandelt, ohne daß doch dieses Moment aus-
genützt wird, um den Beweis für die erwähnte Hypothese zu
fähren.
Doch finden wir, daß gerade die charakteristische Grup-
pierung der Fälle im Alter vom vierzigsten Jahre benützt
werden kann, um einen dafür sprechenden Wahrscheinlichkeits-
beweis führen zu können. Wird die besprochene Kausalver-
bindung zwischen den beiden Krankheiten — und auch ein
relativ konstanter Unterschied in der Zeit des Auftretens
der beiden Krankheiten — angenommen, dann ist man zu der
Erwartung berechtigt, daß die Kurve für das Alter von Männern
*) n. Bd. pag. 286.
58 Hansen nnd Heiberg.
mit frischer SjphfliB dieselbe Straktar zeigt, wie die Karre
für das Alter von Männern mit beginnender genereller Parese.
Kraepelin ist nicht der Einzige, der die Altersverhält-
nisse zu Gunsten der Syphilishypothese nicht benätzt, auch
andere Verfasser gehen über dieses Moment leicht hinweg,
z. B. berührt Fournier in seiner yorzüglichen Arbeit ^Les
affections parasyphilitiques*' gar nicht dieses Moment.
In Jespersens') klassischer Arbeit Ton 1874 findet man
dagegen hierüber folgendes: „Leicht und ungezwungen erklart
sich das Alter, wenn Syphilis als notwendiger Vorläufer für
Parese angenommen wird. Die Parese wird häufigst im Alter
zwischen 35 und 45 Jahren wahrgenommen. Oben haben wir
gezeigt, daß bei den Patienten, wo die notwendigen Erläute-
rungen vorhanden sind, 1278 Jahre durchschnittlich von dem
Zeitpunkte der Ansteckung mit Syphilis verlaufen, bis sie ins
St. Hans-Hospital mit Parese gebracht wurden. Zieht man
12 V« von 35 und 45 ab, erhalten wir 22 V, ™d 827,- Wir
dürfen wohl annehmen, daß Syphilis am häufigsten zwischen 22 und
33 Jahre akquiriert wird, und die Folge hiervon ist wiederum,
daß die Parese am häufigsten zwischen dem 35. und 45. Jahre vor-
kommt.^
Im Folgenden werden wir untersuchen, ob Jespersens
Annahme von dem Alter, in welchem Syphilis akquiriert wird,
mit den wirklichen Verhältnissen übereinstimmt, ob die zwei
früher besprochenen Kurven gleich geformt sind und schließlich
wie groß der Zeitunterschied der Gipfel der beiden Kurven ist.
Während man in der Literatur eine Menge Statistiken
von dem Alter, in welchem die generelle Parese zum Ausbruch
kommt, besitzt, haben wir, als wir uns vor 2 Jahren mit der
Sache beschäftigten,«) selbst eine Statistik über das Ausbruchs-
alter der Syphilis ausgearbeitet, da damals solche uns nicht
zugänglich waren.
Später sind von F ournier fils«) Statistiken hierüber uns
*) Skylde« den almindeligfe fremskridende Parese Syfilis? 1874.
pag. 171.
■) Hoepitalstidende 1901. Nr. 14.
•) Compte rendu des s^ancei de la oonfereoce intemat. ponp la
prophylaxie de la Byphilia. 1900. Tome II. pag. 69.
Syphilis and Parese.
69
zugäDglich geworden. Diese Statistik behandelt ein sehr großes
Material und umfaßt sowohl Hospitalpatienten als Fourniers
(pere) große PriTatklientel ; daher meinten wir, es wäre zweck-
mäßig zu untersuchen, ob diese neue Statistik unsere frühere
Arbeit bestätige.
Auf Tabelle I haben wir daher teils das Alter yon tausend
Männern, die in den Jahren 1890 bis 1897 in dem Eommune-
hospital in Kopenhagen behandelt wurden, und teils auch
das Alter von Zehntausend Männern, die in Fourniers
privater Klientel behandelt wurden, notiert.
Tabelle I.
15
16
17
18
19
20
21
22
28
24
26
n
I'
*■ ä
1
3
15
29
52
60
81
86
80
70
74
:g
I
4
12
28
37
61
70
81
83
79
77
I
81
82
88
84
85
86
87
88
89
40
•m4
s
1
22
28
22
17
26
11
11
9
7
4
o
0
O
'Sfe
M
a
26
24
18
19
15
12
13
10
10
9
Ja
46
47
48
49
50
51
52
58
54
66
a
2
•s
N
1
3
2
4
2
1
1
4
s
N
^
4
4
4
3
4
2
2
2
3
2
61
62
68
64
65
66
67
68
69
2
N
1
1
1
BT
1
1
1
1
26
27
28
29
80
66
53
46
36
36
63
56
50
89
37
41
42
48
44
46
6
9
6
4
3
7
7
5
5
6
66
67
68
69
60
1
1
1
1
1
1
2
60 HanBen and Heiberg.
In wie hohem Grade Jespersens Annahme, daS die
Syphilis häufigst im Alter zwischen 22 7^ und 327« Jahren
akquiriert wird, zutrifft, wird man leicht aas der Tabelle ersehen.
In den 10 Jahren von dem 22. bis zu und mit dem
31. wird ein wenig über die Hälfte aller Syphilisfalle (bezw.
57 und ö97o) akquiriert, während Jespersen ein wenig über
die Hälfte (547o) ^on seinen Paretikeren im Alter Yon 35 bis
44 Jahren findet — also gerade in dem Zeiträume, der 12 bis
13 Jahre später liegt
Und I2V2 Jahre ist ja der Zeitraum, der in Dänemark
durchschnittlich von der Ansteckung mit Syphilis bis zur Auf-
nahme ins Hospital mit genereller Parese yerstreicht.^)
Die nächste Frage, ob die zwei besprochenen Kurven
gleich geformt sind, hat die Schwierigkeit, daß meistens das
Material der Psychiater nur in schematischer Form veröffent-
licht wird. Die Zahlen für die verschiedenen Altersjahre sind
selten angegeben, sondern nur der Durchschnitt von 5 Jahren.
Ein detaillierter Vergleich wird daher schwierig.
Wir haben vorgezogen, die Tabelle über das Alter de
Syphilitiker mit Guddens') großer Tabelle über das Alter
der Paretiker zu vergleichen.
Guddens Tabelle stützt sich auf nicht weniger als
2247 Fälle von genereller Parese (Männer), die auf der Charite
in Berlin, in den Jahren 1874 bis 1892 beobachtet wurden«
Trotzdem die Altersgruppen fünfjährig sind, und der Ver-
gleich daher nicht ganz genau ist, sehen wir doch auf Tabelle II
eine sehr auffiEillende Ähnlichkeit zwischen den Kurven, die
durch eine schnelle Steigung und langsames Fallen charakte-
risiert sind.
Der au&teigende Schenkel der Kurve, der die Altersverhält-
nisse beim Ausbruche der generellen Parese vorstellt, ist etwas
abgeflacht, ein Verhältnis, das man von vornherein erwarten
durfte, indem Fälle von genereller Parese, die schon wenige Jahre
nach der Infektion mit Syphilis eintreffen, bewirken, daß dieser
Schenkel der Kurve an Steilheit verliert.
*) Jespersen: 1. c. pag. 158.
') Arohiy für Psychiatrie and Nenrenkrankheiten. 1894. pag. 434.
Syphilis und Parese.
61
Tabelle II.
8y p h i 1 i t
P 8 r e • e
5
<
p. M.
(Hansen und
Heiberg)
P.M.
(Fonrnier)
p. M.
(Gadden)
11—16
16—20
21—26
26—80
81-86
86—40
41—46
46—60
61-66
66—60
61—66
66—70
Ol
15-9
391
23-7
11-4
42
2-8
1-2
0-8
0-3
0-3
02
0-2
141
39-0
243
10-1
6-4
3-0
1-8
11
0-6
0-3
Ol
0-3
49
17-6
26-3
230
13-6
8-3
33
10
04
20—26
26-80
81—86
86-40
41-46
46-60
61-66
66-60
61-66
66-70
Zwischen den Oipfeln der Kurven liegen 15—18 Jahre
(yon Anfang des zwanzigsten bis ungefähr zum vierzigsten
Jahre). Verschiedene andere dänische Untersuchungen, die Länge
dieses Zeitraums betreffend, sind vorhanden. Jespersen^)
findet, daß der Zeitunterschied zwischen Infektion mit Syphilis
und Ausbruch der generellen Parese 12 V« Jahre ist; Rohmel^)
erreicht ein ähnliches Resultat; Jacobson') findet, daß die
generelle Pai'ese im Durchschnitte drei Jahre dauert ; H e i b e r g^)
weist nach, daß aaf eine Syphilisepidemie in Kopenhagen nach
1) 1. 0. 1874. pag. 168.
>) Congr^s intern« pöriod. des sc. med. 1684. Compte renda des
travanz de la section de psych, pag. 88.
*) Bementia paretica hos Kvinden 1891. pag. 79.
*) Bevne nenrologiqne 1899. pag. 177.
62
Hansen und Heiberg.
1 5 Jahren ein Maximum von Todesfällen, veranlaßt durch gene-
relle Parese, in der Irrenanstalt in Kopenhagen vorkam.
Wir haben gemeint, daß die hier vorgenommene Unter-
suchung über die Altersverhältnisse der Syphilitiker und Pare-
tiker dazu beitragen könnte, die Aufmerksamkeit auf diesen
Punkte hinzuleiten, wodurch Anhänger der alten skandinavischen
Behauptung „keine generelle Parese ohne vorausgegangene
Syphilis" für die Verteidigung dieser Anschauung Waffen finden
würden.
-S0p.M.
-26
-20
-16
10
8
6
6
4
-2
Sraphisohs Darstellsng
der AltertverhftltniHe bei aqairirUr
Syphilis (aasgezogene Linie) nnd dem
Aosbrache der generellen Parese
(pnnktierte Linie).
Jibt ll-lS 16-20 21-25 26-30 3i-S5 S6-40 41-45 46-50 51-55 56-6I 01-15 60-70^)
Jahn 20-25 26-30 31-35 36-40 41-45 46-50 51-55 56-60 61-65 66-70')
^) Das Alter bei Akquisition der Syphilis (nach Fonrniers Ma-
ieriale von den Hospitalern — 2822 Männer).
') Alter beim Aasbrnch der generellen Parese (nach Güddens
Tabelle — 2247 Mänaer).
Naevusbilder und -BetrachtungeiL
Von
Dr. med. Josef Sehfltz, Frankfurt a./Mam.
rHiesn Taf. H— V.)
Naevi habe ich im Laufe der Jahre viele gewonnen. Das
lebend ausgeschnittene Material kam zur Fixierung in Alcohol
absolutus oder Formol, selten in Flemmings Gemisch. Die
meisten Spielarten sind darunter : Naevus spilus, N. pigmentosus,
N. yerrucosus, N. moUusciform., N. fibrosus, „Endotbelwarze^,
^weicher beerenformigerNaevus*. Kein Stück ist darunter von
Neugeborenen. Kleinere Naevi genannter Art (d. h. nicht tierfeil-
ähnliche oder systematiRierte Naevi) sah ich beim Neugeborenen
nie. Auch aas den ersten Kinderjahren habe ich keinen Naevus
zur Untersuchung bekommen. Selbst als ich mich in den letzten
Jahren um ein derartiges Exemplar direkt bemühte, konnte
ich keines erhalten. Sie kommen, scheint es, nicht zur Be-
handlung, auch nicht bei Kollegen mit Kassen-, Armen- und
poliklinischer Praxis. Leichenmaterial ohne Fixierung erschien
mir wertlos.
Die Untersuchungen verfolgten keinen besonderen Zweck.
Sie dienten zur Belehrung meinerseits und zur Yeranschau-
üchung der Literatur. Becklinghausens grundlegende
Arbeit von 1882 fand namentlich in Präparaten Belege.
Auch heute noch, nachdem, fast kann man sagen, die
allgemeine Auffassung von Dermatologen und Anatomen
sich gedreht hat, und ich die Urtersuchungen von neuem im
Sinne der vielen konsequent neue Bahnen einschlagenden
64 Schütz.
Autoren verfolgt habe, befriedigt mich nach wie vor nur die-
jenige Betrachtung des Naevus, welche im allgemeinen an dessen
endothelialer Natur festhält.
Eine historische Entwicklung der neueren Auffassungen
des Naevus darf an dieser Stelle als bekannt und überflässig
gelten. Die Einzelbeobachtungen sind so fleißig, neuartig und
auch wertToU gewesen, daß sie im Gedächtnis haften.
Aber das konzentrierte Extrakt aus denselben, unzerteilt
betrachtet, macht einen eigentfimlichen Eindruck, den wir uns
nicht beseitigen können:
Die großkernigen, eng zusammenliegenden Naevuszellen
sollen Tom Deckepithel stammen, Epithelien durch Auseinander-
rücken der Kerne, Verlust der Epithelfasem sich in NacYus-
zellen umbilden (erste Verwandlung!), darum soll der Naevus
ein Epitheliom sein und seine eventuelle maligne Entartung
ein Carcinom. Diese Epithelherkunft zeige sich im Einder-
naeyus. Auf die Dauer, beim Naevus des Erwachsenen, meta-
plasiere die Naevuszelle zur Bindegewebszelle (zweite Verwand-
lung!) So werde es klar, daß der zellreiche Naevus spilus und das
aus ärmlichen Bindegewebsfasern bestehende Molluscum fibro-
sum nur extreme Glieder einer durch viele Übergänge und
Varianten zusammengehaltenen einheitlichen Gruppe seien. Da
nun die maligne Entartung der Naevi im vorgerückten Alter
gesehen wird, so muß im Naevus des Erwachsenen behufs Ent-
wicklung zu einem Carcinom entweder der Naevuskomplex
noch epithelial geblieben sein und in seiner epithelialen Natur
auch dem Studium zugänglich sein, oder aber eine Rückwärts-
metaplasierung von Bindegewebszellen zu Garcinomepithel aus-
führen. (Das wäre eventuell die dritte Verwandlung!)
Das sind Ergebnisse, die zusammenbetrachteti von vorne-
herein Zweifel erregeu, und da wo ihre Wahrscheinlich-
keit auf Vorgänge sich stützt, die sonst in der Pathologie und
im nicht embryonalen Gewebe keine ausgemachte Geltung
haben, dagegen bewährten Anschauungen zuwiderlaufen, in
sehr gezwungener Darstellung erscheinen.
Der Naevus hat für sich selbst einen Überfluß von
Interesse nie gefunden. Er war lange Zeit geradezu ver-
nachlässigt trotz seiner Eigenart. Cui bono? fragt man un-
^iävnsbilder und -Betrachtangen. ^5
willkürlich bei der neuen Richtung der mit Interesse sich
stützenden UntersuchungCD. Die Antwort ergibt sich von selbst
aus den Folgerungen der Untersuchungen. Es ist die Förderung
der Krebsätiologie, welche dem bisherigen Aschenbrödel in
der Pathologie Beachtung erwirkt hat.
Da es aber nichts weniger als bewiesen ist, daß die
Mehrzahl der aos Naevis entstandenen Geschwülste keine Sar-
kome sind, und wenn einmal in einem seltenen Fall ein Gar-
dnom aus einem NacTUS entstand, dieses Garcinom nicht vom
gewöhnlichen Epithel der Decke oder der Drüsen sich her-
leitete, so ist der von der neueren Beobachtung gewählte
Standort wenig geeignet.
Betrachten wir daher den Naevus, wie es nunmehr sein
Interesse verdient, um seiner selbst willen.
Figur 1 u. 2 zeigen Übersichtsbilder von weichen Naevis,
wie sie meist zur Exstirpation kommen, wenn wegen ihrer
Ausdehnung die Elektrolyse zu langsam Torankommen würde.
Es ist jene Form, die als NacTus spilus oder bei erhabener,
zerklüfteter Oberfläche als beerenförmiger weicher Naevus am
häufigsten die Hilfe des Arztes verlangt. Man sieht bei der
schwachen Vergrößerung deutUch -die eigentümlich verästelte
baumschlagähnlich gezeichnete Gruppierung der Ballen und
Stränge der Naevuszellen. Das helle Geäste entspricht mehr
oder weniger breiten Bindegewebszügen. Diese scheiden die
größeren Zellklumpen. In letzteren sind bei genauerem Zusehen
eben£Edls wieder bindegewebige Septen zu sehen, welche kleinere
Zellhäufchen gruppieren und so fort. So sieht man schon bei
schwacher Vergrößerung, daß die ganze Zellanlage etwas
ungemein Gharakteristisches hat, das seinesgleichen nicht
wiederfindet. Ohne anamnestische Aufklärung ist man mit
einem Blick im stände, ein mikroskopisches Präparat sicher
als Naevus zu diagnostizieren. Das ist eine sehr zu würdigende
Eigenschaft des Naevus, an der man nicht ohne Vormerkung
vorbeieilen sollte. Ohne anamnestische Anhaltspunkte habe ich
Fachleute nach eingehenden Beobachtungen Lupus hypertro-
phicus iür echtes Garcinom, Syphilisprodukte für Lupus und
umgekehrt halten sehen. Ist aber der ausgebildete zellenreiche
Naevus so prägnant, dann darf man aus einem Vergleich des-
Areb. f. DermAt. n Syph. Bd. LXIII. 5
66 Schütz.
selben resp. aus seiner relativen Unähnlichkeit mit sonstigen
epithelialen Wucherungen gutartiger wie bösartiger Natur
schon den Schluß ziehen, daß die Anordnung der NaoTuszellen
nicht genau dem entspricht, was sonst bei Epithelien Sitte ist.
Ich habe gerade aus Photogrammen, die das Auge ruhig beim
Vergleich yerweilen lassen, diese Kontraste lebhaft empfunden.
Hierin erblicke ich gegenüber den nicht zu verkennenden
Mängeln photographischer Darstellung histologischer Präparate
einen wertvollen Vorzug der Mikrophotographie. Wir sehen
femer bei Fig. 1 u. 2, daß an der Basis der Geschwulst die
Zellherde spärlicher und die Bindegewebsstränge stärker sind.
Nach gewöhnlicher Vorstellung entsprechen solche Stellen
höherem Alter, also dem Ort der Entstehung. Es stimmen
hierfür selbst die Anhänger der epithelialen Genese, wenn sie
sagen, daß beim fertigen Naevus die Geschwulstzellen von
unten nach oben wachsen.
In einer ganzen Reihe von Fällen konnte ich nun einen
Zusammenhang der Ausbreitung der Naevusherde mit dem
Verlauf der Blutgefäße dartun. Es war dies umso leichter,
als die Gefäße, entgegen dem häufig beschriebenen normalen
Verhalten, in recht vielen Naevis erweitert sind.
Dieser Zusammenhang wird schlagend bewiesen durch
Stellen, wie sie in Fig. 3, 4, 5 wiedergegeben sind und die
nichts weniger wie etwas Seltenes darstellen. In Fig. 3 ist das
betreffende längsaufsteigende Gefäß dreimal angeschnitten zu
sehen und ohne weitere Beschreibung in seiner Anordnung
aus der Art der betreffenden Lumina zu verfolgen, eine sehr
charakteristische Stelle.
Nicht minder deutlich ist Fig. 4, in welcher ein Gefäß
auf langer Strecke längsgeschlitzt ist, dann im oberen Teil des
Bildes seinen weiteren Verlauf durch grade aufsteigende Zell-
stränge verrät.
Nach Besichtigung von Fig. 3 und 4 ist dann auch Fig. 5
verständlich. Letztere Figur bildet gewissermaßen den Über-
gang zu den gewöhnlichen Naevusbildem und zeigt, wie man
die so eigenartige Anordnung der Naevuszellen in Strängen und
NäYütbilder und -BetrachtangeB. G7
Klumpen aufzufassen hat, auch wenn man nicht jedesmal
starke Gefaßbäume unmittelbar dabei gewahrt.
Im Detail entspricht die Ausbreitung der Naevuszellen
den im Bindegewebe präformierten Lymphräumen, und da diese
in einer gewissen Abhängigkeit von den Oefäßbäumen sind,
so erklärt sich der Aufbau der Naevuskomplexe in seiner
inneren Anordnung auf das Einfachste.
Aus den Fig. 1 und 2 wie 3 bis 5 erkennt ferner der
unbefangene Beobachter, daß die AnlehnuDg entlang der Ge-
fäße und Verbreitung in den Lympfräumen bald Längs- bald
Querschnittansichten der Naevuszellkomplexe in Übersichts-
bildem hervorbringen muß.
Bei stärkerer Vergrößerung gewahrt man dann, daß die
Längsansichten (sog. Zellstränge), wie Fig. 6 zeigt, dunkler
tingierte und verhältnismäßig kleinere, enger aneinander-
stoßende Zellkerne besitzen, während in den oft unmittelbar
danebenliegenden Queransichten (sog. Ballen oder Epithel-
blöcken) die Kerne und Zellen größer und weniger tingibel
sind, wie es Fig. 7 zeigt.
Je größer die Epithelblöcke, je näher dem Deckepithel
sie gelegen sind, umso größer erscheinen die Kerne, umso
runder imd blasser die Naevuszellen.
Verfolgt man die Naevuszellen mit Immersion, so konjmt
man zu der räumlichen Vorstellung von relativ platten rund-
lichen Zellen, welche nicht wie weiche protoplasmatische
wuchernde Epithelzellen eine vorwiegend kubische Gestalt haben,
sondern von der Seite, mehr oder weniger längs, betrachtet
als Tiefenwirkung stärker tingiert erscheinen, ihrem stereo-
metrischen Verhalten nach mit den Kernen mehr oder weniger
aneinanderrücken und aus der runden in eine längliche Form
übergehen.
Mitosen sind in denselben nirgends anzutreffen, dafür
aber verhältnismäßig viele Zellen mit 2 und mehr Kernen,
die hie und da echte Riesenzellen darstellen (Demieville),
(Nävoplaxe Unnas), Kerne mit direkter Kernteilung in Semmel-
form und dementsprechend achtförmig eingeschnürten Proto-
plasma, wie ich sie in Fig. 8 festgehalten habe, Dinge, die
lebhaft an die Bilder erinnern, die W. Tonkoff („über die
6*
68 Sohüts.
Tielkernigen Zellen des Plattenepithek, Anatomischer Anzeiger
XYI. Bd. 1899, pag. 256) Yon den £ndothelien der Serosa
beim Tier zeidmeU Da auch die flache Gestalt, der große
Kern, die mangelnde Zwischensubstanz zwischen den Naevns*
Zellen kleinster Komplexe Endothelverhältnissen entspricht,
80 halte ich die Naemszellen für Abkömmlinge des Endothels
und aus genannten Gründen nicht für Abkömmlinge des Deck-
epithels.
Die bindegewebigen Septen entstehen aus den Zellen des
zwischen den Naeyuskomplezen liegenden Bindegewebes, deren
schlanke, langgestreckte Kerne, wenn auch spärlich, sich zwischen
den schmälsten NaeYuszellsträngen nachweisen lassen (siehe
Fig. 8). Dasselbe gilt von den elastischen Fasern.
Die elastischen Fasern (Fig. 9) umspinnen die soliden
Naeyuszellstränge, so daß sie die Epithelblöcke (in der Qaer-
ansicht) wie eine Domenkrone umringen, die längsziehenden
„Epithelstränge^ aber als parallele Reiser begleiten. Mit
Immersion yerfolgt nehmen sie außer dieser gröberen Grenz-
einscheidung noch Gelegenheit, proportional mit der Ent-
wicklung des Bindegewebes an dem feineren Septenbau im
Inneren der größeren und kleineren Naevuszellenkomplexe sich
zu beteiligen. An den quergetroffenen Epithelblöcken kann
man sie in ihrer feinsten Verbreitung oft zwischen den schein-
bar doppelt konturierten hellen Begrenzungen der NaeYuszellen
an ihren gleichmäßig runden, punktförmigen Querschnitten
erkennen. Hieraus wieder ist ein Beweis ffir die Zwischen-
lagerung Yon Bindegewebe gegeben, wo die bloße Tinktion
des Kollagens nach yan Gieson nicht ausreicht. Und so
kommt man zu dem Schluß, daß die Komplexe der ohne
Zwischensubstanz an einander liegenden Naevuszellen recht
klein sind, so daß man irregeführt werden kann und glauben
könnte, die Naeyuszellen selbst würden Bindegewebe produzieren.
Über das Deckepithel kann ich mich kurz fassen. Da
wo große, mnde, blasse Naeyuszellen in Blöcken und aufstre-
benden Strängen nahe an es heranreichen, ist der Papillar-
körper yerstrichen, das Rete in seiner Ausdehnung nicht
hypertrophisch und manchmal sehr reduziert. Nur in mehr
oder weniger großen Abständen sendet das Bete pallisaden-
Niynsbilder und -Betrachtungen. 69
artige hypertrophische Ausläufer in die Tiefe, die sich gahehi
und konfluieren können, um wie Scheidewände den NaeTus ab-
zuteilen oder ganze Naevuskomplexe zu umschließen. Wo die
Homschicht Einziehungen zeigt, entsprechen solche yerlängerte
Beteleisten rudimentären, in anderen Fällen yermehrten An-
bildungen von Talgdrüsen oder Haaranlagen. Wo die Bete-
leisten in welligem Zuge dahinziehen, pflegen dicht unter
ihnen die Naevuszellen in parallelen Zügen zur Oberfläche an-
geordnet zu sein. Alle diese Verhältmsse in ihrer Vielgestaltig-
keit erklären sich aus dem ungleichen Wachstumsdruck.
Mitosen und Wanderzellen finden sich im Bete durchweg
seltener wie unter phTsiologischen Bedingungen. Für eine
Epithelproliferation im Maevus des Erwachsenen fand ich keinen
Anhalt
Unmittelbar unter den Basalzellen des Bete erscheint
fitets eine schmale oder breitere Zone in metachromatischer
Färbung. Obwohl auch bei Präparaten anderer Provenienz
ähnliches vorkommt, ist die kontrastierende Färbung beim
Naevus besonders auffallend.
Sie erscheint:
violett in Methylenblau-Glyzerinäther-Präparaten,
grün „ „ -Tannin- „
rot „ Pikrinsäure-Fuchsin- „
rosa „ Wasserblau-Pikrinsäure-Saffranin-Präparaten.
rosa „ nach van Gieson gefärbten „
blau 9 Eosin Methylenblau-Glyzerinäther- „
Bei der Mehrzahl der Tinktionen ist die genannte meta-
chromatische Farbennuance ein abgeschwächter leicht ver-
änderter Ton der jeweiligen Farbe, welche das Kollagen an-
nimmt.
Bei unfreiwilligen Färbungen des Fibrins fand ich, daß
die Zone jener metachromisierenden Färbung übereinstimmt mit
der örtlichkeit, in der reichlich Fibrin auftritt und leicht sich
färbt. Das Fibrin erscheint in Strängen, die von den Epithelzellen-
Bäumen abwärts herunterziehen über die Papillen, mächtiger und
70 Schütz.
mächtiger anschwellend, und schließlich durch Konfluieren im
Bubpapillaren Teil ein dichteres Geflecht bilden.
Das Pigment findet sich höchst unregelmäßig verteilt
örtlich wie überhaupt. Schon darum hat es mit der Genese
des Naeyus nichts zu tun. Es findet sich 1. in den Zellen der
Schleimschicbt als feine Körnchen innerhalb und in langen
Kömerreihen hinziehend auch außerhalb, zwischen den Epi-
thelien, am häufigsten und stärksten in der Basalschicht;
2. in den Naevuszellenherden ebenfalls in den 'Zellen selbst
wie zwischen denselben in Kömerreihen vordringend ; außerdem
sodann 3. in dem Bindegewebe, namentlich dem Bindegewebe
zwischen Kaevusherden und anstoßenden Epithelien, oft als
dunkle Schollen imponierend, in Wirklichkeit aber Ehr-
mannschen Melanoblasten (Cbromatophoren, Langerhanz-
schen Zellen) angehörend, deren Kerne man an günstigen
Stellen oder nach Bleichung mit H^O, hervortreten sieht. Die
8ub 1 und 2 genannten Kömerreihen sind als Ausläufer
der Melanoblasten festzustellen, die Epithel und Naevus-
zellen in gleicher Weise mit Pigment versorgen. In den
tieferen BiDdegewebsschichten begleitet das Pigment die Ge-
fäße bezüglich deren Adventiaräume. Auch in den ober-
flächlichen Pigmentansammlungen sind oft Beziehungen zu der
Gefaßanordnung unverkennbar. Das Pigment gibt keine Eisen-
reaktion mit Ferrocyankalium, seine Topographie zeigt aber
aufs Blut.
Die Melanoblasten kopieren in Gestalt und Gebarien
getreulich die im Naevus eben&Hs reichlich vorhandenen Mast-
zellen. Indessen sieht man bei Färbung mit polychromem
Methylenblau, namentlich wenn man der Farbe eine Spur
eines Eisensalzes z. B. Ferrosulfat zusetzt, nach Entfärbung
in verdünntem Glyzerinäthergemisch die beiden Zellarten oft
dicht nebeneinander scharf tinktoriell dififerenziert in einem
Sehfeld: rotkörnige Mastzellen mit blauem Kern und grün-
körnige Melanoblasten mit blauem Kern. Eine andere Doppel-
farbung erhielt ich in einem Schnitt, der in schwachem Pyro-
gallussäure- Wasser gebeizt, in Wasser ausgewaschen in Gabetts-
saurer Methylenblaulösung gefärbt, nach Auswaschen in Wasser
NäyaBbilder und -Betrachtungen. 71
in Gabetts Fachsinlösung kurz verweilte und nach fernerem
Waschen in Wasser mit alkoholisch-wässriger Pikrinsäurelösung
behandelt wurde. Hier erschien das Pigment und die Melano-
blasten braun ^), die Mastzellenkörnung grün bei rötlichen
Kernen. Übergänge zwischen Melanoblasten und Mastzellen
habe ich nicht entdecken können. Bei aller Ähnlichkeit kommt
beiden also Selbständigkeit zu. Eine Mastzelle gerät nie ins
Epithel!
Die Mastzellen, allenthalben bekannt als Begleiter der
Gefäße und bindegewebiger Züge, befinden sich oft grade
zwischen den großen runden blassen Naevuszellen. Wieder ein
Beweis, daß die NaeTuszellen nicht ein Epithelparenchym dar-
stellen, gleichzeitig auch wieder ein Beweis dafür, daß die
Architektonik der Naeyuszellkomplexe der Gefaßanordnung
folgt. Was die Form der Mastzellen anlangt, so kommt in der
Nähe des Bete mehr die langgestreckte Form mit kömigen
Ausläufern, in der Nähe der Gefäße und im Zentrum des
Naevus häufig die rundliche Form mit homogener Hüllplatte
Yor. Im Zentrum der kleinen Geschwulst, wo die größeren
Gefäße sind, sind die Mastzellen am reichlichsten, nicht an der
Grenze des Epithels oder der Naevuskomplexe.
Sonst ist vom Bindegewebe zu erwähnen, daß das Kollagen,
wo Naevuszellen auftreten, seine Färbbarkeit teilweise einbüßt
z. B. statt rot graublau erscheint im Hämatoxylineosinpräparat
Außer den bereits beschriebenen schlanken Bindegewebszellen,
welche man zwischen den Naevussträngen findet, sieht man nur
noch die großen feingranulierten ovalen oder polygonalen Binde-
gewebszellen, nirgends Rund- bezüglich Plasmazellen mit rad-
formigen Kernen und dunklen radiär gestellten Chromatin-
gerüst darinnen. Entzündliche Vorgänge sind also auszu-
schließen im Naevus.
Schließlich hätte ich der „direkten Übergänge' zu gedenken
von Naevuszellen zu Epithelzellen, wobei unter Auseinander-
rücken der Kerne und Verlust der Epithelfasem eine Um-
bildung der Epithelzellen zu Naevuszellen sich vollziehen solL
^) Wie schon Ehr mann angab, sieht man eine Grünfarbnng der
Pigment kömer manchmal in Methylenblaapräparaten.
72 Sohütz.
Derartige scheinbare Übergänge findet man bei einzelnen
Naevis gar nicht, bei andern häufig.
Diese Übergänge, so beweiskräftig und täuschend sie
manchmal zu sein scheinen, beruhen auf einer schrägen Schnitt-
richtung und einer durch örtlich gesteigertes Wachstum tou
Reteleisten und Naevusherden hervorgerufene Druckwirkung mit
Ödemerscheinungen.
Das Auseinandertreten der Kerne der Epithelzellen an
der Berührungsfläche ist der Effekt einer schrägen Schnitt-
ebene, welche nicht senkrecht durch Basalzellen^ sondern
schräg durch höhere Zellagen einer meist verlängerten Rete-
leiste Terläuft.
Das Verschwinden der Epithelfasem, das stets unyer-
mittelt nur bei den äußersten Epithelzellen an der Kontakt-
stelle auftritt, beruht auf einer Druckwirkung, wodurch die
Epithelzelle ausgefiranst erscheint, namentlich, wenn man recht
feine Schnitte vor sich hat
Das Verlieren der Epithelfasem unter solchen Bedingungen
ist keine ausschließliche Eigentümlichkeit des Naevus, sondern
ist bei vielen mit raschem Epithelwachstum oder Ödemerscheinun-
gen komplizierten Prozessen zu sehen. Sehr schön sah ich es an
Schnitten Ton Frambösia syphilitica, bei welcher das Epithel
in mächtigen Zügen in die Tiefe drang. Es geht nicht an,
beim Naeyus, wo zwei an und für sich ähnliche Zellarten an-
einandergeraten, deren einheitliche Verschmelzung auf Grund
so plötzlich einsetzender histologischer AusÜEdlserscheinungen
herzuleiten. Wie oft findet man neben einer solchen Stelle
eine andere analoge, an der wie zur nötigen Erklärung eine
trennende Bindegewebsschicht zu sehen isti Würden genannte
direkte Übergänge wirklich die allgemeine Genese der Naevus-
komplexe verbürgen, so wäre dieser Modus sicherlich viel aus-
gedehnter und leichter nachzuweisen. Außerdem liegt die
exakte Beweisführung für eine solche Genese demjenigen ob,
der sie annimmt, und diese läßt sich überhaupt bai der Ähn-
lichkeit der in Frage kommenden Zellen zwingend nur dadurch
gestalten, daß man tinktoriell Endothelzelle und Bindegewebs-
zelle von einer Epithelzelle unterscheiden lernt. Die Rekon-
Navnabilder nnd •Betraehtangen. 73
struktion nach Schnittserien beweist nichts mehr und nichts
weniger als was man anch im Mikroskop sehen kann beim
N a e y u 8.
Die ans den Naevis henrorgehenden Geschwülste bedürfen
einer Beurteilung ad hoc im Einzelfall und unterliegen keiner
generellen Aburteilung, es sei denn auf statistischer Basis.
Daß amitotisch sich teilende Zellarten unter yeränderten
Lebens- und Emahrungsbedingungen wieder in indirekter
Kernteilung proliferieren können, habe ich bereits früher (dieses
Archiv LXII, p. 94) henrorgehoben.
74 Schfitz.
ErkUrang der Abbildungen anf Ta£ 11-- V.
Fig. 1 n. 2. Beerenf5rmiger weioher Naevns des Erwachaenen.
Alkoholhärtang. Fuchsinpikriiuäare-Prftparat. Apochromat 16 mm. Pro-
jektionsokular 2. Vergröß. 66, wie bei einer mikroskopischen Beobachtung
mit KompensatioDBoknlar 4 durch den Eameraanssug abgestimmt. Diese
Abstimmung wurde auch bei den folgenden anderen Vergrößerungen ein-
gehalten. Übersiohtsbilder über die Verbreitung der Naevussellen.
Fig. 8, 4, 5. Beerenformiger weicher Naevus. Dieselbe F&rbuog
und Vergrößerung. Naevnszellenkompleze in Beziehung zum Gefaßverlauf.
Fig. 6. NacTus spilns. Lithionkarminpr¶t. Apochromat 8 mm,
Projektionsokular 2. Vergr. 180. Naevuszellen in Strängen.
Fig. 7. Dasselbe Pr¶t Apochromat 4 mm. Proj.-Okal. 2.
Vergr. 266. Naeyuszellen in Strängen und Ballen nebeneinander.
Fig. 8. Weicher Naevus pigmentosus. Polychrom. Methylenblan-
Tannin-Präparat (Monatsh. f. prakt. Dermatol. XIX. pag. 400). Immers.
Apochromat 2 mm. Proj.-OkuL 2 mm. Vergr. 620. Amitotische Kern-
teilung in Naevuszellen bei a, Kerne in Semmelform, Einkerbung der
Zellmembran. Im zwischenliegenden Bindegewebe langgezogene Binde-
gewebskeme bei b.
Fig. 9. Naevus spilus. Saures Orcein-Methylenblau-Tannin-Prft-
parat. Apochromat 8 mm. Proj.-Ok. 2. Vergr. 130. Elastische Fasern
einen Block Naevuszellen circulär umspinnend, Ausläufer ins Innere zu
den Bindegewebssepten sendend.
Archiv f. Dermatologie u Syphilis Bar^d IXUI.
I
Schulz : .Naenisbilrter und Bctrai'hluiiqcn
Archiv f. Dermatologie u.Syphilia Band UUD.
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Fig-S. /^
Schütz : Naevusbilder und Betraehmnfjen
Archiv f.Dermatologie U.Syphilis Band LXin.
Schützr Naevusbtider und Bptrachnmgen
Archiv tDermalologieu Syphilis Bond LXHI.
ScHütz: NaevuabiWer und Betrachlungen
Au der k. k. dermatologisohen üoiyenit&tsklinik des Hofrathes
Prof. Dr. Zaposi in Wien.
Ueber ein eigenartiges Krankheitsbild
von Keratosis verrucosa.
Von
Dr. St. Weidenfeld,
AMistenten der Klinik.
(Hiezu Taf. VI u. VII.)
In der Wiener dermatologischeD Gesellschaft (23. Octb. 1901)
habe ich zwei Fälle (einen in einer Moulage) von einer eigen-
artigen Hauterkrankung vorgestellt, die meines Wissens nach
noch nirgends beobachtet wurde. Symptome, die beide dar-
boten sind so prägnant, ihr Aussehen dabei so eigenartig, dass
wir es hier wohl mit einem gut umschriebenen Erankheits-
bilde zu thun haben. Die Krankengeschichten beider Fälle sind
folgende :
I. Fall: N. A., 62 J., Taglöhner, verwitwet. 28. März 1899. Die
Krankheit besteht seit vier Jahren.
Stat. pras. vom 29. März. An den Vorderflächen, tbeilweise auch
den Seitenflächen der unteren Extremitäten und die Unterschenkel vom
unteren Patellarrande bis zum Sprunggelenke circulär umgreifend finden
sich gleichförmige Efflorescenzen: hanfkorngrosse, den Follikeln zum
Theil entsprechende und meist von einem Haare perforirte Knötchen
derber Gonsistenz mit unregelmässig rauher Oberfläche. Die Rauhigkeit
der Oberfläche ist bedingt theils durch fein abblätternde Homschüppchen,
theils durch tiefere porenartige Stellen. Die Farbe der Knötchen variirt:
an den unteren Partien ist sie blass, nicht verschieden von der Farbe
der fibrigen Haut, nur weisser erscheinend durch die auflagernden Schüpp-
chen; höher oben ist der Farbe der Efflorescenzen ein blassrotber
Farbenton beigemischt.
Viel deutlicher tritt diese blassröthliohe Farbe an zwei der Vena
saphena major entsprechenden, streifenförmig (an der Innenseite des
76 Weidenfeld.
Obenohenkels) ziehenden Herden hervor. Hier, gleichwie an den unteren
Partien, sind die Efflorescensen gleichmftssig dicht gedrängt, jedoch
weniger stark prominent, kleiner, nnd sind leicht roBenfarhen oder mehr
röthlicbgelb; ihre Oberfläche ist weniger keratinisirt, demgemäss weniger
schuppend, anch nicht so kreidigweiss. An manchen Stellen leigen die
Efflorescensen Conflaenz und Anordnung in Streifenform.
Am Stamme findet sich deutlicher Liehen pilaris, durch besondert
groeee, durch die Arrectotes pilorum erseugte Prominensen charakterisirt.
Derselbe ist nicht kegelartig und kleinstippchenformig, sondern seigt
mehr plane Knötchen.
An den unteren Extremitäten finden sich mehrere Ezcoriationen
und mit Krusten bedeckte Stellen, an denen Eiterretention besteht.
Die Lymphdrflsen ausserhalb des Ligamentum Pouparti sind,
namentlich links, stark geschwollen, derb, von einander und der gesunden
Haut abgrenzbar und abhebbar, nicht schraerzhafb. Im Munde nichts
Abnormes wahrnehmbar. Ther. : Salicyipflaster auf die excoriirten Stellen.
l./iy. 1899. Zinci ozyd. 2*0, Epidermin »0. 18. Mai 1899. Pai. wird
gebessert entlassen.
Am 8./yL desselben J. sucht er neuerlich das Spital auf.
Stat präs. vom 9. Juni 1899. Das Bild der AfTectionen des Unter-
schenkels ist bis auf den Umstand, dass zahlreiche Krusten und Elxcoriati-
onen hinzugetreten sind, das oben beschriebene. Ueber der rechten Patella
sitzt ein noch etwa 15 Gm. auf den Oberschenkel weitergreifender,
schmerzhafter, etwas gerötheter, derber Tumor. Ther. Liq. Burowi.
27./yi. Kautschuk, emplastrum salicyl. T./Vu. Am linken Unter-
schenkel Umschläge von Solutionis Fowleri, aquae destillatae aa partes.
12./VII. Application von Arsenikumschlägen auf beide Unterschenkel.
Man sieht nach ötägiger Anwendung, dass fast sämmtliche warzenähnliche
Gebilde herausgefallen sind. An deren Stelle befinden sich linsengrosse,
kraterformig vertiefte, von einem epidermoidalen Saum umgebene Sub-
stanzverluste, welche unregelmässig begrenzt, seicht, und mit einem
grflnlich-gelben Belage ausgekleidet sind. In der Umgebung ist die Epi-
dermis aufgelockert, macerirt, die Haut in toto gequollen, die Falten sind
ausgeprägter. 14./Vn. Der linke Unterschenkel wird mit Borsalbe ver-
bunden. 16./VU. Soweit als die Umschläge gemacht wurden finden sich
an vielen Stellen, an denen früher sich die Warzen befanden, kleine
grünlich- gelbe, neutral gelegene Schorfe, umgeben von einem Epidermis-
saume, oder die ganze Warze ist exfoliirt und an Stelle deren eine kleine
kraterformige schmutzig-grünlioh-gelber, mit Eiter bedeckter Substans-
verlusL Zudem besteht leichte Röthuog. 17./V11. Erneuerung der Appli-
cation von Arsenikumschlägen (am rechten Unterschenkel). 2d./VlI. Ein-
pinselungen mit Theer, hierauf 207o Salicyipflaster. 25./Vn. Arsenikum-
schlage fortgesetzt. 27./yn. Verband mit Pflaster: Kaliarsen 4*0, Empl.
sap. salic. 400*0. 28.|yiL wird Pat. gebessert entlassen (siehe Figur 1
und 2).
Keratosis verrucosa. 77
Anfangs 1900 kommt Patient neaerlich in unsere Behandlung mit
folgenden Krankheitabilde :
An beiden Unterschenkeln finden sich zahlreiche, dicht gedrängte,
linsen- bis erbsengrosse, Striche oder Kreisbogen bildende, weissgraue,
papalöse Efflorescenzen, die mit festhaftenden, sehr dünnen Schüppchen
bedeckt sind. An den Hinterflächen der Oberschenkel bestehen viele
Efflorescenzen von gleichem Aussehen. Zwischendurch sieht man strich«
formige Ezooriationen oder auch tiefergreifende punktförmige, von starkem
Entzündungsherde umgebene und mit schwarzbrauner Borke gedeckte,
sowie etwa kreuzergrosse EfSorescenzen. Stamm, Arme, Fusssohlen sind
von diesen EfBorescenzen frei.
Neaerlich stellt sich Patient zur ärztlichen Behandlung am 29^X1.
desselben Jahres bei uns ein.
Stat. präs. dO/XI. Beide Unterschenkel sind vier Querfinger unter-
halb des Kniegelenkes bis zum Sprunggelenke besetzt mit warzigen,
schmutzigbraanen, drüsigen, fein papillären, porösen, sich derb anfühlenden
Gebilden besetzt, die sicherlich den Homschichten entsprechen. Es besteht
Jacken, dementsprechend etliche Excoriationen und impetigoartige Pusteln
zn sehen sind. Therapie. Liq. Burowi, dann Salioylpflaster. In der Folge
werden versucht: Kali causticum zu Umschlägen und zur Betupfung mit
nachheiiger Anwendung von emplastrum salicylioum; Arsenpflaster;
Pyrogalluspflaster.
Am 28./XIL finden sich am Rumpfe und an den Extremitäten,
insbesondere auf den Streckseiten der unteren Extremitäten zahlreiche,
theils erhaltene, theils zerkratzte Urtieariaqnaddeln. Da im Harne be-
deutende Mengen Albumens nachgewiesen werden und die Diagnose auf
Nephritis gestellt wird, wird er auf Milchdiät gesetzt.
Am 22./I. 1901, da Patient entlassen wird, bietet er folgenden
Status: Die Efflorescenzen auf den Unterschenkeln zeigen jetzt eine
bläuliche Verfärbung. An zahlreichen derselben bemerkt man kleine, punkt-
förmige Hämorrhagien mit zierlicher Zeichnung. Einzelne der Knötchen
schuppen oberflächlich oder sind mit feinen Krusten bedeckt. An den
Oberschenkeln sind die Efflorescenzen viel kleiner, nicht so dicht und
nehmen eine handtellerbreite Fläche ein, die sich am Uebergange der
inneren und vorderen Oberschenkelfläche befindet Die einzelnstehenden
Knötchen sind nicht central von einem Haare durchbohrt, sondern dienen
mit ihren Seitentheilen dem Haarfollikel zur Passage. Ausserdem finden
wir eine Menge abgeheilter Stellen in Form von Narben oder von abge-
grenzten braunen Pigmentirungen. Am Abdomen und Rücken sind zahl-
reiche punkt- bis linsengrosse, aufgekratzte Excoriationen. Der Harn ist
eiweissfrei. Patient lag unter analogen Yerhältnissen noch vom 14./iy.
bis 29./y. 1901 und vom 31./V1I. bis 6./yiir. 1901 auf der Klinik.
Mikrotkopitche Untersuchung :
Bei schwacher (Figur 1) Vergrösserung sieht man: Das Rete be-
deutend verbreitert und zwar beginnt die Verbreiterung an der Peripherie
78 Weidenfeld.
and erreicht gegen die Mitte zu die st&rkste Dicke. Die Verbreiterung
betrifft sowohl die snbpapillären Antheile der Epidermis, als die Epi-
dermisfortsfttze selbst, letztere stärker. Die Epidermisfortsfttze theilen
sich in einzelne Zapfen in der Anzahl von 2 — 3, wodurch dann Papillen
zweiter Ordnung gebildet werden. An den mittleren Zapfen wird die
Theilung lebhafter, indem von der Peripherie gegen das Centrum all-
mälig Theilung eintritt. Auf diesem ge wucherten Bete befindet sich nun
eine dicke Homlage, die von der Peripherie gegen das Gentrum an Dicke
zunimmt, nach aussen convex ist und gegen das Rete zu Falten aufweist.
Vom Rete setzt sich diese Hornlage durch einen ziemlich breiten Streif
scharf ab.
Am Hämatoxylin-Eosinpr¶te ist dieses sonst blau gefärbte Hom-
knötchen durch lichtere Stellen unterbrochen, die zum Theile von Schweiss-
drüsenausfährungsgängen durchsetzt werden, zum Theile mit und als Fort-
setzung von ähnlichen farblosen horizontal verlaufenden Stellen im Stratum
comeum zusammenhängen und yon keinem anderen Gebilde durchbohrt wer-
den. Die Oberfläche dieses Knötchens zeigt Auffaserung der oberen Schichten,
die eingerissen und nach oben umgekrämpt erscheinen. Der Papillarkörper
repräsentirt sich in zwei Formen : Das eine Mal in grossen, plumpen, nach
oben abgerundeten Papillen, das zweite Mal in handschuhförmigen,
zwischen den ersteren gelegenen, entsprechend den oben beschriebenen
secundären Epidermisfortsätzen. Ueber zwei central gelegenen Papillen
sieht man Höhlenbildnngen, die zum Theile mit einer Masse autgefällt
wird. Die Gefasse der Papillen sind erweitert und erscheinen als grosse
Oanäle oder Querschnitte dieser; in einzelnen Gefässschlingen sieht man
Blut. Auch das subpapilläre Gefassstratum zeigt etwas ausgedehnte Ge-
fasse. Ausserdem finden sich wohlausgebildete musculi arrectores pilorum.
Starke Yergrösserung (siehe auch Figur 8).
Die Zellen des Rete malpighi zeigen keine Abweichung von der
Norm. Sie sind polygonal mit bläscheDförmigem, gut farbbaren Kerne.
Die Intercellularräame sind vielleicht etwas erweitert. Gegen die Basis
zu werden die Zellen cubisch oder cylindrisch. Bilden die Epidermis-
zapfen secundäre Zapfen, die nur aus einigen Zellagen bestehen, so
strecken sich die Zellen und werden spindelig. Bei breiteren Zapfen
jedoch findet man neben den spindeligen Zellen auch polygonale.
Unter den Basalzellen finden sich mehrkemige; hie und da auch
eine Theilungsfigur. Ausserdem findet man, besonders am Abgange der
secundären Epithelzapfen, Epithelkugeln, in denen die centralen Zellen
polygonal sind, die peripher angrenzenden plattgedrückt, erstere hüllen-
artig umgeben. Innerhalb dieser Kugeln findet man hie und da ein
rothes Blutkörperchen oder einen Leukocyten. An anderen Epithelkugeln
sieht man den centralen Theil von Zellen erfüllt, die keine Kerne auf-
weisen und sich nur als Protoplasmakugeln repräsentiren. (Milienformen.)
Blutkörpercheu findet man auch sonst in den Basalschichten des Rete,
mitunter auch in grösseren Haufen.
Kermtotii TerrucoMu 79
lob schlieese hier gleich die Anftiomie det Papillarantheiles
aiL Die großen Papillen sind nicht an allen Stellen gleich. Gewöhnlich
sind die Piqsillen plamp, die Bindegewehebflndel sind Terbreitert and
ziemlich lahlreich Ton ipindeligen Zellen dnrehietst Die Gapillaren und
erweitert, mit Blot gefallt, üeber der einen nnd anderen Papille er-
scheint das Bete sa einem raprapapillaren BUechen abgehoben. Solche
Bläschen finden sich im Centmm des Endtohens, aber aach am Bande;
oft nnd deren Ewei oder dreL Die BliM)hendecke wird gebildet von dem
stark yerdiinnten Bete nnd der darnberliegenden, das Knötchen bildenden
Homsabstana. Die Basis dee Bläschens bildet die Koppe der Piqfiille.
Der Blftscheninhalt ist som grössten Theile eine feinkörnige Sabetanz,
die sam Tbeil zo feinsten Fftdchen dorchsetst wird. Sie lässt zwischen
sieh Hohlräome yon höchst anregelmassiger Gontoar zurück. Zweitens
finden sich rothe Blutkörperchen, die oft in Hänfen bei einander liegen,
drittens Zellen, theils in Hänfen gelagert, thoils aach isolirt Letztere
sind sehr gross, besitzen ein sam Theile deatliches, zum Theile nicht
firbbares Protoplasma, immer aber einen sehr dentlichen, entweder
spindeligen oder ninden Kern. Sie sind sicher als Abkömmlinge der
Epidermiszellen von erkennen. An der einen oder anderen Stelle der
Bläschen sieht man abgetrennte Epidermisfortsatse hineinragen, die sich
allmälig in diese Zellen auflösen. Als Ursache for diese Lostrennang
erkennt man an den seitlichen Theilen der Blasendecke in den tieferen
Zellschichten Yerbreiternng der intracellolären Baame oder selbst looh-
formige Erweiterongen, die theilweise mit kömigem Inhalte erfallt sind.
Schliesslich findet man sowohl zwischen den Zellen als aach im Inhalte
spärliche weisse Blutkörperchen mit kleinem Kerne und schmalem Proto-
plasmasaum. Die zugehörige Papille zeigt enorm erweiterte Geftsse, die
mit Blut erfüllt sind. Ausserdem sieht man in ihrem Gewebe, das sehr
zellreieh ist, auch freie Blutkörperchen. Die Zellen haben zum grössten
Theile spindelige Kerne. Sie schliessen an die Adventitia der Gefasse
oder liegen den Bindegewebsbündeln an. Leokooyten finden sich nur
spärlich. Als ebenfalls sehr zellreich erweisen sich diese seoondären
Papillen. Auch hier findet sich die Adventitia der Gefösse verdickt und
Ton Zellen umlagert; die anderen Zellen liegen den Bindegewebsbflndeln
an. Auch die Cutis ist zellreicher. Die Gefasse sind umfasst von einem
^wei- bis dreifachen Mantel von Zellen, die sich tbeils als Leukocyten, theils
als Adventitiazellen erweisen. Desgleichen sind die Bindegewebszellen ver-
mehrt. Mitten im Gewebe in der Nähe der Gefäße findet man hie und da eine
eosinophile Zelle. Vergleicht man diesen Zellreichthum mit der Structur
der angrenzenden normalen Haut, so sieht man, dass im Allgemeinen
eine geringgradige aber deutliche Infiltration des Gewebes vorliegt. Die
Infiltration beginnt am Rande der Knötchen und bleibt in ihrer Intensität
fast flberall gleich. Die Schichten der Epidermis sind nach oben weiterhin
sehr deutlich vorhanden. Die Kerato-Hyalinschiohte ist in 4 — öfacher
Schichte erhalten. Die Kömchen sind sehr fein und sowohl im Proto-
plasma, als auch im kleinen, runden oder ovalen, geschrumpften Kerne
enthalten. Das Stratum lucidum ist bedeutend verbreitert.
80 Weidenfeld.
Die stark spindeligen Zellen, soweit sie sichtbar sind, haben
ganz undeatHche Contonren angenommen. Die Ghrenien sind Terwiseht
nnd man findet ein streifenfonniges, feinstfibrill&res aber aneh feinst-
kömiges Gefüge, wobei die Körnchen, wie auch die ganae Schichte, nicht
fUrbbar sind nnd als weisse Pünktchen glänxen. Diese Schichte hat an
verschiedenen Stellen yerschiedene Dicke (siehe anch Fignr 2) nnd ittgt
ampnllenf5rmige Erweiteningen.
Die n&chste Schichte (Stratum comenm) stellt eine compacte Masse
dar, die sich mit Eosin f&rbt. Die Zelloontonren sind höchst undeutlich,
so dass das Oanse fast den Eindruck einer einheitlichen Masse maeht;
an anderen Stellen jedoch sieht man undeutliche ZeUgrenaen, die die
Zellen sicher von einander differenairen lassen. Ausserdem findet man
oft an Stelle der Kerne eine Höhle oder mit Eosin deutlich geflrbta
Gebilde; das ganse Protoplasma ist gut gfeftrbt und homogen. An
manchen Stellen dagegen ist das Protoplasma feinkörnig; dann findet
man auch die Zellen ziemlich gut contourirt, die Kerne fast immer
st&bchenf5rmig ausgezogen und mit Hämatozylin gut tingirt Diese
letzteren Yerh<nisse finden sich am besten ausgebildet direct an-
schliessend an das Stratum lucidum, auch hier jedoch nicht in conti-
nuirlicher Schichte. Viele Kerne färben sich jedoch mit Eosin, dabei
sind sie von einem lichten Hofe umgeben nnd haben oft höchst aben-
teuerliche Formen, oder sind sehr gross und unregelmftssig. An manchen
Stellen fehlen die Kerne ganz und man findet hier nur Lücken.
Oberhalb der Bl&schenbildung ist die Oberbaut in Lamellen ge-
spalten und nicht tingirbar, genau wie das Stratum lucidum oder die
Stelle des Durchbruehes eines Schweissdrftsenausführungsganges. Die
Lamellen sind von einander durch Spalten getrennt. Die diese Lamellen
zusammensetzenden Zellen lassen mitunter noch deutliche Oontouren
erkennen nnd zeigen noch weit in die oberen Schichten hinauf feinste
Körnung ihres Protoplasmas und verkümmerte, stftbchen* oder komma-
förmige, mit H&matozylin sich färbende Kerne.
Die Stelle dehnt sich auch weiter aus, und zwar vom Stratum
lucidum nach aufwärts, immer wird sie aber von einer dicken Homlage
vom beschriebenen Typus bedeckt.
Bei kleineren Knötchen findet man, dass die Papillen grosse Ar-
caden bilden (siehe auch Figur 2). Die Fasern sind fein und nicht
gequollen, auch ist die Infiltration viel geringer. Sonst findet man die-
selben Verhältnisse, auch fehlen Secundärpapillen.
n. Fall. W. A., 22 J., Gommis, ledig. Anamnese: Seit 9 Jahren
laborirt Patient an fortwährendem Hautjucken. Sein derzeitiges Hant-
leiden besteht seit 2 Jahren ; die Haut sei zuerst sehr rauh geworden,
runzelig, dann seien Knötchen aufgetreten; das Jucken habe seither
abgenommen.
St. pr. : An den Streckseiten beider Unterschenkel, vom Knie bis
zum Spranggelenke, ist die Haut stark verdickt. Diese Verdickung ist
scheinbar diffus, denn sie setzt sich an manchen Stellen aus dichtge-
Keratosis yerrooosa. gl
stellten Knötchen rasaininen, an anderen dtehen zerstrent looalisirte
Knötchen. Die Knötchen erreichen bisweilen Hanf komgrösse und zeigen
eine gelblichbraime schmutiige Färbung; sie sind mftssig elevirt, weisen
an einzelnen Stellen centrale Dellnng auf, sind nirgends follioulär. An
der Vorderfl&che der Tibia stehen diese Knötchen sehr dicht, die Haut
erscheint hiednrch sehr stark verdickt, zeigt zugleich Abschilferung;
anch das Bild starker Porosität bieten diese Stellen. Nirgends bestehen
Entsündungserscheinungen. Hie und da sieht man als Beste yon Kratz-
effecten Blntbörkchen. Gegen den Oberschenkel hin nimmt das Krank-
heitsbild an Intensität ab.
An den oberen Extremitäten finden sich dieselben Knötchen in
characteiistischer Ausbildung mit Waohsglans und Dellung. Auch hier
stelleDweise Effecte der Zerkratzung von Knötchen sichtbar. Die Qrösse
der Knötchen schwankt allenthalben zwischen Stecknadelkopf- bis
Kleinst-Linsen-Gröese.
An anderen Begionen (Stamm, Beugeseiten der Extremitäten)
finden sich keine Krankheiteerscheinungen.
Sl./Vn. 1901 : Ober- und Unterschenkel sind stark behaart.
An den Unterschenkeln setzt sich der Krankheitsherd nach oben
4 Qnerfinger abwärts vom unteren Patellarrande in einer regelmässigen
Linie ab, nsch unten in der Höhe der Malleolen; eine Fortsetzung des
Herdes erstreckt sich auf die Aussenseite des Oberschenkels. Durch
braune Färbung hebt sich der Herd von der nicht pigmentirten Um-
gebung auch aus der Entfernung sehr deutlich ab. Die Verfärbung ist
auf die Knötchen zuröckzufShren. Letztere stehen zwischen den Follikeln,
einzeln oder in zusammenhängenden Beihen, sind braun, flach, scharf
begrenzt vom Centrum nach der Peripherie an Höhe abnehmend, die
jüngeren mehr halbkugelig und glänzend; ihre Gonsistenz ist derb. Mit
dem längeren Bestände scheinen die Efflorescenzen mehr gelblichbraon
zu werden, abzuflachen und oberflächlich kreidig abzuschilfern; ihre
Oberfläche besitzt ein gesticheltes Aussehen.
Die Streckseiten der Vorderarme, theilweise anch der Oberarme in
der ganzen Breite sind leicht braun verfärbt; innerhalb derselben stehen
rothbraune Knötchen. Die jüngsten Knötchen sind blauroth und lassen
im Centrum einen Blutpunkt oder ein erweitertes Gefäss durchschimmern.
Mit dem Altem bräunen sich die Efflorescenzen. Sie stehen ziemlich
dicht beisammen, zerstreuen sich zu einzelnstehenden anch auf die
Beugeseiten. Die Aussenseiten der Oberarme sind gelblichbraun verfärbt
und tragen vereinzelte gelblichbraune, stecknadelkopfgrosse, flache Efflo-
rescenzen, die in ihrer Ganze von feinen Schuppen gedeckt sind. Ein-
zelne der Knötchen lassen sich leicht abkratzen, doch ist dies nur an
wenigen Knötchen der Fall.
Nach der Innenseite des Unterschenkels löst sich der Herd in
einzelnstehende Efflorescenzen auf.
Die Knötchen sind Stecknadelkopf- bis linsengross, flach, sehr
scharf begrenzt, von blaurother cj^anotischer Farbe; stets stehen sie
Areb. t Dermat. n. Syph. Bd. LXTfT. q
82 Weidenfeld.
zwisohen den Follikeln, nie am dieselben, bilden mitunter Grappen ta
vieren und mehreren. In ihrem Centram seigen sie eine kleine Aof-
blättemng in Form einer weissen Schuppe, ganz wenige sind mit Blut-
börkchen bedeckt. Bei ihrer Derbheit lassen sie sich mit dem Finger*
nagel wegkratzen, worauf eine seichte blatende Exooriation von gleicher
Grösse zurftckbleibt. Zwischendurch eingestreut finden sich einzelne
linsengrosse Pigmentflecke nach Abheilung solcher Efflorescencen.
Mikroscopisehe Untersuchung :
Bei schwacher Yergrösserung (Figur 4) sieht man einige hugel-
förmige Auflagerungen, die von einander durch tiefe oder seichtere Ein-
senknngen getrennt erscheinen. Diese Einsenkungen entsprechen mitunter
den Follikeln, mitunter aber auch nur einigen Papillen oder Epidermis-
forts&tzen; die Hügel bestehen aus aufgelagerten, mit Hämatoxylin blau-
gefärbten Hommassen, die von dem unterliegenden Ret-e durch einen
mit Eosin roth gefärbten Streifen geschieden erscheinen.
Das Rete erscheint verbreitert, die einzelnen Epidermisfortsätce
sind spitzer und öfters auch verzweigter als normal; die entsprechenden
Papillen sind breiter, ausgebauchter. An der Grenzsohichte zwischen den
Auflagerungen und dem Rete finden sich mitunter Erweiterungen, die
keinen Farbstoff angenommen haben und die einzelne Kerne enthalten.
Bei starker Yergrösserung (Figur 6) sieht man, dass diese Auf-
lagerungen aus deutlichen Zellen bestehen, deren Zellgrenzen deutlich
sichtbar sind, die jedoch plattgedrückt erscheinen. Die Kerne sind
nicht wahrnehmbar, an ihrer Stelle findet sich eine ovale oder randliche
Löcher. Je mehr man sich der Oberflftche n&hert, einen desto mehr
nach aussen gerichteten Verlauf nehmen diese Zellen ; schliesslich bilden
sie als ftusserste Reihe einen mit Eosin färbbaren Streifen.
Die früher erwähnte, mit Kosin gefärbte Grenzschichte ist mehr
weniger homogen, an verschiedenen Stellen verschieden breit, grenzt
sich aber bei der starken Verc^össerung durch einen gelblichen Gontour
von der hornigen Auflagerung ab, und zeigt in ihrem Innern einzelne
eigenartige, wellenförmig verlaufende Fasern. An anderen Stellen jedoch
tritt an Stelle dieses rothen Contoars, wie schon erwähnt, eine am-
puUenformige Erweiterung, die von einer mehr weniger homogenen
Masse erfallt ist, welche von feinen, oft zu Fäserchen angeordneten,
aber nicht tingirten Kömchen durchsetzt erscheint Im übrigen finden
sich Reste von mit Hämatoxylin gefärbten Kernen. In diese Masse nun
ragen einzelne Reste der mit Hämatoxylin gefärbten hornigen Auf-
lagerungen und verlieren sich spitz auslaufend in dieselbe, wobei man
den Eindruck gewinnt, als wenn nur der Zellmantel an diesen Aus-
läufern betheiligt wäre. An anderen Stellen finden sich innerhalb einer
solchen Anfbreibung zahlreiche Kerne, die so dicht nebeneinander liegen,
dass sie einen Haufen bilden, dabei aber von ziemlicher Kleinheit sind
Eeratorii verraoosa. 83
und sich sehr stark mit H&matoxylin gefärbt haben. In ihrer näoheten
Naohbarschafl sieht man einzelne Zellen des darunter liegenden Rete,
deren Gontooren gesch¥ninden sind und deren Kerne sehr in die Länge
gesogen erscheinen, sich allm&lig in diese Masse von Kernen verlieren.
Loh übrigen ist hier das mikroskopische Bild ein ähnliches wie bei der
frfiher erwähnten Erweiterung.
Unter diesem rothen Streifen findet man nan ein andentliches
Stratum grannlosnm, in dem nämlich die Körnchen sehr klein sind, das
ganse Protoplasma sowohl als den Kern erfüllen und nach oben za ohne
Uebergang in den rothen Gontour ansohliessen, welch letzterer frei von
Körnchen ist und gegen die Nachbarzellen sich sehr scharf abgrenzt.
An Stelle der oberwähnten Aasbaaohangen fehlt dieses Stratum grana*
losnm nnd es erscheint erst wieder, wo diese za fehlen beginnen.
Verfolgt man diese Schichte bis zur Stelle, wo sich normale Epi-
dermis befindet, so findet man, dass auch an dieser Stelle das Stratam
grannlosum in einschichtiger Mächtigkeit vorhanden ist, sonst aber sich
in gar nichts von anderen Stellen unterscheidet.
Das übrige Bete zeigt schon sehr deutlich ausgebildete Zellen mit
schön gefärbten Kernen und sehr deutlich ausgebildeten Intercellular-
brücken. Die Basalzellen enthalten auf diesen Schnitten kein Pigment
und man findet zahlreichste Karyokinesen, sowohl in der Basalschiohte
als in den höher liegenden Parthien. Ausserdem findet man aber inner-
halb dieser Epidermis eigenartige Bildungen, sowohl in ihren mittleren
Antheilen als auch in den höheren Parthien, in der Granularschichte, in
deren Bereich runde, der Grösse eines geschwellten Kernes entsprechende
oder sehr grosse Gebilde, die homogen und mit Eosin sehr schwach
gefärbt sind, erscheinen und neben tineY Zelle, die einen deutlichen Kern
enthält, sich befinden oder wie diese grossen Lücken ans einer scholligen
Masse bestehen, die vielfach zerklüftet erscheint und an deren Rand-
parthien man die normalen Zellen mit etwas abgeplatteten Kernen wahr-
nehmen kann und in deren Inneres hie und da ein halber hineinragt.
Aehnliche Gebilde nun findet man auch in der Hornhaut, in der Auf-
lagerung vielmehr, nur sind sie hier violett verfärbt und haben hier
einen Lichthalo. Die Form derselben ist verschieden, öfters biscuit-
formig oder durch eine Einschnürung unregelmässig oder in einen
beistrichformigen Fortsatz auslaufend, immer aber von einem lichten Halo
umgeben. Mitunter liegen diese Gebilde sehr nahe beieinander, ver-
binden sich auch zu grösseren scholligen Massen von unregelmässigem
Contonr und leicht gekörntem Inhalte. Auch diese Gebilde begrenzen
sich alle sehr scharf gegen die hier — wie schon erwähnt — sehr deut-
lichen Zellen, nur unterscheiden sie sich von ihnen durch die Einheit-
lichkeit ihrer Färbung und das Fehlen der lichten, dem Kerne
entsprechenden Stelle. Es finden sich aber ausserdem sehr kleine der-
artige Gebilde, von denen man direct sagen kann, dass sie im Innern
einer Zelle gelegen sind.
84
Weidenfeld.
Die Cati8 Beigt in ihrem Papillanntlieile die schon beschriebenen
breiten Papillen. Sonst ist das Gewebe nemlich normal und zeigt nur
sehr wenig Infiltration, letiteres unterhalb der Aaflagemngen im papillären
und snbpapillftren Stratum besonders stark; weniger Infiltration findet
sich am die Follikel. Diese Infiltration stellt nur eine Yerbreiterong der
Adventitia der Gefftsse mit sahlreiohen Mastiellen, sehr wenigen Lympho-
oyten aber keinen Plasmaiellen dar. In die Papillen hinein sieht man
die geschwellten, mit deutlichen grossen Kernen besetsten Gapillaren
hineinziehen.
Die Talgdrüsen sind normal, der Ausföhrongsgang der Schweiss-
drüsen zeigt innerhalb dieser Auflagerung nur einö Vergrössöruag seiner
Ginge, sowohl im Quer- als auch im Lftngsdurolimesser, die schrauben*
artige Form aber ist vollkommen gewahrt
Vor allem wflrde es sich darum handelui die Identität dieser
beiden Bilder festzustellen.
Wir finden:
lHird.lriuukiag
tefej. Irtchtiingti
Localiiation
bei Fall I.
Seit 4—6 Jahren
Heftiges Jucken
Ciroumferenz der unteren
Extremität und Hinter-
fläche des Oberschenkels
bei FaU H.
Seit 9 Jaliren
Heftiges Juoicen
Streckseite der Unter-
schenkel
Aussenseite der Obersch.
„ des Vorderarmes
, des Oberarmes
und Beugeseite
Charaktere
der Eiflores-
cenzen
Dichtgedrängt in Streifen
und Bögen
linsen- bis erbsengross
derb
folliculär od. interfolliculär
weiss oder blauroth
(schmutsigbrann)
Excoriaüonen und Blnt<
korken porös
rauhe Oberfläche
abschilfernd
punktförmige Hämor-
rhagien
Einzelnstehend oder in
kleinen Gruppen, dicht
hanfkom- bis linsengross
scharf begrenzt, derb,
halbkugelig
gelblichbraun, schmutsig-
(braun) Wachsglanz
centrale Dellung
keine Entzflndungs-
erscheinungen
Eratzeffekte
(Blutbörkchen)
kreidige Abschilferung
gesticheltes Aussehen
rothbraun
centraler Biutpunkt
oder erweitertes Gefass
durchscheinend
leicht abkratzbar
M
n
9
m
u
Keratosis verraoosa. 85
Vergleicht man beide Fällen mit einander, so ergibt sich
leicht deren Identität. Der zweite Fall stellt nur ein jüngeres
Stadium dar. Je älter die Effloresoenzen werden, desto mehr
nehmen sie an Grösse zu, flachen ab und bekommen jenes weisse,
kreidige Aussehen; je jünger sie sind, desto halbkugeliger
und röthlicher sind sie.
Die Erkrankung ist eine uniyerselle und symmetrische.
Die intensivste Localisation findet sich an den Unterachenkeln ;
je mehr man nach oben geht, desto geringer wird die Anzahl
der Effloresoenzen und desto jünger sind sie auch (siehe Tafel I,
Figur 1 u. 2).
Die Erkrankung geht mit Jucken einher, welches ziemlich
intensiv sein kann, worauf die begleitenden tiefen Excoriationen
hinweisen. Es scheint femer, dass der Juckreiz auch voraus-
gehen kann, wie dies aus Fall 2 erhellen würde. Im ersten
Falle dagegen ist der Juckreiz zum Theile wenigstens auch
auf die begleitende Urticaria zurückzuführen.
Die EfBorescenzen selbst sind Knötchen, die entweder
halbkugelig oder flach, rund oder polygonal sind. Sie stehen
entweder in Gruppen oder in Reihen oder in Ejreissegmenten
angeordnet, wobei sie mit einander in engste Berührung treten
können Sie sind auch zum sehr geringen Theile, wie im
1. Falle ausgeführt wurde, foUiculär gestellt, ohne dass jedoch
dieses Charakteristicum für alle EfBorescenzen zutreffen würde.
Ihre Farbe ist röthlich oder schmutzigweiss, sie sind undurch-
sichtig. In den röthlichen Effloresoenzen bemerkt man oft einen
central gelegenen rothen Punkt, der entweder von einer Hämor-
rhagie oder von einem erweiterten Blutgefässe herrührt. Die
Hämorrhagien sind auch an den älteren Effloresoenzen zu
bemerken.
Die Oberfläche der Effloresoenzen ist -- entweder an den
jüngeren — glatt oder sie ist mörtelig abschuppend und feinst
drusig, hie und da findet man auch eine sanfte Delle. Man
wird nicht fehl gehen, diese Beschaffenheit der Oberfläche auf
das Eratzen zurückzuführen, da man ähnliche Erscheinungen bei
allen mit Jucken einhergehenden Hautkrankheiten findet und
in einer Auffransung der obersten Schichten des Strat. cor-
neum seine anatomische Grundlage findet.
86 Weidenfeld.
Die dazwischen liegende Haut ist entweder normal oder
leicht pigmentirt.
Die Efflorescenzen lassen sich, wenn sie jung sind, leicht
mit dem Fingernagel abkratzen, worauf ein gleich grosser
dichter Substanzyerlust zurückbleibt; in späteren Stadien sind
sie nicht wegkratzbar.
Die Therapie ist machtlos; weder macerirende noch
ätzende Flüssigkeiten vermochten einen bleibenden Erfolg zu
erzeugen. Die Efflorescenzen fielen zwar z. B. unter Arsenik-
pflaster heraus, regenerirten sich aber wieder so yollständig,
das keine nennenewerthen Differenzen sich ei^^eben. Der Juckreiz
beruhigte sich zwar zeitweilig, kehrte aber immer wieder
zurück.
Neben diesen klinischen Erscheinungen sind auch die
histologischen Veränderungen sehr deutlich.
In beiden Fällen sind die Knötchen durch Auflagerung
Ton Homsubstanz, die halbkugelig ist, gebildet. Nebenher geht
eine Vermehrung der Dickendimension des Rete und eine
Vergrösserung der Papillarkörper. Diese äussert sich in der
Rundbogen- und Arcadenähnlichen Bildung der Papillen, die zum
Theile durch Anschwellung der Bindegewebsbündel (ältere
Efflorescenzen), zum Theile durch Zellwucherung und stärkere
Durchfeuchtung bedingt ist.
Die Ursache für diese Erscheinungen ist in einer geringen
entzündlichen Reizung zu suchen. Es ist schwer zu entscheiden,
ob hier die Entzündung primär ist, und die anderen Verände-
rungen secundäre Erscheinungen sind oder umgekehrt.
Vergleicht man die normalen Antheile der Haut mit den
Knötchen, so sieht man, dass in der That die Veränderung
unterhalb des Knötchens deutlich, wenn au :h nicht sehr hoch-
gradig ist Da nun beim Kratzen die ganze Haut verletzt
werden muss — und dafür spricht auch die leichte Pigmen-
tirung — so kann nur eine hochgradige Veränderung unter-
halb des Knötchens in einer specifischen Entzündung gesucht
werden.
Das Auftreten von secundären Papillen ist nur bei älteren
Knötchen zu beobachten; ihm entspricht eine Vergrösserung
Keratosis verrucosa. 87
des Bete malpighi; dementsprechend werden auch die Hom-
lagen des Knötchens mächtiger.
Gewiss finden sich auch sichere Symptome der Entzündung.
Im Stratum lucidum und in der Homschichte findet man oft
einzeln weisse Blutkörperchen, Epithelzellen, Syncitien bildend,
Leukocyten.
Im Falle 1 treten suprapapilläre kleine Bläschen auf, die
zum Theile hämorrhagischen Inhalt haben. Blutkörperchen finden
sich auch sonst im Bete. Die suprapapillären Bläschen könnte
man als durch Hämorrhagien entstanden erklären ; dafür sprechen :
die in Haufen liegenden rothen Blutkörperchen, das Vorhanden-
sein von weissen Blutkörperchen und Yornehmlich der Umstand,
dass auch im Bete und in der Homauflagerung sich solche
finden. Ausserdem findet man hie und da, und zwar frei im
Gewebe eine eosinophyle Zelle oder einen Lymphocyten.
Die Homschichte zeigt nicht normales Aussehen, indem
farbbare Kerne und gut färbbarer Zellinhalt persistiren, das
Stratum lucidum mächtig Yerbreitert, das Stratum granulosum
gleichfalls verbreitert aber nur mit feinsten Körnern erfüllt ist.
Diese Zustände entsprechen einem grösseren Feuchtigkeits-
gehalte der Epidermis (Unna)^).
Interessant ist jedoch, dass gerade über dem Bläschen
die Zellen mehr spindelig werden, die Homsubstanz in La-
mellen zerfällt, auch die Kerne erhalten sind, und der Inhalt
der Zellen feinstkömig ist.
Die vielen Unregelmässigkeiten in der Tiefe des Stratum
lucidum erklären sich aus Faltungen desselben, wodurch nicht
allein auf eine Verdickung der Epidermis, sondern auch auf eine
Verlängerung geschlossen werden kann.
Im Bete bilden die Zellen, welche von verschiedener
Grösse sind, polygonale Formen mit gut ausgebildeten, aber
sehr abenteuerlich geformten Kernen, die sich mit Hämato-
xylin nicht färben. Diese abenteuerlichen Kemformen, welche
oft eine ganze Zelle ausfüllen, finde ich auch im Stratum
comeum.
Einzelne abgerissene Enden an der freien Oberfläche der
Knötchen deuten die Abschilferung an. Fasst man die klinischen
*) Unna: Histopathologie 1894.
88 Weidenfeld.
und histologischen Symptome zusammen, so ergibt sich, dass
wir es mit einer chronischen, mit Jucken einhergehenden, Bjm-
metrischen, an den Extremitäten localisirten Erkrankung zu
thun haben, deren E£Qorescenzen als kleine hanfkomgrosse,
röthliche, halbkugelige Formen beginnen, sich später abflachen,
rauh und weiss werden, wegkratzbar sind, dabei bluten, die
jeder Therapie trotzen, d. h. nach dem Wegätzen neu ent-
stehen, und die sich als homartige Auflagerungen, begleitet
von geringen Entzündungserscheinungen charakterisiren.
Dieser eigenartige Enötchencharakter macht es nothwendig
dieses Krankheitsbild von allen Erkrankungen, die mit Knöt-
chen einhergehen, abzugrenzen. Die grösste Aehnlichkeit ver-
möge der Ausbreitung und Localisation hat die Erkrankung mit
Prurigo. Die symmetrische Localisation, die zunehmende Inten-
sität Yon oben nach unten, die Ghronicität, die geschwellten
und indolenten Lymphdrüsen, das Jucken könnte zu Gunsten
der Diagnose Prurigo angeführt werden.
Die Prurigo beginnt aber in frühem Kindesalter. Ihre
Localisation ist genau die Streckseite der Extremitäten, fast
nie an den Beugeseiten. Ihre Efflorescenzen sind halbkugelige
bläuliche Knötchen, die bald nach ihrem Erscheinen zerkratzt
werden, wodurch man selten Primärefflorescenzen zu sehen
bekommt.
Freilich muss ich hinzufugen, dass bei langdauemdem
Bestand der Prurigo sich ein eigenartiger Zustand der Haut
herausbildet; bei dem die Felderung der Haut stärker ausge-
prägt erscheint und die einzelnen Felder stellen sehr flache,
alle in einem Hautniveau liegende Knötchen yon selbstverständ-
licher polygonaler Begrenzung dar, wobei die Furchen der
Haut die BegrenzungsUnien abgeben. Dieses Bild findet sich be-
sonders an den Unterschenkeln und muss auf das durch das
Kratzen begleitende Ekzem zurückgeführt werden. Ich muss noch
betonen, dass sich oft nicht eine Spur einer klinisch nachweis-
haren Entzündung dabei vorfindet. Es ist das ein Zustand, den
die Franzosen mit Lichenification beschreiben. Es ist klar, dass
dabei die gesammte betrofiene Hautstelle betroffen erscheint,
und dass eine difiFuse Verdickung sowohl der Cutis als der
Keratosis veimcosa. 89
Epidermis resoltirt, während in unserem Falle die Knöt-
chen aas gesunder Haut warzenartig Torspringen.
Mehr als mit Prurigo veranlassen diese Knötchen eine
grössere AehnHchkeit mit Liehen ruber planus und zwar die
grossknotige Form desselben, obgleich die Unterscheidung von
Liehen ruber planus eine ziemlich leichte ist. Die Efflorescenzen
des Liehen ruber planus sind vor allem eigenartig blauroth,
und zwar von einer Nuance, die an und für sich für dieselben
charakteristisch ist ; sie sind femer vielgestaltig, haben zackige
Fortsätze, auf welche besonders Kaposi hinge¥nesen hat; ihre
Oberfläche zeigt oft ein zierliches Netz von Epidermislinien ;
die Efflorescenzen lassen sich niemals wegkratzen. Hiezn kommt,
dass man bei Liehen ruber planus immer die sehr charakteristi-
schen stecknadelspitz- bis stecknadelkopfgrossen Knötchen findet.
Kein einziges von allen diesen Symptomen findet man in
unserem Falle. Der durch Jahre vorausgehende Juckreiz könnte
zur Meinung Veranlassung geben, dass es sich um einen Hohl-
zustand dieses handelt, dass die Knötchen in ähnlicher Weise
diesem ihre Entstehung verdanken, wie dasselbe von dem frag-
lichen Liehen simplex der Franzosen.
Es verlohnt sich der Mühe auf diese Verhältnisse näher
einzugehen, weil in diesem Punkte principielle weitgehende
Untersuchungen zwischen der Wiener und französischen Schule
bestehen.
Bebra schied den Lieber ruber aus der Classe der Liehen
der Alten aus und unterschied scharf Prurigo und Pruritus.
Die Prurigo ist eine wohl charakterisirte Krankheit bei der
objective Erscheinungen sichtbar sind, die das Jucken an sich
genägsam erklären, während beim Pruritus solche Erscheinungen
fehlen, oder höchstens von Kratzeffecten und Borken begleitet
erscheinen. Biehl'} führt als sicheren Beweis die Thatsache
an, dass auch an schwer zu^nglichen Stellen Prurigoknötchen
sich finden. Der Juckreiz bei Prurigo wird durch Reizung der
sensiblen Nerven bedingt, wodurch sofort das Jucken ver-
schvnndet, wenn die Eruptionen dieser Knötchen sistiren.
*) Biehl: Ueber die pathologische Bedeutung der Prurigo. Arohiv
Ü^ Dermatologie und Syphilis 1884, p. 41.
90 Weidenfeld.
Cazenave erklärt den Juckreiz als das Primäre, die
Knötchen seien secundär durch das Eratzen entstanden. Da
Hebra durch das Eratzen als traumatischen Reiz Ekzem
auftreten sah, konnte er mit vieler Berechtigung, die sich ganz
anders repräsentiren, Enötchen bei Prurigo als primär ansehen.
Ihm schliessen sich Eaposi,^) Neumann,^) J arisch,')
Riehl,*) Caspary,*) Jadassohn,^) Janowsky'') in neu-
erer Zeit Bernhardt^ etwas modificirt Neisser, Eromayer
an. Die Beweise, die die französiche Schule anführt, sind vor-
nehmlich klinischer Natur.
In ähnlicher Weise wie bei der Prurigo Hebrae der Juck-
reiz das primäre, die Knötchen das secundäre Symptom wäre,
sind auch beim Liehen simplex die Enötchen Folgezustände
des Juckens.
Auch in unserem Erankheitsbilde geht mit der Knötchen-
eruption Jucken einher, das im ersten Falle zum Theil von
ihrer zeitweise auftretenden Urticaria oder von der Nephritis
hergeleitet werden könnte, zum Theil aber sicher, wie im zweiten
Falle, dem Processe selbst eigenthündich zu sein scheint.
Trotz des Juckens vermehrten sich nicht unter unseren Augen
die Efflorescenzen, trotzdem es durch die Anamnese nahege-
legen wäre, die Knötchen als Wirkung des Juckens anzusehen.
Die Anatomie des Knötchens könnte aber an sich den Juck-
reiz erklären, in gleicher Weise wie das Prurigoknötchen ftir
die Prurigo.
Die Symptome der Liehen simplex sind nach Touton')
folgende :
^) Kaposi: Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten. Y.
Auflage.
') Neu mann: Lehrbaoh der Hautkrankheiten V. Auflage. 1880.
') Jarisch: Lehrbuch der Hautkrankheiten. Wien 1900.
*) Riehl: 1. c.
^) Gaspary: Ueber Prurigo. Archiv für Dermatologie u. Syphilis.
1884 p. S41.
') Jadassohn: Archir für Dermatologie u. Syphilis 1896, XXXVH.
Bd., p. 235.
'J Janowsky: Archiv für Derma t. u. Syphilis 1866, XXXVII. Bd.,
p. 285.
*) Ber nhar dt: Archiv f. Dermal, n. Syphilis LVII. Bd. p. 175, 1901.
*) Touton: Verhandlungen der deutschen dermatologischen Gfe-
Seilschaft V. Congress p. 418.
Keratosis verrneosa. 91
Der Liehen simplex chronicus circumscriptas (Vi dal)')
stellt nach der Beschreibung der Autoren (Brocq, Jaquet,
Touton) einen massig scharf begrenzten Plaque dar, der über
das Hautniyeau nur massig vorspringt, von matt graurother
Farbe, rauher Oberfläche, feinklciig abschilfernd und von feinen
Furchen durchzogen erscheint. In der Umgebung des Plaque
finden sich die Primärefflorescenzen, blassrothe Papeln ; ausser-
dem finden sich Ton Blutkrusten bedeckte Excoriationen.
Die EinzelnefSorescenzen beschreibt Touton*) in dem
einen und anderen Falle als polygonal, weil der Hautfelderung
entsprechend, graubraun, durch feine sich kreuzende Furchen
ein chagrinartiges Aussehen erhaltend.
Touton unterzieht sich der Mühe, dieses nach ihm wohl-
charakterisirte Erankheitsbild von allen in Betracht kommenden
Dermatitiden zu differenziren.
Vom chronischen Ekzeme unterscheidet sich der Liehen
Simplex durch das Fehlen eines acuten Einsetzens ; im Gegen-
theile geht der Erkrankung eine monate- oder jahrelange Pe-
riode heftigen Juckens voraus, ohne dass an der Haut irgend-
welche Veränderungen wahrnehmbar wären.
Die primären EilQorescenzen bein Liehen simplex sind derb,
trocken, flach, schmutzigroth ; es fehlen sämmtliche exsudativen
Vorgänge und die Efflorescenzeu persistiren sehr lange an Ort und
Stelle ohne Verändenmg. Die Vergrösserung der Plaques geschieht
durch Angliedern an die Peripherie. Charakteristisch sind ferner
die Juckanfälle. Auch der Widerstand gegen jede Therapie
ist charakteristisch.
Vom Liehen ruber unterscheidet sich durch das Fehlen
der kleinen stecknadelkopfgrossen Lichenknötchen das Nichtvor-
handensein eines blaurothen Hofes um die Enötchenefflorescenzen,
das Niehtauftreten von Gemmenformen und vornehmlich durch
die Eigenthümlichkeit, dass die Knötchen des Liehen simplex
in der Nähe grosser Plagues sieh finden, während diejenigen
des Liehen ruber disseminiri über den ganzen Körper auf-
') Touton: Ueber Neurodermitis chronica circomscripta.
*) Ton ton: Liehen simplex chronicus oircumsoriptus (Gasenave-
Yidal) Archiv fOr Dermatologie and Syphilis XXXIII. Bd. 1895 p. 109.
92 WeidenfelcL
treten. Auch die eigenthttmliche blaoachwarze Pigmentation
fehlt bei Liehen aimplex.
Prurigo Hebrae, die gleichüalls nach Touton localisirt
auftreten kann, differencirt sich anders. Die Aehnlichkeit der
Prurigoknötchen mit Urticaria papulosa und Liehen simplox
ist eine sehr grosse. Die Prurigoknötchen unterscheiden sich
nach Hebra nur wenig von der umgebenden Haut, sind flach,
werden beim Eratzen röther und treten mehr heryor.
Die Plaques der Liehen ruber chronicus entsprechen am
besten den Veränderungen der Haut bei alter Prurigo.
Die Haut ist derb, trocken, infiltrirt, die Furchen sind
vertieft, Pigmentationen bestehen bei beiden Erkrankungen.
Dann ist ein für Liehen simplex und Prurigo gemeinsames
Symptom der Juckreiz.
Ein wichtiges Unterscheidungsmittel gibt der Beginn der
Erkrankung. Prurigo beginnt im Kindesalter, Liehen simplex
im höheren Alter; freilich gibt es Autoren, die für die Ent-
stehung der Prurigo in jedem Alter eintreten. Auch die Uni-
versalität der Prurigo ist kein absolutes Unterscheidungs-
merkmal, da einerseits die Prurigo auch localisirt, der Liehen
simplex andererseits auch universell auftreten kann. Im Falle 6
gibt nun Touton ein solches Erankheitsbild von universellem
Liehen simplex.
Es fanden sich bei diesem Patienten Plaques: am Halse
rechts, den Beugeseiten der Arme, den Abdomen, den Ober-
und Unterschenkeln, im ganzen 12 an der Zahl. Diese Plaques
waren durch feine Furchen gefeldert oder schienen durch das
Zusammenfliessen flacher Papeln entstanden ; zum Theile waren
die betroffenen Stellen röther ; hie und da fanden sich Schuppen,
nirgends Nässen.
Aus diesem Grunde möchte Touton den Liehen simplex
nicht für ein Ekzem erklären, wie die Wiener Schule, sondern
als eine localisirte Prurigo, zumal auch diese ausnahmsweise,
wie Hebra selbst angibt, an den Beugeseiten localisirt sein
kann. Hier möchte ich noch kurz auf den oben erwähnten Zu-
stand der Haut besonders der Unterschenkel verweisen, wobei
die Haut in toto verdickt, die Felderung ausgesprochener und
die Furchen vertiefter erscheinen.
Keratosis Termcosa. 93
In jüngBter Zeit veröffentlichte Marcuse') einige Fälle
?on Ijichen simplex. Im Allgemeinen kommt er zu denselben
Schlässen, wie Touton. Interessant ist die Beobachtung, dass
sich ein liehen simplex circum scriptum in einen Liehen simpl.
diffas. Die histologische Untersuchung ergab ein yerbreitertes
Bete, starke Hyperpigmentation und Mitosenbildung im Bete.
Einzelne Rundzellen im Bete; keine Vacuolenbildung, keine
inter pinalen Hohlräume Strat. granulosum verdeckt. Strat. cornum
verdickt. Kernhaltige Zellschichten enthaltend; Gentrum des
Knötchens etwas stärker verdickt. Einzelne Knötchen haben
stachelförmiges Aussehen, wodurch Bilder resultiren, die dem
Liehen ruber-Knötchen ähnlich sehen.
Vergleicht man unser Krankheitsbild mit dem beschrie-
benen des Liehen simplex chronicus, so fallen vor allem als
das wichtigste Unterscheidungsmerkmal die Universalität und
das scharfe Absetzen und die Elevation, dann die Grösse
der Einzelnefflorescenzen und der Mangel des
Zusammentretens in Plaques auf. Die Efflores-
cenzen bleiben vielmehr einzeln stehend oder
ordnen sich in Beihen an, wobei stets jede ein-
zelne Efflorescenz scharf begrenzt bleibt. Auch
die Farbe, das eigenartige Aussehen der Oberfläche, das unend-
lich langsame, periphere Wachsthum der Efflorenscenzen und
deren Umwandlung von runden stecknadelkopfgrossen zu linsen-
grossen bis erbsengrossen Efflorescenzen ergibt ein weiteres,
sehr wichtiges Unterscheidungsmittel.
Auch histologisch unterscheidet sich unser Krankheitsbild
von dem des Liehen simplex.
Man findet bei Liehen simplex nach Touton*) : „Infiltration
der oberen Gutislagen und lymphoide Zellen, sehr ausgesprochene
Hypertrophie der Papillen mit leichtem Oedöme ; starke Verbreite-
rung des Bete und leichte Wanderzelleninfiltration des letzteren,
besonders über den grösseren Papillen, Tochterarten der Bete-
zellen, 2 — Skemige, verschieden hochgradige „alteration cavitaire**
einzelner Zellen, so dass der erste Grad der Yesiculation nicht über-
schritten wird; Stratum granulosum überall erhalten, Stratum
^) Marcnse: Ueber Liehen simplex, Archiv für Dermatologie und
SyphiUs. 57. Bd. 1901. p. 881.
*; Touton: Arch. f. Derm. a. Syph. XXXIII. Bd. p. 109.
94 Weidenfeld.
lacidum fast ganz geschwunden ; auf grosse Strecken kernhaltige
Homzellen ; die Gohärenz fast normal, die Reratinifation etwas
verringert/ In ähnlicher Weise beschreibt Marcuse, wie oben
angegeben die Knötchen.
Den Hauptantheil an der Bildung des Knötchens hat hier
demnach der Papillarantheil, während in unserem Krankheits-
bilde die deutliche, der Papel entsprechende Verdickung der
Homschichte die Ursache für die Knötchenbildung abgibt
Auch sind ausgesprochene Exsudationsyerhältnisse vor-
handen; man findet suprapapilläre kleine Bläschenbildungen;
ausserdem epidermoidale und subepidermoidale Hämorrhagien.
Ich möchte hier nicht unerwähnt lassen, dass Max Joseph
bei Liehen ruber planus gleichfalls suprapapilläre Höhleubil-
dung fand. Die Verdickung des Stratum corneum und das eigen-
artige warzenähnliche Aussehen waren auch die Veranlassung
hiefür, dass Hofrath Kaposi bei diesem Krankheitsbilde den
Namen Keratosis vorschlug, ohne dass natürlich sonst die
EfiBorescenzen weitere Aehnlichkeiten mit Warzen hätten.
Der diese Erkrankung begleitende Juckreiz, der im zweiten
Falle zwei Jahre vorausging, ist das einzige sichere Symptom,
welches auch dem Liehen simplez zukommt. Trotz alledem
haben wir nicht einen Anhaltspunkt diesem Juckreize eine
andere als eine symptomatische Bedeutung zuzumessen, da wir,
wie oben ausgeführt, Jucken an sich keine Erscheinungen her-
vorrufen und als Folgeerscheinungen des Juckens wie nach allen
traumatischen Reizen Ekzem auftreten sehen.
Impetiginöse Borken- und Kratzeffecte waren als Ausdruck
des Juckens besonders an den Unterschenkeln wahrnehmbar.
Die Resistenz gegenüber jeder Therapie ist beiden Haut-
erkrankungen in gleicher Weise gemeinsam; mit dem Unter-
schiede jedoch, dass Liehen simplex doch ausheilt, während
in unseren beiden Fällen auch mit den stärkstätzenden Mitteln
kein besonderer Effect erzielt wurde, da nach der Aetzung die
Efflorescenzen sofort wieder zum Vorscheine kamen. Pflaster,
Salben hatten keinen Erfolg.
Nach alledem bandelt es sich um ein eigenes Krankheifsbild,
das, soweit momentan die Kenntnisse reichen, sehr selten ist,
Eentofis verracosa. 95
das im Bpäteren Alter, vielleicht nach Torhergehendem Jacken
und unter solchem auftritt.
Versucht man dieses Erankheitsbild in das System ein-
zureihen, so stösst man auf Schwierigkeiten, die momentan
nicht leicht zu überwinden sind. Nimmt man den Entzündungs-
process als das Primäre an, so würde anatomisch dieses Erank-
heitsbild yielleicht in die Reihe der chronischen Urticaria mit
secundärer starker Verhomung einzureihen sein. AnderenÜEdls
handelte es sich hier um eine Art circumscripter Keratosis
mit secundären Veränderungen in Papillarkörper und Cutis,
deren Aehnlichkeit mit circumscripter Schwielenbildung nicht
Toa der Hand zu weisen ist.
96 Weidenfeld.
Erkiftrung der Abbildungen auf Taf. VI u. VII.
Fig. 1 o) stellt die Vorderseite des üntersohenkels dar. E Primär-
effloresoensen. Man sieht, dass dieselben von Terschiedener Grösse, po-
lygonal weiss-gran und feinst gestrichelt sind. Zugleich sieht man die-
selben in Reihen geordnet
Fig. 2 b) ROckseite des Oberschenkels. £ Prirnftreffloresoenzen.
Dieselben sind rund, scharf begrenct, oft in Haufen oder Reihen.
Fig. S. Schnitt von einer Primärefifloresoeni Tom Unterschenkel
Fall L £. Stratum comeum. Soh. dr. Schweissdrüsenausffthrungs-
gang. K Rete mit den gabiig oder mehrfach getheilten Papillen (sp).
F. Fransen der durch Kratzen zerrissenen obersten Fasern; erweiterte
PapillargeAsse. Bla. snprapapill&res Blftsohen. Vergrössemng 40/1.
Fig. 4. Schnitt von einer Primftrefflorescenz yom Unterschenkel
Fall n. HS. Str. comeum. St. 1. Strat. lucidum; ampullenf5rmig an
zwei Stellen erweitert meiner Ampulle ein Synoitium mit kleinen
Kernen. R. Rete. P. Papille rund. Pg. Papillargefftss erweitert Yer-
grösserong 60/1.
Fig. 5. Derselbe Schnitt bei st&rkerer Yergrösserung (250/1). Str.
c. Stratum comeum. St 1. Strat. lucidum. R. Rete. G. Papillargeflsse
mit deutlicher Zellinfiltration. L. Leukocyt innerhalb der Rete.
Archiv f. Dermaloloqic iJ Sypti.hs Band LXII1
Wl^illoiil'c'Icl:
|i-H Ki-iiiikli.!lrsbilH.
Archiv f Dermatologie u Syphilis Band LXIII.
/
'r\.
f^-3- StP.B.
U'i-jilcMiJ'old : il>«rcm i-ij{i!iiiii'tl!|i^s Kiyinkli.^
Ans Dr. Maz Jeaeph's FolikUnik fOr Eantkranklieiten in Berlin.
über ein von der Nase ausgehendes
Syphiloma hypertrophicum diffusum faciei
(Elephantiasis lnetica).
Von
Dr. GottHried Trautmaim
an« Mttnehen.
Außer derFilaria sanguinis, welche in überseeischen and
tropischen Ländern die Elephantiasis bedingt, veranlassen ver-
schiedene Krankheiten eine Volumszunahme irgend eines
Körperteils, die man wegen ihrer Ähnlichkeit mit ersterer
ebenso benannt hat.
Auch die Lues tritt unter ihren yerschiedenen Formen,
und zwar nicht selten, als Elephantiasis auf.
Es ist das Verdienst Mraöeks, dieselbe in einer längeren
Abhandlung (die Elephantiasis infolge von Syphilis und das
Syphiloma hypertrophicum diffusum, Wiener Klinische Wochen-
schrift 1888, Nr« 12 mit 15) kritisch beleuchtet und auf ihre
yerschiedenen Arten aufmerksam gemacht zu haben.
Mradek unterscheidet zwei Formen: 1. eine, welche auf der
Bindegewebshypertrophie beruht und durch die Syphilisprodukte nur
eingeleitet wird ; und 2. eine, die ihrer äußeren Form nach mitunter an
die Elephantiasis erinnert, im wesentlichen aber directes Syphilisprodukt
ist, das durch eine umfangreiche syphilitische Infiltration entsteht.
Zur ersteren gehört das Oedema indurativum, welches
durch eine von Sklerosen und Papeln in der Umgebung veranlaßte Er-
krankung der Lymphgef&ße und Lymphdrüsen entsteht und eine oft
beträchtliche Hypertrophie des subkutanen Bindegewebes und infolge
dessen eine oft erhebliche Mißgestaltung des betroffenen Eörperteiles,
besonders der äußeren Genitalien, darstellt, analog also der Elephantiasis,
die auf Lymphstauungen beruht.
HöhereGrade dieser elephantiastischen Bindegewebswucherungen,
mit Vorliebe am Unterschenkel, führen neben oberflächlichen Gummi
Anh. L Demat. a. Syph. Bd. LXIII. 7
98 Trautmann.
ganz besonders die tiefen, im ünterhautzellgewebe befindlichen herbei,
wie wir es auch von parenchymatösen Organen z. B. der Leber wissen,
wo es oft znr diffusen Bindegewebswucherung kommt.
Durch Zerstörung der Blut- und Lymphgefäße durch ülzerationen
oder Verlegung ersterer durch essentielle Vemarbungen werden die
Zirkulationsyerh<uisse sehr schlechte und die Bindegewebswucherung
nimmt in erhöhtem Maße zu.
Bei periostalen und ostalen syphilitischen Affektionen
entstehen die gleichen Verhältnisse. Mraöek hat bei Nekrose der
Nasenknochen und des Oberkiefers, besonders des unteren OrbitalrandM
wiederholt eine bleibende Anschwellung des ünterhautzellgewebes
beobachtet.
Diese Art der Elephantiasis ist also nur eine Begleit- oder Folge-
erscheinung der Syphilis, uud es ist eine yollstandige Ruckbildung durch
eine spezifische Behandlung nicht möglich. Durch diese heilen nur die
sie bedingenden syphilitischen Affektionen. Die Therapie muß also im
wesentlichen eine chirurgische sein.
Die zweite Form ist etwas ganz anderes. Sie kommt ausschließlich
in den gummösen Stadien der Lues yor, und zwar besteht sie nicht in
einem Aggregat von enganeinander gedrängten, einzelnen Gummis, die
auf diese Weise als ein gleichmäßiges Infiltrat imponieren können,
sondern sie stellt eine mehrweniger diffuse, gummöse Infiltration des
Gewebes dar, ist also keine Neben- oder Folgeerscheinung der Syphilis,
sondern eine besondere Form derselben.
Für diese elephantiastischen Infiltrationszustäude hat Bidon (These
de Paris 1886, o. b. Mraöek) den Namen Syphiloma hyper-
trophicum diffusum eingeführt.
Fournier (die gummösen Syphilide, Independance med. 1899,
Nr. 49) sagt, daß zuweilen sich zur tertiären, ulcerösen Form der Lues
eine Hypertrophie neben elephantiastischer Vergrößerung der Umgebung
gesellt und daß dieselbe (Syphilom hypertrophique diffus oder Syphilide
löontiasique) mit Vorliebe Unterlippe, Nase, Ohr befallt.
Die bis jetzt publizierten Fälle waren auch vorwiegend im Gesichte,
meistens an den Lippen, Wangen, an der Nase lokalisiert und auch
an der Zunge, und zwar kombiniert oder auch als alleinige Er-
krankung, welcher Zeissl den Namen Glossitis indurativa
diffusa gegeben hat.
Den Hinweis auf die oben zitierte Abbau dlung Mraöeks
möchte ich deshalb stark betonen, weil ich in den gang-
baren Lehrbüchern diese Form der Lues nicht in der gleichen
deutlichen Art beschrieben finde. Die sechs Fälle Mraöeks
sind in kurzem folgende:
1. Fall: Infektion vor G Jahren, Student, 27 J., Inunktionskur
und Zittmann vor 4 J. Diffuse Infiltration beider Nasenflügel und des
8eptums. Derbeinfiltration und Hypertrophie beider Mimdlippen, namentlich
Über ein Yon der Nase ausgehendes Syphiloraa etc. 99
der oberen mit Rhagadenbildang an den Maadwinkela. Beginn der
diffusen Infiltration vor IV» Jahren. Rückbildung der Form nach
SOtä^. Beha^dlung (lokal Garbol und graues Pflaster, JE innerlich,
19 Einreib, mit Unga. ein.). Partielle Rezidive an der Oberlippe mit
EoDtenbildung und neue Anscfawell. an den Genitalien, fiesserung.
2. Fall: Infektion anamnestisoh nicht nachweisbar. Bauernsohn,
16 J. Diffuses hypertrophisches Syphilom der ganzen Oberlippe, der
knorpeligen Nase mit Perforation des Septum. Dauer der Erkr. 4 Jahre.
RüOKbildung nach einer 239 Taffe währenden energ. Beh.
(Jodoformpillen, Jodkali mit Ferrum, 60 Inunktionen k 5*0 Ungu. ein.).
3. Fall: Infektion vor 14 J., kurze Zeit Hg- Pillen, dann Kalt-
wasserkur. Fabrikbesitzer, 34 J. Diffuses hypertroph. Syphilom der
liuken Hälfte der Unterlippe. lafiltration der Zungenoberfläche. Heilung
nach 4monatl. Behandlung (lokal graues Pflaster, Bepinsl. mit
Jodlös., intern Zittmann; Inunktionen).
4. Fall: Infektion vor 23 J., ohne systemat. antiluet. Beh.,
Beamter, 43 J. Diff. hypertr. Syphylom der Oberlippe, syph. Enotenbildnng
in der Zunge, oberfl. Hautgummi an der Stirne. Schwell, des Sept. der
Nase mit Perforation desselben. Narben nach Gumm. der Haut, der
Nase und der Wade. Heilung nach V, jähr, energ. Beh. (Zittmann,
Inunktionen).
5. Fall: Vor 9 — 10 J. Genitalgesohwür. Syph. Infiltration des
Periostes und des Zellgewebes der Orbitalhöhle. Übergreifen des Proj.
auf den obliqu. inf. und Abducens, Weiterschreiten desselben im subkutan.
Zeilgewebe der Lider, Wange, jferner im Perioste und Zellgewebe über
dem Jochbogen. Entwicklung dieser Zustände im Verlauf von 6 Jahren.
Rückbildung, wenn anch hartnäckig, nach wiederholten
antiluet. Euren.
6. Fall: Pat. 40 J., Beginn der Erkr. vor */* J. Makroglossie
infolge einer diffusen, s^pb. Infiltration. Rückbildung nach 20 tag.
Beh. (Zittmann, Jodbepmsl). Nach V« J* Zunahme der Infiltr. Sublimat-
iojektionen. Neuerliche Besserung.
Im Jahre 1891 demonstriert Mradek einen weiteren Fall von
Syphiloma hypertrophicum diffusum. (Wiener med. Doktorenkollegium,
Sitz. 7./XIL 1901) : Luet. Infektion nicht nachweisbar. Geschw. im Gesicht,
an den Augen über die Nase gehend. Nach Inzision stets wachsendes
Geschwur. Heilung durch Hg und JE.
Der von Thimm (deutsche med. Wooheoschr. Nr. 24, 1895) ans
Dr. Max Josephs Poliklinik beschriebene Fall von syphilitischer
Makrocheilieist wohl auch zur Gruppe der diffusen, hypertrophischen
äyphilome zu rechnen. Es spricht hiefür die gleichmäßige Verdickung
uod Schwellung der Lippen und vor allem die Art der Wirkung der
autiluetischen Therapie, welche bei sekundär durch einzelne Gummi im
Sohleimdrüsengewebe verursachter Bindegewebs Wucherung doch auf die
Verdickung olme Einfluß geblieben wäre.
1897 demonstrierte Schwimmer (Ungar, dermat. und urolog. Ges.
in Budapest, Sitz. U./II. 1907.) einen Fall von Syphilis leontiasiformis:
Auf der linken Gesichtshälfte, Stirne und behaartem Kopfe thaler- bis
kindshandtellergroße Infiltrate, die rotbräunlich vom Niveau der Haut
emporragen. Am Kinn links mehrere erbsen- bis haselnußgroße drüsige
Gebilde, rechts, am Naseneingang und Nasenrücken mehrere Knoten»
Schleimhaut unverändert
100 Trautraann.
Ferner hat Ludwig OqI mann (Beitrag zur Kenntnis der Glossitis
luetica, Inaug.-Diss. Würzburg, 1897) 10 Fälle aus der Literatur und
einen eigenen Fall von Zungenlues mitgeteilt, von denen 5 in die
genannte Syphilomgruppe einzubeziehen sind (3 gebessert, 2 geheilt).
1898 beschreibt Thevenin (Journ. des mal. cut. et syph.) drei
Fälle von tertiärem Zungen-Lippensyphilom. In einem von diesem war
die ganze Unterlippe und zum Teil Oberlippe infiltrirt; an beiden
Gommissuren bestanden schmerzende und nässende ülzerationen.
In der Literatur findet man noch mehrere Fälle, die als diffuse
hypertrophische Syphilome gedeutet werden könnten.
Z. B. Allen (162. Sitz. d. New- Yorker derm. Ges. 93./III. 1886):
Demonstration eines wucherenden Syphiloderman des Gesichtes eines
40 j. Farbigen, bei dem blumenkohlartige Entwicklung der Nase mit
Schrunden und Ülzerationen festgestellt wurden, femer Eichhorst
(Virchows Archiv, Bd. 181, Heft 3) Elephantiasis syphilitica der Liopen,
bei welcher die Schwellung und Wolstung der letzteren vor 1 Jahre
begannen und dieselben dann als 2 Daumen dicke, schwammige (!), rote
Polster rüsselartig hervorsprangen. Schmierkur war hier erfolglos.
Jedoch ist bei denselben nicht mit Sicherheit derNachweis der d i f f u s e n
Infiltration zu erbringen, und es liegt die Annahme nahe, daß es
sich in diesen Fällen doch vielleicht nur um ein Konglomerat eng
neben einander gesetzter Gummiknoten oder um Gummi mit gleichseitiger
oder nachgefolgter Bindegewebswucherung gehandelt hat. Für letzteres
spricht jedenfalls das absolute Versagen einer antiluetischen Behandlung.
Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Dr.Max
Joseph, für welche ich ihm an dieser Stelle meinen verbind-
lichsten Dank sage, ist es mir möglich, aus seiner dermatolo-
gischen Poliklinik einen Fall zu beschreiben, der nach seinem
ganzen Verhalten sicher auch zu den gummösen Infiltra-
tionszuständen, zu dem Syphiloma hypertrophium
diffusum, als eine Form der syphilitischen ElephantiasiSi
gerechnet werden muß. Der Fall ist folgender:
Elephantiasis s. Syphiloma diffusum faciei von der Nase
ausgehend. Diffuse gummöse Infiltration und Hypertrophie der
äußeren Nase und vorderen Nasenschleimhaut, sowie beider
Wangen. Derbe Infiltration und Hypertrophie der Oberlippe.
Knoten, schmerzhafte Rhagaden und Ülzerationen, besonders
an der Oberlippe. Infektion nicht nachgewiesen. Rückbildung
nach öOtägiger Behandlung mit JE.
B. A., Tischler, 77 Jahre alt, während seiner Milit&rseit 1845
genit alkrank, nach seiner Angabe nur Gonorrhoe. 1847 wurde er von
einem Pferde auf den Kopf geschlagen, will mit dem Gesicht auf das
Stallpflaster gefallen sein und im Anschluß daran eine erhebliche Ver-
über ein von der Nase ausgehendes Syphiloma etc. 101
letzong der äußeren Nase davon getragen haben, die chirurgisch
behandelt wurde.
Seine jetzige Nasenkrankheit soll vor 13 Jahren mit Rötung
und Schwellung begonnen haben und hat sich in der Folgezeit auf die
angrenzenden Wangen ausgedehnt. Er wurde von verschiedenen Seiten
mit Salben und Umschlägen behandelt. Vor V/^ Jahren beobachtete
er, hauptsächlich rechts, Abnahme der Gehörschärfe, die fernerhin, aber
nicht sehr erheblich, zunahm. Kein Ohrensausen. Vor Y, Jahre bemerkte
er auch die Oberlippe befallen, die Bildung neuer Knoten und da^
Auftreten von Ulzerationen an der Nase, an den Wangen und an der
Oberlippe, welche zumeist schmerzhaft waren. Zugleich machten sich
subjektive Beschwerden als spannendes Gefahl in den ergriffenen
Teilen, Bewegungsbeschränkung der Lippen, erschwertes Sprechen und
Kauen geltend. Das Gesicht bekam einen starren Ausdruck, die Haut
eine lividrote Färbung und gleichmäßige Härte und Verdickung, so daß
es eine starke Mißgestaltung zeigte. In der Zwischenzeit soll Pat. an
einem Rhinophym behandelt, scarifiziert und auch galvanokauterisiert
worden sein.
Status. Pat. ist ein breitschulteriger, kräftiger und trotz seiner
77 Jahre keineswegs greiseuhafter Mann. Das Gesicht macht einen
starren, leontiasisähnlichen Eindruck.
Der größte Teil desselben ist von einem Krankheitsprozeß
eingenommen, der sich von der Verbindungslinie beider Augenbrauen
nach abwärts über die ganze Nase erstreckt und beiderseits kontinuierlich
auf die Wangen übergeht, wo er mit einer von den inneren Augen-
winkeln bis zur ünterkiefermitte gehenden Linie ziemlich scharf gegen
die gesunde Haut abschneidet. Nach unten von der Nase setzt sich der
Prozeß auf die gesamte Oberlippe fort und greift beiderseits in die
Wangenaffektion über.
Die Farbe dieser befallenen Partien ist lividrot, zum Teil von
einem eigenen Glanz, aber nirgends ist eine merkbare venöse Stauung oder
OeAßneubildung vorhanden.
An verschiedenen Stellen sieht man zirka erbsengroßeErhaben-
heiten, auf der Haut der knorpeligen Nase, an den Nasolabialfalten
und den beiden Wangen unregelmäßige und runde Ulzerationen bis
Linsengröße, auf der Oberlippe ein ziemlich tiefes zirka 2 cm langes,
7, em breites Geschwür neben kleineren Substanz Verlusten.
Auf der Nasenbeinhaut befindet sich eine breite, weiche Narbe,
kleinere rundliche und streifenförmige Narben sind vereinzelt an
anderen Stellen.
Bei derPalpation sind die einzelnen Knoten hart, die Geschwüre
schmerzhaft, das ganze befallene Gebiet ist von sehrderberKonsistenz,
plattenförmig infiltriert und verdickt. Besonders die Ober-
lippe zeichnet sich durch Härte und Volumszunahme aus und steht
wulstformig nach vorne.
102 Trantmann.
Das rechte Nasenloch ist dorch die dasselbe umgebende Infiltration
veren(]^t und nur für Bleistift dicke durchgängig^ das linke ebenfalls verengt,
aber in geringerem Grade. Die schwer sichtbare Nasenschleimhaut ist
verdickt und macht eine rhinoskopische Untersuchung nicht möglich.
Die Nasenatmung ist kaum behindert.
Die Zunge und Mundhöhle ist frei von Erscheinungen, erstere
aber schwer beweglich unter dem Einfluß der äußeren Erkrankung.
Eaubewegungen und Sprechen erschwert aus demselben Grund. Bei der
Ohrenuntersuchung ergibt der otoskopische Befund nicht anor-
males. Bei der funktionellen Prüfung werden bei Eonversations-
spräche rechts die Zahl 8 in 2 m, die Zahl 3, Otto, Friedrich in 1 m
Entfernung, bei Flüstersprache die Zahl 8 in 0*5 m, die Zahlen 3,
16, 20 in 0 25 m Entfecnung gehört; links Eonv. 8, U, 20, Otto in 8 m,
Flfist. 8, U in 0*5 «», 3, 5, 16 in 0*25 m. Weber'scher Versuch:
wird nicht lateralisiert, Rinne: normal. Tiefe Töne: beiderseits mäßig
herabgesetzt; hohe Töne (C 4): beiderseits, besonders rechts, nahezu
aufgehoben. Dieser Befund macht den Erkrankungssitz im innerenOhr
wahrscheinlich.
Therapie: JK und Umschläge mit essigs. Tonerde auf die er-
krankten Partien des Gesichts.
Patient gibt nur eine Gonorrhoe zu und stellt eine luetische
Infection in Abrede. Er ist an einem Khinophym behandelt worden,
und zwar angeblich von einer Seite, bei welcher die Diagnose nicht in
Zweifel gezogen werden kann. Das liegt aber schon länger zurück.
Der erste Anblick de^ Prozesses, der sich in der Haupt-
sache auf Nasenrücken, Nasenflügel, angrenzenden Wangen,
aber auch auf die Oberlippe erstreckt, könnte einen auch in
der Annahme bestärken, daß es sich auch jetzt noch aus-
schließlich um ein Rhinophym handelt. Die Lokalisation, die
zum Teil lividrote Farbe, die unregelmäßigen, knotigen Er-
habenheiten sprechen dafür. Auch neugebildetes Bindegewebe,
iRrie es beim Rhinophym vorkommt, macht mitunter den Ein-
druck eines diffusen Prozesses.
Trotz der nicht zugegebenen luetischen Infektion mußte
man aber doch bei näherer Untersuchung zu dem Schlüsse
kommen, daß man es mit luetischen Erscheinungen zu tun hat
Auch andere Krankheiten waren auszuschließen.
Vor allem ist es die K o n s i s t e n z, die sich beim Befühlen
als eine harte erweist, und die der Patient selbst empfindet,
da sie ihm Funktionsstörungen beim Naseschnauben, beim
Kauen der Speisen, beim Sprechen, ferner ein Spannungsgefühl
über ein von der Nase ausgehendes Syphiloma etc. 103
in der Haut verursacht, während beim Rhinophym das befallene
Gebiet im ganzen weich bleibt.
Die einzelnen Knoten auf harter Grundlage sind
ebenfalls derb und zeigen nicht einen Gefäßreichtum, wie
beim Rhinophym. Selbst weiche Gummiknoten sind anders.
Die lividrote Farbe ist nicht an eine venöse Stase
gebunden, sie ist diffus und läßt in ihrem Bereich keine
Gefaßbäumchen erkennen. Akneknoten oder Pusteln, Komedonen
fehlen.
Als fernerer Punkt dagegen spricht das Übergreifen
des Prozesses auf die Oberlippe, was beim Rhinophym
nicht vorkommt imd als entscheidendes Moment die
Rhagaden undUlzerationen an der Nase, an den Wangen
und vor allem auf der Oberlippe, wo sie in großer Ausdehnung
vorhanden sind.
Abgesehen von der großen flächenhaften Narbe auf der
Nasenbeinhaut, die nach der Anamnese auf einen Fall auf das
Gesicht zurückgeführt werden muß; zeigt der Prozess an ver-
schiedenen Teilen mehrweniger große zirkumskripte und streifen-
förmige Narben, die aber zum großen Teile doch auf Rechnung
der früher stattgehabten Scarificationen und Galvanokauteri-
sationen gesetzt werden müssen, obgleich nicht von der Hand
zu weisen ist, daß einzelne von ihnen spontane Heilungs-
resultate bestandener Geschwüre sein können. Diagnostisch
konnten sie aber nicht verwertet werden.
So wurde denn die Diagnose Elephantiasis luetica
gestellt und die Behandlung mit Jodkali intern und lokal mit
Umschlägen mit essigsaurer Tonerde eingeleitet. Von einer
energischen Inunktionskur wurde bei dem hohen Alter des
Patienten (77 J.) umsomehr Abstand genommen, als die Er-
scheinungen keine lebensgefährdende waren.
unter dieser Therapie gingen nun die Erscheinungen im Yerlaofe
von 50 Tagen wesentlich zurück. Die befallenen Teile verloren sunachst
ihre harte Konsistenz und wurden weich, wodurch die Funktion«-
behinderungen, in erster Linie das erschwerte Kauen, ferner die Be-
weglichkeitsbeschränkung der Lippen, die undeutliche Sprache und das
Spannungsgefnhl beseitigt wurden. Die knotigen Erhabenheiten
wurden kleiner, flacher und auf der nun weicher und glatter
gewordenen Unterlage ebenfalls weich. Die schmerzhaften Rhagaden
I
104 Trantmann.
und die Ulierationen vernarbten, die Farbe bat an Intensität
verloren nnd ist beller ii^eworden. Die Nasenlöeber sind roweitert, die
noeb verdickte Scbleimbant weicb. In der Nasenböble sonst nichts
abnormes.
Das ganze Bild ist ein anderes geworden; es zeigt
sich im Stadium des fortscbreitenden Zurückgebens, der
Heilung. Die antiluetiscbe Behandlung batte also Erfolg.
Nachdem nun aaf diese Weise die Diagnose Lues gesicbert
erschieD, handelte es sich noch um Feststellung der syphili-
tischen Form. Hiebei folge ich den differential-diagnostischen
Leitsätzen Mraieks.
Ein induratives Ödem war auszuschließen, anam-
nestisch sowohl, als aus dem Mangel der Anschwellung der be*
nachbarten Lymphdrüsengruppen. Außerdem war der ganze
Prozess yiel zu diffus.
Dagegen kam in Frage, ob die elephantiastische Bfiß-
gestaltung auf einen Convolut aneinander gereihter und zum
Teil einzeln stehender Gummiknoten beruhte, oder jene syphi-
litische Elephantiasis darstellte, die eine Sekundärerscheinung
— eine Bindegewebswucherung — bei yorhandenem Gummi ist,
oder ob man es mit einer gummösen Gewebsinfiltration, mit
einem Syphiloma hypertrophicum diffusum, zu tun hatte.
Diagnostisch bieten diese drei Arten manchmal wenig
Unterschiedliches, indem sie alle das Bild einer mehr oder
weniger gleichmäßigen Infiltration zeigen können. Die differen-
tiellen Merkmale werden hingegen erst bei weiterer Beobachtung
des Falles und zwar in seinem speziellen Verhalten gegen die
wirksame antiluetische Therapie deutlich. So auch in dem
beschriebenen Falle.
Bei Vorhandensein des ersten Zu Standes hätten wir
Geschwüre Yor uns, die, wie Mraöek sagt, grubig vertieft
sind und den einzelnen Centren der erweichten Knoten ent-
sprechen. Durch die Behandlung würde sich die ganze
Schwellungspartie bei der Livolution wiederum in eine Summe
einzelner sieht- oder fühlbarer Knoten aufgelöst haben.
Im zweiten Falle wären durch das JK wohl die
Gummi zurückgegangen, aber die starre Bindegewebswucherung
wäre unbeeinflusst geblieben und es hätte sich ein Zustand
Ton Furchen oder Vertiefungen als Heilungsresultat der ersteren
r
Über ein von der Nase ausgehendes Syphiloma etc. 105
und Ton Leisten oder Höckern als bleibender Zustand der
letzteren herausgebildet. Man darf immerhin nicht vergessen,
daß durch teilweise spontane Atrophie der gummösen Infiltration
auch bei der dritten Art, dem diffusen hypertro-
phischen Syphilom, im Verlaufe sehr langen Bestehens,
nicht aber während der Therapie^ ein ähnliches Bild entstehen
könnte. Ein solches war aber in unserem Falle weder vor,
noch während der Behandlung in diesem Sinne vorhanden.
Die verschiedenen, zum Teil auch unregelmäßigen Erhaben-
heiten — neben der gleichmäßigen Infiltration — finden wir auch
beim Syphiloma hypertrophicum diffusumu Wir wissen (M r a £ e k),
daß die Haut über diesen meistens im subkutanen Zellgewebe
entstandenen Infiltraten an&ngs kaum verändert, nach längerem
Bestände lividrot geworden ist, bei gesteigertem Fortschreiten
der Erkrankung papilläre Exkreszenzen entstehen. Auch können
typische Gummi voraus und nebenher gehen. Damit kann man
also wohl in unserem Falle die weniger einzelnen Erhabenheiten
erklären.
Bei unserem Patienten hatten wir in der Hauptsache eine
gleichmäßige, starre und harte, eine gummöse Infiltration und
Hypertrophie der erkrankten Partien vor uns.
Was die Geschwüre betrifft, so waren dieselben keine
gummösen Zerfallsprodakte. Vor der Behandlung waren dieselben
seichte, längliche, unregelmäßige Substanzverluste, auch tiefere
Rhagaden, jedoch nicht in dem Grade, daß damit eine Infiltrats-
einschmelzung eingeleitet wurde.
Diese Ulzerationen waren auch an Stellen, die einer von
außen gesetzten Läsion, z. B. an der Nasolabialfalte und einer
Zerrung, z. B. an den Mundcommissuren zugänglich waren.
Diese Geschwüre entstehen auch durch anämische Nekrose,
wenn durch die gummöse Infiltration daselbst den Gefässen
die Emährungsmöglichkeit abgeschnitten ist, sei es, daß sie
zerstört oder verlegt sind. Diese Art von Geschwüren können
zwar auch beim Gummi vorkommen, aber ausnahmsweise, da-
gegen beim diffusen, hypertrophischen Syphilom in der Kegel.
(Virchow, Geschwülste, pag. 402, Mraöek 1. c.)
Die Ausbreitung des Prozesses fand von der Nase aus,
als Zentrum peripherisch auf die Wangen und die Ober-
106 Trautmann.
lippe statt, wie es bei der letztgenannten Form der Fall zu
sein pflegt.
Dementsprechend war auch die äußere Mißgestaltung eine
elephantiastische, leontiasisartige und hiedurch die oben ge-
nannten Störungen verursacht.
Auf Grund dieses Tatbestandes scheint es
berechtigt, in vorliegendem Falle die Diagnose
aufSyphiloma hypertrophicum diffusum, als einer
besonderen Art der Elephantiasis syphilitica zu
stellen.
Die Involution der gummösen Infiltrate ist eine sehr
langsame, und um sie vollständig zum Schwinden zu bringen,
ist bei der Hartnäckigkeit des Leidens eine langdauemde,
antiluetische Behandlung notwendig. Wir sehen jedoch aus
den oben angeführten Fällen Mraßeks, daß schon nach ver-
hältnismäßig kurzer Zeit (20 und 30 Tage) eine Rückbildung
zu konstatieren ist, und diese ist doch das Anfangsstadium der
Heilung. Auch in unserem Falle ist nach einer Behandlung
von 50 Tagen eine völlige Heilung noch nicht erreicht, aber
eine gauz wesentliche Besserung eingetreten von der Art, wie
wir sie oben geschildert haben.
Möglich ist es femer auch, daß die durch die Ohra£fektion
bedingte Gehörstörung im Zusammenhang mit Lues steht. Eine
merkliche Besserung derselben bat sich unter der JK- Behandlung
bis jetzt nicht gezeigt, was aber nicht dagegen spräche.
Hinsichtlich der Beziehung des Rhinophyma zur Syphilis,
speziell zur gummösen Infiltration, läßt es sich wohl kaum
entscheiden, ob die hypertrophischen Talgdrüsen oder das
gewucherte Bindegewebe gummös entartet werden, und es so
zur Infiltration ganzer Gewebe kommen kann, oder ob hier der
locus minoris resistentiae (Rhinophym und früheres Trauma)
eine Rolle spielt.
Erwiderung zu dem Nachtrag der Arbeit
F. V. Waldheims: „Haemangeiidothelioma
cutis papulosum''.
Von
Dr. A. Gassmann,
Spesialarit fVr Haatkra&kheiten in Basel an<1 I^nkcrb«d.
Im Band LX, Heft 2 dieser Zeitschrift macht y. W a 1 d -
heim im Nachtrag seines Aufsatzes so ungerechtfertigte Aus-
setzungen an meiner im Band LYIII dieses Archivs erschie-
nenen Arbeit: Fänf Fälle von Naeyi cystepithelio-
matosi disseminati, daß ich mich zu einer Entgegnung
genötigt sehe.
Dieser Autor bezweifelt zunächst die Identität meiner
Fälle mit denen von Kaposi, Jacquet-Darier etc., und
meint, dieselbe hätte von mir erst bewiesen werden müssen.
Das glaubte ich in der Tat nicht nötig zu haben; denn das
histologische Bild des y^Idradenome'' ist ja jetzt schon ganz
allgemein bekannt. Die charakteristischen Zellstränge mit den
„KoUoidcysten" schützen vor der Vei-wechslung mit andern
Affektionen; sie waren in allen meinen Fällen in typischer
Ausbildung vorhanden. Die von mir als besonders bemerkens-
wert hervorgehobenen Auswüchse des Epithels fanden sich
in fast allen meinen Fällen, und zwar neben den genannten
Bildungen; sie unterscheiden sich, wie aus einem Vergleich
mit Jaris eh 8 Bildern hervorgeht, von dessen Trichoepitheliom,
das auch mir wohlbekannt ist, vollständig; das letztere weist
bekanntlich auch keine ,,Kolloidcysten'' auf.
Auch zugegeben, daß die klinische Diagnose des „Idrade-
nome'' nicht immer mit Sicherheit gestellt werden kann, so ist
doch die histologische eine ganz sichere und in jedem meiner
Fälle sofort ^zu stellen. Es ist absolut ausgeschlossen, daß
108 OaBsmann.
auch nar in einem derselben ein „Syringo- oder Tricho-£pi-
theliom" in dem bisherigen Sinne dieser Worte vorgelegen hat.
Ich habe nun in dem vom untern Augenlid stammenden
Stück meines Falles I nachgewiesen, daß eine typische „Kolloid-
cyste^ des Hidradenoms durch einen gewundenen, zylindrischen
Epithelstrang mit der Epidermis in direktem Zusammenhang
steht. Dieser Nachweis ist — yorausgesetzt, daß Serienschnitte
überhaupt etwas zu beweisen im stände sind, was man kaum
bezweifeln darf — in meinem Fall absolut sicher und über-
haupt ungleich leichter zu führen, als der Nachweis eines Zusammen-
hangs mit Endothelzellen. Die einzige Möglichkeit eines Irrtums
bestände darin, daß es bislang noch nicht bekannte strang-
förmige Epithelauswüchse gäbe, die mit den Hidradenom-
KoUoidcysten identische Gebilde einschließen, dennoch aber
von dem Hidradenom verschieden sind. Zu dieser Annahme
ist jedoch bis zur Stunde niemand berechtigt, und ich halte
demnach durch diesen einzelnen Befund den Be-
weis für erbracht, daß alle Hidradenome als Epi-
theliome anzusehen sind. Das ist ein log isch völlig be-
rechtigter Schluß, den auch v. Waldheims Zweifel nicht zu
erschüttern vermögen. Es würde doch den herrschenden An-
schauungen der Pathologie widersprechen, wenn man annehmen
wollte, daß gleichaussehende Geschwülste das einemal durch
Wucherung der Epidermiszellen, das anderemal durch Aus-
wachsen des Gefäßendothels entstehen können.
Die, Schweißdrüsengängen ähnlich sehenden, von denselben
aber durch den Mangel eines Lumens, die vielfachen gewun-
denen Verästelungen und das ungleichmäßige Kaliber ver-
schiedenen, Epithelauswüchse der Fälle I, II, III, IV, bei denen
ein Zusammenhang mit Cysten nicht bestand oder zweifelhaft
(s. Taf. XI, Fig. 2) war, liefern zwar nicht einen Beweis für
den früher vorhandenen Zusammenhang der Cysten mit dem
Epithel, sind aber doch au£faUig genug, um als Stütze dieser
Annahme erwähnt zu werden, v. Waldheim will auch nicht
zugeben, daß das Vorhandensein der Kömchen in den Geschwulst-
zellen, welche, wie ich nachgewiesen habe, in manchen Farb-
reaktionen mit dem Keratohyalin übereinstimmen, für die epi-
theliale Natur der Geschwulst spreche, da „eine solche, in
Kügelchen auftretende hyaline Degeneration auch den Zellen
der Bindesubstanzen eigen ist". Ich kenne solche, die von
mir erwähnten färberischen und chemischen
Keaktiouen gebende Kügelchen in Bindegewebs-
zellen nicht.
Es ist auch nicht sicher, ob die von v. W. gesehenen,
manchmal „die Größe roter Blutkörperchen erreichenden^
Erwiedemog za dem Nachtrag dor Arbeit F. v. Waldheim. 109
„hyalinen Tröpfchen'' mit meinen Körnchen identisch sind, da
er Ton ihnen nur sagte, daß sie sich „mit Eosin hellrot färben **.
Wenn v. Waldheim meint, daß „der Mangel jeglicher
Kernwucherungen an den Gefäßen den Fall II von einer Gleich-
stellung mit dem Hämangendothelioma J arisch ohne
weiteres ausschließt'', so stellt er diese Kernwucherungen als
für die Diagnose wesentlichsten Bestandteil hin. Nun er-
wähnen diesen Befund von den bisherigen Autoren nur Jarisc b,
Elschnig, Wolters und Guth; aber auch sie scheinen in
ihm nicht die Conditio sine qua non zu sehen ; wenn ich einen
Fall mit charakteristischen Strängen und Cysten ohne diese
Veränderung finde, so scheint mir dies eher gegen ihre prin-
zipielle Bedeutung zu sprechen.
Y. W. schreibt: „Bedenkt man, daß 6. nicht einen
Fall, sondern gleich fünf Fälle mit nicht weniger als zirka
1000 Präparaten untersucht hat, daß unter diesen einige gar
nicht hierher gehörige Epitheliome sich befanden (was ich oben
schon widerlegt habe), so werden seine negativen Resultate
bezüglich der direkten seitlichen Endothelwucherungen nicht
Wunder nehmen.'' Je mehr Material man hat — und die Naevi
cystepitheliomatosi, besonders der unteren Lider, sind keines*
wegs so selteUi wie v. W. anzunehmen scheint — um so eher
hat man Hoffnung, etwas zu finden, was wirklich existiert, wenn
man nur gründlich sucht — das letztere zu bezweifeln, dazu
hat doch v. W. kein Kecht.
Ich habe hervorgehoben, daß auch ich in vier Fällen
diese als „Endothelwucherungen*^ angesprochenen Kernver-
mehrungen um die Gefäße herum gesehen habe, dieselben aber
nicht als solche anerkenne und mich auch von dem „Übergang"
derselben in Hidradenomstränge nicht überzeugen konnte«
Eine Kapillare besteht aus einer Lage mit den Proto-
plasmaleibem aneinander stoßender Endothelzellen ; darauf
liegen die Perithelzellen. Wie in aller Welt will v. Wald-
heim beweisen, daß die Kerne, welche in der Affektion dicht
gedrängt um das Endothelrohr herum liegen, vom Endothel
stammen und nicht vom Perithel?
Weder durch Abbildungen, noch durch Beschreibung —
die übrigens nach seiner Meinung immer nur subjektive Deu-
tung ist — erwähnt er einen Protoplasmaleib der gewucherten
„Endothelien". Erst dann könnte man annehmen, daß es solche
seien, wenn ihr Protoplasmaleib unmittelbar an denjenigen der
Kapillarendothelien oder solcher Zellen, die mit den letztern in
gleicher Weise zusammenhängen, anstößt. Das Nebeneinander-
liegen von Kernen kann hier nichts beweisen, sondern nur das
unmittelbare Aneinanderliegen der Zellleiber. Hiervon eiwäbnt
der Autor nichts. —
110 Gassmann.
Ihm erscheioen ferner „die durchscheinenden Knötchen^
meiner Fälle II und III yerdächtig. Hierzu ist kein Grund
vorhanden. In manchen Fällen ist diese, wenn auch gering-
gi'adige, Transparenz deutlich; das kann auch nicht be-
fremden, wenn man weiß, daß in vielen Knötchen eine oft recht
stark ausgesprochene Elnstinentartung anzutreffen ist Sehr
transparent, geradezu vesiculiform, können die Knötchen werden
(wie dies in Fall I zu sehen war), wenn sich in denselben
Schweißgangcysten finden.
In Bezug auf den übrigen Teil der Arbeit v. Waldheims
kann ich mich kurz fassen. Der von ihm beigebrachte histo-
logische Befund stellt im Wesentlichen eine Wiederholung des
bereits von andern Autoren, speziell Wolters, erhobenen dar.
Merkwürdigerweise scheint ihm nicht besonders bemerkenswert
der Umstand, daß er einmal »häufig eine längsgetroffene, breit-
wandige Kapillare in ihrer Längsrichtung als soliden, kein Lumen
enthaltenden Zellstrang sich fortsetzen^ sieht, also den Yon
J a r i s c h behaupteten und von Wolters bestrittenen Modus der
,, Endothel Wucherung ** findet, andererseits aber auch den von Wol-
ters beschriebenen Modus entdeckt, der darin besteht, daß „die
Endothelwucberung ohne Verengerung oderVerstopfung des Lumens
zunächst zu nach außen drängender Verdickung der Wandung
fuhrt und hernach aus diesen ge wucherten Gefäßwänden seitlich so-
lide Zellsträngc sprossen, welche durch erneute Wucherung Zell-
kugeln bilden **. — Vereinzelt steht v. Waldheim da mit
seinem Befund „stark gefärbter einkerniger Rundzellen'' in-
mitten der „Endothel Wucherungen" und denjenigen ^^zahlreicher
verschieden gestalteter epitheloider Zellen" in der Cutis.
Ich sehe mich somit zu der Erklärung gezwungen, daß
ich meine Darstellung v. Waldheims Einwendungen gegen-
über in allen Punkten aufrecht erhalten muß.
ßeriGM über die Leistunpn
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
Verhandlungen der Berliner dermatologisclien
Gesellschaft.
Sitzang vom 4. März 1903.
Yonitzender: Lesser. Sohriftfahrer: Saalfeld.
1. Plonski stellt aus der Lassar'schen Klinik einen Knaben von
14 Jahren vor, welcher seit Sentember voriffen Jahres an einem Erythema
striatam leidet. Die Affelction hat ihren Sitz auf dem Handrücken,
den Fingern, auf dem linken Unterschenkel, and anoh auf dem Gk«icht
zeigen^ sich strichförmige Rötungen. Der Knabe ist vollkommen gesnnd.
Eine Ätiologie ist nicht vorhanden. Die Affektion bestand unanter-
brochen, nor einmal soll eine vierwöchentliche Paase eingetreten sein.
Die Erscheinungen bilden sich von selbst zurück oder bleiben wochen-
lang unverändert bestehen. Die Affektion gehört in die Gruppe des
Erythema exsudativum multiforme. Nicht nur in der äußeren öestalt.
sondern auch in der Dauer der Zeit besteht ein Unterschied: während
beim gewöhnlichen Erythema exsudativum die Hauterscheinungen in
14 Tagen, länptens in vier Wochen ohne Behandlung schwinden, bleiben
dieselben in diesen Fällen wochenlang bestehen oder bilden sich zurück,
um durch neue sofort ersetzt zu werden. Die Möglichkeit, an Kunst-
Produkte zu denken, hält P. für ausgeschlossen.
Heller glaubt, dafi man diesen Fällen gegenüber große Vorsicht
beobachten muß. Er hat einen analogen Fall bei einem Mädohen
beobachtet, welches in verschiedenen Kliniken als Erythema striatum
demonstriert worden war. In diesem Falle gelang es durch Versprechun-
gen Eruptionen an ganz bestimmten Stellen hervorzubringen. Als nun
der Versuch gemacht wurde, die Erscheinungen auch an Stellen auftreten
zu lassen, wo es schwer war hinzugelangen, traten die striohfSrmigen
Konturen nur sehr undeutlich hervor. Die Heilung ist in diesem Fall
durch eine energische Züchtigung von Seiten der Eltern erfolgt.
Blaschko behauptet, daß jedenfalls der Verdacht eines Arte-
fakts in diesem Fall vorliegt. Die Erscheinungen erinnern an die sog. neurotic
excoriations ; jedenfalls möchte er Bedenken tragen, die Affektion in die
(Gruppe des Erythema exsudativum einzureihen.
Saalfeld glaubt, daß eine mikroskopische oder chemische Unter-
suchung der Auflagerungen über die Ätiologie einen Aufschluß gewährt,
indem dadurch vielleicht eine äußere Noxe nachgewiesen wird.
Plonski hat nach einer äußeren Schädlichkeit gesucht, indessen
keinerlei Aufschluß erhalten. P. kennt keine andere Krankheitsgruppe,
Areb. f. Dermat. a. Syph. Bd. LXIII. q
114 y erhandlangen
in welche diese Fälle eingereiht werden könnten, die sich durch das
Auftreten eines Erythems und einer Ezsudation auszeichnen.
2. Fischel stellt einen Fall yon Naevus sebaceusam Kopf vor und
erinnert an die Fälle, welche von Jadassohn und Bender beschrieben
worden sind. Ob es f ich um einen Naevus handelt, kann nur durch die
klinischen Momente festgestellt werden; mikroskopisch besteht kein
Unterschied vom Adenoma sebaceum. Beim vorgestellten Fall soll die
Afifektion von Jugend an vorhanden sein. Was das histologische Bild
anbetrifft, so besteht an verschiedenen Stellen eine kleinzellige Infiltration,
die zum Teil entzündlicher Natur ist, außerdem findet man ziemlich
große Sohweißdrüsencysten^ die aber nichts Charakteristisches haben.
8. Fischel stellt einen Patienten vor, welcher einen Lupus
vulgaris in der Umgebung des Anus hat und welcher sich durch
seine scharfe Abgrenzung auszeichnet, so daß man geneigt wäre, an ein
Ekzema marginatum zu denken. Die Affektion besteht seit sieben Jahren.
Die mikroskopische Untersuchung eines excidierten Stückchens ergab
Tuberkulose. Die Affektion reicht nicht ganz an die Analschleimhaut
heran. Rektum, Mund und Nasenschleimhaut sind normal.
Plonski erinnert daran, daß diese Form häufig bei kleinen Kindern
vorkommt, welche mit dem bloßen Gesäß auf der Erde herumrutschen
und so das sich dort befindliche Sputum einreiben.
4. Pinkui» demonstriert eme Patientin mit Liehen ruber
verrucosus des linken Unterschenkels. Derselbe ist seit Mitte Dezember
in Beobachtung. Da wegen des hohen Alters der Patientin eine Arsen-
behandlung nicht eingeleitet wurde, so konnte beobachtet werden, daß
die Affektion sich vom Unterschenkel über das Knie und von dort aus
auf die Hinterseite des Oberschenkels ausdehnte. Während am Unter-
schenkel die Affektion dem Verlauf der inneren Voigt^schen Grenzlinie
sich näherte, war der Verlauf am Oberschenkel dieser Linie nicht ent-
sprechend. Ob die Affektion mit einer der übrigen Beg^enzungs- und
Kichtungslinien zusammenflült, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.
Am ehesten entspricht noch die Ausbreitung dem Gebiete des zweiten
Sakralsegments, wie es in der Blaschko'schen Zoster-Arbeit angegeben ist.
5. R. Isaae II stellt eine 88jährige Patientin vor mit einem sehr
ausgebreiteten ulcerösen Syphilid an der Haut der Stirn und des
beluiarten Kopfes. Die Patientin hat sechs gesunde Kinder gehabt. Die
Anamnese ist absolut negativ. Der übrige Körper ist vollständig frei.
Lesser erwähnt, daß er augenblicklich einen Fall in Behandlung
hat, bei welchem die geschwürige Zerstörung der Kopfhaut noch in
erheblicherem Maße vorhanden ist. In seinem Fall war die Patientin
sieben Monate von einem Homöopathen behandelt worden.
6. Lesser berichtet über eine schwere Quecksilberver-
giftung. Die 86jährige Patientin erkrankte Weihnachten 1901 an einem
Ausschlag an den Genitalien und auf der Stirn, nachdem sie von ihrem
Mann infiziert worden war. Der behandelnde Arzt machte drei Ein-
spritzungen von Sslicyl-Quecksilber und zwar von einer Emulsion von
3 : 30 Paraffinum liquidum. Am 8. Jänner erhielt die Patientin V, und
am 7. und 11. je ein Gramm, so daß die Patientin im ganzen 0*25
Hydrargyrum salicylicum erhielt. Bald nach der dritten Injektion stellte
sich Durchfall ein, welcher von dem ordinierenden Arzt mit Opiaten
behandelt wurde. Der Durchfall besserte sich nicht und am 4. Feber
zeigte sich ein neuer akut auftretender AusBchlag. Infolge dessen ließ
sich die Patientin in die Charite aufnehmen. Das Exanthem war der
Typus eines Quecksilber-Erythenis, welches hauptsächlich auf dem Humpf
lokalisiert war. Eigentümlich war, daß dasselbe sich erat drei Wochen
nach der letzten Einspritzung zeigte. Der weitere Verlauf war folgender:
Das Erythem ging nach acht Tagen wieder zurück und war von einer
der Berliner dermatolog^scben Gesellschaft. 115
sehr reichlichen Abschnppang gefolgt Die Haat löste sich in groden
Fetsen ab. Der Darchfall bestand noch weiter ; die Stühle waren dünn
wässrig. Die Behandlung bestand in Klvsmata von Kieienwasser and Tannin.
Hierdoroh besaerten sich die Diarrhöen und nach 14 Tasen befand
sich die Patientin in einem leidlichen Zustande, nachdem das Fieber,
welches anfäoglich bis auf 40'4 gestiegen war, allmählich herabgegangen
war. Am 90. Febr. war die Patientin fieberfrei. Der Urin war schwach
eiweißhaltig, ungefähr ^IaI^ ^^ ^7* ^^^^^ stieß sich aus der Vagina
ein großer Fetzen ab. Bei der Untersuchung zeigte es sich, daß die
untere Vaginalschleimhant bis in das hintere Scheidengewölbe nekrotisch
geworden war. Hiednroh entstand anoh eine Kommunikation zwischen
Vagina und Rektam, welche ungefähr ein für einen Finger durchgängiges
Loch groß war. Bald stellte sich wieder hohes Fieber ein und der
augenblickliche Zustand ist ein im hohen Qrade besorgniserregender.
Die Temperatur steigt bis auf 39*6, die Patientin ist sehr herabgekommen,
der Pnls 140 — 150 Schläge in der Minute.
Bei der Besprechung des Falles betont L., daß die Enteritis
mercnrialis, das Erythem und die Gangrän der Schleimhaut die mer-
kurielle Ätiologie über jeden Zweifel hinstellen. Die Inkubation ist
allerdings etwas lang, da sie mehrere Wochen beträgt, indessen sind
Fälle bekannt, bei denen noch nach erheblich längerer Zeit Intoxikations-
Erscheinungen aufgetreten sind, so besonders nach Oleum cinereum.
Metallisches Quecksilber führt eben leichter zu einem Depot, das längere
Zeit liegen bleiben kann. Bei Kalomel und Hydrargyrum salicylicuiu
geht die Überführung in eine lösliche Quecksilber Verbindung schneller
YOD statten und so treten nach z. B. Kalomel Intoxikationen sehr bald
nach der Einspritzung auf. In diesem Falle konnte bei dem Suchen
nach dem Depot eine mäßige vielleicht wallnußgroße Schwellung der
linken Hinter oacke, welche deutlich abgrenz bar war, konstatiert werden.
Jedenfalls muß angenommen werden, daß das Hydrargyrum salicylicum —
entgegen dem gewöhnlichen Verhalten — ein Depot gebildet hatte, von
welchem auf einmal ein Übergang in die Blutbahn erfolgte. Bemerkens-
wert ist die geringe Dosis von 0'25, welches die Patientin erhalten
hatte, während gewöhnlich die vier- bis fünffache Dosis gegeben wird.
Was die Behandlung anbetrifft, so wurde von einer Exstirpation des
event. Depots Abstand genommen sowohl wegen der geringen Menge des
Quecksilbers und hauptsächlich aus dem Grunde, weil die Erscheinungen
der Intoxikation schon im Rückgang begriffen waren und das Fieber
aufgehört hatte. Auch war der Urin, der im Anfang sehr stark queok-
silk^rhaltig war, bei einer späteren Untersuchung, welche von Salkowski
ausgeführt wurde, quecksilberfrei. Die Operation konnte nur eine Xebeu-
komplikation schaffen. Was die Ursache anbetrifft, so muß unbedingt
eine Idiosynkrasie der Patientin gegeu Quecksilber angenommen werden,
da im Vergleich zu der geringen Dosis die Erscheinungen außerordentlich
schwere waren. Eine Schuld des behandelnden Arztes liegt in keiner
Weise vor — er hat im Gegenteil im Anfang aus Voi*sicht nur die halbe
Dosis gefl^eben. Als mögliche Erklärung führt L. noch an, daß, wenn
man nach dem Umschütteln der Emulsion zufälligerweise mit der Spritze
aus dem tieferen Teile der Flasche die Flüssigkeit aufsaugt, möglicher-
weise das Quecksilber nicht im Verhältnis von 1 : 10, sondern vielleicht
von 2 — 3 : 10 vorhanden ist. Nach dieser Richtung hin liegen Beobach-
tungen vor, wo Vergiftungen beim letzten Patienten eintraten, nachdem
8 oder 10 Kranke hintereinander vorher eingespritzt waren. Auch lautete
die Verordnung von 3 : 30. Die Möglichkeit einer stärkeren Konzentra-
tion liegt auch bei einer schmaleren Flasche eher vor, als wenn man eine
kleine Menge 1 : 10 aus einer breitereu Flasche anwendet. L. zieht auch
das Oleum olivarum dem Paraffin vor, da dasselbe dicker ist und sich
8*
\lß Yerhandlnngen
mit ol. oliy. die Emalsion länfferbält. Jedenfalli maß auf diese Momente beson-
ders geachtet werden. — Was nun die Frage anbetrifft, ob diese Fälle Yer-
anlassang geben sollen, die Einspritzungen mit anlötliehen Qaeckailber-
salzen gänzlich aufzageben, so sieht L. in denselben nicht nnr einen
Ersatz fär die Schmierkar und die löslichen Queoksilberverbindungen,
sondern spricht denselben in bestimmten Fällen einen großen Vorzug
vor allen andern Behandlungsmethoden zu. So bedauerlich auch der
Fall als solcher ist, so ist derselbe nicht anders zu beurteilen als z. B.
Chloroform-Todesfalle bei fehlerlos ausgeführter Narkose. V^eder die
Karkose noch die Behandlung mit unlöslichen Quecksilbersalzen sollen
wegen derartiger Zwisohenfäfle aufgegeben werden.
Lassar legt sich die Frage vor, ob man nach einem solchen
einzelnen Vorkommnis nicht noch größere Vorsicht bei der Anwendnng
des Hydrargyrum salicylicum walten lassen muß. Wie kann man sich
Tor einem derartigen traurigen Ausgang schützen? Welche Indikationen
berechtigen zur Anwendung des Mittels und wie kann man sich vor
einer Anklage bewahren, wenn man bei mehr oder minder schwerer
Syphilis den Patienten einer derartigen Behandlung ausgesetzt hat?
L. selbst würde sich in Zukunft noch mehr als bisher besinnen, grade
dieses unlösliche Präparat anzuwenden. Wenn auch nur ein einsiges
Mal pro Mille, so spricht doch dieser traurige ^Verlauf zu Ungunsten
dieser Behandlungsmethode.
Rosenthal hat das Hydrargyrum salicylicum seit vielen Jahren
angewendet, ohne ungünstigere Erfahrungen mit demselben zu machen
als mit jeder andern Art der Behandlung und jedem andern Quecksilber-
präpsrat. Nach Inunktionskuren sind ebenso Todesfälle bekannt und
auch vor Anklagen bei dieser Behandlungsmethode kann man sich nicht
schützen. Man darf ein Präparat, welches so vielfach mit glänzendem
Erfolg angewendet wird, nicht wegen eines einzelnen Falles gleich über
Bord werfen wollen. Nebenwirkungen kennen wir bei fast allen Medi-
kamenten, wie dem Chinin, dem Antipyrin, dem Morphium u. s. w. Das
Hydrargyrum wirkt als solches, ob in löslichen oder unlöslichen Salzen,
und diejenigen, die unlösliche Salze mit Vorliebe anwenden, haben sich
davon überzeugt, daß man mit denselben für eine gewisse Kategorie von
Patienten größere und schnellere Hilfe bringt. Der von Lesser vorge-
tragene Fall kann nur dahin gedeutet werden, daß bei der Patientin
eine ausgesprochene Idiosynkrasie gegen Quecksilber vorhanden war;
dieselbe hätte sich auch bei jeder andern Methode zeigen können. Das
Oleum cinereum hat Rosenthal nur ganz kurze Zeit angewendet, weil
er sich bei der Untersuchung des Urins nicht von einer gleichmäßigen
Resorption überzeugen konnte. Was die Anwesenheit von Eiweiß im
Urin anbetrifft, so dürfte von besonderer Bedeutung sein, ob die Nieren
schon vor der Ansteckung nicht normal funktioniert haben. Hierdurch
würde die Resorption und die Ausscheidung von Seiten der Nieren be-
hindert gewesen sein nnd eine Intoxikation verständlicher machen.
Ähnliche Erfahrungen haben Rosenthal veranlaßt, jahrelang bei jedem
einzelnen Patienten, bevor irgend eine Kur eingeleitet wurde, den Urin
auf Eiweiß untersucheo zu lassen; wurde nur das mindeste gefunden,
der Berliner dermatologisohen Oesellschaft. 117
80 wurde die Kur mit um so größerer Vorsieht begonnen. Es wäre
interessant zu wissen, ob in diesem Falle eine Nierenaffektion schon
▼orher vorlag.
Lippmann hat sich vor der Anwendung des Hydrargyrum
salicylicum immer gescheut, da die Resorption der unlöslichen Präparate
eine unregelmäßige ist. Nur wenn durch Einreibungen und lösliche
Quecksilberpräparate kein Erfolg erzielt wird, liegt eine Indikation inr
Anwendung unlöslicher Verbindungen vor. Auch bei den stärker pro-
sentuierten Sublimat-Iigektionen zeigte es sich, daß eine gleichmäßige
Wirkung nicht eintrat; in einzelnen Fällen traten ganz unmotivierte
starke Durchfälle ein. Wenn er selbst der Patient wäre, würde er bei
sich keine ungelösten Salze anwenden.
Jap ha berichtet über einen Fall, welcher nach Anwendung von
nur 0*2 Hydrargyrum salicylicum letal endete. Der Fall ist insofern von
Interesse, weil er gleichzeitig die Ursache erklärt, warum eine sogenannte
Idiosynkrasie gegen das Mittel bestand. Der Patieut war ein kräftiger
45j ähriger Mann, welcher plötzlich auf einer Jagd mit Schwäche in den
Beinen erkrankte, aus welcher sich eine Paraplegie entwickelte. Dazu
gesellten sich Blasen- und Mastdsrmstörungen und Anästhesie der
Extremitäten bis zum vierten Lendenwirbel. Man nahm eine Myelitis
an, welche möglicherweise gonorrhoischer Natur sein konnte, da ein
Tripper bestand. Wegen anderer schweren Erscheinungen wurde aber
eine antisyphilitische Kur eingeleitet mit Jodkali und Hydrargyrum
salicylicum. Am Ende der ersten Woche nach der Iigektion bekam
Patient heftige Leibschmerzen, welche auf eine bestehende Obstipation
zurückgeführt wurde. Dieselbe wurde mit hohen Eingieß ungen behandelt.
Patient bekam dann eine zweite Injektion. An demselben Tage stellten
sieh eiterige Stühle ein und zwei Tage darauf starb der Patient. Bei
der Sektion fand sich eine ziemlich alte Myelitis syphilitischer Katar,
außerdem eine eiterige Peritonitis, die die Todesursache war und Durch-
brach von dyssenterischem Darminhalt in die Bauchhöhle. Die Intoxikation
erfolgte, weil infolge der bestehenden Darmlähmnng der Patient das in
den Darm ausgeschiedene Quecksilber nicht entleeren konnte. Es ist
sicher, daß in solchen Fällen die Iigektion von Quecksilberpräparaten,
vielleicht die Quecksilberbehandlung überhaupt ein Eunstfebler ist In
diesen Fällen sind jedenfalls Durchfalle der Verstopfung vorzuziehen.
Blaschko polemisiert gegen den Ausdruck „Eunstfehler**. Er
erinnert an den Fall von Jacusiel, bei welchem nach einmaliger Ein-
reibung von grauer Salbe gegen Pediculi der Tod eintrat. So kann in
ganz seltenen Fällen nach einer einzigen Einreibung das geschehen, was
nach Hydrargyrum salicylicum eintritt. Die Schwierigkeit im L e s s e r'schen
Falle besteht darin, daß die Idiosynkrasie erst im Verlauf des Falles
eintrat und zwar ziemlich spät. Möglicherweise ist das Mittel im Anfang
resorbiert worden, aber die Idionsynkrasie ist plötzlich im Laufe der
Behandlung eingetreten. Wir wissen, daß solche Idionsynkrasien er-
worben werden können und plötzlich auftreten. So bekam ein Patient
118 YerhaDdluDgen
TOD ihm nach der 21. Einreibung plötzlich eine schwere Intozikfttiony
£rythema mit hohem Fieber, Durchfall a. b. w. Die Ursache
dieser Idiosynkrasie bestand in diesem Falle in einem heißen Bad, wodurch
die Haut in einen anfierordentlichen Reizznstand geraten war. — Auch
in einem andern Falle traten nach der 26. Einreibung schwere Intoxi-
kationen ein. Blaschko macht darauf aufmerksam , daß schon vor 10 Jahren
in der SociSte de Dermatologie eine Debatte über diese späten
Intoxikationen stattfand, obgleich damals in Frankreich mit unlöslichen
Präparaten gar nicht behandelt wurde. Selbst durch allmäliches Tor-
sichtiges Ausprobieren kann man nicht immer erkennen, ob der Patient
eine Idionsynkrasie hat oder nicht; jedenfalls darf die Intoxikation nicht
dem Präparat zur Last gelegt werden, welches Blaschko in etwa
5000 Fällen, ohne irgend eine schwere Form der Intoxikation zu erleben,
angewendet hat, welches von Tarnowski vielleicht 50.000 Mal und in
den letzten Jahren gewiß millionenfach angewendet worden ist. Auch
das Sublimat — besonders in stärkerer Lösung — ist ein unlösliches
Quecksilberpräparat, denn in dem Augenblick, wo es injiziert wird,
bildet sich Quecksilber-Eiweiß, und es besteht ein unlösliches Depot,
von dem eine Resorption nicht leicht vor sich geht. In jedem Fall
muß genau geprüft werden, ob das Mittel als solches, die Form des
Mittels oder irgend ein unglücklicher Zufall die Idionsynkrasie hervor-
gerufen hat. Würde der wissenschaftliche Nach weis geliefert werden,
daß gerade nur die unlöslichen Präparate solche Zufälle verursachen, so
müßte man diese Therapie als eine zu gefiUirliche verlsssen. Bisher
liegen derartige Beobachtungen absolut nicht vor.
Fischel will bei den unlöslichen Quecksilberpräparaten schwerere
und längere Intoxikationserscheinungen gesehen haben als bei den anderen.
Nach seiner Überzeugung rührt der Grund in der Anwesenheit mehr-
facher Depots her.
