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BegrQndet von H. Auspitz und F. J. Pick.
ARCHIV
rar
Dermatologie und Syphilis.
Prof. K'CALL ANDERSON, Prof. BEHREKD, Pror. BEROH, Dr. BKSNIKB, Pror. BOECR, Prof.
BUSCHKB, PruT. DUHRroO, Dr. ELSENBBRQ, Dr. J. ORCNFELD, Prof. BALIX)PEAO, Prof.
HASTTUNO, Dr. HELLER. Dr. HOOHSINOBR, Prof. JACOBI, Pror. JANOV8KT, Dr. JOSEPH,
Dr. KLOTZ, P»r. KOPP, Prot LANO, Dr. LEDERUANN, Prof. LUEASIEWICZ, Dr. LUST-
OABTEN, Prof. UAJOr OHI, Prof. t. HARSCHALEÖ. Prof. HATZBKADBfi, Prof MERK, Dr. da
R08BHTBAL,Pror.SOBin',Dr.SCHUUAGIIBRIL,DT.ifGBDTZ. Prof. SEIFERT, Prof. SPIEOLEB,
mL CasBry, M. DoDtreiepoit, Prof. Piuer, Pror. ladassotu, Prüf, laier, Prot RjeM,
KBnlpbarf Bonn Wim Butd BorUn Wien
herausgegeben von
F. J. Pick, Prag nnd A. NeiSSer, Breslau.
Neunundachtzigster Band.
Hit zehn Tafeln nnd einer Abbildung im Texte.
Wien und Leipzig.
Wilhelm Branmöller,
k. D. k. Hof- und Unlnrtiaabnebblndlar.
1908
CATW4}GÜED
MAY 22 1908
E. H. B.
K, u. k. Hofbnchdruckerel A. Haas«, Prag.
*:
M
Inhalt.
Pag.
Original-Abhandlungen;
Tinea albigena und die Züchtung ihres Pilzes. Von Prof. A. W.
Nienwenhuis, Leiden. (Hiezn Taf. I — IV.) 8
Zar Frage der Behandlung der Syphilis mit Atoxyl. Von Prof. Edvard
Welander in Stockholm 81
Ans der deutschen dermatologischen Klinik in Prag. Ober Hautver-
änderungen bei Pseudoleukämie und Leukosarkomatose. Von Prof.
C. Kreibich. (Hiezu Taf. V.) 48
Aus dem Karolinen-Kinderspitale in Wien [Vorstand Prim.-Doz.
W. Knöpfelmacher]. Über Krythrodermia desquamativa, eine eigen-
artige universelle Dermatose der Brustkinder. Von Dr. Carl
Lein er, em. Assistent des Karolinen-Kinderspital es. (Hiezn Taf.
VL) 66, 163
Aus der pathologisch-anatomischen Anstalt des städtischen Kranken-
hauses im Friedrichshein zu Berlin [Vorstand: Prosektor Dr. L.
Pick]. Lymphangio-Endothelioma cutis abdominis. Ein Beitrag zur
Kenntnis der Endotheliome der Haut. Von Dr. Fritz Juliusberg
(Berlin). (Hiezu Taf. VIT u. VIIL) 77, 191
Die Syphilis unter den Prostituierten in Lemberg. Von Dr. Jan
Papee . 98
Aus der k. k. deutschen dermat. Universitätsklinik in Prag (Vorstand :
Professor Kreibich). Klinische, histologische und vergleichende
Beiträge zur Kenntnis der Cutisroyome. Von Dr. Paul Sobotka,
Assistenten der Klinik. (Hiezu Taf. IX u. X.) 209, 823
Aus der kaiserlichen dermato-urologischen Universitätsklinik in Tokyo,
Japan. (Direktor: Professor Dr. K. Dohi.) Ein Beitrag zur Patho-
logie und Statistik der Epididymitis gonorrhoica. Von Dr. T.
Tanaka aus Tokyo, Japan 235
Aus der dermatologischen Abteilung des k. k. Krankenhauses Wieden
in Wien (Professor Dr. S. Ehrmann). Über die jodophile Substanz
in den Leukocyten des gonorrhoischen Eiters. Von Dr. Ferdinand
Winkler 263
Besondere Syphilisfalle. Von Dr. Moriz Porosz, Spezialarzt in
Budapest 281
Aus der Klinik für Qeschlechts- und Hautkrankheiten in Wien. (Vor-
stand: Prof. E. Finger.) Zur Differential diagnose zwischen Lues
und Tuberkulose bei ulzerösen Prozessen. Von Dr. Viktor Mucha,
Assistent der Klinik 355
IV Inhalt
Pag
Aus der k. laryngo logischen Poliklinik der Universität Manchen. (Vor-
stand : Prof. Dr Neumayer.) Über Verkümmerung der Augenbrauen
und der Nägel bei Thyreoidosen. Von Dr. R. H o f f m a n n, l. Assistent
(Mit einer Abbildung im Texte.) 881
Aus der Klinik für Syphilis und Hautkrankheiten der Universität Bonn
(Direktor: Geheimrat Professor Dr. Doutrelepont). Ober die v.
Pirquetsche kutane Tuberkulinimpfnng und die Ophthalmoreaktion
bei lupösen Erkrankungen. Von Dr. Wilhelm König 886
Ans der temporären Abteilung für venerische Krankheiten am klinischen
Militärhospital — St. Petersburg. Beitrag zur Frage von der
Thyreoiditis jodica acuta. Von Dr. M. P. Gundorow S99
Aus dem Odessaer Städtischen Spitale. Die Behandlung der Syphilis
mit Mergal. Von Dr. med. A. J. Grünfeld, Leiter des Ambu-
latoriums für Haut- und venerische Krankheiten 415
Bericht Ober die Leistungen auf den Gebiete der Der-
Riatoiegie und Syphilis.
Verhandlungen der Berliner dermatologischen Gesellschaft . . .116, 431
Bericht über den VI. internationalen Dermatologen-Kongreß in New-
York. Von Dr. Neu berger, Nftmberg 291
Hautkrankheiten . • 120, 486
Geschlechtskrankheiten 150, 298
Buchanzeigen und Besprechungen. . . . 157, 817, 472
Vorberff. O. Fonmier, Alfred: Die Syphilis der ehrbaren Freven. — Bren-
neeke, Dr.: Freih«»!!! Ein offenes Wort sur «exaalen Frage an Deatoehlands Jagend.
— Nelsier and Jaeobit Jkonographia Dermatologlca. — Sehmidt, Maria v.:
Muttnrdienst. — Albrecht, Hans: Beitrüge aar Kasenprotfaese.
Hoff mann, Rrich. Atlas der Itlologischen and experimentellen SyphillBforsebang. —
P e 1 1 i z B a r i . Oeiso. Gas! di Onicomicosi gnaritl colla Röntgen therapia. — Giorannini,
Sebastisno. Ricerche intomo alla eomeificaslone dei peli nmaui compinte eoUa digestione
artiflcUle.
F i e k, Johannes. Synonymik der Dermatologie. — Mersbaeh, Qeorg. Autorisierte Über-
setsnng Ton Jnllien: läeltene und weniger bekannte Tripperformen. — Istitnto
Fototerapieo annesso aUa Clinieo dermosiftlopatica di Firenze.
Varia 159, 319, 474
Deutsche Dermatologiscbe Gesellschaft. — Erich Hoff mann: Atlas der Ätiologischen
und experimentellen Syphilisforschung. — Domenico Majocchi. — Personalien. —
Professor Oskar Lassar, Berlin.
Bobert W. Taylor New- York f. — IV. Kongreß der deutschen RSntgun- Gesellschaft.
— IV. iuternatiwnaler Kongreß für media. ElektrixitXtslebre etc. — I.assars dermstologische
Klinik. — Lassars dermatologische Zeitschrift.
Personalien.
Nekrolog 820, 470
Oskar Lassar. ^ Thomas Me. Call Anderson, Glasgow.
Originalabhandlungen .
▲reh. f. D«r«mt. m. Sfph. Bd. LXXZIX.
Tinea albigena
und die Züchtung ihres Pilzes.
Von
Prof. A. W. Nienwenhuis, Leiden.
(Hieza Tal. I— IV.)
Die oberflächlichen parasitärenHautkrankheiten, welche unter
-den wenig bekleideten Stämmen des indischen Archipels so
vielfach vorkommen, daß sie anfangs für den Europäer das
-Gesamtbild dieser Menschen beherrschen, gehören zum Teil zu
denjenigen, die auch in gemäßigteren Klimaten auftreten, wie
z. B. Tinea circinata als eine Form von Herpes tonsurans^
zum Teil sind sie aber den Tropenländern eigen, wie Tinea
«mbricata, die infolge des wachsenden Verkehrs sich in diesen
<7egenden stark zu yerbreiten beginnt, bis jetzt aber die
'übleren Länder noch Terschont hat. Diese Hautentzündungen
Bind für die malaiischen Völker nachteiliger als ähnliche Haut-
krankheiten in Europa, wo die Erwerbsfähigkeit nur selten
^urch dieselben beeinträchtigt wird. Die Resistenz der Haut
^ird aber unter den beinahe nacktgehenden, von Ackerbau^
Fischfang und Jagd lebenden Stämmen in den Tropen beim
Tragen von Lasten und anderen mechanischen Insulten stark
in Anspruch genommen und die erwähnten Krankheiten ver-
mindern ihre Widerstandskraft dermaßen, daß Verwundungen
und ulzeröse Prozesse die erkrankten Stellen öfters befallen.
Eine vor kurzem von mir unter dem Namen Tinea
4ilbigena beschriebene oberflächliche Hautentzündung, die von
4 Nieawenhuis.
den bisher bekannten klinisch sehr verschieden ist, beansprucht
ebenfalls nicht nur von wissenschaftlichem, sondern auch von
wirtschaftlichem Standpunkt das Interesse weiter Kreise.
Die klinisch wichtigsten Symptome, welche dieser Krank-
heit ihre selbständige Stellung verleihen, nämlich ihre Lokali-
sation an den Handflächen und Fußsohlen und die vollständige
Entfärbung der angegriffenen Teile der Haut, bedingen neben
ihrer großen Verbreitung ihre Wichtigkeit auf wirtschaftlichem
Gebiet unter den indonesischen Völkern. Die infolge harter
Arbeit und des Gehens auf nackten Füßen für gewöhnlich durch
dicke Schwielen geschützten Hohlhände und Fußsohlen der
Eingeborenen werden durch diese Krankheit dieses Schutzes
teilweise beraubt, was das Arbeiten und Gehen sehr beein-
trächtigt. Außerdem wird die mehr oder weniger starke Ent-
färbung der Hände und Füße als sehr unangenehm empfunden ;
so bin ich denn gerade durch die Bitten der Malaien, den
weißen Flecken die braune Farbe der übrigen Haut wiederzu-
geben, zuerst auf diese Krankheit aufmerksam gemacht worden»
Da dieser Hautentzündung eine ausgesprochene Tendenz
zum chronisch werden eigen ist, sie bei dem Maugel an wirk-
samen Heilmethoden bei den Eingeborenen Jahrzehnte bestehen
bleiben kann, ferner auch die Europäer von dieser widerwärtigen
Krankheit behaftet werden, darf sie sicher zu den wichtigsten
Hautkrankheiten der Tropen gerechnet werden.
Während meiner jahrelangen Reisen im Innern der Insel
Bomeo (1894—1900) übte ich eine ausgebreitete ärztliche
Praxis unter den dort ansässigen Dajakstämmen aus; hier
waren es die ständigen Bitten der Dajak um Hilfe gegen die
Schmerzen an Händen und Füßen, welche mich zwangen, mich
mit dieser Krankheit zu befassen und Heilversuche anzustellen.
Dadurch gewann ich eine richtige Auffassung von der Selb-
ständigkeit des klinischen Bildes dieser Hautkrankheit. Die
guten Erfolge, welche ich durch Anwendung epiphytizider
Mittel bei der Behandlung erreichte, überzeugten mich, es mit
einer parasitären Hautkrankheit zu tun zu haben, und nach
meiner Rückkehr gelang es mir im botanischen Institut zu
Buitenzorg auf Java im Jahre 1901, in den Hautschuppen einen
Pilz als den vermutlichen Krankheitserreger zu entdecken.
Tinea albigena and die Zächtung ihres Pilzes. 5
Die Resultate dieser Untersuchung wurden in „het Genees-
kundig Tydschrift voor Nederlandsch Indiß«, Teil XLIV, Lief. 6,
publiziert. Seitdem war ich in der Lage, auf das Studium
dieses Pilzes näher einzugehen, und es gelang mir, diesen auf
verschiedenen Nährböden zu züchten und zum Fruktifizieren
zu bringen.
Geographische Verbreitung. Ich bin selbst fest-
zustellen im Stande gewesen, daß Tinea albigena unter der
Bevölkerung von Java, Bomeo und Lombok sehr verbreitet ist
und daß auch sehr viele der einheimischen Soldaten der
niederländisch-indischen Armee an der Krankheit leiden, wenn
diese sie auch nicht immer für den Dienst untauglich macht.
Später habe ich das Vorkommen von Tinea albigöna unter der
Bevölkerung von Sumatra und Neu-Guinea (auf den vorzüglichen
Tafeln von van der Sandes Nova Guinea) konstatieren können,
so daß ich nicht fehlzugehen glaube, wenn ich den ganzen
malaiischen Archipel als ihr Verbreitungsgebiet angebe ; ich bin
überzeugt, daß auch die Bewohner der benachbarten Gebiete
von ihr nicht verschont geblieben sein werden. Die Verbreitung
dieser Hautkrankheit unter einer Bevölkerung im Archipel ist
nämlich so stark, daß wohl ein Viertel der erwachsenen
Personen mehr oder weniger mit ihr behaftet ist.
Auch ein Teil der unter diesen Stämmen ansässigen
Europäer wird von Tinea albigöna befallen und durch die
Veränderungen an den Händen im täglichen Leben sehr be-
lästigt. Die größere Reinlichkeit der Europäer, die dünnere
Epidermis ihrer Hände und Füße und das Gehen mit Stiefeln
verhindern jedoch eine starke Entwicklung der krankhaften
Veränderungen, wie man sie öfters bei den Eingeborenen findet.
Auf der 79. Versammlung Deutscher Naturforscher und
Ärzte in Dresden wurde mir von verschiedenen Seiten ver-
sichert, daß in Deutsch-Ost- und West-Afrika ähnliche Ver-
änderungen an Handpalmen und Fußsohlen der Eingeborenen
vorkommen sollen. Auf Tafel I seiner Abhandlung über die
tropischen Hautkrankheiten in Dr. Menses Handbuch der
Tropenkrankheiten bildet Dr. A. Plehn die Unterbeine eines
Kamerunnegers ab, welche denen meiner Dajakfrau aus Mittel-
Bomeo auf Tafel III; Fig. 5, sehr ähnlich sind, Die Verbreitung
6 KieaweQhuis.
der Tinea albigöna in den Tropen ist deshalb wahrscheinlicb
größer, als mir bis jetzt bekannt geworden ist
Klinische Symptome. Während das Anfangsstadium*
der Krankheit bei den erwachsenen Eingeborenen unter den
dicken Schwielen der Fußsohlen schwer zu verfolgen ist, bieten»
Eruptionen bei Kindern und Europäern hierzu bessere Gelegen-
heit. Zuerst entsteht ein stark juckendes Knötchen, das ii^
eine Blase von 8—4 mm Durchmesser übergeht; anüeings ist
diese gefüllt mit einer hellen, bernsteinfarbigen Flüssigkeit,
allmählich wird sie purulent und yertrocknet. In der Umgebung
ist nur eine geringe Röte, aber keine heftigere Entzündung z»
bemerken ; es treten dort aber später andere Bläschen, unregel-
mäßig zerstreut, nicht in konzentrischen Kreisen wie bei Tinea
imbricata und T. circinata hinzu (Taf. I, Fig. 1).
Unter der Fußsohle vergrößert sich die kleine Blase
immer mehr, da die dicke Epidermis nicht leicht reißt, so daft
das Exsudat diese immer weiter von dem Rete Malpighi abhebt und
Blasen bis zu 8 mm Durchmesser gebildet werden. Da diese
Blasen heftig jucken, hat der in der Regel junge Patient sie
sehr bald durch Kratzen geöffoet, wonach die Flüssigkeit aus-
fließt und das rote Rete Malpighi^ der Blasengrund, zum Vor-
schein tritt.
Sobald die Flüssigkeit verschwunden ist, zeigt die glatte^
bloßliegende, rote Schicht eine starke Neigung zum Eintrocknea
und zur Verhornung, so daß auch ohne Pflege keine Ulzera-
tionen entstehen, dagegen wohl Stellen mit einer dünnen, oft
unregelmäßigen Epidermisschicht. Dergleichen Flecken breiten
sich dann chronisch langsam aus und können sich mit benach-
barten vereinigen, so daß die epitheliale Bedeckung der Hand-
flächen und Fußsohlen viele verdünnte und unregelmäßig ge-
bildete Stellen aufweist. (Taf. I, Fig. 2.)
Die Krankheit zeigt wenig Neigung, um von selbst zu
heilen und ist durch die dicke Oberhaut gegen die Einwirkung
der inländischen Arzneien geschützt; sie bedeutet daher für
den Betreffenden eine Jahre lange Qual und kann sogar das
ganze Leben hindurch bestehen bleiben. Das Jucken ist im
chronischen Stadium lange nicht so heftig wie in dem erstea
akuten, so daß der auf sich selbst wenig achtende Eingeborene
Tinea albigena und die Züohtnng ihres Pilies. 7
später nur selten etwas über das erste, stark juckende Stadium
anzugeben weiß,
Tinea albig&a beginnt auch Ton Anfang an in chronischer
Form und weist dann nur während den dabei auftretenden
Exacerbationen die Bläschen auf. Dieses ist z. B. bei er-
wachsenen Europäern der Fall. Hauptsächlich gegenüber den
Beschwerden, welche die sekundären Veränderungen der
Schwielen Terursachen, tritt ein geringes Jucken bei der chroni-
schen Form zurück. Die Stellen mit dünnerer Epidermis
beschirmen beim Arbeiten und Gehen die darunterliegenden
Schichten nicht genügend, wodurch Schmerzen und bisweilen
Arbeitsunfähigkeit yerursacht werden. Femer verdicken sich
andere Teile und werden minder elastisch, so daß die Fuß-
sohlen an diesen Stellen beim Gehen rissig werden und die
unter den Ärzten im indischen Archipel berüchtigten Spalten
entstehen (Taf. II, Fig. 4), in denen dann Schmutz, Sand und
Steinchen beim Barfußlaufen sekundäre Entzündungen verur-
sachen. Beispiele für dergleichen Fußsohlen findet man bei
den einheimischen Soldaten in den sogenannten Gamisons-
bataillonen, wo die minder brauchbaren Mannschaften unter-
gebracht werden, in Überfluß. Daß die Beschwerden, welche
die Veränderungen zur Folge haben, zu gänzlicher Untauglich-
keit zum Kriegsdienst leiten können, ist bekannt.
An den Händen kommt ebenfalls eine schwache Epidermis-
bedeckung vor; die sekundären Erscheinungen erreichen hier
jedoch nicht einen so hohen Grad als an den Füßen. Tinea
albigena veranlaßt aber nicht stets so starke Veränderungen,
die Handflächen können auch gleichmäßig mit einer verdickten,
etwas harten Epidermis bedeckt sein, welche man an und für
sich schwerlich als pathologisch auffassen könnte, wenn nicht
eine leichte Schilferung in den Falten und ein geringes Jucken
auf diese Krankheit aufmerksam machten.
Tinea albig&a ist also eine oberflächliche Dermatitis, die
in die Gruppe der parasitären Hautkrankheit eingereiht werden
muß, von denen Herpes tonsurans ein Vertreter ist und die
als Trichophytien zusammengefaßt werden.
Daß auch die tieferen Schichten der Haut auf die Dauer
in den Prozeß bezogen werden, zeigt sich an den Veränderungen,
8 Nieawenhuis.
die in ihnen stattfinden und makroskopisch sichtbar werden
durch das Verschwinden des Pigments, eine auf der braunen
Haut der Eingeborenen sehr auffallende Erscheinung. Diese
Entfärbung erreicht jedoch erst nach Jahren einen höheren
Grad und findet nur allmählich und unregelmäßig statt;
es kann jedoch auch eine Tollständige Entfärbung eintreten.
(Tafel III, Fig. 3 u. 4.) Begreiflicherweise findet man derartige
weiße Hände und Füße nur bei erwachsenen Personen. Heilt der
Prozeß in diesem Stadium, so verschwinden die Veränderungen der
Oberhautschicht gänzlich und hinterlassen keine Spuren, wenn
nicht sekundäre Entzündungen eine Vernichtung der Gewebe
veranlaßt haben; nur stellt sich die Pigmentatrophie nicht
wieder her. Außer aus dem ganzen Prozess geht also auch
hieraus hervor, daß von einer ernsten, tieferen Entzündung bei
dieser Hautkrankheit keine Bede ist.
Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen entsteht Tinea
albigSna ausschließlich an der Volarfläche von £[änden und
Füßen und zeigt wenig Neigung, Hautteile mit dünnerer
Epidermis anzugreifen. Alte Prozesse breiten sich jedoch
allmählich über die Bänder von Händen und Füßen aus und
gehen später ebenso auf die Bückseite dieser Körperteile über.
Sogar über den Puls bis auf den Unterarm und über den Knöchel
bis auf das Unterbein (Taf. UI, Fig. 5) kann die Haut durch
Tinea albigöna entzündet werden. Als Folge hiervon zeigen diese
Teile uns dann das Bild eines chronischen Ekzems; eine ver-
dickte, runzlige, oberflächlich schilfernde Haut, die beim Ein-
geborenen auf einigem Abstand grau, wie mit Mehl bestreut
aussieht. Daß auch das Pigment in diesen Teilen atrophiert,
geht aus den Fingerspitzen auf Fig. 3 und den weißen Flecken
auf den Schienbeinen von Fig. 5 hervor.
Trotz der sehr starken Verbreitung, die Tinea albigöna
unter den Eingeborenen erreicht hat, beobachtete ich dies
eigentümliche Exanthem mit seiner charakteristischen Ent-
färbung nur äußerst selten auf anderen Körperteilen; einmal
in der Weichengegend, ein anderes Mal auf Brust und Stirn.
Die Krankheit erinnerte hier stark an die chronische Tinea
circinata; die starke, weiße Entfärbung der Haut bewies mir
jedoch, es hier mit Tinea albiggna zu tun zu haben.
Tinea albigena udU die Zucbtnng Ihres Pilzes. 9
Ob auch die Haare auf der kranken Haut angegriffen
werden, habe ich nicht feststellen können; die Nägel der
Hände und Fuße werden jedoch häufig, wenn auch nicht stets,
in Afitleidenschaft gezogen.
Auch hier ist die Entzündung anfangs nur sehr ober-
flächlich^ die Nägel werden undurchsichtig, verdicken sich und
fallen in Lamellen auseinander, wonach sie abbröckeln und
dünner werden, da sie den äußerlichen Verletzungen, die durch
Barfußgehen und Handarbeit hervorgerufen werden, keinen
Widerstand bieten. In einem späteren Stadium leidet jedoch das
Nagelbett; es schrumpft zusammen und bringt dann nur dünne,
unregelmäßig gebildete Nägel mit tiefen Längsgruben hervor.
Betrachten wir die Fig. 3 und 5, so bemerken wir, daß die
Verbreitung von Tinea albigena auf beiden Abbildungen eine
stark ausgesprochene Symmetrie zeigt. Einerseits könnte man
hierin ein wichtiges diagnostisches Merkmal erblicken, anderer-
seits unwillkürlich auf den Gedanken kommen, daß diese
Krankheit vielleicht auf nervösem Einfluß beruhen könnte. Die
starke therapeutische Wirkung verschiedener epiphyticider Mittel
und die spätere Feststellung eines wuchernden Pilzes in den
pathologischen Produkten der erkrankten Epidermis veran-
laßten mich jedoch, diesen als den Krankheitserreger zu be-
trachten, so wie es auch meine späteren Untersuchungen
ergaben.
Die Frage, welchen Wert man einem symmetrischen Vor-
kommen bei den parasitischen Hautkrankheiten im allgemeinen,
und auch bei Tinea albigSna zuschreiben muß, behandelte ich
in einer Abhandlung der Kön. Akad. d. Wissensch. in Amsterdam,
T. X, Nr. 4 unter dem Titel : „Lokalisation und Symmetrie der
parasitären Hautkrankheiten im indischen Archipel^.
Betreffs Tinea albigena will ich in Bezug auf Symmetrie
nur das Folgende anführen:
Eine symmetrische Ausbreitung auf dem Körper kommt
bei verschiedenen parasitären Hautkrankheiten in den Tropen
vor^ wie bei T. imbricata, T. circinata, Pityriasis versicolor
und Mal del Pinto.
Unter allen diesen ist die Anzahl der Fälle von Symmetrie
nicht gleich. Bei den an T. albigena leidenden Patienten
10 Nieuwenhuis.
zeigt sich diese Eigentümlichkeit in ^/s der Fälle, ebenso
häufig bei den an T. imbricata Erkrankten. Bei den übrigen
parasitären Hautkrankheiten kommt sie minder häufig vor.
Der auf Tafel II abgebildete Fall einer symmetrischen
Ausbreitung von T. albigäna betrifft einen Javaner, der an der
Volarfläche der Hände und der Rückseite der Fingerspitzen
eine sehr symmetrische, beinahe vollständige Entfärbung der
Haut zeigt als Folge einer geheilten Tinea albiggna. Diese
besteht noch an seinen Fersen (Fig. 4), wo die eigentümlichen
Spalten in den Schwielen mit der charakteristischen Entfärbung
deutlich hervortreten.
Die beiden Fig. 5 abgebildeten Füße zeigen die Krank-
heit noch in ihrer vollen Heftigkeit. Es sind die Füße einer
etwa 40jährigen Frau der Kajan Dajak in Mittel- Bomeo, die
bereits seit 20 Jahren oder länger an dieser Krankheit litt, so
daß das lange Bestehen der Symmetrie in diesem Fall sicher
bemerkenswert ist. Im Laufe der Jahre hat sich die Ent-
zündung von der Unterseite der Füße über den Fußrücken und
die Knöchel bis auf die Unterbeine ausgebreitet, wo sich an der
Innenseite auf der dünnen Haut der Schienbeine Flecken mit
sehr unregelmäßiger Pigmentatrophie zeigen.
Fragen wir nun nach der Ursache, daß unter anderen
auch Tinea albigSna eine so ausgesprochene Neigung zu einer
symmetrischen Verbreitung auf dem Körper besitzt, so zeigt es
sich, daß die Krankheit hauptsächlich an diejenigen Teile der
Haut gebunden ist, die untereinander in ihren physischen und
chemischen Eigenschaften übereinkommen, sich durch diese
jedoch scharf von der übrigen Haut unterscheiden.
Nirgends hat sich die Epidermisschicht so stark ent-
wickelt, als gerade an den Handflächen und Fußsohlen, be-
sonders bei den Inländern, aber auch bei Europäern, was auf
einen Entzündungsprozeß, der gerade in dieser Schicht seinen
Sitz hat, sicher von Einfluß sein muß. Haare und Haar-
säckchen kommen auf diesen Teilen nicht vor, was nicht ohne
Wichtigkeit sein kann, da sich ja gerade in diesen häufig Ent-
zündungsprozesse festsetzen. Bei den Inländern, die auf bloßen
Füßen gehen und viel Handarbeit zu verrichten haben, ent-
wickeln sich diese eigenartigen, physischen Eigenschaften in
Tinea albigena und die Züchtung ihres Pilzes. H
Tiel stärkerem Maße als bei Europäern, so dafi auch der
Unterschied mit der übrigen Haut größer geworden ist.
Zugleich sind aber die chemischen Eigenschaften dieser
Hautteile sehr eigentümlich, da das Fehlen der Haare mit
ihren Fettdrüsen und die starke Ausbildung der Schweißdrüsen
die Zusammensetzung des Hautsekrets bestimmen, mit dem die
Epidermis ständig getränkt wird.
Ein kleinerer Gehalt an Fett- und ein größerer an
Schweißbestandteilen müssen den Abscheidungsprodukten der
Handflächen und Fußsohlen gegenüber denen der anderen
Hautteile eigen sein.
