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Full text of "Archiv für Dermatologie und Syphilis"

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BcgrDndet  von  H.  Auspitz  und  F.  J.  Pick. 

ARCHIV 

Dermatologie  und  Syphilis. 

Dalw  miKlrknni  tob 

PralJI>OALLAirDEBBON,Dr.ARH[Na,Prof.BBHRBKD,D  r.BBSNtB  K,Pror.BEROBJ>r.BI;,&B0HK0, 
P»r.BOH0K,Pror.nDHRI>IG,  Prof.T.  D0RlNQ,Pror.EBBHANH,Dr.Et.aBHBBRO,Pr<it.BPSTBni, 
Dr.FABKr,ProLrQ(aBH,DrJ,QBOlIFELD,Praf.HALLOFEAU,Prof.BASLtJin),Dr,HBBZHEIIIEB, 
Dr.HOOHSINOSB.Praf.MDABSOHN,  Prot.  JAHOVBKT,  Dr.  JOSEPH,  Prof.XÖBKZB,  Prot.  KOPP, 
Frof-IiAHG,  Dr.LBDXBlfANM,  Prof.  LCXASIEVICZ,  Dr.LUSTQARTEIi,  Prof.  t.HABJSCBAI^Ö, 
Dr.  dn  HXBinL,  Fror.  UBACEK,  Frei.  NEDHANK,  Di.  OBEXLÄNDER,  Frol.  PBTEBBEK,  Prot. 
P08PBI>0W,  J.  K.  PKOK80H,  Prof.  REDEB,  Prot.  RnXE,  Prof.  R^MA,  Dr.  O.  ROBHNTHAI., 
Dr.aOHIFr,I>r.8CBfiTZ.  Dr.80HtIBTER,Dr.  BOBCMAOHER,  Dr.  BEADEK,  Prof.  TARHOWSKr, 
Dr.  TOUTOK,  Dr.  VLLMASS,  Dr.  TBIBL,  Dr.  v.  WATRA8ZKWBSI,  Prot.  WBLANDER,  Dr. 
WINTBSHITZ,  Prof.  WOLFF,  Dr.  w,  ZBISBI. 

Fn[.CiiDUT,  Fror.  Uintrelemi,  Proi.  Lemr,  Frol.Vemei,  Fror.  RlEt), 

KBnlfibsn  Bonn  Berlin  Bnilan  Wlrn 

henusgegeben  von 

Prof.  F.  J.  Pick  in  Prag. 
Dreiundsechzigster     Band. 


Hit  ftchtiehn  Tafeln. 


Wien  und  Leipzig. 

Wilhelm    Braamaller, 

k.  B.  k.  Hat-  and  UnlTanKdibneliklDdlsr. 
1902. 


'■</'> 


c 


APR  2    1903    ^ 


APR  2  1903 


K.  u.  k.  Hofbnehdraeker«!  A.  Haue,  Prag. 


Inhalt 

Original-Abhandlungen. 

Aus  der  dennatologiBchen  Uni?er8itat8klinik  von  Professor  Jadassohn 
in  Bern.  Über  nodöse  SyphiKde  (^Erythema  nodosum  syphilitioam") 
und  syphilitische  Phlebitis.  Von  Dr.  Max  Maronse,  ehemaliger 
Volontärarct  der  Klinik  in  Bern,  z.  Zt.  Assistent  an  der  dennatoL 
Abteilung  des  st&dtischen  Krankenhauses  su  Frankfurt  a/M. 
(Taf.  I.) 8 

Welche  HautveränderuDgen  können  durch  mechanische  Reisung  der 
Haut  hervorgerufen  werden.  Von  Docent  Dr.  Ludwig  Török, 
Budapest 27 

Aus  der  Abteilung  fOr  Haut-  und  venerische  Krankheiten  des  St. 
Stephansepitals  in  Budapest.  Zur  Ekzemfrage.  I.  Können  mechanische 
Einwirkungen  und  unter  ihnen  in  erster  Reihe  das  Kratzen  Ekzem 
verursachen  ?    Von  Prof.  S.  R  6  n  a,  Budapest 89 

In  welchem  Alter  findet  man  die  meisten  Ansteckungen  von  Syphilis 
und  in  welchem  Alter  brechen  die  meisten  Falle  von  genereller 
Parese  aus?    Von  G.  T.  Hansen  und  Paul  Heiberg 57 

Naevusbilder  und  -Betrachtungen.  Von  Dr.  med.  Josef  Schutz, 
Frankfurt  a.  Main.  (Hietu  Taf.  H-^Y.) 68 

Aus  der  k.  k.  dermatologischen  Universitätsklinik  des  Hofrathes  Prof. 
Dr.  Kaposi  in  Wien.  Über  ein  •  eigenartiges  Krankheitsbild  von 
Keratosis  verrucosa.  Von  Dr.  St.  Weide^feld,  Assistenten  der 
Künik.  (Hiezu  Taf.  VI  u.  VII.) 76 

Aus  Dr,  Max  Josephs  Poliklinik  für  Hautkrankheiten  in  Berlin.  Über 
ein  von  der  Nase  aasgehendes  Sypbiloma  hypertrophicum  diffusum 
faciei  (Elephantiasis  luetica).  Von  Dr.  Gottfried  Trantmann  aus 
München 97 

Erwiderung  zu  dem  Nachtrag  der  Arbeit  F.  v.  Waldheims :  „Haemang- 
endothelioma  cutis  papulosum**.  Von  Dr.  A.  Gassmann,  Spezial- 
arzt  fdr  Hautkrankheiten  in  Basel  und  Leukerbad 107 

Aus  der  dermatologisohen  Klinik  der  kgl.  Universität  in  Turin.  Zur 
Histologie  der  Keratosis  pilaris.  Von  Prof.  S.  Giovannini.  (Hiezu 
Taf.  Vni-Xn.) 168 

Aus  der  Abtheilung  für  Haut-  und  venerische  Krankheiten  des  St. 
Stephansspitals  in  Budapest.  (Vorstand  Prof.  Dr.  8.  Röna.)  Zur 
Eksemfrage.   II.  Gibt  es  ein  ,, Reflex-Ekzem**.  Von  Dr.  J.  Csillag.  218 

Aus  Dr.  med  A.  Elsenberg's  Abteilung  für  Haut-  und  venerische 
Krankheiten  am  israelitischen  Krankenbause  in  Warschau.  Sarcoma 


IV  Inhalt. 

idiopathicmn  multiplex  en  piaques  pigmentosum  et  lymphangiec- 
toiies.  Eine  eigentümliche  Form  der  sog.  Sarcomatosis  cutis.  Von 
Dr.  Robert  Bernhardt,  Arxtam  St.  Lazarus-Hospital  in  Warschau. 
(Hiezu  Taf.  XIII  u.  XIV.) 289 

Zur  Kenntnis  der  Dermatitis  pyaemica.  Von  Dr.  Ludwig  Merk, 
Privatdozent  für  Dermatologie  und  Syphilis  in  Graz.  (Hiezu  Taf.  XV.)  263 

Aus  der  dermatologischen  Universitätsklinik  des  Professor  Dr.  G.  Riehl 
in  Leipzig.  Naevus  vasculosus  giganteus.  Von  Privatdozent  Dr. 
Erhard  Riecke,  Assistent.  (Hiezu  Taf.  XVL) 259 

Ein  Fall  von  ausgebreiteter  Gangrän  nach  intramuskulärer  Injektion 
von  Hydrargyrum  sozojodolicum.  Von  Dr.  Hermann  Neumann, 
prakt.  Arzt  in  Potsdam  und  Dr.  E.  6 endig,  Assistent  am  städt. 
Krankenhaus  in  Potsdam.    (Hiezu  Taf.  XVII.) 267 

Aus  der  dermatologisohen  Klinik  des  Hofrath  Prof.  Kaposi  in  Wien. 
Zur  Blasenbildung  und  Gutis-Epidermisverbindung.  Von  Dozent 
Dr.  Karl  Kreibich.    (Hiezu  Taf.  XVIII.) 281 

Zur  Frage:  Wie  kann  man  die  durch  eine  syphilitische  Schwanger- 
schaft verursachte  soziale  Gefahr  bekämpfen  ?  Von  Professor  Edvard 
Welander  in  Stockholm 298 

Zwei  Fälle  von  Schädel-  und  Gehirnsyphilis  nebst  Obduktionsbefunden. 
Von  Prof.  Heinrich  Köbner  in  Berlin- Charlottenburg 821 

Aus  der  Königlichen  Universitäts-Poliklinik  für  Haut-  und  Geschlechts- 
krankheiten in  Berlin.  (Direktor  Prof.  Dr.  E.  Lesser.)  Zur  Theorie 
der  Lupusheilung  durch  Licht.  Von  Dr.  Franz  Nagelschmidt. .  835 

Aus  der  Abteilung  für  Hautkrankheiten  und  Syphilis  des  Herrn 
Dozenten  Dr.  Spiegier  an  der  Allgemeinen  Poliklinik  in  Wien. 
Über  Kapillardruck-Messungen  normaler  und  veränderter  Haut. 
Von  Dr.  Hugo  Fasal,  Assistent  der  Abteilung 341 

Kleine  Arbeiten  und  vorläufige  Mitteilungen. 

Zur  Tripperbehandlung.  Von  Dr.  Albert  Hirschbruch,  Posen. 
(Mit  4  Abbildungen  im  Texte.) 849 

Über  ein  neues  und  einfaches  Verfahren  der  Tripperheilung.  Vor- 
läufige Mitteilung  von  Dr.  Max  von  Ni essen,  Wiesbaden.  (Hiezu 
eine  Abbildung  im  Texte.) 854 

Bericht  Ober  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Dermatelogie 

und  Sypliilis. 

Verhandlungen  der  Berliner  dermatologisohen  Gesellschaft 118 

Verhandlungen  der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft 359 

Hautkrankheiten 136,  406 

Geschlechtskrankheiten 389 

Buchanzeigen  und  Besprechungen 158,  478 

N  o  n  n «,  Max.  Sjphilia  und  Nerveoiystem.   —  Lang,  Bdaard.  Lehrbach  der  Hautkrank- 
heiten. 

Varia 160,  476 

Personalien. 


Originalabhandlungen . 


Arak.  f.  D«rmat.  v.  Sjrph.  Bd.  LXIH. 


A 


6^ 


Ans  der  dermatolosMlS$a)  IlnlmBtMtsldixiik  von  Professor 


lieber  nodöse  Syphilide  („Erythema 
nodosum  syphiliticum")  und  syphilitische 

Phlebitis. 

Von 

Dr.  Max  Mareiuie, 

«hem.  Volontirarat  dar  Klinik  In  Bern,  i.  Zt.  AMi«tent  an  der  derinatol.  Abtellnnf  des 

itidtlielien  KrankenhAuaet  in  FraakAirl  (Main). 

(Hieza  Taf.  I.) 


Die  Bezeichnung  „Erythema  nodosum**  und  „exsudativuoi 
multifonne*  wird  jetzt  in  doppeltem  Sinne  gebraucht:  einmal 
för  .idiopathische',  d.  h.  in  ihrer  Ursache  unbekannte  — 
wohl  nach  der  Meinung  der  Meisten  infectiöse  —  Erkrankungen 
und  zweitens  für  symptomatische  Exantheme,  d.  h.  fiir 
Dermatosen,  bei  denen  eine  andere  uns  mehr  oder  weniger  gut 
bekannte  Krankheit  zu  Hautsymptomen  fuhrt,  die  morphologisch 
im  wesentlichen  den  erwähnten  „idiopathischen^  Erythemen 
gleichen.  Diese  Aehnlichkeit  kann  speciell  das  klinische  Bild 
betreffen;  sie  kann  aber  auch  auf  weitgehenden  Analogien  in 
der  Pathogenese  und  damit  auch  in  den  histologischen  Ver- 
änderungen beruhen.  Dem  Erythema  nodosum  idiopathicum 
ähneln  in  mehr  oder  minder  auffallender  Weise  Knoten,  die 
bei  einzelnen  Menschen  durch  Jodkali  verursacht  werden  ;  ihm 
ähneln  manche  Formen  der  vorläufig  noch  sogenannten  „Tuber- 
cuUde^  (z.  B.  Erytheme  indure  Bazin) ;  ihm  ähneln  wohl 
auch,  wie  der  Fall  von  Orillard  und  Sabouraud  (1)  und 
«in  jüngst  im  Berner  Spital  beobachteter  Fall  zeigen,  Exantheme 


4  Marcase. 

septischer  Natur   (ganz   in*  Analogie   mit   den   Beobachtungen 
Finger's  (2)  bei  dem  Yon  ihm   sogen.  Erythema  papulatum). 

Zu  denjenigen  Krankheiten,  bei  denen  dem  idiopathischen 
Erythema  nodosum  ähnliche  Formen  vorkommen,  gehört  auch 
die  Syphilis.  Die  Frage,  in  welchen  Beziehungen  diese  „Com- 
plication^  zur  Lues  steht,  ist  noch  nicht  definitiv  entschieden. 
So  lange  die  Zahl  der  Fälle  gering  war,  durfte  man  annehmen, 
dass  es  si<ih  um  eibe  zufällige  Coincidenz  zweier  in  ihrer 
Aetiologie  vollständig  verschiedener  Krankheiten  handelte.  Die 
Iföglichkeit  einer  solchen  Coincidenz  war  natürlich  zuzugeben. 
Aber  es  musste  doch,  als  die  Zahl  der  Fälle  sich  mehrte,  auf- 
fallen, dass  diese  Erythema-nodosum-Formen  speciell  im  ersten 
Jahre  nach  der  Infection  auftraten;  es  musste  au£fallen,  dass 
in  manchen  Fällen  bei  Syphilis  einzelne  Knoten  zu  einer  Er- 
weichung kamen,  die  beim  idiopathischen  Erythema  nodosum 
nach  fast  allgemeinem  Urtheil  nie  auftritt;  auch  wurde  bei 
dem  immerhin  im  Ganzen  seltenen  Vorkommen  des  letzteren 
die  Coincidenz  allmälig  doch  eine  zu  häufige.  So  wurde  denn 
z.  B.  von  Leloir-Vidal  (3)  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass 
die  Lues  die  Prädisposition  für  das  Erythema  nodosum  erhöhe, 
wie  man  das  vom  Rheumatismus  und  der  Tuberculose  geglaubt 
hat.  Doch  ist  auch  bei  den  letztgenannten  A'Sectionen  ein 
Beweiff  nach  dieser  Richtung  nicht  erbracht ;  vielmehr  li^gt  die 
Annahme  nahe,  dass  die  rheumatische  Prädisposition  auf  Grund 
dies  Vorkommeiis  riieümatischer  Beschwerden  beim  Erythema 
nodosum  aufgebaut  wurde,  während  andererseits  die  vielbe- 
sprochenen I^Ue  von  Erythema  nodbsux&  mit  schlechtem  Ver«- 
lauf  (ü  f  f  e  1  m  an  n)  (4)  viellbicht  geradezu  tuberculose  Exanthisme 
wai'en.  Wie  diese  vermeintliche  Disposition  so  war  auch  die 
Bezeichnung  des  Erythema  nodosum  bei  Lues  als  para«y{ihi- 
litisc'he  Eiirrankung,  wie  sie  z.  B.  ^ournier  (5)  wählte, 
ohne  thatsächliche  Begründung. 

Den  entscheidenden  Schritt  zu  der  dritten  Auffassung: 
dass  das  sogen.  Erythema  nodbsum  bei  Lues  ^on  disr  Möglich- 
keit zufälliger  Coincidenz  in  einzelnen  Fällen  abgesehen)  ein 
wirklich  syphilitisches  Symptom  sei,  that  zuerst,  soweit 
ich  sehe,  Mauriac  (6)  bereits  1880/81,  indem  er  es  geradezu 
als  „Erythema  nodosum  syphiliticum'  bezeichnete  und 


Ueber  nodöse  Syphilide  and  nyphilitiache  Phlebitis.  5 

unter  die  „Productions  gommeuses  precoces  du  tisBu  sous- 
catane''  einreihte.  Im  wesentliichen  den  gleichen  Standpunjct 
yertraten  de  Beurmann  und  Claude  (7)  (der  Unterschied 
zwischen  „Syphilide  noueux^  und  Gumma  sei  lediglich  in  der 
differenten  Intensität  des  Processes  begründet),  L  e  s  s  e  r  (8), 
Bock  (9),  Jadassohn  (10).  }Im  Ganzen  aber  ist  die  Arbeit 
M  a  u  ri  a  c^s  nur  selten  beachtet  worden,  und  nstmentlicb  in 
deutschen  Lehrbäohern  findet  sich  kaum  etwas  über  diese 
Krankhefitsform.  Wie  wenig  diese  im  allgemeinen  anerkannt 
und  gewürdigt  ist,  geht  auch  daraus  hervor,  dass  Neisser  ()1) 
sich  so  vorsichtig  äussert,  wie  folgt:  .„  .  .  .  möglich  ist  aber 
auch;  dass  durch  die  Syphilis  selbst  (vielleicht  duxch  eiAe 
syphilitische  flrkrankung  einer  kleinen  Arterie)  die  ]Erschejjiungen 
des  Erythema  nodosum  hervorgerufen  werden  können.  M  a  u  r  i  a  c 
beschreibt  als  eigne  Form  der  im  Frühstadium  vorkommenden 
syphilitischen  Bindegewebshyperplasien  eine  Erythema-nodosum- 
Form."  Auf  der  anderen  Seite  betont  Jarisch  (12),  dass 
^Hautgummen  an  den  Unterschenkeln,  welche  mit  den  Knoten 
des  Erythems  in  gewissen  Phasen  ihrer  Bückbildung  Aebnlich- 
keit  darbieten  können,  sich  durch  ihren  trägen  Verlauf  ebenso 
wie  durch  ihre  Tendenz  zur  Schmelzung  und  zur  Geschwürs- 
bildung mit  Leichtigkeit  unterscheiden  lassen"  —  erwähnt  aber 
die  eigenartige  Form  des  Erytheme  noueux  syphilitique  nicht.  ^) 
Wenn  maalloss  die  Literatur  über  das  „Erythema  nodosum 
syphiliticum^  berücksichtigte,  so  dürfte  man  annehmen,  dass 
die  pathologische  Anatomie  dieser  Erkrankung  noch  ganz  un- 
bekannt ist.  Es  scheiAt  mir  aber,  dass  von  zwei  Fällen,  die 
PhiUpps  on  (13)  in  seiner  Arbeit  über  Embolie  und  Metastase 
in  der  Haut  publioirt  hat,  einer,  wenn  auch  nicht  dem  echten 
Typus  des  Erythema  nodosum  syphiliticum  entsprach,  dodi 
grosse  Analogien  mit  demselben  aufwies.  Philippson  be- 
zeichnet diese  Fälle  als  „necrotische  Formen  der 
Secundärperiode^.  Der  erste  von  ihnen  wies  aber  keine 
Necrose  auf,  dagegen  wich  er  durch  die  Böthung  und  ödematöse 


^)  cf.  hieneu  die  Demonstration  Nobl's  (Archiv  67,  1  u.  2,  p.  247) 
und  die  daranf  folgende  Disonssion,  in  der  nnr  von  „Goinoidenz**  gesprochen 
wurde.  Der  Nobl'sche  Fall  kann  natürlich  si'hr  woM  anf  blosser  Coin- 
eidtnz  beruht  haben. 


6  Marcnse. 

Schwellung  der  Haut  und  durch  eine  stärkere  Resistenz  in  der 
tieferen  Cutis  von  den  gewöhnlichen  Papeln  vollständig  ab. 
In  diesem  Falle  fand  Philippson  histologisch  eine  Phlebitis 
und  Endophlebitis  obliterans,  besonders  der  Subcutis.  Ich  werde 
auf  die  Bedeutung  dieses  Befundes  später  eingehen. 

Da  das  casuistische  Material  von  Erytheme  noueux  syphi- 
litique  seit  Mauria c's  Publication  im  wesentlichen  nur  durch 
die  Arbeit  von  de  Beur mann  und  Claude  eine  Bereicherung 
erfahren  hat  und  manche  Fragen  noch  der  Antwort  harren,  so 
habe  ich  drei  Fälle,  die  in  letzter  Zeit  an  der  dermatologischen 
Klinik  in  Bern  beobachtet  worden  sind,  zusammengestellt,  und 
das  umso  lieber,  als  in  einem  Falle  die  Möglichkeit  zur  histo- 
logischen Untersuchung  einer  Efflorescenz  vorlag,  in  den 
anderen  immerhin  einige  allgemeiner  interessante  Punkte  con- 
statirt  werden  konnten. 

Die  Krankengeschichten  sind  die  folgenden: 

I.  Marie  J.,  26  Jabre  alt. 

Aas  der  Anamnese  ist  hervorzuheben,  dass  die  Pat.  als  Kind 
öfter  an  Augenentzündungen  und  im  17.  Jahre  an  starkem  eitrigem  Aus- 
flusB  aus  beiden  Ohren  gelitten  hat.  Die  Infection  fand  im  Februar  1900 
statt.  Primäraffakt  wurde  nicht  beobachtet.  Im  April  trat  allgemeines 
Unwohlsein,  Appetitmangel,  starke,  8  Tage  anhaltende  Diarrhoe  auf;  erst 
Mitte  Mai  bemerkte  die  Pat.  einen  Ausschlag,  der  an  der  Vorderseite 
beider  Unterschenkel  begann  und  sich  allmälig  über  den  ganzen  Körper 
ausdehnte.    Eine   specifische  Behandlung   hat   noch  nicht  stattgefunden. 

Status  am  4./VI.  1900:  Schwächliches,  schlecht  genährte» 
Indii^iduum;  Lunge,  Herz  etc.  normal;  Hämoglobin  72%.  —  Am  linken 
Handrücken  eine  seit  einem  Jshre  bestehende,  augenscheinlich  tuberculöse, 
fluctuirende  Tendovaginitis ;  eine  analoge  Affection  am  rechten  Malleolus 
extemus.  —  Primäraffect  nicht  zu  finden.  Multiple  indolente  Lymph- 
adenitiden  (cubital,  cervical,  inguinal).  Ueber  den  ganzen  Körper  disse- 
minirt  ein  aus  papulo-sqnamöseu  und  -crustösen,  bis  fünfcentimesstück- 
grossen  Effloresoenzen  zusammengesetztes  Exanthem;  Erosionen  und 
nässende  Papeln  an  Genitalien  und  Anus ;  Plaque  auf  der  linken  Tonsille. 

Auf  der  Vorderseite  des  linken  Unterschenkels  findet  sich  ein 
länglicher,  kleinhandtellergrosser  Herd  von  roth-violetter  Farbe.  Die 
Haut  ist  an  dieser  Stelle  stark  geppannt  und  glänzend  und  tief  und  derb 
infiltrirt;  in  der  Mitte  eine  kleine,  scharf  geschnittene  Ulceration.  Ein 
ähnlicher  Herd,  der  durch  Confluenz  mehrerer  kleiner  entstanden  zu  sein 
scheint,  ist  an  der  Vorderseite  des  rechten  Unterschenkels  vorhanden  > 
auch  hier  im  Centrum  einige  kleine  Ulcerationen.  Ausserdem  findet  sich 
am   rechten  Unterschenkel   noch   ein   etwa   zweifrankstückgrosser,    nicht 


Ueber  nodöse  Syphilide  und  syphilitische  Phlebitis.  7 

nloerirter  Herd  mit  deutlicher  Flaotnation ;  beim  Eröffiien  desselben  ent- 
leert sich  riemlich  viel  Eiter,  der  sich  bei  der  üntersachnng  aaf  gewöhn- 
lichen Nährböden  als  steril  erweist.  Ebenso  enthielt  ein  Knoten,  der  sich 
in  den  ersten  Tagen  des  Aufenthaltes  der  Fat.  im  Spital  am  linken 
Unterschenkel  gezeigt  hatte,  för  unsere  Methoden  sterilen  Eiter. 

Unter  Behandlung  mit  Salioyl-Hg  (im  ganzen  1*15  Hg 
salicyL  in  7  Wochen)  heilte  das  Exanthem  vollständig  ab. 

Schon  am  17./yiII.  1900  wurde  die  Fat.  wieder  aufgenommen; 
sie  hatte  ein  Exanthem,  das  an  den  oberen  Extremitäten  aus  ziemlich 
zahlreichen  kleineren,  an  den  unteren  aas  bis  zehncentstüokgrossen 
papnlocrustösen  Efflorescenzen  bestand.  Ausserdem  fanden  sich  am  rechten 
Unterschenkel  drei  wenig  hervorragende,  etwa  fonfcentstüokgrosse,  derb 
nnd  tief  infiltrirte  Knoten,  über  denen  die  Haut  stark  geröthet  und  im 
Centrum  etwas  violett  verförbt  war.  —  Nachdem  zuerst  0*05  Hg  salicyl. 
iigicirt  worden  war,  wurde  die  Hg-Behandlung  zunächst  beiseite  gelassen, 
weil  die  erste  energische  Cur  ja  erst  vor  Kurzem  beendet  worden  war, 
und  um  zu  sehen,  wie  die  Knoten  gegenflber  Jod  sich  verhalten  würden. 
Unter  einer  Behandlung  mit  8 — 7  Gr.  KJ  pro  die  heilten  die 
Knoten  mit  bräunlich-bläulicher  Verfärbung  ohne  eigentliche  Narben- 
bildung  ab. 

n.  Selma  W.,  19  Jahre  alt. 

Aus  der  Anamnese  ergibt  sich,  dass  die  Infection  vor  7  Monaten 
stattgefanden  hatte  und  eine  specifische  Behandlung  noch  nicht  erfolgt  war. 

Status  am  8./V.  1901:  Ernährungszustand  ganz  gut;  Fat.  macht 
den  Eindruck  eines  von  Haus  aus  kräftigen  Individuums.  Allgemeines 
Schwächegefühl,  Kopfweh,  Appetitlosigkeit,  schlechter  Schlaf.  Morgen- 
Temperatur  88^  Abend-Temperatur  89^  Im  Urin  Spur  Albumen.  Mehrere 
grosse,  ziemlich  tiefe,  schmierig  belegte  Ulcerationen  an  den  Genitalien. 
Auf  dem  ganzen  Körper  ein  aus  kleinen  papulo-pustulösen  Efflorescenzen 
zusammengesetztes  Exanthem.  Auf  den  Streckseiten  beider  Arme,  theil- 
weise  noch  auf  dem  Handrücken,  mehrere  zwanzigcent-  bis  einfrank- 
Stückgrosse  Herde  von  folgender  Beschaffenheit:  Die  Stellen  sind  theils 
hellroth,  theils  lividroth,  leicht  erhaben,  tief  infiltrirt,  einzelne  auf  Druck 
schmerzhaft,  die  Mehrzahl  aber  nicht;  die  Begrenzung  ist  nicht  besonders 
scharf.  An  den  Beinen  finden  sich  dieselben  Erscheinungen,  nur  in  aus- 
gedehnterem Maasse;  hier  ist  die  Aehnlichkeit  mit  Erythema  nodosum 
noch  auffallender.  Einer  dieser  Knoten  zeigt  centrale  Erweichung.  — 
In  der  Mundhöhle  findet  sich  eine  grosse  Anzahl  kleinerer  und  grösserer 
Herde  von  unregelmässig  rundlicher  Form  mit  schmalem,  intensiv  ge- 
röthetemSaum  und  einem  ziemlich  dicken  weiss-gelblicben  Belag;  dabei 
starke  Schwellung  des  Zahnfleisches  und  Salivation. 

Nachdem  zuerst  ein  ganz  kurz  dauernder  Versuch  mit  minimalen 
Dosen  eines  neuen  Hg-Fräparates  gemacht  worden  war,  wurde  speciell  mit 
Bücksicht  auf  das  Fieber  nur  mit  KJ  behandelt  (2—8—8  Gr.  pro  die)  u.  zw.  bis 


8  Marcajie. 

zamaO./y«  PAboi  blieb  aber  die  Abend-Temperatur  imxoer  über  38^;  der 
Mond  (trotz  )ocaler  Behandlang  mit  H^O,)  im  wesentlichen  unverändert; 
von  dem  Exanthem  r-  und  zwar  sowohl  von  dem  papulo-^ustulÖBen  wie 
auch  von  dem  nodösen  -r-  ging  eiA^  ^jizahl  von  Eüflorescenzen  zurück, 
zugleich  aber  bildeten  4oh  immer  wieder  neue.  Speciell  ist  l^ervor^u- 
heben,  dass  (nach  Status  vom  17./V.)  am  rechten  Unterschenkel,  auf 
der  Innenseite  der  Tibia  sieh  aus  einem  rothen  Knoten  ein  scharf 
umschriebener,  drehrunder,  2 — 8  Cm.  langer,  noch  nicht 
bleistiftdicker,  dicht  unter  der  Cutis  gelegener  Strang 
entwickelt  hatte,  über  dem  die  Haut  leicht  bläuHch  verfärbt  war. 
Weiterhin  oonstatirt  man  (Status  vom  20./y.)  auch  auf  der  Aussen- 
seite  des  Hnken  Unterschenkels  einen  etwa  8  Cm.  langen  Strang  von 
fast  Bleistiftdicke,  der  leicht  geschlängelt,  drehrund,  scharf  begrenzt  ist 
und  von  unten  aussen  nach  vorn  oben  verläuft;  die  Haut  darüber  ist 
verschieblich  und  blau-braun  verfärbt.  Der  Strang  am  rechten  Unter- 
schenkel ist  jetzt  weniger  deutlich.  Dagegen  ist  ein  neuer  breiterer, 
strangformiger,  scharf  abgesetzter  Knoten  über  dem  linken  Oberarm  lu 
fühlen;  die  leicht  gerothete  Haut  ist  auch  darüber  gut  verschieblich. 
Die  Temperaturkurve  zeigt  typische  Febris  remittens   (86*5^  bis   89*4*). 

Unter  fortdauernder  Jodkali-Behandlung  bildeten  sich 
die  Stränge  theilweise  zurück;  auch  von  dem  disseminirten  Exanthem 
involvierten  sich  viele  Efflorescenzen,  efi  traten  aber  immer  neue  auf; 
djie  Temperatur  h^elt  sich  immer  noch  über  88*,  die  Mundschleimhaut 
blieb  schlecht. 

Es  wurde  dann  am  80./y.  eine  Hg-Behandlung,  zuerst  mit 
ganz  schwachen  Hg Cly-Injectio neu,  begonnen,  unter  denen  sehr  bald 
das  Fieber  aufhörte,  die  Mundhöhle  sich  reinigte,  das  Exanthem  ab- 
heilte, so  dass  die  Fat.  am  Id./V.  nach  einer  kräftigen  Sublimat- Behandlung 
in  gutem  Allgemeinzustand  und  ohne  syphilitische  Erscheinungen  ent- 
lassen werden  konnte. 

ni.  Jakob  W.,  88  Jahre  alt,  kam  am  25./IV.  1901  mit  der  vom 
behandelnden  Arzt  gestellten  Diagnose  „Furunculose"  ins  Spital.  Fat. 
ist  yerheirathet.    Lues-Anamnese  is^  jeder  Beziehung  negativ. 

Status:  Bei  dem  nicht  sehr  kräftigen,  sonst  ^ber  gesunden  Fat. 
fand  sich  ein  reichliches  papulo-pustulöses,  specifisches,  über  den  ganzen 
Körper,  mit  Ausnahme  des  Gesichtes,  ausgebreitetes  Exanthem ;  besonders 
betroffen  sind  Arme  und  Beine.  An  beiden  Unterschenkeln  sehr  zahl- 
reiche  eitrig  belegte  Erosionen  und  Exulcerationen,  in  denen  Strepto- 
coccen mikroskopisch  u^d  culturell  nachweisbar  sind.  Daneben  sind  an 
den  Streckseiten  beider  Unterschenkel  mehrere,  bis  fünfcentstückgrosse, 
tief  und  derb  infiltrirte  Knoten  zu  fühlen,  über  denen  die  Haut  blau-roth 
verfärbt  ist.  Einzelne  Knoten  sind  in  der  Mitte  erweicht;  bei  anderen 
findet  sich  im  Centrum  ein  kleines  scharf  geschnittenes,  in  die  Tiefe  der 
Cutis  reichendes  Ulcus.  —  Das  Allgemeinbefinden  ist  nicht  wesentlich 
gestört;  Fat.  klagt  nur  über  ziehende  Schmerzen  in  den  Beinen. 

Therapie:   Ungt.  einer.  8*0  pro  dosi  et  die. 


Ueber  nodöse  Syphilide  and  syphilitische  Phlebitis.  9 

Status  am  9./y.  Nach  der  sechsten  Innnction  Gingivitis  merca- 
rialis;  Hg  aasgesetzt.  Sabjectives  Befinden  sehr  gat,  wenn  aaoh  noch 
geringe  Schmerzen  in  den  Unterschenkeln.  Exanthem  stark  im  Ab- 
blassen; Pyodermien  anter  Borvaseline  erheblich  gebessert.  Von  den 
Knoten  ist  nar  noch  einer  auf  der  Innenseite  der  Tibia  deutlich  zu 
iuhlen.    Excision  dieses. 

7./7I.  Nach  der  30.  Einreibung  wird  Pat.  auf  eigenen  Wunsch 
entlassen.  Das  Exanthem  ist  bis  auf  sehr  geringe  Residuen  abgeheilt; 
ebenso  die  Pyodermien.    Von  den  Knoten  ist  nichts  mehr  zu  fühlen. 

Zu  diesen  Krankheitsgeschichten  möchte  ich  zunächst 
klinisch  Folgendes  bemerken: 

In  allen  drei  Fällen  war  unzweifelhaft  secundäre  Lues 
vorhanden,  und  zwar  bei  dem  ersten  und  zweiten  Fall  sicher 
im  .ersten  Jahr ;  wahrscheinlich  auch  im  dritten  Falle,  da  der 
Pat.  ein  sehr  stark  disseminirtes  Exanthem  hatte.  In  allen 
drei  Fällen  waren  die  typisch  secundären  Erscheinungen  schwerer 
als  der  Norm  entspricht:  papulo-pustulöse  und  crustöse  Exan- 
theme ;  im  zweiten  Falle  war  die  Schwere  der  Erkrankung  auch 
noch  durch  die  Munderscheinungen  und  durch  das  Fieber  er- 
wiesen. In  sämmtlichen  3  Fällen  bestanden  (zweimal  aus- 
schliesslich, einmal  wesentlich  an  den  Uixterschenkeln)  Symptome, 
die  an  das  idiopathische  Erythema  nodosum  in  mehr  oder 
weniger  hohem  Grade  erinnerten.  Am  reinsten  im  zweiten 
Falle,  in  welchem  cutan- subcutane  Knoten  (mit  einer  Ausnahme) 
ohne  Erweichungs- Erscheinungen  vorhanden  waren.  Beim  ersten 
P'all  waren  (jlie  bei  der  ersten  AufnaJbjQjie  der  Fat  constatirten 
Knoten  an  den  Unterschenkeln  durch  Ulceration  und  Erweichung 
vom  E]7thema  nodosum  unterschieden;  die  bei  der  zweiten 
Aufnahme  derselben  Pat.  bestehenden  Ejioten  glichen  aber  dem 
Erythema  nodosum  fast  vollständig;  es  liegt  ausserordentlich 
nahe,  .die  erst  beobachteten  (ulcerirten)  Stellen  und  4ie  erst 
später  erschienenen  in  der  gleichen  Weise  zu  erklären.  Beim 
dritten  Falle  waren  neben  vielen  Stellen,  die  an  eröffnete 
F],irunkel  erinnerten,  erweichte  Knoten,  die  Gummen  ganz 
ähnlich  sahen,  und  derbe  Knoten,  die  dem  Erythema  nodosum 
geliehen,  vorhanden;  hier  war  die  Erkrankung  am  längsten 
unl^ehandelt  geblieben;  aber  auch  hier  kann  ein  Zweifel 
nicht  besteheu,  dass  die  erweichten  und  ulcerirten  Stellen 
ätialogisch  und  pathogenetisch  mit  den  dem  Erythema  nodosum 
ähnlichen  identisch  waren. 


10  MarcQBe. 

Es  waren  also  in  diesen  drei  Fällen  Erscheinungen  auf- 
getreten, welche  ganz  oder  in  wesentlichen  Punkten  mit 
dem  Yon  Mauriac  und  weiterhin  von  de  Beurmann  und 
Claude  gezeichneten  Bilde  des  Erytheme  noueux  syphilitique 
übereinstimmen.  Auf  die  weitere  Besprechung  dieser  Krank- 
heitsform komme  ich  zurück,  wenn  ich  den  histologischen 
Befund  yon  dem  dritten  meiner  Fälle  gegeben  haben  werde. 

Das  durch  einen  Oval&rschnitt  im  Unterhaatzellgewebe  excidirte 
Hautstüok  wurde  sonächst  (leider  darch  ein  Versehen  der  Länge  nach) 
halbirt  Jede  der  beiden  Hälften  warde  in  Alcohol  gehärtet  und  in  toto 
mit  Haeroalaun  vor  -  und  nach  der  Weigerfschen  Methode  sur 
Färbung  des  elastischen  Gewebes  nachgefärbt.  Diese  Blockfarbung  wurde 
genau  nach  den  von  Hedinger^)  angegebenen  Vorschriften  vorge- 
nommen, wie  sie  im  hiesigen  pathologischen  Institut  (Professor  Langüans) 
befolgt  werden;  die  Methode  hat  sich  für  diese  Untersuchung  gut  be- 
währt Die  beiden  Stücke  wurden  in  Serien  geschnitten;  die  Serien  sind 
ununterbrochen,  nur  in  der  Mitte  fehlen  Schnitte,  weil  von  dem  einen 
Block  schon  vorher  (zur  vorläufigen  Diagnosestellung)  etwas  geschnitten 
worden  war. 

Da  es  sich  um  einen  im  ganzen  kugeligen  bis  leicht  ovalen 
Tumor  handelt,  so  haben  wir  naturgemäss  in  den  peripheren 
Partien  Tangentialschnitte ;  in  den  centralen  ist  der  Tumor 
ganz  durchschnitten.  In  allen  Schnitten  erscheint  —  schon  bei 
bei  makroskopischer  Besichtigung  —  die  Einlagerung  als  eine 
scharf  umschriebene,  rundliche  bis  orale  Neubildung  im  Unter- 
hautzellgewebe ;  sie  reicht  bis  an  die  untere  Grenze  der  Cutis. 
Schon  in  den  ersten  Schnitten,  namentlich  des  einen  Stückes, 
fällt  auf,  dass  diese  Bildung  bestimmte  Beziehungen  zu  einem 
Gefäss  hat.  Wir  sehen  nämlich  circuläre  Schichten  elastischer 
Fasern  kreisförmig  das  neugebildete  Gewebe  begrenzen.  Diese 
elastischen  Fasern  bilden  vollständig  geschlossene,  gewellte 
Ringe  in  mehreren  Schichten,  die  dicht  aneinander  gereiht 
sind.  Nach  aussen  dayon  folgt  eine  ausserordentlich  dicke 
Lage  (in  Folge  der  tangentialen  Schnittrichtung!)  Muscularis, 
welche  von  elastischen  Fasern  unregelmässig  durchsetzt  und 
nach  aussen  scharf  abgesetzt  ist.  Zwischen  den  Muskelfasern 
und  nach  aussen  Ton  ihnen  ist  eine  im  allgemeinen  wenig  dichte 


^)  ,,üeber  Intima-Sarcomatose  von  Venen  und  Arterien  im  sarcoma- 
tösen  Stmmen.**    Virchow's  Archiv   Bd.  CLXIV. 


Ueber  nodöse  Syphilide  und  Byphilitische  Phlebitis.  H 

Infiltration  aus  kleinen  Rundzellen  Yorbanden.  Das  Gefasslumen 
ist  vollständig  ausgefüllt  von  einem  Granulationsgewebe  mit 
vielen  blasskernigen  grossen  Zellen,  „Plasmazellen"  und  einer 
Anzahl  von  Capillaren,  vielfach  mit  deutlichem  Endotbelbelag, 
hie  und  da  auch  mit  Blutkörperchen. 

Wenn  wir  die  Serie  nach  dem  Centrum  zu  verfolgen,  so 
wird  naturgemäss  die  Wand  des  Gefässes  schmäler,  sein  Binnen- 
raum grösser.  Es  finden  sich  ferner  noch  folgende  Verände- 
rungen :  Während  die  Tunica  externa  (wir  fassen  nach  T  e  s  t  u  t^) 
die  Media  und  die  Adventitia  dieser  —  wie  schon  jetzt  gesagt 
werden  darf  —  Vene  zusammen)  auf  etwa  '/^  der  Circumferenz 
gleichmässig  und  relativ  schmal  bleibt,  findet  sich  an  einer 
Stelle  eine  dichtere  und  umfangreichere  Einlagerung  in 
diese,  so  dass  ihre  äussere  Contour  gleichsam  nach 
au8sen  vorgetrieben  wird.  In  weiterem  Verfolg  dieser  Partie 
nach  dem  Centrum  zu  kann  man  constatiren,  dass  die  zu- 
nächst als  Infiltrationsherd  imponirende  Einlagerung  einen 
immer  grösseren  Umfang  anninmit  und  schliesslich  sich  auf 
die  Hälfte  bis  tiber  zwei  Drittel  der  Circumferenz  erstreckt, 
im  ganzen  in  ungefähr  sichelförmiger  Anordnung.  Dabei  er- 
leidet auch  die  Structur  eine  Veränderung.  Zunächst  findet 
sich  eine  grössere  Ansammlung  epithelioider  Elemente,  speciell 
im  Centrum;  weiterhin  Detritus  und  coagulationsnekrotische 
Massen.  Diese  Degeneration  des  „intraparietalen"  Herdes 
reicht  schliesslich  bis  an  die  Elastica  interna  heran  und  wird 
nur  durch  eine  dünne  elastische  Fasermasse  von  dem  Binnen- 
räum  getrennt,  in  dem  sich  inzwischen  gleichartige  Verände- 
rungen vollzogen  haben,  so  dass  die  eben  erwähnten  elastischen 
Fasern  gleichsam  als  letzte  dünne  Grenzschicht  zwischen  Wand- 
Degenerationsherd  und  Binnen- Degenerationsherd  ausgespannt 
erscheinen.  Die  im  Binnenraum  des  Gefässes  eingetretenen 
Metamorphosen  betreffen  einmal  die  zelligen  Elemente.  In 
2 — 3  grösseren  Herden  sind  die  Zellen  des  Granulationsgewebes 
aufgequollen,  vacuolisirt,  ihre  Kerne  blos  noch  wenig  färbbar. 
Das  faserige  Grundgewebe  ist  aufgelöst  und  schliessb'ch  ist  nur 
noch  Detritusmasse  mit  Eemträmmern  vorhanden.  An  einzelnen 


')  Trait4  de  l'Anatomie  humaine.  Vol.  II. 


12  Marc  0  86. 

Stellen  fioden  sich  an  der  Grenze  des  nekrotischen  Materials 
und  dex*  noch  zeUigen  Umrandung  mehr  oder  weniger  grosse 
RieaenzeUen  mit  wandständigen  Keraen  und  zum  Theil  vacuoli- 
sirtem  Protaplasma  —  an  einer  Stelle  auch  mit  einer  Ein- 
lagerung von  elastischen  Fasqnoassen.  Ausserdem  i$t  noch 
hervorzuhehen,  dass  an  der  Innenwand  der  Elastica  an  einzelnen 
Stellen  eine  Auflagerung  von  feinen  elastischen  Fasern  zu  con- 
statiren  ist,  während  der  bei  weitem  überwiegende  Theil  des 
den  Binnenraum  ausfüllenden  Gewebes  elastinfrei  ist.  Diese 
Auflagerungen  bestehen  aus  einem  dichten  Gewirr  feinster 
Fäserchen,  welche  zum  grössten  Theil  der  Elastica  unmittelbar 
aufliegen.  Sie  durchflechteo  meist  das  noch  wohl  erhaltene 
Granulationsgewebe  und  setzen  sich  nach  innen  scharf  ab. 
An  anderen  Stellen  finden  sich  die  gleichen  Massen  auch  in 
den  bereits  degenerirten  Partien.  Diese  Fasermassen,  an  manchen 
Stellen  aber  auch  die  Fasern  der  Elastica  selbst,  weisen  bei 
Immersion  einzelne  Degenerationserscheinungen  auf  (punkt- 
förmigen Zerfall,  Ausfransung  etc.). 

Die  bisher  beschriebenen  Veränderungen  finden  sich  in 
regelmässiger  Aufeinanderfolge  in  der  ersten  Hälfte  des  Knotens 
bis  etwa  zum  Centrum.  In  dem  andern  Stück  sind  im  wesent- 
lichen dieselben  Veränderungen  vorhanden;  nur  ist  hier  die 
Anordnung  eine  nicht  ganz  so  typische.  Die  Degeneration  ist 
viel  gleichmässiger,  so  dass  fast  der  ganze  Innenraum  des 
Gefässes  in  eine  nekrobiotische  Masse  umgewandelt  ist;  die 
Gefässwand  ist  zum  grössten  Theil  zerstört  und  nur  unregel- 
mässige Massen  elastischer  Fasern  weisen  auf  die  ursprüngliche 
Venenwand  hin.  Hier  sind  denn  auch  die  entzündlichen  Erschei- 
nungen der  Umgebung  stärker.  In  den  letzten  Schnitten,  die 
wieder  tangential  sind,  findet  man  im  Gentrum  des  Granulations- 
gewebes wohl  erhaltene  elastische  Fasern.  Die  Fasern,  welche 
die  Elastica  interna  darstellen,  bilden  hier  keine  circulären 
Bänder,  sondern  setzen  sich  aus  kurze^  Stücken  zusammen; 
hier  sind  die  Schnitte  augenscheinlich  tangential  und  schräg  zur 
ursprünglichen  Venen  wand  verlaufen.  Ausserdem  aber  finden 
sich  noch  einige  bemerkenswerthe  Erscheinungen :  An  einzelnen 
Stellen  sind  nämlich  in  der  Umgebung  des  nekrotischen  Ge- 
webes,   und    zwar    in    den    äusseren  Partien,    die  offenbar  der 


Ueber  nodöse  Syphilide  und  syphilitische  Phlebitis.  13 

orsprünglichen,  aber'  stark  zerstörten  Venenwaud  entsprechen, 
Infiltrationsherde  vorbanden,  von  denen  einzelne  sich  einer 
kleinen  Vene  anschliessen ;  an  anderen  Stellen  sind  ettdo- 
phlebitische,  zum  Theil  obliterirende  Wucherungen  an  Venen 
zu  constatiren;  einzelne  in  der  Nachbarschaft  gelegene  Arterien 
sind  normal.  An  2  oder  3  Stellen  kann  man  einige  Schnitte 
hindurch  kleinis  Knötchen  im  Querschnitt  verfolgen,  welche 
grösstentheils  aus  Riesenzellen  mit  wesentlich  wandständigen 
Kernen  und  einem  feinen  Reticulum  bestehen. 

In  der  weiteren  Umgebung  des  eben  beschriebenen  TutHorH 
sind  beträchtliche  Veränderungen  nicht  zu  constatiren  -^ 
ausser  einer  geringen  kleinzelligen  Infiltration  im  Fettgewebe 
und  in  den  datüber  liege&den  Theilen  der  Cutis  und  einer 
leichten  Endothelwucherung  an  einzelnen  Venen.  Die  Arterien 
sind  ganz  normal. 

Die  Histologische  Untersuchung  hat  also  das 
unzweifelhafte  Resultat  erg'eben:  dass  der  beiün- 
seremPat.  excidirte  Knoten  eine  Phlebitis  (die  An- 
ordnung der  Wandelemente,  speciell  des  elastischen  Gewebes 
beweist  mit  Sicherheit  die  venöse  Natur  des  GefassesI)  mit 
Uebergang  in  eine  zum  Theil  nekröbiotisch  umge- 
wandelte Granulationsgeschwulst  mit  den  wesent- 
lichsten Charakteren  eines  Gumma  darstellte.  Es 
geht  aus  diesem  Befunde  hervor,  dass  ein  subcutaner  Knoten, 
der  in  der  Secundärperiode  der  Syphilis  auftrat  und  einem 
Erjtheiüanodosum-Knoten  auffallend  glich,  unzweifelhaft  als 
ein  specifisches  Produkt  aufgefasst werden  muss  —  das 
Vorfiandensein  von  Epitheloid  -  und  Riesenzelle n  und  von  Necrose 
in  charakteristischer  Anordnung  spricht  gegen  eine  nicht  -  sped- 
fische  Affection.  Zweitens  i3t  von  besonderer  Wichtigkeit  die 
Thatsache,  dass  es  in  diesem  Falle  mit  Bestimmtheit  gelungen 
ist,  den  Ausgang  dieses  Krankheitsherdes  von  eiüer 
grössereti  subcutanen  Vene  nachzuweisen;  und  zwar 
kann  aus  dem  relativen  Freisein  der  Umgebung  und  aub  der 
Gesammtanordnung  des  Granuloms  zu  der  Vene  der  Schluss 
gezogen  werden,  dass  der  Krankheitsprocess  wirklich  Von  der 
Venenwand  selbst  ausgegangen  ist.  Der  histologische  Be- 
fVind  kann  nur  als  eine  Phlebitis  proliferans  et  oblite- 


14  Marcuse. 

rans  mit  Bildung  Ton  Granulationsgewebe  und 
Necrobiose  gedeutet  werden.  Von  einer  Torangehenden 
Thrombose  war  nichts  nachweisbar ;  doch  ist  die  Unterscheidung 
eines  organisirten  und  specifisch  degenerirten  Thrombus  von 
einer  Phlebitis  auf  Grund  eines  Präparates  aus  einem  späteren 
Stadium  der  Erkrankung  natürlich  nicht  mit  Sicherheit  möglich. 

Die  Anordnung  des  Granulationsgewebes  und  der  necro- 
lischen  Partie  macht  es  wahrscheinlich,  dass  es  sich  um  einen  von 
der  Intima  ausgehenden  Process  gehandelt  hat  Dafür  spricht  auch 
die  Thatsache,  dass  an  einer  Stelle  die  Elastica  interna  nach 
aussen  vorgebuchtet  und  dass  auf  der  Intima  yerschiedentlich 
eine  Neubildung  von  elastischen  Fasern  vorhanden  ist;  hier 
scheint  der  Process  am  ältesten  zu  sein.  Dass  es  überhaupt 
zu  einer  solchen  Neubildung  gekommen  ist,  stimmt  mit  Er- 
fahrungen überein,  die  speciell  Jores  (14)  und  Fischer  (15) 
gemacht  haben.  Besonders  interessant  ist  es,  dass  diese 
elastischen  Fasern,  welche  durch  ihre  Feinheit  und  ihre  An- 
ordnung mit  Sicherheit  als  neugebildete  zu  constatiren  waren, 
sich  auch  an  solchen  Stellen  erhalten  haben,  an  denen  die 
Necrose  schon  nachweisbar  ist  —  hier  wäre  also  der  Verlauf 
so  zu  denken:  Proliferation  von  Granulationsgewebe,  Durch- 
setzung dieses  mit  elastischen  Fasern  von  der  Intima  aus,  dann 
Necrobiose  desselben  mit  Erhaltenbleiben  der  elastischen  Fasern 
trotz  ihrer  Feinheit. 

Neben  der  Endophlebitis  specifica  ist  aber  unzweifelhaft 
auch  eine  gummös  degenerirende  Entzündung  in  der  Wand  der 
Vene  vorhanden,  die  aber  nicht  die  ganze  Circumferenz  er- 
griffen hat,  sondern  augenscheinlich  von  einer  Stelle  ausge- 
gangen ist.  Ob  dieser  grosse  Herd  in  der  Veneuwand  durch 
eine  Fortpflanzung  des  Processes  vom  Binnenraum  her  entstanden 
oder  ob  er  auf  die  gleichzeitige  specifische  Erkrankung  eines  Ge- 
fässes  der  Venenwand  zurückzuführen  ist,  vermag  ich  nicht  zu 
entscheiden.  An  einigen  Stellen  sind  jedenfalls  auch  vasa 
vasorum  erkrankt  und  es  könnte  wohl  sein,  dass  auch  einzelne 
der  beschriebenen  miliaren  Gummata  in  den  äusseren  Schichten 
der  Venenwand  aus  einer  solchen  Gefässerkrankung  sich  ent- 
wickelt haben.  Der  primären  Erkrankung  der  Vasa  vasorum 
wird  von  einzelnen  Autoren  für  die  Entstehung  des  syphilitischen 


üeber  nodöse  Syphilide  und  syphilitische  Phlebitis.  15 

Gefässprocesses  grosses  Gewicht  beigemessen  (cf.  Lang  und 
Ulimann  (16).  Es  wäre  ja  auch  möglich,  dass  der  ganze 
Process  ursprünglich  eine  specifische  „embolische^  Entzündung 
^on  Gefässen  der  Yenenwand  war. 

Auf  weitere  Details  des  histologischen  Befundes  möchte 
ich  nicht  eingehen  —  hinweisen  möchte  ich  nur  auf  die  grosse 
Aehnlichkeit  speciell  der  kleinen  Knoten  mit  miliaren  Tuberkeln 
und  auf  das  Vorkommen  von  unzweifelhaften  elastischen  Fasern 
im  Innern  Yon  Riesenzellen. 

Durch  die  mikroskopische  Untersuchung  gewinnt  unser 
Fall  ein  besonderes  Interesse  nach  zwei  Richtungen:  einmal 
weil  er  einen  neuen  Beweis  für  die  Bedeutung  des  Venen- 
systems für  die  syphilitischen  Erkrankungen  überhaupt  dar- 
stellt, und  dann,  weil  er  sich  ausserorclentlich  gut  einfügt  in 
die  von  Philippson  aufgestellte  Lehre  von  der  Bedeutung 
der  Embolien  und  speciell  der  Venenverstopfungen  für  die  Natur 
der  Erytheme,  resp.  der  von  innen  her  bedingten  Hautkrank- 
heiten. 

Was  den  ersten  Punkt  angeht,  so  ist  es  vor  allen  Ri  e  d  e  r  (17) 
gewesen,  welcher  für  die  primäre  und  femer  speciell  für  die 
tertiäre  Lues  des  Rectums  den  Beweis  erbracht  hat,  dass  ent- 
gegen der  weitverbreiteten  Anschauung  von  der  prädominirenden 
Betheiligung  der  Arterien  es  (neben  den  Lymphgefassen)  gerade 
die  Venen  sind,  welche  (durch  Endophlebitis  und  Phlebo- 
sclerose)  den  wesentlichsten  Antheil  an  der  Propagation  des 
syphilitischen  Processes  haben.  Aus  der  Zusammenstellung 
von  Proksch  (18)  wissen  wir,  dass  die  Syphilis  auch  der 
eztraparenchymatösen  Venen  nicht  so  selten  ist,  wie  es  bislang 
den  Anschein  hatte. ^)  Ganz  unabhängig  davon  ist  Philippson 
durch  die  Untersuchung  von  frischen  subcutanen  Gummata 
zu  dem  Resultat  gekommen,   dass  diese  ihren  Ausgangspunkt 


^)  Ygl.  hiezu  auch  noch: 

0 r  1  o w 8 k y :  n^nr  patb.  Auat.  der  spinalen  Syphilis"  inLnbarsch- 
Ostertags  Ergebnissen.  Y.  1898. 

Forstmann:  ,|Ein  Fall  von  Darm  Syphilis  and  Endophlebitis 
syphilitica''  in  Ziegler's  Beiträgen.  XXYH.  1900. 

Franke  1:  „Zar  Lehre  von  der  aoqairirten  Magen-,  Darm-Syphilis'' 
in  Virchows  Archiv.  CLV. 


16  Marcuse. 

von  Venen  nehmen,  während  die  Arterien  fast  immer  unbetheiligt 
sind.  Diese  Anschauung  hat,  soviel  ich  sehe,  allgeibeine  j^e- 
stätigung  bisher  nur  in  einer  Bemerkung  Dariers  gefunden, 
der  sagt,  dass  die  erste  Gefassveränderung  bei  deii  subcutanen 
Gummen  fast  stets  eine  kleine  Vene  an  einer  beschränkten 
Stelle  ihres  Verlaufes  trifft.*)  Aber  auch  Biroh-Hirsch- 
f  eld^)  sagt  schon  1894,  dass  „in  gummösen  Herden  eine  starke 
Betheiligung  der  Venen  wände  regelmässig  nachzuweisen  ist«** 
In  dem  von  mir  beobachteten  Falle  war  es  zweifellos  eine 
grössere  Vene  des  subcutanen  Gewebes,  die  wie  bei  den  von 
Philippson  beobachteten  Fällen  den  Ausgangspunkt  des 
Knotens  darstellte.^) 

Die  Thatsache,  dass  die  subcutanen  Gummata  seiner  Ftüle 
von  den  Venen  ausgehen,  fügt  sich  bei  Philippson  bekanntlich 
nur  als  ein  Glied  seiner  Lehre  von  der  Embolie  und  Metastase 
bei  Hautkrankheiten  ein,  welche  den  Lesern  dieses  Archivs  zur 
Genüge  bekannt  ist.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  diese  Lehre 
im  Ganzen  einzugehen  und  speciell  zu  prüfen,  ob  die  Identifi- 
cirung  des  Begriffs  „Erythem"  mit  embolischer  Hauterkrankung, 
wie  sie  Philippson  versucht,  nach  allen  Richtungen  zutrifft. 
Für  mein  Thema  genügt  es  hervorzuheben,  dass  ein  Process, 
der  nach  der  Nomenclatur  speciell  der  französischen  Derma- 
tologie als  „Erytheme  noueux  syphilitique**  bezeichnet  wird, 
sich  als  Phlebitis  manifestirt,  sich  also  in  diesem  Sinne  als' 
eine  Stütze  der  Philippson'schen  Anschauung  erwiesen  hat. 
In  demselben  Sinne  ist  der  bereits  erwähnte  von  Philippson 
selbst  erhobene  Befund  einer  Endophlebitis  bei  einem  dem 
Erythema  nodosum  syphiliticum  sehr  ähnlichen  Erankheitsbild 
zu  deuten.  Es  wäre  natürlich  voreilig,  nun  etwa  den  Schluss 
ziehen  zu  wollen,  dass  alle  Fälle,  welche  dem  Bilde  des  Ery- 
thema  nodosum  sypiliticum  entsprechen,  Phlebitiden  seien.  Aber 


^)  Fournnier:  Traite  de  la  Syphilis,  Periode  tertiaire.  (T.  IL, 
F.  I.)  1901.  p.  68. 

')  Pro  kB  ob:  1.  c.  p.  6. 

')  Anm.  b.  d.  Correct.:  Inzwiscben  hat  Blascbko  (19)  atisfarlicb 
über  einen  Fall  von  TbrombophlebiÜB  syphilitica  berichtet,  der  Phi- 
lippson's  and  meinen  Befunden  vollkommen  entspricht,  wenn  auch  das 
klinische  Bild  durchaus  von  denjenigen  abweicht,  das  meine  Pat.  darboten. 


Ueber  nodöse  Syphilide  nnd  syphilitiecbe  Phlebitis.  17 

ich  muss  hier  doch  noch  auf  zwei  Punkte  aufmerksam  machen, 
die  fiir  diese  Frage  Bedeutung  hahen: 

1.  Einmal  nämlich  auf  die  bei  unsenn  zweiten  Falle  ge- 
fundenen Stränge.  Diese  konnten  kaum  anders,  denn  aln 
Phlebitiden  von  geringer  Länge  gedeutet  werden;  es  könnten 
höchstens  noch  Lymphangitiden  in  Frage  kommen,  aber  für 
deren  Diagnose  lag  sonst  kein  Anhaltspunkt  vor.  Entzündungen 
der  Venen  im  secundären  Stadium  sind  uns  speciell  durch  die 
Zusammenstellung  Yon  Proksch  besser  bekannt  geworden; 
sie  sind  gewiss  nicht  häufig;  aber  es  ist  interessant,  dass  von 
den  31  Phlebitiden  der  subcutanen  Venen,  die  Proksch  ge- 
funden hat,  26  die  Venen  der  unteren  Extremitäten  betreffen. 

Die  beiden  Fälle,  von  denen  Herr  Professor  Jadassohn^) 
Notizen  besitzt,  waren  ebenda  localisirt.  Nun  sind  aber  auch 
(wie  die  subcutanen  Gummata  nach  Fournier  in  427o  &ller 
Fälle)  die  dem  „Erythema  nodosum  syphiliticum**  entsprechenden 
Affectionen  speciell  an  den  unteren  Extremitäten  localisirt. 
Weist  schon  das  auf  eine  Beziehung  auch  dieser  Form  zu  den 
Venen  hin,  so  macht  das  directe  Hervorwachsen  eines  phlebi- 
tischen Stranges  aus  einem  Knoten  bei  unserem  zweiten  Falle 
diesen  Zusammenhang  fast  zweifellos.  Ich  möchte  nebenbei  hervor- 
heben, dass  so  kurze  Venenstränge  doch  recht  selten  sind  — 
vielleicht  sind  sie  auch  nur  nicht  genügend  beachtet  worden, 
immerhin  werden  sie  doch  ab  und  zu  erwähnt,  z.  B.  bei  Gbs- 
selin^)  und  bei  Fournier.*) 

2.  Weiter  erscheint  mir  erwähnenswerth,  dass  beim  Ery- 
theme noueux  syphilitique,  wie  Mauriac  ausführlich  beschreibt 
und  auch  de  Beurmann  und  Claude  heryorheben,  neben 
den  eigentlichen  Erythemknoten  derbe,  manchmal  kleine  und 
runde  Knoten  im  Unterhautzellgewebe  vorhanden  sind,  über 
denen  die  Haut  verschieblich  ist;  diese  bleiben  entweder  als 
solche  bestehen,   oder   sie   gehen   in  Erythemknoten  über;    in 


^)  Der  eine  ist  in  der  Dtsch.  Medic.  Wochschr.  1896  Nr.  11.  im 
Sitzangs-Bericht  der  Breslauer  Vaterland.  Ges.  yeröffentlicht,  von  Proksch 
nicht  citirt;  der  andere  betraf  ein  Mädchen  mit  aosgesprochen  maligner 
Laes  nnd  namentlich  starken  ülcerationen  der  Unterschenkel. 

■)  cf.  Proksch,  1.  c.  p.  64. 

*)  1.  c.  Per.  prim.  Pör.  sec.  f.  ü.  p.  706. 

Ar  eh.  f.  Dermal,  u.  Sypb.  Bd.  LXIU.  9 


1{^  MarcuBe. 

anderen  Fällen  wandeln  sich  die  letzteren  in  diese  isolirten 
Knoten  im  Unterhautzellgewebe  um.*)  Solche  Formen  erinnern 
ausserordentlich  an  die  bekannten  Knoten  bei  den  „Tuber- 
culides**  und  es  ist  darum  besonders  interessant,  dass  auch 
bei  einem  typischen  Fall  der  letzteren  Philippson  eine 
„Thrombophlebitis  tuberculosa"  gefunden  hat.^)  Auch 
das  Vorkommen  dieser  subcutanen  Knoten  beim  Erythema 
nodosum  syphiliticum  scheint  für  die  Bedeutung  des  phlebitischen 
Processes  bei  dieser  Form  zu  sprechen.  Dabei  werden  wir  die 
oben  genannten  Differenzen  (Uebergang  der  Knoten  in  Erythem- 
Efflorescenzen  und  dieser  in  jene)  ohne  Zwang  auf  oberfläch- 
lichere oder  tiefere  Localisation  des  erst  befallenen  Gefasses 
und  auf  die  Ausdehnung  der  umgebenden  Beactionszone  be- 
ziehen können ;  geht  eine  Efflorescenz  mit  oberflächlicher  Infil- 
tration und  Böthung  zurück  und  wird  dann  der  subcutane 
Knoten  fühlbar,  so  werden  wir  annehmen  dürfen,  dass  der 
letztere  in  der  mehr  pastösen  und  diffusen  Schwellung  des 
frischen  Processes  nicht  fühlbar,  aber  doch  schon  vorhanden 
gewesen  ist  (wie  das  z.  B.  bei  einem  in  der  Bemer  Klinik  be- 
obachteten „Tuberculid''  sehr  deutlich  zu  constatiren  war). 
Also  auch  wieder  eine  pathogenetische  Analogie  und  eine 
grosse  klinische  und  anatomische  Aehnlichkeit  zwischen  Lues 
und  Tuberculose  1 

Ich  glaube  aus  diesen  klinischen  Befunden  und  Analogie- 
schlüssen und  aus  den  beiden  histologischen  Befunden  von 
Philippson  und  von  mir,  den  Wahrscheinlichkeitsschluss 
ziehen  zu  dürfen,  dass  bei  dem  bisher  sogenannten  Erythema 
nodosum  syphiliticum  Phlebitiden  eine  wesentliche  Rolle  spielen. 

Ich  muss  ^un  noch  einmal  zu  dem  klinischen  Bilde  der 
Erkrankung  zurückkehren.  Der  Begriff  des  Erythema  nodosum 
syphiliticum  hätte  wohl  kaum  statuirt  werden  können,  wenn 
nicht  in  vielen  Fällen  eine  Erweichung  und  eine  Perforation 
ausgeblieben  wäre.  Es  liegen  hier  die  Verhältnisse  ganz  analog 
wie  bei  dem  Erytheme  indure  Bazins,  in  dessen  typischen  Fällen 


^)  Anm.  b.  d.  Correct.:  Blaschko,  a.  a.  0.  p.  416. 

*)  Anm.  b.  d.  Correct.:  cf.  die  Demonstrationen  auf  dem  letzten 
GongreBB  der  D.  D.  G.  von  Alexander  und  namentl.  von  Juliusberg 
and  von  Pinkns. 


Üeber  nodöse  Syphilide  und  syphilitische  Phlebitis.  19 

m 

die  Involution  ohne  Ulceration  stattgefunden  hat;  die  zu 
Fluctuation  und  Perforation  gelangenden  Knoten  haben  wohl 
schon  immer  an  „(Pommes  scrofuleuses*'  erinnert.  Deswegen 
sehen  wir  denn  auch,  dass  Mauriac  in  seiner  wirklich  grund- 
legenden klinischen  Arbeit  unter  den  „Affections  syphi- 
litiques  precoces  du  tissu  cellulaire  suscutane*^ 
drei  Formen  unterscheidet,  von  denen  er  nur  die  erste 
als  „Erytheme  noueux  syphilitique*  bezeichnet:  n^Ue 
est  characterisee  par  la  g6n6ralisation  simultanee  et  sous  forme 
eruptive  de  neoplasies  vari^es  sur  les  differentes  parties  du 
Corps,  mais  principalement  aux  membres  inferieurs  et  moins 
souveot  aux  supörieurs.  Elle  est  souvent  prec6dee  et  aecom- 
pagn6e  de  phenomenes  febriles  et  de  perturbations  rhumato- 
neuralgiformes  siegeant  dans  les  parties,  qui  vont  deveuir  le 
siege  de  ces  neoplasies  aigues.  —  Dans  ces  neoplasies  qui  sont 
presque  aussi  dermiques  qu*hypodermiques  il  y  a  des  plaques 
de  veritable  erythöme  noueux,  des  tumeurs  sous^cutanees,  des 
suffusions  etendues  ä  apparence  phlegmoaeuse,  etc.  Mais  la 
resolution  est  toujours  la  regle.  Quelles  que  soieot  sa  forme 
son  ätendue,  ses  connexions  etroites  avec  la  peau  et  la  vivacite 
de  ses  symptomes,  la  neoplasie  reste  toujours  solide  et  ne  subit 
a  aucun  degre  la  phase  necrobiotique  qui  conduit  au  ramoUis- 
sement**  Bei  der  zweiten  Form  entstehen  die  Tumoren  mehr 
isolirt,  langsamer,  indolent,  ohne  acute  Entzündungserschei- 
nungen; sie  neigen  zu  spontaner  Involution,  können  aber  er- 
weichen. Die  dritte  Form  wird  von  eigentlichen,  schnell  er- 
weichenden und  ulcerirenden  Gummata  dargestellt. 

Diese  Unterscheidungen  erscheinen  gegenüber  den  Be- 
obachtungen Mauriacs  selbst  und  gegenüber  denen  von  de 
Beurmann  und  Claude  kaum  im  Princip  aufrecht  erhaltbar ; 
durch  die  klinische  Beschreibung  meiner  Fälle  glaube  ich  eine 
weitere  Stütze  für  die  von  den  letzterwähnten  Autoren  aufgestellte 
These  beigebracht  zu  haben:  „Zwischen  dem  Erytheme 
noueux  syphilitique  und  den  Gummata  der  Haut 
und  des  Unterhautzellgewebes  gibt  es  eine  Serie 
von  intermediären  Fällen,  welche  zwischen  beiden 
Formen  unmerkliche  Uebergänge  darstellen  und 
beweisen,  dass  zwischen  diesen  klinischen  Typen 


•>♦ 


20  MaroQse. 

• 

nur  eine  Differenz  in  der  Intensität  des  patholo- 
gisch-anatomischen Processes  vorhanden  ist^ 
Wann  daran  noch  Zweifel  bestehen,  so  würden  sie  z.  B.  durch 
den  ersten  unserer  Fälle  behoben  werden:  hier  waren  bei  der 
ersten  Attaque  central  perforirte  Knoten,  d.  h.  nach  der  ge- 
wöhnlichen Nomenclatur  Gummata,  bei  der  zweiten  Attaque 
typische,  nicht  erweichende  Erythemknoten  vorhanden.  Wie 
bei  allen  anderen  Formen  der  Syphilis  gibt  es  auch  hier  Ueber- 
gänge  zwischen  scheinbar  weit  abliegenden  Dingen. 

Eine  weitere  Frage,  die  sich  aufdrängt,  ist  die:  gehören 
diese  Formen,  welche  zum  Theil  nur  in  ihrem  Beginne,  zum 
Theil  während  ihres  ganzen  Verlaufes  dem  Erythema  nodosum 
so  sehr  ähneln,  zu  den  Producten  der  secundären,  der 
tertiären  oder  der  malignen  Lues?  Diese  Frage  wird  vielen 
fiberflüssig  erscheinen;  sie  hat  auch  viel  mehr  theoretischen 
als  praktischen  Werth;  wir  müssen  jedes  Symptom  der  Lues 
heranziehen  zu  der  immer  noch  in  Discussion  befindlichen 
Frage  nach  den  Ursachen  der  Differenzen  der  so  verschiedeneu 
Lues-Produkte. 

Die  Fälle,  nach  denen  der  Typus  des  Erythema  nodosum 
syphiliticum  von  Mauria c  gezeichnet  ist,  haben  zweifellos  die 
wesentlichsten  Charaktere  der  Secundärperiode :  neben  dem 
frühzeitigen  Erscheinen  multiple  nicht  gruppirte,  sondern  ganz 
unregelmässig  localisirte  EfQorescenzen,  die  relativ  acut  auf- 
treten und  sich  ohne  Substanzverlust  im  Grundgewebe,  d.  h. 
ohne  Narbenbildung  involviren.  Wo  aber  EIrweichung  tief  ge- 
legener Knoten  und  event.  sogar  Perforation  statthat,  da  ist 
klinisch  naturgemäss  die  Analogie  zum  Gumma  gegeben.  Solche 
erweichende  Knoten  würden  dann  relativ  häufige  Gombinationen 
zwischen  secundären  und  tertiären  Produkten  bedingen.  —  Ich 
habe  schon  oben  betont,  dass  es  sich  in  meinen  Fällen,  und  so 
in  manchen  in  der  Literatur  berichteten,  auch  abgesehen 
von  den  nodösen  Herden,  um  schwerere  Fälle  von  Lues  han- 
delte, wie  sich  das  besonders  durch  das  Vorhandensein  von 
papulo-pustulösen  Exanthemen  documentirte.  M  a  u  r  i  a  c 
ist  geneigt,  das  Erytheme  noueux  syphilitique  zu  der  malignen 
Lues  zu  rechnen,  während  Lesser  das  ausdrücklich  bestreitet. 
Auch  hier  müssen   wir    von    einer    scharfen  Abgrenzung   wohl 


Ueber  nodöBe  Syphilide  and  syphilitische  Phlebitis.  21 

absehen,   da  —   so    charakteristisch  auch  das  Bild  typischer 
maUgner  Lues  ist  —  doch  üebergänge  von  dieser  zu  einfacher 
j^SyphiUs  secundaria  gravis^  yorkommen.  Besonders  in  unserm 
zweiten  Fall  lag   die  Analogie   zur   malignen  Lues   nahe  und 
zwar  wegen  des  lange  anhaltenden  Fiebers  und  wegen  der  be- 
sonders zahlreichen   papulo-pustulösen  Efflorescenzea.    Ferner 
waren  in  demselben  Sinne  die  an  acute  aphthöse  Effloroscenzen 
erinnernden  Munderscheinungen  aufzufassen,  welche  auch  erst  — 
wie  die  Hauterkrankung  und  das  Fieber  —  durch  die  Hg- Behand- 
lung zurückgingen.^)  —  So  weist  denn  alles  darauf  hin,  dass  wir 
es  bei   diesen  Knoten  mit  Formen  zu  thun  haben,   welche  — 
wie  so  manche  andere  —  unserm  Schema  des  Syphilisverlaufes 
sich  nicht  recht  einfugen  wollen.    Auch  der  histologische  Be- 
fund wird  eine  sichere  Rubricirung  nicht  immer  ermöglichen. 
Li  meinem  Falle   entsprach   er   zweifellos   am   meisten   einem 
wirklichen  Gumma.    Aber  das  muss  natürlich  selbst  bei  sehr 
ähnlichen  klinischen  Bildern  keineswegs  immer  so  sein.  Es  ist 
sogar  wahrscheinlich,   dass  man  bei  solchen  Formen,   die  dem 
typischen  Bilde  des  Erythema  nodosum  syphiliticum  entsprechen, 
Yon  gummösen  Veränderungen  nichts  finden  würde.    In  diesem 
Sinne  ist  zu  betonen,  dass  in  dem  oben  citirten  Falle  Phi- 
lippson  nur  von  Entzündungs-Erscheinungen,  nicht  aber  von 
Necrose  spricht,  und  dass    die    einzige  genauere  histologische 
Untersuchung  einer   syphilitisch   erkrankten    subcutanen   Vene 
Yon  Mendel')   irgendwelche   specifische  Veränderungen  nicht 
aufgedeckt  hat,  die  Affection  also  nicht  gummöser  Natur  war. 


^)  Ich  möchte  hier  an  die  Analogie  mit  den  von  J.  Neumann 
(Archiv  XXXVI,  p.  361)  pnblicirten  Fällen  von  £i7thema  nodosum  im  An- 
Bchlnss  an  aphthöse  Procesee  der  Schleimhaut  des  Mundes  und  der  weib- 
lichen Genitalien  erinnern.  Neumann  ist  der  Ansicht,  dass  diese  Haut- 
aflection  „durch  die  directe  Einwirkung  jener  Infectionskeime  bezw. 
deren  giftige  Stoffwechselpro dnkte  entstehen,  die  den  Gmndproceas 
hervorrufen  und  dass  sie  die  localen  Manifestationen  der  Infeotion  an  der 
Haut  darstellen."  In  unserem  Fall  war  die  aphthöse  Affection  des  Mundes 
und  das  Erythema  nodosum  syphilitisch;  erwähnt  sei  daher  noch,  dass 
eine  von  den  Patientinnen  N^eumann's,  bei  der  allerdings  der  nodöse 
Charakter  der  Hautaffection  sehr  wenig  ausgesprochen  gewesen  zu  sein 
scheint,  V»  ^^^  vorher  an  einem  syphilitischen  Primir-Affeot  und  an 
Secundärsymptomen  erkrankt  war. 

»)  cf.  Fournier,  1.  c.  f.  II.  1899.  p.  706. 


22  Marcnse. 

Weitere  Aufklärungen  könnte  noch  das  therapeutische  Ver- 
halten geben.  Darüber  wissen  wir  aber,  soviel  ich  sehe,  nicht 
genug.  Zwar  wird  in  her  Literatur  wiederholt  betont,  dass  die 
Erkrankung  auf  Jodkali  gut  reagirt  Von  allen  Unterscheidungs- 
mitteln der  secundären  und  der  tertiären  Produkte  scheint 
noch  immer  die  therapeutische  Beaction  das  beste  zu  seinJ) 
Es  wäre  aber,  da  auch  tertiäre  Produkte  auf  Hg  meist  sehr 
gut  reagieren,  nothwendig,  in  jedem  Falle  zuerst  EJ  zu  geben 
und  erst,  wenn  das  nicht  schnell  und  energisch  —  d.  h.  nicht 
in  der  für  tertiäre  Produkte  so  charakteristischen  Weise  — 
wirkt,  zu  Hg  überzugehen.  Das  haben  wir  in  unserm  zweiten 
Falle  gethan  —  es  zeigte  sich  unter  KJ  keine  vollständige 
Heilung,  sondern  nur  einzelne  Knoten  gingen  zurück  —  unter 
Sublimat-Injetionen  trat  Heilung  ein.  Im  ersten  Fall  ging  das 
Recidiv  der  Knoten  auf  KJ  zurück  (Vq  Salicyl-Quecksilber- 
Injection  hat  vermuthlich  einen  Einfluss  nicht  gehabt).  Es  ist 
sehr  wohl  möglich,  dass  die  therapeutischen  Resultate  in  solchen 
Fällen  sehr  verschieden  ausfallen  werden;  es  wäre  das  ein 
weiterer  Beweis  für  die  Anschauung,  dass  diese  Formen  eben 
als  „intermediäre**  aufzufassen  sind. 

Ein  gewisses  allgemeines  Interesse  hat  endlich  auch  die 
Thatsache,  dass  bei  diesen  Formen  eine  in  vielen  Fällen  recht 
schnell  einsetzende  Erweichung  von  syphilitischen  Produkten 
auftritt,  die  mit  einer  acuten  Vereiterung  wohl  zu  vergleichen 
ist.  In  unseren  Krankengeschichten  ist  erwähnt,  dass  die 
culturelle  Untersuchung  der  durch  Incision  entleerten  Flüssigkeit 
auf  gewöhnlichen  Nährböden  wachsende  Mikroorganismen  nicht 
ergab.  Das  gleiche  Resultat  hat  Herr  Professor  Jadassohn 
auch  sonst  verschiedentlich  erhalten.  Es  stimmt  das  ganz  mit 
der  von  verschiedenen  Seiten  und  auch  an  der  Bemer  Klinik 
gemachten  Erfahrung  überein,  dass  pustulöse  Efflorescenzen 
der  Frühlues,  wenn  sie  ganz  frisch  untersucht  werden,  Staphylo- 
oder  Streptococcen  nicht  enthalten  —  ein  weiterer  Hinweis 
darauf,  dass  die  Erscheinungen  der  malignen  Lues,  deren  Efflo- 
rescenzen die  erweichenden  Knoten  jedenfalls  nahe  stehen, 
wohl  nicht  durch  eine  Mischinfection  bedingt  sein  können. 


^)  cf.  Jadassohn:   Intemation.   Dermatolog.  Congress   in  London 
1896.  pag.  859. 


üeber  nodöie  Syphilide  und  Byphilitische  Phlebitis:  23 

Zam  Schluss  mochte  ich  noch  eine  diagnostische  Bemer- 
kimg  hinzufügen.  Wo  sich  die  Eoioten  relativ  langsam  ent- 
wickeln und  wo  Erweichung  eintritt,  da  wird  die  Unterschei- 
dung dieser  Syphilisform  von  dem  idiopathischen  Erythema 
nodosum  selbstverständlich  sehr  leicht  sein.  Aber  aus  der 
Literatur  wie  auch  aus  meinen  Beobachtungen  geht  hervor, 
dass  diese  beiden  Momente  keineswegs  immer  vorhanden  sind. 
Ich  kann  nicht  zugeben,  was  Bock  betont,  dass  „  die  Syphilides 
nodulaires  precoces  du  tissu  cellulaire  de  la  peau**  und  die 
cutanen  Gummata  einen  langsamen  Verlauf  haben,  meist  von 
AUgemein-Erscheinungen  begleitet  sind  und  nicht  die  entzünd- 
lichen Alterationen  aufweisen,  welche  für  das  Erythema  nodosum 
charakteristisch  sind;  acutes  Auftreten  und  Fieber  kommen 
vielmehr  auch  bei  dem  nodösen  Syphilid  der  Frühperiode  vor, 
wrie  unser  zweiter  Fall  beweist.  Man  wird  also  auch  beim 
Erythema  nodosum  an  die  Differentialdiagnose  gegenüber  Lues 
denken  müssen.^) 

Naturgemäss  erlauben  die  wenigen  Beobachtungen,  über 
die  ich  berichten  konnte,  nicht,  definitive  Schlüsse  zu  ziehen 
Aber  ich  glaube  doch  aus  ihnen  wie  aus  dem  in  der  Literatur 
niedergelegten  Material  Folgendes  mit  Wahrscheinlichkeit  ent- 
nehmen zu  können: 

L  In  seltenen,  auch  nach  anderer  Richtung 
meist  relativ  schweren  Fällen  von  Lues  treten  — 
unter  Bevorzugung  der  auch  für  das  idiopathische 
Erythema  nodosum  als  Prädilections-Stellen  gel- 
tenden Eörperregionen  —  Erythema-nodosum- 
ähnliche  Eff lorescenzen  auf,  die  in  der  Regel  als 
eine  specifische  Exanthemform  zu  betrachten  und 
nach  französischem  Beispiel  wohl  am  besten  als 
„nodöse  Syphilide^  zu  bezeichnen  sind.    . 

U.  Die  nodösen  Syphilide  erscheinen  gewöhn- 
lich im  ersten  Jahre  post  infectionem,  finden  sich 
oft  zugleich  mit  anderen  secundären  Hautmani- 
festationen und  nehmen  einen  verschiedenartigen 
Verlauf:  bald  werden   sie  spurlos  resorbirt,  bald 


^)  cf.  Jarisch:  1.  c.  p.  114. 


24  MarouBe. 

erweichen  und  alceriren  sie.  Sie  reagiren  auf 
specifische  Behandlung;  doch  ist  die  specielle 
Wirkung  der  Hg-  resp.  der  Jod-Therapie  auf  diese 
Erkrankungsform  noch  nicht  genügend  fest- 
gestellt. 

III.  Aus  klinischen  Gründen  wie'  auf  Grund 
von  pathologisch-anatomischen  Untersuchungen 
(Philippson's  und  mein  Fall)  ist  schon  jetzt  der  Aus- 
gang dieser  Herde  von  den  subcutanen  Venen 
recht  wahrscheinlich.  Es  sind  grosse  Analogien 
im  klinischen  wie  im  anatomischen  Bilde  vor- 
handen zwischen  dieser  Form  und  gewissen  no- 
dösen „Tuberculiden**,  deren  Ausgang  Ton  den 
Venen  durch  die  Untersuchungen  Philippson's 
wahrscheinlich  gemacht  worden  ist. 

rV.  Aus  klinischen  Gründen  (bald  acutes,  bald 
chronisches  Entstehen,  bald  Resolution,  bald  Er- 
weichung, yerschiedene  therapeutische  Resultate) 
ist  es  wahrscheinlich,  dass  diese  Erkrankungs form 
bal  d  mehr  zursecundären,  bald  mehr  zur  tertiären 
Syphilis  zu  rechnen,  also  als  intermediäre  zu  be- 
zeichnen ist.  In  meinem  Falle  ist  histologisch  die 
gummöse  Natur  der  Krankheit   nicht   zweifelhaft. 

Für  das  wohlwollende  Interesse,  mit  dem  mich  Herr  Pro- 
fessor Dr.  Jadassohn  bei  Anfertigung  vorstehender  Arbeit 
in  liebenswürdigster  Weise  unterstützt  hat,  sage  ich  meinem 
hochverehrten  früheren  Chef  auch  an  dieser  Stelle  herz- 
lichen Dank. 


Ueber  nodöse  Syphilide  und  syphilitische  Phlebitis.  25 


Literatur. 

1.  Orillard  et  Saboaraud:    Erytheme  noueax  au  cours  d'ane 
septicömie  k  streptocoques.  M6d.  moderne  1898. 

2.  Finger:    Beitrag  zar  Aetiologie  and  pathologischen  Anatomie 
des  Erythema  multiforme  und  der  Purpura.   Archiv  1898. 

8.  Yidal  et  Leloir:    Trait6  dösoriptif  des  maladies  de  la  pean. 

4.  Uffelmann:    Ueber  eine  ominöse  Hauterkrankung.    Deutsch. 
Aroh.  f.  klin.  Med.  1872  und  1876. 

5.  Fournier:    Trait6  de  la  Syphilis.  1899—1901. 

6.  Mauriao:  Affections  syphilitiques prdcoces.  Annales  1 880 — 1881 . 

7.  De  Beurmann  et  Claude:    Erythemes  noueux  syphilitiques. 
Annales  1896. 

8.  Lesser:  a)  üeber  Syphilis  maligna.  Archiv  1882.  f>)  Lehrbuch 
der  Geschlechtskrankheiten  1901. 

9.  Bock:    Erytheme  noueux.    Joum.   des   maladies   cntanees    et 
syph.  1891. 

10.  Jadassohn:  a)  Erythema  exsudativum  multiforme  et  nodosum. 
Lubarsch-Ostertags  Ergebnisse  etc.  IV,  1896.  h)  Schwalbe- 
Ebsteins  Handbuch  der  prakt.  Medicin.  in.  1.  pag.  686. 

11.  Neisser:  Hautkrankheiten.  Schwalbe-Ebsteins  Handbuch 
der  prakt.  Medicin.  III.  2.  pag.  69. 

12.  J arisch:   Hautkrankheiten.   Nothnagel.  XXIY.  1.  pag.  114. 

13.  Philip pson:  a)  Üeber  Metastase  und  Embolie  der  Haut. 
Arch.  LI.  b)  Delle  Gomme  sifilitiche.  Giom.  ital.  delle  mal.  ven.  e  d. 
pell.  lY.  1894. 

14.  Jores:  Zur  Eenntniss  der  Regeneration  und  Neubildung 
elastischen  Gewebes.    Ziegler's  Beitrage.  XXVII.  p.  881. 

16.  Fischer:  Ueber  Entzündung,  Sderose  und  Erweiterung  der 
Yenen  mit  besonderer  Berficksiohtigung  des  elastischen  Gewebes  der 
Gefasswand.   Ibid.  pag.  494. 

16.  Lang  und  Ullmann:  Lubarsch-Ostertags  Ergebnisse  etc. 
1898.  pag.  680. 

17.  Bieder:  a)  Histologische  Untersuchungen  im  Primärsstadium 
der  Syphilis.  D.  med.  Wochensohr.  1898.  b)  Zur  Pathologie  und  Therapie 
der  Mastdarmstrikturen.  Archiv  f.  klin.  Chirurg.  1897.  c)  Beiträge  zur 
Histologie  und  pathologischen  Anatomie  der  Lymphgefasse  und  Yenen. 
Centralbl.  f.  allg.  Pathologie  und  path.  Anat.  1898.  1. 

18.  Proksch:  Yenen- Syphilis.  Monographie.  Bonn.  1898. 

19.  Blaschko:  Thrombophlebitis  syphilitica.  Yerhandlungen  der 
deutschen  dermat.  Ges.  YH.  Gongr.  Breslau.  1901. 


26  MarcQse. 

20.  Giro  de:  PhUbite  dans  l'^rythime  polymorphe.  Annal.  de  la 
derm.  et  syph.  IX.  12. 

21.  Vgl.  ansserdem  nocli  besonders  die  am  Ende  seiner  Arl>eit  von 
Ehrm  ann  gegebene  Literatur  über  symptomatische  eto.  Erytheme:  Hand- 
bnch  der  Haatkrankheiten  von  Mracek;  Abth.  lY. 


Erkiftning  der  Abbildungen  auf  Tai  I. 


Fig.  1.  Uebersiohtsbild  aas  den  ersten  Schnitten:  a)  Die  das  Ge- 
fässlumen  obliterirende  Grannlationsmasse.  h)  Capillareu  in  dem  Granu- 
lationsgewebe.  o)  Elastische  Schichten  der  Gef&sswand.  d)  Mnscolfire 
Schicht  der  Gefasswand. 

Fig.  2.  üebersichtsbild  aas  der  Mitte  des  Tamors:  Die  Gef&ss- 
wand sum  grössten  Theil  zerstört,  das  Geschwalstgewebe  in  eine  nekro- 
biotisohe  Masse  amgewandelt. 


Archiv  f  Dermatologie  u  Syphilis  BandlXIII 


''m^M.. 


u 


Welche  Hautveränderungen  können  durch 

mechanische  Reizung  der  Haut 

hervorgerufen  werden/^ 

Von 

Docent  Dr.  ludwig  Török,  Budapest. 


In  meiner  Arbeit   über   die  Bedeutung   der  ekzematösen 
Hautveränderungen   und   über  die  allgemeinen  Reactionen  der 

Haut^  habe  ich  jene  Hautveränderungen,  welche  unter  dem 
Einflüsse  der  verschiedensten  Ursachen  in  gleicher  Weise  ent- 
stehen und  allein  für  keine  dieser  Ursachen  und  folglich  auch 
für  keine  einzelne  Krankheit  charakteristisch  sind,  unter  dem 
Namen  der  allgemeinenReactionen  derHaut  zusammen- 
gefasst  Zu  den  allgemeinen  Reactionen  der  Haut  rechnete 
ich  die  folgenden:  1.  congestiv-hyperämische,  ein  seröses  oder 
zelliges  Exsudat  aufweisende,  auf  kleinere  oder  grössere  Bezirke 
localisirte  Hautveränderungen,  wie  wir  sie  bei  den  verschiedenen 
Arten  yon  Roseolen,  von  Erythemen,  bei  den  Papeln  und  Flecken 
der  Urticaria,  denKnötchen  der  Prurigo,  dem  Ekzema  papulosum  zu 
beobachten  Gelegenheit  haben.  Diese  entstehen  nach  Einwirkung 
schwächerer  Reize  auf  die  Haut.  2.  Hautveränderungen  mit  conge- 
stiver  Hyperämie,  serösem  oder  zelligem  Exsudat,  bei  welchen 
ausserdem  noch  durch  die  Einwirkung  stärkerer,  aber  nicht  con- 
centrirter  Reize')   auf  die  Epidermis  abnorme  Yerhomung  mit 


')  Vortrag  gehalten  in  der  Sitzung  Tom  10.  Mars  1902  der  dermato- 
logiflcben  Section  des  Badapester  königlichen  Aerztevereines. 

*)  Annales  de  Dermatologie  1896. 

*)  Konzentrirte  würden  Necrosen,  Degenerationen  hervorrufen,  welche 
f&r  die  Ursache  charakteristisch  sind. 


28  Török. 

Schuppung,  resp.  nach  stärkerer  Einwirkung  des  Beizes  und 
der  aJs  Folge  derselben  eintretenden  stärkeren  Serumexsudation 
ans  den  Gefassen  und  des  Einströmens  des  Serums  in  die  Epi- 
dermis —  Bläschenbilduug  und  Nässen  vorhanden  sind.  Diese 
Hautveräuderungen  gelangen  als  schuppende,  vesiculöse  und 
nässende  Ekzemaüsation  und  als  yesiculöse  und  bullöse  Derma- 
titis zur  Beobachtung.  3.  Hautveränderungen,  bei  welchen  in  Folge 
einer  gleichmässigen  und  massigen  Hypertrophie  der  Epidermis  und 
des  Papillarkörpers  die  Oberhautfelderung  stärker  ausgesprochen 
erscheint.  Gleichzeitig  besteht  congestive  Hyperämie  und  zumeist 
sind  die  betreffenden  Stellen  von  Blutpigment  bräunlich  gefärbt 
Diese  Veränderung,  die  Lichenisation,  entsteht  nach  länger 
währender,  chronischer  Einwirkung  von  äusseren,  insbesondere 
von  mechanischen  Reizen. 

Die  allgemeinen  Reactionen  können  schon  auf  der  normalen 
Haut  künstlich  hervorgerufen  werden;  unter  pathologischen 
Verhältnissen  entstehen  sie  aber  oft  viel  rascher  und  leichter 
und  dies  so  sehr,  dass  der  Grad  der  Reaction  in  gar  keinem 
Verhältnisse  steht  zu  der  einwirkenden  Ursache,  welch  letztere 
in  diesen  Fällen  bloss  als  auslösende  Gelegenheitsursache  zu 
figuriren  scheint,  während  die  Hautveränderung,  welche  als 
Folge  der  Einwirkung  der  auslösenden  Gelegenheitsursache  ent- 
steht, durch  Eigenschaften  der  Haut  und  disponirende  Momente 
bedingt  zu  sein  scheint. 

Die  allgemeinen  Reactionen  der  Haut  sind  häufig  von  Anfang 
an  mit  subjectiven  Beschwerden  (Jucken,  Brennen,  Schmerzen) 
verbunden.  Ihre  Entwicklung  geschieht  daher  in  vielen  Fällen 
von  Anfang  an  unter  Kratzen,  Reiben  und  Scheuem.  Es  müsste  daher 
die  Frage  aufgeworfen  werden,  welchen  Einfluss  diese  mechanische 
Reizung  der  Haut  auf  die  Entwicklung  der  allgemeinen  Reactionen 
der  Haut  ausübt.  Bei  der  Untersuchung  dieser  Frage  musste 
vorerst  der  Einfluss  der  mechanischen  Reizung  auf  die  normale 
Haut  bestimmt  werden,  denn  es  ist  gewiss,  dass  die  mechanische 
Reizung  auch  unter  pathologischen  Verhältnissen  beiträgt  zur 
Entwicklung  von  Hautveränderungen,  welche  auf  der  normalen 
Haut  unter  ihrem  Einfluss  entstehen.  Eine  zweite  Untersuchung 
galt  der  Frage,  ob  das  Scheuern  und  Kratzen  unter  patho- 
logischen  Verhältnissen   solche  mit  Jucken  einhergehende,   zu 


Hantveränderangen  dorob  mechaniBche  ReizuDg  der  Haut.  29 

den  allgemeinen  Reactionen  gestellte  Hautveränderungen  hervor- 
zurufen im  Stande  ist,  welche  sie  auf  normaler  Haut  zu  erzeugen 
unfähig  ist. 

Die  zur  Entscheidung  dieser  Fragen  angestellten  Versuche 
wurden  in  der  Weise  ausgeführt,  dass  die  mit  Seife,  Alkohol 
und  Aether  gereinigte  Hautoberfläche  mittels  einer  sterilisirten 
Bürste,  oder  mittels  eines  mit  sterilisirter  Gaze  umwickelten 
Fingers  gerieben  wurden.  In  den  Fällen,  welche  eine  längere 
Beobachtung  beanspruchten,  wurde  hierauf  ein  Deckverband  an- 
angelegt In  den  P'ällen,  in  welchen  die  mechanische  Reizung  der 
Haut  Wochen  hindurch  fortgesetzt  wurde,  wurde  die  Haut  au 
einer  circumscripten  Stelle  anfangs  einmal,  später  2 — 3  Mal 
täglich  gebürstet.  Dieses  geschah  in  2  Fällen.  Wir  theilen  hier 
das  Versuch sprotokoU  des  einen  mit: 

T.  B.,  29jäbr]ge8  kräftiges  Individuam,  mit  leiuhter  Keratosis  pilaris 
behaftet.  Der  Yersach  wird  an  der  Innenfläche  des  linken  Arme^ 
ansgefnhrt 

1.  Tag.  37i  Minuten  lang  währendes  Bürsten.  Auf  der  gebürsteten 
Hantfläche  bilden  sich  auf  hyperämischer  Basis  miliare  blasse,  rundliche 
Erhebungen.  Kurze  Zeit  darauf  schwillt  die  ganze  gescheuerte  Stelle  in 
etwa  kindshandgrosser  Ausdehnung  beinahe  urticariaartig  auf.  Auf  der 
angeschwollenen  Stelle  sind  pankt-  und  strichförmige,  blutige  oberflächliche 
Excoriationen  vorhanden.  Die  Anschwellung  selbst  ist  blass,  von  einem 
hyperämischen  Hofe  umgeben.  Dumpfer  Schmerz,  der  etwa  6  Stunden 
lang  währt. 

2.  Tag.  2  Minuten  lang  währendes,  schwaches  Scheuem  mit  der 
Börste.  Aehnliche  Hautveränderung  wie  Tags  zuvor,  jedoch  geringeren 
Grades.    Verlauf  wie  vorher. 

4.  Tag.  Am  3.  Tag  wurde  wegen  Schmerzhaftigkeit  der  Versuchs- 
stelle das  Börsten  derselben  unterlassen.  Heute  l  Minute  lang  währendes 
Scheuem.  Die  Hyperämie  der  Stelle  ist  ständig  geworden.  Auch  die 
nächsten  zwei  Tage  wurde  wegen  Schmerzhaftigkeit  der  Versuchsstelle 
das  Scheuem  derselben  unterlassen.  Vom  7.  Tage  angefangen  wurde  das 
Börsten  einmal  täglich  1 — 2  Minuten  lang  vorgenommen,  vom  13.  Tage 
an  täglich  3  Minuten  lang.  Das  Scheuem  wurde  jetzt  von  der  Haut 
besser  vertragen  uiAd  es  gelang  weniger,  selbst  durch  stärkeres  Börsten 
sie  zu  excoriiren.  Die  Hyperämie  der  Versuchsstelle  verliert  ihre  hell- 
rothe  Farbe  immer  mehr  und  machte  einer  bräunlichen  Pigmentation 
Platz.  Die  Oberhautfelderung  ist  allmälig  etwas  stärker  ausgeprägt  ge- 
worden.   Keine  subjectiven  Beschwerden. 

21.  Tag.  Leichte  Steigerang  der  Pigmentation  und  Oberhaut- 
felderung. Nach  6  Minuten  langem  Scheuern  ist  weder  Excoriation  noch 
Schmerz  vorhanden. 


30  Török. 

22.  Tag.  NacbU  leichtes  Jacken.  Dieses  wiederholt  sich  Ton  Zeit 
zu  Zeit  im  weiteren  Verlaufe  des  Versuches. 

In  den  nächsten  Wochen  wurde  der  Versuch  in  der  Weise  fort- 
gesetzt, dass  die  Versuchsstelle  2  Mal  bis  3  Mal  t&glioh  gescheuert  wurde. 
Am  Anfange  der  8.  Woche  wurde  folgender  Status  aufgenommen:  die 
Versaohsstelle  hell -kaffeebraun,  ihre  sämmtlichen  Furchen  tiefer,  als  die 
der  Nachbarschaft,  an  ihrer  Oberfläche  haften  feine  Schftppohen  in  geringer 
Zahl.  Es  hatten  sich  demnach  die  Veränderungen  entwickelt,  welche  einer 
Liohenisation  leichteren  Grades  entsprechen. 

Je  nach  der  Intensität  und  Dauer  des  Scheuerns  können 
nach  einmaligem  Scheuern  kleinere  Differenzen  in  der  Er- 
scheinungsweise derHautveränderungen  zurBeobachtung  gelangen. 
Die  diffuse  ödematöse  Anschwellung  der  gescheuerten  Stelle 
kann  langsamer  zur  Entwicklung  kommen,  ganz  gering  bleiben. 
Statt  der  blutigen,  durch  Lädirung  der  Papillen  entstandenen 
Excoriationen  sieht  man  an  Stellen,  an  welchen  bloss  ein  Theil 
der  Epidermis  abgerissen  und  tiefere  Lagen  der  Malpighi'schen 
Schichte  blossgelegt  wurden,  Erosionen,  aus  welchen  helles, 
binnen  kurzem  zu  dünnen  hellbräunlichen  Borken  eintrocknen- 
des Serum  austritt.  Wird  die  Yersuchsstelle  mehrere  Tage 
hintereinander  weniger  intensiy  gescheuert,  dann  sieht  man 
manchmal  die  Hyperämie  und  leichtes  Oedem  der  PapiUar- 
schichte  in  einzelnen  zerstreuten  kleinpapelförmigen  Herden 
ständig  werden,  bevor  sie  sich  auf  der  ganzen  Versuchsstelle 
in  diffuser  Weise  etablirt. 

Sehen  wir  nun  von  denjenigen  Veränderungen  ab,  welche 
Folgen  der  mechanischen  Loslösung  einzelner  Hautpartikelchen 
(Ablösung  von  Homschicbtpartikeln,  Erosion  und  Excoriation), 
sowie  von  den  einfachen  Kaliberveränderungen  der  Gefässe 
(Hyperämie  und  Ischämie)  sind,  so  lassen  sich  als  Folgen 
der  mechanischen  Heizung  der  normalen  Haut 
durch  Bürsten  oder  Scheuern  die  folgenden  Haut- 
veränderungen bezeichnen: 

1.  Miliare  oder  mohnkorngrosse,  ganz  ober- 
flächlich in  der  Papillarschichte  gelegene,  ödema- 
töse, oder  hyperämisch-ödematöse,  binnenEurzem 
verschwindende  Erhebungen,  oder  ganz  gleichge- 
artete grössere  Flecken.  Diese  Hautveränderungen  ent- 
stehen nach  einmaligem,  mehrere  Minuten  währendem  Scheuem 
der  Haut.    Durch   wiederholtes  Scheuem  an  mehreren  nach- 


HBatveränderangen  durch  meohanisohe  ReiEnng  der  Haut.         31 

einanderfolgenden  Tagen  nimmt  die  Yon  massigem  Oedem  be- 
gleitete Hyperämie  einen  ständigeren  Charakter  an. 

2.  Lichenisirte  Flecken,  d.h.  unter  congestiver 
Hyperämie  und  Oedem  entstehende,  später  von 
Blutpigment  braun  gefärbte  Flecken,  an  welchen 
die  Oberhautfelderung  stärker  ausgeprägt  ist,  als 
in  der  normalen  Nachbarschaft  und  an  welchen 
feine  Schüppchen  haften.  Diese  Hautveränderung  ent- 
wickelt sich  nach  wochenlang  täglich  wiederholtem  Scheuem  und 
Bürsten  der  normalen  Haut. 

Wird  eine  Hautstelle,  welche  empfindlichere  Gefasse  be- 
sitzt, gescheuert,  dann  ist  die  Reaction  eine  stärkere.  Es  ent- 
stehen dann  schon  nachmässigemScheuern  congestiv-hyperämische 
und  ödematöse  „entzündliche^,  imPapillarkörper  gelegene  Papehi, 
wie  dies  bei  fönendem  Versuche  der  Fall  war.  Ich  brachte  eine 
Spur  des  unter  dem  Namen  „ Juckpuher^  käuflichen  Präparates') 
auf  eine  Stelle  der  Beugeseite  meines  Unterarmes.  Unter  Jucken 
entwickelten  sich  hierauf  mehrere  urticariartige  Erhebungen. 
Die  Quaddeln  und  das  Jucken  verging  nach  etwa  1  Vs  Stunden. 
Am  nächsten  Tage  war  noch  eine  leichte,  rosige  Hyperämie 
der  betreffenden  Stelle  vorhanden,  welche  nach  weiteren  24 
Stunden  abblasste.  Nun  scheuerte  ich  diese  Stelle  kurze  Zeit 
und  in  massigem  Grade,  worauf  mehrere  lebhaft  hyperämisch- 
ödematöse,  miliare,  kleinstecknadelkopfgrosse,  in  der  PapiUar- 
schichte  gelegene  Erhebungen  entstanden,  welche  10  Stunden 
lang  bestanden  und  beinahe  fortwährend  juckten.  Auch  am 
nächsten  Tage  war  es  möglich,  diese  Papeln  durch  Reiben  wieder 
hervorzurufen.  Die  Juckempfindung  verging,  als  ich  die 
Gipfel  der  Papeln  abgekratzt  hatte.  Wird  der  Versuch  in  der 
Weise  ausgeführt,  dass  die  mit  „Juckpulver^  berührte  Haut- 
stelle an  mehreren  Tagen  nach  einander  des  öfteren  massig 
gescheuert  wird,  wie  dies  in  der  Ellbogenbeuge  von  Dr.  Schein 
vorgenommen  wurde,  dann  entstehen  etwas  derbere,  in  der 
Papillarschichte  localisirte,  hyperämische  Papeln,  welche  mehrere 
Tage  lang  bestehen  bleiben,  auch  wenn  sie  nicht  weiter  ge- 
scheuert werden. 

Aus  diesen  beiden  Versuchen  ist  ersichtlich;  dass  die 
Veränderungen,  welche  durch  Scheuern  und  ähn- 
lichen mechanischen  Reizungen  auf  der  Haut  her- 


')  Dieses  besteht  ans  feinen  brann-röthliohen  H&roben,  welche  die 
Früchte  der  Siliqna  hirsnta  s.  Mncaua  pruriens,  juckende  Faseln,  auch 
Knhkrfitze  (Pols  a  gratter)  genannten,  in  die  Classe  der  Leguminosa  ge- 
hörenden Pflanxe  bedecken. 


I 


I 


32  Torök. 

vorgebracht     werden,    leichter    entstehen,    einen 

etwas  höheren  Grad   erreichen,  einen    mehr   «ent- 

zündlichen"    und  ständigeren  Charakter  besitzen, 

wenn    die    mechanische    Beizung    eine    Hautstelle 

betrifft,  we Iche  empfindlichere, reizbarere  Gefässe 

besitzt. 

Dafür,  dass  die  mechanische  Beizung  der  Haut  bei  empfind- 
licheren, pathologischen  Hautgefassen  viel  leichter  und  in  höherem 
Masse  congestive  Hyperämie  und  Serumexsudation  zu  erzeugen  ver- 
mag, können  auch  andere  Belege  vorgebracht  werden.  Ein  Peitschen- 
hieb bringt  auf  der  normalen  Haut  eine  striemenförmige  Quaddel 
hervor;  auf  dermographischer  Haut  genügt  einfaches  Darüber- 
iahren  mit  dem  Fingernagel,  um  eine  prallgespannte  Quaddel 
mit  ausgebreitetem  hyperämischen  Hofe  zu  erzeugen.  Ständiger 
Druck  verbunden  mit  Beibung,  wie  sie  beim  Buderu,  beim 
Lawn-Tennis-Spiel,  bei  längerem  Marsche  in  schlecht  sitzenden 
Schuhen  statt&idet,  führt  zu  Serumexsudation  aus  den  Haut- 
gefassen und  consecutiv  zur  Abhebung  der  Epidermis  in  tieferer 
oder  höherer  Lage;  bei  der  Epidermolysis  hereditaria  bullosa 
genügen  biezu  unvergleichlich  geringere  mechanische  Einflüsse, 
wie  z.  B.  der  Druck  der  Scheere  beim  Zuschneiden,  der  ein- 
fache Druck  nicht  zu  enger  Schuhe,  der  Strumpfbänder  etc.  Ein 
relativ  leichtes  Scheuem  einer  Hautatelle,  an  welcher  eine  durch 
Mückenstich  hervorgerufene  Quaddel  bis  auf  eine  leichte  Hyper- 
ämie zurückgegangen  war,  lässt  die  Quaddel  und  das  Jucken 
von  neuem  entstehen. 

Ich  glaube,  dass  auch  in  Bezug  auf  die  Lichenisation 
unter  pathologischen  Verhältnissen  eine  gewisse  Prädisposition 
der  Haut  mitspielt,  in  Folge  deren  die  Haut  in  gewissen  Fällen 
auf  mechanische  Insulte,  wie  das  Scheuern  und  Kratzen,  leichter 
und  rascher  zu  der  gleichmässigen  Hypertrophie  der  Epidermis 
und  der  Papillen,  welche  der  Lichenisation  zu  Grunde  liegt, 
angetrieben  wird,  als  unter  normalen  Verhältnissen.  Dabei 
lasse  ich  es  nicht  ausser  Acht,  dass  jemand,  der  von  Jucken 
geplagt  wird,  seine  Haut  häufiger  und  ausdauernder  scheuert 
und  kratzt,  als  dies  bei  unseren  Versuchen  an  normaler  Haut 
geschah,  dass  demnach  eine  hochgradigere  und  sich  rascher 
entwickelnde  Lichenisation  die  Folge  der  intensiveren  mecha- 
nischen Beizung  sein  muss.  Es  ist  aber  auffallend,  dass  trotz 
vorhandenen  Juckens  und  der  in  Folge  dessen  ausgeübten 
mechanischen  Insulten  die  Lichenisation  der  Haut  beim  Pruritus 


HaatveranderaDgen  durch  mechaoische  Reizung  der  Haut.         33 

senilis  oder  bei  der  chronischen  Urticaria  überhaupt  nicht  in 
die  Erscheinung  tritt,  wahrend  sie  sich  bei  der  Prurigo  Hebrae 
und  beim  Liehen  simplex  chronicus  prompt  und  in  hohem 
Grade  entwickelt  Insbesondere  bei  Recidiyen  des  Liehen 
simplex  chronicus  gewinnt  man  den  Eindruck,  dass  die  Rasch* 
heit  der  Entwicklung  und  der  Grad  der  Lichenisation  in  keinem 
Verhältnisse  steht  zu  dem  Grade  der  mechanischen  Insulte, 
welche  die  Haut  getroffen,  d.  h.,  dass  in  diesen  Fällen  relativ 
geringere  mechanische  Reizung  als  auf  normaler  Haut,  zur 
Hervorbringung  der  Lichenisation  genügen.  Ich  glaube  also, 
dass  bei  der  Entstehung  der  Lichenisation  in  Tielen  Fällen 
u.  zw.  insbesondere  in  jenen,  in  welchen  sie  sich  rasch  und  in 
hohem  Grade  entwickelt,  einer  besonderen  Disposition  der  Haut 
eine  Rolle  zukommt,  welche  als  grössere  Empfindlichkeit  ihrer 
Gefässe  und  gesteigerter  proliferirterer  Reizbarkeit  der  Epidermis- 
zellen  mechanischen  Insulten  —  (Scheuem,  Kratzen)  —  g%en- 
über  zum  Ausdruck  gelangt.  In  anderen  Fällen  sind  diese  Fähig- 
keiten der  Haut  herabgestimmt. 

Aus  all  dem  geht  hervor,  dass  mechanische  Reize,  wie  das 
Kratzen,  Scheuem  und  Reiben  bei  der  Entstehung  von  im 
Papillarkorper  localisirten  congestiv-hyperämischen  „entzünd- 
lichen*' Papeln  und  Flecken  mitwirken  und  nach  längerer  Ein- 
wirkung zu  der  als  Lichenisation  bezeichneten  Hautveränderung 
fähren. 

In  meiner,  eingangs  citirten  Arbeit  habe  ich  ausgeführt, 
dass  die  vesiculöse  und  nässende  Ekzematisation  hauptsächlich 
durch  die  Einwirkung  von  chemischen  und  thermischen  Reizen 
auf  die  Haut  hervorgerufen  wird.  Ich  habe  aber  überdies  an- 
genommen, dass  bei  Vorhandensein  einer  besonderen  Disposition 
der  Haut  zur  Ekzematisation  auch  mechanische  Reize,  wie  z.  B. 
das  Kratzen  und  Scheuern,  im  Stande  wären,  die  nässende  und 
vesiculöse  Ekzematisation  hervorzurufen,  falls  nämlich  unter 
pathologischen  Verhältnissen  eine  noch  weitere  Steigerung  der 
Reizbarkeit  der  Hautgefässe  stattgefunden  hat.  Ich  kam  zu 
dieser  Schlussfolgerung  auf  Gmnd  jener  Erklämng,  welche  ich 
auf  das  Auftreten  der  secundären,  sogenannten  reflectorischen 
Ekzeme  im  Anschluss  an  artificielle  Ekzeme  angewendet  hatte. 
Die   Haut   der   betreffenden   Kranken    ist   zur  Ekzematisation 

Arch.  f.  Derm&t.  u.  Syph.  Bd.  LXIII.  3 


84  Török. 

disponirt  d.  h.  es  tritt  bei  ihnen  schon  nach  der  Einwirkung 
geringerer  chemischer  Beize  eine  Senunezsudation  solchen  Grades 
an  den  Oefassen  auf,  welche  zur  Entwicklung  von  Bläschen 
und  Nässen  fuhrt.  Ich  habe  nun  ursprünglich  angenommen, 
dass  das  Jucken  von  dem  primären,  durch  chemische  Beize 
yerursachten  Herd  auf  andere  Hautregionen  ausstrahlt  und  dort 
reflectorisch  die  Beizbarkeit  der  Gefässe  noch  weiter  steigert.  In 
Folge  dieser  gesteigerten  Beizbarkeit  wären  nun  mechanische 
Einwirkungen,  wie  das  Kratzen  und  Scheuem,  welche  auf  der 
normalen  Haut  die  yesiculöse  und  nässende  Ekzematisation 
heryorzururufen  nicht  im  Stande  sind,  befähigt  diese  auf  der 
auch  schon  ursprfinglich  reizbareren,  zur  Ekzematisation  geneigten 
Haut  zu  verursachen.  Ich  habe  aber  diese  Erklärung  später 
aufgegeben  und  die  Entstehung  der  secundären  Herde  zurück- 
geführt auf  die  directe  Einwirkung  jener  chemischen  Substanzen, 
welche  die  primäre  artificielle  Elkzematisation  verursacht  hatten. 
Die  Substanzen,  welche  den  primären  Herd  hervorgebracht  haben, 
gelangen  nämlich  unmittelbar  oder  mittelbar  auf  eine  andere 
Stelle  der  Hautoberfläche  (Uebertragung  durch  die  Hände,  durch 
die  Kleider,  durch  Verflüchtigung  etc.).  Auf  dieser  rufen  sie  dann 
in  Folge  einer  besonderen  Idiosynkrasie  der  Hautgefasse  gegen- 
über bestimmten  chemischen  Substanzen  oder  in  Folge  einer 
erhöhten  Beizbarkeit  derselben  gegenüber  chemischen  Beizen 
überhaupt  die  vesiculöse  und  nässende  Ekzematisation  her- 
vor, selbst  wenn  sie  bloss  in  minimalen  Quantitäten  einzu- 
wirken Gelegenheit  hatten.  Die  Entwicklung  der  secundären 
Herde  geschieht  unter  Jucken  und  Brennen  und  ist  in  Folge 
dessen  zumeist  von  Beiben,  Scheuern  oder  Kratzen  begleitet. 
Aber  die  letzterwähnten  mechanischen  Insulte  sind  trotzdem 
nicht  die  Ursache  der  secundären  Ekzematisation,  wie  ich  anfangs 
geglaubt  habe,  sondern  die  chemische  Beizung.  Das  Kratzen 
und  Scheuem  steigert  die  Hyperämie  und  Exsudation,  steigert 
demnach  jenen  Process,  welcher  über  Einwirkung  der  chemischen 
Beize  schon  seinen  Anfang  genommen  hatte ;  es  kann  demnach 
hiedurch  die  Entwicklung  der  Bläschen  uud  des  Nässens  be- 
schleunigt werden  Ueberdies  werden  durch  die  mechanischen 
Insulte  höher  gelagerte  Epidermispartikel  entfernt  und  durch 
das  hierauf  sich  entwickelnde  Nässen  die  ödematöse  Dnrchtränkung 
der  tieferen  Epidermisschichten  manifest. 


Hantveränderungen  daroh  mechanische  Reizung  der  Haut.         35 

Ich  führe  demnach  das  Entstehen  der  primären  vesica- 
lösen  und  nässenden  Eczematisation,  sowie  die  im  Anschloss  an 
artificielle  Ekzeme  auftretenden  secandären  Herde  hauptsächlich 
auf  die  Einwirkung  chemischer  (resp.  thermischer)  Reize  zurück. 
Hiemit  war  aber  das  Auftreten  secundärer  Herde  und  das 
Weiterschreiten  gegen  die  Nachbarschaft  noch  nicht  erklärt  in 
Fallen,  wo  dies  erst  nach  längerem  Bestehen  eines  Ekzemherdes 
geschah,  wo  also  das  Vorhandensein  der  die  ursprüngliche 
Ekzematisation  verursachenden  Substanz  nicht  mehr  supponirt 
werden  konnte.  Diese  Fälle  suchte  ich  durch  eine  Modification 
meiner  ursprünglichen  Annahme  zu  erklären.  Ich  supponirte 
nämlich,  dass  in  gewissen  Fällen  während  des  Bestandes  eines 
primären  Ekzemherdes  auf  einer  zur  Ekzematisation  geneigten, 
reizbareren  Haut  die  Empfindlichkeit  der  Hautgefässe  auch 
anderer  Stellen,  in  Folge  Ausstrahlung  der  Juckempfindung 
Yon  der  ursprünglichen  Stelle  gesteigert  wird.  Nun  könnten 
beliebige  chemische  oder  thermische  Reize,  welche  gewohnheitS' 
massig  oder  zufällig  mit  der  Haut  in  Berührung  kommen,  in 
erster  Reihe  Wasser  und  Seife,  eyentuell  die  auf  den  primären 
Herd  applicirten  Arzneistoffe  etc.,  die  secundäre  vesiculöse  und 
nässende  Ekzematisation  hervorrufen.  Bei  der  Erklärung  des 
Weiterschreitens  des  Eczems  und  der  Entwicklung  secundärer 
Herde  musste  deshalb  in  erster  Reihe  auf  chemische  u&d  ther- 
mische Reize  gedacht  werden,  weil  diese  l.  schon  auf  der  normalen 
Haut  eine  Serumtranssudation  aus  den  Gefässen  von  solchem 
Qrade  zu  produciren  im  Stande  sind,  welche  dann  secandär  in 
der  Epidermis  zur  Entwicklung  von  Bläschen  und  zu  Nässen 
fuhrt,  und  2.  weil  der  Inhalt  frischer  Bläschen  und  des  frischen 
Exsudates,  welcher  aus  nässenden  Stellen  austritt,  vollkommen 
frei  ist  von  Bakterien.  Es  mussten  daher  pathologische  Ein- 
wirkungen angenommen  werden,  welche  zur  Hervorbringung 
solcher  bakterienfreier  Hautveräaderungen  befähigt  sind.  Vor 
Kurzem  sind  Bockhart,  Bender  und  Ger  lach')  auf 
Grund  experimenteller  Untersuchungen  zu  der  Folgerung  ge- 
langt, dass  bakterienfreie  Bläschen  auch  durch  Einwirkung  von 
Staphylococcentoxin,    welches    durch    Filtriren    von    Bouillon- 


>)  Monatshefte  far  Dermatologie.  Bd.  XXKHI.  Heft  4. 

3* 


36  Törak. 

culturen  der  Staphylococcen  gewonnen  wurde,  verursacht  werden. 
Es  muss  demnach  auch  mit  der  Möglichkeit  gerechnet  werden, 
dasa  hochgradige  Exsudation,  welche  zur  Bildung  bakterienfreier 
Bläschen  führt,  mittelbar  auch  durch  die  Einwirkung  von  Sta- 
phylococcen  verursacht  werden  kann. 

Wir  müssen  uns  aber  noch  mit  der  Frage  befassen,  ob 
das  Eratzen,  Scheuern  und  Beiben,  welche,  wie  bekannt  und 
wie  auch  die  oben  mitgetheilten  Ergebnisse  beweisen,  auf  nor- 
maler Haut  keine  vesiculöse  und  nässende  Ekzematisation  her- 
vorzubringen im  Stande  sind,  dies  unter  pathologischen  Ver- 
hältnissen auf  empfindlicherer  Haut  bei  gesteigerter  Beizbarkeit 
der  Hautgefasse  zu  thun  befähigt  sind.  Das  Aufwerfen  dieser 
Frage  ist  berechtigt,  denn  wir  wissen  aus  gewissen  klinischen 
Erfahrungen,  welche  so  zu  sagen  Experimente  darstellen,  dass 
mechanische  Insulte  höheren  Grades  und  längerer  Dauer,  wie 
Druck  und  gleichzeitige  Beibung  beim  Budern,  beim  Lawn- 
tennis-Spiel,  nach  langen  Märschen  in  schlecht  sitzenden 
Schuhen  schon  auf  der  normalen  Haut  eine  hochgradige  Serum- 
exsudatioD  aus  den  Hautgefässen  hervorrufen,  welche  zur  Bildung 
von  Blasen  führt  und  wir  haben  dargelegt,  dass  auch  durch 
Bürsten  und  Scheuem  eine  massigere  Serumexsudation  aus  den 
Oefassen  der  normalen  Haut  verursacht  wird.  Nun  ist  aber  der 
wichtigste,  essentielle  Process  bei  der  Bläschenbildung  und  bei 
dem  Nässen  gerade  der  Austritt  von  Serum  aus  den  Oefassen. 
Das  Aufwerfen  dieser  Frage  ist  aber  umso  mehr  berechtigt,  als  die 
Entwicklung  der  vesiculösen  und  nässenden  Ekzematisation  zu- 
meist von  Jucken  begleitet  wird,  demnach  der  Ansporn  zur 
mechanischen  Beizung  der  Haut  durch  Eratzen,  Scheuem  und 
Beiben  ebenfalls  zumeist  vorhanden  ist. 

Es  kann  natürlich  nur  davon  die  Bede  sein,  ob  das  Eratzen 
auf  der  zur  Ekzematisation  geneigten,  d.  h.  mit  überaus  em- 
pfindlichen Gefässen  versehenen  Haut  die  vesiculöse  und  nässende 
Ekzematisation  hervorzurufen  im  Stande  ist.  Wir  haben  schon 
gesehen,  dass  das  Eratzen  dies  auf  der  normalen  und  mit  „ Juck- 
pulver^  leicht  gereizten  Haut  zu  produciren  nicht  im  Stande 
ist.  Die  klinische  Erfahmng  zeigt  überdies,  dass  das  Kratzen 
trotz  langen  Bestandes  juckender  Hautkrankheiten  (verschie- 
dene Pruritusarten,  Liehen  planus,  Urticaria  etc.)  kein  Nässen 
und  keine  Bläschenbildung  zur  Folge  hat.  Das  Eratzen  könnte 
demnach  bloss  unter  bestimmten,   disponirenden  Verhältnissen 


Haatveränderungen  durch  mechaniBche  Reizung  der  Haut.  37 

eine  so  hochgradige  Exsudation  von  Serum  aus  den  Gefas8e^ 
zur  Folge  haben,  welche  zur  Bläschenbilduug  und  zu  Nässen 
fuhren.  Wir  haben  weiter  oben  gesehen,  dass  bei  der  Production 
der  Ekzematisation  durch  chemische  und  thermische  Agentien 
in  vielen  Fällen  von  der  Annahme  einer  besonderen  Disposition 
zur  Ekzematisation,  d.  h.  einer  besonderen  Empfindlichkeit  der 
Hautgefasse  nicht  Umgang  genommen  werden  konnte.  Um  wie 
viel  mehr  musste  demnach  bei  der  Fragestellung  eine  solche 
krankhafte  Disposition  ins  Auge  gefasst  werden  in  dem  Falle, 
in  welchem  von  einem  Beize,  dem  Kratzen,  die  Rede  ist,  von 
welchem  es  bekannt  ist,  dass  er  die  Gefasswände  der  normalen 
Haut  nicht  in  dem  Grade  zu  Tcrändern  im  Stande  ist,  dass 
hiedurch  eine  länger  währende  und  hochgradigere  Serumexsu- 
dation zu  Stande  käme. 

Das  Experiment  lieferte  jedoch  auch  für  die  obige  An- 
nahme keine  Stützen.  Es  gelang  nämlich  auch  auf 
empfindlicher  Haut  nicht  durch  Scheuern  und 
Reiben  eine  Serumexsudatiou  in  dem  Masse  zu 
erzeugen,  dass  es  hiedurch  zu  Bläschenbildung 
und  andauerndem  Nässen  gekommen  wäre.  Meine 
diesbezüglichen  Experimente  sind  die  folgenden : 

Bei  einer  Serie  der  Fälle  (6)  war  ein  nässendes,  artefici- 
elles  Ekzem  der  Hände  und  Unterarme  zugegen.  Es  wurde 
nun  eine  der  ekzematisirten  Hautfiäche  benachbarte,  scheinbar 
gesunde  Hautstelle  nach  vorhergehender  Reinigung  mit  Aether 
mit  dem  Finger,  der  mit  steriler  Gase  umwickelt  war,  2 — 3 
Minuten  lang  gescheuert.  Es  entstand  eine  Hyperämie  und 
leichtes  Oedem,  letzteres  manchmal  in  Papelform.  Hatte  ich  die  ober- 
flächlicheren Epidermisschichten  losgerissen,  dann  entstand,  ganz 
wie  auf  der  gesunden  Haut,  leichtes  Nässen,  welches  bald  ver- 
siegte. Das  ausgesickerte  Serum  trocknet  dann  zu  einer  dünnen, 
fimisartigen  Borke.  Stellenweise,  wo  die  Papillen  beschädigt 
wurden,  trat  Blutung  auf.  Man  könnte  jedoch  gegen  diese 
Versuche  einwenden,  dass  es  fraglich  ist,  ob  die  postulirte 
grössere  Empfindlichkeit  in  den  zu  den  Versuchen  benützten 
Fällen  vorhanden  war.  Denn  die  Ekzematisation  war  doch 
bloss  an  jenen  Hautstellen  zugegen,  welche  der  primären  Ein- 
wirkung der  chemischen  Agentien  ausgesetzt  waren. 

Dieses  Gegenargument  kann  aber  gegen  die  folgenden 
Versuche  nicht  mehr  zu  Felde  geführt  werden.  In  zwei  Fällen 
war  neben  der  nässenden  Ekzematisation  der  Hände  und  Vorder- 
arme im  Gesichte  lebhafte  congestive  Hyperämie,  Oedem  und 
stellenweise  (um  die  Nase  herum)  Schuppung  zugegen.  Dem 
weiter   oben  Ausgeführten  zu  Folge  kann   daher  nicht  ange- 


38  Török. 

nomnen  werden,  dass  die  erhöhte  Empfindlichkeit  in  diesen  Fällen 
nicht  zugegen  war.  Bei  diesen  Fällen  wurden  zu  wiederholten  Malen 
scheinbar  gesunde  Stellen  der  Schläfen-  und  Stimgegend  ge- 
scheuert. Es  konnte  hiemach  nie  die  Bildung  von  Bläschen 
und  die  Entwicklung  ständigen  Nässens  beobachtet  werden. 
Bloss  bei  einem  Versuche  schien  die  ausgesickerte  Serummenge 
eine  grössere  zu  sein,  denn  es  bildete  sich  nach  Eintrocknen  des 
Serums  eine  etwas  dickere  Borke.  Ein  länger  bestehendes 
Nässen  war  aber  auch  bei  diesem  Versuche  nicht  producirbar. 
Es  konnten  demnach  keine  experimentellen  Stützen  für  die 
Annahme  beigebracht  werden,  dass  durch  das  Scheuem  und 
ähnliche  mechanische  Insulte  auf  empfindlicher,  zur  Ekze- 
matisation  geneigter  Haut  eine  Semmezsudation  aus  den 
Papillargefässen  Ton  solchem  Grade  berrorzurufen  sei,  welche 
Grand  zur  Bläschenbildung  und  zum  Nässen  abgeben  könnte. 
Es  ist  bekannt,  dass  durch  Eratzen  und  Scheuem  die 
Hyperämie  und  das  Oedem  ekzematisirter  Stellen  gesteigert 
wird.  Auch  das  Nässen  wird  zumindest  vorübergehend  ge- 
steigert. Trockene  ekzematisirte  Stellen  können  durch  die 
mechanischen  Insulte  zum  Nässen  gebracht  werden.  Der  letzt- 
erwähnte Effect  des  Kratzens  tritt  aber  nicht  in  jedem  Falle 
auf.  In  manchen  Fällen  ist  es  bloss  möglich,  durch  Scheuem 
frischer  hyperämischer  ödematöser  und  schuppender  Flecken 
leichtes  Nässen  hervorzomfen,  welches  sich  bloss  wenig  von 
dem  auf  normaler  Haut  auf  oberflächlichen  Erosionen  derselben 
unterscheidet.  Es  tritt  wohl  des  öfteren  mehr  Serum  aus,  als 
unter  normalen  Verhältnissen,  dieses  trocknet  aber  bald  zu 
Borken  ein.  Das  Nässen  etablirt  sich  nicht.  In  anderen  Fällen 
bleibt  das  Nässen  länger  bestehen,  wie  z.  B.  in  dem  folgenden 
Falle.  Hier  hatte  sich  im  Anschlüsse  an  feuchte  Sublimat- 
verbände,  welche  nach  einer  Panaratiumoperation  angelegt 
worden  waren,  ein  langwieriges,  nässendes  Ekzem  der  linken 
Hand  entwickelt.  Allmälig  hatte  sich  der  Zustand  gebessert 
und  war  auf  dem  Handrücken  beinahe  vollkommen  abgeklungen. 
Es  bestand  hier  nur  mehr  eine  blassrosige  Marmorirung  und 
ganz  geringe  Schuppung  über  dem  Mittelhandknochen  des 
Zeigefingers.  Die  Mitte  des  Handrückens  wurde  kurze  Zeit 
gescheuert  und  sogleich  trat  auf  einer  10  Heller  grossen  Stelle 
lebhaftes  Nässen  auf,  welches  an  der  betreffenden  Stelle  4 
Tage  lang  anhielt.  Der  Grad  des  Nässens,  welches 
durch  Eratzen  und  Scheuern  auf  der  ekzema- 
tisirten  Haut  heryorgerufen  werden  kann,  hängt 
demnach  nicht  bloss  von  dem  Grade  des  ausgeübten 
mechanichen  Insultes,  sondern  yielraehr  noch  von 
dem  Zustande  der  Gefässe  ab. 


Aus  der  Abtheiltmg  ftr  Haut-  und  venerische  Zrankheiten  des 

8i  Stephansspitäls  in  Budapest. 


Zur  Eczemfrage. 


L  Können  mechanische  Einwirkungen  nnd  unter  ihnen  in  erster 
Reihe  das  Eratzen  Eczem  verursachen?') 

Von 

Prof.  S.  Röna,  Budapest. 


Durch  die  Veröffentlichungen  und  Discussionen  über  Eczem 
der  letzten  Jahre  konnten  wir  zur  Ueberzeugung  gelangen,  dass 
wir  uns  mit  der  Eczemfrage  von  vom  befassen  müssen.  Es 
bedarf  neuer  minutiöser  klinischer  Beobachtungen,  neuer  experi- 
mental  -  pathologischer  Forschungen,  neuer  histologischer  und 
bakteriologischer  Untersuchungen  um  über  das  Wesen,  Actio- 
logie  und  Pathogenese  des  Eczems  Positives  wissen  zu  können« 
Ich  meinestheils  versuche  dies  auf  meiner  Abtheilung.  Aber 
schon  die  bisherigen,  die  Aetiologie  betreffenden  experimental- 
pathologischen  und  klinischen  Untersuchungen  gaben  solche 
Ergebnisse,  dass  ich  es  schon  jetzt  für  meine  Pflicht  erachte, 
die  Discutirung  folgender  Fragen  anzuregen:  1.  Können 
mechanische  Einwirkungen  und  unter  ihnen  in 
erster  Reihe  das  Eratzen  Eczem  verursachen? 
2.  Gibt  es  ein  Beflexeczem?^ 

Wie  allgemein  bekannt,  liess  Ferdinand  Hebra  in 
der  Aetiologie  des  sogenannten  idiopathischen  Eczems 
nach  den  chemischen  die  mechanischen  Einwirkungen  die 
wichtigste  Rolle  spielen. 

')  Vorgetragen  in  der  dermatolog.  nnd  nrolog.  Seotion  det  Bnda- 
pester  königl.  Aerztevereins  17.  M&rz  1902. 

')  Die  2.  Frage  vnrd  H.  Dr.  Csillag,  der  sich  auf  meiner  Abthei- 
Inng  mit  dem  Stndinm  der  durch  chemische  Einwirkungen  verursachten 
Hautläsionen  befasst,  weiter  unten  erörtern. 


40  R6na. 

F.  H  e  b  r  a's  Aufiiassang  (Hautkrankheiten,  1860,  pag. 
378—379)  war  folgende: 

.MechaniBche  Einwirkungen  aller  Art  sehen  wir  Eczeme  erzeogen' 
n.  zw.  sowohl  bei  gesunden  als  auch  bei  kranken  Individuen, 
häufiger  allerdings  und  leichter  bei  letzteren.  Einige  derselben  sind 
wohl  allerwärts  bekannt,  und  werden  von  Niemanden  in  Zweifel  gezogen. 
Andere  werden  jedoch  oft  nicht  gehörig  gewürdigt,  und  es  scheint  uns 
demnach  nicht  überflüssig,  auf  dieselben  hier  aufmerksam  zu  machen. 
So  sehen  wir  häufig  Bruchbänder,  Strumpfbänder,  Gürtel,  Schmuck- 
gegenstände, als:  Ohrgehänge,  Armbänder;  Kleidungsstücke,  als:  Schnür- 
leibchen, ünterhosenbänder,  Hosenträger,  Männer-  und  Frauenhüte  zu  eng 
anliegende  Kleidungsstücke  jeder  Art,  an  den  betreffenden  Hautstellen 
alle  Eciemformen  vom  squamösen  bis  zum  impetiginösem 
erzeugen.  Weiters  wird  durch  den  Druck  bei  Ausübung  gewisser  (be- 
werbe, durch  die  Einwirkung  von  Werkzeugen,  durch  Tragen  von 
Lasten  etc.  die  Haut  so  gereizt,  dass  ein  Ausbruch  mannigfacher  Eczem- 
erscheinungen  darauf  erfolgt.  Aber  auch  das  Sitzen  in  der,  bei  dieser 
Gelegenheit  auf  die  zwischen  Sitzknorren  und  einer  harten  Unterlage 
(dem  Sitze)  gepresste  Haut  ausgeübte  Druck,  sowie  das  Liegen  von 
solchen  Kranken,  die  durch  lange  Zeit  das  Bett  zu  hüteu  genöthigt  sind, 
genügt,  um  Eczeme  hervorzurufen,  besonders  dann,  wenn  diebetreffenden 
Individuen  noch  anderwärtig  krank,  in  specie  hautkrank  sind." 

„Ein  bisher  jedoch  gänzlich  unbekanntes  und  vernachlässigtes 
Eozemerzeugendes  Moment  gibt  das  Kratzen  der  Kranken  ab.  An 
Individuen,  welche  entweder  in  Folge  von  äusseren  Hautreizen  (als: 
Epizoen,  Krätzmilben,  Kleiderläusen,  Filzläusen,  Kopfläusen»  Wanzen  oder 
Mücken),  oder  in  Folge  mannigfacher  innerer  Zustände  von  intensivem 
Hautjucken  geplagt  werden,  kann  man  alle  das  Eczem  charakteri- 
sirenden  Symptome  vom  Eczema  papulosum  bis  zum  Eczema 
impetiginosum  beobachten.** 

Ganz  in  H ehr a'schem  Sinne  spricht  sich  Lesser  aus  (Hantkrank- 
heiten, 1896,  pag.  26  und  27).  Kaposi  (Path.  u.  Therapie  d.  Haut- 
krankheiten, 1899,  IL,  pag.  613)  aberweicht  schon  wesentlich  von  Heb  ra 
ab.  Er  sagt:  „Mechanische  Einwirkungen,  Druck  und  Reibung  machen 
wohl  selten  originär  Eczem,  aber  sehr  häufig  und  in  der  lästig- 
sten Weise,  wo  die  Haut  durch  irgend  einer  der  früher 
erwähnten  Schädlichkeiten  eczematös  erkrankt  war.  Da 
kann  der  Druck  von  der  Hutkrämpe,  vom  Strumpfband,  das  Reiben  der 
Manchette,  des  Kragens,  des  Mieders  etc.  genügen,  um  sofort  einen 
frischen  Eczemausbruch  zu  veranlassen.*' 

Unter  den  mechanischen  Einwirkungen  lässt  Kaposi  nur  dem 
Kratzen  eine  grössere  unddirecte  eczematogene Eigenschaft  zukommen 
(pag.  614). 

„In  dem  Sinne  ist,  wie  Hebra  zuerst  aufmerksam  gemacht,  das 
Kratzen  als  solches  selbst  ein  Eczem  hervorrufendes  Agens,  indem 


Zur  Eozemfrage.  41 

durch  Reizung  der  Follikel,  der  Papillen  es  zn  Hyperamie  in  Form  von 
Strichen  und  Striemen  und  zn  diszeminirteii  oder  aggregirten 
Exsudationsformen  des  Eczema  kommt.  Daher  ist  jedes  beste- 
hende  Eozem  vermöge  des  damit  verbundenen  Kratzens  selber  die  Qnelle 
nenerlichen  Eozems  und  daher  findet  sich  solches  jederzeit  bei  allen 
Hantkrankheiten,  Scabies  Prurigo,  Urticaria,  Ichthyosis,  Pemphigus 
pruriginosus,  Pruritus  cutaneus.'^ 

Kaposi's  Ansicht,  kurz  zusammengefasst,  ist  folgende:  Druck 
undReibung  verursacht  selten,  hingegen  dasEratzen  sehr 
oft  originär  Kczem.  Er  behauptet  aber  nicht  mehr,  dass  das 
Kratzen  alle  Formen  des  Eczems  verursacht,  sondern  nur  Hyper- 
ämie in  Form  von  Strichen  und  Striemen  und  disseminirte  und  aggre- 
girte  Exsudationsformen  des  Eczems. 

Noch  weniger  nimmt  Jarisch  Hebra^s  Standpunkt  ein.  (Haut- 
krankh.,  p.  278.)  Seiner  Ansicht  nach  verursachen  mechanische  Einwir- 
kungen selten  primär  Eczem,  spielen  aber  eine  grosse  Rolle  bei  schon 
vorhandener  eczematöser  Disposition.^) 

Auch  Török  (Gyögyaszat,  1896,  pag.  494  etc.  und  Handbuch  der 
Hautkrankheiten  1898  [ungarisch]),  der  zwar  dem  Eratzen  und  anderen 
ähnlichen  mechanischen  Einwirkungen  eine  grosse  Rolle  in  der  Genese 
des  Eczems  zutraut,  bedingt  schon  dort,  wo  das  Kratzen  etc.  nässen- 
des Eczem  hervorrufen  soll,  die  nöthige  Prädisposition. 

Brocq  äussert  sich  auch  mit  einer  gewissen  Reserve  (Annales 
de  Denn.,  1900,  pag.  187) : 

aLe  grattage  provoque  Papparition  de  l'ecz6ma.  Gette  proposition 
de  P6cole  viennoise  est  parfaitement  vnde,  pourvu  que  le  s^jet  seit  pre- 
dispos^  et  qu'il  seit  en  ötat  d*opportumt6  morbide.  Certes,  on  pourrait 
se  demander,  si  dans  ces  cas  le  grattage  est  la  vMtable  cause  e£&ciente 
de  Pecz^ma;  s'il  y  a  grattage  il  y  a  en  effet  prurit  et  c^est  en  realite  le 
trouble  morbide  d*oü  depend  le  prurit,  qui  est  le  generateur  reel  de  la 
dermatose;  mais  si  cette  remarqne  est  vrai  pour  une  vaste  categorie  de 
faits  dans  lesquels  les  phenomönes  prurigineux  dominent  par  leur 
intensitö  la  se^e  morbide,  et  deviennent  dds  lors  la  dominante  etio- 
logiqne,  il  convient  de  reconnaitre,  que  dans  beauooup  de 
cas  le  grattage  semble  reellement  naitre  la  dermatose.  De 
lä  une  premiSre  groupe  d'eczemas  dits  traumatiques  ou  m^- 
caniques  par  grattage,  premier  groupe  qui  n^est  pas  ton- 
jonrs  comme  on  le  voit  parfaitement  pur  comme  patho- 
gen i  e." 

Besnier  endlich  verhält  sich  in  seiner  neuesten  Arbeit  über  Eczem 
(La  Pratique  dermatol.,  1901,  TL,  pag.  98)  ganz  ablehnend. 

^)  Anmerkung  während  der  Gorrectur:  In  dieser  Arbeit 
konnte  die  neueste  von  obiger  abweichende  Auffassung  Török's  im 
Artikel :  „Welche  Hautveränderungen  können  durch  die  mechanische  Irri- 
tation der  Haut  hervorgerufen  werden?''  (Orvosi  Hetilap  1903,  Nr.  80-81) 
nicht  berficksichtigt  werden,  da  dieser  Artikel  am  17.  März  1902  nach 
meinem  Vortrag  und  nach  der  daraufgefolgten  Discusion  vorgelesen  wurde. 


42  Röna. 

,»La  pari  du  traamatisme,  et  particalierement  da  grattage,  dant 
la  localisation,  le  deTeloppement,  rangment  et  les  oomplications  de 
Teczema  est  manifeste  et  considerable.  Mais  dans  tons  les  cas,  Paetion 
m6caniqae,  si  6nerg^qae  qu'elle  seit,  k  eile  seule,  ne  prodnit  pas 
le  Processus  d'eczematisation;  bien  des  fois  noas  avons  6tabli 
pabliqaement  que  le  prarit  le  plus  excessif  de  certaines  pbtiriases,  pedi- 
cnlose  pubienne,  phtiriase  commone  dite  des  ydtemeats,  pmrit  senile 
pur,  qnoique  proToqnant  les  grattages  les  plus  energiques  peat  Stre 
ind^finiment  prolongö,  sans  prodoire  d'eczematisation." 

^La  genese  des  lesions  ecz6matiqaes  dans  les  cas  on  elles  derivent, 
pour  un  part  du  grattage  provoqa6  par  le  pmrit,  est  toajoors  eztre- 
mement  compleze,  et  il  faadrait  pour  en  developper  la  serie  oompo- 
sante  reprendre  Thistoire  entiere  des  pruriginöses/ 

(Ich  bemerke  nur  so  nebenbei,  dass  meine  Untersnohungen  schon 
im  Gange  waren,  als  ich  diese  letzte  Enunciation  Besnieres  las.) 

All  diese  Gitate  hielt  ich  deshalb  für  nothwendig,  um 
auch  die  weniger  Eingeweihten  zu  überzeugen,  dass  bei  den 
Klärungsversuchen  der  Eczemfrage,  den  durch  mechanische 
Einwirkungen  yerursachten  Hautveränderungen  nachzugehen 
nicht  überflüssig  war. 

Und  da  unter  den  mechanischen  Einwirkungen  in  der 
Dermatologie  das  Kratz  en  die  häufigste  und  wichtigste  ist, 
imd  weil  von  den  übrigen,  so  Yom  Druck  etc.  auch  schon 
Kaposi  abgesehen  hat,  und  weil  die  im  Anschluss  an  letztere 
entstandenen  Läsionen,  schon  aus  dem  Gesichtspunkte  der  ausser- 
liehen  Schädlichkeiten,  als  Resultate  complexer  Patho- 
genie  zu  betrachten  sind,  habe  ich  nui*  jene  Hautverände- 
rungen  eingehender  studirt,  die  ihren  Ursprung  dem  Kratzen 
yerdanken. 

Bei  meinen  Untersuchungen  schwebte  mir  der  von  ÜLst 
sämmtlichen  neueren  Autoren  anerkannte  Tjpus  des  „vesi- 
culösen  und  des  aus  diesem  hervorgehenden  näs- 
senden Eczems*'  vor  meinen  Augen.  Uebrigens  machte  auch 
bei  den  älteren  Autoren  die  Vesikelbildung  und  das  Nässen 
das  Wesen  des  „Ekzems*  aus. 

Ich  habe  folgende  Untersuchungen  gemacht: 

L  Es  wurde  von  Neuem  all  jenen  Hautverändemngen 
nachgeforscht,  welche  durch  das  Kratzen  experimentell 
hervorgerufen  werden  können: 


Zur  Ecsemfrage.  4B 

a)  an  gesunder,  nicht  juckender  Haut;  b)  an  gesunden 
und  nicht  juckenden  Hautstellen  „eczematöaer^,  also  prädispo- 
nirter  Invividuen;  c)  an  gesunder,  aher  artificiell  zum  Jucken 
gebrachter  Haut;  d)  an  gesunden,  aber  artificiell  zum  Jacken 
gebrachte  Hautstellen  „eczematöser",  also  prädisponirter  Indi- 
Tiduen. 

II.  Es  wurden  auch  all  jene  Hautyeränderungen  unter- 
sucht, welche  im  Verlaufe  der  juckenden  Hautkrankheiten  und 
Terschiedenen  Pruritus  durch  das  Kratzen  verursacht  werden. 
Es  wurden  also  untersucht:  a)  Scabies;  b)  Pediculi 
capitis,  pubis,  yestimenti,  cimex  lectul.;  c)  die 
Prurigos.  die  Urticarien,  Liehen  planus,  Mycosis 
fungoides;  d)  Pruritus. 

ad  1  a):  Kratzen  and  Reiben  an  gesunder,  nicht  Jucken* 
der  Haut. 

An  mir  selbst  und  an  anderen,  hauptsächlich  reinen  Personen  übte 
ich  das  Kratzen  und  Reiben  aus,  oder  liess  es  ausüben  und  zwar  mehr- 
mals im  Tage,  oder  durch  mehrere  Tage  wiederholt  mit  wechselnder 
Daner  nnd  Intensit&t  mittelst  Nagel  und  Kleidungsstoffe. 

Die  so  entstandenen  Hautläsionen  sind  die  allgemein  bekannten: 

a)  Abstreifung  der  oberflächlichen  Homschichten.  Dies  zeigt  sich 
in  Gestalt  einer  mehlartig  abschilfernden  Linie  auf  hyperämischer  Basis. 
In  Stunden  verschwindet  diese  Erscheinung  spurlos. 

fi)  Abstreifung  der  tieferen  Homschichten.  Bei  dieser  ist  an  ein- 
zelnen hyperämischen  Punkten  oder  auch  an  kleineren  Flächen  ein  Durch- 
sickern des  Serums  durch  die  Malpighi'scbe  Schicht  nnd  Schmerz  zu 
constatiren.  Die  aasgetretene  kleinere  oder  grössere  Menge  Serums  trocknet 
sehr  rasch  zu  einer  lackartigen  oder  gummiähnlichen  Kruste  ein,  welche 
sich  nach  kurzer  Zeit  ablöst.  In  Stunden,  eventuell  später,  verschwindet 
auch  die  Hyi>erämie. 

r)  Durch  intensiveres  und  länger  andauerndes  Kratzen  werden 
auch  die  Papillen  lädirt;  dementsprechend  sieht  man  auf  der  hyperämi- 
sirten  Fläche  einzelne  blutende  Punkte,  welche  rasch  zu  braunen  oder 
schwanen  Krusten  eintrocknen.  Die  Krusten  bleiben  tagelang  als  solche 
bestehen  nnd  ihre  Umgebung,  welche  sogar  etwas  anschwillt,  wird  noch 
hyperämischer.  An  ihrer  Stelle  bleiben  noch  lange  braune  Pigmentflecke 
und  Streifen  zurück. 

Ausser  diesen  habe  ich  keine  anderen  Läsionen  hervorrufen  können, 
mag  das  Kratzen  und  Reiben  noch  so  lange  gewährt  haben. 

ad  15):  An  gesunden  nnd  nicht  juckenden  Hauts teilen 
secsematöser^,  also  prädisponirter  Individuen. 

4  Fälle  wurden  untersucht:  2  Mädchen,  die  seit  Jahren  wiederholt 
an  „Eczem**  gelitten  haben  und  während  der  Yersuchszeit  an  d  en  Ohren, 


44  Ronä. 

Axillarhöhlen  und  Inguinalgegenden  mit  näsBender  Flechte  behaftet 
waren;  1  Mann  mit  veBiculösem  Jodoformdermitis  and  endlich  1  Mann 
mit  nässendem  Mercurialeozem. 

Trotz  der  mehrtägigen  Irritation  dnrch  Kratzen  nnd  Reiben  ent- 
standen nur  flüchtige  Hyperämien  and  Excoriationen. 

ad  I  e)i  An  gesander,  aber  artificiell  zam  Jacken  ge- 
brachter Haat. 

Das  Jacken  proyocirte  ich  bei  mir  selbst  and  noch  bei  24  anderen 
gesnnden  Menschen,  gewöhnlich  an  der  Beugefläche  eines  Unterarmes 
mittelst  den  Kernhaaren  der  Mucuna  prüriens  (Jackbohne,  Kratz- 
bohne). Wenn  wir  kleine  Quantitäten  dieser  Haare  auf  die  Haat  sanft 
aufstreichen,  entstehen  nach  einigen  Minuten  hirse-  bis  hanfkorngrosse 
Quaddeln  auf  hyperämischer  Basis  (wie  bei  den  verschiedenen  Prnrigos) 
in  unregelmässigen  Gruppen,  welche  intensiv  jucken  und  sich  auf  das 
provocirte  Kratzen  noch  vermehren.  Wie  immer  aber  die  eingestreuten 
Flächen  juckten  (7« — 2  Stunden,  ja,  bei  manchen  sogar  durch  Tage  hin- 
durch), wie  immer  auch  gerieben  und  geJaratzt  worden  ist,  entstanden 
nur  diese  Quaddeln  und  verschiedengradige  Epithelabschürfungen. 

Dasselbe  beobachteten  wir  bei  jenen,  die  an  einer  und  derselben 
Stelle  durch  mehrere  (6—8  Tage)  hindurch  wiederholt  mit  dem  Juck- 
pulver bestreut  wurden.  Einen  diffus  geschwollenen  lichenoiden  status 
bemerkten  wir  in  drei  Fällen  nach  8 — lOtägigem  Reiben  und  Kratzen, 
welcher  sich  aber  2—3  Tage  später  ganz  zurückbildete.  Bläschen  oder 
I^ässen  entstand  auch  bei  diesen  nicht. 

ad  I  d):  An  gesunden,  aber  artificiell  zum  Jucken  ge- 
brachten Hautstellen  „eczematöser",  also  prädi sponirter 
Individu  en. 

Es  wurden  14  Fälle  untersucht: 

Gruppe  A.  9  Fälle:  In  7  Fällen  entsteht  seit  Wochen  und  Mo- 
naten, in  zwei  Fällen  seit  Jahren  zeitweilig  sich  wiederholendes  nässendes 
Eczem. 

Während  der  Versucbszeit  waren  sämmtliche  krank.  Bei  6  von 
den  9  Patienten  wurde  8—8  Tage  hindurch  Juckpulver  eingestreut.  Nach 
starkem  Jucken  nnd  intensivem  Kratzen  und  Reiben  entstanden  nur 
hyperämisch-ödematöse  Papeln  und  Excoriationen.  Bei  einem  Kranken 
stellte  sich  nach  4tägigem  Einstreuen  und  Kratzen  beginnende  Lichen- 
infication  ein  nnd  es  traten  3  miliare  Pusteln  auf.  Bei  einem  Kranken 
sah  ich  nach  Stägigem  Einstreuen  und  Kratzen  beginnende  Liehen - 
infication. 

Ich  muss  noch  bemerken,  dass  bei  zweien  dieser  Kranken  während 
der  Yersuchsdauer  auch  an  mehreren  nicht  eingestreuten  Stellen  ein 
Jucken  entstand,  aber  auf  das  intensive  Kratzen  zeigten  sich  auch  hier 
nur  punkt-  oder  streifenförmige  Excoriationen  und  hyperämisch-ödematöse 
Papeln;  dass  hingegen  bei  einem  dieser  Kranken  einmal  an  einer  nicht 
gekrazten  Stelle  eine  papulo-vesiculöse  Erruption  spontan  auftrat.  Bei 
einem  Patienten  schloss  das  peripher  sich  ausbreitende  Eczem  die  in  der 


Zar  £czemfrage.  45 

N&he  dieses  Eczems  durch  das  viermalige  Einstreuen  enstandenen  hype- 
rämisclien  Knötcben  ein,  während  bei  demselben  die  von  den  eriarankten 
Stellen  ganz  entfernt  durch  viermaliges  Einstreuen  entstandenen  Knöt- 
chen spurlos  verschwanden. 

Gruppe  B.  In  2  Fällen  war  ein  acutes  nässendes  Eczem  vor- 
handen. Bei  diesen  entstanden  nach  8 — Btägigen  Einstreuen  und  Eratzen 
nur  Knötchen  und  Excoriationen. 

Gruppe  C.  In  zwei  Fällen  war  Disposition  zu  Jodoformeozem 
vorhanden.  Bei  dem  einen  wurde  nach  Ablauf  der  Jodoformdermitis  4  Mal, 
und  während  einer  Recidive  wieder  2  Mal  auf  eine  gesund  gebliebene 
Stelle  Juckpulver  eingestreut.  Beim  anderen  streute  ich  das  Pulver  nach 
Ablauf  der  Dermitis  auf  eine  noch  etwas  hyperämisohe  Stelle.  Das 
Resultat  war  immer  das  Entstehen  von  hyperämisch-ödematösen  Papeln. 

Gruppe  D.  Bei  einer  Frau,  bei  der  sich  an  den  Händen  seit 
Monaten  zeitweise  vesioulöse  Erruptionen  zeigten,  so  auch  während  der 
Yersuchszeit  (an  der  linken  Hand),  wurde  auf  eine  gesunde  Stelle  des 
linken  Unterarmes  8  Tage  hindurch  Juckpulver  eingestreut,  und  auf  das 
Kratzen  entstanden  nur  hyperämisch-ödematöse  Papeln,  welche,  da  das 
Jucken  noch  weitere  7  Tage  bestand,  immer  durch  neue  abgelöst 
wurden.  Hernach  wurde  der  rechte  Arm  zwei  Tage  hindurch  einge- 
streut, worauf  wieder  nur  die  besagten  Papeln  entstanden,  und  erst  am 
dritten  Tage  zwischen  diesen  auch  einige  ausgesprochene  kaum  bemerk- 
bare Bläschen. 

Der  Inhalt  der  Bläschen  wurde  auf  Agar  geimpft,  welcher  steril 
blieb.  Die  Kranke  litt  an  Ulcera  der  Genitalien,  welche  mit  Jodoform 
behandelt  wurden,  und  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dass  die  erwähnten 
Bläschen  durch  zufallig  von  den  Genitalien  hingerathenem  Jodoform  ver- 
ursacht worden  sind,  da  sich  bei  dieser  Patientin  in  der  Gegend  der 
Jodoformapplication  stets  Yesikeln  zeigten.  Thatsache  ist,  dass  ich  der- 
artiges nicht  mehr  beobachtete,  und  die  nachherigen  Einstreuungen  und 
Kratzen  verursachten  nur  die  schon  bekannten  Papeln,  Excoriationen 
und  drei  Pusteln.  Bei  dieser  Kranken  stellte  sich  übrigens  zeitweise  auch 
Hämoptoe  ein. 

ad  Ua):  Scabies.  Ich  habe  157  an  Scabies  leidende  Kranke 
untersucht.  Die  Krankheit  bestand  zwischen  mehreren  Wochen  und  Mo- 
naten, einigemal  auch  über  1  Jahr.  Von  diesen  zog  ich  nur  150  nicht 
behandelte  und  2  vor  längerer  Zeit  behandelte  (im  Ganzen  152)  Fälle  in 
Betracht,  also  nur  solche,  bei  denen  medicamentöse  (chemische)  Reize 
keine  Rolle  gespielt  haben. 

Gruppe  A.  Bei  88  Patienten  fand  ich  ausser  den  Milbengängen 
nur  punkt-  oder  streifenfSrmige  Excoriationen,  zerstreute,  in  manchen 
Fällen  gruppirte  hirsekomgrosse  hyperämisohe  Papeln  und  bei  einem 
Theile  pigmentirte  kleine  Narben. 

Aus  diesen  hebe  ich  folgenden  Fall  heraus :  Seit  langem  Ulcus 
und  Eczem  an  einem  Unterschenkel,  seit  Wochen  Scabies  mit  starkem 
Jucken.  Das  Eczem  blieb  nur  auf  den  Unterschenkel  beschränkt. 


46  Röna. 

GrappeB.  An  24  Patienten  fand  ich  autser  den  obigen  Haat- 
Iftsionen  noch  Impetigines  and  Ecthymata,  an  6  noch  Fnrnnkeln 
and  Lymphangoitis,  als  typische  Vertreter  der  Staphylocoooen- 
infection.  An  einem  Kranken  war  noch  eine  circamacripte  Lichenification 
zu  sehen. 

Gruppe  G.  An  84  Kranken  beobachtete  ich  ausser  Excoriationen 
and  fmpetigines  etc.  noch  folgende  Hautlftsionen : 

1.  Bei  20  zerstreute,  manchmal  in  grosser  Zahl,  stecknadelkopf- 
grosse, hauptsächlich  perifollicalftre  Pusteln  oder  Papulo-Pusteln  mit 
lebhaft  rothem  Hofe. 

2.  Bei  6  Stecknadelkopf-  bis  hirsekomgrosse  —  mitunter  auch 
grössere  Pusteln  oder  Papulo-Pusteln,  aasnahmsweise  Yesico-Pustelm 
welche  zu  Ghruppen  vereinigt,  linsen-  bis  kronengrosse  und  selbst  nooh 
grössere,  scharf  begrenzte  Plaques  bildeten,  die  Torübergehend  naosten 
und  sich  nach  rascher  Eintrocknung  zu  eben  so  grossen,  mit  dünnen 
Borken  oder  Schnppen  bedeckten  Stellen  nmwandelten.  An  den  Rändern 
dieser  Plaques  konnte  man  auch  in  einzelnen  Fällen  das  Auftreten  frischer 
Pustelchen  constatiren. 

8.  Bei  7  wohl  ausnehmbar  durch  Vereinigung  typischer  Impetigines 
hervorgegangene  zwanzigheller-  bis  handflächengrosse,  scharf  begrenzte 
borkige  Plaques.  Nach  Entfernung  der  Borken  kamen  hanfkom-  bis 
linsengrosse,  eiternde  oder  blutende  Gruppen  von  Ezooriatiotten  zum  Vor- 
schein. Auch  an  der  Peripherie  und  in  der  Nachbarschaft  dieser  Plaques 
constatirte  ich  frische  miliare  Pustelchen.  In  einem  Falle  sah  ich  circi- 
näres  Weiterkriechen  und  Zusammenfliessen  mehrerer  Plaques  zu  grossen 
borkigen  Flächen. 

Wir  fanden  auch  die  Formen  2  und  3  zusammen. 

In  die  Kategorie  2  und  8  reihe  ich  nooh  2  Kranke,  die  schon  seit 
langem  nicht  behandelt  worden  sind. 

Gruppe  D.  Ich  habe  4  Kranke  ausser  Acht  gelassen,  die  bei 
ihrem  Eintritte  schon  in  Behandlung  standen,  und  bei  denen  stellenweise 
Gruppen  von  Vesikeln  und  Papulo  -  Vesikeln  zu  sehen  waren.  Diese 
waren  keine  reine  Fälle,  da  auf  deren  schon  chemische  Stoffe  einge- 
wirkt haben. 

Auch  habe  ich  folgenden  nicht  behandelten  Fall  ausge- 
schieden : 

J.  K.,  16  Jahre  alt,  angeblich  seit  2  Wochen  hautkrank  mit  starkem 
Jucken.  Pat  schwitzt  sehr  stark  während  der  Arbeit«  Stat.  präs.  Typische 
Scabies;  der  grössere  Theil  der  allgemeinen  Decke  mit  Excoriationen, 
excoriirten  hyperämisch-ödematösen  Papeln,  disseminirten  miliaren  Pustel- 
chen besäet.  In  den  Schenkelbeugen,  an  den  Seitentheilen  des  Hoden- 
sackes, an  der  unteren  Fläche  des  Penis  zahlreiche  punktförmige, 
nässende  Stellen,  sämmtliche  geborstenen  Vesikeln  entsprechend  und 
durch  Zusammenfliessen  letzterer  entstandene  grössere,  nftssende,  hype- 
lämische  Stellen  und  hie  und  da  einzelne  hirsekomgrosse,  unversehrte 
Vesikeln. 


Zur  Eczemfrage.  47 

Hier  mmate  ich  aach  den  Sohweiss  als  interoarrirenden  Agens 
in  Betracht  sieben.    Anf  diesen  Fall  komme   ich   übrigens  noch  zurück. 

ad  II  b)i  Epizoen.  1.  Zahlreiche,  mit  Pedionli  pnbis  und  capitis 
behaftete  Personen  wurden  untersucht.  Bei  den  Ersteren  wurden  stets 
nur  Exooriationen  gefunden,  bei  Letzteren  immer  nur  Impetigines  und 
durch  Zusammenfliessen  dieser  entstandene  grössere  borkige  Plaques  an 
der  Kopfhaut,  am  Nacken  etc.  und  höchstens  vereinzelte  oder  zahlreiche 
miliare  Pusteln. 

2.  42  durch  Pediculi  yestimenti  geplagte  Pat.  wurden  untersucht 
Die  Dauer  des  Juckens  Tariirte  zwischen  einer  Woche  und  mehrere 
Monate. 

Qruppe  a).  In  22  Fällen  fand  ich  an  den  bekannten LocaUsations- 
stellen  oder  am  grösseren  Theil  der  Haut  nur  punkt-  oder  streifenförmige 
Exeoriationen.  In  1  Falle  auch  Urticaria  factitia.  In  6  F&Uen  waren  ausser 
den  Exooriationen  zahlreiche  hirsekomgrosse,  hyper&mische,  solitäre 
Knötchen,  deren  grösster  Theil  excoriirt  war  und  welche  nach  Stunden 
spurlos  yerschwanden.  In  1  Falle  war  auch  hochgradige  Lichenification 
vorhanden. 

Gruppe  6).  In  9  F&llen  waren  ausser  Exooriationen  Impeti- 
gines und  Ecthymata  und  in  1  Falle  unter  diesen  hochgradige 
Melanose  zu  sehen;  in  1  Falle  ausser  den  obigen  Veränderungen  sahi- 
reiche stecknadelkopfgrosse  Papulo-Pusteln,  in  I  Falle  Phlegmone 
und  in  1  Falle  Erysipel. 

8.  Gimex  lectularius.  In  6  F&llen  fimd  ich  nur  Exooriationen 
und  Urticaria  papulosa  in  Gruppen. 

ad  II  e):  Prurigo  s.  Ich  untersuchte  19  F&lle. 

Gruppe  A.  15  Fälle  von  unbehandelter  Prurigo  Hebra.  Unter 
diesen: 

a)  In  6  Fällen  waren  nur  Excoriationen,  unversehrte  und  excorürte 
Prurigoknötchen,  winzige  Narben. 

ß)  In  3  Fällen  ausser  den  obigen  Läsionen  disseminirte  aber  zahl- 
reiche miliare  Pusteln,  und  zwar  sowohl  an  der  Kuppe  der  Prurigo- 
knötchen, als^auch  unabhängig  von  diesen  und  in  4  Fällen  noch  ausser- 
dem Impetigines.  In  1  Falle,  während  einer  heftigen  Attaque  an  einer 
durch  dichtgedrängte  Prurigoknötchen  entstandenen  handtellergrossen, 
ödematösen  Stelle  Ablösung  der  tieferen  Hornschicht,  Serumaustritt  und 
lackartige  Kruste.  Auf  die  gegen  das  Jucken  angewandten  Mittel  schwand 
diese  Läsion  in  2  Tagen  spurlos. 

Endlich  complicirte  in  einem  Falle  die  Prurigo  die  Scabies.  In 
diesem  Falle  sah  man  an  der  rechten  Hüftengegend  auf  einer  hand- 
grossen,  rothen,  infiltrirten  Hautstelle  zahlreiche  hirsekom-  bis  linsen- 
groBse  und  durch  Zusammenfliessen  dieser  entstandene  grössere  gelb- 
liche Borken;  zwischen  diesen  zahlreiche  miliare  Vesico-Pusteln. 
Letztere  kann  man  auch  an  anderen  Stellen  wahrnehmen.  Nach  Ent- 
fernung   der  Borken    entstehen    hirsekomgrosse     und   grössere,   tiefere» 


48  R6na. 

blutende  Excoriationen.    Also  hier  waren  Impetigines  vorhanden,  deren 
ZnBammenflienen  ein  „Ecsema  impetiginosum''  imitirte. 

Gruppe  B.  Verschiedene  Prnrigos. 

a)  In  1  Falle  von  seit  Jahren  bestehender  Prurigo  adultorum 
waren  nur  unversehrte  und  lädirte  Prurigoknötchen  su  veneichnen. 

ß)  In  8  F&llen  von  Prurigo  gravidarum  nur  Excoriationen 
und  Prurigoknötchen  zu  sehen. 

adllcE):  Liehen  planus.  In  5  F&llen  von  (stark  juckendem) 
Liehen  planus  waren  ausser  den  specifischen  Lftsionen  noch  geringfügige 
Excoriationen  und  zwischen  diesen  in  2  Fällen  Impetigines  und  in 
1  Falle  zahlreiche  miliare  hyperämisch  ödematöse  Knötchen  zu  sehen. 
Auch  einen  6.  Fall  rechne  ich  hieher,  obzwar  nur  der  Typus  „comeus'^ 
zu  constatiren  war  und  oharakteristisohe  Lichenpapeln  nirgends  zu  ent- 
decken waren.  In  diesem  Falle  bestand  duröh  4  Wochen  hinduroh,  Tag 
und  Nacht  andauerndes,  quälendes  Jucken,  und  die  Kranke  traumatisirte 
in  unsinnigster  Weise  ihre  Haut.  Patientin  beobachtete  ich  14  Tage  lang 
und  fand  ausser  dem  ^Liehen  corneus^  an  den  Unterschenkeln  und 
ausser  den  Excoriationen,  an  grossen  Flächen  der  Oberschenkel  hoch- 
gradige Licheninfioation  und  an  der  ganzen  Hautfläche  hirsekomgrosse, 
hyperämisch-ödematöse  Knötchen,  welche,  wenn  wir  der  Pat.  nur  für 
Stunden  Beruhigung  verschafften,  spurlos  verschwanden. 

ad  II  e):  Mycosis  fungoides.  In  2  Fällen  entstanden  trotz  des 
wochenlangen  intensivsten  Juckens  und  wahnsinnigsten  Kratzens  nur 
Excoriationen  und  Impetigines. 

ad  n/):  Urticaria.  Zahlreiche,  an  acuter  und  chronischer  Urti- 
caria Leidende  zeigten  nur  Excoriationen. 

ad  n  g):  Juckende  Psoriasis  vulgaris  beobachtete  ich  nur 
in  1  Falle  und  konnte  nur  Excoriationen  constatiren. 

ad  n  h):  Pruritus,  81  Fälle. 

Gruppe  A.  In  4  Fällen  von  Pruritus  hiemalis  und  in  20  Fällen 
anderer  (theils  partiellen,  theils  universellen)  Pruritus  theilweise  unbe- 
kannten Ursprunges,  habe  ich  Excoriationen  und  Pigmentirungen  ge- 
funden ;  weiters  (unter  diesen)  in  2  Fällen  noch  hyperämisc h-ö d e m a- 
töse  Knötchen  zerstreut  und  in  Gruppen,  in  2  Fällen  Impetigines 
und  Ecthymata,  in  3  Fällen  perifolliculäre  lichenoide  Knötchen  und 
endlich  in  10  Fällen  an  kleineren  oder  grösseren,  bis  handtellergrossen 
Stellen  ausgesprochene  Lichenification. 

Gruppe  B.  In  1  Falle  von  Pruritis  hiemalis  waren  ausser 
den  Excoriationen,  Impetigines  und  Ecthymata  an  den  Unterschenkeln 
aus  gruppirten  Impetigines  hervorgegangene  bis  handtellergrosse  borkige, 
eiternde  und  an  2  Stellen  circa  thalergrosse  fahle  lioheninfioirte  Plaques 
zu  sehen,  welch'  letztere  stellenweise  mit  Pusteln  und  Excoriationen 
besäet  war.  Ein  Pendant  zu  dem  war  ein  anderer  Pruritusfall,  bei  dem 
scharfbegrenzte,  aus  miliaren  Pusteln  zusammengesetzte  verschieden- 
grosse  Plaques  vorhanden  waren,  welche  theils  in  Eintrocknung,  theils 
in  Desquamation  begriffien,  mit  ihren  Rhagaden  das  Bild  eines  „Eczema 


Zur  Ecsemfrage.  49 

craqnel^  oder  fendill^*^  abgaben.  Diese  Plaques  heilten  im  Gentram 
ab,  schritten  aber  an  der  Peripherie  durch  Auftreten  Ton  miliaren  und 
grösseren  (ab  origine)  Pusteln  weiter.  Diese  2  Fälle  erinnern  an  jene 
BUder,  die  wir  bei  der  Scabies  beschrieben  haben. 

Gruppe  G.  In  je  1  Falle  Ton  tabetischem,  diabetischem  und 
nephritischem  und  endlich  in  2  Fällen  von  icterischem  universellem  Haut- 
jucken waren  nur  Ezcoriationen  zu  beobachten. 

Analysiren  wir  Dun  die  Ergebnisse  obiger  Unter- 
suchungen. 

1.  Wenn  wir  die  Haut  gesunder  Menschen  wiederholtem 
intendyem  Eratzen  aussetzen,  so  wird  das  Resultat  nur  die 
Loswühlung  der  tieferen  Homschichten  oder  des  ganzen  Epithels 
sein.  Im  ersteren  Falle  tritt  Serum  auf  die  Oberfläche  und 
trocknet  zu  lackartiger  Kruste  ein,  im  letzteren  Falle  Blut, 
wodurch  schwärzb'che  Krusten  entstehen.  Um  die  Krusten  ent- 
steht eyentuell  ein  hyperämischer  Hof. 

2.  Dasselbe  beobachten  wir  auch  dann,  wenn  wir  gesunde 
und  nicht  juckende  Hautstellen  „Eczematöser"  denselben  me- 
chanischen Insulten  aussetzen. 

3.  Wenn  wir  aber  die  gesunde  Haut  vorher  artificiell 
mittelst  Mucuna  pruriens  intensiv  juckend  machen,  dann 
treten  zuerst  die  Folgen  des  Juckpulvers,  hirse-  bis  hanfkom- 
grosse,  sehr  stark  juckende  Quaddeln  auf  hyperämischer  Basis 
auf,  welche  durch  Kratzen  noch  vermehrt  und  excoriirt  werden. 
Wenn  wir  dieselbe  Procedur  durch  mehrere  Tage  hindurch 
wiederholen,  bekommen  wir  auch  keine  andere  Erscheinungen 
zu  sehen,  höchstens,  dass  sich  in  vereinzelten  Fällen  die  An- 
ÜEUigssymptome  einer  Licheninfication  zeigen. 

4.  Dieselben  Veränderungen  beobachten  wir  auch  dann, 
wenn  wir  gesunde  und  von  den  kranken  Stellen  entfernte  Haut- 
partien ,yEczematöser^  derselben  Procedur  (Bestreuung  mit 
Juckpulver)  unterwerfen^  und  höchstens,  dass  bei  dem  Einen 
oder  Anderen  die  Quaddeln  grösser  und  länger  bestehend  sind 
und  dass  sich  bei  diesen  eine  Tendenz  zur  Lichenification 
zeigt.  Auch  können  in  Folge  Infection  kleine  Pusteln  ent- 
stehen. 

Wenn  wir  nun  diesen  Erscheinungen  jene  gegenüberstellen, 
die  wir  experimentell  durch  chemische  Stoffe,  z.  B.  Arnicatinktur 
hervorgerufen  hatten,  wo,  wenn  überhaupt  Reaction  eingetreten 

Areh.  f.  D«raat.  n.  Sjph.  Bd.  LXIII.  4 


50  Bona. 

ist,  Ton  den  einzelnen  Ausnahmen  abgesehen,  in  enter  Reihe 
Papulo-Vesikeln  oder  eine  diffosse  papulo-vesiculöse  Dermitis 
entstanden:  so  ist  es  nicht  gewagt  zu  behaupten,  dass,  wenn 
Letzteres  als  acutes  arteficielles  Eczem  angesprochen 
wird,  solches  durch  das  Kratzen  weder  an  gesunder  noch  an 
artificiell  juckend  gemachter  Haut  nie  und  nimmer  erzeugt 
werden  kann. 

Es  könnte  aber  der  Einwand  gemacht  werden,  dass  das 
Juckpulyer  zum  Sohafien  dej^rtifffr  Voihj,iltnis8e,  unter  welchen 
das  Eratzen  „Eczem**  Jf^^Ruiien^^&ä^^Niicht  geeignet  ist. 
Dann  betrachten  wir  /4^  ^^^  ^^^  Autore^  l^ezogenen  Ver- 
hältnisse: [        APR  2     ;9Q3    ^1 

1.  Die  ScabiesL^as  sahen  wir  nie|^  AVir  sahen,  dass 
in  88  unter  152  FällenK^wd  das  Juckentundantensive  Eratzen 
zwischen  Wochen  und  MongtegCTM/tetJMtrpunkt-  oder  streifen- 
förmige Excoriationen,  zerstreute  hjperämisch-ödematöse  Enöt- 
chen  zu  entdecken  waren;  nichts  sonst!  Jemand  könnte 
aber  den  Einspruch  erheben,  dass  ja  eben  diese  Enötchen 
schon    das   sogenannte    „Eczema   papulosum*^    bedeuten? 

Nun  ist  es  wahr,  dass  die  Autoren  auch  ein  „Eczema 
papulosum**  anerkennen,  bei  welchem  die  Enötchen  unverändert 
bestehen  können;  aber  abgesehen  davon,  dass  dies  eine  Aus- 
nahme bildet,  denn  in  der  Regel  entwickeln  sich  aus  den 
Papeln  Vesikeln  —  sagen  die  Autoren  nicht,  dass  das  Eratzen 
nur  ein  „Eczema  papulosum'',  sondern  dass  es  alle  Formen 
des  Eczema  erzeugen  kann,  dass  also  auch  das  „Eratzeczem'' 
alle  Stadien  und  so  auch  das  Vesiculöse  durchmachen  kann . 

Das  wird  aber  durch  meine  Untersuchungen  widerlegt, 
und  zwar  nicht  nur  in  den  88  Fällen  der  Gruppe  A,  sondern 
auch  in  den  weiteren  30  Fällen  der  Gruppe  B,  in  welchen 
ausser  den  obbenannten  Läsionen  nur  typische,  heute  schon 
allgemein  Tom  „Kczem''  abgesonderte  Impetigines  und  Ecthy- 
mata  constatirt  wurden. 

Also  unter  152  Scabiesfällen  waren  bei  118  nur 
hjperämisch-ödematöse  Enötchen  zu  bemerken, 
die  sich  nicht  zu  Vesikeln  umwandelten.  Es  wäre 
aber  hier  noch  der  Einwand  möglich,  dass  vielleicht  bei  all 
diesen  118  Scabiösen  jene  Eigenschaft  der  Haut  fehlte,  welche 


Zur  Eoiemfrage.  51 

zur  Bildung  des  Tesiculösen  Eczema  diaponirt?  Dieser  Einwand 
wäre  zwar  nicht  von  Belang,  weil  sie  anerkennen  würde,  dass 
dieser  Umstand  unverhaltnissmässig  seltener  zu  Tage  tritt,  als 
wir  es  bisher  annahmen,  aber  er  wird  auch  direct  durch  jenen 
Fall  widerlegt,  wo  im  Anschluss  an  ein  Unterschenkelgeschwür 
seit  langem  auch  ein  Unlerschenkeleczem  bestand,  und  wo  trotz 
der  intercurrirenden  Scabies  an  den  übrigen  Körpertheilen  nur 
die  bezeichneten  hyperämisch-ödematösen  Papeln  und  Excoria* 
tionen  auftraten.  Er  wird  aber  auch  durch  jenen  Fall  zu  Nichte 
gemacht,  welchen  ich  von  den  152  Scabiesfallen  ausschied.  Es 
ist  dies  jener  Fall,  wo  am  Stamme  durch  das  Eratzen 
nur  Excoriatiönen  und  zerstreute  hyperämisch- 
ödematöse  Papeln  erzeugt  wurden;  hingegen  in  den 
Schenkelbeugen,  am  Scrotum  undPenis  durch  Dazwischen- 
treten des  profusen  SchWeisses  Vesikeln  und  aus 
diesen  nässende  Punkte  und  durch  Zusammenfliessen  letzterer 
grössere  nässende  Flächen  entstanden. 

Von  diesen  Kranken  exstirpirte  ich  auch  ein  hyperämisch-ddematöses 
Knötchen  nnd  ein  geborstenes  Yesikelchen  behufs  mikroskopischer  Unter- 
such nng.  Die  klinischen  Differenzen  beider  L&sionen  waren  anoh  in  der 
histologischen  Stmotnr  scharf  ausgedrückt. 

Am  hyp  er  ämisoh-ödemat  Ösen  Knötchenkonnteich  mit  freiem 
Ange  kaam  eine  minimale  Erosion  bemerken,  und  unter  dem  Mikroskope 
zeigte  sich  folgendes  Bild :  Das  Epithel  war  im  ganzen  Oebiet  des  Knötchens 
fast  normal,  ausgenommen  in  der  Mitte  ein  4—5  papillengrosses  Stückchen, 
wo  die  Homsohieht  ganz  fehlte  nnd  wo  die  Zellen  des  Rete  nur  an  2  Inter- 
papillarzapfen  Kern&bnng  zeigten.  Die  Papillen  waren  dieser  Stelle 
entsprechend  ganz  verschwommen  nnd  ebenso  wie  die  Snbpapillarschioht 
mit  mononadeären  Leukocyten  infiltrirt.  Die  Papillär-  and  Sabpapillar- 
gefasse  amgab  eine  ans  mononncleären  Leukocyten  bestehende  Scheide. 
Die  Lymphspalten  waren  nur  wenig  erweitert. 

Also  es  war  eine  kleine  Erosion  mit  minimalem  papillären  und 
subpapillaren  Oedem  und  geringfügiger  perivasculärer  Infiltration  vor- 
handen. 

Ein  ganz  anderes  Bild  gab  das  geborstene  Yesikelchen.  Hier 
war  makroskopisch  die  nässende  Fläche  das  hervorstechendste  Phänomen. 
Bei  kleiner  Yergrösserung  fehlte  dieser  entsprechend  der  grössere 
Theil  der  Malpighi'schen  Schicht,  deren  Stelle  kernhaltige  Hornzellen 
einnahmen.  An  2  Stellen  oberhalb  der  Papillen  fehlt  die  Malpighi- 
sche  Schicht  ganz.  In  den  überbleibenden  Theilen  des  Rete  Malphigi 
sind  Vesikeln  zu  sehen.  In  der  papillären  und  subpapillären  Schicht  ist 
ansgesprochenes  Oedem  und  massiges  Infiltrat  zn  constatiren. 


52  Bona. 

Bei  erheblicher  YergrösBening  sieht  man  an  den  Grenzen  der 
Bässenden  Stelle  in  dem  verbreiterten  Bete  Malpighi  ein  intercellulares 
Oedem.  Die  Eeratohyalinschicht  fehlt  hier.  An  der  erodirt 
Boheinenden  Stelle  sind  kernhaltige  Homsellen  wahrzunehmen,  auf  denen 
unmittelbar  die  Papillartchicht  folgt  Die  Zellen  des  hier  überbliebenen 
Bete  sind  total  pertarbirt,  hochgradig  ödomatös  und  an  2  Stellen  sieht 
man  mikroskopische  Yesikeln  mit  wenigen  mononncleftren  Leukocyten. 

Nach  diesem  kleinen  Elxciirs  auf  die  zerstreuten  hjper- 
ämisch-ödematösen  Knötchen  zurückkommend,  muss  ich  noch 
bemerken,  dass  selbst  bei  Beurtheilung  dieser  man  nicht  das 
Eratzen  als  alleinige  Pathogenie  für  sämmtliche  Knötchen  hin- 
stellen darf.  Man  darf  nämlich  auch  das  nicht  ausser  Acht 
lassen,  dass  selbst  jene  nicht  alle  durch  das  Kratzen  ent- 
stehen, sondern  dass  ein  Theil  durch  die  Menge  der  männ- 
lichen Milben  und  Larven  erzeugt  wird,  welche  keinen 
Gang  bohren,  sondern  sich  nur  eben  in  die  Homschicht  ein- 
graben. Ich,  meinestheils,  glaube  nämlich,  dass  ein  Theil  der 
bei  einer  mehrere  Monate  währenden  Scabies  an  der  Brust 
und  am  Bauche  etc.  zum  Vorschein  kommenden  Knötchen  durch 
die  erwähnten  Milben  erzeugt  werden. 

Man  darf  endlich  auch  jene  Thatsache  nicht  unberück- 
sichtigt lassen,  dass  das  eine  oder  andere  hyperämisch-ödema- 
töse  Knötchen  secundär,  als  reactiye  Erscheinung  um  die 
durch  das  Kratzen  yerursachte  minimale  Exco- 
riation,  oder  um  die  bei  dieser  Gelegenheit  hineingerathenen 
Fremdkörper  (Schmutz,  avirulente  Bakterien  etc.)  auftritt. 
All  dies  bedarf  aber  noch  weiterer  Untersuchungen. 

Was  die  übrigen  34  Scabiesfalle  anbelangt,  waren  in  20  F&llen 
ansser  den  schon  erörterten  Veränderungen  Eerstreut,  manchmal  in  grosser 
Zahl  stecknadelkopfgrosse,  zumeist  perifollicnläre  Pusteln 
oder  Papulo-Pusteln  mit  lebhaft  hyperämischem  Hofe  zu 
beobachten.  Nachstunden  oder  nach  eintägigem  Bestände  trockneten  sie 
ein  und  an  ihrer  Stelle  entstanden  winzige  Borken  oder  borkige  Schuppen. 
Zu  bemerken  ist,  dass  ich  die  Entwicklung  dieser  Pusteln  mit  besonderer 
Aufmerksamkeit  verfolgte,  und  fand,  dass  ihr  Beginn  stets  ab  origine 
eine  Eiterung  war  und  dass  sie  ab  ovo  durch  banale  Eitermikro- 
ben hervorgerufen  worden  sind,  und  dass  sie  nicht  durch  secund&re 
Vereiterung  einzelner,  durch  Milben  verursachter  Vesikeln  zu  Stande  ge- 
kommen waren,  obzwar,  wenn  dies  auch  bei  einem  oder  anderem  geschehen 
wäre,  man  doch  nicht  von  einer,  durch  das  Kratzen  hervorgerufenen 
Vesikel  reden  könnte.  Uebrigens  waren  diese  solch  unansehnliche  Erschei- 
nungen, dass  ihrer  in  den  Lehrbüchern  nirgends  Erwähnung  ffesohieht, 
obzwar  sie,  wie  wir  es  gesehen  haben,  bei  den  meisten  juckenden  Haut- 
krankheiten vorkommen.  Ich  glaube  auch  nicht,  dass  irgend  jemand  diese 
Pnsteloben  als  „Eczem**  ansprechen  würde. 


Zur  Eciemfrage.  53 

Ein  solches  excidirtes  Pastelchen  zeigte  folgenden  histo* 
logischen  Ban: 

Bei  kleiner  Vergrösserun^:  Auf 'einer  circa  8 — 10  papillen- 
grossen  Stelle  ist  die  Homsohioht  mit  scharfer  Begrenzung  losgerissen, 
an  ihrer  unteren  Flftcbe  klebt  ein  Klampen  zasammengeballter  Zellen, 
nnter  diesen  ist  ein  einziger  grosser  Hohlraom  zu  sehen,  dessen  Basis  die 
Beste  der  Malpighi'sohen  Schicht  bilden,  welcher  die  m&ssig  ödematöse 
und  infiltrirte  rapillarschicht  omgrenzt.  An  den  Grenzen  ist  der  Ueber- 
gang  ins  Gesunde  ein  jäher. 

Bei  erheblicher  Vergrössernnff:  Die  Decke  des  Hohlraumes 
besteht  ans  kernlosen  Homzeflen;  der  auKlebende  Zellklumpen  ist  aus 
mehrkernigen  weissen  Blutkörperchen  gebildet;  am  Grunde  sieht  man 
Beste  der  Malpighischicht,  aber  in  dem  Bete  ist  nur  geringgradiges 
interoelluläres  Oedem  vorhanden,  yon  einer  intraoeilulären 
Alteration  fehlt  jede  Spur.  Die  Papillär«  und  Subpapillarschicht  zei^ 
an  dieser  Stelle  eine  ziemliche  Menge  polynuclarer  Leukocyten  und  ein 
massiges  perivasculares,  rundzelliges  Infiltrat  Durch  Bakterienfärbnng 
kann  man  Gruppen  von  Staphylocoocen  wahrnehmen. 

Also  der  histologische  Bau  dieser  Läsion  ist  toto  coelo 
yerschieden  von  dem  der  hyperämisch-ödematösen  und  der 
erodirten  Yesikel. 

Derselben  Beurtheilung  fallen  jene  5  Fälle  anheim,  wo 
den  vorigen  ähnliche,  stecknadelkopfgrosse  oder  etwas  grössere, 
manchmal  dazwischen  noch  grössere  Pusteln  oder  Papulo- 
Pusteln  zu  Gruppen  vereinigt,  linsen-  bis  kronengrosse  oder 
grössere  Plaques,  und  nach  ihrer  Eintrocknung  borkige  oder 
schuppende  Stellen  bildeten.  An  den  Rändern  einzelner  Plaques 
konnte  ich,  wie  schon  erwähnt,  das  Auftreten  frischer  miliarer 
Pusteln  beobachten.  Auch  in  diesen  Fällen  habe  ich  nie  eine 
vorhergehende  Vesikelbildung  constatiren  können,  stets  ent- 
standen ab  ovo  Pusteln. 

Nun  mag  man  wie  immer  die  eczematösen  Hautläsionen 
auffiEtssen,  das  können  wir  nicht  zugestehen,  dass  ab  origine 
entstandene  Pusteln  als  Elementarläsionen  des  Eczems  ange- 
sprochen werden. 

Aus  den  neueren  Experimenten  Bockhardt's,  Bender's  nnd 
Gerlach's  geht  nämlich  henror.  dass  die  Toxine  der  Staphylococcen 
wohl  klare,  anfaoffs  sterile  Bläscnen  provociren  können,  und  so  eventuell 
selbst  die  wasserldaren  Yesikeln  auf  BakterienwirkuDg  zurückgeführt 
werden  können,  aber  dass  die  Staphylococcen  selbat  nie  solche, 
sondern  stets  Pusteln  erzeugen. 

Es  ergibt  sich  also  aus  diesen  Experimenten,  dass  die 
ab  origine  Pusteln  von  den  eczematösen  Läsionen  aus- 
zuscheiden sind. 

Zu   alldem   füge   ich   noch  hinzu,    dass  auch  in  diesen 

5  Fällen   die  Läsionen    rapid    (in   Tagen  oder   einer  Woche) 


54  Ron». 

heilten  und  sich  durch  die  stärksten  antiscabiösen  Mittel  nicht 
Terschlimmerten,  im  Gegentheil,  ihr  grösster  Theil  verschwand 
nach  Anwendung  derselben. 

Diese  miliarenPusteln  entsprechen  yollkommen  jenen» 
welche  Bockhardt,  Bender  und  Gerlach  mittelst  Rein* 
cultur  des  Staphylococcus  pyogenes  aureus  und  albus  auf  vorher 
irritirter  Haut  hervorrufen  konnten. 

Und  wenn  jemand  trotzdem  im  Zweifel  wäre,  ob  diese 
Läsionpn  durch  pyogene  Bakterien  oder  durch  das 
Kratzen  verursacht  werden,  der  kann  sich  vor  der  ersteren 
Auffassung  nicht  verschliessen,  wenn  er  die  letzten  9  Scabies- 
falle  in  Betracht  zieht^  wo  das  Hervorgehen  der  kreuzer-  bis 
handtellergrossen,  scharf  begrenzten,  mit  dickeren  Borken  be- 
deckten Plaques  aus  banalen,  hanfkorn-  bis  linsengrossen 
Impetigines  mit  Leichtigkeit  von  den  Läsionen  selbst  abzulesen 
war  oder  deren  Entwicklung  aus  denselben  verfolgt  werden 
konnte. 

Auch  in  diesen  Fällen  yerschlinraierten  sich  die  einselnen  Plaqae» 
nicht  anf  die  antiscabiöse  Therapie,  und  nur  1—2  Plaques  massten  noch 
besonders  behandelt  werden. 

Diese  letzteren  (5-|-9)  14  FSlle  unter  162  sind  also  jene,  wo  wir 
früher  im  Verlaufe  der  Scabies  yon  „Eczema  impetiginosum" 
sprachen. 

Ich  glaube  aber,  dass  nach  dem  bisher  Vor- 
gebrachten behauptet  werden  kann,  dass  bei  den 
152  8cabieskrankendire et  durch  die  mechanischen 
Insulte  keine  solche  Läsionen  entstanden  sind, 
welche  wir  mit  Becht  als  „Eczem**  betrachten 
könnten. 

2.  Uebergehen  wir  nun  zu  den  Epizoen. 

In  Anwesenheit  der  Pediculi  capitis  beobachtete  ich  fast  aus- 
nahmslos nur  £xcoriationen  und  Impetigines  and  durch  Zusam- 
menflieseen  letztererer  entstandene  borkige  oder  nässende  Plaques.  Ich 
glaube,  dass  dies  heute  von  Jedem  zugegeben  wird. 

Im  Anschluss  an  Pediculi  pubis,  wenn  chemische  Einflüsse  die 
mechanischen  Insulte  nicht  complicirten,  konnten  nur  zerstreute  Excoria- 
tionen  wahrgenommen  werden. 

Das  alles  ist  kein  „Eczem^.  Das  Kratzen  im  Anschluss  an 
Wanzenbisse  provocirte  auch  nur  Excoriationen. 

Von  den  42  Fällen  mit  Pediculi  vestimenti  sahen  wir  bei 
22  nur  Excoriationen.  Die  in  6  Fällen  noch  ausserdem  beobachteten  dicht 
gedrängten  aber  isolirten  hirsekomgrossen  hyperämisch  -  ödematösen 
Knötchen  bildeten  sich  rapid  in  Stunden  zurück  und  waren  grösstentheils 
wohl  ausnehmbare  Residuen  der  durch  die  Läuse  verursachten  Urticaria 
papulosa.  Nur  ein  kleiner  Bruch  theil  dieser  Knötchen  konnte  direct  durch 


Zar  EcEemirage.  55 

dM  Kratsen  veninacht  worden  sein  und  diese  könnten  ebenso  wenig  Ar 
etwas  anderes  angesprochen  werden,  als  für  Reactionserscheinnngen  nie- 
drigster Stafe,  wie  wir  dies  schon  bei  der  Scabies  bemerkten. 

Die  öbrigen  Fälle  boten  überhaupt  keine  zu  analysirenden  Momente. 

Also  das  durch  die  Bisse  der  Epizoen  provo- 
cirte  Kratzen  verursachte  auch  keine  eczematöse 
Läsion. 

3.  Betrachten  wir  jetzt  die  Prurigo-Fälle. 

Unter  den  19  Pmrigoftllen  sind  nar  jene  mit  Liohenification  und 
ein  mit  Scabies  complicirter  Fall  zu  analysiren;  aber  bei  letzterem 
deckten  sich  die  Läsionen  derart  mit  den  pyodermitisohen  Läsionen 
der  letzten  9  Scabiesfalle,  dass  ¥rir  nur  schon  Gesagtes  wiederholen 
müssten. 

Auf  die  Lichenification  werde  ich  bei  der  Pru- 
ritusgruppe  zurückkommen. 

Wir  sehen,  dass  das  Eratzen  auch  imVerlaufe 
der  Prurigo  kein  Eczem  verursacht,  und  dass,  was 
wir  hier  früher  als  impetiginöses  Eczem  bezeich- 
neten, auch  hier,  wie  bei  der  Scabies,  als  Pyoder- 
mitis  aufzufassen  ist. 

4.  Unter  6  Lichenplanusfällen  waren  nur  2,  wo  aasser  den  £xoo- 
riaiionen  noch  sehr  zahlreiche,  Yorüberbergehende,  nyperämiBeh-ödematöse 
miliare  Knötchen  znr  Beobachtung  gelangten.  Aach  diese  halte  ich,  wie  bei 
der  Scabies  und  Pediculosis  für  Reactionserscheinungen 
niedrigsten  Grades. 

Die  2  Fälle  von  Mycosis  fun^oides,  die  Urticarien,  der  mit 
Jacken  einhergehende  Psoriasisfall  zeigten  keine  solche  Erscheinongeo, 
die  zu  analysiren  wären. 

Bei  der  letzten  Gruppe  (Pruritus)  haben  wir  —  da  die  2  Fälle  mit 
borkigen  eiternden  Plaques  zu  den  schon  öfter  erwähnten  pyodermitischen 
Läsionen  zu  rechnen  sind  und  da  die  hie  und  da  bemerkten  hyperämitoh- 
ödematösen  Knötchen  auch  schon  öfters  olassificirt  worden  smd  —  nur 
mehr  die  Fälle  mit  Lichenification  vor  uns. 

Nach  meiner  Affassung  können  wir  aber  hier  von  der  Liehesifi- 
cation  ganz  absehen,  da  selbe  klinisch  vom  ^^acuten  Eczem**  ^^anz  gut 
unterschieden  werden  kann.  Die  wahre  Licheninfication  zeigt  nie  Bläs- 
chen und  ein  Torübergehendes  Nässen  nur  dann,  wenn  die  tieferen 
Homschiohten  abgekratzt  werden,  und  endlich  Eiterung,  wenn  eine 
Infection  durch  Staphylococcen  stattfindet.  Auch  durch  ihren  histo- 
logischen Bau  ist  die  Lichenification  vom  acuten  Eosem  wohl 
nnterscheidbar. 

Wir  können  also  sagen,  dass  auch  bei  den 
Terschiedenen  Pruritusarten  zufolge  desEratzens 
kein  Eczem  entsteht. 

Wenn  wir  uns  nun  die  Ergehnisse  meiner  Untersuchungen 
vor  Augen  halten,  so  müssen  wir  die  im  Titel  meiner  Arbeit 
aufgestellte  Frage  mit  Nein  beantworten.  Nach  diesen  Ergeb- 
nissen können  die  mechanischen  Einwirkungen,  unter  ihnen  in 


56  Bona. 

erster  Reihe  das  Kratzen  weder  auf  die  gesunde,  noch  auf  die 
prädisponirte  Haut  einen  derartigen  Beiz  ausüben,  dass  selbe 
mit  „Eezem^  reagiren  müsste. 

Ich  glaube,  durch  obige  Untersuchungen  klargelegt  zu 
haben,  dass  das,  was  das  Eratzen  selbst  auf  prädisponirten  Haut- 
stellen unmittelbar  erzeugt,  nicht  als  „eczematös**  betrachtet 
werden  darf  und  dass  das,  was  wir  im  Verlaufe  von  jucken- 
den Hautkrankheiten  und  Hautjucken  bisher  un- 
richtig als  „eczematöse  Erscheinungen*'  und  als 
„Eczematisation*'  bezeichnet  haben,  nicht  das  unmittelbare 
Resultat  von  Eratzen  und  Prädisposition  ist,  sondern  dass  sich 
zwischen  diesen  ,beiden  Factoren  noch  ein  dritter  unbedingt 
einkeilen  muss,  nämlich  die  eitererregenden  Bakterien, 
damit  jene  Veränderungen  zu  Stande  kommen. 

Bei  diesem  Stande  der  Dinge  aber  müssen  wir  diese 
Läsionen  aus  der  Gruppe  „Acute  Eczeme^  ausscheiden  und 
sie  dorthin  einreihen,  wohin  sie  gehören,  zu  den  P  7  o  d  e  r- 
m  i  t  i  d  e  n. 

Nach  alldem  sind  meine  Gonclusionen  diese: 

Die  mechanischen  Einwirkungen  und  unter 
ihnen  in  erster  Beihe  das  Eratzen  verursachen 
selbst  bei  Prädisponirten  keine  anderen  Verände- 
rungen als  Excoriationen,  flüchtige  reactive 
Hyperämie  und  geringes  Oedem  und  nur  nach  längerer 
Zeit  und  nur  bei  besonders  dazu  geeigneten  Personen  um- 
schriebene oder  mehr  difiPusse  Hypertrophie  des  Epi- 
thels und  des  Papillarkörpers  (die  Licheninfi- 
cation).  Die  von  den  Autoren  als  vesiculöses  oder 
nässendes  Eczem  bezeichnete  Hauterkrankung 
kann  das  Eratzen  allein  unter  keiner  Bedingung 
hervorrufen. 


In  welchem  Alter  findet  man  die  meisten 

Ansteckungen  von  Syphilis 

und  in  welchem  Alter  brechen  die  meisten 

Fälle  von  genereller  Parese  aus? 

Von 

C.  T.  Hansen  und  Panl  Heiberg. 


In  Kraepelins  Psychiatrie^)  findet  man  eine  sehr  große 
Reihe  von  Wahrscheinlichkeitsbeweisen  für  den  kausalen  Zu- 
sammenhang zwischen  Syphilis  und  genereller  Parese.  Die 
geographische  und  soziale  Ausbreitung  der  generellen  Parese 
wird  mit  einer  Reihe  anderer  Momente  hervorgehoben,  um  die 
Hypothese  der  Abhängigkeit  der  generellen  Parese  von  voraus- 
gegangener Syphilis  zu  beweisen.  Auch  die  ganz  eigentäm- 
liche  Weise,  auf  welche  die  Zufälle  von  genereller  Parese 
zwischen  den  verschiedenen  Altersklassen  verteilt  sind,  werden 
hier  sorgfaltig  behandelt,  ohne  daß  doch  dieses  Moment  aus- 
genützt wird,  um  den  Beweis  für  die  erwähnte  Hypothese  zu 
fähren. 

Doch  finden  wir,  daß  gerade  die  charakteristische  Grup- 
pierung der  Fälle  im  Alter  vom  vierzigsten  Jahre  benützt 
werden  kann,  um  einen  dafür  sprechenden  Wahrscheinlichkeits- 
beweis führen  zu  können.  Wird  die  besprochene  Kausalver- 
bindung zwischen  den  beiden  Krankheiten  —  und  auch  ein 
relativ  konstanter  Unterschied  in  der  Zeit  des  Auftretens 
der  beiden  Krankheiten  —  angenommen,  dann  ist  man  zu  der 
Erwartung  berechtigt,  daß  die  Kurve  für  das  Alter  von  Männern 


*)  n.  Bd.  pag.  286. 


58  Hansen  nnd  Heiberg. 

mit  frischer  SjphfliB  dieselbe  Straktar  zeigt,  wie   die  Karre 
für  das  Alter  von  Männern  mit  beginnender  genereller  Parese. 

Kraepelin  ist  nicht  der  Einzige,  der  die  Altersverhält- 
nisse  zu  Gunsten  der  Syphilishypothese  nicht  benätzt,  auch 
andere  Verfasser  gehen  über  dieses  Moment  leicht  hinweg, 
z.  B.  berührt  Fournier  in  seiner  yorzüglichen  Arbeit  ^Les 
affections  parasyphilitiques*'  gar  nicht  dieses  Moment. 

In  Jespersens')  klassischer  Arbeit  Ton  1874  findet  man 
dagegen  hierüber  folgendes:  „Leicht  und  ungezwungen  erklart 
sich  das  Alter,  wenn  Syphilis  als  notwendiger  Vorläufer  für 
Parese  angenommen  wird.  Die  Parese  wird  häufigst  im  Alter 
zwischen  35  und  45  Jahren  wahrgenommen.  Oben  haben  wir 
gezeigt,  daß  bei  den  Patienten,  wo  die  notwendigen  Erläute- 
rungen vorhanden  sind,  1278  Jahre  durchschnittlich  von  dem 
Zeitpunkte  der  Ansteckung  mit  Syphilis  verlaufen,  bis  sie  ins 
St.  Hans-Hospital  mit  Parese  gebracht  wurden.  Zieht  man 
12  V«  von  35  und  45  ab,  erhalten  wir  22  V,  ™d  827,-  Wir 
dürfen  wohl  annehmen,  daß  Syphilis  am  häufigsten  zwischen  22  und 
33  Jahre  akquiriert  wird,  und  die  Folge  hiervon  ist  wiederum, 
daß  die  Parese  am  häufigsten  zwischen  dem  35.  und  45.  Jahre  vor- 
kommt.^ 

Im  Folgenden  werden  wir  untersuchen,  ob  Jespersens 
Annahme  von  dem  Alter,  in  welchem  Syphilis  akquiriert  wird, 
mit  den  wirklichen  Verhältnissen  übereinstimmt,  ob  die  zwei 
früher  besprochenen  Kurven  gleich  geformt  sind  und  schließlich 
wie  groß  der  Zeitunterschied  der  Gipfel  der  beiden  Kurven  ist. 

Während  man  in  der  Literatur  eine  Menge  Statistiken 
von  dem  Alter,  in  welchem  die  generelle  Parese  zum  Ausbruch 
kommt,  besitzt,  haben  wir,  als  wir  uns  vor  2  Jahren  mit  der 
Sache  beschäftigten,«)  selbst  eine  Statistik  über  das  Ausbruchs- 
alter der  Syphilis  ausgearbeitet,  da  damals  solche  uns  nicht 
zugänglich  waren. 

Später  sind  von  F  ournier  fils«)  Statistiken  hierüber  uns 

*)  Skylde«  den  almindeligfe  fremskridende  Parese  Syfilis?  1874. 
pag.  171. 

■)  Hoepitalstidende  1901.  Nr.  14. 

•)  Compte  rendu  des  s^ancei  de  la  oonfereoce  intemat.  ponp  la 
prophylaxie  de  la  Byphilia.  1900.  Tome  II.  pag.  69. 


Syphilis  and  Parese. 


69 


zugäDglich  geworden.  Diese  Statistik  behandelt  ein  sehr  großes 
Material  und  umfaßt  sowohl  Hospitalpatienten  als  Fourniers 
(pere)  große  PriTatklientel ;  daher  meinten  wir,  es  wäre  zweck- 
mäßig zu  untersuchen,  ob  diese  neue  Statistik  unsere  frühere 
Arbeit  bestätige. 

Auf  Tabelle  I  haben  wir  daher  teils  das  Alter  yon  tausend 
Männern,  die  in  den  Jahren  1890  bis  1897  in  dem  Eommune- 
hospital  in  Kopenhagen  behandelt  wurden,  und  teils  auch 
das  Alter  von  Zehntausend  Männern,  die  in  Fourniers 
privater  Klientel  behandelt  wurden,  notiert. 

Tabelle  I. 


15 

16 
17 
18 
19 
20 

21 
22 
28 
24 
26 


n 


I' 


*■  ä 


1 

3 
15 
29 
52 
60 

81 
86 
80 
70 
74 


:g 


I 


4 
12 
28 
37 
61 

70 
81 
83 
79 

77 


I 


81 
82 
88 
84 
85 

86 
87 
88 
89 
40 


•m4 

s 

1 


22 

28 
22 
17 
26 

11 

11 

9 

7 

4 


o 


0 
O 


'Sfe 


M 

a 


26 
24 
18 
19 
15 

12 
13 
10 
10 
9 


Ja 


46 
47 
48 
49 
50 

51 
52 
58 
54 
66 


a 
2 

•s 

N 


1 
3 
2 
4 
2 

1 
1 
4 


s 

N 


^ 


4 
4 
4 
3 
4 

2 
2 
2 
3 
2 


61 
62 
68 
64 
65 

66 
67 
68 
69 


2 

N 


1 
1 
1 


BT 


1 
1 

1 
1 


26 
27 
28 
29 
80 


66 
53 
46 
36 
36 


63 
56 

50 
89 
37 


41 
42 
48 
44 
46 


6 
9 
6 
4 
3 


7 
7 
5 
5 
6 


66 
67 
68 
69 
60 


1 
1 


1 
1 
1 
1 
2 


60  HanBen  and  Heiberg. 

In  wie  hohem  Grade  Jespersens  Annahme,  daS  die 
Syphilis  häufigst  im  Alter  zwischen  22  7^  und  327«  Jahren 
akquiriert  wird,  zutrifft,  wird  man  leicht  aas  der  Tabelle  ersehen. 

In  den  10  Jahren  von  dem  22.  bis  zu  und  mit  dem 
31.  wird  ein  wenig  über  die  Hälfte  aller  Syphilisfalle  (bezw. 
57  und  ö97o)  akquiriert,  während  Jespersen  ein  wenig  über 
die  Hälfte  (547o)  ^on  seinen  Paretikeren  im  Alter  Yon  35  bis 
44  Jahren  findet  —  also  gerade  in  dem  Zeiträume,  der  12  bis 
13  Jahre  später  liegt 

Und  I2V2  Jahre  ist  ja  der  Zeitraum,  der  in  Dänemark 
durchschnittlich  von  der  Ansteckung  mit  Syphilis  bis  zur  Auf- 
nahme ins  Hospital  mit  genereller  Parese  yerstreicht.^) 

Die  nächste  Frage,  ob  die  zwei  besprochenen  Kurven 
gleich  geformt  sind,  hat  die  Schwierigkeit,  daß  meistens  das 
Material  der  Psychiater  nur  in  schematischer  Form  veröffent- 
licht wird.  Die  Zahlen  für  die  verschiedenen  Altersjahre  sind 
selten  angegeben,  sondern  nur  der  Durchschnitt  von  5  Jahren. 
Ein  detaillierter  Vergleich  wird  daher  schwierig. 

Wir  haben  vorgezogen,  die  Tabelle  über  das  Alter  de 
Syphilitiker  mit  Guddens')  großer  Tabelle  über   das  Alter 
der  Paretiker  zu  vergleichen. 

Guddens  Tabelle  stützt  sich  auf  nicht  weniger  als 
2247  Fälle  von  genereller  Parese  (Männer),  die  auf  der  Charite 
in  Berlin,  in  den  Jahren  1874  bis  1892  beobachtet  wurden« 

Trotzdem  die  Altersgruppen  fünfjährig  sind,  und  der  Ver- 
gleich daher  nicht  ganz  genau  ist,  sehen  wir  doch  auf  Tabelle  II 
eine  sehr  auffiEillende  Ähnlichkeit  zwischen  den  Kurven,  die 
durch  eine  schnelle  Steigung  und  langsames  Fallen  charakte- 
risiert sind. 

Der  au&teigende  Schenkel  der  Kurve,  der  die  Altersverhält- 
nisse beim  Ausbruche  der  generellen  Parese  vorstellt,  ist  etwas 
abgeflacht,  ein  Verhältnis,  das  man  von  vornherein  erwarten 
durfte,  indem  Fälle  von  genereller  Parese,  die  schon  wenige  Jahre 
nach  der  Infektion  mit  Syphilis  eintreffen,  bewirken,  daß  dieser 
Schenkel  der  Kurve  an  Steilheit  verliert. 


*)  Jespersen:  1.  c.  pag.  158. 

')  Arohiy  für  Psychiatrie  and  Nenrenkrankheiten.    1894.    pag.  434. 


Syphilis  und  Parese. 


61 


Tabelle  II. 


8y  p  h  i  1  i  t 

P  8  r  e  •  e 

5 

< 

p.  M. 

(Hansen  und 

Heiberg) 

P.M. 
(Fonrnier) 

p.  M. 
(Gadden) 

11—16 
16—20 
21—26 
26—80 
81-86 
86—40 
41—46 
46—60 
61-66 
66—60 
61—66 
66—70 

Ol 

15-9 

391 

23-7 

11-4 

42 

2-8 

1-2 

0-8 

0-3 

0-3 

02 

0-2 

141 

39-0 

243 

10-1 

6-4 

3-0 

1-8 

11 

0-6 

0-3 

Ol 

0-3 

49 

17-6 

26-3 

230 

13-6 

8-3 

33 

10 

04 

20—26 
26-80 
81—86 
86-40 
41-46 
46-60 
61-66 
66-60 
61-66 
66-70 

Zwischen  den  Oipfeln  der  Kurven  liegen  15—18  Jahre 
(yon  Anfang  des  zwanzigsten  bis  ungefähr  zum  vierzigsten 
Jahre).  Verschiedene  andere  dänische  Untersuchungen,  die  Länge 
dieses  Zeitraums  betreffend,  sind  vorhanden.  Jespersen^) 
findet,  daß  der  Zeitunterschied  zwischen  Infektion  mit  Syphilis 
und  Ausbruch  der  generellen  Parese  12  V«  Jahre  ist;  Rohmel^) 
erreicht  ein  ähnliches  Resultat;  Jacobson')  findet,  daß  die 
generelle  Pai'ese  im  Durchschnitte  drei  Jahre  dauert ;  H  e  i  b  e  r  g^) 
weist  nach,  daß  aaf  eine  Syphilisepidemie  in  Kopenhagen  nach 

1)  1.  0.  1874.  pag.  168. 

>)  Congr^s  intern«  pöriod.  des  sc.  med.  1684.  Compte  renda  des 
travanz  de  la  section  de  psych,  pag.  88. 

*)  Bementia  paretica  hos  Kvinden  1891.  pag.  79. 
*)  Bevne  nenrologiqne  1899.  pag.  177. 


62 


Hansen  und  Heiberg. 


1 5  Jahren  ein  Maximum  von  Todesfällen,  veranlaßt  durch  gene- 
relle Parese,  in  der  Irrenanstalt  in  Kopenhagen  vorkam. 

Wir  haben  gemeint,  daß  die  hier  vorgenommene  Unter- 
suchung über  die  Altersverhältnisse  der  Syphilitiker  und  Pare- 
tiker  dazu  beitragen  könnte,  die  Aufmerksamkeit  auf  diesen 
Punkte  hinzuleiten,  wodurch  Anhänger  der  alten  skandinavischen 
Behauptung  „keine  generelle  Parese  ohne  vorausgegangene 
Syphilis"  für  die  Verteidigung  dieser  Anschauung  Waffen  finden 
würden. 


-S0p.M. 


-26 


-20 


-16 


10 

8 

6 
6 

4 


-2 


Sraphisohs  Darstellsng 

der  AltertverhftltniHe  bei  aqairirUr 

Syphilis  (aasgezogene  Linie)  nnd  dem 

Aosbrache  der  generellen  Parese 

(pnnktierte  Linie). 


Jibt  ll-lS    16-20    21-25  26-30  3i-S5    S6-40    41-45  46-50  51-55  56-6I  01-15  60-70^) 

Jahn    20-25  26-30    31-35    36-40  41-45  46-50    51-55    56-60  61-65  66-70') 


^)  Das  Alter  bei  Akquisition  der  Syphilis  (nach  Fonrniers  Ma- 
ieriale  von  den  Hospitalern  —  2822  Männer). 

')  Alter  beim  Aasbrnch  der  generellen  Parese  (nach  Güddens 
Tabelle  —  2247  Mänaer). 


Naevusbilder  und  -BetrachtungeiL 

Von 

Dr.  med.  Josef  Sehfltz,  Frankfurt  a./Mam. 

rHiesn  Taf.  H— V.) 


Naevi  habe  ich  im  Laufe  der  Jahre  viele  gewonnen.  Das 
lebend  ausgeschnittene  Material  kam  zur  Fixierung  in  Alcohol 
absolutus  oder  Formol,  selten  in  Flemmings  Gemisch.  Die 
meisten  Spielarten  sind  darunter :  Naevus  spilus,  N.  pigmentosus, 
N.  yerrucosus,  N.  moUusciform.,  N.  fibrosus,  „Endotbelwarze^, 
^weicher  beerenformigerNaevus*.  Kein  Stück  ist  darunter  von 
Neugeborenen.  Kleinere  Naevi  genannter  Art  (d.  h.  nicht  tierfeil- 
ähnliche  oder  systematiRierte  Naevi)  sah  ich  beim  Neugeborenen 
nie.  Auch  aas  den  ersten  Kinderjahren  habe  ich  keinen  Naevus 
zur  Untersuchung  bekommen.  Selbst  als  ich  mich  in  den  letzten 
Jahren  um  ein  derartiges  Exemplar  direkt  bemühte,  konnte 
ich  keines  erhalten.  Sie  kommen,  scheint  es,  nicht  zur  Be- 
handlung, auch  nicht  bei  Kollegen  mit  Kassen-,  Armen-  und 
poliklinischer  Praxis.  Leichenmaterial  ohne  Fixierung  erschien 
mir  wertlos. 

Die  Untersuchungen  verfolgten  keinen  besonderen  Zweck. 
Sie  dienten  zur  Belehrung  meinerseits  und  zur  Yeranschau- 
üchung  der  Literatur.  Becklinghausens  grundlegende 
Arbeit  von  1882  fand  namentlich  in  Präparaten  Belege. 

Auch  heute  noch,  nachdem,  fast  kann  man  sagen,  die 
allgemeine  Auffassung  von  Dermatologen  und  Anatomen 
sich  gedreht  hat,  und  ich  die  Urtersuchungen  von  neuem  im 
Sinne    der   vielen    konsequent    neue   Bahnen    einschlagenden 


64  Schütz. 

Autoren  verfolgt  habe,  befriedigt  mich  nach  wie  vor  nur  die- 
jenige Betrachtung  des  Naevus,  welche  im  allgemeinen  an  dessen 
endothelialer  Natur  festhält. 

Eine  historische  Entwicklung  der  neueren  Auffassungen 
des  Naevus  darf  an  dieser  Stelle  als  bekannt  und  überflässig 
gelten.  Die  Einzelbeobachtungen  sind  so  fleißig,  neuartig  und 
auch  wertToU  gewesen,  daß  sie  im  Gedächtnis  haften. 

Aber  das  konzentrierte  Extrakt  aus  denselben,  unzerteilt 
betrachtet,  macht  einen  eigentfimlichen  Eindruck,  den  wir  uns 
nicht  beseitigen  können: 

Die  großkernigen,  eng  zusammenliegenden  Naevuszellen 
sollen  Tom  Deckepithel  stammen,  Epithelien  durch  Auseinander- 
rücken der  Kerne,  Verlust  der  Epithelfasem  sich  in  NacYus- 
zellen  umbilden  (erste  Verwandlung!),  darum  soll  der  Naevus 
ein  Epitheliom  sein  und  seine  eventuelle  maligne  Entartung 
ein  Carcinom.  Diese  Epithelherkunft  zeige  sich  im  Einder- 
naeyus.  Auf  die  Dauer,  beim  Naevus  des  Erwachsenen,  meta- 
plasiere  die  Naevuszelle  zur  Bindegewebszelle  (zweite  Verwand- 
lung!) So  werde  es  klar,  daß  der  zellreiche  Naevus  spilus  und  das 
aus  ärmlichen  Bindegewebsfasern  bestehende  Molluscum  fibro- 
sum  nur  extreme  Glieder  einer  durch  viele  Übergänge  und 
Varianten  zusammengehaltenen  einheitlichen  Gruppe  seien.  Da 
nun  die  maligne  Entartung  der  Naevi  im  vorgerückten  Alter 
gesehen  wird,  so  muß  im  Naevus  des  Erwachsenen  behufs  Ent- 
wicklung zu  einem  Carcinom  entweder  der  Naevuskomplex 
noch  epithelial  geblieben  sein  und  in  seiner  epithelialen  Natur 
auch  dem  Studium  zugänglich  sein,  oder  aber  eine  Rückwärts- 
metaplasierung  von  Bindegewebszellen  zu  Garcinomepithel  aus- 
führen. (Das  wäre  eventuell  die  dritte  Verwandlung!) 

Das  sind  Ergebnisse,  die  zusammenbetrachteti  von  vorne- 
herein Zweifel  erregeu,  und  da  wo  ihre  Wahrscheinlich- 
keit auf  Vorgänge  sich  stützt,  die  sonst  in  der  Pathologie  und 
im  nicht  embryonalen  Gewebe  keine  ausgemachte  Geltung 
haben,  dagegen  bewährten  Anschauungen  zuwiderlaufen,  in 
sehr  gezwungener  Darstellung  erscheinen. 

Der  Naevus  hat  für  sich  selbst  einen  Überfluß  von 
Interesse  nie  gefunden.  Er  war  lange  Zeit  geradezu  ver- 
nachlässigt trotz  seiner  Eigenart.     Cui   bono?  fragt  man  un- 


^iävnsbilder  und  -Betrachtangen.  ^5 

willkürlich  bei  der  neuen  Richtung  der  mit  Interesse  sich 
stützenden  UntersuchungCD.  Die  Antwort  ergibt  sich  von  selbst 
aus  den  Folgerungen  der  Untersuchungen.  Es  ist  die  Förderung 
der  Krebsätiologie,  welche  dem  bisherigen  Aschenbrödel  in 
der  Pathologie  Beachtung  erwirkt  hat. 

Da  es  aber  nichts  weniger  als  bewiesen  ist,  daß  die 
Mehrzahl  der  aos  Naevis  entstandenen  Geschwülste  keine  Sar- 
kome sind,  und  wenn  einmal  in  einem  seltenen  Fall  ein  Gar- 
dnom  aus  einem  NacTUS  entstand,  dieses  Garcinom  nicht  vom 
gewöhnlichen  Epithel  der  Decke  oder  der  Drüsen  sich  her- 
leitete, so  ist  der  von  der  neueren  Beobachtung  gewählte 
Standort  wenig  geeignet. 

Betrachten  wir  daher  den  Naevus,  wie  es  nunmehr  sein 
Interesse  verdient,  um  seiner  selbst  willen. 

Figur  1  u.  2  zeigen  Übersichtsbilder  von  weichen  Naevis, 
wie  sie  meist  zur  Exstirpation  kommen,  wenn  wegen  ihrer 
Ausdehnung  die  Elektrolyse  zu  langsam  Torankommen  würde. 
Es  ist  jene  Form,  die  als  NacTus  spilus  oder  bei  erhabener, 
zerklüfteter  Oberfläche  als  beerenförmiger  weicher  Naevus  am 
häufigsten  die  Hilfe  des  Arztes  verlangt.  Man  sieht  bei  der 
schwachen  Vergrößerung  deutUch  -die  eigentümlich  verästelte 
baumschlagähnlich  gezeichnete  Gruppierung  der  Ballen  und 
Stränge  der  Naevuszellen.  Das  helle  Geäste  entspricht  mehr 
oder  weniger  breiten  Bindegewebszügen.  Diese  scheiden  die 
größeren  Zellklumpen.  In  letzteren  sind  bei  genauerem  Zusehen 
eben£Edls  wieder  bindegewebige  Septen  zu  sehen,  welche  kleinere 
Zellhäufchen  gruppieren  und  so  fort.  So  sieht  man  schon  bei 
schwacher  Vergrößerung,  daß  die  ganze  Zellanlage  etwas 
ungemein  Gharakteristisches  hat,  das  seinesgleichen  nicht 
wiederfindet.  Ohne  anamnestische  Aufklärung  ist  man  mit 
einem  Blick  im  stände,  ein  mikroskopisches  Präparat  sicher 
als  Naevus  zu  diagnostizieren.  Das  ist  eine  sehr  zu  würdigende 
Eigenschaft  des  Naevus,  an  der  man  nicht  ohne  Vormerkung 
vorbeieilen  sollte.  Ohne  anamnestische  Anhaltspunkte  habe  ich 
Fachleute  nach  eingehenden  Beobachtungen  Lupus  hypertro- 
phicus  iür  echtes  Garcinom,  Syphilisprodukte  für  Lupus  und 
umgekehrt  halten  sehen.  Ist  aber  der  ausgebildete  zellenreiche 
Naevus  so  prägnant,  dann  darf  man  aus  einem  Vergleich  des- 

Areb.  f.  DermAt.  n   Syph.  Bd.  LXIII.  5 


66  Schütz. 

selben  resp.  aus  seiner  relativen  Unähnlichkeit  mit  sonstigen 
epithelialen  Wucherungen  gutartiger  wie  bösartiger  Natur 
schon  den  Schluß  ziehen,  daß  die  Anordnung  der  NaoTuszellen 
nicht  genau  dem  entspricht,  was  sonst  bei  Epithelien  Sitte  ist. 
Ich  habe  gerade  aus  Photogrammen,  die  das  Auge  ruhig  beim 
Vergleich  yerweilen  lassen,  diese  Kontraste  lebhaft  empfunden. 
Hierin  erblicke  ich  gegenüber  den  nicht  zu  verkennenden 
Mängeln  photographischer  Darstellung  histologischer  Präparate 
einen  wertvollen  Vorzug  der  Mikrophotographie.  Wir  sehen 
femer  bei  Fig.  1  u.  2,  daß  an  der  Basis  der  Geschwulst  die 
Zellherde  spärlicher  und  die  Bindegewebsstränge  stärker  sind. 
Nach  gewöhnlicher  Vorstellung  entsprechen  solche  Stellen 
höherem  Alter,  also  dem  Ort  der  Entstehung.  Es  stimmen 
hierfür  selbst  die  Anhänger  der  epithelialen  Genese,  wenn  sie 
sagen,  daß  beim  fertigen  Naevus  die  Geschwulstzellen  von 
unten  nach  oben  wachsen. 

In  einer  ganzen  Reihe  von  Fällen  konnte  ich  nun  einen 
Zusammenhang  der  Ausbreitung  der  Naevusherde  mit  dem 
Verlauf  der  Blutgefäße  dartun.  Es  war  dies  umso  leichter, 
als  die  Gefäße,  entgegen  dem  häufig  beschriebenen  normalen 
Verhalten,  in  recht  vielen  Naevis  erweitert  sind. 

Dieser  Zusammenhang  wird  schlagend  bewiesen  durch 
Stellen,  wie  sie  in  Fig.  3,  4,  5  wiedergegeben  sind  und  die 
nichts  weniger  wie  etwas  Seltenes  darstellen.  In  Fig.  3  ist  das 
betreffende  längsaufsteigende  Gefäß  dreimal  angeschnitten  zu 
sehen  und  ohne  weitere  Beschreibung  in  seiner  Anordnung 
aus  der  Art  der  betreffenden  Lumina  zu  verfolgen,  eine  sehr 
charakteristische  Stelle. 

Nicht  minder  deutlich  ist  Fig.  4,  in  welcher  ein  Gefäß 
auf  langer  Strecke  längsgeschlitzt  ist,  dann  im  oberen  Teil  des 
Bildes  seinen  weiteren  Verlauf  durch  grade  aufsteigende  Zell- 
stränge  verrät. 

Nach  Besichtigung  von  Fig.  3  und  4  ist  dann  auch  Fig.  5 
verständlich.  Letztere  Figur  bildet  gewissermaßen  den  Über- 
gang zu  den  gewöhnlichen  Naevusbildem  und  zeigt,  wie  man 
die  so  eigenartige  Anordnung  der  Naevuszellen  in  Strängen  und 


NäYütbilder  und  -BetrachtangeB.  G7 

Klumpen   aufzufassen    hat,     auch    wenn  man  nicht  jedesmal 
starke  Gefaßbäume  unmittelbar  dabei  gewahrt. 

Im  Detail  entspricht  die  Ausbreitung  der  Naevuszellen 
den  im  Bindegewebe  präformierten  Lymphräumen,  und  da  diese 
in  einer  gewissen  Abhängigkeit  von  den  Oefäßbäumen  sind, 
so  erklärt  sich  der  Aufbau  der  Naevuskomplexe  in  seiner 
inneren  Anordnung  auf  das  Einfachste. 

Aus  den  Fig.  1  und  2  wie  3  bis  5  erkennt  ferner  der 
unbefangene  Beobachter,  daß  die  AnlehnuDg  entlang  der  Ge- 
fäße und  Verbreitung  in  den  Lympfräumen  bald  Längs-  bald 
Querschnittansichten  der  Naevuszellkomplexe  in  Übersichts- 
bildem  hervorbringen  muß. 

Bei  stärkerer  Vergrößerung  gewahrt  man  dann,  daß  die 
Längsansichten  (sog.  Zellstränge),  wie  Fig.  6  zeigt,  dunkler 
tingierte  und  verhältnismäßig  kleinere,  enger  aneinander- 
stoßende Zellkerne  besitzen,  während  in  den  oft  unmittelbar 
danebenliegenden  Queransichten  (sog.  Ballen  oder  Epithel- 
blöcken) die  Kerne  und  Zellen  größer  und  weniger  tingibel 
sind,  wie  es  Fig.  7  zeigt. 

Je  größer  die  Epithelblöcke,  je  näher  dem  Deckepithel 
sie  gelegen  sind,  umso  größer  erscheinen  die  Kerne,  umso 
runder  imd  blasser  die  Naevuszellen. 

Verfolgt  man  die  Naevuszellen  mit  Immersion,  so  konjmt 
man  zu  der  räumlichen  Vorstellung  von  relativ  platten  rund- 
lichen Zellen,  welche  nicht  wie  weiche  protoplasmatische 
wuchernde  Epithelzellen  eine  vorwiegend  kubische  Gestalt  haben, 
sondern  von  der  Seite,  mehr  oder  weniger  längs,  betrachtet 
als  Tiefenwirkung  stärker  tingiert  erscheinen,  ihrem  stereo- 
metrischen Verhalten  nach  mit  den  Kernen  mehr  oder  weniger 
aneinanderrücken  und  aus  der  runden  in  eine  längliche  Form 
übergehen. 

Mitosen  sind  in  denselben  nirgends  anzutreffen,  dafür 
aber  verhältnismäßig  viele  Zellen  mit  2  und  mehr  Kernen, 
die  hie  und  da  echte  Riesenzellen  darstellen  (Demieville), 
(Nävoplaxe  Unnas),  Kerne  mit  direkter  Kernteilung  in  Semmel- 
form und  dementsprechend  achtförmig  eingeschnürten  Proto- 
plasma, wie  ich  sie  in  Fig.  8  festgehalten  habe,  Dinge,  die 
lebhaft  an  die  Bilder  erinnern,  die   W.  Tonkoff  („über  die 

6* 


68  Sohüts. 

Tielkernigen  Zellen  des  Plattenepithek,  Anatomischer  Anzeiger 
XYI.  Bd.  1899,  pag.  256)  Yon  den  £ndothelien  der  Serosa 
beim  Tier  zeidmeU  Da  auch  die  flache  Gestalt,  der  große 
Kern,  die  mangelnde  Zwischensubstanz  zwischen  den  Naevns* 
Zellen  kleinster  Komplexe  Endothelverhältnissen  entspricht, 
80  halte  ich  die  Naemszellen  für  Abkömmlinge  des  Endothels 
und  aus  genannten  Gründen  nicht  für  Abkömmlinge  des  Deck- 
epithels. 