Saalfeld möchte darauf hinweisen, daß in dem L es s ersehen
Fall möglicherweise eine Kombination von Quecksilber- Intoxikation and
Sepsis vorlag, besonders da in einer späteren Untersuchung Quecksilber
im Harn nicht mehr nachweisbar war. Auch ist möglicherweise die
injektionsflüssigkeit in der Konzentration nicht der Vorschrift entsprechend
gewesen. Saal fei d hat einen Fall erlebt, in welchem der Apotheker
irrthümlicherweise statt einer ViVo ^i^^ ^7o Lösung angefertigt hat
Seit dieser Zeit spritzt Saalfeld der Vorsicht wegen immer erst ganz
kleine Dosen ein. Auch er möchte unlösliche, d. h. schwer lösliche
Quecksilberverbindungen nur dann anwenden, wenn andere Methoden
zu keinem Erfolg gefuhrt haben. Hierzu sind in erster Linie die
schweren Fälle alter Syphilis zu rechnen, für welche Fournier die
Kalomelbehandlung empfohlen hat. Die Bequemlichkeit der Methode
für den Patienten ist kein Argument für die Anwendung derselben.
Nach Oleum cinereum hat Saalfeld sehr schwere Intoxikationen gesehen.
Bei einer Inunktionskur ist man jedenfalls in der Lage, das auf der
der Berliner dermatologischen Gesellschaft. 119
Haut abgelagerte Quecksilber besser zu entfernen als dasjenige, welches
sich nach einer Einspritzung in dem Körper befindet.
Lippmann macht noch darauf aufmerksam, daß eine Sohmierkur
jeden Augenblick unterbrochen werden kann, daß man aber bei Injek-
tionen den Herd nur durch einen sehr schweren £ingri£f event. entfernen
kann. Was den schlechten Ausgang der Fälle anbetrifft, so sind dieselben
nicht alle der Literatur übergeben worden.
Heller Mgt, ob Herrn Blaschko aus der Literatur oder aus der
Erfahrung eine einzige schwere Intoxikation oder ein Todesfall nach
Sublimateinspritzungen bekannt ist.
Blaschko erwidert, daß er so wenig Sublimatinjektionen ge-
macht habe, daß bei ihm das Fehlen von schweren Fällen nicht von
Bedeutung wäre. Auch die Literatur hat er auf TodesföUe nach
Sublimat nicht durchsucht, legt aber darauf auch kein Gewicht, da, wie
eben ausgeführt wurde, derartige Todesfalle nicht immer publiziert werden.
Lesser weist in seinem Schlußwort die Ansicht zurück, daß es
sich in seinem Fall um eine Kombination mit Sepsis gehandelt haben
könnte. Die Kurve schließt einen derartigen Gedanken vollständig aus.
Eine Untersuchung der Iigektionsflüssigkeit hat nicht stattgefunden;
ebenso weiß Lesser nicht, ob vorher eine Nephritis schon bestanden hat.
Die Einspritzungen mit unlöslichen Salzen sollten nicht in jedem Falle
gemacht werden, sondern nur bei ganz bestimmten Indikationen. Dieselben
seien ja hinlänglich bekannt. Jedenfalls wäre es im höchsten Grade
bedauerlich, wenn mit Rücksicht auf diese außerordentlich wenigen
schweren Fälle, deren Zahl immer mehr vermindert werden kann, jene
Mittel aufgegeben werden sollten. Jedenfalls leisten in manchen Fällen
die unlöslichen oder schwer löslichen Quecksilberpräparate derartige
Dienste, daß es nicht richtig wäre, diese Methode zu verlassen.
Sitzung vom 6. Mai 1902.
Vorsitzender: Lesser. Schriftführer: Saal fei d.
1. Jaeob§oh]| stellt aus der Poliklinik des jüdischen Krankenhauses
von Professor Lazarus einen Patienten vor, welcher an Pseudo-
leukämia cutis seit einem Monat in Behandlung steht. Vor drei
Jahren zeigrten sich bei dem Patienten zuerst multinle Ihrüsenschwellungen
in der linken Supraklavikulargegend und am linken Kieferwinkel. Dieselben
breiteten sich aann auf die rechte Seite und auf die Achselhöhlen aus ;
femer schwollen auch die Inguinal- und andere Drüsen an. Die Größe
derselben war während der Zeit der Beobachtung verschieden. Unter
Arsenbehandlnng gingen innerhalb weniger Tage sehr große Achsel -
drüsenpakete beträchtlich zurück, jetzt sind dieselben gänseeigroß. Zu
den Drüsenschwellungen am Halse sind starke Infiltrationen der Haut
hinzugetreten, welche zu einer beträchtlichen Anschwellung geführt
haben, die sich bis auf die Brust ausdehnt. Die Milz überragt den
Rippenrand um ein weniges, die Leber ist ebenfalls etwas vergrößert.
. 1 20 Verhandlungen
Die Zahl der Erythrocyten schwankt zwischen 4,200.000 und 8»900.000.
Der Hämoglobingehalt ist über 67o herabgesetzt, die Leokocyten sind
leiclit vermehrt, die letzte Zählang ergab 38.000. Hierbei besteht eine
relatiTe Vermehrnng der Lymphocyten, welche 607o Mer Leokocyten
betn^en, so daß man einen prinzipiellen Unterschied zwischen Lenk&mie
und Pseadoleukämie nicht machen kann und sich nur auf die negativen
Di£ferenzen beschränken muß. In gleicher Weise ist zwischen Leukämia
und Pseudoleukämia cutis eine Grenzlinie nicht zu ziehen. Die Infiltration
der Haut ist allmählich aufgetreten und hat sich durch die Medikation in
keiner Weise geändert; dagegen tritt mit der Zunahme der Oeschwulst
eine Verdünnung der Epidermis auf, welche au geschwürigen Prozessen
führt So hat sich vor einiger Zeit über dem Stemum ein Ulcus mit
scharf abgegrenztem Rand gebildet, welches noch heute — 2 Monate
hindurch — in unveränderter Form besteht. Das Ohrläppchen ist durch
die starke Anschwellung vollständig abgehoben, auch der (^ehörgang ist
stark infiltriert. Der Patient klafft in letzter Zeit über häufiger auf-
tretende Schluckbeschwerden, welche mit dem Auftreten von Kleinen
ödematösen Schwellungen zusammenhängen.
Pinkus macht darauf aufmerksam, daß der größte Teil der Volums-
zunahme durch ein lymphatisches Ödem hervorgerufen ist, welches auf
eine in der Tiefe bestehende Lymphgefäßverlegung zurückzufuhren ist
Jacobsohn erwidert, daß die Infiltration in der Haut von dem
sekundären ödem scharf abgegrenzt werden kann. Während die Tumoren
in der Tiefe in gleicher Form weiter bestehen, ist das Ödem bald
stärker, bald schwächer.
2. Rosenthal berichtet über einen Fall von Arsen-Intoxikation.
Im September vorigen Jahres ließ sich in die Klinik von Rosenthal ein
48jähriger Kollege aufnehmen, um wegen einer allffemeinen heftigen
Hautentzündung das Wasserbad zu benutzen. Mitte Mai war der Patient
an einer juckenden Hautaffektion erkrankt, welche er selber als Liehen
ruber planus diagaostizierte und mit Pillulae asiaticae 0-75 auf 100 Stück
und Einspritzungen von Bolutio arsenicalis Fowleri be bandelte. Da im
August Patient neue Ausbrüche im Munde, an den Füßen und Unter-
schenkeln zu bemerken glaubte, so stieg er auf eine Dosis von 10 — 12
Stück pro Tag. Die allgemeinen Störungen wurden unter dieser Be-
handlung etwas heftiger und die lokalen Erscheinungen gingen nicht
zurück. Der Durst steigerte sich so sehr, daß Patient an einem Tage
16 Flaschen Seiter trank und in einer Nacht 3Vb Liter Urin entleerte.
Die Stimme wurde heiser, heftige Diarrhöen traten auf, Appetitmangel
und Schlaflosigkeit stellten sich ein, das Körpergewicht war um 20 Pfund
heruntergegangen ; dabei bestanden Kurzatmiffkeit, Schwindelanfalle,
Schmerzen beim Gehen und starkes Herzklopfen. Bei der Aufiiahme
bestand ein bräunlich anämischer Teint neben einem deutlich ausge-
sprochenen Ikterus der Conjunctivae bulbi. Die Augenlider selbst waren
stark entzündet, die ganze Haut des Körpers war geschwollen, gerötet
und schuppte; an einigen Stellen hatte sich die Oberhaut abgelöst. An
den Unterschenkeln, an den Fußsohlen und Händflächen bestanden ver-
schiedene große keratotische Verdickungen. Liehen ruber-Effloreszenzen
waren nirgends mehr zu sehen. Die Zunge war dick belegt, im Munde
bestanden die Erscheinungen einer allgemeinen Stomatitis und Gingivitis.
Nebenbei fiel eine fleckweise Trübunff der Schleimhaut auf; auch am
Anus waren eine Trübung und in der Umgebung keratotische Verdickungen
sichtbar. Der Puls betrug 120 Schläge in der Minute. Das Sensorium
war nicht frei; hauptsächlich machten sich Gehörshalluzinationen be-
merkbar. Der Urin war frei von Eiweiß und Zacker, reduzierte aber
der Berliner dermatolog^schen Gesellschaft. 121
Knpferoxyd. Neben Schmerzen beim Gehen und Stehen waren Taubheit
and Kribbeln in den Füßen und Händen Yorhauden. Diese Parästhesien
hielten monatelang an. In Armen und Beinen bestanden fibrilläre
Zuckungen und eine Ifthmungsartige Sohw&cbe mit Atrophie der Muskeln,
besonders der Interossei der Häude. Der Ortsinn war herabgesetit,
Patellar- und Plantar*Reflexe waren aufgehoben. Die Diagnose wurde
auf eine schwere Arsen- Intoxikation gestellt. Patient hatte in 8 Monaten
8*8975 Acidum arsenicosum innerlich und 6 g Solutio Fowleri i= 0*04,
luiammen also beinahe 4 g Arsenik verbraucht. Die Menge ist keine
besonders große, so daß immerhin bei der Schwere der Erscheinung eine
ffewisse Idiosynkrasie angenommen werden muß. Patient brachte den
Tag über im Wasserbad zu, Nachts wurde er mit kühlen Salben behandelt,
starke Roborantien wurden gereicht Innerhalb 5 Tagen vrurde die Dosis
Arsenik so vermindert, daß Patient nach dieser Zeit kein Arsenik mehr
nahm. Die Erscheinungen gingen schnell zurück, zuvörderst die Magen-
Dannstörungen und der Ikterus sowie die Entzündung im Munde; die
keratoiischen Verdickungen waren nach 14 Tagen vollständig geschwunden.
Die BekonvsleszcDz zog sich noch monatelang hin. Die Dermatitis
schwand langsam, das Herz blieb noch sehr empfindlich und reagierte
auf jede Körperbewegung; eine starke Hyperhidrosis, die besonders des
Nachts störte, blieb längere Zeit bestehen. Von Seiten des Zentral-
nervensystems schwand zuerst der ataktische Gang, die Atrophie der
Muskeln ging ebenfalls zurück und die Eörperkrafte kehrten wieder;
Patellar- und Plantar-Reflexe waren bei der letzten Untersuchung noch
nicht wiedergekehrt. An 3 Fingern hatten sich die Nägel vollständig
abgestoßen. Der Irrtum, in welchem sich der Kollege befand, daß sich
die Trübung der Mundschleimhaut und die Verdickung an den Unter-
schenkeln und den Fußsohlen auf den Liehen ruber planus bezog, war
die Veranlassung der Steigerung der Dosis und somit die Ursache der
schweren Intoxikation. iHeben der allgemeinen Prostration traten in
diesem Fall die Erscheinungen auf der Haut und den Schleimhäuten
deutlich hervor. Hierbei spricht Rosenthal die Ansicht aus, daß höchst-
wahrsoheinlich, wie bei anderen Giften, nervöse Einflüsse zu Grunde
liegen. Die Störungen des Zentralnervensystems beruhen auf einer
mmtinlen peripheren Neuritis; auch bei den Erscheinungen von Seiten
des Herzens ist wohl eher eine Afifektion des Vagus als eine Beeinflussung
von Seiten der Ganglien anzunehmen. Die Keratodermien infolge
Arsenik sind zuerst von Hutchinson beschrieben worden. Dieselben
dehnen sich entweder gleichmäßig über die Handflächen aus oder treten
in SM^okornartigen Erhebungen auf. Die Ähnlichkeit mit Hühneraugen
hat Hutchinson auch die Veranlassung gegeben, dieselben als „Korns**
zu bezeichnen. Histologisch zeigte sich in diesen Fällen nur eine Ver-
dickung des Stratum corneum, während der Papiilarkörper frei ist. An
den Unterschenkeln sind dieselben sehr selteu, am Anus noch nie be-
schrieben worden. Die eigentümliche Kombination des gleichzeitigen
Befallenseins der Mundschleimhaut, des Anus, der Hand- und Fußsohlen
ist als eine zufallige nicht zu bezeichnen und findet sich auch bei vielen
andern Hautaffektionen. Auch Pigmentationen waren in diesem Falle
im Gesicht, auf Brust und Rücken vorhanden.
Wechselmann bemerkt, daß die Empfindlichkeit gegen Arsenik
bekanntlich sehr verschieden ist, indem manche schon nach ganz kleinen
Dosen Intoxicationserscheinungen zeigen, während andere fast intolerant sind,
wie ein ihm bekannter Kollege, der sehr große Dosen von Pillulae asiaticae und
800 Einspritzungen bekommen hat, ohne mehr als ein leichtes Kratzen
im Halse zu zeigen. Auch die Entstehung des Arsenik-Zosters wird von
122 Yerhandlnngen
HatchinBon auf eine Affektion des peripheren Nenrensystemi lardck-
gefuhrt. Letztere treten auch auf, ohne daß Ertcheinnngen auf der
Haut vorhanden sind. So klagte eine Patientin ans Professor Eoebners
Praxis, welche Pillnlae asiaticae bekam, aber eine Parese der unteren
Extremitäten, und bei einer andern zeigte sich eine Seh wftohe der Blasen-
und Mastdarm-Muskulatur. Was das Schwinden der Keratodermien an-
betri£ft, so ist Wechselmann eine Patientin bekannt, welche diese Ver-
dickung trotz eingehendster Behandlung nicht wieder los wurde.
Blaschko bemerkt, daß bei Arsenik nicht die Maximaldosis,
sondern die Toleranz des Kranken ausschlaggebend ist. So beobachtete
er vergangenen Winter einen Patienten, welcher schon nach minimalen
Dosen von Arsenik schwere Intoxikationserscheinnngen bekam: Herpes
zoster, vollkommene Anhydrosis und starke Dermatitis.
3. Lesser stellt einen 26jähri^en Patienten vor, welcher vor einem
Monat eine Gonorrhoe akquirierte, die vor 14 Tagen von einer allgemeinen
Infektion gefolgt war. Hauptsächlich bestanden Schwellungen des Hand-
gelenkes und einiger Fiogergelenke ; außerdem bekam er eine Epididymitis.
von dem erkrankten Handgelenk aus erstreckten sich über den Vorder-
arm und dem Oberarm Lympbanffitiden, welche deutlich zu sehen und
zu fahlen sind. Dieselben sind absolut schmerzlos, was gegen eine
Infektion mit Staphylokokken spricht. Mithin liegt hier eine gonor-
rhoische Lymphangitis vor. Die Lymphangitiden sind am Penis
und an der Präputialhaut häufiger, wenngleich an diesen Stellen bei
Gonorrhoe auch andere Lymphangitiden vorkommen.
4. Pinku§ stellt einen Herrn von 85 Jahren vor, welcher seit
21 Jahren an Lupus des Gesichts leidet, welcher hauptsächlich um die
Lippen lokalisiert ist; im Munde besteht außerdem eine ausgebreitete
Tuberkulose der Schleimhaut.
5. Pinkus stellt einen Patienten vor, welcher eine knötchenförmige
Eruption der Vorderarme zeigt, die Pinkus als Liehen ruber planus
anspricht. Der Fall ist insofern interessant, als die Knötchen außer-
ordentlich gleichmäßig, ohne jede Multiformität sind. Die Eruption ist
auf die Volar- und otreckseite beschränkt und nur einige Knötchen
finden sich an den Unterschenkeln.
Saalfeld bemängelt das Fehlen von Schuppen und von Dellen,
so daß das typische Aussehen des Liehen ruber planus nicht vorhanden
ist. Saalfeld erinnert an einen von ihm vorgestellten Fall, welcher als
Keratosis follicularis angesprochen wurde. Damals ging die Erkrankung
auf Arsen vollständig in kurzer Zeit zurück.
Pinkus bemerkt, daß das mikroskopische Bild den^jenigen des
Liehen ruber planus entspricht. Was die Delle angeht, ist dieselbe
entweder ein zufälliger Bestandteil oder die Entstehung zeigt sich erst
nach Rückbildung des Knötchens. Ein Charakteristikum ist diese Dellen-
bildung aber nicht.
6. Pinkus stellt eine 8^'ährige Kran vor, welche seit dem Juli
vorigen Jahres erkrankt ist. Sie stammt nicht aus einer tuberkulösen
Familie ; ihr erster Mann ist vor 14 Jahren an Hirn tuberkulöse gestorben
und ihr erstes Kind leidet angenblicklich an tuberkuloser Knochen-
erkrankung. Sie selbst erkrankte Mitte vorigen Jahres an einer Haut-
affektion, welche sich als fumnkelähnliche Knoten an den Unterschenkeln
darstellt; niemals indessen hat sich ein Eiterflock abgestoßen. Augen-
der Berliner dermatologi sehen Gesellschaft. 1^23
blicklich sind alle Stadien der Affektion vom kleinsten bis sam größten
Knoten sichtbar. Zuerst entstehen kleine unter der Haut rollende
Knötchen, dann wachsen sie aur Oberfläche, verbinden sich mit derselben,
vergrößern sich und bekommen allmählich eine blaurote Farbe ; in einem
exiidierten Stücke zeigte sich besonders hervortretende Phlebitis. Pinkus
rechnet die Affektion zu, den tuberkulösen Dermatosen.
7. Ledermann stellt eine 46jährige Frau vor, welche an Mykosis
fungoides im Übergang in das zweite Stadium leidet. Dieselbe klagt
seit 15 Jahren über Jucken und Hautausschlägen, seit mehreren Jahren
haben sich die Beschwerden vermehrt und sind Infiltrationen aufgetreten.
Seit mehreren Monaten hat die Patientin auch geschwollene Füße; im
Gesicht besteht jetzt ein dunkelblaues Erythem, das nur wenig schuppt,
am Körper ein universeller in großen Plaques angeordneter serpiginöser
Ausschlag, welcher mit Schuppen bedeckt ist; an einzelnen Stellen sind
deutliche Tumoren vorhanden. Blut- und Urinuntersuchung zeigen
normale Verhältnisse, die Lymphdrüsen sind nicht vergrößert. Das rein
ekzematöse Stadium ist schon vorüber und der Übergang in das zweite
Stadium deutlich sichtbar. Die Länge des Bestehens spricht nicht gegen
die Diagnose, da Fälle bekannt sind, in welchen sich erst nach 30 Jahren
das zweite geschwulstartige Stadium ausgebildet hat.
L es 8 er bestätigt die Diagnose.
Blaschko hat in einem nicht ganz zweifellosen Falle die von
Lassar empfohlene Einreibung mit 107o Pyrogallussalbe mit ausge-
zeichnetem Erfolg angewandt.
8. Blasehko zeigt mikroskopische Präparate, welche von
dem von ihm vorffcstellten Fall von Liehen simplex verrucosus
stammen. Die Erkrankung lokalisierte sich wesentlich um die Follikel
herum. Am Eingang derselben besteht eine deutliche Parakeratose.
Ferner zeigt Blaschko ein mikroskopisches Präparat, welches
von einem Knaben stammt, den Blaschko unter der Diagnose Syphilis
verrucosa cutis bei hereditärer Lues vorgestellt hat. Die Diagnose
Tuberculosis verrucosa glaubte er damals ausschließen zu müssen auf
Grund der Anamnese, des Hydrocephalus und der Hutchinson^schen
Zähne. Eine Inunktionskur blieb ohne jeglichen Erfolg, während eine
Tnberkulin-Iujektion eine Lokalreaktion aller Stellen deutlich hervorrief.
Die Präparate zeigen das Bild von Tuberculosis verrucosa, an
denen besonders bemerkenswert sind feine Stalaktiten förmige, nach außen
vortretende Homzapfen, welche in die Tiefe wachsen und sich üher
einem intra- epithelialen Abszeß entwickeln. Ferner sind große Gebilde
zu sehen, welche dicht unterhalb des Epithels in der Cutis liegen und
welche er sds Schwammzellen bezeichnen möchte. Dieselben stammen
von epitheloiden Zellen und zeigen einen eigentümlichen schwammigen
Bau mit großen Vacuolen, in welchen Rundzellen vorhanden sind.
Tuberkelbazillen hat Blaschko nicht nachweisen können.
9. Frede demonstriert mikroskopische Präparate eines
Tumors von der Mittellinie der Stirn einer 48jährigen Frau; der Tumor
war 2 cm lang, 1 em hoch und breit, sah blaurot und höckerig aus und
Heß sich mit der Haut verschieben. Nach Aussage der Patientin war
derselbe vor 8 Jahren als „kleines Pickelchen^ entstanden.
Das mikroskopische Bild ergab folgendes: Das Epithel ist ver-
schmälert, die Zapfen zum Teil verstrichen. Unter dem Epithel, im
Gorinm sind Zellhanfen, die aus epithel artigen Zellen bestehen und kreis-
rund angeordnet sind; diese Zellhaufen zeigen teils in der Mitte ein
cystisches Lumen, das mit Pigment und einer fibrinösen strukturlosen
Masse geföllt ist; zum Teil jedoch zweigen sich von diesen Zell-
komplezen einzelne Zellstränge ab.
124 Yerhandlaniifen
An einem Präparat ließ sich ein sicherer Zusammenhang mit
dem Oberflächenepithel nachweisen. Frede ist der Ansicht, daß et
sich um ein gutartiges Epitheliom mit cystischer Ent-
artung handelt. Die große Anhäufung von Pigment in den Cysten
und zwischen den Zellkomplexen läßt die Annahme an, daß der
Tumor von einer in der Entwicklung gehemmten Schweiß- oder Talgdrüsen«
anlege ausgegangen ist, mithin als ein Naeyns im weiteren Sinne des
Wortes aufzufassen ist.
Sitzung Tom 8. Juni 1902.
Vorsitzender: Lesser. Schriftf&hror: Saalfeld.
1. Reisner stellt einen 26jährigen Sergeanten vor, welcher frfiher
stets gesund war; vor drei Jahren bekam er eine A£fektion am Oberarm«
welche sich weiter über den Körper ausdehnte. Angeblich sollen sich
kreisrunde rote Stellen gebildet haben, welche von Pfennigstück bis
über Handteller groß wurden. Die Affektion wurde im Militärlazareth
als Psoriasis angesehen und mit Chrysarobin behandelt. Entzündungeui
die darauf eingetreten sind, gingen später wieder zurück. Sonstige
Symptome haben sich nicht gezeigt; nur am Membrum bestehen zwei
kleine Narben, die auf spitze Kondylome zurückzuführen sind, welche
mit Salpetersäure geätzt worden sein sollen. Augenblicklich bestehen
zahlreiche atrophische Herde, welche von einem teils mehr erhabenen,
teils flachen Wall umgeben sind ; an anderen Stellen sind Pigmentationen
sichtbar. R. hat den Fall Blaschko gezeigt, welcher anPorokeratosis
oder an Liehen ruber athrophicans gedacht hat. Ein typisches
Liehen ruber-Knötchen ist aber nirgends gefunden worden. Von anderer
Seite wurde die Diagnose Lues gestellt und sind Quecksilber-Injektionen
gemacht worden. Anfänglich soll auch etwas Jucken da gewesen sein.
Rosenthal hat den Fall in Behandlung gehabt und ist per
exdusionem auf die Diagnose Lues gekommen. Die zwei Narben am
Penis führt R. auf Überreste des Primäraffekts zurück ; außerdem bestehen
keine Atrophien, sondern mehr oder minder große Narben, welche von
rothen, serpiginösen oder kreisförmigen Linien umgeben sind; an manchen
Stellen kommt es durch Zusammenfließen zu rosettenformigen Bildungen.
Die Behandlung mit Quecksilber-Iigektionen wurde nicht lange fortgesetzt,
da Patient ausblieb.
Lesser glaubt zwar nicht, daß Lues vorliegt, würde aber jedenfalls
vorschlagen, Jodkali zu geben, weil bei tertiärer Form diese Medikation
den größten Einfluß übt Auch er glaubt eher an Porokeratosis oder
Liehen ruber.
Blaschko hat den Fall auch histologisch untersucht und glaubt,
daß gegen Lues der klinische Verlauf, die Wirkungslosigkeit der Therapie
und das Fehlen anderer Erscheinungen spricht. Die einzelnen Stellen
sind von einem feinen, höchstens Vt ^^ breiten Kamm umgeben; innerhalb
der Berliner dermatologiscben Gesellschaft. 125
desselben finden sich entweder Atrophien oder atrophierende Narben
oder reine Narben. An anderen Stellen ist sogar der Wall atrophisch,
so daß statt des Kamms eine Depression sichtbar ist; nar an den Stellen,
wo ein Follikel hindurchgeht, ist eine kleine korallenformige Ansohwellang
des Kammes sichtbar. Hierdurch wird der Eindruck einer Papel herror-
gerufen, so daß man an Porokeratosis denken kann; indessen fehlt die
Dellenbildnng vollst&ndig. , Auch histologisch sind die Veränderungen
im Epithel sehr gering, dagegen sieht man ein im Papillarkörper ober-
flächlich liegendes Infiltrat, welches dem Befund bei Liehen ruber ähnelt.
Außerdem ist noch ein kleines serofibrinöses Exsudat vorhanden, welches
die Cutis von der Epidermis abhebt. Liehen ruber-Knötchen sind aber
nirgends sichtbar, so daß ein typischer Fall von Liehen ruber atrophicans
serpiginosus nicht anzunehmen ist. Femer ist auch die Pigmentierung
gering und die entsprechende Färbung der Haut nicht vorhanden« Einen
ähnlichen Fall hat B. noch nicht gesehen. Auch er wfirde jedenfalls
den Versuch mit Jodkali für gerechtfertigt halten.
Saalfeld glaubt, daß, da Hydrargyrum salicylicum keinen Einfluß
geübt hat, man an Lues tarda denken kann. Femer käme vielleicht eine
ganz atypische Form von Lupus erythematodes in Betracht.
Pinkus ist ebenfalls der Ansicht, daß man die Affektion am
ehesten in das Gebiet des Lupus erythematodes hineinziehen kann.
Holländer empfiehlt, von gleicher BetrachluDg ausgehend, Chinin
innerlich und Jod äußerlich.
Lesser möchte erst einen Versuch mit Jodkali gemacht wissen.
Rosenthal findet, daß außer der Lues von allen genannten
Diagnosen nur der Lupus erythematodes in Betracht kommt^ Im ganzen
sind nur vier Einspritzungen gemacht worden, welche nicht als entscheidend
angesehen werden können; auch er ist der Ansicht, jetzt zuvörderst
Jodkali zu geben.
2. Rosenthal stellt einen Griechen vor, welcher in Kleinasien
geboren ist. Derselbe zeigte bei einer wegen einer alten Lues vor-
genommenen Untersuchung auf dem Rücken hunderte von 6 — 8 em
langen, schmalen, theils parallelen, theils nicht parallelen Narben. Dieselben
erstrecken sich vom Nacken bis auf die Nates. Bei der Anamnese stellte
es sich heraus, daß sie aus der Kinderzeit herstammen. Angeblich sollen
in der dortigen Bevölkerung bei Kindern, welche an Haut- oder anderen
Affektionen leiden, zahlreiche Einschnitte gemacht werden. Da alle
Narben noch ziemlich breit sind, so ist anzunehmen, daß ein reizender
Stoff hinterher eingerieben worden ist. Mithin handelt es sich um eine
Art orientalischen Baumscheidtismus.
Holländer hat bei Persem einen derartigen Befund häufiger
gesehen.
8. Holländer stellt eine Patientin mit Lupus erythematodes
vor, welche mit Chinin und Jod bebandelt worden ist. Die Affektion
war sehr ausgedehnt und ist bis auf kleine Stellen vollständig verschwuDden.
Die Patientin reagiert auf Chinin sehr stark. Femer zeigt er das Bild
126 Yerhandlungen
einer andern Patientin, welche in ähnlicher Weise bebandelt worden ist.
Er hebt hervor, daß seine Patienten über intensives Jacken klagten;
meiatens handelte es sich dabei nm Frauen, welche prämenstmell durch
diesen Juckreiz erheblich litten; häufig zeigte sich dasselbe als
prämonitorisches Zeichen eines neuen Ausbruches. In fast allen Fällen,
die H. gesehen hat, bestanden nebenbei Zeichen von Erfrierung. H. glaubt
daher, daß eine bestimmte Noxe vorhanden sein müßte, welche sowohl
den Lupus erythematodes als die Erfrierung hervorbringt Bei einer
Patientin hat H. versucht, die Jodtinktur durch andere Mittel, wie
Chrysarobin zu ersetzen — indessen ohne Erfolg. Die Hände sind nicht
mit Jodtinktur behandelt worden, haben sich aber jetzt in letzterer Zeit
in der wärmeren Witterung spontan gebessert.
Rosenthal erkennt den guten Erfolg im vorgestellten Falle an
und wünscht, daß H. mit seiner Methode in allen denjenigen Fällen
Erfolg habe, die bisher in anderer Weise vergeblich behandelt worden
sind. Was das Jucken anbetrifft, so sind fast alle Autoren darüber einig^
die Affektion zu den juckenden Dermatosen nicht zu rechnen. Der von
H. vorgestellte Fall wurde s. Z. unter Alkoholbehandlnng bedeutend
gebessert.
Blaschko glaubt, daß die Ghininbehandlung schon sehr alt ist;
er selbst hat mehrere Fälle damit behandelt, ohne indessen so große
Dosen gegeben zu haben.
Lesser hat ebenfalls seit 7 — 8 Jahren Chinin bei Lupus erythema-
todes angewendet.
Holländer hat überhaupt nur Fälle gesehen, bei denen der
Lupus erythematodes bereits 8 — 10 Jahre bestand. H. bittet durch
anderweitige Methoden geheilte Fälle von Lupus erythematodes vor-
zustellen.
Lesser betont, daß es allgemein bekannt ist, daß man Lupus
erythematodes unter Umständen mit den verschiedensten Mitteln heilen
kann, daß es aber ebenso bekannt ist, daß nicht bei jedem Fall dieselbe
Methode hilft und daß es Fälle gibt, die sich allen bisher bekannten
Methoden gegenüber refraktär erwiesen.
Saal fei d bemerkt, daß er über mehrere Fälle verfügt, die unter
ausschließlich interner Eantbaridinbehandlung geheilt worden sind.
4. Isaak II. demonstriert einen 34 jährigen Kellner, welcher vor
I7i Monaten an einer Gonorrhoe und bald darauf an einer frischen
Sklerose behandelt wurde. Seit 10 Tagen sind die Lymphstränge am
Membrum angeschwollen; man fühlt kleine Härten und auch das Skrotum
üng an, ödematös zu werden, ebenso waren die Lymphgefäße am Ober-
schenkel deutlich fühlbar. Der Patient wurde im Jahre 1894 einer
doppelseitigen Buboexstirpation unterworfen. Eine eigentliche Elephantiasis
liegt nicht vor, eher nur eine Lymphstauung. Ob die Sklerose in
diesem Falle prädisponierend gewirkt hat, läßt J. dahingestellt, thera-
peutisch hat er Jodkali gegeben.
der Berliner dermatologischen Gesellacbaft. 127
5. Pionski bat nnter der großen Anzahl von Kranken der Lassar-
Bohen Klinik nur drei GeBchwisterpaare herausfinden können, bei welchen
dnrch Benätxnng derselben Kopfbedeckung oder derselben Kämme eine
Übertragung der Alopecia areata zu erklären gewesen ist. P. stellt
drei Knaben vor, welche ebenfalls an Alopecia areata leiden, sich
in derselben Erlasse befinden und mithin in innige Berührung gekommen
sind. Noch ein vierter Knabe, der mit den anderen in der Schale
zusammen ist, käme noch in Betracht P. glaubt, daß die Alopecia areata
parasitären Ursprungs ist, daß dieselbe aber nur eine bedingte Anateokungs-
fahigkeit besitzt; infolge dessen muß auf die Prophylaxe besonders
geachtet werden.
Lesser erwidert, daß gerade diese wenigen Fälle beweisen, daß
die Alopecia areata nicht parasitärer Natur ist. Möglicherweise handelt
es sich aber um zwei verschiedene Krankheiten mit denselben Symptomen :
eine Alopecia non parasitaria und die sehr viel seltenere parasitaria.
Zweifellos allerdings kommen Übertragungen von Krankheiten vor, welche
unter dem Bilde einer Alopecia areata verlaufen.
6. Pinkns fand bei Erwachsenen an einer Anzahl feiner
Lanugohärchen neben dem Haar ein Knötchen, welches meistens
vom Haar bedeckt wird und sich deutlich als rundes Gebilde von den
3 bis 4 eckigen Hautfeldem abhebt. Mikroskopisch ist dieses kleine
Knötchen aufzufinden und scharf begrenzt. Oben ist es durch Epidermis
bedeckt, an der Unterseite zeigt es Papillen, die sich als kugelförmige
Zapfen darstellen. Bei Frauen und Kindern sollen diese Knötchen seltener
sein. P. betrachtet dieselbe als eine Reifungsersoheinung der
männlichen Haut. Das Gebilde kann mit bloßem Auge gesehen
werden und ist bisher noch nicht beschrieben worden.
7. Herbst stellt einen 81jährigen Patienten vor, welcher vor
einem Jahr dieselbe Erkrankung schon einmal gehabt haben soll. Damals
wurde im Urin IVtVo Zucker festgestellt. Die Erkrankung ging auf
eine antidiabetische Behandlung und eine Karlsbader Kur zurück. Am
9. Mai kam Patient in Behandlung und zeigte am Nacken, Ellbogen und
Knie ein typisches Xanthoma diabeticorum. Die Knötchen waren
wie gewöhnlich von verschiedener Größe, die kleinen mehr rötlich und
ließen die gelbe Farbe erst bei Glasdruck erkennen. Am Penis zeigte
sich eine eigentümliche Xanthomatose Infiltration neben typischen gelben
Knötchen. Im Urin waren Spuren von Zucker vorhanden. Die Therapie
bestand in antidiabetischer Diät und Darreichung von Eisenpillen.
Mikroskopisch fanden sich neben entzündlichen Erscheinungen eigenartige
Hohlräume, welche von einem bindegewebigen Maschenwerk durchzogen
waren, in dem sich vereinzelte elastische Fasern vorfanden.
Lesser konnte vor mehreren Wochen die Diagnose bestätigen
und betont, wie rasch sich in dieser Zeit die Tumoren zurückgebildet
haben.
Rosenthal berichtet über einen Fall von Xsnthoma diabeticorum,
den er augenblicklich in Behandlung hat. Vor einem Jahr war bereits
J
128 Verhandlungen
ein Ausbruch vorhanden, welcher mit Arsen-Injektionen mit gutem
Erfolg behandelt wurde. Die Pigmentationen sind noch heute riohtbar.
Bei der diesmaligen Eruption war das Xanthom über den ganzen Körper
ausgebreitet; die Knoten waren von yersohiedener Größe. Neben einer
antidiabetischen Behandlung wurden Einspritzungen von Atozyl gemacht
Im ganzen hat Patient bis jetzt 10 Einspritzungen bekommen. Die
Tumoren sind fast unter den Augen geschwunden. Jedenfalls scheint
das Atoxyl die antidiabetische Behandlung sehr zu unterstützen.
Lesser bemerkt, daß unter der Behandlung des Diabetes das
Xanthom vollständig schwindet
Blaschko hat vor mehreren Jahren einen Kollegen beobachtet^
der an Xanthoma litt und bei dem sich in Karlsbad unter dem Gebrauch
des Mühlbrunnens die Affektion vollständig verlor.
Rosenthal macht auf die Fälle aufmerksam, in denen der Zucker
vollständig geschwunden ist, das Xanthom aber bestehen blieb. Die
Rückbildung in seinem Fall ging so prompt von statten, daß dem
Atoxyl ein gewisser Einfluß zugeschrieben werden muß.
Schild hat Anfang des Jahres einen Patienten, welcher an
Xanthoma litt, mit 26 Injektionen von Atoxyl behandelti ohne den
Diabetes besonders zu behandeln. Daraufhin schwanden sämtliche Eruptionen,
der Zucker blieb aber bestehen.
Saal fei d berichtet, daß der Blaschko 'sehe Fall später wieder
ein Rezidiv von Xanthom bekam. Dasselbe heilte unter einer Sublimat-
Injektionskur.
8. Ledermanii stellt eine Patientin vor, welche seit dem vorigen
Jahr an einer Hautaffektion leidet, die am Ellbogen begann und sich
über die Streckseite nach dem Handrücken und nach dem Oberarm hin
ausdehnte. Die betreffenden Stellen zeigen eine deutliche livide
Verfärbung und ganz schwache oberflächliche Atrophie. Paräatheeien
oder sonstige nervöse Beschwerden sind nicht vorhanden. Vielfach
sind diese Affektionen als vasomotorische Erytheme oder Eiythromelie
beschrieben worden. Meistens bilden dieselben die Vorstufe einer
Atrophie und gehören in das Gebiet der idiopathisohenHautatrophie.
Blaschko betont, daß die Bezeichnung eine falsche insofern ist,
als es sich um entzündliche Zustände handelt, welche nachher in
Atrophie übergehen.
9. Henning (Wien) spricht über Nasenprothesen. Während
man früher bei Nasendefekten den Ersatz aus Kupfer, Papiermache
oder Wachs anfertigte, wird in neuester Zeit das Zelluloid zu diesen
Zwecken verwendet Zuvörderst wird aus der Umgebung des Defekts
ein Negativ aus Gips angefertigt. Aus diesem Negativ wird ein Positiv
hergestellt, dieses wird mit neuem Gips ergänzt, bis eine entsprechend
konfigurierte Nase vorhanden ist. Der Techniker verfertigt aus diesem
Modell eine Nase ans Zelluloid, indem er zuerst ein Metallnegativ
anfertigt, welches ein aus Schwefel und Watte zusammengesetztes
Kernstück enthalt. Das siedende Zelluloid wird mit einer gewöhnliehen
der Berliher dermAtoloffischen GeseÜBchaft. 129
Handpresse bearbeitet. Dasselbe darf nicht dicker als V, mm sein. Die
Bemalong geschieht von der R&ckseite. Auf diese Weise kann dieselbe
nicht verloren gehen. Diese Prothese ist anch widerstandsfähig gegen
Sekrete nnd hat den Vorteil der größeren Hantfthnliohkeit Befestigt
wird dieselbe mittelst Elebestoff in einer Umgebang von 4 — 6 mm. Der
Patient kann niesen, laufen und jede Bewegung mit dem Mienenspiel
vornehmen. Eine andere Art Prothesen sind die modellierenden. Bei
Besteben der Sattelnase kann man den Defekt durch Paraffiniigektionen
sehr gat ausgleichen. Als Vorbereitung hieran wird eine Prothese in
ähnlicher Weise wie bei der vorigen Beschreibung aus stärkerem Zelluloid
angefertigt und an der tiefsten Stelle ein Glasröhrohen befestigt, welches
mittelst eines Eautschukschlanchs mit einem dickwandigen Ballon in
Verbindung steht. Auf diese Weise kann man aus dem Raum zwischen
dem Defekt und der ZeUuloidprothese die Luft heraussaugen und die
Folge davon ist, daß die eingesunkene Partie immer näher an die Prothese
heranrückt, was in 2 — 3 Monaten vor sich geht Selbst der resistente
Knochen des Nasenbeins gibt mit der Zeit nach. Auch anderweitige
zerklüftete Narben, wie z. B. nach Aktinomykose, lassen sich auf diese
Weise gut korrigieren.
Sitzung vom 1. Juli 1902.
Vorsitzender: Lesser. SchriftflUirer: Saalfeld.
1. Hollstein stellt einen F*all von Raynaudscher Krankheit
vor, welche sich bei einer Frau von 48 Jahren seit 3 Jahren entwickelt
hat. Zuerst zeigte sich an den Händen das Gefühl von Eingeschlafensein.
Die Finger wurden wachsbleich, um sich später in den Kuppen schwarz-
blau zu &ben. Derartige Anfälle sollen immer nur bei Kälteeinwirkung
aufgetreten sein, zuerst nur an der rechten Hand und später symmetrisch
an beiden Händen. An den Nägeln zeigen sich Querfurchen und Wulstungen.
Vor einem Jahre traten heftige Entzündungen am zweiten, dritten und
vierten Finger nach einander auf, welche zu narbigen Veränderungen
geföhrt haben. Vor 5 Monaten hatte die Patientin einen neuen asphyktischen
Anfall, der bedeutend länger dauerte. Infolgedessen kam es zu einer
schwarzen Schorfbildung an der Kuppe des klemen Fingers. Die Gangrän
hat H. noch gesehen und die Rückbildung ist inzwischen beträchtlich
vorgeschritten; man sieht aber noch mumifizierte Teile, welche steinhart
sind. Da die Patientin diese Anfälle nur bei Kälteeinwirkunff gehabt
haben wUl, so versuchte H. derartige Erscheinungen durch äußere Ein-
wirkung von Eis oder Äthylchlorid künstlich zu erzeugen. Diese Versuche
hatten aber ein vollständig neffatives Resultat. Die Untersuchung des
Nervensystems er^ab einen absolut negativen Befund, nur bestand eine
geringe Pupillendifferenz. Syringomyelie und Morvan'sche Krankheit sind
aussuschließen. Für Gefäß Veränderungen infolge von Lues und Lepra
fehlt jeder Anhaltspunkt. Im Urin war weder Zucker noch Eiweiß vor-
handen, Herz nnd Gefäße sind intakt.
Heller fragt, ob die Ausbildung der Querfurchen an den Nägeln
mit den Anfällen zeitlich zusammenfällt. Da der Nagel ungefähr 1 mm
Arch. f. Dermat. o. Sypb. Bd. LXIII. 9
130 YerhandlaDgen
pro Tag w&ohflt, so könnte man durch den Zwisohenraum zwischen den
Qnerfnrchen die Zeiten feststellen, in welchen sich dieselben entwickelt
haben. Hierdurch worden die Beau sehen Linien praktisch an Wichtig-
keit gewinnen.
Hollstein erwidert, dafi die Patientin gewöhnlich zugleich mit
den gangr&neszierenden Prozessen die Nägel verlor. Da dieselbe aber im
Winter fast jeden Tag einen Anfall gehabt hat, mitunter auch 3^4 An-
falle an einem Tage, so dürfte die Bildung der Querfurchen mit den
Anfallen schwerlich zusammenfallen. Während in den sonst bekannten
Fällen Gemütsbewegungen in Betracht kommen, sollen in dem voi^ge*
stellten Falle nur Kälteoinwirkung die Asphyxie hervorgerufen haben.
2. Blasebko stellt ein lOjähriges Mädchen vor, welches er vor
3 Wochen zum erstenmal gesehen hat und bei dem er zuerst die Diagnose
Liehen ruber acuminatus gestellt hat, während er heute mehr dazu
neigt, den Kall alsLichenscrophulosorum aufzufassen. Vor 6 Jahreo
soll das Kind bereits einen jackenden Ausschlag am Rumpf gehabt haben.
Am rechten Knie besteht ein sogenannter Primäraffekt, welcher unter
Wasserumschläften ffeheilt ist und an dem jetzt noch eine Atrophie sichtbar
ist, wie sie bei Liehen scrophulosorum nicht selten vorkommt. Innerhalb
der Beobachtungsseit hat die Patientin einen heftigen beiderseitigen
Spitsenkatarrh bekommen, so daß ein Verdacht auf Skrofulöse nicht
ausgeschlossen ist. Gegen diese Diagnose spricht aber das starke Jucken,
welches bei Liehen scrophulosorum gewöhnlich nicht vorhanden ist, da-
gegen bei Liehen ruber acuminatus häufig. Eine Tnberkulin-Injektion
konnte B. bis jetzt noch nicht machen. An einzelnen Stellen sind voll-
kommen spitze Lichenpapeln sichtbar.
Pinkus fragt, was Blaschko unter Primäraffekt versteht.
Blaschko erwidert, dafi er darunter eine erste Eruption versteht.
Heller erkundigt sich, ob der Fall schon medikamentös behandelt
worden ist.
Blaschko antwortet, daß bis vor 4 Wochen von anderer Seite
Zinkpaste und Salben ohne wesentliche Besserung verordnet wurden.
B. hat sofort Arsenik gegeben. Unter dem Einfluß desselben hat das
Jacken nachgelassen, auch die Erscheinungen sind zarückgegangen. Da
aber der Appetit sehr gelitten hat, so muß vorläufig von dieser Behand-
lung Abstand genommen werden. Zuvörderst soll das Kind der Lunge
wegen auf das Land gehen.
Rosenthal glaubt, daß, wenn die Affektion schon ein Jahr lang
besteht, sich der Liehen ruber acuminatus weiter ausgedehnt haben
müßte; auch scheinen ihm die typischen Effloreszenzen nicht deutlich
genug ausgeprägt zu sein. Mit Bezug auf die Konstitution scheint R. die
Diagnose Liehen scrophulosorum gerechtfertigter.
Lassar erwähnt, daß man nach seinen Erfahrungen bei Liehen
ruber von einer Primär- Effloreszenz sprechen maß; er glaubt, daß jeder
Liehen ruber mit einer manchmal übersehenen ersten EfBoreszenz auf-
tritt. Zwar kann man nicht im allgemeinen Sinne von einem Primär-
affekt sprechen, jedoch ist dieser Befund für den Charakter der Affektion
von gewisser Bedeutung.
der Berliner dermatologischen Oesellschaft. 13}
Leiser hat in den vielen F&llen, die er gesehen hat, eine erste
Effloreszenz nicht erlcennen können, da die meisten Patienten erst in Be-
handlung kommen, wenn die Affektion eine größere Ausdehnung ge-
nommen hat Daher scheint es ihm schwierig zu sein, die erste einzelne
Effloreszenz aufzufinden.
Rosenthal erinnert sich, daß Lassar schon ähnliche Beobach-
tungen Yor einer Reihe von Jahren erwähnt hat, wobei es sich um
Liehen ruber planus handelte. Da aber der yorgestelite Fall ein Liehen
ruber acuminatus ist, so fragt er L., ob er auch bei dieser Affektion
ähnliche Erfahrungen wie bei Liehen ruber planus gemacht bat.
Lassar machfc zwischen diesen beiden Affektionen keinen strengen
Unterschied. Ihm ist es gelungen in einer Anzahl von Fällen die Anfangs-
Stadien zu sehen.
Becker hat vor kurzer Zeit einen Initialaffekt von Liehen ruber
acuminatus am Skrotum gesehen. Derselbe entstand durch Berührung
mit einem ledernen Suspensorium. Nach 4 Wochen bildeten sich typische
Knötchen aus. Auch mikroskopisch wurde die Diagnose Liehen ruber erhärtet.
Saal fei d spricht sich mit Entschiedenheit gegen Liehen ruber
acuminatus aus. Nach seiner Überzeugung handelt es sich um einen Fall
von Keratosis follicularis. Andererseits könnte man auch an eine nicht
typisch verlaufende Psoriasis denken.
Pinkus fragt, obBlaschko meint, daß das Kind an einem Liehen
ruber acuminatus oder an Pityriasis rubra pilaris leidet.
Blasohko macht ebenfalls keinen fundamentalen Unterschied
zwischen Liehen ruber acuminatus und planus. Obergänge und Zusammen-
vorkommen beider Affektionen sind häufiger beschrieben und beobachtet
worden. Kaposi hat auf der Wiener Naturforscherversammlung mehrere
Fälle vorgestellt. Aach er hat Primärherde von Liehen ruber planus
mehrfach gesehen. In der Mehrzahl der Fälle konnte er einen Primär-
herd nicht nachweisen und auch in der Ätiologie scheint ein allgemeines
Auftreten der Affektion wahrscheinlicher zu sein.
3. Blasehko stellt einen Fall von Skierödem, von welchem er
bisher nur 2 Fälle beobachtet hat, vor. Früher hatte er diese Fälle als
Sklerodermie aufgefaßt, trotzdem er wußte, daß dieselben sich von der
gewöhnlichen Sklerodermie wesentlich unterscheiden. Der eine war ent-
standen nach einer starken Erkältung. Der vorgestellte Fall hat sich im
Anschluß an eine Soarlatina im Jahre 1893 entwickelt. Das Krankheits-
bild ist nicht mehr so ausgeprägt wie vor 8 Jahren, als B. den Patienten
zum ersten Male sah. Im Anschluß an den Scharlach hatte sich eine
besonders heftige Urticaria entwickelt und hieraas entstanden dann die
eigentümlichen sklerotischen Zustände, welche sich zur damaligen Zeit
auf Gesicht, Hals, Brust und Arme ausdehnten. Diese Teile waren hart
und fest; der Hals hatte 3 efn an Umfang zugenommen. Der Patient
zeigt heute wie damals eigentümliche gewundene erythematode Linien,
wie man sie nach Urticaria häatij^ sieht. Diese Figuren hatten sich aber
gebildet, ohne daß Urticaria vorhanden war, und blieben 2 — t Tage be-
stehen. Damals wie heute bestand ein starker Dermographismas ohne
Ödem und ohne Urticaria. Durch heißa Bäder und elektrische Massage
wurde der Zustand sehr günstig beeinflußt. Nach 1 bis 2 Jahren war
9*
132 Verhandlangen
eigentlich eine Heilang eingetreten. Vor V« J^^ ^un Patient wieder
and der Zustand war der gleiche wie vor 8 Jahren. Damals war die
Schwellang des Halses, welche zum Teil auf eine Yergrößeranfl; der Schild-
drüse zurückzuführen war, stärker ausgeprägt. Thyreoidin-Tabletten hat
Patient 2 Monate ohne jeden Einflafi genommen, dagegen haben Dampf-
and heiße ßäder in letzter Zeit vrieder gut gewirkt. Diese Eriorankung
ist unbedingt. .auf eine Affektion der Gefäße zurückzuführen. Dafür
sprechen die Ätiologie — Erkaltung und Scarlatina — und die Folge-
zustände der Haut.
Lesser findet ebenfalls, daß diese Fälle yon der eigentlichen
Sklerodermie grundverschieden sind, da jede Veränderung der Haut, die
stärkere Pigmentierung sowie die im Verlauf der Krankheit eintretende
Atrophie der Haut fehlt. Nach seiner Überzeagang liegt der Prozeß
anatomisch tiefer als die gewöhnliche Sklerodermie. Ätiologisch wird
wahrscheinlich die allgemeine Infektion als wichtiges Moment angesehen
werden müssen. In dem Falle, den Herr Buschke in der Oesellschaft
vorgestellt hat, war eine Influenza vorausgegangen.
Blasohko möchte in diesen Fällen eher von einer Sklerofascie
als von einer Sklerodermie sprechen. Die Venen sieht man nicht als Er-
habenheit auf den Armen, sondern sie liegen eher in Vertiefungen, welche
durch eine Verdichtung der Fasoien zu stände gekommen zu sein seheinL
4. Crerson stellt ein 1 1 jähriges Mädchen vor, welches anPsoriasis
leidet. Dasselbe wurde vor 6 Wochen geimpft und danach hat sich eine
frische Eruption an den Impfstellen, sowie von da ausgehend auf dem
übrigen Körper entwickelt.
5. Nagelschmidt. Beitrag zur Theorie der Lupusheilung
durch Licht. N. sucht die Fraffe, ob bei der Lichtbehandlung des Lupae
vulgaris nach F i n s e n scher Metnode die im lupösen Gewebe befindlichen
Tb.-Bazillen durch direkte Lichtwirkung abgetötet werden, oder ob hiefur
erst das Eintreten der Gewebsreaktion nach der Belichtung notwendig
ist, experimentell zu lösen. Zu dem Zweck erzeugte er bei Meer-
schweinchen durch Skarifizieren und Einmassieren von Tb.-Bazillen*Rein-
kaltnren eine lokale tuberkulöse Hautptffektion, die sich histologisch in
gewissen Punkten als dem menschlichen Lupus ähnlich ervries, jedoch
ziemlich zahlreiche Tuberkelbazillen enthielt und oberflächlich war. Ein
Teil dieser erkrankten Stelle wurde 1 Stunde bestrahlt, unmittelbar
danach exzidiert, in Bouillon zerzupft und Meerschweinchen intraperitoneal
injiziert, ein anderer nicht bestrahlter Bezirk in der gleichen Weise
verimpft. Die mit unbestrahltem Material geimpften Tiere erkrankten
an Tuberkulose, während von 9 mit bestrahltem Material geimpften
8 gesund blieben. N. schließt daraus, daß das Licht tatsächlich im stände
ist, im^ Gewebe befindliche Tuberkelbazillen zu töten, und sieht in dieser
bakteriziden Wirkung den einleitenden Faktor der Lichttherapie bei der
Lupusheilung. Erst nachdem der von den Tuberkelbazillen ausgehende
Reiz aufgehört hat, zu existieren, sorgt die nachträglich eintretende Ge-
websreaktion für die Elimination respektive Resorption der Krankheits-
produkte und die definitive Heilung der klinischen Erscheinungen.
Lassar macht auf den Widerspruch aufmerksam, welcher darin
liegt, daß Nagelschmidt nur eine Stunde lang bei den Meerschweinchen
das Licht hat einwirken lassen, während man bei der Fi nsen scheu Be-
handlung lange Zeit häutige Sitzungen vornehmen muß.
der Berliner Dennatologischen Gesellschaft. I33
Lesser betont den unterschied der Verhältnisse. Bei den Tieren
handelt es sich nm eine oberflächliche Impftnberknlose, die sich in den
obersten Schichten der Haut abspielt. Femer ist die Haut des Meer-
schweinchens sehr düon nnd somit die Wirkung des Lichts eine schnellere
ond intensiyere als beim Menschen, wo sich die Inpösen Prozesse in der
Tiefe abspielen.
6. Heller hat im Jahre 1895 einen Fall, den Lewin als Keratosis
follicularis aufgefaßt hat, histologisch untersucht. Auf Grand
dieser Untersuchung^ kam er zu der Überzeugung, dafi die Pityriasis rubra
Jilaris von dem Liehen ruber acuminatus zu trennen wäre. Im Anfang
ieses Jahres bat H. ein Kind in der medizinischen Gesellschaft vorge-
stellt, welches klinisch den Eindruck einer Pityriasis rubra pilaris machte,
dagegen auch andere Symptome darbot, welche, wie die Lokalisation an
den Handtellern und Fußsohlen und das Zusammenfließen der einzelnen
Effloreszenzen an Liehen ruber acuminatus erinnerten. Der Juck-
reiz war stark ausgeprägt, ebenso waren die Augenbrauen ergriffen.
Nach Arsen hatte sich der Knabe bedeutend gebessert. Histologisch
zeigte sich ein eigentümliches Bild. H. demonstriert die Präparate
von den beiden eben erwähnten Fällen. Man sieht bei dem zuletzt er-
wähnten Fall eine Einzeleffloreszenz des Liehen ruber acuminatus. Aus
dem Rete heraas erhebt sich eine papelartige Bildung, bei welcher die
Akantose weniger in den Vordergrund tritt. Die Infiltration besteht aus
fewöhnlichen lymphocytenartigen Gebilden. Mastzellen sind reichlich,
Jasmazellen nicht vorhanden. Über dem Infiltrat erhebt sich eine ge-
waltige Hommasse. Diese Effloreszenz des Liehen ruber acuminatus
unterscheidet sich wesentlich von der Einzeleffloreszenz der Pityriasis
rubra pilaris. Man sieht bei der letzteren eine weite Follikelöffnung,
aus weicher die Hommassen federbuschartiff hervorragen. Die Infiltration
fehlt vollkommen und nur um die Gefall herum besteht eine leichte
Zellenneabildang, eine papelartige Bildung ist aber nicht vorhanden. An
einzelnen Stellen des Rete entstehen durch die hyperkeratotisohen Horn-
massen Ausbuchtungen, welche vielleicht die Dellenbildung erklärt. Wenn
diese Vertiefungen nochgradig werden, so legen sich die beiden Ränder
derselben aneinander und es entstehen Hohlräame, wie man sie in dem
einen Präparat auf das allerdentlichste sieht. Über dieser Bildung er-
heben sich dann die gewaltigen Hommassen. So erklären sich die
Höhlungen im Rete. Wenngleich aus diesen Gebilden ein anatomischer
Unters^ied hervorzugehen scheint, so muß man doch bedenken, daß es
sich in dem einen Fall um einen Knaben, in dem andern um einen älteren
Mann gehandelt hat, und daß bei dem einen Patienten die Affektion erst
kurze, bei dem andern schon längere Zeit bestand.
Rosenthal betont die große Seltenheit der Fälle und die Schwierig-
keit, aus dem Einzelfall mikroskopisch Schlüsse zu ziehen, boBonders
wenn klinisch bedeutende Unterschiede bestehen. Wenngleich ihm soge-
nannte Übergangsfalle von Liehen ruber planus und acuminatus bekannt
sind, so scheinen ihm doch die typischen Fälle von Liehen ruber
acuminatus nach der Ansicht der französischen Schule und von Kaposi
mit der Pityriasis rubra pilaris identisch zu sein.
Pinkus erkennt einen Liehen ruber planus mit eventuellen
acuminaten Effloreszenzen und andererseits eine Pityriasis rubra pilaris an.
Blaschko spricht sich dahin aus, daß zwischen Pityriasis rubra
pilaris und Liehen ruber acuminatus keine verwandtschaftlichen Be-
134 Verhandlangen der Berliner dermatologischen Gesellithaft.
Ziehungen bestehen. Daß aber zwischen dem letzteren und dem Liehen
mber planns solche vorhanden sind, kann nar anter der Annahme ge-
schehen, daß man den Liehen raber acaminatas für etwas anderes h<
als wie die Pityriasis rubra pilaris. Fast alle Fälle von Liehen raber
acaminatas, die er gesehen hat, waren mit einzelnen oder zahlreichen
Planuspapeln vorgesellschaftlicht. Diese Fälle passen nicht so ganz in
das Bild der Pityriasis rubra pilaris hinein. Wahrscheinlich gibt es eine
spitze Abart des Liehen ruber planus, eine Art von Liehen raber folli-
calaris mit EeratOsenbildung. Diese Fälle können als Liehen raber
acamiDatuB aufgefaßt werden.
Lesser glaubt, daß vor allen Dingen auf den Gesamtverlauf der
Fälle Rücksicht genommen werden muß und daß dadurch doch eiti
Unterschied zwischen Pityriasis rubra pilaris und dem klassischen Liehen
raber acaminatas, eine Abart des Liehen ruber planns, zu stände kommt.
Der Verlauf in Intermissionen und Exacerbationen bestätigt diese Annahme.
Bosenthal fägt hinzu, daß in dem neuesten Lehrbuch von Lang
derselbe die Bezeichnung Liehen ruber acaminatas überhaupt fallen
läßt, da die Affektion durch den Namen Pityriasis rubra pilaris besser
bezeichnet wird. R. selbst hält diesen Standpunkt f&r nicht ganz
gerechtfertigt.
S a a 1 f e 1 d macht einen Unterschied zwischen Liehen ruber acuminatus
and Pityriasis rubra pilaris. Als Assistent von Koebner hat er im
Jahre 1886 einen Fall gesehen, welcher in das Bild der Pityriasis rubra
pilaris nicht hineinpaßt; auch mikroskopisch war ein deutlicher Unter-
schied vorhanden.
Heller glaabt ebenfalls, daß auf Grund seiner mikroskopischen
Untersuchung diese Fälle von einander getrennt werden müssen.
0. Rosenthal (Berlin).
Hautkrankheiten.
Anatomie, Physiologie, patlioL Anatomie, allgem. und experim.
Pathologie und Therapie.
Zmnder, P. Talgdrügen in der Mand- and Lippen-
schleimhaut. Monatsh. f. prakt. Dennat. Bd. XXXIII.
Zander nntersnehte 460 Personen bezüglich des Vorkommens Ton
Talgdrüsen in der Lippen- nnd Mondsohleimhant nnd fand positiven
Befnnd in 189 F&Uen, n. sw. bei den nniersnchten 252 Männern 79 Mali
bei 189 Weibern 60 Mal in allen Altersclassen, verschieden reichlich zu-
meist an der Unterlippenschleimhant, in 20 Fällen anoh an der Mnnd-
schleimhaat. Bei 60 Personen im Alter von 6—74 Jahren war bloss die
letztere ergriffen. Von den untersuchten waren viele starke Rauchery
die Kinder nnd viele Franen hatten schadhafte Zähne. Bei Lnetikem
traten die Drüsen nicht stärker hervor als bei anderen Leuten ; bei vielen
Lnetikem fanden sie sich nicht. Histologischer Befund: alveoläre in das
subepitheliale Bindegewebe eingesenkte Drüsen von einer Lage dichten
Bindegewebes umgeben; die einzelnen Zellen der Drüsen in verschiede-
nen Graden der Verfettung. Stratum comeum und granulosum biegen
in den Ausführungsgang ab und verlieren sich am Drüsenhals ; die Zellen
des Strat. spinosum bilden die Hauptmasse der Drüsenzellen und dege-
neriren fettig. Die im Drüsenhals liegenden Lamellen des Strat. comeum
und granulös, werden nach ihrer Einschmelzung durch den Ausföhmngs-
gang entfernt, wodurch eine Communication der Drüse mit der Ober-
fläche zu Stande kommt. Haare oder Haarrudimente fand Z. nicht. Ausser-
dem untersuchte Z. 10 Leichen mit 9maligem positiven Befund. Bezüglich
der Entstehung dieser Drüsen neigt sich Z. der Ansicht von Heuss zu,
dass sich dieselben postembryoual entwickeln, jedoch nicht aus einer
primären Wucherung der Stachelschicht, sondern durch Einstülpung aller
4 Schichten des Schleimhautepithels. Ludwig Waelsch (Prag).
Audry. Ueber das wirkliche Vorhandensein Gohn-
heim*scher embryonaler Keime. Monatsh. f. prakt. Dermatologie^
Bd. xxxin.
Audry fand in einem kleinen Herde seborrhoischen Eczems bei
der histologischen Untersuchung im Corium einen Epidermisfetzen, der
136 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
dnroh einen schmalen Stil mit dem Deckepithel zosammenhing. Derselbe
ist mit seinem Zapfen denen des Deokepithels zugewendet, darch Binde-
gewebe Yon demselben getrennt nnd enthält Papillen, Gylinderschioht,
Schleimschicht und desqaamirende Hornschicht. A. halt dies Gebilde für
einen Gohnheim'schen Keim. (?) Ludwig Waelsch (Prag).
Eggeling, H. Ueber die Deckzellen im Epithel Ton
Ureter nnd Harnblase. Anatom. Anzeiger, Bd. 20, Nr. 6/6, 1901.
In den letzten Jahren sind zahlreiche Arbeiten über den feineren
histologischen Aafbau des sogenannten Uebeigangsepithels erschienen.
Ein klares Bild von dem Verhalten des Zelleibs der Deckzellen dieses
Epithels ward jedoch darch sie nicht gewonnen. Eggeling hat deshalb
das Epithel von Ureter und Harnblase des Menschen (und einiger S&nge-
thierarten) genauer, mit den yerschiedensten Fixirungs- und Färbeme-
thoden, daraufhin untersucht und als übereinstimmendes Resultat Fol-
gendes gefunden:
Der Zelleib des Deckepithels von Ureter und Hamblaae beeitzi zu
Oberst gegen das Lumen hin eine ganz schmale, helle, doppelt contou*
rirte, homogene Schicht, die Deckmembran; diese ist gegen die
darunter liegende Zellabtheilung scharf abgegrenzt, welch letztere eine
ziemlich breite, dichte, mit Säurefuchsin intensiv färbbare, homogen oder
feinkörnig erscheinende Protoplasmaschicht darstellt: Ezoplasma.
Dieses geht ohne scharfe Grenze in das sehr lockere, weitmaschige Netz-
werk des Endoplasma über, in welchem der Kern eingelagert ist.
Die Deokmembran erscheint nach aussen hin durch einen sehr
scharfen, ziemlich dicken, dunklen Strich abgegrenzt. Nicht alle Zellen
lassen eine solche Deckmembran erkennen, viele grenzen anscheinend
direct mit dem Exoplasma an das Lumen und besitzen dann entweder
eine abgerundete, in den Hohlraum von Ureter (oder Blase) vorragende
Kuppe, oder erscheinen wie ausgefranst. Ob immer je eine Zelle ihre
eigene Deckmembran besitzt, oder aber, ob die letztere auch, wofür ge-
wisse Bilder zu sprechen scheinen, über mehrere Zellen continuirlich
hinweggeht, konnte nicht mit Sicherheit entschieden werden. Wahr-
scheinlich ^besitzt die Deckmembran eine zähflüssige Beschaffenheit und
kann sich den physiologisch wechselnden Zuständen in der Ausdehnung
der Zelloberfläche anpassen". Ihr Vorhandensein dürfte genügen, um die
Widerstandsfikhigkeit der Deckzellen gegen den vorbeistarömenden Urin,
sowie die geringe Besorptionsfähigkeit der Blase zu erklären.
Hinsichtlich der Frage nach dem Vorkommen einer Secretion
von Seite der Deckzellen enthält sich der Autor einer bestimmten Ent-
scheidung. Doch scheinen ihm die hiefür als Beweise herangezogenen
Bilder nicht durchwegs einwandfrei zu sein, wie er auch die als »ein-
zellige Drüsen" in dieser Epithelart beschriebenen Gebilde nie in über-
zeugender Weise beobachten konnte. Alfred Fisch el (Prag).
Fezzolini, P. Gontributo allo studio della rigenera-
aione del tessuto elastico nelle cicatrici. Gazz. degli Osped.
e delle Cliniche, 22. Dec. 1901.
der Hautkrankheiten. 137
um die Hegeneration des elaetischen Gewebes in Narben zn sta-
diren, hat Pesaolini die Untersnohang in nach der Kr au 8 ersehen
Methode überpflanzten Hantlappen beim Hnnde vorgenommen und hat
daa Auswachsen der in denselben vorhandenen elastischen Fasern be-
obachten können, so dass er sich zn der von Jores ausgesprochenen
Auffassung bekennt, der eben den präezistirenden Fasern jene Fähigkeit
inschreibt. L. Philippson (Palermo).
Gorini, D. G. lieber die bei den Hornhant-Yaccine-
herden vorkommenden Zelleinschlüsse. Centr. f. Bakteriologie,
Bd. XXIX, pag. 589.
Qorini untersuchte genauer einige kernartige Bildungen, die ihm
bei seinen Untersuchungen über den Erreger der Vaccine in den Epithel-
zellen aufgefallen waren. Er fand endonucleäre Formen,*die er zu dem
Cytoryctes in directe Beziehung stehend ansieht, die von gleicher Natur
sein dürften. Er l&sst dabei unentschieden ob der Cytoryctes ein Pro-
dnct nnoleftrer Veränderung ist oder ein Parasit, der nicht nur die Zelle,
sondern auch den Kern angreift. Des weiteren hat der Autor Impfver-
suche mit den Kohlparasiten Plasmodionphora brassicae angestellt, die
eine Heihe von Differenzen des Parasiten mit dem Cytoryctes aber auch
eine Reihe von Aehnlichkeiten ergaben, so dass auf eine gewisse Ver-
wandtschaft beider geschlossen werden kann.
M. Wolters (Bonn).
Bardeleben, Heinr. v. Die Heilung der Epidermis. Virch.
Arch., Bd. 168, Heft 3, 1901.
Nach einem ausführlichen historischen Rückblick, berichtet Verf.
zunächst über zwei Hilfsexperimente. Das erste derselben galt der Wund-
überhäntung selbst und wurde am frisch regenerirten Stück eines Axo-
lotlschwanzes vorgenommen ; die Ergebnisse erinnerten theilweise an die
Beschreibnngen Arnold*s. Der zweite Versuch sollte die Eigenbewe-
gnng der Epithelien veranschaulichen und wurde an aus ihrem Verbände
isolirten Epithelien der Zungenunterfläohe vom Kaninchen ausgeführt;
er führte zu dem Resultate, dass den Epithelien eine Eigenbewegang
nicht zukomme. Der letzte Theil der ausführlichen, durch zwölf Text-
abbildungen illustrirten Arbeit, enthält die Wiedergabe der histologischen
Untersuchungen über die Vorgänge der Wundheilung an Substanzver«
lusten, die am Epithel der Innenseite der beiden unteren Lippen wülste
und der Unterfläche der Zunge von Kaninchen, nur in einigen besonderen
Fällen — wegen der geringeren Eignung — an der Epidermis des Ka-
ninchens gesetzt worden waren. Dabei gelangt Verf. zu folgenden
Sohlusssätzen : Es liegt im Wesen der durch «ine Continuitätsunter-
brechnng im Oberfläohenepithel geschaffenen Verhältnisse, dass ein
grosserer oder geringerer Theil des Randepithels zu Grunde geht. An
der Orenze, bis zu welcher dies geschieht, entstehen durch indirecte
Eemtheilnngen der untersten Zellschichten die ersten neuen Epithelzellen
zur Deckung des Snbstanzverlustes. Durch gleichartige Neubildungen in
der unmittelbaren Nachbarschaft bilden sie einen mehrschichtigen Saum,
138 - Bericht über die Leistungen auf dem Oebiete
der dnrcb erneuerte Yermehmng der Zellen, die ihn snsammensetzen,
und durch steten Nachschub von Zelltheilungen am ehemaligen Wund-
rande nach dem Wnndcentrum hin vorwächst. Die bei dieser Wachs-
thumsverschiebnng in der Richtung des geringsten Widerstandes wir-
kende Kraft ist die kinetische Energie der indirecten Zelltheilung. Durch
dieselbe werden Epithelien im üeberschnss gebildet, so dass selbst tiefere
Defecte in kürzester Zeit ohne Yerschm&lerung des Randepithels ausge-
fällt werden. Das Eeimlager im vorwachsenden Saum und in der epi-
thelialen Narbe ist ausschliesslich in der Gmndschicht zu suchen. Die
Keimschicht der in Regeneration befindlichen Epithelwundränder ist bis
zur zweiten, ausnahmsweise bis zur dritten Zellage verbreitert.
Alfred Kraus (Prag).
Schiller-Tietz. Die Hautfarbe der neugeborenen Neger-
kinder. Dtsch. med. Woch., Nr. 86, 6. September 1901.
Nach Schiller-Tietz mehren sich die Beobachtungen der
Thatsache, dass Negerkinder, wenn nicht weiss, so doch hellfarbig zur
Welt kommen und erst allmftlig die dunkelbraune, bei näherer Be-
trachtung nie ganz schwarze Farbe ihres Yolksstammes annehmen. Bei
Bewegung, physischen und psychischen Affecten erzeugt das ins Capillar-
netz dringende Blut dunklere Färbung. Die Schleimhäute sind grauroth.
Nach dem Tode furbt sich die Haut fablgrau. Die sammetartige Weiche
der Haut ist durch die starke Drüsenentwicklung bedingt. Im Süden
Afrikas vermehrt sich das Pigment schneller als im Norden. Sehr hell
ist die Farbe der Kabylen- und Eaffemkinder, sowie der Kinder von
brasilianischen Negern. Eigenthümlich ist die Thatsache, dass in die
Tropen eingewanderte Portugiesen besonders dazu neigen ihre weisse
Farbe zu verlieren. Die Kinder werden dort stets dunkler als ihre Eltern.
Frühere maurische Mischungen sprechen vielleicht dabei mit. An der
Guineaküste erkennt man Mischlinge von vor mehreren hundert Jahren
eingewanderten portugiesischen Adelsfamilien und der eingeborenen Be-
völkerung an der helleren Negerfarbe, europäischem Gesiohtsschnitt und
portugiesisch klingendem Namen, ähnliche Erscheinungen finden sich in
Dahome. Hjrpothese ist einstweilen die Annahme, dass die Hellfarbigkeit
der Negerkinder analog der Erscheinung etiolirter Pflanzen mit späterer
Chlorophyllbildung sei. Morrison nimmt vielmehr an, dass Pigment
sogleich vorhanden, aber bei der Hyperaemie der dünnen kindliehen
Haut nicht zu erkennen sei, da er unter dem Mikroskope in der Haut
von Foeten und früh verstorbenen Negerkindem Pigment vorfand. Nach
Abel und Davis bestehen die Pigmentkörnchen aus farblosem Grund-
stoff, aus dem eigentlichen etwas Eisen enthaltenden Farbstoff und mehreren
organischen Substanzen. Max Joseph (Berlin).
Pappenheim, A. Eine neue ohemisch-elective Doppel-
färbung für Plasmazellen. Monatshefte f. prakt. Dermatologie,
Bd. XXXIU.
Die Färbung der Plasmazellen, wobei die Farblösungen und Diffe-
renzirungsmittel jedesmal frisch zu bereiten sind, wird nach P. in fol-
der Hautkrankheiten. 139
gender Weite vorgenommen: F&rbung durch 6' in folgender Lösung: in
eine Eprouvette werden 1 — 2 Federmesserspitzen Methylgrfin, 8 — 4 Fe-
dermesserspitcen Pyronin in Substanz gegeben ; dann wird die Eprou*
veite bis etwa zur Hälfte mit Aq. destill, aufgefüllt» bis die Lösung
deutlich violett erscheint, ohne durchsichtig zu sein. Hierauf kurzes
Abspülen in Wasser bis eben fluorescirende Wolken abzugehen begannen,
darnach Differenziren in Resorcinalkohol, bis kein rother Farbstoff mehr
abgegeben wird, und dann kurzes nochmaliges Darob fuhren durch Alkohol
absei., Oel, Balsam. Die Kemgerüste der Plasmazellen sind blauviolett, ihr
centrales Kemkörperchen roth; desgleichen ist ihr Protoplasma leuchtend
purpurroth und l&sst bei Oelimmersion das krümelige Granoplasma deut-
lich erkennen. Die Granulationen der Mastzellen sind orangegelb.
Ludwig Waelsch (Prag).
Wolff, Bruno II. Die Anfertigung mikroskopischer Qe«
frierschnitte mittels Aethylchlorid. Gentralbl. f. Gyn&kologie,
1901, Nr. 22.
Wolff empfiehlt zur Anfertigung von Gefrierschnitten das Aethyl*
Chlorid. Der von ihm construirte Einsatz für das zu schneidende Prä-
parat ist sehr einfach, indem der ganze Gebläse-Schlauch- und Röhren-
apparat wegfällt. Das Aethylchlorid wird mit einer eigens hierzu con-
struirten Flasche auf die Ober- und Unterfläche des Objects gespritzt.
(Immerhin ist der Preis von 2*50 M. für 100 Gr. Aethylchlorid ein recht
beträchtlicher. Ref.) Theodor Baer (Frankfurt a. M.)
Lucibelli, G. Contributo alla fisiopatologia delle cap«
sule surrenali. Gazz, degli Osped., 1901, 29. Sept.
Aus seinen Versuchen über die Bedeutung der Nebennieren unter
normalen und pathologischen Verhältnissen, an Kaninchen mit Exstirpa-
tion dieser Organe und mit Bakterieninoculation vorgenommen, sieht
Lucibelli folgende Schlüsse: die Exstirpation nur einer Nebenniere
ist nicht letal — in derart operirten Thieren verlaufen Infectionen gut-
artig, die bei normalen sicher tödtlich sind — die gesteigerte Schutz-
kraft der zurückgebliebenen Nebenniere erklärt sich aus der histologisch
nachweisbaren Hypertrophie — Infectionen von den Nebennieren aus
verbreiten sich viel schneller, als die von der Haut aus — bakterielle
InoCnlation in eine Nebenniere ruft keine Gegenwirkung von selten der
anderen hervor. L. Philippson (Palermo).
Lewandowski, M. Wirkung des Nebenniereneztractes
auf die glatten Muskeln der Haut Centralblatt für Physiologie
1900, Heft 14.
Die Erkenntnis der Wirkung des Nebennierenextractes auf das
Geftsssystem durch Oliver und Schäfer hat Veranlassung gegeben, die
Wirkung derselben Substanz auch auf andere glattmuskelige Organe zu
prüfen. Lewandowski studirte dieselbe auf die vom Sympathicus
versorgten glatten Muskeln der Haut, beziehungsweise der Haare. Ver-
suehsobject bildete der Igel. Es zeigte sich, dass einige Secunden nach
intravenöser Iigeotion von Nebenniereneztract sich die bei dem tiefhar-
140 Bericht über die Leistungen auf dem Oebiete
cotisirten Thiere dachEiegelariig übereinander liegenden Stacheln anf*
richteten und bo aufgerichtet während einiger Minuten blieben, um sich
endlich wieder spontan an senken. Es handelt sich um eine Contraotion
der Arrectores pilorum. Die Wirkung ist eine periphere, da sie nach
Sympathicnsdurchschneidung bestehen bleibt und auf eine Beeinträch-
tigung der Moskelsubstanz selbst surückzuführen. Es gelingt auch durch
subcutane Injection eine locale Contraction der Arrectores pilorum beim
Igel herbeizuführen. Die Starre ist stärker und länger andauernd als
bei intrayenöser.
Auch bei Katzen treteu dieselben Erscheinungen auf. Nach sub-
cutaner Injection in die Gegend zwischen Ohr und Auge und der Mittel-
linie des Nackens und des Rückens sträuben sich die Elaare.
Verfasser fasst die Wirkung als pharmaco-dynamische auf. An eine
Beziehung zwischen Hautmuskeln und Kebenniere ist nicht zu denken.
Dultz (Breslau).
inimann, Karl (Wien). Ueber die Heilwirkung der durch
Wärme erzeugten localen Hyperaemie auf chronische und
infeotiöse OeschwÜriprocesse. Wiener klinische Wochenschrift
1901, Nr. 1.
Die Erfolge Wel anderes darch continuirliche Wärmeapplication
auf inficirte Wunden, sowie die Verwendung der künstlichen Hyperaemie
bei chronischen Entzündungsprocessen auf infectiöser Basis darch Bier,
wie insbesonders die Beobachtungen Buchner's über die chemische
Fähigkeit des Blutes, die durch bakterielle Infectionsträger hervorgeru-
fenen Gewebsbildungen und die Erreger selbst einzuschmelzen und zu
rcsorbiren, haben den Autor zu den Versuchen mit künstlich durch Hitze
erzeugter Hyperaemie veranlasst. Die strahlende Wärme wurde durch
Audry und Krösing, die kaustische Wärme durch Holländer,
Lang, die leitende Wärme durch Wel an der angewendet. Ullmann
verwendete auch leitende Wärme zur künstlichen Hyperaemisirung der
betreffenden Hautregion und zwar mittelst entsprechend adaptirter Heiss-
luftkästen. Für die männlichen Genitalien construirte er einen beson-
deren, etwas voluminösen Apparat, der abgebildet ist und mittelst dessen
er durch Vi"^ Stunde Temperaturen von 80—150® C. applicirt. Die
Temperatur muss stets gradatim gesteigert werden, die Luft muss trocken
sein, der niederschlagende Wasserdampf verdünnt das transsudirte Serum,
ausserdem verbrennt die Luft leichter, die nicht zu behandelnden Theile
werden durch Watte geschützt; für die Höhe der Temperatur ist das
subjective Befinden des Kranken massgebend, das Verfahren darf nicht
schmerzhaft sein. Bei Ulcera venerea lösen sich die speckigen Beläge
ab, der Geschwürsboden selbst wird ödematös, das ursprüngliche Aus-
sehen kommt unter dem Rückgange des Oedems wieder surück. Die
Umwandlung der Dlcera in reine granulirende Wunden erfolgt bei anfangs
zwei, später nur einmaliger Anwendung meist innerhalb i — 7 Tagen,
eine bestehende Phimosis muss erst beseitigt werden, doch kann die
Wärmeapplication schon am Tage nach der Operation angewendet werden.
der Hantkrankheiten. 141
Aach alte schwielige Gammata, ülcera craris, ulcerös gewordene Lymph-
adenitiden, namentlich Ulcera mit der Tendenz über grosse Flächen zn
kriechen, verlieren bei Anwendung von allmälig ansteigenden Tempe-
raturen von 80—180^ G. ihren atonischen oder progressiven Charakter;
bei Ulcus oniris befördert diese Methode rasche Reinigung und Ueber-
häutung, aber keine Resorption der callösen Ränder. Ueble Zufalle be-
obaohtete Ullmann bei dieser Methode nicht, als Folgeznstände nur
längere Zeit persistirende Oedeme. Ausföhrliche Krankengeschichten
mit vielfachen Abbildungen illustriren genauer die beschriebene Methode.
Victor Bandler (Prag).
Balzer, F. Contribution k l'ötude du traitement des
dermatoses par l'air surohauffö. Sog. de derm. 1900.
Der zur Heissluftbehandlung von Dermatosen verwendete Apparat
ist eine Modification des Unna'schen; an Stelle des Thermokauters ist
eine galvanische Sohlinge in Spiralform, die mit einem Accumulator
verbunden ist, getreten. Die Luft kann bis lu 250^ und darüber er-
wärmt werden.
Ein weicher Perioealohancre bei einer Frau kam nach einer Sitzung
in 8 Tagen zur Heilung. Ein Fall von nlcerösem Lupus der Hand wurde
zwei bis dreimal wöchentlich mit Erfolg behandelt. Bei atonischen vari-
cösen Geschwüren hofft Balz er durch die desinficirende und stimulirende
Wirkung einen günstigen Einfluss. Wiewohl er bei einem Fall von Lupus
erythematodes durch die Brandwirkung zweiten Qrades ein günstiges Re-
sultat erzielte, glaubt B. doch die Methode hauptsächlich für ulcerosa
Processe indicirt zu halten. Der Schmerz kann durch Cocain 1 '0/5*0
sehr gemildert werden, bei grossen Flächen ist complete Anaesthesie an-
gezeigt. Schutz der Umgebung vor Verbrennung durch verschieden
grossgelochte Metalle. Richard Fischel (Bad Hall).
Hartigan, William. Poisoning by Lysol. British Medical
Journal, Nov. 24. 1900.
Verfasser wurde zu einem 14jährigen Knaben gerufen, dem wegen
Dysenterie gegen 1 Uhr Mittags ein Klysma, mit einer wahrscheiulich zu
starken LysoUösuug gegeben worden war. Von 1 Uhr 30 Min. war Pa-
tient ganz bewusstlos bis Verfasser ihn sah : 5 Uhr 16 Min. Um diese
Zeit war der Knabe ganz collabirt und bevnisstlos, lag mit an den Leib
gezogenen Beinen im Bett, die Pupillen stecknadelkopfgross. Der Puls
nicht fühlbar, die Athmung beschleunigt 40 per Minute, Seh weissaus -
brach, die Temperatur subnormal. Das Abdomen nicht aufgetrieben,
die Bauchdecken wenig gespannt. Der Knabe war augenscheinlich ster-
bend. Strychniu- und Aetherinjectionen mit geringem Effect. Dann
Darmirrigationen mit warmem Wasser, die zahlreiche weissliche, mem-
branöse Massen zu Tage förderten. Plötzlich Entleerung von dunkel-
braunem Blut aus Nase und Mund. 5 Minuten später Exitus.
R. Böhm (Prag).
Maekintosb, G. D. A fatal Case of Poisoning with Zinc
Sulphate. British Medical Journal, Dec. 15. 1900.
142 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Eine öSjfthrige Witwe hatte ein grössereB Qnantam Zinksnlphat
zu sich genommen. Circa 2 Stunden später wurde Verfasser gemfen.
Patientin klagte über Schmerzen im Magen and den Eingeweiden,
sie eelbst war sehr blass, die Glieder kühl, der Puls nnregelmftssig.
Kalter Seh weiss, Durchfall. Patientin hatte nur sehr wenig Flüssigkeit
erbrochen. Es wurde kohlensaures Katron in warmem Wasser verordnet.
Gopiöses Erbrechen mit weisslicher Beimeugung (Zinkoarbonat). Hierauf
wurde Eiweiss and Milch verabreicht Sp&ter als CoUaps auftrat Brannt-
wein. Da die Schmerzen sehr stark wurden, Morphinmiigection. Am
nächsten Morgen Patientin collabirt, fast pulslos. Exitus nach ca. 20
Stunden nach Einverleibung des Giftes. R. Böhm (Prsg).
Eufttsee, Henry M. An unnsual Gase of Jodoform poi-
soning. British Medical Journal, Dec. 22. 1900.
Eine 86jährige Patientin, die etwas dement war, sonst aber kör-
perlich gesund, erhielt auf eine kleine Wände am Ohr einen Jodoform-
gazeverband von ca. 1 Quadratzoll im Geviert. Am Morgen des nächsten
Tages wurde sie im Bett gefunden, die Extremitäten sehr kühl, der Ge-
sichtsausdraok ängstlich, mit schwachem Puls aber normaler Athmung.
Bald darauf wurde sie unruhig, verfiel in Delirien und Hess den Harn
unter sich, so dass derselbe nicht untersucht werden konnte. Kein Ery-
them. In dem Bette der Patientin wurde die ausgekaute Jodoformgaze
gefunden, was sie bei Befragen auch zugab. Sie erhielt sofort ein Eme-
ticum, das auch wirkte, femer Wärmflaschen und heisse Milch; gegen
Mittag etwas Nahrung, die aber sofort erbrochen wurde. Dabei Schmer-
zen im Abdomen. Collaps. Hierauf wurde heisser Kaffee gegeben, den
Patientin auch bei sich behielt. Am Abend Temp. 89*. Besserung. Am
nächsten Tage waren die Vergiftungssymptome geschwunden.
R. Böhm (Prsg).
Fischer« Zwei Fälle von Carbolgangrän. Mnnohn. Med.
Woch. 1901, Nr. 82.
Bei 2 Brüdern traten nach selbstordinirten Umschlägen mit 8%
Oarbollösuog Necrosen der Endphalangen der betreffenden Finger ein.
Für den Verfasser liegt deshalb der Gedanke einer „familiären Idiosyn-
krasie** nahe. v. Notthafft (München).
Jadson, S. Bury. Remarks on the Diagnosis and Treat-
ment of Arsenical Neuritis. British Medical Joum., Dec« 8. 1900.
Verfasser bespricht eine epidemische neuritische Erkrankung, die
durch Genuss von arsenhaltigem Bier verursacht wurde. Als hauptsäch-
lichste Momente, welche die Unterscheidung der ^rsenintozioation gegen-
über der Alcohülneuritis ermöglichten, nennt derselbe: 1. Gewisse
Symptome seitens der Haut; a; eine eigenthümliche Pigmentation, die
zuweilen auffallend an Addison'sche Krankheit erinnert; b) Herpes
zoster in einer geringen Anzahl von Fällen; c) Eruptionen von Blasen
oder Erythemen; d) Verdickung der Haut über den Knöcheln and an
andern Stellen« 2. Ausfall der Haare und der NägeL 3. lutermittirende
Dysurie oder Glycosurie. 4. Coryza und Oedem der Augenlider.
der Haatkrankheiten. 143
5. ülcerationen des Zahnfleipohei und des Bacheas. 6. Auftreten nner-
klarbarer Attacken Ton Yerdaanngsstorongen mit Nansea, Salivation,
epigastriachen Sohmerzen, saweilen mit Erbrechen and Diarrhoen. Diffe-
rential-diagnostisch war 1. die Hyperaesthesie der Haut und Muskeln
stärker und constanter als bei Alcohol neuritis; 2. fand sich Erythro-
melalgie in den untersuchten Fällen fast constant vor (bei Alcohol neuritis
selten); 3. Ataxie. Behandlung: 1. Entfernung der Intoxicationsursache.
2. Bettruhe, eventuell Wasberbett» keinerlei Art von Massage im Beginn.
8. Feuchtwarme Einpackungen von Vi stündlicher Dauer, 4 stündlich wie-
derholt. 4. Innerlich : Salicylsaures Natron, Jodkalium. Gegen die Neural-
gien: Antipyrin Phenacetin, Morphiumiigectionen. 5. Die Diät kräftig,
eventuell Nährklysmen, Lüftung des Krankenzimmers. 6. Später Anwen-
dung von Elektricität (constante Strome). Massage, Widerstandsbewe-
gungen, warme Bäder, Strychnininjectionen.
B. Böhm (Prag).
MoszkowieZy Ludw., Wien. Ueber subcutane Injectionen
von ünquentum paraffini. (Au» dem Rndolfiner Hause Prof.
Gersuny.) Wiener klinische Wochenschrift 1901, Nr. 25.
Der Autor theilt die weiteren Erfahrungen, die mit den von
Gersuny empfohleoen subcutanen Iigectionen von Ung. parafßni gemacht
wurden, mit. Gersuny hatte mit Erfolg eine Hodenprothese geschaffen
und eine Incontinentia urinae behandelt, die schon ein Jahr continent
ist und Moszkowicz die Methode in 80 Fällen ohne jedweden Unfall
verwendet, so dass der Autor gereinigtes Paraffin, das als Vaselinum
albisumum medicinale in den Handel kommt, einen Schmelzpunkt von
36—40^ hat, als für den Menschen nicht giftig bezeichnen kann. Die
Verwendung von Paraffin von höherem, wie auch niederem Schmelzpunkt
hat sich als unzweokmässig erwiesen. Vaselin, das bei 86—40® schmilzt,
bei einer 2-8® tieferen Temperatur erstarrt, hat bei gewöhnlicher Zim-
mertemperatur Salbenconsiitenz, bei Körpertemperatur wird es weich»
nahezu flüssig sein. Dieses weiche Paraffin übt offenbar einen minimalen
Reiz aus, der sich steigert, wenn es in straffes Narbengewebe i^jicirt
oder die Cutis telbst damit injicirt wird, es empfiehlt sich, wo Injectionen
in straffes Gewebe gemacht werden sollen, eiue Infiltration mit Schleich-
scher Losung voraaszuschicken, welche die Gewebe lockert, dem Paraffin
Platz schafft, -nicht zu grosse Quantitäten auf einmal zu iujiciren,
soodem durch wiederholte Injectionen in Intervallen von 1 — 2 Wochen
das Ziel zu erreichen. Unmittelbar nach der Injection palpirt man das
Paraffin als teigige Masse, nach wenigen Tagen fühlt sich das Vaselin-
depot härter an, die GoDsistenz nimmt immer zu, bis es nach 1 — 2
Monaten als eine knorpelharte Masse palpabel ist. Aus der grossen Zahl
von Beobachtungen zieht der Autor den Schluss, dass das Paraffin sehr
gut abgekapselt wird und auch dauernd der Besorption widersteht,
dafür sprechen die 2 Jahre alten Beobachtungen. Die Technik der Injec-
tiooeo ist folgende: Das Yaselin wird in einer Porzellanschale über der
offenen Flamme erhitzt, bis es kocht und Dämpfe aufsteigen, dann wird
144 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
es, indem die Schale in kaltes Wasser gestellt wird, abgekfihlt, aber noch
flftssig in die Spritze angesogen. In der Spritze lässt man es nun gftnz-
lieh abkühlen, was durch Darüberfliessen von kaltem Wasser za besehlen-
nigen ist. Es wird erst verwendet, wenn es nicht mehr flüssig
ist, sondern als feiner wnrmähnlicher Faden ans der Nadel tritt, d. h.
bis es die Consistenz, die es bei Zimmertemperatur hat, wieder erlangt
hat; unter den vielen ansfShrlichen Krankengeschichten seien nor die
F&lle von Sattelnasen hervorgehoben. Die Methode wnrde in neun
Fällen von Sattelnasen theils traumatischen, theils luetischen Ursprungs
verwendet, die beigegebenen Abbildungen zeigen den glänzenden Erfolg
der lojectionen. Besonders dankbar sind die Fälle, bei denen einfach
eine Einsenkung der Nasenwurzel besteht, diese Difformität kann durch
I^jection von Vi Com. Vaselin in wenigen Minuten beseitigt werden. Ee
empfiehlt sich eine Infiltration mit Schleich'soher Lösung vorauszu-
schicken, man orientirt sich auf diese Art rasch, wo die Injection am
besten wirken wird; die Yaselininjectionsnadel wird am besten an der
Nasenwurzel eingestochen und die Nadel bis an die Nasenspitze gefuhrt,
dann im Zurückziehen der Nadel das Yaselin herausgedrückt, während
zwei beiderseits comprimirende Finger die seitlichen Grenzen bestimmen
und der Nase so die richtige Form geben. Man erzeugt ein 8trangi5r-
miges Yaselindepot am Nasenrücken, das nun den First der Nase bildet,
die Nasenspitze richtet sich nach abwärts, die Nasenflügel heben sich.
Bei hochgradiger Zerstörung des Nasengerüstes, bei denen die Nase nur
ein kleiner Stummel ist, muss man nächst der Bildung des Nasen-
rückens auch unter die Nasenflügel Yaselin injiciren und diese aus
den Wangen herausheben; doch ist hiebei wegen des Narbengewebes
Yorsicht zu beachten, man erhält, wie man intracutan die Nadel ein-
sticht, eine sichtbare Reaction, Böthung und Quaddelbildung, das fordert
zum Aussetzen auf. Gewisse narbige Einziehungen der Haut können
ebenfalls durch Yaselininjectionen gehoben, geglättet werden; auch bei
einem Falle von Yariolanarben versuchte es Gersuny mit einer Modi-
fication (4 Theile Olivenöl und ein Theil Unq. paraffini) mit gutem Er-
folge. Gersuny hatte noch keinen üblen Zufall zu verzeichnen und
kann den Warnungen M e y e r's und P f a n n e n s t i e l's über Embolie nicht
zustimmen, sondern hält die Methode nooh für weitere Indioationen für
verwendbar und wegen ihrer Einfachheit für äusserst brauchbar.
Yictor Bandler (Prag).
Rohden. 107o Lysoform-Dermosapol bei Psoriasis und
Lupus. Dtsch. Med. Wooh., Nr. 82, 8. August 1901.
Yon dem lOVo^gen Lysoform sah Rohden ausser bei Lupus,
tuberoulösen und scrophulösen Affectionen gute Erfolge auch bei Pso-
riasis und Dermatomykosen. Ausser localer Anwendung des Mittels räth
er zu einer systematischen Allgemeininunction (2mal täglich einen Thee-
lö£fel auf Brust, Bauch und Rücken zu verreiben), und regt zu weiteren
Beobachtangen über die Wirksamkeit des Lysoform-Dermosapols an.
Max Joseph (Berlin).
der Hantknuiklieiteti. 145
Pfdrriiiger, S. BimsteinalkobolBeife in fester Form
als Desinfioiens für Haut und Hände. Dtscb. Med. Wooh.,
Kr. SO, 26. Juli 1901.
Das Yon YoUbrecht angegebene Verfahren, Seifenspiritus in
feste Form zu bringen, hat Pförringer dorcb eine Gombination von
Bimstein mit dem festen Seifenspiritns venroUkommnet. Die nicht allzu
mühsame Herstellung des Präparates kann mau nach den genauen An-
gaben des Verf. selbst voroebmen, doch ist dasselbe auch in der Apotheke
(Hoffmann'sche Apotheke in Breslau) erbältlich. Die Bimsteinalkoholseife
bewirkte bei verschiedenen Versuchen eine vortreffliche Desinfection.
Sie macht Bürsten unnöthig und eignet sich durch einfache Anwendungs-
art besonders fär kleine Krankenhäuser und für unter schwierigen Ver-
hältnissen arbeitende praktische Aerzte. Verf. glaubt, dass hier der
Alkohol die hauptsächlichste bactericide Wirkung ausübe und dass alko-
holische Seifenlösung stärker desinficire als 60 bis 967o Alkohol oder
27oo wässerige Sublimatlösung. Max Joseph (Berlin).
Muiasse, Karl. Das Asterol als Antiseptioum. Thera-
peutische Monatshefte 1901, Heft 7, pag. 362.
M anasse hat das Asterol, eine Quecksilberverbindung, zur Des-
infection der Hände, Instrumente, Seide etc. mit befriedigendem Resultat
angewandt; femer hat er mit 0*27ooi£rci^ Losungen (entsprechend 1:10000
Sublimat) Uterusspülungen ohne Schädigung gemacht Unverdünnt leistete
es gute Dienste bei der Heilung eines torpiden, alten, luetischen (?)
Geschwürs; in 27oo^^ Lösung bei Panaritien, Phlegmonen, Foruneulosis.
Eczem trat nie ein. Verf. hält das Asterol f&r gleichwerthig dem Sub-
limat, Carbol, Lysol; es ist dabei geruchlos, ohne Nebenwirkungen, ohne
Trübung und Schlüpfrigkeit und unschädlich für Instrumente.
Victor L i o n (Mannheim).
flaUopean. Des resultats donn^s par Pemploi du naf-
talan dans quelques derma tose s. Soo. de derm. etc., 3. Mai 1900.
Hallopeau berichtet über die Resultate des von Kaposi,
Pick, Schwimmer, Neisser und Joseph mit günstigem Er-
folge angewendeten Kaftalan. HI28
Bei Pruritus hat es ihm gute Dienste geleistet. Bei den so hart-
näckigen retroaoriculären seborrh. Eczemen der Kinder wurde eine Seite
mit Zinkozydsalicylpasta, die andere mit derselben Pasta, nur mit Zusatz
von Naftalan, behandelt. Letztere zeigte eine deutlichere Besserung als
erstere, wenn auch Heilung in der relativ kurzen Zeit der Behandlung
nicht erzielt wurde.
Chronische Eczemplaqnes der Unterschenkel, welche den verschie-
densten Mitteln widerstanden hatten, Eczema flexurarum, Prurigo rea-
girten günstig auf das Mittel.
Bei acuten Fällen von Eczem, wo nur ausnahmsweise Reizerschei-
nungen zum Aussetzen desselben zwangen, versagte Naftalan öfter. Im
Anb. f. DMinat. a. Syph. Bd. LXIII. IQ
146 Bericht über die Leistungen anf dem Gebiete
ganzen kann es aber als werthvoUe Bereicherang der oft unberechen-
baren Eciemtherapie angesehen werden.
Richard Fisohel (Bad HaU).
Scharff. Die Pasta serosa Schleiche. Homogene Derma-
totherapie. Monatsh. f. prakt Dermat. Bd. XXXHL
Scharff empfiehlt die Pasta serosa bei allen Formen von Derma-
titis und acutem Eczem. Sie stellt die Haut ruhig, trocknet sie aus,
kühlt und bringt bei blasigen Abhebungen die tiefen Epidermislager
wieder zur Anlegung. Pulvis serosus bewährte sich sehr bei Ulcera
orurisy in Combination mit Unna*s Zinkleimverband.
Ludwig Waelsch (Prag).
Sieberty J. Kurze dermatotherapentische Mitthei-
lungen. (Aus der Poliklinik für Einderkrankheiten.) Münchener Med.
Wochenschr. 1900, Nr. 43.
1. Versuche mit Epioarin bei Scabies. Zum Versuche
diente die 10% Salbe. Sie erwies sich als ein „sicher wirkendes, in
seiner Anwendung bequemes und unschädliches Mittel^. Leider ist die
Zahl der Behandelten, aus welcher sich die Richtigkeit dieses Satzes
ableiten müsste, nicht angegeben. Albuminurie wurde nie beobachtet,
weshalb es Ton Interesse gewesen wäre, etwas über das Alter der be-
handelten Kinder zu erfahren. Dagegen wurde einmal eine langdauemde
Urticaria, einmal ein ausgebreitetes papulöses Eczem schon nach der
ersten Einreibung, nie juckstillende Wirkung, wohl aber einmal uner-
trägliches Jucken in der Nacht nach der ersten Einreibung, Verschlim-
merung bestehender pustnlöser Zustände bei einer Anzahl von Fällen
und einmal secundäres Panaritium beobachtet.
2. Zur Behandlung der VulvoTaginitis der kleinen
Mädchen. Siebert hat den kleinen Mädchen 0*6—1*070 Protärgol-
lösungen mit Tripperspritze bei erhöhtem Becken des Kindes in die
Vagina eingeträufelt, dann 10 Minuten zugehalten und dieses gleich noch
zweimal wiederholt. Das Verfahren geschah dreimal täglich. „Im Allge-
meinen trat nach 4 Wochen Heilung ein.* Die Gonococcen schwanden
bei sorgsamer Pflege am 3. oder 4, bei „weniger sorgsamer ** nach
8 Tagen. Weiterhin wurde im (»gonococcenfreien** Stadium mit Protargol
und Adstringentien, „nach einigen Tagen, wenn die Seoretion ganz aus-
geblieben war**, nur mehr mit Adstringentien behandelt. Wie bei den
meisten übrigen Protargolpublicationen fehlen auch hier Angaben über
gleichmässig angestellte Controlyersuche mit anderen Präparaten, An-
gaben über die Zahl der behandelten Patientinen und ist andererseits
auch hier wieder beobachtet worden, dsss in einigen Fällen, wo schon
jede Secretion verschwunden und die Gonococcen scheinbar alle ver-
nichtet waren, mit dem Aussetzen des Mittels die Gonococcen von Neuem
auftraten.
3. Erfahrungen mit Ichthalbin. Dieses Präparat wurde bei
der FuTunculose der Kinder verwendet. S. sah keinen unzweideutig anf
dasselbe zurückzuführenden Erfolg. Ausserdem wurde es verwendet bei
der Hautkrankheiten. 147
jener ^^nippe von Krankheiten, an deren einem Flügel die Urticaria steht,
zn der der Liehen urticatus und der Stropholus zuzurechnen ist und
deren anderer Flfigel von einigen Formen des Eczems gebildet wird, die
sich durch ihren fliegenden Charakter und ihr Auftreten in einzelnen,
untersoheidbaren, zerstreut liegenden, kleinsten Herden auszeichnen".
In diesen Fällen (Zahlen und Näheres sind nicht angegeben) „konnte''
Verfasser ,,sich des Eindrucks** nicht erwehren, dass wirklich eine gün-
stige Beeinflussung dieser Processe durch das Ichthalbin stattfände. Ob das
Mittel durch Femwirkung auf die Gef&sse oder durch Regelung der
Darmthätigkeit günstige Erfolge erzielt, diese Entscheidung will der
Verfasser von dem Erfolg eines auf die Darmwirkung zielenden Ver-
suches mit Ichthalbin abhängig machen.
T. Notthafft (München).
Se§SOUS. Üeber die therapeutische Verwendung des
Jedipin s. (Aus der medicinischen Elinik zn Halle.) Mfinchn.Med.
Woch. 1900, Nr. 34.
8 Eürankengeschichten von Tertiarsyphilitikem. Sämmtlichen Pa-
tienten wurde das lOVo Jedipin innerlich verabreicht. Das Jodipin hat
in einigen Fällen, wo andere Jodpräparate versagten, auch versagt. Im
übrigen aber wurde es mit Vortheil angewendet. Besonders prägnant
sind ein paar Fälle, in welchem es Dienste that, nachdem andere Prä-
parate wirkungslos geblieben oder nicht vertragen worden waren. Das
Jodipin erregt weniger Widerwillen und weniger Intozicationserschei-
nungen als das Jodkali. v. Notthafft (München).
Juliuflberg, F. Ueber Wirkung, Anwendnngsweise und
Nebenwirkungen des Thiosinamins. Deutsche Medicin. Woch.,
Nr. 36, 1901.
Das von Hebra in Alkohollösung empfohlene Thiosinamin (ein
Derivat des ätherischen Senföls) wandte Juliusberg, der Schmerz-
losigkeit wegen, als 10% ige wässrige Glycerinlösang an. Er hatte aus-
gezeichnete Erfolge bei Narben, besonders von lupösen Geschwüren oder
nach anderen tuberculösen Hantafifectionen. Dieselben wurden schnell
weich und beweglich. Aehnlich, wenn auch nicht ganz ausnahmslos,
reagirten Narben anderen Ursprungs; auch bei Sclerodermie wurde das
harte Gewebe bald weich und verschieblich. Keinen Erfolg sah Verf.
im Gegensatz zn Hebra bei Lupus. Ebenso blieben Mycosis fungoides,
Tabes dorsalis, plastische Indurationen der Corpora cavemosa penis un-
beeinflusst. Verl. gebrauchte stets ohne ungunstige Nebenwirkungen
subcutane Iigectionen. Die von Unna empfohlenen Thiosinaminpflaster-
mulle und Tfaiosinaminseifen wurden nicht immer gut vertragen. Hierbei
stellte sich bei einem wegen Sclerodermie behandelten Mädchen ein hef-
tiges Arzneiexanthem ein. Sonst war die einzige Nebenwirkung, die
Verf. von Thiosinamin beobachten konnte, nach hohen Dosen ein Gefühl
der Ermüdung. Die therapeutische Wirkung des Mittelst beruht nicht
auf der Erregung der Entzündung, da gerade gute Heilerfolge ohne
10»
148 Bericht ftber dio limstangefi auf dem fiebietd
Entsündang eintraten. Eher kommen lymphagoge EigenBchafteu des
Medioamentt in Betracht. Max Joseph (Berlin).
Saalfeld, Edm. üeber die Behandlung der Hantkrank-
heiten mit E<e. Therap. Monatah. 1901, Heft 7, pag. 866.
Saalfeld berichtet über leine Yersnohe, die Kälte als thera-
peatisohes Agens m verwenden. Zunächst machte er Thienrersnehe mit
flüssiger Luft (Temperatur — 19(f), Die Haut einer Maus, die zweimal
betupft wurde, zeigte sofort eine lederartige Yerh&rtung, das Thier ging
alsbald an dem durch die K<e henrorgerufeneu Shock zu Orunde; bei
einem Kaninchen zeigte sich eine ähnliche, aber nach 24 Stunden schwin-
dende Terhftrtung. Verf. behandelte danach 5 Patienten (Liehen ruber,
Eczema lichenoides, Tylosiias, Verrucae, Angiom, Ulc. molle). Die Fat.
wurden 8 — 10 mal in Zwischenzeiten von 10 — 15 Secunden betupft. Der
Verlauf war: Jucken, Brennen, Qnaddelbiidung, akantholytische Blase,
Secretion, Sohorfbildung. Nach 1 — 8 Wochen war bei Liehen ruber,
Eczema lichenoides und Tylositas eine weiche, wenig geröthete EUtut
sichtbar. Die Verrucae waren nach 8Vi bezw. 12 Stunden abgefallen,
das Ulcus in wenigen Tagen geheilt.
Weiterhin versuchte YerL das Chloräthyl und eine Mischung von
Chloräthyl und Chlormethyl, das Metaethyl. Bei Liehen ruber und
lichenoidem Eczem waren die Resultate befriedigend. (Anwendung ein-
mal täglich bis Vi^^Vi Minuten nach der Vereisung.) Ebenso bei Tylo-
sitas (Recidiv des mit flüssiger Luft behandelten Falls); bei Herpes ton-
surans wurde schneller Besserung erzielt als mit Chrysarobin. Nebenwir-
kungen traten, von etwas Brennen abgesehen, nicht auf. Endlich hat
Verf. bei einer Leuooplakie der Zunge den Plaque mit Metaethyl vereist
und abgetragen. Victor Lion (Mannheim).
1. Bang, Sophus. Eine Lampe für Lichttherapie nach
einem neuen Prinoip. Dtsch. Med. Wooh., 89, 1901.
2. Müller, G. J. Zur Theorie der A ctinotherapie.
Ibid. 60, 1901.
8. Droflsbaeh, P. P. Zur Theorie der Actinotherapie.
Ibid. 1, 1902.
4. Müller, G. J. Bemerkungen zu Herrn Drossbach*s
Erwiderung. Ibid.
6. Bang, S. Weitere Versuche mit Eisenelectroden
Ibid. 2, 1902.
6. Finsen, Niels R. Bemerkungen betreffend die Lampe
Dermo. Ibid.
7. Strebel, H. Vorläufige Mittheilung über neue Licht-
generatoren in der Therapie. Ibid. 8, 1902.
In dem Instrumentarium der von Finsen inaugurirten Therapie
scheint sich ein vollständiger Wandel und eine erhebliche Verein£schung
zu entwickeln. Da man bisher zur Finsenbehandlnng nur eigentlich für
optische Zwecke oonstruirte Lampen verwendete, so waren schädliche
Nebenwirkungen entweder unvermeidlich oder das Eneigiequantum der
der Hantkrankheiten. 149
Strahlen konnte nur wenig ansgenntzt werden. Um diese Unzweok-
mäftsigkeit sn vermeiden, hat Bang (1) eine Lampe constmirt mit
Eleotroden ans Eisen oder ähnlichen Metallen, deren Spectmm besonders
reich an ultravioletten Strahlen ist. Bei kleineren Apparaten werden die
hohlen Eleotroden mit Wasser durchspült, bei grösseren tanohen sie in
ein hierza hergestelltes Oefäss mit Wasser ein. Die Strahlen gehen
nnnmehr fast nnr von dem zwischen den Eleotroden liegenden Bogen
ans. Das Abschmelzen der Electroden, sowie die Eraterbildang wird
durch die Wasserkühlung vermieden und ein wirkb'ches Bogenlicht erzielt.
Experimente mit dem Staphyloeoocus pyogenes aureus ergaben, dass die
bactericide Kraft dieses Apparates etwa 60 mal stärker sei als die des
gewöhnlichen Bogenlichtes bei gleicher Stromstärke und gleichen Yer-
suchsbedingungen. Ebenso bedeutend erwies sich die hautreizende Wir-
kung dieses „kalten" Lichtes. Yerf. gibt eine genaue Beschreibung des
Apparates und ausführliche Zahlenberichte über die Stärke seines Lichtes
im Vergleiche mit anderen Lampen. Die verschiedenen Ausfuhrungs-
formen dieser Erfindung sind, um Nachahmungen durch Pfuscher vorzu-
beugen, in sämmtliohen Gulturstaaten zum Patentschutz angemeldet.
Müller (2) wendet sich gegen eine von Drossbach bezüglich
der Bang'schen Lampe ausgeübten Kritik. Drossbaoh (8) dagegen
betont in seiner Erwiderung auf diese Kritik, dass Eisenbogenlicht ein
altbekanntes spektroskopisches Hilfsmittel sei. Er meint, dass bei der
Erythem erzeugenden Wirkung der Eisenbogenlampe individuelle Dispo-
sition sehr massgeblich sei, dass aber auch die Wärmewirkung hier in
Betracht komme. Drossbach hält nach seinen Yersnchen die Be-
hauptung aufrecht, dass das Gemenge von lang- und kurzwelligen
Strahlen nicht energischer wirke als die langwelligen allein. Die Oe-
sammtenergie des kurzwelligen Theiles des Eohlenbogenlichtes sei bedeu-
tend grösser als die des Eisenbogenlichtes bei gleichem Energieaufwande.
Dem activen Sauerstoff, den das Eisenbogenlicht erzengt, besonders in
feuchter Luft, sei vielleicht auch manche Wirkung zuzuschreiben, die
man nur auf den directen Lichteinfluss bezieht.
Müller (4) dagegen lehnt die Discussion über B a n g's Eisen-
electrodenlampe ab, da ihm dieselbe nicht zur Nachprüfung vorliegt. Er
hält noch keinen Beweis für erbracht, dass es nicht die chemischen
Strahlen seien, welche die Lichtentzündung und heilende Wirkung her-
vorriefen. Wenn das Endresultat eine Folge der Wärmewirkung wäre,
so hätte man längst den Lupus heilen müssen. Verf. verweist auf die
Ergebnisse eigener Untersuchungen, die er demnächst zu veröffent-
lichen denkt.
Bang (5) bemerkt im Anschluss an seine erste Mittheilung, dass
gegenüber den Yortheilen der Eisenelectroden (schnelle, bakterientödtende
und hautreizende Wirkung) auch die entsprechenden Nachtheile, welche
spätere Yersuche ergaben, zugestanden werden müssten. Die ultravioletten
Strahlen werden sehr leicht absorbirt, nur wenige Stoffe, wie Quarz,
Wasser, sind fQr sie in höherem Masse durchlässig, Olas schützt leicht
150 Bericht über die Leistungen auf dem (Gebiete
gegßn sie. Auch die Haut absorbirt sie leicht, so dass sie meist nur
1 Mm. in die Haut eindringen. Das Eisenlicht brauchte, um durch ein
1 Mm. dickes Haatstück hindurch photographisches Ghlorsilberpapier zu
schwärzen, dreimal so lange als eine 26 Amp. Kohlenlampe. Die beiden
Lichtarten würden ganz verschiedene Indicationen haben. Bang's
Lampe eignet sich in einfacher billiger Weise für eine starke Hautreac-
tion und oberflächlich bakterientödtende Wirkung, während tiefer sitzende
Affectionen (Lupus vulgaris) einstweilen den Finsenapparaten überlassen
bleiben werden.
Um Prioritätsstreitigkeiten vorzubeugen, verwahrt sich F ins en
(6) dagegen, dass jemals in seinem Institute Versuche mit der Lampe
Dermo des Ingenieurs Ejeldsen angestellt worden seien, wenn er
auch diesem Herrn, wie vielen Anderen, erlaubt habe, dort zu arbeiten.
Kj eldseu habe Bang erst ganz ungerecht des Plagiats beschuldigt
und dann eine minderwerthige Nachahmung der Bang'schen Lampe in
den Handel gebracht. In Bezug auf Apparate, die den seinigen nachge-
ahmt seien, bemerkt Finsen noch, dass hier Billigkeit und leichtere
Zugänglichkeit meist auf Kosten der Lichtstärke und somit des thera-
peutischen Effectes erzielt werden. Verf. weist auf eine später beabsich-
tigte Arbeit hin, in welcher er verschiedene Apparate auf ihre bakterien-
tödtende, entzündungserregende und in die Tiefe dringende Kraft zu
prüfen denkt.
Schliesslich theilt Strebel (7) noch mit, dass seine jetzt bedeu-
tend verbesserten Apparate das Licht der früheren Eisenkühlelectroden
fast um das Doppelte an photochemischer Leistung übertreffen. Ausser-
dem hat Verf. durch Fortleitung des Lichtes in massiven Glas- oder
Quarzstäben, sowie durch Beflexion mittels Prismen und Magnaliumspie-
geln ein Verfahren gefunden, um das photochemisohe Eisenlicht in die
männliche und weibliche Urethra, sowie in den Uterus wirksam eindrin-
gen zu lassen. Max Joseph (Berlin).
Gastou et Chabry. Essais d'application au traitement
des dermatoses localisees ou genöralis^es des m^thodes
d'elektroth.6rapie. Soo. de derm. 1. Mars 1900.
Bericht über die drei ersten Monate der Tbätigkeit der im Hospital
„Saint Louis** eingerichteten electrotherapeutischen Abtheilung. Zur
Anwendung kam die Franklinisation, die d'Arsonval'schen Hochfrequenz-
ströme, der galvanische und faradische Strom und das Lichtbad. Bezüg-
lich der Apparatebeschreibung sei auf das Original verwiesen.
Die HochfrequeuzstrÖme sind in ihren stillen Entladungen wenig
schmerzhaft, bringen als erstes eine Dilatation der Gefässe hervor, auf
welche dann eine Constriction und ioc. Anämie folgt, oft von Desqua-
tion und Borkenbildung begleitet.
Directe Funkenschläge sind wirksamer, allerdings schmerzhaft,
von vasoconstrictiver Wirkung, welche sogar zur Erosion und U Iceration
führen kann. Durch Beeinflussung der Ciroulation kommt es zur Hebung
der localen Ernährung und so erklären die Verfasser die von ihnen be-
der Hantkrankheiten. 151
obaohteten gftnBtigeii Wirknngen bei den verschiedenen Formen von
Haaransfall. (Alopecia arthritica, seborrhoica, Pelade.) Ein durch Seari-
ficationen nicht gebesserter Fall Yon Lupus erythematodes kam nach
12 Sitrangen zur Heilung.
Die Fankenschlftge bringen Infiltrate zur Einschmelzung; Betraten
in einem Falle von Lupus tub. schon nach der 3. Sitzung Uloerationen
der erkrankten Partie, die mit normaler Narbenbildung heilten, auf.
Die statische Elektricität in Form von Douchen hat eine Wirkung
auf den allgemeinen Ernährungszustand und damit auch indirect auf die
Haut In zwei F&Uen von Prurigo wurde Besserung des Juckens und
dadurch auch des Schlafs erzielt. Bei ihrer localen Anwendung wurde
bei zwei Patienten mit Lichenification Rückgang der Verdickung und
des Juckgefuhls verzeichnet.
Beim Lichtbad scheint ein Erfolg (Ichthyose) mehr durch die
Wirkung der W&rme als durch die des Lichtes und der Elektricität
bedingt.
Die Electrolyse wurde mit Nutzen zur Beseitigung von Warzen
und Tfttowimngen verwendet.
Barthölemy versucht einen Rfickblick über die bisherigen Be-
strebungen auf dem electrotherapeutischem Gebiete in der Dermatologie
zu geben. Er erw&hnt die Versuche B e s n i e r's, Fnssgeschwüre und
Unterschenkeleczema mit elektrischen BAdem zu behandeln, seine eige-
nen günstigen Resultate bei Endometritis blennorrhagica, die er mit dem
eonstanten Strom erhalten, den günstigen Einfluss der statischen Elek-
tricität auf Pruritus ani et vulvae bei Neurasthenikem, Diabetikern etc.,
die guten Erfolge die 0 u d i n mit seinem Apparate (Arsonval'sche
Ströme) bei Erythema urticatum, acuten nässenden Eczemen erhalten
hat und stellt einen Bericht über eigene diesbezügliche Untersuchungen
bei parasitären Erkrankungen, Versuche mit Röntgenstrahlen zu therap.
Zwecken in Aussicht
Brocq macht darauf aufmerksam, dass schon vor 2Vt Jahren
M. Bisaerie, der Leiter seiner electrotherapeutischen Abtheilung, bei
Lupus erythematodes einen Heilerfolg mit Arsonval'schen Slrömen er-
zielte. Wegen der Schmerzlosigkeit und der mangelnden Entstellung
scheint ihm dies Verfahren für die Zukunft vielversprechend. Auf ge- .
wisse Formen von umschriebenem Pruritus, insbesondere den Scrotal-
pmrituB haben die Hochfrequenzströme einen sedativen Einfluss.
Dubois-Havenith hat schwankende Resultate mit der eben
angefahrten Methode erhalten. Momentane Besserungen waren von hef-
tigen Verschlimmerungen gefolgt.
Brocq verwahrt sich dagegen, die „Elektricität** als specifisches
Mittel gegen den Pruritus empfohlen zu haben. Nicht jeder Patient ist
gleich sensibel, der eine wird mit Hochfrequenzströmen, der andere mit
statisoher Elektricität zu behandeln sein.
152 Bericht über die Leittangen auf dem Oebiete
Dabois-Havenith wollte die Wirkung des Yerfabreiis nicht
in Abrede stellen, Bondem nnr gegen die Aiusehreitnng der Presse, die
£Iektricit&t als Uniirersalmittel zu betrachten, Front machen.
R. Fischöl (Bad Hall).
Gastou. Appareil transformant la lonpe simple en
lonpe binoculaire et stereoscopique et son emploi en der-
matologie. Soo. de derm. 1900.
Beschreibang einer von £mi]e Berger erfundenen Lupe, welche
binoculäres and stereoskopisches Sehn gestattet. Sie ist zq Detailbe-
obachtuDgen in der Dermatologie sehr geeignet, da sie die Empfindung
des Reliefs gibt.
Bei parasitären Erkrankungen des behaarten Kopfes, bei der Auf-
suchung von Krätzmilben, beim Erkennen kleinster Bl&schen etc. wird
sie dem üntersucher gute Dienste leisten. Ebenso im Laboratorium bei
Beobachtungen von bakteriol. Gnlturen n. s. w.
Richard Fischel (Bad Hall).
Brocq et Bisserie. Präsentation d'instrument pour le
traitement du lupus ^rythämatenx par les öffluves elec-
triques. Soc. de denn. etc. 6. D^cembre 1900.
Brocq und Bisserie zeigen ein Instrument, das zur Behandlung
des Lupus erythem. mit Strömen hoher Frequenz dient, dessen Yortheil
in der Leichtigkeit der Handhabung und in der Möglichkeit Ströme
jeder Inteusitftt zu erzeugen, besteht.
Richard Fischel (Bad Hall).
Pusey, William Allen. Roentgen Rays in the Treatment
of Diseases of the Skin. A. Review of Recent Literatare I
and a Personal Experience. Joum. Amer. Med. Associat. XXXYU.
820. Sept. 28. 1901.
P u s c y's persönliche Erfahrung erstreckt sich anf Fälle von Ent-
fernung von Haarwuchs, von denen aber einige genauer berichtet wird.
Im Allgemeinen fand er eine grössere Anzahl von ßitzungen nöthig als
Schiff und Freund, deren Methode er befolgte, angeben, nämlich
von 20 bis 66 ; eine Anzahl Haare wuchsen nach, waren aber dann leicht
zu entfernen. Erythem und Pigmentation leichten Grades traten nach
S— 4 Wochen auf, gingen aber mehr weniger rasch zurück, wenn die
Sitzungen ausgesetzt wurden. P u s c y findet sehr verschiedene Reaotion
bei verschiedenen Patienten, der Zustand der Haut im Ganzen wurde eher
verbessert. Hyperidrosis empfiehlt er als des Versuchs werth. Bei Lupus
vulgaris erzielte P. ausgezeichnete Resultate in zwei Fällen, in denen die
Behandlung genügend lange fortgesetzt werden konnte, ebenso bei einem
ausgebreiteten Hautkrebs der Schulter- und Halsgegend; kein Erfolg zu
bemerken bei Brustkrebs. Vielleicht sei ein günstiges Resultat für die
Verhütung von Recidiven zu erzielen durch Röntgen-Bestrahlung der
Operationsflächen. Die Wirkung der R.-Strahlen glaubt P. mehr einer
eigenthümliohen Stimulation der Gewebe als den bakterienzerstörenden
Wirkungen zuschreiben zn müssen. Das active Element ist in den
der Haatkrankheiten. 153
Strahlen Belbat enthalten, wahncheinlioh find dieselben identisch oder
wenigstens naheza identisch mit den Strahlen, die am violetten Ende
des Farbenspectmms und dber dasselbe hinaus liegen.
H« 0. E 1 0 t s (New-Tork).
' Gottheil, William G. Aotinotherapie in Gntaneons Medi-
cine — A Preliminary Gommnnication. Joom. American Med.
Assoc. XXXYII. 21. Jnli 6. 1901.
Gottheil beschreibt einen anter dem Namen Actinolyte einge-
führten Apparat fär Lichttherapie. Derselbe besteht ans einem Bogen-
licht in Verbindung mit einem stellbaren doppelten convezen Gondenser,
welcher die Herstellong eines beliebig grossen Focus ermöglicht. Ein
mit Wasser oder beliebigen anderen Fldssigkeiten gefällter Behälter schfltst
vor der Hitseeinwirknug. Mit diesem Apparat hat G. vorlftafig in einem
Fall von Lnpus des Gesichts and bei einem indolenten syphilitischen
Geschwür des Beines gute Resultate erhalten.
H. G. K I o t s (New-Tork).
StrebeL Apparate cur Lichtbehandlung mit Ultra-
yiolettstrahlen. Dtsch. Med.-Zeii 1901, pag. 681.
Nach Strebel wird das reine ultraviolett in gans enormer
Weise von der menschlichen Haut absorbirt, im Gegensati hiezu geht
concentrirtes ultraviolettes Licht ziemlich gut durch. Während nun beim
Voltalicht (wegen der starken Wärme) das Object nicht nahe genug an
die Lichtquelle gebracht werden kann, ist dies beim Inductionslicht,
das an ultravioletten Strahlen reich ist, wohl möglich, da hier die
Wärmeproduction viel geringer ist
Strebel hat zu therapeutischen Zwecken Apparate angegeben,
die auf dieses Princip basirt sind ; das genauere mnss im Original nach-
gelesen werden. Schliesslich sei noch hervorgehoben, dass Strebel
bei Lupus mit Radium bisher gute Erfolge erzielte.
F r 6 d 6 r i c (Stnssburg).
Benedict» H. (Wien). Radiotherapeutische Erfahrungen.
Wiener Med. Woch. 1901, Nr. 10.
Mittheilung zweier Fälle von erfolgreich ausgeführter Epilation,
welche nach 60 resp. 100 Sitzungen vollendet war. Verf. glanbt, dass
die Epilation mit Röntgen-Strahlen meist gelinge, man muss aber die
Patienten aufinerksam machen, dass auch diese Methode nicht Wunder
wirke und nicht in wenigen Sitzungen heilen kann, sondern Zeit und
Geduld erfordert^ daf&r aber dauernde Heilung bringt
Victor Bandler (Prag).
Sehiir, £. und Freund, L. Welches ist das wirksame
Agens in der Radiotherapie. Klinisch therap, Wochenschr. 1901,
Nr. 1 und 2.
Eine Polemik gegen einen Aufsatz von ^Kienböck in der Wiener
klinischen Wochenschrift, die vielfach Prioritätstreitigkeiten betrifft und
zum Referate sich nicht eignet, Victor Bandler (Prag).
154 Berioht über die Leistungen aaf dem Gebiete
Kaiser» Gustav. Yorl&afige Mittheilnng über einige
kleine Neaerangen auf dem Gebiete der Photographie and
Therapie mit Röntgen- Strahlen. Wiener klin. Wochenschrift
1901, Nr. 81.
Kaiser stellte Yersnche an mit Böntgen-Röhren aus farbigem
Glase nnd zwar aas rother and blaaer Farbe. Diese Bohren sind nor-
male, regalirbare, mit stark unterlegter Antikathode, deren Unterschied
nar darin besteht, dass sie eben aas f&rbigem Glase hergestellt sind. In
therapeatisoher Hinsicht ist von einer Beizersoheinang der Haat bei noch
so langem Bestrahlen and intensivstem Lichte keine Bede mehr. Ausser-
dem macht Kaiser Yersnche derart, dass er in den Inductionsapparat
statt der Böntgenröhre zwei Plattenelectroden mit vielen Spitzen ein-
schaltete (Anode 15, Kathode 60 Spitzen) nnd den Strom durch stille
Entladungen ausglich, die hier einmal entstehenden Lichtstrahlen sam-
melt er im Brennpunkt eines grossen Hohlspiegels; dadurch sind ihm
Enthaarungen als auch andere Heilungen in überraschend kurser Zeit
gelungen; für n&chsse Zeit stellt er eine ausführliche Mittheilnng in
Aussicht. Yictor Bandler (Prag).
Seeretionsanomalien«
Gastou, Paul. Köratodermie palmaire dyshidrosique
Soc. de derm. 1. fövrier 1900. .
Die vorgestellten 6 Fälle von Keratodermia palmaris, die ihrer
Krankheitsgeschichte und ihrem klinischen Aussehen nach ganz ver-
schieden sind, sollen dazu dienen, um die Wichtigkeit des Studiums der
Krankheitsentwicklung und des Aufsuchens der PrimftrefTlorescencen zu
beweisen. In diesem Falle sind es die dyshydrotischen Yesikeln in den
Zwischenfingerfalten. — Es wäre fast unmöglich, in diesen Fällen die
Di£ferentialdiagnose zwischen Psoriasis palmaris, Liehen, Pityriasis pal-
maris, Lupus erythematodes und den essentiellen Keratosen (Besnier)
zu stellen, wenn man nicht auf die Primärefflorescencen, die dyshydr.
Bläschen, recurriren würde. — Diese dienen vielleicht nur als Eingangs-
pforte für die Erreger der Ekzematisation oder der Pyodermitis, welche
ihrerseits wieder zu Desquation oder Keratisation den Anlass geben
können. Ob die Dyshydrose durch Infeotion der Epidermis oder durch
primäre Alteration der Schweissdrüsen zu Stande kommt, laut Gasten
unentschieden, neigt aber mehr zu der letzteren Ansicht, so dass man
die Dyshydrose der grossen Familie der arthritischen und nervösen Er-
krankungen znreihen köunte. Bichard Fischöl (Bad Hall).
Hallopeau, H. et Lemierre. Sur un nouveau cas d'acn6
chlorique. Soc. de derm. etc. 7. Juni 1900. H 11 2.
Der 4djährige Arbeiter hat sich die Dermatose in derselben Fabrik}
aus der die Fälle von Thibierge und Renan, vielleicht auch der
der Hautkrankheiten. 156
Herxheimer'sohe Fall (aus einer deutschen Filiale) stammt, zuge-
sogen. Es ist dies die einzige dieser Art in Frankreich. Betroffen sind
nur die Arbeiter, welche bei der elektrolytischen Gewinnung des Chlors aus
Kochsalz beschäftigt sind. Hallopeau und Lemierre formuliren ihre
Schlussfolgerungen folgenderroassen : 1. die Pathogenie der Ghloracne ist
wahrscheinlich complex. Zwei verschiedene Substanzen bringen sie hervor,
die eine bewirkt die Entzündung and Hypersecretion der Talgdrüsen, die
andere färbt die Oberfläche der Gomedonen schwarz ; 2. die erste scheint
das Chlor oder eine seiner Verbindungen zu sein, die zweite bleibt
unbestimmt (Untersuchung auf Blei ergab kein positives Resultat) ; 8. die
Gegenwart des Unna'schen Bacillus bei dieser Form von Acne leigt,
dass dieser Mikrobe nicht, wie man geglaubt hat, die nächate Ursache
der Acne ist, sondern bloss ein secundäres Element, das in dem Secret
der Drüse einen günstigen Nährboden findet. Dasselbe gilt für die
Aetiologie der Pelade; 4. man muas die Aufmerksamkeit des „Conseil du
hygiene' auf die Bedingungen, unter welchen das Ausströmen der
schädlichen Gase stattfindet, und ihre Beseitigung lenken.
Sabouraud. Die Schwarzfarbung des Gomedonenendes ist eine
banale Tbatsache in allen Formen von Acne, so dass es nicht nothwendig
ist, chemische Ursachen anzuschuldigen. Sehr verschiedene Factoren
können die Entstehung einer Acne begünstigen, immer sei aber
die eigentliche Ursache microbieller Natur.
Hallopeau glaubt an einen rein chemischen Ursprung der
Affection.
Sabouraud beharrt auf seinem Standpunkt nnd setzt die Chloracne
in Analogie mit der durch Chlordämpfe erzeugten Bronchopneumonie,
bei der das Chlor sicherlich eine Rolle spielt, die Entiündung der Lunge
aber bakterieller Natur sei. Richard Fischöl (Bad Hall).
Hallopeau. Snr la cause prochaine de V aone chloriqne
et de sa coloration noire. Soc. de derm. etc. 8. Novembre 1900.
Bei dem in der Junisitzung der Gesellschaft vorgestellten kranken
Eugene L • . . wurden weitere Untersuchungen über die Pathogenie der
Chloracne angestellt: Das Chlor bewirkt eine Hypersecretion der Talg-
drüsen und verändert zugleich das Secret derselben; es erhält eine festere
Consistenz und höheren Schmelzpunkt. Dadurch kommt es zu Stauung
des Hanttalgs, Comedonenbildung, an denen Staubtheilchen sich fixiren,
wodurch die Schwarzfärbung der Comedonen bedingt ist. Dieselbe ist
also nur eine secundäre. Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau et Trastour. Continuation de la s6rie des
acnds chloriqne s. Soc. de derm. etc. 1900 8. Decembre.
Den 6 bisher publicirten Fällen, die alle derselben Fabrik ent-
stammen, wird ein neuer hinzugefügt, der im Wesen den vorhergehenden
gleicht. Bemerkenswerth bei demselben ist eine mit dem Beginn der Haut-
eruption aufgetretene Alopecie, die sich auf natürliche Weise durch eine
Schädigung des Haarbodens erklären lässt, welche durch die Ansammlung
des schwärzlichen Secretes an der Kopfhaut bewirkt wurde. Am Penis
156 Bericht über die Leistimgen auf dem Gebiete
und Sorotum Talgoysten von gelblicher Farbe, die mit den schwanen
Gomedonen des übrigen Integnments contrastiren und beweisen, dass die
Schwarzftrbnng der letzteren nur anf änssere Einflüsse znrückiuflUiren ist
Richard Fischel (Bad Hall).
TMbierge, Georges et Pagniez, Philippe. L*aon6 chloriqne»
Annales de derm. 1900, pag. 816.
Den Ewei bereits mitgetheilten F&Uen von Ghloracne fngt Thibierge
zwei weitere FftUe ans demselben Fabriksbetriebe hinan nnd gibt anf
Grand dieses Materials eine klinische Stndie dieser von Herxheimer
znerst beschriebenen Affection. Ihr hervorstechendstes Merkmal ist der
Comedo. Die Schwarzfärbang seines Köpfchens ist dnrch Vertrocknnng
nnd Transformation der oberfl. Schichten bedingt. Die wesentlichsten
Charaktere sind die intraglandnl&re Secretretention nnd vermehrte Ab-
scheidnng der Talgdrüsen, die znr Cystenbildnng führt. Die entzündlichen
Yerändemngen treten im Gegensatz znr jnrenilen Acne in den Hinter-
grund nnd können sogar ganz fehlen. Wangen, Nase, Stirn sind vor-
wiegend befallen, so dass das Gesicht wie von Pnlver nach einem Schnss
geschwärzt aussieht. Am behaarten Kopfe, wo sich von den einzelnen
Acneformen nnr die Acne necrotica localisirt, kann es dnrch Anhftnfnng
der Gomedonen znr Bildung einer dicken, schwarzen, fettigen Schichte
kommen. Die Ohren, der Hals, der Stamm und Genitalien sind betroffen.
An den H&nden und Füssen erinnern die kl. Gomedonen an die bei
Fytiriasis mbra pilaris beobachteten Kegelchen.
Die Yerftndemngen treten sehr rasch auf und können sich innerhalb
einiger Wochen zur vollen Höhe entwickeln. H&ufig geht ihnen eine
difiuse Schwellung der Haut voraus, welche die einzige Belästigung der
Patienten bildet. Diese können sich nach Abheilung der Affeotion ohne
der Gefahr einer Recidive den Schädlichkeiten wieder aussetzen.
Die histologische Untersuchung zeigt das Bild der gew. Acne. —
Bakteriologisch konnten bloss in einem Falle Unna'sohe Bacillen und
Coocen von variablem Volumen nachgewiesen werden. Zur Ergründung
der Aetiologie ist man nur auf Hypothesen angewiesen. Alle Arbeiter
waren mit dem Reinigen oder Füllen der zur elektrolytischen Gewinnung
des Chlors dienenden Gefässe beschäftigt Die Verfasser neigen nun zu
der Ansicht, dass das Chlor oder eine seiner Verbindungen dnrch die
Athmung, den Verdauungscanal oder die Haut aufgenommen wird und
durch die Talgdrüsen ausgeschieden die beschriebenen Veränderungen
setzt. (Analogien mit der Jod- und Bromacne.)
Der Einfluss des Unna'schen Bacillus bedarf noch des weiteren
Studiums, doch scheint der chemische Reiz das primäre Moment zu sein,
und dem Bacillus erst eine secnndäre Rolle zuzufallen.
Richard F i a c h e 1 (Bad Hall).
Bettmaim. „Chlor-Acne*' eine besondere Form von pro-
fessioneller Hanterkrankung. Deutsche med. Woch. Nr. 97.
4. Juli 1901. •-*
Ueber 2 Fälle von Ghloracne bei Arbeitern in chemischen Fabriken
der Hautkrankheiten. 157
berioktet Beitmann. Später kamen noch 21 ähnliche Fälle zar Beob-
achtong, welche alle Personen betrafen, die mit der Ansräamong von
Sänrethürmen beschäftigt waren, während in anderen Räumen arbeitende
Leute nicht erkrankten. Aehnliche Erscheinungen werden Ton anderen
Autoren berichtet bei Arbeitern solcher Fabriken, wo Chlor ans Chlor-
natrium und Chlorkalium mittels Elektrolyse gewonnen wird, und zwar
erkrankten hier die mit Reinigung und Wiederladang der Behälter be-
trauten Personen, welche sich also den chemischen Zersetzungsproducten
anssetzten. Das Krankheitsbild unterscheidet sich von der Acne vulgaris
durch Yerhomungserscheinungen, Generalisation der Comedonen, tecnn-
däre Atherombildung, häufige Localisation auf dem behaarten Kopfe.
Miterkrankung anderer Organe oder Reizung der Athemwege bestand
nicht Trotz Aufgabe der schädlichen Beschäftiguog blieb die Acnetherapie
fast unwirksam. In den Salzsäurethürmen sind yielleicht die gechlorten
Theerderivate anzuschuldigen, doch ist die Noxe bisher in keinem Falle
sicher nachgewiesen. Einstweilen werden in den betreffenden Fabriken
Exhaustoren, Durchspülung der Thärme mit Sodalösung, Tragen von
Gummihandschuhen und Einfetten des ganzen Körpers seitens der Arbeiter
als Prophylaxe angewendet. Max Joseph (Berlin).
Gaueher, E. Acn6 cornee vegötante. Soc. de denn. eto.
a November 1900.
Im März dieses Jahres, angeblich nach einer heftigen Oemüths-
bewegung, ein Ausbruch der Eruption, die allmälig die Brust, die Regio
stemalis, die Flanken, den Rücken, die oberen Partien des Abdomens,
die Basis des Halses und in letzter Zeit die Inguinalgegend und die
Hinterbacken befiel. Im Gesicht Comedonen von schwärzlicher Färbung.
Die Primärefflorescenz ist eine braune, wenig erhabene Papel von droa
1 Mm. Durchmesser, die von einer fettigen Borke bedeckt ist, und den ein-
zelnen Follikeln entspricht. Stellenweise fliefien die Efflorescenzen zu von
graulichen, fettigen Borken bedeckten Plaques zusammen. Die Nägel
verdickt und gestreift. Schleimhäute frei. Zeitweiliger heftiger Pruritus,
besonders des Nachts.
Die Frage Leredde's, warum der Autor die Erkrankung als Acne
com^ veg. bezeichnet, beantwortet G a u c h e r dahin, dass die klinischen
und anatomischen Charaktere ihn bestimmen. Hallopeau bemerkt, dass
er einen ähnlichen Fall im Jahre 1888 vorgestellt habe und ihn in Ueber-
einstimmung mit Besnier acn6 ooncröte hypertrophique zur Differen-
ztning von der Acne vulgaris benannt habe. Besnier schlägt vor, sich
mit der provisorischen Bezeichnung zu begnügen, bis man die Natur der
Krankheit erkannt habe. Richard Fischöl (Bad Hall).
Hallopeau et Trastour. Sur un nouveau cas de bromisme
suppur^ en placards agglom6r6s. Soc. dederm.eto. 6.Jouilletl900.
Die 27jährige Patientin gebraucht seit 4 Jahren wegen epileptischer
Anfälle Brompräparate. Die Affection begann vor 2 Monaten mit Bildung
eines kl. Knötchens am r. Unterschenkel. Gegenwärtig wird sie ans
einem ovalären Herd 10x8 Ctm., welcher aus einer centralen Partie
158 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete d. Haatkrank.
besteht, in welcher die Haut rothTiolett, verdickt und indurirt ist und
an einzelnen Stellen das Aussehen vegetirender Pachydermie seigt, nnd
einer peripheren» welche aus breiten, flachen, von einander isolirten
Pusteln besteht, gebildet. Alle Efilcrescensen sind auf Druck schmerzhaft. Im
Gesicht, am Rücken, an der Wurzel der ob. Extremitäten Acnepusteln.
Bemerkenswerth ist in diesem Falle das excentrisch periphere Fort-
schreiten der Erkrankung und das Beschranktbleiben auf ein beatimmtes
Gebiet, ähnlich den Antipyrinemptionen. Erklärt wird der Vorgang damit,
dass die Initialpustel in der Umgebung ein günstiges Terrain für die
Wirkung des Giftes schafft. Richard Fischel (Bad Hall).
Buehanzeigen und Besprechungen.
Nonne, Max. Syphilis und Nervensystem. 17 Vorlesungen.
Berlin 1902. S. Karger.
In den nachstehenden Zeilen will ich Nonnes Buch nicht be-
sprechen — dazu wurde ich viele Seiten brauchen und es würde auch
ohne reichliche Diskussionen über mannigfache Fragen, in denen ich mit
dem verehrten Verfasser nicht harmoniere, nicht abgehen — aber ich
will das Buch, und zwar auf das Dringendste empfehlen, weil es
in vorzüglichster Weise das wichtige und ohne besondere Vorbildung
nicht zu beherrschende Kapitel der durch Syphilis bedingten Nerven-
erkrankungen uns Syphilidologen nahe bringt.
Freilich waren auch wenige wie Nonne so befähigt, eine solche
Aufgabe zu lösen. Langjährige Vorbildung auf einer der größten Ab-
teilungen für venerische Kranke (bei Engel-Reimers) geseilte sich zu
eingehendster spezialistischer Tätigkeit auf neurologischem Gebiet nnd
zu allgemein-medizinischer und pathologisch-anatomischer Erfahrung, die
der Verfasser aus dem ungeheuren Material des Eppendorfer Kranken-
hauses schöpfen konnte, so daß eine allseitige Beherrschung der Materie
resultieren mußte; eine Vielseitigkeit, die es dem Verfasser ermöglicht^
einerseits die in jedem einzelnen Gebiet schwebenden Streitfragen zu
kennen und zu behandeln und doch andererseits stets den Znsammen-
hang mit der allgemeinen praktischen Heilkunde nicht aus dem Auge zu
verlieren. Wir Syphilidologen finden nicht nur ein Nachschlagebuch,
um uns über die vielseitige Klinik der syphilitischen Nervenerkrankungen
zu informieren, sondern auch sehr lehrreiche und anregende Mitteilungen
über uns speziell interessierende Probleme: Prognose der Syphilis,
Disposition for besondere Lokalisation, Einfluß der Behandlung auf den
Gesamtverlauf, pathologisch -anatomische Befunde u. dergl. mehr. Die
Neurologen andererseits werden ihnen vielleicht ferner liegende Tatsachen
Bnohanzeigen und Besprechungen. 159
und Probleme aus dem Gebiete der Syphilidologie als willkommene £r-
g&nJEung zu den klinischen und pathologischen, auf reichster Erfahrung
des Verfassers beruhenden Schilderungen der einzelnen Erankheitsformen
begrfifien«
Das Buch ist ein stattlicher Band Ton 424 Seiten mit 42 pathologisch-
anatomischen und histologischen Abbildungen, denen sich noch ein sehr aus-
führliches Literatur- Verzeichnis nebst Autoren- und Sachregister anschließt.
Aber trotz des großen Umfanges ist der Inhalt durch das vorausgeschickte
Inhalts- Verzeichnis und die auf jeder Seite angebrachten Marginalien so
leicht und bequem zu übersehen, daß Jeder ohne Anstrengung das
Gänse durchstudieren oder im Einzelfalle das ihn gerade Interessierende
finden kann.
An Einzelheiten möchte ich folgendes herrorheben:
Pag« 8. Bemerkungen über die Häufigkeit der syphilitischen
Erkrankungen des Nervensystems. Unter 5600 F&llen von Nerven-
erkrankungen entfiel auf je 66 Fälle ein Fall von NervensyphiHs; dagegen
kommt nur ein Fall auf 280 allgemein-medizinische Fälle.
Pag. 11. Nachweis der syphilitischen Infektion und
Schwierigkeiten der Diagnose; absolute Bedeutungslosigkeit des
Fehlens anamnestischer Angaben, Hinweis auf durchaus analoge Verhält-
nisse bei der tertiären Syphilis. — Nicht jede organische Nervenerkrankung
bei syphilitisch Gewordenen ist eine syphilitische. — Weder der positive
Erfolg einer antisyphilitiscfaen Therapie ist ohne weiteres für die An-
nahme der syphilitischen Natur des Nervenleidens zu verwerten, noch
der negative gegen die syphilitische Natur.
Pag. 46. Der Einfluß der Syphilis auf die Gefäße doku-
mentiert sich auch darin, daß die Syphilis zu einer atheromatösen
Degeneration der Gefliße fähren kann, welche sich von der ohne Syphilis
entstandenen auch mikroskopisch nicht mit Sicherheit differeuzieren läßt
Pag. 65. Bericht über Beobachtungen, daß verschiedene Mitglieder
derselben Familie, die syphilitisch infiziert wurden, organisch nerven-
krank wurden. Auch bei vier syphilitischen Ehepaaren bekamen beide
Teile später entweder eine echte Syphilis oder eine postsyphili tische Er-
krankung des Nervensystems.
Pag. 56, 189, 190, 247, 412, 416. Besprechung des Einflusses
derVorbehandlung der Syphilis auf die spätere Entstehung
von syphilitischen Nervenerkrankungen. Wenn auch Ver-
fasser mehrfach gesehen hat, daß trotz sorgsamster Anfangsbehandlung
später schwere Nervensyphilis sich entwickelte oder von Anfang an ein
schwerer Verlauf, der durch keine Behandlung zu modifizieren war, sich
einstellte, so bleibt doch die Regel zu Recht bestehen, daß eine
möglichst energische und möglichst frühe sachgemäße
Behandlung der primären und sekundären Syphilis auch
in Hinsicht auf Verhütung von Erkrankungen des Nerven-
systems nicht warm genug angeraten werden kann. Jedoch
ist Nonne ein Gegner der von Fonrnier und dem Referenten ver-
160 Bnohaiueigeii und Betprecliiiiigeii.
tretenen BehandloDgamethode. Nonne spricht iwar von einer i, fort-
währenden*' Behftndlnng, wfthrend wir swar eine ohroniaohe, aber
doch intermittierende Behandlung empfehlen.
Pag. 191 findet sich der sehr wichtige Hin weil auf den Unterschied
zwischen der Heilang im anatomischen Sinne and der Heilung im
klinischen Sinne. Anatomisch kann die Himerkrankang geheilt sein
aber nat&rlich bleiben die klinischen Aasfallssymptome bestehen.
Pag. 212. Zwar gibt es keine spezifisch syphilitische Geisteskrank-
heit, aber andererseits gibt es aach keine Form psychischer Störong, die
nicht im Gefolge der Syphilis zur Beobachtung gelangen könnte.
Die 9. und die 18. Vorlesung sind der Frage des Zusammen-
hanges der Syphilis mit der Dementia paralytiea und der
Tabes gewidmet. Nounes Standpunkt ist folgender: die Syphilis ist
nicht auuchliefilich die Ursache, keine conditio sine qua non f&r die
Tabes, sie ist aber die bei weitem h&ufigste und wichtigste Ursache der
Tabes, der gegenüber alle anderen in Betracht gezogenen Ursachen
durchaus zurücktreten.
Ich denke, diese wenigen Bemerkungen werden jedem klar machen,
daß Nonne nicht zu viel yerspricht, wenn er in der Vorrede sagt:
ff es wende sich dieses Bach vorwiegend an das Interesse des Praktikers;
doch dflrfte, da die Spesial- Literatur überall zu Bäte gezogen ist, auch
der Neurologe und der Syphilidologe über den heutigen Stand der
Einzelstandpunkte sich orientieren können''« Hiermit sei es also allen
Archiylesem angelegentlichst empfohlen. A. Neisser (Breslau).
Varia.
PereouaUen. Ernest Besnier, der bisherige Präsident der
Society Fran^aise de dermatologie et de syphiligraphie wurde zum Ehren-
präsidenten ernannt; an seine Stelle wurde Alfred Fournier zum
Präsidenten der Gesellschaft gewählt.
Prof. J. H. Bille (Innsbruck) ist znm Nachfolger von G. Riehl in
Leipzig ernannt worden.
Privatdozent Dr. Eduard Ehlers (Kopenhagen) ist zum Pro-
fessor ernannt worden.
Als Privatdozenten far Dermatologie und Syphilis haben sich habi-
litiert: Dr. V. Allgeyer in Turin, Dr. P. L. Bosellini in Bologna
und Dr. R. BoTero in Parma.
Originalabhaiidlungen.
Arcb. f. Dennat. n. Sypb. Bd. LXIII j|
Ans der dermatoloe^schen Zlinik der kgl. Universität in Tarin.
Zur Histologie der Keratosis pilaris.
Von
Prof. 8. Giovannini.
(Hiezu Taf. Vin-XII.)
Welcher Wert unseren heutigen Kenntnissen der Histo-
logie der Keratosis pilaris (Liehen pilaris, Ichthyosis anserina
und follicularis, Xerodermia pilaris) beizumessen ist, können
wir leicht aus den Schlußfolgerungen ersehen, welche die
verschiedenen Autoren, die sich mit dem Studium der Histo-
logie dieser Krankheit selbst befaßten, bezüglich der Natur
derselben zogen. Lemoine erklärte sich für die entzündliche
Natur der Keratosis pilaris, indem er dieselbe verschiedenen
Arten des Liehen, und insbesondere dem Liehen skrophuloso-
rum an die Seite stellte. Jacquet erblickte in ihr eine fehler-
hafte Entwicklung der Follikel, bestehend in der Anwesenheit
unvollständig entwickelter und überzähliger Follikel. A u d r 7
hielt sie für eine Anomalie sui generis, charakterisiert durch
Atrophie und abnorme Verhornung nicht nur der HaarfolUikel
sondern auch der interfollikulären Epidermis. Unna sah sich
veranlaßt, diese Krankheit als einen trockenen Katarrh der
Haut anzusehen und rechnete sie dem entsprechend zu den
infektiösen Entzündungen; er nahm an, die pathognomonische
Veränderung bestehe in einer Verdickung der Hornschicht
oberhalb der Mündungen der Haarfollikel (Keratosis supra-
follicularis). Auch Mibelli glaubte, daß die suprafollikuläre
11*
164 GiovaDnini.
keratotische Veränderung, mit der durch sie bedingten Defor-
mation des Haares und des Follikels, stets der bedeutungs-
vollste und charakteristischeste Umstand dieser Erkrankung
seien. Nach Veyri er e s hängt sie Ton einer unvollständigen
Entwicklung der Haartalgkeime und ganz besonders der Talg-
keime ab. Man sieht, bei dieser großen Verschiedenheit der
Urteile, zu denen die histologischen Untersuchungen bislang
gefuhrt haben, wird eine neuerliche Beschäftigung mit diesem
Gegenstande nicht unangebracht sein.
Vor einigen Jahren veröfifentlichte ich eine ganz kurze
Mittheilung (d), in der ich mich darauf beschränkte, meine
Beobachtungen bei der Untersuchung der Haut einiger Fälle
von Keratosis pilaris, in ganz kurzer kaum noch summarisch
zu nennender Weise anzuführen. In der Folgezeit bot sich mir
Gelegenheit noch einige andere Fälle zum Gegenstande meiner
mikroskopischen Studien zu machen und diese neueren Unter-
suchungen bestätigten nicht nur im wesentlichen die Ergeb-
nisse der früheren und ließen eine bessere Erklärung derselben
zu, sondern sie brachten auch Licht über einige Punkte und
Einzelheiten, denen ich einige Bedeutung zusprechen möchte.
In der vorliegenden Arbeit beabsichtige ich nun die alten und
neuen Beobachtungen, welche ich bis jetzt über die Histologie
der Keratosis pilaris sammeln konnte, vollständig und mit allen
nötigen Einzelheiten und unter Berücksichtigung der diesbe-
züglichen Literatur darzulegen.
Zunächst muß ich jedoch bemerken, daß sich meine Un-
tersuchungen ausnahmslos nur auf die Keratose des Stammes
und der Extremitäten erstreckten, und somit die Erkrankung
nur an einem Teile ihrer mannigfachen Lokalisation betrafen ;
femer daß ich mich bei der Präparation der Haut nicht der
vielen und verschiedenartigen Mittel der modernen histologi-
schen Technik bediente, sondern mich fast ausschließlich nur
auf ein und dieselbe Methode der Fixation und Färbung be-
schränkte. Demnach besitzt das, was ich als persönliche Beob-
achtung hier bringe, durchaus nur den Charakter einer unvoll-
ständigen histologischen Studie.
Zur Histologie der Keratosis pilaris.
165
Untersuchungsmaterial und Technik der Präparation.
Von den Autoren, welche histologische Untersuchungen
über die Keratosis pilaris veröffentlichten; macht nur ein Teil
über das Material, an welchem dieselben ausgeführt wurden,
nähere Mitteilungen. So wissen, wir daß L e m o i n e und J a c q u e t
in zwei Fällen, Andry in einem Falle das Untersuchungs-
material dem Lebenden entnahmen; in einem Falle entstammte
die Haut dem Halse, und zwar der Gegend über einer yerei-
terten Lymphdrüse (Le meine), in den übrigen Fällen von
der Außen- oder Hinterfläche des Armes. Unna dagegen führte
seine Untersuchungen an 8 der Leiche entnommenen Hautstück-
chen aus. Jedes der von Jacquet entnommenen Stückchen
enthielt ein erhabenes, hartes und trockenes Knötchen.
Die vorliegenden Untersuchungen betreffen sowohl Haut
als auch ausgezogene Haare.
a) Haut.
Ich entnahm die mit Keratosis pilaris behaftete Haut zu-
meist dem Lebenden, weil dabei einerseits die Präparation
besser gelingt und andrerseits auch die Diagnose mit größerer
Sicherheit gestellt werden kann. Es scheint mir nicht unerläß-
lich, in der folgenden Übersicht einige Angaben über die ein-
zelnen Fälle zu machen, von denen das Untersuchungsmaterial
stammte.
9
o
IS
O
fr«
Individuum
und
dessen Alter
Körperteil von welchem
die Haut
entnommen wurde
Art der Keratosis pilaris
I
II
III
IV
Mann v. 84 J.
Mann v. 32 J.
Weib V. 37 J.
Madchen von
18 Jahren
JüngÜDg Ton
21 Jahren
Bauch, wenige Zenti-
meter vom Nabel
ebenso
Schultergegend
Außenfläche des Armes
zwischen mittlerem nnd
unterem Dritteil
Hinterfläche des Armes
rein weiß
ebenso
ebenso
ebenso
ebenso
166
Oiovannini.
a
1^
o
Individuum
und
dessen Alter
Körperteil von welchem
die Haut
entnommen wurde
Art der Keratosis pilaris
VI
VII
VIII
IX
X
XI
XII
xni
XIV
XV
XVI
xvn
xvni
XIX
XX
XXI
XXII
XXIII
Mädchen von
26 Jahren
Mann v. 32 J.
Mädchen von
28 Jahren
Mann v. 31 J.
Mann v. SU.
Frau v. 28 J.
Frau V. 29 J.
Frau V. 32 J.
Mann v. 38 J.
Mädchen von
23 Jahren
Mädchen von
16 Jahren
Mädchen von
17 Jahren
Mädchen von
18 Jahren
M ädehen von
17 Jahren
Frau V. 34 J.
Frau V. 28 J.
Mäd. V. 21 J.
Frau V. 80 J.
zxiv
XXV
Mädchen von
24 Jahren
Frau V. 89 J.
Vorderfläche des Ober-
schenkels, ungef&hr an
der Grenze zwischen
mittlerem und unterem
Drittel
linke Wade
Außenfläche des Unter-
schenkels im mittleren
Drittel
Seitenwand des Stammes
in der Höhe der 8. Rippe
Mittleres Drittel der
Hinterfläche des Armes
i^chultergegend
Gegend unterhalb des
Schulterblattes
ebenso
Außenfläche des Vorder-
armes, drei Zentimeter
vom Olecranon
Mittleres Drittel der
Hinterfläche des Vorder-
armes
Vorderfläche des Ober-
schenkels
Unteres Drittel der
Außenfläche des Ober-
schenkels
Außenfläche des Vorder-
armes zwischen mittlerem
und unterem Drittel
Oberes Drittel der Außen-
fläche des Unterschenkels
Mittleres Drittel der
Hinterfläche des Ober-
schenkels
Mittleres Drittel der
Hinterfläche des Vorder-
armes
Mitte der Glutaealgegend
Becken- Schenkelgegend,
ungefähr 4 Zentimeter
unterhalb des großen
Trochanter
Außenfläche des Ober-
schenkels zwischen
mittler, u. unterem Drittel
ebenso
ebenso
ebenso
ebenso
ebenso
Weiß, leichte Rötung der
zwisohenliegenden Haut
ebenso
(}emlsebt,in.d.w<>i0en finden •ich
niml. leicht ger^t. KnOtch. renn.
Daswiachenl. Haut. norm. FXrb.
ebenso
ebenso
ebenso
ebenso
Gemieeht aoa welAen n. roten
Elementen. Die iwiichenlieg.
Haut lelgt gmns leiehte blaa
rote Fftrbanf
ebenso
Rein rot, d. KnStoben lelg. Jod.
nnr geringe Röt. n. d. swleebenl
Hant leigt ihre norm. Flrbnng
Rein rot; die zwischen-
liegende Haut ist rosarot
Rein rot; auch die
zwischenliegende Haut
ist rot
ebenso
Rein rot; zwischen-
liegende Haut violettrot
ebenso
Narbenbildend; nnr hie und da
findet fleh ein HIrehen
Zur Histologie der Keratosis pilaris. 167
Kurz gesagt, unter den 25 zur Untersuchung herbeige-
zogenen Fällen fanden sich 7 Männer und 18 Weiber, deren
Alter zwischen 18 und 39 Jahren schwankte. Die Haut wurde
den Terschiedensten Stellen des Körpers entnommen u. zw.
▼om Abdomen, Tom Bücken, von den Armen, Tom Nacken, von
den Ober- und Unterschenkeln. In den excidierten Hautstück-
chen fSemden sich in Bezug auf Gestalt, Verteilung, Farbe
n. s. w. der Elemente sozusagen sämtliche verschiedene
Stufen der Keratosis pilaris vor. Auch in Bezug auf Intensität
und Verbreitung an der Hautoberfläche boten die untersuchten
Fälle bedeutende Verschiedenheiten dar; am schwersten war
die Krankheit vor allen anderen beim IH. und IX. Falle ent-
wickelt.
In allen Fällen wurde die Haut mit einem guten Teile
des Unterhautzellgewebes exstirpiert. Die einzelnen Stückchen
zeigten im Allgemeinen elliptische Gestalt und besaßen eine
solche Größe, daß sie immer mehrere Elemente der Keratosis
pilaris enthielten : die beiden größten erreichten eine maximale
Breite von 1 Centimeter und eine Länge von 3'5 — 3*7. Die
entstandenen Wunden wurden ordnungsgemäß vernäht und heilten
in allen Fällen ohne jede Komplikation.