Daß der Vorzug, den Tinea albigena den Hautteilen der
Tola manus und der planta pedis gibt, wahrscheinlich auf
diesen physischen und chemischen Eigenschaften beruht und
nicht auf konstitutionellen und nervösen Einflüssen, zu denen
man in der Regel zur Erklärung von Symmetrie bei Krank-
heitserscheinungen seine Zuflucht nimmt, findet auch noch in
der folgenden Erwägung eine Stütze. Sowohl konstitutionelle
als neryöse Reize üben mittelst bestimmter Nerven und Blut-
gefäße ihren Einfluß auf die durch diese versorgten Teile der
Haut aus:
1. besitzen aber Handflächen und Fußsohlen keine Nerven
und Blutgefäße^ die sich nur in ihnen verzweigen, was für eine
Erklärung dieser Lokalisation als auf inneren Einflüssen be-
ruhend doch notwendig wäre;
2. breitet sich Tinea albigßna auf die Dauer aus, ohne
sich an das Verbreitungsgebiet bestimmter Nerven oder Blut-
gefäße zu halten;
3. ist diese Hautkrankheit unter den Eingeborenen des
ganzen indischen Archipels viel zu verbreitet, um als Ursache
für dieselbe eine Eigentümlichkeit der Konstitution oder trophische
Störungen annehmen zu können;
4. glückte es mir bei einem Europäer, der bereits seit
vielen Jahren an beiden Fußsohlen an dieser Krankheit gelitten
hatte, mittelst Jodiumtinktur den einen Fuß innerhalb weniger
Tage zu heilen, während die Tinea albigöna am anderen Fuß,
den ich aus bestimmten Oründen nicht behandelte, noch Jahre
lang bestehen blieb und Mycelien hervorbrachte. Der geheilte
12 Nieuwenhuis.
Fufi blieb gesund, was ebenfalls nicht für das Vorhandensein
einer nervösen Prädisposition spricht;
5. schließlich gelang es mir darch Impfung mit dem
künstUch aus Nagelsubstanz einer Onychomycosis bei T. albigßna
gezüchteten Pilz, die Onychomycosis wieder zu yerursachen und
denselben Pilz aus diesem Nagel zu züchten.
Aus diesen Gründen glaube ich, dafi der Vorzug, den
Tinea albigöna der Hohlhand und Fußsohle gibt, auf den
physischen und chemischen Eigenschaften dieser Teile beruht
und finde hierin zugleich den Grund, warum man bei diesen
und bei anderen parasitären Hautkrankheiten in den Tropen
so häufig eine symmetrische Ausbreitung antrifft. So weit wir
nachgehen können, sind nämlich die physischen und chemi-
schen Eigenschaften einer gesunden Haut an übereinstimmen-
den Stellen der linken und rechten Eörperhälfte gleich ; da sie
die Verbreitung der Parasiten so stark beeinflussen, yeranlassen
sie auch die häufige Symmetrie dieser Hautkrankheiten. Bei
Tinea albig^na beträgt die Anzahl der Fälle einer symmetri-
schen Ausbreitung bis zu einem Drittel aller vorkommenden. Ein
speziell diagnostisches Merkmal für Tinea albigSna kann man
dieser Neigung aber nicht entlehnen, da sie diese mit so vielen
anderen parasitären Krankheiten teilt. -
Mikroskopische Untersuchung. Diese ergab als
wichtigstes Resultat das Vorhandensein einer sehr großen Anzahl
Mycelfädenin den Krankheitsprodukten. Zur Untersuchung dieser
Mikroorganismen können sowohl die Schüppchen dienen, die man
in akuten und chronischen Fällen auf den dünneren Hautstellen
der Uaud- und Fußränder findet als auch die Nägel, wenn
diese angetastet sind. Macht man diese mit Kalilauge durch-
sichtig, so findet man in ihnen bei etwa iOOfiEU^her Vergrößerung
ohne große Mühe Mycelfaden.
Immerhin ist dies weniger einfach als bei Tinea imbricata,
wo ein besonders dichtes Geflecht von Pilzfäden sogleich ins
Auge springt. Bei Tinea albigena finden sich die Mycelfaden
nur hie und da zwischen den verhornten Epithelzellen verstreut.
Die Form der Fäden an sich ist wenig charakteristisch;
man findet solche, die aus einigermaßen kommaformigen Zellen
Tinea albigena und die Züohtangf ihres Pilzes. 13
bestehen und 2*5 bis 45 [i dick und 7 — 35 ja lang sind. Die
Zellen sind an den aneinander grenzenden Enden abgerundet,
so daß zwischen je zwei Zellen eine deutliche Einschnürung
vorkommt. Die Fäden verzweigen sich dichotomisch mit bis-
weilen sehr langen ungeteilten Zwischenräumen. Auch findet
man sehr oft Fäden, welche ganz glatt sind, nur sehr undeut-
liche Zwischenwände zeigen. Außerdem kommen noch andere
Formen vor, die wie großmaschige Netzwerke aussehen, aus
Beihen mehr ovaler Zellen von stark körnigem Inhalt, von 7 fn
Breite und 10 /u Länge, zwischen denen sich auch weniger
regelmäßig gebaute Zellen befinden.
Der Inhalt der getrennten Zellen und der Fäden ist
deutlich granulös; an den abgebrochenen, wo er yerschwunden
ist, erkennt man die Zellwände als doppelt konturierte, stark
lichtbrechende Schläuche.
Sowohl die Form als die Größe der Zellen sind zu ver-
änderlich, um sie z. B. von Tinea imbricata oder Tinea circi-
nata unterscheiden zu können. Als ich im Jahre 1903 das
klinische Bild dieses Exanthems veröffentlichte, gab ich an, in
den Erankheitsprodukten wohl Mycelfäden, aber keine Sporen-
bildung gesehen zu haben. Seitdem habe ich mich aber ein-
gehender mit der mikroskopischen Untersuchung beschäftigt
und es ist mir gelungen, die Fruktifizierung des Pilzes in
Nägellamellen zu beobachten. Es bilden sich nämlich an den
Hyphen Sporenreihen, Taf. IV, Fig. 9, oder mehr noch einzelne
Sporen, welche entweder den Enden eines Fadens Fig. 1, 4
und 10 aufsitzen oder einzeln Fig. 2, 3^ 5 und 6 und neben-
einander Fig. 7 und 8 gegen die Mycelfäden angeordnet sind.
Ich beobachtete diese Sporen in Nägelsubstanz, die mit Kali-
lauge durchsichtig gemacht worden war, nachdem der ange-
griffene Nagel in kleine Lamellen zerzupft war. Diese Sporen
zeigen eine runde, mehr oder weniger ovale Form und sind
den Fäden unmittelbar angeheftet; sie besitzen einen Durch-
messer von ungefähr l — lVs A^ ^^^ diejenigen, welche an der
Oberfläche der zerzupften Lamellen liegen, stechen gegen die
farblose Umgebung als dunkelbraunrote Eörperchen ab. Die,
welche in der Substanz eingebettet sind, unterscheiden sich
von dieser mehr durch die stärkere Lichtbrechung. Auch
14 Nieuwenhais.
anderen, welche durch die Kalilauge vielleicht mehr gequollen
sind, geht diese dunkelbraune Farbe ab. Wie Fig. 9 auf Tafel IV
zeigt, habe ich auch kleine Sporenreihen beobachtet, meistens
liegen aber die Sporen allein, was aber auch mit dem Zer-
zupfen der Substanz zusammenhängen kann. Eine andere als
diese einfachste Art der Sporenbildung habe ich nicht gefunden.
Sie stimmt überein mit der Sporenbildung der von mir
gezüchteten Pilze, nur habe ich die stellenweisen Sporen-
anhäufungen (grappes der Franzosen), welche sich in meinen
Kulturen finden, in jenen Präparaten nicht ausfindig machen
können.
Gelegenheit zu einer mikroskopischen Untersuchung der
entzündeten Haut selbst hatte ich nicht.
Differentialdiagnose. Im indischen Archipel können
Tinea circinata, Tinea imbricata und vielleicht auch Mal del
Pinto mit Tinea albigena verwechselt werden. Hier können
vor allem die Lokalisation und Pigmentatrophie als Unter-
scheidungsmerkmale dienen.
Von Tinea imbricata ist Tinea albigena an der charakte-
ristischen Verbreitung zu unterscheiden. Während erstere die
mit dicken Schwielen bedeckte Haut der Handpalmen und Fuß-
sohlen nur äußerst selten, vielleicht gar nicht angreift, auch
wenn sie den ganzen übrigen Körper bedeckt, wuchert letztere
vorzugsweise auf diesen. Hiebei muß jedoch berücksichtigt
werden, daß auch beide Krankheiten auf demselben Patienten
vorkommen können, ein Fall, der in den Gebieten, wo beide
herrschen, durchaus nicht zu den Seltenheiten gehört. Auf
Java jedoch, wo Tinea imbricata bei den Javanern beinahe
nicht vorkommt, ist ein derartiges Zusammentreffen äußerst
selten Ferner greift Tinea imbricata die Nägel nicht an,
während diese von Tinea albigena in der Regel nicht ver-
schont bleiben.
Schließlich muß man berücksichtigen, daß eine vor-
handene Pigmentatrophie in der erkrankten Haut ein pathog-
nomonisches Kennzeichen letzterer Hautkrankheit ist.
Tinea imbricata dagegen zeigt eher die Neigung, eine
PigmenthTpertrophie hervorzurufen. Bevor diese jedoch auf
Tinea albigena und die Züchtung ihres Pilzes. 15
der braunen Haut des Eingeborenen auffallt, mafi sie bereits
einen hohen Grad erreicht haben, was erst nach Jahren der
Fall ist. In weit vorgeschrittenen Stadien kann sie jedoch so
ausgeprägt sein, daß unter der noch bestehenden Hautkrank«
heit eine blau-schwarze statt einer braunen Haut durchschimmert.
Nach der Heilung ist die Pigmenthypertrophie von Tinea im-
bricata besser und auch in leichteren Fällen erkennbar. Die
ursprüngliche braune Haut nimmt dann eine ungleichmäßig
russige Färbung an infolge der vielen kleinen schwarzen Flecken,
mit denen sie bedeckt ist. Diese Pigmentierung nimmt später
nicht ab, so daß der sachverständige Arzt aus ihr auf ein
früheres Bestehen dieser Hautkrankheit schließen kann.
Auch gegenüber Tinea circinata oder Ringwurm kann
sowohl die eigentümliche Lokalisation als die Pigmentatrophie
zum Stellen der Diagnose dienen. Diese Hautkrankheit breitet
sich vorzugsweise auf den Hautteilen mit dünner Epidermis
aus und obgleich auf die Dauer in verwahrlosten Fällen auch
andere Teile angetastet werden, so ist ein Übergang auf die
Hohlhände und Fußsohlen doch selten. Hat das Exanthem ur-
sprünglich an einer anderen Stelle der Haut begonnen, so
wird man Tinea albigena wohl ausschließen können. Nur
dann, wenn ein chronisches Ekzem eine starke Pigmentatrophie
veranlaßt hat, muß an diese Krankheit gedacht werden, denn,
so weit mir bekannt, hat Tinea circinata keine Pigmentatrophie
zur Folge.
Bei den älteren Eingeborenen ist die ernste Mißbildung
der Schwielen für Tinea albigena charakteristisch, da diese
nicht durch Tinea circinata verursacht wird. Bei Europäern
und Kindern der Eingeborenen mit ihrer dünneren Epithel-
bedeckung an Hohlhand und Fußsohle muß alles Gewicht auf
die eigentümliche Lokalisation gelegt werden, weil sich hier
die Entzündung in einem chronischen Fall hauptsächlich als
oberflächliche Schilferung äußert. Die unregelmäßig verbreiteten
Bläschen, die bei einer Verschlimmerung an den Rändern auf-
treten können, sind leicht von den in Reihen vorkommenden
Eruptionen bei Tinea circinata zu unterscheiden.
Die Unterschiede zwischen Tinea albigena und Mal del
Pinto, einer bis jetzt in Amerika und Afrika beobachteten
16 Nienwenhais.
Hautkrankheit, würde ich nicht aufzählen, wenn Scheube in
der letzten Ausgabe seiner „Krankheiten der warmen Länder"
nicht angegeben hätte, daß diese Krankheit auch in den Straits
Settlements konstatiert worden ist, so dafi ihr Vorkommen auch
im indischen Archipel möglich ist
Diese beiden Krankheiten stimmen überdies darin über-
ein, daß sie eine starke Hautentfarbung zur Folge haben und
beide durch Pilzwucherung in der Epidermis verursacht werden.
Es wird jedoch ausdrücklich angegeben, daß Mal del Pinto
auch nach jahrelangem Bestehen und einer starken Verbreitung
auf dem Körper die Hohlhände und Fußsohlen nicht angreift
und daher auch keine Spalten usw. auf diesen veranlaßt.
Femer kann bei Mal del Pinto nicht nur eine einfache Pig-
mentatrophie stattfinden, da die entfärbten Hautstellen sehr
verschiedene Farben zeigen müssen.
Man könnte vielleicht in bestimmten Fällen bei hellen,
durch Pityriasis versicolor oder „panu^ verursachten Flecken
auf der braunen Haut und einer unbedeutenden Entfärbung
durch Tinea albigena in Zweifel geraten. Erstere Krankheit
ruft kein vesiculöses Exanthem und keine schilferige Haut-
oberfläche hervor, wie letztere es tut. Bei einer zurück-
gebliebenen^ schwachen Entfärbung nach der Heilung von Tinea
albigena muß berücksichtigt werden, daß die helle Farbe,
welche von den Malaien „panu<< genannt wird, keine eigent-
liche Entfärbung darstellt, sondern daß die leichte seröse
Schwellung der Epithelschicht die dunkle Hautfarbe weniger
gut durchscheinen läßt; deshalb erscheint hier dieselbe Erup-
tion auf der dunkelbraunen Haut heller, welche auf der weißen
Haut der Europäer als hellbraune Flecken zum Vorschein
treten.
Gegenüber den anderen oberflächlichen Dermatiden para-
sitischen Ursprungs ist die Diagnose also nicht schwierig«
Einige andere krankhafte Erscheinungen auf der Haut könnten
jedoch noch Verwechslungen veranlassen«
So könnte das akute Stadium einer Eruption auf der
Fußsohle, wie auf Tafel I abgebildet, mit dem Anfangsstadium
von Framboesia auf den Fußsohlen verwechselt werden, so
lange die Epidermis hierbei durch die Geschwulst noch nicht
Tinea albigena und die Zdchtnng ihres Pilzes. 17
perforiert ist. Auch hier hat man es mit einer schmerzhaften,
juckenden Geschwulst unter den dicken Schwielen zu tun und
die Diagnose könnte ohne andere Erscheinungen wohl nur
nach Entfernung der deckenden Schicht gestellt werden. Bei
Framboesia plantae pedis findet man dann eine weiße, käsige
Masse auf einer größeren oder kleineren weichen, roten, him-
beerförmigen Geschwulst, während bei Tinea albigena Flüssig-
keit ausfließt und der glatte, rote Grund von dem Rete
Malpighi gebildet wird. Die Veränderungen der Schwielen-
schicht bei Framboesia kann man nicht mit den Ton Tinea
albigena verursachten verwechseln, da hier niemals eine weiche
Gewebehypertrophie vorkommt, wie stets bei Framboesia.
Weiße, pigmentlose Flecken findet man auf der Haut
der dunklen Rassen des indischen Archipels auch als Folge von
Verwundungen, Ulzera, Lepra und Vitiligo. Bei Verwundungen
und Ulzera ist das Verschwinden des Pigments der Vernichtung
der Retezellen und anderer Gewebeteile zuzuschreiben, so
daß nach der Heilung eine deutliche Narbenbildung zu sehen
sein muß, die sie von Tinea albigena endgültig unterscheidet.
Lepra maculosa mit den hellen maculae unterscheidet
sich von Tinea albigena durch iblgendes: bei letzterer ist
weder während des Bestehens der Hautentzündung noch nach
der Heilung von einer Infiltration der Haut, von Schwellung
oder Gewebeatrophie die Rede, während auch Gefühlsstörungen
nicht auftreten; bei Lepra maculosa treten alle diese Ei*-
scheinungen einzeln oder kombiniert auf.
Die durch Tinea albigena entfärbten Hautstellen gleichen
stark den Vitiligo- Flecken, obgleich die bei dieser häufig vor-
kommende Pigmentanhäufung an der Peripherie fehlt Auch
partieller Albinismus könnte Verwechslung veranlassen: sind
die Hohlhände und Fußsohlen teilweise entfärbt, so spricht
diese Lokalisation stark für Tinea albigena, wobei noch ein
eventuelles Vorkommen von oberflächlicher Schilferung oder
Risse in der Umgebung auf den Ursprung dieser Krankheit
hinweist.
Züchtung des Pilzes. Eine der ersten Schwierig-
keiten, die bei der Züchtung von Pilzen aus den stark mit
anderen Mikroorganismen verunreinigten oberflächlichen Epi-
Areh. f. Darmat. a. Bjph, Bd. LXXXIX. 2
18 Nieuwenhais.
dermisgebildea zu überwindeD ist, besteht in der Unsauberkeit
dieses Materials. Die Entzündung, der ich mein Material ent-
lehnen mofite, hatte auch den Nagel der großen Zehe ergriflfen,
und es gelang mir leicht, in der lamellös auseinander ge-
drungenen Nagelsubstanz mittelst Kalilauge die Mycelfäden
nachzuweisen. Ich yersuchte den Pilz dieses Nagels zu züchten,
weil die Entzündung der planta pedis sich hauptsächlich im
Winter so weit zurückbildete, daß ihr Hautschuppen beinahe
nicht entnommen werden konnten. Auch versuchte ich später,
durch Infizierung eines Nagels, die Onychomjcosis zu ver-
ursachen, weil auch diese sich in unserem Klima am besten
erhält, was auch gelang. Bei meinen Unsersuchungen über
Tinea imbricata war es mir gelungen, die Menge der Mikro-
organismen, die, ohne den gesuchten Parasiten zu schwächen
oder zu töten, nicht entfernt werden konnte, durch eine be-
sondere Wahl des Nährbodens und eine bestimmte Behandlung
des Materials nahezu unschädlich zu machen. Ich hatte näm-
lich die Methode gebraucht, welche Kral aus der Klinik des
Prof. Pick in Prag im Jahre 1891 publiziert und zuerst beim
Studium des Parasiten, der den Favus verursacht, angewandt
hatte. Diese Methode gestattet, das Kochsche Verfahren der
Reinkultur mit Hilfe von stufenweiser Verdünnung bei der
Züchtung von Pilzen zu gebrauchen. Das Ziel, das Kral bei
seiner Methode zu erreichen trachtete, eine PilzkuUur aus
einer einzigen Spore hervorwachsen zu sehen, habe ich aber
nicht erreichen können.
Der Grund liegt hauptsächlich darin, daß man es beim
Favus mit einem dichten Mycelgeflecht und einer großen
Menge Sporen zu tun hat, von denen man nach dem Zer-
reiben mit amorpher Kieselsäure und dem Aussähen leicht
wieder eine ausfindig machen kann. Weder bei Tinea imbri-
cata noch bei Tinea albigena verfügt man jedoch über so viel
Material, Zwar sind die Fäden im Gewebe bei Tinea imbri-
cata zahlreicher als bei Tinea albigena, aber die Aussicht,
ein Fädchen oder eine Spore in den Schälchen zu finden und
auswachsen zu sehen, ist bei beiden sehr gering. (Bei der
Tinea imbricata oder Tokelau sollen die Fruktißkationsorgane
in Hautschuppen von Tribondeau gefunden worden sein.)
Tinea albigena und die Züchtung ihres Pilzes. 19
Die Kr 41 sehe Methode hat mir immerhin den großen
Dienst geleistet, mein Material so stark verteilen zu können,
daß die Pilze sich außerhalb des Bereiches der anderen Mikro-
organismen entwickelten. Zu diesem Zwecke habe ich die
Nägellamellen mit einem sterilisierten Messer auf einer steri-
lisierten Glasplatte möglichst fein verteilt, um die Reibung mit
der amorphen Kieselsäure so kurz wie möglich zu gestalten,
damit die spärlichen Hyphen und Sporen wenig litten. Es
wurden dabei auch nicht alle Nagelstiickchen ganz zerrieben,
wie es sich später nach der Verteilung in Nähragar zeigte.
Wohl entwickelten sich an diesen Stücken einige Mal Mycelien
und Zoogloea zusammen, daneben aber andere Pilzkolonien,
welche aus unsichtbaren Teilchen rein auswuchsen. Ich ver-
teilte die gesamte in dem Mörserchen befindliche Masse in
eine mit verflüssigtem Nähragar versehene Reagenzröhre und
entnahm daraus mittelst sterilisierter Pipetten ein paar Tropfen,
um sie in anderen Röhren mit Nähragar zu mischen. Der
Inhalt der letzteren wurde dann in ein Petrisches Schälchen
oder anderes sterilisierte Gefäß ausgegossen. Den Nähragar
in diesen Röhren ließ ich in einem Wasserbade von 34® C.
abkühlen, wodurch er flüssig erhalten wurde.
Einen sehr erschwerenden Umstand bei der Kultur dieser
und ähnlicher Hautpilze bildete das anfangs sehr langsame
Wachstum dieser Hautparasiten. Einerseits mußte deswegen
das Eintrocknen des Nährbodens während Wochen verhindert,
andererseits durften die Gefäße nicht luftdicht verschlossen
werden. Gut, wenn auch nicht luftdicht auf einander schließende
Gefäße, dickere Schichten des Nährbodens, Gummibäoder um
die Petrischen Schälchen wurden versuchsweise abwechselnd
•dazu benutzt, diesem Eintrocknen vorzubeugen. Dicke Schichten
Nähragar in Glasscbachteln, die durch Abschleifen besser als
die Petrischen Schälchen schlössen, haben sich am besten be-
währt. Ein Nachteil entsteht dabei aber dadurch, daß nur
Keime, welche ganz nahe an der Oberfläche liegen, zur Ent-
wicklung kommen; unten oder in der Mitte der Nährschicht
sah ich nie ein Mycelium sich weiter entwickeln. Als Nähr-
böden gebrauchte ich anfangs ßierwurzagar und Maltoseagar
von der Mischung wie Sabouraud sie angegeben hat; da es
2*
20 Nieawenhuis.
sich bei diesen Versuchen um einen tropischen Pilz liandelte,
iiabe ich die Schälchen in einem Thermostaten bei einer
Temperatur zwischen 25® und 30® G. bewahrt, weswegen ich
nur Agar gebrauchen konnte. Es zeigte sich, daß für diese
Pilzkulturen der Agar nicht durch die langwierige Prozedur
des Filtrierens gereinigt zu werden braucht Es genügt, ihn
nach dem Kochen in einem Becherglas im Autoklav bei etwa
70 ® absetzen zu lassen ; bis auf den Bodensatz kann man den
Nähragar nach einer halben Stunde abgießen. Zur Verhinderung
der Entwicklung von Bakterienkolonien brauchte ich anfangs
mit Phosphorsäure so stark angesäuerten Nähragar, daß er
Lackmus rot färbte. Später zeigte es sich aber, daß sich aus
meinem Material auch auf neutralem Agar nicht allzu ?iele
Kolonien anderer Organismen entwickelten.
Nach Terschiedenen vergeblichen Versuchen erhielt ich
in der Mitte eines Petrischen Schälchens mit saurem Maltose-
agar eine weißliche Kolonie, welche makroskopisch einem
Zoogloea vollkommen glich, unter der Lupe aber einen ge-
zähnelten Rand zeigte, wie er Mycelien eigen ist. Die anderen
Kolonien erreichten keinen größeren Durchmesser als 2 bis
3 mm, diese hatte aber am 21. Tage eine Größe von 10 mm
Durchmesser und zog deshalb meine Aufmerksamkeit auf sich.
Mikroskopisch zeigte es sich, daß sie aus Hyphen zusammen-
gesetzt war.
Teile dieses Myceliums wurden mit positivem Erfolg auf
mehrere Schälchen geimpft. Der Reiz, den die Herausnahme
dieser Stückchen ausübte, hatte eine Änderung des Wachstums
der ursprünglichen Kolonie zur Folge. Es entwickelte sich
innerhalb dreier Tage ein Luftmycelium von weißen, kurzen
Mycelfaden ; als ich später dieses Mycelium untersuchte, fanden
sich in ihm einzelne Sporen. Möglicherweise hat auch das
starke Eintrocknen des Nährbodens zur Einleitung der Fruk-
tifikation beigetragen.
Fast ausnahmslos dringen die Hyphen nicht tief in das
Nährsubstrat ein und bilden in diesem nur eine Schicht von
1 bis 2 mm Dicke. Die Hauptmasse, das Mycelium, liegt wie
ein dicht verfilztes Geflecht von Hyphen auf der Oberfläche
des Agai's, hat aber nach der Art des Nährbodens eine sehr
Tinea albigena und die Züchtung ihres Pilzes. 21
wechselnde Gestalt, wie im folgenden gezeigt werden wird.
Diesen ersten Stamm, der im April 1903 entstand, habe ich
immer anf Bierwurzagar und auf die Sabouraudschen
Nährböden mit 4% Zuckerarten und 17o Pepton weiter ge-
züchtet und besitze jetzt von ihm die elfte Generation.
Anfangs war die Gewißheit, den gesuchten Pilz gezüchtet
zu haben, sehr gering; nur das äußerst langsame Wachstum
im Gegensat;; zu der schnellen Entwicklung der gewöhnlichen
Verunreinigungspilze, deren mehrere aufschössen, gab mir
einige Hoffnung.
Auf dieselbe Weise wurde deshalb immer wieder Nagel-
substanz in yerschiedenen Nährböden ausgesät und so ist es
mir im Laufe der Jahre gelungen, verschiedene Male der-
gleichen Pilze zu züchten. Durch Verunreinigung mit anderen
Mikroorganismen gingen einzelne dieser Pilzstämme ein, aber
vier von diesen, mit a, g, h und i bezeichnet, habe ich rein
weiter züchten können.
Längere Zeit kannte ich nur die so stark mit den Nähr-
medien wechselnden Mycelienkörper dieser Pilze, bis eines
Tages auf einem bis zur Hornkonsistenz ausgetrockneten Nähr-
boden die Kultur ein üppiges weißes Lufbmycel zu bilden an-
fing, das bald einen Teil des Myceliums überzog. Mikro-
skopisch konnte ich erkennen, daß dieses weiße Luftmycel mehr
oder weniger Sporen bildete; die Form dieser Gonidien gibt
die Stellung dieses Pilzes im natürlichen System einigermaßen
an. Seitdem ist es mir gelungen, alle diese Stämme zum
Fruktifizieren zu bringen, indem ich die Wachstumsverhältnisse
durch Anstrocknenlassen verschlechterte oder die Kulturisn
alt werden ließ.
Außer den genannten Kulturversuchen habe ich noch ein
anderes Verfahren angewandt, das mir über den Charakter
dieses Pilzes Aufschluß gegeben hat. Wie oben erwähnt, ist
03 mir nicht gelungen, mittelst der Kr ä Ischen Methode das
Mycelium des Pilzes aus einem einzigen Teilchen sich ent-
^vickeln zu sehen. Wenn ich auch in großen zeitlichen Zwischen-
räumen mehrere Stämme des Pilzes zu züchten im stände war,
so beweist dies noch nicht, daß sie wirklich Reinkulturen
darstellen.
22 Nienwenhaifl.
Eine andere Methode zur Erreichung dieses Ziels hat
Dr. S. B. Schouten angegeben, der sie 1901 in einer Disser-
tation „Reinkulturen uit een onder het mikroskoop geisoleerde
cel** beschrieb. Es gelang ihm, unter dem Mikroskop bei
300— 450 maliger Vergrößerung einzelne Individuen, wie Bak-
terien und Sporen aus einem stark verunreinigten Material
hervorzuholen und in einem Tropfen Nährsubstanz zur Ent-
wicklung zu bringen. Wenn seine Methode auch kompliziert
und nicht leicht ausführbar ist, so verspricht sie für das
kulturelle Studium der Mikroorganismen durch Züchtung sehr
wichtig zu werden, da sie uns in Stand setzt, Reinkulturen
zu züchten, von denen wir sicher wissen, daß sie von einem
uns bekannten Organismus herrühren. Welche wichtigen Fragen
beim Studium der Mikroorganismen ihrer Lösung hierdurch
näher gebracht werden können, brauche ich nicht anzugeben.
Ich habe nur das hier angegebene Prinzip angewandt
und es ist mir gelungen, eine relativ einfache Methode der
Ausführung, welche ich nächstens veröffentlichen werde, aus-
zuarbeiten. Die anzuwendenden Glasnadeln, von welchen ich
nur eine gebrauche, erfüllen ihren Zweck, wenn man Glas-
stäbchen bis zu etwa 10 Mikron Dicke ausreckt, das obere
Ende in einer Entfernung von einigen Millimetern umbiegt und
der Spitze eine Enopfform gibt, indem man sie schnell durch
eine äußerst kleine Flamme zieht. Mittelst dieser Methode
habe ich aus meinen Kulturen einzelne Sporen fischen können
und diese wieder auswachsen lassen.
Drei Stämme, A, R und r, sind auf diese Weise ent-
standen und zeigen in der Kultur ganz das Bild von a, ^, h
und %, Hiermit ist also bewiesen, daß diese Kulturen völlig
rein sind.
Das makroskopische Bild eines noch nicht sporen-
bildenden Myceliums ist sowohl von dem Charakter des Pilzes als
von dem angewandten Nährboden und den obwaltenden Um-
ständen, wie Luftzutritt, Feuchtigkeit und Temperatur abhängig.