Die  bindegewebigen  Septen  entstehen  aus  den  Zellen  des 
zwischen  den  Naeyuskomplezen  liegenden  Bindegewebes,  deren 
schlanke,  langgestreckte  Kerne,  wenn  auch  spärlich,  sich  zwischen 
den  schmälsten  NaeYuszellsträngen  nachweisen  lassen  (siehe 
Fig.  8).    Dasselbe  gilt  von  den  elastischen  Fasern. 

Die  elastischen  Fasern  (Fig.  9)  umspinnen  die  soliden 
Naeyuszellstränge,  so  daß  sie  die  Epithelblöcke  (in  der  Qaer- 
ansicht)  wie  eine  Domenkrone  umringen,  die  längsziehenden 
„Epithelstränge^  aber  als  parallele  Reiser  begleiten.  Mit 
Immersion  yerfolgt  nehmen  sie  außer  dieser  gröberen  Grenz- 
einscheidung noch  Gelegenheit,  proportional  mit  der  Ent- 
wicklung des  Bindegewebes  an  dem  feineren  Septenbau  im 
Inneren  der  größeren  und  kleineren  Naevuszellenkomplexe  sich 
zu  beteiligen.  An  den  quergetroffenen  Epithelblöcken  kann 
man  sie  in  ihrer  feinsten  Verbreitung  oft  zwischen  den  schein- 
bar doppelt  konturierten  hellen  Begrenzungen  der  NaeYuszellen 
an  ihren  gleichmäßig  runden,  punktförmigen  Querschnitten 
erkennen.  Hieraus  wieder  ist  ein  Beweis  ffir  die  Zwischen- 
lagerung Yon  Bindegewebe  gegeben,  wo  die  bloße  Tinktion 
des  Kollagens  nach  yan  Gieson  nicht  ausreicht.  Und  so 
kommt  man  zu  dem  Schluß,  daß  die  Komplexe  der  ohne 
Zwischensubstanz  an  einander  liegenden  Naevuszellen  recht 
klein  sind,  so  daß  man  irregeführt  werden  kann  und  glauben 
könnte,  die  Naeyuszellen  selbst  würden  Bindegewebe  produzieren. 

Über  das  Deckepithel  kann  ich  mich  kurz  fassen.  Da 
wo  große,  mnde,  blasse  Naeyuszellen  in  Blöcken  und  aufstre- 
benden Strängen  nahe  an  es  heranreichen,  ist  der  Papillar- 
körper  yerstrichen,  das  Rete  in  seiner  Ausdehnung  nicht 
hypertrophisch  und  manchmal  sehr  reduziert.  Nur  in  mehr 
oder  weniger    großen  Abständen  sendet  das  Bete  pallisaden- 


Niynsbilder  und  -Betrachtungen.  69 

artige  hypertrophische  Ausläufer  in  die  Tiefe,  die  sich  gahehi 
und  konfluieren  können,  um  wie  Scheidewände  den  NaeTus  ab- 
zuteilen oder  ganze  Naevuskomplexe  zu  umschließen.  Wo  die 
Homschicht  Einziehungen  zeigt,  entsprechen  solche  yerlängerte 
Beteleisten  rudimentären,  in  anderen  Fällen  yermehrten  An- 
bildungen  von  Talgdrüsen  oder  Haaranlagen.  Wo  die  Bete- 
leisten in  welligem  Zuge  dahinziehen,  pflegen  dicht  unter 
ihnen  die  Naevuszellen  in  parallelen  Zügen  zur  Oberfläche  an- 
geordnet zu  sein.  Alle  diese  Verhältmsse  in  ihrer  Vielgestaltig- 
keit erklären  sich  aus  dem  ungleichen  Wachstumsdruck. 

Mitosen  und  Wanderzellen  finden  sich  im  Bete  durchweg 
seltener  wie  unter  phTsiologischen  Bedingungen.  Für  eine 
Epithelproliferation  im  Maevus  des  Erwachsenen  fand  ich  keinen 
Anhalt 

Unmittelbar  unter  den  Basalzellen  des  Bete  erscheint 
fitets  eine  schmale  oder  breitere  Zone  in  metachromatischer 
Färbung.  Obwohl  auch  bei  Präparaten  anderer  Provenienz 
ähnliches  vorkommt,  ist  die  kontrastierende  Färbung  beim 
Naevus  besonders  auffallend. 

Sie  erscheint: 

violett  in  Methylenblau-Glyzerinäther-Präparaten, 

grün     „  „         -Tannin-  „ 

rot        „  Pikrinsäure-Fuchsin-  „ 

rosa      „  Wasserblau-Pikrinsäure-Saffranin-Präparaten. 

rosa      „  nach  van  Gieson  gefärbten  „ 

blau      9  Eosin  Methylenblau-Glyzerinäther-         „ 

Bei  der  Mehrzahl  der  Tinktionen  ist  die  genannte  meta- 
chromatische Farbennuance  ein  abgeschwächter  leicht  ver- 
änderter Ton  der  jeweiligen  Farbe,  welche  das  Kollagen  an- 
nimmt. 

Bei  unfreiwilligen  Färbungen  des  Fibrins  fand  ich,  daß 
die  Zone  jener  metachromisierenden  Färbung  übereinstimmt  mit 
der  örtlichkeit,  in  der  reichlich  Fibrin  auftritt  und  leicht  sich 
färbt.  Das  Fibrin  erscheint  in  Strängen,  die  von  den  Epithelzellen- 
Bäumen  abwärts  herunterziehen  über  die  Papillen,  mächtiger  und 


70  Schütz. 

mächtiger  anschwellend,  und  schließlich  durch  Konfluieren  im 
Bubpapillaren  Teil  ein  dichteres  Geflecht  bilden. 

Das  Pigment  findet  sich  höchst  unregelmäßig  verteilt 
örtlich  wie  überhaupt.  Schon  darum  hat  es  mit  der  Genese 
des  Naeyus  nichts  zu  tun.  Es  findet  sich  1.  in  den  Zellen  der 
Schleimschicbt  als  feine  Körnchen  innerhalb  und  in  langen 
Kömerreihen  hinziehend  auch  außerhalb,  zwischen  den  Epi- 
thelien,  am  häufigsten  und  stärksten  in  der  Basalschicht; 
2.  in  den  Naevuszellenherden  ebenfalls  in  den 'Zellen  selbst 
wie  zwischen  denselben  in  Kömerreihen  vordringend ;  außerdem 
sodann  3.  in  dem  Bindegewebe,  namentlich  dem  Bindegewebe 
zwischen  Kaevusherden  und  anstoßenden  Epithelien,  oft  als 
dunkle  Schollen  imponierend,  in  Wirklichkeit  aber  Ehr- 
mannschen  Melanoblasten  (Cbromatophoren,  Langerhanz- 
schen  Zellen)  angehörend,  deren  Kerne  man  an  günstigen 
Stellen  oder  nach  Bleichung  mit  H^O,  hervortreten  sieht.  Die 
8ub  1  und  2  genannten  Kömerreihen  sind  als  Ausläufer 
der  Melanoblasten  festzustellen,  die  Epithel  und  Naevus- 
zellen  in  gleicher  Weise  mit  Pigment  versorgen.  In  den 
tieferen  BiDdegewebsschichten  begleitet  das  Pigment  die  Ge- 
fäße bezüglich  deren  Adventiaräume.  Auch  in  den  ober- 
flächlichen Pigmentansammlungen  sind  oft  Beziehungen  zu  der 
Gefaßanordnung  unverkennbar.  Das  Pigment  gibt  keine  Eisen- 
reaktion mit  Ferrocyankalium,  seine  Topographie  zeigt  aber 
aufs  Blut. 

Die  Melanoblasten  kopieren  in  Gestalt  und  Gebarien 
getreulich  die  im  Naevus  eben&Hs  reichlich  vorhandenen  Mast- 
zellen. Indessen  sieht  man  bei  Färbung  mit  polychromem 
Methylenblau,  namentlich  wenn  man  der  Farbe  eine  Spur 
eines  Eisensalzes  z.  B.  Ferrosulfat  zusetzt,  nach  Entfärbung 
in  verdünntem  Glyzerinäthergemisch  die  beiden  Zellarten  oft 
dicht  nebeneinander  scharf  tinktoriell  dififerenziert  in  einem 
Sehfeld:  rotkörnige  Mastzellen  mit  blauem  Kern  und  grün- 
körnige  Melanoblasten  mit  blauem  Kern.  Eine  andere  Doppel- 
farbung  erhielt  ich  in  einem  Schnitt,  der  in  schwachem  Pyro- 
gallussäure- Wasser  gebeizt,  in  Wasser  ausgewaschen  in  Gabetts- 
saurer  Methylenblaulösung  gefärbt,  nach  Auswaschen  in  Wasser 


NäyaBbilder  und  -Betrachtungen.  71 

in  Gabetts  Fachsinlösung  kurz  verweilte  und  nach  fernerem 
Waschen  in  Wasser  mit  alkoholisch-wässriger  Pikrinsäurelösung 
behandelt  wurde.  Hier  erschien  das  Pigment  und  die  Melano- 
blasten  braun  ^),  die  Mastzellenkörnung  grün  bei  rötlichen 
Kernen.  Übergänge  zwischen  Melanoblasten  und  Mastzellen 
habe  ich  nicht  entdecken  können.  Bei  aller  Ähnlichkeit  kommt 
beiden  also  Selbständigkeit  zu.  Eine  Mastzelle  gerät  nie  ins 
Epithel! 

Die  Mastzellen,  allenthalben  bekannt  als  Begleiter  der 
Gefäße  und  bindegewebiger  Züge,  befinden  sich  oft  grade 
zwischen  den  großen  runden  blassen  Naevuszellen.  Wieder  ein 
Beweis,  daß  die  NaeTuszellen  nicht  ein  Epithelparenchym  dar- 
stellen,  gleichzeitig  auch  wieder  ein  Beweis  dafür,  daß  die 
Architektonik  der  Naeyuszellkomplexe  der  Gefaßanordnung 
folgt.  Was  die  Form  der  Mastzellen  anlangt,  so  kommt  in  der 
Nähe  des  Bete  mehr  die  langgestreckte  Form  mit  kömigen 
Ausläufern,  in  der  Nähe  der  Gefäße  und  im  Zentrum  des 
Naevus  häufig  die  rundliche  Form  mit  homogener  Hüllplatte 
Yor.  Im  Zentrum  der  kleinen  Geschwulst,  wo  die  größeren 
Gefäße  sind,  sind  die  Mastzellen  am  reichlichsten,  nicht  an  der 
Grenze  des  Epithels  oder  der  Naevuskomplexe. 

Sonst  ist  vom  Bindegewebe  zu  erwähnen,  daß  das  Kollagen, 
wo  Naevuszellen  auftreten,  seine  Färbbarkeit  teilweise  einbüßt 
z.  B.  statt  rot  graublau  erscheint  im  Hämatoxylineosinpräparat 
Außer  den  bereits  beschriebenen  schlanken  Bindegewebszellen, 
welche  man  zwischen  den  Naevussträngen  findet,  sieht  man  nur 
noch  die  großen  feingranulierten  ovalen  oder  polygonalen  Binde- 
gewebszellen, nirgends  Rund-  bezüglich  Plasmazellen  mit  rad- 
formigen  Kernen  und  dunklen  radiär  gestellten  Chromatin- 
gerüst  darinnen.  Entzündliche  Vorgänge  sind  also  auszu- 
schließen im  Naevus. 

Schließlich  hätte  ich  der  „direkten  Übergänge'  zu  gedenken 
von  Naevuszellen  zu  Epithelzellen,  wobei  unter  Auseinander- 
rücken der  Kerne  und  Verlust  der  Epithelfasem  eine  Um- 
bildung der  Epithelzellen  zu  Naevuszellen  sich  vollziehen  solL 


^)  Wie  schon  Ehr  mann  angab,  sieht  man  eine  Grünfarbnng  der 
Pigment  kömer  manchmal  in  Methylenblaapräparaten. 


72  Sohütz. 

Derartige  scheinbare  Übergänge  findet  man  bei  einzelnen 
Naevis  gar  nicht,  bei  andern  häufig. 

Diese  Übergänge,  so  beweiskräftig  und  täuschend  sie 
manchmal  zu  sein  scheinen,  beruhen  auf  einer  schrägen  Schnitt- 
richtung und  einer  durch  örtlich  gesteigertes  Wachstum  tou 
Reteleisten  und  Naevusherden  hervorgerufene  Druckwirkung  mit 
Ödemerscheinungen. 

Das  Auseinandertreten  der  Kerne  der  Epithelzellen  an 
der  Berührungsfläche  ist  der  Effekt  einer  schrägen  Schnitt- 
ebene, welche  nicht  senkrecht  durch  Basalzellen^  sondern 
schräg  durch  höhere  Zellagen  einer  meist  verlängerten  Rete- 
leiste  Terläuft. 

Das  Verschwinden  der  Epithelfasem,  das  stets  unyer- 
mittelt  nur  bei  den  äußersten  Epithelzellen  an  der  Kontakt- 
stelle auftritt,  beruht  auf  einer  Druckwirkung,  wodurch  die 
Epithelzelle  ausgefiranst  erscheint,  namentlich,  wenn  man  recht 
feine  Schnitte  vor  sich  hat 

Das  Verlieren  der  Epithelfasem  unter  solchen  Bedingungen 
ist  keine  ausschließliche  Eigentümlichkeit  des  Naevus,  sondern 
ist  bei  vielen  mit  raschem  Epithelwachstum  oder  Ödemerscheinun- 
gen komplizierten  Prozessen  zu  sehen.  Sehr  schön  sah  ich  es  an 
Schnitten  Ton  Frambösia  syphilitica,  bei  welcher  das  Epithel 
in  mächtigen  Zügen  in  die  Tiefe  drang.  Es  geht  nicht  an, 
beim  Naeyus,  wo  zwei  an  und  für  sich  ähnliche  Zellarten  an- 
einandergeraten, deren  einheitliche  Verschmelzung  auf  Grund 
so  plötzlich  einsetzender  histologischer  AusÜEdlserscheinungen 
herzuleiten.  Wie  oft  findet  man  neben  einer  solchen  Stelle 
eine  andere  analoge,  an  der  wie  zur  nötigen  Erklärung  eine 
trennende  Bindegewebsschicht  zu  sehen  isti  Würden  genannte 
direkte  Übergänge  wirklich  die  allgemeine  Genese  der  Naevus- 
komplexe  verbürgen,  so  wäre  dieser  Modus  sicherlich  viel  aus- 
gedehnter und  leichter  nachzuweisen.  Außerdem  liegt  die 
exakte  Beweisführung  für  eine  solche  Genese  demjenigen  ob, 
der  sie  annimmt,  und  diese  läßt  sich  überhaupt  bai  der  Ähn- 
lichkeit der  in  Frage  kommenden  Zellen  zwingend  nur  dadurch 
gestalten,  daß  man  tinktoriell  Endothelzelle  und  Bindegewebs- 
zelle von   einer  Epithelzelle  unterscheiden  lernt.    Die  Rekon- 


Navnabilder  nnd  •Betraehtangen.  73 

struktion  nach  Schnittserien  beweist  nichts  mehr  und  nichts 
weniger  als  was  man  anch  im  Mikroskop  sehen  kann  beim 
N  a  e  y  u  8. 

Die  ans  den  Naevis  henrorgehenden  Geschwülste  bedürfen 
einer  Beurteilung  ad  hoc  im  Einzelfall  und  unterliegen  keiner 
generellen  Aburteilung,  es  sei  denn  auf  statistischer  Basis. 
Daß  amitotisch  sich  teilende  Zellarten  unter  yeränderten 
Lebens-  und  Emahrungsbedingungen  wieder  in  indirekter 
Kernteilung  proliferieren  können,  habe  ich  bereits  früher  (dieses 
Archiv  LXII,  p.  94)  henrorgehoben. 


74  Schfitz. 


ErkUrang  der  Abbildungen  anf  Ta£  11-- V. 


Fig.  1  n.  2.  Beerenf5rmiger  weioher  Naevns  des  Erwachaenen. 
Alkoholhärtang.  Fuchsinpikriiuäare-Prftparat.  Apochromat  16  mm.  Pro- 
jektionsokular 2.  Vergröß.  66,  wie  bei  einer  mikroskopischen  Beobachtung 
mit  KompensatioDBoknlar  4  durch  den  Eameraanssug  abgestimmt.  Diese 
Abstimmung  wurde  auch  bei  den  folgenden  anderen  Vergrößerungen  ein- 
gehalten.   Übersiohtsbilder  über  die  Verbreitung  der  Naevussellen. 

Fig.  8,  4,  5.  Beerenformiger  weicher  Naevus.  Dieselbe  F&rbuog 
und  Vergrößerung.  Naevnszellenkompleze  in  Beziehung  zum  Gefaßverlauf. 

Fig.  6.  NacTus  spilns.  Lithionkarminpr&parat.  Apochromat  8  mm, 
Projektionsokular  2.  Vergr.  180.   Naevuszellen  in  Strängen. 

Fig.  7.  Dasselbe  Pr&parat  Apochromat  4  mm.  Proj.-Okal.  2. 
Vergr.  266.    Naeyuszellen  in  Strängen  und  Ballen  nebeneinander. 

Fig.  8.  Weicher  Naevus  pigmentosus.  Polychrom.  Methylenblan- 
Tannin-Präparat  (Monatsh.  f.  prakt.  Dermatol.  XIX.  pag.  400).  Immers. 
Apochromat  2  mm.  Proj.-OkuL  2  mm.  Vergr.  620.  Amitotische  Kern- 
teilung in  Naevuszellen  bei  a,  Kerne  in  Semmelform,  Einkerbung  der 
Zellmembran.  Im  zwischenliegenden  Bindegewebe  langgezogene  Binde- 
gewebskeme  bei  b. 

Fig.  9.  Naevus  spilus.  Saures  Orcein-Methylenblau-Tannin-Prft- 
parat.  Apochromat  8  mm.  Proj.-Ok.  2.  Vergr.  130.  Elastische  Fasern 
einen  Block  Naevuszellen  circulär  umspinnend,  Ausläufer  ins  Innere  zu 
den  Bindegewebssepten  sendend. 


Archiv  f.  Dermatologie  u  Syphilis  Bar^d   IXUI. 


I 
Schulz :  .Naenisbilrter  und  Bctrai'hluiiqcn 


Archiv  f. Dermatologie  u.Syphilia  Band  UUD. 


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Schütz :  Naevusbilder  und  Betraehmnfjen 


Archiv  f.Dermatologie  U.Syphilis  Band   LXin. 


Schützr  Naevusbtider  und  Bptrachnmgen 


Archiv  tDermalologieu  Syphilis  Bond  LXHI. 


ScHütz:  NaevuabiWer und  Betrachlungen 


Au  der  k.  k.  dermatologisohen  üoiyenit&tsklinik  des  Hofrathes 

Prof.  Dr.  Zaposi  in  Wien. 


Ueber  ein  eigenartiges  Krankheitsbild 
von  Keratosis  verrucosa. 


Von 

Dr.  St.  Weidenfeld, 

AMistenten  der  Klinik. 

(Hiezu  Taf.  VI  u.  VII.) 


In  der  Wiener  dermatologischeD  Gesellschaft  (23.  Octb.  1901) 
habe  ich  zwei  Fälle  (einen  in  einer  Moulage)  von  einer  eigen- 
artigen Hauterkrankung  vorgestellt,  die  meines  Wissens  nach 
noch  nirgends  beobachtet  wurde.  Symptome,  die  beide  dar- 
boten sind  so  prägnant,  ihr  Aussehen  dabei  so  eigenartig,  dass 
wir  es  hier  wohl  mit  einem  gut  umschriebenen  Erankheits- 
bilde  zu  thun  haben.  Die  Krankengeschichten  beider  Fälle  sind 
folgende : 

I.  Fall:  N.  A.,  62  J.,  Taglöhner,  verwitwet.  28.  März  1899.  Die 
Krankheit  besteht  seit  vier  Jahren. 

Stat.  pras.  vom  29.  März.  An  den  Vorderflächen,  tbeilweise  auch 
den  Seitenflächen  der  unteren  Extremitäten  und  die  Unterschenkel  vom 
unteren  Patellarrande  bis  zum  Sprunggelenke  circulär  umgreifend  finden 
sich  gleichförmige  Efflorescenzen:  hanfkorngrosse,  den  Follikeln  zum 
Theil  entsprechende  und  meist  von  einem  Haare  perforirte  Knötchen 
derber  Gonsistenz  mit  unregelmässig  rauher  Oberfläche.  Die  Rauhigkeit 
der  Oberfläche  ist  bedingt  theils  durch  fein  abblätternde  Homschüppchen, 
theils  durch  tiefere  porenartige  Stellen.  Die  Farbe  der  Knötchen  variirt: 
an  den  unteren  Partien  ist  sie  blass,  nicht  verschieden  von  der  Farbe 
der  fibrigen  Haut,  nur  weisser  erscheinend  durch  die  auflagernden  Schüpp- 
chen; höher  oben  ist  der  Farbe  der  Efflorescenzen  ein  blassrotber 
Farbenton  beigemischt. 

Viel  deutlicher  tritt  diese  blassröthliohe  Farbe  an  zwei  der  Vena 
saphena  major   entsprechenden,   streifenförmig    (an   der  Innenseite   des 


76  Weidenfeld. 

Obenohenkels)  ziehenden  Herden  hervor.  Hier,  gleichwie  an  den  unteren 
Partien,  sind  die  Efflorescensen  gleichmftssig  dicht  gedrängt,  jedoch 
weniger  stark  prominent,  kleiner,  nnd  sind  leicht  roBenfarhen  oder  mehr 
röthlicbgelb;  ihre  Oberfläche  ist  weniger  keratinisirt,  demgemäss  weniger 
schuppend,  anch  nicht  so  kreidigweiss.  An  manchen  Stellen  leigen  die 
Efflorescensen  Conflaenz  und  Anordnung  in  Streifenform. 

Am  Stamme  findet  sich  deutlicher  Liehen  pilaris,  durch  besondert 
groeee,  durch  die  Arrectotes  pilorum  erseugte  Prominensen  charakterisirt. 
Derselbe  ist  nicht  kegelartig  und  kleinstippchenformig,  sondern  seigt 
mehr  plane  Knötchen. 

An  den  unteren  Extremitäten  finden  sich  mehrere  Ezcoriationen 
und  mit  Krusten  bedeckte  Stellen,  an  denen  Eiterretention  besteht. 

Die  Lymphdrflsen  ausserhalb  des  Ligamentum  Pouparti  sind, 
namentlich  links,  stark  geschwollen,  derb,  von  einander  und  der  gesunden 
Haut  abgrenzbar  und  abhebbar,  nicht  schraerzhafb.  Im  Munde  nichts 
Abnormes  wahrnehmbar.  Ther. :  Salicyipflaster  auf  die  excoriirten  Stellen. 

l./iy.  1899.  Zinci  ozyd.  2*0,  Epidermin  »0. 18.  Mai  1899.  Pai.  wird 
gebessert  entlassen. 

Am  8./yL  desselben  J.  sucht  er  neuerlich  das  Spital  auf. 

Stat  präs.  vom  9.  Juni  1899.  Das  Bild  der  AfTectionen  des  Unter- 
schenkels ist  bis  auf  den  Umstand,  dass  zahlreiche  Krusten  und  Elxcoriati- 
onen  hinzugetreten  sind,  das  oben  beschriebene.  Ueber  der  rechten  Patella 
sitzt  ein  noch  etwa  15  Gm.  auf  den  Oberschenkel  weitergreifender, 
schmerzhafter,  etwas  gerötheter,  derber  Tumor.    Ther.  Liq.  Burowi. 

27./yi.  Kautschuk,  emplastrum  salicyl.  T./Vu.  Am  linken  Unter- 
schenkel Umschläge  von  Solutionis  Fowleri,  aquae  destillatae  aa  partes. 
12./VII.  Application  von  Arsenikumschlägen  auf  beide  Unterschenkel. 
Man  sieht  nach  ötägiger  Anwendung,  dass  fast  sämmtliche  warzenähnliche 
Gebilde  herausgefallen  sind.  An  deren  Stelle  befinden  sich  linsengrosse, 
kraterformig  vertiefte,  von  einem  epidermoidalen  Saum  umgebene  Sub- 
stanzverluste, welche  unregelmässig  begrenzt,  seicht,  und  mit  einem 
grflnlich-gelben  Belage  ausgekleidet  sind.  In  der  Umgebung  ist  die  Epi- 
dermis aufgelockert,  macerirt,  die  Haut  in  toto  gequollen,  die  Falten  sind 
ausgeprägter.  14./Vn.  Der  linke  Unterschenkel  wird  mit  Borsalbe  ver- 
bunden. 16./VU.  Soweit  als  die  Umschläge  gemacht  wurden  finden  sich 
an  vielen  Stellen,  an  denen  früher  sich  die  Warzen  befanden,  kleine 
grünlich- gelbe,  neutral  gelegene  Schorfe,  umgeben  von  einem  Epidermis- 
saume,  oder  die  ganze  Warze  ist  exfoliirt  und  an  Stelle  deren  eine  kleine 
kraterformige  schmutzig-grünlioh-gelber,  mit  Eiter  bedeckter  Substans- 
verlusL  Zudem  besteht  leichte  Röthuog.  17./V11.  Erneuerung  der  Appli- 
cation von  Arsenikumschlägen  (am  rechten  Unterschenkel).  2d./VlI.  Ein- 
pinselungen mit  Theer,  hierauf  207o  Salicyipflaster.  25./Vn.  Arsenikum- 
schlage  fortgesetzt.  27./yn.  Verband  mit  Pflaster:  Kaliarsen  4*0,  Empl. 
sap.  salic.  400*0.  28.|yiL  wird  Pat.  gebessert  entlassen  (siehe  Figur  1 
und  2). 


Keratosis  verrucosa.  77 

Anfangs  1900  kommt  Patient  neaerlich   in  unsere  Behandlung  mit 
folgenden  Krankheitabilde : 

An  beiden  Unterschenkeln  finden  sich  zahlreiche,  dicht  gedrängte, 
linsen-  bis  erbsengrosse,  Striche  oder  Kreisbogen  bildende,  weissgraue, 
papalöse  Efflorescenzen,  die  mit  festhaftenden,  sehr  dünnen  Schüppchen 
bedeckt  sind.  An  den  Hinterflächen  der  Oberschenkel  bestehen  viele 
Efflorescenzen  von  gleichem  Aussehen.  Zwischendurch  sieht  man  strich« 
formige  Ezooriationen  oder  auch  tiefergreifende  punktförmige,  von  starkem 
Entzündungsherde  umgebene  und  mit  schwarzbrauner  Borke  gedeckte, 
sowie  etwa  kreuzergrosse  EfSorescenzen.  Stamm,  Arme,  Fusssohlen  sind 
von  diesen  EfBorescenzen  frei. 

Neaerlich  stellt  sich  Patient  zur  ärztlichen  Behandlung  am  29^X1. 
desselben  Jahres  bei  uns  ein. 

Stat.  präs.  dO/XI.  Beide  Unterschenkel  sind  vier  Querfinger  unter- 
halb des  Kniegelenkes  bis  zum  Sprunggelenke  besetzt  mit  warzigen, 
schmutzigbraanen,  drüsigen,  fein  papillären,  porösen,  sich  derb  anfühlenden 
Gebilden  besetzt,  die  sicherlich  den  Homschichten  entsprechen.  Es  besteht 
Jacken,  dementsprechend  etliche  Excoriationen  und  impetigoartige  Pusteln 
zn  sehen  sind.  Therapie.  Liq.  Burowi,  dann  Salioylpflaster.  In  der  Folge 
werden  versucht:  Kali  causticum  zu  Umschlägen  und  zur  Betupfung  mit 
nachheiiger  Anwendung  von  emplastrum  salicylioum;  Arsenpflaster; 
Pyrogalluspflaster. 

Am  28./XIL  finden  sich  am  Rumpfe  und  an  den  Extremitäten, 
insbesondere  auf  den  Streckseiten  der  unteren  Extremitäten  zahlreiche, 
theils  erhaltene,  theils  zerkratzte  Urtieariaqnaddeln.  Da  im  Harne  be- 
deutende Mengen  Albumens  nachgewiesen  werden  und  die  Diagnose  auf 
Nephritis  gestellt  wird,   wird  er  auf  Milchdiät  gesetzt. 

Am  22./I.  1901,  da  Patient  entlassen  wird,  bietet  er  folgenden 
Status:  Die  Efflorescenzen  auf  den  Unterschenkeln  zeigen  jetzt  eine 
bläuliche  Verfärbung.  An  zahlreichen  derselben  bemerkt  man  kleine,  punkt- 
förmige Hämorrhagien  mit  zierlicher  Zeichnung.  Einzelne  der  Knötchen 
schuppen  oberflächlich  oder  sind  mit  feinen  Krusten  bedeckt.  An  den 
Oberschenkeln  sind  die  Efflorescenzen  viel  kleiner,  nicht  so  dicht  und 
nehmen  eine  handtellerbreite  Fläche  ein,  die  sich  am  Uebergange  der 
inneren  und  vorderen  Oberschenkelfläche  befindet  Die  einzelnstehenden 
Knötchen  sind  nicht  central  von  einem  Haare  durchbohrt,  sondern  dienen 
mit  ihren  Seitentheilen  dem  Haarfollikel  zur  Passage.  Ausserdem  finden 
wir  eine  Menge  abgeheilter  Stellen  in  Form  von  Narben  oder  von  abge- 
grenzten braunen  Pigmentirungen.  Am  Abdomen  und  Rücken  sind  zahl- 
reiche punkt-  bis  linsengrosse,  aufgekratzte  Excoriationen.  Der  Harn  ist 
eiweissfrei.  Patient  lag  unter  analogen  Yerhältnissen  noch  vom  14./iy. 
bis  29./y.  1901  und  vom  31./V1I.  bis  6./yiir.  1901  auf  der  Klinik. 

Mikrotkopitche  Untersuchung : 

Bei  schwacher  (Figur  1)  Vergrösserung  sieht  man:  Das  Rete  be- 
deutend verbreitert  und  zwar  beginnt  die  Verbreiterung  an  der  Peripherie 


78  Weidenfeld. 

and  erreicht  gegen  die  Mitte  zu  die  st&rkste  Dicke.  Die  Verbreiterung 
betrifft  sowohl  die  snbpapillären  Antheile  der  Epidermis,  als  die  Epi- 
dermisfortsfttze  selbst,  letztere  stärker.  Die  Epidermisfortsfttze  theilen 
sich  in  einzelne  Zapfen  in  der  Anzahl  von  2 — 3,  wodurch  dann  Papillen 
zweiter  Ordnung  gebildet  werden.  An  den  mittleren  Zapfen  wird  die 
Theilung  lebhafter,  indem  von  der  Peripherie  gegen  das  Centrum  all- 
mälig  Theilung  eintritt.  Auf  diesem  ge wucherten  Bete  befindet  sich  nun 
eine  dicke  Homlage,  die  von  der  Peripherie  gegen  das  Gentrum  an  Dicke 
zunimmt,  nach  aussen  convex  ist  und  gegen  das  Rete  zu  Falten  aufweist. 
Vom  Rete  setzt  sich  diese  Hornlage  durch  einen  ziemlich  breiten  Streif 
scharf  ab. 

Am  Hämatoxylin-Eosinpr&parate  ist  dieses  sonst  blau  gefärbte  Hom- 
knötchen  durch  lichtere  Stellen  unterbrochen,  die  zum  Theile  von  Schweiss- 
drüsenausfährungsgängen  durchsetzt  werden,  zum  Theile  mit  und  als  Fort- 
setzung von  ähnlichen  farblosen  horizontal  verlaufenden  Stellen  im  Stratum 
comeum  zusammenhängen  und  yon  keinem  anderen  Gebilde  durchbohrt  wer- 
den. Die  Oberfläche  dieses  Knötchens  zeigt  Auffaserung  der  oberen  Schichten, 
die  eingerissen  und  nach  oben  umgekrämpt  erscheinen.  Der  Papillarkörper 
repräsentirt  sich  in  zwei  Formen :  Das  eine  Mal  in  grossen,  plumpen,  nach 
oben  abgerundeten  Papillen,  das  zweite  Mal  in  handschuhförmigen, 
zwischen  den  ersteren  gelegenen,  entsprechend  den  oben  beschriebenen 
secundären  Epidermisfortsätzen.  Ueber  zwei  central  gelegenen  Papillen 
sieht  man  Höhlenbildnngen,  die  zum  Theile  mit  einer  Masse  autgefällt 
wird.  Die  Gefasse  der  Papillen  sind  erweitert  und  erscheinen  als  grosse 
Oanäle  oder  Querschnitte  dieser;  in  einzelnen  Gefässschlingen  sieht  man 
Blut.  Auch  das  subpapilläre  Gefassstratum  zeigt  etwas  ausgedehnte  Ge- 
fasse. Ausserdem  finden  sich  wohlausgebildete  musculi  arrectores  pilorum. 

Starke  Yergrösserung  (siehe  auch  Figur  8). 

Die  Zellen  des  Rete  malpighi  zeigen  keine  Abweichung  von  der 
Norm.  Sie  sind  polygonal  mit  bläscheDförmigem,  gut  farbbaren  Kerne. 
Die  Intercellularräame  sind  vielleicht  etwas  erweitert.  Gegen  die  Basis 
zu  werden  die  Zellen  cubisch  oder  cylindrisch.  Bilden  die  Epidermis- 
zapfen  secundäre  Zapfen,  die  nur  aus  einigen  Zellagen  bestehen,  so 
strecken  sich  die  Zellen  und  werden  spindelig.  Bei  breiteren  Zapfen 
jedoch  findet  man  neben  den  spindeligen  Zellen  auch  polygonale. 

Unter  den  Basalzellen  finden  sich  mehrkemige;  hie  und  da  auch 
eine  Theilungsfigur.  Ausserdem  findet  man,  besonders  am  Abgange  der 
secundären  Epithelzapfen,  Epithelkugeln,  in  denen  die  centralen  Zellen 
polygonal  sind,  die  peripher  angrenzenden  plattgedrückt,  erstere  hüllen- 
artig umgeben.  Innerhalb  dieser  Kugeln  findet  man  hie  und  da  ein 
rothes  Blutkörperchen  oder  einen  Leukocyten.  An  anderen  Epithelkugeln 
sieht  man  den  centralen  Theil  von  Zellen  erfüllt,  die  keine  Kerne  auf- 
weisen und  sich  nur  als  Protoplasmakugeln  repräsentiren.  (Milienformen.) 
Blutkörpercheu  findet  man  auch  sonst  in  den  Basalschichten  des  Rete, 
mitunter  auch  in  grösseren  Haufen. 


Kermtotii  TerrucoMu  79 

lob  schlieese  hier  gleich  die  Anftiomie   det  Papillarantheiles 
aiL  Die  großen  Papillen  sind  nicht  an  allen  Stellen  gleich.    Gewöhnlich 
sind  die  Piqsillen  plamp,   die  Bindegewehebflndel  sind  Terbreitert  and 
ziemlich  lahlreich  Ton  ipindeligen  Zellen  dnrehietst  Die  Gapillaren  und 
erweitert,  mit  Blot  gefallt,    üeber  der  einen  nnd  anderen  Papille  er- 
scheint das  Bete  sa  einem  raprapapillaren  BUechen  abgehoben.    Solche 
Bläschen  finden  sich  im  Centmm  des  Endtohens,  aber  aach  am  Bande; 
oft  nnd  deren  Ewei  oder  dreL  Die  BliM)hendecke  wird  gebildet  von  dem 
stark  yerdiinnten  Bete  nnd  der  darnberliegenden,  das  Knötchen  bildenden 
Homsabstana.    Die  Basis  dee  Bläschens  bildet   die  Koppe  der  Piqfiille. 
Der  Blftscheninhalt  ist  som  grössten  Theile  eine  feinkörnige  Sabetanz, 
die  sam  Tbeil  zo  feinsten  Fftdchen  dorchsetst  wird.    Sie  lässt  zwischen 
sieh  Hohlräome  yon  höchst  anregelmassiger  Gontoar  zurück.    Zweitens 
finden  sich  rothe  Blutkörperchen,  die  oft  in  Hänfen  bei  einander  liegen, 
drittens  Zellen,  theils  in  Hänfen  gelagert,  thoils  aach  isolirt    Letztere 
sind  sehr   gross,  besitzen  ein  sam  Theile  deatliches,  zum  Theile  nicht 
firbbares   Protoplasma,    immer    aber  einen  sehr  dentlichen,  entweder 
spindeligen  oder  ninden  Kern.    Sie   sind  sicher  als  Abkömmlinge  der 
Epidermiszellen  von  erkennen.    An   der  einen   oder  anderen  Stelle  der 
Bläschen  sieht  man  abgetrennte  Epidermisfortsatse  hineinragen,  die  sich 
allmälig    in   diese  Zellen  auflösen.    Als  Ursache  for  diese  Lostrennang 
erkennt  man  an  den  seitlichen  Theilen  der  Blasendecke  in  den  tieferen 
Zellschichten  Yerbreiternng  der  intracellolären  Baame  oder   selbst  looh- 
formige  Erweiterongen,  die  theilweise  mit  kömigem  Inhalte  erfallt  sind. 
Schliesslich  findet  man  sowohl  zwischen  den  Zellen  als  aach  im  Inhalte 
spärliche  weisse  Blutkörperchen  mit  kleinem  Kerne  und  schmalem  Proto- 
plasmasaum.   Die  zugehörige  Papille  zeigt  enorm  erweiterte  Geftsse,  die 
mit  Blut  erfüllt  sind.    Ausserdem  sieht  man  in  ihrem  Gewebe,  das  sehr 
zellreieh  ist,  auch  freie  Blutkörperchen.    Die  Zellen  haben  zum  grössten 
Theile   spindelige  Kerne.    Sie  schliessen  an  die  Adventitia   der  Gefasse 
oder   liegen  den  Bindegewebsbündeln   an.    Leokooyten  finden  sich  nur 
spärlich.    Als   ebenfalls   sehr    zellreich    erweisen   sich    diese   seoondären 
Papillen.     Auch  hier  findet  sich  die  Adventitia  der  Gefösse  verdickt  und 
Ton  Zellen  umlagert;  die  anderen  Zellen  liegen  den  Bindegewebsbflndeln 
an.     Auch  die  Cutis  ist  zellreicher.    Die  Gefasse  sind  umfasst  von  einem 
^wei-  bis  dreifachen  Mantel  von  Zellen,  die  sich  tbeils  als  Leukocyten,  theils 
als  Adventitiazellen  erweisen.  Desgleichen  sind  die  Bindegewebszellen  ver- 
mehrt. Mitten  im  Gewebe  in  der  Nähe  der  Gefäße  findet  man  hie  und  da  eine 
eosinophile  Zelle.   Vergleicht  man  diesen  Zellreichthum  mit  der  Structur 
der  angrenzenden  normalen    Haut,  so  sieht  man,   dass  im  Allgemeinen 
eine  geringgradige  aber  deutliche  Infiltration  des  Gewebes  vorliegt.    Die 
Infiltration  beginnt  am  Rande  der  Knötchen  und  bleibt  in  ihrer  Intensität 
fast  flberall  gleich.  Die  Schichten  der  Epidermis  sind  nach  oben  weiterhin 
sehr   deutlich   vorhanden.    Die   Kerato-Hyalinschiohte   ist   in  4 — öfacher 
Schichte  erhalten.    Die  Kömchen  sind  sehr  fein  und  sowohl  im  Proto- 
plasma, als  auch  im  kleinen,    runden  oder  ovalen,  geschrumpften  Kerne 
enthalten.    Das  Stratum  lucidum  ist  bedeutend  verbreitert. 


80  Weidenfeld. 

Die  stark  spindeligen  Zellen,  soweit  sie  sichtbar  sind,  haben 
ganz  undeatHche  Contonren  angenommen.  Die  Ghrenien  sind  Terwiseht 
nnd  man  findet  ein  streifenfonniges,  feinstfibrill&res  aber  aneh  feinst- 
kömiges  Gefüge,  wobei  die  Körnchen,  wie  auch  die  ganae  Schichte,  nicht 
fUrbbar  sind  nnd  als  weisse  Pünktchen  glänxen.  Diese  Schichte  hat  an 
verschiedenen  Stellen  yerschiedene  Dicke  (siehe  anch  Fignr  2)  nnd  ittgt 
ampnllenf5rmige  Erweiteningen. 

Die  n&chste  Schichte  (Stratum  comenm)  stellt  eine  compacte  Masse 
dar,  die  sich  mit  Eosin  f&rbt.  Die  Zelloontonren  sind  höchst  undeutlich, 
so  dass  das  Oanse  fast  den  Eindruck  einer  einheitlichen  Masse  maeht; 
an  anderen  Stellen  jedoch  sieht  man  undeutliche  ZeUgrenaen,  die  die 
Zellen  sicher  von  einander  differenairen  lassen.  Ausserdem  findet  man 
oft  an  Stelle  der  Kerne  eine  Höhle  oder  mit  Eosin  deutlich  geflrbta 
Gebilde;  das  ganse  Protoplasma  ist  gut  gfeftrbt  und  homogen.  An 
manchen  Stellen  dagegen  ist  das  Protoplasma  feinkörnig;  dann  findet 
man  auch  die  Zellen  ziemlich  gut  contourirt,  die  Kerne  fast  immer 
st&bchenf5rmig  ausgezogen  und  mit  Hämatozylin  gut  tingirt  Diese 
letzteren  Yerh&ltnisse  finden  sich  am  besten  ausgebildet  direct  an- 
schliessend an  das  Stratum  lucidum,  auch  hier  jedoch  nicht  in  conti- 
nuirlicher  Schichte.  Viele  Kerne  färben  sich  jedoch  mit  Eosin,  dabei 
sind  sie  von  einem  lichten  Hofe  umgeben  nnd  haben  oft  höchst  aben- 
teuerliche Formen,  oder  sind  sehr  gross  und  unregelmftssig.  An  manchen 
Stellen  fehlen  die  Kerne  ganz  und  man  findet  hier  nur  Lücken. 

Oberhalb  der  Bl&schenbildung  ist  die  Oberbaut  in  Lamellen  ge- 
spalten und  nicht  tingirbar,  genau  wie  das  Stratum  lucidum  oder  die 
Stelle  des  Durchbruehes  eines  Schweissdrftsenausführungsganges.  Die 
Lamellen  sind  von  einander  durch  Spalten  getrennt.  Die  diese  Lamellen 
zusammensetzenden  Zellen  lassen  mitunter  noch  deutliche  Oontouren 
erkennen  nnd  zeigen  noch  weit  in  die  oberen  Schichten  hinauf  feinste 
Körnung  ihres  Protoplasmas  und  verkümmerte,  stftbchen*  oder  komma- 
förmige,  mit  H&matozylin  sich  färbende  Kerne. 

Die  Stelle  dehnt  sich  auch  weiter  aus,  und  zwar  vom  Stratum 
lucidum  nach  aufwärts,  immer  wird  sie  aber  von  einer  dicken  Homlage 
vom  beschriebenen  Typus  bedeckt. 

Bei  kleineren  Knötchen  findet  man,  dass  die  Papillen  grosse  Ar- 
caden  bilden  (siehe  auch  Figur  2).  Die  Fasern  sind  fein  und  nicht 
gequollen,  auch  ist  die  Infiltration  viel  geringer.  Sonst  findet  man  die- 
selben Verhältnisse,  auch  fehlen  Secundärpapillen. 

n.  Fall.  W.  A.,  22  J.,  Gommis,  ledig.  Anamnese:  Seit  9  Jahren 
laborirt  Patient  an  fortwährendem  Hautjucken.  Sein  derzeitiges  Hant- 
leiden besteht  seit  2  Jahren ;  die  Haut  sei  zuerst  sehr  rauh  geworden, 
runzelig,  dann  seien  Knötchen  aufgetreten;  das  Jucken  habe  seither 
abgenommen. 

St.  pr. :  An  den  Streckseiten  beider  Unterschenkel,  vom  Knie  bis 
zum  Spranggelenke,  ist  die  Haut  stark  verdickt.  Diese  Verdickung  ist 
scheinbar  diffus,    denn  sie  setzt  sich  an  manchen  Stellen  aus  dichtge- 


Keratosis  yerrooosa.  gl 

stellten  Knötchen  rasaininen,  an  anderen  dtehen  zerstrent  looalisirte 
Knötchen.  Die  Knötchen  erreichen  bisweilen  Hanf  komgrösse  und  zeigen 
eine  gelblichbraime  schmutiige  Färbung;  sie  sind  mftssig  elevirt,  weisen 
an  einzelnen  Stellen  centrale  Dellnng  auf,  sind  nirgends  follioulär.  An 
der  Vorderfl&che  der  Tibia  stehen  diese  Knötchen  sehr  dicht,  die  Haut 
erscheint  hiednrch  sehr  stark  verdickt,  zeigt  zugleich  Abschilferung; 
anch  das  Bild  starker  Porosität  bieten  diese  Stellen.  Nirgends  bestehen 
Entsündungserscheinungen.  Hie  und  da  sieht  man  als  Beste  yon  Kratz- 
effecten  Blntbörkchen.  Gegen  den  Oberschenkel  hin  nimmt  das  Krank- 
heitsbild  an  Intensität  ab. 

An  den  oberen  Extremitäten  finden  sich  dieselben  Knötchen  in 
characteiistischer  Ausbildung  mit  Waohsglans  und  Dellung.  Auch  hier 
stelleDweise  Effecte  der  Zerkratzung  von  Knötchen  sichtbar.  Die  Qrösse 
der  Knötchen  schwankt  allenthalben  zwischen  Stecknadelkopf-  bis 
Kleinst-Linsen-Gröese. 

An  anderen  Begionen  (Stamm,  Beugeseiten  der  Extremitäten) 
finden  sich  keine  Krankheiteerscheinungen. 

Sl./Vn.  1901 :  Ober-  und  Unterschenkel  sind  stark  behaart. 
An  den  Unterschenkeln  setzt  sich  der  Krankheitsherd  nach  oben 
4  Qnerfinger  abwärts  vom  unteren  Patellarrande  in  einer  regelmässigen 
Linie  ab,  nsch  unten  in  der  Höhe  der  Malleolen;  eine  Fortsetzung  des 
Herdes  erstreckt  sich  auf  die  Aussenseite  des  Oberschenkels.  Durch 
braune  Färbung  hebt  sich  der  Herd  von  der  nicht  pigmentirten  Um- 
gebung auch  aus  der  Entfernung  sehr  deutlich  ab.  Die  Verfärbung  ist 
auf  die  Knötchen  zuröckzufShren.  Letztere  stehen  zwischen  den  Follikeln, 
einzeln  oder  in  zusammenhängenden  Beihen,  sind  braun,  flach,  scharf 
begrenzt  vom  Centrum  nach  der  Peripherie  an  Höhe  abnehmend,  die 
jüngeren  mehr  halbkugelig  und  glänzend;  ihre  Gonsistenz  ist  derb.  Mit 
dem  längeren  Bestände  scheinen  die  Efflorescenzen  mehr  gelblichbraon 
zu  werden,  abzuflachen  und  oberflächlich  kreidig  abzuschilfern;  ihre 
Oberfläche  besitzt  ein  gesticheltes  Aussehen. 

Die  Streckseiten  der  Vorderarme,  theilweise  anch  der  Oberarme  in 
der  ganzen  Breite  sind  leicht  braun  verfärbt;  innerhalb  derselben  stehen 
rothbraune  Knötchen.  Die  jüngsten  Knötchen  sind  blauroth  und  lassen 
im  Centrum  einen  Blutpunkt  oder  ein  erweitertes  Gefäss  durchschimmern. 
Mit  dem  Altem  bräunen  sich  die  Efflorescenzen.  Sie  stehen  ziemlich 
dicht  beisammen,  zerstreuen  sich  zu  einzelnstehenden  anch  auf  die 
Beugeseiten.  Die  Aussenseiten  der  Oberarme  sind  gelblichbraun  verfärbt 
und  tragen  vereinzelte  gelblichbraune,  stecknadelkopfgrosse,  flache  Efflo- 
rescenzen, die  in  ihrer  Ganze  von  feinen  Schuppen  gedeckt  sind.  Ein- 
zelne der  Knötchen  lassen  sich  leicht  abkratzen,  doch  ist  dies  nur  an 
wenigen  Knötchen  der  Fall. 

Nach  der  Innenseite  des  Unterschenkels  löst  sich  der  Herd  in 
einzelnstehende  Efflorescenzen  auf. 

Die  Knötchen  sind  Stecknadelkopf-  bis  linsengross,  flach,  sehr 
scharf  begrenzt,   von   blaurother    cj^anotischer   Farbe;   stets  stehen  sie 

Areb.  t  Dermat.  n.  Syph.  Bd.  LXTfT.  q 


82  Weidenfeld. 

zwisohen  den  Follikeln,  nie  am  dieselben,  bilden  mitunter  Grappen  ta 
vieren  und  mehreren.  In  ihrem  Centram  seigen  sie  eine  kleine  Aof- 
blättemng  in  Form  einer  weissen  Schuppe,  ganz  wenige  sind  mit  Blut- 
börkchen  bedeckt.  Bei  ihrer  Derbheit  lassen  sie  sich  mit  dem  Finger* 
nagel  wegkratzen,  worauf  eine  seichte  blatende  Exooriation  von  gleicher 
Grösse  zurftckbleibt.  Zwischendurch  eingestreut  finden  sich  einzelne 
linsengrosse  Pigmentflecke  nach  Abheilung  solcher  Efflorescencen. 

Mikroscopisehe  Untersuchung : 

Bei  schwacher  Yergrösserung  (Figur  4)  sieht  man  einige  hugel- 
förmige  Auflagerungen,  die  von  einander  durch  tiefe  oder  seichtere  Ein- 
senknngen  getrennt  erscheinen.  Diese  Einsenkungen  entsprechen  mitunter 
den  Follikeln,  mitunter  aber  auch  nur  einigen  Papillen  oder  Epidermis- 
forts&tzen;  die  Hügel  bestehen  aus  aufgelagerten,  mit  Hämatoxylin  blau- 
gefärbten  Hommassen,  die  von  dem  unterliegenden  Ret-e  durch  einen 
mit  Eosin  roth  gefärbten  Streifen  geschieden  erscheinen. 

Das  Rete  erscheint  verbreitert,  die  einzelnen  Epidermisfortsätce 
sind  spitzer  und  öfters  auch  verzweigter  als  normal;  die  entsprechenden 
Papillen  sind  breiter,  ausgebauchter.  An  der  Grenzsohichte  zwischen  den 
Auflagerungen  und  dem  Rete  finden  sich  mitunter  Erweiterungen,  die 
keinen  Farbstoff  angenommen  haben  und  die  einzelne  Kerne  enthalten. 

Bei  starker  Yergrösserung  (Figur  6)  sieht  man,  dass  diese  Auf- 
lagerungen aus  deutlichen  Zellen  bestehen,  deren  Zellgrenzen  deutlich 
sichtbar  sind,  die  jedoch  plattgedrückt  erscheinen.  Die  Kerne  sind 
nicht  wahrnehmbar,  an  ihrer  Stelle  findet  sich  eine  ovale  oder  randliche 
Löcher.  Je  mehr  man  sich  der  Oberflftche  n&hert,  einen  desto  mehr 
nach  aussen  gerichteten  Verlauf  nehmen  diese  Zellen ;  schliesslich  bilden 
sie  als  ftusserste  Reihe  einen  mit  Eosin  färbbaren  Streifen. 

Die  früher  erwähnte,  mit  Kosin  gefärbte  Grenzschichte  ist  mehr 
weniger  homogen,  an  verschiedenen  Stellen  verschieden  breit,  grenzt 
sich  aber  bei  der  starken  Verc^össerung  durch  einen  gelblichen  Gontour 
von  der  hornigen  Auflagerung  ab,  und  zeigt  in  ihrem  Innern  einzelne 
eigenartige,  wellenförmig  verlaufende  Fasern.  An  anderen  Stellen  jedoch 
tritt  an  Stelle  dieses  rothen  Contoars,  wie  schon  erwähnt,  eine  am- 
puUenformige  Erweiterung,  die  von  einer  mehr  weniger  homogenen 
Masse  erfallt  ist,  welche  von  feinen,  oft  zu  Fäserchen  angeordneten, 
aber  nicht  tingirten  Kömchen  durchsetzt  erscheint  Im  übrigen  finden 
sich  Reste  von  mit  Hämatoxylin  gefärbten  Kernen.  In  diese  Masse  nun 
ragen  einzelne  Reste  der  mit  Hämatoxylin  gefärbten  hornigen  Auf- 
lagerungen und  verlieren  sich  spitz  auslaufend  in  dieselbe,  wobei  man 
den  Eindruck  gewinnt,  als  wenn  nur  der  Zellmantel  an  diesen  Aus- 
läufern betheiligt  wäre.  An  anderen  Stellen  finden  sich  innerhalb  einer 
solchen  Anfbreibung  zahlreiche  Kerne,  die  so  dicht  nebeneinander  liegen, 
dass  sie  einen  Haufen  bilden,   dabei  aber  von  ziemlicher  Kleinheit  sind 


Eeratorii  verraoosa.  83 

und  sich  sehr  stark  mit  H&matoxylin  gefärbt  haben.  In  ihrer  näoheten 
Naohbarschafl  sieht  man  einzelne  Zellen  des  darunter  liegenden  Rete, 
deren  Gontooren  gesch¥ninden  sind  und  deren  Kerne  sehr  in  die  Länge 
gesogen  erscheinen,  sich  allm&lig  in  diese  Masse  von  Kernen  verlieren. 
Loh  übrigen  ist  hier  das  mikroskopische  Bild  ein  ähnliches  wie  bei  der 
frfiher  erwähnten  Erweiterung. 

Unter  diesem  rothen  Streifen  findet  man  nan  ein  andentliches 
Stratum  grannlosnm,  in  dem  nämlich  die  Körnchen  sehr  klein  sind,  das 
ganse  Protoplasma  sowohl  als  den  Kern  erfüllen  und  nach  oben  za  ohne 
Uebergang  in  den  rothen  Gontour  ansohliessen,  welch  letzterer  frei  von 
Körnchen  ist  und  gegen  die  Nachbarzellen  sich  sehr  scharf  abgrenzt. 
An  Stelle  der  oberwähnten  Aasbaaohangen  fehlt  dieses  Stratum  grana* 
losnm  nnd  es  erscheint  erst  wieder,  wo  diese  za  fehlen  beginnen. 

Verfolgt  man  diese  Schichte  bis  zur  Stelle,  wo  sich  normale  Epi- 
dermis befindet,  so  findet  man,  dass  auch  an  dieser  Stelle  das  Stratam 
grannlosum  in  einschichtiger  Mächtigkeit  vorhanden  ist,  sonst  aber  sich 
in  gar  nichts  von  anderen  Stellen  unterscheidet. 

Das  übrige  Bete  zeigt  schon  sehr  deutlich  ausgebildete  Zellen  mit 
schön  gefärbten  Kernen  und  sehr  deutlich  ausgebildeten   Intercellular- 
brücken.    Die  Basalzellen  enthalten  auf  diesen  Schnitten  kein  Pigment 
und  man  findet  zahlreichste  Karyokinesen,  sowohl  in  der  Basalschiohte 
als  in  den  höher  liegenden  Parthien.  Ausserdem  findet  man  aber  inner- 
halb dieser  Epidermis  eigenartige  Bildungen,    sowohl  in  ihren  mittleren 
Antheilen  als  auch  in  den  höheren  Parthien,  in  der  Granularschichte,  in 
deren  Bereich  runde,  der  Grösse  eines  geschwellten  Kernes  entsprechende 
oder  sehr  grosse   Gebilde,   die  homogen  und  mit  Eosin    sehr  schwach 
gefärbt  sind,  erscheinen  und  neben  tineY  Zelle,  die  einen  deutlichen  Kern 
enthält,  sich  befinden  oder  wie  diese  grossen  Lücken  ans  einer  scholligen 
Masse  bestehen,  die  vielfach   zerklüftet  erscheint  und  an  deren  Rand- 
parthien  man  die  normalen  Zellen  mit  etwas  abgeplatteten  Kernen  wahr- 
nehmen kann  und  in  deren  Inneres  hie  und  da  ein  halber  hineinragt. 
Aehnliche  Gebilde  nun  findet  man  auch  in  der  Hornhaut,   in  der  Auf- 
lagerung vielmehr,   nur   sind   sie  hier   violett  verfärbt  und  haben  hier 
einen   Lichthalo.    Die  Form    derselben   ist  verschieden,  öfters   biscuit- 
formig   oder  durch  eine    Einschnürung    unregelmässig    oder    in    einen 
beistrichformigen  Fortsatz  auslaufend,  immer  aber  von  einem  lichten  Halo 
umgeben.    Mitunter  liegen  diese  Gebilde  sehr   nahe    beieinander,    ver- 
binden sich  auch  zu  grösseren  scholligen  Massen  von  unregelmässigem 
Contonr   und  leicht  gekörntem  Inhalte.    Auch  diese  Gebilde    begrenzen 
sich  alle  sehr  scharf  gegen  die  hier  —  wie  schon  erwähnt  —  sehr  deut- 
lichen Zellen,  nur  unterscheiden  sie  sich  von  ihnen  durch  die  Einheit- 
lichkeit   ihrer    Färbung    und    das    Fehlen    der    lichten,    dem    Kerne 
entsprechenden  Stelle.    Es  finden  sich  aber  ausserdem  sehr  kleine  der- 
artige Gebilde,  von  denen  man  direct  sagen   kann,  dass  sie  im  Innern 
einer  Zelle  gelegen  sind. 


84 


Weidenfeld. 


Die  Cati8  Beigt  in  ihrem  Papillanntlieile  die  schon  beschriebenen 
breiten  Papillen.  Sonst  ist  das  Gewebe  nemlich  normal  und  zeigt  nur 
sehr  wenig  Infiltration,  letiteres  unterhalb  der  Aaflagemngen  im  papillären 
und  snbpapillftren  Stratum  besonders  stark;  weniger  Infiltration  findet 
sich  am  die  Follikel.  Diese  Infiltration  stellt  nur  eine  Yerbreiterong  der 
Adventitia  der  Gefftsse  mit  sahlreiohen  Mastiellen,  sehr  wenigen  Lympho- 
oyten  aber  keinen  Plasmaiellen  dar.  In  die  Papillen  hinein  sieht  man 
die  geschwellten,  mit  deutlichen  grossen  Kernen  besetsten  Gapillaren 
hineinziehen. 

Die  Talgdrüsen  sind  normal,  der  Ausföhrongsgang  der  Schweiss- 
drüsen  zeigt  innerhalb  dieser  Auflagerung  nur  einö  Vergrössöruag  seiner 
Ginge,  sowohl  im  Quer-  als  auch  im  Lftngsdurolimesser,  die  schrauben* 
artige  Form  aber  ist  vollkommen  gewahrt 

Vor  allem  wflrde  es  sich  darum  handelui  die  Identität  dieser 
beiden  Bilder  festzustellen. 


Wir  finden: 


lHird.lriuukiag 
tefej.  Irtchtiingti 

Localiiation 


bei  Fall  I. 

Seit  4—6  Jahren 

Heftiges  Jucken 

Ciroumferenz  der  unteren 
Extremität  und  Hinter- 
fläche des  Oberschenkels 


bei  FaU  H. 

Seit  9  Jaliren 

Heftiges  Juoicen 

Streckseite  der  Unter- 
schenkel 
Aussenseite  der  Obersch. 
„     des  Vorderarmes 
,     des  Oberarmes 
und  Beugeseite 


Charaktere 

der  Eiflores- 

cenzen 


Dichtgedrängt  in  Streifen 

und  Bögen 

linsen-  bis  erbsengross 

derb 

folliculär  od.  interfolliculär 

weiss  oder  blauroth 

(schmutsigbrann) 


Excoriaüonen  und  Blnt< 
korken  porös 

rauhe  Oberfläche 
abschilfernd 

punktförmige  Hämor- 
rhagien 


Einzelnstehend  oder  in 

kleinen  Gruppen,  dicht 

hanfkom-  bis  linsengross 

scharf  begrenzt,  derb, 

halbkugelig 

gelblichbraun,  schmutsig- 

(braun)  Wachsglanz 

centrale  Dellung 

keine  Entzflndungs- 

erscheinungen 

Eratzeffekte 

(Blutbörkchen) 

kreidige  Abschilferung 

gesticheltes  Aussehen 

rothbraun 

centraler  Biutpunkt 

oder  erweitertes  Gefass 

durchscheinend 

leicht  abkratzbar 


M 

n 

9 

m 
u 


Keratosis  verraoosa.  85 

Vergleicht  man  beide  Fällen  mit  einander,  so  ergibt  sich 
leicht  deren  Identität.  Der  zweite  Fall  stellt  nur  ein  jüngeres 
Stadium  dar.  Je  älter  die  Effloresoenzen  werden,  desto  mehr 
nehmen  sie  an  Grösse  zu,  flachen  ab  und  bekommen  jenes  weisse, 
kreidige  Aussehen;  je  jünger  sie  sind,  desto  halbkugeliger 
und  röthlicher  sind  sie. 

Die  Erkrankung  ist  eine  uniyerselle  und  symmetrische. 
Die  intensivste  Localisation  findet  sich  an  den  Unterachenkeln ; 
je  mehr  man  nach  oben  geht,  desto  geringer  wird  die  Anzahl 
der  Effloresoenzen  und  desto  jünger  sind  sie  auch  (siehe  Tafel  I, 
Figur  1  u.  2). 

Die  Erkrankung  geht  mit  Jucken  einher,  welches  ziemlich 
intensiv  sein  kann,  worauf  die  begleitenden  tiefen  Excoriationen 
hinweisen.  Es  scheint  femer,  dass  der  Juckreiz  auch  voraus- 
gehen kann,  wie  dies  aus  Fall  2  erhellen  würde.  Im  ersten 
Falle  dagegen  ist  der  Juckreiz  zum  Theile  wenigstens  auch 
auf  die  begleitende  Urticaria  zurückzuführen. 

Die  EfBorescenzen  selbst  sind  Knötchen,  die  entweder 
halbkugelig  oder  flach,  rund  oder  polygonal  sind.  Sie  stehen 
entweder  in  Gruppen  oder  in  Reihen  oder  in  Ejreissegmenten 
angeordnet,  wobei  sie  mit  einander  in  engste  Berührung  treten 
können  Sie  sind  auch  zum  sehr  geringen  Theile,  wie  im 
1.  Falle  ausgeführt  wurde,  foUiculär  gestellt,  ohne  dass  jedoch 
dieses  Charakteristicum  für  alle  EfBorescenzen  zutreffen  würde. 
Ihre  Farbe  ist  röthlich  oder  schmutzigweiss,  sie  sind  undurch- 
sichtig. In  den  röthlichen  Effloresoenzen  bemerkt  man  oft  einen 
central  gelegenen  rothen  Punkt,  der  entweder  von  einer  Hämor- 
rhagie  oder  von  einem  erweiterten  Blutgefässe  herrührt.  Die 
Hämorrhagien  sind  auch  an  den  älteren  Effloresoenzen  zu 
bemerken. 

Die  Oberfläche  der  Effloresoenzen  ist  --  entweder  an  den 
jüngeren  —  glatt  oder  sie  ist  mörtelig  abschuppend  und  feinst 
drusig,  hie  und  da  findet  man  auch  eine  sanfte  Delle.  Man 
wird  nicht  fehl  gehen,  diese  Beschaffenheit  der  Oberfläche  auf 
das  Eratzen  zurückzuführen,  da  man  ähnliche  Erscheinungen  bei 
allen  mit  Jucken  einhergehenden  Hautkrankheiten  findet  und 
in  einer  Auffransung  der  obersten  Schichten  des  Strat.  cor- 
neum  seine  anatomische  Grundlage  findet. 


86  Weidenfeld. 

Die  dazwischen  liegende  Haut  ist  entweder  normal  oder 
leicht  pigmentirt. 

Die  Efflorescenzen  lassen  sich,  wenn  sie  jung  sind,  leicht 
mit  dem  Fingernagel  abkratzen,  worauf  ein  gleich  grosser 
dichter  Substanzyerlust  zurückbleibt;  in  späteren  Stadien  sind 
sie  nicht  wegkratzbar. 

Die  Therapie  ist  machtlos;  weder  macerirende  noch 
ätzende  Flüssigkeiten  vermochten  einen  bleibenden  Erfolg  zu 
erzeugen.  Die  Efflorescenzen  fielen  zwar  z.  B.  unter  Arsenik- 
pflaster heraus,  regenerirten  sich  aber  wieder  so  yollständig, 
das  keine  nennenewerthen  Differenzen  sich  ei^^eben.  Der  Juckreiz 
beruhigte  sich  zwar  zeitweilig,  kehrte  aber  immer  wieder 
zurück. 

Neben  diesen  klinischen  Erscheinungen  sind  auch  die 
histologischen  Veränderungen  sehr  deutlich. 

In  beiden  Fällen  sind  die  Knötchen  durch  Auflagerung 
Ton  Homsubstanz,  die  halbkugelig  ist,  gebildet.  Nebenher  geht 
eine  Vermehrung  der  Dickendimension  des  Rete  und  eine 
Vergrösserung  der  Papillarkörper.  Diese  äussert  sich  in  der 
Rundbogen-  und  Arcadenähnlichen  Bildung  der  Papillen,  die  zum 
Theile  durch  Anschwellung  der  Bindegewebsbündel  (ältere 
Efflorescenzen),  zum  Theile  durch  Zellwucherung  und  stärkere 
Durchfeuchtung  bedingt  ist. 

Die  Ursache  für  diese  Erscheinungen  ist  in  einer  geringen 
entzündlichen  Reizung  zu  suchen.  Es  ist  schwer  zu  entscheiden, 
ob  hier  die  Entzündung  primär  ist,  und  die  anderen  Verände- 
rungen secundäre  Erscheinungen  sind  oder  umgekehrt. 

Vergleicht  man  die  normalen  Antheile  der  Haut  mit  den 
Knötchen,  so  sieht  man,  dass  in  der  That  die  Veränderung 
unterhalb  des  Knötchens  deutlich,  wenn  au  :h  nicht  sehr  hoch- 
gradig ist  Da  nun  beim  Kratzen  die  ganze  Haut  verletzt 
werden  muss  —  und  dafür  spricht  auch  die  leichte  Pigmen- 
tirung  —  so  kann  nur  eine  hochgradige  Veränderung  unter- 
halb des  Knötchens  in  einer  specifischen  Entzündung  gesucht 
werden. 

Das  Auftreten  von  secundären  Papillen  ist  nur  bei  älteren 
Knötchen  zu  beobachten;  ihm  entspricht  eine  Vergrösserung 


Keratosis  verrucosa.  87 

des  Bete  malpighi;    dementsprechend  werden  auch  die  Hom- 
lagen  des  Knötchens  mächtiger. 

Gewiss  finden  sich  auch  sichere  Symptome  der  Entzündung. 
Im  Stratum  lucidum  und  in  der  Homschichte  findet  man  oft 
einzeln  weisse  Blutkörperchen,  Epithelzellen,  Syncitien  bildend, 
Leukocyten. 

Im  Falle  1  treten  suprapapilläre  kleine  Bläschen  auf,  die 
zum  Theile  hämorrhagischen  Inhalt  haben.  Blutkörperchen  finden 
sich  auch  sonst  im  Bete.  Die  suprapapillären  Bläschen  könnte 
man  als  durch  Hämorrhagien  entstanden  erklären ;  dafür  sprechen : 
die  in  Haufen  liegenden  rothen  Blutkörperchen,  das  Vorhanden- 
sein von  weissen  Blutkörperchen  und  Yornehmlich  der  Umstand, 
dass  auch  im  Bete  und  in  der  Homauflagerung  sich  solche 
finden.  Ausserdem  findet  man  hie  und  da,  und  zwar  frei  im 
Gewebe  eine  eosinophyle  Zelle  oder  einen  Lymphocyten. 

Die  Homschichte  zeigt  nicht  normales  Aussehen,  indem 
farbbare  Kerne  und  gut  färbbarer  Zellinhalt  persistiren,  das 
Stratum  lucidum  mächtig  Yerbreitert,  das  Stratum  granulosum 
gleichfalls  verbreitert  aber  nur  mit  feinsten  Körnern  erfüllt  ist. 

Diese  Zustände  entsprechen  einem  grösseren  Feuchtigkeits- 
gehalte der  Epidermis  (Unna)^). 

Interessant  ist  jedoch,  dass  gerade  über  dem  Bläschen 
die  Zellen  mehr  spindelig  werden,  die  Homsubstanz  in  La- 
mellen zerfällt,  auch  die  Kerne  erhalten  sind,  und  der  Inhalt 
der  Zellen  feinstkömig  ist. 

Die  vielen  Unregelmässigkeiten  in  der  Tiefe  des  Stratum 
lucidum  erklären  sich  aus  Faltungen  desselben,  wodurch  nicht 
allein  auf  eine  Verdickung  der  Epidermis,  sondern  auch  auf  eine 
Verlängerung  geschlossen  werden  kann. 

Im  Bete  bilden  die  Zellen,  welche  von  verschiedener 
Grösse  sind,  polygonale  Formen  mit  gut  ausgebildeten,  aber 
sehr  abenteuerlich  geformten  Kernen,  die  sich  mit  Hämato- 
xylin  nicht  färben.  Diese  abenteuerlichen  Kemformen,  welche 
oft  eine  ganze  Zelle  ausfüllen,  finde  ich  auch  im  Stratum 
comeum. 

Einzelne  abgerissene  Enden  an  der  freien  Oberfläche  der 
Knötchen  deuten  die  Abschilferung  an.  Fasst  man  die  klinischen 

*)  Unna:  Histopathologie  1894. 


88  Weidenfeld. 

und  histologischen  Symptome  zusammen,  so  ergibt  sich,  dass 
wir  es  mit  einer  chronischen,  mit  Jucken  einhergehenden,  Bjm- 
metrischen,  an  den  Extremitäten  localisirten  Erkrankung  zu 
thun  haben,  deren  E£Qorescenzen  als  kleine  hanfkomgrosse, 
röthliche,  halbkugelige  Formen  beginnen,  sich  später  abflachen, 
rauh  und  weiss  werden,  wegkratzbar  sind,  dabei  bluten,  die 
jeder  Therapie  trotzen,  d.  h.  nach  dem  Wegätzen  neu  ent- 
stehen, und  die  sich  als  homartige  Auflagerungen,  begleitet 
von  geringen  Entzündungserscheinungen  charakterisiren. 

Dieser  eigenartige  Enötchencharakter  macht  es  nothwendig 
dieses  Krankheitsbild  von  allen  Erkrankungen,  die  mit  Knöt- 
chen einhergehen,  abzugrenzen.  Die  grösste  Aehnlichkeit  ver- 
möge der  Ausbreitung  und  Localisation  hat  die  Erkrankung  mit 
Prurigo.  Die  symmetrische  Localisation,  die  zunehmende  Inten- 
sität Yon  oben  nach  unten,  die  Ghronicität,  die  geschwellten 
und  indolenten  Lymphdrüsen,  das  Jucken  könnte  zu  Gunsten 
der  Diagnose  Prurigo  angeführt  werden. 

Die  Prurigo  beginnt  aber  in  frühem  Kindesalter.  Ihre 
Localisation  ist  genau  die  Streckseite  der  Extremitäten,  fast 
nie  an  den  Beugeseiten.  Ihre  Efflorescenzen  sind  halbkugelige 
bläuliche  Knötchen,  die  bald  nach  ihrem  Erscheinen  zerkratzt 
werden,  wodurch  man  selten  Primärefflorescenzen  zu  sehen 
bekommt. 

Freilich  muss  ich  hinzufugen,  dass  bei  langdauemdem 
Bestand  der  Prurigo  sich  ein  eigenartiger  Zustand  der  Haut 
herausbildet;  bei  dem  die  Felderung  der  Haut  stärker  ausge- 
prägt erscheint  und  die  einzelnen  Felder  stellen  sehr  flache, 
alle  in  einem  Hautniveau  liegende  Knötchen  yon  selbstverständ- 
licher polygonaler  Begrenzung  dar,  wobei  die  Furchen  der 
Haut  die  BegrenzungsUnien  abgeben.  Dieses  Bild  findet  sich  be- 
sonders an  den  Unterschenkeln  und  muss  auf  das  durch  das 
Kratzen  begleitende  Ekzem  zurückgeführt  werden.  Ich  muss  noch 
betonen,  dass  sich  oft  nicht  eine  Spur  einer  klinisch  nachweis- 
haren  Entzündung  dabei  vorfindet.  Es  ist  das  ein  Zustand,  den 
die  Franzosen  mit  Lichenification  beschreiben.  Es  ist  klar,  dass 
dabei  die  gesammte  betrofiene  Hautstelle  betroffen  erscheint, 
und   dass  eine   difiFuse  Verdickung  sowohl  der  Cutis  als  der 


Keratosis  veimcosa.  89 

Epidermis  resoltirt,  während  in  unserem  Falle  die  Knöt- 
chen aas  gesunder  Haut  warzenartig  Torspringen. 

Mehr  als  mit  Prurigo  veranlassen  diese  Knötchen  eine 
grössere  AehnHchkeit  mit  Liehen  ruber  planus  und  zwar  die 
grossknotige  Form  desselben,  obgleich  die  Unterscheidung  von 
Liehen  ruber  planus  eine  ziemlich  leichte  ist.  Die  Efflorescenzen 
des  Liehen  ruber  planus  sind  vor  allem  eigenartig  blauroth, 
und  zwar  von  einer  Nuance,  die  an  und  für  sich  für  dieselben 
charakteristisch  ist ;  sie  sind  femer  vielgestaltig,  haben  zackige 
Fortsätze,  auf  welche  besonders  Kaposi  hinge¥nesen  hat;  ihre 
Oberfläche  zeigt  oft  ein  zierliches  Netz  von  Epidermislinien ; 
die  Efflorescenzen  lassen  sich  niemals  wegkratzen.  Hiezn  kommt, 
dass  man  bei  Liehen  ruber  planus  immer  die  sehr  charakteristi- 
schen stecknadelspitz-  bis  stecknadelkopfgrossen  Knötchen  findet. 

Kein  einziges  von  allen  diesen  Symptomen  findet  man  in 
unserem  Falle.  Der  durch  Jahre  vorausgehende  Juckreiz  könnte 
zur  Meinung  Veranlassung  geben,  dass  es  sich  um  einen  Hohl- 
zustand dieses  handelt,  dass  die  Knötchen  in  ähnlicher  Weise 
diesem  ihre  Entstehung  verdanken,  wie  dasselbe  von  dem  frag- 
lichen Liehen  simplex  der  Franzosen. 

Es  verlohnt  sich  der  Mühe  auf  diese  Verhältnisse  näher 
einzugehen,  weil  in  diesem  Punkte  principielle  weitgehende 
Untersuchungen  zwischen  der  Wiener  und  französischen  Schule 
bestehen. 

Bebra  schied  den  Lieber  ruber  aus  der  Classe  der  Liehen 
der  Alten  aus  und  unterschied  scharf  Prurigo  und  Pruritus. 
Die  Prurigo  ist  eine  wohl  charakterisirte  Krankheit  bei  der 
objective  Erscheinungen  sichtbar  sind,  die  das  Jucken  an  sich 
genägsam  erklären,  während  beim  Pruritus  solche  Erscheinungen 
fehlen,  oder  höchstens  von  Kratzeffecten  und  Borken  begleitet 
erscheinen.  Biehl'}  führt  als  sicheren  Beweis  die  Thatsache 
an,  dass  auch  an  schwer  zu^nglichen  Stellen  Prurigoknötchen 
sich  finden.  Der  Juckreiz  bei  Prurigo  wird  durch  Reizung  der 
sensiblen  Nerven  bedingt,  wodurch  sofort  das  Jucken  ver- 
schvnndet,  wenn  die  Eruptionen  dieser  Knötchen  sistiren. 


*)  Biehl:  Ueber  die  pathologische  Bedeutung  der  Prurigo.  Arohiv 
Ü^  Dermatologie  und  Syphilis  1884,  p.  41. 


90  Weidenfeld. 

Cazenave  erklärt  den  Juckreiz  als  das  Primäre,  die 
Knötchen  seien  secundär  durch  das  Eratzen  entstanden.  Da 
Hebra  durch  das  Eratzen  als  traumatischen  Reiz  Ekzem 
auftreten  sah,  konnte  er  mit  vieler  Berechtigung,  die  sich  ganz 
anders  repräsentiren,  Enötchen  bei  Prurigo  als  primär  ansehen. 
Ihm  schliessen  sich  Eaposi,^)  Neumann,^)  J arisch,') 
Riehl,*)  Caspary,*)  Jadassohn,^)  Janowsky'')  in  neu- 
erer Zeit  Bernhardt^  etwas  modificirt  Neisser,  Eromayer 
an.  Die  Beweise,  die  die  französiche  Schule  anführt,  sind  vor- 
nehmlich  klinischer  Natur. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  Prurigo  Hebrae  der  Juck- 
reiz das  primäre,  die  Knötchen  das  secundäre  Symptom  wäre, 
sind  auch  beim  Liehen  simplex  die  Enötchen  Folgezustände 
des  Juckens. 

Auch  in  unserem  Erankheitsbilde  geht  mit  der  Knötchen- 
eruption  Jucken  einher,  das  im  ersten  Falle  zum  Theil  von 
ihrer  zeitweise  auftretenden  Urticaria  oder  von  der  Nephritis 
hergeleitet  werden  könnte,  zum  Theil  aber  sicher,  wie  im  zweiten 
Falle,  dem  Processe  selbst  eigenthündich  zu  sein  scheint. 
Trotz  des  Juckens  vermehrten  sich  nicht  unter  unseren  Augen 
die  Efflorescenzen,  trotzdem  es  durch  die  Anamnese  nahege- 
legen wäre,  die  Knötchen  als  Wirkung  des  Juckens  anzusehen. 
Die  Anatomie  des  Knötchens  könnte  aber  an  sich  den  Juck- 
reiz erklären,  in  gleicher  Weise  wie  das  Prurigoknötchen  ftir 
die  Prurigo. 

Die  Symptome  der  Liehen  simplex  sind  nach  Touton') 
folgende : 


^)  Kaposi:  Pathologie  und  Therapie  der  Hautkrankheiten.  Y. 
Auflage. 

')  Neu  mann:  Lehrbaoh  der  Hautkrankheiten   V.  Auflage.   1880. 

')  Jarisch:  Lehrbuch  der  Hautkrankheiten.  Wien  1900. 

*)  Riehl:  1.  c. 

^)  Gaspary:  Ueber  Prurigo.  Archiv  für  Dermatologie  u.  Syphilis. 
1884  p.  S41. 

')  Jadassohn:  Archir  für  Dermatologie  u.  Syphilis  1896,  XXXVH. 
Bd.,  p.  235. 

'J  Janowsky:  Archiv  für  Derma t.  u.  Syphilis  1866,  XXXVII.  Bd., 
p.  285. 

*)  Ber  nhar  dt:  Archiv  f.  Dermal,  n.  Syphilis  LVII.  Bd.  p.  175,  1901. 

*)  Touton:  Verhandlungen  der  deutschen  dermatologischen  Gfe- 
Seilschaft  V.  Congress  p.  418. 


Keratosis  verrneosa.  91 

Der  Liehen  simplex  chronicus  circumscriptas  (Vi dal)') 
stellt  nach  der  Beschreibung  der  Autoren  (Brocq,  Jaquet, 
Touton)  einen  massig  scharf  begrenzten  Plaque  dar,  der  über 
das  Hautniyeau  nur  massig  vorspringt,  von  matt  graurother 
Farbe,  rauher  Oberfläche,  feinklciig  abschilfernd  und  von  feinen 
Furchen  durchzogen  erscheint.  In  der  Umgebung  des  Plaque 
finden  sich  die  Primärefflorescenzen,  blassrothe  Papeln ;  ausser- 
dem finden  sich  Ton  Blutkrusten  bedeckte  Excoriationen. 

Die  EinzelnefSorescenzen  beschreibt  Touton*)  in  dem 
einen  und  anderen  Falle  als  polygonal,  weil  der  Hautfelderung 
entsprechend,  graubraun,  durch  feine  sich  kreuzende  Furchen 
ein  chagrinartiges  Aussehen  erhaltend. 

Touton  unterzieht  sich  der  Mühe,  dieses  nach  ihm  wohl- 
charakterisirte  Erankheitsbild  von  allen  in  Betracht  kommenden 
Dermatitiden  zu  differenziren. 

Vom  chronischen  Ekzeme  unterscheidet  sich  der  Liehen 
Simplex  durch  das  Fehlen  eines  acuten  Einsetzens ;  im  Gegen- 
theile  geht  der  Erkrankung  eine  monate-  oder  jahrelange  Pe- 
riode heftigen  Juckens  voraus,  ohne  dass  an  der  Haut  irgend- 
welche Veränderungen  wahrnehmbar  wären. 

Die  primären  EilQorescenzen  bein  Liehen  simplex  sind  derb, 
trocken,  flach,  schmutzigroth ;  es  fehlen  sämmtliche  exsudativen 
Vorgänge  und  die  Efflorescenzeu  persistiren  sehr  lange  an  Ort  und 
Stelle  ohne  Verändenmg.  Die  Vergrösserung  der  Plaques  geschieht 
durch  Angliedern  an  die  Peripherie.  Charakteristisch  sind  ferner 
die  Juckanfälle.  Auch  der  Widerstand  gegen  jede  Therapie 
ist  charakteristisch. 

Vom  Liehen  ruber  unterscheidet  sich  durch  das  Fehlen 
der  kleinen  stecknadelkopfgrossen  Lichenknötchen  das  Nichtvor- 
handensein eines  blaurothen  Hofes  um  die  Enötchenefflorescenzen, 
das  Niehtauftreten  von  Gemmenformen  und  vornehmlich  durch 
die  Eigenthümlichkeit,  dass  die  Knötchen  des  Liehen  simplex 
in  der  Nähe  grosser  Plagues  sieh  finden,  während  diejenigen 
des  Liehen  ruber  disseminiri   über   den   ganzen    Körper  auf- 


')  Touton:  Ueber  Neurodermitis  chronica  circomscripta. 
*)  Ton  ton:    Liehen  simplex  chronicus  oircumsoriptus   (Gasenave- 
Yidal)  Archiv  fOr  Dermatologie  and  Syphilis  XXXIII.  Bd.  1895  p.  109. 


92  WeidenfelcL 

treten.    Auch   die   eigenthttmliche   blaoachwarze  Pigmentation 
fehlt  bei  Liehen  aimplex. 

Prurigo  Hebrae,  die  gleichüalls  nach  Touton  localisirt 
auftreten  kann,  differencirt  sich  anders.  Die  Aehnlichkeit  der 
Prurigoknötchen  mit  Urticaria  papulosa  und  Liehen  simplox 
ist  eine  sehr  grosse.  Die  Prurigoknötchen  unterscheiden  sich 
nach  Hebra  nur  wenig  von  der  umgebenden  Haut,  sind  flach, 
werden  beim  Eratzen  röther  und  treten  mehr  heryor. 

Die  Plaques  der  Liehen  ruber  chronicus  entsprechen  am 
besten  den  Veränderungen  der  Haut  bei  alter  Prurigo. 

Die  Haut  ist  derb,  trocken,  infiltrirt,  die  Furchen  sind 
vertieft,  Pigmentationen  bestehen  bei  beiden  Erkrankungen. 

Dann  ist  ein  für  Liehen  simplex  und  Prurigo  gemeinsames 
Symptom  der  Juckreiz. 

Ein  wichtiges  Unterscheidungsmittel  gibt  der  Beginn  der 
Erkrankung.  Prurigo  beginnt  im  Kindesalter,  Liehen  simplex 
im  höheren  Alter;  freilich  gibt  es  Autoren,  die  für  die  Ent- 
stehung der  Prurigo  in  jedem  Alter  eintreten.  Auch  die  Uni- 
versalität der  Prurigo  ist  kein  absolutes  Unterscheidungs- 
merkmal, da  einerseits  die  Prurigo  auch  localisirt,  der  Liehen 
simplex  andererseits  auch  universell  auftreten  kann.  Im  Falle  6 
gibt  nun  Touton  ein  solches  Erankheitsbild  von  universellem 
Liehen  simplex. 

Es  fanden  sich  bei  diesem  Patienten  Plaques:  am  Halse 
rechts,  den  Beugeseiten  der  Arme,  den  Abdomen,  den  Ober- 
und  Unterschenkeln,  im  ganzen  12  an  der  Zahl.  Diese  Plaques 
waren  durch  feine  Furchen  gefeldert  oder  schienen  durch  das 
Zusammenfliessen  flacher  Papeln  entstanden ;  zum  Theile  waren 
die  betroffenen  Stellen  röther ;  hie  und  da  fanden  sich  Schuppen, 
nirgends  Nässen. 

Aus  diesem  Grunde  möchte  Touton  den  Liehen  simplex 
nicht  für  ein  Ekzem  erklären,  wie  die  Wiener  Schule,  sondern 
als  eine  localisirte  Prurigo,  zumal  auch  diese  ausnahmsweise, 
wie  Hebra  selbst  angibt,  an  den  Beugeseiten  localisirt  sein 
kann.  Hier  möchte  ich  noch  kurz  auf  den  oben  erwähnten  Zu- 
stand der  Haut  besonders  der  Unterschenkel  verweisen,  wobei 
die  Haut  in  toto  verdickt,  die  Felderung  ausgesprochener  und 
die  Furchen  vertiefter  erscheinen. 


Keratosis  Termcosa.  93 

In  jüngBter  Zeit  veröffentlichte  Marcuse')  einige  Fälle 
?on  Ijichen  simplex.  Im  Allgemeinen  kommt  er  zu  denselben 
Schlässen,  wie  Touton.  Interessant  ist  die  Beobachtung,  dass 
sich  ein  liehen  simplex  circum  scriptum  in  einen  Liehen  simpl. 
diffas.  Die  histologische  Untersuchung  ergab  ein  yerbreitertes 
Bete,  starke  Hyperpigmentation  und  Mitosenbildung  im  Bete. 
Einzelne  Rundzellen  im  Bete;  keine  Vacuolenbildung,  keine 
inter  pinalen  Hohlräume  Strat.  granulosum  verdeckt.  Strat.  cornum 
verdickt.  Kernhaltige  Zellschichten  enthaltend;  Gentrum  des 
Knötchens  etwas  stärker  verdickt.  Einzelne  Knötchen  haben 
stachelförmiges  Aussehen,  wodurch  Bilder  resultiren,  die  dem 
Liehen  ruber-Knötchen  ähnlich  sehen. 

Vergleicht  man  unser  Krankheitsbild  mit  dem  beschrie- 
benen des  Liehen  simplex  chronicus,    so  fallen  vor  allem  als 
das  wichtigste  Unterscheidungsmerkmal  die  Universalität  und 
das  scharfe  Absetzen  und  die  Elevation,  dann  die  Grösse 
der    Einzelnefflorescenzen    und   der    Mangel   des 
Zusammentretens  in  Plaques   auf.    Die    Efflores- 
cenzen    bleiben    vielmehr    einzeln    stehend    oder 
ordnen   sich    in    Beihen   an,    wobei   stets  jede  ein- 
zelne  Efflorescenz   scharf  begrenzt  bleibt.    Auch 
die  Farbe,  das  eigenartige  Aussehen  der  Oberfläche,  das  unend- 
lich langsame,  periphere  Wachsthum  der  Efflorenscenzen  und 
deren  Umwandlung  von  runden  stecknadelkopfgrossen  zu  linsen- 
grossen   bis    erbsengrossen   Efflorescenzen   ergibt  ein  weiteres, 
sehr  wichtiges  Unterscheidungsmittel. 

Auch  histologisch  unterscheidet  sich  unser  Krankheitsbild 
von  dem  des  Liehen  simplex. 

Man  findet  bei  Liehen  simplex  nach  Touton*) :  „Infiltration 
der  oberen  Gutislagen  und  lymphoide  Zellen,  sehr  ausgesprochene 
Hypertrophie  der  Papillen  mit  leichtem  Oedöme ;  starke  Verbreite- 
rung des  Bete  und  leichte  Wanderzelleninfiltration  des  letzteren, 
besonders  über  den  grösseren  Papillen,  Tochterarten  der  Bete- 
zellen,  2 — Skemige,  verschieden  hochgradige  „alteration  cavitaire** 
einzelner  Zellen,  so  dass  der  erste  Grad  der  Yesiculation  nicht  über- 
schritten wird;   Stratum  granulosum  überall  erhalten,  Stratum 

^)  Marcnse:  Ueber  Liehen  simplex,  Archiv  für  Dermatologie  und 
SyphiUs.  57.  Bd.  1901.  p.  881. 

*;  Touton:  Arch.  f.  Derm.  a.  Syph.  XXXIII.  Bd.  p.  109. 


94  Weidenfeld. 

lacidum  fast  ganz  geschwunden ;  auf  grosse  Strecken  kernhaltige 
Homzellen ;  die  Gohärenz  fast  normal,  die  Reratinifation  etwas 
verringert/  In  ähnlicher  Weise  beschreibt  Marcuse,  wie  oben 
angegeben  die  Knötchen. 

Den  Hauptantheil  an  der  Bildung  des  Knötchens  hat  hier 
demnach  der  Papillarantheil,  während  in  unserem  Krankheits- 
bilde die  deutliche,  der  Papel  entsprechende  Verdickung  der 
Homschichte  die  Ursache  für  die  Knötchenbildung  abgibt 

Auch  sind  ausgesprochene  Exsudationsyerhältnisse  vor- 
handen; man  findet  suprapapilläre  kleine  Bläschenbildungen; 
ausserdem  epidermoidale  und  subepidermoidale  Hämorrhagien. 
Ich  möchte  hier  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  Max  Joseph 
bei  Liehen  ruber  planus  gleichfalls  suprapapilläre  Höhleubil- 
dung fand.  Die  Verdickung  des  Stratum  corneum  und  das  eigen- 
artige warzenähnliche  Aussehen  waren  auch  die  Veranlassung 
hiefür,  dass  Hofrath  Kaposi  bei  diesem  Krankheitsbilde  den 
Namen  Keratosis  vorschlug,  ohne  dass  natürlich  sonst  die 
EfiBorescenzen  weitere  Aehnlichkeiten  mit  Warzen  hätten. 

Der  diese  Erkrankung  begleitende  Juckreiz,  der  im  zweiten 
Falle  zwei  Jahre  vorausging,  ist  das  einzige  sichere  Symptom, 
welches  auch  dem  Liehen  simplez  zukommt.  Trotz  alledem 
haben  wir  nicht  einen  Anhaltspunkt  diesem  Juckreize  eine 
andere  als  eine  symptomatische  Bedeutung  zuzumessen,  da  wir, 
wie  oben  ausgeführt,  Jucken  an  sich  keine  Erscheinungen  her- 
vorrufen und  als  Folgeerscheinungen  des  Juckens  wie  nach  allen 
traumatischen  Reizen  Ekzem  auftreten  sehen. 

Impetiginöse  Borken-  und  Kratzeffecte  waren  als  Ausdruck 
des  Juckens  besonders   an    den  Unterschenkeln  wahrnehmbar. 

Die  Resistenz  gegenüber  jeder  Therapie  ist  beiden  Haut- 
erkrankungen in  gleicher  Weise  gemeinsam;  mit  dem  Unter- 
schiede jedoch,  dass  Liehen  simplex  doch  ausheilt,  während 
in  unseren  beiden  Fällen  auch  mit  den  stärkstätzenden  Mitteln 
kein  besonderer  Effect  erzielt  wurde,  da  nach  der  Aetzung  die 
Efflorescenzen  sofort  wieder  zum  Vorscheine  kamen.  Pflaster, 
Salben  hatten  keinen  Erfolg. 

Nach  alledem  bandelt  es  sich  um  ein  eigenes  Krankheifsbild, 
das,  soweit  momentan  die  Kenntnisse  reichen,   sehr  selten  ist, 


Eentofis  verracosa.  95 

das  im  Bpäteren  Alter,  vielleicht  nach  Torhergehendem  Jacken 
und  unter  solchem  auftritt. 

Versucht  man  dieses  Erankheitsbild  in  das  System  ein- 
zureihen, so  stösst  man  auf  Schwierigkeiten,  die  momentan 
nicht  leicht  zu  überwinden  sind.  Nimmt  man  den  Entzündungs- 
process  als  das  Primäre  an,  so  würde  anatomisch  dieses  Erank- 
heitsbild yielleicht  in  die  Reihe  der  chronischen  Urticaria  mit 
secundärer  starker  Verhomung  einzureihen  sein.  AnderenÜEdls 
handelte  es  sich  hier  um  eine  Art  circumscripter  Keratosis 
mit  secundären  Veränderungen  in  Papillarkörper  und  Cutis, 
deren  Aehnlichkeit  mit  circumscripter  Schwielenbildung  nicht 
Toa  der  Hand  zu  weisen  ist. 


96  Weidenfeld. 


Erkiftrung  der  Abbildungen  auf  Taf.  VI  u.  VII. 


Fig.  1  o)  stellt  die  Vorderseite  des  üntersohenkels  dar.  E  Primär- 
effloresoensen.  Man  sieht,  dass  dieselben  von  Terschiedener  Grösse,  po- 
lygonal  weiss-gran  und  feinst  gestrichelt  sind.  Zugleich  sieht  man  die- 
selben in  Reihen  geordnet 

Fig.  2  b)  ROckseite  des  Oberschenkels.  £  Prirnftreffloresoenzen. 
Dieselben  sind  rund,  scharf  begrenct,  oft  in  Haufen  oder  Reihen. 

Fig.  S.  Schnitt  von  einer  Primärefifloresoeni  Tom  Unterschenkel 
Fall  L  £.  Stratum  comeum.  Soh.  dr.  Schweissdrüsenausffthrungs- 
gang.  K  Rete  mit  den  gabiig  oder  mehrfach  getheilten  Papillen  (sp). 
F.  Fransen  der  durch  Kratzen  zerrissenen  obersten  Fasern;  erweiterte 
PapillargeAsse.    Bla.  snprapapill&res  Blftsohen.    Vergrössemng  40/1. 

Fig.  4.  Schnitt  von  einer  Primftrefflorescenz  yom  Unterschenkel 
Fall  n.  HS.  Str.  comeum.  St.  1.  Strat.  lucidum;  ampullenf5rmig  an 
zwei  Stellen  erweitert  meiner  Ampulle  ein  Synoitium  mit  kleinen 
Kernen.  R.  Rete.  P.  Papille  rund.  Pg.  Papillargefftss  erweitert  Yer- 
grösserong  60/1. 

Fig.  5.  Derselbe  Schnitt  bei  st&rkerer  Yergrösserung  (250/1).  Str. 
c.  Stratum  comeum.  St  1.  Strat.  lucidum.  R.  Rete.  G.  Papillargeflsse 
mit  deutlicher  Zellinfiltration.    L.  Leukocyt  innerhalb  der  Rete. 


Archiv  f.  Dermaloloqic  iJ  Sypti.hs  Band    LXII1 


Wl^illoiil'c'Icl: 


|i-H  Ki-iiiikli.!lrsbilH. 


Archiv  f  Dermatologie  u  Syphilis  Band  LXIII. 


/ 


'r\. 


f^-3-  StP.B. 


U'i-jilcMiJ'old  :  il>«rcm  i-ij{i!iiiii'tl!|i^s  Kiyinkli.^ 


Ans  Dr.  Maz  Jeaeph's  FolikUnik  fOr  Eantkranklieiten  in  Berlin. 


über  ein  von  der  Nase  ausgehendes 
Syphiloma  hypertrophicum  diffusum  faciei 

(Elephantiasis  lnetica). 


Von 

Dr.  GottHried  Trautmaim 

an«  Mttnehen. 


Außer  derFilaria  sanguinis,  welche  in  überseeischen  and 
tropischen  Ländern  die  Elephantiasis  bedingt,  veranlassen  ver- 
schiedene Krankheiten  eine  Volumszunahme  irgend  eines 
Körperteils,  die  man  wegen  ihrer  Ähnlichkeit  mit  ersterer 
ebenso  benannt  hat. 

Auch  die  Lues  tritt  unter  ihren  yerschiedenen  Formen, 
und  zwar  nicht  selten,  als  Elephantiasis  auf. 

Es  ist  das  Verdienst  Mraöeks,  dieselbe  in  einer  längeren 
Abhandlung  (die  Elephantiasis  infolge  von  Syphilis  und  das 
Syphiloma  hypertrophicum  diffusum,  Wiener  Klinische  Wochen- 
schrift 1888,  Nr«  12  mit  15)  kritisch  beleuchtet  und  auf  ihre 
yerschiedenen  Arten  aufmerksam  gemacht  zu  haben. 

Mradek  unterscheidet  zwei  Formen:  1.  eine,  welche  auf  der 
Bindegewebshypertrophie  beruht  und  durch  die  Syphilisprodukte  nur 
eingeleitet  wird ;  und  2.  eine,  die  ihrer  äußeren  Form  nach  mitunter  an 
die  Elephantiasis  erinnert,  im  wesentlichen  aber  directes  Syphilisprodukt 
ist,  das  durch  eine  umfangreiche  syphilitische  Infiltration  entsteht. 

Zur  ersteren  gehört  das  Oedema  indurativum,  welches 
durch  eine  von  Sklerosen  und  Papeln  in  der  Umgebung  veranlaßte  Er- 
krankung der  Lymphgef&ße  und  Lymphdrüsen  entsteht  und  eine  oft 
beträchtliche  Hypertrophie  des  subkutanen  Bindegewebes  und  infolge 
dessen  eine  oft  erhebliche  Mißgestaltung  des  betroffenen  Eörperteiles, 
besonders  der  äußeren  Genitalien,  darstellt,  analog  also  der  Elephantiasis, 
die  auf  Lymphstauungen  beruht. 

HöhereGrade  dieser  elephantiastischen  Bindegewebswucherungen, 
mit  Vorliebe  am    Unterschenkel,   führen  neben  oberflächlichen   Gummi 

Anh.  L  Demat.  a.  Syph.  Bd.  LXIII.  7 


98  Trautmann. 

ganz  besonders  die  tiefen,  im  ünterhautzellgewebe  befindlichen  herbei, 
wie  wir  es  auch  von  parenchymatösen  Organen  z.  B.  der  Leber  wissen, 
wo  es  oft  znr  diffusen  Bindegewebswucherung  kommt. 

Durch  Zerstörung  der  Blut-  und  Lymphgefäße  durch  ülzerationen 
oder  Verlegung  ersterer  durch  essentielle  Vemarbungen  werden  die 
Zirkulationsyerh&ltuisse  sehr  schlechte  und  die  Bindegewebswucherung 
nimmt  in  erhöhtem  Maße  zu. 

Bei  periostalen  und  ostalen  syphilitischen  Affektionen 
entstehen  die  gleichen  Verhältnisse.  Mraöek  hat  bei  Nekrose  der 
Nasenknochen  und  des  Oberkiefers,  besonders  des  unteren  OrbitalrandM 
wiederholt  eine  bleibende  Anschwellung  des  ünterhautzellgewebes 
beobachtet. 

Diese  Art  der  Elephantiasis  ist  also  nur  eine  Begleit-  oder  Folge- 
erscheinung der  Syphilis,  uud  es  ist  eine  yollstandige  Ruckbildung  durch 
eine  spezifische  Behandlung  nicht  möglich.  Durch  diese  heilen  nur  die 
sie  bedingenden  syphilitischen  Affektionen.  Die  Therapie  muß  also  im 
wesentlichen  eine  chirurgische  sein. 

Die  zweite  Form  ist  etwas  ganz  anderes.  Sie  kommt  ausschließlich 
in  den  gummösen  Stadien  der  Lues  yor,  und  zwar  besteht  sie  nicht  in 
einem  Aggregat  von  enganeinander  gedrängten,  einzelnen  Gummis,  die 
auf  diese  Weise  als  ein  gleichmäßiges  Infiltrat  imponieren  können, 
sondern  sie  stellt  eine  mehrweniger  diffuse,  gummöse  Infiltration  des 
Gewebes  dar,  ist  also  keine  Neben-  oder  Folgeerscheinung  der  Syphilis, 
sondern  eine  besondere  Form  derselben. 

Für  diese  elephantiastischen  Infiltrationszustäude  hat  Bidon  (These 
de  Paris  1886,  o.  b.  Mraöek)  den  Namen  Syphiloma  hyper- 
trophicum  diffusum  eingeführt. 

Fournier  (die  gummösen  Syphilide,  Independance  med.  1899, 
Nr.  49)  sagt,  daß  zuweilen  sich  zur  tertiären,  ulcerösen  Form  der  Lues 
eine  Hypertrophie  neben  elephantiastischer  Vergrößerung  der  Umgebung 
gesellt  und  daß  dieselbe  (Syphilom  hypertrophique  diffus  oder  Syphilide 
löontiasique)  mit  Vorliebe  Unterlippe,  Nase,  Ohr  befallt. 

Die  bis  jetzt  publizierten  Fälle  waren  auch  vorwiegend  im  Gesichte, 
meistens  an  den  Lippen,  Wangen,  an  der  Nase  lokalisiert  und  auch 
an  der  Zunge,  und  zwar  kombiniert  oder  auch  als  alleinige  Er- 
krankung, welcher  Zeissl  den  Namen  Glossitis  indurativa 
diffusa  gegeben  hat. 

Den  Hinweis  auf  die  oben  zitierte  Abbau dlung  Mraöeks 
möchte  ich  deshalb  stark  betonen,  weil  ich  in  den  gang- 
baren Lehrbüchern  diese  Form  der  Lues  nicht  in  der  gleichen 
deutlichen  Art  beschrieben  finde.  Die  sechs  Fälle  Mraöeks 
sind  in  kurzem  folgende: 

1.  Fall:  Infektion  vor  G  Jahren,  Student,  27  J.,  Inunktionskur 
und  Zittmann  vor  4  J.  Diffuse  Infiltration  beider  Nasenflügel  und  des 
8eptums.  Derbeinfiltration  und  Hypertrophie  beider  Mimdlippen,  namentlich 


Über  ein  Yon  der  Nase  ausgehendes  Syphiloraa  etc.  99 

der  oberen  mit  Rhagadenbildang  an  den  Maadwinkela.  Beginn  der 
diffusen  Infiltration  vor  IV»  Jahren.  Rückbildung  der  Form  nach 
SOtä^.  Beha^dlung  (lokal  Garbol  und  graues  Pflaster,  JE  innerlich, 
19  Einreib,  mit  Unga.  ein.).  Partielle  Rezidive  an  der  Oberlippe  mit 
EoDtenbildung  und  neue  Anscfawell.  an  den  Genitalien,  fiesserung. 

2.  Fall:  Infektion  anamnestisoh  nicht  nachweisbar.  Bauernsohn, 
16  J.  Diffuses  hypertrophisches  Syphilom  der  ganzen  Oberlippe,  der 
knorpeligen  Nase  mit  Perforation  des  Septum.  Dauer  der  Erkr.  4  Jahre. 
RüOKbildung  nach  einer  239  Taffe  währenden  energ.  Beh. 
(Jodoformpillen,  Jodkali  mit  Ferrum,  60  Inunktionen  k  5*0  Ungu.  ein.). 

3.  Fall:  Infektion  vor  14  J.,  kurze  Zeit  Hg- Pillen,  dann  Kalt- 
wasserkur. Fabrikbesitzer,  34  J.  Diffuses  hypertroph.  Syphilom  der 
liuken  Hälfte  der  Unterlippe.  lafiltration  der  Zungenoberfläche.  Heilung 
nach  4monatl.  Behandlung  (lokal  graues  Pflaster,  Bepinsl.  mit 
Jodlös.,  intern  Zittmann;  Inunktionen). 

4.  Fall:  Infektion  vor  23  J.,  ohne  systemat.  antiluet.  Beh., 
Beamter,  43  J.  Diff.  hypertr.  Syphylom  der  Oberlippe,  syph.  Enotenbildnng 
in  der  Zunge,  oberfl.  Hautgummi  an  der  Stirne.  Schwell,  des  Sept.  der 
Nase  mit  Perforation  desselben.  Narben  nach  Gumm.  der  Haut,  der 
Nase  und  der  Wade.  Heilung  nach  V,  jähr,  energ.  Beh.  (Zittmann, 
Inunktionen). 

5.  Fall:  Vor  9 — 10  J.  Genitalgesohwür.  Syph.  Infiltration  des 
Periostes  und  des  Zellgewebes  der  Orbitalhöhle.  Übergreifen  des  Proj. 
auf  den  obliqu.  inf.  und  Abducens,  Weiterschreiten  desselben  im  subkutan. 
Zeilgewebe  der  Lider,  Wange,  jferner  im  Perioste  und  Zellgewebe  über 
dem  Jochbogen.  Entwicklung  dieser  Zustände  im  Verlauf  von  6  Jahren. 
Rückbildung,  wenn  anch  hartnäckig,  nach  wiederholten 
antiluet.  Euren. 

6.  Fall:  Pat.  40  J.,  Beginn  der  Erkr.  vor  */*  J.  Makroglossie 
infolge  einer  diffusen,  s^pb.  Infiltration.  Rückbildung  nach  20  tag. 
Beh.  (Zittmann,  Jodbepmsl).  Nach  V«  J*  Zunahme  der  Infiltr.  Sublimat- 
iojektionen.  Neuerliche  Besserung. 

Im  Jahre  1891  demonstriert  Mradek  einen  weiteren  Fall  von 
Syphiloma  hypertrophicum  diffusum.  (Wiener  med.  Doktorenkollegium, 
Sitz.  7./XIL  1901) :  Luet.  Infektion  nicht  nachweisbar.  Geschw.  im  Gesicht, 
an  den  Augen  über  die  Nase  gehend.  Nach  Inzision  stets  wachsendes 
Geschwur.  Heilung  durch  Hg  und  JE. 

Der  von  Thimm  (deutsche  med.  Wooheoschr.  Nr.  24,  1895)  ans 
Dr.  Max  Josephs  Poliklinik  beschriebene  Fall  von  syphilitischer 
Makrocheilieist  wohl  auch  zur  Gruppe  der  diffusen,  hypertrophischen 
äyphilome  zu  rechnen.  Es  spricht  hiefür  die  gleichmäßige  Verdickung 
uod  Schwellung  der  Lippen  und  vor  allem  die  Art  der  Wirkung  der 
autiluetischen  Therapie,  welche  bei  sekundär  durch  einzelne  Gummi  im 
Sohleimdrüsengewebe  verursachter  Bindegewebs  Wucherung  doch  auf  die 
Verdickung  olme  Einfluß  geblieben  wäre. 

1897  demonstrierte  Schwimmer  (Ungar,  dermat.  und  urolog.  Ges. 
in  Budapest,  Sitz.  U./II.  1907.)  einen  Fall  von  Syphilis  leontiasiformis: 
Auf  der  linken  Gesichtshälfte,  Stirne  und  behaartem  Kopfe  thaler-  bis 
kindshandtellergroße  Infiltrate,  die  rotbräunlich  vom  Niveau  der  Haut 
emporragen.  Am  Kinn  links  mehrere  erbsen-  bis  haselnußgroße  drüsige 
Gebilde,  rechts,  am  Naseneingang  und  Nasenrücken  mehrere  Knoten» 
Schleimhaut  unverändert 


100  Trautraann. 

Ferner  hat  Ludwig  OqI mann  (Beitrag  zur  Kenntnis  der  Glossitis 
luetica,  Inaug.-Diss.  Würzburg,  1897)  10  Fälle  aus  der  Literatur  und 
einen  eigenen  Fall  von  Zungenlues  mitgeteilt,  von  denen  5  in  die 
genannte  Syphilomgruppe  einzubeziehen  sind  (3  gebessert,  2  geheilt). 

1898  beschreibt  Thevenin  (Journ.  des  mal.  cut.  et  syph.)  drei 
Fälle  von  tertiärem  Zungen-Lippensyphilom.  In  einem  von  diesem  war 
die  ganze  Unterlippe  und  zum  Teil  Oberlippe  infiltrirt;  an  beiden 
Gommissuren  bestanden  schmerzende  und  nässende  ülzerationen. 

In  der  Literatur  findet  man  noch  mehrere  Fälle,  die  als  diffuse 
hypertrophische  Syphilome  gedeutet  werden  könnten. 

Z.  B.  Allen  (162.  Sitz.  d.  New- Yorker  derm.  Ges.  93./III.  1886): 
Demonstration  eines  wucherenden  Syphiloderman  des  Gesichtes  eines 
40  j.  Farbigen,  bei  dem  blumenkohlartige  Entwicklung  der  Nase  mit 
Schrunden  und  Ülzerationen  festgestellt  wurden,  femer  Eichhorst 
(Virchows  Archiv,  Bd.  181,  Heft  3)  Elephantiasis  syphilitica  der  Liopen, 
bei  welcher  die  Schwellung  und  Wolstung  der  letzteren  vor  1  Jahre 
begannen  und  dieselben  dann  als  2  Daumen  dicke,  schwammige  (!),  rote 
Polster  rüsselartig  hervorsprangen.  Schmierkur  war  hier  erfolglos. 

Jedoch  ist  bei  denselben  nicht  mit  Sicherheit  derNachweis  der  d  i  f  f  u  s  e  n 
Infiltration  zu  erbringen,  und  es  liegt  die  Annahme  nahe,  daß  es 
sich  in  diesen  Fällen  doch  vielleicht  nur  um  ein  Konglomerat  eng 
neben  einander  gesetzter  Gummiknoten  oder  um  Gummi  mit  gleichseitiger 
oder  nachgefolgter  Bindegewebswucherung  gehandelt  hat.  Für  letzteres 
spricht  jedenfalls  das  absolute  Versagen  einer  antiluetischen  Behandlung. 

Durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Dr.Max 
Joseph,  für  welche  ich  ihm  an  dieser  Stelle  meinen  verbind- 
lichsten  Dank  sage,  ist  es  mir  möglich,  aus  seiner  dermatolo- 
gischen Poliklinik  einen  Fall  zu  beschreiben,  der  nach  seinem 
ganzen  Verhalten  sicher  auch  zu  den  gummösen  Infiltra- 
tionszuständen,  zu  dem  Syphiloma  hypertrophium 
diffusum,  als  eine  Form  der  syphilitischen  ElephantiasiSi 
gerechnet  werden  muß.    Der  Fall  ist  folgender: 

Elephantiasis  s.  Syphiloma  diffusum  faciei  von  der  Nase 
ausgehend.  Diffuse  gummöse  Infiltration  und  Hypertrophie  der 
äußeren  Nase  und  vorderen  Nasenschleimhaut,  sowie  beider 
Wangen.  Derbe  Infiltration  und  Hypertrophie  der  Oberlippe. 
Knoten,  schmerzhafte  Rhagaden  und  Ülzerationen,  besonders 
an  der  Oberlippe.  Infektion  nicht  nachgewiesen.  Rückbildung 
nach  öOtägiger  Behandlung  mit  JE. 

B.  A.,  Tischler,  77  Jahre  alt,  während  seiner  Milit&rseit  1845 
genit alkrank,  nach  seiner  Angabe  nur  Gonorrhoe.  1847  wurde  er  von 
einem  Pferde  auf  den  Kopf  geschlagen,  will  mit  dem  Gesicht  auf  das 
Stallpflaster  gefallen  sein  und  im  Anschluß  daran  eine  erhebliche  Ver- 


über  ein  von  der  Nase  ausgehendes  Syphiloma  etc.  101 

letzong    der    äußeren    Nase    davon    getragen    haben,    die    chirurgisch 
behandelt  wurde. 

Seine  jetzige  Nasenkrankheit  soll  vor  13  Jahren  mit  Rötung 
und  Schwellung  begonnen  haben  und  hat  sich  in  der  Folgezeit  auf  die 
angrenzenden  Wangen  ausgedehnt.  Er  wurde  von  verschiedenen  Seiten 
mit  Salben  und  Umschlägen  behandelt.  Vor  V/^  Jahren  beobachtete 
er,  hauptsächlich  rechts,  Abnahme  der  Gehörschärfe,  die  fernerhin,  aber 
nicht  sehr  erheblich,  zunahm.  Kein  Ohrensausen.  Vor  Y,  Jahre  bemerkte 
er  auch  die  Oberlippe  befallen,  die  Bildung  neuer  Knoten  und  da^ 
Auftreten  von  Ulzerationen  an  der  Nase,  an  den  Wangen  und  an  der 
Oberlippe,  welche  zumeist  schmerzhaft  waren.  Zugleich  machten  sich 
subjektive  Beschwerden  als  spannendes  Gefahl  in  den  ergriffenen 
Teilen,  Bewegungsbeschränkung  der  Lippen,  erschwertes  Sprechen  und 
Kauen  geltend.  Das  Gesicht  bekam  einen  starren  Ausdruck,  die  Haut 
eine  lividrote  Färbung  und  gleichmäßige  Härte  und  Verdickung,  so  daß 
es  eine  starke  Mißgestaltung  zeigte.  In  der  Zwischenzeit  soll  Pat.  an 
einem  Rhinophym  behandelt,  scarifiziert  und  auch  galvanokauterisiert 
worden  sein. 

Status.  Pat.  ist  ein  breitschulteriger,  kräftiger  und  trotz  seiner 
77  Jahre  keineswegs  greiseuhafter  Mann.  Das  Gesicht  macht  einen 
starren,  leontiasisähnlichen  Eindruck. 

Der  größte  Teil  desselben  ist  von  einem  Krankheitsprozeß 
eingenommen,  der  sich  von  der  Verbindungslinie  beider  Augenbrauen 
nach  abwärts  über  die  ganze  Nase  erstreckt  und  beiderseits  kontinuierlich 
auf  die  Wangen  übergeht,  wo  er  mit  einer  von  den  inneren  Augen- 
winkeln bis  zur  ünterkiefermitte  gehenden  Linie  ziemlich  scharf  gegen 
die  gesunde  Haut  abschneidet.  Nach  unten  von  der  Nase  setzt  sich  der 
Prozeß  auf  die  gesamte  Oberlippe  fort  und  greift  beiderseits  in  die 
Wangenaffektion  über. 

Die  Farbe  dieser  befallenen  Partien  ist  lividrot,  zum  Teil  von 
einem  eigenen  Glanz,  aber  nirgends  ist  eine  merkbare  venöse  Stauung  oder 
OeAßneubildung  vorhanden. 

An  verschiedenen  Stellen  sieht  man  zirka  erbsengroßeErhaben- 
heiten,  auf  der  Haut  der  knorpeligen  Nase,  an  den  Nasolabialfalten 
und  den  beiden  Wangen  unregelmäßige  und  runde  Ulzerationen  bis 
Linsengröße,  auf  der  Oberlippe  ein  ziemlich  tiefes  zirka  2  cm  langes, 
7,  em  breites  Geschwür  neben  kleineren  Substanz  Verlusten. 

Auf  der  Nasenbeinhaut  befindet  sich  eine  breite,  weiche  Narbe, 
kleinere  rundliche  und  streifenförmige  Narben  sind  vereinzelt  an 
anderen  Stellen. 

Bei  derPalpation  sind  die  einzelnen  Knoten  hart,  die  Geschwüre 
schmerzhaft,  das  ganze  befallene  Gebiet  ist  von  sehrderberKonsistenz, 
plattenförmig  infiltriert  und  verdickt.  Besonders  die  Ober- 
lippe zeichnet  sich  durch  Härte  und  Volumszunahme  aus  und  steht 
wulstformig  nach  vorne. 


102  Trantmann. 

Das  rechte  Nasenloch  ist  dorch  die  dasselbe  umgebende  Infiltration 
veren(]^t  und  nur  für  Bleistift  dicke  durchgängig^  das  linke  ebenfalls  verengt, 
aber  in  geringerem  Grade.  Die  schwer  sichtbare  Nasenschleimhaut  ist 
verdickt  und  macht  eine  rhinoskopische  Untersuchung  nicht  möglich. 
Die  Nasenatmung  ist  kaum  behindert. 

Die  Zunge  und  Mundhöhle  ist  frei  von  Erscheinungen,  erstere 
aber  schwer  beweglich  unter  dem  Einfluß  der  äußeren  Erkrankung. 
Eaubewegungen  und  Sprechen  erschwert  aus  demselben  Grund.  Bei  der 
Ohrenuntersuchung  ergibt  der  otoskopische  Befund  nicht  anor- 
males. Bei  der  funktionellen  Prüfung  werden  bei  Eonversations- 
spräche  rechts  die  Zahl  8  in  2  m,  die  Zahl  3,  Otto,  Friedrich  in  1  m 
Entfernung,  bei  Flüstersprache  die  Zahl  8  in  0*5  m,  die  Zahlen  3, 
16,  20  in  0  25  m  Entfecnung  gehört;  links  Eonv.  8,  U,  20,  Otto  in  8  m, 
Flfist.  8,  U  in  0*5  «»,  3,  5,  16  in  0*25  m.  Weber'scher  Versuch: 
wird  nicht  lateralisiert,  Rinne:  normal.  Tiefe  Töne:  beiderseits  mäßig 
herabgesetzt;  hohe  Töne  (C  4):  beiderseits,  besonders  rechts,  nahezu 
aufgehoben.  Dieser  Befund  macht  den  Erkrankungssitz  im  innerenOhr 
wahrscheinlich. 

Therapie:  JK  und  Umschläge  mit  essigs.  Tonerde  auf  die  er- 
krankten Partien  des  Gesichts. 

Patient  gibt  nur  eine  Gonorrhoe  zu  und  stellt  eine  luetische 
Infection  in  Abrede.  Er  ist  an  einem  Khinophym  behandelt  worden, 
und  zwar  angeblich  von  einer  Seite,  bei  welcher  die  Diagnose  nicht  in 
Zweifel  gezogen  werden  kann.    Das  liegt  aber  schon  länger  zurück. 

Der  erste  Anblick  de^  Prozesses,  der  sich  in  der  Haupt- 
sache auf  Nasenrücken,  Nasenflügel,  angrenzenden  Wangen, 
aber  auch  auf  die  Oberlippe  erstreckt,  könnte  einen  auch  in 
der  Annahme  bestärken,  daß  es  sich  auch  jetzt  noch  aus- 
schließlich um  ein  Rhinophym  handelt.  Die  Lokalisation,  die 
zum  Teil  lividrote  Farbe,  die  unregelmäßigen,  knotigen  Er- 
habenheiten sprechen  dafür.  Auch  neugebildetes  Bindegewebe, 
iRrie  es  beim  Rhinophym  vorkommt,  macht  mitunter  den  Ein- 
druck eines  diffusen  Prozesses. 

Trotz  der  nicht  zugegebenen  luetischen  Infektion  mußte 
man  aber  doch  bei  näherer  Untersuchung  zu  dem  Schlüsse 
kommen,  daß  man  es  mit  luetischen  Erscheinungen  zu  tun  hat 
Auch  andere  Krankheiten  waren  auszuschließen. 

Vor  allem  ist  es  die  K  o  n  s  i  s  t  e  n  z,  die  sich  beim  Befühlen 
als  eine  harte  erweist,  und  die  der  Patient  selbst  empfindet, 
da  sie  ihm  Funktionsstörungen  beim  Naseschnauben,  beim 
Kauen  der  Speisen,  beim  Sprechen,  ferner  ein  Spannungsgefühl 


über  ein  von  der  Nase  ausgehendes  Syphiloma  etc.  103 

in  der  Haut  verursacht,  während  beim  Rhinophym  das  befallene 
Gebiet  im  ganzen  weich  bleibt. 

Die  einzelnen  Knoten  auf  harter  Grundlage  sind 
ebenfalls  derb  und  zeigen  nicht  einen  Gefäßreichtum,  wie 
beim  Rhinophym.  Selbst  weiche  Gummiknoten  sind  anders. 

Die  lividrote  Farbe  ist  nicht  an  eine  venöse  Stase 
gebunden,  sie  ist  diffus  und  läßt  in  ihrem  Bereich  keine 
Gefaßbäumchen  erkennen.  Akneknoten  oder  Pusteln,  Komedonen 
fehlen. 

Als  fernerer  Punkt  dagegen  spricht  das  Übergreifen 
des  Prozesses  auf  die  Oberlippe,  was  beim  Rhinophym 
nicht  vorkommt  imd  als  entscheidendes  Moment  die 
Rhagaden  undUlzerationen  an  der  Nase,  an  den  Wangen 
und  vor  allem  auf  der  Oberlippe,  wo  sie  in  großer  Ausdehnung 
vorhanden  sind. 

Abgesehen  von  der  großen  flächenhaften  Narbe  auf  der 
Nasenbeinhaut,  die  nach  der  Anamnese  auf  einen  Fall  auf  das 
Gesicht  zurückgeführt  werden  muß;  zeigt  der  Prozess  an  ver- 
schiedenen Teilen  mehrweniger  große  zirkumskripte  und  streifen- 
förmige Narben,  die  aber  zum  großen  Teile  doch  auf  Rechnung 
der  früher  stattgehabten  Scarificationen  und  Galvanokauteri- 
sationen  gesetzt  werden  müssen,  obgleich  nicht  von  der  Hand 
zu  weisen  ist,  daß  einzelne  von  ihnen  spontane  Heilungs- 
resultate bestandener  Geschwüre  sein  können.  Diagnostisch 
konnten  sie  aber  nicht  verwertet  werden. 

So  wurde  denn  die  Diagnose  Elephantiasis  luetica 
gestellt  und  die  Behandlung  mit  Jodkali  intern  und  lokal  mit 
Umschlägen  mit  essigsaurer  Tonerde  eingeleitet.  Von  einer 
energischen  Inunktionskur  wurde  bei  dem  hohen  Alter  des 
Patienten  (77  J.)  umsomehr  Abstand  genommen,  als  die  Er- 
scheinungen keine  lebensgefährdende  waren. 

unter  dieser  Therapie  gingen  nun  die  Erscheinungen  im  Yerlaofe 
von  50  Tagen  wesentlich  zurück.  Die  befallenen  Teile  verloren  sunachst 
ihre  harte  Konsistenz  und  wurden  weich,  wodurch  die  Funktion«- 
behinderungen,  in  erster  Linie  das  erschwerte  Kauen,  ferner  die  Be- 
weglichkeitsbeschränkung der  Lippen,  die  undeutliche  Sprache  und  das 
Spannungsgefnhl  beseitigt  wurden.  Die  knotigen  Erhabenheiten 
wurden  kleiner,  flacher  und  auf  der  nun  weicher  und  glatter 
gewordenen  Unterlage  ebenfalls  weich.    Die  schmerzhaften  Rhagaden 


I 


104  Trantmann. 

und  die  Ulierationen  vernarbten,  die  Farbe  bat  an  Intensität 
verloren  nnd  ist  beller  ii^eworden.  Die  Nasenlöeber  sind  roweitert,  die 
noeb  verdickte  Scbleimbant  weicb.  In  der  Nasenböble  sonst  nichts 
abnormes. 

Das  ganze  Bild  ist  ein  anderes  geworden;  es  zeigt 
sich  im  Stadium  des  fortscbreitenden  Zurückgebens,  der 
Heilung.    Die  antiluetiscbe  Behandlung  batte  also  Erfolg. 

Nachdem  nun  aaf  diese  Weise  die  Diagnose  Lues  gesicbert 
erschieD,  handelte  es  sich  noch  um  Feststellung  der  syphili- 
tischen Form.  Hiebei  folge  ich  den  differential-diagnostischen 
Leitsätzen  Mraieks. 

Ein  induratives  Ödem  war  auszuschließen,  anam- 
nestisch sowohl,  als  aus  dem  Mangel  der  Anschwellung  der  be* 
nachbarten  Lymphdrüsengruppen.  Außerdem  war  der  ganze 
Prozess  yiel  zu  diffus. 

Dagegen  kam  in  Frage,  ob  die  elephantiastische  Bfiß- 
gestaltung  auf  einen  Convolut  aneinander  gereihter  und  zum 
Teil  einzeln  stehender  Gummiknoten  beruhte,  oder  jene  syphi- 
litische Elephantiasis  darstellte,  die  eine  Sekundärerscheinung 
—  eine  Bindegewebswucherung  —  bei  yorhandenem  Gummi  ist, 
oder  ob  man  es  mit  einer  gummösen  Gewebsinfiltration,  mit 
einem  Syphiloma  hypertrophicum  diffusum,  zu  tun  hatte. 

Diagnostisch  bieten  diese  drei  Arten  manchmal  wenig 
Unterschiedliches,  indem  sie  alle  das  Bild  einer  mehr  oder 
weniger  gleichmäßigen  Infiltration  zeigen  können.  Die  differen- 
tiellen  Merkmale  werden  hingegen  erst  bei  weiterer  Beobachtung 
des  Falles  und  zwar  in  seinem  speziellen  Verhalten  gegen  die 
wirksame  antiluetische  Therapie  deutlich.  So  auch  in  dem 
beschriebenen  Falle. 

Bei  Vorhandensein  des  ersten  Zu  Standes  hätten  wir 
Geschwüre  Yor  uns,  die,  wie  Mraöek  sagt,  grubig  vertieft 
sind  und  den  einzelnen  Centren  der  erweichten  Knoten  ent- 
sprechen. Durch  die  Behandlung  würde  sich  die  ganze 
Schwellungspartie  bei  der  Livolution  wiederum  in  eine  Summe 
einzelner  sieht-  oder  fühlbarer  Knoten  aufgelöst  haben. 

Im  zweiten  Falle  wären  durch  das  JK  wohl  die 
Gummi  zurückgegangen,  aber  die  starre  Bindegewebswucherung 
wäre  unbeeinflusst  geblieben  und  es  hätte  sich  ein  Zustand 
Ton  Furchen  oder  Vertiefungen  als  Heilungsresultat  der  ersteren 


r 


Über  ein  von  der  Nase  ausgehendes  Syphiloma  etc.  105 

und  Ton  Leisten  oder  Höckern  als  bleibender  Zustand  der 
letzteren  herausgebildet.  Man  darf  immerhin  nicht  vergessen, 
daß  durch  teilweise  spontane  Atrophie  der  gummösen  Infiltration 
auch  bei  der  dritten  Art,  dem  diffusen  hypertro- 
phischen Syphilom,  im  Verlaufe  sehr  langen  Bestehens, 
nicht  aber  während  der  Therapie^  ein  ähnliches  Bild  entstehen 
könnte.  Ein  solches  war  aber  in  unserem  Falle  weder  vor, 
noch  während  der  Behandlung  in  diesem  Sinne  vorhanden. 
Die  verschiedenen,  zum  Teil  auch  unregelmäßigen  Erhaben- 
heiten —  neben  der  gleichmäßigen  Infiltration  —  finden  wir  auch 
beim  Syphiloma  hypertrophicum  diffusumu  Wir  wissen  (M  r  a  £  e  k), 
daß  die  Haut  über  diesen  meistens  im  subkutanen  Zellgewebe 
entstandenen  Infiltraten  an&ngs  kaum  verändert,  nach  längerem 
Bestände  lividrot  geworden  ist,  bei  gesteigertem  Fortschreiten 
der  Erkrankung  papilläre  Exkreszenzen  entstehen.  Auch  können 
typische  Gummi  voraus  und  nebenher  gehen.  Damit  kann  man 
also  wohl  in  unserem  Falle  die  weniger  einzelnen  Erhabenheiten 
erklären. 

Bei  unserem  Patienten  hatten  wir  in  der  Hauptsache  eine 
gleichmäßige,  starre  und  harte,  eine  gummöse  Infiltration  und 
Hypertrophie  der  erkrankten  Partien  vor  uns. 

Was  die  Geschwüre  betrifft,  so  waren  dieselben  keine 
gummösen  Zerfallsprodakte.  Vor  der  Behandlung  waren  dieselben 
seichte,  längliche,  unregelmäßige  Substanzverluste,  auch  tiefere 
Rhagaden,  jedoch  nicht  in  dem  Grade,  daß  damit  eine  Infiltrats- 
einschmelzung eingeleitet  wurde. 

Diese  Ulzerationen  waren  auch  an  Stellen,  die  einer  von 
außen  gesetzten  Läsion,  z.  B.  an  der  Nasolabialfalte  und  einer 
Zerrung,  z.  B.  an  den  Mundcommissuren  zugänglich  waren. 
Diese  Geschwüre  entstehen  auch  durch  anämische  Nekrose, 
wenn  durch  die  gummöse  Infiltration  daselbst  den  Gefässen 
die  Emährungsmöglichkeit  abgeschnitten  ist,  sei  es,  daß  sie 
zerstört  oder  verlegt  sind.  Diese  Art  von  Geschwüren  können 
zwar  auch  beim  Gummi  vorkommen,  aber  ausnahmsweise,  da- 
gegen beim  diffusen,  hypertrophischen  Syphilom  in  der  Kegel. 
(Virchow,  Geschwülste,  pag.  402,  Mraöek  1.  c.) 

Die  Ausbreitung  des  Prozesses  fand  von  der  Nase  aus, 
als  Zentrum  peripherisch  auf  die  Wangen  und  die  Ober- 


106  Trautmann. 

lippe  statt,  wie  es  bei  der  letztgenannten  Form  der  Fall  zu 
sein  pflegt. 

Dementsprechend  war  auch  die  äußere  Mißgestaltung  eine 
elephantiastische,  leontiasisartige  und  hiedurch  die  oben  ge- 
nannten Störungen  verursacht. 

Auf  Grund  dieses  Tatbestandes  scheint  es 
berechtigt,  in  vorliegendem  Falle  die  Diagnose 
aufSyphiloma  hypertrophicum  diffusum,  als  einer 
besonderen  Art  der  Elephantiasis  syphilitica  zu 
stellen. 

Die  Involution  der  gummösen  Infiltrate  ist  eine  sehr 
langsame,  und  um  sie  vollständig  zum  Schwinden  zu  bringen, 
ist  bei  der  Hartnäckigkeit  des  Leidens  eine  langdauemde, 
antiluetische  Behandlung  notwendig.  Wir  sehen  jedoch  aus 
den  oben  angeführten  Fällen  Mraßeks,  daß  schon  nach  ver- 
hältnismäßig kurzer  Zeit  (20  und  30  Tage)  eine  Rückbildung 
zu  konstatieren  ist,  und  diese  ist  doch  das  Anfangsstadium  der 
Heilung.  Auch  in  unserem  Falle  ist  nach  einer  Behandlung 
von  50  Tagen  eine  völlige  Heilung  noch  nicht  erreicht,  aber 
eine  gauz  wesentliche  Besserung  eingetreten  von  der  Art,  wie 
wir  sie  oben  geschildert  haben. 

Möglich  ist  es  femer  auch,  daß  die  durch  die  Ohra£fektion 
bedingte  Gehörstörung  im  Zusammenhang  mit  Lues  steht.  Eine 
merkliche  Besserung  derselben  bat  sich  unter  der  JK- Behandlung 
bis  jetzt  nicht  gezeigt,  was  aber  nicht  dagegen  spräche. 

Hinsichtlich  der  Beziehung  des  Rhinophyma  zur  Syphilis, 
speziell  zur  gummösen  Infiltration,  läßt  es  sich  wohl  kaum 
entscheiden,  ob  die  hypertrophischen  Talgdrüsen  oder  das 
gewucherte  Bindegewebe  gummös  entartet  werden,  und  es  so 
zur  Infiltration  ganzer  Gewebe  kommen  kann,  oder  ob  hier  der 
locus  minoris  resistentiae  (Rhinophym  und  früheres  Trauma) 
eine  Rolle  spielt. 


Erwiderung  zu  dem  Nachtrag  der  Arbeit 
F.  V.  Waldheims:  „Haemangeiidothelioma 

cutis  papulosum''. 

Von 

Dr.  A.  Gassmann, 

Spesialarit  fVr  Haatkra&kheiten  in  Basel  an<1  I^nkcrb«d. 


Im  Band  LX,  Heft  2  dieser  Zeitschrift  macht  y.  W  a  1  d  - 
heim  im  Nachtrag  seines  Aufsatzes  so  ungerechtfertigte  Aus- 
setzungen an  meiner  im  Band  LYIII  dieses  Archivs  erschie- 
nenen Arbeit:  Fänf  Fälle  von  Naeyi  cystepithelio- 
matosi  disseminati,  daß  ich  mich  zu  einer  Entgegnung 
genötigt  sehe. 

Dieser  Autor  bezweifelt  zunächst  die  Identität  meiner 
Fälle  mit  denen  von  Kaposi,  Jacquet-Darier  etc.,  und 
meint,  dieselbe  hätte  von  mir  erst  bewiesen  werden  müssen. 
Das  glaubte  ich  in  der  Tat  nicht  nötig  zu  haben;  denn  das 
histologische  Bild  des  y^Idradenome''  ist  ja  jetzt  schon  ganz 
allgemein  bekannt.  Die  charakteristischen  Zellstränge  mit  den 
„KoUoidcysten"  schützen  vor  der  Vei-wechslung  mit  andern 
Affektionen;  sie  waren  in  allen  meinen  Fällen  in  typischer 
Ausbildung  vorhanden.  Die  von  mir  als  besonders  bemerkens- 
wert hervorgehobenen  Auswüchse  des  Epithels  fanden  sich 
in  fast  allen  meinen  Fällen,  und  zwar  neben  den  genannten 
Bildungen;  sie  unterscheiden  sich,  wie  aus  einem  Vergleich 
mit  Jaris eh 8  Bildern  hervorgeht,  von  dessen  Trichoepitheliom, 
das  auch  mir  wohlbekannt  ist,  vollständig;  das  letztere  weist 
bekanntlich  auch  keine  ,,Kolloidcysten''  auf. 

Auch  zugegeben,  daß  die  klinische  Diagnose  des  „Idrade- 
nome''  nicht  immer  mit  Sicherheit  gestellt  werden  kann,  so  ist 
doch  die  histologische  eine  ganz  sichere  und  in  jedem  meiner 
Fälle  sofort  ^zu   stellen.    Es  ist  absolut  ausgeschlossen,    daß 


108  OaBsmann. 

auch  nar  in  einem  derselben  ein  „Syringo-  oder  Tricho-£pi- 
theliom"  in  dem  bisherigen  Sinne  dieser  Worte  vorgelegen  hat. 

Ich  habe  nun  in  dem  vom  untern  Augenlid  stammenden 
Stück  meines  Falles  I  nachgewiesen,  daß  eine  typische  „Kolloid- 
cyste^  des  Hidradenoms  durch  einen  gewundenen,  zylindrischen 
Epithelstrang  mit  der  Epidermis  in  direktem  Zusammenhang 
steht.  Dieser  Nachweis  ist  —  yorausgesetzt,  daß  Serienschnitte 
überhaupt  etwas  zu  beweisen  im  stände  sind,  was  man  kaum 
bezweifeln  darf  —  in  meinem  Fall  absolut  sicher  und  über- 
haupt ungleich  leichter  zu  führen,  als  der  Nachweis  eines  Zusammen- 
hangs mit  Endothelzellen.  Die  einzige  Möglichkeit  eines  Irrtums 
bestände  darin,  daß  es  bislang  noch  nicht  bekannte  strang- 
förmige  Epithelauswüchse  gäbe,  die  mit  den  Hidradenom- 
KoUoidcysten  identische  Gebilde  einschließen,  dennoch  aber 
von  dem  Hidradenom  verschieden  sind.  Zu  dieser  Annahme 
ist  jedoch  bis  zur  Stunde  niemand  berechtigt,  und  ich  halte 
demnach  durch  diesen  einzelnen  Befund  den  Be- 
weis für  erbracht,  daß  alle  Hidradenome  als  Epi- 
theliome anzusehen  sind.  Das  ist  ein  log isch  völlig  be- 
rechtigter Schluß,  den  auch  v.  Waldheims  Zweifel  nicht  zu 
erschüttern  vermögen.  Es  würde  doch  den  herrschenden  An- 
schauungen der  Pathologie  widersprechen,  wenn  man  annehmen 
wollte,  daß  gleichaussehende  Geschwülste  das  einemal  durch 
Wucherung  der  Epidermiszellen,  das  anderemal  durch  Aus- 
wachsen des  Gefäßendothels  entstehen  können. 

Die,  Schweißdrüsengängen  ähnlich  sehenden,  von  denselben 
aber  durch  den  Mangel  eines  Lumens,  die  vielfachen  gewun- 
denen Verästelungen  und  das  ungleichmäßige  Kaliber  ver- 
schiedenen, Epithelauswüchse  der  Fälle  I,  II,  III,  IV,  bei  denen 
ein  Zusammenhang  mit  Cysten  nicht  bestand  oder  zweifelhaft 
(s.  Taf.  XI,  Fig.  2)  war,  liefern  zwar  nicht  einen  Beweis  für 
den  früher  vorhandenen  Zusammenhang  der  Cysten  mit  dem 
Epithel,  sind  aber  doch  au£faUig  genug,  um  als  Stütze  dieser 
Annahme  erwähnt  zu  werden,  v.  Waldheim  will  auch  nicht 
zugeben,  daß  das  Vorhandensein  der  Kömchen  in  den  Geschwulst- 
zellen, welche,  wie  ich  nachgewiesen  habe,  in  manchen  Farb- 
reaktionen mit  dem  Keratohyalin  übereinstimmen,  für  die  epi- 
theliale Natur  der  Geschwulst  spreche,  da  „eine  solche,  in 
Kügelchen  auftretende  hyaline  Degeneration  auch  den  Zellen 
der  Bindesubstanzen  eigen  ist".  Ich  kenne  solche,  die  von 
mir  erwähnten  färberischen  und  chemischen 
Keaktiouen  gebende  Kügelchen  in  Bindegewebs- 
zellen nicht. 

Es  ist  auch  nicht  sicher,  ob  die  von  v.  W.  gesehenen, 
manchmal    „die    Größe    roter    Blutkörperchen     erreichenden^ 


Erwiedemog  za  dem  Nachtrag  dor  Arbeit  F.  v.  Waldheim.      109 

„hyalinen  Tröpfchen''  mit  meinen  Körnchen  identisch  sind,  da 
er  Ton  ihnen  nur  sagte,  daß  sie  sich  „mit  Eosin  hellrot  färben  **. 

Wenn  v.  Waldheim  meint,  daß  „der  Mangel  jeglicher 
Kernwucherungen  an  den  Gefäßen  den  Fall  II  von  einer  Gleich- 
stellung mit  dem  Hämangendothelioma  J  arisch  ohne 
weiteres  ausschließt'',  so  stellt  er  diese  Kernwucherungen  als 
für  die  Diagnose  wesentlichsten  Bestandteil  hin.  Nun  er- 
wähnen diesen  Befund  von  den  bisherigen  Autoren  nur  Jarisc  b, 
Elschnig,  Wolters  und  Guth;  aber  auch  sie  scheinen  in 
ihm  nicht  die  Conditio  sine  qua  non  zu  sehen ;  wenn  ich  einen 
Fall  mit  charakteristischen  Strängen  und  Cysten  ohne  diese 
Veränderung  finde,  so  scheint  mir  dies  eher  gegen  ihre  prin- 
zipielle Bedeutung  zu  sprechen. 

Y.  W.  schreibt:  „Bedenkt  man,  daß  6.  nicht  einen 
Fall,  sondern  gleich  fünf  Fälle  mit  nicht  weniger  als  zirka 
1000  Präparaten  untersucht  hat,  daß  unter  diesen  einige  gar 
nicht  hierher  gehörige  Epitheliome  sich  befanden  (was  ich  oben 
schon  widerlegt  habe),  so  werden  seine  negativen  Resultate 
bezüglich  der  direkten  seitlichen  Endothelwucherungen  nicht 
Wunder  nehmen.''  Je  mehr  Material  man  hat  —  und  die  Naevi 
cystepitheliomatosi,  besonders  der  unteren  Lider,  sind  keines* 
wegs  so  selteUi  wie  v.  W.  anzunehmen  scheint  —  um  so  eher 
hat  man  Hoffnung,  etwas  zu  finden,  was  wirklich  existiert,  wenn 
man  nur  gründlich  sucht  —  das  letztere  zu  bezweifeln,  dazu 
hat  doch  v.  W.  kein  Kecht. 

Ich  habe  hervorgehoben,  daß  auch  ich  in  vier  Fällen 
diese  als  „Endothelwucherungen*^  angesprochenen  Kernver- 
mehrungen um  die  Gefäße  herum  gesehen  habe,  dieselben  aber 
nicht  als  solche  anerkenne  und  mich  auch  von  dem  „Übergang" 
derselben  in  Hidradenomstränge  nicht  überzeugen  konnte« 

Eine  Kapillare  besteht  aus  einer  Lage  mit  den  Proto- 
plasmaleibem  aneinander  stoßender  Endothelzellen ;  darauf 
liegen  die  Perithelzellen.  Wie  in  aller  Welt  will  v.  Wald- 
heim  beweisen,  daß  die  Kerne,  welche  in  der  Affektion  dicht 
gedrängt  um  das  Endothelrohr  herum  liegen,  vom  Endothel 
stammen  und  nicht  vom  Perithel? 

Weder  durch  Abbildungen,  noch  durch  Beschreibung  — 
die  übrigens  nach  seiner  Meinung  immer  nur  subjektive  Deu- 
tung ist  —  erwähnt  er  einen  Protoplasmaleib  der  gewucherten 
„Endothelien".  Erst  dann  könnte  man  annehmen,  daß  es  solche 
seien,  wenn  ihr  Protoplasmaleib  unmittelbar  an  denjenigen  der 
Kapillarendothelien  oder  solcher  Zellen,  die  mit  den  letztern  in 
gleicher  Weise  zusammenhängen,  anstößt.  Das  Nebeneinander- 
liegen  von  Kernen  kann  hier  nichts  beweisen,  sondern  nur  das 
unmittelbare  Aneinanderliegen  der  Zellleiber.  Hiervon  eiwäbnt 
der  Autor  nichts.  — 


110  Gassmann. 

Ihm  erscheioen  ferner  „die  durchscheinenden  Knötchen^ 
meiner  Fälle  II  und  III  yerdächtig.  Hierzu  ist  kein  Grund 
vorhanden.  In  manchen  Fällen  ist  diese,  wenn  auch  gering- 
gi'adige,  Transparenz  deutlich;  das  kann  auch  nicht  be- 
fremden, wenn  man  weiß,  daß  in  vielen  Knötchen  eine  oft  recht 
stark  ausgesprochene  Elnstinentartung  anzutreffen  ist  Sehr 
transparent,  geradezu  vesiculiform,  können  die  Knötchen  werden 
(wie  dies  in  Fall  I  zu  sehen  war),  wenn  sich  in  denselben 
Schweißgangcysten  finden. 

In  Bezug  auf  den  übrigen  Teil  der  Arbeit  v.  Waldheims 
kann  ich  mich  kurz  fassen.  Der  von  ihm  beigebrachte  histo- 
logische Befund  stellt  im  Wesentlichen  eine  Wiederholung  des 
bereits  von  andern  Autoren,  speziell  Wolters,  erhobenen  dar. 
Merkwürdigerweise  scheint  ihm  nicht  besonders  bemerkenswert 
der  Umstand,  daß  er  einmal  »häufig  eine  längsgetroffene,  breit- 
wandige Kapillare  in  ihrer  Längsrichtung  als  soliden,  kein  Lumen 
enthaltenden  Zellstrang  sich  fortsetzen^  sieht,  also  den  Yon 
J  a  r  i  s  c  h  behaupteten  und  von  Wolters  bestrittenen  Modus  der 
,,  Endothel  Wucherung  **  findet,  andererseits  aber  auch  den  von  Wol- 
ters beschriebenen  Modus  entdeckt,  der  darin  besteht,  daß  „die 
Endothelwucberung  ohne  Verengerung  oderVerstopfung  des  Lumens 
zunächst  zu  nach  außen  drängender  Verdickung  der  Wandung 
fuhrt  und  hernach  aus  diesen  ge  wucherten  Gefäßwänden  seitlich  so- 
lide Zellsträngc  sprossen,  welche  durch  erneute  Wucherung  Zell- 
kugeln bilden **.  —  Vereinzelt  steht  v.  Waldheim  da  mit 
seinem  Befund  „stark  gefärbter  einkerniger  Rundzellen''  in- 
mitten der  „Endothel Wucherungen"  und  denjenigen  ^^zahlreicher 
verschieden  gestalteter  epitheloider  Zellen"  in  der  Cutis. 

Ich  sehe  mich  somit  zu  der  Erklärung  gezwungen,  daß 
ich  meine  Darstellung  v.  Waldheims  Einwendungen  gegen- 
über in  allen  Punkten  aufrecht  erhalten  muß. 


ßeriGM  über  die  Leistunpn 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis. 


Verhandlungen  der  Berliner  dermatologisclien 

Gesellschaft. 

Sitzang  vom  4.  März  1903. 

Yonitzender:  Lesser.  Sohriftfahrer:  Saalfeld. 

1.  Plonski  stellt  aus  der  Lassar'schen  Klinik  einen  Knaben  von 
14  Jahren  vor,  welcher  seit  Sentember  voriffen  Jahres  an  einem  Erythema 
striatam  leidet.  Die  Affelction  hat  ihren  Sitz  auf  dem  Handrücken, 
den  Fingern,  auf  dem  linken  Unterschenkel,  and  anoh  auf  dem  Gk«icht 
zeigen^  sich  strichförmige  Rötungen.  Der  Knabe  ist  vollkommen  gesnnd. 
Eine  Ätiologie  ist  nicht  vorhanden.  Die  Affektion  bestand  unanter- 
brochen,  nor  einmal  soll  eine  vierwöchentliche  Paase  eingetreten  sein. 
Die  Erscheinungen  bilden  sich  von  selbst  zurück  oder  bleiben  wochen- 
lang unverändert  bestehen.  Die  Affektion  gehört  in  die  Gruppe  des 
Erythema  exsudativum  multiforme.  Nicht  nur  in  der  äußeren  öestalt. 
sondern  auch  in  der  Dauer  der  Zeit  besteht  ein  Unterschied:  während 
beim  gewöhnlichen  Erythema  exsudativum  die  Hauterscheinungen  in 
14  Tagen,  länptens  in  vier  Wochen  ohne  Behandlung  schwinden,  bleiben 
dieselben  in  diesen  Fällen  wochenlang  bestehen  oder  bilden  sich  zurück, 
um  durch  neue  sofort  ersetzt  zu  werden.  Die  Möglichkeit,  an  Kunst- 
Produkte  zu  denken,  hält  P.  für  ausgeschlossen. 

Heller  glaubt,  dafi  man  diesen  Fällen  gegenüber  große  Vorsicht 
beobachten  muß.  Er  hat  einen  analogen  Fall  bei  einem  Mädohen 
beobachtet,  welches  in  verschiedenen  Kliniken  als  Erythema  striatum 
demonstriert  worden  war.  In  diesem  Falle  gelang  es  durch  Versprechun- 
gen Eruptionen  an  ganz  bestimmten  Stellen  hervorzubringen.  Als  nun 
der  Versuch  gemacht  wurde,  die  Erscheinungen  auch  an  Stellen  auftreten 
zu  lassen,  wo  es  schwer  war  hinzugelangen,  traten  die  striohfSrmigen 
Konturen  nur  sehr  undeutlich  hervor.  Die  Heilung  ist  in  diesem  Fall 
durch  eine  energische  Züchtigung  von  Seiten  der  Eltern  erfolgt. 

Blaschko  behauptet,  daß  jedenfalls  der  Verdacht  eines  Arte- 
fakts in  diesem  Fall  vorliegt.  Die  Erscheinungen  erinnern  an  die  sog.  neurotic 
excoriations ;  jedenfalls  möchte  er  Bedenken  tragen,  die  Affektion  in  die 
(Gruppe  des  Erythema  exsudativum  einzureihen. 

Saalfeld  glaubt,  daß  eine  mikroskopische  oder  chemische  Unter- 
suchung der  Auflagerungen  über  die  Ätiologie  einen  Aufschluß  gewährt, 
indem  dadurch  vielleicht  eine  äußere  Noxe  nachgewiesen  wird. 

Plonski  hat  nach  einer  äußeren  Schädlichkeit  gesucht,  indessen 
keinerlei  Aufschluß  erhalten.    P.  kennt  keine  andere  Krankheitsgruppe, 

Areb.  f.  Dermat.  a.  Syph.  Bd.  LXIII.  q 


114  y  erhandlangen 

in  welche  diese  Fälle  eingereiht  werden   könnten,   die   sich   durch   das 
Auftreten  eines  Erythems  und  einer  Ezsudation  auszeichnen. 

2.  Fischel  stellt  einen  Fall  yon  Naevus  sebaceusam  Kopf  vor  und 
erinnert  an  die  Fälle,  welche  von  Jadassohn  und  Bender  beschrieben 
worden  sind.  Ob  es  f  ich  um  einen  Naevus  handelt,  kann  nur  durch  die 
klinischen  Momente  festgestellt  werden;  mikroskopisch  besteht  kein 
Unterschied  vom  Adenoma  sebaceum.  Beim  vorgestellten  Fall  soll  die 
Afifektion  von  Jugend  an  vorhanden  sein.  Was  das  histologische  Bild 
anbetrifft,  so  besteht  an  verschiedenen  Stellen  eine  kleinzellige  Infiltration, 
die  zum  Teil  entzündlicher  Natur  ist,  außerdem  findet  man  ziemlich 
große  Sohweißdrüsencysten^  die  aber  nichts  Charakteristisches  haben. 

8.  Fischel  stellt  einen  Patienten  vor,  welcher  einen  Lupus 
vulgaris  in  der  Umgebung  des  Anus  hat  und  welcher  sich  durch 
seine  scharfe  Abgrenzung  auszeichnet,  so  daß  man  geneigt  wäre,  an  ein 
Ekzema  marginatum  zu  denken.  Die  Affektion  besteht  seit  sieben  Jahren. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  eines  excidierten  Stückchens  ergab 
Tuberkulose.  Die  Affektion  reicht  nicht  ganz  an  die  Analschleimhaut 
heran.    Rektum,  Mund  und  Nasenschleimhaut  sind  normal. 

Plonski  erinnert  daran,  daß  diese  Form  häufig  bei  kleinen  Kindern 
vorkommt,  welche  mit  dem  bloßen  Gesäß  auf  der  Erde  herumrutschen 
und  so  das  sich  dort  befindliche  Sputum  einreiben. 

4.  Pinkui»  demonstriert  eme  Patientin  mit  Liehen  ruber 
verrucosus  des  linken  Unterschenkels.  Derselbe  ist  seit  Mitte  Dezember 
in  Beobachtung.  Da  wegen  des  hohen  Alters  der  Patientin  eine  Arsen- 
behandlung nicht  eingeleitet  wurde,  so  konnte  beobachtet  werden,  daß 
die  Affektion  sich  vom  Unterschenkel  über  das  Knie  und  von  dort  aus 
auf  die  Hinterseite  des  Oberschenkels  ausdehnte.  Während  am  Unter- 
schenkel die  Affektion  dem  Verlauf  der  inneren  Voigt^schen  Grenzlinie 
sich  näherte,  war  der  Verlauf  am  Oberschenkel  dieser  Linie  nicht  ent- 
sprechend. Ob  die  Affektion  mit  einer  der  übrigen  Beg^enzungs-  und 
Kichtungslinien  zusammenflült,  läßt  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen. 
Am  ehesten  entspricht  noch  die  Ausbreitung  dem  Gebiete  des  zweiten 
Sakralsegments,  wie  es  in  der  Blaschko'schen  Zoster-Arbeit  angegeben  ist. 

5.  R.  Isaae  II  stellt  eine  88jährige  Patientin  vor  mit  einem  sehr 
ausgebreiteten  ulcerösen  Syphilid  an  der  Haut  der  Stirn  und  des 
beluiarten  Kopfes.  Die  Patientin  hat  sechs  gesunde  Kinder  gehabt.  Die 
Anamnese  ist  absolut  negativ.    Der  übrige  Körper  ist  vollständig  frei. 

Lesser  erwähnt,  daß  er  augenblicklich  einen  Fall  in  Behandlung 
hat,  bei  welchem  die  geschwürige  Zerstörung  der  Kopfhaut  noch  in 
erheblicherem  Maße  vorhanden  ist.  In  seinem  Fall  war  die  Patientin 
sieben  Monate  von  einem  Homöopathen  behandelt  worden. 

6.  Lesser  berichtet  über  eine  schwere  Quecksilberver- 
giftung. Die  86jährige  Patientin  erkrankte  Weihnachten  1901  an  einem 
Ausschlag  an  den  Genitalien  und  auf  der  Stirn,  nachdem  sie  von  ihrem 
Mann  infiziert  worden  war.  Der  behandelnde  Arzt  machte  drei  Ein- 
spritzungen von  Sslicyl-Quecksilber  und  zwar  von  einer  Emulsion  von 
3  :  30  Paraffinum  liquidum.  Am  8.  Jänner  erhielt  die  Patientin  V,  und 
am  7.  und  11.  je  ein  Gramm,  so  daß  die  Patientin  im  ganzen  0*25 
Hydrargyrum  salicylicum  erhielt.  Bald  nach  der  dritten  Injektion  stellte 
sich  Durchfall  ein,  welcher  von  dem  ordinierenden  Arzt  mit  Opiaten 
behandelt  wurde.  Der  Durchfall  besserte  sich  nicht  und  am  4.  Feber 
zeigte  sich  ein  neuer  akut  auftretender  AusBchlag.  Infolge  dessen  ließ 
sich  die  Patientin  in  die  Charite  aufnehmen.  Das  Exanthem  war  der 
Typus  eines  Quecksilber-Erythenis,  welches  hauptsächlich  auf  dem  Humpf 
lokalisiert  war.  Eigentümlich  war,  daß  dasselbe  sich  erat  drei  Wochen 
nach  der  letzten  Einspritzung  zeigte.  Der  weitere  Verlauf  war  folgender: 
Das  Erythem   ging  nach  acht  Tagen  wieder  zurück  und  war  von  einer 


der  Berliner  dermatolog^scben  Gesellschaft.  115 

sehr  reichlichen  Abschnppang  gefolgt  Die  Haat  löste  sich  in  groden 
Fetsen  ab.  Der  Darchfall  bestand  noch  weiter ;  die  Stühle  waren  dünn 
wässrig.  Die  Behandlung  bestand  in  Klvsmata  von  Kieienwasser  and  Tannin. 
Hierdoroh  besaerten  sich  die  Diarrhöen  und  nach  14  Tasen  befand 
sich  die  Patientin  in  einem  leidlichen  Zustande,  nachdem  das  Fieber, 
welches  anfäoglich  bis  auf  40'4  gestiegen  war,  allmählich  herabgegangen 
war.  Am  90.  Febr.  war  die  Patientin  fieberfrei.  Der  Urin  war  schwach 
eiweißhaltig,  ungefähr  ^IaI^  ^^  ^7*  ^^^^^  stieß  sich  aus  der  Vagina 
ein  großer  Fetzen  ab.  Bei  der  Untersuchung  zeigte  es  sich,  daß  die 
untere  Vaginalschleimhant  bis  in  das  hintere  Scheidengewölbe  nekrotisch 
geworden  war.  Hiednroh  entstand  anoh  eine  Kommunikation  zwischen 
Vagina  und  Rektam,  welche  ungefähr  ein  für  einen  Finger  durchgängiges 
Loch  groß  war.  Bald  stellte  sich  wieder  hohes  Fieber  ein  und  der 
augenblickliche  Zustand  ist  ein  im  hohen  Qrade  besorgniserregender. 
Die  Temperatur  steigt  bis  auf  39*6,  die  Patientin  ist  sehr  herabgekommen, 
der  Pnls  140 — 150  Schläge  in  der  Minute. 

Bei  der  Besprechung  des  Falles  betont  L.,  daß  die  Enteritis 
mercnrialis,  das  Erythem  und  die  Gangrän  der  Schleimhaut  die  mer- 
kurielle  Ätiologie  über  jeden  Zweifel  hinstellen.  Die  Inkubation  ist 
allerdings  etwas  lang,  da  sie  mehrere  Wochen  beträgt,  indessen  sind 
Fälle  bekannt,  bei  denen  noch  nach  erheblich  längerer  Zeit  Intoxikations- 
Erscheinungen  aufgetreten  sind,  so  besonders  nach  Oleum  cinereum. 
Metallisches  Quecksilber  führt  eben  leichter  zu  einem  Depot,  das  längere 
Zeit  liegen  bleiben  kann.  Bei  Kalomel  und  Hydrargyrum  salicylicuiu 
geht  die  Überführung  in  eine  lösliche  Quecksilber  Verbindung  schneller 
YOD  statten  und  so  treten  nach  z.  B.  Kalomel  Intoxikationen  sehr  bald 
nach  der  Einspritzung  auf.  In  diesem  Falle  konnte  bei  dem  Suchen 
nach  dem  Depot  eine  mäßige  vielleicht  wallnußgroße  Schwellung  der 
linken  Hinter  oacke,  welche  deutlich  abgrenz  bar  war,  konstatiert  werden. 
Jedenfalls  muß  angenommen  werden,  daß  das  Hydrargyrum  salicylicum  — 
entgegen  dem  gewöhnlichen  Verhalten  —  ein  Depot  gebildet  hatte,  von 
welchem  auf  einmal  ein  Übergang  in  die  Blutbahn  erfolgte.  Bemerkens- 
wert ist  die  geringe  Dosis  von  0'25,  welches  die  Patientin  erhalten 
hatte,  während  gewöhnlich  die  vier-  bis  fünffache  Dosis  gegeben  wird. 
Was  die  Behandlung  anbetrifft,  so  wurde  von  einer  Exstirpation  des 
event.  Depots  Abstand  genommen  sowohl  wegen  der  geringen  Menge  des 
Quecksilbers  und  hauptsächlich  aus  dem  Grunde,  weil  die  Erscheinungen 
der  Intoxikation  schon  im  Rückgang  begriffen  waren  und  das  Fieber 
aufgehört  hatte.  Auch  war  der  Urin,  der  im  Anfang  sehr  stark  queok- 
silk^rhaltig  war,  bei  einer  späteren  Untersuchung,  welche  von  Salkowski 
ausgeführt  wurde,  quecksilberfrei.  Die  Operation  konnte  nur  eine  Xebeu- 
komplikation  schaffen.  Was  die  Ursache  anbetrifft,  so  muß  unbedingt 
eine  Idiosynkrasie  der  Patientin  gegeu  Quecksilber  angenommen  werden, 
da  im  Vergleich  zu  der  geringen  Dosis  die  Erscheinungen  außerordentlich 
schwere  waren.  Eine  Schuld  des  behandelnden  Arztes  liegt  in  keiner 
Weise  vor  —  er  hat  im  Gegenteil  im  Anfang  aus  Voi*sicht  nur  die  halbe 
Dosis  gefl^eben.  Als  mögliche  Erklärung  führt  L.  noch  an,  daß,  wenn 
man  nach  dem  Umschütteln  der  Emulsion  zufälligerweise  mit  der  Spritze 
aus  dem  tieferen  Teile  der  Flasche  die  Flüssigkeit  aufsaugt,  möglicher- 
weise das  Quecksilber  nicht  im  Verhältnis  von  1 :  10,  sondern  vielleicht 
von  2 — 3 :  10  vorhanden  ist.  Nach  dieser  Richtung  hin  liegen  Beobach- 
tungen vor,  wo  Vergiftungen  beim  letzten  Patienten  eintraten,  nachdem 
8  oder  10  Kranke  hintereinander  vorher  eingespritzt  waren.  Auch  lautete 
die  Verordnung  von  3  :  30.  Die  Möglichkeit  einer  stärkeren  Konzentra- 
tion liegt  auch  bei  einer  schmaleren  Flasche  eher  vor,  als  wenn  man  eine 
kleine  Menge  1  :  10  aus  einer  breitereu  Flasche  anwendet.  L.  zieht  auch 
das  Oleum  olivarum  dem  Paraffin  vor,  da  dasselbe  dicker  ist  und  sich 

8* 


\lß  Yerhandlnngen 

mit  ol.  oliy.  die  Emalsion  länfferbält.  Jedenfalli  maß  auf  diese  Momente  beson- 
ders geachtet  werden.  —  Was  nun  die  Frage  anbetrifft,  ob  diese  Fälle  Yer- 
anlassang  geben  sollen,  die  Einspritzungen  mit  anlötliehen  Qaeckailber- 
salzen  gänzlich  aufzageben,  so  sieht  L.  in  denselben  nicht  nnr  einen 
Ersatz  fär  die  Schmierkar  und  die  löslichen  Queoksilberverbindungen, 
sondern  spricht  denselben  in  bestimmten  Fällen  einen  großen  Vorzug 
vor  allen  andern  Behandlungsmethoden  zu.  So  bedauerlich  auch  der 
Fall  als  solcher  ist,  so  ist  derselbe  nicht  anders  zu  beurteilen  als  z.  B. 
Chloroform-Todesfalle  bei  fehlerlos  ausgeführter  Narkose.  V^eder  die 
Karkose  noch  die  Behandlung  mit  unlöslichen  Quecksilbersalzen  sollen 
wegen  derartiger  Zwisohenfäfle  aufgegeben  werden. 

Lassar  legt  sich  die  Frage  vor,  ob  man  nach  einem  solchen 
einzelnen  Vorkommnis  nicht  noch  größere  Vorsicht  bei  der  Anwendnng 
des  Hydrargyrum  salicylicum  walten  lassen  muß.  Wie  kann  man  sich 
Tor  einem  derartigen  traurigen  Ausgang  schützen?  Welche  Indikationen 
berechtigen  zur  Anwendung  des  Mittels  und  wie  kann  man  sich  vor 
einer  Anklage  bewahren,  wenn  man  bei  mehr  oder  minder  schwerer 
Syphilis  den  Patienten  einer  derartigen  Behandlung  ausgesetzt  hat? 
L.  selbst  würde  sich  in  Zukunft  noch  mehr  als  bisher  besinnen,  grade 
dieses  unlösliche  Präparat  anzuwenden.  Wenn  auch  nur  ein  einsiges 
Mal  pro  Mille,  so  spricht  doch  dieser  traurige  ^Verlauf  zu  Ungunsten 
dieser  Behandlungsmethode. 

Rosenthal  hat  das  Hydrargyrum  salicylicum  seit  vielen  Jahren 
angewendet,  ohne  ungünstigere  Erfahrungen  mit  demselben  zu  machen 
als  mit  jeder  andern  Art  der  Behandlung  und  jedem  andern  Quecksilber- 
präpsrat.  Nach  Inunktionskuren  sind  ebenso  Todesfälle  bekannt  und 
auch  vor  Anklagen  bei  dieser  Behandlungsmethode  kann  man  sich  nicht 
schützen.  Man  darf  ein  Präparat,  welches  so  vielfach  mit  glänzendem 
Erfolg  angewendet  wird,  nicht  wegen  eines  einzelnen  Falles  gleich  über 
Bord  werfen  wollen.  Nebenwirkungen  kennen  wir  bei  fast  allen  Medi- 
kamenten, wie  dem  Chinin,  dem  Antipyrin,  dem  Morphium  u.  s.  w.  Das 
Hydrargyrum  wirkt  als  solches,  ob  in  löslichen  oder  unlöslichen  Salzen, 
und  diejenigen,  die  unlösliche  Salze  mit  Vorliebe  anwenden,  haben  sich 
davon  überzeugt,  daß  man  mit  denselben  für  eine  gewisse  Kategorie  von 
Patienten  größere  und  schnellere  Hilfe  bringt.  Der  von  Lesser  vorge- 
tragene Fall  kann  nur  dahin  gedeutet  werden,  daß  bei  der  Patientin 
eine  ausgesprochene  Idiosynkrasie  gegen  Quecksilber  vorhanden  war; 
dieselbe  hätte  sich  auch  bei  jeder  andern  Methode  zeigen  können.  Das 
Oleum  cinereum  hat  Rosenthal  nur  ganz  kurze  Zeit  angewendet,  weil 
er  sich  bei  der  Untersuchung  des  Urins  nicht  von  einer  gleichmäßigen 
Resorption  überzeugen  konnte.  Was  die  Anwesenheit  von  Eiweiß  im 
Urin  anbetrifft,  so  dürfte  von  besonderer  Bedeutung  sein,  ob  die  Nieren 
schon  vor  der  Ansteckung  nicht  normal  funktioniert  haben.  Hierdurch 
würde  die  Resorption  und  die  Ausscheidung  von  Seiten  der  Nieren  be- 
hindert gewesen  sein  nnd  eine  Intoxikation  verständlicher  machen. 
Ähnliche  Erfahrungen  haben  Rosenthal  veranlaßt,  jahrelang  bei  jedem 
einzelnen  Patienten,  bevor  irgend  eine  Kur  eingeleitet  wurde,  den  Urin 
auf  Eiweiß  untersucheo  zu  lassen;    wurde   nur  das    mindeste  gefunden, 


der  Berliner  dermatologisohen  Oesellschaft.  117 

80  wurde  die  Kur  mit  um  so  größerer  Vorsieht  begonnen.  Es  wäre 
interessant  zu  wissen,  ob  in  diesem  Falle  eine  Nierenaffektion  schon 
▼orher  vorlag. 

Lippmann  hat  sich  vor  der  Anwendung  des  Hydrargyrum 
salicylicum  immer  gescheut,  da  die  Resorption  der  unlöslichen  Präparate 
eine  unregelmäßige  ist.  Nur  wenn  durch  Einreibungen  und  lösliche 
Quecksilberpräparate  kein  Erfolg  erzielt  wird,  liegt  eine  Indikation  inr 
Anwendung  unlöslicher  Verbindungen  vor.  Auch  bei  den  stärker  pro- 
sentuierten  Sublimat-Iigektionen  zeigte  es  sich,  daß  eine  gleichmäßige 
Wirkung  nicht  eintrat;  in  einzelnen  Fällen  traten  ganz  unmotivierte 
starke  Durchfälle  ein.  Wenn  er  selbst  der  Patient  wäre,  würde  er  bei 
sich  keine  ungelösten  Salze  anwenden. 

Jap  ha  berichtet  über  einen  Fall,  welcher  nach  Anwendung  von 
nur  0*2  Hydrargyrum  salicylicum  letal  endete.    Der  Fall  ist  insofern  von 
Interesse,  weil  er  gleichzeitig  die  Ursache  erklärt,  warum  eine  sogenannte 
Idiosynkrasie  gegen  das  Mittel  bestand.    Der  Patieut  war  ein  kräftiger 
45j  ähriger  Mann,  welcher  plötzlich  auf  einer  Jagd  mit  Schwäche  in  den 
Beinen  erkrankte,  aus  welcher  sich  eine  Paraplegie  entwickelte.    Dazu 
gesellten    sich    Blasen-    und    Mastdsrmstörungen    und   Anästhesie   der 
Extremitäten  bis   zum    vierten  Lendenwirbel.    Man  nahm  eine  Myelitis 
an,    welche   möglicherweise   gonorrhoischer    Natur  sein  konnte,  da  ein 
Tripper  bestand.    Wegen  anderer  schweren  Erscheinungen   wurde  aber 
eine   antisyphilitische   Kur   eingeleitet   mit   Jodkali    und    Hydrargyrum 
salicylicum.    Am   Ende   der  ersten    Woche  nach   der  Iigektion  bekam 
Patient  heftige  Leibschmerzen,  welche   auf  eine   bestehende  Obstipation 
zurückgeführt  wurde.    Dieselbe  wurde  mit  hohen  Eingieß ungen  behandelt. 
Patient  bekam  dann  eine  zweite  Injektion.    An  demselben  Tage  stellten 
sieh  eiterige  Stühle  ein  und  zwei  Tage   darauf  starb   der  Patient.    Bei 
der  Sektion  fand  sich  eine  ziemlich   alte  Myelitis   syphilitischer  Katar, 
außerdem  eine  eiterige  Peritonitis,  die  die  Todesursache  war  und  Durch- 
brach von  dyssenterischem  Darminhalt  in  die  Bauchhöhle.   Die  Intoxikation 
erfolgte,  weil  infolge  der  bestehenden  Darmlähmnng   der  Patient  das  in 
den  Darm   ausgeschiedene   Quecksilber   nicht  entleeren   konnte.    Es  ist 
sicher,  daß  in  solchen  Fällen   die   Iigektion   von   Quecksilberpräparaten, 
vielleicht  die  Quecksilberbehandlung  überhaupt   ein    Eunstfebler  ist    In 
diesen  Fällen  sind  jedenfalls  Durchfalle  der  Verstopfung  vorzuziehen. 

Blaschko  polemisiert  gegen  den  Ausdruck  „Eunstfehler**.  Er 
erinnert  an  den  Fall  von  Jacusiel,  bei  welchem  nach  einmaliger  Ein- 
reibung von  grauer  Salbe  gegen  Pediculi  der  Tod  eintrat.  So  kann  in 
ganz  seltenen  Fällen  nach  einer  einzigen  Einreibung  das  geschehen,  was 
nach  Hydrargyrum  salicylicum  eintritt.  Die  Schwierigkeit  im  L  e  s  s  e  r'schen 
Falle  besteht  darin,  daß  die  Idiosynkrasie  erst  im  Verlauf  des  Falles 
eintrat  und  zwar  ziemlich  spät.  Möglicherweise  ist  das  Mittel  im  Anfang 
resorbiert  worden,  aber  die  Idionsynkrasie  ist  plötzlich  im  Laufe  der 
Behandlung  eingetreten.  Wir  wissen,  daß  solche  Idionsynkrasien  er- 
worben werden  können  und  plötzlich  auftreten.    So  bekam   ein   Patient 


118  YerhaDdluDgen 

TOD  ihm  nach  der  21.  Einreibung  plötzlich  eine  schwere  Intozikfttiony 
£rythema  mit  hohem  Fieber,  Durchfall  a.  b.  w.  Die  Ursache 
dieser  Idiosynkrasie  bestand  in  diesem  Falle  in  einem  heißen  Bad,  wodurch 
die  Haut  in  einen  anfierordentlichen  Reizznstand  geraten  war.  —  Auch 
in  einem  andern  Falle  traten  nach  der  26.  Einreibung  schwere  Intoxi- 
kationen ein.  Blaschko  macht  darauf  aufmerksam ,  daß  schon  vor  10  Jahren 
in  der  SociSte  de  Dermatologie  eine  Debatte  über  diese  späten 
Intoxikationen  stattfand,  obgleich  damals  in  Frankreich  mit  unlöslichen 
Präparaten  gar  nicht  behandelt  wurde.  Selbst  durch  allmäliches  Tor- 
sichtiges  Ausprobieren  kann  man  nicht  immer  erkennen,  ob  der  Patient 
eine  Idionsynkrasie  hat  oder  nicht;  jedenfalls  darf  die  Intoxikation  nicht 
dem  Präparat  zur  Last  gelegt  werden,  welches  Blaschko  in  etwa 
5000  Fällen,  ohne  irgend  eine  schwere  Form  der  Intoxikation  zu  erleben, 
angewendet  hat,  welches  von  Tarnowski  vielleicht  50.000  Mal  und  in 
den  letzten  Jahren  gewiß  millionenfach  angewendet  worden  ist.  Auch 
das  Sublimat  —  besonders  in  stärkerer  Lösung  —  ist  ein  unlösliches 
Quecksilberpräparat,  denn  in  dem  Augenblick,  wo  es  injiziert  wird, 
bildet  sich  Quecksilber-Eiweiß,  und  es  besteht  ein  unlösliches  Depot, 
von  dem  eine  Resorption  nicht  leicht  vor  sich  geht.  In  jedem  Fall 
muß  genau  geprüft  werden,  ob  das  Mittel  als  solches,  die  Form  des 
Mittels  oder  irgend  ein  unglücklicher  Zufall  die  Idionsynkrasie  hervor- 
gerufen hat.  Würde  der  wissenschaftliche  Nach  weis  geliefert  werden, 
daß  gerade  nur  die  unlöslichen  Präparate  solche  Zufälle  verursachen,  so 
müßte  man  diese  Therapie  als  eine  zu  gefiUirliche  verlsssen.  Bisher 
liegen  derartige  Beobachtungen  absolut  nicht  vor. 

Fischel  will  bei  den  unlöslichen  Quecksilberpräparaten  schwerere 
und  längere  Intoxikationserscheinungen  gesehen  haben  als  bei  den  anderen. 
Nach  seiner  Überzeugung  rührt  der  Grund  in  der  Anwesenheit  mehr- 
facher Depots  her. 

Saalfeld  möchte  darauf  hinweisen,  daß  in  dem  L es s ersehen 
Fall  möglicherweise  eine  Kombination  von  Quecksilber- Intoxikation  and 
Sepsis  vorlag,  besonders  da  in  einer  späteren  Untersuchung  Quecksilber 
im  Harn  nicht  mehr  nachweisbar  war.  Auch  ist  möglicherweise  die 
injektionsflüssigkeit  in  der  Konzentration  nicht  der  Vorschrift  entsprechend 
gewesen.  Saal  fei  d  hat  einen  Fall  erlebt,  in  welchem  der  Apotheker 
irrthümlicherweise  statt  einer  ViVo  ^i^^  ^7o  Lösung  angefertigt  hat 
Seit  dieser  Zeit  spritzt  Saalfeld  der  Vorsicht  wegen  immer  erst  ganz 
kleine  Dosen  ein.  Auch  er  möchte  unlösliche,  d.  h.  schwer  lösliche 
Quecksilberverbindungen  nur  dann  anwenden,  wenn  andere  Methoden 
zu  keinem  Erfolg  gefuhrt  haben.  Hierzu  sind  in  erster  Linie  die 
schweren  Fälle  alter  Syphilis  zu  rechnen,  für  welche  Fournier  die 
Kalomelbehandlung  empfohlen  hat.  Die  Bequemlichkeit  der  Methode 
für  den  Patienten  ist  kein  Argument  für  die  Anwendung  derselben. 
Nach  Oleum  cinereum  hat  Saalfeld  sehr  schwere  Intoxikationen  gesehen. 
Bei  einer  Inunktionskur  ist  man  jedenfalls   in    der   Lage,   das   auf  der 


der  Berliner  dermatologischen  Gesellschaft.  119 

Haut  abgelagerte  Quecksilber  besser  zu  entfernen  als  dasjenige,  welches 
sich  nach  einer  Einspritzung  in  dem  Körper  befindet. 

Lippmann  macht  noch  darauf  aufmerksam,  daß  eine  Sohmierkur 
jeden  Augenblick  unterbrochen  werden  kann,  daß  man  aber  bei  Injek- 
tionen den  Herd  nur  durch  einen  sehr  schweren  £ingri£f  event.  entfernen 
kann.  Was  den  schlechten  Ausgang  der  Fälle  anbetrifft,  so  sind  dieselben 
nicht  alle  der  Literatur  übergeben  worden. 

Heller  Mgt,  ob  Herrn  Blaschko  aus  der  Literatur  oder  aus  der 
Erfahrung  eine  einzige  schwere  Intoxikation  oder  ein  Todesfall  nach 
Sublimateinspritzungen  bekannt  ist. 

Blaschko  erwidert,  daß  er  so  wenig  Sublimatinjektionen  ge- 
macht habe,  daß  bei  ihm  das  Fehlen  von  schweren  Fällen  nicht  von 
Bedeutung  wäre.  Auch  die  Literatur  hat  er  auf  TodesföUe  nach 
Sublimat  nicht  durchsucht,  legt  aber  darauf  auch  kein  Gewicht,  da,  wie 
eben  ausgeführt  wurde,  derartige  Todesfalle  nicht  immer  publiziert  werden. 

Lesser  weist  in  seinem  Schlußwort  die  Ansicht  zurück,  daß  es 
sich  in  seinem  Fall  um  eine  Kombination  mit  Sepsis  gehandelt  haben 
könnte.  Die  Kurve  schließt  einen  derartigen  Gedanken  vollständig  aus. 
Eine  Untersuchung  der  Iigektionsflüssigkeit  hat  nicht  stattgefunden; 
ebenso  weiß  Lesser  nicht,  ob  vorher  eine  Nephritis  schon  bestanden  hat. 
Die  Einspritzungen  mit  unlöslichen  Salzen  sollten  nicht  in  jedem  Falle 
gemacht  werden,  sondern  nur  bei  ganz  bestimmten  Indikationen.  Dieselben 
seien  ja  hinlänglich  bekannt.  Jedenfalls  wäre  es  im  höchsten  Grade 
bedauerlich,  wenn  mit  Rücksicht  auf  diese  außerordentlich  wenigen 
schweren  Fälle,  deren  Zahl  immer  mehr  vermindert  werden  kann,  jene 
Mittel  aufgegeben  werden  sollten.  Jedenfalls  leisten  in  manchen  Fällen 
die  unlöslichen  oder  schwer  löslichen  Quecksilberpräparate  derartige 
Dienste,  daß  es  nicht  richtig  wäre,  diese  Methode  zu  verlassen. 


Sitzung  vom  6.  Mai  1902. 

Vorsitzender:  Lesser.  Schriftführer:  Saal  fei  d. 

1.  Jaeob§oh]|  stellt  aus  der  Poliklinik  des  jüdischen  Krankenhauses 
von  Professor  Lazarus  einen  Patienten  vor,  welcher  an  Pseudo- 
leukämia  cutis  seit  einem  Monat  in  Behandlung  steht.  Vor  drei 
Jahren  zeigrten  sich  bei  dem  Patienten  zuerst  multinle  Ihrüsenschwellungen 
in  der  linken  Supraklavikulargegend  und  am  linken  Kieferwinkel.  Dieselben 
breiteten  sich  aann  auf  die  rechte  Seite  und  auf  die  Achselhöhlen  aus ; 
femer  schwollen  auch  die  Inguinal-  und  andere  Drüsen  an.  Die  Größe 
derselben  war  während  der  Zeit  der  Beobachtung  verschieden.  Unter 
Arsenbehandlnng  gingen  innerhalb  weniger  Tage  sehr  große  Achsel - 
drüsenpakete  beträchtlich  zurück,  jetzt  sind  dieselben  gänseeigroß.  Zu 
den  Drüsenschwellungen  am  Halse  sind  starke  Infiltrationen  der  Haut 
hinzugetreten,  welche  zu  einer  beträchtlichen  Anschwellung  geführt 
haben,  die  sich  bis  auf  die  Brust  ausdehnt.  Die  Milz  überragt  den 
Rippenrand  um  ein  weniges,    die  Leber  ist  ebenfalls   etwas  vergrößert. 


.  1 20  Verhandlungen 

Die  Zahl  der  Erythrocyten  schwankt  zwischen  4,200.000  und  8»900.000. 
Der  Hämoglobingehalt  ist  über  67o  herabgesetzt,  die  Leokocyten  sind 
leiclit  vermehrt,  die  letzte  Zählang  ergab  38.000.  Hierbei  besteht  eine 
relatiTe  Vermehrnng  der  Lymphocyten,  welche  607o  Mer  Leokocyten 
betn^en,  so  daß  man  einen  prinzipiellen  Unterschied  zwischen  Lenk&mie 
und  Pseadoleukämie  nicht  machen  kann  und  sich  nur  auf  die  negativen 
Di£ferenzen  beschränken  muß.  In  gleicher  Weise  ist  zwischen  Leukämia 
und  Pseudoleukämia  cutis  eine  Grenzlinie  nicht  zu  ziehen.  Die  Infiltration 
der  Haut  ist  allmählich  aufgetreten  und  hat  sich  durch  die  Medikation  in 
keiner  Weise  geändert;  dagegen  tritt  mit  der  Zunahme  der  Oeschwulst 
eine  Verdünnung  der  Epidermis  auf,  welche  au  geschwürigen  Prozessen 
führt  So  hat  sich  vor  einiger  Zeit  über  dem  Stemum  ein  Ulcus  mit 
scharf  abgegrenztem  Rand  gebildet,  welches  noch  heute  —  2  Monate 
hindurch  —  in  unveränderter  Form  besteht.  Das  Ohrläppchen  ist  durch 
die  starke  Anschwellung  vollständig  abgehoben,  auch  der  (^ehörgang  ist 
stark  infiltriert.  Der  Patient  klafft  in  letzter  Zeit  über  häufiger  auf- 
tretende Schluckbeschwerden,  welche  mit  dem  Auftreten  von  Kleinen 
ödematösen  Schwellungen  zusammenhängen. 

Pinkus  macht  darauf  aufmerksam,  daß  der  größte  Teil  der  Volums- 
zunahme durch  ein  lymphatisches  Ödem  hervorgerufen  ist,  welches  auf 
eine  in   der  Tiefe  bestehende  Lymphgefäßverlegung  zurückzufuhren  ist 

Jacobsohn  erwidert,  daß  die  Infiltration   in   der  Haut  von  dem 

sekundären  ödem  scharf  abgegrenzt  werden  kann.    Während  die  Tumoren 

in  der  Tiefe  in  gleicher   Form   weiter  bestehen,    ist  das    Ödem    bald 

stärker,  bald  schwächer. 

2.  Rosenthal  berichtet  über  einen  Fall  von  Arsen-Intoxikation. 
Im  September  vorigen  Jahres  ließ  sich  in  die  Klinik  von  Rosenthal  ein 
48jähriger  Kollege  aufnehmen,  um  wegen  einer  allffemeinen  heftigen 
Hautentzündung  das  Wasserbad  zu  benutzen.  Mitte  Mai  war  der  Patient 
an  einer  juckenden  Hautaffektion  erkrankt,  welche  er  selber  als  Liehen 
ruber  planus  diagaostizierte  und  mit  Pillulae  asiaticae  0-75  auf  100  Stück 
und  Einspritzungen  von  Bolutio  arsenicalis  Fowleri  be bandelte.  Da  im 
August  Patient  neue  Ausbrüche  im  Munde,  an  den  Füßen  und  Unter- 
schenkeln zu  bemerken  glaubte,  so  stieg  er  auf  eine  Dosis  von  10 — 12 
Stück  pro  Tag.  Die  allgemeinen  Störungen  wurden  unter  dieser  Be- 
handlung etwas  heftiger  und  die  lokalen  Erscheinungen  gingen  nicht 
zurück.  Der  Durst  steigerte  sich  so  sehr,  daß  Patient  an  einem  Tage 
16  Flaschen  Seiter  trank  und  in  einer  Nacht  3Vb  Liter  Urin  entleerte. 
Die  Stimme  wurde  heiser,  heftige  Diarrhöen  traten  auf,  Appetitmangel 
und  Schlaflosigkeit  stellten  sich  ein,  das  Körpergewicht  war  um  20  Pfund 
heruntergegangen ;  dabei  bestanden  Kurzatmiffkeit,  Schwindelanfalle, 
Schmerzen  beim  Gehen  und  starkes  Herzklopfen.  Bei  der  Aufiiahme 
bestand  ein  bräunlich  anämischer  Teint  neben  einem  deutlich  ausge- 
sprochenen Ikterus  der  Conjunctivae  bulbi.  Die  Augenlider  selbst  waren 
stark  entzündet,  die  ganze  Haut  des  Körpers  war  geschwollen,  gerötet 
und  schuppte;  an  einigen  Stellen  hatte  sich  die  Oberhaut  abgelöst.  An 
den  Unterschenkeln,  an  den  Fußsohlen  und  Händflächen  bestanden  ver- 
schiedene große  keratotische  Verdickungen.  Liehen  ruber-Effloreszenzen 
waren  nirgends  mehr  zu  sehen.  Die  Zunge  war  dick  belegt,  im  Munde 
bestanden  die  Erscheinungen  einer  allgemeinen  Stomatitis  und  Gingivitis. 
Nebenbei  fiel  eine  fleckweise  Trübunff  der  Schleimhaut  auf;  auch  am 
Anus  waren  eine  Trübung  und  in  der  Umgebung  keratotische  Verdickungen 
sichtbar.  Der  Puls  betrug  120  Schläge  in  der  Minute.  Das  Sensorium 
war  nicht  frei;  hauptsächlich  machten  sich  Gehörshalluzinationen  be- 
merkbar.   Der  Urin  war  frei  von  Eiweiß   und   Zacker,   reduzierte   aber 


der  Berliner  dermatolog^schen  Gesellschaft.  121 

Knpferoxyd.  Neben  Schmerzen  beim  Gehen  und  Stehen  waren  Taubheit 
and  Kribbeln  in  den  Füßen  und  Händen  Yorhauden.  Diese  Parästhesien 
hielten  monatelang  an.  In  Armen  und  Beinen  bestanden  fibrilläre 
Zuckungen  und  eine  Ifthmungsartige  Sohw&cbe  mit  Atrophie  der  Muskeln, 
besonders  der  Interossei  der  Häude.  Der  Ortsinn  war  herabgesetit, 
Patellar-  und  Plantar*Reflexe  waren  aufgehoben.  Die  Diagnose  wurde 
auf  eine  schwere  Arsen- Intoxikation  gestellt.  Patient  hatte  in  8  Monaten 
8*8975  Acidum  arsenicosum  innerlich  und  6  g  Solutio  Fowleri  i=  0*04, 
luiammen  also  beinahe  4  g  Arsenik  verbraucht.  Die  Menge  ist  keine 
besonders  große,  so  daß  immerhin  bei  der  Schwere  der  Erscheinung  eine 
ffewisse  Idiosynkrasie  angenommen  werden  muß.  Patient  brachte  den 
Tag  über  im  Wasserbad  zu,  Nachts  wurde  er  mit  kühlen  Salben  behandelt, 
starke  Roborantien  wurden  gereicht  Innerhalb  5  Tagen  vrurde  die  Dosis 
Arsenik  so  vermindert,  daß  Patient  nach  dieser  Zeit  kein  Arsenik  mehr 
nahm.  Die  Erscheinungen  gingen  schnell  zurück,  zuvörderst  die  Magen- 
Dannstörungen  und  der  Ikterus  sowie  die  Entzündung  im  Munde;  die 
keratoiischen  Verdickungen  waren  nach  14  Tagen  vollständig  geschwunden. 
Die  BekonvsleszcDz  zog  sich  noch  monatelang  hin.  Die  Dermatitis 
schwand  langsam,  das  Herz  blieb  noch  sehr  empfindlich  und  reagierte 
auf  jede  Körperbewegung;  eine  starke  Hyperhidrosis,  die  besonders  des 
Nachts  störte,  blieb  längere  Zeit  bestehen.  Von  Seiten  des  Zentral- 
nervensystems schwand  zuerst  der  ataktische  Gang,  die  Atrophie  der 
Muskeln  ging  ebenfalls  zurück  und  die  Eörperkrafte  kehrten  wieder; 
Patellar-  und  Plantar-Reflexe  waren  bei  der  letzten  Untersuchung  noch 
nicht  wiedergekehrt.  An  3  Fingern  hatten  sich  die  Nägel  vollständig 
abgestoßen.  Der  Irrtum,  in  welchem  sich  der  Kollege  befand,  daß  sich 
die  Trübung  der  Mundschleimhaut  und  die  Verdickung  an  den  Unter- 
schenkeln und  den  Fußsohlen  auf  den  Liehen  ruber  planus  bezog,  war 
die  Veranlassung  der  Steigerung  der  Dosis  und  somit  die  Ursache  der 
schweren  Intoxikation.  iHeben  der  allgemeinen  Prostration  traten  in 
diesem  Fall  die  Erscheinungen  auf  der  Haut  und  den  Schleimhäuten 
deutlich  hervor.  Hierbei  spricht  Rosenthal  die  Ansicht  aus,  daß  höchst- 
wahrsoheinlich,  wie  bei  anderen  Giften,  nervöse  Einflüsse  zu  Grunde 
liegen.  Die  Störungen  des  Zentralnervensystems  beruhen  auf  einer 
mmtinlen  peripheren  Neuritis;  auch  bei  den  Erscheinungen  von  Seiten 
des  Herzens  ist  wohl  eher  eine  Afifektion  des  Vagus  als  eine  Beeinflussung 
von  Seiten  der  Ganglien  anzunehmen.  Die  Keratodermien  infolge 
Arsenik  sind  zuerst  von  Hutchinson  beschrieben  worden.  Dieselben 
dehnen  sich  entweder  gleichmäßig  über  die  Handflächen  aus  oder  treten 
in  SM^okornartigen  Erhebungen  auf.  Die  Ähnlichkeit  mit  Hühneraugen 
hat  Hutchinson  auch  die  Veranlassung  gegeben,  dieselben  als  „Korns** 
zu  bezeichnen.  Histologisch  zeigte  sich  in  diesen  Fällen  nur  eine  Ver- 
dickung des  Stratum  corneum,  während  der  Papiilarkörper  frei  ist.  An 
den  Unterschenkeln  sind  dieselben  sehr  selteu,  am  Anus  noch  nie  be- 
schrieben worden.  Die  eigentümliche  Kombination  des  gleichzeitigen 
Befallenseins  der  Mundschleimhaut,  des  Anus,  der  Hand-  und  Fußsohlen 
ist  als  eine  zufallige  nicht  zu  bezeichnen  und  findet  sich  auch  bei  vielen 
andern  Hautaffektionen.  Auch  Pigmentationen  waren  in  diesem  Falle 
im  Gesicht,  auf  Brust  und  Rücken  vorhanden. 

Wechselmann  bemerkt,  daß  die  Empfindlichkeit  gegen  Arsenik 
bekanntlich  sehr  verschieden  ist,  indem  manche  schon  nach  ganz  kleinen 
Dosen  Intoxicationserscheinungen  zeigen, während  andere  fast  intolerant  sind, 
wie  ein  ihm  bekannter  Kollege,  der  sehr  große  Dosen  von  Pillulae  asiaticae  und 
800  Einspritzungen  bekommen  hat,  ohne  mehr  als  ein  leichtes  Kratzen 
im  Halse  zu  zeigen.    Auch  die  Entstehung  des  Arsenik-Zosters  wird  von 


122  Yerhandlnngen 

HatchinBon  auf  eine  Affektion  des  peripheren  Nenrensystemi  lardck- 
gefuhrt.  Letztere  treten  auch  auf,  ohne  daß  Ertcheinnngen  auf  der 
Haut  vorhanden  sind.  So  klagte  eine  Patientin  ans  Professor  Eoebners 
Praxis,  welche  Pillnlae  asiaticae  bekam,  aber  eine  Parese  der  unteren 
Extremitäten,  und  bei  einer  andern  zeigte  sich  eine  Seh wftohe  der  Blasen- 
und  Mastdarm-Muskulatur.  Was  das  Schwinden  der  Keratodermien  an- 
betri£ft,  so  ist  Wechselmann  eine  Patientin  bekannt,  welche  diese  Ver- 
dickung trotz  eingehendster  Behandlung  nicht  wieder  los  wurde. 

Blaschko  bemerkt,  daß  bei  Arsenik  nicht  die  Maximaldosis, 
sondern  die  Toleranz  des  Kranken  ausschlaggebend  ist.  So  beobachtete 
er  vergangenen  Winter  einen  Patienten,  welcher  schon  nach  minimalen 
Dosen  von  Arsenik  schwere  Intoxikationserscheinnngen  bekam:  Herpes 
zoster,   vollkommene  Anhydrosis  und  starke  Dermatitis. 

3.  Lesser  stellt  einen  26jähri^en  Patienten  vor,  welcher  vor  einem 
Monat  eine  Gonorrhoe  akquirierte,  die  vor  14  Tagen  von  einer  allgemeinen 
Infektion  gefolgt  war.  Hauptsächlich  bestanden  Schwellungen  des  Hand- 
gelenkes und  einiger  Fiogergelenke ;  außerdem  bekam  er  eine  Epididymitis. 
von  dem  erkrankten  Handgelenk  aus  erstreckten  sich  über  den  Vorder- 
arm und  dem  Oberarm  Lympbanffitiden,  welche  deutlich  zu  sehen  und 
zu  fahlen  sind.  Dieselben  sind  absolut  schmerzlos,  was  gegen  eine 
Infektion  mit  Staphylokokken  spricht.  Mithin  liegt  hier  eine  gonor- 
rhoische Lymphangitis  vor.  Die  Lymphangitiden  sind  am  Penis 
und  an  der  Präputialhaut  häufiger,  wenngleich  an  diesen  Stellen  bei 
Gonorrhoe  auch  andere  Lymphangitiden  vorkommen. 

4.  Pinku§  stellt  einen  Herrn  von  85  Jahren  vor,  welcher  seit 
21  Jahren  an  Lupus  des  Gesichts  leidet,  welcher  hauptsächlich  um  die 
Lippen  lokalisiert  ist;  im  Munde  besteht  außerdem  eine  ausgebreitete 
Tuberkulose  der  Schleimhaut. 

5.  Pinkus  stellt  einen  Patienten  vor,  welcher  eine  knötchenförmige 
Eruption  der  Vorderarme  zeigt,  die  Pinkus  als  Liehen  ruber  planus 
anspricht.  Der  Fall  ist  insofern  interessant,  als  die  Knötchen  außer- 
ordentlich gleichmäßig,  ohne  jede  Multiformität  sind.  Die  Eruption  ist 
auf  die  Volar-  und  otreckseite  beschränkt  und  nur  einige  Knötchen 
finden  sich  an  den  Unterschenkeln. 

Saalfeld  bemängelt  das  Fehlen  von  Schuppen  und  von  Dellen, 
so  daß  das  typische  Aussehen  des  Liehen  ruber  planus  nicht  vorhanden 
ist.  Saalfeld  erinnert  an  einen  von  ihm  vorgestellten  Fall,  welcher  als 
Keratosis  follicularis  angesprochen  wurde.  Damals  ging  die  Erkrankung 
auf  Arsen  vollständig  in  kurzer  Zeit  zurück. 

Pinkus  bemerkt,  daß  das  mikroskopische  Bild  den^jenigen  des 
Liehen  ruber  planus  entspricht.  Was  die  Delle  angeht,  ist  dieselbe 
entweder  ein  zufälliger  Bestandteil  oder  die  Entstehung  zeigt  sich  erst 
nach  Rückbildung  des  Knötchens.  Ein  Charakteristikum  ist  diese  Dellen- 
bildung aber  nicht. 

6.  Pinkus  stellt  eine  8^'ährige  Kran  vor,  welche  seit  dem  Juli 
vorigen  Jahres  erkrankt  ist.  Sie  stammt  nicht  aus  einer  tuberkulösen 
Familie ;  ihr  erster  Mann  ist  vor  14  Jahren  an  Hirn  tuberkulöse  gestorben 
und  ihr  erstes  Kind  leidet  angenblicklich  an  tuberkuloser  Knochen- 
erkrankung.  Sie  selbst  erkrankte  Mitte  vorigen  Jahres  an  einer  Haut- 
affektion, welche  sich  als  fumnkelähnliche  Knoten  an  den  Unterschenkeln 
darstellt;   niemals  indessen  hat  sich  ein  Eiterflock   abgestoßen.    Augen- 


der  Berliner  dermatologi sehen  Gesellschaft.  1^23 

blicklich  sind  alle  Stadien  der  Affektion  vom  kleinsten  bis  sam  größten 
Knoten  sichtbar.  Zuerst  entstehen  kleine  unter  der  Haut  rollende 
Knötchen,  dann  wachsen  sie  aur  Oberfläche,  verbinden  sich  mit  derselben, 
vergrößern  sich  und  bekommen  allmählich  eine  blaurote  Farbe ;  in  einem 
exiidierten  Stücke  zeigte  sich  besonders  hervortretende  Phlebitis.  Pinkus 
rechnet  die  Affektion  zu,  den  tuberkulösen  Dermatosen. 

7.  Ledermann  stellt  eine  46jährige  Frau  vor,  welche  an  Mykosis 
fungoides  im  Übergang  in  das  zweite  Stadium  leidet.  Dieselbe  klagt 
seit  15  Jahren  über  Jucken  und  Hautausschlägen,  seit  mehreren  Jahren 
haben  sich  die  Beschwerden  vermehrt  und  sind  Infiltrationen  aufgetreten. 
Seit  mehreren  Monaten  hat  die  Patientin  auch  geschwollene  Füße;  im 
Gesicht  besteht  jetzt  ein  dunkelblaues  Erythem,  das  nur  wenig  schuppt, 
am  Körper  ein  universeller  in  großen  Plaques  angeordneter  serpiginöser 
Ausschlag,  welcher  mit  Schuppen  bedeckt  ist;  an  einzelnen  Stellen  sind 
deutliche  Tumoren  vorhanden.  Blut-  und  Urinuntersuchung  zeigen 
normale  Verhältnisse,  die  Lymphdrüsen  sind  nicht  vergrößert.  Das  rein 
ekzematöse  Stadium  ist  schon  vorüber  und  der  Übergang  in  das  zweite 
Stadium  deutlich  sichtbar.  Die  Länge  des  Bestehens  spricht  nicht  gegen 
die  Diagnose,  da  Fälle  bekannt  sind,  in  welchen  sich  erst  nach  30  Jahren 
das  zweite  geschwulstartige  Stadium  ausgebildet  hat. 

L es 8 er  bestätigt  die  Diagnose. 

Blaschko  hat  in  einem  nicht  ganz  zweifellosen  Falle  die  von 
Lassar  empfohlene  Einreibung  mit  107o  Pyrogallussalbe  mit  ausge- 
zeichnetem Erfolg  angewandt. 

8.  Blasehko  zeigt  mikroskopische  Präparate,  welche  von 
dem  von  ihm  vorffcstellten  Fall  von  Liehen  simplex  verrucosus 
stammen.  Die  Erkrankung  lokalisierte  sich  wesentlich  um  die  Follikel 
herum.    Am  Eingang  derselben  besteht  eine  deutliche  Parakeratose. 

Ferner  zeigt  Blaschko  ein  mikroskopisches  Präparat,  welches 
von  einem  Knaben  stammt,  den  Blaschko  unter  der  Diagnose  Syphilis 
verrucosa  cutis  bei  hereditärer  Lues  vorgestellt  hat.  Die  Diagnose 
Tuberculosis  verrucosa  glaubte  er  damals  ausschließen  zu  müssen  auf 
Grund  der  Anamnese,  des  Hydrocephalus  und  der  Hutchinson^schen 
Zähne.  Eine  Inunktionskur  blieb  ohne  jeglichen  Erfolg,  während  eine 
Tnberkulin-Iujektion  eine  Lokalreaktion  aller  Stellen  deutlich  hervorrief. 
Die  Präparate  zeigen  das  Bild  von  Tuberculosis  verrucosa,  an 
denen  besonders  bemerkenswert  sind  feine  Stalaktiten  förmige,  nach  außen 
vortretende  Homzapfen,  welche  in  die  Tiefe  wachsen  und  sich  üher 
einem  intra- epithelialen  Abszeß  entwickeln.  Ferner  sind  große  Gebilde 
zu  sehen,  welche  dicht  unterhalb  des  Epithels  in  der  Cutis  liegen  und 
welche  er  sds  Schwammzellen  bezeichnen  möchte.  Dieselben  stammen 
von  epitheloiden  Zellen  und  zeigen  einen  eigentümlichen  schwammigen 
Bau  mit  großen  Vacuolen,  in  welchen  Rundzellen  vorhanden  sind. 
Tuberkelbazillen  hat  Blaschko  nicht  nachweisen  können. 

9.  Frede  demonstriert  mikroskopische  Präparate  eines 
Tumors  von  der  Mittellinie  der  Stirn  einer  48jährigen  Frau;  der  Tumor 
war  2  cm  lang,  1  em  hoch  und  breit,  sah  blaurot  und  höckerig  aus  und 
Heß  sich  mit  der  Haut  verschieben.  Nach  Aussage  der  Patientin  war 
derselbe  vor  8  Jahren  als  „kleines  Pickelchen^  entstanden. 

Das  mikroskopische  Bild  ergab  folgendes:  Das  Epithel  ist  ver- 
schmälert, die  Zapfen  zum  Teil  verstrichen.  Unter  dem  Epithel,  im 
Gorinm  sind  Zellhanfen,  die  aus  epithel  artigen  Zellen  bestehen  und  kreis- 
rund angeordnet  sind;  diese  Zellhaufen  zeigen  teils  in  der  Mitte  ein 
cystisches  Lumen,  das  mit  Pigment  und  einer  fibrinösen  strukturlosen 
Masse  geföllt  ist;  zum  Teil  jedoch  zweigen  sich  von  diesen  Zell- 
komplezen  einzelne  Zellstränge  ab. 


124  Yerhandlaniifen 

An  einem  Präparat  ließ  sich  ein  sicherer  Zusammenhang  mit 
dem  Oberflächenepithel  nachweisen.  Frede  ist  der  Ansicht,  daß  et 
sich  um  ein  gutartiges  Epitheliom  mit  cystischer  Ent- 
artung handelt.  Die  große  Anhäufung  von  Pigment  in  den  Cysten 
und  zwischen  den  Zellkomplexen  läßt  die  Annahme  an,  daß  der 
Tumor  von  einer  in  der  Entwicklung  gehemmten  Schweiß-  oder  Talgdrüsen« 
anlege  ausgegangen  ist,  mithin  als  ein  Naeyns  im  weiteren  Sinne  des 
Wortes  aufzufassen  ist. 


Sitzung  Tom  8.  Juni  1902. 

Vorsitzender:  Lesser.  Schriftf&hror:  Saalfeld. 

1.  Reisner  stellt  einen  26jährigen  Sergeanten  vor,  welcher  frfiher 
stets  gesund  war;  vor  drei  Jahren  bekam  er  eine  A£fektion  am  Oberarm« 
welche  sich  weiter  über  den  Körper  ausdehnte.  Angeblich  sollen  sich 
kreisrunde  rote  Stellen  gebildet  haben,  welche  von  Pfennigstück  bis 
über  Handteller  groß  wurden.  Die  Affektion  wurde  im  Militärlazareth 
als  Psoriasis  angesehen  und  mit  Chrysarobin  behandelt.  Entzündungeui 
die  darauf  eingetreten  sind,  gingen  später  wieder  zurück.  Sonstige 
Symptome  haben  sich  nicht  gezeigt;  nur  am  Membrum  bestehen  zwei 
kleine  Narben,  die  auf  spitze  Kondylome  zurückzuführen  sind,  welche 
mit  Salpetersäure  geätzt  worden  sein  sollen.  Augenblicklich  bestehen 
zahlreiche  atrophische  Herde,  welche  von  einem  teils  mehr  erhabenen, 
teils  flachen  Wall  umgeben  sind ;  an  anderen  Stellen  sind  Pigmentationen 
sichtbar.  R.  hat  den  Fall  Blaschko  gezeigt,  welcher  anPorokeratosis 
oder  an  Liehen  ruber  athrophicans  gedacht  hat.  Ein  typisches 
Liehen  ruber-Knötchen  ist  aber  nirgends  gefunden  worden.  Von  anderer 
Seite  wurde  die  Diagnose  Lues  gestellt  und  sind  Quecksilber-Injektionen 
gemacht  worden.  Anfänglich  soll  auch  etwas  Jucken  da  gewesen  sein. 

Rosenthal  hat  den  Fall  in  Behandlung  gehabt  und  ist  per 
exdusionem  auf  die  Diagnose  Lues  gekommen.  Die  zwei  Narben  am 
Penis  führt  R.  auf  Überreste  des  Primäraffekts  zurück ;  außerdem  bestehen 
keine  Atrophien,  sondern  mehr  oder  minder  große  Narben,  welche  von 
rothen,  serpiginösen  oder  kreisförmigen  Linien  umgeben  sind;  an  manchen 
Stellen  kommt  es  durch  Zusammenfließen  zu  rosettenformigen  Bildungen. 
Die  Behandlung  mit  Quecksilber-Iigektionen  wurde  nicht  lange  fortgesetzt, 
da  Patient  ausblieb. 

Lesser  glaubt  zwar  nicht,  daß  Lues  vorliegt,  würde  aber  jedenfalls 
vorschlagen,  Jodkali  zu  geben,  weil  bei  tertiärer  Form  diese  Medikation 
den  größten  Einfluß  übt  Auch  er  glaubt  eher  an  Porokeratosis  oder 
Liehen  ruber. 

Blaschko  hat  den  Fall  auch  histologisch  untersucht  und  glaubt, 
daß  gegen  Lues  der  klinische  Verlauf,  die  Wirkungslosigkeit  der  Therapie 
und  das  Fehlen  anderer  Erscheinungen  spricht.  Die  einzelnen  Stellen 
sind  von  einem  feinen,  höchstens  Vt  ^^  breiten  Kamm  umgeben;  innerhalb 


der  Berliner  dermatologiscben  Gesellschaft.  125 

desselben  finden  sich  entweder  Atrophien  oder  atrophierende  Narben 
oder  reine  Narben.  An  anderen  Stellen  ist  sogar  der  Wall  atrophisch, 
so  daß  statt  des  Kamms  eine  Depression  sichtbar  ist;  nar  an  den  Stellen, 
wo  ein  Follikel  hindurchgeht,  ist  eine  kleine  korallenformige  Ansohwellang 
des  Kammes  sichtbar.  Hierdurch  wird  der  Eindruck  einer  Papel  herror- 
gerufen,  so  daß  man  an  Porokeratosis  denken  kann;  indessen  fehlt  die 
Dellenbildnng  vollst&ndig. ,  Auch  histologisch  sind  die  Veränderungen 
im  Epithel  sehr  gering,  dagegen  sieht  man  ein  im  Papillarkörper  ober- 
flächlich liegendes  Infiltrat,  welches  dem  Befund  bei  Liehen  ruber  ähnelt. 
Außerdem  ist  noch  ein  kleines  serofibrinöses  Exsudat  vorhanden,  welches 
die  Cutis  von  der  Epidermis  abhebt.  Liehen  ruber-Knötchen  sind  aber 
nirgends  sichtbar,  so  daß  ein  typischer  Fall  von  Liehen  ruber  atrophicans 
serpiginosus  nicht  anzunehmen  ist.  Femer  ist  auch  die  Pigmentierung 
gering  und  die  entsprechende  Färbung  der  Haut  nicht  vorhanden«  Einen 
ähnlichen  Fall  hat  B.  noch  nicht  gesehen.  Auch  er  wfirde  jedenfalls 
den  Versuch  mit  Jodkali  für  gerechtfertigt  halten. 

Saalfeld  glaubt,  daß,  da  Hydrargyrum  salicylicum  keinen  Einfluß 
geübt  hat,  man  an  Lues  tarda  denken  kann.  Femer  käme  vielleicht  eine 
ganz  atypische  Form  von  Lupus  erythematodes  in  Betracht. 

Pinkus  ist  ebenfalls  der  Ansicht,  daß  man  die  Affektion  am 
ehesten  in  das  Gebiet  des  Lupus  erythematodes  hineinziehen  kann. 

Holländer  empfiehlt,  von  gleicher  BetrachluDg  ausgehend,  Chinin 
innerlich  und  Jod  äußerlich. 

Lesser  möchte  erst  einen  Versuch  mit  Jodkali  gemacht  wissen. 

Rosenthal  findet,  daß  außer  der  Lues  von  allen  genannten 
Diagnosen  nur  der  Lupus  erythematodes  in  Betracht  kommt^  Im  ganzen 
sind  nur  vier  Einspritzungen  gemacht  worden,  welche  nicht  als  entscheidend 
angesehen  werden  können;  auch  er  ist  der  Ansicht,  jetzt  zuvörderst 
Jodkali  zu  geben. 

2.  Rosenthal  stellt  einen  Griechen  vor,  welcher  in  Kleinasien 
geboren  ist.  Derselbe  zeigte  bei  einer  wegen  einer  alten  Lues  vor- 
genommenen Untersuchung  auf  dem  Rücken  hunderte  von  6 — 8  em 
langen,  schmalen,  theils  parallelen,  theils  nicht  parallelen  Narben.  Dieselben 
erstrecken  sich  vom  Nacken  bis  auf  die  Nates.  Bei  der  Anamnese  stellte 
es  sich  heraus,  daß  sie  aus  der  Kinderzeit  herstammen.  Angeblich  sollen 
in  der  dortigen  Bevölkerung  bei  Kindern,  welche  an  Haut-  oder  anderen 
Affektionen  leiden,  zahlreiche  Einschnitte  gemacht  werden.  Da  alle 
Narben  noch  ziemlich  breit  sind,  so  ist  anzunehmen,  daß  ein  reizender 
Stoff  hinterher  eingerieben  worden  ist.  Mithin  handelt  es  sich  um  eine 
Art  orientalischen  Baumscheidtismus. 

Holländer  hat  bei  Persem  einen  derartigen  Befund  häufiger 
gesehen. 

8.  Holländer  stellt  eine  Patientin  mit  Lupus  erythematodes 
vor,  welche  mit  Chinin  und  Jod  bebandelt  worden  ist.  Die  Affektion 
war  sehr  ausgedehnt  und  ist  bis  auf  kleine  Stellen  vollständig  verschwuDden. 
Die  Patientin  reagiert  auf  Chinin  sehr  stark.    Femer  zeigt  er  das  Bild 


126  Yerhandlungen 

einer  andern  Patientin,  welche  in  ähnlicher  Weise  bebandelt  worden  ist. 
Er  hebt  hervor,  daß  seine  Patienten  über  intensives  Jacken  klagten; 
meiatens  handelte  es  sich  dabei  nm  Frauen,  welche  prämenstmell  durch 
diesen  Juckreiz  erheblich  litten;  häufig  zeigte  sich  dasselbe  als 
prämonitorisches  Zeichen  eines  neuen  Ausbruches.  In  fast  allen  Fällen, 
die  H.  gesehen  hat,  bestanden  nebenbei  Zeichen  von  Erfrierung.  H.  glaubt 
daher,  daß  eine  bestimmte  Noxe  vorhanden  sein  müßte,  welche  sowohl 
den  Lupus  erythematodes  als  die  Erfrierung  hervorbringt  Bei  einer 
Patientin  hat  H.  versucht,  die  Jodtinktur  durch  andere  Mittel,  wie 
Chrysarobin  zu  ersetzen  —  indessen  ohne  Erfolg.  Die  Hände  sind  nicht 
mit  Jodtinktur  behandelt  worden,  haben  sich  aber  jetzt  in  letzterer  Zeit 
in  der  wärmeren  Witterung  spontan  gebessert. 

Rosenthal  erkennt  den  guten  Erfolg  im  vorgestellten  Falle  an 
und  wünscht,  daß  H.  mit  seiner  Methode  in  allen  denjenigen  Fällen 
Erfolg  habe,  die  bisher  in  anderer  Weise  vergeblich  behandelt  worden 
sind.  Was  das  Jucken  anbetrifft,  so  sind  fast  alle  Autoren  darüber  einig^ 
die  Affektion  zu  den  juckenden  Dermatosen  nicht  zu  rechnen.  Der  von 
H.  vorgestellte  Fall  wurde  s.  Z.  unter  Alkoholbehandlnng  bedeutend 
gebessert. 

Blaschko  glaubt,  daß  die  Ghininbehandlung  schon  sehr  alt  ist; 
er  selbst  hat  mehrere  Fälle  damit  behandelt,  ohne  indessen  so  große 
Dosen  gegeben  zu  haben. 

Lesser  hat  ebenfalls  seit  7 — 8  Jahren  Chinin  bei  Lupus  erythema- 
todes angewendet. 

Holländer  hat  überhaupt  nur  Fälle  gesehen,  bei  denen  der 
Lupus  erythematodes  bereits  8 — 10  Jahre  bestand.  H.  bittet  durch 
anderweitige  Methoden  geheilte  Fälle  von  Lupus  erythematodes  vor- 
zustellen. 

Lesser  betont,  daß  es  allgemein  bekannt  ist,  daß  man  Lupus 
erythematodes  unter  Umständen  mit  den  verschiedensten  Mitteln  heilen 
kann,  daß  es  aber  ebenso  bekannt  ist,  daß  nicht  bei  jedem  Fall  dieselbe 
Methode  hilft  und  daß  es  Fälle  gibt,  die  sich  allen  bisher  bekannten 
Methoden  gegenüber  refraktär  erwiesen. 

Saal  fei d  bemerkt,  daß  er  über  mehrere  Fälle  verfügt,  die  unter 
ausschließlich  interner  Eantbaridinbehandlung  geheilt  worden  sind. 

4.  Isaak  II.  demonstriert  einen  34  jährigen  Kellner,  welcher  vor 
I7i  Monaten  an  einer  Gonorrhoe  und  bald  darauf  an  einer  frischen 
Sklerose  behandelt  wurde.  Seit  10  Tagen  sind  die  Lymphstränge  am 
Membrum  angeschwollen;  man  fühlt  kleine  Härten  und  auch  das  Skrotum 
üng  an,  ödematös  zu  werden,  ebenso  waren  die  Lymphgefäße  am  Ober- 
schenkel deutlich  fühlbar.  Der  Patient  wurde  im  Jahre  1894  einer 
doppelseitigen  Buboexstirpation  unterworfen.  Eine  eigentliche  Elephantiasis 
liegt  nicht  vor,  eher  nur  eine  Lymphstauung.  Ob  die  Sklerose  in 
diesem  Falle  prädisponierend  gewirkt  hat,  läßt  J.  dahingestellt,  thera- 
peutisch hat  er  Jodkali  gegeben. 


der  Berliner  dermatologischen  Gesellacbaft.  127 

5.  Pionski  bat  nnter  der  großen  Anzahl  von  Kranken  der  Lassar- 
Bohen  Klinik  nur  drei  GeBchwisterpaare  herausfinden  können,  bei  welchen 
dnrch  Benätxnng  derselben  Kopfbedeckung  oder  derselben  Kämme  eine 
Übertragung  der  Alopecia  areata  zu  erklären  gewesen  ist.  P.  stellt 
drei  Knaben  vor,  welche  ebenfalls  an  Alopecia  areata  leiden,  sich 
in  derselben  Erlasse  befinden  und  mithin  in  innige  Berührung  gekommen 
sind.  Noch  ein  vierter  Knabe,  der  mit  den  anderen  in  der  Schale 
zusammen  ist,  käme  noch  in  Betracht  P.  glaubt,  daß  die  Alopecia  areata 
parasitären  Ursprungs  ist,  daß  dieselbe  aber  nur  eine  bedingte  Anateokungs- 
fahigkeit  besitzt;  infolge  dessen  muß  auf  die  Prophylaxe  besonders 
geachtet  werden. 

Lesser  erwidert,  daß  gerade  diese  wenigen  Fälle  beweisen,  daß 
die  Alopecia  areata  nicht  parasitärer  Natur  ist.  Möglicherweise  handelt 
es  sich  aber  um  zwei  verschiedene  Krankheiten  mit  denselben  Symptomen : 
eine  Alopecia  non  parasitaria  und  die  sehr  viel  seltenere  parasitaria. 
Zweifellos  allerdings  kommen  Übertragungen  von  Krankheiten  vor,  welche 
unter  dem  Bilde  einer  Alopecia  areata  verlaufen. 

6.  Pinkns  fand  bei  Erwachsenen  an  einer  Anzahl  feiner 
Lanugohärchen  neben  dem  Haar  ein  Knötchen,  welches  meistens 
vom  Haar  bedeckt  wird  und  sich  deutlich  als  rundes  Gebilde  von  den 
3  bis  4  eckigen  Hautfeldem  abhebt.  Mikroskopisch  ist  dieses  kleine 
Knötchen  aufzufinden  und  scharf  begrenzt.  Oben  ist  es  durch  Epidermis 
bedeckt,  an  der  Unterseite  zeigt  es  Papillen,  die  sich  als  kugelförmige 
Zapfen  darstellen.  Bei  Frauen  und  Kindern  sollen  diese  Knötchen  seltener 
sein.  P.  betrachtet  dieselbe  als  eine  Reifungsersoheinung  der 
männlichen  Haut.  Das  Gebilde  kann  mit  bloßem  Auge  gesehen 
werden  und  ist  bisher  noch  nicht  beschrieben  worden. 

7.  Herbst  stellt  einen  81jährigen  Patienten  vor,  welcher  vor 
einem  Jahr  dieselbe  Erkrankung  schon  einmal  gehabt  haben  soll.  Damals 
wurde  im  Urin  IVtVo  Zucker  festgestellt.  Die  Erkrankung  ging  auf 
eine  antidiabetische  Behandlung  und  eine  Karlsbader  Kur  zurück.  Am 
9.  Mai  kam  Patient  in  Behandlung  und  zeigte  am  Nacken,  Ellbogen  und 
Knie  ein  typisches  Xanthoma  diabeticorum.  Die  Knötchen  waren 
wie  gewöhnlich  von  verschiedener  Größe,  die  kleinen  mehr  rötlich  und 
ließen  die  gelbe  Farbe  erst  bei  Glasdruck  erkennen.  Am  Penis  zeigte 
sich  eine  eigentümliche  Xanthomatose  Infiltration  neben  typischen  gelben 
Knötchen.  Im  Urin  waren  Spuren  von  Zucker  vorhanden.  Die  Therapie 
bestand  in  antidiabetischer  Diät  und  Darreichung  von  Eisenpillen. 
Mikroskopisch  fanden  sich  neben  entzündlichen  Erscheinungen  eigenartige 
Hohlräume,  welche  von  einem  bindegewebigen  Maschenwerk  durchzogen 
waren,  in  dem  sich  vereinzelte  elastische  Fasern  vorfanden. 

Lesser  konnte  vor  mehreren  Wochen  die  Diagnose  bestätigen 
und  betont,  wie  rasch  sich  in  dieser  Zeit  die  Tumoren  zurückgebildet 
haben. 

Rosenthal  berichtet  über  einen  Fall  von  Xsnthoma  diabeticorum, 
den  er  augenblicklich  in  Behandlung  hat.    Vor  einem  Jahr  war  bereits 


J 


128  Verhandlungen 

ein  Ausbruch  vorhanden,  welcher  mit  Arsen-Injektionen  mit  gutem 
Erfolg  behandelt  wurde.  Die  Pigmentationen  sind  noch  heute  riohtbar. 
Bei  der  diesmaligen  Eruption  war  das  Xanthom  über  den  ganzen  Körper 
ausgebreitet;  die  Knoten  waren  von  yersohiedener  Größe.  Neben  einer 
antidiabetischen  Behandlung  wurden  Einspritzungen  von  Atozyl  gemacht 
Im  ganzen  hat  Patient  bis  jetzt  10  Einspritzungen  bekommen.  Die 
Tumoren  sind  fast  unter  den  Augen  geschwunden.  Jedenfalls  scheint 
das  Atoxyl  die  antidiabetische  Behandlung  sehr  zu  unterstützen. 

Lesser  bemerkt,  daß  unter  der  Behandlung  des  Diabetes  das 
Xanthom  vollständig  schwindet 

Blaschko  hat  vor  mehreren  Jahren  einen  Kollegen  beobachtet^ 
der  an  Xanthoma  litt  und  bei  dem  sich  in  Karlsbad  unter  dem  Gebrauch 
des  Mühlbrunnens  die  Affektion  vollständig  verlor. 

Rosenthal  macht  auf  die  Fälle  aufmerksam,  in  denen  der  Zucker 
vollständig  geschwunden  ist,  das  Xanthom  aber  bestehen  blieb.  Die 
Rückbildung  in  seinem  Fall  ging  so  prompt  von  statten,  daß  dem 
Atoxyl  ein  gewisser  Einfluß  zugeschrieben  werden  muß. 

Schild  hat  Anfang  des  Jahres  einen  Patienten,  welcher  an 
Xanthoma  litt,  mit  26  Injektionen  von  Atoxyl  behandelti  ohne  den 
Diabetes  besonders  zu  behandeln.  Daraufhin  schwanden  sämtliche  Eruptionen, 
der  Zucker  blieb  aber  bestehen. 

Saal  fei  d  berichtet,  daß  der  Blaschko 'sehe  Fall  später  wieder 
ein  Rezidiv  von  Xanthom  bekam.  Dasselbe  heilte  unter  einer  Sublimat- 
Injektionskur. 

8.  Ledermanii  stellt  eine  Patientin  vor,  welche  seit  dem  vorigen 
Jahr  an  einer  Hautaffektion  leidet,  die  am  Ellbogen  begann  und  sich 
über  die  Streckseite  nach  dem  Handrücken  und  nach  dem  Oberarm  hin 
ausdehnte.  Die  betreffenden  Stellen  zeigen  eine  deutliche  livide 
Verfärbung  und  ganz  schwache  oberflächliche  Atrophie.  Paräatheeien 
oder  sonstige  nervöse  Beschwerden  sind  nicht  vorhanden.  Vielfach 
sind  diese  Affektionen  als  vasomotorische  Erytheme  oder  Eiythromelie 
beschrieben  worden.  Meistens  bilden  dieselben  die  Vorstufe  einer 
Atrophie  und  gehören  in  das  Gebiet  der  idiopathisohenHautatrophie. 

Blaschko  betont,  daß  die  Bezeichnung  eine  falsche  insofern  ist, 
als  es  sich  um  entzündliche  Zustände  handelt,  welche  nachher  in 
Atrophie  übergehen. 

9.  Henning  (Wien)  spricht  über  Nasenprothesen.  Während 
man  früher  bei  Nasendefekten  den  Ersatz  aus  Kupfer,  Papiermache 
oder  Wachs  anfertigte,  wird  in  neuester  Zeit  das  Zelluloid  zu  diesen 
Zwecken  verwendet  Zuvörderst  wird  aus  der  Umgebung  des  Defekts 
ein  Negativ  aus  Gips  angefertigt.  Aus  diesem  Negativ  wird  ein  Positiv 
hergestellt,  dieses  wird  mit  neuem  Gips  ergänzt,  bis  eine  entsprechend 
konfigurierte  Nase  vorhanden  ist.  Der  Techniker  verfertigt  aus  diesem 
Modell  eine  Nase  ans  Zelluloid,  indem  er  zuerst  ein  Metallnegativ 
anfertigt,  welches  ein  aus  Schwefel  und  Watte  zusammengesetztes 
Kernstück  enthalt.    Das  siedende  Zelluloid  wird  mit  einer  gewöhnliehen 


der  Berliher  dermAtoloffischen  GeseÜBchaft.  129 

Handpresse  bearbeitet.  Dasselbe  darf  nicht  dicker  als  V,  mm  sein.  Die 
Bemalong  geschieht  von  der  R&ckseite.  Auf  diese  Weise  kann  dieselbe 
nicht  verloren  gehen.  Diese  Prothese  ist  anch  widerstandsfähig  gegen 
Sekrete  nnd  hat  den  Vorteil  der  größeren  Hantfthnliohkeit  Befestigt 
wird  dieselbe  mittelst  Elebestoff  in  einer  Umgebang  von  4 — 6  mm.  Der 
Patient  kann  niesen,  laufen  und  jede  Bewegung  mit  dem  Mienenspiel 
vornehmen.  Eine  andere  Art  Prothesen  sind  die  modellierenden.  Bei 
Besteben  der  Sattelnase  kann  man  den  Defekt  durch  Paraffiniigektionen 
sehr  gat  ausgleichen.  Als  Vorbereitung  hieran  wird  eine  Prothese  in 
ähnlicher  Weise  wie  bei  der  vorigen  Beschreibung  aus  stärkerem  Zelluloid 
angefertigt  und  an  der  tiefsten  Stelle  ein  Glasröhrohen  befestigt,  welches 
mittelst  eines  Eautschukschlanchs  mit  einem  dickwandigen  Ballon  in 
Verbindung  steht.  Auf  diese  Weise  kann  man  aus  dem  Raum  zwischen 
dem  Defekt  und  der  ZeUuloidprothese  die  Luft  heraussaugen  und  die 
Folge  davon  ist,  daß  die  eingesunkene  Partie  immer  näher  an  die  Prothese 
heranrückt,  was  in  2 — 3  Monaten  vor  sich  geht  Selbst  der  resistente 
Knochen  des  Nasenbeins  gibt  mit  der  Zeit  nach.  Auch  anderweitige 
zerklüftete  Narben,  wie  z.  B.  nach  Aktinomykose,  lassen  sich  auf  diese 
Weise  gut  korrigieren. 


Sitzung  vom  1.  Juli  1902. 

Vorsitzender:  Lesser.  SchriftflUirer:  Saalfeld. 

1.  Hollstein  stellt  einen  F*all  von  Raynaudscher  Krankheit 
vor,  welche  sich  bei  einer  Frau  von  48  Jahren  seit  3  Jahren  entwickelt 
hat.  Zuerst  zeigte  sich  an  den  Händen  das  Gefühl  von  Eingeschlafensein. 
Die  Finger  wurden  wachsbleich,  um  sich  später  in  den  Kuppen  schwarz- 
blau  zu  &ben.  Derartige  Anfälle  sollen  immer  nur  bei  Kälteeinwirkung 
aufgetreten  sein,  zuerst  nur  an  der  rechten  Hand  und  später  symmetrisch 
an  beiden  Händen.  An  den  Nägeln  zeigen  sich  Querfurchen  und  Wulstungen. 
Vor  einem  Jahre  traten  heftige  Entzündungen  am  zweiten,  dritten  und 
vierten  Finger  nach  einander  auf,  welche  zu  narbigen  Veränderungen 
geföhrt  haben.  Vor  5  Monaten  hatte  die  Patientin  einen  neuen  asphyktischen 
Anfall,  der  bedeutend  länger  dauerte.  Infolgedessen  kam  es  zu  einer 
schwarzen  Schorfbildung  an  der  Kuppe  des  klemen  Fingers.  Die  Gangrän 
hat  H.  noch  gesehen  und  die  Rückbildung  ist  inzwischen  beträchtlich 
vorgeschritten;  man  sieht  aber  noch  mumifizierte  Teile,  welche  steinhart 
sind.  Da  die  Patientin  diese  Anfälle  nur  bei  Kälteeinwirkunff  gehabt 
haben  wUl,  so  versuchte  H.  derartige  Erscheinungen  durch  äußere  Ein- 
wirkung von  Eis  oder  Äthylchlorid  künstlich  zu  erzeugen.  Diese  Versuche 
hatten  aber  ein  vollständig  neffatives  Resultat.  Die  Untersuchung  des 
Nervensystems  er^ab  einen  absolut  negativen  Befund,  nur  bestand  eine 
geringe  Pupillendifferenz.  Syringomyelie  und  Morvan'sche  Krankheit  sind 
aussuschließen.  Für  Gefäß  Veränderungen  infolge  von  Lues  und  Lepra 
fehlt  jeder  Anhaltspunkt.  Im  Urin  war  weder  Zucker  noch  Eiweiß  vor- 
handen, Herz  nnd  Gefäße  sind  intakt. 