Außer von diesen lebenden Fällen entnahm ich auch
einige von Keratosis pilaris befallene Hautstückchen den Lei-
chen zweier Kinder, von denen das eine ungefähr SVg das an-
dere 6 Jahre alt war. Die der Untersuchung unterzogenen
Fälle erreichen demnach die Zahl von 27.
Um die bei dem mikroskopischen Studium der mit Kera-
tosis pilaris behafteten Haut gemachten Beobachtungen richtig
deuten zu können, vnirde stets normale Haut zum Vergleiche
herbeigezogen. Zu diesem Zwecke stand mir eine große Zahl
von Präparaten der Haut sowohl der Extremitäten als auch
des Stammes, so vom Neugeborenen wie vom Erwachsenen
zur Verfügung, welche teils schon von früher in meinem Be-
sitze waren, teils erst zu diesem Behufe angefertigt wurden.
In der Zahl der letzteren befanden sich auch die Präparate
von einem Hautlappen, den sich ein 22jähriger Jüngling hatte
abnehmen lassen (XXVI. Fall); die Haut dieses Falles war so
168 Giovannini.
zart und glatt, daß sie als wahrer Typus einer normalen Haut
gelten konnte.
Nur ein Teil der fiüheren Untersucher macht über die
Art der Präparation der Haut nähere Angaben. So wissen
wir, daß Lemoine und Audry mit Alkohol fixierten und die
gewöhnlichen Farbstoffe (Pikrokarmin^ Hämatoxylin etc.) be-
nützten. Bei der Torliegenden Untersuchung wurde sowohl die
mit Keratosis pilaris behaftete als auch die zum Vergleiche
dienende normale Haut, die dem Lebenden entnommen worden
war, in der Flemming sehen Chrom - Osmium - Säurelösung
fixiert; nur ein Teil der von den Leichen gewonnenen, mit
Keratosis behafteten Haut wurde in Alkohol gehärtet. Die
einzelnen Hautstückchen wurden vor der Einbringung in die
fixierende Flüssigkeit in 2, 3 oder 4, die größeren auch in
8 Stückchen zerteilt. Zumeist wurden an den Seiten dieser
Stückchen kleine Einschnitte gemacht, welche nicht so sehr den
Zweck hatten, das Eindringen der fixierenden Flüssigkeit zu
erleichtem, sondern nur gute Anhaltspunkte für die Auffindung
der Härchen bei der Ausführung von Serienschuitten abgeben
sollten. Die Einbettung erfolgte ausschließlich in Celloidin.
Jedes der Stückchen wurde sodann nochmals geteilt, und zwar
zumeist in zwei Teile, von denen der eine in senkrechter, der
andere in transversaler Richtung geschnitten wurde; bei den
übrigen Fällen wurden die Schnitte nur in transversaler Rich-
tung ausgeführt. Die Schnitte, welche natürlich so dünn als
möglich angefertigt wurden, wurden stets serienweise am Objekt-
träger befestigt, und bediente ich mich zur Übertragung der
Schnitte vom Mikrotom auf den letzteren wie gewöhnlich (a)
eines Streifens japanischen Papieres. Die Schnitte der in
Flemmingscher Lösung fixierten Haut wurden nach Ent-
fernung des Gelloidins gewöhnlich mit einer sehr schwachen
wässerigen Lösung von Methylviolett gefärbt, in welcher sie,
je nach Erfordernis ein oder zwei Tage belassen wurden; die
Schnitte der in Alkohol gehärteten Stückchen wurden zumeist
mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt. In beiden Fällen wurden sie
nach entsprechender Differenzierung und Aufhellung in Kanada-
balsam eingeschlossen.
Wie aus dem gesagten hervorgeht, standen mir eine große
Zar Histologie der EeratoBis pilaris. 169
Zahl zur Hautoberfläche senkrecht geführter Schnitte zur Ver-
fügung; diese genannten Schnitte ermöglichen jedoch kein so
genügendes Studium, weder in Bezug auf den vollständigen
Einzelfollikel, noch in Bezug auf die Gruppierung derselben,
wie es in diesem besonderen Falle unabweislich war, und zwar
deshalb, weil die Follikel in diesen Schnitten infolge ihrer ver-
schiedenartigen Richtung und Neigung zumeist im Querschnitte
getroffen werden, und man infolgedessen stets nur einen Teil
derselben sieht. Diesem Mangel an realen Längsschnitten der
Haarfollikel suchte ich in der gegenwärtigen Arbeit, wie auch
in anderen vorhergegangenen dadurch abzuhelfen, daß ich mir
künstliche auf Grund von Serien realer Querschnitte rekonstruierte.
Bei dieser Zusammenstellung der künstlichen Längs-
schnitte der Follikel befolgte ich im wesentlichen dieselbe
Methode, welche ich bereits bei früheren Arbeiten benützt und vor
Jahren auch schon beschrieben habe (2^). Zunächst wurden Schnitt
für Schnitt mit Hilfe der Camera lucida die Konturen jener ver-
schiedenen Teile abgezeichnet, welche ich graphisch im Längs-
schnitte darstellen wollte. Von den so erhaltenen Zeichnungen
übertrug ich die Durchmesser der einzelnen Teile selbst auf
die parallelen und horizontalen Linien des gewöhnlichen Milli-
meterpapieres, wie es von den Ingenieuren benützt wird ; ich nahm
also in der Zeichnung für jeden einzelnen Schnitt die Dicke eines
Millimeters an. Bei dem Trichter und der gemeinsamen Öffnung
der Haarfollikel wurde, wenn dieselben keine runde Gestalt be-
saßen, in der Regel der größere Durchmesser genommen, ebenso
bei dem Epithel- Apendix des Muskelansatzes. Von den anderen
Teilen, wie den Haarschäften, den Wurzelscheiden, der Papille,
der Haarkeime u. s. w. wurde, soweit es möglich war, der
reale Durchmesser abgenommen. In jenem, übrigens nicht
häufigen Falle, wo sich im Trichter und in der gemeinsamen
Mündung (Apertura communis) mehrere Querschnitte von Haar-
schäften, die fast die gleiche Dicke besaßen, vorfanden, und
welche unzweifelhaft nicht mehreren verschiedenen, sondern
nur einem einzigen aber zusammengekrümmten und an zwei
oder mehreren Punkten getroffenen Haarschafte angehörten,
wurde diejenige Zahl von Haarschäften eingezeichnet, welche
der vorgefundenen Anzahl von Durchschnitten entsprach. Bei
170 GiovanninL
der Komposition von Längsschnitten ganzer Gruppen (Taf. XI,
Fig. 2), wo die Follikel in den Querschnitten nicht in einer
geraden Linie lagen, mußte natürlich eine einigermaßen
ideale Darstellung gegeben werden, welche sich aber im wesent-
lichen nicht weit von der Wirklichkeit entfernte. Auf dem
Millimeterpapiere wurden die extremsten Durchmesser der ein-
zelnen zu übertragenden Teile durch Punkte bezeichnet, und
indem diese yerschiedenen Punkte schließlich verbunden wurden,
erhielt man eine Skizze, welche die Teile selbst im Längs-
schnitte darstellte. Die auf diese Weise erhaltenen Längs-
schnitte wurden teils so unvollendet gelassen, zum Teile jedoch
auch vollständig ausgeführt; in diesem letzteren Falle wurden,
wie man aus den Tafeln ersehen kann, die Konturen regelrecht
ausgezeichnet, die Malpighische Schicht durch Punktierung in
einem dunkleren Farbentone hervorgehoben und die hornigen
Teile schrafiBert. Die solcherart hergestellten Längsschnitte
der Haare, sowohl einzelner als ganzer Gruppen, erwiesen sich
als sehr brauchbar und wir werden uns derselben im Laufe
dieser Arbeit noch recht häufig bedienen.
b) Ausgezogene Haare.
Die Zahl der Haare, welche ich für die mikroskopische
Untersuchung präparierte, belief sich auf mehrere Hunderte;
sie wurden von 11 Männern und 3 Weibern erhalten, deren
Alter zwischen 19 und 30 Jahren schwankte. Diese Haare
wurden mittels der Pinzette aus den keratotischen Elementen,
sowohl von der rein weißen als auch der roten Form ausgezupft
und zwar zumeist von Herden an den Extremitäten und nur wenige
Male vom Abdomen ; einige der Haare erhoben sich frei von Ele-
menten der Keratose, andere fanden sich in die in diesen bestehen-
den hornigen Massen eingebettet. Nicht selten wurde mit dem
Haare ein mehr oder weniger großer Teil der hornigen Substanz
herausgezogen, welche gewöhnlich an den Haaren selbst hängen
blieb. Von derselben Stelle, welcher Haare entnommen wurden, die
sich aus keratotischen Elementen erhoben, wurden zum Ver-
gleiche auch solche genommen, welche scheinbar normalen
Follikeln entstammten.
Zur Histologie der Keratosis pilaris. 171
Die herausgerisseDen Haare wurden in der Kegel mit den
daranhängenden Hommassen unzerteilt in Glyzerin oder auch
in Balsam untersucht; nur eine gewisse Anzahl von Haar-
wurzeln, welche sich dei der mikroskopischen Untersuchung als
am schwersten verändert erwiesen, wurden nach hinreichendem
Verweilen in Äther- Alkohol in Celloidin eingebettet und in Quer-
schnitte zerlegt, welche sodann serienweise angeordnet wurden.
Mikroskopische Untersuchung.
Bei der histologischen Untersuchung der Präparate von
Keratosis pilaris findet man, daß die schwersten Veränderungen
in den Haarfollikeln und in der sie umkleidenden Epidermis
bestehen. Daher erscheint es vorteilhaft, zunächst über den
Zustand dieser Teile zu berichten; dann wollen wir uns all-
mählich fortschreitend an die Prüfung der Haare, der inneren
Wurzelscheiden, der Musculi erectores, der Talgdrüsen und der
interfollikulären Haut begeben, um schließlich die entzündlichen
Veränderungen zn betrachten.
Haarfollikel.
Jaoqnet fand bei der Keratosis pilaris ein Haarsystem in folgender
Anordnung: in der Mitte war ein normaler Follikel vorhanden; an jeder
Seite desselben ond gegen seinen oberen Teil hin konvergierend bemerkte
man zwei röhrenförmige, leicht gekrümmte £pithelstränge, welche in
ihrem Inneren kein Lumen besaßen und einen Durchmesser zeigten, der
ungefähr dem dreifachen eines Schweißdrusentubntus entsprach;
außerdem fanden sich in derselben Gegend rundliche oder ovale epithe-
liale Bildungen vor, die unzweifelhaft den eben erwähnten Strängen
analoge £pitheleinstülpungen darstellten, welche vom Messer mehr weniger
schräg zu ihrer Achse getroffen worden waren. Diese Stränge und epi-
thelialen Bildungen erklärte er als unvollständige und überzählige Haar-
follikel. Auch Yeyri^res beobachtete eine gewisse Zahl von Epithel-
einstülpungen mit doppelter Wandung und zentralem Lumen, mit oder
auch ohne Haar in ihrem Innern, die auch er als unvollständige epithe-
liale Bildungen oder Pseudofollikel ansah. Sowohl der eine als auch der
andere dieser Autoren schrieben daher der unvollständigen Entwicklunfir
der Haarfollikel eine grosse Bedeutung für die Genese der Keratosis
pilaris zu.
Bei der Untersuchung meiner eigenen Präparate konnte ich
feststellen, daß sich die Haarfollikel zumeist in Gruppenvereint vor-
172 Giovannini.
fanden, und nur selten vereinzelt, und daß jede Gruppe meistens aus
3, seltener jedoch auch aus 2 oder 4 Haarfollikeln bestand ; diese
Gruppierung der Haarfollikel zeigt gegen die in der nornialen
Haut keine Verschiedenheit, und man darf deshalb nichts un-
regelmäßiges darin sehen. Ebenso kann man hier wie auch
in normaler Haut beobachten, daß die eine Gruppe bildenden
einzelnen Follikel in der Mehrzahl der Fälle verschiedene
Größe besitzen ; man findet da nämlich einen mehr weniger
großen Follikel, den wir als Follikel des Haupthaares
bezeichnen, und an der Seite oder an den Seiten desselben
einen oder mehrere kleinere Follikel, welche wir dagegen als
Follikel der kleineren oder Nebenhaare bezeichnen.^)
Im ganzen betrachtet zeigen die Haarfollikel, welche eine Haar-
gruppe zusammensetzen, außerordentlich verschiedene Größen;
beginnend bei denen von bedeutender Größe kommt man
allmählich durch alle Zwischenstufen bis zu jenen kleinsten ;
auf Grundlage der zahlreichen Vergleiche mit normaler Haut
glaube ich jedoch versichern zu können, daß sich die Größe
der Haare selbst in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle
innerhalb der normalen Grenzen hält. Follikel von einer ganz
ungewöhDlichen Kleinheit fanden sich zwar auch vor, jedoch
nur in der Zahl von drei.
Diese drei allerkleinsten Haarfollikel gehörten
zweihaarigen Gruppen an und münden alle, wie wir später
sehen werden, nicht an die freie Hautoberfläche, sondern in
den Trichter des dazu gehörigen HauptfoUikels ; einer der-
^) De Mey ere und nach ibm Torre benutzten zur Unterscheidang
der verschiedenen Haare einer Gruppe die Bezeichnung „Mittelhaare"
und ^Seiienhaare'' ; wenn man nun auch diese Bezeichnung bei der
Keratosis pilaris und schließlich auch bei normaler Haut für jene Gruppen
annehmen könnte, welche aus 8 — 4 Haaren bestehen, so ist dies doch
keineswegs bei den gendgend häufig vorkommenden Gruppen tunlich|
die nur aus zwei Haaren gebildet werden. Deshalb benutzte ich in der
Yorliegenden Arbeit die Bezeichnungen „größere (Haupt-) Haare" und
„kleinere (Neben-) HaariB", welche den Vorteil besitzt, daß sie auch für
die nur aus zwei Haaren zusammengesetzten Gruppen verwendbar ist.
Die Größe der Haare wurde nach dem Querdurchmesser der entspre-
chenden Follikel, oder in zweifelhaften Fällen auch nach der Tiefe und
Lage derselben bestimmt.
Zur Histologie der Keratosis pilaris. 173
selben findet sich sowohl im Längsschnitte (Taf. XIII, Fig. 3, B) als
auch im Querschnitte (Taf. VIII, Fig. 5, B) auf Tafel I dargestellt.
Im ganzen betrachtet zeigen sie die Gestalt einer dünnen, zumeist
leicht abgeflachten Röhre, deren Querdurchmesser zwischen
einem Minimum von 35 fi und einem Maximum von 70 ju
schwankt und deren Höhe sich zwischen einem Minimum von
5 und einem Maximum von 10 Querschnitten bewegt. Sie
scheinen von Zellen des Stratum Malpighi erfüllt, die einen
mehr weniger intensiv gefärbten Kern enthalten, der aber nie
im Stadium der indirekten Teilung steht ; die Anordnung dieser
Zellen ist eine unregelmäßige und an keinem Punkte besitzen
sie Zylinderform und jene pallisadenartige Anordnung, welche
der basalen Schichte eigentümlich ist Sie enthalten weder
ausgebildete, noch in Bildung begriffene Haare; nichtsdesto-
weniger geht doch aus dem Umstände, daß sich in ihrem
Grunde die Andeutung einer Haarpapille oder eines Haar-
stengels (Taf. VIII, Fig. 3) vorfindet, unzweideutig hervor, dass
es sich um wahre und echte Haarfollikel handelt
A n d r y fand den Trichter der Haarfollikel erweitert. Auch J a c q a e t
fand den Trichter nicht nur deformiert, sondern auch erweitert Unna
dagegen bemerkte, daß die &ußere Öffnung der Follikel verhältnismäßig
eng blieb, „nicht viel weiter als normal, von normaler Weite, oder auch
unter der normalen Weite war*; daß der Trichter des Follikels nur in
Ausnahmefällen eine Verbreiterung zeigte und dabei eine Gestalt annahm,
welche sich der zylindrischen näherte.
Was meine Beobachtungen betrifft, so muß ich doch feststellen,
daß es bei der Keratosis pilaris Follikel gibt, welche in ihrer Gesamtheit
eine vollständig regelmäßige Gestalt bewahren; solche Follikel finden
sich in sehr bedeutender Anzahl vor und ich glaube nicht weit fehlzu*
gehen, wenn ich versichere, daß ihre Zahl ungefähr dreiviertel aller
untersuchten beträgt. Die übrigen Follikel zeigen Unregelmäßigkeiten
verschiedener Art, welche vornehmlich ihren trichterförmigen Teil be-
treffen. Einmal beschränkt sich diese Unregelmäßigkeit darauf, daß der
Trichter des Follikels nur ganz wenig angedeutet ist oder
auch ganz fehlt; einen derartigen Mangel beobachtet man ausschließlich
an solchen Follikeln, welche, anstatt sich, wie dies die Regel ist, nach
der fireien Oberfläche zu eröffnen, in den HauptfoUikel der eigenen Gruppe
mftnden, wie wir das in kurzem sehen werden. Ein anderes Mal finden wir
gerade die entgegengesetzte Veränderung, die Haarfollikel besitzen
nämlich einen viel tieferen und weiteren Trichter als der
Norm entspricht Doch zeigt auch diese Erweiterung des Volumens
recht bedeutende Verschiedenheiten: bald ist sie nur mäßig oder mittel-
174 Giovannini.
mäßig, häufiger aber wird sie recht bedeutend. In diesem letstereu Falle
reicht der Trichter soweit in die Tiefe, daß er nicht nur die Hälfte
(Tafel YIII, Fig. 1), sondern die Gänze oder fast die Gänse desjenigen
Teiles des Follikels ausmacht, welcher sich oberhslb des Ansatzes des
Musculus erector (Tafel YIII, Fig. 3 A) befindet und erreicht einemazimale
Weite, welche das vierfache derjenigen des dazu gehörigen Follikelkörpers
überschreitet (Tafel YIII, Fig. 8 und Tafel IX, Fig. 1 Ä).
In diesen Fällen besitzt der erweiterte Follikel zumeist die Ge-
stalt eines konischen Strunkes von mehr weniger regelmäßiger Form,
und ist mit dem engeren Teil nach abwärts gewendet, so daß dieselbe als
normal oder als vom Normalen nur um geringes abweichend angesehen
werden muß. Nur bei wenigen Follikeln zeigt der Trichter eine ganz
besondere, deutliche Kelch form (Taf. YIII, Fig. I).
Die erwähnte Erweit emng des Trichters des Follikels nach der
Tiefe zu erfolgt ohne Zweifel auf Kosten seines mittleren Teiles, welcher
sich im entsprechenden Yerhältnisse verkürzt und sich bisweilen auf die
Hälfte (Taf. VIII, Fig. 1), bisweilen auch nur auf den dritten Teil des ganzen
Follikels beschränkt (Taf. YIH, Fig. 3 A). Ein derartiger Follikel erscheint
natürlich in seiner Gesamtheit bedeutend deformiert: über einem
kurzen und schmalen Körper zeigt er einen unverhältnis-
mäßig großen Trichter.
An dem mittleren Teile des Follikels kann man jedoch nur bei
einer verhältnismäßig kleinen Zahl der Fälle beobachten, daß in jenem
Teile, welcher zwischen dem Muskelaosatze und dem Trichter liegt, sich
eine Erweiterung befindet, die gewöhnlieh eine ziemlich regelmäßige,
kugel- oder spindelförmige Gestalt aufweist und bald die ganze genannte
Strecke, bald aber nur einen Teil derselben einnimmt. In diesem letzteren
Falle beginnt bisweilen die Erweiterung unmittelbar unterhalb des Trichters
(Taf. XI, Fig. 3 a) in der Weise, daß es unentschieden bleibt, ob sie sich
auf diesen oder den Körper des Follikels bezieht. Der untere Teil des
Follikels sowie auch die Papille bieten weiter keine besonderen Einzelheiten.
Unter normalen Verhältnissen öffnen sich die Follikel, welche die
einzelnen Haargruppen zusammensetzen, bekanntlich getrennt an die
Hautoberfläche, und zwar in eine besondere, von derselben gebildete
Einbuchtung, die als Apertura communis (gemeinsame Mündung)
bezeichnet wird. Nach Rabl öffnen sich die Haargruppen an der nor*
malen Haut der Extremitäten und des Stammes fast konstant getrennt
Nach den von mir über diesen Gegenstand angestellten Untersnehnngen
würde jedoch hervorgehen, daß an der normalen Haut der genannten
Teile die Gruppen jener Haare, deren Follikel getrennt ausmünden, un*
geßihr 807o darstellen, so daß für diejenigen, welche sich in eine Apertura
communis eröffnen, nur 20% erübrigen. Bei der Keratosis pilaris derselben
Gegenden des Körpers findet sich nun fast das entgegengesetzte Y^r*
hältnis vor: von 100 H&argruppen münden gut 65 in eine Apertura
communis, während nur 25 sich getrennt eröffnen. So hätten wir eine erste
Yeränderung festgestellt, nämlich, daß bei dieser Erkrankung
Über die Histologie der Keratoeis pilaris. ] 75
diejenigen Haarfollikel, welche eine Apertnra communis
besitzen, in einer ganz bedeutenden und völlig abnor-
malen Weise überwiegen.
Bei der Keratosis pilaris findet sich gewöhnlich eine gemeinsame
Apertur für zwei Follikel, seien es nun die einzigen zwei der Oruppe
oder handle es sich um Gruppen von drei Haaren ; seltener ist schon der
Fall, daß für alle drei, noch viel seltener aber, daß für alle vier Fol-
likel, welche eine Gruppe zusammensetzen, -eine einzige Apertura communis
vorhanden ist. In der normalen Haut verhalten sich, die Aperturae communes
fast genau ebenso, so daß man in diesem Befunde keine Unregelmäßigkeit
erblicken kann.
Auf den künstlichen Längrgschnitten besitzt die Apertura communis
in der Mehrzahl der Fälle eine Gestalt, welche sich mehr oder weniger
der eines Trichters nähert (Tafel IX, Fig. 3 ; Tafel XT, Fig. 2:^0),
so daß man sie als normal oder nur als wenig vom Kormalen ab-
weichend ansehen kann; in den übrigen Fällen jedoch zeigen sie un-
zweifelhaft eine anregelmäßige Gestalt. Eine gewisse Anzahl
derselben weist nämlich eine Gestalt auf, welche man als ampuUenförmig
bezeichnen könnte (Taf. X, Fig. 1, ^0); sie wird nämlich aus zwei
Teilen zusammengesetzt, welche fast die gleiche Höhe besitzen; der
untere hat eine kugelige oder ovale Gestalt, deren größerer Durchmesser
eine horizontale Richtung aufweist; der obere dagegen ist enger und
trichterförmig gestaltet. Aperturae communes von Ampullenform finden sich
sowohl bei der Keratosis pilaris des Rückens als auch jener der Arme,
jedoch nur an solchen Gruppen, welche nur aus zwei Haarfollikeln be-
stehen. Einige wenige andere Aperturae comunes zeigen auch eine Gestalt,
die sich mehr oder weniger einer zylindrischen nähert (Taf. X, Fig. 5, g 0).
In den Querschnitten erscheinen die Aperturae communes gewöhnlich in
bald mehr, bald weniger ausgeprägter ovaler Gestalt und nur selten kreisrund.
Bisweilen sieht man diese beiden Formen an verschiedenen Punkten ein und
derselben Arpertura communis; während z. B. jene in Fig. 1 der Taf. X (g 0)
dargestellte ampullenförmige Apertura communis in ihrem unteren Teile
(Fig. 4) und in dem oberen Abschnitte des oberen Teiles (Fig. 2) eine
ovale Gestalt zeigt, bietet sie uns in dem unteren Abschnitte desselben
oberen Teiles einen kreisrunden (Querschnitt dar (Fig. 3).
Die größte Weite der Aperturae communes ist sehr verschieden und
schwankt zwischen 0*4 und 1*5 fnm\ ob sich diese letztere Zahl innerhalb
der normalen Grenzen hält oder nicht, vermag ich nicht zu sagen. Von
der Tiefe der Aperturae communes kann man eine annähernde Vorstellung
durch die Zahl der serienweise angeordneten Querschnitte erhalten, welche
dieselbe noch enthalten. In der normalen Haut der Außenfläche des
Armes (Fall XXVI) besitzen die wenigen Aperturae communes, die sich
darin vorfinden, eine Tiefe von zwei oder höchstens drei Querschnitten;
in der gleichfalls normalen Haut anderer Menschen dagegen, sowohl vom
Arme als auch von anderen Körperstellen, die demjenigen entsprechen,
]76 Giovanuini.
an denen wir bei der Eeratosis pilaris unsere Unter enchnn gen anstellten
erhält man bedeutend höhere Zahlen, so daß, wenn man das Mittel sieht
die maximale normale Tiefe ungefähr 5 Querschnitten entsprechen würde
Bei der Keratosis pilaris nun findet man gleichwohl Aperturae communes,
deren Tiefe sich innerhalb dieser Grenzen hält, jedoch weit zahlreicher
sind diejenigen, welche sich durch eine Anzahl von Querschnitten er-
strecken, die sich von einem Minimum von 6 bis auf 44 (Taf. X, Fig. 1,^0^
erhebt, und bisweilen sogar bis auf 50. Wenn daher auch ein Zweifel
darüber bestehen kann, ob sie bei der Keratosis pilaris eine größere
Weite besitzen als die normale, so ist es doch sicher, daß sie yiel
tiefer sind, als die normalen.
Neben solchen Follikeln, welche anstatt in eine Apertura communis
getrennt an die Hautoberfläche münden, kann man bei der Keratosis
pilaris nicht selten auch solchen begegnen, die sich in den Trichter
des benachbarten Follikels offnen. Wie das geschieht, davon
erhält man eine Vorstellung durch die Figuren 8 und 5 der Tafel YIII, in
denen man sieht, wie in einer aus 2 Follikeln bestehenden Gruppe
der kleinere derselben B in den Trichter des größeren Ä einmündet
Im allgemeinen handelt es sich in diesen Fällen stets um Gruppen,
die aus zwei Follikeln bestehen, von denen sich der kleinere in
schräger Richtung von unten nach oben mit dem Trichter des größeren
Follikels vereint, so daß er mit der Längsachse desselben einen mehr
weniger spitzen Winkel bildet. Der kleinere dieser Follikel ist im Ver-
hältnisse zum größeren bald mittelgroß, bald aber auch sehr klein; die
3 Haarfollikel, welche wegen ihrer außerordentlichen Kleinheit bereits
früher erwähnt wurden, mündeten gleichfalls in den Trichter des größeren.
Der kleinere Follikel enthält bisweilen ein Haar, bisweilen auch nicht;
aber in jedem Falle findet sich in seinem Fundus eine mehr oder weniger
gut entwickelte Papille oder auch der „Haarstengel" (Taf. VIII, Fig. 8 a.)
Wenn er auch manchmal eine etwas gekrümmte Richtung einhält oder
in seinen Grenzen manche Ausbuchtungen aufweist, so kann man doch
sagen, daß seine Gestalt im allgemeinen eine regelmäßige ist. Was den
größeren Follikel anbelangt, so zeigt er gewöhnlich einen Trichter, der
in seiner Tiefe und nicht selten auch in seiner Weite das normale Maß
überschreitet. Die Vereinigung des kleineren Follikels mit dem Trichter
des größeren vollzieht sich bald an dem einen, bald an dem anderen
Punkte des Trichters selbst; es kommt nicht selten vor, daß dieselbe in
einer Entfernung von 20, 80 und noch mehr Querschnitten von der Ober-
fläche der Haut erfolgt, somit in einer ganz bedeutenden Tiefe.
Nur ein einzigesmal konnte ich einen kleinen Follikel beobachten,
welcher in die Portio media des größeren Follikels einmündete,
und zwar ungefähr in der Mitte der Strecke zwischen dem Ansätze des
Musculus erector und dem Trichter. Diese Gruppe von zwei Follikeln ist
in Fig. 1 der Tafel IX dargestellt; wie man hier sieht, besitzt der kleinere
Follikel B eine Höhe, welche ungefähr dem dritten Teile jener des größeren
Follikels Ä entspricht ; er zeigt etwas unregelmäßige Begrenzung und ist
Zur Histologie der KerstoBis pilaris. 177
mit einer mdimentfiren Papille versehen, enthält aber keine Spur eines
Haares. Dieser genannte Follikel B erinnert recht sehr an die epithe-
lialen Appendiees der Portio media normaler Haarfollikel, welche von
verschiedenen Autoren beschrieben worden sind; abgesehen davon h&ngt
er in unserem speziellen Falle mit einem Follikel zusammen, welcher
eher alles andere als normal ist. Derselbe zeigt nftmlich außer einer ganz
ungewöhnlichen Weite des Trichters und einer rudimentären Schweiß-
drüse nach aufwärts von der Ansatzstelle des Musculus ereotor eine voll-
ständig abnormale Yerhomung der äußeren Wurzelscheide, insofeme als
ihre peripheren noch färbbaren Zellen nicht selten auf nur 2 — 8 Schichten
beschränkt sind.
Die bisher beschriebenen Einzelheiten der Haarfollikel,
und ihrer Aperturae commones wurden größtenteils durch das
Studium der Querschnitte der Haut und der ihnen entspre-
chenden künstlichen Längsschnitte gewonnen; doch waren
einige dieser Einzelheiten auch an den realen Vertikalschnitten
der Haut mit genügender Deutlichkeit zu beobachten. So
sieht man z. B. in dem in Fig. 2 der Tafel VIII dargestellten
Yertikalschnitte der Haut einen Haarfollikel, welcher einer aus
zwei Haaren bestehenden Gruppe angehört, die getrennt an der
Hautoberfläche münden, dessen Trichteranteil etwas weiter ist
als normal. In dem anderen, in Fig. 5 der Tafel IX darge-
stellten Schnitte findet man zwei Haarfollikel, deren Trichter
im Verhältnisse zur Entwicklung ihres Körpers sehr weit ist.
Der in Fig. 1 der Tafel XI dargestellte Schnitt enthält eine
Gruppe von 3 Follikeln, welche in eine Apertura communis
einmünden, die eine abnormale Tiefe besitzt. Im allgemeinen
jedoch, wie auch aus der Prüfung dieser letzterwähnten Abbil-
dung geht herror, daß die aus drei Follikeln bestehenden Gruppen
in den Vertikalschnitten der Haut im Schrägschnitte getroflfen
wurden, so daß ihre Untersuchung niemals befriedigende Er-
gebnisse bot. In keinem einzigen der vielen realen Vertikal-
schnitte, über die ich verfügte, konnte ich eine der oben be-
schriebenen, aus vier Follikeln bestehende Haargruppe
erkennen.
Bei einigen der Untersuchung unterzogenen Fällen von
Keratosis pilaris und besonders bei der narbenbildenden Form
des XXV. Falles fand ich nicht selten Spuren von Haar-
follikeln, welche sich auf dem Wege der Zerstörung be-
fanden oder bereits zerstört waren. Unter solchen Ver-
Areh. f. Dennat. n. Syph. Bd. LXIII. 12
178 Giovannini.
häJtnissen bleibt Ton den Follikeln nichts anderes übrig als
nur die Gefäße, oder es verbleibt nur die mehr weniger ver-
dickte und auf sich selbst beschränkte Membrana vitrea, welche
in den Querschnitten der Haut fast nur an ihrer runden Gestalt
durch das sie umgebende Bindegewebe erkannt werden kann;
nur ausnahmsweise erhalten sich im Innern der Yitrea auch einige
wenige, mehr weniger stark veränderte Epithelzellen. Die Obli-
teration beschränkt sich bisweilen nur auf den unterhalb der
Ansatzstelle des Musculus erector gelegenen Teil des Follikels,
bisweilen aber, und dies sind unzweifelhaft die häufigeren Fälle,
erstreckt sie sich fast auf den ganzen Follikel, so daß von ihm
nichts als nur ein kleines Stück seines obersten Teiles zurückbleibt,
das das Aussehen einer oberflächlichen mehr oder weniger
regelmäßig konkaven Vertiefung besitzt (Taf. XII, Fig. 5 und 6a)
Bisweilen erscheinen sämtliche Follikel der einzelnen Gruppen
auf eine derartige Vertiefung reduziert, bisweilen auch nur
ein Teil derselben; aber sowohl in dem ersteren wie in dem
letzteren Falle bleiben die betreffenden Aperturae communes be-
stehen, und die narbigen Vertiefungen, welche nach dem Ver-
schwinden der Keratosis pilaris zurückbleiben, scheinen zum
großen Teile von der Persistenz derselben herzurühren. An
Stelle der zerstörten Haarfollikel und zwar zumeist bei-
sammen mit ihren Besten finden sich bisweilen ein oder
mehrere vollständig isolierte Haarschäfte mit sehr verschiedener
Bichtung, welche, gleichsam wie Fremdkörper, in der
Dicke des Derma incystiert bleiben. Bei dem XII. Falle
konnte ich einmal, beisammen mit den Resten einer Gruppe
von zwei Follikeln, vier derartiger zählen, darunter einen von
ziemlicher Größe.
Epidermis der Haarfollikel.
Bekanntermaßen senkt sich die Epidermis unter normalen
Verhältnissen in die Tiefe um mit ihren verschiedenen Schichten
sowohl die Aperturae commimes der Haargruppen als auch den
Trichter der einzelnen Haare auszukleiden; vom Trichter in
riiid Tiefe jedoch, also am Körper und dem Bulbus der Haar-
Zar Histologie der Keratosis pilaris. 179
follikel fiaden wir nur noch das Stratum Malpighi als äußere
Wurzelscheide bezeichnet.
Wir kommen also jetzt zur Betrachtung des Verhalteas
sowohl der Epidermis der Aperturae communes und der Trichter
als auch der äußeren Wurzelscheide bei der Keratosis pilaris.
a) Die Epidermis der Aperturae communes und der Trichter
der Haarfollikel.
Yeyrieres fand, daß die epitheliale Scheide, welche die Hülle
des keratotischen Knötchens bildet und sich nach oben mit dem allge-
meinen Epithel der Haut yereint, dnnn sei, n&mlich nur aas zwei bis
fünf Zellagen bestehe.
Aus der Untersnchnng meiner Präparate geht hervor, daß die
Malpighisohe Schicht der Epidermis, welche die Aperturae communes und
die Trichter der Haarfollikel auskleidet, in einer guten Anzahl der Fälle
eine Dicke besitzt, welche der der gewöhnlichen zwischen den Follikeln
gelegenen Epidermis fast gleichkommt und derogem&ß als normal ange-
sehen werden maß. In anderen Fällen dagegen, die wahrscheinlich auch
die Mehrzahl darstellen, ist sie mehr oder weniger Yerdünnt»
80 daß sie sich bisweilen auf nur 2 — 3 Zellschicbten beschränkt. Nicht
selten geschieht es, daß diese Dicke an verschiedenen Punkten ein und
derselben Apertura communis oder ein und desselben Trichters verschieden
ist. So zum Beispiel in der in Fig. 1 der Taf. X dargestellten ampullen-
förmigen Apertura communis; während dieselbe an der Mündung die
größte Dicke von ungefähr 12 Schichten erreicht, findet man sie in der
Mitte der Höhe ihres unteren Teiles auf ein Minimum von nur 2 — 8
Schichten beschränkt (Fig. 4). Wo die Malpighisohe Schichte eine nor-
male Dicke besitzt, findet man auch in Bezug auf die Gestalt ihrer
Zellen keine Unregelmäßigkeiten; wo sie dagegen mehr oder weniger
verdünnt erscheint, zeigen die Zellen die deutliche Tendenz sich
abzuflachen. In der Tat beobachtet man in diesen Fällen häufig
genug, daß diese Abplattung bereits bei denjenigen Zellen beginnt, welche
unmittelbar über der basalen Schiebte liegen, und daß sie immer deut-
licher wird, je mehr man in die Höhe fortschreitet. Die Zellen der basalen
Schichte selbst zeigen bisweilen anstatt ihrer gewöhnlichen cylindrisohen
nicht nur eine rundliche oder polyedrische Gestalt, sondern sie erscheinen
auch mehr oder weniger abgeplattet. Was die Mitosen anbelangt, so sind
sie fast ebenso selten wie in der zwischen den Follikeln gelegenen Epidermis.
Yeyrieres fand, daß die Epithelscheide, welche die Hülle des
keratotischen Knötchens bildet, bisweilen ein Stratum granulosum besitzt,
bisweilen auch nicht In meinen Präparaten, welche zum größten Teile
in Flemmingscher Lösung fixiert waren, erschien das Stratum granulosum
nur in einer beschränkten Zahl der Fälle deutlich; es bestand aus zwei,
12*
180 Giovannini.
drei, bisweilen bis ans vier Zellschichten, erreichte an der Oberfläche
eine mehr weniger bedeatende Aasdehnung und zeigte keine Besonder-
heiten. Auch an dem Stratum lacidam, das oft sehr denüich hervortrat,
war nichts besonderes wahrzunehmen.
Gehen wir nnn zum Stratum cornenm über, das bei der Keratosis
pilaris eine besondere Bedeutung gewinnt.
Audry bemerkte, daß in der äußeren Höhlung sich Schuppen bil-
deten und ansammelten, welche keine Kerne besaßen. Jacquet fand
zwei Arten horniger Bildungen im Haartrichter vor : die einen bestanden
ans durchsichtigen, voluminösen, hervorragenden Massen; die anderen
waren klein, nicht hervorragend, dem Trichter aufgelagert und besaßen
das Aussehen horniger Cysten, welche ein Haar enthielten. Unna meinte,
wie schon oben angedeutet wurde, daß die prim&re und hauptsächlichste
Veränderung bei dieser Krankheit in einer regelmäßigen Verdickung des
Stratum comeum bestehe, welche sich auf den Eingang des Haarfollikels
beschränke; nach ihm bildet die Anhäufung der Hornmassen in Form
eines Deckels oberhalb des Einganges in den Follikel das Charakteristische
dieser Erkrankung (Keratosis suprafollicularis). Nur in Aasnahmsiällen
sah Unna die Hyperkeratose sich auf den Trichter des Follikels erstrecken
und diesen ausdehnen ; jedesfalls fand er im Innern desselben nur wenige
lose miteinander vereinte Schichten horniger Substanz.
Wie man sieht, haben sich die Autoren, welche mir im
Studium der Keratosis pilaris vorangingen, auf die Unter-
suchung des Stratum comeum in den einzelnen Follikeln be-
schränkt; ich aber glaube, daß man es nicht nur in diesen
sondern auch in den Aperturae communes betrachten muß.
Die Hornmassen, welche sich im Inneren der Aperturae
communes als auch der Trichter vorfinden, bestehen aus mehr
oder weniger abgeflachten Zellen, bisweilen mit, bisweilen ohne
Kern; im wesentlichen unterscheiden sie sich durch nichts
Ton denen der Hornschichte der zwischen den Follikeln
liegenden Haut. Während jedoch an der freien Hautober-
fiäche die sich bildenden Homzellen zum Teile abgestoßen
werden und verstreut werden, werden sie in den eben
erwähnten Höhlen festgehalten und sind gezwungen sich anzu*
häufen und zu verdichten. Daher kommt es, daß man in der
Mehrzahl der Fälle im Inneren der Aperturae communes eine
mehr oder minder große Menge Homsubstanz vorfindet
(Tafel IX, Fig. 3; Tafel X, Fig. ö; Tafel XI, Fig. 1, 2, g).
Besonders in dem oberen Teile der Aperturae communes
gewahrt man die Hornmasse in reichlicherer Menge;
Zur Histologie der Keratosis pilaris. 181
80 zum Beispiele bei der in Fig. 1 der Taf. X. (^0) darge-
stellten; während der obere trichterförmige Teil derselben
Yollständig durch Hornmasse zugepfropft erscheint (Fig. 2, 3),
zeigt der untere Teil zumeist nur eine dünne Schichte der-
selben (Fig. 4). Auch der größere Teil der Trichter zeigt
sich Yon Hornmasse erfüllt, und zwar sowohl in jenen Fällen
in denen sie nach Größe und Gestalt fast als normal zu be-
zeichnen sind, als auch in jenen, wo sie gegenüber dem Nor-
malen eine einfache Erweiterung aufweisen (Taf. VIII, Fig. 2, 3, 4 ;
Taf. K, Fig. 1) oder auch deformiert erscheinen (Taf. VIII, Fig.l).
Auch jene oberflächlichen Vertiefungen, welche nach dem Ver-
schwinden der Haarfollikel zurückbleiben, enthalten bisweilen Horn-
lamellen (Taf. XII, Fig. 5 und 6 a). Diese hornigen Anhäufungen
sind bisweilen so bedeutend, daß sie über die Trichter und
Aperturae communes herausragen, bisweilen reichen sie fast nur
bis in die Ebene der Oberfläche der Haut, oft stehen sie
tiefer. In den Fällen der ersteren Art besitzt der überragende
Teil der Hornanhäufung eine Gestalt, die sich mehr weniger
einer Halbkugel oder einem flachen Kegel nähert, und nur
selten die eines Zylinders, einer Schnecke, eines Eies u. s. w.
Ihre Oberfläche ist bisweilen mehr weniger regelmäßig und
zusammenhängend, oft mehr oder weniger unregelmäßig und unter-
brochen. In einigen wenigen Fällen überschreitet der emporragende
Teil der Hornmasse die Grenzen der entsprechenden Trichter
oder Aperturae communes, um eine kurze Strecke der benach-
barten Hautoberfläche zu bedecken; dies geschieht bald nur
einseitig (Taf. XI, Fig. 1) bald im ganzen Umkreise. In den
Querschnitten der Haut zeigt die Hornanhäufung in den Trichtern
und den Aperturae communes häufig eine Anordnung in konzen-
trischen kreisförmigen Schichten; in den realen Längsschnitten
erscheinen sie bei einigen wenigen Fällen mehrfach in Schichten
geteilt, welche sich ähnlich dem Barte einer Feder von dem
Haarschafte loslösen und divergieren (Taf. IX, Fig. 5).
Während diese Homschichten in dem obersten Teile der An-
häufungen zumeist innig vereint und verdichtet sind, so daß
sie hier ein fast kontinuierliches Aussehen darbieten, erscheinen
sie in dem tieferen Teile zumeist gelockert (diskontinuierlich).
182 Gioyannini.
Diese bis jetzt beschrieben Hornanhäufungen entsprechen
offenbar jenen zumeist auch dem freien Auge sichtbaren Bil-
dungen, welche Yon einigen Autoren als Hornkugeln oder
Hörn körnchenbezeichnet wurden und in klinischer Hinsicht
ein hauptsächliches Charakteristiken der in Rede stehenden
Erkrankung darstellen. Vom anatomischenStandpunkte betrachtet,
haben diese Anhäufungen im großen ganzen eine Gestalt, welche
sich mehr oder weniger der eines Kegels oder Zylinders nähert
und ein Volumen, das bis zu einem gewissen Punkte in di-
rektem Verhältnisse zur Weite der Höhlung steht, in der sie
sich gebildet haben; man findet daher kleine, mittelgroße und
mehr weniger sehr große. Natürlich sind es gerade die
größten Anhäufungen, welchen im speziellen Falle eine Be-
deutung zukommt und welche der Krankheit den Charakter
einer Keratose aufdrücken; wenn sich diese auch bisweilen in
den außerordentlich weiten Trichtern der Haarfollikel, wie sie
oben beschrieben wurden, bilden können, so sind sie doch viel
häufiger das Produkt der Aperturae communis. Infolge-
dessen kommt den Aperturae communes ein sehr
'bedeutender und ganz besonderer Anteil bei der
Pathogenese der Keratosis pilaris zu.
b) Äussere Wurzelsoheide.
Lemoine meinte, daß die Keratosis pilaris außer von
der inneren auch von der äußeren Wurzelscheide ihren Aus-
gang nehme; Audry fand die äußere Wurzelscheide bei der-
selben Krankheit, gleichzeitig mit der inneren, zu einer definitiv
verhornten Epidermisröhre umgebildet. Nach Unna dagegen
würde sich der mittlere und untere Teil des Haarfollikels voll-
ständig normal erhalten.
Wie wir aus dem vorhergehenden ersehen haben, findet
man bei der Keratosis pilaris eine recht bedeutende Zahl von
Haarfollikeln, welche infolge der vergrößerten Tiefe des
Trichters einen relativ kurzen Körper besitzen ; in diesen Fällen
bringt natürlich die Kürze des Körpers auch eine Verkürzung
der entsprechenden äußeren Wurzelscheiden mit sich; so findet
man sie nicht selten auf die Hälfte (Taf. YLIl^ Fig. 1) und
Zar Histologie der Keratosis pilaris. 183
schließlich sogar bis auf ein Drittel (Taf. VIII, Fig. 3) der Ge-
samttiefe des Follikels eingeschränkt.
So hätten wir die erste Veränderung der äußeren Wurzel-
scheide erhoben: eine mehr oder weniger bedeutende
Verkürzung, abhängig von der Gestaltverän-
derung der Haarfollikel.
Bezüglich des Zastandes der änßoren Wurzelscheide ist zu bemerken,
daß sie nicht selten einer ganz ungewöhnlichen und abnormalen Yer-
bornung verfallt, welche ganz besonders an den serienweise angeord-
neten Transversalschnitten der Haut untersucht werden kann. Bei einer
derartigen Untersuchung findet man, daß die Lagen gefärbter Zellen der
äußeren Wurzelscheide der Zahl nach mehr oder weniger verringert sind,
so daß deren schließlich nur zwei oder drei übrig bleiben und daß die
Zellen, welche diese Schicht selbst zusammensetzen, mehr oder weniger
abgeflacht erscheinen. Diese Abplattung beginnt mehr weniger in nächster
Nähe der FoUikelwand und es kommt nicht selten vor, daß selbst die
Zellen der basalen Schichte ihre ihnen eigentümliche Zylinderform ver-
loren haben. Die übrigen Zellen der äußeren Wurzelscheide zeigen sich
vollständig ungefärbt und zu LameUen reduziert, welche das Aussehen von
Homlamellen besitzen ; zwischen den nicht verhornten und den verhornten
Zellen sieht man niemals eine Spur des Stratum granulosum oder luci-
dum. Die Homzellen bilden im ganzen Umkreise eine bald mehr bald
weniger hohe Schichte; häufig bleibt jedoch zwischen dieser Schichte und
dem Haare ein mehr oder weniger breiter leerer Baum (Taf. Xu, Fig. 4a), den
wir nur ausnahmsweise auch zwischen der ungeübten und der oben erwähnten
Schichte gefärbter Zellen wahrnehmen können (Taf. IX, Fig. 2a). Diese Schichte
ist gewöhnlich weder dicht noch zusammenhängend, sondern zeigt hie
und da mehr weniger große Unterbrechungen ihres Zusammenhanges, so
daß sie bisweilen ein gefenstertes Aussehen annimmt. An der Grenze
zwischen den verhornten und nichtyerhomten Zellen kann man niemals
das Vorhandensein eines Stratum granulosum oder lucidum feststellen,
ebensowenig geschieht es jemals, daß die Hornlamellen nach Osmiumsäure-
Behandlung eine schwarze Färbung annehmen würden. Außerordentlich
häufig erstreckt sich die Verhomung in der äußeren Wurzelscheide bis
in die Nähe oder selbst auch bis in die Höhe des epithelialen Appendix
des Muskelansatzes (Taf. VIII, Fig. 1 ; Taf. IX, Fig. 1^; Taf. XII, Fig. 2a);
seltener nur kann man beobachten, daß sie sich auch noch mehr weniger in die
Tiefe des restlichen Teiles der äußeren Wurzelscheide verbreitet, so daß
sie bisweilen selbst den Grund des Follikels erreicht, wie ich dies in
gleicher Weise (e) auch bei der elektrolytischen Depilation beobachten
konnte (Taf. XII, Fig. S).
Die Hornbildung in der äußeren Wurzelscheide findet sich recht
häufig; ich sah sie nämlich bei gut 10 Stückchen der von Keratosi»
184 Giovannini.
pilaris befallenen und der Untersuehnng unterworfenen Haut und zameist
gleichzeitig in mehreren von den in einem Stückchen enthaltenen Follikeln;
sehr häufig war sie in einem Falle von Keratosis pilaris rnbra (XXIL
Fall) vorhanden. Man beobaohtet sie gewöhnlich in Follikeln, welche des
Haares beraubt sind oder ein solches mit vollem Bnlbns enthalten; bis-
weilen jedoch konnten wir sie auch in Follikeln beobachten, welche ein
PapiUenhaar enthielten (Taf. XI, Fig. 5).
Wenn die äußere Wurzelscheide diese eben beschriebene abnorme
Yerhomung nicht darbietet, dann bewahrt sie in der weitaus größten
Mehrzahl der Fälle ihr normales Aussehen; Mitosen fehlen hier häufig
oder sind nur spärlich vorhanden; bisweilen jedoch findet man sie wiederum
auch so häufig, daß man deren 4—6 in jedem Schnitte Eählen kann. Nur
zu seltenen Malen findet man an diesem oder jenem Punkte derselben
eine vereinzelte Zelle oder auch eine Gruppe von 2 — 4 benachbarten,
welche vollständig entfärbt sind und sich auf dem Wege der Auflösung
befinden, oder auch leere Räume, in der Zahl von 8 — 7 in einem Quer-
schnitte und mit einer solchen Zellen ungefähr entsprechenden Aus-
dehnung, wogegen die Zellen, die dieselben umgeben, einen Kern ent-
halten, welcher stärker gefärbt erscheint als normal ; dies beweist deutlich,
daß einzelne Zellen oder kleine Zellgruppen der äußeren Wurzelscheide
absterben und verschwinden. Übrigens kann man an einigen Follikeln
von einer Keratose des Armes (XIY. Fall) und zwar in einer begrenzten
Strecke der oberen Hälfte ihres mittleren Teiles (Taf. IX, Fig. la) eine
Läsion beobachten, welche wahrscheinlich traumatischen Ursprunges ist.
An der genannten Stelle erscheint nämlich die äußere Wurzelscheide,
mehr oder weniger hochgradig verdünnt und fast ausschließlich aus Zellen
zusammengesetzt, welche vollständig oder nahezu vollständig verhornt
sind; sie ist von der FoUikelwand losgelöst und lieget isoliert inmitten
des Follikels, eine unregelmäßige Gestalt darbietend; überdies erscheinen
die Ringfasern der entsprechenden FoUikelwand hie und da lose gefügt
und zum Teile auch abgelöst und im Innern des Follikels verstreut.
Diese genannte Veränderung beobachtet man sowohl bei solchen Follikeln,
deren restliche äußere Wurzelscheide Yerhomung aufweist, als auch in
anderen, bei denen dies nicht der Fall ist; immer jedoch zeigt ihr Trichter
eine abnormale Weite und enthält mehr oder weniger dichte Homzapf en
Gehen wir nun zur Betrachtung derjenigen Verlängerungen
und Appendices über, welche die äußere Wurzelscheide an
der AnsatzBtelle des Musculus erector am Follikel bildet
Solche Appendices konnte ich nur selten in ihrer ganzen Aus-
bildung an den Längsschnitten der von Keratosis pilaris be-
fallenen Haut beobachten, so daß ich sie zumeist an den Quer-
schnitten derselben Haut studieren mußte. Nach meinen Un-
tersuchungen bilden dieselben einen fast konstanten Befund, da
Zur Histologie der EeratouB pilaris. 185
ich sie nur an zwei Haarfollikeln vermißte. An jedem Follikel
beobachtet man zumeist einen oder zwei derartige Appendices
und nur selten drei. Sind mehrere derselben vorhanden, dann
entspringen sie zumeist getrennt oder fast getrennt, und er-
heben sich bald in gleicher bald in yerschiedener Höhe der
Follikelwand ; von den größeren jedoch zweigen sich bisweilen
noch andere, kleinere, gewissermaßen sekundäre Appendices
ab. Im allgemeinen betrachtet, besitzen diese Appendices bald
die Gestalt eines halbkugelformigen Knopfes, bald die eines
Zylinders, dessen äußeres Ende eine Auftreibung aufweist; bald
die eines Kegels, dessen breiteres Ende nach außen, seltener
nach innen gerichtet ist. Ihre Länge wechselt außerordentlich :
die größte, welche ich zu beobachten (Gelegenheit hatte, besaß
wohl der in Fig. 2 der Taf. XII dargestellte. Ihre Begren-
zung ist häufig infolge der Einbuchtungen und Hervorragungen,
welche sie aufweisen, unregelmäßig und uneben; die größeren
mit verlängerter Gestalt zeigen nicht selten auch einen ge-
krümmten oder geschlängelten Verlauf. Auf Grund ange-
stellter Vergleiche mit gesunder Haut erhielt ich den Eindruck,
als würden sich die stark ausgebildeten Appendices mit
ausgeprägt unregelmäßigem Verlaufe bei der Keratosis pilaris
in einer etwas größeren Häufigkeit vorfinden als unter normalen
Verhältnissen.
Unna fand in dem Epithelfortsatze, welcher sich in der
Richtung des Ansatzes des Musculus erector erstreckte, auf-
fallend häufig eine homogene und klare Hoinperle. Auch bei
der Untersuchung meiner Präparate fand ich häufig in den
besprochenen Epithelfortsätzen deutlich entwickelte H o r n-
perlen. Sie sind zumeist in der Einzahl selten zu zweien in
jedem primären oder sekundären Appendix vorhanden; ein-
mal hatte ich Gelegenheit, einen einzelnen Appendix zu beob-
achten, welcher eine Homperle enthielt und in dem unmittelbar
darüberliegenden Schnitte dieser Serie fand sich derselbe Appen-
dix in zwei sekundäre Appendices geteilt, von denen gleichfalls
jeder wieder eine Homperle umschloß. Die Hornperlen sitzen
in dem größeren Teile des Appendix und in der Mitte des-
selben. Erwähnenswerterweise nehmen die Homz eilen hier
186 Gioyannini.
die schwarze Färbung der Osmiumsäure an, während dies, wie
schon erwähnt; bei den übrigen verhornten Teilen der äußeren
Wurzelscheide niemals der Fall ist.
Zuweilen findet man Hornperlen im Beginne ihrer Bil-
dung; man sieht nämlich, daß die Epithelzellen in der Mitte
des Appendix eine Anordnung zu konzentrischen Schichten
annehmen und sich um so stärker abplatten, je mehr man von
der Peripherie gegen das Zentrum vordringt, wobei sie jedoch
den mehr weniger stark gefärbten Kern bewahren und noch
keine Anzeichen der Verhornung aufweisen. Im Gegensatze
dazu erscheinen wiederum bei anderen Fällen die Zellen be-
reits verhornt; und in diesem Falle kann man, vorausgesetzt,
daß die Präparate in Flemmingscher Lösung fixiert waren,
in den Hornperlen zwei verschiedene Zonen imterscheiden :
eine äußere Zone (Taf. XII, Fig. 2 b 6), welche zumeist aus 4 — 6
Reihen abgeplatteter Zellen besteht, die das Aussehen von
Hornzellen besitzen, zumeist vollständig uDgefärbt erscheinen
und nur in seltenen Fällen eine rotviolette Färbung aufweisen ;
eine innere Zone von regelmäßiger, runder Gestalt, die von
Osmiumsäure gleichmäßig und intensiv schwarz gefärbt wird
(Taf. XII, Fig. 2c). In gewissen Fällen findet man im Inneren
der von Osmiumsäure schwarz gefärbten Zone eine runde
Eontinuitätstrennung, welche bisweilen leer ist, bisweilen aber
Reste einer hornigen Substanz enthält (Taf. XII, Fig. 2(2), während
in anderen Fällen von der ganzen Hörn perle nichts übrig
geblieben ist als die Zellen der äußeren Zone, ja selbst diese
können auch verschwinden, so daß an Stelle der ganzen Perle
ein Hohlraum besteht (Taf. XII, Fig. 3 a, Fig. 4 6). Jene
Perlen, deren innerer Teil schwarz gefärbt oder auf einen
Hohlraum reduziert erscheint, finden sich in größerer
Häufigkeit vor. Die Homreste, welche sich zuweilen in
den genannten Hohlräumen vorfinden, sind zumeist voll-
ständig gestaltlos, homogen und hell und nur in einigen Fällen
kann man an ihnen mittels starker Vergrößerung die den
Hornperlen eigentümliche Anordnung zu konzentrischen Schichten
erkennen. Man kann demnach sagen: wenn bei der Keratosis
pilaris die Epithelzellen des Muskelansatzes anfangs eine kon-
zentrische Schichtung annehmen und verhornen, wie dies ja
Zur Histologie der Keratosis pilaris. 187
im aUgemeinen bei in das Bindegewebe eindringenden Epithel-
zapfen geschieht, so lösen sie sich später sicher wieder auf
und verschwinden, was aller Wahrscheinlichkeit nach vom
Zentrum gegen die Peripherie zu stattfindet.
Die Hornperlen besitzen sehr verschiedene Größe, welche
von den kleinsten bis zu den größeren alle möglichen Zwischen-
stufen zeigt; die größte, welche sich beobachten läßt, mißt in
ihrem größeren Durchmesser 175 ^u. Ihre Höhe entspricht zumeist
zwei Querschnitten, seltener nur einem. Ihre Gestalt dürfte
im ganzen eine Kugel oder eine bikonvexe Linse darstellen,
oder auch die einer Scheibe. Wie sie sich in den Appendices
jeglicher Gestalt und Größe vorfinden, so findet man sie auch in der
Haut von den verschiedensten Stellen des Körpers, so von der
Außenfläche des Armes, der Vorderfläche des Schenkels; der Wade
und dem Rücken. Wenn man sie auch ausnahmsweise in den
Appendices von im übrigen normalen Haarfollikeln sieht, so
beobachtet man sie doch in der Mehrzal der Fälle in solchen
Follikeln, die in einer oder der anderen Weise verändert sind,
und ganz besonders in solchen, deren äußere Wurzelscheide
sich im Zustande der Verhornung befindet (Taf. XII, Fig. 2, 3
und 4).
Wie bekannt, hat man den hier beschriebenen, nach Sitz
und Aussehen vollständig analoge Epithelperlen nicht nur bei
der Prurigo (Derby, Gay) und Ichthyosis (Esoff), sondern
auch in der normalen Haut gefunden (Es off, v. Brunn).
In den epithelialen Appendices der sehr zahlreichen Follikel,
welche sicher einer gesunden Haut von den Extremitäten, dem
Stamme und dem behaarten Kopfe angehörten^ die ich bis jetzt
beobachten konnte, gelang es mir jedoch nur außerordentlich
selten Spuren einer Hornperlenbildung nachzuweisen ; im Gegen-
satze dazu fanden sich solche fast in allen Stückchen der
der Untersuchung unterworfenen Haut, die mit Keratosis pilaris
behaftet war und häufig nicht nur in der Einzahl, sondern zu
mehreren in jedem Stückchen. Daher glaube ich versichern zu
können, daß diese Epithelperlen bei der Keratosis pilaris in
einer bedeutenden und tatsächlich abnormalen Häufigkeit vor-
handen sind; übrigens beweist diese Häufigkeit wohl nichts
anderes, als daß in den epithelialen Appendices des Muskel-
188 Giovannini.
ansatzes dieselbe Neigang zur Verhornung besteht, welche wir,
wie oben beschrieben, auch in den Zellen der übrigen äußeren
Wurzelscheide vorherrschend gefunden haben.
Schließlich möchte ich nicht vergessen zu bemerken, daß
sich ein an Form und Größe gleicher Appendix wie jene, welche
die äußere Wurzelscheide in der Höhe des Ansatzes des
Musculus erector zu bilden pflegt, auch 10 Querschnitte ober-
halb dieser Ansatzstelle vorfand (Tafel XI, Fig. 3 c);
bei diesem Falle jedoch hatte der Musculus erector seine
Insertion am Fundus des Follikels. Diese Anomalie wurde nur
einmal beobachtet und es bleibt zweifelhaft, ob man dieselbe
überhaupt in einen Zusammenhang mit der Keratosis pilaris
briügen darf oder nicht.
Haare.
Wenn man am Lebenden jene Haare untersucht, welche
sich aus den Elementen der Keratosis pilaris erheben, findet
man, daß dieselben bisweilen ein normales Aussehen besitzen,
ein andermal jedoch verschiedenartige Veränderungen auf-
weisen, die zum großen Teile schon von Duhring, Brocq
und 6 au ja beschrieben worden sind. In diesem letzteren Falle
erscheinen sie häufig bald dicht an der Oberfläche der Haut,
bald in wechselnder Entfernung über derselben abgebrochen.
Die unverletzten jedoch sind nicht nur ihres Glanzes beraubt
und ausgetrocknet, sondern sind häufig auch kürzer als die
normalen, mit denen sie sich vermischt vorfinden ; überdies
sind sie sehr brüchig, so daß sie häufig schon beim Heraus-
zupfen mit der Pinzette zerreißen. Häufig ist auch ihre Richtung
verändert; während die normalen eine Neigung nach einer
bestimmten Kichtung hin aufweisen, halten sie bei der Keratosis
pilaris eine mehrweniger senkrechte oder sonst irgendwie un-
regelmäßige Richtung ein.
Nachdem wir dieses vorausgeschickt, wollen wir an die
Besprechung der mikroskopischen Untersuchung sowohl der an
ihrer Stelle belassenen, als auch der ausgerissenen Haare gehen.
Zar Histologie der Keratosis pilaris. 189
a) An ihrer Stelle belassene Haare.
Bei den an ihrer Stelle belassenen Haaren kann man
auch eine Anomalie in ihrer Verteilung wahrnehmen. Wir
haben im vorhergehenden gesehen, daß sich bei der Keratosis
pilaris Haai*e mit gemeinsamer Apertur viel häufiger vorfinden
als normalerweise, und daß es dabei gar nicht seltene Fälle
gibt, bei denen der Follikel des kleineren Haares in den
des größeren einmündet ; notwendigerweise finden sich in beiden
Fällen die Haare bei ihrem Hervortreten aus der Haut viel
näher zu einander gerückt, als gewöhnlich, was man eine
büschelweise Anordnung zu nennen pflegt; daraus folgt,
daß wir bei dieser Erkrankung die Haare mit Anord-
nung in Büscheln viel häufiger vorfinden als ge-
wöhnlich.
Was den Zustand der einzelnen Haare betrifft, so schien
es Lemoine, daß die inmitten der hornigen Anhäufungen
befindlichen Haare auch am häufigsten Veränderungen auf-
weisen und bisweilen auch geteilt und in mehrere Teile zer-
stückelt seien. J a c q u e t fand, daß von den 4 oder 5 in einer
Homanhäufong eingeschlossenen Haaren nur ein einziges voll-
ständig und normal war; die anderen waren „unvollständige
Haare, mikroskopische Flaumhärcben von glasigem und homo*
genem Aussehen, in verschiedener Weise angeordnet, aber im
allgemeinen nach verschiedenen Richtungen verkrümmt und
häufig auch nach Art einer eingeschlossenen Trichine um sich
selbst gewunden''. Audry fand inmitten des verhornten Epi-
dermispfropfens, in welchen sich die Wurzelscheiden des Haares
selbst umgewandelt hatten, ein kleines, „stranguliertes, ersticktes
und atrophisches Haar**. Vejrieres endlich gelangte zu der
Wahrnehmung, daß die Haare konstant einen vollen Bulbus
besaßen.
Aus meinen Untersuchungen geht hervor, daß eine große
Zahl von Follikeln in ihrem Inneren auch nicht die Spur eines
Haares enthält, weder eines ausgebildeten noch eines in Bildung
begriffenen ; doch finden sich die mit Haaren versehenen Follikel .
auch in größerer Zahl vor. In diesem zweiten Falle hande)Nl||i:
190 Giovannini.
es sich bisweilen um Papillenhaare, noch häufiger aber um
solche mit vollem Bulbus. Nur ausnahmsweise findet man
Haare, welche gewissermaßen eine Zwischenstufe zwischen
Papillenhaaren und solchen mit vollem Bulbus darstellen: es
fehlt ihnen nämlich der Bulbus und sie bewahren von ihrem
Halse nur ein mehrweniger kleines Teilstück. Sowohl die Pa-
pillenhaare, als auch die anderen bieten sonst in Bezug auf
Größe, Gestalt, Struktur u. s. w. nichts besonderes. Auch be-
züglich des' Zustandes der Papille und des Vorkommens und
Verhaltens der Earyokinese in der Matrix des Haares habe ich
keine besonderen Bemerkungen zu machen. Im Grunde der
Follikel mit Haaren mit vollem Bulbus findet sich in seltenen
Fällen der Haarstengel.
Unna beobachtete, daß sich bei der Keratosis pilaris
der größere Teil der Lanugohaare im Stadium der Beethaare
befand und sich konstant in einem normalen Haarbeet erhob;
dieser Befund bewies ihm klar, daß es sich tatsächlich um
Beethaare handle, welche noch nicht in den Follikel hinein
freigeworden waren, sondern erst der weiteren Entwicklung
harrten.
In meinen Präparaten standen die mit vollem Bulbus
versehenen Haare mit ihrem unteren Ende bald in der Ebene
des Musculus erector, bald etwas höher, bald etwas tiefer.
Bisweilen zeigen sie sich wohl in ihrem unteren Teile von
Zellen der Malphighischen Schicht umgeben, die sich gut er-
halten haben und ein normales Aussehen besitzen ; aber wohl
häufiger noch erscheinen sie davon losgelöst und vollständig
von Zellen der erwähnten, gänzlich verhornten Schichte um-
geben; bei solchen Fällen, bei denen sich die Verhomung,
wie oben erwähnt, auf die ganze äußere Wurzelscheide erstreckt
und der Follikel auf eine einfache Höhlung reduziert erscheint,
bemerkt man nicht selten, daß der Haarschaft in den Fundus
desselben gefallen ist (Tafel XII, Fig. 3).
Inmitten der Hornanhaufungen des Haartrichten fand Jacqnet
4 oder 6 Haare, während Yeyrieres fast stets nur ein einziges vorfand.
Unna fand in den im oberen Drittel des Haarfollikels sich bildenden
Cysten nur selten 1 oder 2 Haarschäfte.
Die Zahl der von ..mir in den Aperturae communes gefundenen Haar-
sch&fte schwankte zwischen 1 und 6, zumeist jedoch betrag sie 3; in
Zar Histologie der Keratosis pilaris. igi
den Trichtern jener Haarfollikel, welche getrennt an der Hantoberfläche
münden, beträgt sie zumeist 1, seltener 2. Allerdings beobachtet man
bisweilen an den genannten Stellen eine größere Anzahl von Haarschaft-
qaerschnitten ; aber aus dem Umstände, daß diese Querschnitte fast den
gleichen Durchmesser besitzen, kann man nicht mit Bestimmtheit er-
kennen, ob dieselben tatsächlich ebenso vielen verschiedenen Haarschäften
entsprechen, oder aber an mehreren Punkten getroffenen gekrümmten
Haarschäften ; dies ist z. B. bei dem Trichter des auf Taf. IX in Fig. 1
dargestellten Haarfollikels Ä der Fall, wo man in der von ihm einge-
schlossenen Hommasse bis zu 9 Schnittflächen von Haarschäften zählen kann.
Was die Neubildung der Haare betrifft, so fand Unna dieselbe
sehr wenig aktiv, da es ihm nur ein einziges Mal gelang, ein junges
Härchen im Grunde eines Follikels zu finden.
Ich habe wohl bei 10 der von mir untersuchten Fälle von Kera-
tosis pilaris in Neubildung begriffene Haare gefunden; bei 8 von diesen
Frllen betrug die Zahl der in Regeneration begriffenen Haare 1 oder
höchstens 2 — 8 für jedes Hautstückchen ; bei den beiden übrigen jedoch
stieg sie auf 9 und sogar 11 (XXII. Fall); bei diesem letzteren Falle
findet man keine Haargruppe> welche nicht 1 oder 2 in Regeneration
befindliche Haare aufweisen würde. Die neuen Haare befinden sich in
den verschiedensten Entwicklungsstufen, welche im wesentlichen den-
jenigen entsprechen, welche man bei der allmählichen Regeneration der
Kopfhaare nach Depilation mittels der Pinzette beobachten kann, die
von mir bereits vor Jahren beschrieben wurde (c).
Unna beobachtete, dass die Haarschäfte durch die oberhalb der
Follikelmündungen befindlichen Hornanhänfungen im Follikelhalse oder
noch häufiger innerhalb der suprafollikulären Hornmasse selbst festgehalten
würden; in beiden Fällen krümmten sich die Haarschäfte spiralig zu-
sammen, mit dem Unterschiede jedoch, daß die innerhalb der supra-
follikulären Hornmasse einen viel größeren Weg beschrieben als die
innerhalb des Follikelhalses. Während es im ersteren der beiden genannten
Fälle dem Haarschaft gelang die nachgiebigen Wände des Follikelhalses von
einander zu entfernen, übte er im zweiten Falle, sich zusammen mit der
ihn umgebenden Hornmasse vergrößernd, eine Depression oder Nabelung
aus und erweiterte so den obersten Teil des Follikelhalses, bis er zur
ebenen Fläche ausgeglichen wurde.
Aus meinen Untersuchungen geht hervor, daß ungeachtet
des konstanten Befundes einer mehr oder weniger großen
Menge von Hornsubstanz innerhalb der Trichter und gemein-
samen Aperturen der Haare, die Haarschäfte bisweilen doch
durch nichts am Austreten verhindert sind und sich frei nach
außen erheben. In genügender Häufigkeit jedoch finden sich
Fälle, in denen man eine Betention der Haarschäfte
192 Giovannini.
in den Follikeln mit allen ihren Folgen beobachten kann.
Die hauptsächlichste Ursache für diese Retention bildet gewiß
die Hommasse, welche den Trichter und die Aperturae communes
der Follikel verstopft, doch läßt sich keinesfalls mit Sicherheit
ausschließen, ob dieselbe nicht auch durch andere Umstände
begünstigt wird. So ist es, um von nichts anderem zu reden,
bei dem oben erwähnten Falle, bei welchem sich die kleineren
Haare mehr weniger schräg in die größeren Haarfollikel ein-
fügten (Taf. Vm, Fig. 3 ; Taf. IX, Fig. 1) nicht unwahrscheinlich,
daß diese Haare in der Wand der Follikel ein Hindernis für
ihren Austritt finden.
Tatsächlich kommt es am hänfigsten vor, daß die Haarachäfte in
den Trichtern nnd gemeinsamen FoUikelmündangen festgehalten werden
und so gezwungen sind, sich in mannigfacher Weise au Spiralen, Bögen
und Schlingen susammenzukrnmmen, so dafi sie wohl auch an diesem
oder jenem Punkte der bindegewebigen Wand, mit welchem sie in Be-
rührung treten (Tafel X, Fig 6 a), einen Eindruck hervorbringen.
Zusammengekrümmte Haarschäfte beobachtet man zwischen den Hörn-
massen oberhalb und ein Stückchen nach außen yon den Mündungen der
Trichter und gemeinsamen Mündungen nur in wenigen Fällen; in diesen
Fällen findet sich nun nicht das geringste Zeichen eines Druckes in dem
darunterliegenden Derma auf das gekrümmte Haar, sondern das letztere
gibt nur Veranlassung zur Bildung einer ganz oberflächlichen Depression,
ohne im geringsten die PapUlen zum Verschwinden zu bringen; die-
selben erscheinen nur etwas zusammengedrückt. Man findet in mannig-
facher Weise zusammengekrümmte Haare nicht nur in der zwischen dem
Trichter und dem Ansätze des Musculus erector befindlichen Strecke des
Follikels, sondern bisweilen auch innerhalb der Ausbuchtung der Ansatz-
stelle des Muskels selbst, hier in gleicher Weise eine Verzerrung des
entsprechenden Teiles der Follikel wand hervorrufend; in einem Falle
dehnte der in der Ausbuchtung des Muskelansatzes befindliche, zu einem
Bogen zusammengekrümmte Haarschaft diesen in der Weise aus, daß
derselbe im Querschnitte das Aussehen eines Fächers annahm. Nun
kann man an Längsschnitten der Haut nicht selten beobachten, daß der
ganze Follikel bis zu einem gewissen Punkte die Verkrümmungen und
Biegungen des Haarschaftes selbst wiederholt; in einigen Fällen findet
man auch den Follikel winkelig gebogen und zwar sowohl entsprechend
der Ansatzstelle des Musculus erector, als auch innerhalb der Strecke,
welche sich zwischen diesem und dem unteren Ende des Trichters befindet
Unna fand, daß in derartigen, infolge des Zuges des Musculus
erector winkelig gebogenen Follikeln die übermäßig langen Haare sich
nicht nur gegen die FoUikelwand stemmten und dieselbe vordrängten,
sondern dieselbe auch tatsächlich durchbohrten.
Zar Histologie der EeratoBis pilaris. 193
Auch Yeyrieres sah häufig, daß das Haar ans dem Follikel aus-
getreten war und in Berührung mit den Elementen des Derma des
keratotischen Knotens stand.
Auch in meinen Präparaten fanden sich nicht selten Haar-
schäfte, welche, anstatt sich im Innern des Follikels zusammen-
zukrümmen, die bindegewebige Wand desselben durchbohrten
und sich mit einer mehr oder weniger langen Strecke in das
umgebende Bindegewebe einbohrten, wobei sie zumeist eine
schräge Richtung von unten nach oben und nur selten eine
horizontale einhielten; nachdem sich die Haarschäfte in diesen
Fällen innerhalb des Derma zumeist in Form eines Bogens
seltener in der einer Schlinge gekrümmt haben, treten sie mit
ihrer Spitze bisweilen wieder in den Follikel ein, von welchem
sie sich entfernt hatten (Taf. XI, Fig. 3 und 4 &), bisweilen
aber auch nicht (Taf. IX, Fig. 3 und 4 a); in einem Falle
gesellte sich auch eine bedeutende Loslösung der transversalen
Bindegewebsfasern des Follikels dazu (Taf. XI; Fig. 4 a, a, a).
Diesen Austritt der Haarschäfte beobachtet man im untersten
Teile sowohl der Aperturae communes, als auch der Trichter,
ob dieselben eine regelrechte Gestalt haben oder nicht, oder
auch ein wenig tiefer; man beobachtet ihn femer nicht selten
an diesem oder jenem Punkte desjenigen Teiles des Follikels,
welcher den Talgdrüsen entspricht, in gleicher Weise wie in
der Ausbuchtung des Muskelansatzes selbst; die Follikel be-
halten dabei zumeist ihre regelmäßige Richtung oder finden
sich wenigstens nicht zu einem Winkel zusammengebogen.
Wir haben bereits früher gesehen, daß die Haarfollikel
bisweilen zerstört werden. Hier erübrigt nur noch zu bemerken,
daß sich an Stelle der zerstörten Follikel oder häufiger noch
gemeinsam mit den Resten derselben des öfteren ein oder
melirere, vollständig isolierte Haarschäfte in den verschiedensten
Richtungen vorfanden; dieselben sind nach Art eines Fremd-
körpers in der Dicke des Derma incystiert und besitzen
keine wahrnehmbare Kommunikation nach außen. Bei einem
Falle (Nr. XII) fanden sich zwischen den Resten zweier Follikel,
die einer Gruppe angehörten, gut 4 derartige, cystisch einge-
schlossene Haarschäfte, von denen einer eine bedeutende
Größe besaß.
Anh. f. Demat. n. Byph. Bd. LZIII. J3
194 Giovannini.
b) Aasgerissene Haare.
Die Hommassen, welche mit den Haaren von den Ele-
menten der Keratosis pilaris losgerissen werden und an den-
selben hängen bleiben, besitzen ganz unregelmäßige Gestalt und
sehr wechselnde Größe, so daß sie selbst einen Durchmesser
von 1 — 1*5 mm erreichen; die sie zusammensetzenden Hom-
zellen zeigen keine besonderen Eigentümlichkeiten; sie finden
sich wirr durcheinander zusammengeiügt oder auch in mehr
weniger regelmäßigen, von unten nach oben divergierenden
Schichten um die Haarschäfte angeordnet. Mit jeder solchen
Anhäufung sind bald ein, bald zwei, bald drei Haarschäfte
vereinigt; zwei Schäfte finden sich in ungefähr einem Drittel
der Fälle, drei jedoch nur in einem Sechstel der Fälle. Von
den zwei oder drei mit einer Hornmasse zusammenhängenden
Haaren ist eines in der Regel größer als die anderen.
Was die Haare anbetrifift, so sind ungefähr drei Viertel
derselben Papilleohaare und nur ein Viertel solche mit Yollem
Bulbus; ein derartiger Befund stimmt jedoch mit dem nicht
tiberein, welchen wir bei der Untersuchung der Haut erhalten
und oben auseinandergesetzt haben, da hier die Haare mit
vollem Bulbus die Mehrzahl bildeten. Wenn die Zahl der
Haare, welche einem einzelnen Zapfen anhaften, 2 oder 3 be-
trägt, dann ist in der Regel nur eines von diesen einPapillen-
haar, das oder die übrigen sind Haare mit vollem Bulbus. Die
Papillenhaare besitzen bald einen Bulbus und vollständigen
Hals, bald bewahren sie nur ein mehr oder weniger großes
Bruchstück des letzteren. Sowohl die Papillenhaare, als auch
die mit vollem Bulbus zeigen bisweilen ein in jeder Beziehung
normales Aussehen, bisweilen jedoch lassen sie Veränderungen
verschiedener Art erkennen.
Vor allem finden wir häufig eine Krümmung des Haares im Inneren
der Hornmasse, welche sie tragen, und zwar bald in Form einer Spirale,
bald in Form einer Schlinge oder der Ziffer 8, bald in anderen wechselnden
Formen; die Krümmnng in Spiralform jedoch, welche in gewissen Fällen
.eine außerordentliche Regelmäßigkeit darbietet, wird wohl am häufigsten
gefunden. Bei einer guten Anzahl von Papillenhaaren, deren Ende sich
in der eben angegebenen Weise gekrümmt hat, bemerkt man, wenn sie
Zur Histologie der Keratosis pilaris. ^95
in ihrer Qftnze untersQoht werden, eine bald mehr, bald weniger aas-
gesprochene Drehung um ihre Längsachse, und zwar im unteren Teile
der Wurzel, in derem Bereiche die Zellen noch nicht in die Cortioal-
Substanz umgewandelt sind (Hals des Haares). In den Querschnitten der-
artiger Haarwurzeln findet man nichts abnormale) außer einer Verände-
rung ihrer Kontor, welche, anstatt der ge wohnlich tin kreisrunden, eine
ovale, viereckige, dreieckige oder sonst wie unregelmäßige Gestalt dar>
bietet Es war klar, daß es sich in diesen Fällen um rein mechanische
Veränderungen handelte, welche von der Retention verursacht waren;
die Hommassen, welche die Aperturae communes uod die Trichter der
Haarfollikel verstopften, bildeten ein Hindernis für den Aastritt der
Haare, so daß sich diese notwendigerweise zunächst an ihrem peripheren
Ende krummen mußten, und später auch in jenem Teile der Wurzel,
welcher im Verhältnisse zu dem übrigen Haare noch weich geblieben war.
Zweitens finden wir die Haare, ob sie nun gekrümmt sind oder
nicht, mit Trichorrhexis behaftet. Diese zeigt sich zumeist darin, daß
der Schaft ein mehr minder großes Stück oberhalb seiner Wurzel abge-
brochen ist und das Ende dea Stumpfes büschelartig zerschlissen erscheint.
Weniger häufig sieht man noch ganz vollständige Haare, die aber einen
oder noch seltener zwei Knoten der Trichorrhexis zeigen, mit dem
charakteristischen Bilde zweier ineinander gesteckter Pinsel; au einem
derselben bem-^rkten wir einen nodulus laqueatus. An einigen wenigen
Schäften beobachtet man auch jene einfache, von einigen Rissen besetzte
Anschwellung, welche man als ersten Grad dieser Erkrankang aniuüehen
pflegt. In anderen Fällen erscheinen nur die Zellen der Cuticala des
Haares an einer mehr weniger umschriebenen Stelle einfach aus ihrem
Zusammenhange gebracht, nach außen umgestülpt oder auch fehlend. Es
handelt sich im wesentlichen um die gewöhnliche Trichorrhexis, welche
nichts besonderes darbietet. Sie findet sich ungefähr bei einem Viertel
der aus den keratotischen Elementen ausgezupften Haare, also in ziem-
licher Häufigkeit. Ich möchte noch hinzufügen, daß sich an Haaren,
welche sich aus gesunden Follikeln erheben, auch nicht die Spur einer
Trichorrhexis vorfindet; zum Zwecke des Vergleiches wurden solche Haare
von denselben Körperstellen entnommen, von welchen auch die mit
Keratosis behafteten stammten, und es ist nicht unwahrscheinlich, daß
zwischen der Trichorrhexis selbst und dieser letzteren Erkrankung ein
gewisser Zusammenhang besteht
Überdies beobachtet man in der Wurzel der Haare, ob dieselbe
nun gedreht erscheint oder nicht, bisweilen eine Hyperpigmentation,
welche zumeist auf kleine Zonen beschränkt ist und sich nur seltnn auf
die ganze oder faH die ganze Länge derselben ausdehnt ; ihr Vorhanden-
sein kann nicht nur bei der Untersuchung der vollständigen Wurzel,
sondern auch bei der der Querschnitte festgestellt werden, in welche dieselbe
serlegt wurde. Einige wenige andere Wurzeln erscheinen ferner verdünnt
mit perlschnurartigen Anschwellungen oder in anderer Art verunstaltet»
Endlich wäre noch zu erwähnen, daß während die in den Hommassen
13*
196 Giovanni ni.
eingeschlouenen Haare biaweilen zerbrochen und in Stückchen von ver«
schiedener Länge zerteilt sind, andere, nnd besonders die ganz dünnen,
in so hochgradiger Weise dorohscheinend sind, dafi es schwer wird, sie
von dem umgebenden Homgewebe in unterscheiden, so daß man glauben
möchte, sie sind im Begriffe sich aufzulösen«
Das Studium der Haare, sowohl der ausgeriBseDen als
auch der an ihrer Stelle belassenen, ergibt demnach, daß die-
selben bei der Keratosis pilaris sehr häufig infolge ihrer
Retention im Follikel verkrümmt und mit einer gewissen Häufig-
keit von Trichorrhexis befallen sind; der Rest ist entweder
normal oder zeigt Veränderungen, von denen es wegen ihrer
Seltenheit oder ihrer Art unsicher ist, ob man sie auf Rech-
nung der Keratose setzen darf oder nicht. Dieser Unsicherheit
entgeht man auch nicht bezüglich der Beurteilung der Hyper-
pigmentation der Wurzel, und zwar aus dem Grunde, weil
man dieselbe bei den Wurzeln der ausgezogenen Haare mit
einer gewissen Häufigkeit, bei den an ihrer Stelle befindlichen
aber fast niemals findet.
Innere Wurzelscheide.
Lern eine hatte gefunden, daß die innere Wurzelscheide stets
sehr dicke £pidermisschichten hervorbrachte, und zwar verhornte, welche
sich um das Haar herum anhäuften; diese bildeten so eine Serie kon-
zentrischer Schichten, welche im Querschnitte ein den Epidermiskugeln
des Epitheliomes ähnliches Aussehen zeigten. Aach Audry hatte die
innere Wurzelscheide vollständig verhornt gefunden. Unna dagegen fand
sie normal.
An den Papillenhaaren von mit Keratosis pilaris behafteter
Haut, die von mir der Untersuchung unterworfen worden waren,
fand sich derjenige Teil der inneren Wurzelscheide, welcher
dem Halse der Haare entsprach, konstaut normal; was aber
den übrigen Teil der Wurzelscheide anbelangt, welcher sich
zu einer den Schaft des Haares umgebenden Hülle yerlängert
und von mir in einer vorhergehenden Arbeit (b) als verhornter
Teil der inneren Wurzelscheide unterschieden worden
war, so erscheint dieser in Bezug auf die Regelmäßigkeit seiner
Kontur, in Bezug auf sein Aussehen und seine Dicke und
häufig auch in Bezug auf seine Höhe immer normal, bisweilen
jedoch erscheint er mehrweniger hochgradig verkürzt.
Während er sich nämlich unter normalen Verhältnissen mit
Zur Hietologie der Keratosis pilaris. 197
seiDem oberen Ende bis ungefähr in die Höhe der Mündung
der Talgdrüsen in den Follikel erstreckt, erreicht er in diesem
letzteren Falle zumeist nicht einmal die Höhe des Ansatz-
punktes des Musculus erector an den Follikel (Taf. XI,
Fig. 5 a). Diese genannte Verkürzung des verhornten Teiles
der inneren Wurzelscheide beobachtet man ausschließlich nur
an solchen Haarfollikeln, welche der Talgdrüsen entbehren und
an denen, wie wir oben gesehen haben, sich die Yerhornung
der äußeren Wurzelscheide abnorm weit in die Tiefe erstreckt ;
diese untere Grenze der Yerhornung selbst entspricht nun ge-
wöhnlich dem oberen Ende dieses verhornten Teiles oder sie
weicht nur wenig davon ab. Diese Veränderiing fand ich in
sechs von jenen Hautstückchen, welche alle von der Extre-
mität entnommen und der Untersuchung unterworfen worden
waren und in jedem Stückchen bald ein, bald mehrere Male;
ich kann daher versichern, daß sie recht häufig vorkommt.
Man beobachtet sie nicht nur an Haaren, die eine falsche
Richtung besitzen, sondern auch an solchen mit vollkommen
regelrechter Richtung. Bei keinem Falle finden sich im Inneren
des Haarfollikels Trümmer des verhornten Teiles der inneren
Wurzelscheide, welche den Zerfall derselben beweisen und so
eine Erklärung für ihre Verkürzung geben würden. Von den
Haaren mit ausgehöhltem Bulbus, welche mit der Pinzette aus-
gezupft worden waren, zeigte nur ein einziges die fast voll-
ständige innere Wurzelscheide; dieselbe fehlt an den Haaren
mit vollem Bulbus, ob dieselben nun ausgefallen sind oder sich
an ihrer Stelle befinden, gewöhnlich vollständig oder es er-
übrigen nur einige Reste ihres verhornten Teiles.
Musculi erectores der Haarfollikel.
Lemoine fand, daß die glatten Maskelfasern der Haat an Zahl
vermehrt waren nnd stärkere und längere Bündel bildeten als gewöhnlich ;
auch Audry meinte, daß die Entwicklung dieser Fatem vielleicht etwas
gesteigert sei. Unna versichert in ganz entschiedener Weise, daß er
9X\e Erectores groß, lang, mit mehreren Köpfen versehen und sicher
hypertrophisch gefunden habe; diese Hypertrophie der Erectores erklärt
er aus dem immerwährenden ReiEzustande, in welchem sich diese auf
reflektorischem Wege befinden, infolge der Reizungen, welche das im
Follikel zurückgehaltene Haar infolge seiner Verkrümmung ausübt
198 Giovtnnini.
In meinen Pr&psraten fehlen die MnBcnli erectores an einigen
Follikeln. Wo sie sich vorfinden, setzen sie sich zumeist mit zwei Köpfen
an den betreffenden Follikel an, seltener nur mit einem Kopfe oder mit
8, 4, 6 Köpfen. In ihrer Gesamtheit zeigen sie sehr yerschiedene Größe;
bei einer gewissen Anzahl von Fällen erscheinen sie sehr klein; bei den
Ikbrigen Fällen jedoch, and diese bilden ohne Zweifel die Mehrzahl, be-
sitzen sie bald ein mittleres Yolnmen, bald ein mehr weniger bedentendea.
Klein findet man sie besonders bei der Keratosis des Rückens nnd der
Anne nicht nur von Kindern, sondern auch von erwachsenen Personen
(Fall XIY und XYI1); mittelgroß sind sie bei der Keratosis der Baach-
gegend; bei jener der unteren Kztremitäten kommt ea nicht selten vor,
dsß man in einem und demselben Hautstückchen solche von mittlerem
Yolumen gleichzeitig mit anderrn stark entwickelten antrifft. Wie be-
deutend aber auch die Größe der Muskeln in diesem letzteren Falle sein
möge, so erreicht sie doch niemals einen fo hohen Grad, daß man ihn
nicht auch in der gesunden Haut an den entsprechenden Körperstellen
antreffen würde.
Im allgemeinen gebt aus den vergleichenden Unter-
suchungen, welche ich an einer großen Zahl von Zeichnungen
der Musculi erectores, die mittels der Camera lucida bei
gleichbleibender Vergrößerung hergestellt waren, anstellte,
hervor, daß sich diese Muskeln bei der Keratosis pilaris in
Bezug auf die Zahl ihrer Köpfe und ihre Größe fast so wie
die in gesunder Haut verhalten. In diesem Punkte stimmen
somit meine Beobachtungen mit denen der oben erwähnten
Autoren nicht überein.
Yeyriöres fand, daß sich der Musculus erector häufig an dem
der Papille oder dem papillären Rudimente benachbarten Teile inserierte.
Ich konnte nur beobachten, daß sich die Musculi erectores nicht selten
am Fundus der Haarfollikel (Taf. XI, Fig. 3 ; Taf. XU, Fig. 6) oder
ein wenig höher anhefteten; da es sich aber in diesen Fällen sumeiat
um Flaum haare handelte, kann ich nicht mit Sicherheit behaupten, daß
dies tatsächlich eine Anomalie darstellen würde.
Unna beobachtete, daß diese Muskeln die Haarfollikel in versohie*
denem Sinne aus ihrer Richtung au bringfen vermögen, so daß sie daa
nntere und mittlere Drittel derselben sogar bis zu einem spitzen Winkel
abknicken. Yeyri^res fand, daß die Mnseali erectores selbst aaoh
häufig Veränderungen ihrer Richtung erleiden, die sie aus der normalen
Richtung herausziehen. Ich meinerseits kann behaupten, daß dieeeMuskelni
abgesehen von den Einbiegungen und Verkrümmungen der entsprechenden
Follikel, für gewöhnlich ihre regelrechte Richtung beibehalten nnd daß
sich diejenigen Fälle nur auf eine geringe Zahl beschränken, in welchen
dieselben ans ihrer Richtung abgelenkt nnd wie gedehnt erscheinen
Zur Histologie der Eeratosii pilaris. 199
und das Anssefaen dünner Saiten aeigen; ansnahmsweise gesellt sieb an
diesen Verindemngen auch noch eine winkelige Knickung des ent-
aprechenden Follikels.
TalgdrOsen.
L e m o i n e fand in den von ihm nntersuohten, mit Keratosis pilaris
behafteten Hantstfiokchen keine Spar mehr yon Talgdr&sen. Andry
▼ermocbte nicht an erkennen, ob dieselben verschwunden seien oder durch
einige Anhäofnngen großer, heller, verlängerter Zellen repräsentiert
würden, welche dicht geh&uft waren, einen großen Kern besaßen und
sich an den Grund des Haarfollikels anschmiegten. Unna fand die
Talgdrüsen bisweilen normal, häufiger jedoch atrophisch ; niemals fand er
jedoch in den Haarcysten der Keratosis pilaris einen größeren Fettgehalt,
als man in dem Comedo der Akne beobachtet. Yeyri^res fand die
Talgdrüsen fehlend oder rudimentär; diese letzteren erschienen klein
und auch in ihrer Mitte von Zellen erfüllt, welche ihre gut unterscheid-
baren Wände beibehalten hatten. Dem genannten Autor gelang es häufig
nicht den Punkt der Einmündxmg der Talgdrüse in das keratotisehe
Knötchen aufzufinden, sondern er fand nur einen Zellstrang, welcher die
Drüse selbst mit der Follikel wand in Verbindung setzte.
Aus meinen Präparaten gebt hervor, daß das außer-
ordentlich häufige Fehlen der Talgdrüsen zu den
bedeutungsvollsten Veränderungen bei der Keratosis pilaris gezählt
werden muß. Bei gut acht der Fälle von Keratosis pilaris der
Extremitäten, und zwar sowohl der weißen, als der gemischten,
als auch der rein roten Form, die mir zur Beobachtung ge-
kommen waren, gelang es mir auch nicht einen einzigen Follikel
zu finden, welcher auch nur eine Spur einer Talgdrüse gezeigt
hätte; bei zwei anderen Fällen you Keratosis pilaris alba
gleichfalls der Extremitäten fSeuid ich unter einer bedeutenden
Zahl Ton Follikeln in jedem Falle nur einen einzigen, welcher
mit einer Talgdrüse versehen war, und diese war überdies noch
atrophisch ; bei den übrigen Fällen von Keratosis pilaris fanden
sich zwar mit Talgdrüsen versehene Follikel vor, waren jedoch
stets mit einer mehr weniger großen Zahl anderer untermischt,
die derselben vollstäüdig entbehrten, und diese letzteren bildeten
zumeist auch die Mehrzahl. In den früheren Untersuchungen
über Keratosis pilaris (d) sprach ich die Ansicht aus, daß bei
dieser Erkrankung ungefähr drei Fünftel der Follikel keine
Talgdrüsen besäßen; heute, wo ich über ein viel reichlicherea
Material verfuge, erscheint mir das Verhältnis bedeutend ge-
200 Giovannini.
stiegen, da ich annehmen darf, daß von sämtlichen untersuchten
Follikeln vier Fünftel der Talgdrüsen entbehrten.
Von den verschwundenen Talgdrüsen kann man nur bei
serienweiser Durchforschung der Querschnitte der Haut eine
deutliche Spur auffinden. In diesem Falle sieht man, daß die
Bindegewebsfasern des Derma oberhalb des Muskelansatzes and
genau an der Stelle der Talgdrüsen eine unregelmäßige An-
ordnung zeigen, in der Art, daß sie an die Aussackungen der
Talgdrüsen erinnern, welche vollständig zurückgegangen und
durch das umgebende Bindegewebe ausgeglichen worden sind.
Daß es sich dabei tatsächlich um die genannten Aussackungen
handelt, beweist der Umstand, daß sich im Umkreise dieser
unregelmäßig angeordneten Bindegewebsbündel noch hie und
da Gefäße vorfinden, welche ihrer Zahl, Größe und Verteilung
nach gerade an die der besprochenen Talgdrüsen erinnern.
Einige derartige Follikel mit den beschriebenen Spuren fanden
sich bei drei Fällen von Keratosis des Armes und in einem
der Unterschenkel; femer boten in einem Falle von Keratosis
der vorderen Schenkelfläche fast alle Follikel in äußerst deut-
licher Weise diese Spuren dar.
Bei einer Keratose der Seite der Brust (IX. Fall) fanden
sich zahlreichere Talgdrüsen als bei den anderen; hier sah
man in einigen aus 4 Follikeln bestehenden Gruppen zwei und
bisweilen auch drei (Taf. XI, Fig. 2, 7"), welche solche zeigten ;
aber auch in diesem Falle übertraf die Zahl der mit Talg-
drüsen versehenen Follikel diejenige der vollständig drüsenlosen
nur um ganz wenig. Über den Zustand der Talgdrüsen ist im
allgemeinen zu sagen, daß dieselben bisweilen in Bezug auf
Größe und Aussehen vollständig normal erscheinen, in anderen
Fällen dagegen atrophisch und rudimentär sind. Bei
der Beschreibung der Talgdrüsen dieser letzteren Art erscheint
es vorteilhaft, dieselben in drei Gruppen zu teilen, welche
geeignet erscheinen, die verschiedenen Typen darzustellen.
1. Gruppe. Die Talgdrüsen dieser ersten Gruppe be-
wahren ihre gewöhnliche Gestalt und Lagerung und enthalten
auch, wie gewöhnlich, sezemierende Zellen, sind aber mehr
oder weniger klein. Eine derselben erscheint zum Beispiele
an Längsschnitten durch die Haut aus drei birn- oder eiförmigen
ZvLT Histologie der Keratosis pilaris. 201
Acinis zusammengesetzt, welche getrennt in einen mittelgroßen
Follikel einmünden ; sie lassen sich nur durch 2 bis 3 Schnitte
der Serie verfolgen und besitzen eine maximale Länge von
84—140 f< und eine maximale Breite von 70 — 105 ft. Talg-
drüsen dieser Gruppe finden sich in einigen der zur Unter-
suchung verwendeten Hautstückchen in der Zahl von 1 — 3 in
jedem derselben.
2. Gruppe. Die Talgdrüsen dieser zweiten Gruppe, im
allgemeinen wenig zahlreich, sind außer durch ihre Kleinheit
auch noch durch den absoluten Mangel an sezernierenden Zellen
charakterisiert Ich will mich auf die Beschreibung dreier be-
schränken, welche durch die Buchstaben X, Y, Z bezeichnet
werden sollen, und welche ich alle in Querschnitten der Haut
beobachtete.
Die Dr&se X wird durch einen einzigen blinden Sack dargestellt»
'welcher in seiner Qänze die Gestalt einer mit dem dickeren Teile nach
anßen gewendeten Birne besitzt; sie nimmt vier Schnitte der Serie ein
und besitzt einen i^rößten Dorchmesser von 52 f. Der genannte Blind-
sack fugt sich an einen Follikel an, hält aber dabei nicht die gewöhnliche
Bichtnng "^on unten nach oben ein, sondern ist im Gegenteile von oben
nach unten gerichtet und bildet mit dem Follikel selbst einen Winkel
von ungefähr 45^; er besitzt, mit einem VSTorte, eine verkehrte
Stellung. Er umschließt nur Zellen vom Aussehen jener der Malpighi-
sehen Schichte, von denen die wandständigen Zylinderform besitzen und
palisadenformig angeordnet sind.
Die Druse Y (Taf. IX, Fig. 1 und 2 T) wird von zwei kurzen
Blindsäcken gebildet, deren Gestalt sich der einer Halbkugel nähert; sie
fließen in einem gemeinsamen Ansf&hrungsgange zusammen und be-
sitzen angleiche Größe, indem der größte Durchmesser der einen 87, und
der der anderen 70 fi beträgt. Die ganze Drüse läßt sich durch sechs
Schnitte der Serie verfolgen und enthält, wie im vorigen Falle, aus-
schließlich Zellen der Malpighischen Schichte. Gleich den normalen Talg-
drüsen hält sie eine schräg von unten nach oben und außen nach innen
verlaufende Richtung ein; anstatt aber wie normal in den Hals des
Follikels zu münden, mündet sie ungefähr an der Grenze zwischen mittlerem
und unterem Drittel desjenigen Teiles des Follikels, welcher zwischen
dem Trichter und dem Muskelansatze liegt, also viel tiefer als gewöhnlich.
Die Drüse Z bietet in Bezug auf ihre Lage nichts besonderes und
wird von zwei verschiedenen Blindsäoken gebildet, welche ungefähr die
Gestalt einer seitlich zusammengedrückten Birne besitzen und sich in
nächster Nähe des Follikels vereinigen; an diesen sind sie mit einem
sehr kurzen Ausfuhr ungsgange angeheftet. Beide Blindsäcke lassen sich
durch fünf Schnitte verfolgen und haben etwas verschiedene Größe; der
202 Giovannini.
eine mißt nämlich in leineo größten Darohmessem 105 — 122 a*, der
andere 35 — 52 m. Während der kleinere gleich den vorerwähnten X und T
nur Zellen der Malpighischen Schichte enthält, zeigt der andere größere
drei verschiedene Zonen: eine äußere, welche aus zwei bis drei Lagen
von Zellen der Malpighischen Schicht gebildet wird; eine mittlere, die
aus einigen Schichten mehr oder weniger abgeflachter Zellen von hom-
artigem Aussehen dargestellt wird; eine innerste, welche ans einer mit
Osroinmsäure sich intensiv und gleichmäßig färbenden Masse besteht,
von der man nicht sagen kann, ob sie von Hom oder reinem Fett gebildet
wird. Jedenfalls ist es klar, daß der Blindsack in diesem Falle eine
einer dünnen Epidermis entsprechende Auskleidung trägt.
Die beschriebenen Drdsen X, 7, Z fanden sich alle, wie schon
gesagt, in Querschnitten und deshalb läßt sich nicht genau bestimmen,
welche Länge sie besaßen; eine beiläufige Vorstellung von derselben kann
man jedoch aus dem Abstände erhalten, welcher zwischen dem Grunde
(Fnndus) der größeren Acini der Drüse selbst und der Wand des ent*
sprechenden Haarfollikels liegt. Dieser Abstand beträgt approximativ
bei der Drüse X 86 /», bei Y S7 f* und bei Z 122 fi. Jede dieser
genannten Drüsen gehörte zu einem Haarfollikel, welcher mehr weniger
groß und der größte der Gruppe war. Der Follikel, an welchem sich
die Drüse X angeheftet fand, trug in derselben Höhe, aber auf der ent-
gegengesetzten Seite eine andere Drüse, die nur aus einem einzigen
AcinuB bestand, ungefähr fünfmal so groß war und normales Aussehen
zeigte; die Follikel jedoch, welchen die Drüsen Y und Z lugehörten,
besaßen weiter keine Drüsen.
3. Gruppe. Die Drüsen dieser Gruppe, von denen sich mehrere
vorfanden, stellen eine einfache, regelmäßig konkave, wenig tiefe aber so
hohe Ausbuchtung dar, daß sie den größten Teil derjenigen Strecke der
Follikelwand einnimmt, welche sich vom Ansätze des Muskels bis zum
Halse des Follikels erstreckt (Taf. XI, Fig. 5, b). Nebenbei möchte ich
daran erinnern, daß ich eine analoge Ausbuchtung bei der der elektro-
lytischen Depilation folgenden Atrophie der Talgdrüsen gefunden habe («).
Bei einigen Fällen bemerkt man außer dieser Ausbuchtung auch noch in
der im übrigen normalen äußeren Wurzelscheide mehr weniger große
Epithelzellen, welche einen fettigen Inhalt besitzen und vollkommen jenen
der gewöhnlichen Talgdrüsen gleichen (Taf. XH, Fig. 1). Diese Zellen
sieht man zumeist im Bereiche- des oberen Teiles der genannten Aus-
buchtung, wo sie die Zahl von 8 — 11 in jedem Schnitte erreichen, doch
findet man sie nur durch die Höhe einiger weniger Schnitte; bisweilen
sieht man sie im ganzen Umkreise der äußeren Wurzelscheide zerstreut,
aber gewöhnlich überwiegen sie in der Nachbarschaft der Ausbuchtung.
Soll man die Talgdrüsen der genannten drei Gruppen als
nicht normale ansehen? Diese Frage dürfte hier durchaus
nicht überflüssig erscheinen, da zu wiederboltenmalen geschrieben
wurde, daß die Talgdrüsen besonders der Extremitäten auch
Znr Histologie der Keratosis pilaris. 203
anter normalen Verhältnissen ein sehr wechselndes Volumen
besitzen, ja bisweilen sogar rudimentär werden. Dazu ist nun
zu bemerken, daß, wenn man sich in der normalen Haut auch
bisweilen mehr weniger kleinen Talgdrüsen, die der ersten der
ebenerwähnten Gruppe angehören, gegenübersehen kann, diese
sich doch bei der Keratosis pilaris in einer außergewöhnlich
großen Häufigkeit vorfinden. Talgdrüsen der 2. und 3. Oruppe
jedoch konnte ich bis jetzt niemals trotz der großen Zahl der
Haare finden, die zu untersuchen ich bis jetzt Gelegenheit
hatte; auch Fusari, welcher kürzlich die rudimentären Talg-
drüsen der normalen Haut zum Gegenstande seiner Unter-
suchungen machte, tut derselben keinerlei Erwähnung. Ich
glaube deshalb, daß das Vorkommen der Talgdrüsen der ge-
nannten drei Gruppen bei der Keratosis pilaris aus dem einem
und dem anderem Grunde eine Abnormität darstellt, die mit
der Keratosis selbst im Zusammenbange steht.
Interfollikuläre Haut
Beginnen wir mit dem Stratum Malpighi:
Der eine der früheren Autoren fand dasselbe fast normal (Y e y r i e r e s),
der andere von sehr wechselnder Dicke (Lemoine), noch ein anderer
an sehr vielen Punkten rein atrophisch, in der Art, daß es auf 3 — 4 Lagen
sehr protoplasmaarmer Zellen beschränkt war, welche von dem stark
granulierten Kerne fast aasgefallt wurden (Audry), wieder ein anderer
in der N&he der Haarfollikel hypertrophisch (Jacquet). Das Stratum
basale wurde bald normal befunden (Audry), bald nicht deutlich
(Yeyri^res), bald aus hohen und verlängerten Zellen bestehend
(Lemoine). Lemoine fand das Stratum granulosum nur sehr schwach
markiert; von den anderen Autoren hat es der eine gesehen (Yeyrieres)
und der andere nicht (Audry). Der eine sah das Stratum corneum aus
breiten, verlängerten Zellen gebildet, welche in einer großen Zahl von
Schichten angeordnet waren, von denen in sehr unregelmäßiger Weise
Abschuppung erfolgte (Lemoine), ein anderer leicht verdickt und aus
kernlosen Zellen bestehend, welche lamellös abschuppten (Audry), wieder
ein anderer an Dicke nicht vermehrt (Yeyrieres). Unna fand nur in
einigen Fällen eine allgemeine Yerdickung des Stratum corneum.
In meinen Präparaten zeigte die Malpighische Schichte
der interfollikulären Epidermis in Bezug auf ihre Struktur gar
keine Unregelmäßigkeiten ; ihre Dicke ist nach sehr zahlreichen,
mit gesunder Haut angestellten Vergleichen zumeist normal
und nur bei wenigen Fällen etwas geringer als normal. Über
204 Giovannini.
das Stratum granulosum und lucidum habe ich nichts besonderes
zu berichten. Das Stratum comeum, das betreffs seiner
Struktur keine Besonderheiten bietet, zeigt sich bald von der
gleichen, bald von größerer, bald von geringerer Dicke als das
der normalen Epidermis ; auch an einem und demselben Längs-
schnitte durch die Haut wechselt seine Dicke nicht selten von
einem Punkte zum anderen. Im wesentlichen kann man sagen,
daß die interfollikuläre Epidermis bei einem Teile in jeder
Beziehung normal erscheint; bei den übrigen Fällen findet man
bisweilen eine Verdünnung des Stratum Malpighi und comeum,
bisweilen eine Verdickung dieses letzteren. Auf jeden Fall
handelt es sich aber nur um so geringe Unterschiede, daß es
ungewiß bleibt, ob man ihnen eine pathologische Bedeutung
zuschreiben soll oder nicht.
Lemoine fand die Papillen bei der Keratosis pilaris atrophisch
und an gewissen Punkten auch verschwunden ; Jacqaet dagegen sah sie
in der Nähe der Haarfollikel deformiert und verbreitert. Ich konnte an
den Papillen nur folgende Unregelmäßigkeiten erheben: die im Umkreise
der Trichter und gemeinsamen Öfinungen stehenden waren bisweilen
etwas stärker als gewöhnlich entwickelt.
Lemoine fand das Derma nicht nur dichter als normal ans Binde-
gewebsbündeln gebildet, welche in paralleler Bichtung zu verlaufen
streben, und besonders in nächster Nähe der Haarfollikel im ganzen ver-
dickt, sondern er fand auch das Netz der elastischen Fasern bedeutend
verstärkt, vor allem in der mittleren Gegend des Derma. Auch Audry
bemerkte, daß die Entwicklung des elastischen Netzes wohl etwas ge-
steigert war. In Bezug auf die Dicke des Derma, und in Bezug auf die
Dicke und Dichte seiner Bindegewebsbündel konnte ich nichts abnormales
erheben. Was das elastische Gewebe betrifft, so erhielt ich dasselbe nur
in wenigen nach Flemming fixierten Hautstfickchen gut gefärbt, so
daß ich nicht in der Lage bin, ein Urteil über seinen Zustand abzugeben.
Lemoine beobachtete, daß sich das Derma in den keratotisohen
Knötchen im ganzen erhob, so daß es eine Art spitzer Hervorragungen
bildete. Ich habe dagegen gefunden, daß das um die Trichter und
gemeinsamen Öfi&iuogen der Follikel befindliche Derma bei dem größeren
Teile der Fälle keinerlei Erhebungen bildete, und daß es nur wenigemal
etwas emporragt und so gleichsam einen kleinen Hof bildete.
Soweit es die bei der Präparation der Haut zu den vorliegenden
Untersuchungen angewendeten Methoden erlaubten, konnte ich im Hypo-
derma keine Abnormitäten erkennen. Doch möchte ich daran erinnern,
daß Unna ein einzigesmal daselbst kollagene Substanz gefunden hat, welche
zwischen dem Fettgewebe lag and sich in schleimiger Degeneration befand.
Zar Histologie der Keratosis pilaris. 205
Aaf Audry machten die Schweißdrüsen den Eindraok, als seien
sie erstickt, sicher aber in ihrer Entwicklung gestört und auf dem Wege
der Sklerosierung. Unna fand in den Ausführungsgängen dieser Drüsen
häufig eine Verdickung des Stratum corneum, wie sie in gleicher Weise
an den Mündungen der Haarfollikel vorkommt. In meinen Präparaten
seigte der größte Teil der Schweißdrüsen keinerlei Veränderungen; doch
konnte ich einige Male beobachten, daß das Hom an den Mündungen
der Schweißdrüsen etwas verdickt war; diese Verdickung war aber die
gleiche wie jene, welche man bisweilen auch an den Poren vollständig
gesunder Haut beobachtet, so daß es auch hier unentschieden blieb, ob
dieselbe für unseren speziellen Fall tatsächlich eine pathologische Be-
deutung besitzt. In einigen Hautstückchen konnte ich nur sehr wenige
Schweißdrüsen zählen; in anderen erschienen ein oder zwei Glomeruli
wie zusammengedrückt, und mit sicheren Zeichen von Atrophie behaftet
(Verdünnung und Unregelmäßigkeit der Gestalt des Tubulus, die Glashaut
verdickt, die Zellkerne deformiert und intensiv schwarz gefärbt) ; doch
wage ich nicht zu entscheiden, ob diese Verhältnisse in Verbindung mit
der Keratosis pilaris gebracht werden dürfen.
EntzOndliche Veränderungen.
Audry bemerkte in der von Keratosis pilaris befallenen Haut
keine Spur von Entzündung oder Infektion. Lemoine dagegen fand
hier charakteristische Zeichen einer recht aktiven Entzündung. Die
Haarfollikel erscheinen nach diesem letzteren Autor vom Bulbus, und
hier besonders zahlreich, bis zum Halse von embryonalen Zellen umgeben:
diese Zellen erstreckten sich hie und da in das interfollikuläre Derma
und bildeten in der Nachbarschaft der Lymphräume unregelmäßige An-
häufungen. J a c q u e t fand sowohl in den Papillen als auch in dem sub-
papillaren und perifollikulären Derma Infiltrate von Lymphzellen; er
fand auch das tiefe Ende rudimentärer Haare von Bindegewebe umgeben,
das reich an jungen Zellen war. Unna versichert mit Entschiedenheit,
daß bei der Keratosis pilaris eine, wenn auch geringgradige Entzündung
bestehe. Er beobachtete nämlich sowohl in der Umgebung der Follikel
als auch im interfollikulären Derma konstant eine Neubildung von Binde-
gewebszellen bald geringeren, bald höheren Grades und bei ungefähr
einem Drittel der Fälle eine dauernde Erweiterung der Gefäße. Er fand
keine Plasmazellen, sondern nur zahlreiche Mastzellen; an keiner Stelle
vermochte er eine lokale Leukocytose festzustellen.
In einem der von mir der Untersuchung unterzogenen
Haatstückchen von Keratosis pilaris (Fall VII) findet man
keinen einzigen Follikel, welcher eine Spur einer Entzündung
aufvreisen würde; in jedem der übrigen Hautstückchen jedoch
fanden sich nur ein oder mehrere Follikel, welche frei von
Entzündung waren. Daraus geht hervor, daß die Keratosis
206 Giovannini.
pilaris, und zwar die weiße und rote wie auch gemischte Form
bisweilen nicht von entzündlichen Erscheinungen begleitet zu
sein braucht
Doch finden sich bei der Keratosis pilaris auch Follikel,
in deren Umgebung eine bald mehr, bald weniger bedeutende
Entzündung besteht, und diese bilden im ganzen die Mehrzahl
gegenflber denjenigen, bei denen die Entzündung selbst fehlt
In diesem Falle handelt es sich zumeist um einen Beizzustand
der Follikelscheide und des perifollikulären Derma, der nur
durch eine Vermehrung der Zahl und des Volumens der fixen
Bindegewebszellen, und zwar sowohl der perivaskulären als
auch der interraskulären charakterisiert ist. Seltener schon
findet mau eine zellige Infiltration, welche außer aus hyper-
trophischen Bindegewebszellen auch aus Rundzellen und aus*
nahmsweise auch aus einer gewissen Zahl von polynucleären
Leukocyten gebildet wird. Die Infiltration erreicht zumeist nur
einen geringen Grad (Taf. X, Fig. 3), und es kommt nur sehr
selten vor, daß sie mehr weniger ausgedehnte Knoten bildet
(Taf. IX, Fig. 4 ; Taf. X, Fig. 6). Nur wenige Male konnte ich
feststellen, daß diese Infiltration von einer leichten Erweiterung
der Gefäße begleitet war, sowie es auch nur selten geschieht, daß
eine kleine Zahl von Leukocyten zwischen die Zellen der
äußeren Wurzelscheide oder der Malpighischen Schichte der
Trichter und gemeinsamen Mündungen der Haarfollikel ein-
wandert. Eine Hyperplasie der äußeren Wurzelscheide konnte
ich nur an drei Follikeln beobachten und stets nur an solchen
mit verkrümmten Haarschäften.
Sowohl der einfache Reizzustand als auch die zellige
Infiltration haben in der Mehrzahl der Fälle in der Umgebung
der Trichter und gemeinsamen Follikelmündungen ihren
Sitz ; außer an diesen Stellen findet man zellige Infiltration
recht häufig auch in demjenigen Teile des Follikels, welcher
den Talgdrüsen entspricht, und ganz besonders dicht oberhalb
der Ansatzstelle des Musculus erector; nur selten und nur an
kleinen Follikeln erstreckt sich die Infiltration noch tiefer
80 daß sie bisweilen bis zum Fundus des Follikels reicht
Im allgemeinen kann man sagen, daß die entzündlichen
Zur Histologie der Keratosis pilaris. 207
iDfiltrationen an denjenigen Punkten vorherrBchen, welche
entweder von yerkrümmten Haarschäften gereizt werden
und diese umschließen, oder aber in der Umgebung oder dicht
unter solchen Trichtern und gemeinsamen Mündungen, welche
einen großen und kompakten Homzapfen enthalten.
Veyrieres fand niemals eine Spur von embryonaler
Infiltration an jenen Stellen, wo ein aus dem Follikel ausge-
tretenes Haar in das Bindegewebe des Derma eingedrungen
war. Meine Untersuchungen bestätigen jedoch diesen Befund
nur zum Teile. Bei einigen Fällen nämlich sah ich nicht die
geringste Spur einer Entzündung in der Umgebung des aus
dem Follikel ausgetretenen Teiles des Haarschaftes ; bei anderen
Fällen jedoch, welche gewiß die Mehrzahl bilden, bestand eine
mehr oder weniger hochgradige Infiltration (Taf. IX, Fig. 4).
Auch dort, wo die Follikel vollständig zerstört waren und wo
demnach die Haarschäfte isoliert mitten im Derma lagen, be-
stand hie und da zellige Infiltration.
In dem interfoUikalären Derma kana man nicht selten bemerken,
daß die Gefäße des oberflächlichen Netzes dilatiert sind and daß die
perivaskulären Bindegewebszellen gegen die Norm bedeutend an Zahl ver-
mehrt erscheinen; diese Yermehrung erreicht jedoch zumeist nur einen
geringen Grad und nur selten an vereinzelten Stellen einen mittleren.
An den tiefen Gefäßen konnte ich nur ein einzigesmal an einer in der
Nähe des Grundes eines Haarfollikels verlaufenden Arterie einen mäßig !
großen Infiltrationsknoten auffiinden.
Zuweilen gelingt es in dem zelligen Infiltrate besonders in der
Nachbarschaft der aus den Follikeln ausgetretenen und in das Derma
eingedrungenen Haarschäfte, und wo diese zu degenerieren und sich
aufzulösen beginnen, nicht nur epitheloide Zellen zu beobachten, sondern
auch Biesenzellen. Dieselben finden sich bald nur in geringer Zahl
(Taf. XL Fig. 4), bald in mehr oder weniger bedeutender Zahl; sehr
zahlreich waren sie in nächster Nähe zweier Follikel vorhanden, von
denen der eine zum großen Teile zerstört und auf eine oberflächliche
Depression des Derma zurückgeführt worden war (Taf. XH, Fig. 6).
Epilog.
Im wesentlichen geht aus den vorliegenden Untersuchungen
hervor, daß sich bei der Keratosis pilaris zahlreiche und ver-
schiedenartige Veränderungen vorfinden, welche hauptsächlich
den Haarapparat betreffen.
208 Giovannini.
Die Haarfollikel münden häufiger als normal in gemein-
samer Mündung (Apertura communis) ; diese ist häufig tiefer als
normal und bisweilen auch in ihrer Gestalt verändert (ampullen-
formig oder zylindrisch). Einige Follikel münden auch, anstatt
nach außen, in einen benachbarten Follikel.
In Ausnahmsfällen erscheint der ganze Follikel ganz
abnorm klein.
Bei einem Teile der Follikel fehlt der Trichter oder ist
nur wenig ausgebildet, bei anderen ist er wiederum tiefer als
normal; in diesem letzteren Fall besitzt er selten einmal auch
die ungewöhnliche Oestalt eines Kelches. Die Tiefenvergrößerung
des Trichters führt notwendigerweise zu einer Verkürzung des
Follikelkörpers ; dieser letztere zeigt sich auch in manchen Fällen
in mannigfacher Form und Richtung unregelmäßig erweitert.
Die Vergrößerung der Trichter und gemeinsamen Mündungen
der Follikel nach der Breite bringt natürlich auch eine ent-
sprechende Ausbreitung der bekleidenden Epidermis mit sich,
wie umgekehrt die Verkürzung des Follikelkörpers auch eine
solche der entsprechenden äußeren Wurzelscheide zur Folge hat.
Die die Trichter und gemeinsamen Mündungen der Haar-
follikel auskleidende Epidermis zeigt bisweilen eine atrophische
Malpighische Schicht. Die von ihr erzeugten Hornmassen häufen
sich daselbst an und veranlassen eine Hyperkeratose. Femer
findet man die äußere Wurzelscheide häufig im Zustande
abnormer Verhornung; diese befällt häufig sogar die Epithel-
zellen der Ausbuchtung des Muskelansatzes (Homperlen).
Infolge des abnorm häufigen Vorkommens gemeinsamer
Mündungen finden wir auch die Haare viel häufiger als ge-
wöhnlich zu Bündeln vereint. Die einzige konstatierte Ver-
änderung der Haare selbst besteht übrigens nur in der
Trichorrhexis.
Die innere Wurzelscheide zeigt nicht selten eine ganz
abnormale Kürze ihres verhornten Teiles.
An dem größten Teile der Haarfollikel fehlen die Talg-
drüsen vollständig oder sind atrophisch und rudimentär.
Die Hornmassen, welche die Trichter und gemeinsamen
Mündungen verstopfen, verhindern häufig auch den Austritt
der Haarschäfte, die sich infolgedessen in der mannigfachsten
Zur Histologie der Eeratosig pilaris. 209
Weise yerkrümmen, Ortsveränderungen erleiden und sogar in
das benachbarte Derma eindringen. Diese Zurückhaltung der
Haare bietet ihrerseits wieder Veranlassung zu umschriebenen
Erweiterungen und Verkrümmungen der entsprechenden Haar-
follikel und zu Verzerrungen und Verschiebungen der Musculi
erectores und bisweilen auch zu Störungen in der äußeren
Wurzelscheide.
Eine gewisse Zahl von Haarfollikeln wird zerstört und zu
einfachen, meist oberflächlichen Höhlungen reduziert, welche
von gewöhnlicher Epidermis ausgekleidet sind ; bisweilen geschieht
es auch, daß die Haare cystisch eingeschlossen werden und im
Derma verbleiben.
Entzündliche Erscheinungen finden sich häufig, jedoch
nicht konstant. Wo sie bestehen, werden sie zumeist nur durch
einen einfachen Reizzustand oder häufiger noch durch eine ge-
wöhnlich leichte, zellige Infiltration dargestellt. Im allgemeinen
überwiegen sie in der Umgebung der Trichter und gemeinsamen
Mündungen, welche große und dichte Hornzapfen enthalten und
dort; wo die Haarschäfte infolge ihrer Verkrümmung die Wände
der Haarfollikel reizen und verwunden. Bisweilen bilden sich
auch epitheloide und Riesenzellen. Im interfollikulären Derma
findet man keine entzündlichen Veränderungen, sondern man
bemerkt nur eine einfache Erweiterung der oberflächlichen Ge-
fäße und einen leichten Reizzustand ihrer Perithelien.
Unter den verschiedenen Veränderungen bei der Keratosis
pilaris erweisen sich einerseits die Vergrößerung der Trichter
und gemeinsamen Mündungen der Haarfollikel und andererseits
die Vermehrung der Zahl der letzteren als besonders bedeutungs-
voll; diese beiden Umstände können in der Tat die Bildung
jener Homansammlungen veranlassen und begünstigen, welche
vom klinischen Standpunkte aus als pathogoomonisch iür diese
Erkrankung angesehen werden können.
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210 Giovannini
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Erklärung clor AbbUdanseii aaf Tat. VIII— ZU.
Die mit einem Stern (* Fig.) bezeichneten Längsschnitte der Haar-
follikel sind känstlich dargestellte; alle übrigen Schnitte, sowohl long!-
tndinale als transversale sind reale.
In den einzelnen Tafeln bezeichnen die an einer Seite nebjn dem
kfinstlichen Längsschnitte stehenden Zahlen die Lage der entsprechenden
realen Qaerschnitte.
Alle Zeichnungen stammen von in Flemmingscher Lösung
fixierter Ebnt. A = Follikel des größten (Haapt-) Haares. BQDzz Follikel
der kleineren (Neben-) Haare. gO zi Apertnra communis der Haarfollikel
(gemeinsame Öffnung). Hp =; Hornperle. T zi Talgdrüse.
Bezüglich der Bedeutung der weiteren Einzeluheiteu in den Ab-
bildungen sehe man im Texte nach.
Taf. YHI, Fig. 1. Längsschnitt eines Haarfollikels. Keratosis pilaris
mixta der Außenfläche des Armes vom XYlIl. Falle« Yergrößarung
46 Diameter. Fig. 2. Senkrechter Schnitt durch die Haut in der Gegend
des oberen Teiles eines Haarfollikels. Rein weiße Keratosis pilaris der
Hinterfläche des Armes vom V. Falle. Vergrößerung 51 Diameter. Fig. 8.
Längsschnitt durch eine Gruppe von zwei Haarfollikeln. Keratosis pilaris
mixta der Außenfläche des Armes vom XVIII. Falle. Vergrößerung
60 Diameter. Fig. 4 und 6. Querschnitte durch die in Fig. 8 darge-
stellte Gruppe Yon zwei Follikeln.
Taf. IX, Fig. 1. Längsschnitt durch eine Gruppe von zwei Follikeln.
Keratosis pilaris mixta der Skapulargegend vom XI. Falle. Vergrößerung
62 Diameter. Fig. 2. Querschnitt durch die in Fig. I darj<esteUte Gruppe
Ton zwei Haaren. Fig. 3. Längsschnitt durch eine Gruppe von zwei
Haaren. Keratosis pilaris mixta der Außenseite des Armes yom XVI IL Falle.
Tergrößemng 37 Diameter. Fig. 4. Querschnitt durch die Apertnra
commnnit der zwei in Fig. 8 dargestellten Haarfollikel. Fig. 6. Senk-
14*
212 Giovannini.
rechter Schnitt darch die Haut betreffend eine (trappe von zwei Haar-
follikeln. Keratosis pilaris mizta der Vorderfläche des Oberschenkels
vom XVI. Falle. Vergrößerung 84 Diameter.
Taf. X, Fig. 1. Längsschnitt durch eine Orappe von awei Haar-
follikeln. Weiße Keratosis pilaris mit leichter Rötung der zwischenliegea-
den Haut von der Skapulargegend vom XI. Falle. Vergrößerung 34 Diameter.
Fig. 2, 8, 4. Querschnitte durch die Apertura communis der in Fig. 1
dargestellten Gruppe von zwei Haarfollikeln. Fig. 5. Längsschnitt durch
eine Gruppe von drei Haarfollikeln betreffend ihren oberen Teil. Rein
weiße Keratosis pilaris der Hinterfläche des Armes vom V. Falle. Ver-
größerung 80 Diameter. Fig. 6. Querschnitt durch die in Fig. 5 darge-
stellte Gruppe von drei Follikeln.
Taf. XI, Fig. 1. Senkrechter Schnitt durch die Haut in der
Gegend der Apertura communis einer Gruppe von drei Haarfollikeln. Rein
weiße Keratosis pilaris der Skapulargegend vom III. Falle. Vergrößerung
84 Diameter. Fig. 2. Längsschnitt durch eine Gruppe von vier Haar-
follikeln. Rein weiße Keratosis pilaris der Skapulargegend vom III. Falle.
Vergrößerung 44 Diameter. Fig. 8. Längsschnitt durch einen Haar-
follikel. Weiße Keratos's pilaris mit leichter Rötung der zwischenliegen-
den Haut der Schultergegend vom XI. Falle. Vergrößerung 62 Diameter.
Fig. 4. Querschnitt durch den in Fig. 3 dargestellten Follikel. Fig. 6.
Längsschnitt durch einen Haarfollikel. Rein rote Keratosis pilaris mit
Rötung der dazwischenliegenden Haut aus der Glutaealgegend vom
XXIL Falle. Vergrößerung 82 Diameter.
Taf. XII, Fig. 1. Querschnitt durch einen Haarfollikel ungefähr an
der Grenze zwischen dem mittleren und oberen Drittel jener Strecke
seiner Länge, welche zwischen dem Trichter und dem Muskelansatze
liegt. Reinrote Keratosis pilaris mit Rötung der dazwischenliegenden
Haut von der Glutaealgegend vom XXÜ. Falle. Vergrößerung 900 Diameter.
Fig. 2. Querschnitt durch einen Haarfollikel in der Höhe der Epithelial-
fortsätze, welche von der äußeren Wurzelscheide an der Ansatzstelle des
Musculus erector gebildet werden. Reinrote Keratosis pilaris mit rot-
violetter Färbung der zwischenliegenden Haut aus der regio cozo-
femoralis vom XXIII. Falle. Vergrößerung 52 Diameter. Fig. 8. Längs-
schnitt durch einen Haarfollikel. Keratosis pilaris mixta der Außenfläche
des Unterschenkels vom XVII. Falle. Vergrößerung 46 Diameter. Fig. 4.
Querschnitt durch den in Fig- 8 dargestellten Haarfollikel. Fig. 5.
Längsschnitt durch eine Gruppe von zwei Haarfollikeln. Weiße Keratosis
pilaris mit leichter Rötung der dazwischenliegenden Haut von der Hinter-
(läche des Armes vom X. Falle. Vergrößerung 35 Diameter. Fig. 6.
Querschnitt durch die Gruppe der beiden in Fig. 5 dargestellten HaarfoUikeL
Aas dem italienischen Manuscripte übersetzt von Dr. Th. Spietschka,
Brunn.
Archiv f. Dermatologie U.Syphilis Band LXIU.
r.iovanniiii-ZurKisii)loi[iP derKeratusis pilaris
Archiv f. Oermalologie u Syphilis Band LXIll.
•FigJ.
'Fig. 3.
Giovannini:ZurHistoloi)iP der Keratosis tiilari
Archiv f.Dermalologie u Syphilis Band LXIU. TAF, X.
Fig. 2.
^Fiff.f.
C A B
C.iovannini-ZurHistoloyiP il er Keratosis pilaris
Archiv f. Dermatologie u Syphilis Band LXIH.
'Fig. 2
Fi^-1.
(■iiov<innini'ZurHisT(ilot|iPilerKfi-aliisis piUu
Archiv f. Dermatologie u Syphilts Band LXm TAFXn
rtg-z
^Q»Ji
Figt
;'<rS!^-^''»-'~--
GiovanniTii-ZurHistolntjieilprKi'ralosis pilar
Ans der Abtheilung fär Eaat- und venerische Zrankheiten des
St. Stephanspitals in Budapest.
(Vorstand Prof. Dr. S. Rona.)
Zur Ekzemfrage.
n. Gibt es ein „Reflex-Ekzem'' J)
Von
Dr. J. Csillag.
Wir kennen zwei Arten der Verbreitung des Ekzems.^)
Die eine ist diejenige, bei welcher an der Peripherie des bereits
vorhandenen Ekzems kontinuierlich die Entwicklung neuen
Ekzems stattfindet; diese ist die Verbreitung per conti-
nnitatem. Die zweite Verbreitungsweise ist diejenige, bei
welcher in geringerer oder größerer Entfernung vom primären
Ekzemherd, durch gesunde Hautflächen getrennt, an einer oder
mehreren Stellen ein Ekzem mit ähnlichem Symptomenbilde
und Verlaufe auftritt. Diese nennt man nach der behufs Er-
klärung aufgestellten Theorie Verbreitung auf dem Wege
des Reflexes, das Ekzem selbst nennt man Reflexekzem
«Tochterekzem".
Diese letztere Yerbreitungsweise erklärt Kaposi*) folgendermaßen:
B. . . . oder die Erkrankung steigert sich zugleich dadurch, daß an ent-
fernten Eörperstellen neue Ausbrüche erfolgen.
Um letzteres zu begreifen, muß man wissen, daß mit dem Auf-
treten eines akuten Ekzems das Hautorgan in der Weise krankhaft
alteriert wird, daß dasselbe nunmehr auf geringe Hautreize , auf
dem Wege reflektorischer Gefäßalteration vom Ekzem befallen
wird.
*) Vorgetragen in der dermatol. u. urolog. Sektion des Budapester
königl. Ärztevereins. Novembersitzung 1901.
*) Ekzem = im Sinne der Wiener Schule aufgefaßt.
214 Gsillag.
Insbesondere zeichnet sich in dieser Beziehung das Gesicht (Ohren,
Angenlider) ans, das sofort reflektorisch an Ekzem erkrankt, wenn
an einer entfernten Körperstelle z. B. am Skrotum ein akuter Ekzem-
ausbruch stattgefunden hat."
Ungefähr das nämliche sagt H. Hebra (2): 9. . . . Tritt an einer
Extremität und speziell an einer Gelenkbeuge ein akutes Ekzem auf,
oder wird es dort künstlich hervorgerufen, so findet man einige Tage
später auch die korrespondierenden Stellen der anderen Seite in der
gleichen Weise erkrankt. Diese Erscheinung läßt sich nur erklären, daß
das zweite Ekzem reflektorisch durch Fortpflanzung des Reizes
längst der Nerven zum Zentrum und von dort auf die andere Seite pro-
jiziert aufgetreten ist. Als Analogien wären die sympathischen Augen-
affektionen anzusehen.**
Bei Eromayer (8) finden wir das Folgende: „. . . Nehmen wir als
Beispiel eine oberflächliche Hautentzündung, hervorgerufen durch die
Behandlung einer Hautwunde mit Jodoform. Trotzdem nach dem ersten
Zeichen der Entzündung alles Jodoform aufs sorgfältigste entfernt und
die weitere Anwendung streng vermieden wird, schreitet die Entzündung
weiter, anfänglich per continuitatem, später sprungweise, so daß bei
ursprünglichem Sitze etwa auf der Hand plötzlich das Gesicht, der Hals
oder der Oberkörper ergriflen wird. Sie kennen diese Yerbreitungssrt
bei den Hyperämien, bei welchen sie auf vasomotorischem Wege entsteht.
Supponieren wir einen trophisch-reflektorischen Einfluß, so
erklärt sie sich zwanglos auch bei den Entzündungen.**
An einer anderen Stelle sagt erfolgendes: „Anstatt einer trophisch-
reflektorischen Störung können wir auch vielleicht verständlicher und
anschaulicher von erhöhter Beizbarkeit oder reizbarer Schwäche der Haut
sprechen. Durch den lokalen Reiz und die nachfolgende lokale Entzün-
dung ist nicht nur die betreffende Hautstelle in einen Zustand reizbarer
Schwäche versetzt, sondern die ganze Haut, oder doch Teile, besonders
benachbarte sind mitergriffen.**
Wenn wir noch die obigen Darlegungen mit folgender
Ansicht von F. y. Hebra (4) ergänzen:
„Aus dem symmetrischen Auftreten der Ekzeme, gewöhnlich gleich-
zeitig an beiden EÖrperhälften läßt sich auf eine ursprüngliche
Beteiligung des Nervensystems schließen . . . und es wird des-
halb kein zu gewagter Schluß sein, wenn wir uns zu dem Ausspruch
berechtigt glauben, daß auch bei der Ekzemerzeugung die krankhafte
Innervation die Hauptrolle spielt.**
Dann habe ich mit diesen Zitaten ungefähr ein volles Bild
Ton dem in dieser Frage eingenommenen Standpunkte der Wiener
dermatologischen Schule gegeben. Kurz läSt sich derselbe in
folgendem zusammenfassen :
Zar Eczemfrage. 215
Jene akuten, sekundären Ekzeme, welche von der Stelle des
infolge direkter Einwirkung des Reizes und als Resultat des-
selben aufgetretenen, primären^ akuten Ekzems weiter entfernt,
gleichsam gesunde Hautpartien überspringend auftreten, ver-
danken ihr Zustandekommen dem Umstände, daß einerseits
die Einwirkung des Reizes, andererseits das daraufhin auf-
tretende Ekzem in dem zu ihrem Gebiete gehörenden Haut-
nervenendigungen eine derartige Irritation zu stände bringen,
welche auf den Nervenbahnen ins Zentrum gelangend, hier
eine sich auf die Oesamthautdecke oder nur auf einzelne
Gebiete — Prädilektionsstellen für das sekundäre Ekzem —
sich erstreckende angioneurotische (Kaposi) oder tro-
phische (Eromayer) Störung hervorruft, eine derartige
Störung, welche die gesamte Hautdecke, beziehungsweise jene
gewissen Partien derselben entweder nur geeignet macht für
die schnelle Entwicklung des Ekzems auf einen beliebigen
geringen Reiz hin oder auch selbst schon Ekzem zu erzeugen
im Stande ist.
Das ist die Reflexekzemtheorie. Für diese Theorie
sprächen: das Auftreten des akuten Ekzems auf symmetri-
schen Stellen, die schnelle Reaktion mit Ekzem
des größten Teiles der Hautdecke oder der ganzen
Hautdecke auf geringe Reize hin, wie Druck (?), Reiben (?),
Eratzen (?),') Benetzen mit Wasser etc. beim Auftreten vom
primären akuten Ekzem, das der Entwicklung des Ekzems vor-
ausgehende und das Ekzem bis zum Schlüsse begleitende, hoch-
gradige Jucken, endlich die Fälle der sog. neurotischen
Ekzeme. Als derartige Ekzeme werden nämliph die mit dem
Zahnen, der Hysterie, der Pubertät, der Gravidität, der Klimax etc.
in Zusammenhang gebrachten Ekzeme aufgefaßt.
Trotz der Plan sibili tat der Theorie, trotz dieser f&r sie spreohenden
Momente, ist sie doch nicht allgemein akzeptiert. Fär nicht wahrschein-
lich hält dieselbe Th. Yeiel (5); Jar i seh (6) kann dieselbe nicht mit Be-
stimmtheit akzeptieren, am meisten dagegen sind die Franzosen; unter
ihnen in erster Linie Besnier (7), der — ich zitiere hier seine Ansicht
im vollen umfange — folgendes sagt:
„Wir haben schon an einer anderen Stelle bemerkt, da0 diese Er-
klärung sich nicht behaupten kann, wir haben keinen Beweis dafür, daß
') 8. die vorangehende Arbeit Prof. Rona's.
216 Csillag.
einzig und allein dadarch, daß an irgend einer Partie der Hautdecke ein
alrates d. h. im allerersten Stadiam der Entwioklang begriffenes Ekzem
Bogegen ist, auch eine andere Partie der Hantdecke in die Qewalt des
Ekzems fallen würde. Es ist möglich, daß dieses sekundäre Auftreten
des Ekzems denselben Ursprung hat, wie das primäre, aber es ist auch
möglich, daß die Ursachen erst später werden festgestellt werden können,
doch in keinem Falle ist es notwendig, daß wir uns der Theorie des
reflektorischen Transfertes zuwenden, welches übrigens nur bezüglich der
homologen Punkte als Erklärung betrachtet werden könnte.
Es ist am wahrscheinlichsten, daß aus dem infizierenden Ekzem-
herd stammende Stoffe bakterieller und toxischer Natur sowohl in die
nähere als auch in die weitere Sphäre gelangen und dadurch ekzematöse
Veränderungen zu stände bringen, teils auf chemischem Wege, teils auf
die Weise, daß sie an den weniger widerstandsfähigen Punkten der Ebnt
d. h. an den Stellen der Follikelmündungen auf dem Wege der Inokulation
präekzematöse, primäre und mikrobielle Epidermititiden erzeugen. **
Wie wir aUo ersehen, ist die Ursache des Auftretens des
sekundären akuten Ekzems noch nicht yöllig klargelegt. Über
Beweise, die jeden Zweifel ausschließen, verfügen weder die
Anhänger der Reflextheorie noch die Gegner derselben.
Die Argumente der Reflextheorie sprechen nur scheinbar
für dieselbe, ebenso können dieselben gegen sie Torgebracht
werden.
Nehmen wir dieselben Punkt für Punkt vor.
Wir wollen zunächst die Symmetrie betrachten.
Ist die Symmetrie der Hautkrankheiten stets für den
Nerveneinfluß beweisend?
Betrachten wir eine der häufigsten Hautkrankheiten, die Skabies.
Die Lokalisationen dieser Krankheit sind symmetrisch, doch wem möchte
es in den Sinn fallen, dies einem Nenreneinflusse cozusohreiben. Die
Skabies pflegt an den Stellen ihrer Lokalisation sn jucken, was zum
Kratzen reizt, und dieser Reiz genügt, daß an diesen Stellen im Anschlofi
AU das Kratzen Excoriationen, zerstreute Papeln» aus diesen durch In-
fektion Impetigoherde auftreten, welche Prozesse naturgemäß gleichfalls sym-
metrisch sind; deswegen ¥rird, wie ich glaube, niemand hier auf Grund
der Symmetrie das Walten eines reflektorischen Nerveneinflusses seheui
sondern die identische Reaktion auf identischen Reiz von unter gleichen
anatomischen, physiologischen und — wir wollen hinzufügen — patholo-
gischen Verhältnissen befindlichen symmetrischen Hautpartien und ferner
Folgen einer von außen kommenden Infektion.^)
') S. die vorangehende Arbeit Prof. Rona's über die Sache.
Zar Eozemfirage. 217
Dies ist ein Beispiel dafür, daß eine ektogene Hautver«
ändemng auf symmetrischen Gebieten der Hautdecke auch ohne
reflektorischen Nerveneinfluß zu stände kommen kann.
Da haben wir femer den Maschinenarbeiter, den Schriftsetzer, die
mit Terpentin arbeiten, die beide H&nde gebrauchen; die Wäscherin
wäscht mit beiden H&nden mit laugigem Wasser, die Weiber, die die
Stiegenhäaser reinigen und die diese Arbeit kniend, mit bis zum Knie
aufgeschürzten Kleidern vollziehen, kommen mit beiden Händen, mit
beiden Unterarmen und auch teilweise mit ihren entblößten Unterschenkeln
mit dem stark laugenhältigen Wasser in Berührung ; wenn nun bei diesen
Leuten infolge der Einwirkung des Terpentins, des soda- und laugen-
hältigen Wassers an einer Hand, einem Arm oder Unterschenkel ein
Ekzem auftritt, dann wäre das auffallend, wenn das Ekzem am jenseitigen
Glied e nicht auftreten wärde, ohne Beflex, bloß infolge der direkten
Einwirkung der erwähnten Reize. Und so könnten wir sehr viele Ekzeme
durchgehen, deren direkte Ursachen wir kennen, ohne daß wir die
Reflextheorie behufs Erklärung und Begründung des symmetrischen
Auftretens heranziehen müßten.
Betrachten wir nun andererseits ein entgegengesetztes Beispiel, wo
der Reiz sicher nur die Hautteile der einen Eörperhälfte trifft. Betrachten
wir jene häufig genug Torkommenden Fälle, wo nur an der einen Unter-
extremit&t hochgradige Yenenerweiterungen vorhanden sind und auf
dieser EIxtremität venöse Stauung zugegen ist; dann wird die kranke,
widerstandsschwache Haut dieser Unterextremität auf die verschiedenen
Reize: den stetigen Druck des venösen gestauten Blutes, der Lymphe,
die Einwirkung des Schweißes, die reizenden Salben, die Bäder, die
Mazeration, mit Ekzem reagieren. Indessen wird dieses Ekzem bloß auf
die Unterextremität lokalisiert bleiben, lange Zeit vom Beginne des
akuten Stadiums an, eventuell Jahre hindurch, ohne daß die andere ge-
sunde Unterextremität, wenn kein nachweisbarer Reiz dazutritt, bloß
auf dem Wege des Reflexes ekzematös würde. Derartige Fälle sind häufig
genug, so daß diese Tatsache aUgemein beobachtet werden kann, und
diese spricht dafür, daß ohne direkten Reiz, bloß an und für sich der
Reflex kein symmetrisches Ekzem zu erzeugen vermag.
H. Hebra sagt im oben zitierten Abschnitte seiner Arbeit, daß
wenn wir auf der Haut der einen oberen Extremität künstlich ein Ekzem
provozieren, dann nach einigen Tagen an der korrespondierenden Stelle
der anderen Extremität gleichfalls ein Ekzem u. zw« spontan auftreten
wird. Diese Erscheinung, wie wir aus meinen zu schildernden Experi-
menten ersehen werden, habe ich in keinem einzigen Falle
beobachtet.
Wenn wir nun früher einen hinreichend kräftigen Beweis
dafSr gesehen haben, daß das symmetrische Ekzem noch immer
keinen yorausgegangenenReflexeinfluß voraussetzt, dann erscheint
218 CsilUg.
66 noch wahrscheinlicher, daß in dem von Kaposi yorge-
brachten Beispiel — das zum scrotalen Ekzem sich hinzu-
gesellende Gesichtsekzem, bei dem nicht einmal die Symmetrie
vorhanden ist — noch weniger der Beflexeinfiuß zur Geltung
kommt. Nun wollen wir untersuchen, wie es sich mit der
Neigung zum sofortigen Auftreten von Ekzem auf der ge«
samten Hautdecke, insbesondere an den Prädi-
lektionsstellen des Ekzems während der Entwick-
lung des primären Ekzems verhält.
Kaposi sohreibt dieses Symptom, wie wir gesehen haben, der
darch den Reiz und das dadurch verarsachte primäre Eksem ausge-
lösten Blatgefößinnervationsstörang zu, Eromayer derselben Alteration
oder einer reflektorischen trophischen Störung.
Bei der Behandlang dieser Frage müssen wir vor Augen halten,
daß hier von jenen Ekzemen keine Rede sein kann, von welchen man
annimmt, daß sie von entogenen Ursachen bedingt werden, auch von
jenen nicht, deren Ursachen wir überhaupt nicht klarlegen können. Die
ersteren können hier nicht betrachtet werden, weil die inneren Ursachen,
als Reize, sowohl auf dem Wege des Blutgefftßsystems, als auch des
Nervensystems die Hautdecke irritieren, sie beziehen sich in der Regel
auf die gesamte Hautdecke, wir können demgemäß in solchen Fällen
keine primären und sekundären ekzematösen Herde annehmen. Die
Ekzeme aus unbekannten Ursachen hinwiederum müssen deshalb unbe-
sprocLen bleiben, weil wir, wenn wir die Ursache nicht kennen, dann
weder die Art und Weise der Einwirkung, noch die Ausbreitung der-
selben kennen und demgemäß, wenn an einer Stelle das Elkzem froher
wie an einer anderen aufgetreten ist, die letztere Lokalisierung nicht für
den Reflex der ersteren ansehen könnten, denn der Reiz hat ja auch an
der zweiten Stelle einwirken können, nur nicht vielleicht so lange oder
nicht mit einer solchen Intensität, wie an der ersten Stelle und dies
kann der Grund für das spätere Auftreten des Ekzems an der zweiten
Stelle sein.
Es wären demgemäß nur die äußeren bekannten
ekz ematogenen Ursachen jene, bei welchen nach
dem Auftreten des primären Ekzems davon die
Rede sein könnte, daß sie eine Disposition der
Haut zur Ekzembildung auf dem Wege des Re-
flexes zu erzeugen im stände wären. Diese Ursachen
sind diejenigen, welche die Dermatologen bereits in dieser
Eigenschaft kennen, weniger bekannt sind dieselben den nicht
spezialistisch geschulten Ärzten und ganz unbekannt sind sie
den Laien.
Zar Eczemfrage. 219
Die Gefahr niclit keDnend, bestrebt sich der Laie gar nicht einmal
von seiner Haat diese Irritamente fernzohalten, oder er kann dies zafolge
seines Bernfes, seiner Beschäftigung nicht tan, wodurch die Möglichkeit
gegeben ist, daß diese Ekzem verarsachenden Irritamente nicht nur an
jener Stelle mit der Haat in Berührang kommen, wo wir das primäre
£kzem auftreten sehen, sondern aach an den anderen Partien der Haut-
decke in geringerem oder größerem Maße, insbesondere aber an gewissen
Partien der Hautdecke, je nach der Art des Irritaments, der Dauer der
Einwirkung desselben, nach der Beschäftigung oder Gewohnheiten etc.
des zukünftigen Ekzemkranken.
Es wäre ja auch sonst beiaahe unmöglich zu vermeiden, daß irgend ein
Individuum, wenn auf dasselbe irgend ein Irritament längere Zeit ein-
vrirkt oder dieses Individuum mit dem Irritamente manipuliert, daß das-
selbe das Irritament an die häufigsten Lokalisationsstellen des Ekzems
nicht heranbringe : an die Hände, die Unterarme, das Gesicht, die Geni-
talien, d. h. in erster Linie an die von Kleidern nicht, oder weniger be-
deckten, und dadurch geschützten Stelle oder ferner nicht durch die
Kleider, die langsam mit dem Irritament imprägniert werden — wenn
nämlich dieses darnach geartet ist — auf die Partien der Hautdecke das
Irritament verschleppt werde. Besonders hervorzuheben ist eine Gruppe
der bekannten äußeren chemischen Irritamente, deren gemeinschaftliche
Eigenschaft die ist, daß sie flüchtige Bestandteile enthalten oder selbst
in toto flüchtig sind, wie Jodoform, Arnika, Karbol, Quecksilber, Ter-
pentin etc., welche in kurzer Zeit mit verschiedener Intensität mit
der ganzen Hautdecke in Berührung kommen können, selbst bei vorsich-
tiger Yerwendungsweise. Stellen wir ans nun ein Individuum vor, dessen
unverletzte Haut bereits sehr empfindlich gegenüber dem Jodoform ist
und das auch nur 24 Stunden lang mit Jodoform behandelt wird; wird
bei diesem, mag die Behandlung noch so sorgfaltig gewesen sein, das
Jodoform nicht mit allen Teilchen der Haut in Berührung kommen, wenn
auch schon der Fernstehende die von Jodoform partikelchen erfallte Luft,
die ihn umgibt, spürt? Kromayer ist in solchen Fällen der Ansicht,
daß, wenn er auf der Haut an der Applikationsstelle die Reaktion des
Jodoforms wahrnimmt und das Jodoform dann sofort entfernt, daß dann
genug geschehen ist, daß die Einwirkung des Jodoforms auf die anderen
Teile der Hautdecke verbindert werde, oder daß man derselben zuvor-
komme. Daß dieses Verfahren für einen solchen Zweck unzureichend ist,
das ergibt sich schon aas dem oben gesagten, doch würde dies auch in
dem Falle unzureichend sein, wenn wir das betreffende Individuum in
einem Stoffe baden würden, welcher das Jodoform zersetzt und so die
weitere Einwirkung desselben definitiv prohibiert, denn es ist vom Augen-
blicke der Verwendung des Jodoforms bis zum völligen Aufhören seiner
Einwirkung — hauptsächlich in dem Falle, wenn wir bis zum Anfange
des Auftretens der Reaktionsencheinungen an der Applikationsstelle
warten — ein Zeitraum verflossen, innerhalb dessen auf der Hautdecke
220 Ceillag.
die Reaktion hat anfangen können, wenn aach nur sabjektiv nnd mit
freiem Auge sichtbare objektive Zeichen dies noch nicht verraten.
Wie wir nämlich aus einem Versnche (3. Fall) weiter unten ersehen
werden, können noch nach Tagen völliger Entfernung des Irritaments
subjektive und mit freiem Auge sichtbare objektive reaktive Erschei-
nungen an der Applikationsstelle beobachtet werden, ohne daß aur Zeit der
Entfernung des Irritaments irgend eine besondere Veränderung wahr*
nehmbar gewesen w&re, was sweifellos beweist, daß in der Haut die
Reaktion bereits im Gange gewesen ist, doch so geringgradig war, daß
dieselbe weder subjektiv noch objektiv wahrnehmbar war.
Auch können wir nicht außer acht lassen, daß von den Kranken,
die ein akutes Ekzem bekommen haben, ein Teil noch eine ge-
raume Zeit in derselben Kleidung herumgegangen ist,
welche sie zur Zeit der Einwirkung des Irritaments ge-
tragen haben und an welcher das Irritament noch lange Zeit hat an-
haften können.
Wenn wir die Art und Weise der Einwirkung des Irri-
taments auf die Hautdecke derartig auffassen, werden wir uns
der Annahme nicht zuwenden müssen, daß, wenn eine Haut-
partie an akutem Ekzem erkrankt ist, und daraufhin die ganze
Hautdecke oder einzelne Prädilektionsstellen derselben eine
^^Disposition für das Ekzem^ erlangen, dass diese „Dispo-
sition auf reflektorischem, angioneurotischemoder
trophoneurotischem Wege zu stände kommt, sondern
wir werden uns mit der natürlichen und einfachen Erklärung
begnügen, daß die Stelle des primären Ekzems ganz besonders
der Einwirkung des Irritaments ausgesetzt war, daß das Irri*
tament in konzentriertester Form auf dieselbe eingewirkt hat,
während dasselbe an den sekundären Ekzemstellen weniger
intensiy, kürzere Zeit, weniger konzentriert eingewirkt hat, oder
der Widerstand größer gewesen ist.
(Die Einbeziehung der Idiosynkrasie habe ich ab-
sichtlich vermieden, da ich mich mit derselben gelegentlich ein-
gehender zu beschäftigen beabsichtige.)
Das Jucken in der Lehre der Genese des sekundären
Ekzems hat zuerst Ferdinand v. Hebra (9) betont
Von der in Rede stehenden Rolle des Juckens sagt Török (10) in
einer Mitteilung über ekzematöse Hautveräuderungen folgendes: „Irgend
ein Arbeiter kommt während seiner Beschäftigung mit seinen Händen
mit irgend einem irritierenden Stoffe in Beruhrang nnd infolge dessen
entwickelt sich auf seinen Händen ein nässendes Ekzem. Häufig tritt ein
Jucken auch an anderen Körperteilen (z. B. am Qesichte) auf, welche
Zur Eczeznfrage. 221
mit dem schädlichen Stoffe in gar keine direkte Berührang gekommen
tind oder an der ganzen Körperoberfläche schon am ersten Tage der Entwick-
lung der Hautentzündung. In solchen Fällen kommen häufig beständige oder
rasch schwindende, oberflächliche oder auch tiefere Schichten ergreifende,
kleine oder ausgedehnte Hautveränderungen zu stände, deren anatomische
Grundlage bloß durch Hyperämie und Ödem gebildet wird. In anderen
Fällen hingegen entwickelt sich die Ekzematisation mit besonderer
Vorliebe am Gesichte, in der Gegend der Ohren, dann am Venoshügel.
In diesem Falle hat das das artefizielle Ekzem begleitende Jucken in
einer entfernten Region oder auch auf der ganzen Körperoberfläche ein
Jucken ausgelöst, das unter Vermittlung des Kratzens zur Ekzematisat ion
führf Im ersten Teile seines Lehrbuches (11) sagt er das Folgende:
^ Wir müssen annehmen, daß die Krankheitsursache durch Irri-
tation der sensiblen Nerven, eventuell unter Vermittlung des Juckens
(wie bei der Krätze) auf reflektorischem Wege die Verbreitung des
Prozesses und die Erkrankung der entfernteren Regionen befördert
Nach dieser Auffassung also würde das Ekzem nicht als
solches durch den primären Reiz und das primäre Ekzem aus-
gelöst, sondern das das primäre Ekzem begleitende Jucken
würde an einer weiter entfernten Stelle der Hautdecke Jucken
auslösen. Doch haben wir keinen Beweis dafür, daß tatsächlich
ein an iigend einem Punkte der Hautdecke vorhandenes Jucken
wiederum Jucken auf einem entfernten, vom juckenden Punkte
durch gesunde, nicht juckende Hautpartien getrennten Punkte
auslösen kann.
Das von Török vorgebrachte Beispiel, die Skabies, halte ich für
den Beweis dieser Annahme nicht für geeignet, weil die Krätzmilben bei
der Skabies an zahlreichen Stellen der Hautdecke sich einnisten, Nachts
sich auf der Oberfläche der Haut bewegen und so, wenn die Milben auch
nicht die ganze Haut bedecken, das durch die einzelnen Milben verur-
sachte Jucken auf die unmittelbar benachbarten Flächen aus-
strahlen kann, welche einander berührend die ganze Oberfläche der Ehiut
okkupieren können.
Während meiner Versuche habe ich zwar in zwei Fällen
beobachtet, daß nicht nur an der Versuchsstelle ein Jucken
aufgetreten ist, sondern an dem ganzen Versuchsarme (s. die
Versuchsfälle), doch kann ich dieses Jucken nicht als durch
das ursprüngliche Jucken ausgelöst betrachten, sondern biu der
Ansicht, daß es sich per continuitatem ausgebreitet habe,
vielleicht durch Resorption des Reizes; hiebei bemerke
ich, daß in diesen 2 Fällen das durch 2 Tage be-
standene Jucken nicht von Ekzem gefolgt wurde.
222 Csillag.
Wenn wir in diesen Fällen txotz alledem ein Beflexjucken
annehmen wollten, so könnte es sich dann nur höchstens auf
das Gebiet der irritierten Nerven beziehen in der anmittelbaren
Nachbarschaft. Wenn wir dennoch die Existenz des Reflex-
jnckens zageben, scheint es sonderbar, daß bloß dieses aus-
gelöste Jacken z. B. am Gesichte, ein riesiges, hyperä-
misches und öderoatöses Ekzem binnen einigen
Stunden provoziere, ohne dafiwir an dieser Stelle
die geringste Spur des Kratzens bemerkten.
Und wie wäre ferner auf Grund obiger Annahme die Er-
scheinung zu erklären, daß z. B. bei der durch Arnika ver-
ursachten Hautveränderung beinahe regelmäßig auch an ent-
fernteren Stellen, in erster Linie am Gesichte Hyperämien und
Ödeme zu stände kommen, während in Fällen von Skabies, von
Skabiosen Hautläsionen dies kaum beobachtet wird, trotzdem
in diesen Fällen gewißlich eine gesteigerte Irritabilität der
BlutgePäße und Nerven der ganzen Hautdecke zugegen ist,
oder wie wäre folgender Fall zu erklären, bei dem ein aus-
gesprochenes Jucken nicht zugegen war, bloß ein Gefühl des
Brennens und der Kranke sich nicht gekratzt hat, sondern
nur sein Gesicht sanft gestreichelt hat
Der Fall ist folgender:
Fi-aa K. M., Witwe, 53 Jahre alt, Wäscherin, wusch das Gesicht
eines Mannes, der in seiner Trankenheit Kontusionen an seinem Gesichte
erlitten hatt«, mit arnikahältigem Wasser und machte ihm damit Umschläge,
worauf an ihren Händen nnd ihrem Gesichte Ausschläge auftraten. Sie
wurde am 4. September auf unsere Kotlaufabteilung aufgenommen, von
wo sie am folgenden Tage auf die Hautabteilung transferiert wurde. Am
6. September, an welchem Tage ich die Kranke zuerst sah, war der Status
folgender: Zwischen den Fingern der linken Hand, auf beiden Unter-
armen, in der linken Ellbogenbeuge, heller- bis zweitalergroße, unregelmäßig
gestaltete, hyperämische, mäßig ödematöse, von mohnkom- und hirse-
komgroßen Papeln und Bläschen bedeckte Plaques mit verwischten
Grenzen. Die Stirne, das ganze Gesicht, die Ohren, der Nacken, Hals,
der Stamm vorne bis zu den Brüsten, hinten bis zur Höhe der Schultern
mit verwaschenen Grenzen, diffus blaß- bis scharlachrot, die Haut der
Lider gedonsen, ebenso das Gesicht. Das ganze erkrankte Gebiet ist mit
mohnkorn großen Papeln bedeckt, die Haut in der Gegend des Kinnes ist
mit stecknadelkopfgroßen bis hanfsamengroßen, wasserklaren dünnwan-
digen Bläschen und mit eingetrockneten, gelblichen Krusten bedeckt.
Unter den Brüsten, in den Schenkelbeugen besteht Intertrigo, an den
anderen Partien der Haut besteht keine Veränderung.
Zur Eczemfrage. 223
Der Fall ist demnach das typische klinische Bild eines
akuten, artefiziellen Ekzems, d. h. : an den Stellen der unmittel-
baren Einwirkung des Irritaments, an der Hand und dem
Unterarm ist das primäre Ekzem entstanden, auf reflektorischem
Wege soll die Veränderung des Gesichtes und dessen Umgebung
aufgetreten sein, beziehungsweise ein Jucken, auf das infolge
Eratzens Ekzem folgte.
Wenn wir indessen auch in die anamnestischen Details
eingehen, dann erhellt — insofern wir der Aussage der Kranken
Glauben schenken dürfen — daß sie in der Nacht vom 3. auf
den 4. in den Augen, dann im Gesichte ein mäßiges Brennen
gefühlt hat, ein Jucken überhaupt nicht und sich auch
nicht gekratzt hat, in der Frühe war das Gesicht bereits an-
geschwollen und rot, erst am 5. September hat sie die Aus-
schläge an den Händen bemerkt, gleichzeitig mit einem sehr
geringfügigen Jucken. Was wir also im ersten Augenblicke für
ein auf reflektorischem Wege zu stände gekommenes Ekzem
hätten halten können, das ist zu allererst aufgetreten u. zw.
dort, wo anscheinend das Irritament die Haut nicht direkt getroffen
hat, während an jenen Partien, welche das Irritament gewiß
direkt getroffen hat, die Veränderungen nur später aufgetreten
sind, das Jucken hat in diesem Falle nur eine sehr unter-
geordnete Bedeutung, weil sich die Kranke überhaupt nicht
gekratzt hat.