Bei dem gleichen Nährboden und den gleichen Züchtungsver-
hältnissen bleibt die Form jedoch konstant. Mycelien, die von
diesem Pilz der Tinea albigena in nur mit einem Wattepfropf
geschlossenen Erlenmeyerschen Kolben bei dr 25° G. gezüchtet
Tinea albigen« and die Zächtang ihres PiUet. 23
if erdeo, zeigen auf jedem Nährboden ein langsames Wachstum.
Erst nach wiederholten Oberimpfungen, wenn sie sich an die
künstlichen Nährboden gewöhnt haben, wachsen sie etwas
schneller. Sie dringen nur wenig, höchstens 2 mm tief in den
Agar ein.
Auf dem 47o Zucker und 17o Pepton enthaltenden
Sabouraudschen Nährböden, auf Bierwurzagar und Unnas
Nährboden fiir Favuspilze entwickelt dieser Pilz ein unregel-
mäßig rundes, scheibenförmiges Mycelium, das nach 6 Wochen
einen Durchmesser von 4 — 6 em erreicht (Taf. lY, Fig. 6). Die Farbe
ist je nach dem Nährboden einigermaßen yerschieden, meistens
bellbraun, auf Bierwurzagar etwas dunkler rehbraun. Auf allen
diesen Böden zeigt die scheibenförmige Oberfläche das charak-
teristische Aussehen von grobem Sammet, da sie dicht mit
1 — 3 mm langen Nadeln besetzt ist, welche meistens, besonders
in der Mitte, aufrecht stehen. Das Mycelium ist in der Mitte
der Scheibe am höchsten, ungefähr 4 mm dick und Terdünnt
sich allmählich dem Rande zu. Der Unterschied in der Form
ist auf diesen an Nährstoflfen reichen Böden nur gering.
Anders yerhält es sich, wenn man Glyzerine als Kohlenstoff-
quelle benutzt, z. B. 4^0 Glyzerine und l7o Pepton in 2®/o
Agar nach Sab cur au d. Auf diesem Boden ist das Wachstum
anfangs minder stark, der Durchmesser der Mycelien ist etwas
kleiner als bei der vorigen, die Scheiben sind viel dünner, von
weißer Farbe und die charakteristischen Nädelchen zeigen sich
nur in einem mehr oder weniger großen Teile der Oberflächen-
mitte. Die Bänder sind dann glatt, gefurcht und schmäler
oder breiter. Figentümlich ist, daß unter diesen Umständen
die Individualität der verschiedenen Stämme in geringen Ab-
weichungen in der Form auf den Vordergrund tritt. Wird der
Luftzutritt auf ein Minimum beschränkt, z. B. bei Kulturen in
Kolben nach Mi quell, dann entwickelt sich das Mycelium als
stark gerimpelte, glänzende Schicht von hellbrauner bis dunkel-
brauner Farbe, auf der nur sporadisch oder überhaupt keine
Nädelchen vorkommen. Deshalb wird auch bei diesem Haut-
pilz dieser Komplex von Fonnen aui verschiedenen Nährböden
am besten als unterscheidendes Merkmal gegenüber anderen
ähnlichen Pilzen zu gebrauchen sein. Anfangs entwickelt sieb
24 NieaweDhais.
ein Mycelium wie eine Zoogloea, die erst später eingeschnittene
Ränder zeigt als Zeichen, daß es sich hier um Pilze handelt;
bereits nach einigen Wochen wachsen auch schon ein oder
mehrere Nädelchen über die Oberfläche aus. Bei den aus-
gewachsenen Kulturen, die auf die Dauer viel größer werden
können als oben erwähnt, treten je nach dem Ernährungs-
zustand früher oder später zwei Veränderungen auf, vorerst
die Entwicklung eines sporentragenden weißen Luftmyceliums
und später eine Entartung, die von einer dunklen Verfärbung
begleitet wird.
Wenn der Nährboden stark austrocknet oder das Mycelium
alt wirdy im allgemeinen, wenn die Nährbedingungen sich ver-
schlechtem, so entwickelt sich anfangs lokal an der Oberfläche
ein weißes Luftmycciium, das aus langen, oft sporentragenden
Hyphen besteht. Später kann dieses das Mycelium gänzlich
bedecken. Die Entwicklung eines solchen sporentragenden
Luftmyceliums findet auf einem mageren Nährboden, wie auf
47o Glyzerine und l^o Peptonagar, eher statt als auf einem
reicheren Boden, wie auf 4% Zucker und l7o P^P^onagar, aber
auch hierbei ist die Individualität eines Pilzstammes von merk-
barem Einfluß.
Später tritt dann eine Entartung des Myceliums auf,
unter Bildung eines schwarzen Farbstoffes, der in den Hyphen
selbst und zwischen diesen durch das ganze Mycelium vor-
konunt. Der Zeitverlauf, nach dem diese Entartung eintritt,
hängt davon ab, inwieweit der Nährboden für diesen Pilz
geeignet ist; je magerer der Boden, desto früher tritt Ent-
artung ein, wobei die Individualität des Stammes ebenfalls
eine Rolle spielt. Unter meinen Kulturen hatte z. B. der
Stamm A die Eigenschaft, um unter sechs anderen am ersten
ein weißes, sporentragendes Mycelium zu bilden und auch
am ersten zu degenerieren.
Das mikroskopische Bild, das diese Kulturen zeigen,
ist wie bei anderen Pilzen sehr verschieden ; zahlreiche umstände,
vor aUem das Nährmedium, haben darauf Einfluß. Die Hyphen
einer jungen, gut wachsenden Kolonie von 2 mm Durchmesser
sind septiert, besitzen deutlich doppelt konturierte Wände
und kömigen Inhalt; sie verzweigen sich dichotomisch und
Tinea albigena und die Züchtung ihres Pilzes. 25
zeigen 1 — IV« /^ Dicke. Die Länge der Hyphenzellen ist
äußerst Terschieden; es gibt sowohl mnde und ovale Zellen
als solche yon 16 — 20 fi Länge und mehr. Bereits bei diesem
jungen Myceliüm kommen seitlich und am Ende der Hyphen
mehr oder weniger runde, starker lichtbrechende Sporen vor,
die ohne oder mit einem sehr kurzen Stiel auf den Hyphen
sitzen; ihr Durchmesser erreicht etwa 5 ^. Bei Kulturen auf
magerem Nährboden kommen zwischen langen Hyphenzellen
andere vor, die beinahe rund sind und wohl einen zehnmal
größeren Durchmesser erreichen; vielleicht sind dies Sporen.
Charakteristischer als diese Teile ist die Sporenbildung an den
Lufthyphen, die die gleichen Formen besitzen wie die oben
erwähnten an den Mycelfäden der Nagelsubstanz. Vorerst die
einzelnen Sporen, die seitlich an den Hyphen ansitzen, sei es
ungestielt oder sehr kurz gestielt; diese kommen auch end-
ständig vor. Neben diesen entwickeln sieb auch Sporenreihen,
die aus 2 — 8 derselben Sporen bestehen und wie die einzelnen
Sporen seitlich oder am Ende der Lufthyphen sitzen. Taf. (V,
Fig. 11—15.
Vom Aussehen dieser Sporen geben die Zeichnungen
11—15 auf Taf. IV eine Vorstellung. Neben diesen Gonidien-
formen, die völlig mit den in der Nagelsubstanz (Fig. 1 — 10,
Taf. IV) gefundenen übereinstimmen, kommen an diesen Kulturen
auch noch traubenförmige Anhäufungen derselben Sporen vor,
die ebenfalls an diesen Figuren abgebildet sind. Wie an ihnen
zu sehen, bestehen diese „grappes^ der Franzosen aus Sporen-
reihen, die von einem Punkte ausgehen.
Dem Krankheitsbild von Tinea albigena nach gehört diese
Hautkrankheit zu den Trichophytien ; die makroskopischen und
mikroskopischen Eigenschaften ihres Pilzes stimmen damit
überein. Sie sind denen der Trichophytonarten ähnlich und
da die Entfärbung der Haut eine der merkwürdigsten Eigen-
tümlichkeiten dieses Pilzes ist, nenne ich ihn Trichophyton
albiscicans.
Impfversuch. Wie bereits erwähnt, glückte es mir
auch, die Onychomycosis mit dem gezüchteten Pilz auf einem
gesunden Nagel entstehen zu lassen. Hierfür gebrauchte ich
den Stamm t, von dem ein Teil der Kultur nach starker Aus-
26 Nieuwenhnit.
trocknung des Nährbodens zu fruktifizieren begonnen hatte.
Im Juni 1904 war es mir daher möglich, mit stark sporen-
haltigem Material Infektionsyersuche anzustellen.
Da die Onychomycosis im holländischen Klima gut fort-
dauerte, versuchte ich auch sie durch Impfung mit dem ge-
züchteten Pilz entstehen zu lassen. Zu diesem Zweck begann
ich eine große Zehe durch gründliches Scheuern mit Wasser
und Seife und Desinfektion mittelst Alkohol zu reinigen. Dann
löste ich an der linken Seite die Nagelfialte vom Nagel, schob
sie weg und brachte in den hierdurch entstandenen Sack einen
Teil des fruktifizierenden Mycels i. Mit durch Dampf sterili-
sierten Gazestreifen und Pergamentpapier bedeckte ich schließ-
lich alles.
Nach einigen Tagen begann die Stelle mit Unterbrechung
zu jucken und in der zweiten und dritten Woche wurden die
oberflächlichen Epidermisschichten unter Jucken abgestoßen.
Hiermit schien der Prozeß anfanglich beendet; zwar entstand
am Nagel dazwischen ein schmerzhaft drängendes Gefühl, aber
an einen Erfolg des Versuchs glaubte ich nicht mehr, da auch
der Winter bald eintreten sollte. Während der folgenden
Monate blieb das drängende Gefühl an der linken Seite des
Nagels zwar bestehen, aber ich legte anfangs wenig Gewicht
darauf und auch das Rauhwerden an der linken Hälfte im
Frühling 1905 beobachtete ich kaum. Mitte dieses Jahres
erschien jedoch die ganze linke Seite bräunlich mit weißen
Flecken, so daß sie dem kranken Nagel stark zu gleichen
begann. Bei mikroskopischer Untersuchung zeigten sich in
diesem Nagel Myceliäden, womit der Versuch in der Tat ge-
lungen schien.
Zum Beweis hierfür mußte jedoch aus diesem Nagel
wieder der ursprüngliche Pilz gezüchtet werden.
Mit dieser Nagelsubstanz infizierte ich darauf im August
25 Schälchen nach der Er ä Ischen Methode, aber anfangs ent-
wickelten sich auf diesen nicht viel mehr als die gewöhnlichen
Verunreinigungs-Zoogloea Erst einen Monat später begann
eine Kolonie sich über die anderen zu erheben und nachdem
sie 4 mm Durchschnitt erreicht hatte, kamen an ihrer Ober-
fläche einige der hervortretenden Nüdelchen zum Vorschein,
Tinea albigena und die Zucht ang ihres Pilzes. 27
die für ein frühes Stadium dieser Pilzkolonie charakteristisch
sind. Nur sehr langsam wuchs sie zu einer mit weißen Luft-
mycelien bedeckten Kolonie hervor. Auch bei dieser stellte
ich die für diesen Pilz kennzeichnende Sporenbildung fest.
Tat IV, Fig. 16—21.
Therapie. Wie erwähnt, leiden die Eingeborenen des malai-
ischen Archipels nicht nur durch diese Krankheit als eine ober-
flächliche Entzündung der Haut, welche kosmetisch am unan-
genehmsten ist, sondern die Erwerbsfähigkeit wird durch sie
oft in hohem Maße herabgesetzt. Infolge von Tinea albigöna
wird z. B. ein sehr großer Teil der inländischen Soldaten in
der indischen Armee für den Felddienst unbrauchbar und ein
anderer Teil bleibt nur, nachdem er mit Schuhwerk yersehen
worden ist, dienstfähig.
Wie ernst kosmetische Fehler auch unter sehr primitiven
Stämmen aufgefaßt werden, zeigt meine erste Patientin, welche
sich meiner ersten ernsthaften Behandlung dieser Krankheit
unterwarf. Sie war eine junge Frau der Dajak in Mittel-Borneo.
Obschon die Entzündung ihrer Hohlhände noch keine Pigment-
atrophie zur Folge gehabt hatte und nur als ein juckendes,
schilferndes Ekzem bestand, litt sie doch sehr unter den
kosmetischen Folgen ihres Leidens und bewies gerade darum
so große Ausdauer bei der ziemlich schmerzhaften Behandlung.
In dieser von europäischen Einflüssen noch unberührten Um-
gebung sah ich nur parasitäre Hautkrankheiten und fand die
gesunde Haut der Dajak gegen chemische und physische Reize
ungemein widerstandsfähig. Ich glaubte auch bei dieser neuen
Krankheit es mit einer parasitären Dermatitis zu tun zu haben
und applizierte deshalb epiphytizide Mittel. Die Behandlung
bestand darin, daß ich eine Mischung von Chrysarobine in
Alkohol und Äther (1 : 10) möglichst lange auf die entzündeten
Hohlhände einwirken ließ, indem ich vier Lagen Verbandgaze
mit der Arznei tränkte, die Volarseite der gestreckten Hand
damit bedeckte und dann mit Mackintosh fest umhüllte.
Mittelst einer Gazebinde wurden die Hände hierauf in ge-
schlossener Haltung verbunden und die Nacht über so gelassen.
Da das Jucken bereits nach der ersten Behandlung aufhörte,
28 Nieu wenhuis.
stellte meine Patientin und ich genügendes Vertrauen in eine
Fortsetzung der etwas schmerzhaften und weitläufigen Kur.
Nach 14 Tagen verschwand auch die Empfindlichkeit, worauf
die Kranke ohne weitere Behandlung von selbst genas; die
Haut wurde dabei oberflächlich abgestoßen und stellte sich
völlig wieder her. Bei meiner Rückkehr ins Dorf zwei Jahre
später war noch kein Rezidiv eingetreten.
Viel einfacher und nicht minder wirksam erwies sich
später die Anwendung von Jodtinktur, die, während 14 Tage
auf die entzündete Innenfläche der Hand dick aufgetragen,
auch bei den Eingeborenen eine völlige Heilung hervorrief.
Jodiumtinktur bietet auch bei ambulanter Behandlung den
großen Vorteil, auf der Haut fest haften zu bleiben und infolge
seiner Flüchtigkeit sehr tief einzuwirken. Anfangs verursacht
sowohl die erste Behandlungsmethode als der Gebrauch von
Jodiumtinktur Schmerzen, später nehmen diese jedoch immer
mehr ab. Auf der dünnen Haut der Europäer fuhrt Jodium-
tinktur innerhalb weniger Tage zur Heilung.
Die größte Beschwerde, die sich bei der Bekämpfung
dieser Hautkrankheit vortut, besteht meiner Meinung nach in
der Schwierigkeit, den Parasiten mit für ihn giftigen Arzneien
unter der dicken Epidermisschicht zu erreichen. Diese Schwierig-
keit tritt besonders hervor, wenn es sich um eine Heilung von
Tinea albigena an den Fußsohlen der Eingeborenen handelt.
Bei Europäern und bei an den Händen erkrankten Inländern
lieferte die Behandlung wenig Schwierigkeiten, aber bei den
dicken Schwielen der Fußsohlen konnte ich bei ambulanter
Behandlung nicht stets eine völlige Heilung hervorrufen. Es
verschwanden zwar anfangs das Jucken und die Schmerzen,
auch heilten die sekundären Wundchen und Risse, später trat
jedoch häufig ein Rückfall ein.
Bei sehr chronischen Fällen mit stark verdickter Ober-
haut ist es sicher geraten, diese auf irgend eine Weise so
viel als möglich vor der Anwendung geeigneter epiphytizider
Mittel zu entfernen. In einem Fall, wo ein Inländer selbst
die Schwielen seiner Fußsohlen durch Einpackung in Musa-
blätter entfernt hatte (nach seiner Angabe) oder dies eine
Folge der Krankheit oder von beiden war, konnte ich das
Tiuea albigena und die Züchtung ihres Pilzes. 29
Jucken und Schmerzen der roten Fläche in einigen Tagen
Tertreiben, indem ich sie mit Unguentum sulfuratum bedeckte.
Die ganze untere Fläche des Fufies hatte sich auch dadurch
wieder mit einer trockenen Epidermis bedeckt und das Jucken
und die Schmerzen hatten aufgehört.
Ich schließe diese Abhandlung mit einem herzlichen Dank
an meinen Kollegen und Freund Professor H. P. Wysman
fiir die mir in seinem pharmazeutischen Laboratorium verliehene
Gastfreundschaft.
30 Nieowenhais.
Erklärung der Abbildniigen auf Taf. I— IV.
Taf. I, Fig. 1. Faßsoble eines juDgen Bahan-Dajak aus Mittel-
Borneo mit akuter Eruption von Tinea albigöna in der Höhle des Fußes.
Verschiedene durch Abhebung der dicken Epidermis entstandene Blasen. —
Fig. 2. An Tinea albigena erkrankte Fußsohle mit vielen Stellen
einer dünnen und unregelmäßig gebildeten Epidermis. Die Unterseite
der ersten, zweiten und dritten Zehe ist teilweise entfärbt. Dajak ans
Mittel- Borneo.
Taf. II, Fig. 8. Beinahe YollstAadige Entfärbung der Hohl-
hände und Fingerspitzen so wie der beiden Mundwinkel infolge von
Tinea albigena, die geheilt ist. Javaner. — Fig. 4. Fuß derselben
Person mit Entfärbung und Graben der Ferse infolge lange andauernder
Tinea albigena.
Taf. III, Fig. 5. Füße einer Dajakfrau aus Mittel-Borneo, bis
über die Knöchel an Tinea albigena erkrankt. Entfärbung der Haut
an der Innenseite der (Jnterbeine. — Fig. 6. Sechs Wochen altes
Mycelium von Trichophyton albiseicans auf 47o Glncose, 1% Pepton,
27o Agar nach Sabonraud.
Taf. IV, Fig. 1—10. Sporenbildung von Trichophyton albiseicans
bei der von ihm verursachten Onychomykosis , beobachtet in mit Kali-
lauge aufgehellten Nagellamellen. — Fig. 11 — 16. Sporenbildung im
Lufbmycelium von Trichophyton albiseicans, auf 47o Maltose, l7o Pepton
und 27o Agar aus einer natürlichen Onychomykosis gezüchtet. — Fig^
16—21. Sporenbildung im Luftmycelium von Trichophyton albiseicans.
auf Bieragar aus einer künstlichen Onychomycosis gezüchtet.
Archiv fDermaiologieu. Syphilis Band LXXXIX,
Niemvenhuis Tinea albiijeiia und die Züchtung ihres Pilzes.
Archiv f Dermatologie u Syphilis Band LXXXIX.
TAF IV.
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Ni(Mi\v'iMihuis:rinc*a albi(jena uiui dU* Zürhtuncj ihres Pilzes
Zur Frage der Behandlung der Syphilis
mit itoxyl.
Von
I
I
Prof. Edvard Welander in Stockholm.
Hauptsächlich infolge der warmen Empfehlung, die
Hallopeau sowie Uhlenthuth, E. Hoffmann und
Röscher dem Atoxyl als einem kräftig wirkenden anti-
luetischen Mittel gegeben haben, begann ich Ende Juli mit
der Anwendung desselben im Krankenhause St. Göran. Ich
scheute vor den großen Dosen und gab deshalb anfänglich
nur kleine; da diese aber nicht die geringste therapeutische
Wirkung zeigten, begann ich größere Dosen zu geben, und
haben in 22 Fällen von Syphilis Injektionen von je 0*4 — 0*75 g
Atoxjl jeden zweiten (oder dritten) Tag gemacht. Die Anzahl
Injektionen ist nur in wenigen Fällen auf 9, einmal auf 12
gestiegen; in einigen Fällen gab ich nur 3 — 4 Injektionen.
Die höchste eingespritzte Atoxylmenge betrug 6 ^ ; in mehreren
Fällen sind nur unter 3 g verabreicht worden. Eine kräftige
therapeutische Wirkung zu erwarten, hatte ich somit nicht das
Recht; in den Fällen, wo ich eine solche erbalten habe, glaube
ich jedoch, daß ich mit unseren alten Mitteln Quecksilber und
Jodkalium während desselben Zeitraumes vollkommen gleiche
Resultate, wenn nicht viel bessere, hätte erzielen können. In-
folgedessen, vor allem aber infolge der Berichte, die über
unangenehme Komplikationen, die während der Atoxylbehand-
lung hinzugetreten sind, eingegangen sind, hörte ich sehr bald
damit auf, dieses Mittel anzuwenden. Ich hätte deshalb diese
32 Welander.
meine Versuche jetzt nicht mitgeteilt, falls ich nicht einige
Untersuchungen über die (Absorption und) Elimination des
Atoxyles aus dem menschlichen Körper yorgenommen hätte,
die mir doch so viel Interesse zu haben scheinen, daß ihre
Veröffentlichung berechtigt erscheint, und dies um so mehr, als
ich nicht gefunden habe, daß solche Untersuchungen bisher
gemacht worden sind.
Betreffend die therapeutische Wirkung der Atoxylinjek-
tionen will ich nur erwähnen, daß ich in 22 Fällen solche
Injektionen gemacht habe, und zwar 18 Fälle in einem früheren
Stadium der Syphilis und 4 in dem sogenannten tertiären
Stadium. Von den 18 Fällen in einem früheren Stadium zeigte
sich in 8 Fällen in der Tat eine Wirkung auf die Symptome,
in den 10 übrigen jedoch keine, oder eine nur äußerst geringe
Wirkung. Ich will jedoch darauf aufmerksam machen, daß in
einigen dieser Fälle nur eine kleine Quantität, unter 3 ^, in-
jiziert worden ist. — In den 4 Fällen im sog. tertiären Stadium
hatte das Atoxyl in drei Fällen eine sehr gute Wirkung; im
vierten — tiefe ulzerierende Gummata an den weiblichen
Genitalien — zeigte sich nach 6 Einspritzungen, die beiden
ersten ä 0*75 g^ die vier letzten k 0*5 g jeden zweiten Tag,
keine Wirkung, weshalb Jodkalium und die Injektion von
Salizylquecksilber angewendet- wurde, wonach die Geschwüre
schnell zu heilen begannen.
Außer in einem Falle, wo der Patient nach 7 Injektionen
a 0'4 g Atoxyl unangenehme gastrische Störungen bekam, sind
keine unangenehmen Komplikationen hin zugestoßen; jene ver-
schwanden ziemlich schnell.
Zu Anfang, als ich kleine Dosen Atoxyl gab, wendete
ich ein Mittel von den Vereinigten Chemischen Werken, Aktien-
gesellschaft Charlottenburg an ; infolge der Angabe Hallopeaus,
daß das französische Atoxyl geeigneter sei, wandte ich aber
später ein französisches Atoxyl von E. Coget & Co., Paris, an ;
in den obenerwähnten 22 Fällen ist dieses letztere Präparat
zur Anwendung gekommen.
Hallopeau sagt, daß das Atoxyl „s'altere spontanement*',
daß es nach 14 Tagen anfange sich zu dissoziieren^ wodurch
eine größere Toxizität entstehe; er rät, stets „produits
Zar Frage der Behandlung der Syphilis mit Atoxyl. 33
fra-Hichement prepapes^ anzuwenden. Selbst wenn dieses letz-
tere richtig wäre, glaube ich doch nicht, daß dies darauf
beruht, daß das Axotyl sich verändert und zersetzt. Ich habe
nämlich am 26./X. drei Lösungen, eine am 4./VII. gemacht,
deutsches Atoxyl, eine den 25./ VIII. und eine den 15./X. ge-
macht, diese beiden französisches Atoxyl, untersucht. Sämt-
liche Lösungen waren ziemlich trübe ; bei Zusatz Yon Salzsäure
und Schwefelwasserstoff war nicht der geringste Arseniknieder-
schlag zu entdecken, nicht einmal beim Kochen, was wohl
zeigt, daß das Atoxyl nicht dekomponiert war; bei der Unter-
suchung nach dem Mörnerschen Verfahren, wobei das
Atoxyl zerteilt wird, entstand sofort Niederschlag. Als Ursache
der Trübung ergaben sich Wucherungen von Pilzen. Hierauf
machte mich Blomqvist aufmerksam; er erwähnte, daß das-
selbe bei Mixtura arsenicalis Fowleri der Fall sei, weshalb
diese jedesmal frisch zubereitet werden muß und nicht auf
Vorrat yorhanden sein darf. Ob nun die Injektion einer nicht
frisch zubereiteten, pilzbaltigen Lösung Atoxyl die Ursache
unangenehmer Komplikationen werden kann, wage ich nicht
zu entscheiden.
Von großem Interesse erschien es mir^ die Erforschung
der (Absorption und) Elimination des Atoxyl aus dem mensch-
lichen Körper zu versuchen. Ich will darauf hinweisen, daß
Hallopeau sagt, daß „phenomenes d'intolerance** erst nach
5, 8 Einspritzungen auftreten; er sagt auch, daß eine Akku-
mulation des Atoxyles im Organinismus aus diesen Tatsachen
mit voller Evidenz hervorgehe.
Betreffend die Ursache der therapeutischen Wirkung des
Atoxyles hat man sich gedacht, daß der große Arsenikgehalt
einwirke, was auch aus Blumenthals Tierversuchen hervor-
zugehen scheint Blumenthal hat hervorgehoben, daß es
bei der Herstellung des Atoxyles der Arsenik in statu nascendi
sei, der wirke. Rosenthal meint, daß, wenn dies der Fall
wäre, die alleinige Erteilung von Arsenik, nicht als Atoxyl,
dieselbe Wirkung ausüben könne, wie das Atoxyl, und hat
Arcb. f. Dermat. n. Syph. B4. LXXXIX. 3
34 Welander.
darüber berichtet, wie er Syphilis mittels Einspritzung Ton
arseniger Säare in steigender Dosis behandelt und hierdurcli
sehr gute therapeatische Besoltate erzielt habe.
Bevor ich etwas hierüber wußte, hatte ich einige Unter-
suchungen über die Elimination des Atoxyles begonnen. Diese
sind Ton Apotheker A. Blomqvist nach Prof. Mörners Ver-
üahren (Zeitschrift für analytische Chemie, Bd. 41, 1902) aus-
geführt.
Blomqvist hat mir folgende Aufschlüsse über das Axotyl
gegeben. Dies wurde zuerst als „meta-arsenige Säure-Anilid
aufgefaßt und sollte da 37*6% As enthalten. Neuerer Ansicht
nach sollte das Atoxyl das Mono-Natriumsalz des orto-arsenige
Säure- Anilides sein und 297o As enthalten. Ehrlich und
Bertheim haben jedoch unlängst dessen Konstitution voll-
ständig als ein Derivat einer Arsensäure erklärt und das Atoxyl
wird jetzt als das Natriumsulphat von Para-Amidofenyl-Arsen-
säure betrachtet. Das Handelsprodukt enthält 4 Moleküle
Eristallwasser.^ Bei den von mir vorgenommenen Berechnungen
habe ich den Arsenikgehalt des Atoxyls auf 297o berechnet.
Bei diesen Untersuchungen hat sich gezeigt, daß man,
wenn man den Harn einer Person, die Atoxylinjektionen er-
halten hat, mit Salzsäure und Schwefelwasserstoff behandelt,
selbst wenn der Arsenikgehalt ein höchst bedeutender ist,
keinen oder einen äußerst geringen Ausschlag für Arsenik er-
hält; erst nach der Zerstörung des Molekülenkomplexes mit
Kaliumpermanganat in alkalischer und saurer Lösung erhält
man auf gewöhnh'che Weise Schwefelarsenik, der dann näher
bestimmt wird. Spritzt man arsenige Säure ein, so erhält man
eine Arsenikreaktion auf die gewöhnliche Weise, ohne Zer-
störung der organischen Stoffe des Harnes.
Dies deutet ganz sicher darauf hin, daß das Atoxyl
den Organismus wenn auch nicht ganz, doch zum allergrößten
Teil als Atoxyl, ohne zersetzt zu werden, passiert; eine De*
komposition des Mittels scheint nicht vorzugehen, auch wenn
es ein paar Wochen lang im Organismus remanieren sollte,
denn auch nach dieser Zeit geben bei der Untersuchung von
Harn die Salzsäure und der Schwefelwasserstoff kaum eine
Spur von Ausschlag für Arsenik.
Zur Frage der BehandluDg der Syphilis mit Atoxyl. 35
Hieraus dürfte hervorgehen, daß nicht der große Arsenik-
gehalt — mehr oder weniger in statu nascendi — die thera-
peutische Wirkung ausübt, sondern daß es das unzersetzte
Atoxyl an sich ist, das auf die syphilitischen Symptome
therapeutisch einwirkt. Ob in den Fällen, wo unangenehme
Komplikationen hinzugestoßen sind, eine Zersetzung des Atoxyles
stattgefunden hat, weiß ich nicht; der einzige Fall einer
solchen Komplikation, den ich zu sehen Gelegenheit gehabt
habe; traf vor Anfang dieser Untersuchungen ein.
Wie schnell wird nun das Atoxyl nach Einspritzung des-
selben (alle diese Einspritzangen sind in de Hinterbacken,
intramuskulär, gemacht worden) absorbiert und eliminiert.