Heller  fragt,   ob  die  Ausbildung  der  Querfurchen  an  den  Nägeln 

mit  den  Anfällen  zeitlich  zusammenfällt.    Da  der  Nagel  ungefähr  1  mm 

Arch.  f.  Dermat.  o.  Sypb.  Bd.  LXIII.  9 


130  YerhandlaDgen 

pro  Tag  w&ohflt,  so  könnte  man  durch  den  Zwisohenraum  zwischen  den 
Qnerfnrchen  die  Zeiten  feststellen,  in  welchen  sich  dieselben  entwickelt 
haben.  Hierdurch  worden  die  Beau sehen  Linien  praktisch  an  Wichtig- 
keit gewinnen. 

Hollstein  erwidert,  dafi  die  Patientin  gewöhnlich  zugleich  mit 
den  gangr&neszierenden  Prozessen  die  Nägel  verlor.  Da  dieselbe  aber  im 
Winter  fast  jeden  Tag  einen  Anfall  gehabt  hat,  mitunter  auch  3^4  An- 
falle an  einem  Tage,  so  dürfte  die  Bildung  der  Querfurchen  mit  den 
Anfallen  schwerlich  zusammenfallen.  Während  in  den  sonst  bekannten 
Fällen  Gemütsbewegungen  in  Betracht  kommen,  sollen  in  dem  voi^ge* 
stellten  Falle  nur  Kälteoinwirkung  die  Asphyxie  hervorgerufen  haben. 

2.  Blasebko  stellt  ein  lOjähriges  Mädchen  vor,  welches  er  vor 
3  Wochen  zum  erstenmal  gesehen  hat  und  bei  dem  er  zuerst  die  Diagnose 
Liehen  ruber  acuminatus  gestellt  hat,  während  er  heute  mehr  dazu 
neigt,  den  Kall  alsLichenscrophulosorum  aufzufassen.  Vor  6  Jahreo 
soll  das  Kind  bereits  einen  jackenden  Ausschlag  am  Rumpf  gehabt  haben. 
Am  rechten  Knie  besteht  ein  sogenannter  Primäraffekt,  welcher  unter 
Wasserumschläften  ffeheilt  ist  und  an  dem  jetzt  noch  eine  Atrophie  sichtbar 
ist,  wie  sie  bei  Liehen  scrophulosorum  nicht  selten  vorkommt.  Innerhalb 
der  Beobachtungsseit  hat  die  Patientin  einen  heftigen  beiderseitigen 
Spitsenkatarrh  bekommen,  so  daß  ein  Verdacht  auf  Skrofulöse  nicht 
ausgeschlossen  ist.  Gegen  diese  Diagnose  spricht  aber  das  starke  Jucken, 
welches  bei  Liehen  scrophulosorum  gewöhnlich  nicht  vorhanden  ist,  da- 
gegen bei  Liehen  ruber  acuminatus  häufig.  Eine  Tnberkulin-Injektion 
konnte  B.  bis  jetzt  noch  nicht  machen.  An  einzelnen  Stellen  sind  voll- 
kommen spitze  Lichenpapeln  sichtbar. 

Pinkus  fragt,  was  Blaschko  unter  Primäraffekt  versteht. 

Blaschko  erwidert,  dafi  er  darunter  eine  erste  Eruption  versteht. 

Heller  erkundigt  sich,  ob  der  Fall  schon  medikamentös  behandelt 
worden  ist. 

Blaschko  antwortet,  daß  bis  vor  4  Wochen  von  anderer  Seite 
Zinkpaste  und  Salben  ohne  wesentliche  Besserung  verordnet  wurden. 
B.  hat  sofort  Arsenik  gegeben.  Unter  dem  Einfluß  desselben  hat  das 
Jacken  nachgelassen,  auch  die  Erscheinungen  sind  zarückgegangen.  Da 
aber  der  Appetit  sehr  gelitten  hat,  so  muß  vorläufig  von  dieser  Behand- 
lung Abstand  genommen  werden.  Zuvörderst  soll  das  Kind  der  Lunge 
wegen  auf  das  Land  gehen. 

Rosenthal  glaubt,  daß,  wenn  die  Affektion  schon  ein  Jahr  lang 
besteht,  sich  der  Liehen  ruber  acuminatus  weiter  ausgedehnt  haben 
müßte;  auch  scheinen  ihm  die  typischen  Effloreszenzen  nicht  deutlich 
genug  ausgeprägt  zu  sein.  Mit  Bezug  auf  die  Konstitution  scheint  R.  die 
Diagnose  Liehen  scrophulosorum  gerechtfertigter. 

Lassar  erwähnt,  daß  man  nach  seinen  Erfahrungen  bei  Liehen 
ruber  von  einer  Primär- Effloreszenz  sprechen  maß;  er  glaubt,  daß  jeder 
Liehen  ruber  mit  einer  manchmal  übersehenen  ersten  EfBoreszenz  auf- 
tritt. Zwar  kann  man  nicht  im  allgemeinen  Sinne  von  einem  Primär- 
affekt sprechen,  jedoch  ist  dieser  Befund  für  den  Charakter  der  Affektion 
von  gewisser  Bedeutung. 


der  Berliner  dermatologischen  Oesellschaft.  13} 

Leiser  hat  in  den  vielen  F&llen,  die  er  gesehen  hat,  eine  erste 
Effloreszenz  nicht  erlcennen  können,  da  die  meisten  Patienten  erst  in  Be- 
handlung kommen,  wenn  die  Affektion  eine  größere  Ausdehnung  ge- 
nommen hat  Daher  scheint  es  ihm  schwierig  zu  sein,  die  erste  einzelne 
Effloreszenz  aufzufinden. 

Rosenthal  erinnert  sich,  daß  Lassar  schon  ähnliche  Beobach- 
tungen Yor  einer  Reihe  von  Jahren  erwähnt  hat,  wobei  es  sich  um 
Liehen  ruber  planus  handelte.  Da  aber  der  yorgestelite  Fall  ein  Liehen 
ruber  acuminatus  ist,  so  fragt  er  L.,  ob  er  auch  bei  dieser  Affektion 
ähnliche  Erfahrungen  wie  bei  Liehen  ruber  planus  gemacht  bat. 

Lassar  machfc  zwischen  diesen  beiden  Affektionen  keinen  strengen 
Unterschied.  Ihm  ist  es  gelungen  in  einer  Anzahl  von  Fällen  die  Anfangs- 
Stadien  zu  sehen. 

Becker  hat  vor  kurzer  Zeit  einen  Initialaffekt  von  Liehen  ruber 
acuminatus  am  Skrotum  gesehen.  Derselbe  entstand  durch  Berührung 
mit  einem  ledernen  Suspensorium.  Nach  4  Wochen  bildeten  sich  typische 
Knötchen  aus.  Auch  mikroskopisch  wurde  die  Diagnose  Liehen  ruber  erhärtet. 
Saal  fei  d  spricht  sich  mit  Entschiedenheit  gegen  Liehen  ruber 
acuminatus  aus.  Nach  seiner  Überzeugung  handelt  es  sich  um  einen  Fall 
von  Keratosis  follicularis.  Andererseits  könnte  man  auch  an  eine  nicht 
typisch  verlaufende  Psoriasis  denken. 

Pinkus  fragt,  obBlaschko  meint,  daß  das  Kind  an  einem  Liehen 
ruber  acuminatus  oder  an  Pityriasis  rubra  pilaris  leidet. 

Blasohko  macht  ebenfalls  keinen  fundamentalen  Unterschied 
zwischen  Liehen  ruber  acuminatus  und  planus.  Obergänge  und  Zusammen- 
vorkommen beider  Affektionen  sind  häufiger  beschrieben  und  beobachtet 
worden.  Kaposi  hat  auf  der  Wiener  Naturforscherversammlung  mehrere 
Fälle  vorgestellt.  Aach  er  hat  Primärherde  von  Liehen  ruber  planus 
mehrfach  gesehen.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  konnte  er  einen  Primär- 
herd  nicht  nachweisen  und  auch  in  der  Ätiologie  scheint  ein  allgemeines 
Auftreten  der  Affektion  wahrscheinlicher  zu  sein. 

3.  Blasehko  stellt  einen  Fall  von  Skierödem,  von  welchem  er 
bisher  nur  2  Fälle  beobachtet  hat,  vor.  Früher  hatte  er  diese  Fälle  als 
Sklerodermie  aufgefaßt,  trotzdem  er  wußte,  daß  dieselben  sich  von  der 
gewöhnlichen  Sklerodermie  wesentlich  unterscheiden.  Der  eine  war  ent- 
standen nach  einer  starken  Erkältung.  Der  vorgestellte  Fall  hat  sich  im 
Anschluß  an  eine  Soarlatina  im  Jahre  1893  entwickelt.  Das  Krankheits- 
bild ist  nicht  mehr  so  ausgeprägt  wie  vor  8  Jahren,  als  B.  den  Patienten 
zum  ersten  Male  sah.  Im  Anschluß  an  den  Scharlach  hatte  sich  eine 
besonders  heftige  Urticaria  entwickelt  und  hieraas  entstanden  dann  die 
eigentümlichen  sklerotischen  Zustände,  welche  sich  zur  damaligen  Zeit 
auf  Gesicht,  Hals,  Brust  und  Arme  ausdehnten.  Diese  Teile  waren  hart 
und  fest;  der  Hals  hatte  3  efn  an  Umfang  zugenommen.  Der  Patient 
zeigt  heute  wie  damals  eigentümliche  gewundene  erythematode  Linien, 
wie  man  sie  nach  Urticaria  häatij^  sieht.  Diese  Figuren  hatten  sich  aber 
gebildet,  ohne  daß  Urticaria  vorhanden  war,  und  blieben  2 — t  Tage  be- 
stehen. Damals  wie  heute  bestand  ein  starker  Dermographismas  ohne 
Ödem  und  ohne  Urticaria.  Durch  heißa  Bäder  und  elektrische  Massage 
wurde   der  Zustand   sehr   günstig   beeinflußt.    Nach    1  bis  2  Jahren  war 

9* 


132  Verhandlangen 

eigentlich  eine  Heilang  eingetreten.  Vor  V«  J^^  ^un  Patient  wieder 
and  der  Zustand  war  der  gleiche  wie  vor  8  Jahren.  Damals  war  die 
Schwellang  des  Halses,  welche  zum  Teil  auf  eine  Yergrößeranfl;  der  Schild- 
drüse zurückzuführen  war,  stärker  ausgeprägt.  Thyreoidin-Tabletten  hat 
Patient  2  Monate  ohne  jeden  Einflafi  genommen,  dagegen  haben  Dampf- 
and heiße  ßäder  in  letzter  Zeit  vrieder  gut  gewirkt.  Diese  Eriorankung 
ist  unbedingt. .auf  eine  Affektion  der  Gefäße  zurückzuführen.  Dafür 
sprechen  die  Ätiologie  —  Erkaltung  und  Scarlatina  —  und  die  Folge- 
zustände der  Haut. 

Lesser  findet  ebenfalls,  daß  diese  Fälle  yon  der  eigentlichen 
Sklerodermie  grundverschieden  sind,  da  jede  Veränderung  der  Haut,  die 
stärkere  Pigmentierung  sowie  die  im  Verlauf  der  Krankheit  eintretende 
Atrophie  der  Haut  fehlt.  Nach  seiner  Überzeagang  liegt  der  Prozeß 
anatomisch  tiefer  als  die  gewöhnliche  Sklerodermie.  Ätiologisch  wird 
wahrscheinlich  die  allgemeine  Infektion  als  wichtiges  Moment  angesehen 
werden  müssen.  In  dem  Falle,  den  Herr  Buschke  in  der  Oesellschaft 
vorgestellt  hat,  war  eine  Influenza  vorausgegangen. 

Blasohko  möchte  in  diesen  Fällen  eher  von  einer  Sklerofascie 
als  von  einer  Sklerodermie  sprechen.  Die  Venen  sieht  man  nicht  als  Er- 
habenheit auf  den  Armen,  sondern  sie  liegen  eher  in  Vertiefungen,  welche 
durch  eine  Verdichtung  der  Fasoien  zu  stände  gekommen  zu  sein  seheinL 

4.  Crerson  stellt  ein  1 1  jähriges  Mädchen  vor,  welches  anPsoriasis 
leidet.  Dasselbe  wurde  vor  6  Wochen  geimpft  und  danach  hat  sich  eine 
frische  Eruption  an  den  Impfstellen,  sowie  von  da  ausgehend  auf  dem 
übrigen  Körper  entwickelt. 

5.  Nagelschmidt.  Beitrag  zur  Theorie  der  Lupusheilung 
durch  Licht.  N.  sucht  die  Fraffe,  ob  bei  der  Lichtbehandlung  des  Lupae 
vulgaris  nach  F  i  n  s  e  n  scher  Metnode  die  im  lupösen  Gewebe  befindlichen 
Tb.-Bazillen  durch  direkte  Lichtwirkung  abgetötet  werden,  oder  ob  hiefur 
erst  das  Eintreten  der  Gewebsreaktion  nach  der  Belichtung  notwendig 
ist,  experimentell  zu  lösen.  Zu  dem  Zweck  erzeugte  er  bei  Meer- 
schweinchen durch  Skarifizieren  und  Einmassieren  von  Tb.-Bazillen*Rein- 
kaltnren  eine  lokale  tuberkulöse  Hautptffektion,  die  sich  histologisch  in 
gewissen  Punkten  als  dem  menschlichen  Lupus  ähnlich  ervries,  jedoch 
ziemlich  zahlreiche  Tuberkelbazillen  enthielt  und  oberflächlich  war.  Ein 
Teil  dieser  erkrankten  Stelle  wurde  1  Stunde  bestrahlt,  unmittelbar 
danach  exzidiert,  in  Bouillon  zerzupft  und  Meerschweinchen  intraperitoneal 
injiziert,  ein  anderer  nicht  bestrahlter  Bezirk  in  der  gleichen  Weise 
verimpft.  Die  mit  unbestrahltem  Material  geimpften  Tiere  erkrankten 
an  Tuberkulose,  während  von  9  mit  bestrahltem  Material  geimpften 
8  gesund  blieben.  N.  schließt  daraus,  daß  das  Licht  tatsächlich  im  stände 
ist,  im^  Gewebe  befindliche  Tuberkelbazillen  zu  töten,  und  sieht  in  dieser 
bakteriziden  Wirkung  den  einleitenden  Faktor  der  Lichttherapie  bei  der 
Lupusheilung.  Erst  nachdem  der  von  den  Tuberkelbazillen  ausgehende 
Reiz  aufgehört  hat,  zu  existieren,  sorgt  die  nachträglich  eintretende  Ge- 
websreaktion für  die  Elimination  respektive  Resorption  der  Krankheits- 
produkte und  die  definitive  Heilung  der  klinischen  Erscheinungen. 

Lassar  macht  auf  den  Widerspruch  aufmerksam,  welcher  darin 
liegt,  daß  Nagelschmidt  nur  eine  Stunde  lang  bei  den  Meerschweinchen 
das  Licht  hat  einwirken  lassen,  während  man  bei  der  Fi nsen scheu  Be- 
handlung lange  Zeit  häutige  Sitzungen  vornehmen  muß. 


der  Berliner  Dennatologischen  Gesellschaft.  I33 

Lesser  betont  den  unterschied  der  Verhältnisse.  Bei  den  Tieren 
handelt  es  sich  nm  eine  oberflächliche  Impftnberknlose,  die  sich  in  den 
obersten  Schichten  der  Haut  abspielt.  Femer  ist  die  Haut  des  Meer- 
schweinchens sehr  düon  nnd  somit  die  Wirkung  des  Lichts  eine  schnellere 
ond  intensiyere  als  beim  Menschen,  wo  sich  die  Inpösen  Prozesse  in  der 
Tiefe  abspielen. 

6.  Heller  hat  im  Jahre  1895  einen  Fall,  den  Lewin  als  Keratosis 
follicularis  aufgefaßt  hat,  histologisch  untersucht.  Auf  Grand 
dieser  Untersuchung^  kam  er  zu  der  Überzeugung,  dafi  die  Pityriasis  rubra 

Jilaris  von  dem  Liehen  ruber  acuminatus  zu  trennen  wäre.  Im  Anfang 
ieses  Jahres  bat  H.  ein  Kind  in  der  medizinischen  Gesellschaft  vorge- 
stellt, welches  klinisch  den  Eindruck  einer  Pityriasis  rubra  pilaris  machte, 
dagegen  auch  andere  Symptome  darbot,  welche,  wie  die  Lokalisation  an 
den  Handtellern  und  Fußsohlen  und  das  Zusammenfließen  der  einzelnen 
Effloreszenzen  an  Liehen  ruber  acuminatus  erinnerten.  Der  Juck- 
reiz war  stark  ausgeprägt,  ebenso  waren  die  Augenbrauen  ergriffen. 
Nach  Arsen  hatte  sich  der  Knabe  bedeutend  gebessert.  Histologisch 
zeigte  sich  ein  eigentümliches  Bild.  H.  demonstriert  die  Präparate 
von  den  beiden  eben  erwähnten  Fällen.  Man  sieht  bei  dem  zuletzt  er- 
wähnten Fall  eine  Einzeleffloreszenz  des  Liehen  ruber  acuminatus.  Aus 
dem  Rete  heraas  erhebt  sich  eine  papelartige  Bildung,  bei  welcher  die 
Akantose  weniger  in  den  Vordergrund  tritt.    Die  Infiltration  besteht  aus 

fewöhnlichen  lymphocytenartigen  Gebilden.  Mastzellen  sind  reichlich, 
Jasmazellen  nicht  vorhanden.  Über  dem  Infiltrat  erhebt  sich  eine  ge- 
waltige Hommasse.  Diese  Effloreszenz  des  Liehen  ruber  acuminatus 
unterscheidet  sich  wesentlich  von  der  Einzeleffloreszenz  der  Pityriasis 
rubra  pilaris.  Man  sieht  bei  der  letzteren  eine  weite  Follikelöffnung, 
aus  weicher  die  Hommassen  federbuschartiff  hervorragen.  Die  Infiltration 
fehlt  vollkommen  und  nur  um  die  Gefall  herum  besteht  eine  leichte 
Zellenneabildang,  eine  papelartige  Bildung  ist  aber  nicht  vorhanden.  An 
einzelnen  Stellen  des  Rete  entstehen  durch  die  hyperkeratotisohen  Horn- 
massen  Ausbuchtungen,  welche  vielleicht  die  Dellenbildung  erklärt.  Wenn 
diese  Vertiefungen  nochgradig  werden,  so  legen  sich  die  beiden  Ränder 
derselben  aneinander  und  es  entstehen  Hohlräame,  wie  man  sie  in  dem 
einen  Präparat  auf  das  allerdentlichste  sieht.  Über  dieser  Bildung  er- 
heben sich  dann  die  gewaltigen  Hommassen.  So  erklären  sich  die 
Höhlungen  im  Rete.  Wenngleich  aus  diesen  Gebilden  ein  anatomischer 
Unters^ied  hervorzugehen  scheint,  so  muß  man  doch  bedenken,  daß  es 
sich  in  dem  einen  Fall  um  einen  Knaben,  in  dem  andern  um  einen  älteren 
Mann  gehandelt  hat,  und  daß  bei  dem  einen  Patienten  die  Affektion  erst 
kurze,  bei  dem  andern  schon  längere  Zeit  bestand. 

Rosenthal  betont  die  große  Seltenheit  der  Fälle  und  die  Schwierig- 
keit, aus  dem  Einzelfall  mikroskopisch  Schlüsse  zu  ziehen,  boBonders 
wenn  klinisch  bedeutende  Unterschiede  bestehen.  Wenngleich  ihm  soge- 
nannte Übergangsfalle  von  Liehen  ruber  planus  und  acuminatus  bekannt 
sind,  so  scheinen  ihm  doch  die  typischen  Fälle  von  Liehen  ruber 
acuminatus  nach  der  Ansicht  der  französischen  Schule  und  von  Kaposi 
mit  der  Pityriasis  rubra  pilaris  identisch  zu  sein. 

Pinkus  erkennt  einen  Liehen  ruber  planus  mit  eventuellen 
acuminaten  Effloreszenzen  und  andererseits  eine  Pityriasis  rubra  pilaris  an. 

Blaschko  spricht  sich  dahin  aus,  daß  zwischen  Pityriasis  rubra 
pilaris    und   Liehen   ruber    acuminatus    keine    verwandtschaftlichen  Be- 


134      Verhandlangen  der  Berliner  dermatologischen  Gesellithaft. 

Ziehungen  bestehen.  Daß  aber  zwischen  dem  letzteren  und  dem  Liehen 
mber  planns  solche  vorhanden  sind,  kann  nar  anter  der  Annahme  ge- 
schehen, daß  man  den  Liehen  raber  acaminatas  für  etwas  anderes  h&lt 
als  wie  die  Pityriasis  rubra  pilaris.  Fast  alle  Fälle  von  Liehen  raber 
acaminatas,  die  er  gesehen  hat,  waren  mit  einzelnen  oder  zahlreichen 
Planuspapeln  vorgesellschaftlicht.  Diese  Fälle  passen  nicht  so  ganz  in 
das  Bild  der  Pityriasis  rubra  pilaris  hinein.  Wahrscheinlich  gibt  es  eine 
spitze  Abart  des  Liehen  ruber  planus,  eine  Art  von  Liehen  raber  folli- 
calaris  mit  EeratOsenbildung.  Diese  Fälle  können  als  Liehen  raber 
acamiDatuB  aufgefaßt  werden. 

Lesser  glaubt,  daß  vor  allen  Dingen  auf  den  Gesamtverlauf  der 
Fälle  Rücksicht  genommen  werden  muß  und  daß  dadurch  doch  eiti 
Unterschied  zwischen  Pityriasis  rubra  pilaris  und  dem  klassischen  Liehen 
raber  acaminatas,  eine  Abart  des  Liehen  ruber  planns,  zu  stände  kommt. 
Der  Verlauf  in  Intermissionen  und  Exacerbationen  bestätigt  diese  Annahme. 

Bosenthal  fägt  hinzu,  daß  in  dem  neuesten  Lehrbuch  von  Lang 
derselbe  die  Bezeichnung  Liehen  ruber  acaminatas  überhaupt  fallen 
läßt,  da  die  Affektion  durch  den  Namen  Pityriasis  rubra  pilaris  besser 
bezeichnet  wird.  R.  selbst  hält  diesen  Standpunkt  f&r  nicht  ganz 
gerechtfertigt. 

S  a  a  1  f  e  1  d  macht  einen  Unterschied  zwischen  Liehen  ruber  acuminatus 
and  Pityriasis  rubra  pilaris.  Als  Assistent  von  Koebner  hat  er  im 
Jahre  1886  einen  Fall  gesehen,  welcher  in  das  Bild  der  Pityriasis  rubra 
pilaris  nicht  hineinpaßt;  auch  mikroskopisch  war  ein  deutlicher  Unter- 
schied vorhanden. 

Heller  glaabt  ebenfalls,  daß  auf  Grund  seiner  mikroskopischen 
Untersuchung  diese  Fälle  von  einander  getrennt  werden  müssen. 

0.  Rosenthal  (Berlin). 


Hautkrankheiten. 


Anatomie,  Physiologie,  patlioL  Anatomie,  allgem.  und  experim. 

Pathologie  und  Therapie. 

Zmnder,  P.  Talgdrügen  in  der  Mand-  and  Lippen- 
schleimhaut.    Monatsh.  f.  prakt.  Dennat.  Bd.  XXXIII. 

Zander  nntersnehte  460  Personen  bezüglich  des  Vorkommens  Ton 
Talgdrüsen  in  der  Lippen-  nnd  Mondsohleimhant  nnd  fand  positiven 
Befnnd  in  189  F&Uen,  n.  sw.  bei  den  nniersnchten  252  Männern  79  Mali 
bei  189  Weibern  60  Mal  in  allen  Altersclassen,  verschieden  reichlich  zu- 
meist an  der  Unterlippenschleimhant,  in  20  Fällen  anoh  an  der  Mnnd- 
schleimhaat.  Bei  60  Personen  im  Alter  von  6—74  Jahren  war  bloss  die 
letztere  ergriffen.  Von  den  untersuchten  waren  viele  starke  Rauchery 
die  Kinder  nnd  viele  Franen  hatten  schadhafte  Zähne.  Bei  Lnetikem 
traten  die  Drüsen  nicht  stärker  hervor  als  bei  anderen  Leuten ;  bei  vielen 
Lnetikem  fanden  sie  sich  nicht.  Histologischer  Befund:  alveoläre  in  das 
subepitheliale  Bindegewebe  eingesenkte  Drüsen  von  einer  Lage  dichten 
Bindegewebes  umgeben;  die  einzelnen  Zellen  der  Drüsen  in  verschiede- 
nen Graden  der  Verfettung.  Stratum  comeum  und  granulosum  biegen 
in  den  Ausführungsgang  ab  und  verlieren  sich  am  Drüsenhals ;  die  Zellen 
des  Strat.  spinosum  bilden  die  Hauptmasse  der  Drüsenzellen  und  dege- 
neriren  fettig.  Die  im  Drüsenhals  liegenden  Lamellen  des  Strat.  comeum 
und  granulös,  werden  nach  ihrer  Einschmelzung  durch  den  Ausföhmngs- 
gang  entfernt,  wodurch  eine  Communication  der  Drüse  mit  der  Ober- 
fläche zu  Stande  kommt.  Haare  oder  Haarrudimente  fand  Z.  nicht.  Ausser- 
dem untersuchte  Z.  10  Leichen  mit  9maligem  positiven  Befund.  Bezüglich 
der  Entstehung  dieser  Drüsen  neigt  sich  Z.  der  Ansicht  von  Heuss  zu, 
dass  sich  dieselben  postembryoual  entwickeln,  jedoch  nicht  aus  einer 
primären  Wucherung  der  Stachelschicht,  sondern  durch  Einstülpung  aller 
4  Schichten  des  Schleimhautepithels.  Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Audry.  Ueber  das  wirkliche  Vorhandensein  Gohn- 
heim*scher  embryonaler  Keime.   Monatsh.  f.  prakt.  Dermatologie^ 

Bd.  xxxin. 

Audry  fand  in  einem  kleinen  Herde  seborrhoischen  Eczems  bei 
der  histologischen  Untersuchung  im   Corium  einen  Epidermisfetzen,  der 


136  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

dnroh  einen  schmalen  Stil  mit  dem  Deckepithel  zosammenhing.  Derselbe 
ist  mit  seinem  Zapfen  denen  des  Deokepithels  zugewendet,  darch  Binde- 
gewebe Yon  demselben  getrennt  nnd  enthält  Papillen,  Gylinderschioht, 
Schleimschicht  und  desqaamirende  Hornschicht.  A.  halt  dies  Gebilde  für 
einen  Gohnheim'schen  Keim.  (?)  Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Eggeling,  H.  Ueber  die  Deckzellen  im  Epithel  Ton 
Ureter  nnd  Harnblase.    Anatom.  Anzeiger,    Bd.  20,  Nr.  6/6,  1901. 

In  den  letzten  Jahren  sind  zahlreiche  Arbeiten  über  den  feineren 
histologischen  Aafbau  des  sogenannten  Uebeigangsepithels  erschienen. 
Ein  klares  Bild  von  dem  Verhalten  des  Zelleibs  der  Deckzellen  dieses 
Epithels  ward  jedoch  darch  sie  nicht  gewonnen.  Eggeling  hat  deshalb 
das  Epithel  von  Ureter  und  Harnblase  des  Menschen  (und  einiger  S&nge- 
thierarten)  genauer,  mit  den  yerschiedensten  Fixirungs-  und  Färbeme- 
thoden, daraufhin  untersucht  und  als  übereinstimmendes  Resultat  Fol- 
gendes gefunden: 

Der  Zelleib  des  Deckepithels  von  Ureter  und  Hamblaae  beeitzi  zu 
Oberst  gegen  das  Lumen  hin  eine  ganz  schmale,  helle,  doppelt  contou* 
rirte,  homogene  Schicht,  die  Deckmembran;  diese  ist  gegen  die 
darunter  liegende  Zellabtheilung  scharf  abgegrenzt,  welch  letztere  eine 
ziemlich  breite,  dichte,  mit  Säurefuchsin  intensiv  färbbare,  homogen  oder 
feinkörnig  erscheinende  Protoplasmaschicht  darstellt:  Ezoplasma. 
Dieses  geht  ohne  scharfe  Grenze  in  das  sehr  lockere,  weitmaschige  Netz- 
werk des  Endoplasma  über,  in  welchem  der  Kern  eingelagert  ist. 

Die  Deokmembran  erscheint  nach  aussen  hin  durch  einen  sehr 
scharfen,  ziemlich  dicken,  dunklen  Strich  abgegrenzt.  Nicht  alle  Zellen 
lassen  eine  solche  Deckmembran  erkennen,  viele  grenzen  anscheinend 
direct  mit  dem  Exoplasma  an  das  Lumen  und  besitzen  dann  entweder 
eine  abgerundete,  in  den  Hohlraum  von  Ureter  (oder  Blase)  vorragende 
Kuppe,  oder  erscheinen  wie  ausgefranst.  Ob  immer  je  eine  Zelle  ihre 
eigene  Deckmembran  besitzt,  oder  aber,  ob  die  letztere  auch,  wofür  ge- 
wisse Bilder  zu  sprechen  scheinen,  über  mehrere  Zellen  continuirlich 
hinweggeht,  konnte  nicht  mit  Sicherheit  entschieden  werden.  Wahr- 
scheinlich ^besitzt  die  Deckmembran  eine  zähflüssige  Beschaffenheit  und 
kann  sich  den  physiologisch  wechselnden  Zuständen  in  der  Ausdehnung 
der  Zelloberfläche  anpassen".  Ihr  Vorhandensein  dürfte  genügen,  um  die 
Widerstandsfikhigkeit  der  Deckzellen  gegen  den  vorbeistarömenden  Urin, 
sowie  die  geringe  Besorptionsfähigkeit  der  Blase  zu  erklären. 

Hinsichtlich  der  Frage  nach  dem  Vorkommen  einer  Secretion 
von  Seite  der  Deckzellen  enthält  sich  der  Autor  einer  bestimmten  Ent- 
scheidung. Doch  scheinen  ihm  die  hiefür  als  Beweise  herangezogenen 
Bilder  nicht  durchwegs  einwandfrei  zu  sein,  wie  er  auch  die  als  »ein- 
zellige  Drüsen"  in  dieser  Epithelart  beschriebenen  Gebilde  nie  in  über- 
zeugender Weise  beobachten  konnte.  Alfred  Fisch el  (Prag). 

Fezzolini,  P.  Gontributo  allo  studio  della  rigenera- 
aione  del  tessuto  elastico  nelle  cicatrici.  Gazz.  degli  Osped. 
e  delle  Cliniche,  22.  Dec.  1901. 


der  Hautkrankheiten.  137 

um  die  Hegeneration  des  elaetischen  Gewebes  in  Narben  zn  sta- 
diren,  hat  Pesaolini  die  Untersnohang  in  nach  der  Kr  au  8  ersehen 
Methode  überpflanzten  Hantlappen  beim  Hnnde  vorgenommen  und  hat 
daa  Auswachsen  der  in  denselben  vorhandenen  elastischen  Fasern  be- 
obachten können,  so  dass  er  sich  zn  der  von  Jores  ausgesprochenen 
Auffassung  bekennt,  der  eben  den  präezistirenden  Fasern  jene  Fähigkeit 
inschreibt.  L.  Philippson  (Palermo). 

Gorini,  D.  G.  lieber  die  bei  den  Hornhant-Yaccine- 
herden  vorkommenden  Zelleinschlüsse.  Centr.  f.  Bakteriologie, 
Bd.  XXIX,  pag.  589. 

Qorini  untersuchte  genauer  einige  kernartige  Bildungen,  die  ihm 
bei  seinen  Untersuchungen  über  den  Erreger  der  Vaccine  in  den  Epithel- 
zellen aufgefallen  waren.  Er  fand  endonucleäre  Formen,*die  er  zu  dem 
Cytoryctes  in  directe  Beziehung  stehend  ansieht,  die  von  gleicher  Natur 
sein  dürften.  Er  l&sst  dabei  unentschieden  ob  der  Cytoryctes  ein  Pro- 
dnct  nnoleftrer  Veränderung  ist  oder  ein  Parasit,  der  nicht  nur  die  Zelle, 
sondern  auch  den  Kern  angreift.  Des  weiteren  hat  der  Autor  Impfver- 
suche mit  den  Kohlparasiten  Plasmodionphora  brassicae  angestellt,  die 
eine  Heihe  von  Differenzen  des  Parasiten  mit  dem  Cytoryctes  aber  auch 
eine  Reihe  von  Aehnlichkeiten  ergaben,  so  dass  auf  eine  gewisse  Ver- 
wandtschaft beider  geschlossen  werden  kann. 

M.  Wolters  (Bonn). 

Bardeleben,  Heinr.  v.  Die  Heilung  der  Epidermis.  Virch. 
Arch.,  Bd.  168,  Heft  3,  1901. 

Nach  einem  ausführlichen  historischen  Rückblick,  berichtet  Verf. 
zunächst  über  zwei  Hilfsexperimente.  Das  erste  derselben  galt  der  Wund- 
überhäntung  selbst  und  wurde  am  frisch  regenerirten  Stück  eines  Axo- 
lotlschwanzes  vorgenommen ;  die  Ergebnisse  erinnerten  theilweise  an  die 
Beschreibnngen  Arnold*s.  Der  zweite  Versuch  sollte  die  Eigenbewe- 
gnng  der  Epithelien  veranschaulichen  und  wurde  an  aus  ihrem  Verbände 
isolirten  Epithelien  der  Zungenunterfläohe  vom  Kaninchen  ausgeführt; 
er  führte  zu  dem  Resultate,  dass  den  Epithelien  eine  Eigenbewegang 
nicht  zukomme.  Der  letzte  Theil  der  ausführlichen,  durch  zwölf  Text- 
abbildungen illustrirten  Arbeit,  enthält  die  Wiedergabe  der  histologischen 
Untersuchungen  über  die  Vorgänge  der  Wundheilung  an  Substanzver« 
lusten,  die  am  Epithel  der  Innenseite  der  beiden  unteren  Lippen wülste 
und  der  Unterfläche  der  Zunge  von  Kaninchen,  nur  in  einigen  besonderen 
Fällen  —  wegen  der  geringeren  Eignung  —  an  der  Epidermis  des  Ka- 
ninchens gesetzt  worden  waren.  Dabei  gelangt  Verf.  zu  folgenden 
Sohlusssätzen :  Es  liegt  im  Wesen  der  durch  «ine  Continuitätsunter- 
brechnng  im  Oberfläohenepithel  geschaffenen  Verhältnisse,  dass  ein 
grosserer  oder  geringerer  Theil  des  Randepithels  zu  Grunde  geht.  An 
der  Orenze,  bis  zu  welcher  dies  geschieht,  entstehen  durch  indirecte 
Eemtheilnngen  der  untersten  Zellschichten  die  ersten  neuen  Epithelzellen 
zur  Deckung  des  Snbstanzverlustes.  Durch  gleichartige  Neubildungen  in 
der  unmittelbaren  Nachbarschaft  bilden  sie  einen  mehrschichtigen  Saum, 


138  -  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Oebiete 

der  dnrcb  erneuerte  Yermehmng  der  Zellen,  die  ihn  snsammensetzen, 
und  durch  steten  Nachschub  von  Zelltheilungen  am  ehemaligen  Wund- 
rande nach  dem  Wnndcentrum  hin  vorwächst.  Die  bei  dieser  Wachs- 
thumsverschiebnng  in  der  Richtung  des  geringsten  Widerstandes  wir- 
kende Kraft  ist  die  kinetische  Energie  der  indirecten  Zelltheilung.  Durch 
dieselbe  werden  Epithelien  im  üeberschnss  gebildet,  so  dass  selbst  tiefere 
Defecte  in  kürzester  Zeit  ohne  Yerschm&lerung  des  Randepithels  ausge- 
fällt werden.  Das  Eeimlager  im  vorwachsenden  Saum  und  in  der  epi- 
thelialen Narbe  ist  ausschliesslich  in  der  Gmndschicht  zu  suchen.  Die 
Keimschicht  der  in  Regeneration  befindlichen  Epithelwundränder  ist  bis 
zur  zweiten,  ausnahmsweise  bis  zur  dritten  Zellage  verbreitert. 

Alfred  Kraus  (Prag). 

Schiller-Tietz.  Die  Hautfarbe  der  neugeborenen  Neger- 
kinder.   Dtsch.  med.  Woch.,  Nr.  86,  6.  September  1901. 

Nach  Schiller-Tietz  mehren  sich  die  Beobachtungen  der 
Thatsache,  dass  Negerkinder,  wenn  nicht  weiss,  so  doch  hellfarbig  zur 
Welt  kommen  und  erst  allmftlig  die  dunkelbraune,  bei  näherer  Be- 
trachtung nie  ganz  schwarze  Farbe  ihres  Yolksstammes  annehmen.  Bei 
Bewegung,  physischen  und  psychischen  Affecten  erzeugt  das  ins  Capillar- 
netz  dringende  Blut  dunklere  Färbung.  Die  Schleimhäute  sind  grauroth. 
Nach  dem  Tode  furbt  sich  die  Haut  fablgrau.  Die  sammetartige  Weiche 
der  Haut  ist  durch  die  starke  Drüsenentwicklung  bedingt.  Im  Süden 
Afrikas  vermehrt  sich  das  Pigment  schneller  als  im  Norden.  Sehr  hell 
ist  die  Farbe  der  Kabylen-  und  Eaffemkinder,  sowie  der  Kinder  von 
brasilianischen  Negern.  Eigenthümlich  ist  die  Thatsache,  dass  in  die 
Tropen  eingewanderte  Portugiesen  besonders  dazu  neigen  ihre  weisse 
Farbe  zu  verlieren.  Die  Kinder  werden  dort  stets  dunkler  als  ihre  Eltern. 
Frühere  maurische  Mischungen  sprechen  vielleicht  dabei  mit.  An  der 
Guineaküste  erkennt  man  Mischlinge  von  vor  mehreren  hundert  Jahren 
eingewanderten  portugiesischen  Adelsfamilien  und  der  eingeborenen  Be- 
völkerung an  der  helleren  Negerfarbe,  europäischem  Gesiohtsschnitt  und 
portugiesisch  klingendem  Namen,  ähnliche  Erscheinungen  finden  sich  in 
Dahome.  Hjrpothese  ist  einstweilen  die  Annahme,  dass  die  Hellfarbigkeit 
der  Negerkinder  analog  der  Erscheinung  etiolirter  Pflanzen  mit  späterer 
Chlorophyllbildung  sei.  Morrison  nimmt  vielmehr  an,  dass  Pigment 
sogleich  vorhanden,  aber  bei  der  Hyperaemie  der  dünnen  kindliehen 
Haut  nicht  zu  erkennen  sei,  da  er  unter  dem  Mikroskope  in  der  Haut 
von  Foeten  und  früh  verstorbenen  Negerkindem  Pigment  vorfand.  Nach 
Abel  und  Davis  bestehen  die  Pigmentkörnchen  aus  farblosem  Grund- 
stoff, aus  dem  eigentlichen  etwas  Eisen  enthaltenden  Farbstoff  und  mehreren 
organischen  Substanzen.  Max  Joseph  (Berlin). 

Pappenheim,  A.  Eine  neue  ohemisch-elective  Doppel- 
färbung für  Plasmazellen.  Monatshefte  f.  prakt.  Dermatologie, 
Bd.  XXXIU. 

Die  Färbung  der  Plasmazellen,  wobei  die  Farblösungen  und  Diffe- 
renzirungsmittel  jedesmal   frisch   zu  bereiten  sind,  wird  nach  P.  in  fol- 


der  Hautkrankheiten.  139 

gender  Weite  vorgenommen:  F&rbung  durch  6'  in  folgender  Lösung:  in 
eine  Eprouvette  werden  1 — 2  Federmesserspitzen  Methylgrfin,  8 — 4  Fe- 
dermesserspitcen  Pyronin  in  Substanz  gegeben ;  dann  wird  die  Eprou* 
veite  bis  etwa  zur  Hälfte  mit  Aq.  destill,  aufgefüllt»  bis  die  Lösung 
deutlich  violett  erscheint,  ohne  durchsichtig  zu  sein.  Hierauf  kurzes 
Abspülen  in  Wasser  bis  eben  fluorescirende  Wolken  abzugehen  begannen, 
darnach  Differenziren  in  Resorcinalkohol,  bis  kein  rother  Farbstoff  mehr 
abgegeben  wird,  und  dann  kurzes  nochmaliges  Darob  fuhren  durch  Alkohol 
absei.,  Oel,  Balsam.  Die  Kemgerüste  der  Plasmazellen  sind  blauviolett,  ihr 
centrales  Kemkörperchen  roth;  desgleichen  ist  ihr  Protoplasma  leuchtend 
purpurroth  und  l&sst  bei  Oelimmersion  das  krümelige  Granoplasma  deut- 
lich erkennen.    Die  Granulationen  der  Mastzellen  sind  orangegelb. 

Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Wolff,  Bruno  II.  Die  Anfertigung  mikroskopischer  Qe« 
frierschnitte  mittels  Aethylchlorid.  Gentralbl.  f.  Gyn&kologie, 
1901,  Nr.  22. 

Wolff  empfiehlt  zur  Anfertigung  von  Gefrierschnitten  das  Aethyl* 
Chlorid.  Der  von  ihm  construirte  Einsatz  für  das  zu  schneidende  Prä- 
parat ist  sehr  einfach,  indem  der  ganze  Gebläse-Schlauch-  und  Röhren- 
apparat wegfällt.  Das  Aethylchlorid  wird  mit  einer  eigens  hierzu  con- 
struirten  Flasche  auf  die  Ober-  und  Unterfläche  des  Objects  gespritzt. 
(Immerhin  ist  der  Preis  von  2*50  M.  für  100  Gr.  Aethylchlorid  ein  recht 
beträchtlicher.    Ref.)  Theodor  Baer  (Frankfurt  a.  M.) 

Lucibelli,  G.  Contributo  alla  fisiopatologia  delle  cap« 
sule  surrenali.    Gazz,  degli  Osped.,  1901,  29.  Sept. 

Aus  seinen  Versuchen  über  die  Bedeutung  der  Nebennieren  unter 
normalen  und  pathologischen  Verhältnissen,  an  Kaninchen  mit  Exstirpa- 
tion  dieser  Organe  und  mit  Bakterieninoculation  vorgenommen,  sieht 
Lucibelli  folgende  Schlüsse:  die  Exstirpation  nur  einer  Nebenniere 
ist  nicht  letal  —  in  derart  operirten  Thieren  verlaufen  Infectionen  gut- 
artig, die  bei  normalen  sicher  tödtlich  sind  —  die  gesteigerte  Schutz- 
kraft  der  zurückgebliebenen  Nebenniere  erklärt  sich  aus  der  histologisch 
nachweisbaren  Hypertrophie  —  Infectionen  von  den  Nebennieren  aus 
verbreiten  sich  viel  schneller,  als  die  von  der  Haut  aus  —  bakterielle 
InoCnlation  in  eine  Nebenniere  ruft  keine  Gegenwirkung  von  selten  der 
anderen  hervor.  L.  Philippson  (Palermo). 

Lewandowski,  M.  Wirkung  des  Nebenniereneztractes 
auf  die  glatten  Muskeln  der  Haut  Centralblatt  für  Physiologie 
1900,  Heft  14. 

Die  Erkenntnis  der  Wirkung  des  Nebennierenextractes  auf  das 
Geftsssystem  durch  Oliver  und  Schäfer  hat  Veranlassung  gegeben,  die 
Wirkung  derselben  Substanz  auch  auf  andere  glattmuskelige  Organe  zu 
prüfen.  Lewandowski  studirte  dieselbe  auf  die  vom  Sympathicus 
versorgten  glatten  Muskeln  der  Haut,  beziehungsweise  der  Haare.  Ver- 
suehsobject  bildete  der  Igel.  Es  zeigte  sich,  dass  einige  Secunden  nach 
intravenöser  Iigeotion  von  Nebenniereneztract  sich  die  bei  dem  tiefhar- 


140  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Oebiete 

cotisirten  Thiere  dachEiegelariig  übereinander  liegenden  Stacheln  anf* 
richteten  und  bo  aufgerichtet  während  einiger  Minuten  blieben,  um  sich 
endlich  wieder  spontan  an  senken.  Es  handelt  sich  um  eine  Contraotion 
der  Arrectores  pilorum.  Die  Wirkung  ist  eine  periphere,  da  sie  nach 
Sympathicnsdurchschneidung  bestehen  bleibt  und  auf  eine  Beeinträch- 
tigung der  Moskelsubstanz  selbst  surückzuführen.  Es  gelingt  auch  durch 
subcutane  Injection  eine  locale  Contraction  der  Arrectores  pilorum  beim 
Igel  herbeizuführen.  Die  Starre  ist  stärker  und  länger  andauernd  als 
bei  intrayenöser. 

Auch  bei  Katzen  treteu  dieselben  Erscheinungen  auf.  Nach  sub- 
cutaner Injection  in  die  Gegend  zwischen  Ohr  und  Auge  und  der  Mittel- 
linie des  Nackens  und  des  Rückens  sträuben  sich  die  Elaare. 

Verfasser  fasst  die  Wirkung  als  pharmaco-dynamische  auf.  An  eine 
Beziehung   zwischen   Hautmuskeln  und  Kebenniere  ist  nicht  zu  denken. 

Dultz  (Breslau). 

inimann,  Karl  (Wien).  Ueber  die  Heilwirkung  der  durch 
Wärme  erzeugten  localen  Hyperaemie  auf  chronische  und 
infeotiöse  OeschwÜriprocesse.    Wiener   klinische  Wochenschrift 
1901,  Nr.  1. 

Die  Erfolge  Wel anderes  darch  continuirliche  Wärmeapplication 
auf  inficirte  Wunden,  sowie  die  Verwendung  der  künstlichen  Hyperaemie 
bei  chronischen  Entzündungsprocessen  auf  infectiöser  Basis  darch  Bier, 
wie  insbesonders  die  Beobachtungen  Buchner's  über  die  chemische 
Fähigkeit  des  Blutes,  die  durch  bakterielle  Infectionsträger  hervorgeru- 
fenen Gewebsbildungen  und  die  Erreger  selbst  einzuschmelzen  und  zu 
rcsorbiren,  haben  den  Autor  zu  den  Versuchen  mit  künstlich  durch  Hitze 
erzeugter  Hyperaemie  veranlasst.  Die  strahlende  Wärme  wurde  durch 
Audry  und  Krösing,  die  kaustische  Wärme  durch  Holländer, 
Lang,  die  leitende  Wärme  durch  Wel an  der  angewendet.  Ullmann 
verwendete  auch  leitende  Wärme  zur  künstlichen  Hyperaemisirung  der 
betreffenden  Hautregion  und  zwar  mittelst  entsprechend  adaptirter  Heiss- 
luftkästen.  Für  die  männlichen  Genitalien  construirte  er  einen  beson- 
deren, etwas  voluminösen  Apparat,  der  abgebildet  ist  und  mittelst  dessen 
er  durch  Vi"^  Stunde  Temperaturen  von  80—150®  C.  applicirt.  Die 
Temperatur  muss  stets  gradatim  gesteigert  werden,  die  Luft  muss  trocken 
sein,  der  niederschlagende  Wasserdampf  verdünnt  das  transsudirte  Serum, 
ausserdem  verbrennt  die  Luft  leichter,  die  nicht  zu  behandelnden  Theile 
werden  durch  Watte  geschützt;  für  die  Höhe  der  Temperatur  ist  das 
subjective  Befinden  des  Kranken  massgebend,  das  Verfahren  darf  nicht 
schmerzhaft  sein.  Bei  Ulcera  venerea  lösen  sich  die  speckigen  Beläge 
ab,  der  Geschwürsboden  selbst  wird  ödematös,  das  ursprüngliche  Aus- 
sehen kommt  unter  dem  Rückgange  des  Oedems  wieder  surück.  Die 
Umwandlung  der  Dlcera  in  reine  granulirende  Wunden  erfolgt  bei  anfangs 
zwei,  später  nur  einmaliger  Anwendung  meist  innerhalb  i — 7  Tagen, 
eine  bestehende  Phimosis  muss  erst  beseitigt  werden,  doch  kann  die 
Wärmeapplication  schon  am  Tage  nach  der  Operation  angewendet  werden. 


der  Hantkrankheiten.  141 

Aach  alte  schwielige  Gammata,  ülcera  craris,  ulcerös  gewordene  Lymph- 
adenitiden,  namentlich  Ulcera  mit  der  Tendenz  über  grosse  Flächen  zn 
kriechen,  verlieren  bei  Anwendung  von  allmälig  ansteigenden  Tempe- 
raturen von  80—180^  G.  ihren  atonischen  oder  progressiven  Charakter; 
bei  Ulcus  oniris  befördert  diese  Methode  rasche  Reinigung  und  Ueber- 
häutung,  aber  keine  Resorption  der  callösen  Ränder.  Ueble  Zufalle  be- 
obaohtete  Ullmann  bei  dieser  Methode  nicht,  als  Folgeznstände  nur 
längere  Zeit  persistirende  Oedeme.  Ausföhrliche  Krankengeschichten 
mit  vielfachen  Abbildungen  illustriren  genauer  die  beschriebene  Methode. 

Victor  Bandler  (Prag). 

Balzer,  F.  Contribution  k  l'ötude  du  traitement  des 
dermatoses  par  l'air  surohauffö.    Sog.  de  derm.  1900. 

Der  zur  Heissluftbehandlung  von  Dermatosen  verwendete  Apparat 
ist  eine  Modification  des  Unna'schen;  an  Stelle  des  Thermokauters  ist 
eine  galvanische  Sohlinge  in  Spiralform,  die  mit  einem  Accumulator 
verbunden  ist,  getreten.  Die  Luft  kann  bis  lu  250^  und  darüber  er- 
wärmt werden. 

Ein  weicher  Perioealohancre  bei  einer  Frau  kam  nach  einer  Sitzung 
in  8  Tagen  zur  Heilung.  Ein  Fall  von  nlcerösem  Lupus  der  Hand  wurde 
zwei  bis  dreimal  wöchentlich  mit  Erfolg  behandelt.  Bei  atonischen  vari- 
cösen  Geschwüren  hofft  Balz  er  durch  die  desinficirende  und  stimulirende 
Wirkung  einen  günstigen  Einfluss.  Wiewohl  er  bei  einem  Fall  von  Lupus 
erythematodes  durch  die  Brandwirkung  zweiten  Qrades  ein  günstiges  Re- 
sultat erzielte,  glaubt  B.  doch  die  Methode  hauptsächlich  für  ulcerosa 
Processe  indicirt  zu  halten.  Der  Schmerz  kann  durch  Cocain  1 '0/5*0 
sehr  gemildert  werden,  bei  grossen  Flächen  ist  complete  Anaesthesie  an- 
gezeigt. Schutz  der  Umgebung  vor  Verbrennung  durch  verschieden 
grossgelochte  Metalle.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hartigan,  William.  Poisoning  by  Lysol.  British  Medical 
Journal,  Nov.  24.  1900. 

Verfasser  wurde  zu  einem  14jährigen  Knaben  gerufen,  dem  wegen 
Dysenterie  gegen  1  Uhr  Mittags  ein  Klysma,  mit  einer  wahrscheiulich  zu 
starken  LysoUösuug  gegeben  worden  war.  Von  1  Uhr  30  Min.  war  Pa- 
tient ganz  bewusstlos  bis  Verfasser  ihn  sah :  5  Uhr  16  Min.  Um  diese 
Zeit  war  der  Knabe  ganz  collabirt  und  bevnisstlos,  lag  mit  an  den  Leib 
gezogenen  Beinen  im  Bett,  die  Pupillen  stecknadelkopfgross.  Der  Puls 
nicht  fühlbar,  die  Athmung  beschleunigt  40  per  Minute,  Seh  weissaus - 
brach,  die  Temperatur  subnormal.  Das  Abdomen  nicht  aufgetrieben, 
die  Bauchdecken  wenig  gespannt.  Der  Knabe  war  augenscheinlich  ster- 
bend. Strychniu-  und  Aetherinjectionen  mit  geringem  Effect.  Dann 
Darmirrigationen  mit  warmem  Wasser,  die  zahlreiche  weissliche,  mem- 
branöse  Massen  zu  Tage  förderten.  Plötzlich  Entleerung  von  dunkel- 
braunem Blut  aus  Nase  und  Mund.    5  Minuten  später  Exitus. 

R.  Böhm  (Prag). 

Maekintosb,  G.  D.  A  fatal  Case  of  Poisoning  with  Zinc 
Sulphate.    British  Medical  Journal,  Dec.  15.  1900. 


142  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Eine  öSjfthrige  Witwe  hatte  ein  grössereB  Qnantam  Zinksnlphat 
zu  sich  genommen.    Circa   2    Stunden  später  wurde  Verfasser  gemfen. 

Patientin  klagte  über  Schmerzen  im  Magen  and  den  Eingeweiden, 
sie  eelbst  war  sehr  blass,  die  Glieder  kühl,  der  Puls  nnregelmftssig. 
Kalter  Seh  weiss,  Durchfall.  Patientin  hatte  nur  sehr  wenig  Flüssigkeit 
erbrochen.  Es  wurde  kohlensaures  Katron  in  warmem  Wasser  verordnet. 
Gopiöses  Erbrechen  mit  weisslicher  Beimeugung  (Zinkoarbonat).  Hierauf 
wurde  Eiweiss  and  Milch  verabreicht  Sp&ter  als  CoUaps  auftrat  Brannt- 
wein. Da  die  Schmerzen  sehr  stark  wurden,  Morphinmiigection.  Am 
nächsten  Morgen  Patientin  collabirt,  fast  pulslos.  Exitus  nach  ca.  20 
Stunden  nach  Einverleibung  des  Giftes.  R.  Böhm  (Prsg). 

Eufttsee,  Henry  M.  An  unnsual  Gase  of  Jodoform  poi- 
soning.    British  Medical  Journal,  Dec.  22.  1900. 

Eine  86jährige  Patientin,  die  etwas  dement  war,  sonst  aber  kör- 
perlich gesund,  erhielt  auf  eine  kleine  Wände  am  Ohr  einen  Jodoform- 
gazeverband  von  ca.  1  Quadratzoll  im  Geviert.  Am  Morgen  des  nächsten 
Tages  wurde  sie  im  Bett  gefunden,  die  Extremitäten  sehr  kühl,  der  Ge- 
sichtsausdraok  ängstlich,  mit  schwachem  Puls  aber  normaler  Athmung. 
Bald  darauf  wurde  sie  unruhig,  verfiel  in  Delirien  und  Hess  den  Harn 
unter  sich,  so  dass  derselbe  nicht  untersucht  werden  konnte.  Kein  Ery- 
them. In  dem  Bette  der  Patientin  wurde  die  ausgekaute  Jodoformgaze 
gefunden,  was  sie  bei  Befragen  auch  zugab.  Sie  erhielt  sofort  ein  Eme- 
ticum,  das  auch  wirkte,  femer  Wärmflaschen  und  heisse  Milch;  gegen 
Mittag  etwas  Nahrung,  die  aber  sofort  erbrochen  wurde.  Dabei  Schmer- 
zen im  Abdomen.  Collaps.  Hierauf  wurde  heisser  Kaffee  gegeben,  den 
Patientin  auch  bei  sich  behielt.  Am  Abend  Temp.  89*.  Besserung.  Am 
nächsten  Tage  waren  die  Vergiftungssymptome  geschwunden. 

R.  Böhm  (Prsg). 

Fischer«  Zwei  Fälle  von  Carbolgangrän.  Mnnohn.  Med. 
Woch.  1901,  Nr.  82. 

Bei  2  Brüdern  traten  nach  selbstordinirten  Umschlägen  mit  8% 
Oarbollösuog  Necrosen  der  Endphalangen  der  betreffenden  Finger  ein. 
Für  den  Verfasser  liegt  deshalb  der  Gedanke  einer  „familiären  Idiosyn- 
krasie** nahe.  v.  Notthafft  (München). 

Jadson,  S.  Bury.  Remarks  on  the  Diagnosis  and  Treat- 
ment  of  Arsenical  Neuritis.  British  Medical  Joum.,  Dec«  8.  1900. 

Verfasser  bespricht  eine  epidemische  neuritische  Erkrankung,  die 
durch  Genuss  von  arsenhaltigem  Bier  verursacht  wurde.  Als  hauptsäch- 
lichste Momente,  welche  die  Unterscheidung  der  ^rsenintozioation  gegen- 
über der  Alcohülneuritis  ermöglichten,  nennt  derselbe:  1.  Gewisse 
Symptome  seitens  der  Haut;  a;  eine  eigenthümliche  Pigmentation,  die 
zuweilen  auffallend  an  Addison'sche  Krankheit  erinnert;  b)  Herpes 
zoster  in  einer  geringen  Anzahl  von  Fällen;  c)  Eruptionen  von  Blasen 
oder  Erythemen;  d)  Verdickung  der  Haut  über  den  Knöcheln  and  an 
andern  Stellen«  2.  Ausfall  der  Haare  und  der  NägeL  3.  lutermittirende 
Dysurie    oder    Glycosurie.      4.     Coryza    und    Oedem    der    Augenlider. 


der  Haatkrankheiten.  143 

5.  ülcerationen  des  Zahnfleipohei  und  des  Bacheas.  6.  Auftreten  nner- 
klarbarer  Attacken  Ton  Yerdaanngsstorongen  mit  Nansea,  Salivation, 
epigastriachen  Sohmerzen,  saweilen  mit  Erbrechen  and  Diarrhoen.  Diffe- 
rential-diagnostisch war  1.  die  Hyperaesthesie  der  Haut  und  Muskeln 
stärker  und  constanter  als  bei  Alcohol  neuritis;  2.  fand  sich  Erythro- 
melalgie  in  den  untersuchten  Fällen  fast  constant  vor  (bei  Alcohol  neuritis 
selten);  3.  Ataxie.  Behandlung:  1.  Entfernung  der  Intoxicationsursache. 
2.  Bettruhe,  eventuell  Wasberbett»  keinerlei  Art  von  Massage  im  Beginn. 
8.  Feuchtwarme  Einpackungen  von  Vi  stündlicher  Dauer,  4  stündlich  wie- 
derholt. 4.  Innerlich :  Salicylsaures  Natron,  Jodkalium.  Gegen  die  Neural- 
gien: Antipyrin  Phenacetin,  Morphiumiigectionen.  5.  Die  Diät  kräftig, 
eventuell  Nährklysmen,  Lüftung  des  Krankenzimmers.  6.  Später  Anwen- 
dung von  Elektricität  (constante  Strome).  Massage,  Widerstandsbewe- 
gungen, warme  Bäder,  Strychnininjectionen. 

B.  Böhm  (Prag). 

MoszkowieZy  Ludw.,  Wien.  Ueber  subcutane  Injectionen 
von  ünquentum  paraffini.  (Au»  dem  Rndolfiner  Hause  Prof. 
Gersuny.)  Wiener  klinische  Wochenschrift  1901,  Nr.  25. 

Der  Autor  theilt  die  weiteren  Erfahrungen,  die  mit  den  von 
Gersuny  empfohleoen  subcutanen  Iigectionen  von Ung. parafßni  gemacht 
wurden,  mit.  Gersuny  hatte  mit  Erfolg  eine  Hodenprothese  geschaffen 
und  eine  Incontinentia  urinae  behandelt,  die  schon  ein  Jahr  continent 
ist  und  Moszkowicz  die  Methode  in  80  Fällen  ohne  jedweden  Unfall 
verwendet,  so  dass  der  Autor  gereinigtes  Paraffin,  das  als  Vaselinum 
albisumum  medicinale  in  den  Handel  kommt,  einen  Schmelzpunkt  von 
36—40^  hat,  als  für  den  Menschen  nicht  giftig  bezeichnen  kann.  Die 
Verwendung  von  Paraffin  von  höherem,  wie  auch  niederem  Schmelzpunkt 
hat  sich  als  unzweokmässig  erwiesen.  Vaselin,  das  bei  86—40®  schmilzt, 
bei  einer  2-8®  tieferen  Temperatur  erstarrt,  hat  bei  gewöhnlicher  Zim- 
mertemperatur Salbenconsiitenz,  bei  Körpertemperatur  wird  es  weich» 
nahezu  flüssig  sein.  Dieses  weiche  Paraffin  übt  offenbar  einen  minimalen 
Reiz  aus,  der  sich  steigert,  wenn  es  in  straffes  Narbengewebe  i^jicirt 
oder  die  Cutis  telbst  damit  injicirt  wird,  es  empfiehlt  sich,  wo  Injectionen 
in  straffes  Gewebe  gemacht  werden  sollen,  eiue  Infiltration  mit  Schleich- 
scher  Losung  voraaszuschicken,  welche  die  Gewebe  lockert,  dem  Paraffin 
Platz  schafft,  -nicht  zu  grosse  Quantitäten  auf  einmal  zu  iujiciren, 
soodem  durch  wiederholte  Injectionen  in  Intervallen  von  1 — 2  Wochen 
das  Ziel  zu  erreichen.  Unmittelbar  nach  der  Injection  palpirt  man  das 
Paraffin  als  teigige  Masse,  nach  wenigen  Tagen  fühlt  sich  das  Vaselin- 
depot  härter  an,  die  GoDsistenz  nimmt  immer  zu,  bis  es  nach  1 — 2 
Monaten  als  eine  knorpelharte  Masse  palpabel  ist.  Aus  der  grossen  Zahl 
von  Beobachtungen  zieht  der  Autor  den  Schluss,  dass  das  Paraffin  sehr 
gut  abgekapselt  wird  und  auch  dauernd  der  Besorption  widersteht, 
dafür  sprechen  die  2  Jahre  alten  Beobachtungen.  Die  Technik  der  Injec- 
tiooeo  ist  folgende:  Das  Yaselin  wird  in  einer  Porzellanschale  über  der 
offenen  Flamme  erhitzt,  bis  es  kocht  und  Dämpfe  aufsteigen,  dann  wird 


144  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

es,  indem  die  Schale  in  kaltes  Wasser  gestellt  wird,  abgekfihlt,  aber  noch 
flftssig  in  die  Spritze  angesogen.  In  der  Spritze  lässt  man  es  nun  gftnz- 
lieh  abkühlen,  was  durch  Darüberfliessen  von  kaltem  Wasser  za  besehlen- 
nigen  ist.  Es  wird  erst  verwendet,  wenn  es  nicht  mehr  flüssig 
ist,  sondern  als  feiner  wnrmähnlicher  Faden  ans  der  Nadel  tritt,  d.  h. 
bis  es  die  Consistenz,  die  es  bei  Zimmertemperatur  hat,  wieder  erlangt 
hat;  unter  den  vielen  ansfShrlichen  Krankengeschichten  seien  nor  die 
F&lle  von  Sattelnasen  hervorgehoben.  Die  Methode  wnrde  in  neun 
Fällen  von  Sattelnasen  theils  traumatischen,  theils  luetischen  Ursprungs 
verwendet,  die  beigegebenen  Abbildungen  zeigen  den  glänzenden  Erfolg 
der  lojectionen.  Besonders  dankbar  sind  die  Fälle,  bei  denen  einfach 
eine  Einsenkung  der  Nasenwurzel  besteht,  diese  Difformität  kann  durch 
I^jection  von  Vi  Com.  Vaselin  in  wenigen  Minuten  beseitigt  werden.  Ee 
empfiehlt  sich  eine  Infiltration  mit  Schleich'soher  Lösung  vorauszu- 
schicken, man  orientirt  sich  auf  diese  Art  rasch,  wo  die  Injection  am 
besten  wirken  wird;  die  Yaselininjectionsnadel  wird  am  besten  an  der 
Nasenwurzel  eingestochen  und  die  Nadel  bis  an  die  Nasenspitze  gefuhrt, 
dann  im  Zurückziehen  der  Nadel  das  Yaselin  herausgedrückt,  während 
zwei  beiderseits  comprimirende  Finger  die  seitlichen  Grenzen  bestimmen 
und  der  Nase  so  die  richtige  Form  geben.  Man  erzeugt  ein  8trangi5r- 
miges  Yaselindepot  am  Nasenrücken,  das  nun  den  First  der  Nase  bildet, 
die  Nasenspitze  richtet  sich  nach  abwärts,  die  Nasenflügel  heben  sich. 
Bei  hochgradiger  Zerstörung  des  Nasengerüstes,  bei  denen  die  Nase  nur 
ein  kleiner  Stummel  ist,  muss  man  nächst  der  Bildung  des  Nasen- 
rückens auch  unter  die  Nasenflügel  Yaselin  injiciren  und  diese  aus 
den  Wangen  herausheben;  doch  ist  hiebei  wegen  des  Narbengewebes 
Yorsicht  zu  beachten,  man  erhält,  wie  man  intracutan  die  Nadel  ein- 
sticht, eine  sichtbare  Reaction,  Böthung  und  Quaddelbildung,  das  fordert 
zum  Aussetzen  auf.  Gewisse  narbige  Einziehungen  der  Haut  können 
ebenfalls  durch  Yaselininjectionen  gehoben,  geglättet  werden;  auch  bei 
einem  Falle  von  Yariolanarben  versuchte  es  Gersuny  mit  einer  Modi- 
fication  (4  Theile  Olivenöl  und  ein  Theil  Unq.  paraffini)  mit  gutem  Er- 
folge. Gersuny  hatte  noch  keinen  üblen  Zufall  zu  verzeichnen  und 
kann  den  Warnungen  M  e  y  e  r's  und  P  f  a  n  n  e  n  s  t  i  e  l's  über  Embolie  nicht 
zustimmen,  sondern  hält  die  Methode  nooh  für  weitere  Indioationen  für 
verwendbar  und  wegen  ihrer  Einfachheit  für  äusserst  brauchbar. 

Yictor  Bandler  (Prag). 

Rohden.  107o  Lysoform-Dermosapol  bei  Psoriasis  und 
Lupus.    Dtsch.  Med.  Wooh.,  Nr.  82,  8.  August  1901. 

Yon  dem  lOVo^gen  Lysoform  sah  Rohden  ausser  bei  Lupus, 
tuberoulösen  und  scrophulösen  Affectionen  gute  Erfolge  auch  bei  Pso- 
riasis und  Dermatomykosen.  Ausser  localer  Anwendung  des  Mittels  räth 
er  zu  einer  systematischen  Allgemeininunction  (2mal  täglich  einen  Thee- 
lö£fel  auf  Brust,  Bauch  und  Rücken  zu  verreiben),  und  regt  zu  weiteren 
Beobachtangen  über  die  Wirksamkeit  des  Lysoform-Dermosapols  an. 

Max  Joseph  (Berlin). 


der  Hantknuiklieiteti.  145 

Pfdrriiiger,  S.  BimsteinalkobolBeife  in  fester  Form 
als  Desinfioiens  für  Haut  und  Hände.  Dtscb.  Med.  Wooh., 
Kr.  SO,  26.  Juli  1901. 

Das  Yon  YoUbrecht  angegebene  Verfahren,  Seifenspiritus  in 
feste  Form  zu  bringen,  hat  Pförringer  dorcb  eine  Gombination  von 
Bimstein  mit  dem  festen  Seifenspiritns  venroUkommnet.  Die  nicht  allzu 
mühsame  Herstellung  des  Präparates  kann  mau  nach  den  genauen  An- 
gaben des  Verf.  selbst  voroebmen,  doch  ist  dasselbe  auch  in  der  Apotheke 
(Hoffmann'sche  Apotheke  in  Breslau)  erbältlich.  Die  Bimsteinalkoholseife 
bewirkte  bei  verschiedenen  Versuchen  eine  vortreffliche  Desinfection. 
Sie  macht  Bürsten  unnöthig  und  eignet  sich  durch  einfache  Anwendungs- 
art besonders  fär  kleine  Krankenhäuser  und  für  unter  schwierigen  Ver- 
hältnissen arbeitende  praktische  Aerzte.  Verf.  glaubt,  dass  hier  der 
Alkohol  die  hauptsächlichste  bactericide  Wirkung  ausübe  und  dass  alko- 
holische Seifenlösung  stärker  desinficire  als  60  bis  967o  Alkohol  oder 
27oo  wässerige  Sublimatlösung.  Max  Joseph  (Berlin). 

Muiasse,  Karl.  Das  Asterol  als  Antiseptioum.  Thera- 
peutische Monatshefte  1901,  Heft  7,  pag.  362. 

M anasse  hat  das  Asterol,  eine  Quecksilberverbindung,  zur  Des- 
infection der  Hände,  Instrumente,  Seide  etc.  mit  befriedigendem  Resultat 
angewandt;  femer  hat  er  mit  0*27ooi£rci^  Losungen  (entsprechend  1:10000 
Sublimat)  Uterusspülungen  ohne  Schädigung  gemacht  Unverdünnt  leistete 
es  gute  Dienste  bei  der  Heilung  eines  torpiden,  alten,  luetischen  (?) 
Geschwürs;  in  27oo^^  Lösung  bei  Panaritien, Phlegmonen,  Foruneulosis. 
Eczem  trat  nie  ein.  Verf.  hält  das  Asterol  f&r  gleichwerthig  dem  Sub- 
limat,  Carbol,  Lysol;  es  ist  dabei  geruchlos,  ohne  Nebenwirkungen,  ohne 
Trübung  und  Schlüpfrigkeit  und  unschädlich  für  Instrumente. 

Victor  L  i  o  n  (Mannheim). 

flaUopean.  Des  resultats  donn^s  par  Pemploi  du  naf- 
talan  dans  quelques  derma  tose  s.  Soo.  de  derm.  etc.,  3.  Mai  1900. 

Hallopeau  berichtet  über  die  Resultate  des  von  Kaposi, 
Pick,  Schwimmer,  Neisser  und  Joseph  mit  günstigem  Er- 
folge angewendeten  Kaftalan.  HI28 

Bei  Pruritus  hat  es  ihm  gute  Dienste  geleistet.  Bei  den  so  hart- 
näckigen retroaoriculären  seborrh.  Eczemen  der  Kinder  wurde  eine  Seite 
mit  Zinkozydsalicylpasta,  die  andere  mit  derselben  Pasta,  nur  mit  Zusatz 
von  Naftalan,  behandelt.  Letztere  zeigte  eine  deutlichere  Besserung  als 
erstere,  wenn  auch  Heilung  in  der  relativ  kurzen  Zeit  der  Behandlung 
nicht  erzielt  wurde. 

Chronische  Eczemplaqnes  der  Unterschenkel,  welche  den  verschie- 
densten Mitteln  widerstanden  hatten,  Eczema  flexurarum,  Prurigo  rea- 
girten  günstig  auf  das  Mittel. 

Bei  acuten  Fällen  von  Eczem,  wo  nur  ausnahmsweise  Reizerschei- 
nungen zum  Aussetzen  desselben  zwangen,   versagte  Naftalan  öfter.    Im 

Anb.  f.  DMinat.  a.  Syph.  Bd.  LXIII.  IQ 


146  Bericht  über  die  Leistungen  anf  dem  Gebiete 

ganzen   kann   es   aber  als  werthvoUe  Bereicherang  der  oft  unberechen- 
baren Eciemtherapie  angesehen  werden. 

Richard  Fisohel  (Bad  HaU). 

Scharff.  Die  Pasta  serosa  Schleiche.  Homogene  Derma- 
totherapie.    Monatsh.  f.  prakt  Dermat.  Bd.  XXXHL 

Scharff  empfiehlt  die  Pasta  serosa  bei  allen  Formen  von  Derma- 
titis und  acutem  Eczem.  Sie  stellt  die  Haut  ruhig,  trocknet  sie  aus, 
kühlt  und  bringt  bei  blasigen  Abhebungen  die  tiefen  Epidermislager 
wieder  zur  Anlegung.  Pulvis  serosus  bewährte  sich  sehr  bei  Ulcera 
orurisy  in  Combination  mit  Unna*s  Zinkleimverband. 

Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Sieberty  J.  Kurze  dermatotherapentische  Mitthei- 
lungen. (Aus  der  Poliklinik  für  Einderkrankheiten.)  Münchener  Med. 
Wochenschr.  1900,  Nr.  43. 

1.  Versuche  mit  Epioarin  bei  Scabies.  Zum  Versuche 
diente  die  10%  Salbe.  Sie  erwies  sich  als  ein  „sicher  wirkendes,  in 
seiner  Anwendung  bequemes  und  unschädliches  Mittel^.  Leider  ist  die 
Zahl  der  Behandelten,  aus  welcher  sich  die  Richtigkeit  dieses  Satzes 
ableiten  müsste,  nicht  angegeben.  Albuminurie  wurde  nie  beobachtet, 
weshalb  es  Ton  Interesse  gewesen  wäre,  etwas  über  das  Alter  der  be- 
handelten Kinder  zu  erfahren.  Dagegen  wurde  einmal  eine  langdauemde 
Urticaria,  einmal  ein  ausgebreitetes  papulöses  Eczem  schon  nach  der 
ersten  Einreibung,  nie  juckstillende  Wirkung,  wohl  aber  einmal  uner- 
trägliches Jucken  in  der  Nacht  nach  der  ersten  Einreibung,  Verschlim- 
merung bestehender  pustnlöser  Zustände  bei  einer  Anzahl  von  Fällen 
und  einmal  secundäres  Panaritium  beobachtet. 

2.  Zur  Behandlung  der  VulvoTaginitis  der  kleinen 
Mädchen.  Siebert  hat  den  kleinen  Mädchen  0*6—1*070  Protärgol- 
lösungen  mit  Tripperspritze  bei  erhöhtem  Becken  des  Kindes  in  die 
Vagina  eingeträufelt,  dann  10  Minuten  zugehalten  und  dieses  gleich  noch 
zweimal  wiederholt.  Das  Verfahren  geschah  dreimal  täglich.  „Im  Allge- 
meinen trat  nach  4  Wochen  Heilung  ein.*  Die  Gonococcen  schwanden 
bei  sorgsamer  Pflege  am  3.  oder  4,  bei  „weniger  sorgsamer  **  nach 
8  Tagen.  Weiterhin  wurde  im  (»gonococcenfreien**  Stadium  mit  Protargol 
und  Adstringentien,  „nach  einigen  Tagen,  wenn  die  Seoretion  ganz  aus- 
geblieben war**,  nur  mehr  mit  Adstringentien  behandelt.  Wie  bei  den 
meisten  übrigen  Protargolpublicationen  fehlen  auch  hier  Angaben  über 
gleichmässig  angestellte  Controlyersuche  mit  anderen  Präparaten,  An- 
gaben über  die  Zahl  der  behandelten  Patientinen  und  ist  andererseits 
auch  hier  wieder  beobachtet  worden,  dsss  in  einigen  Fällen,  wo  schon 
jede  Secretion  verschwunden  und  die  Gonococcen  scheinbar  alle  ver- 
nichtet waren,  mit  dem  Aussetzen  des  Mittels  die  Gonococcen  von  Neuem 
auftraten. 

3.  Erfahrungen  mit  Ichthalbin.  Dieses  Präparat  wurde  bei 
der  FuTunculose  der  Kinder  verwendet.  S.  sah  keinen  unzweideutig  anf 
dasselbe  zurückzuführenden  Erfolg.    Ausserdem  wurde  es  verwendet  bei 


der  Hautkrankheiten.  147 

jener  ^^nippe  von  Krankheiten,  an  deren  einem  Flügel  die  Urticaria  steht, 
zn  der  der  Liehen  urticatus  und  der  Stropholus  zuzurechnen  ist  und 
deren  anderer  Flfigel  von  einigen  Formen  des  Eczems  gebildet  wird,  die 
sich  durch  ihren  fliegenden  Charakter  und  ihr  Auftreten  in  einzelnen, 
untersoheidbaren,  zerstreut  liegenden,  kleinsten  Herden  auszeichnen". 
In  diesen  Fällen  (Zahlen  und  Näheres  sind  nicht  angegeben)  „konnte'' 
Verfasser  ,,sich  des  Eindrucks**  nicht  erwehren,  dass  wirklich  eine  gün- 
stige Beeinflussung  dieser  Processe  durch  das  Ichthalbin  stattfände.  Ob  das 
Mittel  durch  Femwirkung  auf  die  Gef&sse  oder  durch  Regelung  der 
Darmthätigkeit  günstige  Erfolge  erzielt,  diese  Entscheidung  will  der 
Verfasser  von  dem  Erfolg  eines  auf  die  Darmwirkung  zielenden  Ver- 
suches mit  Ichthalbin  abhängig  machen. 

T.    Notthafft   (München). 

Se§SOUS.  Üeber  die  therapeutische  Verwendung  des 
Jedipin s.  (Aus  der  medicinischen  Elinik  zn  Halle.)  Mfinchn.Med. 
Woch.  1900,  Nr.  34. 

8  Eürankengeschichten  von  Tertiarsyphilitikem.  Sämmtlichen  Pa- 
tienten wurde  das  lOVo  Jedipin  innerlich  verabreicht.  Das  Jodipin  hat 
in  einigen  Fällen,  wo  andere  Jodpräparate  versagten,  auch  versagt.  Im 
übrigen  aber  wurde  es  mit  Vortheil  angewendet.  Besonders  prägnant 
sind  ein  paar  Fälle,  in  welchem  es  Dienste  that,  nachdem  andere  Prä- 
parate wirkungslos  geblieben  oder  nicht  vertragen  worden  waren.  Das 
Jodipin  erregt  weniger  Widerwillen  und  weniger  Intozicationserschei- 
nungen  als  das  Jodkali.  v.  Notthafft  (München). 

Juliuflberg,  F.  Ueber  Wirkung,  Anwendnngsweise  und 
Nebenwirkungen  des  Thiosinamins.  Deutsche  Medicin.  Woch., 
Nr.  36,  1901. 

Das  von  Hebra  in  Alkohollösung  empfohlene  Thiosinamin  (ein 
Derivat  des  ätherischen  Senföls)  wandte  Juliusberg,  der  Schmerz- 
losigkeit  wegen,  als  10%  ige  wässrige  Glycerinlösang  an.  Er  hatte  aus- 
gezeichnete Erfolge  bei  Narben,  besonders  von  lupösen  Geschwüren  oder 
nach  anderen  tuberculösen  Hantafifectionen.  Dieselben  wurden  schnell 
weich  und  beweglich.  Aehnlich,  wenn  auch  nicht  ganz  ausnahmslos, 
reagirten  Narben  anderen  Ursprungs;  auch  bei  Sclerodermie  wurde  das 
harte  Gewebe  bald  weich  und  verschieblich.  Keinen  Erfolg  sah  Verf. 
im  Gegensatz  zn  Hebra  bei  Lupus.  Ebenso  blieben  Mycosis  fungoides, 
Tabes  dorsalis,  plastische  Indurationen  der  Corpora  cavemosa  penis  un- 
beeinflusst.  Verl.  gebrauchte  stets  ohne  ungunstige  Nebenwirkungen 
subcutane  Iigectionen.  Die  von  Unna  empfohlenen  Thiosinaminpflaster- 
mulle  und  Tfaiosinaminseifen  wurden  nicht  immer  gut  vertragen.  Hierbei 
stellte  sich  bei  einem  wegen  Sclerodermie  behandelten  Mädchen  ein  hef- 
tiges Arzneiexanthem  ein.  Sonst  war  die  einzige  Nebenwirkung,  die 
Verf.  von  Thiosinamin  beobachten  konnte,  nach  hohen  Dosen  ein  Gefühl 
der  Ermüdung.  Die  therapeutische  Wirkung  des  Mittelst  beruht  nicht 
auf  der   Erregung    der   Entzündung,   da  gerade  gute  Heilerfolge  ohne 

10» 


148  Bericht  ftber  dio  limstangefi  auf  dem  fiebietd 

Entsündang  eintraten.  Eher  kommen  lymphagoge  EigenBchafteu  des 
Medioamentt  in  Betracht.  Max  Joseph  (Berlin). 

Saalfeld,  Edm.  üeber  die  Behandlung  der  Hantkrank- 
heiten mit  E&lte.    Therap.  Monatah.  1901,  Heft  7,  pag.  866. 

Saalfeld  berichtet  über  leine  Yersnohe,  die  Kälte  als  thera- 
peatisohes  Agens  m  verwenden.  Zunächst  machte  er  Thienrersnehe  mit 
flüssiger  Luft  (Temperatur  — 19(f),  Die  Haut  einer  Maus,  die  zweimal 
betupft  wurde,  zeigte  sofort  eine  lederartige  Yerh&rtung,  das  Thier  ging 
alsbald  an  dem  durch  die  K&lte  henrorgerufeneu  Shock  zu  Orunde;  bei 
einem  Kaninchen  zeigte  sich  eine  ähnliche,  aber  nach  24  Stunden  schwin- 
dende Terhftrtung.  Verf.  behandelte  danach  5  Patienten  (Liehen  ruber, 
Eczema  lichenoides,  Tylosiias,  Verrucae,  Angiom,  Ulc.  molle).  Die  Fat. 
wurden  8 — 10  mal  in  Zwischenzeiten  von  10 — 15  Secunden  betupft.  Der 
Verlauf  war:  Jucken,  Brennen,  Qnaddelbiidung,  akantholytische  Blase, 
Secretion,  Sohorfbildung.  Nach  1 — 8  Wochen  war  bei  Liehen  ruber, 
Eczema  lichenoides  und  Tylositas  eine  weiche,  wenig  geröthete  EUtut 
sichtbar.  Die  Verrucae  waren  nach  8Vi  bezw.  12  Stunden  abgefallen, 
das  Ulcus  in  wenigen  Tagen  geheilt. 

Weiterhin  versuchte  YerL  das  Chloräthyl  und  eine  Mischung  von 
Chloräthyl  und  Chlormethyl,  das  Metaethyl.  Bei  Liehen  ruber  und 
lichenoidem  Eczem  waren  die  Resultate  befriedigend.  (Anwendung  ein- 
mal täglich  bis  Vi^^Vi  Minuten  nach  der  Vereisung.)  Ebenso  bei  Tylo- 
sitas (Recidiv  des  mit  flüssiger  Luft  behandelten  Falls);  bei  Herpes  ton- 
surans wurde  schneller  Besserung  erzielt  als  mit  Chrysarobin.  Nebenwir- 
kungen traten,  von  etwas  Brennen  abgesehen,  nicht  auf.  Endlich  hat 
Verf.  bei  einer  Leuooplakie  der  Zunge  den  Plaque  mit  Metaethyl  vereist 
und  abgetragen.  Victor  Lion  (Mannheim). 

1.  Bang,  Sophus.  Eine  Lampe  für  Lichttherapie  nach 
einem  neuen  Prinoip.    Dtsch.  Med.  Wooh.,  89,  1901. 

2.  Müller,  G.  J.  Zur  Theorie  der  A  ctinotherapie. 
Ibid.  60,  1901. 

8.  Droflsbaeh,  P.  P.  Zur  Theorie  der  Actinotherapie. 
Ibid.  1,  1902. 

4.  Müller,  G.  J.  Bemerkungen  zu  Herrn  Drossbach*s 
Erwiderung.    Ibid. 

6.  Bang,  S.  Weitere  Versuche  mit  Eisenelectroden 
Ibid.  2,  1902. 

6.  Finsen,  Niels  R.  Bemerkungen  betreffend  die  Lampe 
Dermo.    Ibid. 

7.  Strebel,  H.  Vorläufige  Mittheilung  über  neue  Licht- 
generatoren in  der  Therapie.    Ibid.  8,  1902. 

In  dem  Instrumentarium  der  von  Finsen  inaugurirten  Therapie 
scheint  sich  ein  vollständiger  Wandel  und  eine  erhebliche  Verein£schung 
zu  entwickeln.  Da  man  bisher  zur  Finsenbehandlnng  nur  eigentlich  für 
optische  Zwecke  oonstruirte  Lampen  verwendete,  so  waren  schädliche 
Nebenwirkungen   entweder  unvermeidlich  oder  das  Eneigiequantum  der 


der  Hantkrankheiten.  149 

Strahlen  konnte  nur  wenig  ansgenntzt  werden.  Um  diese  Unzweok- 
mäftsigkeit  sn  vermeiden,  hat  Bang  (1)  eine  Lampe  constmirt  mit 
Eleotroden  ans  Eisen  oder  ähnlichen  Metallen,  deren  Spectmm  besonders 
reich  an  ultravioletten  Strahlen  ist.  Bei  kleineren  Apparaten  werden  die 
hohlen  Eleotroden  mit  Wasser  durchspült,  bei  grösseren  tanohen  sie  in 
ein  hierza  hergestelltes  Oefäss  mit  Wasser  ein.  Die  Strahlen  gehen 
nnnmehr  fast  nnr  von  dem  zwischen  den  Eleotroden  liegenden  Bogen 
ans.  Das  Abschmelzen  der  Electroden,  sowie  die  Eraterbildang  wird 
durch  die  Wasserkühlung  vermieden  und  ein  wirkb'ches  Bogenlicht  erzielt. 
Experimente  mit  dem  Staphyloeoocus  pyogenes  aureus  ergaben,  dass  die 
bactericide  Kraft  dieses  Apparates  etwa  60  mal  stärker  sei  als  die  des 
gewöhnlichen  Bogenlichtes  bei  gleicher  Stromstärke  und  gleichen  Yer- 
suchsbedingungen.  Ebenso  bedeutend  erwies  sich  die  hautreizende  Wir- 
kung dieses  „kalten"  Lichtes.  Yerf.  gibt  eine  genaue  Beschreibung  des 
Apparates  und  ausführliche  Zahlenberichte  über  die  Stärke  seines  Lichtes 
im  Vergleiche  mit  anderen  Lampen.  Die  verschiedenen  Ausfuhrungs- 
formen dieser  Erfindung  sind,  um  Nachahmungen  durch  Pfuscher  vorzu- 
beugen, in  sämmtliohen  Gulturstaaten  zum  Patentschutz  angemeldet. 

Müller  (2)  wendet  sich  gegen  eine  von  Drossbach  bezüglich 
der  Bang'schen  Lampe  ausgeübten  Kritik.  Drossbaoh  (8)  dagegen 
betont  in  seiner  Erwiderung  auf  diese  Kritik,  dass  Eisenbogenlicht  ein 
altbekanntes  spektroskopisches  Hilfsmittel  sei.  Er  meint,  dass  bei  der 
Erythem  erzeugenden  Wirkung  der  Eisenbogenlampe  individuelle  Dispo- 
sition sehr  massgeblich  sei,  dass  aber  auch  die  Wärmewirkung  hier  in 
Betracht  komme.  Drossbach  hält  nach  seinen  Yersnchen  die  Be- 
hauptung aufrecht,  dass  das  Gemenge  von  lang-  und  kurzwelligen 
Strahlen  nicht  energischer  wirke  als  die  langwelligen  allein.  Die  Oe- 
sammtenergie  des  kurzwelligen  Theiles  des  Eohlenbogenlichtes  sei  bedeu- 
tend grösser  als  die  des  Eisenbogenlichtes  bei  gleichem  Energieaufwande. 
Dem  activen  Sauerstoff,  den  das  Eisenbogenlicht  erzengt,  besonders  in 
feuchter  Luft,  sei  vielleicht  auch  manche  Wirkung  zuzuschreiben,  die 
man  nur  auf  den  directen  Lichteinfluss  bezieht. 

Müller  (4)  dagegen  lehnt  die  Discussion  über  B  a  n  g's  Eisen- 
electrodenlampe  ab,  da  ihm  dieselbe  nicht  zur  Nachprüfung  vorliegt.  Er 
hält  noch  keinen  Beweis  für  erbracht,  dass  es  nicht  die  chemischen 
Strahlen  seien,  welche  die  Lichtentzündung  und  heilende  Wirkung  her- 
vorriefen. Wenn  das  Endresultat  eine  Folge  der  Wärmewirkung  wäre, 
so  hätte  man  längst  den  Lupus  heilen  müssen.  Verf.  verweist  auf  die 
Ergebnisse  eigener  Untersuchungen,  die  er  demnächst  zu  veröffent- 
lichen denkt. 

Bang  (5)  bemerkt  im  Anschluss  an  seine  erste  Mittheilung,  dass 
gegenüber  den  Yortheilen  der  Eisenelectroden  (schnelle,  bakterientödtende 
und  hautreizende  Wirkung)  auch  die  entsprechenden  Nachtheile,  welche 
spätere  Yersuche  ergaben,  zugestanden  werden  müssten.  Die  ultravioletten 
Strahlen  werden  sehr  leicht  absorbirt,  nur  wenige  Stoffe,  wie  Quarz, 
Wasser,   sind  fQr  sie  in  höherem  Masse  durchlässig,  Olas  schützt  leicht 


150  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  (Gebiete 

gegßn  sie.  Auch  die  Haut  absorbirt  sie  leicht,  so  dass  sie  meist  nur 
1  Mm.  in  die  Haut  eindringen.  Das  Eisenlicht  brauchte,  um  durch  ein 
1  Mm.  dickes  Haatstück  hindurch  photographisches  Ghlorsilberpapier  zu 
schwärzen,  dreimal  so  lange  als  eine  26  Amp.  Kohlenlampe.  Die  beiden 
Lichtarten  würden  ganz  verschiedene  Indicationen  haben.  Bang's 
Lampe  eignet  sich  in  einfacher  billiger  Weise  für  eine  starke  Hautreac- 
tion  und  oberflächlich  bakterientödtende  Wirkung,  während  tiefer  sitzende 
Affectionen  (Lupus  vulgaris)  einstweilen  den  Finsenapparaten  überlassen 
bleiben  werden. 

Um  Prioritätsstreitigkeiten  vorzubeugen,  verwahrt  sich  F  ins  en 
(6)  dagegen,  dass  jemals  in  seinem  Institute  Versuche  mit  der  Lampe 
Dermo  des  Ingenieurs  Ejeldsen  angestellt  worden  seien,  wenn  er 
auch  diesem  Herrn,  wie  vielen  Anderen,  erlaubt  habe,  dort  zu  arbeiten. 
Kj  eldseu  habe  Bang  erst  ganz  ungerecht  des  Plagiats  beschuldigt 
und  dann  eine  minderwerthige  Nachahmung  der  Bang'schen  Lampe  in 
den  Handel  gebracht.  In  Bezug  auf  Apparate,  die  den  seinigen  nachge- 
ahmt seien,  bemerkt  Finsen  noch,  dass  hier  Billigkeit  und  leichtere 
Zugänglichkeit  meist  auf  Kosten  der  Lichtstärke  und  somit  des  thera- 
peutischen Effectes  erzielt  werden.  Verf.  weist  auf  eine  später  beabsich- 
tigte Arbeit  hin,  in  welcher  er  verschiedene  Apparate  auf  ihre  bakterien- 
tödtende, entzündungserregende  und  in  die  Tiefe  dringende  Kraft  zu 
prüfen  denkt. 

Schliesslich  theilt  Strebel  (7)  noch  mit,  dass  seine  jetzt  bedeu- 
tend verbesserten  Apparate  das  Licht  der  früheren  Eisenkühlelectroden 
fast  um  das  Doppelte  an  photochemischer  Leistung  übertreffen.  Ausser- 
dem hat  Verf.  durch  Fortleitung  des  Lichtes  in  massiven  Glas-  oder 
Quarzstäben,  sowie  durch  Beflexion  mittels  Prismen  und  Magnaliumspie- 
geln  ein  Verfahren  gefunden,  um  das  photochemisohe  Eisenlicht  in  die 
männliche  und  weibliche  Urethra,  sowie  in  den  Uterus  wirksam  eindrin- 
gen zu  lassen.  Max  Joseph  (Berlin). 

Gastou  et  Chabry.  Essais  d'application  au  traitement 
des  dermatoses  localisees  ou  genöralis^es  des  m^thodes 
d'elektroth.6rapie.    Soo.  de  derm.  1.  Mars  1900. 

Bericht  über  die  drei  ersten  Monate  der  Tbätigkeit  der  im  Hospital 
„Saint  Louis**  eingerichteten  electrotherapeutischen  Abtheilung.  Zur 
Anwendung  kam  die  Franklinisation,  die  d'Arsonval'schen  Hochfrequenz- 
ströme, der  galvanische  und  faradische  Strom  und  das  Lichtbad.  Bezüg- 
lich der  Apparatebeschreibung  sei  auf  das  Original  verwiesen. 

Die  HochfrequeuzstrÖme  sind  in  ihren  stillen  Entladungen  wenig 
schmerzhaft,  bringen  als  erstes  eine  Dilatation  der  Gefässe  hervor,  auf 
welche  dann  eine  Constriction  und  ioc.  Anämie  folgt,  oft  von  Desqua- 
tion  und  Borkenbildung  begleitet. 

Directe  Funkenschläge  sind  wirksamer,  allerdings  schmerzhaft, 
von  vasoconstrictiver  Wirkung,  welche  sogar  zur  Erosion  und  U Iceration 
führen  kann.  Durch  Beeinflussung  der  Ciroulation  kommt  es  zur  Hebung 
der  localen  Ernährung  und  so  erklären  die  Verfasser  die  von  ihnen  be- 


der  Hantkrankheiten.  151 

obaohteten  gftnBtigeii  Wirknngen  bei  den  verschiedenen  Formen  von 
Haaransfall.  (Alopecia  arthritica,  seborrhoica,  Pelade.)  Ein  durch  Seari- 
ficationen  nicht  gebesserter  Fall  Yon  Lupus  erythematodes  kam  nach 
12  Sitrangen  zur  Heilung. 

Die  Fankenschlftge  bringen  Infiltrate  zur  Einschmelzung;  Betraten 
in  einem  Falle  von  Lupus  tub.  schon  nach  der  3.  Sitzung  Uloerationen 
der  erkrankten  Partie,  die  mit  normaler  Narbenbildung  heilten,  auf. 

Die  statische  Elektricität  in  Form  von  Douchen  hat  eine  Wirkung 
auf  den  allgemeinen  Ernährungszustand  und  damit  auch  indirect  auf  die 
Haut  In  zwei  F&Uen  von  Prurigo  wurde  Besserung  des  Juckens  und 
dadurch  auch  des  Schlafs  erzielt.  Bei  ihrer  localen  Anwendung  wurde 
bei  zwei  Patienten  mit  Lichenification  Rückgang  der  Verdickung  und 
des  Juckgefuhls  verzeichnet. 

Beim  Lichtbad  scheint  ein  Erfolg  (Ichthyose)  mehr  durch  die 
Wirkung  der  W&rme  als  durch  die  des  Lichtes  und  der  Elektricität 
bedingt. 

Die  Electrolyse  wurde  mit  Nutzen  zur  Beseitigung  von  Warzen 
und  Tfttowimngen  verwendet. 

Barthölemy  versucht  einen  Rfickblick  über  die  bisherigen  Be- 
strebungen auf  dem  electrotherapeutischem  Gebiete  in  der  Dermatologie 
zu  geben.  Er  erw&hnt  die  Versuche  B  e  s  n  i  e  r's,  Fnssgeschwüre  und 
Unterschenkeleczema  mit  elektrischen  BAdem  zu  behandeln,  seine  eige- 
nen günstigen  Resultate  bei  Endometritis  blennorrhagica,  die  er  mit  dem 
eonstanten  Strom  erhalten,  den  günstigen  Einfluss  der  statischen  Elek- 
tricität auf  Pruritus  ani  et  vulvae  bei  Neurasthenikem,  Diabetikern  etc., 
die  guten  Erfolge  die  0  u  d  i  n  mit  seinem  Apparate  (Arsonval'sche 
Ströme)  bei  Erythema  urticatum,  acuten  nässenden  Eczemen  erhalten 
hat  und  stellt  einen  Bericht  über  eigene  diesbezügliche  Untersuchungen 
bei  parasitären  Erkrankungen,  Versuche  mit  Röntgenstrahlen  zu  therap. 
Zwecken  in  Aussicht 

Brocq  macht  darauf  aufmerksam,  dass  schon  vor  2Vt  Jahren 
M.  Bisaerie,  der  Leiter  seiner  electrotherapeutischen  Abtheilung,  bei 
Lupus  erythematodes  einen  Heilerfolg  mit  Arsonval'schen  Slrömen  er- 
zielte. Wegen  der  Schmerzlosigkeit  und  der  mangelnden  Entstellung 
scheint  ihm  dies  Verfahren  für  die  Zukunft  vielversprechend.  Auf  ge- . 
wisse  Formen  von  umschriebenem  Pruritus,  insbesondere  den  Scrotal- 
pmrituB  haben  die  Hochfrequenzströme  einen  sedativen  Einfluss. 

Dubois-Havenith  hat  schwankende  Resultate  mit  der  eben 
angefahrten  Methode  erhalten.  Momentane  Besserungen  waren  von  hef- 
tigen Verschlimmerungen  gefolgt. 

Brocq  verwahrt  sich  dagegen,  die  „Elektricität**  als  specifisches 
Mittel  gegen  den  Pruritus  empfohlen  zu  haben.  Nicht  jeder  Patient  ist 
gleich  sensibel,  der  eine  wird  mit  Hochfrequenzströmen,  der  andere  mit 
statisoher  Elektricität  zu  behandeln  sein. 


152  Bericht  über  die  Leittangen  auf  dem  Oebiete 

Dabois-Havenith  wollte  die  Wirkung  des  Yerfabreiis  nicht 
in  Abrede  stellen,  Bondem  nnr  gegen  die  Aiusehreitnng  der  Presse,  die 
£Iektricit&t  als  Uniirersalmittel  zu  betrachten,  Front  machen. 

R.  Fischöl  (Bad  Hall). 

Gastou.  Appareil  transformant  la  lonpe  simple  en 
lonpe  binoculaire  et  stereoscopique  et  son  emploi  en  der- 
matologie.    Soo.  de  derm.  1900. 

Beschreibang  einer  von  £mi]e  Berger  erfundenen  Lupe,  welche 
binoculäres  and  stereoskopisches  Sehn  gestattet.  Sie  ist  zq  Detailbe- 
obachtuDgen  in  der  Dermatologie  sehr  geeignet,  da  sie  die  Empfindung 
des  Reliefs  gibt. 

Bei  parasitären  Erkrankungen  des  behaarten  Kopfes,  bei  der  Auf- 
suchung von  Krätzmilben,  beim  Erkennen  kleinster  Bl&schen  etc.  wird 
sie  dem  üntersucher  gute  Dienste  leisten.  Ebenso  im  Laboratorium  bei 
Beobachtungen  von  bakteriol.  Gnlturen  n.  s.  w. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Brocq  et  Bisserie.  Präsentation  d'instrument  pour  le 
traitement  du  lupus  ^rythämatenx  par  les  öffluves  elec- 
triques.    Soc.  de  denn.  etc.  6.  D^cembre  1900. 

Brocq  und  Bisserie  zeigen  ein  Instrument,  das  zur  Behandlung 
des  Lupus  erythem.  mit  Strömen  hoher  Frequenz  dient,  dessen  Yortheil 
in  der  Leichtigkeit  der  Handhabung  und  in  der  Möglichkeit  Ströme 
jeder  Inteusitftt  zu  erzeugen,  besteht. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Pusey,  William  Allen.  Roentgen  Rays  in  the  Treatment 
of  Diseases  of  the  Skin.    A.   Review   of  Recent  Literatare  I 

and  a  Personal  Experience.  Joum.  Amer.  Med.  Associat.  XXXYU. 
820.  Sept.  28.  1901. 

P  u  s  c  y's  persönliche  Erfahrung  erstreckt  sich  anf  Fälle  von  Ent- 
fernung von  Haarwuchs,  von  denen  aber  einige  genauer  berichtet  wird. 
Im  Allgemeinen  fand  er  eine  grössere  Anzahl  von  ßitzungen  nöthig  als 
Schiff  und  Freund,  deren  Methode  er  befolgte,  angeben,  nämlich 
von  20  bis  66 ;  eine  Anzahl  Haare  wuchsen  nach,  waren  aber  dann  leicht 
zu  entfernen.  Erythem  und  Pigmentation  leichten  Grades  traten  nach 
S— 4  Wochen  auf,  gingen  aber  mehr  weniger  rasch  zurück,  wenn  die 
Sitzungen  ausgesetzt  wurden.  P  u  s  c  y  findet  sehr  verschiedene  Reaotion 
bei  verschiedenen  Patienten,  der  Zustand  der  Haut  im  Ganzen  wurde  eher 
verbessert.  Hyperidrosis  empfiehlt  er  als  des  Versuchs  werth.  Bei  Lupus 
vulgaris  erzielte  P.  ausgezeichnete  Resultate  in  zwei  Fällen,  in  denen  die 
Behandlung  genügend  lange  fortgesetzt  werden  konnte,  ebenso  bei  einem 
ausgebreiteten  Hautkrebs  der  Schulter-  und  Halsgegend;  kein  Erfolg  zu 
bemerken  bei  Brustkrebs.  Vielleicht  sei  ein  günstiges  Resultat  für  die 
Verhütung  von  Recidiven  zu  erzielen  durch  Röntgen-Bestrahlung  der 
Operationsflächen.  Die  Wirkung  der  R.-Strahlen  glaubt  P.  mehr  einer 
eigenthümliohen  Stimulation  der  Gewebe  als  den  bakterienzerstörenden 
Wirkungen   zuschreiben   zn    müssen.    Das  active   Element  ist   in   den 


der  Haatkrankheiten.  153 

Strahlen  Belbat  enthalten,  wahncheinlioh  find  dieselben  identisch  oder 
wenigstens  naheza  identisch  mit  den  Strahlen,  die  am  violetten  Ende 
des  Farbenspectmms  und  dber  dasselbe  hinaus  liegen. 

H«  0.  E  1 0  t  s  (New-Tork). 

'  Gottheil,  William  G.  Aotinotherapie  in  Gntaneons  Medi- 
cine  —  A  Preliminary  Gommnnication.  Joom.  American  Med. 
Assoc.  XXXYII.  21.  Jnli  6.  1901. 

Gottheil  beschreibt  einen  anter  dem  Namen  Actinolyte  einge- 
führten Apparat  fär  Lichttherapie.  Derselbe  besteht  ans  einem  Bogen- 
licht  in  Verbindung  mit  einem  stellbaren  doppelten  convezen  Gondenser, 
welcher  die  Herstellong  eines  beliebig  grossen  Focus  ermöglicht.  Ein 
mit  Wasser  oder  beliebigen  anderen  Fldssigkeiten  gefällter  Behälter  schfltst 
vor  der  Hitseeinwirknug.  Mit  diesem  Apparat  hat  G.  vorlftafig  in  einem 
Fall  von  Lnpus  des  Gesichts  and  bei  einem  indolenten  syphilitischen 
Geschwür  des  Beines  gute  Resultate  erhalten. 

H.  G.  K I  o  t  s  (New-Tork). 

StrebeL  Apparate  cur  Lichtbehandlung  mit  Ultra- 
yiolettstrahlen.    Dtsch.  Med.-Zeii  1901,  pag.  681. 

Nach  Strebel  wird  das  reine  ultraviolett  in  gans  enormer 
Weise  von  der  menschlichen  Haut  absorbirt,  im  Gegensati  hiezu  geht 
concentrirtes  ultraviolettes  Licht  ziemlich  gut  durch.  Während  nun  beim 
Voltalicht  (wegen  der  starken  Wärme)  das  Object  nicht  nahe  genug  an 
die  Lichtquelle  gebracht  werden  kann,  ist  dies  beim  Inductionslicht, 
das  an  ultravioletten  Strahlen  reich  ist,  wohl  möglich,  da  hier  die 
Wärmeproduction  viel  geringer  ist 

Strebel  hat  zu  therapeutischen  Zwecken  Apparate  angegeben, 
die  auf  dieses  Princip  basirt  sind ;  das  genauere  mnss  im  Original  nach- 
gelesen werden.  Schliesslich  sei  noch  hervorgehoben,  dass  Strebel 
bei  Lupus  mit  Radium  bisher  gute  Erfolge  erzielte. 

F  r  6  d  6  r  i  c  (Stnssburg). 

Benedict»  H.  (Wien).  Radiotherapeutische  Erfahrungen. 
Wiener  Med.  Woch.  1901,  Nr.  10. 

Mittheilung  zweier  Fälle  von  erfolgreich  ausgeführter  Epilation, 
welche  nach  60  resp.  100  Sitzungen  vollendet  war.  Verf.  glanbt,  dass 
die  Epilation  mit  Röntgen-Strahlen  meist  gelinge,  man  muss  aber  die 
Patienten  aufinerksam  machen,  dass  auch  diese  Methode  nicht  Wunder 
wirke  und  nicht  in  wenigen  Sitzungen  heilen  kann,  sondern  Zeit  und 
Geduld  erfordert^  daf&r  aber  dauernde  Heilung  bringt 

Victor  Bandler  (Prag). 

Sehiir,  £.  und  Freund,  L.  Welches  ist  das  wirksame 
Agens  in  der  Radiotherapie.  Klinisch  therap,  Wochenschr.  1901, 
Nr.  1  und  2. 

Eine  Polemik  gegen  einen  Aufsatz  von  ^Kienböck  in  der  Wiener 
klinischen  Wochenschrift,  die  vielfach  Prioritätstreitigkeiten  betrifft  und 
zum  Referate  sich  nicht  eignet,  Victor  Bandler  (Prag). 


154  Berioht  über  die  Leistungen  aaf  dem  Gebiete 

Kaiser»  Gustav.  Yorl&afige  Mittheilnng  über  einige 
kleine  Neaerangen  auf  dem  Gebiete  der  Photographie  and 
Therapie  mit  Röntgen- Strahlen.  Wiener  klin.  Wochenschrift 
1901,  Nr.  81. 

Kaiser  stellte  Yersnche  an  mit  Böntgen-Röhren  aus  farbigem 
Glase  nnd  zwar  aas  rother  and  blaaer  Farbe.  Diese  Bohren  sind  nor- 
male, regalirbare,  mit  stark  unterlegter  Antikathode,  deren  Unterschied 
nar  darin  besteht,  dass  sie  eben  aas  f&rbigem  Glase  hergestellt  sind.  In 
therapeatisoher  Hinsicht  ist  von  einer  Beizersoheinang  der  Haat  bei  noch 
so  langem  Bestrahlen  and  intensivstem  Lichte  keine  Bede  mehr.  Ausser- 
dem macht  Kaiser  Yersnche  derart,  dass  er  in  den  Inductionsapparat 
statt  der  Böntgenröhre  zwei  Plattenelectroden  mit  vielen  Spitzen  ein- 
schaltete (Anode  15,  Kathode  60  Spitzen)  nnd  den  Strom  durch  stille 
Entladungen  ausglich,  die  hier  einmal  entstehenden  Lichtstrahlen  sam- 
melt er  im  Brennpunkt  eines  grossen  Hohlspiegels;  dadurch  sind  ihm 
Enthaarungen  als  auch  andere  Heilungen  in  überraschend  kurser  Zeit 
gelungen;  für  n&chsse  Zeit  stellt  er  eine  ausführliche  Mittheilnng  in 
Aussicht.  Yictor  Bandler  (Prag). 


Seeretionsanomalien« 

Gastou,  Paul.  Köratodermie  palmaire  dyshidrosique 
Soc.  de  derm.  1.  fövrier  1900.    . 

Die  vorgestellten  6  Fälle  von  Keratodermia  palmaris,  die  ihrer 
Krankheitsgeschichte  und  ihrem  klinischen  Aussehen  nach  ganz  ver- 
schieden sind,  sollen  dazu  dienen,  um  die  Wichtigkeit  des  Studiums  der 
Krankheitsentwicklung  und  des  Aufsuchens  der  PrimftrefTlorescencen  zu 
beweisen.  In  diesem  Falle  sind  es  die  dyshydrotischen  Yesikeln  in  den 
Zwischenfingerfalten.  —  Es  wäre  fast  unmöglich,  in  diesen  Fällen  die 
Di£ferentialdiagnose  zwischen  Psoriasis  palmaris,  Liehen,  Pityriasis  pal- 
maris, Lupus  erythematodes  und  den  essentiellen  Keratosen  (Besnier) 
zu  stellen,  wenn  man  nicht  auf  die  Primärefflorescencen,  die  dyshydr. 
Bläschen,  recurriren  würde.  —  Diese  dienen  vielleicht  nur  als  Eingangs- 
pforte für  die  Erreger  der  Ekzematisation  oder  der  Pyodermitis,  welche 
ihrerseits  wieder  zu  Desquation  oder  Keratisation  den  Anlass  geben 
können.  Ob  die  Dyshydrose  durch  Infeotion  der  Epidermis  oder  durch 
primäre  Alteration  der  Schweissdrüsen  zu  Stande  kommt,  laut  Gasten 
unentschieden,  neigt  aber  mehr  zu  der  letzteren  Ansicht,  so  dass  man 
die  Dyshydrose  der  grossen  Familie  der  arthritischen  und  nervösen  Er- 
krankungen znreihen  köunte.  Bichard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Hallopeau,  H.  et  Lemierre.  Sur  un  nouveau  cas  d'acn6 
chlorique.  Soc.  de  derm.  etc.  7.  Juni  1900.  H  11  2. 

Der  4djährige  Arbeiter  hat  sich  die  Dermatose  in  derselben  Fabrik} 
aus   der  die    Fälle  von   Thibierge    und   Renan,  vielleicht  auch  der 


der  Hautkrankheiten.  156 

Herxheimer'sohe  Fall  (aus  einer  deutschen  Filiale)  stammt,  zuge- 
sogen.  Es  ist  dies  die  einzige  dieser  Art  in  Frankreich.  Betroffen  sind 
nur  die  Arbeiter,  welche  bei  der  elektrolytischen  Gewinnung  des  Chlors  aus 
Kochsalz  beschäftigt  sind.  Hallopeau  und  Lemierre  formuliren  ihre 
Schlussfolgerungen  folgenderroassen :  1.  die  Pathogenie  der  Ghloracne  ist 
wahrscheinlich  complex.  Zwei  verschiedene  Substanzen  bringen  sie  hervor, 
die  eine  bewirkt  die  Entzündung  and  Hypersecretion  der  Talgdrüsen,  die 
andere  färbt  die  Oberfläche  der  Gomedonen  schwarz ;  2.  die  erste  scheint 
das  Chlor  oder  eine  seiner  Verbindungen  zu  sein,  die  zweite  bleibt 
unbestimmt  (Untersuchung  auf  Blei  ergab  kein  positives  Resultat) ;  8.  die 
Gegenwart  des  Unna'schen  Bacillus  bei  dieser  Form  von  Acne  leigt, 
dass  dieser  Mikrobe  nicht,  wie  man  geglaubt  hat,  die  nächate  Ursache 
der  Acne  ist,  sondern  bloss  ein  secundäres  Element,  das  in  dem  Secret 
der  Drüse  einen  günstigen  Nährboden  findet.  Dasselbe  gilt  für  die 
Aetiologie  der  Pelade;  4.  man  muas  die  Aufmerksamkeit  des  „Conseil  du 
hygiene'  auf  die  Bedingungen,  unter  welchen  das  Ausströmen  der 
schädlichen  Gase  stattfindet,  und  ihre  Beseitigung  lenken. 

Sabouraud.  Die  Schwarzfarbung  des  Gomedonenendes  ist  eine 
banale  Tbatsache  in  allen  Formen  von  Acne,  so  dass  es  nicht  nothwendig 
ist,  chemische  Ursachen  anzuschuldigen.  Sehr  verschiedene  Factoren 
können  die  Entstehung  einer  Acne  begünstigen,  immer  sei  aber 
die  eigentliche  Ursache  microbieller  Natur. 

Hallopeau  glaubt  an  einen  rein  chemischen  Ursprung  der 
Affection. 

Sabouraud  beharrt  auf  seinem  Standpunkt  nnd  setzt  die  Chloracne 
in  Analogie  mit  der  durch  Chlordämpfe  erzeugten  Bronchopneumonie, 
bei  der  das  Chlor  sicherlich  eine  Rolle  spielt,  die  Entiündung  der  Lunge 
aber  bakterieller  Natur  sei.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Hallopeau.  Snr  la  cause  prochaine  de  V  aone  chloriqne 
et  de  sa  coloration  noire.    Soc.  de  derm.  etc.  8.  Novembre  1900. 

Bei  dem  in  der  Junisitzung  der  Gesellschaft  vorgestellten  kranken 
Eugene  L  • . .  wurden  weitere  Untersuchungen  über  die  Pathogenie  der 
Chloracne  angestellt:  Das  Chlor  bewirkt  eine  Hypersecretion  der  Talg- 
drüsen und  verändert  zugleich  das  Secret  derselben;  es  erhält  eine  festere 
Consistenz  und  höheren  Schmelzpunkt.  Dadurch  kommt  es  zu  Stauung 
des  Hanttalgs,  Comedonenbildung,  an  denen  Staubtheilchen  sich  fixiren, 
wodurch  die  Schwarzfärbung  der  Comedonen  bedingt  ist.  Dieselbe  ist 
also  nur  eine  secundäre.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Trastour.  Continuation  de  la  s6rie  des 
acnds  chloriqne s.  Soc.  de  derm.  etc.  1900  8.  Decembre. 

Den  6  bisher  publicirten  Fällen,  die  alle  derselben  Fabrik  ent- 
stammen, wird  ein  neuer  hinzugefügt,  der  im  Wesen  den  vorhergehenden 
gleicht.  Bemerkenswerth  bei  demselben  ist  eine  mit  dem  Beginn  der  Haut- 
eruption aufgetretene  Alopecie,  die  sich  auf  natürliche  Weise  durch  eine 
Schädigung  des  Haarbodens  erklären  lässt,  welche  durch  die  Ansammlung 
des  schwärzlichen  Secretes  an  der  Kopfhaut  bewirkt  wurde.    Am  Penis 


156  Bericht  über  die  Leistimgen  auf  dem  Gebiete 

und  Sorotum  Talgoysten  von  gelblicher  Farbe,  die  mit  den  schwanen 
Gomedonen  des  übrigen  Integnments  contrastiren  und  beweisen,  dass  die 
Schwarzftrbnng  der  letzteren  nur  anf  änssere  Einflüsse  znrückiuflUiren  ist 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

TMbierge,  Georges  et  Pagniez,  Philippe.  L*aon6  chloriqne» 
Annales  de  derm.  1900,  pag.  816. 

Den  Ewei  bereits  mitgetheilten  F&Uen  von  Ghloracne  fngt  Thibierge 
zwei  weitere  FftUe  ans  demselben  Fabriksbetriebe  hinan  nnd  gibt  anf 
Grand  dieses  Materials  eine  klinische  Stndie  dieser  von  Herxheimer 
znerst  beschriebenen  Affection.  Ihr  hervorstechendstes  Merkmal  ist  der 
Comedo.  Die  Schwarzfärbang  seines  Köpfchens  ist  dnrch  Vertrocknnng 
nnd  Transformation  der  oberfl.  Schichten  bedingt.  Die  wesentlichsten 
Charaktere  sind  die  intraglandnl&re  Secretretention  nnd  vermehrte  Ab- 
scheidnng  der  Talgdrüsen,  die  znr  Cystenbildnng  führt.  Die  entzündlichen 
Yerändemngen  treten  im  Gegensatz  znr  jnrenilen  Acne  in  den  Hinter- 
grund nnd  können  sogar  ganz  fehlen.  Wangen,  Nase,  Stirn  sind  vor- 
wiegend befallen,  so  dass  das  Gesicht  wie  von  Pnlver  nach  einem  Schnss 
geschwärzt  aussieht.  Am  behaarten  Kopfe,  wo  sich  von  den  einzelnen 
Acneformen  nnr  die  Acne  necrotica  localisirt,  kann  es  dnrch  Anhftnfnng 
der  Gomedonen  znr  Bildung  einer  dicken,  schwarzen,  fettigen  Schichte 
kommen.  Die  Ohren,  der  Hals,  der  Stamm  und  Genitalien  sind  betroffen. 
An  den  H&nden  und  Füssen  erinnern  die  kl.  Gomedonen  an  die  bei 
Fytiriasis  mbra  pilaris  beobachteten  Kegelchen. 

Die  Yerftndemngen  treten  sehr  rasch  auf  und  können  sich  innerhalb 
einiger  Wochen  zur  vollen  Höhe  entwickeln.  H&ufig  geht  ihnen  eine 
difiuse  Schwellung  der  Haut  voraus,  welche  die  einzige  Belästigung  der 
Patienten  bildet.  Diese  können  sich  nach  Abheilung  der  Affeotion  ohne 
der  Gefahr  einer  Recidive  den  Schädlichkeiten  wieder  aussetzen. 

Die  histologische  Untersuchung  zeigt  das  Bild  der  gew.  Acne.  — 
Bakteriologisch  konnten  bloss  in  einem  Falle  Unna'sohe  Bacillen  und 
Coocen  von  variablem  Volumen  nachgewiesen  werden.  Zur  Ergründung 
der  Aetiologie  ist  man  nur  auf  Hypothesen  angewiesen.  Alle  Arbeiter 
waren  mit  dem  Reinigen  oder  Füllen  der  zur  elektrolytischen  Gewinnung 
des  Chlors  dienenden  Gefässe  beschäftigt  Die  Verfasser  neigen  nun  zu 
der  Ansicht,  dass  das  Chlor  oder  eine  seiner  Verbindungen  dnrch  die 
Athmung,  den  Verdauungscanal  oder  die  Haut  aufgenommen  wird  und 
durch  die  Talgdrüsen  ausgeschieden  die  beschriebenen  Veränderungen 
setzt.  (Analogien  mit  der  Jod-  und  Bromacne.) 

Der  Einfluss  des  Unna'schen  Bacillus  bedarf  noch  des  weiteren 
Studiums,  doch  scheint  der  chemische  Reiz  das  primäre  Moment  zu  sein, 
und  dem  Bacillus  erst  eine  secnndäre  Rolle  zuzufallen. 

Richard  F  i  a  c  h  e  1  (Bad  Hall). 

Bettmaim.  „Chlor-Acne*'  eine  besondere  Form  von  pro- 
fessioneller Hanterkrankung.  Deutsche  med.  Woch.  Nr.  97. 
4.  Juli  1901.  •-* 

Ueber  2  Fälle  von  Ghloracne  bei  Arbeitern  in  chemischen  Fabriken 


der  Hautkrankheiten.  157 

berioktet  Beitmann.  Später  kamen  noch  21  ähnliche  Fälle  zar  Beob- 
achtong,  welche  alle  Personen  betrafen,  die  mit  der  Ansräamong  von 
Sänrethürmen  beschäftigt  waren,  während  in  anderen  Räumen  arbeitende 
Leute  nicht  erkrankten.  Aehnliche  Erscheinungen  werden  Ton  anderen 
Autoren  berichtet  bei  Arbeitern  solcher  Fabriken,  wo  Chlor  ans  Chlor- 
natrium und  Chlorkalium  mittels  Elektrolyse  gewonnen  wird,  und  zwar 
erkrankten  hier  die  mit  Reinigung  und  Wiederladang  der  Behälter  be- 
trauten Personen,  welche  sich  also  den  chemischen  Zersetzungsproducten 
anssetzten.  Das  Krankheitsbild  unterscheidet  sich  von  der  Acne  vulgaris 
durch  Yerhomungserscheinungen,  Generalisation  der  Comedonen,  tecnn- 
däre  Atherombildung,  häufige  Localisation  auf  dem  behaarten  Kopfe. 
Miterkrankung  anderer  Organe  oder  Reizung  der  Athemwege  bestand 
nicht  Trotz  Aufgabe  der  schädlichen  Beschäftiguog  blieb  die  Acnetherapie 
fast  unwirksam.  In  den  Salzsäurethürmen  sind  yielleicht  die  gechlorten 
Theerderivate  anzuschuldigen,  doch  ist  die  Noxe  bisher  in  keinem  Falle 
sicher  nachgewiesen.  Einstweilen  werden  in  den  betreffenden  Fabriken 
Exhaustoren,  Durchspülung  der  Thärme  mit  Sodalösung,  Tragen  von 
Gummihandschuhen  und  Einfetten  des  ganzen  Körpers  seitens  der  Arbeiter 
als  Prophylaxe  angewendet.  Max  Joseph  (Berlin). 

Gaueher,  E.  Acn6  cornee  vegötante.  Soc.  de  denn.  eto. 
a  November  1900. 

Im  März  dieses  Jahres,  angeblich  nach  einer  heftigen  Oemüths- 
bewegung,  ein  Ausbruch  der  Eruption,  die  allmälig  die  Brust,  die  Regio 
stemalis,  die  Flanken,  den  Rücken,  die  oberen  Partien  des  Abdomens, 
die  Basis  des  Halses  und  in  letzter  Zeit  die  Inguinalgegend  und  die 
Hinterbacken  befiel.  Im  Gesicht  Comedonen  von  schwärzlicher  Färbung. 
Die  Primärefflorescenz  ist  eine  braune,  wenig  erhabene  Papel  von  droa 
1  Mm.  Durchmesser,  die  von  einer  fettigen  Borke  bedeckt  ist,  und  den  ein- 
zelnen Follikeln  entspricht.  Stellenweise  fliefien  die  Efflorescenzen  zu  von 
graulichen,  fettigen  Borken  bedeckten  Plaques  zusammen.  Die  Nägel 
verdickt  und  gestreift.  Schleimhäute  frei.  Zeitweiliger  heftiger  Pruritus, 
besonders  des  Nachts. 

Die  Frage  Leredde's,  warum  der  Autor  die  Erkrankung  als  Acne 
com^  veg.  bezeichnet,  beantwortet  G  a  u  c  h  e  r  dahin,  dass  die  klinischen 
und  anatomischen  Charaktere  ihn  bestimmen.  Hallopeau  bemerkt,  dass 
er  einen  ähnlichen  Fall  im  Jahre  1888  vorgestellt  habe  und  ihn  in  Ueber- 
einstimmung  mit  Besnier  acn6  ooncröte  hypertrophique  zur  Differen- 
ztning  von  der  Acne  vulgaris  benannt  habe.  Besnier  schlägt  vor,  sich 
mit  der  provisorischen  Bezeichnung  zu  begnügen,  bis  man  die  Natur  der 
Krankheit  erkannt  habe.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Trastour.  Sur  un  nouveau  cas  de  bromisme 
suppur^  en  placards  agglom6r6s.  Soc.  dederm.eto.  6.Jouilletl900. 

Die  27jährige  Patientin  gebraucht  seit  4  Jahren  wegen  epileptischer 
Anfälle  Brompräparate.  Die  Affection  begann  vor  2  Monaten  mit  Bildung 
eines  kl.  Knötchens  am  r.  Unterschenkel.  Gegenwärtig  wird  sie  ans 
einem  ovalären  Herd   10x8  Ctm.,   welcher   aus   einer  centralen   Partie 


158     Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete  d.  Haatkrank. 

besteht,  in  welcher  die  Haut  rothTiolett,  verdickt  und  indurirt  ist  und 
an  einzelnen  Stellen  das  Aussehen  vegetirender  Pachydermie  seigt,  nnd 
einer  peripheren»  welche  aus  breiten,  flachen,  von  einander  isolirten 
Pusteln  besteht,  gebildet.  Alle  Efilcrescensen  sind  auf  Druck  schmerzhaft.  Im 
Gesicht,  am  Rücken,  an  der  Wurzel  der  ob.  Extremitäten  Acnepusteln. 
Bemerkenswerth  ist  in  diesem  Falle  das  excentrisch  periphere  Fort- 
schreiten der  Erkrankung  und  das  Beschranktbleiben  auf  ein  beatimmtes 
Gebiet,  ähnlich  den  Antipyrinemptionen.  Erklärt  wird  der  Vorgang  damit, 
dass  die  Initialpustel  in  der  Umgebung  ein  günstiges  Terrain  für  die 
Wirkung  des  Giftes  schafft.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 


Buehanzeigen  und  Besprechungen. 


Nonne,  Max.  Syphilis  und  Nervensystem.  17  Vorlesungen. 
Berlin  1902.    S.  Karger. 

In  den  nachstehenden  Zeilen  will  ich  Nonnes  Buch  nicht  be- 
sprechen —  dazu  wurde  ich  viele  Seiten  brauchen  und  es  würde  auch 
ohne  reichliche  Diskussionen  über  mannigfache  Fragen,  in  denen  ich  mit 
dem  verehrten  Verfasser  nicht  harmoniere,  nicht  abgehen  —  aber  ich 
will  das  Buch,  und  zwar  auf  das  Dringendste  empfehlen,  weil  es 
in  vorzüglichster  Weise  das  wichtige  und  ohne  besondere  Vorbildung 
nicht  zu  beherrschende  Kapitel  der  durch  Syphilis  bedingten  Nerven- 
erkrankungen uns  Syphilidologen  nahe  bringt. 

Freilich  waren  auch  wenige  wie  Nonne  so  befähigt,  eine  solche 
Aufgabe  zu  lösen.  Langjährige  Vorbildung  auf  einer  der  größten  Ab- 
teilungen für  venerische  Kranke  (bei  Engel-Reimers)  geseilte  sich  zu 
eingehendster  spezialistischer  Tätigkeit  auf  neurologischem  Gebiet  nnd 
zu  allgemein-medizinischer  und  pathologisch-anatomischer  Erfahrung,  die 
der  Verfasser  aus  dem  ungeheuren  Material  des  Eppendorfer  Kranken- 
hauses schöpfen  konnte,  so  daß  eine  allseitige  Beherrschung  der  Materie 
resultieren  mußte;  eine  Vielseitigkeit,  die  es  dem  Verfasser  ermöglicht^ 
einerseits  die  in  jedem  einzelnen  Gebiet  schwebenden  Streitfragen  zu 
kennen  und  zu  behandeln  und  doch  andererseits  stets  den  Znsammen- 
hang mit  der  allgemeinen  praktischen  Heilkunde  nicht  aus  dem  Auge  zu 
verlieren.  Wir  Syphilidologen  finden  nicht  nur  ein  Nachschlagebuch, 
um  uns  über  die  vielseitige  Klinik  der  syphilitischen  Nervenerkrankungen 
zu  informieren,  sondern  auch  sehr  lehrreiche  und  anregende  Mitteilungen 
über  uns  speziell  interessierende  Probleme:  Prognose  der  Syphilis, 
Disposition  for  besondere  Lokalisation,  Einfluß  der  Behandlung  auf  den 
Gesamtverlauf,  pathologisch -anatomische  Befunde  u.  dergl.  mehr.  Die 
Neurologen  andererseits  werden  ihnen  vielleicht  ferner  liegende  Tatsachen 


Bnohanzeigen  und  Besprechungen.  159 

und  Probleme  aus  dem  Gebiete  der  Syphilidologie  als  willkommene  £r- 
g&nJEung  zu  den  klinischen  und  pathologischen,  auf  reichster  Erfahrung 
des  Verfassers  beruhenden  Schilderungen  der  einzelnen  Erankheitsformen 
begrfifien« 

Das  Buch  ist  ein  stattlicher  Band  Ton  424  Seiten  mit  42  pathologisch- 
anatomischen und  histologischen  Abbildungen,  denen  sich  noch  ein  sehr  aus- 
führliches Literatur- Verzeichnis  nebst  Autoren-  und  Sachregister  anschließt. 
Aber  trotz  des  großen  Umfanges  ist  der  Inhalt  durch  das  vorausgeschickte 
Inhalts- Verzeichnis  und  die  auf  jeder  Seite  angebrachten  Marginalien  so 
leicht  und  bequem  zu  übersehen,  daß  Jeder  ohne  Anstrengung  das 
Gänse  durchstudieren  oder  im  Einzelfalle  das  ihn  gerade  Interessierende 
finden  kann. 

An  Einzelheiten  möchte  ich  folgendes  herrorheben: 

Pag« 8.  Bemerkungen  über  die  Häufigkeit  der  syphilitischen 
Erkrankungen  des  Nervensystems.  Unter  5600  F&llen  von  Nerven- 
erkrankungen entfiel  auf  je  66  Fälle  ein  Fall  von  NervensyphiHs;  dagegen 
kommt  nur  ein  Fall  auf  280  allgemein-medizinische  Fälle. 

Pag.  11.  Nachweis  der  syphilitischen  Infektion  und 
Schwierigkeiten  der  Diagnose;  absolute  Bedeutungslosigkeit  des 
Fehlens  anamnestischer  Angaben,  Hinweis  auf  durchaus  analoge  Verhält- 
nisse bei  der  tertiären  Syphilis.  —  Nicht  jede  organische  Nervenerkrankung 
bei  syphilitisch  Gewordenen  ist  eine  syphilitische.  —  Weder  der  positive 
Erfolg  einer  antisyphilitiscfaen  Therapie  ist  ohne  weiteres  für  die  An- 
nahme der  syphilitischen  Natur  des  Nervenleidens  zu  verwerten,  noch 
der  negative  gegen  die  syphilitische  Natur. 

Pag.  46.  Der  Einfluß  der  Syphilis  auf  die  Gefäße  doku- 
mentiert sich  auch  darin,  daß  die  Syphilis  zu  einer  atheromatösen 
Degeneration  der  Gefliße  fähren  kann,  welche  sich  von  der  ohne  Syphilis 
entstandenen  auch  mikroskopisch  nicht  mit  Sicherheit  differeuzieren  läßt 

Pag.  65.  Bericht  über  Beobachtungen,  daß  verschiedene  Mitglieder 
derselben  Familie,  die  syphilitisch  infiziert  wurden,  organisch  nerven- 
krank wurden.  Auch  bei  vier  syphilitischen  Ehepaaren  bekamen  beide 
Teile  später  entweder  eine  echte  Syphilis  oder  eine  postsyphili tische  Er- 
krankung des  Nervensystems. 

Pag.  56,  189,  190,  247,  412,  416.  Besprechung  des  Einflusses 
derVorbehandlung  der  Syphilis  auf  die  spätere  Entstehung 
von  syphilitischen  Nervenerkrankungen.  Wenn  auch  Ver- 
fasser mehrfach  gesehen  hat,  daß  trotz  sorgsamster  Anfangsbehandlung 
später  schwere  Nervensyphilis  sich  entwickelte  oder  von  Anfang  an  ein 
schwerer  Verlauf,  der  durch  keine  Behandlung  zu  modifizieren  war,  sich 
einstellte,  so  bleibt  doch  die  Regel  zu  Recht  bestehen,  daß  eine 
möglichst  energische  und  möglichst  frühe  sachgemäße 
Behandlung  der  primären  und  sekundären  Syphilis  auch 
in  Hinsicht  auf  Verhütung  von  Erkrankungen  des  Nerven- 
systems nicht  warm  genug  angeraten  werden  kann.  Jedoch 
ist  Nonne  ein  Gegner  der  von  Fonrnier  und  dem  Referenten  ver- 


160  Bnohaiueigeii  und  Betprecliiiiigeii. 

tretenen  BehandloDgamethode.  Nonne  spricht  iwar  von  einer  i, fort- 
währenden*' Behftndlnng,  wfthrend  wir  swar  eine  ohroniaohe,  aber 
doch  intermittierende  Behandlung  empfehlen. 

Pag.  191  findet  sich  der  sehr  wichtige  Hin  weil  auf  den  Unterschied 
zwischen  der  Heilang  im  anatomischen  Sinne  and  der  Heilung  im 
klinischen  Sinne.  Anatomisch  kann  die  Himerkrankang  geheilt  sein 
aber  nat&rlich  bleiben  die  klinischen  Aasfallssymptome  bestehen. 

Pag.  212.  Zwar  gibt  es  keine  spezifisch  syphilitische  Geisteskrank- 
heit, aber  andererseits  gibt  es  aach  keine  Form  psychischer  Störong,  die 
nicht  im  Gefolge  der  Syphilis  zur  Beobachtung  gelangen  könnte. 

Die  9.  und  die  18.  Vorlesung  sind  der  Frage  des  Zusammen- 
hanges der  Syphilis  mit  der  Dementia  paralytiea  und  der 
Tabes  gewidmet.  Nounes  Standpunkt  ist  folgender:  die  Syphilis  ist 
nicht  auuchliefilich  die  Ursache,  keine  conditio  sine  qua  non  f&r  die 
Tabes,  sie  ist  aber  die  bei  weitem  h&ufigste  und  wichtigste  Ursache  der 
Tabes,  der  gegenüber  alle  anderen  in  Betracht  gezogenen  Ursachen 
durchaus  zurücktreten. 

Ich  denke,  diese  wenigen  Bemerkungen  werden  jedem  klar  machen, 
daß  Nonne  nicht  zu  viel  yerspricht,  wenn  er  in  der  Vorrede  sagt: 
ff  es  wende  sich  dieses  Bach  vorwiegend  an  das  Interesse  des  Praktikers; 
doch  dflrfte,  da  die  Spesial- Literatur  überall  zu  Bäte  gezogen  ist,  auch 
der  Neurologe  und  der  Syphilidologe  über  den  heutigen  Stand  der 
Einzelstandpunkte  sich  orientieren  können''«  Hiermit  sei  es  also  allen 
Archiylesem  angelegentlichst  empfohlen.  A.  Neisser  (Breslau). 


Varia. 

PereouaUen.  Ernest  Besnier,  der  bisherige  Präsident  der 
Society  Fran^aise  de  dermatologie  et  de  syphiligraphie  wurde  zum  Ehren- 
präsidenten ernannt;  an  seine  Stelle  wurde  Alfred  Fournier  zum 
Präsidenten  der  Gesellschaft  gewählt. 

Prof.  J.  H.  Bille  (Innsbruck)  ist  znm Nachfolger  von  G. Riehl  in 
Leipzig  ernannt  worden. 

Privatdozent  Dr.  Eduard  Ehlers  (Kopenhagen)  ist  zum  Pro- 
fessor ernannt  worden. 

Als  Privatdozenten  far  Dermatologie  und  Syphilis  haben  sich  habi- 
litiert: Dr.  V.  Allgeyer  in  Turin,  Dr.  P.  L.  Bosellini  in  Bologna 
und  Dr.  R.  BoTero  in  Parma. 


Originalabhaiidlungen. 


Arcb.  f.  Dennat.  n.  Sypb.  Bd.  LXIII  j| 


Ans  der  dermatoloe^schen  Zlinik  der  kgl.  Universität  in  Tarin. 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris. 

Von 

Prof.  8.  Giovannini. 

(Hiezu  Taf.  Vin-XII.) 


Welcher  Wert  unseren  heutigen  Kenntnissen  der  Histo- 
logie der  Keratosis  pilaris  (Liehen  pilaris,  Ichthyosis  anserina 
und  follicularis,  Xerodermia  pilaris)  beizumessen  ist,  können 
wir  leicht  aus  den  Schlußfolgerungen  ersehen,  welche  die 
verschiedenen  Autoren,  die  sich  mit  dem  Studium  der  Histo- 
logie dieser  Krankheit  selbst  befaßten,  bezüglich  der  Natur 
derselben  zogen.  Lemoine  erklärte  sich  für  die  entzündliche 
Natur  der  Keratosis  pilaris,  indem  er  dieselbe  verschiedenen 
Arten  des  Liehen,  und  insbesondere  dem  Liehen  skrophuloso- 
rum  an  die  Seite  stellte.  Jacquet  erblickte  in  ihr  eine  fehler- 
hafte Entwicklung  der  Follikel,  bestehend  in  der  Anwesenheit 
unvollständig  entwickelter  und  überzähliger  Follikel.  A  u  d  r  7 
hielt  sie  für  eine  Anomalie  sui  generis,  charakterisiert  durch 
Atrophie  und  abnorme  Verhornung  nicht  nur  der  HaarfolUikel 
sondern  auch  der  interfollikulären  Epidermis.  Unna  sah  sich 
veranlaßt,  diese  Krankheit  als  einen  trockenen  Katarrh  der 
Haut  anzusehen  und  rechnete  sie  dem  entsprechend  zu  den 
infektiösen  Entzündungen;  er  nahm  an,  die  pathognomonische 
Veränderung  bestehe  in  einer  Verdickung  der  Hornschicht 
oberhalb  der  Mündungen  der  Haarfollikel  (Keratosis  supra- 
follicularis).  Auch  Mibelli  glaubte,    daß   die   suprafollikuläre 

11* 


164  GiovaDnini. 

keratotische  Veränderung,  mit  der  durch  sie  bedingten  Defor- 
mation des  Haares  und  des  Follikels,  stets  der  bedeutungs- 
vollste und  charakteristischeste  Umstand  dieser  Erkrankung 
seien.  Nach  Veyri er  e  s  hängt  sie  Ton  einer  unvollständigen 
Entwicklung  der  Haartalgkeime  und  ganz  besonders  der  Talg- 
keime ab.  Man  sieht,  bei  dieser  großen  Verschiedenheit  der 
Urteile,  zu  denen  die  histologischen  Untersuchungen  bislang 
gefuhrt  haben,  wird  eine  neuerliche  Beschäftigung  mit  diesem 
Gegenstande  nicht  unangebracht  sein. 

Vor  einigen  Jahren  veröfifentlichte  ich  eine  ganz  kurze 
Mittheilung  (d),  in  der  ich  mich  darauf  beschränkte,  meine 
Beobachtungen  bei  der  Untersuchung  der  Haut  einiger  Fälle 
von  Keratosis  pilaris,  in  ganz  kurzer  kaum  noch  summarisch 
zu  nennender  Weise  anzuführen.  In  der  Folgezeit  bot  sich  mir 
Gelegenheit  noch  einige  andere  Fälle  zum  Gegenstande  meiner 
mikroskopischen  Studien  zu  machen  und  diese  neueren  Unter- 
suchungen bestätigten  nicht  nur  im  wesentlichen  die  Ergeb- 
nisse der  früheren  und  ließen  eine  bessere  Erklärung  derselben 
zu,  sondern  sie  brachten  auch  Licht  über  einige  Punkte  und 
Einzelheiten,  denen  ich  einige  Bedeutung  zusprechen  möchte. 
In  der  vorliegenden  Arbeit  beabsichtige  ich  nun  die  alten  und 
neuen  Beobachtungen,  welche  ich  bis  jetzt  über  die  Histologie 
der  Keratosis  pilaris  sammeln  konnte,  vollständig  und  mit  allen 
nötigen  Einzelheiten  und  unter  Berücksichtigung  der  diesbe- 
züglichen Literatur  darzulegen. 

Zunächst  muß  ich  jedoch  bemerken,  daß  sich  meine  Un- 
tersuchungen ausnahmslos  nur  auf  die  Keratose  des  Stammes 
und  der  Extremitäten  erstreckten,  und  somit  die  Erkrankung 
nur  an  einem  Teile  ihrer  mannigfachen  Lokalisation  betrafen ; 
femer  daß  ich  mich  bei  der  Präparation  der  Haut  nicht  der 
vielen  und  verschiedenartigen  Mittel  der  modernen  histologi- 
schen Technik  bediente,  sondern  mich  fast  ausschließlich  nur 
auf  ein  und  dieselbe  Methode  der  Fixation  und  Färbung  be- 
schränkte. Demnach  besitzt  das,  was  ich  als  persönliche  Beob- 
achtung hier  bringe,  durchaus  nur  den  Charakter  einer  unvoll- 
ständigen histologischen  Studie. 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris. 


165 


Untersuchungsmaterial  und  Technik  der  Präparation. 

Von  den  Autoren,  welche  histologische  Untersuchungen 
über  die  Keratosis  pilaris  veröffentlichten;  macht  nur  ein  Teil 
über  das  Material,  an  welchem  dieselben  ausgeführt  wurden, 
nähere  Mitteilungen.  So  wissen,  wir  daß  L  e  m  o  i  n  e  und  J  a  c  q  u  e  t 
in  zwei  Fällen,  Andry  in  einem  Falle  das  Untersuchungs- 
material  dem  Lebenden  entnahmen;  in  einem  Falle  entstammte 
die  Haut  dem  Halse,  und  zwar  der  Gegend  über  einer  yerei- 
terten  Lymphdrüse  (Le meine),  in  den  übrigen  Fällen  von 
der  Außen-  oder  Hinterfläche  des  Armes.  Unna  dagegen  führte 
seine  Untersuchungen  an  8  der  Leiche  entnommenen  Hautstück- 
chen aus.  Jedes  der  von  Jacquet  entnommenen  Stückchen 
enthielt  ein  erhabenes,  hartes  und  trockenes  Knötchen. 

Die  vorliegenden  Untersuchungen  betreffen  sowohl  Haut 
als  auch  ausgezogene  Haare. 


a)  Haut. 

Ich  entnahm  die  mit  Keratosis  pilaris  behaftete  Haut  zu- 
meist dem  Lebenden,  weil  dabei  einerseits  die  Präparation 
besser  gelingt  und  andrerseits  auch  die  Diagnose  mit  größerer 
Sicherheit  gestellt  werden  kann.  Es  scheint  mir  nicht  unerläß- 
lich, in  der  folgenden  Übersicht  einige  Angaben  über  die  ein- 
zelnen Fälle  zu  machen,  von  denen  das  Untersuchungsmaterial 
stammte. 


9 

o 


IS 

O 
fr« 


Individuum 

und 
dessen  Alter 


Körperteil  von  welchem 

die  Haut 

entnommen  wurde 


Art  der  Keratosis  pilaris 


I 

II 
III 
IV 


Mann  v.  84  J. 

Mann  v.  32  J. 

Weib  V.  37  J. 

Madchen  von 
18  Jahren 

JüngÜDg  Ton 
21  Jahren 


Bauch,  wenige  Zenti- 
meter vom  Nabel 

ebenso 

Schultergegend 

Außenfläche  des  Armes 

zwischen  mittlerem  nnd 

unterem  Dritteil 

Hinterfläche  des  Armes 


rein  weiß 

ebenso 
ebenso 
ebenso 


ebenso 


166 


Oiovannini. 


a 


1^ 

o 


Individuum 

und 
dessen  Alter 


Körperteil  von  welchem 

die  Haut 

entnommen  wurde 


Art  der  Keratosis  pilaris 


VI 


VII 
VIII 


IX 

X 

XI 
XII 

xni 

XIV 


XV 
XVI 

xvn 

xvni 

XIX 
XX 

XXI 

XXII 

XXIII 


Mädchen  von 
26  Jahren 


Mann  v.  32  J. 
Mädchen  von 
28  Jahren 

Mann  v.  31 J. 

Mann  v.  SU. 

Frau  v.  28  J. 
Frau  V.  29  J. 

Frau  V.  32  J. 
Mann  v.  38  J. 


Mädchen  von 
23  Jahren 

Mädchen  von 

16  Jahren 
Mädchen  von 

17  Jahren 

Mädchen  von 

18  Jahren 

M  ädehen  von 
17  Jahren 

Frau  V.  34  J. 


Frau  V.  28  J. 


Mäd.  V.  21  J. 
Frau  V.  80  J. 


zxiv 


XXV 


Mädchen  von 
24  Jahren 


Frau  V.  89  J. 


Vorderfläche  des  Ober- 
schenkels, ungef&hr  an 
der  Grenze  zwischen 
mittlerem  und  unterem 
Drittel 
linke  Wade 
Außenfläche  des  Unter- 
schenkels im  mittleren 
Drittel 
Seitenwand  des  Stammes 
in  der  Höhe  der  8.  Rippe 

Mittleres  Drittel  der 
Hinterfläche  des  Armes 

i^chultergegend 

Gegend  unterhalb  des 

Schulterblattes 

ebenso 
Außenfläche   des  Vorder- 
armes, drei  Zentimeter 
vom  Olecranon 
Mittleres  Drittel  der 
Hinterfläche  des  Vorder- 
armes 
Vorderfläche  des  Ober- 
schenkels 
Unteres  Drittel  der 
Außenfläche  des  Ober- 
schenkels 
Außenfläche  des  Vorder- 
armes zwischen  mittlerem 

und  unterem  Drittel 
Oberes  Drittel  der  Außen- 
fläche des  Unterschenkels 

Mittleres  Drittel  der 
Hinterfläche  des  Ober- 
schenkels 
Mittleres  Drittel  der 
Hinterfläche   des  Vorder- 
armes 
Mitte  der  Glutaealgegend 
Becken-  Schenkelgegend, 
ungefähr  4  Zentimeter 
unterhalb  des  großen 

Trochanter 
Außenfläche  des  Ober- 
schenkels zwischen 
mittler,  u.  unterem  Drittel 

ebenso 


ebenso 
ebenso 


ebenso 

ebenso 

Weiß,  leichte  Rötung  der 

zwisohenliegenden  Haut 

ebenso 

(}emlsebt,in.d.w<>i0en  finden  •ich 
niml.  leicht  ger^t.  KnOtch.  renn. 
Daswiachenl.  Haut.  norm.  FXrb. 

ebenso 


ebenso 


ebenso 

ebenso 

Gemieeht  aoa  welAen  n.  roten 
Elementen.  Die  iwiichenlieg. 
Haut  lelgt  gmns  leiehte  blaa 

rote  Fftrbanf 


ebenso 

Rein  rot,  d.  KnStoben  lelg.  Jod. 
nnr  geringe  Röt.  n.  d.  swleebenl 
Hant  leigt  ihre  norm.  Flrbnng 

Rein  rot;  die  zwischen- 
liegende Haut  ist  rosarot 
Rein  rot;  auch  die 
zwischenliegende  Haut 
ist  rot 
ebenso 


Rein  rot;  zwischen- 
liegende Haut  violettrot 


ebenso 

Narbenbildend;  nnr  hie  und  da 
findet  fleh  ein  HIrehen 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  167 

Kurz  gesagt,  unter  den  25  zur  Untersuchung  herbeige- 
zogenen Fällen  fanden  sich  7  Männer  und  18  Weiber,  deren 
Alter  zwischen  18  und  39  Jahren  schwankte.  Die  Haut  wurde 
den  Terschiedensten  Stellen  des  Körpers  entnommen  u.  zw. 
▼om  Abdomen,  Tom  Bücken,  von  den  Armen,  Tom  Nacken,  von 
den  Ober-  und  Unterschenkeln.  In  den  excidierten  Hautstück- 
chen fSemden  sich  in  Bezug  auf  Gestalt,  Verteilung,  Farbe 
n.  s.  w.  der  Elemente  sozusagen  sämtliche  verschiedene 
Stufen  der  Keratosis  pilaris  vor.  Auch  in  Bezug  auf  Intensität 
und  Verbreitung  an  der  Hautoberfläche  boten  die  untersuchten 
Fälle  bedeutende  Verschiedenheiten  dar;  am  schwersten  war 
die  Krankheit  vor  allen  anderen  beim  IH.  und  IX.  Falle  ent- 
wickelt. 

In  allen  Fällen  wurde  die  Haut  mit  einem  guten  Teile 
des  Unterhautzellgewebes  exstirpiert.  Die  einzelnen  Stückchen 
zeigten  im  Allgemeinen  elliptische  Gestalt  und  besaßen  eine 
solche  Größe,  daß  sie  immer  mehrere  Elemente  der  Keratosis 
pilaris  enthielten :  die  beiden  größten  erreichten  eine  maximale 
Breite  von  1  Centimeter  und  eine  Länge  von  3'5 — 3*7.  Die 
entstandenen  Wunden  wurden  ordnungsgemäß  vernäht  und  heilten 
in  allen  Fällen  ohne  jede  Komplikation. 

Außer  von  diesen  lebenden  Fällen  entnahm  ich  auch 
einige  von  Keratosis  pilaris  befallene  Hautstückchen  den  Lei- 
chen zweier  Kinder,  von  denen  das  eine  ungefähr  SVg  das  an- 
dere 6  Jahre  alt  war.  Die  der  Untersuchung  unterzogenen 
Fälle  erreichen  demnach  die  Zahl  von  27. 

Um  die  bei  dem  mikroskopischen  Studium  der  mit  Kera- 
tosis pilaris  behafteten  Haut  gemachten  Beobachtungen  richtig 
deuten  zu  können,  vnirde  stets  normale  Haut  zum  Vergleiche 
herbeigezogen.  Zu  diesem  Zwecke  stand  mir  eine  große  Zahl 
von  Präparaten  der  Haut  sowohl  der  Extremitäten  als  auch 
des  Stammes,  so  vom  Neugeborenen  wie  vom  Erwachsenen 
zur  Verfügung,  welche  teils  schon  von  früher  in  meinem  Be- 
sitze waren,  teils  erst  zu  diesem  Behufe  angefertigt  wurden. 
In  der  Zahl  der  letzteren  befanden  sich  auch  die  Präparate 
von  einem  Hautlappen,  den  sich  ein  22jähriger  Jüngling  hatte 
abnehmen  lassen  (XXVI.  Fall);  die  Haut  dieses  Falles  war  so 


168  Giovannini. 

zart  und  glatt,  daß  sie  als  wahrer  Typus  einer  normalen  Haut 
gelten  konnte. 

Nur  ein  Teil  der  fiüheren  Untersucher  macht  über  die 
Art  der  Präparation  der  Haut  nähere  Angaben.  So  wissen 
wir,  daß  Lemoine  und  Audry  mit  Alkohol  fixierten  und  die 
gewöhnlichen  Farbstoffe  (Pikrokarmin^  Hämatoxylin  etc.)  be- 
nützten. Bei  der  Torliegenden  Untersuchung  wurde  sowohl  die 
mit  Keratosis  pilaris  behaftete  als  auch  die  zum  Vergleiche 
dienende  normale  Haut,  die  dem  Lebenden  entnommen  worden 
war,  in  der  Flemming  sehen  Chrom  -  Osmium  -  Säurelösung 
fixiert;  nur  ein  Teil  der  von  den  Leichen  gewonnenen,  mit 
Keratosis  behafteten  Haut  wurde  in  Alkohol  gehärtet.  Die 
einzelnen  Hautstückchen  wurden  vor  der  Einbringung  in  die 
fixierende  Flüssigkeit  in  2,  3  oder  4,  die  größeren  auch  in 
8  Stückchen  zerteilt.  Zumeist  wurden  an  den  Seiten  dieser 
Stückchen  kleine  Einschnitte  gemacht,  welche  nicht  so  sehr  den 
Zweck  hatten,  das  Eindringen  der  fixierenden  Flüssigkeit  zu 
erleichtem,  sondern  nur  gute  Anhaltspunkte  für  die  Auffindung 
der  Härchen  bei  der  Ausführung  von  Serienschuitten  abgeben 
sollten.  Die  Einbettung  erfolgte  ausschließlich  in  Celloidin. 
Jedes  der  Stückchen  wurde  sodann  nochmals  geteilt,  und  zwar 
zumeist  in  zwei  Teile,  von  denen  der  eine  in  senkrechter,  der 
andere  in  transversaler  Richtung  geschnitten  wurde;  bei  den 
übrigen  Fällen  wurden  die  Schnitte  nur  in  transversaler  Rich- 
tung ausgeführt.  Die  Schnitte,  welche  natürlich  so  dünn  als 
möglich  angefertigt  wurden,  wurden  stets  serienweise  am  Objekt- 
träger befestigt,  und  bediente  ich  mich  zur  Übertragung  der 
Schnitte  vom  Mikrotom  auf  den  letzteren  wie  gewöhnlich  (a) 
eines  Streifens  japanischen  Papieres.  Die  Schnitte  der  in 
Flemmingscher  Lösung  fixierten  Haut  wurden  nach  Ent- 
fernung des  Gelloidins  gewöhnlich  mit  einer  sehr  schwachen 
wässerigen  Lösung  von  Methylviolett  gefärbt,  in  welcher  sie, 
je  nach  Erfordernis  ein  oder  zwei  Tage  belassen  wurden;  die 
Schnitte  der  in  Alkohol  gehärteten  Stückchen  wurden  zumeist 
mit  Hämatoxylin-Eosin  gefärbt.  In  beiden  Fällen  wurden  sie 
nach  entsprechender  Differenzierung  und  Aufhellung  in  Kanada- 
balsam eingeschlossen. 

Wie  aus  dem  gesagten  hervorgeht,  standen  mir  eine  große 


Zar  Histologie  der  EeratoBis  pilaris.  169 

Zahl  zur  Hautoberfläche  senkrecht  geführter  Schnitte  zur  Ver- 
fügung;   diese  genannten  Schnitte   ermöglichen  jedoch  kein  so 
genügendes  Studium,    weder   in  Bezug    auf  den   vollständigen 
Einzelfollikel,  noch  in  Bezug  auf  die  Gruppierung   derselben, 
wie  es  in  diesem  besonderen  Falle  unabweislich  war,  und  zwar 
deshalb,  weil  die  Follikel  in  diesen  Schnitten  infolge  ihrer  ver- 
schiedenartigen Richtung  und  Neigung  zumeist  im  Querschnitte 
getroffen  werden,   und  man  infolgedessen  stets  nur  einen  Teil 
derselben  sieht.    Diesem  Mangel  an  realen  Längsschnitten  der 
Haarfollikel  suchte  ich  in  der  gegenwärtigen  Arbeit,    wie  auch 
in  anderen  vorhergegangenen  dadurch  abzuhelfen,  daß  ich  mir 
künstliche  auf  Grund  von  Serien  realer  Querschnitte  rekonstruierte. 
Bei  dieser  Zusammenstellung  der  künstlichen  Längs- 
schnitte  der  Follikel  befolgte   ich  im  wesentlichen  dieselbe 
Methode,  welche  ich  bereits  bei  früheren  Arbeiten  benützt  und  vor 
Jahren  auch  schon  beschrieben  habe  (2^).  Zunächst  wurden  Schnitt 
für  Schnitt  mit  Hilfe  der  Camera  lucida  die  Konturen  jener  ver- 
schiedenen Teile  abgezeichnet,  welche  ich  graphisch  im  Längs- 
schnitte darstellen  wollte.    Von  den  so  erhaltenen  Zeichnungen 
übertrug  ich  die  Durchmesser   der   einzelnen  Teile  selbst  auf 
die  parallelen  und  horizontalen  Linien  des  gewöhnlichen  Milli- 
meterpapieres,  wie  es  von  den  Ingenieuren  benützt  wird ;  ich  nahm 
also  in  der  Zeichnung  für  jeden  einzelnen  Schnitt  die  Dicke  eines 
Millimeters  an.  Bei  dem  Trichter  und  der  gemeinsamen  Öffnung 
der  Haarfollikel  wurde,  wenn  dieselben  keine  runde  Gestalt  be- 
saßen, in  der  Regel  der  größere  Durchmesser  genommen,  ebenso 
bei  dem  Epithel- Apendix  des  Muskelansatzes.    Von  den  anderen 
Teilen,  wie  den  Haarschäften,  den  Wurzelscheiden,  der  Papille, 
der  Haarkeime   u.  s.  w.   wurde,    soweit   es  möglich  war,    der 
reale   Durchmesser   abgenommen.      In  jenem,    übrigens   nicht 
häufigen  Falle,  wo   sich  im  Trichter  und  in  der  gemeinsamen 
Mündung  (Apertura  communis)  mehrere  Querschnitte  von  Haar- 
schäften,  die  fast  die  gleiche  Dicke  besaßen,   vorfanden,    und 
welche   unzweifelhaft   nicht  mehreren   verschiedenen,    sondern 
nur  einem  einzigen   aber  zusammengekrümmten  und  an  zwei 
oder  mehreren   Punkten   getroffenen   Haarschafte   angehörten, 
wurde   diejenige  Zahl   von  Haarschäften  eingezeichnet,   welche 
der  vorgefundenen  Anzahl  von  Durchschnitten  entsprach.    Bei 


170  GiovanninL 

der  Komposition  von  Längsschnitten  ganzer  Gruppen  (Taf.  XI, 
Fig.  2),  wo  die  Follikel  in  den  Querschnitten  nicht  in  einer 
geraden  Linie  lagen,  mußte  natürlich  eine  einigermaßen 
ideale  Darstellung  gegeben  werden,  welche  sich  aber  im  wesent- 
lichen nicht  weit  von  der  Wirklichkeit  entfernte.  Auf  dem 
Millimeterpapiere  wurden  die  extremsten  Durchmesser  der  ein- 
zelnen zu  übertragenden  Teile  durch  Punkte  bezeichnet,  und 
indem  diese  yerschiedenen  Punkte  schließlich  verbunden  wurden, 
erhielt  man  eine  Skizze,  welche  die  Teile  selbst  im  Längs- 
schnitte darstellte.  Die  auf  diese  Weise  erhaltenen  Längs- 
schnitte wurden  teils  so  unvollendet  gelassen,  zum  Teile  jedoch 
auch  vollständig  ausgeführt;  in  diesem  letzteren  Falle  wurden, 
wie  man  aus  den  Tafeln  ersehen  kann,  die  Konturen  regelrecht 
ausgezeichnet,  die  Malpighische  Schicht  durch  Punktierung  in 
einem  dunkleren  Farbentone  hervorgehoben  und  die  hornigen 
Teile  schrafiBert.  Die  solcherart  hergestellten  Längsschnitte 
der  Haare,  sowohl  einzelner  als  ganzer  Gruppen,  erwiesen  sich 
als  sehr  brauchbar  und  wir  werden  uns  derselben  im  Laufe 
dieser  Arbeit  noch  recht  häufig  bedienen. 

b)  Ausgezogene  Haare. 

Die  Zahl  der  Haare,  welche  ich  für  die  mikroskopische 
Untersuchung  präparierte,  belief  sich  auf  mehrere  Hunderte; 
sie  wurden  von  11  Männern  und  3  Weibern  erhalten,  deren 
Alter  zwischen  19  und  30  Jahren  schwankte.  Diese  Haare 
wurden  mittels  der  Pinzette  aus  den  keratotischen  Elementen, 
sowohl  von  der  rein  weißen  als  auch  der  roten  Form  ausgezupft 
und  zwar  zumeist  von  Herden  an  den  Extremitäten  und  nur  wenige 
Male  vom  Abdomen ;  einige  der  Haare  erhoben  sich  frei  von  Ele- 
menten der  Keratose,  andere  fanden  sich  in  die  in  diesen  bestehen- 
den hornigen  Massen  eingebettet.  Nicht  selten  wurde  mit  dem 
Haare  ein  mehr  oder  weniger  großer  Teil  der  hornigen  Substanz 
herausgezogen,  welche  gewöhnlich  an  den  Haaren  selbst  hängen 
blieb.  Von  derselben  Stelle,  welcher  Haare  entnommen  wurden,  die 
sich  aus  keratotischen  Elementen  erhoben,  wurden  zum  Ver- 
gleiche auch  solche  genommen,  welche  scheinbar  normalen 
Follikeln  entstammten. 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  171 

Die  herausgerisseDen  Haare  wurden  in  der  Kegel  mit  den 
daranhängenden  Hommassen  unzerteilt  in  Glyzerin  oder  auch 
in  Balsam  untersucht;  nur  eine  gewisse  Anzahl  von  Haar- 
wurzeln, welche  sich  dei  der  mikroskopischen  Untersuchung  als 
am  schwersten  verändert  erwiesen,  wurden  nach  hinreichendem 
Verweilen  in  Äther- Alkohol  in  Celloidin  eingebettet  und  in  Quer- 
schnitte zerlegt,  welche  sodann  serienweise  angeordnet  wurden. 

Mikroskopische  Untersuchung. 

Bei  der  histologischen  Untersuchung  der  Präparate  von 
Keratosis  pilaris  findet  man,  daß  die  schwersten  Veränderungen 
in  den  Haarfollikeln  und  in  der  sie  umkleidenden  Epidermis 
bestehen.  Daher  erscheint  es  vorteilhaft,  zunächst  über  den 
Zustand  dieser  Teile  zu  berichten;  dann  wollen  wir  uns  all- 
mählich fortschreitend  an  die  Prüfung  der  Haare,  der  inneren 
Wurzelscheiden,  der  Musculi  erectores,  der  Talgdrüsen  und  der 
interfollikulären  Haut  begeben,  um  schließlich  die  entzündlichen 
Veränderungen  zn  betrachten. 

Haarfollikel. 

Jaoqnet  fand  bei  der  Keratosis  pilaris  ein  Haarsystem  in  folgender 
Anordnung:  in  der  Mitte  war  ein  normaler  Follikel  vorhanden;  an  jeder 
Seite  desselben  ond  gegen  seinen  oberen  Teil  hin  konvergierend  bemerkte 
man  zwei  röhrenförmige,  leicht  gekrümmte  £pithelstränge,  welche  in 
ihrem  Inneren  kein  Lumen  besaßen  und  einen  Durchmesser  zeigten,  der 
ungefähr  dem  dreifachen  eines  Schweißdrusentubntus  entsprach; 
außerdem  fanden  sich  in  derselben  Gegend  rundliche  oder  ovale  epithe- 
liale Bildungen  vor,  die  unzweifelhaft  den  eben  erwähnten  Strängen 
analoge  £pitheleinstülpungen  darstellten,  welche  vom  Messer  mehr  weniger 
schräg  zu  ihrer  Achse  getroffen  worden  waren.  Diese  Stränge  und  epi- 
thelialen Bildungen  erklärte  er  als  unvollständige  und  überzählige  Haar- 
follikel. Auch  Yeyri^res  beobachtete  eine  gewisse  Zahl  von  Epithel- 
einstülpungen mit  doppelter  Wandung  und  zentralem  Lumen,  mit  oder 
auch  ohne  Haar  in  ihrem  Innern,  die  auch  er  als  unvollständige  epithe- 
liale Bildungen  oder  Pseudofollikel  ansah.  Sowohl  der  eine  als  auch  der 
andere  dieser  Autoren  schrieben  daher  der  unvollständigen  Entwicklunfir 
der  Haarfollikel  eine  grosse  Bedeutung  für  die  Genese  der  Keratosis 
pilaris  zu. 

Bei  der  Untersuchung  meiner  eigenen  Präparate  konnte  ich 
feststellen,  daß  sich  die  Haarfollikel  zumeist  in  Gruppenvereint  vor- 


172  Giovannini. 

fanden, und  nur  selten  vereinzelt,  und  daß  jede  Gruppe  meistens  aus 
3,  seltener  jedoch  auch  aus  2  oder  4  Haarfollikeln  bestand ;  diese 
Gruppierung  der  Haarfollikel  zeigt  gegen  die  in  der  nornialen 
Haut  keine  Verschiedenheit,  und  man  darf  deshalb  nichts  un- 
regelmäßiges darin  sehen.  Ebenso  kann  man  hier  wie  auch 
in  normaler  Haut  beobachten,  daß  die  eine  Gruppe  bildenden 
einzelnen  Follikel  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  verschiedene 
Größe  besitzen ;  man  findet  da  nämlich  einen  mehr  weniger 
großen  Follikel,  den  wir  als  Follikel  des  Haupthaares 
bezeichnen,  und  an  der  Seite  oder  an  den  Seiten  desselben 
einen  oder  mehrere  kleinere  Follikel,  welche  wir  dagegen  als 
Follikel  der  kleineren  oder  Nebenhaare  bezeichnen.^) 
Im  ganzen  betrachtet  zeigen  die  Haarfollikel,  welche  eine  Haar- 
gruppe zusammensetzen,  außerordentlich  verschiedene  Größen; 
beginnend  bei  denen  von  bedeutender  Größe  kommt  man 
allmählich  durch  alle  Zwischenstufen  bis  zu  jenen  kleinsten ; 
auf  Grundlage  der  zahlreichen  Vergleiche  mit  normaler  Haut 
glaube  ich  jedoch  versichern  zu  können,  daß  sich  die  Größe 
der  Haare  selbst  in  der  weitaus  größten  Mehrzahl  der  Fälle 
innerhalb  der  normalen  Grenzen  hält.  Follikel  von  einer  ganz 
ungewöhDlichen  Kleinheit  fanden  sich  zwar  auch  vor,  jedoch 
nur  in  der  Zahl  von  drei. 

Diese  drei  allerkleinsten  Haarfollikel  gehörten 
zweihaarigen  Gruppen  an  und  münden  alle,  wie  wir  später 
sehen  werden,  nicht  an  die  freie  Hautoberfläche,  sondern  in 
den  Trichter    des    dazu   gehörigen  HauptfoUikels ;    einer  der- 


^)  De  Mey  ere  und  nach  ibm  Torre  benutzten  zur  Unterscheidang 
der  verschiedenen  Haare  einer  Gruppe  die  Bezeichnung  „Mittelhaare" 
und  ^Seiienhaare'' ;  wenn  man  nun  auch  diese  Bezeichnung  bei  der 
Keratosis  pilaris  und  schließlich  auch  bei  normaler  Haut  für  jene  Gruppen 
annehmen  könnte,  welche  aus  8 — 4  Haaren  bestehen,  so  ist  dies  doch 
keineswegs  bei  den  gendgend  häufig  vorkommenden  Gruppen  tunlich| 
die  nur  aus  zwei  Haaren  gebildet  werden.  Deshalb  benutzte  ich  in  der 
Yorliegenden  Arbeit  die  Bezeichnungen  „größere  (Haupt-)  Haare"  und 
„kleinere  (Neben-)  HaariB",  welche  den  Vorteil  besitzt,  daß  sie  auch  für 
die  nur  aus  zwei  Haaren  zusammengesetzten  Gruppen  verwendbar  ist. 
Die  Größe  der  Haare  wurde  nach  dem  Querdurchmesser  der  entspre- 
chenden Follikel,  oder  in  zweifelhaften  Fällen  auch  nach  der  Tiefe  und 
Lage  derselben  bestimmt. 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  173 

selben  findet  sich  sowohl  im  Längsschnitte  (Taf.  XIII,  Fig.  3,  B)  als 
auch  im  Querschnitte  (Taf.  VIII,  Fig.  5,  B)  auf  Tafel  I  dargestellt. 
Im  ganzen  betrachtet  zeigen  sie  die  Gestalt  einer  dünnen,  zumeist 
leicht  abgeflachten  Röhre,  deren  Querdurchmesser  zwischen 
einem  Minimum  von  35  fi  und  einem  Maximum  von  70  ju 
schwankt  und  deren  Höhe  sich  zwischen  einem  Minimum  von 
5  und  einem  Maximum  von  10  Querschnitten  bewegt.  Sie 
scheinen  von  Zellen  des  Stratum  Malpighi  erfüllt,  die  einen 
mehr  weniger  intensiv  gefärbten  Kern  enthalten,  der  aber  nie 
im  Stadium  der  indirekten  Teilung  steht ;  die  Anordnung  dieser 
Zellen  ist  eine  unregelmäßige  und  an  keinem  Punkte  besitzen 
sie  Zylinderform  und  jene  pallisadenartige  Anordnung,  welche 
der  basalen  Schichte  eigentümlich  ist  Sie  enthalten  weder 
ausgebildete,  noch  in  Bildung  begriffene  Haare;  nichtsdesto- 
weniger geht  doch  aus  dem  Umstände,  daß  sich  in  ihrem 
Grunde  die  Andeutung  einer  Haarpapille  oder  eines  Haar- 
stengels  (Taf.  VIII,  Fig.  3)  vorfindet,  unzweideutig  hervor,  dass 
es  sich  um  wahre  und  echte  Haarfollikel  handelt 

A  n  d  r  y  fand  den  Trichter  der  Haarfollikel  erweitert.  Auch  J  a  c  q  a  e  t 
fand  den  Trichter  nicht  nur  deformiert,  sondern  auch  erweitert  Unna 
dagegen  bemerkte,  daß  die  &ußere  Öffnung  der  Follikel  verhältnismäßig 
eng  blieb,  „nicht  viel  weiter  als  normal,  von  normaler  Weite,  oder  auch 
unter  der  normalen  Weite  war*;  daß  der  Trichter  des  Follikels  nur  in 
Ausnahmefällen  eine  Verbreiterung  zeigte  und  dabei  eine  Gestalt  annahm, 
welche  sich  der  zylindrischen  näherte. 

Was  meine  Beobachtungen  betrifft,  so  muß  ich  doch  feststellen, 
daß  es  bei  der  Keratosis  pilaris  Follikel  gibt,  welche  in  ihrer  Gesamtheit 
eine  vollständig  regelmäßige  Gestalt  bewahren;  solche  Follikel  finden 
sich  in  sehr  bedeutender  Anzahl  vor  und  ich  glaube  nicht  weit  fehlzu* 
gehen,  wenn  ich  versichere,  daß  ihre  Zahl  ungefähr  dreiviertel  aller 
untersuchten  beträgt.  Die  übrigen  Follikel  zeigen  Unregelmäßigkeiten 
verschiedener  Art,  welche  vornehmlich  ihren  trichterförmigen  Teil  be- 
treffen. Einmal  beschränkt  sich  diese  Unregelmäßigkeit  darauf,  daß  der 
Trichter  des  Follikels  nur  ganz  wenig  angedeutet  ist  oder 
auch  ganz  fehlt;  einen  derartigen  Mangel  beobachtet  man  ausschließlich 
an  solchen  Follikeln,  welche,  anstatt  sich,  wie  dies  die  Regel  ist,  nach 
der  fireien  Oberfläche  zu  eröffnen,  in  den  HauptfoUikel  der  eigenen  Gruppe 
mftnden,  wie  wir  das  in  kurzem  sehen  werden.  Ein  anderes  Mal  finden  wir 
gerade  die  entgegengesetzte  Veränderung,  die  Haarfollikel  besitzen 
nämlich  einen  viel  tieferen  und  weiteren  Trichter  als  der 
Norm  entspricht  Doch  zeigt  auch  diese  Erweiterung  des  Volumens 
recht  bedeutende  Verschiedenheiten:  bald  ist  sie  nur  mäßig  oder  mittel- 


174  Giovannini. 

mäßig,  häufiger  aber  wird  sie  recht  bedeutend.  In  diesem  letstereu  Falle 
reicht  der  Trichter  soweit  in  die  Tiefe,  daß  er  nicht  nur  die  Hälfte 
(Tafel  YIII,  Fig.  1),  sondern  die  Gänze  oder  fast  die  Gänse  desjenigen 
Teiles  des  Follikels  ausmacht,  welcher  sich  oberhslb  des  Ansatzes  des 
Musculus  erector  (Tafel  YIII,  Fig.  3  A)  befindet  und  erreicht  einemazimale 
Weite,  welche  das  vierfache  derjenigen  des  dazu  gehörigen  Follikelkörpers 
überschreitet  (Tafel  YIII,  Fig.  8  und  Tafel  IX,  Fig.  1  Ä). 

In  diesen  Fällen  besitzt  der  erweiterte  Follikel  zumeist  die  Ge- 
stalt eines  konischen  Strunkes  von  mehr  weniger  regelmäßiger  Form, 
und  ist  mit  dem  engeren  Teil  nach  abwärts  gewendet,  so  daß  dieselbe  als 
normal  oder  als  vom  Normalen  nur  um  geringes  abweichend  angesehen 
werden  muß.  Nur  bei  wenigen  Follikeln  zeigt  der  Trichter  eine  ganz 
besondere,  deutliche  Kelch  form  (Taf.  YIII,  Fig.  I). 

Die  erwähnte  Erweit emng  des  Trichters  des  Follikels  nach  der 
Tiefe  zu  erfolgt  ohne  Zweifel  auf  Kosten  seines  mittleren  Teiles,  welcher 
sich  im  entsprechenden  Yerhältnisse  verkürzt  und  sich  bisweilen  auf  die 
Hälfte  (Taf.  VIII,  Fig.  1),  bisweilen  auch  nur  auf  den  dritten  Teil  des  ganzen 
Follikels  beschränkt  (Taf.  YIH,  Fig.  3  A).  Ein  derartiger  Follikel  erscheint 
natürlich  in  seiner  Gesamtheit  bedeutend  deformiert:  über  einem 
kurzen  und  schmalen  Körper  zeigt  er  einen  unverhältnis- 
mäßig großen  Trichter. 

An  dem  mittleren  Teile  des  Follikels  kann  man  jedoch  nur  bei 
einer  verhältnismäßig  kleinen  Zahl  der  Fälle  beobachten,  daß  in  jenem 
Teile,  welcher  zwischen  dem  Muskelaosatze  und  dem  Trichter  liegt,  sich 
eine  Erweiterung  befindet,  die  gewöhnlieh  eine  ziemlich  regelmäßige, 
kugel-  oder  spindelförmige  Gestalt  aufweist  und  bald  die  ganze  genannte 
Strecke,  bald  aber  nur  einen  Teil  derselben  einnimmt.  In  diesem  letzteren 
Falle  beginnt  bisweilen  die  Erweiterung  unmittelbar  unterhalb  des  Trichters 
(Taf.  XI,  Fig.  3  a)  in  der  Weise,  daß  es  unentschieden  bleibt,  ob  sie  sich 
auf  diesen  oder  den  Körper  des  Follikels  bezieht.  Der  untere  Teil  des 
Follikels  sowie  auch  die  Papille  bieten  weiter  keine  besonderen  Einzelheiten. 

Unter  normalen  Verhältnissen  öffnen  sich  die  Follikel,  welche  die 
einzelnen  Haargruppen  zusammensetzen,  bekanntlich  getrennt  an  die 
Hautoberfläche,  und  zwar  in  eine  besondere,  von  derselben  gebildete 
Einbuchtung,  die  als  Apertura  communis  (gemeinsame  Mündung) 
bezeichnet  wird.  Nach  Rabl  öffnen  sich  die  Haargruppen  an  der  nor* 
malen  Haut  der  Extremitäten  und  des  Stammes  fast  konstant  getrennt 
Nach  den  von  mir  über  diesen  Gegenstand  angestellten  Untersnehnngen 
würde  jedoch  hervorgehen,  daß  an  der  normalen  Haut  der  genannten 
Teile  die  Gruppen  jener  Haare,  deren  Follikel  getrennt  ausmünden,  un* 
geßihr  807o  darstellen,  so  daß  für  diejenigen,  welche  sich  in  eine  Apertura 
communis  eröffnen,  nur  20%  erübrigen.  Bei  der  Keratosis  pilaris  derselben 
Gegenden  des  Körpers  findet  sich  nun  fast  das  entgegengesetzte  Y^r* 
hältnis  vor:  von  100  H&argruppen  münden  gut  65  in  eine  Apertura 
communis,  während  nur  25  sich  getrennt  eröffnen.  So  hätten  wir  eine  erste 
Yeränderung    festgestellt,    nämlich,    daß    bei    dieser    Erkrankung 


Über  die  Histologie  der  Keratoeis  pilaris.  ]  75 

diejenigen  Haarfollikel,  welche  eine  Apertnra  communis 
besitzen,  in  einer  ganz  bedeutenden  und  völlig  abnor- 
malen Weise  überwiegen. 

Bei  der  Keratosis  pilaris  findet  sich  gewöhnlich  eine  gemeinsame 
Apertur  für  zwei  Follikel,  seien  es  nun  die  einzigen  zwei  der  Oruppe 
oder  handle  es  sich  um  Gruppen  von  drei  Haaren ;  seltener  ist  schon  der 
Fall,  daß  für  alle  drei,  noch  viel  seltener  aber,  daß  für  alle  vier  Fol- 
likel, welche  eine  Gruppe  zusammensetzen,  -eine  einzige  Apertura  communis 
vorhanden  ist.  In  der  normalen  Haut  verhalten  sich,  die  Aperturae  communes 
fast  genau  ebenso,  so  daß  man  in  diesem  Befunde  keine  Unregelmäßigkeit 
erblicken  kann. 

Auf  den  künstlichen  Längrgschnitten  besitzt  die  Apertura  communis 
in  der  Mehrzahl  der  Fälle  eine  Gestalt,  welche  sich  mehr  oder  weniger 
der  eines  Trichters  nähert  (Tafel  IX,  Fig.  3 ;  Tafel  XT,  Fig.  2:^0), 
so  daß  man  sie  als  normal  oder  nur  als  wenig  vom  Kormalen  ab- 
weichend ansehen  kann;  in  den  übrigen  Fällen  jedoch  zeigen  sie  un- 
zweifelhaft eine  anregelmäßige  Gestalt.  Eine  gewisse  Anzahl 
derselben  weist  nämlich  eine  Gestalt  auf,  welche  man  als  ampuUenförmig 
bezeichnen  könnte  (Taf.  X,  Fig.  1,  ^0);  sie  wird  nämlich  aus  zwei 
Teilen  zusammengesetzt,  welche  fast  die  gleiche  Höhe  besitzen;  der 
untere  hat  eine  kugelige  oder  ovale  Gestalt,  deren  größerer  Durchmesser 
eine  horizontale  Richtung  aufweist;  der  obere  dagegen  ist  enger  und 
trichterförmig  gestaltet.  Aperturae  communes  von  Ampullenform  finden  sich 
sowohl  bei  der  Keratosis  pilaris  des  Rückens  als  auch  jener  der  Arme, 
jedoch  nur  an  solchen  Gruppen,  welche  nur  aus  zwei  Haarfollikeln  be- 
stehen. Einige  wenige  andere  Aperturae  comunes  zeigen  auch  eine  Gestalt, 
die  sich  mehr  oder  weniger  einer  zylindrischen  nähert  (Taf.  X,  Fig.  5,  g  0). 
In  den  Querschnitten  erscheinen  die  Aperturae  communes  gewöhnlich  in 
bald  mehr,  bald  weniger  ausgeprägter  ovaler  Gestalt  und  nur  selten  kreisrund. 
Bisweilen  sieht  man  diese  beiden  Formen  an  verschiedenen  Punkten  ein  und 
derselben  Arpertura  communis;  während  z.  B.  jene  in  Fig.  1  der  Taf.  X  (g  0) 
dargestellte  ampullenförmige  Apertura  communis  in  ihrem  unteren  Teile 
(Fig.  4)  und  in  dem  oberen  Abschnitte  des  oberen  Teiles  (Fig.  2)  eine 
ovale  Gestalt  zeigt,  bietet  sie  uns  in  dem  unteren  Abschnitte  desselben 
oberen  Teiles  einen  kreisrunden  (Querschnitt  dar  (Fig.  3). 

Die  größte  Weite  der  Aperturae  communes  ist  sehr  verschieden  und 
schwankt  zwischen  0*4  und  1*5  fnm\  ob  sich  diese  letztere  Zahl  innerhalb 
der  normalen  Grenzen  hält  oder  nicht,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Von 
der  Tiefe  der  Aperturae  communes  kann  man  eine  annähernde  Vorstellung 
durch  die  Zahl  der  serienweise  angeordneten  Querschnitte  erhalten,  welche 
dieselbe  noch  enthalten.  In  der  normalen  Haut  der  Außenfläche  des 
Armes  (Fall  XXVI)  besitzen  die  wenigen  Aperturae  communes,  die  sich 
darin  vorfinden,  eine  Tiefe  von  zwei  oder  höchstens  drei  Querschnitten; 
in  der  gleichfalls  normalen  Haut  anderer  Menschen  dagegen,  sowohl  vom 
Arme  als  auch  von   anderen  Körperstellen,    die  demjenigen   entsprechen, 


]76  Giovanuini. 

an  denen  wir  bei  der  Eeratosis  pilaris  unsere  Unter enchnn gen  anstellten 
erhält  man  bedeutend  höhere  Zahlen,  so  daß,  wenn  man  das  Mittel  sieht 
die  maximale  normale  Tiefe  ungefähr  5  Querschnitten  entsprechen  würde 
Bei  der  Keratosis  pilaris  nun  findet  man  gleichwohl  Aperturae  communes, 
deren  Tiefe  sich  innerhalb  dieser  Grenzen  hält,  jedoch  weit  zahlreicher 
sind  diejenigen,  welche  sich  durch  eine  Anzahl  von  Querschnitten  er- 
strecken, die  sich  von  einem  Minimum  von  6  bis  auf  44  (Taf.  X,  Fig.  1,^0^ 
erhebt,  und  bisweilen  sogar  bis  auf  50.  Wenn  daher  auch  ein  Zweifel 
darüber  bestehen  kann,  ob  sie  bei  der  Keratosis  pilaris  eine  größere 
Weite  besitzen  als  die  normale,  so  ist  es  doch  sicher,  daß  sie  yiel 
tiefer  sind,  als  die  normalen. 

Neben  solchen  Follikeln,  welche  anstatt  in  eine  Apertura  communis 
getrennt  an  die  Hautoberfläche  münden,  kann  man  bei  der  Keratosis 
pilaris  nicht  selten  auch  solchen  begegnen,  die  sich  in  den  Trichter 
des  benachbarten  Follikels  offnen.  Wie  das  geschieht,  davon 
erhält  man  eine  Vorstellung  durch  die  Figuren  8  und  5  der  Tafel  YIII,  in 
denen  man  sieht,  wie  in  einer  aus  2  Follikeln  bestehenden  Gruppe 
der  kleinere  derselben  B  in  den  Trichter  des  größeren  Ä  einmündet 
Im  allgemeinen  handelt  es  sich  in  diesen  Fällen  stets  um  Gruppen, 
die  aus  zwei  Follikeln  bestehen,  von  denen  sich  der  kleinere  in 
schräger  Richtung  von  unten  nach  oben  mit  dem  Trichter  des  größeren 
Follikels  vereint,  so  daß  er  mit  der  Längsachse  desselben  einen  mehr 
weniger  spitzen  Winkel  bildet.  Der  kleinere  dieser  Follikel  ist  im  Ver- 
hältnisse zum  größeren  bald  mittelgroß,  bald  aber  auch  sehr  klein;  die 
3  Haarfollikel,  welche  wegen  ihrer  außerordentlichen  Kleinheit  bereits 
früher  erwähnt  wurden,  mündeten  gleichfalls  in  den  Trichter  des  größeren. 
Der  kleinere  Follikel  enthält  bisweilen  ein  Haar,  bisweilen  auch  nicht; 
aber  in  jedem  Falle  findet  sich  in  seinem  Fundus  eine  mehr  oder  weniger 
gut  entwickelte  Papille  oder  auch  der  „Haarstengel"  (Taf.  VIII,  Fig.  8  a.) 
Wenn  er  auch  manchmal  eine  etwas  gekrümmte  Richtung  einhält  oder 
in  seinen  Grenzen  manche  Ausbuchtungen  aufweist,  so  kann  man  doch 
sagen,  daß  seine  Gestalt  im  allgemeinen  eine  regelmäßige  ist.  Was  den 
größeren  Follikel  anbelangt,  so  zeigt  er  gewöhnlich  einen  Trichter,  der 
in  seiner  Tiefe  und  nicht  selten  auch  in  seiner  Weite  das  normale  Maß 
überschreitet.  Die  Vereinigung  des  kleineren  Follikels  mit  dem  Trichter 
des  größeren  vollzieht  sich  bald  an  dem  einen,  bald  an  dem  anderen 
Punkte  des  Trichters  selbst;  es  kommt  nicht  selten  vor,  daß  dieselbe  in 
einer  Entfernung  von  20,  80  und  noch  mehr  Querschnitten  von  der  Ober- 
fläche der  Haut  erfolgt,  somit  in  einer  ganz  bedeutenden  Tiefe. 

Nur  ein  einzigesmal  konnte  ich  einen  kleinen  Follikel  beobachten, 
welcher  in  die  Portio  media  des  größeren  Follikels  einmündete, 
und  zwar  ungefähr  in  der  Mitte  der  Strecke  zwischen  dem  Ansätze  des 
Musculus  erector  und  dem  Trichter.  Diese  Gruppe  von  zwei  Follikeln  ist 
in  Fig.  1  der  Tafel  IX  dargestellt;  wie  man  hier  sieht,  besitzt  der  kleinere 
Follikel  B  eine  Höhe,  welche  ungefähr  dem  dritten  Teile  jener  des  größeren 
Follikels  Ä  entspricht ;  er  zeigt  etwas  unregelmäßige  Begrenzung  und  ist 


Zur  Histologie  der  KerstoBis  pilaris.  177 

mit  einer  mdimentfiren  Papille  versehen,  enthält  aber  keine  Spur  eines 
Haares.  Dieser  genannte  Follikel  B  erinnert  recht  sehr  an  die  epithe- 
lialen Appendiees  der  Portio  media  normaler  Haarfollikel,  welche  von 
verschiedenen  Autoren  beschrieben  worden  sind;  abgesehen  davon  h&ngt 
er  in  unserem  speziellen  Falle  mit  einem  Follikel  zusammen,  welcher 
eher  alles  andere  als  normal  ist.  Derselbe  zeigt  nftmlich  außer  einer  ganz 
ungewöhnlichen  Weite  des  Trichters  und  einer  rudimentären  Schweiß- 
drüse nach  aufwärts  von  der  Ansatzstelle  des  Musculus  ereotor  eine  voll- 
ständig abnormale  Yerhomung  der  äußeren  Wurzelscheide,  insofeme  als 
ihre  peripheren  noch  färbbaren  Zellen  nicht  selten  auf  nur  2 — 8  Schichten 
beschränkt  sind. 

Die  bisher  beschriebenen  Einzelheiten  der  Haarfollikel, 
und  ihrer  Aperturae  commones  wurden  größtenteils  durch  das 
Studium  der  Querschnitte  der  Haut  und  der  ihnen  entspre- 
chenden künstlichen  Längsschnitte  gewonnen;  doch  waren 
einige  dieser  Einzelheiten  auch  an  den  realen  Vertikalschnitten 
der  Haut  mit  genügender  Deutlichkeit  zu  beobachten.  So 
sieht  man  z.  B.  in  dem  in  Fig.  2  der  Tafel  VIII  dargestellten 
Yertikalschnitte  der  Haut  einen  Haarfollikel,  welcher  einer  aus 
zwei  Haaren  bestehenden  Gruppe  angehört,  die  getrennt  an  der 
Hautoberfläche  münden,  dessen  Trichteranteil  etwas  weiter  ist 
als  normal.  In  dem  anderen,  in  Fig.  5  der  Tafel  IX  darge- 
stellten Schnitte  findet  man  zwei  Haarfollikel,  deren  Trichter 
im  Verhältnisse  zur  Entwicklung  ihres  Körpers  sehr  weit  ist. 
Der  in  Fig.  1  der  Tafel  XI  dargestellte  Schnitt  enthält  eine 
Gruppe  von  3  Follikeln,  welche  in  eine  Apertura  communis 
einmünden,  die  eine  abnormale  Tiefe  besitzt.  Im  allgemeinen 
jedoch,  wie  auch  aus  der  Prüfung  dieser  letzterwähnten  Abbil- 
dung geht  herror,  daß  die  aus  drei  Follikeln  bestehenden  Gruppen 
in  den  Vertikalschnitten  der  Haut  im  Schrägschnitte  getroflfen 
wurden,  so  daß  ihre  Untersuchung  niemals  befriedigende  Er- 
gebnisse bot.  In  keinem  einzigen  der  vielen  realen  Vertikal- 
schnitte, über  die  ich  verfügte,  konnte  ich  eine  der  oben  be- 
schriebenen, aus  vier  Follikeln  bestehende  Haargruppe 
erkennen. 

Bei  einigen  der  Untersuchung  unterzogenen  Fällen  von 
Keratosis  pilaris  und  besonders  bei  der  narbenbildenden  Form 
des  XXV.  Falles  fand  ich  nicht  selten  Spuren  von  Haar- 
follikeln, welche  sich  auf  dem  Wege  der  Zerstörung  be- 
fanden oder  bereits  zerstört  waren.    Unter  solchen  Ver- 

Areh.  f.  Dennat.  n.  Syph.  Bd.  LXIII.  12 


178  Giovannini. 

häJtnissen  bleibt  Ton  den  Follikeln  nichts  anderes  übrig  als 
nur  die  Gefäße,  oder  es  verbleibt  nur  die  mehr  weniger  ver- 
dickte und  auf  sich  selbst  beschränkte  Membrana  vitrea,  welche 
in  den  Querschnitten  der  Haut  fast  nur  an  ihrer  runden  Gestalt 
durch  das  sie  umgebende  Bindegewebe  erkannt  werden  kann; 
nur  ausnahmsweise  erhalten  sich  im  Innern  der  Yitrea  auch  einige 
wenige,  mehr  weniger  stark  veränderte  Epithelzellen.  Die  Obli- 
teration  beschränkt  sich  bisweilen  nur  auf  den  unterhalb  der 
Ansatzstelle  des  Musculus  erector  gelegenen  Teil  des  Follikels, 
bisweilen  aber,  und  dies  sind  unzweifelhaft  die  häufigeren  Fälle, 
erstreckt  sie  sich  fast  auf  den  ganzen  Follikel,  so  daß  von  ihm 
nichts  als  nur  ein  kleines  Stück  seines  obersten  Teiles  zurückbleibt, 
das  das  Aussehen  einer  oberflächlichen  mehr  oder  weniger 
regelmäßig  konkaven  Vertiefung  besitzt  (Taf.  XII,  Fig.  5  und  6a) 
Bisweilen  erscheinen  sämtliche  Follikel  der  einzelnen  Gruppen 
auf  eine  derartige  Vertiefung  reduziert,  bisweilen  auch  nur 
ein  Teil  derselben;  aber  sowohl  in  dem  ersteren  wie  in  dem 
letzteren  Falle  bleiben  die  betreffenden  Aperturae  communes  be- 
stehen, und  die  narbigen  Vertiefungen,  welche  nach  dem  Ver- 
schwinden der  Keratosis  pilaris  zurückbleiben,  scheinen  zum 
großen  Teile  von  der  Persistenz  derselben  herzurühren.  An 
Stelle  der  zerstörten  Haarfollikel  und  zwar  zumeist  bei- 
sammen mit  ihren  Besten  finden  sich  bisweilen  ein  oder 
mehrere  vollständig  isolierte  Haarschäfte  mit  sehr  verschiedener 
Bichtung,  welche,  gleichsam  wie  Fremdkörper,  in  der 
Dicke  des  Derma  incystiert  bleiben.  Bei  dem  XII.  Falle 
konnte  ich  einmal,  beisammen  mit  den  Resten  einer  Gruppe 
von  zwei  Follikeln,  vier  derartiger  zählen,  darunter  einen  von 
ziemlicher  Größe. 


Epidermis  der  Haarfollikel. 

Bekanntermaßen  senkt  sich  die  Epidermis  unter  normalen 

Verhältnissen  in  die  Tiefe  um  mit  ihren  verschiedenen  Schichten 

sowohl  die  Aperturae  commimes  der  Haargruppen  als  auch  den 

Trichter    der    einzelnen  Haare   auszukleiden;  vom  Trichter  in 

riiid  Tiefe  jedoch,  also  am  Körper  und  dem  Bulbus  der  Haar- 


Zar  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  179 

follikel  fiaden  wir  nur  noch  das  Stratum  Malpighi   als  äußere 
Wurzelscheide  bezeichnet. 

Wir  kommen  also  jetzt  zur  Betrachtung  des  Verhalteas 
sowohl  der  Epidermis  der  Aperturae  communes  und  der  Trichter 
als  auch  der  äußeren  Wurzelscheide  bei  der  Keratosis  pilaris. 

a)    Die  Epidermis  der  Aperturae  communes  und  der  Trichter 

der  Haarfollikel. 

Yeyrieres  fand,  daß  die  epitheliale  Scheide,  welche  die  Hülle 
des  keratotischen  Knötchens  bildet  und  sich  nach  oben  mit  dem  allge- 
meinen Epithel  der  Haut  yereint,  dnnn  sei,  n&mlich  nur  aas  zwei  bis 
fünf  Zellagen  bestehe. 

Aus  der  Untersnchnng  meiner  Präparate  geht  hervor,  daß  die 
Malpighisohe  Schicht  der  Epidermis,  welche  die  Aperturae  communes  und 
die  Trichter  der  Haarfollikel  auskleidet,  in  einer  guten  Anzahl  der  Fälle 
eine  Dicke  besitzt,  welche  der  der  gewöhnlichen  zwischen  den  Follikeln 
gelegenen  Epidermis  fast  gleichkommt  und  derogem&ß  als  normal  ange- 
sehen werden  maß.  In  anderen  Fällen  dagegen,  die  wahrscheinlich  auch 
die  Mehrzahl  darstellen,  ist  sie  mehr  oder  weniger  Yerdünnt» 
80  daß  sie  sich  bisweilen  auf  nur  2 — 3  Zellschicbten  beschränkt.  Nicht 
selten  geschieht  es,  daß  diese  Dicke  an  verschiedenen  Punkten  ein  und 
derselben  Apertura  communis  oder  ein  und  desselben  Trichters  verschieden 
ist.  So  zum  Beispiel  in  der  in  Fig.  1  der  Taf.  X  dargestellten  ampullen- 
förmigen  Apertura  communis;  während  dieselbe  an  der  Mündung  die 
größte  Dicke  von  ungefähr  12  Schichten  erreicht,  findet  man  sie  in  der 
Mitte  der  Höhe  ihres  unteren  Teiles  auf  ein  Minimum  von  nur  2 — 8 
Schichten  beschränkt  (Fig.  4).  Wo  die  Malpighisohe  Schichte  eine  nor- 
male Dicke  besitzt,  findet  man  auch  in  Bezug  auf  die  Gestalt  ihrer 
Zellen  keine  Unregelmäßigkeiten;  wo  sie  dagegen  mehr  oder  weniger 
verdünnt  erscheint,  zeigen  die  Zellen  die  deutliche  Tendenz  sich 
abzuflachen.  In  der  Tat  beobachtet  man  in  diesen  Fällen  häufig 
genug,  daß  diese  Abplattung  bereits  bei  denjenigen  Zellen  beginnt,  welche 
unmittelbar  über  der  basalen  Schiebte  liegen,  und  daß  sie  immer  deut- 
licher wird,  je  mehr  man  in  die  Höhe  fortschreitet.  Die  Zellen  der  basalen 
Schichte  selbst  zeigen  bisweilen  anstatt  ihrer  gewöhnlichen  cylindrisohen 
nicht  nur  eine  rundliche  oder  polyedrische  Gestalt,  sondern  sie  erscheinen 
auch  mehr  oder  weniger  abgeplattet.  Was  die  Mitosen  anbelangt,  so  sind 
sie  fast  ebenso  selten  wie  in  der  zwischen  den  Follikeln  gelegenen  Epidermis. 

Yeyrieres  fand,  daß  die  Epithelscheide,  welche  die  Hülle  des 
keratotischen  Knötchens  bildet,  bisweilen  ein  Stratum  granulosum  besitzt, 
bisweilen  auch  nicht  In  meinen  Präparaten,  welche  zum  größten  Teile 
in  Flemmingscher  Lösung  fixiert  waren,  erschien  das  Stratum  granulosum 
nur  in  einer  beschränkten  Zahl  der  Fälle  deutlich;  es  bestand  aus  zwei, 

12* 


180  Giovannini. 

drei,  bisweilen  bis  ans  vier  Zellschichten,  erreichte  an  der  Oberfläche 
eine  mehr  weniger  bedeatende  Aasdehnung  und  zeigte  keine  Besonder- 
heiten. Auch  an  dem  Stratum  lacidam,  das  oft  sehr  denüich  hervortrat, 
war  nichts  besonderes  wahrzunehmen. 

Gehen  wir  nnn  zum  Stratum  cornenm  über,   das  bei  der  Keratosis 
pilaris  eine  besondere  Bedeutung  gewinnt. 

Audry  bemerkte,  daß  in  der  äußeren  Höhlung  sich  Schuppen  bil- 
deten und  ansammelten,  welche  keine  Kerne  besaßen.  Jacquet  fand 
zwei  Arten  horniger  Bildungen  im  Haartrichter  vor :  die  einen  bestanden 
ans  durchsichtigen,  voluminösen,  hervorragenden  Massen;  die  anderen 
waren  klein,  nicht  hervorragend,  dem  Trichter  aufgelagert  und  besaßen 
das  Aussehen  horniger  Cysten,  welche  ein  Haar  enthielten.  Unna  meinte, 
wie  schon  oben  angedeutet  wurde,  daß  die  prim&re  und  hauptsächlichste 
Veränderung  bei  dieser  Krankheit  in  einer  regelmäßigen  Verdickung  des 
Stratum  comeum  bestehe,  welche  sich  auf  den  Eingang  des  Haarfollikels 
beschränke;  nach  ihm  bildet  die  Anhäufung  der  Hornmassen  in  Form 
eines  Deckels  oberhalb  des  Einganges  in  den  Follikel  das  Charakteristische 
dieser  Erkrankung  (Keratosis  suprafollicularis).  Nur  in  Aasnahmsiällen 
sah  Unna  die  Hyperkeratose  sich  auf  den  Trichter  des  Follikels  erstrecken 
und  diesen  ausdehnen ;  jedesfalls  fand  er  im  Innern  desselben  nur  wenige 
lose  miteinander  vereinte  Schichten  horniger  Substanz. 

Wie  man  sieht,  haben  sich  die  Autoren,  welche  mir  im 
Studium  der  Keratosis  pilaris  vorangingen,  auf  die  Unter- 
suchung des  Stratum  comeum  in  den  einzelnen  Follikeln  be- 
schränkt; ich  aber  glaube,  daß  man  es  nicht  nur  in  diesen 
sondern  auch  in  den  Aperturae  communes  betrachten  muß. 

Die  Hornmassen,  welche  sich  im  Inneren  der  Aperturae 
communes  als  auch  der  Trichter  vorfinden,  bestehen  aus  mehr 
oder  weniger  abgeflachten  Zellen,  bisweilen  mit,  bisweilen  ohne 
Kern;  im  wesentlichen  unterscheiden  sie  sich  durch  nichts 
Ton  denen  der  Hornschichte  der  zwischen  den  Follikeln 
liegenden  Haut.  Während  jedoch  an  der  freien  Hautober- 
fiäche  die  sich  bildenden  Homzellen  zum  Teile  abgestoßen 
werden  und  verstreut  werden,  werden  sie  in  den  eben 
erwähnten  Höhlen  festgehalten  und  sind  gezwungen  sich  anzu* 
häufen  und  zu  verdichten.  Daher  kommt  es,  daß  man  in  der 
Mehrzahl  der  Fälle  im  Inneren  der  Aperturae  communes  eine 
mehr  oder  minder  große  Menge  Homsubstanz  vorfindet 
(Tafel  IX,  Fig.  3;  Tafel  X,  Fig.  ö;  Tafel  XI,  Fig.  1,  2,  g). 
Besonders  in  dem  oberen  Teile  der  Aperturae  communes 
gewahrt     man     die     Hornmasse     in     reichlicherer     Menge; 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  181 

80  zum  Beispiele   bei  der  in  Fig.  1   der  Taf.  X.  (^0)  darge- 
stellten; während   der    obere   trichterförmige    Teil    derselben 
Yollständig  durch  Hornmasse  zugepfropft  erscheint  (Fig.  2,  3), 
zeigt  der  untere  Teil    zumeist   nur   eine   dünne  Schichte  der- 
selben   (Fig.    4).    Auch   der  größere  Teil   der  Trichter   zeigt 
sich  Yon  Hornmasse  erfüllt,  und  zwar  sowohl  in  jenen  Fällen 
in  denen  sie   nach  Größe  und  Gestalt  fast  als  normal  zu  be- 
zeichnen sind,   als  auch  in  jenen,  wo  sie  gegenüber  dem  Nor- 
malen eine  einfache  Erweiterung  aufweisen  (Taf.  VIII,  Fig.  2,  3,  4 ; 
Taf.  K,  Fig.  1)  oder  auch  deformiert  erscheinen  (Taf.  VIII,  Fig.l). 
Auch  jene  oberflächlichen  Vertiefungen,  welche  nach  dem  Ver- 
schwinden der  Haarfollikel  zurückbleiben,  enthalten  bisweilen  Horn- 
lamellen  (Taf.  XII,  Fig.  5  und  6  a).  Diese  hornigen  Anhäufungen 
sind  bisweilen   so  bedeutend,   daß   sie   über  die  Trichter  und 
Aperturae  communes  herausragen,  bisweilen  reichen  sie  fast  nur 
bis   in    die  Ebene    der  Oberfläche    der  Haut,    oft   stehen   sie 
tiefer.  In  den  Fällen  der  ersteren  Art  besitzt  der  überragende 
Teil  der  Hornanhäufung   eine  Gestalt,    die   sich  mehr  weniger 
einer  Halbkugel    oder    einem    flachen  Kegel   nähert,   und  nur 
selten  die  eines  Zylinders,  einer  Schnecke,  eines  Eies   u.  s.  w. 
Ihre   Oberfläche   ist   bisweilen   mehr   weniger  regelmäßig  und 
zusammenhängend,  oft  mehr  oder  weniger  unregelmäßig  und  unter- 
brochen. In  einigen  wenigen  Fällen  überschreitet  der  emporragende 
Teil  der  Hornmasse  die  Grenzen   der  entsprechenden  Trichter 
oder  Aperturae  communes,  um  eine  kurze  Strecke  der  benach- 
barten Hautoberfläche   zu   bedecken;    dies  geschieht  bald  nur 
einseitig  (Taf.  XI,  Fig.  1)  bald  im  ganzen  Umkreise.    In  den 
Querschnitten  der  Haut  zeigt  die  Hornanhäufung  in  den  Trichtern 
und  den  Aperturae  communes  häufig  eine  Anordnung  in  konzen- 
trischen kreisförmigen  Schichten;  in  den  realen  Längsschnitten 
erscheinen  sie  bei  einigen  wenigen  Fällen  mehrfach  in  Schichten 
geteilt,   welche  sich  ähnlich  dem  Barte  einer  Feder  von  dem 
Haarschafte    loslösen    und    divergieren     (Taf.    IX,    Fig.    5). 
Während  diese  Homschichten  in  dem   obersten  Teile  der  An- 
häufungen  zumeist   innig   vereint  und  verdichtet  sind,  so  daß 
sie  hier  ein  fast  kontinuierliches  Aussehen  darbieten,  erscheinen 
sie  in  dem  tieferen  Teile  zumeist  gelockert  (diskontinuierlich). 


182  Gioyannini. 

Diese  bis  jetzt  beschrieben  Hornanhäufungen  entsprechen 
offenbar  jenen  zumeist  auch  dem  freien  Auge  sichtbaren  Bil- 
dungen, welche  Yon  einigen  Autoren  als  Hornkugeln  oder 
Hörn  körnchenbezeichnet  wurden  und  in  klinischer  Hinsicht 
ein  hauptsächliches  Charakteristiken  der  in  Rede  stehenden 
Erkrankung  darstellen.  Vom  anatomischenStandpunkte  betrachtet, 
haben  diese  Anhäufungen  im  großen  ganzen  eine  Gestalt,  welche 
sich  mehr  oder  weniger  der  eines  Kegels  oder  Zylinders  nähert 
und  ein  Volumen,  das  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  in  di- 
rektem Verhältnisse  zur  Weite  der  Höhlung  steht,  in  der  sie 
sich  gebildet  haben;  man  findet  daher  kleine,  mittelgroße  und 
mehr  weniger  sehr  große.  Natürlich  sind  es  gerade  die 
größten  Anhäufungen,  welchen  im  speziellen  Falle  eine  Be- 
deutung zukommt  und  welche  der  Krankheit  den  Charakter 
einer  Keratose  aufdrücken;  wenn  sich  diese  auch  bisweilen  in 
den  außerordentlich  weiten  Trichtern  der  Haarfollikel,  wie  sie 
oben  beschrieben  wurden,  bilden  können,  so  sind  sie  doch  viel 
häufiger  das  Produkt  der  Aperturae  communis.  Infolge- 
dessen kommt  den  Aperturae  communes  ein  sehr 
'bedeutender  und  ganz  besonderer  Anteil  bei  der 
Pathogenese  der  Keratosis  pilaris   zu. 


b)  Äussere  Wurzelsoheide. 

Lemoine  meinte,  daß  die  Keratosis  pilaris  außer  von 
der  inneren  auch  von  der  äußeren  Wurzelscheide  ihren  Aus- 
gang nehme;  Audry  fand  die  äußere  Wurzelscheide  bei  der- 
selben Krankheit,  gleichzeitig  mit  der  inneren,  zu  einer  definitiv 
verhornten  Epidermisröhre  umgebildet.  Nach  Unna  dagegen 
würde  sich  der  mittlere  und  untere  Teil  des  Haarfollikels  voll- 
ständig normal  erhalten. 

Wie  wir  aus  dem  vorhergehenden  ersehen  haben,  findet 
man  bei  der  Keratosis  pilaris  eine  recht  bedeutende  Zahl  von 
Haarfollikeln,  welche  infolge  der  vergrößerten  Tiefe  des 
Trichters  einen  relativ  kurzen  Körper  besitzen ;  in  diesen  Fällen 
bringt  natürlich  die  Kürze  des  Körpers  auch  eine  Verkürzung 
der  entsprechenden  äußeren  Wurzelscheiden  mit  sich;  so  findet 
man    sie  nicht  selten   auf  die   Hälfte   (Taf.   YLIl^  Fig.  1)    und 


Zar  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  183 

schließlich  sogar  bis  auf  ein  Drittel  (Taf.  VIII,  Fig.  3)  der  Ge- 
samttiefe  des  Follikels  eingeschränkt. 

So  hätten  wir  die  erste  Veränderung  der  äußeren  Wurzel- 
scheide erhoben:  eine  mehr  oder  weniger  bedeutende 
Verkürzung,  abhängig  von  der  Gestaltverän- 
derung der  Haarfollikel. 

Bezüglich  des  Zastandes  der  änßoren  Wurzelscheide  ist  zu  bemerken, 
daß  sie  nicht  selten  einer  ganz  ungewöhnlichen  und  abnormalen  Yer- 
bornung  verfallt,  welche  ganz  besonders  an  den  serienweise  angeord- 
neten Transversalschnitten  der  Haut  untersucht  werden  kann.  Bei  einer 
derartigen  Untersuchung  findet  man,  daß  die  Lagen  gefärbter  Zellen  der 
äußeren  Wurzelscheide  der  Zahl  nach  mehr  oder  weniger  verringert  sind, 
so  daß  deren  schließlich  nur  zwei  oder  drei  übrig  bleiben  und  daß  die 
Zellen,  welche  diese  Schicht  selbst  zusammensetzen,  mehr  oder  weniger 
abgeflacht  erscheinen.  Diese  Abplattung  beginnt  mehr  weniger  in  nächster 
Nähe  der  FoUikelwand  und  es  kommt  nicht  selten  vor,  daß  selbst  die 
Zellen  der  basalen  Schichte  ihre  ihnen  eigentümliche  Zylinderform  ver- 
loren haben.  Die  übrigen  Zellen  der  äußeren  Wurzelscheide  zeigen  sich 
vollständig  ungefärbt  und  zu  LameUen  reduziert,  welche  das  Aussehen  von 
Homlamellen  besitzen ;  zwischen  den  nicht  verhornten  und  den  verhornten 
Zellen  sieht  man  niemals  eine  Spur  des  Stratum  granulosum  oder  luci- 
dum. Die  Homzellen  bilden  im  ganzen  Umkreise  eine  bald  mehr  bald 
weniger  hohe  Schichte;  häufig  bleibt  jedoch  zwischen  dieser  Schichte  und 
dem  Haare  ein  mehr  oder  weniger  breiter  leerer  Baum  (Taf.  Xu,  Fig.  4a),  den 
wir  nur  ausnahmsweise  auch  zwischen  der  ungeübten  und  der  oben  erwähnten 
Schichte  gefärbter  Zellen  wahrnehmen  können  (Taf.  IX,  Fig.  2a).  Diese  Schichte 
ist  gewöhnlich  weder  dicht  noch  zusammenhängend,  sondern  zeigt  hie 
und  da  mehr  weniger  große  Unterbrechungen  ihres  Zusammenhanges,  so 
daß  sie  bisweilen  ein  gefenstertes  Aussehen  annimmt.  An  der  Grenze 
zwischen  den  verhornten  und  nichtyerhomten  Zellen  kann  man  niemals 
das  Vorhandensein  eines  Stratum  granulosum  oder  lucidum  feststellen, 
ebensowenig  geschieht  es  jemals,  daß  die  Hornlamellen  nach  Osmiumsäure- 
Behandlung  eine  schwarze  Färbung  annehmen  würden.  Außerordentlich 
häufig  erstreckt  sich  die  Verhomung  in  der  äußeren  Wurzelscheide  bis 
in  die  Nähe  oder  selbst  auch  bis  in  die  Höhe  des  epithelialen  Appendix 
des  Muskelansatzes  (Taf.  VIII,  Fig.  1 ;  Taf.  IX,  Fig.  1^;  Taf.  XII,  Fig.  2a); 
seltener  nur  kann  man  beobachten,  daß  sie  sich  auch  noch  mehr  weniger  in  die 
Tiefe  des  restlichen  Teiles  der  äußeren  Wurzelscheide  verbreitet,  so  daß 
sie  bisweilen  selbst  den  Grund  des  Follikels  erreicht,  wie  ich  dies  in 
gleicher  Weise  (e)  auch  bei  der  elektrolytischen  Depilation  beobachten 
konnte  (Taf.  XII,  Fig.  S). 

Die  Hornbildung  in  der  äußeren  Wurzelscheide  findet  sich  recht 
häufig;    ich  sah   sie   nämlich  bei  gut  10  Stückchen  der  von  Keratosi» 


184  Giovannini. 

pilaris  befallenen  und  der  Untersuehnng  unterworfenen  Haut  und  zameist 
gleichzeitig  in  mehreren  von  den  in  einem  Stückchen  enthaltenen  Follikeln; 
sehr  häufig  war  sie  in  einem  Falle  von  Keratosis  pilaris  rnbra  (XXIL 
Fall)  vorhanden.  Man  beobaohtet  sie  gewöhnlich  in  Follikeln,  welche  des 
Haares  beraubt  sind  oder  ein  solches  mit  vollem  Bnlbns  enthalten;  bis- 
weilen jedoch  konnten  wir  sie  auch  in  Follikeln  beobachten,  welche  ein 
PapiUenhaar  enthielten  (Taf.  XI,  Fig.  5). 

Wenn  die  äußere  Wurzelscheide  diese  eben  beschriebene  abnorme 
Yerhomung  nicht  darbietet,  dann  bewahrt  sie  in  der  weitaus  größten 
Mehrzahl  der  Fälle  ihr  normales  Aussehen;  Mitosen  fehlen  hier  häufig 
oder  sind  nur  spärlich  vorhanden;  bisweilen  jedoch  findet  man  sie  wiederum 
auch  so  häufig,  daß  man  deren  4—6  in  jedem  Schnitte  Eählen  kann.  Nur 
zu  seltenen  Malen  findet  man  an  diesem  oder  jenem  Punkte  derselben 
eine  vereinzelte  Zelle  oder  auch  eine  Gruppe  von  2 — 4  benachbarten, 
welche  vollständig  entfärbt  sind  und  sich  auf  dem  Wege  der  Auflösung 
befinden,  oder  auch  leere  Räume,  in  der  Zahl  von  8 — 7  in  einem  Quer- 
schnitte und  mit  einer  solchen  Zellen  ungefähr  entsprechenden  Aus- 
dehnung, wogegen  die  Zellen,  die  dieselben  umgeben,  einen  Kern  ent- 
halten, welcher  stärker  gefärbt  erscheint  als  normal ;  dies  beweist  deutlich, 
daß  einzelne  Zellen  oder  kleine  Zellgruppen  der  äußeren  Wurzelscheide 
absterben  und  verschwinden.  Übrigens  kann  man  an  einigen  Follikeln 
von  einer  Keratose  des  Armes  (XIY.  Fall)  und  zwar  in  einer  begrenzten 
Strecke  der  oberen  Hälfte  ihres  mittleren  Teiles  (Taf.  IX,  Fig.  la)  eine 
Läsion  beobachten,  welche  wahrscheinlich  traumatischen  Ursprunges  ist. 
An  der  genannten  Stelle  erscheint  nämlich  die  äußere  Wurzelscheide, 
mehr  oder  weniger  hochgradig  verdünnt  und  fast  ausschließlich  aus  Zellen 
zusammengesetzt,  welche  vollständig  oder  nahezu  vollständig  verhornt 
sind;  sie  ist  von  der  FoUikelwand  losgelöst  und  lieget  isoliert  inmitten 
des  Follikels,  eine  unregelmäßige  Gestalt  darbietend;  überdies  erscheinen 
die  Ringfasern  der  entsprechenden  FoUikelwand  hie  und  da  lose  gefügt 
und  zum  Teile  auch  abgelöst  und  im  Innern  des  Follikels  verstreut. 
Diese  genannte  Veränderung  beobachtet  man  sowohl  bei  solchen  Follikeln, 
deren  restliche  äußere  Wurzelscheide  Yerhomung  aufweist,  als  auch  in 
anderen,  bei  denen  dies  nicht  der  Fall  ist;  immer  jedoch  zeigt  ihr  Trichter 
eine  abnormale  Weite  und  enthält  mehr  oder  weniger  dichte  Homzapf  en 

Gehen  wir  nun  zur  Betrachtung  derjenigen  Verlängerungen 
und  Appendices  über,  welche  die  äußere  Wurzelscheide  an 
der  AnsatzBtelle  des  Musculus  erector  am  Follikel  bildet 
Solche  Appendices  konnte  ich  nur  selten  in  ihrer  ganzen  Aus- 
bildung an  den  Längsschnitten  der  von  Keratosis  pilaris  be- 
fallenen Haut  beobachten,  so  daß  ich  sie  zumeist  an  den  Quer- 
schnitten derselben  Haut  studieren  mußte.  Nach  meinen  Un- 
tersuchungen bilden  dieselben  einen  fast  konstanten  Befund,  da 


Zur  Histologie  der  EeratouB  pilaris.  185 

ich  sie  nur  an  zwei  Haarfollikeln  vermißte.  An  jedem  Follikel 
beobachtet  man  zumeist  einen  oder  zwei  derartige  Appendices 
und  nur  selten  drei.  Sind  mehrere  derselben  vorhanden,  dann 
entspringen  sie  zumeist  getrennt  oder  fast  getrennt,  und  er- 
heben sich  bald  in  gleicher  bald  in  yerschiedener  Höhe  der 
Follikelwand ;  von  den  größeren  jedoch  zweigen  sich  bisweilen 
noch  andere,  kleinere,  gewissermaßen  sekundäre  Appendices 
ab.  Im  allgemeinen  betrachtet,  besitzen  diese  Appendices  bald 
die  Gestalt  eines  halbkugelformigen  Knopfes,  bald  die  eines 
Zylinders,  dessen  äußeres  Ende  eine  Auftreibung  aufweist;  bald 
die  eines  Kegels,  dessen  breiteres  Ende  nach  außen,  seltener 
nach  innen  gerichtet  ist.  Ihre  Länge  wechselt  außerordentlich : 
die  größte,  welche  ich  zu  beobachten  (Gelegenheit  hatte,  besaß 
wohl  der  in  Fig.  2  der  Taf.  XII  dargestellte.  Ihre  Begren- 
zung ist  häufig  infolge  der  Einbuchtungen  und  Hervorragungen, 
welche  sie  aufweisen,  unregelmäßig  und  uneben;  die  größeren 
mit  verlängerter  Gestalt  zeigen  nicht  selten  auch  einen  ge- 
krümmten oder  geschlängelten  Verlauf.  Auf  Grund  ange- 
stellter Vergleiche  mit  gesunder  Haut  erhielt  ich  den  Eindruck, 
als  würden  sich  die  stark  ausgebildeten  Appendices  mit 
ausgeprägt  unregelmäßigem  Verlaufe  bei  der  Keratosis  pilaris 
in  einer  etwas  größeren  Häufigkeit  vorfinden  als  unter  normalen 
Verhältnissen. 

Unna  fand  in  dem  Epithelfortsatze,  welcher  sich  in  der 
Richtung  des  Ansatzes  des  Musculus  erector  erstreckte,  auf- 
fallend häufig  eine  homogene  und  klare  Hoinperle.  Auch  bei 
der  Untersuchung  meiner  Präparate  fand  ich  häufig  in  den 
besprochenen  Epithelfortsätzen  deutlich  entwickelte  H  o  r  n- 
perlen.  Sie  sind  zumeist  in  der  Einzahl  selten  zu  zweien  in 
jedem  primären  oder  sekundären  Appendix  vorhanden;  ein- 
mal hatte  ich  Gelegenheit,  einen  einzelnen  Appendix  zu  beob- 
achten, welcher  eine  Homperle  enthielt  und  in  dem  unmittelbar 
darüberliegenden  Schnitte  dieser  Serie  fand  sich  derselbe  Appen- 
dix in  zwei  sekundäre  Appendices  geteilt,  von  denen  gleichfalls 
jeder  wieder  eine  Homperle  umschloß.  Die  Hornperlen  sitzen 
in  dem  größeren  Teile  des  Appendix  und  in  der  Mitte  des- 
selben.   Erwähnenswerterweise    nehmen    die    Homz  eilen    hier 


186  Gioyannini. 

die  schwarze  Färbung  der  Osmiumsäure  an,  während  dies,  wie 
schon  erwähnt;  bei  den  übrigen  verhornten  Teilen  der  äußeren 
Wurzelscheide  niemals  der  Fall  ist. 

Zuweilen  findet  man  Hornperlen  im  Beginne  ihrer  Bil- 
dung; man  sieht  nämlich,  daß  die  Epithelzellen  in  der  Mitte 
des  Appendix  eine  Anordnung  zu  konzentrischen  Schichten 
annehmen  und  sich  um  so  stärker  abplatten,  je  mehr  man  von 
der  Peripherie  gegen  das  Zentrum  vordringt,  wobei  sie  jedoch 
den  mehr  weniger  stark  gefärbten  Kern  bewahren  und  noch 
keine  Anzeichen  der  Verhornung  aufweisen.  Im  Gegensatze 
dazu  erscheinen  wiederum  bei  anderen  Fällen  die  Zellen  be- 
reits verhornt;  und  in  diesem  Falle  kann  man,  vorausgesetzt, 
daß  die  Präparate  in  Flemmingscher  Lösung  fixiert  waren, 
in  den  Hornperlen  zwei  verschiedene  Zonen  imterscheiden : 
eine  äußere  Zone  (Taf.  XII,  Fig.  2  b  6),  welche  zumeist  aus  4 — 6 
Reihen  abgeplatteter  Zellen  besteht,  die  das  Aussehen  von 
Hornzellen  besitzen,  zumeist  vollständig  uDgefärbt  erscheinen 
und  nur  in  seltenen  Fällen  eine  rotviolette  Färbung  aufweisen ; 
eine  innere  Zone  von  regelmäßiger,  runder  Gestalt,  die  von 
Osmiumsäure  gleichmäßig  und  intensiv  schwarz  gefärbt  wird 
(Taf.  XII,  Fig.  2c).  In  gewissen  Fällen  findet  man  im  Inneren 
der  von  Osmiumsäure  schwarz  gefärbten  Zone  eine  runde 
Eontinuitätstrennung,  welche  bisweilen  leer  ist,  bisweilen  aber 
Reste  einer  hornigen  Substanz  enthält  (Taf.  XII,  Fig.  2(2),  während 
in  anderen  Fällen  von  der  ganzen  Hörn  perle  nichts  übrig 
geblieben  ist  als  die  Zellen  der  äußeren  Zone,  ja  selbst  diese 
können  auch  verschwinden,  so  daß  an  Stelle  der  ganzen  Perle 
ein  Hohlraum  besteht  (Taf.  XII,  Fig.  3  a,  Fig.  4  6).  Jene 
Perlen,  deren  innerer  Teil  schwarz  gefärbt  oder  auf  einen 
Hohlraum  reduziert  erscheint,  finden  sich  in  größerer 
Häufigkeit  vor.  Die  Homreste,  welche  sich  zuweilen  in 
den  genannten  Hohlräumen  vorfinden,  sind  zumeist  voll- 
ständig gestaltlos,  homogen  und  hell  und  nur  in  einigen  Fällen 
kann  man  an  ihnen  mittels  starker  Vergrößerung  die  den 
Hornperlen  eigentümliche  Anordnung  zu  konzentrischen  Schichten 
erkennen.  Man  kann  demnach  sagen:  wenn  bei  der  Keratosis 
pilaris  die  Epithelzellen  des  Muskelansatzes  anfangs  eine  kon- 
zentrische   Schichtung    annehmen   und  verhornen,   wie  dies  ja 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  187 

im  aUgemeinen  bei  in  das  Bindegewebe  eindringenden  Epithel- 
zapfen geschieht,  so  lösen  sie  sich  später  sicher  wieder  auf 
und  verschwinden,  was  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  vom 
Zentrum  gegen  die  Peripherie  zu  stattfindet. 

Die  Hornperlen  besitzen  sehr  verschiedene  Größe,  welche 
von  den  kleinsten  bis  zu  den  größeren  alle  möglichen  Zwischen- 
stufen zeigt;  die  größte,  welche  sich  beobachten  läßt,  mißt  in 
ihrem  größeren  Durchmesser  175  ^u.  Ihre  Höhe  entspricht  zumeist 
zwei  Querschnitten,  seltener  nur  einem.  Ihre  Gestalt  dürfte 
im  ganzen  eine  Kugel  oder  eine  bikonvexe  Linse  darstellen, 
oder  auch  die  einer  Scheibe.  Wie  sie  sich  in  den  Appendices 
jeglicher  Gestalt  und  Größe  vorfinden,  so  findet  man  sie  auch  in  der 
Haut  von  den  verschiedensten  Stellen  des  Körpers,  so  von  der 
Außenfläche  des  Armes,  der  Vorderfläche  des  Schenkels;  der  Wade 
und  dem  Rücken.  Wenn  man  sie  auch  ausnahmsweise  in  den 
Appendices  von  im  übrigen  normalen  Haarfollikeln  sieht,  so 
beobachtet  man  sie  doch  in  der  Mehrzal  der  Fälle  in  solchen 
Follikeln,  die  in  einer  oder  der  anderen  Weise  verändert  sind, 
und  ganz  besonders  in  solchen,  deren  äußere  Wurzelscheide 
sich  im  Zustande  der  Verhornung  befindet  (Taf.  XII,  Fig.  2,  3 
und  4). 

Wie  bekannt,  hat  man  den  hier  beschriebenen,  nach  Sitz 
und  Aussehen  vollständig  analoge  Epithelperlen  nicht  nur  bei 
der  Prurigo  (Derby,  Gay)  und  Ichthyosis  (Esoff),  sondern 
auch  in  der  normalen  Haut  gefunden  (Es off,  v.  Brunn). 
In  den  epithelialen  Appendices  der  sehr  zahlreichen  Follikel, 
welche  sicher  einer  gesunden  Haut  von  den  Extremitäten,  dem 
Stamme  und  dem  behaarten  Kopfe  angehörten^  die  ich  bis  jetzt 
beobachten  konnte,  gelang  es  mir  jedoch  nur  außerordentlich 
selten  Spuren  einer  Hornperlenbildung  nachzuweisen ;  im  Gegen- 
satze dazu  fanden  sich  solche  fast  in  allen  Stückchen  der 
der  Untersuchung  unterworfenen  Haut,  die  mit  Keratosis  pilaris 
behaftet  war  und  häufig  nicht  nur  in  der  Einzahl,  sondern  zu 
mehreren  in  jedem  Stückchen.  Daher  glaube  ich  versichern  zu 
können,  daß  diese  Epithelperlen  bei  der  Keratosis  pilaris  in 
einer  bedeutenden  und  tatsächlich  abnormalen  Häufigkeit  vor- 
handen sind;  übrigens  beweist  diese  Häufigkeit  wohl  nichts 
anderes,  als  daß  in   den  epithelialen  Appendices  des  Muskel- 


188  Giovannini. 

ansatzes  dieselbe  Neigang  zur  Verhornung  besteht,  welche  wir, 
wie  oben  beschrieben,  auch  in  den  Zellen  der  übrigen  äußeren 
Wurzelscheide  vorherrschend  gefunden  haben. 

Schließlich  möchte  ich  nicht  vergessen  zu  bemerken,  daß 
sich  ein  an  Form  und  Größe  gleicher  Appendix  wie  jene,  welche 
die  äußere  Wurzelscheide  in  der  Höhe  des  Ansatzes  des 
Musculus  erector  zu  bilden  pflegt,  auch  10  Querschnitte  ober- 
halb dieser  Ansatzstelle  vorfand  (Tafel  XI,  Fig.  3  c); 
bei  diesem  Falle  jedoch  hatte  der  Musculus  erector  seine 
Insertion  am  Fundus  des  Follikels.  Diese  Anomalie  wurde  nur 
einmal  beobachtet  und  es  bleibt  zweifelhaft,  ob  man  dieselbe 
überhaupt  in  einen  Zusammenhang  mit  der  Keratosis  pilaris 
briügen  darf  oder  nicht. 

Haare. 

Wenn  man  am  Lebenden  jene  Haare  untersucht,  welche 
sich  aus  den  Elementen  der  Keratosis  pilaris  erheben,  findet 
man,  daß  dieselben  bisweilen  ein  normales  Aussehen  besitzen, 
ein  andermal  jedoch  verschiedenartige  Veränderungen  auf- 
weisen, die  zum  großen  Teile  schon  von  Duhring,  Brocq 
und  6  au  ja  beschrieben  worden  sind.  In  diesem  letzteren  Falle 
erscheinen  sie  häufig  bald  dicht  an  der  Oberfläche  der  Haut, 
bald  in  wechselnder  Entfernung  über  derselben  abgebrochen. 
Die  unverletzten  jedoch  sind  nicht  nur  ihres  Glanzes  beraubt 
und  ausgetrocknet,  sondern  sind  häufig  auch  kürzer  als  die 
normalen,  mit  denen  sie  sich  vermischt  vorfinden ;  überdies 
sind  sie  sehr  brüchig,  so  daß  sie  häufig  schon  beim  Heraus- 
zupfen mit  der  Pinzette  zerreißen.  Häufig  ist  auch  ihre  Richtung 
verändert;  während  die  normalen  eine  Neigung  nach  einer 
bestimmten  Kichtung  hin  aufweisen,  halten  sie  bei  der  Keratosis 
pilaris  eine  mehrweniger  senkrechte  oder  sonst  irgendwie  un- 
regelmäßige Richtung  ein. 

Nachdem  wir  dieses  vorausgeschickt,  wollen  wir  an  die 
Besprechung  der  mikroskopischen  Untersuchung  sowohl  der  an 
ihrer  Stelle  belassenen,  als  auch  der  ausgerissenen  Haare  gehen. 


Zar  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  189 


a)  An  ihrer  Stelle  belassene  Haare. 

Bei  den  an  ihrer  Stelle  belassenen  Haaren  kann  man 
auch  eine  Anomalie  in  ihrer  Verteilung  wahrnehmen.  Wir 
haben  im  vorhergehenden  gesehen,  daß  sich  bei  der  Keratosis 
pilaris  Haai*e  mit  gemeinsamer  Apertur  viel  häufiger  vorfinden 
als  normalerweise,  und  daß  es  dabei  gar  nicht  seltene  Fälle 
gibt,  bei  denen  der  Follikel  des  kleineren  Haares  in  den 
des  größeren  einmündet ;  notwendigerweise  finden  sich  in  beiden 
Fällen  die  Haare  bei  ihrem  Hervortreten  aus  der  Haut  viel 
näher  zu  einander  gerückt,  als  gewöhnlich,  was  man  eine 
büschelweise  Anordnung  zu  nennen  pflegt;  daraus  folgt, 
daß  wir  bei  dieser  Erkrankung  die  Haare  mit  Anord- 
nung in  Büscheln  viel  häufiger  vorfinden  als  ge- 
wöhnlich. 