Auf Grund der Beflextheorie, mag nun das Resultat des
Reflexes eine angioneurotische oder trophische Störung, mag es
Jucken sein, kann dieser Fall auf keine Weise erklärt werden, trotz-
dem die Veränderungen tatsächlich in obiger Reihenfolge haben auf-
treten können. Sie haben auftreten können, weil die Veränderung des
Gesichtes und dessen Umgebung viel ausgebreiteter, viel inten-
siver und in einem vorgeschritteneren Stadium, wie an den
oberen Extremitäten war, sie haben auftreten können, weil die
Kranke die Arnikatinktur in einem Waschbecken mit Wasser
verdünnt hat, sie bei jedem Umschlagwechsel sich über das
Waschbecken gebeugt hat und so die flüchtigen Amikabestand-
teile mit dem Gesichte und dessen Umgebung bis zu jener
Grenze in Berührung gekommen sind, bis zu welcher die
Kleidung die Haut bedeckte und bis wohin der Ausschlag
224 Csillag.
reichte, abgesehen davon, daß die Kranke möglicherweise mit
ihren von der Arnikatinktur benetzten Händen an ihrem Ge-
sichte manipuliert hat; da nun die Haut des Gesichtes viel
empfindlicher war wie die vom fortwährenden Waschen gehärteten
Extremitäten, wird dadurch auch die Erscheinung erklärt, daß
am Gesichte der Ausschlag früher und viel intensiyer aufge-
treten ist, wie an den Extremitäten; es wird ferner die An-
nahme überflüssig, daß ein durch irgend ein Jucken ausgelöstes
Jucken die Ursache für derartige Ekzeme abgebe, hauptsächlich,
weil in diesem Falle Jucken überhaupt nicht yorhanden war.
Übrigens sagt Török (12) in einer späteren Arbeit nur sohon
folgendes: „Die artefizielle Dermatitis der Hände kann aaf das Gesicht
überspringen, anf die Gegend der Genitalien, sie kann die ganze Körper-
Oberfläche ergreifen. Dies ist der klinische Befund, den wir erklären
müssen. Es sind mehrfache Erklärungen möglich. Wenn irgend ein flüch-
tiger Stoff die Dermatitis verursacht hat, dann ist es möglich, daß der-
selbe auf die sonstigen Hautstellen gelangt ist und direkt auf dieselben
schädlich eingewirkt hat. Wenn der krankmachende Stoff nicht flüchtiger
Natur war, dann ist es möglich, daß der Kranke denselben mit seinen
Händen auf die Autoinokulationsstelle verschleppt hat. Damach hält
Török, wie ich glaube, heute die letztere Erklärung für die richtige,
welche auch durch meine Versuche bekräftigt wird.
Was das Heranziehen der sog. neurotischen Ekzeme
als Argument für die Reflextheorie anbelangt, daß nämlich diese
Ekzeme direkte Folgen von Störungen des Nervensystems (zur
Zeit der Dentition, Pubertät^ Gravidität, Klima etc., im Ver-
laufe der Hysterie) also gewissermaßen neurotische Ekzeme
zentralen Ursprunges wären, was also zum Beweise der An-
nahme dienen würde, daß auch zentrale Reize auf der Haut-
decke Ekzeme zu erzeugen im stände wären ohne jede weitere
Ursache, das alles ist ganz und gar nicht bewiesen.
Schon Plambe (IS) hat den bei Kindern während der Dentition
anftretenden Strophulus, eiue in iräheren Zeiten so benannte Art des
Eksems (?) der Reizung durch Verbände, durch die Kleider, der mangel-
haften Haatpflege etc. und nicht dem Einflasse des Nervensystems zuge-
schrieben. Gewiß kann gleichfalls ein Teil der zur Zeit der Pubertät,
der Gravidität etc. auftretenden Ekzeme nur einer zaf&Uigen Koinzidenz
zugeschrieben werden, und auch der andere Teil kann nur in einem in-
direkten Zusammenhange mit den erwähnten „neurotischen '^ Zuständen
stehen in der Art, daß mit diesen Zuständen gewisse Veränderungen des
ganzen Organismus einhergehen und so auch der Hautdecke, u. zw. der
letzteren in gewissen Fällen vielleicht von der Art, daß sie sich eben
Zar £ksemfrage. 225
aIb Difposition lo Ekiem Anßeriiy za deasen Aaslösung eine Gelegenheits-
nnache doch gewiß erforderlich ist. Daß es eine derartige Disposition
der Hantdecke far Eksem gibt, daß diese Disposition variabel ist, das
wird dnrch die klinischen Beobachtungen gezeigt, was aber das Wesen
dieser Disposition — beruhend anf einer nervösen, anatomischen oder
physiologischen Ver&ndernng? — ist, darftber sind wir derzeit noch im
Dunklen.^)
Diese gegen die Reflextbeorie vorgebrachten Gründe haben
uns bewogen, dieselbe nicht zu akzeptieren; wir erklären das
Zustandekommen der bei demselben Individuum in raschem
nacheinander auf den verschiedenen Stellen der Hautdecke
auftretenden Ekzeme auf die Weise, daß an jeder ein-
*) YoUstandigkeitshalber will ich hier noch Thiebierge's (14)
Aofibssnng über die „eruptions artificielles" (welche im Sinne
der Wiener Schule mit artifiziellem Ekzem gleichbedeutend sind), an-
fahren, welche auch gegen die Annahme der Reflextheorie spricht:
i,Die Pathogenie dieser sekundftren (von der primärange-
griffenen Stelle entfernt auftretenden) L&sionen ist komplex und
wechselnd.
Die Ursachen einzelner derselben werden durch zufalligen und
außerhalb der Beschäftigung zu stände kommenden Eontakt mit den schäd-
lichen Stoffen dargestellt: so die Übertragung auf das Glied beim Uri-
nieren, die Übertragung auf irgend einen anderen, aus irgend einem
Grunde juckenden Körperteil bei Gelegenheit des Kratzens (z. B. bei Ge-
genwart eines Parasiten) etc.; die zufällige Übertragung im Schlafe bei
solchen Arbeitern, die nicht genfigend auf Eeinlichkeit achten etc.
Ein anderes Mal wird die Ursache dieser sekundären Herde nicht
durch die Übertragung des bei der Beschäftigung gebrauchten schäd-
lichen Stoffes, sondern durch das Sekretionsprodukt der pri-
mären Läsion und durch das Zerstreuen des darin enthaltenen in-
fektiösen Stoffes bedingt. („Mais la dissemenisation des produits de
secretion de la lösion premiöre et des agents infectieux qu' ils renferment''.)
Analog sind diese mit jenen sekundären Herden, welche durch Inokulation
bei sämtlichen infektiösen oder infizierten Dermatosen zu stände kommen
können.
Diese Art der Pathogenie ist die Eigenschaft der Dermatosen von
pyodermitisohem Typus, hieher zählen auch einige Erankheits-
formen, welche in die Reihe der ekzematiformenEruptionen gehören.
Sie können viel leichter zu stände kommen, wenn die primäre
Eruption von Jucken begleitet ist und wenn irgend eine innere oder äußere
Ursache zu gleicher Zeit an einer anderen Körperstelle ein Jucken provoziert.*^
Der erste Teil dieser Erklärung wird, wie wir sehen, durch unsere
eigene Erfahrung bestätigt, in die Kritik des zweiten Teiles kann ich
mich jedoch noch nicht einlassen.
Areh. f. Dennat. n. Syph. Bd. LXIII. 15
226 Csillag.
zelnen Stelle, an welcher das Ekzem aufge-
treten ist, dasselbe Irritament direkt auf die
Hautdecke eingewirkt hat, teilweise auf eine
wahrnehmbare Weise, teils unbemerkt^ durch
zufällige Übertragung, oder durch in die Luft
gelangte Partikelchen.
Daß die letztere Erklärung die richtige ist, das wird durch
folgende Darlegungen bewiesen:
Halten wir uns nur solche Individuen vor Augen, deren
Haut einem gewissen Stoffe gegenüber eine Idiosynkrasie be-
sitzt, halten wir uns diesen Stoff vor Augen u. zw. 1. dann,
wenn mit demselben der Kranke selbst nach seiner Laienart
manipuliert, 2. wenn eine geübte Hand Versuches halber damit
umgeht; betrachten wir einmal, was im ersten und was im
zweiten Fall erfolgen wird.
Nehmen wir beispielshalber die Arnikatinktur und
solche Individuen, deren Haut diesem Arzneistoffe gegenüber
sich sehr reaktionsfähig erweist.
Die erste Frage wird durch die Fälle beantwortet, welche ich in einer
Mitteilang in „Orvosok Lapja^ (15) [ungar.] publiziert habe. In dieser Pu-
blikaton werden 15 Fälle besprochen, in denen die Kranken auf verschie-
dene Wunden (Schnitt-, Stichwunden, Kontusionen, £xcoriationen) Ar-
nikatinktur appliziert haben in Form von Abspülungen, Waschungen,
Umschlägen etc.
Unter diesen 15 Fällen betraf die Yerletzang Smal nur das
Gesicht und nach Anwendung der Arnika trat die Reaktion
auch nur im Gesichte auf.
In den übrigen 10 Fällen betraf die Verletzung die Finger der
einen oder anderen Hand oder die eine Hand oder einen Unterarm. In
diesen Fällen wurde die Arnikatinktur auf das verletzte Glied appliziert.
Die Reaktion trat in 1 Falle nur in der Umgebung der Applikations-
stelle am Unterarme, in 3 Fällen an beiden Händen, beziehungsweise
Unterarmen und am Gesichte und an dessen Anhängseln (Nase, Ohren,
Lider); in 8 Fällen an denselben Stellen, ferner am Halse, oberen Teile
der Brust, Nacken, beziehungsweise am oberen Teile des Rückens und
schließlich in 3 Fällen an den zuletzt genannten Stellen, außerdem bei
2 Männern am Gliede, am Hodensacke, (bei einer Frau) an der Innen*
fläche der Schenkel, an den Unterschenkeln, am Gesäße und an der Taille
und am Bauche auf.
Unter diesen 10 Fällen ist also in allen 10 die Reaktion an der
direkten Angriffstelle des Irritaments auf die Haut aufgetreten, wir ver-
stehen darunter beide Hände, weil der Kranke mit der gesunden Hand
Znr Eksetnfrage. 227
auf die kranke die Arnika appliziert, in 9 Fällen ist die Reaktion anch
am Gesichte aufgetreten, der Haatoberflftche, welche nicht mit Kleidern
bedeckt und geschätzt ist und auf welche die dort sehr oft manipulierende
Hand am leichtesten die Arnika überträgt oder wohin durch die Luft am
leichtesten die flüchtigen Bestandteile der Arnika gelangen, in 6 Fällen
am Nacken und am oberen Teile der Bmst und des Rückens, welche
Partien zwar teilweise von Kleidern bedeckt and geschützt sind, aber
per continuitatem vom Gesichte und Halse her bis zu einer gewissen
Entfernung vom Reize und von der Reaktion getroffen worden können;
nur in S Fällen an den Genitalien, welche bereits durch die Klei-
dung geschützt werden, aber zeitweise von den Händen berührt werden;
dort, wo die Arnika am schwersten Zutritt hatte, am Bauche, der
Taille, den Unterichenkeln, trat die Reaktion nur in
je 1 Falle auf.
In 1 Falle fand die Verletzung an der linken Kniescheibe statt, die
Reaktion auf die Anwendung von Arnika trat nur an der linken
unteren Extremität und am Gesichte auf.
In diesem Falle hätte die ReSexreaktion, wenn wir uns
der Reflextheorie bedienten, in erster Linie an der rechten
unteren Extremität, eher wie am Gesichte auftreten sollen,
doch mit Außerachtlassung der Symmetrizität — weil die
Kleidung die andere untere Extremität vor der Reflexwirkung
bewahrte — trat die Reaktion am unbekleideten und schutz-
losen Gesicht auf.
In 1 Falle schließlich fand die Verletzung an der rechten
Hand und am Gesichte statt und auch die Reaktion trat nur
an diesen Stellen auf.
Die Lehre, die sich aus diesen Fällen ergibt, ist folgende :
Die Arnikatinktur ruft, wenn dieselbe ohne
gehörige Vorsicht, von Unberufenen appli-
ziert wird, tatsächlich eine Reaktion nicht
nur an der Applikationsstelle, sondern auch
an entfernten, von der A pp likati o n s s t e 11 e
durch unveränderte Hautpartien getrennten
und anscheinend auch an solchen Stellen her*
vor, wohin die Arnikatinktur nicht gelangt ist.
Die Häufigkeit der an diesen entfernten Stellen
auftretenden Reaktionen weist indessen eine der-
artige Reihenfolge auf, daß sie eher die Annahme
notwendig macht, daß die> Arnikatinktur von
16»
228 Cflillag.
außen hingelangt, als daß die Reaktion auf reflek-
torischem Wege zu Stande kommt.
Das sind die Argumente, welche für den identischen
Ursprung des sekundären Reflex-Ekzems mit dem
primären Ekzem sprechen, nämlich daß auch ersteres
aus äußeren Schädlichkeiten entsteht: gleichzeitig sprechen
aher auch dieselben gegen die Annahme der Reflextheorie.
Indessen ist es nicht notwendig, daß die Anhänger dieser
Theorie diese Argumente für unumstößliche Beweise gegen die
Reflextheorie betrachten.
Den unumstößlichen Beweis liefern jene Experimente,
welche ich in dieser Richtung angestellt habe.
Bis nun haben wir nämlich gesehen, daß die Arnikatinktur,
wenn wir ihrer Einwirkung einen unbehinderten Ver-
lauf gestatten, im Stande ist an von der Applikatiousstelle ent-
fernten Partien der Haut ähnliche Veränderungen, wie an der ur-
sprünglichen Applikationsstelle, sogenannte Reflexveränderungen
zu erzeugen; jetzt wollen wir untersuchen, wie sich dieses
Mittel dann verhält, wenn wir dasselbe anderApplikations-
stelle möglichst vollständig, luftdicht abschließen, so dass
dasselbe, die Applikationsstelle ausgenommen, mit keiner Haut-
stelle des Versuchsindividuums in Berührung kommen kann.
Als Versucbsindividuen wurden teils Kranke, die an Ekzem
noch nicht gelitten haben, teils solche, die früher schon an
Ekzem gelitten haben, teils Ekzemkranke verwendet.
Die Durchführung des Versuches erfolgte auf der Weise,
daß auf die bestimmte, makroskopisch gesunde Hautpartie ein
in Arnikatinktur getauchtes viereckiges lintstück oder mehrfach
zusammengelegte Gazestücke appliziert wurden ; darauf wurde
ein größeres, gleichfalls viereckiges Guttaperchablatt gelegt und
die Ränder des letzteren wurden mit Zinkpflastermullstreifen
hermetisch abgeschlossen. Auf das Ganze wurde ein Wattever-
band angelegt
Den Verband erneuerte ich alle 24 Stunden, bei jeder
Gelegenheit feuchtete ich die Lint- oder Gazestücke mit der
Tinktur an und dies tat ich so lange, bis die erwünschte
Reaktion eintrat, welche jedoch — ich bemerke es nebenbei
— nicht immer auftrat.
Zur Ekzemfrage. 229
Die Fälle, in welchen eine Reaction erfolgte, sind folgende :
1. A. P., 46 Jahre alt, Dienstbote, wurde am 8. Juli 1901 auf die
HantabteiluDg des St. Stephansspitals mit einer ekzemati formen
Dermitis auf der ganzen Hautdecke aufgenommen. Vom Ausschlage
waren nur Gesicht, die oberen Teile von Rücken, Brust, Handteller und
Fußsohlen frei. Den Ausschlaff konnte man auf einen Verband mit
jygelber Salbe*', der auf ein talergroßes Ulcus cruris appliziert wurde,
zurückfuhren; die Salbe durfte Jodoform-Vaselin oder eine andere
Yaselinsalbe gewesen sein; dieselbe wurde am 2. Juli auf einer Spitals-
abteilung angelegt.
Am 18. Juli war der größte Teil des Ausschlages zurückgebildet;
an diesem Tage legte ich auf die Inneofläche des unteren Drittels des
rechten Unterschenkels an einer gesunden Stelle auf die oben beschriebene
Weise einen Verband mit Arnikatinktur an.
19. Juli. Die kleine, quadratformige, mit arnikahältiger Gaze be-
deckte Versuchsstelle ist blaß-rot, mäßig infiltriert, die Ober»
fläche ist gleichmäßig mit Stecknadelkopf- bis hirsen-
großen Papeln und Papulo-Vesikeln bedeckt. An den übrigen
mit dem Verbände bedeckten Teilen besteht keine Veränderung. Neuer
Verband.
20. Juli. Unter dem Watteverband besteht keine Veränderung,
unter den Zinkpflasterstreifen 1 — 2 Papeln; unter dem Guttaperchablatte
i zwischen Gaze und Zinkpflaster) spärliche Papeln; unter der Gaze ist
iie Haut blaßrot, stark infiltriert und die Oberfläche besteht aus bis
hirsekorn^oßen Papeln und Vesikeln und aus Konglomeraten von Vesikeln.
Stellenweise sind die Vesikeln geplatzt und man sieht ein geringgradiges
Nässen. Am selben Tage entfernte ich die arnikahältige Gaze, die Stelle
derselben reinigte ich mit Äther, unter das Guttaperchablatt legte ich
sterile Gaze; sonst war der Verband ebenso wie früher.
21. Juli. Die Watte ist an zwei Stellen durchnäßt, darunter am
äußeren Rande des Zinkpflasters sind an einer Stelle zwei hirsekorngroße
Papeln; nach Entfernung des Guttaperchablattes und des Zinkpflasters
fand ich die Gaze ganz durchnäßt ; die mit Papeln und Vesikeln bedeckte
nässende Fläche ist auch heute quadratformig, nur einigermaßen größer,
doch erreicht sie die Ränder des Guttaperchablattes nicht; rings herum
bis zu den äußeren Rändern des Zinkpflasters sieht man stecknadelkopf-
bis hirsekomgroße Papeln in mäßiger Zahl. Die Intensität des Prozesses
ist nicht ffesteigert.
Verband derselbe wie am vorigen Tage.
22. Juli. Unter dem Watte verband keine Veränderung. Unter
dem Guttaperchablatte und dem Zinkpflaster zerstreute Papeln und
wasserklare Vesikeln; die quadratformige Partie ist blaß, cyanotisch; die
Papeln und Vesikeln sind von der Oberflftche verschwanden, die ganze
Fläche sondert reichlich sanguinolentes Serum ab; die deckende Gaze ist
reichlich damit imprägniert.
An diesem Tage deckte ich die ganze Fläche mit Lint, das mit
Zinkraselin bestrichen wurde und darauf gab ich einen Watteverband.
23. Juli. Unter dem Watteverbande besteht keine Veränderung.
Unter dem mit Zinkvaselin bestrichenem Lint an der Stelle, welche
früher mit Guttapercha und Zinkpflaster bedeckt war, sieht man ziemlich
dicht stecknadelkopfgroße Papeln und Bläschen auf mäßiff hyperämischer
Basis; an der mit Amikagaze bedeckt gewesenen Fläche löst sich die
mazerierte Epidermis leicht ab und darunter liegt fast entblößt das tief-
rote Gorium.
Die vom Zinkpflaster umschriebene Grenze wird vom Prozesse ein-
gehalten, so daß in einem größeren Quadrate das mit Arnikalint bedeckt
gewesene kleinere, bereits verwischte Grenzen aufweisende Quadrat liegt.
230 Csillag.
24. Jali. Die Intensität des Ausschlages hat sich nicht gesteigert,
hat sich nicht weiter verbreitet, sondern ist nnter dem Zinklint eher in
Rückbildung begriffen.
26. Juli. Der Prozeß ist in Heilung begriffen, keine Spur von
Weitergreifen.
28. Juli. Die Heilung schreitet fort, das Quadrat ist gut ausnehmbar.
1. Aup^ust. An der Stelle des gewesenen Ausschlages sieht man
eine quadratförmige, rötlich-braune, ein wenig schuppende Fläche, an
den Rändern Spuren der rückgcbildeten Papeln.
9. August. Die Kranke verläßt das Spital, die Stelle des Aus-
schlages wird bloß durch eine blaßbraune quadrat förmige Fläche markiert.
Bei der Kranken haben sich inzwischen die am Anfange des Ver-
suches bestandenen Veränderungen der ureprönglichen Dermatitis voll-
ständiff zurückgebildet, eine Rezidive ist nicht aufgetreten, auch keine
frischere, andersweitige Dermatitis.
2. R. V., 19 Jahre alt, Hausmädchen, leidet seit Jahren an ver-
schiedenen Stellen der Hautdecke an rezidivierendem, sogenannten
„spontanem** £kzem unbekannter Ursache.
Seit 18. Juni 1901 ist sie wiederum auf der Abteilung. Jetzt bestehen
auf der behaarten Kopfhaut, in der rechten Achselhöhle, unter der rechten
Brust, unter dem Steißbein, in den Gesäßfurchen handtellergroße, ausge-
sprochen nässende, ekzematöse Flächen, am Stamme und an den oberen
Gliedmassen sind zerstreute hirsekorngroße, hyperämische Papeln sichtbar.
18. Juli. Ich applizierte an der Innenfläche des unteren Drittels
des linken Schenkels nach der beschriebenen Methode auf eine von Ekzem
völlig freie Fläche einen Verband mit Arnikatinktur.
19. Juni. Außerhalb der mit Zinkpflaster bedeckten
Fläche, ferner unter dem Zinkpflaster besteht keine Ver-
änderung. An der mit Arnikalint bedeckten Fläche ist
die Haut hyperämisch, ödematös, gleichmäßig mit zer-
streuten Papeln bedeckt; die nur mit Guttaperchapapier bedeckte,
zwischen dem Arnikalint und dem Zinkpflaster gelegene Fläche ist
gleichmäßig mit bis hirsekorngroßen, hyperämischen Papeln ziemlich
dicht bedeckt, welche den FolliKeln zu entsprechen scheinen.
Nach Entfemunjpr des Verbandes reinigte ich die ganze Partie mit
Äther und beließ sie trei.
20. Juni. Das Ödem in der Mitte hat sich so ziemlich suruck-
gebildet, sonst hat sich der Prozeß mit Beibehaltung der vom Zink-
pflaster gebildeten Grenzen nicht verändert.
21. Juni. Der Prozeß bietet so ziemlich das typische Bild des
papulo-vesikulösen Ekzems. Vom heutigen Tage an behandelt die Kranke
selDst auch diese Partie mit Zinkvaselin, an welcher sich die Verän-
derungen nicht weiterentwickelt haben und bis zum Schlüsse die Zink-
pflastergrenzen nicht überschreitend, ungeföhr in einer Woche mit
Hinterlassung einer quadratförmigen blaßbraunen Pigmentierung sich
ruckgebildet haben.
Inzwischen hat sich weder das ursprüngliche Ekzem verschlechtert,
noch haben sich neue Ekzemplaques gebildet; auch an der entspre-
chenden Partie des anderen Oberschenkels ist keine Ver-
änderung aufgetreten.
8. Frau S. D., 50 Jahre alt, Dienstbote. Sie suchte am 2. Juli
1901 mit seit 6 Monaten bestehendem, ausgesprochenem, infolge Arbeit
mit laugigem Wasser aufgetretenem „Ekzem** beider oberen Extremitäten,
das bis zum mittleren Drittel der Oberarme reichte. An den übris^en
Teilen der Körperoberfläche sieht man nur streifenförmige Kratzeffekte
infolge Kleiderläuse.
Zar Ekzemfrage. 231
Am 26. Jali. Amikatinkturverband auf die Innenfläche des
unteren. Drittele des rechten Unterschenkels.
27. Juli. Kar mäßiges Jucken.
28. Jali. Intensiyeres Jucken and an der Stelle der Amikagase
sehr oberflächliche Stecknadelkopf- bis hirsekomgroße Vesikeln. Papeln
sind keine zu sehen.
29. Juli. Das Jacken hat nachgelassen; an der Stelle der
Vesikeln sind hirsekomgroße, randliche, hyperämische Ponkte den Haar-
follikeln entsprechend.
30. J a 1 i. Das Jacken hat aufgehört ; die Epidermis ist halb ma-
seriert, sonst besteht keine Veränderung.
31. Juli, 1. August, 2. August, status idem.
Ich entfernte den Verband, reinigte die ganze Partie mit Äther
und ließ sie unbedeckt.
7. August, am fünften Tage nach Entfernung des Verbandes
▼ on der verbunden gewesenen Oberfläche. Jacken ist neuerlich
aufgetreten, dieses hat sich fortwährend gesteig[ert, gestern hat es sein
Maximum erreicht. Heute in der Frühe ist die Haut auf der der
Arnikagaze entsprechenden quadratförmigen Stelle er^-
thematös und darüber erheben sich 2 bohnengroße mit
blaßgelbem Serum gefüllte Blasen.
8. August. Status idem. Das erlorankte Gebiet wird mit Zink-
Vaselin-Lint bedeckt.
10. August. Das ganze der Ausbreitung des Guttapercha-
blattes entsprechende quadratformige Gebiet ist hyperämisch und in hin-
reichend scharfer Begrenzung infiltriert; die zwei Blasen sind haselnuß-
groß und mit gelblichem Serum gefüllt. Jucken hält an.
11. August Das Jucken hat aufgehört. Die quadratformige Hype-
rämie und Infiltration ist heute noch mehr ausgesprochen, ziemlich scharf
bec^renzt, die Blasen sind gesprungen und haben sich entleert; beginnende
kleinere Vesikeln sind auf der Oberfläche zu sehen. An einer Ecke des
Quadrates bilden sich auf hyperämischer Basis bis hirsekomgroße Papeln.
13. August. Die Kranke verläßt das Spital. Auf den seit einigen
Tagen angewendeten Zink-Lint hat sich die Infiltration verringert, die
Entwicklung von Papeln und Vesikeln bat aufgehört, die bestehenden
sind geschwunden. Der Prozeß ist in Röckbildung begriffen. Das Ekzem
der Hände und Unterarme hat sich so weit zurückgebildet, daß nur an
einzelnen Stellen eine Infiltration besteht. An den übrigen Teilen
der Haut ist keine Veränderung aufgetreten.
4. A. F., 19 Jahre alt, Dienstmädchen. Sie war nie hautkrank;
sie wird wegen rezidivierender Lues auf der Abteilung behandelt. Die
Kranke ist anämisch, hysterisch.
18. Juli. Verband mit Arnikatinktur an der Beugeseite des
linken Oberarmes.
19. Juli. Keine Veränderung, weder subjektiv noch objektiv.
20. Juli. Mäßiges Jucken, unter dem Okklusivverbande ist die
Haut hyperämisch, unter dem Guttsperchablatte sind einige Papeln,
unter der Arnikagaze sieht mankleinstecknadelkopfgroße,
hyperämische Papeln und wasserklare Vesikeln konglo -
meriert in quadratförmiger, der Gaze entsprechender An-
ordnung: stellenweise punktförmiges Nässen.
21. Juli. Kaum ausffesprochenes Jucken, unter der Amikagaie
ist der obere Teil der Epidermis mazeriert, derselbe kann leicht abge-
wischt werden.
22. Juli. Jocken, wie tags vorher. Die bestehende Veränderung
ist in Rückbildung begriffen.
232 Csillag.
28. J a 1 i. Das Jacken hat aufgehört. Die Hornsohichte löst sich teil-
weise ab, sonst hat sich die am 20. bestanden gewesene Veränderung
zurückgebildet.
24. und 25. Juli. Keine krankhaften Veränderungen.
26. Juli. Seit gestern intensiveres Jucken. Der obere Teil der
Epidermis ist neuerdings mazeriert, löst sich leicht ab; darunter gering-
gradige Irritation.
27. Juli. Das Jucken hat sich heute, am 10. Tage des Versuches,
bis zur Unerträglichkeit gesteigert und hat sich auf den ganzen
Versuchsarm ausgebreitet. Jenseits der Grenzen des Vrattever-
bandes ist keine objektive Veränderung zu sehen. Unter dem
Watteverband ist die Haut ein wenig hyperämisch und vom Zinkpflaster
bis zum Gattaper chablatte mehr und mehr ödematös Nach Entremung
des Zinkpflasters und des Gattaperchapapieres erscheint darunter die
Haut hyperämisoh, stark ödematös, weist einige zerstreute steck-
nadelkopfgroße Papeln auf. Unter der Arnikagaze ist die Ver-
änderung maximal ausgesprochen; die Haut ist hyperämisoh, im
stärksten Grade ödematös und ihre Oberfläche ist diffus
mit Stecknadelkopf- bis hirsekorngroßen Papeln und Pa-
gulovesikeln bedeckt, welch letztere teilweise aufge-
rochen sind und reines Serum entleeren.
Die gestrige Arnikagaze wurde darauf gehalten, sonst reinigte ich
die ganze Umgebung mit Äther und legte einen ganz frischen
Verband an.
2d. Juli. Das Jucken ist heute bloß auf die verbundene Partie
beschränkt, die hyperämisch und ödematös ist. An der Stelle der
grestrigen Papeln und Papulovesikeln lösen sich Epidermisteile ab und
es besteht ein minimales Nässen. Papeln sind keine mehr zu sehen.
29. Juli. Jucken ist nur an der verbundenen Haatpartie vor-
handen. Unter der Watte besteht weder Hyperämie noch Ödem. Nach
Entfernung des Zinkpflasters und des Guttaperchablattes an der Stelle
der maximalen Veränderung — der quadratförmigen Fläche — ist die
Haut blaßrot, mäßig infiltriert, Nässen ist nicht mehr vorhanden. Neben
dieser Fläche ist eine andere quadratförmige Fläche zu sehen (wahr-
scheinlich durch Verschieben der Arnikagaze), auf welcher in ungleichen
Gruppen mohnkorn- bis hirsekomgroße Papeln und feinwandige, wasser-
klaren Inhalt bergende Vesikeln in Entwicklang begriffen sind.
Vom heutigen Tage an wird die ganze Fläche nach Reinigung mit
Äther unbehandelt und unbedeckt gelassen.
80. Juli Das Jucken hat aufgehört. Auf der älteren quadrat-
förmigen Fläche und ihrer Umgebung ist bräunlich-rote Verfärbung und
minimale Schuppung, auf der neuen quadratförmigen Fläche sind bloß
3 — 4 leinsamen- bis erbsengroße, gelbliche, borkige Auflagerungen zu sehen.
81. Juli. Die ganze Veränderung besteht in bräunlich-roter Ver-
färbung und Schuppung.
8. August Die Kranke verläßt das Spital. Es besteht nur eine
blaßbrännliche Verfärbung an der Versuchsstelle.
Während der ganzen Versuchs- und Beobachtungszeit
zeigte sich sonst nirgends auf der Haut irgend eine Ver-
änderung.
5. F. B., 47 Jahre alt, Kutscher. Kranker wurde am 28. Juli 1901
auf die Abteilung aufgenommen. Patient leidet seit Kindheit an rechts-
seitigem Ohrenflusse und Ausschlage der Haut dieses Ohres, seit 3 Jahren
in jedem Sommer angeblich infolge von Schwitzen an einem juckenden
Ausschlage des Hodensackes, femer seit Bfärz d. J. an einem nässenden
Ausschlage am rechten Unterschenkel, welch letzterer auf die Weise ent-
standen ist, dass er infolge Anordnung seines Arztes wegen eines krönen-
Zur Ekzemfrage. 233
großen, schlecht heilenden Geachwftres einen Gammistmmpf trug. Den-
selben nahm er erst nach einer Woche herunter, wobei es sich zeigte,
daß die ganze, vom Gummistrumpfe bedeckt gewesene Fläche näßte. An
einer anderen Hautstelle hatte Patient nie einen Ausschlag.
Stat. präs. Auf der rechten Ohrmuschel, auf der Haut des Gliedes
und des Hodensackes, auf dem rechten Unterschenkel von den Knöcheln
bis zom Knie ein Ekzem ausgesprochen chronischen Charakters, sonst
besteht nirgends eine Hautverinderung.
8. August 1901. Auf der Beuffefläche des rechten Ober-
armes applizierte ich auf die beschriebene Weise einen
Arnikaverband.
9. August. Es besteht weder eine objektive noch subjektive
Veränderung.
10. August. Sehr geringgradiges Jucken, die Haut ist hyperämisch,
die Hornschicht ein wenig gerunzelt, beginnende Papeln.
11. August. Status idem.
12. August. Kein Jucken. Die Ränder der mit Arnika^aze be-
deckten Fläche sind hyperämisch, minimal infiltriert, besäet mit klein-
stecknadelkopfgroßen Papeln. Die mit Aruikagaze selbst bedeckte Fläche
ist weniger hyperämisch, Papeln sind in geringerer Zahl zu sehen.
13. August. Kein Jucken. Die mit Arnikagaze bedeckte Fläche
wird mit Äther gereinigt, sie zeigt nun einen vom gesunden kaum ab-
weichenden Zustand.
14. August. Status idem.
16. Auffust. Neuerdings geringgradiges Jucken, Zeichen be-
ginnender Reaktion.
17. August. Heute, am 9« Yersuchsta^e besteht ausgesprochenes
Jucken. Die mit Arnikagaze bedeckte viereckige Fläche ist hyperämisch,
infiltriert, mit Papeln und Vesikeln besäet und näßt stellenweise
minimal.
18. A u g u s t. Status idem.
19. August. Unter der Arnikagaze besteht eine diffuse Infiltration,
die mazerierte Homschichte hat sich abgelöst, es besteht mäßiges Jucken ;
ringsherum unter dem Guttaperchablatte sieht man zahlreiche Stecknadel-
kopf- bis hirsekomgfroße, blaßrote Papeln mit grünlich-schwärz-
lichen komedoartigeu Punkten an ihrer Spitze. Jucken ist
kaum vorhanden.
20. August. Heute, am 12. Versuchstage ist das Jucken ge-
schwunden, die Veränderungen innerhalb der vom Zinkpflaster gebildeten
Grenzen bieten das typische Bild des papulösen, vesiculösen und nässenden
Ekzems. Die YersuchssteUe wird photographiert, mit Äther gereinigt
nnd von heute an unbedeckt gelassen.
28. A ugust. Die erkrankte quadratfarmige Fläche ist hyperämisch,
mäßig infiltriert und schuppt.
26. August. Die Infiltration ist geschwunden, an der ^uadrat-
f5rmigen Fläche besteht eine kleinlamellöse Schuppung und eine sehr
blasse braune Pigmentierung.
10. September. Auf der Applikationsstelle der Amikaflecke
weicht die Färbung der Haut von der normalen kaum wahrnehmbar mit
einer bräunlichen Nuance ab.
Während der ganzen Versuchs- und Beobachtunfrs-
seit war außer den vorhanden gewesenen Veränderungen,
welche inzwischen auf die eingeleitete Behandlung hin
eine Besserung erfuhren, keine andere zu sehen.
6. J. P., 18 Jahre alt, Stubenmädchen, hat angeblich nie an
einer Hautkrankheit gelitten; sie befindet sich wegen Lues auf der
Abteilung.
234 Caillag.
Am 9. Aiig[a8t 1901 appliiierte ich aaf die BeageflJtohe des
linken Oberarmes einen Amikaverband.
10. Angust. Sehr geringes Jacken; die Honuchichte ist
gernnzelt.
11. August. Mäßiges Jucken, die Hornschiohte ist gerunxelt,
minimale Hyperamie.
12. August. Starkes Jacken; auf der von der Arnikag^se be-
deckten Partie sieht man außer den vorhandenen Veränderungen ober-
flächliche, mohnsamengroße Vesikeln auf schwach infiltrierter Basis.
13. August. Status idem.
14. August. Mäßiges Jucken; sonst erscheint die Haut gerunzelt.
15. August. Status idem.
16. August. Die mazerierte Homschichte hat sich abgelöst. Nach
Reinigung wird frische Amikagaze appliziert.
17. August. Starkes Jucken. An der Stelle der Arnika*
gaze auf quadatförmiger Fläche besteht Hyperämie, ödem,
die Oberfläche ist dicht besetzt m it bis hirsekorngroßen
Papeln und Papulovesikeln; vereinzelte Papeln sieht man auch
unter dem Gnttaperchablatte.
18. Aufi^ust. Starkes Jucken, Hyperämie, intensiveres ÖdeuL
Die Hornschichte ist mazeriert, in Ablösung begriffen, darunter erheben
sich klein Stecknadelkopf- bis hirsekorngroße Vesikeln; Nässen ist nur in
einer Ecke des Vierecks vorhanden. Unter dem Guttaperchablatte
erheben sich in mäßiger Anzahl, an der Spitze mit schwärzlich-
grünen, komedoartiffen Punkten versehene Papeln.
19. August. Jucken am ganzen Arme. Unter der Watte besteht
keine Veränderung, sonst status idem.
20. August. Jucken wird auch heute am ganzen Arme gefohlt»
Die bedeckte Fläche ist bis zum äußeren Rande des Zinkpflasters
hyperämisch, unter dem Zinkpflaster erheben sich mohn- bis hirsekom-
große Papulo- Vesikeln, vom inneren Rande des Zinkpflasters bis zur
Amikagaze ödematös und infiltriert, mit zahlreichen bis hirsekomgroßen
Papeln bedeckt, unter der Amikagaze sieht man bis bohnengroße Blasen
mit wasserklarem Inhalte, die Hornschichte ist aufgelockert und durch
Serum emporgehoben.
Heute setzte ich den Amikaverband aus, die Blasen inzidierte
ich, und bedeckte die ganze Fläche mit Zink-Vaselin-Lint.
23. August. Eine quadratformige braune Pigmentiernng und
mäßige Schuppung markieren noch die Reaktion auf Arnika.
26. August. Pigmentierung und Schuppung.
10. September. Die ganze Reaktion hat sich spurlos zurück-
gebildet.
Während dieser ganzen Zeit ist sonst nirgends auf
der Haut irgend eine Veränderung aufgetreten.
7. J. T., 23 Jahre alt, Tischler, leidet seit seinem 8. Monate an
Ekzem, das am 31. Juli 1901 folgendes Bild darbot: Auf der behaarten Kopf-
haut, den Ohren, Augenbrauen, der Stelle des Schnurrbartes und Backen-
bartes, der Haut des knorpeligen Nasenrückens besteht ein nässender,
mit Borken bedeckter oder schuppender Ausschlag; auf beiden Hand-
rücken, den Dorsalflächen der Finger bestehen stecknadelkopfgroße
Papeln chronischen Charakters auf cyanotischer Basis ; ähnliche Papeln in
geringerer Zahl auf einer Basis von normaler Hautfarbe an den Unter-
armen. Bis hirsekorngroße Papeln befinden sich zerstreut auf dem
Stamme, dichter gruppiert an der Taille, und am Gesäße fließen die-
selben zu schuppenden, trockenen Plaques zusammen. Die Haut des
Hodensackes ist rötlich zyanotisch, trocken und schappend. Beide
Unterextremitäten, hauptsächlich im unteren Drittel sind mit hyper-
Zur Ekzemfrage. 235
ämlBchen Papeln und mit aas Eonflaonz derselben entstandenen trockenen,
schuppenden Placques bedeckt; auf der Innenseite beider Fersen ist eine
kinderhandtellergroße; exkoriierte, nässende, mit Borken und Krusten
bedeckte Fläche.
8. August 1901. Auf die Beugefläohe des rechten Oberarmes an
einer von Ekzem freien Fläche applizierte ich einen Arnikaverband.
9. August. Keine Reaktion.
10. August. Minimales Jucken^ die Hornschichte ist gerunzelt,
es besteht eine minimale Hyperämie und Bildung von oberflächlichen
Papeln.
11. August. Das Jucken ist intensiver und beständig. Sowohl
an der von Arnika bedeckten Fläche, als auch in ihrer unmittelbaren
Nachbarschaft unter dem Gnttaperchablatte sind in ziemlicher Anzahl
isolierte, an der Spitze gräulich-schwarze, komedoartige
Punkte aufweisende, blafirote, kleinstecknadelkopfgroße Papeln auf
blaßroter Basis sichtbar.
13. August. Status idem.
14. August. Die Papeln sind bis hirsekomgroß, die jrrünlich-
sch Warzen, komedoartigen Funkte auf der Spitze derselben sind auch
heute gut sichtbar.
15. August. Status idem.
17. August. Das Jucken hält an; die mit der Arnikagaze und
dem Guttaperchablatte bedeckte Fläche zeigt in ihrem Zentrum das
Bild eines mäßig ausgebildeten, an den Rändernmit Papeln
sioh ausbreitenden, nicht nässenden Ekzems. Den Arnika-
verband setzte ich aus.
18. August. Das Jucken hat sich um etwas gesteigert, die Ver-
änderungen haben die Quadratform und die Grenzen des Guttapercba-
blattes inne.
23. August. Das Zentrum der Veränderung ist mäßig infiltriert,
hyperämisch, uneben, schuppend, an den Rändern sind hirsekorngroße,
hyperämische, wenig schuppende Papeln in großer Anzahl vorhanden.
Der ganze Prozeß weist einen chronischen Charakter auf.
26 August. Die Veränderungen an der Versuchsstelle haben das
gleiche Aussehen wie die ekzematösen Veränderungen der übrigen
Körperstellen, besonders wie diejenigen an den Handrücken. Im Yer«
laufe der weiteren Beobachtung behält der Prozeß an der Versuchsstelle
seinen Charakter und die quadratförmige Gestalt, bleibt ohne Neigung
zur Rückbildung bis zum 16. September, an welchem Tage Kranker die
Abteilung verläßt.
Inzwischen haben sich die übrigen Ausschläge der
Haut nicht verschlimmert, neuere, akutere Ausschläge sind
nicht aufgetreten.
8. B. S.^ 17 Jahre alt. Kassierin, hat an einer Hautkrankheit nie
gelitten; sie wird wegen Papillome auf der Abteilung behandelt.
Am 18. Juli 1901 applizierte ich auf die Beugefläohe des linken
Oberarmes einen Verband mit Arnikatinktur.
19. Juli. Mäßiges Jucken; die Hornschichte erscheint gerunzelt.
20. Juli. Status idem.
21. Juli. Es besteht Jucken, die Hornschichte ist mazeriert, läßt
sich leicht abwischen.
22. Juli. Das Jucken ist geringer, die Hornschichte ist in Re-
generation begriffen.
23. Juli. Das Jucken hat aufgehört; eine Veränderung ist nicht
zu konstatieren.
Vom 24. bis 27. Juli besteht weder eine subjektive, noch eine
objektive Veränderung.
236 Gsillag.
27. J o 1 i. Minimales Jacken, die Homschicht ist neaerdinfls mazeriert.
28. Juli. Das Jacken hat sich gesteigert; anter dem Gattapercha«
blatte und dem Zinkpflaster ist die Haut m&Dig ödematos und hyperftmisoh,
unter der Amikagaze sieht man beginnende rapeln.
29. Juli. Das Jacken hat sich bis zur unertrftglichkeit gesteigert,
die Kraiüce kann deswegen nicht schlafen; anter dem Gattaperchablatte
und dem Zinkpflaster Status idem. Die unter der Arnika^aze be-
findliche quadratförmige Fläche ist starker infiltriert,
besäet mit Papulo-Vesikeln.
80. Juli. Das Jucken hat ganz aufgehört; die Hyperämie ist
minimal, die Infiltration ist geringer, die Papulo-Vesikeln haben sich
nicht weiter entwickelt; an einzelnen, kleinen Partien besteht punkt-
förmiges Nässen.
31. Juli. Der Verband mit Arnikatinktur wird ausgesetzt, darunter
ist nur eine minimale Hyperämie und Infiltration vorhanden.
1. Aujffust. Es ist noch eine bräunlich-rote Piffmentierung, eine
minimale Infiltration und schwache Schuppung vorhanden. Während der
ganzen Versuchs- und Beobachtungszeit wurde an den
sonstigen Teilen der Haut keine Veränderung wahrge-
nommen.
Wie wir also auch aus diesen acht Versuchsfallen er-
sehen, yerursacht zwar die Arnikatinktur, wenn wir dieselbe
luftdicht abgeschlossen applizieren, die ihr entsprechende
reaktive Dermatitis an der Applikationsstelle, beziehungsweise
auf jenem Hautgebiete, auf welches sie hin zu gelangen ver-
mochte, doch überschreitet sie nicht die ihr aufgestellten
Schranken, und so vermag man auch ihre Ausbreitung auf der
Haut per continuitatem nach Willkür zu beherrschen. Es ist
zwar eine Tatsache, daß Hyperämie und Ödem auch jenseits
der Schranken in der Nachbarschaft auftreten können, es können
sogar, wie wir uns bei Versuchen mit anderen Sto£Fen über-
zeugt haben, zuweilen auch längere lymphangioitische Streifen
von der Applikationsstelle des Irritaments ausgehen und sich
weit jenseits der aufgestellten Schranken hinziehen, indessen
ist die Haut über denselben völlig glatt, und über ihnen ent-
wickeln sich keine Papeln und keine Yesikeln.
Die Hyperämie, das Ödem und die Lymphangitis sprechen
sicherlich für die Resorption des Irritaments; das Fehlen von
Papeln und Yesikeln über der Hyperämie und dem Ödem der
Nachbarschaft und die Gegenwart desselben an der Applikations-
stelle des Irritaments sprechen mit aller Wahrscheinlichkeit
dafür, daß zur Bildung derselben eine von außen konunende
Alteration der Epidermis durch das Irritament erforderlich ist.
Der 3. Fall ist auch dafür ein eklatantes Beispiel, daß
die Reaktion auch in längerer Zeit nach dem scheinbaren Auf-
Zor Ekzemfrage. 237
hören der Irritation, in unserem Falle nach 5 Tagen, erfolgen
kann; wenn wir also bei einem aus bekannterUrsache
aufgetretenem Ekzem, bei welchem die Ursache
scheinbar zu wirken aufgehört hat, noch weiter
die Entwicklung Yon neuen Ekzemherden be-
obachten, so müssen wir also auch in diesem Falle
an die weitere Einwirkung der ursprünglichen
Ursache denken.
Wenn wir demgemäß die durch die Arnikatinktur ver-
ursachten Veränderungen in den Fällen, dasieunbeschränkt
und unkontrolliert mit der Hautdecke in Be-
rührung kommt und in jenen Fällen, da sie auf
eine gewisse und vorher bestimmte Partie der
Haut beschränkt ist, mit einander vergleichen,
dann sehen wir, daß die reaktiven Erscheinungen
in den ersteren Fällen auf den verschiedensten
Stellen der Haut auftreten, während dieselben in
den letzteren Fällen nur auf das vorher bestimmte
Gebiet beschränkt auftreten.
Die beschriebenen Versuchsfälle beziehen sich zwar nur
auf Arnika, doch hatte ich ähnliche Ergebnisse auch bei jenen
Versuchen, welche ich mit Emplastrum Hydrargyri cinereum
(2 Fälle), Emplastrum adhaesivum (10 Fälle), 10% Pyrogallus-
salbe (4 Fälle), mit Jodoform (2 Fälle), mit Borvaselin (1 Fall),
mit Unguentum Hydrargyri (2 Fälle) mit positivem Erfolge
angestellt habe; indessen um Weitläufigkeiten zu vermeiden,
will ich diese Versuche hier nicht ausführlicher besprechen.')
Mit 7 verschiedenen chemischen Irritamenten habe ich
39 Versuche mit positivem Erfolge angestellt, deren Resultat
stets dasselbe war. Eine ekzematöse Veränderung ist
weder jenseits der der Einwirkung desirritaments
aufgestellten Grenzen per continuitatem aufge-
treten, noch hat sich dieselbe an Hautstellen,
^) Efl wird die Aufgabe weiterer QntersachaDgen sein, klarzalegen,
inwiefern in diesenFällen von den Saboureau d'schen (16)„P astulations-
tranmatiqueB mädicamenteases* die Rede sein kann, welche nach
S. beim DazwiBcbentreten gewisser chemischer Reize durch die Staphylo-
kokken hervorgerufen werden.
238 Ceillag.
welche von der Einwirkungsstelle des Irritaments
entfernt waren, quasi sprungweise, entwickelt; die
ekzematösen Eruptionen sind stets innerhalb
dieser Grenzen aufgetreten.
Wenn also in den Versuchsfällen an von der
Versuchsstelle (= Stelle der Einwirkung des
Irritaments) entfernten Stellen eine ekzematöse
Veränderung nicht auftritt, während wir dies in
den klinischen Fällen beobachten, dann kann die
Ursache hieyon nur darin liegen, daß das Irrita-
ment, wenn auch nur zufällig, an die entfernten
Stellen hingelangt ist und dort seine ekzemproYO-
zierende Einwirkung entfaltet hat.
Da die Reflextheorie in derLehre desEkzems
in dem Sinne, in welchem es die zitierten Autoren
lehren, keine Berechtigung hat, bin ich dafür, daß
sie als überflüssig und unrichtig aufgegeben werde.
Literatur.
1. M. Kaposi. Pathologie und Therapie der Hantkrankheiten.
y. Aufl. pafiT. 494.
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1. Band. IL Aufl. pag. 463.
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Therapie. XIY. Bd. I. Hälfte. Handbuch der Hautknuikheiten. £kxema. p.368.
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ältalänos reactiöjärol. Gyogyaszat. 1896. pag. 494 u. 609.
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13. Plumbe. Praktische Abhandlung von den Hautkrankheiten.
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menteuses. in : La Pratique Dermatologique. 1901. IL pag. 683 — 684.
Ans Dr. med. A. Eleenberg's Abteilung Ar Hant- n. venerieche
Zrankheiten am ieraelitischen Erankenhanse in Warsohan.
Sarcoma idiopathicum multiplex en plagues
pigmentosum et lymphangiectodes.
Eine eigentflmliche Form der sog. Sarcomatosis cntis.
Von
Dr. Robert Bernhardt,
Ant am 8t. Lazarua-Hoapital in Wanchaa.
(Hieau Taf. XIII u. XIV.)
Der vorliegende Fall von Sarcomatosis cutis, dem ich
hier eine eingehende Beschreibung widme, unterscheidet sich
wesentlich von den gewöhnlichen, bis jetzt beobachteten klini-
schen Typen. Der histologische Bau ist zwar in vielen Punkten
mit dem Typus a) Kaposi identisch, das klinische Bild ist
jedoch so abweichend, daß eine Absonderung dieses Falles und
Herstellung einer neuen (klinischen) Gestalt wohl gerechtfertigt
erscheinen wird.
Abraham Usoher W., 26 Jahre alt, Israelit, ein Glaser ans dem
Städtchen Wiskitki (Gonvem. Warsohaa) wurde in die Abteilung am
4. April 1901 aufgenommen (Nr. 2764 des Hauptbuches). Er stammt aus
einer gesunden Familie. Seine Eltern leben und sind gesund. Von seinen
Geschwistern (2 Brüder und 4 Schwestern) leidet nur eine Schwester
schon lange an einer Augenkrankheit. Niemand von seinen Verwandten
unterlag jemals einer solchen Erkrankung, die wir bei unserem Patienten
beobachten. Er selbst war immer gesund, seine Kindheit ausgenommen.
Venerische Krankheiten hat er nie durchgemacht.
Das Leiden, welches jetzt unser Interesse erregt, begann vor
7 — 8 Jahren unter folgenden Umständen. Der Vater des W. ist Eigen-
tümer eines Schwitzbades im Städtchen Wiskitki. Unser Patient war
■einem Vater recht behülflich, jedoch bei seiner Beschäftigung durch-
240 Bernhardt.
näßte er stets die Füße und erkältete sich öfters. Vor 7 — 8 Jahren
erkrankte W. an Erysipelas der linken unteren Extremität and hötete
einige Wochen das Bett Nach seiner Genesang fing er wieder dieselbe
Beschäftigang an, bemerkte aber bald, daß die Venen der unteren linken
Extremität etwas „angeschwollen^, resp. erweitert waren. Gleichseitig
stellte sich aach ein mäßiges ödem derselben Extremität, das bis zur
Hälfte des Oberschenkels reichte, ein. Das Ödem, welches ein geringes
Jacken yerarsachte, trat am meisten am Tage hervor, wenn der
Patient viel gehen maßte, während es beim Liegen, s. B. in der
Nacht, fast vollständig verschwand. Daram blieb der Patient manchmal
wochenlang im Bett, nm den kranken Fuß zu schonen. Ein solcher Zu-
stand mit abwechselnden Besserungen und Verschlimmerungen dauerte
gegen ein Jahr, worauf das Ödem gänzlich verschwand. Nach einiger
Zeit fingen an sich auf der Haut der linken unteren Extremität ^rote
Flecken** zu zeigen. Diese „Flecken**, wie sie der Patient nannte, ver-
größerten sich sehr langsam und vereinigten sich auch miteinander
Anfangs traten sie auf den Zehen hervor, später auf dem Fuße und dem
Unterschenkel; endlich vor 1 — iVs Jahren erschienen sie auch auf dem
Oberschenkel. Bei dem Betreten der Abteilung war der Zustand des
Patienten ein folgender.
Ein Mann von ziemlich hohem Wüchse, gut gebaut und wohl ernährt.
Die pathologischen Veränderungen befinden sich ausschließlich auf
der linken unteren Extremität und treten am deutlichsten aaf dem Fuße
hervor. Der ganze Fuß samt den Zehen ist erheblich vergrößert^) und
unförmig. Die normalen Konturen, hauptsächlich in der Gegend der
Enöchel, sind gänzlich geschwunden; die Hautfaltec sind ausgeglichen,
der Fußrucken scheint polsterartig aufgetrieben. Auf der ganzen Fläche:
von den Zehen bis zu einer 4 Finger breit über den Knöcheln gezogenen
Linie auf dem Unterschenkel unterlag die Haut gleichen Veränderangen,
Die Verfärbung der Haut ist hier nicht überall egal. Vorwiegend herrscht
die rötlich-violette Farbe, welche jedoch so veränderlich ist, daß sie an
manchen Stellen in dunkelrot, bläulich-rot und blaurot übergeht. Bei
gutem Tageslichte kann man sich jedoch überzeugen, daß die Grund-
farben aus rot und violett bestehen. Die Oberfläche dieser Hautpartie
ist glatt, glänzend und trocken; an manchen Stellen schuppt die Epi-
dermis sehr mäßig. Die normale Felderung der Hautoberfläche ist gänzlich
verschwunden. Follikelmündungen wie auch Haare kann man hier nirgends
bemerken. Die Haut ist verdickt, ihre Konsistenz ist teigigweich. Man
kann zwar an allen Stellen die Haut falten, aber die Falten sind klein
und dünn, den sie scheinen ausschließlich aus den oberflächlichen Haut-
schichten zu bestehen.
*) Der Umfang des linken Fußes in seinem Mittelteile beträgt
28 cm, des rechten 23 cm; der Umfang des Fußgelenkes, um die Ferse
und Knöchel herum gemessen, beträgt linkerseits 85 cm^ rechterseits 21 cm.
Sarcoma idiopathioam maltiplex etc. 241
Beim Drucke mit der Fingerspitze bildet sich auf der Haatfläche eine
tiefe Gmbe, die jedoch ziemlich schnell verschwindet Bringen wir nun
die Extremität des Patienten auf einige Zeit in eine senkrechte Richtong,
so bemerken wir, daß sich auf der erkrankten Hantfläcfae eine große Zahl kleiner
l&nglichen and schr&gen F<chen bildet. Die Hant scheint dann za weit
an sein für jene Eörperregion, die sie bedecken soll. Es genügt aber die
Richtung der Extremität zu ändern, z. B. den Patienten aufstehen zu
lassen, als die Hautfiiltohen sogleich verschwinden. Wir bekommen nun
den Eindruck, als ob die veränderte Haut mit einer Flüssigkeit getränkt
wäre. So ist es auch in der Tat: Nach einem Nadelstiche in die erkrankte
Haut fängt sogleich eine serös-blutige Flüssigkeit zu rinnen an und dieses
Binnen dauert sogar nach einem einzigen Stiche 4 — 5 Tage. Die Haut
ist also nicht nur mit seröser Flüssigkeit getränkt, sie hat aber auch viel
an ihrer Elastizität verloren.
Die beschriebene Hautpartie endigt, wie gesagt, auf dem Unter-
schenkel mit einem festonenartigen, scharf begrenzten, nicht erhabenen
Rande, dessen Farbe auch viel dunkler : bräunlichrot ist. Die scharfe Be-
grenzung tritt am deutlichsten beim Betasten hervor. Wir überzeugen
uns dann, daß der Rand sehr scharf, als ob mit einem Messer ausge-
schnitten und auch sehr hart ist. Weil nun aber die erkrankte Hant
teigig-weich ist, so fühlen wir, wenn wir mit dem Finger in der Richtung
von der gesunden zur erkrankten Haut führen, daß unsere Fingerspitze
hinter dem erwähnten Rande in eine weiche Masse plötzlich einsinkt.
Man muß noch zufügen, daß bei stärkerem, tiefem Drucke auf die
erkrankte Haut der Patient einen leichten Schmerz empfindet; ein
schwacher Druck verursacht ein solches Gefühl nicht.
Auf der Haut des Unterschenkels, hauptsächlich auf der Vorder-
und den Seitenflächen sieht man zahlreiche, zirkumskripte Hautverände-
mngen von runder, ovaler, länglich ovaler, mitunter auch irregulärer
Gestalt. Ihre Größe variiert von der einer Felderbse bis zu der einer
silbernen Markmünze. Dieselben konfluieren an manchen Stellen. Ihre
Farbe ist dunkelrot bis rotviolett. Diese zirkumskripte Hautpartien
erheben sich nicht über das Niveau der Umgebung; ihre Oberfläche ist
glatt, haarlos und ihre Felderung ist fast gänzlich verschwunden. Die
Konsistenz der veränderten Haut ist weich, teigig; beim Nadelstiche be-
ginnt das Aussickern von serös-blutiger Flüssigkeit. Die zirkumskripten
Hautpartien sind sehr scharf begrenzt und ihre viel dunkleren Ränder
besitzen dieselben Eigenschaften, welche ich früher beschrieben habe.
Der Druck auf diese Hautstellen ist schmerzlos.
Auf der inneren Oberfläche des Kniegelenkes befindet sich eine
scharf begrenzte Ilautpartie, die von einem festonenartigen Rande um-
geben ist. Ihre Länge beträgt zirka 13 cm, die Breite bis 7 em. Hier ist
die Haut dunkeloliv gefärbt, ihre Konsistenz ist weich, aber nicht so
teigig, wie z. B. auf dem Fuße. Die Oberflächenfelderung der Haut ist
hier zum Teil noch erhalten. Hier und da sieht man auch einzelne
Follikelmündungen mit hervorragenden farblosen, feinen Haaren. Drei
Areh. f. Dermat. u. Sfph. Bd. LXIII. iß
242 Bernhardt.
Ähnliche EirkomBkripte, z. T. konflaierende Hantstellen bemerken wir
auch in der Gegend der Fossa poplitea.
Anf der Hant der Innenfläche der unteren H&lfte des Oberschenkels
befinden sich auch einige runde oder qnerovale, 3—6 an breite, sirknm-
skripte Hautpartien. Dieselben sind dunkeloliv verfärbt und den schon
beschriebenen überhaupt ganz ähnlich. Nur zwei zirkumskripte Haut-
partien, die am höchsten gelegen und wahrscheinlich auoh relativ frischer
Herkunft sind, besitzen ein anderes Aussehen. Diese letzteren sind nicht
so scharf begrenzt und ihre Bänder zeichnen sich ni<^ht so aus, wie
anderswo. Die zentralen Teile jeder von diesen beiden zirkumskripten
Haotstellen ist eingezogen, als ob durch eine in der Unterhaut sich ent-
wickelnde Narbe. Die Konsistenz der Haut ist hier fiast normal; die
Färbung ist hellrot und in den zentralen Teilen dunkler als in den
peripheren.
Auf dem Unterschenkel und in der Gegend des Kniegelenkes
unterlag die zwischen den zirkumskripten Hautveränderungen gelegene
Haut auch gewissen Veränderungen. Sie ist dicker als normal, sehr hart
und außerdem auf dem Unterschenkel so gespannt, daß man sie hier
nicht falten kann. Der Fingerdruck hinterläßt keine Grube. Sie ist von
grau- bis bräunlich-gelber Farbe und diese Verfärbung tritt am deut-
lichsten in der Umgebung der zirkumskripten Hautveränderungen hervor,
so daß diese letzten von einem ziemlich breiten, tief bräunlich-gelben
Saume umgeben sind. Anf dem Oberschenkel ist die Haut fast normal.
Nur um die zirkumskripten Hautveränderungen herum ist sie etwas
dicker, härter und dunkler als normal.
Die Haut anderer Körperstellen ist vollständig normal. Auf der
Haut des Stammes sieht man einige kleine, runde Narben (post impeti-
gines). Auf dem 3. Finger der rechten Hand befindet sich eine Warze.
Untersuchung des Muskel- und Knochensystems. Veränderungen
finden sich nur an der linken unteren Extremität vor. Die Muskeln des
linken Unterschenkels sind atrophiert. Der Umfang des linken Unter-
schenkels in seiner Mitte beträgt Sl'Ö em, des rechten bis 36 cm. Die
Muskeln des Oberschenkels sind unverändert geblieben. Die Phalangen-
knochen des linken Fußes sind auch bei tiefster Palpation nicht zu
fühlen. Die verdickten, formlosen Zehen machen den Eindruck von Säck-
chen, welche mit einer elastischen, weichen Masse gefällt sind. Die
passiven Bewegungen der Zehen sind anormal breit. Man kann die Zehen
unnatürlich biegen, man kann sie auch wiederum bis 130^ in der Richtung
zum Rücken des Fußes umbiegen. Die Seitenbewegnngen sind auch breiter
als normal. Eine Ausnahme bietet die große Zehe, bei deren Basis wir
eine stärkere Resistenz fühlen und die sich nicht so leicht biegen läßt.
Bei diesen passiven Bewegungen klagt der Patient auf leichte Schmerzen
in den Zehen. Die distalen Enden der Mittelfußknochen sind sehr weich
und schmerzhaft beim Drucke. Die übrigen Knochen des Fußes scheinen
unverändert zu sein. Auf der vorderen Oberfläche der Tibia fühlen wir
einige kleine seichte Vertiefungen. Bei aufmerksamer Untersuchung kann
Sarcoma idiopathienm maltiplex etc. 243
man iiah jedoch überzeugen, daß diese Knoohenlftaionen (CJsaren) nar
scheinbar ti^d: sie stehen in ZasammenhaDg mit den zirkumskripten
HantyeränderungAn und der Eindruck von Vertiefungen auf der Knoohen-
fliohe entsteht danui^ weil der tastende Finger in die weiche, teigige
Masse der veränderten Qaut plötzlich eindringt.
Beim Stehen und GebtQ abiuziert der Patient die kranke Extremität,
biegt sie etwas im Hüft-, Kni^ und Fußgelenke, indem er sich nur auf
die Ferse stützt. Beim Gehen stftlst er sich mit dem ganzen Körper auf
einen Stock, den er mit beiden Händaft hält, den linken Fuß aber schiebt
er auf der Ferse nach vorne. Das Auflveten mit dem ganzen Fuße ver»
meidet er der Schmerzen wegen. Sogar baim Liegen hält er die linke
Extremität im Knie gebogen, weil es so, wie Qr sagt, bequemer sei, ob-
gleich das Ausstrecken ihm weder Schwierigkeii noch Schmerzen ver-
ursacht. Überhaupt sind die Bewegungen im Hüft- und Kniegelenke
vollständig normal, im Fußgelenke dagegen sind sie atwas beschränkt.
Aktive Bewegungen der Zehen sind für unseren Patienten unmöglich.
Passive Bewegungen in allen obengenannten Gelenken sind vollständig
nirmal (außer den Zehengelenken, von welchen schon früher erwähnt
wurde).
Die Röntgen-Pbotographie des linken Fußes zeigte, daß die Pha-
langenknochen derart vernichtet sind, daß man sogar ihre Umrisse nicht
bemerken kann. Einen leichten Schatten hinterläßt nur die I. Pbalanga
der großen Zehe. Die distalen Enden der Metatarsalknochen, außer dem
ersten, sind auch gänzlich vernichtet. In der Tibia und Fibula konnten
keine Veränderungen entdeckt werden.
Nervensystem. Die Tätigkeit der Gehirnnerven ist vollständig
unverändert. Die Hautsensibilität (Tast-, Schmerz- und Temperatnrgefuhl)
ist an allen Stellen gut erhalten, sogar auf der kranken Extremität. Nur
an den Stellen der zirkumskripten Hautveränderungen ist das Schmerz-
gefühl etwas herabgesetzt, nämlich ein Nadelstich erzeugt hier nur das
Gefühl einer Berührung. Paraestesien sind nicht vorhanden. Patellar-
reflexe etwas stärker; rechter Plantarreflex gut erhalten, linker fehlt.
Elektrizitätserregbarkeit der Nerven und Muskeln ist vollkommen normal.
Harn- und Stuhlentleerung gehen regelmäßig vor sich.
In den inneren Organen fand ich nichts anormales. T. 36*8 G.
Schleimhäute unverändert. Die linken Inguinaldrüsen sind etwas ver-
größert, alle anderen unverändert.
Die Diagnose, welche des ungewöhnlichen klinischen Bildes wegen
anfangs schwankend war, wnrde durch Biopsie festgestellt. Die Unter-
suchung eines Hautstückohens, das aus einer zirkumskripten Hautpartie
des Unterschenkels exzidiert wurde, bewieß, daß wir es mit einem
Sarkomgewebe zu tun haben. ^) Da begann ich dem Kranken Arsen zu
reichen, anfangs in Form subkutaner Injektionen (0'04 pro die), später
^) Die Wunde heilte sehr langsam und das Aussickern von seröser
Flüßigkeit dauerte zirka 10 Tage.
16*
244 Bernhardt.
in asiatischen Pillen (ä 0*005). Der Patient vertrag Arsen sehr gnt and
nahm die Pillen 9 Wochen lang, jedoch ohne mindester Besserang des
lokalen Leidens. Während der ganzen Beobachtongsdaner (bis lam 1. No»
Tember 1901) konnte ich auch keine besonderen YeriLnderangen im Zu-
stande des Kranken bemerken. Nur auf dem Unterschenkel erschien eine
neue zirkumskripte Hautver&ndemng von der Größe einer Felderbse.
Sonst blieb das klinische Bild stets unverändert. Ich konnte auch keine
nennenswerte Vergrößerung der existierenden zirkumskripten Haut?er-
ftnderungen beobachten, obgleich Messungen zeigten, daß die Ränder der
diffusen Veränderungen auf dem Fußrficken zirka 2 — 8 mm vorgeschritten
waren. Diese Zahl ist jedoch nicht einwandsfrei and kann gewiß in den
Grenzen eines Fehlers liegen.
Die negativen Ergebnisse der Arsenkar zwangen mich einen anderen
modus curaodi zu suchen, umsomehr, weil der Patient dringend um eine
„radikale" Heilung bat, denn die kranke Extremität hall ihm beim Gehen
gar nicht, sie störte ihm vielmehr. Man dachte an einen operativen Ein-
griff. Prof. Dr. J. Kosinski, welcher den Kranken um diese Zeit sah
und untersuchte, war der Meinung, daß man alle Krankheitsherde, welche
sich nicht nur in der Haut, sondern auch in den Knochen schon be-
fanden, entfernen soll und schlug darum die Amputation des Ober-
schenkels vor, welche er auch am 3. November 1901 vollzog, wofür ich
ihm auch hier noch meine Dankbarkeit ausspreche.
Gleich nach der Amputation nahmen die circumscripten Hautver-
ändtrnngeu eine graublaue Farbe an, fielen in der Mitte ein und be-
deckten sich auf der Oberfläche mit zahlreichen kleinen Fältchen. Auf
dem Durchschnitte konnte man sich überzeugen, daß die zirkumskripten
Hautveränderungen aus weichem, mit Serum getränktem, ziegelrotem
Gewebe bestehen. Dieses Gewebe dringt an manchen Stellen tief in das
Unterbautgewebe und ist scharf von den gesunden Teilen begrenzt.
Den nächsten Tag nach der Operation injizierte Prof. Dr. H. Hoyer
die ganze amputierte Extremität mit einer blauen Masse (Berlinerblan)
durch die Arteria femoralis, wofür ich ihm sehr verbunden bin. Sodann
habe ich die Knochen durchgefeilt und legte das ganze Präparat in
Formalin. Die makroskopische Untersuchung zeigte, daß die Phalangen-
knochen samt Haut, Unterhautgewebe und Sehnen vollständig vernichtet
und in ein weiches, dunkel-ziegelrotes Gewebe umwandelt waren. Dieses
neugebildete Gewebe ging auch von den Zehen auf den Fuß über. Es
blieb unverändert nur eine dünne Knochenlamelle auf der Sohlenfläche
des I. Phalange der großen Zehe. Die distalen Enden der Metatarsal-
knochen vom II. bis zum V. sind auch vollständig vernichtet und mit
dem umgebenden Gewebe in eine Sarkommasse umgewandelt. Das distale
Ende des I. Metatarsalknochens unterlag der sog. Osteoporosis. Die
Rinde der Diapbysen der Mittelfußknochen ist sebr dünn, die erweiterten
Markhöhlen aber sind mit weichem, dunkelrotem Sarkomgewebe gefüllt
Andere Knochen des Fußes sind ohne bemerkbare Veränderungen, außer
Os naviculare, welches ebenfalls der Osteoporosis unterlag. Die Sehnen
Sarooma idiopatfaicnm multiplex eto. 245
des Fnßes, wie auch das Tendo Achillis sind sehr verdünnt. Das Faß-
und Kniegelenke sind normal. Femur und Fibula sind unyerftndert, die
Rinde aber der Tibia scheint etwas verdünnt zu sein.
Mikroskopisch untersuchte ich ein reiches Mateiial, welches
aus frischeren und älteren ErankheitsherdeD der Haut und den
veränderten Knochen stammte. Die Präparate wurden in Alkohol
gehärtet und in Paraffin eingebettet. Ich färbte mit Häma-
tozylin, Eosin, Safranin, Thionin, gewöhnlichem und polychro-
mem Methylenblau, nach den Methoden: van Gieson's,
Tänzer-Unna's, Weigert's und Gram's. Ich werde hier
nicht jedes Präparat besonders beschreiben, sondern ich will
mich bemühen die Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchung
zusammenzufassen, indem ich anfangs die frischen Veränderungen
beschreiben und allmählich zu den älteren tibergehen werde.
Die frischeren Krankheitsherde (zirkumskripte Hautveränderungen
des Oberschenkels) geben ein folgendes Bild: Die Haut ist verdickt und
ihre Oberfläche gefaltet, wodurch die Epidermis eine ganze Reihe von
Erhöhungen und Vertiefungen bildet. Bei kleiner Vergrößerung kann
man sich überzeugen, daß der Hauptsitz der pathologischen Verände-
rungen Bioh in den tieferen Schichten des Goriums befindet. Wir sehen
hier einzelne, nicht zahlreiche Zellenherde, welche hautsächlich um die
Haarscheiden, m. m. arrectores pil. und um die Schweißdrnsenknäulchen,
seltener abgesondert von diesen Organen, um die Blutgefäße herum ge-
lagert sind. Den Gesamtteil dieser Herde bilden zweierlei Arten von
Zellen. Die einen sind oval oder länglich-oval mit ziemlich durchsichtigem
Körper und besitzen einen großen, blasenartigen, sich schwach färbenden
Kern von deutlich genetztem Bau und mit einigen kleineren und größeren
Eemchen. Der zweite Typus besteht aus langen, schlanken Spindelzellen,
deren längliche oder ebenfalls spindelförmige Kerne sich sehr gut färben. Es
sind dies also dieselben Zellen, die ich bei Saroomata idiopathica multi*
plicia pigmentosa cutis Typus a) Kaposi beschrieben habe. Wie dort,
80 auch hier muß ich zunächst die Aufmerksamkeit auf die Herkunft
der Sarkomzellen von den Perithelien derBlutgeföße richten. Die Zahl der
Gefäße in den frischen Sarkomherden ist relativ klein; neugebildete Blut-
gefäße, wie sie in den älteren Herden vorgefunden werden, konnte ich
hier nicht nachweisen. Die Gefäße sind bedeutend erweitert und ihr
Endothel angeschwollen. Das sieht man am deutlichsten dort, wo die
blaue Masse^ mit welcher did Blutgeföße injiziert waren, nicht einge-
drungen ist. Dicht an den Wänden der Blutgefäße liegen zylindriache
und längliche mono- oder bipolare Zellen mit einem runden oder ovalen
Kerne versehen. Die Richtung dieser Zellen ist der Achse der Gefäße
gewöhnlich perpendikular oder leicht schräge, die Zellen selbst liegen
reihenweise und ziemlich regelmäßig. Dies bemerken wir aber nur in den
ersten 2—3 Reihen. Je weiter von den Wänden der Gefäße, desto mehr
246 Bernhardt
bemerken wir Spindel- und länglich-ovale Zellen, derer Gruppierung
schon nicht so regelmäßig ist. Das hängt wahrscheinlich davon ab, daft
die Blutgefäße zu nahe aneinander liegen, wodurch einzelne perivasknlftre
Zellenseheiden sehr früh zusammenschmelzen. Die Herde sind nicht
scharf begrenzt, denn die Sarkomzellen wachsen in allen Richtungen in
das benachbarte Gewebe ein, indem sie einzelne Bindegewebsbündel um-
ringen oder entlang der Lymphspalten in Gestalt dünner, aber oft ziem-
lich langer, wellenartiger Züge verlaufen. Ziemlich energisch geht auch
das Eindringea in das Unterhautgewebe vor.
Außer den beschriebenen Zellen traf ich in den Herden sehr viele
Mastzellen und eine mäßige Anzahl Plasmazellen. Diese letzteren lagen
gewöhnlich gruppenweise in der nächsten Nachbarschaft der Blut- und
Lymphgefäße und gehörten größtenteils zu den Degenerationsformen.
Hier und da sah ich einige Leakocyten.
Das Bindegewebe unterlag in den Sarkomherden einer bedeutenden
Vernichtung. Elastische Fasern sind spärlich vorhanden und färben sich
auch sehr schwach.
Einer besonderen Aufmerksamkeit verdienen die Veränderungen
des Lymphgefäßsystems, welche nicht nur in den Sarkomherden, sondern
auch in deren nächsten Nachbarschaft, in dem umgebenden Bindegewebe
der Haut zu Tage treten. Diese Veränderungen sind schon sehr deutlich
in den frischen, kleinen Herden und bestehen anfangs in geringer Er-
weiterung der Lymphgefäße und Lymphspalten, welche in allen Rich-
tungen in Form eines Netzes ziehen. Hand in Hand mit der Vergrößerung
der Sarkomherde steigert sich auch die Erweiterung der Lymphgefäße
imd Lymphspalten, so daß in alten Herden das Sarkomgewebe fast auf
den zweiten Plan zu treten scheint. Solche Herde sind einem Schwämme
sehr ähnlich: sie bilden ein ganzes System von breiten Kanälen, welche
sich miteinander vereinigen und deren dünne Wände ausschließlich aus
spärlichen Bindegewebsfasern und einer Anzahl Sarkomzellen bestehen.
Diese letzteren befinden sich auch in den Lymphspalten selbst, wo sie
von allen Seiten von der langsam fließenden Lymphe bespült werden.
Die Erweiterung des Lymphgefäßsystems ist aber noch viel größer in
der Nachbarschaft der Herde. Hier sind die Spalten zwischen den Binde-
gewebsbündeln so breit, daß man sie auch makroskopisch bemerken kann,
das dazwischen liegende Bindegewebe aber unterliegt einer allmählichen
Atrophie.
Je weiter von den Herden, desto schwächer treten die beschrie-
benen Veränderungen zutage und darum unterscheiden sich in dieser
Hinsicht die oberflächlichen Schichten des Goriums fast gar nicht von
der Norroa und in der Papillarschicht ist das Ödem schon so unbe-
deutend, daß es nur einen geringen Druck auf die intrapapillären Zapfen
ausübt. Was die Hautschichten, welche über den Herden liegen, anbe-
trifft, so finden wir hier die größten Veränderungen an den kleinen
Blutgefäßen (Kapillaren und Übergangsgefäßen). Die Veränderungen be-
stehen in Anfangsstadien der Perithelienwucherung. Um die erweiterten
Sarooma idiopathicnm multiplex etc. 247
GeAfie herom bilden lioh dfinne Soheiden, welche aus 1—2 Reihen Bolofaer
Zellen, von denen schon frfiher die Rede war, und ans einer geringen
Anzahl Plasma- und Mastsellen bestehen. Herdenbildung wurde hier nicht
beobachtet. Das Gewebe des Corinms selbst enth< mehr als gewöhnlich fixe
Bindegewebszellen und viele Mastzellen. Das elastische Fasemetz ist gut
erhalten, aber quantitativ absolut vermindert. Die Papillarschichte ist un-
verändert
Die Menge des Pigments ist ungeheuer groß nicht nur in den Herden,
sondern auch im Corium selbst. Die Sarkomzellen und die fixen Binde-
gewebszellen sind fast ohne Ausnahme mit kleinen gelblichen Körnchen
überfällt. Viele dunkel-gelbe oder rötlich-braune Pigmentkörnchen und
Schollen befinden sich zwischen den Zellen der Sarkomherde und auch
in den Spalten des Bindegewebes der Haut. Das Pigment gibt Reaktion
auf Eisen and stammt evident von den bedeutenden Hämorrhagien,
welche man in der Pars reticularis, in der Nachbarschaft der Sarkom-
herde vorfindet. In den Herden selbst sind die Hämorrhagien sehr un-
bedeutend.
Die Schweißdrüsen sind größtenteils vernichtet. Wir finden sie
gewöhlich nur noch in der Mitte der kleinen Herde. Hier degenerieren
und atrophieren sie wahrscheinlich infolge des Druckes seitens der
wachsenden Sarkomherde. Dasselbe kann man auch von den Haarscheiden
und Talgdrüsen sagen. Diese letzteren traf ich in den Präparaten be-
sonders selten. Viel resistenter scheinen die mm. arectores pil. zu sein,
welche an manchen Stellen noch sehr gut erhalten sind.
Die Epidermis ist überhaupt verdünnt. Das Rete Malpighii besteht
aus einer geringeren als gewöhnlich Zahl von Schichten. Die Kerne der
Zellen haben teils ihr normales Aussehen erhalten, teils aber besitzen
sie unreguläre umrisse und förben sich sehr schwach. Die Interzellular-
brflcken sind meistenteils gut erhalten. Hier und da kann man auch eine
Wanderzelle bemerken. Die Pigmentmenge ist nicht nur in den Zylinder-
zellen der Basalschicht, sondern auch in den Stachelzellen sehr bedeutend.
Das Stratum grannlosum ist teils verschwunden, teils bis zur einen Reihe
sehr flacher Zellen, welche nur sehr wenig Keratohyalinkömchen ent-
halten, reduziert. In der etwas verdickten Hornschicht sind Erscheinungen
von Parakeratosis vorhanden. Die Epidermis schuppt.
Die weitere Entwicklung dieser Sarkome, auf einer ganzen Reihe
von Präparaten aus verschiedenen Stellen studiert, geht auf folgende
Weise vor. Die Zahl der Sarkomherde im Corium, wie auch im Unter-
hautgewebe wird immer beträchtlicher. Einzelne Herde vergrößern sich,
wobei die Blutgefäße in denselben auch immer zahlreicher werden. Die
Erweiterung des Lymphgefaßsystems nimmt parallel mit dem Wüchse
der Sarkome zu. Endlich fangen einzelne Herde sich zu vereinigen an,
was man am deutlichsten an den ältesten zirkumskripten Hautpartien
ersehen kann (Fuß und der untere Teil des Unterschenkels). Die Präpa-
rate aus diesen Stellen (wo die pathologischen Veränderungen natürlich
am weitesten vorgerückt sind) geben folgendes mikroskopisches Bild.
J
248 Bernhardt.
Die Präparate wurden auf solche Weise geschnitten, dafi sie einen
Teil der veränderten Hant, den scharfen Rand and einen Teil der umgebenden
relativ gesunden Haut umfassen. In der Gegend der veränderten Haut-
partie sieht man ein diffuses Sarkomgewebe, welches gleich unter den
Papillen beginnt und in der Unterhaut in gebrochener Linie endigt. In
den zentralen Teilen dieser Hautpartie ist das Gewebe ganz diffus, in
den peripheren aber besteht es aus deutlichen, nahe aneinander liegenden
einzelnen Herden. Das Sarkomgewebe besteht aus Spindel- und länglich-
ovalen Zellen, von den schon früher die Rede war. Mast- und Plasma-
zellen sind ziemlich spärlich vorhanden. Die Anzahl der Blutgefäße ist
sehr bedeutend. Ihr Verhältnis zu den Sarkomzellen blieb dasselbe. Hier
beteiligen sich aber an der Bildung des Sarkomgewebes mitunter auch größere
Gefäße, nämlich kleine Arterien und auch öfters Venen, welche in den tiefen
Schichten der Haut, an der Grenze der Unterhaut verlaufen. Die Gefäße sind
manchmal mit sehr sohönen Mänteln, die aus 10 — 15 Zellenreihen bestehen,
umgeben (Fig. 2). Die Lymphspalten sind kolossal erweitert, hauptsäch-
lich in der oberen Hälfte der Sarkommasse (Fig. 1). An diesen Stellen
ist das ganze Gewebe wie durchlöchert, so daß mitunter das Präparat
den Eindruck eines Lymphangioms, dessen Balken einer sarkomatösen
Degeneration unterlagen, macht. Am deutlichsten treten diese Bilder in
der Haut der Zehen vor. Hier ist die Erweiterung des Lymphgefaßsystems
die dominierende Erscheinung: infolge des Druckes unterlagen wahr-
scheinlich die Sarkomzellen einer Atrophie und das ganze Präparat, gegen
das Licht gehalten, sieht wie ein Sieb aus. Hämorrhagien konnte ich im
eigentlichen Sarkomgewebe nicht bemerken, dafür eine enorme Menge
kömigen Pigments. Das elastische Fasernnetz ist fast gänzlich vemiohtet.
Schweiß- und Talgdrusen sind nicht vorhanden, nur hier nnd da sieht
man Überreste einer Haarscheide. Die Papillär- und Subpapillarschicht
sind über der Sarkommasse wenig verändert. Die Papillen sind teils sehr
niedrig, teils gänzlich ausgeglichen. Hier bemerken wir ein sehr mäßiges
' ödem, etwas mehr als gewöhnlich fixe Bindegewebszellen und etwas
Pigment. Die Kapillaren der Papillen sind mäßig erweitert und ihr
Endothel angequollen.
Die Übergangszone, welche von außen und unten das diffuse Sar-
komgewebe umgibt, besteht aus kleineren und größeren Herden von
solchem Bau und Eigenschaften, die ich schon früher beschrieben habe.
Diese Sarkomherde werden auch von einem ganzen System bedeutend
erweiterter Lymphspalten umringt, welche wiederum mit den Lymph-
spalten der diffusen Sarkommasse im Zusammenhange stehen. Hinter
dieser Zone — nach außen — endigt die Erweiterung des Lymphgefaß-
systems ziemlich plötzlich, so daß hier die Haut fast gar nicht ödematös
erscheint. Dieses Verhältnis steht in völligem Einklänge mit dem, was
wir klinisch beobachtet haben und erklärt uns, warum der Rand der
zirkumskripten Hautveränderungen so deutlich und scharf abgeschnitten
ist. Es kann ja nicht anders sein dort, wo miteinander eine weiche,
Sarooma idiopaihicum multiplex etc. 249
schwammige Sarkommasse und das kompakte Bindegewebe der Haut
grenzen.
Was die Hant, welche jenseits der Übergang^zone liegt, anbetrifft,
so bemerken wir in ihr außer dem erwähnten leichten Ödem noch vor
allem Veränderungen an den Blutgefäßen. Manche derselben sind nur
erweitert und ihr Endothel wie gewöhnlich etwas angequollen. Hier und
da fkagt aber auch schon die Wucherung der Perithelien an, wodurch
dünne perivaskuläre Zellenscheiden gebildet werden. Kleine Herde sieht
man nur an manchen Stellen in den tiefen Schichten des Goriums. In
der Nachbarschaft der Gefäße treffen wir auch stellenweise Häufchen von
Leukocyten oder Plasmazellen an. Mastzellen sind in großer Zahl im
ganzen Gorium zerstreut. Eine besondere Aufmerksamkeit lenken auf
sich reichliche Hämorrhagien in der Pars reticularis tsutis, welche mit-
unter auf große Strecken verbreitet sind. Die Pig^entmenge ist sehr
bedeutend und das Pigment wird intra- und eztrazellulär vorgefunden.
Die Papillarschicht ist fast unverändert geblieben. Die Epidermis ist über
dem Sarkomgewebe dünner als irgendwo, sonst besitzt sie solche Eigen-
schaften, von welchen schon früher die Rede war.
Ich will hier noch über die Vorgänge in den Knochen kurz be-
richten. Die Veränderungen, welche in ihnen stattgefunden haben, sind
am bedeutendsten in den Zehenknocheu. Auf mikroskopischen Präparaten
(dieselben wurden perpendikulär zur Richtung der Zehenachse geschnitten)
kann man weder Knochen noch Knorpeln und Periost bemerken; auch
die Gelenkkapseln und Sehnen sind vernichtet. Ihre Stelle hat ein Sarkom-
gewebe eingenommen. Dasselbe bleibt stets in Verbindung mit dem
Sarkomgewebe der Haut und unterbaut, so daß zwischen ihnen keine
eigentliche Grenze existiert. Es ist dies ein diffuses Gewebe, in dem die
Konturen des vernichteten Sjioohens sich dadurch kennzeichnen, daß an
der Stelle desselben das Sarkomgewebe mitunter etwas kompakter ist
und dsß man hier und da ein entkalktes, mit Osteoklasten besetztes
Knochenbälkchen bemerken kann (Fig. 8). Das Sarkomgewebe selbst besitzt in
den Grenzen der ehemaligen Knochen einen Bau, der mit dem beschrie-
benen in der Haut völlig identisch ist. Es ist auch ein Spindelzellen-
sarkom, das aus den Perithelien der Blutgefäße entstanden ist. Der Typus
des Angiosarkoms tritt stellenweise recht deutlich zutage. Man sieht
schmälere und breitere perivaskuläre Mäntel, die teils durch Bindegeweb-
schichten von einander getrennt sind, teils zusammenfließen. An manchen
Stellen erinnert das Neoplasma an ein gewöhnliches spindelzelliges
Sarkom mit in verschiedenen Richtungen sich kreuzenden Bündeln. Hier
ist das Gewebe auch gewöhnlich kompakter. Noch an anderen Stellen
erscheint der Bau wie lobulär; dabei sind die einzelnen Lobuli denjenigen
Sarkomherden, die ich in der Haut beschrieben habe, ganz ähnlich. In
ihnen ist auch das Netz der Lymphspalten am meisten erweitert. Weit-
gehende Veränderungen fsnd ich auch im Knochenmarke der Metatarsal-
knochen. Hier tritt das Sarkom in der Form einzelner Herde oder diffus
auf. Sein Bau ist dem oben beschriebenen ähnlich. Bemerkenswert sind
250 Bernhardt.
hier zahlreiche frische Hftmorrhagien^ welche an manchen Stellen das
Sarkomgewebe mit roten Blntkörperchen vollständig infiltrieren.
Den beschriebenen Fall reihe ich der Gruppe der idio-
pathischen multiplen pigmentierten Sarkome der Haut an. Wie
ersichtlich, ist derselbe in vielen Beziehungen dem Typus a)
Kaposi ähnlich, jedoch mit demselben nicht identisch. Was
nun die klinische Seite anbetrifft, so beginnt die Erkrankung
auch in diesem Falle wie beim Typus a) Kaposi auf der
Extremität und zwar an den entlegendsten Teilen derselben,
verbreitet sich diskret in zentripetaler Richtung, geht mit der
Zeit auf die Knochen über und des langen Dauerns unbeachtet,
beeinflußt sie den allgemeinen Zustand des Kranken nicht
Auch Arsenik bleibt ohne Wirkung auf diese Sarkome. Der
Unterschied liegt vor allem darin, daß nur eine Extremität
befallen ist, obgleich die Krankheit wenigstens schon 6 Jahre
dauert. Dieser Umstand besitzt aber nur einen relativen,
sozusagen zeitweiligen differential - diagnostischen Wert. Man
kann ja heute nicht voraussehen, was in einigen Jahren ge-
schehen wird und wie sich die anderen Extremitäten verhalten
werden. Der Hauptunterschied besteht unbedingt im Aussehen
und in den Eigenschaften der pathologischen Produkte. Beim
Typus a) haben wir ziemlich derbe Flecken, halbkugelige
Knötchen und Knoten von harter, fast knorpeliger Konsistenz
und diffuse Infiltrate, in deren Grenzen die Haut verdickt,
sehr hart und gespannt ist. Alles dieses ist in unserem Falle
nicht vorhanden, vor allem aber gibt es keine Knötchen. EQer
wächst das Sarkom nicht tumorartig empor, erhebt sich nicht
über das Niveau der Haut, sondern verbreitet sich durch peri-
pheres Wachstum flächenhaft in der Haut selbst. Dadurch
entsteht eine diffuse sarkomatöse Degeneration der Haut in
Gestalt von teigig-weichen, scharf begrenzten Herden, welche
sich über das Niveau der Umgebung nicht emporheben. Was
aber besonders diesen Fall charakterisiert, das ist die kolossale
Erweiterung des Lymphgefäßsystems in den erwähnten Herden.
Daß diese Erweiterung keine zufällige Erscheinung ist, daß sie
nicht von Zirkulationsstörungen in den höher gelegenen Teilen
abhängt, darauf deutet die vollständige Abwesenheit von Zirku-
lationshinderniseen und auch besonders der Umstand, daß diese
Erweiterung der Lymphwege nicht in der Haut der ganzen
Sarcoma idiopathicam multiplex etc. 251
Extremität verbreitet ist, sondern daß sie nur in den Krank-
heitsherden selbst zum Vorschein kommt. Es gehört also dieses
Symptom zu dem Wesen des in Rede stehenden pathologischen
Prozesses. Immer und an allen Stellen tritt auch dieses
Symptom auf den ersten Plan und beherrscht das klinische
und mikroskopische Bild. Was diese letztere anbetrifft, so ist
die Entwicklung und der Bau in beiden Fällen, wie ich es
schon oben betont habe, fast identisch. Wie hier, so auch dort
besitzt die Neubildung den Bau eines spindelzelligen Sarkoms,
welches von den Peritbelien der die Schweißdrüsenknäuel, Haar-
scheiden und m. m. arrectores pil. umringenden Blutgefäße
entsteht, obgleich man zufügen muß, daß bei dem weiteren
Wüchse des Sarkoms auch die fixen Bindegewebszellen der
Haut einen gewissen Anteil nehmen. Neubildung der Blutgefäße,
reichliche Hämorrhagien und große Pigmentablagerungen ge-
hören auch in diesem Falle zu den charakteristischen Merk-
zeichen des Prozesses. Der Unterschied besteht, wie es schon
gesagt wurde, in der ungewöhnlichen Erweiterung der Lymph-
spalten. Zwar ist diese Eigenschaft den Sarkomen Typus a)
Kaposi auch nicht fremd, darüber äußert sich Unna in
seiner Histopathologie und Philippson^) berichtet sogar über
Bildung von Lymphangiomen; auch ich richtete stets die Auf-
merksamkeit auf das Lymphgefaßsystem in meinen vorigen Arbeiten.
Dort ist aber die Erweiterung der Lymphspalten sehr unbedeutend
und, was die Hauptsache, nicht konstant, denn sie tritt nicht in
allen Knötchen und Infiltraten Tor. In unserem Falle ist aber die
Erweiterung der Lymphspalten eine höchst charakteristische
Eigenschaft. Sie verleiht dem ganzen pathologischen Prozesse
ein so spezifisches Gepräge und verändert das klinische Bild
dieses Leidens derart, daß die Diagnose „Lymphangioma^
stellenweise recht verleitend erscheint.
Dies alles ins Auge fassend, möchte ich vorschlagen wollen
die Absonderung dieses Falles und Herstellung eines besonderen
Typus oder, richtiger gesagt, eines Untertypus der multiplen
idiopathischen pigmentierten Hautsarkome, welchen ich ,Sar-
^) Philippson. Über das SarcoiDa idiopathicum cutis etc. Virch.
Archiv, Bd. CLKVII, Heft 1, pag. 58.
252 Bernhardt
coma idiopathicum multiplex en plaques pigmentosum et
lymphaugiectodes" benennen möchte.
Was die Ätiologie anbetrifft, so kann ich darüber nichts
bestimmtes sagen. Bakterien fand ich in den mikroskopischen
Präparaten nicht. Kulturen, die aus der serösen Flüssigkeit der
zirkumskripten Hautveränderungen angelegt wurden, zeigten die
Anwesenheit nicht pathogener Kokken (Luftkokken), die mit
dieser Erkrankung wohl nichts gemeinschaftliches haben. Ich
erlaube mir aber noch einmal die Aufmerksamkeit auf das
Verhältnis, welches zwischen diesem Sarkom und dem Erysipel
besteht, zu richten. In unserem Falle ging das Erysipel dem
Sarkom voran, diente einigermaßen als Einleitungsakt, gab
sozusagen den Impuls zur Entwicklung des Sarkoms. Ist das
nicht eine Koinzidenz? Das ist wohl recht möglich. Jedenfalls
scheint es mir, daß dies zu oft vorkommt. Ich bin aber der
Meinung, daß in diesem Falle das Erysipel das Eindringen
eines noch unbekannten Krankheitserregers nicht nur fördern
konnte, sondern daß es auch zugleich durch Alteration des
Lymphgefäßsystems einen günstigen Boden für die Entwicklung
des Sarkoms schaffen konnte.
Erklänmg der Abbildungen auf Taf. ZIII u. ZIV.
Fig. 1. Haut des Fußrückens. a) Stark pigmentiertes Rete; b) sellen-
reiche Papillarschicht; e) spindelzelliges Sarkomgewebe körniges Pigment
enthaltend; d) erweiterte Lymphspalten; 0) injizierte Blutgefäße.
Fig. 2. Grenze des Corinms und subkutanen Gewebes (Haut der
U. Zehe), a) Lumina der BlutgeHlße ; b) perivaskuläre Mäntel ; cQ dazwischen
liegendes Bindegewebe mit erweiterten Lymphspalten.
Fig. 8. Querschnitt der L Phalange der großen Zehe. Spindel-
zelliges Sarkomgewebe mit bei a) entkalkten Enochenbalken ; 6} Blni-
austritt; e) körniges Pigment.
Archiv f. Dermatologie u.Syptiilis Band LXIII.
Fig.1.
Ittrmltiiitll Siinriiiiii tiiiilU|ili'N ]>i(|iii>'Li1o.siiiii ci lyiii|iluiii!|iiH
Afchiv f. Dermatologie u Syphilis Band LXIII,
Hg.2.
Fig.S.
Runihtinlt - .Summin rmilli|j]i->
Zur Kenntnis der Dermatitis pyaemica.
Von
Dr. Ludwig Merk,
PrlTfttdoMnt fttr Dermatologia und Syphilis fn Qm.
(Hiezu Taf. XV.)
Am 6. Februar 1899 hatte ich Gelegenheit, einen Aas-
schlag bei einer Patientin der hiesigen Nerven-Klinik zu be-
trachten,^) an welcher Meniogo- Encephalitis diagnostiziert
worden war.
Der Anschlag bestand erst zwei Tage, setzte sich aus einer Anzahl
getrennt stehender Bläschen und akneähnlicher Pusteln zusammen, die
am ganzen Körper, besonders aber am Bauch und an der rechten Brnst-
seite etwas zahlreicher verbreitet und fast gleichzeitig herausgetreten
waren. Daneben fanden sich auch linsengroße, rote, entzündliche
Flecke, deren Mitte sich zuerst blasig veränderte und die dann schließlich
zu Pusteln wurden. Der Ausbruch des Exanthems kam in der Temperatur-
knnre, die sich selten über 38^ und nur zweimal über 89® erhob, gar
nicht zum Ausdruck. Am 8. Februar trat zeitlich Morgens ezitus letalis
ein und die Sektion konstatierte Encephalitis und Atrophia rubra cerebri,
wobei der Prozeß als nicht tuberkulös bezeichnet wurde.
Bei der Sektion entnahm ich der Brusthant eine Stelle mit wenig
veränderten Bläschen, gab sie zunächst in lO^/^ Formollösung und nach
vier Tagen in Alkohol.
Die mikroskopische Untersuchung ergnb, daß es sich um miliare
Abszesse in der Lederhaut von ungefähr gleicher Größe handle; einer
derselben hatte beispielsweise eine Breite von O'll mm und eine Länge
von zirka 0*83 mm, Sie waren sämtlich ziemlich scharf gegen die übrige
Lederhaut abgegrenzt. Die den Abszeß zunächst umgebenden Blutgefäße
waren mit roten Blutkörperchen überfüllt und es erstreckte sich diese
Stase bis unter das Epithel. Außerdem fanden sich auch, namentlich
nahe dem Epithel Stränge, die als Lympfgefaße gedeutet werden müssen
und welche nicht nur mit Gerinnsel — ofipenbar einer postmortalen Er-
scheinung — gefüllt waren, sondern es waren auch die Endothelzellen
^) Hiefür, sowie für die Überlassung ^er Krankengeschichte schulde
ich Herrn Prof. Dr. G. Anton meinen wärmsten Dank,
254 Merk.
in einem sehr beträchtlichen Maße vermehrt, daß man fa^t an Garcinom-
Bchläuche erinnert wurde. Die Abszesse selbst setzen sich aas polynu-
cleären Leakocyten zusammen. In den größeren der Abszesse lagen
freie Kerne und kugelige Ghromatinschollen, die namentlich nach Gram
sich ungemein scharf färbten. Diese letzteren Massen waren in Schollen
nekrotischer Substanz eingebettet, die weiter keine Färbung annahmen.
Die meisten dieser Abszesse waren ganz in die Lederhaut veraenkti
einige derselben waren durch die Epidermis durchgebrochen und öffneten
sich dort frei, oder aber es hatte sich die Hornschicbte blasig über dem
Abszeß abgehoben. An denjenigen Stellen, an denen es noch nicht zum
Durchbrach gekommen war, strotzte das Epithel von eingewanderten Lenko-
cyten. An manchen Stellen waren zwischen Gorion und Epidermis kleinste
Blasen mit klarem Inhalte von etwa 20 /u Durchmesser aufgetreten;
wo immer man aber noch blasige Abhebung fand, betraf sie nur die
Hornschicbte. Die Färbung nach Gram ließ keinen Zweifel über die
Ursache der Entstehung dieser Abszesse aufkommen. Es fanden sich
nämlich in dem Zentrum dieser Abszesse frei liegend ganze Haufen von
Kokken, die schon mit Lupenvergrößerong als unregelmäßig begrenzte,
tiefblaue Flecke sich von der Umgebung abhoben. Die Kokken wurden
nicht vereinzelt getroffen, sondern immer nur in solchen großen Haufen,
so daß wohl die Annahme gerechtfertigt erscheint, daß es sich um
Staphylokokken handle. (Vergl. Tafel XV.)
Eine kulturelle Untersuchung des Falles konnte nicht
gemacht werden. Auch über die Art und Weise, wie etwa die
Kokkenhaufen in die Haut gelangt waren, ergaben die Präpa-
rate keinen Aufschluß und es blieb nur mit Hinblick auf die
Untersuchung anderer ähnlicher Fälle die Annahme gerecht-
fertigt, daß es die Blutbahn gewesen sein dürfte, auf der die
Kokken in die Cutis verstreut wurden. Die Meningitis und diese
miliaren Abszesse in der Haut sind o£fenbar allesamt durch
denselben Staphylokokkus erregt worden und es würde sich dann
dieser Fall einer Reihe von andern ähnlichen anschließen, über
die wir in der Literatur ziemlich ausführlich und eingehend
Kenntnis besitzen.
So berichtet Finger^) über einen Fall von diphtheritischer Schleim-
hautentzündnng des weichen Gaumens, Zangenrückens, Pharynx, Ösophagus,
mit Perikarditis, beiderseitiger Pleuritis, Lungeninfarcten und metastati-
sohen Herden in den Nieren imd Myokard, in welchem 8 Tage vor dem
Tode — ähnlich wie in meinem Falle — über Stamm und Extremitäten,
besonders am Hand- und Fnßrücken diohtstehende, sahireiche, fast linsen-
^) Beitrag zur Ätiologie und pathologischen Anatomie des Erythems
multiforme und der Purpura, fiieses Archiv, 25. Jahrgang, 1898, pag. 765.
Zur Kenntnis der Dermatitis pyaemica. 255
große, entzündlich gerötete Knötchen anftraten. Aus den metastatischen
Herden der Niere und des Myokards worden Reinkaltaren von Strepto-
coccns pyogenes gewonnen, und die nach Gram insbesondere aber nach
Knhnes Kristall violettmethode gefärbten Hantschnitte zeigten, wie dies
anch aus schönen Abbildungen ersichtlich ist, das Vorhandensein großer
Meogen von Kokken. Diese saßen ausschließlich in Blutgefäßen und
erfüllten die Kapillarschlingen der Papillen oft so dicht, daß sie Berliner-
blau-Iigektionspräparaten ähnelten. Zu einer akuten Entzündung und zur
Bildung miliarer Abszesse scheint es nicht gekommen zu sein. Wohl aber
in einem zweiten Falle, in welchem neben beiderseitiger subakuter paren-
chymatöser Nephritis zahlreiche Flecke von Purpura am Stamme und
den Extremitäten aufgetreten waren. Die Abbildung, welche Finger
Ton diesem Falle gibt, zeig^ Diplokokken in den Oefäßen.
Im Jahre 1896 tritt Finger^; gelegentlich der Unter-
suchung weiterer ähnlicher Fälle dieser Frage wieder näher.
Er gibt dem Zustande den Namen Dermatitis pyaemica, welchen
ich auch der Gleichförmigkeit wegen hier anwende, obschon
ich für die Form, wie ich sie beobachtete, den Ausdruck „miliare
Hautsepsis'' in Bereitschaft hatte, welcher vielleicht die mit
dem Ausdrucke „Dermatitis" nicht unbedingt verbundene Vor-
stellung einer zerstreuten Ausbreitung besser hervorheben könnte.
Finger stellte in dieser Abhandlung an fiinf Fällen das
Einschwemmen von Eiterkokken in die Haut fest. Er betont die
außerordentliche Polymorphie der Symptome und fand in seinen
Fällen die Dermatitis viermal durch den Staphylococcus aureus,
einmal durch den Streptococcus pyogenes hervorgerufen. Faßt man
seine zwei Publikationen zusammen, so erschien die Dermatitis
pyaemica unter dem Bilde von Erythema papulatum, Purpura
(bez. Dermatitis pyaemica haemorrhagica) und Pseudofuruncu-
losis pyaemica (beziehungsweis Dermatitis pyaemica circum-
scripta suppurans).
Füge ich meinen Fall hinzu, so ergibt sich als weiteres
Bild eine Dermatitis pyaemica yesico - pustulosa und gliedert
sich der letztgenannten Form Fingers an.
Finger benützt die gute Gelegenheit, welche ihm die
schönen Ergebnisse seiner Untersuchungen lieferten dazu, die
seinerzeit in der Dermatologie herrschende, wenig sagende
angioneurotische Theorie zu bekämpfen und es ist äußerst
^) „Ein Beitrag snr Kenntnis der Dermatitis pyaemica." Wiener
klinische Wochenschrift, 1896, Nr. 25, pag. 542 ff.
256 Merk.
erfreulich, zu sehen, daß dieselbe immer mehr yerlassen wird.
J arisch^) findet sich beispielsweise nicht mehr yeranlaßt,
derselben zu folgen.
Es berührt deshalb etwas befremdlich, daß E. Bodin*)
in dem zweiten Bande des Pariser Riesenwerkes^ dem man bei
seinem Umfang doch etwas Ausführlichkeit zumuten könnte,
pag. 508 bei der Besprechung der Erytheme der führenden
Stelle Fingers gar keine Erwähnung tut und sogar das
wesentliche der ganzen Angelegenheit in Zweifel zieht. Er
schreibt: „Endlich bleibt noch bezüglich der pathologischen
Anatomie der Erytheme ein Punkt zu besprechen, der sich auf
die An- oder Abwesenheit yon Mikroben im Bereiche der
Effloreszenzen bezieht. Unter diesem Titel sind yon verschie-
denen Autoren und speziell Leloir zahlreiche Untersachimgen
angestellt worden. Sie konnten nur den Beweis erbringen, daß
die erythematösen Effloreszenzen als solche nicht keimhältig
seien. Ich weiß, daß yerschiedene Autoren in den erythema-
tösen Effloreszenzen Mikroben beschrieben haben, so z. B.
Haushalter (Contribution ä Tetude de Terytheme polymorphe.
Ann. de Dermatol. 1887), Simon et Legrain (Contribution
ä r^tude de Terytheme infectieuz. Ebendaselbst 1888), Luzzato
(Sul erythema acute polymorfo. Archiy. ital. di clinic me-
dica. 1888), welche beim polymorphen Erythem einen Mikro-
kokkus gefunden; femer Spillmann (Contribution k Petude
du Pemphigus aigu. Annal. de Dermat. 1880), Vi dal und
Gibier (ebendaselbst 1882, pag. 102), welche bewegliche
Bakterien in den Blasen beobachtet haben. Aber wenn man
diese Angaben genau beurteilt, so findet man, daß keine der-
selben yom Standpunkte der Untersuchungsmethode ganz ein-
wandsfrei ist und ebenso wenig ist es möglich, dieselbe hier
ernsthaft in Rechnung zu ziehen.**
„Gleichwohl gibt es einen Fall, bei welchem die An-
wesenheit von Bakterien in den erythematösen Effloreszenzen
zweifellos festgestellt wurde, aber es ist dies der einzige Fall,
welchen ich so wohlbegründet befunden habe. Sabouraud
und Orillard (Erytheme noueux au cours d'une septicömie
') Die Hautkrankheiten, 1900. Verl. von A. Holder, Wien. p. 97 u. 104.
') La Pratique Dermatologiqae. Paris 1901, bei Masson & Co.
Zar KenntniB der DermatitiB pjaemica. 257
a streptocoques. Medecine moderne, 8. foTrier 1893) haben im
Bereiche der Erythemknoten bei einer Frau, welche an Streptococcie
gestorben war, yenöse Thromben gefunden und Streptokokken in
Kettenform, welche das thromböse Gerinnsel durchsetzten.*
„Ich füge noch hinzu, daß man auch das Blut erythematöser
Kranken untersucht hat und daß in keinem Falle Keime aufgedeckt
werden konnten. Indessen hat Leloir des öfteren Strepto-
kokken und einen Mikrokokkus, der dem Stap hylokokkus ähnelte
gesehen. Ich für meinen Teil habe sieben Fälle Ton poly-
morphen Erythem auf diesen Punkt hin untersucht, habe unter
entsprechenden Kautelen genügende Mengen Blutes (3—5 cm^)
entnommen, kulturell untersucht und sieben negative Resultate
erhalten.*'
Dem gegenüber sei hervorgehoben, daß die Fälle von
Spillmann, Vidal und Gibier nicht hieher gerechnet
werden dürfen, weil sie sich mit dem Blaseninhalte bei den
Erythemen beschäftigten. Aus diesem auf die Blasenursache
zu schließen ist ein müßiges Beginnen, weil erstlich in den
aufgeklärten Fällen von Blasenbildung (Brandblase, Schuh-
druck etc.) die lokale Ursache schon längst entschwunden ist
wenn die Blase dem Auge sichtbar wird, weil femers der
Blaseninhalt überhaupt ein sekundäres Produkt vorstellt. End-
lich siedelt sich in jedem Blaseninhalte sofort eine Unzahl
von Bakterien an, weil die absterbende Hornschichte keine
schützende Kraft mehr ausüben kann. Es kann also aus der
Anwesenheit von Spaltpilzen im Blaseninhalte eine Folgerung
anf die Entstehungsursache in solchen Fällen nicht gemacht
werden. Was Bodin veranlaßt hat, den Fall Sabourauds
«
und Orillards aus dem Jahre 1893 als den „einzig fest-
stehenden^ zu betrachten, ist einfach unerfindlich, weil er
ja der Fing ersehen Beobachtung aus demselben Jahre voll-
kommen parallel läuft.
Den Bodinschen negativen Kulturversuchen stehen unter
anderem gerade so exakt ausgeführte positive Versuche Sin-
gers') gegenüber. Zwar galten dieselben nicht den pyämischen,
^} Über Varietäten des Typhusexanthemes und ihre Bedeatan|f.
Wiener klinische Wochensohrifb, 9. April 1896 (und nicht 1891, wie
Ehrmann zitiert).
Arcb. f. Dermat. n. Syph. Bd. LXIIf. 17
258 Merk.
sondern den typhösen Begleiterscheinungen in der Haut, was
aber dem Wesen der Frage gleichgültig ist. Singer hat den
Typhusbazillus nicht nur aus dem kreisenden Blute gezüclitet,
sondern sogar in ezcidierten Typhusfolliculitiden mikroskopisch
nachgewiesen. Seine Versuche hatten möglicherweise deswegen
ein so wichtiges Ergebnis, weil er auf den glücklichen Ge-
danken verfallen war, unter anderm das Blut den Ef&oreszenzen
zu entnehmen. Derartige Erytheme — so darf man doch nunmehr
schließen — entstehen erst, wenn die im Blute kreisenden
Mikroorganismen in den Hautgefaßen zur Ansiedlung gelangt
sind, und wenn nach dem Auftritte des Exanthemes der
kulturelle Nachweis aus dem Blute Bodin nicht gelang, so
kann vielleicht hierin die Ursache seines Mißerfolges gesehen
werden.
Etwas mehr Bedeutung schreibt in Mraöeks Handbuch
Ehrmann den in Rede stehenden Erscheinungen zu, obschon
er sie nicht erschöpft und eine echte Metastase nur bei Be-
sprechung der Roseola typhosa erwähnt, sich stützend auf
Singers Resultate.
Es ist aber notwendig zu betonen, daß diese Bedeutung
eine ganz wesentliche ist. Denn die Polymorphie dieser Pro-
zesse war und ist nur zu sehr geeignet, unseren tieferen Einblick
zu verwirren, indes wir jetzt kühn von diesen aufgeklärten
Vorgängen den Schritt zu bislang unerklärten ähnlichen Der-
matosen wagen können.
Erklärung der Abbildungen auf Taf. XV.
Fig. 1. Das im Corium liegende miliare Abszeßcben. Za beiden
Seiten (n) normales Coriumgewebef dessen elastische Puem mit Orcein
geförbt waren. Im Zentram desselben (C) nach Gram gefärbte Kokken*
häufen. Gezeichnet bei Reichert Ok. 8, Obj. 4 eiogez. Tabns.
Fig. 2. Ans dem Zentram eines anderen miliaren Abszefichens.
Gefärbt, wie oben angegeben und überdies mit Hämatoxylin. Der Kokken-
hanfen teils umgeben von ungefärbtem Detritus, teils Ton Ghromatin-
schollen, teils von normal gefärbten Kernen. Gezeichnet bei Reichert
Ok. d, Obj. 8 eingez. Tubus.
uSyphtlis Band LXm.
%'
Fig.2.
Merk: iJirrmaMtis pvüemir.i
Ans der dermatologisohen üniversitätsUinik des Professor
Dr. Q. Biehl in Leipzig.
Naevus vasculosus giganteus.
Von
Privatdozent Dr. Erhard Bieeke,
AMlstent.
(Hiezu Taf. XVI.)
In der Sitzung der medizinischen Gesellschaft zu Leipzig
am 25. Februar 1902 hatte ich Gelegenheit, einen Mann mit außer-
gewöhnlich stark entwickeltem Naevus yasculosus Yorzustellen.
Es ist dies derselbe Kranke, über welchen Seifert^)
in diesem Archiv ausführlicher berichtet hat. Seifert nimmt
an, daß es sich in diesem Falle, in welchem eine mikroskopische
Untersuchung leider nicht angängig war, um „eine auf dem
Boden eines Naevus vasculosus entstandene Bildung von
Fibroma molluscum mit elephantiastischer Ver-
dickung der Augenlider, der Nase und der Oberlippe ** handle.
In diesem Sinne bringt er seinen Fall nicht bloß mit der
analogen Beobachtung von Duyce, sondern auch mit den
Fällen von geschwulstartigen Pigmentnaevis (v. Plann er etc.)
in eine Gruppe, die er als Naevus moUusciformis elephantiasticus
bezeichnet
Wir können schon vom klinischen Standpunkte aus dieser
Auffassung uns nicht anschließen, da sie anatomisch sehr ver-
schiedenartige Dinge zusammenfaßt und nur auf einer äußer-
lichen Ähnlichkeit begründet ist.
*) Archiv far Dermatol. n. Syph. LIX. Bd., 2. Heft, p. 197. £in
Fall Ton Naevus yascalosus mollasciformis von Prof. Seifert in Wftrzbarg^
17*
260 Riecke.
Durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Geh. Rat Professor
Dr. Trendelenburg sind wir in die Lage gesetzt, unsere
Auffassung durch Verwertung des histologischen Befundes eines
Falles zu stützen, welcher in der chirurgischen Klinik im
Sommer 1901 zur Beobachtung und Operation kam.
Derselbe ist im Wesen mit dem Seif er tischen Falle
identisch.
Krankengeschichte. (Auszugsweise.) (S. die Abbildung sufTaf.
XYI.) H. y. aus W.y 41 Jahre alt, Privata. Das Feaermal ist angeboren,
▼on Anfang an fast gleich groß gewesen, nur die Oberlippe ist nach und
nach größer geworden; in den letzten beiden Jahren hat sich ein beaon*
ders schnelles Wachstum in der rechten Gesichtshälfte eingestellt.
Das Mal nimmt fast die ganze linke Gesichtshalfte ein. Eb läßt
einen iVa Qaerfinger schmalen Streifen frei, welcher sich yom äußeren
linken Mundwinkel bis zum oberen Ansatz des Tragus erstreckt und nach
unten vom ünterkieferrand begrenzt wird. Beide linken Augenlider
werden vom Naevus eingenommen ; derselbe erstreckt sich auf der linken
Hälfte des Stirnbeins nach oben und hinten zirka 5 em über die Haar-
grenze hinaus.
Auf der linken Hälfte der Stirn sind drei kleine runde Haut-
partien normal gefärbt. Von der Haargrenze steigt die Begrenzungs-
linie des Mals in ganz unregelmäßiger Linie medial schräg bis zur
Glabella herab.
Die ganze Nase und die ganze Oberlippe sowie der vordere Teil
der rechten Wange inkl. des unteren Augenlides und der medialen
Hälfte des oberen Augenlides ist vom Naevus eingenommen ; in der Höhe
des Jochbeins gehen einzelne unregelmäßige Fortsätze desselben nach
hinten.
Die ganze hintere Hälfte der Wange ist hier frei, ebenso die rechte
Hälfte der Stirn und das Kinn.
Im Bereiche des Mals zahlreiche, warzenförmige Verdickungen;
die an die normale Haut angrenzenden Partien desselben zeigen eine
bläulich-rote Färbung und sind im Niveau der Haut, während mehr
nach dem Zentrum die ganze Haut verdickt ist und über das Gewebe
hervorragt.
Besonders stark verdickt und derb ist die ganze Oberlippe. Durch
ihre Vergrößerung ragt sie wie ein schürzenförmiger Lappen über die
Mundspalte, Unterlippe und das Kinn bei gewöhnlicher Kopfhaltung vor
(s. Abbildung). Dieser Oberlippenwulst mißt der Länge nach 6*5 cm, der
Dicke nach 2*4 cm und der Breite nach (von Mundwinkel zu Mundwinkel
gemessen) 16*0 cm*
In der Mundschleimhaut sieht man ebenfalls Gefaßveränderungen :
und zwar in der Wangenschleimhaut wulstige, bläulich^rote Verdickongen,
welche an der linken Seite die ganze Schleimhaut des Alveolarfortsatzes
Naevus Tasculosus giganteus. 261
des Oberkiefers und der Backe bis in die gleiche Höhe wie außen (die
Höhe des äußeren Mundwinkels) einnehmen. Am weichen Gaumen
besonders an der Uvula und am vorderen Gaumenbogen zahlreiche
injizierte Gefäße. Die übrige Schieimhant des Mundes und Rachens
ist normal.
Der linke Bulbus fehlt; er wurde vor einiger Zeit in hiesiger
Augenklinik wegen Phthisis bnlbi entfernt.
In Ghloroformnarkose Amputation der Oberlippe durch einen queren,
von einem Mundwinkel zum anderen reichenden Schnitt. Dann wird in
der Mitte der Oberlippe eine Eeilexzision gemacht und darauf, nachdem
noch größere Stücke aus der Substanz der Oberlippe entfernt sind,
Schleimhaut mit äußerer Haut vereinigt; der mittlere Schnitt durch
tiefgreifende Seidennähte vereinigt. Kollodiumwatt«verband. Heilung
per primam.
Das uns zur histologischen Untersuchung überlassene
Stück aus der exstirpierten Oberlippe hatte die Ausdehnung
von zirka 5 cm und entspricht einer sagittal aus der Oberlippe
ausgeschnittenen Scheibe.
Eine deutliche Unterscheidung der äußeren Haut des Lippenrots
und der Schleimhaut ist makroskopisch nicht möglich.
Der Hauptsache nach besteht die Geschwulst aus einem Convolut
großer Blutgefäße. Dasselbe nimmt die ganze Breite des Corium und
Subkutangewebes, der Lippenmuskulatur, der Submucosa und Mucosa ein.
Am mäßigsten erscheint die Einlagerung von Gefäßen in der
eigentlichen Cutis und Subcutis ; etwas geringer an der Schleimbaut und
auffallend weniger reich in der Muskel schichte. In dieser letzteren sind
die Gefäße im intramuskulären Bindegewebe entwickelt.
Auf den ersten Blick erscheint das Präparat ganz unregelmäßig
von Quer-, Schief- und Längsschnitten der Blutgefäße erfüllt; bei näherer
Betrachtung fällt es aber auf, daß immer eine Anzahl von Gefaßdurch-
scbnitten in je eine Gruppe vereinigt ist, welche von den benachbarten
Gruppen durch breitere Bindegewebszüge getrennt erscheint.
Wie aus der Form der Durchschnitte hervorgeht, sind die Gefäße
im allgemeinen aber selbst in den einzelnen Gruppen nicht in einer
Richtung verlaufend, sondern vielfaltig gekrümmt und gewunden. Man
findet fast nirgends längere Strecken eines Gefäßes der Länge nach
getroffen; es überwiegen vielmehr die Quer- und Schief schnitte ganz
bedeutend. Der Durchmesser von quergetroffenen Gefäßen beträgt im
Mittel 0-28-0*31 mm.
Die die Geschwulst zusammensetzenden Gefäße sind wohlausgebildete
Yenen und einzelne Arterien größeren Kalibers. Die Yenenwand hat
durchschnittlich eine Dicke von 0*05 — 0*06 mm, zeigt deutliche Muskulatur
und elastische Fasern wie bei normalen Yenen derselben Größe.
Auffallend ist die stärkere Ausbildung des Endothelbelags der
Intima, an allen Durchschnitten findet man die Endothelien einreihig
stark vorspringend und sehr dicht angeordnet.
262 Rieeke.
Die Arterien zeigen den gewöhnlichen Bau. Die Venen enthalten
nirgends Thromben.
Eutzöndliche Ersoheinnngen sind an keiner Stelle der Präparate
nachzuweisen. Ebenso fehlen neue Gefößanlagen, Granulations- und
junges Bindegewebe im Bereich des Naevus.
Das zwischen den einzelnen Venenschlingen liegende Bindegewebe
ist von lockerem Bau, nirgends CDtzündlich infiltriert oder hypertrophisch.
Ebenso verhalten sich die etwas massigeren Bindegewebszüge, welche die
Oefößconvolute von einander trennen resp. sie verbinden. Das Binde-
gewebe enthält reichlich elastische Fasern und kleinere Blutgefäße, wie
sie den betrefienden Cutis* und Schleimhautpartien eigen sind.
In diese größeren Bindegewebszuge findet man auch die epithelialen
Einlagerungen der Haut und Schleimhaut eingeschlossen (Haarbälge,
Talgdrüsen, Schweißdrusen und Schleimdrüsen). Die ernährenden kapillaren
Blutgefäße dieser Gebilde zeigen keine Abweichung von der Norm und
stehen mit den Naevusgefäßen in keiner Beziehung. An einigen größeren
Schleimdrüsen dringen die großen Naevusgefaße auch zwischen die
gröberen Drüsenläppchen ein.
Von der Haut ist außer der Papillarschichte stellenweise auch ein
Teil des augrenzenden Coriums in der ursprünglichen normalen Form
erhalten. Meist reichen aber die Gefäße onvolute bis knapp an die
Papillen resp. nahe an die Grenze der Epidermis. Ebenso erscheint
das subkutane Fettgewebe bis auf wenige kleine streifenförmige Inseln
verdrängt.
Dieselben Verhältnisse finden wir an den dem Lippenrot und der
Schleimhaut angehörigen Bindegewebsteilen.
Besondere Berücksichtigung verdienen die Verhältnisse der Epi-
dermis uud der Papillarschichte.
Die Oberhaut ist in all ihren Anteilen erhalten; die Papillen
sind zumeist verstrichen. Dort, wo die Epidermis durch den Druck der
Geschwulst stark gespannt ist, zeigt sie sich verdünnt, wie man dies
auch über anderen Geschwülsten findet. Die Stachelschicht ist manch-
mal auf 1 — 2 Zellagen reduziert; ihre Zellen sind der Breite nach aus-
gezogen. Auch die Basalschichte erleidet an solchen Stellen entsprechende
Formveränderungen, sie wird niedriger, ihre Zellen sind kuglig oder breit
geworden, stellenweise enthalten sie Vacuolen.
Ein eigentümliches Verhalten zeigt das elastische Gewebe. Es ist
in groben Faserzügen in den Bindegewebssträngeu überall reichlich vor-
handen und zeigt alle Eigenschaften der normalen elastischen Fasern.
In den obersten Gutisan teilen, speziell aber in der subepidermoidalen
Schichte ist es in ähnlicher Weise verändert, wie dies bei seniler Atrophie
zu greschehen pflegt. Die Faiem verlieren daselbst ihre scharfe Beg^renzung,
nehmen an Volumen zu, so daß sie um das Doppelte und Dreifache dicker
werden als normal; sie verlaufen weniger wellig und konfluieren mit
einander. Dabei büßen sie an Färbbarkeit allmählich ein. Sie bilden
KaevuB vasonloBQS gig^anteus. 263
schliefilich homogene Schollen und formlose Massen, welche spezifische
Färhang nur schlecht nnd anvollkommen annehmen.
Die Degeneration hetrifil nicht üherall alle elastischen Fasern and
degenerierte Elemente sieht man häufig durch Übergangsformen direkt
mit unveränderten in Zusammenhang; es kommen dahei die mehrfach
schon beschriebenen ü- oder wurstformigen Bildungen u. ä. vor.
An Strecken mit vollständig verquollenem elastischen Gewebe
nimmt dasselbe die ganze Breite der vorhandenen Cutis ein — es sind
auch die Bindegewebszuge nicht mehr zu sehen. Die feineren Fasern
der Papillarschichte verschwinden überall, wo diese Degeneration des
elastischen Qewebes in der TJuterlage auftritt. Es bleibt dann ein heller
Bindegewebssaum, auf dem die Epidermis aufsitzt, frei von elastischen
Fäserohenf was bei elektiver Färbung einen scharfen Kontrast hervorbringt.
Sowohl im Seif er tischen wie in unserem Falle handelt
es sich bestimmt um einen Naevus vasculosus, der erst im
vorgeschrittenen Alter gewachsen ist und zur tumorähnlichen
Vergrößerung geführt hat.
Aus unserem histologischen Befunde geht hervor, daß
es sich um eine rein hämangiomatöse Bildung handelt, welche
durch keinerlei Wucherung des Bindegewebes, Fettgewebes
u. 8. w. kompliciert ist.
Da die Wandungen der Blutgefäße überall deutlich aus-
gebildet und geschlossen sind, entfällt die Annahme eines
Gavemoms.
Die Gefäßbildungen tragen einen durchaus stabilen
Charakter, wie ja auch in Einklang damit klinisch eine weitere
Flächenausbreitung des Mals seit Kindheit nicht wahrgenommen
wurde. Femer sind nirgends Kapillarsprossungen oder andere
auf Gefäßneubildung hindeutende Vorgänge vorhanden.
In beiden Fällen erfolgte die Volumszunahme erst im
höheren Alter. Für dieses späte Wachstum, welches mit der
den Naevis sonst eigentümlichen Stetigkeit und Unveränder-
lichkeit des Aussehens in Widerspruch steht« kann nach unserem
Befunde keineswegs ein komplicierender Prozeß, sei es eine fibro-
matöse Neubildung oder eine auf entzündlicher Basis erfolgende
Hypertrophie oder Gefäßneubildung, als Veranlassung nach-
gewiesen oder angenommen werden.
Wie Trendelenburg ^) mit Recht betont, können die
^) Deutsche ChirargiCf Verletzungen und Chirurg. Krankheiten des
Gesichtes von Trendelenburg. pag. 79. Makrochilie.
264 Riecke.
yerschiedenen Formen angeborener Hypertrophie der Ober-
und Unterlippe vom klinischen Standpunkte aus den gemein-
samen Namen der Makrochilie fuhren, da in diesen Fallen
manchmal auch die Blutgefäße erweitert erscheinen können.
Erst die mikroskopische Untersuchung kann in solchen Fällen die
Entscheidung bringen, ob eine Bindegewebshypertrophie oder ein
lymphangiomatöser, hämangiomatöser oder cavernöser Prozeß
Yorliegt. Um so komplizirter gestaltet sich die Diagnose in
diesen Fällen dadurch, daß bisweilen mehr minder ausgedehnte,
flache Gefaßmäler bei heterogenetischer Geschwülstbildung
zur Entwickelung gekommen sind. Bei Esmarch und Eulen-
k am p f P) finden sich mehrere solcher Fälle zitiert. Auch T r e n-
delenburg^) fuhrt sowohl für die fibrösen als auch für die
angiektatischen und lymphangiektatischen Formen eine Anzahl
Yon in der Literatur vorhandenen Beobachtungen an.
Für eine tumorartige Wucherung oder ein Wachstum von
Feuermälern nimmt Seifert, wie erwähnt, die Eomplication
mit Mollusc. fibrös, oder Elephantiasis Arabum in Anspruch.
Beide Formen vom Bindegewebsgerüst ausgehend kommen
wohl auch wirklich bei angeborenen Elephantiasisfällen vor,
welche kombinierte Geschwülste darstellen.
Das Auftreten einer bedeutenden Vergrößerung solcher
Geschwülste im späteren Lebensalter könnte aber durch ein
Mollusc fibrös, nur schwer erklärt werden, da ja letzteres
auch kongenital veranlagt ist und erfahrungsgemäß nach der
Pubertät nicht mehr auffallend zu wachsen pflegt.
An akquirirte Elephantiasis als Kombination wäre mög-
licherweise zu denken, wenn am Naevus vasculosus wiederholte
Erysipele oder andere entzündliche Vorgänge sich abgespielt
hätten.
Für die kongenitalen Mißbildungen in Form einer
Elephantiasis scheint uns ein späteres Wachstum ausgeschlossen.
Der von Seifert herbeigezogene Vergleich von Naevi
pigmentosi in Tumorform (N. pigment. giganteus) mit unseren
Fällen ist nicht haltbar; in diesen Fällen sind die Tumoren
*) Die» elepbantiastischen Formen. Von Esmarch und Knllen-
kampff.
») L c.
Naeyas vascaloBas giganteus. 265
angeboren oder entwickeln sich in der Kindheit. Sie bestehen
aus Naevaszellen, haben also keinen Bezug zum Naevus
vasculosns.
Es kommt aber für spätere Vergrößerung des Naevus
yascnlosas noch die Möglichkeit in Betracht, daß Neubildungen
(Sarkom, Peritheliom) vom demselben ausgehen ; wie man dies
faktisch namentlich bei den subkutanen Gefäßgeschwülsten
(subkut. Angiomen) und bei kleinen teleangiektatischen Naevis
nicht selten beobachtet.
Von allen diesen Möglichkeiten ist aber nach unserem
histologischen Befunde nicht die Rede.
Unser Fall, der dem Seiferts in Erscheinung und Ver-
lauf ganz analog ist, erweist sich als einfacher Naevus yas-
culosus von gewöhnlichem Bau, und Seiferts Theorie kann
demnach als sicher nicht zutreffend bezeichnet werden.
Wir müssen daher nach einer anderen Erklärung für
die beim Erwachsenen langsam aufgetretenen Volumszunahme
suchen. Wir glauben dieselbe auf eine stärkere Ausdehnung
der schon Yorhandenen Gefäßconvolute, die mehr auf physi-
kalischen als auf biologischen Ursachen fußt, zurückfuhren zu
müssen.
Und dies nicht bloß, weil kein anderer die Vergrößerung
der Tumoren erklärender Faktor aufzufinden ist, sondern auf
Grund der auffälligen Veränderungen des elastischen Gewebes.
Bekanntlich büßt die Haut bei Schädigung der elastischen
Elemente an Widerstandsfähigkeit gegen Zug und Druck be-
deutend ein. Die senile Haut, deren elastisches Gewebe in
gleicher Weise wie an unseren Präparaten verändert gefunden
wird (Schmidt,*) Sederholm,*) v. Tannenhain),') legt
sich nicht mehr glatt auf die Unterlage, ist weniger elastisch
und vor allem nicht im stände, auf sie einwirkendem Zug oder
Druck Widerstand entgegenzusetzen. Stellen wir uns eine Ge-
faßgeschwulst, befreit von dem Widerstände der sie bedeckenden
Haut vor, so wird sich erstere durch stärkere Blutfüllung
bedeutend vergrößern. Bei der Bedeckung der Gefäßconvolute
*) Virchows Arohiv. Bd. CXXV. pag. 239.
*) Archiv far Dermatol. u. Syphilis XXV. B. 1894. Pag. 901.
*) Wiener klin. Wochenschrift 1901. No, 42.
266 Rieoke.
unseres Falles ist dieselbe Veränderung der elastischen Fasern
wie bei der senilen Haut vorhanden, auch diese Haut wird der
andrängenden Geiäßgeschwulst nur geringeren Widerstand
entgegensetzen können als normale Haut.
Die Degenerationszustände des elastischen Gewebes in
der den Tumor umhüllenden Haut und Schleimhaut sind wir
geneigt als kausales Moment für die Volumszunahme des Naeyus
zu betrachten. Mit Beginn dieser Degeneration, welche in
unserem Falle wohl als frühzeitiges Senium infolge über-
mäßiger Inanspruchnahme zu deuten ist, fängt auch der
Tumor an sich zu yergrößem; und so wird das Eintreten der
Volumszunahme in späterem Lebensalter erklärlich.
Herrn Geheimrat Prof. Dr. Trendelenburg sage ich far
die liebenswürdige Überlassung des Falles und Herrn Professor
Dr. Biehl für die freundliche Unterstützung bei der Be-
arbeitung meinen besten Dank.
Die Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVI ist dem Texte zu
entnehmen.
Archiv f Dermatologie u Syphilis Band LXIU
Fig.2
Riecke-Naevus VBSCulosus giganteiis.
Ein Fall von ausgebreiteter Gangrän nach
intramuskulärer Injektion
von Hydrargyrum sozojodolicum.
Von
Dr. Hermann Nenmann, und E. Bendig,
pnkt. Arst in Potsdam AMistent am städt. Krankenhaaa
In Potsdam.
(Hiezu Taf. XVIL)
Die intramuskulären Injektionen Ton Hg-Salzen erfreuen
sich wegen der Exaktheit der Dosierung, der Bequemlichkeit
für die Kranken, der günstigen therapeutischen Erfolge einer
außerordentlichen Beliebtheit: die Vorzüge sind derartige her-
Torstechende, daß Unbequemlichkeiten, wie etwa stundenlanger
Schmerz, Bildung von Infiltraten, leicht in den Kauf genommen
und übersehen werden.
Indessen lehrt doch eine ganze Reibe von Beobachtungen,
daß diese intramuskulären Injektionen, ganz abgesehen von
den sehr vermeidbaren Abszessen an den Injektionsstellen, zu-
weilen Yon leider sehr üblen Zufällen, ja von tötlichen Aus-
gängen begleitet sein können.
Lesser^) und andere haben bei der Injektion von Hg-
tannicum, von gelbem Quecksilberoxyd, Salizjlquecksilber u.
s. w. Lungenembolien gesehen: Unmittelbar nach der fünften
Injektion Ton 0*1 Hgdr. tannic. in Ol. Olivar. gelöst, fing der 1.
Patient Lessers krampfhaft und ununterbrochen zu husten
an und wurde cyanotisch. Der Husten dauerte etwa Vs
Stunde. In der Nacht häufiger, wässeriger Stuhl und am fol-
^) Lesser. Yierteljahrsclirift f. Dorm. n. Syph. 1888. p. 909.
268 Neumann and Bendig.
genden Tage mehrfaches Erbrechen nebst Schmerzen beim
Atmen und profuser Schweiß, P. 100. Im Laufe des dritten
Tages am Thorax hinten uoten links geringe Dämpfung,
rauhes Exspirium und Enisterrassebi ; kein Husten und Aus-
wurf. Eine Woche nach der Injektion waren sämtliche sub-
jektiven und objektiTen Zeichen verschwunden.
In ähnlicher Weise beobachtete Möller^) eine größere
Zahl von Lungenembolien bei den Injektionen von unlöslichen
Quecksilberpräparaten, allerdings stets mit noch sehr giLn-
stigem Ausgang.
Dagegen hat Ledermann') unter Zusammenfassung
aller anderen bis dahin bekannt gewordenen Fälle (Lukasie-
wicz, R. Elien, Kaposi, Neißer) über einen Fall von
schwerer Intoxikation nach Injektion von Ol. cinercum mit
Ausgang in Tod berichtet. Sein Patient hatte zuerst eine
Schmierkur mit Verbrauch von zirka 75*0 Quecksilbersalbe
durchgemacht; nach einem halben Jahre drei Injektionen mit
Hg. salizyl. c. Paraff. liq. (1:10) und dann in Abständen von
o, 8 und 14 Tagen, im Ganzen 6 Mal Injektionen von je
1 Teilstrich Ol. cinerum (Vigier) bekommen. Bei der letzten
Injektion des — wie der Verlauf der Behandlung zeigte —
gegen Hg sehr empfindlichen Kranken trat auf der linken
Glutäalseite eine Induration auf, der später andere Infiltrate
folgten. Etwa 10 Wochen nach der letzten Injektion ging
Pat. an der merkuriellen Intoxikation zu Grunde.
Die Erkläiningen für das Zustandekommen solcher Zufalle
und Veränderungen sind mannigfach versucht und auch durch
eingehende Versuche beim Tier in überzeugender Weise ge-
stützt worden; es sind sowohl die lokalen Veränderungen an
den Injektionsstellen von Wolters^) wie die Bildungsursachen
der Embolien von Möller^) studiert und ergründet Weil
^) Möller. Über Lungenembolien bei Injektionen mit unlöslichen
Quecksilber-Präparaten. Archiv f. Derm. n. Syph. 1896. pag. 886.
'j Ledermann. Über einen Fall von schwerer Intoxikation nach
intramuskulärer Injektion von grauem öl. Berl. kl. Woch. 1898. Nr. 46.
') Wolters. Über die lokalen Veränderungen nach intramasku-
lärer Injektion von Hydrargyr. salicyl. Archiv für Dermat. u. Syphilis
Bd. XXXIX. Heft 2.
^) Möller, a. a. o.
Ein Fall von ausgebreiteter Gangrän etc. 269
mdesseo diese Beobachtungen sich ausschließlich auf die
Nebenwirkungen der unlöslichen Hg-Salze erstrecken, sind sie
für die vorliegende Aufgabe einflußlos und können hier füglich
des weiteren übergangen werden.
Was hingegen die Anwendung der löslichen Quecksilber-
salze in der Therapie der Syphilis anbetrifit, so ist sowohl in
Hinsicht auf die mehr oder weniger hochprozentigen Lösungen
des Sublimats, als auch besonders des Hydrargyrum sozojodo-
licum, die Zahl der unwillkürlichen und ToUkommen unbeab-
sichtigten Wirkungen und daraus hervorgegangener Unglücks-
falle — glücklicherweise — eine sehr geringe. Störungen im
Verdauungskanal. Blässe, Mattigkeit, Albuminurie, Erytheme
sind freilich öfters als akute Quecksiberintoxikation bei den
Injektionen von löslichen Hg-Salzen beobachtet worden«
Möller^) selbst erwähnt zwei Fälle, bei welchen nach der
intramuskulären Einverleibung von 1 cm^ Hydrargyrum sozo-
jodolicum sofort eine allerdings bald vorübergehende Queck-
silberintoxikation aufgetreten war, vielleicht, wie er glaubt,
weil die Lösung in eine Vene gelangt war.
In einem anderen seiner Fälle entstand fast unmittelbar
nach der Injektion von Hydr. sozojd. eine bedeutende intra-
muskuläre Blutung mit sehr starker Auftreibung der Glutäal-
Region und eine mehr als flachhandgroße Suffusion. Die
Schmerzen des Kranken waren ungefähr 14 Tage sehr stark,
doch widersetzte er sich einem operativen Eingriff. Endlich
kam es zu brandiger Abstoßung, obgleich ziemlich oberflächlich
und zuletzt zur Heilung und Resorption; die Ursache für den
Zufall glaubt Möller in der Läsion einer Arterie suchen
zu sollen.
Dieser letzte Fall scheint der einzige in der Litteratur
beschriebene zu sein, welcher auf die Anwendung des in Jod-
kalilösung löslichen Sozojodol-Quecksilbersalzes eine Gangrän
an der Injektionsstelle zeigt. Die Veröffentlichung eines zweiten
derartigen Vorkommnisses, zumal es sich um eine sehr ausge-
breitete und weit in die Tiefe gehende Gangrän handelft, dürte
schon deshalb das Interesse der Kollegen in Anspruch nehmen.
>) Möller, pag. 419.
270 Neumann und Bendig.
als es sich nicht um die VerletzuDg einer Vene oder Arterie,
sondern eines Nerven handelt.
Wir geben zuvörderst die ausführliche Krankengeschichte:
A. B., 37 Jahre alt, ein ungemein kräftiger, großer, strammer
Mann, der sich bisher stets der besten Gesundheit su erfreuen gehabt,
gibt an : Ihm sei vor 14 Jahren an seiner Vorbaut, links vom Bandchen,
ein kleiner harter Schorf von etwa Hirsekomgröße aufgefallen; dieser
sei in die Höhe gegangen, habe sich lang und spitz ausgezogen und sei
dann abgefallen mit Hinterlassung eines kreisrunden, trockenen, ebenen,
etwas geröteten Fleckes. Seitdem habe sich dieser Vorgang in Zwischen-
räumen von Vi — 1 — ^ Jahren wiederholt, nur mit dem Unterschiede,
dass sich mehrere, 3 — 4—5 kleine gelbe Punkte von etwa Stecknadel-
kopfgroße an der alten Stelle einfanden, zu einem gemeinsamen Schorf
verschmolzen und dann abfielen. Ober die Entstehungsursache gibt
Patient an nichts zu wissen. Vor 18 Jahren habe Patient zum ersten
und vor 13 Jahren zum zweiten Male den Tripper gehabt; der Tripper
sei beide Male bald vorübergegangen und habe keine wesentlichen Be-
schwerden verursacht, dann akquirierte Patient anfangs Feber 1900 ein
Ulcus durum; dieses wurde, weil die Leistendrüsen nicht erheblich
geschwollen waren, am 26./n. 1900 galvanokaustisch entfernt, allerdings,
obwohl der umfangreiche Defekt sehr schnell abheilte, ohne den
gewünschten dauernden Erfolg, indem schon am 20. März ein klein-
fleckiges Exanthem über den ganzen Körper sich ausbreitete. Nunmehr
wurde sofort eine I^jektionskur mit Hydrargyr. sozojodolic, intramuskulär
in die Glutaeen, eingeleitet und bis Juni 1900 fortgeführt; im ganzen
wurden l'öHydr. soz. c. 3-2 JE. verbraucht, ohne andere Komplikationen,
als daß an dem der ersten Injektion folgeutlen Tag leichte fieberhafte
Erscheinungen, wie Frösteln und Durst, und eine große Zahl von Durch-
fällen und Erbrechen sich gezeigt hätten. Sonst waren keinerlei lokale
Störungen, wie anhaltende Schmerzen, länger andauernde Infiltrationen
und Indurationen oder Abszesse aufgetreten; auch blieb der Mond frei
von allen Quecksilbererscheinungen.
Nach Beendigung der Hg Kur nahm der Kranke vier Wochen lang
Kalium jodatum: im ganzen 25'0. — Weil er nunmehr frei von jeglichen
syphilitischen Symptomen war, glaubte er eine geplante Reise in die
Tropen ohne Gefahr vor Rezidiven zur Ausführung bringen zu können.
Indessen bekam er schon während der Fahrt durch das Rothe Meer einen
sehr heftigen juckenden Ausschlag an der Stirn, in den Ellenbengen, auf
dem Bauch, besonders am Rücken und schließlich an den Innenseiten beider
Beine, bestehend aus großen roten Flecken mit scharf hervortretenden
mittleren, dunkler gefärbten Punkten; die Drüsen in der Leistenbeuge
und am Hals schwollen nicht an. Er nahm an, daß dieser Ausschlag „der
rote Hund^ sei, welcher eine große Zahl der Mitreisenden in oft weit
schlimmerem Grade überfallen hatte, und der erst beim Eintritt der
kühleren Jahreszeit — im Oktober — zum Verschwinden kam. Aber nach
£iD Fall von ausgebreiteter Gangrän etc. 271
Ablassen dieses Exanthems blieben anf den Bengeseiten beider Arme,
am Leib, an den Beinen ein gioßfleckiger Ausschlag mit einzelnen Flecken
bis zu 5Pfenniggröße noch sichtbar. Die dagegen angewendeten Bäder
und Abreibungen erwiesen sich als erfolglos; das neue Exanthem ver-
änderte sich nicht, so daß endlich im Dezember die Hilfe des Schiff-
arstes nachgesucht wurde. Es handelte sich um ein großfleckiges Syphilid,
zu dessen Abheilung eine energische Schmierkur mit 180 Gr. Ung. einer, und
der interne Gebrauch von 80 — 60 Gr. JK. sich als notwendig heraus*
stellten.
Patient kam gesund an Land und blieb es bis zum April 1901, als sich
neue, doch wenig zahlreiche Flecke auf dem Rflcken, Brust, Leib, Beuge-
seiten der Arme und Beine zeigten. Fat. verrieb 60 Gramm üng. einer.,
nahm eine größere Dosis Jodkali — stets ohne irgendwelche Intoxikations-
erscheinungen — und wurde wieder hergestellt. Jetzt hoffte er, besonders
weil er sich an Land der Gefahr neuer Infektion nicht aussetzte, frei
von syphilitischen Rezidiven zu bleiben; allein, kaum war er auf seiner
Rückfahrt wieder in das Rote Meer gekommen, als er gerade wie auf der
Ausreise zuerst vom roten Hund und in den k&hleren Regionen von einer
großen Zahl von runden großen roten Flecken mit weißem Zentrum
befallen wurde. Diese letzteren, welche anfange nur klein und gleich-
mäßig dunkelgrau rot gefärbt erschienen, hatten sich vom Rande aus
allmählich vergrößert; zugleich war im Zentrum da» Braunrot in Weiß
übergegangen. Mit der Behandlung dieser Flecke wartete er diesmal bis
zu seiner Ankunft in Potsdam. Am 7. Movember 1901 stellte er sich vor;
es war derselbe, frische blühende, kräftige Mann, dem man irgend welche
Strapazen nicht ansah. Seine Klagen bezogen sich auf Schmerzen im
Kreuz seit etwa V, — V« Jahren bei längerem Stehen und Reiten, auch
Beugen, und ferner auf den schon erwähnten Hautausschlag.
Was zunächst diesen letzteren betrifft, so erkennt man auf der
Bengeseite des rechten Unterarmes, kurz oberhalb des Handgelenks, einen
beinahe 1 markstückgroßen rundlichen Fleck von mattglänzend weiß-
lichem Aussehen mit blaßbraunrotem, etwa 2 — 3 mm breitem, etwas
gezahntem Hof, ein klein wenig über das Hautniveau erhaben ; auf Druck
blHßt der Hof nur wenig ab. Flecke von demselben Aussehen, doch bis
zu doppelt so großem Umfang, finden sich auf der inneren Seite beider
Ober- und Unterarme, Brust, auf der inneren Seite beider Beine, besonders
am rechten Unterschenkel, namentlich aber auf dem Abdomen, gruppiert
im Kreise um den Nabel, endlich auch auf den mittleren und unteren
Partien des Rückens. Das Gesicht, der Kopf, der Nacken und Hals sind
vollkommen frei. Die Drusen in der Leistengegend, in der Ellenbeuge,
am Nacken sind ein wenig vergrößert, hart, unempfindlich
Die sichtbaren Schleimhäute, das Knoohensystem, die Augen sind
ohne jede Yeränderungen. Kopfschmerzen fehlen, ebenso irgend welche
Lähmungen der Extremitäten.
Die Organe der Brust und des Unterleibes sind gleichfalls in guter
Ordnung; nur der Urin, welcher irisch entleert, bernsteingelb aussieht,
1
272 Nenmann und Bendig.
sauer reagiert, sp. 6. 1012 (Vogel), kein Sediment hat und frei von Zaeker
ist, zeigt bei einer ganzen Beihe von Beaktionen übereinstimmend m&ßige
Ansscheidang von Albumen and mikroskopisob nach Zentrifagienmg im
Sediment vereinzelte hyaline and Epithelzylinder, weiße Blntkörperohen,
Nierenepithelien.
Die Diagnose lautete auf ein syphilitisches Exanthem und Nephritis
parenchymatosa subacuta. Die letztere konnte ihre Ursache in über-
mäßigen körperlichen Strapazen in unwirtlicher Gegend haben, oder sie
hätte eine merkurielle oder endlich syphilitischen Ursprungs sein können.
Die beiden letzteren Entstehnngsursachen mußte man jedoch deshalb aus-
schließen, weil einmal die Nephritis trotz der verschiedenen Quecksilber-
behandinngen auf der Ausreise in gleicher Starke andauerte, indem die
Kreuzschmerzen des Kranken sich durchaus nicht verminderten, dann,
weil die nephritiscben Erscheinungen ohne andere merkurielle Intoxikations-
Ersoheinungen einhergingen und — wie die spätere Beobachtung noch
eindringlicher gezeigt hat — unter Fortgebrauch von Quecksilber sieh
durchaus nicht verschlimmerteD. Deshalb blieb nur übrig, die vorhandene
Nephritis als eine parenchymatöse infolge von Erkältungen und Strapazen
entstandene aufzufassen.
Was aber das Exanthem anbetrifft, so konnte man Herpes tonsurans,
Erythema nodosum, Erythema papilatum annulare oder ein Exanthema
papulosuro lenticulare gegeneinander abwägen. Die Lokalisation, das
wenig lebhafte Bot, die fehlende Schuppenbildung, die nur geringfügige,
Induration der Baut berechtigen uns indessen sofort die nicht syphiliti-
schen Exantheme auszuschließen und in Bezug auf die syphilitischen
hätte man schwanken können zwischen einem rezidivierenden papnlösen
Exanthem im Besorptionsstadium und einem bereits ausgebildeten Leuko-
derma syhiliticum.
Vor der Ausreise des Kranken war die Boseola syph. vollkommen
abgeheilt und hatte keinerlei Veränderungen der Pigmentirung der Haut
zurückgelassen; in den Tropen hatte er ein ärztlich festgestelltes groß-
papulöses Syphilid gehabt nach einem Exanthem, das der Kranke selbst
wegen der Ähnlichkeit desselben mit dem bei seinen Mitreisenden als
„roten Hund'', den Liehen tropicus, auffaßte. Es ist wohl das wahrschein-
lichste die Annahme, daß auf der durch die Sonnenglut gereizten und
entzündeten Haut entweder gleichzeitig sich der Liehen tropicus mit dem
Exanthema papulosum lenticulare oder das letztere kurz nach dem ersteren
etabliert hat, so daß das syphilitische Exanthem — schon durch die
beschränkte Lokalisation — durch den „roten Hund'' vollkommen verdeckt
war; erst in den kühleren Monaten traten die verwickelten Verhältnisse
klar zu Tage. Im Frühjahr 1901 handelte es sich sicher um ein Bezidiv
des Syphilids. Auf der Heimreise aber erfolgte dasselbe Spiel der Flecken,
wie auf der Ausreise. Die dreifache Wiederholung des Syphilids, das
hartnäckige mehrmonatliche Bestehen desselben, besonders des letzten
Exanthems lassen die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß die großen
weißlichen, scbuppenfreien Flecken mit dem braunroten Hof nicht das
Ein Fall von aasgebreiteter Gangrän etc. 273
Exanthem papnlosam lenticolare im Resorptionsstadium sind, sondern sich
als Leakoderma syphilitum charakterisieren.
Zur Behandlung wird die Einleitung einer antiluetischen Eur
empfohlen, diesmal aber in Rücksicht auf die schon mehrfach ausge-
führten Behandlungen mit Hg und JK. die intramuskuläre Injektion von
257o Jedipin. Der Kranke erhält täglich vom 8. --14. November 1901 je
15 Gramm Jedipin in die Glutäen ; die Einspritzungen selbst werden ohne
jede örtliche oder allgemeine Reaktion, insbesondere auch ohne einen
Einfluß auf die Nieren vertragen, leider aber auch ohne irgend einen
Einfluss auf das Exanthem. Deshalb vnrd zu Quecksilberinjektionen über-
gegangen und wie im Jahre 1900 das Sozjodolquecksilber nach der
bekannten Formel diesmal zusammen mit Antipyrin gegen die konse-
kutiven Schmerzen als klare, filtrierte Lösung von folgender Zusammen-
setzung in Anwendung gebracht: 1 Hydrargyr. sozojodol. 0*8, Commisce.
c. Aqu. dest. 6*0, Adde Antipyrini 20, Ealii jodati 1*6, Aqu. dest. ad 10*0,
M. Filtral DS. Subkutanlösung.
Am 14. November wird die erste Injektion in die linke
Hinterbacke, oberhalb and seitlich vom Trochanter nach der
Mitte zu, gemacht. Wenig Schmerzen, auch später; vielleicht
gerade deshalb, weil P. sofort ein Bad von 34® C. von 1 Stunde
Dauer nimmt. Am 15./ VI. lokal geringer Schmerz, geringe
Infiltration der ganzen linken Gesäßhälfte. Urin zeigt keinen
stärkeren Albumengehalt als früher. Doch trinkt P. von heute
ab Wemarzer Brunnen; dreimal täglich je V4 Liter.
22./XI. 2. Injektion; in die rechte Gesäßhälfte. Pat. hat
von der ersten Injektion her keine merkuriellen Erscheinungen.
Mundschleimhaut ohne Entzündungen, Stuhlgang regelmäßig,
Appetit gut Die Glutäen sind nicht empfindlich; die Indu-
ration hat sich auf Kleinapfelgröße verringert. Vor allem ist
das Exanthem ganz bedeutend abgeblaßt; die Ränder sind viel
weniger rot, die zentralen Partien erscheinen nicht mehr so
glänzend weiß. Die 2. Injektion ist lokal und allgemein sehr
gut vertragen worden.
28./XI. Die 3. Injektion, in die linke Hinterbacke wieder
in der früher erwähnten Richtung, doch hart an der nachbe-
stehenden Infiltration des subkutanen Gewebes vorbei. Das Ein-
stechen der Kanüle durch die Haut und die Infiltration geht
zunächst etwas schwierig, aber ohne Schmerz , in der Tiefe dagegen
leicht bis durch das ganze Fettpolster vor sich. Kaum waren
indessen. beim langsamen Vorstoßen des Spritzenstempels auch
nur die ersten Tropfen der Lösung in die Tiefe injiziert,
Aeb. f. Dermal, n. Syph. Bd. LXIII. ]g
274 Neamann and B endig.
als Pat. furchtbar und wild aufschreit, den Oberkörper nach
links gegen das Becken beugt, ebenso das linke Bein im Knie
beugt und nur mit der Fußspitze den Erdboden berührt. Er
wird leichenblaß, klagt über heftige Schmerzen im ganzen
linken Bein und war unfähig zu gehen. Er atmete ruhig; der
Puls dagegen war fast gar nicht fühlbar. Das Gesäß war prall
gespannt, geschwollen, auf Berührung sehr empfindlich. Die
Haut zeigte normale Färbung; aus der Einstichstelle entleerte
sich kein Blut. Sensorium frei.
Die Injektion wird selbstTerständlich unterbrochen; gut
Va voll bleibt die Spritze noch gefüllt : also nur wenige Tropfen
waren eingedrungen. Auf Kognak, Amylnitrit, Morphium und
Ruhe geht der bedrohliche Zustand innerhalb einer Stunde
Torüber, so daß Pat, wenn auch unter Schmerzen wieder gehen
und nach Hause gelangen konnte.
29. /XI. Patient befindet sich bis anf heftige Schmerzen in der
hinteren Seite des ganzen linken Beines wohl; kein Husten, kein Ans*
warf, keine Atmangsbesch werden, keine Herzerscheionngen. Am Nach-
mittag fahrt Pat. sogar — leichtsinniger Weisel — aufs Land hinaas.
80./XI. Patient liegt za Bett; er kann auf dem linken Bein wegen
großer Schmerzen nicht stehen; beim Yersnoh das Bett zu verlassen,
steht er auf der Fußspitze mit gebeugtem Knie and nach links gebeugtem
Oberkörper. Das Bein selbst ist sowohl hinsichtlich der einzelnen Muskeln
wie im Verlauf des Nerv, ischiadicas schmerzfrei ; die passiven Bewegungen
im Hüftgelenk, im Knie und Fußgelenk sind vollkommen frei. Dagegen
ist das linke Gesäß noch praller geschwollen, wie ta^s zuvor;
äußerst empfindlich auf Druck. Doch ist die mit einer Stecknadel geprüfte
Empfindlichkeit der Haut über der Infiltration eine durchaus normale;
über allen Punkten — außer der zentralen Partie — wird dieBerührang
der Haut mit Stecknadelspitze und Kopf korrekt bezeichnet. Während
indessen tags zuvor die Farbe der Haut gegen das Normale nicht ver-
ändert war, zeigt sie heute zentral einzelne blasenformige Abhebungen
mit blaßgelblichem Inhalt von etwa Kirsohengröße ; im übrigen ist sie
nach oben links bis an den Darmbeinkamm, nach unten bis zur unteren
Gefaßfalte und etwas darüber hinaus nach dem Oberschenkel, nach rechts
innen in einer unregelmäßigen Linie bis hart an die Grena ani, nach
links außen bis zum Troc hanter blaßblaurot verf&rbt; nach innen und un<en
fast schwarz, ähnlich wie das Farbenspiel über einem subkutanen Hämatom.
(Fig. 1.) Die inneren Organe normal; der Urin zeigt einen gegen früher
nicht erhöhten Albumengehalt. Temperatur Morgens 37*6, Abends 88^
Therapie: Dermatol- Salbe; Aufschläge mit Liq. Aluminii acetici. Die Nacht
verlief schlaflos.
Ein Fall von ausgebreiteter Gangrän eto. 275
I./Xll. Stat id. Temp. 87*6 Morgens, 88*6 Abends. Abends gibt
Pat. an, auf dem linken Bein sich besser halten so können; er steht aaf
der ganzen Faßsohle. Therapie 2*0 Trional. Bedeckung der linken GesäÜ-
hälfte mit Zink oxydpflastermull. Die Nacht verlief wieder schlaflos; Patient
liegt gans auf der linken Seite und ist sehr unruhig.
2./XII. Temperatur 87*4 morgens, 88*2 abends. Die Spannung des
Gesäßes läßt etwas nach ; nur der mittlere Teil zeigt sich hart infiltriert
und nicht mehr ganz so schmerzhaft auf Druck. Dagegen ist keine Verände-
rung in der blauroten Randfärbung eingetreten. Heute kann Patient das
linke Bein aktiv strecken und beugen, drehen, auch kann er viel besser
stehen. Hinzugekommen sind heute Morgen Schmerzen in der linken
Schulter; auch ist die Haut über dem Manubrium stemi bis über den
Hals zum Kinn besäet mit Stippchen, die ein scarlatinöses, klein fleckiges
rotes Exanthem abgeben. Der Urin zeigt stärkeren Albumengehalt. Therapie :
Kaligodat 5*0, Natri salicyl. 10*0, Aqo. dest. ad 200*0, MDS. 2st. 1 Eß-
löffel in Milch.
8./XII. Die Schulterschmerzen haben sich stark verringert; dagegen
ist das scarlatinoide Exanthem unverändert. Die Infiltration der linken
Gesäßhälfte beschränkt sich auf eine mittlere, handbreite Fläche, die in
der Tiefe das Gefühl für Fluktuation erkennen läßt Temp. 89 0. P. 120.
Kein Schüttelfrost; kein Schweiß.
4./XII. Patient fühlt ein Bohren und Stechen in der entzündeten
Hinterbacke. Der Zinkheftpflastermull wird entfernt, dabei aber die
oberste Hantschicht, zumal die Blasen mit abgezogen; die bloßgelegten
Flächen sehen da, wo die Haut blasenformig abgehoben war, schwarzgrau,
gangränös aus, im übrigen schmutziggraugelb. Eine Punktion ergibt ein
negatives Resultat. Das Exanthem ist verschwunden.