In dem folgenden Falle sind 0*6 g Atoxyl injiziert worden;
unmittelbar vor der Einspritzung hat Fat. Wasser gelassen.
24 Stunden lang wurde sein Harn gesammelt und es ergab
sich dann, daß in dieser Quantität von 1940 g 1*023 spez.
Gew. 100*202 mg Arsenik nachweisbar waren. Während des
folgenden Tages wurden 1950 g Harn, 1*018 spez. Gew. ab-
gesondert; in diesem waren nur 0'134 mg As nachzuweisen.
Da nun das Atoxyl 297o Arsenik enthält, waren also \1^ mg
Arsenik eingespritzt worden, von diesen waren während des ersten
Tages 100*202 m^, d. h. 57% abgegangen, am zweiten Tage
wurden nur 0*134 mg, d. h. 0*077o der eingespritzten Arsenik-
menge eliminiert.
Folgende Kontrollprobe wurde angestellt: es wurden (an
einer anderen Person) 0*6 Atoxyl eingespritzt; während des
ersten Tages wurden in 1030 g Harn, r030 spez. Gew., 95*676 mg
Arsenik und während des folgenden Tages in 1970 ^ Harn,
1*014 spez. Gew., 0*3644 mg Arsenik eliminiert, d. h. am ersten
Tage 55%, am zweiten Tage 0'217o der eingespritzten Arsenik-
menge.
Aus diesen beiden Versuchen geht hervor, daß ein höchst
bedeutender Prozentsatz des eingespritzten Arseniks am ersten
Tage nach der Atoxyleinspritzung (absorbiert und) eliminiert
wird, sowie daß am zweiten Tage nur ein ganz unbedeutender
Prozentsatz abgesondert wird.
Dies stimmt auch mit meinen anderen Untersuchungen
überein. In der unten folgenden Tabelle habe ich die Zahl
3*
36 Welander.
der zwischen der letzten Injektion und dem Untersuchungstage
verflossenen Tage, die im Verlaufe einiger Tage injizierte
Atoxylquantität, in mg Arsenik berechnet, die während dieses
Tages im Harne nachweisbare, in mg Arsenik berechnete Menge
sowie diese Menge in Prozenten der injizierten Atozjlmengo
berechnet, zusammengestellt
lAjis. QoAiititftt Während det TagM
▲BHüaTaceaacli Xu^^jX^ in mg A« ellmimerle Qa*nt. Eliminiert« As In
derleUtanli^ektfon berechnet Am in mg */•
8 Tage 754 m^ As 0*134 mg Ai 0*018
7 „ 899 „ „ 0-09112 „ „ 0-01
8 „ 1740 , „ 00696 „ „ 0*004
9 „ 1666 „ . 0*643 „ „ 0*04
11 » 580 ^ „ 01179 „ , 002
14 „ 1666 „ , 0*1126 „ , 0007
, „ 1740 „ „ 00966 „ „ 0*005
n n 812 „ n 0*0215 „ „ 0*003
16 , 580 „ „ 0*102 „ „ 0017
16 , 928 „ „ 01233 , „ 0013
Also finden wir selbst bei der Einspritzung großer
Quantitäten Arsenik, daß die durch den Harn eliminierte
Quantität As schon einige Tage nach der letzten Einspritzung
sehr gering, nicht einmal ein Tausendstel der eingespritzten
ist; in den Fällen, wo nach der letzten Injektion zwei Unter-
suchungen zu verschiedenen Zeiten gemacht wurden, zeigte
sich in einem Falle bei der letzteren Untersuchung eine mini*
male größere Quantität, in den beiden anderen Fällen ist der
Prozentsatz jedoch bei der späteren Untersuchung ein geringerer^
als bei der ersten.
Ich will erwähnen, daß in einem Falle eine Ausnahme
von diesem Eliminationstyp vorkam. Es war dies eine Frau^
die zwischen dem 5. und 19. Aug. jeden zweiten Tag eine
Iigektion von 0*4 g Atoxyl, sovrie den 28. und 30. Aug. sowie
um 1. Sept. je eine Injektion von 0*5 g erhalten hat. Während
des Tages vom 1. — 2. Sept wurde ihr Harn gesammelt; in
1870 g 1*011 spez. Gew. wurden 43*416 mg As nachgewiesen,
während des folgenden Tages wurden in 1740 ^, 1*010 spez.
Gew., 31*40 mg As nachgewiesen; hier war also die haupt-
sächlichste Elimination auf zwei Tage verteilt. Eine Erklärung
Zur Frage der BehandlaDg der Syphilis mit Atoxyl. 37
bierfiir kann ich nicht geben; möglicherweise konnte die
Injektion vom 1. Sepi an einer nach einer vorhergegangenen
Einspritzung angeschwollenen Stelle gemacht worden sein und
dies der Anlaß der verlangsamten Absorption resp. Elimination
gewesen sein. Eine Einwirkung auf die folgende Eliminations-
quantität hatte dies nicht, denn, obschon am 3. Sept. eine
neue Injektion von 0'5 g Atoxyl gemacht worden war, war die
eliminierte Quantität am 9. Tage darnach, wo Pat. zusammen
1566 mg As injiziert bekommen hatte, nur 0*643 und am
14. Tage 01125 mg.
Wenn man sieht, daß während des ersten Tages 57 resp.
567o As eliminiert werden, und am darauf folgenden Tage nicht
ein Tausendstel der injizierten Menge, so muß man sich fragen, wo
die übrige Quantität Atoxyl geblieben ist; bleibt sie irgendwo
im Organismus, um vielleicht ganz plötzlich zersetzt werden
und Anlaß zu den hastig auftretenden Komplikationen, die
man beobachtet hat, geben zu können? oder wird das Atoxyl
in größerer Menge auch auf anderen Wegen als durch den
Harn, z. B. durch Faeces, eliminiert?
Ich habe nur eine Untersuchung gemacht, um zu er-
mitteln, ob eine größere Quantität auch durch Faeces eliminiert
wird, und wählte hierzu eine Person, die nie zuvor irgend-
welche Injektion bekommen hat. Am 16. Okt. 10 Uhr vorm.
wurde eine Injektion von 0*6 g Atoxyl gemacht; der Harn
wurde, wie gewöhnlich, während der folgenden 24 Stunden
sowie am ganzen folgenden Tage gesammelt. Bei früheren
Versuchen von mir, Faeces auf Quecksilber oder auf Arsenik
zu untersuchen, ist die Bestimmung, wie viel Faeces eigentlich
im Untersuchungstage einzuberechnen wären, schwer gewesen.
Ich suchte nun diesem Übelstand dadurch in etwas zu ent-
gehen, daß ich Pat. am 16./X. um 9 Uhr vorm. ein großes
Klistier verabfolgen ließ, um wenigstens die im Rektum und
in einem Teile des Orobdarmes befindlichen Exkremente fort-
zuspülen; vor 10 Uhr, d. h. vor der Injektion, hatte Pat.
ordentliche Abfuhrungen gehabt. Die hiernach während des
Tages abgegangenen Faeces wurden gesammelt; am 17./X. um
^/glO Uhr vorm. erhielt Pat. ein neues Klistier ä 950^ Wasser;
die Abfahrung hiemach geschah vor 10 Uhr vorm. und wurde
38 Wolander.
zwecks Untersuchung gesammelt. Ich will hinzufügen, daß
Fat während dieser beiden Tage in einem besonderen Zimmer
isoliert war. Bei der Untersuchung zeigte sich, daß sich
in 1960^ am 16.— 17. Okt. gesammelten Harn 1021 ipez. Gew. 109*88 mg As
, 830« „ 16.-17. , „ Faeces 0*1232 , •
, 1780 , am 15.— 18. „ „ Harn 1*028 spez. Gew. 1*038 „ „
befanden.
Es fand also während des ersten Tages eine bedeutende
Elimination, nicht weniger als 637o der injizierten Arsenik-
quantität, durch den Harn, aber nur eine minimale Elimination
an demselben Tage durch Faeces statt ; am zweiten Tage wurde
nur eine unbedeutende Quantität As durch den Harn eliminiert.
Möglicherweise könnte, wie bei intrayenöser Injektion mit
Arseuiksäure, ein Teil As mit dem Schweiß eliminiert werden ;
ich habe keine Gelegenheit gehabt, hierüber Untersuchungen
anzustellen. Wo der Best der As-menge sich befindet, wie er
eliminiert wird, kann ich nicht sagen.
In der Absicht, einen Anhaltspunkt für die Beurteilung
dieser Frage geben zu können, suchte ich in dem ebener-
wähnten Falle auch eine Blutuntersuchung auf As zu machen,
dieselbe mißlang aber. Ich war deshalb gezwungen, sie an
einer anderen Person zu machen.
Einer Frau, die niemals irgendwelche Injektion bekommen
hat, wurden am 'iö./X. um 1*45 nachm, 0*6 g Atoxyl ein-
gespritzt; an demselben Tage um 6 Uhr nachmittags wurde
sie geschröpft, und es befanden sich da in 31 ^ Blut 0 2036 mg^)
As. Am 26./X. um 1*45 nachm. wurde sie wieder geschröpft
und es befanden sich da in 27*5 g Blut 01447 mg^) As.
Also 4 Stunden nach geschehener Injektion, wo schon
eine nicht unbedeutende Menge As nicht allein absorbiert,
sondern auch eliminiert war, befanden sich in 31 ^ Blut
0*2036 mg As, d. h., wenn die ganze Blutmasse auf 8500 g
berechnet wird, so befanden sich 56 mg As in der Blutmasse
selbst, und nach 24 Stunden waren in 27*5 g Blut 0*1447 mg
As, d. h. in 8500 g Blut 44*7 mg] das heißt mit anderen
Worten, daß nach einem Tage, wo, wie vorherige Versuche
zu zeigen scheinen, etwa 607o der eingespritzten Arsenikmenge,
^) Vielleicht ist diese Zahl zu groß.
Znr Frage der Behandlang der Syphilis mit Atoxyl. 39
also 104*4 mg As durch den Harn eliminiert worden sind, sich
doch noch im Blute selbst 44*7 mg As und in übrigen Teilen
des Körpers 25 mg befanden, sofern nicht ein größerer Teil
durch den Schweiß eliminiert worden war. Diese Untersuchungen
stimmen mit den approximativen, die ich bei intrayenösen
arsenige Säureinjektionen gemacht habe, wo ein bemerkens-
wert großer Arsenikgehalt in der Blutmasse nachweisbar war,
gut überein. Welches nun die Veranlassung sein kann, daß
am zweiten Tage, obschon eine recht große Arsenikmenge im
Blute zurückgeblieben zu sein scheint, gleichwohl eine so un-
bedeutende Quantität As eliminiert worden ist, das ist schwer
zu erklären. Wir finden hier dasselbe Verhältnis, wie bei der
Injektion mit Salizylquecksilber (s. meine Aufsätze hierüber in
diesem Archiv von 1906 und von 1907).
Nun hat Rosenthal nachgewiesen, daß auch die In-
jektion von arseniger Säure sich als gegen Syphilis therapeutisch
wirksam erweist. Er injizierte in den drei ersten Tagen täglich
je 2 m^ arsenige Säure, dann wurde die Dosis jeden 3. Tag
um 2 mg erhöht, bis sie auf 16 mg gestiegen war.
Ich habe in einem Falle derartige Injektionen gemacht,
jedoch nicht zu therapeutischen Zwecken, sondern um die
(Absorption und) Elimination des Arseniks zu studieren. Ich
hatte nur 8 Tage lang Gelegenheit hierzu; das Resultat war
folgendes :
20./IX. Injekt. von 2 mg araenige Säure; in 515 g Harn, 1*027 spez. Qew,
20.— 21./IX. — 0091 mg As
21./IX. Injekt. yon 2 m^ araenige Sfture; in 1010^ Harn, 1017 spes« Gew.
21.— 22./IX. — 0.300 mg As
22./IX. Injekt Yon 2 mg arsenige Säure; in 985 g Harn, 1*017 spez. Gew.
22.— 28./IX 0150 mg As
2d./IX. Injekt. von 4 mg arsenige Säure; in 1000 g Harn, 1*019 spez. Gew.
23.— 24./IX. — 0-713 mg As
24./IX« Injekt. von 4 mg arsenige Säure; in 1015 g Harn, 1*017 spez. Gew.
24.— 25./IX. — 0*832 mg As
25./IX. Iiyekt. von 6 mg arsenige Säure; in 710 g Harn, 1*023 spez. Gew
25.-26./IX. — 0*722 mg As
26./IX. Injekt. von 6 mg arsenige Säure; in 1005 g Harn, 1*016 spez.Gew
26.— 27./IX. — 0*557 mg As
1
40 WeUnder.
27./IX. I^jekt. von 8 mg anenifre Säure ; in 815 ^r Harn, 1*019 spez. Gew.
27.— 28./IX. — 1-002 mg Ab
In diesen 8 Tagen waren ako 34 mg arsenige Säure ein-
gespritzt worden; da diese Ib'l^^l^ As enthält, so war die
eingespritzte Asmenge 25*8584 mg \ von dieser wurden, obschon
in ungleichmäßig steigender Quantität, während 8 Tage zu-
sammen 3*867 971^, d. h. nur 157o eliminiert. Wir finden hier
einen ganz anderen Eliminationstyp als bei der Einspritzung
von Atoxyl. 4 Kontrolluntersuchungen an einer anderen Frau
stimmten vollständig mit den obigen überein.
Diese Untersuchungen sind natürlich allzu gering an Zahl
um zum Ziehen yon Schlüssen zu berechtigen; ich wage dies
dennoch, weil sie vollständig mit den Untersuchungen, die ich
und Almkvist im Jahre 1900 bei intravenöser Einspritzung von
arseniger Säure gegen Psoriasis gemacht haben, übereinstimmen.
Den Bericht hierüber findet man im Nord. Med. Archiv 1900,
Nr. 21.
Bei diesen Untersuchungen wurde am ersten Tage 1 m^
intravenös eingespritzt, diese Dosis wurde täglich um 1 mg
vermehrt, bis am 20. Tage 20 mg eingespritzt wurden, worauf
die Dosis nicht weiter erhöht wurde. Die Elimination von
Arsenik war in allen diesen untersuchten Fällen anfänglich
sehr gering, nahm allmählich immer mehr zu, so daß in einem
Falle, wo 30 Injektionen gegeben waren, die während des
Tages im Harn eliminierte Arsenikmenge 10*7 mg betrug. ^)
Also finden wir auch hier einen Eliminationstyp, der von dem
des Atoxyles ganz verschieden ist, aber vollständig dem bei
intramuskulärer Injektion von arseniger Säure gleicht. Wie
gesagt, stellte ich auch da Untersuchungen über die Elimination
durch den SchweiS, durch den eine wenn schon geringe
Quantität eliminiert wird, an. Ich untersuchte auch die Eli-
mination des Arseniks durch Faeces, die eine sehr geringe
war, während gleichzeitig eine große Menge durch den Harn
eliminiert wurde.
Der Vergleichung halber machte ich damals einige Ver-
suche, die Elimination des Arseniks zu ermitteln, wenn dieses
^) Bei dieser Untersuchong warde zur approximativen Bestimmung
des Arsenikgehaltes, der in diesem Aufsatz in mg arseniger S&ure an-
gegeben ist, ein anderes Verfahren angewendet.
Zur Frage der Behandlung der Syphilis mit Atoxyl. 41
Mittel per os gegeben wurde; es zeigte sich, daß, wenn es in
Pillenform gegeben wurde, die darch Faeces abgegangene As-
Menge bedeutend größer, als die mit dem Harn eliminierte,
war; aber auch nach Erteilung von As in flüssiger Form —
Solutio Fowleri — erwies sich der As-Gehalt in den Faeces
als viel größer als im Harn, was, wenn wir wissen, daß durch
den Darm höchst unbedeutend eliminiert wird, wohl nicht auf
andere Weise zu erklären ist, als daß ein recht bedeutender
Teil des per os auch in flüssiger Form gegebenen Arseniks
nicht absorbiert worden ist, sondern unabsorbiert durch Faeces
abgegangen ist. — Durch Arsenikgaben per os können wir
keiner sicheren Absorption und therapeutischen Wirkung ver-
sichert sein; dies hat sich auch durch ein paar jetzt von mir
ausgeführte Untersuchungen erwiesen. Eine junge Frau war
seit Anfang Juli an Liehen ruber mit Mixtura Fowleri (Liquor
arseniitis Kalici. Ph. Suec), die ersten Tage in kleineren Dosen,
zwischen dem 16./VII. und dem 28./IX. jedoch mit 6 Tropfen
3 mal täglich behandelt worden. Bei der Untersuchung ihres
Harnes den 26.— 27./1X. konnten in 1340 g, 1*020 spez. Gew.
nur 0745 mg As nachgewiesen werden ; im Urin den 28.— 29./IX.
konnten in 1050 g Harn, 1*024 spez. Gew., 0*579 vng As nach-
gewiesen werden. Das therapeutische Resultat ist auch ein
sehr schlechtes gewesen; erst Ende September begannen sich
die Symptome etwas zu verbessern. Während des Okt. hat
sie einige Atoxylinjektionen ä 0*6 g bekommen, wonach die
Symptome sich schnell bedeutend verbesserten und ver-
schwanden.
Die Quantität As, die^ nachdem man mit den Injektionen
mit Atoxyl und mit arseniger Säure aufgehört hat, eliminiert
wird, ist sehr verschieden. Nach der Injektion von Atoxyl ist
sie schon nach 2—3 Tagen gering und nimmt dann noch mehr
ab; nach intravenöser Injektion von arseniger Säure vermindert
sich zwar die Quantität des eliminierten Arseniks ziemlich
schnell, man kann aber gleichwohl nach 15 — 25 Tagen eine
eliminierte Arsenikmenge von 1 — 1*25 mg finden.
42 Welander.
Die geringe Erfahrung, die ich in therapeutischer Be-
ziehung betreffs des Atozyles gemacht habe, hat mir doch die
Vorstellung gegeben, daß man, obschon man dem Atozyl
wirklich eine therapeutische Wirkung auf die Syphilissymptome
zusprechen kann, doch mit unseren alten Mitteln, Quecksilber
und Jod, in den allermeisten Fällen ein schnelleres und
sichereres Resultat erzielt. Da ich sehr bald, nachdem ich
mit der Erteilung yon Atoxylinjektionen aufgehört habe, neue
syphilitische Symptome habe auftreten sehen, glaube ich, daß
man, auch wenn es eine präventive Behandlung gilt, unseren
alten Mitteln den Vorzug geben muß. Ich will jedoch noch-
mals betonen, daß meine Erfahrung zu gering ist, um ein
bestimmtes Urteil fällen zu können.
Sollte es sich jedoch in Zukunft zeigen, daß Injektionen
mit Atoxyl oder mit arseniger Säure einen wirklich hervor-
ragenden therapeutischen Wert haben, so will ich darauf hin-
deuten, daß die (Absorption und) Elimination des Atoxyles
eine höchst bedeutende Ähnlichkeit mit der (Absorption und)
Elimination von Hg nach Injektion mit Salizylquecksilber auf-
weist, während die Injektion von arseniger Säure in dieser
Beziehung eine große Ähnlichkeit mit den übrigen schwer-
löslichen Quecksilberpräparaten aufweist; in diesem Falle
werden wir im Atoxyl ein dem Salizylquecksilber gleichgestelltes
therapeutisches Mittel, und in der arsenigen Säure ein z. B.
dem Merkuriolöl entsprechendes therapeutisches Mittel besitzen.
Wir werden dann mittels geeigneter Anwendung dieser Arsenik-
präparate die Möglichkeit besitzen, nach Bedarf eine schnellei
kräftige Wirkung auf die Syphilissymptome, ganz wie mit Sal.
Hg, oder auch eine langsame Wirkung zu präventiven Zwecken,
wie z. B. mit Merkuriolöl, ausüben können.
Wie bei der internen Behandlung der Syphilis mit Queck-
silber die Absorption des Hg unsicher ist und somit auch das
therapeutische Resultat unsicher wird, so scheint mir dies
auch bei einer eventuellen Erteilung des Arseniks per os
gegen Syphilis der Fall zu sein.
Ans der deutschen dermatologischen Klinik in Prag.
über Haut Veränderungen bei
Pseudoleukämie und Leukosarkomatose.
Von
Prof. C. Kreibieh.
(Hiezu Taf. V.)
I.
Johann Seh., 28 Jahre alt, Bergmann (Eohlenförderer). Anfge-
noramen am 4./I. 1907. Erste ErscheiDuogen 6 Monate vor dem Spitals-
eintritt in Form eines blauen Fleckes an der Außenseite des I. Oberarmes,
nach l'/i Monaten Rückbildung desselben, dann wieder Auftreten des
Fleckes vor drei Monaten und rasches Anwachsen einer Geschwulst
daselbst. Eine dunkel gefärbte Narbe am Scheitel rfihrt von zwei schweren
Eopftraumen durch herabstürzende Eisenketten her. — Vor drei Wochen
Auftreten zahlreicher blauer Flecke und Geschwülste an der Brust und
auf dem Rücken ; zugleich trat heftiges, besonders während der Nacht
intensives Jucken auf, so daß Patient früh von zahlreichen blutigen
Striemen bedeckt war. Die blaugraue Gesichtsfarbe besteht nach seinen
Angaben bereits 8 — 4 Monate. Mutter und Geschwister gesund, Vater an
unbekannter Krankheit gestorben.
Status praesens: Die Haut Veränderungen lassen sich auf drei
Zustände zurückfahren, auf tumorartige Infiltrationen, auf eine hoch-
gradige Gefftßzerreißlichkeit und auf spontane und faktitielle Urticaria,
sie treten vielfach in Kombination, so sind z. 6. sämtliche Tumoren mehr
minder hämorrhagisch imbibiert, erscheinen fast melanotisch, andererseits
hinterläßt jede Urticaria factitia, die mit dem Fingernagel oder mit
einem Holzspatel verursacht wird, auf der Höhe und in der Mitte der
deutlich elevierten roten oder abgeblaßten Quaddel eine hämorrhagische
Linie, die sofort hinter dem drückenden Instrument oder Fingernagel
auftritt. Blutige Striemen an leicht zugänglichen Hautstellen in allen
Farbennuancen hat sich Patient selbst durch Kratzen beigebracht, die
44 Kreibich.
Haut darüber ist nicht exkoriiert. Ab und sa ßndet roan am Körper eine
randliche Quaddel, die ohne direkte äußere gröbere VeranlasBong ent-
standen zu sein scheint, manchmal flüchtiger Art ist, aber auch durch
Stunden persistieren kaun. Neben den blutigen Striemen ist die Haut
partienweise auch diffus blutig durchtränkt.
So ist die vordere Brustpartie bis zum Rippenbogen, fast gleich-
mäßig blaugrau oder fast violettgrau verfärbt, der Farbenton nicht weg-
drückbar, von Blutung herrührend, an den Grenzen gelbliche Imbibition
mit Blutfarbstoff. Die diffuse blutige Verfärbung ist auf dem Rücken
geringer und wenig tief herabreichend. An den Streckseiten der Oberarme
fast nur follikuläre Lokalisation der Blutungen, dagegen finden sich
wieder scheibenförmige Blutungen an verschiedenen Stellen des (Gesichtes,
so daß das ganze Gesicht einen dunkelblaugraaen Eindruck macht, dazu
kommt, daß die Haut der Wangen eiue ganz deutliche diffuse, ziemlich
derbe und tiefe Infiltration fühlen läßt, die bei einigen anderen Blu-
tungen nur in der Mitte deutlich zu fühlen ist. Wenig deutlich ab-
grenzbar, aber sicher vorhanden, ist auch eine bald mehr diffusere
bald mehr umschriebene flachknotenartige Infiltration in der vorderen
Brusthaut.
Das gleiche gilt von der Rückenhaut, die sich ebenfalls an den
verschiedensten, hier gelbbräunlich gefärbten Stellen, dicker anfühlt,
ohne daß die Infiltration sich deutlich abgrenzen ließe. Zum Unterschied
dazu treten einige Tumoren schärfer umschrieben hervor. So ein faust-
großer Tumor an der Außenseite des 1. Oberarmes, mit einem Durch-
messer von 7—8 cm und einer Erhebung von mindestens 8 cm. Der Tumor
ist wie auch alle übrigen mit der Haut verschiebbar, die Haut über ihm
kann nicht gefaltet werden. In der Tiefe fühlt sich der Tumor derb, fest
an, auf der Höhe ist er durch zahlreiche Blutungen erweicht, undeutlich
fluktuierend und dunkelblauschwarz verfärbt. Die Oberfläche schuppt
etwas und zeigt einige hämorrhagische Börkchen. Die Grenzen des Tumors
verlieren sich allmählich in die Umgebung.
Es finden sich ferner kleinere Tumoren in großer Zahl in der
Haut des ganzen Körpers. Der zweitgrößte von allen sitzt unmittelbar
rechts von der Wirbelsäule in der Höhe des 10. Brustwirbels, in Form
einer eliptischen Erhebung von 4 und 5 cm Durchmesser. Die Haut
darüber ist glänzend, etwas gespannt, die Farbe dieses Tumors und der
übrigen, an der Brust und Rückenhaut sowie an den Unterschenkeln
lokalisierten, ist weniger durch Blutungen verändert, einige davon zeigen
zwar eine bläuliche Farbe, die meisten aber einen gelblich-bräunlichen
Farbenton, wahrscheinlich zum Teil von Blutfarbstoff herrührend, zum
Teil aber die charakteristische Farbe der Tumoren darstellend. Die Kon-
sistenz der Tumoren ist keine besonders derbe. Der excidierte und zer*
schnittene Knoten zeigt eine glänzende an gequollene Sagokörner
erinnernde Infiltrationsmasse, von einer graurötlichen Farbe und weicher
Konsistenz.
über Hautveränderungen bei Pseudoleukämie eto. 45
Die übrige Untersuchung ergibt folgendes: Lungenbefund normal,
Herz normal, Leber einen Querfinger über den Rippenbogen reichend,
Milz niohi tastbar, eine genaue Beurteilung wegen starker Spannung der
Baachdecken nicht möglieb, perkussorisch eine Vergrößerung nicht nach-
weisbar. Von Lymphdrüsen sind die in der Submaxillargegend haselnuß-
gro6, von gleicher Größe, über dem Processus mastoideus einige erbsen-
große nuehale Drüsen, supraclaviculare nicht zu tasten. In der rechten
Achselhöhle eine walnußgroße Drüse, links ein 5 cm langes Paket aus
mehreren Drüsen bestehend. Inguinale Drüsen vergrößert und besonders
rechts deutlich sichtbar, desgleichen die cruralen Lymphdrüsen vergrößert.
Die Conjunctiva beider Augen von frischeren und älteren Blutungen
durchsetzt, dabei etwas ödematös durchtränkt; Blutungen in der Iris;
Farbe des Fundus auffallend blaß. Urin zeigt nichts abnormes. Über die
BlutveränderuDgen wird im Zusammenhang am Schluß der Kranken-
geschichte berichtet.
Auszug aus dem Dekursus: 5./I. Der größte Tumor am 1.
Oberarm wird mit weicher Röhre, 10 em Abstand, 10 Minuten röntgenisiert.
Beginn einer subkutanen Arsenkur. Nach einer Woche Tumor deutlich
in Rückgang, Blutungen in Rückbildung, Schmerzhaftigkeit etwas geringer,
Urticaria factitia fortbestehend, Dermographismus haemorrhagicus weniger
prompt zu erzeugen.
12./I. Fieberhafte Angina und Bronchitis über beiden Lungen. Tempe-
ratur 38-6, die folgenden Tage 88*9 und 38*1.
16./I. Nach einem schweren Stuhlgang zahlreiche neue Blutungen
im Gesicht, Conjunctiva und an der Brust. Über der rechten Lungenspitze
Schallverkürzung, Milz tastbar. Perkussion: 9 : 11 em. Fieber bis 31./I.
andauernd. Tumor am Obeiarm vollständig rückgebildet. Am 7./1I. sind
auch die übrigen Knoten verschwunden, doch daneben sind neue auf*
getreten, desgleichen treten die ganze Zeit immer wieder frische Blu-
tungen auf.
25./II. bis 8./I1I. Wegen ausgebreiteter tiefer Phlegmone an der rechten
Halsseite auf die chirurgische Klinik transferiert ; wahrend der ganzen
Zeit wiederholt hohe Fiebertemperaturen. Blutungen fortbestehend, so
daß das ganze Gesicht dunkelblanfleckig ist. Blutungen in der Mundhöhle
und in beiden Tonsillen, Tonsillen dadurch stark vergrößert, blaurot
aussehend. An den Lungen ein infiltrierender Prozeß im Fortschreiten
begriffen, kein Auswurf. Temperaturen meist hoch.