Was  den  Zustand  der  einzelnen  Haare  betrifft,  so  schien 
es  Lemoine,  daß  die  inmitten  der  hornigen  Anhäufungen 
befindlichen  Haare  auch  am  häufigsten  Veränderungen  auf- 
weisen und  bisweilen  auch  geteilt  und  in  mehrere  Teile  zer- 
stückelt seien.  J  a  c  q  u  e  t  fand,  daß  von  den  4  oder  5  in  einer 
Homanhäufong  eingeschlossenen  Haaren  nur  ein  einziges  voll- 
ständig und  normal  war;  die  anderen  waren  „unvollständige 
Haare,  mikroskopische  Flaumhärcben  von  glasigem  und  homo* 
genem  Aussehen,  in  verschiedener  Weise  angeordnet,  aber  im 
allgemeinen  nach  verschiedenen  Richtungen  verkrümmt  und 
häufig  auch  nach  Art  einer  eingeschlossenen  Trichine  um  sich 
selbst  gewunden''.  Audry  fand  inmitten  des  verhornten  Epi- 
dermispfropfens,  in  welchen  sich  die  Wurzelscheiden  des  Haares 
selbst  umgewandelt  hatten,  ein  kleines,  „stranguliertes,  ersticktes 
und  atrophisches  Haar**.  Vejrieres  endlich  gelangte  zu  der 
Wahrnehmung,  daß  die  Haare  konstant  einen  vollen  Bulbus 
besaßen. 

Aus  meinen  Untersuchungen  geht  hervor,  daß  eine  große 
Zahl  von  Follikeln  in  ihrem  Inneren  auch  nicht  die  Spur  eines 
Haares  enthält,  weder  eines  ausgebildeten  noch  eines  in  Bildung 
begriffenen ;  doch  finden  sich  die  mit  Haaren  versehenen  Follikel   . 
auch  in  größerer  Zahl  vor.  In   diesem  zweiten  Falle  hande)Nl||i: 


190  Giovannini. 

es  sich  bisweilen  um  Papillenhaare,  noch  häufiger  aber  um 
solche  mit  vollem  Bulbus.  Nur  ausnahmsweise  findet  man 
Haare,  welche  gewissermaßen  eine  Zwischenstufe  zwischen 
Papillenhaaren  und  solchen  mit  vollem  Bulbus  darstellen:  es 
fehlt  ihnen  nämlich  der  Bulbus  und  sie  bewahren  von  ihrem 
Halse  nur  ein  mehrweniger  kleines  Teilstück.  Sowohl  die  Pa- 
pillenhaare, als  auch  die  anderen  bieten  sonst  in  Bezug  auf 
Größe,  Gestalt,  Struktur  u.  s.  w.  nichts  besonderes.  Auch  be- 
züglich des'  Zustandes  der  Papille  und  des  Vorkommens  und 
Verhaltens  der  Earyokinese  in  der  Matrix  des  Haares  habe  ich 
keine  besonderen  Bemerkungen  zu  machen.  Im  Grunde  der 
Follikel  mit  Haaren  mit  vollem  Bulbus  findet  sich  in  seltenen 
Fällen  der  Haarstengel. 

Unna  beobachtete,  daß  sich  bei  der  Keratosis  pilaris 
der  größere  Teil  der  Lanugohaare  im  Stadium  der  Beethaare 
befand  und  sich  konstant  in  einem  normalen  Haarbeet  erhob; 
dieser  Befund  bewies  ihm  klar,  daß  es  sich  tatsächlich  um 
Beethaare  handle,  welche  noch  nicht  in  den  Follikel  hinein 
freigeworden  waren,  sondern  erst  der  weiteren  Entwicklung 
harrten. 

In  meinen  Präparaten  standen  die  mit  vollem  Bulbus 
versehenen  Haare  mit  ihrem  unteren  Ende  bald  in  der  Ebene 
des  Musculus  erector,  bald  etwas  höher,  bald  etwas  tiefer. 
Bisweilen  zeigen  sie  sich  wohl  in  ihrem  unteren  Teile  von 
Zellen  der  Malphighischen  Schicht  umgeben,  die  sich  gut  er- 
halten haben  und  ein  normales  Aussehen  besitzen ;  aber  wohl 
häufiger  noch  erscheinen  sie  davon  losgelöst  und  vollständig 
von  Zellen  der  erwähnten,  gänzlich  verhornten  Schichte  um- 
geben; bei  solchen  Fällen,  bei  denen  sich  die  Verhomung, 
wie  oben  erwähnt,  auf  die  ganze  äußere  Wurzelscheide  erstreckt 
und  der  Follikel  auf  eine  einfache  Höhlung  reduziert  erscheint, 
bemerkt  man  nicht  selten,  daß  der  Haarschaft  in  den  Fundus 
desselben  gefallen  ist  (Tafel  XII,  Fig.  3). 

Inmitten  der  Hornanhaufungen  des  Haartrichten  fand  Jacqnet 
4  oder  6  Haare,  während  Yeyrieres  fast  stets  nur  ein  einziges  vorfand. 
Unna  fand  in  den  im  oberen  Drittel  des  Haarfollikels  sich  bildenden 
Cysten  nur  selten  1  oder  2  Haarschäfte. 

Die  Zahl  der  von  ..mir  in  den  Aperturae  communes  gefundenen  Haar- 
sch&fte  schwankte   zwischen   1  und  6,   zumeist  jedoch  betrag  sie  3;  in 


Zar  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  igi 

den  Trichtern  jener  Haarfollikel,  welche  getrennt  an  der  Hantoberfläche 
münden,  beträgt  sie  zumeist  1,  seltener  2.  Allerdings  beobachtet  man 
bisweilen  an  den  genannten  Stellen  eine  größere  Anzahl  von  Haarschaft- 
qaerschnitten ;  aber  aus  dem  Umstände,  daß  diese  Querschnitte  fast  den 
gleichen  Durchmesser  besitzen,  kann  man  nicht  mit  Bestimmtheit  er- 
kennen, ob  dieselben  tatsächlich  ebenso  vielen  verschiedenen  Haarschäften 
entsprechen,  oder  aber  an  mehreren  Punkten  getroffenen  gekrümmten 
Haarschäften ;  dies  ist  z.  B.  bei  dem  Trichter  des  auf  Taf.  IX  in  Fig.  1 
dargestellten  Haarfollikels  Ä  der  Fall,  wo  man  in  der  von  ihm  einge- 
schlossenen Hommasse  bis  zu  9  Schnittflächen  von  Haarschäften  zählen  kann. 

Was  die  Neubildung  der  Haare  betrifft,  so  fand  Unna  dieselbe 
sehr  wenig  aktiv,  da  es  ihm  nur  ein  einziges  Mal  gelang,  ein  junges 
Härchen  im  Grunde  eines  Follikels  zu  finden. 

Ich  habe  wohl  bei  10  der  von  mir  untersuchten  Fälle  von  Kera- 
tosis pilaris  in  Neubildung  begriffene  Haare  gefunden;  bei  8  von  diesen 
Frllen  betrug  die  Zahl  der  in  Regeneration  begriffenen  Haare  1  oder 
höchstens  2 — 8  für  jedes  Hautstückchen ;  bei  den  beiden  übrigen  jedoch 
stieg  sie  auf  9  und  sogar  11  (XXII.  Fall);  bei  diesem  letzteren  Falle 
findet  man  keine  Haargruppe>  welche  nicht  1  oder  2  in  Regeneration 
befindliche  Haare  aufweisen  würde.  Die  neuen  Haare  befinden  sich  in 
den  verschiedensten  Entwicklungsstufen,  welche  im  wesentlichen  den- 
jenigen entsprechen,  welche  man  bei  der  allmählichen  Regeneration  der 
Kopfhaare  nach  Depilation  mittels  der  Pinzette  beobachten  kann,  die 
von  mir  bereits  vor  Jahren  beschrieben  wurde  (c). 

Unna  beobachtete,  dass  die  Haarschäfte  durch  die  oberhalb  der 
Follikelmündungen  befindlichen  Hornanhänfungen  im  Follikelhalse  oder 
noch  häufiger  innerhalb  der  suprafollikulären  Hornmasse  selbst  festgehalten 
würden;  in  beiden  Fällen  krümmten  sich  die  Haarschäfte  spiralig  zu- 
sammen, mit  dem  Unterschiede  jedoch,  daß  die  innerhalb  der  supra- 
follikulären Hornmasse  einen  viel  größeren  Weg  beschrieben  als  die 
innerhalb  des  Follikelhalses.  Während  es  im  ersteren  der  beiden  genannten 
Fälle  dem  Haarschaft  gelang  die  nachgiebigen  Wände  des  Follikelhalses  von 
einander  zu  entfernen,  übte  er  im  zweiten  Falle,  sich  zusammen  mit  der 
ihn  umgebenden  Hornmasse  vergrößernd,  eine  Depression  oder  Nabelung 
aus  und  erweiterte  so  den  obersten  Teil  des  Follikelhalses,  bis  er  zur 
ebenen  Fläche  ausgeglichen  wurde. 

Aus  meinen  Untersuchungen  geht  hervor,  daß  ungeachtet 
des  konstanten  Befundes  einer  mehr  oder  weniger  großen 
Menge  von  Hornsubstanz  innerhalb  der  Trichter  und  gemein- 
samen Aperturen  der  Haare,  die  Haarschäfte  bisweilen  doch 
durch  nichts  am  Austreten  verhindert  sind  und  sich  frei  nach 
außen  erheben.  In  genügender  Häufigkeit  jedoch  finden  sich 
Fälle,   in   denen  man   eine   Betention    der   Haarschäfte 


192  Giovannini. 

in  den  Follikeln  mit  allen  ihren  Folgen  beobachten  kann. 
Die  hauptsächlichste  Ursache  für  diese  Retention  bildet  gewiß 
die  Hommasse,  welche  den  Trichter  und  die  Aperturae  communes 
der  Follikel  verstopft,  doch  läßt  sich  keinesfalls  mit  Sicherheit 
ausschließen,  ob  dieselbe  nicht  auch  durch  andere  Umstände 
begünstigt  wird.  So  ist  es,  um  von  nichts  anderem  zu  reden, 
bei  dem  oben  erwähnten  Falle,  bei  welchem  sich  die  kleineren 
Haare  mehr  weniger  schräg  in  die  größeren  Haarfollikel  ein- 
fügten (Taf.  Vm,  Fig.  3 ;  Taf.  IX,  Fig.  1)  nicht  unwahrscheinlich, 
daß  diese  Haare  in  der  Wand  der  Follikel  ein  Hindernis  für 
ihren  Austritt  finden. 

Tatsächlich  kommt  es  am  hänfigsten  vor,  daß  die  Haarachäfte  in 
den  Trichtern  nnd  gemeinsamen  FoUikelmündangen  festgehalten  werden 
und  so  gezwungen  sind,  sich  in  mannigfacher  Weise  au  Spiralen,  Bögen 
und  Schlingen  susammenzukrnmmen,  so  dafi  sie  wohl  auch  an  diesem 
oder  jenem  Punkte  der  bindegewebigen  Wand,  mit  welchem  sie  in  Be- 
rührung treten  (Tafel  X,  Fig  6  a),  einen  Eindruck  hervorbringen. 
Zusammengekrümmte  Haarschäfte  beobachtet  man  zwischen  den  Hörn- 
massen  oberhalb  und  ein  Stückchen  nach  außen  yon  den  Mündungen  der 
Trichter  und  gemeinsamen  Mündungen  nur  in  wenigen  Fällen;  in  diesen 
Fällen  findet  sich  nun  nicht  das  geringste  Zeichen  eines  Druckes  in  dem 
darunterliegenden  Derma  auf  das  gekrümmte  Haar,  sondern  das  letztere 
gibt  nur  Veranlassung  zur  Bildung  einer  ganz  oberflächlichen  Depression, 
ohne  im  geringsten  die  PapUlen  zum  Verschwinden  zu  bringen;  die- 
selben erscheinen  nur  etwas  zusammengedrückt.  Man  findet  in  mannig- 
facher Weise  zusammengekrümmte  Haare  nicht  nur  in  der  zwischen  dem 
Trichter  und  dem  Ansätze  des  Musculus  erector  befindlichen  Strecke  des 
Follikels,  sondern  bisweilen  auch  innerhalb  der  Ausbuchtung  der  Ansatz- 
stelle des  Muskels  selbst,  hier  in  gleicher  Weise  eine  Verzerrung  des 
entsprechenden  Teiles  der  Follikel  wand  hervorrufend;  in  einem  Falle 
dehnte  der  in  der  Ausbuchtung  des  Muskelansatzes  befindliche,  zu  einem 
Bogen  zusammengekrümmte  Haarschaft  diesen  in  der  Weise  aus,  daß 
derselbe  im  Querschnitte  das  Aussehen  eines  Fächers  annahm.  Nun 
kann  man  an  Längsschnitten  der  Haut  nicht  selten  beobachten,  daß  der 
ganze  Follikel  bis  zu  einem  gewissen  Punkte  die  Verkrümmungen  und 
Biegungen  des  Haarschaftes  selbst  wiederholt;  in  einigen  Fällen  findet 
man  auch  den  Follikel  winkelig  gebogen  und  zwar  sowohl  entsprechend 
der  Ansatzstelle  des  Musculus  erector,  als  auch  innerhalb  der  Strecke, 
welche  sich  zwischen  diesem  und  dem  unteren  Ende  des  Trichters  befindet 

Unna  fand,  daß  in  derartigen,  infolge  des  Zuges  des  Musculus 
erector  winkelig  gebogenen  Follikeln  die  übermäßig  langen  Haare  sich 
nicht  nur  gegen  die  FoUikelwand  stemmten  und  dieselbe  vordrängten, 
sondern  dieselbe  auch  tatsächlich  durchbohrten. 


Zar  Histologie  der  EeratoBis  pilaris.  193 

Auch  Yeyrieres  sah  häufig,  daß  das  Haar  ans  dem  Follikel  aus- 
getreten war  und  in  Berührung  mit  den  Elementen  des  Derma  des 
keratotischen  Knotens  stand. 

Auch  in  meinen  Präparaten  fanden  sich  nicht  selten  Haar- 
schäfte, welche,  anstatt  sich  im  Innern  des  Follikels  zusammen- 
zukrümmen, die  bindegewebige  Wand  desselben  durchbohrten 
und  sich  mit  einer  mehr  oder  weniger  langen  Strecke  in  das 
umgebende  Bindegewebe  einbohrten,  wobei  sie  zumeist  eine 
schräge  Richtung  von  unten  nach  oben  und  nur  selten  eine 
horizontale  einhielten;  nachdem  sich  die  Haarschäfte  in  diesen 
Fällen  innerhalb  des  Derma  zumeist  in  Form  eines  Bogens 
seltener  in  der  einer  Schlinge  gekrümmt  haben,  treten  sie  mit 
ihrer  Spitze  bisweilen  wieder  in  den  Follikel  ein,  von  welchem 
sie  sich  entfernt  hatten  (Taf.  XI,  Fig.  3  und  4  &),  bisweilen 
aber  auch  nicht  (Taf.  IX,  Fig.  3  und  4  a);  in  einem  Falle 
gesellte  sich  auch  eine  bedeutende  Loslösung  der  transversalen 
Bindegewebsfasern  des  Follikels  dazu  (Taf.  XI;  Fig.  4  a,  a,  a). 
Diesen  Austritt  der  Haarschäfte  beobachtet  man  im  untersten 
Teile  sowohl  der  Aperturae  communes,  als  auch  der  Trichter, 
ob  dieselben  eine  regelrechte  Gestalt  haben  oder  nicht,  oder 
auch  ein  wenig  tiefer;  man  beobachtet  ihn  femer  nicht  selten 
an  diesem  oder  jenem  Punkte  desjenigen  Teiles  des  Follikels, 
welcher  den  Talgdrüsen  entspricht,  in  gleicher  Weise  wie  in 
der  Ausbuchtung  des  Muskelansatzes  selbst;  die  Follikel  be- 
halten dabei  zumeist  ihre  regelmäßige  Richtung  oder  finden 
sich  wenigstens  nicht  zu  einem  Winkel  zusammengebogen. 

Wir  haben  bereits  früher  gesehen,  daß  die  Haarfollikel 
bisweilen  zerstört  werden.  Hier  erübrigt  nur  noch  zu  bemerken, 
daß  sich  an  Stelle  der  zerstörten  Follikel  oder  häufiger  noch 
gemeinsam  mit  den  Resten  derselben  des  öfteren  ein  oder 
melirere,  vollständig  isolierte  Haarschäfte  in  den  verschiedensten 
Richtungen  vorfanden;  dieselben  sind  nach  Art  eines  Fremd- 
körpers in  der  Dicke  des  Derma  incystiert  und  besitzen 
keine  wahrnehmbare  Kommunikation  nach  außen.  Bei  einem 
Falle  (Nr.  XII)  fanden  sich  zwischen  den  Resten  zweier  Follikel, 
die  einer  Gruppe  angehörten,  gut  4  derartige,  cystisch  einge- 
schlossene Haarschäfte,  von  denen  einer  eine  bedeutende 
Größe  besaß. 

Anh.  f.  Demat.  n.  Byph.  Bd.  LZIII.  J3 


194  Giovannini. 


b)  Aasgerissene  Haare. 

Die  Hommassen,  welche  mit  den  Haaren  von  den  Ele- 
menten der  Keratosis  pilaris  losgerissen  werden  und  an  den- 
selben hängen  bleiben,  besitzen  ganz  unregelmäßige  Gestalt  und 
sehr  wechselnde  Größe,  so  daß  sie  selbst  einen  Durchmesser 
von  1 — 1*5  mm  erreichen;  die  sie  zusammensetzenden  Hom- 
zellen  zeigen  keine  besonderen  Eigentümlichkeiten;  sie  finden 
sich  wirr  durcheinander  zusammengeiügt  oder  auch  in  mehr 
weniger  regelmäßigen,  von  unten  nach  oben  divergierenden 
Schichten  um  die  Haarschäfte  angeordnet.  Mit  jeder  solchen 
Anhäufung  sind  bald  ein,  bald  zwei,  bald  drei  Haarschäfte 
vereinigt;  zwei  Schäfte  finden  sich  in  ungefähr  einem  Drittel 
der  Fälle,  drei  jedoch  nur  in  einem  Sechstel  der  Fälle.  Von 
den  zwei  oder  drei  mit  einer  Hornmasse  zusammenhängenden 
Haaren  ist  eines  in  der  Regel  größer  als  die  anderen. 

Was  die  Haare  anbetrifift,  so  sind  ungefähr  drei  Viertel 
derselben  Papilleohaare  und  nur  ein  Viertel  solche  mit  Yollem 
Bulbus;  ein  derartiger  Befund  stimmt  jedoch  mit  dem  nicht 
tiberein,  welchen  wir  bei  der  Untersuchung  der  Haut  erhalten 
und  oben  auseinandergesetzt  haben,  da  hier  die  Haare  mit 
vollem  Bulbus  die  Mehrzahl  bildeten.  Wenn  die  Zahl  der 
Haare,  welche  einem  einzelnen  Zapfen  anhaften,  2  oder  3  be- 
trägt, dann  ist  in  der  Regel  nur  eines  von  diesen  einPapillen- 
haar,  das  oder  die  übrigen  sind  Haare  mit  vollem  Bulbus.  Die 
Papillenhaare  besitzen  bald  einen  Bulbus  und  vollständigen 
Hals,  bald  bewahren  sie  nur  ein  mehr  oder  weniger  großes 
Bruchstück  des  letzteren.  Sowohl  die  Papillenhaare,  als  auch 
die  mit  vollem  Bulbus  zeigen  bisweilen  ein  in  jeder  Beziehung 
normales  Aussehen,  bisweilen  jedoch  lassen  sie  Veränderungen 
verschiedener  Art  erkennen. 

Vor  allem  finden  wir  häufig  eine  Krümmung  des  Haares  im  Inneren 
der  Hornmasse,  welche  sie  tragen,  und  zwar  bald  in  Form  einer  Spirale, 
bald  in  Form  einer  Schlinge  oder  der  Ziffer  8,  bald  in  anderen  wechselnden 
Formen;  die  Krümmnng  in  Spiralform  jedoch,  welche  in  gewissen  Fällen 
.eine  außerordentliche  Regelmäßigkeit  darbietet,  wird  wohl  am  häufigsten 
gefunden.  Bei  einer  guten  Anzahl  von  Papillenhaaren,  deren  Ende  sich 
in  der  eben  angegebenen  Weise  gekrümmt  hat,  bemerkt  man,   wenn  sie 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  ^95 

in  ihrer  Qftnze  untersQoht  werden,  eine  bald  mehr,  bald  weniger  aas- 
gesprochene Drehung  um  ihre  Längsachse,  und  zwar  im  unteren  Teile 
der  Wurzel,  in  derem  Bereiche  die  Zellen  noch  nicht  in  die  Cortioal- 
Substanz  umgewandelt  sind  (Hals  des  Haares).  In  den  Querschnitten  der- 
artiger Haarwurzeln  findet  man  nichts  abnormale)  außer  einer  Verände- 
rung ihrer  Kontor,  welche,  anstatt  der  ge wohnlich tin  kreisrunden,  eine 
ovale,  viereckige,  dreieckige  oder  sonst  wie  unregelmäßige  Gestalt  dar> 
bietet  Es  war  klar,  daß  es  sich  in  diesen  Fällen  um  rein  mechanische 
Veränderungen  handelte,  welche  von  der  Retention  verursacht  waren; 
die  Hommassen,  welche  die  Aperturae  communes  uod  die  Trichter  der 
Haarfollikel  verstopften,  bildeten  ein  Hindernis  für  den  Aastritt  der 
Haare,  so  daß  sich  diese  notwendigerweise  zunächst  an  ihrem  peripheren 
Ende  krummen  mußten,  und  später  auch  in  jenem  Teile  der  Wurzel, 
welcher  im  Verhältnisse  zu  dem  übrigen  Haare  noch  weich  geblieben  war. 

Zweitens  finden  wir  die  Haare,  ob  sie  nun  gekrümmt  sind  oder 
nicht,  mit  Trichorrhexis  behaftet.  Diese  zeigt  sich  zumeist  darin,  daß 
der  Schaft  ein  mehr  minder  großes  Stück  oberhalb  seiner  Wurzel  abge- 
brochen ist  und  das  Ende  dea  Stumpfes  büschelartig  zerschlissen  erscheint. 
Weniger  häufig  sieht  man  noch  ganz  vollständige  Haare,  die  aber  einen 
oder  noch  seltener  zwei  Knoten  der  Trichorrhexis  zeigen,  mit  dem 
charakteristischen  Bilde  zweier  ineinander  gesteckter  Pinsel;  au  einem 
derselben  bem-^rkten  wir  einen  nodulus  laqueatus.  An  einigen  wenigen 
Schäften  beobachtet  man  auch  jene  einfache,  von  einigen  Rissen  besetzte 
Anschwellung,  welche  man  als  ersten  Grad  dieser  Erkrankang  aniuüehen 
pflegt.  In  anderen  Fällen  erscheinen  nur  die  Zellen  der  Cuticala  des 
Haares  an  einer  mehr  weniger  umschriebenen  Stelle  einfach  aus  ihrem 
Zusammenhange  gebracht,  nach  außen  umgestülpt  oder  auch  fehlend.  Es 
handelt  sich  im  wesentlichen  um  die  gewöhnliche  Trichorrhexis,  welche 
nichts  besonderes  darbietet.  Sie  findet  sich  ungefähr  bei  einem  Viertel 
der  aus  den  keratotischen  Elementen  ausgezupften  Haare,  also  in  ziem- 
licher Häufigkeit.  Ich  möchte  noch  hinzufügen,  daß  sich  an  Haaren, 
welche  sich  aus  gesunden  Follikeln  erheben,  auch  nicht  die  Spur  einer 
Trichorrhexis  vorfindet;  zum  Zwecke  des  Vergleiches  wurden  solche  Haare 
von  denselben  Körperstellen  entnommen,  von  welchen  auch  die  mit 
Keratosis  behafteten  stammten,  und  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  daß 
zwischen  der  Trichorrhexis  selbst  und  dieser  letzteren  Erkrankung  ein 
gewisser  Zusammenhang  besteht 

Überdies  beobachtet  man  in  der  Wurzel  der  Haare,  ob  dieselbe 
nun  gedreht  erscheint  oder  nicht,  bisweilen  eine  Hyperpigmentation, 
welche  zumeist  auf  kleine  Zonen  beschränkt  ist  und  sich  nur  seltnn  auf 
die  ganze  oder  faH  die  ganze  Länge  derselben  ausdehnt ;  ihr  Vorhanden- 
sein kann  nicht  nur  bei  der  Untersuchung  der  vollständigen  Wurzel, 
sondern  auch  bei  der  der  Querschnitte  festgestellt  werden,  in  welche  dieselbe 
serlegt  wurde.  Einige  wenige  andere  Wurzeln  erscheinen  ferner  verdünnt 
mit  perlschnurartigen  Anschwellungen  oder  in  anderer  Art  verunstaltet» 
Endlich  wäre  noch  zu  erwähnen,  daß  während  die  in  den  Hommassen 

13* 


196  Giovanni  ni. 

eingeschlouenen  Haare  biaweilen  zerbrochen  und  in  Stückchen  von  ver« 
schiedener  Länge  zerteilt  sind,  andere,  nnd  besonders  die  ganz  dünnen, 
in  so  hochgradiger  Weise  dorohscheinend  sind,  dafi  es  schwer  wird,  sie 
von  dem  umgebenden  Homgewebe  in  unterscheiden,  so  daß  man  glauben 
möchte,  sie  sind  im  Begriffe  sich  aufzulösen« 

Das  Studium  der  Haare,  sowohl  der  ausgeriBseDen  als 
auch  der  an  ihrer  Stelle  belassenen,  ergibt  demnach,  daß  die- 
selben bei  der  Keratosis  pilaris  sehr  häufig  infolge  ihrer 
Retention  im  Follikel  verkrümmt  und  mit  einer  gewissen  Häufig- 
keit von  Trichorrhexis  befallen  sind;  der  Rest  ist  entweder 
normal  oder  zeigt  Veränderungen,  von  denen  es  wegen  ihrer 
Seltenheit  oder  ihrer  Art  unsicher  ist,  ob  man  sie  auf  Rech- 
nung der  Keratose  setzen  darf  oder  nicht.  Dieser  Unsicherheit 
entgeht  man  auch  nicht  bezüglich  der  Beurteilung  der  Hyper- 
pigmentation  der  Wurzel,  und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil 
man  dieselbe  bei  den  Wurzeln  der  ausgezogenen  Haare  mit 
einer  gewissen  Häufigkeit,  bei  den  an  ihrer  Stelle  befindlichen 
aber  fast  niemals  findet. 

Innere  Wurzelscheide. 

Lern  eine  hatte  gefunden,  daß  die  innere  Wurzelscheide  stets 
sehr  dicke  £pidermisschichten  hervorbrachte,  und  zwar  verhornte,  welche 
sich  um  das  Haar  herum  anhäuften;  diese  bildeten  so  eine  Serie  kon- 
zentrischer Schichten,  welche  im  Querschnitte  ein  den  Epidermiskugeln 
des  Epitheliomes  ähnliches  Aussehen  zeigten.  Aach  Audry  hatte  die 
innere  Wurzelscheide  vollständig  verhornt  gefunden.  Unna  dagegen  fand 
sie  normal. 

An  den  Papillenhaaren  von  mit  Keratosis  pilaris  behafteter 
Haut,  die  von  mir  der  Untersuchung  unterworfen  worden  waren, 
fand  sich  derjenige  Teil  der  inneren  Wurzelscheide,  welcher 
dem  Halse  der  Haare  entsprach,  konstaut  normal;  was  aber 
den  übrigen  Teil  der  Wurzelscheide  anbelangt,  welcher  sich 
zu  einer  den  Schaft  des  Haares  umgebenden  Hülle  yerlängert 
und  von  mir  in  einer  vorhergehenden  Arbeit  (b)  als  verhornter 
Teil  der  inneren  Wurzelscheide  unterschieden  worden 
war,  so  erscheint  dieser  in  Bezug  auf  die  Regelmäßigkeit  seiner 
Kontur,  in  Bezug  auf  sein  Aussehen  und  seine  Dicke  und 
häufig  auch  in  Bezug  auf  seine  Höhe  immer  normal,  bisweilen 
jedoch  erscheint  er  mehrweniger  hochgradig  verkürzt. 
Während   er   sich   nämlich   unter   normalen  Verhältnissen  mit 


Zur  Hietologie  der  Keratosis  pilaris.  197 

seiDem  oberen  Ende  bis  ungefähr  in  die  Höhe  der  Mündung 
der  Talgdrüsen  in  den  Follikel  erstreckt,  erreicht  er  in  diesem 
letzteren  Falle  zumeist  nicht  einmal  die  Höhe  des  Ansatz- 
punktes des  Musculus  erector  an  den  Follikel  (Taf.  XI, 
Fig.  5  a).  Diese  genannte  Verkürzung  des  verhornten  Teiles 
der  inneren  Wurzelscheide  beobachtet  man  ausschließlich  nur 
an  solchen  Haarfollikeln,  welche  der  Talgdrüsen  entbehren  und 
an  denen,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  sich  die  Yerhornung 
der  äußeren  Wurzelscheide  abnorm  weit  in  die  Tiefe  erstreckt ; 
diese  untere  Grenze  der  Yerhornung  selbst  entspricht  nun  ge- 
wöhnlich dem  oberen  Ende  dieses  verhornten  Teiles  oder  sie 
weicht  nur  wenig  davon  ab.  Diese  Veränderiing  fand  ich  in 
sechs  von  jenen  Hautstückchen,  welche  alle  von  der  Extre- 
mität entnommen  und  der  Untersuchung  unterworfen  worden 
waren  und  in  jedem  Stückchen  bald  ein,  bald  mehrere  Male; 
ich  kann  daher  versichern,  daß  sie  recht  häufig  vorkommt. 
Man  beobachtet  sie  nicht  nur  an  Haaren,  die  eine  falsche 
Richtung  besitzen,  sondern  auch  an  solchen  mit  vollkommen 
regelrechter  Richtung.  Bei  keinem  Falle  finden  sich  im  Inneren 
des  Haarfollikels  Trümmer  des  verhornten  Teiles  der  inneren 
Wurzelscheide,  welche  den  Zerfall  derselben  beweisen  und  so 
eine  Erklärung  für  ihre  Verkürzung  geben  würden.  Von  den 
Haaren  mit  ausgehöhltem  Bulbus,  welche  mit  der  Pinzette  aus- 
gezupft worden  waren,  zeigte  nur  ein  einziges  die  fast  voll- 
ständige innere  Wurzelscheide;  dieselbe  fehlt  an  den  Haaren 
mit  vollem  Bulbus,  ob  dieselben  nun  ausgefallen  sind  oder  sich 
an  ihrer  Stelle  befinden,  gewöhnlich  vollständig  oder  es  er- 
übrigen nur  einige  Reste  ihres  verhornten  Teiles. 

Musculi  erectores  der  Haarfollikel. 

Lemoine  fand,  daß  die  glatten  Maskelfasern  der  Haat  an  Zahl 
vermehrt  waren  nnd  stärkere  und  längere  Bündel  bildeten  als  gewöhnlich ; 
auch  Audry  meinte,  daß  die  Entwicklung  dieser  Fatem  vielleicht  etwas 
gesteigert  sei.  Unna  versichert  in  ganz  entschiedener  Weise,  daß  er 
9X\e  Erectores  groß,  lang,  mit  mehreren  Köpfen  versehen  und  sicher 
hypertrophisch  gefunden  habe;  diese  Hypertrophie  der  Erectores  erklärt 
er  aus  dem  immerwährenden  ReiEzustande,  in  welchem  sich  diese  auf 
reflektorischem  Wege  befinden,  infolge  der  Reizungen,  welche  das  im 
Follikel  zurückgehaltene  Haar  infolge  seiner  Verkrümmung  ausübt 


198  Giovtnnini. 

In  meinen  Pr&psraten  fehlen  die  MnBcnli  erectores  an  einigen 
Follikeln.  Wo  sie  sich  vorfinden,  setzen  sie  sich  zumeist  mit  zwei  Köpfen 
an  den  betreffenden  Follikel  an,  seltener  nur  mit  einem  Kopfe  oder  mit 
8,  4,  6  Köpfen.  In  ihrer  Gesamtheit  zeigen  sie  sehr  yerschiedene  Größe; 
bei  einer  gewissen  Anzahl  von  Fällen  erscheinen  sie  sehr  klein;  bei  den 
Ikbrigen  Fällen  jedoch,  and  diese  bilden  ohne  Zweifel  die  Mehrzahl,  be- 
sitzen sie  bald  ein  mittleres  Yolnmen,  bald  ein  mehr  weniger  bedentendea. 
Klein  findet  man  sie  besonders  bei  der  Keratosis  des  Rückens  nnd  der 
Anne  nicht  nur  von  Kindern,  sondern  auch  von  erwachsenen  Personen 
(Fall  XIY  und  XYI1);  mittelgroß  sind  sie  bei  der  Keratosis  der  Baach- 
gegend;  bei  jener  der  unteren  Kztremitäten  kommt  ea  nicht  selten  vor, 
dsß  man  in  einem  und  demselben  Hautstückchen  solche  von  mittlerem 
Yolumen  gleichzeitig  mit  anderrn  stark  entwickelten  antrifft.  Wie  be- 
deutend aber  auch  die  Größe  der  Muskeln  in  diesem  letzteren  Falle  sein 
möge,  so  erreicht  sie  doch  niemals  einen  fo  hohen  Grad,  daß  man  ihn 
nicht  auch  in  der  gesunden  Haut  an  den  entsprechenden  Körperstellen 
antreffen  würde. 

Im  allgemeinen  gebt  aus  den  vergleichenden  Unter- 
suchungen, welche  ich  an  einer  großen  Zahl  von  Zeichnungen 
der  Musculi  erectores,  die  mittels  der  Camera  lucida  bei 
gleichbleibender  Vergrößerung  hergestellt  waren,  anstellte, 
hervor,  daß  sich  diese  Muskeln  bei  der  Keratosis  pilaris  in 
Bezug  auf  die  Zahl  ihrer  Köpfe  und  ihre  Größe  fast  so  wie 
die  in  gesunder  Haut  verhalten.  In  diesem  Punkte  stimmen 
somit  meine  Beobachtungen  mit  denen  der  oben  erwähnten 
Autoren  nicht  überein. 

Yeyriöres  fand,  daß  sich  der  Musculus  erector  häufig  an  dem 
der  Papille  oder  dem  papillären  Rudimente  benachbarten  Teile  inserierte. 
Ich  konnte  nur  beobachten,  daß  sich  die  Musculi  erectores  nicht  selten 
am  Fundus  der  Haarfollikel  (Taf.  XI,  Fig.  3 ;  Taf.  XU,  Fig.  6)  oder 
ein  wenig  höher  anhefteten;  da  es  sich  aber  in  diesen  Fällen  sumeiat 
um  Flaum  haare  handelte,  kann  ich  nicht  mit  Sicherheit  behaupten,  daß 
dies  tatsächlich  eine  Anomalie  darstellen  würde. 

Unna  beobachtete,  daß  diese  Muskeln  die  Haarfollikel  in  versohie* 
denem  Sinne  aus  ihrer  Richtung  au  bringfen  vermögen,  so  daß  sie  daa 
nntere  und  mittlere  Drittel  derselben  sogar  bis  zu  einem  spitzen  Winkel 
abknicken.  Yeyri^res  fand,  daß  die  Mnseali  erectores  selbst  aaoh 
häufig  Veränderungen  ihrer  Richtung  erleiden,  die  sie  aus  der  normalen 
Richtung  herausziehen.  Ich  meinerseits  kann  behaupten,  daß  dieeeMuskelni 
abgesehen  von  den  Einbiegungen  und  Verkrümmungen  der  entsprechenden 
Follikel,  für  gewöhnlich  ihre  regelrechte  Richtung  beibehalten  nnd  daß 
sich  diejenigen  Fälle  nur  auf  eine  geringe  Zahl  beschränken,  in  welchen 
dieselben   ans  ihrer  Richtung  abgelenkt   nnd   wie    gedehnt  erscheinen 


Zur  Histologie  der  Eeratosii  pilaris.  199 

und  das  Anssefaen  dünner  Saiten  aeigen;  ansnahmsweise  gesellt  sieb  an 
diesen  Verindemngen  auch  noch  eine  winkelige  Knickung  des  ent- 
aprechenden  Follikels. 

TalgdrOsen. 

L  e  m  o  i  n  e  fand  in  den  von  ihm  nntersuohten,  mit  Keratosis  pilaris 
behafteten  Hantstfiokchen  keine  Spar  mehr  yon  Talgdr&sen.  Andry 
▼ermocbte  nicht  an  erkennen,  ob  dieselben  verschwunden  seien  oder  durch 
einige  Anhäofnngen  großer,  heller,  verlängerter  Zellen  repräsentiert 
würden,  welche  dicht  geh&uft  waren,  einen  großen  Kern  besaßen  und 
sich  an  den  Grund  des  Haarfollikels  anschmiegten.  Unna  fand  die 
Talgdrüsen  bisweilen  normal,  häufiger  jedoch  atrophisch ;  niemals  fand  er 
jedoch  in  den  Haarcysten  der  Keratosis  pilaris  einen  größeren  Fettgehalt, 
als  man  in  dem  Comedo  der  Akne  beobachtet.  Yeyri^res  fand  die 
Talgdrüsen  fehlend  oder  rudimentär;  diese  letzteren  erschienen  klein 
und  auch  in  ihrer  Mitte  von  Zellen  erfüllt,  welche  ihre  gut  unterscheid- 
baren Wände  beibehalten  hatten.  Dem  genannten  Autor  gelang  es  häufig 
nicht  den  Punkt  der  Einmündxmg  der  Talgdrüse  in  das  keratotisehe 
Knötchen  aufzufinden,  sondern  er  fand  nur  einen  Zellstrang,  welcher  die 
Drüse  selbst  mit  der  Follikel  wand  in  Verbindung  setzte. 

Aus  meinen  Präparaten  gebt  hervor,  daß  das  außer- 
ordentlich häufige  Fehlen  der  Talgdrüsen  zu  den 
bedeutungsvollsten  Veränderungen  bei  der  Keratosis  pilaris  gezählt 
werden  muß.  Bei  gut  acht  der  Fälle  von  Keratosis  pilaris  der 
Extremitäten,  und  zwar  sowohl  der  weißen,  als  der  gemischten, 
als  auch  der  rein  roten  Form,  die  mir  zur  Beobachtung  ge- 
kommen waren,  gelang  es  mir  auch  nicht  einen  einzigen  Follikel 
zu  finden,  welcher  auch  nur  eine  Spur  einer  Talgdrüse  gezeigt 
hätte;  bei  zwei  anderen  Fällen  you  Keratosis  pilaris  alba 
gleichfalls  der  Extremitäten  fSeuid  ich  unter  einer  bedeutenden 
Zahl  Ton  Follikeln  in  jedem  Falle  nur  einen  einzigen,  welcher 
mit  einer  Talgdrüse  versehen  war,  und  diese  war  überdies  noch 
atrophisch ;  bei  den  übrigen  Fällen  von  Keratosis  pilaris  fanden 
sich  zwar  mit  Talgdrüsen  versehene  Follikel  vor,  waren  jedoch 
stets  mit  einer  mehr  weniger  großen  Zahl  anderer  untermischt, 
die  derselben  vollstäüdig  entbehrten,  und  diese  letzteren  bildeten 
zumeist  auch  die  Mehrzahl.  In  den  früheren  Untersuchungen 
über  Keratosis  pilaris  (d)  sprach  ich  die  Ansicht  aus,  daß  bei 
dieser  Erkrankung  ungefähr  drei  Fünftel  der  Follikel  keine 
Talgdrüsen  besäßen;  heute,  wo  ich  über  ein  viel  reichlicherea 
Material  verfuge,  erscheint  mir  das  Verhältnis  bedeutend  ge- 


200  Giovannini. 

stiegen,  da  ich  annehmen  darf,  daß  von  sämtlichen  untersuchten 
Follikeln  vier  Fünftel  der  Talgdrüsen  entbehrten. 

Von  den  verschwundenen  Talgdrüsen  kann  man  nur  bei 
serienweiser  Durchforschung  der  Querschnitte  der  Haut  eine 
deutliche  Spur  auffinden.  In  diesem  Falle  sieht  man,  daß  die 
Bindegewebsfasern  des  Derma  oberhalb  des  Muskelansatzes  and 
genau  an  der  Stelle  der  Talgdrüsen  eine  unregelmäßige  An- 
ordnung zeigen,  in  der  Art,  daß  sie  an  die  Aussackungen  der 
Talgdrüsen  erinnern,  welche  vollständig  zurückgegangen  und 
durch  das  umgebende  Bindegewebe  ausgeglichen  worden  sind. 
Daß  es  sich  dabei  tatsächlich  um  die  genannten  Aussackungen 
handelt,  beweist  der  Umstand,  daß  sich  im  Umkreise  dieser 
unregelmäßig  angeordneten  Bindegewebsbündel  noch  hie  und 
da  Gefäße  vorfinden,  welche  ihrer  Zahl,  Größe  und  Verteilung 
nach  gerade  an  die  der  besprochenen  Talgdrüsen  erinnern. 
Einige  derartige  Follikel  mit  den  beschriebenen  Spuren  fanden 
sich  bei  drei  Fällen  von  Keratosis  des  Armes  und  in  einem 
der  Unterschenkel;  femer  boten  in  einem  Falle  von  Keratosis 
der  vorderen  Schenkelfläche  fast  alle  Follikel  in  äußerst  deut- 
licher Weise  diese  Spuren  dar. 

Bei  einer  Keratose  der  Seite  der  Brust  (IX.  Fall)  fanden 
sich  zahlreichere  Talgdrüsen  als  bei  den  anderen;  hier  sah 
man  in  einigen  aus  4  Follikeln  bestehenden  Gruppen  zwei  und 
bisweilen  auch  drei  (Taf.  XI,  Fig.  2,  7"),  welche  solche  zeigten ; 
aber  auch  in  diesem  Falle  übertraf  die  Zahl  der  mit  Talg- 
drüsen versehenen  Follikel  diejenige  der  vollständig  drüsenlosen 
nur  um  ganz  wenig.  Über  den  Zustand  der  Talgdrüsen  ist  im 
allgemeinen  zu  sagen,  daß  dieselben  bisweilen  in  Bezug  auf 
Größe  und  Aussehen  vollständig  normal  erscheinen,  in  anderen 
Fällen  dagegen  atrophisch  und  rudimentär  sind.  Bei 
der  Beschreibung  der  Talgdrüsen  dieser  letzteren  Art  erscheint 
es  vorteilhaft,  dieselben  in  drei  Gruppen  zu  teilen,  welche 
geeignet  erscheinen,  die  verschiedenen  Typen  darzustellen. 

1.  Gruppe.  Die  Talgdrüsen  dieser  ersten  Gruppe  be- 
wahren ihre  gewöhnliche  Gestalt  und  Lagerung  und  enthalten 
auch,  wie  gewöhnlich,  sezemierende  Zellen,  sind  aber  mehr 
oder  weniger  klein.  Eine  derselben  erscheint  zum  Beispiele 
an  Längsschnitten  durch  die  Haut  aus  drei  birn-  oder  eiförmigen 


ZvLT  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  201 

Acinis  zusammengesetzt,  welche  getrennt  in  einen  mittelgroßen 
Follikel  einmünden ;  sie  lassen  sich  nur  durch  2  bis  3  Schnitte 
der  Serie  verfolgen  und  besitzen  eine  maximale  Länge  von 
84—140  f<  und  eine  maximale  Breite  von  70 — 105  ft.  Talg- 
drüsen dieser  Gruppe  finden  sich  in  einigen  der  zur  Unter- 
suchung verwendeten  Hautstückchen  in  der  Zahl  von  1 — 3  in 
jedem  derselben. 

2.  Gruppe.  Die  Talgdrüsen  dieser  zweiten  Gruppe,  im 
allgemeinen  wenig  zahlreich,  sind  außer  durch  ihre  Kleinheit 
auch  noch  durch  den  absoluten  Mangel  an  sezernierenden  Zellen 
charakterisiert  Ich  will  mich  auf  die  Beschreibung  dreier  be- 
schränken, welche  durch  die  Buchstaben  X,  Y,  Z  bezeichnet 
werden  sollen,  und  welche  ich  alle  in  Querschnitten  der  Haut 
beobachtete. 

Die  Dr&se  X  wird  durch  einen  einzigen  blinden  Sack  dargestellt» 
'welcher  in  seiner  Qänze  die  Gestalt  einer  mit  dem  dickeren  Teile  nach 
anßen  gewendeten  Birne  besitzt;  sie  nimmt  vier  Schnitte  der  Serie  ein 
und  besitzt  einen  i^rößten  Dorchmesser  von  52  f.  Der  genannte  Blind- 
sack fugt  sich  an  einen  Follikel  an,  hält  aber  dabei  nicht  die  gewöhnliche 
Bichtnng  "^on  unten  nach  oben  ein,  sondern  ist  im  Gegenteile  von  oben 
nach  unten  gerichtet  und  bildet  mit  dem  Follikel  selbst  einen  Winkel 
von  ungefähr  45^;  er  besitzt,  mit  einem  VSTorte,  eine  verkehrte 
Stellung.  Er  umschließt  nur  Zellen  vom  Aussehen  jener  der  Malpighi- 
sehen  Schichte,  von  denen  die  wandständigen  Zylinderform  besitzen  und 
palisadenformig  angeordnet  sind. 

Die  Druse  Y  (Taf.  IX,  Fig.  1  und  2  T)  wird  von  zwei  kurzen 
Blindsäcken  gebildet,  deren  Gestalt  sich  der  einer  Halbkugel  nähert;  sie 
fließen  in  einem  gemeinsamen  Ansf&hrungsgange  zusammen  und  be- 
sitzen angleiche  Größe,  indem  der  größte  Durchmesser  der  einen  87,  und 
der  der  anderen  70  fi  beträgt.  Die  ganze  Drüse  läßt  sich  durch  sechs 
Schnitte  der  Serie  verfolgen  und  enthält,  wie  im  vorigen  Falle,  aus- 
schließlich Zellen  der  Malpighischen  Schichte.  Gleich  den  normalen  Talg- 
drüsen hält  sie  eine  schräg  von  unten  nach  oben  und  außen  nach  innen 
verlaufende  Richtung  ein;  anstatt  aber  wie  normal  in  den  Hals  des 
Follikels  zu  münden,  mündet  sie  ungefähr  an  der  Grenze  zwischen  mittlerem 
und  unterem  Drittel  desjenigen  Teiles  des  Follikels,  welcher  zwischen 
dem  Trichter  und  dem  Muskelansatze  liegt,  also  viel  tiefer  als  gewöhnlich. 

Die  Drüse  Z  bietet  in  Bezug  auf  ihre  Lage  nichts  besonderes  und 
wird  von  zwei  verschiedenen  Blindsäoken  gebildet,  welche  ungefähr  die 
Gestalt  einer  seitlich  zusammengedrückten  Birne  besitzen  und  sich  in 
nächster  Nähe  des  Follikels  vereinigen;  an  diesen  sind  sie  mit  einem 
sehr  kurzen  Ausfuhr  ungsgange  angeheftet.  Beide  Blindsäcke  lassen  sich 
durch  fünf  Schnitte  verfolgen  und  haben  etwas  verschiedene  Größe;  der 


202  Giovannini. 

eine  mißt  nämlich  in  leineo  größten  Darohmessem  105 — 122  a*,  der 
andere  35 — 52  m.  Während  der  kleinere  gleich  den  vorerwähnten  X  und  T 
nur  Zellen  der  Malpighischen  Schichte  enthält,  zeigt  der  andere  größere 
drei  verschiedene  Zonen:  eine  äußere,  welche  aus  zwei  bis  drei  Lagen 
von  Zellen  der  Malpighischen  Schicht  gebildet  wird;  eine  mittlere,  die 
aus  einigen  Schichten  mehr  oder  weniger  abgeflachter  Zellen  von  hom- 
artigem  Aussehen  dargestellt  wird;  eine  innerste,  welche  ans  einer  mit 
Osroinmsäure  sich  intensiv  und  gleichmäßig  färbenden  Masse  besteht, 
von  der  man  nicht  sagen  kann,  ob  sie  von  Hom  oder  reinem  Fett  gebildet 
wird.  Jedenfalls  ist  es  klar,  daß  der  Blindsack  in  diesem  Falle  eine 
einer  dünnen  Epidermis  entsprechende  Auskleidung  trägt. 

Die  beschriebenen  Drdsen  X,  7,  Z  fanden  sich  alle,  wie  schon 
gesagt,  in  Querschnitten  und  deshalb  läßt  sich  nicht  genau  bestimmen, 
welche  Länge  sie  besaßen;  eine  beiläufige  Vorstellung  von  derselben  kann 
man  jedoch  aus  dem  Abstände  erhalten,  welcher  zwischen  dem  Grunde 
(Fnndus)  der  größeren  Acini  der  Drüse  selbst  und  der  Wand  des  ent* 
sprechenden  Haarfollikels  liegt.  Dieser  Abstand  beträgt  approximativ 
bei  der  Drüse  X  86  /»,  bei  Y  S7  f*  und  bei  Z  122  fi.  Jede  dieser 
genannten  Drüsen  gehörte  zu  einem  Haarfollikel,  welcher  mehr  weniger 
groß  und  der  größte  der  Gruppe  war.  Der  Follikel,  an  welchem  sich 
die  Drüse  X  angeheftet  fand,  trug  in  derselben  Höhe,  aber  auf  der  ent- 
gegengesetzten Seite  eine  andere  Drüse,  die  nur  aus  einem  einzigen 
AcinuB  bestand,  ungefähr  fünfmal  so  groß  war  und  normales  Aussehen 
zeigte;  die  Follikel  jedoch,  welchen  die  Drüsen  Y  und  Z  lugehörten, 
besaßen  weiter  keine  Drüsen. 

3.  Gruppe.  Die  Drüsen  dieser  Gruppe,  von  denen  sich  mehrere 
vorfanden,  stellen  eine  einfache,  regelmäßig  konkave,  wenig  tiefe  aber  so 
hohe  Ausbuchtung  dar,  daß  sie  den  größten  Teil  derjenigen  Strecke  der 
Follikelwand  einnimmt,  welche  sich  vom  Ansätze  des  Muskels  bis  zum 
Halse  des  Follikels  erstreckt  (Taf.  XI,  Fig.  5,  b).  Nebenbei  möchte  ich 
daran  erinnern,  daß  ich  eine  analoge  Ausbuchtung  bei  der  der  elektro- 
lytischen Depilation  folgenden  Atrophie  der  Talgdrüsen  gefunden  habe  («). 
Bei  einigen  Fällen  bemerkt  man  außer  dieser  Ausbuchtung  auch  noch  in 
der  im  übrigen  normalen  äußeren  Wurzelscheide  mehr  weniger  große 
Epithelzellen,  welche  einen  fettigen  Inhalt  besitzen  und  vollkommen  jenen 
der  gewöhnlichen  Talgdrüsen  gleichen  (Taf.  XH,  Fig.  1).  Diese  Zellen 
sieht  man  zumeist  im  Bereiche-  des  oberen  Teiles  der  genannten  Aus- 
buchtung, wo  sie  die  Zahl  von  8 — 11  in  jedem  Schnitte  erreichen,  doch 
findet  man  sie  nur  durch  die  Höhe  einiger  weniger  Schnitte;  bisweilen 
sieht  man  sie  im  ganzen  Umkreise  der  äußeren  Wurzelscheide  zerstreut, 
aber  gewöhnlich  überwiegen  sie  in  der  Nachbarschaft  der  Ausbuchtung. 

Soll  man  die  Talgdrüsen  der  genannten  drei  Gruppen  als 
nicht  normale  ansehen?  Diese  Frage  dürfte  hier  durchaus 
nicht  überflüssig  erscheinen,  da  zu  wiederboltenmalen  geschrieben 
wurde,   daß   die  Talgdrüsen  besonders  der  Extremitäten  auch 


Znr  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  203 

anter  normalen  Verhältnissen  ein  sehr  wechselndes  Volumen 
besitzen,  ja  bisweilen  sogar  rudimentär  werden.  Dazu  ist  nun 
zu  bemerken,  daß,  wenn  man  sich  in  der  normalen  Haut  auch 
bisweilen  mehr  weniger  kleinen  Talgdrüsen,  die  der  ersten  der 
ebenerwähnten  Gruppe  angehören,  gegenübersehen  kann,  diese 
sich  doch  bei  der  Keratosis  pilaris  in  einer  außergewöhnlich 
großen  Häufigkeit  vorfinden.  Talgdrüsen  der  2.  und  3.  Oruppe 
jedoch  konnte  ich  bis  jetzt  niemals  trotz  der  großen  Zahl  der 
Haare  finden,  die  zu  untersuchen  ich  bis  jetzt  Gelegenheit 
hatte;  auch  Fusari,  welcher  kürzlich  die  rudimentären  Talg- 
drüsen der  normalen  Haut  zum  Gegenstande  seiner  Unter- 
suchungen machte,  tut  derselben  keinerlei  Erwähnung.  Ich 
glaube  deshalb,  daß  das  Vorkommen  der  Talgdrüsen  der  ge- 
nannten drei  Gruppen  bei  der  Keratosis  pilaris  aus  dem  einem 
und  dem  anderem  Grunde  eine  Abnormität  darstellt,  die  mit 
der  Keratosis  selbst  im  Zusammenbange  steht. 

Interfollikuläre  Haut 

Beginnen  wir  mit  dem  Stratum  Malpighi: 

Der  eine  der  früheren  Autoren  fand  dasselbe  fast  normal  (Y  e  y  r  i  e  r  e  s), 
der  andere  von  sehr  wechselnder  Dicke  (Lemoine),  noch  ein  anderer 
an  sehr  vielen  Punkten  rein  atrophisch,  in  der  Art,  daß  es  auf  3 — 4  Lagen 
sehr  protoplasmaarmer  Zellen  beschränkt  war,  welche  von  dem  stark 
granulierten  Kerne  fast  aasgefallt  wurden  (Audry),  wieder  ein  anderer 
in  der  N&he  der  Haarfollikel  hypertrophisch  (Jacquet).  Das  Stratum 
basale  wurde  bald  normal  befunden  (Audry),  bald  nicht  deutlich 
(Yeyri^res),  bald  aus  hohen  und  verlängerten  Zellen  bestehend 
(Lemoine).  Lemoine  fand  das  Stratum  granulosum  nur  sehr  schwach 
markiert;  von  den  anderen  Autoren  hat  es  der  eine  gesehen  (Yeyrieres) 
und  der  andere  nicht  (Audry).  Der  eine  sah  das  Stratum  corneum  aus 
breiten,  verlängerten  Zellen  gebildet,  welche  in  einer  großen  Zahl  von 
Schichten  angeordnet  waren,  von  denen  in  sehr  unregelmäßiger  Weise 
Abschuppung  erfolgte  (Lemoine),  ein  anderer  leicht  verdickt  und  aus 
kernlosen  Zellen  bestehend,  welche  lamellös  abschuppten  (Audry),  wieder 
ein  anderer  an  Dicke  nicht  vermehrt  (Yeyrieres).  Unna  fand  nur  in 
einigen  Fällen  eine  allgemeine  Yerdickung  des  Stratum  corneum. 

In  meinen  Präparaten  zeigte  die  Malpighische  Schichte 
der  interfollikulären  Epidermis  in  Bezug  auf  ihre  Struktur  gar 
keine  Unregelmäßigkeiten ;  ihre  Dicke  ist  nach  sehr  zahlreichen, 
mit  gesunder  Haut  angestellten  Vergleichen  zumeist  normal 
und  nur  bei  wenigen  Fällen  etwas  geringer  als  normal.    Über 


204  Giovannini. 

das  Stratum  granulosum  und  lucidum  habe  ich  nichts  besonderes 
zu  berichten.  Das  Stratum  comeum,  das  betreffs  seiner 
Struktur  keine  Besonderheiten  bietet,  zeigt  sich  bald  von  der 
gleichen,  bald  von  größerer,  bald  von  geringerer  Dicke  als  das 
der  normalen  Epidermis ;  auch  an  einem  und  demselben  Längs- 
schnitte durch  die  Haut  wechselt  seine  Dicke  nicht  selten  von 
einem  Punkte  zum  anderen.  Im  wesentlichen  kann  man  sagen, 
daß  die  interfollikuläre  Epidermis  bei  einem  Teile  in  jeder 
Beziehung  normal  erscheint;  bei  den  übrigen  Fällen  findet  man 
bisweilen  eine  Verdünnung  des  Stratum  Malpighi  und  comeum, 
bisweilen  eine  Verdickung  dieses  letzteren.  Auf  jeden  Fall 
handelt  es  sich  aber  nur  um  so  geringe  Unterschiede,  daß  es 
ungewiß  bleibt,  ob  man  ihnen  eine  pathologische  Bedeutung 
zuschreiben  soll  oder  nicht. 

Lemoine  fand  die  Papillen  bei  der  Keratosis  pilaris  atrophisch 
und  an  gewissen  Punkten  auch  verschwunden ;  Jacqaet  dagegen  sah  sie 
in  der  Nähe  der  Haarfollikel  deformiert  und  verbreitert.  Ich  konnte  an 
den  Papillen  nur  folgende  Unregelmäßigkeiten  erheben:  die  im  Umkreise 
der  Trichter  und  gemeinsamen  Öfinungen  stehenden  waren  bisweilen 
etwas  stärker  als  gewöhnlich  entwickelt. 

Lemoine  fand  das  Derma  nicht  nur  dichter  als  normal  ans  Binde- 
gewebsbündeln  gebildet,  welche  in  paralleler  Bichtung  zu  verlaufen 
streben,  und  besonders  in  nächster  Nähe  der  Haarfollikel  im  ganzen  ver- 
dickt, sondern  er  fand  auch  das  Netz  der  elastischen  Fasern  bedeutend 
verstärkt,  vor  allem  in  der  mittleren  Gegend  des  Derma.  Auch  Audry 
bemerkte,  daß  die  Entwicklung  des  elastischen  Netzes  wohl  etwas  ge- 
steigert war.  In  Bezug  auf  die  Dicke  des  Derma,  und  in  Bezug  auf  die 
Dicke  und  Dichte  seiner  Bindegewebsbündel  konnte  ich  nichts  abnormales 
erheben.  Was  das  elastische  Gewebe  betrifft,  so  erhielt  ich  dasselbe  nur 
in  wenigen  nach  Flemming  fixierten  Hautstfickchen  gut  gefärbt,  so 
daß  ich  nicht  in  der  Lage  bin,  ein  Urteil  über  seinen  Zustand  abzugeben. 

Lemoine  beobachtete,  daß  sich  das  Derma  in  den  keratotisohen 
Knötchen  im  ganzen  erhob,  so  daß  es  eine  Art  spitzer  Hervorragungen 
bildete.  Ich  habe  dagegen  gefunden,  daß  das  um  die  Trichter  und 
gemeinsamen  Öfi&iuogen  der  Follikel  befindliche  Derma  bei  dem  größeren 
Teile  der  Fälle  keinerlei  Erhebungen  bildete,  und  daß  es  nur  wenigemal 
etwas  emporragt  und  so  gleichsam  einen  kleinen  Hof  bildete. 

Soweit  es  die  bei  der  Präparation  der  Haut  zu  den  vorliegenden 
Untersuchungen  angewendeten  Methoden  erlaubten,  konnte  ich  im  Hypo- 
derma  keine  Abnormitäten  erkennen.  Doch  möchte  ich  daran  erinnern, 
daß  Unna  ein  einzigesmal  daselbst kollagene Substanz  gefunden  hat,  welche 
zwischen  dem  Fettgewebe  lag  and  sich  in  schleimiger  Degeneration  befand. 


Zar  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  205 

Aaf  Audry  machten  die  Schweißdrüsen  den  Eindraok,  als  seien 
sie  erstickt,  sicher  aber  in  ihrer  Entwicklung  gestört  und  auf  dem  Wege 
der  Sklerosierung.  Unna  fand  in  den  Ausführungsgängen  dieser  Drüsen 
häufig  eine  Verdickung  des  Stratum  corneum,  wie  sie  in  gleicher  Weise 
an  den  Mündungen  der  Haarfollikel  vorkommt.  In  meinen  Präparaten 
seigte  der  größte  Teil  der  Schweißdrüsen  keinerlei  Veränderungen;  doch 
konnte  ich  einige  Male  beobachten,  daß  das  Hom  an  den  Mündungen 
der  Schweißdrüsen  etwas  verdickt  war;  diese  Verdickung  war  aber  die 
gleiche  wie  jene,  welche  man  bisweilen  auch  an  den  Poren  vollständig 
gesunder  Haut  beobachtet,  so  daß  es  auch  hier  unentschieden  blieb,  ob 
dieselbe  für  unseren  speziellen  Fall  tatsächlich  eine  pathologische  Be- 
deutung besitzt.  In  einigen  Hautstückchen  konnte  ich  nur  sehr  wenige 
Schweißdrüsen  zählen;  in  anderen  erschienen  ein  oder  zwei  Glomeruli 
wie  zusammengedrückt,  und  mit  sicheren  Zeichen  von  Atrophie  behaftet 
(Verdünnung  und  Unregelmäßigkeit  der  Gestalt  des  Tubulus,  die  Glashaut 
verdickt,  die  Zellkerne  deformiert  und  intensiv  schwarz  gefärbt) ;  doch 
wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  ob  diese  Verhältnisse  in  Verbindung  mit 
der  Keratosis  pilaris  gebracht  werden  dürfen. 

EntzOndliche  Veränderungen. 

Audry  bemerkte  in  der  von  Keratosis  pilaris  befallenen  Haut 
keine  Spur  von  Entzündung  oder  Infektion.  Lemoine  dagegen  fand 
hier  charakteristische  Zeichen  einer  recht  aktiven  Entzündung.  Die 
Haarfollikel  erscheinen  nach  diesem  letzteren  Autor  vom  Bulbus,  und 
hier  besonders  zahlreich,  bis  zum  Halse  von  embryonalen  Zellen  umgeben: 
diese  Zellen  erstreckten  sich  hie  und  da  in  das  interfollikuläre  Derma 
und  bildeten  in  der  Nachbarschaft  der  Lymphräume  unregelmäßige  An- 
häufungen. J  a  c  q  u  e  t  fand  sowohl  in  den  Papillen  als  auch  in  dem  sub- 
papillaren  und  perifollikulären  Derma  Infiltrate  von  Lymphzellen;  er 
fand  auch  das  tiefe  Ende  rudimentärer  Haare  von  Bindegewebe  umgeben, 
das  reich  an  jungen  Zellen  war.  Unna  versichert  mit  Entschiedenheit, 
daß  bei  der  Keratosis  pilaris  eine,  wenn  auch  geringgradige  Entzündung 
bestehe.  Er  beobachtete  nämlich  sowohl  in  der  Umgebung  der  Follikel 
als  auch  im  interfollikulären  Derma  konstant  eine  Neubildung  von  Binde- 
gewebszellen bald  geringeren,  bald  höheren  Grades  und  bei  ungefähr 
einem  Drittel  der  Fälle  eine  dauernde  Erweiterung  der  Gefäße.  Er  fand 
keine  Plasmazellen,  sondern  nur  zahlreiche  Mastzellen;  an  keiner  Stelle 
vermochte  er  eine  lokale  Leukocytose  festzustellen. 

In  einem  der  von  mir  der  Untersuchung  unterzogenen 
Haatstückchen  von  Keratosis  pilaris  (Fall  VII)  findet  man 
keinen  einzigen  Follikel,  welcher  eine  Spur  einer  Entzündung 
aufvreisen  würde;  in  jedem  der  übrigen  Hautstückchen  jedoch 
fanden  sich  nur  ein  oder  mehrere  Follikel,  welche  frei  von 
Entzündung  waren.     Daraus  geht  hervor,    daß  die   Keratosis 


206  Giovannini. 

pilaris,  und  zwar  die  weiße  und  rote  wie  auch  gemischte  Form 
bisweilen  nicht  von  entzündlichen  Erscheinungen  begleitet  zu 
sein  braucht 

Doch  finden  sich  bei  der  Keratosis  pilaris  auch  Follikel, 
in  deren  Umgebung  eine  bald  mehr,  bald  weniger  bedeutende 
Entzündung  besteht,  und  diese  bilden  im  ganzen  die  Mehrzahl 
gegenflber  denjenigen,  bei  denen  die  Entzündung  selbst  fehlt 
In  diesem  Falle  handelt  es  sich  zumeist  um  einen  Beizzustand 
der  Follikelscheide  und  des  perifollikulären  Derma,  der  nur 
durch  eine  Vermehrung  der  Zahl  und  des  Volumens  der  fixen 
Bindegewebszellen,  und  zwar  sowohl  der  perivaskulären  als 
auch  der  interraskulären  charakterisiert  ist.  Seltener  schon 
findet  mau  eine  zellige  Infiltration,  welche  außer  aus  hyper- 
trophischen Bindegewebszellen  auch  aus  Rundzellen  und  aus* 
nahmsweise  auch  aus  einer  gewissen  Zahl  von  polynucleären 
Leukocyten  gebildet  wird.  Die  Infiltration  erreicht  zumeist  nur 
einen  geringen  Grad  (Taf.  X,  Fig.  3),  und  es  kommt  nur  sehr 
selten  vor,  daß  sie  mehr  weniger  ausgedehnte  Knoten  bildet 
(Taf.  IX,  Fig.  4 ;  Taf.  X,  Fig.  6).  Nur  wenige  Male  konnte  ich 
feststellen,  daß  diese  Infiltration  von  einer  leichten  Erweiterung 
der  Gefäße  begleitet  war,  sowie  es  auch  nur  selten  geschieht,  daß 
eine  kleine  Zahl  von  Leukocyten  zwischen  die  Zellen  der 
äußeren  Wurzelscheide  oder  der  Malpighischen  Schichte  der 
Trichter  und  gemeinsamen  Mündungen  der  Haarfollikel  ein- 
wandert. Eine  Hyperplasie  der  äußeren  Wurzelscheide  konnte 
ich  nur  an  drei  Follikeln  beobachten  und  stets  nur  an  solchen 
mit  verkrümmten  Haarschäften. 

Sowohl  der  einfache  Reizzustand  als  auch  die  zellige 
Infiltration  haben  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  in  der  Umgebung 
der  Trichter  und  gemeinsamen  Follikelmündungen  ihren 
Sitz ;  außer  an  diesen  Stellen  findet  man  zellige  Infiltration 
recht  häufig  auch  in  demjenigen  Teile  des  Follikels,  welcher 
den  Talgdrüsen  entspricht,  und  ganz  besonders  dicht  oberhalb 
der  Ansatzstelle  des  Musculus  erector;  nur  selten  und  nur  an 
kleinen  Follikeln  erstreckt  sich  die  Infiltration  noch  tiefer 
80  daß  sie  bisweilen  bis  zum  Fundus  des  Follikels  reicht 
Im    allgemeinen    kann    man    sagen,     daß    die    entzündlichen 


Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  207 

iDfiltrationen  an  denjenigen  Punkten  vorherrBchen,  welche 
entweder  von  yerkrümmten  Haarschäften  gereizt  werden 
und  diese  umschließen,  oder  aber  in  der  Umgebung  oder  dicht 
unter  solchen  Trichtern  und  gemeinsamen  Mündungen,  welche 
einen  großen  und  kompakten  Homzapfen  enthalten. 

Veyrieres  fand  niemals  eine  Spur  von  embryonaler 
Infiltration  an  jenen  Stellen,  wo  ein  aus  dem  Follikel  ausge- 
tretenes Haar  in  das  Bindegewebe  des  Derma  eingedrungen 
war.  Meine  Untersuchungen  bestätigen  jedoch  diesen  Befund 
nur  zum  Teile.  Bei  einigen  Fällen  nämlich  sah  ich  nicht  die 
geringste  Spur  einer  Entzündung  in  der  Umgebung  des  aus 
dem  Follikel  ausgetretenen  Teiles  des  Haarschaftes ;  bei  anderen 
Fällen  jedoch,  welche  gewiß  die  Mehrzahl  bilden,  bestand  eine 
mehr  oder  weniger  hochgradige  Infiltration  (Taf.  IX,  Fig.  4). 
Auch  dort,  wo  die  Follikel  vollständig  zerstört  waren  und  wo 
demnach  die  Haarschäfte  isoliert  mitten  im  Derma  lagen,  be- 
stand hie  und  da  zellige  Infiltration. 

In  dem  interfoUikalären  Derma  kana  man  nicht  selten  bemerken, 
daß  die  Gefäße  des  oberflächlichen  Netzes  dilatiert  sind  and  daß  die 
perivaskulären  Bindegewebszellen  gegen  die  Norm  bedeutend  an  Zahl  ver- 
mehrt erscheinen;  diese  Yermehrung  erreicht  jedoch  zumeist  nur  einen 
geringen  Grad  und  nur  selten  an  vereinzelten  Stellen  einen  mittleren. 
An  den  tiefen  Gefäßen   konnte  ich   nur  ein  einzigesmal  an  einer  in  der 

Nähe    des  Grundes  eines  Haarfollikels  verlaufenden  Arterie   einen  mäßig  ! 

großen  Infiltrationsknoten  auffiinden. 

Zuweilen  gelingt  es  in  dem  zelligen  Infiltrate  besonders  in  der 
Nachbarschaft  der  aus  den  Follikeln  ausgetretenen  und  in  das  Derma 
eingedrungenen  Haarschäfte,  und  wo  diese  zu  degenerieren  und  sich 
aufzulösen  beginnen,  nicht  nur  epitheloide  Zellen  zu  beobachten,  sondern 
auch  Biesenzellen.  Dieselben  finden  sich  bald  nur  in  geringer  Zahl 
(Taf.  XL  Fig.  4),  bald  in  mehr  oder  weniger  bedeutender  Zahl;  sehr 
zahlreich  waren  sie  in  nächster  Nähe  zweier  Follikel  vorhanden,  von 
denen  der  eine  zum  großen  Teile  zerstört  und  auf  eine  oberflächliche 
Depression  des  Derma  zurückgeführt  worden  war  (Taf.  XH,  Fig.  6). 

Epilog. 

Im  wesentlichen  geht  aus  den  vorliegenden  Untersuchungen 
hervor,  daß  sich  bei  der  Keratosis  pilaris  zahlreiche  und  ver- 
schiedenartige Veränderungen  vorfinden,  welche  hauptsächlich 
den  Haarapparat  betreffen. 


208  Giovannini. 

Die  Haarfollikel  münden  häufiger  als  normal  in  gemein- 
samer Mündung  (Apertura  communis) ;  diese  ist  häufig  tiefer  als 
normal  und  bisweilen  auch  in  ihrer  Gestalt  verändert  (ampullen- 
formig  oder  zylindrisch).  Einige  Follikel  münden  auch,  anstatt 
nach  außen,  in  einen  benachbarten  Follikel. 

In  Ausnahmsfällen  erscheint  der  ganze  Follikel  ganz 
abnorm  klein. 

Bei  einem  Teile  der  Follikel  fehlt  der  Trichter  oder  ist 
nur  wenig  ausgebildet,  bei  anderen  ist  er  wiederum  tiefer  als 
normal;  in  diesem  letzteren  Fall  besitzt  er  selten  einmal  auch 
die  ungewöhnliche  Oestalt  eines  Kelches.  Die  Tiefenvergrößerung 
des  Trichters  führt  notwendigerweise  zu  einer  Verkürzung  des 
Follikelkörpers ;  dieser  letztere  zeigt  sich  auch  in  manchen  Fällen 
in  mannigfacher  Form  und  Richtung   unregelmäßig  erweitert. 

Die  Vergrößerung  der  Trichter  und  gemeinsamen  Mündungen 
der  Follikel  nach  der  Breite  bringt  natürlich  auch  eine  ent- 
sprechende  Ausbreitung  der  bekleidenden  Epidermis  mit  sich, 
wie  umgekehrt  die  Verkürzung  des  Follikelkörpers  auch  eine 
solche  der  entsprechenden  äußeren  Wurzelscheide  zur  Folge  hat. 

Die  die  Trichter  und  gemeinsamen  Mündungen  der  Haar- 
follikel auskleidende  Epidermis  zeigt  bisweilen  eine  atrophische 
Malpighische  Schicht.  Die  von  ihr  erzeugten  Hornmassen  häufen 
sich  daselbst  an  und  veranlassen  eine  Hyperkeratose.  Femer 
findet  man  die  äußere  Wurzelscheide  häufig  im  Zustande 
abnormer  Verhornung;  diese  befällt  häufig  sogar  die  Epithel- 
zellen der  Ausbuchtung  des  Muskelansatzes  (Homperlen). 

Infolge  des  abnorm  häufigen  Vorkommens  gemeinsamer 
Mündungen  finden  wir  auch  die  Haare  viel  häufiger  als  ge- 
wöhnlich zu  Bündeln  vereint.  Die  einzige  konstatierte  Ver- 
änderung der  Haare  selbst  besteht  übrigens  nur  in  der 
Trichorrhexis. 

Die  innere  Wurzelscheide  zeigt  nicht  selten  eine  ganz 
abnormale  Kürze  ihres  verhornten  Teiles. 

An  dem  größten  Teile  der  Haarfollikel  fehlen  die  Talg- 
drüsen vollständig  oder  sind  atrophisch  und  rudimentär. 

Die  Hornmassen,  welche  die  Trichter  und  gemeinsamen 
Mündungen  verstopfen,  verhindern  häufig  auch  den  Austritt 
der  Haarschäfte,    die  sich  infolgedessen  in  der  mannigfachsten 


Zur  Histologie  der  Eeratosig  pilaris.  209 

Weise  yerkrümmen,  Ortsveränderungen  erleiden  und  sogar  in 
das  benachbarte  Derma  eindringen.  Diese  Zurückhaltung  der 
Haare  bietet  ihrerseits  wieder  Veranlassung  zu  umschriebenen 
Erweiterungen  und  Verkrümmungen  der  entsprechenden  Haar- 
follikel und  zu  Verzerrungen  und  Verschiebungen  der  Musculi 
erectores  und  bisweilen  auch  zu  Störungen  in  der  äußeren 
Wurzelscheide. 

Eine  gewisse  Zahl  von  Haarfollikeln  wird  zerstört  und  zu 
einfachen,  meist  oberflächlichen  Höhlungen  reduziert,  welche 
von  gewöhnlicher  Epidermis  ausgekleidet  sind ;  bisweilen  geschieht 
es  auch,  daß  die  Haare  cystisch  eingeschlossen  werden  und  im 
Derma  verbleiben. 

Entzündliche  Erscheinungen  finden  sich  häufig,  jedoch 
nicht  konstant.  Wo  sie  bestehen,  werden  sie  zumeist  nur  durch 
einen  einfachen  Reizzustand  oder  häufiger  noch  durch  eine  ge- 
wöhnlich leichte,  zellige  Infiltration  dargestellt.  Im  allgemeinen 
überwiegen  sie  in  der  Umgebung  der  Trichter  und  gemeinsamen 
Mündungen,  welche  große  und  dichte  Hornzapfen  enthalten  und 
dort;  wo  die  Haarschäfte  infolge  ihrer  Verkrümmung  die  Wände 
der  Haarfollikel  reizen  und  verwunden.  Bisweilen  bilden  sich 
auch  epitheloide  und  Riesenzellen.  Im  interfollikulären  Derma 
findet  man  keine  entzündlichen  Veränderungen,  sondern  man 
bemerkt  nur  eine  einfache  Erweiterung  der  oberflächlichen  Ge- 
fäße und  einen  leichten  Reizzustand  ihrer  Perithelien. 

Unter  den  verschiedenen  Veränderungen  bei  der  Keratosis 
pilaris  erweisen  sich  einerseits  die  Vergrößerung  der  Trichter 
und  gemeinsamen  Mündungen  der  Haarfollikel  und  andererseits 
die  Vermehrung  der  Zahl  der  letzteren  als  besonders  bedeutungs- 
voll; diese  beiden  Umstände  können  in  der  Tat  die  Bildung 
jener  Homansammlungen  veranlassen  und  begünstigen,  welche 
vom  klinischen  Standpunkte  aus  als  pathogoomonisch  iür  diese 
Erkrankung  angesehen  werden  können. 


Areb.  f.  Dermat.  n   Syph.  Bd.  LXIII.  t^ 


210  Giovannini 


Literatur. 

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Idem.  e)  De  la  regöneration  des  poils  aprös  Pöpilation.  Archiv  f. 
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Idem.  d)  Contribuzione  allo  studio  istologico  della  chermtosi  pilare. 
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Idem.  e)  Über  die  durch  die  elektrolytische  Epilation  hervor- 
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Zur  Histologie  der  Keratosis  pilaris.  211 

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Massen  et  Gie.  1901.  Tome  II,  pag.  952. 


Erklärung  clor  AbbUdanseii  aaf  Tat.  VIII— ZU. 

Die  mit  einem  Stern  (*  Fig.)  bezeichneten  Längsschnitte  der  Haar- 
follikel sind  känstlich  dargestellte;  alle  übrigen  Schnitte,  sowohl  long!- 
tndinale  als  transversale  sind  reale. 

In  den  einzelnen  Tafeln  bezeichnen  die  an  einer  Seite  nebjn  dem 
kfinstlichen  Längsschnitte  stehenden  Zahlen  die  Lage  der  entsprechenden 
realen  Qaerschnitte. 

Alle  Zeichnungen  stammen  von  in  Flemmingscher  Lösung 
fixierter  Ebnt.  A  =  Follikel  des  größten  (Haapt-)  Haares.  BQDzz  Follikel 
der  kleineren  (Neben-)  Haare.  gO  zi  Apertnra  communis  der  Haarfollikel 
(gemeinsame  Öffnung).    Hp  =;  Hornperle.     T  zi  Talgdrüse. 

Bezüglich  der  Bedeutung  der  weiteren  Einzeluheiteu  in  den  Ab- 
bildungen sehe  man  im  Texte  nach. 

Taf.  YHI,  Fig.  1.  Längsschnitt  eines  Haarfollikels.  Keratosis  pilaris 
mixta  der  Außenfläche  des  Armes  vom  XYlIl.  Falle«  Yergrößarung 
46  Diameter.  Fig.  2.  Senkrechter  Schnitt  durch  die  Haut  in  der  Gegend 
des  oberen  Teiles  eines  Haarfollikels.  Rein  weiße  Keratosis  pilaris  der 
Hinterfläche  des  Armes  vom  V.  Falle.  Vergrößerung  51  Diameter.  Fig.  8. 
Längsschnitt  durch  eine  Gruppe  von  zwei  Haarfollikeln.  Keratosis  pilaris 
mixta  der  Außenfläche  des  Armes  vom  XVIII.  Falle.  Vergrößerung 
60  Diameter.  Fig.  4  und  6.  Querschnitte  durch  die  in  Fig.  8  darge- 
stellte Gruppe  Yon  zwei  Follikeln. 

Taf.  IX,  Fig.  1.  Längsschnitt  durch  eine  Gruppe  von  zwei  Follikeln. 
Keratosis  pilaris  mixta  der  Skapulargegend  vom  XI.  Falle.  Vergrößerung 
62  Diameter.  Fig.  2.  Querschnitt  durch  die  in  Fig.  I  darj<esteUte  Gruppe 
Ton  zwei  Haaren.  Fig.  3.  Längsschnitt  durch  eine  Gruppe  von  zwei 
Haaren.  Keratosis  pilaris  mixta  der  Außenseite  des  Armes  yom  XVI  IL  Falle. 
Tergrößemng  37  Diameter.  Fig.  4.  Querschnitt  durch  die  Apertnra 
commnnit   der  zwei    in  Fig.  8  dargestellten  Haarfollikel.    Fig.  6.  Senk- 

14* 


212  Giovannini. 

rechter  Schnitt  darch  die  Haut  betreffend  eine  (trappe  von  zwei  Haar- 
follikeln.  Keratosis  pilaris  mizta  der  Vorderfläche  des  Oberschenkels 
vom  XVI.  Falle.    Vergrößerung  84  Diameter. 

Taf.  X,  Fig.  1.  Längsschnitt  durch  eine  Orappe  von  awei  Haar- 
follikeln. Weiße  Keratosis  pilaris  mit  leichter  Rötung  der  zwischenliegea- 
den  Haut  von  der  Skapulargegend  vom  XI.  Falle.  Vergrößerung  34  Diameter. 
Fig.  2,  8,  4.  Querschnitte  durch  die  Apertura  communis  der  in  Fig.  1 
dargestellten  Gruppe  von  zwei  Haarfollikeln.  Fig.  5.  Längsschnitt  durch 
eine  Gruppe  von  drei  Haarfollikeln  betreffend  ihren  oberen  Teil.  Rein 
weiße  Keratosis  pilaris  der  Hinterfläche  des  Armes  vom  V.  Falle.  Ver- 
größerung 80  Diameter.  Fig.  6.  Querschnitt  durch  die  in  Fig.  5  darge- 
stellte Gruppe  von  drei  Follikeln. 

Taf.  XI,  Fig.  1.  Senkrechter  Schnitt  durch  die  Haut  in  der 
Gegend  der  Apertura  communis  einer  Gruppe  von  drei  Haarfollikeln.  Rein 
weiße  Keratosis  pilaris  der  Skapulargegend  vom  III.  Falle.  Vergrößerung 
84  Diameter.  Fig.  2.  Längsschnitt  durch  eine  Gruppe  von  vier  Haar- 
follikeln. Rein  weiße  Keratosis  pilaris  der  Skapulargegend  vom  III.  Falle. 
Vergrößerung  44  Diameter.  Fig.  8.  Längsschnitt  durch  einen  Haar- 
follikel. Weiße  Keratos's  pilaris  mit  leichter  Rötung  der  zwischenliegen- 
den Haut  der  Schultergegend  vom  XI.  Falle.  Vergrößerung  62  Diameter. 
Fig.  4.  Querschnitt  durch  den  in  Fig.  3  dargestellten  Follikel.  Fig.  6. 
Längsschnitt  durch  einen  Haarfollikel.  Rein  rote  Keratosis  pilaris  mit 
Rötung  der  dazwischenliegenden  Haut  aus  der  Glutaealgegend  vom 
XXIL  Falle.    Vergrößerung  82  Diameter. 

Taf.  XII,  Fig.  1.  Querschnitt  durch  einen  Haarfollikel  ungefähr  an 
der  Grenze  zwischen  dem  mittleren  und  oberen  Drittel  jener  Strecke 
seiner  Länge,  welche  zwischen  dem  Trichter  und  dem  Muskelansatze 
liegt.  Reinrote  Keratosis  pilaris  mit  Rötung  der  dazwischenliegenden 
Haut  von  der  Glutaealgegend  vom  XXÜ.  Falle.  Vergrößerung  900  Diameter. 
Fig.  2.  Querschnitt  durch  einen  Haarfollikel  in  der  Höhe  der  Epithelial- 
fortsätze,  welche  von  der  äußeren  Wurzelscheide  an  der  Ansatzstelle  des 
Musculus  erector  gebildet  werden.  Reinrote  Keratosis  pilaris  mit  rot- 
violetter Färbung  der  zwischenliegenden  Haut  aus  der  regio  cozo- 
femoralis  vom  XXIII.  Falle.  Vergrößerung  52  Diameter.  Fig.  8.  Längs- 
schnitt durch  einen  Haarfollikel.  Keratosis  pilaris  mixta  der  Außenfläche 
des  Unterschenkels  vom  XVII.  Falle.  Vergrößerung  46  Diameter.  Fig.  4. 
Querschnitt  durch  den  in  Fig-  8  dargestellten  Haarfollikel.  Fig.  5. 
Längsschnitt  durch  eine  Gruppe  von  zwei  Haarfollikeln.  Weiße  Keratosis 
pilaris  mit  leichter  Rötung  der  dazwischenliegenden  Haut  von  der  Hinter- 
(läche  des  Armes  vom  X.  Falle.  Vergrößerung  35  Diameter.  Fig.  6. 
Querschnitt  durch  die  Gruppe  der  beiden  in  Fig.  5  dargestellten  HaarfoUikeL 


Aas  dem  italienischen  Manuscripte  übersetzt  von  Dr.  Th.  Spietschka, 

Brunn. 


Archiv  f.  Dermatologie  U.Syphilis  Band  LXIU. 


r.iovanniiii-ZurKisii)loi[iP  derKeratusis  pilaris 


Archiv  f.  Oermalologie  u  Syphilis  Band  LXIll. 
•FigJ. 


'Fig. 3. 


Giovannini:ZurHistoloi)iP  der  Keratosis  tiilari 


Archiv  f.Dermalologie  u  Syphilis  Band  LXIU.  TAF,  X. 

Fig.  2. 


^Fiff.f. 


C  A  B 


C.iovannini-ZurHistoloyiP  il  er  Keratosis  pilaris 


Archiv  f.  Dermatologie  u  Syphilis  Band  LXIH. 


'Fig.  2 


Fi^-1. 


(■iiov<innini'ZurHisT(ilot|iPilerKfi-aliisis  piUu 


Archiv  f.  Dermatologie  u  Syphilts  Band  LXm  TAFXn 


rtg-z 


^Q»Ji 


Figt 


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GiovanniTii-ZurHistolntjieilprKi'ralosis  pilar 


Ans  der  Abtheilung  fär  Eaat-  und  venerische  Zrankheiten  des 

St.  Stephanspitals  in  Budapest. 

(Vorstand  Prof.  Dr.  S.  Rona.) 


Zur  Ekzemfrage. 

n.  Gibt  es  ein  „Reflex-Ekzem'' J) 

Von 

Dr.  J.  Csillag. 


Wir  kennen  zwei  Arten  der  Verbreitung  des  Ekzems.^) 
Die  eine  ist  diejenige,  bei  welcher  an  der  Peripherie  des  bereits 
vorhandenen  Ekzems  kontinuierlich  die  Entwicklung  neuen 
Ekzems  stattfindet;  diese  ist  die  Verbreitung  per  conti- 
nnitatem.  Die  zweite  Verbreitungsweise  ist  diejenige,  bei 
welcher  in  geringerer  oder  größerer  Entfernung  vom  primären 
Ekzemherd,  durch  gesunde  Hautflächen  getrennt,  an  einer  oder 
mehreren  Stellen  ein  Ekzem  mit  ähnlichem  Symptomenbilde 
und  Verlaufe  auftritt.  Diese  nennt  man  nach  der  behufs  Er- 
klärung aufgestellten  Theorie  Verbreitung  auf  dem  Wege 
des  Reflexes,  das  Ekzem  selbst  nennt  man  Reflexekzem 
«Tochterekzem". 

Diese  letztere  Yerbreitungsweise  erklärt  Kaposi*)  folgendermaßen: 
B.  .  .  .  oder  die  Erkrankung  steigert  sich  zugleich  dadurch,  daß  an  ent- 
fernten Eörperstellen  neue  Ausbrüche  erfolgen. 

Um  letzteres  zu  begreifen,  muß  man  wissen,  daß  mit  dem  Auf- 
treten  eines    akuten   Ekzems    das   Hautorgan   in   der  Weise    krankhaft 

alteriert  wird,   daß  dasselbe  nunmehr  auf  geringe  Hautreize ,  auf 

dem  Wege  reflektorischer  Gefäßalteration  vom  Ekzem  befallen 
wird. 


*)  Vorgetragen  in  der  dermatol.  u.  urolog.  Sektion  des  Budapester 
königl.  Ärztevereins.  Novembersitzung  1901. 

*)  Ekzem  =  im  Sinne  der  Wiener  Schule  aufgefaßt. 


214  Gsillag. 

Insbesondere  zeichnet  sich  in  dieser  Beziehung  das  Gesicht  (Ohren, 
Angenlider)  ans,  das  sofort  reflektorisch  an  Ekzem  erkrankt,  wenn 
an  einer  entfernten  Körperstelle  z.  B.  am  Skrotum  ein  akuter  Ekzem- 
ausbruch stattgefunden  hat." 

Ungefähr  das  nämliche  sagt  H.  Hebra  (2):  9.  .  .  .  Tritt  an  einer 
Extremität  und  speziell  an  einer  Gelenkbeuge  ein  akutes  Ekzem  auf, 
oder  wird  es  dort  künstlich  hervorgerufen,  so  findet  man  einige  Tage 
später  auch  die  korrespondierenden  Stellen  der  anderen  Seite  in  der 
gleichen  Weise  erkrankt.  Diese  Erscheinung  läßt  sich  nur  erklären,  daß 
das  zweite  Ekzem  reflektorisch  durch  Fortpflanzung  des  Reizes 
längst  der  Nerven  zum  Zentrum  und  von  dort  auf  die  andere  Seite  pro- 
jiziert aufgetreten  ist.  Als  Analogien  wären  die  sympathischen  Augen- 
affektionen  anzusehen.** 

Bei  Eromayer  (8)  finden  wir  das  Folgende:  „.  .  .  Nehmen  wir  als 
Beispiel  eine  oberflächliche  Hautentzündung,  hervorgerufen  durch  die 
Behandlung  einer  Hautwunde  mit  Jodoform.  Trotzdem  nach  dem  ersten 
Zeichen  der  Entzündung  alles  Jodoform  aufs  sorgfältigste  entfernt  und 
die  weitere  Anwendung  streng  vermieden  wird,  schreitet  die  Entzündung 
weiter,  anfänglich  per  continuitatem,  später  sprungweise,  so  daß  bei 
ursprünglichem  Sitze  etwa  auf  der  Hand  plötzlich  das  Gesicht,  der  Hals 
oder  der  Oberkörper  ergriflen  wird.  Sie  kennen  diese  Yerbreitungssrt 
bei  den  Hyperämien,  bei  welchen  sie  auf  vasomotorischem  Wege  entsteht. 
Supponieren  wir  einen  trophisch-reflektorischen  Einfluß,  so 
erklärt  sie  sich  zwanglos  auch  bei  den  Entzündungen.** 

An  einer  anderen  Stelle  sagt  erfolgendes:  „Anstatt  einer  trophisch- 
reflektorischen  Störung  können  wir  auch  vielleicht  verständlicher  und 
anschaulicher  von  erhöhter  Beizbarkeit  oder  reizbarer  Schwäche  der  Haut 
sprechen.  Durch  den  lokalen  Reiz  und  die  nachfolgende  lokale  Entzün- 
dung ist  nicht  nur  die  betreffende  Hautstelle  in  einen  Zustand  reizbarer 
Schwäche  versetzt,  sondern  die  ganze  Haut,  oder  doch  Teile,  besonders 
benachbarte  sind  mitergriffen.** 

Wenn  wir  noch  die  obigen  Darlegungen  mit  folgender 
Ansicht  von  F.  y.  Hebra  (4)  ergänzen: 

„Aus  dem  symmetrischen  Auftreten  der  Ekzeme,  gewöhnlich  gleich- 
zeitig an  beiden  EÖrperhälften  läßt  sich  auf  eine  ursprüngliche 
Beteiligung  des  Nervensystems  schließen  .  .  .  und  es  wird  des- 
halb kein  zu  gewagter  Schluß  sein,  wenn  wir  uns  zu  dem  Ausspruch 
berechtigt  glauben,  daß  auch  bei  der  Ekzemerzeugung  die  krankhafte 
Innervation  die  Hauptrolle  spielt.** 

Dann  habe  ich  mit  diesen  Zitaten  ungefähr  ein  volles  Bild 
Ton  dem  in  dieser  Frage  eingenommenen  Standpunkte  der  Wiener 
dermatologischen  Schule  gegeben.  Kurz  läSt  sich  derselbe  in 
folgendem  zusammenfassen : 


Zar  Eczemfrage.  215 

Jene  akuten,  sekundären  Ekzeme,  welche  von  der  Stelle  des 
infolge  direkter  Einwirkung  des  Reizes  und  als  Resultat  des- 
selben aufgetretenen,  primären^  akuten  Ekzems  weiter  entfernt, 
gleichsam  gesunde  Hautpartien  überspringend  auftreten,  ver- 
danken ihr  Zustandekommen  dem  Umstände,  daß  einerseits 
die  Einwirkung  des  Reizes,  andererseits  das  daraufhin  auf- 
tretende Ekzem  in  dem  zu  ihrem  Gebiete  gehörenden  Haut- 
nervenendigungen  eine  derartige  Irritation  zu  stände  bringen, 
welche  auf  den  Nervenbahnen  ins  Zentrum  gelangend,  hier 
eine  sich  auf  die  Oesamthautdecke  oder  nur  auf  einzelne 
Gebiete  —  Prädilektionsstellen  für  das  sekundäre  Ekzem  — 
sich  erstreckende  angioneurotische  (Kaposi)  oder  tro- 
phische  (Eromayer)  Störung  hervorruft,  eine  derartige 
Störung,  welche  die  gesamte  Hautdecke,  beziehungsweise  jene 
gewissen  Partien  derselben  entweder  nur  geeignet  macht  für 
die  schnelle  Entwicklung  des  Ekzems  auf  einen  beliebigen 
geringen  Reiz  hin  oder  auch  selbst  schon  Ekzem  zu  erzeugen 
im  Stande  ist. 

Das  ist  die  Reflexekzemtheorie.  Für  diese  Theorie 
sprächen:  das  Auftreten  des  akuten  Ekzems  auf  symmetri- 
schen Stellen,  die  schnelle  Reaktion  mit  Ekzem 
des  größten  Teiles  der  Hautdecke  oder  der  ganzen 
Hautdecke  auf  geringe  Reize  hin,  wie  Druck  (?),  Reiben  (?), 
Eratzen  (?),')  Benetzen  mit  Wasser  etc.  beim  Auftreten  vom 
primären  akuten  Ekzem,  das  der  Entwicklung  des  Ekzems  vor- 
ausgehende und  das  Ekzem  bis  zum  Schlüsse  begleitende,  hoch- 
gradige Jucken,  endlich  die  Fälle  der  sog.  neurotischen 
Ekzeme.  Als  derartige  Ekzeme  werden  nämliph  die  mit  dem 
Zahnen,  der  Hysterie,  der  Pubertät,  der  Gravidität,  der  Klimax  etc. 
in  Zusammenhang  gebrachten  Ekzeme  aufgefaßt. 

Trotz  der  Plan sibili tat  der  Theorie,  trotz  dieser  f&r  sie  spreohenden 
Momente,  ist  sie  doch  nicht  allgemein  akzeptiert.  Fär  nicht  wahrschein- 
lich hält  dieselbe  Th.  Yeiel  (5);  Jar  i  seh  (6)  kann  dieselbe  nicht  mit  Be- 
stimmtheit akzeptieren,  am  meisten  dagegen  sind  die  Franzosen;  unter 
ihnen  in  erster  Linie  Besnier  (7),  der  —  ich  zitiere  hier  seine  Ansicht 
im  vollen  umfange  —  folgendes  sagt: 

„Wir  haben  schon  an  einer  anderen  Stelle  bemerkt,  da0  diese  Er- 
klärung sich  nicht  behaupten  kann,  wir  haben  keinen  Beweis  dafür,  daß 


')  8.  die  vorangehende  Arbeit  Prof.  Rona's. 


216  Csillag. 

einzig  und  allein  dadarch,  daß  an  irgend  einer  Partie  der  Hautdecke  ein 
alrates  d.  h.  im  allerersten  Stadiam  der  Entwioklang  begriffenes  Ekzem 
Bogegen  ist,  auch  eine  andere  Partie  der  Hantdecke  in  die  Qewalt  des 
Ekzems  fallen  würde.  Es  ist  möglich,  daß  dieses  sekundäre  Auftreten 
des  Ekzems  denselben  Ursprung  hat,  wie  das  primäre,  aber  es  ist  auch 
möglich,  daß  die  Ursachen  erst  später  werden  festgestellt  werden  können, 
doch  in  keinem  Falle  ist  es  notwendig,  daß  wir  uns  der  Theorie  des 
reflektorischen  Transfertes  zuwenden,  welches  übrigens  nur  bezüglich  der 
homologen  Punkte  als  Erklärung  betrachtet  werden  könnte. 

Es  ist  am  wahrscheinlichsten,  daß  aus  dem  infizierenden  Ekzem- 
herd stammende  Stoffe  bakterieller  und  toxischer  Natur  sowohl  in  die 
nähere  als  auch  in  die  weitere  Sphäre  gelangen  und  dadurch  ekzematöse 
Veränderungen  zu  stände  bringen,  teils  auf  chemischem  Wege,  teils  auf 
die  Weise,  daß  sie  an  den  weniger  widerstandsfähigen  Punkten  der  Ebnt 
d.  h.  an  den  Stellen  der  Follikelmündungen  auf  dem  Wege  der  Inokulation 
präekzematöse,  primäre  und  mikrobielle  Epidermititiden  erzeugen.  ** 

Wie  wir  aUo  ersehen,  ist  die  Ursache  des  Auftretens  des 
sekundären  akuten  Ekzems  noch  nicht  yöllig  klargelegt.  Über 
Beweise,  die  jeden  Zweifel  ausschließen,  verfügen  weder  die 
Anhänger  der  Reflextheorie  noch  die  Gegner  derselben. 

Die  Argumente  der  Reflextheorie  sprechen  nur  scheinbar 
für  dieselbe,  ebenso  können  dieselben  gegen  sie  Torgebracht 
werden. 

Nehmen  wir  dieselben  Punkt  für  Punkt  vor. 

Wir  wollen  zunächst  die  Symmetrie  betrachten. 

Ist  die  Symmetrie  der  Hautkrankheiten  stets  für  den 
Nerveneinfluß  beweisend? 

Betrachten  wir  eine  der  häufigsten  Hautkrankheiten,  die  Skabies. 
Die  Lokalisationen  dieser  Krankheit  sind  symmetrisch,  doch  wem  möchte 
es  in  den  Sinn  fallen,  dies  einem  Nenreneinflusse  cozusohreiben.  Die 
Skabies  pflegt  an  den  Stellen  ihrer  Lokalisation  sn  jucken,  was  zum 
Kratzen  reizt,  und  dieser  Reiz  genügt,  daß  an  diesen  Stellen  im  Anschlofi 
AU  das  Kratzen  Excoriationen,  zerstreute  Papeln»  aus  diesen  durch  In- 
fektion Impetigoherde  auftreten,  welche  Prozesse  naturgemäß  gleichfalls  sym- 
metrisch sind;  deswegen  ¥rird,  wie  ich  glaube,  niemand  hier  auf  Grund 
der  Symmetrie  das  Walten  eines  reflektorischen  Nerveneinflusses  seheui 
sondern  die  identische  Reaktion  auf  identischen  Reiz  von  unter  gleichen 
anatomischen,  physiologischen  und  —  wir  wollen  hinzufügen  —  patholo- 
gischen Verhältnissen  befindlichen  symmetrischen  Hautpartien  und  ferner 
Folgen  einer  von  außen  kommenden  Infektion.^) 


')  S.  die  vorangehende  Arbeit  Prof.  Rona's  über  die  Sache. 


Zar  Eozemfirage.  217 

Dies  ist  ein  Beispiel  dafür,  daß  eine  ektogene  Hautver« 
ändemng  auf  symmetrischen  Gebieten  der  Hautdecke  auch  ohne 
reflektorischen  Nerveneinfluß  zu  stände  kommen  kann. 

Da  haben  wir  femer  den  Maschinenarbeiter,  den  Schriftsetzer,  die 
mit  Terpentin  arbeiten,  die  beide  H&nde  gebrauchen;  die  Wäscherin 
wäscht  mit  beiden  H&nden  mit  laugigem  Wasser,  die  Weiber,  die  die 
Stiegenhäaser  reinigen  und  die  diese  Arbeit  kniend,  mit  bis  zum  Knie 
aufgeschürzten  Kleidern  vollziehen,  kommen  mit  beiden  Händen,  mit 
beiden  Unterarmen  und  auch  teilweise  mit  ihren  entblößten  Unterschenkeln 
mit  dem  stark  laugenhältigen  Wasser  in  Berührung ;  wenn  nun  bei  diesen 
Leuten  infolge  der  Einwirkung  des  Terpentins,  des  soda-  und  laugen- 
hältigen Wassers  an  einer  Hand,  einem  Arm  oder  Unterschenkel  ein 
Ekzem  auftritt,  dann  wäre  das  auffallend,  wenn  das  Ekzem  am  jenseitigen 
Glied e  nicht  auftreten  wärde,  ohne  Beflex,  bloß  infolge  der  direkten 
Einwirkung  der  erwähnten  Reize.  Und  so  könnten  wir  sehr  viele  Ekzeme 
durchgehen,  deren  direkte  Ursachen  wir  kennen,  ohne  daß  wir  die 
Reflextheorie  behufs  Erklärung  und  Begründung  des  symmetrischen 
Auftretens  heranziehen  müßten. 

Betrachten  wir  nun  andererseits  ein  entgegengesetztes  Beispiel,  wo 
der  Reiz  sicher  nur  die  Hautteile  der  einen  Eörperhälfte  trifft.  Betrachten 
wir  jene  häufig  genug  Torkommenden  Fälle,  wo  nur  an  der  einen  Unter- 
extremit&t  hochgradige  Yenenerweiterungen  vorhanden  sind  und  auf 
dieser  EIxtremität  venöse  Stauung  zugegen  ist;  dann  wird  die  kranke, 
widerstandsschwache  Haut  dieser  Unterextremität  auf  die  verschiedenen 
Reize:  den  stetigen  Druck  des  venösen  gestauten  Blutes,  der  Lymphe, 
die  Einwirkung  des  Schweißes,  die  reizenden  Salben,  die  Bäder,  die 
Mazeration,  mit  Ekzem  reagieren.  Indessen  wird  dieses  Ekzem  bloß  auf 
die  Unterextremität  lokalisiert  bleiben,  lange  Zeit  vom  Beginne  des 
akuten  Stadiums  an,  eventuell  Jahre  hindurch,  ohne  daß  die  andere  ge- 
sunde Unterextremität,  wenn  kein  nachweisbarer  Reiz  dazutritt,  bloß 
auf  dem  Wege  des  Reflexes  ekzematös  würde.  Derartige  Fälle  sind  häufig 
genug,  so  daß  diese  Tatsache  aUgemein  beobachtet  werden  kann,  und 
diese  spricht  dafür,  daß  ohne  direkten  Reiz,  bloß  an  und  für  sich  der 
Reflex  kein  symmetrisches  Ekzem  zu  erzeugen  vermag. 

H.  Hebra  sagt  im  oben  zitierten  Abschnitte  seiner  Arbeit,  daß 
wenn  wir  auf  der  Haut  der  einen  oberen  Extremität  künstlich  ein  Ekzem 
provozieren,  dann  nach  einigen  Tagen  an  der  korrespondierenden  Stelle 
der  anderen  Extremität  gleichfalls  ein  Ekzem  u.  zw«  spontan  auftreten 
wird.  Diese  Erscheinung,  wie  wir  aus  meinen  zu  schildernden  Experi- 
menten ersehen  werden,  habe  ich  in  keinem  einzigen  Falle 
beobachtet. 

Wenn  wir  nun  früher  einen  hinreichend  kräftigen  Beweis 
dafSr  gesehen  haben,  daß  das  symmetrische  Ekzem  noch  immer 
keinen  yorausgegangenenReflexeinfluß  voraussetzt,  dann  erscheint 


218  CsilUg. 

66  noch  wahrscheinlicher,  daß  in  dem  von  Kaposi  yorge- 
brachten  Beispiel  —  das  zum  scrotalen  Ekzem  sich  hinzu- 
gesellende  Gesichtsekzem,  bei  dem  nicht  einmal  die  Symmetrie 
vorhanden  ist  —  noch  weniger  der  Beflexeinfiuß  zur  Geltung 
kommt.  Nun  wollen  wir  untersuchen,  wie  es  sich  mit  der 
Neigung  zum  sofortigen  Auftreten  von  Ekzem  auf  der  ge« 
samten  Hautdecke,  insbesondere  an  den  Prädi- 
lektionsstellen des  Ekzems  während  der  Entwick- 
lung des  primären  Ekzems  verhält. 

Kaposi  sohreibt  dieses  Symptom,  wie  wir  gesehen  haben,  der 
darch  den  Reiz  und  das  dadurch  verarsachte  primäre  Eksem  ausge- 
lösten Blatgefößinnervationsstörang  zu,  Eromayer  derselben  Alteration 
oder  einer  reflektorischen  trophischen  Störung. 

Bei  der  Behandlang  dieser  Frage  müssen  wir  vor  Augen  halten, 
daß  hier  von  jenen  Ekzemen  keine  Rede  sein  kann,  von  welchen  man 
annimmt,  daß  sie  von  entogenen  Ursachen  bedingt  werden,  auch  von 
jenen  nicht,  deren  Ursachen  wir  überhaupt  nicht  klarlegen  können.  Die 
ersteren  können  hier  nicht  betrachtet  werden,  weil  die  inneren  Ursachen, 
als  Reize,  sowohl  auf  dem  Wege  des  Blutgefftßsystems,  als  auch  des 
Nervensystems  die  Hautdecke  irritieren,  sie  beziehen  sich  in  der  Regel 
auf  die  gesamte  Hautdecke,  wir  können  demgemäß  in  solchen  Fällen 
keine  primären  und  sekundären  ekzematösen  Herde  annehmen.  Die 
Ekzeme  aus  unbekannten  Ursachen  hinwiederum  müssen  deshalb  unbe- 
sprocLen  bleiben,  weil  wir,  wenn  wir  die  Ursache  nicht  kennen,  dann 
weder  die  Art  und  Weise  der  Einwirkung,  noch  die  Ausbreitung  der- 
selben kennen  und  demgemäß,  wenn  an  einer  Stelle  das  Elkzem  froher 
wie  an  einer  anderen  aufgetreten  ist,  die  letztere  Lokalisierung  nicht  für 
den  Reflex  der  ersteren  ansehen  könnten,  denn  der  Reiz  hat  ja  auch  an 
der  zweiten  Stelle  einwirken  können,  nur  nicht  vielleicht  so  lange  oder 
nicht  mit  einer  solchen  Intensität,  wie  an  der  ersten  Stelle  und  dies 
kann  der  Grund  für  das  spätere  Auftreten  des  Ekzems  an  der  zweiten 
Stelle  sein. 

Es  wären  demgemäß  nur  die  äußeren  bekannten 
ekz  ematogenen  Ursachen  jene,  bei  welchen  nach 
dem  Auftreten  des  primären  Ekzems  davon  die 
Rede  sein  könnte,  daß  sie  eine  Disposition  der 
Haut  zur  Ekzembildung  auf  dem  Wege  des  Re- 
flexes zu  erzeugen  im  stände  wären.  Diese  Ursachen 
sind  diejenigen,  welche  die  Dermatologen  bereits  in  dieser 
Eigenschaft  kennen,  weniger  bekannt  sind  dieselben  den  nicht 
spezialistisch  geschulten  Ärzten  und  ganz  unbekannt  sind  sie 
den  Laien. 


Zar  Eczemfrage.  219 

Die  Gefahr  niclit  keDnend,  bestrebt  sich  der  Laie  gar  nicht  einmal 
von  seiner  Haat  diese  Irritamente  fernzohalten,  oder  er  kann  dies  zafolge 
seines  Bernfes,  seiner  Beschäftigung  nicht  tan,  wodurch  die  Möglichkeit 
gegeben  ist,  daß  diese  Ekzem  verarsachenden  Irritamente  nicht  nur  an 
jener  Stelle  mit  der  Haat  in  Berührang  kommen,  wo  wir  das  primäre 
£kzem  auftreten  sehen,  sondern  aach  an  den  anderen  Partien  der  Haut- 
decke in  geringerem  oder  größerem  Maße,  insbesondere  aber  an  gewissen 
Partien  der  Hautdecke,  je  nach  der  Art  des  Irritaments,  der  Dauer  der 
Einwirkung  desselben,  nach  der  Beschäftigung  oder  Gewohnheiten  etc. 
des  zukünftigen  Ekzemkranken. 

Es  wäre  ja  auch  sonst  beiaahe  unmöglich  zu  vermeiden,  daß  irgend  ein 
Individuum,  wenn  auf  dasselbe  irgend  ein  Irritament  längere  Zeit  ein- 
vrirkt  oder  dieses  Individuum  mit  dem  Irritamente  manipuliert,  daß  das- 
selbe das  Irritament  an  die  häufigsten  Lokalisationsstellen  des  Ekzems 
nicht  heranbringe :  an  die  Hände,  die  Unterarme,  das  Gesicht,  die  Geni- 
talien, d.  h.  in  erster  Linie  an  die  von  Kleidern  nicht,  oder  weniger  be- 
deckten, und  dadurch  geschützten  Stelle  oder  ferner  nicht  durch  die 
Kleider,  die  langsam  mit  dem  Irritament  imprägniert  werden  —  wenn 
nämlich  dieses  darnach  geartet  ist  —  auf  die  Partien  der  Hautdecke  das 
Irritament  verschleppt  werde.  Besonders  hervorzuheben  ist  eine  Gruppe 
der  bekannten  äußeren  chemischen  Irritamente,  deren  gemeinschaftliche 
Eigenschaft  die  ist,  daß  sie  flüchtige  Bestandteile  enthalten  oder  selbst 
in  toto  flüchtig  sind,  wie  Jodoform,  Arnika,  Karbol,  Quecksilber,  Ter- 
pentin etc.,  welche  in  kurzer  Zeit  mit  verschiedener  Intensität  mit 
der  ganzen  Hautdecke  in  Berührung  kommen  können,  selbst  bei  vorsich- 
tiger Yerwendungsweise.  Stellen  wir  ans  nun  ein  Individuum  vor,  dessen 
unverletzte  Haut  bereits  sehr  empfindlich  gegenüber  dem  Jodoform  ist 
und  das  auch  nur  24  Stunden  lang  mit  Jodoform  behandelt  wird;  wird 
bei  diesem,  mag  die  Behandlung  noch  so  sorgfaltig  gewesen  sein,  das 
Jodoform  nicht  mit  allen  Teilchen  der  Haut  in  Berührung  kommen,  wenn 
auch  schon  der  Fernstehende  die  von  Jodoform  partikelchen  erfallte  Luft, 
die  ihn  umgibt,  spürt?  Kromayer  ist  in  solchen  Fällen  der  Ansicht, 
daß,  wenn  er  auf  der  Haut  an  der  Applikationsstelle  die  Reaktion  des 
Jodoforms  wahrnimmt  und  das  Jodoform  dann  sofort  entfernt,  daß  dann 
genug  geschehen  ist,  daß  die  Einwirkung  des  Jodoforms  auf  die  anderen 
Teile  der  Hautdecke  verbindert  werde,  oder  daß  man  derselben  zuvor- 
komme. Daß  dieses  Verfahren  für  einen  solchen  Zweck  unzureichend  ist, 
das  ergibt  sich  schon  aas  dem  oben  gesagten,  doch  würde  dies  auch  in 
dem  Falle  unzureichend  sein,  wenn  wir  das  betreffende  Individuum  in 
einem  Stoffe  baden  würden,  welcher  das  Jodoform  zersetzt  und  so  die 
weitere  Einwirkung  desselben  definitiv  prohibiert,  denn  es  ist  vom  Augen- 
blicke der  Verwendung  des  Jodoforms  bis  zum  völligen  Aufhören  seiner 
Einwirkung  —  hauptsächlich  in  dem  Falle,  wenn  wir  bis  zum  Anfange 
des  Auftretens  der  Reaktionsencheinungen  an  der  Applikationsstelle 
warten  —  ein  Zeitraum  verflossen,   innerhalb  dessen  auf  der  Hautdecke 


220  Ceillag. 

die  Reaktion  hat  anfangen  können,  wenn  aach  nur  sabjektiv  nnd  mit 
freiem  Auge  sichtbare  objektive  Zeichen  dies  noch  nicht  verraten. 

Wie  wir  nämlich  aus  einem  Versnche  (3.  Fall)  weiter  unten  ersehen 
werden,  können  noch  nach  Tagen  völliger  Entfernung  des  Irritaments 
subjektive  und  mit  freiem  Auge  sichtbare  objektive  reaktive  Erschei- 
nungen an  der  Applikationsstelle  beobachtet  werden,  ohne  daß  aur  Zeit  der 
Entfernung  des  Irritaments  irgend  eine  besondere  Veränderung  wahr* 
nehmbar  gewesen  w&re,  was  sweifellos  beweist,  daß  in  der  Haut  die 
Reaktion  bereits  im  Gange  gewesen  ist,  doch  so  geringgradig  war,  daß 
dieselbe  weder  subjektiv  noch  objektiv  wahrnehmbar  war. 

Auch  können  wir  nicht  außer  acht  lassen,  daß  von  den  Kranken, 
die  ein  akutes  Ekzem  bekommen  haben,  ein  Teil  noch  eine  ge- 
raume Zeit  in  derselben  Kleidung  herumgegangen  ist, 
welche  sie  zur  Zeit  der  Einwirkung  des  Irritaments  ge- 
tragen haben  und  an  welcher  das  Irritament  noch  lange  Zeit  hat  an- 
haften können. 

Wenn  wir  die  Art  und  Weise  der  Einwirkung  des  Irri- 
taments auf  die  Hautdecke  derartig  auffassen,  werden  wir  uns 
der  Annahme  nicht  zuwenden  müssen,  daß,  wenn  eine  Haut- 
partie an  akutem  Ekzem  erkrankt  ist,  und  daraufhin  die  ganze 
Hautdecke  oder  einzelne  Prädilektionsstellen  derselben  eine 
^^Disposition  für  das  Ekzem^  erlangen,  dass  diese  „Dispo- 
sition auf  reflektorischem,  angioneurotischemoder 
trophoneurotischem  Wege  zu  stände  kommt,  sondern 
wir  werden  uns  mit  der  natürlichen  und  einfachen  Erklärung 
begnügen,  daß  die  Stelle  des  primären  Ekzems  ganz  besonders 
der  Einwirkung  des  Irritaments  ausgesetzt  war,  daß  das  Irri* 
tament  in  konzentriertester  Form  auf  dieselbe  eingewirkt  hat, 
während  dasselbe  an  den  sekundären  Ekzemstellen  weniger 
intensiy,  kürzere  Zeit,  weniger  konzentriert  eingewirkt  hat,  oder 
der  Widerstand  größer  gewesen  ist. 

(Die  Einbeziehung  der  Idiosynkrasie  habe  ich  ab- 
sichtlich vermieden,  da  ich  mich  mit  derselben  gelegentlich  ein- 
gehender zu  beschäftigen  beabsichtige.) 

Das  Jucken  in  der  Lehre  der  Genese  des  sekundären 
Ekzems  hat  zuerst  Ferdinand  v.  Hebra  (9)  betont 

Von  der  in  Rede  stehenden  Rolle  des  Juckens  sagt  Török  (10)  in 
einer  Mitteilung  über  ekzematöse  Hautveräuderungen  folgendes:  „Irgend 
ein  Arbeiter  kommt  während  seiner  Beschäftigung  mit  seinen  Händen 
mit  irgend  einem  irritierenden  Stoffe  in  Beruhrang  nnd  infolge  dessen 
entwickelt  sich  auf  seinen  Händen  ein  nässendes  Ekzem.  Häufig  tritt  ein 
Jucken  auch   an  anderen  Körperteilen  (z.  B.  am   Qesichte)  auf,  welche 


Zur  Eczeznfrage.  221 

mit  dem  schädlichen  Stoffe  in  gar  keine  direkte  Berührang  gekommen 
tind  oder  an  der  ganzen  Körperoberfläche  schon  am  ersten  Tage  der  Entwick- 
lung der  Hautentzündung.  In  solchen  Fällen  kommen  häufig  beständige  oder 
rasch  schwindende,  oberflächliche  oder  auch  tiefere  Schichten  ergreifende, 
kleine  oder  ausgedehnte  Hautveränderungen  zu  stände,  deren  anatomische 
Grundlage  bloß  durch  Hyperämie  und  Ödem  gebildet  wird.  In  anderen 
Fällen  hingegen  entwickelt  sich  die  Ekzematisation  mit  besonderer 
Vorliebe  am  Gesichte,  in  der  Gegend  der  Ohren,  dann  am  Venoshügel. 
In  diesem  Falle  hat  das  das  artefizielle  Ekzem  begleitende  Jucken  in 
einer  entfernten  Region  oder  auch  auf  der  ganzen  Körperoberfläche  ein 
Jucken  ausgelöst,  das  unter  Vermittlung  des  Kratzens  zur  Ekzematisat ion 
führf  Im  ersten  Teile  seines  Lehrbuches  (11)  sagt  er  das  Folgende: 
^ Wir  müssen  annehmen,  daß  die  Krankheitsursache  durch  Irri- 
tation der  sensiblen  Nerven,  eventuell  unter  Vermittlung  des  Juckens 
(wie  bei  der  Krätze)  auf  reflektorischem  Wege  die  Verbreitung  des 
Prozesses  und  die  Erkrankung  der  entfernteren  Regionen  befördert 

Nach  dieser  Auffassung  also  würde  das  Ekzem  nicht  als 
solches  durch  den  primären  Reiz  und  das  primäre  Ekzem  aus- 
gelöst, sondern  das  das  primäre  Ekzem  begleitende  Jucken 
würde  an  einer  weiter  entfernten  Stelle  der  Hautdecke  Jucken 
auslösen.  Doch  haben  wir  keinen  Beweis  dafür,  daß  tatsächlich 
ein  an  iigend  einem  Punkte  der  Hautdecke  vorhandenes  Jucken 
wiederum  Jucken  auf  einem  entfernten,  vom  juckenden  Punkte 
durch  gesunde,  nicht  juckende  Hautpartien  getrennten  Punkte 
auslösen  kann. 

Das  von  Török  vorgebrachte  Beispiel,  die  Skabies,  halte  ich  für 
den  Beweis  dieser  Annahme  nicht  für  geeignet,  weil  die  Krätzmilben  bei 
der  Skabies  an  zahlreichen  Stellen  der  Hautdecke  sich  einnisten,  Nachts 
sich  auf  der  Oberfläche  der  Haut  bewegen  und  so,  wenn  die  Milben  auch 
nicht  die  ganze  Haut  bedecken,  das  durch  die  einzelnen  Milben  verur- 
sachte Jucken  auf  die  unmittelbar  benachbarten  Flächen  aus- 
strahlen kann,  welche  einander  berührend  die  ganze  Oberfläche  der  Ehiut 
okkupieren  können. 

Während  meiner  Versuche  habe  ich  zwar  in  zwei  Fällen 
beobachtet,  daß  nicht  nur  an  der  Versuchsstelle  ein  Jucken 
aufgetreten  ist,  sondern  an  dem  ganzen  Versuchsarme  (s.  die 
Versuchsfälle),  doch  kann  ich  dieses  Jucken  nicht  als  durch 
das  ursprüngliche  Jucken  ausgelöst  betrachten,  sondern  biu  der 
Ansicht,  daß  es  sich  per  continuitatem  ausgebreitet  habe, 
vielleicht  durch  Resorption  des  Reizes;  hiebei  bemerke 
ich,  daß  in  diesen  2  Fällen  das  durch  2  Tage  be- 
standene Jucken  nicht  von  Ekzem    gefolgt  wurde. 


222  Csillag. 

Wenn  wir  in  diesen  Fällen  txotz  alledem  ein  Beflexjucken 
annehmen  wollten,  so  könnte  es  sich  dann  nur  höchstens  auf 
das  Gebiet  der  irritierten  Nerven  beziehen  in  der  anmittelbaren 
Nachbarschaft.  Wenn  wir  dennoch  die  Existenz  des  Reflex- 
jnckens  zageben,  scheint  es  sonderbar,  daß  bloß  dieses  aus- 
gelöste Jacken  z.  B.  am  Gesichte,  ein  riesiges,  hyperä- 
misches  und  öderoatöses  Ekzem  binnen  einigen 
Stunden  provoziere,  ohne  dafiwir  an  dieser  Stelle 
die  geringste  Spur  des  Kratzens  bemerkten. 

Und  wie  wäre  ferner  auf  Grund  obiger  Annahme  die  Er- 
scheinung zu  erklären,  daß  z.  B.  bei  der  durch  Arnika  ver- 
ursachten Hautveränderung  beinahe  regelmäßig  auch  an  ent- 
fernteren Stellen,  in  erster  Linie  am  Gesichte  Hyperämien  und 
Ödeme  zu  stände  kommen,  während  in  Fällen  von  Skabies,  von 
Skabiosen  Hautläsionen  dies  kaum  beobachtet  wird,  trotzdem 
in  diesen  Fällen  gewißlich  eine  gesteigerte  Irritabilität  der 
BlutgePäße  und  Nerven  der  ganzen  Hautdecke  zugegen  ist, 
oder  wie  wäre  folgender  Fall  zu  erklären,  bei  dem  ein  aus- 
gesprochenes Jucken  nicht  zugegen  war,  bloß  ein  Gefühl  des 
Brennens   und    der  Kranke    sich  nicht  gekratzt  hat,   sondern 

nur  sein  Gesicht  sanft  gestreichelt  hat 

Der  Fall  ist  folgender: 

Fi-aa  K.  M.,  Witwe,  53  Jahre  alt,  Wäscherin,  wusch  das  Gesicht 
eines  Mannes,  der  in  seiner  Trankenheit  Kontusionen  an  seinem  Gesichte 
erlitten  hatt«,  mit  arnikahältigem  Wasser  und  machte  ihm  damit  Umschläge, 
worauf  an  ihren  Händen  nnd  ihrem  Gesichte  Ausschläge  auftraten.  Sie 
wurde  am  4.  September  auf  unsere  Kotlaufabteilung  aufgenommen,  von 
wo  sie  am  folgenden  Tage  auf  die  Hautabteilung  transferiert  wurde.  Am 
6.  September,  an  welchem  Tage  ich  die  Kranke  zuerst  sah,  war  der  Status 
folgender:  Zwischen  den  Fingern  der  linken  Hand,  auf  beiden  Unter- 
armen, in  der  linken  Ellbogenbeuge,  heller-  bis  zweitalergroße,  unregelmäßig 
gestaltete,  hyperämische,  mäßig  ödematöse,  von  mohnkom-  und  hirse- 
komgroßen  Papeln  und  Bläschen  bedeckte  Plaques  mit  verwischten 
Grenzen.  Die  Stirne,  das  ganze  Gesicht,  die  Ohren,  der  Nacken,  Hals, 
der  Stamm  vorne  bis  zu  den  Brüsten,  hinten  bis  zur  Höhe  der  Schultern 
mit  verwaschenen  Grenzen,  diffus  blaß-  bis  scharlachrot,  die  Haut  der 
Lider  gedonsen,  ebenso  das  Gesicht.  Das  ganze  erkrankte  Gebiet  ist  mit 
mohnkorn  großen  Papeln  bedeckt,  die  Haut  in  der  Gegend  des  Kinnes  ist 
mit  stecknadelkopfgroßen  bis  hanfsamengroßen,  wasserklaren  dünnwan- 
digen Bläschen  und  mit  eingetrockneten,  gelblichen  Krusten  bedeckt. 
Unter  den  Brüsten,  in  den  Schenkelbeugen  besteht  Intertrigo,  an  den 
anderen  Partien  der  Haut  besteht  keine  Veränderung. 


Zur  Eczemfrage.  223 

Der  Fall  ist  demnach  das  typische  klinische  Bild  eines 
akuten,  artefiziellen  Ekzems,  d.  h. :  an  den  Stellen  der  unmittel- 
baren Einwirkung  des  Irritaments,  an  der  Hand  und  dem 
Unterarm  ist  das  primäre  Ekzem  entstanden,  auf  reflektorischem 
Wege  soll  die  Veränderung  des  Gesichtes  und  dessen  Umgebung 
aufgetreten  sein,  beziehungsweise  ein  Jucken,  auf  das  infolge 
Eratzens  Ekzem  folgte. 

Wenn  wir  indessen  auch  in  die  anamnestischen  Details 
eingehen,  dann  erhellt  —  insofern  wir  der  Aussage  der  Kranken 
Glauben  schenken  dürfen  —  daß  sie  in  der  Nacht  vom  3.  auf 
den  4.  in  den  Augen,  dann  im  Gesichte  ein  mäßiges  Brennen 
gefühlt  hat,  ein  Jucken  überhaupt  nicht  und  sich  auch 
nicht  gekratzt  hat,  in  der  Frühe  war  das  Gesicht  bereits  an- 
geschwollen und  rot,  erst  am  5.  September  hat  sie  die  Aus- 
schläge an  den  Händen  bemerkt,  gleichzeitig  mit  einem  sehr 
geringfügigen  Jucken.  Was  wir  also  im  ersten  Augenblicke  für 
ein  auf  reflektorischem  Wege  zu  stände  gekommenes  Ekzem 
hätten  halten  können,  das  ist  zu  allererst  aufgetreten  u.  zw. 
dort,  wo  anscheinend  das  Irritament  die  Haut  nicht  direkt  getroffen 
hat,  während  an  jenen  Partien,  welche  das  Irritament  gewiß 
direkt  getroffen  hat,  die  Veränderungen  nur  später  aufgetreten 
sind,  das  Jucken  hat  in  diesem  Falle  nur  eine  sehr  unter- 
geordnete Bedeutung,  weil  sich  die  Kranke  überhaupt  nicht 
gekratzt  hat. 

Auf  Grund  der  Beflextheorie,  mag  nun  das  Resultat  des 
Reflexes  eine  angioneurotische  oder  trophische  Störung,  mag  es 
Jucken  sein,  kann  dieser  Fall  auf  keine  Weise  erklärt  werden,  trotz- 
dem die  Veränderungen  tatsächlich  in  obiger  Reihenfolge  haben  auf- 
treten können.  Sie  haben  auftreten  können,  weil  die  Veränderung  des 
Gesichtes  und  dessen  Umgebung  viel  ausgebreiteter,  viel  inten- 
siver und  in  einem  vorgeschritteneren  Stadium,  wie  an  den 
oberen  Extremitäten  war,  sie  haben  auftreten  können,  weil  die 
Kranke  die  Arnikatinktur  in  einem  Waschbecken  mit  Wasser 
verdünnt  hat,  sie  bei  jedem  Umschlagwechsel  sich  über  das 
Waschbecken  gebeugt  hat  und  so  die  flüchtigen  Amikabestand- 
teile  mit  dem  Gesichte  und  dessen  Umgebung  bis  zu  jener 
Grenze  in  Berührung  gekommen  sind,  bis  zu  welcher  die 
Kleidung    die  Haut   bedeckte    und   bis    wohin    der  Ausschlag 


224  Csillag. 

reichte,  abgesehen  davon,  daß  die  Kranke  möglicherweise  mit 
ihren  von  der  Arnikatinktur  benetzten  Händen  an  ihrem  Ge- 
sichte manipuliert  hat;  da  nun  die  Haut  des  Gesichtes  viel 
empfindlicher  war  wie  die  vom  fortwährenden  Waschen  gehärteten 
Extremitäten,  wird  dadurch  auch  die  Erscheinung  erklärt,  daß 
am  Gesichte  der  Ausschlag  früher  und  viel  intensiyer  aufge- 
treten ist,  wie  an  den  Extremitäten;  es  wird  ferner  die  An- 
nahme überflüssig,  daß  ein  durch  irgend  ein  Jucken  ausgelöstes 
Jucken  die  Ursache  für  derartige  Ekzeme  abgebe,  hauptsächlich, 
weil  in  diesem  Falle  Jucken  überhaupt  nicht  yorhanden  war. 

Übrigens  sagt  Török  (12)  in  einer  späteren  Arbeit  nur  sohon 
folgendes:  „Die  artefizielle  Dermatitis  der  Hände  kann  aaf  das  Gesicht 
überspringen,  anf  die  Gegend  der  Genitalien,  sie  kann  die  ganze  Körper- 
Oberfläche  ergreifen.  Dies  ist  der  klinische  Befund,  den  wir  erklären 
müssen.  Es  sind  mehrfache  Erklärungen  möglich.  Wenn  irgend  ein  flüch- 
tiger Stoff  die  Dermatitis  verursacht  hat,  dann  ist  es  möglich,  daß  der- 
selbe auf  die  sonstigen  Hautstellen  gelangt  ist  und  direkt  auf  dieselben 
schädlich  eingewirkt  hat.  Wenn  der  krankmachende  Stoff  nicht  flüchtiger 
Natur  war,  dann  ist  es  möglich,  daß  der  Kranke  denselben  mit  seinen 
Händen  auf  die  Autoinokulationsstelle  verschleppt  hat.  Damach  hält 
Török,  wie  ich  glaube,  heute  die  letztere  Erklärung  für  die  richtige, 
welche  auch  durch  meine  Versuche  bekräftigt  wird. 

Was  das  Heranziehen  der  sog.  neurotischen  Ekzeme 
als  Argument  für  die  Reflextheorie  anbelangt,  daß  nämlich  diese 
Ekzeme  direkte  Folgen  von  Störungen  des  Nervensystems  (zur 
Zeit  der  Dentition,  Pubertät^  Gravidität,  Klima  etc.,  im  Ver- 
laufe der  Hysterie)  also  gewissermaßen  neurotische  Ekzeme 
zentralen  Ursprunges  wären,  was  also  zum  Beweise  der  An- 
nahme dienen  würde,  daß  auch  zentrale  Reize  auf  der  Haut- 
decke Ekzeme  zu  erzeugen  im  stände  wären  ohne  jede  weitere 
Ursache,  das  alles  ist  ganz  und  gar  nicht  bewiesen. 

Schon  Plambe  (IS)  hat  den  bei  Kindern  während  der  Dentition 
anftretenden  Strophulus,  eiue  in  iräheren  Zeiten  so  benannte  Art  des 
Eksems  (?)  der  Reizung  durch  Verbände,  durch  die  Kleider,  der  mangel- 
haften Haatpflege  etc.  und  nicht  dem  Einflasse  des  Nervensystems  zuge- 
schrieben. Gewiß  kann  gleichfalls  ein  Teil  der  zur  Zeit  der  Pubertät, 
der  Gravidität  etc.  auftretenden  Ekzeme  nur  einer  zaf&Uigen  Koinzidenz 
zugeschrieben  werden,  und  auch  der  andere  Teil  kann  nur  in  einem  in- 
direkten Zusammenhange  mit  den  erwähnten  „neurotischen '^  Zuständen 
stehen  in  der  Art,  daß  mit  diesen  Zuständen  gewisse  Veränderungen  des 
ganzen  Organismus  einhergehen  und  so  auch  der  Hautdecke,  u.  zw.  der 
letzteren  in  gewissen  Fällen   vielleicht    von  der  Art,   daß  sie  sich  eben 


Zar  £ksemfrage.  225 

aIb  Difposition  lo  Ekiem  Anßeriiy  za  deasen  Aaslösung  eine  Gelegenheits- 
nnache  doch  gewiß  erforderlich  ist.  Daß  es  eine  derartige  Disposition 
der  Hantdecke  far  Eksem  gibt,  daß  diese  Disposition  variabel  ist,  das 
wird  dnrch  die  klinischen  Beobachtungen  gezeigt,  was  aber  das  Wesen 
dieser  Disposition  —  beruhend  anf  einer  nervösen,  anatomischen  oder 
physiologischen  Ver&ndernng?  —  ist,  darftber  sind  wir  derzeit  noch  im 
Dunklen.^) 

Diese  gegen  die  Reflextbeorie  vorgebrachten  Gründe  haben 
uns  bewogen,  dieselbe  nicht  zu  akzeptieren;  wir  erklären  das 
Zustandekommen  der  bei  demselben  Individuum  in  raschem 
nacheinander  auf  den  verschiedenen  Stellen  der  Hautdecke 
auftretenden  Ekzeme  auf  die  Weise,  daß  an  jeder  ein- 


*)  YoUstandigkeitshalber  will  ich  hier  noch  Thiebierge's  (14) 
Aofibssnng  über  die  „eruptions  artificielles"  (welche  im  Sinne 
der  Wiener  Schule  mit  artifiziellem  Ekzem  gleichbedeutend  sind),  an- 
fahren, welche  auch  gegen  die  Annahme  der  Reflextheorie  spricht: 

i,Die  Pathogenie  dieser  sekundftren  (von  der  primärange- 
griffenen Stelle  entfernt  auftretenden)  L&sionen  ist  komplex  und 
wechselnd. 

Die  Ursachen  einzelner  derselben  werden  durch  zufalligen  und 
außerhalb  der  Beschäftigung  zu  stände  kommenden  Eontakt  mit  den  schäd- 
lichen Stoffen  dargestellt:  so  die  Übertragung  auf  das  Glied  beim  Uri- 
nieren, die  Übertragung  auf  irgend  einen  anderen,  aus  irgend  einem 
Grunde  juckenden  Körperteil  bei  Gelegenheit  des  Kratzens  (z.  B.  bei  Ge- 
genwart eines  Parasiten)  etc.;  die  zufällige  Übertragung  im  Schlafe  bei 
solchen  Arbeitern,  die  nicht  genfigend  auf  Eeinlichkeit  achten  etc. 

Ein  anderes  Mal  wird  die  Ursache  dieser  sekundären  Herde  nicht 
durch  die  Übertragung  des  bei  der  Beschäftigung  gebrauchten  schäd- 
lichen Stoffes,  sondern  durch  das  Sekretionsprodukt  der  pri- 
mären Läsion  und  durch  das  Zerstreuen  des  darin  enthaltenen  in- 
fektiösen Stoffes  bedingt.  („Mais  la  dissemenisation  des  produits  de 
secretion  de  la  lösion  premiöre  et  des  agents  infectieux  qu'  ils  renferment''.) 
Analog  sind  diese  mit  jenen  sekundären  Herden,  welche  durch  Inokulation 
bei  sämtlichen  infektiösen  oder  infizierten  Dermatosen  zu  stände  kommen 
können. 

Diese  Art  der  Pathogenie  ist  die  Eigenschaft  der  Dermatosen  von 
pyodermitisohem  Typus,  hieher  zählen  auch  einige  Erankheits- 
formen,  welche  in  die  Reihe  der  ekzematiformenEruptionen  gehören. 

Sie  können  viel  leichter  zu  stände  kommen,  wenn  die  primäre 
Eruption  von  Jucken  begleitet  ist  und  wenn  irgend  eine  innere  oder  äußere 
Ursache  zu  gleicher  Zeit  an  einer  anderen  Körperstelle  ein  Jucken  provoziert.*^ 

Der  erste  Teil  dieser  Erklärung  wird,  wie  wir  sehen,  durch  unsere 
eigene  Erfahrung  bestätigt,  in  die  Kritik  des  zweiten  Teiles  kann  ich 
mich  jedoch  noch  nicht  einlassen. 

Areh.  f.  Dennat.  n.  Syph.  Bd.  LXIII.  15 


226  Csillag. 

zelnen  Stelle,  an  welcher  das  Ekzem  aufge- 
treten ist,  dasselbe  Irritament  direkt  auf  die 
Hautdecke  eingewirkt  hat,  teilweise  auf  eine 
wahrnehmbare  Weise,  teils  unbemerkt^  durch 
zufällige  Übertragung,  oder  durch  in  die  Luft 
gelangte  Partikelchen. 

Daß  die  letztere  Erklärung  die  richtige  ist,  das  wird  durch 
folgende  Darlegungen  bewiesen: 

Halten  wir  uns  nur  solche  Individuen  vor  Augen,  deren 
Haut  einem  gewissen  Stoffe  gegenüber  eine  Idiosynkrasie  be- 
sitzt, halten  wir  uns  diesen  Stoff  vor  Augen  u.  zw.  1.  dann, 
wenn  mit  demselben  der  Kranke  selbst  nach  seiner  Laienart 
manipuliert,  2.  wenn  eine  geübte  Hand  Versuches  halber  damit 
umgeht;  betrachten  wir  einmal,  was  im  ersten  und  was  im 
zweiten  Fall  erfolgen  wird. 

Nehmen  wir  beispielshalber  die  Arnikatinktur  und 
solche  Individuen,  deren  Haut  diesem  Arzneistoffe  gegenüber 
sich  sehr  reaktionsfähig  erweist. 

Die  erste  Frage  wird  durch  die  Fälle  beantwortet,  welche  ich  in  einer 
Mitteilang  in  „Orvosok  Lapja^  (15)  [ungar.]  publiziert  habe.  In  dieser  Pu- 
blikaton  werden  15  Fälle  besprochen,  in  denen  die  Kranken  auf  verschie- 
dene Wunden  (Schnitt-,  Stichwunden,  Kontusionen,  £xcoriationen)  Ar- 
nikatinktur appliziert  haben  in  Form  von  Abspülungen,  Waschungen, 
Umschlägen  etc. 

Unter  diesen  15  Fällen  betraf  die  Yerletzang  Smal  nur  das 
Gesicht  und  nach  Anwendung  der  Arnika  trat  die  Reaktion 
auch  nur  im  Gesichte  auf. 

In  den  übrigen  10  Fällen  betraf  die  Verletzung  die  Finger  der 
einen  oder  anderen  Hand  oder  die  eine  Hand  oder  einen  Unterarm.  In 
diesen  Fällen  wurde  die  Arnikatinktur  auf  das  verletzte  Glied  appliziert. 
Die  Reaktion  trat  in  1  Falle  nur  in  der  Umgebung  der  Applikations- 
stelle am  Unterarme,  in  3  Fällen  an  beiden  Händen,  beziehungsweise 
Unterarmen  und  am  Gesichte  und  an  dessen  Anhängseln  (Nase,  Ohren, 
Lider);  in  8  Fällen  an  denselben  Stellen,  ferner  am  Halse,  oberen  Teile 
der  Brust,  Nacken,  beziehungsweise  am  oberen  Teile  des  Rückens  und 
schließlich  in  3  Fällen  an  den  zuletzt  genannten  Stellen,  außerdem  bei 
2  Männern  am  Gliede,  am  Hodensacke,  (bei  einer  Frau)  an  der  Innen* 
fläche  der  Schenkel,  an  den  Unterschenkeln,  am  Gesäße  und  an  der  Taille 
und  am  Bauche  auf. 

Unter  diesen  10  Fällen  ist  also  in  allen  10  die  Reaktion  an  der 
direkten  Angriffstelle  des  Irritaments  auf  die  Haut  aufgetreten,  wir  ver- 
stehen darunter  beide  Hände,  weil  der  Kranke  mit  der  gesunden  Hand 


Znr  Eksetnfrage.  227 

auf  die  kranke  die  Arnika  appliziert,  in  9  Fällen  ist  die  Reaktion  anch 
am  Gesichte  aufgetreten,  der  Haatoberflftche,  welche  nicht  mit  Kleidern 
bedeckt  und  geschätzt  ist  und  auf  welche  die  dort  sehr  oft  manipulierende 
Hand  am  leichtesten  die  Arnika  überträgt  oder  wohin  durch  die  Luft  am 
leichtesten  die  flüchtigen  Bestandteile  der  Arnika  gelangen,  in  6  Fällen 
am  Nacken  und  am  oberen  Teile  der  Bmst  und  des  Rückens,  welche 
Partien  zwar  teilweise  von  Kleidern  bedeckt  and  geschützt  sind,  aber 
per  continuitatem  vom  Gesichte  und  Halse  her  bis  zu  einer  gewissen 
Entfernung  vom  Reize  und  von  der  Reaktion  getroffen  worden  können; 
nur  in  S  Fällen  an  den  Genitalien,  welche  bereits  durch  die  Klei- 
dung geschützt  werden,  aber  zeitweise  von  den  Händen  berührt  werden; 
dort,  wo  die  Arnika  am  schwersten  Zutritt  hatte,  am  Bauche,  der 
Taille,  den  Unterichenkeln,  trat  die  Reaktion  nur  in 
je  1  Falle  auf. 

In  1  Falle  fand  die  Verletzung  an  der  linken  Kniescheibe  statt,  die 
Reaktion  auf  die  Anwendung  von  Arnika  trat  nur  an  der  linken 
unteren  Extremität  und  am  Gesichte  auf. 

In  diesem  Falle  hätte  die  ReSexreaktion,  wenn  wir  uns 
der  Reflextheorie  bedienten,  in  erster  Linie  an  der  rechten 
unteren  Extremität,  eher  wie  am  Gesichte  auftreten  sollen, 
doch  mit  Außerachtlassung  der  Symmetrizität  —  weil  die 
Kleidung  die  andere  untere  Extremität  vor  der  Reflexwirkung 
bewahrte  —  trat  die  Reaktion  am  unbekleideten  und  schutz- 
losen Gesicht  auf. 

In  1  Falle  schließlich  fand  die  Verletzung  an  der  rechten 
Hand  und  am  Gesichte  statt  und  auch  die  Reaktion  trat  nur 
an  diesen  Stellen  auf. 

Die  Lehre,  die  sich  aus  diesen  Fällen  ergibt,  ist  folgende  : 

Die  Arnikatinktur  ruft,  wenn  dieselbe  ohne 
gehörige  Vorsicht,  von  Unberufenen  appli- 
ziert wird,  tatsächlich  eine  Reaktion  nicht 
nur  an  der  Applikationsstelle,  sondern  auch 
an  entfernten,  von  der  A  pp  likati  o  n  s  s  t  e  11  e 
durch  unveränderte  Hautpartien  getrennten 
und  anscheinend  auch  an  solchen  Stellen  her* 
vor,  wohin  die  Arnikatinktur  nicht  gelangt  ist. 
Die  Häufigkeit  der  an  diesen  entfernten  Stellen 
auftretenden  Reaktionen  weist  indessen  eine  der- 
artige Reihenfolge  auf,  daß  sie  eher  die  Annahme 
notwendig    macht,    daß     die>    Arnikatinktur    von 

16» 


228  Cflillag. 

außen  hingelangt,  als  daß  die  Reaktion  auf  reflek- 
torischem Wege  zu  Stande  kommt. 

Das  sind  die  Argumente,  welche  für  den  identischen 
Ursprung  des  sekundären  Reflex-Ekzems  mit  dem 
primären  Ekzem  sprechen,  nämlich  daß  auch  ersteres 
aus  äußeren  Schädlichkeiten  entsteht:  gleichzeitig  sprechen 
aher  auch  dieselben  gegen  die  Annahme  der  Reflextheorie. 

Indessen  ist  es  nicht  notwendig,  daß  die  Anhänger  dieser 
Theorie  diese  Argumente  für  unumstößliche  Beweise  gegen  die 
Reflextheorie  betrachten. 

Den  unumstößlichen  Beweis  liefern  jene  Experimente, 
welche  ich  in  dieser  Richtung  angestellt  habe. 

Bis  nun  haben  wir  nämlich  gesehen,  daß  die  Arnikatinktur, 
wenn  wir  ihrer  Einwirkung  einen  unbehinderten  Ver- 
lauf gestatten,  im  Stande  ist  an  von  der  Applikatiousstelle  ent- 
fernten Partien  der  Haut  ähnliche  Veränderungen,  wie  an  der  ur- 
sprünglichen Applikationsstelle,  sogenannte  Reflexveränderungen 
zu  erzeugen;  jetzt  wollen  wir  untersuchen,  wie  sich  dieses 
Mittel  dann  verhält,  wenn  wir  dasselbe  anderApplikations- 
stelle  möglichst  vollständig,  luftdicht  abschließen,  so  dass 
dasselbe,  die  Applikationsstelle  ausgenommen,  mit  keiner  Haut- 
stelle des  Versuchsindividuums  in  Berührung  kommen  kann. 

Als  Versucbsindividuen  wurden  teils  Kranke,  die  an  Ekzem 
noch  nicht  gelitten  haben,  teils  solche,  die  früher  schon  an 
Ekzem  gelitten  haben,  teils  Ekzemkranke  verwendet. 

Die  Durchführung  des  Versuches  erfolgte  auf  der  Weise, 
daß  auf  die  bestimmte,  makroskopisch  gesunde  Hautpartie  ein 
in  Arnikatinktur  getauchtes  viereckiges  lintstück  oder  mehrfach 
zusammengelegte  Gazestücke  appliziert  wurden ;  darauf  wurde 
ein  größeres,  gleichfalls  viereckiges  Guttaperchablatt  gelegt  und 
die  Ränder  des  letzteren  wurden  mit  Zinkpflastermullstreifen 
hermetisch  abgeschlossen.  Auf  das  Ganze  wurde  ein  Wattever- 
band  angelegt 

Den  Verband  erneuerte  ich  alle  24  Stunden,  bei  jeder 
Gelegenheit  feuchtete  ich  die  Lint-  oder  Gazestücke  mit  der 
Tinktur  an  und  dies  tat  ich  so  lange,  bis  die  erwünschte 
Reaktion  eintrat,  welche  jedoch  —  ich  bemerke  es  nebenbei 
—  nicht  immer  auftrat. 


Zur  Ekzemfrage.  229 

Die  Fälle,  in  welchen  eine  Reaction  erfolgte,  sind  folgende : 

1.  A.  P.,  46  Jahre  alt,  Dienstbote,  wurde  am  8.  Juli  1901  auf  die 
HantabteiluDg  des  St.  Stephansspitals  mit  einer  ekzemati formen 
Dermitis  auf  der  ganzen  Hautdecke  aufgenommen.  Vom  Ausschlage 
waren  nur  Gesicht,  die  oberen  Teile  von  Rücken,  Brust,  Handteller  und 
Fußsohlen  frei.  Den  Ausschlaff  konnte  man  auf  einen  Verband  mit 
jygelber  Salbe*',  der  auf  ein  talergroßes  Ulcus  cruris  appliziert  wurde, 
zurückfuhren;  die  Salbe  durfte  Jodoform-Vaselin  oder  eine  andere 
Yaselinsalbe  gewesen  sein;  dieselbe  wurde  am  2.  Juli  auf  einer  Spitals- 
abteilung angelegt. 

Am  18.  Juli  war  der  größte  Teil  des  Ausschlages  zurückgebildet; 
an  diesem  Tage  legte  ich  auf  die  Inneofläche  des  unteren  Drittels  des 
rechten  Unterschenkels  an  einer  gesunden  Stelle  auf  die  oben  beschriebene 
Weise  einen  Verband  mit  Arnikatinktur  an. 

19.  Juli.  Die  kleine,  quadratformige,  mit  arnikahältiger  Gaze  be- 
deckte Versuchsstelle  ist  blaß-rot,  mäßig  infiltriert,  die  Ober» 
fläche  ist  gleichmäßig  mit  Stecknadelkopf-  bis  hirsen- 
großen Papeln  und  Papulo-Vesikeln  bedeckt.  An  den  übrigen 
mit  dem  Verbände  bedeckten  Teilen  besteht  keine  Veränderung.  Neuer 
Verband. 

20.  Juli.  Unter  dem  Watteverband  besteht  keine  Veränderung, 
unter  den  Zinkpflasterstreifen  1 — 2  Papeln;  unter  dem  Guttaperchablatte 

i zwischen  Gaze  und  Zinkpflaster)  spärliche  Papeln;  unter  der  Gaze  ist 
iie  Haut  blaßrot,  stark  infiltriert  und  die  Oberfläche  besteht  aus  bis 
hirsekorn^oßen  Papeln  und  Vesikeln  und  aus  Konglomeraten  von  Vesikeln. 
Stellenweise  sind  die  Vesikeln  geplatzt  und  man  sieht  ein  geringgradiges 
Nässen.  Am  selben  Tage  entfernte  ich  die  arnikahältige  Gaze,  die  Stelle 
derselben  reinigte  ich  mit  Äther,  unter  das  Guttaperchablatt  legte  ich 
sterile  Gaze;  sonst  war  der  Verband  ebenso  wie  früher. 

21.  Juli.  Die  Watte  ist  an  zwei  Stellen  durchnäßt,  darunter  am 
äußeren  Rande  des  Zinkpflasters  sind  an  einer  Stelle  zwei  hirsekorngroße 
Papeln;  nach  Entfernung  des  Guttaperchablattes  und  des  Zinkpflasters 
fand  ich  die  Gaze  ganz  durchnäßt ;  die  mit  Papeln  und  Vesikeln  bedeckte 
nässende  Fläche  ist  auch  heute  quadratformig,  nur  einigermaßen  größer, 
doch  erreicht  sie  die  Ränder  des  Guttaperchablattes  nicht;  rings  herum 
bis  zu  den  äußeren  Rändern  des  Zinkpflasters  sieht  man  stecknadelkopf- 
bis  hirsekomgroße  Papeln  in  mäßiger  Zahl.  Die  Intensität  des  Prozesses 
ist  nicht  ffesteigert. 

Verband  derselbe  wie  am  vorigen  Tage. 

22.  Juli.  Unter  dem  Watte  verband  keine  Veränderung.  Unter 
dem  Guttaperchablatte  und  dem  Zinkpflaster  zerstreute  Papeln  und 
wasserklare  Vesikeln;  die  quadratformige  Partie  ist  blaß,  cyanotisch;  die 
Papeln  und  Vesikeln  sind  von  der  Oberflftche  verschwanden,  die  ganze 
Fläche  sondert  reichlich  sanguinolentes  Serum  ab;  die  deckende  Gaze  ist 
reichlich  damit  imprägniert. 

An  diesem  Tage  deckte  ich  die  ganze  Fläche  mit  Lint,  das  mit 
Zinkraselin  bestrichen   wurde   und   darauf  gab  ich  einen  Watteverband. 

23.  Juli.  Unter  dem  Watteverbande  besteht  keine  Veränderung. 
Unter  dem  mit  Zinkvaselin  bestrichenem  Lint  an  der  Stelle,  welche 
früher  mit  Guttapercha  und  Zinkpflaster  bedeckt  war,  sieht  man  ziemlich 
dicht  stecknadelkopfgroße  Papeln  und  Bläschen  auf  mäßiff  hyperämischer 
Basis;  an  der  mit  Amikagaze  bedeckt  gewesenen  Fläche  löst  sich  die 
mazerierte  Epidermis  leicht  ab  und  darunter  liegt  fast  entblößt  das  tief- 
rote Gorium. 

Die  vom  Zinkpflaster  umschriebene  Grenze  wird  vom  Prozesse  ein- 
gehalten, so  daß  in  einem  größeren  Quadrate  das  mit  Arnikalint  bedeckt 
gewesene  kleinere,  bereits  verwischte  Grenzen  aufweisende  Quadrat  liegt. 


230  Csillag. 

24.  Jali.  Die  Intensität  des  Ausschlages  hat  sich  nicht  gesteigert, 
hat  sich  nicht  weiter  verbreitet,  sondern  ist  nnter  dem  Zinklint  eher  in 
Rückbildung  begriffen. 

26.  Juli.  Der  Prozeß  ist  in  Heilung  begriffen,  keine  Spur  von 
Weitergreifen. 

28.  Juli.  Die  Heilung  schreitet  fort,  das  Quadrat  ist  gut  ausnehmbar. 

1.  Aup^ust.  An  der  Stelle  des  gewesenen  Ausschlages  sieht  man 
eine  quadratförmige,  rötlich-braune,  ein  wenig  schuppende  Fläche,  an 
den  Rändern  Spuren  der  rückgcbildeten  Papeln. 

9.  August.  Die  Kranke  verläßt  das  Spital,  die  Stelle  des  Aus- 
schlages wird  bloß  durch  eine  blaßbraune  quadrat  förmige  Fläche  markiert. 

Bei  der  Kranken  haben  sich  inzwischen  die  am  Anfange  des  Ver- 
suches bestandenen  Veränderungen  der  ureprönglichen  Dermatitis  voll- 
ständiff  zurückgebildet,  eine  Rezidive  ist  nicht  aufgetreten,  auch  keine 
frischere,  andersweitige  Dermatitis. 

2.  R.  V.,  19  Jahre  alt,  Hausmädchen,  leidet  seit  Jahren  an  ver- 
schiedenen Stellen  der  Hautdecke  an  rezidivierendem,  sogenannten 
„spontanem**  £kzem  unbekannter  Ursache. 

Seit  18.  Juni  1901  ist  sie  wiederum  auf  der  Abteilung.  Jetzt  bestehen 
auf  der  behaarten  Kopfhaut,  in  der  rechten  Achselhöhle,  unter  der  rechten 
Brust,  unter  dem  Steißbein,  in  den  Gesäßfurchen  handtellergroße,  ausge- 
sprochen nässende,  ekzematöse  Flächen,  am  Stamme  und  an  den  oberen 
Gliedmassen  sind  zerstreute  hirsekorngroße,  hyperämische  Papeln  sichtbar. 

18.  Juli.  Ich  applizierte  an  der  Innenfläche  des  unteren  Drittels 
des  linken  Schenkels  nach  der  beschriebenen  Methode  auf  eine  von  Ekzem 
völlig  freie  Fläche  einen  Verband  mit  Arnikatinktur. 

19.  Juni.  Außerhalb  der  mit  Zinkpflaster  bedeckten 
Fläche,  ferner  unter  dem  Zinkpflaster  besteht  keine  Ver- 
änderung. An  der  mit  Arnikalint  bedeckten  Fläche  ist 
die  Haut  hyperämisch,  ödematös,  gleichmäßig  mit  zer- 
streuten Papeln  bedeckt;  die  nur  mit  Guttaperchapapier  bedeckte, 
zwischen  dem  Arnikalint  und  dem  Zinkpflaster  gelegene  Fläche  ist 
gleichmäßig  mit  bis  hirsekorngroßen,  hyperämischen  Papeln  ziemlich 
dicht  bedeckt,  welche  den  FolliKeln  zu  entsprechen  scheinen. 

Nach  Entfemunjpr  des  Verbandes  reinigte  ich  die  ganze  Partie  mit 
Äther  und  beließ  sie  trei. 

20.  Juni.  Das  Ödem  in  der  Mitte  hat  sich  so  ziemlich  suruck- 
gebildet,  sonst  hat  sich  der  Prozeß  mit  Beibehaltung  der  vom  Zink- 
pflaster gebildeten  Grenzen  nicht    verändert. 

21.  Juni.  Der  Prozeß  bietet  so  ziemlich  das  typische  Bild  des 
papulo-vesikulösen  Ekzems.  Vom  heutigen  Tage  an  behandelt  die  Kranke 
selDst  auch  diese  Partie  mit  Zinkvaselin,  an  welcher  sich  die  Verän- 
derungen nicht  weiterentwickelt  haben  und  bis  zum  Schlüsse  die  Zink- 
pflastergrenzen nicht  überschreitend,  ungeföhr  in  einer  Woche  mit 
Hinterlassung  einer  quadratförmigen  blaßbraunen  Pigmentierung  sich 
ruckgebildet  haben. 

Inzwischen  hat  sich  weder  das  ursprüngliche  Ekzem  verschlechtert, 
noch  haben  sich  neue  Ekzemplaques  gebildet;  auch  an  der  entspre- 
chenden Partie  des  anderen  Oberschenkels  ist  keine  Ver- 
änderung aufgetreten. 

8.  Frau  S.  D.,  50  Jahre  alt,  Dienstbote.  Sie  suchte  am  2.  Juli 
1901  mit  seit  6  Monaten  bestehendem,  ausgesprochenem,  infolge  Arbeit 
mit  laugigem  Wasser  aufgetretenem  „Ekzem**  beider  oberen  Extremitäten, 
das  bis  zum  mittleren  Drittel  der  Oberarme  reichte.  An  den  übris^en 
Teilen  der  Körperoberfläche  sieht  man  nur  streifenförmige  Kratzeffekte 
infolge  Kleiderläuse. 


Zar  Ekzemfrage.  231 

Am  26.  Jali.  Amikatinkturverband  auf  die  Innenfläche  des 
unteren. Drittele  des  rechten  Unterschenkels. 

27.  Juli.    Kar  mäßiges  Jucken. 

28.  Jali.  Intensiyeres  Jucken  and  an  der  Stelle  der  Amikagase 
sehr  oberflächliche  Stecknadelkopf-  bis  hirsekomgroße  Vesikeln.  Papeln 
sind  keine  zu  sehen. 

29.  Juli.  Das  Jacken  hat  nachgelassen;  an  der  Stelle  der 
Vesikeln  sind  hirsekomgroße,  randliche,  hyperämische  Ponkte  den  Haar- 
follikeln entsprechend. 

30.  J  a  1  i.  Das  Jacken  hat  aufgehört ;  die  Epidermis  ist  halb  ma- 
seriert,  sonst  besteht  keine  Veränderung. 

31.  Juli,  1.  August,  2.  August,  status  idem. 

Ich  entfernte  den  Verband,  reinigte  die  ganze  Partie  mit  Äther 
und  ließ  sie  unbedeckt. 

7.  August,  am  fünften  Tage  nach  Entfernung  des  Verbandes 
▼  on  der  verbunden  gewesenen  Oberfläche.  Jacken  ist  neuerlich 
aufgetreten,  dieses  hat  sich  fortwährend  gesteig[ert,  gestern  hat  es  sein 
Maximum  erreicht.  Heute  in  der  Frühe  ist  die  Haut  auf  der  der 
Arnikagaze  entsprechenden  quadratförmigen  Stelle  er^- 
thematös  und  darüber  erheben  sich  2  bohnengroße  mit 
blaßgelbem  Serum  gefüllte  Blasen. 

8.  August.  Status  idem.  Das  erlorankte  Gebiet  wird  mit  Zink- 
Vaselin-Lint  bedeckt. 

10.  August.  Das  ganze  der  Ausbreitung  des  Guttapercha- 
blattes entsprechende  quadratformige  Gebiet  ist  hyperämisch  und  in  hin- 
reichend scharfer  Begrenzung  infiltriert;  die  zwei  Blasen  sind  haselnuß- 
groß und  mit  gelblichem  Serum  gefüllt.    Jucken  hält  an. 

11.  August  Das  Jucken  hat  aufgehört.  Die  quadratformige  Hype- 
rämie und  Infiltration  ist  heute  noch  mehr  ausgesprochen,  ziemlich  scharf 
bec^renzt,  die  Blasen  sind  gesprungen  und  haben  sich  entleert;  beginnende 
kleinere  Vesikeln  sind  auf  der  Oberfläche  zu  sehen.  An  einer  Ecke  des 
Quadrates  bilden  sich  auf  hyperämischer  Basis  bis  hirsekomgroße  Papeln. 

13.  August.  Die  Kranke  verläßt  das  Spital.  Auf  den  seit  einigen 
Tagen  angewendeten  Zink-Lint  hat  sich  die  Infiltration  verringert,  die 
Entwicklung  von  Papeln  und  Vesikeln  bat  aufgehört,  die  bestehenden 
sind  geschwunden.  Der  Prozeß  ist  in  Röckbildung  begriffen.  Das  Ekzem 
der  Hände  und  Unterarme  hat  sich  so  weit  zurückgebildet,  daß  nur  an 
einzelnen  Stellen  eine  Infiltration  besteht.  An  den  übrigen  Teilen 
der  Haut  ist  keine  Veränderung  aufgetreten. 

4.  A.  F.,  19  Jahre  alt,  Dienstmädchen.  Sie  war  nie  hautkrank; 
sie  wird  wegen  rezidivierender  Lues  auf  der  Abteilung  behandelt.  Die 
Kranke  ist  anämisch,  hysterisch. 

18.  Juli.  Verband  mit  Arnikatinktur  an  der  Beugeseite  des 
linken  Oberarmes. 

19.  Juli.    Keine  Veränderung,  weder  subjektiv  noch  objektiv. 

20.  Juli.  Mäßiges  Jucken,  unter  dem  Okklusivverbande  ist  die 
Haut  hyperämisch,  unter  dem  Guttsperchablatte  sind  einige  Papeln, 
unter  der  Arnikagaze  sieht  mankleinstecknadelkopfgroße, 
hyperämische  Papeln  und  wasserklare  Vesikeln  konglo - 
meriert  in  quadratförmiger,  der  Gaze  entsprechender  An- 
ordnung: stellenweise  punktförmiges  Nässen. 

21.  Juli.  Kaum  ausffesprochenes  Jucken,  unter  der  Amikagaie 
ist  der  obere  Teil  der  Epidermis  mazeriert,  derselbe  kann  leicht  abge- 
wischt werden. 

22.  Juli.  Jocken,  wie  tags  vorher.  Die  bestehende  Veränderung 
ist  in  Rückbildung  begriffen. 


232  Csillag. 

28.  J  a  1  i.  Das  Jacken  hat  aufgehört.  Die  Hornsohichte  löst  sich  teil- 
weise ab,  sonst  hat  sich  die  am  20.  bestanden  gewesene  Veränderung 
zurückgebildet. 

24.  und  25.  Juli.    Keine  krankhaften  Veränderungen. 

26.  Juli.  Seit  gestern  intensiveres  Jucken.  Der  obere  Teil  der 
Epidermis  ist  neuerdings  mazeriert,  löst  sich  leicht  ab;  darunter  gering- 
gradige Irritation. 

27.  Juli.  Das  Jucken  hat  sich  heute,  am  10.  Tage  des  Versuches, 
bis  zur  Unerträglichkeit  gesteigert  und  hat  sich  auf  den  ganzen 
Versuchsarm  ausgebreitet.  Jenseits  der  Grenzen  des  Vrattever- 
bandes  ist  keine  objektive  Veränderung  zu  sehen.  Unter  dem 
Watteverband  ist  die  Haut  ein  wenig  hyperämisch  und  vom  Zinkpflaster 
bis  zum  Gattaper  chablatte  mehr  und  mehr  ödematös  Nach  Entremung 
des  Zinkpflasters  und  des  Gattaperchapapieres  erscheint  darunter  die 
Haut  hyperämisoh, stark  ödematös,  weist  einige  zerstreute  steck- 
nadelkopfgroße Papeln  auf.  Unter  der  Arnikagaze  ist  die  Ver- 
änderung maximal  ausgesprochen;  die  Haut  ist  hyperämisoh,  im 
stärksten  Grade  ödematös  und  ihre  Oberfläche  ist  diffus 
mit  Stecknadelkopf-   bis  hirsekorngroßen  Papeln  und  Pa- 

gulovesikeln    bedeckt,    welch    letztere    teilweise    aufge- 
rochen sind  und  reines  Serum  entleeren. 

Die  gestrige  Arnikagaze  wurde  darauf  gehalten,  sonst  reinigte  ich 
die  ganze  Umgebung  mit  Äther  und  legte  einen  ganz  frischen 
Verband  an. 

2d.  Juli.  Das  Jucken  ist  heute  bloß  auf  die  verbundene  Partie 
beschränkt,  die  hyperämisch  und  ödematös  ist.  An  der  Stelle  der 
grestrigen  Papeln  und  Papulovesikeln  lösen  sich  Epidermisteile  ab  und 
es  besteht  ein  minimales  Nässen.    Papeln  sind  keine  mehr  zu  sehen. 

29.  Juli.  Jucken  ist  nur  an  der  verbundenen  Haatpartie  vor- 
handen. Unter  der  Watte  besteht  weder  Hyperämie  noch  Ödem.  Nach 
Entfernung  des  Zinkpflasters  und  des  Guttaperchablattes  an  der  Stelle 
der  maximalen  Veränderung  —  der  quadratförmigen  Fläche  —  ist  die 
Haut  blaßrot,  mäßig  infiltriert,  Nässen  ist  nicht  mehr  vorhanden.  Neben 
dieser  Fläche  ist  eine  andere  quadratförmige  Fläche  zu  sehen  (wahr- 
scheinlich durch  Verschieben  der  Arnikagaze),  auf  welcher  in  ungleichen 
Gruppen  mohnkorn-  bis  hirsekomgroße  Papeln  und  feinwandige,  wasser- 
klaren Inhalt  bergende  Vesikeln  in  Entwicklang  begriffen  sind. 

Vom  heutigen  Tage  an  wird  die  ganze  Fläche  nach  Reinigung  mit 
Äther  unbehandelt  und  unbedeckt  gelassen. 

80.  Juli  Das  Jucken  hat  aufgehört.  Auf  der  älteren  quadrat- 
förmigen Fläche  und  ihrer  Umgebung  ist  bräunlich-rote  Verfärbung  und 
minimale  Schuppung,  auf  der  neuen  quadratförmigen  Fläche  sind  bloß 
3 — 4  leinsamen-  bis  erbsengroße,  gelbliche,  borkige  Auflagerungen  zu  sehen. 

81.  Juli.  Die  ganze  Veränderung  besteht  in  bräunlich-roter  Ver- 
färbung und  Schuppung. 

8.  August  Die  Kranke  verläßt  das  Spital.  Es  besteht  nur  eine 
blaßbrännliche  Verfärbung  an  der  Versuchsstelle. 

Während  der  ganzen  Versuchs-  und  Beobachtungszeit 
zeigte  sich  sonst  nirgends  auf  der  Haut  irgend  eine  Ver- 
änderung. 

5.  F.  B.,  47  Jahre  alt,  Kutscher.  Kranker  wurde  am  28.  Juli  1901 
auf  die  Abteilung  aufgenommen.  Patient  leidet  seit  Kindheit  an  rechts- 
seitigem Ohrenflusse  und  Ausschlage  der  Haut  dieses  Ohres,  seit  3  Jahren 
in  jedem  Sommer  angeblich  infolge  von  Schwitzen  an  einem  juckenden 
Ausschlage  des  Hodensackes,  femer  seit  Bfärz  d.  J.  an  einem  nässenden 
Ausschlage  am  rechten  Unterschenkel,  welch  letzterer  auf  die  Weise  ent- 
standen ist,  dass  er  infolge  Anordnung  seines  Arztes  wegen  eines  krönen- 


Zur  Ekzemfrage.  233 

großen,  schlecht  heilenden  Geachwftres  einen  Gammistmmpf  trug.  Den- 
selben nahm  er  erst  nach  einer  Woche  herunter,  wobei  es  sich  zeigte, 
daß  die  ganze,  vom  Gummistrumpfe  bedeckt  gewesene  Fläche  näßte.  An 
einer  anderen  Hautstelle  hatte  Patient  nie  einen  Ausschlag. 

Stat.  präs.  Auf  der  rechten  Ohrmuschel,  auf  der  Haut  des  Gliedes 
und  des  Hodensackes,  auf  dem  rechten  Unterschenkel  von  den  Knöcheln 
bis  zom  Knie  ein  Ekzem  ausgesprochen  chronischen  Charakters,  sonst 
besteht  nirgends  eine  Hautverinderung. 

8.  August  1901.  Auf  der  Beuffefläche  des  rechten  Ober- 
armes applizierte  ich  auf  die  beschriebene  Weise  einen 
Arnikaverband. 

9.  August.  Es  besteht  weder  eine  objektive  noch  subjektive 
Veränderung. 

10.  August.  Sehr  geringgradiges  Jucken,  die  Haut  ist  hyperämisch, 
die  Hornschicht  ein  wenig  gerunzelt,  beginnende  Papeln. 

11.  August.    Status  idem. 

12.  August.  Kein  Jucken.  Die  Ränder  der  mit  Arnika^aze  be- 
deckten Fläche  sind  hyperämisch,  minimal  infiltriert,  besäet  mit  klein- 
stecknadelkopfgroßen  Papeln.  Die  mit  Aruikagaze  selbst  bedeckte  Fläche 
ist  weniger  hyperämisch,  Papeln  sind  in  geringerer  Zahl  zu  sehen. 

13.  August.  Kein  Jucken.  Die  mit  Arnikagaze  bedeckte  Fläche 
wird  mit  Äther  gereinigt,  sie  zeigt  nun  einen  vom  gesunden  kaum  ab- 
weichenden Zustand. 

14.  August.     Status  idem. 

16.  Auffust.  Neuerdings  geringgradiges  Jucken,  Zeichen  be- 
ginnender Reaktion. 

17.  August.  Heute,  am  9«  Yersuchsta^e  besteht  ausgesprochenes 
Jucken.  Die  mit  Arnikagaze  bedeckte  viereckige  Fläche  ist  hyperämisch, 
infiltriert,  mit  Papeln  und  Vesikeln  besäet  und  näßt  stellenweise 
minimal. 

18.  A  u  g  u  s  t.  Status  idem. 

19.  August.  Unter  der  Arnikagaze  besteht  eine  diffuse  Infiltration, 
die  mazerierte  Homschichte  hat  sich  abgelöst,  es  besteht  mäßiges  Jucken ; 
ringsherum  unter  dem  Guttaperchablatte  sieht  man  zahlreiche  Stecknadel- 
kopf- bis  hirsekomgfroße,  blaßrote  Papeln  mit  grünlich-schwärz- 
lichen komedoartigeu  Punkten  an  ihrer  Spitze.  Jucken  ist 
kaum  vorhanden. 

20.  August.  Heute,  am  12.  Versuchstage  ist  das  Jucken  ge- 
schwunden, die  Veränderungen  innerhalb  der  vom  Zinkpflaster  gebildeten 
Grenzen  bieten  das  typische  Bild  des  papulösen,  vesiculösen  und  nässenden 
Ekzems.  Die  YersuchssteUe  wird  photographiert,  mit  Äther  gereinigt 
nnd  von  heute  an  unbedeckt  gelassen. 

28.  A  ugust.  Die  erkrankte  quadratfarmige  Fläche  ist  hyperämisch, 
mäßig  infiltriert  und  schuppt. 

26.  August.  Die  Infiltration  ist  geschwunden,  an  der  ^uadrat- 
f5rmigen  Fläche  besteht  eine  kleinlamellöse  Schuppung  und  eine  sehr 
blasse  braune  Pigmentierung. 

10.  September.  Auf  der  Applikationsstelle  der  Amikaflecke 
weicht  die  Färbung  der  Haut  von  der  normalen  kaum  wahrnehmbar  mit 
einer  bräunlichen  Nuance  ab. 

Während  der  ganzen  Versuchs-  und  Beobachtunfrs- 
seit  war  außer  den  vorhanden  gewesenen  Veränderungen, 
welche  inzwischen  auf  die  eingeleitete  Behandlung  hin 
eine  Besserung  erfuhren,  keine  andere  zu  sehen. 

6.  J.  P.,  18  Jahre  alt,  Stubenmädchen,  hat  angeblich  nie  an 
einer  Hautkrankheit  gelitten;  sie  befindet  sich  wegen  Lues  auf  der 
Abteilung. 


234  Caillag. 

Am  9.  Aiig[a8t  1901  appliiierte  ich  aaf  die  BeageflJtohe  des 
linken  Oberarmes  einen  Amikaverband. 

10.  Angust.  Sehr  geringes  Jacken;  die  Honuchichte  ist 
gernnzelt. 

11.  August.  Mäßiges  Jucken,  die  Hornschiohte  ist  gerunxelt, 
minimale  Hyperamie. 

12.  August.  Starkes  Jacken;  auf  der  von  der  Arnikag^se  be- 
deckten Partie  sieht  man  außer  den  vorhandenen  Veränderungen  ober- 
flächliche,   mohnsamengroße    Vesikeln    auf  schwach    infiltrierter   Basis. 

13.  August.     Status  idem. 

14.  August.  Mäßiges  Jucken;  sonst  erscheint  die  Haut  gerunzelt. 

15.  August.     Status  idem. 

16.  August.  Die  mazerierte  Homschichte  hat  sich  abgelöst.  Nach 
Reinigung  wird  frische  Amikagaze  appliziert. 

17.  August.  Starkes  Jucken.  An  der  Stelle  der  Arnika* 
gaze  auf  quadatförmiger  Fläche  besteht  Hyperämie,  ödem, 
die  Oberfläche  ist  dicht  besetzt  m  it  bis  hirsekorngroßen 
Papeln  und  Papulovesikeln;  vereinzelte  Papeln  sieht  man  auch 
unter  dem  Gnttaperchablatte. 

18.  Aufi^ust.  Starkes  Jucken,  Hyperämie,  intensiveres  ÖdeuL 
Die  Hornschichte  ist  mazeriert,  in  Ablösung  begriffen,  darunter  erheben 
sich  klein  Stecknadelkopf-  bis  hirsekorngroße  Vesikeln;  Nässen  ist  nur  in 
einer  Ecke  des  Vierecks  vorhanden.  Unter  dem  Guttaperchablatte 
erheben  sich  in  mäßiger  Anzahl,  an  der  Spitze  mit  schwärzlich- 
grünen, komedoartiffen  Punkten  versehene  Papeln. 

19.  August.  Jucken  am  ganzen  Arme.  Unter  der  Watte  besteht 
keine  Veränderung,   sonst  status  idem. 

20.  August.  Jucken  wird  auch  heute  am  ganzen  Arme  gefohlt» 
Die  bedeckte  Fläche  ist  bis  zum  äußeren  Rande  des  Zinkpflasters 
hyperämisch,  unter  dem  Zinkpflaster  erheben  sich  mohn-  bis  hirsekom- 
große  Papulo- Vesikeln,  vom  inneren  Rande  des  Zinkpflasters  bis  zur 
Amikagaze  ödematös  und  infiltriert,  mit  zahlreichen  bis  hirsekomgroßen 
Papeln  bedeckt,  unter  der  Amikagaze  sieht  man  bis  bohnengroße  Blasen 
mit  wasserklarem  Inhalte,  die  Hornschichte  ist  aufgelockert  und  durch 
Serum  emporgehoben. 

Heute  setzte  ich  den  Amikaverband  aus,  die  Blasen  inzidierte 
ich,  und  bedeckte  die  ganze  Fläche  mit  Zink-Vaselin-Lint. 

23.  August.  Eine  quadratformige  braune  Pigmentiernng  und 
mäßige  Schuppung  markieren  noch  die  Reaktion  auf  Arnika. 

26.  August.    Pigmentierung  und  Schuppung. 

10.  September.  Die  ganze  Reaktion  hat  sich  spurlos  zurück- 
gebildet. 

Während  dieser  ganzen  Zeit  ist  sonst  nirgends  auf 
der  Haut  irgend  eine  Veränderung  aufgetreten. 

7.  J.  T.,  23  Jahre  alt,  Tischler,  leidet  seit  seinem  8.  Monate  an 
Ekzem,  das  am  31.  Juli  1901  folgendes  Bild  darbot:  Auf  der  behaarten  Kopf- 
haut, den  Ohren,  Augenbrauen,  der  Stelle  des  Schnurrbartes  und  Backen- 
bartes, der  Haut  des  knorpeligen  Nasenrückens  besteht  ein  nässender, 
mit  Borken  bedeckter  oder  schuppender  Ausschlag;  auf  beiden  Hand- 
rücken, den  Dorsalflächen  der  Finger  bestehen  stecknadelkopfgroße 
Papeln  chronischen  Charakters  auf  cyanotischer  Basis ;  ähnliche  Papeln  in 
geringerer  Zahl  auf  einer  Basis  von  normaler  Hautfarbe  an  den  Unter- 
armen. Bis  hirsekorngroße  Papeln  befinden  sich  zerstreut  auf  dem 
Stamme,  dichter  gruppiert  an  der  Taille,  und  am  Gesäße  fließen  die- 
selben zu  schuppenden,  trockenen  Plaques  zusammen.  Die  Haut  des 
Hodensackes  ist  rötlich  zyanotisch,  trocken  und  schappend.  Beide 
Unterextremitäten,    hauptsächlich    im    unteren    Drittel    sind   mit  hyper- 


Zur  Ekzemfrage.  235 

ämlBchen  Papeln  und  mit  aas  Eonflaonz  derselben  entstandenen  trockenen, 
schuppenden  Placques  bedeckt;  auf  der  Innenseite  beider  Fersen  ist  eine 
kinderhandtellergroße;  exkoriierte,  nässende,  mit  Borken  und  Krusten 
bedeckte  Fläche. 

8.  August  1901.  Auf  die  Beugefläohe  des  rechten  Oberarmes  an 
einer  von  Ekzem  freien  Fläche  applizierte  ich  einen  Arnikaverband. 

9.  August.    Keine  Reaktion. 

10.  August.  Minimales  Jucken^  die  Hornschichte  ist  gerunzelt, 
es  besteht  eine  minimale  Hyperämie  und  Bildung  von  oberflächlichen 
Papeln. 

11.  August.  Das  Jucken  ist  intensiver  und  beständig.  Sowohl 
an  der  von  Arnika  bedeckten  Fläche,  als  auch  in  ihrer  unmittelbaren 
Nachbarschaft  unter  dem  Gnttaperchablatte  sind  in  ziemlicher  Anzahl 
isolierte,  an  der  Spitze  gräulich-schwarze,  komedoartige 
Punkte  aufweisende,  blafirote,  kleinstecknadelkopfgroße  Papeln  auf 
blaßroter  Basis  sichtbar. 

13.  August.    Status  idem. 

14.  August.  Die  Papeln  sind  bis  hirsekomgroß,  die  jrrünlich- 
sch Warzen,  komedoartigen  Funkte  auf  der  Spitze  derselben  sind  auch 
heute  gut  sichtbar. 

15.  August.     Status  idem. 

17.  August.  Das  Jucken  hält  an;  die  mit  der  Arnikagaze  und 
dem  Guttaperchablatte  bedeckte  Fläche  zeigt  in  ihrem  Zentrum  das 
Bild  eines  mäßig  ausgebildeten,  an  den  Rändernmit  Papeln 
sioh  ausbreitenden,  nicht  nässenden  Ekzems.  Den  Arnika- 
verband setzte  ich  aus. 

18.  August.  Das  Jucken  hat  sich  um  etwas  gesteigert,  die  Ver- 
änderungen haben  die  Quadratform  und  die  Grenzen  des  Guttapercba- 
blattes  inne. 

23.  August.  Das  Zentrum  der  Veränderung  ist  mäßig  infiltriert, 
hyperämisch,  uneben,  schuppend,  an  den  Rändern  sind  hirsekorngroße, 
hyperämische,  wenig  schuppende  Papeln  in  großer  Anzahl  vorhanden. 
Der  ganze  Prozeß  weist  einen  chronischen  Charakter  auf. 

26  August.  Die  Veränderungen  an  der  Versuchsstelle  haben  das 
gleiche  Aussehen  wie  die  ekzematösen  Veränderungen  der  übrigen 
Körperstellen,  besonders  wie  diejenigen  an  den  Handrücken.  Im  Yer« 
laufe  der  weiteren  Beobachtung  behält  der  Prozeß  an  der  Versuchsstelle 
seinen  Charakter  und  die  quadratförmige  Gestalt,  bleibt  ohne  Neigung 
zur  Rückbildung  bis  zum  16.  September,  an  welchem  Tage  Kranker  die 
Abteilung  verläßt. 

Inzwischen  haben  sich  die  übrigen  Ausschläge  der 
Haut  nicht  verschlimmert,  neuere,  akutere  Ausschläge  sind 
nicht  aufgetreten. 

8.  B.  S.^  17  Jahre  alt.  Kassierin,  hat  an  einer  Hautkrankheit  nie 
gelitten;  sie  wird  wegen  Papillome  auf  der  Abteilung   behandelt. 

Am  18.  Juli  1901  applizierte  ich  auf  die  Beugefläohe  des  linken 
Oberarmes  einen  Verband  mit  Arnikatinktur. 

19.  Juli.    Mäßiges  Jucken;   die  Hornschichte  erscheint  gerunzelt. 

20.  Juli.     Status  idem. 

21.  Juli.  Es  besteht  Jucken,  die  Hornschichte  ist  mazeriert,  läßt 
sich  leicht  abwischen. 

22.  Juli.  Das  Jucken  ist  geringer,  die  Hornschichte  ist  in  Re- 
generation begriffen. 

23.  Juli.  Das  Jucken  hat  aufgehört;  eine  Veränderung  ist  nicht 
zu  konstatieren. 

Vom  24.  bis  27.  Juli  besteht  weder  eine  subjektive,  noch  eine 
objektive  Veränderung. 


236  Gsillag. 

27.  J  o  1  i.  Minimales  Jacken,  die  Homschicht  ist  neaerdinfls  mazeriert. 

28.  Juli.  Das  Jacken  hat  sich  gesteigert;  anter  dem  Gattapercha« 
blatte  und  dem  Zinkpflaster  ist  die  Haut  m&Dig  ödematos  und  hyperftmisoh, 
unter  der  Amikagaze  sieht  man  beginnende  rapeln. 

29.  Juli.  Das  Jacken  hat  sich  bis  zur  unertrftglichkeit  gesteigert, 
die  Kraiüce  kann  deswegen  nicht  schlafen;  anter  dem  Gattaperchablatte 
und  dem  Zinkpflaster  Status  idem.  Die  unter  der  Arnika^aze  be- 
findliche quadratförmige  Fläche  ist  starker  infiltriert, 
besäet  mit  Papulo-Vesikeln. 

80.  Juli.  Das  Jucken  hat  ganz  aufgehört;  die  Hyperämie  ist 
minimal,  die  Infiltration  ist  geringer,  die  Papulo-Vesikeln  haben  sich 
nicht  weiter  entwickelt;  an  einzelnen,  kleinen  Partien  besteht  punkt- 
förmiges Nässen. 

31.  Juli.  Der  Verband  mit  Arnikatinktur  wird  ausgesetzt,  darunter 
ist  nur  eine  minimale  Hyperämie  und  Infiltration  vorhanden. 

1.  Aujffust.  Es  ist  noch  eine  bräunlich-rote  Piffmentierung,  eine 
minimale  Infiltration  und  schwache  Schuppung  vorhanden.  Während  der 
ganzen  Versuchs-  und  Beobachtungszeit  wurde  an  den 
sonstigen  Teilen  der  Haut  keine  Veränderung  wahrge- 
nommen. 

Wie  wir  also  auch  aus  diesen  acht  Versuchsfallen  er- 
sehen, yerursacht  zwar  die  Arnikatinktur,  wenn  wir  dieselbe 
luftdicht  abgeschlossen  applizieren,  die  ihr  entsprechende 
reaktive  Dermatitis  an  der  Applikationsstelle,  beziehungsweise 
auf  jenem  Hautgebiete,  auf  welches  sie  hin  zu  gelangen  ver- 
mochte, doch  überschreitet  sie  nicht  die  ihr  aufgestellten 
Schranken,  und  so  vermag  man  auch  ihre  Ausbreitung  auf  der 
Haut  per  continuitatem  nach  Willkür  zu  beherrschen.  Es  ist 
zwar  eine  Tatsache,  daß  Hyperämie  und  Ödem  auch  jenseits 
der  Schranken  in  der  Nachbarschaft  auftreten  können,  es  können 
sogar,  wie  wir  uns  bei  Versuchen  mit  anderen  Sto£Fen  über- 
zeugt haben,  zuweilen  auch  längere  lymphangioitische  Streifen 
von  der  Applikationsstelle  des  Irritaments  ausgehen  und  sich 
weit  jenseits  der  aufgestellten  Schranken  hinziehen,  indessen 
ist  die  Haut  über  denselben  völlig  glatt,  und  über  ihnen  ent- 
wickeln sich  keine  Papeln  und  keine  Yesikeln. 

Die  Hyperämie,  das  Ödem  und  die  Lymphangitis  sprechen 
sicherlich  für  die  Resorption  des  Irritaments;  das  Fehlen  von 
Papeln  und  Yesikeln  über  der  Hyperämie  und  dem  Ödem  der 
Nachbarschaft  und  die  Gegenwart  desselben  an  der  Applikations- 
stelle des  Irritaments  sprechen  mit  aller  Wahrscheinlichkeit 
dafür,  daß  zur  Bildung  derselben  eine  von  außen  konunende 
Alteration  der  Epidermis  durch  das  Irritament  erforderlich  ist. 

Der  3.  Fall  ist  auch  dafür  ein  eklatantes  Beispiel,  daß 
die  Reaktion  auch  in  längerer  Zeit  nach  dem  scheinbaren  Auf- 


Zor  Ekzemfrage.  237 

hören  der  Irritation,  in  unserem  Falle  nach  5  Tagen,  erfolgen 
kann;  wenn  wir  also  bei  einem  aus  bekannterUrsache 
aufgetretenem  Ekzem,  bei  welchem  die  Ursache 
scheinbar  zu  wirken  aufgehört  hat,  noch  weiter 
die  Entwicklung  Yon  neuen  Ekzemherden  be- 
obachten, so  müssen  wir  also  auch  in  diesem  Falle 
an  die  weitere  Einwirkung  der  ursprünglichen 
Ursache  denken. 

Wenn  wir  demgemäß  die  durch  die  Arnikatinktur  ver- 
ursachten Veränderungen  in  den  Fällen,  dasieunbeschränkt 
und  unkontrolliert  mit  der  Hautdecke  in  Be- 
rührung kommt  und  in  jenen  Fällen,  da  sie  auf 
eine  gewisse  und  vorher  bestimmte  Partie  der 
Haut  beschränkt  ist,  mit  einander  vergleichen, 
dann  sehen  wir,  daß  die  reaktiven  Erscheinungen 
in  den  ersteren  Fällen  auf  den  verschiedensten 
Stellen  der  Haut  auftreten,  während  dieselben  in 
den  letzteren  Fällen  nur  auf  das  vorher  bestimmte 
Gebiet  beschränkt  auftreten. 

Die  beschriebenen  Versuchsfälle  beziehen  sich  zwar  nur 
auf  Arnika,  doch  hatte  ich  ähnliche  Ergebnisse  auch  bei  jenen 
Versuchen,  welche  ich  mit  Emplastrum  Hydrargyri  cinereum 
(2  Fälle),  Emplastrum  adhaesivum  (10  Fälle),  10%  Pyrogallus- 
salbe  (4  Fälle),  mit  Jodoform  (2  Fälle),  mit  Borvaselin  (1  Fall), 
mit  Unguentum  Hydrargyri  (2  Fälle)  mit  positivem  Erfolge 
angestellt  habe;  indessen  um  Weitläufigkeiten  zu  vermeiden, 
will  ich  diese  Versuche  hier  nicht  ausführlicher  besprechen.') 

Mit  7  verschiedenen  chemischen  Irritamenten  habe  ich 
39  Versuche  mit  positivem  Erfolge  angestellt,  deren  Resultat 
stets  dasselbe  war.  Eine  ekzematöse  Veränderung  ist 
weder  jenseits  der  der  Einwirkung  desirritaments 
aufgestellten  Grenzen  per  continuitatem  aufge- 
treten,   noch    hat    sich    dieselbe    an    Hautstellen, 


^)  Efl  wird  die  Aufgabe  weiterer  QntersachaDgen  sein,  klarzalegen, 
inwiefern  in  diesenFällen  von  den  Saboureau  d'schen  (16)„P  astulations- 
tranmatiqueB  mädicamenteases*  die  Rede  sein  kann,  welche  nach 
S.  beim  DazwiBcbentreten  gewisser  chemischer  Reize  durch  die  Staphylo- 
kokken hervorgerufen  werden. 


238  Ceillag. 

welche  von  der  Einwirkungsstelle  des  Irritaments 
entfernt  waren,  quasi  sprungweise,  entwickelt;  die 
ekzematösen  Eruptionen  sind  stets  innerhalb 
dieser  Grenzen  aufgetreten. 

Wenn  also  in  den  Versuchsfällen  an  von  der 
Versuchsstelle  (=  Stelle  der  Einwirkung  des 
Irritaments)  entfernten  Stellen  eine  ekzematöse 
Veränderung  nicht  auftritt,  während  wir  dies  in 
den  klinischen  Fällen  beobachten,  dann  kann  die 
Ursache  hieyon  nur  darin  liegen,  daß  das  Irrita- 
ment,  wenn  auch  nur  zufällig,  an  die  entfernten 
Stellen  hingelangt  ist  und  dort  seine  ekzemproYO- 
zierende  Einwirkung  entfaltet  hat. 

Da  die  Reflextheorie  in  derLehre  desEkzems 
in  dem  Sinne,  in  welchem  es  die  zitierten  Autoren 
lehren,  keine  Berechtigung  hat,  bin  ich  dafür,  daß 
sie  als  überflüssig  und  unrichtig  aufgegeben  werde. 


Literatur. 

1.  M.  Kaposi.    Pathologie    und   Therapie    der  Hantkrankheiten. 
y.  Aufl.  pafiT.  494. 

2.  H.  Heb  r  a.  Die  krankhaften  Yeränderangen  der  Haut.  1884.  p.  85. 

3.  Eromayer.    Allgemeine  Dermatologie.  1896.  pag.  110. 

4.  F.  y.  Hebra  und  M.  Kaposi.  Handbuch  der  Hautkrankheiten. 
1.  Band.  IL  Aufl.  pag.  463. 

6.  Th.  Veiel.  Ziemssens  Handbuch  der  speziellen  Pathologie  und 
Therapie.  XIY.  Bd.  I.  Hälfte.  Handbuch  der  Hautknuikheiten.  £kxema.  p.368. 

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9.  F.  V.  Hebra.    Hautkrankheiten.  1860.  pag.  379. 

10.  L.  Török.    Az  eczemas  börelvältozäsok  jelentösögöröl  es  a  bor 
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11.  L.  Török.  A  börkortan  kezi  köoyye.  Altalanos  räsz.  1898.  p.  87. 

12.  L.  Török.    Az    eczema  parasitarius  eredet^nek  kerd^se.   Gyo- 
gyaszat 1899.pag.  790—791. 

13.  Plumbe.    Praktische  Abhandlung   von    den   Hautkrankheiten. 
1826.  Weimar,  pag.  147. 

14.  Thibierge.  Eruptions  artificielles.  in:   La  Pratique  Dermato- 
logique  Besnier,  Brocq,  Jaquet.  1901.  pag.  442. 

15.  J.  Csillag.    Az   arnica   okozta   dermitisröl    16   eset    kapcsän. 
Orvosok  Lapja.  1901.  Nr.  4—6. 

16.  Saboureaud.    Folliculi tes  (Pustulations)  traumatiqnes  medica- 
menteuses.  in :  La  Pratique  Dermatologique.  1901.  IL  pag.  683 — 684. 


Ans  Dr.  med.  A.  Eleenberg's  Abteilung  Ar  Hant-  n.  venerieche 
Zrankheiten  am  ieraelitischen  Erankenhanse  in  Warsohan. 


Sarcoma  idiopathicum  multiplex  en  plagues 
pigmentosum  et  lymphangiectodes. 

Eine  eigentflmliche  Form  der  sog.  Sarcomatosis  cntis. 

Von 

Dr.  Robert  Bernhardt, 

Ant  am  8t.  Lazarua-Hoapital  in  Wanchaa. 

(Hieau  Taf.  XIII  u.  XIV.) 


Der  vorliegende  Fall  von  Sarcomatosis  cutis,  dem  ich 
hier  eine  eingehende  Beschreibung  widme,  unterscheidet  sich 
wesentlich  von  den  gewöhnlichen,  bis  jetzt  beobachteten  klini- 
schen Typen.  Der  histologische  Bau  ist  zwar  in  vielen  Punkten 
mit  dem  Typus  a)  Kaposi  identisch,  das  klinische  Bild  ist 
jedoch  so  abweichend,  daß  eine  Absonderung  dieses  Falles  und 
Herstellung  einer  neuen  (klinischen)  Gestalt  wohl  gerechtfertigt 
erscheinen  wird. 

Abraham  Usoher  W.,  26  Jahre  alt,  Israelit,  ein  Glaser  ans  dem 
Städtchen  Wiskitki  (Gonvem.  Warsohaa)  wurde  in  die  Abteilung  am 
4.  April  1901  aufgenommen  (Nr.  2764  des  Hauptbuches).  Er  stammt  aus 
einer  gesunden  Familie.  Seine  Eltern  leben  und  sind  gesund.  Von  seinen 
Geschwistern  (2  Brüder  und  4  Schwestern)  leidet  nur  eine  Schwester 
schon  lange  an  einer  Augenkrankheit.  Niemand  von  seinen  Verwandten 
unterlag  jemals  einer  solchen  Erkrankung,  die  wir  bei  unserem  Patienten 
beobachten.  Er  selbst  war  immer  gesund,  seine  Kindheit  ausgenommen. 
Venerische  Krankheiten  hat  er  nie  durchgemacht. 

Das  Leiden,  welches  jetzt  unser  Interesse  erregt,  begann  vor 
7 — 8  Jahren  unter  folgenden  Umständen.  Der  Vater  des  W.  ist  Eigen- 
tümer eines  Schwitzbades  im  Städtchen  Wiskitki.  Unser  Patient  war 
■einem  Vater  recht  behülflich,  jedoch  bei   seiner  Beschäftigung  durch- 


240  Bernhardt. 

näßte  er  stets  die  Füße  und  erkältete  sich  öfters.  Vor  7 — 8  Jahren 
erkrankte  W.  an  Erysipelas  der  linken  unteren  Extremität  and  hötete 
einige  Wochen  das  Bett  Nach  seiner  Genesang  fing  er  wieder  dieselbe 
Beschäftigang  an,  bemerkte  aber  bald,  daß  die  Venen  der  unteren  linken 
Extremität  etwas  „angeschwollen^,  resp.  erweitert  waren.  Gleichseitig 
stellte  sich  aach  ein  mäßiges  ödem  derselben  Extremität,  das  bis  zur 
Hälfte  des  Oberschenkels  reichte,  ein.  Das  Ödem,  welches  ein  geringes 
Jacken  yerarsachte,  trat  am  meisten  am  Tage  hervor,  wenn  der 
Patient  viel  gehen  maßte,  während  es  beim  Liegen,  s.  B.  in  der 
Nacht,  fast  vollständig  verschwand.  Daram  blieb  der  Patient  manchmal 
wochenlang  im  Bett,  nm  den  kranken  Fuß  zu  schonen.  Ein  solcher  Zu- 
stand mit  abwechselnden  Besserungen  und  Verschlimmerungen  dauerte 
gegen  ein  Jahr,  worauf  das  Ödem  gänzlich  verschwand.  Nach  einiger 
Zeit  fingen  an  sich  auf  der  Haut  der  linken  unteren  Extremität  ^rote 
Flecken**  zu  zeigen.  Diese  „Flecken**,  wie  sie  der  Patient  nannte,  ver- 
größerten sich  sehr  langsam  und  vereinigten  sich  auch  miteinander 
Anfangs  traten  sie  auf  den  Zehen  hervor,  später  auf  dem  Fuße  und  dem 
Unterschenkel;  endlich  vor  1 — iVs  Jahren  erschienen  sie  auch  auf  dem 
Oberschenkel.  Bei  dem  Betreten  der  Abteilung  war  der  Zustand  des 
Patienten  ein  folgender. 

Ein  Mann  von  ziemlich  hohem  Wüchse,  gut  gebaut  und  wohl  ernährt. 

Die  pathologischen  Veränderungen  befinden  sich  ausschließlich  auf 
der  linken  unteren  Extremität  und  treten  am  deutlichsten  aaf  dem  Fuße 
hervor.  Der  ganze  Fuß  samt  den  Zehen  ist  erheblich  vergrößert^)  und 
unförmig.  Die  normalen  Konturen,  hauptsächlich  in  der  Gegend  der 
Enöchel,  sind  gänzlich  geschwunden;  die  Hautfaltec  sind  ausgeglichen, 
der  Fußrucken  scheint  polsterartig  aufgetrieben.  Auf  der  ganzen  Fläche: 
von  den  Zehen  bis  zu  einer  4  Finger  breit  über  den  Knöcheln  gezogenen 
Linie  auf  dem  Unterschenkel  unterlag  die  Haut  gleichen  Veränderangen, 
Die  Verfärbung  der  Haut  ist  hier  nicht  überall  egal.  Vorwiegend  herrscht 
die  rötlich-violette  Farbe,  welche  jedoch  so  veränderlich  ist,  daß  sie  an 
manchen  Stellen  in  dunkelrot,  bläulich-rot  und  blaurot  übergeht.  Bei 
gutem  Tageslichte  kann  man  sich  jedoch  überzeugen,  daß  die  Grund- 
farben aus  rot  und  violett  bestehen.  Die  Oberfläche  dieser  Hautpartie 
ist  glatt,  glänzend  und  trocken;  an  manchen  Stellen  schuppt  die  Epi- 
dermis sehr  mäßig.  Die  normale  Felderung  der  Hautoberfläche  ist  gänzlich 
verschwunden.  Follikelmündungen  wie  auch  Haare  kann  man  hier  nirgends 
bemerken.  Die  Haut  ist  verdickt,  ihre  Konsistenz  ist  teigigweich.  Man 
kann  zwar  an  allen  Stellen  die  Haut  falten,  aber  die  Falten  sind  klein 
und  dünn,  den  sie  scheinen  ausschließlich  aus  den  oberflächlichen  Haut- 
schichten  zu  bestehen. 


*)  Der  Umfang  des  linken  Fußes  in  seinem  Mittelteile  beträgt 
28  cm,  des  rechten  23  cm;  der  Umfang  des  Fußgelenkes,  um  die  Ferse 
und  Knöchel  herum  gemessen,  beträgt  linkerseits  85  cm^  rechterseits  21  cm. 


Sarcoma  idiopathioam  maltiplex  etc.  241 

Beim  Drucke  mit  der  Fingerspitze  bildet  sich  auf  der  Haatfläche  eine 
tiefe  Gmbe,  die  jedoch  ziemlich  schnell  verschwindet  Bringen  wir  nun 
die  Extremität  des  Patienten  auf  einige  Zeit  in  eine  senkrechte  Richtong, 
so  bemerken  wir,  daß  sich  auf  der  erkrankten  Hantfläcfae  eine  große  Zahl  kleiner 
l&nglichen  and  schr&gen  F&ltchen  bildet.  Die  Hant  scheint  dann  za  weit 
an  sein  für  jene  Eörperregion,  die  sie  bedecken  soll.  Es  genügt  aber  die 
Richtung  der  Extremität  zu  ändern,  z.  B.  den  Patienten  aufstehen  zu 
lassen,  als  die  Hautfiiltohen  sogleich  verschwinden.  Wir  bekommen  nun 
den  Eindruck,  als  ob  die  veränderte  Haut  mit  einer  Flüssigkeit  getränkt 
wäre.  So  ist  es  auch  in  der  Tat:  Nach  einem  Nadelstiche  in  die  erkrankte 
Haut  fängt  sogleich  eine  serös-blutige  Flüssigkeit  zu  rinnen  an  und  dieses 
Binnen  dauert  sogar  nach  einem  einzigen  Stiche  4 — 5  Tage.  Die  Haut 
ist  also  nicht  nur  mit  seröser  Flüssigkeit  getränkt,  sie  hat  aber  auch  viel 
an  ihrer  Elastizität  verloren. 

Die  beschriebene  Hautpartie  endigt,  wie  gesagt,  auf  dem  Unter- 
schenkel mit  einem  festonenartigen,  scharf  begrenzten,  nicht  erhabenen 
Rande,  dessen  Farbe  auch  viel  dunkler :  bräunlichrot  ist.  Die  scharfe  Be- 
grenzung tritt  am  deutlichsten  beim  Betasten  hervor.  Wir  überzeugen 
uns  dann,  daß  der  Rand  sehr  scharf,  als  ob  mit  einem  Messer  ausge- 
schnitten und  auch  sehr  hart  ist.  Weil  nun  aber  die  erkrankte  Hant 
teigig-weich  ist,  so  fühlen  wir,  wenn  wir  mit  dem  Finger  in  der  Richtung 
von  der  gesunden  zur  erkrankten  Haut  führen,  daß  unsere  Fingerspitze 
hinter  dem   erwähnten  Rande   in  eine  weiche  Masse  plötzlich  einsinkt. 

Man  muß  noch  zufügen,  daß  bei  stärkerem,  tiefem  Drucke  auf  die 
erkrankte  Haut  der  Patient  einen  leichten  Schmerz  empfindet;  ein 
schwacher  Druck  verursacht  ein  solches  Gefühl  nicht. 

Auf  der  Haut  des  Unterschenkels,  hauptsächlich  auf  der  Vorder- 
und  den  Seitenflächen  sieht  man  zahlreiche,  zirkumskripte  Hautverände- 
mngen  von  runder,  ovaler,  länglich  ovaler,  mitunter  auch  irregulärer 
Gestalt.  Ihre  Größe  variiert  von  der  einer  Felderbse  bis  zu  der  einer 
silbernen  Markmünze.  Dieselben  konfluieren  an  manchen  Stellen.  Ihre 
Farbe  ist  dunkelrot  bis  rotviolett.  Diese  zirkumskripte  Hautpartien 
erheben  sich  nicht  über  das  Niveau  der  Umgebung;  ihre  Oberfläche  ist 
glatt,  haarlos  und  ihre  Felderung  ist  fast  gänzlich  verschwunden.  Die 
Konsistenz  der  veränderten  Haut  ist  weich,  teigig;  beim  Nadelstiche  be- 
ginnt das  Aussickern  von  serös-blutiger  Flüssigkeit.  Die  zirkumskripten 
Hautpartien  sind  sehr  scharf  begrenzt  und  ihre  viel  dunkleren  Ränder 
besitzen  dieselben  Eigenschaften,  welche  ich  früher  beschrieben  habe. 
Der  Druck  auf  diese  Hautstellen  ist  schmerzlos. 

Auf  der  inneren  Oberfläche  des  Kniegelenkes  befindet  sich  eine 
scharf  begrenzte  Ilautpartie,  die  von  einem  festonenartigen  Rande  um- 
geben ist.  Ihre  Länge  beträgt  zirka  13  cm,  die  Breite  bis  7  em.  Hier  ist 
die  Haut  dunkeloliv  gefärbt,  ihre  Konsistenz  ist  weich,  aber  nicht  so 
teigig,  wie  z.  B.  auf  dem  Fuße.  Die  Oberflächenfelderung  der  Haut  ist 
hier  zum  Teil  noch  erhalten.  Hier  und  da  sieht  man  auch  einzelne 
Follikelmündungen  mit  hervorragenden  farblosen,  feinen   Haaren.    Drei 

Areh.  f.  Dermat.  u.  Sfph.  Bd.  LXIII.  iß 


242  Bernhardt. 

Ähnliche  EirkomBkripte,  z.  T.    konflaierende   Hantstellen   bemerken   wir 
auch  in  der  Gegend  der  Fossa  poplitea. 

Anf  der  Hant  der  Innenfläche  der  unteren  H&lfte  des  Oberschenkels 
befinden  sich  auch  einige  runde  oder  qnerovale,  3—6  an  breite,  sirknm- 
skripte  Hautpartien.  Dieselben  sind  dunkeloliv  verfärbt  und  den  schon 
beschriebenen  überhaupt  ganz  ähnlich.  Nur  zwei  zirkumskripte  Haut- 
partien, die  am  höchsten  gelegen  und  wahrscheinlich  auoh  relativ  frischer 
Herkunft  sind,  besitzen  ein  anderes  Aussehen.  Diese  letzteren  sind  nicht 
so  scharf  begrenzt  und  ihre  Bänder  zeichnen  sich  ni<^ht  so  aus,  wie 
anderswo.  Die  zentralen  Teile  jeder  von  diesen  beiden  zirkumskripten 
Haotstellen  ist  eingezogen,  als  ob  durch  eine  in  der  Unterhaut  sich  ent- 
wickelnde Narbe.  Die  Konsistenz  der  Haut  ist  hier  fiast  normal;  die 
Färbung  ist  hellrot  und  in  den  zentralen  Teilen  dunkler  als  in  den 
peripheren. 

Auf  dem  Unterschenkel  und  in  der  Gegend  des  Kniegelenkes 
unterlag  die  zwischen  den  zirkumskripten  Hautveränderungen  gelegene 
Haut  auch  gewissen  Veränderungen.  Sie  ist  dicker  als  normal,  sehr  hart 
und  außerdem  auf  dem  Unterschenkel  so  gespannt,  daß  man  sie  hier 
nicht  falten  kann.  Der  Fingerdruck  hinterläßt  keine  Grube.  Sie  ist  von 
grau-  bis  bräunlich-gelber  Farbe  und  diese  Verfärbung  tritt  am  deut- 
lichsten in  der  Umgebung  der  zirkumskripten  Hautveränderungen  hervor, 
so  daß  diese  letzten  von  einem  ziemlich  breiten,  tief  bräunlich-gelben 
Saume  umgeben  sind.  Anf  dem  Oberschenkel  ist  die  Haut  fast  normal. 
Nur  um  die  zirkumskripten  Hautveränderungen  herum  ist  sie  etwas 
dicker,  härter  und  dunkler  als  normal. 

Die  Haut  anderer  Körperstellen  ist  vollständig  normal.  Auf  der 
Haut  des  Stammes  sieht  man  einige  kleine,  runde  Narben  (post  impeti- 
gines).   Auf  dem  3.  Finger  der  rechten  Hand  befindet  sich  eine  Warze. 

Untersuchung  des  Muskel-  und  Knochensystems.  Veränderungen 
finden  sich  nur  an  der  linken  unteren  Extremität  vor.  Die  Muskeln  des 
linken  Unterschenkels  sind  atrophiert.  Der  Umfang  des  linken  Unter- 
schenkels in  seiner  Mitte  beträgt  Sl'Ö  em,  des  rechten  bis  36  cm.  Die 
Muskeln  des  Oberschenkels  sind  unverändert  geblieben.  Die  Phalangen- 
knochen des  linken  Fußes  sind  auch  bei  tiefster  Palpation  nicht  zu 
fühlen.  Die  verdickten,  formlosen  Zehen  machen  den  Eindruck  von  Säck- 
chen, welche  mit  einer  elastischen,  weichen  Masse  gefällt  sind.  Die 
passiven  Bewegungen  der  Zehen  sind  anormal  breit.  Man  kann  die  Zehen 
unnatürlich  biegen,  man  kann  sie  auch  wiederum  bis  130^  in  der  Richtung 
zum  Rücken  des  Fußes  umbiegen.  Die  Seitenbewegnngen  sind  auch  breiter 
als  normal.  Eine  Ausnahme  bietet  die  große  Zehe,  bei  deren  Basis  wir 
eine  stärkere  Resistenz  fühlen  und  die  sich  nicht  so  leicht  biegen  läßt. 
Bei  diesen  passiven  Bewegungen  klagt  der  Patient  auf  leichte  Schmerzen 
in  den  Zehen.  Die  distalen  Enden  der  Mittelfußknochen  sind  sehr  weich 
und  schmerzhaft  beim  Drucke.  Die  übrigen  Knochen  des  Fußes  scheinen 
unverändert  zu  sein.  Auf  der  vorderen  Oberfläche  der  Tibia  fühlen  wir 
einige  kleine  seichte  Vertiefungen.  Bei  aufmerksamer  Untersuchung  kann 


Sarcoma  idiopathienm  maltiplex  etc.  243 

man  iiah  jedoch  überzeugen,  daß  diese  Knoohenlftaionen  (CJsaren)  nar 
scheinbar  ti^d:  sie  stehen  in  ZasammenhaDg  mit  den  zirkumskripten 
HantyeränderungAn  und  der  Eindruck  von  Vertiefungen  auf  der  Knoohen- 
fliohe  entsteht  danui^  weil  der  tastende  Finger  in  die  weiche,  teigige 
Masse  der  veränderten  Qaut  plötzlich  eindringt. 

Beim  Stehen  und  GebtQ  abiuziert  der  Patient  die  kranke  Extremität, 
biegt  sie  etwas  im  Hüft-,  Kni^  und  Fußgelenke,  indem  er  sich  nur  auf 
die  Ferse  stützt.  Beim  Gehen  stftlst  er  sich  mit  dem  ganzen  Körper  auf 
einen  Stock,  den  er  mit  beiden  Händaft  hält,  den  linken  Fuß  aber  schiebt 
er  auf  der  Ferse  nach  vorne.  Das  Auflveten  mit  dem  ganzen  Fuße  ver» 
meidet  er  der  Schmerzen  wegen.  Sogar  baim  Liegen  hält  er  die  linke 
Extremität  im  Knie  gebogen,  weil  es  so,  wie  Qr  sagt,  bequemer  sei,  ob- 
gleich das  Ausstrecken  ihm  weder  Schwierigkeii  noch  Schmerzen  ver- 
ursacht. Überhaupt  sind  die  Bewegungen  im  Hüft-  und  Kniegelenke 
vollständig  normal,  im  Fußgelenke  dagegen  sind  sie  atwas  beschränkt. 
Aktive  Bewegungen  der  Zehen  sind  für  unseren  Patienten  unmöglich. 
Passive  Bewegungen  in  allen  obengenannten  Gelenken  sind  vollständig 
nirmal  (außer  den  Zehengelenken,  von  welchen  schon  früher  erwähnt 
wurde). 

Die  Röntgen-Pbotographie  des  linken  Fußes  zeigte,  daß  die  Pha- 
langenknochen derart  vernichtet  sind,  daß  man  sogar  ihre  Umrisse  nicht 
bemerken  kann.  Einen  leichten  Schatten  hinterläßt  nur  die  I.  Pbalanga 
der  großen  Zehe.  Die  distalen  Enden  der  Metatarsalknochen,  außer  dem 
ersten,  sind  auch  gänzlich  vernichtet.  In  der  Tibia  und  Fibula  konnten 
keine  Veränderungen  entdeckt  werden. 

Nervensystem.  Die  Tätigkeit  der  Gehirnnerven  ist  vollständig 
unverändert.  Die  Hautsensibilität  (Tast-,  Schmerz-  und  Temperatnrgefuhl) 
ist  an  allen  Stellen  gut  erhalten,  sogar  auf  der  kranken  Extremität.  Nur 
an  den  Stellen  der  zirkumskripten  Hautveränderungen  ist  das  Schmerz- 
gefühl etwas  herabgesetzt,  nämlich  ein  Nadelstich  erzeugt  hier  nur  das 
Gefühl  einer  Berührung.  Paraestesien  sind  nicht  vorhanden.  Patellar- 
reflexe  etwas  stärker;  rechter  Plantarreflex  gut  erhalten,  linker  fehlt. 
Elektrizitätserregbarkeit  der  Nerven  und  Muskeln  ist  vollkommen  normal. 
Harn-  und  Stuhlentleerung  gehen  regelmäßig  vor  sich. 

In  den  inneren  Organen  fand  ich  nichts  anormales.  T.  36*8  G. 
Schleimhäute  unverändert.  Die  linken  Inguinaldrüsen  sind  etwas  ver- 
größert, alle  anderen  unverändert. 

Die  Diagnose,  welche  des  ungewöhnlichen  klinischen  Bildes  wegen 
anfangs  schwankend  war,  wnrde  durch  Biopsie  festgestellt.  Die  Unter- 
suchung eines  Hautstückohens,  das  aus  einer  zirkumskripten  Hautpartie 
des  Unterschenkels  exzidiert  wurde,  bewieß,  daß  wir  es  mit  einem 
Sarkomgewebe  zu  tun  haben. ^)  Da  begann  ich  dem  Kranken  Arsen  zu 
reichen,  anfangs  in    Form  subkutaner  Injektionen  (0'04  pro   die),  später 


^)  Die  Wunde  heilte  sehr  langsam  und  das  Aussickern  von  seröser 
Flüßigkeit  dauerte  zirka  10  Tage. 

16* 


244  Bernhardt. 

in  asiatischen  Pillen  (ä  0*005).  Der  Patient  vertrag  Arsen  sehr  gnt  and 
nahm  die  Pillen  9  Wochen  lang,  jedoch  ohne  mindester  Besserang  des 
lokalen  Leidens.  Während  der  ganzen  Beobachtongsdaner  (bis  lam  1.  No» 
Tember  1901)  konnte  ich  auch  keine  besonderen  YeriLnderangen  im  Zu- 
stande des  Kranken  bemerken.  Nur  auf  dem  Unterschenkel  erschien  eine 
neue  zirkumskripte  Hautver&ndemng  von  der  Größe  einer  Felderbse. 
Sonst  blieb  das  klinische  Bild  stets  unverändert.  Ich  konnte  auch  keine 
nennenswerte  Vergrößerung  der  existierenden  zirkumskripten  Haut?er- 
ftnderungen  beobachten,  obgleich  Messungen  zeigten,  daß  die  Ränder  der 
diffusen  Veränderungen  auf  dem  Fußrficken  zirka  2 — 8  mm  vorgeschritten 
waren.  Diese  Zahl  ist  jedoch  nicht  einwandsfrei  and  kann  gewiß  in  den 
Grenzen  eines  Fehlers  liegen. 

Die  negativen  Ergebnisse  der  Arsenkar  zwangen  mich  einen  anderen 
modus  curaodi  zu  suchen,  umsomehr,  weil  der  Patient  dringend  um  eine 
„radikale"  Heilung  bat,  denn  die  kranke  Extremität  hall  ihm  beim  Gehen 
gar  nicht,  sie  störte  ihm  vielmehr.  Man  dachte  an  einen  operativen  Ein- 
griff. Prof.  Dr.  J.  Kosinski,  welcher  den  Kranken  um  diese  Zeit  sah 
und  untersuchte,  war  der  Meinung,  daß  man  alle  Krankheitsherde,  welche 
sich  nicht  nur  in  der  Haut,  sondern  auch  in  den  Knochen  schon  be- 
fanden, entfernen  soll  und  schlug  darum  die  Amputation  des  Ober- 
schenkels vor,  welche  er  auch  am  3.  November  1901  vollzog,  wofür  ich 
ihm  auch  hier  noch  meine  Dankbarkeit  ausspreche. 

Gleich  nach  der  Amputation  nahmen  die  circumscripten  Hautver- 
ändtrnngeu  eine  graublaue  Farbe  an,  fielen  in  der  Mitte  ein  und  be- 
deckten sich  auf  der  Oberfläche  mit  zahlreichen  kleinen  Fältchen.  Auf 
dem  Durchschnitte  konnte  man  sich  überzeugen,  daß  die  zirkumskripten 
Hautveränderungen  aus  weichem,  mit  Serum  getränktem,  ziegelrotem 
Gewebe  bestehen.  Dieses  Gewebe  dringt  an  manchen  Stellen  tief  in  das 
Unterbautgewebe  und  ist  scharf  von  den  gesunden  Teilen  begrenzt. 

Den  nächsten  Tag  nach  der  Operation  injizierte  Prof.  Dr.  H.  Hoyer 
die  ganze  amputierte  Extremität  mit  einer  blauen  Masse  (Berlinerblan) 
durch  die  Arteria  femoralis,  wofür  ich  ihm  sehr  verbunden  bin.  Sodann 
habe  ich  die  Knochen  durchgefeilt  und  legte  das  ganze  Präparat  in 
Formalin.  Die  makroskopische  Untersuchung  zeigte,  daß  die  Phalangen- 
knochen samt  Haut,  Unterhautgewebe  und  Sehnen  vollständig  vernichtet 
und  in  ein  weiches,  dunkel-ziegelrotes  Gewebe  umwandelt  waren.  Dieses 
neugebildete  Gewebe  ging  auch  von  den  Zehen  auf  den  Fuß  über.  Es 
blieb  unverändert  nur  eine  dünne  Knochenlamelle  auf  der  Sohlenfläche 
des  I.  Phalange  der  großen  Zehe.  Die  distalen  Enden  der  Metatarsal- 
knochen  vom  II.  bis  zum  V.  sind  auch  vollständig  vernichtet  und  mit 
dem  umgebenden  Gewebe  in  eine  Sarkommasse  umgewandelt.  Das  distale 
Ende  des  I.  Metatarsalknochens  unterlag  der  sog.  Osteoporosis.  Die 
Rinde  der  Diapbysen  der  Mittelfußknochen  ist  sebr  dünn,  die  erweiterten 
Markhöhlen  aber  sind  mit  weichem,  dunkelrotem  Sarkomgewebe  gefüllt 
Andere  Knochen  des  Fußes  sind  ohne  bemerkbare  Veränderungen,  außer 
Os  naviculare,  welches  ebenfalls  der  Osteoporosis  unterlag.    Die  Sehnen 


Sarooma  idiopatfaicnm  multiplex  eto.  245 

des  Fnßes,  wie  auch  das  Tendo  Achillis  sind  sehr  verdünnt.  Das  Faß- 
und  Kniegelenke  sind  normal.  Femur  und  Fibula  sind  unyerftndert,  die 
Rinde  aber  der  Tibia  scheint  etwas  verdünnt  zu  sein. 

Mikroskopisch  untersuchte  ich  ein  reiches  Mateiial,  welches 
aus  frischeren  und  älteren  ErankheitsherdeD  der  Haut  und  den 
veränderten  Knochen  stammte.  Die  Präparate  wurden  in  Alkohol 
gehärtet  und  in  Paraffin  eingebettet.  Ich  färbte  mit  Häma- 
tozylin,  Eosin,  Safranin,  Thionin,  gewöhnlichem  und  polychro- 
mem Methylenblau,  nach  den  Methoden:  van  Gieson's, 
Tänzer-Unna's,  Weigert's  und  Gram's.  Ich  werde  hier 
nicht  jedes  Präparat  besonders  beschreiben,  sondern  ich  will 
mich  bemühen  die  Ergebnisse  der  mikroskopischen  Untersuchung 
zusammenzufassen,  indem  ich  anfangs  die  frischen  Veränderungen 
beschreiben  und  allmählich   zu  den   älteren  tibergehen  werde. 

Die  frischeren  Krankheitsherde  (zirkumskripte  Hautveränderungen 
des  Oberschenkels)  geben  ein  folgendes  Bild:  Die  Haut  ist  verdickt  und 
ihre  Oberfläche  gefaltet,  wodurch  die  Epidermis  eine  ganze  Reihe  von 
Erhöhungen  und  Vertiefungen  bildet.  Bei  kleiner  Vergrößerung  kann 
man  sich  überzeugen,  daß  der  Hauptsitz  der  pathologischen  Verände- 
rungen Bioh  in  den  tieferen  Schichten  des  Goriums  befindet.  Wir  sehen 
hier  einzelne,  nicht  zahlreiche  Zellenherde,  welche  hautsächlich  um  die 
Haarscheiden,  m.  m.  arrectores  pil.  und  um  die  Schweißdrnsenknäulchen, 
seltener  abgesondert  von  diesen  Organen,  um  die  Blutgefäße  herum  ge- 
lagert sind.  Den  Gesamtteil  dieser  Herde  bilden  zweierlei  Arten  von 
Zellen.  Die  einen  sind  oval  oder  länglich-oval  mit  ziemlich  durchsichtigem 
Körper  und  besitzen  einen  großen,  blasenartigen,  sich  schwach  färbenden 
Kern  von  deutlich  genetztem  Bau  und  mit  einigen  kleineren  und  größeren 
Eemchen.  Der  zweite  Typus  besteht  aus  langen,  schlanken  Spindelzellen, 
deren  längliche  oder  ebenfalls  spindelförmige  Kerne  sich  sehr  gut  färben.  Es 
sind  dies  also  dieselben  Zellen,  die  ich  bei  Saroomata  idiopathica  multi* 
plicia  pigmentosa  cutis  Typus  a)  Kaposi  beschrieben  habe.  Wie  dort, 
80  auch  hier  muß  ich  zunächst  die  Aufmerksamkeit  auf  die  Herkunft 
der  Sarkomzellen  von  den  Perithelien  derBlutgeföße  richten.  Die  Zahl  der 
Gefäße  in  den  frischen  Sarkomherden  ist  relativ  klein;  neugebildete  Blut- 
gefäße, wie  sie  in  den  älteren  Herden  vorgefunden  werden,  konnte  ich 
hier  nicht  nachweisen.  Die  Gefäße  sind  bedeutend  erweitert  und  ihr 
Endothel  angeschwollen.  Das  sieht  man  am  deutlichsten  dort,  wo  die 
blaue  Masse^  mit  welcher  did  Blutgeföße  injiziert  waren,  nicht  einge- 
drungen ist.  Dicht  an  den  Wänden  der  Blutgefäße  liegen  zylindriache 
und  längliche  mono-  oder  bipolare  Zellen  mit  einem  runden  oder  ovalen 
Kerne  versehen.  Die  Richtung  dieser  Zellen  ist  der  Achse  der  Gefäße 
gewöhnlich  perpendikular  oder  leicht  schräge,  die  Zellen  selbst  liegen 
reihenweise  und  ziemlich  regelmäßig.  Dies  bemerken  wir  aber  nur  in  den 
ersten  2—3  Reihen.    Je  weiter  von  den  Wänden  der  Gefäße,  desto  mehr 


246  Bernhardt 

bemerken  wir  Spindel-  und  länglich-ovale  Zellen,  derer  Gruppierung 
schon  nicht  so  regelmäßig  ist.  Das  hängt  wahrscheinlich  davon  ab,  daft 
die  Blutgefäße  zu  nahe  aneinander  liegen,  wodurch  einzelne  perivasknlftre 
Zellenseheiden  sehr  früh  zusammenschmelzen.  Die  Herde  sind  nicht 
scharf  begrenzt,  denn  die  Sarkomzellen  wachsen  in  allen  Richtungen  in 
das  benachbarte  Gewebe  ein,  indem  sie  einzelne  Bindegewebsbündel  um- 
ringen oder  entlang  der  Lymphspalten  in  Gestalt  dünner,  aber  oft  ziem- 
lich langer,  wellenartiger  Züge  verlaufen.  Ziemlich  energisch  geht  auch 
das  Eindringea  in  das  Unterhautgewebe  vor. 

Außer  den  beschriebenen  Zellen  traf  ich  in  den  Herden  sehr  viele 
Mastzellen  und  eine  mäßige  Anzahl  Plasmazellen.  Diese  letzteren  lagen 
gewöhnlich  gruppenweise  in  der  nächsten  Nachbarschaft  der  Blut-  und 
Lymphgefäße  und  gehörten  größtenteils  zu  den  Degenerationsformen. 
Hier  und  da  sah  ich  einige  Leakocyten. 

Das  Bindegewebe  unterlag  in  den  Sarkomherden  einer  bedeutenden 
Vernichtung.  Elastische  Fasern  sind  spärlich  vorhanden  und  färben  sich 
auch  sehr  schwach. 

Einer  besonderen  Aufmerksamkeit  verdienen  die  Veränderungen 
des  Lymphgefäßsystems,  welche  nicht  nur  in  den  Sarkomherden,  sondern 
auch  in  deren  nächsten  Nachbarschaft,  in  dem  umgebenden  Bindegewebe 
der  Haut  zu  Tage  treten.  Diese  Veränderungen  sind  schon  sehr  deutlich 
in  den  frischen,  kleinen  Herden  und  bestehen  anfangs  in  geringer  Er- 
weiterung der  Lymphgefäße  und  Lymphspalten,  welche  in  allen  Rich- 
tungen in  Form  eines  Netzes  ziehen.  Hand  in  Hand  mit  der  Vergrößerung 
der  Sarkomherde  steigert  sich  auch  die  Erweiterung  der  Lymphgefäße 
imd  Lymphspalten,  so  daß  in  alten  Herden  das  Sarkomgewebe  fast  auf 
den  zweiten  Plan  zu  treten  scheint.  Solche  Herde  sind  einem  Schwämme 
sehr  ähnlich:  sie  bilden  ein  ganzes  System  von  breiten  Kanälen,  welche 
sich  miteinander  vereinigen  und  deren  dünne  Wände  ausschließlich  aus 
spärlichen  Bindegewebsfasern  und  einer  Anzahl  Sarkomzellen  bestehen. 
Diese  letzteren  befinden  sich  auch  in  den  Lymphspalten  selbst,  wo  sie 
von  allen  Seiten  von  der  langsam  fließenden  Lymphe  bespült  werden. 
Die  Erweiterung  des  Lymphgefäßsystems  ist  aber  noch  viel  größer  in 
der  Nachbarschaft  der  Herde.  Hier  sind  die  Spalten  zwischen  den  Binde- 
gewebsbündeln  so  breit,  daß  man  sie  auch  makroskopisch  bemerken  kann, 
das  dazwischen  liegende  Bindegewebe  aber  unterliegt  einer  allmählichen 
Atrophie. 

Je  weiter  von  den  Herden,  desto  schwächer  treten  die  beschrie- 
benen Veränderungen  zutage  und  darum  unterscheiden  sich  in  dieser 
Hinsicht  die  oberflächlichen  Schichten  des  Goriums  fast  gar  nicht  von 
der  Norroa  und  in  der  Papillarschicht  ist  das  Ödem  schon  so  unbe- 
deutend, daß  es  nur  einen  geringen  Druck  auf  die  intrapapillären  Zapfen 
ausübt.  Was  die  Hautschichten,  welche  über  den  Herden  liegen,  anbe- 
trifft, so  finden  wir  hier  die  größten  Veränderungen  an  den  kleinen 
Blutgefäßen  (Kapillaren  und  Übergangsgefäßen).  Die  Veränderungen  be- 
stehen in  Anfangsstadien  der  Perithelienwucherung.    Um  die  erweiterten 


Sarooma  idiopathicnm  multiplex  etc.  247 

GeAfie  herom  bilden  lioh  dfinne  Soheiden,  welche  aus  1—2  Reihen  Bolofaer 
Zellen,  von  denen  schon  frfiher  die  Rede  war,  und  ans  einer  geringen 
Anzahl  Plasma-  und  Mastsellen  bestehen.  Herdenbildung  wurde  hier  nicht 
beobachtet.  Das  Gewebe  des  Corinms  selbst  enth&lt  mehr  als  gewöhnlich  fixe 
Bindegewebszellen  und  viele  Mastzellen.  Das  elastische  Fasemetz  ist  gut 
erhalten,  aber  quantitativ  absolut  vermindert.  Die  Papillarschichte  ist  un- 
verändert 

Die  Menge  des  Pigments  ist  ungeheuer  groß  nicht  nur  in  den  Herden, 
sondern  auch  im  Corium  selbst.  Die  Sarkomzellen  und  die  fixen  Binde- 
gewebszellen sind  fast  ohne  Ausnahme  mit  kleinen  gelblichen  Körnchen 
überfällt.  Viele  dunkel-gelbe  oder  rötlich-braune  Pigmentkörnchen  und 
Schollen  befinden  sich  zwischen  den  Zellen  der  Sarkomherde  und  auch 
in  den  Spalten  des  Bindegewebes  der  Haut.  Das  Pigment  gibt  Reaktion 
auf  Eisen  and  stammt  evident  von  den  bedeutenden  Hämorrhagien, 
welche  man  in  der  Pars  reticularis,  in  der  Nachbarschaft  der  Sarkom- 
herde vorfindet.  In  den  Herden  selbst  sind  die  Hämorrhagien  sehr  un- 
bedeutend. 

Die  Schweißdrüsen  sind  größtenteils  vernichtet.  Wir  finden  sie 
gewöhlich  nur  noch  in  der  Mitte  der  kleinen  Herde.  Hier  degenerieren 
und  atrophieren  sie  wahrscheinlich  infolge  des  Druckes  seitens  der 
wachsenden  Sarkomherde.  Dasselbe  kann  man  auch  von  den  Haarscheiden 
und  Talgdrüsen  sagen.  Diese  letzteren  traf  ich  in  den  Präparaten  be- 
sonders selten.  Viel  resistenter  scheinen  die  mm.  arectores  pil.  zu  sein, 
welche  an  manchen  Stellen  noch  sehr  gut  erhalten  sind. 