Therapie: Ich thoform verband; innerlich Salol. (Dadurch sinkt die
Temperatur im Laufe des Tages auf 38^ G.) Für die Nacht gegen die
bohrenden Schmerzen Morphium.
5./XII. Stat. idem; Temp. 39^ C, P. 128, regelmäßig.
6./XII. Pat. wird des Morgens nach sehr schlechter Nacht in das
hiesige städtische Krankenhaus (dirigierender Arzt Sanitätsrath Dr. La
Pierre) mit T. 40^ C, P. 126—182 zwecks Operation der Hinterbacke
übergeführt. Der hier erhobene lokale Befund ist folgender:
Fast die ganze linke Hinterbacke ist blaurot verfärbt,
beträchtlich geschwollen, derb infiltriert, nur bei stärkerem Druck
empfindlich. Der Patient bewahrt ängstlich eine leichte Beuge-
stellang im linken Hüftgelenk; Streckung oder stärkere Beugung
sind schmerzhaft. Im Bereich der Verfärbung ist die Sensibilität
der Haat so gut wie erloschen. Die Demarkationslinie ist als
schmaler, livide gefärbter Saum angedeutet. (Vergl. dO./XI)
Eine in der Mitte des Herdes Torgenommene Punktion fördert
aus der Tiefe nichts zu Tage.
18*
276 Neumana und Bendig.
Es werden in Narkose 4 lange und tiefe Inzisionen in der
Längsrichtung des erkrankten Hinterbackens gemacht. Drei
dieser Inzisionen werden bis auf den Glutaeus maximus geführt,
eine, von oben gerechnet, die zweite Inzision, ist die tiefste
und längste; sie wird noch darch den Glutaeus maximus hin-
durch bis auf den Glutaeus medius gefuhrt, da ersterer etwas
zerfasert, leicht bräunlich verfärbt und durchtränkt erscheint.
(Fig. 1.) Eine arterielle Blutung erfolgt bei der zweiten Inzision ; bei
allen anderen entsteht nur geringe Blutung. Das durchtrennte
Fett erscheint sulzig, von etwas schmutzig gelber Farbe. Der
Glutaeus maximus ist, abgesehen von der zweiten Inzisions-
stelle, frischrot. Auf eine Ansammlung von Blut, Gerinnsel
oder Eiter stößt man bei keiner der vier Inzisionen ; ein Depot,
herrührend von einer früheren Injektion, ist lucht nachweisbar.
Lockere Tamponade der klaffenden Wanden mit in VtVoo Sublimat-
lösnng getränktem Verbandmull. Die Temperatur nach der Operation
beträgt 89*2. Puls: 182, regelmäßig. Im Urin VtVoo •^^^^i^^i^ ! kein Zucker.
Abends: Reichliche Sekretion von blntig-seröser Beschaffenheit;
Verbandwechsel. Temperatur: 88*8. Puls: 140. Heftiger Wundschxnerz.
0*01 g Morphium subkutan.
7./XII. Unruhig verbrachte Nacht, große Schmerzen, wenig Appetit.
Reichliche Sekretion. Temperatur: 89*4, Puls: 120. EiweißgehaU im Urin
unverändert; im Sediment Epithelcylinder. Die inneren Organe weisen
nichts Absonderliches auf. Sensibilitätsstörungen nicht vorhanden. Reflexe
normal. Abendtemperatar : 39*2. Puls: 128. 0*01 g Morphium subkutan.
8./XIL Patient hat die verflossene Nacht vor Schmerzen schlaflos
zugebracht; zeitweise wurde er von Wahnvorstellungen gequält; er glaubt
allerhand Dinge zu sehen. Temperatur: 88*6, Puls: 120. Im Laufe des
Tages stellt sich lebhaftes Hungergef&hl ein und Patient ißt mit großem
Appetit. Gegen Abends lassen die Schmerzen erheblich nach. Nach Ein-
lauf reichliche Stuhlentleerung. Abendtemperatur: 89*5, Puls: 140. OOl ^
Morphium subkutan.
9./XII. Unruhig verbrachte Nacht. Die Sekretion läßt nach; der
Eiweißgehalt im Urin sinkt. Temperatur: 88*8, Puls: 126. Die Morphium-
injektion unterbleibt. Abendtemperatur 38*9, Puls: 126.
lO./XII. Patient hat gut geschlafen. Appetit gut. Die Demar-
kationslinie tritt scharf hervor. Morgentemperatur: 87'6, Puls: 100.
Befinden gut. Abendtemperatur: 88*8, Puls 116.
ll./XII. Schlaf, Appetit und Befinden gut. Morgentemperator: 87*1,
Puls 100. Sekretion gering. Die bis heute täglich zweimal angelegten
Verbände werden nunmehr auf einen beschränkt. Abendtemperatur : 38*7,
Pols: 112.
Ein Fall yoii ausgebreiteter Oangräo etc. 277
12./Xn. Pat. fühlt sich wohl nnd hat keinerlei Beschwerden. Schlaf
und Appetit gut. Morgen temperatnr : 87, Pols: 80. Abendtemperatur: 88'!,
Puls: 96. Pbotographische Aufnahme. S. Fig. 1.
18./XII. Status idem. Abendtemperatur: 37*8.
20./XII. Die zwischen den beiden obersten Incision gelegene gan-
gränöse Gewebsschicht fängt an sich zu lockern. Übler Geruch. Der Eiweiß-
gehalt des Urins sinkt langsam weiter.
21./XII. Befand gut. Morgentemperatur: 87*4, Abendtemp.: 38' 1.
22./XII. Das oberste gangränöse Gewebsstnck, das nur noch locker
an seiner Unterlage haftet, wird abgetragen. Wohlbefinden.
24./XII. Befinden ausgezeichnet. Das mittlere gangränöse Gewebs-
stück wird zum größten Teil abgetragen — zirka iVi Pfund Gewebe —
die Gangran reicht bis an den Glutaeus medius heran. Über dem rechten
Trochanter leichter Decubitus.
30./XII. Inzwischen sind fast alle gangränösen Teile teils abgetragen
worden, teils haben sie sich abgestoßen. Die der Gefaßspalte zunächst
liegende Gegend zeigt nach Entfernung der gangränösen Gewebsstücke
in ihrer Tiefe eine schmierig belegte, stark sezernierende Wundfläche.
Es werden nunmehr täglich lauwarme Vollbäder vorgenommen.
6./I. 1902. Die Wundflächen haben sich gereinigt bis auf den der
Gesäßspalte zunächst gelegenen Teil; daselbst besteht noch immer
schmieriger Belag und reichliche Sekretion. Es wird mit der Applikation
▼on Sublimatverbänden und lauwarmen Bädern fortgefahren. Im Urin ist
die letzte Spur von Eiweiß verschwunden. S. Fig. 2.
14./I. Schmerzen in der Brust, links vom unten; daselbst bestehen
Reibegeräusche. Kein Auswurf, wenig Husten. Temperatur: 38*4, Puls: 112.
Prießnitz um den Thorax. — Abgesehen von dem der Gesäßspalte zunächst
liegenden Abschnitt, der noch immer stark sezerniert und schmierige
Belege zeigt, besteht nunmehr eine saubere, üppig granulierende
Wundfläche.
15./I. Pat. hat schlecht geschlafen. Morgen temperatur: dS*5, Abend-
temperatur: 89*1.
16 /I. Die Beschwerden in der Brust sind fast völlig verschwunden.
Morgen temperatur : 38, Abendtemperatur : 37'8.
17./I. Pat. hat gut geschlafen und fühlt sich wohl. Die zu üppig
granulierenden Stellen der großen Wundfläche werden touchiert Die
Überfaäutung vom Rande der Wundfläche her ist zirka 1 cm breit. Der
Decubitus ist unter geeigneter Behandlung geheilt. Morgentemp.: 86*8,
Abendtemperatur: 37*3.
5./II. Befinden ausgezeichnet. Patient steht auf und geht ohne
Beschwerden umher. Normaler Gang. Die Überhäutung der Wundfläche
hat beträchtliche Fortschritte gemacht. Abgesehen von der oben beschrie-
benen Stelle, die noch schmutzigen Belag und reichliche Sekretion auf-
weist, besteht eine saubere Wundfläche. Der schmierig belegte Wund-
abschnitt wird nunmehr mit Kampferweinkompressen bedeckt, der übrige
Teil mit Argen tum- Salben-Lappen. Das Körpergewicht beträgt 183 Pfund.
278 Neumann nod Bendig.
l./IV. Patient erft-ent sich des besten Wohlbefindens. Die ganze
Wnndfläohe ist bis anf einen zirka fingerlangen nnd zirka 2 cm breiten,
in der Nähe der Kreuzbeinspitze gelegenen, noch ziemlich stark sezer-
nierenden uud schmierig belegten Abschnitt vernarbt; dieser wird nun-
mehr fingerdick mit Streupulver (Amylnm, Zink, oxydat. ana) bedeckt
nnd vernarbt unter dieser Behandlung nach weiteren 10 Tagen.
14./II. Patient verläßt die Anstalt; er fühlt sieh gesund und kräftig
und ist vollkommen frei von Beschwerden oder Störungen irgend welcher
Art. Im Urin ist weder £iwei6 noch Zucker nachweisbar. Die Unter-
suchung der inneren Organe ergibt keinerlei krankhafte Veränderungen.
Wegen der noch etwas zarten Beschafienheit der Narbe, namentlich ihres
zentralen Teiles, erhält Patient einen Heftpflasterschutz verband und die
Weisung, sich in der nächsten Zeit regelmäßig im Krankenhaus vorsu-
st eilen. Das Körpergewicht beträgt 204 Pfund.
5./V. Patient stellt sich vor der Abreise nach einem Bade nochmals
im Krankenhaus vor. Bereitwilligst unterzieht er sich einer Schlußunter-
suchung, und der Mühe, nochmals photographiert zu werden. (Fig. S.)
Die Schlußuntersuchung des blühenden, überaus kräftigen und sich
des besten Wohlbefindens erfreuenden Mannes ergibt folgendes: Gang
und Bewegungen sind vollkommen frei. Die Narbe ist derb und anf ihrer
Unterlage verschieblich. Aufiällig ist eine, selbst bei leisen Insulten der
Haut auftretende, starke Eruption von Quaddeln. Sensibilitätsstörungen
sind nirgends nachweisbar, die Reflexe sind normal. Auf dem Rucken
befinden sich mehrere runde, bis zweimarkstückgroße Narben, die
angeblich vom roten Hund infolge des vielen und heftigen Kratzens her-
rühren. Die Cubital- und Nackendrüsen sind nicht vergrößert. In der
rechten Leistengegend befinden sich 2 zirka bohnengroße, seit heute druck-
empfindliche Drusen, deren Entstehung auf einen gestern unternommenen
weiten Spaziergang zurückgeführt wird. Die Haut über diesen Drüsen ist
unverändert. In der linken Leistengegend mehrere erbsengroße, auf Druck
unempfindliche Drüsen. An der Vorhaut befindet sich rechts vom Frenulum
eine zirka erbsengroße, etwas derbe Narbe, links vom Frenulum ein zirka
linsengroßer, rundlicher, leicht roter, im übrigen glatter uud trockener
Fleck. Die Hoden sind von normaler Größe und Beschaffenheit. Verände-
rungen an der Tibia bestehen nicht, die Untersuchung des Mundes,
Rachens, Kehlkopfs und der Augen ergibt nichts absonderliches. Hers
nnd Lungen sind gesund, Beschwerden seitens des Abdomens bestehen
nicht. Der frisch entleerte Urin ist von gesättigt gelber Farbe, schwach
saurer Reaktion, 1015 spez. Gewicht und zeigt bei der Kochprobe leichte
Eiweißtrubung ; Zuckerreaktion negativ, im Sediment vereinzelte Nieren-
epithelien, sonst nichts absonderliches. Atrophien bestehen nicht.
Was war nun die Ursache der tiefgehenden, umfangreichen
Gewebszerstörung, die den Patienten seines halben Gesäßes zu
berauben drohte?
Handelte es sich hier um eine durch die Injektion hervor-
gerufene Gefäß Verletzung?
Ein Fall von aasgebreiteter Gangran etc. 279
Wir finden in der Literatur^) einen unserem Fall ähnlichen
verzeichnet, in dem es, wie vorhin erwähnt, zu einer bedeu-
tenden intramuskulären Blutung mit starker Auftreibung der
Glutaealregion kam, die unter großen Schmerzen und Abstoßung
einer ziemlich oberflächlichen Schicht zur Heilung gelangte.
In unserem Fall glauben wir eine Gefaßverletzung aus-
schließen zu müssen. Die Injektion war an einem Punkt, nahe
dem Trochanter maior, dabei etwas oberhalb von ihm und nach
der Bima interglutaealis hin gemacht worden. Beiläufig sei
bemerkt, daß diese Stelle von der später einsetzenden Gangrän
umfaßt wurde. Bei dem kräftigen Panniculus des Patienten kann
von einem Insult eines größeren Gefäßes an dieser Stelle nicht
die Rede sein; und setzen wir selbst den Fall, daß die Nadel
auf ihrem Wege ein größeres Gefäß verletzte, so hätte sich
doch wohl aus der Kanüle Blut entleeren können, und die
später vorgenommenen Inzisionen hätten in den durchtreonten
Gewebsschichten Zeichen einer intensiven Blutung aufweisen
müssen. In Wirklichkeit bestand jedoch nichts von alledem
und die geringe lokale seröse Durchtränkung und leicht bräun-
liche Verfärbung des Musculus glutaeus maximus schließen
eine Deutung im Sinne der Gefäßverletzung aus. Daß durch
die injizierte Flüßigkeit ein Druck auf ein größeres Gefäß
hätte ausgeübt werden können, und daß daraus Störungen,
etwa Arteriensperrung mit ihren Begleiterscheinungen resultierten,
ist nach den die Injektion begleitenden Umständen, vor allem
aber wegen der Thatsache, daß nur wenige Tropfen injiziert
wurden, nicht anzunehmen.
Kann in unserem Fall als ein schädigendes Moment ein
chemischer Vorgang herangezogen werden? A priori wäre das
Zustandekommen einer deletär wirkenden chemischen Verbindung,
analog der Entstehung des ätzenden Quecksilberjodids bei
innerem Gebrauch von Jodkalium und bei gleichzeitiger äußer-
licher Anwendimg von Kalomel wohl denkbar ; indessen verliert
diese Annahme viel an Wahrscheinlichkeit, wenn man bedenkt,
daß Injektionen von Hydrarg. eozojodol. in Verbindung mit Jod-
kalium, ganz abgesehen von unserem Fall, in dem die voraus-
gegangenen Injektionen ebenfalls ohne besondere Störungen ver«
*) Möller, a. a. 0.
280 Neumann und Bendig.
tragei^ wurden, tausendfach gemacbt worden sind, ohne daß
man jemals Gmnd gehabt hätte, an das Zustandekommen ver-
heerend wirkender chemischer Substanzen zu denken. Diese
Reflexion, sofern sie überhaupt den Wert wissenschaftlicher
Beachtung beanspruchen darf, wird etwaige spätere Versuche,
die auf schwer erklärlichen Unglücksfällen im Gefolge der
Injektionen von Quecksilberverbindung basieren, leiten.
Eine Injektion endlich ist bei dem Fehlen von Schnitt-
frösten und Schweißen, femer von Eiter an irgend einer Stelle
auszuschließen.
So hleii^t uns nach Ausschluß dieser Möglichkeiten nichts
anderes übrig, als unsere Zuflucht zu der Annahme eines Nerven-
insultes, der in das Bereich trophoneurotischer Vorgänge führte, zu
nehmen, herrorgerufen durch die Injektion. Wenn wir uns nochmals
die Begleitumstände der Injektion vergegenwärtigen, so ist die beim
ersten injizierten Tropfen auftretende enorme Schmerzensäußerung
des Patienten sehr auffallig, insbesondere im Gegensatz zu dem
schmerzlosen Einstechen der Nadel. Daß der Patient bei be-
ginnender Injektion furchtbar aufschrie, seiner Extremität eine
bestimmte Haltung gab, über große Schmerzen im ganzen Bein
bis zum Fuß hinab klagte und unfähig war zu gehen, läßt bei
Fehlen jedweder Erscheinung seitens der Lunge die Annahme
wohl berechtigt erscheinen, daß es sich hier um einen Nerven-
insult handeln könnte, wenn freilich auch die bald nach der
Injektion beginnende Schwellung, Spannung und große Empfind«
üchkeit der Gesäßhälfte, ferner die am zweiten darauffolgenden
Tage noch nicht bestehende Sensibilitätsstörung der Haut bei
bereits unter Temperatursteigerung beginnender Veränderung
derselben vorerst noch einer ausreichenden Erklärung bedürfe.
Ebensowenig sind wir in der Lage, einem bestimmten Nerven —
der Injektionsstelle könnten Zweige der Nervi cutan. glut sup.
oder ein Ast des N. cut. fem. post. entsprechen — die während
und nach der Injektion eintretenden Erscheinungen zuvindizieren ;
der N. glut. inf. kann wohl kaum in Betracht kommen.
Wenn unser Fall nun auch illustriert, daß schwere
Schädigungen, anschließend an Injektionen von Hydi'argyrum
sozojodolicum eintraten, so kann uns dieses Mißgeschick dennoch
nicht davon abhalten, nach wohldurchdachten und allgemein
anerkannten Prinzipien in der Anwendung dieses Medikamentes
fortzufahren, bis die Zukunft uns andere, bessere Wege weist.
Die Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVII ist dem Texte
zu entnehmen.
Archiv f. Dermdtoloc|ie u Syphilis Band LXIII.
Xiiimaim u.lk>ii(L{) <imi(|i'iiii »iiili iiilmiiiiifikiiUiii'i- Ijtj.v.llcj '
Au der dermatologisohen Zlinik des Hofrath Prof. Kaposi
in Wien.
Zur Blasenbildung und Cutis-EpidermiS'
Verbindung.
Von
Dozent Dr. Karl Kreibich.
(Hieza Taf. XYIII.)
Hochgradige lokale Stauung scheint eher zur Nekrose als
zur Blasenbildung zu iühren, denn abgesehen Yon der Gangäen
ganzer Extremitätenteile nach Verlegung der Venen, wo die
Nekrose der Haut einen Teil der Massennekrose darstellt, sieht
man nicht selten bei hochgradigem Ödem herdförmige Nekrose
auftreten, die man trotz der sich meist findenden Entzündung
zum Teile als mechanisch entstanden in der Art erklären kann,
daß infolge der starken Zerrung und Kompression der Gefäße
an umschriebenen Bezirken die Zirkulation so weit leidet, daß
sich dieselbe nach Bückbildung des Ödems nicht wiederherstellt.
Die Entzündung wäre dann als ein Moment aufzufassen, welches
die Zirkulationsverhältnisse in einer Haut, welche durch die
infektiöse Entzündung (Erysipel) zum Teile direkt im Gewebe
geschädigt ist, noch weiter im schlechten Sinne beeinflußt. Erst
die demarkierende Entzündung, die den nekrotischen Anteil
entfernt, zeigt, daß die Nekrose nur die Haut betraf, während
Torher die schwarze Verfärbung eine viel tiefere Nekrose er-
warten ließ. Ich habe in zwei Fällen, in denen das ursprüng-
liche Erankheitsbild recht bedrohlich erschien, Heilung gesehen.
283 Ereibich.
Gewiß noch seltener als dieses Ereignis ist Blasenbildung
durch nicht entzündliches Ödem, wenigstens fand ich bei einiger
Durchsicht der Literatur keine Angaben, wenn auch hier der
Mangel an Angaben gewiß nicht der Ausdruck dafür ist, daß
man die Erscheinung bis jetzt überhaupt noch nicht beob-
achtet hätte.
Ich verfuge über zwei Beobachtungen^ welche dafür
sprechen, daß Blasenbildung durch bloße Stauung bewirkt
werden kann.
Die Präparate des einen Falles stammen von der Haut
des Fußrückens nach Thrombose der Vena femoralis. Die be-
treffende Hautstelle war tief blauschwarz verfärbt und zeigte
an der Oberfläche einige kleinere und größere, mit serös-
hämorrhagischem Inhalte erfüllte Bläschen. Das mikroskopische
Präparat zeigte enorme Ausdehnung der tiefen Hautgefaße, das
Lumen derselben mit eben in Organisation begriffenen Thromben
erfüllt. Die Ausdehnung der Gefäße reichte auch hinauf in
das Papillargefäßnetz. Die Epidermis zu größeren und kleineren
Bläschen abgehoben. Die Pars papillaris zeigte keinerlei Zeichen
von Entzündung, keine zellige Exsudation und Proliferation.
Unter der Voraussetzung, daß auch klinisch keine Zeichen
von Entzündung bestanden (das Präparat wurde der Leiche
entnommen), wäre der Fall so zu erklären, daß das nicht ent-
zündliche Ödem nach Durchtränkung der Subcutis und Cutis
auch die Pars papillaris erfüllte und dann zur Abhebung der
Epidermis, i. e. zu echten Stauungsblasen führte.
Nicht so einfach liegen die Verhältnisse in dem zweiten
Falle. Ein an schwerer Darmtuberkulose und Amyloidniere
leidender Kranker zeigte an den seitlichen Flächen des Ab-
domens und an den Außenflächen des Hüftgelenkes streifen-
förmige, daumenbreite Epidermisverluste mit randständigem
Epidermissaum und blutender Basis, daneben 5 — 10 cm lange,
äußerst schlappe, mit blutigem Serum erfüllte Blasen und
endlich in der angegebenen Lokalisation fingerbreite, blaurote
Striae atrophicae.
Der Fall wurde in folgender Weise gedeutet: Die Striae
atrophicae herrührend von früher vorhanden gewesener Ana-
Zur Blasenbildung und Gutis-Epidermisverbindung. 283
sarka. Auftreten neuer Ödeme und Ablösung der Epidermis
gerade über den Striae deshalb, weil hier das ödem nicht
mehr den normalen, sondern den durch seitliche Zerrung fast
▼erstrichenen Papillarkörper antraf. In dieser Richtung haben
diese Blasen Ähnlichkeit mit den Blasen über jungen Narben.
Trotzdem es sich in diesem zweiten Falle um Ödem im
Verlaufe von Amyloiderkrankung handelte und das Ödem bei
Nierenerkrankungen gewiß kein reines Stauungsödem darstellt,
glaube ich dennoch, diese Blasen in letzter Linie als Stauungs-
blasen, durch Ödemflüssigkeit entstanden, auffassen zu können ;
für diese Annahme sprach das gleichzeitige Auftreten derselben
über den Striae atrophicae zur Zeit, als das neue Ödem auf-
trat, sowie das Fehlen ausgesprochener entzündlicher Erschei-
nungen.
Einwandsfreier als durch obige Beobachtungen mußte die
Frage, ob nach bloßer Stauung, also rein mechanisch, Blasen
entstehen können, auf experimentellem Wege zu beantworten
sein. Weiden feld hat (Band LIII dieses Archivs) in einer
größeren Untersuchungsreihe über Einderhaut von der Gutis-
seite aus Wasser geschichtet und dieses unter einen Druck
gesetzt, welcher einer Wassersäule von 160 cm entsprach. Er
sah nach einigen Minuten Blasenbildung erfolgen. Das gleiche
Resultat erzielte er beim Versuche an ganzen Extremitäten,
wenn von dem oberen freien Ende die Extremität unter gleichen
Druck (1 60 cm Wassersäule) gesetzt wurde. Weidenfeld kommt
zu dem Schlüsse, daß die Blasenbildung wesentlich von dem
Drucke der Lymphflüssigkeit abhängt.
Gegen diese Resultate, Methode und Ansichten erhob
Merk (in demselben Bande) Einsprache. Er wandte sich gegen
die Benützung des Wassers als eines Mediums, welches das
Gewebe angreift, gegen die «Verwendung der Leichenhaut und
Vornahme der Versuche in kaltem Wasser. Merk glaubte,
auf Grund von Versuchen die Blasenbildung mehr auf eine
zellulare Funktionsstörung zurückführen zu müssen.
Diese Einwände mußten wegfallen, wenn die Versuche am
Menschen gemacht wurden, und hierzu erwies sich als das
geeigneteste Objekt das Molluscum pendulum. Wird die Seiden-
284 Kreibich.
ligatur gerade so stark angelegt, daß die Vene komprimiert
wird, die Arterie aber noch durchgängig ist, so kommt es zur
Yenösen Stase, weiters zum Austritte von Serum aus den Ge-
fäßen, zur Ansammlung des serösen Transudates zwischen die
Cutisbündel, zur Durchtränkung der Bündel selbst und endlich
bei fortgesetzter Steigerung des Druckes zur Ansammlung
zwischen £pidermi3 und Cutis, i. e. zur Blase.
Die auf diese Weise unterbundene Geschwulst zeigt zuerst
Cyanose, hierauf schwillt sie zu 2 — 3facher Größe ihres früheren
Volumens an und endlich, nach 10 — 14 Stunden, treten an der
Oberfläche mit hellem Serum erfüllte, prall gespannte, erbsen-
große Blasen auf. Ist die Ligatur zu wenig straff angezogen,
so erfolgt Anschwellung und nachträglich Desquamation. Bei
zu enger Ligatur wird die Geschwulst hämorrhagisch durch-
tränkt und trocknet sehr bald in Form eines schwarzbraunen
Körpers ein. In letzterem Falle ist offenbar die Vene vollständig
verschlossen, die Arterie noch einige Zeit leitend, und es
kommt infolge des hochgradigen Druckes zur Hämorrhagie.
Hämorrhagie erfolgt auch bei geringerer Kompression
dann, wenn eine abnorme Zerreißbarkeit oder Durchlässigkeit
der Gefäße vorliegt, und in dieser Richtung konnten Versuche
bei einem Skorbutkranken angestellt werden. Bei dem betref-
fenden Patienten traten schon nach leichtem Bestreichen der
Haut mit dem Fingernagel stecknadelkopfgroße Blutungen der
Papillargefäße auf, Blutungen, welche wegen ihres raschen Auf-
tretens nur per rhexim entstanden sein konnten.
Bei leichter Kompression des Molluscum fibrosum zwischen
den Fingern traten ebenfalls Blutungen auf. Kompression des
Stieles durch Ligatur bewirkte zunächst eine Vergrößerung,
Anschwellung, zugleich aber auch voUständige hämorrhagische
Verfärbung des Tumors.
Über einen papillomatösen Naevus ließ sich die Epidermis
nach der Unterbindung wie ein Handschuh abziehen.
Histologisch fand sich entsprechend den klinischen Er-
scheinungen eine bedeutende Ausdehnung der Blutgefäße, welche
bis zu den Papillargeiäßen hinaufreichte. Noch viel deutlicher
waren die Zeichen der serösen Transsudation, die feinmaschigen
Zur Blasenbildung and Cntis-Epidermisverbindung. 285
BiDdegewebsbündel weit zu eiuem lockeren Netze auseinander-
gezerrt und in den großen Zwischenräumen Blut, blutiges
Serum im gehärteten Präparat in Form von feinst granulierten
Massen suspendiert. In einem Falle zeigten die Granula eine
rötlicbgelbe, offenbar von Blutfarbstoff herrührende Farbe
(ziegelrote Farbe bei den Unterbindungsversuchen, die Au spitz
an Extremitäten yomahm).
Die ödematöse Durchtränkung übergriff auch auf die
Gutisbündel, die nur noch in ihrem zentralen Anteile deutlich
Farbe annahmen, während die Randpartien sich nicht mehr
färbten. Die Blasen waren ausschließlich subepidermoidal, die
gesamte Epidermis zur Blasendecke abgehoben, an der Basis
die ödematösen Papillen fingerartig in den Blasenraum hienein-
ragend. In serösem Transsudat fanden sich nicht selten auch
rote Blutkörperchen ; sie bildeten die Hauptmasse der aus den
Blutgefäßen austretenden Elemente bei den Versuchen am
Skorbutkranken, wo neben reicher seröser Transsudation das
Gewebe von ausgetretenen roten Blutkörperchen dicht durch-
setzt war. Hier war es nicht zur Blasenbildung gekommen.
In Weidenfelds Versuchen und obigen Unterbindungen
fanden sich subepidermoidale Blasen. Da Entzündungserschei-
nungen wegen Kürze der Zeit und Mangels histologischer Symp-
tome auszuschließen sind, so stehe ich nicht an, diese Blasen
als vorwiegend mechanisch, durch Stauung und Transsudation^
entstanden zu bezeichnen. Es wäre zu weit gegangen, in obigen
Versuchen jede Störung der Zellfunktion auszuschließen, denn
schon theoretisch muß die normal ernährte und die unter dem
Einflüsse der Gyanose stehende Zelle verschiedene Funktion
haben. Doch zeigt uns die zu geringe Einschnürung, welche
nur zu Gyanose und Odem, nicht aber zur Blasenbildung
führt, daß für das Entstehen der Blasen die Zellschädigung
wenig, der Druck in diesem Falle alles bedeutet.
Es besteht kein Zweifel, daß Blasenbildung infolge selbst
hochgradiger Stauung nur äußerst selten auftritt, auf der an-
deren Seite sehen wir wieder die verschiedensten Hauterkran-
kungen durch reichliche Blasenbildung charakterisiert. Die
Momente, welche diese auffallende Differenz allerdings nur zum
Teile erklären, mögen folgende sein:
286 Kreibich.
Die meisten Blasenprozesse sind exsudative Entzündungen
Diese Tatsache, für manche Prozesse, wie Erysipel, Combnstio,
schon lange bekannt, gilt nach übereinstimmenden neuen Unter-
suchungen auch für die meisten übrigen Blasenprozesse z. B.
Pemphigus, Erythema multiforme, septische und medikamentöse
Erytheme, Impetigo contagiosa. Bei allen diesen Entzündungen
überwiegt die seröse Exsudation über die zellige.
Dieses Moment genügt aber zur Erklärung der Blasen-
bildung noch nicht. Viel wichtiger ist 2., in welcher Schichte
der Haut sich die esxudatire Entzündung lokalisiert, und es
finden sich Anzeichen dafilr^ daß es desto häufiger zur Blasen-
bildung kommt, je oberflächlicher eine exsudative Entzündung
sich lokalisiert.
So ist wohl zum größten Teil der Grund für die reiche
Blasenbildung bei Pemphigus darin gelegen, daß es sich bei
dieser Erkrankung um eine exsudative Entzündung in der Pars
papillaris und um eine Exsudation aus dem gesamten ober-
flächlichen Gefäßnetze handelt.
Das Schema in Figur 1 würde die Lokalisation der Ex-
sudation anzeigen, wie sie für Pemphigus, für Erythema multi-
forme, septische Erytheme etc. charakteristisch ist. Als ana-
tomische Folge dieser Exsudation wäre die subepidermoidale
Blase aufzufassen.
Entzündungsprozesse, bei welchen der Reiz von außen
gegen die Tiefe wirkt, lassen vermuten, daß die EIxsudation
aus dem gesamten oberflächlichen Gafäßnetze wie bei Pem-
phigus noch nicht der Ausdruck für die superfiziellste Schädi-
gung der Gefäße ist, sondern daß es noch Exsudationen gibt,
welche man in die Papillen, jedes Papillargefäß als Ort der
Exsudation gedacht, verlegen kann. (Figur 2.)
So, wie es Verbrennungen dritten Grades gibt, bei denen
nur die Papillenspitze verschorft erscheint, so muß in gleicher
Weise bei geringerer Hitzewirkung das Papillargefäß oder
wenigstens die Spitze desselben mehr geschädigt sein als das
gesamte Gefäßnetz. Die Folge davon wird nun sein, daß
aus diesem geschädigten Papillargefäße Exsudation erfolgt,
während der zwischen zwei Papillen gelegene, durch keine
Zar BlasenbilduDg and Gatis-EpidermiBverbindaDf;. 287
Ezsudation abgehobene Betezapfen die Verbindung zwischen
Epidermis und Cutis erhält. Das aus den Papillarschlingen
austretende Serum wird von den Interzellularräumen der Epi-
dermis aufgenommen, es kommt zunächst zu Ödem der Epi-
dermis und später zur Blasenbildung in der Epidermis, und
zwar, wenn der Beiz z. B. ein langsam ansteigender ist, wie
bei Impetigo contagiosa, Pemphigus neonatorum, zu einer ein-
kämmerigen, großen, subcornealen Blase, bei stärkeren Beizen,
rascher Exsudation und Momenten, die wir vollständig wohl
noch nicht kennen, zu intraepidermoidalen kleinen Blasen im Bete.
Diese hypothetischen Annahmen führen uns dazu, die
Ursache des Ekzems mit seiner intraepidermoidalen Blasen-
bildung in einer von außen einwirkenden Schädlichkeit
zu suchen. Sie finden ihre Ergänzung in der Berücksichti-
gung jener exsudativen Entzündungen, die klinisch und
anatomisch einen tieferen Sitz haben und bei welchen wegen
des tiefen Sitzes der &krankung Blasenbildung viel seltener
ist und nur dann auftritt, wenn entweder die Entzündung auf
die oberflächlichsten Hautgefaße übergreift oder wenn infolge
der Entzündung eine Bückstauung gegen die Pars papillaris
zu erfolgt.
So sehen wir bei Erysipel nicht sofort, sondern erst
am 2. oder 3.. Tage Blasen auftreten. Blasen, die sich nur
äußerst langsam bilden, keineswegs immer einen hohen Füllungs-
zustand zeigen und subepidermoidal gelegen sind.
Ähnlich sind die Verhältnisse bei der Urticaria-Quaddel.
Wäre die Urticaria-Quaddel, wie Kromayer behauptet, eine
Exsudation in die Gefäßhaut, so wäre Blasenbildung gewiß
sehr häufig. Indem aber schon die wenig scharfe Begrenzung,
die Kompression der Papillargefäße die Ansicht Bäumers
bestätigt, daß die Urticaria-Quaddel vorwiegend ein Ödem der
Cutis propria darstellt, finden wir es erklärlich, daß Blasen
bei reiner Urticaria nur sehr selten vorkommen, obwohl das
Ödem bei anderer Lokalisation gewiß zur Bildung einer Blase
ausreichen würde.
Ähnlich wie bei Erysipel sieht man bei Phlegmonen
Blasen, oft von bedeutender Größe, einige Zeit nach Beginn
288 Kreibioh.
der Erkrankung auftreten, während anfänglich die PapiUar-
gefäße durch Spannung komprimiert sind. Beün Übergreifen
auf die oberflächlichsten Hautschichten, vielleicht auch nur
durch Rückstauung des Ödems tritt dann Abhebung der Epi-
dermis von der Cutis ein.
Obige Versuche und die Untersuchung von Blasenprozessen
gaben die Anregung, eine wunde Stelle der Hauthistologiet
die Verbindung der Cutis und Epidermis zu studieren.
Zunächst muß man Rabl zustimmen, wenn er aus ent-
wicklungsgeschichtlichen Momenten und auf Grund von Präpa-
raten einen direkten Übei^gang der Epidermiszellen in Binde-
gewebsfasern für unwahrscheinlich hält. Auch ich sah nie der-
artige Übergänge. Überall erwiesen sich mir ähnliche Bilder
als Täuschungen, durch Schiefschnitte bewirkt.
Noch unwahrscheinlicher wurde mir ein solcher Über-
gang auf Grund von Präparaten, welche mir das bis jetzt noch
nicht vollständig aufgeklärte Verhältnis der Herxheimer-
schen Fasern zur Zelle veranschaulichten. Kromay er schließt
aus dem Umstände, „daß bei den einen Zellen das blau ge-
färbte Protoplasma den Kern als dicken Mantel umgibt, bei
anderen nur als ein schmaler Raum sichtbar ist und endlich
bei dritten den Kern nur als geschlängelte Fasern umkreis, **
„daß die geschlängelten Fasern auch in jenen Zellen ver-
laufen, deren Protoplasma im Zusammenhang gefärbt ist, und
daß sie in den Zellen, in denen sie gefärbt erscheinen, von
einer Protoplasmamasse umgeben sind, die ihren Farbstoff dem
Anilin abgegeben hat, also jetzt unsichtbar geworden ist.*'
Diesem Schlüsse treten Herxheimer und Müller in-
sofern entgegen, als nach ihren Untersuchungen die Spiralen
nicht dem Protoplasma angehören, sondern Zellkonturen dar-
stellen. Trotzdem ist die Ansicht Kromayers, daß die
Herxheimer sehen Fasern Protoplasmafasem sind, heute von
den meisten Autoren akzeptiert.
Das, was Kromayer aus seinen Präparaten in obiger
Weise erschließt, haben mir Präparate eines vesikulösen Ekzems
mit voller Deutlichkeit gezeigt. In den nach Weigert ge-
Zur BlasenbilduDg und Gutis-EpidermisTerbindang. 289
färbten Schnitten lagen in dem BlasenkaYum neben Leukocyten
zahbreicbe, offenbar ödematös gequollene Epithelzellen. In
diesen Zellen sieht man in charakteristischer Färbung und
typisch geschlängelter Form Fasern den Kern umkreisen und
gegen die Peripherie korkzieherartig verlaufen. Nach außen
sind die intensiv gefärbten Fasern umgeben von einem blassen,
iiast ungefärbten, aber doch nach außen ganz deutlich kon-
tourierten Saum. Dieser Saum erwies sich nicht etwa als eine
blasse Zone in einer intensiv gefärbten Umgebung, auch nicht
als eine durch die Färbemethode (Xylol) provozierte Täuschung
sondern als ein der Zelle angehöriger Anteil, der Zelle Form
und Gestalt gebend. An quer getroffenen Zellen umgibt dieser
Saum ringsherum die intensiv gefärbten Fasern und verläuft
als lichter und deutlich konturierter Streifen neben der lang
ausgezogenen Spiralfaser an schräg getroffenen Zellen. (Vergl.
Figur 3—7.)
Der Vergleich der beiden Bilder ergibt auch, daß die
Faser nicht z. B. als ein Teil des gefalteten Zellmantels der
Zelle aufliegt, sondern wirklich dem Protoplasma angehört.
Ob sich diese Fasern vollständig mit den von Ran vi er und
Kromayer beschriebenen Protoplasmafasem identifizieren
lassen, oder ob es sich nicht vielmehr um eine durch die
die Weigert sehe Färbung bewirkte Schrumpfung des Zell-
protoplasmas überhaupt handelt, soll nicht entschieden werden*
Sicher ist, daß dieHerxheimer sehe Faser nicht den äußersten
Zellkontur darstellt. Da sich nun diese Herx heim ersehen
Fasern nach der allgemein akzeptierten Ansicht mit den in
Cutis eindringenden Wurzelfüßchen der Basalzellen identifizieren
lassen, so stellen auch diese Gebilde nicht die peripherste
Zellbegrenzung dar, sondern müssen folgerichtig noch einen
weiteren Protoplasmasaum um sich haben.
Dies fand sich auch an Präparaten eines Naevus, auf
welchem eine Brandblase erzeugt wurde, angedeutet. Die ab*
gehobenen Haitfasern, nicht mehr mit der Cutis verbunden»
zeigen um sich noch eine mit Karmin rot gefärbte Zone»
Jedenfalls sah ich niemals eine abgehobene Haftfaser direkt in
eine abgerissene Cutisfaser übergehen, und man müßte bei
Areh. f. Dermat. n. Sypb. Bd. LXIII. 10
290 Kreibich.
der Annahme eines direkten Überganges yoraassetzen, daß die
Haftfaser erst das umgebende Protoplasma oder die Grenz-
membran durchdringt, eine Annahme, die man eventuell bei
der Verbindung homogener Elemente (Malpighischea Organ)
machen kann, die aber zur Erklärung der Verbindung ungleich-
mäßiger Elemente (Epithel und Bindegewebsfasern) gewiß ge-
zwungen ist.
Noch viel schwieriger als der Epidermissaum ist die Cutis-
oberfläche zu beurteilen. Zahlreiche Präparate, an welchen die
Epidermis durch ödem, durch Mazeration oder Entzündung
langsam oder rasch zur Ablösung kam, ließen mich niemals
mit Sicherheit von der Cutis gegen die Epidermis verlaufende
und dort blind mit sich verschmächtigenden Ausläufern endi-
gende Fasern erkennen, immer machte die denudierte Ober-
fläche der Papillen den Eindruck einer glatten, zusammen-
hängenden Membran, von welcher aus keine frei endigenden
Bindegewebsfasern mehr gegen die Epidermis zu abgehen.
Daß bei Entzündungsprozessen die Papillenbegrenzung eine
glattgestrichene Membran darstellt, ist eine Folge des papil-
lären ödemes. An Präparaten, wo dieses Ödem nicht vorhanden
ist, und die Epidermis z. B. durch eine Verbrennung mittels
eines heißen Glasstabes ihre Färbbarkeit verliert, sieht man
bei intensiver Färbung mit Hämatoxylin die Cutisoberfläche
durch wellige Erhebungen der obersten Bindegewebsfasern
gegeben und das gleiche zeigen nicht zu dünne Schnitte der
Fersenhaut (Figur 8).
In die nach van Gieson gelb gefärbte Epidermis sieht
man von der Cutisseite aus fast immer bis zur gleichen Höhe
rot gefärbte Fasern eindringen. Dieselben erdigen aber nicht
als dünne sieb verlaufende Fasern zwischen den Epidermis-
zellen, sondern zeigen kolbige AnschwelluDgen, deren oberes
Ende man sehr gut erkennen kann. Zugleich geht aus den
Präparaten deutlich hervor, daß diese Fortsätze nicht kolbige
Anschwellungen zahlreicher von der Cutis aufsteigender Fasern
sind, sondern man erkennt, allerdings nicht so deutlich wie an
der etwas schematischen Zeichnung, daß diese kolbige An-
schwellung die UmscblagsteUe einer welligen Ausstülpung ist.
Zar Blasenbildang and CatU- Epidermis Verbindung. 291
Dies geht namentlich aas den Verbindungen der Kolben mit
rechts- und linksstehenden hervor, welche ganz deutlich den
Eindruck machen, daß sie weitere Ausstülpungen einer und
derselben Faser oder besser Membran sind. So dringt die
Gutisoberfläche in feinsten Wellenlinien in die Epidermis ein
und dieser Streifen ist nach van Gieson rötlich gelb gefärbt,
da die Zwischenräume zwischen den roten Bindegewebsaus-
stülpungen durch das gelb gefärbte Protoplasma der Epithel-
zellen ausgefüllt sind. An nach Weigert gefärbten Präpa-
raten sieht man wieder die Wurzelfüßchen deutlich gefärbt,
und zwar an ganz günstigen Schnitten gleichsam auf die ge-
wellte Cutisiläche aufgestellt, an dickeren und leicht schief
getroffenen Stellen in die Cutis eintauchen. Da sich nun durch
keinerlei Verfahren zwischen diesen beiden korrespondierenden
Fortsätzen noch eine Zwischenschichte darstellen läßt, so muß
die Epidermis-Cutisverbind ung als eine Verzah-
nung dieser Fortsätze gedeutet werden.
An Präparaten, wo die Gutisfaser intensiv gefärbt, das
Protoplasma der Epithelzelle aber ungefärbt ist, erscheint die
Zone, wo das Epithel in die Cutis eintaucht, schwach gefärbt
und täuscht an dickeren und schief getroffenen Schnitten die
sogenannte Glashaut vor. Ihr entspricht somit nichts reelles;
bei intensiver Protoplasmafärbung der Epithe Izellen, bei dünnen
und ganz korrekten Schnitten fehlt sie. Bei intensiver Binde-
gewebsfärbung zeigt die untere Epidermisgrenze einen Saum,
der ähnlich wie das Bindegewebe, aber schwächer gefärbt ist.
Derselbe rührt, wie bereits erwähnt, her von den in das Epi-
thel eindringenden Ausstülpungen der Gutis, zum Teil aber auch
von einer Eigentümlichkeit der Basalzellen, auf die Rabl auf-
merksam macht. Die untere Hälfte der Basalzelle färbt sich
stärker mit Eosia als die obere, nach van Gieson rötlich
gelb während die obere Hälfte gelb gefärbt erscheint
Da sich in diesem färberischen Verhalten ähnliche Affi-
nitäten, wie sie die Gutis besitzt, ausdrücken, so kann man
sich der Vermutung Rabl s, daß dieses verschiedene chemische
Verhalten der beiden Zellhälften nicht ohne Bedeutung für
die Verbindung der Epidermis und Gutis ist, anschließen.
19*
p
f 292 Kreibioh.
Fortgesetzte UntersuchuDgen werden zeigen, ob die Erwartung ^
zutrifft, daß sich in ähnlicher Weise wie Epidermis und Cutis •
jedes Epithel mit dem darunter gelegenen Bindegewebe Yer-
bindet. {
Die Erklärung der Abbildungen auf Tafel XVIII ist dem Texte
zu entnehmen.
Archiv fOermatologieu Syphilis Band DCOI.
V\AAMAf^
OAAAAA/V
%4.
KVoibich: llltiSRIihiidTiiig n Ciilis K|jiilni'iiii.-<vcrl>iii
Zur Frage: Wie kann man die durch
eine syphilitische Schwangerschaft ver-
ursachte soziale Gefahr hekämpfen?
Von
Professor Edvard Welander in Stockholm.
Während einerseits der Kampf, die Ausbreitung der
venerischen Krankheiten zu hemmen, durch eine, sei es auch
gut gemeinte, aber doch nicht auf praktischer Erfahrung fußende
Agitation für Beseitigung der sanitären Besichtigung und er-
forderlichen Falls der Isolierung derjenigen Personen, welche
die gefahrlichste Ansteckungsquelle für diese Krankheiten bilden,
nämlich der Personen, welche die Unzucht als Gewerbe
betreiben, erschwert und gehindert wird, ohne daß die Vor-
kämpfer dieser Agitation es versucht haben, einen wirklich
praktischen Beitrag zur Lösung dieser Frage auf andere Weise
zu liefern, oder den Verhältnissen, die mehr oder weniger zu
den Ursachen der gewerbsmäßigen Unzucht beitragen, wirklich
entgegen zu arbeiten, sehen wir anderseits, wie die Kämpfer
für die Notwendigkeit der Beibehaltung der sanitären Besichti-
gung der Prostituierten unter den jetzigen Verhältnissen nicht
einseitig hieran festhalten, sondern auch, bei ihrer Kenntnis
von der Natur und der Verbreitungsweise dieser Krankheiten,
daran arbeiten, die unglücklichen Folgen, die die Verbreitung
dieser Krankheiten nach sich ziehen können, auf mannigfache
Weise zu verhindern zu suchen. Als Beispiel dafür möchte
ich die vielen Bestrebungen, die auf Verhinderung der Ver-
294 Welander.
breitimg der Bypbilitischen Krankheiten durch Ammen und Säug-
linge gerichtet sind, anfuhren. Es will mir jedoch scheinen, als
könne man eigentlich nicht darauf rechnen, aus den in dieser
Beziehung vorgeschlagenen Maßregeln einen größeren praktischen
Nutzen zu ziehen; wünscht man dies, so muß man der Frage
näher auf den Leib gehen, muß zu ernsteren Mitteln greifen,
wenn die Kosten hierfür auch ganz bedeutend sein sollten.
Wir alle kennen ja die folgenschwere Wirkung der syphi-
litischen Krankheit auf den Fötus, die große Polyletalität, die
dieselbe in der Familie verursachen kann. Aber nicht genug
hiermit. Wir sehen auch die große Gefahr, die die kleinen
überlebenden Kinder während ihrer ersten Lebensjahre für die
Umgebung bilden können, die sie in Pflege nimmt, wie beständig
die Gefahr yorliegt, daß ansteckende, der Umgebuug gefähr-
liche Symptome entstehen können. Wir wissen auch, daß oft
nach wenigen oder mehreren Jahren neue schwere Symptome
entstehen können, die unheilbare Veränderungen in allen Körper-
teilen, im Schlünde, in der Nase, im Knochensystem, ja in den
wichtigsten Organen, wie Augen, Ohren, Gehirn u. a. m. ver-
ursachen, ja diese armen Kinder sogar zu körperlichen und
geistigen Invaliden machen können. Die Gefahr für das Ge-
meinwesen geht jedoch nicht nur von den Kindern aus; auch
die Mutter kann, wenn sie z. B. einem anderen Kinde die
Brust gibt, eine große Gefahr bilden. Es muß sich ja daher
die Frage aufdrängen, ob wir nicht wenigstens in etwas die
große Gefahr verhindern können, die eine syphilitische Schwanger-
schaft sowohl für das Gemeinwesen wie auch für die betreffenden
selbst — Mutter und Kind — herbeiführen kann.
Ganz sicher läßt sich in dieser Beziehung durch eine
konsequent durchgeführte Behandlung yiel gutes ausrichten,
allein da diese bei einer so chronischen und so lange Zeit an-
steckenden Krankheit, wie Syphilis, gerade deswegen eine lange
Zeit in Anspruch nehmen muß, stellt sich die Frage: welche
Anordnungen können und müssen seitens des Staates und der
Gesellschaft getroffen werden, um die Gefahren, die eine syphi-
litische Schwangerschaft in sozialer Beziehung yemrsacht, zu
beseitigen.
Syphilitische Schwangerschaft etc. 295
Bevor ich den Versuch mache, diese Frage zu beant-
worten, will ich eine kurze Darstellung der Maßregeln geben,
die in Stockholm (Schweden) in früheren Zeiten zur Bekämpfung
dieser sozialen Gefahr getroffen worden sind; diese Darstellung
ist ein Resume, entnommen meiner Arbeit: „Die Geschichte
der venerischen Krankheiten in Schweden**, Stockholm 1898.
Wann die venerischen Krankheiten, hoo est syfilis, nach Schweden
gekommen sind, wissen wir nicht, sehr wahrscheinlich war diese Krankheit
jedoch schon im Anfang des 16. Jahrhunderts dort anzutreffen. 1678 finden
wir in einer yon Benediktns Olai herausgegebenen Gesundheitslehre eine
Beschreibung ' der venerischen Krankheiten, die gemeinsam „Franzosen**
genannt werden ; wir finden dort sowohl eine Beschreibung der Syphilis
mit einer Menge Symptome derselben, wie auch der Gonorrhöe, „wo der
Samen des Mannes wider seinen Willen von ihm fließt^. Weitere An-
gaben fehlen dann vollständig, bis Johann Linder in verschiedenen
Abhandlungen: 1705 „de foeda lue dicta venerea** und 1713 Gedanken
über die ansteckende Krankheit „Franzosen** eine äußerst interessante
Beschreibung nicht nur der Symptome dieser Krankheiten, d. h. eigentlich
der Syphilis und ihrer mannigfachen Art der Verbreitung gibt, sondern
auch eine, besonders in Betracht der Anschauungsweise jener Zeit, in
vielen Beziehungen geniale Auffassung von der Wirkung des Quecksilbers
auf diese Krankheit entfaltet ; es zeigt sich, daß er eine ungewöhnlich
scharfe Beobachtungsgabe sowohl betreffs der guten Wirkung des Queck-
silbers, wie auch betreffs der Nebenwirkungen desselben besessen hat.
Schon damals war die Krankheit augenscheinlich ziemlich stark
in Schweden verbreitet; ihre Verbreitung stieg noch mehr teils durch
den Mangel an wirklicher Kenntnis von der Verbreitungsart derselben,
teils durch die äußerst schlechten hygienischen Verhältnisse, unter denen
die damalige Bevölkerung im allgemeinen lebte, teils durch andere
Schweden eigentümliche Verhältnisse, die allein schon genügt hätten, die
große Verbreitung der Krankheit zu erklären. Als ein wichtiger hierzu
beitragender Moment kommen außerdem noch — die aus unseren Kriegen
heimkehrenden angesteckten Soldaten. Durch alle diese Verhältnisse
zusammen verbreitete sich diese Krankheit in einem äußerst bedenklichen
Grade und in einzelnen Landesteilen war der Zustand ein im höchsten
Grade trauriger und wurde diese Krankheit eine wirkliche Zuchtrute tür
die Bevölkerung, wovon viele Beschreibungen vom Ende des 18. und
Anfang des 19. Jahrhuuderts Zeugnis ablegen.
Sämtliche Beschreibungen zeigen, daß Syphilis die wirkliche Land-
plage war und viele Mitteilungen sind darüber vorhanden, wie genau
man die Möglichkeit der Verbreitung dieser Krankheit, vor allem auf
insonte Weise zu erforschen suchte.
£s war deshalb nicht so wunderbar, daß man bald ziemlich klar
die Gefahr, die eine syphilitische Schwangerschaft nicht bloß f&r den
296 WeUnder.
Fötus Belbst, Bondern auch für andere, sowohl durch die Mntter wie daroh
das neugeborene Kind yerursachte, erkannte.
Ich will hierfür einige Beweise anfuhren.
In seinem Aufsätze de foeda lae dicta venerea 1706 erwähnt Linder,
daß , Doktor Joh. yan Hoorn GL Holmiensium Practicus^ Neugeborene
mit venerischen Krankheiten beobachtet habe. Linder selbst sagt 1713:
„Forestas eraahlt, ein angesteckter Mann habe seine Frau angesteckt, die
P*rau ihr Kind im Utero, das Kind seine Amme und die Amme dann ihre
eigenen Kinder.** Linder fügt hinzu: „Mehrere solche Beispiele sind hier
in reicher Anzahl wahrgenommen und viele ähnliche sind auß^irdem hier
im Lande beobachtet. ** Ferner äußert er: „Wird eine gesunde Amme von
einem angesteckten Kind angesteckt, so soll sich die Ansteckung zu
allererst an den Brüsten zeigen, zuerst mit hitziger harter Geschwulst,
dann mit Abätzen der Haut.** Das ist ja eine deutliche Beschreibung
einer Primäraffektion der Brustwarze.
Im Jahre 1760 schreibt ein großer schwedischer Chirurg Acrel
in einer Abhandlung über „die Krankheiten des Fötus im Utero**: „Die
Eltern erzeugen und gebären Kinder, welche zuerst das in ihren Säften
verborgen liegende Gift offenbaren ; so kommen oft von Eltern, die allen
Anzeichen nach sich nun von der Krankheit frei geglaubt haben, Kinder
mit venerischen Kennzeichen zur Welt.**
Späterhin findet man Beobachtungen über putriden Fötus, über
Fälle von syfilis hereditaria tarda u. s. w.
Im allgemeinen scheint man jedoch die Bedeutung der Gefahr, die
die syphilitischen Kinder verursachten, bei weitem nicht so sehr beachtet
zu haben, wie die Bedeutung der Gefahr, welche die syphilitische Mutter
herbeifuhren konnte, wenn sie Anstellung als Amme nahm. Dies geht
aus der Bekanntmachung des Collegium Medicum 1767 hervor, wo es heißt,
daß „in unserem teuren Vaterlande und besonders in der Residenzstadt Stock-
holm viel Unglück durch bösartige und ungeratene Ammen augerichtet wird;
so daß die neugeborenen zarten Kinder durch Bösheit, Fahrlässigkeit und
Betrug solcher Personen das Leben einbüßen müssen, daß verschiedene
Familien zu unermeßlichem Schaden für das Reich mit venerischen Krank-
heiten behaftet werden, daß dieses Reich durch solche ungeratenen Per-
sonen nicht nur eine große Anrahl Menschen verliert, sondern auch mit
Krüppeln und einer schwachen, gebrechlichen und verdorbenen Nach-
kommenschaft augefüllt wird;" weiter heißt es: „daß ein und dieselbe
Amme wohl zwei Jahre lang mit derselben Milch und mit ihrem giftigen
Körper verschiedene Kinder gesäugt und sie mit venerischer Krankheit
angesteckt habe.** Das Kollegium erwähnt im Zusammenhang hiermit,
daß der Vorschlag des Collegii, in Stockholm ein „Ammenanschaffungs-
kontor'* zu errichten, am 6. Mai 1767 von Sr. Majestät dem König ge-
nehmigt worden sei, wo es die Pflicht der Frauen, die einen Ammenplats
suchten, war, sich untersuchen zu lassen. Über den Nutzen dieses Kon-
tores äußert sich das Collegium Medicum 1766, daß im vorhergehenden
Jahre von 296 Personen, die sich zum Anunendienst angemeldet hatteu,
Syphilitische Schwangerschaft etc. 297
nur 162 als rein und tauglich befundene angenommen waren. Die Er«
fahrung scheint zu beweisen, da£ die venerische Ansteckung durch diese
Untersuchung hier in Stockholm stark abgenommen hat.^
1768 erhielt ein Lehrer der Oeburtshülfe die Obliegenheit, die sich
Bum Ammendienst Anmeldenden zu visitieren und bei schwerer Strafe
nicht „solche mit Attesten gutzuheißen, die mit venerischer Krankheit
oder einer anderen ansteckenden Krankheit behaftet waren."
1776 wurde eine öffentliche Entbindungsanstalt errichtet, welche
außer anderen Zwecken auch den hatte, „daß sichere Ammen für vor-
nehmere und schwächlichere Konstitutionen zugänglich und vorrätig sein
möchten**.
Man umging jedoch dieses Ansohaffuogs-i oder wie es nach 1777
hieß, Ammenbesiohtigungskontor und viele Ammen nahmen einen Dienst
an, ohne sich besichtigen zu lasHen, weshalb man davon nicht den Nutzen
hatte, den man sich anfänglich davon versprochen hatte.
Teils dies, teils der Umstand, daß nur Stockholm und seine nächste
Umgebung von diesem Ammenbesichtigungskontor Nutzen hatte, bewirkte,
daß man dasselbe in einer Verordnung vom Jahre 1812 zwar erwähnte,
aber kein großes Gewicht darauf legte.
Nach einer Instruktion für Hebeammen aus dem Jahre 1852 dürfen
diese weder in der Stadt, noch auf dem Lande, soweit Ärzte zugänglich
sind, eine Person zur Amme befördern, bevor diese vom Arzte ein be-
höriges Gesundheitszeugnis erhalten bat; die Hebeamme soll auch, wenn
die Mutter oder das neugeborene Kind mit venerischer Ansteckung be-
haftet ist, solches dem betreffenden Arzte anzeigen.
Die Frage beginnt sich schon frühzeitig vorzudrängen: was wird
aus den kleinen Kindern solcher Ammen? Als man diese Frftge zu be-
antworten versuchte, zeigte sich nicht allein eine höchst bedeutende
Sterblichkeit unter diesen Säuglingen, sondern auch die große Gefahr,
die sie als Verbreiter der syphilitischen Krankheit bildeten.
Es gab zwar ein allgemeines Waisenhaus, dies war aber ursprüng-
lich für andere Zwecke gestiftet und nahm übrigens nur Kinder über
6 Jahre auf, um sie zu tüchtigen und arbeitsamen Mitbürgern zu erziehen,
was jedoch infolge einer verkehrten theoretischen und praktischen Er-
ziehung, infolge erbärmlicher hygienischer Verhältnisse allzu oft mißlang^
1763 wurde deshalb das Freimaurer-Waisenhaus in der Absicht
gestiftet, dort anfänglich 20 Kinder unter 3 Monaten aufzuziehen; sie
wurden, da Ammen zu teuer waren, mit Saugliaschen großgezogen. Bald
sah man sich aber gezwungen, von diesem Prinzip abzugehen und die
kleinen Kinder Pflegeeltern zu übergeben, um sie nach ein, zwei Jahren
zur weiteren Erziehung wieder zurückzunehmen. Nach Odhelius war
dieses Waisenhaus „eine Freistätte der Verworfenheit und hatte mit allen
Waisenhäusern das gemeinsame, daß die meisten dort Aufgenommenen
von Eltern stammen, die mit venerischer Krankheit behaftet und ver-
wahrlost sind, so daß unumgänglich die größte Sterblichkeit herrschen
mußte**.
298 Welander.
Dieses sog. Waisenhaas war unzoreichend, man war deshalb ge-
nötigt, das sog. Poliseiwaisenhans zu errichten, wo Kinder zur Pflege
aufgenommen werden konnten; anfierdem wurden aber außerhalb des
Hauses gepflegte Kinder von dort aus unterstützt. Die dort entgegen-
genommenen Kinder waren, sagt Odhelius, „die elendesten aller
Kinder, die, von liederlichen Eltern, durch Verwahrlosung und Hungtf
eine große Sterblichkeit herbeiführen.^ Von 840 in diesem Waisenhaus
unter 10 Jahren laufgenommenen Kindern waren in dieser Zeit 234 ge-
storben.
Diese Waisenhäuser waren unzulänglich, weshalb das Collegium
Medicum, nachdem das Ammenanschaffungskontor 1757 eingerichtet war,
in einer in den Kirchen verlesenen Bekanntmachung die in der Nähe
von Stockholm Wohnenden aufforderte, die kleinen Kinder in Pflege zu
nehmen. Die Folgen davon ließen nicht auf sich warten. Schon 1768
kamen Klagen, daß diese Kinder venerische Krankheiten unter die Lands-
leute verbreiteten.
Man mußte schließlich 1786 ein großes Waisenhans errichten,
welches ein Zufluchtsort für notleidende Kinder in allen Altem werden
sollte, welche von dort, so bald sich dies tun ließ, Pflegeeltern auf dem
Lande übergeben werden sollten. Diese letztere Vorschrift fahrte wiederum
eine Verbreitung der Krankheit herbei. Die Waisenhausdirektion faßte
deshalb 1787 den Beschluß, daß als Bedingung für die Aufnahme kleiner
Kinder das Zeugnis eines Arztes, daß sie gesund und hei von venerischer
Krankheiten seien, gefordert werden sollte. Dies wiederum gab den
Anlaß dazu, daß die Mütter ihre Kinder in Torwegen, Treppen u. s. w,
in der Nähe des Waisenhauses aussetzten. Von 863 in den Jahren 1788
bis 1792 im Waisenhause aufgenommenen kleinen Kindern waren nicht
weniger als 198 auf die eine oder andere Weise von der Mutter ausgesetzt
oder übergeben.
Das Waisenhaus hatte stets mit der Schwierigkeit zu kämpfen,
daß es entweder die Kinder früh in Pflege gab, was eine Ausbreitung
venerischer Krankheiten zur Folge hatte, oder daß es die Kinder im
Waisenhause behielt, was Überbevölkerung und große Sterblichkeit unter
den kleinen Kindern verursachte. Dies wurde in nichts durch eine Ver-
ordnung vom Jahre 1812 geändert, in welcher es heißt: Von Waisen-
häusern und ähnlichen Anstalten sowie von Privatpersonen dürfen keine
Kinder zur Pflege fortgegeben werden, wenn nicht der Beweis erbracht
wird, daß das Kind vacciniert und frei von venerischer Ansteckung ist
und zwar trifft zuwiderhandelnde Beamte gesetzliche Verantwortung,
Privatpersonen eine Strafe von 3 Reichstaler 16 Schilling Banco.
Man versuchte zwar im Waisenhause Verbesserungen einzuführen;
die Mortalität unter den kleinen Kindern mußte aber gleichwohl eine
große bleiben, da eine Menge kranker Kinder dort behalten werden und
zuweilen 2—3 in derselben Wiege liegen mußten. Die Mortalität wuxde
eine so große, daß von den im Waisenhause aufgenommenen Kindern im
1. Lebensmonat der Prozentsatz Tote oft bis 70Vo Q^d darüber betrog-
Syphilitische Schwangerschaft etc. 299
Man tröstete sich jedoch damit, dafi dies gut sei, wie ans mehr als einem
Jahresberichte, z. B. dem folgenden hervorgeht: n^on den kleinen Kindern
sind die meisten mit dem Tode abgegangen, wozn man sowohl den Kindern
wie dem Staate Glück wünschen kann.**
Die Yerbreitnng der Ansteckung durch die Kinder versuchte man
jedoch sowohl im Waiftenhanse wie außerhalb desselben auf alle Weise
2u vermindern. So heißt es 1822, „daß die venerischen kleinen Kinder
von besonderen Personen in getrennten Zimmern gepflegt werden sollten
und selbstverständlich nicht die Brust erhalten können/
1831 beschloß die Direktion, daß alle Kinder mit Leiden, die arg-
wöhnen lassen, daß es sich um venerische Krankheit handelt, mit zweck-
mäßiger Nahrung ohne Brust aufgezogen werden sollen, sowie daß
kleine Kinder nicht vor vollendetem dritten Monat aufs Land gegeben
werden sollen.
Man sah also deutlich ein, daß Syphilis durch Brustgeben von dem
hereditär-syphilitischen Kinde auf die brustgebende Amme übertragen
werden könne. Durch Vorsicht in dieser Beziehung wurden viele der
letzteren geschützt. Von 1821 ist ein Verzeichnis der im Kurhause (d. h.
dem Krankenhause, wo venerische Kranke gepflegt werden) aufgenommenen
Patienten sowie der Art der Übertragung der Krankheit vorhanden.
Zwischen 1821—36 waren nur 15 im Waisenhause von Brustkindern an-
gesteckte Ammen im Kurhause aufgenommen ; aber nun änderte sich das
Verhältnis. Zwischen 1837 — 41 kamen 34, zwischen 1842 — 46 wurden
ebenfalls 34 im Waisenhause auf ähnliche Weise angesteckte Ammen be-
handelt. Auch aus der Stadt kamen in diesen Jahren eine größere Anzahl
durch Brustgeben angesteckte Frauen. Von 1832—36 vmrden 14 solcher
Frauen, von 1837 — 46 49 gepflegt; hiemach sank die Anzahl so bedeutend,
daß zwischen 1847—51 nur 6 behandelt wurden; und dasselbe war mit
den vom Waisenhause kommenden angesteckten Ammen der Fall. Zwischen
1847 — 51 wurden von dort nur 3 Ammen hingesandt.
Der Grund dieser hohen Anzahl zwischen 1837 — 46 aufgenommener
Ammen zu verstehen, ist nicht schwer. Bicords Lehre, daß die sekundären
syphilitischen Symptome nicht ansteckend seien, hatten sich in unser
Land verbreitet und war von den Waisenhausärzten akzeptiert worden.
Einer von diesen, ein sehr hervorragender Arzt, Berg, ssgte auch, „er
sei von der allgemein geltenden Theorie ausgegangen, daß in der Regel
nur das pathische Sekret des primären Leidens, des primären Geschwüres
den Ansteck nngsstoff enthalte, daß die sekundären und tertiären Formen
von konstitutioneller Syphilis nicht durch Berührung ansteckend seien.^
Allein er sagt auch: „Die Theorie sei durch die Erfahrung gezwungen
sich auf Ansteckungsfähigkeit bei syfilis congenita zu modifizieren.**
Um die große Oberbevölkerung und Sterblichkeit unter den Kindern
zu verhindern, nahm man seine Zuflucht dazu, daß man die Kinder so
schnell wie möglich vom Waisenhause weggab, damit eine größere Anzahl
Kinder aufgenommen werden könnte. Der Umsatz unter den kleinen Kindern
wurde natürlich ein sehr lebhafter ; hierdurch konnte eine Amme nur eine
800 Welander.
kürzere Gelegenheit haben, demselben Kinde die Bmst su geben, sie
mußte diese oft wechseln. So wurde es gans gewöhnlich, daß ein nnd
dieselbe Amme in einigen Monaten 10—20 Kinder sftngen konnte.
Hierin, sowie in der kurzen Zeit, in welcher diese kleinen Kinder*
von deren Torhergehenden Zustand man in der Regel ebenso wenig
wußte, wie von dem ihrer Eltern, im Waisenhause gepflegt wurden, lag
eine sehr große Gefahr f&r Verbreitung der venerischen Krankheit. Die
Folgen hiervon blieben auch nicht ans.
1846 beschloß die Waisenhausdirektion anf den Vorschlag des Dr.
Garlsson, der früher Arzt im Krankenhause für venerisch Kranke ge-
wesen war, daß rgo^i^de Kinder unter keinem Vorwand von angesteckten
Ammen gesäugt werden dürfen und daß augesteckte Ammen unverzüglich
ins Kurhaus gesandt werden*', sowie daß „kleine Kinder mindestens
60 Tage im V^aiseohause gepflegt werden müssen, bevor sie an Pflege-
eltern ausgeliefert werden **, doch dürfte der Arzt in Ausnahmefällen von
dieser Regel abweichen. Ebenso wurde iestgesetzt, daß Kinder, die von
venerischer Ansteckung angegriffen waren, erst nach Verlauf von 6 Mo-
naten, während welcher sie augenscheinlich gesnnd waren, ausgeliefert
werden dürfen.
Die Folge davon war wiederum eine große ÜberfüUnng des
Waisenhauses; weder Ammen noch Kinder konnten ihr eigenes Bett
erhalten.
Da legte Berg im schwedischen Ärzteverein am 16. Juli 1846 die
Frage vor, ob der Verein nicht „untersuchen und sich darüber äußern
wolle, was als das zweckmäßigste zur Vorbeugung der Verbreitung
von venerischen Krankheiten auf und von kleinen Kindern anzusehen sei*.
Berg begehrte dann auch die Beantwortung einiger besonderer Fragen,
darunter dieser: „ist sekundäre Syphilis ansteckend?" sowie: „kann die
Gesnndheitspolizei verlangen, daß eine Amme, die einem ihr bekannt
verdächtigen oder syphilitischen Kinde, das artifizielle Nahrung nicht
verträgt, freiwillig die Brust gibt, an der Ausführung dieser mensch-
lichen Handlung gehindert wird?" Der Verein übertrug die Beantwortung
dieser Fragen einigen Komiteemitgliedem ; infolge der durch ihre Äußer-
ungen entstandenen Diskussion betonten die Syphilidologen, daß „sekun-
däre Syphilis ansteckend sei**.
Femer wurde von ihnen angeführt, daß „so wichtig es sei, daß
alles zur Konservierung des kleinen Kindes getan würde, dies doch nicht
auf Kosten der gesunden Amme geschehen dürfe." „Kann das
unglückliche Kind folglich nicht auf andere Weise gerettet werden, so
ist es besser, es sterben zu lassen, als zuzulassen, daß auch die Amme
zu grrunde gerichtet wird.*" „Die unnachläßliche Pflicht eines
jeden Arztes ist es, ein jedes Weib, das sich hierzu könnte hergeben
wollen, von einem solchen Wahnsinn abzuhalten."
Diese Diskussion, bei welcher Ricords Lehre keine wirkb'che
Unterstützung erhielt, aber wohl einer scharfen Kritik seitens Sachver-
ständiger ausgesetzt war, trug ganz sicher zu einer Veränderung der all-
Syphilitieche Schwangerschaft etc. 301
gemeinen Anffassung hier in Stockholm ftber die Ansteckangsfähigkeit
der Bypbilitifchen Krankheit bei. Dies reranlaßte sicher die in den fol-
genden Jahren verminderte Anzahl angesteckter Ammen aaßerhall) des
Waisenhaases, und trug auch, im Verein mit dem von der Waisenhaus -
direktion gefaßten Beschluß, daß syphilitische Kinder nicht von gesunden
Ammen gesäugt werden sollten, kräftig dazu bei, daß die Zahl der an-
gesteckten Ammen in den Jahnen 18 i7 — 51 im Waisenhause nur 8 betrug.
Seitdem hat diese wichtige Frage betreffs der Verbreitung der syphili-
tischen Krankheit durch das Waisenhans nur eine mehr zufallige Bedeu-
tung gehabt Niemals ist menschliche Macht im stände zu verhindenii daß
die Ansteckung — man kann sagen durch einen Unglücksfall — vom
Kinde auf die Amme und vice versa übertragen werden kann. Die Er*
fahrung lehrt uns auch, daß dies eintreffen kann, obschon es jetzt sehr
selten geschieht.
Dank der in Schweden kostenfreien Krankenpflege für
jeden venerischen Patienten, dank unseren verbesserten sozialen
bjgiemscben Verhältnissen hat sich die syphilitische Krankheit
auf dem Lande so vermindert, daß sie jetzt dort sehr selten
ist, ja auch in Stockholm hat sie stark abgenommen, wozu,
meiner Überzeugung nach die sanitäre Untersuchung der Pro-
stituierten, sowie erforderlichen Falls deren Isolierung im
Krankenhause viel beigetragen hat.
Trotzdem die Syphilis also in Stockholm abgenommen
hat, kommen noch allzu oft Fälle vor, daß eine syphilitische
Frau schwanger wird, und es entstehen damit natürlich zugleich
die Gefahren, die in sozialer Beziehung hierdurch hervorgerufen
werden. Dies ist auch die Veranlassung zu der von mir auf-
gestellten Frage : Wie kann man die Folgen einer syphilitischen
Schwangerschaft verhindern?
Glücklicherweise haben wir in einer konsequent durch-
geführten ordentlichen spezifischen Behandlung der syphilitischen
Personen ein sehr zuverlässiges Mittel, den Kranken nicht nur
iiir den Augenblick von seinen Symptomen zu befreien, sondern
ihn auch für die Zukunft vor schwereren Leiden zu bewahren.
Ganz sicher findet dies auch für die syphilitische schwangere
Frau seine Anwendung. Wir können durch geeignete Behand-
lung nicht nur die dem Fötus drohende Gefahr, durch das
syphilitische Gift im Utero zu sterben, verringern, wir können
auch hoffen, durch eine solche Behandlung? möglicherweise dazu
beizutragen, den Fötus vor künftigen Leiden zu schützen.
302 Welander.
Wir wissen ja, daß unsere spezifischen Mittel auf den
Fötus im Uterus übergehen können; vom Jodkalium wissen
wir, daß es konstant im Urin des neugeborenen Kindes nach-
weisbar ist, selbst wenn die Mutter erst während der Entbin-
dung eine so kleine Dosis wie V« g davon erhalten hat (s. W e -
lander: Über die Absorption des Jods. Nord. Med. Archir
1874). Vom Quecksilber wissen wir durch die Untersuchung
mehrerer, auch meiner eigenen, daß es in der Placenta, in den
verschiedenen Körperteilen des Fötus und in dessen Blut nach-
zuweisen ist.
Durch Erteilung unserer spezifischen Mittel, eigentlich
und vor allem von Quecksilber während der Schwangerschaft
können wir nun ja sowohl indirekt wie direkt auf den Gesund-
heitszustand des Fötus einwirken. Durch Behandlung der
Mutter können wir in der Regel vorhandene syphilitische Symp-
tome entfernen und das Entstehen neuer verhindern, sowie
ihren Körperzustand verbessern, was ja indirekt auch auf den
Fötus einwirken muß. Durch eine derartige Behandlung können
wir auch die Gefahr, die das Entstehen von syphilitischen Ver-
änderungen in der Placenta und in den Nabehtranggefaßen
auf die Nutrition des Fötus, ja auf die Möglichkeit, dessen
Leben erhalten zu können, ausüben können, verhindern oder
wenigstens vermindern. Schließlich können wir durch eine
solche Behandlung der Mutter unsere Medikamente in den
eigenen Körper des Fötus überführen und dort der Einwirkung
der syphilitischen Bakterien auf diesen entgegenwirken«
Wir hegen ja jetzt die Ansicht, daß wir nicht bloß in
der Absiebt behandeln, um schon befindliche Symptome zu
entfernen, sondern auch, um das Entstehen neuer Symptome
zu verhindern. Wenn eine solche intermittente präventive Be-
handlung im allgemeinen als zweckmäßig betrachtet wird,
muß es dies ja noch mehr bei einem Falle von syphilitischer
Schwangerschaft sein, wo wir die Einwirkung der Krankheit
auf zwei Leben zu bekämpfen haben. In voller Übereinstim-
mung hiermit habe ich diese präventive Behandlung schon lange,
80 weit dies möglich war, während des Verlaufes der Schwanger-
schaft angewendet (und habe auch versucht, nach der Entbin-
dung damit fortzufahren).
SyphiiitiBche Schwangerschaft etc. 303
Die Frage entsteht nun: in welcher Form sollen wir
Quecksilber geben? Das erste Erfordernis ist, daß wir es in
einer solchen Form geben, daß wir sicher wissen, daß das
Quecksilber kräftig absorbiert wird, aber ein anderes sehr wich-
tiges Erfordernis ist, daß wir es in einer Form geben, welche
die Frau, die schon genügend Beschwerde von ihrer Schwanger-
schaft hat, so wenig wie möglich belästigt. Da Hg nun bei
interner Behandlung, die außerdem ja oft Magen und Darm-
kanal reizt, so unsicher absorbiert wird, darf eine solche in
der Regel nicht während der Schwangerschaft vorkommen.
Die sonst so kräftige und ausgezeichnete Ii^jektionsbehandlung
mit unlöslichen Salzen habe ich vollständig aufgehört, Schwangeren
zu erteilen, da schmerzhafte Infiltrationen damit verbunden
sind, die, auch wenn die Frauen sich ganz still verhalten, sie
allzu oft plagen und sie hindern, hinreichend Ruhe und Schlaf
zu genießen. Auch die die Haut oft irritierende und, besonders
wenn die Frau solche selbst unter diesen Umständen ausführen
soll, belästigende Schmierkur habe ich vollständig bei Seite
gelegt. Während der Schwangerschaft wende ich seit einigen
Jahren einzig die Hg-Säckchenmethode an, weil sie von jedem
selbst sehr bequem ausgeführt werden kann, weil sie so äußerst
selten Unannehmlichkeiten verursacht und weil bei derselben,
wovon ich mich durch hunderte Untersuchungen habe über-
zeugen können, eine kräftige Absorption stattfindet.^)
^) Mehr als einmal habe ich Äußerungen gehört, daß <man bei der
Untersuchang des Urins von mit Hg- Säckchen behandelten Personen kein
Hg oder nur Spuren von Hg im Urin gefunden habe. Ich habe schon
früher darauf hingewiesen, daß der Grund hierfür ganz sicher in der
fehleuden Übung im Untersuchen liegt, denn oftmals habe ich in Urin,
der kurz darauf von derselben Person genommen worden war, viel Hg
nachweisen können. Bevor deshalb jemand auf Gnmd seiner Hg-Unter-
suchungen des Urins ein Urteil über die Elimination des Hg bei der
Hg-Säckcbenbehandlung fallen will, möchte ich ihm raten, gleichzeitig
seine Fähigkeit, Hg-Untersuchangen vorzunehmen, durch Untersuchung
des Urins von mit Hg-Pillen, subkutanen Injektionen oder Schmierkur
behandelten Personen zu prüfen. Kann er bei diesen Methoden konstant
viel Hg im Urin nachweisen, aber nicht bei der Hg-Säckchenmethode, so
hat er ja das Recht, die Absorption des Hg bei dieser Behandlungsmethode
zu leugnen. Findet er dagegen bei anderen Hg-Behandlungsmethoden
keine Hg- Absorption, so dürfte er wohl einsehen, daß der Fehler an der
mangelnden Fähigkeit, zu untersuchen, liegt
304 WelaDder.
Kommt nim durch diese Methode Hg in das Blut der
Frau. 80 muß es ja auch, wie bei allen anderen Metboden,
durch die Placenta in das Blut des Fötus übergeführt werden
können. Dass dies auch geschieht, habe ich früher bewiesen
und will hier nur an einen Fall erinnern, wo die Frau während
der Schwangerschaft einmal 40, ein anderes Mal 36 Hg-
ISäckchen erhielt, das Kind wurde reif und kräftig geboren,
starb aber, ganz sicher infolge des ungewöhnlichen kurzen
Nabelstranges (45 cm) unmittelbar nach der Entbindung. Bei
der Obduktion zeigten sich Symptome von Erstickungstod;
syphilitische Symptome waren nirgends zu entdecken. In Leber,
Lungen, Nieren und Blut dieses Kindes befanden sich große
Mengen Quecksilber. In einem anderen Falle, wo die Mutter
an hysterisch-epileptischen Anfällen litt und bei einem solchen
aus dem Bette fiel, trat hierauf die Geburtsarbeit ein und ein
Kind im ungefähr 6. Monat wurde geboren, das 8 Tage alt
starb. Die Mutter hatte während der Schwangerschaft nur
17 Tage hindurch Hg-Säckchen erhalten; nach der Geburt des
Kindes hatte weder sie noch das Kind Hg erhalten. In den
Nieren des Kindes konnten jedoch eine Menge Hg-Ku(i;eln nach-
gewiesen werden und auch in den Lungen befanden sich mehrere
ziemlich große Hg-Kugeln.
Es unterliegt ja nicht dem geringsten Zweifel, daß das
Quecksilber bei dieser Behandlungsmethode in Menge in den
Körper der Mutter kommt und von dort an den Fötus über-
führt wird, weshalb mir diese Methode der Behandlung gravider
syphilitischer Frauen es zu verdienen scheint, angewendet zu
werden.
Der beste Beweis für die kräftige Einwirkung dieser Be-
handlungsmethode in derartigen Fällen wäre ja die Vorlegung
statistischer Beweise, was ich auch teilweise könnte. Allein
teils ist die Zahl meiner Fälle keine besonders große, teils
war es schwer, zuweilen unmöglich, den Zeitpunkt zu bestimmen,
wann die Mutter Syphilis bekommen hat, welche Kenntnis ja
von der größten Wichtigkeit ist, teils kann ich über meine
Fälle keine so vollständigen Auskünfte geben, wie eine wirklich
beweisende Statistik meiner Ansicht nach enthalten muß. Bei
der Beurteilung dieser Frage spielen eine Menge Umstände
Syphilitische Schwangerschaft etc. 305
mit, welche in dem einzelnen Falle von großer Bedeutung sein,
in eine allgemeine Tabelle aber nicht aufgenommen werden
können.
Auch wenn diese Kinder reif und frei yon Symptomen
geboren werden, ist es von größter Wichtigkeit zu wissen, wie ihr
Nutritionszustand ist, wie lange sie sjmptomfrei bleiben. Wenn
ihr Lebensfaden abgeschnitten werden sollte, muß man wissen,
ob ihre angeborene Syphilis direkt oder indirekt hierzu bei-
getragen hat oder nicht, d. h. es ist von Wichtigkeit, den
Fällen auch nach der Geburt zu folgen, und zwar je längere
Zeit, um so besser.
£ine wirklich beweisende Statistik sollte somit eine Menge
Aufschlüsse enthalten. Ich kann jetzt keine vollständigen geben
und muß mich deshalb darauf beschränken, als mein persön-
liches Urteil auszusprechen, daß diese Behandlungsmethode
alles, was ich von ihr habe fordern können, gehalten hat. Auch
wenn ich betreffs der Totgeborenen nicht vollkommen so
schöne Besultate sollte vorlegen können, wie Riehl, halte ich
doch die von mir erzielten Resultate im übrigen für ebenso
schöne, wie seine.
Kürzlich hat Riehl eine Methode zur Behandlung solcher Frauen
angegeben, nämlich während der Schwangerschaft 1 g Üng.-Hg (1 : 2) ent-
haltende Globuli vaginales in die Vagina einzufuhren. Riehl hält diese
Behandlung för eine Lokalbehandlung des Fötus (wofür er jedoch keinen
Beweis beibringen kann), die die allgemeine Hg-Behandlung unterstützt.
Wenn ich es wagen dürfte, ein Urteil darüber auszusprechen, so meine
ich, daß diese Qlobuli vaginales nicht gern anders als durch die Absorption
von Hg, die möglicherweise durch die Yaginalschleimhaut geschieht,
einwirken können. Kann nun eine Absorption auf diesem Wege statt-
finden ?
Ich habe 8 Versuche in dieser Richtung angestellt; ich habe nämlich
derartige Globuli 20 Tage lang, einmal täglich auf die von Riehl vor-
geschlagene Weise in die Vagina eingeführt und den Quecksilbergehalt
im Urin dieser Frauen untersucht. Alle drei hatten Gonorrhoe, eine war
gravida, alle waren wochenlang im Krankenhause gewartet worden. Da
in meiner Abteilung für syphilitische Patienten so gut wie ausschließlich
Hg-Säckchen angewendet werden und somit beständig Hg-Dämpfe in den
Zimmern sind, hatten diese 8 Frauen (wie dies stets bei Personen, die
eine längere Zeit sich im Krankenhause aufgehalten haben, der Fall ist)
eine kleine Quantität Hg durch Einatmen absorbiert. Vor der Einführung
von Globuli vaginales, d. h. am 8. Februar 1902, wurde einige Stunden
vorher von diesen Frauen Urin entnommen, der eine geringe Quantität
Areb. f. Dennat. a. Syph. Bd. LXllI. 20
306 Welander.
Hg ergab. In der Regel sind, wie gewöhnlich zar Untersachang, etwa
300 g Urin genommen worden ; das spezifische Gewicht war zirka 1*021,
weshalb ich in diese Tabelle weder die ürinmenge noch das eigent-
liche Gewicht des Urins aufnehme.
B. 28 Jahre. W. 26 Jahre.
8./II. einige kleine Hg-Kügelchen recht viele kleine Hg-Kngeln
8./IL f» n » eine Menge kleiner ,
1S./II recht viele kleine « viele kseinere «
18./IL einige kleinere „ mehrere recht große ,
28./II. einige kleine , ziemlich viele kleinere ,
26./in. viele Kugeln, einige nicht kleine —
L. 22 J. (gravida).
3./II. ziemlich viele kleine Hg-Kageln
8./II. eine große Menge Hg-£ageln, einige recht große
13 /n. kolossale Menge großer Hg-Engelchen
18./n. sehr viele nicht kleine Hg-Kügelchen
28./II. ziemlich viele Hg-Kngeln, einige ganz große
86./IIL viele kleine Kngeln
Sofort fallt teils die verschieden große Hg- Quantität im Urin bei
diesen 3 Frauen, teils auch die verschiedene Quantität bei derselben
Person bei verschiedenen Gelegenheiten (Fall 3) in die Augen. Desgleichen
findet man nicht bei Absorption auf anderen Wegen und wir haben die
Erklärung f&r diese Ungleichheit in der Absorption in zufalligen Ur-
sachen zu suchen.
Bei B. finden wir konstant sowohl vor, wie während, sovrie nach
Einführung von Globuli vaginales nur einen sehr geringen Hg-Gehalt,
der ganz sicher auf der Einatmung von Hg in den Krankenhansräumen
nnd nicht, oder nur in einem minimalen Grade auf der Absorption von
der Vagina beruhte.
Bei W. finden wir einen Hg-Gehalt, der sich zwar beinahe regel-
mäßig vergrößert, aber doch immerhin ein kleiner bleibt; hier hat man
jedoch nicht das Recht in Abrede zu stellen, daß eine Hg- Absorption
durch die Vagina stattgefunden hat, wenn dieselbe auch sehr unbe*
deutend war.
Ganz anders verhielt es sich mit L., welche gravida war. Hier
finden wir vor der Einführung von Globuli vaginales eine unbedeutende
Quantität Hg, aber schon nach Einführung desselben während 10 Tagen
enthält der Urin eine höchst bedeutende Menge Hg; dann finden wir,
daß die Quantität Hg sich trotz täglich fortgesetztem Einlegen bedeutend
vermindert. Hier müssen Zufälligkeiten eine Rolle gespielt haben, nnd
die Erklärung liegt höchstwahrscheinlich darin, daß trotzdem ein Tampon
in die Vagina gelegt war, gleichwohl beim Schmelzen dieser Globuli
vaginales Hg-Salbe herabgeronnen ist, in die Urinröhrenmnndung hat
Syphilitische Schwangerschaft etc. 307
kommen können, wodurch diese mit in den Urin gekommen ist, obschon
dieser in allen Fällen von der Wärterin mit dem Katheter genommen
worden ist. Als Stfitze hierför will ich darauf hinweisen, daß in dem
einen Monat nach dem Aufhören mit der Einfuhrung dieser Globuli vagi-
nales entnommenen Urin (wo somit obengenannte Fehlerquelle nicht vor-
handen sein konnte) in diesem nur eine ganz unbedeutende, vollständig
mit der Quantität ubereinstimmeode Menge Hg, die infolge der Hg-£in-
atmung während des Aufenthaltes im Erankenhause vorhanden sein mußte,
anzutreffen war. Hätte die große Quantität Hg, die sich am 13. Februar
im Urin befand, wirklich auf dem von der Vagina absorbierten Hg beruht,
so hätte in dem am 26. März entnommenen Urin unwillkürlich eine viel
größere Quantität Hg nachgewiesen werden können, als nun der Fall
war. Dieser Fall kann somit keineswegs beweisen, daß eine bedeutende
Absorption von Hg durch die Vagina stattfinden kann. Selbst wenn diese
Fälle darauf nindeuten, daß Hg wirklich absorbiert werden kann, geht
doch aus denselben ziemlich sicher hervor, daß die Absorption eine ganz
geringe ist und daß man sich nicht der Hoffnung hingeben kann, durch
die Einfuhrung solcher Globuli vaginales eine auf der Hg- Absorption durch
die Vaginalwandung beruhende kräftige Einwirkung auf den Fötus zu
erzielen, was natürlich nicht zu beweisen braucht, daß Hg nicht mög-
licherweise lokal einwirken könnte, sowie Riehl es sich gedacht hat.
Da das Resultat dieser Hg- Absorption ein ziemlich unsicheres
war, versuchte ich es, mich auf andere Weise zu überzeugen,
daß die Absorption durch die Vaginalwandung vor sich gehen
kann. Ich versuchte nämlich 7, g Jodkalium enthaltende Olobuli
vaginales einzuführen und untersuchte in diesen Fällen den
Speichel, um mich davon zu überzeugen, daß die Absorption
wirklich durch die Vagina geschieht. Ich konnte hier natürlich
die Möglichkeit der zufälligen Einmischung, die bei der Unter-
suchung des Urins entstehen kann, ausschließen.
Ich habe in einer bedeutenden Anzahl Fälle derartige
Untersuchungen sowohl an kleinen Kindern von 3 — 10 Jahren»
bei welchen ich nicht mehr als 10 — 25 cg Jodkalium eingeführt
habe, sowie an jüngeren und älteren Erwachsenen, darunter
auch einigen gravidae, gemacht.
Ich will nicht über alle diese Versuche detailliert berichten,
sondern nur erwähnen, daß die Absorption konstant, in einigen
Fällen mehr, in anderen weniger geschieht, jedoch in der Regel
nicht in bedeutender Menge. Oft kann man schon nach einer
Stunde, ja schon früher Jod im Speichel nachweisen, dasselbe
vermehrt sich in den folgenden Stunden und ist gewöhnlich
nach Va — l Tag vollständig verschwunden, was sehr eigrn-
20*
308 Welander.
tümlich erscheint, denn in allen den Fällen, wo der nach der
Einführung Yon Globuli vaginales eingelegte Tampon liegen ge-
blieben war (und auch in mehreren anderen Fällen) habe ich,
obgleich ich kein Jodkalium im Speichel finden konnte, gleich-
wohl eine bedeutend starke Jodreaktion im Vaginalsekret nach-
weisen könneu. Sehr wahrscheinlich beruht dies darauf, daß
die von dem Sekret abgetrocknete Schleimhaut Jod aus den
eingelegten Globuli absorbiert, daß aber das aufs neue abge-
sonderte sog. Vaginalsekret (resp. Zervikalsekret) den vorhan-
denen Rest des Vaginalglobulus so umschließt, daß eine er-
wähnenswerte Absorption später nicht vor sich gehen kann.
Dies stimmt ja ganz gut mit meiner durch die Absorption per
Rectum gewonnene Erfahrung überein; ist der Enddarm frei
von Exkrementen, so geschieht die Absorption schneller und
kräftiger, als wenn er voll von Faeces ist.
Ich stellte mir a priori vor, daß analog mit dem, was
bei der Haut der Fall ist, wo die wunde, die exkoriierte,
aber nicht die intakte Haut absorbiert, die gesunde, intakte
Vaginalschleimhaut und die Portio vaginalis nicht, wohl aber
eine krankhaft veränderte Vagina, oder eine Portio vagi-
nalis, an welcher eine größerer Erosion vorhanden ist, absor-
bieren würde. Es hat sich jedoch gezeigt, daß dem nicht so
ist, wenigstens scheint eine größere oder kleinere Erosion um
den Muttermund keinen Einfluß auf die Größe der Absorption
zu haben. Dagegen hat sich ein recht augenscheinlicher Unter-
schied zwischen der Absorption von einer jungfräulichen, in-
fantilen Vagina und von der einer Frau, die z. B. mehrere
Kinder gehabt, einen Prolapsus der Vaginalwandung, ein mehr
oder weniger verdicktes Epithel an derselben gehabt hat, er-
geben. Eine Absorption geschieht zwar auch dort, aber nicht
so scbnell und kräftig wie bei einem jungen Mädchen mit nor-
maler Vaginalschleimhaut. Bei gravidae habe ich konstant Ab-
sorption gefunden.
Es hat sich also gezeigt, daß wirklich eine Absorption von
Jod durch die Vagina stattfindet. Wahrscheinlich geschieht
auch eine Absorption von Hg, aber diese ist doch sicher so
gering, daß man aus diesem Anlasse nicht berechtigt ist, einer
schwangeren Frau die größere oder kleinere Unannehmlich-
Syphilitische Schwangerschaft etc. 309
keit und Belästigung der täglichen Einführung solcher Hg-
baltigen Globuli zu bereiten. In Übereinstimmung mit Biehl
^11 ich jedoch betonen, daß ich niemals eine Reizung durch
dieselben gesehen habe.
Ich meinerseits bin daTon überzeugt, daß das von Riehl
erzielte glückliche Resultat darin liegt, daß er während der
Schwangerschaft kräftige Allgemeinbehandlung gibt, wofür auch
der von ihm mehr im Detail beschriebene Fall spricht. Viele
derartige Fälle können andere wie auch ich nennen.
Die Auffassung, daß es unsere Pflicht ist, die Frau während
der Schwangerschaft kräftig präventfv zu behandeln, scheint
sich immer mehr Bahn zu brechen, hierbei tritt aber oft eine
große Schwierigkeit ein : wie kann man eine solche Behandlung
konsequent durchführen?
In Schweden haben wir das Glück, kostenfreie Krankenhaus-
pflege für venerische Kranke zu haben und ich meinesteils
habe deshalb Gelegenheit gehabt, im Krankenbause St. Göran
yiele in Schwangerschaft befindliche syphilitische Frauen kon-
sequent präventiv zu behandeln. Ich habe das Krankenhaus
für diese Frauen als ein Asyl betrachtet, wo ich sie, wenn sie
es wünschten, die letzten Monate der Schwangerschaft habe
bleiben lassen, bis sie in die Entbindungsanstalt überfuhrt
wurden. Ich kann sagen, daß diese sämtb'ch symptomfreie,
lebensfähige, kräftige Kinder geboren haben.
Die soziale Gefahr hat hier somit nicht eigentlich in der
Schwangerschaft selbst gelegen, die größte soziale Gefahr ist
nach der Entbindung weniger durch die Mutter, aber umso-
mehr durch das Kind gekommen.
Notwendig ist es, das Puhlikum darüber aufzuklären, daß die
syphilitische Krankheit dnrch Brastgeben übertragen werden kann, ja
daß schon ein einmaliges Brustgeben genügend sein kann, um die Krank-
heit von der Amme auf das Kind und umgekehrt zu übertragen. Aaf
diese Weise verbreitete sich die Krankheit in Schweden stark auf dem
Lande; in den Berichten vom Ende des 18. und Anfang des 19. Jahr-
hunderts liest man häufigi wie Frauen, die umhergingen und die Brust
gaben, auf diese Weise die Krankheit in Familien brachten. Infolge der
größeren Reinlichkeit und Aufklärung geschieht dies jetzt selten. So
wurden z. B. im Jahre 1871 in den Krankenhäusern Schwedens 88 von
Ammen angesteckte Kinder und 42 von Kindern angesteckte Ammen ge-
pflegt, während die entsprechenden Ziffern im Jahre 1896 nur 12 resp. 7
310 Welander.
waren. Natürlich sind mehrere Fälle eingetroffen, die nicht in Kranken-
bäusem bebandelt worden sind, man darf deshalb nicht auf Qnmd der
e^en angeführten Zahlen glauben, daß die Übertragung der Krankheit
durch Brustgeben eine so unbedeutende sei, daß sie keine praktische
Bedeutung habe. — Obsehon sich diese Übertragungsart vermindert hat,
müssen wir derselben doch auf alle Weise entgegenarbeiten und dieselbe
vollständig zu verhindern versuchen.
Wenigstens in den Städten ist es in Schweden so in das
allgemeine Bewußtsein übergegangen, daß eine Amme Krank-
heiten verursachen kann, daß es wohl hier zu den größten
Seltenheiten gehört, wenp eine Amme angenommen wird, ohne
vom Arzte untersucht worden zu sein. Allein hierin liegt keine
absolute Sicherheit. Es kann ja auch in einem ganz frühen,
also gefährlichen Stadium der Krankheit einer Amme vor-
kommen, daß sie gar keine Spuren derselben zeigt, z. B. kein^
Leukoderma, keine Pigmentflecke nach Syphiliden u. s. w., es
könnte deshalb sein, daß eine solche Person als Amme ange-
nommen wird. Ich habe jedoch während meiner mehr als
30jährigen Praxis von nicht mehr als 2 Fällen, wo sich dies
so verhielt, persönliche Kenntnis erhalten, und in beiden wurde
glücklicherweise das Verhältnis entdeckt, bevor eine Ansteckung
übertragen worden war.
Um derartigem vorzubeugen, kann die Frage aufgeworfen
werden, ob nicht Grund vorhanden wäre, eine strenge Strafe
für eine Amme festzusetzen, die, trotzdem sie weiß, daß sie
Syphilis gehabt hat, dieses dennoch verschweigt und dadurch
Gelegenheit erhält, diese Krankheit zu übertragen.
Die Festsetzung einer Strafe für Übertragung von Syphilid
ist theoretisch richtig, der gerechten Anwendung derselben
stehen aber in der Praxis große Schwierigkeiten im Wege, da
es bei einer so chronischen Krankheit, mit so langem Inku-
bations^stadium in der Regel sehr schwer, um nicht zu sagen
unmöglich ist, die Infektionsquelle zu beweisen, auch wo Wahr-
scheinlichkeitsgründe vorzulegen wären. Vor allem ist es schwer,
den Beweis zu erbringen, daß die betreffende sich der eigenen
Ansteckungsfahigkeit bewußt war, was in einigen Ländern er-
forderlich ist, um eine Strafe für Übertragung von Syphilis
nach sich ziehen zu können. Da einerseits große Schwierig-
keiten vorhanden sind, eine erhobene Beschuldigung zu beweisen
Syphilitische Schwangerschaft etc. 311
und andererseits vielleicht eine größere Schwierigkeit entstehen
könnte, einen bestimmten Beweis zu liefern, daß eine derartige
Möglichkeit, die Ansteckung zu übertragen, überhaupt nicht
vorbanden war, ist es ja leicht möglich, daß ein solcher Gesetz-
paragraph Anlaß zu falschen Beschuldigungen und unberech-
tigten skandalösen Prozessen, zu Prellereien u. s. w. geben kann,
weshalb sich eine allgemeine Strafbestimmung in dieser
Richtung als etwas bedenklich dürfte erweisen können.
Was nun besonders die Übertragung von Syphilis durch
Ammen betrifiFt, wäre es viel besser, daß jede Familie, die sich
eine Amme nehmen will, aufgefordert würde, diese von einem
Arzte besichtigen und sich außerdem von ifar eine Bescheini-
gung (wenigstens in Schweden^ wo alle schreiben können) aus-
stellen zu lassen, worin sie erklärt, daß weder sie, noch ihr Kind,
soweit ihrbekannnt, nie mit Syphilis behaftet oder daran behandelt
war. Jeder Arzt, der in Krankenhäusern oder privatim eine Frau
an Syphilis behandelt, sollte verpflichtet sein, ihr die Gefahr
darzutun, die sie in vielen Beziehungen für die Allgemeinheit
bildet, nicht am wenigsten, wenn sie schwanger werden sollte
oder es schon ist und daß es von ihr ein Verbrechen sei,
nach Ende der Schwangerschaft einen Ammendienst anzu-
nehmen. Sollte nun eine Frau, die auf diese Weise über die
Natur ihrer Krankheit aufgeklärt worden ist, überwiesen werden,
daß sie trotz dessen ein Zeugnis ausgestellt hat, daß sie Syphilis
nicht gehabt hat, so würde sie aus diesem Grunde wegen
falschen Zeugnisses zu einer Strafe verurteilt werden können.
Ein anderes Verhältnis, das nicht so deutlich in das all-
gemeine Bewußtsein eingedrungen ist, ist die Gefahr, daß eine
syphilitische Frau Kinder in Pflege nimmt. Glücklicherweise
geschieht auch dieses in Schweden selten, aber aus dem einen
oder anderen Fall ersieht man doch, daß das Pflegekind ganz
sicher auf diese Weise Syphilis bekommen hat.
Um dies zu verhindern, könnte es zweckmäßig sein, daß
der Frau, die Pflegekinder aufnimmt, auferlegt werden müsse,
eine ebensolche Bescheinigung abzugeben, wie die, die meiner
oben ausgesprochenen Ansicht nach einer Frau abgefordert
werden müßte, die einen Ammenplatz sucht. Wünschenswert
wäre es, wenn ein Gesetz betreifs Annahme von Pflegekindern
312 Welander.
Yorhanden wäre, in welchem die Garantien festgesetzt sind, die
eine Pflegemutter leisten muß, um berechtigt zu sein, Kinder
in Pflege zu nehmen. Keine Frau sollte Kinder in Pflege
nehmen dürfen, die nicht vorher yon der Behörde das Recht
dazu erhalten hat. Es würde da u. a. zu fordern sein, daß
die Frau, die das Recht erhalten will, Pflegekinder zu nehmen,
gleichzeitig ein Zeugnis beibrächte, daß sie niemals, so weit
sie wisse, Syphilis gehabt habe.
Dies könnte nicht verhindern, daß eine solche Frau später
Syphilis bekommen könnte, es dürfte deshalb unter den
Vorschriften, die behufs des Rechtes, Pflegekinder anzunehmen,
stipuliert werden, auch]^für die Pflegemutter die Schuldigkeit
enthalten sein, sobald wie möglich der Behörde Anmeldung zu
machen, falls sie Anlaß zu dem Verdachte fände, daß sie sich,
auf insonte oder nicht insonte Weise, nach der Genehmigung
zur Aimahme von Pflegekindern, Syphilis zugezogen habe. Un«
richtige Zeugnisse in dem ersteren Falle sowie Nichtbeobach-
tung in dem letzteren sollten mit Strafe belegt werden. Auf
diese Weise würden wir, scheint es mir, ganz gute Garantien
dafiir haben, daß eine syphilitische Frau, nach vollendeter
Schwangerschaft, für Säuglinge nicht eigentlich gefahrlich werden
könnte. In den Ländern, wo die Fortgabe von Säuglingen zur
Pflege und Erziehung sogar in vermögenderen Familien vor-
kommt, würde eine derartige Verordnung wohl eine praktische
Bedeutung haben können.
Wie ich schon erwähnt, kommt die größte soziale Gefahr
von dem Säugling und zwar deswegen, weil syphilitische Symp-
tome so leicht auftreten können und die Krankheit dadurch
auf die Umgebung des Sandes übertragen werden kann; außer-
dem hängt aber eine große Gefahr über das Kind selbst,
nicht bloß für die erste Zeit, sondern auch für dessen Zukunft
Auch in dieser Beziehung haben wir in einer konsequent
durchgeführten intermittenten Behandlung das beste Mittel zur
Verhinderung Ton Unglück sowohl für das Kind, wie für dessen
Umgebung. Aber welche Kinder sollen denn behandelt werden?
Wie läßt sich eine konsequente Behandlung durchführen?
In meinen ersten Jahren als Arzt wurde bei uns allzu oft
frei von Symptomen von Syphilis mit frei von Syphilis
SyphilitiBche SchwangenohAft etc. 313
verwechselt. Mehr als einmal hörte man Äußerungen, daß
syphilitische Eltern gesunde Kinder bekommen hätten, die auch
in sozialer Beziehung als frei von Syphilis aufgefaßt wurden.
Für mein Teil hegte ich Mißtrauen hiergegen und habe, wenig-
stens in den letzten 25 Jahren jedes von einer syphilitischen
Mutter geborene Kind als syphilitisch aufgefaßt, auch wenn es
lebensfähig geboren wurde und vollständig gesund aussah.
Ausnahmen könnten ja gemacht werden, wenn die Syphilis
der Mutter sehr alt ist, aber auch in solchen Fällen muß man in
seinem Urteile sehr vorsichtig sein. So habe ich einmal ge-
sehen, wie eine Mutter, die 1 1 Jahre lang Syphilis und typische
tertiärsyphilitische Symptome (gummata) gehabt hat, gleichwohl
ein lebenskräftiges Kind geboren hat, das nach 14 Tagen
charakteristische Symptome von ererbter Syphilis kekam. Den
Vater hatte ich lange Gelegenheit zu beobachten und zu unter-
suchen; er behauptete niemals Syphilis gehabt zu haben —
niemals konnte ich bei ihm die geringste Andeutung zu dieser
Krankheit entdecken.
Auch in den Fällen, wo eine Frau sich in den letzten
Monaten ihrer Schwangerschaft Syphilis zugezogen haben sollte,
fasse ich doch das neugeborene Kind als syphilitisch auf, denn
teils habe ich einen Fall gesehen und beschrieben (Nord. Med.
Ark. 1896) — solche sind auch von anderen beschrieben —
wo die Mutter sich bloß einige Wochen vor der Entbindung
durch den frisch angesteckten Mann Syphilis zuzog und bei
dieser noch keine allgemeinen Symptome gezeigt hat, und wo
das Kind sich gleichwohl als hereditärsyphilitisch erwies, teils
können ja alle diese Kinder ungestraft von ihrer Mutter und
auch anderen syphilitischen Frauen die Brust bekommen.
Dies braucht ja nur zu beweisen, daß sie immun sind, aber
wer kann dafür bürgen, daß nicht auch syphilitische Bakterien
durch die Placenta an den Fötus übergegangen sind ? In sozialer
Beziehung müssen deshalb, meiner Auffassung nach, derartige
Kinder als syphilitisch betrachtet werden, und ich will einen
Fall erwähnen, wo leicht ein Unglück hätte eintreffen können,
wenn ich nicht in Übereinstimmung mit dieser meiner Auffas-
sung gehandelt hätte.
314 Welander.
Am 10. Juli 1900 wurde A., 25 J., im Krankenbause St
Göran aufgenommen. Am 2. Juli hatte sie ein lebensfähiges,
dem Aussehen nach gesundes Kind geboren. Die Mutter gab
an, daß sie gegen ICnde der Schwangerschaft angesteckt worden
sei. Bei der Aufnahme hatte sie Sklerose an den Scham-
läppchen, sowie eine kleinfleckige Roseole über den Körper.
Ich faßte das Kind als hereditärsyphilitisch auf; in den ersten
1 1 Monaten zeigte sich nichts, aber nun traten muköse Papefai
im Munde auf, trotzdem das Kind Hg-Behandlung erhalten.
Wäre dieses Kind als gesund betrachtet und einer Familie zur
Pflege übergeben worden, hätte ja hierdurch die Ansteckung
leicht auf die Umgebung des Kindes übertragen werden können.
Trotzdem als es ein Fehler meinerseits betrachtet werden
könnte, daß ich nicht zu streng individualisieren yersuche, halte
ich es doch für meine Schul die:keit, wenn die Mutter syphi-
litisch ist, das Kind in sozialer Hinsicht als syphilitisch aufzu-
fassen und es als solches zu behandeln.
Natürlich kann es sowohl bei hereditärer wie bei erwor-
bener Syphilis vorkommen, daß, obschon der Patient regel-
mäßiger, intermittenter, präventiver Behandlung unterworfen
wird, im ersten oder zweiten Jahre, vielleicht auch erst später,
irgend ein Symptom erscheinen kann, dies hebt aber nicht die
Kegel auf, daß wir in dieser Behandlungsart das beste Mittel,
ihn vor künftigen Leiden zu bewahren, haben.
Seit vielen Jahren habe ich die kleinen hereditärsyphili-
tischen Kinder, wo es möglich war, einer intei*mittenten Be-
handlung unterzogen und die besten Resultate hierdurch erzielt.
Sowohl hier, wie wenn es sich um die Behandlung der
graviden Frau handelt, entsteht die Frage: in welcher Form
soll Hg-Bebandlung gegeben werden? Wenn sich eine Hg-
SäckchenbehandluDg irgendwo eignet, so sollte es, scheint es
mir, bei diesen kleinen Kindern sein, wo man sie ohne Mühe,
ohne Reizung und Unbehagen für die Kinder mit der größten
Leichtigkeit ausführen kann.
Geschieht bei einer solchen Behandlung des kleinen Kindes
eine ordentliche Hg-Absorption ? Ich habe hier, aus leicht er-
klärlichen Gründen, den Urin dieser Säuglinge nicht unter-
suchen können, da ich keine genügende Quantität Urin habe
Syphilitische Schwangerschaft etc. 315
erhalten können; denn die gewöhnlich von mir angewendete
Quantität ist ungefähr 300 g. Ich habe mich deshalb auf andere
Weise von der Größe der Absorption zu überzeugen versucht.
Es ist leider vorgekommen, dafi diese hereditärsyphili-
tischen Kinder zu Grunde gegangen sind, und da habe ich
Gelegenheit bekommen, verschiedene ihrer Körperteile auf
Quecksilber zu untersuchen. Konstant habe ich da großen
Hg-Gehalt gefunden, was ja zeigt, daß eine kräftige Absorption
stattgefunden hat.
Als Beispiel will ich anführen:
F. 0., 2 Monate, wurde wegen Hereditärsyphilis im Krankenhause
St. Göran aufgenommen, Hg-Säckchen ä 1 ^ Ung.-Hg wurden ordiniert,
womit bis zum 14./5. fortgesetzt wurde; über das Kind, das da lange
symptomfrei war, ist angezeichnet, daß der Allgemeinzustand gut war;
hatte kein Albumin, keine Zylinder im Urin. Das Kind war andauernd
gesund, bis es am 12./6. einen akuten gastro-intestinalen Katarrh bekam,
der seinem Leben am 15./6. ein Ende machte. Trotzdem das Kind somit
einen ganzen Monat lang keine Hg- Behandlung bekommen hatte, fanden
sich gleichwohl:
in 6 ^ ausgewasserter Niere eine bedeutende Menge recht großer
Hg-Kngeln,
in 18'7 g nicht ausgewässerter Niere eine bedeutende Menge sehr
großer und ziemlich großer Hg- Kugeln,
in 6*0 g ausgewässerter Lunge ziemlich viel kleinere Kugeln, einige
nicht klein,
in 8*5 g nicht ausgewässerter Lunge eine ganz große Menge kleinerer
Kugeln, einige nicht klein,
in 8*2 g Leber höchst bedeutende Menge ganz großer Hg-Kugeln.
Ich will noch ein Beispiel anfuhren:
A. L. wurde am 2./11. 1900 wegen hereditärer Syphilis im Kranken-
hause aufgenommen, verordnet Hg-Säckchen, die bis zum 11./12. (40 Tage)
angewendet wurden. Zwischen dem 15./1. nnd 6./2. neue Behandlung.
Im Kinderasyl aufgenommen den 6./d., bekam, obschon symptomfrei, vom
25./4. bis 9./5. Hg-Säckchen; ausgesetzt infolge gelinder Albuminurie;
nahm wieder Säckchen vom 16./5.— 20./5, mußte aufhören infolge zuge-
stoßener Pneumonie; starb den 2./5. Ich fand da:
in 10*7 g Hirn einen Teil kleine Hg-Kugeln,
in 5 ^ nicht ausprewässerter Niere eine Menge recht große, mehrere
sehr große Hg-Kugeln,
in 8*5 g ausgewässerter Niere eine Menge recht großer Kugeln,
in 5*6 g Lunge recht viele ziemlich große Hg-Kugeln,
in 7*5 g Leber eine bedeutende Menge größere und kleinere
Hg-Kugeln.
316 Welander.
Aus diesen Fällen geht wohl ganz deutlich hervor, daß
eine große Hg-Absorption vor sich geht. Das therapeutische
Resultat in allen meinen Fällen war auch ein ganz besonders
gutes. Im Anfang wendete ich auch für sehr kleine Kinder
1 g Ung.-Hg an ; dies ist jedoch eine sehr große Dosis für sie ;
in der Regel wende ich für diese jetzt nur Vs 9 ^^9 ^^^ ^^'
weilen Gylindrurie und Albuminurie entstehen, was ich mit der
Hg-£limination in Verbindung setzen mußte. Je nach dem
Alter der Kinder vergrößere ich natürlich die Hg-Dosen.
Wie schon erwähnt, habe ich es versucht, diese Kinder
konstant intermittent zu behandeln, leider war dies aber nicht
oft möglich.
Die meisten dieser Frauen sind unyerheiratet; sie werden
in der Regel in einer der Entbindungsanstalten entbunden^ wo
sie nicht mehr als 8 Tage bleiben können.
Sie müssen da oft ihre kleinen Kinder fortgeben und
dürfen es nicht so genau damit nehmen, wo das Kind bleibt;
allzu oft gehen diese auch sehr bald zu Grunde. Haben diese
Frauen oder deren Kinder Symptome von Syphilis, so haben
sie das Recht, im Krankenhause aufgenommen zu werden, aber
sie sollten in diesem Falle ausgeschrieben werden, sobald sie
symptomfrei sind. In der Regel wird dann die Mutter durch
die Macht der Umstände gezwungen, ihr Kind bei anderen in
Pflege zu geben und dies oft mit dem eben genannten Resultat,
daß es sehr bald zu Grunde geht. Hierfür spricht zwar nicht
die offizielle Todesstatistik, denn nach dieser sterben äußerst
wenig Kinder an Hereditärsyphilis, allein in der Regel wird
nicht Syphilis als Todesursache angegeben, sondern wir finden
diese Kinder wieder als gestorben an Debilitas congenita,
Bronchitis, Gatarrhus gastro-intestinalis u. a. m. Für die Wahr-
scheinlichkeit, daß viele dieser Kinder sehr jung sterben,
spricht jedoch, außer anderem, auch der Umstand, daß es
verhältnismäßig selten vorkommt, daß diese Kinder aufs neue
ins Krankenhaus kommen, was sonst geschehen müßte, weil
diese hereditärsyphilitischen Symptome so leicht rezidivieren,
besonders wenn das Kind nicht sorgfältig gepflegt und be-
handelt wird.
Syphilitische Schwangerschaft etc. * 317
Aber nun kommt es auch yor, daß es einer Frau^ die
ihr kleines Kind lieb hat, gelungen ist, dasselbe bei einer
wohlwollenden Person unterzubringen; leider ist durch das
Kind mehr als einmal syphilitische Krankheit auf diese oder
ihre Umgebung übertragen worden.
Man tadelt oft diese armen Mütter, daß sie ihre Kinder
anständigen Familien übergeben, und dieser Tadel ist ja be-
rechtigt, aber was soll solch eine arme Mutter tun? Wenn
sie vom Krankenhause ausgeschrieben wird, wird sie davon
verständigt, daß ihr Kind leicht Krankheit in die Familie
bringen kann, der es übergeben wird, daß sie somit eine
moralisch unrichtige Handlung begeht, wenn sie es einer Familie
gibt, ohne diese davon zu benachrichtigen, daß das Kind here-
ditär-syphilitisch ist. Erzählt sie dies, wird wahrscheinlich
keine Familie das Kind nehmen. Sie steht dann vor der
traurigen Notwendigkeit, entweder, wenn sie eine gute Pflege
für ihr Kind haben will, zu verschweigen, wie gefahrlich das-
selbe für seine Umgebung werden kaun, oder es auch irgend
einer professionellen Kinderaufzieherin zu übergeben — also in
dem einen Falle die Gefahr, Unglück und Elend in die Familie
zu verbreiten, wo das Kind gepflegt wird, oder in dem anderen
Falle das traurige Bewußtsein, daß das Kind wahrscheinlich
durch Verwahrlosung dahinsiechen wird.
Kann und muß nicht Staat und Kommune gegen diese
traurigen Verhältnisse eingreifen?
Die Mutter, die ihr Kind in Pflege zu geben wünscht,
sollte nicht nur ein ärztliches Attest beibringen, daß weder an
ihr noch an ihren Kinde die geringste Spur von Syphilis zu
entdecken war, sondern sie müßte auch eine Bescheinigung
abgeben, daß, so weit sie weiß, weder sie noch das Kind diese
Krankheit gehabt habe oder daran behandelt worden sei. Ein
falsches Zeugnis hierin sollte mit Strafe belegt sein.
So zweckmäßig es auch wäre, ein ebensolches Attest von dem
Vater des anßer der Ehe geborenen Kindes zu erhalten, so stößt dieses
doch in der Wirklichkeit anf so große Schwierigkeiten, daß diese^
Wunsch nicht realisierbar ist.
Ebenso müßte die Familie, die ihr Kind Pflegeeltern fibergibt, be-
weisen, daß sowohl die Eltern wie das Kind frei von Syphilis sind.
318 Welander.
(Wean ich Yon Strafe rede, meine ich auch gleichzeitig eiaen an-
gemeasenen Schadenersatz.)
Man könnte ja hiergegen anmerken können, daß eine
syphilitische Mutter unter solchen Verhältnissen ganz sicher
niemals ihr Kind in einer ordentlichen Familie untergebracht
bekommen könnte. Dieses braucht jedoch nicht immer die
Folge zu sein ; es wären ja hierbei große Schwierigkeiten zu
tiberwinden, teils würde ja aber eine Frau, die selbst Syphilis
gehabt hat und welche ein Kind in Pflege zu nehmen wünschte
und von der Behörde als kompetent hierzu betrachtet würde,
ein solches Kind ohne Gefahr nehmen können, teils würde es
ja vorkommen können, daß eine kinderlose Familie, eine ein-
same Frau bereit sein würde, ein syphilitisches Kind zu nehmen ;
wäre diese vom ersten Augenblicke an darauf aufmerksam ge-
macht, daß das Kind krank ist, würde sie ja alle möglichen
Vorsichtsmaßregeln ergreifen können, um nicht angesteckt zu
werden, was vielleicht beinahe immer glücken würde.
Schwierigkeiten für diese Mütter vnirden jedoch sich allzu
oft erheben, und vor allem würde es schwer sein zu über-
wachen, daß diese kleinen Kinder die konsequente Behandlung
bekommen, deren sie benötigen.
Um diesen Schwierigkeiten in etwas abzuhelfen, habe ich
diese syphilitischen Frauen immer, wenn sie es wünschten,
nach der Entbindung im Krankenhause St. Göran aufgenommen,
gleichgültig, ob sie syphilitische Symptome hatten oder nicht.
Ich habe das Krankenhaus für sie und noch mehr fiir ihre
Kinder als ein Asyl aufgefaßt, in welchem sie ganz lange
bleiben durften und wo Kind wie Mutter behandelt wurde.
Dank der freien KrankenpHege bei uns ist mir dies möglich
gewesen und ich meine in dieser Beziehung vollständig im
wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft gehandelt zu
haben. Allein ich habe sie nur einen oder mehrere Monate
im Krankenhause behalten können. Da nun bei diesen kleinen
Kindern, wenigstens in den beiden ersten Jahren, ansteckende
Symptome entstehen können, ist ja diese you mir getroffene
Anordnung nur eine Palliativanordnung gewesen, denn beim
Entlassen ist immer dieselbe Frage aufgetreten: wo soll die
Mutter für ihr kleines Kind eine gute Pflege erhalten, wem
hat sie das Recht, dasselbe zu übergeben?
Syphilitische Schwangerschaft etc. 319
Seit mehreren Jahren habe ich herrorgehoben, daß es,
um in derartigen Fällen wirklich Hilfe zu bringen, notwendig
sei, Asyle zu errichten^ wo diese kleinen Kinder aufgenommen
werden und wo sie wenigstens 2—4 Jahre bleiben könnten,
bis sie ohne Gefahr vor Übertragung der Ansteckung wegge-
geben werden könnten. Durch zweckmäßige Behandlung während
dieser Zeit würde man auch die größte Aussicht haben, daß
jene schweren tertiären Symptome nicht späterhin bei ihnen
auftreten.
Mit Hilfe wohlwollender Menschen ist es mir gelungen,
ein solches kleines Asyl einzurichten. Platz ist für 10, im Notfall
für 12 Kinder. Es wurde am 2. Dezember 1900 eröffnet und es
sind dort 10 Kinder aufgenommen. Alle diese sind im Kranken-
hause Öt. Göran gepflegt und von dort in das Asyl überführt
worden. Sechs der Mütter sind auch während der Schwanger-
schaft im Krankenhause gepflegt worden. Alle diese Kinder
sind symptomfrei, reif geboren und haben keine Symptome
Ton Syphilis gezeigt, trotzdem eines jetzt etwa 3 Jahre, eins
zirka 2 Jahre alt u. s. w. ist. Zwei der Kinder sind mit here-
ditärsyphilitischen Symptomen ins Krankenhaus gekommen, ihre
Mütter hatten niemals Hg-Behandlung erhtlten, ein drittes
Kind kam auch mit hereditärsyphilitischeu Symptomen ins
Krankenhaus, über dessen Mutter habe ich keine Kenntnis er-
halten. Das zehnte Kind war das oben beschriebene, das erst,
als es 11 Monate alt war, Symptome zeigte, und da nur ein
paar muköse Papeln im Munde, welche bald verschwanden.
Sämtliche Kinder sind mittels Hg-Säckchen intermittent
präventiv behandelt worden und keines der Kinder, außer dem
ebengenannten, hat nach der Aufnahme im Asyl das geringste
Symptom seiner Ejrankheit gezeigt. Zwei der kleinen Kinder
sind gestorben, das eine an Bronchopneumonie, das andere an
Kindercholera; bei der Obduktion konnten an diesen keine
syphilitischen Veränderungen nachgewiesen werden. Die übrigen
arten und entwickeln sich sehr gut, auch wenn sie etwas spät
entwickelt sind.
Ich will hier nur die Geschichte des einen dieser Kinder, B'b
erwähnen. Die Mutter wurde am 18./XII. 1900 im Erankenhause St. Göran
aufgenommen, ganz sicher vor der Konzeption angesteckt; bei der Auf-
nahme hfttte sie große konfluierende muköse Papeln an deu Genitalien
320 Welander.
Roseole n. a. m., war seit drei Monaten gravida; sie wurde während des
Aufenthaltes im Erankenhause intermittent präventiv behandelt and gebar
am 14./VI. 1900 ein lebensfähiges symptomfreies Kind, das 3,180 O wog.
Kind und Matter kamen am 22./VI. von der flntbindangsanstalt ins
Erankenhaas zarück; ich fuhr fort, sie beide intermittent zu behandeln,
obgleich sie keine Symptome zeigten. Am 17./XII. 1901 wurde das Kind
ins Asyl überfährt, ist auch dort behandelt worden, ist andaaemd
symptomfrei gewesen und hat sich gut entwickelt.
Die Geschichte der anderen Kinder stimmt im großen
ganzen mit der eben genannten überein; nur daß die Mehrzahl
von ihnen länger observiert worden war.
Dieses kleine Asyl hat somit — so unbedeutend es ist —
doch ganz großen Nutzen getau, da diese 10 Kinder während
ihres Aufenthaltes daselbst verhindert werden, Ansteckung zu
verbreiten, und da wir außerdem alle Hoffiiung haben, daß
die Überlebenden durch fortgesetzte Behandlung Yon ihrer
Krankheit befreit und einmal gesunde, kräftige Gesellschafts-
mitglieder werden werden.
Soll ein solches Asyl wirklichen Nutzen bereiten, muß es
natürlich in einem größeren Maßstabe angeordnet werden und
müßten syphilitische Mütter das Recht haben, daß ihre kleinen
Kinder dort am liebsten ganz kostenfrei während der ersten
Lebensjahre gepflegt werden. Ich will hier jetzt nicht auf
Details eingehen, wie ich mir die Anordnung größerer Asyle
dieser Art gedacht habe. Natürlich würde eine solche An-
ordnung sehr teuer sein, aber sind die Kosten groß, so ist auch
der Gewinn groß — manch ein vor Syphilis geschütztes Heim,
manch ein vor künftigen Leiden und Elend gerettetes Kind.
Zwei Fälle von Schädel- und Gehimsyphilis
nebst Obduktionsbefunden.
Von
Prof. Heinrieh Köbner
in Berlln-OharlotteDbnrg.
Vorbemerkung. Im diesjährigen Aprilheft dieses Archivs
hat mich Herr Kollege A. Neisser gelegentlich des 25jährigen
Bestehens meines seinerzeit schwer und mit Schädigung meiner
Gesundheit erkämpften Lebenswerkes, der kgL derma-
tologischen Uniyersitätsklinik zu Breslau, als deren Begründer
freundlichst begrüßt und dabei angeführt, daß ich bei der
endlichen Eröffnung derselben im Süden weilen mußte. Diese
Erwähnung hat mich veranlaßt, in meiner Studienmappe aus
jenen Jahren meiner Rekonvaleszenz Umschau zu halten und
da finde ich außer der in diesem Archiv 1876 erschienenen
Arbeit: „Über die Lepra an der Riviera nebst Bemerkungen
zur Pathologie der Lepra überhaupt'' und der hauptsächlich
durch die Beobachtung an einer Kloster-Oberin in Meran
angeregten und von dort aus in der Berliner klinischen
Wochenschrift 1877 publizierten Arbeit „Über Arzneiexantheme,
insbesondere über Ghininexanthem'' noch die Protokolle
der zwei nachfolgenden, gleichfalls aus Meran stam-
menden Beobachtungen, deren endliche Veröffentlichung
auch nach dem inzwischen ungemein angewachsenen Literatur-
strome über Syphilis des Schädels, des Gehirns und seiner
Häute nicht überflüssig sein dürfte: die erste, weil sie zu den
verschiedenartigen klinischen Bildern, bezw. zu den möglichen
Areh f. Dermat. n. Syph. Bd. LXIII. 21
322 Köbnep.
Komplikationen und Folgekrankheiten derselben einen seltenen
Beitrag, die zweite, weil sie in ihren klinischen und anato-
mischen Details Material zu einigen Punkten der Therapie der
Syphilis darbietet.
I.
Am 28. März 1876 bat mich weiland Bezirksarzt Dr. Eünz in
Heran, die Sektion der Sohädelhöhle seines verstorbenen Pati-
enten E., eines d6j ährigen Gerichtsadj unkten daselbst, welche dieser
letztwillig angeordnet hatte, Yorzanehmen.
Der Verstorbene hatte seit mehr als 2 Jahren an reißenden Kopf-
schmerzen, im letzten Jahre an sehr deprimierter Gemdtsstimmnng ond
an derartiger Hyperästhesie des Gesichts- und Gehörssinnes gelitten, daß
er sein Wohnzimmer völlig verdunkeln und zur Femhaltung des Wagen-
geräusches Schütten Stroh auf die Fahrstraße streuen ließ.
Seit länger als einem halben Jahr hatte er alle andere
Nahrung außer „Tiroler Eindsmuß**, einer Abkochung von
Weizenmehl in Milch, verweigert.
Vor mehr als 4 Wochen hatte er über Gelenkschmerzen in den
Knien geklagt und war deshalb seitdem im Bett liegen geblieben, kurz
darauf wurde das Zahnfleisch „wie scorbutisch''. Lähmungen traten nicht
auf, nur einige Stunden vor dem Tode ganz plötzlich, so daß es der
Verstorbene selbst als wSchlaganfall" bezeichnete, eine Lähmung der
Schlingwerkzeuge. — Außer dieser höchst dürftigen Anamnese hatte da*
dem Bezirksarzte von früher her als sehr intelligent bekannte Patient
ihm nur einmal von „Pillen*', die er von eioem Arzte in dem nahen
Bozen verordnet erhalten, gesprochen.
Die unaufhörlich quälenden und ihn psychisch völlig depoten-
zierenden Kopfbeschwerden hatten ihn zu der Bestimmung veranlaßt, daß
„sein Kopf im Interesse künftig ebenso schwer Leidender und zur Auf-
klärung der Wissenschaft geöfihet werden solle*.
Die von mir 27 hör. post mortem vorgenommene Sektion,
welche ich nach den überraschenden Befunden am und innerhalb des
Schädels auch auf die Brust- und Bauchhöhle ausdehnen zu dürfen mir
ausbat, ergab nun folgendes:
Äußere Besichtigung: Großer Eörper, ziemlich dickes Fett-
polster, an beiden Armen zahlreiche, punktförmige Petechien, links vom
am Thorax ein groschengroßer Blutfleck.
Das Schädeldach, dessen linke Hälfte von Hause aus etwas
flacher erscheint, als die rechte, zeigt außen, nach Abziehung des Peri-
cranium, am linken Scheitelbein hinten nahe der Lambdanaht eine halb-
erbsentiefe, rundliche, glatte Depression, innen vorn am Stirnbein, links
von der l*feilnaht, eine kleine spitze Exostose.
An der Schädelbasis linkerseits mehrere Exostosen: in der
vorderen Schädelgrube drei parallele und nahe bei einander liegende
Zwei Fälle von Schädel- and Gehirnsyphilis etc. 323
Reihen solcher neben einander, wovon die' eine, nahe der Mittellinie der
Schädelbasis, eine etwa IV4 «*» lange nnd reichlich Vs '^^ hohe, sehr
scharfkantige, mehrfach gezackte, dflnne, neugebildete Erista darstellt,
die nächste ungefähr % cm nach außen gelegene minder hoch und lang
ist, die äußerste noch kürser, aber spitzer. In der linken mittleren
Schädelgrabe, nach außen von deren Zentrum, eine namentlich an ihrer
Basis viel massigere, pyramidenförmige, etwa Vs cm hohe, mehr stumpf-
spitze Exostose. Über den Exostosen und weit über sie hinaus ist die
Dura mater verdickt, sehnig-narbig, desgleichen über der linken
Hemisphäre. Pia und Arachnoideaan der Hirnbasis mäßig, an der
Konvexität stärker trüb, verdickt, besonders über der linken Hemisphäre,
Pia hyperämisch, doch überall ohne anhängende Hirnrinde abziehbar.
Die verdickten Hirnhäute überziehen auch die Austrittsstellen des N.
opticus und acusticus sin.; die Nerven selbst intakt.
Hirn von normalem Umfang, etwas zäher Konsistenz, links im
Centr. medulläre Vieussenii treten zahlreiche Blutpunkte hervor, rechts
und im allgemeinen anämisch, sonst nichts abnormes, speziell die Arter.
basilar. dünnwandig, voll frischen Gerinnsels und zum Teil flüssigen
Blutes. Langen auffallend blaß; der linke obere Lappen zeigt eine
zweitalergroße Adhäsion mit Blutextravasat, welchem ein großer käsig-
entzündlicher Herd mit breiter, grauer, wie gelatinierender, hie und da
pigmentierter Randzone und weißgelblichem, derbem, käsigen Inneren
entspricht, das nar an einer kleinen Stelle erweicht ist. Oberhalb und
nach hinten von diesem Herde in der linken Spitze ist eine kleine, käsig
ausgekleidete und von mehreren konfluierten Käseherden umgebene
Kaverne dem Durchbruch nahe. Die rechte Spitze zeigt hinten eine
Bchiefrige, narbige Einziehung, auf deren Durchschnitt' alte eingedickte,
zam Teil kalkige Käsemasse mit schwieliger Einfassung. Rechter unterer
Lappen hypostatisch-pneumonisch infiltriert. Die übrige Lunge laft haltig,
vielfach ödematös. — Herz besonders rechtsseitig verbreitert, an der
unteren Seite des rechten Ventrikels ein großer, alter Sehnen fleck. Beide
Herzhälften enthalten neben sehr dunklem, dünnflüssigem Blut wenige
teerartige, weiche und sehr zahlreiche Fibringerinnsel. In der rechten
Vorhofswand mehrere gelbe Fettherde. Valv. tricusp. und Pulmonalarte-
rienklappen normal. Valv. bicusp. zeigt aaf ihrer Vorhofsfläche und dicht
an ihrem freien Rande drei weißgelbliche, linsengroße, glatte Verdickungen ;
sonst ist das Endokard und die Muskulatur beider Ventrikel nicht
verändert. Auch die mittlere Aorteklappe ist nahe ihrer Basis trüb und
verdickt. — Leber normal groß, ohne Adhäsionen oder Schwielen, nur
über dem untersten Teil des rechten Lappens ist die Serosa srrau getrübt.
Konsistenz normal, Venulae centrales hyperämisch, Läppchenzeichnung
normal, nirgends Einlagerungren. Galleublase reichlich von dunkelgrüner
Galle gefüllt, Schleimhaut samtartig. — Milz klein, Kapsel gerunzelt,
Pulpa blaßrötlich, mäßig fest, Follikel nicht geschwellt. — Nieren
normal groß, Kapseln leicht abziehbar, Durchschnitt, besonders der Pyra-
miden, hyperämisch, im Kortex springen die Glomerali stark hervor ; keine
21*
324 Köbner.
AmyloidreaktioD. — An einigen Dünndarmtchlingen sowie an der
hinteren Flache der Harnblase, überall nnr unmittelbar unter dem Peri-
toneum, kleine punktförmige Petechien. ImMusoul. reotus abdominis
sin. nahe seinem oberen Ansatz, ein den Muskel g&nslich bis unter seine
innere Scheide durchsetzendes, umfangreiches Extravasat. — An den
Genitalien keine patholog. Residuen.
Die anatomische Diagnose lautete also : Garies sicca ossis
parietal, dex. Exostosen der lamina vitrea ossis frontis,
besonders aber der linken vorderen und mittleren Schädel-
grube. Pachymeningitis et Arachnitis chron., imprimis sinistr.
Käsige Herde des linken oberen, ein yemarbter Herd des
rechten oberen, hypostatische Pneumonie des rechten unteren
Lungenlappens. Zweitalergroßes Blutextravasat in einer pleu-
ritischen Adhäsion eines Käseherdes. Fettige Herde in der
rechten Vorhofswand; Verdickungen der Valvula mitralis.
Multiple Hämorrhagien der Haut der Arme und des
Thorax^ subperitoneale des Dünndarmes und der Harnblase,
großes Extravasat im Muse, rectus sin. abdom.
Diese Postmortem-Diagnose enthüllte also als die Grund-
lage und den Ausgangspunkt des so komplizierten Krankheits-
bildes eine bei Lebzeiten nicht geahnte iuTeterierte Syphilis,
an welcher trotz des Fehlens einer diesbezüglichen Anamnese
sowie etwaiger Narben oder Pigmentresiduen an den Geni-
talien wegen der durchaus eindeutigen Art der anatomischen
Veränderungen am Schädel und an den Meningen — bemer-
kenswerter Weise den einzigen auffindbaren Syphilislokali-
sationen in diesem Körper — kein Zweifel sein konnte. Die
im höchsten Grade und in seltener Zahl entwickelten Exostosen
der Schädelbasis, — drei parallele Reihen solcher, teils einer
mehrfach gezackten, scharfkantigen, bis 1 74 <^^ langen und
Vs cm hohen, neugebildeten Krista gleichend, teils kürzere
und spitzere in der yorderen, sowie eine pyramidenförmige,
mehr stumpfspitze Exostose in der mittleren linken Schädel-
grube, — die kleine spitze Exostose der lamina vitrea des
Stirnbeins mit der alten, abgelaufenen Pachymeningitis und
Arachnitis erhielten vollends ihre pathognostische Ergänzung
durch die rundliche, glatte, einem resorbierten Gumma ent-
stammende Depression, welche nach Abziehen des Pericranium
am linken Os parietale nahe der Lambdanaht sichtbar wurde.
Zwei Fälle von Schftdel- nnd Gehirnsyphilis eto. 325
DaDeben fanden sich alte, tuberkulöse, verkäste und zum
Teil schon zerfallene Herde in beiden oberen Lungenlappen.
Auf dem Boden dieses an sich schon kachektischen Zu-
standes hatte sich durch die höchst unhygienische Lebens-
führung und vor allem durch die höchst einseitige und mangel-
hafte Ernährung mit dem sogenannten Tiroler Kindsmuß
während des letzten halben Jahres des Lebens, welche sich
der Patient in der unklaren Vorstellung, durch eine möglichst
einfache Nahrung von seinen hochgradigen Beschwerden seitens
seines Nervensystems befreit zu werden, verordnet hatte, eine
hämorrhagische Diathese ausgebildet. Dementsprechend be-
herrschte eine Purpura während des letzten Lebensmonates
das terminale Krankheitsbild. Der alte Sehnenfleck an der
unteren Seite des rechten Herzventrikels und die geringen
Verdickungen am freien Rande der Valv. mitralis und der
Basis der mittleren Aorteklappe dürften ebensowenig wie
die vereinzelten Fettherde in der Wand des rechten Vorhofs
für die Entstehung dieser sekundären, terminalen Krankheit in
Betracht kommen.
In dieser Seltenheit des Ausganges, welcher nur sehr
mittelbar durch die syphilitischen Veränderungen in den Hirn-
häuten und Schädelknochen, bezw. durch die hieraus resul-
tierenden außerordentlich großen Beschwerden bedingt war*
liegt für mich die Veranlassung zur nachträglichen Veröfifent-
lichung dieses Falles, zumal weder ich jemals später, noch
andere, insbesondere psychiatrische Autoren, soweit ich in
Erfahrung bringen konnte, Fällemitgleichem Verlauf beobachtet
haben.
II.
Herr H. S., ein 26jähriger Kaufmann aus Berlin, zu
welchem ich am 26. Dezember 1876 in Meran zu einem Kon-
silium mit Herrn Dr. Kuhn wegen eines konvulsivischen In-
sultes und Hemiparese der rechten Körperseite einschließlich
der rechten Gesichtshälfte nebst Sprachlähmung bei erhaltenem
Bewußtsein gerufen wurde, hatte eine so lange pathologische
Vergangenheit, daß es zweckmäßiger erscheint, aus seinen sorg-
faltig gemachten Notizen, welche mir der intelligente Patient
326 Köbner.
später, in anfallsfreier Zeit^ chronologisch geordnet und durch
ein Bündel von Rezepten unterstützt, übergab, den folgenden
Auszug Yoranzuschicken.
Patient, ein muskel- und knochenstarker Mann von untersetzter
Körpergröße, war stets gesund und hatte den französischen Feldzug
1870/71 im 20. Jahre mitgemacht. Anfang 1872 Infektion, nach
Aussage seines Berliner Spezialarztes mit einem weichen Schanker, wie
er ihn schon einmal nebst suppurierendem Babo gehabt, diesmal mit
einem den Aufbruch drohenden, aber resorbierten Bnbo inguin. Angeblich
nach Abheilung des Ulcus trat an einer anderen Stelle der Glans penis
ein roter, sich abschilfender Fleck auf. Nach mehreren Wochen sekun-
däre Mnndaffektion, behandelt mit 80 subkutanen Sublimatinjek-
tionen.
Im Sommer 1878 Condylom, lata ad anum, die nur „hinwegtouchierf^
wurden.
Januar 1874 Halsgescbwüre ; 20 Sublim atiniektionen. Vom Juni bis
November 1874 sehr heftige Kopfschmerzen, wogegen Jodkalium,
doch ohne Erfolg.
2. Januar 1875 Scblaganfall ohne Prodromalerscheinungen : die
rechte Seite war, nachdem das Geifihl vom Fuße aufwärts sich verloren
hatte, vollständig gelähmt, ebenso die Sprache, welche sich jedoch nach
24 Stunden wieder einstellte. Inunktionskur (40 Einreibungen zu je 2*6 g,
zusammen 100 ^ Ung. einer), Jodkali, nachher 50 subcut, Sublimatiig., wozu
im ganzen 10^ Sublimat verbraucht wurde.
Nachdem er sich einigermaßen erholt hatte, reiste er Ende April
nach Aachen, wo während 6wöchentlichen Aufenthaltes, vom 80. April
bis 80. Mai, 60 Unctionen, früh und Abend je 2*0, zusammen 120^ Ung.
einer., 20 Bäder und 25 Duschebäder nebst einer Schwitzkur ange-
wendet wurden.
Dezember 1875 Schwindelanfalle, wogegen 20 Sublimatii^ektionen
(zusammen Sublimat 0*5).
Ende Januar 1876 sehr heftiger, stundenlang anhaltender Schwin-
delanfall, Erbrechen, Reißen im linken Arm und Kopf. Jodkalium
(2*0 per Die.) bis zum 12. Februar. Plötzliches Einschlafen der linken
Seite vom Fuße aufwärts bis zur Brust. Zeitweise Lähmung des linken
Armes während 14 Tagen. Allgemeine furchtbare Schwäche. Inunktions-
kur: vom 12. bis 16. Februar 4 Pakete ä 2*5, am 17., 18. und 19. aber
binnen 36 Stunden 180 Ung einer. (2stundlicb 20). Hiernach am
19. Februar ein sehr heftiger Anfall. Verziehung des Kopfes und des
ganzen Oberkörpers nach links, namentlich des linken Armes nach außen,
Verdrehen beider Augen nach links, während etwa V« Stunde Unfähigkeit
zu sprechen, Bewußtsein ungetrübt. Schmierkur ausgesetzt, Kai. iodat in
großen Dosen.
Wegen Wiederholung dieser Anfalle an den folgenden zwei Tagen
am 22. Februar Transport in ein Krankenhaus. Hier erhielt Pat. in den
Zwei Fälle yon Schädel- und Gehimsyphilis etc. 327
ersten acht Tagen gegen sein starkes Kopfreißen Bromkalinm, nachher
während des ganzen März Ferr. iodat saccharat. (im ganzen 82 Pnlver
zQ je 0*5), welche wegen andanemder Kopfschmerzen, Angenreißen,
Schnupfen nnd vollends Diarrhoe ausgesetzt wurden.
Am 1. April Kopfreißen vom rechten Auge bis znm rechten Ohr,
durch Pilul. Chinin, o. Ferr. gemildert
Am 7. April Steigerung desselben, mehrmaliges Erbrechen. Keinerlei
Zuckungen am Körper. Herz und Lungen gesund. Jodkalium.
Am 11. April wegen völliger Appetitlosigkeit ausgesetzt. Dazu
heftige drückende Schmerzen im Yorderkopf, die sich nach der linken
Schläfe hinziehen. Dmckgefühl auf beiden Augen. Muskelzuckungen
in beiden unteren Extremitäten. Sechs trockene Schröpfköpfe
im Oenick.
Vom 16. bis 26. April bei allgemeinem Wohlbefinden 6 Seesalz-
bäder ä 10 Pfund Seesalz.
27. April wegen intensiver Kopfschmerzen und Tränen der Augen,
besonders des rechten: Bromkalium, statt dessen wegen Steigerung jener
vom 1. bis 8. Mai Decoct. Zittmann (nach der neuen Vorschrift i. e.
ohne Kalomelbeutel bereitet). Früh und Abend, mit je einstündigem
Schwitzen.
9. Mai wegen völliger Anorexie ausgesetzt. Anschwellung des Zahn-
fleisches. Jodkalium.
12. Mai. Da das Kopfreißen nach dem Gebrauch desselben wieder
heftig auftrat, wurden während der nächsten drei Wochen, gegen deren
Ende die linke obere Extremität leicht gelähmt wurde, Morphiumiujektionen
versucht.
7. JunL Abreise nach Tirol, wo Prof. Remhold (Innsbruck) und
Dr. Ganner (Hall) die Krankheit „für Quecksilbervergiftung und
Überladung des Körpers mit Medikamenten** erklärten und ihn zuerst
27 Soolbäder (in Hall) nehmen ließen. In dieser Zeit, vom 15. Juni bis
30. Juli, traten täglich einmal, manchmal auch zwei- bis dreimal AnföUe
von etwa 10 Minuten Dauer ein, wobei die Sprache unterbrochen oder
nur sehr undeutlich war, die Zunge anschwoll und der linke Arm vorüber-
gehend gelähmt war. Ein Aufenthalt vom 1. bis 21. August in Alt-Prags
(im Pustertal), einer Akratotherme, deren Bäder u. a. im Rufe der Wirk-
samkeit gegen Quecksilbervergiftung standen, brachte sichtliche Erholung
und weiterhin fast vollkommene Wiederherstellung der gelähmten Seite ^
so daß Patient eine kleine Vergnügungsreise und Partien zu Fuß und zu
Pferde unternehmen konnte, besonders in Meran, wohin er sich am
29. August zu einer sechswöchentlichen Traubenkur begab. Anhaltendes
Wohlbefinden bis zum Eintreten der Winterkälte.
Am 15. Dezember stellte sich Schnupfen, Benommenheit des Kopfes,
Schwindel und wieder leichte Parese der rechten Gesiohtshälfte und Zunge
ein und wurde mit Natr. iodat. (1*5 pro die) und vom 21. Dezember ab
mit Inunkt ionen, dreimal ä 2 ^ behandelt. Nach Aussetzen derselben
am 24. bei relativem Wohlbefinden trat am 25. nach Genuß von Kuchen
328 Köbner.
und Wein mehrfaches Erbrechen ein, das sich auch am 26. öfter wiederholte,
imd darauf nnter schwerem Angstgefühl ein konyalsivischer
Insult: automatisches Werfen des rechten Armes nach auf-
wärts, Zuckungen der rechten Gesichtshftlfte, Gefühl von
Schwere und Eingesohlafensein der gansen rechten Seite,
enge Pupillen, auffallende Blässe des Gesichts und Sprach-
lähmung bei erhaltenem Bewußtsein.
In diesem Zustand sah ich ihn bei dem Konsilium mit
Dr. Kuhn. Da Patient die sofortige Wiederaufnahme der Inunktionakur
ebenso wie alle Jodpräparate ablehnte, weil er, wie er jenem schon
mitgeteilt hatte, einen ähnlichen Insult am 19. Februar 1876 bald nach
der forcierten Schmierkur erlitten und weil er auch die wieder aufge-
tretenen heftigeren Beschwerden seit dem 20. : Eopfreißen, Angenflimmem
und Schwindelanialle, dem Gebrauch des Jodnatriums, „wie schon früher*
zuschob, mußten wir uns mit rein symptomatischen Verordnungen
begnügen.
Am 30. Januar 1877, bis wohin ich ihn nicht wieder gesehen hatte,
besuchte mich Patient, weil er seit 7 Tagen von präzise 8 bis 7 ühr
Nachmittags von linksseitigen Anfällen von Tränentränfeln und Nasen-
ausfluß mit heftigen neuralgischen Schmerzen in der Tiefe der linken
Orbita und linksseitigem Nackenreißen befallen wurde. Mitunter
umschriebener Schmerz an einer auf ein früheres Gumma verdächtigen
Stelle des Grista ossis parietal, sin. Vor 10 Tagen hatte er Früh nüchtern
wieder Schwindel und Erbrechen, darauf Schmerzen in der linken Orbita
und nach 2 Tagen diese ganz regelmäßige periodische Hypersekretion
bekommen. Gestern begann dieser Anfall schon um 10 Uhr Vormittags
und dauerte nur 2 Stunden, heute fast kein Tränen- und Nasenausfluß,
aber umso heftigere Schmerzen schon seit dem Morgen. Seit dem Nach-
lassen dieser Hypersekretion in den letzten 2 Tagen speichle er viel.
Ich fand nicht das Zahnfleisch, aber die Mündung des Dnct.
Stenonian. sin. und beide Glandulae sublinguales geschwollen. Das rechte
Auge immer noch anscheinend größer durch leichtes Herabhängen des
unteren Lides, ebenso steht der rechte Mundwinkel noch etwas tiefer.
Sprache normal. Die rechte Pupille ein wenig größer als die linke.
Vom 81. Januar bis 4. Februar 6 subkutane Chininiigektionen, die
erste in die linke Schläfe (am 81. eine, an den folgenden 4 Tagen nur je
% Spritze meiner Lösung Chinin, hydrochlor. 0*36, Glycer. 0-8, Aq. dest. 2*2
erwärmt ii^jiziert).^) Erhebliche Verringerung der Schmerzanfalle und
des Tränenflusses. Mit der Verordnung von Chinin. 0*2 interne und
Emplastr. Hydrarg. c. Empl. separat auf die schmerzhafte Stelle des
linken Scheitelbeins in Meran verabschiedet, stellte er sich Ende Oktober 1877
in Berlin mir wieder vor mit Residuen der Hemiplegia dex. im Arm und
Bein und der deutlicher gewordenen Hyperostose um jene (vormals
^) Vergl. meine Arbeit über subkutane Chininiigektionen. Memora-
bilien 1880 und Deutsche med. V^ochenschr. 1890.
Zwei F&Ue von Schädel- und GehimByphilis etc. 329
gammöse) kleine Depression am linken Os pariet. Der Augenarzt
M. Landsberg konstatierte „auBer den Resten der alten syphilitischen
Affeküon, der Parese des Sphincter pupillae dex. nebst Akkommodations-
parese noch Hyperopie mit mftßiger Beschränkung der zentralen Seh-
schärfe (H ViQ, S = Vs) ^1* kongenitale Anomalie bei normalem Nerv,
opticus und Augenhintergrund. Linkerseits alles intakt". Ich ließ den-
selben die von ihm vorgeschlagenen Strychnininjektionen ausfuhren, nach
welchen (insgesamt 18, anfangs zu 2 tn^, später zu 8 m^) am 12. Dezember
die rechte Pupille ein wenig besser reagierte, die Ausdauer der rechten
Hand beim Schreiben größer war und Patient bis 2Vt Stunden gehen
konnte. Da aber in den letzten 14 Tagen, während welcher nur 2 Injek-
tionen in jeder Woche gemacht worden waren, kein weiterer Fortschritt
bemerkt wurde, ging ich zur Galvanisation der rechten Extremitäten
über, welche, bis Anfang März 1876 fortgesetzt, eine weitere Fnnktions-
Stärkung derselben bewirkte. Von nun ab nicht mehr wiedergesehen,
veranlaßte am 22. Juni eine mit Einschlafen des linken Fnßes, Tags
dsrauf mit Zuckungen in der linken Gesichtshälfte einsetzende Hemiplegia
sin. seinen Wiedereintritt in das Krankenhaus. Hier trat außer dieser
und der geringeren rechtsseitigen Hemiparese nach 5 Tagen Kontraktur
der Kaumuskeln und Sprach-(Artikulation8-)Lähmung und Schlucklähmung
ein, nach 8 Tagen Lähmung der rechten Hand, mit welcher er bis dahin
noch schreiben und sich verständlich machen konnte. Der Grad dieser
Lähmungen, einschließlich der linken Gesichtshälfte, wechselte, kurze
Zeit konnte er sogar das linke Bein etwas heben und ein ihm vorge-
sprochenes Wort nachsprechen, auch besser schlucken, bis allmählich —
in den letzten 8 Tagen — erschwerte Respiration und erschwertes Schlucken,
in den letzten 2 bis 8 Tagen Rollen der Augen, Zähneknirschen, öfteres
Seufzen, Benommensein des Sensorium eintrat und unter den Er-
scheinungen von Lungenödem am 16. Juli 1878 der Tod erfolgte. Während
dieses Spitalanfenthaltes waren noch 24 Paket« Ung. einer, einge-
rieben worden.
Die Sektion des Gehirns (Wernicke) ergab: End-
arteriitis syphil. vasorum cerebri, Meningitis et
Encephalitis chron. hemisphaer., Gumma in ponte,
Degeneratio secundar. pyramid. sin., Gystis ex
encephalit. nuclei lent. sin., Thrombos. art. basilar.,
Malacia rubra pontis.
In der Dura mater der linken Konvexität ein talergroßes Knochen-
plättchen eingelagert, sonst an der Dura nichts besonderes. An den Basal -
gefäßen einzelne gelblich verfärbte Partien, eine solche nimmt etwa das
mittelste Stück der art. basilar. ein. Beim Aufschneiden zeigt sich an
dieser Stelle die Wand starr, verdickt und uneben, und von derselben
beginnt ein zum Teil entfärbtes, das Lumen ausfüllendes, der Wand
adhärierendes Blutgerinnsel, welches sich bis zur Teilung der Basilaris in
330 Eöbner.
ihre beiden Äste fortsetzt, während in diesen beiden Belbst flüssiges Blut
enthalten ist.
Beim Übergang der rechten Karotis in die art. fossae Sylvii eben-
falls eine Plaque. Beim Anfschneiden zeigt sich die Intima verdickt,
weiß-gelblich, körnig, uneben.
Beim Abtrennen des Stammes vom Mantel und zwar des Scheitel-
lappens fühlt man links schon beim Schneiden erheblichen Widerstand
wie bei Narbengewebe. Die Schnittfläche daselbst in einer Länge Yon
4 em und Breite von V/^ cm gelblich bis grünlich verfärbt; ein Saunu
der dem Rande benachbart ist, bleibt frei. Nach vom und hinten ver-
schmälert sich dieser Herd, welcher für den fohlenden Finger ungefähr
die Resistenz oder eine noch härtere, als die der Ependymbekleidung der
Ventrikel darbietet. Dieser Yerhärtungsherd liegt noch im Niveau der
Zentralfurohe, dehnt sich aber nach vorne davon am meisten aus.
Pia an der Konvexität beiderseits, namentlich im Stimteil, weniger
im Scheitelteil, stark verdickt, links mehr sehnig, rechts jedoch mit gelb-
lichem Anflug in den Furchen. Im Bereich der Trübung links zwei
flächenhafte, fünfgroschengroße, jedoch nicht scharf umgrenzte Sugillationen.
Rechts ebenfalls drei solche Blutungen, diese jedoch mehr in die Länge
gestreckt und in der Nähe größerer Venenstämme der Pia verlaufend.
An mehreren Stellen rechts zeigen die gelblichen Einlagerangen deutliche
narbige Einziehungen.
Pia läßt sich links leicht, rechts nur mit Substanz Verlust
von dem größten Teil des Stirnlappens abziehen. In der Färbung
der Rinde lassen sich fast durchweg, besonders deutlich im hinteren Teil
des rechtenScheitellappens zwei Schichten erkennen, eine horstensia-
f arbige Schicht dem Mark nahe und eine hellgraue, dem äußeren Teil
der Rinde entsprechend. Im Stirnlappen ist die Rinde verschmälert
Dasselbe ist an der rechten Hemisphäre der Fall.
Am Hirnmantel ist die Verhärtung nicht bestimmt abgrenzbar,
sondern geht allmählich in normale Konsistenz über.
Der Stamm zeigt links an der Oberfläche des nucleus caud., ent-
sprechend dem vorderen Teil des thalam. optic, eine halbsechsergroße,
eingesunkene, unter das Niveau fallende, runde, gelb-braune Stelle.
Stabkranz zeigt in der Nähe des nucl caud. eine narbige Ver-
härtung von der oben beschriebenen Farbe. Die Verhärtung reicht weiter
als die Verfärbung, geht direkt in das narbige Ependym über und reicht
vom vorderen Ende der beschriebenen Stelle bis an den Anßenrand des
Beginnes des hinteren Drittels des Sehhügels. Dieser Herd betrifft
seiner Lage nach die Pyramidenbahn. Die äußersten Teile des Stab-
kranzes, die der Inselrinde nahe liegen, sind freigelassen.
Färbung der inneren Kapsel an der betreffenden Stelle ist
zum großen Teil von etwas glasig durchscheinender Beschaffenheit, nicht
rein weiß. Auf Frontalschnitten, die den vorderen Kern des Sehhügels
treffen, ist die innere Kapsel, etwas rückwärts von der eingesunkenen
Zwei Fälle von Schädel- und Gehirnsyphilis etc. 331
Stelle im corp. striat., an ihrer fiinmündungsstelle in den Stabkraoz
unregelmäßig bräunlich verßurbt mit gelben Einlagerungen.
Das benachbarte dritte Glied des Linsen kerne ist in eine, zom
Teil mit eigener Wand ausgekleidete Höhle umgewandelt, welche von
erweichter Substanz umgeben ist. Die beiden inneren Glieder des Linsen-
kems sind erhalten. In den hinteren Abschnitten der inneren Kapsel
keine deutliche Verfärbung. Rechter Stamm zeigt keine Veränderung.
Boden des IV. Ventrikels zeigt einige frische streifige Blutungen
in der Nähe der feinen, im Ependym verlaufenden Gefäße, am meisten
in der Mitte, jedoch auch solche am unteren Ende in der Nähe des
Vaguskems.
Auf dem Durchschnitt zeigt sich der größte Teil des Pons als
ein von punktförmigen Blutungen durchsetzter festweicher Brei. An der
rechten Hälfte des Pons ein longitudinales, von unten nach oben ge-
stelltes, je ly^cm langes und breites, hellgelbes, einem Gefäß anliegendes,
gummöses Infiltrat. Die linke Pyramide verkleinert und grau degeneriert.
Ans dem übrigen Sektionsbefund sind nur noch
hervorzuheben: diffuse fettige Degeneration des Herzens und
der vergrößerten L e b e r, ein mandelgroßes, ovales, graugelbes,
ziemlich hartes Gumma in der vergrößerten und mit stark
getrübter, narbig eingezogener Kapsel versehenen Milz.
Ich unterlasse es, auf die naheliegende Deutung der
klinischen Symptome aus den vorstehend spezialisierten mannig-
fachen Lokalisationen im Gehirn, seinen Häuten und vor allem
auch in seinen Gefäßen einzugehen und möchte nur mit einigen
Worten den möglichen Zusammenhang zwischen der Ent-
Wickelung dieser schweren Veränderungen und der angewandten
Therapie besprechen. Denn von den anderen Ursachen, welche
zur Entstehung solcher direkt mitwirken, obenan Alkobolismus,
geistige Überanstrengung ist in diesem Falle nichts bekannt
geworden. Wenn wir nicht die unregelmäßige Lebensweise des
Patienten und die allgemeinen Schädlichkeiten des ehelosen
großstädtischen Lebens für das Nervensystem, die |,vie mon-
daine** nach Fourniers Annahme als konkurrierende Momente
supponieren wollen, so drängt sich uns allerdings der Verdacht
auf, daß die Behandlung nicht ohne Einfluß auf den ungünstigen
Verlauf gewesen ist.
Dieselbe ist nach meiner Meinung in den ersten 3 Jahren
nach der Infektion quantitativ und qualitativ nicht ausreichend
gewesen und diese Mangelhaftigkeit konnte durch die gehäuften
Quecksilberkaren nach Eintritt des ersten Schlaganfalles zu
332 Eöbner.
Beginn des vierten Jahres nicht mehr wettgemacht werden.