3./IV. Der Lungenprozeß schreitet weiter vor, im Sputum Tuberkel-
bazillen, fortgesetzt hohe Temperaturen, zwischen 89*2 und 38*0. Die
Hauttumoren fast vollständig resorbiert, der Kranke kommt stark
herunter. Am l./V- Auftreten von anscheinend über Nacht entstandenen,
blassen, derben, oder leicht rötlich-grauen Flecken, unter welchen eine
derbe, harte Infiltration zu tasten ist, desgleichen sind außer im Gesicht
auch an zwei Stellen des Körpers, Brust und Oberarm sehr rasch solche
in der Mitte abgeblaßte derbe Knoten entstanden, die sich insgesamt
sehr rasch zurückbilden. (Urticaria?) Die anfangs vorhandenen Tumoren
1
46 Ereibich.
fast alle Tenchwanien, auch die ip&ter entstandenen fast Töllig wieder
in Rückbildung, Proseß in den Lungen rasch fortschreitend, neue
Blutungen, Ödeme an den FÜßAu, enorme Abmagerung, nächtliche Schweiße
und meist fortgesetzt hohe Temperaturen.
80./V. Exitns.
Obduktionsbefund: Hautverändemugen s. oben. Am Schädeldach
eine schwarze Narbe, welche Eohlenstücke enthält. Oehim nichts Abnormes.
Pleurahöhle enthäUt 17t ^ serös getrabte Flüssigkeit. Pleura mit Fibrin
bedeckt. Lunge zeigt neben Bronchitis diffusa und einer beginnenden
Pneumonie des rechten Unterlappens Zeichen einer subakuten Tuberkulose
in Form einzelner oder in Gruppen angeordneter Knötchen. Peribron-
chiale Lymphdrüsen vergrößert, anthrakotisch, hart, nicht tuberkulös
vorändert. Seitliche Halslymphdrüsen mäßig geschwellt, rot, sukkulent,
follikuläre Zeichnung anscheinend da und dort erkennen lassend. Lymph-
drüsen in der Supraclaviculargegend und im vorderen Mediastinum bis
zu Nußgröße angeschwollen, derb, gut begrenzt, auf dem Durchschnitt
gelb-weiße zentral opake Partien. Herz normal. Peritoneum pariet. et
viscerale vielfach mit graulichen derben Enötoheu besetzt. In der Leber
hirsekomgroße, daneben aber auch kirschkomgroße taberkulöse Knoten.
Periportale Lymphdrüsen vergrößert, derb, gegeneinander gut abgrenzbar,
auf dem Durchschnitt weiß -gelb mit zentralen, opaken, trockenen Partien.
Milz vergrößert 710 g, derb, Parenchym dunkelrot, Trabekularzeichnung
deutlich, hirsekorngroße und haselnußgroße Knoten vom Charakter der
Tuberkulose. Nieren ohne Befund, desgleichen Nebennieren und Pankreas.
Darm Schleimhaut blaß, Follikel apparat nicht vergrößert. Mesenterial-
dräsen zahlreich, klein, grau -weiß, derb, ohne Zeichnung. Inguinaldrüsen
vergrößert, rötlich derb, succulent, auf dem Durchschnitt grau-weiß.
Knochenmark der spongiösen Knochen rot, in den beiden Femora, der
1. Tibia und Fibula intensiv rot, in den genannten Knochen und im
Sternum da und dort bis erbsengroße, weißliche, derbe Knoten zeigend.
Sämtliche Organe subikterisch gefärbt.
Bluthefund: 8./I. (4 Tage nach der Aufnahme). R. 4,900.000,
W. 6.800, große Lymphocyten SdVoi kleine Lymphocyten 467oi neutrophil.
Leuk. 247o» eosinophil. Leuk. T'/o«
16./I. R. 8,900.000. W. 6.200. Die Zahl der Lymphocyten im Ver-
hältnis zu der der Leukocyten ist jetzt derart vermehrt, daß von letzteren
nur ausnahmsweise einer im Gesichtsfeld erscheint.
18./IL R. 8,692000, W. 6.600, Myelocyt l-öV^i Polynucl. neutroph.
Leuk. 50*0^/o, eosinoph. Leuk. l'O^oi Lymphocyten 46*6%} große Lympho-
cyten 266V«i kleine Lymphocyten iOOVo-
29./in. R. 1,250.000, W. 4.000. (Patient fiebert wegen Tuberkulose
der Lungen fast konstant.)
6./IV. R, 1,731.000, W. 3.800, Polynucl. Leukocyten öO'/o, große
Lymphocyten 307oi kleine Lymphocyten 207o*
10./IV. R. 1,270-000, W. 8.900.
18./IV. R. 1,140.000, W. 3.850.
über HantverftoderuDgen bei Pseadoleukämie etc. 47
27./IV. R. 1,600000, W. 3.900.
18./V. R. 1,800.000, W. 2.900.
29./V. R. 724.000, W. 1.900.
d0./V. £xita8.
Anatomie der Haatveränderungen: Sämtliche Tumoren
und Infiltrationen rind durch eine einheitlich gleiche Zelle bedingt. Sie
besitzt einen verh<nismäOig großen, sich intensiv färbenden, runden ein-
sigen Kern, und einen geringen Protoplasmasaum; sie entspricht im
Aussehen und farberischen Verhalten den kleinen Lymphocyten; neben
ihr finden sich keine weiteren Zellgattungen, abgesehen von den roten
Blutkörperchen, die in verschieden großer Zahl vorhanden sind; es fehlt
jede Spur von Proliferation seitens des fixen Gewebes; die Infiltrations-
zellen zeigen nirgends regressive Erscheinungen, sondern besitzen in
älteren und jüngeren Tumoren die gleiche Beschaffenheit.
Der Prozeß ist eine Infiltration der Haut mit diesen
Zellen, wobei das ursprüngliche Gewebe erhalten bleibt.
Dieses Gewebe kommt in dieser Beschaffenheit wieder zum Vorschein,
wenn sich die Tumoren unter Fieber zurückbilden. Die Tumoren zeigen
nach Alter und Dauer Unterschiede, die. im wesentlichen nur quantitative
sind. Die ersten Infiltrationsherde treten um die Schweißdrüsen, um den
tiefsten Teil der Follikel herum und längs der Gefäße des tiefen Gefäß -
netzes auf.
Von dort aus wird das Fettgewebe, von den aufsteigenden Gefößen
die Cutis propria und endlieh vom Papillargefaßnetz aus der untere Teil
des Papillarkörpers infiltriert. Die Infiltration reicht nirgends bis zur
Epidermis, sondern unter der Epidermis bleibt der obere Teil des
Papillarkörpers frei, worauf mit einer ziemlich scharfen Grenze die Infil-
tration einsetzt; in allen Tumoren ist das fixe Gewebe infolge der inten-
siven Infiltration nur undeutlich zu erkennen, wo letztere etwas geringer
wird, kommen wieder die Gutisbündel zum Vorschein, durch Züge infil-
trierender Zellen auseinander gedrängt. Wie schon angedeutet, finden
sich in manchen Tumoren reichlich gut erhaltene rote Blutzellen, nach
dem plötzlichen Auftreten, z. B. nach einem schweren Stuhlgang usw.
stammen sie aus Blutungen durch GefUßzerreißung. Auch in anscheinend
vollkommen normalen Hautpartien finden sich Infiltrationsherde, z. B.
um die Schweißdrüsen, um die Follikel oder längs der Gefäße.
Die beschriebenen Hautveränderungen sind vollkommen
die gleichen wie in einem von uns vor Jahren publizierten Fall
von lettkämischen Tumoren der Gesichtshaut. In diesem letz*
leren Fall war der Blutbefund folgender R = 3,400.000,
W= 120.000, R : W= 28 : 1. Lymphocyten 92%. Keine eosi-
noph. Zellen, keine Markzellen ; somit der Befund einer lympha-
tischen Leukämie mit Vermehrung der weißen Blutkörperchen.
In dem oben beschriebenen Falle fanden sich Hautveränderungen
48 Kreibich.
kongruenter Art, im Blut fehlt aber die Vermehrung der weißen
Blutkörpercheuv hingegen findet sich auch in diesem Fall, ebenso
wie in dem anderen, eine Vermehrung der Lymphocyten 69%,
und wir schließen uns somit YoUkommen der AuffiapSsung Yon
Pinkus an, obigen Fall als Pseudoleukämie und als
einen nur quantitatiy von der lymphatischen Leukämie yerschie-^
denen Zustand aufzufassen. Pinkus stützt seine Auffassung
besonders auf einen von Pfeiffer beschriebenen Fall: Lym-
phome an KinUi Hals, Achselhöhlen, Leisten, Tumoren der
Nase, Wangen, Augenbrauen, Kinn, Mamma dem Wesen nach
aus Lymphocyten gebildet. Blutbefiind R = 5,000.000,W = 5000
bis 6000. Verhältnis = 700 : 1. Lymphocyten 60%. Unser Fall
gleicht dem von Pfeiffer sehr, und ist somit eine weitere
Stütze für die Richtigkeit der Auffassung von Pinkus. Eigen-
artig ist unser Fall durch den Ausgang in Leukopenie (W= 1000).
Bedingt dürfte derselbe durch die komplizierende Tuberkulose
mit dem wochenlangen Fieber?erlauf sein, unter welchem auch
sämtliche Hautveränderungen zum Schwinden gelangten ; da das
Fieber fast kontinuierlich war, die Kachexie rasch zunahm, kam
es trotz der Resorption der Hauttumoren zu keinem Lympho-
cytenanstieg^ wie Lins er dies in einem ähnlichen Fallenach
wiederholter fieberhafter Lungenaffektion konstatierte. Es muß
natürlich offen bleiben, ob ohne diese fieberhafte Komplika-
tion die Pseudoleukämie z« B. in akute lymphatische Leukämie
übergegangen wäre, wie dies in den Fällen von Mosler,
Fleischer, Pentzoldt und Kümmel^ Übergang eines
quantitativ normalen Blutbefundes in Leukämie mit dem Ver-
hältnis 1 : 9 oder 1 : 20, sich ereignete.
Pinkus, Limbeck, Strauß u. a. fordern eine Trennung
der lymphatischen Leukämie und Pseudoleukämie von der
myelogenen Leukämie. Dieser Forderung kommt man neuerer
Zeit immer mehr nach. Obige Auffassung von Pinkus, deren
Richtigkeit sich immer mehr herausstellt, schließt aber noch
eine weitere Forderung in sich. Es wurden in den letzten
Jahren speziell von dermatologischer Seite vielfach Erkran-
kungen als j^Pseudoleukämie** beschrieben, die sich durch
Haut- und Blutbefund von obigen Beobachtungen (vergleich.
Beobacht. HI) unterscheiden, so z. B. sind die Hautverände-
Über Hautverftndernngen bei Psendoleokämie etc. 49
rangen nrticariell juckender Art, and der Blatbefund ist ein
normaler, oder es fehlt jedenfalls die Vermehrung der Lympho-
cyten. Aus diesem offenbar zuweit gefaßten Begriff i^Pseudo-
leukämie^ müßten obige Fälle und diesen gleiche heraus*
gehoben werden, was vieUeicht^ da man sie eben noch nicht
als lymphatische Leukämie, eher nach H e 1 1 y als sublymphämiscbe
Leukämie bezeichnen kann, am besten durch die Bezeichnung
lymphatische Pseudoleukämie geschehen könnte.
IL
J. Seh, 16 Jahre alter Buchdrucker, wurde am 33./I. auf die
chirurgische Klinik aufgenommen ; am 29./I. wurde durch seitliche Naaen-
aufklappang ein Sarkom des Nasenrachenraumes entfernt. Etwa, eine^
Woche nach der Operation bemerkte Patient über der Brust eine Anzahl "^ 1 ^'-^
von roten Knötchen, von welchen einige nach mehreren Tagen yer-1
schwanden. Fünf Tage nach dem Auftreten der Knötchen trat eine'
Schwellung beider Kniegelenke auf. Eltern und Geschwister sind voll-
kommen gesund. Über den Beginn seiner internen Erkrankung, Müdig-
keit, Appetitverlust, Abmagerung weiß Patient keine präzisen Angaben
zu machen.
Status praesens vom 23./II. : An dem Kranken ikWi vor allem
die hochgradige allgemeine Blässe, Abmagerung, Schwäche und Apathie
auf. Beide Bulbi etwas vorgetrieben, aus beiden Gehörgängen dünner
eitriger Ausfluß; sichtbare Schleimhäute blaß. Rechts von der Nase eine
Operationsnarbe, beide Naseneingänge tamponiert, Tampons etwas blutig,
eitrig durchtränkt. Lunge normal, Milz zwei Querfinger über den Rippen-
bogen hinaus tastbar, Kniegelenke nicht mehr deutlich geschwollen, an
den Füßen Ödeme; Harn: Eiweiß +, Indik. +, Zucker 0.
An der Haut finden sich Veränderungen und Anomalien mehrfacher \
Art. Eine intensive braune Pigmentation nimmt den Hals ein, läßt die
oberen Brustpartien frei, setzt am Abdomen wieder ein und verliert sich
allmählich gegen die Oberschenkel.
Brust, Bauch, Oberschenkel, die Gegend der Skapnlae, Kreuzbein-
gegend tragen eine große Zahl von Effloreszenzen, die sich etwa bis zum
Knie, nicht mehr am Unterschenkel, nicht am Kopf und den oberen Ex-
tremitäten finden. Es handelt sich um flach halbkugelformige, meist bis
hellergroße Erhabenheiten, Knoten von kreisförmiger, nicht ganz \
scharfer Begrenzung, von brannvioletter düstererythemartiger Farbe, von
etwas stärker glänzender Oberfläche, welche die normale Hautzeichnung
in geringerer Deutlichkeit aufweist. Die Knoten stehen teils einzeln,
teilt in Gruppen, auch in Bogenlinien. Sie fühlen sich derb an, reichen
bis in die oberen Schichten der Haut, die über ihnen nicht abhebbar ist,
Arch. f. Dermat. n. Syph. Bd. LXXXIX. a
^ I
50 Kreibich.
machen aber auch andererseits den Eindmok, bis ins Unterhautgewebe
EU reichen. An manchen ist die Erhebung über das Hantniveau sehr
gering, dafür reichen sie wieder tiefer hinab. Viele sind in Hinsicht der
Färbung und Resistens nur angedeutet und es finden sich cu den ent-
wickelten Knoten alle Übergänge.
Die Knoten am Oberschenkel aeigen eine mehr schiefeigraue Farbe.
An beiden Unterschenkeln eine größere Anzahl Ton hellbraunen, siemlich
scharf begrenzten Flecken, deren Oberfläche leicht eingesunken, etwas
glänsend, deutlicher gef<elt, leichter faltbar ist; mit dem darüber
streifenden Finger hat man das Qefuhl, in eine seichte Grube zu ge-
langen; von entzündlichen Erscheinungen an diesen Herden keine Spur,
manche der Flecke '^erreichen eine Länge Ton 8 cm und eine Breite
von 1 om. An der Tnnnnnm'tnjij^erfciini {\tt\ solche hellbraun pigmen-
tierte bis kronengroße F|iiw5V ^^*^ ^'W^i^Halsseiten vergrößert,
derb, die übrigen normy O — ^^<Krw_ '^C^V
Blutbefund: R— ß,l?0.O0O. W — 17.900, rTM-» 136:1.
Von den weS^ BlUsä^ai^äiD&ten V 1 . . 4%
polynuol neutroph« Leukocyten ^. / . . IS^/^
mononacK^M^ino^TXeukoqvtenyr . . . 2^/^
polynucl. eodtAQj^£e^^^aa< . . . . l"57o
Lymphocyten 74*57o
davon kleine 18%
große 50%
mit gelappten Kernen . 6'67««
94./II. Sämtliche Herde in Abnahme begriffen, blässer, kakaofarben.
25./II. Herde neuerlich flacher und blässer, aber noch deutlich
palpabel. Unter raschem Kräfteverfall
8./III. Exitus.
Auszug aus dem Sektionsprotokoll vom 4. März 1907:
An dem Sägeschnitt in der Diploe der Parietalknochen einzelne
Yt cm im Durchmesser haltende grangelbliche Flecke, ähnliche Flecke
durch die Parietalknochen durchschimmernd. Die Tonsillen mäßig ver-
größert, sonst aber makroskopisch nicht weiter verändert. An der oberen
Pbarynxwand, auf die hintere und seitliche Wand übergreifend, ein bis
8 cm hoher, höckeriger, nach der Peripherie an Dicke abnehmender, weiß«
lieber Tumor von mittelfester Konsistenz, welcher nach oben auf den
Keilbeinkörper Übergreift, dessen untere Hälfte durchwächst, nach vom
in das Siebbein eindringt und zum Teil die Choanen verschließt. An den
Resten des Septums (durch die Operation entfernt) und an den Nasen-
muscheln knötchenförmige Verdickungen. Die obersten Halslymphdrüsen
beiderseits vergrößert und von grauweißlichen Flecken durchsetzt. In
der Wand des linken Herzventrikels drei bis über 1 cm* große, fast die
ganze Dicke des Myokards durchsetzende weiße Tumorknoten. Die
peribronchialen Lymphdrüsen nicht besonders vergrößert, einige stark
verkalkt Lungen ohne Besonderheiten.
über Haotveränderangen bei Pseadoleokämie etc. 51
Auf der oberen Fläche des Zwerchfelles findet «ich ein rundlicher, 27t o"*
im Dnrohmesier betragen ier, weißlicher, siemlich weicher Gdsohwnlstknoten.
Leber normal, Milz vergrößert, ohne Tamoren. Beide Nieren gleichmäßig
Tergröflert, ihre Kapsel leicht abziehbar. Die Oberfläche von buntem Ans-
tehen, indem auf einem trnbweißgelblichen Grunde zahlreiche, durch stark
injizierte Gefäße bedingte, duakle Flecke aufgetreten sind. Die Schnitt*
fläche läßt kaum die normale Zeichnung erkennen, indem nur yer*
einzelte, blasse Markpartien noch erhalten sind. Das übrige Parenchym
erseheint durch eine blaßgraugelbliche oder weißgelbliche Masse diffos
infiltriert. Nebennieren normal. Im rechten Hoden ein etwa linscDgroßes,
weißliches, derbes Knötchen. Die Schleimhaut des Magens sehr blaß^
mit sahireichen flachen Höckern und Wähtea bedeckt, im ganzen derber*
Auf dem Durchschnitt erscheint die Magenwand im ganzen dicker,
weißlich infiltriert Die Infiltration liegt anscheinend unter der Mukosa,
die nirgends exulceriert ist. Die mesenterialen Lymphdrusen nicht ver*
ändert, ebensowenig die retroperitonealen und inguinalen Lymphdrüsen.
Vom Knochensystem wurden untersucht : Schädel, Sternum, mehrere
Rippen und Wirbel, beide Humeri und Oberschenkelknochen. Im Sternum,
in den Rippen nnd Wirbeln finden sich zerstreute, weißlich-gelbe Flecke.
In beiden Oberschenkelknochen ist das Knochenmark von zahlreichen,
größtenteils konfluierten, gel blich- weißen derberen Herden durchsetzt und
zeigt außerdem einige dankelrote Flecke; der spongiöse Knochenteil an
beiden Enden von graugelblichen Flecken durchsetzt. Ebenso beschaffen
sind beide Humeri. Im oberen Enle des r. Femnrs erscheint das
Knochenmark auf eine Strecke von 4 em trüb gelbgrau, homogen, wie
nekrotisch infarziert; diese Partie ist ziemlich scharf umschrieben und
zeigt einen mehr grauweißlichen Saum; einen ebenso beschaffenen, nur
etwas größeren Herd findet man im oberen Teil des linken Homerus.
Histologisch liegt bei dem anscheinend primären Tnmor des
Rachens eine rundzellige Geschwulst vor. Verglichen mit den kleinen
Lymphocyten der leukämischen Tumoren ist der Kern der Geschwulstselle
etwas größer, er färbt sich nicht so intensiv mit basischen Farben, das
Chromatingernst ist weitmaschiger nni gröber, und das Protoplasma er-
scheint etwas reichlicher, ohne deutliche Granulierung. Die Zellen liegen
dicht nebeneinander, manchmal anscheinend etwas gruppiert, dazwischen
spärliches Stroma, oder das durchwachsene Gewdbe, Muskulatur, Fascie
and Bindegewebe, zwischen dessen gröberen Zügen die Tumorzellen reihen-
artig, sich gegenseitig etwas abplattend, eindringen. Auffallend ist die
große Zahl von Mitosen. — Die gleiche Zellform findet sich in den infil-
trierten Lymphdrüsen nnd hier fallt der Unterschied zwischen Lympho-
cyten nnd Tumorzellen sehr deutlich auf. In gleicher Weise erscheint
fast das ganze Nierengewebe durch die beschriebenen Tumorzellen in-
filtriert, ersetzt nnd verdrängrt; im Herzen dringt die Metastase in Form
eines breiten Keils vom Perikard in das Myokard ein, wobei sich die
Zellen in langen Zügen zwischen die Mnskelbündel einschieben. Nacb
Angabe der pathologischen Anatomen zeigte die Magenwand eiue dichte
4*
52 Kreibich.
Infiltraticn besonders der tieferen SohleimhAnttchichten. Die Haatver-
indernngen waren zweierlei Art; die eine Fornii welche den oben in
der Krankengeschichte genauer beschriebenen Knoten entspricht, soll
später erörtert werden; jene Yeranderangen, welche den in den inneren
Organen gefundenen gleichzustellen sind, waren klinisch nicht wahr*
nehmbar nnd worden bei der Untersuchung anscheinend normaler Haut
aufgefunden. Da sie sich in einem großen ans der Bauchhaut excidierten
St&ck überall vorfanden, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie universell
▼orhanden waren.
Abgesehen von der auch klinisch beschriebenen Hyperpigmentation
fand sich überall eine verschieden intensive Infiltration des Fettgewebes^
mit einer Tumorselle von der oben beschriebenen Beschaffenheit.
Vielleicht war hier die Zahl der Mitosen eine noch größere und ab und
zu eine Zelle in regressiver Metamorphose in Form von tröpfchenformiger
Auflösung- des Chromatinnetzes ; besondere distinkte Granulationen
im Protoplasma fanden sich auch hier nicht; es fand sich auch sonst
keine andere Zellart, als die beschriebene Tnmorzelle. In gleicher Weise,
wie im Fettgewebe, fanden sich InfiUratiunsherde um die Schweißdrüsen,
größer und deutlicher um die Hasrfollikel, und, allerdings in sehr ver-
schiedener Intensität und Breite, längs der Gefäße. Manchmal sind die
Gefäße bis zum oberflächlichen Nets nur von wenigen Zellen umgeben,
an anderen Stellen von einem dichten Mantel eingescheidet, an diesen
Hantstücken ist dann auch das Fettgewebe intensiver infiltriert und es
finden sich im Papillarkörper kleine runde, scheinbar von den Ge-
fäßen mehr selbständige Infiltrationsherde. Nirgends entzündliche Yer-
änderuDgen, nirgends reaktive Veränderungen seitens des fixen Gewebes,
auch an den stärker infiltrierten Hautstellen bleibt der Papillarkörper frei»
Davon vollkommen verschieden ist die Histologie der in der
Krankengeschichte beschriebenen, nach Angabe des Patienten
plötzlich und unter Fieber aufgetretenen, knotenförmigen, schmerzhaften,
bläulichroten, später kakaofärbigen Infiltraten. Ein solcher Knoten wurde
noch intra vitam exzidiert nnd dürfte, wenn anders er im ersten Aus*
bruch entstanden ist, ein Alter von 2^/| Wochen gehabt haben. Zum Unter-
schied von obigen Veränderungen ist der Sitz dieser Erkrankung vorwiegend
der Papillarkörper, derselbe ist streckenweise diffus, gegen den Rand
zu herdweise erkrankt. Die Infiltration besteht vorwiegend ans langen
spindeligen jungen Bindegewebszellen und mehr elliptischen oder rundlichen
epitheloiden Zellen der gleichen proliferativen Abkunft; an vielen Punkten
zeigen die Zellen mehrere Kerne und es finden sich auch deutliche Riesen-
zellen in nicht sehr großer Zahl, häufiger in den Herden um die Follikel,,
bei welchen auch das spindelzellige Plasmom am deutlichsten ausge-
prägt ist.
Zwischen den Spindelzellen, die sich deutlicher mit Eosin farbeik
und am Rand der Herde finden sich exsudative Rundzellen, mehr mono-
nnkleär als vielkemig, auch Plasmazellen in wechselnder Anzahl und
spärliche Mastzellen. In der Mitte größerer Herde finden sich Andeutungea
über HaatverändeniDgen bei Pseadolenkämie etc. 6S
von regressiven Yerändeningen, Anflösang der Kerne, schlechtere Färbbarkeit
derselben. Diese Erscheinung ist aber nur bei stärkerer Vergrößerang 2a
konstatieren, nirgends tritt die Veränderung als sentrale Massennekrose
in Erscheinung. Das Infiltrat setzt sich auch in die Papillen fort, dieselben
sind verlängert, ihr Qewebe ist ödematös zu einem feinen Netz aufge-
lockert, rareficiert, mittendurch zieht das Papillargeflß, von spindeligen
Zellen begleitet, die von hier aus auch seitlich abzweigen. An anderer
Stelle sind auch die Papillen dicht von Spindelsellen infiltriert, dann ist
auch die Epidermis von Rundzellen durchsetzt. An zwei Stellen war die
Epidermis parakeratotisch, die untere Grenze verwischt, in den Infiltrat-
sellen fanden sich die oben erwähnten nekrotischen Zellveränderungen,
und das ganze bildete zusammen mit etwas reichlicheren Rundzellen ein
eingesunkenes Börkchen ; den ödematös verlängerten Papillen entsprachen
akanthotisch verlängerte^Retezapfen. Am Rand der Knoten einzelne um-
schriebene Herde, im Papillarkörper ebenfalls aus Spindelzellen und spär-
lichen Rund- und Plasmazellen bestehend. Abgesehen von den follikulären
Herden, die sieb durch die ganze Breite der Cutis propria erstrecken, war
letztere frei, auch das Fettgewebe zeigte keine besonderen Veränderungen.
Hingegen fand sich das gleiche Infiltrat wieder an einer umschriebenen
Stelle einer kleinen Arterie an der Cutis- Snboutisgrenze, es besteht auch
hier ans spindeligen und epitheloiden Zellen und spärlichen Rundzellen,
tritt zuerst an einer Stelle der Gefäß wand, im Verlauf der Serie an einer
zweiten auf und wird dann zirkulär. Anfangs in den äußersten Schichten
der Gefäßwand gelegen, ergeben die späteren Schnitte ein Übergreifen des In-
filtrates auch auf die Media und sieht man dasselbe an einer umschriebenen
Stelle bis nnter das Endothel nach innen gegen das Gefaßlumen zu vordringen.
Zahlreiche Präparate auf Tuberkelbazillen untersucht, ergaben ein negatives
Resultat; hingegen ergab sich für das Verständnis dieses Exanthems
weiter folgendes. Bei der Sektion zeigte der Rachentumor beim Durch*
ftchnitt, ziemlich in seiner Mitte gelegen, eine etwa erbsengroße Erwei-
chnngshöhle, die mit einem gelblich-weißen Eiter erfällt war. Histologisch
fand sich diese Höhle umgeben von einem Infiltrat, das ähnlich wie jenes
in der Hant aus geblähten, acidophilen, spiudeligen oder epitheloiden
Zellen bestand, ab und zu eine Riesenzelle. Diese Art von Infiltrat ist
am deutlichsten an der größten offenbar ältesten Zirkumferenz der Höhle^
gegen die Pole zu ist die Zahl der epitheloiden Zellen geringer, auch die
spindeligen Zellen sind weniger dicht, oder es hat sich überhaupt noch
kein derartiges deutliches Proliferat ausgebildet, wohl aber zeigt die
durch das Tumorgewebe gebildete Randbegrensung deutliche nekrotische
Erscheinungen, schlechte Färbbarkeit der Kerne, erhöhte Acidophilie des
Protoplasmas, auffallend ist die ganz geringe Anzahl von polynukleären
Lenkocyten und von entzündlichen Rundzellen überhaupt, besonders da
die Höhle in größer Menge kurze Ketten eines gramnegativen Strepto-
coeens und Häufchen kurzer Bazillen enthällt; Tuberkelbazillen wurden
trotz eifrifgsten Snchens nicht gefunden (vergleiche Taf. V).
54 Kreibioh.
Nach dem mitgeteilten Sektionsbefund würde sich der Fall
als eine Lymphosarkomatose im Sinne Kundrat-Paltanfs
darstellen. Damit stimmt nberein: die Lokalisation des primären
Tumors an der seitlichen Pharynxwand, sein Übergreifen auf
die Umgebung, Infektion der Lymphdrüsen, Erkrankung anderer
Organe ohne so ausgebreitete Verallgemeinerung wie bei Leu-
kämie, flächenhafte Infiltration der Magen- und Darm Schleimhaut
mit Verdickung und Erstarrung der Wand ohne Strikturbil-
düng, Nichtbeteiligung der Milz und Leber, nur herdweise
Erkrankung des Knochenmarkes, die Geschwulstzellen sind größer
als Lymphocyten, der Kern ist blasser gefärbt, zeigt deutlichere
Struktur, ist größer als der der kleinen Lymphocyten, Fehlen
Ton spontanen regressiven Erscheinungen u. a. m. Nicht damit
stimmt überein der Blutbefund. In dieser Bichtung liegen bei
Lymphosarkomatosis wenige klinische Beobachtungen vor.