Die  Epidermis  ist  überhaupt  verdünnt.  Das  Rete  Malpighii  besteht 
aus  einer  geringeren  als  gewöhnlich  Zahl  von  Schichten.  Die  Kerne  der 
Zellen  haben  teils  ihr  normales  Aussehen  erhalten,  teils  aber  besitzen 
sie  unreguläre  umrisse  und  förben  sich  sehr  schwach.  Die  Interzellular- 
brflcken  sind  meistenteils  gut  erhalten.  Hier  und  da  kann  man  auch  eine 
Wanderzelle  bemerken.  Die  Pigmentmenge  ist  nicht  nur  in  den  Zylinder- 
zellen der  Basalschicht,  sondern  auch  in  den  Stachelzellen  sehr  bedeutend. 
Das  Stratum  grannlosum  ist  teils  verschwunden,  teils  bis  zur  einen  Reihe 
sehr  flacher  Zellen,  welche  nur  sehr  wenig  Keratohyalinkömchen  ent- 
halten, reduziert.  In  der  etwas  verdickten  Hornschicht  sind  Erscheinungen 
von  Parakeratosis  vorhanden.  Die  Epidermis  schuppt. 

Die  weitere  Entwicklung  dieser  Sarkome,  auf  einer  ganzen  Reihe 
von  Präparaten  aus  verschiedenen  Stellen  studiert,  geht  auf  folgende 
Weise  vor.  Die  Zahl  der  Sarkomherde  im  Corium,  wie  auch  im  Unter- 
hautgewebe wird  immer  beträchtlicher.  Einzelne  Herde  vergrößern  sich, 
wobei  die  Blutgefäße  in  denselben  auch  immer  zahlreicher  werden.  Die 
Erweiterung  des  Lymphgefaßsystems  nimmt  parallel  mit  dem  Wüchse 
der  Sarkome  zu.  Endlich  fangen  einzelne  Herde  sich  zu  vereinigen  an, 
was  man  am  deutlichsten  an  den  ältesten  zirkumskripten  Hautpartien 
ersehen  kann  (Fuß  und  der  untere  Teil  des  Unterschenkels).  Die  Präpa- 
rate aus  diesen  Stellen  (wo  die  pathologischen  Veränderungen  natürlich 
am  weitesten  vorgerückt  sind)  geben  folgendes  mikroskopisches  Bild. 


J 


248  Bernhardt. 

Die  Präparate  wurden  auf  solche  Weise  geschnitten,  dafi  sie  einen 
Teil  der  veränderten  Hant,  den  scharfen  Rand  and  einen  Teil  der  umgebenden 
relativ  gesunden  Haut  umfassen.  In  der  Gegend  der  veränderten  Haut- 
partie  sieht  man  ein  diffuses  Sarkomgewebe,  welches  gleich  unter  den 
Papillen  beginnt  und  in  der  Unterhaut  in  gebrochener  Linie  endigt.  In 
den  zentralen  Teilen  dieser  Hautpartie  ist  das  Gewebe  ganz  diffus,  in 
den  peripheren  aber  besteht  es  aus  deutlichen,  nahe  aneinander  liegenden 
einzelnen  Herden.  Das  Sarkomgewebe  besteht  aus  Spindel-  und  länglich- 
ovalen Zellen,  von  den  schon  früher  die  Rede  war.  Mast-  und  Plasma- 
zellen sind  ziemlich  spärlich  vorhanden.  Die  Anzahl  der  Blutgefäße  ist 
sehr  bedeutend.  Ihr  Verhältnis  zu  den  Sarkomzellen  blieb  dasselbe.  Hier 
beteiligen  sich  aber  an  der  Bildung  des  Sarkomgewebes  mitunter  auch  größere 
Gefäße,  nämlich  kleine  Arterien  und  auch  öfters  Venen,  welche  in  den  tiefen 
Schichten  der  Haut,  an  der  Grenze  der  Unterhaut  verlaufen.  Die  Gefäße  sind 
manchmal  mit  sehr  sohönen  Mänteln,  die  aus  10 — 15  Zellenreihen  bestehen, 
umgeben  (Fig.  2).  Die  Lymphspalten  sind  kolossal  erweitert,  hauptsäch- 
lich in  der  oberen  Hälfte  der  Sarkommasse  (Fig.  1).  An  diesen  Stellen 
ist  das  ganze  Gewebe  wie  durchlöchert,  so  daß  mitunter  das  Präparat 
den  Eindruck  eines  Lymphangioms,  dessen  Balken  einer  sarkomatösen 
Degeneration  unterlagen,  macht.  Am  deutlichsten  treten  diese  Bilder  in 
der  Haut  der  Zehen  vor.  Hier  ist  die  Erweiterung  des  Lymphgefaßsystems 
die  dominierende  Erscheinung:  infolge  des  Druckes  unterlagen  wahr- 
scheinlich die  Sarkomzellen  einer  Atrophie  und  das  ganze  Präparat,  gegen 
das  Licht  gehalten,  sieht  wie  ein  Sieb  aus.  Hämorrhagien  konnte  ich  im 
eigentlichen  Sarkomgewebe  nicht  bemerken,  dafür  eine  enorme  Menge 
kömigen  Pigments.  Das  elastische  Fasernnetz  ist  fast  gänzlich  vemiohtet. 
Schweiß-  und  Talgdrusen  sind  nicht  vorhanden,  nur  hier  nnd  da  sieht 
man  Überreste  einer  Haarscheide.  Die  Papillär-  und  Subpapillarschicht 
sind  über  der  Sarkommasse  wenig  verändert.  Die  Papillen  sind  teils  sehr 
niedrig,  teils  gänzlich  ausgeglichen.  Hier  bemerken  wir  ein  sehr  mäßiges 
'  ödem,  etwas  mehr  als  gewöhnlich  fixe  Bindegewebszellen  und  etwas 
Pigment.  Die  Kapillaren  der  Papillen  sind  mäßig  erweitert  und  ihr 
Endothel  angequollen. 

Die  Übergangszone,  welche  von  außen  und  unten  das  diffuse  Sar- 
komgewebe umgibt,  besteht  aus  kleineren  und  größeren  Herden  von 
solchem  Bau  und  Eigenschaften,  die  ich  schon  früher  beschrieben  habe. 
Diese  Sarkomherde  werden  auch  von  einem  ganzen  System  bedeutend 
erweiterter  Lymphspalten  umringt,  welche  wiederum  mit  den  Lymph- 
spalten der  diffusen  Sarkommasse  im  Zusammenhange  stehen.  Hinter 
dieser  Zone  —  nach  außen  —  endigt  die  Erweiterung  des  Lymphgefaß- 
systems ziemlich  plötzlich,  so  daß  hier  die  Haut  fast  gar  nicht  ödematös 
erscheint.  Dieses  Verhältnis  steht  in  völligem  Einklänge  mit  dem,  was 
wir  klinisch  beobachtet  haben  und  erklärt  uns,  warum  der  Rand  der 
zirkumskripten  Hautveränderungen  so  deutlich  und  scharf  abgeschnitten 
ist.   Es   kann  ja  nicht   anders  sein    dort,   wo   miteinander  eine  weiche, 


Sarooma  idiopaihicum  multiplex  etc.  249 

schwammige    Sarkommasse   und   das  kompakte   Bindegewebe   der    Haut 
grenzen. 

Was  die  Hant,  welche  jenseits  der  Übergang^zone  liegt,  anbetrifft, 
so  bemerken  wir  in  ihr  außer  dem  erwähnten  leichten  Ödem  noch  vor 
allem  Veränderungen  an  den  Blutgefäßen.  Manche  derselben  sind  nur 
erweitert  und  ihr  Endothel  wie  gewöhnlich  etwas  angequollen.  Hier  und 
da  fkagt  aber  auch  schon  die  Wucherung  der  Perithelien  an,  wodurch 
dünne  perivaskuläre  Zellenscheiden  gebildet  werden.  Kleine  Herde  sieht 
man  nur  an  manchen  Stellen  in  den  tiefen  Schichten  des  Goriums.  In 
der  Nachbarschaft  der  Gefäße  treffen  wir  auch  stellenweise  Häufchen  von 
Leukocyten  oder  Plasmazellen  an.  Mastzellen  sind  in  großer  Zahl  im 
ganzen  Gorium  zerstreut.  Eine  besondere  Aufmerksamkeit  lenken  auf 
sich  reichliche  Hämorrhagien  in  der  Pars  reticularis  tsutis,  welche  mit- 
unter auf  große  Strecken  verbreitet  sind.  Die  Pig^entmenge  ist  sehr 
bedeutend  und  das  Pigment  wird  intra-  und  eztrazellulär  vorgefunden. 
Die  Papillarschicht  ist  fast  unverändert  geblieben.  Die  Epidermis  ist  über 
dem  Sarkomgewebe  dünner  als  irgendwo,  sonst  besitzt  sie  solche  Eigen- 
schaften, von  welchen  schon  früher  die  Rede  war. 

Ich  will  hier  noch  über  die  Vorgänge  in  den  Knochen  kurz  be- 
richten. Die  Veränderungen,  welche  in  ihnen  stattgefunden  haben,  sind 
am  bedeutendsten  in  den  Zehenknocheu.  Auf  mikroskopischen  Präparaten 
(dieselben  wurden  perpendikulär  zur  Richtung  der  Zehenachse  geschnitten) 
kann  man  weder  Knochen  noch  Knorpeln  und  Periost  bemerken;  auch 
die  Gelenkkapseln  und  Sehnen  sind  vernichtet.  Ihre  Stelle  hat  ein  Sarkom- 
gewebe eingenommen.  Dasselbe  bleibt  stets  in  Verbindung  mit  dem 
Sarkomgewebe  der  Haut  und  unterbaut,  so  daß  zwischen  ihnen  keine 
eigentliche  Grenze  existiert.  Es  ist  dies  ein  diffuses  Gewebe,  in  dem  die 
Konturen  des  vernichteten  Sjioohens  sich  dadurch  kennzeichnen,  daß  an 
der  Stelle  desselben  das  Sarkomgewebe  mitunter  etwas  kompakter  ist 
und  dsß  man  hier  und  da  ein  entkalktes,  mit  Osteoklasten  besetztes 
Knochenbälkchen  bemerken  kann  (Fig.  8).  Das  Sarkomgewebe  selbst  besitzt  in 
den  Grenzen  der  ehemaligen  Knochen  einen  Bau,  der  mit  dem  beschrie- 
benen in  der  Haut  völlig  identisch  ist.  Es  ist  auch  ein  Spindelzellen- 
sarkom, das  aus  den  Perithelien  der  Blutgefäße  entstanden  ist.  Der  Typus 
des  Angiosarkoms  tritt  stellenweise  recht  deutlich  zutage.  Man  sieht 
schmälere  und  breitere  perivaskuläre  Mäntel,  die  teils  durch  Bindegeweb- 
schichten von  einander  getrennt  sind,  teils  zusammenfließen.  An  manchen 
Stellen  erinnert  das  Neoplasma  an  ein  gewöhnliches  spindelzelliges 
Sarkom  mit  in  verschiedenen  Richtungen  sich  kreuzenden  Bündeln.  Hier 
ist  das  Gewebe  auch  gewöhnlich  kompakter.  Noch  an  anderen  Stellen 
erscheint  der  Bau  wie  lobulär;  dabei  sind  die  einzelnen  Lobuli  denjenigen 
Sarkomherden,  die  ich  in  der  Haut  beschrieben  habe,  ganz  ähnlich.  In 
ihnen  ist  auch  das  Netz  der  Lymphspalten  am  meisten  erweitert.  Weit- 
gehende Veränderungen  fsnd  ich  auch  im  Knochenmarke  der  Metatarsal- 
knochen.  Hier  tritt  das  Sarkom  in  der  Form  einzelner  Herde  oder  diffus 
auf.  Sein  Bau  ist  dem  oben  beschriebenen  ähnlich.    Bemerkenswert  sind 


250  Bernhardt. 

hier  zahlreiche  frische  Hftmorrhagien^   welche  an  manchen  Stellen  das 
Sarkomgewebe  mit  roten  Blntkörperchen  vollständig  infiltrieren. 

Den  beschriebenen  Fall  reihe  ich  der  Gruppe  der  idio- 
pathischen multiplen  pigmentierten  Sarkome  der  Haut  an.  Wie 
ersichtlich,  ist  derselbe  in  vielen  Beziehungen  dem  Typus  a) 
Kaposi  ähnlich,  jedoch  mit  demselben  nicht  identisch.  Was 
nun  die  klinische  Seite  anbetrifft,  so  beginnt  die  Erkrankung 
auch  in  diesem  Falle  wie  beim  Typus  a)  Kaposi  auf  der 
Extremität  und  zwar  an  den  entlegendsten  Teilen  derselben, 
verbreitet  sich  diskret  in  zentripetaler  Richtung,  geht  mit  der 
Zeit  auf  die  Knochen  über  und  des  langen  Dauerns  unbeachtet, 
beeinflußt  sie  den  allgemeinen  Zustand  des  Kranken  nicht 
Auch  Arsenik  bleibt  ohne  Wirkung  auf  diese  Sarkome.  Der 
Unterschied  liegt  vor  allem  darin,  daß  nur  eine  Extremität 
befallen  ist,  obgleich  die  Krankheit  wenigstens  schon  6  Jahre 
dauert.  Dieser  Umstand  besitzt  aber  nur  einen  relativen, 
sozusagen  zeitweiligen  differential  -  diagnostischen  Wert.  Man 
kann  ja  heute  nicht  voraussehen,  was  in  einigen  Jahren  ge- 
schehen wird  und  wie  sich  die  anderen  Extremitäten  verhalten 
werden.  Der  Hauptunterschied  besteht  unbedingt  im  Aussehen 
und  in  den  Eigenschaften  der  pathologischen  Produkte.  Beim 
Typus  a)  haben  wir  ziemlich  derbe  Flecken,  halbkugelige 
Knötchen  und  Knoten  von  harter,  fast  knorpeliger  Konsistenz 
und  diffuse  Infiltrate,  in  deren  Grenzen  die  Haut  verdickt, 
sehr  hart  und  gespannt  ist.  Alles  dieses  ist  in  unserem  Falle 
nicht  vorhanden,  vor  allem  aber  gibt  es  keine  Knötchen.  EQer 
wächst  das  Sarkom  nicht  tumorartig  empor,  erhebt  sich  nicht 
über  das  Niveau  der  Haut,  sondern  verbreitet  sich  durch  peri- 
pheres Wachstum  flächenhaft  in  der  Haut  selbst.  Dadurch 
entsteht  eine  diffuse  sarkomatöse  Degeneration  der  Haut  in 
Gestalt  von  teigig-weichen,  scharf  begrenzten  Herden,  welche 
sich  über  das  Niveau  der  Umgebung  nicht  emporheben.  Was 
aber  besonders  diesen  Fall  charakterisiert,  das  ist  die  kolossale 
Erweiterung  des  Lymphgefäßsystems  in  den  erwähnten  Herden. 
Daß  diese  Erweiterung  keine  zufällige  Erscheinung  ist,  daß  sie 
nicht  von  Zirkulationsstörungen  in  den  höher  gelegenen  Teilen 
abhängt,  darauf  deutet  die  vollständige  Abwesenheit  von  Zirku- 
lationshinderniseen  und  auch  besonders  der  Umstand,  daß  diese 
Erweiterung   der  Lymphwege   nicht   in   der  Haut   der  ganzen 


Sarcoma  idiopathicam  multiplex  etc.  251 

Extremität  verbreitet  ist,  sondern  daß  sie  nur  in  den  Krank- 
heitsherden selbst  zum  Vorschein  kommt.  Es  gehört  also  dieses 
Symptom  zu  dem  Wesen  des  in  Rede  stehenden  pathologischen 
Prozesses.  Immer  und  an  allen  Stellen  tritt  auch  dieses 
Symptom  auf  den  ersten  Plan  und  beherrscht  das  klinische 
und  mikroskopische  Bild.  Was  diese  letztere  anbetrifft,  so  ist 
die  Entwicklung  und  der  Bau  in  beiden  Fällen,  wie  ich  es 
schon  oben  betont  habe,  fast  identisch.  Wie  hier,  so  auch  dort 
besitzt  die  Neubildung  den  Bau  eines  spindelzelligen  Sarkoms, 
welches  von  den  Peritbelien  der  die  Schweißdrüsenknäuel,  Haar- 
scheiden und  m.  m.  arrectores  pil.  umringenden  Blutgefäße 
entsteht,  obgleich  man  zufügen  muß,  daß  bei  dem  weiteren 
Wüchse  des  Sarkoms  auch  die  fixen  Bindegewebszellen  der 
Haut  einen  gewissen  Anteil  nehmen.  Neubildung  der  Blutgefäße, 
reichliche  Hämorrhagien  und  große  Pigmentablagerungen  ge- 
hören auch  in  diesem  Falle  zu  den  charakteristischen  Merk- 
zeichen des  Prozesses.  Der  Unterschied  besteht,  wie  es  schon 
gesagt  wurde,  in  der  ungewöhnlichen  Erweiterung  der  Lymph- 
spalten. Zwar  ist  diese  Eigenschaft  den  Sarkomen  Typus  a) 
Kaposi  auch  nicht  fremd,  darüber  äußert  sich  Unna  in 
seiner  Histopathologie  und  Philippson^)  berichtet  sogar  über 
Bildung  von  Lymphangiomen;  auch  ich  richtete  stets  die  Auf- 
merksamkeit auf  das  Lymphgefaßsystem  in  meinen  vorigen  Arbeiten. 
Dort  ist  aber  die  Erweiterung  der  Lymphspalten  sehr  unbedeutend 
und,  was  die  Hauptsache,  nicht  konstant,  denn  sie  tritt  nicht  in 
allen  Knötchen  und  Infiltraten  Tor.  In  unserem  Falle  ist  aber  die 
Erweiterung  der  Lymphspalten  eine  höchst  charakteristische 
Eigenschaft.  Sie  verleiht  dem  ganzen  pathologischen  Prozesse 
ein  so  spezifisches  Gepräge  und  verändert  das  klinische  Bild 
dieses  Leidens  derart,  daß  die  Diagnose  „Lymphangioma^ 
stellenweise  recht  verleitend  erscheint. 

Dies  alles  ins  Auge  fassend,  möchte  ich  vorschlagen  wollen 
die  Absonderung  dieses  Falles  und  Herstellung  eines  besonderen 
Typus  oder,  richtiger  gesagt,  eines  Untertypus  der  multiplen 
idiopathischen   pigmentierten  Hautsarkome,  welchen   ich  ,Sar- 


^)    Philippson.  Über  das  SarcoiDa  idiopathicum  cutis  etc.  Virch. 
Archiv,  Bd.  CLKVII,  Heft  1,  pag.  58. 


252  Bernhardt 

coma    idiopathicum    multiplex    en    plaques    pigmentosum    et 
lymphaugiectodes"  benennen  möchte. 

Was  die  Ätiologie  anbetrifft,  so  kann  ich  darüber  nichts 
bestimmtes  sagen.  Bakterien  fand  ich  in  den  mikroskopischen 
Präparaten  nicht.  Kulturen,  die  aus  der  serösen  Flüssigkeit  der 
zirkumskripten  Hautveränderungen  angelegt  wurden,  zeigten  die 
Anwesenheit  nicht  pathogener  Kokken  (Luftkokken),  die  mit 
dieser  Erkrankung  wohl  nichts  gemeinschaftliches  haben.  Ich 
erlaube  mir  aber  noch  einmal  die  Aufmerksamkeit  auf  das 
Verhältnis,  welches  zwischen  diesem  Sarkom  und  dem  Erysipel 
besteht,  zu  richten.  In  unserem  Falle  ging  das  Erysipel  dem 
Sarkom  voran,  diente  einigermaßen  als  Einleitungsakt,  gab 
sozusagen  den  Impuls  zur  Entwicklung  des  Sarkoms.  Ist  das 
nicht  eine  Koinzidenz?  Das  ist  wohl  recht  möglich.  Jedenfalls 
scheint  es  mir,  daß  dies  zu  oft  vorkommt.  Ich  bin  aber  der 
Meinung,  daß  in  diesem  Falle  das  Erysipel  das  Eindringen 
eines  noch  unbekannten  Krankheitserregers  nicht  nur  fördern 
konnte,  sondern  daß  es  auch  zugleich  durch  Alteration  des 
Lymphgefäßsystems  einen  günstigen  Boden  für  die  Entwicklung 
des  Sarkoms  schaffen  konnte. 


Erklänmg  der  Abbildungen  auf  Taf.  ZIII  u.  ZIV. 

Fig.  1.  Haut  des  Fußrückens.  a)  Stark  pigmentiertes  Rete;  b)  sellen- 
reiche  Papillarschicht;  e)  spindelzelliges  Sarkomgewebe  körniges  Pigment 
enthaltend;  d)  erweiterte  Lymphspalten;  0)  injizierte  Blutgefäße. 

Fig.  2.  Grenze  des  Corinms  und  subkutanen  Gewebes  (Haut  der 
U.  Zehe),  a)  Lumina  der  BlutgeHlße ;  b)  perivaskuläre  Mäntel ;  cQ  dazwischen 
liegendes  Bindegewebe  mit  erweiterten  Lymphspalten. 

Fig.  8.  Querschnitt  der  L  Phalange  der  großen  Zehe.  Spindel- 
zelliges Sarkomgewebe  mit  bei  a)  entkalkten  Enochenbalken ;  6}  Blni- 
austritt;  e)  körniges  Pigment. 


Archiv  f.  Dermatologie  u.Syptiilis  Band   LXIII. 
Fig.1. 


Ittrmltiiitll    Siinriiiiii  tiiiilU|ili'N  ]>i(|iii>'Li1o.siiiii  ci  lyiii|iluiii!|iiH 


Afchiv  f.  Dermatologie  u  Syphilis  Band  LXIII, 

Hg.2. 


Fig.S. 


Runihtinlt  -  .Summin  rmilli|j]i-> 


Zur  Kenntnis  der  Dermatitis  pyaemica. 

Von 

Dr.  Ludwig  Merk, 

PrlTfttdoMnt  fttr  Dermatologia  und  Syphilis  fn  Qm. 

(Hiezu  Taf.  XV.) 


Am  6.  Februar  1899  hatte  ich  Gelegenheit,  einen  Aas- 
schlag bei  einer  Patientin  der  hiesigen  Nerven-Klinik  zu  be- 
trachten,^) an  welcher  Meniogo- Encephalitis  diagnostiziert 
worden  war. 

Der  Anschlag  bestand  erst  zwei  Tage,  setzte  sich  aus  einer  Anzahl 
getrennt  stehender  Bläschen  und  akneähnlicher  Pusteln  zusammen,  die 
am  ganzen  Körper,  besonders  aber  am  Bauch  und  an  der  rechten  Brnst- 
seite  etwas  zahlreicher  verbreitet  und  fast  gleichzeitig  herausgetreten 
waren.  Daneben  fanden  sich  auch  linsengroße,  rote,  entzündliche 
Flecke,  deren  Mitte  sich  zuerst  blasig  veränderte  und  die  dann  schließlich 
zu  Pusteln  wurden.  Der  Ausbruch  des  Exanthems  kam  in  der  Temperatur- 
knnre,  die  sich  selten  über  38^  und  nur  zweimal  über  89®  erhob,  gar 
nicht  zum  Ausdruck.  Am  8.  Februar  trat  zeitlich  Morgens  ezitus  letalis 
ein  und  die  Sektion  konstatierte  Encephalitis  und  Atrophia  rubra  cerebri, 
wobei  der  Prozeß  als  nicht  tuberkulös  bezeichnet  wurde. 

Bei  der  Sektion  entnahm  ich  der  Brusthant  eine  Stelle  mit  wenig 
veränderten  Bläschen,  gab  sie  zunächst  in  lO^/^  Formollösung  und  nach 
vier  Tagen  in  Alkohol. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  ergnb,  daß  es  sich  um  miliare 
Abszesse  in  der  Lederhaut  von  ungefähr  gleicher  Größe  handle;  einer 
derselben  hatte  beispielsweise  eine  Breite  von  O'll  mm  und  eine  Länge 
von  zirka  0*83  mm,  Sie  waren  sämtlich  ziemlich  scharf  gegen  die  übrige 
Lederhaut  abgegrenzt.  Die  den  Abszeß  zunächst  umgebenden  Blutgefäße 
waren  mit  roten  Blutkörperchen  überfüllt  und  es  erstreckte  sich  diese 
Stase  bis  unter  das  Epithel.  Außerdem  fanden  sich  auch,  namentlich 
nahe  dem  Epithel  Stränge,  die  als  Lympfgefaße  gedeutet  werden  müssen 
und  welche  nicht  nur  mit  Gerinnsel  —  ofipenbar  einer  postmortalen  Er- 
scheinung —  gefüllt  waren,  sondern  es  waren  auch  die  Endothelzellen 


^)  Hiefür,  sowie  für  die  Überlassung  ^er  Krankengeschichte  schulde 
ich  Herrn  Prof.  Dr.  G.  Anton  meinen  wärmsten  Dank, 


254  Merk. 

in  einem  sehr  beträchtlichen  Maße  vermehrt,  daß  man  fa^t  an  Garcinom- 
Bchläuche  erinnert  wurde.  Die  Abszesse  selbst  setzen  sich  aas  polynu- 
cleären  Leakocyten  zusammen.  In  den  größeren  der  Abszesse  lagen 
freie  Kerne  und  kugelige  Ghromatinschollen,  die  namentlich  nach  Gram 
sich  ungemein  scharf  färbten.  Diese  letzteren  Massen  waren  in  Schollen 
nekrotischer  Substanz  eingebettet,  die  weiter  keine  Färbung  annahmen. 
Die  meisten  dieser  Abszesse  waren  ganz  in  die  Lederhaut  veraenkti 
einige  derselben  waren  durch  die  Epidermis  durchgebrochen  und  öffneten 
sich  dort  frei,  oder  aber  es  hatte  sich  die  Hornschicbte  blasig  über  dem 
Abszeß  abgehoben.  An  denjenigen  Stellen,  an  denen  es  noch  nicht  zum 
Durchbrach  gekommen  war,  strotzte  das  Epithel  von  eingewanderten  Lenko- 
cyten.  An  manchen  Stellen  waren  zwischen  Gorion  und  Epidermis  kleinste 
Blasen  mit  klarem  Inhalte  von  etwa  20  /u  Durchmesser  aufgetreten; 
wo  immer  man  aber  noch  blasige  Abhebung  fand,  betraf  sie  nur  die 
Hornschicbte.  Die  Färbung  nach  Gram  ließ  keinen  Zweifel  über  die 
Ursache  der  Entstehung  dieser  Abszesse  aufkommen.  Es  fanden  sich 
nämlich  in  dem  Zentrum  dieser  Abszesse  frei  liegend  ganze  Haufen  von 
Kokken,  die  schon  mit  Lupenvergrößerong  als  unregelmäßig  begrenzte, 
tiefblaue  Flecke  sich  von  der  Umgebung  abhoben.  Die  Kokken  wurden 
nicht  vereinzelt  getroffen,  sondern  immer  nur  in  solchen  großen  Haufen, 
so  daß  wohl  die  Annahme  gerechtfertigt  erscheint,  daß  es  sich  um 
Staphylokokken  handle.  (Vergl.  Tafel  XV.) 

Eine  kulturelle  Untersuchung  des  Falles  konnte  nicht 
gemacht  werden.  Auch  über  die  Art  und  Weise,  wie  etwa  die 
Kokkenhaufen  in  die  Haut  gelangt  waren,  ergaben  die  Präpa- 
rate keinen  Aufschluß  und  es  blieb  nur  mit  Hinblick  auf  die 
Untersuchung  anderer  ähnlicher  Fälle  die  Annahme  gerecht- 
fertigt, daß  es  die  Blutbahn  gewesen  sein  dürfte,  auf  der  die 
Kokken  in  die  Cutis  verstreut  wurden.  Die  Meningitis  und  diese 
miliaren  Abszesse  in  der  Haut  sind  o£fenbar  allesamt  durch 
denselben  Staphylokokkus  erregt  worden  und  es  würde  sich  dann 
dieser  Fall  einer  Reihe  von  andern  ähnlichen  anschließen,  über 
die  wir  in  der  Literatur  ziemlich  ausführlich  und  eingehend 
Kenntnis  besitzen. 

So  berichtet  Finger^)  über  einen  Fall  von  diphtheritischer  Schleim- 
hautentzündnng  des  weichen  Gaumens,  Zangenrückens,  Pharynx,  Ösophagus, 
mit  Perikarditis,  beiderseitiger  Pleuritis,  Lungeninfarcten  und  metastati- 
sohen  Herden  in  den  Nieren  imd  Myokard,  in  welchem  8  Tage  vor  dem 
Tode  —  ähnlich  wie  in  meinem  Falle  —  über  Stamm  und  Extremitäten, 
besonders  am  Hand- und  Fnßrücken  diohtstehende,  sahireiche,  fast  linsen- 


^)  Beitrag  zur  Ätiologie  und  pathologischen  Anatomie  des  Erythems 
multiforme  und  der  Purpura,  fiieses  Archiv,  25.  Jahrgang,  1898,  pag.  765. 


Zur  Kenntnis  der  Dermatitis  pyaemica.  255 

große,  entzündlich  gerötete  Knötchen  anftraten.  Aus  den  metastatischen 
Herden  der  Niere  und  des  Myokards  worden  Reinkaltaren  von  Strepto- 
coccns  pyogenes  gewonnen,  und  die  nach  Gram  insbesondere  aber  nach 
Knhnes  Kristall violettmethode  gefärbten  Hantschnitte  zeigten,  wie  dies 
anch  aus  schönen  Abbildungen  ersichtlich  ist,  das  Vorhandensein  großer 
Meogen  von  Kokken.  Diese  saßen  ausschließlich  in  Blutgefäßen  und 
erfüllten  die  Kapillarschlingen  der  Papillen  oft  so  dicht,  daß  sie  Berliner- 
blau-Iigektionspräparaten  ähnelten.  Zu  einer  akuten  Entzündung  und  zur 
Bildung  miliarer  Abszesse  scheint  es  nicht  gekommen  zu  sein.  Wohl  aber 
in  einem  zweiten  Falle,  in  welchem  neben  beiderseitiger  subakuter  paren- 
chymatöser Nephritis  zahlreiche  Flecke  von  Purpura  am  Stamme  und 
den  Extremitäten  aufgetreten  waren.  Die  Abbildung,  welche  Finger 
Ton  diesem  Falle  gibt,  zeig^  Diplokokken  in  den  Oefäßen. 

Im  Jahre  1896  tritt  Finger^;  gelegentlich  der  Unter- 
suchung weiterer  ähnlicher  Fälle  dieser  Frage  wieder  näher. 
Er  gibt  dem  Zustande  den  Namen  Dermatitis  pyaemica,  welchen 
ich  auch  der  Gleichförmigkeit  wegen  hier  anwende,  obschon 
ich  für  die  Form,  wie  ich  sie  beobachtete,  den  Ausdruck  „miliare 
Hautsepsis''  in  Bereitschaft  hatte,  welcher  vielleicht  die  mit 
dem  Ausdrucke  „Dermatitis"  nicht  unbedingt  verbundene  Vor- 
stellung einer  zerstreuten  Ausbreitung  besser  hervorheben  könnte. 

Finger  stellte  in  dieser  Abhandlung  an  fiinf  Fällen  das 
Einschwemmen  von  Eiterkokken  in  die  Haut  fest.  Er  betont  die 
außerordentliche  Polymorphie  der  Symptome  und  fand  in  seinen 
Fällen  die  Dermatitis  viermal  durch  den  Staphylococcus  aureus, 
einmal  durch  den  Streptococcus  pyogenes  hervorgerufen.  Faßt  man 
seine  zwei  Publikationen  zusammen,  so  erschien  die  Dermatitis 
pyaemica  unter  dem  Bilde  von  Erythema  papulatum,  Purpura 
(bez.  Dermatitis  pyaemica  haemorrhagica)  und  Pseudofuruncu- 
losis  pyaemica  (beziehungsweis  Dermatitis  pyaemica  circum- 
scripta suppurans). 

Füge  ich  meinen  Fall  hinzu,  so  ergibt  sich  als  weiteres 
Bild  eine  Dermatitis  pyaemica  yesico  -  pustulosa  und  gliedert 
sich  der  letztgenannten  Form  Fingers  an. 

Finger  benützt  die  gute  Gelegenheit,  welche  ihm  die 
schönen  Ergebnisse  seiner  Untersuchungen  lieferten  dazu,  die 
seinerzeit  in  der  Dermatologie  herrschende,  wenig  sagende 
angioneurotische  Theorie    zu   bekämpfen    und    es   ist  äußerst 


^)  „Ein  Beitrag  snr  Kenntnis  der  Dermatitis  pyaemica."    Wiener 
klinische  Wochenschrift,  1896,  Nr.  25,  pag.  542  ff. 


256  Merk. 

erfreulich,  zu  sehen,  daß  dieselbe  immer  mehr  yerlassen  wird. 
J arisch^)  findet  sich  beispielsweise  nicht  mehr  yeranlaßt, 
derselben  zu  folgen. 

Es  berührt  deshalb  etwas  befremdlich,  daß  E.  Bodin*) 
in  dem  zweiten  Bande  des  Pariser  Riesenwerkes^  dem  man  bei 
seinem  Umfang  doch  etwas  Ausführlichkeit  zumuten  könnte, 
pag.  508  bei  der  Besprechung  der  Erytheme  der  führenden 
Stelle  Fingers  gar  keine  Erwähnung  tut  und  sogar  das 
wesentliche  der  ganzen  Angelegenheit  in  Zweifel  zieht.  Er 
schreibt:  „Endlich  bleibt  noch  bezüglich  der  pathologischen 
Anatomie  der  Erytheme  ein  Punkt  zu  besprechen,  der  sich  auf 
die  An-  oder  Abwesenheit  yon  Mikroben  im  Bereiche  der 
Effloreszenzen  bezieht.  Unter  diesem  Titel  sind  yon  verschie- 
denen Autoren  und  speziell  Leloir  zahlreiche  Untersachimgen 
angestellt  worden.  Sie  konnten  nur  den  Beweis  erbringen,  daß 
die  erythematösen  Effloreszenzen  als  solche  nicht  keimhältig 
seien.  Ich  weiß,  daß  yerschiedene  Autoren  in  den  erythema- 
tösen Effloreszenzen  Mikroben  beschrieben  haben,  so  z.  B. 
Haushalter  (Contribution  ä Tetude  de  Terytheme polymorphe. 
Ann.  de  Dermatol.  1887),  Simon  et  Legrain  (Contribution 
ä  r^tude  de  Terytheme  infectieuz. Ebendaselbst  1888),  Luzzato 
(Sul  erythema  acute  polymorfo.  Archiy.  ital.  di  clinic  me- 
dica.  1888),  welche  beim  polymorphen  Erythem  einen  Mikro- 
kokkus  gefunden;  femer  Spillmann  (Contribution  k  Petude 
du  Pemphigus  aigu.  Annal.  de  Dermat.  1880),  Vi  dal  und 
Gibier  (ebendaselbst  1882,  pag.  102),  welche  bewegliche 
Bakterien  in  den  Blasen  beobachtet  haben.  Aber  wenn  man 
diese  Angaben  genau  beurteilt,  so  findet  man,  daß  keine  der- 
selben yom  Standpunkte  der  Untersuchungsmethode  ganz  ein- 
wandsfrei  ist  und  ebenso  wenig  ist  es  möglich,  dieselbe  hier 
ernsthaft  in  Rechnung  zu  ziehen.** 

„Gleichwohl  gibt  es  einen  Fall,  bei  welchem  die  An- 
wesenheit von  Bakterien  in  den  erythematösen  Effloreszenzen 
zweifellos  festgestellt  wurde,  aber  es  ist  dies  der  einzige  Fall, 
welchen  ich  so  wohlbegründet  befunden  habe.  Sabouraud 
und  Orillard  (Erytheme  noueux  au  cours  d'une  septicömie 


')  Die  Hautkrankheiten,  1900.  Verl.  von  A.  Holder,  Wien.  p.  97  u.  104. 
')  La  Pratique  Dermatologiqae.  Paris  1901,  bei  Masson  &  Co. 


Zar  KenntniB  der  DermatitiB  pjaemica.  257 

a  streptocoques.  Medecine  moderne,  8.  foTrier  1893)  haben  im 
Bereiche  der  Erythemknoten  bei  einer  Frau,  welche  an  Streptococcie 
gestorben  war,  yenöse  Thromben  gefunden  und  Streptokokken  in 
Kettenform,  welche  das  thromböse  Gerinnsel  durchsetzten.* 

„Ich  füge  noch  hinzu,  daß  man  auch  das  Blut  erythematöser 
Kranken  untersucht  hat  und  daß  in  keinem  Falle  Keime  aufgedeckt 
werden  konnten.  Indessen  hat  Leloir  des  öfteren  Strepto- 
kokken und  einen  Mikrokokkus,  der  dem  Stap  hylokokkus  ähnelte 
gesehen.  Ich  für  meinen  Teil  habe  sieben  Fälle  Ton  poly- 
morphen Erythem  auf  diesen  Punkt  hin  untersucht,  habe  unter 
entsprechenden  Kautelen  genügende  Mengen  Blutes  (3—5  cm^) 
entnommen,  kulturell  untersucht  und  sieben  negative  Resultate 
erhalten.*' 

Dem  gegenüber  sei  hervorgehoben,  daß  die  Fälle  von 
Spillmann,  Vidal  und  Gibier  nicht  hieher  gerechnet 
werden  dürfen,  weil  sie  sich  mit  dem  Blaseninhalte  bei  den 
Erythemen  beschäftigten.  Aus  diesem  auf  die  Blasenursache 
zu  schließen  ist  ein  müßiges  Beginnen,  weil  erstlich  in  den 
aufgeklärten  Fällen  von  Blasenbildung  (Brandblase,  Schuh- 
druck etc.)  die  lokale  Ursache  schon  längst  entschwunden  ist 
wenn  die  Blase  dem  Auge  sichtbar  wird,  weil  femers  der 
Blaseninhalt  überhaupt  ein  sekundäres  Produkt  vorstellt.  End- 
lich siedelt  sich  in  jedem  Blaseninhalte  sofort  eine  Unzahl 
von  Bakterien  an,  weil  die  absterbende  Hornschichte  keine 
schützende  Kraft  mehr  ausüben  kann.  Es  kann  also  aus  der 
Anwesenheit  von  Spaltpilzen  im  Blaseninhalte  eine  Folgerung 
anf  die  Entstehungsursache  in  solchen  Fällen  nicht  gemacht 
werden.   Was  Bodin   veranlaßt  hat,   den  Fall  Sabourauds 

« 

und  Orillards  aus  dem  Jahre  1893  als  den  „einzig  fest- 
stehenden^ zu  betrachten,  ist  einfach  unerfindlich,  weil  er 
ja  der  Fing  ersehen  Beobachtung  aus  demselben  Jahre  voll- 
kommen parallel  läuft. 

Den  Bodinschen  negativen  Kulturversuchen  stehen  unter 
anderem  gerade  so  exakt  ausgeführte  positive  Versuche  Sin- 
gers') gegenüber.  Zwar  galten  dieselben  nicht  den  pyämischen, 

^}  Über  Varietäten  des  Typhusexanthemes  und  ihre  Bedeatan|f. 
Wiener  klinische  Wochensohrifb,  9.  April  1896  (und  nicht  1891,  wie 
Ehrmann  zitiert). 

Arcb.  f.  Dermat.  n.  Syph.  Bd.  LXIIf.  17 


258  Merk. 

sondern  den  typhösen  Begleiterscheinungen  in  der  Haut,  was 
aber  dem  Wesen  der  Frage  gleichgültig  ist.  Singer  hat  den 
Typhusbazillus  nicht  nur  aus  dem  kreisenden  Blute  gezüclitet, 
sondern  sogar  in  ezcidierten  Typhusfolliculitiden  mikroskopisch 
nachgewiesen.  Seine  Versuche  hatten  möglicherweise  deswegen 
ein  so  wichtiges  Ergebnis,  weil  er  auf  den  glücklichen  Ge- 
danken verfallen  war,  unter  anderm  das  Blut  den  Ef&oreszenzen 
zu  entnehmen.  Derartige  Erytheme  —  so  darf  man  doch  nunmehr 
schließen  —  entstehen  erst,  wenn  die  im  Blute  kreisenden 
Mikroorganismen  in  den  Hautgefaßen  zur  Ansiedlung  gelangt 
sind,  und  wenn  nach  dem  Auftritte  des  Exanthemes  der 
kulturelle  Nachweis  aus  dem  Blute  Bodin  nicht  gelang,  so 
kann  vielleicht  hierin  die  Ursache  seines  Mißerfolges  gesehen 
werden. 

Etwas  mehr  Bedeutung  schreibt  in  Mraöeks  Handbuch 
Ehrmann  den  in  Rede  stehenden  Erscheinungen  zu,  obschon 
er  sie  nicht  erschöpft  und  eine  echte  Metastase  nur  bei  Be- 
sprechung der  Roseola  typhosa  erwähnt,  sich  stützend  auf 
Singers  Resultate. 

Es  ist  aber  notwendig  zu  betonen,  daß  diese  Bedeutung 
eine  ganz  wesentliche  ist.  Denn  die  Polymorphie  dieser  Pro- 
zesse war  und  ist  nur  zu  sehr  geeignet,  unseren  tieferen  Einblick 
zu  verwirren,  indes  wir  jetzt  kühn  von  diesen  aufgeklärten 
Vorgängen  den  Schritt  zu  bislang  unerklärten  ähnlichen  Der- 
matosen wagen  können. 


Erklärung  der  Abbildungen  auf  Taf.  XV. 

Fig.  1.  Das  im  Corium  liegende  miliare  Abszeßcben.  Za  beiden 
Seiten  (n)  normales  Coriumgewebef  dessen  elastische  Puem  mit  Orcein 
geförbt  waren.  Im  Zentram  desselben  (C)  nach  Gram  gefärbte  Kokken* 
häufen.  Gezeichnet  bei  Reichert  Ok.  8,  Obj.  4  eiogez.  Tabns. 

Fig.  2.  Ans  dem  Zentram  eines  anderen  miliaren  Abszefichens. 
Gefärbt,  wie  oben  angegeben  und  überdies  mit  Hämatoxylin.  Der  Kokken- 
hanfen  teils  umgeben  von  ungefärbtem  Detritus,  teils  Ton  Ghromatin- 
schollen,  teils  von  normal  gefärbten  Kernen.  Gezeichnet  bei  Reichert 
Ok.  d,  Obj.  8  eingez.  Tubus. 


uSyphtlis  Band  LXm. 


%' 


Fig.2. 
Merk:  iJirrmaMtis  pvüemir.i 


Ans  der  dermatologisohen  üniversitätsUinik  des  Professor 

Dr.  Q.  Biehl  in  Leipzig. 


Naevus  vasculosus  giganteus. 

Von 

Privatdozent  Dr.  Erhard  Bieeke, 

AMlstent. 

(Hiezu  Taf.  XVI.) 


In  der  Sitzung  der  medizinischen  Gesellschaft  zu  Leipzig 
am  25.  Februar  1902  hatte  ich  Gelegenheit,  einen  Mann  mit  außer- 
gewöhnlich stark  entwickeltem  Naevus  yasculosus  Yorzustellen. 

Es  ist  dies  derselbe  Kranke,  über  welchen  Seifert^) 
in  diesem  Archiv  ausführlicher  berichtet  hat.  Seifert  nimmt 
an,  daß  es  sich  in  diesem  Falle,  in  welchem  eine  mikroskopische 
Untersuchung  leider  nicht  angängig  war,  um  „eine  auf  dem 
Boden  eines  Naevus  vasculosus  entstandene  Bildung  von 
Fibroma  molluscum  mit  elephantiastischer  Ver- 
dickung der  Augenlider,  der  Nase  und  der  Oberlippe **  handle. 

In  diesem  Sinne  bringt  er  seinen  Fall  nicht  bloß  mit  der 
analogen  Beobachtung  von  Duyce,  sondern  auch  mit  den 
Fällen  von  geschwulstartigen  Pigmentnaevis  (v.  Plann  er  etc.) 
in  eine  Gruppe,  die  er  als  Naevus  moUusciformis  elephantiasticus 
bezeichnet 

Wir  können  schon  vom  klinischen  Standpunkte  aus  dieser 
Auffassung  uns  nicht  anschließen,  da  sie  anatomisch  sehr  ver- 
schiedenartige Dinge  zusammenfaßt  und  nur  auf  einer  äußer- 
lichen Ähnlichkeit  begründet  ist. 


*)  Archiv  far  Dermatol.  n.  Syph.  LIX.  Bd.,  2.  Heft,   p.  197.    £in 
Fall  Ton  Naevus  yascalosus  mollasciformis  von  Prof.  Seifert  in  Wftrzbarg^ 

17* 


260  Riecke. 

Durch  die  Liebenswürdigkeit  von  Herrn  Geh.  Rat  Professor 
Dr.  Trendelenburg  sind  wir  in  die  Lage  gesetzt,  unsere 
Auffassung  durch  Verwertung  des  histologischen  Befundes  eines 
Falles  zu  stützen,  welcher  in  der  chirurgischen  Klinik  im 
Sommer  1901  zur  Beobachtung  und  Operation  kam. 

Derselbe  ist  im  Wesen  mit  dem  Seif  er  tischen  Falle 
identisch. 

Krankengeschichte.  (Auszugsweise.)  (S.  die  Abbildung  sufTaf. 
XYI.)  H.  y.  aus  W.y  41  Jahre  alt,  Privata.  Das  Feaermal  ist  angeboren, 
▼on  Anfang  an  fast  gleich  groß  gewesen,  nur  die  Oberlippe  ist  nach  und 
nach  größer  geworden;  in  den  letzten  beiden  Jahren  hat  sich  ein  beaon* 
ders  schnelles  Wachstum  in  der  rechten  Gesichtshälfte  eingestellt. 

Das  Mal  nimmt  fast  die  ganze  linke  Gesichtshalfte  ein.  Eb  läßt 
einen  iVa  Qaerfinger  schmalen  Streifen  frei,  welcher  sich  yom  äußeren 
linken  Mundwinkel  bis  zum  oberen  Ansatz  des  Tragus  erstreckt  und  nach 
unten  vom  ünterkieferrand  begrenzt  wird.  Beide  linken  Augenlider 
werden  vom  Naevus  eingenommen ;  derselbe  erstreckt  sich  auf  der  linken 
Hälfte  des  Stirnbeins  nach  oben  und  hinten  zirka  5  em  über  die  Haar- 
grenze hinaus. 

Auf  der  linken  Hälfte  der  Stirn  sind  drei  kleine  runde  Haut- 
partien normal  gefärbt.  Von  der  Haargrenze  steigt  die  Begrenzungs- 
linie des  Mals  in  ganz  unregelmäßiger  Linie  medial  schräg  bis  zur 
Glabella  herab. 

Die  ganze  Nase  und  die  ganze  Oberlippe  sowie  der  vordere  Teil 
der  rechten  Wange  inkl.  des  unteren  Augenlides  und  der  medialen 
Hälfte  des  oberen  Augenlides  ist  vom  Naevus  eingenommen ;  in  der  Höhe 
des  Jochbeins  gehen  einzelne  unregelmäßige  Fortsätze  desselben  nach 
hinten. 

Die  ganze  hintere  Hälfte  der  Wange  ist  hier  frei,  ebenso  die  rechte 
Hälfte  der  Stirn  und  das  Kinn. 

Im  Bereiche  des  Mals  zahlreiche,  warzenförmige  Verdickungen; 
die  an  die  normale  Haut  angrenzenden  Partien  desselben  zeigen  eine 
bläulich-rote  Färbung  und  sind  im  Niveau  der  Haut,  während  mehr 
nach  dem  Zentrum  die  ganze  Haut  verdickt  ist  und  über  das  Gewebe 
hervorragt. 

Besonders  stark  verdickt  und  derb  ist  die  ganze  Oberlippe.  Durch 

ihre  Vergrößerung   ragt   sie  wie  ein  schürzenförmiger  Lappen  über  die 
Mundspalte,  Unterlippe  und  das  Kinn  bei  gewöhnlicher  Kopfhaltung  vor 

(s.  Abbildung).  Dieser  Oberlippenwulst  mißt  der  Länge  nach  6*5  cm,  der 

Dicke  nach  2*4  cm  und  der  Breite  nach  (von  Mundwinkel  zu  Mundwinkel 

gemessen)  16*0  cm* 

In  der  Mundschleimhaut  sieht  man  ebenfalls  Gefaßveränderungen : 

und  zwar  in  der  Wangenschleimhaut  wulstige,  bläulich^rote  Verdickongen, 

welche  an  der  linken  Seite  die  ganze  Schleimhaut  des  Alveolarfortsatzes 


Naevus  Tasculosus  giganteus.  261 

des  Oberkiefers  und  der  Backe  bis  in  die  gleiche  Höhe  wie  außen  (die 
Höhe  des  äußeren  Mundwinkels)  einnehmen.  Am  weichen  Gaumen 
besonders  an  der  Uvula  und  am  vorderen  Gaumenbogen  zahlreiche 
injizierte  Gefäße.  Die  übrige  Schieimhant  des  Mundes  und  Rachens 
ist  normal. 

Der  linke  Bulbus  fehlt;  er  wurde  vor  einiger  Zeit  in  hiesiger 
Augenklinik  wegen  Phthisis  bnlbi  entfernt. 

In  Ghloroformnarkose  Amputation  der  Oberlippe  durch  einen  queren, 
von  einem  Mundwinkel  zum  anderen  reichenden  Schnitt.  Dann  wird  in 
der  Mitte  der  Oberlippe  eine  Eeilexzision  gemacht  und  darauf,  nachdem 
noch  größere  Stücke  aus  der  Substanz  der  Oberlippe  entfernt  sind, 
Schleimhaut  mit  äußerer  Haut  vereinigt;  der  mittlere  Schnitt  durch 
tiefgreifende  Seidennähte  vereinigt.  Kollodiumwatt«verband.  Heilung 
per  primam. 

Das    uns    zur    histologischen    Untersuchung    überlassene 

Stück  aus   der  exstirpierten  Oberlippe   hatte   die  Ausdehnung 

von  zirka  5  cm  und  entspricht  einer  sagittal  aus  der  Oberlippe 

ausgeschnittenen  Scheibe. 

Eine  deutliche  Unterscheidung  der  äußeren  Haut  des  Lippenrots 
und  der  Schleimhaut  ist  makroskopisch  nicht  möglich. 

Der  Hauptsache  nach  besteht  die  Geschwulst  aus  einem  Convolut 
großer  Blutgefäße.  Dasselbe  nimmt  die  ganze  Breite  des  Corium  und 
Subkutangewebes,  der  Lippenmuskulatur,  der  Submucosa  und  Mucosa  ein. 

Am  mäßigsten  erscheint  die  Einlagerung  von  Gefäßen  in  der 
eigentlichen  Cutis  und  Subcutis ;  etwas  geringer  an  der  Schleimbaut  und 
auffallend  weniger  reich  in  der  Muskel  schichte.  In  dieser  letzteren  sind 
die  Gefäße  im  intramuskulären  Bindegewebe  entwickelt. 

Auf  den  ersten  Blick  erscheint  das  Präparat  ganz  unregelmäßig 
von  Quer-,  Schief-  und  Längsschnitten  der  Blutgefäße  erfüllt;  bei  näherer 
Betrachtung  fällt  es  aber  auf,  daß  immer  eine  Anzahl  von  Gefaßdurch- 
scbnitten  in  je  eine  Gruppe  vereinigt  ist,  welche  von  den  benachbarten 
Gruppen  durch  breitere  Bindegewebszüge  getrennt  erscheint. 

Wie  aus  der  Form  der  Durchschnitte  hervorgeht,  sind  die  Gefäße 
im  allgemeinen  aber  selbst  in  den  einzelnen  Gruppen  nicht  in  einer 
Richtung  verlaufend,  sondern  vielfaltig  gekrümmt  und  gewunden.  Man 
findet  fast  nirgends  längere  Strecken  eines  Gefäßes  der  Länge  nach 
getroffen;  es  überwiegen  vielmehr  die  Quer-  und  Schief  schnitte  ganz 
bedeutend.  Der  Durchmesser  von  quergetroffenen  Gefäßen  beträgt  im 
Mittel  0-28-0*31  mm. 

Die  die  Geschwulst  zusammensetzenden  Gefäße  sind  wohlausgebildete 
Yenen  und  einzelne  Arterien  größeren  Kalibers.  Die  Yenenwand  hat 
durchschnittlich  eine  Dicke  von  0*05 — 0*06  mm,  zeigt  deutliche  Muskulatur 
und  elastische  Fasern  wie  bei  normalen  Yenen  derselben  Größe. 

Auffallend  ist  die  stärkere  Ausbildung  des  Endothelbelags  der 
Intima,  an  allen  Durchschnitten  findet  man  die  Endothelien  einreihig 
stark  vorspringend  und  sehr  dicht  angeordnet. 


262  Rieeke. 

Die  Arterien  zeigen  den  gewöhnlichen  Bau.  Die  Venen  enthalten 
nirgends  Thromben. 

Eutzöndliche  Ersoheinnngen  sind  an  keiner  Stelle  der  Präparate 
nachzuweisen.  Ebenso  fehlen  neue  Gefößanlagen,  Granulations-  und 
junges  Bindegewebe  im  Bereich  des  Naevus. 

Das  zwischen  den  einzelnen  Venenschlingen  liegende  Bindegewebe 
ist  von  lockerem  Bau,  nirgends  CDtzündlich  infiltriert  oder  hypertrophisch. 
Ebenso  verhalten  sich  die  etwas  massigeren  Bindegewebszüge,  welche  die 
Oefößconvolute  von  einander  trennen  resp.  sie  verbinden.  Das  Binde- 
gewebe enthält  reichlich  elastische  Fasern  und  kleinere  Blutgefäße,  wie 
sie  den  betrefienden  Cutis*  und  Schleimhautpartien  eigen  sind. 

In  diese  größeren  Bindegewebszuge  findet  man  auch  die  epithelialen 
Einlagerungen  der  Haut  und  Schleimhaut  eingeschlossen  (Haarbälge, 
Talgdrüsen,  Schweißdrusen  und  Schleimdrüsen).  Die  ernährenden  kapillaren 
Blutgefäße  dieser  Gebilde  zeigen  keine  Abweichung  von  der  Norm  und 
stehen  mit  den  Naevusgefäßen  in  keiner  Beziehung.  An  einigen  größeren 
Schleimdrüsen  dringen  die  großen  Naevusgefaße  auch  zwischen  die 
gröberen  Drüsenläppchen  ein. 

Von  der  Haut  ist  außer  der  Papillarschichte  stellenweise  auch  ein 
Teil  des  augrenzenden  Coriums  in  der  ursprünglichen  normalen  Form 
erhalten.  Meist  reichen  aber  die  Gefäße onvolute  bis  knapp  an  die 
Papillen  resp.  nahe  an  die  Grenze  der  Epidermis.  Ebenso  erscheint 
das  subkutane  Fettgewebe  bis  auf  wenige  kleine  streifenförmige  Inseln 
verdrängt. 

Dieselben  Verhältnisse  finden  wir  an  den  dem  Lippenrot  und  der 
Schleimhaut  angehörigen  Bindegewebsteilen. 

Besondere  Berücksichtigung  verdienen  die  Verhältnisse  der  Epi- 
dermis uud  der  Papillarschichte. 

Die  Oberhaut  ist  in  all  ihren  Anteilen  erhalten;  die  Papillen 
sind  zumeist  verstrichen.  Dort,  wo  die  Epidermis  durch  den  Druck  der 
Geschwulst  stark  gespannt  ist,  zeigt  sie  sich  verdünnt,  wie  man  dies 
auch  über  anderen  Geschwülsten  findet.  Die  Stachelschicht  ist  manch- 
mal auf  1 — 2  Zellagen  reduziert;  ihre  Zellen  sind  der  Breite  nach  aus- 
gezogen. Auch  die  Basalschichte  erleidet  an  solchen  Stellen  entsprechende 
Formveränderungen,  sie  wird  niedriger,  ihre  Zellen  sind  kuglig  oder  breit 
geworden,  stellenweise  enthalten  sie  Vacuolen. 

Ein  eigentümliches  Verhalten  zeigt  das  elastische  Gewebe.  Es  ist 
in  groben  Faserzügen  in  den  Bindegewebssträngeu  überall  reichlich  vor- 
handen  und   zeigt   alle   Eigenschaften   der  normalen  elastischen  Fasern. 

In  den  obersten  Gutisan teilen,  speziell  aber  in  der  subepidermoidalen 
Schichte  ist  es  in  ähnlicher  Weise  verändert,  wie  dies  bei  seniler  Atrophie 
zu  greschehen  pflegt.  Die  Faiem  verlieren  daselbst  ihre  scharfe  Beg^renzung, 
nehmen  an  Volumen  zu,  so  daß  sie  um  das  Doppelte  und  Dreifache  dicker 
werden  als  normal;  sie  verlaufen  weniger  wellig  und  konfluieren  mit 
einander.    Dabei  büßen  sie  an  Färbbarkeit  allmählich  ein.     Sie  bilden 


KaevuB  vasonloBQS  gig^anteus.  263 

schliefilich  homogene  Schollen  und  formlose  Massen,  welche  spezifische 
Färhang  nur  schlecht  nnd  anvollkommen  annehmen. 

Die  Degeneration  hetrifil  nicht  üherall  alle  elastischen  Fasern  and 
degenerierte  Elemente  sieht  man  häufig  durch  Übergangsformen  direkt 
mit  unveränderten  in  Zusammenhang;  es  kommen  dahei  die  mehrfach 
schon  beschriebenen  ü-  oder  wurstformigen  Bildungen  u.  ä.  vor. 

An  Strecken  mit  vollständig  verquollenem  elastischen  Gewebe 
nimmt  dasselbe  die  ganze  Breite  der  vorhandenen  Cutis  ein  —  es  sind 
auch  die  Bindegewebszuge  nicht  mehr  zu  sehen.  Die  feineren  Fasern 
der  Papillarschichte  verschwinden  überall,  wo  diese  Degeneration  des 
elastischen  Qewebes  in  der  TJuterlage  auftritt.  Es  bleibt  dann  ein  heller 
Bindegewebssaum,  auf  dem  die  Epidermis  aufsitzt,  frei  von  elastischen 
Fäserohenf  was  bei  elektiver  Färbung  einen  scharfen  Kontrast  hervorbringt. 

Sowohl  im  Seif  er  tischen  wie  in  unserem  Falle  handelt 
es  sich  bestimmt  um  einen  Naevus  vasculosus,  der  erst  im 
vorgeschrittenen  Alter  gewachsen  ist  und  zur  tumorähnlichen 
Vergrößerung  geführt  hat. 

Aus  unserem  histologischen  Befunde  geht  hervor,  daß 
es  sich  um  eine  rein  hämangiomatöse  Bildung  handelt,  welche 
durch  keinerlei  Wucherung  des  Bindegewebes,  Fettgewebes 
u.  8.  w.  kompliciert  ist. 

Da  die  Wandungen  der  Blutgefäße  überall  deutlich  aus- 
gebildet und  geschlossen  sind,  entfällt  die  Annahme  eines 
Gavemoms. 

Die  Gefäßbildungen  tragen  einen  durchaus  stabilen 
Charakter,  wie  ja  auch  in  Einklang  damit  klinisch  eine  weitere 
Flächenausbreitung  des  Mals  seit  Kindheit  nicht  wahrgenommen 
wurde.  Femer  sind  nirgends  Kapillarsprossungen  oder  andere 
auf   Gefäßneubildung  hindeutende  Vorgänge  vorhanden. 

In  beiden  Fällen  erfolgte  die  Volumszunahme  erst  im 
höheren  Alter.  Für  dieses  späte  Wachstum,  welches  mit  der 
den  Naevis  sonst  eigentümlichen  Stetigkeit  und  Unveränder- 
lichkeit  des  Aussehens  in  Widerspruch  steht«  kann  nach  unserem 
Befunde  keineswegs  ein  komplicierender  Prozeß,  sei  es  eine  fibro- 
matöse  Neubildung  oder  eine  auf  entzündlicher  Basis  erfolgende 
Hypertrophie  oder  Gefäßneubildung,  als  Veranlassung  nach- 
gewiesen oder  angenommen  werden. 

Wie   Trendelenburg ^)   mit  Recht  betont,  können  die 


^)  Deutsche  ChirargiCf  Verletzungen  und  Chirurg.  Krankheiten  des 
Gesichtes  von  Trendelenburg.  pag.  79.  Makrochilie. 


264  Riecke. 

yerschiedenen  Formen  angeborener  Hypertrophie  der  Ober- 
und  Unterlippe  vom  klinischen  Standpunkte  aus  den  gemein- 
samen Namen  der  Makrochilie  fuhren,  da  in  diesen  Fallen 
manchmal  auch  die  Blutgefäße  erweitert  erscheinen  können. 
Erst  die  mikroskopische  Untersuchung  kann  in  solchen  Fällen  die 
Entscheidung  bringen,  ob  eine  Bindegewebshypertrophie  oder  ein 
lymphangiomatöser,  hämangiomatöser  oder  cavernöser  Prozeß 
Yorliegt.  Um  so  komplizirter  gestaltet  sich  die  Diagnose  in 
diesen  Fällen  dadurch,  daß  bisweilen  mehr  minder  ausgedehnte, 
flache  Gefaßmäler  bei  heterogenetischer  Geschwülstbildung 
zur  Entwickelung  gekommen  sind.  Bei  Esmarch  und  Eulen- 
k  am  p  f  P)  finden  sich  mehrere  solcher  Fälle  zitiert.  Auch  T  r  e  n- 
delenburg^)  fuhrt  sowohl  für  die  fibrösen  als  auch  für  die 
angiektatischen  und  lymphangiektatischen  Formen  eine  Anzahl 
Yon  in  der  Literatur  vorhandenen  Beobachtungen  an. 

Für  eine  tumorartige  Wucherung  oder  ein  Wachstum  von 
Feuermälern  nimmt  Seifert,  wie  erwähnt,  die  Eomplication 
mit  Mollusc.  fibrös,  oder  Elephantiasis  Arabum  in  Anspruch. 
Beide  Formen  vom  Bindegewebsgerüst  ausgehend  kommen 
wohl  auch  wirklich  bei  angeborenen  Elephantiasisfällen  vor, 
welche  kombinierte  Geschwülste  darstellen. 

Das  Auftreten  einer  bedeutenden  Vergrößerung  solcher 
Geschwülste  im  späteren  Lebensalter  könnte  aber  durch  ein 
Mollusc  fibrös,  nur  schwer  erklärt  werden,  da  ja  letzteres 
auch  kongenital  veranlagt  ist  und  erfahrungsgemäß  nach  der 
Pubertät  nicht  mehr  auffallend  zu  wachsen  pflegt. 

An  akquirirte  Elephantiasis  als  Kombination  wäre  mög- 
licherweise zu  denken,  wenn  am  Naevus  vasculosus  wiederholte 
Erysipele  oder  andere  entzündliche  Vorgänge  sich  abgespielt 
hätten. 

Für  die  kongenitalen  Mißbildungen  in  Form  einer 
Elephantiasis  scheint  uns  ein  späteres  Wachstum  ausgeschlossen. 

Der  von  Seifert  herbeigezogene  Vergleich  von  Naevi 
pigmentosi  in  Tumorform  (N.  pigment.  giganteus)  mit  unseren 
Fällen  ist  nicht  haltbar;  in   diesen  Fällen   sind   die  Tumoren 


*)   Die» elepbantiastischen  Formen.  Von  Esmarch  und  Knllen- 
kampff. 

»)  L  c. 


Naeyas  vascaloBas  giganteus.  265 

angeboren  oder  entwickeln  sich  in  der  Kindheit.  Sie  bestehen 
aus  Naevaszellen,  haben  also  keinen  Bezug  zum  Naevus 
vasculosns. 

Es  kommt  aber  für  spätere  Vergrößerung  des  Naevus 
yascnlosas  noch  die  Möglichkeit  in  Betracht,  daß  Neubildungen 
(Sarkom,  Peritheliom)  vom  demselben  ausgehen ;  wie  man  dies 
faktisch  namentlich  bei  den  subkutanen  Gefäßgeschwülsten 
(subkut.  Angiomen)  und  bei  kleinen  teleangiektatischen  Naevis 
nicht  selten  beobachtet. 

Von  allen  diesen  Möglichkeiten  ist  aber  nach  unserem 
histologischen  Befunde  nicht  die  Rede. 

Unser  Fall,  der  dem  Seiferts  in  Erscheinung  und  Ver- 
lauf ganz  analog  ist,  erweist  sich  als  einfacher  Naevus  yas- 
culosus  von  gewöhnlichem  Bau,  und  Seiferts  Theorie  kann 
demnach  als  sicher  nicht  zutreffend  bezeichnet  werden. 

Wir  müssen  daher  nach  einer  anderen  Erklärung  für 
die  beim  Erwachsenen  langsam  aufgetretenen  Volumszunahme 
suchen.  Wir  glauben  dieselbe  auf  eine  stärkere  Ausdehnung 
der  schon  Yorhandenen  Gefäßconvolute,  die  mehr  auf  physi- 
kalischen als  auf  biologischen  Ursachen  fußt,  zurückfuhren  zu 
müssen. 

Und  dies  nicht  bloß,  weil  kein  anderer  die  Vergrößerung 
der  Tumoren  erklärender  Faktor  aufzufinden  ist,  sondern  auf 
Grund  der  auffälligen  Veränderungen  des  elastischen  Gewebes. 

Bekanntlich  büßt  die  Haut  bei  Schädigung  der  elastischen 
Elemente  an  Widerstandsfähigkeit  gegen  Zug  und  Druck  be- 
deutend ein.  Die  senile  Haut,  deren  elastisches  Gewebe  in 
gleicher  Weise  wie  an  unseren  Präparaten  verändert  gefunden 
wird  (Schmidt,*)  Sederholm,*)  v.  Tannenhain),')  legt 
sich  nicht  mehr  glatt  auf  die  Unterlage,  ist  weniger  elastisch 
und  vor  allem  nicht  im  stände,  auf  sie  einwirkendem  Zug  oder 
Druck  Widerstand  entgegenzusetzen.  Stellen  wir  uns  eine  Ge- 
faßgeschwulst, befreit  von  dem  Widerstände  der  sie  bedeckenden 
Haut  vor,  so  wird  sich  erstere  durch  stärkere  Blutfüllung 
bedeutend  vergrößern.  Bei  der  Bedeckung  der  Gefäßconvolute 


*)  Virchows  Arohiv.  Bd.  CXXV.  pag.  239. 

*)  Archiv  far  Dermatol.  u.  Syphilis  XXV.  B.  1894.  Pag.  901. 

*)  Wiener  klin.  Wochenschrift  1901.  No,  42. 


266  Rieoke. 

unseres  Falles  ist  dieselbe  Veränderung  der  elastischen  Fasern 
wie  bei  der  senilen  Haut  vorhanden,  auch  diese  Haut  wird  der 
andrängenden  Geiäßgeschwulst  nur  geringeren  Widerstand 
entgegensetzen  können  als  normale  Haut. 

Die  Degenerationszustände  des  elastischen  Gewebes  in 
der  den  Tumor  umhüllenden  Haut  und  Schleimhaut  sind  wir 
geneigt  als  kausales  Moment  für  die  Volumszunahme  des  Naeyus 
zu  betrachten.  Mit  Beginn  dieser  Degeneration,  welche  in 
unserem  Falle  wohl  als  frühzeitiges  Senium  infolge  über- 
mäßiger Inanspruchnahme  zu  deuten  ist,  fängt  auch  der 
Tumor  an  sich  zu  yergrößem;  und  so  wird  das  Eintreten  der 
Volumszunahme  in  späterem  Lebensalter  erklärlich. 

Herrn  Geheimrat  Prof.  Dr.  Trendelenburg  sage  ich  far 
die  liebenswürdige  Überlassung  des  Falles  und  Herrn  Professor 
Dr.  Biehl  für  die  freundliche  Unterstützung  bei  der  Be- 
arbeitung meinen  besten  Dank. 


Die  Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XVI  ist  dem  Texte  zu 

entnehmen. 


Archiv  f  Dermatologie  u  Syphilis  Band   LXIU 


Fig.2 

Riecke-Naevus  VBSCulosus  giganteiis. 


Ein  Fall  von  ausgebreiteter  Gangrän  nach 

intramuskulärer  Injektion 

von  Hydrargyrum  sozojodolicum. 

Von 

Dr.  Hermann  Nenmann,    und  E.  Bendig, 

pnkt.  Arst  in  Potsdam  AMistent  am  städt.  Krankenhaaa 

In  Potsdam. 

(Hiezu  Taf.  XVIL) 


Die  intramuskulären  Injektionen  Ton  Hg-Salzen  erfreuen 
sich  wegen  der  Exaktheit  der  Dosierung,  der  Bequemlichkeit 
für  die  Kranken,  der  günstigen  therapeutischen  Erfolge  einer 
außerordentlichen  Beliebtheit:  die  Vorzüge  sind  derartige  her- 
Torstechende,  daß  Unbequemlichkeiten,  wie  etwa  stundenlanger 
Schmerz,  Bildung  von  Infiltraten,  leicht  in  den  Kauf  genommen 
und  übersehen  werden. 

Indessen  lehrt  doch  eine  ganze  Reibe  von  Beobachtungen, 
daß  diese  intramuskulären  Injektionen,  ganz  abgesehen  von 
den  sehr  vermeidbaren  Abszessen  an  den  Injektionsstellen,  zu- 
weilen Yon  leider  sehr  üblen  Zufällen,  ja  von  tötlichen  Aus- 
gängen begleitet  sein  können. 

Lesser^)  und  andere  haben  bei  der  Injektion  von  Hg- 
tannicum,  von  gelbem  Quecksilberoxyd,  Salizjlquecksilber  u. 
s.  w.  Lungenembolien  gesehen:  Unmittelbar  nach  der  fünften 
Injektion  Ton  0*1  Hgdr.  tannic.  in  Ol.  Olivar.  gelöst,  fing  der  1. 
Patient  Lessers  krampfhaft  und  ununterbrochen  zu  husten 
an  und  wurde  cyanotisch.  Der  Husten  dauerte  etwa  Vs 
Stunde.    In  der  Nacht  häufiger,  wässeriger  Stuhl  und  am  fol- 


^)  Lesser.    Yierteljahrsclirift  f.  Dorm.  n.  Syph.  1888.  p.  909. 


268  Neumann  and  Bendig. 

genden  Tage  mehrfaches  Erbrechen  nebst  Schmerzen  beim 
Atmen  und  profuser  Schweiß,  P.  100.  Im  Laufe  des  dritten 
Tages  am  Thorax  hinten  uoten  links  geringe  Dämpfung, 
rauhes  Exspirium  und  Enisterrassebi ;  kein  Husten  und  Aus- 
wurf. Eine  Woche  nach  der  Injektion  waren  sämtliche  sub- 
jektiven und  objektiTen  Zeichen  verschwunden. 

In  ähnlicher  Weise  beobachtete  Möller^)  eine  größere 
Zahl  von  Lungenembolien  bei  den  Injektionen  von  unlöslichen 
Quecksilberpräparaten,  allerdings  stets  mit  noch  sehr  giLn- 
stigem  Ausgang. 

Dagegen  hat  Ledermann')  unter  Zusammenfassung 
aller  anderen  bis  dahin  bekannt  gewordenen  Fälle  (Lukasie- 
wicz,  R.  Elien,  Kaposi,  Neißer)  über  einen  Fall  von 
schwerer  Intoxikation  nach  Injektion  von  Ol.  cinercum  mit 
Ausgang  in  Tod  berichtet.  Sein  Patient  hatte  zuerst  eine 
Schmierkur  mit  Verbrauch  von  zirka  75*0  Quecksilbersalbe 
durchgemacht;  nach  einem  halben  Jahre  drei  Injektionen  mit 
Hg.  salizyl.  c.  Paraff.  liq.  (1:10)  und  dann  in  Abständen  von 
o,  8  und  14  Tagen,  im  Ganzen  6  Mal  Injektionen  von  je 
1  Teilstrich  Ol.  cinerum  (Vigier)  bekommen.  Bei  der  letzten 
Injektion  des  —  wie  der  Verlauf  der  Behandlung  zeigte  — 
gegen  Hg  sehr  empfindlichen  Kranken  trat  auf  der  linken 
Glutäalseite  eine  Induration  auf,  der  später  andere  Infiltrate 
folgten.  Etwa  10  Wochen  nach  der  letzten  Injektion  ging 
Pat.  an  der  merkuriellen  Intoxikation  zu  Grunde. 

Die  Erkläiningen  für  das  Zustandekommen  solcher  Zufalle 
und  Veränderungen  sind  mannigfach  versucht  und  auch  durch 
eingehende  Versuche  beim  Tier  in  überzeugender  Weise  ge- 
stützt worden;  es  sind  sowohl  die  lokalen  Veränderungen  an 
den  Injektionsstellen  von  Wolters^)  wie  die  Bildungsursachen 
der  Embolien    von  Möller^)    studiert    und   ergründet     Weil 

^)  Möller.  Über  Lungenembolien  bei  Injektionen  mit  unlöslichen 
Quecksilber-Präparaten.    Archiv  f.  Derm.  n.  Syph.  1896.  pag.  886. 

'j  Ledermann.  Über  einen  Fall  von  schwerer  Intoxikation  nach 
intramuskulärer  Injektion  von  grauem  öl.    Berl.  kl.  Woch.  1898.  Nr.  46. 

')  Wolters.  Über  die  lokalen  Veränderungen  nach  intramasku- 
lärer  Injektion  von  Hydrargyr.  salicyl.  Archiv  für  Dermat.  u.  Syphilis 
Bd.  XXXIX.  Heft  2. 

^)  Möller,    a.  a.  o. 


Ein  Fall  von  ausgebreiteter  Gangrän  etc.  269 

mdesseo  diese  Beobachtungen  sich  ausschließlich  auf  die 
Nebenwirkungen  der  unlöslichen  Hg-Salze  erstrecken,  sind  sie 
für  die  vorliegende  Aufgabe  einflußlos  und  können  hier  füglich 
des  weiteren  übergangen  werden. 

Was  hingegen  die  Anwendung  der  löslichen  Quecksilber- 
salze in  der  Therapie  der  Syphilis  anbetrifit,  so  ist  sowohl  in 
Hinsicht  auf  die  mehr  oder  weniger  hochprozentigen  Lösungen 
des  Sublimats,  als  auch  besonders  des  Hydrargyrum  sozojodo- 
licum,  die  Zahl  der  unwillkürlichen  und  ToUkommen  unbeab- 
sichtigten Wirkungen  und  daraus  hervorgegangener  Unglücks- 
falle —  glücklicherweise  —  eine  sehr  geringe.  Störungen  im 
Verdauungskanal.  Blässe,  Mattigkeit,  Albuminurie,  Erytheme 
sind  freilich  öfters  als  akute  Quecksiberintoxikation  bei  den 
Injektionen  von  löslichen  Hg-Salzen  beobachtet  worden« 
Möller^)  selbst  erwähnt  zwei  Fälle,  bei  welchen  nach  der 
intramuskulären  Einverleibung  von  1  cm^  Hydrargyrum  sozo- 
jodolicum  sofort  eine  allerdings  bald  vorübergehende  Queck- 
silberintoxikation aufgetreten  war,  vielleicht,  wie  er  glaubt, 
weil  die  Lösung  in  eine  Vene  gelangt  war. 

In  einem  anderen  seiner  Fälle  entstand  fast  unmittelbar 
nach  der  Injektion  von  Hydr.  sozojd.  eine  bedeutende  intra- 
muskuläre Blutung  mit  sehr  starker  Auftreibung  der  Glutäal- 
Region  und  eine  mehr  als  flachhandgroße  Suffusion.  Die 
Schmerzen  des  Kranken  waren  ungefähr  14  Tage  sehr  stark, 
doch  widersetzte  er  sich  einem  operativen  Eingriff.  Endlich 
kam  es  zu  brandiger  Abstoßung,  obgleich  ziemlich  oberflächlich 
und  zuletzt  zur  Heilung  und  Resorption;  die  Ursache  für  den 
Zufall  glaubt  Möller  in  der  Läsion  einer  Arterie  suchen 
zu  sollen. 

Dieser  letzte  Fall  scheint  der  einzige  in  der  Litteratur 
beschriebene  zu  sein,  welcher  auf  die  Anwendung  des  in  Jod- 
kalilösung löslichen  Sozojodol-Quecksilbersalzes  eine  Gangrän 
an  der  Injektionsstelle  zeigt.  Die  Veröffentlichung  eines  zweiten 
derartigen  Vorkommnisses,  zumal  es  sich  um  eine  sehr  ausge- 
breitete und  weit  in  die  Tiefe  gehende  Gangrän  handelft,  dürte 
schon  deshalb  das  Interesse  der  Kollegen  in  Anspruch  nehmen. 


>)  Möller,    pag.  419. 


270  Neumann  und  Bendig. 

als    es  sich  nicht  um  die  VerletzuDg  einer  Vene  oder  Arterie, 
sondern  eines  Nerven  handelt. 

Wir  geben  zuvörderst  die  ausführliche  Krankengeschichte: 

A.  B.,  37  Jahre  alt,  ein  ungemein  kräftiger,  großer,  strammer 
Mann,  der  sich  bisher  stets  der  besten  Gesundheit  su  erfreuen  gehabt, 
gibt  an :  Ihm  sei  vor  14  Jahren  an  seiner  Vorbaut,  links  vom  Bandchen, 
ein  kleiner  harter  Schorf  von  etwa  Hirsekomgröße  aufgefallen;  dieser 
sei  in  die  Höhe  gegangen,  habe  sich  lang  und  spitz  ausgezogen  und  sei 
dann  abgefallen  mit  Hinterlassung  eines  kreisrunden,  trockenen,  ebenen, 
etwas  geröteten  Fleckes.  Seitdem  habe  sich  dieser  Vorgang  in  Zwischen- 
räumen von  Vi — 1 — ^  Jahren  wiederholt,  nur  mit  dem  Unterschiede, 
dass  sich  mehrere,  3 — 4—5  kleine  gelbe  Punkte  von  etwa  Stecknadel- 
kopfgroße an  der  alten  Stelle  einfanden,  zu  einem  gemeinsamen  Schorf 
verschmolzen  und  dann  abfielen.  Ober  die  Entstehungsursache  gibt 
Patient  an  nichts  zu  wissen.  Vor  18  Jahren  habe  Patient  zum  ersten 
und  vor  13  Jahren  zum  zweiten  Male  den  Tripper  gehabt;  der  Tripper 
sei  beide  Male  bald  vorübergegangen  und  habe  keine  wesentlichen  Be- 
schwerden verursacht,  dann  akquirierte  Patient  anfangs  Feber  1900  ein 
Ulcus  durum;  dieses  wurde,  weil  die  Leistendrüsen  nicht  erheblich 
geschwollen  waren,  am  26./n.  1900  galvanokaustisch  entfernt,  allerdings, 
obwohl  der  umfangreiche  Defekt  sehr  schnell  abheilte,  ohne  den 
gewünschten  dauernden  Erfolg,  indem  schon  am  20.  März  ein  klein- 
fleckiges Exanthem  über  den  ganzen  Körper  sich  ausbreitete.  Nunmehr 
wurde  sofort  eine  I^jektionskur  mit  Hydrargyr.  sozojodolic,  intramuskulär 
in  die  Glutaeen,  eingeleitet  und  bis  Juni  1900  fortgeführt;  im  ganzen 
wurden  l'öHydr.  soz.  c.  3-2  JE.  verbraucht,  ohne  andere  Komplikationen, 
als  daß  an  dem  der  ersten  Injektion  folgeutlen  Tag  leichte  fieberhafte 
Erscheinungen,  wie  Frösteln  und  Durst,  und  eine  große  Zahl  von  Durch- 
fällen und  Erbrechen  sich  gezeigt  hätten.  Sonst  waren  keinerlei  lokale 
Störungen,  wie  anhaltende  Schmerzen,  länger  andauernde  Infiltrationen 
und  Indurationen  oder  Abszesse  aufgetreten;  auch  blieb  der  Mond  frei 
von  allen  Quecksilbererscheinungen. 

Nach  Beendigung  der  Hg  Kur  nahm  der  Kranke  vier  Wochen  lang 
Kalium  jodatum:  im  ganzen  25'0.  —  Weil  er  nunmehr  frei  von  jeglichen 
syphilitischen  Symptomen  war,  glaubte  er  eine  geplante  Reise  in  die 
Tropen  ohne  Gefahr  vor  Rezidiven  zur  Ausführung  bringen  zu  können. 
Indessen  bekam  er  schon  während  der  Fahrt  durch  das  Rothe  Meer  einen 
sehr  heftigen  juckenden  Ausschlag  an  der  Stirn,  in  den  Ellenbengen,  auf 
dem  Bauch,  besonders  am  Rücken  und  schließlich  an  den  Innenseiten  beider 
Beine,  bestehend  aus  großen  roten  Flecken  mit  scharf  hervortretenden 
mittleren,  dunkler  gefärbten  Punkten;  die  Drüsen  in  der  Leistenbeuge 
und  am  Hals  schwollen  nicht  an.  Er  nahm  an,  daß  dieser  Ausschlag  „der 
rote  Hund^  sei,  welcher  eine  große  Zahl  der  Mitreisenden  in  oft  weit 
schlimmerem  Grade  überfallen  hatte,  und  der  erst  beim  Eintritt  der 
kühleren  Jahreszeit  —  im  Oktober  —  zum  Verschwinden  kam.  Aber  nach 


£iD  Fall  von  ausgebreiteter  Gangrän  etc.  271 

Ablassen  dieses  Exanthems  blieben  anf  den  Bengeseiten  beider  Arme, 
am  Leib,  an  den  Beinen  ein  gioßfleckiger  Ausschlag  mit  einzelnen  Flecken 
bis  zu  5Pfenniggröße  noch  sichtbar.  Die  dagegen  angewendeten  Bäder 
und  Abreibungen  erwiesen  sich  als  erfolglos;  das  neue  Exanthem  ver- 
änderte sich  nicht,  so  daß  endlich  im  Dezember  die  Hilfe  des  Schiff- 
arstes  nachgesucht  wurde.  Es  handelte  sich  um  ein  großfleckiges  Syphilid, 
zu  dessen  Abheilung  eine  energische  Schmierkur  mit  180  Gr.  Ung.  einer,  und 
der  interne  Gebrauch  von  80 — 60  Gr.  JK.  sich  als  notwendig  heraus* 
stellten. 

Patient  kam  gesund  an  Land  und  blieb  es  bis  zum  April  1901,  als  sich 
neue,  doch  wenig  zahlreiche  Flecke  auf  dem  Rflcken,  Brust,  Leib,  Beuge- 
seiten der  Arme  und  Beine  zeigten.  Fat.  verrieb  60  Gramm  üng.  einer., 
nahm  eine  größere  Dosis  Jodkali  —  stets  ohne  irgendwelche  Intoxikations- 
erscheinungen —  und  wurde  wieder  hergestellt.  Jetzt  hoffte  er,  besonders 
weil  er  sich  an  Land  der  Gefahr  neuer  Infektion  nicht  aussetzte,  frei 
von  syphilitischen  Rezidiven  zu  bleiben;  allein,  kaum  war  er  auf  seiner 
Rückfahrt  wieder  in  das  Rote  Meer  gekommen,  als  er  gerade  wie  auf  der 
Ausreise  zuerst  vom  roten  Hund  und  in  den  k&hleren  Regionen  von  einer 
großen  Zahl  von  runden  großen  roten  Flecken  mit  weißem  Zentrum 
befallen  wurde.  Diese  letzteren,  welche  anfange  nur  klein  und  gleich- 
mäßig dunkelgrau  rot  gefärbt  erschienen,  hatten  sich  vom  Rande  aus 
allmählich  vergrößert;  zugleich  war  im  Zentrum  da»  Braunrot  in  Weiß 
übergegangen.  Mit  der  Behandlung  dieser  Flecke  wartete  er  diesmal  bis 
zu  seiner  Ankunft  in  Potsdam.  Am  7.  Movember  1901  stellte  er  sich  vor; 
es  war  derselbe,  frische  blühende,  kräftige  Mann,  dem  man  irgend  welche 
Strapazen  nicht  ansah.  Seine  Klagen  bezogen  sich  auf  Schmerzen  im 
Kreuz  seit  etwa  V, — V«  Jahren  bei  längerem  Stehen  und  Reiten,  auch 
Beugen,  und  ferner  auf  den  schon  erwähnten  Hautausschlag. 

Was  zunächst  diesen  letzteren  betrifft,  so  erkennt  man  auf  der 
Bengeseite  des  rechten  Unterarmes,  kurz  oberhalb  des  Handgelenks,  einen 
beinahe  1  markstückgroßen  rundlichen  Fleck  von  mattglänzend  weiß- 
lichem Aussehen  mit  blaßbraunrotem,  etwa  2 — 3  mm  breitem,  etwas 
gezahntem  Hof,  ein  klein  wenig  über  das  Hautniveau  erhaben ;  auf  Druck 
blHßt  der  Hof  nur  wenig  ab.  Flecke  von  demselben  Aussehen,  doch  bis 
zu  doppelt  so  großem  Umfang,  finden  sich  auf  der  inneren  Seite  beider 
Ober-  und  Unterarme,  Brust,  auf  der  inneren  Seite  beider  Beine,  besonders 
am  rechten  Unterschenkel,  namentlich  aber  auf  dem  Abdomen,  gruppiert 
im  Kreise  um  den  Nabel,  endlich  auch  auf  den  mittleren  und  unteren 
Partien  des  Rückens.  Das  Gesicht,  der  Kopf,  der  Nacken  und  Hals  sind 
vollkommen  frei.  Die  Drusen  in  der  Leistengegend,  in  der  Ellenbeuge, 
am  Nacken  sind  ein  wenig  vergrößert,  hart,   unempfindlich 

Die  sichtbaren  Schleimhäute,  das  Knoohensystem,  die  Augen  sind 
ohne  jede  Yeränderungen.  Kopfschmerzen  fehlen,  ebenso  irgend  welche 
Lähmungen  der  Extremitäten. 

Die  Organe  der  Brust  und  des  Unterleibes  sind  gleichfalls  in  guter 
Ordnung;   nur  der  Urin,    welcher  irisch  entleert,   bernsteingelb  aussieht, 


1 


272  Nenmann  und  Bendig. 

sauer  reagiert,  sp.  6. 1012  (Vogel),  kein  Sediment  hat  und  frei  von  Zaeker 
ist,  zeigt  bei  einer  ganzen  Beihe  von  Beaktionen  übereinstimmend  m&ßige 
Ansscheidang  von  Albumen  and  mikroskopisob  nach  Zentrifagienmg  im 
Sediment  vereinzelte  hyaline  and  Epithelzylinder,  weiße  Blntkörperohen, 
Nierenepithelien. 

Die  Diagnose  lautete  auf  ein  syphilitisches  Exanthem  und  Nephritis 
parenchymatosa  subacuta.  Die  letztere  konnte  ihre  Ursache  in  über- 
mäßigen  körperlichen  Strapazen  in  unwirtlicher  Gegend  haben,  oder  sie 
hätte  eine  merkurielle  oder  endlich  syphilitischen  Ursprungs  sein  können. 
Die  beiden  letzteren  Entstehnngsursachen  mußte  man  jedoch  deshalb  aus- 
schließen, weil  einmal  die  Nephritis  trotz  der  verschiedenen  Quecksilber- 
behandinngen  auf  der  Ausreise  in  gleicher  Starke  andauerte,  indem  die 
Kreuzschmerzen  des  Kranken  sich  durchaus  nicht  verminderten,  dann, 
weil  die  nephritiscben  Erscheinungen  ohne  andere  merkurielle  Intoxikations- 
Ersoheinungen  einhergingen  und  —  wie  die  spätere  Beobachtung  noch 
eindringlicher  gezeigt  hat  —  unter  Fortgebrauch  von  Quecksilber  sieh 
durchaus  nicht  verschlimmerteD.  Deshalb  blieb  nur  übrig,  die  vorhandene 
Nephritis  als  eine  parenchymatöse  infolge  von  Erkältungen  und  Strapazen 
entstandene  aufzufassen. 

Was  aber  das  Exanthem  anbetrifft,  so  konnte  man  Herpes  tonsurans, 
Erythema  nodosum,  Erythema  papilatum  annulare  oder  ein  Exanthema 
papulosuro  lenticulare  gegeneinander  abwägen.  Die  Lokalisation,  das 
wenig  lebhafte  Bot,  die  fehlende  Schuppenbildung,  die  nur  geringfügige, 
Induration  der  Baut  berechtigen  uns  indessen  sofort  die  nicht  syphiliti- 
schen Exantheme  auszuschließen  und  in  Bezug  auf  die  syphilitischen 
hätte  man  schwanken  können  zwischen  einem  rezidivierenden  papnlösen 
Exanthem  im  Besorptionsstadium  und  einem  bereits  ausgebildeten  Leuko- 
derma syhiliticum. 

Vor  der  Ausreise  des  Kranken  war  die  Boseola  syph.  vollkommen 
abgeheilt  und  hatte  keinerlei  Veränderungen  der  Pigmentirung  der  Haut 
zurückgelassen;  in  den  Tropen  hatte  er  ein  ärztlich  festgestelltes  groß- 
papulöses  Syphilid  gehabt  nach  einem  Exanthem,  das  der  Kranke  selbst 
wegen  der  Ähnlichkeit  desselben  mit  dem  bei  seinen  Mitreisenden  als 
„roten  Hund'',  den  Liehen  tropicus,  auffaßte.  Es  ist  wohl  das  wahrschein- 
lichste die  Annahme,  daß  auf  der  durch  die  Sonnenglut  gereizten  und 
entzündeten  Haut  entweder  gleichzeitig  sich  der  Liehen  tropicus  mit  dem 
Exanthema  papulosum  lenticulare  oder  das  letztere  kurz  nach  dem  ersteren 
etabliert  hat,  so  daß  das  syphilitische  Exanthem  —  schon  durch  die 
beschränkte  Lokalisation  —  durch  den  „roten  Hund''  vollkommen  verdeckt 
war;  erst  in  den  kühleren  Monaten  traten  die  verwickelten  Verhältnisse 
klar  zu  Tage.  Im  Frühjahr  1901  handelte  es  sich  sicher  um  ein  Bezidiv 
des  Syphilids.  Auf  der  Heimreise  aber  erfolgte  dasselbe  Spiel  der  Flecken, 
wie  auf  der  Ausreise.  Die  dreifache  Wiederholung  des  Syphilids,  das 
hartnäckige  mehrmonatliche  Bestehen  desselben,  besonders  des  letzten 
Exanthems  lassen  die  Annahme  gerechtfertigt  erscheinen,  daß  die  großen 
weißlichen,   scbuppenfreien  Flecken  mit  dem  braunroten  Hof  nicht  das 


Ein  Fall  von  aasgebreiteter  Gangrän  etc.  273 

Exanthem  papnlosam  lenticolare  im  Resorptionsstadium  sind,  sondern  sich 
als  Leakoderma  syphilitum  charakterisieren. 

Zur  Behandlung  wird  die  Einleitung  einer  antiluetischen  Eur 
empfohlen,  diesmal  aber  in  Rücksicht  auf  die  schon  mehrfach  ausge- 
führten Behandlungen  mit  Hg  und  JK.  die  intramuskuläre  Injektion  von 
257o  Jedipin.  Der  Kranke  erhält  täglich  vom  8. --14.  November  1901  je 
15  Gramm  Jedipin  in  die  Glutäen ;  die  Einspritzungen  selbst  werden  ohne 
jede  örtliche  oder  allgemeine  Reaktion,  insbesondere  auch  ohne  einen 
Einfluß  auf  die  Nieren  vertragen,  leider  aber  auch  ohne  irgend  einen 
Einfluss  auf  das  Exanthem.  Deshalb  vnrd  zu  Quecksilberinjektionen  über- 
gegangen und  wie  im  Jahre  1900  das  Sozjodolquecksilber  nach  der 
bekannten  Formel  diesmal  zusammen  mit  Antipyrin  gegen  die  konse- 
kutiven Schmerzen  als  klare,  filtrierte  Lösung  von  folgender  Zusammen- 
setzung in  Anwendung  gebracht:  1  Hydrargyr.  sozojodol.  0*8,  Commisce. 
c.  Aqu.  dest.  6*0,  Adde  Antipyrini  20,  Ealii  jodati  1*6,  Aqu.  dest.  ad  10*0, 
M.  Filtral  DS.  Subkutanlösung. 

Am  14.  November  wird  die  erste  Injektion  in  die  linke 
Hinterbacke,  oberhalb  and  seitlich  vom  Trochanter  nach  der 
Mitte  zu,  gemacht.  Wenig  Schmerzen,  auch  später;  vielleicht 
gerade  deshalb,  weil  P.  sofort  ein  Bad  von  34®  C.  von  1  Stunde 
Dauer  nimmt.  Am  15./ VI.  lokal  geringer  Schmerz,  geringe 
Infiltration  der  ganzen  linken  Gesäßhälfte.  Urin  zeigt  keinen 
stärkeren  Albumengehalt  als  früher.  Doch  trinkt  P.  von  heute 
ab  Wemarzer  Brunnen;  dreimal  täglich  je  V4  Liter. 

22./XI.  2.  Injektion;  in  die  rechte  Gesäßhälfte.  Pat.  hat 
von  der  ersten  Injektion  her  keine  merkuriellen  Erscheinungen. 
Mundschleimhaut  ohne  Entzündungen,  Stuhlgang  regelmäßig, 
Appetit  gut  Die  Glutäen  sind  nicht  empfindlich;  die  Indu- 
ration hat  sich  auf  Kleinapfelgröße  verringert.  Vor  allem  ist 
das  Exanthem  ganz  bedeutend  abgeblaßt;  die  Ränder  sind  viel 
weniger  rot,  die  zentralen  Partien  erscheinen  nicht  mehr  so 
glänzend  weiß.  Die  2.  Injektion  ist  lokal  und  allgemein  sehr 
gut  vertragen  worden. 

28./XI.  Die  3.  Injektion,  in  die  linke  Hinterbacke  wieder 
in  der  früher  erwähnten  Richtung,  doch  hart  an  der  nachbe- 
stehenden Infiltration  des  subkutanen  Gewebes  vorbei.  Das  Ein- 
stechen der  Kanüle  durch  die  Haut  und  die  Infiltration  geht 
zunächst  etwas  schwierig,  aber  ohne  Schmerz ,  in  der  Tiefe  dagegen 
leicht  bis  durch  das  ganze  Fettpolster  vor  sich.  Kaum  waren 
indessen. beim  langsamen  Vorstoßen  des  Spritzenstempels  auch 
nur    die    ersten   Tropfen    der    Lösung  in   die   Tiefe    injiziert, 

Aeb.  f.  Dermal,  n.  Syph.  Bd.  LXIII.  ]g 


274  Neamann  and  B endig. 

als  Pat.  furchtbar  und  wild  aufschreit,  den  Oberkörper  nach 
links  gegen  das  Becken  beugt,  ebenso  das  linke  Bein  im  Knie 
beugt  und  nur  mit  der  Fußspitze  den  Erdboden  berührt.  Er 
wird  leichenblaß,  klagt  über  heftige  Schmerzen  im  ganzen 
linken  Bein  und  war  unfähig  zu  gehen.  Er  atmete  ruhig;  der 
Puls  dagegen  war  fast  gar  nicht  fühlbar.  Das  Gesäß  war  prall 
gespannt,  geschwollen,  auf  Berührung  sehr  empfindlich.  Die 
Haut  zeigte  normale  Färbung;  aus  der  Einstichstelle  entleerte 
sich  kein  Blut.  Sensorium  frei. 

Die  Injektion  wird  selbstTerständlich  unterbrochen;  gut 
Va  voll  bleibt  die  Spritze  noch  gefüllt :  also  nur  wenige  Tropfen 
waren  eingedrungen.  Auf  Kognak,  Amylnitrit,  Morphium  und 
Ruhe  geht  der  bedrohliche  Zustand  innerhalb  einer  Stunde 
Torüber,  so  daß  Pat,  wenn  auch  unter  Schmerzen  wieder  gehen 
und  nach  Hause  gelangen  konnte. 

29. /XI.  Patient  befindet  sich  bis  anf  heftige  Schmerzen  in  der 
hinteren  Seite  des  ganzen  linken  Beines  wohl;  kein  Husten,  kein  Ans* 
warf,  keine  Atmangsbesch werden,  keine  Herzerscheionngen.  Am  Nach- 
mittag  fahrt  Pat.    sogar  —  leichtsinniger  Weisel  —  aufs   Land   hinaas. 

80./XI.  Patient  liegt  za  Bett;  er  kann  auf  dem  linken  Bein  wegen 
großer  Schmerzen  nicht  stehen;  beim  Yersnoh  das  Bett  zu  verlassen, 
steht  er  auf  der  Fußspitze  mit  gebeugtem  Knie  and  nach  links  gebeugtem 
Oberkörper.  Das  Bein  selbst  ist  sowohl  hinsichtlich  der  einzelnen  Muskeln 
wie  im  Verlauf  des  Nerv,  ischiadicas  schmerzfrei ;  die  passiven  Bewegungen 
im  Hüftgelenk,  im  Knie  und  Fußgelenk  sind  vollkommen  frei.  Dagegen 
ist  das  linke  Gesäß  noch  praller  geschwollen,  wie  ta^s  zuvor; 
äußerst  empfindlich  auf  Druck.  Doch  ist  die  mit  einer  Stecknadel  geprüfte 
Empfindlichkeit  der  Haut  über  der  Infiltration  eine  durchaus  normale; 
über  allen  Punkten  —  außer  der  zentralen  Partie  —  wird  dieBerührang 
der  Haut  mit  Stecknadelspitze  und  Kopf  korrekt  bezeichnet.  Während 
indessen  tags  zuvor  die  Farbe  der  Haut  gegen  das  Normale  nicht  ver- 
ändert war,  zeigt  sie  heute  zentral  einzelne  blasenformige  Abhebungen 
mit  blaßgelblichem  Inhalt  von  etwa  Kirsohengröße ;  im  übrigen  ist  sie 
nach  oben  links  bis  an  den  Darmbeinkamm,  nach  unten  bis  zur  unteren 
Gefaßfalte  und  etwas  darüber  hinaus  nach  dem  Oberschenkel,  nach  rechts 
innen  in  einer  unregelmäßigen  Linie  bis  hart  an  die  Grena  ani,  nach 
links  außen  bis  zum  Troc hanter  blaßblaurot  verf&rbt;  nach  innen  und  un<en 
fast  schwarz,  ähnlich  wie  das  Farbenspiel  über  einem  subkutanen  Hämatom. 
(Fig.  1.)  Die  inneren  Organe  normal;  der  Urin  zeigt  einen  gegen  früher 
nicht  erhöhten  Albumengehalt.  Temperatur  Morgens  37*6,  Abends  88^ 
Therapie:  Dermatol- Salbe;  Aufschläge  mit  Liq.  Aluminii  acetici.  Die  Nacht 
verlief  schlaflos. 


Ein  Fall  von  ausgebreiteter  Gangrän  eto.  275 

I./Xll.  Stat  id.  Temp.  87*6  Morgens,  88*6  Abends.  Abends  gibt 
Pat.  an,  auf  dem  linken  Bein  sich  besser  halten  so  können;  er  steht  aaf 
der  ganzen  Faßsohle.  Therapie  2*0  Trional.  Bedeckung  der  linken  GesäÜ- 
hälfte  mit  Zink  oxydpflastermull.  Die  Nacht  verlief  wieder  schlaflos;  Patient 
liegt  gans  auf  der  linken  Seite  und  ist  sehr  unruhig. 

2./XII.  Temperatur  87*4  morgens,  88*2  abends.  Die  Spannung  des 
Gesäßes  läßt  etwas  nach ;  nur  der  mittlere  Teil  zeigt  sich  hart  infiltriert 
und  nicht  mehr  ganz  so  schmerzhaft  auf  Druck.  Dagegen  ist  keine  Verände- 
rung in  der  blauroten  Randfärbung  eingetreten.  Heute  kann  Patient  das 
linke  Bein  aktiv  strecken  und  beugen,  drehen,  auch  kann  er  viel  besser 
stehen.  Hinzugekommen  sind  heute  Morgen  Schmerzen  in  der  linken 
Schulter;  auch  ist  die  Haut  über  dem  Manubrium  stemi  bis  über  den 
Hals  zum  Kinn  besäet  mit  Stippchen,  die  ein  scarlatinöses,  klein  fleckiges 
rotes  Exanthem  abgeben.  Der  Urin  zeigt  stärkeren  Albumengehalt.  Therapie : 
Kaligodat  5*0,  Natri  salicyl.  10*0,  Aqo.  dest.  ad  200*0,  MDS.  2st.  1  Eß- 
löffel in  Milch. 

8./XII.  Die  Schulterschmerzen  haben  sich  stark  verringert;  dagegen 
ist  das  scarlatinoide  Exanthem  unverändert.  Die  Infiltration  der  linken 
Gesäßhälfte  beschränkt  sich  auf  eine  mittlere,  handbreite  Fläche,  die  in 
der  Tiefe  das  Gefühl  für  Fluktuation  erkennen  läßt  Temp.  89  0.  P.  120. 
Kein  Schüttelfrost;  kein  Schweiß. 

4./XII.  Patient  fühlt  ein  Bohren  und  Stechen  in  der  entzündeten 
Hinterbacke.  Der  Zinkheftpflastermull  wird  entfernt,  dabei  aber  die 
oberste  Hantschicht,  zumal  die  Blasen  mit  abgezogen;  die  bloßgelegten 
Flächen  sehen  da,  wo  die  Haut  blasenformig  abgehoben  war,  schwarzgrau, 
gangränös  aus,  im  übrigen  schmutziggraugelb.  Eine  Punktion  ergibt  ein 
negatives  Resultat.   Das  Exanthem  ist  verschwunden. 

Therapie:  Ich thoform verband;  innerlich  Salol.  (Dadurch  sinkt  die 
Temperatur  im  Laufe  des  Tages  auf  38^  G.)  Für  die  Nacht  gegen  die 
bohrenden  Schmerzen  Morphium. 

5./XII.  Stat.  idem;  Temp.  39^  C,  P.  128,  regelmäßig. 

6./XII.  Pat.  wird  des  Morgens  nach  sehr  schlechter  Nacht  in  das 
hiesige  städtische  Krankenhaus  (dirigierender  Arzt  Sanitätsrath  Dr.  La 
Pierre)  mit  T.  40^  C,  P.  126—182  zwecks  Operation  der  Hinterbacke 
übergeführt.  Der  hier  erhobene  lokale  Befund  ist  folgender: 

Fast  die  ganze  linke  Hinterbacke  ist  blaurot  verfärbt, 
beträchtlich  geschwollen,  derb  infiltriert,  nur  bei  stärkerem  Druck 
empfindlich.  Der  Patient  bewahrt  ängstlich  eine  leichte  Beuge- 
stellang  im  linken  Hüftgelenk;  Streckung  oder  stärkere  Beugung 
sind  schmerzhaft.  Im  Bereich  der  Verfärbung  ist  die  Sensibilität 
der  Haat  so  gut  wie  erloschen.  Die  Demarkationslinie  ist  als 
schmaler,  livide  gefärbter  Saum  angedeutet.  (Vergl.  dO./XI) 
Eine  in  der  Mitte  des  Herdes  Torgenommene  Punktion  fördert 
aus  der  Tiefe  nichts  zu  Tage. 

18* 


276  Neumana  und  Bendig. 

Es  werden  in  Narkose  4  lange  und  tiefe  Inzisionen  in  der 
Längsrichtung  des  erkrankten  Hinterbackens  gemacht.  Drei 
dieser  Inzisionen  werden  bis  auf  den  Glutaeus  maximus  geführt, 
eine,  von  oben  gerechnet,  die  zweite  Inzision,  ist  die  tiefste 
und  längste;  sie  wird  noch  darch  den  Glutaeus  maximus  hin- 
durch bis  auf  den  Glutaeus  medius  gefuhrt,  da  ersterer  etwas 
zerfasert,  leicht  bräunlich  verfärbt  und  durchtränkt  erscheint. 
(Fig.  1.)  Eine  arterielle  Blutung  erfolgt  bei  der  zweiten  Inzision ;  bei 
allen  anderen  entsteht  nur  geringe  Blutung.  Das  durchtrennte 
Fett  erscheint  sulzig,  von  etwas  schmutzig  gelber  Farbe.  Der 
Glutaeus  maximus  ist,  abgesehen  von  der  zweiten  Inzisions- 
stelle,  frischrot.  Auf  eine  Ansammlung  von  Blut,  Gerinnsel 
oder  Eiter  stößt  man  bei  keiner  der  vier  Inzisionen ;  ein  Depot, 
herrührend  von  einer  früheren  Injektion,  ist  lucht  nachweisbar. 

Lockere  Tamponade  der  klaffenden  Wanden  mit  in  VtVoo  Sublimat- 
lösnng  getränktem  Verbandmull.  Die  Temperatur  nach  der  Operation 
beträgt  89*2.  Puls:  182,  regelmäßig.  Im  Urin  VtVoo  •^^^^i^^i^ !  kein  Zucker. 

Abends:  Reichliche  Sekretion  von  blntig-seröser  Beschaffenheit; 
Verbandwechsel.  Temperatur:  88*8.  Puls:  140.  Heftiger  Wundschxnerz. 
0*01  g  Morphium  subkutan. 

7./XII.  Unruhig  verbrachte  Nacht,  große  Schmerzen,  wenig  Appetit. 
Reichliche  Sekretion.  Temperatur:  89*4,  Puls:  120.  EiweißgehaU  im  Urin 
unverändert;  im  Sediment  Epithelcylinder.  Die  inneren  Organe  weisen 
nichts  Absonderliches  auf.  Sensibilitätsstörungen  nicht  vorhanden.  Reflexe 
normal.    Abendtemperatar :    39*2.  Puls:   128.  0*01  g  Morphium  subkutan. 

8./XIL  Patient  hat  die  verflossene  Nacht  vor  Schmerzen  schlaflos 
zugebracht;  zeitweise  wurde  er  von  Wahnvorstellungen  gequält;  er  glaubt 
allerhand  Dinge  zu  sehen.  Temperatur:  88*6,  Puls:  120.  Im  Laufe  des 
Tages  stellt  sich  lebhaftes  Hungergef&hl  ein  und  Patient  ißt  mit  großem 
Appetit.  Gegen  Abends  lassen  die  Schmerzen  erheblich  nach.  Nach  Ein- 
lauf reichliche  Stuhlentleerung.  Abendtemperatur:  89*5,  Puls:  140.  OOl  ^ 
Morphium  subkutan. 

9./XII.  Unruhig  verbrachte  Nacht.  Die  Sekretion  läßt  nach;  der 
Eiweißgehalt  im  Urin  sinkt.  Temperatur:  88*8,  Puls:  126.  Die  Morphium- 
injektion  unterbleibt.  Abendtemperatur  38*9,  Puls:  126. 

lO./XII.  Patient  hat  gut  geschlafen.  Appetit  gut.  Die  Demar- 
kationslinie tritt  scharf  hervor.  Morgentemperatur:  87'6,  Puls:  100. 
Befinden  gut.  Abendtemperatur:  88*8,  Puls  116. 

ll./XII.  Schlaf,  Appetit  und  Befinden  gut.  Morgentemperator:  87*1, 
Puls  100.  Sekretion  gering.  Die  bis  heute  täglich  zweimal  angelegten 
Verbände  werden  nunmehr  auf  einen  beschränkt.  Abendtemperatur :  38*7, 
Pols:  112. 


Ein  Fall  yoii  ausgebreiteter  Oangräo  etc.  277 

12./Xn.  Pat.  fühlt  sich  wohl  nnd  hat  keinerlei  Beschwerden.  Schlaf 
und  Appetit  gut.  Morgen temperatnr :  87,  Pols:  80.  Abendtemperatur:  88'!, 
Puls:  96.    Pbotographische  Aufnahme.  S.  Fig.  1. 

18./XII.    Status  idem.  Abendtemperatur:  37*8. 

20./XII.  Die  zwischen  den  beiden  obersten  Incision  gelegene  gan- 
gränöse Gewebsschicht  fängt  an  sich  zu  lockern.  Übler  Geruch.  Der  Eiweiß- 
gehalt des  Urins  sinkt  langsam  weiter. 

21./XII.   Befand  gut.  Morgentemperatur:   87*4,  Abendtemp.:   38' 1. 

22./XII.  Das  oberste  gangränöse  Gewebsstnck,  das  nur  noch  locker 
an  seiner  Unterlage  haftet,  wird  abgetragen.  Wohlbefinden. 

24./XII.  Befinden  ausgezeichnet.  Das  mittlere  gangränöse  Gewebs- 
stück  wird  zum  größten  Teil  abgetragen  —  zirka  iVi  Pfund  Gewebe  — 
die  Gangran  reicht  bis  an  den  Glutaeus  medius  heran.  Über  dem  rechten 
Trochanter  leichter  Decubitus. 

30./XII.  Inzwischen  sind  fast  alle  gangränösen  Teile  teils  abgetragen 
worden,  teils  haben  sie  sich  abgestoßen.  Die  der  Gefaßspalte  zunächst 
liegende  Gegend  zeigt  nach  Entfernung  der  gangränösen  Gewebsstücke 
in  ihrer  Tiefe  eine  schmierig  belegte,  stark  sezernierende  Wundfläche. 
Es  werden  nunmehr  täglich  lauwarme  Vollbäder  vorgenommen. 

6./I.  1902.  Die  Wundflächen  haben  sich  gereinigt  bis  auf  den  der 
Gesäßspalte  zunächst  gelegenen  Teil;  daselbst  besteht  noch  immer 
schmieriger  Belag  und  reichliche  Sekretion.  Es  wird  mit  der  Applikation 
▼on  Sublimatverbänden  und  lauwarmen  Bädern  fortgefahren.  Im  Urin  ist 
die  letzte  Spur  von  Eiweiß  verschwunden.  S.  Fig.  2. 

14./I.  Schmerzen  in  der  Brust,  links  vom  unten;  daselbst  bestehen 
Reibegeräusche.  Kein  Auswurf,  wenig  Husten.  Temperatur:  38*4,  Puls:  112. 
Prießnitz  um  den  Thorax.  —  Abgesehen  von  dem  der  Gesäßspalte  zunächst 
liegenden  Abschnitt,  der  noch  immer  stark  sezerniert  und  schmierige 
Belege  zeigt,  besteht  nunmehr  eine  saubere,  üppig  granulierende 
Wundfläche. 

15./I.  Pat.  hat  schlecht  geschlafen.  Morgen temperatur:  dS*5,  Abend- 
temperatur: 89*1. 

16  /I.  Die  Beschwerden  in  der  Brust  sind  fast  völlig  verschwunden. 
Morgen  temperatur :  38,   Abendtemperatur :  37'8. 

17./I.  Pat.  hat  gut  geschlafen  und  fühlt  sich  wohl.  Die  zu  üppig 
granulierenden  Stellen  der  großen  Wundfläche  werden  touchiert  Die 
Überfaäutung  vom  Rande  der  Wundfläche  her  ist  zirka  1  cm  breit.  Der 
Decubitus  ist  unter  geeigneter  Behandlung  geheilt.  Morgentemp.:  86*8, 
Abendtemperatur:  37*3. 

5./II.  Befinden  ausgezeichnet.  Patient  steht  auf  und  geht  ohne 
Beschwerden  umher.  Normaler  Gang.  Die  Überhäutung  der  Wundfläche 
hat  beträchtliche  Fortschritte  gemacht.  Abgesehen  von  der  oben  beschrie- 
benen Stelle,  die  noch  schmutzigen  Belag  und  reichliche  Sekretion  auf- 
weist, besteht  eine  saubere  Wundfläche.  Der  schmierig  belegte  Wund- 
abschnitt wird  nunmehr  mit  Kampferweinkompressen  bedeckt,  der  übrige 
Teil  mit  Argen  tum- Salben-Lappen.  Das  Körpergewicht  beträgt  183  Pfund. 


278  Neumann  nod  Bendig. 

l./IV.  Patient  erft-ent  sich  des  besten  Wohlbefindens.  Die  ganze 
Wnndfläohe  ist  bis  anf  einen  zirka  fingerlangen  nnd  zirka  2  cm  breiten, 
in  der  Nähe  der  Kreuzbeinspitze  gelegenen,  noch  ziemlich  stark  sezer- 
nierenden  uud  schmierig  belegten  Abschnitt  vernarbt;  dieser  wird  nun- 
mehr fingerdick  mit  Streupulver  (Amylnm,  Zink,  oxydat.  ana)  bedeckt 
nnd  vernarbt  unter  dieser  Behandlung  nach  weiteren  10  Tagen. 

14./II.  Patient  verläßt  die  Anstalt;  er  fühlt  sieh  gesund  und  kräftig 
und  ist  vollkommen  frei  von  Beschwerden  oder  Störungen  irgend  welcher 
Art.  Im  Urin  ist  weder  £iwei6  noch  Zucker  nachweisbar.  Die  Unter- 
suchung der  inneren  Organe  ergibt  keinerlei  krankhafte  Veränderungen. 
Wegen  der  noch  etwas  zarten  Beschafienheit  der  Narbe,  namentlich  ihres 
zentralen  Teiles,  erhält  Patient  einen  Heftpflasterschutz  verband  und  die 
Weisung,  sich  in  der  nächsten  Zeit  regelmäßig  im  Krankenhaus  vorsu- 
st eilen.   Das  Körpergewicht  beträgt  204  Pfund. 

5./V.  Patient  stellt  sich  vor  der  Abreise  nach  einem  Bade  nochmals 
im  Krankenhaus  vor.  Bereitwilligst  unterzieht  er  sich  einer  Schlußunter- 
suchung, und  der  Mühe,  nochmals  photographiert  zu  werden.  (Fig.  S.) 

Die  Schlußuntersuchung  des  blühenden,  überaus  kräftigen  und  sich 
des  besten  Wohlbefindens  erfreuenden  Mannes  ergibt  folgendes:  Gang 
und  Bewegungen  sind  vollkommen  frei.  Die  Narbe  ist  derb  und  anf  ihrer 
Unterlage  verschieblich.  Aufiällig  ist  eine,  selbst  bei  leisen  Insulten  der 
Haut  auftretende,  starke  Eruption  von  Quaddeln.  Sensibilitätsstörungen 
sind  nirgends  nachweisbar,  die  Reflexe  sind  normal.  Auf  dem  Rucken 
befinden  sich  mehrere  runde,  bis  zweimarkstückgroße  Narben,  die 
angeblich  vom  roten  Hund  infolge  des  vielen  und  heftigen  Kratzens  her- 
rühren. Die  Cubital-  und  Nackendrüsen  sind  nicht  vergrößert.  In  der 
rechten  Leistengegend  befinden  sich  2  zirka  bohnengroße,  seit  heute  druck- 
empfindliche Drusen,  deren  Entstehung  auf  einen  gestern  unternommenen 
weiten  Spaziergang  zurückgeführt  wird.  Die  Haut  über  diesen  Drüsen  ist 
unverändert.  In  der  linken  Leistengegend  mehrere  erbsengroße,  auf  Druck 
unempfindliche  Drüsen.  An  der  Vorhaut  befindet  sich  rechts  vom  Frenulum 
eine  zirka  erbsengroße,  etwas  derbe  Narbe,  links  vom  Frenulum  ein  zirka 
linsengroßer,  rundlicher,  leicht  roter,  im  übrigen  glatter  uud  trockener 
Fleck.  Die  Hoden  sind  von  normaler  Größe  und  Beschaffenheit.  Verände- 
rungen an  der  Tibia  bestehen  nicht,  die  Untersuchung  des  Mundes, 
Rachens,  Kehlkopfs  und  der  Augen  ergibt  nichts  absonderliches.  Hers 
nnd  Lungen  sind  gesund,  Beschwerden  seitens  des  Abdomens  bestehen 
nicht.  Der  frisch  entleerte  Urin  ist  von  gesättigt  gelber  Farbe,  schwach 
saurer  Reaktion,  1015  spez.  Gewicht  und  zeigt  bei  der  Kochprobe  leichte 
Eiweißtrubung ;  Zuckerreaktion  negativ,  im  Sediment  vereinzelte  Nieren- 
epithelien,  sonst  nichts   absonderliches.  Atrophien  bestehen  nicht. 

Was  war  nun  die  Ursache  der  tiefgehenden,  umfangreichen 
Gewebszerstörung,  die  den  Patienten  seines  halben  Gesäßes  zu 
berauben  drohte? 

Handelte  es  sich  hier  um  eine  durch  die  Injektion  hervor- 
gerufene Gefäß  Verletzung? 


Ein  Fall  von  aasgebreiteter  Gangran  etc.  279 

Wir  finden  in  der  Literatur^)  einen  unserem  Fall  ähnlichen 
verzeichnet,  in  dem  es,  wie  vorhin  erwähnt,  zu  einer  bedeu- 
tenden intramuskulären  Blutung  mit  starker  Auftreibung  der 
Glutaealregion  kam,  die  unter  großen  Schmerzen  und  Abstoßung 
einer   ziemlich   oberflächlichen  Schicht   zur  Heilung   gelangte. 

In  unserem  Fall  glauben  wir  eine  Gefaßverletzung  aus- 
schließen zu  müssen.  Die  Injektion  war  an  einem  Punkt,  nahe 
dem  Trochanter  maior,  dabei  etwas  oberhalb  von  ihm  und  nach 
der  Bima  interglutaealis  hin  gemacht  worden.  Beiläufig  sei 
bemerkt,  daß  diese  Stelle  von  der  später  einsetzenden  Gangrän 
umfaßt  wurde.  Bei  dem  kräftigen  Panniculus  des  Patienten  kann 
von  einem  Insult  eines  größeren  Gefäßes  an  dieser  Stelle  nicht 
die  Rede  sein;  und  setzen  wir  selbst  den  Fall,  daß  die  Nadel 
auf  ihrem  Wege  ein  größeres  Gefäß  verletzte,  so  hätte  sich 
doch  wohl  aus  der  Kanüle  Blut  entleeren  können,  und  die 
später  vorgenommenen  Inzisionen  hätten  in  den  durchtreonten 
Gewebsschichten  Zeichen  einer  intensiven  Blutung  aufweisen 
müssen.  In  Wirklichkeit  bestand  jedoch  nichts  von  alledem 
und  die  geringe  lokale  seröse  Durchtränkung  und  leicht  bräun- 
liche Verfärbung  des  Musculus  glutaeus  maximus  schließen 
eine  Deutung  im  Sinne  der  Gefäßverletzung  aus.  Daß  durch 
die  injizierte  Flüßigkeit  ein  Druck  auf  ein  größeres  Gefäß 
hätte  ausgeübt  werden  können,  und  daß  daraus  Störungen, 
etwa  Arteriensperrung  mit  ihren  Begleiterscheinungen  resultierten, 
ist  nach  den  die  Injektion  begleitenden  Umständen,  vor  allem 
aber  wegen  der  Thatsache,  daß  nur  wenige  Tropfen  injiziert 
wurden,  nicht  anzunehmen. 

Kann  in  unserem  Fall  als  ein  schädigendes  Moment  ein 
chemischer  Vorgang  herangezogen  werden?  A  priori  wäre  das 
Zustandekommen  einer  deletär  wirkenden  chemischen  Verbindung, 
analog  der  Entstehung  des  ätzenden  Quecksilberjodids  bei 
innerem  Gebrauch  von  Jodkalium  und  bei  gleichzeitiger  äußer- 
licher Anwendimg  von  Kalomel  wohl  denkbar ;  indessen  verliert 
diese  Annahme  viel  an  Wahrscheinlichkeit,  wenn  man  bedenkt, 
daß  Injektionen  von  Hydrarg.  eozojodol.  in  Verbindung  mit  Jod- 
kalium, ganz  abgesehen  von  unserem  Fall,  in  dem  die  voraus- 
gegangenen Injektionen  ebenfalls  ohne  besondere  Störungen  ver« 

*)    Möller,  a.  a.  0. 


280  Neumann  und  Bendig. 

tragei^  wurden,  tausendfach  gemacbt  worden  sind,  ohne  daß 
man  jemals  Gmnd  gehabt  hätte,  an  das  Zustandekommen  ver- 
heerend wirkender  chemischer  Substanzen  zu  denken.  Diese 
Reflexion,  sofern  sie  überhaupt  den  Wert  wissenschaftlicher 
Beachtung  beanspruchen  darf,  wird  etwaige  spätere  Versuche, 
die  auf  schwer  erklärlichen  Unglücksfällen  im  Gefolge  der 
Injektionen  von  Quecksilberverbindung  basieren,  leiten. 

Eine  Injektion  endlich  ist  bei  dem  Fehlen  von  Schnitt- 
frösten und  Schweißen,  femer  von  Eiter  an  irgend  einer  Stelle 
auszuschließen. 

So  hleii^t  uns  nach  Ausschluß  dieser  Möglichkeiten  nichts 
anderes  übrig,  als  unsere  Zuflucht  zu  der  Annahme  eines  Nerven- 
insultes, der  in  das  Bereich  trophoneurotischer  Vorgänge  führte,  zu 
nehmen,  herrorgerufen  durch  die  Injektion.  Wenn  wir  uns  nochmals 
die  Begleitumstände  der  Injektion  vergegenwärtigen,  so  ist  die  beim 
ersten  injizierten  Tropfen  auftretende  enorme  Schmerzensäußerung 
des  Patienten  sehr  auffallig,  insbesondere  im  Gegensatz  zu  dem 
schmerzlosen  Einstechen  der  Nadel.  Daß  der  Patient  bei  be- 
ginnender Injektion  furchtbar  aufschrie,  seiner  Extremität  eine 
bestimmte  Haltung  gab,  über  große  Schmerzen  im  ganzen  Bein 
bis  zum  Fuß  hinab  klagte  und  unfähig  war  zu  gehen,  läßt  bei 
Fehlen  jedweder  Erscheinung  seitens  der  Lunge  die  Annahme 
wohl  berechtigt  erscheinen,  daß  es  sich  hier  um  einen  Nerven- 
insult handeln  könnte,  wenn  freilich  auch  die  bald  nach  der 
Injektion  beginnende  Schwellung,  Spannung  und  große  Empfind« 
üchkeit  der  Gesäßhälfte,  ferner  die  am  zweiten  darauffolgenden 
Tage  noch  nicht  bestehende  Sensibilitätsstörung  der  Haut  bei 
bereits  unter  Temperatursteigerung  beginnender  Veränderung 
derselben  vorerst  noch  einer  ausreichenden  Erklärung  bedürfe. 
Ebensowenig  sind  wir  in  der  Lage,  einem  bestimmten  Nerven  — 
der  Injektionsstelle  könnten  Zweige  der  Nervi  cutan.  glut  sup. 
oder  ein  Ast  des  N.  cut.  fem.  post.  entsprechen  —  die  während 
und  nach  der  Injektion  eintretenden  Erscheinungen  zuvindizieren ; 
der  N.  glut.  inf.  kann  wohl  kaum  in  Betracht  kommen. 

Wenn  unser  Fall  nun  auch  illustriert,  daß  schwere 
Schädigungen,  anschließend  an  Injektionen  von  Hydi'argyrum 
sozojodolicum  eintraten,  so  kann  uns  dieses  Mißgeschick  dennoch 
nicht  davon  abhalten,  nach  wohldurchdachten  und  allgemein 
anerkannten  Prinzipien  in  der  Anwendung  dieses  Medikamentes 
fortzufahren,  bis  die  Zukunft  uns  andere,   bessere  Wege  weist. 

Die  Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XVII    ist  dem  Texte 

zu  entnehmen. 


Archiv  f. Dermdtoloc|ie  u  Syphilis  Band   LXIII. 


Xiiimaim  u.lk>ii(L{)  <imi(|i'iiii  »iiili  iiilmiiiiifikiiUiii'i-  Ijtj.v.llcj ' 


Au  der  dermatologisohen  Zlinik  des  Hofrath  Prof.  Kaposi 

in  Wien. 


Zur  Blasenbildung  und  Cutis-EpidermiS' 

Verbindung. 


Von 

Dozent  Dr.  Karl  Kreibich. 

(Hieza  Taf.  XYIII.) 


Hochgradige  lokale  Stauung  scheint  eher  zur  Nekrose  als 
zur  Blasenbildung  zu  iühren,  denn  abgesehen  Yon  der  Gangäen 
ganzer  Extremitätenteile  nach  Verlegung  der  Venen,  wo  die 
Nekrose  der  Haut  einen  Teil  der  Massennekrose  darstellt,  sieht 
man  nicht  selten  bei  hochgradigem  Ödem  herdförmige  Nekrose 
auftreten,  die  man  trotz  der  sich  meist  findenden  Entzündung 
zum  Teile  als  mechanisch  entstanden  in  der  Art  erklären  kann, 
daß  infolge  der  starken  Zerrung  und  Kompression  der  Gefäße 
an  umschriebenen  Bezirken  die  Zirkulation  so  weit  leidet,  daß 
sich  dieselbe  nach  Bückbildung  des  Ödems  nicht  wiederherstellt. 
Die  Entzündung  wäre  dann  als  ein  Moment  aufzufassen,  welches 
die  Zirkulationsverhältnisse  in  einer  Haut,  welche  durch  die 
infektiöse  Entzündung  (Erysipel)  zum  Teile  direkt  im  Gewebe 
geschädigt  ist,  noch  weiter  im  schlechten  Sinne  beeinflußt.  Erst 
die  demarkierende  Entzündung,  die  den  nekrotischen  Anteil 
entfernt,  zeigt,  daß  die  Nekrose  nur  die  Haut  betraf,  während 
Torher  die  schwarze  Verfärbung  eine  viel  tiefere  Nekrose  er- 
warten ließ.  Ich  habe  in  zwei  Fällen,  in  denen  das  ursprüng- 
liche Erankheitsbild  recht  bedrohlich  erschien,  Heilung  gesehen. 


283  Ereibich. 

Gewiß  noch  seltener  als  dieses  Ereignis  ist  Blasenbildung 
durch  nicht  entzündliches  Ödem,  wenigstens  fand  ich  bei  einiger 
Durchsicht  der  Literatur  keine  Angaben,  wenn  auch  hier  der 
Mangel  an  Angaben  gewiß  nicht  der  Ausdruck  dafür  ist,  daß 
man  die  Erscheinung  bis  jetzt  überhaupt  noch  nicht  beob- 
achtet hätte. 

Ich  verfuge  über  zwei  Beobachtungen^  welche  dafür 
sprechen,  daß  Blasenbildung  durch  bloße  Stauung  bewirkt 
werden  kann. 

Die  Präparate  des  einen  Falles  stammen  von  der  Haut 
des  Fußrückens  nach  Thrombose  der  Vena  femoralis.  Die  be- 
treffende Hautstelle  war  tief  blauschwarz  verfärbt  und  zeigte 
an  der  Oberfläche  einige  kleinere  und  größere,  mit  serös- 
hämorrhagischem  Inhalte  erfüllte  Bläschen.  Das  mikroskopische 
Präparat  zeigte  enorme  Ausdehnung  der  tiefen  Hautgefaße,  das 
Lumen  derselben  mit  eben  in  Organisation  begriffenen  Thromben 
erfüllt.  Die  Ausdehnung  der  Gefäße  reichte  auch  hinauf  in 
das  Papillargefäßnetz.  Die  Epidermis  zu  größeren  und  kleineren 
Bläschen  abgehoben.  Die  Pars  papillaris  zeigte  keinerlei  Zeichen 
von  Entzündung,  keine  zellige  Exsudation  und  Proliferation. 

Unter  der  Voraussetzung,  daß  auch  klinisch  keine  Zeichen 
von  Entzündung  bestanden  (das  Präparat  wurde  der  Leiche 
entnommen),  wäre  der  Fall  so  zu  erklären,  daß  das  nicht  ent- 
zündliche Ödem  nach  Durchtränkung  der  Subcutis  und  Cutis 
auch  die  Pars  papillaris  erfüllte  und  dann  zur  Abhebung  der 
Epidermis,  i.  e.  zu  echten  Stauungsblasen  führte. 

Nicht  so  einfach  liegen  die  Verhältnisse  in  dem  zweiten 
Falle.  Ein  an  schwerer  Darmtuberkulose  und  Amyloidniere 
leidender  Kranker  zeigte  an  den  seitlichen  Flächen  des  Ab- 
domens und  an  den  Außenflächen  des  Hüftgelenkes  streifen- 
förmige, daumenbreite  Epidermisverluste  mit  randständigem 
Epidermissaum  und  blutender  Basis,  daneben  5 —  10  cm  lange, 
äußerst  schlappe,  mit  blutigem  Serum  erfüllte  Blasen  und 
endlich  in  der  angegebenen  Lokalisation  fingerbreite,  blaurote 
Striae  atrophicae. 

Der  Fall  wurde  in  folgender  Weise  gedeutet:  Die  Striae 
atrophicae  herrührend  von  früher  vorhanden  gewesener  Ana- 


Zur  Blasenbildung  und  Gutis-Epidermisverbindung.  283 

sarka.  Auftreten  neuer  Ödeme  und  Ablösung  der  Epidermis 
gerade  über  den  Striae  deshalb,  weil  hier  das  ödem  nicht 
mehr  den  normalen,  sondern  den  durch  seitliche  Zerrung  fast 
▼erstrichenen  Papillarkörper  antraf.  In  dieser  Richtung  haben 
diese  Blasen  Ähnlichkeit  mit  den  Blasen   über  jungen  Narben. 

Trotzdem  es  sich  in  diesem  zweiten  Falle  um  Ödem  im 
Verlaufe  von  Amyloiderkrankung  handelte  und  das  Ödem  bei 
Nierenerkrankungen  gewiß  kein  reines  Stauungsödem  darstellt, 
glaube  ich  dennoch,  diese  Blasen  in  letzter  Linie  als  Stauungs- 
blasen,  durch  Ödemflüssigkeit  entstanden,  auffassen  zu  können ; 
für  diese  Annahme  sprach  das  gleichzeitige  Auftreten  derselben 
über  den  Striae  atrophicae  zur  Zeit,  als  das  neue  Ödem  auf- 
trat, sowie  das  Fehlen  ausgesprochener  entzündlicher  Erschei- 
nungen. 

Einwandsfreier  als  durch  obige  Beobachtungen  mußte  die 
Frage,  ob  nach  bloßer  Stauung,  also  rein  mechanisch,  Blasen 
entstehen  können,  auf  experimentellem  Wege  zu  beantworten 
sein.  Weiden  feld  hat  (Band  LIII  dieses  Archivs)  in  einer 
größeren  Untersuchungsreihe  über  Einderhaut  von  der  Gutis- 
seite  aus  Wasser  geschichtet  und  dieses  unter  einen  Druck 
gesetzt,  welcher  einer  Wassersäule  von  160  cm  entsprach.  Er 
sah  nach  einigen  Minuten  Blasenbildung  erfolgen.  Das  gleiche 
Resultat  erzielte  er  beim  Versuche  an  ganzen  Extremitäten, 
wenn  von  dem  oberen  freien  Ende  die  Extremität  unter  gleichen 
Druck  (1 60  cm  Wassersäule)  gesetzt  wurde.  Weidenfeld  kommt 
zu  dem  Schlüsse,  daß  die  Blasenbildung  wesentlich  von  dem 
Drucke  der  Lymphflüssigkeit  abhängt. 

Gegen  diese  Resultate,  Methode  und  Ansichten  erhob 
Merk  (in  demselben  Bande)  Einsprache.  Er  wandte  sich  gegen 
die  Benützung  des  Wassers  als  eines  Mediums,  welches  das 
Gewebe  angreift,  gegen  die  «Verwendung  der  Leichenhaut  und 
Vornahme  der  Versuche  in  kaltem  Wasser.  Merk  glaubte, 
auf  Grund  von  Versuchen  die  Blasenbildung  mehr  auf  eine 
zellulare  Funktionsstörung  zurückführen  zu  müssen. 

Diese  Einwände  mußten  wegfallen,  wenn  die  Versuche  am 
Menschen  gemacht  wurden,  und  hierzu  erwies  sich  als  das 
geeigneteste  Objekt  das  Molluscum  pendulum.  Wird  die  Seiden- 


284  Kreibich. 

ligatur  gerade  so  stark  angelegt,  daß  die  Vene  komprimiert 
wird,  die  Arterie  aber  noch  durchgängig  ist,  so  kommt  es  zur 
Yenösen  Stase,  weiters  zum  Austritte  von  Serum  aus  den  Ge- 
fäßen, zur  Ansammlung  des  serösen  Transudates  zwischen  die 
Cutisbündel,  zur  Durchtränkung  der  Bündel  selbst  und  endlich 
bei  fortgesetzter  Steigerung  des  Druckes  zur  Ansammlung 
zwischen  £pidermi3  und  Cutis,  i.  e.  zur  Blase. 

Die  auf  diese  Weise  unterbundene  Geschwulst  zeigt  zuerst 
Cyanose,  hierauf  schwillt  sie  zu  2 — 3facher  Größe  ihres  früheren 
Volumens  an  und  endlich,  nach  10 — 14  Stunden,  treten  an  der 
Oberfläche  mit  hellem  Serum  erfüllte,  prall  gespannte,  erbsen- 
große Blasen  auf.  Ist  die  Ligatur  zu  wenig  straff  angezogen, 
so  erfolgt  Anschwellung  und  nachträglich  Desquamation.  Bei 
zu  enger  Ligatur  wird  die  Geschwulst  hämorrhagisch  durch- 
tränkt und  trocknet  sehr  bald  in  Form  eines  schwarzbraunen 
Körpers  ein.  In  letzterem  Falle  ist  offenbar  die  Vene  vollständig 
verschlossen,  die  Arterie  noch  einige  Zeit  leitend,  und  es 
kommt  infolge  des  hochgradigen  Druckes  zur  Hämorrhagie. 

Hämorrhagie  erfolgt  auch  bei  geringerer  Kompression 
dann,  wenn  eine  abnorme  Zerreißbarkeit  oder  Durchlässigkeit 
der  Gefäße  vorliegt,  und  in  dieser  Richtung  konnten  Versuche 
bei  einem  Skorbutkranken  angestellt  werden.  Bei  dem  betref- 
fenden Patienten  traten  schon  nach  leichtem  Bestreichen  der 
Haut  mit  dem  Fingernagel  stecknadelkopfgroße  Blutungen  der 
Papillargefäße  auf,  Blutungen,  welche  wegen  ihres  raschen  Auf- 
tretens nur  per  rhexim  entstanden  sein  konnten. 

Bei  leichter  Kompression  des  Molluscum  fibrosum  zwischen 
den  Fingern  traten  ebenfalls  Blutungen  auf.  Kompression  des 
Stieles  durch  Ligatur  bewirkte  zunächst  eine  Vergrößerung, 
Anschwellung,  zugleich  aber  auch  voUständige  hämorrhagische 
Verfärbung  des  Tumors. 

Über  einen  papillomatösen  Naevus  ließ  sich  die  Epidermis 
nach  der  Unterbindung  wie  ein  Handschuh  abziehen. 

Histologisch  fand  sich  entsprechend  den  klinischen  Er- 
scheinungen eine  bedeutende  Ausdehnung  der  Blutgefäße,  welche 
bis  zu  den  Papillargeiäßen  hinaufreichte.  Noch  viel  deutlicher 
waren  die  Zeichen  der  serösen  Transsudation,  die  feinmaschigen 


Zur  Blasenbildung  and  Cntis-Epidermisverbindung.  285 

BiDdegewebsbündel  weit  zu  eiuem  lockeren  Netze  auseinander- 
gezerrt  und  in  den  großen  Zwischenräumen  Blut,  blutiges 
Serum  im  gehärteten  Präparat  in  Form  von  feinst  granulierten 
Massen  suspendiert.  In  einem  Falle  zeigten  die  Granula  eine 
rötlicbgelbe,  offenbar  von  Blutfarbstoff  herrührende  Farbe 
(ziegelrote  Farbe  bei  den  Unterbindungsversuchen,  die  Au  spitz 
an  Extremitäten  yomahm). 

Die  ödematöse  Durchtränkung  übergriff  auch  auf  die 
Gutisbündel,  die  nur  noch  in  ihrem  zentralen  Anteile  deutlich 
Farbe  annahmen,  während  die  Randpartien  sich  nicht  mehr 
färbten.  Die  Blasen  waren  ausschließlich  subepidermoidal,  die 
gesamte  Epidermis  zur  Blasendecke  abgehoben,  an  der  Basis 
die  ödematösen  Papillen  fingerartig  in  den  Blasenraum  hienein- 
ragend.  In  serösem  Transsudat  fanden  sich  nicht  selten  auch 
rote  Blutkörperchen ;  sie  bildeten  die  Hauptmasse  der  aus  den 
Blutgefäßen  austretenden  Elemente  bei  den  Versuchen  am 
Skorbutkranken,  wo  neben  reicher  seröser  Transsudation  das 
Gewebe  von  ausgetretenen  roten  Blutkörperchen  dicht  durch- 
setzt war.     Hier  war  es  nicht  zur  Blasenbildung  gekommen. 

In  Weidenfelds  Versuchen  und  obigen  Unterbindungen 
fanden  sich  subepidermoidale  Blasen.  Da  Entzündungserschei- 
nungen wegen  Kürze  der  Zeit  und  Mangels  histologischer  Symp- 
tome auszuschließen  sind,  so  stehe  ich  nicht  an,  diese  Blasen 
als  vorwiegend  mechanisch,  durch  Stauung  und  Transsudation^ 
entstanden  zu  bezeichnen.  Es  wäre  zu  weit  gegangen,  in  obigen 
Versuchen  jede  Störung  der  Zellfunktion  auszuschließen,  denn 
schon  theoretisch  muß  die  normal  ernährte  und  die  unter  dem 
Einflüsse  der  Gyanose  stehende  Zelle  verschiedene  Funktion 
haben.  Doch  zeigt  uns  die  zu  geringe  Einschnürung,  welche 
nur  zu  Gyanose  und  Odem,  nicht  aber  zur  Blasenbildung 
führt,  daß  für  das  Entstehen  der  Blasen  die  Zellschädigung 
wenig,  der  Druck  in  diesem  Falle  alles  bedeutet. 

Es  besteht  kein  Zweifel,  daß  Blasenbildung  infolge  selbst 
hochgradiger  Stauung  nur  äußerst  selten  auftritt,  auf  der  an- 
deren Seite  sehen  wir  wieder  die  verschiedensten  Hauterkran- 
kungen durch  reichliche  Blasenbildung  charakterisiert.  Die 
Momente,  welche  diese  auffallende  Differenz  allerdings  nur  zum 
Teile  erklären,  mögen  folgende  sein: 


286  Kreibich. 

Die  meisten  Blasenprozesse  sind  exsudative  Entzündungen 
Diese  Tatsache,  für  manche  Prozesse,  wie  Erysipel,  Combnstio, 
schon  lange  bekannt,  gilt  nach  übereinstimmenden  neuen  Unter- 
suchungen auch  für  die  meisten  übrigen  Blasenprozesse  z.  B. 
Pemphigus,  Erythema  multiforme,  septische  und  medikamentöse 
Erytheme,  Impetigo  contagiosa.  Bei  allen  diesen  Entzündungen 
überwiegt  die  seröse  Exsudation  über  die  zellige. 

Dieses  Moment  genügt  aber  zur  Erklärung  der  Blasen- 
bildung noch  nicht.  Viel  wichtiger  ist  2.,  in  welcher  Schichte 
der  Haut  sich  die  esxudatire  Entzündung  lokalisiert,  und  es 
finden  sich  Anzeichen  dafilr^  daß  es  desto  häufiger  zur  Blasen- 
bildung kommt,  je  oberflächlicher  eine  exsudative  Entzündung 
sich  lokalisiert. 

So  ist  wohl  zum  größten  Teil  der  Grund  für  die  reiche 
Blasenbildung  bei  Pemphigus  darin  gelegen,  daß  es  sich  bei 
dieser  Erkrankung  um  eine  exsudative  Entzündung  in  der  Pars 
papillaris  und  um  eine  Exsudation  aus  dem  gesamten  ober- 
flächlichen Gefäßnetze  handelt. 

Das  Schema  in  Figur  1  würde  die  Lokalisation  der  Ex- 
sudation anzeigen,  wie  sie  für  Pemphigus,  für  Erythema  multi- 
forme, septische  Erytheme  etc.  charakteristisch  ist.  Als  ana- 
tomische Folge  dieser  Exsudation  wäre  die  subepidermoidale 
Blase  aufzufassen. 

Entzündungsprozesse,  bei  welchen  der  Reiz  von  außen 
gegen  die  Tiefe  wirkt,  lassen  vermuten,  daß  die  EIxsudation 
aus  dem  gesamten  oberflächlichen  Gafäßnetze  wie  bei  Pem- 
phigus noch  nicht  der  Ausdruck  für  die  superfiziellste  Schädi- 
gung der  Gefäße  ist,  sondern  daß  es  noch  Exsudationen  gibt, 
welche  man  in  die  Papillen,  jedes  Papillargefäß  als  Ort  der 
Exsudation  gedacht,  verlegen  kann.  (Figur  2.) 

So,  wie  es  Verbrennungen  dritten  Grades  gibt,  bei  denen 
nur  die  Papillenspitze  verschorft  erscheint,  so  muß  in  gleicher 
Weise  bei  geringerer  Hitzewirkung  das  Papillargefäß  oder 
wenigstens  die  Spitze  desselben  mehr  geschädigt  sein  als  das 
gesamte  Gefäßnetz.  Die  Folge  davon  wird  nun  sein,  daß 
aus  diesem  geschädigten  Papillargefäße  Exsudation  erfolgt, 
während   der   zwischen    zwei   Papillen   gelegene,    durch   keine 


Zar  BlasenbilduDg  and  Gatis-EpidermiBverbindaDf;.  287 

Ezsudation  abgehobene  Betezapfen  die  Verbindung  zwischen 
Epidermis  und  Cutis  erhält.  Das  aus  den  Papillarschlingen 
austretende  Serum  wird  von  den  Interzellularräumen  der  Epi- 
dermis aufgenommen,  es  kommt  zunächst  zu  Ödem  der  Epi- 
dermis und  später  zur  Blasenbildung  in  der  Epidermis,  und 
zwar,  wenn  der  Beiz  z.  B.  ein  langsam  ansteigender  ist,  wie 
bei  Impetigo  contagiosa,  Pemphigus  neonatorum,  zu  einer  ein- 
kämmerigen,  großen,  subcornealen  Blase,  bei  stärkeren  Beizen, 
rascher  Exsudation  und  Momenten,  die  wir  vollständig  wohl 
noch  nicht  kennen,  zu  intraepidermoidalen  kleinen  Blasen  im  Bete. 

Diese  hypothetischen  Annahmen  führen  uns  dazu,  die 
Ursache  des  Ekzems  mit  seiner  intraepidermoidalen  Blasen- 
bildung in  einer  von  außen  einwirkenden  Schädlichkeit 
zu  suchen.  Sie  finden  ihre  Ergänzung  in  der  Berücksichti- 
gung jener  exsudativen  Entzündungen,  die  klinisch  und 
anatomisch  einen  tieferen  Sitz  haben  und  bei  welchen  wegen 
des  tiefen  Sitzes  der  &krankung  Blasenbildung  viel  seltener 
ist  und  nur  dann  auftritt,  wenn  entweder  die  Entzündung  auf 
die  oberflächlichsten  Hautgefaße  übergreift  oder  wenn  infolge 
der  Entzündung  eine  Bückstauung  gegen  die  Pars  papillaris 
zu  erfolgt. 

So  sehen  wir  bei  Erysipel  nicht  sofort,  sondern  erst 
am  2.  oder  3..  Tage  Blasen  auftreten.  Blasen,  die  sich  nur 
äußerst  langsam  bilden,  keineswegs  immer  einen  hohen  Füllungs- 
zustand zeigen  und  subepidermoidal  gelegen  sind. 

Ähnlich  sind  die  Verhältnisse  bei  der  Urticaria-Quaddel. 
Wäre  die  Urticaria-Quaddel,  wie  Kromayer  behauptet,  eine 
Exsudation  in  die  Gefäßhaut,  so  wäre  Blasenbildung  gewiß 
sehr  häufig.  Indem  aber  schon  die  wenig  scharfe  Begrenzung, 
die  Kompression  der  Papillargefäße  die  Ansicht  Bäumers 
bestätigt,  daß  die  Urticaria-Quaddel  vorwiegend  ein  Ödem  der 
Cutis  propria  darstellt,  finden  wir  es  erklärlich,  daß  Blasen 
bei  reiner  Urticaria  nur  sehr  selten  vorkommen,  obwohl  das 
Ödem  bei  anderer  Lokalisation  gewiß  zur  Bildung  einer  Blase 
ausreichen  würde. 

Ähnlich  wie  bei  Erysipel  sieht  man  bei  Phlegmonen 
Blasen,   oft  von  bedeutender  Größe,   einige  Zeit  nach  Beginn 


288  Kreibioh. 

der  Erkrankung  auftreten,  während  anfänglich  die  PapiUar- 
gefäße  durch  Spannung  komprimiert  sind.  Beün  Übergreifen 
auf  die  oberflächlichsten  Hautschichten,  vielleicht  auch  nur 
durch  Rückstauung  des  Ödems  tritt  dann  Abhebung  der  Epi- 
dermis von  der  Cutis  ein. 

Obige  Versuche  und  die  Untersuchung  von  Blasenprozessen 
gaben  die  Anregung,  eine  wunde  Stelle  der  Hauthistologiet 
die  Verbindung  der  Cutis  und  Epidermis  zu  studieren. 

Zunächst  muß  man  Rabl  zustimmen,  wenn  er  aus  ent- 
wicklungsgeschichtlichen Momenten  und  auf  Grund  von  Präpa- 
raten einen  direkten  Übei^gang  der  Epidermiszellen  in  Binde- 
gewebsfasern für  unwahrscheinlich  hält.  Auch  ich  sah  nie  der- 
artige Übergänge.  Überall  erwiesen  sich  mir  ähnliche  Bilder 
als  Täuschungen,  durch  Schiefschnitte  bewirkt. 

Noch  unwahrscheinlicher  wurde  mir  ein  solcher  Über- 
gang auf  Grund  von  Präparaten,  welche  mir  das  bis  jetzt  noch 
nicht  vollständig  aufgeklärte  Verhältnis  der  Herxheimer- 
schen  Fasern  zur  Zelle  veranschaulichten.  Kromay er  schließt 
aus  dem  Umstände,  „daß  bei  den  einen  Zellen  das  blau  ge- 
färbte Protoplasma  den  Kern  als  dicken  Mantel  umgibt,  bei 
anderen  nur  als  ein  schmaler  Raum  sichtbar  ist  und  endlich 
bei  dritten  den  Kern  nur  als  geschlängelte  Fasern  umkreis,  ** 
„daß  die  geschlängelten  Fasern  auch  in  jenen  Zellen  ver- 
laufen, deren  Protoplasma  im  Zusammenhang  gefärbt  ist,  und 
daß  sie  in  den  Zellen,  in  denen  sie  gefärbt  erscheinen,  von 
einer  Protoplasmamasse  umgeben  sind,  die  ihren  Farbstoff  dem 
Anilin  abgegeben  hat,  also  jetzt  unsichtbar  geworden  ist.*' 

Diesem  Schlüsse  treten  Herxheimer  und  Müller  in- 
sofern entgegen,  als  nach  ihren  Untersuchungen  die  Spiralen 
nicht  dem  Protoplasma  angehören,  sondern  Zellkonturen  dar- 
stellen. Trotzdem  ist  die  Ansicht  Kromayers,  daß  die 
Herxheimer  sehen  Fasern  Protoplasmafasem  sind,  heute  von 
den  meisten  Autoren  akzeptiert. 

Das,  was  Kromayer  aus  seinen  Präparaten  in  obiger 
Weise  erschließt,  haben  mir  Präparate  eines  vesikulösen  Ekzems 
mit  voller    Deutlichkeit  gezeigt.    In  den  nach  Weigert  ge- 


Zur  BlasenbilduDg  und  Gutis-EpidermisTerbindang.  289 

färbten  Schnitten  lagen  in  dem  BlasenkaYum  neben  Leukocyten 
zahbreicbe,  offenbar  ödematös  gequollene  Epithelzellen.  In 
diesen  Zellen  sieht  man  in  charakteristischer  Färbung  und 
typisch  geschlängelter  Form  Fasern  den  Kern  umkreisen  und 
gegen  die  Peripherie  korkzieherartig  verlaufen.  Nach  außen 
sind  die  intensiv  gefärbten  Fasern  umgeben  von  einem  blassen, 
iiast  ungefärbten,  aber  doch  nach  außen  ganz  deutlich  kon- 
tourierten  Saum.  Dieser  Saum  erwies  sich  nicht  etwa  als  eine 
blasse  Zone  in  einer  intensiv  gefärbten  Umgebung,  auch  nicht 
als  eine  durch  die  Färbemethode  (Xylol)  provozierte  Täuschung 
sondern  als  ein  der  Zelle  angehöriger  Anteil,  der  Zelle  Form 
und  Gestalt  gebend.  An  quer  getroffenen  Zellen  umgibt  dieser 
Saum  ringsherum  die  intensiv  gefärbten  Fasern  und  verläuft 
als  lichter  und  deutlich  konturierter  Streifen  neben  der  lang 
ausgezogenen  Spiralfaser  an  schräg  getroffenen  Zellen.  (Vergl. 
Figur  3—7.) 

Der  Vergleich  der  beiden  Bilder  ergibt  auch,  daß  die 
Faser  nicht  z.  B.  als  ein  Teil  des  gefalteten  Zellmantels  der 
Zelle  aufliegt,  sondern  wirklich  dem  Protoplasma  angehört. 
Ob  sich  diese  Fasern  vollständig  mit  den  von  Ran  vi  er  und 
Kromayer  beschriebenen  Protoplasmafasem  identifizieren 
lassen,  oder  ob  es  sich  nicht  vielmehr  um  eine  durch  die 
die  Weigert  sehe  Färbung  bewirkte  Schrumpfung  des  Zell- 
protoplasmas überhaupt  handelt,  soll  nicht  entschieden  werden* 
Sicher  ist,  daß  dieHerxheimer  sehe  Faser  nicht  den  äußersten 
Zellkontur  darstellt.  Da  sich  nun  diese  Herx  heim  ersehen 
Fasern  nach  der  allgemein  akzeptierten  Ansicht  mit  den  in 
Cutis  eindringenden  Wurzelfüßchen  der  Basalzellen  identifizieren 
lassen,  so  stellen  auch  diese  Gebilde  nicht  die  peripherste 
Zellbegrenzung  dar,  sondern  müssen  folgerichtig  noch  einen 
weiteren  Protoplasmasaum  um  sich  haben. 

Dies  fand  sich  auch  an  Präparaten  eines  Naevus,  auf 
welchem  eine  Brandblase  erzeugt  wurde,  angedeutet.  Die  ab* 
gehobenen  Haitfasern,  nicht  mehr  mit  der  Cutis  verbunden» 
zeigen  um  sich  noch  eine  mit  Karmin  rot  gefärbte  Zone» 
Jedenfalls  sah  ich  niemals  eine  abgehobene  Haftfaser  direkt  in 
eine  abgerissene  Cutisfaser   übergehen,     und  man  müßte   bei 

Areh.  f.  Dermat.  n.  Sypb.  Bd.  LXIII.  10 


290  Kreibich. 

der  Annahme  eines  direkten  Überganges  yoraassetzen,  daß  die 
Haftfaser  erst  das  umgebende  Protoplasma  oder  die  Grenz- 
membran durchdringt,  eine  Annahme,  die  man  eventuell  bei 
der  Verbindung  homogener  Elemente  (Malpighischea  Organ) 
machen  kann,  die  aber  zur  Erklärung  der  Verbindung  ungleich- 
mäßiger Elemente  (Epithel  und  Bindegewebsfasern)  gewiß  ge- 
zwungen ist. 

Noch  viel  schwieriger  als  der  Epidermissaum  ist  die  Cutis- 
oberfläche  zu  beurteilen.  Zahlreiche  Präparate,  an  welchen  die 
Epidermis  durch  ödem,  durch  Mazeration  oder  Entzündung 
langsam  oder  rasch  zur  Ablösung  kam,  ließen  mich  niemals 
mit  Sicherheit  von  der  Cutis  gegen  die  Epidermis  verlaufende 
und  dort  blind  mit  sich  verschmächtigenden  Ausläufern  endi- 
gende Fasern  erkennen,  immer  machte  die  denudierte  Ober- 
fläche der  Papillen  den  Eindruck  einer  glatten,  zusammen- 
hängenden Membran,  von  welcher  aus  keine  frei  endigenden 
Bindegewebsfasern  mehr  gegen  die  Epidermis  zu  abgehen. 
Daß  bei  Entzündungsprozessen  die  Papillenbegrenzung  eine 
glattgestrichene  Membran  darstellt,  ist  eine  Folge  des  papil- 
lären ödemes.  An  Präparaten,  wo  dieses  Ödem  nicht  vorhanden 
ist,  und  die  Epidermis  z.  B.  durch  eine  Verbrennung  mittels 
eines  heißen  Glasstabes  ihre  Färbbarkeit  verliert,  sieht  man 
bei  intensiver  Färbung  mit  Hämatoxylin  die  Cutisoberfläche 
durch  wellige  Erhebungen  der  obersten  Bindegewebsfasern 
gegeben  und  das  gleiche  zeigen  nicht  zu  dünne  Schnitte  der 
Fersenhaut  (Figur  8). 

In  die  nach  van  Gieson  gelb  gefärbte  Epidermis  sieht 
man  von  der  Cutisseite  aus  fast  immer  bis  zur  gleichen  Höhe 
rot  gefärbte  Fasern  eindringen.  Dieselben  erdigen  aber  nicht 
als  dünne  sieb  verlaufende  Fasern  zwischen  den  Epidermis- 
zellen,  sondern  zeigen  kolbige  AnschwelluDgen,  deren  oberes 
Ende  man  sehr  gut  erkennen  kann.  Zugleich  geht  aus  den 
Präparaten  deutlich  hervor,  daß  diese  Fortsätze  nicht  kolbige 
Anschwellungen  zahlreicher  von  der  Cutis  aufsteigender  Fasern 
sind,  sondern  man  erkennt,  allerdings  nicht  so  deutlich  wie  an 
der  etwas  schematischen  Zeichnung,  daß  diese  kolbige  An- 
schwellung die  UmscblagsteUe  einer  welligen  Ausstülpung  ist. 


Zar  Blasenbildang  and  CatU- Epidermis  Verbindung.  291 

Dies  geht  namentlich  aas  den  Verbindungen  der  Kolben  mit 
rechts-  und  linksstehenden  hervor,  welche  ganz  deutlich  den 
Eindruck  machen,  daß  sie  weitere  Ausstülpungen  einer  und 
derselben  Faser  oder  besser  Membran  sind.  So  dringt  die 
Gutisoberfläche  in  feinsten  Wellenlinien  in  die  Epidermis  ein 
und  dieser  Streifen  ist  nach  van  Gieson  rötlich  gelb  gefärbt, 
da  die  Zwischenräume  zwischen  den  roten  Bindegewebsaus- 
stülpungen  durch  das  gelb  gefärbte  Protoplasma  der  Epithel- 
zellen ausgefüllt  sind.  An  nach  Weigert  gefärbten  Präpa- 
raten sieht  man  wieder  die  Wurzelfüßchen  deutlich  gefärbt, 
und  zwar  an  ganz  günstigen  Schnitten  gleichsam  auf  die  ge- 
wellte Cutisiläche  aufgestellt,  an  dickeren  und  leicht  schief 
getroffenen  Stellen  in  die  Cutis  eintauchen.  Da  sich  nun  durch 
keinerlei  Verfahren  zwischen  diesen  beiden  korrespondierenden 
Fortsätzen  noch  eine  Zwischenschichte  darstellen  läßt,  so  muß 
die  Epidermis-Cutisverbind  ung  als  eine  Verzah- 
nung dieser  Fortsätze  gedeutet  werden. 

An  Präparaten,  wo  die  Gutisfaser  intensiv  gefärbt,  das 
Protoplasma  der  Epithelzelle  aber  ungefärbt  ist,  erscheint  die 
Zone,  wo  das  Epithel  in  die  Cutis  eintaucht,  schwach  gefärbt 
und  täuscht  an  dickeren  und  schief  getroffenen  Schnitten  die 
sogenannte  Glashaut  vor.  Ihr  entspricht  somit  nichts  reelles; 
bei  intensiver  Protoplasmafärbung  der  Epithe  Izellen,  bei  dünnen 
und  ganz  korrekten  Schnitten  fehlt  sie.  Bei  intensiver  Binde- 
gewebsfärbung  zeigt  die  untere  Epidermisgrenze  einen  Saum, 
der  ähnlich  wie  das  Bindegewebe,  aber  schwächer  gefärbt  ist. 
Derselbe  rührt,  wie  bereits  erwähnt,  her  von  den  in  das  Epi- 
thel eindringenden  Ausstülpungen  der  Gutis,  zum  Teil  aber  auch 
von  einer  Eigentümlichkeit  der  Basalzellen,  auf  die  Rabl  auf- 
merksam macht.  Die  untere  Hälfte  der  Basalzelle  färbt  sich 
stärker  mit  Eosia  als  die  obere,  nach  van  Gieson  rötlich 
gelb  während  die  obere  Hälfte  gelb  gefärbt  erscheint 

Da  sich  in  diesem  färberischen  Verhalten  ähnliche  Affi- 
nitäten, wie  sie  die  Gutis  besitzt,  ausdrücken,  so  kann  man 
sich  der  Vermutung  Rabl s,  daß  dieses  verschiedene  chemische 
Verhalten  der  beiden  Zellhälften  nicht  ohne  Bedeutung  für 
die   Verbindung   der   Epidermis    und    Gutis    ist,    anschließen. 

19* 


p 


f  292  Kreibioh. 


Fortgesetzte  UntersuchuDgen  werden  zeigen,  ob  die  Erwartung  ^ 

zutrifft,  daß  sich   in  ähnlicher  Weise  wie  Epidermis  und  Cutis  • 
jedes  Epithel  mit  dem  darunter  gelegenen  Bindegewebe  Yer- 

bindet.  { 


Die  Erklärung  der  Abbildungen  auf  Tafel  XVIII  ist  dem  Texte 

zu  entnehmen. 


Archiv  fOermatologieu  Syphilis  Band  DCOI. 


V\AAMAf^ 


OAAAAA/V 


%4. 


KVoibich:  llltiSRIihiidTiiig  n  Ciilis   K|jiilni'iiii.-<vcrl>iii 


Zur  Frage:  Wie  kann  man  die  durch 
eine  syphilitische  Schwangerschaft  ver- 
ursachte soziale  Gefahr  hekämpfen? 

Von 

Professor  Edvard  Welander  in  Stockholm. 


Während  einerseits  der  Kampf,  die  Ausbreitung  der 
venerischen  Krankheiten  zu  hemmen,  durch  eine,  sei  es  auch 
gut  gemeinte,  aber  doch  nicht  auf  praktischer  Erfahrung  fußende 
Agitation  für  Beseitigung  der  sanitären  Besichtigung  und  er- 
forderlichen Falls  der  Isolierung  derjenigen  Personen,  welche 
die  gefahrlichste  Ansteckungsquelle  für  diese  Krankheiten  bilden, 
nämlich  der  Personen,  welche  die  Unzucht  als  Gewerbe 
betreiben,  erschwert  und  gehindert  wird,  ohne  daß  die  Vor- 
kämpfer dieser  Agitation  es  versucht  haben,  einen  wirklich 
praktischen  Beitrag  zur  Lösung  dieser  Frage  auf  andere  Weise 
zu  liefern,  oder  den  Verhältnissen,  die  mehr  oder  weniger  zu 
den  Ursachen  der  gewerbsmäßigen  Unzucht  beitragen,  wirklich 
entgegen  zu  arbeiten,  sehen  wir  anderseits,  wie  die  Kämpfer 
für  die  Notwendigkeit  der  Beibehaltung  der  sanitären  Besichti- 
gung der  Prostituierten  unter  den  jetzigen  Verhältnissen  nicht 
einseitig  hieran  festhalten,  sondern  auch,  bei  ihrer  Kenntnis 
von  der  Natur  und  der  Verbreitungsweise  dieser  Krankheiten, 
daran  arbeiten,  die  unglücklichen  Folgen,  die  die  Verbreitung 
dieser  Krankheiten  nach  sich  ziehen  können,  auf  mannigfache 
Weise  zu  verhindern  zu  suchen.  Als  Beispiel  dafür  möchte 
ich  die  vielen  Bestrebungen,   die  auf  Verhinderung   der  Ver- 


294  Welander. 

breitimg  der  Bypbilitischen  Krankheiten  durch  Ammen  und  Säug- 
linge gerichtet  sind,  anfuhren.  Es  will  mir  jedoch  scheinen,  als 
könne  man  eigentlich  nicht  darauf  rechnen,  aus  den  in  dieser 
Beziehung  vorgeschlagenen  Maßregeln  einen  größeren  praktischen 
Nutzen  zu  ziehen;  wünscht  man  dies,  so  muß  man  der  Frage 
näher  auf  den  Leib  gehen,  muß  zu  ernsteren  Mitteln  greifen, 
wenn  die  Kosten  hierfür  auch  ganz  bedeutend  sein  sollten. 

Wir  alle  kennen  ja  die  folgenschwere  Wirkung  der  syphi- 
litischen Krankheit  auf  den  Fötus,  die  große  Polyletalität,  die 
dieselbe  in  der  Familie  verursachen  kann.  Aber  nicht  genug 
hiermit.  Wir  sehen  auch  die  große  Gefahr,  die  die  kleinen 
überlebenden  Kinder  während  ihrer  ersten  Lebensjahre  für  die 
Umgebung  bilden  können,  die  sie  in  Pflege  nimmt,  wie  beständig 
die  Gefahr  yorliegt,  daß  ansteckende,  der  Umgebuug  gefähr- 
liche Symptome  entstehen  können.  Wir  wissen  auch,  daß  oft 
nach  wenigen  oder  mehreren  Jahren  neue  schwere  Symptome 
entstehen  können,  die  unheilbare  Veränderungen  in  allen  Körper- 
teilen, im  Schlünde,  in  der  Nase,  im  Knochensystem,  ja  in  den 
wichtigsten  Organen,  wie  Augen,  Ohren,  Gehirn  u.  a.  m.  ver- 
ursachen, ja  diese  armen  Kinder  sogar  zu  körperlichen  und 
geistigen  Invaliden  machen  können.  Die  Gefahr  für  das  Ge- 
meinwesen geht  jedoch  nicht  nur  von  den  Kindern  aus;  auch 
die  Mutter  kann,  wenn  sie  z.  B.  einem  anderen  Kinde  die 
Brust  gibt,  eine  große  Gefahr  bilden.  Es  muß  sich  ja  daher 
die  Frage  aufdrängen,  ob  wir  nicht  wenigstens  in  etwas  die 
große  Gefahr  verhindern  können,  die  eine  syphilitische  Schwanger- 
schaft sowohl  für  das  Gemeinwesen  wie  auch  für  die  betreffenden 
selbst  —  Mutter  und  Kind  —  herbeiführen  kann. 

Ganz  sicher  läßt  sich  in  dieser  Beziehung  durch  eine 
konsequent  durchgeführte  Behandlung  yiel  gutes  ausrichten, 
allein  da  diese  bei  einer  so  chronischen  und  so  lange  Zeit  an- 
steckenden Krankheit,  wie  Syphilis,  gerade  deswegen  eine  lange 
Zeit  in  Anspruch  nehmen  muß,  stellt  sich  die  Frage:  welche 
Anordnungen  können  und  müssen  seitens  des  Staates  und  der 
Gesellschaft  getroffen  werden,  um  die  Gefahren,  die  eine  syphi- 
litische Schwangerschaft  in  sozialer  Beziehung  yemrsacht,  zu 
beseitigen. 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  295 

Bevor  ich  den  Versuch  mache,  diese  Frage  zu  beant- 
worten, will  ich  eine  kurze  Darstellung  der  Maßregeln  geben, 
die  in  Stockholm  (Schweden)  in  früheren  Zeiten  zur  Bekämpfung 
dieser  sozialen  Gefahr  getroffen  worden  sind;  diese  Darstellung 
ist  ein  Resume,  entnommen  meiner  Arbeit:  „Die  Geschichte 
der  venerischen  Krankheiten  in  Schweden**,   Stockholm   1898. 

Wann  die  venerischen  Krankheiten,  hoo  est  syfilis,  nach  Schweden 
gekommen  sind,  wissen  wir  nicht,  sehr  wahrscheinlich  war  diese  Krankheit 
jedoch  schon  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  dort  anzutreffen.  1678  finden 
wir  in  einer  yon  Benediktns  Olai  herausgegebenen  Gesundheitslehre  eine 
Beschreibung '  der  venerischen  Krankheiten,  die  gemeinsam  „Franzosen** 
genannt  werden ;  wir  finden  dort  sowohl  eine  Beschreibung  der  Syphilis 
mit  einer  Menge  Symptome  derselben,  wie  auch  der  Gonorrhöe,  „wo  der 
Samen  des  Mannes  wider  seinen  Willen  von  ihm  fließt^.  Weitere  An- 
gaben fehlen  dann  vollständig,  bis  Johann  Linder  in  verschiedenen 
Abhandlungen:  1705  „de  foeda  lue  dicta  venerea**  und  1713  Gedanken 
über  die  ansteckende  Krankheit  „Franzosen**  eine  äußerst  interessante 
Beschreibung  nicht  nur  der  Symptome  dieser  Krankheiten,  d.  h.  eigentlich 
der  Syphilis  und  ihrer  mannigfachen  Art  der  Verbreitung  gibt,  sondern 
auch  eine,  besonders  in  Betracht  der  Anschauungsweise  jener  Zeit,  in 
vielen  Beziehungen  geniale  Auffassung  von  der  Wirkung  des  Quecksilbers 
auf  diese  Krankheit  entfaltet ;  es  zeigt  sich,  daß  er  eine  ungewöhnlich 
scharfe  Beobachtungsgabe  sowohl  betreffs  der  guten  Wirkung  des  Queck- 
silbers, wie  auch  betreffs  der  Nebenwirkungen  desselben  besessen  hat. 

Schon  damals  war  die  Krankheit  augenscheinlich  ziemlich  stark 
in  Schweden  verbreitet;  ihre  Verbreitung  stieg  noch  mehr  teils  durch 
den  Mangel  an  wirklicher  Kenntnis  von  der  Verbreitungsart  derselben, 
teils  durch  die  äußerst  schlechten  hygienischen  Verhältnisse,  unter  denen 
die  damalige  Bevölkerung  im  allgemeinen  lebte,  teils  durch  andere 
Schweden  eigentümliche  Verhältnisse,  die  allein  schon  genügt  hätten,  die 
große  Verbreitung  der  Krankheit  zu  erklären.  Als  ein  wichtiger  hierzu 
beitragender  Moment  kommen  außerdem  noch  —  die  aus  unseren  Kriegen 
heimkehrenden  angesteckten  Soldaten.  Durch  alle  diese  Verhältnisse 
zusammen  verbreitete  sich  diese  Krankheit  in  einem  äußerst  bedenklichen 
Grade  und  in  einzelnen  Landesteilen  war  der  Zustand  ein  im  höchsten 
Grade  trauriger  und  wurde  diese  Krankheit  eine  wirkliche  Zuchtrute  tür 
die  Bevölkerung,  wovon  viele  Beschreibungen  vom  Ende  des  18.  und 
Anfang  des  19.  Jahrhuuderts  Zeugnis  ablegen. 

Sämtliche  Beschreibungen  zeigen,  daß  Syphilis  die  wirkliche  Land- 
plage war  und  viele  Mitteilungen  sind  darüber  vorhanden,  wie  genau 
man  die  Möglichkeit  der  Verbreitung  dieser  Krankheit,  vor  allem  auf 
insonte  Weise  zu  erforschen  suchte. 

£s  war  deshalb  nicht  so  wunderbar,  daß  man  bald  ziemlich  klar 
die  Gefahr,   die   eine   syphilitische  Schwangerschaft   nicht   bloß   f&r  den 


296  WeUnder. 

Fötus  Belbst,  Bondern  auch  für  andere,  sowohl  durch  die  Mntter  wie  daroh 
das  neugeborene  Kind  yerursachte,  erkannte. 

Ich  will  hierfür  einige  Beweise  anfuhren. 

In  seinem  Aufsätze  de  foeda  lae  dicta  venerea  1706  erwähnt  Linder, 
daß  , Doktor  Joh.  yan  Hoorn  GL  Holmiensium  Practicus^  Neugeborene 
mit  venerischen  Krankheiten  beobachtet  habe.  Linder  selbst  sagt  1713: 
„Forestas  eraahlt,  ein  angesteckter  Mann  habe  seine  Frau  angesteckt,  die 
P*rau  ihr  Kind  im  Utero,  das  Kind  seine  Amme  und  die  Amme  dann  ihre 
eigenen  Kinder.**  Linder  fügt  hinzu:  „Mehrere  solche  Beispiele  sind  hier 
in  reicher  Anzahl  wahrgenommen  und  viele  ähnliche  sind  auß^irdem  hier 
im  Lande  beobachtet. **  Ferner  äußert  er:  „Wird  eine  gesunde  Amme  von 
einem  angesteckten  Kind  angesteckt,  so  soll  sich  die  Ansteckung  zu 
allererst  an  den  Brüsten  zeigen,  zuerst  mit  hitziger  harter  Geschwulst, 
dann  mit  Abätzen  der  Haut.**  Das  ist  ja  eine  deutliche  Beschreibung 
einer  Primäraffektion  der  Brustwarze. 

Im  Jahre  1760  schreibt  ein  großer  schwedischer  Chirurg  Acrel 
in  einer  Abhandlung  über  „die  Krankheiten  des  Fötus  im  Utero**:  „Die 
Eltern  erzeugen  und  gebären  Kinder,  welche  zuerst  das  in  ihren  Säften 
verborgen  liegende  Gift  offenbaren ;  so  kommen  oft  von  Eltern,  die  allen 
Anzeichen  nach  sich  nun  von  der  Krankheit  frei  geglaubt  haben,  Kinder 
mit  venerischen  Kennzeichen  zur  Welt.** 

Späterhin  findet  man  Beobachtungen  über  putriden  Fötus,  über 
Fälle  von  syfilis  hereditaria  tarda  u.  s.  w. 

Im  allgemeinen  scheint  man  jedoch  die  Bedeutung  der  Gefahr,  die 
die  syphilitischen  Kinder  verursachten,  bei  weitem  nicht  so  sehr  beachtet 
zu  haben,  wie  die  Bedeutung  der  Gefahr,  welche  die  syphilitische  Mutter 
herbeifuhren  konnte,  wenn  sie  Anstellung  als  Amme  nahm.  Dies  geht 
aus  der  Bekanntmachung  des  Collegium  Medicum  1767  hervor,  wo  es  heißt, 
daß  „in  unserem  teuren  Vaterlande  und  besonders  in  der  Residenzstadt  Stock- 
holm viel  Unglück  durch  bösartige  und  ungeratene  Ammen  augerichtet  wird; 
so  daß  die  neugeborenen  zarten  Kinder  durch  Bösheit,  Fahrlässigkeit  und 
Betrug  solcher  Personen  das  Leben  einbüßen  müssen,  daß  verschiedene 
Familien  zu  unermeßlichem  Schaden  für  das  Reich  mit  venerischen  Krank- 
heiten behaftet  werden,  daß  dieses  Reich  durch  solche  ungeratenen  Per- 
sonen nicht  nur  eine  große  Anrahl  Menschen  verliert,  sondern  auch  mit 
Krüppeln  und  einer  schwachen,  gebrechlichen  und  verdorbenen  Nach- 
kommenschaft augefüllt  wird;"  weiter  heißt  es:  „daß  ein  und  dieselbe 
Amme  wohl  zwei  Jahre  lang  mit  derselben  Milch  und  mit  ihrem  giftigen 
Körper  verschiedene  Kinder  gesäugt  und  sie  mit  venerischer  Krankheit 
angesteckt  habe.**  Das  Kollegium  erwähnt  im  Zusammenhang  hiermit, 
daß  der  Vorschlag  des  Collegii,  in  Stockholm  ein  „Ammenanschaffungs- 
kontor'* zu  errichten,  am  6.  Mai  1767  von  Sr.  Majestät  dem  König  ge- 
nehmigt worden  sei,  wo  es  die  Pflicht  der  Frauen,  die  einen  Ammenplats 
suchten,  war,  sich  untersuchen  zu  lassen.  Über  den  Nutzen  dieses  Kon- 
tores  äußert  sich  das  Collegium  Medicum  1766,  daß  im  vorhergehenden 
Jahre  von  296  Personen,  die  sich  zum  Anunendienst  angemeldet  hatteu, 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  297 

nur  162  als  rein  und  tauglich  befundene  angenommen  waren.  Die  Er« 
fahrung  scheint  zu  beweisen,  da£  die  venerische  Ansteckung  durch  diese 
Untersuchung  hier  in  Stockholm  stark  abgenommen  hat.^ 

1768  erhielt  ein  Lehrer  der  Oeburtshülfe  die  Obliegenheit,  die  sich 
Bum  Ammendienst  Anmeldenden  zu  visitieren  und  bei  schwerer  Strafe 
nicht  „solche  mit  Attesten  gutzuheißen,  die  mit  venerischer  Krankheit 
oder  einer  anderen  ansteckenden  Krankheit  behaftet  waren." 

1776  wurde  eine  öffentliche  Entbindungsanstalt  errichtet,  welche 
außer  anderen  Zwecken  auch  den  hatte,  „daß  sichere  Ammen  für  vor- 
nehmere und  schwächlichere  Konstitutionen  zugänglich  und  vorrätig  sein 
möchten**. 

Man  umging  jedoch  dieses  Ansohaffuogs-i  oder  wie  es  nach  1777 
hieß,  Ammenbesiohtigungskontor  und  viele  Ammen  nahmen  einen  Dienst 
an,  ohne  sich  besichtigen  zu  lasHen,  weshalb  man  davon  nicht  den  Nutzen 
hatte,  den  man  sich  anfänglich  davon  versprochen  hatte. 

Teils  dies,  teils  der  Umstand,  daß  nur  Stockholm  und  seine  nächste 
Umgebung  von  diesem  Ammenbesichtigungskontor  Nutzen  hatte,  bewirkte, 
daß  man  dasselbe  in  einer  Verordnung  vom  Jahre  1812  zwar  erwähnte, 
aber  kein  großes  Gewicht  darauf  legte. 

Nach  einer  Instruktion  für  Hebeammen  aus  dem  Jahre  1852  dürfen 
diese  weder  in  der  Stadt,  noch  auf  dem  Lande,  soweit  Ärzte  zugänglich 
sind,  eine  Person  zur  Amme  befördern,  bevor  diese  vom  Arzte  ein  be- 
höriges Gesundheitszeugnis  erhalten  bat;  die  Hebeamme  soll  auch,  wenn 
die  Mutter  oder  das  neugeborene  Kind  mit  venerischer  Ansteckung  be- 
haftet ist,  solches  dem  betreffenden  Arzte  anzeigen. 

Die  Frage  beginnt  sich  schon  frühzeitig  vorzudrängen:  was  wird 
aus  den  kleinen  Kindern  solcher  Ammen?  Als  man  diese  Frftge  zu  be- 
antworten versuchte,  zeigte  sich  nicht  allein  eine  höchst  bedeutende 
Sterblichkeit  unter  diesen  Säuglingen,  sondern  auch  die  große  Gefahr, 
die  sie  als  Verbreiter  der  syphilitischen  Krankheit  bildeten. 

Es  gab  zwar  ein  allgemeines  Waisenhaus,  dies  war  aber  ursprüng- 
lich für  andere  Zwecke  gestiftet  und  nahm  übrigens  nur  Kinder  über 
6  Jahre  auf,  um  sie  zu  tüchtigen  und  arbeitsamen  Mitbürgern  zu  erziehen, 
was  jedoch  infolge  einer  verkehrten  theoretischen  und  praktischen  Er- 
ziehung, infolge  erbärmlicher  hygienischer  Verhältnisse  allzu  oft  mißlang^ 

1763  wurde  deshalb  das  Freimaurer-Waisenhaus  in  der  Absicht 
gestiftet,  dort  anfänglich  20  Kinder  unter  3  Monaten  aufzuziehen;  sie 
wurden,  da  Ammen  zu  teuer  waren,  mit  Saugliaschen  großgezogen.  Bald 
sah  man  sich  aber  gezwungen,  von  diesem  Prinzip  abzugehen  und  die 
kleinen  Kinder  Pflegeeltern  zu  übergeben,  um  sie  nach  ein,  zwei  Jahren 
zur  weiteren  Erziehung  wieder  zurückzunehmen.  Nach  Odhelius  war 
dieses  Waisenhaus  „eine  Freistätte  der  Verworfenheit  und  hatte  mit  allen 
Waisenhäusern  das  gemeinsame,  daß  die  meisten  dort  Aufgenommenen 
von  Eltern  stammen,  die  mit  venerischer  Krankheit  behaftet  und  ver- 
wahrlost sind,  so  daß  unumgänglich  die  größte  Sterblichkeit  herrschen 
mußte**. 


298  Welander. 

Dieses  sog.  Waisenhaas  war  unzoreichend,  man  war  deshalb  ge- 
nötigt, das  sog.  Poliseiwaisenhans  zu  errichten,  wo  Kinder  zur  Pflege 
aufgenommen  werden  konnten;  anfierdem  wurden  aber  außerhalb  des 
Hauses  gepflegte  Kinder  von  dort  aus  unterstützt.  Die  dort  entgegen- 
genommenen Kinder  waren,  sagt  Odhelius,  „die  elendesten  aller 
Kinder,  die,  von  liederlichen  Eltern,  durch  Verwahrlosung  und  Hungtf 
eine  große  Sterblichkeit  herbeiführen.^  Von  840  in  diesem  Waisenhaus 
unter  10  Jahren  laufgenommenen  Kindern  waren  in  dieser  Zeit  234  ge- 
storben. 

Diese  Waisenhäuser  waren  unzulänglich,  weshalb  das  Collegium 
Medicum,  nachdem  das  Ammenanschaffungskontor  1757  eingerichtet  war, 
in  einer  in  den  Kirchen  verlesenen  Bekanntmachung  die  in  der  Nähe 
von  Stockholm  Wohnenden  aufforderte,  die  kleinen  Kinder  in  Pflege  zu 
nehmen.  Die  Folgen  davon  ließen  nicht  auf  sich  warten.  Schon  1768 
kamen  Klagen,  daß  diese  Kinder  venerische  Krankheiten  unter  die  Lands- 
leute verbreiteten. 

Man  mußte  schließlich  1786  ein  großes  Waisenhans  errichten, 
welches  ein  Zufluchtsort  für  notleidende  Kinder  in  allen  Altem  werden 
sollte,  welche  von  dort,  so  bald  sich  dies  tun  ließ,  Pflegeeltern  auf  dem 
Lande  übergeben  werden  sollten.  Diese  letztere  Vorschrift  fahrte  wiederum 
eine  Verbreitung  der  Krankheit  herbei.  Die  Waisenhausdirektion  faßte 
deshalb  1787  den  Beschluß,  daß  als  Bedingung  für  die  Aufnahme  kleiner 
Kinder  das  Zeugnis  eines  Arztes,  daß  sie  gesund  und  hei  von  venerischer 
Krankheiten  seien,  gefordert  werden  sollte.  Dies  wiederum  gab  den 
Anlaß  dazu,  daß  die  Mütter  ihre  Kinder  in  Torwegen,  Treppen  u.  s.  w, 
in  der  Nähe  des  Waisenhauses  aussetzten.  Von  863  in  den  Jahren  1788 
bis  1792  im  Waisenhause  aufgenommenen  kleinen  Kindern  waren  nicht 
weniger  als  198  auf  die  eine  oder  andere  Weise  von  der  Mutter  ausgesetzt 
oder  übergeben. 

Das  Waisenhaus  hatte  stets  mit  der  Schwierigkeit  zu  kämpfen, 
daß  es  entweder  die  Kinder  früh  in  Pflege  gab,  was  eine  Ausbreitung 
venerischer  Krankheiten  zur  Folge  hatte,  oder  daß  es  die  Kinder  im 
Waisenhause  behielt,  was  Überbevölkerung  und  große  Sterblichkeit  unter 
den  kleinen  Kindern  verursachte.  Dies  wurde  in  nichts  durch  eine  Ver- 
ordnung vom  Jahre  1812  geändert,  in  welcher  es  heißt:  Von  Waisen- 
häusern und  ähnlichen  Anstalten  sowie  von  Privatpersonen  dürfen  keine 
Kinder  zur  Pflege  fortgegeben  werden,  wenn  nicht  der  Beweis  erbracht 
wird,  daß  das  Kind  vacciniert  und  frei  von  venerischer  Ansteckung  ist 
und  zwar  trifft  zuwiderhandelnde  Beamte  gesetzliche  Verantwortung, 
Privatpersonen  eine  Strafe  von  3  Reichstaler  16  Schilling  Banco. 

Man  versuchte  zwar  im  Waisenhause  Verbesserungen  einzuführen; 
die  Mortalität  unter  den  kleinen  Kindern  mußte  aber  gleichwohl  eine 
große  bleiben,  da  eine  Menge  kranker  Kinder  dort  behalten  werden  und 
zuweilen  2—3  in  derselben  Wiege  liegen  mußten.  Die  Mortalität  wuxde 
eine  so  große,  daß  von  den  im  Waisenhause  aufgenommenen  Kindern  im 
1.  Lebensmonat  der  Prozentsatz  Tote  oft  bis  70Vo  Q^d  darüber  betrog- 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  299 

Man  tröstete  sich  jedoch  damit,  dafi  dies  gut  sei,  wie  ans  mehr  als  einem 
Jahresberichte,  z.  B.  dem  folgenden  hervorgeht:  n^on  den  kleinen  Kindern 
sind  die  meisten  mit  dem  Tode  abgegangen,  wozn  man  sowohl  den  Kindern 
wie  dem  Staate  Glück  wünschen  kann.** 

Die  Yerbreitnng  der  Ansteckung  durch  die  Kinder  versuchte  man 
jedoch  sowohl  im  Waiftenhanse  wie  außerhalb  desselben  auf  alle  Weise 
2u  vermindern.  So  heißt  es  1822,  „daß  die  venerischen  kleinen  Kinder 
von  besonderen  Personen  in  getrennten  Zimmern  gepflegt  werden  sollten 
und  selbstverständlich  nicht  die  Brust  erhalten  können/ 

1831  beschloß  die  Direktion,  daß  alle  Kinder  mit  Leiden,  die  arg- 
wöhnen lassen,  daß  es  sich  um  venerische  Krankheit  handelt,  mit  zweck- 
mäßiger Nahrung  ohne  Brust  aufgezogen  werden  sollen,  sowie  daß 
kleine  Kinder  nicht  vor  vollendetem  dritten  Monat  aufs  Land  gegeben 
werden  sollen. 

Man  sah  also  deutlich  ein,  daß  Syphilis  durch  Brustgeben  von  dem 
hereditär-syphilitischen  Kinde  auf  die  brustgebende  Amme  übertragen 
werden  könne.  Durch  Vorsicht  in  dieser  Beziehung  wurden  viele  der 
letzteren  geschützt.  Von  1821  ist  ein  Verzeichnis  der  im  Kurhause  (d.  h. 
dem  Krankenhause,  wo  venerische  Kranke  gepflegt  werden)  aufgenommenen 
Patienten  sowie  der  Art  der  Übertragung  der  Krankheit  vorhanden. 
Zwischen  1821—36  waren  nur  15  im  Waisenhause  von  Brustkindern  an- 
gesteckte Ammen  im  Kurhause  aufgenommen ;  aber  nun  änderte  sich  das 
Verhältnis.  Zwischen  1837 — 41  kamen  34,  zwischen  1842 — 46  wurden 
ebenfalls  34  im  Waisenhause  auf  ähnliche  Weise  angesteckte  Ammen  be- 
handelt. Auch  aus  der  Stadt  kamen  in  diesen  Jahren  eine  größere  Anzahl 
durch  Brustgeben  angesteckte  Frauen.  Von  1832—36  vmrden  14  solcher 
Frauen,  von  1837 — 46  49  gepflegt;  hiemach  sank  die  Anzahl  so  bedeutend, 
daß  zwischen  1847—51  nur  6  behandelt  wurden;  und  dasselbe  war  mit 
den  vom  Waisenhause  kommenden  angesteckten  Ammen  der  Fall.  Zwischen 
1847 — 51  wurden  von  dort  nur  3  Ammen  hingesandt. 

Der  Grund  dieser  hohen  Anzahl  zwischen  1837 — 46  aufgenommener 
Ammen  zu  verstehen,  ist  nicht  schwer.  Bicords  Lehre,  daß  die  sekundären 
syphilitischen  Symptome  nicht  ansteckend  seien,  hatten  sich  in  unser 
Land  verbreitet  und  war  von  den  Waisenhausärzten  akzeptiert  worden. 
Einer  von  diesen,  ein  sehr  hervorragender  Arzt,  Berg,  ssgte  auch,  „er 
sei  von  der  allgemein  geltenden  Theorie  ausgegangen,  daß  in  der  Regel 
nur  das  pathische  Sekret  des  primären  Leidens,  des  primären  Geschwüres 
den  Ansteck nngsstoff  enthalte,  daß  die  sekundären  und  tertiären  Formen 
von  konstitutioneller  Syphilis  nicht  durch  Berührung  ansteckend  seien.^ 
Allein  er  sagt  auch:  „Die  Theorie  sei  durch  die  Erfahrung  gezwungen 
sich  auf  Ansteckungsfähigkeit  bei  syfilis  congenita  zu  modifizieren.** 

Um  die  große  Oberbevölkerung  und  Sterblichkeit  unter  den  Kindern 
zu  verhindern,  nahm  man  seine  Zuflucht  dazu,  daß  man  die  Kinder  so 
schnell  wie  möglich  vom  Waisenhause  weggab,  damit  eine  größere  Anzahl 
Kinder  aufgenommen  werden  könnte.  Der  Umsatz  unter  den  kleinen  Kindern 
wurde  natürlich  ein  sehr  lebhafter ;  hierdurch  konnte  eine  Amme  nur  eine 


800  Welander. 

kürzere  Gelegenheit  haben,  demselben  Kinde  die  Bmst  su  geben,  sie 
mußte  diese  oft  wechseln.  So  wurde  es  gans  gewöhnlich,  daß  ein  nnd 
dieselbe  Amme  in  einigen  Monaten  10—20  Kinder  sftngen  konnte. 

Hierin,  sowie  in  der  kurzen  Zeit,  in  welcher  diese  kleinen  Kinder* 
von  deren  Torhergehenden  Zustand  man  in  der  Regel  ebenso  wenig 
wußte,  wie  von  dem  ihrer  Eltern,  im  Waisenhause  gepflegt  wurden,  lag 
eine  sehr  große  Gefahr  f&r  Verbreitung  der  venerischen  Krankheit.  Die 
Folgen  hiervon  blieben  auch  nicht  ans. 

1846  beschloß  die  Waisenhausdirektion  anf  den  Vorschlag  des  Dr. 
Garlsson,  der  früher  Arzt  im  Krankenhause  für  venerisch  Kranke  ge- 
wesen war,  daß  rgo^i^de  Kinder  unter  keinem  Vorwand  von  angesteckten 
Ammen  gesäugt  werden  dürfen  und  daß  augesteckte  Ammen  unverzüglich 
ins  Kurhaus  gesandt  werden*',  sowie  daß  „kleine  Kinder  mindestens 
60  Tage  im  V^aiseohause  gepflegt  werden  müssen,  bevor  sie  an  Pflege- 
eltern ausgeliefert  werden **,  doch  dürfte  der  Arzt  in  Ausnahmefällen  von 
dieser  Regel  abweichen.  Ebenso  wurde  iestgesetzt,  daß  Kinder,  die  von 
venerischer  Ansteckung  angegriffen  waren,  erst  nach  Verlauf  von  6  Mo- 
naten, während  welcher  sie  augenscheinlich  gesnnd  waren,  ausgeliefert 
werden  dürfen. 

Die  Folge  davon  war  wiederum  eine  große  ÜberfüUnng  des 
Waisenhauses;  weder  Ammen  noch  Kinder  konnten  ihr  eigenes  Bett 
erhalten. 

Da  legte  Berg  im  schwedischen  Ärzteverein  am  16.  Juli  1846  die 
Frage  vor,  ob  der  Verein  nicht  „untersuchen  und  sich  darüber  äußern 
wolle,  was  als  das  zweckmäßigste  zur  Vorbeugung  der  Verbreitung 
von  venerischen  Krankheiten  auf  und  von  kleinen  Kindern  anzusehen  sei*. 
Berg  begehrte  dann  auch  die  Beantwortung  einiger  besonderer  Fragen, 
darunter  dieser:  „ist  sekundäre  Syphilis  ansteckend?"  sowie:  „kann  die 
Gesnndheitspolizei  verlangen,  daß  eine  Amme,  die  einem  ihr  bekannt 
verdächtigen  oder  syphilitischen  Kinde,  das  artifizielle  Nahrung  nicht 
verträgt,  freiwillig  die  Brust  gibt,  an  der  Ausführung  dieser  mensch- 
lichen Handlung  gehindert  wird?"  Der  Verein  übertrug  die  Beantwortung 
dieser  Fragen  einigen  Komiteemitgliedem ;  infolge  der  durch  ihre  Äußer- 
ungen entstandenen  Diskussion  betonten  die  Syphilidologen,  daß  „sekun- 
däre Syphilis  ansteckend  sei**. 

Femer  wurde  von  ihnen  angeführt,  daß  „so  wichtig  es  sei,  daß 
alles  zur  Konservierung  des  kleinen  Kindes  getan  würde,  dies  doch  nicht 

auf  Kosten  der  gesunden  Amme  geschehen  dürfe." „Kann  das 

unglückliche  Kind  folglich  nicht  auf  andere  Weise  gerettet  werden,  so 
ist  es  besser,  es  sterben  zu  lassen,  als  zuzulassen,  daß  auch  die  Amme 

zu  grrunde  gerichtet  wird.*" „Die  unnachläßliche  Pflicht   eines 

jeden  Arztes  ist  es,  ein  jedes  Weib,  das  sich  hierzu  könnte  hergeben 
wollen,  von  einem  solchen  Wahnsinn  abzuhalten." 

Diese  Diskussion,  bei  welcher  Ricords  Lehre  keine  wirkb'che 
Unterstützung  erhielt,  aber  wohl  einer  scharfen  Kritik  seitens  Sachver- 
ständiger ausgesetzt  war,  trug  ganz  sicher  zu  einer  Veränderung  der  all- 


Syphilitieche  Schwangerschaft  etc.  301 

gemeinen  Anffassung  hier  in  Stockholm  ftber  die  Ansteckangsfähigkeit 
der  Bypbilitifchen  Krankheit  bei.  Dies  reranlaßte  sicher  die  in  den  fol- 
genden Jahren  verminderte  Anzahl  angesteckter  Ammen  aaßerhall)  des 
Waisenhaases,  und  trug  auch,  im  Verein  mit  dem  von  der  Waisenhaus - 
direktion  gefaßten  Beschluß,  daß  syphilitische  Kinder  nicht  von  gesunden 
Ammen  gesäugt  werden  sollten,  kräftig  dazu  bei,  daß  die  Zahl  der  an- 
gesteckten Ammen  in  den  Jahnen  18  i7 — 51  im  Waisenhause  nur  8  betrug. 
Seitdem  hat  diese  wichtige  Frage  betreffs  der  Verbreitung  der  syphili- 
tischen Krankheit  durch  das  Waisenhans  nur  eine  mehr  zufallige  Bedeu- 
tung gehabt  Niemals  ist  menschliche  Macht  im  stände  zu  verhindenii  daß 
die  Ansteckung  —  man  kann  sagen  durch  einen  Unglücksfall  —  vom 
Kinde  auf  die  Amme  und  vice  versa  übertragen  werden  kann.  Die  Er* 
fahrung  lehrt  uns  auch,  daß  dies  eintreffen  kann,  obschon  es  jetzt  sehr 
selten  geschieht. 

Dank  der  in  Schweden  kostenfreien  Krankenpflege  für 
jeden  venerischen  Patienten,  dank  unseren  verbesserten  sozialen 
bjgiemscben  Verhältnissen  hat  sich  die  syphilitische  Krankheit 
auf  dem  Lande  so  vermindert,  daß  sie  jetzt  dort  sehr  selten 
ist,  ja  auch  in  Stockholm  hat  sie  stark  abgenommen,  wozu, 
meiner  Überzeugung  nach  die  sanitäre  Untersuchung  der  Pro- 
stituierten, sowie  erforderlichen  Falls  deren  Isolierung  im 
Krankenhause  viel  beigetragen  hat. 

Trotzdem  die  Syphilis  also  in  Stockholm  abgenommen 
hat,  kommen  noch  allzu  oft  Fälle  vor,  daß  eine  syphilitische 
Frau  schwanger  wird,  und  es  entstehen  damit  natürlich  zugleich 
die  Gefahren,  die  in  sozialer  Beziehung  hierdurch  hervorgerufen 
werden.  Dies  ist  auch  die  Veranlassung  zu  der  von  mir  auf- 
gestellten Frage :  Wie  kann  man  die  Folgen  einer  syphilitischen 
Schwangerschaft  verhindern? 

Glücklicherweise  haben  wir  in  einer  konsequent  durch- 
geführten ordentlichen  spezifischen  Behandlung  der  syphilitischen 
Personen  ein  sehr  zuverlässiges  Mittel,  den  Kranken  nicht  nur 
iiir  den  Augenblick  von  seinen  Symptomen  zu  befreien,  sondern 
ihn  auch  für  die  Zukunft  vor  schwereren  Leiden  zu  bewahren. 
Ganz  sicher  findet  dies  auch  für  die  syphilitische  schwangere 
Frau  seine  Anwendung.  Wir  können  durch  geeignete  Behand- 
lung nicht  nur  die  dem  Fötus  drohende  Gefahr,  durch  das 
syphilitische  Gift  im  Utero  zu  sterben,  verringern,  wir  können 
auch  hoffen,  durch  eine  solche  Behandlung?  möglicherweise  dazu 
beizutragen,  den  Fötus  vor  künftigen  Leiden  zu  schützen. 


302  Welander. 

Wir  wissen  ja,  daß  unsere  spezifischen  Mittel  auf  den 
Fötus  im  Uterus  übergehen  können;  vom  Jodkalium  wissen 
wir,  daß  es  konstant  im  Urin  des  neugeborenen  Kindes  nach- 
weisbar ist,  selbst  wenn  die  Mutter  erst  während  der  Entbin- 
dung eine  so  kleine  Dosis  wie  V«  g  davon  erhalten  hat  (s.  W  e  - 
lander:  Über  die  Absorption  des  Jods.  Nord.  Med.  Archir 
1874).  Vom  Quecksilber  wissen  wir  durch  die  Untersuchung 
mehrerer,  auch  meiner  eigenen,  daß  es  in  der  Placenta,  in  den 
verschiedenen  Körperteilen  des  Fötus  und  in  dessen  Blut  nach- 
zuweisen ist. 

Durch  Erteilung  unserer  spezifischen  Mittel,  eigentlich 
und  vor  allem  von  Quecksilber  während  der  Schwangerschaft 
können  wir  nun  ja  sowohl  indirekt  wie  direkt  auf  den  Gesund- 
heitszustand des  Fötus  einwirken.  Durch  Behandlung  der 
Mutter  können  wir  in  der  Regel  vorhandene  syphilitische  Symp- 
tome entfernen  und  das  Entstehen  neuer  verhindern,  sowie 
ihren  Körperzustand  verbessern,  was  ja  indirekt  auch  auf  den 
Fötus  einwirken  muß.  Durch  eine  derartige  Behandlung  können 
wir  auch  die  Gefahr,  die  das  Entstehen  von  syphilitischen  Ver- 
änderungen in  der  Placenta  und  in  den  Nabehtranggefaßen 
auf  die  Nutrition  des  Fötus,  ja  auf  die  Möglichkeit,  dessen 
Leben  erhalten  zu  können,  ausüben  können,  verhindern  oder 
wenigstens  vermindern.  Schließlich  können  wir  durch  eine 
solche  Behandlung  der  Mutter  unsere  Medikamente  in  den 
eigenen  Körper  des  Fötus  überführen  und  dort  der  Einwirkung 
der  syphilitischen  Bakterien  auf  diesen  entgegenwirken« 

Wir  hegen  ja  jetzt  die  Ansicht,  daß  wir  nicht  bloß  in 
der  Absiebt  behandeln,  um  schon  befindliche  Symptome  zu 
entfernen,  sondern  auch,  um  das  Entstehen  neuer  Symptome 
zu  verhindern.  Wenn  eine  solche  intermittente  präventive  Be- 
handlung im  allgemeinen  als  zweckmäßig  betrachtet  wird, 
muß  es  dies  ja  noch  mehr  bei  einem  Falle  von  syphilitischer 
Schwangerschaft  sein,  wo  wir  die  Einwirkung  der  Krankheit 
auf  zwei  Leben  zu  bekämpfen  haben.  In  voller  Übereinstim- 
mung hiermit  habe  ich  diese  präventive  Behandlung  schon  lange, 
80  weit  dies  möglich  war,  während  des  Verlaufes  der  Schwanger- 
schaft angewendet  (und  habe  auch  versucht,  nach  der  Entbin- 
dung damit  fortzufahren). 


SyphiiitiBche  Schwangerschaft  etc.  303 

Die  Frage  entsteht  nun:  in  welcher  Form  sollen  wir 
Quecksilber  geben?  Das  erste  Erfordernis  ist,  daß  wir  es  in 
einer  solchen  Form  geben,  daß  wir  sicher  wissen,  daß  das 
Quecksilber  kräftig  absorbiert  wird,  aber  ein  anderes  sehr  wich- 
tiges Erfordernis  ist,  daß  wir  es  in  einer  Form  geben,  welche 
die  Frau,  die  schon  genügend  Beschwerde  von  ihrer  Schwanger- 
schaft hat,  so  wenig  wie  möglich  belästigt.  Da  Hg  nun  bei 
interner  Behandlung,  die  außerdem  ja  oft  Magen  und  Darm- 
kanal reizt,  so  unsicher  absorbiert  wird,  darf  eine  solche  in 
der  Regel  nicht  während  der  Schwangerschaft  vorkommen. 
Die  sonst  so  kräftige  und  ausgezeichnete  Ii^jektionsbehandlung 
mit  unlöslichen  Salzen  habe  ich  vollständig  aufgehört,  Schwangeren 
zu  erteilen,  da  schmerzhafte  Infiltrationen  damit  verbunden 
sind,  die,  auch  wenn  die  Frauen  sich  ganz  still  verhalten,  sie 
allzu  oft  plagen  und  sie  hindern,  hinreichend  Ruhe  und  Schlaf 
zu  genießen.  Auch  die  die  Haut  oft  irritierende  und,  besonders 
wenn  die  Frau  solche  selbst  unter  diesen  Umständen  ausführen 
soll,  belästigende  Schmierkur  habe  ich  vollständig  bei  Seite 
gelegt.  Während  der  Schwangerschaft  wende  ich  seit  einigen 
Jahren  einzig  die  Hg-Säckchenmethode  an,  weil  sie  von  jedem 
selbst  sehr  bequem  ausgeführt  werden  kann,  weil  sie  so  äußerst 
selten  Unannehmlichkeiten  verursacht  und  weil  bei  derselben, 
wovon  ich  mich  durch  hunderte  Untersuchungen  habe  über- 
zeugen können,  eine  kräftige  Absorption  stattfindet.^) 

^)  Mehr  als  einmal  habe  ich  Äußerungen  gehört,  daß  <man  bei  der 
Untersuchang  des  Urins  von  mit  Hg- Säckchen  behandelten  Personen  kein 
Hg  oder  nur  Spuren  von  Hg  im  Urin  gefunden  habe.  Ich  habe  schon 
früher  darauf  hingewiesen,  daß  der  Grund  hierfür  ganz  sicher  in  der 
fehleuden  Übung  im  Untersuchen  liegt,  denn  oftmals  habe  ich  in  Urin, 
der  kurz  darauf  von  derselben  Person  genommen  worden  war,  viel  Hg 
nachweisen  können.  Bevor  deshalb  jemand  auf  Gnmd  seiner  Hg-Unter- 
suchungen  des  Urins  ein  Urteil  über  die  Elimination  des  Hg  bei  der 
Hg-Säckcbenbehandlung  fallen  will,  möchte  ich  ihm  raten,  gleichzeitig 
seine  Fähigkeit,  Hg-Untersuchangen  vorzunehmen,  durch  Untersuchung 
des  Urins  von  mit  Hg-Pillen,  subkutanen  Injektionen  oder  Schmierkur 
behandelten  Personen  zu  prüfen.  Kann  er  bei  diesen  Methoden  konstant 
viel  Hg  im  Urin  nachweisen,  aber  nicht  bei  der  Hg-Säckchenmethode,  so 
hat  er  ja  das  Recht,  die  Absorption  des  Hg  bei  dieser  Behandlungsmethode 
zu  leugnen.  Findet  er  dagegen  bei  anderen  Hg-Behandlungsmethoden 
keine  Hg- Absorption,  so  dürfte  er  wohl  einsehen,  daß  der  Fehler  an  der 
mangelnden  Fähigkeit,  zu  untersuchen,  liegt 


304  WelaDder. 

Kommt  nim  durch  diese  Methode  Hg  in  das  Blut  der 
Frau.  80  muß  es  ja  auch,  wie  bei  allen  anderen  Metboden, 
durch  die  Placenta  in  das  Blut  des  Fötus  übergeführt  werden 
können.  Dass  dies  auch  geschieht,  habe  ich  früher  bewiesen 
und  will  hier  nur  an  einen  Fall  erinnern,  wo  die  Frau  während 
der  Schwangerschaft  einmal  40,  ein  anderes  Mal  36  Hg- 
ISäckchen  erhielt,  das  Kind  wurde  reif  und  kräftig  geboren, 
starb  aber,  ganz  sicher  infolge  des  ungewöhnlichen  kurzen 
Nabelstranges  (45  cm)  unmittelbar  nach  der  Entbindung.  Bei 
der  Obduktion  zeigten  sich  Symptome  von  Erstickungstod; 
syphilitische  Symptome  waren  nirgends  zu  entdecken.  In  Leber, 
Lungen,  Nieren  und  Blut  dieses  Kindes  befanden  sich  große 
Mengen  Quecksilber.  In  einem  anderen  Falle,  wo  die  Mutter 
an  hysterisch-epileptischen  Anfällen  litt  und  bei  einem  solchen 
aus  dem  Bette  fiel,  trat  hierauf  die  Geburtsarbeit  ein  und  ein 
Kind  im  ungefähr  6.  Monat  wurde  geboren,  das  8  Tage  alt 
starb.  Die  Mutter  hatte  während  der  Schwangerschaft  nur 
17  Tage  hindurch  Hg-Säckchen  erhalten;  nach  der  Geburt  des 
Kindes  hatte  weder  sie  noch  das  Kind  Hg  erhalten.  In  den 
Nieren  des  Kindes  konnten  jedoch  eine  Menge  Hg-Ku(i;eln  nach- 
gewiesen werden  und  auch  in  den  Lungen  befanden  sich  mehrere 
ziemlich  große  Hg-Kugeln. 

Es  unterliegt  ja  nicht  dem  geringsten  Zweifel,  daß  das 
Quecksilber  bei  dieser  Behandlungsmethode  in  Menge  in  den 
Körper  der  Mutter  kommt  und  von  dort  an  den  Fötus  über- 
führt wird,  weshalb  mir  diese  Methode  der  Behandlung  gravider 
syphilitischer  Frauen  es  zu  verdienen  scheint,  angewendet  zu 
werden. 

Der  beste  Beweis  für  die  kräftige  Einwirkung  dieser  Be- 
handlungsmethode in  derartigen  Fällen  wäre  ja  die  Vorlegung 
statistischer  Beweise,  was  ich  auch  teilweise  könnte.  Allein 
teils  ist  die  Zahl  meiner  Fälle  keine  besonders  große,  teils 
war  es  schwer,  zuweilen  unmöglich,  den  Zeitpunkt  zu  bestimmen, 
wann  die  Mutter  Syphilis  bekommen  hat,  welche  Kenntnis  ja 
von  der  größten  Wichtigkeit  ist,  teils  kann  ich  über  meine 
Fälle  keine  so  vollständigen  Auskünfte  geben,  wie  eine  wirklich 
beweisende  Statistik  meiner  Ansicht  nach  enthalten  muß.  Bei 
der  Beurteilung    dieser   Frage    spielen  eine    Menge  Umstände 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  305 

mit,  welche  in  dem  einzelnen  Falle  von  großer  Bedeutung  sein, 
in  eine  allgemeine  Tabelle  aber  nicht  aufgenommen  werden 
können. 

Auch  wenn  diese  Kinder  reif  und  frei  yon  Symptomen 
geboren  werden,  ist  es  von  größter  Wichtigkeit  zu  wissen,  wie  ihr 
Nutritionszustand  ist,  wie  lange  sie  sjmptomfrei  bleiben.  Wenn 
ihr  Lebensfaden  abgeschnitten  werden  sollte,  muß  man  wissen, 
ob  ihre  angeborene  Syphilis  direkt  oder  indirekt  hierzu  bei- 
getragen hat  oder  nicht,  d.  h.  es  ist  von  Wichtigkeit,  den 
Fällen  auch  nach  der  Geburt  zu  folgen,  und  zwar  je  längere 
Zeit,  um  so  besser. 

£ine  wirklich  beweisende  Statistik  sollte  somit  eine  Menge 
Aufschlüsse  enthalten.  Ich  kann  jetzt  keine  vollständigen  geben 
und  muß  mich  deshalb  darauf  beschränken,  als  mein  persön- 
liches Urteil  auszusprechen,  daß  diese  Behandlungsmethode 
alles,  was  ich  von  ihr  habe  fordern  können,  gehalten  hat.  Auch 
wenn  ich  betreffs  der  Totgeborenen  nicht  vollkommen  so 
schöne  Besultate  sollte  vorlegen  können,  wie  Riehl,  halte  ich 
doch  die  von  mir  erzielten  Resultate  im  übrigen  für  ebenso 
schöne,  wie  seine. 

Kürzlich  hat  Riehl  eine  Methode  zur  Behandlung  solcher  Frauen 
angegeben,  nämlich  während  der  Schwangerschaft  1  g  Üng.-Hg  (1 : 2)  ent- 
haltende Globuli  vaginales  in  die  Vagina  einzufuhren.  Riehl  hält  diese 
Behandlung  för  eine  Lokalbehandlung  des  Fötus  (wofür  er  jedoch  keinen 
Beweis  beibringen  kann),  die  die  allgemeine  Hg-Behandlung  unterstützt. 
Wenn  ich  es  wagen  dürfte,  ein  Urteil  darüber  auszusprechen,  so  meine 
ich,  daß  diese  Qlobuli  vaginales  nicht  gern  anders  als  durch  die  Absorption 
von  Hg,  die  möglicherweise  durch  die  Yaginalschleimhaut  geschieht, 
einwirken  können.  Kann  nun  eine  Absorption  auf  diesem  Wege  statt- 
finden ? 

Ich  habe  8  Versuche  in  dieser  Richtung  angestellt;  ich  habe  nämlich 
derartige  Globuli  20  Tage  lang,  einmal  täglich  auf  die  von  Riehl  vor- 
geschlagene Weise  in  die  Vagina  eingeführt  und  den  Quecksilbergehalt 
im  Urin  dieser  Frauen  untersucht.  Alle  drei  hatten  Gonorrhoe,  eine  war 
gravida,  alle  waren  wochenlang  im  Krankenhause  gewartet  worden.  Da 
in  meiner  Abteilung  für  syphilitische  Patienten  so  gut  wie  ausschließlich 
Hg-Säckchen  angewendet  werden  und  somit  beständig  Hg-Dämpfe  in  den 
Zimmern  sind,  hatten  diese  8  Frauen  (wie  dies  stets  bei  Personen,  die 
eine  längere  Zeit  sich  im  Krankenhause  aufgehalten  haben,  der  Fall  ist) 
eine  kleine  Quantität  Hg  durch  Einatmen  absorbiert.  Vor  der  Einführung 
von  Globuli  vaginales,  d.  h.  am  8.  Februar  1902,  wurde  einige  Stunden 
vorher  von  diesen  Frauen  Urin  entnommen,  der  eine  geringe   Quantität 

Areb.  f.  Dennat.  a.  Syph.  Bd.  LXllI.  20 


306  Welander. 

Hg  ergab.  In  der  Regel  sind,  wie  gewöhnlich  zar  Untersachang,  etwa 
300  g  Urin  genommen  worden ;  das  spezifische  Gewicht  war  zirka  1*021, 
weshalb  ich  in  diese  Tabelle  weder  die  ürinmenge  noch  das  eigent- 
liche Gewicht  des  Urins  aufnehme. 

B.    28  Jahre.  W.   26  Jahre. 

8./II.         einige  kleine  Hg-Kügelchen  recht  viele  kleine  Hg-Kngeln 

8./IL  f»  n  »  eine  Menge  kleiner         , 

1S./II  recht  viele  kleine         «  viele  kseinere  « 

18./IL         einige  kleinere         „  mehrere  recht  große        , 

28./II.  einige  kleine         ,  ziemlich  viele  kleinere    , 

26./in.  viele  Kugeln,  einige  nicht  kleine  — 

L.    22  J.  (gravida). 

3./II.  ziemlich  viele  kleine  Hg-Kageln 

8./II.  eine  große  Menge  Hg-£ageln,  einige  recht  große 
13 /n.         kolossale  Menge  großer  Hg-Engelchen 
18./n.  sehr  viele  nicht  kleine  Hg-Kügelchen 

28./II.    ziemlich  viele  Hg-Kngeln,  einige  ganz  große 
86./IIL  viele  kleine  Kngeln 

Sofort  fallt  teils  die  verschieden  große  Hg- Quantität  im  Urin  bei 
diesen  3  Frauen,  teils  auch  die  verschiedene  Quantität  bei  derselben 
Person  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  (Fall  3)  in  die  Augen.  Desgleichen 
findet  man  nicht  bei  Absorption  auf  anderen  Wegen  und  wir  haben  die 
Erklärung  f&r  diese  Ungleichheit  in  der  Absorption  in  zufalligen  Ur- 
sachen zu  suchen. 

Bei  B.  finden  wir  konstant  sowohl  vor,  wie  während,  sovrie  nach 
Einführung  von  Globuli  vaginales  nur  einen  sehr  geringen  Hg-Gehalt, 
der  ganz  sicher  auf  der  Einatmung  von  Hg  in  den  Krankenhansräumen 
nnd  nicht,  oder  nur  in  einem  minimalen  Grade  auf  der  Absorption  von 
der  Vagina  beruhte. 

Bei  W.  finden  wir  einen  Hg-Gehalt,  der  sich  zwar  beinahe  regel- 
mäßig vergrößert,  aber  doch  immerhin  ein  kleiner  bleibt;  hier  hat  man 
jedoch  nicht  das  Recht  in  Abrede  zu  stellen,  daß  eine  Hg- Absorption 
durch  die  Vagina  stattgefunden  hat,  wenn  dieselbe  auch  sehr  unbe* 
deutend  war. 

Ganz  anders  verhielt  es  sich  mit  L.,  welche  gravida  war.  Hier 
finden  wir  vor  der  Einführung  von  Globuli  vaginales  eine  unbedeutende 
Quantität  Hg,  aber  schon  nach  Einführung  desselben  während  10  Tagen 
enthält  der  Urin  eine  höchst  bedeutende  Menge  Hg;  dann  finden  wir, 
daß  die  Quantität  Hg  sich  trotz  täglich  fortgesetztem  Einlegen  bedeutend 
vermindert.  Hier  müssen  Zufälligkeiten  eine  Rolle  gespielt  haben,  nnd 
die  Erklärung  liegt  höchstwahrscheinlich  darin,  daß  trotzdem  ein  Tampon 
in  die  Vagina  gelegt  war,  gleichwohl  beim  Schmelzen  dieser  Globuli 
vaginales  Hg-Salbe    herabgeronnen   ist,   in   die   Urinröhrenmnndung   hat 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  307 

kommen  können,  wodurch  diese  mit  in  den  Urin  gekommen  ist,  obschon 
dieser  in  allen  Fällen  von  der  Wärterin  mit  dem  Katheter  genommen 
worden  ist.  Als  Stfitze  hierför  will  ich  darauf  hinweisen,  daß  in  dem 
einen  Monat  nach  dem  Aufhören  mit  der  Einfuhrung  dieser  Globuli  vagi- 
nales entnommenen  Urin  (wo  somit  obengenannte  Fehlerquelle  nicht  vor- 
handen sein  konnte)  in  diesem  nur  eine  ganz  unbedeutende,  vollständig 
mit  der  Quantität  ubereinstimmeode  Menge  Hg,  die  infolge  der  Hg-£in- 
atmung  während  des  Aufenthaltes  im  Erankenhause  vorhanden  sein  mußte, 
anzutreffen  war.  Hätte  die  große  Quantität  Hg,  die  sich  am  13.  Februar 
im  Urin  befand,  wirklich  auf  dem  von  der  Vagina  absorbierten  Hg  beruht, 
so  hätte  in  dem  am  26.  März  entnommenen  Urin  unwillkürlich  eine  viel 
größere  Quantität  Hg  nachgewiesen  werden  können,  als  nun  der  Fall 
war.  Dieser  Fall  kann  somit  keineswegs  beweisen,  daß  eine  bedeutende 
Absorption  von  Hg  durch  die  Vagina  stattfinden  kann.  Selbst  wenn  diese 
Fälle  darauf  nindeuten,  daß  Hg  wirklich  absorbiert  werden  kann,  geht 
doch  aus  denselben  ziemlich  sicher  hervor,  daß  die  Absorption  eine  ganz 
geringe  ist  und  daß  man  sich  nicht  der  Hoffnung  hingeben  kann,  durch 
die  Einfuhrung  solcher  Globuli  vaginales  eine  auf  der  Hg- Absorption  durch 
die  Vaginalwandung  beruhende  kräftige  Einwirkung  auf  den  Fötus  zu 
erzielen,  was  natürlich  nicht  zu  beweisen  braucht,  daß  Hg  nicht  mög- 
licherweise lokal  einwirken  könnte,  sowie  Riehl  es  sich  gedacht  hat. 

Da  das  Resultat  dieser  Hg- Absorption  ein  ziemlich  unsicheres 
war,  versuchte  ich  es,  mich  auf  andere  Weise  zu  überzeugen, 
daß  die  Absorption  durch  die  Vaginalwandung  vor  sich  gehen 
kann.  Ich  versuchte  nämlich  7,  g  Jodkalium  enthaltende  Olobuli 
vaginales  einzuführen  und  untersuchte  in  diesen  Fällen  den 
Speichel,  um  mich  davon  zu  überzeugen,  daß  die  Absorption 
wirklich  durch  die  Vagina  geschieht.  Ich  konnte  hier  natürlich 
die  Möglichkeit  der  zufälligen  Einmischung,  die  bei  der  Unter- 
suchung des  Urins  entstehen  kann,  ausschließen. 

Ich  habe  in  einer  bedeutenden  Anzahl  Fälle  derartige 
Untersuchungen  sowohl  an  kleinen  Kindern  von  3 — 10  Jahren» 
bei  welchen  ich  nicht  mehr  als  10 — 25  cg  Jodkalium  eingeführt 
habe,  sowie  an  jüngeren  und  älteren  Erwachsenen,  darunter 
auch  einigen  gravidae,  gemacht. 

Ich  will  nicht  über  alle  diese  Versuche  detailliert  berichten, 
sondern  nur  erwähnen,  daß  die  Absorption  konstant,  in  einigen 
Fällen  mehr,  in  anderen  weniger  geschieht,  jedoch  in  der  Regel 
nicht  in  bedeutender  Menge.  Oft  kann  man  schon  nach  einer 
Stunde,  ja  schon  früher  Jod  im  Speichel  nachweisen,  dasselbe 
vermehrt  sich  in  den  folgenden  Stunden  und  ist  gewöhnlich 
nach  Va — l   Tag   vollständig   verschwunden,    was    sehr   eigrn- 

20* 


308  Welander. 

tümlich  erscheint,  denn  in  allen  den  Fällen,  wo  der  nach  der 
Einführung  Yon  Globuli  vaginales  eingelegte  Tampon  liegen  ge- 
blieben war  (und  auch  in  mehreren  anderen  Fällen)  habe  ich, 
obgleich  ich  kein  Jodkalium  im  Speichel  finden  konnte,  gleich- 
wohl eine  bedeutend  starke  Jodreaktion  im  Vaginalsekret  nach- 
weisen könneu.  Sehr  wahrscheinlich  beruht  dies  darauf,  daß 
die  von  dem  Sekret  abgetrocknete  Schleimhaut  Jod  aus  den 
eingelegten  Globuli  absorbiert,  daß  aber  das  aufs  neue  abge- 
sonderte sog.  Vaginalsekret  (resp.  Zervikalsekret)  den  vorhan- 
denen Rest  des  Vaginalglobulus  so  umschließt,  daß  eine  er- 
wähnenswerte Absorption  später  nicht  vor  sich  gehen  kann. 
Dies  stimmt  ja  ganz  gut  mit  meiner  durch  die  Absorption  per 
Rectum  gewonnene  Erfahrung  überein;  ist  der  Enddarm  frei 
von  Exkrementen,  so  geschieht  die  Absorption  schneller  und 
kräftiger,  als  wenn  er  voll  von  Faeces  ist. 

Ich  stellte  mir  a  priori  vor,  daß  analog  mit  dem,  was 
bei  der  Haut  der  Fall  ist,  wo  die  wunde,  die  exkoriierte, 
aber  nicht  die  intakte  Haut  absorbiert,  die  gesunde,  intakte 
Vaginalschleimhaut  und  die  Portio  vaginalis  nicht,  wohl  aber 
eine  krankhaft  veränderte  Vagina,  oder  eine  Portio  vagi- 
nalis, an  welcher  eine  größerer  Erosion  vorhanden  ist,  absor- 
bieren würde.  Es  hat  sich  jedoch  gezeigt,  daß  dem  nicht  so 
ist,  wenigstens  scheint  eine  größere  oder  kleinere  Erosion  um 
den  Muttermund  keinen  Einfluß  auf  die  Größe  der  Absorption 
zu  haben.  Dagegen  hat  sich  ein  recht  augenscheinlicher  Unter- 
schied zwischen  der  Absorption  von  einer  jungfräulichen,  in- 
fantilen Vagina  und  von  der  einer  Frau,  die  z.  B.  mehrere 
Kinder  gehabt,  einen  Prolapsus  der  Vaginalwandung,  ein  mehr 
oder  weniger  verdicktes  Epithel  an  derselben  gehabt  hat,  er- 
geben. Eine  Absorption  geschieht  zwar  auch  dort,  aber  nicht 
so  scbnell  und  kräftig  wie  bei  einem  jungen  Mädchen  mit  nor- 
maler Vaginalschleimhaut.  Bei  gravidae  habe  ich  konstant  Ab- 
sorption gefunden. 

Es  hat  sich  also  gezeigt,  daß  wirklich  eine  Absorption  von 
Jod  durch  die  Vagina  stattfindet.  Wahrscheinlich  geschieht 
auch  eine  Absorption  von  Hg,  aber  diese  ist  doch  sicher  so 
gering,  daß  man  aus  diesem  Anlasse  nicht  berechtigt  ist,  einer 
schwangeren   Frau    die   größere  oder  kleinere  Unannehmlich- 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  309 

keit  und  Belästigung  der  täglichen  Einführung  solcher  Hg- 
baltigen  Globuli  zu  bereiten.  In  Übereinstimmung  mit  Biehl 
^11  ich  jedoch  betonen,  daß  ich  niemals  eine  Reizung  durch 
dieselben  gesehen  habe. 

Ich  meinerseits  bin  daTon  überzeugt,  daß  das  von  Riehl 
erzielte  glückliche  Resultat  darin  liegt,  daß  er  während  der 
Schwangerschaft  kräftige  Allgemeinbehandlung  gibt,  wofür  auch 
der  von  ihm  mehr  im  Detail  beschriebene  Fall  spricht.  Viele 
derartige  Fälle  können  andere  wie  auch  ich  nennen. 

Die  Auffassung,  daß  es  unsere  Pflicht  ist,  die  Frau  während 
der  Schwangerschaft  kräftig  präventfv  zu  behandeln,  scheint 
sich  immer  mehr  Bahn  zu  brechen,  hierbei  tritt  aber  oft  eine 
große  Schwierigkeit  ein :  wie  kann  man  eine  solche  Behandlung 
konsequent  durchführen? 

In  Schweden  haben  wir  das  Glück,  kostenfreie  Krankenhaus- 
pflege  für  venerische  Kranke  zu  haben  und  ich  meinesteils 
habe  deshalb  Gelegenheit  gehabt,  im  Krankenbause  St.  Göran 
yiele  in  Schwangerschaft  befindliche  syphilitische  Frauen  kon- 
sequent präventiv  zu  behandeln.  Ich  habe  das  Krankenhaus 
für  diese  Frauen  als  ein  Asyl  betrachtet,  wo  ich  sie,  wenn  sie 
es  wünschten,  die  letzten  Monate  der  Schwangerschaft  habe 
bleiben  lassen,  bis  sie  in  die  Entbindungsanstalt  überfuhrt 
wurden.  Ich  kann  sagen,  daß  diese  sämtb'ch  symptomfreie, 
lebensfähige,  kräftige  Kinder  geboren  haben. 

Die  soziale  Gefahr  hat  hier  somit  nicht  eigentlich  in  der 
Schwangerschaft  selbst  gelegen,  die  größte  soziale  Gefahr  ist 
nach  der  Entbindung  weniger  durch  die  Mutter,  aber  umso- 
mehr  durch  das  Kind  gekommen. 

Notwendig  ist  es,  das  Puhlikum  darüber  aufzuklären,  daß  die 
syphilitische  Krankheit  dnrch  Brastgeben  übertragen  werden  kann,  ja 
daß  schon  ein  einmaliges  Brustgeben  genügend  sein  kann,  um  die  Krank- 
heit von  der  Amme  auf  das  Kind  und  umgekehrt  zu  übertragen.  Aaf 
diese  Weise  verbreitete  sich  die  Krankheit  in  Schweden  stark  auf  dem 
Lande;  in  den  Berichten  vom  Ende  des  18.  und  Anfang  des  19.  Jahr- 
hunderts liest  man  häufigi  wie  Frauen,  die  umhergingen  und  die  Brust 
gaben,  auf  diese  Weise  die  Krankheit  in  Familien  brachten.  Infolge  der 
größeren  Reinlichkeit  und  Aufklärung  geschieht  dies  jetzt  selten.  So 
wurden  z.  B.  im  Jahre  1871  in  den  Krankenhäusern  Schwedens  88  von 
Ammen  angesteckte  Kinder  und  42  von  Kindern  angesteckte  Ammen  ge- 
pflegt, während  die  entsprechenden  Ziffern  im  Jahre  1896  nur  12  resp.  7 


310  Welander. 

waren.  Natürlich  sind  mehrere  Fälle  eingetroffen,  die  nicht  in  Kranken- 
bäusem  bebandelt  worden  sind,  man  darf  deshalb  nicht  auf  Qnmd  der 
e^en  angeführten  Zahlen  glauben,  daß  die  Übertragung  der  Krankheit 
durch  Brustgeben  eine  so  unbedeutende  sei,  daß  sie  keine  praktische 
Bedeutung  habe.  —  Obsehon  sich  diese  Übertragungsart  vermindert  hat, 
müssen  wir  derselben  doch  auf  alle  Weise  entgegenarbeiten  und  dieselbe 
vollständig  zu  verhindern  versuchen. 

Wenigstens  in  den  Städten  ist  es  in  Schweden  so  in  das 
allgemeine  Bewußtsein  übergegangen,  daß  eine  Amme  Krank- 
heiten verursachen  kann,  daß  es  wohl  hier  zu  den  größten 
Seltenheiten  gehört,  wenp  eine  Amme  angenommen  wird,  ohne 
vom  Arzte  untersucht  worden  zu  sein.  Allein  hierin  liegt  keine 
absolute  Sicherheit.  Es  kann  ja  auch  in  einem  ganz  frühen, 
also  gefährlichen  Stadium  der  Krankheit  einer  Amme  vor- 
kommen, daß  sie  gar  keine  Spuren  derselben  zeigt,  z.  B.  kein^ 
Leukoderma,  keine  Pigmentflecke  nach  Syphiliden  u.  s.  w.,  es 
könnte  deshalb  sein,  daß  eine  solche  Person  als  Amme  ange- 
nommen wird.  Ich  habe  jedoch  während  meiner  mehr  als 
30jährigen  Praxis  von  nicht  mehr  als  2  Fällen,  wo  sich  dies 
so  verhielt,  persönliche  Kenntnis  erhalten,  und  in  beiden  wurde 
glücklicherweise  das  Verhältnis  entdeckt,  bevor  eine  Ansteckung 
übertragen  worden  war. 

Um  derartigem  vorzubeugen,  kann  die  Frage  aufgeworfen 
werden,  ob  nicht  Grund  vorhanden  wäre,  eine  strenge  Strafe 
für  eine  Amme  festzusetzen,  die,  trotzdem  sie  weiß,  daß  sie 
Syphilis  gehabt  hat,  dieses  dennoch  verschweigt  und  dadurch 
Gelegenheit  erhält,  diese  Krankheit  zu  übertragen. 