Sie bestand beim ersten und, wie dies in der Vorgeschichte
visceraler Syphilisfälle häufig beobachtet ist, leichter sekundären
Ausbruch, als welcher nur „Mundaffektion'', vielleicht mit Über-
sehen einer floseola, notiert ist, in 30 Sublimatinjektionen,
beim ersten, angeblich erst IV4 Jahr später aufgetretenen
Rezidiv : Gondylomata lata ad anum in bloßem „Hinwegtouchie-
ren^ derselben und beim zweiten: Halsgeschwüre zu Beginn
des dritten Jahres, in 20 Sublimatinjektionen. Die heftige
Cephalalgie aber, welche 4 Monate später auftrat und durch
welche sich, da sie vom Juni bis November 1874 hartnäckig
anhielt, die cerebrale Lokalisation, höchst wahrscheinlich Me-
ningitis — von allen intracraniellen das dankbarste Objekt
einer energischen spezifischen Behandlung — zuerst kundgab,
wurde während dieser ganzen 5 Monate lediglich mit Jodkalium
und zwar „ohne Erfolg '^ behandelt
Nachdem nun die günstigste Zeit für eine erfolgreiche Be-
handlung verabsäumt war, vermochten die nach Eintritt des
ersten apoplectiformen Insultes vom Beginn des 4. Jahres ab
eingeleiteten energischen Inunktionskuren — bei deren erster
100*0, bei der zweiten in Aachen 120*0 Ung. Hg einer, einge-
rieben wurden — Jodkalium und noch zweimalige Sublimat-
injektionskuren von ro und 0*5 Sublimat in demselben Jahre
nur vorübergehende Besserung der Symptome zu bewirken. Die
anatomischen Veränderungen aber, welche bereits auf die Ge-
hirnsubstanz selbst übergegriffen und wahrscheinlich auch schon
damals an den Blutgefäßen begonnen hatten, wurden nur Tor-
übergehend in ihrem Fortscbreiten aufgehalten, bis im un-
mittelbaren Anschluß an eine forzierte Schmierkur und nach
der zäh festgehaltenen Ansicht des Patienten durch dieselbe
direkt verursacht, zum ersten Mal ein schwerer konvulsivischer
Anfall auftrat, dessen Wiederholung während mehrerer Tage
die Aufnahme in ein Krankenhaus nötig machte. Daselbst
besserte sich langsam nach 37^ Monaten unter bloßer Behand-
lung mit Jodpräparaten und einem nur eine Woche möglich
gewesenen Versuch mit Decoct. Zittmann. der Zustand, so daß
der Kranke eine auf die Diagnose „Quecksilbervergiftung** hin
eingeleitete Soolbade- und Thermalkur in den genannten Tiroler
Zwei Fälle von Schftdel- und Gehirnsyphilis etc. 333
Badeorten unternehmen konnte. Dieselben bewirkten tatsächlich
eine wesentliche Besserung sowohl des Allgemeinbefindens wie
der paretischen Teile, so daß der Patient, als einige Monate
später wieder leichte Paresen der rechten Gesichtshälfte und
der Zunge auftraten und die dagegen gerichtete Jod- und drei-
tägige Inunktionsbehandlung wieder von einem heftigen kon-
Tulsiven halbseitigen Insult gefolgt war, für die Folgezeit nicht
mehr zu einer spezifischen Kur bewogen werden konnte. Die
während der nächsten ly^ Jahre tatsächlich eingetretene Be-
mission in den cerebralen Symptomen befestigte den Patienten
in seiner Auffassung, bis eine schwere, 67, Jahre nach der
Infektion und 37^ Jahre nach dem ersten „Schlaganfall'' ein-
setzende Attacke durch ausgebreitete Lähmungen trotz einer
nunmehr dennoch, wenngleich aussichtslos, versuchten Schmier-
kur zum Tode führte.
Dieser Fall gesellt sich zu den Hunderten, in welchen die
Freude am raschen Schwinden sichtbarer Symptome an der
Haut und den Schleimhäuten nach Sublimatinjektionskuren in
der Frühperiode bei mehrjähriger weiterer Beobachtung durch
Rezidive auch schwerer Art, speziell auch im Nervensystem,
hinfällig wurde und welche mich schon 1882 in einer größeren,
an die Empfehlung des Quecksilberformamids als neuen Heil-
mittels gegen Syphilis durch Liebreich sich anschließenden
Diskussion in der Berliner medizinischen Gesellschaft') dem
') In dieser Sitzang vom 6. Dezember 1882 (Berl. klin. Wochenschr.
1883, Nr. 11) führte ich u. a. folgendes aas: „Ich habe schon in der
anatomischen Arbeit über hereditäre Enocheneyphilis, die ich gemeinsam
mit Waldeyer in Virchows Archiv 1872 publiziert habe, daraufhin-
gewiesen, daß vor diesem anatomischen Prüfstein die subcutane Sublimat-
therapie ebensowenig Stich gehalten hat, wie alle früheren Präparate und
Applikationsweisen, daß sich genau dieselben spezifischen Epiphysenver*
änderungen bei Kindern vorgefunden haben, deren Mutter notorisch auf
der hiesigen Charit äabteilung für Syphilis mit Sublimat iojiziert worden
waren. Ich habe ferner hier gesehen, daß Nekrosen der Naseukuorpel und
Affektionen der Röhrenknochen und des Schädels, Gummata des Gehirns,
der Hoden und alle sonstigen Folgen resp. Zerstörungen, die überhaupt
dadurch möglich sind, nach subcut. Sublimatinjektionen ebensowenig aus-
geblieben sind, wie nach den älteren merkuriellen Eurmethoden.'* Ich
ließ dann eine Kritik von Lewins Statistik der Rezidive, welche sich
immer auf diejenigen der also behandelten Prostituierten stützte, folgen.
334 Eöbner.
Ansprache 6. Lewin s entgegentreten ließen, daß keine Methode
80 schnell, sicher und nachhaltig wirke, keine so
wenige und benigne Bezidive aufzuweisen habe. Wenn-
gleich wir nun die Syphilis im Zentralnerrensystem gleichwie
in allen anderen Organen auch nach den anderen Methoden
der Quecksilberanwendung sich lokalisieren sehen und wir keine
Art von sicherer Präventivkur speziell gegen Syphilis des
ersteren besitzen, so haben sich mir doch besonders zahlreiche
Fälle dargeboten, welche in mir gleichwie in anderen Beobach-
tern den Eindruck befestigten, daß die Sublimatinjektionen,
sowie solche mit den Derivaten des Sublimats^) zumal für die
erste, grundlegende Kur durchaus nicht genügend, nicht
nachhaltig wirksam sind und hinter anderen Methoden,
wie sorgfältig durcbgeführten Schmierkuren, Injektionen unlös-
licher Salze oder des Ol. einer. (Ed. Lang) an Intensität der
Wirkung zurückbleiben.
Inwieweit die Zurückweisung der spezifischen Therapie
seitens des Kranken in den letzten iVs Jahren die volle Aus-
bildung der geschilderten anatomischen Läsionen und damit
den tötlicben Ausgang verschuldet hat, bezw. ob derselbe sich
durch jene hätte abwenden lassen, ist durchaus nicht mit Be-
stimmtheit zu entscheiden, weil ein großer Teil der vorgefun-
denen Veränderungen als längst irreparabel anzusehen war,
ein anderer Teil, z. B. Gummata des Oehirns, erfahrungsgemäß
öfter nur bis zu einem gewissen Grade durch die spezifische
Therapie sich zurückbilden, um dann stationär zu bleiben.
^) So erklärte Th. Rumpf auch schon 1887 in leinem Werke:
„Die syphil. Erkrankungen des NervensystemB*^ pag. 649, „daß er nach
vielfachen Iigeklionsversuchen mit dem von Schütz und Bohl and
dargestellten Quecksilberamid (Sublimat-Harnstoff) von dieser Methode
surückgekommen sei, da sie ihm in einzelnen Fällen weniger zu leisten
schien, als die alte Einreibungskur und verhältnismäßig rasch unerwartete
Rezidive des Leidens auftraten.**
Ans der Eönigliohen üniversit&ts-PoliUinik Ar Haut- und
(hschlechtskrankhelten in Berlin. (Direktor Prof. Dr. Z. Lesser.)
Zur Theorie der Lupusheilung durch Licht.
Von
Dr. Franz NAgelschmidt.
Seitdem durch die bahnbrechenden Arbeiten Finsens die
Lichttherapie auf den Boden exakt wissenschaftlicher Forschung
gehoben worden ist, hat es nicht an Versuchen gefehlt, das
Licht als Heilfaktor bei den verschiedensten Erkrankungen zu
Terwenden. Unzweifelhafte und mit Sicherheit erreichbare
therapeutische Erfolge haben sich jedoch bisher nur bei der
Behandlung des Lupus vulgaris der äußeren Haut sowie der
der Lichtbehandlung zugänglichen Schleimhautpartien ergeben.
Ändere Krankheiten sind der Lichttherapie ebenfalls zu-
gänglich, jedoch sind die Erfolge keine so sicheren und gleich-
mäßigen.
Über die Heilung des Lupus vulgaris kann nun nach den
Erfahrungen der letzten Jahre kein Zweifel mehr bestehen,
jedoch ist der Mechanismus dieser Heilung noch keineswegs
aufgeklärt Anfänglich nahm man an, gestützt auf klinische
Beobachtung und experimentelle Untersuchungen verschiedener
Autoren, daß 2 Faktoren im wesentlichen die Heilung zu stände
bringen. Der eine ist die nach der Belichtung auftretende G e-
websreaktion, der andere die bakterizide Wirkung
des Lichtes, die eine Vernichtung der im Gewebe enthal-
tenen Tuberkelbazillen herbeiführen sollte. Daß das Licht in
der Tat bakterizid wirkt, ist durch zahlreiche Untersuchungen
erwiesen. Man hat verschiedene Bakterienarten, u. a. auch die
Tuberkelbazillen dem konzentrierten Bogenlicht exponiert, und
es hat sich gezeigt, daß die verschiedenen Arten je nach dem
Alter der Kultur, Wahl des Nährbodens etc. der desinfektori-
schen Kraft des Lichtes verschiedenen Widerstand entgegen-
336 Nagelschmidt.
setzten, aber bei genügend langer und intensiver Belichtung
abgetötet wurden. Mit der Verbesserung der Apparate ver-
ringerte sich auch die Zeitdauer, die zur Abtötung von Bak-
terien notwendig war und die jetzt in Gebrauch befindlichen
sind so leistungsfähig, daß sie z. B. den Bacillus prodigiosus
in 2 Sekunden töten. Die bakterizide Kraft des Lichtes ist
sogar ein so gleichmäßig sich wiederholender Voigang, daß
Kulturen als Tastobjekte für die Lichtstärke und Wirksamkeit
neuer Apparate benützt werden können.
Man vermutete nun, daß diese bakterizide Wirkung des
Lichtes auf Tuberkelbazillen ein wesentlicher Faktor, bei der
Lupusheilung wäre, daß aber daneben eine Veränderung der
Gewebe stattfände, die zur Elimination, resp. Resorption der
erkrankten Partien und zum Ersatz durch gesundes Gewebe
führe. In der Tat sehen wir ja auch nach jeder erfolgreichen
therapeutischen Belichtung eine ganz typische Reaktion auftreten.
Während man nun anfänglich der bakteriziden Wirkung
des Lichtes den Hauptanteil an dem Zustandekommen der
Heilung zuschrieb und die Lichtreaktion als mehr oder we-
niger nebensächlich ansah, so änderte sich doch allmählich
diese Anschauung und man neigte mehr und mehr der Ansicht
zu, daß die Abtötung der Tuberkelbazillen mehr der reaktiven
Entzündung der Gewebe, der verstärkten Blutzufuhr oder
eventuell auftretenden chemischen Veränderungen zuzuschreiben
sei als der direkten Einwirkung des Lichtes auf die Bazillen selbst
Um nun entscheiden zu können, ob das Licht den Lupus
durch direkte Tötung der Tuberkelbazillen oder erst sekundär
durch Gewebsveränderung heilt, ist es zunächst notwendig zu
wissen, ob Bazillen innerhalb der Gewebe vom Licht überhaupt
getötet werden können. Denn die bisher angestellten Experi-
mente waren an Bakterien in Reagenzglas-, resp. Bergkristall-
Plattenkulturen angestellt und ließen keinen sicheren Schluß
darauf zu. wie sich im lebenden Gewebe befindliche Bakterien
dem Lichte gegenüber verhalten würden.
Die histologische Untersuchung von bestrahlten oder nicht
bestrahlten, tuberkulös erkrankten Hautstücken konnte hierbei
keinerlei Aufklärung geben. Ich nahm daher, um der Lösung
dieser Frage näher zu konunen, das Tierexperiment zu Hülfe.
Zur Theorie der Lapuaheilang durch Licht. 337
Die Versuche wurden in folgender Weise angestellt.
Es worden bei einem Meerschweinchen 2 von Haaren entblößte
symmetrische Stellen zn beiden Seiten des Rückgrats nach yorher-
gehender Desinfektion in der Ausdehnung eines Zweimarkstückes mit einem
sterilen Skalpell skarifiziert. In beide Stellen wurde sodann mit einem
Spatel Tnberkelbazillenbrei einmassiert. Die Tuberkelbazillen wurden
einer reichlich gewachsenen Glyzerinagarkoltur von 8 Wochen Alter ent-
nommeuj die ich durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Eaminer aus
der Poliklinik für Lungenkranke von Herrn Prof. Wolf erhielt Die
Einmaasiemng wurde gründlich 2—8 Minuten lang ausgeführt, sodann
der überschüssige aus Blut, Serum und Bazillen bestehende Brei abe[e-
tupft. unmittelbar darauf wurde ein mit Blaustift umzogener Bezirk im
Zentrum der einen skarifizierten Stelle eine Stunde lang dem kon-
zentrierten Licht einer 80 Amp. Bogenlampe unter Anwendung eines
I^ckglases exponiert ; es ist dies bekanntlich die für jede einzelne Be-
strahlung allgemein übliche Zeit und Methode. Unmittelbar nach der
Bestrahlung wurde mit einem sterilen Eorkbohrer die zentrale Partie
des bestrahlten Gebietes von zirka 1 em Durchmesser ausgestanzt, so
daß die Schnittlinie noch innerhalb der bestrahlten Zone lag. Das um-
schnittene Hautstückchen wurde nunmehr steril abpraparier^ in Bouillon
zerzupft und diese Aufschwemmung 8 gesunden Meerschweinchen intra-
peritoneal zu gleichen Teilen injiziert.
In derselben Weise wurde von der anderen nicht bestrahlten Stelle
die zentrale Partie steril exzidiert, aufgeschwemmt und 3 anderen Meer-
schweinchen injiziert. Diese letzteren 8 Meerschweinchen sollten als
Kontrolltiere für die Virulenz der verwandten Kultur dienen.
Es kann bei diesem ersten Teil der Versuche eigentlich
von im Gewebe befindlichen Tb.-Bazillen nicht die Rede sein;
vielmehr sind dieselben nur mechanisch in künstlich herge-
stellte Lücken hineingepreßt, so daß wir uns den Verhältnissen
im tuberkulös erkrankten Gewebe nur wenig genähert haben
im Vergleich zu den üblichen Plattenkulturversuchen, wie sie
schon verschiedentlich gemacht worden sind. Wir haben es
sogar in der skarifizierten Haut mit einem für Licbtunter-
suchungen sehr ungünstigen Substrat zu tun, insofern beim
Skarifizieren Blutungen auftreten, die durch Anwendung des
Druckglases nicht weggedrückt werden können und unter
ihnen liegende Tuberkelbazillen vor der Lichteinwirkung zu
schützen vermochten. Zudem ist die Zahl der verimpften Ba-
zillen eine ganz kolossale gewesen, so daß auf diese Weise
ganze Haufen unter einer derartigen Blutborke geschützt bleiben
konnten. Zieht man noch den Umstand in Betracht, dass eine
vollkommene Abtötung sämtlicher Bakterien einer nach Möglich-
keit homogenen und gleichmäßig belichteten Kultur auf einer
Bergkristallplatte fast nie gelingt — es kommen rätselhafterweise
immer einige wenige Kolonien zur Ausbildung — so konnte
man schon vermuten, dass die mit belichtetem Material ge-
Arch. f. Dermftt. n, Sypb. Bd. LXIII. '^2
338
Nagelsohmidt.
impften MeerschweiDchen an Tuberkulose erkranken würden.
Und das war auch in der Tat der Fall. Die Sektion ergab
nach 8 Wochen hochgradige Tuberkulose der Abdominalorgane.
Ich stellte nun noch eine zweite Versuchsserie an. Das
ursprüngliche skarifizierte und mit Tb.-Bazillen geimpfte Meer-
schweinchen wurde nach der oben beschriebenen Excision eines
Teiles der geimpften Partien sich selbst überlassen. Nach
5 — 6 Tagen stießen sich die Schorfe auf diesen Partien ab,
die Defekte yernarbten allmählich. Nach 11 Tagen schon
zeigten sich die skarifizierten Stellen deutlich erkrankt. Sie
waren infiltriert, bräunlich-rot verfärbt, mit Schuppen und leichten
Borken bedeckt; die Haare waren nirgends wieder gewachsen.
Am 18. Tage nach der Impfaog wurde ein Teil der eben beschrie-
benen, offenbar tuberkulös erkrankten Partie eine Stunde mit Druckglas
nach Finsen bestrahlt. Unmittelbar darauf Excision, Zersupfung in
Bouillon, wie oben ausführlich beschrieben. Hiervon wurden ffleiche
Mengen S Meerschweinchen intraperitoneal injisiert. In der gleichen
Weise wurden 8 weitere Meerschweinchen mit dem unbelichteten Material
der symmetrisch gelegenen Stelle geimpft. Ein weiteres Stück wurde aar
histologischen Untersuchung entnommen.
In genau derselben Weise stellte ich noch je 2 weitere
Versuchsreihen an. Die Resultate derselben waren folgende:
In jeder Reihe wurde zunächst ein Meerschweinchen, wie
oben geschildert, an jeder Seite skai'ifiziert und an dieser
Stelle mit Tuberkelbazillen- Brei geimpft.
Sodann wurde in dem ersten Teil der Versuche (Tab. A)
eine Stelle belichtet, ezcidiert und verimpft, die symmetrische
Stelle nicht belichtet, excidiert und verimpit.
Resultat: 'ab. A.
Mit belichtetem Material
geimpfte
Meerschweinchen
Mit nicht belichtetem
Material geimpfte
Meerschweinchen
Reihe I.
Reibe II.
Reihe III.
iUt 3 u TaUrkil4ii crfcrukt Alk S u TiboksloN «rkrtakt
. 3 „
n
n
»
n
n
n
n
n
Im zweiten Teil der Versuche (Tab. B) wurde das Ein-
treten einer lokalen Erkrankung an den skarifizierten Stellen
des ersten Meerschweinchens jeder Versuchsreihe abgewartet
Sodann Bestrahlung, Excision, Verimpfiing eines Teiles davon
und Verimpfung des nicht bestrahlten, symmetrischen Teiles
der anderen Seite.
Zur Theorie der Lapaiheilimg durch Licht.
339
Resultat: Tab. B.
Reibe I.
Reihe 11.
Reihe III.
Mit belichtetem Material
geimpfte
Meerschweinchen
Alle S gesund
2 gesund, 1 tuberk. erk.
Alle 8 gesund
Mit nicht belichtetem
Material geimpfte
Meerschweinchen
iU« S u TaUrknloM erkrukt
I»
Im speziellen waren die Resultate der mit belichtetem
Material geimpften Meerschweineben der Tabelle B folgende:
In Reihe I blieben alle Tiere gesund; Beobachtungszeit
8,9, 97, Wochen. Weder makroskopisch noch mikroskopisch in
Milz, Leber, Niere, Lunge Tuberkulose erkennbar.
In Reihe U erkrankte ein Tier an Tuberkulose, und zwar
bestand eine Tuberkulose beider Hoden, der Blase und der
Nieren. Die beiden anderen Tiere waren, als sie nach 7 Wochen
getötet wurden, noch gesund.
In Reihe III dehnte ich die Beobachtungszeit auf 13, resp.
14 Wochen aus: es blieben sämtliche 3 Tiere gesund.
Die in der Tabelle A beschriebenen Impfungen sind
eigentlich nur als Kontrollversuche aufzufassen; sie zeigen,
daß die zur Verwendung gelangten Kulturen einen hohen
Virulenzgrad besaßen und daß eine genügend große Anzahl Yon
Bakterien in virulentem Zustande zur Verimpfung gekommen ist.
Die beiden in Tabelle B benützten Impfmaterialien unter-
scheiden sich von einander ausschließlich dadurch, daß das
erstere eine Stunde belichtet worden ist. Mithin ist das Aus-
bleiben einer tuberkulösen Erkrankung bei 8 der 9 damit ge-
impften Tiere nur dadurch zu erklären, daß die Tb.-Bazillen
durch die Bestrahlung getötet oder zum mindesten in ihrer
Virulenz so geschwächt worden sind, daß sie in dem so über-
aus empfänglichen Körper des Meerschweinchens keine Er-
krankung heryorrufen konnten. Diese Schwächung muß not-
wendigerweise eine direkte Lichtwirkung sein; denn da die
Excision unmittelbar nach der Belichtung, also auch unmittelbar
nach der Entfernung des Druckglases und derWiederherstellung der
oberflächlichen Zirkulation vorgenommen wurde, ist an eine
zunächst auftretende Lichtreaktion und dadurch bediogte Schä-
digung der Bakterien nicht zu denken. Daß ein Tier an
22*
340 NagelBchmidt.
Tuberkulose erkrankt ist, findet seine Erklärung Yielleicht
darin, daß doch der eine oder der andere Tuberkelbazillu»
zufallig vor dem Lichte geschützt war, falls man nicht an-
nehmen will, daß es sich möglicherweise um eine zufallige
Infektion von außen, etwa um eine aufsteigende Urogenital-
tuberkulose gehandelt hat Immerhin sind ?on den in Tabelle B
1. Rubrik genannten Meerschweinchen 8 von 9 am Leben und
gesund geblieben, während die 30 anderen alle mehr oder
weniger schwer an Tuberkulose erkrankten.
Es erübrigt noch, den histologischen Befund bei dem ur-
sprünglich skarifizierten und mit Tb-Bazillen geimpften Tier kurz
mitzuteilen : Es entwickelte sich im Verlauf von 3 — 7 Wochen an
den geimpften Partien ein Granulationsgewebe, in dem teils
einfache, teils konfluierte Tuberkel in verschiedenen Haut-
schichten eingelagert waren; dieselben fanden sich sowohl in
den obersten Schichten dicht unter dem Epithel, wie auch in
der Cutis und im subkutanen Gewebe. In ihnen waren zahl-
Tt iche epitheloide sowie Riesenzellen nachweisbar. In der Mitte
der Tuberkel fand stellenweise eine Einschmelzung, resp. be-
ginnende Yerkäsung statt. Tb.-Bazillen wurden in mehreren
Schnitten in ziemlich reichlicher Anzahl sowohl einzeln, als
auch zu kleinen Herden vereint an den verschiedensten Stellen
des Präparates gefunden.
Ich glaube somit den Beweis erbracht zu haben, daß
das Licht tatsächlich im stände ist, im Gewebe befindliche
Tuberkelbazillen zu töten. Wenngleich die tuberkulöse Er-
krankung, die ich beim Meerschweinchen auf der Haut habe
hervorrufen können, nicht dem menschlichen Lupus gleich er-
achtet werden kann, so glaube ich doch den menschlichen
Verhältnissen in meiner Versuchsanordnung wesentlich näher
gekommen zu sein, wie es mit Reagenzglasversuchen bisher
möglich war.
Ich halte mich daher zu dem Schluß berechtigt, daß die
Heilung der tuberkulösen Hauterkrankung durch Licht in
erster Linie durch die Abtötung, resp. Schwächung der Tuberkel-
bazillen zu stände kommt. Erst nachdem der von diesen aus-
gehende Reiz aufgehört hat zu existieren, sorgt die nunmehr ein-
tretende Lichtreaktion für die Resorption der tuberkulösen Produkte
und die Regeneration der Defekte, soweit dies eben möglich ist.
J
Ans der Abteilung fär Hantkrankheiten xind Syphilis des Herrn
Dozenten Dr. Spiegier an der Allgemeinen Poliklinik in Wien.
Über Kapillardruck-Messungen normaler
und veränderter Kaut
Von
Dr. Hugo Fasal,
AMlBtent der Abtailang.
Der Eapillardrack der menschliclien Haut wurde zuerst
TOD ▼. Eries^) bestimmt N. YonEries hat im physiologischen
Institut zu Leipzig den Blutdruck in den Eapillaren in der
Weise bestimmt, daß er mit Hilfe belasteter Glasplättchen auf
«ine Fingerstelle einen Druck ausübte und das Gewicht ermittelte,
welches notwendig war, um die komprimierte Haut blaß zu
machen, v. Eries untersuchte den Eapillardruck bei verschie-
dener Haltung der Hände. Er fand den Blutdruck umso größer,
je tiefer die Hände gehalten wurden« Eintauchen in heißes oder
kaltes Wasser, Reizung durch den Induktions-Strom, ließ keine
Vermehrung des Blutdruckes erkennen ; dagegen war eine nach*
weisbare Steigerung des EapiUardruckes durch Kompression
der Venen (z. B. Umschnürung des Fingers) hervorzubringen.
Andere Untersuchungen als die genannten über den
Eapillardruck in der menschlichen Haut liegen, soweit mir be*
kannt, bisher in der Literatur nicht vor, wiewol bei der Wichtig*
keit dieses Gegenstandes Aufschlüsse hierüber sehr wünschens-
wert erschienen.
Ich bediente mich bei meinen Untersuchungen, welche
den Zweck hatten, den Eapillardruck an yerschiedonen nor-
^) Über den Druok in den Blatkapillaren der menschlichen Haut.
Arbeiten aus der phyriologisohen Anstalt sa Leipzig. 1876. 10. Jahrgang,
pag. 69.
342 Fasal.
malen und krankhaft veränderten Hautstellen in Vergleichs-
werten zu bestimmen, des Eapillar-Manometers von Prof.
S. y. Basch^). Mit Hilfe dieses Manometers wird der auf die
Kapillaren wirkende Druck direkt, d. i. ohne Vermittlung eines
Diaphragmas ausgeübt
Bei allen derartigen Untersuchungen handelt es sich darum
zu beobachten, bei welchem Druck, oder unter welcher Be-
lastung die betreffende untersuchte Hautstelle blaß wird. Da
es sich hiebei um Abschätzung feiner Farbenunterschiede handelt
zeigen sich gewisse Fehlergrenzen.
Es wurden daher bei Messung des Eapillardrucks jeder
einzelnen Hautstelle wiederholte Untersuchungen Torgenommen,
Ton welchen dann der Durchschnittswert aufgezeichnet wurde.
Dm Eapiilar-Manometer von B a b c h besteht aas einem Glas-
trichterchen, dessen obere öffiinng durch ein Gläschen verschlossen ist,
und welches mit der schm&leren unteren Mündung auf die Haut aufge-
setzt wird. Um den Abschluß luftdicht zu machen, wird auf den Rand
eine dünne Schichte Fischleim aufgetragen. Von diesem Trichter geht
ein Glasröhrchen aus, das einerseits mit einem Manometer, andererseits
mit einem Kautschukballon yerbunden ist Es wird nun das Trichterohen
dicht auf die zu untersuchende Hautstelle aufgesetzt. Durch Druck auf
den Kautschukballon wird eine Kompression der Luft erzeugt. Während
ich durch das abschließende Gläschen hindurch das Blaßwerden der Haut
beobachten kann, dient das Manometer dazu, den hiebei erzeugten Luft-
druck numerisch zu bestimmen.
Der Eapillardruck di£feriert bei den verschiedenen Indi-
viduen auch bei normalen Hautverhältnissen. Er ist von ver-
schiedenen Faktoren, die mit dem Kreislauf zusammenhängen,
abhängig, die ich bei meinen Untersuchungen deshalb ver-
nachlässigen konnte, weil ich bei jeder Messung einer ver-
änderten Hautstelle den Kapillardruck der entsprechenden
symmetrischen gesunden Hautstelle bestimmte und so bei jedem
einzelnen Fall den Unterschied zwischen dem Kapillardruck der
normalen und veränderten Haut numerisch feststellte.
Nur bei der Untersuchung der Urticaria-Quaddeln mußte
ich davon abweichen, da nach Messung des Eapillardruckes der
Quaddel, das aufgesetzte Trichterchen auch auf unveränderte
^) Prof. S. V. Bas eh. Über die Messung des Kapillardruckes am
Menschen und deren physiologische und klinische Bedeutung, l^iener
kliDiscbe Rundschau. XIV, pag. 28.
über Kapillardraok-MeBsnngen normaler n. yerand. Haut. 343
Haut gebracht, sofort durch den leichten Druck eine neue
Quaddel hervorrief. Ich könnt« daher erst nach Heiluug der
Urticaria den Eapillardruck der normalen Haut bestimmen, um
ihn mit dem der Quaddel vergleichen zu können.
Ich untersuchte 1. acutes Ekzem, 2. chronisches Ekzem,
3. Herpes zoster, 4. Lues, 5. Urticaria.
Nach längerer Übung gelingt es leicht, genau zu bestimmen,
in welchem Moment die betrefiende Hautstelle gleichmäßig blaß
wird, und dann am Manometer die diesem Druck entsprechende
Zahl abzulesen.
1. AcatesEksem. Ich beobachtete den Eapillardmok an 10 Fällen,
bei deren jedem ich wiederholte Messnngen vornahm. Stets war der
Eapillardruck an den ekzematösen Stellen höher, als
an den entsprechenden gesunden Haatstellen desselben
Individuums.
KAplUar-Dniek iMi
Bes. aeat.
gesunde H«at
Dlflbrens
Fall
I
29
24
5
Fall
n
40
80
10
Fall
m
36
27
9
Fall
nr
32
26
6
Fall
V
29
28
6
Fall
VI
84
29
5
Fall
VII
86
28
6
Fall VIII
88
27
11
Fall
IX
28
24
4
Fall
X
88
25
8
Daraus folgt, daß sich als Durchschnitts-Differenz zwischen der
akut ekcematösen und der gesunden Haut 7 Teilstriche (Mm. Hg) ergeben.
Im weiteren Verlaufe konnte ich während der Behandlung und
Heilung des Ekzems die Abnahme des Eapillardnickes beobachten. Schon
nach eintägiger Burow-Behandlnng, die bei den akuten Ekzemen die
häufigste war, sank der Eapillardruck an den ekzematösen Stellen um
344
Fasal.
einige Teilstriche des Manometers. Bei Fall I war der Eapillardmck
des noch unbehandelten Eksems 29 (der Eapillardmck der getnnden
flaut 24). Am nächsten Tage schwankte der Eapillardruck des durch
Umschläge mit Liquor Burowi bedeutend gebesserten Ekzems zwischen
26 — 26 (gegen 24 der gesunden Haut). Im weiteren Verlauf war die
Rückkehr des Eapillardruckes zur Norm eine ganz allmähliche.
Bei allen akuten Ekzemen konnte ich beobachten, dafi die
Abnahme des Eapillardruckes bei antiphlogistischer Behandlung in den
ersten Tagen eine bedeutend größere war, als im weiteren Ver-
lauf. Bei dem oben erwähnten Fall I war der Eapillardruck nach denr
1. Behandlungstag von 29 auf 26 gefallen, blieb dann 4 Tage ungefähr
auf gleicher Höhe, schwankte 5 Tage zwischen 25—26 und wurde dann
innerhalb weiterer 3 — i Tage dem entsprechenden normalen Eapillardmck
von 24 gleich.
Die Eunre, welche die Ruckkehr des erhöhten B[apillardrucke8 zum
normalen anzeigt, hatte folgenden Verlauf:
>80
Therapi 1
1 2
i: Burow
3 1*
5
6
7
8
Pasta Lassa ri
9 10 11 12
13
14
i&
29
1
28
\
•
27
26
^
25
1
' ■
—
•^
2k
X
•23
X
^
2. Beim chronischen Ekzem waren die Werte des Eapillar-
druckes an den ekzematösen Hautstellen geringer als an den entsprechenden
gesunden Hautstellen. Es ist hier das chronische Lokalekzem gemeint,
welches sich ans nicht ganz abgelaufenen Ekzemen oder nach wieder-
holtem Auftreten der akut ekzematösen Erscheinungen entwickelte Daa
Blafiwerden der chronisch ekzematösen Haut war hiebei stets durch
über Eapillardraek-Messimgen normaler a. veränd. Haut. 345
einen greringeren Dmck an ersielen, als das Blaßwerden der gesunden
Hantstelle.
Ohron. BeBem
Qesuada Haut
Dlff«r«ai
Fall I. . .20
26
6
Fall n. . .18
24
4
Fall m ... 22
26
4
Fall IV. . .28
26
2
Fall V. . .21
27
6
Fall Vi . . . 19
28
4
Fall Vn . . .23
28
6
Durchschnittlich war der Eapillardmck der chronisch ekzematösen
Hautst-ellen um 4 Theilstriche des Manometers geringer als der der ge-
iundeo Haut.
Ein 26j&hr. Terpentinarbeiter, der mit einem akuten artefiaiellen
Ekzem beider Vorderarme in Behandlung stand, hatte bei einem Kapillar-
dmck Yon 26 auf gesunder Haut, auf der akut ekzematösen Haut einen
erhöhten Eapillardmck von 82. Nach dreiwöchentlicher Behandlung und
bedeutender Besserung — der Eapillardmck war auf 26—27 gesunken —
blieb der Patient aus der Behandlung aus. 2 Wochen später kam Patient,
welcher mittlerweile wiederholte ekzematöse Nachschübe gehabt hatte,
wieder u. zw. mit dem klinischen Bilde des chronischen Ekzems.
Der Eapillardmck der ekzematösen Hautstellen war bis auf 21
gesunken.
Auch an allen chronisch&n Unterschenkelekze-
m e n , sowie in der Umgebung alter Unterschenkelgeschwüre
war der Eapillardruck erniedrigt.
8. Herpes Zoster. Auf der geröteten Basis vor der Herpes
zoster-Emption, sowie an den geröteten Hautstellen in der Umgebung
des bereits bestenden Herpes zoster fand ich erhöhten Eapillardmck. Ich
beobachtete 6 F&lle:
H«rp. lotter
Geaunde Havt
Dlffarans
FaU I. . .80
24
6
Fall n. . .27
28
4
Fafl III . . .88
24
14
Fall IV. . .29
26
4
Fall V ... 31
24
7
346 Fasal.
Es hatten also die geröteten Stellen einen darch-
schnittlich um 7 Teilstriche des Eapillar-Manometers
erhöhten Kapillardruck im Vergleich zu. der gesunden
Hant desselben Individnams.
Die Rückkehr zum normalen Kapillardmok war langsam und all-
mählich, synchron mit dem allm&hlichen Abheilen des Zosters. Waren sn-
gleich mit der Eruption starke Entsündungserscheinnngen vorhanden, wie bei
Fall ni (was ans dem hohen Kapillardruck — S8 gegen 24 der gesunden
Haut — zu ersehen ist), so sank, wie beim akuten Ekzem, der Kapillar-
drnck unter antiphlogistischer Behandlung in den ersten Tagen bedeutend,
um dann ganz allm&hlioh zur Norm zu gelangen.
4. Bei den Kapillardruck-Messungen der Lues maculosa wählte
ich zur UntersuchuDg reine makulöse Exantheme, deren Eifloreszenzen
unter Fingerdruck nahezu vollständig abblaßten. Ich fand stets erhöhten
Kapillardruck im Vergleich zur gesunden Haut. Die Erhöhung war
hiebei stets bedeutender als die bei den vorgenannten
Krankheitsformen beobachtete; d. h. der Druck, welcher not-
wendig ist, um beim makulösen Syphilid das gleichmäßige Blaßwerden
der Macula zu erzielen, ist größer als der, welcher bei akutem Ekzem
oder Herpes zoster zum Blaßwerden der Haut notwendig ist.
MaeaU Ivetle« OMimde H*at Dlffereiui
Fall I ... 87 24 18
Fall II. . .82 21 n
Fall m. . .88 26 12
Fall rV. . .35 28 12
Fall V. . .40 29 11
Fall VI ... 84 22 12
Fall VII .. . 37 25 12
FaU VIII ... 41 27 18
Daraus folgt, daß der Kapillardruck der Effloreszenz durchschnittlich um
13 Teilstriche des Manometers höher war, als der der gesunden Hant.
Zugleich mit dem Abblassen des Exanthems nahm auch der Kapillar-
druck während der antiluetischen Behandlung allmählich ab, bis er beim
Verschwinden des Exanthems dem der gesunden Haut gleich vnirde.
5. Urticaria. Der Kapillardruck der Quaddel ist niedriger, als
der Kapillardruck derselben Hantstelle, nach Ablauf der Urticaria ge-
messen. Der Druck unterschied ist allerdings nicht groß.
über Eapillardruck-MeBSUDgen normaler u. veränd. Haut. 347
UitloariA
(Seiunde Haot
Difbrem
Fall I. . .20
Fall II.
Fall m .
Fall IV .
Fall V. . .28
. 21
. 19
.22
24
26
28
26
27
8
Der Kapillardmck der Qaaddel ist daher darchschnittlich um 4
niedriger als der der gesunden Haat
Aus den Yorstehenden Beobachtungen ergibt sich fol-
gendes: Beim chronischen Ekzem und bei Urticaria
ist der Kapillardruck der affizierten Hautstellen
niedriger als der bei normaler Haut. Beim akuten
Ekzem, sowie bei der mit akuten Entzündungs-
erscheinungen einhergehenden Herpes zoster-
Eruption, ferner bei luetischen makulösen Ef-
floreszenzen ist der Kapillardruck erhöht.
Es ist also der Druck, welcher notwendig ist, um das
Blut aus den hyperämischen feinsten Gefäßen zu vertreiben
geringer bei chronischem Ekzem und Urticaria, größer bei akut
entzündlichen Erscheinungen der Haut und beim makulösen
Syphilid.
Die Rückkehr des veränderten Kapillardruckes zur Norm
erfolgt bei akut entzündlichen Erscheinungen anfangs sprung-
weise, indem am 1. oder 2. Behandlungstage unter anti-
phlogistischer Behandlung der Kapillardruck bedeutend sinkt,
so daß er nur wenig vom Kapillardruck der normalen Haut
difieriert, dann aber ganz allmählich und langsam zur Norm
zurückkehrt. Dies stimmt auch mit der klinischen Beobachtung
überein, da ja bei den akuten Ekzemen der augenfälligste Teil
der Besserung unter der antiphlogistischen Behandlung in den
ersten Tagen wahrzunehmen ist, während die vollkommene
Heilung allmählich eintritt und im Vergleich zum Ablauf der
ersten Entzündungserscheinungen eine langsame ist.
848 Fasal.
Bei allen anderen Messungen: dem chronischen Ekzem,
Herpes zoster, der luetischen Macula, Urticaria wurde der
Eapillardruck synchron mit dem allmählichen Verschwinden der
Effloreszenzen, beziehungsweise der Rötung allmählich dem der
entsprechenden normalen Haut gleich, und zwar rascher bei
der Urticaria-Quaddel, entsprechend dem schnellen Verschwinden
derselben, langsamer beim chronischen Ekzem und der luetischen
makulösen Effloreszenz.
Vorstehende Untersuchungen machte ich auf Veranlassung
des Herrn Abteilungsvorstandes Dozenten Dr. Spiegier, dem
ich für die Anregung zu denselben herzlichst danke.
Kleine uud vorläufige Mitteilungen.
Zur Tripperbehandlung.
Von
Dr. Albert Hirschbmcli, Posen.
(Mit 4 Abbildangen im Texte.)
In der Behandlung des Hamröhrentrippers beim Manne ist man
noch heatzntage so wenig weit yorgeschritten, dass man von sehr tüchtigen
und gewissenhaften Aerzten oft genug die Meinung hören kann, der
Tripper gehöre zu den unheilbaren Krankheiten. £in so dogmatisches
Urtheil zu äussern, ist allemal gewagt, denn es g^bt wirklich „völlig ge-
heilte F&Ue^ von Gonorrhoe. Immerhin ist zuzugeben, dass z. Z. der
Tripper selbst bei Anwendung subtilster Methoden und unter Beob-
achtung aller Cauteleoin dem Grade nur eine Zufailsheilung verbürgt, dass
die Chancen quoad restitutionem bei Behandlung mittels Tripperspritze
sehr ungünstig sind. Wie gross auch die Zahl der alten, neuen und neu-
esten zur Injection benützten Medicamente ist, so hervorragend auch die
allgemeine desinficirende Wirkung aller dieser Agentien sein mag: die
Behandlung mit der Tripperspritze befriedigt wohl kaum einen Arzt
mehr. Aus den Misserfolgen sonst so hochwerthiger Desinficientia gegen-
über dem verhältnismässig recht empfindlichen Doppelcoccus lässt sich
folgerichtig der Satz herleiten:
Die bei der Tripperbehandlung zur In^jection benützten Medica-
mente sind nicht an dem Mangel von Erfolg schuldig.
Daraus ergibt sich einmal die Zwecklosigkeit des Hastens nach
neuen Medicamenten ; anf der anderen Seite kommen wir zu dem
Schluss, dass der gemachte Fehler irgend wo anders liegen muss, also
in der Art der Anwendung. Tertium non est.
Das Ziel ist in der Beseitigung des spontanen Ausflusses und in
der Vernichtung der Gonococcen gegeben. Erst wenn nach mechanischer
und chemischer Reizung keine Goccen mehr der Urethra entlockt werden
können, die mikroskopisch oder durch ein anderes Hilfsmittel der
Bakteriologie nachweisbar sind, erst dann wollen wir von Tripperheilung
sprechen.
Dieses Ziel wollen und werden wir erreichen.
Wenn wir eine neue und zweckmässige therapeutische Methode
finden wollen, so müssen wir uns zunächst über die Mängel, welche den
bisher üblichen Behandlungsformen anhaften, klar werden.
350 Hirsohbrnch.
Von zwei Punkten aus kann man sich an den Krankheitsherd
heranwagen :
1. Von aussen. Die Anwendnagsformen sind zahlreich und be-
friedigen, wie vorweg gesagt sei, alle nicht. In den Fignren 1 und 2
stellt a die schematisirte Harnröhre, b das irrigireDde Instrument dar.
Bei 1 handelt es sich um die commune Tripperspritze, bei 2 am einen
Doppelspülapparat mit Scheidewand, einem zufahrenden and einem ab-
leitenden Endstück. Auch nach erfolgtem Uriniren bleiben in der Harn-
röhre kleine Schleim- und Eiterpartikel zurück, die massenhaft Gono-
coccen in sich bergen, von den in der Tiefe des Schleimhautgewebes
liegenden Tripperbakterien gar nicht zu reden. Die in die Harnröhre
geschlenderte Flüssigkeit treibt diesen Pfropfen e in die Höhe bis /, wie
der Springbrunnen ein hohles Ei. Da der Pfropfen selbstverständlich
den Scheitel des Sprudels bildet, da er aus dem Bereich der nach-
drängenden Flüssigkeit zu entweichen sucht bis zn dem Punkte, wo der
Nutzefifect des Druckes gleich Null wird, d. h. wo der Druck bis znm
Werthe der Reibung abgesunken ist und da der infectiöse embolisirte
Pfropfen nur an der einen Seite mit der Desinfectionsflüssigkeit in Be-
rührung kommt, wird er in den meisten Fällen eine Gonorrhoea posterior
auf dem Wege der directen Metastase erzeugen. Eine emeate lufection
der vorderen Harnröhrenabschnitte von hinten her ist dann unver-
meidlich. Prostatitis, Blasenkatarrh, Epididymitis and Orchitis sind nur
die weiteren Gonsequenzen der verfehlten Behandlung. Wir müssen stets
daran festhalten, dass der Misserfolg auf das Sündenregister der Methode
zu setzen ist.
Yanghetti^s Doppelrohr, Guyonsche Spülung u. s. w. gehören
mutatis mutandis in dieselbe Kategorie; auch hinsichtlich des Fehl-
erfolgs. Dieser eine grosse Fehler, der — abgesehen von einer Reihe
anderer jedoch minder wichtiger Nachtheile — allein schon die ganze
Behandlung disoreditirt, wird vermieden, wenn man die Krankheit von
dem andern, entgegengesetiten Punkte aus zu heilen unternimmt, nämlich
2. von innen. Einer gründlichen Durchspülung der Harnröhre in
der Richtung von der Blase her nach aussen zu wird deshalb mit vollem
Recht von manchen Seiten das Wort geredet Sei es aber nun, dass man
nur harntreibend wirkt, oder dass man den Kranken solche Medicamente
einnehmen lässt, welche im Harn wieder erscheinen und desinficirend
wirken, immer wird diese innere Behandlung im eigentlichen Sinne ihre
Grenze finden in der Aufnahmefähigkeit des Magens und in der
Leistungsfähigkeit der Nieren wie des Herzens. Je länger aber die
Spülung der Harnröhre in der Richtung des fliessenden Harns
vorgenommen wird mit Mitteln, die m. £. nicht einmal allzu hohen Dea-
infectionswerth haben dürfen, wie man leicht einsehen kann, um so
sicherer wird man nicht nur eine gründliche Oberflächenreinigung der
Schleimhaut, sondern auch eine Auswaschung des Gewebes erzielen.
Es gibt nun im wesentlichen zwei Katheterformen, die zum Zweck
der längere Zeit dauernden Spülung construirt wurden, der Siebkatheter
Zur Tripperbehandlung. 351
Ültzmanns and d«r rftokw&rts darchbohrte, geknöpfte Katheter. Fig. 3.
Beide Katheter sind trefflich dazu geeignet, nicht hlon das aof der
Schleimhaat liegende infectiöse Material gegen die Blase zn yerschieben,
sondern noch obendrein die oberflächlichen Gewebe der Harnröhre gut
auszupressen nnd die hervorquellenden Gonoooccen auch noch zur Infec-
tion mehr blasenwftrts gelegener Theile zu verwerthen.
Der geknöpfte Katheter besorgt die Aaspressung der Schleimhaut
noch viel gründlicher, als der Siebkatheter. An und für sich wäre das
Ausdrucken der Infectionsmassen ja eine recht nützliche Eigenschaft,
zumal aof demselben Wege, auf dem die Gonococceu aus dem Gewebe
heraustreten, die Spftlflüssigkeit um so leichter in das Gewebe hinein-
dringen kann zu den noch in ihm zurückgebliebenen Krankheitserregern,
wenn die mit mathematischer Sicherheit zu erwartende Ansteckung der
hinteren Hamröhrenpartie nicht wäre.
Um aus diesem Dilemma herauszukommen, habe ich meinen Drei-
laufkatheter (D. R. P. 116.510) construirt, Fig. 4. Bei dem aus
Metall hergestellten Apparat ist die äussere Form des geknöpften Ka-
theters für rückfliessenden Strahl beibehalten ; c^ ist der zufuhrende Tabus,
mit 0, sind die beiden rückwärts gerichteten Ausflussöflnungen bezeichnet.
Diesen Katheter durchziehen der ganzen Länge nach zwei über- resp.
untereinander liegende Röhren, die an der Katheterknopfspitze in a, und
&i ausmünden. Die zu den beiden Innenröhren hiuleit enden Tuben mögen
flj resp. &| heissen. Die untere der beiden Innenröhren ist von grösserer
lichter Weite als die obere. An ß, wird ein Gummischlauch angehangen.
Man füllt ihn von seinem unteren Ende aus mit der zu benützenden
Spülflüssigkeit, bis dieselbe aus b^ continuirlich ausfliesst, nnd verschliesst
durch einen Quetschhahn, den man am Schlauchende in ein Abfallgefass
herabhängen lässt. Der Tubus a^ wird mit dem Schlauch eines Irrigators
verbunden und der Irrigator selbst wird massig hoch eingestellt. Der
Grad der Höheneinstellnng ergibt sich bei feststehender Operationshöhe
beim ersten praktischen Versuch mühelos.
Setzt man nun den Katheterknopf fest in die Hamröhrenmündung
ein, so hat man folgende einfache Verhältnisse vor sich.
Die Wand an Wand liegende Schleimhaut der Harnröhre I wird
durch die grösste Circumferenz des Katheterknopfes zu einem kleinen
Trichter formirt.
Es sei nebenbei bemerkt, dass dieser Trichter einige Abweichungen
von der üblichen rund-konischen Trichterform darbietet. Dieser Trichter
ist zunächst nur virtuell: d. h. er ist nur rechnerisch vorhanden.
Elastischer Zug aller Gewebe des Penis und äusserer Luftdruck legen
die Harnröhrenwand vor der Katheterknopfspitze au diese heran. Bei
dem oben beschriebenen Dreilaufkatheter wird der äussere Luftdruck
durch den Gesammtinnendruck, der sich zusammensetzt aus dem Flüssig-
keitsdruck und aus dem Drucke einer Luftschicht, die nur wenig niedriger
ist, als die äussere Luftsäule, paraljsirt. Ja noch mehr! er wird über-
compensirt. Jetzt kommt es uns darauf an, diese Uebercompensation
352 Hirsohbruoh.
gegenfiber dem änsseren auf den Penis wirkenden Luftdmck durch Heben
des Irrigators um so yiel zu erhöhen, dass auch der elastische Gewebe-
zag aasgeglichen ist. DerEffectist, dass nun die durch den Katheterknopf
bewirkte Spannung der Hamröhrenschleimbaut reell zum Ausdruck
kommt in der Bildung eines reellen, mit Fl&ssigkeit gelullten kleinen
Trichters.
Nimmt man nun den Quetschhahn am unteren Ende des herab-
hängenden Schlauchs ab, dann ist dieser Schlaach, den wir ja mit
Flüssigkeit gefüllt haben, ein Sangheber. Da jeder Druck — auch der
negative im Saugheber — resultirt aus Querschnitt mal Höhe mal speci-
fischem Gewicht, l&sst sich die Operationshöhe leicht so einstellen, dass
die Saaj^kraft des Hebers über den positiven Druck vor der Eatheter-
knopfspitze das üebergewicht hat. Der Querschnitt des ableitenden Innen-
rohrs ist deshalb grösser gewählt, als der des zuführenden Theils a^ a a^
um auch bei niederer verfügbarer OperatioDshöhe dieses Postulat
erfüllen zu können. Es ist selbstverstlUidlich, dass bei feststehender
Operationshöhe den Anforderungen an die Druckregulimng auch durch
Heben und Senken des Abfallgefasses geoügt werden kann. Erst wenn
weitere Hebang bei der Operationsanordnung nicht mehr angängig ist,
mag man den Irrigator heben.
Wir müssen uns gegenwärtif halten, dass die Saugwirkung des
Saughebers in demselben Sinne wirkt wie die Summe aller Druckkräfte,
dass also vor der Katheterknopf spitze negativer Druck herrscht. Dieser
negative, in der Richtung b^ b b^ verlaufende Druck soll nur so gross
sein, um die Reibung der Spülflüssigkeit auszugleichen und um das von
der Wand des Schleimhauttrichters abeespülte infectiöse Material nach
aussen zu entfernen. Aus diesem Grunde darf man den negativen Druck
auch nur auf geringer Höhe halten, um nicht die Schleimhaut gegen b^
zu aspiriren.
Indem man so den jeweilig vor der Katheterknopfspitze befind-
lichen Schleimhauttrichter abspült, führt man den Katheter sehr langsam
bis hinter die letzte als erkrankt vermuthete oder noch besser constatirte
Stelle der Harnröhre. Dann steckt man, nachdem der in dem Eimer
hineinhängende Schlauch abgesperrt ist, den Irrigatorschlauch von a^ nach
Cj um und stellt den Irrigator langsam hoch. Man kann sich freilich
auch — und das ist für den Arzt bequemer — zweier Irrigatoren be-
dienen. Die RückwärtsBpülung im Sinne des fliessenden Harns maf
V4 Stunde und länger dauern, bevor man den Katheter langsam und
vorsichtig entfernt.
Wer besonders exact vorgehen will, kann auch bei diesem letzten
Act der Operation vor dem Katheterknopf spülen.
Ueber die Art der Spülflüssigkeit lässt sich a priori nur soviel aus-
sagen, dass die Benützung scharfer, ätzender Substanien das Gewebe der
Hamröhrenschleimbaut schwerer permeabel macht und deshalb einer
Auswaschung, wie wir sie vorhaben, nachtheilig ist. Uebermangansaures
Kali scheidet in einer gonorrhoischen Harnröhre grosse Massen von
Mang» noxy den ab, die sich in allen Lücken und Buchten, besonders in
den Vertiefungen und Poren der zwischen den oberflächlichen Epithelien
liegenden Intercellularsubstanz niederschlagen ; ausserdem machen diese
dunkelbraunen Beschläge das aus Metall gearbeitete Instrument
unansehnlich.
Eine schwache Borsäure-Lösung dürfte sich gut für unsere Zwecke
eignen. Es soll jedoch mit diesem Vorschlage hinsichtlich der Wahl des
Medicaments nichts prajudicirt sein. Jeder SpÜlflüssigkeit Blutwärme
zu geben, ist — wie es scheint — allgemeine und m. E. berechtigte
Gepflogenheit des Specialisten.
a
f
d
Flg« 1.
Znr Tripperbehandlnng.
363
a
\
s
Fig. S.
Flg. 4.
C h
Areb. f. Dermat. n. Sjpb. Bd. LZIII
6K^6
y
M
I
O.
u — I
Fig. <.
23
. über ein neues
nnd einfaches Verfahren der Tripperheilnng.
Yorl&nfige Mitteilung
Ton
Dr. Max Yon Nielsen, Wiesbaden.
(Hiezu eine Abbildung im Texte.)
Nea kann ich die unten zu beschreibende Methode der Gonorrhoe-
behftndlung nar insofern bezeichnen, als ich mir dieselbe aiugedmcht
habe und nicht weiß, ob dieselbe bereits existiert, geflbt wurde resp.
noch etwa geübt wird. Sehr bekannt und yerbreitet kann sie jedenfalls nicht
•ein, sonst hätte ich davon gehört. Dieselbe ist so einfach, wenig seit-
raubend und wirksam, daß es merkwürdig w&re, falls sie nicht in dieser
oder jener Modifikation schon Anwendung gefunden haben sollte.
Jeder Arzt hat gewiß die Undankbarkeit und Langwierigkeit der
Tripperbehandlung quoad restitutionem ad integrum genugsam empfunden,
unsere relative Machtlosigkeit wird auch, zumal bei verschleppten Fällen
durch nichts besser illustriert, als durch die Unzahl der neu empfohlenen
Mittel nnd Methoden der Tripperheilong. Liegt es nun auch zum Hanpt-
teil in der Natur des Leidens und seines Sitzes, wenn man eines Trippers
oft trotz peinlichster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit seitens des Arztes
und Patienten nicht Herr wird, so liegt andererseits die Hauptschuld
an dem immer noch der Lösung harrenden Problem der inneren Anti-
leptik, der Desinfektion des infizierten Gewebes, worum es
sich im Grunde genommen bei der Gonorrhoekurierung handelt Die
Gonokokken der GewebsinterBtitieUf resp. Zellbinnenr&ume sind den ab-
tötenden Mitteln nicht zugänglich, es sei denn, daß das Gewebe mit
ihnen zerstört wird und solches ist meist nicht in dem erforderlichen
Umfang und Maß angängig. Die Lokalisierung solcher scharfer Ätzmittel
verbietet sich übrigens für die Allgemeinheit der praktischen Ärzte wegen
Mangels an geeigneten Instrumenten und Routine von selbst, doch können
sie sich damit trösten, daß auch routinierte Spezialisten oft g^nug selbst
mit dem vollkommensten Instrumentarium nicht viel mehr erreichen,
als Nicht-Spezialisten, diese müßten denn auf dem Standpunkte mancher
Urologen stehen, daß nicht nachgewiesene Gonokokken bei vorhan-
denen Tripperfäden ein Kriterium der Tripperheilnng ausmachen.
Ober ein nen«a nnd einhobe* Verfahren der Tripperheil ang. 355
Weder die Janettehen DanerapüInDgen, noch die Dauer-
Kontakte mit Lösan^n von Silher- and anäeren Pr¶ten, noch sohliefl-
lich die der Anthrophore giht geoögeade oder anch nur ananahmiloa
befriedigende Reeoltate.
Gegenüber dieten and anderen nicht hier weiter aafznififalenden
Hißttftnden nad HSngeln kam ich vxl die Idee einer Eombinatioa
von einer mögliohat intenaiven onddanerndenAntiieptik-
Wirkaag mit einer Ernenerang nnd Beiorption de« be-
treffenden Antiaeptikn m B. Dm ch emiiche Agene dei baktericiden
Hittelt loUte durch die reeorptiveD, aaiimila tiven nnd bakterieiden Potenzen
von Zelle and Gewebe uuterstütEt werden. Eine Bakterien- Verdauung moBte
nro eo mehr der Zelltitigkeit erleichtert werden, wenn die betreffenden
Infektiona- Erreger sich in einem dnrcb das Antiaepticum qnaai inakti-
vierten Znatande befinden, wo sie nicht völlig abgetötet wnrden. Die
■0 geitellle Anfgabe habe ich in folgender Weite m lösen gesacht:
In die «n Tripper erkrankte Harnröhre, resp. dm Utera» wird noch
Crin- Entleerung ein mit Katheter -Hu he maikierter hygroskopischer Docht
eingefährt, der luvor mit der gew&blten antiteptischen Lösang getrfinkt
wurde. Domittelbar darauf wird die Katheter- Hälse, indem man mit
der einen Hand den vorne mit Endknopf vfrsebeneo, durch den Docht
hindurchgesogenen Drat proximal nach der jeweilig En behandelnden
Kfirperhöble zn sanft gegenhBlt, über den Docht EDrückgeiogen. Darauf
wird der hintrre, freie nnd womöglich aufgefranste Docht in ein Gef&S
Reogensglas) mit der gleichen antiseptischen Lotung eiugetaacht, der
Drat festgehalten nnd so der Docht mit dem Drat beliebig lange einmal
der Aufasognng frischer Löanng, andereraeitt drm Kontakt mit der in-
fiiierten Schleimhaut autgetetzt,*)
Et genügt bei dsm von mir vorwiggend vervendetan Protnrgol in
IV^ger LAsnng dnrohsflhnittlioh V« Stunde bis SO Hianten. Tor AbUnf
-dieser Zeit nnd bei mkinliohen Kranken, wihrend der Docht noch in
dem betreffenden Teil der Harnröhre liegt, wird nm den Penis ein
*) Die Schleimhaat imbibiert sich apoDtan, was anscheinend unter
der DraekwirkQQg der Injektionen nicht, oder nicht so intenaiv geschiebt.
356 NioBsen.
Earbolprießnits-Umsohlag^) gelegt, der 2 — S Standen liegen bleibt. Der
Docht wird nun dnroh yorsichtig drehendes Ziehen heransgebracht nnd
der Patient mit der Weisung entlassen, in der nächsten Stunde nicht
SU minieren. Weiblichen Patienten empfiehlt man einige Standen Bett-
rahe, l&ßt, wo es erforderlich, eine Auswischung, resp. Aosspülong des
Cerrix oder Uteras voraafgehen und kann den Prießnits- Umschlag, sa
dem man 3 — 57oige Earbol-Lösang verwenden kann, auf den Unterleib
anlegen, während derselbe bei Behandlang der Pars posterior and pro-
statica bei Männern mittelst f" Binde am Damm angebracht wird.
Es genügt oft eine einmalige Anwendung dieses Verfahrens, sobald
die Ausfahrung eine entsprechende war. Der Erfolg ist ein recht be-
friedigender, in manchen Fällen sogar derart überraschender, daß ich
nicht zögern möchte, diese relativ einfache and leicht aasführbare Methode
schon jetzt den Herren Eollegen zar Nachprüfung, zumal an einem
größeren Material von Gonorrhoe, als es mir z. Zt. zur Verftigung steht, zu
empfehlen. Dieselbe ist sicher noch modifizierbar, resp. vervoUkommnangs-
f&hig, leistet aber auch so bereits, wie mir scheint mehr, als viele anderen
and kann in allen Stadien der Gonorrhoe Anwendung finden. Eine Re-
sorption von Gonokokken in die Blutbahn, soweit eine solche von lebenden
Eeimen erfolgt, ist kaum mehr zu befürchten, eher sogar weniger, als
sie überhaupt bei Gonorrhoe einzutreten pflegt, doch hierüber und über
manches andere Einschlägige soll später eingehend berichtet werden.")
Das einfache Instrument, nach meinen Angaben gefertigt, kann von
Instrumentenmacher Eschbaum in Bonn bezogen werden.
*) Ich lege diesen derart an, daß eine 2 em breite and mit 3*/»
Karbol- Wasser imprägnierte Mullbinde um den Penis von der Glans an
bis zur Wurzel in Touren mäßig festgewickelt, mit gleich breiten Streifen
Guttaperchapapier bedeckt und wiederum von einer trockenen Binde
umwickelt wird.
') Über eine weitere Methode der Behandluni^ der infektiösen
Prostata-Erkrankungen mittelst Einspritzungen von Earbol-Cooain-
Lösungen in ihr Gewebe vom Rektum aus kann ich zur Zeit noch nicht
berichten, da das Instrumentarium und die Versuche noch nicht spruch-
reif sind. Die Prostatainfektion wird übrigens auch durch die oben be-
schriebene Applikation indirekt mit beeinflußt, da die Imbibition nicht
nur in die Zellinterstitien der Harnröhrenauskleidung, sondern bis in die
Drüsenkanäle vor sich zu gehen scheint.
Berieht ülier die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis,
l
Verhandlungen der Wiener dermatologischen
Gesellschaft.
Sitznng vom 19. Februar 1902.
Vorsitzender: Kaposi. Schriftführer: Ereibich.
Kaposi zeigt einen d8j&hrigen, durch Alkoholabusus stark herab-
gekommenen Mann, der an den Streckseiten der Extremitäten eine
papulöse, mit Erythemen gemengte Purpura zeigt. Neben elevierten,
lebnafi blauroten Knötchen, deren Farbe auf Druck fast gar nicht abblaßt,
sind einzelne rote, erbsengroße Erythemflecke ; dazwischen auch vielfach
in Rückbildung befindliche schuppende Knötchen und Flecken, sowie
ältere Pigmentierungen, die wohl darauf hinweisen, daß die Affektion
schon einige Wochen dauert. Es gibt eben auch Mischformen yon
hämorrhagischer Diathese mit Erythemen, bei denen z. B. an den unteren
Extremitäten eine Peliosis, an den oberen reine Erytheme auftreten.
N e u m a n n verweist auf die Ähnlichkeit dieser Formen mit
Psoriasis ; auch kommt es bei Purpura in der Begel nicht zur Schuppen-
bildung, außer bei der papalösen Form an den Unterschenkeln und am
Fnßrücken.
Kreibich. Für Erythem sprechen einzelne EfQoreszenzen im
Gesichte mit stärkerer Exsudation. Daß viele der £[nötchen ähnlich wie
bei Psoriasis schuppen, ist vielleicht auf äußere Reiz Wirkung durch Stroh
zurückzuführen, auf welchem der psychotische Patient immer schläft.
Weidenfeld. Der bereits früher einmal vorgestellte Patient mit
universellem Pemphigus foliaceus bietet ein sehr beachtens-
wertes Symptom dar, das sich erst in der letzten Woche so deutlich
ausgebildet hat. Während am ganzen Körper von der behaarten Kopf-
haut an bis zu den Fußsohlen bald nach den ersten Blaseneruptionen
vom 7. £[rankheitsmonate an fortwährend schuppenförmige Exfoliationen
der Epidermis einander folgen, zeigt die Haut jetzt daneben vielfach,
besonders an der Hinterseite des Halses, den Achselfalten und zwischen
den Finffem papilläre, feinwarzige Exkreszenzen von derber Beschaffen-
heit una hahnenkammartiger Anordnung längs der Hautfalten, ähnlich
der Acanthosis nigricans ; doch fehlt jede Pigmentation.
Ehrmann. Ich stelle einen Fall von vulgärer Akne vor, der
durch seine Lokalisa^ion und Ausdehnung sowohl diagnostisches als auch
pathologisches Interesse gewinnt. In der Gluteal^^end, an den Ober-
schenkeln, am Kreuzbein und mens veneris finden sich zahlreiche typische
360 Yerhandlunf^en
AknepuBteln, teils kleine rote Knötchen mit zentralem Eiterponkte, teilt
größere^ im Zentrum eitrig zerfallene Knoten. Der Aassohlaff war gleich
am Beginne der Behandlung dicht gedrängt pustolös und nahm erst nach
Anwendung von Schälpasten das Bild einer gewöhnlichen Akne an. Zur
Beantwortung der Frage, warum dieselbe fferade diese Region einnimmt,
können wir nur sagen, daß dieselbe durch Reibung der Haut beim Tragen
enger Beinkleider und die Übertragung des Infektionsstoffes hiebei ent-
standen sein dürfte. Man könnte auch an Teer^ oder Fettstoffakne
denken; dagegen spricht schon die Beschäftigung des Mannes, der
Schriftsetzer ist; auch mftßte dann die Erkrankung zuerst an den unbe-
deckten HautsteUen, an den Hftnden und im Gesichte aufgetreten sein.
Es ffibt auch Kollegen, welche die Sykosis der Akne zurechnen ; ich muß
micn gegen diese Auffassung richten, weil wir so viele Akneformen
haben, Mi denen die behaarte Kopfhaut frei bleibt, während bei der
Sykosis gerade behaarte Gebiete betroffen sind. Zur Therapie dieses Falles
möchte ich nur bemerken, daß derselbe lange nichts anderes als Burow
vertrug.
Neumann. Das ungewöhnliche dieser Akneform ist mit Recht
auffallend, zumal keine Kombination mit einer Akne im Gesichte oder
am Racken besteht. Man muß daher annehmen, daß dieselbe artefizieller
Natur ist. Gegen jene Akne, die durch fette öle entsteht, mit denen
manche Arbeitsräume geschwängert sind, spricht die Lokalisation.
Kreibich. Der Prozeß ist gewiß eine Akne und unterscheidet
sich von anderen kokkogenen Prozessen mit Pustelbildung wie der
Impetigo corporis schon durch das langsame Entstehen der Pustel und
ihr Hervorgehen aus Gomedonen.
Kreibich demonstriert ein 14 jähriges Mädchen, das vor 6 Tagen
unter hohem Fieber und heftigen Allgemeinerscheinungen erkrankte.
Vor 2 Tagen trat über Nacht unter starken und andauernden Kopf-
schmerzen am ganzen Körper ein Ausschlag auf, der seit der Aufnahme
ins Krankenhaus, heute Morgens, an Intensität noch zugenommen hat.
Am Stamm sowohl, vorwiegend am Bauche als an der Beuge- und
Innenfläche der Extremitäten finden sich zahlreiche, stellenweise dichter
ffehäufte linsen- bis fingemagelgroße, lebhaft rote Roseolen und Erythem-
knötchen. Die bekannten, glänzenden Knötchen des Diete Ischen
Exanthems sind nicht vorhanden. Da auch andere klinische Symptome
des Ileot^phus deutlich ausgeprägt sind, Milztumor, Ileocoecalgurren, der
dünnbreiige Stuhl, dikroter Puls, so stehe ich nicht an, die Aiektion als
Typhusexanthem aufzufassen.
Neu mann. Sicher handelt es sich um ein ESrythem; die Frage
ist nur, ob es ein multiformes oder nur das Symptom einer anderen
Infektionskrankheit ist. So universelle Roseolenerytheme kommen nur
bei sehr schwer, meist letal verlaufenden Fällen von Typhus, seltener
von Pneumonie vor.
Ehrmann demonstriert
1. eine 28 jährige Patientin wesentlich aus diagnostischem Interesse.
Vor 8 Tagen bot die Diagnose große Schwierigkeit; die Primäreffloressensen
waren kleine Knötchen mit dem deutlichen Charakter von Syphiliden,
die in der Mitte eine kleine Pustel oder Kruste trugen. Die größeren
aber waren scharf ovalär oder kreisförmig, sonst sehr weni^ ähnlich der
Primärefflorescenz, ohne deutliches Infiltrat, in der Peripherie mit einem
Bläschenwall, im Zentrum perffamentartig eingetrocknet. Für Impetigo
contagiosa, an die anfangs zu denken war, war das Infiltrat zu stark, tur
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 361
eine Rupia syphilitica za gering. Bei der weiteren Untersuchung fanden
sich nun breite Kondylome an den großen Labien, auch anamnestisch
wurde ein spezifisches Exanthem und eine zweimalige anti luetische
Behandlung zugegeben. Einzelne der kmstösen Stellen sind auch durch
Säuren hervorgerufenen Brandblasen nicht unähnlich.
2. eine Sycosis parasitaria bei einem 19)ährigen Manne, die
ich Yor der beabsichtigten Behandlung zeigen will. Ich werde bei ihm
eine kataphoretische Therapie mit Ichthyol oder Sublimat durch-
fuhren, unter Eataphorese versteht man den Vorgang, daß irgend eine
Lösung durch den elektrischen Strom in den Körper eingeführt wird,
u. zw. je nach der Beschaffenheit des Körpers an der Anode oder Kathode.
Nimmt man z. B. zwei Gefäße mit einer Losung von basischen Anilin*
farbstoffen, verbindet sie durch einen starken konstanten Strom, gibt in
jedes Gefäß eine Hand und läßt sie 10— 15' darin, so findet man dann
an der Anode die Mündung der Haarfollikel gefärbt, an der Kathode
nicht. Wir schließen daraus, daß eben bei der Katapborese der Strom
durch die Haarbälge hineingeht und dabei eben FlQssigkeitsteilchen vom
positiven zum negativen Pol fortgeführt werden. Zur therapeutischen
Verwendung wird m ein mit der Anode einer galvanischen Batterie ver-
bundenes Glasgefaß ein Wattebausch gegeben, der mit der entsprechenden
Ichthyol- oder Sublimatlösung getränkt ist. Dasselbe wird auf die erkrankte
Partie aufgelegt, die Kathode mit der Hand des Patienten leitend ver-
bunden und nun durch 10 — 15' ein Strom von 15 MA angewendet, täglich
einmal; in 8—14 Tagen ist dabei Aussicht auf Heilung, während bei der
Röntgentherapie der Haarausfall nach 4 Wochen erfolgt und dann erst
die eigentliche Therapie einsetzen muß.
Kaposi. Ich mache aufmerksam, daß diese Fälle von Sykosis
parasitaria oft nach Applikation heißer Umschläge sich zurückbilden.
U 1 1 m a n n. Ich habe mich seinerzeit mit der Katapborese
beschäftigt und darüber berichtet. Ich versuchte, Quecksilber durch die
Leichenhaut durchtreten zu lassen, indem ich dieselbe zwirchen einen
auf beiden Seiten offenen Zylinder wie ein Diaphragma spannte. Durch
die nachträgliche Färbung mittelst Schwefel suchte ich das Hg nachzu-
weisen, war aber von der geringen Wirkung überrascht. Es war dies
ein Mißverhältnis zu den guten Erfahrungen mit der kataphoretischen
Behandlung bei ulzerösen Syphiliden, so daß ich annehmen mußte, daß
hier die gute Wirkung durch die große Fläche der Einwirkung des Hg
in Stande kommt. Ich habe auch die Sycosis parasitaria behandelt, aber
ohne Erfolg u. zw. mit schwächeren Strömen, da 15 MA die Haut schon
stark reizen. Auch ist Entzündung hiebei in der Tiefe außerhalb der
Follikel, so daß man die Mittel nicht direkt am Ort der Infektion an-
wendet.
Freund möchte zu den Bemerkungen Ullmanns anfuhren, daß
die Tiefenwirkung bei der Katapborese nicht so gering sei. Bei viel-
fachen Versuchen über Katapborese habe ich die von Raymond und
Lewandowski angegebenen Beobachtungen bestätigt gefunden, daß
Chloroform und Morphium rasch in so hohem Grade dem Körper ein-
verleibt werden, daß viel rascher als durch subkutane Injektion Anästhesie
erzielt wird.
Ehrmann f> noch hinzu, daß in dem vorgestellten Falle Pilze
nachgewiesen wurden, ullmanns Versuche sind nicht beweisend, da
862 Verhandlangen
sie an Leicbenhaut, u. zw. an eingeklemmter, gemacht worden, was fUr
das Resultat nicht gleichgoltig ist. Was den Einwarf von dem weithin
im Gewebe liegenden Infiltrate anlangt, so will man ja bloß auf die im
Follikel nud in den Haarscheiden befindlichen Pilzp, nicht aber aaf das
Infiltrat einwirken, in dem sich keine Pilze finden.
Kreibich demonstriert einen Patienten mit einer eigentümlichen
Alopecie, die seit fast 8 Monaten besteht und ringförmig um die größte
Circumferenz des Kopfes zieht. Daneben finden sich zerstreut am
Capillitium kleinfleckige alopecische Stellen, in der rechten Augenbraue eine
alte Alopecie, schon in Reparation, indem diesor Herd bereits mit feinen
kleinen Härchen besetzt ist. Für die anfängliche Vermutung, ob hier
Lues die Ursache sei, liegt kein Anhaltspunkt vor.
Neu manu disseminierter Haaraasfall bei Lnes kommt nnr bei
anämischen, besonders beim weiblichen Geschlechte Tor, hier häufig mit
Ausscheidung fettiger Massen. Meist ist sonst diese Alopecie durch
anatomische, bisweilen auch durch äußerlich klinisoh bemerkbare Ver-
änderungen bedingt und tritt in squamösen oder papulösen Herden in
Form von Flecken, Scheiben oder Kreisen auf. Diese unregelmäßigen
Formen aber wie hier, sind gewiß nur Erscheinungen der Alopecia areata.
Nobl demonstriert: eine eigenartige, krankhafte Veränderung der
Kopfhaut bei einer 26jährigen Frau, welche sich nicht kurzweg in die
eine oder andere Kategorie der typischen Läsionen des Capillitiums ein-
reihen läßt. Als das augenfälligste Symptom macht sich eine ziemlich
ausgebreitete Alopecie bemerkbar, die vorzüglich in der Scheitelregion
lokalisiert erscheint, von diesem Gebiete aber auch teils dem Hinter-
haupte zu, teils gegen die Schläfenregion unregelmäßige, herdförmige
Fortsetzungen entsendet. Bei näherer Betrachtung sieht man, daß die
kahlen Stellen aus fingernagel- bis talergroßen Plaques ihren Ausgang
genommen haben, welch letztere unregelmäßige, zackige Formen aui-
weisen, indem der HaarHchwund nicht etwa wie bei der Alopecia areata
durch schnrfe konvexe Bogenlinien begrenzt erscheint, sondern an den
unregelmäßigen Säumen festhaftende Haarbüschel zungen förmig in die
dekalvierten Partien hineinragen. Überdies sind noch in den kahlen
Bezirken überall zerstreut stehende und auch pinselförmig gruppierte, in
leicht eingezogenen Follikeln festgehaltene Haare von normaler Beschaffen-
heit stehen geblieben.
Die kahlen Stellen selbst bieten allenthalben ein leicht deprimiertes,
sehnig-weiß glänzendes Aussehen dar, fühlen sich überaus glatt an, und
haben die follikuläre Struktur eingebüßt. Der Prozeß hat vor drei Jahren
im Anschlüsse an einen Typhus seinen Anfang genommen, um seither
einen stetig fortschreitenden Charakter zu bewahren. Da nie irgrend-
welche Anzeichen einer circnmscnpten oder diffusen Follikularentzündong
zu verzeichnen waren, so kann die Lasionsart nur als eine idiopathische,
zur Atrophie der befallenen Hautbezirke führende Alo-
pecie au Ige faßt werden, welche immerhin in einem schleichenden,
äußerst chronischen, in der Papillarschicht sich abspielenden Entzündungs-
vorgange ihr veranlassendes Moment haben dürfte.
Neumann demonstriert:
1. einen Fall von hereditärer Lues bei einem 3 jährigen Kinde
in Form eines talergroßen Hautgnmmas mit mißfärbig granulierender
Basis und wallartig verdickten, z. T. unterminierten Rändern an der
Außenseite der linken Tibia. Außerdem zeigen Femur und Tibia in den
Kniegelenksenden eine Verdickung des Knochens auf das zweifache. Die
der Wiener dermatologischen Gesellschafi. 363
Matter des Kindes erscheint gesund, hat 16 mal geboren, wovon die
letzten 6 Geburten vor Geburt des erkrankten Mädchens Abortus waren.
2. eine bereits vorgestellte Kranke mit universellem Liehen
scrophuloBorum. Dieselbe wurde durch Wochen mit Ol. jecoris aselli
eingerieben und in wollene Kotzen gehüllt. Seit zwei Wochen wird der
Lebertran außerdem noch mit Flanell bedeckt und niedergebunden.
Schon früher zeigte sich eine safrangelbe Verfärbung der Haut und
Abflachnng der K^uötcben. Nach dem Niederbinden schilfert die Haut
großlamellös ab und die Knötchen exfoliiercn sich gleichfalls.
3. eine 82jährige Tap^löhnerin mit Gummata cutanea. An der
ganzen Circumferenz der linken Tibia im unteren Drittel, welches diffus
narbige, braun pigmentierte Haut zeigt, finden sich zahlreiche höhnen -
bis talerffroße, kreisrunde oder nierenförmige Geschwüre mit zerklüfteter
Basis, welche von nekrotischen Gewebsfetzen und speckigem Belag bedeckt
erscheinen. Einzelne derselben zeigen am konkaven Rand wallartig abge-
grenzte, in ÜberhAutung begriffene Ränder.
Matzenauer zei^t eine Patientin, die diagnostisch einige Schwierig-
keit bereitet. An der inneren Schenkel- uod unteren Bauchfläche finden
sich Flecken von weißglänzender Farbe, scharf in wellenartiger Bogen-
form begrenzt. Die Haut am Rande der wie Marmor glänzenden Stellen
ist leicht rötlich verfärbt, nirgends findet sich Schuppung oder Fältelunof.
Am Mons veneris ist ein leicht gelblicher, nicht derber Fleck. Die
Aflektion besteht angeblich seit Kindheit. In Betracht kommen Vitiligo,
Pityriasis versicolor und Sklerodermie. Der Glanz und das Fehlen einer
stärkeren Pigmentierung in der Umgebung sprechen gegen Vitiligo, die
mangelnde Schuppen bildung gegen eine Pityriasis versicolor. Die fehlende
Härte schließt Sklerodermie nicht aus, u. zw. handelt es sich hier um
eine spontan ablaufende Sklerodermie.
Neumann. Bei der Sklerodermie handelt es sich entweder um
das elevierte oder atrophische Stadium. Bevor die Haut aus dem ersten
in Atrophie übergeht, dauert es immer 2 — 3 Jahre. Daß die Haut aber
atrophisch ist, dabei immer weich und elastisch bleibt, trotzdem die
Affektion seit Kindheit besteht, habe ich bei Sklerodermie nie gesehen.
£hrmann erinnert an einen vor 3 Jahren von ihm vorgestellten
Fall, der ähnliche Herde, aber über den ganzen Körper verbreitet hatte.
Ich halte auch das vorliegende für eine circumscripte Sklerodermie,
allerdings eine oberflächliche Form. Über ähnliche Formen mit ober-
flächlichen Veränderungen liegt auch eine neue, anatomisch- histologische
Publikation ans der Klinik Jadassohns vor. Dieselben sind aber nicht
zu verwechseln mit den diffusen Formen von Sklerodermie, die zwar
auch oft oberflächlich verläuft, sehr oft auch tiefer in die Subcutis, ja
intramuskulär reicht.
Kreibich verweist auf die Frau, die er in der ersten Sitzung
vorstellte. Auch bei dieser waren die zurückbleibenden Herde fast ganz
glatt, wenig atrophisch, die Diagnose war damals besonders aus dem
eigenartigen Glänze zu machen.
Kaposi demonstriert einen Pemphigusvulgaris. Im Bereiche
des Gesichtes, der Kopfhaut, dann aber auch am ganzen Stamme sind
sehr dicht stehende linsen- bis hellergroße Krusten, nach deren Ablösen
scharf begrenzte, z. T. schon mit dünnem Epithel bedeckte rote Stellen
864 Verhandlungen
Eurückbleiben. Doch läßt sich die Epidermis am Rande noch weiter
leicht ablösen. Am Bauche und auch sonst zerstreut tindet man zahl-
reiche, braune runde Pigmentationen. Ein leichtes Jucken begleitet die
Affektion, die man leicht als Pemphigus diagnostizieren kann.
Neumanu stellt weiter vor:
1. einen 27iähriffen Mann mit Impetigo syphilitica, bei
welchem sich in aer Nasolabialfurche links, sowie links vor dem Ohr
mehrere, erbsengroße, mit impetiginösen Borken bedeckte Eflfloreszenzen
finden. Ober dem Schläfen- und Hinterhauptbein links finden sich unter rnpia-
ähnlichen Borken flache, scharf abgegrenzte, düster rostbraun gefärbte
Geschwüre. An der rückwärtigen Pharynx wand ein fingerbreites, bis an
die Choanen hinaufreichendes, speckig belegtes Geschwür.
2. einen Patienten mit Liehen syphiliticus und Schwellung
der Submaxillardrüsen insbesondere rechts. Eine derselben ist bis
zu Taubencigröße intumesziert und zeigte deutliche Fluktuation. Vor
8 Ta^en wurden 4 Pravazspritzen voll mißfarbigen dicken Eiters aui
derselben aspiriert und hierauf eine Spritze Jodoform-Emulsion injiziert
In der letzten Zeit wnrden noch weitere 8 em' Emulsion injiziert. Es
zeigt sich seither Verkleinerung der Drüsenschwellung.
S. einen Kranken mit Lupus vulgaris der Nase;
4. einen Kranken mit Lupus erythematosus des Gesichts und
behaarten Kopfes, welche beide bereits vorgestellt waren. Dieselben
wurden durch längere Zeit mit Seifen^eistabreibung. grauem Pflaster,
Lapisätznng behandelt, wodurch nur eine unvollständige Involution der
Hautaffektion herbei^eföhrt wurde. Seit 2 Wochen stehen dieselben bei
Dr. Freund in radiotherapeutischer Behandlung.
Weidenfeld. Der Fall, den ich vorstelle, ist ein Unikum. Es
handelt sich um eine Psoriasis universalis, die sich am Stamme
sowohl als an den Streckseiten der Extremitäten dicht aasgebreitet flndet.
Patient leidet nun am linken Bein an den Folgen einer alten, im Kindet-
alter durchgemachten Poliomyelitis anterior. Während nun das rechte
Bein, besonders dessen Unterschenkel, stark mit Psoriasis besetzt ist, ist
das gelähmte Bein im obersten Anteile wenig betroffen, vom Knie nach
abwärts vollkommen frei. Nach genaueren Untersuchungen fehlen die
Psoriasiseffloreszenzen gerade über jenen Stellen, die den gelähmten
Muskeln entsprechen. Fälle dieser Art lassen immerhin auf einen Zu-
sammenhaug von gewissen Dermatosen mit dem Nervensystem denken.
Matzenaner weist darauf hin, daß ähnliche Fälle von Köbner
gleichfalls bei Psoriasis, von Kusnitzki bei Liehen ruber planus
beschrieben und seither auch von vielen anderen beobachtet sind; darauf
basieren viele Autoren die Erklärung dieser Dermatosen auf neuropathischer
Grundlage.
Ehr mann weist gerade darauf hin, daß man deshalb keineswegs
zu einer neuropathischen Ätiologie Zuflucht nehmen muß. Die gelähmten
Teile bleiben deshalb frei, weil sie weniger beschäftigt, schlechter mit
Blut versorgt werden. Andererseits sieht man bei Arbeitern die Psoriasis
gerade an solchen Stellen lokalisiert, welche starken Reizen durch die
Arbeit oder Kleidung ausgesetzt sind.
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 365
Sitzung vom 5. März 1902.
Vorsitzender: Neumann. Schriftführer: Ereihich.
Ehrmann demonstriert :
1. einen Mann, der in der Gegend der Jochbeine, Schläfe und Stirne
graubraune Flecken zeigt, die von ferne wie Pigmentnävi oder Pigmen-
tierungen imponieren, wie sie bei Frauen in der Gravidität vorkommen.
Man könnte auch an einen beginnenden Morbus Addisonii denken, um-
somehr als der Pat. Magenschmerzen hat und sehr schwach ist. Dagegen
spricht der vollständige Mangel der Pigmentation an der Schleimhaut.
Bei näherem Zusehen sieht man aber, daß die Oberfläche der scheinbar
pigmentierten Stellen atrophisch und wie gebtichelt ist; ich halte die
Affektion auch für nichts anderes als eine abweichende Form von Lu-
pus erythematodes, die ich mit spiritns saponatus behandeln und
dann wieder vorstellen werde. Die Krankheitsdauer beträgt 3 Monate.
2. eine Lues serpiffinosa die am Stamme und besonders
schön über dem linken Trochanter in Form von über handtellergroßen,
konzentrischen Kreisen lokalisiert ist. Die Kreisringe setzen sich
deutlich aus einzelnen, matt braunen Papeln zusammen.
Nobl demonstriert aus der Abteilung Grünfeld einen 36iährigen
Mann, bei welchem eine universelle schwere Eruption, in diag*
nostischer Hinsicht, zwiscbeu der Annahme einer artefizieilen ex-
foliativen Dermatitis und eines akuten Ausbruches von diffuser
Psori asis, schwanken läßt. Den Schultergürtel und einzelne Regionen
des Gesichtes ausgenommen, sieht man die Haut im Bereiche des
Stammes und der Extremitäten gleichmäßig saturiert rot gefärbt, öde-
matös geschwollen, in den meisten Gebieten derb infiltriert, schwer
faltbar und mit leicht abfallenden fettigen und auch serös durchtränkten
Schuppen bedeckt. Außerdem zeigt sich regionär, so namentlich an den
Wangen, Kinn, den Gelenksbeugeu und Beugefläcben der Arme eine feine
kleienformige Abschilferung. Als Zeichen der intensiven serösen Aus-
sohwitznng sind massige, in Form derber Schollen über beiden Ellbogen
aufgehäufte honiggelbe, griesartig abbröckelnde Exsudatmassen zu
deuten, bei deren Abhebung das bloßgelegte, nässende, von Rhagaden
durchfurchte Corium zu Tage tritt.
Die Leistendrüsen sind beiderseits zu mächtigen, auch dem Auge
zugänglichen Knoten intumeszicrt . An der Kopfhaut sind singulare« ex-
koriierte und auch mit Schuppen bedeckte Stellen zu tasten. Die Hand-
teller, Nägel, wie auch Fußsohlen zeigen ein normales Verhalten. Die
subjektiven Beschwerden sind erheblich, der in seiner Ernährung stark
herabgekommene Kranke klagt über Schlaflosigkeit, Mangel an Appetit
und unerträgliche Spannung, als wäre die Hautdecke für die Uber-
kleidung seines Leibes zu knapp geworden, auch sind wiederholte Fieber-
attacken zu verzeichnen.
Einen Hinweis für den Ausgangspunkt der schweren Entzündung
bietet noch am ehesten der am wenigsten befallene Schultergurtel, wo-
selbst noch einzelnstehende finffernagelgroße und auch gruppierte, kreis-
förmig und circinär figurierte, braunrote von lederartig eingetrockneten,
festhaftenden Hornlamellen bedeckte, leicht eingesunkene, vielfach auch
dunkelpigmentierte Effioreszenzen die ursprüngliche, exanthcmatische
Läsionsart andeuten.
366 Verhandlungen
Anamnestisch ist za emieren, daß der früher stets gesnnde Patient
vor 8 Wochen, einen aus roten, leicht abschilfernden, vorzüglich am
ßtamm lokalisierten Flecken bestehenden Ausschlag bekam und gegen
denselben auf ärztliches Anraten Schmierseifeneinreibnngen an-
wendete. Bereits nach zweimaliger Applikation der Seife soll sich die
Entzündung entwickelt haben. Eine neuerliche VerBohlimmerang «oll
der Zustand vor zwei Wochen dadurch erfahren haben, daß der kranke
— in der Absicht eine Beschleunigung des Heil ungs Vorganges herbei-
zufahren, — den ganzen Körper kräftig mit Petroleum 1 abrieb.
Ehrmann: Es ist kein Zweifel, daß eine universelle Dermatitis
vorhanden ist : aber auf dem Boden einer durch gewaltsame Behandlung
und darauf folgende Reizung diffus gewordenen Psoriasis.
Neumann betont, daß bei solchen Dermatitiden oft anfaugw
nicht sicher zu entscheiden ist, was eigentlich vorausgegangen ist. Hier
sieht man aber doch eine Reihe frischer EfBoreszenzen, die für Psoriasis
sprechen.
Mracek verweist zunächst auf einen ähnlichen Fall seiner Beob-
achtung; es war ein Matrose, der von Brindisi zu Fuß nach Wien ge-
kommen war, ganz herabgekommen und mit hohem Fieber. Früher
war er einmal wegen Psoriasis behandelt worden. Damals aber sah er
ganz gleich diesem Pat. mit ödematöser Schwellung und Rötung der
ganzen Haut. Doch waren auch die PsoriasisefBoreszenzen zu sehen, mit
lose anhaftenden Schuppen bedeckt. Bei weiterer Beobachtung ergab
sich, daß es sich doch nur um ein heftiges, toxisches Erythem handelte,
dessen Interkurrenz auch die Psoriasis wesentlich beeinflußte. Ein
anderer Mann, der jetzt auf meiner Abteilung liegt, wurde voriges Jakr
hier mit Erythrodermie vorgestellt, zeigt aber derzeit ein sehr ähnliches
Bild. Ich betrachte dieses als passageres Stadium, das sich im weiteren
Verlaufe oft verschieden gestaltet.
Matzenauer: Zum Beweise, daß es sich im Falle Noble nur
um Psoriasis handelt, verweise ich auf einige scharf begrenzte Plaques
mit wenig gereizter Umgebung an der Kopfhaut, die mit mörtelartigen
Schuppen bedeckt sind.
Neumann: Von vielen Seiten wird betont, daß die Psoriasis
immer gutartig sei, wenn sie auch wiederholt rezidiviert. Es gibt nun
Fälle, in denen sie nicht zu dicken Schuppenbildungen, sondern zu atro-
phischen Verdünnungen der Haut führt, die an den Beugeseiten mit
Rhagaden verbunden sind. Wenn man in solchen Fällen den Rand be-
obachtet und derselbe livid rot, cyanotisch erscheint, so sind dies ge-
wöhnlich schwere, oft letal verlaufende Fälle.
Ehrmann: Zur Farbe der Psoriasisschuppen möchte ich bemer-
ken, daß dieselben, bekanntlich durch die eindringenden Luftblasen ge-
wöhnlich weiß gefärbt sind, aber mehr gelblich werden, wenn sie mit
nässenden Reizzuständen verbunden sind und feucht werden.
ISeiimanii stellt vor:
1. einen Mann mit Sklerose an der Unterlippe und beider-
seits vom Frenulum im Sulcus coronarius; Exanthema macnlosnm.
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 367
An der Unterlippe median ein kreuzergroBes Geschwür mit fest-
haltender Borke, Eienuich derb. Snbmentaldrüsen und rechte Subma-
xillardrflse bis zu Bohnengröße getchi^ellt. Im Salcus coronarins beider-
seits vom Frennlnm ein oerbes Infiltrat, darüber die Haut braanrot und
teilweise erodiert, ohne Belag. Am Stamm und den Bengeseiten der
Extremitäten linsengroße blaßlivide Flecke. Inguinaldrüsen linkerseits
multipel bohneogroß geschwellt, rechts eine bohnengroße Drüse.
In der Zeit von 1880 bis 1901 waren an meiner Klinik 4684 mit
syphilitischem Primäraffekte behaftete Kranke in Behandlung und zwar
2829 Männer (M) und 1812 Weiber (W), darunter waren perigenitale
Sklerosen 157 (74 M + 83 W), extragenitale Sklerosen 207 (100 M +
107 W), d. i. 4*477o der Gesamtzahl. Der Lokalisation nach betrafen:
Oberlippe 41 (15 M + 26 W), Unterlippe 66 (31 M + 34 W),
Mundwinkel 8 (6 M -f 2 W), Wange 4 (3 M + 1 W), Kinn 12 (9 M
+ 3 W), Zunge 2 (2 W), Tonsillen 20 (8 M + 12 W), hintere Rachen-
wand 1 (1 M), Nasenflügel 2 (1 M + 1 W), Augenlid 4 (2 M + 2 W),
Stime 8 (3 M), Zabnfleisch 6 (2 M + ^ W), Finger und Hand 27 (17 M
-f 10 W), Vorderarm 1 (1 M), Brustdrüse 9 (9 W), Nabel l (1 W),
Oberschenkel 1 (1 M).
Das Alter anlangend, waren dieselben von einem fünfmonatlichen
Kind (Sklerose am Nabel) bis zu 59 Jahren, (Mann mit Unterlippensklerose)
vertreten. Wir können jedoch nicht unbemerkt lassen, daß in der Lite-
ratur viel höhere Grenzen vorkommen, selbst bis zum 78. Jahre. Dem
Berufe nach waren von 100 Männern mit extragenitaler Sklerose
13 Hausknechte, 6 Agenten, 6 Schuster, 5 Schneider, 6 Beamte, 5 Schau-
spieler, 11 Kutscher, 8 Schlosser, 6 Kellner, 5 Reisende, 2 Handlungs-
gehilfen, 11 Arbeiter, 5 ohne Beruf. Yon 107 Frauen waren 8 Prosti-
tuierte, 47 Mägde, 7 Ammen, 7 Hebammen, 21 Stubenmädchen, 7 Kö-
chinnen, 10 verheiratet ohne bestimmte Beschäftigung.
Mracek: Wichtig ist bei Betrachtung solcher Fälle die Frage,
wie sich contemporäre Sklerosen bezüglich der Involution verhalten.
Wenn jemand eine Sklerose hat und dieselbe auf eine andere Stelle
überimpft wird, so entsteht an der Impfstelle zuerst nur eine Rötung.
In dem Maße als der Gesamtprozeß weiterschreitet, sieht man dann auch
an dieser Stelle papulöse EfHoreszenzen entstehen. Wenn aber jemand
eine oberflächlich ezulcerierte Sklerose hat, entsteht oft durch Kon-
takt an eine gegenüberliegende Stelle ein Geschwür, das später hart und
derb wird, wobei sich dann schwer entscheiden läßt, welches von den
Ulzera früher, welches später entstanden ist. Auch eine differente Be-
schaffenheit kann bezüglich des Alters der Sklerose nur schwer berück-
sieht igt werden, da das verschiedene Aussehen von Sklerosen an ungleichen
Stellen der Haut durch das verschiedene Grundgewebe bedingt sein
kann.
2. Eine 24jährige Kranke mit sieben Sklerosen am äußeren
Genitale. Die Labien kautschnkartig verdickt, ödematös, an der Innen-
seite sämtlicher Labien, nahe der kommissura posterior, ein oder mehrere
hellergroße scharf begrenzte Substanzverluste mit glatter, braunrot
glänzender Basis und speckigem Belag. Noch kein ExanUiem.
An der Haut des Stammes, insbesondere am Rücken, zeigt die
Kranke ausgebreitete Mollusca fibrös a, und zwar überwiegen die
flachen, erbsen- bis kronengroßen, dunkelsepiabraunen Pigmentmäler über
die an Zahl spärlichen, bonnengroßen, weichen Fibrom- Geschwülstchen.
Leichte Kyphoskoliose.
368 Verhandlnngen
8. Ein TJfthrigeB Mädchen mit Lapns serpiginosuB hyper-
trophicns des linken Beines.
An der vorderen und rückwärtigen Fläche des linken Ober- und
Unterschenkels inmitten leicht ödematösor Haut heller-, krönen- and
übertalergroße Gruppen hellroter, teils knötchenförmiger, teils pustulöser
EfBoreszenzen. Zwischen diesen Gruppen ist die Haut meist narbig ver-
ändert und zwar ist das Narbengewebe glatt, weich diffus ausgebreitet
und ohne Stränge. Manche Gruppen der EfHoreszenzen bilden keinen ge-
schlossenen Kreis sondern Nierenform. In den Hilns zieht dann das
obiffe Narbengewebe hinein. An einzelnen Stellen sind in der Nähe der
größeren Effloreszenzen kleinere, etwas braunrot gefärbte Knötchen ein-
ffCBprengt. Der Rand der zerfallenen Pusteln ist niedrig, der vorliegende
Substanzverlnst seicht. Differentialdiagnostisoh wichtig gegenüber Sy-
philis ist die Beschaffenheit der Narben, die Farbe der meisten Efflo-
reszenzen, das Fehlen eines ele vierten Randes und speckigen Belages der
Geschwürsflächen.
4. Einen 25jährigen Böhmen mit Impetigo syphilitica, Li-
ehen syphiliticus, krustösem Syphilid am Kopf, abgeblaßter Roseola,
Papulae ad genitale et ad anum et ad tonsillas (Polymorphes Sy-
philid).
Bemerkenswert ist die intensive und extensive Ausbildung der Im-
petigo syphilitica: der behaarte Kopf, die obere Brust- und Rackenhaut
m fast diffuser, Hals, Nacken, Gesicht, Bauch und Lenden in mehr spär-
licher Weise eingenommen von bohnen- bis über hellergroßen braunroten
Infiltraten, welche zentral ein serös-eitriges Bläschen oder häufiffer eine
bereits in Eintrocknung begriffene honiggelbe bis zentimeterhohe Borken-
auflafferung tragen und stellenweise Neigung zur Eonfluenz zeigen. Da-
zwischen eingestreut hirsekom- bis linsengroße, rostbraune, leicht
schuppende, scharf umschriebene Knötchen, sowie in Abblassong be-
griffene , helllivide, fingemagelgroße Flecke. Krankheitsdaaer 4 — 6
Monate.
Sitzung vom 16. April 1902.
Vorsitzender: Neu mann. Schriftführer: Kreibich.
Spiegier: loh erlaube mir zunächst einen Fall von Liehen
ruber planus vorzustellen, der sehr schöne Effloreszenzen auf der
Schleimhaut des Mundes, namentlich auf der Zunge aufweist. Letztere
Lokalisation ist zwar relativ nicht so selten, aber sehr interessant, weil
die Differentialdiagnose in solchen Fällen Schwierigkeiten macht, wo die
Affektion ausschließlich auf die Schleimhaut beschickt ist. Der Zustand
der Pat. hat sich durch die eingeleitete Arsentherapie mit asiatischen
Pillen wesentlich gebessert.
2. eine junge Frau mit Sklerodermie im Gesichte. Der
typischen Veränderung, die jetzt besteht, ging ein ödem voraus, das
sich ebenso wie dann die Verdickung später auf die oberen Extremitäten
ausbreitete Es ist zuerst von Berthola Beer darauf hingewiesen worden,
daß der Sklerodermie Ödeme vorausp^ehen. Diese sind in dem vorgestellten
Falle genau anamnestisch nachweisbar und in vielen Fällen so deutlieh
traumatischen Ursprunges, daß man sich eines ätiologischen Zusammen-
hanges der Erscheinungen nicht erwehren kann. So bei einer Sklerodermie
der Hände, wo das vorausgehende ödem genau dem Handschah, oder
der Wiener dermatolcgi^cfaen Gesellschaft. 369
beim Fat. von Beer, bei dem das Ödem genau dem Oiletrande
entsprach. Ein Fall, den ich vor einigen Wochen in der Gesellschaft
der Ärzte vorstellte, zeigte die Veränderungen genau vom Hemdkragen
an bis zum Hutrande, jenseits dieser Grenzen war die Haut frei. Ein
anderer Herr wieder hatte die Sklerodermie am Fuße genau soweit, als
der Jagdstiefel reichte. Ich will übrigens dieses ätiologische Moment
der traumatischen Reizung nicht für alle Fälle behaupten, da wir es
auch gewiß nicht immer nachweisen können.
3. eine Frau mit Sklerodermie an beiden Händen, der Bnut
und im Gesichte, bei der ich (u. zw. auf der Abt. Prof. Winternitz)
therapeutisch Dunstverbände versuchte. Nach 10 Tagen war insoferne
eine bedeutende Besserung erkenotlich, als die vorher zu keiner Arbeit
fähigen Hände wieder oeweglich wurden und die Hautpartien, die
frAher nicht schwitzten, wieder feucht waren. Was die Sohilddrasen-
therapie betrifft, so war dieselbe in einigen meiner Falle von eklatantem
Erfolge begleitet, während sie in einer anderen Reihe total im
Stiche ließ.
Ehrmann: Spiegier hat die Meinung ausgesprochen, daß das
Ödem der Ursprung der Sklerodermie ist, womit ich teilweise über-
einstimme. Aber woher entsteht das ödem? Äußere mechanische Insulte
wie Druck von Kleidern oder einem Hute macht nur wenig Ödem und
dieses geht gewöhnlich nicht in Sklerodermie über. Ich schließe mich
vielmehr jenen an, welche dieselbe für eine Toxidermie halten, man hat
allerdings nicht ein bestimmtes Gift dargestellt ebensowenig wie bei
anderen derartigen Erkrankungen, beim Erythem oder dem toxischen
Stadium der Syphilis. Warum ich sie für toxisch halte, ist gerade der
Umstand, daß ihr erstes Stadium nicht ein Ödem, sondern ein Erythem
ist, was auch bei Spieglers Patientin an der Wange deutlich zu sehen
war. Ich habe selbst zwei Fälle gesehen und hier vorgestellt, die
monatelang als Erytheme behandelt wurden, dann abei Sklerodermie
bekamen. In beiden Fällen wurden im Urin Indikan und Ätherschwefel-
säuren vermehrt gefunden.
Spiegier: Wenn ich an diese Bemerkungen anknüpfen darf, so
muß ich hervorheben, daß bei den toxischen Erythemen zwischen diesen
und den toxischen Noxen eine Beziehung nachweisbar ist ; bei infektiösen
Exanthemen sprechen klinische oder pathologische Symptome dafür. Bei
der Sklerodermie konnte ein solcher strikter Beweis der Intoxikation
bisher nicht erbracht werden; dagegen ist wenigstena in diesen Fällen
das vorausgehende Odem und dessen Veranlassung durch mechanischen
Druck anamnestisoh sicher erhebbar.
Neumann: Die Sklerodermie entwickelt sich im akuten Stadium
in 2 verschiedenen Formen. Entweder ist die Haut eleviert, ödematös^
oder sie erscheint in Form anämischer, streifenartiger Verdickungen.
Die ddematöse Schwellung kann sehr akut auftreten und wieder schwinden.
Oder es kommt zum Stadium der Atrophie. Diese klinischen Thatsachen
sind auch in therapeutischer Beziehung wichtig. Im ersten Stadium ist
die Haut noch einer Therapie zugänglich; auch die von Spiegier
demonstrierte Frau, deren Finger bereits stark verändert sind, kann wohl
noch gebessert worden. Wenn man an einem an Sklerodermie erkrankten
Arcb. f. Dermat. o. Sypb. Bd. LXIir. 24
370 Verhandlungen
Vorderarm z. B. durch elastische Rinden künstlich Odem erzeugt, so
nbt dasselbe im eleyierten Stadium in der Regel einen günstigen Einfluß
auf den Prozeß aus. Anders aber, wenn bereits Atrophie eingetreten ist
und die Haut trocken und straff, besonders am Handrücken den
Muskeln nnd Sehnen anliegt. Wenn man auch durch Bftder, Massage
und Wärmebehandlung vorübergehende Besserung erzielt, die Verschlech-
terung kehrt doch immer wieder. Was die Ätiologie anlangt, so ist
dieselbe sehr yersohieden und uns nicht vollkommen bekannt. So hatte
ich eine Kranke, der die Schilddrüse fehlte und die auch andere Ausfalls*
erscheinungen hatte.
4. einen 68 j. Mann mit idiopathischem multiplem Pigment-
sarkom, das genau das von Kaposi beschriebene Bild darbiete^ an den
Streckseiten der Hände und Füße, besonders an den Fingern teils im
Hautniveau liegende, teils elevierte schrotkom- bis erbsengroße rot-
braune, ziemlich derbe Knötchen, die stellenweise auch zu Gruppen und
unregelmäßigen Knollen angeordnet sind. An den Füßen bilden sie
mehr diffuse Infiltrate; vielfach erscheinen sie auch mit Hinterlassung
blaßbrauner Pigmentflecke involviert.
Schiff demonstriert einen Lupus exulceratus der Hand, bei
dem nicht nur die Haut, sondern auch Unterhautzellgewebe und Mus-
kulatur bis zum Periost konsumiert erscheint. Die Erkrankung besteht
seit 8 Jahren und soll nunmehr der Röntgenbehandlung zugeführt werden,
nach deren Beendiguugr der Fall wieder vorbestellt werden wird. Andere
Herde am Oberarme sind teils spontan geheilt, teils in Bukarest von
Petrini de Galatz lokal behaudelt und geheilt worden. Auch die
Mittelzehe des linken und 2 Zehen des rechten Fußes sind ergriffen.
Spiegier stellt noch einen Mann mit außerordentlich intensivem
und ausgebreitetem Vitiligo vor, dessen Verlauf sich derart gestaltet,
daß er im Sommer immer wiederkehrt, während der Pat. im Winter
frei ist. Zweifelsohne steht diese Erscheinung im Zusammenhang mit
der intensiveren Belichtung. Störungen im Magendarmkanal sind nicht
vorhanden.
Nobl demonstriert aus Grünfelds Abtlg. einen 25jährigen
Mann, dessen Körper in dichtester Vermengung von zwei Ezanthem-
arten übersäet wird. Den Stamm und die Extremitäten okkupiert ein
groß-maku loses Syphilid, welches als Ersteniption zu betrachten ist.
Die verschont gebliebenen Zwischenfelder werden von Kniehöhe an bis
in die Achselreffion, ferner im Gebiete der oberen Extremitäten von
gleichgroßen, taches bleues eingenommen. Der Schenkel-, Soham-
und Ach sei höhle nhaarboden sind dicht von Morpionen eingenommen.
2. einen Fall von ausgebreitetem gummösen Flächensyphilid bei
einem 54jährigen Manne, das in differentialdiaffnosti scher Hinsicht von
Interesse ist. An der rechten Brusthälfte ist die Haut in einem, zirka
2 dm breiten und über die Höhe dreier Interkostalräume sich er-
streckendem Areale durch ein flaches Infiltrat substituiert. Bogenförmig
konturierte, leicht elevierte und mit leicht ablösbaren Krusten bedeckte
Säume umgreifen den im Geutrum flach, narbig ausgeheilten Plaque,
der außerdem noch neben livid verfärbten, sich weich schwammig
anfühlenden, mit dem scharfen Löffel leicht aushebbaren Qranulationsherden,
eine Durchfurchung mit stranffiörroigen , sebnigweißen Bindegewebs-
trabekeln aufweist. Die livide Verfärbung nnd weiche Konsistenz des
seit 5 Jahren bestehenden ulzerösen Granuloms, verleihen demselben eine
große Ähnlichkeit mit einem diffus infiltrierten Lupus. Indes kann diese
Annahme unter Hinweis auf die glatte, knötchenfreie Beschaffenheit der
der Wiener dermatologischen Oeselhcbaft. 371
in Involution begriffenen InfiltratparzelleD, den exquisiten, serpiginösen
CbarsJcter omsc&iebener Herdbesirke nnd die eingangs aDgedeuteten
Zerfallsphftnomene mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Außerdem dient
zur Erhärtung des Befundes die anamnestisch eruierte Syphilisinfektion,
welche vor SO Jahren erfolgt war nnd einer antiluetischen Kur unter-
zogen wurde.
Kreibich. Durch die Untersuchungen der letzten Jahre ist das
Gebiet des Pemphigus bei kleinen Kindern sehr eingeschränkt worden.
So wissen wir durch die Untersuchungen von L u i t h 1 e n, daß der Pemphigus
neonatorum ein durch Staphylokokkeninfektion verursachter Blasenprozeß
ist; ähnlich lauten die Erfahrungen Leiners, der eine solche Blasen-
eruption auch nach Masern beobachtete. Einen in dieser Hinsicht inter-
essanten Befund bietet das vorgestellte, jährige Kind. Es zeigt vorne
an der Brust über dem Sternum einen flachhandgroßen, epidermislosen,
lebhaft roten Herd, der von einem zirka 3 — 4 mm breiten Epidermissaum
umrandet ist, dessen Entstehung aus einzelnen, über linsen^oßen Blasen
aus dem poly zyklischen Charakter deutlich ersichtlich ist. Die Oberfläche
des einem Verbrühungsherde sehr ähnlichen Fleckes ist leicht fibriuöseitrig
belegt und auch dieser dünne Belag formiert sich in zwei unvollkommenen,
flachen, konzentrischen Kreisringen. In der Umgebung des Hauptherdes
ebenso wie am Körper, und an den Armen zerstreut sind stecknadelkopf-
bis selbst hellergroße, anfangs wasserbelle Bläschen zu sehen, deren
bakteriologische Untersuchung in 3 Fällen Staphylokokken ergab. Die
Impfung hat kein sicheres Resultat ergeben; an der einen Stelle unter
Watte und Pflaster i^emacht, hat sie bloß zu Abhebung der Hornschichte,
aber zu keiner deutlichen Blase geführt; eine zweite Stelle wurde erst
heute geimpft. Ich glaube auch diesen Fall nur als Impetigo contagiosa
auffassen zu können und nicht als Pemphigus infantum.
Matzenaue r. Kreibich hat ausgeführt, daß die ätiologischen
Untersuchungen der letzten Zeit den Begriff des Pemphigus neonatorum
eingeengt haben, so daß man ihn von der Impetigo, aber auch von den
septischen Blasenexanthemen absondern kann. In letzterer Beziehung ist zu
bemerken, daß der Pemphigus neon. sich immer erst einige Tage nach der
Geburt entwickelt, da er durch Infektion von außen zu stände kommt und
die Staphylokokken immer einige Zeit zur Entwicklung brauchen, während
das septische Exanthem durch Infektion von innen auf dem Wege der
Blutbahn intrauterin erzeugt wird. Daß Kreibich den Staphylokokkus ge-
züchtet, entspricht den zuerst von A 1 m q u i s t betonten Erfahrungen ; nur
Sabouraud fand Streptokokken. Ich hatte dann durch die Güte einiger
Kollegen Gelegenheit, eine größere Reihe von Pemphigus neonatorum zu
untersuchen und die Überzeugung gewonnen, daß die Erkrankung und
Impetigo contagiosa identisch sind. Ich beobachtete eine gravide Fraa
mit Impetigo circinata, das Kind zeigte einige Tage nach der Geburt
das ausgeprägte Bild eines Pemphigus neonatorum. Die Impfung, die
ich von beiden Formen an mir selbst machte, ergab dieselben Kokken,
die in keiner Weise differenziert werden konnten. Und zahlreiche ähn-
liche oder bezüglich der Übertragung umgekehrte Beobachtungen finden
sich in der Literatur, ich erinnere nur an die von Konrad F a b e r,
Pontoppidan und die letzten Mitteilungen von L e i n e r und
Schwalbe.
24*
372 Verhandlangen
Ereibich verweMt aaf den io der Festeohrift för Kapoii mit-
geteilten Fall, wo ein Kind mit Pemphigus neon. starb nnd sowohl die
Pflegerin als eine ältere Schwester Impetigo bekamen, deren Impfang
ein positives Resultat und gleichfalls Staphylokokken ergab,
Nobl beobachtete vor 4 Wochen einen Wachmann mit Impetigo
contagiosa auf der Wange, auch ein Sjähr. Mädchen hatte diese Affektion«
während ein Smonatlicher Säugling einen ausgebreiteten Pemphigus seigte.
Luith 1 en. Für den Pemphigus der Neugeborenen ist die Staphylo-
kokkeninfektion ebenso sichergestellt wie für Impetigo ; die yerschiedenen
klinischen Formen sind nur durch die yerschiedene Hautbeschaffenheit
bei Kindern f besonders in den ersten Lebens wochen bedingt. Doch gibt
es auch sichere Fälle von angeborenem Pemphigus, dann, wenn die
Mutter an Sepsis erkrankt ist und die Infektion intrauterin erfolgt. Es
muß daher beim Pemphigus der Neugeborenen zwischen beiden Erkran-
kungsformen unterschieden werden. Die gewöhnliche halte ich far identisch
mit Impetigo, welches auch in Blasen und typischen Krusten die Über-
tragungsform auf ältere Kinder mit festerer Homschichte und Erwachsene
ist. Die septische Form dagegen ist keine so oberflächliche Affektion,
die Blasen werden bald sanguinolent, die Basis gesohwürig, die Subetaoa-
verluste oft tief.
Qrosz. Ich konnte im Wöchnerinnenheim Lucina mehrere Fälle
SU gleicher Zeit beobachten und alle auf eine Infektionsquelle zurück-
Ähren, eine Mutter, die mit Impetigo kam und deren Kind zuerst Pem-
phigus bekam. Auch sah ich einen Fall von angeborenem Pemphigus
bei ganz gesunder Mutter, obwohl ich da an einen ähnlichen Fall von
Peters erinnern kann, der im Blute und in der Milch einer gesunden
Mutter Staphylokokken aufwies.
Mracek. Ich halte den angeborenen Pemphigus einerseits und
den mit der Impetigo contagiosa der Erwachsenen identischen der ersten
Lebenstage andererseits für wesentlich different. Die intrauterine In-
fektion kann dabei bei jeder etwas gestörten Geburt erfolgen, ohne mani-
feste Sepsis der Mutter. Wegen der Übertragungsgefahr der zweiten
Form besteht in Deutschland far diese Fälle die Anzeigepflicht.
Neumann glaubt, daß ein großer Teil dieser Meinungsdifferenzen
darauf zuruckgefahrt werden muß, daß der Name Pemphigus oft falsch
gebraucht wird. Solche Übertragungen von Impetigo werden auch häufig
von Kindern auf die stillende Mutter und von dieser auf andere Kinder
beobachtet.
Weidenfeld stellt einen Fall von Pemphigus localis bei einer
58jähr. Frau vor. Dieselbe zeigt die unteren Vs d^* linken Unterschenkels
von scharfbegrenzten, kreisrunden, braunroten Scheiben eingenommen,
die als Piementierungen nach abgeheilten Blasen anzusehen sind. Da-
neben siiid aber auch ganz frische Blasen, mit klarem Inhalt und meist
wallnußgroß zu sehen. Vor drei Wochen, noch mehr beim ersten Er-
scheinen der Pat. in der Ambulanz vor zirka 8 Wochen fanden sich
zahlreiche Blasen von verschiedener Größe. Mau ist gedrängt, an eine
Nervenaffektion zu denken. Doch ergibt die neurologische Untersuchung
der Wiener dermatologisohen Oesellschaft. 378
außer einer leichten AbBchwftohang des Foßklonns keine NerrenstönuiR.
Es war aach naheliegend, an eine artefisielle Dermatitis tu denken, da
man an einseinen Blasen h&morrha^che Ränder sah. Doch waren diese
fein linienfSrmiff, aach die verscbiedene Größe der Blasen, sowie das
Intaktsein der £izwischen]iegenden Hant sprechen dagegen.
Mracek. loh bekam von der Klinik Neuss er einen Fall, wo am
Vorderarm in S Etappen Blaseueruptionen auftraten, jedesmal von Neu-
ralgien eingeleitet, und faßte denselben als Exanthema bullosum neuro-
patbicum auf. Bald darauf kam eine junge, chlorotisohe Frau, die eine
ähnliche Blasenbildung am Unterschenkel und Fußrücken, sugleioh auch
stark ataktische Bewegungen zeigte. Ich habe seither 5^6 fiboliche
Falle beobachtet und bin zu der Ansicht gekommen, daß es sich nicht
um Pemphigus, sondern um periphere Trophoneurosen handelt, wobei die
Noxe bestimmte Nervenzweige treffen.
Neumann. Bei der ersten größeren Leprauntersuchung wurden
▼on mir Yorwiegend die tuberösen Formen gefunden, erst bei einer
«weiten sah ich bei Lepra auch einige F&lle mit Blasenbildung zwischen
den Zehen und am Fußrücken, wobei gewiß periphere Neryenver&nde-
rungen vorliegen; es ist auch dieser Pemphigus leprosus ein Pemphigus
sui generis, welcher den Namen eigentlich nicht verdient.
Weiden fe Id. Ich stimme vollständig Mracek bei, Fälle mit
sicherer Nervenläsion vom Pemphigus auszuscheiden. Kann doch diese
Form, der Pemphigus neuroticus, auch universell werden, wie bei einer
Wärterin, die nach einer Stichverletzung eine aufsteigende und allgemeine
Neuritis und daran anschließend anfangs einen lokalen Pemphigus bekam,
der bald oniversell wurde. Den heutigen Fall habe ich gerade deshalb
als Pemphigus vorgestellt, weil eine Nervenstörung nicht nachweisbar ist
und der Blasenprozeß deutlich eine für die Affektion typische Chronizität
darbietet
Kreibieh demonstriert einen S2jähr. kräftigen Taglöhner mit einem
Liehen ruber acnminatus. Derselbe ist vorwi^end auf den Haad-
teUem und Fußsohlen lok^siert: dieselben sind stark schwielig verdickt
und von einer mächtigen, leicht braunroten, stark schuppenden Schwiele
bedeckt, die entsprechend den größeren und kleineren Hautfurohen in sahi-
reiche, unre^felmäßige Felder gegliedert ist, zwischen denen die Furchen viel-
fach eingerissen und mit blutigen Borken bedeckt sind. Interessant sind
außerdem vier zirka handtellergroße, schuppende Plaques am Gesäß und
an den Streckseiten beider Vorderarme, die sich aus einzelnen follikulären,
eine fest anhaftende Homschuppe tra^nden Knötchen zusammensetzen.
In der Umgebung deutlicher Liehen pilaris.
Weidenfeld stellt noch vor:
1. eine eigenartige Form von Erythems multiforme. Dasselbe
begann im Gesiebte und trat erst später symmetrisoh auf den Streck-
seiten der Hände und Füße auf. In ohroniseher Form schreitet es nun ^anz
eigentümlich während eines dreimonatlichen Bpitalaufeuthaltes weiter.
Die cuerst im Gesicht auftretenden, punktförmigen bis kleinliosenffroßen
Flecke bekamen im Zentrum kleine Bläschen, die rasch eintrockneten
und mit Hinterlassung leichter Pigmentierung abheilten. In Bogen-
und Kreislorm traten am Bande immer neue, z. T. lebhafte rote, leicht
euaddelartige Erythemflecke und Bläschen auf, die sich serpiginös am
Hdse, über beiden Schultern und der Brustwand in fast regelmäßig
374 Yerhandlungen
symmetrischer Form rechts und links ausbreiteten. Die Abhailune erfolgt
dabei immer in der gleichen, bereits erwähnten Weise. Doch tretoi
yielfaob in dem bereits geheilten, abgeblaßten oder leicht bräunlich pig-
mentierten Gebiete neue Erytheme auf. Der Allgemeinsustand ist dabei
gut, die Verdauungsorgane nicht gestört.
2. einen Fall, der nur schwer unter ein bestimmtes Erankheitsbild
zu gruppieren ist. Der 28jähr. Arbeiter kam mit einem exulcerierten
und auf die konjunctiva übergreifenden Lupus vulgaris beider Augen-
lider und des Nasenrückens auf die Klinik. Unter unseren Augen traten
zuerst am Rücken kleine punktförmige, follikuläre, aber oberflächlich
rasch voreiternde Knötchen auf, die von einem leicht lividrötlichen,
schmalen Hof umgeben waren. Während dieselben rasch vortrockneten
und dünne Erdstchen bildeten, traten in der Umgebung, strich- oder
kreisförmig neue, gleiche Knötchen auf, die bald konfluierten and heller-
bis guldengroße, kreisrunde oder länglichovale Herde bildeten, die im
Zentrum mit Zurückbleiben eines leicht gegen den Rand eingesunkenen,
bläulichbraunen Infiltrates abheilen, am Mnde sich vielfach noch ver-
ffrößero. Ich glaube, es handelt sicn hier um einen Liehen scrophu-
fosorum mit stärkerer Exsudation, wie Kaposi einmal einen von
Hochsinger vorgestellten Fall auffaßte.
Neumann hält die Diagonose Liehen nicht für zulässig, da zu
dessen Begriff die Konstanz der follikulären Knötchen gehört. Es handelt
sich vielmehr um gruppierte pustulöse Effloreszenzen, die unter Bildong
immer frischer Pusteln an der Peripherie, im Zentrum zu Borken ein-
trocknen, dabei an vielen Stellen in der Mitte auch Narben zurücklassen.
Syphilis ist daher nicht auszuschließen.
Veumann stellt vor:
1. einen 7jährigen Knaben mit Ichthyosis und Psoriasis
vulgaris.
Die Haut am Stamm und an der Streckfläche der Extremitäten mit fest-
haftenden, zarten, glänzenden Schüppchen bedeckt Die Haut ist überall
trocken, nur an der Beugeseite der Gelenke von normaler Beschaffenheit.
An der Streckflache der unteren Extremitäten einzelne erbsen- bis
kreuzergroße Effloreszenzen, die braunrote Farbe und an ihrer Ober-
fläche Schuppenauflagerungen zeiffen, nach deren Abkratzung der punkt-
förmig blutende Papillarkörper frei zu Tage liefft. Die Emoreszenzen
sind scharf umschrieben. Es besteht demnach in diesem Falle die seltene
Kombination von Psoriasis vulgaris mit Ichthyosis. Die psoriatischen
Effloreszenzen sind in der Weise gegenüber gewöhnlichen verändert, daß
die Schuppen nicht so silberweißen uJanz aufweisen sondern mehr schmutzig-
gelblich erscheinen.
2. eine SOj ährige Patientin mit Gummata cutanea. An der
Haut des Rückens finden sich landkartenähnliche braunrote Infiltrate,
die zu beiden Seiten der Wirbelsäule fast symmetrisch sich bis auf die
Seitenfläche des Thorax erstrecken. Die zwischen den unregelmäßig ge-
krümmt verlaufenden Streifen befindliche Haut ist nicht verändert
Analoge Infiltrate von mehr kreisförmiger oder ovaler Form zum Teil
mit Krusten und Schuppen bedeckt finden sich an der Innenseite der
Oberschenkel und an oer Schulter. Die Schneidezähne sind meißelformigt
die Krone derselben halbmondförmig gestaltet. Nach Angabe der Kranken
besteht die Affektion seit frühester Kindheit
3. einen 34jährigen Patienten mit Onychia syphilitica. Beim
Eintritt ins Spital vor 4 Wochen bestanden heftigste Schmerzen, die
kontinuierlich anhielten, bei Nacht exacerbierten, so daß Patient durch
der Wiener dermatologischen GeseÜBchaft. 375
S Wochen BchlafloB war. Die Nägel sämtlicher Finser waren vielfach
deformiert, längs gefurcht, glanzlos; an den seitliouen Partien durch
dicke, zwischen Nagel und I^agelmatrix eingeschobene Schuppen nnd
Hommassen abgehoben. Der freie Rand des Nagels war doreh palissaden-
artig gestellte parallele Homleisten eleviert; Naffelwall nnd -falz
wallartig aufgeworfen, blaurot verfärbt, unter dieselben schoben sich
blutig tingierte Borkenmasseu ein. Gegenwärtig zeigen die Näp^el Glanz,
die Schuppen und Emstenmassen haben sich abgestoßen, die Längs-
forchung fehlt. Die Nagelwälle fast ohne entzündliche Reaktion. Patient
hat jetzt keine Schmerzen mehr und schläft gut. Therapie Decoct. Zitt-
mann und grauer Salbenverband.
4. eine 36jährige Kranke mit Sklerose der Oberlippe.
Schwellung der regionären Lymphdrüsen und einem bereits im Abblassen
beffriffenen maknlo-papulösen Exanthem. Der Mann wurde untersncht
und er wies Papeln an den Tonsillen und Gaumenbogen und universelle
Drüsenschwellun^ auf.
5. eine 22iährige Kranke mit Sklerose an der Unterlippe
und einem maknlösen Exanthem.
6. eine 21jährige Patientin mit Oberlippeiisklerose und maku-
lösem Exanthem.
7. einen 18jährigen Burschen mit ausgebreitetem Liehen soro-
phnlosornm. Zerstreut am Stamm punktförmige, follikuläre, gruppierte
mit Schuppen bedeckte bräunlichrote Effloreszenzen. Am Rücken sind
dieselben konfluiert, doch ist die follikuläre Natur noch deutlich zn er-
kennen. Die rechte Präaurikulardrüse, die Submaxillar-, Zervikal- nnd
Nuclealdrüsen beträchtlich geschwellt nnd von teigig weicher Konsistenz.
Gegenüber Herpes tonsurans ist. differentialdiagnostisch wichtig die Zu-
sammensetzung aus Knötchen, gegenüber Syphilis das zentrifugale Fort-
schreiten ohne zentrale Abheiluag, gegenüber Ekzem die I<arbe, das
gänzliche Fehlen jeglicher Excoriation.
Sitzung vom 30. April 1902.
Vorsitzender: Kaposi. Schriftführer: Kreibich.
Ehrmann: Die 40j. Frau, deren Lungenuntersuchung eine vor-
gesohrittene Tuberkulose ergeben, zeigt an der Übergangsstelle der äu-
eren Haut in die Nase am linken Nasenflügel ein Geschwür, das ietzt
wesentlich gebessert immer noch deutlich die Charaktere eines Ulcus
tnberenlosum aufweist, den viel jach gespaltenen, fein ausgenagten Rand,
an dem fortwährend kleine, grieskornartiffe^ bald exnicerierende Knötchen
auftreten. Das Geschwür war lange für ^itheliom und Syphilis gehalten
worden. Merkwürdig ist es immerhin, daß ich gerade an dieser Stelle
öfters tuberkulöse Ulcera gesehen habe. Da es sich zweifelsohne um In-
okulation durch das eigene Sputum handelt, so besteht die Frage, ob
dies direkt durch die Nase geschieht oder von außen beim Abtrocknen
mit dem Taschentuohe; in ersterem Falle müßte man auch eine Erkran-
kung der Nasenschleimhaut erwarten.
Neumann zeigt als Pendant zu diesem Falle die Abbildung von
tuberkulösen Geschwüren an beiden Nasenflügeln. Heute, wo die Tuber-
kulosenfrage eine so große Rolle spielt, ist die Entscheidung in vielen
Fällen sehr wichtig, ob diese Geschwüre an der Nasen- und Mundschleim-
haut oder am Genitale durch direkte Berührung, Oskulation u. s. w. lu-
376 Verhandlungen
stände kommen können. Ich erinnere mich an den Fall vor mehreren
Jahren, wo bei der ritaellen Cirkamoision 4 Kinder inficiert wurden, von
denen 8 starben, wahrend das vierte spater an Tuberkulose sugrande gieng.
Ereibich: Ich habe in einer der letzten Sitzungen des vorigen
Jahres eine Frau mit tuberculösen Oesch wären an der rechten Hand vor-
gestellt, bei welcher die Infektion höchst wahrscheinlich beim Waschen
der Sputumschalen ihres an Lungentuberkulose erkrankten Gatten zustande
kam und kann diese Beobachtung durch eine gleiche in der letzten Zeit
noch vermehren.
Ehr mann: Ahnliche Fälle von Infektion durch Spnckschalen stam-
men auch aus der ersten Zeit des Studiums der Tuberkulose. In den von
mir beobachteten Fällen handelt es sich um Autoinfektion durch das
eigene Sputum.
Kreidl: Ich möchte in kurzem ein von mir angegebenes Instru-
ment zeigen, von dem ich glaube, daß es einigen Aufschluß über die
Physiologie der Haut, besonders der Hautgefaße bringen kann. Es ist im
wesentlichen ähnlich dem Plethysmograph der Franzosen, den ich etwas
abgeändert habe, um ihn möglichst fehlerfrei zu machen.
Es ist ein Apparat, um den Nagelpuls zu bestimmen, ohne genau
zu präcisieren, welche Gefäße in Betracht kommen, ob Kapillaren oder
kleinste arterielle Gefäße, er wurde daher Onychograph genannt Einige
Autoren wollten aus Veränderungen dieses Pulses bei verschiedenen Per-
sonen weitergehende Schlüsse ziehen, denen ich nicht beipdichten kann.
Doch ist es möglich über gewisse Gefaßverhältnisse, speciell lokale Ver-
änderungen Aufschluß zu bekommen. Folgende Versuche besonders möchte
ich demonstrieren, die speciell für die Hautpathologie in Betrach kom-
men könten. Wenn man das lustrument auf das Nagelbett aufsetzt und
den Federdmck, dem des Blutes adäquat gemacht hat, sieht man, daß
der Zeiger des Apparates den Puls in regelmässigen Ausschlägen anzeigt.
Gibt man nun die Hand in kaltes Wasser, so verschwindet der Puls so-
fort, da die kleinen Gefäße sich unter der Kältewirkung ganz kontra-
hieren. Man braucht diesen Versuch blos bei verschiedenen Personen zu
machen, um die Gefäß Verhältnisse derselben diesbezüglich zu beurteilen
Einfacher ist der Versuch beim Aufgießen von Äther, der allmählich ver-
dampft, so daß der Zeiger immer mehr zurückgeht und endlich ^nz
kleine Pulse macht. Man kann aber auch durch Abkühlung der einen
Hand die Reaktion in den Gefäßen der anderen Seite erzielen, wenn auch
dabei der Ausschlag etwas geringer ist als bei direkter Reizung. Dieses
Phänomen der Gefaßreaction in symmetrischen Gebieten ist übrigens den
Hautärzten wohl bekannt.
Ein zweites Instrument ist noch derart modificiert, daß es gleich
zum Schreiben dieser l'ulsschwankungen dient.
Hoehslnger stellt vor:
1. ein hereditär luetisches Kind, das nach Jahrebirist seh were
cerebrale Störungen zeigt, die mit Sicherheit auf hered. Lues zu-
rückgeführt werden können. Der 4Vs Jahre alte Knabe stand in den ersten
Lebens Wochen mit einem Exanthem, diffuser Infiltration der Handteller
und Fußsohlen, aueh Leber- und Milztumor in meiner Behandlung. Inner-
halb eines halben Jahres wurde er durch eine specifi^che Therapie ge-
heilt 4 Jahre danach im Herbst 1901 wurde das Kind in meine Ambu-
lanz gebracht mit der Angabe, es habe angefangen, schlecht zu gehen.
Die Beschwerden steigerten sich bis zur vollständigen Un^wej<-
liohkeit, und einmal über Nacht fand sich aaoh der linke Bulbus nach
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 377
innen vertiert Aach jetzt besteht noch eine Abdacenslähraung am linken
Ange, eine Parese des rechten Facialis nnd der rechtseitigen Exstremi-
täten, demnach die 8ymi>tome einer gekreuzten Lähmung. Unter Jod-
behandlang ist seither eine bedeatende Besserung eingetreten, indem
das Kind wenn auch etwas schlendernd gehen and den Arm bewegen
kann; die Aagenmaskellähmung ist nicht zoröckgegang^n. Wenn man
beide Erscheinungen nicht in 2 ganz verschiedene corticale Herde ver-
legt, kommt man zur strengen Lokalisation der Affektion in jener Ge-
gend, wo der Facialis und Abducens mit der Pyramidenbahn der anderen
Seite zusammentreten, d. i. in der Varolsbrücke, was auf dem an der
Taiel gezeichneten Schema ersichtlich ist. Das Kind hatte nie Spasmen,
keine epileptischen Anf&lle, keine Intellegenzstörunjoren, so daß corticale
Störungen auszuschließen sind. Besteht noch die Frage, handelt es sich
um ein Gumma oder eine Encephalitis; der Iiiaugel einer Stauungspapille,
sowie die vorhandene Pupillenstarre sprechen mehr für die diffusen Er-
Bi^heinungen der Encephalitis.
2. ein 8 Monate altes Kind, das in den ersten Lebenstagen ein
recentes Frühsyphilid mit diffusen Intiltraten der Hohlhand und Coryza
hatte. Jetzt besteht ein Recidiv mit großen Papeln und eingesunkener
Nase. Merkwürdig ist der Schädel, der die deutlichen Symptome des
akuten hydrocephal. Ergusses darbietet. Namentlich möchte ich aber
auf die ausgedehnten subkutanen Schädelvenen hinweisen. In der letzten
Zeit hat Fournier diese Veränderungen als Dystrophie veneuse heredo-
syphilitique beschrieben. Doch haben sie mit der Syphilis keinen direkten
Zusammenhang, sondern sind sekundär durch den Hydrocephalus her-
vorgerufen, gleichgiltig ob dieser luetisch oder rachitisch.
8. in ausgezeichneter Weise entwickelt eine syphilitische
Pseudolähmung verbunden mit Auftreibung des unteren Humerus-
und oberen Vorderarm endes rechterseits. Das Kind hat auch eine eigen-
thümliche BeugesteiHgkeit und Kontraktursteilung in den Händen, was
ein Beweis ist, daß keine echte, sondern nur eine sekundäre Lähmung
infolge einer Knochenaffektion, ohne spinale Aetiologie vorliegt. Die
AuftreibuDg bezieht sich hier nicht nur auf den Knochen, sondern auch
auf die Weichtheile, was auch durch die Röntgenaufnahme bestätigt
wird. Dieselbe zeigt dabei die bereits wiederholt hier dargestellten Wachs-
tumsstörungen zwischen Epi- und Diaphyse, sowie die starke Empfind-
lichkeit der langen Köhrenknochen fnr Syphilis, indem fast alle Pha-
langendiaphysen Störungen des Knochenbaues zeigen.
Mracek: Die von Hochsinger mit Recht angefochtene Auffassung
Fourniers ist gewiss auch hier eine einseitige. Wir wissen, daß bei akuter
und chronischer Encephalitis überhaupt Zirkulationsstörungen und Venen-
erweiterungen typisch sind und es ist eben wahrscheinlicher, daß die«
selben am Kopfe ähnlich wie über dem Stemum und am Abdomen in
lokalen Krankheitsprocessen mit Stauungserscheinungen, nicht in Gefaß-
erkrankungen specifischer Art ihre Ursache haben.
Spiegier demonstriert:
1. den in der letzten Diskussion über Sklerodermie erwähnten
Fall dieser Art, der genau dort mit ödem begann, wo einerseits der Hemd -
kragen, andrerseits der Hutrand der Haut anlagen, und sich dann über
weitere Partien des Gesichtes ausdehnte, das jetzt ganz derb und unbe-
weglich erscheint. Ich habe damals auf die Möglichkeit hingewiesen, daß
sich die Sklerodermie auf dem Boden eines Ödems entwickeln kann,
wenn die Goleg»'nheit dazu durch äußeren Einßuß günstig ist, und halte
diese mechanische Erklärung f^ plausibler als die durch Autointoxi-
kation.
378 Verhandlung«]!
2. ein anämisches Mädchen, das seit 6 Jahren ein Ekzem an den
Lippen in der Form hat, daß sich die Haut derselben immer wieder
abschält. Diese Art des Lippenekzems ist hartnäckig und reagiert nur
auf interne Behandlung der Anämie, während lokale Therapie, wie Pin-
selungen mit Lapislösung, Kalilauge oder Jodtinktur keinen Erfolg haben.
Ehrmann stellt vor:
1. einen Mann, der voriges Jahr längere Zeit weeen eines tief
und weithin ulcerierten Bubos behandelt wurde. (Abth. Prof. Lanff).
Derselbe nahm einen großen Theil des Oberschenkels ein, so daß schlieo-
lieh zur Deckung des Defektes eine Plastik nach Thiersch gemacht
wurde. Jetzt sieht man in der linken Inguinalbeu^e und weithin in der
oberen Hälfte des Oberschenkels eine unregelmäßige weißblauglänzende,
zum Theil strahl ige pigmentierte Narbe und an deren peripheren, unteren
Kande ein serpiginös gruppiertes Syphilid. Es sind dies Fälle von Drn-
sengummen, die ich für identisch mit jenen Gummen halte, welche
an Stelle eines alten Primäraffektes oder eines früher indurierten Lymph-
gefäßes aus Resten eines Infiltrates entstehen. Ich habe auch anatomische
Präparate solcher Lymphdrüsen demonstriert, bei denen die Lymphräumo
ebenso mit Leukocyten angefüllt erscheinen wie die specifisch erkrankten
Gefäße.
N o b 1 : Der Patient stand vor 2 Jahren mit einem typischen Ulcus
venereum am inneren Präputialblatte und einem vereiterten, rechtsseitigen
Bnbo an der Abtheilung Grünfeld in Behandlung, ohne während drei-
monatlicher Beobachtung auch irgend ein Luessymptom zu zeigen. We-
gen des fortschreitenden Zerfalles der Drüse wurde er dann zur Spitals-
behandlung auf die Abth. Prof. Lang aufgenommen, deren Befund leider
unbekannt ist.
Mracek: Daß Drusen bei einem alten Luetiker gummös werden,
ist nicht gar so selten. Ein dem vorgestellten ähnlicher Fall ist in mei-
nem Atlas abgebildet. Auch treten solche größere Drüsentumoren am
Halse oft im 8. und 4. Jahre der Erkrankung auf.
Finger: Es gibt Fälle, bei denen die Haut zu den luetischen
Drüsen sich ähnlich verhält wie zu den Drusen bei Scrophulose und
Tuberkulose, welche die Haut durchbrechen und dann als Lupus weiter-
wandern. So haben wir jetzt einen Patienten mit Gummen der Kubital-
drüsen und Fortschritt derselben auf die Haut als serpiginöses Syphilid.
N e u m ann : Dieselbe Frage wurde hier vor 6 Jahren erörtert Ebenso
wie andere Gewebe können eben auch die Drüsen gummös erkranken.
Auch ich sah solche ulcerierte Drüsengummen bei einem Manne am Ell-
bogen. Ein anderer Patient hatte solche gummöse Ulcera, die für Ear-
cinom gehalten wurden und schon zur Operation bestimmt waren. Meist
sind derlei serpiginöse Bu honen und venerische Geschwüre, die solange
dauern, Mischinfektionen auf anderer z. B. tuberkulöser Basis.
2. den bereits voriges Jahr vorgestellten Fall mit Psorosper-
mosis Darier, dessen Zustand sich während des Winters nach interner
Darreichung von Leberthran bedeutend s^ebessert hat. Die ausgedehnten
warzigdrüsigen Flächen am Nabel und der Wirbelsäule sind bedeutend
abgeflacht. Erst vor acht Tagen traten einige frische Knötchen am Rücken auf.
8. einen 54jährigen Mann, der wie pigmentierte Naevi aussehende
kaffeebraune, heller- bis guldengroße, stellenweise von einem weißen
der Wiener dermatologischen Geaellschafb. 379
Hofe umgebene Flecken zeigt. Derselbe hatte vor 2 Jahren an verschiedenen
Seilen Psoriasis nummularis und damals Arsen genommen, wovon xuch die
Pigment ierung herröhren dürfte, die bei Arsentherapie nicht nur an
Stelle der gereizten Psoriasisherde, sondern auch unabhängig davon auftritt.
Nobl demonstriert aus Grün fei d's Abtheilung einen 20jährigen
Kranken mit ausgebreiteter Vitiligo. Bemerkenswert erscheint in
diesem Falle die charakteristische Anordnung des Pigmertschwundes,
welche den trophoneuretischen ürsprang des Prozesses sehr nahe
legt. Die ausgedehnten, in Form multipler Herde vom Nacken und
Sdiulter^rtel bis in Eniegelenkshöhe reichenden pigmentlosen Flächen,
welche sich außer dem noch auf die Ober- und Vorderarme ausbreiten,
sind durchwegs symmetrisch über beide Körperhälften verteilt und
zeigen sowohl am Stamme als an den Extremitäten eine den metame-
rafen Innerva tionsbezir k en der Spinalnerven resp. Se-
gementen entsprechende Topographie. Am Rumpfe nimmt die
Depigmentation in wngrechten Streifen ihren Fortgang, während sie an
den Armen eher parallel zur Längsachse verläuft, Verhältnisse, welche
sich vollauf mit den in den Tabellen von Haed, Brissaud u. A. ver-
zeichneten, decken.
Buchto stellt aus Prof. Mraceks Abtheilung vor:
1. Lues hereditaria mit En darteriiti s an den kleineren
Gefäßen.
B. H., 17 Jahre alt, Schüler.
Patient ist im Wachstum auffallend zurückgeblieben, zeigt noch
ganz puerilen Habitus, gracilen Knochenbau, äußerst dürftige Muskulatur,
ran. adipos. reduziert. Haut trocken, Schleimhäute blass, das infantile
Genitale, sowie die Achselhöhlen nicht behaart.
Großer, dolichocephaler Schädel, Gesicht alt, faltig, bartlos, an den
Lippen und Mundwinkeln Rhagaden, beide Aagen tragen Narben nach
abgelaufener Keratitis, die Nase leicht deformiert, chron« Ekzem unter
derselben. Das Septum nach links höchstgradig deviiert. Die Zähne
zeigen zwar nicht typisch Hutchinson'sche Ausbuchtung, jedoch starke
Einkerbungen und Strichelung. Die Schilddrüse am Halse mäßig groß
zu fühlen. Lungen normal. Das Abdomen leicht meteorist., Leber nicht
besonders vergrößert, Milz reicht zwei Querfinger unter den Rippenbogen.
Die Lymphdrüsen am Halse vergrößert, besonders rechts hinter dem
sternocleido-mastoideus ein Packet bildend, links in der regio submaxil-
laris und supraclavikularis je eine stark vergrößert, in ingu. dextra ein
größeres Drüsenpaket palpabel.
Interessant ist der Befund der Blutgefäßen. Die Herzdämpfung
nach rechts bis an den Rand des sternums reichend, der Spitzenstoß im
8. J. R., einwärts von der Mamilla undeutlich zu fühlen.
An der Herzspitze ein lauter, gedoppelter Ton, Gefaßtöne beide
sehr laut. Der 2. Aortenton fast klingend, auch noch über dem arcut
Aortae. Die rechte A. radialis oberhalb des Handgelenkes 3 Gm. lang als
rigider Strang von doppeltem Volumen zu tasten. Die Pulswelle niedrig,
Sjpannnng gerin^^, derruls arhj'thmiich und inäqual mit der linken Seite.
Die radialis siniitra nicht so beschaffen, der Puls klein, träge, kaum
zu tasten.
Weiter ist die radialis dextra wieder weicher, während die bra-
chialis wieder rigide ist.
Auch die beiden Karotiden als harte, kaum pulsierende Stränge
zu tasten.
380 Verhandlungen
An den unteren Extremitäten iBt nur die kraralis »in. und nur
undeutlich zu tasten.
Patient kiim Anfang November v. J. auf die Abtheilung. Er gab
an, Beit einem Jahre an Schwellungen im rechten Fuße zu leiden, welche
ab und zunahmen, in letzter Zeit jedoch immer häufiger wurden. Ende
September v. J. traten Parästhesien am dorsum ped. dextr. und undeut-
liche Empfinden in den Zehen auf. Es zeigten sich auch rote und blaue
Flecken an der Flaut ; am dorsum der zweiten Zehe, sowie ober dem
Köpfchen des Metatarsus. IL entstand ein oberflächlicher Substanzverlust.
Die Substanzverluste heilten während seines Spitalsaufenthaltes, die
Ödeme schwanden gleichfalls; es zeigte sich jedoch bald eine trockene
Gangrän an der 2. und 8. Zehe des rechten Fußes, die Endphalangen
derselben wurden nekrotisch und in Sequestern abgestoßen.
Am t(>. Jänner waren die nekrotischen Stellen rein vernarbt, Pa-
tient wurde entlassen. Sein Gewicht war von 25 kg. auf 27 kg. gestiegen,
sein Allgemeinzustand bedeutend besser, die Drusen zum Teil geschrumpft
und die Rigidität der radialis deutlich vermindert
Vor zirka 14 Tagen kam Patient abermals wegen Ödemen, Parä-
stesie am rechten Fuße und einer Fistel an der zweiten Zehe zur Auf-
rahme.
2. Sklerose mit seltener Lokalisation. Eine zirka Eronenstdck-
froße Sklerose bei einem Sacktrsger an der Schleimhaut der unter-
ippe am Übergange in die Gingiva des Unterkiefers. Anamnestisoh
läßt sich nur erheben, daß Patient weggeworfene Zigaretten sammelte
und rauchte.
8. Ulceröses serpiginöses Syphilid. Patient hat seit drei
Jahren Geschwüre am Penis, welche zu umfangreichen Substanz Verlusten
und mehrfachen Perforationen am Prat'putium, und der glans und an der
cutis penis geführt haben. Seit ungefähr einem Jahre leidet Patient an
ulcerösen Prozeßen an der rechten Halsseite, am Nacken und im Gesichte,
die eine Facialis paräse verursachten. Patient kam wegen seiner seit 14
Tagen bestehenden Heiserkeit auf die Abtheilnng. Da er den Mund nur
mangelhaft öffnen kann, ist ein laryngoskopischer Befund nicht zu erheben.
Hochsinger: Man hat bei dem ersten Patienten aus der physi-
kalischen Untersuchung Anhaltspunkte dafür, daß nicht nur die peripheren
Gefäße, sondern auch die Aorta betheiligt sind, da der zweite Aortenton
akzentuiert und der linke Veutrikel vergrößert ist. Die überwiegende
Vergrößerung der Hals- und Supraklavikularlymphdrüsen linkerseits er-
klart allein schon den Unterschied am Pulse beider Arterien. Als Zeichen
der hereditären Lues sehen wir bei dem Knaben mit dem stark ausge-
prägten Infantilismus noch die feinen radiären Narben um die Mundwinkel.
Neumann: Eine solche Veränderung der peripheren Arterien in
l'olge von hereditärer Lues ist eine große Seltenheit, und von großer
Bedeutung, da sie zu embolisohen Prozeßen einerseits, andrerseits zu
Gangran fuhren kann, wie ich letzteres auch bei einem Kollegen beob-
achten konnte.
Eine andere Tragweite hat die Pathologie dieser Gefäßveränderung
aber deshalb, weil man es versucht, einen großen Teil der Aneurysmen
auf Lues zurückzuföhren ; doch ist der strikte Beweis hiefür noch nicht
geliefert.
der Wiener dermatologischen GesellBchait. 381
Mracek: Die Unterschiede der Beteiligung an den einzelnen
Gefäßen sind ziemlich groß. Dies entspricht aach meinen anatomischen
Erfahrungen. Die Arterien sind bei hereditärer Lues intrauteria nicht
gleichmäßig erkrankt, sowohl was den Längsverlanf des ganzen Gefäßes
als die Ausbreitung im Querschnitte betrifft. Was ihren Zusammenhang
mit der Aneurismabildung betrifft, so hat sich z. B. Eppinger in einer
Arbeit gegen Weiohselbaum und Ghvostek gewendet, die gerade das
Aneurysma der kleinen Gehimarterien auf Lues zurückgeführt haben.
Wilhelm demonstriert eine junge Frau mit einer an allen Fingern
ausgebildeten Onychie. Die Nägel sind ganz unregelmäßig der Länge
und Breite nach gerifft, z. T. glanzlos und unregelmäßig höckerig. Der
freie Rand vielfach ungleich abgebrochen, bröcklig und von 1 — 2 mm
hohen, schmutzigweißen, hornigen Schuppenmassen emporgehoben. PiUe
wurden nicht gefunden, Psoriasis und Lues bestehen nicht.
Heumann stellt vor:
1. einen Säugling mit Impetigo gangraenosa. An der Beuge-
fläohe der Oberschenkel finden sich birsekorn- bis erbsengroße, hell-
gerötete, leicht über das Niveau der Umgebung hervorragende Knötchen
oder von leicht rotem Hof umgebene Bläschen mit klar- serösem Inhalt,
welcher sich bald trübt. l»ie Pusteldecke stößt sich rasch ab, und es ver-
bleiben seichte Erosionen mit nässender, glatter Basis. Letzteie zeigt
jedoch bald Tendenz zu nekrotischem Zerfall mit Progredienz des Pro-
zesses gegen die Peripherie. Die derartig veränderten EfBoreszenzen,
von denen die meisten an der unteren Bauchhaut sitzen, präsentieren
sich als locheisenartig vertiefte, bis über kronengroße Geschwüre mit
geröteten, trichterförmig sich einsenkenden Rändern und mißfarbig
speckig belegter, zerfallener, grüonlich-braun tingierter Basis. Bakterio-
logische Untersuchung intakter, noch rein seröser Bläschen ergibt Rein-
kultur des Staphylococcus albus;
2. einen 32iährigen Mann mit gruppiert kleinpapulösem
Exanthem. Derselbe war vor 6 Jahren wegen Lues in Behandlung und
wurde seitdem alljährlich wegen Exanthem mit Einreibungen behandelt.
An beiden Vorderarmen, im Penoskrotalwinkel und über dem unteren
Ende des Kreuzbeines gruppierte hellrote bis braune Knötchen mit
stellenweise zentralem eitrigen Zerfall. Am rechten Oberschenkel kronen-
große, lo'eisrunde und ovale Narben mit zentraler Depigraentation und
peripher sepiabrauner Vertärbung;
S. einen 41j&hrigen Mann mit syphilitischer Perforation
des harten Gaumens und Nasenseptums und Framboesia syphilitica
an den Ohren und den behaartem Kopf. Die Synhilis besteht seit ungefähr
9Vi Jahren. An der Wange rechts talergroße, infiltrierte Stelle mit
sentralem Geschwür. Am Kopf ein Knoten, der drüsig unebenes Äußeres
ohne geschwürigen Zerfall zeigt. Ähnliche Veränderungen an den Ohr-
muscheln beiderseits. Am rechten Ohr iomitten derselben ein tief trichter-
förmig eingezogenes Geschwür;
4. einen 2djährigen Patienten mit Pemphigus vulgaris. An
der Brustwand, oberen Extremitäten und Rücken bis in die Gürtelgegend
vereinzelt im Gesichte finden sich zahlreiche, braungeförbe Krustenauf-
lagerungen, deren Umgebung leicht gerötet ist. Rechts unterhalb der
Skapula sowie in der Lendengegend und an der Hinterfläche der Ohren
zeigen sich hanfkomgroße, mit fast wasserklarem Inhalt erfüllte Blasen,
die auf normaler Haut aufsitzen. Am Rücken sowie an der Brust sind
zahlreiche Pigmentationen und Narben, deren Zentrum weiß, deren Peri-
382 Verhandlungea
pherie braun pigmentiert ist Man bekommt den Eindruck einer Pedi-
onlosis. Mund und Raohon sind frei.
Sitzung vom 14. Mai 1902.
Vorsitzender: Neumann. Schriftführer: Kreibich.
Löwenbaeh stellt vor:
1. ein 11 monatliches Kind, welches vor 10 Monaten circnmcidiert
wurde, einige Zeit nach der Circumcision im Sulcns coronarius ein
Knötchen zeigte, welch letzteres trotz Pflaster- und Salbenapplikation
nicht heilte, sondern vor 2 Monaten sogar exulcerierte. E» zeigt sich das
Präputium ödematös, kautschukartig verdickt, der Sulcus coronarius
eiogenommen von einem zirkulären Geschwur mit glatter Basis, speckigem
Belag, flachen, glatten Rändern. Eine tuberkulöse AfTektion ist wegen
Mangels an objektiven Merkmalen (kein unterminierter Rand, keine
Knochen) auszuschließen; Bazillenbefund negativ. Dagegen scheint die
Beschaffenheit des Geschwürs, sowie die haselnnßgroße, indolente, harte
Schwellung der Inguinaldrüsen beiderseits auf den syi>hiliti8chen Charakter
der Aflektion (Syphilis acquiriert bei der Circumcision) hin-
zuweisen ;
2. einen 57jährigen Kranken mit Carcinoma penis. Derselbe
wurde in einem Spital seit 4 Monaten nfi»®S^^ Schanker^ lokal bebandelt,
bis der gegenwärtige Zustand den Pat. zum Aufsuchen der Klinik zwang,
wo die obige Diagnose gestellt wurde. Der Penis in seiner ganzen Aus-
dehnung abgängig, an der Penis wurzel ein über talergroßes Geschwür
mit wulstig aufgeworfenen Rändern von derber Konsistenz, hellroter
Farbe und lebhaftem Glanz, die Basis zerklüftet, mit nekrotischen Massen
belegt, von derber Konsistenz; die Urethra in Form eines perforierten
Granulationspfropfes in die Geschwursbasis vorragend. Krebsige Infil-
tration läßt sicti beiderseits von der Geschwürsbasis bis gegen die
Inguinalgegend verfolgen. (Von der Klinik von Eiseisberg freundlichst
zur Demonstration überlassen.)
Kreibich. Die erst heute Morgens unsere Ambulanz aufsuchende
32jähr. Frau zeigt an der Nasenspitze eine hellergroße, blaurötliche Ver-
färbung, im mittleren Anteile leicht eleviert und in dessen Zentrum ein-
gesunken. Die Temperatur des ziemlich scharf umschriebenen Fleckes ist
etwas herabgesetzt. Es handelt sich hier ofienbar um eine atonische Ge-
faßerweiterung mit teilweiser hämorrhagischer Durchsetzung und Nekrose
iufolffe einer Erfrierung bei einer anämischen Frau. Die Affektion
bestellt vier Wochen, soll schon einmal vergangen, aber dann wieder
gekommen sein. In der kalten Luft wird der Fleck dunkler, im warmen
Zimmer besser.
Mracek demonstriert ein syphilitisches Exanthem wegen der
seltenen Art seiner Form, die schon deshalb interessant erscheint, weil sie
zu einer Verwechslung mit Varizellen Anlaß gab. Dasselbe ist über den
ganzen Stamm ziemlich dicht in Form von stecknadelkopfgroßen Knötchen
zerstreut, die in der Mitte eine Pustel tragen und einen schmalen, kupfer-
farbigen Infiltrationshalo zeigen. Die Infektion des 27jäbr. Mannes erfolffte
Mitte Dezember 1901, vom 29. Jänner bis anfangs März stand er auf der
Klinik Neumann ia Behandlung und machte 23 Einreibungen. Seit
4 Wochen bestehen Kopf- und Halsschmerzen, seit 14 Tagen der gegen-
wärtige Ausschlag, dessen Diagnose durch die begleitenden typischen
der Wiener dermatologischen Gesellschaft. 383
Pharynxerscheinungen und die allgemeine Drüsenschwellung nnzweifel-
haft ist.
EbnnaDD gibt eine kurze Erklärung zu den 3 eingestellten histo-
logischen Präparaten der bereits demonstrierten PsorospermosisDarier
und macht besonders auf die Veränderungen der Hornschichte und der
Epidermis überhaupt, die Pigment Verhältnisse und die als Goccidien ge-
deuteten, degenerierten atypischen Homkugeln aufmerksam.
Sehiff stellt vor:
1. ein mit Röntgenstrahlen behandeltes Epitheliom.
Dasselbe, seit 23 Jahren verschiedentlich behandelt, war zirka gulden-
groß, am Jochbein sitzend, kam im Jänner zur Behandlung. Nach
§3 Sitzungen war es soweit geheilt, wie jetzt ersichtlich ist. In diesem
Falle wurde eine Hyperbeleuchtung angewendet, weil das Geschwür nach
den sonst genügenden 12 — 15 Sitzungen keine Tendenz cur Rückbildung
zeigte. Nach 33 Sitzungen bildete sich ein Substanzverlust, der unter
indifferenter Behandlung überhäutete;
2. einen ausgebreiteten Lupus vulgaris an der Nase und Wange.
Die Nase wird lediglich röntgenisiert, die linke Wange aber mit einer
modifizierten Finsenlampe behandelt, wie sie zuerst von Bang und in
letzter Zeit von Ki eisen angegeben wurde. Ich erlaube mir, Ihnen die
letztere zu demonstrieren, welche, wenn sie sich bewährt, einen großen
Fortschritt bedeutet, da sie die Heilungsdauer wesentlich abkürzt und
dabei viel einfacher und billiger ist. Die Lampe hat als Elektroden Eisen-
spitzen, bedarf viel geringerer Stromstärke; die Abkühlung erfolgt da-
durch, daß in einer doppelläutigen Röhre Wasser durchströmt, und ist so
groß, daß an der Applikationsstelle kaum stärkere Wärme empfunden
wird. Die Dauer der einzelnen Sitzung beträgt nicht mehr als 4 — 5';
nach der Beleuchtung hebt sich wie bei Finsen die Epidermis fast in
Form einer Brandblase ab. An der bereits beleuchteten Stelle an der
Wange erscheint der Lupusherd leicht erhoben, gelockert und im Schwinden
begriffen.
Finger. Der vorgestellte 31 jähr. Mann zeigt an beiden Extremi-
täten seit längerer Zeit eine Reihe von blassen Flecken, die gelblich-rot
gefärbt und teilweise deutlich aus kleinsten Knötchen zusammengesetzt
sind. Abends besteht stärkeres Jucken. Die Affektion hat sich unter
unseren Augen entwickelt, indem zu den alten immer neue Flecken an
den Extremitäten hinzukamen. Zu einer abschließenden Diagnose konnte
ich bisher nicht kommen. Geffen Herpes tonsurans, woran man zunächst
denken möchte, spricht der Mangel von Fortschreiten an der Peripherie
und einer Schuppung. Lues ist es gewiß nicht. Mit der am Stamme
gleichzeitig bestehenden Pityriasis versicolor hat die Affektion nichts zu
tun. K reib ich hat im vorigen Jahre einen ähnlichen Fall vorgestellt.
Von Brocq wurden mehrere Fälle als Pityriasis rubra chronique benin
beschrieben und erwähnt, daß ihre Form teils selbständig, teils sympto-
matisch als Vorstadium einer Mycosis fungoides auftreten kann. Am
nächsten steht diese Erkrankung dem Ekzem und in diesem und Krei-
bichs Falle ist wohl am besten ein Eczema anaemicum en plaques
anzunehmen.
Neu mann hält das vorgestellte für einen undeutlichen Herpes
tonsurans, wie man ihn bei Leuten, die sich viel waschen und baden,
besonders bei Prostituierten, gar nicht selten sieht.
Kreibich möchte sich eher der Anschauung Fingers anschließen
und es als Ekzem, aber nicht so sehr als anämisches, sondern als eines
mit seborrhoischer Grundlage ansprechen, das bei Behandlung nach
384 Verhandlungen
einiirer Zeit verschwindet, dann aber bald wiederkommt, besonders wenn
der Pat. starker transspiriert.
Weiden feld: Zur ünterstatzung dieser Ansicht wäre noch aocn-
führen, dai3 in diesem Falle die Flecken vielfach streifenförmig im An-
schlösse an Eratzeffekte entstehen.
üllmann schließt daran einen zweiten, ähnlichen Fall und zeigt
einen Studenten, der seit 2 Jahren eine mykotisch-seborrhoische Affektion
am Stemum hatte, vor zwei Monaten einen zweiten Plaque bekam, der
sich peripher ausbreitete, worauf in der letzten Zeit eine allgemeine
Eruption von zahlreichen, gelbrötlichon, hellergroßen, schuppenden Flecken
erfolgte, die wohl von allen für Herpes tonsurans angesehen werden wird.