Eine noch später zu besprechende Beobachtung läßt es
fraglich erscheinen, ob der Fall Canon (Lymphosarkom)
W : R = 1 : 100 ; 70% polynukleäre Leukocyten, überhaupt hier-
hergehört. Hingegen fand Limb eck eine auffallende Ähnlich-
keit zwischen dem Blutbefund der Lymphosarkomatose und
der lymphatischen Leukämie, auch Türk fand in einem Fall
von Lymphosarkomatose eine Vermehrung der Lymphocyten,
wie sie der lymphatischen Leukämie zukommt, freilich in einem
anderen Fall, ähnlich wie Pinkus, eine Lymphocyten Vermin-
derung; bezüglich dreier Fälle vonGravitz mit hochgradiger
Vermehrung der polymorphkernigen Leukocyten sei wie oben
auf den noch zu beschreibenden dritten Fall verwiesen.
Ans dieser Zusammenstellung ergibt sich somit bei Lympho-
sarkomatosis häufiger eine Vermehrung der Lymphocyten und
auch damit würde unser Fall noch übereinstimmen. W : R =
1 : 132, Lymphocyten 74'57o- Berücksichtigt man im Blutbild
aber das Überwiegen der großen Lymphocyten 50% (kleine
187o)i 80 scheint der Fall zu jenen Beobachtungen von Lympho-
sarkomatosis zu gehören, die nach Sternberg- Pal tauf der
Lenkosarkomatosis zuzurechnen wäre; jedenfalls spricht der Fall
für die schwierige Abgrenzung beider Krankheitsbilder, insofern
sich die Veränderungen der Lymphosarkomatose mit dem Blut-
befund der Leukosarkomatose kombinieren, ob der Blutbefund
über Hautveränderangen bei Pseadoleakämie eto. 65
primär zum Krankheitsbild gehört, oder sekundär durch die
Metastasen im Knochenmark bedingt ist (4% Myelocyten), muß
dahin gestellt bleiben.
Im obigen Fall fand ich eine Form der Hautbeteiligung,
die bisher bei Lymphosarkomatose und Leukosarkomatose nicht
beschrieben erscheint, obwohl bei ersterer Befunde anderer
Art bereits vorliegen. Sie finden sich größtenteils zusammen-
gestellt in der Beschreibung eines Falles von Lymphosarkom
durch H er m. Kaposi. Es fanden sich in dem Falle H. Ka-
posi, primäres Lymphosarkom wahrscheinlich yon der High-
morshöhle ausgehend; mehrere erbsen-, nu8- bis kindskopfgroße
Hauttumoren; in einem Falle Rombergs zahlreiche bis wal-
nußgroße Tumoren der Haut, in beiden Fällen rasche spontane
Rückbildung; gleichfalls knotige Tumoren fanden sich in je
einem Fall ?on Kutzner, Löbker, weiters wurde nach
C. S t e r n b e r g bei Lymphosarkomatose beobachtet : blasse auch
gelbliche Farbe der Haut, Hautpigmentierungen wie bei Addi-
son scher Krankheit (yergleiche obige Krankengeschichte), Pem-
phigus, Furunculosis, Erythem, Prurigo, Miliaria, Purpura,
letztere Erkrankungen nicht mehr als Ausdruck der sarkomatösen
Erkrankung der Haut
Hauttumoren beschreibe!) wieder Fröhlich, M.Joseph,
Arning, Unna und Pfeiffer, deren Zugehörigkeit zur
Lymphosarkomatose nach C. Sternberg allerdings zweifelhaft
ist. Die Hautveränderungen obigen Falles blieben klinisch symp-
tomlos, sie bieten somit nur anatomisches und bei Vergröße-
rung des gesamten Materiales später Tielleicht auch pathoge-
netisches Interesse, insofern sie zur Klärung der für die ganze
Erkrankungsgruppe prinzipiellen Frage, ob die Erkrankungs-
zeUen in loco entstehen oder aus dem Blute stammen, bei-
tragen können. Bislang kann die Frage in keinem Sinne mit
Bestimmtheit beantwortet worden, was bis jetzt Torliegt, reicht
kaum hin die Hypothesen zu stützen. Es enthält auch obige
Beobachtung keine beweisenden Tatsachen, aber sie muß in
eine der beiden Hypothesen untergebracht werden, und es will
uns scheinen, daß dies leichter in der Ansicht rom hämato-
genen Ursprung möglich ist.
56 Kreibicfa.
Dafür könnte geltend gemacht werden die gleichmäBige
Infiltration Tielleicht des gesamten Hautfettes, dar Beginn nm
die Follikel und Schweißdrüsen, als Stellen für Embolie dis-
ponierter Zirkulation, die Einscheidung der GefaSe, die Tatsache,
daß die Tumorzellen sicher keine kleinen, wahrscheinlich aber
auch keine normalen großen Lymphocyten sind, die Tatsache,
daß die Herde im Myokard, im Zwerchfell, im Knochenmark den
Eindruck hämatogener Metastasen machen usw. Wie erwähnt
sind das insgesamt keine beweisenden Momente und noch
weniger gestatten sie ohneweiters einen Rückschluß auf die
leukämischen Tumoren, eine befriedigende Erklärung aber wird
sie in sich fassen müssen, das gleiche wird bei verwandten
Fällen zutreffen müssen, so daß eben obige wichtige Frage
vielleicht erst an einem großem Material zur Beantwortung kom-
men kann.
Im obigen Falle fanden sich noch Hautreränderungen
anderer Art, in Form yon plötzlich unter Fieber aufgetretenen
Eiythema nodosumartigen, entzündlichen EnoteU; deren Gewebe
Yorwiegend aus spindeligen, jungen Bindegewebszellen, aus
epitheloiden Zellen, Biesenzellen und Exsudatzellen in geringerer
Zahl und ohne charakteristische Anordnung bestand; vorwie-
gender Sitz der Erkrankung der Papillarkörper und die Umge-
bung des Follikels. Die Erkrankung maoht den Eindruck einer
Form der hämatogen entstandenen Hauttuberkulose und wir
waren in der günstigen Lage hiefür noch einiges beizubringen,
ähnlich wie Wolters, A. Kraus bei Lupus das erkrankte
Gefäß auffanden, konnten wir an einer Arterie des tiefen Netzes
tuberkulöse Veränderungen durch die ganze Dicke der Arterien-
wand reichend konstatieren und wir waren weiter in der Lage
die Quelle der Embolie, in Form einer erbsengroßen Abszeß-
höhle im Rachentumor aufzufinden.
Wenn es uns auch leider nicht gelang in der Wand der
Abszesse Tuberkelbazillen nachzuweisen, so deutet doch die
Abszeßwand, die sich ebenso wie die HautefSoreszenzen aus
epitheloiden und spindeligen Zellen und aus spärlichen
Biesenzellen zusammensetzt, auf einen an dieser Stelle und
in den Hautmetastasen einwirkenden Reiz hin. Da man
schwerlich den vorgefundenen Streptococcus für die produktiven
über HaatTor&nderangen bei Pseadolenkämie etc. 57
Veränderangeii Terantwortlich machen kann, so ist die Annahme
nicht ganz unwahrscheinlich, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt
Taberkelbazillen in den Tumor gelangten, lokal und auf embo-
lischem Wege zu den beschriebenen Veränderungen führten.
Möglich daB erst die sekundär eingedrungenen Streptokokken,
die Erkrankung der Kniegelenke yeranlaßten, welche nach Art
eines Gelenksrheumatismus fünf Tage nach dem Auftreten des
Hautexanthems erkrankten.
Der Vorgang gewinnt Interesse mit Rücksicht auf die Yon
C. Sternberg beschriebene eigenartige Tuberkulose, deren tuber-
kulöse Natur Yom Autor angenommen ; femer mit Rücksicht auf
manche als Pseudoleukämie beschriebenen Fälle, deren Haut-
yeiünderungen spindelzellige Granulome waren, deren genaue
ätiologische Ej'itik heute aber unmöglich ist; und endlich mit
Rücksicht auf einen jüngst Ton Groß beschriebenen Fall, den
er Lymphogranulomatosis cutis nennt und dessen Ätiologie
noch vollkommen unklar ist. In diesem Falle fanden sich keine
Anhaltspunkte für Tuberkulose, die Hauteffloreszenz bestand
aber auch hier nicht, wie nach der Klinik des Falles zu erwarten
war aus, Rundzellen, sondern aus einem eigenartigen Granulom
mit eigenartigen Riesenzellen und Symptomen chronischer ent-
zündlicher Reizung. Es geht wahrlich nicht an, darnach diesen
und andere Fälle ohneweiters zur Tuberkulose in Beziehung
zu bringen, es soll aber doch erwähnt werden, daß auch die
HautveränderuDgen obigen Falles bereits schon nach einem
Bestand von 27, Woche vorwiegend proliferativer Natur waren,
vorwiegend aus jungen Bindegewebszellen bestanden, also viel
eher einem fibrösen Tuberkel, als z. B. einem Lupus miliaris mit
der reichlichen peripheren Leukocytenemigration und mit der
zentralen Nekrose entsprachen. Es drückt sich darin so recht
die Verschiedenheit der Gewebsreaktion gegen das tuberkulöse
Virus aus.
Nach seiner klinischen und anatomischen Form ist das
Exanthem viel eher dem benignen Sarkoid von C. B 0 e c k als
dem hämatogenen Lupus miliaris zuzurechnen. Damit würde über-
einstimmen die Zusammensetzung aus spindeligen und epitheloiden
Zellen, die geringe Menge exsudativer Elemente, die langsam
sich vollziehende Auflösung des Zentrums der Herde, die
58 Kreibioh.
Zurfickdrängang des Bindegewebee bei den follikulären Herden,
das plötzliche ron etwas Jacken begleitete Auftreten und die
aller Wahrscheinlichkeit nach gemeinsame tuberkulöse Natur.
m.
J. W., 29 Jahre, Arbeiter. Im Alter yon 16 Jahren erlitt Patient
einen mächtigen Stoß gegen das linke Ellbogengelenk. Die Gegend
(Cnbitaldrüsen?) entzündete sich, eiterte nnd es bildeten sich Fisteln aus,
die nach einer tiefen Inzision sn Narben führten. Tor swei Jahren Ter-
spürte Patient ein heftiges Jacken auf den Fußsohlen, diese Erkrankung
verbreitete sich raach über den ganzen Körper und auch auf die Kopf«
hant, Patient kratzte sich wand and verspürte nachher Erleichterang.
Yor iVfl Jahren bemerkte Patient, daß die Lymphdrüsen der linken Hals-
seite sich dermaßen vergrößerten, daß sie dem Patienten das umdrehen
des Kopfes unmöglich machten ; er ließ sich operieren und die Drüsen
wurden entfernt. Bald nach der Operation verspürte Patient, daß sich
die Halslymphdrüsen rechts sowie die Azillardrüsen links in einem solchen
Grade vergrößerten, daß Patient das hiesige Krankenhaas aufsachte.
Während der ganzen Zeit bestand ein juckender Hautausschlag.
Eltern gesund, zwei Brüder an Tnberkalose gestorben, zwei Schwestern
gesund. Luetische Infektion wird negiert, Fraa des Patienten hat einmal
im 2. Monat abortiert, angeblich infolge Hebens eines schweren Gegen-
standes. Harn Z. mm 0, Eiw. <» 0.
Status praesens: Patient kräftig gebaut, gut genährt. Indes
reagierend, Patellarrefleze lebhaft, Rhomberg negativ, Sensibilität normal,
Herz, Leber, Milz normal, über der rechten Lungenspitze etwas ver-
längertes Exspirium.
Quer über die linke Halsseite zieht eine Operationsnarbe, die Hals-
haut dieser Seite an verschiedenen Stellen backelig vorgewölbt, diese
Yorwölbnng ist durch eine große Zahl derber, harter, runder Tumoren
bedingt. Dieselben sind von der Hant und Unterlage gut verschieblich,
auch untereinander gut abgegrenzt und entsprechen deutlich den stark
vergrößerten Lymphdrüsen; sie füllen die Supraclaviculargrube aus,
reichen aber auch hoch auf den Hals hinauf. fCechterseits der gleiche
Befund, Drüsen etwas kleiner. Die linke Axillargegend durch einen
kindskopfgroßen höckerigen Tumor vorgewölbt. Die unveränderte Haat
darüber g^t verschieblich. Der Tamor setzt sich aus mehreren einzelnen
derben harten knolligen Anteilen zusammen, von welchen manche eigroß
sind. Die Geschwülste sind derb, elastisch, von der Unterlage gut, auch
gegen einander gut verschieblich. Die Tumoren entsprechen vergrößerten
Lymphdrüsen, entzündliche Erscheinungen, aggressives Übergreifen auf
die Umgebung fehlt. Die Vergrößerung erfolgt offenbar überall innerhalb
Ober Hantyeränderungen bei Paeudoleukämie etc. 59
der Lymphdrüsenkapsel. Die Operatiooenarbe ist überall mit der Haut
gut yerscbieblicb.
Die gesamte Körperhaat mit den Symptomen einer intensiv
juckenden Affektion bedeckt. Es gelingt erst nach längerer Beobaohtnng
die anseheinend primäre Effloreszens in Form eines von einem breiten
nrtikariell geröteten Hofe umgebenen Knötchens aufzufinden. Der Hof
verblaßt bald, ans dem Knötchen wird manchmal ein ganz kleines Bl&sehen,
oder es wandelt sich dasselbe zu einer Pustel um, oder wird, was am
häufigsten der Fall ist, zerkratzt. Die Stelle bedeckt sich mit einer Blut-
borke, heilt mit peripherer Pigmentation und zentraler blasser Narbe
aus. Einige Male wurden etwas größere frische Bläschen mit ähnlichem
Ablauf beobachtet. Zwischendurch finden sich zahlreiche strichförmige
Kratzeffekte, punktförmige blutige Börkchen, an welchen frfih keine
Zeichen einer zerkratzten Primäreffloreszenz mehr zu erkennen sind.
Neben kleinen Pusteln finden sich, offenbar indirekt auf das Kratzen
Borflckzuftthren, ziemlich zahlreiche größere Impetigopusteln, infizierte
Blutbörkohen und Furunkeln. Auffallender Weise fehlen die chronischen
Kratzver&nderungen der Lichenifikation, nirgends eine besondere Haut-
verdickung, die Haut ist zwar an manchen Stellen stärker pigmentiert, I
doch ist die Pigmentation keine hochgradige und rührt vielfach von den /
zerkratzten Effloreszenzen her. Frei von Erscheinungen sind das Geeicht,
die Handrücken, die Fußsohlen und die Beugeflächen der oberen Extre-
mitäten.
Aus der über einige Monate sich erstreckenden klinischen Be-
obachtung sei kurz erwähnt, daß das Leiden auf keinerlei Behandlung
wich, es traten zwar Remissionen des Hautleidens ein, so einige Tage
nach intensiver Röntgenbestrahlung der Geschwülste, darauf folgten aber
wieder neue Ausbrüche des Juckreizes und des urtikariellen Zustandes;
das gleiche war der Fall nach innerer Mentholbehandlung und trotz einer
energisch dnrohgeführten innerlichen und subkutanen Arsenkur, deren
Wirkung sich nur in einer deutlichen Hyperpigmentation kund gab. Der
Hautzustand setzte sich fortgesetzt nur aus den oben angegebenen primären
und daraus durch Kratzen resultierenden sekundären Veränderungen zu-
sammen. Auch während des Spitalsaufenthaltes trat keinerlei Licheni-
fikation z. B. an den Unterschenkeln auf. Anders an den Geschwülsten, hier
kam es nach einer intensiveren Röntgenbestrahlung, die auch zu einer
umschriebenen Dermatitis führte, zunächst zu einer deutlichen Ver-
kleinerung aller Tumoren, im Verlauf der weiteren Beobachtung wurden
die Drüsen härter, so daß sie sich später fast wie knorpelharte Knollen
anf&hlten, dann trat eine weitere Rückbildung nicht mehr auf und wir
entschlossen uns zuletzt, wenigstens die Drüsen der Axilla operativ zu
entfernen, was relativ leicht und radikal gelang; aber auch nach der
Operation trat nur für wenige Tage eine scheinbare Besserung des Haut-
znstandes auf, dann wieder Rückkehr zum alten Znstand. Auf 0*003 g
Alt-Tuberkulin reagierte Patient nur mit 87*5, sonst weder lokal an der
Stichstelle, noch im Bereich der erkrankten Drüsen. Von den histo-
60 Kreibich.
logischen VeränderuDgen der exstirpierten Lymphdrüsen sei kun folt^en-
des erwähnt.
Die Lymphdrüsen seigen eine derartige hochgradige Bindegewebs-
vermehrang, daß das adenoide Parenehym fast wie erdrückt erscheint
Diese Yermehmng betrifft nicht bloß die aaf ein Vielfaches verdickte
Kapsel, sondern erstreckt rieh in breiten, meist zellarmen Bändern aneh
in das Innere der Drüsen. Da sich die dnrch den allmählich aaf-
tretenden Bindegewebsreichtnm langsam eintretende Verhärtung der
Drüsen erst nach der Röntgenbestrahlnng einstellte, wird man nicht fehl*
gehen, dieselbe auf diese Schädlichkeit eurückzoführen. Ätiologisch
schwieriger zu deuten sind die Veränderungen am Parenehym. Es fanden
sich in den verschiedensten Drüsen Herde, deren Zentrum eine Zer-
störung des Parenchyms aufwies, nirgends Verkäsung und breite fläcfaen-
hafte Massennekrose, wohl aber langsam vorsichgehendes Zugrundegehon
der Parenchymzelle und Ersatz des Defektes durch neuauftretende Spindel-
Zellen, jungen Bindegewebszellen entsprechend, zwischen diesen Zellen
zahlreiche große Zellen mit mehreren Kernen, nicht in dem zellärmeren
Zentrum der Herde, sondern in der größten Zahl beiläufig zwischen
Zentrum und Rand des Herdes, welcher wieder seinerseits durch das
bereits beschriebene gewucherte Bindegewebe gebildet ist und von dem
aus auch reichlich junges Bindegewebe in den Herd eindringt. Nirgends
fanden sich direkt an Tuberkel erinnernde Gebilde, oder Riesenzellen, wie
sie sich bei Tuberkulose finden. Man gewinnt den Eindruck, daß eine
langsam wirkende Schädlichkeit allmählich das Parenchjrm zur Auflösung
gebracht hat, und daß sich ebenso langsam das Bindegewebe an seine
St.elle setzt, wobei auch obige mehrkernigen Zellen höchstwahrscheinlich
diesem langsamen Wucherungsprozeß des Bindegewebes ihr Entstehen
verdanken. Die Entscheidung der Frage, ob diese Schädigung, was wahr«
scheinlicher ist, durch Tuberkulose, oder durch Röntgenstrahlen bedingt
war, stößt deshalb auf Schwierigkeiten, weil möglicherweise beide ähnliche
Veränderungen hervorrufen können. Es ist nicht zu leugnen, daß die
Veränderungen sehr an die von G. Sternberg beschriebene eigenartige
Tuberkulose erinnern, auch mit den von Groß in seinem Fall von Lympho-
granulomatosis beschriebenen großen Zellen haben obige Ähnlichkeit,
trotzdem macht die Zuweisung der Geschwulst zu ersterer Erkrankung
einige Schwierigkeit, weil die Untersuchungen von Heineke gezeigt
haben, daß auch in bestrahlten Lymphomen Nekrosen auftreten, an deren
Stelle dann offenbar ebenfalls Bindegewebe tritt. So lange wir die Formen
dieses letzteren Bindegewebes nicht genau kennen, ist die Frage, ob obige
Tumoren „tuberkulöse Granulome** im Sinne der eigenartigen Tuberkulose
Sternbergs, oder durch Röntgenstrahlen veränderte hyperplastische
Lymphome sind, nur mit Wahrscheinlichkeit im ersteren Sinne zu be-
antworten. Tuberkel bazillen wurden nicht gefunden.
Blntbefund: Aufgenommen dO./L Rot 6,200.00, W. — 80.000,
It : W. — 1 : 178.
Große Lymphoo. 87o*
über Hautveränderangen bei Pseudoleukämie eto. 61
Kleine Lymphoc. 6Vo-
Myelocyten 0.
Polynucleare Leac. eosinoph. 0*7%.
Neutrophile „ „ S&%.
Basophile ^ ^^ — ,
Unbestimmbar 0 37«.
27./I. R « 4,500.000, W. — 16.600.
Ö./II1. R. -» 6,240.000, W. — 16.000.
30./I1I. R. « 6,170.000, W. -= 16.400.
6./IV. R. » 6,760.000, W. 14.Ü00, Röntgenbestrahl, d. Geschwalste.
12./IV. R. «. 6,800.000, W. « 13.800.
6./VI. R. «. 6,000.000, W. — 14.600.
Das Wesentlichste des Falles ist: Vor zwei Jahren Auf-
treten einer über den ganzen Körper ausgebreiteten juckenden
Erkrankung, ein halbes Jahr später Auftreten von Lymph-
drüsentumoren am Hals und in den Achselhöhlen. Keine deut-
lichen Zeichen von Tuberkulose, keine Reaktion auf Tuberkulin;
Lymphdrüsentumoren; in welchen Veränderungen gefunden wur-
den, die an die von C. Sternberg beschriebene eigenartige Tuber-
kulose erinnern (Röntgenveränderungen nicht vollkommen auszu-
schließen), im Blute neutrophyle Leukocytose, Hautveränderungen
einer rezidivierenden papulösen Urticaria (atypischem Prurigo) ent-
sprechend, daneben weder perstierende Elemente urticariellen
noch ^^pseudoleukämischen^ Charakters. Lymphdrüsentumoren
und Urticaria sind nicht gleichartige Veränderungen; falls sie
auf dieselbe Ursache zurückzuführen sind, stellen sie zwei ver-
schiedene Reaktionsformen dar, auf der einen Seite Hyperplasie
des Lymphdrüsengewebes ohne agressiven Charakter, auf der
anderen urticariell entzündlicher Zustand. Die Drüsentumoren
sind nicht vergleichbar mit den Bubonen bei Prurigo Hebra,
die sich nach Kratzen, Pustelbildung am Oberschenkel ausbilden,
wohl aber kann in seltenen Fällen bei Prurigo Hebra ein
Zustand eintreten, der obigem vergleichbar ist — ein Fall
unserer Beobachtung war folgender: Prurigo Hebra gravis —
rezidivierendes Erysipel und Elephantiasis an beiden Unter-
schenkeln, Auftreten kindskopfgroßer Lymphdrüsentumoren in
beiden Achselhöhlen. Es erscheint überflüssig zu erwähnen, daß
obiger Fall keine Prurigo Hebra ist. Da im Blute die Ver-
mehrong der Lymphocyten fehlt, kann der Fall trotz der höheren
Leukocytenzahl, nach dem bei der ersten Beobachtung ge-
62 Kreibich.
sagten, nicht als „lymphatische Pseudoleukämie'^ oder
als „subljmphämische Leukämie^ (Helly) aufgefaßt
werden. Bislang findet sich obiger Sjmptomenkomplez in der
Literatur mehrfach unter der oifenbar zu weit gefaßten Bezeich-
nung ^Pseudoleukämie^ beschrieben und zwar rein, wie in
obigem Falle, oder zusammen mit Hautreränderungen vom
Ijmphocytären, sarcoiden oder granulomatösen Charakter. Die
ersten drei Fälle dieser Art — Prurigo und Pseudoleukämie
— sind Yon Wagner beschrieben, die nächsten zwei Beob-
achtungen stammen von M. Joseph, welcher zuerst die Mög-
lichkeit eines gleichzeitigen Vorkommens von urticariellen und
lymphosarkomatösen Symptomen hervorgehoben hat. Seine Fälle
sind a) Pseudoleukämie, in der Haut tief im Corium
sitzende Platten, daneben prurigoartige Knötchen und Quaddeln.
b) Pseudoleukämie. Drüsentumoren in den Achselhöhlen,
Hals, Leisten ohne Vermehrung der Leukocyten, daneben prurigo-
artige Knötchen in der Haut. Weitere ähnliche Fälle der Lite-
ratur, die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollzählig-
keit, sind:
Kaposi: 46jähr. Mann, seit drei Monaten Tumoren am
Hals, Achselhöhlen, Mediastinum (Lymphosarkom?), Leber, Milz,
Blut normal. Jucken und chronische rezidivierende Urticaria.
B u s c h k e : 48jähr. Mann, seit 1 Vs Jftbren starkes Jucken, seit
V4 Jahr Drüsenschwellungen in den Leisten, Nacken, Achsel-
höhlen. Am Körper besonders an den Streckseiten der Extre-
mitäten Prurigoknötchen und frische urticarielle Pusteln. Kratz-
effekte, Pigmentierung. Milz etwas vergrößert, Leber weniger.
Blut normal.
Rosenthal: 35jähr. Mann seit vier Wochen Drüsenschwel-
lungen an verschiedenen Stellen, Nacken, Achselhöhlen, Ingui-
nalgegend, Cubita. Keine Tuberkulose. Anatomie der Lymph-
drüsen ergibt Lymphzellen, Mastzellen, keine Verkäsung, keine
Nekrose, keine Riesenzellen. 607o polynucleäre neutroph. Leu-
kocyten, Lymphocyt. 29%. Heilung nach 6 g Atoxyl.
Gerschun. Pseudoleuk. cutis auf Brust und Bauch-
haut, rosige Papeln mit blutigen Borken bedeckt, nach Ent-
fernung derselben atrophische Dellen, Abszesse, Narben, Kratz-
effekte. Tumorartige Vergrößerung der Lymphdrüsen in der
über Haatyerftnderaiigen bei Pseudoleuk&mie etc. 63
Achselhöhle und Inguinalgegend. Leukocyten 40.000, qualitativ
das Blut Dicht untersucht. Endlich beschreibt noch Dubreuilh
zwei hierhergehörige Fälle als „Prurigo lymphadenique".
Wir haben es somit mit einem ziemlich typischen Symp-
tomenkomplex, bei welchem neben einer prurigoartigen Urti-
caria die Schwellung besonders der Lymphdrüsen in den Achsel-
höhlen und am Hals eine große Rolle spielt, zu tun. Welchem
Grundleiden diese Symptome ihre Elntstehung verdanken, die
Art der zusammen damit vorkommenden, bisher als „pseudo-
leukämische*' beschriebenen Hautveränderungen, das Gesamt-
leiden, welches dann beiden Symptomengruppen zu Grunde
liegt, mufi Gegenstand noch weiterer Untersuchungen sein. Erst
dann wird vielleicht eine Klärung in dieser so schwierigen
Frage erfolgen.
64 Kreibich.
ErkUnmg der Abbildtmgon anf Taf. 7.
Fig. 1. Schnitt durch dta Hautexanthem des Falles II.
Fig. 2. Schnitt aus der Abszeßwand des primären Rachentumors«
Vergleiche den Text Fall II, pag. 58.
An:hivf Dermatologie u. Syphilis Band LX.\X1X^
Flg. 2.
.-V
Ki'Cibich •■ Haulverändrningen bei PsnidokukAnik iLLeukosukonulosis.
Au dem Zarolinen-Einderspitale in Wien [Vorstand Prim.-Doz.
W. EnSpfelmacher].
über Erythrodermia desquamativa,
eine eigenartige
universelle Dermatose der Brustkinder/^
Von
Dr. Carl Leiner,
em. Aiiiitent des Earollnen-KinderspiUlea.
(Hiesu eine Tafel.)
Die besondere Beschaffenheit der Säuglingshaut, die Zart-
heit des Epithels, die Succulenz der ganzen Epidermis in Ver-
bindung mit den zahllosen Reizen und Schädigungen ektogener
und endogener Natur, die vom Tage der Geburt auf den Neu-
geborenen einstärmen, bringen es mit sich, daß gerade in
dieser Lebensperiode pathologische Veränderungen der Haut
besonders häufig angetroffen werden.
Als solche kennen wir zunächst eine große Reihe von
Dermatosen, die zwar nicht als spezifisch für diese Zeit ange-
sehen werden können, die aber doch durch die Häufigkeit ihres
Auftretens unsere besondere Aufmerksamkeit Ter dienen. Hierher
sind Tor aUem die urtikariellen (Strophulus infantilis) und
ekzematösen Hautveränderungen zu rechnen, für die die Säug-
lingshaut eine besondere Disposition zu haben scheint Während
nun die urtikariellen Erkrankungen mit großer Übereinstimmung
in einen gewissen Zusammenhang mit den häufigen Darmstö-
rungen im Säuglingsalter gebracht werden, sind die Meinungen
') Nach einem auf der Naturforscherversamlnng in Dresden 1907
(pftdiatr. Sektion) gehaltenen Vortrag.
▲reh. f. Dermat. «. Sjph. Rd. LXXXIX. 5
66 Lein er.
Über die Art der EntAtehung der Ekzeme noch sehr difiPerent.