Die  Festsetzung  einer  Strafe  für  Übertragung  von  Syphilid 
ist  theoretisch  richtig,  der  gerechten  Anwendung  derselben 
stehen  aber  in  der  Praxis  große  Schwierigkeiten  im  Wege,  da 
es  bei  einer  so  chronischen  Krankheit,  mit  so  langem  Inku- 
bations^stadium  in  der  Regel  sehr  schwer,  um  nicht  zu  sagen 
unmöglich  ist,  die  Infektionsquelle  zu  beweisen,  auch  wo  Wahr- 
scheinlichkeitsgründe vorzulegen  wären.  Vor  allem  ist  es  schwer, 
den  Beweis  zu  erbringen,  daß  die  betreffende  sich  der  eigenen 
Ansteckungsfahigkeit  bewußt  war,  was  in  einigen  Ländern  er- 
forderlich ist,  um  eine  Strafe  für  Übertragung  von  Syphilis 
nach  sich  ziehen  zu  können.  Da  einerseits  große  Schwierig- 
keiten vorhanden  sind,  eine  erhobene  Beschuldigung  zu  beweisen 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  311 

und  andererseits  vielleicht  eine  größere  Schwierigkeit  entstehen 
könnte,  einen  bestimmten  Beweis  zu  liefern,  daß  eine  derartige 
Möglichkeit,  die  Ansteckung  zu  übertragen,  überhaupt  nicht 
vorbanden  war,  ist  es  ja  leicht  möglich,  daß  ein  solcher  Gesetz- 
paragraph Anlaß  zu  falschen  Beschuldigungen  und  unberech- 
tigten skandalösen  Prozessen,  zu  Prellereien  u.  s.  w.  geben  kann, 
weshalb  sich  eine  allgemeine  Strafbestimmung  in  dieser 
Richtung  als  etwas  bedenklich  dürfte  erweisen  können. 

Was  nun  besonders  die  Übertragung  von  Syphilis  durch 
Ammen  betrifiFt,  wäre  es  viel  besser,  daß  jede  Familie,  die  sich 
eine  Amme  nehmen  will,  aufgefordert  würde,  diese  von  einem 
Arzte  besichtigen  und  sich  außerdem  von  ifar  eine  Bescheini- 
gung (wenigstens  in  Schweden^  wo  alle  schreiben  können)  aus- 
stellen zu  lassen,  worin  sie  erklärt,  daß  weder  sie,  noch  ihr  Kind, 
soweit  ihrbekannnt,  nie  mit  Syphilis  behaftet  oder  daran  behandelt 
war.  Jeder  Arzt,  der  in  Krankenhäusern  oder  privatim  eine  Frau 
an  Syphilis  behandelt,  sollte  verpflichtet  sein,  ihr  die  Gefahr 
darzutun,  die  sie  in  vielen  Beziehungen  für  die  Allgemeinheit 
bildet,  nicht  am  wenigsten,  wenn  sie  schwanger  werden  sollte 
oder  es  schon  ist  und  daß  es  von  ihr  ein  Verbrechen  sei, 
nach  Ende  der  Schwangerschaft  einen  Ammendienst  anzu- 
nehmen. Sollte  nun  eine  Frau,  die  auf  diese  Weise  über  die 
Natur  ihrer  Krankheit  aufgeklärt  worden  ist,  überwiesen  werden, 
daß  sie  trotz  dessen  ein  Zeugnis  ausgestellt  hat,  daß  sie  Syphilis 
nicht  gehabt  hat,  so  würde  sie  aus  diesem  Grunde  wegen 
falschen  Zeugnisses  zu  einer  Strafe  verurteilt  werden  können. 

Ein  anderes  Verhältnis,  das  nicht  so  deutlich  in  das  all- 
gemeine Bewußtsein  eingedrungen  ist,  ist  die  Gefahr,  daß  eine 
syphilitische  Frau  Kinder  in  Pflege  nimmt.  Glücklicherweise 
geschieht  auch  dieses  in  Schweden  selten,  aber  aus  dem  einen 
oder  anderen  Fall  ersieht  man  doch,  daß  das  Pflegekind  ganz 
sicher  auf  diese  Weise  Syphilis  bekommen  hat. 

Um  dies  zu  verhindern,  könnte  es  zweckmäßig  sein,  daß 
der  Frau,  die  Pflegekinder  aufnimmt,  auferlegt  werden  müsse, 
eine  ebensolche  Bescheinigung  abzugeben,  wie  die,  die  meiner 
oben  ausgesprochenen  Ansicht  nach  einer  Frau  abgefordert 
werden  müßte,  die  einen  Ammenplatz  sucht.  Wünschenswert 
wäre  es,  wenn  ein  Gesetz  betreifs  Annahme   von  Pflegekindern 


312  Welander. 

Yorhanden  wäre,  in  welchem  die  Garantien  festgesetzt  sind,  die 
eine  Pflegemutter  leisten  muß,  um  berechtigt  zu  sein,  Kinder 
in  Pflege  zu  nehmen.  Keine  Frau  sollte  Kinder  in  Pflege 
nehmen  dürfen,  die  nicht  vorher  yon  der  Behörde  das  Recht 
dazu  erhalten  hat.  Es  würde  da  u.  a.  zu  fordern  sein,  daß 
die  Frau,  die  das  Recht  erhalten  will,  Pflegekinder  zu  nehmen, 
gleichzeitig  ein  Zeugnis  beibrächte,  daß  sie  niemals,  so  weit 
sie  wisse,  Syphilis  gehabt  habe. 

Dies  könnte  nicht  verhindern,  daß  eine  solche  Frau  später 
Syphilis  bekommen  könnte,  es  dürfte  deshalb  unter  den 
Vorschriften,  die  behufs  des  Rechtes,  Pflegekinder  anzunehmen, 
stipuliert  werden,  auch]^für  die  Pflegemutter  die  Schuldigkeit 
enthalten  sein,  sobald  wie  möglich  der  Behörde  Anmeldung  zu 
machen,  falls  sie  Anlaß  zu  dem  Verdachte  fände,  daß  sie  sich, 
auf  insonte  oder  nicht  insonte  Weise,  nach  der  Genehmigung 
zur  Aimahme  von  Pflegekindern,  Syphilis  zugezogen  habe.  Un« 
richtige  Zeugnisse  in  dem  ersteren  Falle  sowie  Nichtbeobach- 
tung  in  dem  letzteren  sollten  mit  Strafe  belegt  werden.  Auf 
diese  Weise  würden  wir,  scheint  es  mir,  ganz  gute  Garantien 
dafiir  haben,  daß  eine  syphilitische  Frau,  nach  vollendeter 
Schwangerschaft,  für  Säuglinge  nicht  eigentlich  gefahrlich  werden 
könnte.  In  den  Ländern,  wo  die  Fortgabe  von  Säuglingen  zur 
Pflege  und  Erziehung  sogar  in  vermögenderen  Familien  vor- 
kommt, würde  eine  derartige  Verordnung  wohl  eine  praktische 
Bedeutung  haben  können. 

Wie  ich  schon  erwähnt,  kommt  die  größte  soziale  Gefahr 
von  dem  Säugling  und  zwar  deswegen,  weil  syphilitische  Symp- 
tome so  leicht  auftreten  können  und  die  Krankheit  dadurch 
auf  die  Umgebung  des  Sandes  übertragen  werden  kann;  außer- 
dem hängt  aber  eine  große  Gefahr  über  das  Kind  selbst, 
nicht  bloß  für  die  erste  Zeit,  sondern  auch  für  dessen  Zukunft 

Auch  in  dieser  Beziehung  haben  wir  in  einer  konsequent 
durchgeführten  intermittenten  Behandlung  das  beste  Mittel  zur 
Verhinderung  Ton  Unglück  sowohl  für  das  Kind,  wie  für  dessen 
Umgebung.  Aber  welche  Kinder  sollen  denn  behandelt  werden? 
Wie  läßt  sich  eine  konsequente  Behandlung  durchführen? 

In  meinen  ersten  Jahren  als  Arzt  wurde  bei  uns  allzu  oft 
frei  von  Symptomen  von  Syphilis  mit  frei  von  Syphilis 


SyphilitiBche  SchwangenohAft  etc.  313 

verwechselt.  Mehr  als  einmal  hörte  man  Äußerungen,  daß 
syphilitische  Eltern  gesunde  Kinder  bekommen  hätten,  die  auch 
in  sozialer  Beziehung  als  frei  von  Syphilis  aufgefaßt  wurden. 
Für  mein  Teil  hegte  ich  Mißtrauen  hiergegen  und  habe,  wenig- 
stens in  den  letzten  25  Jahren  jedes  von  einer  syphilitischen 
Mutter  geborene  Kind  als  syphilitisch  aufgefaßt,  auch  wenn  es 
lebensfähig  geboren  wurde  und  vollständig  gesund  aussah. 

Ausnahmen  könnten  ja  gemacht  werden,  wenn  die  Syphilis 
der  Mutter  sehr  alt  ist,  aber  auch  in  solchen  Fällen  muß  man  in 
seinem  Urteile  sehr  vorsichtig  sein.  So  habe  ich  einmal  ge- 
sehen, wie  eine  Mutter,  die  1 1  Jahre  lang  Syphilis  und  typische 
tertiärsyphilitische  Symptome  (gummata)  gehabt  hat,  gleichwohl 
ein  lebenskräftiges  Kind  geboren  hat,  das  nach  14  Tagen 
charakteristische  Symptome  von  ererbter  Syphilis  kekam.  Den 
Vater  hatte  ich  lange  Gelegenheit  zu  beobachten  und  zu  unter- 
suchen; er  behauptete  niemals  Syphilis  gehabt  zu  haben  — 
niemals  konnte  ich  bei  ihm  die  geringste  Andeutung  zu  dieser 
Krankheit  entdecken. 

Auch  in  den  Fällen,  wo  eine  Frau  sich  in  den  letzten 
Monaten  ihrer  Schwangerschaft  Syphilis  zugezogen  haben  sollte, 
fasse  ich  doch  das  neugeborene  Kind  als  syphilitisch  auf,  denn 
teils  habe  ich  einen  Fall  gesehen  und  beschrieben  (Nord.  Med. 
Ark.  1896)  —  solche  sind  auch  von  anderen  beschrieben  — 
wo  die  Mutter  sich  bloß  einige  Wochen  vor  der  Entbindung 
durch  den  frisch  angesteckten  Mann  Syphilis  zuzog  und  bei 
dieser  noch  keine  allgemeinen  Symptome  gezeigt  hat,  und  wo 
das  Kind  sich  gleichwohl  als  hereditärsyphilitisch  erwies,  teils 
können  ja  alle  diese  Kinder  ungestraft  von  ihrer  Mutter  und 
auch  anderen  syphilitischen  Frauen  die  Brust  bekommen. 
Dies  braucht  ja  nur  zu  beweisen,  daß  sie  immun  sind,  aber 
wer  kann  dafür  bürgen,  daß  nicht  auch  syphilitische  Bakterien 
durch  die  Placenta  an  den  Fötus  übergegangen  sind  ?  In  sozialer 
Beziehung  müssen  deshalb,  meiner  Auffassung  nach,  derartige 
Kinder  als  syphilitisch  betrachtet  werden,  und  ich  will  einen 
Fall  erwähnen,  wo  leicht  ein  Unglück  hätte  eintreffen  können, 
wenn  ich  nicht  in  Übereinstimmung  mit  dieser  meiner  Auffas- 
sung gehandelt  hätte. 


314  Welander. 

Am  10.  Juli  1900  wurde  A.,  25  J.,  im  Krankenbause  St 
Göran  aufgenommen.  Am  2.  Juli  hatte  sie  ein  lebensfähiges, 
dem  Aussehen  nach  gesundes  Kind  geboren.  Die  Mutter  gab 
an,  daß  sie  gegen  ICnde  der  Schwangerschaft  angesteckt  worden 
sei.  Bei  der  Aufnahme  hatte  sie  Sklerose  an  den  Scham- 
läppchen, sowie  eine  kleinfleckige  Roseole  über  den  Körper. 
Ich  faßte  das  Kind  als  hereditärsyphilitisch  auf;  in  den  ersten 
1 1  Monaten  zeigte  sich  nichts,  aber  nun  traten  muköse  Papefai 
im  Munde  auf,  trotzdem  das  Kind  Hg-Behandlung  erhalten. 
Wäre  dieses  Kind  als  gesund  betrachtet  und  einer  Familie  zur 
Pflege  übergeben  worden,  hätte  ja  hierdurch  die  Ansteckung 
leicht  auf  die  Umgebung  des  Kindes  übertragen  werden  können. 

Trotzdem  als  es  ein  Fehler  meinerseits  betrachtet  werden 
könnte,  daß  ich  nicht  zu  streng  individualisieren  yersuche,  halte 
ich  es  doch  für  meine  Schul die:keit,  wenn  die  Mutter  syphi- 
litisch ist,  das  Kind  in  sozialer  Hinsicht  als  syphilitisch  aufzu- 
fassen und  es  als  solches  zu  behandeln. 

Natürlich  kann  es  sowohl  bei  hereditärer  wie  bei  erwor- 
bener Syphilis  vorkommen,  daß,  obschon  der  Patient  regel- 
mäßiger, intermittenter,  präventiver  Behandlung  unterworfen 
wird,  im  ersten  oder  zweiten  Jahre,  vielleicht  auch  erst  später, 
irgend  ein  Symptom  erscheinen  kann,  dies  hebt  aber  nicht  die 
Kegel  auf,  daß  wir  in  dieser  Behandlungsart  das  beste  Mittel, 
ihn  vor  künftigen  Leiden  zu  bewahren,  haben. 

Seit  vielen  Jahren  habe  ich  die  kleinen  hereditärsyphili- 
tischen Kinder,  wo  es  möglich  war,  einer  intei*mittenten  Be- 
handlung unterzogen  und  die  besten  Resultate  hierdurch  erzielt. 

Sowohl  hier,  wie  wenn  es  sich  um  die  Behandlung  der 
graviden  Frau  handelt,  entsteht  die  Frage:  in  welcher  Form 
soll  Hg-Bebandlung  gegeben  werden?  Wenn  sich  eine  Hg- 
SäckchenbehandluDg  irgendwo  eignet,  so  sollte  es,  scheint  es 
mir,  bei  diesen  kleinen  Kindern  sein,  wo  man  sie  ohne  Mühe, 
ohne  Reizung  und  Unbehagen  für  die  Kinder  mit  der  größten 
Leichtigkeit  ausführen  kann. 

Geschieht  bei  einer  solchen  Behandlung  des  kleinen  Kindes 
eine  ordentliche  Hg-Absorption  ?  Ich  habe  hier,  aus  leicht  er- 
klärlichen Gründen,  den  Urin  dieser  Säuglinge  nicht  unter- 
suchen können,   da  ich  keine  genügende  Quantität  Urin  habe 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  315 

erhalten  können;  denn  die  gewöhnlich  von  mir  angewendete 
Quantität  ist  ungefähr  300  g.  Ich  habe  mich  deshalb  auf  andere 
Weise  von  der  Größe  der  Absorption  zu  überzeugen  versucht. 
Es  ist  leider  vorgekommen,  dafi  diese  hereditärsyphili- 
tischen Kinder  zu  Grunde  gegangen  sind,  und  da  habe  ich 
Gelegenheit  bekommen,  verschiedene  ihrer  Körperteile  auf 
Quecksilber  zu  untersuchen.  Konstant  habe  ich  da  großen 
Hg-Gehalt  gefunden,  was  ja  zeigt,  daß  eine  kräftige  Absorption 
stattgefunden  hat. 

Als  Beispiel  will  ich  anführen: 

F.  0.,  2  Monate,  wurde  wegen  Hereditärsyphilis  im  Krankenhause 
St.  Göran  aufgenommen,  Hg-Säckchen  ä  1  ^  Ung.-Hg  wurden  ordiniert, 
womit  bis  zum  14./5.  fortgesetzt  wurde;  über  das  Kind,  das  da  lange 
symptomfrei  war,  ist  angezeichnet,  daß  der  Allgemeinzustand  gut  war; 
hatte  kein  Albumin,  keine  Zylinder  im  Urin.  Das  Kind  war  andauernd 
gesund,  bis  es  am  12./6.  einen  akuten  gastro-intestinalen  Katarrh  bekam, 
der  seinem  Leben  am  15./6.  ein  Ende  machte.  Trotzdem  das  Kind  somit 
einen  ganzen  Monat  lang  keine  Hg- Behandlung  bekommen  hatte,  fanden 
sich  gleichwohl: 

in  6  ^  ausgewasserter  Niere  eine  bedeutende  Menge  recht  großer 
Hg-Kngeln, 

in  18'7  g  nicht  ausgewässerter  Niere  eine  bedeutende  Menge  sehr 
großer  und  ziemlich  großer  Hg- Kugeln, 

in  6*0  g  ausgewässerter  Lunge  ziemlich  viel  kleinere  Kugeln,  einige 
nicht  klein, 

in  8*5  g  nicht  ausgewässerter  Lunge  eine  ganz  große  Menge  kleinerer 
Kugeln,  einige  nicht  klein, 

in  8*2  g  Leber   höchst  bedeutende  Menge  ganz  großer  Hg-Kugeln. 

Ich  will  noch  ein  Beispiel  anfuhren: 

A.  L.  wurde  am  2./11.  1900  wegen  hereditärer  Syphilis  im  Kranken- 
hause aufgenommen,  verordnet  Hg-Säckchen,  die  bis  zum  11./12.  (40  Tage) 
angewendet  wurden.  Zwischen  dem  15./1.  nnd  6./2.  neue  Behandlung. 
Im  Kinderasyl  aufgenommen  den  6./d.,  bekam,  obschon  symptomfrei,  vom 
25./4.  bis  9./5.  Hg-Säckchen;  ausgesetzt  infolge  gelinder  Albuminurie; 
nahm  wieder  Säckchen  vom  16./5.— 20./5,  mußte  aufhören  infolge  zuge- 
stoßener Pneumonie;  starb  den  2./5.  Ich  fand  da: 
in  10*7  g  Hirn  einen  Teil  kleine  Hg-Kugeln, 
in  5  ^  nicht  ausprewässerter  Niere  eine  Menge  recht  große,  mehrere 
sehr  große  Hg-Kugeln, 

in   8*5  g  ausgewässerter  Niere  eine  Menge  recht  großer  Kugeln, 
in  5*6  g  Lunge  recht  viele  ziemlich  große  Hg-Kugeln, 
in    7*5  g    Leber    eine    bedeutende   Menge    größere    und    kleinere 
Hg-Kugeln. 


316  Welander. 

Aus  diesen  Fällen  geht  wohl  ganz  deutlich  hervor,  daß 
eine  große  Hg-Absorption  vor  sich  geht.  Das  therapeutische 
Resultat  in  allen  meinen  Fällen  war  auch  ein  ganz  besonders 
gutes.  Im  Anfang  wendete  ich  auch  für  sehr  kleine  Kinder 
1  g  Ung.-Hg  an ;  dies  ist  jedoch  eine  sehr  große  Dosis  für  sie ; 
in  der  Regel  wende  ich  für  diese  jetzt  nur  Vs  9  ^^9  ^^^  ^^' 
weilen  Gylindrurie  und  Albuminurie  entstehen,  was  ich  mit  der 
Hg-£limination  in  Verbindung  setzen  mußte.  Je  nach  dem 
Alter  der  Kinder  vergrößere  ich  natürlich  die  Hg-Dosen. 

Wie  schon  erwähnt,  habe  ich  es  versucht,  diese  Kinder 
konstant  intermittent  zu  behandeln,  leider  war  dies  aber  nicht 
oft  möglich. 

Die  meisten  dieser  Frauen  sind  unyerheiratet;  sie  werden 
in  der  Regel  in  einer  der  Entbindungsanstalten  entbunden^  wo 
sie  nicht  mehr  als  8  Tage  bleiben  können. 

Sie  müssen  da  oft  ihre  kleinen  Kinder  fortgeben  und 
dürfen  es  nicht  so  genau  damit  nehmen,  wo  das  Kind  bleibt; 
allzu  oft  gehen  diese  auch  sehr  bald  zu  Grunde.  Haben  diese 
Frauen  oder  deren  Kinder  Symptome  von  Syphilis,  so  haben 
sie  das  Recht,  im  Krankenhause  aufgenommen  zu  werden,  aber 
sie  sollten  in  diesem  Falle  ausgeschrieben  werden,  sobald  sie 
symptomfrei  sind.  In  der  Regel  wird  dann  die  Mutter  durch 
die  Macht  der  Umstände  gezwungen,  ihr  Kind  bei  anderen  in 
Pflege  zu  geben  und  dies  oft  mit  dem  eben  genannten  Resultat, 
daß  es  sehr  bald  zu  Grunde  geht.  Hierfür  spricht  zwar  nicht 
die  offizielle  Todesstatistik,  denn  nach  dieser  sterben  äußerst 
wenig  Kinder  an  Hereditärsyphilis,  allein  in  der  Regel  wird 
nicht  Syphilis  als  Todesursache  angegeben,  sondern  wir  finden 
diese  Kinder  wieder  als  gestorben  an  Debilitas  congenita, 
Bronchitis,  Gatarrhus  gastro-intestinalis  u.  a.  m.  Für  die  Wahr- 
scheinlichkeit, daß  viele  dieser  Kinder  sehr  jung  sterben, 
spricht  jedoch,  außer  anderem,  auch  der  Umstand,  daß  es 
verhältnismäßig  selten  vorkommt,  daß  diese  Kinder  aufs  neue 
ins  Krankenhaus  kommen,  was  sonst  geschehen  müßte,  weil 
diese  hereditärsyphilitischen  Symptome  so  leicht  rezidivieren, 
besonders  wenn  das  Kind  nicht  sorgfältig  gepflegt  und  be- 
handelt wird. 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  *  317 

Aber  nun  kommt  es  auch  yor,  daß  es  einer  Frau^  die 
ihr  kleines  Kind  lieb  hat,  gelungen  ist,  dasselbe  bei  einer 
wohlwollenden  Person  unterzubringen;  leider  ist  durch  das 
Kind  mehr  als  einmal  syphilitische  Krankheit  auf  diese  oder 
ihre  Umgebung  übertragen  worden. 

Man  tadelt  oft  diese  armen  Mütter,  daß  sie  ihre  Kinder 
anständigen  Familien  übergeben,  und  dieser  Tadel  ist  ja  be- 
rechtigt, aber  was  soll  solch  eine  arme  Mutter  tun?  Wenn 
sie  vom  Krankenhause  ausgeschrieben  wird,  wird  sie  davon 
verständigt,  daß  ihr  Kind  leicht  Krankheit  in  die  Familie 
bringen  kann,  der  es  übergeben  wird,  daß  sie  somit  eine 
moralisch  unrichtige  Handlung  begeht,  wenn  sie  es  einer  Familie 
gibt,  ohne  diese  davon  zu  benachrichtigen,  daß  das  Kind  here- 
ditär-syphilitisch ist.  Erzählt  sie  dies,  wird  wahrscheinlich 
keine  Familie  das  Kind  nehmen.  Sie  steht  dann  vor  der 
traurigen  Notwendigkeit,  entweder,  wenn  sie  eine  gute  Pflege 
für  ihr  Kind  haben  will,  zu  verschweigen,  wie  gefahrlich  das- 
selbe für  seine  Umgebung  werden  kaun,  oder  es  auch  irgend 
einer  professionellen  Kinderaufzieherin  zu  übergeben  —  also  in 
dem  einen  Falle  die  Gefahr,  Unglück  und  Elend  in  die  Familie 
zu  verbreiten,  wo  das  Kind  gepflegt  wird,  oder  in  dem  anderen 
Falle  das  traurige  Bewußtsein,  daß  das  Kind  wahrscheinlich 
durch  Verwahrlosung  dahinsiechen  wird. 

Kann  und  muß  nicht  Staat  und  Kommune  gegen  diese 
traurigen  Verhältnisse  eingreifen? 

Die  Mutter,  die  ihr  Kind  in  Pflege  zu  geben  wünscht, 
sollte  nicht  nur  ein  ärztliches  Attest  beibringen,  daß  weder  an 
ihr  noch  an  ihren  Kinde  die  geringste  Spur  von  Syphilis  zu 
entdecken  war,  sondern  sie  müßte  auch  eine  Bescheinigung 
abgeben,  daß,  so  weit  sie  weiß,  weder  sie  noch  das  Kind  diese 
Krankheit  gehabt  habe  oder  daran  behandelt  worden  sei.  Ein 
falsches  Zeugnis  hierin  sollte  mit  Strafe  belegt  sein. 

So  zweckmäßig  es  auch  wäre,  ein  ebensolches  Attest  von  dem 
Vater  des  anßer  der  Ehe  geborenen  Kindes  zu  erhalten,  so  stößt  dieses 
doch  in  der  Wirklichkeit  anf  so  große  Schwierigkeiten,  daß  diese^ 
Wunsch  nicht  realisierbar  ist. 

Ebenso  müßte  die  Familie,  die  ihr  Kind  Pflegeeltern  fibergibt,  be- 
weisen, daß  sowohl  die  Eltern  wie  das  Kind  frei  von  Syphilis  sind. 


318  Welander. 

(Wean  ich  Yon  Strafe  rede,  meine  ich  auch  gleichzeitig  eiaen  an- 
gemeasenen  Schadenersatz.) 

Man  könnte  ja  hiergegen  anmerken  können,  daß  eine 
syphilitische  Mutter  unter  solchen  Verhältnissen  ganz  sicher 
niemals  ihr  Kind  in  einer  ordentlichen  Familie  untergebracht 
bekommen  könnte.  Dieses  braucht  jedoch  nicht  immer  die 
Folge  zu  sein ;  es  wären  ja  hierbei  große  Schwierigkeiten  zu 
tiberwinden,  teils  würde  ja  aber  eine  Frau,  die  selbst  Syphilis 
gehabt  hat  und  welche  ein  Kind  in  Pflege  zu  nehmen  wünschte 
und  von  der  Behörde  als  kompetent  hierzu  betrachtet  würde, 
ein  solches  Kind  ohne  Gefahr  nehmen  können,  teils  würde  es 
ja  vorkommen  können,  daß  eine  kinderlose  Familie,  eine  ein- 
same Frau  bereit  sein  würde,  ein  syphilitisches  Kind  zu  nehmen ; 
wäre  diese  vom  ersten  Augenblicke  an  darauf  aufmerksam  ge- 
macht, daß  das  Kind  krank  ist,  würde  sie  ja  alle  möglichen 
Vorsichtsmaßregeln  ergreifen  können,  um  nicht  angesteckt  zu 
werden,  was  vielleicht  beinahe  immer  glücken  würde. 

Schwierigkeiten  für  diese  Mütter  vnirden  jedoch  sich  allzu 
oft  erheben,  und  vor  allem  würde  es  schwer  sein  zu  über- 
wachen, daß  diese  kleinen  Kinder  die  konsequente  Behandlung 
bekommen,  deren  sie  benötigen. 

Um  diesen  Schwierigkeiten  in  etwas  abzuhelfen,  habe  ich 
diese  syphilitischen  Frauen  immer,  wenn  sie  es  wünschten, 
nach  der  Entbindung  im  Krankenhause  St.  Göran  aufgenommen, 
gleichgültig,  ob  sie  syphilitische  Symptome  hatten  oder  nicht. 
Ich  habe  das  Krankenhaus  für  sie  und  noch  mehr  fiir  ihre 
Kinder  als  ein  Asyl  aufgefaßt,  in  welchem  sie  ganz  lange 
bleiben  durften  und  wo  Kind  wie  Mutter  behandelt  wurde. 
Dank  der  freien  KrankenpHege  bei  uns  ist  mir  dies  möglich 
gewesen  und  ich  meine  in  dieser  Beziehung  vollständig  im 
wohlverstandenen  Interesse  der  Gesellschaft  gehandelt  zu 
haben.  Allein  ich  habe  sie  nur  einen  oder  mehrere  Monate 
im  Krankenhause  behalten  können.  Da  nun  bei  diesen  kleinen 
Kindern,  wenigstens  in  den  beiden  ersten  Jahren,  ansteckende 
Symptome  entstehen  können,  ist  ja  diese  you  mir  getroffene 
Anordnung  nur  eine  Palliativanordnung  gewesen,  denn  beim 
Entlassen  ist  immer  dieselbe  Frage  aufgetreten:  wo  soll  die 
Mutter  für  ihr  kleines  Kind  eine  gute  Pflege  erhalten,  wem 
hat  sie  das  Recht,  dasselbe  zu  übergeben? 


Syphilitische  Schwangerschaft  etc.  319 

Seit  mehreren  Jahren  habe  ich  herrorgehoben,  daß  es, 
um  in  derartigen  Fällen  wirklich  Hilfe  zu  bringen,  notwendig 
sei,  Asyle  zu  errichten^  wo  diese  kleinen  Kinder  aufgenommen 
werden  und  wo  sie  wenigstens  2—4  Jahre  bleiben  könnten, 
bis  sie  ohne  Gefahr  vor  Übertragung  der  Ansteckung  wegge- 
geben werden  könnten.  Durch  zweckmäßige  Behandlung  während 
dieser  Zeit  würde  man  auch  die  größte  Aussicht  haben,  daß 
jene  schweren  tertiären  Symptome  nicht  späterhin  bei  ihnen 
auftreten. 

Mit  Hilfe  wohlwollender  Menschen  ist  es  mir  gelungen, 
ein  solches  kleines  Asyl  einzurichten.  Platz  ist  für  10,  im  Notfall 
für  12  Kinder.  Es  wurde  am  2.  Dezember  1900  eröffnet  und  es 
sind  dort  10  Kinder  aufgenommen.  Alle  diese  sind  im  Kranken- 
hause Öt.  Göran  gepflegt  und  von  dort  in  das  Asyl  überführt 
worden.  Sechs  der  Mütter  sind  auch  während  der  Schwanger- 
schaft im  Krankenhause  gepflegt  worden.  Alle  diese  Kinder 
sind  symptomfrei,  reif  geboren  und  haben  keine  Symptome 
Ton  Syphilis  gezeigt,  trotzdem  eines  jetzt  etwa  3  Jahre,  eins 
zirka  2  Jahre  alt  u.  s.  w.  ist.  Zwei  der  Kinder  sind  mit  here- 
ditärsyphilitischen Symptomen  ins  Krankenhaus  gekommen,  ihre 
Mütter  hatten  niemals  Hg-Behandlung  erhtlten,  ein  drittes 
Kind  kam  auch  mit  hereditärsyphilitischeu  Symptomen  ins 
Krankenhaus,  über  dessen  Mutter  habe  ich  keine  Kenntnis  er- 
halten. Das  zehnte  Kind  war  das  oben  beschriebene,  das  erst, 
als  es  11  Monate  alt  war,  Symptome  zeigte,  und  da  nur  ein 
paar  muköse  Papeln  im  Munde,  welche  bald  verschwanden. 

Sämtliche  Kinder  sind  mittels  Hg-Säckchen  intermittent 
präventiv  behandelt  worden  und  keines  der  Kinder,  außer  dem 
ebengenannten,  hat  nach  der  Aufnahme  im  Asyl  das  geringste 
Symptom  seiner  Ejrankheit  gezeigt.  Zwei  der  kleinen  Kinder 
sind  gestorben,  das  eine  an  Bronchopneumonie,  das  andere  an 
Kindercholera;  bei  der  Obduktion  konnten  an  diesen  keine 
syphilitischen  Veränderungen  nachgewiesen  werden.  Die  übrigen 
arten  und  entwickeln  sich  sehr  gut,  auch  wenn  sie  etwas  spät 
entwickelt  sind. 

Ich  will  hier  nur  die  Geschichte  des  einen  dieser  Kinder,  B'b 
erwähnen.  Die  Mutter  wurde  am  18./XII.  1900  im  Erankenhause  St.  Göran 
aufgenommen,  ganz  sicher  vor  der  Konzeption  angesteckt;  bei  der  Auf- 
nahme hfttte  sie  große  konfluierende  muköse  Papeln  an  deu  Genitalien 


320  Welander. 

Roseole  n.  a.  m.,  war  seit  drei  Monaten  gravida;  sie  wurde  während  des 
Aufenthaltes  im  Erankenhause  intermittent  präventiv  behandelt  and  gebar 
am  14./VI.  1900  ein  lebensfähiges  symptomfreies  Kind,  das  3,180  O  wog. 
Kind  und  Matter  kamen  am  22./VI.  von  der  flntbindangsanstalt  ins 
Erankenhaas  zarück;  ich  fuhr  fort,  sie  beide  intermittent  zu  behandeln, 
obgleich  sie  keine  Symptome  zeigten.  Am  17./XII.  1901  wurde  das  Kind 
ins  Asyl  überfährt,  ist  auch  dort  behandelt  worden,  ist  andaaemd 
symptomfrei  gewesen  und  hat  sich  gut  entwickelt. 

Die  Geschichte  der  anderen  Kinder  stimmt  im  großen 
ganzen  mit  der  eben  genannten  überein;  nur  daß  die  Mehrzahl 
von  ihnen  länger  observiert  worden  war. 

Dieses  kleine  Asyl  hat  somit  —  so  unbedeutend  es  ist  — 
doch  ganz  großen  Nutzen  getau,  da  diese  10  Kinder  während 
ihres  Aufenthaltes  daselbst  verhindert  werden,  Ansteckung  zu 
verbreiten,  und  da  wir  außerdem  alle  Hoffiiung  haben,  daß 
die  Überlebenden  durch  fortgesetzte  Behandlung  Yon  ihrer 
Krankheit  befreit  und  einmal  gesunde,  kräftige  Gesellschafts- 
mitglieder werden  werden. 

Soll  ein  solches  Asyl  wirklichen  Nutzen  bereiten,  muß  es 
natürlich  in  einem  größeren  Maßstabe  angeordnet  werden  und 
müßten  syphilitische  Mütter  das  Recht  haben,  daß  ihre  kleinen 
Kinder  dort  am  liebsten  ganz  kostenfrei  während  der  ersten 
Lebensjahre  gepflegt  werden.  Ich  will  hier  jetzt  nicht  auf 
Details  eingehen,  wie  ich  mir  die  Anordnung  größerer  Asyle 
dieser  Art  gedacht  habe.  Natürlich  würde  eine  solche  An- 
ordnung sehr  teuer  sein,  aber  sind  die  Kosten  groß,  so  ist  auch 
der  Gewinn  groß  —  manch  ein  vor  Syphilis  geschütztes  Heim, 
manch  ein  vor  künftigen  Leiden  und  Elend  gerettetes  Kind. 


Zwei  Fälle  von  Schädel-  und  Gehimsyphilis 
nebst  Obduktionsbefunden. 


Von 

Prof.  Heinrieh  Köbner 

in  Berlln-OharlotteDbnrg. 


Vorbemerkung.  Im  diesjährigen  Aprilheft  dieses  Archivs 
hat  mich  Herr  Kollege  A.  Neisser  gelegentlich  des  25jährigen 
Bestehens  meines  seinerzeit  schwer  und  mit  Schädigung  meiner 
Gesundheit  erkämpften  Lebenswerkes,  der  kgL  derma- 
tologischen Uniyersitätsklinik  zu  Breslau,  als  deren  Begründer 
freundlichst  begrüßt  und  dabei  angeführt,  daß  ich  bei  der 
endlichen  Eröffnung  derselben  im  Süden  weilen  mußte.  Diese 
Erwähnung  hat  mich  veranlaßt,  in  meiner  Studienmappe  aus 
jenen  Jahren  meiner  Rekonvaleszenz  Umschau  zu  halten  und 
da  finde  ich  außer  der  in  diesem  Archiv  1876  erschienenen 
Arbeit:  „Über  die  Lepra  an  der  Riviera  nebst  Bemerkungen 
zur  Pathologie  der  Lepra  überhaupt''  und  der  hauptsächlich 
durch  die  Beobachtung  an  einer  Kloster-Oberin  in  Meran 
angeregten  und  von  dort  aus  in  der  Berliner  klinischen 
Wochenschrift  1877  publizierten  Arbeit  „Über  Arzneiexantheme, 
insbesondere  über  Ghininexanthem''  noch  die  Protokolle 
der  zwei  nachfolgenden,  gleichfalls  aus  Meran  stam- 
menden Beobachtungen,  deren  endliche  Veröffentlichung 
auch  nach  dem  inzwischen  ungemein  angewachsenen  Literatur- 
strome über  Syphilis  des  Schädels,  des  Gehirns  und  seiner 
Häute  nicht  überflüssig  sein  dürfte:  die  erste,  weil  sie  zu  den 
verschiedenartigen  klinischen  Bildern,  bezw.  zu  den  möglichen 

Areh  f.  Dermat.  n.  Syph.  Bd.  LXIII.  21 


322  Köbnep. 

Komplikationen  und  Folgekrankheiten  derselben  einen  seltenen 
Beitrag,  die  zweite,  weil  sie  in  ihren  klinischen  und  anato- 
mischen Details  Material  zu  einigen  Punkten  der  Therapie  der 
Syphilis  darbietet. 

I. 

Am  28.  März  1876  bat  mich  weiland  Bezirksarzt  Dr.  Eünz  in 
Heran,  die  Sektion  der  Sohädelhöhle  seines  verstorbenen  Pati- 
enten E.,  eines  d6j  ährigen  Gerichtsadj unkten  daselbst,  welche  dieser 
letztwillig  angeordnet  hatte,  Yorzanehmen. 

Der  Verstorbene  hatte  seit  mehr  als  2  Jahren  an  reißenden  Kopf- 
schmerzen, im  letzten  Jahre  an  sehr  deprimierter  Gemdtsstimmnng  ond 
an  derartiger  Hyperästhesie  des  Gesichts-  und  Gehörssinnes  gelitten,  daß 
er  sein  Wohnzimmer  völlig  verdunkeln  und  zur  Femhaltung  des  Wagen- 
geräusches Schütten  Stroh  auf  die  Fahrstraße  streuen  ließ. 

Seit  länger  als  einem  halben  Jahr  hatte  er  alle  andere 
Nahrung  außer  „Tiroler  Eindsmuß**,  einer  Abkochung  von 
Weizenmehl  in  Milch,  verweigert. 

Vor  mehr  als  4  Wochen  hatte  er  über  Gelenkschmerzen  in  den 
Knien  geklagt  und  war  deshalb  seitdem  im  Bett  liegen  geblieben,  kurz 
darauf  wurde  das  Zahnfleisch  „wie  scorbutisch''.  Lähmungen  traten  nicht 
auf,  nur  einige  Stunden  vor  dem  Tode  ganz  plötzlich,  so  daß  es  der 
Verstorbene  selbst  als  wSchlaganfall"  bezeichnete,  eine  Lähmung  der 
Schlingwerkzeuge.  —  Außer  dieser  höchst  dürftigen  Anamnese  hatte  da* 
dem  Bezirksarzte  von  früher  her  als  sehr  intelligent  bekannte  Patient 
ihm  nur  einmal  von  „Pillen*',  die  er  von  eioem  Arzte  in  dem  nahen 
Bozen  verordnet  erhalten,  gesprochen. 

Die  unaufhörlich  quälenden  und  ihn  psychisch  völlig  depoten- 
zierenden Kopfbeschwerden  hatten  ihn  zu  der  Bestimmung  veranlaßt,  daß 
„sein  Kopf  im  Interesse  künftig  ebenso  schwer  Leidender  und  zur  Auf- 
klärung der  Wissenschaft  geöfihet  werden  solle*. 

Die  von  mir  27  hör.  post  mortem  vorgenommene  Sektion, 
welche  ich  nach  den  überraschenden  Befunden  am  und  innerhalb  des 
Schädels  auch  auf  die  Brust-  und  Bauchhöhle  ausdehnen  zu  dürfen  mir 
ausbat,  ergab  nun  folgendes: 

Äußere  Besichtigung:  Großer  Eörper,  ziemlich  dickes  Fett- 
polster, an  beiden  Armen  zahlreiche,  punktförmige  Petechien,  links  vom 
am  Thorax  ein  groschengroßer  Blutfleck. 

Das  Schädeldach,  dessen  linke  Hälfte  von  Hause  aus  etwas 
flacher  erscheint,  als  die  rechte,  zeigt  außen,  nach  Abziehung  des  Peri- 
cranium,  am  linken  Scheitelbein  hinten  nahe  der  Lambdanaht  eine  halb- 
erbsentiefe,  rundliche,  glatte  Depression,  innen  vorn  am  Stirnbein,  links 
von  der  l*feilnaht,  eine  kleine  spitze  Exostose. 

An  der  Schädelbasis  linkerseits  mehrere  Exostosen:  in  der 
vorderen  Schädelgrube   drei   parallele   und   nahe   bei  einander   liegende 


Zwei  Fälle  von  Schädel-  and  Gehirnsyphilis  etc.  323 

Reihen  solcher  neben  einander,  wovon  die'  eine,  nahe  der  Mittellinie  der 
Schädelbasis,  eine  etwa  IV4  «*»  lange  nnd  reichlich  Vs  '^^  hohe,  sehr 
scharfkantige,  mehrfach  gezackte,  dflnne,  neugebildete  Erista  darstellt, 
die  nächste  ungefähr  %  cm  nach  außen  gelegene  minder  hoch  und  lang 
ist,  die  äußerste  noch  kürser,  aber  spitzer.  In  der  linken  mittleren 
Schädelgrabe,  nach  außen  von  deren  Zentrum,  eine  namentlich  an  ihrer 
Basis  viel  massigere,  pyramidenförmige,  etwa  Vs  cm  hohe,  mehr  stumpf- 
spitze Exostose.  Über  den  Exostosen  und  weit  über  sie  hinaus  ist  die 
Dura  mater  verdickt,  sehnig-narbig,  desgleichen  über  der  linken 
Hemisphäre.  Pia  und  Arachnoideaan  der  Hirnbasis  mäßig,  an  der 
Konvexität  stärker  trüb,  verdickt,  besonders  über  der  linken  Hemisphäre, 
Pia  hyperämisch,  doch  überall  ohne  anhängende  Hirnrinde  abziehbar. 
Die  verdickten  Hirnhäute  überziehen  auch  die  Austrittsstellen  des  N. 
opticus  und  acusticus  sin.;  die  Nerven  selbst  intakt. 

Hirn  von   normalem  Umfang,   etwas   zäher  Konsistenz,   links   im 
Centr.  medulläre  Vieussenii   treten   zahlreiche  Blutpunkte  hervor,   rechts 
und  im  allgemeinen  anämisch,  sonst  nichts  abnormes,  speziell  die  Arter. 
basilar.  dünnwandig,    voll    frischen   Gerinnsels   und   zum  Teil    flüssigen 
Blutes.    Langen   auffallend   blaß;   der  linke  obere  Lappen  zeigt   eine 
zweitalergroße  Adhäsion  mit  Blutextravasat,  welchem  ein  großer   käsig- 
entzündlicher Herd  mit  breiter,   grauer,  wie  gelatinierender,  hie  und  da 
pigmentierter   Randzone   und  weißgelblichem,  derbem,    käsigen  Inneren 
entspricht,   das   nar   an  einer  kleinen  Stelle  erweicht  ist.    Oberhalb  und 
nach  hinten  von  diesem  Herde  in  der  linken  Spitze  ist  eine  kleine,  käsig 
ausgekleidete    und    von    mehreren    konfluierten    Käseherden    umgebene 
Kaverne  dem    Durchbruch   nahe.    Die   rechte    Spitze    zeigt   hinten   eine 
Bchiefrige,    narbige  Einziehung,   auf  deren  Durchschnitt'  alte  eingedickte, 
zam  Teil  kalkige  Käsemasse  mit  schwieliger  Einfassung.  Rechter  unterer 
Lappen  hypostatisch-pneumonisch  infiltriert.  Die  übrige  Lunge  laft haltig, 
vielfach   ödematös.   —    Herz   besonders   rechtsseitig  verbreitert,  an  der 
unteren  Seite  des  rechten  Ventrikels  ein  großer,  alter  Sehnen  fleck.  Beide 
Herzhälften  enthalten  neben   sehr  dunklem,   dünnflüssigem  Blut  wenige 
teerartige,   weiche  und   sehr  zahlreiche  Fibringerinnsel.    In  der  rechten 
Vorhofswand   mehrere  gelbe  Fettherde.   Valv.  tricusp.  und  Pulmonalarte- 
rienklappen  normal.  Valv.  bicusp.  zeigt  aaf  ihrer  Vorhofsfläche  und  dicht 
an  ihrem  freien  Rande  drei  weißgelbliche,  linsengroße,  glatte  Verdickungen ; 
sonst   ist   das  Endokard    und    die    Muskulatur    beider   Ventrikel    nicht 
verändert.    Auch  die  mittlere  Aorteklappe  ist  nahe  ihrer  Basis  trüb  und 
verdickt.  —  Leber  normal  groß,  ohne  Adhäsionen   oder  Schwielen,  nur 
über  dem  untersten  Teil  des  rechten  Lappens  ist  die  Serosa  srrau  getrübt. 
Konsistenz    normal,  Venulae   centrales   hyperämisch,  Läppchenzeichnung 
normal,  nirgends  Einlagerungren.    Galleublase  reichlich  von  dunkelgrüner 
Galle    gefüllt,    Schleimhaut   samtartig.  —   Milz  klein,  Kapsel  gerunzelt, 
Pulpa  blaßrötlich,   mäßig  fest,   Follikel   nicht  geschwellt.    —    Nieren 
normal  groß,  Kapseln  leicht  abziehbar,  Durchschnitt,  besonders  der  Pyra- 
miden, hyperämisch,  im  Kortex  springen  die  Glomerali  stark  hervor ;  keine 

21* 


324  Köbner. 

AmyloidreaktioD.  —  An  einigen  Dünndarmtchlingen  sowie  an  der 
hinteren  Flache  der  Harnblase,  überall  nnr  unmittelbar  unter  dem  Peri- 
toneum, kleine  punktförmige  Petechien.  ImMusoul.  reotus  abdominis 
sin.  nahe  seinem  oberen  Ansatz,  ein  den  Muskel  g&nslich  bis  unter  seine 
innere  Scheide  durchsetzendes,  umfangreiches  Extravasat.  —  An  den 
Genitalien  keine  patholog.  Residuen. 

Die  anatomische  Diagnose  lautete  also :  Garies  sicca  ossis 
parietal,  dex.  Exostosen  der  lamina  vitrea  ossis  frontis, 
besonders  aber  der  linken  vorderen  und  mittleren  Schädel- 
grube. Pachymeningitis  et  Arachnitis  chron.,  imprimis  sinistr. 
Käsige  Herde  des  linken  oberen,  ein  yemarbter  Herd  des 
rechten  oberen,  hypostatische  Pneumonie  des  rechten  unteren 
Lungenlappens.  Zweitalergroßes  Blutextravasat  in  einer  pleu- 
ritischen Adhäsion  eines  Käseherdes.  Fettige  Herde  in  der 
rechten  Vorhofswand;  Verdickungen  der  Valvula  mitralis. 

Multiple  Hämorrhagien  der  Haut  der  Arme  und  des 
Thorax^  subperitoneale  des  Dünndarmes  und  der  Harnblase, 
großes  Extravasat  im  Muse,  rectus  sin.  abdom. 

Diese  Postmortem-Diagnose  enthüllte  also  als  die  Grund- 
lage und  den  Ausgangspunkt  des  so  komplizierten  Krankheits- 
bildes eine  bei  Lebzeiten  nicht  geahnte  iuTeterierte  Syphilis, 
an  welcher  trotz  des  Fehlens  einer  diesbezüglichen  Anamnese 
sowie  etwaiger  Narben  oder  Pigmentresiduen  an  den  Geni- 
talien wegen  der  durchaus  eindeutigen  Art  der  anatomischen 
Veränderungen  am  Schädel  und  an  den  Meningen  —  bemer- 
kenswerter Weise  den  einzigen  auffindbaren  Syphilislokali- 
sationen  in  diesem  Körper  —  kein  Zweifel  sein  konnte.  Die 
im  höchsten  Grade  und  in  seltener  Zahl  entwickelten  Exostosen 
der  Schädelbasis,  —  drei  parallele  Reihen  solcher,  teils  einer 
mehrfach  gezackten,  scharfkantigen,  bis  1 74  <^^  langen  und 
Vs  cm  hohen,  neugebildeten  Krista  gleichend,  teils  kürzere 
und  spitzere  in  der  yorderen,  sowie  eine  pyramidenförmige, 
mehr  stumpfspitze  Exostose  in  der  mittleren  linken  Schädel- 
grube, —  die  kleine  spitze  Exostose  der  lamina  vitrea  des 
Stirnbeins  mit  der  alten,  abgelaufenen  Pachymeningitis  und 
Arachnitis  erhielten  vollends  ihre  pathognostische  Ergänzung 
durch  die  rundliche,  glatte,  einem  resorbierten  Gumma  ent- 
stammende Depression,  welche  nach  Abziehen  des  Pericranium 
am  linken  Os  parietale   nahe   der  Lambdanaht  sichtbar  wurde. 


Zwei  Fälle  von  Schftdel-  nnd  Gehirnsyphilis  eto.  325 

DaDeben  fanden  sich  alte,  tuberkulöse,  verkäste  und  zum 
Teil   schon   zerfallene  Herde   in  beiden  oberen  Lungenlappen. 

Auf  dem  Boden  dieses  an  sich  schon  kachektischen  Zu- 
standes  hatte  sich  durch  die  höchst  unhygienische  Lebens- 
führung und  vor  allem  durch  die  höchst  einseitige  und  mangel- 
hafte Ernährung  mit  dem  sogenannten  Tiroler  Kindsmuß 
während  des  letzten  halben  Jahres  des  Lebens,  welche  sich 
der  Patient  in  der  unklaren  Vorstellung,  durch  eine  möglichst 
einfache  Nahrung  von  seinen  hochgradigen  Beschwerden  seitens 
seines  Nervensystems  befreit  zu  werden,  verordnet  hatte,  eine 
hämorrhagische  Diathese  ausgebildet.  Dementsprechend  be- 
herrschte eine  Purpura  während  des  letzten  Lebensmonates 
das  terminale  Krankheitsbild.  Der  alte  Sehnenfleck  an  der 
unteren  Seite  des  rechten  Herzventrikels  und  die  geringen 
Verdickungen  am  freien  Rande  der  Valv.  mitralis  und  der 
Basis  der  mittleren  Aorteklappe  dürften  ebensowenig  wie 
die  vereinzelten  Fettherde  in  der  Wand  des  rechten  Vorhofs 
für  die  Entstehung  dieser  sekundären,  terminalen  Krankheit  in 
Betracht  kommen. 

In  dieser  Seltenheit  des  Ausganges,  welcher  nur  sehr 
mittelbar  durch  die  syphilitischen  Veränderungen  in  den  Hirn- 
häuten und  Schädelknochen,  bezw.  durch  die  hieraus  resul- 
tierenden außerordentlich  großen  Beschwerden  bedingt  war* 
liegt  für  mich  die  Veranlassung  zur  nachträglichen  Veröfifent- 
lichung  dieses  Falles,  zumal  weder  ich  jemals  später,  noch 
andere,  insbesondere  psychiatrische  Autoren,  soweit  ich  in 
Erfahrung  bringen  konnte,  Fällemitgleichem  Verlauf  beobachtet 
haben. 

II. 

Herr  H.  S.,  ein  26jähriger  Kaufmann  aus  Berlin,  zu 
welchem  ich  am  26.  Dezember  1876  in  Meran  zu  einem  Kon- 
silium mit  Herrn  Dr.  Kuhn  wegen  eines  konvulsivischen  In- 
sultes und  Hemiparese  der  rechten  Körperseite  einschließlich 
der  rechten  Gesichtshälfte  nebst  Sprachlähmung  bei  erhaltenem 
Bewußtsein  gerufen  wurde,  hatte  eine  so  lange  pathologische 
Vergangenheit,  daß  es  zweckmäßiger  erscheint,  aus  seinen  sorg- 
faltig gemachten  Notizen,    welche   mir  der  intelligente  Patient 


326  Köbner. 

später,  in  anfallsfreier  Zeit^  chronologisch  geordnet  und  durch 
ein  Bündel  von  Rezepten  unterstützt,  übergab,  den  folgenden 
Auszug  Yoranzuschicken. 

Patient,  ein  muskel-  und  knochenstarker  Mann  von  untersetzter 
Körpergröße,  war  stets  gesund  und  hatte  den  französischen  Feldzug 
1870/71  im  20.  Jahre  mitgemacht.  Anfang  1872  Infektion,  nach 
Aussage  seines  Berliner  Spezialarztes  mit  einem  weichen  Schanker,  wie 
er  ihn  schon  einmal  nebst  suppurierendem  Babo  gehabt,  diesmal  mit 
einem  den  Aufbruch  drohenden,  aber  resorbierten  Bnbo  inguin.  Angeblich 
nach  Abheilung  des  Ulcus  trat  an  einer  anderen  Stelle  der  Glans  penis 
ein  roter,  sich  abschilfender  Fleck  auf.  Nach  mehreren  Wochen  sekun- 
däre Mnndaffektion,  behandelt  mit  80  subkutanen  Sublimatinjek- 
tionen. 

Im  Sommer  1878  Condylom,  lata  ad  anum,  die  nur  „hinwegtouchierf^ 
wurden. 

Januar  1874  Halsgescbwüre ;  20  Sublim atiniektionen.  Vom  Juni  bis 
November  1874  sehr  heftige  Kopfschmerzen,  wogegen  Jodkalium, 
doch  ohne  Erfolg. 

2.  Januar  1875  Scblaganfall  ohne  Prodromalerscheinungen :  die 
rechte  Seite  war,  nachdem  das  Geifihl  vom  Fuße  aufwärts  sich  verloren 
hatte,  vollständig  gelähmt,  ebenso  die  Sprache,  welche  sich  jedoch  nach 
24  Stunden  wieder  einstellte.  Inunktionskur  (40  Einreibungen  zu  je  2*6  g, 
zusammen  100  ^  Ung.  einer),  Jodkali,  nachher  50  subcut,  Sublimatiig.,  wozu 
im  ganzen  10^  Sublimat  verbraucht  wurde. 

Nachdem  er  sich  einigermaßen  erholt  hatte,  reiste  er  Ende  April 
nach  Aachen,  wo  während  6wöchentlichen  Aufenthaltes,  vom  80.  April 
bis  80.  Mai,  60  Unctionen,  früh  und  Abend  je  2*0,  zusammen  120^  Ung. 
einer.,  20  Bäder  und  25  Duschebäder  nebst  einer  Schwitzkur  ange- 
wendet wurden. 

Dezember  1875  Schwindelanfalle,  wogegen  20  Sublimatii^ektionen 
(zusammen  Sublimat  0*5). 

Ende  Januar  1876  sehr  heftiger,  stundenlang  anhaltender  Schwin- 
delanfall, Erbrechen,  Reißen  im  linken  Arm  und  Kopf.  Jodkalium 
(2*0  per  Die.)  bis  zum  12.  Februar.  Plötzliches  Einschlafen  der  linken 
Seite  vom  Fuße  aufwärts  bis  zur  Brust.  Zeitweise  Lähmung  des  linken 
Armes  während  14  Tagen.  Allgemeine  furchtbare  Schwäche.  Inunktions- 
kur: vom  12.  bis  16.  Februar  4  Pakete  ä  2*5,  am  17.,  18.  und  19.  aber 
binnen  36  Stunden  180  Ung  einer.  (2stundlicb  20).  Hiernach  am 
19.  Februar  ein  sehr  heftiger  Anfall.  Verziehung  des  Kopfes  und  des 
ganzen  Oberkörpers  nach  links,  namentlich  des  linken  Armes  nach  außen, 
Verdrehen  beider  Augen  nach  links,  während  etwa  V«  Stunde  Unfähigkeit 
zu  sprechen,  Bewußtsein  ungetrübt.  Schmierkur  ausgesetzt,  Kai.  iodat  in 
großen  Dosen. 

Wegen  Wiederholung  dieser  Anfalle  an  den  folgenden  zwei  Tagen 
am  22.  Februar  Transport  in  ein  Krankenhaus.    Hier  erhielt  Pat.  in  den 


Zwei  Fälle  yon  Schädel-  und  Gehimsyphilis  etc.  327 

ersten  acht  Tagen  gegen  sein  starkes  Kopfreißen  Bromkalinm,  nachher 
während  des  ganzen  März  Ferr.  iodat  saccharat.  (im  ganzen  82  Pnlver 
zQ  je  0*5),  welche  wegen  andanemder  Kopfschmerzen,  Angenreißen, 
Schnupfen  nnd  vollends  Diarrhoe  ausgesetzt  wurden. 

Am  1.  April  Kopfreißen  vom  rechten  Auge  bis  znm  rechten  Ohr, 
durch  Pilul.  Chinin,  o.  Ferr.  gemildert 

Am  7.  April  Steigerung  desselben,  mehrmaliges  Erbrechen.  Keinerlei 
Zuckungen  am  Körper.    Herz  und  Lungen  gesund.    Jodkalium. 

Am  11.  April  wegen  völliger  Appetitlosigkeit  ausgesetzt.  Dazu 
heftige  drückende  Schmerzen  im  Yorderkopf,  die  sich  nach  der  linken 
Schläfe  hinziehen.  Dmckgefühl  auf  beiden  Augen.  Muskelzuckungen 
in  beiden  unteren  Extremitäten.  Sechs  trockene  Schröpfköpfe 
im  Oenick. 

Vom  16.  bis  26.  April  bei  allgemeinem  Wohlbefinden  6  Seesalz- 
bäder ä  10  Pfund  Seesalz. 

27.  April  wegen  intensiver  Kopfschmerzen  und  Tränen  der  Augen, 
besonders  des  rechten:  Bromkalium,  statt  dessen  wegen  Steigerung  jener 
vom  1.  bis  8.  Mai  Decoct.  Zittmann  (nach  der  neuen  Vorschrift  i.  e. 
ohne  Kalomelbeutel  bereitet).  Früh  und  Abend,  mit  je  einstündigem 
Schwitzen. 

9.  Mai  wegen  völliger  Anorexie  ausgesetzt.  Anschwellung  des  Zahn- 
fleisches.   Jodkalium. 

12.  Mai.  Da  das  Kopfreißen  nach  dem  Gebrauch  desselben  wieder 
heftig  auftrat,  wurden  während  der  nächsten  drei  Wochen,  gegen  deren 
Ende  die  linke  obere  Extremität  leicht  gelähmt  wurde,  Morphiumiujektionen 
versucht. 

7.  JunL  Abreise  nach  Tirol,  wo  Prof.  Remhold  (Innsbruck)  und 
Dr.  Ganner  (Hall)  die  Krankheit  „für  Quecksilbervergiftung  und 
Überladung  des  Körpers  mit  Medikamenten**  erklärten  und  ihn  zuerst 
27  Soolbäder  (in  Hall)  nehmen  ließen.  In  dieser  Zeit,  vom  15.  Juni  bis 
30.  Juli,  traten  täglich  einmal,  manchmal  auch  zwei-  bis  dreimal  AnföUe 
von  etwa  10  Minuten  Dauer  ein,  wobei  die  Sprache  unterbrochen  oder 
nur  sehr  undeutlich  war,  die  Zunge  anschwoll  und  der  linke  Arm  vorüber- 
gehend gelähmt  war.  Ein  Aufenthalt  vom  1.  bis  21.  August  in  Alt-Prags 
(im  Pustertal),  einer  Akratotherme,  deren  Bäder  u.  a.  im  Rufe  der  Wirk- 
samkeit gegen  Quecksilbervergiftung  standen,  brachte  sichtliche  Erholung 
und  weiterhin  fast  vollkommene  Wiederherstellung  der  gelähmten  Seite ^ 
so  daß  Patient  eine  kleine  Vergnügungsreise  und  Partien  zu  Fuß  und  zu 
Pferde  unternehmen  konnte,  besonders  in  Meran,  wohin  er  sich  am 
29.  August  zu  einer  sechswöchentlichen  Traubenkur  begab.  Anhaltendes 
Wohlbefinden  bis  zum  Eintreten  der  Winterkälte. 

Am  15.  Dezember  stellte  sich  Schnupfen,  Benommenheit  des  Kopfes, 
Schwindel  und  wieder  leichte  Parese  der  rechten  Gesiohtshälfte  und  Zunge 
ein  und  wurde  mit  Natr.  iodat.  (1*5  pro  die)  und  vom  21.  Dezember  ab 
mit  Inunkt ionen,  dreimal  ä  2  ^  behandelt.  Nach  Aussetzen  derselben 
am  24.  bei  relativem  Wohlbefinden  trat  am  25.  nach  Genuß  von  Kuchen 


328  Köbner. 

und  Wein  mehrfaches  Erbrechen  ein,  das  sich  auch  am  26.  öfter  wiederholte, 
imd  darauf  nnter  schwerem  Angstgefühl  ein  konyalsivischer 
Insult:  automatisches  Werfen  des  rechten  Armes  nach  auf- 
wärts, Zuckungen  der  rechten  Gesichtshftlfte,  Gefühl  von 
Schwere  und  Eingesohlafensein  der  gansen  rechten  Seite, 
enge  Pupillen,  auffallende  Blässe  des  Gesichts  und  Sprach- 
lähmung bei  erhaltenem  Bewußtsein. 

In  diesem  Zustand  sah  ich  ihn  bei  dem  Konsilium  mit 
Dr.  Kuhn.  Da  Patient  die  sofortige  Wiederaufnahme  der  Inunktionakur 
ebenso  wie  alle  Jodpräparate  ablehnte,  weil  er,  wie  er  jenem  schon 
mitgeteilt  hatte,  einen  ähnlichen  Insult  am  19.  Februar  1876  bald  nach 
der  forcierten  Schmierkur  erlitten  und  weil  er  auch  die  wieder  aufge- 
tretenen heftigeren  Beschwerden  seit  dem  20. :  Eopfreißen,  Angenflimmem 
und  Schwindelanialle,  dem  Gebrauch  des  Jodnatriums,  „wie  schon  früher* 
zuschob,  mußten  wir  uns  mit  rein  symptomatischen  Verordnungen 
begnügen. 

Am  30.  Januar  1877,  bis  wohin  ich  ihn  nicht  wieder  gesehen  hatte, 
besuchte  mich  Patient,  weil  er  seit  7  Tagen  von  präzise  8  bis  7  ühr 
Nachmittags  von  linksseitigen  Anfällen  von  Tränentränfeln  und  Nasen- 
ausfluß mit  heftigen  neuralgischen  Schmerzen  in  der  Tiefe  der  linken 
Orbita  und  linksseitigem  Nackenreißen  befallen  wurde.  Mitunter 
umschriebener  Schmerz  an  einer  auf  ein  früheres  Gumma  verdächtigen 
Stelle  des  Grista  ossis  parietal,  sin.  Vor  10  Tagen  hatte  er  Früh  nüchtern 
wieder  Schwindel  und  Erbrechen,  darauf  Schmerzen  in  der  linken  Orbita 
und  nach  2  Tagen  diese  ganz  regelmäßige  periodische  Hypersekretion 
bekommen.  Gestern  begann  dieser  Anfall  schon  um  10  Uhr  Vormittags 
und  dauerte  nur  2  Stunden,  heute  fast  kein  Tränen-  und  Nasenausfluß, 
aber  umso  heftigere  Schmerzen  schon  seit  dem  Morgen.  Seit  dem  Nach- 
lassen dieser  Hypersekretion  in  den  letzten  2  Tagen  speichle  er  viel. 

Ich  fand  nicht  das  Zahnfleisch,  aber  die  Mündung  des  Dnct. 
Stenonian.  sin.  und  beide  Glandulae  sublinguales  geschwollen.  Das  rechte 
Auge  immer  noch  anscheinend  größer  durch  leichtes  Herabhängen  des 
unteren  Lides,  ebenso  steht  der  rechte  Mundwinkel  noch  etwas  tiefer. 
Sprache  normal.    Die  rechte  Pupille  ein  wenig  größer  als  die  linke. 

Vom  81.  Januar  bis  4.  Februar  6  subkutane  Chininiigektionen,  die 
erste  in  die  linke  Schläfe  (am  81.  eine,  an  den  folgenden  4  Tagen  nur  je 
%  Spritze  meiner  Lösung  Chinin,  hydrochlor.  0*36,  Glycer.  0-8,  Aq.  dest.  2*2 
erwärmt  ii^jiziert).^)  Erhebliche  Verringerung  der  Schmerzanfalle  und 
des  Tränenflusses.  Mit  der  Verordnung  von  Chinin.  0*2  interne  und 
Emplastr.  Hydrarg.  c.  Empl.  separat  auf  die  schmerzhafte  Stelle  des 
linken  Scheitelbeins  in  Meran  verabschiedet,  stellte  er  sich  Ende  Oktober  1877 
in  Berlin  mir  wieder  vor  mit  Residuen  der  Hemiplegia  dex.  im  Arm  und 
Bein   und   der   deutlicher   gewordenen   Hyperostose    um  jene    (vormals 


^)  Vergl.  meine  Arbeit  über  subkutane  Chininiigektionen.  Memora- 
bilien  1880  und  Deutsche  med.  V^ochenschr.  1890. 


Zwei  F&Ue  von  Schädel-  und  GehimByphilis  etc.  329 

gammöse)  kleine  Depression  am  linken  Os  pariet.  Der  Augenarzt 
M.  Landsberg  konstatierte  „auBer  den  Resten  der  alten  syphilitischen 
Affeküon,  der  Parese  des  Sphincter  pupillae  dex.  nebst  Akkommodations- 
parese noch  Hyperopie  mit  mftßiger  Beschränkung  der  zentralen  Seh- 
schärfe (H  ViQ,  S  =  Vs)  ^1*  kongenitale  Anomalie  bei  normalem  Nerv, 
opticus  und  Augenhintergrund.  Linkerseits  alles  intakt".  Ich  ließ  den- 
selben die  von  ihm  vorgeschlagenen  Strychnininjektionen  ausfuhren,  nach 
welchen  (insgesamt  18,  anfangs  zu  2  tn^,  später  zu  8  m^)  am  12.  Dezember 
die  rechte  Pupille  ein  wenig  besser  reagierte,  die  Ausdauer  der  rechten 
Hand  beim  Schreiben  größer  war  und  Patient  bis  2Vt  Stunden  gehen 
konnte.  Da  aber  in  den  letzten  14  Tagen,  während  welcher  nur  2  Injek- 
tionen in  jeder  Woche  gemacht  worden  waren,  kein  weiterer  Fortschritt 
bemerkt  wurde,  ging  ich  zur  Galvanisation  der  rechten  Extremitäten 
über,  welche,  bis  Anfang  März  1876  fortgesetzt,  eine  weitere  Fnnktions- 
Stärkung  derselben  bewirkte.  Von  nun  ab  nicht  mehr  wiedergesehen, 
veranlaßte  am  22.  Juni  eine  mit  Einschlafen  des  linken  Fnßes,  Tags 
dsrauf  mit  Zuckungen  in  der  linken  Gesichtshälfte  einsetzende  Hemiplegia 
sin.  seinen  Wiedereintritt  in  das  Krankenhaus.  Hier  trat  außer  dieser 
und  der  geringeren  rechtsseitigen  Hemiparese  nach  5  Tagen  Kontraktur 
der  Kaumuskeln  und  Sprach-(Artikulation8-)Lähmung  und  Schlucklähmung 
ein,  nach  8  Tagen  Lähmung  der  rechten  Hand,  mit  welcher  er  bis  dahin 
noch  schreiben  und  sich  verständlich  machen  konnte.  Der  Grad  dieser 
Lähmungen,  einschließlich  der  linken  Gesichtshälfte,  wechselte,  kurze 
Zeit  konnte  er  sogar  das  linke  Bein  etwas  heben  und  ein  ihm  vorge- 
sprochenes Wort  nachsprechen,  auch  besser  schlucken,  bis  allmählich  — 
in  den  letzten  8  Tagen  —  erschwerte  Respiration  und  erschwertes  Schlucken, 
in  den  letzten  2  bis  8  Tagen  Rollen  der  Augen,  Zähneknirschen,  öfteres 
Seufzen,  Benommensein  des  Sensorium  eintrat  und  unter  den  Er- 
scheinungen von  Lungenödem  am  16.  Juli  1878  der  Tod  erfolgte.  Während 
dieses  Spitalanfenthaltes  waren  noch  24  Paket«  Ung.  einer,  einge- 
rieben worden. 

Die  Sektion  des  Gehirns  (Wernicke)  ergab:  End- 
arteriitis  syphil.  vasorum  cerebri,  Meningitis  et 
Encephalitis  chron.  hemisphaer.,  Gumma  in  ponte, 
Degeneratio  secundar.  pyramid.  sin.,  Gystis  ex 
encephalit.  nuclei  lent.  sin.,  Thrombos.  art.  basilar., 
Malacia  rubra  pontis. 

In  der  Dura  mater  der  linken  Konvexität  ein  talergroßes  Knochen- 
plättchen  eingelagert,  sonst  an  der  Dura  nichts  besonderes.  An  den  Basal - 
gefäßen  einzelne  gelblich  verfärbte  Partien,  eine  solche  nimmt  etwa  das 
mittelste  Stück  der  art.  basilar.  ein.  Beim  Aufschneiden  zeigt  sich  an 
dieser  Stelle  die  Wand  starr,  verdickt  und  uneben,  und  von  derselben 
beginnt  ein  zum  Teil  entfärbtes,  das  Lumen  ausfüllendes,  der  Wand 
adhärierendes  Blutgerinnsel,  welches  sich  bis  zur  Teilung  der  Basilaris  in 


330  Eöbner. 

ihre  beiden  Äste  fortsetzt,  während  in  diesen  beiden  Belbst  flüssiges  Blut 
enthalten  ist. 

Beim  Übergang  der  rechten  Karotis  in  die  art.  fossae  Sylvii  eben- 
falls eine  Plaque.  Beim  Anfschneiden  zeigt  sich  die  Intima  verdickt, 
weiß-gelblich,  körnig,  uneben. 

Beim  Abtrennen  des  Stammes  vom  Mantel  und  zwar  des  Scheitel- 
lappens fühlt  man  links  schon  beim  Schneiden  erheblichen  Widerstand 
wie  bei  Narbengewebe.  Die  Schnittfläche  daselbst  in  einer  Länge  Yon 
4  em  und  Breite  von  V/^  cm  gelblich  bis  grünlich  verfärbt;  ein  Saunu 
der  dem  Rande  benachbart  ist,  bleibt  frei.  Nach  vom  und  hinten  ver- 
schmälert sich  dieser  Herd,  welcher  für  den  fohlenden  Finger  ungefähr 
die  Resistenz  oder  eine  noch  härtere,  als  die  der  Ependymbekleidung  der 
Ventrikel  darbietet.  Dieser  Yerhärtungsherd  liegt  noch  im  Niveau  der 
Zentralfurohe,  dehnt  sich  aber  nach  vorne  davon  am  meisten  aus. 

Pia  an  der  Konvexität  beiderseits,  namentlich  im  Stimteil,  weniger 
im  Scheitelteil,  stark  verdickt,  links  mehr  sehnig,  rechts  jedoch  mit  gelb- 
lichem Anflug  in  den  Furchen.  Im  Bereich  der  Trübung  links  zwei 
flächenhafte,  fünfgroschengroße,  jedoch  nicht  scharf  umgrenzte  Sugillationen. 
Rechts  ebenfalls  drei  solche  Blutungen,  diese  jedoch  mehr  in  die  Länge 
gestreckt  und  in  der  Nähe  größerer  Venenstämme  der  Pia  verlaufend. 
An  mehreren  Stellen  rechts  zeigen  die  gelblichen  Einlagerangen  deutliche 
narbige  Einziehungen. 

Pia  läßt  sich  links  leicht,  rechts  nur  mit  Substanz  Verlust 
von  dem  größten  Teil  des  Stirnlappens  abziehen.  In  der  Färbung 
der  Rinde  lassen  sich  fast  durchweg,  besonders  deutlich  im  hinteren  Teil 
des  rechtenScheitellappens  zwei  Schichten  erkennen,  eine  horstensia- 
f arbige  Schicht  dem  Mark  nahe  und  eine  hellgraue,  dem  äußeren  Teil 
der  Rinde  entsprechend.  Im  Stirnlappen  ist  die  Rinde  verschmälert 
Dasselbe  ist  an  der  rechten  Hemisphäre  der  Fall. 

Am  Hirnmantel  ist  die  Verhärtung  nicht  bestimmt  abgrenzbar, 
sondern  geht  allmählich  in  normale  Konsistenz  über. 

Der  Stamm  zeigt  links  an  der  Oberfläche  des  nucleus  caud.,  ent- 
sprechend dem  vorderen  Teil  des  thalam.  optic,  eine  halbsechsergroße, 
eingesunkene,  unter  das  Niveau  fallende,  runde,  gelb-braune  Stelle. 

Stabkranz  zeigt  in  der  Nähe  des  nucl  caud.  eine  narbige  Ver- 
härtung von  der  oben  beschriebenen  Farbe.  Die  Verhärtung  reicht  weiter 
als  die  Verfärbung,  geht  direkt  in  das  narbige  Ependym  über  und  reicht 
vom  vorderen  Ende  der  beschriebenen  Stelle  bis  an  den  Anßenrand  des 
Beginnes  des  hinteren  Drittels  des  Sehhügels.  Dieser  Herd  betrifft 
seiner  Lage  nach  die  Pyramidenbahn.  Die  äußersten  Teile  des  Stab- 
kranzes, die  der  Inselrinde  nahe  liegen,  sind  freigelassen. 

Färbung  der  inneren  Kapsel  an  der  betreffenden  Stelle  ist 
zum  großen  Teil  von  etwas  glasig  durchscheinender  Beschaffenheit,  nicht 
rein  weiß.  Auf  Frontalschnitten,  die  den  vorderen  Kern  des  Sehhügels 
treffen,    ist  die  innere  Kapsel,    etwas   rückwärts  von  der  eingesunkenen 


Zwei  Fälle  von  Schädel-  und  Gehirnsyphilis  etc.  331 

Stelle  im  corp.  striat.,  an  ihrer  fiinmündungsstelle  in  den  Stabkraoz 
unregelmäßig  bräunlich  verßurbt  mit  gelben  Einlagerungen. 

Das  benachbarte  dritte  Glied  des  Linsen  kerne  ist  in  eine,  zom 
Teil  mit  eigener  Wand  ausgekleidete  Höhle  umgewandelt,  welche  von 
erweichter  Substanz  umgeben  ist.  Die  beiden  inneren  Glieder  des  Linsen- 
kems  sind  erhalten.  In  den  hinteren  Abschnitten  der  inneren  Kapsel 
keine   deutliche   Verfärbung.    Rechter   Stamm  zeigt  keine  Veränderung. 

Boden  des  IV.  Ventrikels  zeigt  einige  frische  streifige  Blutungen 
in  der  Nähe  der  feinen,  im  Ependym  verlaufenden  Gefäße,  am  meisten 
in  der  Mitte,  jedoch  auch  solche  am  unteren  Ende  in  der  Nähe  des 
Vaguskems. 

Auf  dem  Durchschnitt  zeigt  sich  der  größte  Teil  des  Pons  als 
ein  von  punktförmigen  Blutungen  durchsetzter  festweicher  Brei.  An  der 
rechten  Hälfte  des  Pons  ein  longitudinales,  von  unten  nach  oben  ge- 
stelltes, je  ly^cm  langes  und  breites,  hellgelbes,  einem  Gefäß  anliegendes, 
gummöses  Infiltrat.  Die  linke  Pyramide  verkleinert  und  grau  degeneriert. 

Ans  dem  übrigen  Sektionsbefund  sind  nur  noch 
hervorzuheben:  diffuse  fettige  Degeneration  des  Herzens  und 
der  vergrößerten  L  e  b  e  r,  ein  mandelgroßes,  ovales,  graugelbes, 
ziemlich  hartes  Gumma  in  der  vergrößerten  und  mit  stark 
getrübter,  narbig  eingezogener  Kapsel  versehenen  Milz. 

Ich  unterlasse  es,  auf  die  naheliegende  Deutung  der 
klinischen  Symptome  aus  den  vorstehend  spezialisierten  mannig- 
fachen Lokalisationen  im  Gehirn,  seinen  Häuten  und  vor  allem 
auch  in  seinen  Gefäßen  einzugehen  und  möchte  nur  mit  einigen 
Worten  den  möglichen  Zusammenhang  zwischen  der  Ent- 
Wickelung  dieser  schweren  Veränderungen  und  der  angewandten 
Therapie  besprechen.  Denn  von  den  anderen  Ursachen,  welche 
zur  Entstehung  solcher  direkt  mitwirken,  obenan  Alkobolismus, 
geistige  Überanstrengung  ist  in  diesem  Falle  nichts  bekannt 
geworden.  Wenn  wir  nicht  die  unregelmäßige  Lebensweise  des 
Patienten  und  die  allgemeinen  Schädlichkeiten  des  ehelosen 
großstädtischen  Lebens  für  das  Nervensystem,  die  |,vie  mon- 
daine**  nach  Fourniers  Annahme  als  konkurrierende  Momente 
supponieren  wollen,  so  drängt  sich  uns  allerdings  der  Verdacht 
auf,  daß  die  Behandlung  nicht  ohne  Einfluß  auf  den  ungünstigen 
Verlauf  gewesen  ist. 

Dieselbe  ist  nach  meiner  Meinung  in  den  ersten  3  Jahren 
nach  der  Infektion  quantitativ  und  qualitativ  nicht  ausreichend 
gewesen  und  diese  Mangelhaftigkeit  konnte  durch  die  gehäuften 
Quecksilberkaren   nach    Eintritt   des   ersten  Schlaganfalles   zu 


332  Eöbner. 

Beginn  des  vierten  Jahres  nicht  mehr  wettgemacht  werden. 
Sie  bestand  beim  ersten  und,  wie  dies  in  der  Vorgeschichte 
visceraler  Syphilisfälle  häufig  beobachtet  ist,  leichter  sekundären 
Ausbruch,  als  welcher  nur  „Mundaffektion'',  vielleicht  mit  Über- 
sehen einer  floseola,  notiert  ist,  in  30  Sublimatinjektionen, 
beim  ersten,  angeblich  erst  IV4  Jahr  später  aufgetretenen 
Rezidiv :  Gondylomata  lata  ad  anum  in  bloßem  „Hinwegtouchie- 
ren^  derselben  und  beim  zweiten:  Halsgeschwüre  zu  Beginn 
des  dritten  Jahres,  in  20  Sublimatinjektionen.  Die  heftige 
Cephalalgie  aber,  welche  4  Monate  später  auftrat  und  durch 
welche  sich,  da  sie  vom  Juni  bis  November  1874  hartnäckig 
anhielt,  die  cerebrale  Lokalisation,  höchst  wahrscheinlich  Me- 
ningitis —  von  allen  intracraniellen  das  dankbarste  Objekt 
einer  energischen  spezifischen  Behandlung  —  zuerst  kundgab, 
wurde  während  dieser  ganzen  5  Monate  lediglich  mit  Jodkalium 
und  zwar  „ohne  Erfolg '^  behandelt 

Nachdem  nun  die  günstigste  Zeit  für  eine  erfolgreiche  Be- 
handlung verabsäumt  war,  vermochten  die  nach  Eintritt  des 
ersten  apoplectiformen  Insultes  vom  Beginn  des  4.  Jahres  ab 
eingeleiteten  energischen  Inunktionskuren  —  bei  deren  erster 
100*0,  bei  der  zweiten  in  Aachen  120*0  Ung.  Hg  einer,  einge- 
rieben wurden  —  Jodkalium  und  noch  zweimalige  Sublimat- 
injektionskuren von  ro  und  0*5  Sublimat  in  demselben  Jahre 
nur  vorübergehende  Besserung  der  Symptome  zu  bewirken.  Die 
anatomischen  Veränderungen  aber,  welche  bereits  auf  die  Ge- 
hirnsubstanz selbst  übergegriffen  und  wahrscheinlich  auch  schon 
damals  an  den  Blutgefäßen  begonnen  hatten,  wurden  nur  Tor- 
übergehend  in  ihrem  Fortscbreiten  aufgehalten,  bis  im  un- 
mittelbaren Anschluß  an  eine  forzierte  Schmierkur  und  nach 
der  zäh  festgehaltenen  Ansicht  des  Patienten  durch  dieselbe 
direkt  verursacht,  zum  ersten  Mal  ein  schwerer  konvulsivischer 
Anfall  auftrat,  dessen  Wiederholung  während  mehrerer  Tage 
die  Aufnahme  in  ein  Krankenhaus  nötig  machte.  Daselbst 
besserte  sich  langsam  nach  37^  Monaten  unter  bloßer  Behand- 
lung mit  Jodpräparaten  und  einem  nur  eine  Woche  möglich 
gewesenen  Versuch  mit  Decoct.  Zittmann.  der  Zustand,  so  daß 
der  Kranke  eine  auf  die  Diagnose  „Quecksilbervergiftung**  hin 
eingeleitete  Soolbade-  und  Thermalkur  in  den  genannten  Tiroler 


Zwei  Fälle  von  Schftdel-  und  Gehirnsyphilis  etc.  333 

Badeorten  unternehmen  konnte.  Dieselben  bewirkten  tatsächlich 
eine  wesentliche  Besserung  sowohl  des  Allgemeinbefindens  wie 
der  paretischen  Teile,  so  daß  der  Patient,  als  einige  Monate 
später  wieder  leichte  Paresen  der  rechten  Gesichtshälfte  und 
der  Zunge  auftraten  und  die  dagegen  gerichtete  Jod-  und  drei- 
tägige Inunktionsbehandlung  wieder  von  einem  heftigen  kon- 
Tulsiven  halbseitigen  Insult  gefolgt  war,  für  die  Folgezeit  nicht 
mehr  zu  einer  spezifischen  Kur  bewogen  werden  konnte.  Die 
während  der  nächsten  ly^  Jahre  tatsächlich  eingetretene  Be- 
mission  in  den  cerebralen  Symptomen  befestigte  den  Patienten 
in  seiner  Auffassung,  bis  eine  schwere,  67,  Jahre  nach  der 
Infektion  und  37^  Jahre  nach  dem  ersten  „Schlaganfall''  ein- 
setzende Attacke  durch  ausgebreitete  Lähmungen  trotz  einer 
nunmehr  dennoch,  wenngleich  aussichtslos,  versuchten  Schmier- 
kur zum  Tode  führte. 

Dieser  Fall  gesellt  sich  zu  den  Hunderten,  in  welchen  die 
Freude  am  raschen  Schwinden  sichtbarer  Symptome  an  der 
Haut  und  den  Schleimhäuten  nach  Sublimatinjektionskuren  in 
der  Frühperiode  bei  mehrjähriger  weiterer  Beobachtung  durch 
Rezidive  auch  schwerer  Art,  speziell  auch  im  Nervensystem, 
hinfällig  wurde  und  welche  mich  schon  1882  in  einer  größeren, 
an  die  Empfehlung  des  Quecksilberformamids  als  neuen  Heil- 
mittels gegen  Syphilis  durch  Liebreich  sich  anschließenden 
Diskussion   in    der  Berliner   medizinischen  Gesellschaft')   dem 


')  In  dieser  Sitzang  vom  6.  Dezember  1882  (Berl.  klin.  Wochenschr. 
1883,  Nr.  11)  führte  ich  u.  a.  folgendes  aas:  „Ich  habe  schon  in  der 
anatomischen  Arbeit  über  hereditäre  Enocheneyphilis,  die  ich  gemeinsam 
mit  Waldeyer  in  Virchows  Archiv  1872  publiziert  habe,  daraufhin- 
gewiesen, daß  vor  diesem  anatomischen  Prüfstein  die  subcutane  Sublimat- 
therapie ebensowenig  Stich  gehalten  hat,  wie  alle  früheren  Präparate  und 
Applikationsweisen,  daß  sich  genau  dieselben  spezifischen  Epiphysenver* 
änderungen  bei  Kindern  vorgefunden  haben,  deren  Mutter  notorisch  auf 
der  hiesigen  Charit äabteilung  für  Syphilis  mit  Sublimat  iojiziert  worden 
waren.  Ich  habe  ferner  hier  gesehen,  daß  Nekrosen  der  Naseukuorpel  und 
Affektionen  der  Röhrenknochen  und  des  Schädels,  Gummata  des  Gehirns, 
der  Hoden  und  alle  sonstigen  Folgen  resp.  Zerstörungen,  die  überhaupt 
dadurch  möglich  sind,  nach  subcut.  Sublimatinjektionen  ebensowenig  aus- 
geblieben sind,  wie  nach  den  älteren  merkuriellen  Eurmethoden.'*  Ich 
ließ  dann  eine  Kritik  von  Lewins  Statistik  der  Rezidive,  welche  sich 
immer  auf  diejenigen  der  also  behandelten  Prostituierten  stützte,  folgen. 


334  Eöbner. 

Ansprache  6.  Lewin  s  entgegentreten  ließen,  daß  keine  Methode 
80  schnell,  sicher  und  nachhaltig  wirke,  keine  so 
wenige  und  benigne  Bezidive  aufzuweisen  habe.  Wenn- 
gleich wir  nun  die  Syphilis  im  Zentralnerrensystem  gleichwie 
in  allen  anderen  Organen  auch  nach  den  anderen  Methoden 
der  Quecksilberanwendung  sich  lokalisieren  sehen  und  wir  keine 
Art  von  sicherer  Präventivkur  speziell  gegen  Syphilis  des 
ersteren  besitzen,  so  haben  sich  mir  doch  besonders  zahlreiche 
Fälle  dargeboten,  welche  in  mir  gleichwie  in  anderen  Beobach- 
tern den  Eindruck  befestigten,  daß  die  Sublimatinjektionen, 
sowie  solche  mit  den  Derivaten  des  Sublimats^)  zumal  für  die 
erste,  grundlegende  Kur  durchaus  nicht  genügend,  nicht 
nachhaltig  wirksam  sind  und  hinter  anderen  Methoden, 
wie  sorgfältig  durcbgeführten  Schmierkuren,  Injektionen  unlös- 
licher Salze  oder  des  Ol.  einer.  (Ed.  Lang)  an  Intensität  der 
Wirkung  zurückbleiben. 

Inwieweit  die  Zurückweisung  der  spezifischen  Therapie 
seitens  des  Kranken  in  den  letzten  iVs  Jahren  die  volle  Aus- 
bildung der  geschilderten  anatomischen  Läsionen  und  damit 
den  tötlicben  Ausgang  verschuldet  hat,  bezw.  ob  derselbe  sich 
durch  jene  hätte  abwenden  lassen,  ist  durchaus  nicht  mit  Be- 
stimmtheit zu  entscheiden,  weil  ein  großer  Teil  der  vorgefun- 
denen Veränderungen  als  längst  irreparabel  anzusehen  war, 
ein  anderer  Teil,  z.  B.  Gummata  des  Oehirns,  erfahrungsgemäß 
öfter  nur  bis  zu  einem  gewissen  Grade  durch  die  spezifische 
Therapie  sich  zurückbilden,  um  dann  stationär  zu  bleiben. 


^)  So  erklärte  Th.  Rumpf  auch  schon  1887  in  leinem  Werke: 
„Die  syphil.  Erkrankungen  des  NervensystemB*^  pag.  649,  „daß  er  nach 
vielfachen  Iigeklionsversuchen  mit  dem  von  Schütz  und  Bohl  and 
dargestellten  Quecksilberamid  (Sublimat-Harnstoff)  von  dieser  Methode 
surückgekommen  sei,  da  sie  ihm  in  einzelnen  Fällen  weniger  zu  leisten 
schien,  als  die  alte  Einreibungskur  und  verhältnismäßig  rasch  unerwartete 
Rezidive  des  Leidens  auftraten.** 


Ans  der  Eönigliohen  üniversit&ts-PoliUinik  Ar  Haut-  und 
(hschlechtskrankhelten  in  Berlin.  (Direktor  Prof.  Dr.  Z.  Lesser.) 


Zur  Theorie  der  Lupusheilung  durch  Licht. 


Von 

Dr.  Franz  NAgelschmidt. 


Seitdem  durch  die  bahnbrechenden  Arbeiten  Finsens  die 
Lichttherapie  auf  den  Boden  exakt  wissenschaftlicher  Forschung 
gehoben  worden  ist,  hat  es  nicht  an  Versuchen  gefehlt,  das 
Licht  als  Heilfaktor  bei  den  verschiedensten  Erkrankungen  zu 
Terwenden.  Unzweifelhafte  und  mit  Sicherheit  erreichbare 
therapeutische  Erfolge  haben  sich  jedoch  bisher  nur  bei  der 
Behandlung  des  Lupus  vulgaris  der  äußeren  Haut  sowie  der 
der  Lichtbehandlung  zugänglichen  Schleimhautpartien  ergeben. 

Ändere  Krankheiten  sind  der  Lichttherapie  ebenfalls  zu- 
gänglich, jedoch  sind  die  Erfolge  keine  so  sicheren  und  gleich- 
mäßigen. 

Über  die  Heilung  des  Lupus  vulgaris  kann  nun  nach  den 
Erfahrungen  der  letzten  Jahre  kein  Zweifel  mehr  bestehen, 
jedoch  ist  der  Mechanismus  dieser  Heilung  noch  keineswegs 
aufgeklärt  Anfänglich  nahm  man  an,  gestützt  auf  klinische 
Beobachtung  und  experimentelle  Untersuchungen  verschiedener 
Autoren,  daß  2  Faktoren  im  wesentlichen  die  Heilung  zu  stände 
bringen.  Der  eine  ist  die  nach  der  Belichtung  auftretende  G  e- 
websreaktion,  der  andere  die  bakterizide  Wirkung 
des  Lichtes,  die  eine  Vernichtung  der  im  Gewebe  enthal- 
tenen Tuberkelbazillen  herbeiführen  sollte.  Daß  das  Licht  in 
der  Tat  bakterizid  wirkt,  ist  durch  zahlreiche  Untersuchungen 
erwiesen.  Man  hat  verschiedene  Bakterienarten,  u.  a.  auch  die 
Tuberkelbazillen  dem  konzentrierten  Bogenlicht  exponiert,  und 
es  hat  sich  gezeigt,  daß  die  verschiedenen  Arten  je  nach  dem 
Alter  der  Kultur,  Wahl  des  Nährbodens  etc.  der  desinfektori- 
schen Kraft  des  Lichtes  verschiedenen  Widerstand  entgegen- 


336  Nagelschmidt. 

setzten,  aber  bei  genügend  langer  und  intensiver  Belichtung 
abgetötet  wurden.  Mit  der  Verbesserung  der  Apparate  ver- 
ringerte sich  auch  die  Zeitdauer,  die  zur  Abtötung  von  Bak- 
terien notwendig  war  und  die  jetzt  in  Gebrauch  befindlichen 
sind  so  leistungsfähig,  daß  sie  z.  B.  den  Bacillus  prodigiosus 
in  2  Sekunden  töten.  Die  bakterizide  Kraft  des  Lichtes  ist 
sogar  ein  so  gleichmäßig  sich  wiederholender  Voigang,  daß 
Kulturen  als  Tastobjekte  für  die  Lichtstärke  und  Wirksamkeit 
neuer  Apparate  benützt  werden  können. 

Man  vermutete  nun,  daß  diese  bakterizide  Wirkung  des 
Lichtes  auf  Tuberkelbazillen  ein  wesentlicher  Faktor,  bei  der 
Lupusheilung  wäre,  daß  aber  daneben  eine  Veränderung  der 
Gewebe  stattfände,  die  zur  Elimination,  resp.  Resorption  der 
erkrankten  Partien  und  zum  Ersatz  durch  gesundes  Gewebe 
führe.  In  der  Tat  sehen  wir  ja  auch  nach  jeder  erfolgreichen 
therapeutischen  Belichtung  eine  ganz  typische  Reaktion  auftreten. 

Während  man  nun  anfänglich  der  bakteriziden  Wirkung 
des  Lichtes  den  Hauptanteil  an  dem  Zustandekommen  der 
Heilung  zuschrieb  und  die  Lichtreaktion  als  mehr  oder  we- 
niger nebensächlich  ansah,  so  änderte  sich  doch  allmählich 
diese  Anschauung  und  man  neigte  mehr  und  mehr  der  Ansicht 
zu,  daß  die  Abtötung  der  Tuberkelbazillen  mehr  der  reaktiven 
Entzündung  der  Gewebe,  der  verstärkten  Blutzufuhr  oder 
eventuell  auftretenden  chemischen  Veränderungen  zuzuschreiben 
sei  als  der  direkten  Einwirkung  des  Lichtes  auf  die  Bazillen  selbst 

Um  nun  entscheiden  zu  können,  ob  das  Licht  den  Lupus 
durch  direkte  Tötung  der  Tuberkelbazillen  oder  erst  sekundär 
durch  Gewebsveränderung  heilt,  ist  es  zunächst  notwendig  zu 
wissen,  ob  Bazillen  innerhalb  der  Gewebe  vom  Licht  überhaupt 
getötet  werden  können.  Denn  die  bisher  angestellten  Experi- 
mente waren  an  Bakterien  in  Reagenzglas-,  resp.  Bergkristall- 
Plattenkulturen  angestellt  und  ließen  keinen  sicheren  Schluß 
darauf  zu.  wie  sich  im  lebenden  Gewebe  befindliche  Bakterien 
dem  Lichte  gegenüber  verhalten  würden. 

Die  histologische  Untersuchung  von  bestrahlten  oder  nicht 
bestrahlten,  tuberkulös  erkrankten  Hautstücken  konnte  hierbei 
keinerlei  Aufklärung  geben.  Ich  nahm  daher,  um  der  Lösung 
dieser  Frage  näher  zu  konunen,  das  Tierexperiment  zu  Hülfe. 


Zur  Theorie  der  Lapuaheilang  durch  Licht.  337 

Die  Versuche  wurden  in  folgender  Weise  angestellt. 

Es  worden  bei  einem  Meerschweinchen  2  von  Haaren  entblößte 
symmetrische  Stellen  zn  beiden  Seiten  des  Rückgrats  nach  yorher- 
gehender  Desinfektion  in  der  Ausdehnung  eines  Zweimarkstückes  mit  einem 
sterilen  Skalpell  skarifiziert.  In  beide  Stellen  wurde  sodann  mit  einem 
Spatel  Tnberkelbazillenbrei  einmassiert.  Die  Tuberkelbazillen  wurden 
einer  reichlich  gewachsenen  Glyzerinagarkoltur  von  8  Wochen  Alter  ent- 
nommeuj  die  ich  durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Herrn  Eaminer  aus 
der  Poliklinik  für  Lungenkranke  von  Herrn  Prof.  Wolf  erhielt  Die 
Einmaasiemng  wurde  gründlich  2—8  Minuten  lang  ausgeführt,  sodann 
der  überschüssige  aus  Blut,  Serum  und  Bazillen  bestehende  Brei  abe[e- 
tupft.  unmittelbar  darauf  wurde  ein  mit  Blaustift  umzogener  Bezirk  im 
Zentrum  der  einen  skarifizierten  Stelle  eine  Stunde  lang  dem  kon- 
zentrierten Licht  einer  80  Amp.  Bogenlampe  unter  Anwendung  eines 
I^ckglases  exponiert ;  es  ist  dies  bekanntlich  die  für  jede  einzelne  Be- 
strahlung allgemein  übliche  Zeit  und  Methode.  Unmittelbar  nach  der 
Bestrahlung  wurde  mit  einem  sterilen  Eorkbohrer  die  zentrale  Partie 
des  bestrahlten  Gebietes  von  zirka  1  em  Durchmesser  ausgestanzt,  so 
daß  die  Schnittlinie  noch  innerhalb  der  bestrahlten  Zone  lag.  Das  um- 
schnittene  Hautstückchen  wurde  nunmehr  steril  abpraparier^  in  Bouillon 
zerzupft  und  diese  Aufschwemmung  8  gesunden  Meerschweinchen  intra- 
peritoneal zu  gleichen  Teilen  injiziert. 

In  derselben  Weise  wurde  von  der  anderen  nicht  bestrahlten  Stelle 
die  zentrale  Partie  steril  exzidiert,  aufgeschwemmt  und  3  anderen  Meer- 
schweinchen injiziert.  Diese  letzteren  8  Meerschweinchen  sollten  als 
Kontrolltiere  für  die  Virulenz  der  verwandten  Kultur  dienen. 

Es  kann  bei  diesem  ersten  Teil  der  Versuche  eigentlich 
von  im  Gewebe  befindlichen  Tb.-Bazillen  nicht  die  Rede  sein; 
vielmehr  sind  dieselben  nur  mechanisch  in  künstlich  herge- 
stellte Lücken  hineingepreßt,  so  daß  wir  uns  den  Verhältnissen 
im  tuberkulös  erkrankten  Gewebe  nur  wenig  genähert  haben 
im  Vergleich  zu  den  üblichen  Plattenkulturversuchen,  wie  sie 
schon  verschiedentlich  gemacht  worden  sind.  Wir  haben  es 
sogar  in  der  skarifizierten  Haut  mit  einem  für  Licbtunter- 
suchungen  sehr  ungünstigen  Substrat  zu  tun,  insofern  beim 
Skarifizieren  Blutungen  auftreten,  die  durch  Anwendung  des 
Druckglases  nicht  weggedrückt  werden  können  und  unter 
ihnen  liegende  Tuberkelbazillen  vor  der  Lichteinwirkung  zu 
schützen  vermochten.  Zudem  ist  die  Zahl  der  verimpften  Ba- 
zillen eine  ganz  kolossale  gewesen,  so  daß  auf  diese  Weise 
ganze  Haufen  unter  einer  derartigen  Blutborke  geschützt  bleiben 
konnten.  Zieht  man  noch  den  Umstand  in  Betracht,  dass  eine 
vollkommene  Abtötung  sämtlicher  Bakterien  einer  nach  Möglich- 
keit homogenen  und  gleichmäßig  belichteten  Kultur  auf  einer 
Bergkristallplatte  fast  nie  gelingt  —  es  kommen  rätselhafterweise 
immer  einige  wenige  Kolonien  zur  Ausbildung  —  so  konnte 
man   schon  vermuten,    dass   die   mit  belichtetem  Material  ge- 

Arch.  f.  Dermftt.  n,  Sypb.  Bd.  LXIII.  '^2 


338 


Nagelsohmidt. 


impften  MeerschweiDchen  an  Tuberkulose  erkranken  würden. 
Und  das  war  auch  in  der  Tat  der  Fall.  Die  Sektion  ergab 
nach  8  Wochen  hochgradige  Tuberkulose  der  Abdominalorgane. 
Ich  stellte  nun  noch  eine  zweite  Versuchsserie  an.  Das 
ursprüngliche  skarifizierte  und  mit  Tb.-Bazillen  geimpfte  Meer- 
schweinchen wurde  nach  der  oben  beschriebenen  Excision  eines 
Teiles  der  geimpften  Partien  sich  selbst  überlassen.  Nach 
5 — 6  Tagen  stießen  sich  die  Schorfe  auf  diesen  Partien  ab, 
die  Defekte  yernarbten  allmählich.  Nach  11  Tagen  schon 
zeigten  sich  die  skarifizierten  Stellen  deutlich  erkrankt.  Sie 
waren  infiltriert,  bräunlich-rot  verfärbt,  mit  Schuppen  und  leichten 

Borken  bedeckt;   die  Haare  waren  nirgends  wieder  gewachsen. 

Am  18.  Tage  nach  der  Impfaog  wurde  ein  Teil  der  eben  beschrie- 
benen, offenbar  tuberkulös  erkrankten  Partie  eine  Stunde  mit  Druckglas 
nach  Finsen  bestrahlt.  Unmittelbar  darauf  Excision,  Zersupfung  in 
Bouillon,  wie  oben  ausführlich  beschrieben.  Hiervon  wurden  ffleiche 
Mengen  S  Meerschweinchen  intraperitoneal  injisiert.  In  der  gleichen 
Weise  wurden  8  weitere  Meerschweinchen  mit  dem  unbelichteten  Material 
der  symmetrisch  gelegenen  Stelle  geimpft.  Ein  weiteres  Stück  wurde  aar 
histologischen  Untersuchung  entnommen. 

In  genau  derselben  Weise  stellte  ich  noch  je  2  weitere 
Versuchsreihen  an.    Die  Resultate  derselben  waren  folgende: 

In  jeder  Reihe  wurde  zunächst  ein  Meerschweinchen,  wie 
oben  geschildert,  an  jeder  Seite  skai'ifiziert  und  an  dieser 
Stelle  mit  Tuberkelbazillen- Brei  geimpft. 

Sodann  wurde  in  dem  ersten  Teil  der  Versuche  (Tab.  A) 
eine  Stelle  belichtet,  ezcidiert  und  verimpft,  die  symmetrische 
Stelle  nicht  belichtet,  excidiert  und  verimpit. 

Resultat:     'ab.  A. 


Mit  belichtetem  Material 

geimpfte 

Meerschweinchen 


Mit  nicht  belichtetem 
Material  geimpfte 
Meerschweinchen 


Reihe  I. 
Reibe  II. 
Reihe  III. 


iUt  3  u  TaUrkil4ii  crfcrukt        Alk  S  u  TiboksloN  «rkrtakt 


.    3  „ 


n 


n 


» 


n 


n 
n 


n 
n 


Im  zweiten  Teil  der  Versuche  (Tab.  B)  wurde  das  Ein- 
treten einer  lokalen  Erkrankung  an  den  skarifizierten  Stellen 
des  ersten  Meerschweinchens  jeder  Versuchsreihe  abgewartet 
Sodann  Bestrahlung,  Excision,  Verimpfiing  eines  Teiles  davon 
und  Verimpfung  des  nicht  bestrahlten,  symmetrischen  Teiles 
der  anderen  Seite. 


Zur  Theorie  der  Lapaiheilimg  durch  Licht. 


339 


Resultat:    Tab.  B. 


Reibe  I. 
Reihe  11. 
Reihe  III. 


Mit  belichtetem  Material 

geimpfte 

Meerschweinchen 


Alle  S  gesund 

2  gesund,  1  tuberk.  erk. 

Alle  8  gesund 


Mit  nicht  belichtetem 
Material  geimpfte 
Meerschweinchen 


iU«  S  u  TaUrknloM  erkrukt 


I» 


Im  speziellen  waren  die  Resultate  der  mit  belichtetem 
Material  geimpften  Meerschweineben   der  Tabelle  B  folgende: 

In  Reihe  I  blieben  alle  Tiere  gesund;  Beobachtungszeit 
8,9,  97,  Wochen.  Weder  makroskopisch  noch  mikroskopisch  in 
Milz,  Leber,  Niere,  Lunge  Tuberkulose  erkennbar. 

In  Reihe  U  erkrankte  ein  Tier  an  Tuberkulose,  und  zwar 
bestand  eine  Tuberkulose  beider  Hoden,  der  Blase  und  der 
Nieren.  Die  beiden  anderen  Tiere  waren,  als  sie  nach  7  Wochen 
getötet  wurden,  noch  gesund. 

In  Reihe  III  dehnte  ich  die  Beobachtungszeit  auf  13,  resp. 
14  Wochen  aus:  es  blieben  sämtliche  3  Tiere  gesund. 

Die  in  der  Tabelle  A  beschriebenen  Impfungen  sind 
eigentlich  nur  als  Kontrollversuche  aufzufassen;  sie  zeigen, 
daß  die  zur  Verwendung  gelangten  Kulturen  einen  hohen 
Virulenzgrad  besaßen  und  daß  eine  genügend  große  Anzahl  Yon 
Bakterien  in  virulentem  Zustande  zur  Verimpfung  gekommen  ist. 

Die  beiden  in  Tabelle  B  benützten  Impfmaterialien  unter- 
scheiden sich  von  einander  ausschließlich  dadurch,  daß  das 
erstere  eine  Stunde  belichtet  worden  ist.  Mithin  ist  das  Aus- 
bleiben einer  tuberkulösen  Erkrankung  bei  8  der  9  damit  ge- 
impften Tiere  nur  dadurch  zu  erklären,  daß  die  Tb.-Bazillen 
durch  die  Bestrahlung  getötet  oder  zum  mindesten  in  ihrer 
Virulenz  so  geschwächt  worden  sind,  daß  sie  in  dem  so  über- 
aus empfänglichen  Körper  des  Meerschweinchens  keine  Er- 
krankung heryorrufen  konnten.  Diese  Schwächung  muß  not- 
wendigerweise eine  direkte  Lichtwirkung  sein;  denn  da  die 
Excision  unmittelbar  nach  der  Belichtung,  also  auch  unmittelbar 
nach  der  Entfernung  des  Druckglases  und  derWiederherstellung  der 
oberflächlichen  Zirkulation  vorgenommen  wurde,  ist  an  eine 
zunächst  auftretende  Lichtreaktion  und  dadurch  bediogte  Schä- 
digung   der  Bakterien   nicht   zu    denken.     Daß    ein   Tier   an 

22* 


340  NagelBchmidt. 

Tuberkulose  erkrankt  ist,  findet  seine  Erklärung  Yielleicht 
darin,  daß  doch  der  eine  oder  der  andere  Tuberkelbazillu» 
zufallig  vor  dem  Lichte  geschützt  war,  falls  man  nicht  an- 
nehmen will,  daß  es  sich  möglicherweise  um  eine  zufallige 
Infektion  von  außen,  etwa  um  eine  aufsteigende  Urogenital- 
tuberkulose gehandelt  hat  Immerhin  sind  ?on  den  in  Tabelle  B 
1.  Rubrik  genannten  Meerschweinchen  8  von  9  am  Leben  und 
gesund  geblieben,  während  die  30  anderen  alle  mehr  oder 
weniger  schwer  an  Tuberkulose  erkrankten. 

Es  erübrigt  noch,  den  histologischen  Befund  bei  dem  ur- 
sprünglich skarifizierten  und  mit  Tb-Bazillen  geimpften  Tier  kurz 
mitzuteilen :  Es  entwickelte  sich  im  Verlauf  von  3 — 7  Wochen  an 
den  geimpften  Partien  ein  Granulationsgewebe,  in  dem  teils 
einfache,  teils  konfluierte  Tuberkel  in  verschiedenen  Haut- 
schichten eingelagert  waren;  dieselben  fanden  sich  sowohl  in 
den  obersten  Schichten  dicht  unter  dem  Epithel,  wie  auch  in 
der  Cutis  und  im  subkutanen  Gewebe.  In  ihnen  waren  zahl- 
Tt  iche  epitheloide  sowie  Riesenzellen  nachweisbar.  In  der  Mitte 
der  Tuberkel  fand  stellenweise  eine  Einschmelzung,  resp.  be- 
ginnende Yerkäsung  statt.  Tb.-Bazillen  wurden  in  mehreren 
Schnitten  in  ziemlich  reichlicher  Anzahl  sowohl  einzeln,  als 
auch  zu  kleinen  Herden  vereint  an  den  verschiedensten  Stellen 
des  Präparates  gefunden. 

Ich  glaube  somit  den  Beweis  erbracht  zu  haben,  daß 
das  Licht  tatsächlich  im  stände  ist,  im  Gewebe  befindliche 
Tuberkelbazillen  zu  töten.  Wenngleich  die  tuberkulöse  Er- 
krankung, die  ich  beim  Meerschweinchen  auf  der  Haut  habe 
hervorrufen  können,  nicht  dem  menschlichen  Lupus  gleich  er- 
achtet werden  kann,  so  glaube  ich  doch  den  menschlichen 
Verhältnissen  in  meiner  Versuchsanordnung  wesentlich  näher 
gekommen  zu  sein,  wie  es  mit  Reagenzglasversuchen  bisher 
möglich  war. 

Ich  halte  mich  daher  zu  dem  Schluß  berechtigt,  daß  die 
Heilung  der  tuberkulösen  Hauterkrankung  durch  Licht  in 
erster  Linie  durch  die  Abtötung,  resp.  Schwächung  der  Tuberkel- 
bazillen zu  stände  kommt.  Erst  nachdem  der  von  diesen  aus- 
gehende Reiz  aufgehört  hat  zu  existieren,  sorgt  die  nunmehr  ein- 
tretende Lichtreaktion  für  die  Resorption  der  tuberkulösen  Produkte 
und  die  Regeneration  der  Defekte,  soweit  dies  eben  möglich  ist. 


J 


Ans  der  Abteilung  fär  Hantkrankheiten  xind  Syphilis  des  Herrn 
Dozenten  Dr.  Spiegier  an  der  Allgemeinen  Poliklinik  in  Wien. 


Über  Kapillardruck-Messungen  normaler 

und  veränderter  Kaut 


Von 

Dr.  Hugo  Fasal, 

AMlBtent  der  Abtailang. 


Der  Eapillardrack  der  menschliclien  Haut  wurde  zuerst 
TOD  ▼.  Eries^)  bestimmt  N.  YonEries  hat  im  physiologischen 
Institut  zu  Leipzig  den  Blutdruck  in  den  Eapillaren  in  der 
Weise  bestimmt,  daß  er  mit  Hilfe  belasteter  Glasplättchen  auf 
«ine  Fingerstelle  einen  Druck  ausübte  und  das  Gewicht  ermittelte, 
welches  notwendig  war,  um  die  komprimierte  Haut  blaß  zu 
machen,  v.  Eries  untersuchte  den  Eapillardruck  bei  verschie- 
dener Haltung  der  Hände.  Er  fand  den  Blutdruck  umso  größer, 
je  tiefer  die  Hände  gehalten  wurden«  Eintauchen  in  heißes  oder 
kaltes  Wasser,  Reizung  durch  den  Induktions-Strom,  ließ  keine 
Vermehrung  des  Blutdruckes  erkennen ;  dagegen  war  eine  nach* 
weisbare  Steigerung  des  EapiUardruckes  durch  Kompression 
der  Venen  (z.  B.  Umschnürung  des  Fingers)  hervorzubringen. 

Andere  Untersuchungen  als  die  genannten  über  den 
Eapillardruck  in  der  menschlichen  Haut  liegen,  soweit  mir  be* 
kannt,  bisher  in  der  Literatur  nicht  vor,  wiewol  bei  der  Wichtig* 
keit  dieses  Gegenstandes  Aufschlüsse  hierüber  sehr  wünschens- 
wert erschienen. 

Ich  bediente  mich  bei  meinen  Untersuchungen,  welche 
den  Zweck  hatten,   den   Eapillardruck  an  yerschiedonen  nor- 

^)  Über  den  Druok  in  den  Blatkapillaren  der  menschlichen  Haut. 
Arbeiten  aus  der  phyriologisohen  Anstalt  sa  Leipzig.  1876.  10.  Jahrgang, 
pag.  69. 


342  Fasal. 

malen  und  krankhaft  veränderten  Hautstellen  in  Vergleichs- 
werten zu  bestimmen,  des  Eapillar-Manometers  von  Prof. 
S.  y.  Basch^).  Mit  Hilfe  dieses  Manometers  wird  der  auf  die 
Kapillaren  wirkende  Druck  direkt,  d.  i.  ohne  Vermittlung  eines 
Diaphragmas  ausgeübt 

Bei  allen  derartigen  Untersuchungen  handelt  es  sich  darum 
zu  beobachten,  bei  welchem  Druck,  oder  unter  welcher  Be- 
lastung die  betreffende  untersuchte  Hautstelle  blaß  wird.  Da 
es  sich  hiebei  um  Abschätzung  feiner  Farbenunterschiede  handelt 
zeigen  sich  gewisse  Fehlergrenzen. 

Es  wurden  daher  bei  Messung  des  Eapillardrucks  jeder 
einzelnen  Hautstelle  wiederholte  Untersuchungen  Torgenommen, 
Ton  welchen  dann  der  Durchschnittswert  aufgezeichnet  wurde. 

Dm  Eapiilar-Manometer  von  B  a  b  c  h  besteht  aas  einem  Glas- 
trichterchen,  dessen  obere  öffiinng  durch  ein  Gläschen  verschlossen  ist, 
und  welches  mit  der  schm&leren  unteren  Mündung  auf  die  Haut  aufge- 
setzt wird.  Um  den  Abschluß  luftdicht  zu  machen,  wird  auf  den  Rand 
eine  dünne  Schichte  Fischleim  aufgetragen.  Von  diesem  Trichter  geht 
ein  Glasröhrchen  aus,  das  einerseits  mit  einem  Manometer,  andererseits 
mit  einem  Kautschukballon  yerbunden  ist  Es  wird  nun  das  Trichterohen 
dicht  auf  die  zu  untersuchende  Hautstelle  aufgesetzt.  Durch  Druck  auf 
den  Kautschukballon  wird  eine  Kompression  der  Luft  erzeugt.  Während 
ich  durch  das  abschließende  Gläschen  hindurch  das  Blaßwerden  der  Haut 
beobachten  kann,  dient  das  Manometer  dazu,  den  hiebei  erzeugten  Luft- 
druck numerisch  zu  bestimmen. 

Der  Eapillardruck  di£feriert  bei  den  verschiedenen  Indi- 
viduen auch  bei  normalen  Hautverhältnissen.  Er  ist  von  ver- 
schiedenen Faktoren,  die  mit  dem  Kreislauf  zusammenhängen, 
abhängig,  die  ich  bei  meinen  Untersuchungen  deshalb  ver- 
nachlässigen konnte,  weil  ich  bei  jeder  Messung  einer  ver- 
änderten Hautstelle  den  Kapillardruck  der  entsprechenden 
symmetrischen  gesunden  Hautstelle  bestimmte  und  so  bei  jedem 
einzelnen  Fall  den  Unterschied  zwischen  dem  Kapillardruck  der 
normalen  und  veränderten  Haut  numerisch  feststellte. 

Nur  bei  der  Untersuchung  der  Urticaria-Quaddeln  mußte 
ich  davon  abweichen,  da  nach  Messung  des  Eapillardruckes  der 
Quaddel,  das  aufgesetzte  Trichterchen  auch  auf  unveränderte 


^)  Prof.  S.  V.  Bas  eh.  Über  die  Messung  des  Kapillardruckes  am 
Menschen  und  deren  physiologische  und  klinische  Bedeutung,  l^iener 
kliDiscbe  Rundschau.  XIV,  pag.  28. 


über  Kapillardraok-MeBsnngen  normaler  n.  yerand.  Haut.      343 

Haut  gebracht,  sofort  durch  den  leichten  Druck  eine  neue 
Quaddel  hervorrief.  Ich  könnt«  daher  erst  nach  Heiluug  der 
Urticaria  den  Eapillardruck  der  normalen  Haut  bestimmen,  um 
ihn  mit  dem  der  Quaddel  vergleichen  zu  können. 

Ich  untersuchte  1.  acutes  Ekzem,  2.  chronisches  Ekzem, 
3.  Herpes  zoster,  4.  Lues,  5.  Urticaria. 

Nach  längerer  Übung  gelingt  es  leicht,  genau  zu  bestimmen, 
in  welchem  Moment  die  betrefiende  Hautstelle  gleichmäßig  blaß 
wird,  und  dann  am  Manometer  die  diesem  Druck  entsprechende 
Zahl  abzulesen. 

1.  AcatesEksem.  Ich  beobachtete  den  Eapillardmok  an  10  Fällen, 
bei  deren  jedem  ich  wiederholte  Messnngen  vornahm.  Stets  war  der 
Eapillardruck  an  den  ekzematösen  Stellen  höher,  als 
an  den  entsprechenden  gesunden  Haatstellen  desselben 
Individuums. 


KAplUar-Dniek  iMi 

Bes.  aeat. 

gesunde  H«at 

Dlflbrens 

Fall 

I 

29 

24 

5 

Fall 

n 

40 

80 

10 

Fall 

m 

36 

27 

9 

Fall 

nr 

32 

26 

6 

Fall 

V 

29 

28 

6 

Fall 

VI 

84 

29 

5 

Fall 

VII 

86 

28 

6 

Fall  VIII 

88 

27 

11 

Fall 

IX 

28 

24 

4 

Fall 

X 

88 

25 

8 

Daraus  folgt,  daß  sich  als  Durchschnitts-Differenz  zwischen  der 
akut  ekcematösen  und  der  gesunden  Haut  7  Teilstriche  (Mm.  Hg)  ergeben. 

Im  weiteren  Verlaufe  konnte  ich  während  der  Behandlung  und 
Heilung  des  Ekzems  die  Abnahme  des  Eapillardnickes  beobachten.  Schon 
nach  eintägiger  Burow-Behandlnng,  die  bei  den  akuten  Ekzemen  die 
häufigste  war,  sank   der  Eapillardruck  an   den   ekzematösen   Stellen  um 


344 


Fasal. 


einige  Teilstriche  des  Manometers.  Bei  Fall  I  war  der  Eapillardmck 
des  noch  unbehandelten  Eksems  29  (der  Eapillardmck  der  getnnden 
flaut  24).  Am  nächsten  Tage  schwankte  der  Eapillardruck  des  durch 
Umschläge  mit  Liquor  Burowi  bedeutend  gebesserten  Ekzems  zwischen 
26 — 26  (gegen  24  der  gesunden  Haut).  Im  weiteren  Verlauf  war  die 
Rückkehr  des  Eapillardruckes  zur  Norm  eine  ganz  allmähliche. 

Bei  allen  akuten  Ekzemen  konnte  ich  beobachten,  dafi  die 
Abnahme  des  Eapillardruckes  bei  antiphlogistischer  Behandlung  in  den 
ersten  Tagen  eine  bedeutend  größere  war,  als  im  weiteren  Ver- 
lauf. Bei  dem  oben  erwähnten  Fall  I  war  der  Eapillardruck  nach  denr 
1.  Behandlungstag  von  29  auf  26  gefallen,  blieb  dann  4  Tage  ungefähr 
auf  gleicher  Höhe,  schwankte  5  Tage  zwischen  25—26  und  wurde  dann 
innerhalb  weiterer  3 — i  Tage  dem  entsprechenden  normalen  Eapillardmck 
von  24  gleich. 

Die  Eunre,  welche  die  Ruckkehr  des  erhöhten  B[apillardrucke8  zum 
normalen  anzeigt,  hatte  folgenden  Verlauf: 


>80 

Therapi  1 
1       2 

i:  Burow 
3      1* 

5 

6 

7 

8 

Pasta  Lassa  ri 
9      10     11      12 

13 

14 

i& 

29 

1 

28 

\ 

• 

27 

26 

^ 

25 

1 

' ■ 

— 

•^ 

2k 

X 

•23 

X 

^ 

2.  Beim  chronischen  Ekzem  waren  die  Werte  des  Eapillar- 
druckes an  den  ekzematösen  Hautstellen  geringer  als  an  den  entsprechenden 
gesunden  Hautstellen.  Es  ist  hier  das  chronische  Lokalekzem  gemeint, 
welches  sich  ans  nicht  ganz  abgelaufenen  Ekzemen  oder  nach  wieder- 
holtem Auftreten  der  akut  ekzematösen  Erscheinungen  entwickelte  Daa 
Blafiwerden  der   chronisch   ekzematösen   Haut   war   hiebei    stets    durch 


über  Eapillardraek-Messimgen  normaler  a.  veränd.  Haut.      345 

einen  greringeren  Dmck  an   ersielen,   als  das  Blaßwerden  der  gesunden 
Hantstelle. 


Ohron.  BeBem 

Qesuada  Haut 

Dlff«r«ai 

Fall      I.  .   .20 

26 

6 

Fall     n.  .  .18 

24 

4 

Fall   m  ...  22 

26 

4 

Fall   IV.   .   .28 

26 

2 

Fall     V.   .   .21 

27 

6 

Fall    Vi  .   .   .  19 

28 

4 

Fall  Vn  .   .   .23 

28 

6 

Durchschnittlich  war  der  Eapillardmck  der  chronisch  ekzematösen 
Hautst-ellen  um  4  Theilstriche  des  Manometers  geringer  als  der  der  ge- 
iundeo  Haut. 

Ein  26j&hr.  Terpentinarbeiter,  der  mit  einem  akuten  artefiaiellen 
Ekzem  beider  Vorderarme  in  Behandlung  stand,  hatte  bei  einem  Kapillar- 
dmck  Yon  26  auf  gesunder  Haut,  auf  der  akut  ekzematösen  Haut  einen 
erhöhten  Eapillardmck  von  82.  Nach  dreiwöchentlicher  Behandlung  und 
bedeutender  Besserung  —  der  Eapillardmck  war  auf  26—27  gesunken  — 
blieb  der  Patient  aus  der  Behandlung  aus.  2  Wochen  später  kam  Patient, 
welcher  mittlerweile  wiederholte  ekzematöse  Nachschübe  gehabt  hatte, 
wieder  u.  zw.  mit  dem  klinischen  Bilde  des  chronischen  Ekzems. 

Der  Eapillardmck  der  ekzematösen  Hautstellen  war  bis  auf  21 
gesunken. 

Auch  an  allen  chronisch&n  Unterschenkelekze- 
m  e  n ,  sowie  in  der  Umgebung  alter  Unterschenkelgeschwüre 
war  der  Eapillardruck  erniedrigt. 

8.  Herpes  Zoster.  Auf  der  geröteten  Basis  vor  der  Herpes 
zoster-Emption,  sowie  an  den  geröteten  Hautstellen  in  der  Umgebung 
des  bereits  bestenden  Herpes  zoster  fand  ich  erhöhten  Eapillardmck.  Ich 
beobachtete  6  F&lle: 


H«rp.  lotter 

Geaunde  Havt 

Dlffarans 

FaU     I.    .    .80 

24 

6 

Fall    n.   .   .27 

28 

4 

Fafl  III .   .   .88 

24 

14 

Fall  IV.   .   .29 

26 

4 

Fall    V ...  31 

24 

7 

346  Fasal. 

Es  hatten  also  die  geröteten  Stellen  einen  darch- 
schnittlich  um  7  Teilstriche  des  Eapillar-Manometers 
erhöhten  Kapillardruck  im  Vergleich  zu.  der  gesunden 
Hant  desselben  Individnams. 

Die  Rückkehr  zum  normalen  Kapillardmok  war  langsam  und  all- 
mählich, synchron  mit  dem  allm&hlichen  Abheilen  des  Zosters.  Waren  sn- 
gleich  mit  der  Eruption  starke  Entsündungserscheinnngen  vorhanden,  wie  bei 
Fall  ni  (was  ans  dem  hohen  Kapillardruck  —  S8  gegen  24  der  gesunden 
Haut  —  zu  ersehen  ist),  so  sank,  wie  beim  akuten  Ekzem,  der  Kapillar- 
drnck  unter  antiphlogistischer  Behandlung  in  den  ersten  Tagen  bedeutend, 
um  dann  ganz  allm&hlioh  zur  Norm  zu  gelangen. 

4.  Bei  den  Kapillardruck-Messungen  der  Lues  maculosa  wählte 
ich  zur  UntersuchuDg  reine  makulöse  Exantheme,  deren  Eifloreszenzen 
unter  Fingerdruck  nahezu  vollständig  abblaßten.  Ich  fand  stets  erhöhten 
Kapillardruck  im  Vergleich  zur  gesunden  Haut.  Die  Erhöhung  war 
hiebei  stets  bedeutender  als  die  bei  den  vorgenannten 
Krankheitsformen  beobachtete;  d.  h.  der  Druck,  welcher  not- 
wendig ist,  um  beim  makulösen  Syphilid  das  gleichmäßige  Blaßwerden 
der  Macula  zu  erzielen,  ist  größer  als  der,  welcher  bei  akutem  Ekzem 
oder  Herpes  zoster  zum  Blaßwerden  der  Haut  notwendig  ist. 

MaeaU  Ivetle«  OMimde  H*at  Dlffereiui 

Fall  I ...  87  24  18 

Fall  II.   .   .82  21  n 

Fall  m.   .   .88  26  12 

Fall  rV.   .   .35  28  12 

Fall  V.   .   .40  29  11 

Fall  VI ...  84  22  12 

Fall  VII ..   .  37  25  12 

FaU  VIII ...  41  27  18 

Daraus  folgt,  daß  der  Kapillardruck  der  Effloreszenz  durchschnittlich  um 
13  Teilstriche  des  Manometers  höher  war,  als  der  der  gesunden  Hant. 

Zugleich  mit  dem  Abblassen  des  Exanthems  nahm  auch  der  Kapillar- 
druck während  der  antiluetischen  Behandlung  allmählich  ab,  bis  er  beim 
Verschwinden  des  Exanthems  dem  der  gesunden  Haut  gleich  vnirde. 

5.  Urticaria.  Der  Kapillardruck  der  Quaddel  ist  niedriger,  als 
der  Kapillardruck  derselben  Hantstelle,  nach  Ablauf  der  Urticaria  ge- 
messen.   Der  Druck  unterschied  ist  allerdings  nicht  groß. 


über  Eapillardruck-MeBSUDgen  normaler  u.  veränd.  Haut.      347 


UitloariA 


(Seiunde  Haot 


Difbrem 


Fall     I.    .    .20 


Fall   II. 


Fall  m  . 


Fall  IV  . 


Fall    V.   .   .28 


.  21 


.  19 


.22 


24 


26 


28 


26 


27 


8 


Der  Kapillardmck  der  Qaaddel  ist  daher  darchschnittlich  um  4 
niedriger  als  der  der  gesunden  Haat 

Aus  den  Yorstehenden  Beobachtungen  ergibt  sich  fol- 
gendes: Beim  chronischen  Ekzem  und  bei  Urticaria 
ist  der  Kapillardruck  der  affizierten  Hautstellen 
niedriger  als  der  bei  normaler  Haut.  Beim  akuten 
Ekzem,  sowie  bei  der  mit  akuten  Entzündungs- 
erscheinungen einhergehenden  Herpes  zoster- 
Eruption,  ferner  bei  luetischen  makulösen  Ef- 
floreszenzen  ist  der  Kapillardruck  erhöht. 

Es  ist  also  der  Druck,  welcher  notwendig  ist,  um  das 
Blut  aus  den  hyperämischen  feinsten  Gefäßen  zu  vertreiben 
geringer  bei  chronischem  Ekzem  und  Urticaria,  größer  bei  akut 
entzündlichen  Erscheinungen  der  Haut  und  beim  makulösen 
Syphilid. 

Die  Rückkehr  des  veränderten  Kapillardruckes  zur  Norm 
erfolgt  bei  akut  entzündlichen  Erscheinungen  anfangs  sprung- 
weise, indem  am  1.  oder  2.  Behandlungstage  unter  anti- 
phlogistischer Behandlung  der  Kapillardruck  bedeutend  sinkt, 
so  daß  er  nur  wenig  vom  Kapillardruck  der  normalen  Haut 
difieriert,  dann  aber  ganz  allmählich  und  langsam  zur  Norm 
zurückkehrt.  Dies  stimmt  auch  mit  der  klinischen  Beobachtung 
überein,  da  ja  bei  den  akuten  Ekzemen  der  augenfälligste  Teil 
der  Besserung  unter  der  antiphlogistischen  Behandlung  in  den 
ersten  Tagen  wahrzunehmen  ist,  während  die  vollkommene 
Heilung  allmählich  eintritt  und  im  Vergleich  zum  Ablauf  der 
ersten  Entzündungserscheinungen  eine  langsame  ist. 


848  Fasal. 

Bei  allen  anderen  Messungen:  dem  chronischen  Ekzem, 
Herpes  zoster,  der  luetischen  Macula,  Urticaria  wurde  der 
Eapillardruck  synchron  mit  dem  allmählichen  Verschwinden  der 
Effloreszenzen,  beziehungsweise  der  Rötung  allmählich  dem  der 
entsprechenden  normalen  Haut  gleich,  und  zwar  rascher  bei 
der  Urticaria-Quaddel,  entsprechend  dem  schnellen  Verschwinden 
derselben,  langsamer  beim  chronischen  Ekzem  und  der  luetischen 
makulösen  Effloreszenz. 

Vorstehende  Untersuchungen  machte  ich  auf  Veranlassung 
des  Herrn  Abteilungsvorstandes  Dozenten  Dr.  Spiegier,  dem 
ich  für  die  Anregung  zu  denselben  herzlichst  danke. 


Kleine  uud  vorläufige  Mitteilungen. 


Zur  Tripperbehandlung. 

Von 

Dr.  Albert  Hirschbmcli,  Posen. 

(Mit  4  Abbildangen  im  Texte.) 


In   der  Behandlung   des  Hamröhrentrippers  beim  Manne  ist  man 
noch  heatzntage  so  wenig  weit  yorgeschritten,  dass  man  von  sehr  tüchtigen 
und   gewissenhaften  Aerzten   oft   genug    die    Meinung  hören   kann,  der 
Tripper  gehöre    zu   den   unheilbaren  Krankheiten.    £in  so  dogmatisches 
Urtheil  zu  äussern,  ist  allemal  gewagt,  denn  es  g^bt  wirklich  „völlig  ge- 
heilte F&Ue^    von   Gonorrhoe.    Immerhin   ist  zuzugeben,  dass  z.  Z.  der 
Tripper    selbst    bei  Anwendung    subtilster  Methoden   und  unter  Beob- 
achtung aller  Cauteleoin  dem  Grade  nur  eine  Zufailsheilung  verbürgt,  dass 
die  Chancen  quoad  restitutionem  bei  Behandlung  mittels  Tripperspritze 
sehr  ungünstig  sind.  Wie  gross  auch  die  Zahl  der  alten,  neuen  und  neu- 
esten zur  Injection  benützten  Medicamente  ist,  so  hervorragend  auch  die 
allgemeine  desinficirende  Wirkung  aller  dieser  Agentien   sein   mag:   die 
Behandlung  mit  der  Tripperspritze    befriedigt   wohl   kaum   einen   Arzt 
mehr.  Aus  den  Misserfolgen  sonst  so  hochwerthiger  Desinficientia  gegen- 
über   dem  verhältnismässig  recht  empfindlichen  Doppelcoccus  lässt  sich 
folgerichtig  der  Satz  herleiten: 

Die  bei  der  Tripperbehandlung  zur  In^jection  benützten  Medica- 
mente sind  nicht  an  dem  Mangel  von  Erfolg  schuldig. 

Daraus  ergibt  sich  einmal  die  Zwecklosigkeit  des  Hastens  nach 
neuen  Medicamenten ;  anf  der  anderen  Seite  kommen  wir  zu  dem 
Schluss,  dass  der  gemachte  Fehler  irgend  wo  anders  liegen  muss,  also 
in  der  Art  der  Anwendung.    Tertium  non  est. 

Das  Ziel  ist  in  der  Beseitigung  des  spontanen  Ausflusses  und  in 
der  Vernichtung  der  Gonococcen  gegeben.  Erst  wenn  nach  mechanischer 
und  chemischer  Reizung  keine  Goccen  mehr  der  Urethra  entlockt  werden 
können,  die  mikroskopisch  oder  durch  ein  anderes  Hilfsmittel  der 
Bakteriologie  nachweisbar  sind,  erst  dann  wollen  wir  von  Tripperheilung 
sprechen. 

Dieses  Ziel  wollen  und  werden  wir  erreichen. 

Wenn  wir  eine  neue  und  zweckmässige  therapeutische  Methode 
finden  wollen,  so  müssen  wir  uns  zunächst  über  die  Mängel,  welche  den 
bisher  üblichen  Behandlungsformen  anhaften,  klar  werden. 


350  Hirsohbrnch. 

Von  zwei  Punkten  aus  kann  man  sich  an  den  Krankheitsherd 
heranwagen : 

1.  Von  aussen.  Die  Anwendnagsformen  sind  zahlreich  und  be- 
friedigen, wie  vorweg  gesagt  sei,  alle  nicht.  In  den  Fignren  1  und  2 
stellt  a  die  schematisirte  Harnröhre,  b  das  irrigireDde  Instrument  dar. 
Bei  1  handelt  es  sich  um  die  commune  Tripperspritze,  bei  2  am  einen 
Doppelspülapparat  mit  Scheidewand,  einem  zufahrenden  and  einem  ab- 
leitenden Endstück.  Auch  nach  erfolgtem  Uriniren  bleiben  in  der  Harn- 
röhre kleine  Schleim-  und  Eiterpartikel  zurück,  die  massenhaft  Gono- 
coccen  in  sich  bergen,  von  den  in  der  Tiefe  des  Schleimhautgewebes 
liegenden  Tripperbakterien  gar  nicht  zu  reden.  Die  in  die  Harnröhre 
geschlenderte  Flüssigkeit  treibt  diesen  Pfropfen  e  in  die  Höhe  bis  /,  wie 
der  Springbrunnen  ein  hohles  Ei.  Da  der  Pfropfen  selbstverständlich 
den  Scheitel  des  Sprudels  bildet,  da  er  aus  dem  Bereich  der  nach- 
drängenden Flüssigkeit  zu  entweichen  sucht  bis  zn  dem  Punkte,  wo  der 
Nutzefifect  des  Druckes  gleich  Null  wird,  d.  h.  wo  der  Druck  bis  znm 
Werthe  der  Reibung  abgesunken  ist  und  da  der  infectiöse  embolisirte 
Pfropfen  nur  an  der  einen  Seite  mit  der  Desinfectionsflüssigkeit  in  Be- 
rührung kommt,  wird  er  in  den  meisten  Fällen  eine  Gonorrhoea  posterior 
auf  dem  Wege  der  directen  Metastase  erzeugen.  Eine  emeate  lufection 
der  vorderen  Harnröhrenabschnitte  von  hinten  her  ist  dann  unver- 
meidlich. Prostatitis,  Blasenkatarrh,  Epididymitis  and  Orchitis  sind  nur 
die  weiteren  Gonsequenzen  der  verfehlten  Behandlung.  Wir  müssen  stets 
daran  festhalten,  dass  der  Misserfolg  auf  das  Sündenregister  der  Methode 
zu  setzen  ist. 

Yanghetti^s  Doppelrohr,  Guyonsche  Spülung  u.  s. w.  gehören 
mutatis  mutandis  in  dieselbe  Kategorie;  auch  hinsichtlich  des  Fehl- 
erfolgs. Dieser  eine  grosse  Fehler,  der  —  abgesehen  von  einer  Reihe 
anderer  jedoch  minder  wichtiger  Nachtheile  —  allein  schon  die  ganze 
Behandlung  disoreditirt,  wird  vermieden,  wenn  man  die  Krankheit  von 
dem  andern,  entgegengesetiten  Punkte  aus  zu  heilen  unternimmt,  nämlich 

2.  von  innen.  Einer  gründlichen  Durchspülung  der  Harnröhre  in 
der  Richtung  von  der  Blase  her  nach  aussen  zu  wird  deshalb  mit  vollem 
Recht  von  manchen  Seiten  das  Wort  geredet  Sei  es  aber  nun,  dass  man 
nur  harntreibend  wirkt,  oder  dass  man  den  Kranken  solche  Medicamente 
einnehmen  lässt,  welche  im  Harn  wieder  erscheinen  und  desinficirend 
wirken,  immer  wird  diese  innere  Behandlung  im  eigentlichen  Sinne  ihre 
Grenze  finden  in  der  Aufnahmefähigkeit  des  Magens  und  in  der 
Leistungsfähigkeit  der  Nieren  wie  des  Herzens.  Je  länger  aber  die 
Spülung  der  Harnröhre  in  der  Richtung  des  fliessenden  Harns 
vorgenommen  wird  mit  Mitteln,  die  m.  £.  nicht  einmal  allzu  hohen  Dea- 
infectionswerth  haben  dürfen,  wie  man  leicht  einsehen  kann,  um  so 
sicherer  wird  man  nicht  nur  eine  gründliche  Oberflächenreinigung  der 
Schleimhaut,  sondern  auch  eine  Auswaschung  des  Gewebes  erzielen. 

Es  gibt  nun  im  wesentlichen  zwei  Katheterformen,  die  zum  Zweck 
der  längere  Zeit  dauernden  Spülung  construirt  wurden,    der  Siebkatheter 


Zur  Tripperbehandlung.  351 

Ültzmanns  and  d«r  rftokw&rts  darchbohrte,  geknöpfte  Katheter. Fig.  3. 
Beide  Katheter  sind  trefflich  dazu  geeignet,  nicht  hlon  das  aof  der 
Schleimhaat  liegende  infectiöse  Material  gegen  die  Blase  zn  yerschieben, 
sondern  noch  obendrein  die  oberflächlichen  Gewebe  der  Harnröhre  gut 
auszupressen  nnd  die  hervorquellenden  Gonoooccen  auch  noch  zur  Infec- 
tion  mehr  blasenwftrts  gelegener  Theile  zu  verwerthen. 

Der  geknöpfte  Katheter  besorgt  die  Aaspressung  der  Schleimhaut 
noch  viel  gründlicher,  als  der  Siebkatheter.  An  und  für  sich  wäre  das 
Ausdrucken  der  Infectionsmassen  ja  eine  recht  nützliche  Eigenschaft, 
zumal  aof  demselben  Wege,  auf  dem  die  Gonococceu  aus  dem  Gewebe 
heraustreten,  die  Spftlflüssigkeit  um  so  leichter  in  das  Gewebe  hinein- 
dringen kann  zu  den  noch  in  ihm  zurückgebliebenen  Krankheitserregern, 
wenn  die  mit  mathematischer  Sicherheit  zu  erwartende  Ansteckung  der 
hinteren  Hamröhrenpartie  nicht  wäre. 

Um  aus  diesem  Dilemma  herauszukommen,  habe  ich  meinen  Drei- 
laufkatheter (D.  R.  P.  116.510)  construirt,  Fig.  4.  Bei  dem  aus 
Metall  hergestellten  Apparat  ist  die  äussere  Form  des  geknöpften  Ka- 
theters für  rückfliessenden  Strahl  beibehalten ;  c^  ist  der  zufuhrende  Tabus, 
mit  0,  sind  die  beiden  rückwärts  gerichteten  Ausflussöflnungen  bezeichnet. 
Diesen  Katheter  durchziehen  der  ganzen  Länge  nach  zwei  über-  resp. 
untereinander  liegende  Röhren,  die  an  der  Katheterknopfspitze  in  a,  und 
&i  ausmünden.  Die  zu  den  beiden  Innenröhren  hiuleit enden  Tuben  mögen 
flj  resp.  &|  heissen.  Die  untere  der  beiden  Innenröhren  ist  von  grösserer 
lichter  Weite  als  die  obere.  An  ß,  wird  ein  Gummischlauch  angehangen. 
Man  füllt  ihn  von  seinem  unteren  Ende  aus  mit  der  zu  benützenden 
Spülflüssigkeit,  bis  dieselbe  aus  b^  continuirlich  ausfliesst,  nnd  verschliesst 
durch  einen  Quetschhahn,  den  man  am  Schlauchende  in  ein  Abfallgefass 
herabhängen  lässt.  Der  Tubus  a^  wird  mit  dem  Schlauch  eines  Irrigators 
verbunden  und  der  Irrigator  selbst  wird  massig  hoch  eingestellt.  Der 
Grad  der  Höheneinstellnng  ergibt  sich  bei  feststehender  Operationshöhe 
beim  ersten  praktischen  Versuch  mühelos. 

Setzt  man  nun  den  Katheterknopf  fest  in  die  Hamröhrenmündung 
ein,  so  hat  man  folgende  einfache  Verhältnisse  vor  sich. 

Die  Wand  an  Wand  liegende  Schleimhaut  der  Harnröhre  I  wird 
durch  die  grösste  Circumferenz  des  Katheterknopfes  zu  einem  kleinen 
Trichter  formirt. 

Es  sei  nebenbei  bemerkt,  dass  dieser  Trichter  einige  Abweichungen 
von  der  üblichen  rund-konischen  Trichterform  darbietet.  Dieser  Trichter 
ist  zunächst  nur  virtuell:  d.  h.  er  ist  nur  rechnerisch  vorhanden. 
Elastischer  Zug  aller  Gewebe  des  Penis  und  äusserer  Luftdruck  legen 
die  Harnröhrenwand  vor  der  Katheterknopfspitze  au  diese  heran.  Bei 
dem  oben  beschriebenen  Dreilaufkatheter  wird  der  äussere  Luftdruck 
durch  den  Gesammtinnendruck,  der  sich  zusammensetzt  aus  dem  Flüssig- 
keitsdruck und  aus  dem  Drucke  einer  Luftschicht,  die  nur  wenig  niedriger 
ist,  als  die  äussere  Luftsäule,  paraljsirt.  Ja  noch  mehr!  er  wird  über- 
compensirt.    Jetzt  kommt   es   uns   darauf   an,  diese  Uebercompensation 


352  Hirsohbruoh. 

gegenfiber  dem  änsseren  auf  den  Penis  wirkenden  Luftdmck  durch  Heben 
des  Irrigators  um  so  yiel  zu  erhöhen,  dass  auch  der  elastische  Gewebe- 
zag  aasgeglichen  ist.  DerEffectist,  dass  nun  die  durch  den  Katheterknopf 
bewirkte  Spannung  der  Hamröhrenschleimbaut  reell  zum  Ausdruck 
kommt  in  der  Bildung  eines  reellen,  mit  Fl&ssigkeit  gelullten  kleinen 
Trichters. 

Nimmt  man  nun  den  Quetschhahn  am  unteren  Ende  des  herab- 
hängenden Schlauchs  ab,  dann  ist  dieser  Schlaach,  den  wir  ja  mit 
Flüssigkeit  gefüllt  haben,  ein  Sangheber.  Da  jeder  Druck  —  auch  der 
negative  im  Saugheber  —  resultirt  aus  Querschnitt  mal  Höhe  mal  speci- 
fischem  Gewicht,  l&sst  sich  die  Operationshöhe  leicht  so  einstellen,  dass 
die  Saaj^kraft  des  Hebers  über  den  positiven  Druck  vor  der  Eatheter- 
knopfspitze  das  üebergewicht  hat.  Der  Querschnitt  des  ableitenden  Innen- 
rohrs ist  deshalb  grösser  gewählt,  als  der  des  zuführenden  Theils  a^  a  a^ 
um  auch  bei  niederer  verfügbarer  OperatioDshöhe  dieses  Postulat 
erfüllen  zu  können.  Es  ist  selbstverstlUidlich,  dass  bei  feststehender 
Operationshöhe  den  Anforderungen  an  die  Druckregulimng  auch  durch 
Heben  und  Senken  des  Abfallgefasses  geoügt  werden  kann.  Erst  wenn 
weitere  Hebang  bei  der  Operationsanordnung  nicht  mehr  angängig  ist, 
mag  man  den  Irrigator  heben. 

Wir  müssen  uns  gegenwärtif  halten,  dass  die  Saugwirkung  des 
Saughebers  in  demselben  Sinne  wirkt  wie  die  Summe  aller  Druckkräfte, 
dass  also  vor  der  Katheterknopf  spitze  negativer  Druck  herrscht.  Dieser 
negative,  in  der  Richtung  b^  b  b^  verlaufende  Druck  soll  nur  so  gross 
sein,  um  die  Reibung  der  Spülflüssigkeit  auszugleichen  und  um  das  von 
der  Wand  des  Schleimhauttrichters  abeespülte  infectiöse  Material  nach 
aussen  zu  entfernen.  Aus  diesem  Grunde  darf  man  den  negativen  Druck 
auch  nur  auf  geringer  Höhe  halten,  um  nicht  die  Schleimhaut  gegen  b^ 
zu  aspiriren. 

Indem  man  so  den  jeweilig  vor  der  Katheterknopfspitze  befind- 
lichen Schleimhauttrichter  abspült,  führt  man  den  Katheter  sehr  langsam 
bis  hinter  die  letzte  als  erkrankt  vermuthete  oder  noch  besser  constatirte 
Stelle  der  Harnröhre.  Dann  steckt  man,  nachdem  der  in  dem  Eimer 
hineinhängende  Schlauch  abgesperrt  ist,  den  Irrigatorschlauch  von  a^  nach 
Cj  um  und  stellt  den  Irrigator  langsam  hoch.  Man  kann  sich  freilich 
auch  —  und  das  ist  für  den  Arzt  bequemer  —  zweier  Irrigatoren  be- 
dienen. Die  RückwärtsBpülung  im  Sinne  des  fliessenden  Harns  maf 
V4  Stunde  und  länger  dauern,  bevor  man  den  Katheter  langsam  und 
vorsichtig  entfernt. 

Wer  besonders  exact  vorgehen  will,  kann  auch  bei  diesem  letzten 
Act  der  Operation  vor  dem  Katheterknopf  spülen. 

Ueber  die  Art  der  Spülflüssigkeit  lässt  sich  a  priori  nur  soviel  aus- 
sagen, dass  die  Benützung  scharfer,  ätzender  Substanien  das  Gewebe  der 
Hamröhrenschleimbaut  schwerer  permeabel  macht  und  deshalb  einer 
Auswaschung,  wie  wir  sie  vorhaben,  nachtheilig  ist.  Uebermangansaures 
Kali  scheidet  in  einer  gonorrhoischen  Harnröhre  grosse  Massen  von 
Mang»  noxy den  ab,  die  sich  in  allen  Lücken  und  Buchten,  besonders  in 
den  Vertiefungen  und  Poren  der  zwischen  den  oberflächlichen  Epithelien 
liegenden  Intercellularsubstanz  niederschlagen ;  ausserdem  machen  diese 
dunkelbraunen  Beschläge  das  aus  Metall  gearbeitete  Instrument 
unansehnlich. 

Eine  schwache  Borsäure-Lösung  dürfte  sich  gut  für  unsere  Zwecke 
eignen.  Es  soll  jedoch  mit  diesem  Vorschlage  hinsichtlich  der  Wahl  des 
Medicaments  nichts  prajudicirt  sein.  Jeder  SpÜlflüssigkeit  Blutwärme 
zu  geben,  ist  —  wie  es  scheint  —  allgemeine  und  m.  E.  berechtigte 
Gepflogenheit  des  Specialisten. 


a 


f 


d 


Flg«  1. 


Znr  Tripperbehandlnng. 


363 


a 


\ 


s 


Fig.  S. 


Flg.  4. 


C  h 

Areb.  f.  Dermat.  n.  Sjpb.  Bd.  LZIII 


6K^6 


y 


M 


I 


O. 


u — I 
Fig.  <. 


23 


.   über  ein  neues 
nnd  einfaches  Verfahren  der  Tripperheilnng. 

Yorl&nfige  Mitteilung 
Ton 

Dr.  Max  Yon  Nielsen,  Wiesbaden. 

(Hiezu  eine  Abbildung  im  Texte.) 


Nea  kann  ich  die  unten  zu  beschreibende  Methode  der  Gonorrhoe- 
behftndlung  nar  insofern  bezeichnen,  als  ich  mir  dieselbe  aiugedmcht 
habe  und  nicht  weiß,  ob  dieselbe  bereits  existiert,  geflbt  wurde  resp. 
noch  etwa  geübt  wird.  Sehr  bekannt  und  yerbreitet  kann  sie  jedenfalls  nicht 
•ein,  sonst  hätte  ich  davon  gehört.  Dieselbe  ist  so  einfach,  wenig  seit- 
raubend und  wirksam,  daß  es  merkwürdig  w&re,  falls  sie  nicht  in  dieser 
oder  jener  Modifikation  schon  Anwendung  gefunden  haben  sollte. 

Jeder  Arzt  hat  gewiß  die  Undankbarkeit  und  Langwierigkeit  der 
Tripperbehandlung  quoad  restitutionem  ad  integrum  genugsam  empfunden, 
unsere  relative  Machtlosigkeit  wird  auch,  zumal  bei  verschleppten  Fällen 
durch  nichts  besser  illustriert,  als  durch  die  Unzahl  der  neu  empfohlenen 
Mittel  nnd  Methoden  der  Tripperheilong.  Liegt  es  nun  auch  zum  Hanpt- 
teil  in  der  Natur  des  Leidens  und  seines  Sitzes,  wenn  man  eines  Trippers 
oft  trotz  peinlichster  Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  seitens  des  Arztes 
und  Patienten  nicht  Herr  wird,  so  liegt  andererseits  die  Hauptschuld 
an  dem  immer  noch  der  Lösung  harrenden  Problem  der  inneren  Anti- 
leptik,  der  Desinfektion  des  infizierten  Gewebes,  worum  es 
sich  im  Grunde  genommen  bei  der  Gonorrhoekurierung  handelt  Die 
Gonokokken  der  GewebsinterBtitieUf  resp.  Zellbinnenr&ume  sind  den  ab- 
tötenden Mitteln  nicht  zugänglich,  es  sei  denn,  daß  das  Gewebe  mit 
ihnen  zerstört  wird  und  solches  ist  meist  nicht  in  dem  erforderlichen 
Umfang  und  Maß  angängig.  Die  Lokalisierung  solcher  scharfer  Ätzmittel 
verbietet  sich  übrigens  für  die  Allgemeinheit  der  praktischen  Ärzte  wegen 
Mangels  an  geeigneten  Instrumenten  und  Routine  von  selbst,  doch  können 
sie  sich  damit  trösten,  daß  auch  routinierte  Spezialisten  oft  g^nug  selbst 
mit  dem  vollkommensten  Instrumentarium  nicht  viel  mehr  erreichen, 
als  Nicht-Spezialisten,  diese  müßten  denn  auf  dem  Standpunkte  mancher 
Urologen  stehen,  daß  nicht  nachgewiesene  Gonokokken  bei  vorhan- 
denen Tripperfäden  ein  Kriterium  der  Tripperheilnng  ausmachen. 


Ober  ein  nen«a  nnd  einhobe*  Verfahren  der  Tripperheil ang.     355 

Weder  die  Janettehen  DanerapüInDgen,  noch  die  Dauer- 
Kontakte  mit  Lösan^n  von  Silher-  and  anäeren  Pr&paraten,  noch  sohliefl- 
lich  die  der  Anthrophore  giht  geoögeade  oder  anch  nur  ananahmiloa 
befriedigende  Reeoltate. 

Gegenüber  dieten  and  anderen  nicht  hier  weiter  aafznififalenden 
Hißttftnden  nad  HSngeln  kam  ich  vxl  die  Idee  einer  Eombinatioa 
von  einer  mögliohat  intenaiven  onddanerndenAntiieptik- 
Wirkaag  mit  einer  Ernenerang  nnd  Beiorption  de«  be- 
treffenden Antiaeptikn  m  B.  Dm  ch  emiiche  Agene  dei  baktericiden 
Hittelt  loUte  durch  die  reeorptiveD,  aaiimila  tiven  nnd  bakterieiden  Potenzen 
von  Zelle  and  Gewebe  uuterstütEt  werden.  Eine  Bakterien- Verdauung  moBte 
nro  eo  mehr  der  Zelltitigkeit  erleichtert  werden,  wenn  die  betreffenden 
Infektiona- Erreger  sich  in  einem  dnrcb  das  Antiaepticum  qnaai  inakti- 
vierten Znatande  befinden,  wo  sie  nicht  völlig  abgetötet  wnrden.  Die 
■0  geitellle  Anfgabe  habe  ich  in  folgender  Weite  m  lösen  gesacht: 

In  die  «n  Tripper  erkrankte  Harnröhre,  resp.  dm  Utera»  wird  noch 
Crin- Entleerung  ein  mit  Katheter -Hu  he  maikierter  hygroskopischer  Docht 
eingefährt,  der  luvor  mit  der  gew&blten  antiteptischen  Lösang  getrfinkt 
wurde.  Domittelbar  darauf  wird  die  Katheter- Hälse,  indem  man  mit 
der  einen  Hand  den  vorne  mit  Endknopf  vfrsebeneo,  durch  den  Docht 
hindurchgesogenen  Drat  proximal  nach  der  jeweilig  En  behandelnden 
Kfirperhöble  zn  sanft  gegenhBlt,  über  den  Docht  EDrückgeiogen.  Darauf 
wird  der  hintrre,  freie  nnd  womöglich  aufgefranste  Docht  in  ein  Gef&S 
Reogensglas)  mit  der  gleichen  antiseptischen  Lotung  eiugetaacht,  der 
Drat  festgehalten  nnd  so  der  Docht  mit  dem  Drat  beliebig  lange  einmal 
der  Aufasognng  frischer  Löanng,  andereraeitt  drm  Kontakt  mit  der  in- 
fiiierten  Schleimhaut  autgetetzt,*) 


Et  genügt  bei  dsm  von  mir  vorwiggend  vervendetan  Protnrgol  in 
IV^ger  LAsnng  dnrohsflhnittlioh  V«  Stunde  bis  SO  Hianten.  Tor  AbUnf 
-dieser  Zeit  nnd  bei  mkinliohen  Kranken,  wihrend  der  Docht  noch  in 
dem  betreffenden  Teil   der  Harnröhre   liegt,    wird    nm   den    Penis    ein 


*)  Die  Schleimhaat  imbibiert  sich  apoDtan,   was  anscheinend  unter 
der  DraekwirkQQg  der  Injektionen  nicht,  oder  nicht  so  intenaiv  geschiebt. 


356  NioBsen. 

Earbolprießnits-Umsohlag^)  gelegt,  der  2 — S  Standen  liegen  bleibt.  Der 
Docht  wird  nun  dnroh  yorsichtig  drehendes  Ziehen  heransgebracht  nnd 
der  Patient  mit  der  Weisung  entlassen,  in  der  nächsten  Stunde  nicht 
SU  minieren.  Weiblichen  Patienten  empfiehlt  man  einige  Standen  Bett- 
rahe, l&ßt,  wo  es  erforderlich,  eine  Auswischung,  resp.  Aosspülong  des 
Cerrix  oder  Uteras  voraafgehen  und  kann  den  Prießnits- Umschlag,  sa 
dem  man  3 — 57oige  Earbol-Lösang  verwenden  kann,  auf  den  Unterleib 
anlegen,  während  derselbe  bei  Behandlang  der  Pars  posterior  and  pro- 
statica  bei  Männern  mittelst  f"  Binde  am  Damm  angebracht  wird. 

Es  genügt  oft  eine  einmalige  Anwendung  dieses  Verfahrens,  sobald 
die  Ausfahrung  eine  entsprechende  war.  Der  Erfolg  ist  ein  recht  be- 
friedigender, in  manchen  Fällen  sogar  derart  überraschender,  daß  ich 
nicht  zögern  möchte,  diese  relativ  einfache  and  leicht  aasführbare  Methode 
schon  jetzt  den  Herren  Eollegen  zar  Nachprüfung,  zumal  an  einem 
größeren  Material  von  Gonorrhoe,  als  es  mir  z.  Zt.  zur  Verftigung  steht,  zu 
empfehlen.  Dieselbe  ist  sicher  noch  modifizierbar,  resp.  vervoUkommnangs- 
f&hig,  leistet  aber  auch  so  bereits,  wie  mir  scheint  mehr,  als  viele  anderen 
and  kann  in  allen  Stadien  der  Gonorrhoe  Anwendung  finden.  Eine  Re- 
sorption von  Gonokokken  in  die  Blutbahn,  soweit  eine  solche  von  lebenden 
Eeimen  erfolgt,  ist  kaum  mehr  zu  befürchten,  eher  sogar  weniger,  als 
sie  überhaupt  bei  Gonorrhoe  einzutreten  pflegt,  doch  hierüber  und  über 
manches  andere  Einschlägige  soll  später  eingehend  berichtet  werden.") 

Das  einfache  Instrument,  nach  meinen  Angaben  gefertigt,  kann  von 
Instrumentenmacher  Eschbaum  in  Bonn  bezogen  werden. 


*)  Ich  lege  diesen  derart  an,  daß  eine  2  em  breite  and  mit  3*/» 
Karbol- Wasser  imprägnierte  Mullbinde  um  den  Penis  von  der  Glans  an 
bis  zur  Wurzel  in  Touren  mäßig  festgewickelt,  mit  gleich  breiten  Streifen 
Guttaperchapapier  bedeckt  und  wiederum  von  einer  trockenen  Binde 
umwickelt  wird. 

')  Über  eine  weitere  Methode  der Behandluni^  der  infektiösen 
Prostata-Erkrankungen  mittelst  Einspritzungen  von  Earbol-Cooain- 
Lösungen  in  ihr  Gewebe  vom  Rektum  aus  kann  ich  zur  Zeit  noch  nicht 
berichten,  da  das  Instrumentarium  und  die  Versuche  noch  nicht  spruch- 
reif sind.  Die  Prostatainfektion  wird  übrigens  auch  durch  die  oben  be- 
schriebene Applikation  indirekt  mit  beeinflußt,  da  die  Imbibition  nicht 
nur  in  die  Zellinterstitien  der  Harnröhrenauskleidung,  sondern  bis  in  die 
Drüsenkanäle  vor  sich  zu  gehen  scheint. 


Berieht  ülier  die  Leistungen 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis, 


l 


Verhandlungen  der  Wiener  dermatologischen 

Gesellschaft. 


Sitznng  vom  19.  Februar  1902. 

Vorsitzender:  Kaposi.  Schriftführer:  Ereibich. 

Kaposi  zeigt  einen  d8j&hrigen,  durch  Alkoholabusus  stark  herab- 
gekommenen  Mann,  der  an  den  Streckseiten  der  Extremitäten  eine 
papulöse,  mit  Erythemen  gemengte  Purpura  zeigt.  Neben  elevierten, 
lebnafi  blauroten  Knötchen,  deren  Farbe  auf  Druck  fast  gar  nicht  abblaßt, 
sind  einzelne  rote,  erbsengroße  Erythemflecke ;  dazwischen  auch  vielfach 
in  Rückbildung  befindliche  schuppende  Knötchen  und  Flecken,  sowie 
ältere  Pigmentierungen,  die  wohl  darauf  hinweisen,  daß  die  Affektion 
schon  einige  Wochen  dauert.  Es  gibt  eben  auch  Mischformen  yon 
hämorrhagischer  Diathese  mit  Erythemen,  bei  denen  z.  B.  an  den  unteren 
Extremitäten  eine  Peliosis,  an  den  oberen  reine  Erytheme  auftreten. 

N  e  u  m  a  n  n  verweist  auf  die  Ähnlichkeit  dieser  Formen  mit 
Psoriasis ;  auch  kommt  es  bei  Purpura  in  der  Begel  nicht  zur  Schuppen- 
bildung, außer  bei  der  papalösen  Form  an  den  Unterschenkeln  und  am 
Fnßrücken. 

Kreibich.     Für  Erythem   sprechen   einzelne   EfQoreszenzen   im 

Gesichte  mit  stärkerer  Exsudation.    Daß  viele  der  £[nötchen  ähnlich  wie 

bei  Psoriasis  schuppen,  ist  vielleicht  auf  äußere  Reiz  Wirkung  durch  Stroh 

zurückzuführen,  auf  welchem  der  psychotische  Patient  immer  schläft. 

Weidenfeld.  Der  bereits  früher  einmal  vorgestellte  Patient  mit 
universellem  Pemphigus  foliaceus  bietet  ein  sehr  beachtens- 
wertes Symptom  dar,  das  sich  erst  in  der  letzten  Woche  so  deutlich 
ausgebildet  hat.  Während  am  ganzen  Körper  von  der  behaarten  Kopf- 
haut an  bis  zu  den  Fußsohlen  bald  nach  den  ersten  Blaseneruptionen 
vom  7.  £[rankheitsmonate  an  fortwährend  schuppenförmige  Exfoliationen 
der  Epidermis  einander  folgen,  zeigt  die  Haut  jetzt  daneben  vielfach, 
besonders  an  der  Hinterseite  des  Halses,  den  Achselfalten  und  zwischen 
den  Finffem  papilläre,  feinwarzige  Exkreszenzen  von  derber  Beschaffen- 
heit una  hahnenkammartiger  Anordnung  längs  der  Hautfalten,  ähnlich 
der  Acanthosis  nigricans ;  doch  fehlt  jede  Pigmentation. 

Ehrmann.  Ich  stelle  einen  Fall  von  vulgärer  Akne  vor,  der 
durch  seine  Lokalisa^ion  und  Ausdehnung  sowohl  diagnostisches  als  auch 
pathologisches  Interesse  gewinnt.  In  der  Gluteal^^end,  an  den  Ober- 
schenkeln, am  Kreuzbein  und  mens  veneris  finden  sich  zahlreiche  typische 


360  Yerhandlunf^en 

AknepuBteln,  teils  kleine  rote  Knötchen  mit  zentralem  Eiterponkte,  teilt 
größere^  im  Zentrum  eitrig  zerfallene  Knoten.  Der  Aassohlaff  war  gleich 
am  Beginne  der  Behandlung  dicht  gedrängt  pustolös  und  nahm  erst  nach 
Anwendung  von  Schälpasten  das  Bild  einer  gewöhnlichen  Akne  an.  Zur 
Beantwortung  der  Frage,  warum  dieselbe  fferade  diese  Region  einnimmt, 
können  wir  nur  sagen,  daß  dieselbe  durch  Reibung  der  Haut  beim  Tragen 
enger  Beinkleider  und  die  Übertragung  des  Infektionsstoffes  hiebei  ent- 
standen sein  dürfte.  Man  könnte  auch  an  Teer^  oder  Fettstoffakne 
denken;  dagegen  spricht  schon  die  Beschäftigung  des  Mannes,  der 
Schriftsetzer  ist;  auch  mftßte  dann  die  Erkrankung  zuerst  an  den  unbe- 
deckten HautsteUen,  an  den  Hftnden  und  im  Gesichte  aufgetreten  sein. 
Es  ffibt  auch  Kollegen,  welche  die  Sykosis  der  Akne  zurechnen ;  ich  muß 
micn  gegen  diese  Auffassung  richten,  weil  wir  so  viele  Akneformen 
haben,  Mi  denen  die  behaarte  Kopfhaut  frei  bleibt,  während  bei  der 
Sykosis  gerade  behaarte  Gebiete  betroffen  sind.  Zur  Therapie  dieses  Falles 
möchte  ich  nur  bemerken,  daß  derselbe  lange  nichts  anderes  als  Burow 
vertrug. 

Neumann.  Das  ungewöhnliche  dieser  Akneform  ist  mit  Recht 
auffallend,  zumal  keine  Kombination  mit  einer  Akne  im  Gesichte  oder 
am  Racken  besteht.  Man  muß  daher  annehmen,  daß  dieselbe  artefizieller 
Natur  ist.  Gegen  jene  Akne,  die  durch  fette  öle  entsteht,  mit  denen 
manche  Arbeitsräume  geschwängert  sind,  spricht  die  Lokalisation. 

Kreibich.     Der  Prozeß   ist  gewiß  eine  Akne  und  unterscheidet 

sich   von   anderen   kokkogenen    Prozessen    mit   Pustelbildung   wie    der 

Impetigo  corporis   schon  durch  das  langsame  Entstehen  der  Pustel  und 

ihr  Hervorgehen  aus  Gomedonen. 

Kreibich  demonstriert  ein  14 jähriges  Mädchen,  das  vor  6  Tagen 
unter  hohem  Fieber  und  heftigen  Allgemeinerscheinungen  erkrankte. 
Vor  2  Tagen  trat  über  Nacht  unter  starken  und  andauernden  Kopf- 
schmerzen am  ganzen  Körper  ein  Ausschlag  auf,  der  seit  der  Aufnahme 
ins  Krankenhaus,  heute  Morgens,  an  Intensität  noch  zugenommen  hat. 
Am  Stamm  sowohl,  vorwiegend  am  Bauche  als  an  der  Beuge-  und 
Innenfläche  der  Extremitäten  finden  sich  zahlreiche,  stellenweise  dichter 
ffehäufte  linsen-  bis  fingemagelgroße,  lebhaft  rote  Roseolen  und  Erythem- 
knötchen. Die  bekannten,  glänzenden  Knötchen  des  Diete Ischen 
Exanthems  sind  nicht  vorhanden.  Da  auch  andere  klinische  Symptome 
des  Ileot^phus  deutlich  ausgeprägt  sind,  Milztumor,  Ileocoecalgurren,  der 
dünnbreiige  Stuhl,  dikroter  Puls,  so  stehe  ich  nicht  an,  die  Aiektion  als 
Typhusexanthem  aufzufassen. 

Neu  mann.  Sicher  handelt  es  sich  um  ein  ESrythem;  die  Frage 
ist  nur,  ob  es  ein  multiformes  oder  nur  das  Symptom  einer  anderen 
Infektionskrankheit  ist.  So  universelle  Roseolenerytheme  kommen  nur 
bei  sehr  schwer,  meist  letal  verlaufenden  Fällen  von  Typhus,  seltener 
von  Pneumonie  vor. 

Ehrmann  demonstriert 

1.  eine  28  jährige  Patientin  wesentlich  aus  diagnostischem  Interesse. 
Vor  8  Tagen  bot  die  Diagnose  große  Schwierigkeit;  die  Primäreffloressensen 
waren  kleine  Knötchen  mit  dem  deutlichen  Charakter  von  Syphiliden, 
die  in  der  Mitte  eine  kleine  Pustel  oder  Kruste  trugen.  Die  größeren 
aber  waren  scharf  ovalär  oder  kreisförmig,  sonst  sehr  weni^  ähnlich  der 
Primärefflorescenz,  ohne  deutliches  Infiltrat,  in  der  Peripherie  mit  einem 
Bläschenwall,  im  Zentrum  perffamentartig  eingetrocknet.  Für  Impetigo 
contagiosa,  an  die  anfangs  zu  denken  war,  war  das  Infiltrat  zu  stark,  tur 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  361 

eine  Rupia  syphilitica  za  gering.  Bei  der  weiteren  Untersuchung  fanden 
sich  nun  breite  Kondylome  an  den  großen  Labien,  auch  anamnestisch 
wurde  ein  spezifisches  Exanthem  und  eine  zweimalige  anti luetische 
Behandlung  zugegeben.  Einzelne  der  kmstösen  Stellen  sind  auch  durch 
Säuren  hervorgerufenen  Brandblasen  nicht  unähnlich. 

2.  eine  Sycosis  parasitaria  bei  einem  19)ährigen  Manne,  die 
ich  Yor  der  beabsichtigten  Behandlung  zeigen  will.  Ich  werde  bei  ihm 
eine  kataphoretische  Therapie  mit  Ichthyol  oder  Sublimat  durch- 
fuhren, unter  Eataphorese  versteht  man  den  Vorgang,  daß  irgend  eine 
Lösung  durch  den  elektrischen  Strom  in  den  Körper  eingeführt  wird, 
u.  zw.  je  nach  der  Beschaffenheit  des  Körpers  an  der  Anode  oder  Kathode. 
Nimmt  man  z.  B.  zwei  Gefäße  mit  einer  Losung  von  basischen  Anilin* 
farbstoffen,  verbindet  sie  durch  einen  starken  konstanten  Strom,  gibt  in 
jedes  Gefäß  eine  Hand  und  läßt  sie  10—  15'  darin,  so  findet  man  dann 
an  der  Anode  die  Mündung  der  Haarfollikel  gefärbt,  an  der  Kathode 
nicht.  Wir  schließen  daraus,  daß  eben  bei  der  Katapborese  der  Strom 
durch  die  Haarbälge  hineingeht  und  dabei  eben  FlQssigkeitsteilchen  vom 
positiven  zum  negativen  Pol  fortgeführt  werden.  Zur  therapeutischen 
Verwendung  wird  m  ein  mit  der  Anode  einer  galvanischen  Batterie  ver- 
bundenes Glasgefaß  ein  Wattebausch  gegeben,  der  mit  der  entsprechenden 
Ichthyol-  oder  Sublimatlösung  getränkt  ist.  Dasselbe  wird  auf  die  erkrankte 
Partie  aufgelegt,  die  Kathode  mit  der  Hand  des  Patienten  leitend  ver- 
bunden und  nun  durch  10 — 15'  ein  Strom  von  15  MA  angewendet,  täglich 
einmal;  in  8—14  Tagen  ist  dabei  Aussicht  auf  Heilung,  während  bei  der 
Röntgentherapie  der  Haarausfall  nach  4  Wochen  erfolgt  und  dann  erst 
die  eigentliche  Therapie  einsetzen  muß. 

Kaposi.  Ich  mache  aufmerksam,  daß  diese  Fälle  von  Sykosis 
parasitaria   oft  nach   Applikation  heißer  Umschläge  sich  zurückbilden. 

U  1 1  m  a  n  n.  Ich  habe  mich  seinerzeit  mit  der  Katapborese 
beschäftigt  und  darüber  berichtet.  Ich  versuchte,  Quecksilber  durch  die 
Leichenhaut  durchtreten  zu  lassen,  indem  ich  dieselbe  zwirchen  einen 
auf  beiden  Seiten  offenen  Zylinder  wie  ein  Diaphragma  spannte.  Durch 
die  nachträgliche  Färbung  mittelst  Schwefel  suchte  ich  das  Hg  nachzu- 
weisen, war  aber  von  der  geringen  Wirkung  überrascht.  Es  war  dies 
ein  Mißverhältnis  zu  den  guten  Erfahrungen  mit  der  kataphoretischen 
Behandlung  bei  ulzerösen  Syphiliden,  so  daß  ich  annehmen  mußte,  daß 
hier  die  gute  Wirkung  durch  die  große  Fläche  der  Einwirkung  des  Hg 
in  Stande  kommt.  Ich  habe  auch  die  Sycosis  parasitaria  behandelt,  aber 
ohne  Erfolg  u.  zw.  mit  schwächeren  Strömen,  da  15  MA  die  Haut  schon 
stark  reizen.  Auch  ist  Entzündung  hiebei  in  der  Tiefe  außerhalb  der 
Follikel,  so  daß  man  die  Mittel  nicht  direkt  am  Ort  der  Infektion  an- 
wendet. 

Freund  möchte  zu  den  Bemerkungen  Ullmanns  anfuhren,  daß 
die  Tiefenwirkung  bei  der  Katapborese  nicht  so  gering  sei.  Bei  viel- 
fachen Versuchen  über  Katapborese  habe  ich  die  von  Raymond  und 
Lewandowski  angegebenen  Beobachtungen  bestätigt  gefunden,  daß 
Chloroform  und  Morphium  rasch  in  so  hohem  Grade  dem  Körper  ein- 
verleibt werden,  daß  viel  rascher  als  durch  subkutane  Injektion  Anästhesie 
erzielt  wird. 

Ehrmann  f&gt  noch  hinzu,  daß  in  dem  vorgestellten  Falle  Pilze 
nachgewiesen  wurden,    ullmanns  Versuche  sind   nicht  beweisend,    da 


862  Verhandlangen 

sie  an  Leicbenhaut,   u.  zw.  an  eingeklemmter,  gemacht  worden,   was  fUr 

das  Resultat  nicht  gleichgoltig  ist.    Was  den  Einwarf  von  dem  weithin 

im  Gewebe  liegenden  Infiltrate  anlangt,  so  will  man  ja  bloß  auf  die  im 

Follikel  nud  in  den  Haarscheiden  befindlichen  Pilzp,   nicht  aber  aaf  das 

Infiltrat  einwirken,  in  dem  sich  keine  Pilze  finden. 

Kreibich  demonstriert  einen  Patienten  mit  einer  eigentümlichen 
Alopecie,  die  seit  fast  8  Monaten  besteht  und  ringförmig  um  die  größte 
Circumferenz  des  Kopfes  zieht.  Daneben  finden  sich  zerstreut  am 
Capillitium  kleinfleckige  alopecische  Stellen,  in  der  rechten  Augenbraue  eine 
alte  Alopecie,  schon  in  Reparation,  indem  diesor  Herd  bereits  mit  feinen 
kleinen  Härchen  besetzt  ist.  Für  die  anfängliche  Vermutung,  ob  hier 
Lues  die  Ursache  sei,  liegt  kein  Anhaltspunkt  vor. 

Neu  manu  disseminierter  Haaraasfall  bei  Lnes  kommt  nnr  bei 
anämischen,  besonders  beim  weiblichen  Geschlechte  Tor,  hier  häufig  mit 
Ausscheidung  fettiger  Massen.  Meist  ist  sonst  diese  Alopecie  durch 
anatomische,  bisweilen  auch  durch  äußerlich  klinisoh  bemerkbare  Ver- 
änderungen bedingt  und  tritt  in  squamösen  oder  papulösen  Herden  in 
Form  von  Flecken,  Scheiben  oder  Kreisen  auf.  Diese  unregelmäßigen 
Formen  aber  wie  hier,  sind  gewiß  nur  Erscheinungen  der  Alopecia  areata. 

Nobl  demonstriert:  eine  eigenartige,  krankhafte  Veränderung  der 
Kopfhaut  bei  einer  26jährigen  Frau,  welche  sich  nicht  kurzweg  in  die 
eine  oder  andere  Kategorie  der  typischen  Läsionen  des  Capillitiums  ein- 
reihen läßt.  Als  das  augenfälligste  Symptom  macht  sich  eine  ziemlich 
ausgebreitete  Alopecie  bemerkbar,  die  vorzüglich  in  der  Scheitelregion 
lokalisiert  erscheint,  von  diesem  Gebiete  aber  auch  teils  dem  Hinter- 
haupte zu,  teils  gegen  die  Schläfenregion  unregelmäßige,  herdförmige 
Fortsetzungen  entsendet.  Bei  näherer  Betrachtung  sieht  man,  daß  die 
kahlen  Stellen  aus  fingernagel-  bis  talergroßen  Plaques  ihren  Ausgang 
genommen  haben,  welch  letztere  unregelmäßige,  zackige  Formen  aui- 
weisen,  indem  der  HaarHchwund  nicht  etwa  wie  bei  der  Alopecia  areata 
durch  schnrfe  konvexe  Bogenlinien  begrenzt  erscheint,  sondern  an  den 
unregelmäßigen  Säumen  festhaftende  Haarbüschel  zungen förmig  in  die 
dekalvierten  Partien  hineinragen.  Überdies  sind  noch  in  den  kahlen 
Bezirken  überall  zerstreut  stehende  und  auch  pinselförmig  gruppierte,  in 
leicht  eingezogenen  Follikeln  festgehaltene  Haare  von  normaler  Beschaffen- 
heit stehen  geblieben. 

Die  kahlen  Stellen  selbst  bieten  allenthalben  ein  leicht  deprimiertes, 
sehnig-weiß  glänzendes  Aussehen  dar,  fühlen  sich  überaus  glatt  an,  und 
haben  die  follikuläre  Struktur  eingebüßt.  Der  Prozeß  hat  vor  drei  Jahren 
im  Anschlüsse  an  einen  Typhus  seinen  Anfang  genommen,  um  seither 
einen  stetig  fortschreitenden  Charakter  zu  bewahren.  Da  nie  irgrend- 
welche  Anzeichen  einer  circnmscnpten  oder  diffusen  Follikularentzündong 
zu  verzeichnen  waren,  so  kann  die  Lasionsart  nur  als  eine  idiopathische, 
zur  Atrophie  der  befallenen  Hautbezirke  führende  Alo- 
pecie au  Ige  faßt  werden,  welche  immerhin  in  einem  schleichenden, 
äußerst  chronischen,  in  der  Papillarschicht  sich  abspielenden  Entzündungs- 
vorgange ihr  veranlassendes  Moment  haben  dürfte. 

Neumann  demonstriert: 

1.  einen  Fall  von  hereditärer  Lues  bei  einem  3 jährigen  Kinde 
in  Form  eines  talergroßen  Hautgnmmas  mit  mißfärbig  granulierender 
Basis  und  wallartig  verdickten,  z.  T.  unterminierten  Rändern  an  der 
Außenseite  der  linken  Tibia.  Außerdem  zeigen  Femur  und  Tibia  in  den 
Kniegelenksenden  eine  Verdickung  des  Knochens  auf  das  zweifache.    Die 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschafi.  363 

Matter   des  Kindes   erscheint   gesund,   hat   16  mal   geboren,   wovon  die 
letzten  6  Geburten   vor  Geburt  des  erkrankten  Mädchens  Abortus  waren. 

2.  eine  bereits  vorgestellte  Kranke  mit  universellem  Liehen 
scrophuloBorum.  Dieselbe  wurde  durch  Wochen  mit  Ol.  jecoris  aselli 
eingerieben  und  in  wollene  Kotzen  gehüllt.  Seit  zwei  Wochen  wird  der 
Lebertran  außerdem  noch  mit  Flanell  bedeckt  und  niedergebunden. 
Schon  früher  zeigte  sich  eine  safrangelbe  Verfärbung  der  Haut  und 
Abflachnng  der  K^uötcben.  Nach  dem  Niederbinden  schilfert  die  Haut 
großlamellös  ab  und  die  Knötchen  exfoliiercn  sich  gleichfalls. 

3.  eine  82jährige  Tap^löhnerin  mit  Gummata  cutanea.  An  der 
ganzen  Circumferenz  der  linken  Tibia  im  unteren  Drittel,  welches  diffus 
narbige,  braun  pigmentierte  Haut  zeigt,  finden  sich  zahlreiche  höhnen - 
bis  talerffroße,  kreisrunde  oder  nierenförmige  Geschwüre  mit  zerklüfteter 
Basis,  welche  von  nekrotischen  Gewebsfetzen  und  speckigem  Belag  bedeckt 
erscheinen.  Einzelne  derselben  zeigen  am  konkaven  Rand  wallartig  abge- 
grenzte, in  ÜberhAutung  begriffene  Ränder. 

Matzenauer  zei^t  eine  Patientin,  die  diagnostisch  einige  Schwierig- 
keit bereitet.  An  der  inneren  Schenkel-  uod  unteren  Bauchfläche  finden 
sich  Flecken  von  weißglänzender  Farbe,  scharf  in  wellenartiger  Bogen- 
form  begrenzt.  Die  Haut  am  Rande  der  wie  Marmor  glänzenden  Stellen 
ist  leicht  rötlich  verfärbt,  nirgends  findet  sich  Schuppung  oder  Fältelunof. 
Am  Mons  veneris  ist  ein  leicht  gelblicher,  nicht  derber  Fleck.  Die 
Aflektion  besteht  angeblich  seit  Kindheit.  In  Betracht  kommen  Vitiligo, 
Pityriasis  versicolor  und  Sklerodermie.  Der  Glanz  und  das  Fehlen  einer 
stärkeren  Pigmentierung  in  der  Umgebung  sprechen  gegen  Vitiligo,  die 
mangelnde  Schuppen bildung  gegen  eine  Pityriasis  versicolor.  Die  fehlende 
Härte  schließt  Sklerodermie  nicht  aus,  u.  zw.  handelt  es  sich  hier  um 
eine  spontan  ablaufende  Sklerodermie. 

Neumann.  Bei  der  Sklerodermie  handelt  es  sich  entweder  um 
das  elevierte  oder  atrophische  Stadium.  Bevor  die  Haut  aus  dem  ersten 
in  Atrophie  übergeht,  dauert  es  immer  2 — 3  Jahre.  Daß  die  Haut  aber 
atrophisch  ist,  dabei  immer  weich  und  elastisch  bleibt,  trotzdem  die 
Affektion  seit  Kindheit  besteht,   habe  ich  bei  Sklerodermie  nie  gesehen. 

£hrmann  erinnert  an  einen  vor  3  Jahren  von  ihm  vorgestellten 
Fall,  der  ähnliche  Herde,  aber  über  den  ganzen  Körper  verbreitet  hatte. 
Ich  halte  auch  das  vorliegende  für  eine  circumscripte  Sklerodermie, 
allerdings  eine  oberflächliche  Form.  Über  ähnliche  Formen  mit  ober- 
flächlichen Veränderungen  liegt  auch  eine  neue,  anatomisch- histologische 
Publikation  ans  der  Klinik  Jadassohns  vor.  Dieselben  sind  aber  nicht 
zu  verwechseln  mit  den  diffusen  Formen  von  Sklerodermie,  die  zwar 
auch  oft  oberflächlich  verläuft,  sehr  oft  auch  tiefer  in  die  Subcutis,  ja 
intramuskulär  reicht. 

Kreibich  verweist  auf  die  Frau,  die  er  in  der  ersten  Sitzung 
vorstellte.  Auch  bei  dieser  waren  die  zurückbleibenden  Herde  fast  ganz 
glatt,  wenig  atrophisch,  die  Diagnose  war  damals  besonders  aus  dem 
eigenartigen  Glänze  zu  machen. 

Kaposi  demonstriert  einen  Pemphigusvulgaris.  Im  Bereiche 
des  Gesichtes,  der  Kopfhaut,  dann  aber  auch  am  ganzen  Stamme  sind 
sehr  dicht  stehende  linsen-  bis  hellergroße  Krusten,  nach  deren  Ablösen 
scharf  begrenzte,  z.  T.  schon  mit  dünnem  Epithel  bedeckte  rote  Stellen 


864  Verhandlungen 

Eurückbleiben.  Doch  läßt  sich  die  Epidermis  am  Rande  noch  weiter 
leicht  ablösen.  Am  Bauche  und  auch  sonst  zerstreut  tindet  man  zahl- 
reiche, braune  runde  Pigmentationen.  Ein  leichtes  Jucken  begleitet  die 
Affektion,  die  man  leicht  als  Pemphigus  diagnostizieren  kann. 

Neumanu  stellt  weiter  vor: 

1.  einen  27iähriffen  Mann  mit  Impetigo  syphilitica,  bei 
welchem  sich  in  aer  Nasolabialfurche  links,  sowie  links  vor  dem  Ohr 
mehrere,  erbsengroße,  mit  impetiginösen  Borken  bedeckte  Eflfloreszenzen 
finden.  Ober  dem  Schläfen-  und  Hinterhauptbein  links  finden  sich  unter  rnpia- 
ähnlichen  Borken  flache,  scharf  abgegrenzte,  düster  rostbraun  gefärbte 
Geschwüre.  An  der  rückwärtigen  Pharynx  wand  ein  fingerbreites,  bis  an 
die  Choanen  hinaufreichendes,  speckig  belegtes  Geschwür. 

2.  einen  Patienten  mit  Liehen  syphiliticus  und  Schwellung 
der  Submaxillardrüsen  insbesondere  rechts.  Eine  derselben  ist  bis 
zu  Taubencigröße  intumesziert  und  zeigte  deutliche  Fluktuation.  Vor 
8  Ta^en  wurden  4  Pravazspritzen  voll  mißfarbigen  dicken  Eiters  aui 
derselben  aspiriert  und  hierauf  eine  Spritze  Jodoform-Emulsion  injiziert 
In  der  letzten  Zeit  wnrden  noch  weitere  8  em'  Emulsion  injiziert.  Es 
zeigt  sich  seither  Verkleinerung  der  Drüsenschwellung. 

S.  einen  Kranken  mit  Lupus  vulgaris  der  Nase; 

4.  einen  Kranken  mit  Lupus  erythematosus  des  Gesichts  und 
behaarten  Kopfes,  welche  beide  bereits  vorgestellt  waren.  Dieselben 
wurden  durch  längere  Zeit  mit  Seifen^eistabreibung.  grauem  Pflaster, 
Lapisätznng  behandelt,  wodurch  nur  eine  unvollständige  Involution  der 
Hautaffektion  herbei^eföhrt  wurde.  Seit  2  Wochen  stehen  dieselben  bei 
Dr.  Freund  in  radiotherapeutischer  Behandlung. 

Weidenfeld.  Der  Fall,  den  ich  vorstelle,  ist  ein  Unikum.  Es 
handelt  sich  um  eine  Psoriasis  universalis,  die  sich  am  Stamme 
sowohl  als  an  den  Streckseiten  der  Extremitäten  dicht  aasgebreitet  flndet. 
Patient  leidet  nun  am  linken  Bein  an  den  Folgen  einer  alten,  im  Kindet- 
alter  durchgemachten  Poliomyelitis  anterior.  Während  nun  das  rechte 
Bein,  besonders  dessen  Unterschenkel,  stark  mit  Psoriasis  besetzt  ist,  ist 
das  gelähmte  Bein  im  obersten  Anteile  wenig  betroffen,  vom  Knie  nach 
abwärts  vollkommen  frei.  Nach  genaueren  Untersuchungen  fehlen  die 
Psoriasiseffloreszenzen  gerade  über  jenen  Stellen,  die  den  gelähmten 
Muskeln  entsprechen.  Fälle  dieser  Art  lassen  immerhin  auf  einen  Zu- 
sammenhaug   von   gewissen  Dermatosen   mit  dem  Nervensystem  denken. 

Matzenaner  weist  darauf  hin,  daß  ähnliche  Fälle  von  Köbner 
gleichfalls  bei  Psoriasis,  von  Kusnitzki  bei  Liehen  ruber  planus 
beschrieben  und  seither  auch  von  vielen  anderen  beobachtet  sind;  darauf 
basieren  viele  Autoren  die  Erklärung  dieser  Dermatosen  auf  neuropathischer 
Grundlage. 

Ehr  mann  weist  gerade  darauf  hin,  daß  man  deshalb  keineswegs 
zu  einer  neuropathischen  Ätiologie  Zuflucht  nehmen  muß.  Die  gelähmten 
Teile  bleiben  deshalb  frei,  weil  sie  weniger  beschäftigt,  schlechter  mit 
Blut  versorgt  werden.  Andererseits  sieht  man  bei  Arbeitern  die  Psoriasis 
gerade  an  solchen  Stellen  lokalisiert,  welche  starken  Reizen  durch  die 
Arbeit  oder  Kleidung  ausgesetzt  sind. 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  365 


Sitzung  vom  5.  März  1902. 
Vorsitzender:  Neumann.  Schriftführer:  Ereihich. 

Ehrmann  demonstriert : 

1.  einen  Mann,  der  in  der  Gegend  der  Jochbeine,  Schläfe  und  Stirne 
graubraune  Flecken  zeigt,  die  von  ferne  wie  Pigmentnävi  oder  Pigmen- 
tierungen  imponieren,  wie  sie  bei  Frauen  in  der  Gravidität  vorkommen. 
Man  könnte  auch  an  einen  beginnenden  Morbus  Addisonii  denken,  um- 
somehr  als  der  Pat.  Magenschmerzen  hat  und  sehr  schwach  ist.  Dagegen 
spricht  der  vollständige  Mangel  der  Pigmentation  an  der  Schleimhaut. 
Bei  näherem  Zusehen  sieht  man  aber,  daß  die  Oberfläche  der  scheinbar 
pigmentierten  Stellen  atrophisch  und  wie  gebtichelt  ist;  ich  halte  die 
Affektion  auch  für  nichts  anderes  als  eine  abweichende  Form  von  Lu- 
pus erythematodes,  die  ich  mit  spiritns  saponatus  behandeln  und 
dann  wieder  vorstellen  werde.    Die  Krankheitsdauer  beträgt   3  Monate. 

2.  eine  Lues  serpiffinosa  die  am  Stamme  und  besonders 
schön  über  dem  linken  Trochanter  in  Form  von  über  handtellergroßen, 
konzentrischen  Kreisen  lokalisiert  ist.  Die  Kreisringe  setzen  sich 
deutlich  aus  einzelnen,  matt  braunen  Papeln  zusammen. 

Nobl  demonstriert  aus  der  Abteilung  Grünfeld  einen  36iährigen 
Mann,  bei  welchem  eine  universelle  schwere  Eruption,  in  diag* 
nostischer  Hinsicht,  zwiscbeu  der  Annahme  einer  artefizieilen  ex- 
foliativen  Dermatitis  und  eines  akuten  Ausbruches  von  diffuser 
Psori  asis,  schwanken  läßt.  Den  Schultergürtel  und  einzelne  Regionen 
des  Gesichtes  ausgenommen,  sieht  man  die  Haut  im  Bereiche  des 
Stammes  und  der  Extremitäten  gleichmäßig  saturiert  rot  gefärbt,  öde- 
matös  geschwollen,  in  den  meisten  Gebieten  derb  infiltriert,  schwer 
faltbar  und  mit  leicht  abfallenden  fettigen  und  auch  serös  durchtränkten 
Schuppen  bedeckt.  Außerdem  zeigt  sich  regionär,  so  namentlich  an  den 
Wangen,  Kinn,  den  Gelenksbeugeu  und  Beugefläcben  der  Arme  eine  feine 
kleienformige  Abschilferung.  Als  Zeichen  der  intensiven  serösen  Aus- 
sohwitznng  sind  massige,  in  Form  derber  Schollen  über  beiden  Ellbogen 
aufgehäufte  honiggelbe,  griesartig  abbröckelnde  Exsudatmassen  zu 
deuten,  bei  deren  Abhebung  das  bloßgelegte,  nässende,  von  Rhagaden 
durchfurchte  Corium  zu  Tage  tritt. 

Die  Leistendrüsen  sind  beiderseits  zu  mächtigen,  auch  dem  Auge 
zugänglichen  Knoten  intumeszicrt  .  An  der  Kopfhaut  sind  singulare«  ex- 
koriierte  und  auch  mit  Schuppen  bedeckte  Stellen  zu  tasten.  Die  Hand- 
teller, Nägel,  wie  auch  Fußsohlen  zeigen  ein  normales  Verhalten.  Die 
subjektiven  Beschwerden  sind  erheblich,  der  in  seiner  Ernährung  stark 
herabgekommene  Kranke  klagt  über  Schlaflosigkeit,  Mangel  an  Appetit 
und  unerträgliche  Spannung,  als  wäre  die  Hautdecke  für  die  Uber- 
kleidung  seines  Leibes  zu  knapp  geworden,  auch  sind  wiederholte  Fieber- 
attacken zu  verzeichnen. 

Einen  Hinweis  für  den  Ausgangspunkt  der  schweren  Entzündung 
bietet  noch  am  ehesten  der  am  wenigsten  befallene  Schultergurtel,  wo- 
selbst noch  einzelnstehende  finffernagelgroße  und  auch  gruppierte,  kreis- 
förmig und  circinär  figurierte,  braunrote  von  lederartig  eingetrockneten, 
festhaftenden  Hornlamellen  bedeckte,  leicht  eingesunkene,  vielfach  auch 
dunkelpigmentierte  Effioreszenzen  die  ursprüngliche,  exanthcmatische 
Läsionsart  andeuten. 


366  Verhandlungen 

Anamnestisch  ist  za  emieren,  daß  der  früher  stets  gesnnde  Patient 
vor  8  Wochen,  einen  aus  roten,  leicht  abschilfernden,  vorzüglich  am 
ßtamm  lokalisierten  Flecken  bestehenden  Ausschlag  bekam  und  gegen 
denselben  auf  ärztliches  Anraten  Schmierseifeneinreibnngen  an- 
wendete. Bereits  nach  zweimaliger  Applikation  der  Seife  soll  sich  die 
Entzündung  entwickelt  haben.  Eine  neuerliche  VerBohlimmerang  «oll 
der  Zustand  vor  zwei  Wochen  dadurch  erfahren  haben,  daß  der  kranke 
—  in  der  Absicht  eine  Beschleunigung  des  Heil ungs Vorganges  herbei- 
zufahren, —  den  ganzen  Körper  kräftig  mit  Petroleum  1  abrieb. 

Ehrmann:  Es  ist  kein  Zweifel,  daß  eine  universelle  Dermatitis 
vorhanden  ist :  aber  auf  dem  Boden  einer  durch  gewaltsame  Behandlung 
und  darauf  folgende  Reizung   diffus  gewordenen  Psoriasis. 

Neumann  betont,  daß  bei  solchen  Dermatitiden  oft  anfaugw 
nicht  sicher  zu  entscheiden  ist,  was  eigentlich  vorausgegangen  ist.  Hier 
sieht  man  aber  doch  eine  Reihe  frischer  EfBoreszenzen,  die  für  Psoriasis 
sprechen. 

Mracek  verweist  zunächst  auf  einen  ähnlichen  Fall  seiner  Beob- 
achtung; es  war  ein  Matrose,  der  von  Brindisi  zu  Fuß  nach  Wien  ge- 
kommen war,  ganz  herabgekommen  und  mit  hohem  Fieber.  Früher 
war  er  einmal  wegen  Psoriasis  behandelt  worden.  Damals  aber  sah  er 
ganz  gleich  diesem  Pat.  mit  ödematöser  Schwellung  und  Rötung  der 
ganzen  Haut.  Doch  waren  auch  die  PsoriasisefBoreszenzen  zu  sehen,  mit 
lose  anhaftenden  Schuppen  bedeckt.  Bei  weiterer  Beobachtung  ergab 
sich,  daß  es  sich  doch  nur  um  ein  heftiges,  toxisches  Erythem  handelte, 
dessen  Interkurrenz  auch  die  Psoriasis  wesentlich  beeinflußte.  Ein 
anderer  Mann,  der  jetzt  auf  meiner  Abteilung  liegt,  wurde  voriges  Jakr 
hier  mit  Erythrodermie  vorgestellt,  zeigt  aber  derzeit  ein  sehr  ähnliches 
Bild.  Ich  betrachte  dieses  als  passageres  Stadium,  das  sich  im  weiteren 
Verlaufe  oft  verschieden  gestaltet. 

Matzenauer:  Zum  Beweise,  daß  es  sich  im  Falle  Noble  nur 
um  Psoriasis  handelt,  verweise  ich  auf  einige  scharf  begrenzte  Plaques 
mit  wenig  gereizter  Umgebung  an  der  Kopfhaut,  die  mit  mörtelartigen 
Schuppen  bedeckt  sind. 

Neumann:  Von  vielen  Seiten  wird  betont,  daß  die  Psoriasis 
immer  gutartig  sei,  wenn  sie  auch  wiederholt  rezidiviert.  Es  gibt  nun 
Fälle,  in  denen  sie  nicht  zu  dicken  Schuppenbildungen,  sondern  zu  atro- 
phischen Verdünnungen  der  Haut  führt,  die  an  den  Beugeseiten  mit 
Rhagaden  verbunden  sind.  Wenn  man  in  solchen  Fällen  den  Rand  be- 
obachtet und  derselbe  livid  rot,  cyanotisch  erscheint,  so  sind  dies  ge- 
wöhnlich schwere,  oft  letal  verlaufende  Fälle. 

Ehrmann:  Zur  Farbe  der  Psoriasisschuppen  möchte  ich  bemer- 
ken, daß  dieselben,  bekanntlich  durch  die  eindringenden  Luftblasen  ge- 
wöhnlich weiß  gefärbt  sind,  aber  mehr  gelblich  werden,  wenn  sie  mit 
nässenden  Reizzuständen  verbunden  sind  und  feucht  werden. 

ISeiimanii  stellt  vor: 

1.  einen  Mann  mit  Sklerose  an  der  Unterlippe  und  beider- 
seits vom  Frenulum  im  Sulcus  coronarius;  Exanthema  macnlosnm. 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  367 

An  der  Unterlippe  median  ein  kreuzergroBes  Geschwür  mit  fest- 
haltender Borke,  Eienuich  derb.  Snbmentaldrüsen  und  rechte  Subma- 
xillardrflse  bis  zu  Bohnengröße  getchi^ellt.  Im  Salcus  coronarins  beider- 
seits vom  Frennlnm  ein  oerbes  Infiltrat,  darüber  die  Haut  braanrot  und 
teilweise  erodiert,  ohne  Belag.  Am  Stamm  und  den  Bengeseiten  der 
Extremitäten  linsengroße  blaßlivide  Flecke.  Inguinaldrüsen  linkerseits 
multipel  bohneogroß  geschwellt,  rechts  eine  bohnengroße  Drüse. 

In  der  Zeit  von  1880  bis  1901  waren  an  meiner  Klinik  4684  mit 
syphilitischem  Primäraffekte  behaftete  Kranke  in  Behandlung  und  zwar 
2829  Männer  (M)  und  1812  Weiber  (W),  darunter  waren  perigenitale 
Sklerosen  157  (74  M  +  83  W),  extragenitale  Sklerosen  207  (100  M  + 
107  W),    d.  i.  4*477o  der  Gesamtzahl.    Der  Lokalisation    nach  betrafen: 

Oberlippe  41  (15  M  +  26  W),  Unterlippe  66  (31  M  +  34  W), 
Mundwinkel  8  (6  M  -f  2  W),  Wange  4  (3  M  +  1  W),  Kinn  12  (9  M 
+  3  W),  Zunge  2  (2  W),  Tonsillen  20  (8  M  +  12  W),  hintere  Rachen- 
wand 1  (1  M),  Nasenflügel  2  (1  M  +  1  W),  Augenlid  4  (2  M  +  2  W), 
Stime  8  (3  M),  Zabnfleisch  6  (2  M  +  ^  W),  Finger  und  Hand  27  (17  M 
-f  10  W),  Vorderarm  1  (1  M),  Brustdrüse  9  (9  W),  Nabel  l  (1  W), 
Oberschenkel  1  (1  M). 

Das  Alter  anlangend,  waren  dieselben  von  einem  fünfmonatlichen 
Kind  (Sklerose  am  Nabel)  bis  zu  59  Jahren,  (Mann  mit  Unterlippensklerose) 
vertreten.  Wir  können  jedoch  nicht  unbemerkt  lassen,  daß  in  der  Lite- 
ratur viel  höhere  Grenzen  vorkommen,  selbst  bis  zum  78.  Jahre.  Dem 
Berufe  nach  waren  von  100  Männern  mit  extragenitaler  Sklerose 
13  Hausknechte,  6  Agenten,  6  Schuster,  5  Schneider,  6  Beamte,  5  Schau- 
spieler, 11  Kutscher,  8  Schlosser,  6  Kellner,  5  Reisende,  2  Handlungs- 
gehilfen, 11  Arbeiter,  5  ohne  Beruf.  Yon  107  Frauen  waren  8  Prosti- 
tuierte, 47  Mägde,  7  Ammen,  7  Hebammen,  21  Stubenmädchen,  7  Kö- 
chinnen, 10  verheiratet  ohne  bestimmte  Beschäftigung. 

Mracek:  Wichtig  ist  bei  Betrachtung  solcher  Fälle  die  Frage, 
wie  sich  contemporäre  Sklerosen  bezüglich  der  Involution  verhalten. 
Wenn  jemand  eine  Sklerose  hat  und  dieselbe  auf  eine  andere  Stelle 
überimpft  wird,  so  entsteht  an  der  Impfstelle  zuerst  nur  eine  Rötung. 
In  dem  Maße  als  der  Gesamtprozeß  weiterschreitet,  sieht  man  dann  auch 
an  dieser  Stelle  papulöse  EfHoreszenzen  entstehen.  Wenn  aber  jemand 
eine  oberflächlich  ezulcerierte  Sklerose  hat,  entsteht  oft  durch  Kon- 
takt an  eine  gegenüberliegende  Stelle  ein  Geschwür,  das  später  hart  und 
derb  wird,  wobei  sich  dann  schwer  entscheiden  läßt,  welches  von  den 
Ulzera  früher,  welches  später  entstanden  ist.  Auch  eine  differente  Be- 
schaffenheit kann  bezüglich  des  Alters  der  Sklerose  nur  schwer  berück- 
sieht  igt  werden,  da  das  verschiedene  Aussehen  von  Sklerosen  an  ungleichen 
Stellen  der  Haut  durch  das  verschiedene  Grundgewebe  bedingt  sein 
kann. 

2.  Eine  24jährige  Kranke  mit  sieben  Sklerosen  am  äußeren 
Genitale.  Die  Labien  kautschnkartig  verdickt,  ödematös,  an  der  Innen- 
seite sämtlicher  Labien,  nahe  der  kommissura  posterior,  ein  oder  mehrere 
hellergroße  scharf  begrenzte  Substanzverluste  mit  glatter,  braunrot 
glänzender  Basis  und  speckigem  Belag.    Noch  kein  ExanUiem. 

An  der  Haut  des  Stammes,  insbesondere  am  Rücken,  zeigt  die 
Kranke  ausgebreitete  Mollusca  fibrös a,  und  zwar  überwiegen  die 
flachen,  erbsen-  bis  kronengroßen,  dunkelsepiabraunen  Pigmentmäler  über 
die  an  Zahl  spärlichen,  bonnengroßen,  weichen  Fibrom- Geschwülstchen. 
Leichte  Kyphoskoliose. 


368  Verhandlnngen 

8.  Ein  TJfthrigeB  Mädchen  mit  Lapns  serpiginosuB  hyper- 
trophicns  des  linken  Beines. 

An  der  vorderen  und  rückwärtigen  Fläche  des  linken  Ober-  und 
Unterschenkels  inmitten  leicht  ödematösor  Haut  heller-,  krönen-  and 
übertalergroße  Gruppen  hellroter,  teils  knötchenförmiger,  teils  pustulöser 
EfBoreszenzen.  Zwischen  diesen  Gruppen  ist  die  Haut  meist  narbig  ver- 
ändert und  zwar  ist  das  Narbengewebe  glatt,  weich  diffus  ausgebreitet 
und  ohne  Stränge.  Manche  Gruppen  der  EfHoreszenzen  bilden  keinen  ge- 
schlossenen Kreis  sondern  Nierenform.  In  den  Hilns  zieht  dann  das 
obiffe  Narbengewebe  hinein.  An  einzelnen  Stellen  sind  in  der  Nähe  der 
größeren  Effloreszenzen  kleinere,  etwas  braunrot  gefärbte  Knötchen  ein- 
ffCBprengt.  Der  Rand  der  zerfallenen  Pusteln  ist  niedrig,  der  vorliegende 
Substanzverlnst  seicht.  Differentialdiagnostisoh  wichtig  gegenüber  Sy- 
philis ist  die  Beschaffenheit  der  Narben,  die  Farbe  der  meisten  Efflo- 
reszenzen,  das  Fehlen  eines  ele vierten  Randes  und  speckigen  Belages  der 
Geschwürsflächen. 

4.  Einen  25jährigen  Böhmen  mit  Impetigo  syphilitica,  Li- 
ehen syphiliticus,  krustösem  Syphilid  am  Kopf,  abgeblaßter  Roseola, 
Papulae  ad  genitale  et  ad  anum  et  ad  tonsillas  (Polymorphes  Sy- 
philid). 

Bemerkenswert  ist  die  intensive  und  extensive  Ausbildung  der  Im- 
petigo syphilitica:  der  behaarte  Kopf,  die  obere  Brust-  und  Rackenhaut 
m  fast  diffuser,  Hals,  Nacken,  Gesicht,  Bauch  und  Lenden  in  mehr  spär- 
licher Weise  eingenommen  von  bohnen-  bis  über  hellergroßen  braunroten 
Infiltraten,  welche  zentral  ein  serös-eitriges  Bläschen  oder  häufiffer  eine 
bereits  in  Eintrocknung  begriffene  honiggelbe  bis  zentimeterhohe  Borken- 
auflafferung  tragen  und  stellenweise  Neigung  zur  Eonfluenz  zeigen.  Da- 
zwischen eingestreut  hirsekom-  bis  linsengroße,  rostbraune,  leicht 
schuppende,  scharf  umschriebene  Knötchen,  sowie  in  Abblassong  be- 
griffene ,  helllivide,  fingemagelgroße  Flecke.  Krankheitsdaaer  4 — 6 
Monate. 


Sitzung  vom  16.  April  1902. 

Vorsitzender:  Neu  mann.  Schriftführer:  Kreibich. 

Spiegier:  loh  erlaube  mir  zunächst  einen  Fall  von  Liehen 
ruber  planus  vorzustellen,  der  sehr  schöne  Effloreszenzen  auf  der 
Schleimhaut  des  Mundes,  namentlich  auf  der  Zunge  aufweist.  Letztere 
Lokalisation  ist  zwar  relativ  nicht  so  selten,  aber  sehr  interessant,  weil 
die  Differentialdiagnose  in  solchen  Fällen  Schwierigkeiten  macht,  wo  die 
Affektion  ausschließlich  auf  die  Schleimhaut  beschickt  ist.  Der  Zustand 
der  Pat.  hat  sich  durch  die  eingeleitete  Arsentherapie  mit  asiatischen 
Pillen  wesentlich  gebessert. 

2.  eine  junge  Frau  mit  Sklerodermie  im  Gesichte.  Der 
typischen  Veränderung,  die  jetzt  besteht,  ging  ein  ödem  voraus,  das 
sich  ebenso  wie  dann  die  Verdickung  später  auf  die  oberen  Extremitäten 
ausbreitete  Es  ist  zuerst  von  Berthola  Beer  darauf  hingewiesen  worden, 
daß  der  Sklerodermie  Ödeme  vorausp^ehen.  Diese  sind  in  dem  vorgestellten 
Falle  genau  anamnestisch  nachweisbar  und  in  vielen  Fällen  so  deutlieh 
traumatischen  Ursprunges,  daß  man  sich  eines  ätiologischen  Zusammen- 
hanges der  Erscheinungen  nicht  erwehren  kann.  So  bei  einer  Sklerodermie 
der  Hände,   wo  das  vorausgehende  ödem  genau  dem  Handschah,  oder 


der  Wiener  dermatolcgi^cfaen  Gesellschaft.  369 

beim  Fat.  von  Beer,  bei  dem  das  Ödem  genau  dem  Oiletrande 
entsprach.  Ein  Fall,  den  ich  vor  einigen  Wochen  in  der  Gesellschaft 
der  Ärzte  vorstellte,  zeigte  die  Veränderungen  genau  vom  Hemdkragen 
an  bis  zum  Hutrande,  jenseits  dieser  Grenzen  war  die  Haut  frei.  Ein 
anderer  Herr  wieder  hatte  die  Sklerodermie  am  Fuße  genau  soweit,  als 
der  Jagdstiefel  reichte.  Ich  will  übrigens  dieses  ätiologische  Moment 
der  traumatischen  Reizung  nicht  für  alle  Fälle  behaupten,  da  wir  es 
auch  gewiß  nicht  immer  nachweisen  können. 

3.  eine  Frau  mit  Sklerodermie  an  beiden  Händen,  der  Bnut 
und  im  Gesichte,  bei  der  ich  (u.  zw.  auf  der  Abt.  Prof.  Winternitz) 
therapeutisch  Dunstverbände  versuchte.  Nach  10  Tagen  war  insoferne 
eine  bedeutende  Besserung  erkenotlich,  als  die  vorher  zu  keiner  Arbeit 
fähigen  Hände  wieder  oeweglich  wurden  und  die  Hautpartien,  die 
frAher  nicht  schwitzten,  wieder  feucht  waren.  Was  die  Sohilddrasen- 
therapie  betrifft,  so  war  dieselbe  in  einigen  meiner  Falle  von  eklatantem 
Erfolge  begleitet,  während  sie  in  einer  anderen  Reihe  total  im 
Stiche  ließ. 

Ehrmann:  Spiegier  hat  die  Meinung  ausgesprochen,  daß  das 
Ödem  der  Ursprung  der  Sklerodermie  ist,  womit  ich  teilweise  über- 
einstimme. Aber  woher  entsteht  das  ödem?  Äußere  mechanische  Insulte 
wie  Druck  von  Kleidern  oder  einem  Hute  macht  nur  wenig  Ödem  und 
dieses  geht  gewöhnlich  nicht  in  Sklerodermie  über.  Ich  schließe  mich 
vielmehr  jenen  an,  welche  dieselbe  für  eine  Toxidermie  halten,  man  hat 
allerdings  nicht  ein  bestimmtes  Gift  dargestellt  ebensowenig  wie  bei 
anderen  derartigen  Erkrankungen,  beim  Erythem  oder  dem  toxischen 
Stadium  der  Syphilis.  Warum  ich  sie  für  toxisch  halte,  ist  gerade  der 
Umstand,  daß  ihr  erstes  Stadium  nicht  ein  Ödem,  sondern  ein  Erythem 
ist,  was  auch  bei  Spieglers  Patientin  an  der  Wange  deutlich  zu  sehen 
war.  Ich  habe  selbst  zwei  Fälle  gesehen  und  hier  vorgestellt,  die 
monatelang  als  Erytheme  behandelt  wurden,  dann  abei  Sklerodermie 
bekamen.  In  beiden  Fällen  wurden  im  Urin  Indikan  und  Ätherschwefel- 
säuren vermehrt  gefunden. 

Spiegier:  Wenn  ich  an  diese  Bemerkungen  anknüpfen  darf,  so 
muß  ich  hervorheben,  daß  bei  den  toxischen  Erythemen  zwischen  diesen 
und  den  toxischen  Noxen  eine  Beziehung  nachweisbar  ist ;  bei  infektiösen 
Exanthemen  sprechen  klinische  oder  pathologische  Symptome  dafür.  Bei 
der  Sklerodermie  konnte  ein  solcher  strikter  Beweis  der  Intoxikation 
bisher  nicht  erbracht  werden;  dagegen  ist  wenigstena  in  diesen  Fällen 
das  vorausgehende  Odem  und  dessen  Veranlassung  durch  mechanischen 
Druck  anamnestisoh  sicher  erhebbar. 

Neumann:  Die  Sklerodermie  entwickelt  sich  im  akuten  Stadium 
in  2  verschiedenen  Formen.  Entweder  ist  die  Haut  eleviert,  ödematös^ 
oder  sie  erscheint  in  Form  anämischer,  streifenartiger  Verdickungen. 
Die  ddematöse  Schwellung  kann  sehr  akut  auftreten  und  wieder  schwinden. 
Oder  es  kommt  zum  Stadium  der  Atrophie.  Diese  klinischen  Thatsachen 
sind  auch  in  therapeutischer  Beziehung  wichtig.  Im  ersten  Stadium  ist 
die  Haut  noch  einer  Therapie  zugänglich;  auch  die  von  Spiegier 
demonstrierte  Frau,  deren  Finger  bereits  stark  verändert  sind,  kann  wohl 
noch  gebessert  worden.  Wenn  man  an  einem  an  Sklerodermie  erkrankten 

Arcb.  f.  Dermat.  o.  Sypb.  Bd.  LXIir.  24 


370  Verhandlungen 

Vorderarm  z.  B.  durch  elastische  Rinden  künstlich  Odem  erzeugt,  so 
nbt  dasselbe  im  eleyierten  Stadium  in  der  Regel  einen  günstigen  Einfluß 
auf  den  Prozeß  aus.  Anders  aber,  wenn  bereits  Atrophie  eingetreten  ist 
und  die  Haut  trocken  und  straff,  besonders  am  Handrücken  den 
Muskeln  nnd  Sehnen  anliegt.  Wenn  man  auch  durch  Bftder,  Massage 
und  Wärmebehandlung  vorübergehende  Besserung  erzielt,  die  Verschlech- 
terung kehrt  doch  immer  wieder.  Was  die  Ätiologie  anlangt,  so  ist 
dieselbe  sehr  yersohieden  und  uns  nicht  vollkommen  bekannt.  So  hatte 
ich  eine  Kranke,  der  die  Schilddrüse  fehlte  und  die  auch  andere  Ausfalls* 
erscheinungen  hatte. 

4.  einen  68 j.  Mann  mit  idiopathischem  multiplem  Pigment- 
sarkom, das  genau  das  von  Kaposi  beschriebene  Bild  darbiete^  an  den 
Streckseiten  der  Hände  und  Füße,  besonders  an  den  Fingern  teils  im 
Hautniveau  liegende,  teils  elevierte  schrotkom-  bis  erbsengroße  rot- 
braune, ziemlich  derbe  Knötchen,  die  stellenweise  auch  zu  Gruppen  und 
unregelmäßigen  Knollen  angeordnet  sind.  An  den  Füßen  bilden  sie 
mehr  diffuse  Infiltrate;  vielfach  erscheinen  sie  auch  mit  Hinterlassung 
blaßbrauner  Pigmentflecke  involviert. 

Schiff  demonstriert  einen  Lupus  exulceratus  der  Hand,  bei 
dem  nicht  nur  die  Haut,  sondern  auch  Unterhautzellgewebe  und  Mus- 
kulatur bis  zum  Periost  konsumiert  erscheint.  Die  Erkrankung  besteht 
seit  8  Jahren  und  soll  nunmehr  der  Röntgenbehandlung  zugeführt  werden, 
nach  deren  Beendiguugr  der  Fall  wieder  vorbestellt  werden  wird.  Andere 
Herde  am  Oberarme  sind  teils  spontan  geheilt,  teils  in  Bukarest  von 
Petrini  de  Galatz  lokal  behaudelt  und  geheilt  worden.  Auch  die 
Mittelzehe  des  linken  und  2  Zehen  des  rechten  Fußes  sind  ergriffen. 

Spiegier  stellt  noch  einen  Mann  mit  außerordentlich  intensivem 
und  ausgebreitetem  Vitiligo  vor,  dessen  Verlauf  sich  derart  gestaltet, 
daß  er  im  Sommer  immer  wiederkehrt,  während  der  Pat.  im  Winter 
frei  ist.  Zweifelsohne  steht  diese  Erscheinung  im  Zusammenhang  mit 
der  intensiveren  Belichtung.  Störungen  im  Magendarmkanal  sind  nicht 
vorhanden. 

Nobl  demonstriert  aus  Grünfelds  Abtlg.  einen  25jährigen 
Mann,  dessen  Körper  in  dichtester  Vermengung  von  zwei  Ezanthem- 
arten  übersäet  wird.  Den  Stamm  und  die  Extremitäten  okkupiert  ein 
groß-maku loses  Syphilid,  welches  als  Ersteniption  zu  betrachten  ist. 
Die  verschont  gebliebenen  Zwischenfelder  werden  von  Kniehöhe  an  bis 
in  die  Achselreffion,  ferner  im  Gebiete  der  oberen  Extremitäten  von 
gleichgroßen,  taches  bleues  eingenommen.  Der  Schenkel-,  Soham- 
und  Ach  sei  höhle  nhaarboden  sind  dicht  von  Morpionen  eingenommen. 

2.  einen  Fall  von  ausgebreitetem  gummösen  Flächensyphilid  bei 
einem  54jährigen  Manne,  das  in  differentialdiaffnosti scher  Hinsicht  von 
Interesse  ist.  An  der  rechten  Brusthälfte  ist  die  Haut  in  einem,  zirka 
2  dm  breiten  und  über  die  Höhe  dreier  Interkostalräume  sich  er- 
streckendem Areale  durch  ein  flaches  Infiltrat  substituiert.  Bogenförmig 
konturierte,  leicht  elevierte  und  mit  leicht  ablösbaren  Krusten  bedeckte 
Säume  umgreifen  den  im  Geutrum  flach,  narbig  ausgeheilten  Plaque, 
der  außerdem  noch  neben  livid  verfärbten,  sich  weich  schwammig 
anfühlenden,  mit  dem  scharfen  Löffel  leicht  aushebbaren  Qranulationsherden, 
eine  Durchfurchung  mit  stranffiörroigen ,  sebnigweißen  Bindegewebs- 
trabekeln  aufweist.  Die  livide  Verfärbung  nnd  weiche  Konsistenz  des 
seit  5  Jahren  bestehenden  ulzerösen  Granuloms,  verleihen  demselben  eine 
große  Ähnlichkeit  mit  einem  diffus  infiltrierten  Lupus.  Indes  kann  diese 
Annahme   unter  Hinweis  auf  die  glatte,   knötchenfreie  Beschaffenheit  der 


der  Wiener  dermatologischen  Oeselhcbaft.  371 

in  Involution  begriffenen  InfiltratparzelleD,  den  exquisiten,  serpiginösen 
CbarsJcter  omsc&iebener  Herdbesirke  nnd  die  eingangs  aDgedeuteten 
Zerfallsphftnomene  mit  Sicherheit  ausgeschlossen  werden.  Außerdem  dient 
zur  Erhärtung  des  Befundes  die  anamnestisch  eruierte  Syphilisinfektion, 
welche  vor  SO  Jahren  erfolgt  war  nnd  einer  antiluetischen  Kur  unter- 
zogen wurde. 

Kreibich.  Durch  die  Untersuchungen  der  letzten  Jahre  ist  das 
Gebiet  des  Pemphigus  bei  kleinen  Kindern  sehr  eingeschränkt  worden. 
So  wissen  wir  durch  die  Untersuchungen  von  L  u  i  t  h  1  e  n,  daß  der  Pemphigus 
neonatorum  ein  durch  Staphylokokkeninfektion  verursachter  Blasenprozeß 
ist;  ähnlich  lauten  die  Erfahrungen  Leiners,  der  eine  solche  Blasen- 
eruption auch  nach  Masern  beobachtete.  Einen  in  dieser  Hinsicht  inter- 
essanten Befund  bietet  das  vorgestellte,  jährige  Kind.  Es  zeigt  vorne 
an  der  Brust  über  dem  Sternum  einen  flachhandgroßen,  epidermislosen, 
lebhaft  roten  Herd,  der  von  einem  zirka  3 — 4  mm  breiten  Epidermissaum 
umrandet  ist,  dessen  Entstehung  aus  einzelnen,  über  linsen^oßen  Blasen 
aus  dem  poly zyklischen  Charakter  deutlich  ersichtlich  ist.  Die  Oberfläche 
des  einem  Verbrühungsherde  sehr  ähnlichen  Fleckes  ist  leicht  fibriuöseitrig 
belegt  und  auch  dieser  dünne  Belag  formiert  sich  in  zwei  unvollkommenen, 
flachen,  konzentrischen  Kreisringen.  In  der  Umgebung  des  Hauptherdes 
ebenso  wie  am  Körper,  und  an  den  Armen  zerstreut  sind  stecknadelkopf- 
bis  selbst  hellergroße,  anfangs  wasserbelle  Bläschen  zu  sehen,  deren 
bakteriologische  Untersuchung  in  3  Fällen  Staphylokokken  ergab.  Die 
Impfung  hat  kein  sicheres  Resultat  ergeben;  an  der  einen  Stelle  unter 
Watte  und  Pflaster  i^emacht,  hat  sie  bloß  zu  Abhebung  der  Hornschichte, 
aber  zu  keiner  deutlichen  Blase  geführt;  eine  zweite  Stelle  wurde  erst 
heute  geimpft.  Ich  glaube  auch  diesen  Fall  nur  als  Impetigo  contagiosa 
auffassen  zu  können  und  nicht  als  Pemphigus  infantum. 

Matzenaue r.  Kreibich  hat  ausgeführt,  daß  die  ätiologischen 
Untersuchungen  der  letzten  Zeit  den  Begriff  des  Pemphigus  neonatorum 
eingeengt  haben,  so  daß  man  ihn  von  der  Impetigo,  aber  auch  von  den 
septischen  Blasenexanthemen  absondern  kann.  In  letzterer  Beziehung  ist  zu 
bemerken,  daß  der  Pemphigus  neon.  sich  immer  erst  einige  Tage  nach  der 
Geburt  entwickelt,  da  er  durch  Infektion  von  außen  zu  stände  kommt  und 
die  Staphylokokken  immer  einige  Zeit  zur  Entwicklung  brauchen,  während 
das  septische  Exanthem  durch  Infektion  von  innen  auf  dem  Wege  der 
Blutbahn  intrauterin  erzeugt  wird.  Daß  Kreibich  den  Staphylokokkus  ge- 
züchtet, entspricht  den  zuerst  von  A 1  m  q  u  i  s  t  betonten  Erfahrungen ;  nur 
Sabouraud  fand  Streptokokken.  Ich  hatte  dann  durch  die  Güte  einiger 
Kollegen  Gelegenheit,  eine  größere  Reihe  von  Pemphigus  neonatorum  zu 
untersuchen  und  die  Überzeugung  gewonnen,  daß  die  Erkrankung  und 
Impetigo  contagiosa  identisch  sind.  Ich  beobachtete  eine  gravide  Fraa 
mit  Impetigo  circinata,  das  Kind  zeigte  einige  Tage  nach  der  Geburt 
das  ausgeprägte  Bild  eines  Pemphigus  neonatorum.  Die  Impfung,  die 
ich  von  beiden  Formen  an  mir  selbst  machte,  ergab  dieselben  Kokken, 
die  in  keiner  Weise  differenziert  werden  konnten.  Und  zahlreiche  ähn- 
liche oder  bezüglich  der  Übertragung  umgekehrte  Beobachtungen  finden 
sich  in  der  Literatur,  ich  erinnere  nur  an  die  von  Konrad  F  a  b  e  r, 
Pontoppidan  und  die  letzten  Mitteilungen  von  L  e  i  n  e  r  und 
Schwalbe. 

24* 


372  Verhandlangen 

Ereibich  verweMt  aaf  den  io  der  Festeohrift  för  Kapoii  mit- 
geteilten Fall,  wo  ein  Kind  mit  Pemphigus  neon.  starb  nnd  sowohl  die 
Pflegerin  als  eine  ältere  Schwester  Impetigo  bekamen,  deren  Impfang 
ein  positives  Resultat  und  gleichfalls  Staphylokokken  ergab, 

Nobl  beobachtete  vor  4  Wochen  einen  Wachmann  mit  Impetigo 
contagiosa  auf  der  Wange,  auch  ein  Sjähr.  Mädchen  hatte  diese  Affektion« 
während  ein  Smonatlicher  Säugling  einen  ausgebreiteten  Pemphigus  seigte. 

Luith  1  en.  Für  den  Pemphigus  der  Neugeborenen  ist  die  Staphylo- 
kokkeninfektion  ebenso  sichergestellt  wie  für  Impetigo ;  die  yerschiedenen 
klinischen  Formen  sind  nur  durch  die  yerschiedene  Hautbeschaffenheit 
bei  Kindern f  besonders  in  den  ersten  Lebens wochen  bedingt.  Doch  gibt 
es  auch  sichere  Fälle  von  angeborenem  Pemphigus,  dann,  wenn  die 
Mutter  an  Sepsis  erkrankt  ist  und  die  Infektion  intrauterin  erfolgt.  Es 
muß  daher  beim  Pemphigus  der  Neugeborenen  zwischen  beiden  Erkran- 
kungsformen unterschieden  werden.  Die  gewöhnliche  halte  ich  far  identisch 
mit  Impetigo,  welches  auch  in  Blasen  und  typischen  Krusten  die  Über- 
tragungsform auf  ältere  Kinder  mit  festerer  Homschichte  und  Erwachsene 
ist.  Die  septische  Form  dagegen  ist  keine  so  oberflächliche  Affektion, 
die  Blasen  werden  bald  sanguinolent,  die  Basis  gesohwürig,  die  Subetaoa- 
verluste  oft  tief. 

Qrosz.  Ich  konnte  im  Wöchnerinnenheim  Lucina  mehrere  Fälle 
SU  gleicher  Zeit  beobachten  und  alle  auf  eine  Infektionsquelle  zurück- 
Ähren,  eine  Mutter,  die  mit  Impetigo  kam  und  deren  Kind  zuerst  Pem- 
phigus bekam.  Auch  sah  ich  einen  Fall  von  angeborenem  Pemphigus 
bei  ganz  gesunder  Mutter,  obwohl  ich  da  an  einen  ähnlichen  Fall  von 
Peters  erinnern  kann,  der  im  Blute  und  in  der  Milch  einer  gesunden 
Mutter  Staphylokokken  aufwies. 

Mracek.  Ich  halte  den  angeborenen  Pemphigus  einerseits  und 
den  mit  der  Impetigo  contagiosa  der  Erwachsenen  identischen  der  ersten 
Lebenstage  andererseits  für  wesentlich  different.  Die  intrauterine  In- 
fektion kann  dabei  bei  jeder  etwas  gestörten  Geburt  erfolgen,  ohne  mani- 
feste Sepsis  der  Mutter.  Wegen  der  Übertragungsgefahr  der  zweiten 
Form  besteht  in  Deutschland  far  diese  Fälle  die  Anzeigepflicht. 

Neumann  glaubt,  daß  ein  großer  Teil  dieser  Meinungsdifferenzen 
darauf  zuruckgefahrt  werden  muß,  daß  der  Name  Pemphigus  oft  falsch 
gebraucht  wird.  Solche  Übertragungen  von  Impetigo  werden  auch  häufig 
von  Kindern  auf  die  stillende  Mutter  und  von  dieser  auf  andere  Kinder 
beobachtet. 

Weidenfeld  stellt  einen  Fall  von  Pemphigus  localis  bei  einer 
58jähr.  Frau  vor.  Dieselbe  zeigt  die  unteren  Vs  d^*  linken  Unterschenkels 
von  scharfbegrenzten,  kreisrunden,  braunroten  Scheiben  eingenommen, 
die  als  Piementierungen  nach  abgeheilten  Blasen  anzusehen  sind.  Da- 
neben siiid  aber  auch  ganz  frische  Blasen,  mit  klarem  Inhalt  und  meist 
wallnußgroß  zu  sehen.  Vor  drei  Wochen,  noch  mehr  beim  ersten  Er- 
scheinen der  Pat.  in  der  Ambulanz  vor  zirka  8  Wochen  fanden  sich 
zahlreiche  Blasen  von  verschiedener  Größe.  Mau  ist  gedrängt,  an  eine 
Nervenaffektion  zu  denken.    Doch  ergibt  die  neurologische  Untersuchung 


der  Wiener  dermatologisohen  Oesellschaft.  378 

außer  einer  leichten  AbBchwftohang  des  Foßklonns  keine  NerrenstönuiR. 
Es  war  aach  naheliegend,  an  eine  artefisielle  Dermatitis  tu  denken,  da 
man  an  einseinen  Blasen  h&morrha^che  Ränder  sah.  Doch  waren  diese 
fein  linienfSrmiff,  aach  die  verscbiedene  Größe  der  Blasen,  sowie  das 
Intaktsein  der  £izwischen]iegenden  Hant  sprechen  dagegen. 

Mracek.  loh  bekam  von  der  Klinik  Neuss  er  einen  Fall,  wo  am 
Vorderarm  in  S  Etappen  Blaseueruptionen  auftraten,  jedesmal  von  Neu- 
ralgien eingeleitet,  und  faßte  denselben  als  Exanthema  bullosum  neuro- 
patbicum  auf.  Bald  darauf  kam  eine  junge,  chlorotisohe  Frau,  die  eine 
ähnliche  Blasenbildung  am  Unterschenkel  und  Fußrücken,  sugleioh  auch 
stark  ataktische  Bewegungen  zeigte.  Ich  habe  seither  5^6  fiboliche 
Falle  beobachtet  und  bin  zu  der  Ansicht  gekommen,  daß  es  sich  nicht 
um  Pemphigus,  sondern  um  periphere  Trophoneurosen  handelt,  wobei  die 
Noxe  bestimmte  Nervenzweige  treffen. 

Neumann.  Bei  der  ersten  größeren  Leprauntersuchung  wurden 
▼on  mir  Yorwiegend  die  tuberösen  Formen  gefunden,  erst  bei  einer 
«weiten  sah  ich  bei  Lepra  auch  einige  F&lle  mit  Blasenbildung  zwischen 
den  Zehen  und  am  Fußrücken,  wobei  gewiß  periphere  Neryenver&nde- 
rungen  vorliegen;  es  ist  auch  dieser  Pemphigus  leprosus  ein  Pemphigus 
sui  generis,  welcher  den  Namen  eigentlich  nicht  verdient. 