Doch konnte ich Pilze weder in Fäden noch in Ketten, sondern nur ein-
zelne Sporen finden, die merkwürdigerweise schon eine so ausgebreitete
Eruption hervorrufen; doch haben diese Fälle alle den eigenartigen,
Ekzemcharakter.
Neu mann. In diesem Falle sieht man umschriebene linsen-
große, länglichrunde, teils auch streifenförmige, oberflächlich schuppende
Flecken, offenbar verschiedenen Ursprunges. Zunächst gewiß einen abge-
laufenen, vielfach behandelten und gewaschenen Herpes tonsurans; da-
neben von kleinen Petechien begleitete Flecken, wie sie bei Leuten mit
chronischen Magenkatarrhen bisweilen vorkommen; und drittens eine
Form von Ekzem, das bei anämischen Mädchen aus kleinen, konfluierten
Knötchen entsteht und solche Flecken zurückläßt, wenn es regreß wird.
Kreibich. Das in der Diagnose berechtigte Eczema scborrhoicnm
corporis in dieser Form schließt sich oft an eine zirkumskripte Seborrhoe
«m Capillitium oder eine Seborrhoe circinata an der Brust an; es kommt
dann oft zu einer so fleckenförmigen Eruption, die besonders um das
Genitale gehäuft sein und bisweilen bis zu den Fingern reichen kann.
Diese Herde zeigen meist stärkere Reizung, gehen aber ebenso prompt
auf Schwefelbehandlung zurück.
Nenmann. Das Eczema seborrhoicum, von Kaposi als eigenes
Krankheitsbild mit Recht geleugnet, kommt nur in 2 bestimmten Formen
vor. Erstens bei Kindern als sogenannter Qneis, zweitens lokalisiert an
der Grenze der Kopfhaut gegen die Stime und Schläfe, sowie im be-
haarten Teile der Oberlippe und an der Brustwand in Form von Kreisen;
eine andere Form kenne ich nicht
Nobl demonstriert aus der Abtheilung Grünfeld:
1. Ein junges Mädchen mit einem disseminierten Lupus
exythematosus des Gesichts. Die linsen- bis fingemaffelgroßen, zackig
begrenzten, spärlich mit Schuppen bedeckten Herde sind durch besonders
oberflächlichen Sitz und nur sehr geringfügige Gefaßektasie ausgezeichnet
Man sieht die stellenweise seicht eingesunkenen, bereits narbigen Effio-
reszenzen die Wangen bis in die Kinngegend sowie die Stime und die
Nasenflügel einnehmen. Einzelne Knoten von Lupus pernio sind an
der Streckseite der Endphalange des r. Index zur Entwicklung gelangt
2. Den Fall eines ausgedehnten kongenitalen Gaumen-
defekts bei einem mit recenter Lues behafteten Manne. Das bestehende
Uranuschisma stellt eine Medianspalte dar, welche die direkte Besichti-
i
der Wiener dermatologiBchen Gesellschaft. 385
ang des Nasenrachenranxnes und seiner Gebilde gestattet. Außerdem
estand eine operativ behobene linksseitige Hasenscharte.
Nobl demoDstricrt weiters: Den Fall eines ausgebreiteten
gruppierten Ed otensyphilids bei einem 30jährigen Manne. Die
zu eigrofien Scheiben zusammengetretenen bis bohnengroßen ele vierten
Knoten übersäen in dichtester Anordnung den Stamm uud die Extre-
mitäten, desgleichen sind die Stime und Kopfhaut von den Efifloreszenzen
eingenommen. Bemerkenswert ist in diesem Falle die geringe Reaktion
der Allgemeinerscheinun^en auch die speoifische Behandlung. Im Verlaufe
der einjshrip^en Krankheitsdauer erhielt der Kranke 30, ^Vt resp. 5%
Sublimat-Iinektionen und weist gegenwärtig die dritte Rezidive auf,
welche in der demonstrierten schweren Form, fast nie verändert, seit mehr
als zwei Monaten persistiert. Von einer sonstigen Störung der Konstitu-
tion sind keine Zeichen wahrzunehmen.
Neumann stellt vor :
1. einen 26jährigen Kranken, welcher an Magendarmbeschwerden
leidet und dessen Haut und Sklera ikterischen Kolorit darbieten.
Gleichzeitig finden sich an den Streckseiten der Extremitäten sowie am
Stamm linsen- bis kreuzergroße Effloreszenzen (Erythema Iris), zum
Teil zu Bogenlinien und Fi^ren von Flachhand^öße konfluiert, welche
über das Niveau leicht eleviert sind, peripher hvidrot gefärbte Ringe,
zentral ein etwas deprimiertes helleres Areale zeigen. Die Färbung des
Zentrums ist eine intensiv ocker- bis safifrangelbe, und auf Beimischung
von Gallenfarbstofi zurückzuführen. (Im Urin Gallenfarbstoff nach-
weisbar].
Eine 24jährige Patientin mit Ichthyosis simple x, welche gleich-
zeitig eine andere psoriasiforme Eruption aufweist Am Stamm
und an der Streckflache der Extremitäten ist die Haut trocken und silber-
weiß abschuppend, stellenweise ist Felderung der Haut bemerkbar. An
Brust, Rücken und den oberen Extremitäten zerstreut linsen-hellergroße
Effloreszenzeo, die von der umgebenden Haut durch ihre braunrötliche
Farbe abstechen« Dieselben liegen im Niveau der Haut und zeigen in
ihrem Zentrum die Epidermis von ganz dünner zigarettenpapierartiger
Beschaffenheit. Es fragt sich also hier, ob wir es mit Psoriasis vulgaris
auf ichthyotischer Grundlage oder mit Pityriasis lichenoides chronica zu
tun haben. Kratzen wir mit dem Nagel die Schuppen von den Efflores-
zenzen weg, so liegt das Korium siebförmig blutend zutage. Die Diagnose
dürfte also Psoriasis vulgaris auf Ichthyosis lauten.
2. einen 30jährigen Kranken, welcher an Epilepsie leidet und große
Dosen Brom (Bromnatrium bis 20 g pro die) eingenommen hat. Bei
demselben zeigen sich Über Rücken, Brust, Beuge- und Streckseiten der
Extremitäten zerstreut döst er rotbraun und livid gefärbte Effloreszenzen
von Linsen- bis Bohnengröße, über das Hautniveau hervorspringend, von
schlaffer Konsistenz, gegen die Umgebung durch einen verschwommenen
Entzündungshof abgegrenzt, welcher zentral ein Schuppchen oder eine
eitererfüllte Pustel oder eine bereits eingetrocknete Borke zeigen. Bei
den größeren derselben ist nach Abstoßung der Blasendecke die Base
eleviert. in Form von Granulationen vorspringend. An den Malleolen der
Ünterscnenkel ist in kreuzer- bis thalergroßer Ausdehnung die Haut
livid verfärbt, stark eleviert, tumorartig sich präf>entierend, warzig und
höckrig zerklüftet, von schmutzigbraunen eingetrockneten Sekretmassen
bedeckt: Acne ex usu natrii bromati.
Kreibich demonstriert:
1. eine Sycosis ]parasitaria: Bei dem 28jähr. Kutscherfindet
sich an der linken Halsseite, vom Unterkieferrande abwärts, eine hand-
tellergroße, elevierte, aus einzelnen Infiltraten bestehende, dunkelbraun-
rot verfärbte flache Anschwellung, durchsetzt von kleinen und größeren,.
Arch. f. Donnat. n. Syph. Bd. LXIII. 25
386 YerhandluDfren
den Haarfollikeln entsprechenden, eitrigen Abscessehen, aas denen sieh
bei Druck reichlich Eiterpropfen entleeren. Im Eiter and in den leicht
extrahierbaren Haaren sind reichlich Pilze vorhanden.
2. einen Pemphigas bei einem 42jähr. Manne. Im Oesiehtesind
nnr mehrere, einsein stehende, amschriebene trockene Knisten, an der
linken unteren Extremität drei Blasenherde zu sehen. Die Erkrankang
besteht erst 6 Wochen and ist also gewiß gans im Beginne. Und doch
l&ßt sich hier ein schwerer Verlauf prognostizieren. Denn die einzelnen,
bis über wallnußgroßen Blasen sind ganz matsch, zeigen große Tendenz
ZQ peripherer Ausbreitnug und Exfouation, was sich schon darin kund-
Sibt, daß sich bei Druck auf die Blasendecke die Epidermis weiÜiin ab-
eben läßt. Gleichzeitig wird diese Auffassung unterstützt durch die Be-
theiligung der Mundschleimhaut, indem auch am harten Gaumen drei
erbsengroße, leicht hämorrhagische Blasen vorhanden sind.
Spitzer demonstriert aus der Abtheilung Prof. Längs:
1. einen 18jährigen Kranken, der, seit 3 Jahren erkrankt, vor drei
Wochen in Beobachtung kam. Das ganze Gesicht sowie die Rücken-
flächen der Hände und Finger waren mit gelbbraunen Ernsten bedeckt,
wie bei akutem Ekzem. Nur die Lippen waren im Bereiche des Lipnen-
rotes mit einer festhaftenden Schichte blutig tingierter Krusten über-
zogen. Es bestand Fieber gegen 89'0 und ein ziemlich schwerer AUge-
meinznstand. Nach Entfernung der Krustenmassen durch feuchte Über-
schläge zeigte sich die Haut des ganzen Gesichtes, der Ohrmuscheln
teils lebhaft gerötet, teils mehr blaurot gef&rbt, zum Teil mit festhaf-
tenden, in grossen Lamellen abhebbaren Schuppen bedeckt. Das Lippen-
rot war an vielen Stellen von Rhagaden durchsetzt Ähnlich beschaffen
war die Haut an beiden Handrücken. Nur an den Streckseiten der Finger
zeigen sich frostbenienähnliche Veränderungen, Verdickung und cyano-
tische Verfärbung der Haut. Die Handteller sind frei. An der Peripherie
löst sich die krankhafte Veränderung in eine große Zahl stecknadelkopf-
großer ganz flacher börkchen tragender Knoten auf.
An der Haut des Nackens dagegen sowie an den Streckseiten des
Unterschenkel finden sich zahlreiche hirsekom- bis linsengroße rosarote
Flecke, die sich sehr bald nach ihrem Entstehen mit einem weißen, fest-
haftenden Schüppchen bedecken und keine Tendenz zeigen zu konfluieren.
Diese Stellen sind es, die zunächst die Diagnose Lupus erythema-
tosus disseminatus erleichtem, während das Bild sonst einem seborr-
hoischen Ekzem sehr ähnlich sieht.
Bemerkenswert ist hier die Ausdehnung, in der die Haut des Pa-
tienten von der Krankheit ergriffen ist. Das schwere Gesammtbild mit
den Fiebersteigerungen und den Zeichen reichlicher Exsudation stellt
den Fall näher zu jenen Bildern, die als Lupus erythem. akntus be-
kannt und gefürchtet sind.
Nachweisbar ist bei dem Patienten nur der rechte obere Lungen«
läppen erkrankt. Die Untersuchung ergibt Infiltration und Rasselgeräusche.
Der Patient, der mit Fieber zur Beobachtung; kam, war einige Ta^e
fieberlos, zeigt aber ietzt wieder Temperatursteigerangen bis d9'0. Die
kahle Stelle am Kopf soll von einer Verletzung herrülmn.
Der Patient erhält gegenwärtig 0,76 Chinin intern. Lokal erhält
er eine milde mehr indifferente Behandlung.
2. Fall eines Mannes, der angeblich erst seit 8 Wochen erkrankt
ist. Der Kranke ist erst seit wenigen Stunden in der Abtheil ung und
bedarf noch der Beobachtung Derselbe hat offenbar eine durch jahrelange
Ekzeme veränderte Haut, was sich durch die reiche Pigmentierunf und
Verdickung kundgibt. Gegenwärtig sind an dem fast haarlosen KopT und
an den Extremitäten Veränderungen im Sinne des akuten Ekzem zu
bemerken. Nach der Beschaffenheit der Gesichtshaut ist es wahrscheinlich,
der Wiener dermatologisohen Gesellschaft. 3g7
daß es sich hier um Eksem anf einer ichthyotischen Haut
handelt Doch ist es nöthig, sich üher die Pigmentiemng durch längere
Beobachtung klar su werden.
Weiden feld: Es sind 5 Erankheitsbilder, die eine so universelle
Ausbreitung mit diffusen Entzundungsersoheinungen gewinnen: Liehen
ruber accuminatus, Ekzema, Psoriasis, Pemphigus und Erythema auto-
toxioum. Doch erinnert der vorgestellte Fall besonders an einen, der
ebenso diffus erkrankt war und dabei die gleiche großlamellöse Schup-
pung seigte. Kaposi machte sofort die Diagnose auf ein universelles
Erythem und zwar hauptsächlich mit Rücksicht auf diese Schuppen,
welche infolge einer raschen und starken serösen Durchtränkung zu stände
kommen und sehr leicht heruntergehen. Die Differentialdiagnose der an-
deren Erkrankungen ist nur dann zu machen, wenn man fär dieselben
bestimmte Symptome findet, fär Ekzem nässende Stellen, für Psoriasis
einzelne Effloreszenzen oder typische Schuppen, für Liehen ruber die
charakteristischen Knötchen und die Beteiligung der Hohlhaud.
Kreibich: Auch eine andere Erscheinung wäre noch hervorzu-
heben. Der Patient gibt an, erst 8 Wochen erkrankt zu sein, vorher alle
Haare gehabt zu haben, die ihm nun jetzt fast alle ausgefallen sind*
Dies könnte infolge von Psoriasis, Ekzem, Liehen ruber oder Ichthyosis
nicht in so kurzer Zeit zu stände gekommen sein, sondern nur durch
einen akut entzündlichen, exsudativen, dabei aber tiefer reichenden
Prozeß ähnlich wie bei Erysipel.
Bhrmann: Psoriasis oder Ichthyosis als Grundprozeß liegt hier
nicht vor. Vielmehr erinnert der Manu ganz an das bereits erwähnte,
von Kaposi vorgestellte toxische Erythem, mit dem er sowohl die
starke Betheiligung des Gesichtes, besonders der Augenlider gemeinsam
hat als auch das starke Kältegefühl und Zittern, bedingt durch den
erhöhten Wärmeverlust an der von der Homschichte stark entblößten Haut-
oberfläche.
Mracek: Am 8. Februar 1892 stellte ich einen ähnlichen Fall
hier vor, an dessen Diagnose sich eine große Debatte knüpfte, ohne zu
einem abschließenden, sicheren Resultate zu führen. Im Anschlüsse an
den heutigen Fall möchte ich auch den damaligen bestimmt als toxisches
Erythem ansprechen, ebenso wie diesen, für dessen Charakter auch die
kurze Krankheitsdauer spricht.
Matzenauer: Zur klinischen Diagnose wäre noch die Dermatitis
exfoliativa Brocq heranzuziehen, die akut einsetzt, zu universeller Rötung
und großlamellöser Schuppung führt und mit hohem Fieber sowie rascher
Kachexie verbunden ist Bei derselben kommt es auch zu Nagelverän-
derungen — auch hier ist das Nagelbett allenthalben geschwellt und
riffig — und Haarausfall, meist zu totalem, so daß ich zwischen diesem
Falle und dem von Brocq beschriebenen Bilde keinen Unterschied
finde. Es könnte auch eine Differentialdiagnose gegen die Pityriasis rubra
Hebrae in Betracht kommen, doch hat diese einen ganz anderen Ablauf.
26*
388 Verhandlnngen der Wiener dermatologisohen Gesellschaft.
Finger: Wenn Kollege Matsenauer zwischen diesem Erythem
ond dem Erankheitsbilde von Brocq keinen Unterschied findet, so rührt
dies daher, daß beide identisch sind. Ich verweise weiters darauf, daß
die einzelnen Fälle immerhin etwas verschieden sind; Mraceks Fall
z. B. kam ganz im aknten Stadinm und ließ bei der fast aniversellen
Ausdehnung einige Stellen, besonders die Beugeseiten noch ganz frei
Auch hier sind übrigens die Streckseiten im Verhältnisse starker befallen,
was gleichfalls eiuen Stützpunkt zur Diagnose gibt.
üllmann sah einen ähnlichen Fall, der im Verlaufe von 6 Jahren
6 Rezidive bekam uud deshalb als Erythema skarlatiniforme recidivans
angesehen wurde.
Neu mann: Die Haut ist trotz der starken Jüntzündungseraohei-
nungen weich, elastisch, so daß Prozeße wie Psoriasis, Ichthyosis und
Liehen ruber auszuschließen sind und nur eine akute Erkrankung ange-
nommen werden kann. Für Pemphigus foliaceus oder die Dermatitis ex-
foliativa bestehen keine bestimmten Anhaltspunkte — gegenüber der
letzteren verweise ich nur auf einen von Lang selbst wiederholt er-
wähnten Fall, — so daß nur die Diagnose eines toxischen Erythems
übrig bleibt. Was Uli mann anführte, sind in der Regel toxische, be-
sonders medikamentöse Exantheme wie z. B. durch Chinin.
Kreibich stellt vor:
1. multiple exulcerierte Gummen der Zunge. Die Sdjähr.,
anämische, in der Emährunff stark herabgekommene Frau acquirierte
vor 9 Jahren Lues und macmte bisher zwei Einreibnngskuren durch.
Jetzt bestehen an beiden Zungenrändem, sowie am Zungenrücken meh-
rere, im ganzen 6 hellergroße, kraterformig vertiefte und mit mißfar-
bigem Eiter belegte Geschwüre.
2. einen Lupus erythematodes exulceratus. An der Nasen-
spitze und am Filtrum der Oberlippe ein flaches Infiltrat, im Zentrum
narbig atropbiert, an einer erbsengroßen Stelle exolzeriert, aber bereits
gereinigt. Dagegen finden sich hinter beiden Ohrmuscheln handtellergroße,
am Rande stärker elevierte, fast an der ganzen Fläche geschwürige, zum
Teil mit Krusten, zum Teil mit den fischen, festanhaltenden Schuppen
bedeckte Herde von Lupus erythem. Patient erhidt intarne Ghinintherapie.
Geschlechts-Krankheiten,
(Bedigiert von Prof. Heiflser and Dr. Sch&ffer in Breslau.)
Syphilis der Haut, Schleimhant etc.
Foumler, A. et Saliareanu« Syphilis. Osteomes gommenx
-da or&ne. Soc. de denn. 1900.
Der 89j&hrige Patient acqairirte im Jahre 1881 Lnes. Secand&r-
«rscheinungen. 1898 Orchitis syph. Seit 5 — 6 Monaten Kopfschmerzen.
An Stirn- und Scheitelhöckem, Proc. mastoides verschieden grosse
gummöse Osteome. Gummöse Yerdickung der 1. Clavicula und des
1. Troehanters. „Sirop de Gihert'' besserte den Znstand wesentlich.
Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau et Trastaar. Snr an cas de syphilides alc6-
reases du cr&ne aveo formation de s^questres, suppuration
as8oci6e et soulSvment synchrone au point de Pexudat
purulent. Soc. de derm. 1900.
Bei der 88 jährigen Patientin, welche Tor ca. 10 Jahren Lues
acqairirte, ohne sich dessen bewusst zu sein, besteht ein Erans von
Gummen an der Stirn, mächtige Narben und gummöse ülcerationen am
Schädeldach, welch letztere zur Necrose und Sequesterbildung am
Scheitelbein gefELhrt haben. Diese unterhält eine Eiterung, deren Ende
nicht abzusehen ist; sie ist die Folge einer Mischinfection (eines sich
nach Gram färbenden Gonococcenähnlichen Diplococcus, den Aufrecht,
Hirsch-Hirschfeld, von Langlet, Gaston und Datza neuerlich
bei Lues maligna gefunden^. Die spec. Behandlung wird die gummösen
Processe zurückbringen, die Eiterung jedoch nicht, so dass die Gefahr
einer Perforation der Meningen besteht.
Die einzige Hoffnung bestünde im chirurgischen Eingreifen, einer
Entfernung der Sequester. Richard Fischel (Bad Hall).
Audry. Sur la nature et le traitement de la contracture
typhilitique du biceps. Journal des maladies catan6es et syphi-
litiques 1901. p. 664.
Audry beobachtete bei einem 28 jährigen, leicht erregbaren, leicht
hysterischen jungen Manne, der an fiischer Syphilis erkrankt war, plötz-
390 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
lieh eine C!ontractiir des linken Bicepi. Eine Baggestiye Behandlnog mit
einigen Ii^ectionen yon Aqaa destillata in den oontrahirten Biceps heilte
nach wenigen Tagen die Contractar. Verf. hUt die Affection far auf
hyBtero- syphilitischer Basis entstanden.
Panl Neisser (Benthen 0. S.).
Viscerale Syphilis.
Kopezynski. Znr Eenntniss der Symptomatologie und
pathologischen Anatomie der Laes cerebri. Deutache Zeit-
schrift f&r Nerrenheilknnde, XX. Band, 3. nnd 4. Heft, p. 216 ff.
Die Arbeit behandelt ausfahrlich einen Fall von Lnes cerebri mit
genanem pathologisch-anatomischen Untersnchungsbefand. £ine 42 jähr.
Arbeitersfrau erleidet — zwei Jahre nachdem sie eine Sablimat-Iigec-
tionscor durchgemacht hat — unter annehmender geistiger Schwäche
schliesslich einen apoplectischen Insult mit Hemiplegie und später hincu-
tretender Oculomotorius -Lähmung; auf eine Inunctionscur von 18 Einr.
KU 4*0 und die nach Beendigung dieser Cur einsetsende Darreichung von
Jodkali (im ganzen etwa 70 Gr.) erfolgt keine wesentliche Besaerung:
„nur die Bewegungen des r. Auges wurden etwas freier, nnd das Körper-
gewicht nahm etwas zu**. Beständiges Schwanken im Verhalten der Pu-
pillen. Nach einjährigem Aufenthalt in der Anstalt Exitus letalis in
Folge von Herz- und Nierenerkrankung. Pathologisch-anatomischer Ge-
himbefund: 2 Erweichungsherde in der Gegend der inneren Kapsel mit
secundärer Entartung der Pyramidenbahnen; luetische Erkrankung der
Himbasis, besonders in Gestalt von Veränderungen an den gröberen und
feineren Gefassen, sowie im Gebiete des Chiasma optic. und der Oculo-
motorii.
Kopczynski betont bei der Besprechung des Falls unter anderem
das wechselnde Verhalten der Pupillenweite und -reaction als besonders
charakteristisch für Hirnsyphilis, indem es den Exacerbationen nnd Re-
missionen des specifischen Processes ganz entspreche; die Sehnerren-
kreuzung sei als ein Lieblingssitz der luetischen Gehimerkrankung anzu-
sehen. Ausserdem widmet er den Gefässveränderungen eine eingehende
Besprechung, namentlich dem histologischen Bild derselben. Die übrigen
Erörterungen haben mehr neurologisches Interesse.
Fritz Gallomon (Breslau).
Sibellus, Chr. Zur Kenntniss der Entwicklungsstörun-
gen der Spinalganglienzellen bei hereditär-luetischen,
missbildeten und anscheinend normalen Neugeborenen.
Deutsche Zeitschrift fikr Nerrenheilkunde, 20. Band, 1. und 2. Heft, p. 85.
(Arbeiten aus dem patholog. Institut in Helsingfors.)
Sibelius hat in den Spinalganglien hereditär Luetischer mehrfach
Gruppen von zum Theil abnorm aussehenden Ghmglienzellen bemerkt und
der Geeohleohtskrankheiten. 391
dnrch histoIogiBche Studien (an 24 meist reifen Neugeborenen) featza-
stellen gesucht, wie weit diese „Zellcolonien*' mit der Lues in Bezie-
hung steheu. In seiner Dntersuohnngsreihe fanden sich die deformirten
Zellen bei hereditär-syphilitischen Kindern am meisten ausgeprägt, selten
hingegen bei den anscheinend normalen, ausgetragenen Neugeborenen.
Sibelius fiMst die Bildungen als verspätete Entwicklungsstadien auf
und fährt ihr auffallend reichliches und ausgeprägtes Vorkommen bei
Luetischen auf eine Hemmungswirkung des Syphilistoxins zurück.
Die histologischen und neurologischen Einzelheiten der Arbeit
bieten an dieser Stelle kein Interesse.
Fritz Callomon (Breslau).
Brissand et Souques. Disposition mötamerique spinale
de la Syphilide pigmentaire primitive. La Semaine M^icale,
21. Annee, Nr. 32
Brissaud und Souques gelangen zu der Ansicht, dass das
Leuooderma syphiliticum in seiner Localisation auf der Haut deutliche
Beziehungen zur Yertheilang bestimmter Nerventerritorien erkennen
lässt. Ihrer Meinung nach entspricht die eigenartige Verbreitung über
flals- und Nackengegend, auf welche sich die Afieotion in der überwie-
genden Mehrzahl der Fälle in fast regelmässiger Abgrenzung beschränkt,
dem Yertbeilnngsgebiete der entsprechenden Spinalsegmente oder Rücken-
markswurzeln (3. Cervicalwurzel nach Rocher's Schema). Zugleich
wenden sich B. und S. gegen die von Neisser vertretene Hypothese,
welche fär die Localisation auf der Hals-Nackengegend die Eiowirkung
des Lichts oder der Wärme verantwortlich macht, eine Annahme, mit
der sich auch die mehrfach beschriebenen Fälle von „ultracervicaler**
Verbreitung des Leucoderms nicht in Einklang bringen lassen. Unter den
in der Literatur geschilderten Fällen, in denen das Leukoderm vom Halse
auf die übrige Haut des Körpers übergreift (stets jedoch unter Verscho-
nung von Gesicht und Händen), enthalten nur zwei Veröffentlichungen
genaue Angaben über die Abgrenzung der Affection; in beiden lassen
sich Beziehungen zum Vertheilnngsgebiete entsprechender Rückenmarks-
segmente feststellen. B. und S. fugen zwei weitere, eigene Beobach-
tungen von „nltracervicaler** Ausbreitung hinzu, in denen die Hautbezirke
entsprechender Rückenmarks würz ein befallen sind.
So bringen Brissaud und Souques die Vertheilung des Leuco-
derms in enge Beziehung zum Gentralnervensystem und glauben somit
auch eine gewichtige Stütze für die Annahme der „trophoneurotischen
Natur** der Afiection zu haben. Warum aber gerade das syphilitische
Virus die utrophischen Gentren* der Cervicalabschnitte mit Vorliebe be-
einflusst, lasse sich nicht erklären; doch weisen Verf. auf die analoge
Wirksamkeit anderer Gifte (z. B. Blei, Alkohol) auf ganz bestimmte Ab-
vchnitte des Nervensystems hin. Fritz Callomon (Breslau).
Rybalkln. lieber einen Fall von Jackson'soher Epi-
lepsie auf syphilitischer Basis mit operativem Eingriff.
Deutsche Zeitschrift for Nervenheilkunde, XIX. Band, Heft 6, p. 884 ffL
392 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Byb alkin berichtet über einen 35 j ihrigen Lnetiker, bei dem
15 Jahre post infectionem Kopfschmerzen und epileptische Krampfknfalle
auftreten; Fat. war nur einmal, etwa 2 Jahre nach der Ansteckong,
einer Quecksilber- und Jodcnr unterzogen worden. Unter Darreichung
von Jodkalium und Bromnatrium bessern sich nur Torübergeheod die
Kopfschmerzen. Auch auf combinirte Hydrargyrum-Jodkalium-Behand*
lang, welche im weiteren Krankheitsverlaufe innerhalb zweier Jahre
dreimal vorgenommen wird (jedcRmal 24 Einreibungen Ung. einer.) erfolgt
keine wesentliche Besserung; die Aufölle werden voröberfrehend seltener,
doch häufig treten Schmerzen, Zuckungen nnd Schwäche in der linken
Gesichtshälfte und Yertaubungsgefähl im linken Arme auf, bis sich end-
lich nach einem besonders hochgradigen Krampfanfalle mit mehrtägigem
Bewusstseinsverlust ein schweres Krankheitsbild entwickelt: klonische
Krämpfe der linken Körperhälfte, völlige Lähmung der linken oberen
Extremität mit Sensibilitätsstörungen, hochgradige Parese des 1. Beins.
Von eclatantem Erfolge ist die daraufhin vorgenommene Trepa-
nation, bei der in der Gegend des rechten Schläfenbeins ein Stuck der
verdickten und mit der Hirnrinde verwachsenen Dura reseoirt wird. Die
Anfalle werden seltener und hören 4 Tage post operationem auf ; alsbald
völliger Röckgang aller Lähmungserscheinungen. Kaum zwei Monate
später geht jedoch Pat. an einer rapid fortschreitenden, schon seit län*
gerer Zeit bestehenden Lungenerkrankung zu Grunde. Die Gehimobdnc-
tion ergibt Pachymeningitis syphilitica lobi parietalis deztri, Ostitis
syphilitica cranii, mikroskopisch auch Intima -Verdickungen einzelner
Gehimgefftsse.
Bei der eingehenden neurologischen Besprechung hebt Ryb alkin
n. a. hervor, wie entsprechend den verschiedenen Entwicklungsphasen
des von den Meningen ausgehenden und auf die Rinde übezgreifenden
Krankheitsprocesses hier alle üebergänge von looalen Krämpfen bis zum
Status epilepticns ausgelöst werden. Besonders weist Verf. auf den gün«
stigen Erfolg der Operation hin, betont jedoch ausdrücklich, dass nach
den Erfahrungen verschiedener Autoren der Erfolg derartiger Eingriffe
in der Regel von kurzer Dauer ist. In seinem Falle könne die Bessemng
auf eine Blutdruckerniedrigung in der Schädelhöble bezogen werden.
Es erscheint uns besonders bemerkenswerth, dass in diesem Falle
bis zum Auftreten der schweren Krankheitserscheinungen die Lues nur
einmal innerhalb von 15 Jahren mit Hg und JK vorbehandelt war, dass
somit eine nach unseren Auffassungen nnznreichend behandelte Lues
vorliegt. Fritz Gallomon (Breslau).
Gassirer und 8traus§« Tabes dorsalis incipiens nnd Sy-
philis. Monatsschrift fär Psychiatrie und Nearologie, Bd. X, Heft 4,
pag. 241.
Cassirer nnd Strauss veröffentlichen einen Fall von initialer
Tabes bei einem 36 jährigen, in Folge eines Oesophagns-Gumma verstor-
benen Manne ; der pathologisch-anatomische Befund bestätigte das gleich
zeitige Vorhandensein von Syphilis und Tabes. Von tabischen Symptomen
der Geschlechtskrankheitezi. 393
wftT nur die raflectorische Papillenstarre klinisch nachweisbar. Die etwa
13 Jahre Tor dem Tode erworbene Luea, welche nur einmal mit Jodkali,
niemals mit Hydrarg. behandelt worden war, fahrte anter eigenartigen
Schlnckstörangen den letalen Aasgang herbei and offenbarte sich bei der
Obdnction in oesophagitis et tracheitis fistnlosa syphilitica, Orchitis et
nephritis chronica syphilitica. Zugleich ergab die Autopsie degenerative
Yeranderungen im Rückenmark, welche dank der sorgfiLItigen histologi-
schen Untersach Jng als doppelseitige, symmetrische Entartung von Fasern
der 8. hinteren Dorsalworxel gedeutet werden konnten. Dieser anatomi-
sche Befand gemeinsum mit dem klinischen rechtfertigte die Tabes-
Diagnose, bei welcher sich die Verf. zugleich auf eine Eteihe analoger
Rüokenmarksbefande anderer Autoren stützen. Sie fügen hinzu, dass es
bei dem heutigen Stande der Kenntnisse über Frfih-Tabes nicht auffallen
könne, wenn die in unserem Falle nachgrewiesene Form der Hinterstrangs-
Erkrankung sich klinisch nicht ge&ussert hat ; die reflectorische Pupillen-
starre könne natürlich in diesen spinalen Verinderungen nicht ihre Er-
klämng finden.
Im Anschlnss an die Besprechung des Falles erörtern Gassirer
und Strauss eingehend die Frage der Beziehungen zwischen Tabes und
Lues, indem sie einen interessanten Ueberblick über die bisher bekannten
statistischen und klinischen Beobachtungen geben: u. a. weisen sie hin
auf das mehrfach beschriebene Auftreten der Tabes bei früher syphilitisch
inficirten Eheleuten, aof den Nachweis Ton Lues in Fällen von juveniler
Tabes, endlich auf die grosse Reihe von F&llen, in denen beide Erkran-
kungen anatomisch nachgewiesen werden konnten. Wenn auch die histo-
logischen Veränderungen bei Tabes mit den rein syphilitischen im allge-
meinen nichts Gemeinsames haben, so sind immerhin Fälle von echter
Syphilis des Nervensystems neben sicheren tabischen Alterationen bekannt ;
auch erwähnen die Verf. eine Beobachtung von Hänel, der bei einer
manifesten Lues des Gentralnervensystems auch reine Faserentartungen
ohne irgend welche specifischen Veränderungen der Üefässe oder des
Bindegewebes beobachten konnte.
G. und S. kommen zu dem Endergebniss, dass trotz aller noch
•trittigen Punkte auf jeden Fall der Lues eine sehr bedeutsame Rolle
bei der Entstehung der Tabes zuzuschreiben sei, wenn freilich die Frage
offen bleiben müsse, ob jeder Tabes eine früher erworbene S>philis zu
Grunde liege. Fritz Gallumon (Breslau).
Tschiseh, W. F. üeber die Frühdiagnose der Gehirn-
syphilis. Eshenedelnik 1901, Nr. 6.
Die ersten Symptome der Syphilis des Gentralnervensystems sind
im Allgemeinen wenig bekannt, die Gehimlues macht dabei keine Aus-
nahme. Nach Tschisch ist als wichtiges Zeichen der ersten oder
Prodormalperiode der Gehimsyphilis der Kopfschmerz und die Schlaf-
losigkeit SU betrachten, die, wenn auch nicht immer, so doch meist vor-
handen sind, Schwindel wird nur bei einer geringem Anzahl von Kranken
beobachtet. All die weitem Symptome dieser verhängnissvoUen Krank-
394 Beriebt fiber die Leisttingen auf dem Gebiete
beit, wie Doppelseben, Reflexerböbnng oder Yerminderang eto. geboren
der zweiten, meist nnbeilbaren Periode an. Daher ancb die dberani
praktiBcbe Bedeutung der Frübdiagnose : nur rechtzeitig erkannt, kann
die Gebimlnes erfolgreich bebandelt werden. Solange von der Syphilis
nur das Oefässsystem der nervösen Centralorgane, nicht das eigentliche
Nervengewebe befallen ist, bat eine specitische Therapie Aussicht auf
Erfolg. Schwierig, wenn nicht gar unmöglich, ist die frübzeitige Dia-
gnose einer Sclerose der Gebirngefftsse, das Befallensein der art. radial,
l&sst noch lange nicht auf eine gleiche Erkrankung der Geflsse dea
Centralnervensystems scbliessen. Bei Sectionen kann man sich nicht
selten davon überzeugen, dass die Syphilis bloss den einen oder den
andern Tbeil des Gefasssystems bef&llt: hochgradige Sderose der Gebim-
artien bei relativer Intaotheit der Gef&sse der inneren Organe ist eben-
sowenig eine seltene Erscheinung, wie eine schwere Erkrankung der
Lebergefftsse bei verbftltnissmftssig gutem Bestände der Gehimarterien.
Auch eine frühzeitige ophthalmoskopische Untersuchung der Arterien des
Augenhintergrundes führt nicht immer zum erwünschten Ziele. Jahre-
lange Beobachtungen veranlassen Verfasser zur Annahme, dass beim
Befallensein der Art Carotis ext. und ihrer Zweige auch immer die Carotis
int. mit ihren Aesten meist in noch stärkerem Grade mitergriffen ist.
Am frühesten zeigt sich die Sderose in den Zweigen des vorderen Astes
der Art. temporalis, welche sich auf der Schlafe dort verzweigt, wo die
Haare endigen oder 1—2 Cm. unterhalb dieser Stelle. Durch das Auge
lässt sich eher als durch das Gefäbl die beginnende Solerose constatiren,
befallen ist meist die linke Seite zuerst, mitunter kann die rächte Seite
g^nz frei bleiben.
Die Sclerose an genannter Steile ist das frühzeitigste und zuver-
lässigste objective Symptom der beginnenden Syphilis des Gentrainerven»
Systems, dieses Anzeichen hat den Verfasser bisher nie im Stich gelassen,
eine specifische Therapie hat die Annahme immer bestätigt. Eine deut-
liche Besserung in der Beschaffenheit der Gefässe tritt erst gewöhnlich
nach lOO'O Jodkali und 40 — 60 Einreibungen ein. Zum Sebluss behauptet
Tschisch, dass Psycho- und Neuropaten, wie überhaupt Personen mit
stark ausgeprägter degenerativer Constitution sehr selten von der Arterio-
sclerose ex Ine befallen werden, so weisen Prostituirte, sowie Verbrecher
diese Affection, trotz bestehender Syphilis, sehr selten auf, Ausnahmen
bestätigen nur die Regel. Ueberfaaupt wird bei Degenerirten, bei Neuro-
und Psychopaten das Centralnervensystem bei notorischer Lues äusserst
selten befallen. In zweifelhaften Fällen kann diese Thatsache diagno-
stisch verwerthet werden: falls Patient vorher ein gesunder, normaler
Mensch war, ist viel eher eine syphilitische Affection des Centralnerven-
systems anzunehmen resp. zu erwarten. Bei sogenannten .Nervösen*
muss man mit der Annahme einer Gehirn- oder Rückenmarksines sehr
vorsichtig sein. S. Prissmann (Libau).
Gordon, Otto. Ein Beitrag zur luetischen peripheri*
sehen Facialisparalyse. Inaug.-Diss. Eönigiberg 18d8.
der Geschlechtakraiikbeiten. 395
Es handelt tioh um eine 26j&brige Frau, die mit den typischen
Erscheinungen einer linksseitigen Facialislähronng in Behandlang kommt,
nachdem sie mehrere Tage lang Reissen in beiden Gesicbtshälften ver-
spürt hatte. Es sind alle Aeste des Facialis betro£fen, aber keine Stö-
rungen im Auge, Ohr oder Hals nachweisbar. Nach einigen Tagen wer-
den Gondylomata ad anam gefunden, die unter einer Schmiercur heilen.
Gleichseitig tritt eine Besserung, aber keine Heilung der Facialis-
l&hmung ein.
Gordon stellt 42 F&Ue von Facialisl&hmung bei Lues susammen,
die aber nur theil weise für echte syphilitische peripherische Facialis-
lähmung sprechen; in vielen Fallen — auch in dem GordonVhen —
dürfte es sich um peripherische FacialisUhmung bei einem Syphilitischen,
nicht um eine syphilitiBche Facialislähmung handeln.
Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Mendel, F. Ueber Ischias syphilitica. Münchener Medici-
nische Wochenschrift, 1901, Nr. 27.
Fall I. 23jfthriger Mann. Infection und einmalige Hg-Behand-
lung vor 3 Jahren. Ischias seit V4 Jfthr. Sofortiges Nachlassen der
Schmerzen nach der ersten Injection von salicylsaurem Quecksilber.
Völliges Verschwinden der Schmerzen nach der dritten Injection. Gleich-
zeitig bestand periostates Gumma am Schädel.
Fall II. 52j&hriger Fabriksarbeiter. Vor 4 Jahren Schmiercur
wegen eines offenbar syphilitischen GeschwiireB am Unterschenkel. Ischias
im linken Bein seit 2 Monaten. Aeusserste Hilflosigkeit. Minderung
der Schmerzen nach der ersten Injection, Verschwinden derselben nach
der dritten. Gleichzeitig bestand syphilitische Periostitis.
Fall III. 84 jähriger Bergmann. Infection vor 2 Jahren. Damals
eine erfolgreiche dreiwöchentliche Qaecksilbercur. Seit 8 Monaten Ischias
im linken Bein. Erfolg der Behandlung wie in den anderen Fällen.
Verfasser betont die Häufigkeit der syphilitischen Natur der Ischias
(V4 seiner Fälle), hat das Jodkali wirkungslos gefunden und empfiehlt
wegen der rascheren Wirkung Injectionen vor den Inunctionen.
V. Notthafft (München).
Hiewerth, A. Beitrag zur Ischias syphilitica und ihrer
Behandlung. Münch. Med. Woch., 1901, Nr. 88.
Bei einem vor 9 Jahren Inficirten, welcher mehrere Male anti-
luetisch behandelt worden war und in der Zwischenzeit, ohne die Lues
auf Frau und Kinder zu übertragen, geheiratet hatte, trat gleichzeitig
mit einem „Substanzverlust** in der Haut des einen Beines eine Ischias
des anderen auf. Während Morphium und Jodkali nichts halfen und
warme Bäder sogar Verschlechterung hervorriefen, trat schon nach der
ersten Spritze Hydrargyrum salioylicum Besserung auf und nach 4 Tagen
war der Patient fast geheilt. v. Notthafft (München).
Danlos, M. Amaurose syphilitiqne, Impuissance des
injeotions de bijodure. Gu^rison par quatre injections de
oalomel. Soo« de dermat. et de syphil. 1900, 11. janvier.
396 Bericht über die Leistongen auf dem Grebiete
Bei einem Patienten, der im Ansoblnss an eine Iritis amaurotisch
wurde (eine genaue Untersuchung des Auges wurde nicht angestellt),
waren ca. 80 Injectionen des obgenannten Hg*Praparates, die im Verlaufe
von 1 '/, Jahren applicirt wurden, wirkungslos, erst eine Galomelinjeotion
k 0*05 Or. brachte schon Besserung, die folgenden drei Heilung. Die
üeberlegenheit des Calomel anderen Hg-Praparaten gegenüber seigt sich
bei hartnäckigen LuesfäUen ebenso wie bei Lupus und Hauttnbercolose.
M. Fournier betont den Werth der Calomel injectionen bei lueti-
sehen Zungen, Larynx und Pharynxprocessen. Die weiteren Indicationen
sind noch zu studiren, da das Mittel in manchen Fällen den anderen
Hg-Präparaten nachsteht rnd locale Schmerzen, Ischias und andere unange-
nehme Begleiterscheinungen, die er unter dem Namen „fievre caloma-
lique*^ beschrieben hat, hervorruft. Bichard Fi sc hei (Bad Hall).
Hallopeau et Trastour. Sur une tumeur de I'orbite. Soc.
de derm. ISiK).
Bei dem 40jährigen Bleiarbeiter, der vor 6 Jahren Syphilis acqui-
rirte und sie gar nicht behandelte, entwickelt sich seit zwei Jahren ein
zunehmender Exophthalmus. Die radioskopisohe Untersuchung ergab
einen Orbitaltumor, der von dem sugezogenen Chirurgen für ein Angiom
gehalten wurde. Die Erweiterung der Gefasse ist aber nur secundär.
Ob es sich um ein Syphilom oder Sarcom handelt, kam für die Wahl
der einzuschlagenden Behandlung, die jedenfalls eine chirurgische sein
muss, da die specifische Therapie erfolglos war, nicht in Betracht.
Richard Fischel (Bad Hall).
Grassmailli, Karl. Klinische Untersuchungen an den
Kreislaufsorganen im Frühstadium der Syphilis. (Aus der
Klinik für Hautkrankheiten und Syphilis von Prof. Posselt.) Deutsches
Archiv für klinische Medicin, 1901, Bd. 68 und 69.
Grassmann fand bei seinen sehr eingehenden Untersuchungen
an 288 Kranken, dass in mindestens Vs ^^^ Fälle die normale Function
des Herzens Störungen aufwies, die sich zwischen klinisch sehr gering-
fügigen Anomalien und ausgesprochener Insufficienz bewegten.
Etwaige subjective Störungen waren nahezu ausnahmslos vonobjectiv
nachweisbaren Abweichungen von der Norm begleitet. Diese bestanden
theils in Arrhythmie und Puls- Verlangsamung oder -Beschleunigung, theils
in Abweichungen vom normalen Auscultationsbefund, in Innctionellen
oder accidenteilen Herzgeräuschen, theils in einer Vergrössernng des
Herzens und zwar fast ausschliesslich d<»s rechten.
Der Blutdruck zeigte bei nahezu allen Kranken eine geringere
oder stärkere Herabsetzung, ebenso der Haemoglobingehalt.
Verfasser glaubt aus den klinischen Beobachtungen mit Sicherheit
schliessen zu können, dass die chlorotischen Vorgänge im Blute Syphili-
tischer mit den Störungen der Herzfunction nicht in Beziehung gebracht
werden dürfen, da die Besserung der chlorotischen Erscheinungen und
die der Herzverändernngen nicht parallel geht. Ebenso sei die Einfüh-
rung von Quecksilber bestimmt nicht die Ursache der Störungen des
der GeBcblechtskrankheiten. 397
Herzens, da diese bereits bestanden, bevor die Quecksilbercur begonnen
war, nnd andererseits die vorhandenen Alterationen des Herzens im Laufe
der antilnetischen Gnr bei vielen Fällen geringer wurden, resp. ver*
schwanden.
Die primäre Ursache der Herzstömngen sei vielmehr die syphi-
litische Infection. In welcher Weise das Gift auf das Herx einwirke, sei
eine offene Frage. Dultz (Breslau).
Breitmann. Ueber plötzlichen Tod durch Herzsyphi-
lis nnd seine Bedeutung für die gerichtliche Medicin.
Eshenedelnik 1901, Nr. 16.
Breitmann fahrt aus, dass der räthselhafte, plötzliche Tod
mancher sonst gesunder Menschen, wenn sie nicht gerade dem Trnnk-
oder Ranohabusus huldigten, oder sonst sich aussergewöhnlich starken
physischen Anstrengungen nicht aussetzten, durch latente Herzsyphilis
zu erklären wäre. Für den Gerichtsarzt können aber dergleichen That-
sachen nicht selten von grosser Bedeutung und Tragweite sein.
8. Prissmann (Libau).
Zydlowici» Wladyslaw. £in Fall von geheilter Syphilis
des Herzens. Klinisch therap. Wochenschrift, 1901, Nr. 1.
Beschreibung eines Falles von Myo- et Endocarditis syphilitica mit
schweren Incompensationsstörungen, Geräuschen an den Ostien, Schwel-
lungen nnd Infarcten, die trotz des elenden Allgemeinzustandes nach
fruchtloser Behandlung mit Herzreizmitteln unter Quecksilbereinreibungen
prompt zurückgingen, so dass Patient bis auf ein Geräusch an der Herz-
spitze symptomlos wurde und seiner Beschäftigung wieder nachgehen
konnte. Victor Bandler (Prag).
Sehwarz, S. Der syphilitische Herzfehler und dessen
Heilung. Med. Obosr., Juni 1901.
Der Aufsatz von S. Schwarz enthält die ausführliche Kranken-
geschichte eines auf syphilitischer Basis entstandenen, durch specifische
Behandlung geheilten Herzfehlers. Im übrigen bringt die Arbeit nichts
Neues. S. Prissmann (Libau).
Fonmier et Sabareanu. Syphilis ancienne, insuffi-
sance mitrale röcente. Soc. de derm. 1900.
Bei der 42jährigen Patientin, welche vor 16 Jahren Lues acquirirte
nnd seit 8 Jahren an hochgradiger Anämie und jetzt an Purpura ca-
ohectieorum der unteren Extremitäten leidet, wurde eine Mitralinsufficienz,
die bei den früheren Spitalsaufenthalten trotz genauer Untersuchung des
Herzens nicht diagnosticirt wurde, nachgewiesen. Mangels einer anderen
Ursache wird die Lues als ätiologisches Moment herangezogen. Während
sich die Anämie und die Purpura auf die antiluetische Behandlung hin
besserten, blieben die Erscheinungen von Seite des Herzens unverändert.
Richard Fischel (Bad Hall).
Goldenberg, H., New-York. Eine kritische Uebersicht
der Literatur über Gumma des Samenstranges undBericht
eines Falles. Journal uf cutan. etc. März 1901.
398 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Die Literatur registrirt bloss einige Fälle dieses äusserst seltenen
Vorkommnisses, zumal selbst frühere, im Anschloss an Orchoepididymitis
sich zugesellende, syphilitische Veränderungen des Samenstranges selten
zu begegnen sind. Helot soll 2 Fälle von Gumma des Vas deferens
berichtet haben. Im VerneniPschen Falle war der Tumor doppelt
fanstgross und für Garcinom angesehen, bis die Obduction die richtige
Diagnose feststellte. Kocher berichtet über 1 Fall; Mauriac 1 Fall;
Reclns 2 Fälle; M. t. Zeissl 1 Fall; Bert 1 Fall; E. Fnller IFall.
Goldenberg sah seinen Fall bei einem 28 jährigen Manne, der vor sechs
Monaten Syphilis acquirirte, zur Zeit keine anderweitigen Manifestationen
zeigte. Die Hodenschwellnng soll ohne jedwede Ursache spontan znm
Vorscheine gekommen sein, war rund, hart, an einer Stelle elastisch,
Fluctuation vortäuschend, an die Hautdecke leicht angewachsen, nicht
schmerzhaft. Hoden und Nebenhoden waren normal. Da der Tumor
von einem Gollegen für eine Talgsycte angesehen wurde, ist ein Ein-
schnitt gemacht worden und die charakteristisch granbläuliche Färbnng
des Gewebes, centrale Erweichung, bestätigten die Diagnose von Gumma.
Der mikroskopische Befund ergab die pathologischen Kennzeichen eines
Gumma mit gleichzeitiger Entzündung im Nachbargewebe.
A. B. Beck, New-York.
Doctoroff, Chr. Etüde sur le chancre syphilitique des
amygdales. These de Nancy 1899/1900, Nr. 88.
Zusammenstellung von 46 zum Theil noch nicht verö£Pentlichten
Krankengeschichten von Patienten mit Initialaffect der Mandeln. Ans-
fuhrliche Literatnrangaben. Kuznitzky (Köln).
Hereditäre Syphilis.
Troisfontaines. Heredo-syphilis de troisiöme gän6-
ration. Journal des maladies cutanees et syphilitiques. 1901. pag. 284.
Troisfontaines hat folgenden interessanten Fall zu beobachten
Gelegenheit gehabt. Ein von ihrem Vater her hereditär- syphilitisches
Mädchen gibt — von einem gesunden Vater — einem Kinde das Leben,
welches das typische Bild einer hereditären Syphilis, schlechte Ernährung,
Coryza, Papeln am After und im Gesicht, zeigt und bei welchem jedesmal
bei Neuauftreten derartiger Erscheinungen prompte Heilung auf Liquor
van Swieten erfolgt. Das interessanteste an diesem Falle ist, daas Verf .
alle in Betracht kommenden Personen zu untersuchen Gelegenheit hatte,
nämlich Grossvater, Eltern und Kind.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Karcher, J. Das Schicksal der hereditär- luetischen
Kinder. Correspondenzblatt für Schweizer Aerzte. XXXI, 16.
Karcher hat sich bemüht zu erfahren, was aus den 81 Patienten
geworden ist, die während der Zeit von 1876 bis 1896 im Basler Kinder-
der GeschlechtskrankheiteD. 399
spital wegen hereditärer Laes bebandelt and dann aU gebeilt entlassen
worden waren. Die Nacbforscbangen hatten nar in 16 Fällen Erfolg:
Sechs als Säuglinge antilnetiscb bebandelte nnd als geheilt entlassene
Kinder gingen in den ersten Lebensjahren za Grunde; eins davon an
Miliartuberculose ; bei diesem wie bei den übrigen fünf, bei denen
Enteritis, Eclampeie, Rhachitis, Pneumonie die Todesursache waren, sind
syphilitische Erscheinungen nicht mehr aar Beobachtung gekommen»
auch die in zwei Fällen vorgenommene Autopsie ergab nichts von
luetischen Residuen. Vier Kinder wurden nach dem Pnbertätsalter völlig
gesund wieder gefunden; sie waren bereits 8 bis 15 Jahre nach der speci-
fischen Cur. Von einem zur Zeit 26jährigen Manne konnte bloss erfahren
werden, dass er „soweit gesund^ und thätig sei. Drei weitere Fälle waren
ebenfalls frei von Syphilis, dagegen von Tuberculose befallen. Lues-
Recidive fanden sich in zwei Fällen, die daneben auch noch Tuberculose
aufwiesen. Zur Zeit der ersten Syphilis-Behandlung war bei keinem der
letzten fünf Patienten Tuberculose constatirt worden. Aus seiner Zusammen-
stellung folgert K. erstens, dass sie die Auffassung von der congenitalen
Lues als einem wichtigen prädisponirenden Moment für die Tuberculose
bestätige ; zweitens ergibt sich fär ihn, dass die Prognose der hereditären
Syphilis im ganzen nicht trostlos ist und dass namentlich das Ungt.
cinereum, mit welchem sämmtliche Kinder — soweit keine Contra-
indication vorlag — behandelt worden sind, verhältnissmässig gute
Erfolge garantirt. Max Marcuse (Bern).
Founiier, Edmond. Syphilis h6reditaire tardive. Soc. de
denn. 1900.
Von den beiden vorgestellten Schwestern zeigt eine 30jährige Frau
bloss eine ausgedehnte Narbe des rechten Ober- und Unterschenkels die
von einer vom 10. bis 18. Jahre auf JK geheilten Ulceration stammt und
Veränderungen des Augenhintergrnndes. Ein Zweifel über die heredosyph.
Natur wird durch die Analyse der Erscheinungen bei ihrer jüngeren
Schwester sofort beseitigt. Die Hutchinson^sche Trias, perilabiale
Narben, Narbenreste nach einer Ganmenperforation und einem Gumma des
M. deltoides sichern die Diagnose. Bei einer anderen 17jährigen Kranken
constatirt man ausser dem charakteristischen Stigma der Hutchinson-
schen Trias noch dystr. Störungen: Verspätung der Entwicklung (sie
begann erst mit 4 Jahren zu laufen und sprechen). Mangelhafte Intelligenz.
Hysterische Gontractur der unteren Extremitäten, Incontinenz.
Richard Fischöl (Bad Hall).
Foumier, Edmond. Trois cas de syphilis höreditaire
tardive. Soc. de derm. 1900.
Allen drei Fällen ist es gemeinsam, dass auf den ersten Blick als
Sülerose imponirende Veränderungen als Gummen bei heredosyph. Indi-
viduen erkannt wurden.
Bei dem ersten Fall, dem der folgende so ziemlich gleicht, schützte
vor dem ev. diagnostischen Irrthum : 1. Eine ähnliche Veränderung, von der
die Narbe an der Spitze des Gliedes sichtbar war, hatte sich vor 2 Monaten
400 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
entwickelt. 2. Ihr jetziges scleroseihnliches Aussehen verdankte die
Affection dem Vemarbangsetadinm, während sie im Beginne ein tief anige*
höhltes, eitriges Geschwür darstellte. 3. Die Schwellung der Leistendrüsen
besteht schon seit Langem, 4 Die Induration ist durch local angewendete
Mittel und den die Wunde nässenden Urin verursacht. Während in
diesen beiden Fällen die Gummen an der Spitze des Gliedes sassen,
localisirte sich bei dem 20jährigen Mädchen die Affect*on an der Brust Sie
wurde zuerst als harter Chancre diagnosticirt Ein gummöses Syphilid der
Hinterbacke, mächtige Hjrperostose der linken Clavicula, Auftreibung der
leicht gekrümmten Tibien liessen an hereditäre Syphilis denken und die
Diagnose rectificiren. JE brachte in allen 8 Fällen Heilung. Die letzte
Kranke kam in kurzer Zeit mit einem gummösen Osteom des Schädels
und meningitischen Erscheinungen wieder, die einer gemischten Behand-
lung wichen. Richard Fischel (Bad Hall).
Wieting. Zur Säbelscheidenform der Tibia bei Syphilis
hereditaria tarda. (Bruns' Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XXX,
Heft 8, Juli 1901.)
Wieting weist zunächst nach, dass sowohl bei tertiärer Syphilis,
als auch bei hereditärer Lues sich an der Tibia eine Osteoperiostitis
abspielt, d. h. eine Erkrankung sUer den Knochen zasammeusetzenden
Gewebe, mit vorwiegender Betheiligung der Vorderseite des mittleren
Drittels. F'ournier und Lannelongue hatten 1886 als pathognomonisch
für die Syphilis hereditaria tarda die scheinbar bogenförmige Verkrümmung
der Tibia mit der Convexität nach vorn hingestellt, scheinbar deswegen,
weil sie durch hyperostotische Wucherungen auf der vorderen Tibia-
fläche vorgetäuscht wurde. Wieting behauptet nun, diese Verkrümmung
sei nicht scheinbar, sondern wirklich vorhanden, und zwar sei sie dadurch
entstanden, dass die durch luetische Osteoperiostitis biegsam gewordene Tibia
zur Zeit dieser Malacie bereits fnncüonell in Anspruch genommen werde —
im Gegensatz zu den rhachitischen Processen, die einsetzen, ehe die Kinder
ihre Unterschenkel in geregelter Weise gebrauchen. — Vermehrt werde
diese Krümmung durch die als Sehne des Kreisbogens wirkende Fibula
und die nach hinten verlagerte Musculatur. Ein zweiter wichtiger Punkt
bei der hereditären Syphilis ist nach Wieting die Verlängerung des
Unterschenkels, hervorgerufen in Folge von Reizung des Epiphysen-
knorpels durch die wie eine infeotiöse Knochenericrankung wirkende
Osteoperiostitis syph. Diese beiden Momente — Verkrümmung der Tibia
und Verlängeruog der Unterschenkel — sieht Verfasser als charakteristisch
an för eine hereditär syph. Erkrankung, allerdings mit der EinsohräniLung,
dass vielleicht auch eine in frühester Kindheit acquirirte Laes in diesem
Sinne mit der hereditären gleich werthig sein möchte, da dann die tertiären
Symptome noch in die Wachsthumszeit fallen und jene Knochenform sich
ausbilden könnte. Arthur Alexander (Breslau).
Petrin! de Galatz. Un cas de stigmates herödosyphili-
tiques et de syphiiis aoquise chez le mdme individn. Soc.
de derm. etc. 3. Mai 1900.
der GetchlechtBkrankheiten. 401
Bei dem 22jährigen Manne mit maculopapnlÖBer Lues finden sich
Yerandernngen der Schneide- nnd Eckzähne (transversale Furchen der
Krone und abnorme Stellaog), die auf hereditäre Laee deaten. Da sich
aber weder anamnestiaeh noch objectiT die Diagnose stutzen lässt, so
zieht Petriui die Möglichkeit einer von der Amme aquirirten Lues in
Frage. Mit Rücksicht auf die Seltenheit ähnlicher Fälle und das noch
nicht genügend stndirte Thema der Reinfection Hereditär-syphilitischer
hält er den Fall für mittheilenswerth.
Richard Fisch el (Bad Hall).
Foumier, £dm. Malformation de Poreille chez un
hrerödo-syphilitique. Soc. de derm. etc. 7. Juin 1900.
Bei dem 4 Monate alten, an einem papulocrustösen Syphilid leiden-
den Eiode fanden sich Missbildungen des Schädels (Vorspringen der
Tnbera frantalia nnd parietalia), Yergrössernng der Milz und der Leber,
eine Umbilioalhemie, Stigmata des Angenhintergrundes. — Besonders
aufibllend ist eine Missbildung des rechten Ohres. £s repräsentirt sich
als ein amorphes Gebilde, homartig, an welchem die das äussere Ohr
constituirenden Formen nicht ausfindbar sind. Diese Missbildnng kann
man« ohne fehl zu gehen, dem dystrophischen Einfluss der hereditären
Syphilis zuschreiben. Richard Fischöl (Bad Hall).
Fournier, Edmond. Dystrophies chez un herödosyphili-
tique et chez un heredo-alcoolique. Soc. de dorm. 1900.
Unter dem Einfluss zweier verschiedener Gifte entwickeln sich bei
der Nachkommenschaft Degenerationserscheinnngen an ein und demselben
Organ. Bei einem Hereditärsyphilitisohen — eine überzählige Mamma,
bei einem Sohn eines Alkoholikers — Atrophie des Orgaus, mit gleich-
zeitigem Defect des Pectoralis und der Behaarung des Thorax nnd der
Achselhöhle derselben Seite. Richard Fischöl (Bad Hall).
Fournier, Edmond. Dystrophies dentaires dans un cas
de Syphilis hereditaire. Soc. de derm. 1900.
Nebst anderen ausgesprochenen Symptomen hereditärer Syphilis
findet sich bei der kleinen Patientin noch eine Veränderung an den
Zähnen, die in ihrem diagnostischen Werth dem Hutchinson'schen an
die Seite gestellt wird. Der Zahn wird durch eine einschnnrende Furche
in halber Höhe in zwei Theile getheilt, von denen der untere das Aus-
sehen eines abgenützten kleineren, wie in die obere Hälfte eingeschalteten
Zahns hat Die ersten Mahlzähne, die mittleren Sohneide- und die
Eckzähne des Oberkiefers, die vier unteren Schneidezähne und die Eck-
zähne sind ergriffen. Richard Fischöl (Bad Hall).
Rodler, Henri. Syphilis hereditaire. Dents d'Hutohinson
type. Jonmal des maladies oatanees et syphilitiques. 1901. pag. 146.
Rödler beschreibt mit peinlicher Genauigkeit das Gebiss einea
16jährigeny hereditär syphilitischen Mädchens, welches genau dem
Hutchinson'schen Typus entspricht. Das sehr schwächlich entwickelte
Mädchen macht den Eindruck eines 10jährigen Kindes, hat erst mit
4 Jahren gehen, sprechen gelernt und den ersten Zahn bekommen, nach*
Areh. f. Dermal, n. S/ph. Bd. LXIII. 26
402 Bericht über die Leistangen aaf dem Gebiete
dem es Torher in den ersten Lebensjahren an vielen Krankheiten,
darunter Krämpfen nnd AuBBohl&gen, die nnr aof tpeoifieche Behandlaag
heilten, gelitten hatte. Mit 15 Jahren hatte ea eine doppelseitige Keratitis
dorohgemaoht, die aof Qnecksilberinjectionen so aemlieh abgeheilt Ist.
Die Matter nnd eine Schwester sind gesnnd; der Yater, der gestorben
ist, soll Potator und Lnetiker gewesen sein.
Paul Weisser (Benthen, O. S.).
Caziot, Paul. H^redosyphilis de la moelle ^pin^re,
m^ningo my^lite chronique dn type Erb. Annales de derm. 1900.
Caziot theilt die Krankengeschichten iweier Soldaten, die an einer
Bückenmarkserkranknng litten, mit Im ersten Falle, einem 84j&hrigen
Manne, begann einige Monate nach einem Typhus die Affection mit blitz-
artigen Schmerzen in der linken unteren Extremit&t im 16. Lebenö*hre.
Gegenwärtig bestehen trophische Störungen, Herabsetzung der Sensi-
bilität der 1. Körperhftlfte, Steigerung der Bedeze (Plantar- nnd PateUar-
reflexe), Störungen des Gangs, leichte Ermüdung, Störungen der Harn-
entleerung. Häufige Gonstipation. Wenig ausgeprägter Geschlechtstrieb.
Bei dem zweiten Fall, einem SSjfthrigen Infanteristen, machte sich schon
im 3. Lebensjahre eine Schwäche der unteren Extremitäten beim Gange
geltend. Die nervösen Symptome ähneln dem ersten sehr. Nachdem fär
den ersten Patienten die Diagnose einer posttyphösen Myelttia nnd
Neuritis als unbegründet zurückgewiesen wird, kommt der Verf. in Erwägung
der einschlägigen differentiai diagnostische Momente zum Schlüsse, dass
es sich um eine Entwicklungshemmung der Pyramidenbahnen handelt.
Der Versuch des Verfassers als Aetiologie hereditäre Syphilis anzunehmen
ist bei Torurtheilsloser Kritik der beigebrachten Daten und Stigmata
bloss — ein Versuch geblieben. Biohard Fisehel (Bad Hall).
Therapie der Syphilis.
Granfeld, J. Doc., Wien. Die Mundpflege bei Syphilis-
formen. Centralbl. f. d. g. Therap. 1901. VII. und VIII. lieft. G. VIll 1.
In coneiser, gedrängter Form bespricht Grttnfeid erst die Ter-
scbiedenen Formen und Localisationen der Lues im Munde, um dann im
Allgemeinen die Wichtigkeit der Mundpflege bei der' Behandlung zu
erörtern und als Prophylaxe das Kali chloricum in 1% Lösung zu
empfehlen. Bei der Seierose der Lippen ist nach Aetznng derselben mit
Vs — IVo Sublimatlösang oder Carbolspiritus 1 : 20 das graue Pflaster täglich
frisch aufzulegen. Im papulösen Stadium genaue Desinfection des Mundes
mit dem Irrigator mit den verschiedenen Mundwässern, denen man ein
Corrigens zusetzt; eine weitere Desinfectionsmethode des Mundes ist der
Spray oder die Inhalation mit Alaun, Borsäure, Thymol O'l^Vo; &!• Aetz-
mittel der Papeln dient nach Entfernung der Krusten mit Präeipi tat-
salbe Sublimat in 8— 67oiffer spirituöser Lösung, auch Carbolspiritos
der GeschlechtBkrankheiten. 403
<1 : 25) oder Jodtinctur, während der Lapiistift wegen der oberflächlichen
Wirkung nicht in empfehlen ist. Bei Leukoplakien und opalinen Plaques
verwendet Orünfeld nur milde Gargarismen, Borsäure, Salbei-Kamil-
lenthee und zur localen Behandlung Bepinselungen mit Jodglycerin
oder Ichthyol glycerin. Bei den gummösen Geschworen des Mundes ist
eine energische Desinfection mit Berieselung nothwendig und als wich-
tigste Behandlung die Kauterisation zu nennen; hier spielt der Lapisstilt
die Hauptrolle wegen der angestrebten Gewebszerstorung, auch concen-
trirte Lapislösnng 1 : 10. Nebenbei geht natürlich stets die Allgemeinbe-
handlung, die nur bei Stomatitis ausgesetzt werden darf.
Victor Bandler (Prag).
Rlehl, G., Prof., Leipzig. Ueber den Einfluss der Behand-
lung syphiliskranker Mütter auf das Schicksal des Foetus.
Wiener klinische Wochenschrift 1901, Nr. 26.
Nach Besprechung der Beobachtungen Piok*s, Fournier'su. A.
bezüglich der Mortalität der Kinder syphilit. gravider Mütter und Er-
örterung der verschiedenen Statistiken erörtert Riehl seine eigenen
Beobachtungen. Seine Versuche gingen von der Idee aus, zu erproben»
ob es möglich wäre, die günstige locale Einwirkung von Hg auf Syphilide
für den schwangeren Uterus auszunützen.
Der Uterus einer syphilitisch kranken Schwangeren birgt nach
Riehl 's Ansicht wahrscheinlich Syphilisproducte, und gelänge es, durch
locale Hg-£inwirkung die Erkrankung der Decidua oder Placenta zu
verhüten oder rasch zu heilen, so müsste dies zur Verhütung des Abortus
oder Infection des Foetus führen. Riehl unterzog die syphiliskranken
Frauen, Gravide mit recenter Lues, zunächst einer regelrechten
Allgemeinbehandlung und nebstdem wurde die regionäre Therapie ein-
geleitet. Diese besteht darin, dass Globnli vaginales aus je 1 Gr. ofli-
cineller grauer Salbe und 1—2 Gr. Butyrum de Cacao gefertigt, bis zur
Portiovag. in die Vagina eingeführt werden. Zur Fixirung wird ein
Tampon nachgeschoben. Man beginnt mit der Behandlung, sobald die
Schwangerschaft constatirt ist, und setzt sie bis zum Ende der Gravi-
dität fort. Unter 83 Geburten von Frauen, die so behandelt wurden, war
nur Imal Abortus und Smal Frühgeburt zu verzeichnen, im 8. und
D. Graviditätsmonac. Die 29 rechtzeitig geborenen Kinder wiesen günstige
normale Gewichts- und Emährungsverhältnisse dar. Fournier hat iu
«einer Statistik 22%, Pick 25Vo Abortus, Riehl 127o« ^i^ ^^^^ ^^^ ^^
normalen Ende erfolgten Geburten beträgt bei Riehl SS^oi hei
Fournier 's behandelten Fällen 627o> bei Pick 62^/o, die Geburtsmor-
Ulität bei Riehl 6V«i bei Pick 38Vo< bei Neumann 38Voi bezüglicb
4er Gesammtmorbidität gibt Fournier 89%, Pick 87—100%,
Neumann 12%, Riehl 217^ an. Riehl hält dieses Verfahren für ge-
eignet und bittet um zahlreiche Nachprüfungen.
Victor Band 1er (Prag).
Rohden, B. Zur Inunotionscur der Sorophulose und
Tuberculose. (Therapeutische Monatshefte 1901, Heft 8, pag. 415.)
26*
404 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Roh den macht seine seit 5 Jahren angewandten Inanotionen (der-
matische Methode) bei Scrophulose und Tubercalose jetzt mittels Dermo-
sapol, einem höchst geschmeidigen, durch die Hant leicht resorbirbaren
Leberthranseifenpraparat (aus desodorirtem Ol. jecoris aselli, Ferubalsam,
äther. Oelen, Fetten, Glycerin und Alkali bestehend). Das Medicament
geht durch die Hautdrüsencrypten in die subdermatischen Lymphgefasse
und kreist im Lymphstrom; im Sputum und Harn ist es nachzuweisen.
Die Deponirnng erfolgt zunächst in den Drüsen und allmälig tritt eine
Leberthrandurchseifung des ganzen Lymphapparates ein. Die Einreibung
(etwa 10 6r. pro die), geschieht 2 — 3mal täglich abwechselnd an ver-
schiedenen Körperstellen. Besonders wirksam ist die Combination der
Inunctionen mit Occlusiwerbänden (bei Drüsen). Nebenwirkungen treten
nicht ein. — Das Präparat zeigt seine physiologische Wirkung in einer
Erhöhung der Alkalescenz und Oxydation in den Lymphapparaten, in der
BeeinfiusBun/ der Zellelemente durch den Leberthran, in der Durch-
tränkung der Lymphe mit Glycerin, äther. Oelen und Perubalsam. —
Verfasser gebraucht ferner ein 67o Jodkali-Peruol-Dermosapol, ein
b\ Jodkali- und 5% Formaldehydpräparat. Letztere sind besonders
bei drüsigen scrophulösen Processen, bei Fisteln und Lupus zu em-
pfehlen. Auch mit 10% Lysoformdermosapol hat Verfasser bei Lupus
gute Erfolge gesehen. Dies bot auch hei veralteter und indurirter
Psoriasis schnelle Heileffecte. Weiterhin wären in der Dermatologie
das Lysoformpräparat, in der Syphilistherapie Ungt. Hydrarg. Dermosapol
zu versuchen. Victor Lion (Mannheim).
Stern. Ueber Injectionscuren bei Syphilis. Münchener
Medicinische Wochenschrift 1901, Nr. 27.
Stern glaubt, dass zwar in vielen Fällen von Syphilis die Ein-
reibungscuren nicht zu umgehen seien, dass aber den Injectionen
unter den folgenden Umständen der Vorzug zu geben sei: 1. wenn
sonstige Erkrankungen der Haut oder der Verdauungsorgane die An-
wendung der Scbmiercur oder Pillen nicht zulassen; 2. in Fällen von
schwerer Syphilis, wenn wichtige Organe ergriffen sind und es sich
darum handelt, rasch und energisch einzugreifen; 3. in denjenigen
Fällen, wo die anderen Quecksilberpräparate schon vergebens angewendet
worden sind — bei wiederholten Recidiven — und schliesslich 5. ab-
wechselnd mit anderen Methoden bei der intermittirenden Behandlung
nach Fouruier-Neisser. von Notthafft (München).
Treyes, M. Di un nuovo metodo di applicazione del
Sublimate corrosivo per la cura della sifilide. Gazz. medio.
di Torino 11. Juli 1901.
l)m die Haut des Syphilitikers zu desinfioiren, bedient sich
Treves einer l7o Spirituosen Sublimatlösung, die auf der Haut
schnell eintrocknet und eine dünne Schicht dieses Antisepticums zu-
rücklässt. L. Philippson (Palermo).
der Geachlechtskrankheiten. 405
Audry. Histologie d*ane indurationcons^oative ades
injections de calomel pratiquees trois ans aaparavant.
Joarnal des maladies cutanees et syphilitiqnes. 1901, pag. 873.
Audry hatte Gelegenheit, bei einem an Phthise gestorbenen
Syphilitiker drei Jahre alte, nach Galomelinjeotionen zurfickgebliebeDe
Infiltrate histologisch zu untersuchen. Die dabei enrielten Befunde lassen
nach ihm keinen Zweifel, dass es sich um eine abgelaufene intensive
interstitielle Myositis mit fibröser Umwandlung des Bindegewebes
handelte. Der Sitz dieses entzündlichen, proliferativen und degenerativen
Processes befinde sich in dem interfasciculären Bindegewebe, während
das Sarcolemma dabei gar keine Rolle gespie.lt habe, sondern nur durcli
den Druck des fibrösen Bindegewebes gemeinsam mit dem Muskelgewebn
vernichtet worden sei. Er steht hiermit im Gegensatz zu Wolter's, nach
dem gerade das Sarcolemm der Ausgangspunkt des Processes sei
Letzterer aber habe durch Salicylquecksilber gesetzte Infiltrate von der
Dauer nur weuiger Monate untersucht, und vielleicht liegt hierin der
Unterschied in den einander entgegengesetzten Befunden.
Paul Neisser (Beuthen, 0. S.)
Jordan, A. Therapeutische Versuche mit Jodoleu.
Monatshefte für prakt. Dermatologie. Bd. XXXIII.
• Jordan kommt auf Grund seiner Versuche mit Jodolen (einer Jodol-
eiweissverbindung) zu denselben Schlüssen, welche Sommerfeld, der
das Präparat an Prof. Pick*s Klinik erprobte, bezüglich dessen Wirk-
samkeit gezogen. £s kann, extern verwendet, ganz gut mit den ver-
schiedenen Jodoformersatzmitteln concurriren; intern verwendet wirke es
bei tertiären Affectionen nur in grossen Dosen (12—20 Gr. des Jodolen
intemum, welches 9 - 10% molecular gebundenes Jod enthält, gegenüber
dem 36 7o Jodolen externum), erzeugt aber auch Jodismus. Sein Haupt-
wert liegt darin, dass es den Allgemeinzustand hebt.
Ludwig Waelsch (Prag).
Hautkrankheiten.
Acute und chronische Infectionskrankheiten.
MertenSi Dr. Victor £. Beiträge zur AktinomykoBen-
forschang. Centralblatt f. Bakteriologie u. Parasitenkunde. Bd. XXIX.
pag. 649.
Merten8 untersuchte Aktinomyces aus einem Halsabscess und fand^
dass nur Tiefenwaohsthum sowohl auf Agar als in Bouillon auftrat. In
der 7. Generation trat auf Bouillon auch oberflächliches Wachsthum auf
in Gestalt von kreideweissen Elnmpohen, die sich mit Erfolg auf feste
Nährböden übertragen Hessen. Nach 9 Monaten hatte der Aktinomyces
sich soweit an niedere Temperaturen gewöhnt, dass auch Gelatineculturen
gelangen. Es gelang also einen anaerob bei 88 Grad wachsenden Pils an
Aerobie und niedere Temperatur zu gewöhnen; das heisst ein und der-
selbe Aktinomyces vermag nach dem einen wie dem anderen Typus zu
wachsen. Die culturell so verschieden scheinenden Aktinomyces- Arten
gehören demnach einer Species an. Beide sind pathogen. Zwei differente
Arten anzunehmen scheint angesichts der vorliegenden Resultate nicht
mehr gerechtfertigt. Wolters (Bonn).
Silbersehmidt, W. Zur bakteriologischen Diagnose der
Aktinomykose. Deutsch. Med. Wooh. 1901. 47.
Silberschmidt ist der Meinung, dass die als Aktinomykose
bekannte Erkrankung durch verschiedene Mikroorganismen erzeugt werden
könne. Massgeblich für die Diagnose seien neben dem klinischem Bilde
die etwa stecknadelkopfgrossen Drüsen im Eiter, welche aber oft« in
Eitermassen verborgen, schwer herauszuiinden seien. Es kommen aber
auch Fälle ohne makroskopisch sichtbare Drdsen im frischen Eiter
vor. So berichtet Verf. ein Beispiel, wo sich nach der Section erst in
4 Wochen steril aufbewahrtem Eiter drüsenartige Pünktchen fanden,
welche sich aus den mikroskopisch schon ursprünglich nachgewiesenen
Krankheitserregern zusammensetzten. Dieselben waren zuvor bei genauesten
Untersuchungen nicht erkennbar gewesen. Schwierigkeiten bietet auch
die mikroskopische Untersuchung, z. B. könnten auch bei ausgesprochener
Aktinomykose die Keulen fehlen. Verf. konnte mehrfach die pathogenen
Mikroorganismen rein züchten und überimpfen. Auf die Färbnngsmethoden
Borioht über die Leistungen auf dem Gebiete der Hantkrankh. 407
eingehend empfiehlt Verf, die HerstetlQiig direeter gefärbter Ausstrioh-
prftparate. Er warnt tot Verwechelaagen mit den sehr ähnlich aus-
sehenden DiphtheriebaciUen and halt genauere Studien Aber die yer-
sohiedenea Aktinomycesarten für wQnsehenswerth.
Max Joseph (Berlin).
Kopfstein. Ein Beitrag zur Hautaktinomykose. Wiener
klinische Rundschau 1901, Nr. 2.
Der Verfasser operirte eine schmerzlose, fibrornfthnliche Haut-
geschwulst, in deren Centrum sich einige Tropfen Eiter und Granulations-
gewebe mit zahlreichen Aktinomycesdrnsen befanden.
Victor Bandler (Prag).
Wllliamstii, George. The Cyprns Sphalangi and its
Conneotion with Anthrax. British Medical Jonmal. Sept 1. 1900.
Verfasser beschreibt ein Inseet, das auf der Insel Cypem vorkommt,
seinem Ausrehen nach einer mittleren Ameise gleicht und beschuldigt
wird, durch seinen Biss eine schwere Erkrankung, ja den Tod herbeizu-
führen. Diese „Sphalangi -Krankheit* kommt nun gewöhnlich in denselben
heissen Monaten vor, in welchen unter den Pferden und Schafen eine
Krankheit herrscht, die als „Phlangari*' von den Eingeborenen bezeichnet
wird, und nichts anderes als Anthrax ist.
Es zeigten nun die untersuchten Fftlle, dass der Stich des Insectes
an sich ohne Bedeutung ist und nur dann gef&brliehe Folgen hatte,
wenn das Insect mit Anthrax inficirt war, wozu die zahlreichen frei-
liegenden Thiercadaver reichlich Gelegenheit geben.
R. Böhm (Prag),
Joffe, D. B. Anwendung von Ichthyol bei der Behand-
lung von Milzbrand. Eshenedelnik 1901, Nr. 11.
Als Arzt in Tanrien kommt Joffe nicht selten in die Lage,
Milzbrand behandeln zu müssen. Als relativ zuverlässigste Methode hat
sich ihm die Behandlung mit Ichthyolcompressen (Ammon. sulfo-
ichthyol lOO, Glycer. 80*0) bewährt. Die CSompressen werden 2mal täglich
gewechselt und nach 2 — 3 Tagen ist der Kransifteitsprooess als beendet
za betrachten. Unter den vom Verfasser im leisten Jahre behandelte«
14 Fällen waren einzelne sehr ernste, alle kamen in kürzester Zeit anr
Heilung. Nach Vorführung einiger Krankengeschichten kommt Joffe
zum Schiasse: 1. Bei der Behandlung des Milzbrandes ist das Ichthyol
ein sehr wichtiges Mittel, besonders als Unterstfitsungsmittel nach erfolgter
Caoterisation ; es verkürzt die Krankheitsdauer und reducirt sie anf ein
Minimum. 2. Die durch die Einapritcnng grosser Mengen von Carbol«*
sänre drohende Gefahr ist bei der Ickthyolbehandlnng ganz ausg^sohloason^
Die Iigectionen werden mehrmals täglich gemacht und verursachen
jedesmal intensive Schmerzen, bei der Ichthyolbehandlang sind letitero
(bis aof die einmalige Caoterisation) ausgeschlossen.
S. Prissmann (Libau).
408 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Gourfeiüi D. Un cas de diphtherie oculaire conseeutif
k la vnlyite diphtherique chez une petite fille de cinq ans.
Rey. med. de la Suisse romande 1901, Nr. 9.
Goarfein berichtet über den seltenen Fall einer Gonjanotiyal-
diphtherie in Folge einer Vulvardiphtherie bei einem öjfthrigen Mädchen.
Verf. ist der bestimmten Ansicht, dass die Yalvardiphtherie der primäre
Process war. Der von der Vulva gezüchtete Diphtheriebacillas erwies
sich weniger vimlent als der von der Gonjunctiva.
Frdderic (Strassborg).
Leslie, Jones H. Antistreptococcas Serum in Erysipelas.
British Medical Journal. Sept. 16. 1900.
Verfasser behandelte eine 68jährige Frau mit Erysipel, die er am
28. December das erste Mal sah. Das Erysipel hatte seinen Sitz aof
der Stirn und erstreckte sich gegen die Nase. Trotz verschiedener
Mittel verbreitete sich die Affection weiter. Am 29. hatte sie
die behaarte Kopfhaut ergriffen. Temperatur 88*6. Am 80. December
Temperatur 39*6^. Am 3. Jänner verfiel Patientin in Delirien. Temp. 40^
Am 4. Jänner war Patientin ganz bewusstlos. Temp. fast 41 ^ Der Puls
uncontrolirbar. Gesicht, Augen, Mund und Nase ganz verschwollen, um
8 Uhr Abends Inject ion von 20 Gem. Antistreptococcenserum
(v. Burroughs und Welcome) je 10 Gem. unterhalb jeder Scapula.
Ernährung per rectum. Den nächsten Tag war das Bewusstsein zurück-
gekehrt. Temperatur 89®. Neuerliche Injection von 10 Gem. Um 10 Uhr
Vormittags erkannte Patientin die Stimme des behandelnden Arztes.
Temperatur 39^ Ii^jection von 10 Gem. Serum. Um 6 Uhr Abends war
Patientin vollkommen bei Bewusstsein und versuchte zu sprechen.
Nahrungsaufnahme per os. Temperatur 38®. Den 7. Jänner Morgen-
temperatnr 87*6, von dieser Zeit an rasche und ununterbrochene Besse-
rung. R. Böhm (Prag).
Harrisou, A. W. AntiStreptococcus Serum in Erysipelas.
British Medical Journal, Juli 7. 1900.
Verfasser behandelte eine 26jährige Frau, die am 11. April mit
Kopf- und Rückenschmerzen, Schmerzen in der Kehle und in den Gliedern
erkrankte. Als Verfasser sie am nächsten Tage sah, war die Temperatur 40®,
Puls 130, die Nase geschwollen, geröthet und verstopft. Diagnose: Ery-
sipelas faciei. Trotz Anwendung verschiedener Mittel wie Ghinin innerlich
und Ichthyollanolin äusserlich breitete sich das Erysipel weiter aus.
Patientin verfiel in Delirien. Den 19. April war sie so bewusstlos, dass
sie Stuhl und Harn unter sich liess. Den 22. April bei einer Temperatur
von 40® und schwachen, äusserst frequenten Puls (120) erhielt sie Digitalis
und Strychnin mit Ghinin, sowie einen Eisbeutel auf den Kopf. Den
24. April war Patientin fast moribund, der Puls kaum fahlbar und zählbar.
Um 10 Uhr Vormittags Injection von 20 Gem. Antistreptococcenserum
(v. Borroughs und Welcome) unter die Haut des Abdomens. Um
2 Uhr Nachmittags kam Patientin für einige Zeit zum Bewusstsein, um
dann wiederum in Delirien zu verfallen. Um 6 Uhr Nachmittags sank die
der Hautkrankheiten. 409
Temperatur anf 38®. Der Puls wurde kräftiger. Patientin bekam neaerlich
10 Ccm. Serum. Den nächsten Morgen Temperatur 87'5^ Puls 98 und
entschieden kräftiger. Patientin war yöUig bei Bewusstsein. Am Abend
erhielt sie wiederum 10 Ccm. Serum. Den nächsten Tag ist sie frei von
Delirien und vorlangt nach Nahrung. Diesen Tag und die zwei folgenden
noch je eine Injection von 10 Gem. Serum. Vom 27. April an ununter-
brochene Beconvalescenz.
Eine bemerkenswerthe Eigenthümlichkeit in diesem Falle war der
beinahe gänzliche Mangel an Schlaf, obwohl die verschiedensten Hypnotica
gereicht wurden. Verfasser glaubt, dass die Application des Antistrepto-
coccenserums (80 Gem. im Ganzen) der Patientin das Leben gerettet
hat. R. Böhm (Prag).
Jordan, lieber die Aetiologie des Erysipels und sein
Yerhältniss zu den pyogenen Infectionen. Mnnchener medi-
cinische Wochenschrift 1901, Nr. 86.
Jordan sucht aus der Literatur den Nachweis zu erbringen,
dass das Erysipel keine specifische Erkrankung ist. Am Kaninchenohr
kann specifisches Erysipel nicht nur durch Streptococcen, sondern auch
durch Staphylococcen, Pneumococcen und Bakterium coli erzeugt werden.
Das menschliche Erysipel wird in der Regel vom Streptococcus pyogenes
verursacht, kann aber auch, wie ein wandsfreie Beobachtungen ergeben,
durch Staphylococcns aureus hervorgerufen werden. Die Frage, ob auch
die faoultativen Eitererreger, wie Pneumococcen, Bacterium coli, Typhus-
bacillen beim Menschen Erysipel erzeugen können, ist noch als eine
offene zu bezeichnen. Dem Streptococcus kommt nicht die Eigenschaft
au, allein seröse Entzündungen hervorzurufen. Auch andere Mikroben
thun dies, und der Strept x iccus kann auch Eiterungen hervorrufen.
Die Unterscheidung von Erysipelen und Pseudoerysipelen ist bei dem
jetzigen Standpunkt der Lehre nicht mehr haltbar, da weder im Fieber
noch in der Beschaffenheit der Hautröthe, noch im bakteriologischen
Befund etwas Trennendes gegeben ist. Es handelt sich bei den verschie-
denen Formen vielmehr nur um Intensitätsstufen derselben Erkrankung,
welche durch die wechselnde Virulenz der Goccen und die verschiedene
Widerstandsfähigkeit der Qewebe bestimmt werden.
von Notthafft (München).
Barannikow, J. Beitrag zur Bakteriologie der Lepra.
Gentralblatt f. Bakteriologie und Parasitenkunde. Bd. XXlX, pag. 781.
Barannikow fusst in seinem 8ten, bakteroskopische Analyse der
Lepromata betitelten Aufsatze auf den an seinen Gnlturen gewonnenen
Wahrnehmungen. Er betont vor allem den Pleomorphismus des
Lepramikroorganismus, den viele Autoren noch für ein Stäbchen
halten. Er unterscheidet coccenartige , streptococcenartige , kleine
Influenzabaciilenartige , diplococcenartige , zwei- oder mehrgliedrige
stäbchenförmige, haarzopf- und ringförmige, kugelförmige und knrze
stäbchenförmige palissadenformig gelagerte Formen, dann knospenartige
Sprösslinge u. ■. w. Im ganzen führt er 11 Grundtypen an mit vielen
410 Bericht über die Leistiiiigen auf dem Gebiete
üebergaDfsformen. Alle sind mit homogenaD Stoffsn umgebea and loheiaeQ
in Vaeuolen eq liegen, mwek kommen grmae Globi vor, von denen kein
Olied saorefest ist AUe Ffirmen kommen in Gewebesaft und Zellen yor,
ebenso in den Onltnren. Genaueres ist im Original einsnsehea.
Wolters (Bonn).
Hallofean etlAlifte. 8ur un eas de lepre aveo oicatriees
caracterisees par un plissement en crepons de l'epiderme.
Sog. de denn. etc. 28. Arril 1900.
Die 4dj&hrige Patientin leidet seit Joni 1898 an einer macnlo-
tnberösen Form von Lepra. Bin grosser maeolöser Herd befindet sich
über dem Scbnlterblatt and reicht bis in die Ellbogengegend.
An der Planta pedis aas der Conflaenz von miliaren Elementen entstan-
deoe Plaques, mit Schnppenbildong um die Aasfohrungsgänge der
Schweisedrüten.
Nach der Behandlaog mit 800 Gr. Ghanlmoograöl innerlieh und
jodirtem 27o CoUodium ftusserlioh trat an dem reliefartigen BegrenEungs-
ring des erstgenanaten Herdes bei Abheilung der centralen Partie eine
Fältelnng der Epidermis in centimeterlange, 1—2 Mm. erhabene, hori-
zontale und verticale Falten auf. Dieselbe Erscheinung nur in geringerem
Grade konnte Hallopeau bei einer grösseren Anzahl von Leprösen
nachweisen, so dass ihr als ein für Lepra charakteristischer Bafbad,
diagnostischer Werth zukommt Die Epidermis scheint fbr den Hansea-
echen Bacillns ein schlechter N&hrboden zu sein. Die unter ihr liegenden
erkrankten Hchichten werden nach ihrer Rückbildung und Volamever-
kleiaerung die ehemals gespannte Epidermis zur F<elung zwiogen.
Dieselbe kann natürlich auch secnndär in Mitleidenschaft gezogen werden,
wie es die plantare Desquamation in diesem Falle beweist. Bemerkens*
werth ist noch die günstige Wirkung des Gels auch auf die übrigen am
Körper zerstreuten Herde. Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau et Lemierre. Löpre aveo poussees aigües de
nodule suivant le trajet de lymphatiques. Soe. de derm. eto.
23. Avrtl 1900.
Der 1 ^ihrige Knabe leidet über ein Jahr an fast über die iranae
Körperoberfläche ausgebreiteter Lepra tnberculosa. Bemerkeasvertii ist
die Häufigkeit and die Intensität der Eruptionen, die Ghnmächtigkeit der
verschiedenen Behandlungsarten, welche das Auftreten der Attaquen
weder verhindern noish hinausschieben konnten. Zur Anwendung gelangten
SwÖchentlicha Injectionen von 10 Gem. Ghanlmoograöl, Hoang^aan und
Queoksilberiigeetionen. Die Localisation der Knoten folgt den Lymph-
wegen. Wenn man nun gewisse Fälle von Rotz, Syphilis, Myoseis (aiehe
den in derselben Sitzung von Hallopeau vorgestellten Fall) mit der
Lepra tub. im Zosammeahang betraehtet, so kommt man zum Sehluss,
dass die schweren chronischen Infeetionskrankheiten in tuoeossiven
Schüben auftreten, dase ihre Schwere mit der Hantigkeii und
in einem Yevhältoiss st^t, desgleichen mit der Höhe der sie
fieberhaften Reaction. Die locale Aasbreituag kann längs der Lymph-
der Haatkrankheiten. 411
gefäsae erfolgen, was die Lympbangitis gummosa nodularis bei Lepra,
Mycosis, TabercuU se beweist Dem Cbanlmoograöl, in diesem Falle obne
Wirknng, kommt f&r das Auftreten der Nacbscbübe keine präventive
Bedeutung zu. Es begünstigt bloss die Rückbildung der Infiltrate.
Richard Fischel (Bad Hall).
Gerbsmann. J. Zur Frage über die Art der Ueber-
tragung der Lepra. Eshenedelnik 1901, Nr. 7.
Qerbsmann stellt inerst die Thatsaebe fest, dass städtiaohe
Lepröse ihren Familienmitgliedern auch unter den schlechtesten hygie-
nischen Verhältnissen lange nicht so gefahrlich sind, wie ihre Leidens-
gefährten auf dem flachen Lande. Verfasser ist derselben Ansicht wie
Pettenkofer und sieht den Grund der unverhältnissmässig grösseren
Verbreitung der Lepra unter der bäuerlichen Bevölkeioing hauptsächlich
darin, dass sie in Erdhütten leben, und der Fussboden derselben den
Nährboden darstellt, welche die Bakterien au virulenten macht. Neue
Inoculationsversuche mit Berücksichtigung des Fugsbodens als Nährbodens
für die Leprabaoillen dürften wünsch ens wer the Aufklärung in dieser
dunkeln Frage bringen; auch eine genaue Statistik kann viel lur Lösung
.dieser stritigeu Frage beitragen. S. Prissmann (Libau).
Barth^lemjr. Acnitis et folliclis. Soc. de derm. etc.
6 Jouillet 1900.
Von den drei aus der Klinik Fournier^s stammenden Fällen ist
der erste eine Acnitis : Man fühlt sehr deutlich subcutane Knoten, welche
der Entwicklung der Primärefflorescenc vorangehen. Diese hat noch am
meisten Aehnlichkeit mit der Acnepustel, weist aber klinische Differenzen
auf, so dass mau sie früher als acae nodulaire beseichnete. Es bleiben
nur minime Narben zurück. Der Verlauf ist mehr acut als chronisch und
zahlt nur nach Monaten. Die Aehnlichkeit im Aussehen mit der Acne
vulgaris, nicht aber die bisher unbekannte Aetiologie des Leidens hat 6.
zur Greirung des Ausdruckes „Acnitis" veranlasst. Im Gegensatz zu
früher beschriebenen Fällen ist die Affection bloss auf das Gesicht
beschränkt. Hallopeau hat einen ähnlichen Fall unter dem Namen
„Acnitis circonscrit" beschrieben. Der zweite Fall betrifft ein ISjähriges
Mädchen, das an Folliclis leidet. Die Namensbildung aus Folliculitis ist
denselben oberwähnten Motiven, wie die bei Acnitis aus Acne, entsprungen.
Die Affection, von langer Dauer, befällt die äussere und hintere Fläche
der Extremitäten, die Dorsalfläche der Han<lgelenke und der Finger und
insbesonders die Hinterbacken; sie setzt gleich im Beginne mit der
Bildung kleiner Pusteln ein, welche sich allmälig verbreiten, mit einer
Borke bedecken, und im Centrum eingesunken erscheinen. Diese sind
von deutlich marqnirten, gedellten Narben gefolgt, mit deprimirten
Rändern und scheinen wie mit einem Locheisen geschlagen. Die Behand-
lung der Acnitis besteht in äusserer Antisepsis und Stiohelung mit einer
feinen galvanooaustischen Nadel. Sie ist nicht zu den Tuberculiden zu
rechnen, während die Folliclis den Toxinen der Tuberkel bacillen ihre Ent-
stehung zu verdanken scheint. Immerhin ist hervorzuheben, dass die
412 Bericht ober die Leistungea aof dem Gebiete
Patientin mit Folliclis durchaus ihrem Aassehen nach keinen Anhalts-
pnnkt für die Diagnose einer Taberculose bietet and die vorhandenen
Lymphdrüsenschwellungen secnndärer Natur sein können. Die histologische
Untersuchung soll näheren Anfschlnss geben. Beim dritten Falle handelt
es sich um einen 28jährigen Phthisiker mit subclav. Caverne. Der primäre
Hantherd ist eine Tuberculosis cutis verrucosa der g^rossen Zehe, von
dem aus die übrigen über den Unterschenkel serstreuten pustel- und
folliculitisartigen tuberculösen EfHorescenzen ihren Ausgang nehmen. Die
Affection ist ein veritables Tuberculid. Der Versuch Brocq's, die Acnitis
der Acnd oolloide anzugliedern, entbehrt nach den Untersuchungen
Oastou's jeder thatsächlichen Grundlage. Die Zusammenstellung dieser
drei Fälle ist von grossem dermatologischen Interesse.
Richard Fischöl (Bad Hall).
Gastou. £tude histologique biopsique de trois Msions
cutan^es denoraees acnitis, foUiclis, tuberoulides. Soc. de
derm. etc. 5. Jouillet 1900.
Es werden Resultate der histologischen Untersuchung der drei
von Barth^lemy vorgestellten Fälle mitgetheilt: Kann man an den
Schnitten Tuberkelbacillen nicht nachweisen und eine Impfung an Meer-
schweinchen nicht vornehmen, so bleiben als histologische Kriterien bloss
1. Gefässverändeningen ; 2. perivasculäre und diffuse Infiltrationen mit
Lymphociten und Mastzellen; S. Riesenzellen und epitheloide Zellen;
erstere meist in charakteristischen Gruppen von 2 oder 3 Zellen ange-
ordnet, übrig. Während nun der erste Fall (Acnitis) und der dritte
(Tuberkulid) die drei Postulate zeigen, fehlt bei der Folliclis gerade das
wichtigste, die Riesenzellen, und auch die bei ihm zu Tage tretende
Oefassalteration ist niemals von Obstruction des Gef&sslumens gefolgt,
wie es bei tuberculösen Affectionen die Regel ist ; die Infiltration
ist im Gegensatz zu Lupus, Lupus erythem. nicht diffus, sondern
in Herden angeordnet, ein Bild das Pyodermien, Folliculitiden ,
mikrobische oder toxische Affectionen aus localer oder allgemeiner
Ursache bieten. Dt?r Autor schlägt zur schärferen Abtrennung dieser Ver-
änderungen von tuberc. und syphilitischen Processen den Namen
„Scrophulide** (scrofulides) vor. Richard Fi sc hei (Bad Hall).
Balzer, F. et Alquier. Tuberculide multiforme tres
etendue. Soc. de derm. etc. 8. November 1900.
Bei dem 26jährigen Patienten, der hereditär nicht belastet ist und
auch keine Zeichen von Tuberculose aufweist, begann die Affection im
Juli 1898 an den Unterschenkeln. Gegenwärtig sind hauptsächlich die
unteren Extremitäten, in geiingerem Masse die oberen, das Gesicht und
die Genitalien ergriffen. Die EfBorescenzen sind theils lichenoide Papeln,
von denen ein grosser Tbeil ein teleangiektatisches Aussehen bietet und
moUuscoide, fibromatöse Elflorescenzen. Die letzteren sind von ersteren
unabhängige Bildungen, die sich erst secundär in Tuberculide umwan-
delten. Histologisch bieten sie das gleiche Bild. Unter normaler Epidermis
ein Granulationsgewebe. Haufen embryonaler Zellen nnregelmäsaig am
der üantkrankheiten. 413
die Blutgefässe angeordnet. Keine Riesenzellen. Das teleangiektatische
Aussehen erklärt sich aus Hämorrhagien, die sich unregelmässig in den
Bindegewebsmaschen vertheilen. Aosserdem finden sich an den Knien ,
Armen and Scrotnm Papeln vom „type näcrotique et acn^iforme*'. Breite
Narben rühren theils von Secundärinfectionen, theils von ulcerösen zur
Nekrose fuhrenden Infiltrationsprocessen. Da es sich um Lepra und
Syphilis nicht handeln kann, so wird die Diag^nose „TubercuUde** gestellt,
die sich in etwas abnormaler Form präsentiron. Es durfte sich wahr-
scheinlich ein Herd in den Thoraxorganen linden, wenn er auch klinisch
nicht nachweisbar ist. Richard Fischöl (Bad Hall).
Balzer, F. et Alquier, L. Eruption de tuberculides lichö*
noidesetacnöiformesgeneralisee. Soc. dederm. etc. 28. Avril 1900.
Die 22jährige Patientin, deren Mutter an Phthise starb, litt von
früher Jagend ab an Scrophulose. Gegenwärtig Erscheinungen von Tuber-
cnloae der Lymphdrusen, Knochen und Lungen. Dazu kommt noch eine
im 14. Jahre acquirirte Lues, Blennorrhoea uteri uod als weitere Schäd-
lichkeit Alkoholismus und Ezcesse in venere. Vor P/f Monaten trat ein
Exanthem auf, das bloss Gesicht, Hals, Hände und Füsse respectirte
dessen EfBorescenzen, sehr verschieden in der Form, sich folgende zwei
Typen tubsummiren lassen: 1. den lichenenoiden Typus; 2. den unter
dem Namen „Tuberculide acneiforme et necrotique von Hallopeau
beschriebenen Typus. Er wird von Papeln gebildet, die an ihrer Spitze
kleine Bläschen oder Borken tragen, und mit einer deprimirten Narbe
heilen. Sie entwickeln sich im Corion im Gegensatz zu den in den tieferen
Schichten der Cutis sich entwickelnden Knötchen, die Barthelemy als
Folliclis bezeichnet. Erstere Affection nimmt den bekannten chron.
Verlauf der Tuberculide. Die histologische Untersuchung wird in Aussicht
gestellt.
Barthelemy hat im Jahre 1881 einen ähnlichen Fall beobachtet,
der sich umschrieben an der inneren Fläche der beiden Oberschenkel
localisirte. Die histologische Untersuchung ergab Veränderungen ganz
abnormer Natur, so dass er den Fall für eine anormale Lichenform hielt.
Die Efflorescenxen waren wie in diesem Falle glänzend, lackartig; es
handelt sich um einen acuten disseminirten Liehen scroph. Acne nodu*
laire, Lues, Folliculitis und Acnitis schliesst Barthelemy aus. Letztere
hält er nicht für tuberc. Ursprungs, dagegen erkennt er tubercalöse
Folliculitiden an, die aber mächtigere Infiltrate bilden, in geringerer Zahl
und in der Nachbarschaft der tuberc. Herde auftreten.
Richard Fischöl (Bad Hall).
Jesionek. Ein Fall von Acne telangiectodes (Kaposi).
(Aus der königlichen dermatologischen Klinik des Herrn Professor
Pos seit zu München.) Deutsches Archiv für klinische Medicin. 1901.
Band LXIX.
Die Patientin, über die Jesionek berichtet, zeigte auf Kopfhaut,
Gesicht, Hals, Rücken, Armen und auch auf der Schleimhaut des Racheu»
regellos und asymmetrisch vertheilte Efflorescenzen in verschiedenea
414 Bericht über die Leistuugen auf dem Gebiete
EntwicklangBstadien tbeils erbsengroMe, scharf amschriebene, rotbbniiina,
teigig pralle, glatte Knoten, tbeils brannrothe, meist rande, flache,
weichere, oft mit Sehappen bedeckte Papeln, theiis steoknadelkopfgrosse,
rosarothe Knötchen. Gomedonen waren nirgends yurhanden, ebenso wenig
Acne valgaris. Die inneren Organe waren ohne pathologische Verande-
rangen, insbesondere war nichts von Tnbercnlose nachweisbar. Die histo-
logische Untersuchung ergab ein bis unter die Epidermis sich erstreckendes
Granulationsgewebe mit massig vielen, regellos vertheilten Riesensellen.
Die Gef&sse waren sahireich vorhanden und stark dilatirt Infiltrate
umgaben die spärlich vorhandenen Talgdrüsen und die reichlich vor-
handenen Schweissdrüsen, ebenso die Haarbälge. Sehr häufig fanden sich
Horncysten, die überall mit den Haarfollikeln in Verbindung stehen.
Tuberkelbacillen wurden nicht gefunden, die Thierimpfung fiel negativ
ans. Die Therapie bestand in der Ausschabung mit dem scharfen Löffel.
An Efflorescenzen, die absichtlich unbehandelt blieben, zeigte sich eine
spontane Involution. Oscar Dultz (Breslau ).
Brandt, Friedrich M. Ueber Schleimhautlupus mit beson-
derer Berücksichtigung der Mundsehleimhaut. Inang.-Diss.
Jena 1899.
Eine Zusammenstellung aller bekannten Fälle von Schleimhaut-
lupus aus der neueren Literatur, auf Ghrund deren Brandt zu dem
Schlüsse kommt, dass die lupösen Srhleimhuuterkrankungen schon durch
ihre verbal tnissmässige Häufigkeit an sich im Studium der tuberculösen
Hautaffectionen einen nicht gering zu veranschlagenden Faktor ausmachen,
sowie andererseits, dass bei genauer Durchsicht doch viel öfter die
Schleimhaut den primären Sitz der Erkrankung abgibt, als man solches
früher glaubte und auch jetzt noch, theilweise wenigstens, thut.
£d. Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Little, Graham E. Yaccinal Lupus. (British Journal of Derma-
tology 1901.)
Der Fall betrifft ein derzeit 9j ähriges Mädchen, das 6 Monate nach
der Geburt mit Kalblymphe geimpft wurde. Die Lymphe wurde von
einer privaten Firma von vorzüglichem Rufe bezogen. Vier andere Kinder
wurden mit derselben Lymphe jedoch erfolglos geimpft, weshalb eine
Revaooination vorgenommen werden musste. Bei keinem derselben war
Abnormes im Heilungsverlaufe zu constatiren gewesen. Bis dahin
auch keinerlei Klagen über die Lymphe eingelaufen. Das obenerwähnte
Kind stammt von einer epileptischen, jedoch nicht phthisisehen Mutter;
der Vater hatte in frühester Jugend Blattern durchgemacht, ist sonst
gesund. Ein Kind, jünger als die Patientin, war an Lungenphthise
gestorben, ein zweites wurde im August 1900 wegen Schwellung des
Antrum mastoideum trepanirt, ohne dass Eiterung constatirt werden
konnte, auch dieses Kind starb, die übrigen vier Geschwister sind gesund.
Von den Impf herden zeigten die oberen Heilungstendenz und wiesen, als
Verfasser das Kind in Beobachtung bekam, gute Karben auf, an den
unteren fand sich ein Herd, der klinisch den Charakter des Lupus
der Hautkrankheiten. 415
▼nlgari» zeigte. Leichte Ansohwellnog der Drdien in der Azilla links.
Der Herd wnrde exoidirt nnd iwar, da seit der Zeit der Operation
bereite ein Jahr ohne Reddivebitdung in der Narbe nnd der ümgebuDg
▼erflonen ist, aneeheiaend mit gatem Erfolge.
In dem aaegeiohnittenen Haatetflokchen konnten keine Taberkel-
badlien nachgewiesen werden, jedoch ergab die Einimpfnng anf Meer-
sehweinohen bei dem einen derselben anf Tubercnlose positiven Erfolg.
Das aweite starb vit^r Tage nach der Inocnlation, ohne Zeichen von
Tnberonlose anfanweisen. Der Autor rerrnnthet, dass bei diesen Mftdohen
eine Lnpnsiniection durch die Lymphe stattgefunden habe. Am Schlüsse
seiner Arbeit wendet er sich ausführlich der bezAglichen Literatur zu.
Der Fall ist durch eine beigef>e anschauliche Photographie iliustrirt.
Bobert Herz (Prag).
Gastoa et IMdsbnry. Essai de traitement dn lupns nasale
pitnitaire par les courants eleotriques de haute fröquence
et de haute intensite en applications locales. Soe. de derm. etc.
7. Juiu 1900.
Die g&Dstigen Erfolge der Hautlnpustherapie durch die locale
Application von Hochfrequenzströmen veranlasste Gas ton zur intra**
nasalen Anwendung derselben bei Schleimhautlupns der Nase zu schreiten.
Beaüglich der Beschreibung der Vorrichtung sei auf das Original ver-
wiesen. Die Krankengeschichte eines Falles wird des Nftheren mitgetheilt
(Lupus der äusseren Nase, Perforation des knorpeligen Septums,
Schwellung der unteren Muscheln). Schon nach der ersten Sitzung zeigte
sieh Besserung der Nasenathmung, nach der 16. Sitzung auch objectiv
Abschwellang der Musehein. Pat. gibt an, seit dem Beginne der Erkran-
kung nicht so frei durch die Nase geathmet zu haben. 2 weitere Fälle
von Lupus und Ozoena wurden in derselben Weise behandelt. Die Ein-
führung des wBxcitateurs*', der stromspendenden Rohre, ist schmerzlos
und auch die Hoohfrequenzströme selbst bringen keinerlei unangenehme
Nebenwirkung hervor. In Erkenntniss der langen Periode scheinbarer
Heilung bei anderem Verfahren muss die Frage des Recidivs der Zukunft
überlassen werden.
Brocq erklärt die günstigen Wiricungen der Ströme durch ihren
deoongestionirenden Einfluss auf die „IMons perilupiques", d. h. die
aceessorischen Entznndungserseheinuogen. Das eigentliche lupöse Gewebe
trotat den neuen Behandlungsmethoden, man muss immer wieder anf die
alte ^Scarification, Cauterisation und Exstirpation" zurückgreifen. Du
Castel ist derselben Ansicht. Gastou betont, dass die Ströme nicht
immer dieselbe Wirkung auf den Lupus und die anderen Formen der
Anttuberonlose haben. Bei einigen Lupusfällen zwang ihn ihr coogestiver
Effect snm Aussetaen der Behandlung, während in einem Falle von. tuberc.
Gumma wesentliche Besserung erzielt wurde. Brocq bleibt bei seiner
erat geäusserten Behauptung, die dem wahren, langsam sich ansbreitenden,
nicht ulcerirten Lupus intractabilis gegolten hat.
Richard Fische! (Bad Hall).
416 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Strobinder, J. (Moskau). Einige Bemerkungen sn Niels-
Finsen's Behandlung des Lupus. Allgemeine Wiener medie.
Zeitung 1901, Nr. 6.
Bericht über 4 Fälle von Lupus, welche mittelst Lichttherapie
behandelt wurden. Der Autor benützte hiezn einen gewöhnlichen Metall-
reflector von 30 Gm. Länge und 4 Gm. Breite am offenen unteren Ende.
Im oberen Ende dieses Reflectors ist eine Glühlampe von 12 Amperes
befestigt, zu deren Speisung die elektrische Lichtleitung benützt wird.
Die Kranken werden möglichst nahe an den Reflector gesetzt, so dass
die ganze lupöse Partie bestrahlt wird, die Augen werden zum Schutze
gegen die Lichtstrahlen verbunden. Die Sitzung dauert 20 — 40 Minuten,
sie ist von Blasenbildung gefolgt. Die Lupnsknötchen lösen sich allm&lig
von einander und verschwinden endlich ganz, wobei eine fortwährende
Abschilferung der Haut stattfindet. Von den behandelten 4 Fällen ist
einer geheilt, die übrigen sind gebessert. Victor Bandler (Prag).
Maynard, Edward (Brighton). TheUse of Tubereulinin the
Treatment of Lupus vulgaris. British MedicalJoumal. Dec. 22. 1900.
Verfasser bespricht einen Fall von Lupus der Nase, der schon drei
Jahre ohne dauernden Erfolg behandelt wurde. Eine 40jährige Patientin
wurde am 1. Mai wegen Lupus nasi ins Spital aufgenommen. Die Affection
bestand seit circa 3 Jahren. Acht bis neunmal war die ergriffene Partie
ausgekratzt und mit verschiedenen Aetzmitteln, wie rauchender Salpeter-
säure etc., verschorft worden, ohne eine längere Heilungsdauer, als von
einigen Wochen zu erzielen. Zuletzt war das Septum nasi erkrankt und
behandelt worden; die Knötchen erschienen aber wiederum und die
Affection schritt deutlich weiter. Patientin hatte angeblich, namentlich
bei kaltem Wetter ein eigenthümliches, schmerzendes Gefühl in der
Nase. Vor circa 7 Jahren Tuberculose des linken Ellbogengelenkes, die
mit gutem Erfolg operativ behandelt worden war. Hereditär keine Belastung.
Die Patientin schwach, aber gesund aussehend, Lungen gesund. Beide
Seiten der Nase afiicirt, ebenso die linke Seite des Septums. Patientin
bekam Leberthran und Tuberculinii\jectionen. Während der Behandlung
Gewichtszunahme. Am 6. Mai Injeotion von 0*001 Gem. Tubercolin in
den Vorderarm. Den 7. Mai schmerzhafte Anschwellung des Armes,
Röthung. Temperatur 87'6. Steigen derselben auf 39^. Am 8. Mai schwoll
die Nase an und wurde schmerzhaft. Patientin klagt über Kopfschmerz,
Brechreiz und sehr grosse Mattigkeit Keinerlei Reaction von Seite des
Ellbogengelenkes oder der Lungen. Jeden 4. Tag wurden nun steigende
Dosen ii^'icirt, die immer von Fieber, Schwellung nnd allgemeiner
Mattigkeit gefolgt waren. Nach Injection von 0*005 trat keine Reaction
auf, erst als 0*007 erreicht war. Temperatur 88*5, seröse Exsudation aus
der Nase. Schwellung. Am folgenden Tage Verschwinden dieser Symptome.
Dann folgte wieder eine reactionslose Periode bis zur Gabe von 0*03 Gem.
Erbrechen. Temperatur 38^ Darauf geringe Reactionen bis zor Dosis
von 0*09 Gem., von dieser Zeit bis zur Dosis von 0*1 Gem. keine Reaction
mehr, obwohl immer frisches Tnbercnlin verwendet wurde. Die Affection
der Hautkrankheiten. 417
war Tollkommen geheilt. Bis Ende October 1900 kein Recidiv. Patientin
fühlte sich wohl, die Nase, abgesehen von den früheren operativen Ein-
griffen, auffallend wenig defonnirt Verfaseer betrachtet das Tnberculin als
ein äusserst nützliches Mittel gegen Lupus.
R. Böhm (Prag).
Gasteazoro, Mariano. üeber den Lupus und dessen
Behandlung. luaug.-Diss. Berlin 1899.
Gasteazoro äussert sich besonders über die neuen Methoden der
Lupus-Behandlung: der Lichttherapie nach Finsen, der Rönlgen-
Bestrahlung und der Heissluftcauterisation nach Holländer. Zur Illu-
stration der letzteren Methode theilt er 6 Fälle aus der Lassar'schen
Klinik mit. Die Resultate waren wohl befriedigende zu nennen, doch
lässt sich ein definitives Urtheil aaf Grund so weniger Fälle und so
kurzer Beobachtungsdauer nicht fallen.
Ed. Oppenheimer (Strassburg).
Sohl (Wien). Zur Kenntniss der miliaren Hauttuber-
culose (Tuberculosis miliaris s. propria cutis Kaposi).
Wiener med. Presse 1900, Nr« 3.
Die Prädilectionsstellen der Erkrankung sind die Orificien, Lippen,
Nasenflügel a. s. w.; daselbst entstehen feinzackige, seichte, schmerzhafte
Snbstanzverluste, an deren Rändern miliare Tuberkel aufschiessen, deren
spätere Einschmelzang zur Ausbreitung der Ulceration führt. Eine beson-
dere Eigenschaft dieser miliaren Tuberculose ist die Neigung zur papil-
lären Wucherung an den Rändern. Der Bacillenbefund ist oft reichlich,
oft vollständig negativ; zur Differentialdiagnose kommt das Garcinom
und der Lupus, die Prognose ist nicht sehr ungünstig. Nobl beobachtete
bei einem 27jährigen hereditär belasteten Patienten an der Unterlippe
ein Bläschen, das sich im Verlaufe von Monaten in ein bohnengrosses,
infiltrirtes (Geschwür umwandelte, dessen Ränder mit miliaren Tuberkeln
besetzt waren, durch deren Zerfall das Geschwür immer an Grösse
zunahm; die regionären Drüsen waren nicht erkrankt; im Geschwürs-
secrete, als auch in Gewebsschnitten konnten Tuberkelbacillen nicht
nachgewiesen werden. Nach tiefer Verschorfnng des Geschwüres mit dem
Glüheisen heilte dasselbe vollständig. Verfasser betrachtet diesen Fall
als eine primäre idiopathische Hauttuberculose und tritt für die gründ-
liche umfassende Exoisioa des Infectionsherdes ein, wo es die Localisation
und Ausbreitung desselben gestattet. Victor Band 1er (Prag).
Du Castel. Tuberculose cutanee ulcdreuse et vegetante,
cons^cutive ä un traumatisme. Soc. de derm. etc. 8. Novemb. 1900.
Im Anscbluss an eine Kopfverletzung kam es bei dem 45jährigea
Patienten zu einer tuberculösen Infection der sympathischen Halslymph-
knoten und tuberculöser Infection der benachbarten Haut am Halse und
Bildung eines ulcerösen Herdes iu der Haut der rechten Wange. Daa
histologische Bild bestätigt die klinische Diagnose. Bacillen konntea
wie ja 80 häufig in den Schnitten nicht nachgewiesen werden.
Richard Fisch el (Bad Hall).
▲reh. f. Dermat. a. Syph. Bd. LXIII. 27
418 Bericht über die Leistungen anf dem Oebiete
Du Ca§tel. Tubercalose cntanöe consöcutive k la
roageole. Soe. de derm. etc. 3. Mai 1900.
In Ergänzung an eine Yorj&hrige, in den „Annales de derm. eto."
gemachte Mittheilang Bericht über zwei weitere Fälle, bei denen sich
Uauttuberculose an Morbillen anschloss. Du Gastel kommt zu folgenden
Schlussfolgernngen : Es ist nicht so selten disseminirte Hauttubercnlote
sich nach Masern entwickeln zu sehen. Gesicht, die Extremitäten (insbes.
die oberen) werden befallen. Die Affection tritt in Form kleiner dissemi-
nirter Knötchen auf, die das Aussehen yon „Lupus plan" zeigen. Einzelne
Herde können 1 — 2 Francstückgrösse erreichen. Die Veränderungen werden
fast unmittelbar nach der Masemeruption. beobachtet und erreichen sehr
bald den Höhepunkt ihrer Entwicklung. Sie können dann Jahre ohne merk-
liche Veränderung bestehen und spontao mit oder ohne Narbenbildung aus-
heilen. Richard Fischöl (Bad Hall).
Tschlenow, M. A. Ein Fall yon primärer Hauttnber-
cnlose des Penis. Med. Obosr. April 1901.
Primäre Hanttuberculose des Penis bei Erwachsenen ist von
Tschlenow in der ihm zugänglichen Literatur nur einmal (Salisch-
tschew) gefunden worden und zwar wahrscheinlich per coitum acquirirt.
Der Fall des Verfassers betrifiPt einen 4djährigen, verheirateten Mann,
der weder an sich selbst noch an seiner nächsten Verwandtschaft Tnber-
cnlose oder Syphilis constatirt haben will. Objective Anhaltspunkte fnr
die eine oder andere der genannten Krankheiten waren nicht zu finden.
Das Oeschwur besteht seit 4 Monaten und hat an umfang trotz Behand-
lung bedeutend zugenommen. Auf dem Peniskopf ist das Ulcus etwa
zehnpfennigstückgross, das im Sulcus retrojj^landul. und theilweise auch
am Präputium sitzende Geschwür hat ungefähr die Grösse eines Fönf-
pfennigstäckes. Der Substanz vertust ist ein recht bedeutender, die infiU
trirten Ränder sind erhaben, unregelmässig, zum Theil gezackt, wie aus-
gefressen, die nächste Umgebung von dnnkelrother Farbe. Auch der
gelblich rothe Geschwürsgrund ist recht infiltrirt und mit wenig serös-
eitriger Absonderung bedeckt. Miliartuberkel sind nirgends zu sehen. Das
Ulcus ist weder auf Druck, noch auch sonst schmerzhaft. Keinerlei
Drüsenschwellungen. Ein gummöses Geschwür, ebenso auch ein Epitheliom
wurden zunächst theils therapeutisch, theils diagnostisch ausgeschlossen.
Die mikroskopische Untersuchung ergab das zweifellose Bild einer Hant-
tuberculose, selbst Tuberkelbacillen sind, wenn auch in geringer Menge,
gefunden worden. In ätiologischer Beziehung bleibt der Fall dunkel,
Acqnisition per coitum ist unwahrscheinlich, aber nicht ganz anszu-
schliessen. Die dem Patienten vorgeschlagene Operation wurde verweigert.
Das weitere Schicksal des Kranken ist dem Verfasser unbekannt.
S. Prissmann (Liban).
Slmonin. Ophthalmoplegie externe partielle dissoci^e
et p6riphdrique au debut d'nne rougeole, Gaz. des hop. 1901.
Eine bei einem 21 jähr. Soldaten einige Tage nach dem Auftreten
eines Masern- Exanthems entstandene Augenmuskellähmnng, die fünf Tage
der Hautkrankheiten. 419
anhielt, wird von Simonin auf die Wirkung der Masern-Toxine suräck-
gefuhrt. Max MarouBo (Frankfurt a. M.).
Manchall, Joh. Gaie of malignant Soarlatina. British
Medical Journal. Nov. 8. 1900.
Ein Tjfthriges Mädchen erkrankte an heftigem Kopfschmerz und
Erbrechen. Gegen Mittag sistirte beides, sie war verhältnissmässig wohl,
als die Symptome wiederkamen und sie in Delirien verBel. Den nächsten
Tag Nachmittags wurde sie ins Spital gebracht. Sie fühlte sich sehr
schwach, der Rachen war roth und geschwollen; an den untern Partien
des Abdomens und den oberen Theilen der Oberschenkel rothe Flecken.
Pols 116, schwach. Temperatur 89^. Nächsten Morgen der Puls 182,
Temperatur 40^. Patientin verfallen, unruhig. Der Körper mit einem
typhusähnlichen Petechialausschlag bedeckt. Der Rachen tiefroth, auf
der linken Tonsille Belag. Der Ausschlag wurde nun heller scharlachartig,
blieb aber am Rumpf und an den Gliedern fleckig. Patientin schlief gut
während des Tages und nahm aus freiem Antrieb Nahrung zu sich. Am
Abend Temperatur 40^^. Zunehmende Schwäche. Unruhe. Die Extremitäten
wurden kühl. Während der Nacht ziemlich guter Schlaf. Die Temperatur
fiel auf 88'6®, aber trotzdem am nächsten Morgen, am 6. Erankheitstage
Exitus. R. Böhm (Prag).
Somen Arthur. A Gase of Scarlatina pemphigoides.
British Medical Journal. November 8. 1900.
Ein 6j. Mädchen erkrankte an Scharlach von augenscheinlich mildem
Charakter. Nach 6 Tagen war das Fieber gesunken, die Patientin an-
scheinend reconvalescent. Am 7. Tage nach dem typischen Ausschlage
bedeckte sich die Haut mit Bläschen und das Fieber stieg wieder auf 40^
Der Temperaturanstieg war mit arthritischen Erscheinungen in den
Knien, Ellbogen und Handgelenken begleitet. Nach 8 — 4 Tagen flössen
die Blasen zusammen und wurden eitrig. Unter Behandlung mit Salicyl
verschwanden die arthritischen Erscheinungen. Die Temperatur blieb aber
hoch, was circa 10 Tage andauerte, während welcher Zeit die Pusteln
fast fortwährend eiterten. Trotz Anwendung antiseptischer Umschläge
dauerte es bis zum Verschwinden der Eiterung 4 Wochen. Die Processe
auf der Haut hinterliessen keine Narben mit Ausnahme von einigen
Stellen im Gesicht, wo Patientin gekratzt hatte. Mutter und Bruder der
Patientin hatten eben eine Scarlatina durchgemacht. Verfasser berührt
die Möglichkeit, dass es sich um eine Mischinfeotion mit Varicella
gehandelt haben könnte. R. Böhm (Prag).
Köster. Scharlach-Infeotion von einer kleinen Haut-
wunde der Hand ausgehend. Deutsche Medicinal-Ztg. 1901, Nr. 59.
In Köster's Fall zog sich am Ende des normal verlaufenen
Scharlachs seiner lOjähr. Tochter der Vater eine Hautabschürfung der
rechten Hand zu. Am 5. läge in der Umgebung der Wunde leichte
Röthung und Schwellung; Lymphadenitis axillaris dextra; am 7. Tage
typisches Scharlach- Exanthem des ganzen rechten Armes, dann des
ganzen Körpers; Verlauf normal. Max Marcus e (Frankfurt a. M.).
27*
420 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Kroner, M. Scarlatina, Nephritis scarlatinosa bei einem
sieben Wochen alten Kinde. Deatsohe Med. Woch. Nr. 51. 19. De-
cember 190).
Eroner berichtet über einen mit geringem Fieber nnd bald rorack-
gehendem Aasschlag auftretenden Scharlachfall bei einem 8 Wochen
alten, normal entwickelten Kinde. Die Erkrankung wurde von den Eltern
irrthümlich für Frieseln gehalten und kein Arzt befragt. 8 Tage später
sah Verf. das Kind. Es war blass, apathisch, hatte hohes Fieber, starke
Schwellung und Röthung fast am ganzen Körper, am Unterschenkel
zahlreiche mit seröser Flüssigkeit gefüllte Bläschen, fast völlige Annrie,
lamellöse Abschuppung an Händen und Beinen. Der Zustand war unver-
kennbar eine schwere Nephritis, die Anamnese liess die Ansteckung von
Scharlach feststellen. Obgleich anfänglich unter heissen Bädern, Ein-
wicklangen und Liquor Kalii aoetici Besserung eintrat, schwanden doch
später trotz guter Pflege bei einem hinzutretenden Bronchialkatarrh,
Decubitus in Folge reichlichen Stuhlgangs etc. die Kräfte, bis schliesslich
ein Erysipel zum Tode führte. Der Fall widerspricht der Behauptung,
dass Kinder unter einem Jahre immun gegen Scharlach seien und
bestätigt die Erfahrung, dass ganz leichtes Scharlach eine schwere
Nephritis zur Folge haben könne. Interessant erscheint die Thatsache,
dass die nährende Matter, welche noch nicht Scharlach gehabt hatte,
nicht inficirt wurde. Max Joseph (Berlin).
Happel, T. J. A. Further Study of Pseudo or Modified.
Smallpox (?) Joum. Am. Med. Assoc. XXXVIf. Aug. 8. 1901. pag. 295.
Beebe, W. L. Smallpox- Old and New. Journ. Am. Med.
Assoc. XXXVn. 299. Aug. 8. 1901.
Leroy, Louis. Sanitary Features of Smallpox. Journ. Am.
Med. Assoc. XXXYII. 299. Aug. 3 1901.
Spalding, Herman. The Diagnosis of Mild and Irregulär
Smallpox as Found in the Present Outbreak in the United
States. Journ. Am. Med. Assoc. XXXYII. 802. Aug. 3. 1901.
Leavitt, Frederick. The Distinguishing Charaoteristica
Between Mild and Discrete Smallpox and Chioken-pox.
Journ. Am. Med. Associat. XXXVII. 306. Aug. 3. 1901.
Bracken, H. M. Variola. Joum. Am. Med. Associat. XXXYII. 306.
Aug. 3. 1901.
Diese 6 hier zu besprechenden Artikel bildeten die Grundlage einer
von der Section für praktische Medicin der Amer. Med. Association bei
Gelegenheit der 52. Versammlung dieser Gesellschaft in St. Paul, Mina.
veranstalteten gemeinsamen Besprechung (Symposion) über die Pocken.
Die nächste Veranlassung dazu wurde gegeben durch eine während der
letztvergangenen Jahre in den Yer. Staaten herrschenden Pockenepidemie,
die namentlich in einigen der westlichen Staaten einen so ausserordentlich
milden, quasi ambulanten Charakter zeigt, dass von vielen Seiten Zweifel
an der Identität der herrschenden Krankheit mit Pocken erhoben worden
nnd verschiedene neue Namen für dieselbe aufgetaucht sind.
der Haatkrankheiten. 421
Happel, der schon in der ^oijährigen Sitzang der Gesellschaft
die Krankheit als Pseado- oder modifioirte Pocken bezeichnet hatte»
liehanptet auch in diesem Vortrag, gestützt auf 100 weitere Beobachtongen,
seinen früheren Standpunkt. Seine Erfahrungen worden an einer grössten-
theils aus ungebildeten Negern bestehenden Bevölkerung einer kleinen
Stadt und deren Iftndlicher Umgebung im Staate Tennessee gemacht,
unter der die Pockenimpfung notorisch yemachlftssigt wird. Daher stellt
H. die Möglichkeit eines günstigen Einflusses länger fortgesetzter
Impfungen entschieden in Abrede, ebenso eine mögliche Beeinflussung des
Verlaufs der Krankheit durch bessere Behandlungs- oder Vorbengungs-
metboden, da thatsächlich die Epidemie ganz denselben Charakter zeigte,
ob nun Vorsieh tsroassregeln getroffen wurden oder nicht. Die Sterblichkeit
unter den Kranken war eine ausserordentlich geringe, selbst mit Hinzu-
rechnung aller Complicationen betrug dieselbe noch nicht 2%. Die Aus-
breitung der Krankheit war eine ausserordentlich launenhafte ; Vaccination
schien wenig oder gar keinen Schutz gegen Infection zu gewähren, so
dass viele dieselbe vermieden, weil sie mehr Beschwerde als die Krankheit
selbst verursachte, welche viele Kranke gar nicht oder nur während
weniger Tage von ihrer Beschäftigung abhielt.
Das Symptomenbild der Krankheit war im Gegensatz zu den ver-
achiedenen Bildern der Pocken selbst ein sehr gleichförmiges; die Incu-
bation betrug 14 — 18 Tage, der Anfang selbst war meist durch Kälte-
gefühl, aber nicht wirklichen Schüttelfrost eingeleitet mit Temperataren
von 102—106® F. (38*9—40*5 C), schwerere Allgemeinstörungen fehlen
gänzlich. Am 4. Ta? beginnt der Ausschlag, der mehr einer Acne gleicht,
zuerst auf Stirn, Wangen und Kinn, nach der Eruption fallt die Tempe-
ratur ab und die Patienten fühlen sich meist völlig gesund. Am 6. Tag
wandeln sich die Papeln in Blasen um, die sofort opalescirend werden,
aie sind einfacherig und nicht genabelt; häufig trocknen sie rasch zu
einer bräunlichen Kruste ein. In anderen Fällen erstreckt sich der Ein-
trocknungsprocess vom 6 — 9. Tage. Wo der Ausschlag sich über den
ganzen Körper ausgebreitet hatte, mochte das Abfallen der Krusten sich
bis zum 14. Tage hinziehen. Secundäres Fieber war absolut abwesend.
B e e b e aus Minnesota betont den mächtigen Unterschied zwischen
der gegenwärtigen und einer früheren Epidemie, so dass er die beiden
Krankheiten nicht für völlig identisch halten kann. Jedenfalls müsse man
dann verschiedene Formen einer Krankheit annehmen. Er bestätigt
Happel's Angabe über die Wirkungslosigkeit der Vaccination, da
Geimpfte undDngeimpfte gleichmässig häufig leicht erkrankten. Dagegen
traten S palding, chief medical inspector in Chicago, Bracken,
Secretär des Staats-Gesundheitsamt von Minnesota und Leavitt ebenfalls
aus Minnesota, energisch für die Identität der gegenwärtig epidemisch
herrschenden Krankheitsform mit Pocken in die Schranken, unter
310 Patienten begegnete S palding all den verschiedenen in anderen
Epidemien beobachteten Bildern: hämorrhagische Pocken, confluirenden,
semiconflnirenden, schweren Fällen mit discreten Eüflorescenzen, milden
422 Bericht über die LeistaDgen auf dem Gebiete
Formen (179) und modificirten Formen, mit im Gänsen 6 Todesfällen,
die «ämmtlioh den 8 ersten Formen angehörten and beschreibt die Symp-
tome dieser verschiedenen Bilder. Der Verlauf der milderen Fälle stimmt
vielfach mit der Schildemng HappePs überein; in einigen Fällen kam
es gar nicht sur Blasenbildung (variola verrucosa), in anderen trocknete
der Blaseninhalt ausserordentlich rasch zu einer trockenen Kruste ein
(var. Cornea). Alle Fälle zeigten deutliche Prodromalien, in jedem Falle
konnte wenigstens an einigen Ausschlagsindividuen der tiefe Sitz im
Gorion nachgewiesen werden, gegenüber dem oberflächlichen Charakter
der Varicella, ebenso die grössere Resistenifahigkeit der Blasendecke, die
nur an den Händen und Handgelenken von Negern wegen der derben
Beschaffenheit deren Oberhaut Veranlassung zu Verwechslung mit
Varicellen geben könnte. Charakteristisch war das Auftreten im Geeicht,
am Hals, Händen, Handgelenken, Vorhaut und Penis. Unter den 310 Fallen
waren 271 nie geimpft gewesen; bei den Vaccinirten waren seit der
letzten Impfung 16 Jahre und darüber verflossen.
L e a V i 1 1 macht auf die Schwierigkeiten der Diagnose sehr milder
Fälle aufmerksam und meint, dass Variola und Varicella immer zu unter-
scheiden seien. Varicella kommt wesentlich, wenn auch nicht ausschliesslich
bei Kindern vor und befallt im Gegensatz zu Variola, die besonders
Gesicht und Hände aussucht, die für gewöhnlich von der Kleidung
bedeckten Körpertheile, namentlich den Rücken. Der wesentlichste
Unterschied liegt in dem klinischen Verlauf der einzelnen Efflorescenzen,
die bei der Varicella sehr unbedeutend, bei Variola immer deutlicher
hervortreten, femer ist massgebend die schrotartig sich anfühlende Härte
in der Tiefe des Cutisge wehes selbst. Bei Variola sind immer Prodromal-
Symptome mit starkem Fieber vorhanden, das letztere ist intermittirend
und fallt nach dem Ausbruch des Ausschlages ab, bei Varicella ist das
Fieber proportional der Ausbreitung und Intensität des Ausschlages und
stellt eine Continua mit allmäligem Abfall dar.
Bracken macht darauf aufmerksam, dass die leichten Formen der
Variola, wie sie jetzt soviel beobachtet würden, längst in den Lehr-
büchern beschrieben worden seien. In manchen Epidemien würden die
ersten leichten Fälle wohl übersehen oder verkannt, bis einigerraassen
schwere Fälle die wahre Natur kundgeben und den Arzt über seinen
Irrthum aufklären; in anderen Fällen waren die Aerzte unwillig ihren
Irrthnm einzugestehen. Femer weist B. nach, dass Vaccination allerdings
einen wesentlichen Schutz gegen Ansteckung auch in dieser Epidemie
gewährt habe, und dass sich manche gegentheilige Behauptungen leicht
als auf falsche und ungenaue Angaben der Patienten gestützt erwiesen.
Die Ausdrücke Variola und varioloid ebenso wie vacoinia und vaccinoid,
welche in der That nur modifioirte Formen einer Krankheitsform dar-
stellen, geben leicht Veranlassung an zwei verschiedene Krankheiten sn
denken; es wäre daher besser diese Ausdrücke ganz zu vermeiden. Es
ist dem Verfasser nicht zweifelhaft, dass auch bald nach einer über-
standenen Pockenerkrankung eine Impfung ein solches modifieirtes
der Hautkrankheiten. 428
Resultat, ein Vaccinoid, hervorbringen könne; dass daher ein solches
Yacoinoid die Diagnose der vorhergegangenen Krankheit als Variola
keineswegs umzuwerfen im Stande sei. Die durch eine Yariolaerkrankung
erworbene Immuaität könne unter Umständen weniger lange anhalten
als die durch Yaocination erzielte, die Daner derselben richte sich nach
dem Individuum; eine Anzahl Fälle werden für die Richtigkeit dieser
Behauptung citirt. Auch beschreibt B. einige Fälle, in denen Immunität
gegen Vaccination aber nicht gegen Variola beobachtet wurde.
Leroy endlich bespricht die Pocken vom Standpunkt des SanitfttS'
beamten und befürwortet Massregeln, wie eie unter den verschiedenen
Verhältnissen grösserer Städte, kleinerer Gommunit&teo, insbesondere
auch grösserer industrieller Etablissements wie Bergwerke etc. ins Werk
zu setzen seien zur Unterdrückung der Ausbrüche von Pockenepidemien.
Besonders wichtige Neuerungen enthalten seine Vorschläge nicht; her-
vorzuheben ist nur, dass er in Teunessee während des letzten Jahres
in ziemlicher Ausdehnung die Impfung mit Glycerinlymphe subcutan aus-
geführt hat vermittelet einer Spritze und dass die Erfolge sehr günstige
waren.
In der Discussion über diese Vorträge wandten sich die meisten
der Theilnehmer gegen den Standpunkt HappeTs, am Schlüsse derselben
fassten die vereinigten Sectionen für praktische Medicin und für Hygiene
und Sanitäts Wissenschaft folgenden Beschluss: „Die gegenwärtig in den
Vereinigten Staaten ziemlich weit verbreitete und von manchen Seiten
als Pseodo-Pocken bezeichnete Krankheit ist echte Variola und soll als
solche von allen Gesundheitsbehörden mit Vaccination und Quarantäne
bekämpft werden." H. 0. Klotz (New York).
De Bary, J. Einige Bemerkungen über Varicellen.
Arch. f. Kinderheilkunde. XXXI. Bd. S. u. 4. Heft 1901.
Entgegen der Angabe Bohn's im Handbuche der Kinderkrankheiten,
welcher eine 13— 14tägige Incubationszeit bei obiger Erkrankung angibt,
konnte de Bary an 8 gut beobachteten, vorher bereits wegen Masern
isolirten Fällen die Incubationsdauer mit 17 resp. 19 Tagen feststellen.
R. Bunzel (Prag).
Cerf, L. Les anomalies et les complications de la vari-
Celle. Gaz. des höp. 1901, Nr. 74.
Gerf weist in diesem Artikel auf die Complicationen der Varicellen
hin, die theils schon zur Incubationszeit, theils auf der Höhe der Er-
krankung und in ihrem Gefolge auftreten. Im Prodromalstadium sieht
man manchmal schwere nervöse Erscheinungen, die oft mit hohem Fieber
einhergehen. Die Complicationen während des Exanthems sind vorzugs-
weise durch schwere Ezanthemformen, durch hämorrhagische pustulöse
oder gangränöse Varicellen bedingt, seltener durch Erkrankung der
Schleimhäute, namentlich des Larynx. Im Gefolge der Varicellen treten
nicht so selten Polyarthritiden, theils seröser, theils eitriger Natur auf.
Eine wichtige Folgekrankheit, auf die schon von He noch hingewiesen
wurde, ist endlich die Nephritis, die alle Uebergftnge zwischen schweren
424 Bericht über die Leistongen auf dem Gebiete
und leichten Formen aufweisen kann. Bei der Autopsie findet man das
Bild der Glomerulonephritis. In Anbetracht der Möglichkeit solcher Compli-
cationen wird man jeden Fall von Varicellen, wenn nicht behandeln,
doch mindestens überwachen müssen. Ernst Hedinger (Bern).
Begg, Charles. The Treatment of Smallpox by Salol.
British Medical Jonmal. Jnly 14. 1900.
Verfasser bespricht einen Aafsats von Biernacki und Jones
bezüglich seiner Behandlung der Variola mit Salol. Er empfiehlt möglichst
baldige Anwendung des Salols. Contraindicationen gegen dasselbe kennt
er nicht, nur soll der Harn überwacht werden. Verfasser wünscht die
Nachprüfung dieser Behandlung und Mittheilnng der Resultate.
R. Böhm (Prag).
Weil, E. Lesang et les reactions defensives de l'hema-
topoi^se dans l'infection variolique. Gaz. des hop. 1901, Nr. 67.
Nach den Untersuchungen von Weil bedingt die Variola eine
Zerstörung rother Blutkörperchen und eine Oligochromämie ; in schweren
Fällen treten im Blut Normoblasten auf. Es besteht eine mononucle&re
Leukocytose, die namentlich durch das Vorkommen neutrophiler und
eosinophiler Myelocyten charakterisirt wird. Das Knochenmark setzt sich
während der Variola vorwiegend aus einkernigen Leukocyten zusammen,
während die mehrkemigen Leukocyten bedeutend in den Hinterg^mnd
treten. E. Hedinger (Bern).
Ejiufmanii, Martin. Bericht über die im Sommer 1900
beobachtete Blatternepidemie. Münchener medicinische Wochen*
Schrift 1900, Nr. 60.
Der Aufsatz schildert eine kleine, im Mai 1900 in Frankfurt a. M.
und einigen Nachbarorten stattgehabte Pockenepidemie. Es erkrankten
27 Personen. Die Mortalität betrug 16%. I. A. verlief die Endemie leicht.
Aus dem Aufsatze heben wir nur 2 Dinge von allgemeinerem Interesse
hervor. Einmal, dass der Werth der Schutzpockenimpfung dadurch dar-
gethan wird, dass nur ein einziger Kranker innerhalb der letztvergan«
genen 6 Jahre geimpft worden war ; ferner die gleichzeitige Eruption
eines Prodromal- und eines Variolaexanthems, ersteres am Unterbauch
in Gestalt kleinster hämorrhagischer Papeln localisirt, letzteres als zerstreute
Papeln auftretend, welche nachträglich Pusteln bildeten.
von Notthafft (München).
Fanck, M. Der Vaccine- und Variolaerreger. Gentralblatt f.
Bakteriologie und Parasitenkunde. Bd. XXIX, pag. 981.
Funck zieht aus seinen Versuchen den Schluss, dass Variola und
Vaccine identisch sind. Aus den angestellten Experimenten geht hervor,
dass die Wirkung der Vaccine von einem Protozoon, wahrscheinlich einem
Sporozoen, hervorgebracht wird, dem der Verfasser den Namen Sporidium
vaccinale gibt. In den Pusteln der Variola trifft man einen morphologisch
gleichen Protozoen. Das Sporidium erzeugt beim Kalbe die charakte-
ristischen Erscheinungen der Vaccine und verleiht dauernde Inunmunität
gegen Vaccine. Wolters (Bonn).
der Hautkranklieiteii. 425
Berg, 0. Seltene Complication eines Garbankeis.
Monatshefte f. prakt. Dermatologie. Band XXXm.
Der Kranke Berg's litt seit 6 Woohen an einem Garbunkel der
Lnmbalgegend, der incidirt worden war. Dabei bestand schwere Cystitis
nnd ein gegen die Harnröhre durchgebrochener Prostataabsccess. Gono-
coccen negativ. Eine Woche später rechtsseitige Epididymitis mit Ab-
scedirung. Zwei Wochen nach der Incision dieses Abscesses der Harn klar,
eiweiss- nnd znckerfrei. Einige Zeit später Appendicitis, gefolgt von
linksseitigem Garbunkel. Berg vermuthet als Ausgangspunkt dieser
Symptomenreihe den Prostataabscess, den er als Metastase des Garbunkels
anffasst Ludwig Waelsch (Prag).
Erythematöse, ekzematöse, parenchymatöse
Entzflndmigsprocesse.
Handford, Henry, Nottingham. Erythematous Rash due to
Borio Acid. British Medical Journal 24. Nov. 1900.
Ein 47jähr. Kohlenarbeiter litt seit 3 Jahren an dyspeptischen
Erscheinungen des Magens, die in letzter Zeit in häufigem Erbrechen
ihren Ausdruck fanden. Die Diagnose wurde gestellt auf eine nicht
maligne Strictur des Pylorus. Bevor nun ein weiterer Eingriff vorge-
nommen wurde, wollte man noch einen Versuch machen, den Magen
mit einer passenden antiseptischen Lösung auszuspülen, nachdem die
früheren Ausspülungen nur vom Patienten selbst gemacht worden waren,
wenngleich nach ärztlicher Anleitung. Es wurde dazu eine Borsäure-
lösuDg 1 : 60 verwendet, nachdem der Magen vorerst vollständig entleert
worden war. Man begann am 19. April und setzte die Spülungen bis zum
25. April fort. An diesem Tage erschien ein Ausschlag im Gesicht und
am Rücken. Die Haut war geröthet, geschwollen und zeigte infiltrirte
Herde, die stark juckten. Nach Substitution von gewöhnlichem Wasser
an Stelle der Borlösung verschwand der Ausschlag in 2 Tagen. Vom
27. — 30. April wurde wieder Borlösung, aber im Yerhältniss von 1 : 200
verwendet Am Morgen des 29. April leichte Röthung der Ellbogen.
Am 30. April war das Erythem über den Nacken, die Augenlider, den
unteren Theil des Rückens und die Oberschenkel ausgebreitet. Aussetzen
der Borlösungspülungen. Verschwinden des Erythems am 3. Mai. Der
Patient hatte früher nie an ähnlichen Affectionen gelitten, obwohl über
drei Monate Magenausspülungen, wenn auch ohne Borsäurezusatz, vor-
genommen worden waren. Das Erythem zeigte sich von da ab nicht
mehr. Bei der später vorgenommenen Operation fand sich der Pylorus
verdickt, aber keinerlei Tumorbildung. Nach der Operation vollständiges
Wohlbefinden nnd Gewichtszunahme. R. Böhm (Prag).
426 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Hall, Arthur. Erythematous Rash dne to Boric Aoidi
British Medical Journal 22. Dec. 1900.
Verfasser erinnert daran, dass er einen Fall von Borsänreintozication
mit intensivem Erythem nach Application von Borsäuresalbe auf eine
ausgedehnte Verbrennung im Jahre 1897 veröffentlicht habe. Der Fall
endete damals tödtlich. Seit dieser Zeit hat Verfasser eine grosse Zahl
ähnlicher Fälle beobachtet. In einem dieser Fälle wurde ßorsäurelösung
zum Ausspülen der Blase benützt. Häufig werden aber solche Fälle wahr-
scheinlich nicht diagnosticirt. Borsäure erscheint demnach nicht so
harmlos, als wie gewöhnlich angenommen wird. Verfasser empfiehlt die
Untersuchung des Harns, in welchem die Borsäure nachgewiesen werden
kann. R. Böhm (Prag).
RaTOgli, A. A Gase of Erythroderma Squamosum. Journal
Amer. Med. Associat. XXX VI 1. p. 109.
Ravogli beschreibe unter diesem Namen eine bei einem sonst
völlig gesunden 3jährigen Knaben beobachtete, die ganze Eörperober-
fiäche mit Ausnahme der Handteller und Fusssohlen in wiederholten
Attaken befallende Hautkrankheit, welche klinisch charakterisirt war
durch allgemeine massige Röthung und weissliche dünne Abschuppnng
ohne jede nachweisbare Infiltration und keinerlei subjective Erscheinungen
verursachte. An verschiedenen Körpertheilen waren die Schuppen etwas
verschieden, besonders dicker und mit Hauttalg gemischt auf der Stirn.
Nachdem durch 2tägige Einreibung mit Leberthran die Schuppen völlig
entfernt waren, zeigte sich, dass die Röthe aus zahlreichen, über die
Oberfläche verbreiteten runden Flecken bestand, die mehr weniger con-
fluirten.
Pathologisch-anatomische Untersuchung wies Erweiterung der
Blutgefässe und perivasculäre Zellinfiltration im Papillarkörper and der
subpapillaren Gutisschicht nach, welche Ernährungsstörung der Epidermis,
Verdickung, Eintrocknung und Abstossung der Hornschioht zur Folge
hatte; also einen 'deutlich entzündlichen Vorgang in den oberen Gutis-
schichten. Eine Ursache der Erkrankung Hess sich nicht nachweisen;
da nach Angabe der Eltern sechs ältere Kinder zwischen dem 4. — 8. Jahre
sämmtlich ähnliche Erscheinungen gezeigt hatten, glaubt R., eine here-
ditäre Neigung zu einer besonderen Autointozioation durch Ptomaine
annehmen zu dürfen. Unter Behandlung mit einer milden Salicyl-Reaor-
cinsalbe verschwand der Zustand ziemlich rasch. Da sich die Krankheit
nicht unter den bekannten Formen unterbringen lässt, reiht Ravogli
sie den von Besnier als Erythrodermies exfoliantes lentes on chroniques
idiopathiques primitives bezeichneten Dermatosen an und vergleicht sie
mit Brocq's und James G. White^s Erythrodermie pityriasique en
plaques dissemines. H. G. Klotz (New -York).
Pascal. Erytheme scarlatiniforme desquamative g6n^-
ralis6 d'origine parasitaire. Annales de dorm. etc. 1900. HIV 4.
Bei 10 Soldaten, die mit dem Sieben von Gerste beschäftigt waren,
trat in mehr oder minder grosser Ausbreitung unter heftigem Jucken
der Hautkrankheiten. 427
und Brennen ein scarlatiformeB Exanthem auf, das aus 50 Centime»- bis
2 francstnckgrossen Flecken, die vielfach zu grossen Flachen zusammen-
flössen, bestand. Vorwiegend sind die unbedeckt getragenen Körper-
stellen befallen, das Gesieht, die Vorderarme und Hände, in geringerem
Masse die Brust, der Hals, der Rucken und die Genitalien. Allgemein -
erscheinungen : Fieber, Abgesohlagenheit, Darmsymptome waren nicht
zu constatiren. Die Abheilung erfolgte ohne eingreifende Therapie mit
kleienartiger und grrosslamellöser Abschnppung.
Das Getreide war von einer Unzahl von Schmetterlingen, Sitotroga
cerealella, bedeckt, welche, wie die genaue anatomische Untersuchung
ergab, in ihrem Innern einen der Familie der Acariden zugehörigen
Parasiten Pediculoides ventrioosus Galestrini beherbergen. Diesem kommen
längs des Oesophagus angeordnete Drüsen zu, die einen giftigen Speichel
absondern, welcher in Beziehung zu der Entstehung der beschriebenen
Erytheme gebracht wird. Richard Fischöl (Bad Hall).
Audry und Laurent. Sur un rash preroseolique de la
Syphilis. Journal des maladies cutanees et syphilitiques 1901. pag. 176.
Audry und Laurent constatirten bei einem in die Klinik auf-
genommenen jungen Mädchen ein typisches toxisches Erythem. Als das-
selbe schon in völligem Abheilen war, trat plötzlich ein maculo-papnlöses
Exanthem auf und bei genauer Untersuchung wurden auch Plaques auf
Torsillen und erodirte Papeln an den Genitalien constatirt. Verfasser
stehen nicht an, das vorausgegangene Erythem als durch die Syphilis
verursacht zu betrachten. Paul Ne isser (Beuthen 0. 8.).
Hallopeau. Sur un cas de pityriasis ros6 remarquable
par rStendue et le siege crural de la plaque initiale,
ainsi que par sa longue incubation et le caractere ortie
d'une partie de ses Clements. Soc. de derm. 1. Mars 1900.
Der Fall von Pytiriasis rosea ist aus folgenden Gründen bemer-
kenswerth: Der initale Plaque (Brocq) hat eine besonders lange Dauer
von 2 Monaten aufzuweisen, während er gewöhnlich nur 4 — 11 Tage
lang nachzuweisen ist. Die Secundäreruption lässt die Mitte des Stammes
frei und etablirt sich bloss an der Unterbauchgegend und Vorderfläche
der Schultern. Ein grosser Theil der Elemente ist erhaben und ähnelt
Urticariaquaddeln, ein Symptom, das von Hallopeau schon früher
beschrieben wurde. Richard Fischel (Bad Hall).
Carr, H. Sidney. A Gase of bullous Urticaria. British
Medical Journal. 10. l^ovemb. 1900.
Verfasser wurde zu einer 35jährigen Frau gerufen, welche angab,
am vorhergehenden Abend Kabeljau gegessen zu haben. Beinahe sofort
nachher empfand sie ein eigenthümliches Unbehagen um die Augen und
Jucken im Gesicht. Bei der Untersuchung zeigte sich, dass sich ein aus-
gesprochener Urticariaausschlag über das Gesicht, die oberen Extremitäten
und den oberen Theil des Rumpfes ausgebreitet hatte. Dieser war bald
gefolgt von dem Erscheinen grosser Blasen an beiden Ohren, an den
Handgelenken und Vorderarmen. Die Urticariaeruption befiel auch den
428 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Mund und den Pharynx, so dass Patientin kaam sehlacken konnte. Die
Lippen waren aalgesprungen and mit Blut bedeckt. Die höchste Tem-
peratur 39'5^ Es zeigten sich dann zahllose kleine Bläschen, welche
deutlich ihren Ursprung aus den Urticariaquaddeln nahmen, sodass an
Pemphigus nicht zu denken war. Das Jacken wurde sehr stark, ging
später in Brennen über, so dass kaum die Berühning der Bettdecke er-
tragen wurde. Um die Augen starkes Oedem. Ueber den weiteren Verlauf
wird nichts berichtet. R. Böhm (Prag).
Nehrkom. Beitrag zur Purpura haemorrhagica. Aus der
chirurgischen Klinik zu Heidelberg. Münchener medicinischej Wochenschrift
1900. Nr. 40.
Ein fi6jähriger Arbeiter erlag binnen 4 Tagen einer klinisch sich
in Nasan- und Nierenblut ungen, Suffusionen und hämorrhagischen Pasteln
documentirenden Purpura haemorrhagica. Den Namen Purpura falminans
will Verfasser dem durch Henoch abgegrenzten Bilde überlassen, bei
welchem keine Schleimhautblutungen stattfinden. Bei der Section fand
man: ausgedehnte Blutungen in Haut, Muskulatur, Herz, Lungen, seröse
Häute, Magen- und Darmschleimhaut, Blasen-, Nierenbecken und Ure-
terenschleimhaut, Degeneration von Leber und Milz, Endocarditis der
Mitral- und Aortenklappen, bronchopneumonische, lobuläre, hämorrhagische
Herde in beiden Unterlappen, hämorrhagische Erosionen und diphtherisch
belegte Oeschwüre an Zangengrund, Uvula und Qaumenbögen. Enge
Aorta. — Obwohl aber das ganze Bild auf einen Intoxications- oder
Infectionsprocess hinweist, wurde im Herz und Milzblut kein Mikrobion ge-
funden; nur in Vita ergab die Untersuchung der Pusteln die wohl nur
secandäre Anwesenheit von Staphylococcus pyogenos aureus.
V. N Ott h äfft ^München).
Mnir, Robert, Prof., Glasgow. A Gase of Purpura and intense
Anaemia with marked Deficienoy in the red Bone-Marrow.
British Medical Journal 29. Sept. 1900.
Ein Fall von Anaemie, der besonders wegen der eigen thümlichen
Beschaffenheit des Knochenmarks bemerkenswerth ist. Ein lijähriger
Knabe erkrankte am 8. Jänner an Nasenbluten, Bluterbrechen und einer
Purpura- Eruption über den ganzen Körper und Füssen. Vor 4 Wochen
Erkältung, Hasten und leichte Haemoptysis. Vier Tage vor der Erkran-
kung zeigten sich an seinem Körper Flecken, besonders an den Beinen.
Am Abend des folgenden Tages im Bett schwere Blutung aus Nase und
Mund. Einen Tag später Bluterbrechen von dunkler Farbe. Orosse
Schwäche. Ueber den ganzen Körper zerstreut zahllose kleine Hämor-
rhagien. Im Spital Besserung des Zustandes, Verschwinden der Pnrpura-
eruptioQ. Sieben Wochen später (23. Feber) neuerliches Auftreten der
Flecken. Den nächsten Tag Bluterbrechen, Bewusstlosigkeit und Exitus.
Blutuntersuchung : am 15. Jänner rothe Blutkörperchen 8,000.000,
Leukocyten 7000, Hämoglobin 127o; ^* ^ober rothe Blutkörperchen 640.000,
geringe Poikilocytose. Keine Megalocyten, keine gekernte rothe Blut-
körperchen, Leukocyten sehr spärlich, keine eosinophilen Zellen, Blui-
der HautkrankheiteD. 429
plättchen fehlend, ein Zustand, der anch bei anderen Fällen von Parpura
beobachtet wurde.
Die Untersnchnng post mortem: fettige Degeneration des Herz*
mnskelB, lahlreiche Petechien am Epicard und Endooard, desgleichen in
der Schleimhaut des Magens und im Dünndarm. Das Knochenmark zeigte
anstatt der gewöhnlichen rothen Farbe ein weissliches, fettiges Aus-
sehen. Hie und da Hämorrhagien. Den Zustand des Knochenmarks hält
Verfasser für eine primäre Veränderung, denn anch bei perniciöser
Anämie wird das Knochenmark tief roth und voll von kernhaltigen
rothen Blutkörperchen gefunden. R. Böhm (Prag).
Irwin, Fairfax. A Gase of Peliosis Rheumatica (Schön-
lei n's Disease). New- York Med. Journ. LXXIV. 676. 1901.
Irwin's Fall betrifit einen 29 Jahre alten Seemann, der zuerst
Anschwellung und Schmerzhaftigkeit der Fingergelenke, später zu-
nehmende Oedeme und ausgebreitete Purpura zeigte. Starker Speichel-
fluss und oberflächliche Geschwüre der Schleimhaut, der Lippen, der
Wangen und des Pharynx machten die Diagnose anfangs zweifelhaft
(Syphilis, Scorbut), doch scheinen diese Veränderungen durch Einnehmen
einer unter dem Namen Sarsaparilla verkauften Medicin verarsacht worden
zu sein. Fieber war gering, Complicationen von anderen Organen fehlten
und endete der Fall in Genesung. H. G. Klotz (New- York).
Audry. Sur les accidents cutanea survenus an co us
d'une pseudo-leucemielymphocythemique (leuoemie lym-
phatiquo). Journ. d. malad, cntan. et sypb. 1901. pag. 647.
Audry constatirte bei einer 64jährigen Patientin, die an lympha-
tischer Leukämie im Spital lag und daran verstarb, Hautaffectlonen,
welche er als durch die Leukämie verursacht betrachtet, nämlich Urti-
cariaanfälle und kleine Hauthämorrhagien.
Paul Neisser (Beuthen 0. 8.).
Strqjew, N. Zur Gasuistik der Raynaud'schen Krank-
heit. Med. Obosr. Juni 1901.
Strujew bringt einen casuistischen Beitrag zur Raynaud'schen
Krankheit. Die Arbeit enthält nichts Neues. S. Prissmann (Libau).
Pospelour, A. lieber ein neues Symptom der Raynaud-
sehen Krankheit. Med. Obosr. Juni 1901.
Für gewöhnlich fasst man das Beissen der Nägel als schlechte
Gewohnheit auf, in der That soll es aber nach Pospelow's Ansicht
häufig ein Symptom der beginnenden Ray n au duschen Krankheit sein,
wenigstens soll man in solchen Fällen immer nach anderen Krankheits-
erscheinungen fahnden. Das Nägelbeissen ist entschieden eine Neurose
analog der Tricotilomanie — dem Verlangen, die Haare an einer ganz
bestimmten Stelle des Körpers auszureissen — die zuerst von Hallopeau
und Fournier beschrieben wurde. S. Prissmann (Libau).
Balzer et Alquier. Oedeme strumeux on erytheme in-
dure chez unejeune fille. Soc. de dorm. etc. 3. Mai 1900.
430 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Das 18jährige Mädchen leidet seit 3 Jahren an einem harten,
persistirenden Oedem der beiden Unterschenkel, das weder Schmers
noch Ermüdung beim Gehen verui sacht. Des Morgens ist das Golorit
der Haut über den a£Ficirten Stellen normal, des Abends roth oder
violett. Bei Hochlagerung wird die Haut blass, bei Herabhängen der
unteren Extremitäten nimmt die Röthe zu. Fingerdrnck lässt nur für
kurze Zeit eine seichte Delle zurück.