Gegenüber Hebra, der die Ekzeme auf rein äußere Ursachen
Terschiedener Art zurückführt, und Unna, der dieselben als
eine Hautmykose auffaßt, stehen die Ansichten einer Reihe
namentlich französischer Autoren, die die Ekzeme auf innere
Ursachen, abnorme allerdings bisher noch nicht erforschte
Stoffwechselstörungen zurückleiten, wobei fast immer eine spe-
zielle Hautdisposition für diese Erkrankung vorausgesetzt wird.
Diese Annahme einer endogenen Entstehungsweise des
Ekzems findet auch in der Reihe der Kinderärzte zahlreiche
Vertreter, die immer wieder mit besonderem Nachdrucke auf
die ätiologische Bedeutung der Überernährung für die Ekzeme
hinweisen. Schon in dem Handbuche yon R i 1 1 i e t und B a r t h e z
finden sich diesbezügliche Angaben, aus denen die Disposition
von besonders dicken Kindern für ekzematöse Hautveränderungen
hervorgeht. Auch Bohn führt das häufige Auftreten von Ek-
zemen im Säuglingsalter auf eine Supernutrition zurück und
macht namentlich auf den hohen Perzentsatz der Brustkinder-
ekzeme aufmerksam. Diese Ekzeme bleiben größtenteils auf
dem Kopfe und im Gesichte, den primären Eruptionsstellen,
lokalisiert, können aber in Ausnahmsfällen auch zu einer uni-
versellen Ausbreitung über den ganzen Körper gelangen. Neben
dieser Hautveränderung ist als zweites Symptom der Fettsucht
eine auffallende Darmträgheit zu finden. Erst durch Änderung
der Nahrung am Ende des ersten oder am Anfange des zweiten
Jahres schwindet gewöhnlich die Polysarcie und mit ihr er-
löschen auch die ekzematösen Hautveränderungen und die
Verdauungsstörungen.
Diese Ansicht Bohns kehrt auch in weiteren Abhand-
lungen, die sich mit der Ätiologie des Ekzems befassen, wieder«
Nur divergieren die Meinungen der Autoren bezüglich des
einen Punktes, ob die Überernährung mehr bei Brustkindern
oder bei künstlich genährten Kindern die Bildung von Ekzemen
begünstigt.
Während Comby Ekzeme nur bei künstlich genährten
Kindern beobachten konnte, traf Marfan diese Hautverän-
derung besonders häufig bei Brustkindern. Comby faßt die
Ekzeme als eine Autointoxikation auf, als eine Folge von
über Erythrodermia desquamativa etc. 67
:f;ftstrointe8tiDaleii StörungeD, durch überreichliche oder unregel-
mäßige Ernährung hervorgerufen.
Neben diesen auslösenden Momenten spielt die hereditäre
Veranlagung eine besondere Rolle ; wie bei fast allen Dermatosen
-soll auch hier eine eventuelle gichtische oder arthritische Er-
■krankung der Eltern von Belang sein.
Marfan hat namentlich häufig bei Brustkindern jene
-ciczematösen Veränderungen gefunden, die als seborrhoische zu
betrachten sind. Er unterscheidet zwei Formen des Säuglings-
•«kzems :
1. das seborrhoische und
2. das in Plaques am Stamme auftretende (eczema sec ä
placards disseminees).
Das Erstere, das unter verschiedenen Synonymen bekannt
ist (croutes de lait, chapeau, crasse de tete, touzet) tritt nach
Marfan gewöhnlich im dritten oder vierten Monate auf und
schließt sich fast regelmäßig an die eigentliche Seborrhoe des
^haarten Kopfes an.
Von hier kann es zu einer Weiterverbreitung der Er-
»krankung kommen, wobei eine gewisse Regelmäßigkeit im Ver-
kaufe zu beobachten ist.
Zunächst wird der ganze Schädel von dem Ekzem er-
griffen, dann die Schläfengegend, Stirne, Augenbrauen, Ohren
^nd bisweilen auch der Nacken. Durch das Freibleiben be-
«timmter Partien im Gesichte — der Nase und der zirkumoralen
-Gegend, gewinnt dieses Ekzem ein charakteristisches Aussehen.
Die erkrankten Stellen sind gerötet, mit Schuppen und Krusten,
«ur ausnahmsweise mit Bläschen bedeckt.
Bei weiterer Ausbreitung auf den Stamm kommt es zu
•circumscripten, leicht infiltriertein Herden, die mit Knötchen
«nd Bläschen übersät sind.
Der Verlauf der ganzen Erkrankung ist ein chronischer;
Exacerbationen sind nicht selten und die Abheilung tritt oft
-^rst zur Zeit der Entwöhnung ein. Mit dieser Beobachtung
Mar f an s, das häufige Auftreten von Ekzemen bei überemährten
Brustkindern betreffend, stimmt auch Variot überein. Nach
-diesem Autor ist die H&utveränderung stets von Darmstörungen
Jiegleitet, sei es, daß dieselben bereits vor Beginn der Haut-
5*
68 Leiner.
erkrankung vorhanden waren oder erst zur Zeit der Eruption
des Ekzems oder auch im weiteren Verlaufe desselben auftreten.
Zur eventuellen Klärung der ätiologischen Frage ging
Variot daran, den Fettgehalt der Milch von Müttern zu be-
stimmen, deren Kinder an Ekzem litten. Diese Untersuchungen
führten zu dem Resultate, daß keineswegs übergroße Mengen
von Fett in der Milch solcher Frauen zu finden waren, ja daß
sogar häufig niedrigere Befunde resultierten als bei Frauen,
deren Kinder keine Spur von Ekzem aufwiesen. Im Gegensatz
hiezu hat Marfan in der Milch von Müttern, deren Kinder
trotz entsprechend bemessener und zeitlich geregelter Mahl-
zeiten an derartigen Affektionen litten, immer einen bedeutend
erhöhten Fettgehalt nachweisen können, in dem nach Marfan
oftmals die Ursache der Überfutterung und der ekzematösen
Hautveränderung gelegen sein soll.
Während also nach Marfan der quantitativ erhöhte
Fettgehalt genügenden Grund für die Entstehung der Darmstörung
und der Ekzeme abgibt, kann Variot sich dieser Ansicht
nicht anschließen; er glaubt vielmehr, daß es sich hier um
ein noch unbekanntes, in der Milch solcher Frauen enthaltenes
Toxin handeln dürfte, das ekzematigen wirken soll. Eine ähnliche
Meinung wie Variot äußert auch Schwab, der ebenfalls auf den
Zusammenhang von Ekzem und Überernährung aufmerksam
macht. Nach ihm müßte die Frauenmilch in derartigen Fällen
phjsikalisch-chemische Eigenschaften aufweisen, welche die
Assimilation derselben erschweren und auf den Säugling nach
Art eines Toxins wirken können. AU' diese Autoren sehen in
der Milch selbst, in quantitativen oder qualitativen Abweichungen
von der Norm die Ursache für die Überfutterung und die
ekzematösen Hautveränderungen. Dieser Ansicht steht die Auf-
fassung Gzernys gegenübr, der die Polysarcie als Folge einer
angeborenen Anomalie des Organismus ansieht, die sich in
einer Störung des Fettumsatzes dokumentiert.
Diese Anomalie kann die Ursache für eine ganze Reihe von
Krankheitssymptomen abgeben, die Gzerny zu einem einheit-
lichen Krankheitsbilde der „exsudativen Diathese'' zusammen-^
faßt. Allerdings führt nach Czerny diese Anomalie nicht
immer zu einem enormen Fettansätze, sie kann mitunter auch
über Erythrodermia deBqaamativa etc. 69
— Gzernys II. Typus — eioe Unterentwickelung des Kindes
zur Folge haben. Beiden Typen gemeinsam ist neben anderen
Krankheitserscheinungen eine besondere Disposition der Haut
zu seborrhoischen, ekzematösen und pruriginösen Veränderungen,
Yon denen bisweilen Infektionen septischer Natur ihren Ausgang
nehmen können, die für das Kind eine Lebensgefahr mit sich
bringen. In der Mehrzahl der Fälle kommt diesen Hautver-
änderungen keine Bedeutung zu; sie verschwinden fast regel-
mäßig nach dem ersten Lebensjahre und bleiben nur ausnahms-
weise auch nach dieser Zeit bestehen.
Neben den bisher angeführten Dermatosen: Seborrhoe,
Ekzem und Prurigo, die nach der Ansicht verschiedener Autoren
in einen allerdings noch nicht geklärten Zusammenhang mit
der unregelmäßigen oder überreichlichen Ernährung der Säug-
linge gebracht werden, die durch ihr häufiges Auftreten im
Säuglings- und frühen Kindesalter zwar bemerkenswert sind,
die aber keineswegs auf diese Lebensperiode beschränkt bleiben,
kennen wir noch eine kleine Zahl von Dermatosen und Haut-
veränderungen, die für das Säuglingsalter geradezu pathogno-
misch sind, da sie nach dieser Zeit niemals oder nur ganz aus-
nahmsweise zur Beobachtung gelangen.
Hierher sind als Hautveränderungen das idiopathische
Genitalödem und das Sklerem, als Dermatosen die Dermatitis
«xfob'ativa (Ritter), beziehungsweise der Pemphigus neona-
torum zu rechnen.
Es ist mir nun auf Grund mehrjähriger Erfahrungen
möglich, den eigentlichen Säuglingsdermatosen eine neue, eigen-
artige anzufügen, die bisher in den verschiedenen Hand- und
Lehrbüchern keine besondere Erwähnung fand, respektive dort,
wo dies in vereinzelten Fällen geschah, nicht die richtige
Deutung erfuhr.
Diese Dermatose hat allen Anspruch in eingehender
Weise beschrieben zu werden, deshalb, weil sie sich von den
bisher bekannten Hauterkrankungen des Säuglingsalters —
spezifischer und nicht spezifischer Art — wesentlich unter-
scheidet, dann aber auch unser spezielles Interesse noch
aus dem Grunde erregt, weil von ihr fast ausschließlich nur an
der Brust genährte Kinder befallen werden, für die diese Der-
70 Leiner.
matose keineswegs als barmlos angesehen werden kann, da ii»
einem nicht kleinen Teile der Fälle der Ausgang der Erkran*
kung ein ungünstiger, ja letaler ist.
Unsere Beobachtungen reichen auf 5 Jahre zurück;,
während dieser Zeit hatten wir nicht weniger als 43 derartige
Fälle zu sehen Gelegenheit. Gewöhnlich werden uns erst dana
die Kinder zur Untersuchung gebracht, wenn die Krankheit
bereits auf dem Höhestadium angelangt ist, d. i. im 2. oder 3.
Lebensmonate. Solche Kinder zeigen dann das Bild einer uni*
Tersellen Dermatose, die bei allen bisher beobachteten Fälleii<
ein durchaus gleichartiges Aussehen hat, einen nicht zu Ter-
kennenden Typus darstellt, dessen genaue Kenntnis in einem
Falle uns die Diagnose in weiteren Fällen keineswegs al»
schwierig erscheinen läßt. Die wesentlichen Veränderungen, die
uns zunächst auffallen, bestehen in folgendem:
Die Kopfhaut ist mit einer mehr minder starken Lage
von Schuppen bedeckt, die namentlich in der Stiro- und
Scheitelgegend sehr mit einander verbunden sind imd fest der
unterliegenden Haut aufsitzen, während sie in der Schläfen-
und Hinterhauptgegend weniger massig sind, lose der Kopfhaut
auflagern oder an den Haaren hängen.
Die Farbe der Schuppen ist grauweiß, stellenweise dunkler,,
mitunter auch mehr gelblich; sie zeigen einen leicht fettigen
Glanz und lassen sich namentlich dort, wo sie keine zusammen-
hängende Fläche bilden, leicht von der Haut ablösen. Diese
zeigt an diesen Stellen ein von der Norm abweichendes Aus-
sehen und ist ziemlich intensiv gerötet, wobei dem Rot eine
gelbliche Nuance beigemengt sein kann^ ist glänzend und von
glatter Beschaffenheit. An Stellen, wo die Schuppen fester auf-
sitzen, ist die Rötung der Haut intensiver, der Glanz der Haut
nicht trocken, sondern feucht und die Haut mit feinen Blut-
punkten besetzt. Diese Veiänderungen der Kopfhaut entsprechen
vollständig dem Eczema seborrhoicum. Die Kopfbehaarung ist
eine äußerst spärliche, an der Stirn- und Scheitelgegend oft
ganz fehlend oder in verklebten Büscheln aus der Schuppen-
haube herausragend, an den übrigen Stellen des Kopfes schütter
stehend. Von der Kopfhaut reicht die Hautveränderung auf
die Nachbargebiete über. Die dem Schädel benachbarte Stirn-
über Erythrodermia desquamatiya etc. 71
partie ist diffus gerötet, fein schuppig, wobei es den Anschein
hat, daß die Rötung unter der Schuppenhaube des Kopfes
weitergekrochen ist, und begrenzt sich oftmals zirka in der
Mitte der Stirn durch einen ganz leicht erhabenen, meist glatten,
schilfernden oder auch mit kleinen schuppenden Knötchen
besetzten Rand. In der Umgebung dieser diffus veränderten
Hautpartie sind häufig kleine, über das Hautniveau kaum er-
habene flache, von der nmgebenden normalen Haut gut abge-
grenzte Knötchen sichtbar, die mit weißlichen, dünnen Schüpp-
chen bedeckt sind. Neben diesen vereinzelt stehenden Efflores«
zenzen können auch größere scheibenförmige, rundliche oder
auch unregelmäßig figurierte Herde vorhanden sein, die ent-
weder ihre Zusammensetzung aus den einzelnen oben beschrie-
benen Knötchen noch deutlich erkennen lassen und mit mehr
weniger reichUchen Schüppchen überzogen sind oder nur an
den Randpartien noch den Knötchentypus aufweisen, in den
zentralen Teilen aber vollständig abgeflacht sind. Nur in
wenigen Fällen ist die Stimhaut in toto verändert, in eine
schuppende rote Fläche verwandelt, die in continuo auf die
übrigen Gesichtspartien übergreift, von denen häufig nur die
Nasenspitze, die Nasenflügel und die angrenzenden Wangenteile,
seltener auch die Lippen ihre normale Beschaffenheit für lange
Zeit bewahren, um aber auch späterhin ebenfalls der patholo-
gischen Veränderung anheim zu fallen. Am stärksten ist an
dem Prozesse im Gesichte gewöhnlich die Augenbrauengegend
beteiligt, die mit dicken, grauweißen Schuppen bedeckt sind
in ähnlicher Weise, wie die Kopfhaut. Auch hier kann es zu
einem Verluste der Augenbrauen kommen. Die Lider sind
fleckig gerötet, schuppend, die Liderränder leicht infiltriert, mit
Schuppen und Krustchen bedeckt, die Cilien oft fehlend oder
nur spärlich vorhanden.
Die übrige Gesichtshaut ist gewöhnlich diffus gerötet,
mit kleineren und größeren Lamellen bedeckt. An den Ohren
ist die besonders starke Schuppenbildung im äußeren Gehörgange
auffallend, die oftmals zu einer totalen Verlegung desselben
führt. In der Falte hinter dem Ohre ist die Haut intensiv
gerötet, oft nässend, ohne Schuppenbelag. Hals und Nacken
zeigen einen diffus roten Glanz, die Oberhautfeldemng ist sehr
72 Leiner.
Yerdentlicht, die Schuppenauflagerung eine äußerst geringe, was
wohl auf mechaniBche Momente zurückzufuhren ist, da hier die
Kleidungsstücke zugebunden oder zugeknöpft werden und hie-
durch ein fortwährendes Scheuern statthat« Der ganze Stamm
(s. die Abbildung) ist gleichförmig verändert, diffus gerötet und
mit yerschieden großen dickeren gelblichen oder dünneren
weißlichen Schuppen bedeckt, die an ihren Rändern häufig
leicht aufgerollt sind, sich leicht ablösen lassen und dann die
gerötete, etwas glänzende, trockene, selten auch leicht durch-
feuchtete Epidermis zutage treten lassen, die nirgends ein
stärkeres Nässen, eine Bläschen- oder Enötchenbildung aufweist,
sondern immer eine glatte Fläche darstellt. Die Infiltration
der Haut ist eine äußerst geringe, die Haut ist gut falt- und
abhebbar. Die Abschuppung ist fast durchwegs eine großlamel-
löse; die Intensität eine besonders hochgradige, was daraus
erkenntlich ist, daß nach Ablösen der Schuppen, Entfernen
durch ein Bad schon nach wenigen Stunden eine frische Des-
quamation eintritt An den Extremitäten sind Streck- und
Beugeseiten ziemlich gleichmäßig verändert; hier tritt die
Hyperämisierung an den Beugeseiten mehr in den Vordergrund,
wie an den Streckseiten. Auch die Hände und Füße werden
von dem Prozesse nicht verschont ; dabei sind im allgemeinen
an den Füßen die Krankheitserscheinungen intensiver als an
den Händen.
Die Rötung der Füße und Zehen, die Planta inbegriffen,
ist eine diffuse, die Abschuppung eine fein lamellöse. An den
Händen und Phalangen bleiben in der geröteten Haut fast
immer einige normale Hautinseln erhalten.
Ein von den bisher beschriebenen Körperteilen abweichendes
Bild bieten Gelenksfalten und ihre nächste Umgebung, sowie
überhaupt die Kontaktstellen zweier Hautflächen dar. Am deut-
lichsten ist das Bild in der Axilla und den Genitalfalten zu
sehen. Die Haut ist an diesen Stellen feucht, düsterrot, ohne
jede Schuppenauflagerung, dagegen mit einem schmierigen,
namentlich in der Tiefe der Falten angesammelten, leicht ab-
streifbaren Belage überzogen. Mit abnehmender Intensität reicht
dieser Zustand auch über die Gelenksfaltengegend mehr weniger
weit hinaus. Wie wir an anderen Stellen besprochen haben,
sind auch die Finger und Zehen pathologisch verändert, was
wiederum eine Fortleitung der Erkrankung auf die Nägel
über Erythrodermia deeqaamativa etc. 73
plausibel erscheinen läßt. Die Umgebung des Nagels, der Nagel-
wall, ist fast immer gerötet und abschilfernd. Die Nagelplatte
selbst weist eine Reihe von Deformitäten auf, die hauptsächlich
darin bestehen, daß ihre Oberfläche höckerig, von ziemlich
tiefen Furchen durchquert erscheint, oftmals in der Nähe der
Matrix mit gelblichen Schuppen überlagert ist An den Zehen
sind die Nägel auffallend dünn, zum Teile verkümmert, an dem
distalen Ende schilfernd. Die Nagelplatte erscheint häufig stark
konvex eingerollt, was wiederum mit Veränderungen des Nagel-
bettes in Zusammenhang zu bringen ist, das in solchen Fällen
hyperkeratotisch verändert ist. In Ausnahmsfallen kann auch
ein Nagelwechsel eintreten, wobei an dem neuen Nagel gewöhn-
lich auch noch Zeichen von Ernährungsstörungen, besonders
tiefe Furchenbildnngen zu konstatieren sind. Die weitere Un-
tersuchung des Kindes ergibt in diesem Stadium, das wir als
Höhestadium der Erkrankung bezeichnen können, wenig
beachtenswertes. Die Schleimhaut der Mundhöhle ist normal
gerötet und durchfeuchtet; die Thorax- und Abdominalorgane
erweisen sich als normal, der Puls als kräftig, rhythmisch.
Was die subkutanen Drüsen anbelangt, so zeigen dieselben
entsprechend der universellen Hauthyperämie zwar Verände-
rungen, die aber niemals als hochgradig bezeichnet werden
können.
Die Drüsen sind etwas geschwellt, von weicher Konsi-
stenz, gut verschieblich. Die Größe derselben überschreitet
fast nie die eines Kirschkernes. Vereiterung habe ich niemals
beobachten können. So könnten wir das Kind bis auf die
Dermatose als normal betrachten, wenn nicht von selten des
Magendarmtraktus, besonders aber von letzterem, Störungen
zu beobachten wären, die als fast regelmäßiger Befund auf
eine gewisse Zugehörigkeit zum Krankheitsbilde hindeuten.
Auf der Höhe der Erkrankung leiden die Kinder immer
an Diarrhöe. Die Entleerungen können äußerst zahlreich er-
folgen, sind dünnflüssig, stark schleimig, mit kleinen Bröckel-
chen untermischt, dabei ist der Geruch wenig verändert,
normal säuerlich. Nicht so regelmäßig sind auch Störungen
von Seiten des Magens zu beobachten, die in mehr weniger
häufigem Erbrechen, gewöhnlich bald nach der Nahrungsaufnahme,
seltener auch längere Zeit darnach bestehen. Das Allgemein-
befinden des Kindes ist fast gar nicht gestört, der Ernährungszu-
stand ein guter, der Gewebsturgor ein normaler, der Schlaf ziemlich
ruhig, was wohl auf den fast immer fehlenden Juckreiz zurück-
zuführen ist. Temperatursteigerungen sind niemals, wenigstens
in diesem Stadium der Krankheit zu verzeichnen und auch die
Untersuchung des Urins hat nichts Abnormes ergeben, weder
Eiweiß, noch Zucker, noch Indikan konnten nachgewiesen
74 Leiner.
werden. Als das Wesentliche des ganzen Krankheitsbildes in
diesem Stadium müssen wir die Veränderung der Hautdecke
ansehen, die in einer universellen Rötung der Haut mit Ab-
schuppung besteht. In einer kleinen Anzahl Ton Fällen hatten
wir nun Gelegenheit, den Beginn der universellen Dermatose
zu beobachten, die Anfangstypen nach Unna, deren Kenntnis
f&r die Deutung der ganzen Erkrankung und Gruppierung von
großem Werte ist. Schon die anamnestischen Angaben liefern
uns gerade in dieser Beziehung manches Wissenswerte. Aus
denselben entnehmen wir, daß die Erkrankung von verschie-
denen Stellen des Körpers ihren Ausgang nehmen kann, in
der Regel jedoch die ersten Erscheinungen an der behaarten
Kopfbaut oder am Stamme in der Nähe der Inguinalgegend
oder Unterbauchgegend auftreten.
Während auf der Kopfhaut die Symptome uniform von
den Müttern beschrieben werden, so daß wir mit Sicherheit die
Diagnose eines seborrhoischen Zustandes stellen können, variieren
die Angaben über den Beginn der Erkrankung am Stamme
so sehr, daß wir von einer Verwertung derselben abstehen und
uns lieber auf eigene, allerdings nur vereinzelte Beobachtungen
einlassen wollen.
Nach denselben beginnt die Krankheit am Stamme in
Form einer leichten, äeckenweise auftretenden Rötung, die
rasch eine streifen- oder besser bandförmige Ausdehnung ge-
winnt. Nun schiebt sich diese bandförmige Rötung weiter in
die normale Haut vorwärts, so daß oft schon innerhalb von
48 Stunden der ganze Stamm diffus gerötet ist, namentlich
dann, wenn auch von den Gelenksfalten aus die Veränderung
der Haut weiterkriecht und sich mit der am Stamme vereinigt
Gewöhnlich breitet sich die Hyperämie von oben nach
unten fortschreitend nach Art eines Erythems aus. Gleichzeitig
damit kommt es zu Veränderungen im Gesichte und den Ex-
tremitäten, die aber nach unserer Beobachtung nicht so sehr
mit einer streifen- oder fleckenförmigen Rötung ihren Anfang
nehmen, sondern fast immer mit der Eruption von kleinen,
zirka linsengroßen, roten, wenig erhabenen, abgeflachten Knöt-
chen beginnen, die mit einem grauweißen dünnen Schüppchen
bedeckt sind.
Die Schuppe läßt sich leicht loslösen, ohne daß es dann
zu punktförmigem Blutaustritte kommt, wie dies bei der psoria-
tischen Primäreffloreszenz die Regel ist. Durch Konfluenz der
kleinen Primärknötchen entstehen größere, gewöhnlich scheiben-
förmige Herde, die oft so flach sind, daß kaum ein Niveau-
unterschied gegenüber der gesunden Haut zu erkennen ist.
Diese Stellen gehen allmählich in die diffuse Hauthyperämie
über, ohne bei universeller Ausbreitung der Dermatose ihre
über Erythrodermia desquamativa etc. 75
primäre Gestalt noch erkenDen zu lassen. In der Regel dauert
es mehrere Tage bis eine Woche, beyor die Krankheit sich
über den ganzen Körper verbreitet bat, wobei sich anfangs
noch ganz deutlich die älteren Erkrankungsherde von den
frischen unterscheiden lassen, indem erstere bereits in das Des-
quamationsstadium übergangen sind, während die letzteren sich
noch im erythematösen Stadium befinden.
Allmählich y erwischen sich diese Differenzen , und die
Hautdecke bietet nun ein gleichartiges Krankheitsbild dar.
Hat die Krankheit einmal ihr Höhestadium erreicht, so ist der
weitere Verlauf in der Mehrzahl der Fälle ein derartiger, daß
die Dermatose langsam zur Heilung kommt. Dies kann fast
immer mehrere Wochen, oft auch 1 — 2 Monate, seltener
längere Zeit in Anspruch nehmen. Die Abheilung erfolgt
in der Weise, daß die Hyperämie der Haut langsam zurück-
geht, das düstere Rot in eine rosa Färbung übergeht und
hiemit auch die Abschuppung sich ändert, um endlich ganz
aufzuhören. Die anfangs etwas fettigen, gelblich verfärbten
Schuppen werden immer trockener, dünner, zigarettenpapier-
ähnlich; an Stelle der großen Lamellen treten kleine, kleien-
förmige Schuppen. Dabei erfolgt die Abheilung unregelmäßig;
während einzelne Partien eine schon völlig normale Hautver-
färbung zeigen, sind andere noch immer ^ankhaft verändert.
Die Schuppen sitzen ganz lose der Unterlage auf; nur an den
Stellen der Schuppenanheftung ist die Haut noch gerötet, sonst
aber schon normal verfäi'bt, wodurch nach dem Abfallen
der Schuppen an manchen Stellen der Haut eine rote,
gitterförmige Zeichnung zu sehen ist, die allmählich abblaßt
Besonders lange bleibt die Veränderung in den Hautfalten
bestehen, die oft noch lange Zeit, nachdem die übrigen Körper-
teile bereits zur Norm zurückgekehrt sind, eine intensive
Rötung aufweisen. Selbst bei diesem gutartigen Ausgange der
Erkrankung bleibt das Allgemeinbefinden nicht völlig ungestört.
Fast immer leidet die Gewichtszunahme des Kindes darunter,
häufig ist sogar eine nicht unbeträchtliche Gewichtsabnahme
nach dem Abheilen der Dermatose zu verzeichnen. Der Ge-
websturgor hat stark abgenonmien und es vergehen oft Monate,
bis das Kind wieder sein normales, frisches Aussehen gewonnen hat.
Wie ich bereits früher erwähnte, geht die Dermatose
nicht immer in Heilung über, sondern in einer nicht unbe-
trächtb'chen Zahl nimmt sie einen malignen Verlauf und endet
mit dem Exitus der Patienten. Von unseren 43 zur Beobach-
tung gelangten Fällen erlagen 15 der Erkrankung. Wodurch
dieser schlechte Ausgang bedingt ist, ist nicht mit Sicherheit
76 Leiner.
aDZQgebeit Wir können nur soviel sagen^ daß trotz fortdau-
ernder Brustnabrung die Darmstörungen immer mehr in den
Vordergrund treten, die Gewichtsabnahme immer mehr fort-
schreitet, so daß diese Kinder oft schon nach mehrwöchent-
licher Krankheitsdauer in ihrem Aussehen derartig verändert
sind, daß uns nichts mehr an das vor kurzem noch gut ge-
nährte Brustkind erinnert. Wir haben ein abgemagertes Kind
vor uns, das den Eindruck eines Schwerkranken macht Der
Gesichtsausdruck ist schmerzlich, das Kind ist unruhig, stöhnt
und wimmeii; viel, schläft wenig. Die oberen und besonders
die unteren Extremitäten werden gebeugt gehalten, sind hyper-
tonisch und setzen der passiven Streckung einen ziemlichen
Widerstand entgegen. Die gesamte Hautdecke ist krankhaft ver-
ändert und oft ist am ganzen Körper nicht ein normales Hautfleck-
chen zu sehen. Die Haut fühlt sich im Gegensatz zu früher
auffallend trocken an, ist düsterrot verfärbt, im Gesichte und an den
Extremitäten mehr zyanotisch mit dünnen, weißlichen, trockenen
Schuppen bedeckt und von feinen, zahlreichen Rhagaden durch-
zogen, die oft an den Begrenzungsstellen der Lamellen zu
sehen, besonders reichlich aber um die Mundhöhle anzu-
treffen sind, die sie völlig umsäumen. Diese Rhagaden im
Vereine mit der Trockenheit der Haut, der Infiltration der-
selben, erschweren immer den Saugakt und machen ihn oft
unmöglich. Auch die Mundschleimhaut ist stark gerötet und
trocken. Die Herzaktion ist beschleunigt, die Atmung oft
arythmisch und die Leber fast immer palpatorisch vergrößert.