Weiden fe Id.    Ich  stimme   vollständig  Mracek   bei,  Fälle  mit 

sicherer  Nervenläsion  vom  Pemphigus  auszuscheiden.    Kann  doch  diese 

Form,  der  Pemphigus  neuroticus,   auch  universell  werden,  wie  bei  einer 

Wärterin,  die  nach  einer  Stichverletzung  eine  aufsteigende  und  allgemeine 

Neuritis  und  daran  anschließend  anfangs  einen  lokalen  Pemphigus  bekam, 

der  bald  oniversell  wurde.    Den  heutigen  Fall  habe   ich  gerade  deshalb 

als  Pemphigus  vorgestellt,  weil  eine  Nervenstörung  nicht  nachweisbar  ist 

und  der  Blasenprozeß  deutlich  eine  für  die  Affektion  typische  Chronizität 

darbietet 

Kreibieh  demonstriert  einen  S2jähr.  kräftigen  Taglöhner  mit  einem 
Liehen  ruber  acnminatus.  Derselbe  ist  vorwi^end  auf  den  Haad- 
teUem  und  Fußsohlen  lok^siert:  dieselben  sind  stark  schwielig  verdickt 
und  von  einer  mächtigen,  leicht  braunroten,  stark  schuppenden  Schwiele 
bedeckt,  die  entsprechend  den  größeren  und  kleineren  Hautfurohen  in  sahi- 
reiche, unre^felmäßige  Felder  gegliedert  ist,  zwischen  denen  die  Furchen  viel- 
fach eingerissen  und  mit  blutigen  Borken  bedeckt  sind.  Interessant  sind 
außerdem  vier  zirka  handtellergroße,  schuppende  Plaques  am  Gesäß  und 
an  den  Streckseiten  beider  Vorderarme,  die  sich  aus  einzelnen  follikulären, 
eine  fest  anhaftende  Homschuppe  tra^nden  Knötchen  zusammensetzen. 
In  der  Umgebung  deutlicher  Liehen  pilaris. 

Weidenfeld  stellt  noch  vor: 

1.  eine  eigenartige  Form  von  Erythems  multiforme.  Dasselbe 
begann  im  Gesiebte  und  trat  erst  später  symmetrisoh  auf  den  Streck- 
seiten  der  Hände  und  Füße  auf.  In  ohroniseher  Form  schreitet  es  nun  ^anz 
eigentümlich  während  eines  dreimonatlichen  Bpitalaufeuthaltes  weiter. 
Die  cuerst  im  Gesicht  auftretenden,  punktförmigen  bis  kleinliosenffroßen 
Flecke  bekamen  im  Zentrum  kleine  Bläschen,  die  rasch  eintrockneten 
und  mit  Hinterlassung  leichter  Pigmentierung  abheilten.  In  Bogen- 
und  Kreislorm  traten  am  Bande  immer  neue,  z.  T.  lebhafte  rote,  leicht 
euaddelartige  Erythemflecke  und  Bläschen  auf,  die  sich  serpiginös  am 
Hdse,   über  beiden   Schultern   und   der  Brustwand  in  fast  regelmäßig 


374  Yerhandlungen 

symmetrischer  Form  rechts  und  links  ausbreiteten.  Die  Abhailune  erfolgt 
dabei  immer  in  der  gleichen,  bereits  erwähnten  Weise.  Doch  tretoi 
yielfaob  in  dem  bereits  geheilten,  abgeblaßten  oder  leicht  bräunlich  pig- 
mentierten Gebiete  neue  Erytheme  auf.  Der  Allgemeinsustand  ist  dabei 
gut,  die  Verdauungsorgane  nicht  gestört. 

2.  einen  Fall,  der  nur  schwer  unter  ein  bestimmtes  Erankheitsbild 
zu  gruppieren  ist.  Der  28jähr.  Arbeiter  kam  mit  einem  exulcerierten 
und  auf  die  konjunctiva  übergreifenden  Lupus  vulgaris  beider  Augen- 
lider und  des  Nasenrückens  auf  die  Klinik.  Unter  unseren  Augen  traten 
zuerst  am  Rücken  kleine  punktförmige,  follikuläre,  aber  oberflächlich 
rasch  voreiternde  Knötchen  auf,  die  von  einem  leicht  lividrötlichen, 
schmalen  Hof  umgeben  waren.  Während  dieselben  rasch  vortrockneten 
und  dünne  Erdstchen  bildeten,  traten  in  der  Umgebung,  strich-  oder 
kreisförmig  neue,  gleiche  Knötchen  auf,  die  bald  konfluierten  and  heller- 
bis  guldengroße,  kreisrunde  oder  länglichovale  Herde  bildeten,  die  im 
Zentrum  mit  Zurückbleiben  eines  leicht  gegen  den  Rand  eingesunkenen, 
bläulichbraunen  Infiltrates  abheilen,  am  Mnde  sich  vielfach  noch  ver- 
ffrößero.  Ich  glaube,  es  handelt  sicn  hier  um  einen  Liehen  scrophu- 
fosorum  mit  stärkerer  Exsudation,  wie  Kaposi  einmal  einen  von 
Hochsinger  vorgestellten  Fall  auffaßte. 

Neumann  hält  die  Diagonose  Liehen  nicht  für  zulässig,  da  zu 
dessen  Begriff  die  Konstanz  der  follikulären  Knötchen  gehört.  Es  handelt 
sich  vielmehr  um  gruppierte  pustulöse  Effloreszenzen,  die  unter  Bildong 
immer  frischer  Pusteln  an  der  Peripherie,  im  Zentrum  zu  Borken  ein- 
trocknen, dabei  an  vielen  Stellen  in  der  Mitte  auch  Narben  zurücklassen. 
Syphilis  ist  daher  nicht  auszuschließen. 

Veumann  stellt  vor: 

1.  einen  7jährigen  Knaben  mit  Ichthyosis  und  Psoriasis 
vulgaris. 

Die  Haut  am  Stamm  und  an  der  Streckfläche  der  Extremitäten  mit  fest- 
haftenden, zarten,  glänzenden  Schüppchen  bedeckt  Die  Haut  ist  überall 
trocken,  nur  an  der  Beugeseite  der  Gelenke  von  normaler  Beschaffenheit. 
An  der  Streckflache  der  unteren  Extremitäten  einzelne  erbsen-  bis 
kreuzergroße  Effloreszenzen,  die  braunrote  Farbe  und  an  ihrer  Ober- 
fläche Schuppenauflagerungen  zeiffen,  nach  deren  Abkratzung  der  punkt- 
förmig blutende  Papillarkörper  frei  zu  Tage  liefft.  Die  Emoreszenzen 
sind  scharf  umschrieben.  Es  besteht  demnach  in  diesem  Falle  die  seltene 
Kombination  von  Psoriasis  vulgaris  mit  Ichthyosis.  Die  psoriatischen 
Effloreszenzen  sind  in  der  Weise  gegenüber  gewöhnlichen  verändert,  daß 
die  Schuppen  nicht  so  silberweißen  uJanz  aufweisen  sondern  mehr  schmutzig- 
gelblich erscheinen. 

2.  eine  SOj ährige  Patientin  mit  Gummata  cutanea.  An  der 
Haut  des  Rückens  finden  sich  landkartenähnliche  braunrote  Infiltrate, 
die  zu  beiden  Seiten  der  Wirbelsäule  fast  symmetrisch  sich  bis  auf  die 
Seitenfläche  des  Thorax  erstrecken.  Die  zwischen  den  unregelmäßig  ge- 
krümmt verlaufenden  Streifen  befindliche  Haut  ist  nicht  verändert 
Analoge  Infiltrate  von  mehr  kreisförmiger  oder  ovaler  Form  zum  Teil 
mit  Krusten  und  Schuppen  bedeckt  finden  sich  an  der  Innenseite  der 
Oberschenkel  und  an  oer  Schulter.  Die  Schneidezähne  sind  meißelformigt 
die  Krone  derselben  halbmondförmig  gestaltet.  Nach  Angabe  der  Kranken 
besteht  die  Affektion  seit  frühester  Kindheit 

3.  einen  34jährigen  Patienten  mit  Onychia  syphilitica.  Beim 
Eintritt  ins  Spital  vor  4  Wochen  bestanden  heftigste  Schmerzen,  die 
kontinuierlich  anhielten,  bei  Nacht  exacerbierten,  so  daß  Patient  durch 


der  Wiener  dermatologischen  GeseÜBchaft.  375 

S  Wochen  BchlafloB  war.  Die  Nägel  sämtlicher  Finser  waren  vielfach 
deformiert,  längs  gefurcht,  glanzlos;  an  den  seitliouen  Partien  durch 
dicke,  zwischen  Nagel  und  I^agelmatrix  eingeschobene  Schuppen  nnd 
Hommassen  abgehoben.  Der  freie  Rand  des  Nagels  war  doreh  palissaden- 
artig  gestellte  parallele  Homleisten  eleviert;  Naffelwall  nnd  -falz 
wallartig  aufgeworfen,  blaurot  verfärbt,  unter  dieselben  schoben  sich 
blutig  tingierte  Borkenmasseu  ein.  Gegenwärtig  zeigen  die  Näp^el  Glanz, 
die  Schuppen  und  Emstenmassen  haben  sich  abgestoßen,  die  Längs- 
forchung  fehlt.  Die  Nagelwälle  fast  ohne  entzündliche  Reaktion.  Patient 
hat  jetzt  keine  Schmerzen  mehr  und  schläft  gut.  Therapie  Decoct.  Zitt- 
mann  und  grauer  Salbenverband. 

4.  eine  36jährige  Kranke  mit  Sklerose  der  Oberlippe. 
Schwellung  der  regionären  Lymphdrüsen  und  einem  bereits  im  Abblassen 
beffriffenen  maknlo-papulösen  Exanthem.  Der  Mann  wurde  untersncht 
und  er  wies  Papeln  an  den  Tonsillen  und  Gaumenbogen  und  universelle 
Drüsenschwellun^  auf. 

5.  eine  22iährige  Kranke  mit  Sklerose  an  der  Unterlippe 
und  einem  maknlösen  Exanthem. 

6.  eine  21jährige  Patientin  mit  Oberlippeiisklerose  und  maku- 
lösem  Exanthem. 

7.  einen  18jährigen  Burschen  mit  ausgebreitetem  Liehen  soro- 
phnlosornm.  Zerstreut  am  Stamm  punktförmige,  follikuläre,  gruppierte 
mit  Schuppen  bedeckte  bräunlichrote  Effloreszenzen.  Am  Rücken  sind 
dieselben  konfluiert,  doch  ist  die  follikuläre  Natur  noch  deutlich  zn  er- 
kennen. Die  rechte  Präaurikulardrüse,  die  Submaxillar-,  Zervikal-  nnd 
Nuclealdrüsen  beträchtlich  geschwellt  nnd  von  teigig  weicher  Konsistenz. 
Gegenüber  Herpes  tonsurans  ist.  differentialdiagnostisch  wichtig  die  Zu- 
sammensetzung aus  Knötchen,  gegenüber  Syphilis  das  zentrifugale  Fort- 
schreiten ohne  zentrale  Abheiluag,  gegenüber  Ekzem  die  I<arbe,  das 
gänzliche  Fehlen  jeglicher  Excoriation. 


Sitzung  vom  30.  April  1902. 
Vorsitzender:  Kaposi.  Schriftführer:  Kreibich. 

Ehrmann:    Die  40j.  Frau,    deren  Lungenuntersuchung  eine  vor- 

gesohrittene  Tuberkulose  ergeben,  zeigt  an  der  Übergangsstelle  der  äu- 
eren  Haut  in  die  Nase  am  linken  Nasenflügel  ein  Geschwür,  das  ietzt 
wesentlich  gebessert  immer  noch  deutlich  die  Charaktere  eines  Ulcus 
tnberenlosum  aufweist,  den  viel  jach  gespaltenen,  fein  ausgenagten  Rand, 
an  dem  fortwährend  kleine,  grieskornartiffe^  bald  exnicerierende  Knötchen 
auftreten.  Das  Geschwür  war  lange  für  ^itheliom  und  Syphilis  gehalten 
worden.  Merkwürdig  ist  es  immerhin,  daß  ich  gerade  an  dieser  Stelle 
öfters  tuberkulöse  Ulcera  gesehen  habe.  Da  es  sich  zweifelsohne  um  In- 
okulation durch  das  eigene  Sputum  handelt,  so  besteht  die  Frage,  ob 
dies  direkt  durch  die  Nase  geschieht  oder  von  außen  beim  Abtrocknen 
mit  dem  Taschentuohe;  in  ersterem  Falle  müßte  man  auch  eine  Erkran- 
kung der  Nasenschleimhaut  erwarten. 

Neumann  zeigt  als  Pendant  zu  diesem  Falle  die  Abbildung  von 
tuberkulösen  Geschwüren  an  beiden  Nasenflügeln.  Heute,  wo  die  Tuber- 
kulosenfrage eine  so  große  Rolle  spielt,  ist  die  Entscheidung  in  vielen 
Fällen  sehr  wichtig,  ob  diese  Geschwüre  an  der  Nasen-  und  Mundschleim- 
haut oder  am  Genitale  durch  direkte  Berührung,  Oskulation  u.  s.  w.  lu- 


376  Verhandlungen 

stände  kommen  können.  Ich  erinnere  mich  an  den  Fall  vor  mehreren 
Jahren,  wo  bei  der  ritaellen  Cirkamoision  4  Kinder  inficiert  wurden,  von 
denen  8  starben,  wahrend  das  vierte  spater  an  Tuberkulose  sugrande  gieng. 

Ereibich:  Ich  habe  in  einer  der  letzten  Sitzungen  des  vorigen 
Jahres  eine  Frau  mit  tuberculösen  Oesch wären  an  der  rechten  Hand  vor- 
gestellt,  bei  welcher  die  Infektion  höchst  wahrscheinlich  beim  Waschen 
der  Sputumschalen  ihres  an  Lungentuberkulose  erkrankten  Gatten  zustande 
kam  und  kann  diese  Beobachtung  durch  eine  gleiche  in  der  letzten  Zeit 
noch  vermehren. 

Ehr  mann:  Ahnliche  Fälle  von  Infektion  durch  Spnckschalen  stam- 
men auch  aus  der  ersten  Zeit  des  Studiums  der  Tuberkulose.  In  den  von 
mir  beobachteten  Fällen  handelt  es  sich  um  Autoinfektion  durch  das 
eigene  Sputum. 

Kreidl:  Ich  möchte  in  kurzem  ein  von  mir  angegebenes  Instru- 
ment zeigen,  von  dem  ich  glaube,  daß  es  einigen  Aufschluß  über  die 
Physiologie  der  Haut,  besonders  der  Hautgefaße  bringen  kann.  Es  ist  im 
wesentlichen  ähnlich  dem  Plethysmograph  der  Franzosen,  den  ich  etwas 
abgeändert  habe,  um  ihn  möglichst  fehlerfrei  zu  machen. 

Es  ist  ein  Apparat,  um  den  Nagelpuls  zu  bestimmen,  ohne  genau 
zu  präcisieren,  welche  Gefäße  in  Betracht  kommen,  ob  Kapillaren  oder 
kleinste  arterielle  Gefäße,  er  wurde  daher  Onychograph  genannt  Einige 
Autoren  wollten  aus  Veränderungen  dieses  Pulses  bei  verschiedenen  Per- 
sonen weitergehende  Schlüsse  ziehen,  denen  ich  nicht  beipdichten  kann. 
Doch  ist  es  möglich  über  gewisse  Gefaßverhältnisse,  speciell  lokale  Ver- 
änderungen Aufschluß  zu  bekommen.  Folgende  Versuche  besonders  möchte 
ich  demonstrieren,  die  speciell  für  die  Hautpathologie  in  Betrach  kom- 
men könten.  Wenn  man  das  lustrument  auf  das  Nagelbett  aufsetzt  und 
den  Federdmck,  dem  des  Blutes  adäquat  gemacht  hat,  sieht  man,  daß 
der  Zeiger  des  Apparates  den  Puls  in  regelmässigen  Ausschlägen  anzeigt. 
Gibt  man  nun  die  Hand  in  kaltes  Wasser,  so  verschwindet  der  Puls  so- 
fort, da  die  kleinen  Gefäße  sich  unter  der  Kältewirkung  ganz  kontra- 
hieren. Man  braucht  diesen  Versuch  blos  bei  verschiedenen  Personen  zu 
machen,  um  die  Gefäß  Verhältnisse  derselben  diesbezüglich  zu  beurteilen 
Einfacher  ist  der  Versuch  beim  Aufgießen  von  Äther,  der  allmählich  ver- 
dampft, so  daß  der  Zeiger  immer  mehr  zurückgeht  und  endlich  ^nz 
kleine  Pulse  macht.  Man  kann  aber  auch  durch  Abkühlung  der  einen 
Hand  die  Reaktion  in  den  Gefäßen  der  anderen  Seite  erzielen,  wenn  auch 
dabei  der  Ausschlag  etwas  geringer  ist  als  bei  direkter  Reizung.  Dieses 
Phänomen  der  Gefaßreaction  in  symmetrischen  Gebieten  ist  übrigens  den 
Hautärzten  wohl  bekannt. 

Ein  zweites  Instrument  ist  noch  derart  modificiert,  daß  es  gleich 
zum  Schreiben  dieser  l'ulsschwankungen  dient. 

Hoehslnger  stellt  vor: 

1.  ein  hereditär  luetisches  Kind,  das  nach  Jahrebirist  seh  were 
cerebrale  Störungen  zeigt,  die  mit  Sicherheit  auf  hered.  Lues  zu- 
rückgeführt werden  können.  Der  4Vs  Jahre  alte  Knabe  stand  in  den  ersten 
Lebens  Wochen  mit  einem  Exanthem,  diffuser  Infiltration  der  Handteller 
und  Fußsohlen,  aueh  Leber-  und  Milztumor  in  meiner  Behandlung.  Inner- 
halb eines  halben  Jahres  wurde  er  durch  eine  specifi^che  Therapie  ge- 
heilt 4  Jahre  danach  im  Herbst  1901  wurde  das  Kind  in  meine  Ambu- 
lanz gebracht  mit  der  Angabe,  es  habe  angefangen,  schlecht  zu  gehen. 
Die  Beschwerden  steigerten  sich  bis  zur  vollständigen  Un^wej<- 
liohkeit,   und   einmal  über   Nacht  fand  sich  aaoh  der  linke  Bulbus  nach 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  377 

innen  vertiert  Aach  jetzt  besteht  noch  eine  Abdacenslähraung  am  linken 
Ange,  eine  Parese  des  rechten  Facialis  nnd  der  rechtseitigen  Exstremi- 
täten,  demnach  die  8ymi>tome  einer  gekreuzten  Lähmung.  Unter  Jod- 
behandlang  ist  seither  eine  bedeatende  Besserung  eingetreten,  indem 
das  Kind  wenn  auch  etwas  schlendernd  gehen  and  den  Arm  bewegen 
kann;  die  Aagenmaskellähmung  ist  nicht  zoröckgegang^n.  Wenn  man 
beide  Erscheinungen  nicht  in  2  ganz  verschiedene  corticale  Herde  ver- 
legt, kommt  man  zur  strengen  Lokalisation  der  Affektion  in  jener  Ge- 
gend, wo  der  Facialis  und  Abducens  mit  der  Pyramidenbahn  der  anderen 
Seite  zusammentreten,  d.  i.  in  der  Varolsbrücke,  was  auf  dem  an  der 
Taiel  gezeichneten  Schema  ersichtlich  ist.  Das  Kind  hatte  nie  Spasmen, 
keine  epileptischen  Anf&lle,  keine  Intellegenzstörunjoren,  so  daß  corticale 
Störungen  auszuschließen  sind.  Besteht  noch  die  Frage,  handelt  es  sich 
um  ein  Gumma  oder  eine  Encephalitis;  der  Iiiaugel  einer  Stauungspapille, 
sowie  die  vorhandene  Pupillenstarre  sprechen  mehr  für  die  diffusen  Er- 
Bi^heinungen  der  Encephalitis. 

2.  ein  8  Monate  altes  Kind,  das  in  den  ersten  Lebenstagen  ein 
recentes  Frühsyphilid  mit  diffusen  Intiltraten  der  Hohlhand  und  Coryza 
hatte.  Jetzt  besteht  ein  Recidiv  mit  großen  Papeln  und  eingesunkener 
Nase.  Merkwürdig  ist  der  Schädel,  der  die  deutlichen  Symptome  des 
akuten  hydrocephal.  Ergusses  darbietet.  Namentlich  möchte  ich  aber 
auf  die  ausgedehnten  subkutanen  Schädelvenen  hinweisen.  In  der  letzten 
Zeit  hat  Fournier  diese  Veränderungen  als  Dystrophie  veneuse  heredo- 
syphilitique  beschrieben.  Doch  haben  sie  mit  der  Syphilis  keinen  direkten 
Zusammenhang,  sondern  sind  sekundär  durch  den  Hydrocephalus  her- 
vorgerufen, gleichgiltig  ob  dieser  luetisch  oder  rachitisch. 

8.  in  ausgezeichneter  Weise  entwickelt  eine  syphilitische 
Pseudolähmung  verbunden  mit  Auftreibung  des  unteren  Humerus- 
und  oberen  Vorderarm endes  rechterseits.  Das  Kind  hat  auch  eine  eigen- 
thümliche  BeugesteiHgkeit  und  Kontraktursteilung  in  den  Händen,  was 
ein  Beweis  ist,  daß  keine  echte,  sondern  nur  eine  sekundäre  Lähmung 
infolge  einer  Knochenaffektion,  ohne  spinale  Aetiologie  vorliegt.  Die 
AuftreibuDg  bezieht  sich  hier  nicht  nur  auf  den  Knochen,  sondern  auch 
auf  die  Weichtheile,  was  auch  durch  die  Röntgenaufnahme  bestätigt 
wird.  Dieselbe  zeigt  dabei  die  bereits  wiederholt  hier  dargestellten  Wachs- 
tumsstörungen  zwischen  Epi-  und  Diaphyse,  sowie  die  starke  Empfind- 
lichkeit der  langen  Köhrenknochen  fnr  Syphilis,  indem  fast  alle  Pha- 
langendiaphysen  Störungen  des  Knochenbaues  zeigen. 

Mracek:  Die  von  Hochsinger  mit  Recht  angefochtene  Auffassung 
Fourniers  ist  gewiss  auch  hier  eine  einseitige.  Wir  wissen,  daß  bei  akuter 
und  chronischer  Encephalitis  überhaupt  Zirkulationsstörungen  und  Venen- 
erweiterungen typisch  sind  und  es  ist  eben  wahrscheinlicher,  daß  die« 
selben  am  Kopfe  ähnlich  wie  über  dem  Stemum  und  am  Abdomen  in 
lokalen  Krankheitsprocessen  mit  Stauungserscheinungen,  nicht  in  Gefaß- 
erkrankungen specifischer  Art  ihre  Ursache  haben. 

Spiegier  demonstriert: 

1.  den  in  der  letzten  Diskussion  über  Sklerodermie  erwähnten 
Fall  dieser  Art,  der  genau  dort  mit  ödem  begann,  wo  einerseits  der  Hemd - 
kragen,  andrerseits  der  Hutrand  der  Haut  anlagen,  und  sich  dann  über 
weitere  Partien  des  Gesichtes  ausdehnte,  das  jetzt  ganz  derb  und  unbe- 
weglich erscheint.  Ich  habe  damals  auf  die  Möglichkeit  hingewiesen,  daß 
sich  die  Sklerodermie  auf  dem  Boden  eines  Ödems  entwickeln  kann, 
wenn  die  Goleg»'nheit  dazu  durch  äußeren  Einßuß  günstig  ist,  und  halte 
diese  mechanische  Erklärung  f^  plausibler  als  die  durch  Autointoxi- 
kation. 


378  Verhandlung«]! 

2.  ein  anämisches  Mädchen,  das  seit  6  Jahren  ein  Ekzem  an  den 
Lippen  in  der  Form  hat,  daß  sich  die  Haut  derselben  immer  wieder 
abschält.  Diese  Art  des  Lippenekzems  ist  hartnäckig  und  reagiert  nur 
auf  interne  Behandlung  der  Anämie,  während  lokale  Therapie,  wie  Pin- 
selungen mit  Lapislösung,  Kalilauge  oder  Jodtinktur  keinen  Erfolg  haben. 

Ehrmann  stellt  vor: 

1.  einen  Mann,  der  voriges  Jahr  längere  Zeit  weeen  eines  tief 
und  weithin  ulcerierten  Bubos  behandelt  wurde.  (Abth.  Prof.  Lanff). 
Derselbe  nahm  einen  großen  Theil  des  Oberschenkels  ein,  so  daß  schlieo- 
lieh  zur  Deckung  des  Defektes  eine  Plastik  nach  Thiersch  gemacht 
wurde.  Jetzt  sieht  man  in  der  linken  Inguinalbeu^e  und  weithin  in  der 
oberen  Hälfte  des  Oberschenkels  eine  unregelmäßige  weißblauglänzende, 
zum  Theil  strahl  ige  pigmentierte  Narbe  und  an  deren  peripheren,  unteren 
Kande  ein  serpiginös  gruppiertes  Syphilid.  Es  sind  dies  Fälle  von  Drn- 
sengummen,  die  ich  für  identisch  mit  jenen  Gummen  halte,  welche 
an  Stelle  eines  alten  Primäraffektes  oder  eines  früher  indurierten  Lymph- 
gefäßes aus  Resten  eines  Infiltrates  entstehen.  Ich  habe  auch  anatomische 
Präparate  solcher  Lymphdrüsen  demonstriert,  bei  denen  die  Lymphräumo 
ebenso  mit  Leukocyten  angefüllt  erscheinen  wie  die  specifisch  erkrankten 
Gefäße. 

N  o  b  1 :  Der  Patient  stand  vor  2  Jahren  mit  einem  typischen  Ulcus 
venereum  am  inneren  Präputialblatte  und  einem  vereiterten,  rechtsseitigen 
Bnbo  an  der  Abtheilung  Grünfeld  in  Behandlung,  ohne  während  drei- 
monatlicher Beobachtung  auch  irgend  ein  Luessymptom  zu  zeigen.  We- 
gen des  fortschreitenden  Zerfalles  der  Drüse  wurde  er  dann  zur  Spitals- 
behandlung auf  die  Abth.  Prof.  Lang  aufgenommen,  deren  Befund  leider 
unbekannt  ist. 

Mracek:  Daß  Drusen  bei  einem  alten  Luetiker  gummös  werden, 
ist  nicht  gar  so  selten.  Ein  dem  vorgestellten  ähnlicher  Fall  ist  in  mei- 
nem Atlas  abgebildet.  Auch  treten  solche  größere  Drüsentumoren  am 
Halse  oft  im  8.  und  4.  Jahre  der  Erkrankung  auf. 

Finger:  Es  gibt  Fälle,  bei  denen  die  Haut  zu  den  luetischen 
Drüsen  sich  ähnlich  verhält  wie  zu  den  Drusen  bei  Scrophulose  und 
Tuberkulose,  welche  die  Haut  durchbrechen  und  dann  als  Lupus  weiter- 
wandern. So  haben  wir  jetzt  einen  Patienten  mit  Gummen  der  Kubital- 
drüsen  und  Fortschritt   derselben  auf  die  Haut  als  serpiginöses  Syphilid. 

N  e  u m  ann :  Dieselbe  Frage  wurde  hier  vor  6  Jahren  erörtert  Ebenso 
wie  andere  Gewebe  können  eben  auch  die  Drüsen  gummös  erkranken. 
Auch  ich  sah  solche  ulcerierte  Drüsengummen  bei  einem  Manne  am  Ell- 
bogen. Ein  anderer  Patient  hatte  solche  gummöse  Ulcera,  die  für  Ear- 
cinom  gehalten  wurden  und  schon  zur  Operation  bestimmt  waren.  Meist 
sind  derlei  serpiginöse  Bu honen  und  venerische  Geschwüre,  die  solange 
dauern,  Mischinfektionen  auf  anderer  z.  B.  tuberkulöser  Basis. 

2.  den  bereits  voriges  Jahr  vorgestellten  Fall  mit  Psorosper- 
mosis  Darier,  dessen  Zustand  sich  während  des  Winters  nach  interner 
Darreichung  von  Leberthran  bedeutend  s^ebessert  hat.  Die  ausgedehnten 
warzigdrüsigen  Flächen  am  Nabel  und  der  Wirbelsäule  sind  bedeutend 
abgeflacht.  Erst  vor  acht  Tagen  traten  einige  frische  Knötchen  am  Rücken  auf. 

8.  einen  54jährigen  Mann,  der  wie  pigmentierte  Naevi  aussehende 
kaffeebraune,    heller-    bis  guldengroße,    stellenweise   von   einem  weißen 


der  Wiener  dermatologischen  Geaellschafb.  379 

Hofe  umgebene  Flecken  zeigt.  Derselbe  hatte  vor  2  Jahren  an  verschiedenen 
Seilen  Psoriasis  nummularis  und  damals  Arsen  genommen,  wovon  xuch  die 
Pigment ierung  herröhren  dürfte,  die  bei  Arsentherapie  nicht  nur  an 
Stelle  der  gereizten  Psoriasisherde,  sondern  auch  unabhängig  davon  auftritt. 

Nobl  demonstriert  aus  Grün  fei  d's  Abtheilung  einen  20jährigen 
Kranken  mit  ausgebreiteter  Vitiligo.  Bemerkenswert  erscheint  in 
diesem  Falle  die  charakteristische  Anordnung  des  Pigmertschwundes, 
welche  den  trophoneuretischen  ürsprang  des  Prozesses  sehr  nahe 
legt.  Die  ausgedehnten,  in  Form  multipler  Herde  vom  Nacken  und 
Sdiulter^rtel  bis  in  Eniegelenkshöhe  reichenden  pigmentlosen  Flächen, 
welche  sich  außer  dem  noch  auf  die  Ober-  und  Vorderarme  ausbreiten, 
sind  durchwegs  symmetrisch  über  beide  Körperhälften  verteilt  und 
zeigen  sowohl  am  Stamme  als  an  den  Extremitäten  eine  den  metame- 
rafen  Innerva  tionsbezir  k  en  der  Spinalnerven  resp.  Se- 
gementen  entsprechende  Topographie.  Am  Rumpfe  nimmt  die 
Depigmentation  in  wngrechten  Streifen  ihren  Fortgang,  während  sie  an 
den  Armen  eher  parallel  zur  Längsachse  verläuft,  Verhältnisse,  welche 
sich  vollauf  mit  den  in  den  Tabellen  von  Haed,  Brissaud  u.  A.  ver- 
zeichneten, decken. 

Buchto  stellt  aus  Prof.  Mraceks  Abtheilung  vor: 

1.  Lues  hereditaria  mit  En  darteriiti  s  an  den  kleineren 

Gefäßen. 

B.  H.,  17  Jahre  alt,  Schüler. 

Patient  ist  im  Wachstum  auffallend  zurückgeblieben,  zeigt  noch 
ganz  puerilen  Habitus,  gracilen  Knochenbau,  äußerst  dürftige  Muskulatur, 
ran.  adipos.  reduziert.  Haut  trocken,  Schleimhäute  blass,  das  infantile 
Genitale,  sowie  die  Achselhöhlen  nicht  behaart. 

Großer,  dolichocephaler  Schädel,  Gesicht  alt,  faltig,  bartlos,  an  den 
Lippen  und  Mundwinkeln  Rhagaden,  beide  Aagen  tragen  Narben  nach 
abgelaufener  Keratitis,  die  Nase  leicht  deformiert,  chron«  Ekzem  unter 
derselben.  Das  Septum  nach  links  höchstgradig  deviiert.  Die  Zähne 
zeigen  zwar  nicht  typisch  Hutchinson'sche  Ausbuchtung,  jedoch  starke 
Einkerbungen  und  Strichelung.  Die  Schilddrüse  am  Halse  mäßig  groß 
zu  fühlen.  Lungen  normal.  Das  Abdomen  leicht  meteorist.,  Leber  nicht 
besonders  vergrößert,  Milz  reicht  zwei  Querfinger  unter  den  Rippenbogen. 

Die  Lymphdrüsen  am  Halse  vergrößert,  besonders  rechts  hinter  dem 
sternocleido-mastoideus  ein  Packet  bildend,  links  in  der  regio  submaxil- 
laris  und  supraclavikularis  je  eine  stark  vergrößert,  in  ingu.  dextra  ein 
größeres  Drüsenpaket  palpabel. 

Interessant  ist  der  Befund  der  Blutgefäßen.  Die  Herzdämpfung 
nach  rechts  bis  an  den  Rand  des  sternums  reichend,  der  Spitzenstoß  im 
8.  J.  R.,  einwärts  von  der  Mamilla  undeutlich  zu  fühlen. 

An  der  Herzspitze  ein  lauter,  gedoppelter  Ton,  Gefaßtöne  beide 
sehr  laut.  Der  2.  Aortenton  fast  klingend,  auch  noch  über  dem  arcut 
Aortae.  Die  rechte  A.  radialis  oberhalb  des  Handgelenkes  3  Gm.  lang  als 
rigider  Strang  von  doppeltem  Volumen  zu  tasten.  Die  Pulswelle  niedrig, 
Sjpannnng  gerin^^,  derruls  arhj'thmiich  und  inäqual  mit  der  linken  Seite. 
Die  radialis  siniitra  nicht  so  beschaffen,  der  Puls  klein,  träge,  kaum 
zu  tasten. 

Weiter  ist  die  radialis  dextra  wieder  weicher,  während  die  bra- 
chialis  wieder  rigide  ist. 

Auch  die  beiden  Karotiden  als  harte,  kaum  pulsierende  Stränge 
zu  tasten. 


380  Verhandlungen 

An  den  unteren  Extremitäten  iBt  nur  die  kraralis  »in.  und  nur 
undeutlich  zu  tasten. 

Patient  kiim  Anfang  November  v.  J.  auf  die  Abtheilung.  Er  gab 
an,  Beit  einem  Jahre  an  Schwellungen  im  rechten  Fuße  zu  leiden,  welche 
ab  und  zunahmen,  in  letzter  Zeit  jedoch  immer  häufiger  wurden.  Ende 
September  v.  J.  traten  Parästhesien  am  dorsum  ped.  dextr.  und  undeut- 
liche Empfinden  in  den  Zehen  auf.  Es  zeigten  sich  auch  rote  und  blaue 
Flecken  an  der  Flaut ;  am  dorsum  der  zweiten  Zehe,  sowie  ober  dem 
Köpfchen  des  Metatarsus.  IL  entstand  ein  oberflächlicher  Substanzverlust. 

Die  Substanzverluste  heilten  während  seines  Spitalsaufenthaltes,  die 
Ödeme  schwanden  gleichfalls;  es  zeigte  sich  jedoch  bald  eine  trockene 
Gangrän  an  der  2.  und  8.  Zehe  des  rechten  Fußes,  die  Endphalangen 
derselben  wurden  nekrotisch  und  in  Sequestern  abgestoßen. 

Am  t(>.  Jänner  waren  die  nekrotischen  Stellen  rein  vernarbt,  Pa- 
tient wurde  entlassen.  Sein  Gewicht  war  von  25  kg.  auf  27  kg.  gestiegen, 
sein  Allgemeinzustand  bedeutend  besser,  die  Drusen  zum  Teil  geschrumpft 
und  die  Rigidität  der  radialis  deutlich  vermindert 

Vor  zirka  14  Tagen  kam  Patient  abermals  wegen  Ödemen,  Parä- 
stesie  am  rechten  Fuße  und  einer  Fistel  an  der  zweiten  Zehe  zur  Auf- 
rahme. 

2.  Sklerose  mit  seltener  Lokalisation.  Eine  zirka  Eronenstdck- 

froße  Sklerose  bei  einem  Sacktrsger  an  der  Schleimhaut  der  unter- 
ippe  am  Übergange  in  die  Gingiva  des  Unterkiefers.  Anamnestisoh 
läßt  sich  nur  erheben,  daß  Patient  weggeworfene  Zigaretten  sammelte 
und  rauchte. 

8.  Ulceröses  serpiginöses  Syphilid.  Patient  hat  seit  drei 
Jahren  Geschwüre  am  Penis,  welche  zu  umfangreichen  Substanz  Verlusten 
und  mehrfachen  Perforationen  am  Prat'putium,  und  der  glans  und  an  der 
cutis  penis  geführt  haben.  Seit  ungefähr  einem  Jahre  leidet  Patient  an 
ulcerösen  Prozeßen  an  der  rechten  Halsseite,  am  Nacken  und  im  Gesichte, 
die  eine  Facialis  paräse  verursachten.  Patient  kam  wegen  seiner  seit  14 
Tagen  bestehenden  Heiserkeit  auf  die  Abtheilnng.  Da  er  den  Mund  nur 
mangelhaft  öffnen  kann,  ist  ein  laryngoskopischer  Befund  nicht  zu  erheben. 

Hochsinger:  Man  hat  bei  dem  ersten  Patienten  aus  der  physi- 
kalischen Untersuchung  Anhaltspunkte  dafür,  daß  nicht  nur  die  peripheren 
Gefäße,  sondern  auch  die  Aorta  betheiligt  sind,  da  der  zweite  Aortenton 
akzentuiert  und  der  linke  Veutrikel  vergrößert  ist.  Die  überwiegende 
Vergrößerung  der  Hals-  und  Supraklavikularlymphdrüsen  linkerseits  er- 
klart allein  schon  den  Unterschied  am  Pulse  beider  Arterien.  Als  Zeichen 
der  hereditären  Lues  sehen  wir  bei  dem  Knaben  mit  dem  stark  ausge- 
prägten Infantilismus  noch  die  feinen  radiären  Narben  um  die  Mundwinkel. 

Neumann:  Eine  solche  Veränderung  der  peripheren  Arterien  in 
l'olge  von  hereditärer  Lues  ist  eine  große  Seltenheit,  und  von  großer 
Bedeutung,  da  sie  zu  embolisohen  Prozeßen  einerseits,  andrerseits  zu 
Gangran  fuhren  kann,  wie  ich  letzteres  auch  bei  einem  Kollegen  beob- 
achten konnte. 

Eine  andere  Tragweite  hat  die  Pathologie  dieser  Gefäßveränderung 
aber  deshalb,  weil  man  es  versucht,  einen  großen  Teil  der  Aneurysmen 
auf  Lues  zurückzuföhren ;  doch  ist  der  strikte  Beweis  hiefür  noch  nicht 
geliefert. 


der  Wiener  dermatologischen  GesellBchait.  381 

Mracek:  Die  Unterschiede  der  Beteiligung  an  den  einzelnen 
Gefäßen  sind  ziemlich  groß.  Dies  entspricht  aach  meinen  anatomischen 
Erfahrungen.  Die  Arterien  sind  bei  hereditärer  Lues  intrauteria  nicht 
gleichmäßig  erkrankt,  sowohl  was  den  Längsverlanf  des  ganzen  Gefäßes 
als  die  Ausbreitung  im  Querschnitte  betrifft.  Was  ihren  Zusammenhang 
mit  der  Aneurismabildung  betrifft,  so  hat  sich  z.  B.  Eppinger  in  einer 
Arbeit  gegen  Weiohselbaum  und  Ghvostek  gewendet,  die  gerade  das 
Aneurysma  der  kleinen  Gehimarterien  auf  Lues  zurückgeführt  haben. 

Wilhelm  demonstriert  eine  junge  Frau  mit  einer  an  allen  Fingern 
ausgebildeten  Onychie.  Die  Nägel  sind  ganz  unregelmäßig  der  Länge 
und  Breite  nach  gerifft,  z.  T.  glanzlos  und  unregelmäßig  höckerig.  Der 
freie  Rand  vielfach  ungleich  abgebrochen,  bröcklig  und  von  1 — 2  mm 
hohen,  schmutzigweißen,  hornigen  Schuppenmassen  emporgehoben.  PiUe 
wurden  nicht  gefunden,  Psoriasis  und  Lues  bestehen  nicht. 

Heumann  stellt  vor: 

1.  einen  Säugling  mit  Impetigo  gangraenosa.  An  der  Beuge- 
fläohe  der  Oberschenkel  finden  sich  birsekorn-  bis  erbsengroße,  hell- 
gerötete,  leicht  über  das  Niveau  der  Umgebung  hervorragende  Knötchen 
oder  von  leicht  rotem  Hof  umgebene  Bläschen  mit  klar- serösem  Inhalt, 
welcher  sich  bald  trübt.  l»ie  Pusteldecke  stößt  sich  rasch  ab,  und  es  ver- 
bleiben seichte  Erosionen  mit  nässender,  glatter  Basis.  Letzteie  zeigt 
jedoch  bald  Tendenz  zu  nekrotischem  Zerfall  mit  Progredienz  des  Pro- 
zesses gegen  die  Peripherie.  Die  derartig  veränderten  EfBoreszenzen, 
von  denen  die  meisten  an  der  unteren  Bauchhaut  sitzen,  präsentieren 
sich  als  locheisenartig  vertiefte,  bis  über  kronengroße  Geschwüre  mit 
geröteten,  trichterförmig  sich  einsenkenden  Rändern  und  mißfarbig 
speckig  belegter,  zerfallener,  grüonlich-braun  tingierter  Basis.  Bakterio- 
logische Untersuchung  intakter,  noch  rein  seröser  Bläschen  ergibt  Rein- 
kultur des  Staphylococcus  albus; 

2.  einen  32iährigen  Mann  mit  gruppiert  kleinpapulösem 
Exanthem.  Derselbe  war  vor  6  Jahren  wegen  Lues  in  Behandlung  und 
wurde  seitdem  alljährlich  wegen  Exanthem  mit  Einreibungen  behandelt. 
An  beiden  Vorderarmen,  im  Penoskrotalwinkel  und  über  dem  unteren 
Ende  des  Kreuzbeines  gruppierte  hellrote  bis  braune  Knötchen  mit 
stellenweise  zentralem  eitrigen  Zerfall.  Am  rechten  Oberschenkel  kronen- 
große, lo'eisrunde  und  ovale  Narben  mit  zentraler  Depigraentation  und 
peripher  sepiabrauner  Vertärbung; 

S.  einen  41j&hrigen  Mann  mit  syphilitischer  Perforation 
des  harten  Gaumens  und  Nasenseptums  und  Framboesia  syphilitica 
an  den  Ohren  und  den  behaartem  Kopf.  Die  Synhilis  besteht  seit  ungefähr 
9Vi  Jahren.  An  der  Wange  rechts  talergroße,  infiltrierte  Stelle  mit 
sentralem  Geschwür.  Am  Kopf  ein  Knoten,  der  drüsig  unebenes  Äußeres 
ohne  geschwürigen  Zerfall  zeigt.  Ähnliche  Veränderungen  an  den  Ohr- 
muscheln beiderseits.  Am  rechten  Ohr  iomitten  derselben  ein  tief  trichter- 
förmig eingezogenes  Geschwür; 

4.  einen  2djährigen  Patienten  mit  Pemphigus  vulgaris.  An 
der  Brustwand,  oberen  Extremitäten  und  Rücken  bis  in  die  Gürtelgegend 
vereinzelt  im  Gesichte  finden  sich  zahlreiche,  braungeförbe  Krustenauf- 
lagerungen, deren  Umgebung  leicht  gerötet  ist.  Rechts  unterhalb  der 
Skapula  sowie  in  der  Lendengegend  und  an  der  Hinterfläche  der  Ohren 
zeigen  sich  hanfkomgroße,  mit  fast  wasserklarem  Inhalt  erfüllte  Blasen, 
die  auf  normaler  Haut  aufsitzen.  Am  Rücken  sowie  an  der  Brust  sind 
zahlreiche  Pigmentationen  und  Narben,  deren  Zentrum  weiß,  deren  Peri- 


382  Verhandlungea 

pherie  braun  pigmentiert  ist    Man  bekommt  den  Eindruck  einer  Pedi- 
onlosis.  Mund  und  Raohon  sind  frei. 


Sitzung  vom  14.  Mai  1902. 
Vorsitzender:  Neumann.  Schriftführer:  Kreibich. 

Löwenbaeh  stellt  vor: 

1.  ein  11  monatliches  Kind,  welches  vor  10  Monaten  circnmcidiert 
wurde,  einige  Zeit  nach  der  Circumcision  im  Sulcns  coronarius  ein 
Knötchen  zeigte,  welch  letzteres  trotz  Pflaster-  und  Salbenapplikation 
nicht  heilte,  sondern  vor  2  Monaten  sogar  exulcerierte.  E»  zeigt  sich  das 
Präputium  ödematös,  kautschukartig  verdickt,  der  Sulcus  coronarius 
eiogenommen  von  einem  zirkulären  Geschwur  mit  glatter  Basis,  speckigem 
Belag,  flachen,  glatten  Rändern.  Eine  tuberkulöse  AfTektion  ist  wegen 
Mangels  an  objektiven  Merkmalen  (kein  unterminierter  Rand,  keine 
Knochen)  auszuschließen;  Bazillenbefund  negativ.  Dagegen  scheint  die 
Beschaffenheit  des  Geschwürs,  sowie  die  haselnnßgroße,  indolente,  harte 
Schwellung  der  Inguinaldrüsen  beiderseits  auf  den  syi>hiliti8chen  Charakter 
der  Aflektion  (Syphilis  acquiriert  bei  der  Circumcision)  hin- 
zuweisen ; 

2.  einen  57jährigen  Kranken  mit  Carcinoma  penis.  Derselbe 
wurde  in  einem  Spital  seit  4  Monaten  nfi»®S^^  Schanker^  lokal  bebandelt, 
bis  der  gegenwärtige  Zustand  den  Pat.  zum  Aufsuchen  der  Klinik  zwang, 
wo  die  obige  Diagnose  gestellt  wurde.  Der  Penis  in  seiner  ganzen  Aus- 
dehnung abgängig,  an  der  Penis wurzel  ein  über  talergroßes  Geschwür 
mit  wulstig  aufgeworfenen  Rändern  von  derber  Konsistenz,  hellroter 
Farbe  und  lebhaftem  Glanz,  die  Basis  zerklüftet,  mit  nekrotischen  Massen 
belegt,  von  derber  Konsistenz;  die  Urethra  in  Form  eines  perforierten 
Granulationspfropfes  in  die  Geschwursbasis  vorragend.  Krebsige  Infil- 
tration läßt  sicti  beiderseits  von  der  Geschwürsbasis  bis  gegen  die 
Inguinalgegend  verfolgen.  (Von  der  Klinik  von  Eiseisberg  freundlichst 
zur  Demonstration  überlassen.) 

Kreibich.  Die  erst  heute  Morgens  unsere  Ambulanz  aufsuchende 
32jähr.  Frau  zeigt  an  der  Nasenspitze  eine  hellergroße,  blaurötliche  Ver- 
färbung, im  mittleren  Anteile  leicht  eleviert  und  in  dessen  Zentrum  ein- 
gesunken. Die  Temperatur  des  ziemlich  scharf  umschriebenen  Fleckes  ist 
etwas  herabgesetzt.  Es  handelt  sich  hier  ofienbar  um  eine  atonische  Ge- 
faßerweiterung mit  teilweiser  hämorrhagischer  Durchsetzung  und  Nekrose 
iufolffe  einer  Erfrierung  bei  einer  anämischen  Frau.  Die  Affektion 
bestellt  vier  Wochen,  soll  schon  einmal  vergangen,  aber  dann  wieder 
gekommen  sein.  In  der  kalten  Luft  wird  der  Fleck  dunkler,  im  warmen 
Zimmer  besser. 

Mracek  demonstriert  ein  syphilitisches  Exanthem  wegen  der 
seltenen  Art  seiner  Form,  die  schon  deshalb  interessant  erscheint,  weil  sie 
zu  einer  Verwechslung  mit  Varizellen  Anlaß  gab.  Dasselbe  ist  über  den 
ganzen  Stamm  ziemlich  dicht  in  Form  von  stecknadelkopfgroßen  Knötchen 
zerstreut,  die  in  der  Mitte  eine  Pustel  tragen  und  einen  schmalen,  kupfer- 
farbigen Infiltrationshalo  zeigen.  Die  Infektion  des  27jäbr.  Mannes  erfolffte 
Mitte  Dezember  1901,  vom  29.  Jänner  bis  anfangs  März  stand  er  auf  der 
Klinik  Neumann  ia  Behandlung  und  machte  23  Einreibungen.  Seit 
4  Wochen  bestehen  Kopf-  und  Halsschmerzen,  seit  14  Tagen  der  gegen- 
wärtige  Ausschlag,   dessen   Diagnose    durch    die   begleitenden  typischen 


der  Wiener  dermatologischen  Gesellschaft.  383 

Pharynxerscheinungen  und  die   allgemeine  Drüsenschwellung  nnzweifel- 
haft  ist. 

EbnnaDD  gibt  eine  kurze  Erklärung  zu  den  3  eingestellten  histo- 
logischen Präparaten  der  bereits  demonstrierten  PsorospermosisDarier 
und  macht  besonders  auf  die  Veränderungen  der  Hornschichte  und  der 
Epidermis  überhaupt,  die  Pigment  Verhältnisse  und  die  als  Goccidien  ge- 
deuteten, degenerierten  atypischen  Homkugeln  aufmerksam. 

Sehiff  stellt  vor: 

1.  ein  mit  Röntgenstrahlen  behandeltes  Epitheliom. 
Dasselbe,  seit  23  Jahren  verschiedentlich  behandelt,  war  zirka  gulden- 
groß, am  Jochbein  sitzend,  kam  im  Jänner  zur  Behandlung.  Nach 
§3  Sitzungen  war  es  soweit  geheilt,  wie  jetzt  ersichtlich  ist.  In  diesem 
Falle  wurde  eine  Hyperbeleuchtung  angewendet,  weil  das  Geschwür  nach 
den  sonst  genügenden  12 — 15  Sitzungen  keine  Tendenz  cur  Rückbildung 
zeigte.  Nach  33  Sitzungen  bildete  sich  ein  Substanzverlust,  der  unter 
indifferenter  Behandlung  überhäutete; 

2.  einen  ausgebreiteten  Lupus  vulgaris  an  der  Nase  und  Wange. 
Die  Nase  wird  lediglich  röntgenisiert,  die  linke  Wange  aber  mit  einer 
modifizierten  Finsenlampe  behandelt,  wie  sie  zuerst  von  Bang  und  in 
letzter  Zeit  von  Ki eisen  angegeben  wurde.  Ich  erlaube  mir,  Ihnen  die 
letztere  zu  demonstrieren,  welche,  wenn  sie  sich  bewährt,  einen  großen 
Fortschritt  bedeutet,  da  sie  die  Heilungsdauer  wesentlich  abkürzt  und 
dabei  viel  einfacher  und  billiger  ist.  Die  Lampe  hat  als  Elektroden  Eisen- 
spitzen,  bedarf  viel  geringerer  Stromstärke;  die  Abkühlung  erfolgt  da- 
durch, daß  in  einer  doppelläutigen  Röhre  Wasser  durchströmt,  und  ist  so 
groß,  daß  an  der  Applikationsstelle  kaum  stärkere  Wärme  empfunden 
wird.  Die  Dauer  der  einzelnen  Sitzung  beträgt  nicht  mehr  als  4 — 5'; 
nach  der  Beleuchtung  hebt  sich  wie  bei  Finsen  die  Epidermis  fast  in 
Form  einer  Brandblase  ab.  An  der  bereits  beleuchteten  Stelle  an  der 
Wange  erscheint  der  Lupusherd  leicht  erhoben,  gelockert  und  im  Schwinden 
begriffen. 

Finger.  Der  vorgestellte  31  jähr.  Mann  zeigt  an  beiden  Extremi- 
täten seit  längerer  Zeit  eine  Reihe  von  blassen  Flecken,  die  gelblich-rot 
gefärbt  und  teilweise  deutlich  aus  kleinsten  Knötchen  zusammengesetzt 
sind.  Abends  besteht  stärkeres  Jucken.  Die  Affektion  hat  sich  unter 
unseren  Augen  entwickelt,  indem  zu  den  alten  immer  neue  Flecken  an 
den  Extremitäten  hinzukamen.  Zu  einer  abschließenden  Diagnose  konnte 
ich  bisher  nicht  kommen.  Geffen  Herpes  tonsurans,  woran  man  zunächst 
denken  möchte,  spricht  der  Mangel  von  Fortschreiten  an  der  Peripherie 
und  einer  Schuppung.  Lues  ist  es  gewiß  nicht.  Mit  der  am  Stamme 
gleichzeitig  bestehenden  Pityriasis  versicolor  hat  die  Affektion  nichts  zu 
tun.  K  reib  ich  hat  im  vorigen  Jahre  einen  ähnlichen  Fall  vorgestellt. 
Von  Brocq  wurden  mehrere  Fälle  als  Pityriasis  rubra  chronique  benin 
beschrieben  und  erwähnt,  daß  ihre  Form  teils  selbständig,  teils  sympto- 
matisch als  Vorstadium  einer  Mycosis  fungoides  auftreten  kann.  Am 
nächsten  steht  diese  Erkrankung  dem  Ekzem  und  in  diesem  und  Krei- 
bichs  Falle  ist  wohl  am  besten  ein  Eczema  anaemicum  en  plaques 
anzunehmen. 

Neu  mann  hält  das  vorgestellte  für  einen  undeutlichen  Herpes 
tonsurans,  wie  man  ihn  bei  Leuten,  die  sich  viel  waschen  und  baden, 
besonders  bei  Prostituierten,  gar  nicht  selten  sieht. 

Kreibich  möchte  sich  eher  der  Anschauung  Fingers  anschließen 
und  es  als  Ekzem,  aber  nicht  so  sehr  als  anämisches,  sondern  als  eines 
mit    seborrhoischer    Grundlage   ansprechen,    das    bei    Behandlung    nach 


384  Verhandlungen 

einiirer  Zeit  verschwindet,  dann  aber  bald  wiederkommt,  besonders  wenn 
der  Pat.  starker  transspiriert. 

Weiden feld:  Zur  ünterstatzung  dieser  Ansicht  wäre  noch  aocn- 
führen,  dai3  in  diesem  Falle  die  Flecken  vielfach  streifenförmig  im  An- 
schlösse an  Eratzeffekte  entstehen. 

üllmann  schließt  daran  einen  zweiten,  ähnlichen  Fall  und  zeigt 
einen  Studenten,  der  seit  2  Jahren  eine  mykotisch-seborrhoische  Affektion 
am  Stemum  hatte,  vor  zwei  Monaten  einen  zweiten  Plaque  bekam,  der 
sich  peripher  ausbreitete,  worauf  in  der  letzten  Zeit  eine  allgemeine 
Eruption  von  zahlreichen,  gelbrötlichon,  hellergroßen,  schuppenden  Flecken 
erfolgte,  die  wohl  von  allen  für  Herpes  tonsurans  angesehen  werden  wird. 
Doch  konnte  ich  Pilze  weder  in  Fäden  noch  in  Ketten,  sondern  nur  ein- 
zelne Sporen  finden,  die  merkwürdigerweise  schon  eine  so  ausgebreitete 
Eruption  hervorrufen;  doch  haben  diese  Fälle  alle  den  eigenartigen, 
Ekzemcharakter. 

Neu  mann.  In  diesem  Falle  sieht  man  umschriebene  linsen- 
große, länglichrunde,  teils  auch  streifenförmige,  oberflächlich  schuppende 
Flecken,  offenbar  verschiedenen  Ursprunges.  Zunächst  gewiß  einen  abge- 
laufenen, vielfach  behandelten  und  gewaschenen  Herpes  tonsurans;  da- 
neben von  kleinen  Petechien  begleitete  Flecken,  wie  sie  bei  Leuten  mit 
chronischen  Magenkatarrhen  bisweilen  vorkommen;  und  drittens  eine 
Form  von  Ekzem,  das  bei  anämischen  Mädchen  aus  kleinen,  konfluierten 
Knötchen  entsteht  und  solche  Flecken  zurückläßt,  wenn   es  regreß  wird. 

Kreibich.  Das  in  der  Diagnose  berechtigte  Eczema  scborrhoicnm 
corporis  in  dieser  Form  schließt  sich  oft  an  eine  zirkumskripte  Seborrhoe 
«m  Capillitium  oder  eine  Seborrhoe  circinata  an  der  Brust  an;  es  kommt 
dann  oft  zu  einer  so  fleckenförmigen  Eruption,  die  besonders  um  das 
Genitale  gehäuft  sein  und  bisweilen  bis  zu  den  Fingern  reichen  kann. 
Diese  Herde  zeigen  meist  stärkere  Reizung,  gehen  aber  ebenso  prompt 
auf  Schwefelbehandlung  zurück. 

Nenmann.  Das  Eczema  seborrhoicum,  von  Kaposi  als  eigenes 
Krankheitsbild  mit  Recht  geleugnet,  kommt  nur  in  2  bestimmten  Formen 
vor.  Erstens  bei  Kindern  als  sogenannter  Qneis,  zweitens  lokalisiert  an 
der  Grenze  der  Kopfhaut  gegen  die  Stime  und  Schläfe,  sowie  im  be- 
haarten Teile  der  Oberlippe  und  an  der  Brustwand  in  Form  von  Kreisen; 
eine  andere  Form  kenne  ich  nicht 

Nobl  demonstriert  aus  der  Abtheilung  Grünfeld: 

1.  Ein  junges  Mädchen  mit  einem  disseminierten  Lupus 
exythematosus  des  Gesichts.  Die  linsen-  bis  fingemaffelgroßen,  zackig 
begrenzten,  spärlich  mit  Schuppen  bedeckten  Herde  sind  durch  besonders 
oberflächlichen  Sitz  und  nur  sehr  geringfügige  Gefaßektasie  ausgezeichnet 
Man  sieht  die  stellenweise  seicht  eingesunkenen,  bereits  narbigen  Effio- 
reszenzen  die  Wangen  bis  in  die  Kinngegend  sowie  die  Stime  und  die 
Nasenflügel  einnehmen.  Einzelne  Knoten  von  Lupus  pernio  sind  an 
der  Streckseite  der  Endphalange  des  r.  Index  zur  Entwicklung  gelangt 

2.  Den  Fall  eines  ausgedehnten  kongenitalen  Gaumen- 
defekts bei  einem  mit  recenter  Lues  behafteten  Manne.  Das  bestehende 
Uranuschisma  stellt  eine  Medianspalte  dar,  welche   die   direkte  Besichti- 


i 


der  Wiener  dermatologiBchen  Gesellschaft.  385 

ang  des  Nasenrachenranxnes  und  seiner  Gebilde  gestattet.  Außerdem 
estand  eine  operativ  behobene  linksseitige  Hasenscharte. 

Nobl  demoDstricrt  weiters:  Den  Fall  eines  ausgebreiteten 
gruppierten  Ed  otensyphilids  bei  einem  30jährigen  Manne.  Die 
zu  eigrofien  Scheiben  zusammengetretenen  bis  bohnengroßen  ele vierten 
Knoten  übersäen  in  dichtester  Anordnung  den  Stamm  uud  die  Extre- 
mitäten, desgleichen  sind  die  Stime  und  Kopfhaut  von  den  Efifloreszenzen 
eingenommen.  Bemerkenswert  ist  in  diesem  Falle  die  geringe  Reaktion 
der  Allgemeinerscheinun^en  auch  die  speoifische  Behandlung.  Im  Verlaufe 
der  einjshrip^en  Krankheitsdauer  erhielt  der  Kranke  30,  ^Vt  resp.  5% 
Sublimat-Iinektionen  und  weist  gegenwärtig  die  dritte  Rezidive  auf, 
welche  in  der  demonstrierten  schweren  Form,  fast  nie  verändert,  seit  mehr 
als  zwei  Monaten  persistiert.  Von  einer  sonstigen  Störung  der  Konstitu- 
tion sind  keine  Zeichen  wahrzunehmen. 

Neumann  stellt  vor : 

1.  einen  26jährigen  Kranken,  welcher  an  Magendarmbeschwerden 
leidet  und  dessen  Haut  und  Sklera  ikterischen  Kolorit  darbieten. 
Gleichzeitig  finden  sich  an  den  Streckseiten  der  Extremitäten  sowie  am 
Stamm  linsen-  bis  kreuzergroße  Effloreszenzen  (Erythema  Iris),  zum 
Teil  zu  Bogenlinien  und  Fi^ren  von  Flachhand^öße  konfluiert,  welche 
über  das  Niveau  leicht  eleviert  sind,  peripher  hvidrot  gefärbte  Ringe, 
zentral  ein  etwas  deprimiertes  helleres  Areale  zeigen.  Die  Färbung  des 
Zentrums  ist  eine  intensiv  ocker-  bis  safifrangelbe,  und  auf  Beimischung 
von  Gallenfarbstofi  zurückzuführen.  (Im  Urin  Gallenfarbstoff  nach- 
weisbar]. 

Eine 24jährige  Patientin  mit  Ichthyosis  simple x,  welche  gleich- 
zeitig eine  andere  psoriasiforme  Eruption  aufweist  Am  Stamm 
und  an  der  Streckflache  der  Extremitäten  ist  die  Haut  trocken  und  silber- 
weiß abschuppend,  stellenweise  ist  Felderung  der  Haut  bemerkbar.  An 
Brust,  Rücken  und  den  oberen  Extremitäten  zerstreut  linsen-hellergroße 
Effloreszenzeo,  die  von  der  umgebenden  Haut  durch  ihre  braunrötliche 
Farbe  abstechen«  Dieselben  liegen  im  Niveau  der  Haut  und  zeigen  in 
ihrem  Zentrum  die  Epidermis  von  ganz  dünner  zigarettenpapierartiger 
Beschaffenheit.  Es  fragt  sich  also  hier,  ob  wir  es  mit  Psoriasis  vulgaris 
auf  ichthyotischer  Grundlage  oder  mit  Pityriasis  lichenoides  chronica  zu 
tun  haben.  Kratzen  wir  mit  dem  Nagel  die  Schuppen  von  den  Efflores- 
zenzen weg,  so  liegt  das  Korium  siebförmig  blutend  zutage.  Die  Diagnose 
dürfte  also  Psoriasis  vulgaris  auf  Ichthyosis  lauten. 

2.  einen  30jährigen  Kranken,  welcher  an  Epilepsie  leidet  und  große 
Dosen  Brom  (Bromnatrium  bis  20  g  pro  die)  eingenommen  hat.  Bei 
demselben  zeigen  sich  Über  Rücken,  Brust,  Beuge-  und  Streckseiten  der 
Extremitäten  zerstreut  döst  er  rotbraun  und  livid  gefärbte  Effloreszenzen 
von  Linsen-  bis  Bohnengröße,  über  das  Hautniveau  hervorspringend,  von 
schlaffer  Konsistenz,  gegen  die  Umgebung  durch  einen  verschwommenen 
Entzündungshof  abgegrenzt,  welcher  zentral  ein  Schuppchen  oder  eine 
eitererfüllte  Pustel  oder  eine  bereits  eingetrocknete  Borke  zeigen.  Bei 
den  größeren  derselben  ist  nach  Abstoßung  der  Blasendecke  die  Base 
eleviert.  in  Form  von  Granulationen  vorspringend.  An  den  Malleolen  der 
Ünterscnenkel  ist  in  kreuzer-  bis  thalergroßer  Ausdehnung  die  Haut 
livid  verfärbt,  stark  eleviert,  tumorartig  sich  präf>entierend,  warzig  und 
höckrig  zerklüftet,  von  schmutzigbraunen  eingetrockneten  Sekretmassen 
bedeckt:  Acne  ex  usu  natrii  bromati. 

Kreibich  demonstriert: 

1.  eine  Sycosis  ]parasitaria:  Bei  dem  28jähr. Kutscherfindet 
sich  an  der  linken  Halsseite,  vom  Unterkieferrande  abwärts,  eine  hand- 
tellergroße, elevierte,  aus  einzelnen  Infiltraten  bestehende,  dunkelbraun- 
rot  verfärbte  flache  Anschwellung,  durchsetzt  von  kleinen  und  größeren,. 

Arch.  f.  Donnat.  n.  Syph.  Bd.  LXIII.  25 


386  YerhandluDfren 

den  Haarfollikeln  entsprechenden,  eitrigen  Abscessehen,  aas  denen  sieh 
bei  Druck  reichlich  Eiterpropfen  entleeren.  Im  Eiter  and  in  den  leicht 
extrahierbaren  Haaren  sind  reichlich  Pilze  vorhanden. 

2.  einen  Pemphigas  bei  einem  42jähr.  Manne.  Im  Oesiehtesind 
nnr  mehrere,  einsein  stehende,  amschriebene  trockene  Knisten,  an  der 
linken  unteren  Extremität  drei  Blasenherde  zu  sehen.  Die  Erkrankang 
besteht  erst  6  Wochen  and  ist  also  gewiß  gans  im  Beginne.  Und  doch 
l&ßt  sich  hier  ein  schwerer  Verlauf  prognostizieren.  Denn  die  einzelnen, 
bis  über  wallnußgroßen  Blasen  sind  ganz  matsch,  zeigen  große  Tendenz 
ZQ  peripherer  Ausbreitnug  und  Exfouation,   was  sich  schon  darin  kund- 

Sibt,  daß  sich  bei  Druck  auf  die  Blasendecke  die  Epidermis  weiÜiin  ab- 
eben läßt.  Gleichzeitig  wird  diese  Auffassung  unterstützt  durch  die  Be- 
theiligung der  Mundschleimhaut,  indem  auch  am  harten  Gaumen  drei 
erbsengroße,  leicht  hämorrhagische  Blasen  vorhanden  sind. 

Spitzer  demonstriert  aus  der  Abtheilung  Prof.  Längs: 

1.  einen  18jährigen  Kranken,  der,  seit  3  Jahren  erkrankt,  vor  drei 
Wochen  in  Beobachtung  kam.  Das  ganze  Gesicht  sowie  die  Rücken- 
flächen der  Hände  und  Finger  waren  mit  gelbbraunen  Ernsten  bedeckt, 
wie  bei  akutem  Ekzem.  Nur  die  Lippen  waren  im  Bereiche  des  Lipnen- 
rotes  mit  einer  festhaftenden  Schichte  blutig  tingierter  Krusten  über- 
zogen. Es  bestand  Fieber  gegen  89'0  und  ein  ziemlich  schwerer  AUge- 
meinznstand.  Nach  Entfernung  der  Krustenmassen  durch  feuchte  Über- 
schläge zeigte  sich  die  Haut  des  ganzen  Gesichtes,  der  Ohrmuscheln 
teils  lebhaft  gerötet,  teils  mehr  blaurot  gef&rbt,  zum  Teil  mit  festhaf- 
tenden, in  grossen  Lamellen  abhebbaren  Schuppen  bedeckt.  Das  Lippen- 
rot war  an  vielen  Stellen  von  Rhagaden  durchsetzt  Ähnlich  beschaffen 
war  die  Haut  an  beiden  Handrücken.  Nur  an  den  Streckseiten  der  Finger 
zeigen  sich  frostbenienähnliche  Veränderungen,  Verdickung  und  cyano- 
tische  Verfärbung  der  Haut.  Die  Handteller  sind  frei.  An  der  Peripherie 
löst  sich  die  krankhafte  Veränderung  in  eine  große  Zahl  stecknadelkopf- 
großer ganz  flacher  börkchen tragender  Knoten  auf. 

An  der  Haut  des  Nackens  dagegen  sowie  an  den  Streckseiten  des 
Unterschenkel  finden  sich  zahlreiche  hirsekom-  bis  linsengroße  rosarote 
Flecke,  die  sich  sehr  bald  nach  ihrem  Entstehen  mit  einem  weißen,  fest- 
haftenden Schüppchen  bedecken  und  keine  Tendenz  zeigen  zu  konfluieren. 
Diese  Stellen  sind  es,  die  zunächst  die  Diagnose  Lupus  erythema- 
tosus disseminatus  erleichtem,  während  das  Bild  sonst  einem  seborr- 
hoischen Ekzem  sehr  ähnlich  sieht. 

Bemerkenswert  ist  hier  die  Ausdehnung,  in  der  die  Haut  des  Pa- 
tienten von  der  Krankheit  ergriffen  ist.  Das  schwere  Gesammtbild  mit 
den  Fiebersteigerungen  und  den  Zeichen  reichlicher  Exsudation  stellt 
den  Fall  näher  zu  jenen  Bildern,  die  als  Lupus  erythem.  akntus  be- 
kannt und  gefürchtet  sind. 

Nachweisbar  ist  bei  dem  Patienten  nur  der  rechte  obere  Lungen« 
läppen  erkrankt.  Die  Untersuchung  ergibt  Infiltration  und  Rasselgeräusche. 
Der  Patient,  der  mit  Fieber  zur  Beobachtung;  kam,  war  einige  Ta^e 
fieberlos,  zeigt  aber  ietzt  wieder  Temperatursteigerangen  bis  d9'0.  Die 
kahle  Stelle  am  Kopf  soll  von  einer  Verletzung  herrülmn. 

Der  Patient  erhält  gegenwärtig  0,76  Chinin  intern.  Lokal  erhält 
er  eine  milde  mehr  indifferente  Behandlung. 

2.  Fall  eines  Mannes,  der  angeblich  erst  seit  8  Wochen  erkrankt 
ist.  Der  Kranke  ist  erst  seit  wenigen  Stunden  in  der  Abtheil ung  und 
bedarf  noch  der  Beobachtung  Derselbe  hat  offenbar  eine  durch  jahrelange 
Ekzeme  veränderte  Haut,  was  sich  durch  die  reiche  Pigmentierunf  und 
Verdickung  kundgibt.  Gegenwärtig  sind  an  dem  fast  haarlosen  KopT  und 
an  den  Extremitäten  Veränderungen  im  Sinne  des  akuten  Ekzem  zu 
bemerken.   Nach  der  Beschaffenheit  der  Gesichtshaut  ist  es  wahrscheinlich, 


der  Wiener  dermatologisohen  Gesellschaft.  3g7 

daß  es  sich  hier  um  Eksem  anf  einer  ichthyotischen  Haut 
handelt  Doch  ist  es  nöthig,  sich  üher  die  Pigmentiemng  durch  längere 
Beobachtung  klar  su  werden. 

Weiden  feld:  Es  sind  5  Erankheitsbilder,  die  eine  so  universelle 
Ausbreitung  mit  diffusen  Entzundungsersoheinungen  gewinnen:  Liehen 
ruber  accuminatus,  Ekzema,  Psoriasis,  Pemphigus  und  Erythema  auto- 
toxioum.  Doch  erinnert  der  vorgestellte  Fall  besonders  an  einen,  der 
ebenso  diffus  erkrankt  war  und  dabei  die  gleiche  großlamellöse  Schup- 
pung seigte.  Kaposi  machte  sofort  die  Diagnose  auf  ein  universelles 
Erythem  und  zwar  hauptsächlich  mit  Rücksicht  auf  diese  Schuppen, 
welche  infolge  einer  raschen  und  starken  serösen  Durchtränkung  zu  stände 
kommen  und  sehr  leicht  heruntergehen.  Die  Differentialdiagnose  der  an- 
deren Erkrankungen  ist  nur  dann  zu  machen,  wenn  man  fär  dieselben 
bestimmte  Symptome  findet,  fär  Ekzem  nässende  Stellen,  für  Psoriasis 
einzelne  Effloreszenzen  oder  typische  Schuppen,  für  Liehen  ruber  die 
charakteristischen  Knötchen  und  die  Beteiligung  der  Hohlhaud. 

Kreibich:  Auch  eine  andere  Erscheinung  wäre  noch  hervorzu- 
heben. Der  Patient  gibt  an,  erst  8  Wochen  erkrankt  zu  sein,  vorher  alle 
Haare  gehabt  zu  haben,  die  ihm  nun  jetzt  fast  alle  ausgefallen  sind* 
Dies  könnte  infolge  von  Psoriasis,  Ekzem,  Liehen  ruber  oder  Ichthyosis 
nicht  in  so  kurzer  Zeit  zu  stände  gekommen  sein,  sondern  nur  durch 
einen  akut  entzündlichen,  exsudativen,  dabei  aber  tiefer  reichenden 
Prozeß  ähnlich  wie  bei  Erysipel. 

Bhrmann:  Psoriasis  oder  Ichthyosis  als  Grundprozeß  liegt  hier 
nicht  vor.  Vielmehr  erinnert  der  Manu  ganz  an  das  bereits  erwähnte, 
von  Kaposi  vorgestellte  toxische  Erythem,  mit  dem  er  sowohl  die 
starke  Betheiligung  des  Gesichtes,  besonders  der  Augenlider  gemeinsam 
hat  als  auch  das  starke  Kältegefühl  und  Zittern,  bedingt  durch  den 
erhöhten  Wärmeverlust  an  der  von  der  Homschichte  stark  entblößten  Haut- 
oberfläche. 

Mracek:  Am  8.  Februar  1892  stellte  ich  einen  ähnlichen  Fall 
hier  vor,  an  dessen  Diagnose  sich  eine  große  Debatte  knüpfte,  ohne  zu 
einem  abschließenden,  sicheren  Resultate  zu  führen.  Im  Anschlüsse  an 
den  heutigen  Fall  möchte  ich  auch  den  damaligen  bestimmt  als  toxisches 
Erythem  ansprechen,  ebenso  wie  diesen,  für  dessen  Charakter  auch  die 
kurze  Krankheitsdauer  spricht. 

Matzenauer:  Zur  klinischen  Diagnose  wäre  noch  die  Dermatitis 
exfoliativa  Brocq  heranzuziehen,  die  akut  einsetzt,  zu  universeller  Rötung 
und  großlamellöser  Schuppung  führt  und  mit  hohem  Fieber  sowie  rascher 
Kachexie  verbunden  ist  Bei  derselben  kommt  es  auch  zu  Nagelverän- 
derungen —  auch  hier  ist  das  Nagelbett  allenthalben  geschwellt  und 
riffig  —  und  Haarausfall,  meist  zu  totalem,  so  daß  ich  zwischen  diesem 
Falle  und  dem  von  Brocq  beschriebenen  Bilde  keinen  Unterschied 
finde.  Es  könnte  auch  eine  Differentialdiagnose  gegen  die  Pityriasis  rubra 
Hebrae  in  Betracht  kommen,  doch  hat  diese  einen  ganz  anderen  Ablauf. 

26* 


388      Verhandlnngen  der  Wiener  dermatologisohen  Gesellschaft. 

Finger:  Wenn  Kollege  Matsenauer  zwischen  diesem  Erythem 
ond  dem  Erankheitsbilde  von  Brocq  keinen  Unterschied  findet,  so  rührt 
dies  daher,  daß  beide  identisch  sind.  Ich  verweise  weiters  darauf,  daß 
die  einzelnen  Fälle  immerhin  etwas  verschieden  sind;  Mraceks  Fall 
z.  B.  kam  ganz  im  aknten  Stadinm  und  ließ  bei  der  fast  aniversellen 
Ausdehnung  einige  Stellen,  besonders  die  Beugeseiten  noch  ganz  frei 
Auch  hier  sind  übrigens  die  Streckseiten  im  Verhältnisse  starker  befallen, 
was  gleichfalls  eiuen  Stützpunkt  zur  Diagnose  gibt. 

üllmann  sah  einen  ähnlichen  Fall,  der  im  Verlaufe  von  6  Jahren 
6  Rezidive  bekam  uud  deshalb  als  Erythema  skarlatiniforme  recidivans 
angesehen  wurde. 

Neu  mann:  Die  Haut  ist  trotz  der  starken  Jüntzündungseraohei- 
nungen  weich,  elastisch,  so  daß  Prozeße  wie  Psoriasis,  Ichthyosis  und 
Liehen  ruber  auszuschließen  sind  und  nur  eine  akute  Erkrankung  ange- 
nommen werden  kann.  Für  Pemphigus  foliaceus  oder  die  Dermatitis  ex- 
foliativa bestehen  keine  bestimmten  Anhaltspunkte  —  gegenüber  der 
letzteren  verweise  ich  nur  auf  einen  von  Lang  selbst  wiederholt  er- 
wähnten Fall,  —  so  daß  nur  die  Diagnose  eines  toxischen  Erythems 
übrig  bleibt.  Was  Uli  mann  anführte,  sind  in  der  Regel  toxische,  be- 
sonders medikamentöse  Exantheme  wie  z.  B.  durch  Chinin. 

Kreibich  stellt  vor: 

1.  multiple  exulcerierte  Gummen  der  Zunge.  Die  Sdjähr., 
anämische,  in  der  Emährunff  stark  herabgekommene  Frau  acquirierte 
vor  9  Jahren  Lues  und  macmte  bisher  zwei  Einreibnngskuren  durch. 
Jetzt  bestehen  an  beiden  Zungenrändem,  sowie  am  Zungenrücken  meh- 
rere, im  ganzen  6  hellergroße,  kraterformig  vertiefte  und  mit  mißfar- 
bigem Eiter  belegte  Geschwüre. 

2.  einen  Lupus  erythematodes  exulceratus.  An  der  Nasen- 
spitze und  am  Filtrum  der  Oberlippe  ein  flaches  Infiltrat,  im  Zentrum 
narbig  atropbiert,  an  einer  erbsengroßen  Stelle  exolzeriert,  aber  bereits 
gereinigt.  Dagegen  finden  sich  hinter  beiden  Ohrmuscheln  handtellergroße, 
am  Rande  stärker  elevierte,  fast  an  der  ganzen  Fläche  geschwürige,  zum 
Teil  mit  Krusten,  zum  Teil  mit  den  fischen,  festanhaltenden  Schuppen 
bedeckte  Herde  von  Lupus  erythem.  Patient  erhidt  intarne  Ghinintherapie. 


Geschlechts-Krankheiten, 


(Bedigiert  von  Prof.  Heiflser  and  Dr.  Sch&ffer  in  Breslau.) 


Syphilis  der  Haut,  Schleimhant  etc. 

Foumler,  A.  et  Saliareanu«  Syphilis.  Osteomes  gommenx 
-da  or&ne.    Soc.  de  denn.  1900. 

Der  89j&hrige  Patient  acqairirte  im  Jahre  1881  Lnes.  Secand&r- 
«rscheinungen.  1898  Orchitis  syph.  Seit  5 — 6  Monaten  Kopfschmerzen. 
An  Stirn-  und  Scheitelhöckem,  Proc.  mastoides  verschieden  grosse 
gummöse  Osteome.  Gummöse  Yerdickung  der  1.  Clavicula  und  des 
1.  Troehanters.    „Sirop  de  Gihert''  besserte  den  Znstand  wesentlich. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Trastaar.  Snr  an  cas  de  syphilides  alc6- 
reases  du  cr&ne  aveo  formation  de  s^questres,  suppuration 
as8oci6e  et  soulSvment  synchrone  au  point  de  Pexudat 
purulent.    Soc.  de  derm.  1900. 

Bei  der  88  jährigen  Patientin,  welche  Tor  ca.  10  Jahren  Lues 
acqairirte,  ohne  sich  dessen  bewusst  zu  sein,  besteht  ein  Erans  von 
Gummen  an  der  Stirn,  mächtige  Narben  und  gummöse  ülcerationen  am 
Schädeldach,  welch  letztere  zur  Necrose  und  Sequesterbildung  am 
Scheitelbein  gefELhrt  haben.  Diese  unterhält  eine  Eiterung,  deren  Ende 
nicht  abzusehen  ist;  sie  ist  die  Folge  einer  Mischinfection  (eines  sich 
nach  Gram  färbenden  Gonococcenähnlichen  Diplococcus,  den  Aufrecht, 
Hirsch-Hirschfeld,  von  Langlet,  Gaston  und  Datza  neuerlich 
bei  Lues  maligna  gefunden^.  Die  spec.  Behandlung  wird  die  gummösen 
Processe  zurückbringen,  die  Eiterung  jedoch  nicht,  so  dass  die  Gefahr 
einer  Perforation  der  Meningen  besteht. 

Die  einzige  Hoffnung  bestünde  im  chirurgischen  Eingreifen,  einer 
Entfernung  der  Sequester.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Audry.  Sur  la  nature  et  le  traitement  de  la  contracture 
typhilitique  du  biceps.  Journal  des  maladies  catan6es  et  syphi- 
litiques  1901.  p.  664. 

Audry  beobachtete  bei  einem  28  jährigen,  leicht  erregbaren,  leicht 
hysterischen  jungen  Manne,  der  an  fiischer  Syphilis  erkrankt  war,  plötz- 


390  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

lieh  eine  C!ontractiir  des  linken  Bicepi.  Eine  Baggestiye  Behandlnog  mit 
einigen  Ii^ectionen  yon  Aqaa  destillata  in  den  oontrahirten  Biceps  heilte 
nach  wenigen  Tagen  die  Contractar.  Verf.  hUt  die  Affection  far  auf 
hyBtero- syphilitischer  Basis  entstanden. 

Panl  Neisser  (Benthen  0.  S.). 


Viscerale  Syphilis. 

Kopezynski.  Znr  Eenntniss  der  Symptomatologie  und 
pathologischen  Anatomie  der  Laes  cerebri.  Deutache  Zeit- 
schrift f&r  Nerrenheilknnde,  XX.  Band,  3.  nnd  4.  Heft,  p.  216  ff. 

Die  Arbeit  behandelt  ausfahrlich  einen  Fall  von  Lnes  cerebri  mit 
genanem  pathologisch-anatomischen  Untersnchungsbefand.  £ine  42 jähr. 
Arbeitersfrau  erleidet  —  zwei  Jahre  nachdem  sie  eine  Sablimat-Iigec- 
tionscor  durchgemacht  hat  —  unter  annehmender  geistiger  Schwäche 
schliesslich  einen  apoplectischen  Insult  mit  Hemiplegie  und  später  hincu- 
tretender  Oculomotorius -Lähmung;  auf  eine  Inunctionscur  von  18  Einr. 
KU  4*0  und  die  nach  Beendigung  dieser  Cur  einsetsende  Darreichung  von 
Jodkali  (im  ganzen  etwa  70  Gr.)  erfolgt  keine  wesentliche  Besaerung: 
„nur  die  Bewegungen  des  r.  Auges  wurden  etwas  freier,  nnd  das  Körper- 
gewicht nahm  etwas  zu**.  Beständiges  Schwanken  im  Verhalten  der  Pu- 
pillen. Nach  einjährigem  Aufenthalt  in  der  Anstalt  Exitus  letalis  in 
Folge  von  Herz-  und  Nierenerkrankung.  Pathologisch-anatomischer  Ge- 
himbefund:  2  Erweichungsherde  in  der  Gegend  der  inneren  Kapsel  mit 
secundärer  Entartung  der  Pyramidenbahnen;  luetische  Erkrankung  der 
Himbasis,  besonders  in  Gestalt  von  Veränderungen  an  den  gröberen  und 
feineren  Gefassen,  sowie  im  Gebiete  des  Chiasma  optic.  und  der  Oculo- 
motorii. 

Kopczynski  betont  bei  der  Besprechung  des  Falls  unter  anderem 
das  wechselnde  Verhalten  der  Pupillenweite  und  -reaction  als  besonders 
charakteristisch  für  Hirnsyphilis,  indem  es  den  Exacerbationen  nnd  Re- 
missionen des  specifischen  Processes  ganz  entspreche;  die  Sehnerren- 
kreuzung  sei  als  ein  Lieblingssitz  der  luetischen  Gehimerkrankung  anzu- 
sehen. Ausserdem  widmet  er  den  Gefässveränderungen  eine  eingehende 
Besprechung,  namentlich  dem  histologischen  Bild  derselben.  Die  übrigen 
Erörterungen  haben  mehr  neurologisches  Interesse. 

Fritz  Gallomon  (Breslau). 

Sibellus,  Chr.  Zur  Kenntniss  der  Entwicklungsstörun- 
gen der  Spinalganglienzellen  bei  hereditär-luetischen, 
missbildeten  und  anscheinend  normalen  Neugeborenen. 
Deutsche  Zeitschrift  fikr  Nerrenheilkunde,  20.  Band,  1.  und  2.  Heft,  p.  85. 
(Arbeiten  aus  dem  patholog.  Institut  in  Helsingfors.) 

Sibelius  hat  in  den  Spinalganglien  hereditär  Luetischer  mehrfach 
Gruppen  von  zum  Theil  abnorm  aussehenden  Ghmglienzellen  bemerkt  und 


der  Geeohleohtskrankheiten.  391 

dnrch  histoIogiBche  Studien  (an  24  meist  reifen  Neugeborenen)  featza- 
stellen  gesucht,  wie  weit  diese  „Zellcolonien*'  mit  der  Lues  in  Bezie- 
hung steheu.  In  seiner  Dntersuohnngsreihe  fanden  sich  die  deformirten 
Zellen  bei  hereditär-syphilitischen  Kindern  am  meisten  ausgeprägt,  selten 
hingegen  bei  den  anscheinend  normalen,  ausgetragenen  Neugeborenen. 
Sibelius  fiMst  die  Bildungen  als  verspätete  Entwicklungsstadien  auf 
und  fährt  ihr  auffallend  reichliches  und  ausgeprägtes  Vorkommen  bei 
Luetischen  auf  eine  Hemmungswirkung  des  Syphilistoxins  zurück. 

Die  histologischen  und  neurologischen  Einzelheiten  der  Arbeit 
bieten  an  dieser  Stelle  kein  Interesse. 

Fritz   Callomon  (Breslau). 

Brissand  et  Souques.  Disposition  mötamerique  spinale 
de  la  Syphilide  pigmentaire  primitive.  La  Semaine  M^icale, 
21.  Annee,  Nr.  32 

Brissaud  und  Souques  gelangen  zu  der  Ansicht,  dass  das 
Leuooderma  syphiliticum  in  seiner  Localisation  auf  der  Haut  deutliche 
Beziehungen  zur  Yertheilang  bestimmter  Nerventerritorien  erkennen 
lässt.  Ihrer  Meinung  nach  entspricht  die  eigenartige  Verbreitung  über 
flals-  und  Nackengegend,  auf  welche  sich  die  Afieotion  in  der  überwie- 
genden Mehrzahl  der  Fälle  in  fast  regelmässiger  Abgrenzung  beschränkt, 
dem  Yertbeilnngsgebiete  der  entsprechenden  Spinalsegmente  oder  Rücken- 
markswurzeln (3.  Cervicalwurzel  nach  Rocher's  Schema).  Zugleich 
wenden  sich  B.  und  S.  gegen  die  von  Neisser  vertretene  Hypothese, 
welche  fär  die  Localisation  auf  der  Hals-Nackengegend  die  Eiowirkung 
des  Lichts  oder  der  Wärme  verantwortlich  macht,  eine  Annahme,  mit 
der  sich  auch  die  mehrfach  beschriebenen  Fälle  von  „ultracervicaler** 
Verbreitung  des  Leucoderms  nicht  in  Einklang  bringen  lassen.  Unter  den 
in  der  Literatur  geschilderten  Fällen,  in  denen  das  Leukoderm  vom  Halse 
auf  die  übrige  Haut  des  Körpers  übergreift  (stets  jedoch  unter  Verscho- 
nung  von  Gesicht  und  Händen),  enthalten  nur  zwei  Veröffentlichungen 
genaue  Angaben  über  die  Abgrenzung  der  Affection;  in  beiden  lassen 
sich  Beziehungen  zum  Vertheilnngsgebiete  entsprechender  Rückenmarks- 
segmente  feststellen.  B.  und  S.  fugen  zwei  weitere,  eigene  Beobach- 
tungen von  „nltracervicaler**  Ausbreitung  hinzu,  in  denen  die  Hautbezirke 
entsprechender  Rückenmarks  würz  ein  befallen  sind. 

So  bringen  Brissaud  und  Souques  die  Vertheilung  des  Leuco- 
derms in  enge  Beziehung  zum  Gentralnervensystem  und  glauben  somit 
auch  eine  gewichtige  Stütze  für  die  Annahme  der  „trophoneurotischen 
Natur**  der  Afiection  zu  haben.  Warum  aber  gerade  das  syphilitische 
Virus  die  utrophischen  Gentren*  der  Cervicalabschnitte  mit  Vorliebe  be- 
einflusst,  lasse  sich  nicht  erklären;  doch  weisen  Verf.  auf  die  analoge 
Wirksamkeit  anderer  Gifte  (z.  B.  Blei,  Alkohol)  auf  ganz  bestimmte  Ab- 
vchnitte  des  Nervensystems  hin.  Fritz   Callomon  (Breslau). 

Rybalkln.  lieber  einen  Fall  von  Jackson'soher  Epi- 
lepsie auf  syphilitischer  Basis  mit  operativem  Eingriff. 
Deutsche  Zeitschrift  for  Nervenheilkunde,  XIX.  Band,  Heft  6,  p.  884  ffL 


392  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Byb alkin  berichtet  über  einen  35 j ihrigen  Lnetiker,  bei  dem 
15  Jahre  post  infectionem  Kopfschmerzen  und  epileptische  Krampfknfalle 
auftreten;  Fat.  war  nur  einmal,  etwa  2  Jahre  nach  der  Ansteckong, 
einer  Quecksilber-  und  Jodcnr  unterzogen  worden.  Unter  Darreichung 
von  Jodkalium  und  Bromnatrium  bessern  sich  nur  Torübergeheod  die 
Kopfschmerzen.  Auch  auf  combinirte  Hydrargyrum-Jodkalium-Behand* 
lang,  welche  im  weiteren  Krankheitsverlaufe  innerhalb  zweier  Jahre 
dreimal  vorgenommen  wird  (jedcRmal  24  Einreibungen  Ung.  einer.)  erfolgt 
keine  wesentliche  Besserung;  die  Aufölle  werden  voröberfrehend seltener, 
doch  häufig  treten  Schmerzen,  Zuckungen  nnd  Schwäche  in  der  linken 
Gesichtshälfte  und  Yertaubungsgefähl  im  linken  Arme  auf,  bis  sich  end- 
lich nach  einem  besonders  hochgradigen  Krampfanfalle  mit  mehrtägigem 
Bewusstseinsverlust  ein  schweres  Krankheitsbild  entwickelt:  klonische 
Krämpfe  der  linken  Körperhälfte,  völlige  Lähmung  der  linken  oberen 
Extremität  mit  Sensibilitätsstörungen,   hochgradige   Parese  des  1.  Beins. 

Von  eclatantem  Erfolge  ist  die  daraufhin  vorgenommene  Trepa- 
nation, bei  der  in  der  Gegend  des  rechten  Schläfenbeins  ein  Stuck  der 
verdickten  und  mit  der  Hirnrinde  verwachsenen  Dura  reseoirt  wird.  Die 
Anfalle  werden  seltener  und  hören  4  Tage  post  operationem  auf ;  alsbald 
völliger  Röckgang  aller  Lähmungserscheinungen.  Kaum  zwei  Monate 
später  geht  jedoch  Pat.  an  einer  rapid  fortschreitenden,  schon  seit  län* 
gerer  Zeit  bestehenden  Lungenerkrankung  zu  Grunde.  Die  Gehimobdnc- 
tion  ergibt  Pachymeningitis  syphilitica  lobi  parietalis  deztri,  Ostitis 
syphilitica  cranii,  mikroskopisch  auch  Intima -Verdickungen  einzelner 
Gehimgefftsse. 

Bei  der  eingehenden  neurologischen  Besprechung  hebt  Ryb alkin 
n.  a.  hervor,  wie  entsprechend  den  verschiedenen  Entwicklungsphasen 
des  von  den  Meningen  ausgehenden  und  auf  die  Rinde  übezgreifenden 
Krankheitsprocesses  hier  alle  üebergänge  von  looalen  Krämpfen  bis  zum 
Status  epilepticns  ausgelöst  werden.  Besonders  weist  Verf.  auf  den  gün« 
stigen  Erfolg  der  Operation  hin,  betont  jedoch  ausdrücklich,  dass  nach 
den  Erfahrungen  verschiedener  Autoren  der  Erfolg  derartiger  Eingriffe 
in  der  Regel  von  kurzer  Dauer  ist.  In  seinem  Falle  könne  die  Bessemng 
auf  eine  Blutdruckerniedrigung  in   der   Schädelhöble  bezogen  werden. 

Es  erscheint  uns  besonders  bemerkenswerth,  dass  in  diesem  Falle 
bis  zum  Auftreten  der  schweren  Krankheitserscheinungen  die  Lues  nur 
einmal  innerhalb  von  15  Jahren  mit  Hg  und  JK  vorbehandelt  war,  dass 
somit  eine  nach  unseren  Auffassungen  nnznreichend  behandelte  Lues 
vorliegt.  Fritz  Gallomon  (Breslau). 

Gassirer  und  8traus§«  Tabes  dorsalis  incipiens  nnd  Sy- 
philis. Monatsschrift  fär  Psychiatrie  und  Nearologie,  Bd.  X,  Heft  4, 
pag.  241. 

Cassirer  nnd  Strauss  veröffentlichen  einen  Fall  von  initialer 
Tabes  bei  einem  36  jährigen,  in  Folge  eines  Oesophagns-Gumma  verstor- 
benen Manne ;  der  pathologisch-anatomische  Befund  bestätigte  das  gleich 
zeitige  Vorhandensein  von  Syphilis  und  Tabes.  Von  tabischen  Symptomen 


der  Geschlechtskrankheitezi.  393 

wftT  nur  die  raflectorische  Papillenstarre  klinisch  nachweisbar.  Die  etwa 
13  Jahre  Tor  dem  Tode  erworbene  Luea,  welche  nur  einmal  mit  Jodkali, 
niemals  mit  Hydrarg.  behandelt  worden  war,  fahrte  anter  eigenartigen 
Schlnckstörangen  den  letalen  Aasgang  herbei  and  offenbarte  sich  bei  der 
Obdnction  in  oesophagitis  et  tracheitis  fistnlosa  syphilitica,  Orchitis  et 
nephritis  chronica  syphilitica.  Zugleich  ergab  die  Autopsie  degenerative 
Yeranderungen  im  Rückenmark,  welche  dank  der  sorgfiLItigen  histologi- 
schen Untersach  Jng  als  doppelseitige,  symmetrische  Entartung  von  Fasern 
der  8.  hinteren  Dorsalworxel  gedeutet  werden  konnten.  Dieser  anatomi- 
sche Befand  gemeinsum  mit  dem  klinischen  rechtfertigte  die  Tabes- 
Diagnose,  bei  welcher  sich  die  Verf.  zugleich  auf  eine  Eteihe  analoger 
Rüokenmarksbefande  anderer  Autoren  stützen.  Sie  fügen  hinzu,  dass  es 
bei  dem  heutigen  Stande  der  Kenntnisse  über  Frfih-Tabes  nicht  auffallen 
könne,  wenn  die  in  unserem  Falle  nachgrewiesene  Form  der  Hinterstrangs- 
Erkrankung  sich  klinisch  nicht  ge&ussert  hat ;  die  reflectorische  Pupillen- 
starre  könne  natürlich  in  diesen  spinalen  Verinderungen  nicht  ihre  Er- 
klämng  finden. 

Im  Anschlnss  an  die  Besprechung  des  Falles  erörtern  Gassirer 
und  Strauss  eingehend  die  Frage  der  Beziehungen  zwischen  Tabes  und 
Lues,  indem  sie  einen  interessanten  Ueberblick  über  die  bisher  bekannten 
statistischen  und  klinischen  Beobachtungen  geben:  u.  a.  weisen  sie  hin 
auf  das  mehrfach  beschriebene  Auftreten  der  Tabes  bei  früher  syphilitisch 
inficirten  Eheleuten,  aof  den  Nachweis  Ton  Lues  in  Fällen  von  juveniler 
Tabes,  endlich  auf  die  grosse  Reihe  von  F&llen,  in  denen  beide  Erkran- 
kungen anatomisch  nachgewiesen  werden  konnten.  Wenn  auch  die  histo- 
logischen Veränderungen  bei  Tabes  mit  den  rein  syphilitischen  im  allge- 
meinen nichts  Gemeinsames  haben,  so  sind  immerhin  Fälle  von  echter 
Syphilis  des  Nervensystems  neben  sicheren  tabischen  Alterationen  bekannt ; 
auch  erwähnen  die  Verf.  eine  Beobachtung  von  Hänel,  der  bei  einer 
manifesten  Lues  des  Gentralnervensystems  auch  reine  Faserentartungen 
ohne  irgend  welche  specifischen  Veränderungen  der  Üefässe  oder  des 
Bindegewebes  beobachten  konnte. 

G.  und  S.  kommen  zu  dem  Endergebniss,  dass  trotz  aller  noch 
•trittigen  Punkte  auf  jeden  Fall  der  Lues  eine  sehr  bedeutsame  Rolle 
bei  der  Entstehung  der  Tabes  zuzuschreiben  sei,  wenn  freilich  die  Frage 
offen  bleiben  müsse,  ob  jeder  Tabes  eine  früher  erworbene  S>philis  zu 
Grunde  liege.  Fritz  Gallumon  (Breslau). 

Tschiseh,  W.  F.  üeber  die  Frühdiagnose  der  Gehirn- 
syphilis.   Eshenedelnik  1901,  Nr.  6. 

Die  ersten  Symptome  der  Syphilis  des  Gentralnervensystems  sind 
im  Allgemeinen  wenig  bekannt,  die  Gehimlues  macht  dabei  keine  Aus- 
nahme. Nach  Tschisch  ist  als  wichtiges  Zeichen  der  ersten  oder 
Prodormalperiode  der  Gehimsyphilis  der  Kopfschmerz  und  die  Schlaf- 
losigkeit SU  betrachten,  die,  wenn  auch  nicht  immer,  so  doch  meist  vor- 
handen sind,  Schwindel  wird  nur  bei  einer  geringem  Anzahl  von  Kranken 
beobachtet.    All  die  weitem  Symptome  dieser  verhängnissvoUen  Krank- 


394  Beriebt  fiber  die  Leisttingen  auf  dem  Gebiete 

beit,  wie  Doppelseben,  Reflexerböbnng  oder  Yerminderang  eto.  geboren 
der  zweiten,  meist  nnbeilbaren  Periode  an.  Daher  ancb  die  dberani 
praktiBcbe  Bedeutung  der  Frübdiagnose :  nur  rechtzeitig  erkannt,  kann 
die  Gebimlnes  erfolgreich  bebandelt  werden.  Solange  von  der  Syphilis 
nur  das  Oefässsystem  der  nervösen  Centralorgane,  nicht  das  eigentliche 
Nervengewebe  befallen  ist,  bat  eine  specitische  Therapie  Aussicht  auf 
Erfolg.  Schwierig,  wenn  nicht  gar  unmöglich,  ist  die  frübzeitige  Dia- 
gnose einer  Sclerose  der  Gebirngefftsse,  das  Befallensein  der  art.  radial, 
l&sst  noch  lange  nicht  auf  eine  gleiche  Erkrankung  der  Geflsse  dea 
Centralnervensystems  scbliessen.  Bei  Sectionen  kann  man  sich  nicht 
selten  davon  überzeugen,  dass  die  Syphilis  bloss  den  einen  oder  den 
andern  Tbeil  des  Gefasssystems  bef&llt:  hochgradige  Sderose  der  Gebim- 
artien  bei  relativer  Intaotheit  der  Gef&sse  der  inneren  Organe  ist  eben- 
sowenig eine  seltene  Erscheinung,  wie  eine  schwere  Erkrankung  der 
Lebergefftsse  bei  verbftltnissmftssig  gutem  Bestände  der  Gehimarterien. 
Auch  eine  frühzeitige  ophthalmoskopische  Untersuchung  der  Arterien  des 
Augenhintergrundes  führt  nicht  immer  zum  erwünschten  Ziele.  Jahre- 
lange Beobachtungen  veranlassen  Verfasser  zur  Annahme,  dass  beim 
Befallensein  der  Art  Carotis  ext.  und  ihrer  Zweige  auch  immer  die  Carotis 
int.  mit  ihren  Aesten  meist  in  noch  stärkerem  Grade  mitergriffen  ist. 
Am  frühesten  zeigt  sich  die  Sderose  in  den  Zweigen  des  vorderen  Astes 
der  Art.  temporalis,  welche  sich  auf  der  Schlafe  dort  verzweigt,  wo  die 
Haare  endigen  oder  1—2  Cm.  unterhalb  dieser  Stelle.  Durch  das  Auge 
lässt  sich  eher  als  durch  das  Gefäbl  die  beginnende  Solerose  constatiren, 
befallen  ist  meist  die  linke  Seite  zuerst,  mitunter  kann  die  rächte  Seite 
g^nz  frei  bleiben. 

Die  Sclerose  an  genannter  Steile  ist  das  frühzeitigste  und  zuver- 
lässigste objective  Symptom  der  beginnenden  Syphilis  des  Gentrainerven» 
Systems,  dieses  Anzeichen  hat  den  Verfasser  bisher  nie  im  Stich  gelassen, 
eine  specifische  Therapie  hat  die  Annahme  immer  bestätigt.  Eine  deut- 
liche Besserung  in  der  Beschaffenheit  der  Gefässe  tritt  erst  gewöhnlich 
nach  lOO'O  Jodkali  und  40 — 60  Einreibungen  ein.  Zum  Sebluss  behauptet 
Tschisch,  dass  Psycho-  und  Neuropaten,  wie  überhaupt  Personen  mit 
stark  ausgeprägter  degenerativer  Constitution  sehr  selten  von  der  Arterio- 
sclerose  ex  Ine  befallen  werden,  so  weisen  Prostituirte,  sowie  Verbrecher 
diese  Affection,  trotz  bestehender  Syphilis,  sehr  selten  auf,  Ausnahmen 
bestätigen  nur  die  Regel.  Ueberfaaupt  wird  bei  Degenerirten,  bei  Neuro- 
und  Psychopaten  das  Centralnervensystem  bei  notorischer  Lues  äusserst 
selten  befallen.  In  zweifelhaften  Fällen  kann  diese  Thatsache  diagno- 
stisch verwerthet  werden:  falls  Patient  vorher  ein  gesunder,  normaler 
Mensch  war,  ist  viel  eher  eine  syphilitische  Affection  des  Centralnerven- 
systems anzunehmen  resp.  zu  erwarten.  Bei  sogenannten  .Nervösen* 
muss  man  mit  der  Annahme  einer  Gehirn-  oder  Rückenmarksines  sehr 
vorsichtig  sein.  S.  Prissmann  (Libau). 

Gordon,  Otto.  Ein  Beitrag  zur  luetischen  peripheri* 
sehen  Facialisparalyse.    Inaug.-Diss.  Eönigiberg  18d8. 


der  Geschlechtakraiikbeiten.  395 

Es  handelt  tioh  um  eine  26j&brige  Frau,  die  mit  den  typischen 
Erscheinungen  einer  linksseitigen  Facialislähronng  in  Behandlang  kommt, 
nachdem  sie  mehrere  Tage  lang  Reissen  in  beiden  Gesicbtshälften  ver- 
spürt hatte.  Es  sind  alle  Aeste  des  Facialis  betro£fen,  aber  keine  Stö- 
rungen im  Auge,  Ohr  oder  Hals  nachweisbar.  Nach  einigen  Tagen  wer- 
den Gondylomata  ad  anam  gefunden,  die  unter  einer  Schmiercur  heilen. 
Gleichseitig  tritt  eine  Besserung,  aber  keine  Heilung  der  Facialis- 
l&hmung  ein. 

Gordon  stellt  42  F&Ue  von  Facialisl&hmung  bei  Lues  susammen, 
die  aber  nur  theil weise  für  echte  syphilitische  peripherische  Facialis- 
lähmung  sprechen;  in  vielen  Fallen  —  auch  in  dem  GordonVhen  — 
dürfte  es  sich  um  peripherische  FacialisUhmung  bei  einem  Syphilitischen, 
nicht  um  eine  syphilitiBche  Facialislähmung  handeln. 

Ed.  Oppenheimer  (Strassburg). 

Mendel,  F.  Ueber  Ischias  syphilitica.  Münchener  Medici- 
nische  Wochenschrift,  1901,  Nr.  27. 

Fall  I.  23jfthriger  Mann.  Infection  und  einmalige  Hg-Behand- 
lung  vor  3  Jahren.  Ischias  seit  V4  Jfthr.  Sofortiges  Nachlassen  der 
Schmerzen  nach  der  ersten  Injection  von  salicylsaurem  Quecksilber. 
Völliges  Verschwinden  der  Schmerzen  nach  der  dritten  Injection.  Gleich- 
zeitig bestand  periostates  Gumma  am  Schädel. 

Fall  II.  52j&hriger  Fabriksarbeiter.  Vor  4  Jahren  Schmiercur 
wegen  eines  offenbar  syphilitischen  GeschwiireB  am  Unterschenkel.  Ischias 
im  linken  Bein  seit  2  Monaten.  Aeusserste  Hilflosigkeit.  Minderung 
der  Schmerzen  nach  der  ersten  Injection,  Verschwinden  derselben  nach 
der  dritten.    Gleichzeitig  bestand  syphilitische  Periostitis. 

Fall  III.  84 jähriger  Bergmann.  Infection  vor  2  Jahren.  Damals 
eine  erfolgreiche  dreiwöchentliche  Qaecksilbercur.  Seit  8  Monaten  Ischias 
im  linken  Bein.    Erfolg  der  Behandlung  wie  in  den  anderen  Fällen. 

Verfasser  betont  die  Häufigkeit  der  syphilitischen  Natur  der  Ischias 
(V4  seiner  Fälle),  hat  das  Jodkali  wirkungslos  gefunden  und  empfiehlt 
wegen  der  rascheren  Wirkung  Injectionen  vor  den  Inunctionen. 

V.  Notthafft  (München). 

Hiewerth,  A.  Beitrag  zur  Ischias  syphilitica  und  ihrer 
Behandlung.    Münch.  Med.  Woch.,  1901,  Nr.  88. 

Bei  einem  vor  9  Jahren  Inficirten,  welcher  mehrere  Male  anti- 
luetisch behandelt  worden  war  und  in  der  Zwischenzeit,  ohne  die  Lues 
auf  Frau  und  Kinder  zu  übertragen,  geheiratet  hatte,  trat  gleichzeitig 
mit  einem  „Substanzverlust**  in  der  Haut  des  einen  Beines  eine  Ischias 
des  anderen  auf.  Während  Morphium  und  Jodkali  nichts  halfen  und 
warme  Bäder  sogar  Verschlechterung  hervorriefen,  trat  schon  nach  der 
ersten  Spritze  Hydrargyrum  salioylicum  Besserung  auf  und  nach  4  Tagen 
war  der  Patient  fast  geheilt.  v.  Notthafft  (München). 

Danlos,  M.  Amaurose  syphilitiqne,  Impuissance  des 
injeotions  de  bijodure.  Gu^rison  par  quatre  injections  de 
oalomel.    Soo«  de  dermat.  et  de  syphil.  1900,  11.  janvier. 


396  Bericht  über  die  Leistongen  auf  dem  Grebiete 

Bei  einem  Patienten,  der  im  Ansoblnss  an  eine  Iritis  amaurotisch 
wurde  (eine  genaue  Untersuchung  des  Auges  wurde  nicht  angestellt), 
waren  ca.  80  Injectionen  des  obgenannten  Hg*Praparates,  die  im  Verlaufe 
von  1 '/,  Jahren  applicirt  wurden,  wirkungslos,  erst  eine  Galomelinjeotion 
k  0*05  Or.  brachte  schon  Besserung,  die  folgenden  drei  Heilung.  Die 
üeberlegenheit  des  Calomel  anderen  Hg-Praparaten  gegenüber  seigt  sich 
bei  hartnäckigen  LuesfäUen   ebenso  wie  bei  Lupus  und  Hauttnbercolose. 

M.  Fournier  betont  den  Werth  der  Calomel  injectionen  bei  lueti- 
sehen  Zungen,  Larynx  und  Pharynxprocessen.  Die  weiteren  Indicationen 
sind  noch  zu  studiren,  da  das  Mittel  in  manchen  Fällen  den  anderen 
Hg-Präparaten  nachsteht  rnd  locale  Schmerzen,  Ischias  und  andere  unange- 
nehme Begleiterscheinungen,  die  er  unter  dem  Namen  „fievre  caloma- 
lique*^  beschrieben  hat,  hervorruft.  Bichard  Fi  sc  hei  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Trastour.  Sur  une  tumeur  de  I'orbite.  Soc. 
de  derm.  ISiK). 

Bei  dem  40jährigen  Bleiarbeiter,  der  vor  6  Jahren  Syphilis  acqui- 
rirte  und  sie  gar  nicht  behandelte,  entwickelt  sich  seit  zwei  Jahren  ein 
zunehmender  Exophthalmus.  Die  radioskopisohe  Untersuchung  ergab 
einen  Orbitaltumor,  der  von  dem  sugezogenen  Chirurgen  für  ein  Angiom 
gehalten  wurde.  Die  Erweiterung  der  Gefasse  ist  aber  nur  secundär. 
Ob  es  sich  um  ein  Syphilom  oder  Sarcom  handelt,  kam  für  die  Wahl 
der  einzuschlagenden  Behandlung,  die  jedenfalls  eine  chirurgische  sein 
muss,  da  die  specifische  Therapie  erfolglos  war,  nicht  in  Betracht. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Grassmailli,  Karl.    Klinische    Untersuchungen    an   den 
Kreislaufsorganen  im  Frühstadium  der  Syphilis.    (Aus  der 
Klinik  für  Hautkrankheiten  und  Syphilis  von  Prof.  Posselt.)  Deutsches 
Archiv  für  klinische  Medicin,  1901,  Bd.  68  und  69. 

Grassmann  fand  bei  seinen  sehr  eingehenden  Untersuchungen 
an  288  Kranken,  dass  in  mindestens  Vs  ^^^  Fälle  die  normale  Function 
des  Herzens  Störungen  aufwies,  die  sich  zwischen  klinisch  sehr  gering- 
fügigen Anomalien  und  ausgesprochener  Insufficienz  bewegten. 

Etwaige  subjective  Störungen  waren  nahezu  ausnahmslos  vonobjectiv 
nachweisbaren  Abweichungen  von  der  Norm  begleitet.  Diese  bestanden 
theils  in  Arrhythmie  und  Puls- Verlangsamung  oder  -Beschleunigung,  theils 
in  Abweichungen  vom  normalen  Auscultationsbefund,  in  Innctionellen 
oder  accidenteilen  Herzgeräuschen,  theils  in  einer  Vergrössernng  des 
Herzens  und  zwar  fast  ausschliesslich  d<»s  rechten. 

Der  Blutdruck  zeigte  bei  nahezu  allen  Kranken  eine  geringere 
oder  stärkere  Herabsetzung,  ebenso  der  Haemoglobingehalt. 

Verfasser  glaubt  aus  den  klinischen  Beobachtungen  mit  Sicherheit 
schliessen  zu  können,  dass  die  chlorotischen  Vorgänge  im  Blute  Syphili- 
tischer mit  den  Störungen  der  Herzfunction  nicht  in  Beziehung  gebracht 
werden  dürfen,  da  die  Besserung  der  chlorotischen  Erscheinungen  und 
die  der  Herzverändernngen  nicht  parallel  geht.  Ebenso  sei  die  Einfüh- 
rung  von    Quecksilber    bestimmt   nicht  die  Ursache  der  Störungen  des 


der  GeBcblechtskrankheiten.  397 

Herzens,  da  diese  bereits  bestanden,  bevor  die  Quecksilbercur  begonnen 
war,  nnd  andererseits  die  vorhandenen  Alterationen  des  Herzens  im  Laufe 
der  antilnetischen  Gnr  bei  vielen  Fällen  geringer  wurden,  resp.  ver* 
schwanden. 

Die  primäre  Ursache  der  Herzstömngen  sei  vielmehr  die  syphi- 
litische Infection.  In  welcher  Weise  das  Gift  auf  das  Herx  einwirke,  sei 
eine  offene  Frage.  Dultz  (Breslau). 

Breitmann.  Ueber  plötzlichen  Tod  durch  Herzsyphi- 
lis nnd  seine  Bedeutung  für  die  gerichtliche  Medicin. 
Eshenedelnik  1901,  Nr.  16. 

Breitmann  fahrt  aus,  dass  der  räthselhafte,  plötzliche  Tod 
mancher  sonst  gesunder  Menschen,  wenn  sie  nicht  gerade  dem  Trnnk- 
oder  Ranohabusus  huldigten,  oder  sonst  sich  aussergewöhnlich  starken 
physischen  Anstrengungen  nicht  aussetzten,  durch  latente  Herzsyphilis 
zu  erklären  wäre.  Für  den  Gerichtsarzt  können  aber  dergleichen  That- 
sachen  nicht  selten  von  grosser  Bedeutung  und  Tragweite  sein. 

8.  Prissmann  (Libau). 

Zydlowici»  Wladyslaw.  £in  Fall  von  geheilter  Syphilis 
des  Herzens.    Klinisch  therap.  Wochenschrift,  1901,  Nr.  1. 

Beschreibung  eines  Falles  von  Myo-  et  Endocarditis  syphilitica  mit 
schweren  Incompensationsstörungen,  Geräuschen  an  den  Ostien,  Schwel- 
lungen nnd  Infarcten,  die  trotz  des  elenden  Allgemeinzustandes  nach 
fruchtloser  Behandlung  mit  Herzreizmitteln  unter  Quecksilbereinreibungen 
prompt  zurückgingen,  so  dass  Patient  bis  auf  ein  Geräusch  an  der  Herz- 
spitze symptomlos  wurde  und  seiner  Beschäftigung  wieder  nachgehen 
konnte.  Victor  Bandler  (Prag). 

Sehwarz,  S.  Der  syphilitische  Herzfehler  und  dessen 
Heilung.    Med.  Obosr.,  Juni  1901. 

Der  Aufsatz  von  S.  Schwarz  enthält  die  ausführliche  Kranken- 
geschichte eines  auf  syphilitischer  Basis  entstandenen,  durch  specifische 
Behandlung  geheilten  Herzfehlers.  Im  übrigen  bringt  die  Arbeit  nichts 
Neues.  S.  Prissmann  (Libau). 

Fonmier  et  Sabareanu.  Syphilis  ancienne,  insuffi- 
sance  mitrale  röcente.    Soc.  de  derm.  1900. 

Bei  der  42jährigen  Patientin,  welche  vor  16  Jahren  Lues  acquirirte 
nnd  seit  8  Jahren  an  hochgradiger  Anämie  und  jetzt  an  Purpura  ca- 
ohectieorum  der  unteren  Extremitäten  leidet,  wurde  eine  Mitralinsufficienz, 
die  bei  den  früheren  Spitalsaufenthalten  trotz  genauer  Untersuchung  des 
Herzens  nicht  diagnosticirt  wurde,  nachgewiesen.  Mangels  einer  anderen 
Ursache  wird  die  Lues  als  ätiologisches  Moment  herangezogen.  Während 
sich  die  Anämie  und  die  Purpura  auf  die  antiluetische  Behandlung  hin 
besserten,  blieben  die  Erscheinungen  von  Seite  des  Herzens  unverändert. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Goldenberg,  H.,  New-York.  Eine  kritische  Uebersicht 
der  Literatur  über  Gumma  des  Samenstranges  undBericht 
eines  Falles.    Journal  uf  cutan.  etc.  März  1901. 


398  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Die  Literatur  registrirt  bloss  einige  Fälle  dieses  äusserst  seltenen 
Vorkommnisses,  zumal  selbst  frühere,  im  Anschloss  an  Orchoepididymitis 
sich  zugesellende,  syphilitische  Veränderungen  des  Samenstranges  selten 
zu  begegnen  sind.  Helot  soll  2  Fälle  von  Gumma  des  Vas  deferens 
berichtet  haben.  Im  VerneniPschen  Falle  war  der  Tumor  doppelt 
fanstgross  und  für  Garcinom  angesehen,  bis  die  Obduction  die  richtige 
Diagnose  feststellte.  Kocher  berichtet  über  1  Fall;  Mauriac  1  Fall; 
Reclns  2  Fälle;  M.  t.  Zeissl  1  Fall;  Bert  1  Fall;  E.  Fnller  IFall. 
Goldenberg  sah  seinen  Fall  bei  einem  28  jährigen  Manne,  der  vor  sechs 
Monaten  Syphilis  acquirirte,  zur  Zeit  keine  anderweitigen  Manifestationen 
zeigte.  Die  Hodenschwellnng  soll  ohne  jedwede  Ursache  spontan  znm 
Vorscheine  gekommen  sein,  war  rund,  hart,  an  einer  Stelle  elastisch, 
Fluctuation  vortäuschend,  an  die  Hautdecke  leicht  angewachsen,  nicht 
schmerzhaft.  Hoden  und  Nebenhoden  waren  normal.  Da  der  Tumor 
von  einem  Gollegen  für  eine  Talgsycte  angesehen  wurde,  ist  ein  Ein- 
schnitt gemacht  worden  und  die  charakteristisch  granbläuliche  Färbnng 
des  Gewebes,  centrale  Erweichung,  bestätigten  die  Diagnose  von  Gumma. 
Der  mikroskopische  Befund  ergab  die  pathologischen  Kennzeichen  eines 
Gumma  mit  gleichzeitiger  Entzündung  im  Nachbargewebe. 

A.  B.  Beck,  New-York. 

Doctoroff,  Chr.  Etüde  sur  le  chancre  syphilitique  des 
amygdales.    These  de  Nancy  1899/1900,  Nr.  88. 

Zusammenstellung  von  46  zum  Theil  noch  nicht  verö£Pentlichten 
Krankengeschichten  von  Patienten  mit  Initialaffect  der  Mandeln.  Ans- 
fuhrliche  Literatnrangaben.  Kuznitzky  (Köln). 


Hereditäre  Syphilis. 

Troisfontaines.  Heredo-syphilis  de  troisiöme  gän6- 
ration.   Journal  des  maladies  cutanees  et  syphilitiques.  1901.   pag.  284. 

Troisfontaines  hat  folgenden  interessanten  Fall  zu  beobachten 
Gelegenheit  gehabt.  Ein  von  ihrem  Vater  her  hereditär- syphilitisches 
Mädchen  gibt  —  von  einem  gesunden  Vater  —  einem  Kinde  das  Leben, 
welches  das  typische  Bild  einer  hereditären  Syphilis,  schlechte  Ernährung, 
Coryza,  Papeln  am  After  und  im  Gesicht,  zeigt  und  bei  welchem  jedesmal 
bei  Neuauftreten  derartiger  Erscheinungen  prompte  Heilung  auf  Liquor 
van  Swieten  erfolgt.  Das  interessanteste  an  diesem  Falle  ist,  daas  Verf . 
alle  in  Betracht  kommenden  Personen  zu  untersuchen  Gelegenheit  hatte, 
nämlich  Grossvater,  Eltern  und  Kind. 

Paul  Neisser  (Beuthen  0.  S.). 

Karcher,  J.  Das  Schicksal  der  hereditär- luetischen 
Kinder.  Correspondenzblatt  für  Schweizer  Aerzte.  XXXI,  16. 

Karcher  hat  sich  bemüht  zu  erfahren,  was  aus  den  81  Patienten 
geworden  ist,  die  während  der  Zeit  von  1876  bis  1896  im  Basler  Kinder- 


der  GeschlechtskrankheiteD.  399 

spital  wegen  hereditärer  Laes  bebandelt  and  dann  aU  gebeilt  entlassen 
worden  waren.  Die  Nacbforscbangen  hatten  nar  in  16  Fällen  Erfolg: 
Sechs  als  Säuglinge  antilnetiscb  bebandelte  nnd  als  geheilt  entlassene 
Kinder  gingen  in  den  ersten  Lebensjahren  za  Grunde;  eins  davon  an 
Miliartuberculose ;  bei  diesem  wie  bei  den  übrigen  fünf,  bei  denen 
Enteritis,  Eclampeie,  Rhachitis,  Pneumonie  die  Todesursache  waren,  sind 
syphilitische  Erscheinungen  nicht  mehr  aar  Beobachtung  gekommen» 
auch  die  in  zwei  Fällen  vorgenommene  Autopsie  ergab  nichts  von 
luetischen  Residuen.  Vier  Kinder  wurden  nach  dem  Pnbertätsalter  völlig 
gesund  wieder  gefunden;  sie  waren  bereits  8  bis  15  Jahre  nach  der  speci- 
fischen  Cur.  Von  einem  zur  Zeit  26jährigen  Manne  konnte  bloss  erfahren 
werden,  dass  er  „soweit  gesund^  und  thätig  sei.  Drei  weitere  Fälle  waren 
ebenfalls  frei  von  Syphilis,  dagegen  von  Tuberculose  befallen.  Lues- 
Recidive  fanden  sich  in  zwei  Fällen,  die  daneben  auch  noch  Tuberculose 
aufwiesen.  Zur  Zeit  der  ersten  Syphilis-Behandlung  war  bei  keinem  der 
letzten  fünf  Patienten  Tuberculose  constatirt  worden.  Aus  seiner  Zusammen- 
stellung folgert  K.  erstens,  dass  sie  die  Auffassung  von  der  congenitalen 
Lues  als  einem  wichtigen  prädisponirenden  Moment  für  die  Tuberculose 
bestätige ;  zweitens  ergibt  sich  fär  ihn,  dass  die  Prognose  der  hereditären 
Syphilis  im  ganzen  nicht  trostlos  ist  und  dass  namentlich  das  Ungt. 
cinereum,  mit  welchem  sämmtliche  Kinder  —  soweit  keine  Contra- 
indication  vorlag  —  behandelt  worden  sind,  verhältnissmässig  gute 
Erfolge  garantirt.  Max  Marcuse  (Bern). 

Founiier,  Edmond.  Syphilis  h6reditaire  tardive.  Soc.  de 
denn.  1900. 

Von  den  beiden  vorgestellten  Schwestern  zeigt  eine  30jährige  Frau 
bloss  eine  ausgedehnte  Narbe  des  rechten  Ober-  und  Unterschenkels  die 
von  einer  vom  10.  bis  18.  Jahre  auf  JK  geheilten  Ulceration  stammt  und 
Veränderungen  des  Augenhintergrnndes.  Ein  Zweifel  über  die  heredosyph. 
Natur  wird  durch  die  Analyse  der  Erscheinungen  bei  ihrer  jüngeren 
Schwester  sofort  beseitigt.  Die  Hutchinson^sche  Trias,  perilabiale 
Narben,  Narbenreste  nach  einer  Ganmenperforation  und  einem  Gumma  des 
M.  deltoides  sichern  die  Diagnose.  Bei  einer  anderen  17jährigen  Kranken 
constatirt  man  ausser  dem  charakteristischen  Stigma  der  Hutchinson- 
schen  Trias  noch  dystr.  Störungen:  Verspätung  der  Entwicklung  (sie 
begann  erst  mit  4  Jahren  zu  laufen  und  sprechen).  Mangelhafte  Intelligenz. 
Hysterische  Gontractur  der  unteren  Extremitäten,  Incontinenz. 

Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Foumier,  Edmond.  Trois  cas  de  syphilis  höreditaire 
tardive.  Soc.  de  derm.  1900. 

Allen  drei  Fällen  ist  es  gemeinsam,  dass  auf  den  ersten  Blick  als 
Sülerose  imponirende  Veränderungen  als  Gummen  bei  heredosyph.  Indi- 
viduen erkannt  wurden. 

Bei  dem  ersten  Fall,  dem  der  folgende  so  ziemlich  gleicht,  schützte 
vor  dem  ev.  diagnostischen  Irrthum :  1.  Eine  ähnliche  Veränderung,  von  der 
die  Narbe  an  der  Spitze  des  Gliedes  sichtbar  war,  hatte  sich  vor  2  Monaten 


400  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

entwickelt.  2.  Ihr  jetziges  scleroseihnliches  Aussehen  verdankte  die 
Affection  dem  Vemarbangsetadinm,  während  sie  im  Beginne  ein  tief  anige* 
höhltes,  eitriges  Geschwür  darstellte.  3.  Die  Schwellung  der  Leistendrüsen 
besteht  schon  seit  Langem,  4  Die  Induration  ist  durch  local  angewendete 
Mittel  und  den  die  Wunde  nässenden  Urin  verursacht.  Während  in 
diesen  beiden  Fällen  die  Gummen  an  der  Spitze  des  Gliedes  sassen, 
localisirte  sich  bei  dem  20jährigen  Mädchen  die  Affect*on  an  der  Brust  Sie 
wurde  zuerst  als  harter  Chancre  diagnosticirt  Ein  gummöses  Syphilid  der 
Hinterbacke,  mächtige  Hjrperostose  der  linken  Clavicula,  Auftreibung  der 
leicht  gekrümmten  Tibien  liessen  an  hereditäre  Syphilis  denken  und  die 
Diagnose  rectificiren.  JE  brachte  in  allen  8  Fällen  Heilung.  Die  letzte 
Kranke  kam  in  kurzer  Zeit  mit  einem  gummösen  Osteom  des  Schädels 
und  meningitischen  Erscheinungen  wieder,  die  einer  gemischten  Behand- 
lung wichen.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Wieting.  Zur  Säbelscheidenform  der  Tibia  bei  Syphilis 
hereditaria  tarda.  (Bruns'  Beiträge  zur  klin.  Chirurgie  Bd.  XXX, 
Heft  8,  Juli  1901.) 

Wieting  weist  zunächst  nach,  dass  sowohl  bei  tertiärer  Syphilis, 
als  auch  bei  hereditärer  Lues  sich  an  der  Tibia  eine  Osteoperiostitis 
abspielt,  d.  h.  eine  Erkrankung  sUer  den  Knochen  zasammeusetzenden 
Gewebe,  mit  vorwiegender  Betheiligung  der  Vorderseite  des  mittleren 
Drittels.  F'ournier  und  Lannelongue  hatten  1886  als  pathognomonisch 
für  die  Syphilis  hereditaria  tarda  die  scheinbar  bogenförmige  Verkrümmung 
der  Tibia  mit  der  Convexität  nach  vorn  hingestellt,  scheinbar  deswegen, 
weil  sie  durch  hyperostotische  Wucherungen  auf  der  vorderen  Tibia- 
fläche  vorgetäuscht  wurde.  Wieting  behauptet  nun,  diese  Verkrümmung 
sei  nicht  scheinbar,  sondern  wirklich  vorhanden,  und  zwar  sei  sie  dadurch 
entstanden,  dass  die  durch  luetische  Osteoperiostitis  biegsam  gewordene  Tibia 
zur  Zeit  dieser  Malacie  bereits  fnncüonell  in  Anspruch  genommen  werde  — 
im  Gegensatz  zu  den  rhachitischen  Processen,  die  einsetzen,  ehe  die  Kinder 
ihre  Unterschenkel  in  geregelter  Weise  gebrauchen.  —  Vermehrt  werde 
diese  Krümmung  durch  die  als  Sehne  des  Kreisbogens  wirkende  Fibula 
und  die  nach  hinten  verlagerte  Musculatur.  Ein  zweiter  wichtiger  Punkt 
bei  der  hereditären  Syphilis  ist  nach  Wieting  die  Verlängerung  des 
Unterschenkels,  hervorgerufen  in  Folge  von  Reizung  des  Epiphysen- 
knorpels  durch  die  wie  eine  infeotiöse  Knochenericrankung  wirkende 
Osteoperiostitis  syph.  Diese  beiden  Momente  —  Verkrümmung  der  Tibia 
und  Verlängeruog  der  Unterschenkel  —  sieht  Verfasser  als  charakteristisch 
an  för  eine  hereditär  syph.  Erkrankung,  allerdings  mit  der  EinsohräniLung, 
dass  vielleicht  auch  eine  in  frühester  Kindheit  acquirirte  Laes  in  diesem 
Sinne  mit  der  hereditären  gleich werthig  sein  möchte,  da  dann  die  tertiären 
Symptome  noch  in  die  Wachsthumszeit  fallen  und  jene  Knochenform  sich 
ausbilden  könnte.  Arthur  Alexander  (Breslau). 

Petrin!  de  Galatz.  Un  cas  de  stigmates  herödosyphili- 
tiques  et  de  syphiiis  aoquise  chez  le  mdme  individn.  Soc. 
de  derm.  etc.    3.  Mai  1900. 


der    GetchlechtBkrankheiten.  401 

Bei  dem  22jährigen  Manne  mit  maculopapnlÖBer  Lues  finden  sich 
Yerandernngen  der  Schneide-  nnd  Eckzähne  (transversale  Furchen  der 
Krone  und  abnorme  Stellaog),  die  auf  hereditäre  Laee  deaten.  Da  sich 
aber  weder  anamnestiaeh  noch  objectiT  die  Diagnose  stutzen  lässt,  so 
zieht  Petriui  die  Möglichkeit  einer  von  der  Amme  aquirirten  Lues  in 
Frage.  Mit  Rücksicht  auf  die  Seltenheit  ähnlicher  Fälle  und  das  noch 
nicht  genügend  stndirte  Thema  der  Reinfection  Hereditär-syphilitischer 
hält   er  den   Fall   für   mittheilenswerth. 

Richard  Fisch el  (Bad  Hall). 

Foumier,  £dm.  Malformation  de  Poreille  chez  un 
hrerödo-syphilitique.  Soc.  de  derm.  etc.  7.  Juin  1900. 

Bei  dem  4  Monate  alten,  an  einem  papulocrustösen  Syphilid  leiden- 
den Eiode  fanden  sich  Missbildungen  des  Schädels  (Vorspringen  der 
Tnbera  frantalia  nnd  parietalia),  Yergrössernng  der  Milz  und  der  Leber, 
eine  Umbilioalhemie,  Stigmata  des  Angenhintergrundes.  —  Besonders 
aufibllend  ist  eine  Missbildung  des  rechten  Ohres.  £s  repräsentirt  sich 
als  ein  amorphes  Gebilde,  homartig,  an  welchem  die  das  äussere  Ohr 
constituirenden  Formen  nicht  ausfindbar  sind.  Diese  Missbildnng  kann 
man«  ohne  fehl  zu  gehen,  dem  dystrophischen  Einfluss  der  hereditären 
Syphilis  zuschreiben.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Fournier,  Edmond.  Dystrophies  chez  un  herödosyphili- 
tique  et  chez  un  heredo-alcoolique.  Soc.  de  dorm.  1900. 

Unter  dem  Einfluss  zweier  verschiedener  Gifte  entwickeln  sich  bei 
der  Nachkommenschaft  Degenerationserscheinnngen  an  ein  und  demselben 
Organ.  Bei  einem  Hereditärsyphilitisohen  —  eine  überzählige  Mamma, 
bei  einem  Sohn  eines  Alkoholikers  —  Atrophie  des  Orgaus,  mit  gleich- 
zeitigem Defect  des  Pectoralis  und  der  Behaarung  des  Thorax  nnd  der 
Achselhöhle  derselben  Seite.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Fournier,  Edmond.  Dystrophies  dentaires  dans  un  cas 
de  Syphilis  hereditaire.    Soc.  de  derm.  1900. 

Nebst  anderen  ausgesprochenen  Symptomen  hereditärer  Syphilis 
findet  sich  bei  der  kleinen  Patientin  noch  eine  Veränderung  an  den 
Zähnen,  die  in  ihrem  diagnostischen  Werth  dem  Hutchinson'schen  an 
die  Seite  gestellt  wird.  Der  Zahn  wird  durch  eine  einschnnrende  Furche 
in  halber  Höhe  in  zwei  Theile  getheilt,  von  denen  der  untere  das  Aus- 
sehen eines  abgenützten  kleineren,  wie  in  die  obere  Hälfte  eingeschalteten 
Zahns  hat  Die  ersten  Mahlzähne,  die  mittleren  Sohneide-  und  die 
Eckzähne  des  Oberkiefers,  die  vier  unteren  Schneidezähne  und  die  Eck- 
zähne sind  ergriffen.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Rodler,  Henri.  Syphilis  hereditaire.  Dents  d'Hutohinson 
type.  Jonmal  des  maladies  oatanees  et  syphilitiques.  1901.   pag.  146. 

Rödler  beschreibt  mit  peinlicher  Genauigkeit  das  Gebiss  einea 
16jährigeny  hereditär  syphilitischen  Mädchens,  welches  genau  dem 
Hutchinson'schen  Typus  entspricht.  Das  sehr  schwächlich  entwickelte 
Mädchen  macht  den  Eindruck  eines  10jährigen  Kindes,  hat  erst  mit 
4  Jahren  gehen,  sprechen  gelernt  und  den  ersten  Zahn  bekommen,  nach* 

Areh.  f.  Dermal,  n.  S/ph.  Bd.  LXIII.  26 


402  Bericht  über  die  Leistangen  aaf  dem  Gebiete 

dem  es  Torher  in  den  ersten  Lebensjahren  an  vielen  Krankheiten, 
darunter  Krämpfen  nnd  AuBBohl&gen,  die  nnr  aof  tpeoifieche  Behandlaag 
heilten,  gelitten  hatte.  Mit  15  Jahren  hatte  ea  eine  doppelseitige  Keratitis 
dorohgemaoht,  die  aof  Qnecksilberinjectionen  so  aemlieh  abgeheilt  Ist. 
Die  Matter  nnd  eine  Schwester  sind  gesnnd;  der  Yater,  der  gestorben 
ist,  soll  Potator  und  Lnetiker  gewesen  sein. 

Paul  Weisser  (Benthen,  O.  S.). 

Caziot,  Paul.  H^redosyphilis  de  la  moelle  ^pin^re, 
m^ningo  my^lite  chronique  dn  type  Erb.  Annales  de  derm.  1900. 

Caziot  theilt  die  Krankengeschichten  iweier  Soldaten,  die  an  einer 
Bückenmarkserkranknng  litten,  mit  Im  ersten  Falle,  einem  84j&hrigen 
Manne,  begann  einige  Monate  nach  einem  Typhus  die  Affection  mit  blitz- 
artigen Schmerzen  in  der  linken  unteren  Extremit&t  im  16.  Lebenö*hre. 
Gegenwärtig  bestehen  trophische  Störungen,  Herabsetzung  der  Sensi- 
bilität der  1.  Körperhftlfte,  Steigerung  der  Bedeze  (Plantar-  nnd  PateUar- 
reflexe),  Störungen  des  Gangs,  leichte  Ermüdung,  Störungen  der  Harn- 
entleerung. Häufige  Gonstipation.  Wenig  ausgeprägter  Geschlechtstrieb. 
Bei  dem  zweiten  Fall,  einem  SSjfthrigen  Infanteristen,  machte  sich  schon 
im  3.  Lebensjahre  eine  Schwäche  der  unteren  Extremitäten  beim  Gange 
geltend.  Die  nervösen  Symptome  ähneln  dem  ersten  sehr.  Nachdem  fär 
den  ersten  Patienten  die  Diagnose  einer  posttyphösen  Myelttia  nnd 
Neuritis  als  unbegründet  zurückgewiesen  wird,  kommt  der  Verf.  in  Erwägung 
der  einschlägigen  differentiai  diagnostische  Momente  zum  Schlüsse,  dass 
es  sich  um  eine  Entwicklungshemmung  der  Pyramidenbahnen  handelt. 
Der  Versuch  des  Verfassers  als  Aetiologie  hereditäre  Syphilis  anzunehmen 
ist  bei  Torurtheilsloser  Kritik  der  beigebrachten  Daten  und  Stigmata 
bloss  —  ein  Versuch  geblieben.  Biohard  Fisehel  (Bad  Hall). 


Therapie  der  Syphilis. 

Granfeld,  J.  Doc.,  Wien.  Die  Mundpflege  bei  Syphilis- 
formen. Centralbl.  f.  d.  g.  Therap.  1901.  VII.  und  VIII.  lieft.    G.  VIll  1. 

In  coneiser,  gedrängter  Form  bespricht  Grttnfeid  erst  die  Ter- 
scbiedenen  Formen  und  Localisationen  der  Lues  im  Munde,  um  dann  im 
Allgemeinen  die  Wichtigkeit  der  Mundpflege  bei  der'  Behandlung  zu 
erörtern  und  als  Prophylaxe  das  Kali  chloricum  in  1%  Lösung  zu 
empfehlen.  Bei  der  Seierose  der  Lippen  ist  nach  Aetznng  derselben  mit 
Vs — IVo  Sublimatlösang  oder  Carbolspiritus  1 :  20  das  graue  Pflaster  täglich 
frisch  aufzulegen.  Im  papulösen  Stadium  genaue  Desinfection  des  Mundes 
mit  dem  Irrigator  mit  den  verschiedenen  Mundwässern,  denen  man  ein 
Corrigens  zusetzt;  eine  weitere  Desinfectionsmethode  des  Mundes  ist  der 
Spray  oder  die  Inhalation  mit  Alaun,  Borsäure,  Thymol  O'l^Vo;  &!•  Aetz- 
mittel  der  Papeln  dient  nach  Entfernung  der  Krusten  mit  Präeipi  tat- 
salbe  Sublimat   in  8— 67oiffer  spirituöser   Lösung,    auch  Carbolspiritos 


der  GeschlechtBkrankheiten.  403 

<1  :  25)  oder  Jodtinctur,  während  der  Lapiistift  wegen  der  oberflächlichen 
Wirkung  nicht  in  empfehlen  ist.  Bei  Leukoplakien  und  opalinen  Plaques 
verwendet  Orünfeld  nur  milde  Gargarismen,  Borsäure,  Salbei-Kamil- 
lenthee  und  zur  localen  Behandlung  Bepinselungen  mit  Jodglycerin 
oder  Ichthyol glycerin.  Bei  den  gummösen  Geschworen  des  Mundes  ist 
eine  energische  Desinfection  mit  Berieselung  nothwendig  und  als  wich- 
tigste Behandlung  die  Kauterisation  zu  nennen;  hier  spielt  der  Lapisstilt 
die  Hauptrolle  wegen  der  angestrebten  Gewebszerstorung,  auch  concen- 
trirte  Lapislösnng  1 :  10.  Nebenbei  geht  natürlich  stets  die  Allgemeinbe- 
handlung, die  nur  bei  Stomatitis  ausgesetzt  werden  darf. 

Victor  Bandler  (Prag). 

Rlehl,  G.,  Prof.,  Leipzig.  Ueber  den  Einfluss  der  Behand- 
lung syphiliskranker  Mütter  auf  das  Schicksal  des  Foetus. 
Wiener  klinische  Wochenschrift  1901,  Nr.  26. 

Nach  Besprechung  der  Beobachtungen  Piok*s,  Fournier'su.  A. 
bezüglich  der  Mortalität  der  Kinder  syphilit.  gravider  Mütter  und  Er- 
örterung der  verschiedenen  Statistiken  erörtert  Riehl  seine  eigenen 
Beobachtungen.  Seine  Versuche  gingen  von  der  Idee  aus,  zu  erproben» 
ob  es  möglich  wäre,  die  günstige  locale  Einwirkung  von  Hg  auf  Syphilide 
für  den  schwangeren  Uterus  auszunützen. 

Der  Uterus  einer  syphilitisch  kranken  Schwangeren  birgt  nach 
Riehl 's  Ansicht  wahrscheinlich  Syphilisproducte,  und  gelänge  es,  durch 
locale  Hg-£inwirkung  die  Erkrankung  der  Decidua  oder  Placenta  zu 
verhüten  oder  rasch  zu  heilen,  so  müsste  dies  zur  Verhütung  des  Abortus 
oder  Infection  des  Foetus  führen.  Riehl  unterzog  die  syphiliskranken 
Frauen,  Gravide  mit  recenter  Lues,  zunächst  einer  regelrechten 
Allgemeinbehandlung  und  nebstdem  wurde  die  regionäre  Therapie  ein- 
geleitet. Diese  besteht  darin,  dass  Globnli  vaginales  aus  je  1  Gr.  ofli- 
cineller  grauer  Salbe  und  1—2  Gr.  Butyrum  de  Cacao  gefertigt,  bis  zur 
Portiovag.  in  die  Vagina  eingeführt  werden.  Zur  Fixirung  wird  ein 
Tampon  nachgeschoben.  Man  beginnt  mit  der  Behandlung,  sobald  die 
Schwangerschaft  constatirt  ist,  und  setzt  sie  bis  zum  Ende  der  Gravi- 
dität fort.  Unter  83  Geburten  von  Frauen,  die  so  behandelt  wurden,  war 
nur  Imal  Abortus  und  Smal  Frühgeburt  zu  verzeichnen,  im  8.  und 
D.  Graviditätsmonac.  Die  29  rechtzeitig  geborenen  Kinder  wiesen  günstige 
normale  Gewichts-  und  Emährungsverhältnisse  dar.  Fournier  hat  iu 
«einer  Statistik  22%,  Pick  25Vo  Abortus,  Riehl  127o«  ^i^  ^^^^  ^^^  ^^ 
normalen  Ende  erfolgten  Geburten  beträgt  bei  Riehl  SS^oi  hei 
Fournier 's  behandelten  Fällen  627o>  bei  Pick  62^/o,  die  Geburtsmor- 
Ulität  bei  Riehl  6V«i  bei  Pick  38Vo<  bei  Neumann  38Voi  bezüglicb 
4er  Gesammtmorbidität  gibt  Fournier  89%,  Pick  87—100%, 
Neumann  12%,  Riehl  217^  an.  Riehl  hält  dieses  Verfahren  für  ge- 
eignet und  bittet  um  zahlreiche  Nachprüfungen. 

Victor  Band  1er  (Prag). 

Rohden,  B.     Zur  Inunotionscur   der    Sorophulose    und 
Tuberculose.  (Therapeutische  Monatshefte  1901,  Heft  8,  pag.  415.) 

26* 


404  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Roh  den  macht  seine  seit  5  Jahren  angewandten  Inanotionen  (der- 
matische  Methode)  bei  Scrophulose  und  Tubercalose  jetzt  mittels  Dermo- 
sapol,  einem  höchst  geschmeidigen,  durch  die  Hant  leicht  resorbirbaren 
Leberthranseifenpraparat  (aus  desodorirtem  Ol.  jecoris  aselli,  Ferubalsam, 
äther.  Oelen,  Fetten,  Glycerin  und  Alkali  bestehend).  Das  Medicament 
geht  durch  die  Hautdrüsencrypten  in  die  subdermatischen  Lymphgefasse 
und  kreist  im  Lymphstrom;  im  Sputum  und  Harn  ist  es  nachzuweisen. 
Die  Deponirnng  erfolgt  zunächst  in  den  Drüsen  und  allmälig  tritt  eine 
Leberthrandurchseifung  des  ganzen  Lymphapparates  ein.  Die  Einreibung 
(etwa  10  6r.  pro  die),  geschieht  2 — 3mal  täglich  abwechselnd  an  ver- 
schiedenen Körperstellen.  Besonders  wirksam  ist  die  Combination  der 
Inunctionen  mit  Occlusiwerbänden  (bei  Drüsen).  Nebenwirkungen  treten 
nicht  ein.  —  Das  Präparat  zeigt  seine  physiologische  Wirkung  in  einer 
Erhöhung  der  Alkalescenz  und  Oxydation  in  den  Lymphapparaten,  in  der 
BeeinfiusBun/  der  Zellelemente  durch  den  Leberthran,  in  der  Durch- 
tränkung  der  Lymphe  mit  Glycerin,  äther.  Oelen  und  Perubalsam.  — 
Verfasser  gebraucht  ferner  ein  67o  Jodkali-Peruol-Dermosapol,  ein 
b\  Jodkali-  und  5%  Formaldehydpräparat.  Letztere  sind  besonders 
bei  drüsigen  scrophulösen  Processen,  bei  Fisteln  und  Lupus  zu  em- 
pfehlen. Auch  mit  10%  Lysoformdermosapol  hat  Verfasser  bei  Lupus 
gute  Erfolge  gesehen.  Dies  bot  auch  hei  veralteter  und  indurirter 
Psoriasis  schnelle  Heileffecte.  Weiterhin  wären  in  der  Dermatologie 
das  Lysoformpräparat,  in  der  Syphilistherapie  Ungt.  Hydrarg.  Dermosapol 
zu  versuchen.  Victor  Lion  (Mannheim). 

Stern.  Ueber  Injectionscuren  bei  Syphilis.  Münchener 
Medicinische  Wochenschrift  1901,  Nr.  27. 

Stern  glaubt,  dass  zwar  in  vielen  Fällen  von  Syphilis  die  Ein- 
reibungscuren  nicht  zu  umgehen  seien,  dass  aber  den  Injectionen 
unter  den  folgenden  Umständen  der  Vorzug  zu  geben  sei:  1.  wenn 
sonstige  Erkrankungen  der  Haut  oder  der  Verdauungsorgane  die  An- 
wendung der  Scbmiercur  oder  Pillen  nicht  zulassen;  2.  in  Fällen  von 
schwerer  Syphilis,  wenn  wichtige  Organe  ergriffen  sind  und  es  sich 
darum  handelt,  rasch  und  energisch  einzugreifen;  3.  in  denjenigen 
Fällen,  wo  die  anderen  Quecksilberpräparate  schon  vergebens  angewendet 
worden  sind  —  bei  wiederholten  Recidiven  —  und  schliesslich  5.  ab- 
wechselnd mit  anderen  Methoden  bei  der  intermittirenden  Behandlung 
nach  Fouruier-Neisser.  von  Notthafft  (München). 

Treyes,  M.  Di  un  nuovo  metodo  di  applicazione  del 
Sublimate  corrosivo  per  la  cura  della  sifilide.  Gazz.  medio. 
di  Torino  11.  Juli  1901. 

l)m  die  Haut  des  Syphilitikers  zu  desinfioiren,  bedient  sich 
Treves  einer  l7o  Spirituosen  Sublimatlösung,  die  auf  der  Haut 
schnell  eintrocknet  und  eine  dünne  Schicht  dieses  Antisepticums  zu- 
rücklässt.  L.  Philippson  (Palermo). 


der  Geachlechtskrankheiten.  405 

Audry.  Histologie  d*ane  indurationcons^oative  ades 
injections  de  calomel  pratiquees  trois  ans  aaparavant. 
Joarnal  des  maladies  cutanees  et  syphilitiqnes.  1901,  pag.  873. 

Audry  hatte  Gelegenheit,  bei  einem  an  Phthise  gestorbenen 
Syphilitiker  drei  Jahre  alte,  nach  Galomelinjeotionen  zurfickgebliebeDe 
Infiltrate  histologisch  zu  untersuchen.  Die  dabei  enrielten  Befunde  lassen 
nach  ihm  keinen  Zweifel,  dass  es  sich  um  eine  abgelaufene  intensive 
interstitielle  Myositis  mit  fibröser  Umwandlung  des  Bindegewebes 
handelte.  Der  Sitz  dieses  entzündlichen,  proliferativen  und  degenerativen 
Processes  befinde  sich  in  dem  interfasciculären  Bindegewebe,  während 
das  Sarcolemma  dabei  gar  keine  Rolle  gespie.lt  habe,  sondern  nur  durcli 
den  Druck  des  fibrösen  Bindegewebes  gemeinsam  mit  dem  Muskelgewebn 
vernichtet  worden  sei.  Er  steht  hiermit  im  Gegensatz  zu  Wolter's,  nach 
dem  gerade  das  Sarcolemm  der  Ausgangspunkt  des  Processes  sei 
Letzterer  aber  habe  durch  Salicylquecksilber  gesetzte  Infiltrate  von  der 
Dauer  nur  weuiger  Monate  untersucht,  und  vielleicht  liegt  hierin  der 
Unterschied  in  den  einander  entgegengesetzten  Befunden. 

Paul  Neisser  (Beuthen,  0.  S.) 

Jordan,  A.  Therapeutische  Versuche  mit  Jodoleu. 
Monatshefte  für  prakt.  Dermatologie.  Bd.  XXXIII. 

•  Jordan  kommt  auf  Grund  seiner  Versuche  mit  Jodolen  (einer  Jodol- 
eiweissverbindung)  zu  denselben  Schlüssen,  welche  Sommerfeld,  der 
das  Präparat  an  Prof.  Pick*s  Klinik  erprobte,  bezüglich  dessen  Wirk- 
samkeit gezogen.  £s  kann,  extern  verwendet,  ganz  gut  mit  den  ver- 
schiedenen Jodoformersatzmitteln  concurriren;  intern  verwendet  wirke  es 
bei  tertiären  Affectionen  nur  in  grossen  Dosen  (12—20  Gr.  des  Jodolen 
intemum,  welches  9  - 10%  molecular  gebundenes  Jod  enthält,  gegenüber 
dem  36 7o  Jodolen  externum),  erzeugt  aber  auch  Jodismus.  Sein  Haupt- 
wert liegt  darin,  dass  es  den  Allgemeinzustand  hebt. 

Ludwig  Waelsch  (Prag). 


Hautkrankheiten. 


Acute  und  chronische  Infectionskrankheiten. 

MertenSi  Dr.  Victor  £.  Beiträge  zur  AktinomykoBen- 
forschang.  Centralblatt  f.  Bakteriologie  u.  Parasitenkunde.  Bd.  XXIX. 
pag.  649. 

Merten8  untersuchte  Aktinomyces  aus  einem  Halsabscess  und  fand^ 
dass  nur  Tiefenwaohsthum  sowohl  auf  Agar  als  in  Bouillon  auftrat.  In 
der  7.  Generation  trat  auf  Bouillon  auch  oberflächliches  Wachsthum  auf 
in  Gestalt  von  kreideweissen  Elnmpohen,  die  sich  mit  Erfolg  auf  feste 
Nährböden  übertragen  Hessen.  Nach  9  Monaten  hatte  der  Aktinomyces 
sich  soweit  an  niedere  Temperaturen  gewöhnt,  dass  auch  Gelatineculturen 
gelangen.  Es  gelang  also  einen  anaerob  bei  88  Grad  wachsenden  Pils  an 
Aerobie  und  niedere  Temperatur  zu  gewöhnen;  das  heisst  ein  und  der- 
selbe Aktinomyces  vermag  nach  dem  einen  wie  dem  anderen  Typus  zu 
wachsen.  Die  culturell  so  verschieden  scheinenden  Aktinomyces- Arten 
gehören  demnach  einer  Species  an.  Beide  sind  pathogen.  Zwei  differente 
Arten  anzunehmen  scheint  angesichts  der  vorliegenden  Resultate  nicht 
mehr  gerechtfertigt.  Wolters  (Bonn). 

Silbersehmidt,  W.  Zur  bakteriologischen  Diagnose  der 
Aktinomykose.  Deutsch.  Med.  Wooh.  1901.  47. 

Silberschmidt  ist  der  Meinung,  dass  die  als  Aktinomykose 
bekannte  Erkrankung  durch  verschiedene  Mikroorganismen  erzeugt  werden 
könne.  Massgeblich  für  die  Diagnose  seien  neben  dem  klinischem  Bilde 
die  etwa  stecknadelkopfgrossen  Drüsen  im  Eiter,  welche  aber  oft«  in 
Eitermassen  verborgen,  schwer  herauszuiinden  seien.  Es  kommen  aber 
auch  Fälle  ohne  makroskopisch  sichtbare  Drdsen  im  frischen  Eiter 
vor.  So  berichtet  Verf.  ein  Beispiel,  wo  sich  nach  der  Section  erst  in 
4  Wochen  steril  aufbewahrtem  Eiter  drüsenartige  Pünktchen  fanden, 
welche  sich  aus  den  mikroskopisch  schon  ursprünglich  nachgewiesenen 
Krankheitserregern  zusammensetzten.  Dieselben  waren  zuvor  bei  genauesten 
Untersuchungen  nicht  erkennbar  gewesen.  Schwierigkeiten  bietet  auch 
die  mikroskopische  Untersuchung,  z.  B.  könnten  auch  bei  ausgesprochener 
Aktinomykose  die  Keulen  fehlen.  Verf.  konnte  mehrfach  die  pathogenen 
Mikroorganismen  rein  züchten  und  überimpfen.  Auf  die  Färbnngsmethoden 


Borioht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  Hantkrankh.     407 

eingehend  empfiehlt  Verf,  die  HerstetlQiig  direeter  gefärbter  Ausstrioh- 
prftparate.  Er  warnt  tot  Verwechelaagen  mit  den  sehr  ähnlich  aus- 
sehenden DiphtheriebaciUen  and  halt  genauere  Studien  Aber  die  yer- 
sohiedenea  Aktinomycesarten  für  wQnsehenswerth. 

Max  Joseph  (Berlin). 

Kopfstein.  Ein  Beitrag  zur  Hautaktinomykose.  Wiener 
klinische  Rundschau  1901,  Nr.  2. 

Der  Verfasser  operirte  eine  schmerzlose,  fibrornfthnliche  Haut- 
geschwulst, in  deren  Centrum  sich  einige  Tropfen  Eiter  und  Granulations- 
gewebe mit  zahlreichen  Aktinomycesdrnsen  befanden. 

Victor  Bandler  (Prag). 

Wllliamstii,  George.  The  Cyprns  Sphalangi  and  its 
Conneotion  with  Anthrax.   British  Medical  Jonmal.   Sept  1.    1900. 

Verfasser  beschreibt  ein  Inseet,  das  auf  der  Insel  Cypem  vorkommt, 
seinem  Ausrehen  nach  einer  mittleren  Ameise  gleicht  und  beschuldigt 
wird,  durch  seinen  Biss  eine  schwere  Erkrankung,  ja  den  Tod  herbeizu- 
führen. Diese  „Sphalangi -Krankheit*  kommt  nun  gewöhnlich  in  denselben 
heissen  Monaten  vor,  in  welchen  unter  den  Pferden  und  Schafen  eine 
Krankheit  herrscht,  die  als  „Phlangari*'  von  den  Eingeborenen  bezeichnet 
wird,  und  nichts  anderes  als  Anthrax  ist. 

Es  zeigten  nun  die  untersuchten  Fftlle,  dass  der  Stich  des  Insectes 
an  sich  ohne  Bedeutung  ist  und  nur  dann  gef&brliehe  Folgen  hatte, 
wenn  das  Insect  mit  Anthrax  inficirt  war,  wozu  die  zahlreichen  frei- 
liegenden Thiercadaver  reichlich  Gelegenheit  geben. 

R.  Böhm  (Prag), 

Joffe,  D.  B.  Anwendung  von  Ichthyol  bei  der  Behand- 
lung von  Milzbrand.  Eshenedelnik  1901,   Nr.  11. 

Als  Arzt  in  Tanrien  kommt  Joffe  nicht  selten  in  die  Lage, 
Milzbrand  behandeln  zu  müssen.  Als  relativ  zuverlässigste  Methode  hat 
sich  ihm  die  Behandlung  mit  Ichthyolcompressen  (Ammon.  sulfo- 
ichthyol  lOO,  Glycer.  80*0)  bewährt.  Die  CSompressen  werden  2mal  täglich 
gewechselt  und  nach  2 — 3  Tagen  ist  der  Kransifteitsprooess  als  beendet 
za  betrachten.  Unter  den  vom  Verfasser  im  leisten  Jahre  behandelte« 
14  Fällen  waren  einzelne  sehr  ernste,  alle  kamen  in  kürzester  Zeit  anr 
Heilung.  Nach  Vorführung  einiger  Krankengeschichten  kommt  Joffe 
zum  Schiasse:  1.  Bei  der  Behandlung  des  Milzbrandes  ist  das  Ichthyol 
ein  sehr  wichtiges  Mittel,  besonders  als  Unterstfitsungsmittel  nach  erfolgter 
Caoterisation ;  es  verkürzt  die  Krankheitsdauer  und  reducirt  sie  anf  ein 
Minimum.  2.  Die  durch  die  Einapritcnng  grosser  Mengen  von  Carbol«* 
sänre  drohende  Gefahr  ist  bei  der  Ickthyolbehandlnng  ganz  ausg^sohloason^ 
Die  Iigectionen  werden  mehrmals  täglich  gemacht  und  verursachen 
jedesmal  intensive  Schmerzen,  bei  der  Ichthyolbehandlang  sind  letitero 
(bis  aof  die  einmalige  Caoterisation)  ausgeschlossen. 

S.  Prissmann  (Libau). 


408  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Gourfeiüi  D.  Un  cas  de  diphtherie  oculaire  conseeutif 
k  la  vnlyite  diphtherique  chez  une  petite  fille  de  cinq  ans. 
Rey.  med.  de  la  Suisse  romande  1901,  Nr.  9. 

Goarfein  berichtet  über  den  seltenen  Fall  einer  Gonjanotiyal- 
diphtherie  in  Folge  einer  Vulvardiphtherie  bei  einem  öjfthrigen  Mädchen. 
Verf.  ist  der  bestimmten  Ansicht,  dass  die  Yalvardiphtherie  der  primäre 
Process  war.  Der  von  der  Vulva  gezüchtete  Diphtheriebacillas  erwies 
sich  weniger  vimlent  als  der  von  der  Gonjunctiva. 

Frdderic  (Strassborg). 

Leslie,  Jones  H.  Antistreptococcas  Serum  in  Erysipelas. 
British  Medical  Journal.  Sept.  16.  1900. 

Verfasser  behandelte  eine  68jährige  Frau  mit  Erysipel,  die  er  am 
28.  December  das  erste  Mal  sah.  Das  Erysipel  hatte  seinen  Sitz  aof 
der  Stirn  und  erstreckte  sich  gegen  die  Nase.  Trotz  verschiedener 
Mittel  verbreitete  sich  die  Affection  weiter.  Am  29.  hatte  sie 
die  behaarte  Kopfhaut  ergriffen.  Temperatur  88*6.  Am  80.  December 
Temperatur  39*6^.  Am  3.  Jänner  verfiel  Patientin  in  Delirien.  Temp.  40^ 
Am  4.  Jänner  war  Patientin  ganz  bewusstlos.  Temp.  fast  41  ^  Der  Puls 
uncontrolirbar.  Gesicht,  Augen,  Mund  und  Nase  ganz  verschwollen,  um 
8  Uhr  Abends  Inject  ion  von  20  Gem.  Antistreptococcenserum 
(v.  Burroughs  und  Welcome)  je  10  Gem.  unterhalb  jeder  Scapula. 
Ernährung  per  rectum.  Den  nächsten  Tag  war  das  Bewusstsein  zurück- 
gekehrt. Temperatur  89®.  Neuerliche  Injection  von  10  Gem.  Um  10  Uhr 
Vormittags  erkannte  Patientin  die  Stimme  des  behandelnden  Arztes. 
Temperatur  39^  Ii^jection  von  10  Gem.  Serum.  Um  6  Uhr  Abends  war 
Patientin  vollkommen  bei  Bewusstsein  und  versuchte  zu  sprechen. 
Nahrungsaufnahme  per  os.  Temperatur  38®.  Den  7.  Jänner  Morgen- 
temperatnr  87*6,  von  dieser  Zeit  an  rasche  und  ununterbrochene  Besse- 
rung. R.  Böhm  (Prag). 

Harrisou,  A.  W.  AntiStreptococcus  Serum  in  Erysipelas. 
British  Medical  Journal,  Juli  7.  1900. 

Verfasser  behandelte  eine  26jährige  Frau,  die  am  11.  April  mit 
Kopf-  und  Rückenschmerzen,  Schmerzen  in  der  Kehle  und  in  den  Gliedern 
erkrankte.  Als  Verfasser  sie  am  nächsten  Tage  sah,  war  die  Temperatur  40®, 
Puls  130,  die  Nase  geschwollen,  geröthet  und  verstopft.  Diagnose:  Ery- 
sipelas faciei.  Trotz  Anwendung  verschiedener  Mittel  wie  Ghinin  innerlich 
und  Ichthyollanolin  äusserlich  breitete  sich  das  Erysipel  weiter  aus. 
Patientin  verfiel  in  Delirien.  Den  19.  April  war  sie  so  bewusstlos,  dass 
sie  Stuhl  und  Harn  unter  sich  liess.  Den  22.  April  bei  einer  Temperatur 
von  40®  und  schwachen,  äusserst  frequenten  Puls  (120)  erhielt  sie  Digitalis 
und  Strychnin  mit  Ghinin,  sowie  einen  Eisbeutel  auf  den  Kopf.  Den 
24.  April  war  Patientin  fast  moribund,  der  Puls  kaum  fahlbar  und  zählbar. 
Um  10  Uhr  Vormittags  Injection  von  20  Gem.  Antistreptococcenserum 
(v.  Borroughs  und  Welcome)  unter  die  Haut  des  Abdomens.  Um 
2  Uhr  Nachmittags  kam  Patientin  für  einige  Zeit  zum  Bewusstsein,  um 
dann  wiederum  in  Delirien  zu  verfallen.  Um  6  Uhr  Nachmittags  sank  die 


der  Hautkrankheiten.  409 

Temperatur  anf  38®.  Der  Puls  wurde  kräftiger.  Patientin  bekam  neaerlich 
10  Ccm.  Serum.  Den  nächsten  Morgen  Temperatur  87'5^  Puls  98  und 
entschieden  kräftiger.  Patientin  war  yöUig  bei  Bewusstsein.  Am  Abend 
erhielt  sie  wiederum  10  Ccm.  Serum.  Den  nächsten  Tag  ist  sie  frei  von 
Delirien  und  vorlangt  nach  Nahrung.  Diesen  Tag  und  die  zwei  folgenden 
noch  je  eine  Injection  von  10  Gem.  Serum.  Vom  27.  April  an  ununter- 
brochene Beconvalescenz. 

Eine  bemerkenswerthe  Eigenthümlichkeit  in  diesem  Falle  war  der 
beinahe  gänzliche  Mangel  an  Schlaf,  obwohl  die  verschiedensten  Hypnotica 
gereicht  wurden.  Verfasser  glaubt,  dass  die  Application  des  Antistrepto- 
coccenserums  (80  Gem.  im  Ganzen)  der  Patientin  das  Leben  gerettet 
hat.  R.  Böhm  (Prag). 

Jordan,  lieber  die  Aetiologie  des  Erysipels  und  sein 
Yerhältniss  zu  den  pyogenen  Infectionen.  Mnnchener  medi- 
cinische  Wochenschrift  1901,   Nr.  86. 

Jordan  sucht  aus  der  Literatur  den  Nachweis  zu  erbringen, 
dass  das  Erysipel  keine  specifische  Erkrankung  ist.  Am  Kaninchenohr 
kann  specifisches  Erysipel  nicht  nur  durch  Streptococcen,  sondern  auch 
durch  Staphylococcen,  Pneumococcen  und  Bakterium  coli  erzeugt  werden. 
Das  menschliche  Erysipel  wird  in  der  Regel  vom  Streptococcus  pyogenes 
verursacht,  kann  aber  auch,  wie  ein  wandsfreie  Beobachtungen  ergeben, 
durch  Staphylococcns  aureus  hervorgerufen  werden.  Die  Frage,  ob  auch 
die  faoultativen  Eitererreger,  wie  Pneumococcen,  Bacterium  coli,  Typhus- 
bacillen  beim  Menschen  Erysipel  erzeugen  können,  ist  noch  als  eine 
offene  zu  bezeichnen.  Dem  Streptococcus  kommt  nicht  die  Eigenschaft 
au,  allein  seröse  Entzündungen  hervorzurufen.  Auch  andere  Mikroben 
thun  dies,  und  der  Strept  x  iccus  kann  auch  Eiterungen  hervorrufen. 
Die  Unterscheidung  von  Erysipelen  und  Pseudoerysipelen  ist  bei  dem 
jetzigen  Standpunkt  der  Lehre  nicht  mehr  haltbar,  da  weder  im  Fieber 
noch  in  der  Beschaffenheit  der  Hautröthe,  noch  im  bakteriologischen 
Befund  etwas  Trennendes  gegeben  ist.  Es  handelt  sich  bei  den  verschie- 
denen Formen  vielmehr  nur  um  Intensitätsstufen  derselben  Erkrankung, 
welche  durch  die  wechselnde  Virulenz  der  Goccen  und  die  verschiedene 
Widerstandsfähigkeit  der  Qewebe  bestimmt  werden. 

von  Notthafft  (München). 

Barannikow,  J.  Beitrag  zur  Bakteriologie  der  Lepra. 
Gentralblatt  f.  Bakteriologie   und  Parasitenkunde.   Bd.   XXlX,   pag.  781. 

Barannikow  fusst  in  seinem  8ten,  bakteroskopische  Analyse  der 
Lepromata  betitelten  Aufsatze  auf  den  an  seinen  Gnlturen  gewonnenen 
Wahrnehmungen.  Er  betont  vor  allem  den  Pleomorphismus  des 
Lepramikroorganismus,  den  viele  Autoren  noch  für  ein  Stäbchen 
halten.  Er  unterscheidet  coccenartige ,  streptococcenartige ,  kleine 
Influenzabaciilenartige ,  diplococcenartige ,  zwei-  oder  mehrgliedrige 
stäbchenförmige,  haarzopf-  und  ringförmige,  kugelförmige  und  knrze 
stäbchenförmige  palissadenformig  gelagerte  Formen,  dann  knospenartige 
Sprösslinge  u.  ■.  w.   Im   ganzen  führt  er  11  Grundtypen   an   mit  vielen 


410  Bericht  über  die  Leistiiiigen  auf  dem  Gebiete 

üebergaDfsformen.  Alle  sind  mit  homogenaD  Stoffsn  umgebea  and  loheiaeQ 
in  Vaeuolen  eq  liegen,  mwek  kommen  grmae  Globi  vor,  von  denen  kein 
Olied  saorefest  ist  AUe  Ffirmen  kommen  in  Gewebesaft  und  Zellen  yor, 
ebenso  in  den  Onltnren.  Genaueres  ist  im  Original  einsnsehea. 

Wolters  (Bonn). 

Hallofean  etlAlifte.  8ur  un  eas  de  lepre  aveo  oicatriees 
caracterisees  par  un  plissement  en  crepons  de  l'epiderme. 
Sog.  de  denn.  etc.  28.  Arril  1900. 

Die  4dj&hrige  Patientin  leidet  seit  Joni  1898  an  einer  macnlo- 
tnberösen  Form  von  Lepra.  Bin  grosser  maeolöser  Herd  befindet  sich 
über  dem  Scbnlterblatt  and  reicht  bis  in  die  Ellbogengegend. 
An  der  Planta  pedis  aas  der  Conflaenz  von  miliaren  Elementen  entstan- 
deoe  Plaques,  mit  Schnppenbildong  um  die  Aasfohrungsgänge  der 
Schweisedrüten. 

Nach  der  Behandlaog  mit  800  Gr.  Ghanlmoograöl  innerlieh  und 
jodirtem  27o  CoUodium  ftusserlioh  trat  an  dem  reliefartigen  BegrenEungs- 
ring  des  erstgenanaten  Herdes  bei  Abheilung  der  centralen  Partie  eine 
Fältelnng  der  Epidermis  in  centimeterlange,  1—2  Mm.  erhabene,  hori- 
zontale und  verticale  Falten  auf.  Dieselbe  Erscheinung  nur  in  geringerem 
Grade  konnte  Hallopeau  bei  einer  grösseren  Anzahl  von  Leprösen 
nachweisen,  so  dass  ihr  als  ein  für  Lepra  charakteristischer  Bafbad, 
diagnostischer  Werth  zukommt  Die  Epidermis  scheint  fbr  den  Hansea- 
echen  Bacillns  ein  schlechter  N&hrboden  zu  sein.  Die  unter  ihr  liegenden 
erkrankten  Hchichten  werden  nach  ihrer  Rückbildung  und  Volamever- 
kleiaerung  die  ehemals  gespannte  Epidermis  zur  F&ltelung  zwiogen. 
Dieselbe  kann  natürlich  auch  secnndär  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden, 
wie  es  die  plantare  Desquamation  in  diesem  Falle  beweist.  Bemerkens* 
werth  ist  noch  die  günstige  Wirkung  des  Gels  auch  auf  die  übrigen  am 
Körper  zerstreuten  Herde.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Lemierre.  Löpre  aveo  poussees  aigües  de 
nodule  suivant  le  trajet  de  lymphatiques.  Soe.  de  derm.  eto. 
23.  Avrtl  1900. 

Der  1  ^ihrige  Knabe  leidet  über  ein  Jahr  an  fast  über  die  iranae 
Körperoberfläche  ausgebreiteter  Lepra  tnberculosa.  Bemerkeasvertii  ist 
die  Häufigkeit  and  die  Intensität  der  Eruptionen,  die  Ghnmächtigkeit  der 
verschiedenen  Behandlungsarten,  welche  das  Auftreten  der  Attaquen 
weder  verhindern  noish  hinausschieben  konnten.  Zur  Anwendung  gelangten 
SwÖchentlicha  Injectionen  von  10  Gem.  Ghanlmoograöl,  Hoang^aan  und 
Queoksilberiigeetionen.  Die  Localisation  der  Knoten  folgt  den  Lymph- 
wegen. Wenn  man  nun  gewisse  Fälle  von  Rotz,  Syphilis,  Myoseis  (aiehe 
den  in  derselben  Sitzung  von  Hallopeau  vorgestellten  Fall)  mit  der 
Lepra  tub.  im  Zosammeahang  betraehtet,  so  kommt  man  zum  Sehluss, 
dass  die  schweren  chronischen  Infeetionskrankheiten  in  tuoeossiven 
Schüben  auftreten,  dase  ihre  Schwere  mit  der  Hantigkeii  und 
in  einem  Yevhältoiss  st^t,  desgleichen  mit  der  Höhe  der  sie 
fieberhaften  Reaction.   Die   locale  Aasbreituag  kann  längs   der  Lymph- 


der  Haatkrankheiten.  411 

gefäsae  erfolgen,  was  die  Lympbangitis  gummosa  nodularis  bei  Lepra, 
Mycosis,  TabercuU  se  beweist  Dem  Cbanlmoograöl,  in  diesem  Falle  obne 
Wirknng,  kommt  f&r  das  Auftreten  der  Nacbscbübe  keine  präventive 
Bedeutung  zu.  Es  begünstigt  bloss  die  Rückbildung  der  Infiltrate. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Gerbsmann.  J.  Zur  Frage  über  die  Art  der  Ueber- 
tragung  der  Lepra.  Eshenedelnik  1901,  Nr.  7. 

Qerbsmann  stellt  inerst  die  Thatsaebe  fest,  dass  städtiaohe 
Lepröse  ihren  Familienmitgliedern  auch  unter  den  schlechtesten  hygie- 
nischen Verhältnissen  lange  nicht  so  gefahrlich  sind,  wie  ihre  Leidens- 
gefährten auf  dem  flachen  Lande.  Verfasser  ist  derselben  Ansicht  wie 
Pettenkofer  und  sieht  den  Grund  der  unverhältnissmässig  grösseren 
Verbreitung  der  Lepra  unter  der  bäuerlichen  Bevölkeioing  hauptsächlich 
darin,  dass  sie  in  Erdhütten  leben,  und  der  Fussboden  derselben  den 
Nährboden  darstellt,  welche  die  Bakterien  au  virulenten  macht.  Neue 
Inoculationsversuche  mit  Berücksichtigung  des  Fugsbodens  als  Nährbodens 
für  die  Leprabaoillen  dürften  wünsch ens wer the  Aufklärung  in  dieser 
dunkeln  Frage  bringen;  auch  eine  genaue  Statistik  kann  viel  lur  Lösung 
.dieser  stritigeu  Frage  beitragen.  S.  Prissmann  (Libau). 

Barth^lemjr.  Acnitis  et  folliclis.  Soc.  de  derm.  etc. 
6  Jouillet  1900. 

Von  den  drei  aus  der  Klinik  Fournier^s  stammenden  Fällen  ist 
der  erste  eine  Acnitis :  Man  fühlt  sehr  deutlich  subcutane  Knoten,  welche 
der  Entwicklung  der  Primärefflorescenc  vorangehen.  Diese  hat  noch  am 
meisten  Aehnlichkeit  mit  der  Acnepustel,  weist  aber  klinische  Differenzen 
auf,  so  dass  mau  sie  früher  als  acae  nodulaire  beseichnete.  Es  bleiben 
nur  minime  Narben  zurück.  Der  Verlauf  ist  mehr  acut  als  chronisch  und 
zahlt  nur  nach  Monaten.  Die  Aehnlichkeit  im  Aussehen  mit  der  Acne 
vulgaris,  nicht  aber  die  bisher  unbekannte  Aetiologie  des  Leidens  hat  6. 
zur  Greirung  des  Ausdruckes  „Acnitis"  veranlasst.  Im  Gegensatz  zu 
früher  beschriebenen  Fällen  ist  die  Affection  bloss  auf  das  Gesicht 
beschränkt.  Hallopeau  hat  einen  ähnlichen  Fall  unter  dem  Namen 
„Acnitis  circonscrit"  beschrieben.  Der  zweite  Fall  betrifft  ein  ISjähriges 
Mädchen,  das  an  Folliclis  leidet.  Die  Namensbildung  aus  Folliculitis  ist 
denselben  oberwähnten  Motiven,  wie  die  bei  Acnitis  aus  Acne,  entsprungen. 
Die  Affection,  von  langer  Dauer,  befällt  die  äussere  und  hintere  Fläche 
der  Extremitäten,  die  Dorsalfläche  der  Han<lgelenke  und  der  Finger  und 
insbesonders  die  Hinterbacken;  sie  setzt  gleich  im  Beginne  mit  der 
Bildung  kleiner  Pusteln  ein,  welche  sich  allmälig  verbreiten,  mit  einer 
Borke  bedecken,  und  im  Centrum  eingesunken  erscheinen.  Diese  sind 
von  deutlich  marqnirten,  gedellten  Narben  gefolgt,  mit  deprimirten 
Rändern  und  scheinen  wie  mit  einem  Locheisen  geschlagen.  Die  Behand- 
lung der  Acnitis  besteht  in  äusserer  Antisepsis  und  Stiohelung  mit  einer 
feinen  galvanooaustischen  Nadel.  Sie  ist  nicht  zu  den  Tuberculiden  zu 
rechnen,  während  die  Folliclis  den  Toxinen  der  Tuberkel bacillen  ihre  Ent- 
stehung zu   verdanken  scheint.  Immerhin  ist  hervorzuheben,   dass  die 


412  Bericht  ober  die  Leistungea  aof  dem  Gebiete 

Patientin  mit  Folliclis  durchaus  ihrem  Aassehen  nach  keinen  Anhalts- 
pnnkt  für  die  Diagnose  einer  Taberculose  bietet  and  die  vorhandenen 
Lymphdrüsenschwellungen  secnndärer  Natur  sein  können.  Die  histologische 
Untersuchung  soll  näheren  Anfschlnss  geben.  Beim  dritten  Falle  handelt 
es  sich  um  einen  28jährigen  Phthisiker  mit  subclav.  Caverne.  Der  primäre 
Hantherd  ist  eine  Tuberculosis  cutis  verrucosa  der  g^rossen  Zehe,  von 
dem  aus  die  übrigen  über  den  Unterschenkel  serstreuten  pustel-  und 
folliculitisartigen  tuberculösen  EfHorescenzen  ihren  Ausgang  nehmen.  Die 
Affection  ist  ein  veritables  Tuberculid.  Der  Versuch  Brocq's,  die  Acnitis 
der  Acnd  oolloide  anzugliedern,  entbehrt  nach  den  Untersuchungen 
Oastou's  jeder  thatsächlichen  Grundlage.  Die  Zusammenstellung  dieser 
drei  Fälle  ist  von  grossem  dermatologischen  Interesse. 

Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Gastou.  £tude  histologique  biopsique  de  trois  Msions 
cutan^es  denoraees  acnitis,  foUiclis,  tuberoulides.  Soc.  de 
derm.  etc.    5.  Jouillet  1900. 

Es  werden  Resultate  der  histologischen  Untersuchung  der  drei 
von  Barth^lemy  vorgestellten  Fälle  mitgetheilt:  Kann  man  an  den 
Schnitten  Tuberkelbacillen  nicht  nachweisen  und  eine  Impfung  an  Meer- 
schweinchen nicht  vornehmen,  so  bleiben  als  histologische  Kriterien  bloss 
1.  Gefässverändeningen ;  2.  perivasculäre  und  diffuse  Infiltrationen  mit 
Lymphociten  und  Mastzellen;  S.  Riesenzellen  und  epitheloide  Zellen; 
erstere  meist  in  charakteristischen  Gruppen  von  2  oder  3  Zellen  ange- 
ordnet, übrig.  Während  nun  der  erste  Fall  (Acnitis)  und  der  dritte 
(Tuberkulid)  die  drei  Postulate  zeigen,  fehlt  bei  der  Folliclis  gerade  das 
wichtigste,  die  Riesenzellen,  und  auch  die  bei  ihm  zu  Tage  tretende 
Oefassalteration  ist  niemals  von  Obstruction  des  Gef&sslumens  gefolgt, 
wie  es  bei  tuberculösen  Affectionen  die  Regel  ist ;  die  Infiltration 
ist  im  Gegensatz  zu  Lupus,  Lupus  erythem.  nicht  diffus,  sondern 
in  Herden  angeordnet,  ein  Bild  das  Pyodermien,  Folliculitiden , 
mikrobische  oder  toxische  Affectionen  aus  localer  oder  allgemeiner 
Ursache  bieten.  Dt?r  Autor  schlägt  zur  schärferen  Abtrennung  dieser  Ver- 
änderungen von  tuberc.  und  syphilitischen  Processen  den  Namen 
„Scrophulide**  (scrofulides)  vor.  Richard  Fi  sc  hei  (Bad  Hall). 

Balzer,  F.  et  Alquier.  Tuberculide  multiforme  tres 
etendue.  Soc.  de  derm.  etc.  8.  November  1900. 

Bei  dem  26jährigen  Patienten,  der  hereditär  nicht  belastet  ist  und 
auch  keine  Zeichen  von  Tuberculose  aufweist,  begann  die  Affection  im 
Juli  1898  an  den  Unterschenkeln.  Gegenwärtig  sind  hauptsächlich  die 
unteren  Extremitäten,  in  geiingerem  Masse  die  oberen,  das  Gesicht  und 
die  Genitalien  ergriffen.  Die  EfBorescenzen  sind  theils  lichenoide  Papeln, 
von  denen  ein  grosser  Tbeil  ein  teleangiektatisches  Aussehen  bietet  und 
moUuscoide,  fibromatöse  Elflorescenzen.  Die  letzteren  sind  von  ersteren 
unabhängige  Bildungen,  die  sich  erst  secundär  in  Tuberculide  umwan- 
delten. Histologisch  bieten  sie  das  gleiche  Bild.  Unter  normaler  Epidermis 
ein  Granulationsgewebe.    Haufen   embryonaler   Zellen   nnregelmäsaig  am 


der  üantkrankheiten.  413 

die  Blutgefässe  angeordnet.  Keine  Riesenzellen.  Das  teleangiektatische 
Aussehen  erklärt  sich  aus  Hämorrhagien,  die  sich  unregelmässig  in  den 
Bindegewebsmaschen  vertheilen.  Aosserdem  finden  sich  an  den  Knien , 
Armen  and  Scrotnm  Papeln  vom  „type  näcrotique  et  acn^iforme*'.  Breite 
Narben  rühren  theils  von  Secundärinfectionen,  theils  von  ulcerösen  zur 
Nekrose  fuhrenden  Infiltrationsprocessen.  Da  es  sich  um  Lepra  und 
Syphilis  nicht  handeln  kann,  so  wird  die  Diag^nose  „TubercuUde**  gestellt, 
die  sich  in  etwas  abnormaler  Form  präsentiron.  Es  durfte  sich  wahr- 
scheinlich ein  Herd  in  den  Thoraxorganen  linden,  wenn  er  auch  klinisch 
nicht  nachweisbar  ist.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Balzer,  F.  et  Alquier,  L.  Eruption  de  tuberculides  lichö* 
noidesetacnöiformesgeneralisee.  Soc.  dederm.  etc. 28.  Avril  1900. 

Die  22jährige  Patientin,  deren  Mutter  an  Phthise  starb,  litt  von 
früher  Jagend  ab  an  Scrophulose.  Gegenwärtig  Erscheinungen  von  Tuber- 
cnloae  der  Lymphdrusen,  Knochen  und  Lungen.  Dazu  kommt  noch  eine 
im  14.  Jahre  acquirirte  Lues,  Blennorrhoea  uteri  uod  als  weitere  Schäd- 
lichkeit Alkoholismus  und  Ezcesse  in  venere.  Vor  P/f  Monaten  trat  ein 
Exanthem  auf,  das  bloss  Gesicht,  Hals,  Hände  und  Füsse  respectirte 
dessen  EfBorescenzen,  sehr  verschieden  in  der  Form,  sich  folgende  zwei 
Typen  tubsummiren  lassen:  1.  den  lichenenoiden  Typus;  2.  den  unter 
dem  Namen  „Tuberculide  acneiforme  et  necrotique  von  Hallopeau 
beschriebenen  Typus.  Er  wird  von  Papeln  gebildet,  die  an  ihrer  Spitze 
kleine  Bläschen  oder  Borken  tragen,  und  mit  einer  deprimirten  Narbe 
heilen.  Sie  entwickeln  sich  im  Corion  im  Gegensatz  zu  den  in  den  tieferen 
Schichten  der  Cutis  sich  entwickelnden  Knötchen,  die  Barthelemy  als 
Folliclis  bezeichnet.  Erstere  Affection  nimmt  den  bekannten  chron. 
Verlauf  der  Tuberculide.  Die  histologische  Untersuchung  wird  in  Aussicht 
gestellt. 

Barthelemy  hat  im  Jahre  1881  einen  ähnlichen  Fall  beobachtet, 
der  sich  umschrieben  an  der  inneren  Fläche  der  beiden  Oberschenkel 
localisirte.  Die  histologische  Untersuchung  ergab  Veränderungen  ganz 
abnormer  Natur,  so  dass  er  den  Fall  für  eine  anormale  Lichenform  hielt. 
Die  Efflorescenxen  waren  wie  in  diesem  Falle  glänzend,  lackartig;  es 
handelt  sich  um  einen  acuten  disseminirten  Liehen  scroph.  Acne  nodu* 
laire,  Lues,  Folliculitis  und  Acnitis  schliesst  Barthelemy  aus.  Letztere 
hält  er  nicht  für  tuberc.  Ursprungs,  dagegen  erkennt  er  tubercalöse 
Folliculitiden  an,  die  aber  mächtigere  Infiltrate  bilden,  in  geringerer  Zahl 
und  in  der  Nachbarschaft  der  tuberc.  Herde  auftreten. 

Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Jesionek.  Ein  Fall  von  Acne  telangiectodes  (Kaposi). 
(Aus  der  königlichen  dermatologischen  Klinik  des  Herrn  Professor 
Pos  seit  zu  München.)  Deutsches  Archiv  für  klinische  Medicin.  1901. 
Band  LXIX. 

Die  Patientin,  über  die  Jesionek  berichtet,  zeigte  auf  Kopfhaut, 
Gesicht,  Hals,  Rücken,  Armen  und  auch  auf  der  Schleimhaut  des  Racheu» 
regellos    und    asymmetrisch    vertheilte   Efflorescenzen    in    verschiedenea 


414  Bericht  über  die  Leistuugen  auf  dem  Gebiete 

EntwicklangBstadien  tbeils  erbsengroMe,  scharf  amschriebene,  rotbbniiina, 
teigig  pralle,  glatte  Knoten,  tbeils  brannrothe,  meist  rande,  flache, 
weichere,  oft  mit  Sehappen  bedeckte  Papeln,  theiis  steoknadelkopfgrosse, 
rosarothe  Knötchen.  Gomedonen  waren  nirgends  yurhanden,  ebenso  wenig 
Acne  valgaris.  Die  inneren  Organe  waren  ohne  pathologische  Verande- 
rangen,  insbesondere  war  nichts  von  Tnbercnlose  nachweisbar.  Die  histo- 
logische Untersuchung  ergab  ein  bis  unter  die  Epidermis  sich  erstreckendes 
Granulationsgewebe  mit  massig  vielen,  regellos  vertheilten  Riesensellen. 
Die  Gef&sse  waren  sahireich  vorhanden  und  stark  dilatirt  Infiltrate 
umgaben  die  spärlich  vorhandenen  Talgdrüsen  und  die  reichlich  vor- 
handenen Schweissdrüsen,  ebenso  die  Haarbälge.  Sehr  häufig  fanden  sich 
Horncysten,  die  überall  mit  den  Haarfollikeln  in  Verbindung  stehen. 
Tuberkelbacillen  wurden  nicht  gefunden,  die  Thierimpfung  fiel  negativ 
ans.  Die  Therapie  bestand  in  der  Ausschabung  mit  dem  scharfen  Löffel. 
An  Efflorescenzen,  die  absichtlich  unbehandelt  blieben,  zeigte  sich  eine 
spontane  Involution.  Oscar  Dultz  (Breslau ). 

Brandt,  Friedrich  M.  Ueber  Schleimhautlupus  mit  beson- 
derer Berücksichtigung  der  Mundsehleimhaut.  Inang.-Diss. 
Jena  1899. 

Eine  Zusammenstellung  aller  bekannten  Fälle  von  Schleimhaut- 
lupus aus  der  neueren  Literatur,  auf  Ghrund  deren  Brandt  zu  dem 
Schlüsse  kommt,  dass  die  lupösen  Srhleimhuuterkrankungen  schon  durch 
ihre  verbal tnissmässige  Häufigkeit  an  sich  im  Studium  der  tuberculösen 
Hautaffectionen  einen  nicht  gering  zu  veranschlagenden  Faktor  ausmachen, 
sowie  andererseits,  dass  bei  genauer  Durchsicht  doch  viel  öfter  die 
Schleimhaut  den  primären  Sitz  der  Erkrankung  abgibt,  als  man  solches 
früher  glaubte  und  auch  jetzt  noch,  theilweise  wenigstens,  thut. 

£d.  Oppenheimer  (Strassburg  i.  E.). 

Little,  Graham  E.  Yaccinal  Lupus.  (British  Journal  of  Derma- 
tology  1901.) 

Der  Fall  betrifft  ein  derzeit  9j  ähriges  Mädchen,  das  6  Monate  nach 
der  Geburt  mit  Kalblymphe  geimpft  wurde.  Die  Lymphe  wurde  von 
einer  privaten  Firma  von  vorzüglichem  Rufe  bezogen.  Vier  andere  Kinder 
wurden  mit  derselben  Lymphe  jedoch  erfolglos  geimpft,  weshalb  eine 
Revaooination   vorgenommen    werden  musste.   Bei  keinem  derselben  war 

Abnormes   im  Heilungsverlaufe  zu  constatiren  gewesen.    Bis  dahin 

auch  keinerlei  Klagen  über  die  Lymphe  eingelaufen.  Das  obenerwähnte 
Kind  stammt  von  einer  epileptischen,  jedoch  nicht  phthisisehen  Mutter; 
der  Vater  hatte  in  frühester  Jugend  Blattern  durchgemacht,  ist  sonst 
gesund.  Ein  Kind,  jünger  als  die  Patientin,  war  an  Lungenphthise 
gestorben,  ein  zweites  wurde  im  August  1900  wegen  Schwellung  des 
Antrum  mastoideum  trepanirt,  ohne  dass  Eiterung  constatirt  werden 
konnte,  auch  dieses  Kind  starb,  die  übrigen  vier  Geschwister  sind  gesund. 
Von  den  Impf  herden  zeigten  die  oberen  Heilungstendenz  und  wiesen,  als 
Verfasser  das  Kind  in  Beobachtung  bekam,  gute  Karben  auf,  an  den 
unteren    fand    sich    ein   Herd,    der   klinisch    den  Charakter   des    Lupus 


der  Hautkrankheiten.  415 

▼nlgari»  zeigte.  Leichte  Ansohwellnog  der  Drdien  in  der  Azilla  links. 
Der  Herd  wnrde  exoidirt  nnd  iwar,  da  seit  der  Zeit  der  Operation 
bereite  ein  Jahr  ohne  Reddivebitdung  in  der  Narbe  nnd  der  ümgebuDg 
▼erflonen  ist,  aneeheiaend  mit  gatem  Erfolge. 

In  dem  aaegeiohnittenen  Haatetflokchen  konnten  keine  Taberkel- 
badlien  nachgewiesen  werden,  jedoch  ergab  die  Einimpfnng  anf  Meer- 
sehweinohen  bei  dem  einen  derselben  anf  Tubercnlose  positiven  Erfolg. 
Das  aweite  starb  vit^r  Tage  nach  der  Inocnlation,  ohne  Zeichen  von 
Tnberonlose  anfanweisen.  Der  Autor  rerrnnthet,  dass  bei  diesen  Mftdohen 
eine  Lnpnsiniection  durch  die  Lymphe  stattgefunden  habe.  Am  Schlüsse 
seiner  Arbeit  wendet  er  sich  ausführlich  der  bezAglichen  Literatur  zu. 
Der  Fall  ist  durch   eine  beigef&gte  anschauliche  Photographie  iliustrirt. 

Bobert  Herz  (Prag). 

Gastoa  et  IMdsbnry.  Essai  de  traitement  dn  lupns  nasale 
pitnitaire  par  les  courants  eleotriques  de  haute  fröquence 
et  de  haute  intensite  en  applications  locales.  Soe.  de  derm.  etc. 
7.  Juiu  1900. 

Die  g&Dstigen  Erfolge  der  Hautlnpustherapie  durch  die  locale 
Application  von  Hochfrequenzströmen  veranlasste  Gas  ton  zur  intra** 
nasalen  Anwendung  derselben  bei  Schleimhautlupns  der  Nase  zu  schreiten. 
Beaüglich  der  Beschreibung  der  Vorrichtung  sei  auf  das  Original  ver- 
wiesen. Die  Krankengeschichte  eines  Falles  wird  des  Nftheren  mitgetheilt 
(Lupus  der  äusseren  Nase,  Perforation  des  knorpeligen  Septums, 
Schwellung  der  unteren  Muscheln).  Schon  nach  der  ersten  Sitzung  zeigte 
sieh  Besserung  der  Nasenathmung,  nach  der  16.  Sitzung  auch  objectiv 
Abschwellang  der  Musehein.  Pat.  gibt  an,  seit  dem  Beginne  der  Erkran- 
kung nicht  so  frei  durch  die  Nase  geathmet  zu  haben.  2  weitere  Fälle 
von  Lupus  und  Ozoena  wurden  in  derselben  Weise  behandelt.  Die  Ein- 
führung des  wBxcitateurs*',  der  stromspendenden  Rohre,  ist  schmerzlos 
und  auch  die  Hoohfrequenzströme  selbst  bringen  keinerlei  unangenehme 
Nebenwirkung  hervor.  In  Erkenntniss  der  langen  Periode  scheinbarer 
Heilung  bei  anderem  Verfahren  muss  die  Frage  des  Recidivs  der  Zukunft 
überlassen  werden. 

Brocq  erklärt  die  günstigen  Wiricungen  der  Ströme  durch  ihren 
deoongestionirenden  Einfluss  auf  die  „IMons  perilupiques",  d.  h.  die 
aceessorischen  Entznndungserseheinuogen.  Das  eigentliche  lupöse  Gewebe 
trotat  den  neuen  Behandlungsmethoden,  man  muss  immer  wieder  anf  die 
alte  ^Scarification,  Cauterisation  und  Exstirpation"  zurückgreifen.  Du 
Castel  ist  derselben  Ansicht.  Gastou  betont,  dass  die  Ströme  nicht 
immer  dieselbe  Wirkung  auf  den  Lupus  und  die  anderen  Formen  der 
Anttuberonlose  haben.  Bei  einigen  Lupusfällen  zwang  ihn  ihr  coogestiver 
Effect  snm  Aussetaen  der  Behandlung,  während  in  einem  Falle  von.  tuberc. 
Gumma  wesentliche  Besserung  erzielt  wurde.  Brocq  bleibt  bei  seiner 
erat  geäusserten  Behauptung,  die  dem  wahren,  langsam  sich  ansbreitenden, 
nicht  ulcerirten  Lupus  intractabilis  gegolten  hat. 

Richard  Fische!  (Bad  Hall). 


416  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Strobinder,  J.  (Moskau).  Einige  Bemerkungen  sn  Niels- 
Finsen's  Behandlung  des  Lupus.  Allgemeine  Wiener  medie. 
Zeitung  1901,  Nr.  6. 

Bericht  über  4  Fälle  von  Lupus,  welche  mittelst  Lichttherapie 
behandelt  wurden.  Der  Autor  benützte  hiezn  einen  gewöhnlichen  Metall- 
reflector  von  30  Gm.  Länge  und  4  Gm.  Breite  am  offenen  unteren  Ende. 
Im  oberen  Ende  dieses  Reflectors  ist  eine  Glühlampe  von  12  Amperes 
befestigt,  zu  deren  Speisung  die  elektrische  Lichtleitung  benützt  wird. 
Die  Kranken  werden  möglichst  nahe  an  den  Reflector  gesetzt,  so  dass 
die  ganze  lupöse  Partie  bestrahlt  wird,  die  Augen  werden  zum  Schutze 
gegen  die  Lichtstrahlen  verbunden.  Die  Sitzung  dauert  20 — 40  Minuten, 
sie  ist  von  Blasenbildung  gefolgt.  Die  Lupnsknötchen  lösen  sich  allm&lig 
von  einander  und  verschwinden  endlich  ganz,  wobei  eine  fortwährende 
Abschilferung  der  Haut  stattfindet.  Von  den  behandelten  4  Fällen  ist 
einer  geheilt,  die  übrigen  sind  gebessert.         Victor  Bandler  (Prag). 

Maynard,  Edward  (Brighton).  TheUse  of  Tubereulinin  the 
Treatment  of  Lupus  vulgaris.  British  MedicalJoumal.  Dec.  22.  1900. 

Verfasser  bespricht  einen  Fall  von  Lupus  der  Nase,  der  schon  drei 
Jahre  ohne  dauernden  Erfolg  behandelt  wurde.  Eine  40jährige  Patientin 
wurde  am  1.  Mai  wegen  Lupus  nasi  ins  Spital  aufgenommen.  Die  Affection 
bestand  seit  circa  3  Jahren.  Acht  bis  neunmal  war  die  ergriffene  Partie 
ausgekratzt  und  mit  verschiedenen  Aetzmitteln,  wie  rauchender  Salpeter- 
säure etc.,  verschorft  worden,  ohne  eine  längere  Heilungsdauer,  als  von 
einigen  Wochen  zu  erzielen.  Zuletzt  war  das  Septum  nasi  erkrankt  und 
behandelt  worden;  die  Knötchen  erschienen  aber  wiederum  und  die 
Affection  schritt  deutlich  weiter.  Patientin  hatte  angeblich,  namentlich 
bei  kaltem  Wetter  ein  eigenthümliches,  schmerzendes  Gefühl  in  der 
Nase.  Vor  circa  7  Jahren  Tuberculose  des  linken  Ellbogengelenkes,  die 
mit  gutem  Erfolg  operativ  behandelt  worden  war.  Hereditär  keine  Belastung. 
Die  Patientin  schwach,  aber  gesund  aussehend,  Lungen  gesund.  Beide 
Seiten  der  Nase  afiicirt,  ebenso  die  linke  Seite  des  Septums.  Patientin 
bekam  Leberthran  und  Tuberculinii\jectionen.  Während  der  Behandlung 
Gewichtszunahme.  Am  6.  Mai  Injeotion  von  0*001  Gem.  Tubercolin  in 
den  Vorderarm.  Den  7.  Mai  schmerzhafte  Anschwellung  des  Armes, 
Röthung.  Temperatur  87'6.  Steigen  derselben  auf  39^.  Am  8.  Mai  schwoll 
die  Nase  an  und  wurde  schmerzhaft.  Patientin  klagt  über  Kopfschmerz, 
Brechreiz  und  sehr  grosse  Mattigkeit  Keinerlei  Reaction  von  Seite  des 
Ellbogengelenkes  oder  der  Lungen.  Jeden  4.  Tag  wurden  nun  steigende 
Dosen  ii^'icirt,  die  immer  von  Fieber,  Schwellung  nnd  allgemeiner 
Mattigkeit  gefolgt  waren.  Nach  Injection  von  0*005  trat  keine  Reaction 
auf,  erst  als  0*007  erreicht  war.  Temperatur  88*5,  seröse  Exsudation  aus 
der  Nase.  Schwellung.  Am  folgenden  Tage  Verschwinden  dieser  Symptome. 
Dann  folgte  wieder  eine  reactionslose  Periode  bis  zur  Gabe  von  0*03  Gem. 
Erbrechen.  Temperatur  38^  Darauf  geringe  Reactionen  bis  zor  Dosis 
von  0*09  Gem.,  von  dieser  Zeit  bis  zur  Dosis  von  0*1  Gem.  keine  Reaction 
mehr,  obwohl  immer  frisches  Tnbercnlin  verwendet  wurde.  Die  Affection 


der  Hautkrankheiten.  417 

war  Tollkommen  geheilt.  Bis  Ende  October  1900  kein  Recidiv.  Patientin 
fühlte  sich  wohl,  die  Nase,  abgesehen  von  den  früheren  operativen  Ein- 
griffen, auffallend  wenig  defonnirt  Verfaseer  betrachtet  das  Tnberculin  als 

ein  äusserst  nützliches  Mittel  gegen  Lupus. 

R.  Böhm  (Prag). 

Gasteazoro,  Mariano.  üeber  den  Lupus  und  dessen 
Behandlung.   luaug.-Diss.  Berlin  1899. 

Gasteazoro  äussert  sich  besonders  über  die  neuen  Methoden  der 
Lupus-Behandlung:  der  Lichttherapie  nach  Finsen,  der  Rönlgen- 
Bestrahlung  und  der  Heissluftcauterisation  nach  Holländer.  Zur  Illu- 
stration der  letzteren  Methode  theilt  er  6  Fälle  aus  der  Lassar'schen 
Klinik  mit.  Die  Resultate  waren  wohl  befriedigende  zu  nennen,  doch 
lässt  sich  ein  definitives  Urtheil  aaf  Grund  so  weniger  Fälle  und  so 
kurzer  Beobachtungsdauer  nicht  fallen. 

Ed.  Oppenheimer  (Strassburg). 

Sohl  (Wien).  Zur  Kenntniss  der  miliaren  Hauttuber- 
culose  (Tuberculosis  miliaris  s.  propria  cutis  Kaposi). 
Wiener  med.  Presse  1900,  Nr«  3. 

Die  Prädilectionsstellen  der  Erkrankung  sind  die  Orificien,  Lippen, 
Nasenflügel  a.  s.  w.;  daselbst  entstehen  feinzackige,  seichte,  schmerzhafte 
Snbstanzverluste,  an  deren  Rändern  miliare  Tuberkel  aufschiessen,  deren 
spätere  Einschmelzang  zur  Ausbreitung  der  Ulceration  führt.  Eine  beson- 
dere Eigenschaft  dieser  miliaren  Tuberculose  ist  die  Neigung  zur  papil- 
lären Wucherung  an  den  Rändern.  Der  Bacillenbefund  ist  oft  reichlich, 
oft  vollständig  negativ;  zur  Differentialdiagnose  kommt  das  Garcinom 
und  der  Lupus,  die  Prognose  ist  nicht  sehr  ungünstig.  Nobl  beobachtete 
bei  einem  27jährigen  hereditär  belasteten  Patienten  an  der  Unterlippe 
ein  Bläschen,  das  sich  im  Verlaufe  von  Monaten  in  ein  bohnengrosses, 
infiltrirtes  (Geschwür  umwandelte,  dessen  Ränder  mit  miliaren  Tuberkeln 
besetzt  waren,  durch  deren  Zerfall  das  Geschwür  immer  an  Grösse 
zunahm;  die  regionären  Drüsen  waren  nicht  erkrankt;  im  Geschwürs- 
secrete,  als  auch  in  Gewebsschnitten  konnten  Tuberkelbacillen  nicht 
nachgewiesen  werden.  Nach  tiefer  Verschorfnng  des  Geschwüres  mit  dem 
Glüheisen  heilte  dasselbe  vollständig.  Verfasser  betrachtet  diesen  Fall 
als  eine  primäre  idiopathische  Hauttuberculose  und  tritt  für  die  gründ- 
liche umfassende  Exoisioa  des  Infectionsherdes  ein,  wo  es  die  Localisation 
und  Ausbreitung  desselben  gestattet.  Victor  Band  1er  (Prag). 

Du  Castel.  Tuberculose  cutanee  ulcdreuse  et  vegetante, 
cons^cutive  ä  un  traumatisme.  Soc.  de  derm.  etc.  8.  Novemb.  1900. 

Im  Anscbluss  an  eine  Kopfverletzung  kam  es  bei  dem  45jährigea 
Patienten  zu  einer  tuberculösen  Infection  der  sympathischen  Halslymph- 
knoten und  tuberculöser  Infection  der  benachbarten  Haut  am  Halse  und 
Bildung  eines  ulcerösen  Herdes  iu  der  Haut  der  rechten  Wange.  Daa 
histologische  Bild  bestätigt  die  klinische  Diagnose.  Bacillen  konntea 
wie  ja  80  häufig  in  den  Schnitten  nicht  nachgewiesen  werden. 

Richard  Fisch el  (Bad  Hall). 

▲reh.  f.  Dermat.  a.  Syph.  Bd.  LXIII.  27 


418  Bericht  über  die  Leistungen  anf  dem  Oebiete 

Du  Ca§tel.  Tubercalose  cntanöe  consöcutive  k  la 
roageole.  Soe.  de  derm.  etc.  3.  Mai  1900. 

In  Ergänzung  an  eine  Yorj&hrige,  in  den  „Annales  de  derm.  eto." 
gemachte  Mittheilang  Bericht  über  zwei  weitere  Fälle,  bei  denen  sich 
Uauttuberculose  an  Morbillen  anschloss.  Du  Gastel  kommt  zu  folgenden 
Schlussfolgernngen :  Es  ist  nicht  so  selten  disseminirte  Hauttubercnlote 
sich  nach  Masern  entwickeln  zu  sehen.  Gesicht,  die  Extremitäten  (insbes. 
die  oberen)  werden  befallen.  Die  Affection  tritt  in  Form  kleiner  dissemi- 
nirter  Knötchen  auf,  die  das  Aussehen  yon  „Lupus  plan"  zeigen.  Einzelne 
Herde  können  1 — 2  Francstückgrösse  erreichen.  Die  Veränderungen  werden 
fast  unmittelbar  nach  der  Masemeruption.  beobachtet  und  erreichen  sehr 
bald  den  Höhepunkt  ihrer  Entwicklung.  Sie  können  dann  Jahre  ohne  merk- 
liche Veränderung  bestehen  und  spontao  mit  oder  ohne  Narbenbildung  aus- 
heilen. Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Tschlenow,  M.  A.  Ein  Fall  yon  primärer  Hauttnber- 
cnlose  des  Penis.  Med.  Obosr.  April  1901. 

Primäre  Hanttuberculose  des  Penis  bei  Erwachsenen  ist  von 
Tschlenow  in  der  ihm  zugänglichen  Literatur  nur  einmal  (Salisch- 
tschew)  gefunden  worden  und  zwar  wahrscheinlich  per  coitum  acquirirt. 
Der  Fall  des  Verfassers  betrifiPt  einen  4djährigen,  verheirateten  Mann, 
der  weder  an  sich  selbst  noch  an  seiner  nächsten  Verwandtschaft  Tnber- 
cnlose  oder  Syphilis  constatirt  haben  will.  Objective  Anhaltspunkte  fnr 
die  eine  oder  andere  der  genannten  Krankheiten  waren  nicht  zu  finden. 
Das  Oeschwur  besteht  seit  4  Monaten  und  hat  an  umfang  trotz  Behand- 
lung bedeutend  zugenommen.  Auf  dem  Peniskopf  ist  das  Ulcus  etwa 
zehnpfennigstückgross,  das  im  Sulcus  retrojj^landul.  und  theilweise  auch 
am  Präputium  sitzende  Geschwür  hat  ungefähr  die  Grösse  eines  Fönf- 
pfennigstäckes.  Der  Substanz  vertust  ist  ein  recht  bedeutender,  die  infiU 
trirten  Ränder  sind  erhaben,  unregelmässig,  zum  Theil  gezackt,  wie  aus- 
gefressen,  die  nächste  Umgebung  von  dnnkelrother  Farbe.  Auch  der 
gelblich  rothe  Geschwürsgrund  ist  recht  infiltrirt  und  mit  wenig  serös- 
eitriger Absonderung  bedeckt.  Miliartuberkel  sind  nirgends  zu  sehen.  Das 
Ulcus  ist  weder  auf  Druck,  noch  auch  sonst  schmerzhaft.  Keinerlei 
Drüsenschwellungen.  Ein  gummöses  Geschwür,  ebenso  auch  ein  Epitheliom 
wurden  zunächst  theils  therapeutisch,  theils  diagnostisch  ausgeschlossen. 
Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab  das  zweifellose  Bild  einer  Hant- 
tuberculose, selbst  Tuberkelbacillen  sind,  wenn  auch  in  geringer  Menge, 
gefunden  worden.  In  ätiologischer  Beziehung  bleibt  der  Fall  dunkel, 
Acqnisition  per  coitum  ist  unwahrscheinlich,  aber  nicht  ganz  anszu- 
schliessen.  Die  dem  Patienten  vorgeschlagene  Operation  wurde  verweigert. 
Das  weitere  Schicksal  des  Kranken  ist  dem  Verfasser  unbekannt. 

S.  Prissmann  (Liban). 

Slmonin.  Ophthalmoplegie  externe  partielle  dissoci^e 
et  p6riphdrique  au    debut  d'nne  rougeole,    Gaz.  des  hop.  1901. 

Eine  bei  einem  21  jähr.  Soldaten  einige  Tage  nach  dem  Auftreten 
eines  Masern- Exanthems  entstandene  Augenmuskellähmnng,  die  fünf  Tage 


der  Hautkrankheiten.  419 

anhielt,  wird  von  Simonin  auf  die  Wirkung  der  Masern-Toxine  suräck- 
gefuhrt.  Max  MarouBo  (Frankfurt  a.  M.). 

Manchall,   Joh.    Gaie   of  malignant   Soarlatina.    British 
Medical  Journal.  Nov.  8.  1900. 

Ein  Tjfthriges  Mädchen  erkrankte  an  heftigem  Kopfschmerz  und 
Erbrechen.  Gegen  Mittag  sistirte  beides,  sie  war  verhältnissmässig  wohl, 
als  die  Symptome  wiederkamen  und  sie  in  Delirien  verBel.  Den  nächsten 
Tag  Nachmittags  wurde  sie  ins  Spital  gebracht.  Sie  fühlte  sich  sehr 
schwach,  der  Rachen  war  roth  und  geschwollen;  an  den  untern  Partien 
des  Abdomens  und  den  oberen  Theilen  der  Oberschenkel  rothe  Flecken. 
Pols  116,  schwach.  Temperatur  89^.  Nächsten  Morgen  der  Puls  182, 
Temperatur  40^.  Patientin  verfallen,  unruhig.  Der  Körper  mit  einem 
typhusähnlichen  Petechialausschlag  bedeckt.  Der  Rachen  tiefroth,  auf 
der  linken  Tonsille  Belag.  Der  Ausschlag  wurde  nun  heller  scharlachartig, 
blieb  aber  am  Rumpf  und  an  den  Gliedern  fleckig.  Patientin  schlief  gut 
während  des  Tages  und  nahm  aus  freiem  Antrieb  Nahrung  zu  sich.  Am 
Abend  Temperatur  40^^.  Zunehmende  Schwäche.  Unruhe.  Die  Extremitäten 
wurden  kühl.  Während  der  Nacht  ziemlich  guter  Schlaf.  Die  Temperatur 
fiel  auf  88'6®,  aber  trotzdem  am  nächsten  Morgen,  am  6.  Erankheitstage 
Exitus.  R.  Böhm  (Prag). 

Somen  Arthur.  A  Gase  of  Scarlatina  pemphigoides. 
British  Medical  Journal.  November  8.  1900. 

Ein  6j.  Mädchen  erkrankte  an  Scharlach  von  augenscheinlich  mildem 
Charakter.  Nach  6  Tagen  war  das  Fieber  gesunken,  die  Patientin  an- 
scheinend reconvalescent.  Am  7.  Tage  nach  dem  typischen  Ausschlage 
bedeckte  sich  die  Haut  mit  Bläschen  und  das  Fieber  stieg  wieder  auf  40^ 
Der  Temperaturanstieg  war  mit  arthritischen  Erscheinungen  in  den 
Knien,  Ellbogen  und  Handgelenken  begleitet.  Nach  8 — 4  Tagen  flössen 
die  Blasen  zusammen  und  wurden  eitrig.  Unter  Behandlung  mit  Salicyl 
verschwanden  die  arthritischen  Erscheinungen.  Die  Temperatur  blieb  aber 
hoch,  was  circa  10  Tage  andauerte,  während  welcher  Zeit  die  Pusteln 
fast  fortwährend  eiterten.  Trotz  Anwendung  antiseptischer  Umschläge 
dauerte  es  bis  zum  Verschwinden  der  Eiterung  4  Wochen.  Die  Processe 
auf  der  Haut  hinterliessen  keine  Narben  mit  Ausnahme  von  einigen 
Stellen  im  Gesicht,  wo  Patientin  gekratzt  hatte.  Mutter  und  Bruder  der 
Patientin  hatten  eben  eine  Scarlatina  durchgemacht.  Verfasser  berührt 
die  Möglichkeit,  dass  es  sich  um  eine  Mischinfeotion  mit  Varicella 
gehandelt  haben  könnte.  R.  Böhm  (Prag). 

Köster.  Scharlach-Infeotion  von  einer  kleinen  Haut- 
wunde der  Hand  ausgehend.  Deutsche  Medicinal-Ztg.  1901,  Nr.  59. 

In  Köster's  Fall  zog  sich  am  Ende  des  normal  verlaufenen 
Scharlachs  seiner  lOjähr.  Tochter  der  Vater  eine  Hautabschürfung  der 
rechten  Hand  zu.  Am  5.  läge  in  der  Umgebung  der  Wunde  leichte 
Röthung  und  Schwellung;  Lymphadenitis  axillaris  dextra;  am  7.  Tage 
typisches  Scharlach- Exanthem  des  ganzen  rechten  Armes,  dann  des 
ganzen  Körpers;    Verlauf  normal.        Max  Marcus e  (Frankfurt  a.  M.). 

27* 


420  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Kroner,  M.  Scarlatina,  Nephritis  scarlatinosa  bei  einem 
sieben  Wochen  alten  Kinde.  Deatsohe  Med.  Woch.  Nr.  51.  19.  De- 
cember  190). 

Eroner  berichtet  über  einen  mit  geringem  Fieber  nnd  bald  rorack- 
gehendem  Aasschlag  auftretenden  Scharlachfall  bei  einem  8  Wochen 
alten,  normal  entwickelten  Kinde.  Die  Erkrankung  wurde  von  den  Eltern 
irrthümlich  für  Frieseln  gehalten  und  kein  Arzt  befragt.  8  Tage  später 
sah  Verf.  das  Kind.  Es  war  blass,  apathisch,  hatte  hohes  Fieber,  starke 
Schwellung  und  Röthung  fast  am  ganzen  Körper,  am  Unterschenkel 
zahlreiche  mit  seröser  Flüssigkeit  gefüllte  Bläschen,  fast  völlige  Annrie, 
lamellöse  Abschuppung  an  Händen  und  Beinen.  Der  Zustand  war  unver- 
kennbar eine  schwere  Nephritis,  die  Anamnese  liess  die  Ansteckung  von 
Scharlach  feststellen.  Obgleich  anfänglich  unter  heissen  Bädern,  Ein- 
wicklangen und  Liquor  Kalii  aoetici  Besserung  eintrat,  schwanden  doch 
später  trotz  guter  Pflege  bei  einem  hinzutretenden  Bronchialkatarrh, 
Decubitus  in  Folge  reichlichen  Stuhlgangs  etc.  die  Kräfte,  bis  schliesslich 
ein  Erysipel  zum  Tode  führte.  Der  Fall  widerspricht  der  Behauptung, 
dass  Kinder  unter  einem  Jahre  immun  gegen  Scharlach  seien  und 
bestätigt  die  Erfahrung,  dass  ganz  leichtes  Scharlach  eine  schwere 
Nephritis  zur  Folge  haben  könne.  Interessant  erscheint  die  Thatsache, 
dass  die  nährende  Matter,  welche  noch  nicht  Scharlach  gehabt  hatte, 
nicht  inficirt  wurde.  Max  Joseph  (Berlin). 

Happel,  T.  J.  A.  Further  Study  of  Pseudo  or  Modified. 
Smallpox  (?)  Joum.  Am.  Med.  Assoc.  XXXVIf.  Aug.  8.  1901.  pag.  295. 

Beebe,  W.  L.  Smallpox- Old  and  New.  Journ.  Am.  Med. 
Assoc.  XXXVn.  299.  Aug.  8.  1901. 

Leroy,  Louis.  Sanitary  Features  of  Smallpox.  Journ.  Am. 
Med.  Assoc.  XXXYII.  299.  Aug.  3  1901. 

Spalding,  Herman.  The  Diagnosis  of  Mild  and  Irregulär 
Smallpox  as  Found  in  the  Present  Outbreak  in  the  United 
States.  Journ.  Am.  Med.  Assoc.  XXXYII.  802.  Aug.  3.  1901. 

Leavitt,  Frederick.  The  Distinguishing  Charaoteristica 
Between  Mild  and  Discrete  Smallpox  and  Chioken-pox. 
Journ.  Am.  Med.  Associat.  XXXVII.  306.  Aug.  3.  1901. 

Bracken,  H.  M.  Variola.  Joum.  Am.  Med.  Associat.  XXXYII.  306. 
Aug.  3.  1901. 

Diese  6  hier  zu  besprechenden  Artikel  bildeten  die  Grundlage  einer 
von  der  Section  für  praktische  Medicin  der  Amer.  Med.  Association  bei 
Gelegenheit  der  52.  Versammlung  dieser  Gesellschaft  in  St.  Paul,  Mina. 
veranstalteten  gemeinsamen  Besprechung  (Symposion)  über  die  Pocken. 
Die  nächste  Veranlassung  dazu  wurde  gegeben  durch  eine  während  der 
letztvergangenen  Jahre  in  den  Yer.  Staaten  herrschenden  Pockenepidemie, 
die  namentlich  in  einigen  der  westlichen  Staaten  einen  so  ausserordentlich 
milden,  quasi  ambulanten  Charakter  zeigt,  dass  von  vielen  Seiten  Zweifel 
an  der  Identität  der  herrschenden  Krankheit  mit  Pocken  erhoben  worden 
nnd  verschiedene  neue  Namen  für  dieselbe  aufgetaucht  sind. 


der  Haatkrankheiten.  421 

Happel,  der  schon  in  der  ^oijährigen  Sitzang  der  Gesellschaft 
die  Krankheit  als  Pseado-  oder  modifioirte  Pocken  bezeichnet  hatte» 
liehanptet  auch  in  diesem  Vortrag,  gestützt  auf  100  weitere  Beobachtongen, 
seinen  früheren  Standpunkt.  Seine  Erfahrungen  worden  an  einer  grössten- 
theils  aus  ungebildeten  Negern  bestehenden  Bevölkerung  einer  kleinen 
Stadt  und  deren  Iftndlicher  Umgebung  im  Staate  Tennessee  gemacht, 
unter  der  die  Pockenimpfung  notorisch  yemachlftssigt  wird.  Daher  stellt 
H.  die  Möglichkeit  eines  günstigen  Einflusses  länger  fortgesetzter 
Impfungen  entschieden  in  Abrede,  ebenso  eine  mögliche  Beeinflussung  des 
Verlaufs  der  Krankheit  durch  bessere  Behandlungs-  oder  Vorbengungs- 
metboden,  da  thatsächlich  die  Epidemie  ganz  denselben  Charakter  zeigte, 
ob  nun  Vorsieh tsroassregeln  getroffen  wurden  oder  nicht.  Die  Sterblichkeit 
unter  den  Kranken  war  eine  ausserordentlich  geringe,  selbst  mit  Hinzu- 
rechnung aller  Complicationen  betrug  dieselbe  noch  nicht  2%.  Die  Aus- 
breitung der  Krankheit  war  eine  ausserordentlich  launenhafte ;  Vaccination 
schien  wenig  oder  gar  keinen  Schutz  gegen  Infection  zu  gewähren,  so 
dass  viele  dieselbe  vermieden,  weil  sie  mehr  Beschwerde  als  die  Krankheit 
selbst  verursachte,  welche  viele  Kranke  gar  nicht  oder  nur  während 
weniger  Tage  von  ihrer  Beschäftigung  abhielt. 

Das  Symptomenbild  der  Krankheit  war  im  Gegensatz  zu  den  ver- 
achiedenen  Bildern  der  Pocken  selbst  ein  sehr  gleichförmiges;  die  Incu- 
bation  betrug  14 — 18  Tage,  der  Anfang  selbst  war  meist  durch  Kälte- 
gefühl, aber  nicht  wirklichen  Schüttelfrost  eingeleitet  mit  Temperataren 
von  102—106®  F.  (38*9—40*5  C),  schwerere  Allgemeinstörungen  fehlen 
gänzlich.  Am  4.  Ta?  beginnt  der  Ausschlag,  der  mehr  einer  Acne  gleicht, 
zuerst  auf  Stirn,  Wangen  und  Kinn,  nach  der  Eruption  fallt  die  Tempe- 
ratur ab  und  die  Patienten  fühlen  sich  meist  völlig  gesund.  Am  6.  Tag 
wandeln  sich  die  Papeln  in  Blasen  um,  die  sofort  opalescirend  werden, 
aie  sind  einfacherig  und  nicht  genabelt;  häufig  trocknen  sie  rasch  zu 
einer  bräunlichen  Kruste  ein.  In  anderen  Fällen  erstreckt  sich  der  Ein- 
trocknungsprocess  vom  6 — 9.  Tage.  Wo  der  Ausschlag  sich  über  den 
ganzen  Körper  ausgebreitet  hatte,  mochte  das  Abfallen  der  Krusten  sich 
bis   zum  14.  Tage  hinziehen.    Secundäres  Fieber  war  absolut  abwesend. 

B  e  e  b  e  aus  Minnesota  betont  den  mächtigen  Unterschied  zwischen 
der  gegenwärtigen  und  einer  früheren  Epidemie,  so  dass  er  die  beiden 
Krankheiten  nicht  für  völlig  identisch  halten  kann.  Jedenfalls  müsse  man 
dann  verschiedene  Formen  einer  Krankheit  annehmen.  Er  bestätigt 
Happel's  Angabe  über  die  Wirkungslosigkeit  der  Vaccination,  da 
Geimpfte  undDngeimpfte  gleichmässig  häufig  leicht  erkrankten.  Dagegen 
traten  S palding,  chief  medical  inspector  in  Chicago,  Bracken, 
Secretär  des  Staats-Gesundheitsamt  von  Minnesota  und  Leavitt  ebenfalls 
aus  Minnesota,  energisch  für  die  Identität  der  gegenwärtig  epidemisch 
herrschenden  Krankheitsform  mit  Pocken  in  die  Schranken,  unter 
310  Patienten  begegnete  S palding  all  den  verschiedenen  in  anderen 
Epidemien  beobachteten  Bildern:  hämorrhagische  Pocken,  confluirenden, 
semiconflnirenden,   schweren  Fällen  mit  discreten  Eüflorescenzen,  milden 


422  Bericht  über  die  LeistaDgen  auf  dem  Gebiete 

Formen  (179)  und  modificirten  Formen,  mit  im  Gänsen  6  Todesfällen, 
die  «ämmtlioh  den  8  ersten  Formen  angehörten  and  beschreibt  die  Symp- 
tome dieser  verschiedenen  Bilder.  Der  Verlauf  der  milderen  Fälle  stimmt 
vielfach  mit  der  Schildemng  HappePs  überein;  in  einigen  Fällen  kam 
es  gar  nicht  sur  Blasenbildung  (variola  verrucosa),  in  anderen  trocknete 
der  Blaseninhalt  ausserordentlich  rasch  zu  einer  trockenen  Kruste  ein 
(var.  Cornea).  Alle  Fälle  zeigten  deutliche  Prodromalien,  in  jedem  Falle 
konnte  wenigstens  an  einigen  Ausschlagsindividuen  der  tiefe  Sitz  im 
Gorion  nachgewiesen  werden,  gegenüber  dem  oberflächlichen  Charakter 
der  Varicella,  ebenso  die  grössere  Resistenifahigkeit  der  Blasendecke,  die 
nur  an  den  Händen  und  Handgelenken  von  Negern  wegen  der  derben 
Beschaffenheit  deren  Oberhaut  Veranlassung  zu  Verwechslung  mit 
Varicellen  geben  könnte.  Charakteristisch  war  das  Auftreten  im  Geeicht, 
am  Hals,  Händen,  Handgelenken,  Vorhaut  und  Penis.  Unter  den  310  Fallen 
waren  271  nie  geimpft  gewesen;  bei  den  Vaccinirten  waren  seit  der 
letzten  Impfung  16  Jahre  und  darüber  verflossen. 

L  e  a  V  i  1 1  macht  auf  die  Schwierigkeiten  der  Diagnose  sehr  milder 
Fälle  aufmerksam  und  meint,  dass  Variola  und  Varicella  immer  zu  unter- 
scheiden seien.  Varicella  kommt  wesentlich,  wenn  auch  nicht  ausschliesslich 
bei  Kindern  vor  und  befallt  im  Gegensatz  zu  Variola,  die  besonders 
Gesicht  und  Hände  aussucht,  die  für  gewöhnlich  von  der  Kleidung 
bedeckten  Körpertheile,  namentlich  den  Rücken.  Der  wesentlichste 
Unterschied  liegt  in  dem  klinischen  Verlauf  der  einzelnen  Efflorescenzen, 
die  bei  der  Varicella  sehr  unbedeutend,  bei  Variola  immer  deutlicher 
hervortreten,  femer  ist  massgebend  die  schrotartig  sich  anfühlende  Härte 
in  der  Tiefe  des  Cutisge wehes  selbst.  Bei  Variola  sind  immer  Prodromal- 
Symptome  mit  starkem  Fieber  vorhanden,  das  letztere  ist  intermittirend 
und  fallt  nach  dem  Ausbruch  des  Ausschlages  ab,  bei  Varicella  ist  das 
Fieber  proportional  der  Ausbreitung  und  Intensität  des  Ausschlages  und 
stellt  eine  Continua  mit  allmäligem  Abfall  dar. 

Bracken  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  leichten  Formen  der 
Variola,  wie  sie  jetzt  soviel  beobachtet  würden,  längst  in  den  Lehr- 
büchern beschrieben  worden  seien.  In  manchen  Epidemien  würden  die 
ersten  leichten  Fälle  wohl  übersehen  oder  verkannt,  bis  einigerraassen 
schwere  Fälle  die  wahre  Natur  kundgeben  und  den  Arzt  über  seinen 
Irrthum  aufklären;  in  anderen  Fällen  waren  die  Aerzte  unwillig  ihren 
Irrthnm  einzugestehen.  Femer  weist  B.  nach,  dass  Vaccination  allerdings 
einen  wesentlichen  Schutz  gegen  Ansteckung  auch  in  dieser  Epidemie 
gewährt  habe,  und  dass  sich  manche  gegentheilige  Behauptungen  leicht 
als  auf  falsche  und  ungenaue  Angaben  der  Patienten  gestützt  erwiesen. 
Die  Ausdrücke  Variola  und  varioloid  ebenso  wie  vacoinia  und  vaccinoid, 
welche  in  der  That  nur  modifioirte  Formen  einer  Krankheitsform  dar- 
stellen, geben  leicht  Veranlassung  an  zwei  verschiedene  Krankheiten  sn 
denken;  es  wäre  daher  besser  diese  Ausdrücke  ganz  zu  vermeiden.  Es 
ist  dem  Verfasser  nicht  zweifelhaft,  dass  auch  bald  nach  einer  über- 
standenen   Pockenerkrankung    eine    Impfung    ein    solches    modifieirtes 


der  Hautkrankheiten.  428 

Resultat,  ein  Vaccinoid,  hervorbringen  könne;  dass  daher  ein  solches 
Yacoinoid  die  Diagnose  der  vorhergegangenen  Krankheit  als  Variola 
keineswegs  umzuwerfen  im  Stande  sei.  Die  durch  eine  Yariolaerkrankung 
erworbene  Immuaität  könne  unter  Umständen  weniger  lange  anhalten 
als  die  durch  Yaocination  erzielte,  die  Daner  derselben  richte  sich  nach 
dem  Individuum;  eine  Anzahl  Fälle  werden  für  die  Richtigkeit  dieser 
Behauptung  citirt.  Auch  beschreibt  B.  einige  Fälle,  in  denen  Immunität 
gegen  Vaccination  aber  nicht  gegen  Variola  beobachtet  wurde. 

Leroy  endlich  bespricht  die  Pocken  vom  Standpunkt  des  SanitfttS' 
beamten  und  befürwortet  Massregeln,  wie  eie  unter  den  verschiedenen 
Verhältnissen  grösserer  Städte,  kleinerer  Gommunit&teo,  insbesondere 
auch  grösserer  industrieller  Etablissements  wie  Bergwerke  etc.  ins  Werk 
zu  setzen  seien  zur  Unterdrückung  der  Ausbrüche  von  Pockenepidemien. 
Besonders  wichtige  Neuerungen  enthalten  seine  Vorschläge  nicht;  her- 
vorzuheben ist  nur,  dass  er  in  Teunessee  während  des  letzten  Jahres 
in  ziemlicher  Ausdehnung  die  Impfung  mit  Glycerinlymphe  subcutan  aus- 
geführt hat  vermittelet  einer  Spritze  und  dass  die  Erfolge  sehr  günstige 
waren. 

In  der  Discussion  über  diese  Vorträge  wandten  sich  die  meisten 
der  Theilnehmer  gegen  den  Standpunkt  HappeTs,  am  Schlüsse  derselben 
fassten  die  vereinigten  Sectionen  für  praktische  Medicin  und  für  Hygiene 
und  Sanitäts Wissenschaft  folgenden  Beschluss:  „Die  gegenwärtig  in  den 
Vereinigten  Staaten  ziemlich  weit  verbreitete  und  von  manchen  Seiten 
als  Pseodo-Pocken  bezeichnete  Krankheit  ist  echte  Variola  und  soll  als 
solche  von  allen  Gesundheitsbehörden  mit  Vaccination  und  Quarantäne 
bekämpft  werden."  H.  0.  Klotz  (New  York). 

De  Bary,  J.  Einige  Bemerkungen  über  Varicellen. 
Arch.  f.  Kinderheilkunde.  XXXI.  Bd.  S.  u.  4.  Heft  1901. 

Entgegen  der  Angabe  Bohn's  im  Handbuche  der  Kinderkrankheiten, 
welcher  eine  13—  14tägige  Incubationszeit  bei  obiger  Erkrankung  angibt, 
konnte  de  Bary  an  8  gut  beobachteten,  vorher  bereits  wegen  Masern 
isolirten  Fällen   die  Incubationsdauer  mit  17  resp.  19  Tagen  feststellen. 

R.  Bunzel  (Prag). 

Cerf,  L.  Les  anomalies  et  les  complications  de  la  vari- 
Celle.  Gaz.  des  höp.  1901,  Nr.  74. 