Balzer bezeichnet die Affection als ein „strumöses Oedem*, viel-
leicht eine abgeschwächte Form eines Oedema induratum (Bazin). Here-
ditäre Antecedentien fehlen. Scrophulöse Symptome sind an der Patientin
nicht nachweisbar. Bloss in der Jugend litt sie an Conjunctivitis phlycte-
nularis. — Die Herzfunction ist normal; weder Sitz noch Aussehen der
Affection sprechen übrigens für einen cardialen Ursprung.
Leredde weist die Diagnose Erytheme indurö (Bazin) zurück;
es handle sich um eine locale Asphyxie mit resistenten Oedemen and In-
filtration. Er möchte mit Rücksicht auf die vorhandene Schwellung der
Gervicaldrüsen Tuberculose bei der Patientin nicht unbedingt ausschliessen.
Locale Asphyxie der Extremitäten gesellschaftet sich aber häufig mit
bac. Infection (Tuberculiden). Richard Fischöl (Bad Hall).
Modinos, P. Süll' edema angionevrotico o morbo di
Quincke. Gazz. degli Osped. e delle Cliniche, 16. Deo. 1901.
Modi DOS hat 5 Fälle von Quincke's Oedem beobachtet: 1. ein
25j ähriges Mädchen, welches seit seinem dritten Lebensjahre daran litt
und zwar in den letzten Jahren in Attaken, welche der Menstruation
vorangingen und 10 Tage dauerten; 2. eine junge Frau von 22 Jahren,
bei welcher in den letzten 2 Jahren alle 2 — 3 Wochen eine 2~3tägige
Eruption erfolgte; 3. eine 44jäbrige Frau, die seit zwei Jahren alle
2 — 3 Monate Eruptionen hatte; 4. ein 22jähriges Mädchen, das seit
einem Jahre Oedeme an den Lippen oder an den oberen Extremitäten
hatte, die fast andauernd waren und 5. einen 60jährigen, an Mitral-
insufficienz leidenden Mann, der alle paar Tage an der linken Kiefer-
gegend ein schnell vorübergehendes Oedem aufwies. Der faradische Strom
hat die besten therapeutischen Resultate ergeben.
L. Philippson (Palermo).
Vincent, H. Examen bacteriologique d'un cas d' niedre
des pays cbauds. (Ulc^re de la Guadeloupe.) Annales de derm. 1900.
Die bacteriologische Untersuchung des Fussgeschwürs bei dem aus
Guadeloupe stammenden Manne in Aufstrich- und Schnittpräparaten
ergab die fast ausschliessliche Anwesenheit eines Goccus von kleineren
Dimensionen als der Staphylococcus, der sich nach Gram nicht färben
Hess. Culturversuche auf den üblichen Nährböden gelangen nicht. Das
Resultat lässt sich in gew. Beziehung zu den Untersuchungen Fournier*s
beim „Congogeschwür'' bringen, bei welchem er einen feinen Diplococcus
fand, dessen Züchtung und Färbung allerdings unterlassen wurden.
Das Ulcus der heissen Länder scheint in den einzelnen Gegenden
keine gleichartige Aetiologie zu besitzen und es ist im Gegensatz zu
der Haatkrankheiien. 431
D an 1 6 c und B o i n e t in Berfickiichtigang der eben mitgetheilten Coooen-
befonde nicht gestattet, Bacillen als die Erreger der Ulcerationen der
heissen L&nder za betrachten.
Auf Secondärinfectionen ist bei den bakteriologischen Untersuchungen
selbstverständlich zu achten. Richard Fischel (Bad Hall).
Chipaalt. L^ Ulcöre ohronique de lajambe traite par
l'61ongation des troncs nerveuz ä distance moyenne. Soc.
de neur. Gaz. des hop. 1901, Nr. 67.
Ausser durch Nervendehnung wurden von Ghipault die (inveterirten)
Beingeschwüre noch local behandelt. Das Resultat war gut und hielt
sich bei einigen Patienten, die weiter beobachtet wurden.
Jacob Fr^döric (Strassburg).
Walbaam. Die Behandlung der ünterschenkelge-
schwüre. Münchener Medicinische Wochenschrift 1901, Nr. 26.
Wal bäum empfiehlt, nach Zurückgehen der empfindlicheo Er-
scheinungen unter Essigsaurethonerde -Verband Verbände mit Kampfer-
wein anzulegen. Diese werden alle 2 Tage durch den Arzt erneuert
Bettruhe nothwendig. Heilung j,oft in weniger als 8 Wochen'.
von Notthafft (München).
Schaeffer, Theodor. Ein Fall von Elephantiasis labiorum
minor um. Inaug.-Diss. München 1899.
Es handelt sich in dem von Schaeffer mitgetheilten Falle um
eine ungefähr halbfaustgrosse Geschwulst, welche den beiden kleinen Labien
aufsitzt. Mikroskopisch konnten die bei Elephantiasis gewöhnlichen Ver-
änderungen nachgewiesen werden. Aetiologisoh kommt wahrscheinlich
eine vorausgegangene Gravidität und Puerperium in Betracht, das mit
seinen Girculatioosstörungen und Lymphstauungen die Rückbildung der
in der Gravidität veränderten Vulva nicht vollständig stattfinden lässt.
Ed. Oppenheimer (Strassburg i. E.).
Forster, Jo«. Ueber einen Fall von Elephantiasis der
Lippe. Jnaug.-Diss. München, 1899.
Ein 26 Jahre alter Schlosser wird im Scherz in den Mundwinkel
gezwickt und bemerkt seit dieser Zeit eine Schwellung der Lippe, die
im Laufe eines Jahres bis zu dreifacher Vergrösserung der Lippen fuhrt.
Mikroskopisch deutliche Hypertrophie des Unterhautzellgewebes, die Cutis
verdickt mit kleinzelliger Infiltration. Blut- und Lymphgefasse stark er-
weitert, Epidermis verdickt. Da ausserdem ziemlich starkes Oedem
zwischen allen Gebilden vorhanden ist, ist Forster geneigt, den Fall
der lymphatischen Form der Elephantiasis zuzurechnen.
Keilförmige Excisionen in beiden Lippen von einem Mundwinkel
zum anderen führten befriedigende Resultate herbei, nachdem jede andere
Therapie vergeblich gewesen war.
Ed. Oppenheim er (Strassburg i. EX
Lnnkenbein, Hans. Ueber Elephantiasis. Inaug.-Diss.
München.
432 Bericht dber die Leistungen auf dem Gebiete
Der erste von Lnnkenbein mitgetheilten Fälle betraf einen
Mann, bei welchem sich die Elephantiasis am linken Bein langsam ent-
wickelt hat, angeblich nach einer Erkältung und Verletzung im Kriege.
Inwieweit die Verletzung einen Einfluss ausübte, liess sich nicht ent-
scheideu ; jedenfalls ist das Ulcus cruis in diesem Falle nicht als Ursache,
sondern als eine späte Folgeerscheinung zu betrachten.
Umgekehrt ist in dem zweiten Falle die Elephantiasis eine Folge
eines seit 25 Jahren bestehenden Ulcus cruris yaricosum mit seiner con-
secutiven andauernden, entzündlichen Reizung der Gewebe.
£d. Oppenheimer (Sirassburg i. E.).
Schaginjan, S. Ein Fall bedeutender Besserung von
Elephantiasis durch subcutane Calomelinjectionen. Med.
Obosrenje. April 1901.
Im Verlaufe von 2 Monaten erreichte Schaginjan durch
14 Calomelinjectionen eine nachweisbare Besserung der Elephantiasis
beider Unterschenkel bei einer 85jährigeD, nicht luetischen Frau. Die Ab-
nahme des Umfanges betrug 267o* Statt der fibrös sclerosirten Gewebs-
beschaffenheit trat bald normale Cousistenz ein. Patientin, die sich nicht
mehr bewegen konnte, war nach den Einspritzungen im Stande, selbst
Treppen zu steigen. Leider entzog sich die Kranke weiterer Behandlung.
S. Prissmann (Libau).
Audry und Laurent. Z 0 u a survenu au cours dune hydrar-
gyride. Journal des maladies cutanees et syphilitiques, 1901. pag. 175.
Audry und Laurent berichten die Krankengeschichte eines
jungen Mädchens, das nach mit Sublimat vorgenommenen Scheidenaus-
spnlungen an einem acuten Erythem des ganzen Körpers erkrankte.
Als dieses schon fast völlig abgeheilt war, trat plötzlich unter heftigen
Schmerzen ein typischer Zoster in der Region des 4. linken Lumbal-
nerven auf, der unter normalem Verlauf nach 8 Monaten verheilte.
Paul Neisser (Beuthen 0. S.).
Fournier, Alfred. Zona double et alterne. Soo. de denn.
etc., 1900.
Herpes zoster im Gebiete des Nervus glutaeus inferior, welcher
mit einem gr., um den Anus und die Perinealgegend einnehmenden Herd
in Erscheinung trat, die Charaktere eines umschriebenen Herpes mit
mächtiger Reaction darbietend (herpes g^nt). Neun Tage später neue
Herpeseruption im 8. und 9. 1. Zwischenrippenraum.
Bewerkenswerth ist die rasche Aufeinanderfolge zweier Herpes-
eruptionen an verschiedenen Körperstellen.
Richard Fischel (Bad HaU).
Dubreuilh. Herpes recidivant de la face. Soc. de denn. etc.
8. Mai 1900.
Das 15jährige, gut entwickelte, von Hysterie freie Mädchen leidet
seit dem 5. Jahre an al^ ährlich im Frühjahr wiederkehrender Blasen-
bildung in der Mitte des Unterkieferrandes, die mit Zurücklassung einer
bohnengrossen Narbe abheilt. Seit einem Jahr monatlich und noch häufiger
der Hautkrankheiten. 433
das Auftreten von c^nippirten Bläschen and von linsengrossen Blasen ohne
Goincidenz mit den normalen Menses, ohne premonitorische Symptome,
ohne Lymphdrüsenschwellnng bald auf der r. Kinnseite, bald aaf der
I.Wange. Narbenbildang nicht constant. Es handelt sich um einen reci-
divirenden Herpes, der als Herpes genitalis, bucalis und glntealis bekannt
ist. Ein recidiyirender H. des Gesichtes ohne Beziehung zur Menstruation
scheint noch nicht beschrieben worden zu sein. Die Aetiologie ist dunkel.
Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau. Sur la Zone d' envahissement des tnmeurs
mycosiques. Soc. de denn, et de syph., 1900.
Dem Wachsthum der Geschwulst geht bei der Mykosis fungoides
oft an der Peripherie derselben eine erythematöse Zone mit Verdickung
der Haut oder ein Urticariawall voraus. Es handelt sich nicht um eine
gew. Hyperämie, sondern um eine Infiltration, das erste Stadium der
Geschwulstbildung.
Auch bei dem in der letzten Sitzung (11. Jänner) vorgestellten
Kranken zeigt der Tumor einen einige Mm. breiten erythematosen Hof mit
reliefartiger Erhabenheit an einem Theil seiner Peripherie.
Der Tumor hat bereits das 1. obere Augenlid ergriffen und sich
bis in die ^'ähe des Ohres ausgebreitet Richard Fischel (Bad Hall).
Mastri, C. Herpes zoster quäle complicanza di tetano
träum atico. Rif. medica, 1901.
Mas tri hat einen Fall von traumatischem Tetanns beobachtet,
bei welchem circa 3 Wochen nach Beginn der Erkrankung ein Zoster im
Bereiche des 7^ linken Intercostalnervs auftrat, der bis zum 9 Tage darauf
erfolgenden Tode andauerte. S. Philippson (Palermo).
Stopford, Taylor, Dr. Dermatitis herpetiformis multi-
formis. British Medical Journal, 17. Nov. 1900.
Der Patient war ein Mann von 66 Jahren. Die EIrkranknng verlief
in einem Zeiträume von 14 Tagen. Als bereits Hoffnung auf Genesung
war, trat eine Pneumonie hinzu, die den Tod des Patienten zur Folge
hatte. Eine ungewöhnliche Erscheinung war der Abfluss einer grossen
Menge von Serum aus den einem Erythema multiforme ähnlichen Efflo-
rescenzen, die den Rücken und das Gesäss einnahmen. Verfasser betont
die Gleichzeitigkeit der Pneumonie mit der Hauterkrankung.
Dr. Buchanan berichtet über zwei Fälle von cronposer Pneu-
monie im Verein mit einem herpetischen Ausschlag. Bei dem einen Falle
wurden in dem Bläscheninhalte Pneumococcen gefunden.
R. Böhm (Prag).
Hardouiu, P. Recherches sur les variations de l'elimi-
nation de l'uree dans les dermatites polymorphes doulou*
reuses. Annales de denn, etc., 1900.
Die Resultate der an zwei Fällen von Dermatitis polymorpha dolo-
rosa angestellten Hamtuntersuchungen sind folgende: Die einseinen
Attaquen traten immer nach Perioden von verminderter Harnstoffaus-
scheidung ein, der Anfall coincidirt mit einer beträchtlichen Steigerung^
Arch. f. Dermal, n. Syph. Bd. LXIII. 2S
434 ßericht über die Leistungeu auf dem Gebiete
derselben, sei es, dass die Vermehrang schon vor der Attaque beginnt,
sei es, dass sie ihrem Beginne unmittelbar folgt. Die täglichen Unter-
suchungen sind an 24stündigen Harn mengen angestellt und erklaren
60 die bisherigen, einander widersprechenden Resultate, da von den ein-
zeloen Autoren bald in den Perioden des Anstiegs, bald des Abfalls die
Harnanalysen vorgenommen worden waren, noch nicht aber fortlaufend,
wie es Hardouin eben gethan hat Richard Fi sehe 1 (Bad Hall).
Daiil09. Dermatite herpetiforme avec diminution au
niveau des parties saines de l'adherence de la conche
cor nee (signe de Nikolsky). Soc. de derm. eto. 8. Novembre 1900.
Der bereits am 5. Juli der Gesellschaft vorgestellte Fall, dessen
weiterer Verlauf die von Danios gestellte Diagnose Dermatitis Duhring
rechtfertigte, bietet ein interessantes Phänomen, das Kikolsky^sche
Symptom. Wird mit dem Daumen in schiefer Richtung über die Haut an
Stellen, wo sie einer festen Unterlage aufliegt, gestrichen, so löst sich
ein Epidermisfetaen los. Nikolsky legt diesem Phänomen eine diag-
nostische Bedeutung für Pemphygus foliaceus bei. Dan los glaubt mit
Wahrscheinlichkeit annehmen zu können, dass sich dieses Symptom bei
allen Affectionen, die zu Blasenbildung disponiren, finden dürfte. In diesem
Falle käme seinem Verschwinden ein prognostischer W^erth au, da man
aus demselben auf eingetretene Heilung schliessen könnte. Ungleich er-
heblicher wäre aber seine Bedeutung, wenn es, wie Nikolsky behauptet,
die gutartigen bullösen Affectionen von den bösartigen (Pemphygus) schon
in den Anfangsstadien zu trennen gestatten würde.
Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau et Trastour. Sur un cas de dermatite de
Duhring avec pigmentation et lichönification cons^cutives
de la peau. Soc. de derm. etc. 8. November.
Bei der 73jährigen Kranken trat die Dermatitis herpetiformis vor
13 Jahren zum ersten Male auf. Nach SOmonatlicher Dauer IQjährige
Remission, seit 3 Jahren fast ununterbrochene Attaquen, die durch das
heftige Jucken und dadurch bedingte Kratzen zu Pigmentation und
Lichenification der Haut führten. Bei der Dnhring^schen Erkrankung
wird man mit der Prognose vorsichtig sein müssen, da selbst nach
lOjährigem Stillstand neue schwere Ausbrüche auftreten können. Differen-
tialdiagnostisch kommt der Liehen Wilson bullosum in Betracht.
Richard Fischel (Bad Hall).
Danios. Erytheme polymorphe ou Maladi de Duhring.
Soc. de derm. etc. 5. Jouillet 1900.
Bei der 12jährigen Patientin vor 4 Wochen Blasenbildung unter
leichtem Unwohlsein im Gesicht beginnend und von da in täglichen
Nachschüben über den ganzen Körper sich verbreitend. 14 Tage später
Auftreten von erythematösen Ringen und Kreisen, die polycykliscbe
Figuren beschreiben und nirgends cyanotisoh erscheinen. Respectirt
erscheint bloss die Kopfhaut; die Mundschleimhaut ist befallen. Während
der Hautkrankheiten. 435
des Spitalsaufenthaltes an einem Tage allein eine Eraption yon an
100 Blasen.
Handelt es sich um ein polymorphes Erythem oder eine Dermatitis
herpetiformis ? Gegen erstere Diagnose spricht die mangelnde Localisation
(Dorsum dor Hände, Unterarme, Fasse), das Fehlen einer bläulichen Ver-
färbung der Efiflorescenzen und von Gelenkschmerzen ; für letztere eine
geringe Eosinophilie. Schmerzen, Pruritus und Herpetiformität sind aller*
diugs nicht vorhanden.
Der weitere Verlauf wird zeigen, ob es sich um die Duhring'sche
Erkrankung handelt. Als polymorphes Erythem betrachtet wurde die
Affection eine besondere Form desselben darstellen.
Richard Fi sc hei (Bad Hall).
Jullien. Dermite bulleuse herpetiforme probable. Soc.
de derm. etc. 7. Juin.
Das 16jährige Mädchen leidet seit 3'/s Monaten, 14 Tage nach
ihrer Ankunft in Paris an einer an den Händen baginnenlen, mit lästigem
Jucken einhergehenden Eruption von phlyctenoiden Bläschen, die kleinen
Borken Platz machen. Derzeit sind das Gesicht, die Ereuzbeiagegend,
die oberen, in geringerem Masse die unteren Extremitäten betheiligt.
Darier hält die Affection für eine Dermatitis herpetiformis
Duhring; zur Sicherung der Diagnose wäre eine Blut- und Blaseninbalt-
Untersuchung auf Eosinophilie nothwendig. Dieselbe wurde den nächsten
Tag vorgenommen — negativ. Richard Fisch el (Bad Hall).
Aadry, Gh. (de Toulouse). Sur les form es ciroonsorites
de la dermatite herpetiforme du type de Duhring. Soc. de
derm. etc. 28. Avril 1900.
Es gibt Fälle von Dermatitis herpetif. Duhring, die sich während
eines unbestimmten Zeitraumes auf gewisse Regionen des Körpers loca-
lisiren. Es sind dies die von Brocq beschriebenen Varietäten. Durand
hat aus der Au dry 'sehen Klinik einen solchen Fall beschrieben (Journal
de maladies cutanees, 1878, pag. 529).
Audry berichtet nun über einen weiteren Casus. Bei der jetzt
26jährigen Nähterin aus „nervöser*' Familie traten im 21. Lebensjahre
Erscheinungen der Dermatitis herpet. an der vorderen Fläche des rechten
Unterarms und der Hand auf. Vier .Jahre später an derselben Stelle
unter heftigem Jucken Blasenbildung, von da ab ohne Unterbrechung
kleine Nachschübe. Auch die linke Hand und der linke Vorderarm wurden
befallen. Gegenwärtig sind die Vorderarme und die Dorsalfläche der
Hände und Fmger erkrankt. Nach Einwicklung der kranken Partien und
Arsen innerlich Heilung der Efflorescenzen. Das Jucken persistirte
noch nach einem Monat. Die Haut nahm ein papalöses, bläulich-rothes
Aussehen an. Die Harnuntersuchung ergibt keine Abweichung vom Nor-
malen. Richard Fischel (Bad Hall).
Balzer et Alquier, L. Dermatite bulleuse cong6nital
ä oystes öpidermiques. Soc. de derm. eto 7. Juin 1900.
Bei dem jetzt 19jährigen Kranken zeigt sich das bereits unter
28*
436 Bericht über die LeiBtungen aaf dem Gebiete
mannigfachen Namen beschriebene Krankheitsbild: pemphigas saccessir
k cystes öpidermiques (Brocq), dermatose buUease höreditaire et tran-
matique (Hallopeau) etc. An den Streckseiten der oberen und unteren
Extremitäten, an dem äusseren Druck unterworfenen Punkten sieht man
oberfl, Narben und Epidermiscysten. Es besteht die Möglichkeit, Blasen*
bildung durch einen stärkeren äusseren Reiz hervorzurufen. Differential-
diagnostisch kommt die congenitale Entwicklung der Affection in Betracht.
In der Familie keine ähnlichen Erkrankungen, doch ist Patient von
Mutterseite neuropatbisch belastet, Epileptiker. — Ohoe für irgend eine
Theorie einzutreten (Angioneurose nach Hallopeau), ist es schwer,
den neuropathischen Zustand des Kranken mit der Entstehung des Leidens
nicht in Zupammenbang zu bringen. — Mit dem Alter schwächt sich die
Intensität der Erscheinungen ab.
Hallopeau. Sein unter dem Namen forme dystrophique de
la dermatose bulleuse etc. beschriebenes Krankheitsbild unterscheidet
sich durch bestimmte Symptome von dem von Goldscheider und
Valentin beschriebenen: Sein Vorkommen bei nervösen Individuen, die
der Blasenbildung vorangehende Hyperämie.
Richard Fisch el (Bad Hall).
Balzer, F. et Gauchery, P. Dermatite polimorphe 6ry-
themateuse et bulleuse ohronique localis6e k pousseea
suücessives Soc. de derm. 1. F^vrier 1900
Die 62jährige Patientin, welche Du Castel bereits der Gesellschaf t
vorgestellt hat (Annales de derm. Avril 1896), leidet schon seit dem
20. Lebensjahre an der bullösen Affection, welche mit einigen Unter-
brechungen und Abschwächungen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkte an-
dauert. Bemerkenswerth an dem Krankheitsbilde ist die lange Dauer der
Erkrankung, das Zusammenfallen der bullösen Eruptionen mit der Men-
struation, die Beständigkeit von erythematösen Herden am Rücken, an
der Stirn und am linken Unterschenkel und auch in den Intervallen
zwischen den Menstruationen, die bloss auf die Erythempartien sich be-
schränkende Entwicklung der Blasen, der befriedigende allgemeine Er-
nährungszustand. — £k)sinophilie wurde nicht oonstatirt (Bei Derma-
titis herpetiformis Duhring positiv.) Theer (Olei codini 8*0, Vaselini 80*0)
hatte einen günstigen Effect.
Handelt es sich um einen besonderen Krankheitstypus oder am
eine Varietät der Duhring'schen Erkrankung? üeber diese Frage sowie
die Dauer des therapeutischen Erfolges wagen die Autoren sich nicht
auszusprechen. Richard Fischel (Bad Hall).
Ward, H., Arthur. On the Treatment of Blisters. British
Medical Journal, 8. September 1900.
Verfasser empfiehlt bei durch Schuhdruok entstandenen Blasen die
Blasendecke mit einer Scheere glatt abzutragen, die freigelegte Fläche
abzutrockuen und mehrmals mit Salicylcollodium einzupinseln, dann mit
einem entsprechenden Stück Leinen zu bedecken uud dieses wiederum
mit CoUodium einzupinseln. Die erodirte Stelle heilt darunter ab. Nach
der Hautkrankheiten. 437
circa 2 Tagen, wenn die Bedeckung abfallt, Wiederholung des Verfahrens,
besonders bei grösseren Blasen. Entzündete Stellen können erst nach
Ablauf der Entzündung so behaodelt werden. R. Böhm (Prag).
Danlos et Hudelo. Pemphigus vögetant. Soc. de derm. etc.
8. November 1900.
Beginn der Afifection bei dem 30jährigen Manne im März 1901 mit
Bildung kleiner Blasen an der Zungen- und Mundschleimhaut und einer
grossen Blase über der Incisura iugularis stemi, angeblich nach dem
Genuas schlechten Wassers. Bei seinem Eintritt ins Spital (Augast) breite,
papillomatös Yegetirenden Syphiliden ähnliche Plaques an Brust und
Rücken, circuläre, den Plaques scheinbar vorhergehende, von weisslichen
oder grauen Borken bedeckte Herde mit röthlich gefärbter Umgebung,
die wieder eine periphere Zone umgrenzt, ia der die Epidermis abge-
hoben ist. Dann kleine, kreisförmige Elemente mit tiefer Infiltration,
theilweise vernarbt, ekchymotische oder pigmentirte Flecken zurücklassend.
(Am Arm, Oberschenkeln, Hinterbacken und den Schulterblättern.)
Yeritable Papillome symmetrisch an den Achseln, in der Analgegend,
Scrotum, Nabel, in den Leistenbeugen, • besonders 1. Erosionen an den
Lippen, 1. Wangenscbleimhaut, Nase, Augenlidern. Der Blutbefund ergibt
Eosinophilie. Unter stetigem Aufschiessen neuer Blasen, auf deren Grund
sich Vegetationen bilden, die nur durch Umschlage von Wasserstoff-
superoxyd günstig beeinflusst werden, kommt es Anfang October zum
Auftreten uustillbarer Diarrhöen ; während dieser Zeit Abflachung der
Papillom. Wucherungen. Zunehmen der Kachexie, Tod. Aus der weit-
ausgesponnenen Discussion sei der histologische Befund Gastous, den
er an zwei excidirten Hautstückchen erhob, hervorgehoben: Subpapilläre
Infiltration mit Oedem, Erweiterung der Blut- und Lymphgefässe, und
in den Papillen oft zu Haufen angeordnete eosinophile Zellen. In der
Epidermis (im Beg^inn der Afiection) Bildung von Abscessen sowohl knapp
unter der Hornschicht als auch im Stratum Malpighii, die miteinander in
Oommunication treten können. Die Zellen des letzteren können durch
Schwellung ein epitheloides Aussehen bekommen und durch ihre Grup-
pirung förmlich ein Epitheliom vortäuschen. In den Vegetationen ähnliehe
pustulöse Bildungen der Epidermis, die aber in intensiver Hyperkerati-
nisation befindlichen Zellen eingeschachtelt sind. Das Stratum granulosum
und oomeum sind sehr verdickt. Richard Fi sc hei (Bad Hall).
Perrin, Leon. Dermite veg^tante en placards chez des
nourrissons sdborrh^iques. Annales de derm. etc., 1900.
Im Anschluss au einen von Hallopeau beschriebenen Fall eines
seborrhoischen Ekzems, das er als „pustuleuse, veg^tante et depilante**
bezeichnete, werden drei Fälle von „dermite v^g6tante en placards** mit
getheilt, die bei Säuglingen zur Beobachtung kamen. Es treten bei den-
selben scharf begrenzte, dunkelrothe, S'^IO Mm. über das Niveau der
gesunden Haut erhabene Plaques von 20 Gentimes- bis Zweifrankstück-
grosse und darüber auf. Sie kommen durch Vereinigung von bis linsen-
grossen papulo-pustulösen Elementen zu Stande. An circa 14 Tage alten
438 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Herden Bind die centralen Papeln von Borken bedeckt, den peripheren
sitzen an ihrer Spitze kleine Pusteln auf. Localisation : Stirn, Wange,
Kinn, an den oberen Extremitäten die Streekseite, seltener die Beuge-
seite der Handgelenke, und die äussere Fläche der Ober- und Unter-
schenkel. Die Innenfläche ist niemals befallen. Das Alter der Kinder war
2 Vi, 4Vs und 7 Monate. Die Zahl der Plaques beträgt circa 10.
Die Patienten waren kräftige und gut gediehene Brustkinder,
wiesen aber alle eine seborrhoische Fettschichte an der Kopfhaut auf, nur
eines zeigte seb. £kzem an Stirn und Wange. Syphilis und Bromexanthem
konnten ausgeschlossen werden. Wird die Affection nicht behandelt, so
bilden sich neue Herde, die alten vergrössem sich durch excentrisches
Wachsthum. Die Therapie bringt rasche Heilung. Sie besteht in Um-
schlägen mit gekochtem Wasser und Waschungen mit Wasserstofisuper-
oxyd bis zum Abfall der Borken, dann ein Magnesiacarbonat und Wis-
muthnitrat-Zink -Po der.
Die Seltenheit der Affection scheint der Annahme eines Zusammen*
banges mit Seborrhoe nicht günstig zu sein. Die bakteriologische Unter-
suchung (I). Engelhard t) ergab spärliche Staphyloooccen (aureus und
albus) und einen kleinen Bacillus und kleinen Goccus, beide gramm-
beständig, welch letztere eine genaue Beschreibung erfahren.
Richard Fischel (Bad Hall).
Fr^d^ric, Jacob. Zur Ekzem frage. Aus der dermatologischen
Universitätsklinik in Bern. Münchener medicinische Wochenschrift, 1901,
Nr. 88.
Frederic konnte bei seinen Culturversuchen mit frischen Ekzem -
bläschen meist keine Coccen züchten; auch hat er nur ein einziges Mal
einen dem „Morococcus^ ähnlichen Coocus gefunden ; von Coccen kam
am häufigsten vor Staphylococcus pyogenes aureus, seltener albus und
cereus. Nach Streptococcen wurde mit der etwas modificirten Methode
Sabouraud^s gefahndet: So wurden dieselben in 68'77o der Fälle bei
den verschiedensten Hautkrankheiten und 17mal in 27 daraufhin unter-
suchten Ekzemen gefunden. Dieses häufige Vorkommen von Staphylo-
und Streptococcen bei ^banalen** Hautaffectionen mache es schwer zu
bestimmen, ob und inwieweit letztere von ersteren bedingt oder beein-
flusst sind. Aber auch auf normaler Haut wurde in 7'57o ^^^ Fälle der
Streptococcus gefunden — meist Streptococcus longus. Bei geeigneteren
Untersuchungsmethoden dürfte sich wohl noch mehr fiaden lassen.
Zum Vergleiche mit den Ekzemen wurden nun auch experimen-
telle Dermatitiden bakteriologisch untersucht. Die Resultate, welche aus
Versuchen mit Crotonöl, Theer, Jodoform^ Sublimat, Jodtinctur, f^rro-
zellus, Quecksilber, Resorcin gewonnen wurden, zeichneten sich durch
Verschiedenheit aus. Während einige Antiseptica immer oder haupt-
sächlich sterile Pusteln hervorriefen (Quecksilber und Resorcin), waren
andere wenigstens anfänglich steril und wurden später erst inficirt (Su-
blimat, Jodoform, Jodtinctur) ; wieder andere, wie Pyrogallol und Groton-
öldermatitiden waren bald steril, bald nicht. Es verhielten sich also die
der Hautkrankheiten« 489
arteficielleo Dermatitiden im Ganzen ebenso wie die banalen Ekzeme:
im Princip gibt es sterile Efflorescenzen ; auch hier sind speciell 8ta-
phylococcen ausserordentlich häufig und zahlreich« Wean auch zweifellos
manchmal die Secundärinfection ein Ekzem verschlechtern kann, so geht
doch aus verschiedenen Beobachtungen hervor, dass die Bedeutung der
Infection für die klinische Betrachtung i. A. sehr gering ist, sei es dass
es sich um ein Ekzem oder um eine experimentelle Dermatitis handelt.
Solche Beobachtungen sind: Entstehung von Pustelo ohne Infec-
tion, vollkommen gleicher Verlauf bei inficirten und nichtinficirten Der-
matitiden, Entstehung von keimfreien Bläschen auf dem inficirten Boden
alter Ekzeme. Man müsse mit Jadassohn annehmen, dass man wohl
die Invasion der Hautparasiten in die sterilen Ekzembläsohen als gege-
bene Thatsache hinnehmen müsse, dass mau aber bezüglich der Folgen
dieser Invasion nur sagen könne, dass dieselben abhängig sind von der
Virulenz der Mikroben, von der localen und allgemeinen Prädisposition
des Patienten, und von der Natur des ursprünglichen Krankheitsprocesses,
und je nachdem kurzdauernde oder chronische Affectionen, leichte oder
schwere bis impetiginöse Reizungen hervorrufen können.
Endlich verglich der Verfasser die histologischen Bilder von Ekzem
und Dermatitis. (Crotonöl-, Canthariden-, Jodoformdermatitis.) Es zeigte
sich, dass die letzteren sich zwar alle von den einfachen Ekzemen unter-
scheiden, dass diese Unterschiede aber, abgesehen von der ausgespro-
chenen Pustulosis der Crotonöldermatitis, meist mehr in quantitativen
Differenzen bestehen. Unterschiede bestehen eigentlich nur in dem
grösseren Leukocyten- und Fibringehalt der Bläschen bei Jodoformdermatitis.
Fr^därio will auf Grund des Dargestellten arteficielle Derma-
titiden und Ekzeme nicht identifioiren. Aber andererseits reichen auch
nnsere Kenntnisse nicht dazu aus, um einen wesentlichen Unterschied
zwischen beiden zu construiren. Man wird daher vorläufig jeden Ekzem-
fall nach den beiden Richtungen hin untersuchen müssen, welche in der
Aetiologie dieser häufigsten Hautkrankheit die wesentlichste Rolle spielen :
einerseits auf alle möglichen inneren Zustände, welche die oft gewiss
nur zeitliche Disposition schaffen, andererseits auf alle äusseren Ursachen,
welche bei bestehender Disposition ein Ekzem bedingen können.
von Notthafft (München).
Gastou, Paul. Les infections microbiennes et les reac-
tions fonctionelles des töguments dans l'ötiologie de
l'eozema et des dermatoses. Soc. de dermat. etc. 6. Jouillet 1900.
Aus den Schlusssätzen der Arbeit, die wesentlich dem Ekzembegriff
gewidmet ist, sei der letzte als wichtigster hervorgehuben : Das Studium
der Dermatosen fuhrt zur Ansicht, dass das Ekzem bloss ein Name, bloss
ein dermatologischer Typus sei; es ist der Ausdruck einer Ernährungs-
störung der Papillarschichte parasitärer oder toxischer Natur, durch
äussere oder durch organische auf dem Blutweg zugeführte Ursachen
bedingt. Sie charakterisirt sich durch die klinischen und anatomischen
Zeichen der Ekzematisation: epidermo-dermite catarrhale (Besnier)
440 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Licbenification (Brocq), herdförmige (FoUicolitiden) oder iofiltrirta
Pyodermitiden (Erythrodermien). Richard Fischöl (Bad Hall).
Boekhardt, M. Untersnohnngen über die parasitäre
Natur des Ekzems und das Staphylotoxineksem. Monatshefte
f. prakt. Dermatologie, Band XXXIII.
Boekhardt sieht aus seinen Versuchen folgende Schlüsse: Das
Ekzem ist eine durch Staphylococcen hervorgerufene infectiöse Entzündung
der Oberhaut. Es entsteht und entwickelt sich auf folgende Weise: Die
gesunden Hautfollikel eines pradisponirten Individuum können lebende
aber unthätige Staphylococcen enthalten. Diese Staphylococcen können
durch irgend eine ausserhalb oder innerhalb des Körpers liegende Ur-
sache, die den Nährboden der Coecen im Follikel verbessert, sa Yer«
mehrter Lebens thätigkeit gebracht werden. Eine Folge des nun lebhaf-
teren Stoffwechsels der Coecen ist die Excretion von Staphylotozin,
welches, wenn es in die Epidermis diffundirt, vermöge seiner serotak-
tischen Wirkung Papeln und Bläschen in der Oberhant erzeugt. Die
Papel oder das Bläschen über dem Follikel enthält dann Serum und
Staphylococcen ; die Eff lorescenzen der Nachbarschaft des Follikels klares
Serum und zunächst keine Staphylococcen. Nach einiger Zeit vermehren
sich die Staphylococcen in dem Bläschen an der Follikelmündung. Dann
wandern auch Leukocyten in dasselbe ein; später können diese Coecen
auf dem Wege der Saftspalten in der ödematösen Epidermis auch die
sterilen Bläschen der Nachbarschaft secundär inficiren. In dem serösen
Inhalt dieser Bläschen treten dann ebenfalls Leukocyten auf. Ob die
BlSschen im späteren Verlauf pustalös werden oder ihren leukoseröten
Inhalt bewahren, hängt vom Plasmingehalt der Staphylococcen ab. Die
erÖfiheten Bläschen und die nässende Ekzemfläche und ihre Umgebung
können durch Staphylococcen von hohem Staphyloplasmingehalt inficirt
werden. Dann entstehen die Complicationen, Impetigo staphylogenes und
Furunkel. Wird das Ekzem chronisch, so entstehen unter Anderem Gewebs-
veränderungen im Corium und im subcutanen Bindegewebe, die nicht
direct durch die Staphylococcen bedingt sind.
Ludwig Waelsch (Prag).
Bender, Boekhardt und Gerlaeh. Experimentelle Unter-
suchungen über die Aetiologie des Ekzems. Monatshefte für
prakt. Dermatologie, Band XXXIII.
Die Autoreu trachteten durch ihre Versuche einen Beitrag zu
liefern zur Kenntniss der Beziehungen zwischen den gelben und weissen
Eitercoccen und dem Ekzem. Sie unternahmen Impfungen an sich selbst
mit Reinculturen dieser Coecen und mit deren Culturfil traten. Die Cul-
turen stammten aus Furunkeln und Impetigobläschen. Die Wirkung der
Staphylococcen selbst muss von der ihres Toxins getrennt werden Sie
fanden, dass die ersteren (isolirte virulente Staphylococcenleiber) auf der
irritirten Haut Impetigo staphylogenes erzeugen, aber kein Ekzem. Die
Filtrate alter Bouilloncultnren erzeugen auf der irritirten oder nicht
irritirten, desinficirten oder nicht desinficirten menschlichen Haut
der HaatkrankheiteiL 441
typisches, acutes, papalöses oder vesiculöses Ekzem, wenn sie in Form
feuchtwarmer Verbände 20— 48 b auf die Haut einwirken. Das prim&re
junge Ekxembläschen solcher Impfekzeme ist steril. Aeltere serös- eitrige
Bläschen können den Staphylococcus pyogenes aureus oder albus in
Beincnltur enthalten. Diese Ekzeme sind in Bezug auf ihre Symptome
und ihren Verlauf ganz gleich den durch chemisch reizende Agentien
z. B. Terpentinöl entstandenen arteficiellen Ekzemen. Bei Gegenwart
ihres Toxins machen die Staphylococcen nicht Impetigo, sondern nur
Ekzem. Dies erklären die Autoren dadurch, dass die Stapbylocoooenleiber
leukotaktisch, Eiterung erzeugend, wirken, das Toxin aber negativ
chemotaktisch wirkt, die Lenkocyten zerstört und bei der Impfung
stärker wirkt. Dadurch wird die Wirkung der Staphylococcen paralysirt
und Ekzem erzeugt. Die Coucen auf normaler oder ekzemkranker Haut
sind sehr wenig giftig, daher verwendeten die Autoren zu ihren Versuchen
Eitercoceen der erwähnten Provenienz. Ludwig Waelsch (Prag).
Martyn, Gilbert, K. Bath. The Treatment of gouty Ek-
zema. British Medical Journal. 13. October 1900.
Verfasser bespricht eine Art des Ekzemn, das im Gefolge von Influ-
enza bei mit Gicht behafteten Individuen auftrat. Die Ursachen des Ekzems
seien dieselben, welche die Gicht herbeifahren.
Prophylaktisch empfiehlt Verfasser vor allem Wollunterkleidung,
Um die Haut gegen die Wittemngseinflüsse zu schützen. Femer ist der
Aufenthalt an der See zu meiden, Diät, auf alle Fälle Enthaltung von
Alkohol, weiters von saurem Obst.
Medikamente innerlich : Täglicher Gebrauch von Karlsbader Wasser
oder Aesculapquelle.
Aeusserlich: Bleisalben, bei starker Entzündung und starkem Nässen,
später Puder.
Bei trockenem Ekzem: Theer mit Lanolin, Bäder. Diese letzteren
vornehmlich bei starkem Juckreiz, femer bei Trockenheit der Haut und
schuppenden Ekzemen. Dagegen bei starker Entzündung und Nässen
die Bäder zu vermeiden. Badewassertemperatur 87^ Nach dem Bad
gründliches Abtrocknen. Als Zusatz zum Badewasser gibt Verfasser eine
Schwefel enthaltende Lösung, die durch Kochen von Schwefel mit
gelöschtem Kalk hergestellt wird. R. Böhm (Prag).
Audry. Leeions des ongles au cours d'une seborrhoide
eczömatisante. Journ. des malad, outanees et syphilit., 1901, p. 178.
Entgegen seiner bisherigen Behauptung, dass bei seborrhoischem
Ekzem nie die Nägel befallen seien, publicirt Audry einen Fall, bei
dem im Verlaufe eines derartigen Ekzems auch einige Fingernägel ekze-
matöse Veränderungen zeigten, die sich übrigens nicht wesentlich von
den bei Psoriasis beobachteten Nagelveränderungen unterschieden.
Paul Neisser (Beutheu, 0. S.
Balzer et Alquler. Eczema seborrheique de la face et
du cuir chevelu. Soc. de denn. 5. Jonillet 1900.
Vorstellung der Moulage eines seb. Ekzems bei einem 40jährigen
442 Bericht über die Leittongen auf dem Gebiete
Manne, das sich in iwei Herden an den Kasenwangenfurchen ^OxdGtm.
Ausdehnong) reprfisentirte. Die Oberfläche der Plaques ist von einer
weisslichen oder br&anlichen seb. Kruste bedeckt, unter welcher eine
rothe, leicht nässende, „ölige**, an einigen Stellen eiternde Fläche ca
Tage tritt. Der Haarboden, Bart und Schnurrbart zeigen ähnliche Ver-
änderungen. Schwefelpasta (1 : 10) brachte in Kurzem wesentliche Besse-
rung hervor. Doch nur eine fortgesetzte Behandlung kann ein Recidiy
verhüten. Richard Fischel (Bad Hall).
Da Castel. Suppurations multiples de la peau chez
une malade s6borrheiqne atteinte d'eczema dit s6borr-
höiqne. Soc. de derm. etc. 7. Juin 1900.
Bei der Kranken, die ein seborrhoisches Aussehen darbietet, zeigen
sich seit 6 Jahren ekzematiforme Veränderungen, derzeit in der (Im-
gebung der Ohren, am Halse, am behaarten Kopfe, Reste früherer Exa-
cerbationen in der Sternal-, Abdominal- und Interscapulargegend.
Interessant ist bei der Patientin die Tendenz zu Eiterungen, kl.
Absoesschen in der' Azilla, keloirfacneartigen FoUiculitiden der grossen
Schamlippen. Taubeneigrosser ebenfalls keloid acneähnlicher Tumor am
Nacken. Ob es sich um ein und dasselbe pathogene Agens oder um eine
Mischinfection handelt, lässt Du C as t e 1 unentschieden, jedenfalls aber han-
delt es sich um eine Infection von aussen. Richard Fischel (Bad Hall).
Danlos. Eczema artificiel provoquö par le honblon«
Soo. de derm. 1. Mars 1900.
Das 67jährige Weib trat mit typischem, vesiculösem EKzem des
Gesichtes und der Handrücken (daselbst Gruppen von Bläschen, snbepi-
dermoidal zusammenfliessend) in Behandlung. Die Affection soll bei ihr
schon zum zweiten Mal aufgetreten sein, das erste Mal vor 5 Jahren
und durch den Blüthenstanb des Hopfens während der Arbeit in Hopfen-
pflanzungen verursacht sein. 5 Frauen seien bei derselben Arbeit in
gleicher Weise erkrankt.
Eine ähnliche Beobachtung hat Danlos in der Literatur nicht
gefunden. Er acceptirt die von der Frau gegebene Erklärung als Ent-
stehungsursache des Ekzems mit Rücksicht auf den scharfen, harzartigen
Charakter des Hopfenblüthenstaubs. Richard Fischel (Bad Hall).
Buri. Ein Fall von chronischer Primeldermatitis.
Monatshefte f&r praktische Dermatologie. Band XXXUI.
Die Kranke Buri 's litt durch über 1 Jahr mit 4monatlicher Un-
terbrechung an recidivirenden, unter hohem Fieber plötzlich auftretenden
hefdgen Dermatitiden im Gesicht, am Hals, am Handrücken, Rücken-
und Seitenflächen der Finger, welche der Behandlung trotzten und nach
Rückgrang der Erscheinungen sich in steten Schüben wiederholten. Ab
Ursache dieser Erkrankung vermnthet Buri die Beschäftignng der Pati-
entin mit Primula obconica; gestützt wird er in dieser Vermnthnng
dadurch, dass das obenerwähnte 4mon8tliche Freibleiben der Patientin
von der Hautkrankheit zusammenfiel mit ihrer Abwesenheit vom Hanse)
die Erkrankung mit dem Beginn der Pflege der Primeln begann und
der Hautkrankheiten. 448
nach Entfemanflr derselben wenn anch sehr langsam, indem die doch
noch auftretenden Schübe der Dermatitis einen immer gelinderen
Charakter annahmen, verschwand. Ludwig Waelsch (Prag).
Du Castel. Urticaire et Hohen simplex. Soc. de derm. etc.
8. November 1900.
Bemerkenswerth ist bei dem 24jährigen Bäcker das rapide Auf-
treten von Veränderungen, die dem Liehen simplex ehr., der neuroder-
mite ohr. circonscrite entsprechen, während dieselben gewöhnlich Monate,
ja Jahre zu ihrer Entwicklung brauchen. Die Coincidenz mit einer Urti-
cariaeruption, die gemeinhin durch Intoxicationen vom Darm aus bedingt
ist, beweist, da auch hier Excesfte in Bacho vorausgringen, den Zu-
sammenhang des Liehen ehr. s. mit Verdauungsstörungen.
Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau. Nouvelle note sur un cas de liehen plan
localisö ä une oicatrice. Soc. de derm. 5. Juillet.
Der in der vorigen Sitzung (7. Juli) demonstrirte Fall wird noch
einmal vorgestellt, um auf die opaline Streifung der einzelnen Lichen-
papeln und auf den diagnostischen Wert derselben für die Affection
nachdruckliebst hinzuweisen. Richard Fischel (Bad Hall).
HallopeauetLemierre. Liehen plan developpä exclusive-
ment sur une cicatrice. Soc. de derm. etc. 7. Juiu.
Bei der 55jährigen Patientin entwickelte sich ein aus polygonalen,
glänzenden, die charakteristische opaline Streifung erkennen lassenden
Papeln bestehender Herd von Liehen planus auf einer aus dem 6. Jahre
stammenden Brandnarbe auf der rechten Brustseite.
Diese Erscheinung spricht gegen die Theorie, den Liehen auf das
Eindringen eines infectiösen Agens in die Oeffnungen der Hautdrüsen
zurückzuführen. Keine der Papeln zeigt einen erweiterten Drüsenaus-
führungsgang. Das mit großer Wahrscheinlichkeit vorauszusetzende
infectiöse Agens müsste direot durch die Epithelin terstitien gedrungen
sein und bloss das Narbengewebe müßte ihm schon als entsprechender
Nährboden gedient haben. Richard Fisohel (Bad Hall).
Hallopeau et Hennoeque, Clement. Sur un cas de liehen
de Wilson hyperkäratosique des extremites avec lesions
buccales et melanodermie arsenicale. Soc. de dermat. etc.
3. Mai 1900.
Das Studium des Falles (40jähriger Mann, der Liehen besteht seit
3 Jahren) ergibt:
1. Der Liehen (Wilson) kann sich [fast ausschliesslich auf die Palmar-
und Plantarregion localisiren (in diesem Falle waren noch Fussrücken
and Dorsnm der Hände befallen). 2. Mit den Predilectionsstellen der-
jenigen Partien, die an der Palma der Berührung des Arbeitsinstrumentes,
an der Planta der des Bodens beim Gehn unterworfen sind. 8. Pruritus
kann fast vollständig fehlen, die Affection der Mundschleimhaut — dies
ist die Regel .— vollständig schmerzlos sein. Diese Thatsachen stehen
im Gegensatz zur nervösen Theorie, die den Liehen unter die Neuro«
444 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
dermitiden sählt. 4. Die £fflore8cenzen sind genau am die Seh weist*
drüsenaasführnngsgänge gmppirt. Wenn, wie wahrscheinlich, der Liehen
parasitärer Natur ist, so ist in ihnen das pathogene Agens zu suchen, sei
es dass es von aussen in dieselben eindringt, sei es dass es durch die
SchweisssecretioQ ausgeschieden wird. 6. Auch die Vertheilung der
Lichenknötchen spricht zu Gunsten der parasitären Theorie (ähnlich wie
bei der Lues gyrata. Gruppirung kleinerer sec. Knötchen um ein älteres
voluminöseres). 6. Diese Form von Liehen bietet überraschende Aehnlich-
keit mit der Porokeratose; man könnte diese Benennung auch auf sie
anwenden. 7. Die Arsenmedication scheint keine Besserung bewirkt zu
haben. 8. Die Arsenmelanämie hat die vom Liehen befallenen Partien
verschont. Richard Fische 1 (Bad Hall).
Barbe. Liehen plan typique avec placard oircine. Soc.
de derm. 1. Mars 1900.
Barbe stellt im Anschluss an den in letzter Sitzung (1. F^vrier)
von Du Gastel demonstrirten Fall von Porokeratose, der aber von
Hallopeau uod ihm als Liehen planus circinatus gehalten wurde, einen
Fall von letztgenannter Erkrankung vor.
Neben am Körper zerstreuten typischen Lichenefflorescenzen findet
sich an der Innenfläche des rechten Knies ein fünffrankstnckgrosser
circinärer Herd, welcher aus einer central eingesnnkenen, rothbraunen,
eine verdickte, leicht fissurirte, keine Papeln mehr aufweisenden Partie
und aus einem peripheren, aus einer Reihe rother, zusammenfliessender,
abgeflachter, mit feinen ulcerirenden Schuppen bedeckten Papeln be-
stehenden Wall zusammengesetzt ist. Dieselben neigen zur oberfläch-
lichen Fissurirnng. Die Haut in der Umgebung ist lebhaft roth, geschwellt
Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau et €ompaiiL Sur un cas de liehen Wilson chez
an enfant de quinze mois. Soc. de derm. et de syph. 1900. 1. Fevrier.
Bemerkenswerth ist an dem vorgestellten Falle das Auftreten des
Liehen in so frühem Alter (Beginn mit einem Jahre. Kaposi bat nur
in einem Fall die Affection bei einem Kinde von 8 Monaten beobachtet).
Bemerkenswert ist die aufTallende Kleinheit der Efflorescenzen besonders
an der Yorderfläche des Stammes, wo sie das Niveau der umgebenden
Haut nicht überragen, die grosse Verbreitung über Gesicht, Stamm und
Extremitäten (Mundschleimhaut frei) und die geringe Tendenz der Liehen*
papeln mit einander zu confluiren. Richard Fischel (Bad Hall).
Morel'LaYall^e. Sur la transmissibilite du liehen plan.
Soc. de derm. 1900. 11. Janvier.
Den drei von Brocq mitgetheilten Fällen von gleichzeitigem Vor-
kommen von Liehen planus bei Mann und Frau (2 Fälle), Mutter und
Tochter (1 Fall) fügt Morel^Lavallee eine neue Beobachtung an. Vor
12 Jahren beim Manne eine Lieben-Eruption, die bis auf die noch jetzt
bestehende Affection am Penis und im Munde auf Arsen zurückgegangen
ist. 11 Jahre nach dem Beginn derselben beim Manne bemerkt die Fkan
eine leukoplasische Affection mit pergamentartiger Induration an der
der Hautkrankheiten. 445
Zunge, und ein feines unregelmässigeB Netz yon leukoplasisohen Herden
an der Wangenscbleimbaut. Syphilis kann mit Sicherheit ausgeschlossen
werden. Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau et Trastour. Liehen plan et impetigo con-
tagiosa. See. de derm. etc. 8. November.
Der vorgestellte Fall, ein 6jähriges Kind, beweist, dass auf dem
Boden einer Impetigo contagiosa der Liehen Wilson ein günstiges
Entwicklungsgebiet fiodet. Er ist ein Pendent zu dem in der Julisitzung
demonstrirten, bei welchem ein Liehen auf einer Narbe entstand.
Richard Fischel (Bad Hall).
Hügel, G. Mittheilungen aus der dermatologischen
Klinik der Universität Strassburg. 1. Ein Fall von Liehen
obtusus. Mänchener medicinische Wochenschrift 1900, Nr. 60.
Eine jetzt 37jährige Frau hatte mit 34 Jahren heftig juckende
Papeln auf Hand- und Fussrücken erhalten. Als sie nach 3 Jahren zur
Beobachtung kam, waren auch die Beuge- und Streckseiten von Vorder-
arm nnd Unterschenkel befallen. Von dem Liehen obtusus, wie ihn
Unna creirte, unterschied sich dieser Fall jedoch durch das Fehlen der
centralen Delle und das Fehlen der Betheiligung des Schweissporus.
Mikroskopisch zeigte sich Verdickung der Cutis, Verschmächtigung oder
Compression der Papillarschicht, der Basal- und Stachelzellenschicht,
Hyperkeratose, Infiltration längs der Blutgefässe und Talgdrüsen, während
die Knäueldrüsen fast ausgespart waren. Die Einleitung der Arsenikcur
war unmöglich. Als die Patientin später sich wieder vorstellte, waren
auch Oberarme nnd Oberschenkel ergriffen.
2. Ein Fall von Pityriasis rubra pilaris. Devergie.
Diese Krankheit wurde bei einem über 70 Jahre alten Patienten be-
obachtet, durch äussere Behandlungsmethoden rasch (innerhalb eines
Monates) geheilt; doch schon nach 6 Wochen stellte sich das Recidiv
ein und nach 2 Monaten war die Haut ärger befallen als vorher. Da
der Patient einen doppelseitigen Beinbruch sich zuzog, so erlag er noch
während der Behandlung der sich entwickelnden Schwäche durch Thrombose
des Polmonalis und der Arteria fossae Sylvii mit consecutivem cerebralem
Erweichungsherd. Das mikroskopische Bild entsprach dem von Besnier
nnd Boeck aufgestellten. von Notthafft (Müncheu).
Yietowieyski und Kopytowski. Gontribution ä la clinique
et an lesions anatomo-pathologiques de la peau dans le
Pityriasis rubra de Hebra. Journal des maladies cutanees et
syphilitiques. 1901, pag. 533.
Vietowieyski und Kopytowski berichten ausfuhrlich die
Krankengeschichte eines an Pityriasis rubra Hebrae erkrankten und ge-
storbenen Patienten und den mikroskopischen Befund von in vivo und
post mortem excidirten Hautstücken desselben. Neben dem allgemein
bekannten, im Original nachzulesenden Befunde constatirteu sie überall
Riesenzellen, nie aber Tnberkelbacillen, wohl aber zahlreiche Mikro-
coccen, die besonders in den Haarscheidea und Schweissdrüsen sassen.
446 Bericht über dio LeistimgeD aaf dem Gebiete
Obgleich diese sich auf Thiere nicht überimpfen Hessen, halten Verf. sie
f%kr die Erreger der Erkrankung. In die Haut eingedrungen erregen sie
um die Haarfollikel und die Schweissdrüsen herum circumscripte Ent-
zündangsherde, analog dem Bilde des entzündlichen infectiösen Gfranuloms.
W&hrend zuerst nur Bindegewebe und Gefllsse befallen sind, wird bald
auch das Epithel ergriffen und dadurch eine Atrophie der Schweissdrüsen
und Haarfollikel herbeigeführt. Nachdem sich jetzt noch die entzünd-
lichen Herde in fibröses Oewebe umgewandelt haben, entsteht das Bild
der Atrophia fibrosa cutis (Atrophie der Haut und der Papillen), das
letzte Stadium des Processes. Paul Neisser Beuthen (0. S.).
Da Castel et Kalt. Pityriasis rubra pilaire et ISsions
oculaires. Soc. de denn. etc. 1900. 8. Döcembre.
Das 11jährige Mädchen leidet an einer sich anfallsweise entwickeln-
den Pityriasis rubra pilaris. Zugleich mit dem Beginn der Hauterkrankung
trat eine beiderseitige Augenaffection auf, die einer Keratitis lymphatica
ähnelt und in oberflächlichen Ulcerationen der Cornea mit vaseul&rer
PannusbilduDg besteht. Histologisch aber ergibt sich eine excessive
Proliferation des Gomealepithels, der die Entstehung dos weissen Fleckes
auf dem 1. Auge zuzuschreiben ist. Richard Fischel (Bad Hall).
Jourdault, Paul, ün cas de Pityriasis rubra chronique
grave (type Hebra). Annales de derm. etc. 1900, pag. 1067.
Bei dem 43jährigen Patienten, bei dem sich congenitale Venen- und
Lymphektasien an Händen, Rücken und Brust in Form von Strängen und
haselnussgrossen Tumoren als Nebenbefund finden, trat das Leiden vor
drei Jahren auf. In immer kürzeren Intervallen trat eine über den ganzen
Körper verbreitete Erythrodermie auf, mit feiner Schuppung ohne Nässen
mit heftigem Pruritus und Lymphknotenschwellung. (Jnter zunehmender
Cachexie erfolgte der Tod. Bemerkenswert war ein ziemlich stark ans«
geprägtes Oedem der Haut.
Differentialdiagnostisch kommt die Lymphodermia perniciosa
(Kaposi) und die Mykosis fungoides und das ihr vorangehende Stadium
!^rytheme premycosique in Betracht. Auch die Endstadien des generali-
sirten Eczems und Psoriasis kämen in dieser Hinsicht in Erwägung.
Richard Fischel (Bad Hall).
Beyer, Albrecht, Leipzig. Ueber atypischePsoriasis. Wiener
klinische Wochenschrift Nr. 84 und 85. 1901.
Beyer theilt die sogenannten atypischen Psoriasisfalle in zwei grosse
Hauptgruppen ein: a) Vorkommen der Psoriasis mit anderen Hautkrank-
heiten an demselben Individuum und b) das gleichzeitige Vorkommen der
Psoriasis und anderer Dermatosen an derselben Hautstelle. Fast
jede andere Hautkrankheit kann einen Psoriatiker befallen und aus der
Reihe der vielen in der Literatur erwähnten Gombinationen hebt Beyer
einen Fall aus der Klinik Kaposi heraus, der jahrelang Psoriasis plaques
hatte und nebenbei Lupus der Nase, eine Sclerose am Präputium und
Roseola syph. aufwies. Die Combination b) kann in zweifacher Weise
erfolgen, erstens durch das Auftreten einer neuen Hautkrankheit auf schon
der Hautkrankheiten. 447
bestehenden Psoriasisplaqaes, wie sie vielfach vun Eczemen, Acne, Syphilis
auf psoriatischen Plaques in der Literatur beschrieben werden oder
zweitens dadurch, dass auf dem Boden einer anderen Hautkrankheit
Psoriasis zu neuer Eruption gelangt, gleichsam am loc. minor, resist*
Hierher sind auch zu zählen Auftreten von Psoriasis nach Impfungen,
Tätowirungen und Erfrierungen. Diese Gruppe umfasst die Psoriasisfälle
mit atypischer Form und Beschafienheit der Plaques und zwar a) atypisch
im Aussehen der Bilder, welche eine andere Dermatose vortäuschen
können (seborrh. Eczem Rupia (M a k e n z i e), lupusartige Psoriasis Kaposi,
Psoriasis verrucosa; 6) atypisch bezuglich der Anordnung der Psoriasis-
efflorescenzen kleiucircinäre Psoriasis von Jadassohn, die Recidive mit
geringer Yerhomung und Schuppung immer wieder an den befallenen
Stellen; 0) atypische Localisation der Psoriasis, dazu gehört auch das
Auftreten von Psoriasis an den Schleimhäuten. Aus dem Krankenmaterial
der Leipziger Klinik beschreibt nun Beyer diesbezügliche Fälle, so
vorerst 3 Fälle, die eine Combination von Psoriasis mit IchthyosiR dar-
stellen, wobei die Psoriasisherde ekzematös verändert erscheinen. Dann
folgen 2 Fälle atypischer Psoriasis bei einer vorausgehenden Hauter-
krankung, und zwar im ersten Falle eine auf den durch die Berufstbätig-
keit (Fleischer) mechanisch erzeugten Excoriationen auftretende Psoriasis,
die sich über den übrigen Körper ausbreitet, während im zweiten Falle
die Eruption einer Psoriasis auf einem postscabiösen Eczem erfolgte.
Zum Schlüsse beschreibt Beyer zwei Fälle von Psoriasis, die aus dem
klinischen Bilde durch entzündlichen Charakter und ekzematöse Symptome
in den verschiedensten Entwickelungsstadien kaum die Diagnose Psoriasis
ermöglichten, so dass erst aus dem Bestehen einzelner Efflorescenzen von
Psoriasis an Prädilectionsstellen die Diagnose gemacht werden konnte,
2 Fälle, die Gharakteristica eines Lidien ruber planus besassen und einen
Fall mit Localisation an den Beugen der Gelenke, an den Contactstellen
der Haut und an den Palmae manuum. Victor Bandler (Prag).
Bettmaim. Auftreten von Psoriasis vulgaris im An-
schluss an eineTätowirung. Aus der Heidelberger dermatologischen
Klinik. Münchener medicinische Wochenschrift 1991, Nr. 41.
Bei einem 29jährigen Bäcker, welcher noch nie Psoriasis gehabt
und aus keiner nPsoriasisfamilie'' stammt, traten 14 Tage nach einer
Tätowirung auf der tätowirten Stelle Psonasisplaques auf, die dann sich
später auch auf dem ganzen übrigen Körper als Psoriasis guttata und
nummularis zeigten. Der tätowirte Arm war besonders stark befallen, die
ganze tätowirte Stelle in einen grossen Psoriasisherd umgewandelt. 3 Jahre
vorher war eine Tätowirung am anderen Arm ohne jede Psoriasiseruption
begleitet. Im Anschluss an diesen Fall erörtert Verfasser die Aetiologie
der Psoriasis. Dass bei allen Fällen, in welchen die Psoriasis auf eine
Hautreizung hin erfolgt, der Reiz nur als agent provocateur gewirkt, und
die bis dahin gesunden Personen sich im Eruptionsstadium der Psoriasis
befunden hatten, hält er für unwahrscheinlich. Aber auch die parasit&reTheorie
ist, so verlockend es auch sein mag, sie im Anschlüsse an Fälle wie den obigen
448 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
zn diBcutireo, nicht genügend fnndirt. Aus dem Charakter and Verlauf
der Pfloriasisefflorescenzen könne man nnr Analogieschlüsse zum Verlaufe
parasitärer Affectionen ziehen, ohne dadarch etwas beweisen zu können.
Die klinischen Beobachtungen yon Psoriasisübertragnng sind zu selten
und stehen zu sehr im Widerspruch mit der Thatsaohe, dass die Krank-
heit nicht von eioem Ehegatten auf den anderen übertragen wird, als
dass man der Annahme einer Psoriasisansteckung anders als skeptisch
gegenüberstehen dürfe. Bei der Suche nach dem Psoriasiserreger wurden
Widersprechendes und directe Kunstprodncte gefunden; das nothwendige
Postulat, mittels Reincultur eine Infection herboizufahren, ist noch nicht
erfüllt worden. Die Infection mittels Psoriasisschuppen ist nur in einem
Falle (Hallopean) beim Menschen gelungen; auf eine einzelne Be-
obachtung darf man aber kein übergrosses Gewicht legen.
von Notthafft (München).
HallopeauetTrastour. Contribution äP^tude des tronbles
de la pigmentation chez les psoriasiques. Soc. de derm. etc.
5. Jouillet 1900.
Bei dem 11jährigen, seit dem ersten Lebensjahre an Psoriasis
leidenden Kinde zeigten sich bei der gegenwärtigen Attaque multiple
Störungen, die Pigmentation der Haut betreffend: einerseits pigmentlose
Flecke, die den PsoriasisefQorescenzen gefolgt sind, andererseits Makeln,
die von einem kreisförmigen eliptischen Pigmentring umgeben sind, der
dem Saum der rückgebildeten Efflorescenz entspricht, endlich an der
Peripherie activer Plaques pigmentfreie Höfe. Diese Veränderungen
werden vom Standpunkt der Pathologie zu erklären versucht.
Richard Fi sc hei (Bad HaU).
Audry, Gh. (de Toulouse). Psoriasis g^nöralise aprös an
choc moral. Soc. de dermat. 28. Avril 1900.
Patient, der früher nie an Psoriasis gelitten hat, entging mit
knapper Noth einer Todesgefahr. Des Abends Jucken, das sich am
nächsten Tage verstärkte und von Aasbruch papulöser Efflorescenzen ge-
folgt war. Die Affeotion wurde als über den ganzen Körper verbreitete
typische Psoriasis diagnosticirt. Aehnliche Fälle sind von L e 1 o i r schon
beschrieben worden.
Besnier berichtet über einen Fall, bei dem sich acht Tage nach
einem Eisenbahnunglück eine Psoriasiseruption entwickelte. Wenn, was
über jeden Zweifel fest steht, pathologische Veränderungen der Nerven
path. Veränderungen der Haut hervorrufen können, so können auch intensive
functionelle Störungen denselben Effect haben. Auch beim Herzen haben
Gemüthsbewegungen schwere Stömogen zafolge. Eine geringere Wider-
standsfähigkeit des Organismus muss vorausgesetzt werden. Bei den
Psoriatikem äussert sie sich als nHypernervosität". Auch die bei den-
selben beobachteten Arthropathien deuten auf Alterationen des centralen
Nervensystems.
Hallopeau scheint es nicht zweifelhaft, dass die Psoriasis parasi-
tären Ursprungs ist.
der Hautkrankheiten. 449
Barthölemy berichtet aber zwei ähnliche Falle and glaubt, dass
der Gemuthsaffect durch Yer&nderungr der Widerstandsfähigkeit, der Er-
nährung und der Innervation den Ausbruch der Psoriasis begünstigen kann,
niemals aber die Ursache desselben ist.
Renault fordert dazu auf, bei Psoriasisausbruchen immer nach
einer arthritischen Biathese zu forschen, da die Erkrankung eine diathe-
tische und mit anderen Erscheinungen des „Arthritisme" wechselt.
Leredde bemerkt, dass er mit See immer Veränderungen des
Blutes gefunden, häufig Leukocythose und Polynucleose. Die Gelenks-
affeotionen sind durch Alterationen des Knochenmarks bedingt.
Richard Fischel (Bad Hall).
Gaston, Paul. Le prurigo gestationis. Soc. de derm. et de
syphiligr. 1900. 1. Fövrier.
Der Prurigo gestationis kann dem Herpes gestationis, der in die
Classe der Duhring'srhen Erkrankung (Dermatitis herpetiformis
Duhring) gehört, gegenübergestellt werden. Die gemeinsamen Merk-
male : Auftreten während oder im Beginne der Schwangerschaft, Pruritus,
das Recidiviren bei jeder Gravidität, das plötzliche Verschwinden nach
der Geburt, die sonstige Gesundheit und die Veränderungen des Harns.
Sie unterscheiden sich durch den Sitz, die Entwicklung der Eruption,
durch die Haut- und Blntveräuderungen.
Der Prurigo gest. beginnt gewöhnlich plötzlich ohne vorangehende
Störungen im 3. oder 4. Monate der Schwangerschaft (selten während
der ersten), mit einem continuirlichen in der Wärme und Nachts ver-
stärkten Jucken an der Streckseite der oberen und unteren Extremitäten.
Die Papeln ähneln denen des Prurigo simplex sehr, werden bald aufge-
kratzt und bedecken sich mit einer Borke. Ekzemati sation und Licheni-
sation können sich im weiteren Verlaufe dazu gesellen, Narbenbildung
mit oder ohne Pigmentation sind die Folgen der mechanischen Ver-
letzungen (Eratzen).
Histologisch findet sich Erweiterung derPapiliargefasse, perivasculäre
Infiltration, Oedem der Papillen, colloide Degeneration der Epidermis-
Zeilen. Aetiologisch kommt eine Autointoxication oder Autoinfection vom
Genitaltract häufig in Betracht. (Metritis, Aborte, Mastitis, Furunculose etc.)
Die autotoxische Theorie erfährt durch den Blut- und Harnbefund eine
Stütze. Das Mengenverbältniss der einzelnen Leukocytenarten zu einan-
der ist gestört, das Urinquantum und die Menge der fixen Harnbestand-
theile sind vermindert (Chloride Phosphate, Harnstoff.) Auf die be-
stehende und auf die folgenden Schwangerschaften hat der Prurigo g.
keinen Einfluss, wohl aber scheint beim Kinde sich eine Disposition zu
Prurigo und zu gewissen Dermatosen des Kindesalters geltend zu machen»
Die Prognose bezüglich der Recidiven ist ungünstig. Man wird die
ev. bestehende Genitalaffection nach der Entbindung zu behandeln haben»
Bettruhe und die gewöhnlichen gegen Pruritus angewendeten Mittel ge-
währen Erleichterung.
Areh. f. Dermat. a. Syph. Bd. LXIII. 29
450 ßericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Bartbelemy berichtet über einen sehr hartnäckigen Fall, in dem
Carbolsäure nnd Leberthran keine Verringerung der Beschwerden brachten,
erst nach heissen Oelbädern stellte sich Besserung ein. Heilung erst
6 Wochen nach der Entbindung. Von der 3. bis 7. Schwangerschaft
inclusive immer neue Attaquen. Richard Fischöl (Bad Hall).
Hallopeau et Trastour. Sur une dermatose de nature
indeterminee (mycosis, arsenicisme ou acanthosis nigri-
cans). Soc. de denn. etc. 5. Jouillet 1900.
Die eine sichere Diagnose nicht zulassende Erkrankung begann im
Jahre 1897 bei der letzt 56jäbrigen Patientin mit dem Auftreten von serpi-
ginösen ulcerösen Neoplasien an der 1. Hinterbacke nnd der hinteren
Fläche des 1. Oberschenkels, welche unter dem Einfluss einer Arsenik-
pasta mit Zurücklassung von Narben heilten. Ausserdem zeigt die Kranke
noch die Sjrmptome einer allgemeinen Pseudoichtyose : Alopecie, Ver-
dickung der Haut, doppelseitiges Ektropium, multiple Drnsenschwellungen,
palmare und plantare Hyperkeratose. Die Diagnose schwankt swischen
Arsenicismus, Mykosis und Acanthosis. Gegen erstere spricht das doppel-
seitige Ektropium und der Beginn mit Bildung ulceröser Tumoren, welche
die von Barette angefertigte Moulage festhält Gegen Mykosis die
Entwicklung der Allgemeinerscheinungen im Anschluß an die Tumoren,
eine Umkehr der gewöhnlichen Folge der EIrscheinungen. Die wenig
ausgesprochenen Drüsenschwellungen, das Fehlen des Pruritus sprechen
nicht zu Gunsten der Diagnose. Ebenso passen die Pseudoichtyose, die
hier im Symptomencomplex dominirt, und die Pigmentation der Haut
nicfit zum Bilde der Mykose. Dagegen lassen sich die Pigmentationen,
die vorspringenden Vegetationen, die Alopecie und die plantare und
palmare Keratose in den Rahmen der Diagnose „ Acanthosis' einfügen.
Die chronischen Diarrhoen, die den caohektischen Zustand der Kranken
herbeiführen, sind vielleicht durch Tumorbildungen im Darm bedingt,
von derselben Natur, wie die im Beginn der Erkrankung aufgetretenen.
Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau. Deuxieme note sur une maladie de nature
indeterminee (dermatose pustuleuse et pigmentaire v6ge-
tante). Soc. de derm. 1. Mars 19(X).
Im Verlauf der Erkrankung (siehe oben) kam es zum weiteren Er-
grauen der Haare (selbst der Lanugohärchen), zu neuen pustulösen Nach-
schüben, so unterhalb der etwas abgeflachten, hahnenkammartigen Efflores-
cenzen der Regio inguino cruralis, der Wangen, des Bartes und des Kiuns,
zu ödematöaen Schwellungen des Präputiums und der Lippen auf urticarieller
Grundlage. Die Lymphdrüsen der Leistenbeuge und der Achselhöhle
sind geschwellt. Der allgemeine und persistirende Pruritus, die Vege-
tationen der Inguinalgegend und die multiplen Lymphdrüsenschwellungen
sprechen zu Gunsten der Diagnose: Mykosis. Jedoch das vollständig
negative Ergebniss der histologischen Untersuchung eines exoidirten
Hautstückchens, das Ergrauen der Haare ohne Ausfall derselben, die
Dystrophien der Nägel, die an Pytiriasis rubra erinnernde Affection de«
der Hautkrankheiten. 451
Fassrückens, das ständige Auftreten von Pusteln und urticariellen Herden
zwingen Hallopeau einen neuen Krankheitstypus aufzustellen und für
ihn mangels näherer Kenntnisse über seine Natur den Namen: „derma-
tose pustuleuse et pigmentaire vegötante" vorzuschlagen.
Besnier und Brocq halten dafür, dass es sich um eine Tropbo-
neurose handle (ersterer glaubt den Amputationsstumpf des Armes als
Ausgangspunkt für die nervöse Affection ansehen zu können) und fahren
die Pustelbildung auf das durch das Jucken verursachte Kratzen zurück.
Auch die Nageldystrophie ist noch, wie Besnier ausfahrt, durch eine
StaphiiococceDinfection complicirt. Richard Fi sc hei (Bad Hall).
Du Castel. Dermatite pustuleuse generalisee avec
«rthropathies d'origine infectieuse. Soc. d. d. etc. 5. Jouillet 1900.
Der 40jährigey dem Alkoholgenass ergebene Kranke wurde ioner*
halb Jahresfrist zweimal von einer diffusen Suppuration der Haut be-
fallen, bestehend aus kleinen, circa linsengrossen und grösseren circa
fünfzigceiitimesgrossen Pusteln, theils isolirt, theils zusammenfliessend.
Die Generalisation hat sich in einigen Tagen vollzogen und war von
Fieber und Schüttelfrösten begleitet. Die infectiösen Arthritiden (an
einzelnen Interphalangealgelenken und Metatarsophalangealgelenken der
Hand, beziehungsweise des Fusses), die rasche Ausbreitung der Eruption
sprechen für eine AUgemeininfection auf dem Wege der Blutbahn, wie-
vfohl es unmöglich ist, den Ausgangspunkt der Infection mit Sicherheit
zu bestimmen. Ob ein primärer Herd am Unterschenkel, von welchem
aus die Generalisation auf die oberen und unteren Extremitäten und das
Gesicht, im geringerem Grade auf den Stamm erfolgte, die Ursache sei,
bleibt ungewiss. Der Ausfall der Nägel, der im Vorjahr eingetreten
war, scheint sich auch heuer wieder vorzubreiten (durch Perionychie bedingt).
Es scheint sich um eine Pyodermitis aus inneren Ursachen zu
handeln, da diese allein die infectiösen Arthritiden erklären können.
Leredde, Hallopeau, Barth^lemy, Sabouraud halten die
Affection für eine Psoriasis mit oberflächlicher Suppuration. Aehnliche
Fälle hat Hallopeau schon beschrieben.
Richard F i s c h e 1 (Bad Hall).
Besnier et Gasten. Dermatose inominee (cas pour le
diagnostic). Soc. de derm. etc. 1900.
Beginn des Leidens bei dem seit 30 Jahren in Aegypten sich auf-
haltenden Patientin vor 10 Jahren mit Bildung von bläulichen Flecken
nnd Varicen, die sich nach Anlegung eines Krampfaderstrumpfes am
r. Unterschenkel auch auf den Oberschenkel ausbreiteten. Dazu kam
Oedem des Unterschenkels, stellenweise knotige Verdickung der Haut,
oder bloss der Epidermis mit Exfoliation fettiger Schuppen. Seit drei
Jahren ähnliche Veränderungen am 1. Unterschenkel und Affection am
1. Mittelfinger, seit zwei Jahren Schmerzen.
Gegenwärtig constatirt man ein hartes, elephantiastisches, sclero-
'dermatisches Oedem des 1. Unterschenkels von violetter Farbe mit linsen-
4)18 zweipfennigstückgrossen Herden von „Liehen comd hypertrophique'*
29*
452 Bericht über die Leistangen aaf dem Gebiete
Ein hyperkeratotiscber Process mit Abschilferung von Hom-Lamellen tat
der Innenfläche des Unterschenkels. Um die Nägel papilläre Vegetationen«
Annulären Syphiliden oder annulären Liehen ähnliche Effiorescenzen an
de^ unteren Partie desselben. Der Mittelfinger hypertrophisch, in Benge-
stellnng immobilisirt, livid verfärbt, jedoch ohne die übrigen Veränderungen
des Unterschenkels.
£s vereinigen sich also in diesem Falle die objeotiven Zeichen von
Elephantiasis, Purpura und Lieben.
Barbe stellt die Diagnose: Sarkom (Typus Kaposi).
Darier bestreitet letztere und glaubt, dass die Analyse der Er-
scheinungen dazu fuhrt, an einen Liehen hyperker., der sich auf elephan-
tiastischer Grundlage entwickelt hat, und eine besondere Form ange-
nommen hat, zn denken. Golloide Degeneration der Gefasse, vrie sie bei
altem Liehen schon beschrieben wurde, kann zu Extravasaten and
Pigment ationen Anlass geben.
Hallopean hält die Affection für einen vegetirenden hypertr.
Liehen planus.
Brocq kann sich zu einer Diagnose nicht entschliessen, und möchte
den Fall in Erkenntniss der Unzulänglichkeit desselben als „Problem"
betrachtet sehen. Die Affection des 1. Mittelfingers kann mit der eben
angezogenen Hypothese Dariers, den Fall als Liehen zu betrachten,
nicht in EinkUng gebracht werden; bei Sarcomatose müssten mehrere
Finger beftfllen sein.
Besnier hofft von der histologischen Untersuchung einen Aufschluss.
Richard Fischöl (Bad Hall).
Du CasteL Keratose palmaire et plantaire. Soo. de
derm. etc. 1900.
Beginn der Affection bei dem jetzt üy^hhvigen Kinde mit Blasen-
bildung an Vula und Planta. 6 Monate nachher trat die Keratose aaf,
die sich als ziemlich gleichroässig repräsentirt. Die Verdickung der Hom-
flchichte ist sehr ausgesprochen. Die Begrenzung auf Handflächen und
Sohlen sehr scharf mit einer 1 Gm. breiten erythem. Randzone. Besnier
hält den Fall für interessant, weil er nur das einzige Individuum der
Familie betrifft. Keine Heredität. Richard Fischöl (Bad Hall).
Hallopeau et Lemierre. Nouvelles etudes sur T^rythro-
dermie premycosique. Soc. de derm. etc. 7. Juin 1900.
Der von Besnier und Hallopeau 1892 beschriebene klinische
Typus der „erythrodermie premycosique" ist von Wolter's in seiner
Bedeutung als Vorstadium der Mykosis fungoide^ bestritten worden. Ein
Theil der früher beschriebenen Fälle ist nun wirklich in das Stadinm der
mykotischen Tumorbildung getreten, bei einem anderen entwickelten sich
knotige Infiltrationsherde, deren histologische Untersuchung (Leredde
und Wickham) die Structur der mykotischen Neoplasien aufwies. Der
vorgestellte Kranke soll den Anschauungen Hallopeau's zur Stütze
dienen. Er bietet das ausgesprochene Bild der E. premycosique; Ver-
breitung der Affection fast über die ganze Körperoberfläche, Fehlen einer
der Hautkrankheiten. 453
Desquamation, Heftigkeit des Praritus, multiple Adenopathien. Man
könnte noch an Liehen (Wilson) denken. Die klinischen Charaktere
einiger Papeln, die punktförmige Depressionen aufweisen, sprechen za
Ounsten dieser Anschauung. Dagegen spricht, dass die acute generalisirte
Form des Liehen nicht so lange persistirt, nicht mit so beträchtlichen
Lymphdrusenschwelluugen einhergeht; der Pruritus würde durch warme
Douchen eine Besserung erfahren haben. Die histologische Untersuchung
•ergibt zwar kein entscheidendes Resultat, spricht aber zu Gunsten der
in Frage stehenden Diagnose. Die coUagenen Oewebsbündel sind in den
Papillen und stellenweise auch im subpapillären Gewebe durch Oedem
Auseinandergedrängt, das Gewebe scheint reticulirt. Die Gegenwart von
Plasma«, Mast- und eosinophilen Zellen weisen auf Mykose hin. Ob der
kranke tumorartige Bildungen bekommen wird, lässt sich- nicht voraus-
sagen; er kann früher dem Leiden unterliegen, wenn man bedenkt, wie
spät oft selbst in wohl charakterisirten Fällen das neoplastische Stadium
-eintritt. Richard F i s c h e 1 (Bad Hall).
Hallopeau et Lemierre. Sur un nouveau cas d'erythro-
dermie pr^mycosique. 800. de derm. etc. 5. Jouillet 1900.
Die fast über den ganzen Körper yerbreitete Erytbrodermie, die
starke Ausprägung der Felderung und der normalen Falten der Haut,
-das glänzende Aussehen der polygonalen Erhebungen, die excoriirten
Papeln, die beträchtliche Verdickung der Haut, die Alopecien, der heftige,
allen Behandlungsmethoden strotzende Pruritus, die multiplen, mächtigen
Lymphknotenschwellungen charakterisiren die Affection bei dem 45jährigen
Patienten als „£rythrodermie pr^mycosique''. Vom normalen Bilde ab-
weichend sind die durch das Eratzen hervorgerufenen Borken ; sie gleichen
nicht den schwärzlichen bei Icterus, Krätze und Pruritus senilis beobachteten,
sondern sind von bräunlicher Farbe. Sie decken kleine Ulcerationen,
von denen die punktförmigen Narben an den Extremitäten herrühren.
Per analogiam mit früher vorgestellten Fällen kann man auch in
diesem die Entwicklung einer Mykosis fungoides erwarten. Das Resultat
-der Biopsie und der Blutuntersuchung wird nächstens mitgetheilt werden.
Richard Fischöl (Bad Hall).
Bildungsanomalien.
Dockrell, M. Hyaline Degeneration of the Skin. British
Medical Journal, Nov. 17, 1900.
Ein 20jahriges Mädchen zeigte unter den Augenlidern eine Menge
von wachsartig durchscheinenden Tumoren. Bei der mikroskopischen
Untersuchung fand sich eine bisher noch nicht bekannte Art von hyaliner
Degeneration des Bindegewebes der Haut. R. Böhm (Prag).
454 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Schmidt, L. £. Report of a Gase of Epidermolysis
Bullosa Hereditaria. Joarn. Amer. Med. Assoc. XXXVII. 566.
Aug. 81. 1901.
Bei S c h m i d t^s Patienten, einem 9 jährigen Knaben, begannen in
der 2. Lebenswoohe Blasen auf den Handrücken, später auf den Füssen und
den Unterschenkeln aufzutreten, die den gewöhnlichen Charakter zeigten.
Zuweilen wurde unter Schwellung und Schmerzbaftigkeit der benach-
barten Haut der Blaseninhalt trüb, in letzter Zeit auch blutig gefErbt^
gelegentlich traten Anschwellungen der entsprechenden Lymphdrüsen
auf. Einige Male traten rothe, juckende, später schuppende Stellen über
den untern Rückenwirbeln auf, sowie kleine Bläschen mit hämorrhagi-
schem Inhalt auf der Zunge und Mundschleimhaut. Die Blasen an Hän-
den und Füssen stellten sich auch ein bei Schutz derselben unter Watte-
verbanden. Die Nägel der Finger und Zehen wurden von Anfang an in
Mitleidenschaft gezogen. Hautreize wie Senfpflaster rufen auf den Pre-
dilectionsstellen keine Röthe oder Blasenbildung hervor, wohl aber auf
anderen Eörperstellen. Einspritzungen normaler Salzlösnngen uoter die
Haut der afßcirten Partien war von Bildung von Blasen begleitet, welche
sich nicht von den spontanen unterschieden. Die histologischen Befunde
stimmten mit denen Elliot's überein. Auffällig gering (unter 2%) war
die Zahl der eosinophilen Zellen in dem Blaseninhalt.
H. G. Klotz (New-York).
Balzer, F. et Alquier. Malformation familiale dea
or ei lies. Soc. de derm. etc. 6. Jouillet 1900.
Bei dem 8jährigen Kinde fanden sich als zufalliger Befund beide
Ohrmuscheln atrophirt, die Ohrläppchen sehr entwickelt. Die Ohren
transversal abstehend, fast henkelartig am Schädel aufsitzend. Die Mutter,
desgl. 2 Schwestern und ein Bruder von ihr zeigten dieselbe Missbildung,
ebenso deren Grossmutter, Mutter und Tante. Die Mutter war zweimal
verheiratet. Jeder Ehe entsprangen je 3 Kinder, von denen je 2 dieselbe
Affection darboten. Ob es sich um eine parasyph. Dystrophie im ersten
befallenen Gliede mit Vererbung auf einzelne Individuen der Genera-
tionsfolge handelt, lässt sich nicht entscheiden. Die Malformation der
Ohren scheint nicht das einzige hereditäre Degenerationszeichen zu sein»
da auch nervöse Zustände in der Familie zu verzeichnen sind. Schliess-
lich könnten ausser der Lues auch noch andere Infectionskrankheiten
für die Aetiologie in Frage kommen.
Barth^lemy macht darauf aufmerksam, dass die hereditäre
Syphilis häufiger als man glaubt monosymptomatisch auftritt
Richard F i s c h e 1 (Bad Hall).
Italln§kl, W. Ein Fall von Atrophia cutis idiopathica
acquisita. Med. Obosr. Februar 1901.
Der Fall betrifft eine Frau von 48 Jahren, die seit 2 Jahrzehnten
an der Affection leidet, am meisten befallen sind die rechte Hand und
beide Füsse, letztere erst seit 1 Jahre. Patientin klagte über leichten
Juckreiz; an den Füssen war feine Absohilferung zu bemerken. Der
der Hautkrankheiten. 455
Fall entspricht dem von Meschtscherski aufgestellten II. Typus.
Eine tymmetriBche Anordnung wird in diesem Falle von Italinski
vermisst, ebenso auch jedes nachweisbar ätiologische Moment.
S. Prissmann (Libau).
Audry et Dalous. Sur une atrophie hereditaire et con-
genitale du tögument palmaire. (Brachydermie palmaire conge-
nitale.) Soc. de derm. etc. 7. Juin 1901.
Nach genauer Beschreibung der die Mutter und Tochter betreffen*
den Affection und Erwägung der differential-diagnostisch zwischen ihr
und der Dupuytren'schen Contractur in Betracht kommenden Punkte
kommen Au. und D. zum Schlüsse, dass es eine Atrophie, eine Brachy*
dermia palmaris gibt, welche symmetrisch, congenital und hereditär auf-
tritt. Sie ist eine Missbildung, keine Erkrankung und wohl von der Re-
traction der Palmaraponeurose zu unterscheiden. Die Affection macht
keine Beschwerden, ist stabil und durch die Abwesenheit oder den Still-
stand der Entwicklung des Zell- und Fettgewebes der Subcutis bedingt.
Richard Fischöl (Bad Hall).
Meschtscherski, G. üeber Atrophia cutis idiopathica
progressiva acquisita. Med. Obosr. Februar 1901.
An der Hand eines eigenen und 24 einschlägiger Fälle aus der
Literatur, die alle in der Arbeit ziemlich eingehend besprochen werden,
sucht Meschtscherski ein klinisches Bild dieser seltenen Dermatose
zu entwerfen. Nach Verfassers Auffassung gibt es zwei Formen der
idiopathischen Hautatrophie: die erste, häufigere Form nennt Mesch-
tscherski Atrophie I. Typus oder erythematöse idiopathische Hautatro-
phie, die zweite, viel seltenere Atrophie II. Typus oder infiltrirte idio-
pathische Hautatrophie. Die von Neumann und Pospelow zuerst
genannten Hauptsymptome erkennt Autor als die zuverlässigsten und
wichtigsten an. Subjective Symptome fehlen vollkommen, mitunter soll
in schweren Fällen ein leichter Juckreiz sich bemerkbar machen. In den
chronischen Formen bleibt das Allgemeinbefinden bis auf leichte nervöse
S3nmptome intact, in den mehr acuten Fällen gesellen sich allgemeine
Schwäche, Lymphdrüsenschwellungen, Fieber etc. hinzu. Meist werden
zunächst die Extremitäten befallen; die Anfangs isolirt stehenden, mehr
symmetrisch angeordneten Herde confluiren bald, so dass mitunter der
ganze Körper afficirt ist Der Verlauf ist ein äusserst chronischer —
10 — 30 Jahre, in den exquisit acuten Fällen (Dermatitis atrophicans
Kaposi) kann in einigen Monaten der ganze Körper befallen sein. Kein
Lebensalter wird von dieser Krankheit verschont, die Mehrzahl fällt in
das 8., 4. und 5. Lebensjahrzehnt. Frauen sind mit 687o> Männer mit
32^/0 betheiligt. Als ätiologisches Moment wird auch von Mesch-
tscherski die Erkältung in erster Reihe genannt, Infection und Trauma
sind auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Anatomisch handelt es
sich um einen chronisch entzündlichen Process im Gorium mit Ausgang
in Atrophie. Verfasser hält die idiopathische Hautatrophie (mit Neu-
456 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
mann und Pospelow) für eine Angio-Tropho-Neurose. Theiapentisch
kommen eventuell Nervina, Massage und Elektricitat in Frage.
8. Prissmann (Liban).
Krzystalowiez, F. Ein Beitrag zur Histologie der idio-
pathischen diffusen Hautatrophie. Monatsh. f. prakt. Derm.
Bd. xxxm.
Die Haut des Kranken, deren Zustand Krzystalowicz ausfuhr-
lieh schildert, Hess schon makroskopisch verschiedene Entwicklungsstadien
der Krankheit erkennen. Neben infiltrirten Stellen, deren Haut sich kaum in
einer Falte abheben Hess und deren Oberfläche wie mit CoUodiom Aberzogen
aussieht, sieht man Pigmentflecken mit gerunzelter, hie und da desqua-
mirender Epidermis, endlich ganz pigmentlose Stellen, deren Haut atro-
phisch, deren Epidermis verdünnt ist und fein abschuppt. Diesen ver-
schiedenen klinischen Bildern entsprachen auch verschiedene histologische:
I. Stadium: Reichliche Infiltration um die Gefasse und Drusen, femer
spärlicher zwischen den GoUagenbündeln ; die grösste Anhäufung von
Zellen in den tieferen Schichten, sogar ohne jeden Zusammenhang mit
den GefösBwänden. Die Infiltrate bestehen grösstentheis aus grossen
Plasmazellen. Die Gollagenbündel sind geschlängelt, dünn, wie gebro-
chen, ihre Zwischenräume kürzer und zahlreicher. Schon im Anfangs-
stadium fehlt die Papillarschicht ganz. Die elastischen Fasern fehlen in
den Infiltraten, sonst scheinen sie etwas vermehrt, wahrscheinlich in
Folge der Verschmälerung der Collagen bündel, wodurch sie näher an-
einander zu liegen kommen. Stratum corneum etwas breiter als die
übrige Epidermis, Strat granul. ist einreihig, Strat. spinös, entbehrt der
Stacheln, seine Zellen horizontal verlängert, die unteren Zellen randlich
In den oberen Hautschichten sind die Blutgefässe erweitert, manchmal
ihre Wände verdickt. Andere Gefasse der mittleren Schichte sind un-
mittelbar an der Adventitia vom Infiltrate umgeben, wodurch ihr Lumen
verengt wird und ihre geschwollenen Endothelien gegen das Lumen vor-
ragen. Durch Hineinwachsen des Infiltrates in das Lumen wird das
Lumen theilweise oder ganz verlegt. Concentrisch angeordnete Zell-
haufen in den tieferen Schichten entsprechen dem Querschnitt solcher
obliterirter Gefasse. II. Stadium (der Atrophie und Pigmentation):
Infiltration gering ; die Atrophie des Collagen und der elastischen Fasern
weiter vorgeschritten; auch die Drüsen und Follikel hochgradig atro-
phisch. An der Epidermis zeigt die Hornschicht wellenförmigen Verlauf,
wodurch die darunter liegende Schichte eine Art Papillen bildet. Die
den Herden benachbarte Haut ist pigmentreicher. III. Stadium (der
vorgeschrittenen aber noch nicht abgeschlossenen Atrophie) : Infiltration
fehlt ; das Collagen atrophisch wie im II. Stadium ; die elastischen Fasern
wie zerstückelt, die Fasern des oberen Netzes spärlicher, feiner, sieh
schwach färbend, ihre Zahl im Allgemeinen vermindert Die Hornschicht
ist dünn, die Körnerschicht fehlt, die Zellen der Stachelschioht rundlich
polyedrisch, die Basalschicht pigmentirt wie normal. Diese histologischen
Befunde erklären das klinische Bild. Die Atrophie bezieht K. anf die
der Hautkrankheiten. 457
Gefassobliteration. £r faattt den ProcesB als chronischen Entzündangs-
procesB unbekannter Aetiologie auf. Ludwig Waelsch (Prag).
Sottas. Sclerodermie diffuse progressive symetrique.
Sog. de denn. etc. 6. Jnillet 1900.
Ein Fall von diffuser, progressiver Sclerodermie bei einer 36 jähr.
Frau; Beginn ca. vor 2 Jahren. Betrofien sind die unteren Extremitäten,
in geringerem Grade die oberen and das Gesicht. Die einzelnen Factoren,
die für die Aetiologie in Betracht kommen könnten, werden erwogen : die
Blutsverwandtschaft der Eltern im 4. Grade (Cousins) käme nur als ent-
fernte Ursache in Frage, eine prädisponirende Nervosität der Patientin
erzeugend. Auch die Amenorrhoe, schon oft als Ursache der Sclerodermie
angeschuldigt, könnte nur als prädisponirendes Moment betrachtet wer-
den. Von Lepra kann in diesem Falle nicht die Rede sein, was der
Theorie Zambaco's, die Sclerodermie als degenerirte Lepraform zu be-
trachten, widerspricht. Auch Syphilis kann trotz mehrfacher Aborte der
Frau mangels aller Stigmata ausgeschlossen werden.
Es bleibt also nur „le nervosisme'' et „le rhumatisme'' (le neuro-
arthritisme) als Ursache übrig. Für ersteren spricht die hereditäre Be-
lastung von Seite des Vaters, für letzteren der Arthritismus der Mutter.
Ein im Februar erfolgtes geringfügiges Trauma gab den Anlass zam
raschen Fortschreiten der bisher fast unbemerkt verlaufenen Erkrankung.
Richard Fischel (Bad Hall).
Ehlers. La scldrodermie-sclSrodactylie serait-elle
nne manifestation de la tuberculose? Soc. de derm. etc. 1900.
8. Decembre.
Ehlers wurde mit der Begutachtung eines Falles, der für Lepra
gehalten wurde, von der Regierung beauftragt. Es handelte sich haupt-
sächlich um eine Sclerodactylia mutilans und Sclerodermie des Gesichtes.
Zwei Brüder und zwei Schwester starben, die zweite Frau des Patienten
litt an Tuberculose. Ehlers macht unter Anfuhrung der spärliohea
Literaturangaben auf die Möglichkeit der Beziehungen zwischen Sole-
rodactylie und Tuberculose aufmerksam. Bei künftigen Sectionen
wird man auch mehr als bisher auf das periphere Nervensystem zu
achten haben.
Hallopeau bemerkt, dass er eine Kranke mit Sderodactylie, die
gleichzeitig an Lupus und Lungentubercnlose litt, zu beobachten Gele-
genheit hatte. Richard Fischel (Bad Hall).
Hallopeau et Nazare-A^a. Snr an oas de morphöe avec
hyperhemies et ischemie intermittentes quo tidiennes.
Soc. de derm. et syph. 1900. 1. Fevrier.
Bei dem 28jährigen, sonst gesunden Manne entwickelte sich ander
linken Planta ein eliptischer Herd mit den typischen Erscheinungen der
Morphea. Diese bot er aber nur im Verlauf des Tages, während er am
Morgen eine ziegelrothe Farbe hatte. Die Temperatur über demselben er-
höht. Nach einigen Stunden wurde die befallene Partie blass, perl-
mutterglänzend, von speckartigem Aussehen; nur an der Peripherie ein
458 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
röthlicher Rand. Dieser Wechsel von Hyper- und Ischaemie wurde bisher
noch nicht beobachtet und lässt erkennen, dass locale Störungen der
yasomot. Innervation eine bedeutende Rolle in der Pathogenese der Er-
krankung spielen. Die Affection bietet auch durch die über dem Plaque
beobachtete Schweisshypersecretion im Gegensatz sur gewöhnlich vor-
herrschenden Anidrose ein Interesse. Der galvanische Strom schien einen
günstigen Heileffect zu haben.
Besnier und Hallopeau bemerken in der Discussion, stets voll-
ständige Restitutio ad integrum beobachtet zu haben.
Richard F i s o h e 1 (Bad Hall).
Weber Parkes, F. Trophic disorder of the feet: an ano-
malous and assymetrical case of Sclerodaoty lia with Ray-
naud's phenomena. Brit. Journ. of Denn. 1901.
Ein deutscher Kellner, A. B., S6 Jahre alt, zeigte Gontractur der
Muskeln des linken Beines mit anschliessendtsr Pes equinns- Stellang des
betreffenden Fusses, die Haut über den Zehen und Fussrücken zart, livid,
fühlt sich meist kalt an. In der Wärme hat Fat. Schmerzen, ebenso
auch in der Kälte, doch sind die Schmerzen nicht von der Art, wie bei
Erythromelalgie. Ueber der grossen Zehe Geschwursbildung, die vierte
und fünfte Zehe überhaupt fehlend. An der grossen Zehe Fehlen des
Nagels, an der zweiten und dritten nur hornige Klumpen statt der Nägel.
An der linken Ferae findet sich eine grosse vertiefte Narbe, eine ähn-
liche auch an der Ferse und der grossen Zehe des rechten Fusses. Der
letztere erscheint bis auf mehrere kleine Narben und rothen Flecken
oder abnorme Pigmentationen sonst normal. Nervenstatus ergibt : erhöhte
Sehnenreflexe links, verminderte rechts, galvanische und faradische Erreg-
barkeit der Muskeln normal, Pnpillenreaction exact, keine Sensibilitäts-
störungen wie bei Syringom yelie.
Pat. war bis vor zwei Jahren gesund, entstammt, so weit er unter-
richtet erscheint, keiner psychisch belasteten Familie. Die Affection
begann mit Anschwellung der Fasse, in denen bald auch Schmerzen
auftraten. Während die Schwellung in kurzer Zeit zurückging, bildeten
sich Blasen an den Sohlen und oberflächliche Geschwüre an den Fersen
und Zehen. Die vierte linke Zehe zeigte nun schwärzliche Verfärbung,
fiel bald darauf ab, später wiederholte sich derselbe Process an der fünften
Zehe mit gleichem Ausgang. Pat. gerieth in grösste Verzweiflung, ver-
suchte einen Selbstmord, verfiel nach Heilung seiner Schuiswunde in
Trübsinn, weshalb er in eine Irrenanstalt gebracht wurde. Dort bildete
sich erst die Pes equinus -Stellung aus, zugleich beobachtete man an dem
Patienten das Auftreten heftiger clonischer Krämpfe. Gebessert aus der
Irrenanstalt entlassen, kam Patient in das deutsche Hospital in London,
wo er soweit gebessert wurde, dass die Krämpfe sistirten und die Ge-
schwüre an den Füssen zumeist abheilten.
Differential-diagnostisch war an Raynand*sche Krankheit, Sole-,
rodactylia, Syringomyelie (im unteren Lumbaimark), periphere Neuritis»
Arteriitis obliterans und Lepra zu denken. Verfasser bespricht anifUhr-
der Hautkrankheiten. 459
lieh die differential-diagnostischen Momente und kommt schliessliob, da
das Erankheitsbild auf keine der obigen Krankheiten allein passt, zu
dem Schlüsse, dass es sich wohl um eine Combination und zwar wahr-
scheinlich von Sclerodactylie mit Ray na u duschen Phänomenen handelt.
Robert Herz (Prag).
Fonmier, A. et Dentot. Denx oas de vitiligo. Soc. de
derm. etc. 1900. 8. Decembre.
Bei zwei syphilitischen Individuen wird die Vitiligo auf eine trau-
matische Ursache zurückgeführt. Bei der einen auf eine Bandage einer
Prothese, wo sich die Affection entsprechend den dem Drucke ausge-
setzten Stellen entwickelte, bei der zweiten generali sirten Y. auf eine
Hysterektomia totalis. Richard Fi so hei (Bad Hai).
Barth^lemy. Notesur Iesdph61ides(eph61ides et naevi).
Soc. de derm. etc. 7. Juin 1900.
Durch vorgelegte Photographien und Aquarelle zeigt Barth e-
lemy die Aehnlichkeit zwischen Epheliden und Nae vis, so dass es manch-
mal schwer wird die Differentialdiagnose zu machen. Sind die Sommer-
sprossen nicht vielleicht „naevi frustes", welche die Sonne erst hervor-
treten lässt? Gestützt wird diese (übrigens schon lange bekannte, Ref.)
Theorie dadurch, dass die Naevi hauptsächlich bei hereditär belasteten,
wenn nicht gerade missbildeten, so doch von verschiedenen Stigmaten
(Störungen der Entwicklung) betroffenen Individuen auftritt. Das Ueber-
wiegen der Epheliden beim weiblichen Geschlecht kann nicht auf die
Zartheit der Haut bei demselben zurückgeführt werden, da bei Säuglingen,
die die zarteste Haut besitzen, Epheliden gar nicht beobachtet werden.
Mit der Pigmentfunction der Haut scheint es auch im Zusammenhang
zu stehen, dass ganz junge Kinder von Pigmentsyphiliden nicht befallen
werden.
Fonrnier bestätigt die letzte Behauptung Barthelemy's. Bei
RöntgenisiruDg hat er in der Umgebupg syph. Ulcerationen (ähnlich wie
bei Schwangeren) einen braunen Streifen an Stirn und Schläfen auftreten
gesehen, welcher sich auf die specifische Therapie hin ebenso wie die
Ulcerationen rückbildete. Richard Fischöl (Bad Hall).
Chstin. Note sur un cas de melanodermie phtiria-
sique avec cachexie et pigmentation de la muqueuse buc-
cale. Annales de dermat. etc. 1900, p. 1213.
Nach einem kurzen Bericht der spärlichen Literaturangaben wird
die Krankengeschichte eines selbst beobachteten Falles mitgetheilt. Bei
dem 78jährigen Lumpensammler fand sich Melanodermie der Haut und
der Wangenschleimhaut, nebst den Erscheinungen allgemeiner
Schwäche, Schmerzen in der Lendengegend und im Epigastrium; die
Lungen erschienen auf Tuberculose verdächtig, so dass man anfänglich
an einen Morbus Adisonii denken musste. Die rasche Erholung des Pa-
tienten, mit der ein Verschwinden der Pigmentflecke einherging, die
Pigmentationen der Haut, die sich vornehmlich an Stellen intensiverer
Berührung des Körpers mit den Kleidern fanden, während die Liebling^-
460 Bericht über die Leistiingen auf dem Gebiete
localisation des M. Adisoiiii Mammilar und Genitalgend nicht af&eirt
war, liessen die richtige Diagnose stellen. Die Beseichnnng „pseudonia-
ladie broozee^, die ihr Greenow gab, h< Chatin für entsprechend.
Richard Fischel (Bad Hall).
Schamlierg, Jay F. A pecaliar progressive pigmentary
disease ofthe skin. British Journ. of Derm. 1901.
Der Fall betrifft einen 16jährigen, vorher gesunden Knaben, bei
dem sich im Alter von 11 Jahren an den Streckseiten beider Unter-
schenkel kleine rdtbliohe Flecke bildeten, die ganz allmälig sich an
grösseren, anregelmässig begrenzten Herden vergrösserten, indem an der
Peripherie neue Flecken hinzutraten. Dieselben waren von keinerlei
subjectiven Beschwerden begleitet, von rothbrauner Farbe, im Haut-
niveau liegend, und verschwanden nach geraumer Zeit unter Abblassung
zu gelbbraunen PigmenUtellen. Der histologische Befand einer derartigen
Makel ergab: das Stratum corneum, lucidum und granulosum normal,
dagegen im Rete mucosum eine besonders io den tieferen Lagen deut-
lich hervortretende Anhäufung von polymorphonucleären Leukocyten.
Eine ungemein dichte Zellinfiltration fand sich jedoch in der papillären
und Bubpapillären Coriumschichte, ganz besonders um die Schweissdru-
senausführungsgänge herum. Dies führte auf die Vermuthang des ätio-
logischen Zusammenhanges zwischen den erkrankten Hautpartien und
dem Schweissdrüsenapparat, eine Vermuthung, zu deren Bestätigung die
Excision und Untersuchung der Flecke in den verschiedenen Krankheits-
stadien noth wendig gewesen wäre, was jedoch vom Verfasser unterlassen
wurde. Derselbe wendet sich am Schlüsse der diesbezüglichen Literatur
zu; er glaubt, dass das vorliegende Krankheitsbild die meiste Aehnlich-
keit mit einer von Hutchinson und C r o c k e r beschriebenen Haut-
affection haben dürfte, die von Hutchinson als „Angioma serpigi-
nosum** bezeichnet worden war. Robert Herz (Prag).
Halle, Aug., Leipzig (Klinik Prof. Riehl). Ein Beitrag zur
Kenntniss dos Xeroderma pigmentosum. Wiener klininische
Wocheusch. 1901, Nr. 82 und 83.
Halle gibt erst eine genaue Uebersicht über die bei diesem
Krankheitsbilde von den verschiedenen Autoren beobachteten Haut-
symptome und schliesst daran die ausführliche Krankengeschiohte eines
bei Riehl beobachteten Falles an, der auch histologisch bearbeitet warde.
6jähriges Mädchen, das bis zum zweiten Jahre gesund gewesen,
zeigt nach dem zweiten Jahre im Gesichte röt bliche und dunkle Pünkt-
chen, wie jetzt an den Händen. Vor 2 Jahren am rechten Auge Röthung,
seit einem halben Jahre auch am linken Auge. 2 Geschwister und Eltern
sind gesund. Status: Das Gesicht, und zwar Nase und linke Schläfen-
gegend mit Krusten bedeckt, die freie Haut ist dunkelroth und durch
Pigmentation braunfärbig, die Umgebung der Pigmentflecke zeigt einen
helleren Farbenton. Am behaarten Kopfe ebenfalls Röthung, Pigment
und Krusten, Vorderseite des Halses schwächer, Nackenseite stärker
geröthet und pigmentirt. Im Nacken ein Furunkel; die befallene Haut
der Haatkrankheiten. 461
unelastischer, die Augenlider mit Krusten bedeckt, Vorderarme und Finger
geröthet und pigmentirt. Nach Entfernung der Krusten am behaarten
Theile des Kopfes, oberhalb der Schläfengegend, ein sehn pfennigs tue k-
grosser umschriebener Knoten 8 Mm. hoch, von rother Farbe und leicht
granulirter Oberfläche, ebenso auf der Mitte der Stirne, Augenlider,
Schläfengegend und Brustwirbel solche Knoten; alle Herde zeigen derbe
Gonsistenz und sind scharf begrenzt.
Im weiteren Verlaufe zeigen die Knoten Vergrösserung und die
Pigmentflecke eine Zunahme; weiters am rechten äusseren Augenlide
2 Knoten, ebenso auf der linken Wange und linken Schläfenlappen; es
bildet sich im Verlaufe im Nacken eine über markstftckgrosse kegel-
förmig zulaufende Geschwulst. Die Haut im Allgemeinen zeigt eine
leichte Trockenheit, namentlich im steigenden Grade von den Ober-
schenkeln nach abwärts, Cutis marmorata, am ganzen Körper in massi-
gem Grade vorhanden, besonders an den Streckseiten der Oberschenkeln.
An den Vordemrmen Trockeaheit und dunkles Colorit auf der Streck-
eeite, neben weisslichen Flecken eine Anzahl dunkelbrauner Pigment-
flecke, an der linken Schläfe ein thalergrosser Tumor, 1 Cm. hoch, mit
papillärem Bau. Augenbefund Leuooma totale oc. d., Papilloma limbo
nasale corneae sin.
Histologische Untersuchung der Pigmentflecke, der Tumoren, des
Naevus und weisser Hautstellen in extenso mitgetheilt. Aus dem Ergeb-
nisse der histologischen Unt<>rsuchung und den Angaben in der Literatur
ist zu entnehmen, dass das klinische Symptom der weissen Flecke keinem
einheitlichen Vorgang entspricht, das Pigment entsteht niemals in den
Epithelien selbst, sondern wird von den Chromatophoren aus der Umge-
bung der Blutgefässe emporgetragen und an die Epidermiszellen abge-
geben ; die histologischen Bilder von weissen Flecken, welche keine Spur
von Atrophie zeigen, sind identisch mit den Befunden bei Vitiligoacne ;
die zweite Art weisser Flecke zeigt ausser dem Pigmentmangei eine
weitgehende narbige Umwandlung der oberen Cutislagen. Die unter-
suchten Tumoren waren ausschliesslich Epithelialcarcinome, von
der äusseren Epidermisbekleidnng ausgegangen; auch in dem beschrie-
benen weissen Flecke mit narbigen Veränderungen fanden sich makro-
skopisch nicht erkennbare Carcinomherde eingesprengt. Das Auftreten
der Carcinome im Kindesalter sei als das schwerwiegendste Symptom
des Xeroderma pigment. hervorgehoben. Difierentialdiagnose muss oft
gegen Urticaria pigmentosa, Sclerodermie im atrophisirenden Zustande
und Lepra mac. gemacht werden. Prognose und Therapie sehr ungünstig.
Victor B a n d 1 e r (Prag).
Herxheimer, K. und Hildebrand, R. Ueber Xeroderma
pigmentosum. (Aus der dermatologischen Abtheilang des städtischen
Krankenhauses zu Frankfurt a. M.) Munchener Medicinische Wochen-
schrift 1900, Nr. 32.
Herxheimer wendet sich gegen die Angaben derjenigen Autoren,
welche in dem Xeroderma pigmentosum eine absolut tödtliche Krankheit
462 Bericht über die Leistungeo auf dem Gebiete
erblicken. Als Beweis schildert er den Fall eines jetzt 70jährigen
Mannes, welcher seit 40 Jahren an Ulcus rodens verschiedener Gesichts-
partien gelitten hat, aber immer wieder hergestellt worden ist. Der Patient
bot alle typischen Erscheinungen der genannten Krankheit, wie Haut-
atrophie mit Pigmentverscbiebnngen und Teleangiektasien und Carcinom-
bildung. — 2 andere Fälle betreffen ein Geschwisterpaar, das seit frühester
Jugend an der Krankheit leidend die charakteristischen Geschwulstbil-
dungen zur Zeit der Pubertät entwickelte. Die Geschwülste wurden
exstirpirt, and bis heute sind seitdem 13 Jahre yerflosseo, ohne dass ein
Recidiv aufgetreten wäre. — Weiters bekämpft Herxheimer den Satz
von Lesser und Bruhns, dass das Alter von 8 — 4 Jahren die unterste
Grenze für die Entwicklung der bösartigen Tumoren darstelle und dass
Tumoren, welche in solcher Zeit zur Entwicklung kommen, die Krank-
heit als besonders maligne charakterisiren. Ein jetzt 6 jähr. Mädchen
wurde von 6 Geschwistern allein befallen, und zwar traten schon im
ersten Lebensjahr braune Flecken auf, welche kurz darauf zur ersten
Garcinombildung fährten. Diese Geschwulst wurde wie einige spätere
chirurgisch entfernt. Der Gesundheitszustand des Kindes ist jetzt ein
sehr guter. Es ist die Aussicht vorhanden, dass endlich ein Stillstand
in der Entwicklung der Carcinome eintritt und dass eine directe Ge-
fahrdung des Lebens völlig auszuscbliessen ist.
V. Notthafft (München).
Karwow§ki, A. v. Ein Fall von Hypertrichosis auf
einem von gonorrhoischem Gelenkrheumatismus ergrif-
fenen Arm. Monatsh. f. prakt. Derm. Bd. XXXIU.
Der Patient Karwowski^s erkrankte zu Beginn der 4. Woche
seiner acuten Gonorrhoe an einer sehr heftigen und schmerzhaften Ent-
zündung des rechten Handgelenkes. Ca. 8 Wochen später war der vorher
haarlose rechte Unterarm mit dunklen, bis 2 Gm. langen Haaren vom
Handrücken bis zum Ellbogen bedeckt. K. erörtert nun den Grund dieses
Haarwachsthumes. Die Annahme, dass die durch die Entzündung be-
dingte stärkere Blutzufuhr einerseits, die vorgenommenen Jodpinselungen
und feuchtwarmen Umschläge andererseits den Reiz zum Haarwachsthum
gegeben haben, bezweifelt K., nachdem die Hypertrichosis über das er-
krankte Gelenk hinausging. Plausibler erscheint ihm die Theorie
Leyden's, nach welcher die Hypertrichosis als trophoneurotische Stö-
rung zu betrachten ist, wobei die Hypertrophie der epidermoidalen Ge-
bilde eine Gompensation für die Atrophie der Muskulatur (nach Schuss-
fracturen, Verletzungen u. s. w.) darstellt. Dann müsste sie aber doch
viel häufiger bei einschlägigen Fällen auftreten. Verf. möchte die Möglich-
keit nicht ganz von der Hand weisen, dass die specifischen Toxine der
Gonococcen die Schuld tragen, die, so wie sie Entzündungserscheinungen
und Wuchern epidermoidaler Gebilde an der Haut hervorrufen, auch die
Haarpapillen zu stärkerer Thätigkeit anregen können.
Ludwig Waelsch (Prag).
der Haatkrankheiten. 463
Jaquet, L. Les rapports ae la pelade avcc les l^sion s
dentaires. Soo. de denn. etc. 8. November 1900.
Nach Erörterung der entwicklungsgeschichtlichen Beziehungen
zwischen Haar- und Zahnbildung bringt J a q u e t statistische Daten, um
ein AbhängigkeitayerhältnisB zwischen Pelade und Garies dentium zu be-
weisen. Von 40 mit Pelade behafteten Personen konnte er bei 40 unter
80 Ascendenten eruiren, dass 23 ein sehr defectes Gebiss aufwiesen.
(6 Väter, 17 Mütter.) Unter den Erkrankten selbst zeigten 6 ein mittel-
massiges, 31 ein sehr defectes und 3 ein normales Gebiss. Bei den Er-
wachsenen war auch in einem grossen Percentsatz Entwicklungshemmung
des Bartes zu constatiren. Hypothetische Erörterungen machen den Be-
schluBs des Vortrags.
Barthelemy weist auf den Einfluss der heredit&ren und acqui-
rirten Lues : auf die Zahnbildung bei ersterer und auf das Wachsthum
der Haare und Nägel bei letzterer hin.
Moty bestreitet ein Abhängigkeitsverhältniss zwischen Haar- nnd
Zahnentwicklnng, da die Frauen in der Normandie bei einem mächtigen
Haarwuchs schlechte Zähne haben, im Gegensatz zu den Männern, bei
denen ein umgekehrtes Verhältniss Platz greift.
Gastou betont die Beziehungen zwischen Haarausfall, Zahner-
kranknngen und Pigmentation während der Schwangerschaft.
Richard Fischöl (Bad Hall).
Foamier, Bdmond. Pelade ou plutöt agenesie pilaire
generale, h^reditaire, cong6nitale et permanente, sur cinq
membres de trois generations. Onyxis concomitant des
ongles des mains. Soo. de derm. etc. 5. Jouillet 1900.
Vorstellung eines 12jährigen Knaben, dessen Grossmutter, Vater,
Tante und Bruder dieselbe congenitale Affection aufweisen. Die Kopf-
haut ist von nur 3—4 Mm. langen, kaum sichtbaren Haaren bedeckt.
Augenbrauen, Achsel- und Schamhaare fehlen gänzlich. Die Nägel sind
verdickt, hart, von dunklerer Farbe, in Folge einer in letzter Zeit auf-
getretenen Eiterung vom Nagelfalz bis auf eine Seite abgelöst.
Sabouraud macht darauf aufmerksam, dass der Vater des Kna-
ben an der Handfläche und an den Nagelrändem dieselben Veränderun-
gen aufweist. Es handelt sich nach seiner Meinung um eine Affection
des ganzen Integuments, nicht nur der Kopfhaut und der Nägel.
Richard Fisch el (Bad Hall).
Kann. Zur Aetiologie der Alopecia praematura Sim-
plex. Monatsh. f. prakt. Derm. Bd. XXXIII.
Kann sieht die Ursache des vorzeitigen Haarausfalles in Schädi-
gungen der Kopfhaut durch Unterbinden ihrer Function (Bedeckung durch
den Hut, wodurch Athmung und Temperaturregulirung Circulation ge-
stört werden), durch das Femhalten ihrer specifischen Reize (Licht und
Luft), durch Störungen in Ernährung und Innervation. Alle diese Mo-
mente wirken zusammen und können dazu führen, dass der so ge-
464 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
schwächte Haarboden schädigenden Mikroorganismen gegenüber sich
weniger widerstandsfähig erweist. Ludwig W a e 1 s c h (Prag).
Ossipow, y. P. Ein Fall von angebornem partiellen
Haarmangel in Beziehung zur Haarempfindlichkeit Neuro-
logisches Centralblatt 1901, Nr. U.
Der von Ossipo w uutersuchte Patient befindet sich in der Heidel-
berger Klinik in ambulanter Behandlung; er ist ein 38 jähriger Friseur
und leidet an angeborenem partiellen Haarmangel ; er hatte znr Zeit der
erstmaligen Inspection auf dem Kopfe im ganzen 6 gut entwickelte
Haare; daneben waren nicht einmal Lanngo-Haare angedeutet; dagegen
waren Wollhaare über den Ohren vorhanden, am Nacken und im Gesicht.
Nach einigen Tagen fiel ein Haar aus, so dass 6 Haare übrig blieben,
von denen linkerseits eins in der Scheitel- und eins in der Nacken-
gegend sass; die drei anderen befanden sich auf der rechten Seite und
waren hintereinander in Abständen von je 5 Gm. angeordnet. Am oberen
Theil der Achselhöhlen, au Unterschenkeln und Waden fehlten die Haare
vollständig. Ossipow arguroentirt nun folgendermassen : ,Wenn die
von Bechterew aufgestellte Behauptung richtig ist, dass die Haar-
empfindlichkeit eine Art der Hautsensibilitat sui generis darstellt, dann
muss in Folge von Atrophie oder mangelhafter Entwicklung der im
Bereich der Haarbälge gelegenen Nervenendigungen ausschliesslich
die Haarempfindlichkeit beeinträchtigt werden, dagegen müssen die
übrigen Qualitäten der Hautsensibilität durchaus intact bleiben.* Die
eingehende Senaibilitätsprüfung bei dem Patienten ergab nun erstens,
dass er die Berührung von je einem Haar auf der linken und auf der
rechten Seite des Kopfes deutlich wahrnahm und richtig localisirte; bei
den drei übrigen Haaren Hess sich theils völlige Empfindungslosigkeit,
theils hochgradig herabgesetzte Sensibilität constatiren. An allen sonstigen
behaarten Stellen der Haut war die Haarempfindlichkeit normal. Anden
haarlosen Hautstellen waren Schmerz- und Temperatur- Empfindlichkeit
gut, und zwar ebenso gut wie an den behaarten Hautstellen ausgebildet.
Bei der Prüfung der tactilen Sensibilität ergab sich, dass der Kranke
mit Deutlichkeit zarte Berührungen wahrnahm auch an den haarfreien
Bezirken der Haut. Aus dem völligen Erhaltensein der übrigen Quali-
täten der Hautsensibilität zieht nun 0. den Schluss, dass das Vorhanden-
sein der die Reizung der Haare wahrnehmenden Nervenendigungen für
die Aeusserung der übrigen Qualitäten der Hautsensibilität keine wesent-
liche Bedeutung hat. Durch das Ergebniss seiner Untersuchung scheint
dem Autor der Beweis für die Selbständigkeit der Haarempfindlichkeit
erbracht. Max Marcuse (Frankfurt a/M).
Pope, E. M. and Clarke A. Gases of A c r omegaly and
infantile Myxoedema occuring respectively in Father and
Daughter. British Med. Journ. 1. Dec. 1900.
Ein 38j ähriger Mann hatte vor 9 Jahren einen Echinococcus, der
ins Abdomen durchbrach. Seit kurzem ein neuer Abscess in der rechten
Lumbaigegend. Keine Hydatiden nachweisbar. Im December 1899 klagte
der Haatkrankheiten. 4ß5
er Aber Schwäche, rheumatische Schmerzen, Steifigkeit der Hände, and Aber
Unvermögen die Hand zur Faust zu ballen, Symptome, die seit 4 Jahren
bestanden und sich verschlimmerten, zeitweise Kopfschmerz, keine Brust-
erkrankung. Status praes. : Die Hände breit, massiv die Finger „warst-
formig'', die Enden derselben aufgetrieben, an der Handfläche und der
Unterseite der Finger die Haut stark verdickt. Die Hand kann nicht
zur Faust geballt werden. Die Handgelenke und der untere Theil des
Radius und der Ulna massig vergrössert. Diese Erscheinung beiderseits
symmetrisch. Die Füsse sehr gross. Die Arcus supraorbitales prominent,
der Unterkiefer verlängert. Die Processus alveolar, nicht verdickt. Die
Zunge vergprössert, die Thyreoidea und die übrigen Knochen normal.
Bitemporale Hemianopsie, das Gesichtsfeld links eingeengt. Gehör, Ge-
ruch, Gefühl normal. Auf Darreichung von Thyreoidextract Verringerung
der Schmerzen, Beweglichkeit der Finger, Abnahme der Schwäche.
Diagnose: Acromegalie. Die Form der Finger spricht zwar dagegen,
doch ist keine Lungenerkrankung vorhanden.
Der II. Fall betrifft sein ältestes Kind, ein 20jährige8 Mädchen.
Ihre einzige frühere Erkrankung Keuchhusten. Im Alter von 5 Jahren be-
merkten die Eltern, dass das Kind geistig und körperlich zurückblieb.
Sie kam mit 16 Jahren zuerst in Behandlung und war damals 3 Fuss
4V, Zoll hoch. Die Intelligenz war die eines Kindes von 4 — 6 Jahren.
Patientin hatte eine schwere Aussprache, ihre Lippen waren wulstig, die
Nase flach, die Haut trocken, die Hände schanfelformig. Ueber den
Glaviculae deutliche Fettpolster, das gewöhnliche derbe Oedem war über
den ganzen Körper nachweisbar. Die Thyreoidea nicht fühlbar, die
Temperatur häufig 36^ der Puls 60. Aehnliche Erkrankungen, doch
mehr in Bezug auf Acromegaly sollen auch bei anderen Familienmit-
gliedern aufgetreten sein.
Verf. weist darauf hin, dass auch andere Autoren auf ähnliche
Punkte zwischen beiden Krankheitsformen hinweisen, so ist nach Stern-
berg bei Cretins die Zunge gross, die Lippen sind wulstig, die Nase
dick, die langen Knochen erscheinen dick und massig in Folge mangel-
haften Wachsthums. Der Schädel ist wie bei Acromegalie ein Craniam
progeneum. Die Hypophyse häufig in solchen Fällen vergrössert, des-
gleichen erinnert die Haut der Hände bei Acromegalie an den Befund bei
Myxödem. Auch die Intelligenz ist herabgesetzt, wenn auch nicht in
dem Masse, wie bei Myxödem, endlich ist bei Acromegalie die Thyreoidea
selten histologisch normal. R. Böhm (Prag).
Lodge, Percy. A Gase bearing up the Pathology of
Acromegaly. Brit. Med. Journ. July 28, 1900.
Ein SSjähriger Mann klagte im Jänner 1898 über Steifigkeit des
rechten Beines. An&nglich schwand dieses Symptom, um später dauernd
zu bleiben. Das Knie war geschwollen, in leichter Flexionsstellung und
nur unter Schmerzen beweglich. Die Hautvenen an der Innenseite des
Knies waren dilatirt. Die Schwellung des Knies resultirte hauptsächlich
aus einer VergrÖsserung des proximalen Tibiaendes und hier wiederuia
Areh. f. Dennat. n. Syph. Bd. LXIII. 30
466 Beriebt über die Leistungen aaf dem Gebiete
namentlich der Pars poplitea. Vom Beginne der AflPeotion bis xa diesem
Befunde waren ca. 12 Monate yerstrioben. Im Juni 1898 operative Unter-
suchung des Markgewebes im Tibiaende. Kein Eiter, keine Absoess-
bildung, nur subperiostale Verdickung. Naoh reiflicher Uoberlegnng am
21. Juli Amputation im untern Drittel des Femur, nach vorherigem Ein-
schneiden in das verdickte Gewebe, wobei es sich zeigte, dass ein malig-
ner Tumor vorlag. Die nachherige luspection und mikroskopische Unter-
suchung ergab ein Rundzellensarcom, ausgehend vom Periost.
Befriedigende Heilung. 9 Monate nachher begannen sich beide
H&nde des Patienten eu vergrössem und eine ähnliche Grössenzunahme
des bisher gesunden Knies aufzutreten. Die Hände wurden enorm gross,
waren aber symmetrisch, von geringer Beweglichkeit, die Finger «wurst-
ähnlich". Später Abnahme der Intelligenz, Abnahme des Körpei*ge-
wichtes, am 28. August 1899 Exitus. Verf. weist darauf hin, dass auch
in anderen bekannten Fällen ein Sarcom die Ursache der Aeromegalie war.
R. B ö h m (Prag).
Grünberg. Beiträge zur vergleichenden Morphologie
der Leukocyten. (Virch. Archiv, Bd. 163, Heft 2. 1901.)
Den Untersuchungen Grünbergs liegt die Absicht zu Grande,
eine allgemeine ^ebersicht über das Vorkommen und die Verbreitung,
sowie die morphologische Beschaffenheit der sogenannten Granulationen
im Blute der verschiedenen grossen Glassen der Wirbelthiere zu geben; sie
erstrecken sich auf Repräsentsnten aus der Classe der Fische, Amphibien,
Reptilien und Vögel (Scyllium catulus, Siredon pisciformis, Triton cri-
Status, Rana temporaria, Lacerta muralis, Anguis fragilis, Tropidonotus
natrix, Huhn, Sperling). Trotz der grossen Verschiedenheiten im morpho-
logischen Verhalten der farblosen Bestandtheile des Blutes finden sich,
namentlich im gröberen Bau der Zellen, doch gewisse Uebereinstimmungen
bei allein untersuchten Thieren. Als stets wiederkehrende, farblose zellige
Bestandtheile des Blutes finden sich Leukocyten von verschiedener Grosse
mit grossem Kern und sehr schmalem Zelleib; Verfasser bezeichnet sie
wegen der Uebereinstimmung mit den Lymphooyten des menschlichen
Blutes als „Lymphocyten** ; femer „Uebergangsformen**, das sind jene
einkernige Leukocyten, die eine Mittelstellung zwischen Lymphocyten
und polymorphkernigen Leukocyten einnehmen; fast regelmässig finden
sich drittens polymorphkernige Leukocyten. Was die Form der Zellen
betrifft, so sind zwei Haupttypen zu unterscheiden, die Rund- und die
Spindelform. Verf. bespricht dann die Differenzen bezüglich der speci-
fischen Granulationen, ihres tinctoriellen Verhaltens, ihrer Form und
ihres Vorkommens in dieser oder jener Zellengruppe bei verschiedenen
Thieren. Was die basophilen Granulationen betrifft, wurde die f) -Granu-
lation — zum Unterschiede vom Blute des Menschen und der Säuge-
thiere, wo sie regelmässig in vielen Lymphocyten angetroffen werden ^
bei keinem der untersuchten Thiere gefunden; alle vorgefundenen baso-
philen Granula erwiesen sich ihren tinctoriellen Eigenschaften naoh als
V.U den sog. y oder Mastzellengrannlationen gehörig. Neutrophile Grann-
der Hautkrankheiten. 467
lationen wurden bemerkenawerthor Weise nur zweimal gefunden; digeji^en
fanden sich die acydophilen Granula regelmässig bei allea unter-
suchten Thieren. Dieselben zeigen aber bezüglich ihrer morphologischen
Yerhältoisse sehr grosse Unterschiede; der Form nach las^ea sich unte r
ihnen zwei Gruppen anterscheiden, „krystalloide^ und „nichtkryatalloide*'.
Die ersteren lassen eine gewisse, regelmässige, krystallähnliche Form
erkennen. Die gefundenen acidopbilen Granulationen sind in den aller-
meisten Fällen eosinophil. Die Zellen, welche die acidophilen Granu-
lationen enthalten, sind meist polymorph- oder mehrkernige Leukocyten.
Alfred Kraus (Prag).
Royd§, Jones C. Liquor Thyreoidei in Haemophilia. Brit.
Medical Journal. Novemb. 10. 1900.
Ein 8j ähriges Mädchen litt von Kindheit an starken Blutungen der
Schleimhäute und des Digestionstractes (alle zwei bis drei Wochen).
Gaben von Eisen, Leberthran, Acid. sulf., Kalk, Arsenik blieben ohne
Erfolg, bis die Aufmerksamkeit des Verfassers darauf gelenkt wurde,
dass Delace in einem solchen Falle mit Erfolg liquor thyroidei gegeben
hatte. Er versuchte es gleichfalls und gab dmal täglich, 4 Tropfen,
beginnend am 1. Mai. 14 Tage später trat noch eine leichte Blatung auf.
Patientin nahm das .Viittel durch sechs Wochen. Seit dieser Zeit keine
Blutungen mehr. Das Kind sah stärker und gesünder aus wie früher.
R. Böhm (Prag).
Fieisehl v., Rom. Ueber Fanghi di Sclafani, ein wenig
bekanntes bei Acne Rosacea sehr wirksames Mittel. Wiener
klinische Wochenschrift. 1901, Nr. 49.
Fanghi ^di Sclafani ist eine Erde vuloanischen Ursprungs, die in
Sicilien (Sclafani) gefunden wird und nach der chemischen Untersuchung
Prof. Egli in Zürich hauptsächlich aus elementarem Schwefel in sehr
feiner krystallinisoher Form besteht, daneben sind Strontiumsulfat, Baryt,
Gyps und verschiedene Silicate vorhanden; mikroskopisch zeigt sich bei
demselben der Schwefel in einem viel feineren Aggregatzustand als bei
Lac sulfur oder Flores sulf. Die Anwendungsweise ist folgende : 0*05 Gr.
Fanghi auf 2 Gr. Wasser werden in einer Schale verrieben und diese
milcbigtrübe Flüssigkeit mit der Fingerspitze tropfenweise Abends vor
dem Schlafengehen auf die rothen Hautpartien aufgetragen. Früh ist nach
Verdunstung des Wassers die Haut wie mit Puder bestreut, welches mit
Wasser und Abtupfen entfernt wird. Die Daner der Cur beträgt 14 Tage
bis einige Monate und kann vom Patienten unter Controle des Arztes
selbst geübt werden. In leichteren Fällen erzielte Fleischl glänzende
Erfolge mit dem Mittel, die Wirkung schreibt er dem hohen Schwefel-
gehalt 807o 2u; bezogen wird die Fanghi di Sclafani bei Janssen Far-
macia tedesoa Via de' fossi Florenz. 1 Kilogramm 8 Mark.
Victor Band 1er (Prag).
Thorborn, William. A clinical Leoture on Varix. British
Medical Journal. Nov. 17. 1900.
Verfasser theilt die Ursachen der Varicenbildung in 3 Classen:
30*
468 Bericht über die Leistongen aaf dem Gebiete
1. Angeborene Vergrösserung der Venen oder Schwäche der Wandung
nnd Klappen. 2. Behinderung des Blutabflusses aus den Venen. 3. Ver-
mehrung des Blut Zuflusses zu den Venen. Des weiteren behandelt er ein-
gehend die Aetiologie, Entwicklung und Complicationen der Varicen.
Therapeutisch bespricht er hauptsächlich die Behandlung vom operativen
Standpunkt aus. Verfasser ist der Meinung, dass es sich in den meisten
Fällen um einen congenitalen Gefassdefect handelt.
R. Böhm (Prag).
Behrmanu. Luftkissen zur Beseitigung von Malern und
Gefässgesohwülsten. Aerztliche Polytechnik, 1901, Nr. 7.
Die von Be-hrmann erfundenen Kissen, über deren Gonstrnction
im Original nachgelesen werden muss, wirken durch elastischen Druck,
bei dessen methodischer Anwendung kleinere Teleangiektasien völlig zum
Schwinden, grosse Maler und Angiome wenigstens zum Abblassen gebracht
werden können. Max Marcus e (Frankfurt a. M.).
Uallopeau et Trastour. Sur un cas de naevus angiomateux
de l'avant bras avec hypertrophie et hyperk^ratose. Soc. de
derm. etc. 3. Mai 1900.
Seit dem 3. Lebenstage bemerkten die Eltern bei dem jetzt S Jahre
alten Kinde weinhefefarbige Flecken bis zu öOcentimes Grösse am Dorsum
der rechten Hand, über dem Handgelenk, Vorderarm (auch an der vor-
deren inneren Fläche) und in ger. Ausdehnung und Menge am Oberarm.
Die Zahl derselben hat nicht zugenommen, die Farbe sich nicht geändert.
Dazu kommt eine Hypertrophie der Extremität, die an der Hand am
ausgesprochensten ist und sich nicht bloss auf die Haut, sondern auf das
Glied in toto zu erstrecken scheint. Bildung von Krusten und rissigen
warzenartigen Schuppen über einzelnen angiomatösen Herden. Die Hyper-
trophie der Extremität und die Proliferation des Papillarkörpers und der
Epidermis haben ihren Grund in der Ueberernährung durch die ver-
mehrte Blutmenge, die die erweiterten (befasse unaufhörlich zufahren.
Es handelt sich um ein Angiokeratom, bei welchem die Hypertrophie der
Gliedmasse nur der Ausdruck einer grösseren Ausdehnung des Processes ist.
Hichard Fisohel (Bad Hall).
Audry. Sur un angio-epith61ioma de la peau. Soc. de
derm. etc. 7. Juin 1901.
Es handelt sich um ein subepidermoidal gelegenes Epitheliom (bei
einem 45jährigen Luetiker über der rechten Augenbraue) mit langsamem
Fortscbreiten, mit dichtem und reichem Stroma analog dem Typus des
Ulcus rodens combinirt mit oberflächlicher Angiombildung. Audry denkt
an eine Neoplasie embryonalen Ursprungs (Cohnheim). Die G^chwulst
hat jedoch mit den Naevus carcinomen Unna's keine Aehnlichkeit.
Richard Fischel (Bad HaU).
8ellei, J. Lymphangioma cutis. Monatshefte f. prakt Donna-
tologie. Bd. XXXHI.
Der erste Beginn der Erkrankung datirte im Falle Sellei^
welcher einen 18jährigen Kranken betraf, in das früheste Kindesalter
der Hantkrankheiten. 469
zurück. Vor 6 Jahren entwickelten sich nnter starkem Fieber nene
Eruptionen. Gegenwärtig localisirte sich die Affection in handgrosser Aus-
breitung über dem linken Schulterblatte und zog sich gegen die Fossa
axillaris hin. Neben kleineren, nach Anstechen Lymphe entleerenden
Bläschen und Blasen fanden sich angiomatöse Veränderungen, ferner
warzenähnliche Gebilde. Histologisch ergab sich der bekannte Befund
l^osser, stark erweiterter Lymphräume in der Papillär- und Subpapillar-
schicht nebst Wucherung des Lymphendothels mit Bildung neuer Lymph-
gefasse und -höhlen. In der Nachbarschaft der Lymph- und Blutgefässe
entzündliche Veränderungen. Das Auftreten der kleineren Hämorrhagien
an der Basis der Bläschen und die kleineren Angiome erklärt S. in der
Weise, dass die Stauung in den Lymphgefassen zuerst die Ueberfüllung
-der Capillaren und dann deren Berstung verursachte.
Ludwig Waelsch (Prag).
Johnston, J. C. New-York. Ein Fall von Angiosarcoma
multiplex der Haut. Journal of cutaneous and genito-urinary diseases.
März 190L
Ein gut genährtes, 16 Monate altes Kind zeigte am Körper zerstreut
mehrere haselnussgrosse, weiche, bewegliche, nicht pigmentirte, erhabene
von normaler Oberhaut bedeckte Knoten, welche gleichzeitig entstanden
zu sein schienen. Die histologische Untersuchung eines excidirten Tumors
•ergibt, dass die Neubildung aus den Blutgefässen der subcutanen Fett-
schichte ausgeht und lobulär sich gestaltet. Die Läppchen bestehen aus
erweiterten Blutgefässen mit geschwelltem Endothelium, woran netzartig
Zellmassen lagern, welche den embryonischen Endothelien gleichartig
sich verhalten. Es handelt sich hier demnach um eine Gefassneubildung,
4)ine Art Hämangio Endothelioma. A.B. Berk (New-Tork).
Gottheil, William G. Adenoma Sebaceum of the Non-
Symmetrical Type. Jonrn. Amer. Med. Associat. XXXVH. 176.
Juli 20. 1901.
In dem von Gottheil beschriebenen Falle befand sich die
Geschwulst oberhalb des rechten Scheitelbeins, ungefähr iVt Zoll von der
vorderen Haargrenze entfernt. Sie bildete eine ungeföhr 2Vt Zoll lange,
V« Zoll breite flache Erhebung mit etwas gerunzelter Oberfläche und mit
spärlichen Lanugohaaren bedeckt, von rötblich-gelber Farbe, einen
deutlich umschriebenen Tumor darstellend. Die Diagnose wurde erst ans
dem mikroskopischen Befunde gemacht, welcher durch eine Mikrophoto-
graphie dargestellt wird. Dieselbe zeigt bedeutende Hypertrophie der
glandnl. sebaoeae, die normale Form und Ausfuhrungsgänge zeigen. Jede
Drüse ist von einer dünnen Kapsel von fibrösem Gewebe umgeben, die
Epithelsohichte ist bedeutend verdickt, die Papillen des Corium hyper-
trophisch, so dass das Bild zum Theil dem gutartigen Epitheliom ähnelt.
Die vereinzelten Haarpapillen sind klein und atrophisch, die Schweiss-
drüsen sind unverändert. Verlängerungen des Epithels und degenerirte
Zellnester sind abwesend. H. G. Klotz (New-York).
470 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Hallopeaa. Sur ane recidive d'öpithelioma du nes
epargnant les lambeaux autoplasties. Soc. de derm. 1. Mars 1900.
Zwei autoplastische Stimlappen, die zur Deckung des Substanz-
verlustes nach einer Exstirpation eines Nasen carcinoms verwendet wurden,
bliebeu von der mächtig wuchernden recidivirenden Geschwulst verschont.
Diese Thatsache spreche gegen die parasitäre Carcinomtheorie, da
nicht abzusehen ist, warum Parasiten vor den transplantirten Lappen
halt machen sollten und lässt sich besser mit der Cohnhei mischen
embryonalen Theorie in Einklang bringen. Der cellulären Hyperplasie des
Tumors setzt das Narbengewebe, das sich um die autoplastischen Lappen
gebildet hat, beim Versuch des Eindringens Widerstand entgegen.
In der weit ausgesponnenen Discussion, in welcher neue Gesichts-
punkte nicht zu Tage gefördert werden, betont Darier, dass die trans-
plantirten Lappen deshalb gesund geblieben, weil ihre Lymphbalmen
vorher nicht carcinomatös inficirt waren und nach der Umlagerung nur
eine ungenägende Lymphbahnverbindung zwischen Lappen und Epitheliom
sich etabliren konnte. Barthelemy stimmt im Wesentlichen mit ihm
überein, und hält die Infection der Lappen durch die umgebende Narben-
bilduDg nur für verzögert. Gastou bemerkt, dass er nach chirurgischer
Entfernung von Epitheliomen bei Syphilitikern immer eine Recidive mit
rapider Wucherung auftreten sah. Richard Fischel (Bad Hall).
Audry. Epitheliomatose juvenile dissemin^e des
organes genitaux externes. Journal des raaladies cutanees et
syphilitiques 1901. pag. 822.
Audry berichtet ausführlich die Krankengeschichte eines im Alter
von 86 Jahren an Epitheliomen des Penis und der Inguinalgegend zu Grunde
gegangenen Arztes. Nachdem der an einer congenitalen Phimose leidende
Patient schon im Knabenalter häufig an Balanitis gelitten hatte, zeigten
sich im 25. Jahre kleine Tumoren unter der Vorhaut, die mehrfache
Operationen, unter anderem eine von ihm selbst unter Cocainanästhesie
vorgenommene Circumcision nöthig machten und doch immer wieder
auf's neue wucherten. Später wurden auch die Inguinnldrusen befallen,
die mehrfach excochleirt wurden. Der mikroskopische Befund ergab das
Bild von Epitheliomen, während sie klinisch als Papillome imponirten.
Unter allmäliger Schwäche ging Patient, der bis ein Jahr vor seinem
Tode seine Praxis ausgeübt hatte, zu Grunde.
Paul Neisser (Beuthen 0. 8.).
Bowen, Williams. A case of roden t Ulcer treated with
pure Resorcin. British Medical Journal. Dec. 1. 1900.
Eine 70jährige Frau litt durch 12 Jahre an Ulcus rodens der linken
Nasenseite. Das Geschwür, von IV, Zoll im Durchmesser und V« ^oU
Tiefe, hatte den innem Augenwinkel und das obere Augenlid ergriffen.
Verfasser hatte schon früher Resorcin in Salbenform aber ohne
nennenswerthen Erfolg gebraucht. Da er nun von einem Falle hörte,
der mit reinem Resorcin behandelt befriedigende Erfolge aufwies,
versuchte er diese Behandlungsmethode. Application von pulverfSrmigem
der Hautkrankheiten. 4.7 1
Reeorcini anfang^s täglich, da dies aber zu schmerzhaft war, jeden zweiten
Tag. Bald zeigte sich auch Besserung. Das Geschwür reinigte sich und
wurde kleiner, die früher unregelmässige Form wurde oirculär. Endlich
Yollkommene Ausheilung. Diese erfolgte nach ungefähr zweimonatlicher
Behandlung, natürlich mit Narbencontraction. Seit einem Monal keine
Veränderung R. Böhm (Prag).
Bosfield, J. Development of rodent Ulcer from seba-
ceous Gyst. British Medical Journal. Decemb. 1. 1900.
Vor 5 Jahren beobachtete Verfasser einen Patienten, der an der
rechten Stirnseite einen circa ly, Zoll langen ovalen Tumor hatte, von
dem charakteristischen Zeichen eines Atheroms. Vor 3 Jahren röthete
sich die Geschwulst und begann sich zu erweichen. Patient, der 70 Jahre
zählte, verweigerte aber jede Operation. Spontaner Durchbruch des
Inhaltes. Auskratzung. Jodoformgazeverband. Anstatt zur Heilung, kam
es nun zu allmäliger Vergrösserung der Wunde, so dass von Zeit zu Zeit
die unterminirten Ränder entfernt werden mussten. Das Geschwür erstreckte
sich endlich über das ganze rechte Auge bis zum Ohre. Verfasser ist
kein ähnlicher Fall bekannt, dass sich aus einem Atherom ein Ulcus
rodens entwickelt hätte. R. Böhm (Prag).
Faul, F. T. Unusual Form of rodent Ülcer. British Medical
Journal. Nov. 17. 1900.
£in 43jähriger Mann hat auf der linken Seite des Gesichtes einen
Tumor von circa 5 Zoll Durchmesser und 2 — 3 Zoll Dicke, dessen Stmctur
den Drüsentypas des Ulcus rodens zeigt. Keine secundären Tumoren in
der Umgebung. Patient hatte sich vor 19 Jahren die Stelle durch einen
Stoss verletzt, die seitdem nicht verbeilte, trotzdem sie öfters operativ
behandelt wurde^ im Gegentheil vorgrösserte sich die Affection beständig.
Verfasser glaubt, dass alle Formen von sogenanntem rodent ulcer Haut-
carcinom seien. Die gewöhnliche Form sei ein Carcinom der Talgdrüsen,
während der citirte Fall wahrscheinlich seinen Ursprung von den Schweiss-
drüsen nahm. R. Böhm (Prag).
Chron, Christoph. Ein Fall von „Ulcus rodens**. Inaug.-Diss.
Kiel 1899.
In diesem Falle Ghron's handelt es sich um ein Geschwür, das
fast den ganzen rechten Nasenflügel zerstört, den Theil darüber bis zur
unteren Grenze des Nasenbeins der oberen Hautschichten beraubt und
mit gelben, dunkelbraunen Borken bedeckt hat. Der Rand des auch nach
der linken Nasenseite übergreifenden Geschwürs ist hart, nicht sehr aus-
gebuchtet und ausgenagt. Keine Drüsenschwellungen. Mikroskopisch ist
auffallend, dass sich kein deutlicher Zusammenbang der Krebszellen mit
dem Deckepithel finden lässt. £d. Oppenheimer (Strassbarg i. E.).
Krische, Friedrich. Ein Fall von primärem Krompecher-
schem drüsenartigem Oberflächenepithelkrebs im ge-
schlossenenAtherom. Bruns' Beiträge zur klin. Chirurgie. Bd. XXXI.
Heft 2. Octüber 1901.
Krisch e fand bei einem 40jährigen Manne einen taubeneigrossen.
472 Bericht über die Leistangen aaf dem Grebiete der Gesch.
randlichen, dicht unter der Haut liegenden Tumor, ca. dreifingerbreit
über der Crista ilei. Die Exstirpartion ergibt ein Atherom, aof deesen
Innenseite sich papilläre Wucherungen von ca. Erbsengrösse finden. Das
Resultat der mikroskopischen Untersuchung ist folgendes: Es liegt ein
typisches Atherom vor, in dessen Wand «ich ein dem Erompecher.
sehen „drusenartigen Oberflachenepithelkrebse* entsprechendes Carcinom
gebildet hat, das in das Lumen des Atheroms hinein gewuchert ist und
nach der anderen Seite die Wand desselben fast yollständig durchsetzt
hat. Die mit Abbildungen ausgestattete Arbeit beschliesst ein ausfuhr-
liches Literaturverzeichniss betreffend die Entstehung von Garcinomen
auf dem Boden von Atheromen, Dermoiden, Teratomen.
Arthur Alexander (Breslau).
Hertens. Garoinom auf dem Boden eines Dermoids.
Bruns' Beiträge zur klin. Ghirurgie. Band XXXI. Heft 2. October 1901.
Mertens beschreibt genau einen Fall, bei dem sich am Halse
eines 47jährigen Arbeiters links zwei subcutane, allseitig geschlossene
Dermoidcysten vorfanden, von denen die eine carcinomatös degenerirt
war, und zwar derart, dass die Wucherung des Garcinoms hauptsächlich
in das Gystenlumen hinein stattgefunden hatte. Ausserdem fand sich bei
dem Patienten noch ein krebsiger Tumor der linken Seite des Kehlkopfes,
welcher von der normalen Dermoidcyste nur durch die linke Schild-
knorpelplatte getrennt ist und wahrscheinlich einer carcinomatös degene-
rirten und nach dem Oesophagus uicenrten Dermoidcyste entspricht.
HV42 Arthur Alexander (Breslau).
Buchanzeigen und Besprechungen.
Eduard Lang: Lehrbach der Hautkrankheiten. Mit
87 Abbildungen im Text Wiesbaden. I. F. Bergmann. 1902.
Wenn auch die letzten Jahre, im Gegensätze zu früheren Zeiten,
uns eine große Zahl von Handbüchern, Kompendien und Lehrbüchern
der Dermatologie gebracht haben, so ist das' nicht als Übelstand zu be-
zeichnen, wenn Forscher und Lehrer des Faches ihre an reichem Mate-
riale in langer Arbeitszeit gesammelte Erfahrung darbieten, und ihren
Standpunkt zu einzelnen Fragen darin niederlegen. Dies gilt in hervor-
ragendem Maße von dem yorliegenden Lehrbuche der Hautkrankheiten
Längs. In gleicher Weise wie in seinen Vorlesungen über Pathologie
und Therapie der Syphilis tritt uns auch hier die Klarheit, Frische und
Gewandtheit der Darstellung entgegen, die wir mit Recht an dem Autor
so hoch schätzen. Das Lehrbuch der Hautkrankheiten ist alt Ergänzung
zu den oben erwähnten Vorlesungen über Syphilis gedacht. Ohne sich
an eines der vorhandenen Systeme zu binden oder ein neues aufzustellen
gruppiert der Verfasser die Krankheitsbilder nach klinischen Gesichts-
punkten, läßt aber dabei doch die pathologisch anatomischen Verhält-
nisse immer zu ihrem Rechte kommen, soweit es für den Zweck des
Buches dienlich erscheint. Hin und wieder freilich hätte auch hier viel-
leicht etwas mehr gegeben werden können, ohne daß die Darstellung
sich auf das Gebiet der unbewiesenen Hypothesen hätte zu wagen brau-
chen. Das gilt besonders von den Tumoren der Haut, die etwas stief-
mütterlich behandelt sind. Der Hauptwert ist, dem Charakter des
Buches entsprechend, auf die klinische Beobachtung und die Therapie
gelegt, und beiden wird der Verfasser in hervorragender Weise gerecht.
Die Ordinationsformeln finden sich am Schlüsse des Buches im Zusam-
menhange wiedergegeben. Nach den oft gemachten Erfahrungen scheint
es zweckmäßiger dieselben mit in den Text hineinzunehmen. Die Dar-
stellung der sonst durch Aufzählungen leicht ermüdend wirkenden thera-
peutischen Kapitel vnrd dadurch entschieden frischer und anregender,
während die Übersichtlichkeit und die Gebrauchsfahigkeit des ganzen
Werkes sich zweifellos dadurch erhöht.
Nach einer kurzen Schilderung der anatomischen und physiologi-
schen Verhältnisse findet die allgemeine Ätiologie eine eingehendere
Besprechung, wobei auch auf die Bedeutung der Toxine hingewiesen
474 Bnchanzeigen und Besprechungen.
wird. Daß sowohl anatomische wie funktionelle Störungen des Nerven-
systems eine Ursache für Hantleiden abgeben können, wird durch beson-
deres Eingehen auf die Arbeit von Henry Head des näheren beleuchtet.
Der Autor trennt dann bei Besprechung der allgemeinen Therapie Er-
krankungen, in denen nur die Haut befallen ist von denen, bei welchen
auch das Allgemeinbefinden gestört wird. Hier, wie in dem ganzen
Werke kommt der Satz voll und ganz zur Würdigung, daß wir nicht
Hautkrankheiten behandeln sollen, sondern kranke Menschen, kranke Or-
ganismen, und daß es eine unserer Hautaufgaben sein muß das Grund-
leiden aufzufinden, auf dessem Boden die Hauterkrankung entstanden
ist. Bei der Besprechung allgemeiner therapeutischer Maßnahmen findet
dann auch die Prophylaxe der Hautkrankheiten, die Anwendung von
Bädern, Seife, Schwämmen ebenso Beachtung wie die Frage einer ratio-
nellen Bekleidung der Hautleidenden. Als ätiologische Momente werden
dann die Stoffwechselanomalien, Diabetes, Leukämie, uratische Diathese,
Myxödem besprochen, und auf die Hauterscheinangen hingewiesen, die
im Verlauf derselben auftreten können. Auch die bei Infectionskrank-
heiten beobachteten Dermatosen finden hier Erwähnung, so die Exan-
theme bei Typhus, Diphtherie, Sepsis, Pyämie, Rheuma, denen der Autor
die Besprechung von Milzbrand und Botz anschließt. Zwanglos reiht sich
hier die Schilderung der sonst in dermatologischen Lehrbüchern meist
fehlenden exanthematiscben Krankheiten an, die schon aus differential-
diagnostischen Gründen mit herangezogen werden sollten. Es folgen dann
die eigentlichen Dermatosen. In einem besonderen Kapitel werden die
Hautgeschwüre zusammenfassend besprochen, was ebenso in dankens-
werter Weise dem praktischen Bedürfnis entgegenkommt wie die spä-
tere Schilderung der Stomatitisformen, der Aphten, des Angulus in-
fectiosus etc.
Ob es nötig und zweckmäßig ist, so viele Gruppen der Dermato-
mycosis tonsurans aufzustellen, wollen wir nicht entscheiden. Die Be-
rechtigung, die Pityriasis rosea trotz de» konstant negativen Befundes
unter die Pilzerkrankungen einzureihen, wird aber wohl kaum allgemein
anerkannt werden. Lang steht bezüglich der Psoriasis auf dem noch
von einer Reihe von Autoren geteilten Standpunkte, daß es sich um
einen mykotischen Prozeß handle. Gleichwohl wird er aber auch den
anderen Auffassungen gerecht und nimmt die Gelegenheit wahr darauf
hinzuweisen, daß das Epidermidophyton von ihm nicht mehr als Erreger
der Psoriasis angesehen werde, wie er schon mehrfach mitgeteilt habe.
Hoffentlich wird nun in Zukunft nicht wieder darauf rekurriert. Der Ver-
fasser erkennt, wie wohl die Mehrzahl der Forscher, ein mykotisches
Ekzem an und schildert es genau und ausführlich, betont aber aus-
drücklich, daß nicht jedes Ekzem als solches parasitär sei. Es dürfte
diese Ansicht wohl den Kern der zur Zeit diskutierten Ekzemfrage
treffen. Bei der Besprechung der follikulären Dermatosen finden dann
auch die Tuberkulide Berücksichtigung. Die tuberkulösen Hauterkran-
kungen faßt Lang zusammen in den Gruppen Skrofuloderma, Lupus
Buchanzeigen und Besprechangen. 476
ynlgaris, TnbercaloBis verracoBa cutis, Ulcus tuberculosum cutis (miliare,
acutum) und tuberkulöse Tumoren. Eingehend bespricht er dann die
Möglichkeiten, wie der Tuberkelbazillus in den Körper gelangen könne,
um diese schweren Erkrankungen hervorzurufen. Daß der Autor ganz
besonders ausführlich sich über die Excision des Lupus mit nachfolgender
Transplantation ausläßt, ist bei der großen erfolgreichen Tätigkeit des-
selben gerade auf diesem Gebiete 'wohl natürlich. Er wird aber auch
allen anderen Behandlungsmethoden völlig gerecht und schildert sie ein-
gehend. Besonders widmet er auch der Radiotherapie und der Finsen-
schen Phototherapie eine eingehende Schilderung. Zu bedauern ist, daß
gerade die Abbildungen, welche die Erfolge der chirurgischen Lnpus-
behandlung illustrieren sollen, so dunkel und undeutlich ausgefallen sind,
daß daraus kein Schluß auf die Erfolge gezogen werden kann. Auch
die Lepra ist ausführlich geschildert und durch einige Abbildungen er-
läutert. Die Arzneidermatosen sind an einer Zahl von Typen geschildert,
ohne daß dadurch ein erschöpfendes Bild aller eventuell vorkommenden
Exantheme gegeben würde. Besprochen finden sich nur die alier wich-
tigsten, so die Exantheme nach Chinin, Antipyrin, Quecksilber, Jod, Brom,
Arsen. Ihnen schließen sich dann dio toxischen Dermatosen Ergotismus
und Pellagra an, und weiterhin das Erythem a exsudativum multiforme
und nodosum, während der Pepmhigus zwar im Anschluß daran besprochen
aber nicht zu den toxischen Dermatosen gerechnet wird. Seine Ätiologie
läßt auch Lang unentschieden. Auf die Diätvorschriften legt der Autor
bei der Akne nicht den Wert wie die I>'ranzosen, gibt aber gleichwohl
die Wichtigkeit der Indikanausscheidung für den Prozeß zu.
Bei Besprechung der Hypertrichosis und ihrer Therapie finden
wir dann eine ausführliche Darstellung der Radiotherapie, Angaben
über die Entfernung in der beleuchtet werden soll, über die Qualität der
Röhren, über die Dauer und Zahl der Sitzungen und anderes mehr.
Leider finden die Nagelaffektionen nur eine sehr kurze Besprechung,
obwohl gerade eine zusammmenfassende Derstellung derselben sehr dan-
kenswert gewesen wäre. Auch die Geschwülste der Haut sind nicht so
eingehend berücksichtigt worden als Manchem lieb gewesen wäre. Frei-
lich mußte ja da eine gewisse Einschränkung walten, doch scheint die-
selbe eine allzugroße. Es würde zu weit führen, noch mehr ins Einzelne
zu gehen. Es liegt auf der Hand, daß eine Reihe von Einzelheiten an-
fechtbar sind, daß der eine diesen, der andere jenen therapeutischen
Hinweis vermissen wird, das tut aber dem großen Werte des wirklich
und im besten Sinne modernen Lehrbuches keinen Abbruch. Dieser
Wert wird noch erhöht durch die gute und sorgfaltige Ausstattung,
welche die Verlagsfirma dem Buche gegeben hat und durch die Meufre
zum größten Teile recht guter Abbildungen.
Das ganze Werk, das uns in so vollendeter Form die in lang-
jähriger Erfahrung gewonnenen Auflassungen und Anschauungen eines
als medizinisch wie spezialistisch gleich hervorragenden Forschers dar-
bietet, können wir nicht nur dem Spezialarzte, sondern vor allem dem
476 Buchanzeigen und Besprechungen.
praktischen Arzte and dem Studenten empfehlen; jeder wird Belehrung
und Anregung finden. Und gerade die Praktiker werden das finden, was
sie für die Arbeit des Tages nötig haben neben den wertvollen Hin-
weisen auf das rolle und g^nze Verst&ndnis der Dermatologie als eines
Teiles der gesamten Medizin. Dem Werke des hochgeschätzten Ver-
fassers wünschen wir den Erfolg, den es durch seine Bedeutung verdient.
Wolters (Rostock).
Va
r 1 a.
Personalien. Prof. v. Düring-Pascha (Eonstantinopel) ist
zum außerordentlichen Professor der Dermatologie an der Universität
Ilael ernannt worden. Wir beglückwünschen unseren geschätzten Mitarbeiter,
der trotz der großen Schwierigkeiten, die er im türkischen Dienste zu
überwinden hatte, eine so erfolgreiche sanitäre und wissenschaftliche
Tätigkeit daselbst entfaltet hat, zur Bückkehr in die Heimat und zum
neuen Wirkungskreise.
Dr. Heinrich Loeb in Mannheim wurde die Leitung der Abteilung
für Haut- und Geschlechtskrankheiten am dortigen Erankenhause übertragen.
77^
r