Gerf  weist  in  diesem  Artikel  auf  die  Complicationen  der  Varicellen 
hin,  die  theils  schon  zur  Incubationszeit,  theils  auf  der  Höhe  der  Er- 
krankung und  in  ihrem  Gefolge  auftreten.  Im  Prodromalstadium  sieht 
man  manchmal  schwere  nervöse  Erscheinungen,  die  oft  mit  hohem  Fieber 
einhergehen.  Die  Complicationen  während  des  Exanthems  sind  vorzugs- 
weise durch  schwere  Ezanthemformen,  durch  hämorrhagische  pustulöse 
oder  gangränöse  Varicellen  bedingt,  seltener  durch  Erkrankung  der 
Schleimhäute,  namentlich  des  Larynx.  Im  Gefolge  der  Varicellen  treten 
nicht  so  selten  Polyarthritiden,  theils  seröser,  theils  eitriger  Natur  auf. 
Eine  wichtige  Folgekrankheit,  auf  die  schon  von  He  noch  hingewiesen 
wurde,  ist  endlich  die  Nephritis,  die  alle  Uebergftnge  zwischen  schweren 


424  Bericht  über  die  Leistongen  auf  dem  Gebiete 

und  leichten  Formen  aufweisen  kann.  Bei  der  Autopsie  findet  man  das 
Bild  der  Glomerulonephritis.  In  Anbetracht  der  Möglichkeit  solcher  Compli- 
cationen  wird  man  jeden  Fall  von  Varicellen,  wenn  nicht  behandeln, 
doch  mindestens  überwachen  müssen.  Ernst  Hedinger  (Bern). 

Begg,  Charles.  The  Treatment  of  Smallpox  by  Salol. 
British  Medical  Jonmal.  Jnly  14.  1900. 

Verfasser  bespricht  einen  Aafsats  von  Biernacki  und  Jones 
bezüglich  seiner  Behandlung  der  Variola  mit  Salol.  Er  empfiehlt  möglichst 
baldige  Anwendung  des  Salols.  Contraindicationen  gegen  dasselbe  kennt 
er  nicht,  nur  soll  der  Harn  überwacht  werden.  Verfasser  wünscht  die 
Nachprüfung  dieser  Behandlung  und  Mittheilnng  der  Resultate. 

R.  Böhm  (Prag). 

Weil,  E.  Lesang  et  les  reactions  defensives  de  l'hema- 
topoi^se  dans  l'infection  variolique.  Gaz.  des  hop.  1901,  Nr.  67. 

Nach  den  Untersuchungen  von  Weil  bedingt  die  Variola  eine 
Zerstörung  rother  Blutkörperchen  und  eine  Oligochromämie ;  in  schweren 
Fällen  treten  im  Blut  Normoblasten  auf.  Es  besteht  eine  mononucle&re 
Leukocytose,  die  namentlich  durch  das  Vorkommen  neutrophiler  und 
eosinophiler  Myelocyten  charakterisirt  wird.  Das  Knochenmark  setzt  sich 
während  der  Variola  vorwiegend  aus  einkernigen  Leukocyten  zusammen, 
während  die  mehrkemigen  Leukocyten  bedeutend  in  den  Hinterg^mnd 
treten.  E.  Hedinger  (Bern). 

Ejiufmanii,  Martin.  Bericht  über  die  im  Sommer  1900 
beobachtete  Blatternepidemie.  Münchener  medicinische  Wochen* 
Schrift  1900,  Nr.  60. 

Der  Aufsatz  schildert  eine  kleine,  im  Mai  1900  in  Frankfurt  a.  M. 
und  einigen  Nachbarorten  stattgehabte  Pockenepidemie.  Es  erkrankten 
27  Personen.  Die  Mortalität  betrug  16%.  I.  A.  verlief  die  Endemie  leicht. 
Aus  dem  Aufsatze  heben  wir  nur  2  Dinge  von  allgemeinerem  Interesse 
hervor.  Einmal,  dass  der  Werth  der  Schutzpockenimpfung  dadurch  dar- 
gethan  wird,  dass  nur  ein  einziger  Kranker  innerhalb  der  letztvergan« 
genen  6  Jahre  geimpft  worden  war ;  ferner  die  gleichzeitige  Eruption 
eines  Prodromal-  und  eines  Variolaexanthems,  ersteres  am  Unterbauch 
in  Gestalt  kleinster  hämorrhagischer  Papeln  localisirt,  letzteres  als  zerstreute 
Papeln  auftretend,  welche  nachträglich  Pusteln  bildeten. 

von  Notthafft  (München). 

Fanck,  M.  Der  Vaccine-  und  Variolaerreger.  Gentralblatt  f. 
Bakteriologie  und  Parasitenkunde.  Bd.  XXIX,  pag.  981. 

Funck  zieht  aus  seinen  Versuchen  den  Schluss,  dass  Variola  und 
Vaccine  identisch  sind.  Aus  den  angestellten  Experimenten  geht  hervor, 
dass  die  Wirkung  der  Vaccine  von  einem  Protozoon,  wahrscheinlich  einem 
Sporozoen,  hervorgebracht  wird,  dem  der  Verfasser  den  Namen  Sporidium 
vaccinale  gibt.  In  den  Pusteln  der  Variola  trifft  man  einen  morphologisch 
gleichen  Protozoen.  Das  Sporidium  erzeugt  beim  Kalbe  die  charakte- 
ristischen Erscheinungen  der  Vaccine  und  verleiht  dauernde  Inunmunität 
gegen  Vaccine.  Wolters  (Bonn). 


der  Hautkranklieiteii.  425 

Berg,  0.  Seltene  Complication  eines  Garbankeis. 
Monatshefte  f.  prakt.  Dermatologie.  Band  XXXm. 

Der  Kranke  Berg's  litt  seit  6  Woohen  an  einem  Garbunkel  der 
Lnmbalgegend,  der  incidirt  worden  war.  Dabei  bestand  schwere  Cystitis 
nnd  ein  gegen  die  Harnröhre  durchgebrochener  Prostataabsccess.  Gono- 
coccen  negativ.  Eine  Woche  später  rechtsseitige  Epididymitis  mit  Ab- 
scedirung.  Zwei  Wochen  nach  der  Incision  dieses  Abscesses  der  Harn  klar, 
eiweiss-  nnd  znckerfrei.  Einige  Zeit  später  Appendicitis,  gefolgt  von 
linksseitigem  Garbunkel.  Berg  vermuthet  als  Ausgangspunkt  dieser 
Symptomenreihe  den  Prostataabscess,  den  er  als  Metastase  des  Garbunkels 
anffasst  Ludwig  Waelsch  (Prag). 


Erythematöse,  ekzematöse,  parenchymatöse 

Entzflndmigsprocesse. 

Handford,  Henry,  Nottingham.  Erythematous  Rash  due  to 
Borio  Acid.  British  Medical  Journal  24.  Nov.  1900. 

Ein  47jähr.  Kohlenarbeiter  litt  seit  3  Jahren  an  dyspeptischen 
Erscheinungen  des  Magens,  die  in  letzter  Zeit  in  häufigem  Erbrechen 
ihren  Ausdruck  fanden.  Die  Diagnose  wurde  gestellt  auf  eine  nicht 
maligne  Strictur  des  Pylorus.  Bevor  nun  ein  weiterer  Eingriff  vorge- 
nommen wurde,  wollte  man  noch  einen  Versuch  machen,  den  Magen 
mit  einer  passenden  antiseptischen  Lösung  auszuspülen,  nachdem  die 
früheren  Ausspülungen  nur  vom  Patienten  selbst  gemacht  worden  waren, 
wenngleich  nach  ärztlicher  Anleitung.  Es  wurde  dazu  eine  Borsäure- 
lösuDg  1  :  60  verwendet,  nachdem  der  Magen  vorerst  vollständig  entleert 
worden  war.  Man  begann  am  19.  April  und  setzte  die  Spülungen  bis  zum 
25.  April  fort.  An  diesem  Tage  erschien  ein  Ausschlag  im  Gesicht  und 
am  Rücken.  Die  Haut  war  geröthet,  geschwollen  und  zeigte  infiltrirte 
Herde,  die  stark  juckten.  Nach  Substitution  von  gewöhnlichem  Wasser 
an  Stelle  der  Borlösung  verschwand  der  Ausschlag  in  2  Tagen.  Vom 
27. — 30.  April  wurde  wieder  Borlösung,  aber  im  Yerhältniss  von  1  :  200 
verwendet  Am  Morgen  des  29.  April  leichte  Röthung  der  Ellbogen. 
Am  30.  April  war  das  Erythem  über  den  Nacken,  die  Augenlider,  den 
unteren  Theil  des  Rückens  und  die  Oberschenkel  ausgebreitet.  Aussetzen 
der  Borlösungspülungen.  Verschwinden  des  Erythems  am  3.  Mai.  Der 
Patient  hatte  früher  nie  an  ähnlichen  Affectionen  gelitten,  obwohl  über 
drei  Monate  Magenausspülungen,  wenn  auch  ohne  Borsäurezusatz,  vor- 
genommen worden  waren.  Das  Erythem  zeigte  sich  von  da  ab  nicht 
mehr.  Bei  der  später  vorgenommenen  Operation  fand  sich  der  Pylorus 
verdickt,  aber  keinerlei  Tumorbildung.  Nach  der  Operation  vollständiges 
Wohlbefinden  nnd  Gewichtszunahme.  R.  Böhm  (Prag). 


426  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Hall,  Arthur.  Erythematous  Rash  dne  to  Boric  Aoidi 
British  Medical  Journal  22.  Dec.  1900. 

Verfasser  erinnert  daran,  dass  er  einen  Fall  von  Borsänreintozication 
mit  intensivem  Erythem  nach  Application  von  Borsäuresalbe  auf  eine 
ausgedehnte  Verbrennung  im  Jahre  1897  veröffentlicht  habe.  Der  Fall 
endete  damals  tödtlich.  Seit  dieser  Zeit  hat  Verfasser  eine  grosse  Zahl 
ähnlicher  Fälle  beobachtet.  In  einem  dieser  Fälle  wurde  ßorsäurelösung 
zum  Ausspülen  der  Blase  benützt.  Häufig  werden  aber  solche  Fälle  wahr- 
scheinlich nicht  diagnosticirt.  Borsäure  erscheint  demnach  nicht  so 
harmlos,  als  wie  gewöhnlich  angenommen  wird.  Verfasser  empfiehlt  die 
Untersuchung  des  Harns,  in  welchem  die  Borsäure  nachgewiesen  werden 
kann.  R.  Böhm  (Prag). 

RaTOgli,  A.  A  Gase  of  Erythroderma  Squamosum.  Journal 
Amer.  Med.  Associat.  XXX VI  1.  p.  109. 

Ravogli  beschreibe  unter  diesem  Namen  eine  bei  einem  sonst 
völlig  gesunden  3jährigen  Knaben  beobachtete,  die  ganze  Eörperober- 
fiäche  mit  Ausnahme  der  Handteller  und  Fusssohlen  in  wiederholten 
Attaken  befallende  Hautkrankheit,  welche  klinisch  charakterisirt  war 
durch  allgemeine  massige  Röthung  und  weissliche  dünne  Abschuppnng 
ohne  jede  nachweisbare  Infiltration  und  keinerlei  subjective  Erscheinungen 
verursachte.  An  verschiedenen  Körpertheilen  waren  die  Schuppen  etwas 
verschieden,  besonders  dicker  und  mit  Hauttalg  gemischt  auf  der  Stirn. 
Nachdem  durch  2tägige  Einreibung  mit  Leberthran  die  Schuppen  völlig 
entfernt  waren,  zeigte  sich,  dass  die  Röthe  aus  zahlreichen,  über  die 
Oberfläche  verbreiteten  runden  Flecken  bestand,  die  mehr  weniger  con- 
fluirten. 

Pathologisch-anatomische  Untersuchung  wies  Erweiterung  der 
Blutgefässe  und  perivasculäre  Zellinfiltration  im  Papillarkörper  and  der 
subpapillaren  Gutisschicht  nach,  welche  Ernährungsstörung  der  Epidermis, 
Verdickung,  Eintrocknung  und  Abstossung  der  Hornschioht  zur  Folge 
hatte;  also  einen  'deutlich  entzündlichen  Vorgang  in  den  oberen  Gutis- 
schichten.  Eine  Ursache  der  Erkrankung  Hess  sich  nicht  nachweisen; 
da  nach  Angabe  der  Eltern  sechs  ältere  Kinder  zwischen  dem  4. — 8.  Jahre 
sämmtlich  ähnliche  Erscheinungen  gezeigt  hatten,  glaubt  R.,  eine  here- 
ditäre Neigung  zu  einer  besonderen  Autointozioation  durch  Ptomaine 
annehmen  zu  dürfen.  Unter  Behandlung  mit  einer  milden  Salicyl-Reaor- 
cinsalbe  verschwand  der  Zustand  ziemlich  rasch.  Da  sich  die  Krankheit 
nicht  unter  den  bekannten  Formen  unterbringen  lässt,  reiht  Ravogli 
sie  den  von  Besnier  als  Erythrodermies  exfoliantes  lentes  on  chroniques 
idiopathiques  primitives  bezeichneten  Dermatosen  an  und  vergleicht  sie 
mit  Brocq's  und  James  G.  White^s  Erythrodermie  pityriasique  en 
plaques  dissemines.  H.  G.  Klotz  (New -York). 

Pascal.  Erytheme  scarlatiniforme  desquamative  g6n^- 
ralis6  d'origine  parasitaire.  Annales  de  dorm.  etc.  1900.    HIV 4. 

Bei  10  Soldaten,  die  mit  dem  Sieben  von  Gerste  beschäftigt  waren, 
trat  in   mehr  oder  minder  grosser  Ausbreitung  unter  heftigem  Jucken 


der  Hautkrankheiten.  427 

und  Brennen  ein  scarlatiformeB  Exanthem  auf,  das  aus  50  Centime»-  bis 
2  francstnckgrossen  Flecken,  die  vielfach  zu  grossen  Flachen  zusammen- 
flössen, bestand.  Vorwiegend  sind  die  unbedeckt  getragenen  Körper- 
stellen befallen,  das  Gesieht,  die  Vorderarme  und  Hände,  in  geringerem 
Masse  die  Brust,  der  Hals,  der  Rucken  und  die  Genitalien.  Allgemein - 
erscheinungen :  Fieber,  Abgesohlagenheit,  Darmsymptome  waren  nicht 
zu  constatiren.  Die  Abheilung  erfolgte  ohne  eingreifende  Therapie  mit 
kleienartiger  und  grrosslamellöser  Abschnppung. 

Das  Getreide  war  von  einer  Unzahl  von  Schmetterlingen,  Sitotroga 
cerealella,  bedeckt,  welche,  wie  die  genaue  anatomische  Untersuchung 
ergab,  in  ihrem  Innern  einen  der  Familie  der  Acariden  zugehörigen 
Parasiten  Pediculoides  ventrioosus  Galestrini  beherbergen.  Diesem  kommen 
längs  des  Oesophagus  angeordnete  Drüsen  zu,  die  einen  giftigen  Speichel 
absondern,  welcher  in  Beziehung  zu  der  Entstehung  der  beschriebenen 
Erytheme  gebracht  wird.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Audry  und  Laurent.  Sur  un  rash  preroseolique  de  la 
Syphilis.  Journal  des  maladies  cutanees  et  syphilitiques  1901.  pag.  176. 

Audry  und  Laurent  constatirten  bei  einem  in  die  Klinik  auf- 
genommenen jungen  Mädchen  ein  typisches  toxisches  Erythem.  Als  das- 
selbe schon  in  völligem  Abheilen  war,  trat  plötzlich  ein  maculo-papnlöses 
Exanthem  auf  und  bei  genauer  Untersuchung  wurden  auch  Plaques  auf 
Torsillen  und  erodirte  Papeln  an  den  Genitalien  constatirt.  Verfasser 
stehen  nicht  an,  das  vorausgegangene  Erythem  als  durch  die  Syphilis 
verursacht  zu  betrachten.  Paul  Ne isser  (Beuthen  0.  8.). 

Hallopeau.  Sur  un  cas  de  pityriasis  ros6  remarquable 
par  rStendue  et  le  siege  crural  de  la  plaque  initiale, 
ainsi  que  par  sa  longue  incubation  et  le  caractere  ortie 
d'une  partie  de  ses  Clements.  Soc.  de  derm.  1.  Mars  1900. 

Der  Fall  von  Pytiriasis  rosea  ist  aus  folgenden  Gründen  bemer- 
kenswerth:  Der  initale  Plaque  (Brocq)  hat  eine  besonders  lange  Dauer 
von  2  Monaten  aufzuweisen,  während  er  gewöhnlich  nur  4 — 11  Tage 
lang  nachzuweisen  ist.  Die  Secundäreruption  lässt  die  Mitte  des  Stammes 
frei  und  etablirt  sich  bloss  an  der  Unterbauchgegend  und  Vorderfläche 
der  Schultern.  Ein  grosser  Theil  der  Elemente  ist  erhaben  und  ähnelt 
Urticariaquaddeln,  ein  Symptom,  das  von  Hallopeau  schon  früher 
beschrieben  wurde.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Carr,  H.  Sidney.  A  Gase  of  bullous  Urticaria.  British 
Medical  Journal.  10.  l^ovemb.  1900. 

Verfasser  wurde  zu  einer  35jährigen  Frau  gerufen,  welche  angab, 
am  vorhergehenden  Abend  Kabeljau  gegessen  zu  haben.  Beinahe  sofort 
nachher  empfand  sie  ein  eigenthümliches  Unbehagen  um  die  Augen  und 
Jucken  im  Gesicht.  Bei  der  Untersuchung  zeigte  sich,  dass  sich  ein  aus- 
gesprochener Urticariaausschlag  über  das  Gesicht,  die  oberen  Extremitäten 
und  den  oberen  Theil  des  Rumpfes  ausgebreitet  hatte.  Dieser  war  bald 
gefolgt  von  dem  Erscheinen  grosser  Blasen  an  beiden  Ohren,  an  den 
Handgelenken  und  Vorderarmen.    Die  Urticariaeruption   befiel  auch  den 


428  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Mund  und  den  Pharynx,  so  dass  Patientin  kaam  sehlacken  konnte.  Die 
Lippen  waren  aalgesprungen  and  mit  Blut  bedeckt.  Die  höchste  Tem- 
peratur 39'5^  Es  zeigten  sich  dann  zahllose  kleine  Bläschen,  welche 
deutlich  ihren  Ursprung  aus  den  Urticariaquaddeln  nahmen,  sodass  an 
Pemphigus  nicht  zu  denken  war.  Das  Jacken  wurde  sehr  stark,  ging 
später  in  Brennen  über,  so  dass  kaum  die  Berühning  der  Bettdecke  er- 
tragen wurde.  Um  die  Augen  starkes  Oedem.  Ueber  den  weiteren  Verlauf 
wird  nichts  berichtet.  R.  Böhm  (Prag). 

Nehrkom.  Beitrag  zur  Purpura  haemorrhagica.  Aus  der 
chirurgischen  Klinik  zu  Heidelberg.  Münchener  medicinischej Wochenschrift 
1900.  Nr.  40. 

Ein  fi6jähriger  Arbeiter  erlag  binnen  4  Tagen  einer  klinisch  sich 
in  Nasan-  und  Nierenblut ungen,  Suffusionen  und  hämorrhagischen  Pasteln 
documentirenden  Purpura  haemorrhagica.  Den  Namen  Purpura  falminans 
will  Verfasser  dem  durch  Henoch  abgegrenzten  Bilde  überlassen,  bei 
welchem  keine  Schleimhautblutungen  stattfinden.  Bei  der  Section  fand 
man:  ausgedehnte  Blutungen  in  Haut,  Muskulatur,  Herz,  Lungen,  seröse 
Häute,  Magen-  und  Darmschleimhaut,  Blasen-,  Nierenbecken  und  Ure- 
terenschleimhaut,  Degeneration  von  Leber  und  Milz,  Endocarditis  der 
Mitral-  und  Aortenklappen,  bronchopneumonische,  lobuläre,  hämorrhagische 
Herde  in  beiden  Unterlappen,  hämorrhagische  Erosionen  und  diphtherisch 
belegte  Oeschwüre  an  Zangengrund,  Uvula  und  Qaumenbögen.  Enge 
Aorta.  —  Obwohl  aber  das  ganze  Bild  auf  einen  Intoxications-  oder 
Infectionsprocess  hinweist,  wurde  im  Herz  und  Milzblut  kein  Mikrobion  ge- 
funden; nur  in  Vita  ergab  die  Untersuchung  der  Pusteln  die  wohl  nur 
secandäre  Anwesenheit  von  Staphylococcus  pyogenos  aureus. 

V.  N Ott h äfft  ^München). 

Mnir,  Robert,  Prof.,  Glasgow.  A  Gase  of  Purpura  and  intense 
Anaemia  with  marked  Deficienoy  in  the  red  Bone-Marrow. 
British  Medical  Journal  29.  Sept.  1900. 

Ein  Fall  von  Anaemie,  der  besonders  wegen  der  eigen thümlichen 
Beschaffenheit  des  Knochenmarks  bemerkenswerth  ist.  Ein  lijähriger 
Knabe  erkrankte  am  8.  Jänner  an  Nasenbluten,  Bluterbrechen  und  einer 
Purpura- Eruption  über  den  ganzen  Körper  und  Füssen.  Vor  4  Wochen 
Erkältung,  Hasten  und  leichte  Haemoptysis.  Vier  Tage  vor  der  Erkran- 
kung zeigten  sich  an  seinem  Körper  Flecken,  besonders  an  den  Beinen. 
Am  Abend  des  folgenden  Tages  im  Bett  schwere  Blutung  aus  Nase  und 
Mund.  Einen  Tag  später  Bluterbrechen  von  dunkler  Farbe.  Orosse 
Schwäche.  Ueber  den  ganzen  Körper  zerstreut  zahllose  kleine  Hämor- 
rhagien.  Im  Spital  Besserung  des  Zustandes,  Verschwinden  der  Pnrpura- 
eruptioQ.  Sieben  Wochen  später  (23.  Feber)  neuerliches  Auftreten  der 
Flecken.    Den  nächsten  Tag  Bluterbrechen,  Bewusstlosigkeit  und  Exitus. 

Blutuntersuchung :  am  15.  Jänner  rothe  Blutkörperchen  8,000.000, 
Leukocyten  7000,  Hämoglobin  127o;  ^*  ^ober  rothe  Blutkörperchen  640.000, 
geringe  Poikilocytose.  Keine  Megalocyten,  keine  gekernte  rothe  Blut- 
körperchen,  Leukocyten  sehr   spärlich,    keine   eosinophilen  Zellen,  Blui- 


der  HautkrankheiteD.  429 

plättchen  fehlend,  ein  Zustand,  der  anch  bei  anderen  Fällen  von  Parpura 
beobachtet  wurde. 

Die  Untersnchnng  post  mortem:  fettige  Degeneration  des  Herz* 
mnskelB,  lahlreiche  Petechien  am  Epicard  und  Endooard,  desgleichen  in 
der  Schleimhaut  des  Magens  und  im  Dünndarm.  Das  Knochenmark  zeigte 
anstatt  der  gewöhnlichen  rothen  Farbe  ein  weissliches,  fettiges  Aus- 
sehen. Hie  und  da  Hämorrhagien.  Den  Zustand  des  Knochenmarks  hält 
Verfasser  für  eine  primäre  Veränderung,  denn  anch  bei  perniciöser 
Anämie  wird  das  Knochenmark  tief  roth  und  voll  von  kernhaltigen 
rothen  Blutkörperchen  gefunden.  R.  Böhm  (Prag). 

Irwin,  Fairfax.  A  Gase  of  Peliosis  Rheumatica  (Schön- 
lei n's  Disease).  New- York  Med.  Journ.  LXXIV.  676.  1901. 

Irwin's  Fall  betrifit  einen  29  Jahre  alten  Seemann,  der  zuerst 
Anschwellung  und  Schmerzhaftigkeit  der  Fingergelenke,  später  zu- 
nehmende Oedeme  und  ausgebreitete  Purpura  zeigte.  Starker  Speichel- 
fluss  und  oberflächliche  Geschwüre  der  Schleimhaut,  der  Lippen,  der 
Wangen  und  des  Pharynx  machten  die  Diagnose  anfangs  zweifelhaft 
(Syphilis,  Scorbut),  doch  scheinen  diese  Veränderungen  durch  Einnehmen 
einer  unter  dem  Namen  Sarsaparilla  verkauften  Medicin  verarsacht  worden 
zu  sein.  Fieber  war  gering,  Complicationen  von  anderen  Organen  fehlten 
und  endete  der  Fall  in  Genesung.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Audry.  Sur  les  accidents  cutanea  survenus  an  co  us 
d'une  pseudo-leucemielymphocythemique  (leuoemie  lym- 
phatiquo).  Journ.  d.  malad,  cntan.  et  sypb.  1901.  pag.  647. 

Audry  constatirte  bei  einer  64jährigen  Patientin,  die  an  lympha- 
tischer Leukämie  im  Spital  lag  und  daran  verstarb,  Hautaffectlonen, 
welche  er  als  durch  die  Leukämie  verursacht  betrachtet,  nämlich  Urti- 
cariaanfälle  und  kleine  Hauthämorrhagien. 

Paul  Neisser  (Beuthen  0.  8.). 

Strqjew,  N.  Zur  Gasuistik  der  Raynaud'schen  Krank- 
heit. Med.  Obosr.  Juni  1901. 

Strujew  bringt  einen  casuistischen  Beitrag  zur  Raynaud'schen 
Krankheit.  Die  Arbeit  enthält  nichts  Neues.      S.  Prissmann  (Libau). 

Pospelour,  A.  lieber  ein  neues  Symptom  der  Raynaud- 
sehen  Krankheit.  Med.  Obosr.  Juni  1901. 

Für  gewöhnlich  fasst  man  das  Beissen  der  Nägel  als  schlechte 
Gewohnheit  auf,  in  der  That  soll  es  aber  nach  Pospelow's  Ansicht 
häufig  ein  Symptom  der  beginnenden  Ray  n  au  duschen  Krankheit  sein, 
wenigstens  soll  man  in  solchen  Fällen  immer  nach  anderen  Krankheits- 
erscheinungen fahnden.  Das  Nägelbeissen  ist  entschieden  eine  Neurose 
analog  der  Tricotilomanie  —  dem  Verlangen,  die  Haare  an  einer  ganz 
bestimmten  Stelle  des  Körpers  auszureissen  —  die  zuerst  von  Hallopeau 
und  Fournier  beschrieben  wurde.  S.  Prissmann  (Libau). 

Balzer  et  Alquier.  Oedeme  strumeux  on  erytheme  in- 
dure  chez  unejeune  fille.  Soc.  de  dorm.  etc.  3.  Mai  1900. 


430  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Das  18jährige  Mädchen  leidet  seit  3  Jahren  an  einem  harten, 
persistirenden  Oedem  der  beiden  Unterschenkel,  das  weder  Schmers 
noch  Ermüdung  beim  Gehen  verui sacht.  Des  Morgens  ist  das  Golorit 
der  Haut  über  den  a£Ficirten  Stellen  normal,  des  Abends  roth  oder 
violett.  Bei  Hochlagerung  wird  die  Haut  blass,  bei  Herabhängen  der 
unteren  Extremitäten  nimmt  die  Röthe  zu.  Fingerdrnck  lässt  nur  für 
kurze  Zeit  eine  seichte  Delle  zurück. 

Balzer  bezeichnet  die  Affection  als  ein  „strumöses  Oedem*,  viel- 
leicht eine  abgeschwächte  Form  eines  Oedema  induratum  (Bazin).  Here- 
ditäre Antecedentien  fehlen.  Scrophulöse  Symptome  sind  an  der  Patientin 
nicht  nachweisbar.  Bloss  in  der  Jugend  litt  sie  an  Conjunctivitis  phlycte- 
nularis.  —  Die  Herzfunction  ist  normal;  weder  Sitz  noch  Aussehen  der 
Affection  sprechen  übrigens  für  einen  cardialen  Ursprung. 

Leredde  weist  die  Diagnose  Erytheme  indurö  (Bazin)  zurück; 
es  handle  sich  um  eine  locale  Asphyxie  mit  resistenten  Oedemen  and  In- 
filtration. Er  möchte  mit  Rücksicht  auf  die  vorhandene  Schwellung  der 
Gervicaldrüsen  Tuberculose  bei  der  Patientin  nicht  unbedingt  ausschliessen. 
Locale  Asphyxie  der  Extremitäten  gesellschaftet  sich  aber  häufig  mit 
bac.  Infection  (Tuberculiden).  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Modinos,  P.  Süll'  edema  angionevrotico  o  morbo  di 
Quincke.  Gazz.  degli  Osped.  e  delle  Cliniche,  16.  Deo.  1901. 

Modi  DOS  hat  5  Fälle  von  Quincke's  Oedem  beobachtet:  1.  ein 
25j ähriges  Mädchen,  welches  seit  seinem  dritten  Lebensjahre  daran  litt 
und  zwar  in  den  letzten  Jahren  in  Attaken,  welche  der  Menstruation 
vorangingen  und  10  Tage  dauerten;  2.  eine  junge  Frau  von  22  Jahren, 
bei  welcher  in  den  letzten  2  Jahren  alle  2 — 3  Wochen  eine  2~3tägige 
Eruption  erfolgte;  3.  eine  44jäbrige  Frau,  die  seit  zwei  Jahren  alle 
2 — 3  Monate  Eruptionen  hatte;  4.  ein  22jähriges  Mädchen,  das  seit 
einem  Jahre  Oedeme  an  den  Lippen  oder  an  den  oberen  Extremitäten 
hatte,  die  fast  andauernd  waren  und  5.  einen  60jährigen,  an  Mitral- 
insufficienz  leidenden  Mann,  der  alle  paar  Tage  an  der  linken  Kiefer- 
gegend ein  schnell  vorübergehendes  Oedem  aufwies.  Der  faradische  Strom 
hat  die  besten  therapeutischen  Resultate  ergeben. 

L.  Philippson  (Palermo). 

Vincent,  H.  Examen  bacteriologique  d'un  cas  d'  niedre 
des  pays  cbauds.  (Ulc^re  de  la  Guadeloupe.)   Annales  de  derm.  1900. 

Die  bacteriologische  Untersuchung  des  Fussgeschwürs  bei  dem  aus 
Guadeloupe  stammenden  Manne  in  Aufstrich-  und  Schnittpräparaten 
ergab  die  fast  ausschliessliche  Anwesenheit  eines  Goccus  von  kleineren 
Dimensionen  als  der  Staphylococcus,  der  sich  nach  Gram  nicht  färben 
Hess.  Culturversuche  auf  den  üblichen  Nährböden  gelangen  nicht.  Das 
Resultat  lässt  sich  in  gew.  Beziehung  zu  den  Untersuchungen  Fournier*s 
beim  „Congogeschwür''  bringen,  bei  welchem  er  einen  feinen  Diplococcus 
fand,  dessen  Züchtung  und  Färbung  allerdings  unterlassen  wurden. 

Das  Ulcus  der  heissen  Länder  scheint  in  den  einzelnen  Gegenden 
keine  gleichartige  Aetiologie   zu   besitzen   und    es   ist   im  Gegensatz   zu 


der  Haatkrankheiien.  431 

D  an  1 6  c  und  B  o  i  n  e  t  in  Berfickiichtigang  der  eben  mitgetheilten  Coooen- 
befonde  nicht  gestattet,  Bacillen  als  die  Erreger  der  Ulcerationen  der 
heissen  L&nder  za  betrachten. 

Auf  Secondärinfectionen  ist  bei  den  bakteriologischen  Untersuchungen 
selbstverständlich  zu  achten.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Chipaalt.  L^  Ulcöre  ohronique  de  lajambe  traite  par 
l'61ongation  des  troncs  nerveuz  ä  distance  moyenne.  Soc. 
de  neur.  Gaz.  des  hop.  1901,  Nr.  67. 

Ausser  durch  Nervendehnung  wurden  von  Ghipault  die  (inveterirten) 
Beingeschwüre  noch  local  behandelt.  Das  Resultat  war  gut  und  hielt 
sich  bei  einigen  Patienten,  die  weiter  beobachtet  wurden. 

Jacob  Fr^döric  (Strassburg). 

Walbaam.  Die  Behandlung  der  ünterschenkelge- 
schwüre.  Münchener  Medicinische  Wochenschrift  1901,  Nr.  26. 

Wal  bäum  empfiehlt,  nach  Zurückgehen  der  empfindlicheo  Er- 
scheinungen unter  Essigsaurethonerde -Verband  Verbände  mit  Kampfer- 
wein anzulegen.  Diese  werden  alle  2  Tage  durch  den  Arzt  erneuert 
Bettruhe  nothwendig.  Heilung  j,oft  in  weniger  als  8  Wochen'. 

von  Notthafft  (München). 

Schaeffer, Theodor.  Ein  Fall  von  Elephantiasis  labiorum 
minor  um.  Inaug.-Diss.  München  1899. 

Es  handelt  sich  in  dem  von  Schaeffer  mitgetheilten  Falle  um 
eine  ungefähr  halbfaustgrosse  Geschwulst,  welche  den  beiden  kleinen  Labien 
aufsitzt.  Mikroskopisch  konnten  die  bei  Elephantiasis  gewöhnlichen  Ver- 
änderungen nachgewiesen  werden.  Aetiologisoh  kommt  wahrscheinlich 
eine  vorausgegangene  Gravidität  und  Puerperium  in  Betracht,  das  mit 
seinen  Girculatioosstörungen  und  Lymphstauungen  die  Rückbildung  der 
in  der  Gravidität  veränderten  Vulva   nicht  vollständig   stattfinden  lässt. 

Ed.  Oppenheimer  (Strassburg  i.  E.). 

Forster,  Jo«.  Ueber  einen  Fall  von  Elephantiasis  der 
Lippe.  Jnaug.-Diss.  München,  1899. 

Ein  26  Jahre  alter  Schlosser  wird  im  Scherz  in  den  Mundwinkel 
gezwickt  und  bemerkt  seit  dieser  Zeit  eine  Schwellung  der  Lippe,  die 
im  Laufe  eines  Jahres  bis  zu  dreifacher  Vergrösserung  der  Lippen  fuhrt. 
Mikroskopisch  deutliche  Hypertrophie  des  Unterhautzellgewebes,  die  Cutis 
verdickt  mit  kleinzelliger  Infiltration.  Blut-  und  Lymphgefasse  stark  er- 
weitert, Epidermis  verdickt.  Da  ausserdem  ziemlich  starkes  Oedem 
zwischen  allen  Gebilden  vorhanden  ist,  ist  Forster  geneigt,  den  Fall 
der  lymphatischen  Form  der  Elephantiasis  zuzurechnen. 

Keilförmige  Excisionen  in  beiden  Lippen  von  einem  Mundwinkel 
zum  anderen  führten  befriedigende  Resultate  herbei,  nachdem  jede  andere 
Therapie  vergeblich  gewesen  war. 

Ed.  Oppenheim  er  (Strassburg  i.  EX 

Lnnkenbein,  Hans.  Ueber  Elephantiasis.  Inaug.-Diss. 
München. 


432  Bericht  dber  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Der  erste  von  Lnnkenbein  mitgetheilten  Fälle  betraf  einen 
Mann,  bei  welchem  sich  die  Elephantiasis  am  linken  Bein  langsam  ent- 
wickelt hat,  angeblich  nach  einer  Erkältung  und  Verletzung  im  Kriege. 
Inwieweit  die  Verletzung  einen  Einfluss  ausübte,  liess  sich  nicht  ent- 
scheideu ;  jedenfalls  ist  das  Ulcus  cruis  in  diesem  Falle  nicht  als  Ursache, 
sondern  als  eine  späte  Folgeerscheinung  zu  betrachten. 

Umgekehrt  ist  in  dem  zweiten  Falle  die  Elephantiasis  eine  Folge 
eines  seit  25  Jahren  bestehenden  Ulcus  cruris  yaricosum  mit  seiner  con- 
secutiven  andauernden,  entzündlichen  Reizung  der  Gewebe. 

£d.  Oppenheimer  (Sirassburg  i.  E.). 

Schaginjan,  S.  Ein  Fall  bedeutender  Besserung  von 
Elephantiasis  durch  subcutane  Calomelinjectionen.  Med. 
Obosrenje.  April  1901. 

Im  Verlaufe  von  2  Monaten  erreichte  Schaginjan  durch 
14  Calomelinjectionen  eine  nachweisbare  Besserung  der  Elephantiasis 
beider  Unterschenkel  bei  einer  85jährigeD,  nicht  luetischen  Frau.  Die  Ab- 
nahme des  Umfanges  betrug  267o*  Statt  der  fibrös  sclerosirten  Gewebs- 
beschaffenheit  trat  bald  normale  Cousistenz  ein.  Patientin,  die  sich  nicht 
mehr  bewegen  konnte,  war  nach  den  Einspritzungen  im  Stande,  selbst 
Treppen  zu  steigen.  Leider  entzog  sich  die  Kranke  weiterer  Behandlung. 

S.  Prissmann  (Libau). 

Audry  und  Laurent.  Z  0  u  a  survenu  au  cours  dune  hydrar- 
gyride.  Journal  des  maladies  cutanees  et  syphilitiques,  1901.  pag.  175. 

Audry  und  Laurent  berichten  die  Krankengeschichte  eines 
jungen  Mädchens,  das  nach  mit  Sublimat  vorgenommenen  Scheidenaus- 
spnlungen  an  einem  acuten  Erythem  des  ganzen  Körpers  erkrankte. 
Als  dieses  schon  fast  völlig  abgeheilt  war,  trat  plötzlich  unter  heftigen 
Schmerzen  ein  typischer  Zoster  in  der  Region  des  4.  linken  Lumbal- 
nerven auf,   der  unter  normalem  Verlauf  nach  8  Monaten  verheilte. 

Paul  Neisser  (Beuthen  0.  S.). 

Fournier,  Alfred.  Zona  double  et  alterne.  Soo.  de  denn. 
etc.,  1900. 

Herpes  zoster  im  Gebiete  des  Nervus  glutaeus  inferior,  welcher 
mit  einem  gr.,  um  den  Anus  und  die  Perinealgegend  einnehmenden  Herd 
in  Erscheinung  trat,  die  Charaktere  eines  umschriebenen  Herpes  mit 
mächtiger  Reaction  darbietend  (herpes  g^nt).  Neun  Tage  später  neue 
Herpeseruption  im  8.  und  9.  1.  Zwischenrippenraum. 

Bewerkenswerth  ist  die  rasche  Aufeinanderfolge  zweier  Herpes- 
eruptionen  an  verschiedenen  Körperstellen. 

Richard  Fischel  (Bad  HaU). 

Dubreuilh.  Herpes  recidivant  de  la  face.  Soc.  de  denn.  etc. 
8.  Mai  1900. 

Das  15jährige,  gut  entwickelte,  von  Hysterie  freie  Mädchen  leidet 
seit  dem  5.  Jahre  an  al^ ährlich  im  Frühjahr  wiederkehrender  Blasen- 
bildung in  der  Mitte  des  Unterkieferrandes,  die  mit  Zurücklassung  einer 
bohnengrossen  Narbe  abheilt.  Seit  einem  Jahr  monatlich  und  noch  häufiger 


der  Hautkrankheiten.  433 

das  Auftreten  von  c^nippirten  Bläschen  and  von  linsengrossen  Blasen  ohne 
Goincidenz  mit  den  normalen  Menses,  ohne  premonitorische  Symptome, 
ohne  Lymphdrüsenschwellnng  bald  auf  der  r.  Kinnseite,  bald  aaf  der 
I.Wange.  Narbenbildang  nicht  constant.  Es  handelt  sich  um  einen  reci- 
divirenden  Herpes,  der  als  Herpes  genitalis,  bucalis  und  glntealis  bekannt 
ist.  Ein  recidiyirender  H.  des  Gesichtes  ohne  Beziehung  zur  Menstruation 
scheint  noch  nicht  beschrieben  worden  zu  sein.  Die  Aetiologie  ist  dunkel. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau.  Sur  la  Zone  d'  envahissement  des  tnmeurs 
mycosiques.  Soc.  de  denn,  et  de  syph.,  1900. 

Dem  Wachsthum  der  Geschwulst  geht  bei  der  Mykosis  fungoides 
oft  an  der  Peripherie  derselben  eine  erythematöse  Zone  mit  Verdickung 
der  Haut  oder  ein  Urticariawall  voraus.  Es  handelt  sich  nicht  um  eine 
gew.  Hyperämie,  sondern  um  eine  Infiltration,  das  erste  Stadium  der 
Geschwulstbildung. 

Auch  bei  dem  in  der  letzten  Sitzung  (11.  Jänner)  vorgestellten 
Kranken  zeigt  der  Tumor  einen  einige  Mm.  breiten  erythematosen  Hof  mit 
reliefartiger  Erhabenheit  an  einem  Theil  seiner  Peripherie. 

Der  Tumor  hat  bereits  das  1.  obere  Augenlid  ergriffen  und  sich 
bis  in  die  ^'ähe  des  Ohres  ausgebreitet    Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Mastri,  C.  Herpes  zoster  quäle  complicanza  di  tetano 
träum atico.  Rif.  medica,  1901. 

Mas  tri  hat  einen  Fall  von  traumatischem  Tetanns  beobachtet, 
bei  welchem  circa  3  Wochen  nach  Beginn  der  Erkrankung  ein  Zoster  im 
Bereiche  des  7^  linken  Intercostalnervs  auftrat,  der  bis  zum  9  Tage  darauf 
erfolgenden  Tode  andauerte.  S.  Philippson  (Palermo). 

Stopford,  Taylor,  Dr.  Dermatitis  herpetiformis  multi- 
formis.  British  Medical  Journal,  17.  Nov.  1900. 

Der  Patient  war  ein  Mann  von  66  Jahren.  Die  EIrkranknng  verlief 
in  einem  Zeiträume  von  14  Tagen.  Als  bereits  Hoffnung  auf  Genesung 
war,  trat  eine  Pneumonie  hinzu,  die  den  Tod  des  Patienten  zur  Folge 
hatte.  Eine  ungewöhnliche  Erscheinung  war  der  Abfluss  einer  grossen 
Menge  von  Serum  aus  den  einem  Erythema  multiforme  ähnlichen  Efflo- 
rescenzen,  die  den  Rücken  und  das  Gesäss  einnahmen.  Verfasser  betont 
die  Gleichzeitigkeit  der  Pneumonie  mit  der  Hauterkrankung. 

Dr.  Buchanan  berichtet  über  zwei  Fälle  von  cronposer  Pneu- 
monie im  Verein  mit  einem  herpetischen  Ausschlag.  Bei  dem  einen  Falle 
wurden  in  dem  Bläscheninhalte  Pneumococcen  gefunden. 

R.  Böhm  (Prag). 

Hardouiu,  P.  Recherches  sur  les  variations  de  l'elimi- 
nation  de  l'uree  dans  les  dermatites  polymorphes  doulou* 
reuses.  Annales  de  denn,  etc.,  1900. 

Die  Resultate  der  an  zwei  Fällen  von  Dermatitis  polymorpha  dolo- 
rosa angestellten  Hamtuntersuchungen  sind  folgende:  Die  einseinen 
Attaquen  traten  immer  nach  Perioden  von  verminderter  Harnstoffaus- 
scheidung ein,   der  Anfall  coincidirt  mit  einer   beträchtlichen  Steigerung^ 

Arch.  f.   Dermal,  n.  Syph.  Bd.  LXIII.  2S 


434  ßericht  über  die  Leistungeu  auf  dem  Gebiete 

derselben,  sei  es,  dass  die  Vermehrang  schon  vor  der  Attaque  beginnt, 
sei  es,  dass  sie  ihrem  Beginne  unmittelbar  folgt.  Die  täglichen  Unter- 
suchungen sind  an  24stündigen  Harn  mengen  angestellt  und  erklaren 
60  die  bisherigen,  einander  widersprechenden  Resultate,  da  von  den  ein- 
zeloen  Autoren  bald  in  den  Perioden  des  Anstiegs,  bald  des  Abfalls  die 
Harnanalysen  vorgenommen  worden  waren,  noch  nicht  aber  fortlaufend, 
wie  es  Hardouin  eben  gethan  hat         Richard  Fi  sehe  1  (Bad  Hall). 

Daiil09.  Dermatite  herpetiforme  avec  diminution  au 
niveau  des  parties  saines  de  l'adherence  de  la  conche 
cor  nee  (signe  de  Nikolsky).  Soc.  de  derm.  eto.  8.  Novembre  1900. 

Der  bereits  am  5.  Juli  der  Gesellschaft  vorgestellte  Fall,  dessen 
weiterer  Verlauf  die  von  Danios  gestellte  Diagnose  Dermatitis  Duhring 
rechtfertigte,  bietet  ein  interessantes  Phänomen,  das  Kikolsky^sche 
Symptom.  Wird  mit  dem  Daumen  in  schiefer  Richtung  über  die  Haut  an 
Stellen,  wo  sie  einer  festen  Unterlage  aufliegt,  gestrichen,  so  löst  sich 
ein  Epidermisfetaen  los.  Nikolsky  legt  diesem  Phänomen  eine  diag- 
nostische Bedeutung  für  Pemphygus  foliaceus  bei.  Dan  los  glaubt  mit 
Wahrscheinlichkeit  annehmen  zu  können,  dass  sich  dieses  Symptom  bei 
allen  Affectionen,  die  zu  Blasenbildung  disponiren,  finden  dürfte.  In  diesem 
Falle  käme  seinem  Verschwinden  ein  prognostischer  W^erth  au,  da  man 
aus  demselben  auf  eingetretene  Heilung  schliessen  könnte.  Ungleich  er- 
heblicher wäre  aber  seine  Bedeutung,  wenn  es,  wie  Nikolsky  behauptet, 
die  gutartigen  bullösen  Affectionen  von  den  bösartigen  (Pemphygus)  schon 
in  den  Anfangsstadien  zu  trennen  gestatten  würde. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Trastour.  Sur  un  cas  de  dermatite  de 
Duhring  avec  pigmentation  et  lichönification  cons^cutives 
de  la  peau.  Soc.  de  derm.  etc.  8.  November. 

Bei  der  73jährigen  Kranken  trat  die  Dermatitis  herpetiformis  vor 
13  Jahren  zum  ersten  Male  auf.  Nach  SOmonatlicher  Dauer  IQjährige 
Remission,  seit  3  Jahren  fast  ununterbrochene  Attaquen,  die  durch  das 
heftige  Jucken  und  dadurch  bedingte  Kratzen  zu  Pigmentation  und 
Lichenification  der  Haut  führten.  Bei  der  Dnhring^schen  Erkrankung 
wird  man  mit  der  Prognose  vorsichtig  sein  müssen,  da  selbst  nach 
lOjährigem  Stillstand  neue  schwere  Ausbrüche  auftreten  können.  Differen- 
tialdiagnostisch kommt  der  Liehen  Wilson  bullosum  in  Betracht. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Danios.  Erytheme  polymorphe  ou  Maladi  de  Duhring. 
Soc.  de  derm.  etc.  5.  Jouillet  1900. 

Bei  der  12jährigen  Patientin  vor  4  Wochen  Blasenbildung  unter 
leichtem  Unwohlsein  im  Gesicht  beginnend  und  von  da  in  täglichen 
Nachschüben  über  den  ganzen  Körper  sich  verbreitend.  14  Tage  später 
Auftreten  von  erythematösen  Ringen  und  Kreisen,  die  polycykliscbe 
Figuren  beschreiben  und  nirgends  cyanotisoh  erscheinen.  Respectirt 
erscheint  bloss  die  Kopfhaut;  die  Mundschleimhaut  ist  befallen.  Während 


der  Hautkrankheiten.  435 

des   Spitalsaufenthaltes    an    einem  Tage    allein    eine    Eraption    yon    an 
100  Blasen. 

Handelt  es  sich  um  ein  polymorphes  Erythem  oder  eine  Dermatitis 
herpetiformis  ?  Gegen  erstere  Diagnose  spricht  die  mangelnde  Localisation 
(Dorsum  dor  Hände,  Unterarme,  Fasse),  das  Fehlen  einer  bläulichen  Ver- 
färbung der  Efiflorescenzen  und  von  Gelenkschmerzen ;  für  letztere  eine 
geringe  Eosinophilie.  Schmerzen,  Pruritus  und  Herpetiformität  sind  aller* 
diugs  nicht  vorhanden. 

Der  weitere  Verlauf  wird  zeigen,  ob  es  sich  um  die  Duhring'sche 
Erkrankung  handelt.  Als  polymorphes  Erythem  betrachtet  wurde  die 
Affection  eine  besondere  Form  desselben  darstellen. 

Richard  Fi  sc  hei  (Bad  Hall). 

Jullien.  Dermite  bulleuse  herpetiforme  probable.  Soc. 
de  derm.  etc.  7.  Juin. 

Das  16jährige  Mädchen  leidet  seit  3'/s  Monaten,  14  Tage  nach 
ihrer  Ankunft  in  Paris  an  einer  an  den  Händen  baginnenlen,  mit  lästigem 
Jucken  einhergehenden  Eruption  von  phlyctenoiden  Bläschen,  die  kleinen 
Borken  Platz  machen.  Derzeit  sind  das  Gesicht,  die  Ereuzbeiagegend, 
die  oberen,  in  geringerem  Masse  die  unteren  Extremitäten   betheiligt. 

Darier  hält  die  Affection  für  eine  Dermatitis  herpetiformis 
Duhring;  zur  Sicherung  der  Diagnose  wäre  eine  Blut-  und  Blaseninbalt- 
Untersuchung  auf  Eosinophilie  nothwendig.  Dieselbe  wurde  den  nächsten 
Tag  vorgenommen  —  negativ.  Richard  Fisch el  (Bad  Hall). 

Aadry,  Gh.  (de  Toulouse).  Sur  les  form  es  ciroonsorites 
de  la  dermatite  herpetiforme  du  type  de  Duhring.  Soc.  de 
derm.  etc.  28.  Avril  1900. 

Es  gibt  Fälle  von  Dermatitis  herpetif.  Duhring,  die  sich  während 
eines  unbestimmten  Zeitraumes  auf  gewisse  Regionen  des  Körpers  loca- 
lisiren.  Es  sind  dies  die  von  Brocq  beschriebenen  Varietäten.  Durand 
hat  aus  der  Au dry 'sehen  Klinik  einen  solchen  Fall  beschrieben  (Journal 
de  maladies  cutanees,  1878,  pag.  529). 

Audry  berichtet  nun  über  einen  weiteren  Casus.  Bei  der  jetzt 
26jährigen  Nähterin  aus  „nervöser*'  Familie  traten  im  21.  Lebensjahre 
Erscheinungen  der  Dermatitis  herpet.  an  der  vorderen  Fläche  des  rechten 
Unterarms  und  der  Hand  auf.  Vier  .Jahre  später  an  derselben  Stelle 
unter  heftigem  Jucken  Blasenbildung,  von  da  ab  ohne  Unterbrechung 
kleine  Nachschübe.  Auch  die  linke  Hand  und  der  linke  Vorderarm  wurden 
befallen.  Gegenwärtig  sind  die  Vorderarme  und  die  Dorsalfläche  der 
Hände  und  Fmger  erkrankt.  Nach  Einwicklung  der  kranken  Partien  und 
Arsen  innerlich  Heilung  der  Efflorescenzen.  Das  Jucken  persistirte 
noch  nach  einem  Monat.  Die  Haut  nahm  ein  papalöses,  bläulich-rothes 
Aussehen  an.  Die  Harnuntersuchung  ergibt  keine  Abweichung  vom  Nor- 
malen. Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Balzer  et  Alquier,  L.  Dermatite  bulleuse  cong6nital 
ä  oystes  öpidermiques.  Soc.  de  derm.  eto  7.  Juin  1900. 

Bei   dem  jetzt   19jährigen  Kranken   zeigt   sich   das   bereits    unter 

28* 


436  Bericht  über  die  LeiBtungen  aaf  dem  Gebiete 

mannigfachen  Namen  beschriebene  Krankheitsbild:  pemphigas  saccessir 
k  cystes  öpidermiques  (Brocq),  dermatose  buUease  höreditaire  et  tran- 
matique  (Hallopeau)  etc.  An  den  Streckseiten  der  oberen  und  unteren 
Extremitäten,  an  dem  äusseren  Druck  unterworfenen  Punkten  sieht  man 
oberfl,  Narben  und  Epidermiscysten.  Es  besteht  die  Möglichkeit,  Blasen* 
bildung  durch  einen  stärkeren  äusseren  Reiz  hervorzurufen.  Differential- 
diagnostisch kommt  die  congenitale  Entwicklung  der  Affection  in  Betracht. 
In  der  Familie  keine  ähnlichen  Erkrankungen,  doch  ist  Patient  von 
Mutterseite  neuropatbisch  belastet,  Epileptiker.  —  Ohoe  für  irgend  eine 
Theorie  einzutreten  (Angioneurose  nach  Hallopeau),  ist  es  schwer, 
den  neuropathischen  Zustand  des  Kranken  mit  der  Entstehung  des  Leidens 
nicht  in  Zupammenbang  zu  bringen.  —  Mit  dem  Alter  schwächt  sich  die 
Intensität  der  Erscheinungen  ab. 

Hallopeau.  Sein  unter  dem  Namen  forme  dystrophique  de 
la  dermatose  bulleuse  etc.  beschriebenes  Krankheitsbild  unterscheidet 
sich  durch  bestimmte  Symptome  von  dem  von  Goldscheider  und 
Valentin  beschriebenen:  Sein  Vorkommen  bei  nervösen  Individuen,  die 
der  Blasenbildung  vorangehende  Hyperämie. 

Richard  Fisch el  (Bad  Hall). 

Balzer,  F.  et  Gauchery,  P.  Dermatite  polimorphe  6ry- 
themateuse  et  bulleuse  ohronique  localis6e  k  pousseea 
suücessives   Soc.  de  derm.  1.  F^vrier  1900 

Die  62jährige  Patientin,  welche  Du  Castel  bereits  der  Gesellschaf t 
vorgestellt  hat  (Annales  de  derm.  Avril  1896),  leidet  schon  seit  dem 
20.  Lebensjahre  an  der  bullösen  Affection,  welche  mit  einigen  Unter- 
brechungen und  Abschwächungen  bis  zum  gegenwärtigen  Zeitpunkte  an- 
dauert. Bemerkenswerth  an  dem  Krankheitsbilde  ist  die  lange  Dauer  der 
Erkrankung,  das  Zusammenfallen  der  bullösen  Eruptionen  mit  der  Men- 
struation, die  Beständigkeit  von  erythematösen  Herden  am  Rücken,  an 
der  Stirn  und  am  linken  Unterschenkel  und  auch  in  den  Intervallen 
zwischen  den  Menstruationen,  die  bloss  auf  die  Erythempartien  sich  be- 
schränkende Entwicklung  der  Blasen,  der  befriedigende  allgemeine  Er- 
nährungszustand. —  £k)sinophilie  wurde  nicht  oonstatirt  (Bei  Derma- 
titis herpetiformis  Duhring  positiv.)  Theer  (Olei  codini  8*0,  Vaselini  80*0) 
hatte  einen  günstigen  Effect. 

Handelt  es  sich  um  einen  besonderen  Krankheitstypus  oder  am 
eine  Varietät  der  Duhring'schen  Erkrankung?  üeber  diese  Frage  sowie 
die  Dauer  des  therapeutischen  Erfolges  wagen  die  Autoren  sich  nicht 
auszusprechen.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Ward,  H.,  Arthur.  On  the  Treatment  of  Blisters.  British 
Medical  Journal,  8.  September  1900. 

Verfasser  empfiehlt  bei  durch  Schuhdruok  entstandenen  Blasen  die 
Blasendecke  mit  einer  Scheere  glatt  abzutragen,  die  freigelegte  Fläche 
abzutrockuen  und  mehrmals  mit  Salicylcollodium  einzupinseln,  dann  mit 
einem  entsprechenden  Stück  Leinen  zu  bedecken  uud  dieses  wiederum 
mit  CoUodium  einzupinseln.  Die  erodirte  Stelle  heilt  darunter  ab.    Nach 


der  Hautkrankheiten.  437 

circa  2  Tagen,  wenn  die  Bedeckung  abfallt,  Wiederholung  des  Verfahrens, 
besonders  bei  grösseren  Blasen.  Entzündete  Stellen  können  erst  nach 
Ablauf  der  Entzündung  so  behaodelt  werden.  R.  Böhm  (Prag). 

Danlos  et  Hudelo.  Pemphigus  vögetant.    Soc.  de  derm.  etc. 
8.  November  1900. 

Beginn  der  Afifection  bei  dem  30jährigen  Manne  im  März  1901  mit 
Bildung  kleiner  Blasen  an  der  Zungen-  und  Mundschleimhaut  und  einer 
grossen  Blase  über  der  Incisura  iugularis  stemi,  angeblich  nach  dem 
Genuas  schlechten  Wassers.  Bei  seinem  Eintritt  ins  Spital  (Augast)  breite, 
papillomatös  Yegetirenden  Syphiliden  ähnliche  Plaques  an  Brust  und 
Rücken,  circuläre,  den  Plaques  scheinbar  vorhergehende,  von  weisslichen 
oder  grauen  Borken  bedeckte  Herde  mit  röthlich  gefärbter  Umgebung, 
die  wieder  eine  periphere  Zone  umgrenzt,  ia  der  die  Epidermis  abge- 
hoben ist.  Dann  kleine,  kreisförmige  Elemente  mit  tiefer  Infiltration, 
theilweise  vernarbt,  ekchymotische  oder  pigmentirte  Flecken  zurücklassend. 
(Am  Arm,  Oberschenkeln,  Hinterbacken  und  den  Schulterblättern.) 
Yeritable  Papillome  symmetrisch  an  den  Achseln,  in  der  Analgegend, 
Scrotum,  Nabel,  in  den  Leistenbeugen,  •  besonders  1.  Erosionen  an  den 
Lippen,  1.  Wangenscbleimhaut,  Nase,  Augenlidern.  Der  Blutbefund  ergibt 
Eosinophilie.  Unter  stetigem  Aufschiessen  neuer  Blasen,  auf  deren  Grund 
sich  Vegetationen  bilden,  die  nur  durch  Umschlage  von  Wasserstoff- 
superoxyd günstig  beeinflusst  werden,  kommt  es  Anfang  October  zum 
Auftreten  uustillbarer  Diarrhöen ;  während  dieser  Zeit  Abflachung  der 
Papillom.  Wucherungen.  Zunehmen  der  Kachexie,  Tod.  Aus  der  weit- 
ausgesponnenen Discussion  sei  der  histologische  Befund  Gastous,  den 
er  an  zwei  excidirten  Hautstückchen  erhob,  hervorgehoben:  Subpapilläre 
Infiltration  mit  Oedem,  Erweiterung  der  Blut-  und  Lymphgefässe,  und 
in  den  Papillen  oft  zu  Haufen  angeordnete  eosinophile  Zellen.  In  der 
Epidermis  (im  Beg^inn  der  Afiection)  Bildung  von  Abscessen  sowohl  knapp 
unter  der  Hornschicht  als  auch  im  Stratum  Malpighii,  die  miteinander  in 
Oommunication  treten  können.  Die  Zellen  des  letzteren  können  durch 
Schwellung  ein  epitheloides  Aussehen  bekommen  und  durch  ihre  Grup- 
pirung  förmlich  ein  Epitheliom  vortäuschen.  In  den  Vegetationen  ähnliehe 
pustulöse  Bildungen  der  Epidermis,  die  aber  in  intensiver  Hyperkerati- 
nisation  befindlichen  Zellen  eingeschachtelt  sind.  Das  Stratum  granulosum 
und  oomeum  sind  sehr  verdickt.  Richard  Fi  sc  hei  (Bad  Hall). 

Perrin,  Leon.   Dermite  veg^tante  en  placards  chez  des 
nourrissons  sdborrh^iques.   Annales  de  derm.  etc.,  1900. 

Im  Anschluss  au  einen  von  Hallopeau  beschriebenen  Fall  eines 
seborrhoischen  Ekzems,  das  er  als  „pustuleuse,  veg^tante  et  depilante** 
bezeichnete,  werden  drei  Fälle  von  „dermite  v^g6tante  en  placards**  mit 
getheilt,  die  bei  Säuglingen  zur  Beobachtung  kamen.  Es  treten  bei  den- 
selben scharf  begrenzte,  dunkelrothe,  S'^IO  Mm.  über  das  Niveau  der 
gesunden  Haut  erhabene  Plaques  von  20  Gentimes-  bis  Zweifrankstück- 
grosse  und  darüber  auf.  Sie  kommen  durch  Vereinigung  von  bis  linsen- 
grossen  papulo-pustulösen  Elementen  zu  Stande.   An  circa  14  Tage  alten 


438  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Herden  Bind  die  centralen  Papeln  von  Borken  bedeckt,  den  peripheren 
sitzen  an  ihrer  Spitze  kleine  Pusteln  auf.  Localisation :  Stirn,  Wange, 
Kinn,  an  den  oberen  Extremitäten  die  Streekseite,  seltener  die  Beuge- 
seite der  Handgelenke,  und  die  äussere  Fläche  der  Ober-  und  Unter- 
schenkel. Die  Innenfläche  ist  niemals  befallen.  Das  Alter  der  Kinder  war 
2  Vi,  4Vs  und  7  Monate.  Die  Zahl  der  Plaques  beträgt  circa  10. 

Die  Patienten  waren  kräftige  und  gut  gediehene  Brustkinder, 
wiesen  aber  alle  eine  seborrhoische  Fettschichte  an  der  Kopfhaut  auf,  nur 
eines  zeigte  seb.  £kzem  an  Stirn  und  Wange.  Syphilis  und  Bromexanthem 
konnten  ausgeschlossen  werden.  Wird  die  Affection  nicht  behandelt,  so 
bilden  sich  neue  Herde,  die  alten  vergrössem  sich  durch  excentrisches 
Wachsthum.  Die  Therapie  bringt  rasche  Heilung.  Sie  besteht  in  Um- 
schlägen mit  gekochtem  Wasser  und  Waschungen  mit  Wasserstofisuper- 
oxyd  bis  zum  Abfall  der  Borken,  dann  ein  Magnesiacarbonat  und  Wis- 
muthnitrat-Zink  -Po  der. 

Die  Seltenheit  der  Affection  scheint  der  Annahme  eines  Zusammen* 
banges  mit  Seborrhoe  nicht  günstig  zu  sein.  Die  bakteriologische  Unter- 
suchung (I).  Engelhard t)  ergab  spärliche  Staphyloooccen  (aureus  und 
albus)  und  einen  kleinen  Bacillus  und  kleinen  Goccus,  beide  gramm- 
beständig, welch  letztere  eine  genaue  Beschreibung  erfahren. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Fr^d^ric,  Jacob.  Zur  Ekzem  frage.  Aus  der  dermatologischen 
Universitätsklinik  in  Bern.  Münchener  medicinische  Wochenschrift,  1901, 
Nr.  88. 

Frederic  konnte  bei  seinen  Culturversuchen  mit  frischen  Ekzem - 
bläschen  meist  keine  Coccen  züchten;  auch  hat  er  nur  ein  einziges  Mal 
einen  dem  „Morococcus^  ähnlichen  Coocus  gefunden ;  von  Coccen  kam 
am  häufigsten  vor  Staphylococcus  pyogenes  aureus,  seltener  albus  und 
cereus.  Nach  Streptococcen  wurde  mit  der  etwas  modificirten  Methode 
Sabouraud^s  gefahndet:  So  wurden  dieselben  in  68'77o  der  Fälle  bei 
den  verschiedensten  Hautkrankheiten  und  17mal  in  27  daraufhin  unter- 
suchten Ekzemen  gefunden.  Dieses  häufige  Vorkommen  von  Staphylo- 
und  Streptococcen  bei  ^banalen**  Hautaffectionen  mache  es  schwer  zu 
bestimmen,  ob  und  inwieweit  letztere  von  ersteren  bedingt  oder  beein- 
flusst  sind.  Aber  auch  auf  normaler  Haut  wurde  in  7'57o  ^^^  Fälle  der 
Streptococcus  gefunden  —  meist  Streptococcus  longus.  Bei  geeigneteren 
Untersuchungsmethoden  dürfte  sich  wohl  noch  mehr  fiaden  lassen. 

Zum  Vergleiche  mit  den  Ekzemen  wurden  nun  auch  experimen- 
telle Dermatitiden  bakteriologisch  untersucht.  Die  Resultate,  welche  aus 
Versuchen  mit  Crotonöl,  Theer,  Jodoform^  Sublimat,  Jodtinctur,  f^rro- 
zellus,  Quecksilber,  Resorcin  gewonnen  wurden,  zeichneten  sich  durch 
Verschiedenheit  aus.  Während  einige  Antiseptica  immer  oder  haupt- 
sächlich sterile  Pusteln  hervorriefen  (Quecksilber  und  Resorcin),  waren 
andere  wenigstens  anfänglich  steril  und  wurden  später  erst  inficirt  (Su- 
blimat, Jodoform,  Jodtinctur) ;  wieder  andere,  wie  Pyrogallol  und  Groton- 
öldermatitiden  waren  bald  steril,  bald  nicht.   Es  verhielten  sich  also  die 


der  Hautkrankheiten«  489 

arteficielleo  Dermatitiden  im  Ganzen  ebenso  wie  die  banalen  Ekzeme: 
im  Princip  gibt  es  sterile  Efflorescenzen ;  auch  hier  sind  speciell  8ta- 
phylococcen  ausserordentlich  häufig  und  zahlreich«  Wean  auch  zweifellos 
manchmal  die  Secundärinfection  ein  Ekzem  verschlechtern  kann,  so  geht 
doch  aus  verschiedenen  Beobachtungen  hervor,  dass  die  Bedeutung  der 
Infection  für  die  klinische  Betrachtung  i.  A.  sehr  gering  ist,  sei  es  dass 
es  sich  um  ein  Ekzem  oder  um  eine  experimentelle  Dermatitis  handelt. 
Solche  Beobachtungen  sind:  Entstehung  von  Pustelo  ohne  Infec- 
tion, vollkommen  gleicher  Verlauf  bei  inficirten  und  nichtinficirten  Der- 
matitiden, Entstehung  von  keimfreien  Bläschen  auf  dem  inficirten  Boden 
alter  Ekzeme.  Man  müsse  mit  Jadassohn  annehmen,  dass  man  wohl 
die  Invasion  der  Hautparasiten  in  die  sterilen  Ekzembläsohen  als  gege- 
bene Thatsache  hinnehmen  müsse,  dass  mau  aber  bezüglich  der  Folgen 
dieser  Invasion  nur  sagen  könne,  dass  dieselben  abhängig  sind  von  der 
Virulenz  der  Mikroben,  von  der  localen  und  allgemeinen  Prädisposition 
des  Patienten,  und  von  der  Natur  des  ursprünglichen  Krankheitsprocesses, 
und  je  nachdem  kurzdauernde  oder  chronische  Affectionen,  leichte  oder 
schwere  bis  impetiginöse  Reizungen  hervorrufen  können. 

Endlich  verglich  der  Verfasser  die  histologischen  Bilder  von  Ekzem 
und  Dermatitis.  (Crotonöl-,  Canthariden-,  Jodoformdermatitis.)  Es  zeigte 
sich,  dass  die  letzteren  sich  zwar  alle  von  den  einfachen  Ekzemen  unter- 
scheiden, dass  diese  Unterschiede  aber,  abgesehen  von  der  ausgespro- 
chenen Pustulosis  der  Crotonöldermatitis,  meist  mehr  in  quantitativen 
Differenzen  bestehen.  Unterschiede  bestehen  eigentlich  nur  in  dem 
grösseren  Leukocyten-  und  Fibringehalt  der  Bläschen  bei  Jodoformdermatitis. 

Fr^därio  will  auf  Grund  des  Dargestellten  arteficielle  Derma- 
titiden und  Ekzeme  nicht  identifioiren.  Aber  andererseits  reichen  auch 
nnsere  Kenntnisse  nicht  dazu  aus,  um  einen  wesentlichen  Unterschied 
zwischen  beiden  zu  construiren.  Man  wird  daher  vorläufig  jeden  Ekzem- 
fall nach  den  beiden  Richtungen  hin  untersuchen  müssen,  welche  in  der 
Aetiologie  dieser  häufigsten  Hautkrankheit  die  wesentlichste  Rolle  spielen : 
einerseits  auf  alle  möglichen  inneren  Zustände,  welche  die  oft  gewiss 
nur  zeitliche  Disposition  schaffen,  andererseits  auf  alle  äusseren  Ursachen, 
welche  bei  bestehender  Disposition  ein  Ekzem  bedingen  können. 

von  Notthafft  (München). 

Gastou,  Paul.  Les  infections  microbiennes  et  les  reac- 
tions  fonctionelles  des  töguments  dans  l'ötiologie  de 
l'eozema  et  des  dermatoses.    Soc.  de  dermat.  etc.  6.  Jouillet  1900. 

Aus  den  Schlusssätzen  der  Arbeit,  die  wesentlich  dem  Ekzembegriff 
gewidmet  ist,  sei  der  letzte  als  wichtigster  hervorgehuben :  Das  Studium 
der  Dermatosen  fuhrt  zur  Ansicht,  dass  das  Ekzem  bloss  ein  Name,  bloss 
ein  dermatologischer  Typus  sei;  es  ist  der  Ausdruck  einer  Ernährungs- 
störung der  Papillarschichte  parasitärer  oder  toxischer  Natur,  durch 
äussere  oder  durch  organische  auf  dem  Blutweg  zugeführte  Ursachen 
bedingt.  Sie  charakterisirt  sich  durch  die  klinischen  und  anatomischen 
Zeichen   der   Ekzematisation:    epidermo-dermite    catarrhale    (Besnier) 


440  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Licbenification    (Brocq),   herdförmige    (FoUicolitiden)     oder    iofiltrirta 
Pyodermitiden  (Erythrodermien).  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Boekhardt,  M.  Untersnohnngen  über  die  parasitäre 
Natur  des  Ekzems  und  das  Staphylotoxineksem.  Monatshefte 
f.  prakt.  Dermatologie,  Band  XXXIII. 

Boekhardt  sieht  aus  seinen  Versuchen  folgende  Schlüsse:  Das 
Ekzem  ist  eine  durch  Staphylococcen  hervorgerufene  infectiöse  Entzündung 
der  Oberhaut.  Es  entsteht  und  entwickelt  sich  auf  folgende  Weise:  Die 
gesunden  Hautfollikel  eines  pradisponirten  Individuum  können  lebende 
aber  unthätige  Staphylococcen  enthalten.  Diese  Staphylococcen  können 
durch  irgend  eine  ausserhalb  oder  innerhalb  des  Körpers  liegende  Ur- 
sache, die  den  Nährboden  der  Coecen  im  Follikel  verbessert,  sa  Yer« 
mehrter  Lebens thätigkeit  gebracht  werden.  Eine  Folge  des  nun  lebhaf- 
teren Stoffwechsels  der  Coecen  ist  die  Excretion  von  Staphylotozin, 
welches,  wenn  es  in  die  Epidermis  diffundirt,  vermöge  seiner  serotak- 
tischen  Wirkung  Papeln  und  Bläschen  in  der  Oberhant  erzeugt.  Die 
Papel  oder  das  Bläschen  über  dem  Follikel  enthält  dann  Serum  und 
Staphylococcen ;  die  Eff lorescenzen  der  Nachbarschaft  des  Follikels  klares 
Serum  und  zunächst  keine  Staphylococcen.  Nach  einiger  Zeit  vermehren 
sich  die  Staphylococcen  in  dem  Bläschen  an  der  Follikelmündung.  Dann 
wandern  auch  Leukocyten  in  dasselbe  ein;  später  können  diese  Coecen 
auf  dem  Wege  der  Saftspalten  in  der  ödematösen  Epidermis  auch  die 
sterilen  Bläschen  der  Nachbarschaft  secundär  inficiren.  In  dem  serösen 
Inhalt  dieser  Bläschen  treten  dann  ebenfalls  Leukocyten  auf.  Ob  die 
BlSschen  im  späteren  Verlauf  pustalös  werden  oder  ihren  leukoseröten 
Inhalt  bewahren,  hängt  vom  Plasmingehalt  der  Staphylococcen  ab.  Die 
erÖfiheten  Bläschen  und  die  nässende  Ekzemfläche  und  ihre  Umgebung 
können  durch  Staphylococcen  von  hohem  Staphyloplasmingehalt  inficirt 
werden.  Dann  entstehen  die  Complicationen,  Impetigo  staphylogenes  und 
Furunkel.  Wird  das  Ekzem  chronisch,  so  entstehen  unter  Anderem  Gewebs- 
veränderungen im  Corium  und  im  subcutanen  Bindegewebe,  die  nicht 
direct  durch  die  Staphylococcen  bedingt  sind. 

Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Bender,  Boekhardt  und  Gerlaeh.  Experimentelle  Unter- 
suchungen über  die  Aetiologie  des  Ekzems.  Monatshefte  für 
prakt.  Dermatologie,  Band  XXXIII. 

Die  Autoreu  trachteten  durch  ihre  Versuche  einen  Beitrag  zu 
liefern  zur  Kenntniss  der  Beziehungen  zwischen  den  gelben  und  weissen 
Eitercoccen  und  dem  Ekzem.  Sie  unternahmen  Impfungen  an  sich  selbst 
mit  Reinculturen  dieser  Coecen  und  mit  deren  Culturfil traten.  Die  Cul- 
turen  stammten  aus  Furunkeln  und  Impetigobläschen.  Die  Wirkung  der 
Staphylococcen  selbst  muss  von  der  ihres  Toxins  getrennt  werden  Sie 
fanden,  dass  die  ersteren  (isolirte  virulente  Staphylococcenleiber)  auf  der 
irritirten  Haut  Impetigo  staphylogenes  erzeugen,  aber  kein  Ekzem.  Die 
Filtrate  alter  Bouilloncultnren  erzeugen  auf  der  irritirten  oder  nicht 
irritirten,    desinficirten     oder    nicht    desinficirten     menschlichen    Haut 


der  HaatkrankheiteiL  441 

typisches,  acutes,  papalöses  oder  vesiculöses  Ekzem,  wenn  sie  in  Form 
feuchtwarmer  Verbände  20—  48  b  auf  die  Haut  einwirken.  Das  prim&re 
junge  Ekxembläschen  solcher  Impfekzeme  ist  steril.  Aeltere  serös- eitrige 
Bläschen  können  den  Staphylococcus  pyogenes  aureus  oder  albus  in 
Beincnltur  enthalten.  Diese  Ekzeme  sind  in  Bezug  auf  ihre  Symptome 
und  ihren  Verlauf  ganz  gleich  den  durch  chemisch  reizende  Agentien 
z.  B.  Terpentinöl  entstandenen  arteficiellen  Ekzemen.  Bei  Gegenwart 
ihres  Toxins  machen  die  Staphylococcen  nicht  Impetigo,  sondern  nur 
Ekzem.  Dies  erklären  die  Autoren  dadurch,  dass  die  Stapbylocoooenleiber 
leukotaktisch,  Eiterung  erzeugend,  wirken,  das  Toxin  aber  negativ 
chemotaktisch  wirkt,  die  Lenkocyten  zerstört  und  bei  der  Impfung 
stärker  wirkt.  Dadurch  wird  die  Wirkung  der  Staphylococcen  paralysirt 
und  Ekzem  erzeugt.  Die  Coucen  auf  normaler  oder  ekzemkranker  Haut 
sind  sehr  wenig  giftig,  daher  verwendeten  die  Autoren  zu  ihren  Versuchen 
Eitercoceen  der  erwähnten  Provenienz.  Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Martyn,  Gilbert,  K.  Bath.  The  Treatment  of  gouty  Ek- 
zema. British  Medical  Journal.  13.  October  1900. 

Verfasser  bespricht  eine  Art  des  Ekzemn,  das  im  Gefolge  von  Influ- 
enza bei  mit  Gicht  behafteten  Individuen  auftrat.  Die  Ursachen  des  Ekzems 
seien  dieselben,  welche  die  Gicht  herbeifahren. 

Prophylaktisch  empfiehlt  Verfasser  vor  allem  Wollunterkleidung, 
Um  die  Haut  gegen  die  Wittemngseinflüsse  zu  schützen.  Femer  ist  der 
Aufenthalt  an  der  See  zu  meiden,  Diät,  auf  alle  Fälle  Enthaltung  von 
Alkohol,  weiters  von  saurem  Obst. 

Medikamente  innerlich :  Täglicher  Gebrauch  von  Karlsbader  Wasser 
oder  Aesculapquelle. 

Aeusserlich:  Bleisalben,  bei  starker  Entzündung  und  starkem  Nässen, 
später  Puder. 

Bei  trockenem  Ekzem:  Theer  mit  Lanolin,  Bäder.  Diese  letzteren 
vornehmlich  bei  starkem  Juckreiz,  femer  bei  Trockenheit  der  Haut  und 
schuppenden  Ekzemen.  Dagegen  bei  starker  Entzündung  und  Nässen 
die  Bäder  zu  vermeiden.  Badewassertemperatur  87^  Nach  dem  Bad 
gründliches  Abtrocknen.  Als  Zusatz  zum  Badewasser  gibt  Verfasser  eine 
Schwefel  enthaltende  Lösung,  die  durch  Kochen  von  Schwefel  mit 
gelöschtem  Kalk  hergestellt  wird.  R.  Böhm  (Prag). 

Audry.  Leeions  des  ongles  au  cours  d'une  seborrhoide 
eczömatisante.    Journ.  des  malad,  outanees  et  syphilit.,  1901,  p.  178. 

Entgegen  seiner  bisherigen  Behauptung,  dass  bei  seborrhoischem 
Ekzem  nie  die  Nägel  befallen  seien,  publicirt  Audry  einen  Fall,  bei 
dem  im  Verlaufe  eines  derartigen  Ekzems  auch  einige  Fingernägel  ekze- 
matöse Veränderungen  zeigten,  die  sich  übrigens  nicht  wesentlich  von 
den  bei  Psoriasis  beobachteten  Nagelveränderungen  unterschieden. 

Paul  Neisser  (Beutheu,  0.  S. 

Balzer  et  Alquler.  Eczema  seborrheique  de  la  face  et 
du  cuir  chevelu.  Soc.  de  denn.  5.  Jonillet  1900. 

Vorstellung  der  Moulage  eines  seb.  Ekzems  bei  einem  40jährigen 


442  Bericht  über  die  Leittongen  auf  dem  Gebiete 

Manne,  das  sich  in  iwei  Herden  an  den  Kasenwangenfurchen  ^OxdGtm. 
Ausdehnong)  reprfisentirte.  Die  Oberfläche  der  Plaques  ist  von  einer 
weisslichen  oder  br&anlichen  seb.  Kruste  bedeckt,  unter  welcher  eine 
rothe,  leicht  nässende,  „ölige**,  an  einigen  Stellen  eiternde  Fläche  ca 
Tage  tritt.  Der  Haarboden,  Bart  und  Schnurrbart  zeigen  ähnliche  Ver- 
änderungen. Schwefelpasta  (1  :  10)  brachte  in  Kurzem  wesentliche  Besse- 
rung hervor.  Doch  nur  eine  fortgesetzte  Behandlung  kann  ein  Recidiy 
verhüten.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Da  Castel.  Suppurations  multiples  de  la  peau  chez 
une  malade  s6borrheiqne  atteinte  d'eczema  dit  s6borr- 
höiqne.  Soc.  de  derm.  etc.  7.  Juin  1900. 

Bei  der  Kranken,  die  ein  seborrhoisches  Aussehen  darbietet,  zeigen 
sich  seit  6  Jahren  ekzematiforme  Veränderungen,  derzeit  in  der  (Im- 
gebung  der  Ohren,  am  Halse,  am  behaarten  Kopfe,  Reste  früherer  Exa- 
cerbationen in  der  Sternal-,  Abdominal-  und  Interscapulargegend. 

Interessant  ist  bei  der  Patientin  die  Tendenz  zu  Eiterungen,  kl. 
Absoesschen  in  der'  Azilla,  keloirfacneartigen  FoUiculitiden  der  grossen 
Schamlippen.  Taubeneigrosser  ebenfalls  keloid  acneähnlicher  Tumor  am 
Nacken.  Ob  es  sich  um  ein  und  dasselbe  pathogene  Agens  oder  um  eine 
Mischinfection  handelt,  lässt  Du  C  as  t  e  1  unentschieden,  jedenfalls  aber  han- 
delt es  sich  um  eine  Infection  von  aussen.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Danlos.  Eczema  artificiel  provoquö  par  le  honblon« 
Soo.  de  derm.  1.  Mars  1900. 

Das  67jährige  Weib  trat  mit  typischem,  vesiculösem  EKzem  des 
Gesichtes  und  der  Handrücken  (daselbst  Gruppen  von  Bläschen,  snbepi- 
dermoidal  zusammenfliessend)  in  Behandlung.  Die  Affection  soll  bei  ihr 
schon  zum  zweiten  Mal  aufgetreten  sein,  das  erste  Mal  vor  5  Jahren 
und  durch  den  Blüthenstanb  des  Hopfens  während  der  Arbeit  in  Hopfen- 
pflanzungen verursacht  sein.  5  Frauen  seien  bei  derselben  Arbeit  in 
gleicher  Weise  erkrankt. 

Eine  ähnliche  Beobachtung  hat  Danlos  in  der  Literatur  nicht 
gefunden.  Er  acceptirt  die  von  der  Frau  gegebene  Erklärung  als  Ent- 
stehungsursache des  Ekzems  mit  Rücksicht  auf  den  scharfen,  harzartigen 
Charakter  des  Hopfenblüthenstaubs.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Buri.  Ein  Fall  von  chronischer  Primeldermatitis. 
Monatshefte  f&r  praktische  Dermatologie.  Band  XXXUI. 

Die  Kranke  Buri 's  litt  durch  über  1  Jahr  mit  4monatlicher  Un- 
terbrechung an  recidivirenden,  unter  hohem  Fieber  plötzlich  auftretenden 
hefdgen  Dermatitiden  im  Gesicht,  am  Hals,  am  Handrücken,  Rücken- 
und  Seitenflächen  der  Finger,  welche  der  Behandlung  trotzten  und  nach 
Rückgrang  der  Erscheinungen  sich  in  steten  Schüben  wiederholten.  Ab 
Ursache  dieser  Erkrankung  vermnthet  Buri  die  Beschäftignng  der  Pati- 
entin mit  Primula  obconica;  gestützt  wird  er  in  dieser  Vermnthnng 
dadurch,  dass  das  obenerwähnte  4mon8tliche  Freibleiben  der  Patientin 
von  der  Hautkrankheit  zusammenfiel  mit  ihrer  Abwesenheit  vom  Hanse) 
die  Erkrankung   mit  dem  Beginn    der  Pflege   der  Primeln    begann   und 


der  Hautkrankheiten.  448 

nach  Entfemanflr  derselben  wenn  anch  sehr  langsam,  indem  die  doch 
noch  auftretenden  Schübe  der  Dermatitis  einen  immer  gelinderen 
Charakter  annahmen,  verschwand.  Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Du  Castel.  Urticaire  et  Hohen  simplex.  Soc.  de  derm.  etc. 
8.  November  1900. 

Bemerkenswerth  ist  bei  dem  24jährigen  Bäcker  das  rapide  Auf- 
treten von  Veränderungen,  die  dem  Liehen  simplex  ehr.,  der  neuroder- 
mite  ohr.  circonscrite  entsprechen,  während  dieselben  gewöhnlich  Monate, 
ja  Jahre  zu  ihrer  Entwicklung  brauchen.  Die  Coincidenz  mit  einer  Urti- 
cariaeruption,  die  gemeinhin  durch  Intoxicationen  vom  Darm  aus  bedingt 
ist,  beweist,  da  auch  hier  Excesfte  in  Bacho  vorausgringen,  den  Zu- 
sammenhang des  Liehen  ehr.  s.  mit  Verdauungsstörungen. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau.  Nouvelle  note  sur  un  cas  de  liehen  plan 
localisö  ä  une  oicatrice.    Soc.  de  derm.  5.  Juillet. 

Der  in  der  vorigen  Sitzung  (7.  Juli)  demonstrirte  Fall  wird  noch 
einmal  vorgestellt,  um  auf  die  opaline  Streifung  der  einzelnen  Lichen- 
papeln  und  auf  den  diagnostischen  Wert  derselben  für  die  Affection 
nachdruckliebst  hinzuweisen.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

HallopeauetLemierre.  Liehen  plan  developpä  exclusive- 
ment  sur  une  cicatrice.    Soc.  de  derm.  etc.  7.  Juiu. 

Bei  der  55jährigen  Patientin  entwickelte  sich  ein  aus  polygonalen, 
glänzenden,  die  charakteristische  opaline  Streifung  erkennen  lassenden 
Papeln  bestehender  Herd  von  Liehen  planus  auf  einer  aus  dem  6.  Jahre 
stammenden  Brandnarbe  auf  der  rechten  Brustseite. 

Diese  Erscheinung  spricht  gegen  die  Theorie,  den  Liehen  auf  das 
Eindringen  eines  infectiösen  Agens  in  die  Oeffnungen  der  Hautdrüsen 
zurückzuführen.  Keine  der  Papeln  zeigt  einen  erweiterten  Drüsenaus- 
führungsgang.  Das  mit  großer  Wahrscheinlichkeit  vorauszusetzende 
infectiöse  Agens  müsste  direot  durch  die  Epithelin terstitien  gedrungen 
sein  und  bloss  das  Narbengewebe  müßte  ihm  schon  als  entsprechender 
Nährboden  gedient  haben.  Richard  Fisohel  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Hennoeque,  Clement.  Sur  un  cas  de  liehen 
de  Wilson  hyperkäratosique  des  extremites  avec  lesions 
buccales  et  melanodermie  arsenicale.  Soc.  de  dermat.  etc. 
3.  Mai  1900. 

Das  Studium  des  Falles  (40jähriger  Mann,  der  Liehen  besteht  seit 
3  Jahren)  ergibt: 

1.  Der  Liehen  (Wilson)  kann  sich  [fast  ausschliesslich  auf  die  Palmar- 
und Plantarregion  localisiren  (in  diesem  Falle  waren  noch  Fussrücken 
and  Dorsnm  der  Hände  befallen).  2.  Mit  den  Predilectionsstellen  der- 
jenigen Partien,  die  an  der  Palma  der  Berührung  des  Arbeitsinstrumentes, 
an  der  Planta  der  des  Bodens  beim  Gehn  unterworfen  sind.  8.  Pruritus 
kann  fast  vollständig  fehlen,  die  Affection  der  Mundschleimhaut  —  dies 
ist  die  Regel  .—  vollständig  schmerzlos  sein.  Diese  Thatsachen  stehen 
im  Gegensatz  zur   nervösen  Theorie,   die   den  Liehen  unter  die  Neuro« 


444  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

dermitiden  sählt.  4.  Die  £fflore8cenzen  sind  genau  am  die  Seh  weist* 
drüsenaasführnngsgänge  gmppirt.  Wenn,  wie  wahrscheinlich,  der  Liehen 
parasitärer  Natur  ist,  so  ist  in  ihnen  das  pathogene  Agens  zu  suchen,  sei 
es  dass  es  von  aussen  in  dieselben  eindringt,  sei  es  dass  es  durch  die 
SchweisssecretioQ  ausgeschieden  wird.  6.  Auch  die  Vertheilung  der 
Lichenknötchen  spricht  zu  Gunsten  der  parasitären  Theorie  (ähnlich  wie 
bei  der  Lues  gyrata.  Gruppirung  kleinerer  sec.  Knötchen  um  ein  älteres 
voluminöseres).  6.  Diese  Form  von  Liehen  bietet  überraschende  Aehnlich- 
keit  mit  der  Porokeratose;  man  könnte  diese  Benennung  auch  auf  sie 
anwenden.  7.  Die  Arsenmedication  scheint  keine  Besserung  bewirkt  zu 
haben.  8.  Die  Arsenmelanämie  hat  die  vom  Liehen  befallenen  Partien 
verschont.  Richard  Fische  1  (Bad  Hall). 

Barbe.  Liehen  plan  typique  avec  placard  oircine.  Soc. 
de  derm.  1.  Mars  1900. 

Barbe  stellt  im  Anschluss  an  den  in  letzter  Sitzung  (1.  F^vrier) 
von  Du  Gastel  demonstrirten  Fall  von  Porokeratose,  der  aber  von 
Hallopeau  uod  ihm  als  Liehen  planus  circinatus  gehalten  wurde,  einen 
Fall  von  letztgenannter  Erkrankung  vor. 

Neben  am  Körper  zerstreuten  typischen  Lichenefflorescenzen  findet 
sich  an  der  Innenfläche  des  rechten  Knies  ein  fünffrankstnckgrosser 
circinärer  Herd,  welcher  aus  einer  central  eingesnnkenen,  rothbraunen, 
eine  verdickte,  leicht  fissurirte,  keine  Papeln  mehr  aufweisenden  Partie 
und  aus  einem  peripheren,  aus  einer  Reihe  rother,  zusammenfliessender, 
abgeflachter,  mit  feinen  ulcerirenden  Schuppen  bedeckten  Papeln  be- 
stehenden Wall  zusammengesetzt  ist.  Dieselben  neigen  zur  oberfläch- 
lichen Fissurirnng.    Die  Haut  in  der  Umgebung  ist  lebhaft  roth,  geschwellt 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  €ompaiiL  Sur  un  cas  de  liehen  Wilson  chez 
an  enfant  de  quinze  mois.  Soc.  de  derm.  et  de  syph.  1900.  1.  Fevrier. 

Bemerkenswerth  ist  an  dem  vorgestellten  Falle  das  Auftreten  des 
Liehen  in  so  frühem  Alter  (Beginn  mit  einem  Jahre.  Kaposi  bat  nur 
in  einem  Fall  die  Affection  bei  einem  Kinde  von  8  Monaten  beobachtet). 
Bemerkenswert  ist  die  aufTallende  Kleinheit  der  Efflorescenzen  besonders 
an  der  Yorderfläche  des  Stammes,  wo  sie  das  Niveau  der  umgebenden 
Haut  nicht  überragen,  die  grosse  Verbreitung  über  Gesicht,  Stamm  und 
Extremitäten  (Mundschleimhaut  frei)  und  die  geringe  Tendenz  der  Liehen* 
papeln  mit  einander  zu  confluiren.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Morel'LaYall^e.  Sur  la  transmissibilite  du  liehen  plan. 
Soc.  de  derm.  1900.  11.  Janvier. 

Den  drei  von  Brocq  mitgetheilten  Fällen  von  gleichzeitigem  Vor- 
kommen von  Liehen  planus  bei  Mann  und  Frau  (2  Fälle),  Mutter  und 
Tochter  (1  Fall)  fügt  Morel^Lavallee  eine  neue  Beobachtung  an.  Vor 
12  Jahren  beim  Manne  eine  Lieben-Eruption,  die  bis  auf  die  noch  jetzt 
bestehende  Affection  am  Penis  und  im  Munde  auf  Arsen  zurückgegangen 
ist.  11  Jahre  nach  dem  Beginn  derselben  beim  Manne  bemerkt  die  Fkan 
eine  leukoplasische   Affection   mit   pergamentartiger  Induration   an  der 


der  Hautkrankheiten.  445 

Zunge,  und  ein  feines  unregelmässigeB  Netz  yon  leukoplasisohen  Herden 
an  der  Wangenscbleimbaut.  Syphilis  kann  mit  Sicherheit  ausgeschlossen 
werden.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Trastour.  Liehen  plan  et  impetigo  con- 
tagiosa.   See.  de  derm.  etc.  8.  November. 

Der  vorgestellte  Fall,  ein  6jähriges  Kind,  beweist,  dass  auf  dem 
Boden  einer  Impetigo  contagiosa  der  Liehen  Wilson  ein  günstiges 
Entwicklungsgebiet  fiodet.  Er  ist  ein  Pendent  zu  dem  in  der  Julisitzung 
demonstrirten,  bei  welchem  ein  Liehen  auf  einer  Narbe  entstand. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hügel,  G.  Mittheilungen  aus  der  dermatologischen 
Klinik  der  Universität  Strassburg.  1.  Ein  Fall  von  Liehen 
obtusus.    Mänchener  medicinische  Wochenschrift  1900,  Nr.  60. 

Eine  jetzt  37jährige  Frau  hatte  mit  34  Jahren  heftig  juckende 
Papeln  auf  Hand-  und  Fussrücken  erhalten.  Als  sie  nach  3  Jahren  zur 
Beobachtung  kam,  waren  auch  die  Beuge-  und  Streckseiten  von  Vorder- 
arm nnd  Unterschenkel  befallen.  Von  dem  Liehen  obtusus,  wie  ihn 
Unna  creirte,  unterschied  sich  dieser  Fall  jedoch  durch  das  Fehlen  der 
centralen  Delle  und  das  Fehlen  der  Betheiligung  des  Schweissporus. 
Mikroskopisch  zeigte  sich  Verdickung  der  Cutis,  Verschmächtigung  oder 
Compression  der  Papillarschicht,  der  Basal-  und  Stachelzellenschicht, 
Hyperkeratose,  Infiltration  längs  der  Blutgefässe  und  Talgdrüsen,  während 
die  Knäueldrüsen  fast  ausgespart  waren.  Die  Einleitung  der  Arsenikcur 
war  unmöglich.  Als  die  Patientin  später  sich  wieder  vorstellte,  waren 
auch  Oberarme  nnd  Oberschenkel  ergriffen. 

2.  Ein  Fall  von  Pityriasis  rubra  pilaris.  Devergie. 
Diese  Krankheit  wurde  bei  einem  über  70  Jahre  alten  Patienten  be- 
obachtet, durch  äussere  Behandlungsmethoden  rasch  (innerhalb  eines 
Monates)  geheilt;  doch  schon  nach  6  Wochen  stellte  sich  das  Recidiv 
ein  und  nach  2  Monaten  war  die  Haut  ärger  befallen  als  vorher.  Da 
der  Patient  einen  doppelseitigen  Beinbruch  sich  zuzog,  so  erlag  er  noch 
während  der  Behandlung  der  sich  entwickelnden  Schwäche  durch  Thrombose 
des  Polmonalis  und  der  Arteria  fossae  Sylvii  mit  consecutivem  cerebralem 
Erweichungsherd.  Das  mikroskopische  Bild  entsprach  dem  von  Besnier 
nnd  Boeck  aufgestellten.  von  Notthafft  (Müncheu). 

Yietowieyski und Kopytowski.  Gontribution  ä  la  clinique 
et  an  lesions  anatomo-pathologiques  de  la  peau  dans  le 
Pityriasis  rubra  de  Hebra.  Journal  des  maladies  cutanees  et 
syphilitiques.  1901,  pag.  533. 

Vietowieyski  und  Kopytowski  berichten  ausfuhrlich  die 
Krankengeschichte  eines  an  Pityriasis  rubra  Hebrae  erkrankten  und  ge- 
storbenen Patienten  und  den  mikroskopischen  Befund  von  in  vivo  und 
post  mortem  excidirten  Hautstücken  desselben.  Neben  dem  allgemein 
bekannten,  im  Original  nachzulesenden  Befunde  constatirteu  sie  überall 
Riesenzellen,  nie  aber  Tnberkelbacillen,  wohl  aber  zahlreiche  Mikro- 
coccen,   die   besonders   in  den  Haarscheidea  und  Schweissdrüsen  sassen. 


446  Bericht  über  dio  LeistimgeD  aaf  dem  Gebiete 

Obgleich  diese  sich  auf  Thiere  nicht  überimpfen  Hessen,  halten  Verf.  sie 
f%kr  die  Erreger  der  Erkrankung.  In  die  Haut  eingedrungen  erregen  sie 
um  die  Haarfollikel  und  die  Schweissdrüsen  herum  circumscripte  Ent- 
zündangsherde,  analog  dem  Bilde  des  entzündlichen  infectiösen  Gfranuloms. 
W&hrend  zuerst  nur  Bindegewebe  und  Gefllsse  befallen  sind,  wird  bald 
auch  das  Epithel  ergriffen  und  dadurch  eine  Atrophie  der  Schweissdrüsen 
und  Haarfollikel  herbeigeführt.  Nachdem  sich  jetzt  noch  die  entzünd- 
lichen Herde  in  fibröses  Oewebe  umgewandelt  haben,  entsteht  das  Bild 
der  Atrophia  fibrosa  cutis  (Atrophie  der  Haut  und  der  Papillen),  das 
letzte  Stadium  des  Processes.  Paul  Neisser  Beuthen  (0.  S.). 

Da  Castel  et  Kalt.  Pityriasis  rubra  pilaire  et  ISsions 
oculaires.    Soc.  de  denn.  etc.  1900.  8.  Döcembre. 

Das  11jährige  Mädchen  leidet  an  einer  sich  anfallsweise  entwickeln- 
den Pityriasis  rubra  pilaris.  Zugleich  mit  dem  Beginn  der  Hauterkrankung 
trat  eine  beiderseitige  Augenaffection  auf,  die  einer  Keratitis  lymphatica 
ähnelt  und  in  oberflächlichen  Ulcerationen  der  Cornea  mit  vaseul&rer 
PannusbilduDg  besteht.  Histologisch  aber  ergibt  sich  eine  excessive 
Proliferation  des  Gomealepithels,  der  die  Entstehung  dos  weissen  Fleckes 
auf  dem  1.  Auge  zuzuschreiben  ist.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Jourdault,  Paul,  ün  cas  de  Pityriasis  rubra  chronique 
grave  (type  Hebra).    Annales  de  derm.  etc.  1900,  pag.  1067. 

Bei  dem  43jährigen  Patienten,  bei  dem  sich  congenitale  Venen-  und 
Lymphektasien  an  Händen,  Rücken  und  Brust  in  Form  von  Strängen  und 
haselnussgrossen  Tumoren  als  Nebenbefund  finden,  trat  das  Leiden  vor 
drei  Jahren  auf.  In  immer  kürzeren  Intervallen  trat  eine  über  den  ganzen 
Körper  verbreitete  Erythrodermie  auf,  mit  feiner  Schuppung  ohne  Nässen 
mit  heftigem  Pruritus  und  Lymphknotenschwellung.  (Jnter  zunehmender 
Cachexie  erfolgte  der  Tod.  Bemerkenswert  war  ein  ziemlich  stark  ans« 
geprägtes  Oedem  der  Haut. 

Differentialdiagnostisch  kommt  die  Lymphodermia  perniciosa 
(Kaposi)  und  die  Mykosis  fungoides  und  das  ihr  vorangehende  Stadium 
!^rytheme  premycosique  in  Betracht.  Auch  die  Endstadien  des  generali- 
sirten  Eczems  und  Psoriasis  kämen  in  dieser  Hinsicht  in  Erwägung. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Beyer,  Albrecht,  Leipzig.  Ueber  atypischePsoriasis.  Wiener 
klinische  Wochenschrift  Nr.  84  und  85.  1901. 

Beyer  theilt  die  sogenannten  atypischen  Psoriasisfalle  in  zwei  grosse 
Hauptgruppen  ein:  a)  Vorkommen  der  Psoriasis  mit  anderen  Hautkrank- 
heiten an  demselben  Individuum  und  b)  das  gleichzeitige  Vorkommen  der 
Psoriasis  und  anderer  Dermatosen  an  derselben  Hautstelle.  Fast 
jede  andere  Hautkrankheit  kann  einen  Psoriatiker  befallen  und  aus  der 
Reihe  der  vielen  in  der  Literatur  erwähnten  Gombinationen  hebt  Beyer 
einen  Fall  aus  der  Klinik  Kaposi  heraus,  der  jahrelang  Psoriasis  plaques 
hatte  und  nebenbei  Lupus  der  Nase,  eine  Sclerose  am  Präputium  und 
Roseola  syph.  aufwies.  Die  Combination  b)  kann  in  zweifacher  Weise 
erfolgen,  erstens  durch  das  Auftreten  einer  neuen  Hautkrankheit  auf  schon 


der  Hautkrankheiten.  447 

bestehenden  Psoriasisplaqaes,  wie  sie  vielfach  vun  Eczemen,  Acne,  Syphilis 
auf  psoriatischen  Plaques  in  der  Literatur  beschrieben  werden  oder 
zweitens  dadurch,  dass  auf  dem  Boden  einer  anderen  Hautkrankheit 
Psoriasis  zu  neuer  Eruption  gelangt,  gleichsam  am  loc.  minor,  resist* 
Hierher  sind  auch  zu  zählen  Auftreten  von  Psoriasis  nach  Impfungen, 
Tätowirungen  und  Erfrierungen.  Diese  Gruppe  umfasst  die  Psoriasisfälle 
mit  atypischer  Form  und  Beschafienheit  der  Plaques  und  zwar  a)  atypisch 
im  Aussehen  der  Bilder,  welche  eine  andere  Dermatose  vortäuschen 
können  (seborrh.  Eczem  Rupia  (M  a  k  e  n  z  i  e),  lupusartige  Psoriasis  Kaposi, 
Psoriasis  verrucosa;  6)  atypisch  bezuglich  der  Anordnung  der  Psoriasis- 
efflorescenzen  kleiucircinäre  Psoriasis  von  Jadassohn,  die  Recidive  mit 
geringer  Yerhomung  und  Schuppung  immer  wieder  an  den  befallenen 
Stellen;  0)  atypische  Localisation  der  Psoriasis,  dazu  gehört  auch  das 
Auftreten  von  Psoriasis  an  den  Schleimhäuten.  Aus  dem  Krankenmaterial 
der  Leipziger  Klinik  beschreibt  nun  Beyer  diesbezügliche  Fälle,  so 
vorerst  3  Fälle,  die  eine  Combination  von  Psoriasis  mit  IchthyosiR  dar- 
stellen, wobei  die  Psoriasisherde  ekzematös  verändert  erscheinen.  Dann 
folgen  2  Fälle  atypischer  Psoriasis  bei  einer  vorausgehenden  Hauter- 
krankung, und  zwar  im  ersten  Falle  eine  auf  den  durch  die  Berufstbätig- 
keit  (Fleischer)  mechanisch  erzeugten  Excoriationen  auftretende  Psoriasis, 
die  sich  über  den  übrigen  Körper  ausbreitet,  während  im  zweiten  Falle 
die  Eruption  einer  Psoriasis  auf  einem  postscabiösen  Eczem  erfolgte. 
Zum  Schlüsse  beschreibt  Beyer  zwei  Fälle  von  Psoriasis,  die  aus  dem 
klinischen  Bilde  durch  entzündlichen  Charakter  und  ekzematöse  Symptome 
in  den  verschiedensten  Entwickelungsstadien  kaum  die  Diagnose  Psoriasis 
ermöglichten,  so  dass  erst  aus  dem  Bestehen  einzelner  Efflorescenzen  von 
Psoriasis  an  Prädilectionsstellen  die  Diagnose  gemacht  werden  konnte, 
2  Fälle,  die  Gharakteristica  eines  Lidien  ruber  planus  besassen  und  einen 
Fall  mit  Localisation  an  den  Beugen  der  Gelenke,  an  den  Contactstellen 
der  Haut  und  an  den  Palmae  manuum.  Victor  Bandler  (Prag). 

Bettmaim.  Auftreten  von  Psoriasis  vulgaris  im  An- 
schluss  an  eineTätowirung.  Aus  der  Heidelberger  dermatologischen 
Klinik.    Münchener  medicinische  Wochenschrift  1991,  Nr.  41. 

Bei  einem  29jährigen  Bäcker,  welcher  noch  nie  Psoriasis  gehabt 
und  aus  keiner  nPsoriasisfamilie''  stammt,  traten  14  Tage  nach  einer 
Tätowirung  auf  der  tätowirten  Stelle  Psonasisplaques  auf,  die  dann  sich 
später  auch  auf  dem  ganzen  übrigen  Körper  als  Psoriasis  guttata  und 
nummularis  zeigten.  Der  tätowirte  Arm  war  besonders  stark  befallen,  die 
ganze  tätowirte  Stelle  in  einen  grossen  Psoriasisherd  umgewandelt.  3  Jahre 
vorher  war  eine  Tätowirung  am  anderen  Arm  ohne  jede  Psoriasiseruption 
begleitet.  Im  Anschluss  an  diesen  Fall  erörtert  Verfasser  die  Aetiologie 
der  Psoriasis.  Dass  bei  allen  Fällen,  in  welchen  die  Psoriasis  auf  eine 
Hautreizung  hin  erfolgt,  der  Reiz  nur  als  agent  provocateur  gewirkt,  und 
die  bis  dahin  gesunden  Personen  sich  im  Eruptionsstadium  der  Psoriasis 
befunden  hatten,  hält  er  für  unwahrscheinlich.  Aber  auch  die  parasit&reTheorie 
ist,  so  verlockend  es  auch  sein  mag,  sie  im  Anschlüsse  an  Fälle  wie  den  obigen 


448  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

zn  diBcutireo,  nicht  genügend  fnndirt.  Aus  dem  Charakter  and  Verlauf 
der  Pfloriasisefflorescenzen  könne  man  nnr  Analogieschlüsse  zum  Verlaufe 
parasitärer  Affectionen  ziehen,  ohne  dadarch  etwas  beweisen  zu  können. 
Die  klinischen  Beobachtungen  yon  Psoriasisübertragnng  sind  zu  selten 
und  stehen  zu  sehr  im  Widerspruch  mit  der  Thatsaohe,  dass  die  Krank- 
heit nicht  von  eioem  Ehegatten  auf  den  anderen  übertragen  wird,  als 
dass  man  der  Annahme  einer  Psoriasisansteckung  anders  als  skeptisch 
gegenüberstehen  dürfe.  Bei  der  Suche  nach  dem  Psoriasiserreger  wurden 
Widersprechendes  und  directe  Kunstprodncte  gefunden;  das  nothwendige 
Postulat,  mittels  Reincultur  eine  Infection  herboizufahren,  ist  noch  nicht 
erfüllt  worden.  Die  Infection  mittels  Psoriasisschuppen  ist  nur  in  einem 
Falle  (Hallopean)  beim  Menschen  gelungen;  auf  eine  einzelne  Be- 
obachtung darf  man  aber  kein  übergrosses  Gewicht  legen. 

von  Notthafft  (München). 

HallopeauetTrastour.  Contribution  äP^tude  des  tronbles 
de  la  pigmentation  chez  les  psoriasiques.  Soc.  de  derm.  etc. 
5.  Jouillet  1900. 

Bei  dem  11jährigen,  seit  dem  ersten  Lebensjahre  an  Psoriasis 
leidenden  Kinde  zeigten  sich  bei  der  gegenwärtigen  Attaque  multiple 
Störungen,  die  Pigmentation  der  Haut  betreffend:  einerseits  pigmentlose 
Flecke,  die  den  PsoriasisefQorescenzen  gefolgt  sind,  andererseits  Makeln, 
die  von  einem  kreisförmigen  eliptischen  Pigmentring  umgeben  sind,  der 
dem  Saum  der  rückgebildeten  Efflorescenz  entspricht,  endlich  an  der 
Peripherie  activer  Plaques  pigmentfreie  Höfe.  Diese  Veränderungen 
werden  vom  Standpunkt  der  Pathologie  zu  erklären  versucht. 

Richard  Fi  sc  hei  (Bad  HaU). 

Audry,  Gh.  (de  Toulouse).  Psoriasis  g^nöralise  aprös  an 
choc  moral.    Soc.  de  dermat.  28.  Avril  1900. 

Patient,  der  früher  nie  an  Psoriasis  gelitten  hat,  entging  mit 
knapper  Noth  einer  Todesgefahr.  Des  Abends  Jucken,  das  sich  am 
nächsten  Tage  verstärkte  und  von  Aasbruch  papulöser  Efflorescenzen  ge- 
folgt war.  Die  Affeotion  wurde  als  über  den  ganzen  Körper  verbreitete 
typische  Psoriasis  diagnosticirt.  Aehnliche  Fälle  sind  von  L  e  1  o  i  r  schon 
beschrieben  worden. 

Besnier  berichtet  über  einen  Fall,  bei  dem  sich  acht  Tage  nach 
einem  Eisenbahnunglück  eine  Psoriasiseruption  entwickelte.  Wenn,  was 
über  jeden  Zweifel  fest  steht,  pathologische  Veränderungen  der  Nerven 
path.  Veränderungen  der  Haut  hervorrufen  können,  so  können  auch  intensive 
functionelle  Störungen  denselben  Effect  haben.  Auch  beim  Herzen  haben 
Gemüthsbewegungen  schwere  Stömogen  zafolge.  Eine  geringere  Wider- 
standsfähigkeit des  Organismus  muss  vorausgesetzt  werden.  Bei  den 
Psoriatikem  äussert  sie  sich  als  nHypernervosität".  Auch  die  bei  den- 
selben beobachteten  Arthropathien  deuten  auf  Alterationen  des  centralen 
Nervensystems. 

Hallopeau  scheint  es  nicht  zweifelhaft,  dass  die  Psoriasis  parasi- 
tären Ursprungs  ist. 


der  Hautkrankheiten.  449 

Barthölemy  berichtet  aber  zwei  ähnliche  Falle  and  glaubt,  dass 
der  Gemuthsaffect  durch  Yer&nderungr  der  Widerstandsfähigkeit,  der  Er- 
nährung und  der  Innervation  den  Ausbruch  der  Psoriasis  begünstigen  kann, 
niemals  aber  die  Ursache  desselben  ist. 

Renault  fordert  dazu  auf,  bei  Psoriasisausbruchen  immer  nach 
einer  arthritischen  Biathese  zu  forschen,  da  die  Erkrankung  eine  diathe- 
tische  und  mit  anderen  Erscheinungen  des  „Arthritisme"  wechselt. 

Leredde  bemerkt,  dass  er  mit  See  immer  Veränderungen  des 
Blutes  gefunden,  häufig  Leukocythose  und  Polynucleose.  Die  Gelenks- 
affeotionen  sind  durch  Alterationen  des  Knochenmarks  bedingt. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Gaston,  Paul.  Le  prurigo  gestationis.  Soc.  de  derm.  et  de 
syphiligr.  1900.  1.  Fövrier. 

Der  Prurigo  gestationis  kann  dem  Herpes  gestationis,  der  in  die 
Classe  der  Duhring'srhen  Erkrankung  (Dermatitis  herpetiformis 
Duhring)  gehört,  gegenübergestellt  werden.  Die  gemeinsamen  Merk- 
male :  Auftreten  während  oder  im  Beginne  der  Schwangerschaft,  Pruritus, 
das  Recidiviren  bei  jeder  Gravidität,  das  plötzliche  Verschwinden  nach 
der  Geburt,  die  sonstige  Gesundheit  und  die  Veränderungen  des  Harns. 
Sie  unterscheiden  sich  durch  den  Sitz,  die  Entwicklung  der  Eruption, 
durch  die  Haut-  und  Blntveräuderungen. 

Der  Prurigo  gest.  beginnt  gewöhnlich  plötzlich  ohne  vorangehende 
Störungen  im  3.  oder  4.  Monate  der  Schwangerschaft  (selten  während 
der  ersten),  mit  einem  continuirlichen  in  der  Wärme  und  Nachts  ver- 
stärkten Jucken  an  der  Streckseite  der  oberen  und  unteren  Extremitäten. 
Die  Papeln  ähneln  denen  des  Prurigo  simplex  sehr,  werden  bald  aufge- 
kratzt und  bedecken  sich  mit  einer  Borke.  Ekzemati sation  und  Licheni- 
sation  können  sich  im  weiteren  Verlaufe  dazu  gesellen,  Narbenbildung 
mit  oder  ohne  Pigmentation  sind  die  Folgen  der  mechanischen  Ver- 
letzungen (Eratzen). 

Histologisch  findet  sich  Erweiterung  derPapiliargefasse,  perivasculäre 
Infiltration,  Oedem  der  Papillen,  colloide  Degeneration  der  Epidermis- 
Zeilen.  Aetiologisch  kommt  eine  Autointoxication  oder  Autoinfection  vom 
Genitaltract  häufig  in  Betracht.  (Metritis,  Aborte,  Mastitis,  Furunculose  etc.) 
Die  autotoxische  Theorie  erfährt  durch  den  Blut-  und  Harnbefund  eine 
Stütze.  Das  Mengenverbältniss  der  einzelnen  Leukocytenarten  zu  einan- 
der ist  gestört,  das  Urinquantum  und  die  Menge  der  fixen  Harnbestand- 
theile  sind  vermindert  (Chloride  Phosphate,  Harnstoff.)  Auf  die  be- 
stehende und  auf  die  folgenden  Schwangerschaften  hat  der  Prurigo  g. 
keinen  Einfluss,  wohl  aber  scheint  beim  Kinde  sich  eine  Disposition  zu 
Prurigo  und  zu  gewissen  Dermatosen  des  Kindesalters  geltend  zu  machen» 

Die  Prognose  bezüglich  der  Recidiven  ist  ungünstig.  Man  wird  die 
ev.  bestehende  Genitalaffection  nach  der  Entbindung  zu  behandeln  haben» 
Bettruhe  und  die  gewöhnlichen  gegen  Pruritus  angewendeten  Mittel  ge- 
währen Erleichterung. 

Areh.  f.  Dermat.  a.  Syph.  Bd.  LXIII.  29 


450  ßericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Bartbelemy  berichtet  über  einen  sehr  hartnäckigen  Fall,  in  dem 
Carbolsäure  nnd  Leberthran  keine  Verringerung  der  Beschwerden  brachten, 
erst  nach  heissen  Oelbädern  stellte  sich  Besserung  ein.  Heilung  erst 
6  Wochen  nach  der  Entbindung.  Von  der  3.  bis  7.  Schwangerschaft 
inclusive  immer  neue  Attaquen.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Trastour.  Sur  une  dermatose  de  nature 
indeterminee  (mycosis,  arsenicisme  ou  acanthosis  nigri- 
cans).   Soc.  de  denn.  etc.  5.  Jouillet  1900. 

Die  eine  sichere  Diagnose  nicht  zulassende  Erkrankung  begann  im 
Jahre  1897  bei  der  letzt  56jäbrigen  Patientin  mit  dem  Auftreten  von  serpi- 
ginösen  ulcerösen  Neoplasien  an  der  1.  Hinterbacke  nnd  der  hinteren 
Fläche  des  1.  Oberschenkels,  welche  unter  dem  Einfluss  einer  Arsenik- 
pasta mit  Zurücklassung  von  Narben  heilten.  Ausserdem  zeigt  die  Kranke 
noch  die  Sjrmptome  einer  allgemeinen  Pseudoichtyose :  Alopecie,  Ver- 
dickung der  Haut,  doppelseitiges  Ektropium,  multiple  Drnsenschwellungen, 
palmare  und  plantare  Hyperkeratose.  Die  Diagnose  schwankt  swischen 
Arsenicismus,  Mykosis  und  Acanthosis.  Gegen  erstere  spricht  das  doppel- 
seitige Ektropium  und  der  Beginn  mit  Bildung  ulceröser  Tumoren,  welche 
die  von  Barette  angefertigte  Moulage  festhält  Gegen  Mykosis  die 
Entwicklung  der  Allgemeinerscheinungen  im  Anschluß  an  die  Tumoren, 
eine  Umkehr  der  gewöhnlichen  Folge  der  EIrscheinungen.  Die  wenig 
ausgesprochenen  Drüsenschwellungen,  das  Fehlen  des  Pruritus  sprechen 
nicht  zu  Gunsten  der  Diagnose.  Ebenso  passen  die  Pseudoichtyose,  die 
hier  im  Symptomencomplex  dominirt,  und  die  Pigmentation  der  Haut 
nicfit  zum  Bilde  der  Mykose.  Dagegen  lassen  sich  die  Pigmentationen, 
die  vorspringenden  Vegetationen,  die  Alopecie  und  die  plantare  und 
palmare  Keratose  in  den  Rahmen  der  Diagnose  „ Acanthosis'  einfügen. 
Die  chronischen  Diarrhoen,  die  den  caohektischen  Zustand  der  Kranken 
herbeiführen,  sind  vielleicht  durch  Tumorbildungen  im  Darm  bedingt, 
von  derselben  Natur,  wie  die  im  Beginn  der  Erkrankung  aufgetretenen. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau.  Deuxieme  note  sur  une  maladie  de  nature 
indeterminee  (dermatose  pustuleuse  et  pigmentaire  v6ge- 
tante).    Soc.  de  derm.  1.  Mars  19(X). 

Im  Verlauf  der  Erkrankung  (siehe  oben)  kam  es  zum  weiteren  Er- 
grauen  der  Haare  (selbst  der  Lanugohärchen),  zu  neuen  pustulösen  Nach- 
schüben, so  unterhalb  der  etwas  abgeflachten,  hahnenkammartigen  Efflores- 
cenzen  der  Regio  inguino  cruralis,  der  Wangen,  des  Bartes  und  des  Kiuns, 
zu  ödematöaen  Schwellungen  des  Präputiums  und  der  Lippen  auf  urticarieller 
Grundlage.  Die  Lymphdrüsen  der  Leistenbeuge  und  der  Achselhöhle 
sind  geschwellt.  Der  allgemeine  und  persistirende  Pruritus,  die  Vege- 
tationen der  Inguinalgegend  und  die  multiplen  Lymphdrüsenschwellungen 
sprechen  zu  Gunsten  der  Diagnose:  Mykosis.  Jedoch  das  vollständig 
negative  Ergebniss  der  histologischen  Untersuchung  eines  exoidirten 
Hautstückchens,  das  Ergrauen  der  Haare  ohne  Ausfall  derselben,  die 
Dystrophien  der  Nägel,    die  an  Pytiriasis  rubra   erinnernde  Affection  de« 


der  Hautkrankheiten.  451 

Fassrückens,  das  ständige  Auftreten  von  Pusteln  und  urticariellen  Herden 
zwingen  Hallopeau  einen  neuen  Krankheitstypus  aufzustellen  und  für 
ihn  mangels  näherer  Kenntnisse  über  seine  Natur  den  Namen:  „derma- 
tose  pustuleuse  et  pigmentaire  vegötante"  vorzuschlagen. 

Besnier  und  Brocq  halten  dafür,  dass  es  sich  um  eine  Tropbo- 
neurose  handle  (ersterer  glaubt  den  Amputationsstumpf  des  Armes  als 
Ausgangspunkt  für  die  nervöse  Affection  ansehen  zu  können)  und  fahren 
die  Pustelbildung  auf  das  durch  das  Jucken  verursachte  Kratzen  zurück. 
Auch  die  Nageldystrophie  ist  noch,  wie  Besnier  ausfahrt,  durch  eine 
StaphiiococceDinfection  complicirt.  Richard  Fi  sc  hei  (Bad  Hall). 

Du  Castel.  Dermatite  pustuleuse  generalisee  avec 
«rthropathies  d'origine  infectieuse.  Soc.  d.  d.  etc.  5.  Jouillet  1900. 

Der  40jährigey  dem  Alkoholgenass  ergebene  Kranke  wurde  ioner* 
halb  Jahresfrist  zweimal  von  einer  diffusen  Suppuration  der  Haut  be- 
fallen, bestehend  aus  kleinen,  circa  linsengrossen  und  grösseren  circa 
fünfzigceiitimesgrossen  Pusteln,  theils  isolirt,  theils  zusammenfliessend. 
Die  Generalisation  hat  sich  in  einigen  Tagen  vollzogen  und  war  von 
Fieber  und  Schüttelfrösten  begleitet.  Die  infectiösen  Arthritiden  (an 
einzelnen  Interphalangealgelenken  und  Metatarsophalangealgelenken  der 
Hand,  beziehungsweise  des  Fusses),  die  rasche  Ausbreitung  der  Eruption 
sprechen  für  eine  AUgemeininfection  auf  dem  Wege  der  Blutbahn,  wie- 
vfohl  es  unmöglich  ist,  den  Ausgangspunkt  der  Infection  mit  Sicherheit 
zu  bestimmen.  Ob  ein  primärer  Herd  am  Unterschenkel,  von  welchem 
aus  die  Generalisation  auf  die  oberen  und  unteren  Extremitäten  und  das 
Gesicht,  im  geringerem  Grade  auf  den  Stamm  erfolgte,  die  Ursache  sei, 
bleibt  ungewiss.  Der  Ausfall  der  Nägel,  der  im  Vorjahr  eingetreten 
war,  scheint  sich  auch  heuer  wieder  vorzubreiten  (durch  Perionychie  bedingt). 

Es  scheint  sich  um  eine  Pyodermitis  aus  inneren  Ursachen  zu 
handeln,  da  diese  allein  die  infectiösen  Arthritiden  erklären  können. 

Leredde,  Hallopeau,  Barth^lemy,  Sabouraud  halten  die 
Affection  für  eine  Psoriasis  mit  oberflächlicher  Suppuration.  Aehnliche 
Fälle  hat  Hallopeau  schon  beschrieben. 

Richard  F  i  s  c  h  e  1  (Bad  Hall). 

Besnier  et  Gasten.  Dermatose  inominee  (cas  pour  le 
diagnostic).    Soc.  de  derm.  etc.  1900. 

Beginn  des  Leidens  bei  dem  seit  30  Jahren  in  Aegypten  sich  auf- 
haltenden Patientin  vor  10  Jahren  mit  Bildung  von  bläulichen  Flecken 
nnd  Varicen,  die  sich  nach  Anlegung  eines  Krampfaderstrumpfes  am 
r.  Unterschenkel  auch  auf  den  Oberschenkel  ausbreiteten.  Dazu  kam 
Oedem  des  Unterschenkels,  stellenweise  knotige  Verdickung  der  Haut, 
oder  bloss  der  Epidermis  mit  Exfoliation  fettiger  Schuppen.  Seit  drei 
Jahren  ähnliche  Veränderungen  am  1.  Unterschenkel  und  Affection  am 
1.  Mittelfinger,  seit  zwei  Jahren  Schmerzen. 

Gegenwärtig  constatirt  man  ein  hartes,  elephantiastisches,  sclero- 
'dermatisches  Oedem  des  1.  Unterschenkels  von  violetter  Farbe  mit  linsen- 
4)18  zweipfennigstückgrossen  Herden  von  „Liehen  comd  hypertrophique'* 

29* 


452  Bericht  über  die  Leistangen  aaf  dem  Gebiete 

Ein  hyperkeratotiscber  Process  mit  Abschilferung  von  Hom-Lamellen  tat 
der  Innenfläche  des  Unterschenkels.  Um  die  Nägel  papilläre  Vegetationen« 
Annulären  Syphiliden  oder  annulären  Liehen  ähnliche  Effiorescenzen  an 
de^  unteren  Partie  desselben.  Der  Mittelfinger  hypertrophisch,  in  Benge- 
stellnng  immobilisirt,  livid  verfärbt,  jedoch  ohne  die  übrigen  Veränderungen 
des  Unterschenkels. 

£s  vereinigen  sich  also  in  diesem  Falle  die  objeotiven  Zeichen  von 
Elephantiasis,  Purpura  und  Lieben. 

Barbe  stellt  die  Diagnose:    Sarkom  (Typus  Kaposi). 

Darier  bestreitet  letztere  und  glaubt,  dass  die  Analyse  der  Er- 
scheinungen dazu  fuhrt,  an  einen  Liehen  hyperker.,  der  sich  auf  elephan- 
tiastischer  Grundlage  entwickelt  hat,  und  eine  besondere  Form  ange- 
nommen hat,  zn  denken.  Golloide  Degeneration  der  Gefasse,  vrie  sie  bei 
altem  Liehen  schon  beschrieben  wurde,  kann  zu  Extravasaten  and 
Pigment ationen  Anlass  geben. 

Hallopean  hält  die  Affection  für  einen  vegetirenden  hypertr. 
Liehen  planus. 

Brocq  kann  sich  zu  einer  Diagnose  nicht  entschliessen,  und  möchte 
den  Fall  in  Erkenntniss  der  Unzulänglichkeit  desselben  als  „Problem" 
betrachtet  sehen.  Die  Affection  des  1.  Mittelfingers  kann  mit  der  eben 
angezogenen  Hypothese  Dariers,  den  Fall  als  Liehen  zu  betrachten, 
nicht  in  EinkUng  gebracht  werden;  bei  Sarcomatose  müssten  mehrere 
Finger  beftfllen  sein. 

Besnier  hofft  von  der  histologischen  Untersuchung  einen  Aufschluss. 

Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Du  CasteL  Keratose  palmaire  et  plantaire.  Soo.  de 
derm.  etc.  1900. 

Beginn  der  Affection  bei  dem  jetzt  üy^hhvigen  Kinde  mit  Blasen- 
bildung an  Vula  und  Planta.  6  Monate  nachher  trat  die  Keratose  aaf, 
die  sich  als  ziemlich  gleichroässig  repräsentirt.  Die  Verdickung  der  Hom- 
flchichte  ist  sehr  ausgesprochen.  Die  Begrenzung  auf  Handflächen  und 
Sohlen  sehr  scharf  mit  einer  1  Gm.  breiten  erythem.  Randzone.  Besnier 
hält  den  Fall  für  interessant,  weil  er  nur  das  einzige  Individuum  der 
Familie  betrifft.    Keine  Heredität.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Lemierre.  Nouvelles  etudes  sur  T^rythro- 
dermie  premycosique.    Soc.  de  derm.  etc.  7.  Juin  1900. 

Der  von  Besnier  und  Hallopeau  1892  beschriebene  klinische 
Typus  der  „erythrodermie  premycosique"  ist  von  Wolter's  in  seiner 
Bedeutung  als  Vorstadium  der  Mykosis  fungoide^  bestritten  worden.  Ein 
Theil  der  früher  beschriebenen  Fälle  ist  nun  wirklich  in  das  Stadinm  der 
mykotischen  Tumorbildung  getreten,  bei  einem  anderen  entwickelten  sich 
knotige  Infiltrationsherde,  deren  histologische  Untersuchung  (Leredde 
und  Wickham)  die  Structur  der  mykotischen  Neoplasien  aufwies.  Der 
vorgestellte  Kranke  soll  den  Anschauungen  Hallopeau's  zur  Stütze 
dienen.  Er  bietet  das  ausgesprochene  Bild  der  E.  premycosique;  Ver- 
breitung der  Affection  fast  über  die  ganze  Körperoberfläche,  Fehlen  einer 


der  Hautkrankheiten.  453 

Desquamation,  Heftigkeit  des  Praritus,  multiple  Adenopathien.  Man 
könnte  noch  an  Liehen  (Wilson)  denken.  Die  klinischen  Charaktere 
einiger  Papeln,  die  punktförmige  Depressionen  aufweisen,  sprechen  za 
Ounsten  dieser  Anschauung.  Dagegen  spricht,  dass  die  acute  generalisirte 
Form  des  Liehen  nicht  so  lange  persistirt,  nicht  mit  so  beträchtlichen 
Lymphdrusenschwelluugen  einhergeht;  der  Pruritus  würde  durch  warme 
Douchen  eine  Besserung  erfahren  haben.  Die  histologische  Untersuchung 
•ergibt  zwar  kein  entscheidendes  Resultat,  spricht  aber  zu  Gunsten  der 
in  Frage  stehenden  Diagnose.  Die  coUagenen  Oewebsbündel  sind  in  den 
Papillen  und  stellenweise  auch  im  subpapillären  Gewebe  durch  Oedem 
Auseinandergedrängt,  das  Gewebe  scheint  reticulirt.  Die  Gegenwart  von 
Plasma«,  Mast-  und  eosinophilen  Zellen  weisen  auf  Mykose  hin.  Ob  der 
kranke  tumorartige  Bildungen  bekommen  wird,  lässt  sich-  nicht  voraus- 
sagen; er  kann  früher  dem  Leiden  unterliegen,  wenn  man  bedenkt,  wie 
spät  oft  selbst  in  wohl  charakterisirten  Fällen  das  neoplastische  Stadium 
-eintritt.  Richard  F  i  s  c  h  e  1  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Lemierre.  Sur  un  nouveau  cas  d'erythro- 
dermie  pr^mycosique.    800.  de  derm.  etc.  5.  Jouillet  1900. 

Die  fast  über  den  ganzen  Körper  yerbreitete  Erytbrodermie,  die 
starke  Ausprägung  der  Felderung  und  der  normalen  Falten  der  Haut, 
-das  glänzende  Aussehen  der  polygonalen  Erhebungen,  die  excoriirten 
Papeln,  die  beträchtliche  Verdickung  der  Haut,  die  Alopecien,  der  heftige, 
allen  Behandlungsmethoden  strotzende  Pruritus,  die  multiplen,  mächtigen 
Lymphknotenschwellungen  charakterisiren  die  Affection  bei  dem  45jährigen 
Patienten  als  „£rythrodermie  pr^mycosique''.  Vom  normalen  Bilde  ab- 
weichend sind  die  durch  das  Eratzen  hervorgerufenen  Borken ;  sie  gleichen 
nicht  den  schwärzlichen  bei  Icterus,  Krätze  und  Pruritus  senilis  beobachteten, 
sondern  sind  von  bräunlicher  Farbe.  Sie  decken  kleine  Ulcerationen, 
von   denen   die   punktförmigen  Narben   an   den  Extremitäten  herrühren. 

Per  analogiam  mit  früher  vorgestellten  Fällen  kann  man  auch  in 
diesem  die  Entwicklung  einer  Mykosis  fungoides  erwarten.  Das  Resultat 
-der  Biopsie  und  der  Blutuntersuchung  wird  nächstens  mitgetheilt  werden. 

Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 


Bildungsanomalien. 

Dockrell,  M.  Hyaline  Degeneration  of  the  Skin.  British 
Medical  Journal,  Nov.  17,  1900. 

Ein  20jahriges  Mädchen  zeigte  unter  den  Augenlidern  eine  Menge 
von  wachsartig  durchscheinenden  Tumoren.  Bei  der  mikroskopischen 
Untersuchung  fand  sich  eine  bisher  noch  nicht  bekannte  Art  von  hyaliner 
Degeneration  des  Bindegewebes  der  Haut.  R.  Böhm  (Prag). 


454  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Schmidt,  L.  £.  Report  of  a  Gase  of  Epidermolysis 
Bullosa  Hereditaria.  Joarn.  Amer.  Med.  Assoc.  XXXVII.  566. 
Aug.  81.  1901. 

Bei  S  c  h  m  i  d  t^s  Patienten,  einem  9  jährigen  Knaben,  begannen  in 
der  2.  Lebenswoohe  Blasen  auf  den  Handrücken,  später  auf  den  Füssen  und 
den  Unterschenkeln  aufzutreten,  die  den  gewöhnlichen  Charakter  zeigten. 
Zuweilen  wurde  unter  Schwellung  und  Schmerzbaftigkeit  der  benach- 
barten Haut  der  Blaseninhalt  trüb,  in  letzter  Zeit  auch  blutig  gefErbt^ 
gelegentlich  traten  Anschwellungen  der  entsprechenden  Lymphdrüsen 
auf.  Einige  Male  traten  rothe,  juckende,  später  schuppende  Stellen  über 
den  untern  Rückenwirbeln  auf,  sowie  kleine  Bläschen  mit  hämorrhagi- 
schem Inhalt  auf  der  Zunge  und  Mundschleimhaut.  Die  Blasen  an  Hän- 
den und  Füssen  stellten  sich  auch  ein  bei  Schutz  derselben  unter  Watte- 
verbanden. Die  Nägel  der  Finger  und  Zehen  wurden  von  Anfang  an  in 
Mitleidenschaft  gezogen.  Hautreize  wie  Senfpflaster  rufen  auf  den  Pre- 
dilectionsstellen  keine  Röthe  oder  Blasenbildung  hervor,  wohl  aber  auf 
anderen  Eörperstellen.  Einspritzungen  normaler  Salzlösnngen  uoter  die 
Haut  der  afßcirten  Partien  war  von  Bildung  von  Blasen  begleitet,  welche 
sich  nicht  von  den  spontanen  unterschieden.  Die  histologischen  Befunde 
stimmten  mit  denen  Elliot's  überein.  Auffällig  gering  (unter  2%)  war 
die  Zahl  der  eosinophilen  Zellen  in  dem  Blaseninhalt. 

H.  G.  Klotz  (New-York). 

Balzer,  F.  et  Alquier.  Malformation  familiale  dea 
or ei  lies.    Soc.  de  derm.  etc.  6.  Jouillet  1900. 

Bei  dem  8jährigen  Kinde  fanden  sich  als  zufalliger  Befund  beide 
Ohrmuscheln  atrophirt,  die  Ohrläppchen  sehr  entwickelt.  Die  Ohren 
transversal  abstehend,  fast  henkelartig  am  Schädel  aufsitzend.  Die  Mutter, 
desgl.  2  Schwestern  und  ein  Bruder  von  ihr  zeigten  dieselbe  Missbildung, 
ebenso  deren  Grossmutter,  Mutter  und  Tante.  Die  Mutter  war  zweimal 
verheiratet.  Jeder  Ehe  entsprangen  je  3  Kinder,  von  denen  je  2  dieselbe 
Affection  darboten.  Ob  es  sich  um  eine  parasyph.  Dystrophie  im  ersten 
befallenen  Gliede  mit  Vererbung  auf  einzelne  Individuen  der  Genera- 
tionsfolge handelt,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Die  Malformation  der 
Ohren  scheint  nicht  das  einzige  hereditäre  Degenerationszeichen  zu  sein» 
da  auch  nervöse  Zustände  in  der  Familie  zu  verzeichnen  sind.  Schliess- 
lich könnten  ausser  der  Lues  auch  noch  andere  Infectionskrankheiten 
für  die  Aetiologie  in  Frage  kommen. 

Barth^lemy  macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  hereditäre 
Syphilis  häufiger  als  man  glaubt  monosymptomatisch  auftritt 

Richard  F  i  s  c  h  e  1  (Bad  Hall). 

Italln§kl,  W.  Ein  Fall  von  Atrophia  cutis  idiopathica 
acquisita.    Med.  Obosr.  Februar  1901. 

Der  Fall  betrifft  eine  Frau  von  48  Jahren,  die  seit  2  Jahrzehnten 
an  der  Affection  leidet,  am  meisten  befallen  sind  die  rechte  Hand  und 
beide  Füsse,  letztere  erst  seit  1  Jahre.  Patientin  klagte  über  leichten 
Juckreiz;    an   den  Füssen  war  feine  Absohilferung   zu  bemerken.    Der 


der  Hautkrankheiten.  455 

Fall  entspricht  dem  von  Meschtscherski  aufgestellten  II.  Typus. 
Eine  tymmetriBche  Anordnung  wird  in  diesem  Falle  von  Italinski 
vermisst,  ebenso  auch  jedes  nachweisbar  ätiologische  Moment. 

S.  Prissmann  (Libau). 

Audry  et  Dalous.  Sur  une  atrophie  hereditaire  et  con- 
genitale du  tögument  palmaire.  (Brachydermie  palmaire  conge- 
nitale.)   Soc.  de  derm.  etc.  7.  Juin  1901. 

Nach  genauer  Beschreibung  der  die  Mutter  und  Tochter  betreffen* 
den  Affection  und  Erwägung  der  differential-diagnostisch  zwischen  ihr 
und  der  Dupuytren'schen  Contractur  in  Betracht  kommenden  Punkte 
kommen  Au.  und  D.  zum  Schlüsse,  dass  es  eine  Atrophie,  eine  Brachy* 
dermia  palmaris  gibt,  welche  symmetrisch,  congenital  und  hereditär  auf- 
tritt. Sie  ist  eine  Missbildung,  keine  Erkrankung  und  wohl  von  der  Re- 
traction  der  Palmaraponeurose  zu  unterscheiden.  Die  Affection  macht 
keine  Beschwerden,  ist  stabil  und  durch  die  Abwesenheit  oder  den  Still- 
stand der  Entwicklung  des  Zell-  und   Fettgewebes  der  Subcutis  bedingt. 

Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Meschtscherski,  G.  üeber  Atrophia  cutis  idiopathica 
progressiva  acquisita.    Med.  Obosr.  Februar  1901. 

An  der  Hand  eines  eigenen  und  24  einschlägiger  Fälle  aus  der 
Literatur,  die  alle  in  der  Arbeit  ziemlich  eingehend  besprochen  werden, 
sucht  Meschtscherski  ein  klinisches  Bild  dieser  seltenen  Dermatose 
zu  entwerfen.  Nach  Verfassers  Auffassung  gibt  es  zwei  Formen  der 
idiopathischen  Hautatrophie:  die  erste,  häufigere  Form  nennt  Mesch- 
tscherski Atrophie  I.  Typus  oder  erythematöse  idiopathische  Hautatro- 
phie, die  zweite,  viel  seltenere  Atrophie  II.  Typus  oder  infiltrirte  idio- 
pathische Hautatrophie.  Die  von  Neumann  und  Pospelow  zuerst 
genannten  Hauptsymptome  erkennt  Autor  als  die  zuverlässigsten  und 
wichtigsten  an.  Subjective  Symptome  fehlen  vollkommen,  mitunter  soll 
in  schweren  Fällen  ein  leichter  Juckreiz  sich  bemerkbar  machen.  In  den 
chronischen  Formen  bleibt  das  Allgemeinbefinden  bis  auf  leichte  nervöse 
S3nmptome  intact,  in  den  mehr  acuten  Fällen  gesellen  sich  allgemeine 
Schwäche,  Lymphdrüsenschwellungen,  Fieber  etc.  hinzu.  Meist  werden 
zunächst  die  Extremitäten  befallen;  die  Anfangs  isolirt  stehenden,  mehr 
symmetrisch  angeordneten  Herde  confluiren  bald,  so  dass  mitunter  der 
ganze  Körper  afficirt  ist  Der  Verlauf  ist  ein  äusserst  chronischer  — 
10 — 30  Jahre,  in  den  exquisit  acuten  Fällen  (Dermatitis  atrophicans 
Kaposi)  kann  in  einigen  Monaten  der  ganze  Körper  befallen  sein.  Kein 
Lebensalter  wird  von  dieser  Krankheit  verschont,  die  Mehrzahl  fällt  in 
das  8.,  4.  und  5.  Lebensjahrzehnt.  Frauen  sind  mit  687o>  Männer  mit 
32^/0  betheiligt.  Als  ätiologisches  Moment  wird  auch  von  Mesch- 
tscherski die  Erkältung  in  erster  Reihe  genannt,  Infection  und  Trauma 
sind  auch  nicht  ganz  von  der  Hand  zu  weisen.  Anatomisch  handelt  es 
sich  um  einen  chronisch  entzündlichen  Process  im  Gorium  mit  Ausgang 
in   Atrophie.    Verfasser  hält    die  idiopathische  Hautatrophie  (mit  Neu- 


456  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

mann  und  Pospelow)   für   eine  Angio-Tropho-Neurose.  Theiapentisch 
kommen  eventuell  Nervina,  Massage  und  Elektricitat  in  Frage. 

8.  Prissmann  (Liban). 
Krzystalowiez,  F.    Ein  Beitrag  zur  Histologie  der  idio- 
pathischen   diffusen   Hautatrophie.    Monatsh.  f.  prakt.  Derm. 

Bd.  xxxm. 

Die  Haut  des  Kranken,  deren  Zustand  Krzystalowicz  ausfuhr- 
lieh  schildert,  Hess  schon  makroskopisch  verschiedene  Entwicklungsstadien 
der  Krankheit  erkennen.  Neben  infiltrirten  Stellen,  deren  Haut  sich  kaum  in 
einer  Falte  abheben  Hess  und  deren  Oberfläche  wie  mit  CoUodiom  Aberzogen 
aussieht,  sieht  man  Pigmentflecken  mit  gerunzelter,  hie  und  da  desqua- 
mirender  Epidermis,  endlich  ganz  pigmentlose  Stellen,  deren  Haut  atro- 
phisch, deren  Epidermis  verdünnt  ist  und  fein  abschuppt.  Diesen  ver- 
schiedenen klinischen  Bildern  entsprachen  auch  verschiedene  histologische: 
I.  Stadium:  Reichliche  Infiltration  um  die  Gefasse  und  Drusen,  femer 
spärlicher  zwischen  den  GoUagenbündeln ;  die  grösste  Anhäufung  von 
Zellen  in  den  tieferen  Schichten,  sogar  ohne  jeden  Zusammenhang  mit 
den  GefösBwänden.  Die  Infiltrate  bestehen  grösstentheis  aus  grossen 
Plasmazellen.  Die  Gollagenbündel  sind  geschlängelt,  dünn,  wie  gebro- 
chen, ihre  Zwischenräume  kürzer  und  zahlreicher.  Schon  im  Anfangs- 
stadium fehlt  die  Papillarschicht  ganz.  Die  elastischen  Fasern  fehlen  in 
den  Infiltraten,  sonst  scheinen  sie  etwas  vermehrt,  wahrscheinlich  in 
Folge  der  Verschmälerung  der  Collagen bündel,  wodurch  sie  näher  an- 
einander zu  liegen  kommen.  Stratum  corneum  etwas  breiter  als  die 
übrige  Epidermis,  Strat  granul.  ist  einreihig,  Strat.  spinös,  entbehrt  der 
Stacheln,  seine  Zellen  horizontal  verlängert,  die  unteren  Zellen  randlich 
In  den  oberen  Hautschichten  sind  die  Blutgefässe  erweitert,  manchmal 
ihre  Wände  verdickt.  Andere  Gefasse  der  mittleren  Schichte  sind  un- 
mittelbar an  der  Adventitia  vom  Infiltrate  umgeben,  wodurch  ihr  Lumen 
verengt  wird  und  ihre  geschwollenen  Endothelien  gegen  das  Lumen  vor- 
ragen. Durch  Hineinwachsen  des  Infiltrates  in  das  Lumen  wird  das 
Lumen  theilweise  oder  ganz  verlegt.  Concentrisch  angeordnete  Zell- 
haufen in  den  tieferen  Schichten  entsprechen  dem  Querschnitt  solcher 
obliterirter  Gefasse.  II.  Stadium  (der  Atrophie  und  Pigmentation): 
Infiltration  gering ;  die  Atrophie  des  Collagen  und  der  elastischen  Fasern 
weiter  vorgeschritten;  auch  die  Drüsen  und  Follikel  hochgradig  atro- 
phisch. An  der  Epidermis  zeigt  die  Hornschicht  wellenförmigen  Verlauf, 
wodurch  die  darunter  liegende  Schichte  eine  Art  Papillen  bildet.  Die 
den  Herden  benachbarte  Haut  ist  pigmentreicher.  III.  Stadium  (der 
vorgeschrittenen  aber  noch  nicht  abgeschlossenen  Atrophie) :  Infiltration 
fehlt ;  das  Collagen  atrophisch  wie  im  II.  Stadium ;  die  elastischen  Fasern 
wie  zerstückelt,  die  Fasern  des  oberen  Netzes  spärlicher,  feiner,  sieh 
schwach  färbend,  ihre  Zahl  im  Allgemeinen  vermindert  Die  Hornschicht 
ist  dünn,  die  Körnerschicht  fehlt,  die  Zellen  der  Stachelschioht  rundlich 
polyedrisch,  die  Basalschicht  pigmentirt  wie  normal.  Diese  histologischen 
Befunde  erklären  das  klinische   Bild.     Die     Atrophie  bezieht  K.  anf  die 


der  Hautkrankheiten.  457 

Gefassobliteration.    £r   faattt  den   ProcesB  als  chronischen  Entzündangs- 
procesB  unbekannter  Aetiologie  auf.  Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Sottas.  Sclerodermie  diffuse  progressive  symetrique. 
Sog.  de  denn.  etc.  6.  Jnillet  1900. 

Ein  Fall  von  diffuser,  progressiver  Sclerodermie  bei  einer  36 jähr. 
Frau;  Beginn  ca.  vor  2  Jahren.  Betrofien  sind  die  unteren  Extremitäten, 
in  geringerem  Grade  die  oberen  and  das  Gesicht.  Die  einzelnen  Factoren, 
die  für  die  Aetiologie  in  Betracht  kommen  könnten,  werden  erwogen :  die 
Blutsverwandtschaft  der  Eltern  im  4.  Grade  (Cousins)  käme  nur  als  ent- 
fernte Ursache  in  Frage,  eine  prädisponirende  Nervosität  der  Patientin 
erzeugend.  Auch  die  Amenorrhoe,  schon  oft  als  Ursache  der  Sclerodermie 
angeschuldigt,  könnte  nur  als  prädisponirendes  Moment  betrachtet  wer- 
den. Von  Lepra  kann  in  diesem  Falle  nicht  die  Rede  sein,  was  der 
Theorie  Zambaco's,  die  Sclerodermie  als  degenerirte  Lepraform  zu  be- 
trachten, widerspricht.  Auch  Syphilis  kann  trotz  mehrfacher  Aborte  der 
Frau  mangels  aller  Stigmata  ausgeschlossen  werden. 

Es  bleibt  also  nur  „le  nervosisme''  et  „le  rhumatisme''  (le  neuro- 
arthritisme)  als  Ursache  übrig.  Für  ersteren  spricht  die  hereditäre  Be- 
lastung von  Seite  des  Vaters,  für  letzteren  der  Arthritismus  der  Mutter. 
Ein  im  Februar  erfolgtes  geringfügiges  Trauma  gab  den  Anlass  zam 
raschen  Fortschreiten  der  bisher  fast  unbemerkt  verlaufenen  Erkrankung. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Ehlers.  La  scldrodermie-sclSrodactylie  serait-elle 
nne  manifestation  de  la  tuberculose?  Soc.  de  derm.  etc.  1900. 
8.  Decembre. 

Ehlers  wurde  mit  der  Begutachtung  eines  Falles, der  für  Lepra 
gehalten  wurde,  von  der  Regierung  beauftragt.  Es  handelte  sich  haupt- 
sächlich um  eine  Sclerodactylia  mutilans  und  Sclerodermie  des  Gesichtes. 
Zwei  Brüder  und  zwei  Schwester  starben,  die  zweite  Frau  des  Patienten 
litt  an  Tuberculose.  Ehlers  macht  unter  Anfuhrung  der  spärliohea 
Literaturangaben  auf  die  Möglichkeit  der  Beziehungen  zwischen  Sole- 
rodactylie  und  Tuberculose  aufmerksam.  Bei  künftigen  Sectionen 
wird  man  auch  mehr  als  bisher  auf  das  periphere  Nervensystem  zu 
achten  haben. 

Hallopeau  bemerkt,  dass  er  eine  Kranke  mit  Sderodactylie,  die 
gleichzeitig  an  Lupus  und  Lungentubercnlose  litt,  zu  beobachten  Gele- 
genheit hatte.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Hallopeau  et  Nazare-A^a.  Snr  an  oas  de  morphöe  avec 
hyperhemies  et  ischemie  intermittentes  quo tidiennes. 
Soc.  de  derm.  et  syph.  1900.  1.  Fevrier. 

Bei  dem  28jährigen, sonst  gesunden  Manne  entwickelte  sich  ander 
linken  Planta  ein  eliptischer  Herd  mit  den  typischen  Erscheinungen  der 
Morphea.  Diese  bot  er  aber  nur  im  Verlauf  des  Tages,  während  er  am 
Morgen  eine  ziegelrothe  Farbe  hatte.  Die  Temperatur  über  demselben  er- 
höht. Nach  einigen  Stunden  wurde  die  befallene  Partie  blass,  perl- 
mutterglänzend,  von  speckartigem  Aussehen;  nur  an  der  Peripherie  ein 


458  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

röthlicher  Rand.  Dieser  Wechsel  von  Hyper-  und  Ischaemie  wurde  bisher 
noch  nicht  beobachtet  und  lässt  erkennen,  dass  locale  Störungen  der 
yasomot.  Innervation  eine  bedeutende  Rolle  in  der  Pathogenese  der  Er- 
krankung spielen.  Die  Affection  bietet  auch  durch  die  über  dem  Plaque 
beobachtete  Schweisshypersecretion  im  Gegensatz  sur  gewöhnlich  vor- 
herrschenden Anidrose  ein  Interesse.  Der  galvanische  Strom  schien  einen 
günstigen  Heileffect  zu  haben. 

Besnier  und  Hallopeau  bemerken  in  der  Discussion,  stets  voll- 
ständige Restitutio  ad  integrum  beobachtet  zu  haben. 

Richard  F  i  s  o  h  e  1  (Bad  Hall). 

Weber  Parkes,  F.  Trophic  disorder  of  the  feet:  an  ano- 
malous and  assymetrical  case  of  Sclerodaoty lia  with  Ray- 
naud's  phenomena.    Brit.  Journ.  of  Denn.  1901. 

Ein  deutscher  Kellner,  A.  B.,  S6  Jahre  alt,  zeigte  Gontractur  der 
Muskeln  des  linken  Beines  mit  anschliessendtsr  Pes  equinns- Stellang  des 
betreffenden  Fusses,  die  Haut  über  den  Zehen  und  Fussrücken  zart,  livid, 
fühlt  sich  meist  kalt  an.  In  der  Wärme  hat  Fat.  Schmerzen,  ebenso 
auch  in  der  Kälte,  doch  sind  die  Schmerzen  nicht  von  der  Art,  wie  bei 
Erythromelalgie.  Ueber  der  grossen  Zehe  Geschwursbildung,  die  vierte 
und  fünfte  Zehe  überhaupt  fehlend.  An  der  grossen  Zehe  Fehlen  des 
Nagels,  an  der  zweiten  und  dritten  nur  hornige  Klumpen  statt  der  Nägel. 
An  der  linken  Ferae  findet  sich  eine  grosse  vertiefte  Narbe,  eine  ähn- 
liche auch  an  der  Ferse  und  der  grossen  Zehe  des  rechten  Fusses.  Der 
letztere  erscheint  bis  auf  mehrere  kleine  Narben  und  rothen  Flecken 
oder  abnorme  Pigmentationen  sonst  normal.  Nervenstatus  ergibt :  erhöhte 
Sehnenreflexe  links,  verminderte  rechts,  galvanische  und  faradische  Erreg- 
barkeit der  Muskeln  normal,  Pnpillenreaction  exact,  keine  Sensibilitäts- 
störungen  wie  bei  Syringom yelie. 

Pat.  war  bis  vor  zwei  Jahren  gesund,  entstammt,  so  weit  er  unter- 
richtet erscheint,  keiner  psychisch  belasteten  Familie.  Die  Affection 
begann  mit  Anschwellung  der  Fasse,  in  denen  bald  auch  Schmerzen 
auftraten.  Während  die  Schwellung  in  kurzer  Zeit  zurückging,  bildeten 
sich  Blasen  an  den  Sohlen  und  oberflächliche  Geschwüre  an  den  Fersen 
und  Zehen.  Die  vierte  linke  Zehe  zeigte  nun  schwärzliche  Verfärbung, 
fiel  bald  darauf  ab,  später  wiederholte  sich  derselbe  Process  an  der  fünften 
Zehe  mit  gleichem  Ausgang.  Pat.  gerieth  in  grösste  Verzweiflung,  ver- 
suchte einen  Selbstmord,  verfiel  nach  Heilung  seiner  Schuiswunde  in 
Trübsinn,  weshalb  er  in  eine  Irrenanstalt  gebracht  wurde.  Dort  bildete 
sich  erst  die  Pes  equinus -Stellung  aus,  zugleich  beobachtete  man  an  dem 
Patienten  das  Auftreten  heftiger  clonischer  Krämpfe.  Gebessert  aus  der 
Irrenanstalt  entlassen,  kam  Patient  in  das  deutsche  Hospital  in  London, 
wo  er  soweit  gebessert  wurde,  dass  die  Krämpfe  sistirten  und  die  Ge- 
schwüre an  den  Füssen  zumeist  abheilten. 

Differential-diagnostisch  war  an  Raynand*sche  Krankheit,  Sole-, 
rodactylia,  Syringomyelie  (im  unteren  Lumbaimark),  periphere  Neuritis» 
Arteriitis  obliterans  und  Lepra  zu  denken.    Verfasser  bespricht  anifUhr- 


der  Hautkrankheiten.  459 

lieh  die  differential-diagnostischen  Momente  und  kommt  schliessliob,  da 
das  Erankheitsbild  auf  keine  der  obigen  Krankheiten  allein  passt,  zu 
dem  Schlüsse,  dass  es  sich  wohl  um  eine  Combination  und  zwar  wahr- 
scheinlich von  Sclerodactylie  mit  Ray  na  u  duschen  Phänomenen  handelt. 

Robert  Herz  (Prag). 

Fonmier,  A.  et  Dentot.  Denx  oas  de  vitiligo.  Soc.  de 
derm.  etc.  1900.  8.  Decembre. 

Bei  zwei  syphilitischen  Individuen  wird  die  Vitiligo  auf  eine  trau- 
matische Ursache  zurückgeführt.  Bei  der  einen  auf  eine  Bandage  einer 
Prothese,  wo  sich  die  Affection  entsprechend  den  dem  Drucke  ausge- 
setzten Stellen  entwickelte,  bei  der  zweiten  generali sirten  Y.  auf  eine 
Hysterektomia  totalis.  Richard  Fi  so  hei  (Bad  Hai). 

Barth^lemy. Notesur  Iesdph61ides(eph61ides  et  naevi). 
Soc.  de  derm.  etc.  7.  Juin  1900. 

Durch  vorgelegte  Photographien  und  Aquarelle  zeigt  Barth  e- 
lemy  die  Aehnlichkeit  zwischen  Epheliden  und  Nae vis,  so  dass  es  manch- 
mal schwer  wird  die  Differentialdiagnose  zu  machen.  Sind  die  Sommer- 
sprossen nicht  vielleicht  „naevi  frustes",  welche  die  Sonne  erst  hervor- 
treten lässt?  Gestützt  wird  diese  (übrigens  schon  lange  bekannte,  Ref.) 
Theorie  dadurch,  dass  die  Naevi  hauptsächlich  bei  hereditär  belasteten, 
wenn  nicht  gerade  missbildeten,  so  doch  von  verschiedenen  Stigmaten 
(Störungen  der  Entwicklung)  betroffenen  Individuen  auftritt.  Das  Ueber- 
wiegen  der  Epheliden  beim  weiblichen  Geschlecht  kann  nicht  auf  die 
Zartheit  der  Haut  bei  demselben  zurückgeführt  werden,  da  bei  Säuglingen, 
die  die  zarteste  Haut  besitzen,  Epheliden  gar  nicht  beobachtet  werden. 
Mit  der  Pigmentfunction  der  Haut  scheint  es  auch  im  Zusammenhang 
zu  stehen,  dass  ganz  junge  Kinder  von  Pigmentsyphiliden  nicht  befallen 
werden. 

Fonrnier  bestätigt  die  letzte  Behauptung  Barthelemy's.  Bei 
RöntgenisiruDg  hat  er  in  der  Umgebupg  syph.  Ulcerationen  (ähnlich  wie 
bei  Schwangeren)  einen  braunen  Streifen  an  Stirn  und  Schläfen  auftreten 
gesehen,  welcher  sich  auf  die  specifische  Therapie  hin  ebenso  wie  die 
Ulcerationen  rückbildete.  Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Chstin.  Note  sur  un  cas  de  melanodermie  phtiria- 
sique  avec  cachexie  et  pigmentation  de  la  muqueuse  buc- 
cale.  Annales  de  dermat.  etc.  1900,  p.  1213. 

Nach  einem  kurzen  Bericht  der  spärlichen  Literaturangaben  wird 
die  Krankengeschichte  eines  selbst  beobachteten  Falles  mitgetheilt.  Bei 
dem  78jährigen  Lumpensammler  fand  sich  Melanodermie  der  Haut  und 
der  Wangenschleimhaut,  nebst  den  Erscheinungen  allgemeiner 
Schwäche,  Schmerzen  in  der  Lendengegend  und  im  Epigastrium;  die 
Lungen  erschienen  auf  Tuberculose  verdächtig,  so  dass  man  anfänglich 
an  einen  Morbus  Adisonii  denken  musste.  Die  rasche  Erholung  des  Pa- 
tienten, mit  der  ein  Verschwinden  der  Pigmentflecke  einherging,  die 
Pigmentationen  der  Haut,  die  sich  vornehmlich  an  Stellen  intensiverer 
Berührung  des  Körpers  mit  den  Kleidern  fanden,  während  die  Liebling^- 


460  Bericht  über  die  Leistiingen  auf  dem  Gebiete 

localisation  des  M.  Adisoiiii  Mammilar  und  Genitalgend  nicht  af&eirt 
war,  liessen  die  richtige  Diagnose  stellen.  Die  Beseichnnng  „pseudonia- 
ladie  broozee^,  die   ihr  Greenow  gab,  h&lt  Chatin  für  entsprechend. 

Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Schamlierg,  Jay  F.  A  pecaliar  progressive  pigmentary 
disease  ofthe  skin.  British  Journ.  of  Derm.  1901. 

Der  Fall  betrifft  einen  16jährigen,  vorher  gesunden  Knaben,  bei 
dem  sich  im  Alter  von  11  Jahren  an  den  Streckseiten  beider  Unter- 
schenkel kleine  rdtbliohe  Flecke  bildeten,  die  ganz  allmälig  sich  an 
grösseren,  anregelmässig  begrenzten  Herden  vergrösserten,  indem  an  der 
Peripherie  neue  Flecken  hinzutraten.  Dieselben  waren  von  keinerlei 
subjectiven  Beschwerden  begleitet,  von  rothbrauner  Farbe,  im  Haut- 
niveau liegend,  und  verschwanden  nach  geraumer  Zeit  unter  Abblassung 
zu  gelbbraunen  PigmenUtellen.  Der  histologische  Befand  einer  derartigen 
Makel  ergab:  das  Stratum  corneum,  lucidum  und  granulosum  normal, 
dagegen  im  Rete  mucosum  eine  besonders  io  den  tieferen  Lagen  deut- 
lich hervortretende  Anhäufung  von  polymorphonucleären  Leukocyten. 
Eine  ungemein  dichte  Zellinfiltration  fand  sich  jedoch  in  der  papillären 
und  Bubpapillären  Coriumschichte,  ganz  besonders  um  die  Schweissdru- 
senausführungsgänge  herum.  Dies  führte  auf  die  Vermuthang  des  ätio- 
logischen Zusammenhanges  zwischen  den  erkrankten  Hautpartien  und 
dem  Schweissdrüsenapparat,  eine  Vermuthung,  zu  deren  Bestätigung  die 
Excision  und  Untersuchung  der  Flecke  in  den  verschiedenen  Krankheits- 
stadien noth wendig  gewesen  wäre,  was  jedoch  vom  Verfasser  unterlassen 
wurde.  Derselbe  wendet  sich  am  Schlüsse  der  diesbezüglichen  Literatur 
zu;  er  glaubt,  dass  das  vorliegende  Krankheitsbild  die  meiste  Aehnlich- 
keit  mit  einer  von  Hutchinson  und  C r o c k e r  beschriebenen  Haut- 
affection  haben  dürfte,  die  von  Hutchinson  als  „Angioma  serpigi- 
nosum**  bezeichnet  worden  war.  Robert  Herz  (Prag). 

Halle,  Aug.,  Leipzig  (Klinik  Prof.  Riehl).  Ein  Beitrag  zur 
Kenntniss  dos  Xeroderma  pigmentosum.  Wiener  klininische 
Wocheusch.  1901,  Nr.  82  und  83. 

Halle  gibt  erst  eine  genaue  Uebersicht  über  die  bei  diesem 
Krankheitsbilde  von  den  verschiedenen  Autoren  beobachteten  Haut- 
symptome und  schliesst  daran  die  ausführliche  Krankengeschiohte  eines 
bei  Riehl  beobachteten  Falles  an,  der  auch  histologisch  bearbeitet  warde. 

6jähriges  Mädchen,  das  bis  zum  zweiten  Jahre  gesund  gewesen, 
zeigt  nach  dem  zweiten  Jahre  im  Gesichte  röt  bliche  und  dunkle  Pünkt- 
chen, wie  jetzt  an  den  Händen.  Vor  2  Jahren  am  rechten  Auge  Röthung, 
seit  einem  halben  Jahre  auch  am  linken  Auge.  2  Geschwister  und  Eltern 
sind  gesund.  Status:  Das  Gesicht,  und  zwar  Nase  und  linke  Schläfen- 
gegend mit  Krusten  bedeckt,  die  freie  Haut  ist  dunkelroth  und  durch 
Pigmentation  braunfärbig,  die  Umgebung  der  Pigmentflecke  zeigt  einen 
helleren  Farbenton.  Am  behaarten  Kopfe  ebenfalls  Röthung,  Pigment 
und  Krusten,  Vorderseite  des  Halses  schwächer,  Nackenseite  stärker 
geröthet  und  pigmentirt.    Im   Nacken   ein  Furunkel;  die  befallene  Haut 


der  Haatkrankheiten.  461 

unelastischer,  die  Augenlider  mit  Krusten  bedeckt,  Vorderarme  und  Finger 
geröthet  und  pigmentirt.  Nach  Entfernung  der  Krusten  am  behaarten 
Theile  des  Kopfes,  oberhalb  der  Schläfengegend,  ein  sehn pfennigs tue k- 
grosser  umschriebener  Knoten  8  Mm.  hoch,  von  rother  Farbe  und  leicht 
granulirter  Oberfläche,  ebenso  auf  der  Mitte  der  Stirne,  Augenlider, 
Schläfengegend  und  Brustwirbel  solche  Knoten;  alle  Herde  zeigen  derbe 
Gonsistenz  und  sind  scharf  begrenzt. 

Im  weiteren  Verlaufe  zeigen  die  Knoten  Vergrösserung  und  die 
Pigmentflecke  eine  Zunahme;  weiters  am  rechten  äusseren  Augenlide 
2  Knoten,  ebenso  auf  der  linken  Wange  und  linken  Schläfenlappen;  es 
bildet  sich  im  Verlaufe  im  Nacken  eine  über  markstftckgrosse  kegel- 
förmig zulaufende  Geschwulst.  Die  Haut  im  Allgemeinen  zeigt  eine 
leichte  Trockenheit,  namentlich  im  steigenden  Grade  von  den  Ober- 
schenkeln nach  abwärts,  Cutis  marmorata,  am  ganzen  Körper  in  massi- 
gem Grade  vorhanden,  besonders  an  den  Streckseiten  der  Oberschenkeln. 
An  den  Vordemrmen  Trockeaheit  und  dunkles  Colorit  auf  der  Streck- 
eeite,  neben  weisslichen  Flecken  eine  Anzahl  dunkelbrauner  Pigment- 
flecke,  an  der  linken  Schläfe  ein  thalergrosser  Tumor,  1  Cm.  hoch,  mit 
papillärem  Bau.  Augenbefund  Leuooma  totale  oc.  d.,  Papilloma  limbo 
nasale  corneae  sin. 

Histologische  Untersuchung  der  Pigmentflecke,  der  Tumoren,  des 
Naevus  und  weisser  Hautstellen  in  extenso  mitgetheilt.  Aus  dem  Ergeb- 
nisse der  histologischen  Unt<>rsuchung  und  den  Angaben  in  der  Literatur 
ist  zu  entnehmen,  dass  das  klinische  Symptom  der  weissen  Flecke  keinem 
einheitlichen  Vorgang  entspricht,  das  Pigment  entsteht  niemals  in  den 
Epithelien  selbst,  sondern  wird  von  den  Chromatophoren  aus  der  Umge- 
bung der  Blutgefässe  emporgetragen  und  an  die  Epidermiszellen  abge- 
geben ;  die  histologischen  Bilder  von  weissen  Flecken,  welche  keine  Spur 
von  Atrophie  zeigen,  sind  identisch  mit  den  Befunden  bei  Vitiligoacne ; 
die  zweite  Art  weisser  Flecke  zeigt  ausser  dem  Pigmentmangei  eine 
weitgehende  narbige  Umwandlung  der  oberen  Cutislagen.  Die  unter- 
suchten Tumoren  waren  ausschliesslich  Epithelialcarcinome,  von 
der  äusseren  Epidermisbekleidnng  ausgegangen;  auch  in  dem  beschrie- 
benen weissen  Flecke  mit  narbigen  Veränderungen  fanden  sich  makro- 
skopisch nicht  erkennbare  Carcinomherde  eingesprengt.  Das  Auftreten 
der  Carcinome  im  Kindesalter  sei  als  das  schwerwiegendste  Symptom 
des  Xeroderma  pigment.  hervorgehoben.  Difierentialdiagnose  muss  oft 
gegen  Urticaria  pigmentosa,  Sclerodermie  im  atrophisirenden  Zustande 
und  Lepra  mac.  gemacht  werden.  Prognose  und  Therapie  sehr  ungünstig. 

Victor  B  a  n  d  1  e  r  (Prag). 

Herxheimer,  K.  und  Hildebrand,  R.  Ueber  Xeroderma 
pigmentosum.  (Aus  der  dermatologischen  Abtheilang  des  städtischen 
Krankenhauses  zu  Frankfurt  a.  M.)  Munchener  Medicinische  Wochen- 
schrift 1900,  Nr.  32. 

Herxheimer  wendet  sich  gegen  die  Angaben  derjenigen  Autoren, 
welche  in  dem  Xeroderma  pigmentosum  eine  absolut  tödtliche  Krankheit 


462  Bericht  über  die  Leistungeo  auf  dem  Gebiete 

erblicken.  Als  Beweis  schildert  er  den  Fall  eines  jetzt  70jährigen 
Mannes,  welcher  seit  40  Jahren  an  Ulcus  rodens  verschiedener  Gesichts- 
partien gelitten  hat,  aber  immer  wieder  hergestellt  worden  ist.  Der  Patient 
bot  alle  typischen  Erscheinungen  der  genannten  Krankheit,  wie  Haut- 
atrophie  mit  Pigmentverscbiebnngen  und  Teleangiektasien  und  Carcinom- 
bildung.  —  2  andere  Fälle  betreffen  ein  Geschwisterpaar,  das  seit  frühester 
Jugend  an  der  Krankheit  leidend  die  charakteristischen  Geschwulstbil- 
dungen zur  Zeit  der  Pubertät  entwickelte.  Die  Geschwülste  wurden 
exstirpirt,  and  bis  heute  sind  seitdem  13  Jahre  yerflosseo,  ohne  dass  ein 
Recidiv  aufgetreten  wäre.  —  Weiters  bekämpft  Herxheimer  den  Satz 
von  Lesser  und  Bruhns,  dass  das  Alter  von  8 — 4  Jahren  die  unterste 
Grenze  für  die  Entwicklung  der  bösartigen  Tumoren  darstelle  und  dass 
Tumoren,  welche  in  solcher  Zeit  zur  Entwicklung  kommen,  die  Krank- 
heit als  besonders  maligne  charakterisiren.  Ein  jetzt  6 jähr.  Mädchen 
wurde  von  6  Geschwistern  allein  befallen,  und  zwar  traten  schon  im 
ersten  Lebensjahr  braune  Flecken  auf,  welche  kurz  darauf  zur  ersten 
Garcinombildung  fährten.  Diese  Geschwulst  wurde  wie  einige  spätere 
chirurgisch  entfernt.  Der  Gesundheitszustand  des  Kindes  ist  jetzt  ein 
sehr  guter.  Es  ist  die  Aussicht  vorhanden,  dass  endlich  ein  Stillstand 
in  der  Entwicklung  der  Carcinome  eintritt  und  dass  eine  directe  Ge- 
fahrdung des  Lebens  völlig  auszuscbliessen  ist. 

V.  Notthafft  (München). 

Karwow§ki,  A.  v.  Ein  Fall  von  Hypertrichosis  auf 
einem  von  gonorrhoischem  Gelenkrheumatismus  ergrif- 
fenen Arm.    Monatsh.  f.  prakt.  Derm.  Bd.  XXXIU. 

Der  Patient  Karwowski^s  erkrankte  zu  Beginn  der  4.  Woche 
seiner  acuten  Gonorrhoe  an  einer  sehr  heftigen  und  schmerzhaften  Ent- 
zündung des  rechten  Handgelenkes.  Ca.  8  Wochen  später  war  der  vorher 
haarlose  rechte  Unterarm  mit  dunklen,  bis  2  Gm.  langen  Haaren  vom 
Handrücken  bis  zum  Ellbogen  bedeckt.  K.  erörtert  nun  den  Grund  dieses 
Haarwachsthumes.  Die  Annahme,  dass  die  durch  die  Entzündung  be- 
dingte stärkere  Blutzufuhr  einerseits,  die  vorgenommenen  Jodpinselungen 
und  feuchtwarmen  Umschläge  andererseits  den  Reiz  zum  Haarwachsthum 
gegeben  haben,  bezweifelt  K.,  nachdem  die  Hypertrichosis  über  das  er- 
krankte Gelenk  hinausging.  Plausibler  erscheint  ihm  die  Theorie 
Leyden's,  nach  welcher  die  Hypertrichosis  als  trophoneurotische  Stö- 
rung zu  betrachten  ist,  wobei  die  Hypertrophie  der  epidermoidalen  Ge- 
bilde eine  Gompensation  für  die  Atrophie  der  Muskulatur  (nach  Schuss- 
fracturen,  Verletzungen  u.  s.  w.)  darstellt.  Dann  müsste  sie  aber  doch 
viel  häufiger  bei  einschlägigen  Fällen  auftreten.  Verf.  möchte  die  Möglich- 
keit nicht  ganz  von  der  Hand  weisen,  dass  die  specifischen  Toxine  der 
Gonococcen  die  Schuld  tragen,  die,  so  wie  sie  Entzündungserscheinungen 
und  Wuchern  epidermoidaler  Gebilde  an  der  Haut  hervorrufen,  auch  die 
Haarpapillen  zu  stärkerer  Thätigkeit  anregen  können. 

Ludwig  Waelsch  (Prag). 


der  Haatkrankheiten.  463 

Jaquet,  L.  Les  rapports  ae  la  pelade  avcc  les  l^sion  s 
dentaires.    Soo.  de  denn.  etc.  8.  November  1900. 

Nach  Erörterung  der  entwicklungsgeschichtlichen  Beziehungen 
zwischen  Haar-  und  Zahnbildung  bringt  J  a  q  u  e  t  statistische  Daten,  um 
ein  AbhängigkeitayerhältnisB  zwischen  Pelade  und  Garies  dentium  zu  be- 
weisen. Von  40  mit  Pelade  behafteten  Personen  konnte  er  bei  40  unter 
80  Ascendenten  eruiren,  dass  23  ein  sehr  defectes  Gebiss  aufwiesen. 
(6  Väter,  17  Mütter.)  Unter  den  Erkrankten  selbst  zeigten  6  ein  mittel- 
massiges,  31  ein  sehr  defectes  und  3  ein  normales  Gebiss.  Bei  den  Er- 
wachsenen war  auch  in  einem  grossen  Percentsatz  Entwicklungshemmung 
des  Bartes  zu  constatiren.  Hypothetische  Erörterungen  machen  den  Be- 
schluBs  des  Vortrags. 

Barthelemy  weist  auf  den  Einfluss  der  heredit&ren  und  acqui- 
rirten  Lues :  auf  die  Zahnbildung  bei  ersterer  und  auf  das  Wachsthum 
der  Haare  und  Nägel  bei  letzterer  hin. 

Moty  bestreitet  ein  Abhängigkeitsverhältniss  zwischen  Haar-  nnd 
Zahnentwicklnng,  da  die  Frauen  in  der  Normandie  bei  einem  mächtigen 
Haarwuchs  schlechte  Zähne  haben,  im  Gegensatz  zu  den  Männern,  bei 
denen  ein  umgekehrtes  Verhältniss  Platz  greift. 

Gastou  betont  die  Beziehungen  zwischen  Haarausfall,  Zahner- 
kranknngen  und  Pigmentation  während  der  Schwangerschaft. 

Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Foamier,  Bdmond.  Pelade  ou  plutöt  agenesie  pilaire 
generale,  h^reditaire,  cong6nitale  et  permanente,  sur  cinq 
membres  de  trois  generations.  Onyxis  concomitant  des 
ongles  des  mains.    Soo.  de  derm.  etc.  5.  Jouillet  1900. 

Vorstellung  eines  12jährigen  Knaben,  dessen  Grossmutter,  Vater, 
Tante  und  Bruder  dieselbe  congenitale  Affection  aufweisen.  Die  Kopf- 
haut ist  von  nur  3—4  Mm.  langen,  kaum  sichtbaren  Haaren  bedeckt. 
Augenbrauen,  Achsel-  und  Schamhaare  fehlen  gänzlich.  Die  Nägel  sind 
verdickt,  hart,  von  dunklerer  Farbe,  in  Folge  einer  in  letzter  Zeit  auf- 
getretenen Eiterung  vom  Nagelfalz  bis  auf  eine  Seite  abgelöst. 

Sabouraud  macht  darauf  aufmerksam,  dass  der  Vater  des  Kna- 
ben an  der  Handfläche  und  an  den  Nagelrändem  dieselben  Veränderun- 
gen aufweist.  Es  handelt  sich  nach  seiner  Meinung  um  eine  Affection 
des  ganzen  Integuments,  nicht  nur  der  Kopfhaut  und  der  Nägel. 

Richard  Fisch el  (Bad  Hall). 

Kann.  Zur  Aetiologie  der  Alopecia  praematura  Sim- 
plex.   Monatsh.  f.  prakt.  Derm.  Bd.  XXXIII. 

Kann  sieht  die  Ursache  des  vorzeitigen  Haarausfalles  in  Schädi- 
gungen der  Kopfhaut  durch  Unterbinden  ihrer  Function  (Bedeckung  durch 
den  Hut,  wodurch  Athmung  und  Temperaturregulirung  Circulation  ge- 
stört werden),  durch  das  Femhalten  ihrer  specifischen  Reize  (Licht  und 
Luft),  durch  Störungen  in  Ernährung  und  Innervation.  Alle  diese  Mo- 
mente   wirken    zusammen    und   können    dazu    führen,    dass    der  so  ge- 


464  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

schwächte   Haarboden   schädigenden   Mikroorganismen    gegenüber   sich 
weniger  widerstandsfähig  erweist.  Ludwig  W  a  e  1  s  c  h  (Prag). 

Ossipow,  y.  P.  Ein  Fall  von  angebornem  partiellen 
Haarmangel  in  Beziehung  zur  Haarempfindlichkeit  Neuro- 
logisches Centralblatt  1901,  Nr.  U. 

Der  von  Ossipo  w  uutersuchte  Patient  befindet  sich  in  der  Heidel- 
berger Klinik  in  ambulanter  Behandlung;  er  ist  ein  38 jähriger  Friseur 
und  leidet  an  angeborenem  partiellen  Haarmangel ;  er  hatte  znr  Zeit  der 
erstmaligen  Inspection  auf  dem  Kopfe  im  ganzen  6  gut  entwickelte 
Haare;  daneben  waren  nicht  einmal  Lanngo-Haare  angedeutet;  dagegen 
waren  Wollhaare  über  den  Ohren  vorhanden,  am  Nacken  und  im  Gesicht. 
Nach  einigen  Tagen  fiel  ein  Haar  aus,  so  dass  6  Haare  übrig  blieben, 
von  denen  linkerseits  eins  in  der  Scheitel-  und  eins  in  der  Nacken- 
gegend sass;  die  drei  anderen  befanden  sich  auf  der  rechten  Seite  und 
waren  hintereinander  in  Abständen  von  je  5  Gm.  angeordnet.  Am  oberen 
Theil  der  Achselhöhlen,  au  Unterschenkeln  und  Waden  fehlten  die  Haare 
vollständig.  Ossipow  arguroentirt  nun  folgendermassen :  ,Wenn  die 
von  Bechterew  aufgestellte  Behauptung  richtig  ist,  dass  die  Haar- 
empfindlichkeit eine  Art  der  Hautsensibilitat  sui  generis  darstellt,  dann 
muss  in  Folge  von  Atrophie  oder  mangelhafter  Entwicklung  der  im 
Bereich  der  Haarbälge  gelegenen  Nervenendigungen  ausschliesslich 
die  Haarempfindlichkeit  beeinträchtigt  werden,  dagegen  müssen  die 
übrigen  Qualitäten  der  Hautsensibilität  durchaus  intact  bleiben.*  Die 
eingehende  Senaibilitätsprüfung  bei  dem  Patienten  ergab  nun  erstens, 
dass  er  die  Berührung  von  je  einem  Haar  auf  der  linken  und  auf  der 
rechten  Seite  des  Kopfes  deutlich  wahrnahm  und  richtig  localisirte;  bei 
den  drei  übrigen  Haaren  Hess  sich  theils  völlige  Empfindungslosigkeit, 
theils  hochgradig  herabgesetzte  Sensibilität  constatiren.  An  allen  sonstigen 
behaarten  Stellen  der  Haut  war  die  Haarempfindlichkeit  normal.  Anden 
haarlosen  Hautstellen  waren  Schmerz-  und  Temperatur- Empfindlichkeit 
gut,  und  zwar  ebenso  gut  wie  an  den  behaarten  Hautstellen  ausgebildet. 
Bei  der  Prüfung  der  tactilen  Sensibilität  ergab  sich,  dass  der  Kranke 
mit  Deutlichkeit  zarte  Berührungen  wahrnahm  auch  an  den  haarfreien 
Bezirken  der  Haut.  Aus  dem  völligen  Erhaltensein  der  übrigen  Quali- 
täten der  Hautsensibilität  zieht  nun  0.  den  Schluss,  dass  das  Vorhanden- 
sein der  die  Reizung  der  Haare  wahrnehmenden  Nervenendigungen  für 
die  Aeusserung  der  übrigen  Qualitäten  der  Hautsensibilität  keine  wesent- 
liche Bedeutung  hat.  Durch  das  Ergebniss  seiner  Untersuchung  scheint 
dem  Autor  der  Beweis  für  die  Selbständigkeit  der  Haarempfindlichkeit 
erbracht.  Max  Marcuse  (Frankfurt  a/M). 

Pope,  E.  M.  and  Clarke  A.  Gases  of  A  c  r  omegaly  and 
infantile  Myxoedema  occuring  respectively  in  Father  and 
Daughter.    British  Med.  Journ.  1.  Dec.  1900. 

Ein  38j  ähriger  Mann  hatte  vor  9  Jahren  einen  Echinococcus,  der 
ins  Abdomen  durchbrach.  Seit  kurzem  ein  neuer  Abscess  in  der  rechten 
Lumbaigegend.    Keine  Hydatiden  nachweisbar.  Im  December  1899  klagte 


der  Haatkrankheiten.  4ß5 

er  Aber  Schwäche,  rheumatische  Schmerzen,  Steifigkeit  der  Hände,  and  Aber 
Unvermögen  die  Hand  zur  Faust  zu  ballen,  Symptome,  die  seit  4  Jahren 
bestanden  und  sich  verschlimmerten,  zeitweise  Kopfschmerz,  keine  Brust- 
erkrankung.  Status  praes. :  Die  Hände  breit,  massiv  die  Finger  „warst- 
formig'',  die  Enden  derselben  aufgetrieben,  an  der  Handfläche  und  der 
Unterseite  der  Finger  die  Haut  stark  verdickt.  Die  Hand  kann  nicht 
zur  Faust  geballt  werden.  Die  Handgelenke  und  der  untere  Theil  des 
Radius  und  der  Ulna  massig  vergrössert.  Diese  Erscheinung  beiderseits 
symmetrisch.  Die  Füsse  sehr  gross.  Die  Arcus  supraorbitales  prominent, 
der  Unterkiefer  verlängert.  Die  Processus  alveolar,  nicht  verdickt.  Die 
Zunge  vergprössert,  die  Thyreoidea  und  die  übrigen  Knochen  normal. 
Bitemporale  Hemianopsie,  das  Gesichtsfeld  links  eingeengt.  Gehör,  Ge- 
ruch, Gefühl  normal.  Auf  Darreichung  von  Thyreoidextract  Verringerung 
der  Schmerzen,  Beweglichkeit  der  Finger,  Abnahme  der  Schwäche. 
Diagnose:  Acromegalie.  Die  Form  der  Finger  spricht  zwar  dagegen, 
doch  ist  keine  Lungenerkrankung  vorhanden. 

Der  II.  Fall  betrifft  sein  ältestes  Kind,  ein  20jährige8  Mädchen. 
Ihre  einzige  frühere  Erkrankung  Keuchhusten.  Im  Alter  von  5  Jahren  be- 
merkten die  Eltern,  dass  das  Kind  geistig  und  körperlich  zurückblieb. 
Sie  kam  mit  16  Jahren  zuerst  in  Behandlung  und  war  damals  3  Fuss 
4V,  Zoll  hoch.  Die  Intelligenz  war  die  eines  Kindes  von  4 — 6  Jahren. 
Patientin  hatte  eine  schwere  Aussprache,  ihre  Lippen  waren  wulstig,  die 
Nase  flach,  die  Haut  trocken,  die  Hände  schanfelformig.  Ueber  den 
Glaviculae  deutliche  Fettpolster,  das  gewöhnliche  derbe  Oedem  war  über 
den  ganzen  Körper  nachweisbar.  Die  Thyreoidea  nicht  fühlbar,  die 
Temperatur  häufig  36^  der  Puls  60.  Aehnliche  Erkrankungen,  doch 
mehr  in  Bezug  auf  Acromegaly  sollen  auch  bei  anderen  Familienmit- 
gliedern aufgetreten  sein. 

Verf.  weist  darauf  hin,  dass  auch  andere  Autoren  auf  ähnliche 
Punkte  zwischen  beiden  Krankheitsformen  hinweisen,  so  ist  nach  Stern- 
berg bei  Cretins  die  Zunge  gross,  die  Lippen  sind  wulstig,  die  Nase 
dick,  die  langen  Knochen  erscheinen  dick  und  massig  in  Folge  mangel- 
haften Wachsthums.  Der  Schädel  ist  wie  bei  Acromegalie  ein  Craniam 
progeneum.  Die  Hypophyse  häufig  in  solchen  Fällen  vergrössert,  des- 
gleichen erinnert  die  Haut  der  Hände  bei  Acromegalie  an  den  Befund  bei 
Myxödem.  Auch  die  Intelligenz  ist  herabgesetzt,  wenn  auch  nicht  in 
dem  Masse,  wie  bei  Myxödem,  endlich  ist  bei  Acromegalie  die  Thyreoidea 
selten  histologisch  normal.  R.  Böhm  (Prag). 

Lodge,    Percy.    A    Gase    bearing   up    the    Pathology    of 
Acromegaly.    Brit.  Med.  Journ.  July  28,  1900. 

Ein  SSjähriger  Mann  klagte  im  Jänner  1898  über  Steifigkeit  des 
rechten  Beines.  An&nglich  schwand  dieses  Symptom,  um  später  dauernd 
zu  bleiben.  Das  Knie  war  geschwollen,  in  leichter  Flexionsstellung  und 
nur  unter  Schmerzen  beweglich.  Die  Hautvenen  an  der  Innenseite  des 
Knies  waren  dilatirt.  Die  Schwellung  des  Knies  resultirte  hauptsächlich 
aus  einer  VergrÖsserung  des  proximalen    Tibiaendes   und  hier  wiederuia 

Areh.  f.  Dennat.  n.  Syph.  Bd.  LXIII.  30 


466  Beriebt  über  die  Leistungen  aaf  dem  Gebiete 

namentlich  der  Pars  poplitea.  Vom  Beginne  der  AflPeotion  bis  xa  diesem 
Befunde  waren  ca.  12  Monate  yerstrioben.  Im  Juni  1898  operative  Unter- 
suchung des  Markgewebes  im  Tibiaende.  Kein  Eiter,  keine  Absoess- 
bildung,  nur  subperiostale  Verdickung.  Naoh  reiflicher  Uoberlegnng  am 
21.  Juli  Amputation  im  untern  Drittel  des  Femur,  nach  vorherigem  Ein- 
schneiden in  das  verdickte  Gewebe,  wobei  es  sich  zeigte,  dass  ein  malig- 
ner Tumor  vorlag.  Die  nachherige  luspection  und  mikroskopische  Unter- 
suchung ergab  ein  Rundzellensarcom,  ausgehend  vom  Periost. 

Befriedigende  Heilung.  9  Monate  nachher  begannen  sich  beide 
H&nde  des  Patienten  eu  vergrössem  und  eine  ähnliche  Grössenzunahme 
des  bisher  gesunden  Knies  aufzutreten.  Die  Hände  wurden  enorm  gross, 
waren  aber  symmetrisch,  von  geringer  Beweglichkeit,  die  Finger  «wurst- 
ähnlich".  Später  Abnahme  der  Intelligenz,  Abnahme  des  Körpei*ge- 
wichtes,  am  28.  August  1899  Exitus.  Verf.  weist  darauf  hin,  dass  auch 
in  anderen  bekannten  Fällen  ein  Sarcom  die  Ursache  der  Aeromegalie  war. 

R.  B  ö  h  m  (Prag). 

Grünberg.  Beiträge  zur  vergleichenden  Morphologie 
der  Leukocyten.  (Virch.  Archiv,  Bd.  163,  Heft  2.  1901.) 

Den  Untersuchungen  Grünbergs  liegt  die  Absicht  zu  Grande, 
eine  allgemeine  ^ebersicht  über  das  Vorkommen  und  die  Verbreitung, 
sowie  die  morphologische  Beschaffenheit  der  sogenannten  Granulationen 
im  Blute  der  verschiedenen  grossen  Glassen  der  Wirbelthiere  zu  geben;  sie 
erstrecken  sich  auf  Repräsentsnten  aus  der  Classe  der  Fische,  Amphibien, 
Reptilien  und  Vögel  (Scyllium  catulus,  Siredon  pisciformis,  Triton  cri- 
Status,  Rana  temporaria,  Lacerta  muralis,  Anguis  fragilis,  Tropidonotus 
natrix,  Huhn,  Sperling).  Trotz  der  grossen  Verschiedenheiten  im  morpho- 
logischen Verhalten  der  farblosen  Bestandtheile  des  Blutes  finden  sich, 
namentlich  im  gröberen  Bau  der  Zellen,  doch  gewisse  Uebereinstimmungen 
bei  allein  untersuchten  Thieren.  Als  stets  wiederkehrende,  farblose  zellige 
Bestandtheile  des  Blutes  finden  sich  Leukocyten  von  verschiedener  Grosse 
mit  grossem  Kern  und  sehr  schmalem  Zelleib;  Verfasser  bezeichnet  sie 
wegen  der  Uebereinstimmung  mit  den  Lymphooyten  des  menschlichen 
Blutes  als  „Lymphocyten** ;  femer  „Uebergangsformen**,  das  sind  jene 
einkernige  Leukocyten,  die  eine  Mittelstellung  zwischen  Lymphocyten 
und  polymorphkernigen  Leukocyten  einnehmen;  fast  regelmässig  finden 
sich  drittens  polymorphkernige  Leukocyten.  Was  die  Form  der  Zellen 
betrifft,  so  sind  zwei  Haupttypen  zu  unterscheiden,  die  Rund-  und  die 
Spindelform.  Verf.  bespricht  dann  die  Differenzen  bezüglich  der  speci- 
fischen  Granulationen,  ihres  tinctoriellen  Verhaltens,  ihrer  Form  und 
ihres  Vorkommens  in  dieser  oder  jener  Zellengruppe  bei  verschiedenen 
Thieren.  Was  die  basophilen  Granulationen  betrifft,  wurde  die  f) -Granu- 
lation —  zum  Unterschiede  vom  Blute  des  Menschen  und  der  Säuge- 
thiere,  wo  sie  regelmässig  in  vielen  Lymphocyten  angetroffen  werden  ^ 
bei  keinem  der  untersuchten  Thiere  gefunden;  alle  vorgefundenen  baso- 
philen Granula  erwiesen  sich  ihren  tinctoriellen  Eigenschaften  naoh  als 
V.U  den  sog.  y  oder  Mastzellengrannlationen  gehörig.  Neutrophile  Grann- 


der  Hautkrankheiten.  467 

lationen  wurden  bemerkenawerthor  Weise  nur  zweimal  gefunden;  digeji^en 
fanden  sich  die  acydophilen  Granula  regelmässig  bei  allea  unter- 
suchten Thieren.  Dieselben  zeigen  aber  bezüglich  ihrer  morphologischen 
Yerhältoisse  sehr  grosse  Unterschiede;  der  Form  nach  las^ea  sich  unte  r 
ihnen  zwei  Gruppen  anterscheiden,  „krystalloide^  und  „nichtkryatalloide*'. 
Die  ersteren  lassen  eine  gewisse,  regelmässige,  krystallähnliche  Form 
erkennen.  Die  gefundenen  acidopbilen  Granulationen  sind  in  den  aller- 
meisten Fällen  eosinophil.  Die  Zellen,  welche  die  acidophilen  Granu- 
lationen enthalten,  sind  meist  polymorph-  oder  mehrkernige  Leukocyten. 

Alfred  Kraus  (Prag). 

Royd§,  Jones  C.  Liquor  Thyreoidei  in  Haemophilia.  Brit. 
Medical  Journal.  Novemb.  10.  1900. 

Ein  8j ähriges  Mädchen  litt  von  Kindheit  an  starken  Blutungen  der 
Schleimhäute  und  des  Digestionstractes  (alle  zwei  bis  drei  Wochen). 
Gaben  von  Eisen,  Leberthran,  Acid.  sulf.,  Kalk,  Arsenik  blieben  ohne 
Erfolg,  bis  die  Aufmerksamkeit  des  Verfassers  darauf  gelenkt  wurde, 
dass  Delace  in  einem  solchen  Falle  mit  Erfolg  liquor  thyroidei  gegeben 
hatte.  Er  versuchte  es  gleichfalls  und  gab  dmal  täglich,  4  Tropfen, 
beginnend  am  1.  Mai.  14  Tage  später  trat  noch  eine  leichte  Blatung  auf. 
Patientin  nahm  das  .Viittel  durch  sechs  Wochen.  Seit  dieser  Zeit  keine 
Blutungen  mehr.  Das  Kind  sah  stärker  und  gesünder  aus  wie  früher. 

R.  Böhm  (Prag). 

Fieisehl  v.,  Rom.  Ueber  Fanghi  di  Sclafani,   ein  wenig 
bekanntes  bei  Acne  Rosacea  sehr  wirksames  Mittel.    Wiener 
klinische  Wochenschrift.  1901,  Nr.  49. 

Fanghi  ^di  Sclafani  ist  eine  Erde  vuloanischen  Ursprungs,  die  in 
Sicilien  (Sclafani)  gefunden  wird  und  nach  der  chemischen  Untersuchung 
Prof.  Egli  in  Zürich  hauptsächlich  aus  elementarem  Schwefel  in  sehr 
feiner  krystallinisoher  Form  besteht,  daneben  sind  Strontiumsulfat,  Baryt, 
Gyps  und  verschiedene  Silicate  vorhanden;  mikroskopisch  zeigt  sich  bei 
demselben  der  Schwefel  in  einem  viel  feineren  Aggregatzustand  als  bei 
Lac  sulfur  oder  Flores  sulf.  Die  Anwendungsweise  ist  folgende :  0*05  Gr. 
Fanghi  auf  2  Gr.  Wasser  werden  in  einer  Schale  verrieben  und  diese 
milcbigtrübe  Flüssigkeit  mit  der  Fingerspitze  tropfenweise  Abends  vor 
dem  Schlafengehen  auf  die  rothen  Hautpartien  aufgetragen.  Früh  ist  nach 
Verdunstung  des  Wassers  die  Haut  wie  mit  Puder  bestreut,  welches  mit 
Wasser  und  Abtupfen  entfernt  wird.  Die  Daner  der  Cur  beträgt  14  Tage 
bis  einige  Monate  und  kann  vom  Patienten  unter  Controle  des  Arztes 
selbst  geübt  werden.  In  leichteren  Fällen  erzielte  Fleischl  glänzende 
Erfolge  mit  dem  Mittel,  die  Wirkung  schreibt  er  dem  hohen  Schwefel- 
gehalt 807o  2u;  bezogen  wird  die  Fanghi  di  Sclafani  bei  Janssen  Far- 
macia  tedesoa  Via  de'  fossi  Florenz.  1  Kilogramm  8  Mark. 

Victor  Band  1er  (Prag). 

Thorborn,  William.  A  clinical  Leoture  on  Varix.  British 
Medical  Journal.  Nov.  17.  1900. 

Verfasser  theilt  die   Ursachen   der  Varicenbildung   in   3  Classen: 

30* 


468  Bericht  über  die  Leistongen  aaf  dem  Gebiete 

1.  Angeborene  Vergrösserung  der  Venen  oder  Schwäche  der  Wandung 
nnd  Klappen.  2.  Behinderung  des  Blutabflusses  aus  den  Venen.  3.  Ver- 
mehrung des  Blut  Zuflusses  zu  den  Venen.  Des  weiteren  behandelt  er  ein- 
gehend die  Aetiologie,  Entwicklung  und  Complicationen  der  Varicen. 
Therapeutisch  bespricht  er  hauptsächlich  die  Behandlung  vom  operativen 
Standpunkt  aus.  Verfasser  ist  der  Meinung,  dass  es  sich  in  den  meisten 
Fällen  um  einen  congenitalen  Gefassdefect  handelt. 

R.  Böhm  (Prag). 

Behrmanu.  Luftkissen  zur  Beseitigung  von  Malern  und 
Gefässgesohwülsten.  Aerztliche  Polytechnik,  1901,  Nr.  7. 

Die  von  Be-hrmann  erfundenen  Kissen,  über  deren  Gonstrnction 
im  Original  nachgelesen  werden  muss,  wirken  durch  elastischen  Druck, 
bei  dessen  methodischer  Anwendung  kleinere  Teleangiektasien  völlig  zum 
Schwinden,  grosse  Maler  und  Angiome  wenigstens  zum  Abblassen  gebracht 
werden  können.  Max  Marcus e  (Frankfurt  a.  M.). 

Uallopeau  et  Trastour.  Sur  un  cas  de  naevus  angiomateux 
de  l'avant  bras  avec  hypertrophie  et  hyperk^ratose.  Soc.  de 
derm.  etc.  3.  Mai  1900. 

Seit  dem  3.  Lebenstage  bemerkten  die  Eltern  bei  dem  jetzt  S  Jahre 
alten  Kinde  weinhefefarbige  Flecken  bis  zu  öOcentimes  Grösse  am  Dorsum 
der  rechten  Hand,  über  dem  Handgelenk,  Vorderarm  (auch  an  der  vor- 
deren inneren  Fläche)  und  in  ger.  Ausdehnung  und  Menge  am  Oberarm. 
Die  Zahl  derselben  hat  nicht  zugenommen,  die  Farbe  sich  nicht  geändert. 
Dazu  kommt  eine  Hypertrophie  der  Extremität,  die  an  der  Hand  am 
ausgesprochensten  ist  und  sich  nicht  bloss  auf  die  Haut,  sondern  auf  das 
Glied  in  toto  zu  erstrecken  scheint.  Bildung  von  Krusten  und  rissigen 
warzenartigen  Schuppen  über  einzelnen  angiomatösen  Herden.  Die  Hyper- 
trophie der  Extremität  und  die  Proliferation  des  Papillarkörpers  und  der 
Epidermis  haben  ihren  Grund  in  der  Ueberernährung  durch  die  ver- 
mehrte Blutmenge,  die  die  erweiterten  (befasse  unaufhörlich  zufahren. 
Es  handelt  sich  um  ein  Angiokeratom,  bei  welchem  die  Hypertrophie  der 
Gliedmasse  nur  der  Ausdruck  einer  grösseren  Ausdehnung  des  Processes  ist. 

Hichard  Fisohel  (Bad  Hall). 

Audry.  Sur  un  angio-epith61ioma  de  la  peau.  Soc.  de 
derm.  etc.  7.  Juin  1901. 

Es  handelt  sich  um  ein  subepidermoidal  gelegenes  Epitheliom  (bei 
einem  45jährigen  Luetiker  über  der  rechten  Augenbraue)  mit  langsamem 
Fortscbreiten,  mit  dichtem  und  reichem  Stroma  analog  dem  Typus  des 
Ulcus  rodens  combinirt  mit  oberflächlicher  Angiombildung.  Audry  denkt 
an  eine  Neoplasie  embryonalen  Ursprungs  (Cohnheim).  Die  G^chwulst 
hat  jedoch  mit  den  Naevus  carcinomen  Unna's  keine  Aehnlichkeit. 

Richard  Fischel  (Bad  HaU). 

8ellei,  J.  Lymphangioma  cutis.  Monatshefte  f.  prakt  Donna- 
tologie.  Bd.  XXXHI. 

Der  erste  Beginn  der  Erkrankung  datirte  im  Falle  Sellei^ 
welcher   einen   18jährigen  Kranken  betraf,    in   das   früheste  Kindesalter 


der  Hantkrankheiten.  469 

zurück.  Vor  6  Jahren  entwickelten  sich  nnter  starkem  Fieber  nene 
Eruptionen.  Gegenwärtig  localisirte  sich  die  Affection  in  handgrosser  Aus- 
breitung über  dem  linken  Schulterblatte  und  zog  sich  gegen  die  Fossa 
axillaris  hin.  Neben  kleineren,  nach  Anstechen  Lymphe  entleerenden 
Bläschen  und  Blasen  fanden  sich  angiomatöse  Veränderungen,  ferner 
warzenähnliche  Gebilde.  Histologisch  ergab  sich  der  bekannte  Befund 
l^osser,  stark  erweiterter  Lymphräume  in  der  Papillär-  und  Subpapillar- 
schicht  nebst  Wucherung  des  Lymphendothels  mit  Bildung  neuer  Lymph- 
gefasse  und  -höhlen.  In  der  Nachbarschaft  der  Lymph-  und  Blutgefässe 
entzündliche  Veränderungen.  Das  Auftreten  der  kleineren  Hämorrhagien 
an  der  Basis  der  Bläschen  und  die  kleineren  Angiome  erklärt  S.  in  der 
Weise,  dass  die  Stauung  in  den  Lymphgefassen  zuerst  die  Ueberfüllung 
-der  Capillaren  und  dann  deren  Berstung  verursachte. 

Ludwig  Waelsch  (Prag). 

Johnston,  J.  C.  New-York.  Ein  Fall  von  Angiosarcoma 
multiplex  der  Haut.  Journal  of  cutaneous  and  genito-urinary  diseases. 
März  190L 

Ein  gut  genährtes,  16  Monate  altes  Kind  zeigte  am  Körper  zerstreut 
mehrere  haselnussgrosse,  weiche,  bewegliche,  nicht  pigmentirte,  erhabene 
von  normaler  Oberhaut  bedeckte  Knoten,  welche  gleichzeitig  entstanden 
zu  sein  schienen.  Die  histologische  Untersuchung  eines  excidirten  Tumors 
•ergibt,  dass  die  Neubildung  aus  den  Blutgefässen  der  subcutanen  Fett- 
schichte ausgeht  und  lobulär  sich  gestaltet.  Die  Läppchen  bestehen  aus 
erweiterten  Blutgefässen  mit  geschwelltem  Endothelium,  woran  netzartig 
Zellmassen  lagern,  welche  den  embryonischen  Endothelien  gleichartig 
sich  verhalten.  Es  handelt  sich  hier  demnach  um  eine  Gefassneubildung, 
4)ine  Art  Hämangio  Endothelioma.  A.B.  Berk  (New-Tork). 

Gottheil,  William  G.  Adenoma  Sebaceum  of  the  Non- 
Symmetrical  Type.  Jonrn.  Amer.  Med.  Associat.  XXXVH.  176. 
Juli  20.  1901. 

In  dem  von  Gottheil  beschriebenen  Falle  befand  sich  die 
Geschwulst  oberhalb  des  rechten  Scheitelbeins,  ungefähr  iVt  Zoll  von  der 
vorderen  Haargrenze  entfernt.  Sie  bildete  eine  ungeföhr  2Vt  Zoll  lange, 
V«  Zoll  breite  flache  Erhebung  mit  etwas  gerunzelter  Oberfläche  und  mit 
spärlichen  Lanugohaaren  bedeckt,  von  rötblich-gelber  Farbe,  einen 
deutlich  umschriebenen  Tumor  darstellend.  Die  Diagnose  wurde  erst  ans 
dem  mikroskopischen  Befunde  gemacht,  welcher  durch  eine  Mikrophoto- 
graphie dargestellt  wird.  Dieselbe  zeigt  bedeutende  Hypertrophie  der 
glandnl.  sebaoeae,  die  normale  Form  und  Ausfuhrungsgänge  zeigen.  Jede 
Drüse  ist  von  einer  dünnen  Kapsel  von  fibrösem  Gewebe  umgeben,  die 
Epithelsohichte  ist  bedeutend  verdickt,  die  Papillen  des  Corium  hyper- 
trophisch, so  dass  das  Bild  zum  Theil  dem  gutartigen  Epitheliom  ähnelt. 
Die  vereinzelten  Haarpapillen  sind  klein  und  atrophisch,  die  Schweiss- 
drüsen  sind  unverändert.  Verlängerungen  des  Epithels  und  degenerirte 
Zellnester  sind  abwesend.  H.  G.  Klotz  (New-York). 


470  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Hallopeaa.  Sur  ane  recidive  d'öpithelioma  du  nes 
epargnant  les  lambeaux  autoplasties.  Soc.  de  derm.  1.  Mars  1900. 

Zwei  autoplastische  Stimlappen,  die  zur  Deckung  des  Substanz- 
verlustes nach  einer  Exstirpation  eines  Nasen carcinoms  verwendet  wurden, 
bliebeu  von  der  mächtig  wuchernden  recidivirenden  Geschwulst  verschont. 

Diese  Thatsache  spreche  gegen  die  parasitäre  Carcinomtheorie,  da 
nicht  abzusehen  ist,  warum  Parasiten  vor  den  transplantirten  Lappen 
halt  machen  sollten  und  lässt  sich  besser  mit  der  Cohnhei mischen 
embryonalen  Theorie  in  Einklang  bringen.  Der  cellulären  Hyperplasie  des 
Tumors  setzt  das  Narbengewebe,  das  sich  um  die  autoplastischen  Lappen 
gebildet  hat,  beim  Versuch  des  Eindringens  Widerstand  entgegen. 

In  der  weit  ausgesponnenen  Discussion,  in  welcher  neue  Gesichts- 
punkte nicht  zu  Tage  gefördert  werden,  betont  Darier,  dass  die  trans- 
plantirten Lappen  deshalb  gesund  geblieben,  weil  ihre  Lymphbalmen 
vorher  nicht  carcinomatös  inficirt  waren  und  nach  der  Umlagerung  nur 
eine  ungenägende  Lymphbahnverbindung  zwischen  Lappen  und  Epitheliom 
sich  etabliren  konnte.  Barthelemy  stimmt  im  Wesentlichen  mit  ihm 
überein,  und  hält  die  Infection  der  Lappen  durch  die  umgebende  Narben- 
bilduDg  nur  für  verzögert.  Gastou  bemerkt,  dass  er  nach  chirurgischer 
Entfernung  von  Epitheliomen  bei  Syphilitikern  immer  eine  Recidive  mit 
rapider  Wucherung  auftreten  sah.  Richard  Fischel  (Bad  Hall). 

Audry.  Epitheliomatose  juvenile  dissemin^e  des 
organes  genitaux  externes.  Journal  des  raaladies  cutanees  et 
syphilitiques  1901.  pag.  822. 

Audry  berichtet  ausführlich  die  Krankengeschichte  eines  im  Alter 
von  86  Jahren  an  Epitheliomen  des  Penis  und  der  Inguinalgegend  zu  Grunde 
gegangenen  Arztes.  Nachdem  der  an  einer  congenitalen  Phimose  leidende 
Patient  schon  im  Knabenalter  häufig  an  Balanitis  gelitten  hatte,  zeigten 
sich  im  25.  Jahre  kleine  Tumoren  unter  der  Vorhaut,  die  mehrfache 
Operationen,  unter  anderem  eine  von  ihm  selbst  unter  Cocainanästhesie 
vorgenommene  Circumcision  nöthig  machten  und  doch  immer  wieder 
auf's  neue  wucherten.  Später  wurden  auch  die  Inguinnldrusen  befallen, 
die  mehrfach  excochleirt  wurden.  Der  mikroskopische  Befund  ergab  das 
Bild  von  Epitheliomen,  während  sie  klinisch  als  Papillome  imponirten. 
Unter  allmäliger  Schwäche  ging  Patient,  der  bis  ein  Jahr  vor  seinem 
Tode  seine  Praxis  ausgeübt  hatte,  zu  Grunde. 

Paul  Neisser  (Beuthen  0.  8.). 

Bowen,  Williams.  A  case  of  roden t  Ulcer  treated  with 
pure  Resorcin.  British  Medical  Journal.  Dec.  1.  1900. 

Eine  70jährige  Frau  litt  durch  12  Jahre  an  Ulcus  rodens  der  linken 
Nasenseite.  Das  Geschwür,  von  IV,  Zoll  im  Durchmesser  und  V«  ^oU 
Tiefe,    hatte    den  innem  Augenwinkel  und  das  obere  Augenlid  ergriffen. 

Verfasser  hatte  schon  früher  Resorcin  in  Salbenform  aber  ohne 
nennenswerthen  Erfolg  gebraucht.  Da  er  nun  von  einem  Falle  hörte, 
der  mit  reinem  Resorcin  behandelt  befriedigende  Erfolge  aufwies, 
versuchte  er  diese  Behandlungsmethode.  Application  von  pulverfSrmigem 


der  Hautkrankheiten.  4.7 1 

Reeorcini  anfang^s  täglich,  da  dies  aber  zu  schmerzhaft  war,  jeden  zweiten 
Tag.  Bald  zeigte  sich  auch  Besserung.  Das  Geschwür  reinigte  sich  und 
wurde  kleiner,  die  früher  unregelmässige  Form  wurde  oirculär.  Endlich 
Yollkommene  Ausheilung.  Diese  erfolgte  nach  ungefähr  zweimonatlicher 
Behandlung,  natürlich  mit  Narbencontraction.  Seit  einem  Monal  keine 
Veränderung  R.  Böhm  (Prag). 

Bosfield,  J.  Development  of  rodent  Ulcer  from  seba- 
ceous  Gyst.  British  Medical  Journal.  Decemb.  1.  1900. 

Vor  5  Jahren  beobachtete  Verfasser  einen  Patienten,  der  an  der 
rechten  Stirnseite  einen  circa  ly,  Zoll  langen  ovalen  Tumor  hatte,  von 
dem  charakteristischen  Zeichen  eines  Atheroms.  Vor  3  Jahren  röthete 
sich  die  Geschwulst  und  begann  sich  zu  erweichen.  Patient,  der  70  Jahre 
zählte,  verweigerte  aber  jede  Operation.  Spontaner  Durchbruch  des 
Inhaltes.  Auskratzung.  Jodoformgazeverband.  Anstatt  zur  Heilung,  kam 
es  nun  zu  allmäliger  Vergrösserung  der  Wunde,  so  dass  von  Zeit  zu  Zeit 
die  unterminirten  Ränder  entfernt  werden  mussten.  Das  Geschwür  erstreckte 
sich  endlich  über  das  ganze  rechte  Auge  bis  zum  Ohre.  Verfasser  ist 
kein  ähnlicher  Fall  bekannt,  dass  sich  aus  einem  Atherom  ein  Ulcus 
rodens  entwickelt  hätte.  R.  Böhm  (Prag). 

Faul,  F.  T.  Unusual  Form  of  rodent  Ülcer.  British  Medical 
Journal.  Nov.  17.  1900. 

£in  43jähriger  Mann  hat  auf  der  linken  Seite  des  Gesichtes  einen 
Tumor  von  circa  5  Zoll  Durchmesser  und  2 — 3  Zoll  Dicke,  dessen  Stmctur 
den  Drüsentypas  des  Ulcus  rodens  zeigt.  Keine  secundären  Tumoren  in 
der  Umgebung.  Patient  hatte  sich  vor  19  Jahren  die  Stelle  durch  einen 
Stoss  verletzt,  die  seitdem  nicht  verbeilte,  trotzdem  sie  öfters  operativ 
behandelt  wurde^  im  Gegentheil  vorgrösserte  sich  die  Affection  beständig. 
Verfasser  glaubt,  dass  alle  Formen  von  sogenanntem  rodent  ulcer  Haut- 
carcinom  seien.  Die  gewöhnliche  Form  sei  ein  Carcinom  der  Talgdrüsen, 
während  der  citirte  Fall  wahrscheinlich  seinen  Ursprung  von  den  Schweiss- 
drüsen  nahm.  R.  Böhm  (Prag). 

Chron,  Christoph.  Ein  Fall  von  „Ulcus  rodens**.  Inaug.-Diss. 
Kiel  1899. 

In  diesem  Falle  Ghron's  handelt  es  sich  um  ein  Geschwür,  das 
fast  den  ganzen  rechten  Nasenflügel  zerstört,  den  Theil  darüber  bis  zur 
unteren  Grenze  des  Nasenbeins  der  oberen  Hautschichten  beraubt  und 
mit  gelben,  dunkelbraunen  Borken  bedeckt  hat.  Der  Rand  des  auch  nach 
der  linken  Nasenseite  übergreifenden  Geschwürs  ist  hart,  nicht  sehr  aus- 
gebuchtet und  ausgenagt.  Keine  Drüsenschwellungen.  Mikroskopisch  ist 
auffallend,  dass  sich  kein  deutlicher  Zusammenbang  der  Krebszellen  mit 
dem  Deckepithel  finden  lässt.    £d.  Oppenheimer  (Strassbarg  i.  E.). 

Krische,  Friedrich.  Ein  Fall  von  primärem  Krompecher- 
schem  drüsenartigem  Oberflächenepithelkrebs  im  ge- 
schlossenenAtherom.  Bruns'  Beiträge  zur  klin.  Chirurgie.  Bd.  XXXI. 
Heft  2.  Octüber  1901. 

Krisch e  fand  bei  einem  40jährigen  Manne  einen  taubeneigrossen. 


472        Bericht  über  die  Leistangen  aaf  dem  Grebiete  der  Gesch. 

randlichen,  dicht  unter  der  Haut  liegenden  Tumor,  ca.  dreifingerbreit 
über  der  Crista  ilei.  Die  Exstirpartion  ergibt  ein  Atherom,  aof  deesen 
Innenseite  sich  papilläre  Wucherungen  von  ca.  Erbsengrösse  finden.  Das 
Resultat  der  mikroskopischen  Untersuchung  ist  folgendes:  Es  liegt  ein 
typisches  Atherom  vor,  in  dessen  Wand  «ich  ein  dem  Erompecher. 
sehen  „drusenartigen  Oberflachenepithelkrebse*  entsprechendes  Carcinom 
gebildet  hat,  das  in  das  Lumen  des  Atheroms  hinein  gewuchert  ist  und 
nach  der  anderen  Seite  die  Wand  desselben  fast  yollständig  durchsetzt 
hat.  Die  mit  Abbildungen  ausgestattete  Arbeit  beschliesst  ein  ausfuhr- 
liches Literaturverzeichniss  betreffend  die  Entstehung  von  Garcinomen 
auf  dem  Boden  von  Atheromen,  Dermoiden,  Teratomen. 

Arthur  Alexander  (Breslau). 

Hertens.    Garoinom   auf   dem   Boden    eines    Dermoids. 
Bruns'  Beiträge  zur  klin.  Ghirurgie.  Band  XXXI.  Heft  2.  October  1901. 

Mertens  beschreibt  genau  einen  Fall,  bei  dem  sich  am  Halse 
eines  47jährigen  Arbeiters  links  zwei  subcutane,  allseitig  geschlossene 
Dermoidcysten  vorfanden,  von  denen  die  eine  carcinomatös  degenerirt 
war,  und  zwar  derart,  dass  die  Wucherung  des  Garcinoms  hauptsächlich 
in  das  Gystenlumen  hinein  stattgefunden  hatte.  Ausserdem  fand  sich  bei 
dem  Patienten  noch  ein  krebsiger  Tumor  der  linken  Seite  des  Kehlkopfes, 
welcher  von  der  normalen  Dermoidcyste  nur  durch  die  linke  Schild- 
knorpelplatte getrennt  ist  und  wahrscheinlich  einer  carcinomatös  degene- 
rirten  und  nach  dem  Oesophagus  uicenrten  Dermoidcyste  entspricht. 
HV42  Arthur  Alexander  (Breslau). 


Buchanzeigen  und  Besprechungen. 


Eduard  Lang:  Lehrbach  der  Hautkrankheiten.  Mit 
87  Abbildungen  im  Text  Wiesbaden.  I.  F.  Bergmann.  1902. 

Wenn  auch  die  letzten  Jahre,  im  Gegensätze  zu  früheren  Zeiten, 
uns  eine  große  Zahl  von  Handbüchern,  Kompendien  und  Lehrbüchern 
der  Dermatologie  gebracht  haben,  so  ist  das'  nicht  als  Übelstand  zu  be- 
zeichnen, wenn  Forscher  und  Lehrer  des  Faches  ihre  an  reichem  Mate- 
riale  in  langer  Arbeitszeit  gesammelte  Erfahrung  darbieten,  und  ihren 
Standpunkt  zu  einzelnen  Fragen  darin  niederlegen.  Dies  gilt  in  hervor- 
ragendem Maße  von  dem  yorliegenden  Lehrbuche  der  Hautkrankheiten 
Längs.  In  gleicher  Weise  wie  in  seinen  Vorlesungen  über  Pathologie 
und  Therapie  der  Syphilis  tritt  uns  auch  hier  die  Klarheit,  Frische  und 
Gewandtheit  der  Darstellung  entgegen,  die  wir  mit  Recht  an  dem  Autor 
so  hoch  schätzen.  Das  Lehrbuch  der  Hautkrankheiten  ist  alt  Ergänzung 
zu  den  oben  erwähnten  Vorlesungen  über  Syphilis  gedacht.  Ohne  sich 
an  eines  der  vorhandenen  Systeme  zu  binden  oder  ein  neues  aufzustellen 
gruppiert  der  Verfasser  die  Krankheitsbilder  nach  klinischen  Gesichts- 
punkten, läßt  aber  dabei  doch  die  pathologisch  anatomischen  Verhält- 
nisse immer  zu  ihrem  Rechte  kommen,  soweit  es  für  den  Zweck  des 
Buches  dienlich  erscheint.  Hin  und  wieder  freilich  hätte  auch  hier  viel- 
leicht etwas  mehr  gegeben  werden  können,  ohne  daß  die  Darstellung 
sich  auf  das  Gebiet  der  unbewiesenen  Hypothesen  hätte  zu  wagen  brau- 
chen. Das  gilt  besonders  von  den  Tumoren  der  Haut,  die  etwas  stief- 
mütterlich behandelt  sind.  Der  Hauptwert  ist,  dem  Charakter  des 
Buches  entsprechend,  auf  die  klinische  Beobachtung  und  die  Therapie 
gelegt,  und  beiden  wird  der  Verfasser  in  hervorragender  Weise  gerecht. 
Die  Ordinationsformeln  finden  sich  am  Schlüsse  des  Buches  im  Zusam- 
menhange wiedergegeben.  Nach  den  oft  gemachten  Erfahrungen  scheint 
es  zweckmäßiger  dieselben  mit  in  den  Text  hineinzunehmen.  Die  Dar- 
stellung der  sonst  durch  Aufzählungen  leicht  ermüdend  wirkenden  thera- 
peutischen Kapitel  vnrd  dadurch  entschieden  frischer  und  anregender, 
während  die  Übersichtlichkeit  und  die  Gebrauchsfahigkeit  des  ganzen 
Werkes  sich  zweifellos  dadurch  erhöht. 

Nach  einer  kurzen  Schilderung  der  anatomischen  und  physiologi- 
schen Verhältnisse  findet  die  allgemeine  Ätiologie  eine  eingehendere 
Besprechung,   wobei   auch   auf  die  Bedeutung   der  Toxine    hingewiesen 


474  Bnchanzeigen  und  Besprechungen. 

wird.  Daß  sowohl  anatomische  wie  funktionelle  Störungen  des  Nerven- 
systems eine  Ursache  für  Hantleiden  abgeben  können,  wird  durch  beson- 
deres Eingehen  auf  die  Arbeit  von  Henry  Head  des  näheren  beleuchtet. 
Der  Autor  trennt  dann  bei  Besprechung  der  allgemeinen  Therapie  Er- 
krankungen, in  denen  nur  die  Haut  befallen  ist  von  denen,  bei  welchen 
auch  das  Allgemeinbefinden  gestört  wird.  Hier,  wie  in  dem  ganzen 
Werke  kommt  der  Satz  voll  und  ganz  zur  Würdigung,  daß  wir  nicht 
Hautkrankheiten  behandeln  sollen,  sondern  kranke  Menschen,  kranke  Or- 
ganismen, und  daß  es  eine  unserer  Hautaufgaben  sein  muß  das  Grund- 
leiden  aufzufinden,  auf  dessem  Boden  die  Hauterkrankung  entstanden 
ist.  Bei  der  Besprechung  allgemeiner  therapeutischer  Maßnahmen  findet 
dann  auch  die  Prophylaxe  der  Hautkrankheiten,  die  Anwendung  von 
Bädern,  Seife,  Schwämmen  ebenso  Beachtung  wie  die  Frage  einer  ratio- 
nellen Bekleidung  der  Hautleidenden.  Als  ätiologische  Momente  werden 
dann  die  Stoffwechselanomalien,  Diabetes,  Leukämie,  uratische  Diathese, 
Myxödem  besprochen,  und  auf  die  Hauterscheinangen  hingewiesen,  die 
im  Verlauf  derselben  auftreten  können.  Auch  die  bei  Infectionskrank- 
heiten  beobachteten  Dermatosen  finden  hier  Erwähnung,  so  die  Exan- 
theme bei  Typhus,  Diphtherie,  Sepsis,  Pyämie,  Rheuma,  denen  der  Autor 
die  Besprechung  von  Milzbrand  und  Botz  anschließt.  Zwanglos  reiht  sich 
hier  die  Schilderung  der  sonst  in  dermatologischen  Lehrbüchern  meist 
fehlenden  exanthematiscben  Krankheiten  an,  die  schon  aus  differential- 
diagnostischen Gründen  mit  herangezogen  werden  sollten.  Es  folgen  dann 
die  eigentlichen  Dermatosen.  In  einem  besonderen  Kapitel  werden  die 
Hautgeschwüre  zusammenfassend  besprochen,  was  ebenso  in  dankens- 
werter Weise  dem  praktischen  Bedürfnis  entgegenkommt  wie  die  spä- 
tere Schilderung  der  Stomatitisformen,  der  Aphten,  des  Angulus  in- 
fectiosus  etc. 

Ob  es  nötig  und  zweckmäßig  ist,  so  viele  Gruppen  der  Dermato- 
mycosis  tonsurans  aufzustellen,  wollen  wir  nicht  entscheiden.  Die  Be- 
rechtigung, die  Pityriasis  rosea  trotz  de»  konstant  negativen  Befundes 
unter  die  Pilzerkrankungen  einzureihen,  wird  aber  wohl  kaum  allgemein 
anerkannt  werden.  Lang  steht  bezüglich  der  Psoriasis  auf  dem  noch 
von  einer  Reihe  von  Autoren  geteilten  Standpunkte,  daß  es  sich  um 
einen  mykotischen  Prozeß  handle.  Gleichwohl  wird  er  aber  auch  den 
anderen  Auffassungen  gerecht  und  nimmt  die  Gelegenheit  wahr  darauf 
hinzuweisen,  daß  das  Epidermidophyton  von  ihm  nicht  mehr  als  Erreger 
der  Psoriasis  angesehen  werde,  wie  er  schon  mehrfach  mitgeteilt  habe. 
Hoffentlich  wird  nun  in  Zukunft  nicht  wieder  darauf  rekurriert.  Der  Ver- 
fasser erkennt,  wie  wohl  die  Mehrzahl  der  Forscher,  ein  mykotisches 
Ekzem  an  und  schildert  es  genau  und  ausführlich,  betont  aber  aus- 
drücklich, daß  nicht  jedes  Ekzem  als  solches  parasitär  sei.  Es  dürfte 
diese  Ansicht  wohl  den  Kern  der  zur  Zeit  diskutierten  Ekzemfrage 
treffen.  Bei  der  Besprechung  der  follikulären  Dermatosen  finden  dann 
auch  die  Tuberkulide  Berücksichtigung.  Die  tuberkulösen  Hauterkran- 
kungen   faßt  Lang  zusammen   in   den  Gruppen  Skrofuloderma,   Lupus 


Buchanzeigen  und  Besprechangen.  476 

ynlgaris,  TnbercaloBis  verracoBa  cutis,  Ulcus  tuberculosum  cutis  (miliare, 
acutum)  und  tuberkulöse  Tumoren.  Eingehend  bespricht  er  dann  die 
Möglichkeiten,  wie  der  Tuberkelbazillus  in  den  Körper  gelangen  könne, 
um  diese  schweren  Erkrankungen  hervorzurufen.  Daß  der  Autor  ganz 
besonders  ausführlich  sich  über  die  Excision  des  Lupus  mit  nachfolgender 
Transplantation  ausläßt,  ist  bei  der  großen  erfolgreichen  Tätigkeit  des- 
selben gerade  auf  diesem  Gebiete  'wohl  natürlich.  Er  wird  aber  auch 
allen  anderen  Behandlungsmethoden  völlig  gerecht  und  schildert  sie  ein- 
gehend. Besonders  widmet  er  auch  der  Radiotherapie  und  der  Finsen- 
schen  Phototherapie  eine  eingehende  Schilderung.  Zu  bedauern  ist,  daß 
gerade  die  Abbildungen,  welche  die  Erfolge  der  chirurgischen  Lnpus- 
behandlung  illustrieren  sollen,  so  dunkel  und  undeutlich  ausgefallen  sind, 
daß  daraus  kein  Schluß  auf  die  Erfolge  gezogen  werden  kann.  Auch 
die  Lepra  ist  ausführlich  geschildert  und  durch  einige  Abbildungen  er- 
läutert. Die  Arzneidermatosen  sind  an  einer  Zahl  von  Typen  geschildert, 
ohne  daß  dadurch  ein  erschöpfendes  Bild  aller  eventuell  vorkommenden 
Exantheme  gegeben  würde.  Besprochen  finden  sich  nur  die  alier  wich- 
tigsten, so  die  Exantheme  nach  Chinin,  Antipyrin,  Quecksilber,  Jod,  Brom, 
Arsen.  Ihnen  schließen  sich  dann  dio  toxischen  Dermatosen  Ergotismus 
und  Pellagra  an,  und  weiterhin  das  Erythem a  exsudativum  multiforme 
und  nodosum,  während  der  Pepmhigus  zwar  im  Anschluß  daran  besprochen 
aber  nicht  zu  den  toxischen  Dermatosen  gerechnet  wird.  Seine  Ätiologie 
läßt  auch  Lang  unentschieden.  Auf  die  Diätvorschriften  legt  der  Autor 
bei  der  Akne  nicht  den  Wert  wie  die  I>'ranzosen,  gibt  aber  gleichwohl 
die  Wichtigkeit  der  Indikanausscheidung  für  den  Prozeß  zu. 

Bei  Besprechung  der  Hypertrichosis  und  ihrer  Therapie  finden 
wir  dann  eine  ausführliche  Darstellung  der  Radiotherapie,  Angaben 
über  die  Entfernung  in  der  beleuchtet  werden  soll,  über  die  Qualität  der 
Röhren,  über  die  Dauer  und  Zahl  der  Sitzungen  und  anderes  mehr. 
Leider  finden  die  Nagelaffektionen  nur  eine  sehr  kurze  Besprechung, 
obwohl  gerade  eine  zusammmenfassende  Derstellung  derselben  sehr  dan- 
kenswert gewesen  wäre.  Auch  die  Geschwülste  der  Haut  sind  nicht  so 
eingehend  berücksichtigt  worden  als  Manchem  lieb  gewesen  wäre.  Frei- 
lich mußte  ja  da  eine  gewisse  Einschränkung  walten,  doch  scheint  die- 
selbe eine  allzugroße.  Es  würde  zu  weit  führen,  noch  mehr  ins  Einzelne 
zu  gehen.  Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  eine  Reihe  von  Einzelheiten  an- 
fechtbar sind,  daß  der  eine  diesen,  der  andere  jenen  therapeutischen 
Hinweis  vermissen  wird,  das  tut  aber  dem  großen  Werte  des  wirklich 
und  im  besten  Sinne  modernen  Lehrbuches  keinen  Abbruch.  Dieser 
Wert  wird  noch  erhöht  durch  die  gute  und  sorgfaltige  Ausstattung, 
welche  die  Verlagsfirma  dem  Buche  gegeben  hat  und  durch  die  Meufre 
zum  größten  Teile  recht  guter  Abbildungen. 

Das  ganze  Werk,  das  uns  in  so  vollendeter  Form  die  in  lang- 
jähriger Erfahrung  gewonnenen  Auflassungen  und  Anschauungen  eines 
als  medizinisch  wie  spezialistisch  gleich  hervorragenden  Forschers  dar- 
bietet, können   wir  nicht  nur  dem  Spezialarzte,   sondern  vor  allem  dem 


476  Buchanzeigen  und  Besprechungen. 

praktischen  Arzte  and  dem  Studenten  empfehlen;  jeder  wird  Belehrung 
und  Anregung  finden.  Und  gerade  die  Praktiker  werden  das  finden,  was 
sie  für  die  Arbeit  des  Tages  nötig  haben  neben  den  wertvollen  Hin- 
weisen auf  das  rolle  und  g^nze  Verst&ndnis  der  Dermatologie  als  eines 
Teiles  der  gesamten  Medizin.  Dem  Werke  des  hochgeschätzten  Ver- 
fassers wünschen  wir  den  Erfolg,  den  es  durch  seine  Bedeutung  verdient. 

Wolters  (Rostock). 


Va 


r  1  a. 


Personalien.  Prof.  v.  Düring-Pascha  (Eonstantinopel)  ist 
zum  außerordentlichen  Professor  der  Dermatologie  an  der  Universität 
Ilael  ernannt  worden.  Wir  beglückwünschen  unseren  geschätzten  Mitarbeiter, 
der  trotz  der  großen  Schwierigkeiten,  die  er  im  türkischen  Dienste  zu 
überwinden  hatte,  eine  so  erfolgreiche  sanitäre  und  wissenschaftliche 
Tätigkeit  daselbst  entfaltet  hat,  zur  Bückkehr  in  die  Heimat  und  zum 
neuen  Wirkungskreise. 

Dr.  Heinrich  Loeb  in  Mannheim  wurde  die  Leitung  der  Abteilung 
für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  am  dortigen  Erankenhause  übertragen. 


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