Besonders auffallend in diesem Stadium sind die Darm-
störungen. Das Kind leidet an profusen Diarrhöen; die Ent-
leerungen sind stark schleimig, fade riechend, mit wenigen
Stuhlbröckelchen untermischt. Auch Erbrechen tritt häufig nach
den Mahlzeiten auf; doch treten auchjetzt die Magensymptome
gegenüber den Darmstörungen in den Hintergrund.
Unter Fortdauer der Diarrhöen, leichten Temperatur-
steigerungen — in einem Falle kam es kurz vor dem Tode
zu Konvulsionen und hohen Temperaturen bis 41® G. — tritt
das Bild der Intoxikation immer deutlicher hervor uud führt
endlich zum Exitus der Kinder. (FortMunng folgt)
Ans der pathologisch-anatomischen Anstalt des städtischen
Srankenhanses im Friedrichshain zn Berlin [Vorstand:
Prosektor Dr. L. Pick].
Lymphangio-Endothelioma cutis
abdominis.
Ein Beitrag zar Kenntnis der Endotheliome der Haat
Von
Dr. Fritz Juliasberg (Berlin).
(Hiezu zwei Tafeln )
Die divergierenden Ansichten über die Definition der
Endotheliome und die anatomischen Kriterien, die sie von
klinisch ähnlichen Geschwülsten zu trennen gestatten sollen,
beginnen schon dort; wo über das Muttergewebe dieser 6e-
schwnlstform, das Endothel, diskutiert wird. Einige Autoren
erkennen die Berechtigung eines Endo theliom- Begriffs überhaupt
nicht an: alle Geschwulstformen, die von anderer Seite vom
Endothel abgeleitet wurden, stammen für sie entweder in Wirk-
lichkeit Yom Epithel, sind also Epitheliome, oder sie leiten
sich von Bindegewebselementen ab und sind in eine Gruppe
mit den Sarkomen zu bringen. Aber auch unter den Autoren,
die einen Endothelbegriff aufstellen resp. akzeptieren, herrscht
über die Ausdehnung dieses Begriffes keine Einigkeit, und da-
mit auch keine über die vom Endothel abzuleitenden Geschwülste.
Diese Meinungsverschiedenheit in der Endothelfrage kommt
schon auf dem Wege zum Ausdruck, auf dem der einzelne
Autor zu dem Begriff des Endothels zu gelangen sucht oder,
besser gesagt, sich durcharbeitet, denn alle Versuche, diesen
Begriff klarzustellen, müssen notwendig mit gewißen Mängeln
und Lücken in unseren Kenntnissen rechnen.
78 Juliasberg.
Einmal hat man sich bemüht, auf rein morphologischer
Grundlage die Endothel-Definiüon festzustellen. Aber auf diesem
Wege ist schon deswegen ein Entscheid mit Sicherheit nicht
zu erbringen, weil die in Frage kommenden Zellen keineswegs
durchgängig in charakteristischer formaler Weise Ton der
Epithel- oder Bindegewebszelle zu trennen sind. Werden neben
morphologischen Qualitäten gewisse topographische Beziehungen
in Anrechnung gebracht, so kommt man zu der vielfach akzep-
tierten Definition des Endothels als der aus flachen Zellen
bestehenden Auskleidung der Blut- und Lymphgefässe und der
großen serösen Höhlen des Körpern.
Man hat nun weiter yersucht, auf rein k e i m e s -
geschichtlicher Grundlage die Natur der Endothelien
schärfer zu charakterisieren, und es schien dieser Weg um so
gangbarer, als wenigstens nach verbreiteter Anschauung die
eben genannten Zellformen sämtlich dem mittleren Keimblatt
entstammen; damit war zugleich für die ofienbar sehr nahe
Relation der Endothelien zu den Elementen des Bindegewebes,
das gleichfalls zu den Derivaten des Mesoderms im weiteren
Sinne rechnet, eine Begründung gegeben.
Ja, es konnten die entwicklungsgeschichtlichen Beziehungen
dieser Zellarten unter einander zugleich die Variabilität der
Geschwulstbildungen dieser Form aufklären. Wie Borrmann^)
einen Einfluß der ursprünglichen Dififerenzierungsstadien der
Epithelmutterzellen des Hautcarcinoms für die spezielle Form
des letzteren für wahrscheinlich hält und diese Verschiedenheit
in, wie mir scheint, glücklicher Weise begründet, so würden auch
die Stadien, bis zu welchen die — sei es bindegewebig oder
endothelial differenzierten oder noch nicht völlig ausgereiften —
Elemente bei der embryonalen Eeimversprengung im Sinne Rib-
berts^ sich entwickelt haben, für die Eigenform und Klassi-
fikation dieser naheverwandten Tumorarten von Bedeutung sein.
Aber die Verhältnisse auf embryologischem Gebiete liegen
doch wesentlich verwickelter, denn es ist wahrscheinlich,
^) Borrmann, R. Die Entstehung und das Wachstum des Haut-
carcioms, nebst Bemerkungen über die Entstehung der Geschwülste im
allgemeinen. Zeitechr. f. Krebsforschg., 1904, Bd. IL, p. Iff.
'; Ribbert, H. Gesohwnlstlehre. Bonn 1904.
Lymphangio-Endothelioma catiB abdominis. 79
daß nicht allein das mittlere Keimblatt das Blastem liefert,
aus dem das Endothel hervorgeht, sondern daß anch die an*
deren Keimblätter an der Genese dieses Gewebes mitbeteiligt sind.
Speziell wird von einigen dem Endoblast ein solcher Anteil
zugeschrieben. Rücke rt und Molier,^) die ausführlich die
Endothelfrage vom entwicklungsgeschichtlichen Standpunkte
aus behandeln, betonen ausdrücklich, daß auch heute noch
über die Entwicklung des Gefaßsystems eine absolute Uneinig-
keit besteht, und daß sogar über die Grundfrage, aus welchem
Keimblatt das Gefaßendothel entstehe, die Meinungen noch
divergieren.
Das Einzige, was wir embryogenetisch als feststehend nach
der Meinung dieser Autoren und 0. Hertwigs') betrachten
können, ist, daß die Stützgewebe und Gefäßendothelien aus
den Mesenchymkeimen entstehen, die aus bestimmten Bezirken
der Keimblätter durch Auswanderung isolierter Zellen sich
bilden, und daß an der Bildung dieser Mesenchymkeime aus
dem mittleren Keimblatt stammende Zellen einen hervor-
ragenden Anteil haben, ohne sie freilich ausschließlich zu
repräsentieren.
Noch schwieriger wird die Endothelfrage, wenn wir nach
den Kriterien suchen, die das Endothel und die Elemente des
Bindegewebes von einander trennen sollen. In diesem Fall
scheint wenigstens das Eine sicher, daß eine keimesgeschicht-
liche Verwandtschaft zwischen Endothel und Bindegewebe
besteht: darüber sind die meisten Autoren einig. Einige, beson-
ders französische, Autoren gehen so weit — ich erinnere an
die Ausfuhrungen Dariers') auf dem fünften Internationalen
Dermatologen- Kongreß — die Endothelzelle als eine in ihrer
Funktion nur leicht modifizierte Bindegewebszelle aufzufassen:
die aus ihr entstehenden Tumoren wären dementsprechend
unter die Sarkome einzureihen.
^) Rflckert und Möller: in 0. Hertwigi Handbuch der ver-
gleichenden Entwicklnngsgetchichte, Berlin 1902.
*) Hertwig, 0. Elemente der Entwicklungslehre des Menschen
nud der Wirbeltiere. Berlin 1906.
') Darier, J. Classification des epithelioms de la i>eaa. Y. Internat.
Dermatologen-Kongreß, Berlin 1905, p. 831 ff.
80 Jaliueberg.
Auf der anderen Seite hat man sich bemüht, die Grenzen
zwischen aasdifferenzierten Bindegewebszellen und ausdifferen-
zierten Endothelzellen in der funktionellen Verschiedenheit
zu begründen. Aber bei dem Aufgehen der lymphatischen Saft-
spalten der Gewebe in die Lymphkapillaren, das sich in ganz
allmählicher Weise vollzieht, ist es höchst schwierig, ja, un-
möglich, die eigentliche Bindegewebszelle der Lymphspalten von
den Endothelien der lymphatischen Haargefäße abzusondern^ und
es stößt auch hier wieder die Klassifikation auf eine neue be-
deutende Schwierigkeit (L. Pick).')
Sowenig also die Endothelzelle sich scharf von der Epithel-
zelle trennen läßt, ebenso wenig läßt sie sich in einen Gegen-
satz zur Bindegewebszelle bringen, und es beruht demnach auf
einer reinen Konvention, wenn wir gewisse Gewebe als „Endo-
thelien^ bezeichnen, die als einfache Schichten platter Zellen
bestimmte Hohlräume und Hohlorgane des Körpers austapezieren.
Es ist schließlich verständlich daß die Autoren auf Grund
der unsicheren Umgrenzung der Endothelzelle in der Defi-
nition auch darüber nicht zu einer Einigkeit gekommen sind,
welche Hohlräume und Hohlorgane an der Innenfläche mit
solchen Endothelien belegt sind. Wir wollen in Übereinstimmung
mit den Meisten diejenigen Elemente als Endothelien definieren,
die die Blut- und Lymphgefäße nebst den modifizierten Lymph-
räumen, den Gelenken und den großen serösen Höhlen des
Körpers auskleiden, und diese Gewebsformen sind es allein,
die wir in den weiteren Betrachtungen berücksichtigen.
Entsprechend der mangelhaften morphologischen Charak-
teristik dieser Endothelien gegenüber den Epithel- und Binde-
gewebszellen sind die Schwierigkeiten wiederum leicht begreif-
lich bei der morphologischen Abgrenzung der aus dem Endothel
entstehenden Geschwülste gegenüber dem Epitheliom und dem
Sarkom. Läßt sich schon die einzelne normale Endothelzelle als
solche so wenig sicher erkennen, wie die isolierte Epithelzelle
und die isolierte Bindegewebszelle, und ist nach dem vorste-
') Pick, L. a) Zar Lehre vom Myoma sarkomatosam and ftber die
sogen. Endotheliome der Gebärmatter. Arch. f. Qynäk., Bd. XLIX., IL 1.
h) Die von den Endothelien aosgehenden Geschwülste des Eierstockes.
Berliner klin. Wocbenschr. 1694, Nr. 45.
Lymphangio-Endothelioma cutis abdominis. gl
henden diese Diagnose nur lösbar, wo die ZelUen in cbarak^
teristischen Verbänden auftreten, so muß natürlich die Aufgabe
noch in erhöhtem Maße sich erschweren in Neubildungen, wo
der gleichmäßige, auf eine bestimmte Funktion hin basierende
Zusammenhang der Zellen aufgehört hat und der Fortfall der
das normale Wachstum regelnden Widerstände sich geltend macht.
Der sicherste Weg für die Beurteilung der Natur und
Genese einer Geschwulst ist zweifelsohne, wie dies Ribber t
wiederholt ausgeführt hat und stets von neuem betont, das
Stadium der beginnenden Neubildung. Ribbert und Borr-
mann gelang es so z. B. bei relativ jungen Carcinomen der
Haut den epitheUalen Charakter der sogen. Gorium-Carcinome
festzustellen; die Verwertung der Bilder in den Randpartien
wird dagegen von Ribbert ausdrücklich ausgeschaltet, sie
sind belanglos und unbrauchbar, die erste Entwicklung, d. h.
die die Definition bestimmende Histiogenese abzuleiten. Burk-
hard t^) meint allerdings gerade bei Besprechung der Endo-
theliom-Frage, daß die Randpartien bei dieser Ginippe der
Geschwülste für die Histiogenese sehr wohl heranzuziehen seien
,, nicht deswegen, weil etwa normale Zellen sekundär in Ge-
schwulstzellen übergehen, sondern weil hier diejenigen Zellarten
zu finden sind, die auf den ursprünglichsten Reiz am lang-
samsten und trägsten reagiert haben, und an denen sich der
ursprüngliche Entstehuigsmodus am längsten bewahrt hat".
Mönkeberg') hält mit Recht diese Begründung der
Bedeutung der Randpartien lediglich für eine Umschreibung
des Irrtums, den schon Ribbert bekämpft hat, und auch wir
glauben auf Grund der vorliegenden Literatur, daß die hier in
Frage kommenden Tumoren gewöhnlich ein so gleichmäßig von
der ersten Entstehung emanzipiertes Wachstum im Zentrum
wie an der Peripherie zeigen, daß die Randpartien als solche
— wenigstens im allgemeinen — nichts Wesentliches über die
Genese dieser Tumoren mehr auszusagen vermögen, ganz ab-
gesehen davon, daß, wie wir schon oben betonen, wir auch in
^) Burkhardt, L., Sarkome nnd Endotheliome Dach ihrem patho-
logisch-anatomischen nnd klinischen Verhalten. Beitrage zur klin. Ghir.
1902, Bd. XXXVI., pag. 1 ff.
') Mönkeberg. Endotheliom in' Lutarscb-Ostertags Ergebnisse
der allg. Path. a. path. Anat. Jahrg. 10, Wiesbaden 1906, pag. 789 ff.
Areh. f. Dermat. u, Sjpb. Bd. LXXXIX. g
82 Jaliusberg.
den Zellformen selbst für die Diagnose eines Endothelioms
nichts sicher Terwertbares finden können.
Von den Autoren, die sich über die Differentialdiagnose
der Endotheliome geäufiert haben, legt neben Burkhardt
lediglich Volkmann') auf die Untersuchung der Randpartien
Wert, weil er hier Übergänge Ton normalen Endothelien in
epitheloide Zellstränge zu finden glaubt. Borst*) weist dem-
gegenüber darauf hin, daß erstens ,,auch bei Carcinom das
Epithel gar nicht selten in flach ausgestreckten, mit Fortsätzen
versehenen Zellen interfaszikulär vordringen kann, so daS man
glaubt, Übergänge der Carcinom-Zellzüge in Saftspalten-Endo-
thelien zu sehen", und ferner, daß das anscheinend „normale*
Saftspalten-Endothel, zu dem hin die „Übergänge^ seitens der
Geschwulstzellzüge bestehen, bereits tumormäßig gewucherte
endotheliale Zellstränge darstellt. Auch wir glauben, daß wenn
in den fraglichen Fällen wirklich Endotheliome vorliegen, diese
letztere Auffassung B o r s t s der von Volkmann erwähnten Beob-
achtung zutreffend ist. Die endotheliale Tumorbildung verläuft
hier gleichsam in zwei Etappen: in erster Linie in einer
Weitersprossung der endothelialen Schläuche, in zweiter Linie
in einer geschwulstartigen Wucherung der Wandzellen.
Eine besondere Bedeutung legt Borst folgenden Punkten in
der Differentialdiagnose zMrischen Endotheliom und Epitheliom bei
1. Der aus der physiologisch sekretorischen Tätigkeit
der Endothelzellen resultierenden Fähigkeit, bei den Endothe-
liomen schleimige, hyaline und amyloide Degenera-
tionsprodukte zu liefern.
Dieses Kriterium ist zweifelsohne gelegentlich vorhanden,
es kann aber auch gänzlich fehlen. Es ist, wie ich schon oben
andeutete, möglich, daß hier ähnliche Gründe in Frage kommen,
wie sie Borrmann für die Genese der verhornten und der
nicht verhornenden Garcinome annimmt, und daß vielleicht
ein gewisser Grad der Ausdifferenzierung der geschwulstbildenden
Endothelzellen vor ihrer Ausschaltung vom übrigen Endothel
^) Yolkmann: Über endotheliale Geschwülste, zugleich ein Bei-
trag XU den Speicheldr&sen- and Gaumentamoren. Deutsche Zeitschrift
fär Chirurgie 1895, Bd. XLL, pag. 1 ff.
*) Borst: Die Lehre von den Geschwulsten. 1902, p. 278 ff.
Lymphaugio-Endotbelioma cutis abdominis. 83
erforderlich ist, um späterhin bei der neoplastischen Wucherung
überhaupt solche Degenerationsprodukte liefern zu können. Wir
müssen femer hinzufügen, daß es mit Recht als Epitheliome
aufgefaßte „Cylindrome^ gibt, die auf Grund ihrer Abstammung
Yon Drüsengewebe gleiche Degenerationsprodukte liefern können»
Also ist das Vorhandensein derselben wohl indikatorisch von
Wert, sofern es zu weiteren Nachforschungen veranlaßt, ob im
speziellen Fall wirklich ein Endotheliom vorliegt. Aber es besitzt
der Befund nichtdie Bedeutung eines ausschlaggebenden Kriteriums.
2. Femer betont Borst mit anderen Autoren für die
Endotheliomdiagnose das Auftreten zellulärer Schich-
tungsgebilde. Ihre Entstehung beruht auf der Eigenschaft
der platten endothelialen Zellen, sich den vorhandenen Raum-
verhältnissen so gut wie möglich anzupassen. Sie weisen eine
Verschiedenheit von ähnlichen Gebilden bei Garcinom dadurch
auf, daß sie keine Hornperlen bilden, daß ihnen die kerato-
hyaline Körnung, die Protoplasmafaserung und die Interzellular-
brücken der Plattenepithelkrebse abgehen.
3. Es wird das klinische Verhalten der Eodotheliome
Als charakteristisch betont, sofern sie langsam wachsen, gern
lokal rezidivieren und wenig Neigung haben, Metastasen zu bilden.
4. Borst ist mit Ribbert darin einig, daß, wie schon
oben gestreift, ein anscheinendes „Übergehen^ von Zelluestern
und Zellsträngen in der Peripherie der Tumoren in scheinbar
normale Lymphgefäß- resp. Saftspalten-Endothelien leicht zu
diagnostischen Irrtümern führen kann, da dieses anscheinend
normale Gewebe bereits pathologisch neugebildetes, zur Ge-
schwulst gehöriges Gewebe darstellt. Jedenfalls sind diese
Bilder an sich, wie schon oben erwähnt, für Borst kein ein-
deutiges Kriterium, sie sind nach ihm nur insofern zu verwerten,
als sie mehr für die Diagnose Endotheliom, als für die Diagnose
Epitheliom sprechen.
Wir möchten zu diesem Punkte bemerken, daß, wenn die
anscheinend normalen Lymphgefäßendothelien bereits aus der
Neubildung heraus gebildete Wucherungen vorstellen, wir in
dem Vorkommen derselben doch eine gewisse Bedeutung für
die Diagnose sehen müssen und daß ein Tumor, bei dem dio
ersten sicheren Anfänge sich im Sprossen neuer Lymphkapillaren
n
84 Juliusberg.
äußern, doch den Schluß zuläßt, daß es sich um eine Geschwulst-
form handelt, die von den Endotbelien ausgeht.
5. Einen besonderen Wert beanspruchen in der Unterschei-
dung von Endotheliomen und Epitheliomen nach Borst die
Kriterien, die beim Endotheliom den innigen, beim Epithe-
liom den lockeren Zusammenhang zwischen bindegewebigem
Stroma und Geschwulstzellen festzustellen gestatten.
Es sind das nur einige Punkte, auf die in differential-
diagnostischer Hinsicht für die Umgrenzung des Endotbeliom-
begriffs eine besondere Bedeutung gelegt worden ist. Es sind
noch weitere Kriterien in einschlägigen Arbeiten angeführt,
aber ihr Wert ist mit Recht bezweifelt worden, und auch die
angeführten Momente können keineswegs die Bedeutung fest-
stehender und regelmäßig ausgesprochener Merkmale bean-
spruchen.
Da wir nach alledem bei einem schon längere Zeit beste-
henden Tumor den Ausgang der Geschwulst aus normaleu
Endothelien direkt nicht mehr feststellen können, vielmehr dort,
wo derartige Beobachtungen verzeichnet sind, mit viel größerer
Wahrscheinlichkeit anzunehmen haben, daß die anscheinend
„normalen^ Endothelien bereits geschwulstartig gewucherte
Zellen waren, da femer die Geschwulstzellen als solche in
ihrer Morphologie gar nicht zur Entscheidung beizutragen,
gestatten, da die klinischen und makroskopischen Merkmale,
worauf später noch des näheren einzugehen sein wird, absolut
unzuverlässig in der Diagnose sind, so kann es sich, wie mir
scheint, bei einem „strittigen'' Endotheliom nur darum handeln, o b
sichnicht doch aus bestimmten Phasen des Wachs-
tum der fertigen Geschwulst noch die sichere
Beziehung der Elemente des Neoplasmaszu siche-
rem Endothel ableiten läßt.
Das Wachstum des Endotholioms selbst zer-
legt sich nun unter Umständen, wie schon oben ange-
deutet, in einzelne morphologische unterscheidbare
Etappen. Wir sehen, wie aus und in dem Massiv der Geschwulst
neue röhrenartige Formen heraussprossen, mit einfachem zelligea
platten Belag, und erst in zweiter Linie die Proliferation dieser
Wandzelleu und die Umformung in die mehr oder weniger solidea
LympbaDgio-Endothelioma cutis abdominis. 85
Formen auftritt. Lassen sich diese Röhren als Blut- oder Lymph-
gefäße^ ihre Wandelemente demnach als Endothelien einwandsfrei
feststellen, so ist damit die Neubildung als Endotheliom sicher-
gestellt. Wir treffen also hier einen gangbaren Weg, der
ihuch an der wachsenden ^feiiagen** Geschwulst die Histiogenese
erschließen läßt Wir kommen auch hierauf an der Hand unserer
Untersuchungen noch zurück.
Freilich ist nun den Forderungen, an denen für die exakte
Endotheliom-Diagnose festgehalten werden muß, für die in der
Literatur niedergelegten Fälle yon „Endotheliom" keineswegs
aasreichend genügt^ und es findet das zweifellos auch auf die
Endotheliome der Haut, auf die wir uns in folgendem be-
schränken wollen, Anwendung.
Hierher gehören zunächst die von Braun^) als Endotheliome auf-
gestellten Geschwülste, und femer eine vielfach beschriebene Form
benigner kleiner Hantneubildungen, deren frühere Auffassung als endo*
theliale Geschwülste aus ihrer Bezeichnung als £ndothelioma
colloides, Haemangio-Endothelioma und Lymphangio-
Endothelioma tuberosum multiplex hervorgeht.
Braun hat die seinerzeit von ihm beschriebenen Tumoren zu den
Endotheliomen gerechnet, erstens wegen ihrer Zellform, zweitens wegen
des fehlenden Zusammenhangs des Tumorgewebes mit der Epidermis
oder ihren Anhangsgebilden und endlich wegen der fehlenden Yerhornung.
Wir haben schon oben ausführlich über die mangelnde Beweiskraft der
rein morphologischen Eigenschaften der Tumorzelle gesprochen; die
beiden anderen von Braun angegebenen Kriterien sind rein negativer
Natur und sprechen^ wenn auch nicht gegen, so doch keineswegs ein-
deutig für die Diagnose „Endotheliom''. Während Borst den Endothel-
Oharakter dieser Tumoren zugibt, ist zuerst von Krompeche r,*) später
von Ribbert und Borrmann entschieden gegen die endotheliale
Natur dieser Tumoren Front gemacht worden. Krompecher bezeichnet
sie als „ Basalzellen -Garcinome** und nimmt einen Ursprung derselben aus
embryonal abgesprengten Epithelien des Rete Malpighii an. Ribbert
und Borrmanu sind mit Krompecher über die epitheliale Natur
dieser Tumoren einig, geben aber ihre Entstehung gerade aus dem Rete
nicht zu. Sie betonen die biologische Gleichwertigkeit der ganzen
Epidermis, und halten es deswegen fBr nicht möglich, daß das Rete den
Ausgangspunkt einer morphologisch ganz umschriebenen Art von Epitheliom
*) Brann: Über die Endotheliome der Haut. Archiv f. klin. Chir.
1892. Bd. XLIII. pag. 196.
*} Krompecher: Der drüsenartige Oberflächenkrebs. Carcinoma
«pitheliale adenoides. Zieglers Beitr. z. path. Anat. u. allg. Path. 1900.
Bd. XXYllI. pag. 1 ff.
86 Juliusberg.
abgeben kann. Die fraglichen Neubildungen entstehen aus embryonal
abgesprengten Keimen der Epidermis unterhalb derselben im Gorinm.
Borrmann schlägt deswegen für sie die Bezeichnuug Corium-Garcinome
Yor. Gewisse morphologische Di£ferenzen dieser Tumoren im Vergleich
zu den ans dem Oberflächenepithel entstehenden Plattenepithelkrebsen
hängen, wie schon oben hervorgehoben, nach demselben Autor mit der
wenig fortgeschrittenen AusdifTerenzierung der später geschwulstbildenden
Epithelien im Stadium ihrer Abschnürang zusammen. Die Beweisführung
Borrmanns für die epitheliale Natur dieser Geschwülste scheint uns
genügend gesichert.
Eine Gruppe häufig untersuchter Hautgeschwülste stellen die vorher
genannten Neubildungen dar, die als Haemangio-Endothelioma
tuberosum multiplex oder unter sonstigem Endotheliom prigndi-
zierendem Namen beschrieben worden. Es sind kleine, gutartige
Geschwülste, die für die Träger selbst von außerordentlich geringei
Bedeutung sind, aber vom theoretischen Standpunkte aus bei der Strittigkeit
ihrer Genese immer von neuem Interesse geboten haben. Einige Autoren
fassen sie übrigens als Adenome, andere als Epitheliome auf. Diese
Frage hat in einer Arbeit von Gassmann ^) aus der Bern er Klinik
insofern eine teilweise Lösung gefunden, als es Gassmann gelang, die
epitheliale Natur dieser Tumoren sicherzustellen; ob es sich regelmäßig,
wie bei seinem Fall, um Tumoren handelt, die vom Epithel der Schweiß-
drüsen ihren Ursprung nehmen, will der Autor noch weiteren Unter-
suchungen vorbehalten.
Weiter finden sich in der Literatur wiederholt als Cylindrome
der Haut bezeichnete Geschwülste beschrieben und als eine besondere
Form der Endotheliome aufgefaßt Wir verweisen zu diesem Kapitel auf
Ribberts allgemeine Darstellung der Cylindrome und fugen entspre-
chend der Meinung dieses Autors hinzu, daß die Bezeichnung „Cylindrom*^
als solche niemals die endotheliale Natur der betreffenden Tumoren
involviert, sondern daß dieser Name nur eine sekundäre, rein attributive
Besonderheit dieser Geschwülste in den Vordergrund treten läßt, die an
sich ebenso gut Neubildungen epithelialer wie anderer Genese zukommen
kann. Es wird sich also fragen, ob es Cylindrome der Haut gibt, die
für sich — unbeschadet der cylindromatösen Umwandlung des Geschwulst-
parenchyms — zu den Endotheliomen zu rechnen sind.
Wie nach den obigen Ausführungen klar ist, ist die Auffassung eines
in Frage kommenden Tumors als Endotheliom in jedem Einzelfall von einer
genauen histologischen Untersuchung, von einer strengen Abwägung der
Kriterien, die für oder gegen diese Diagnose sprechen, abhängig. Damm
') Gas s mann A.: 5 Fälle von Naevi cystepitheliomatosi dissemi-
nati (Hidradenom Jacqnet et Darier etc.). Arch. f. Dermatologie. 1901.
Bd. LVm. pag. 177 ff. (cf. auch M. Wink 1er, ebenda 1903. Bd. LXIIL
psg. 3 ff. und 1907. Bd. LXXXVL pag. 129 ff.).
Lymphangio-Endothelioma cutis abdominis. 87
ertcheinen ans auch die Erwägungen von Dabreuilh und Auch6')
wenig fruchtbringend und für die ganze Frage geradezu verwirrend, die
auf Grund eines von ihnen als Epitheliom besohriebenen Falles eine
gante Reihe klinisch ähnlicher Fälle — es handelt sich um die be-
kannten kugeligen multiplen Tumoren des behaarten Kopfes — mit ihrem
eigenen Fall histologisch in eine Gruppe zusammenbringen. Die von
diesen beiden Autoren allgemein als Epitheliome reklamierten Fälle sind
teilweise solche, die zweifellos als Epitheliome aufgefaßt werden müssen,
teilweise aber möglicherweise Endotheliome und sind schließlich auch solche,
über die eine histologische Untersuchung und Beschreibung nicht vorliegt.
In ganz denselben Fehler ist P o 1 1 a n d') verfallen. Auch er hält sich für
berechtigt, nach Beschreibung eines einzigen Falles, der noch dazu klinisch
ganz erhebliche Abweichungen von den Fällen S p i e g 1 e r s u. a., die wir später
zu berücksichtigen haben, aufweist — es handelt sich um multiple, teilweise
exulcerierte Tumoren im Gesicht, die sich histologisch als Ulcera rodentia
erwiesen — die bisher beschriebenen Fälle mit seinem anstandlos zu iden-
tifizieren. Sicherlich ist es mit Möller') und Haslund^) weit zweck-
mäßiger, die nicht genau beschriebenen Fälle für die vorliegende Frage
außer Betracht zu lassen, und nur die histologisch charakterisierten Beobach-
tungen für die Begründung einer klinischen und histologischen Charak-
teristik der Hautendotheliome zu verwerten. Betrachten wir von diesem
Standpunkte aus die wenigen Fälle von Hauttumoren, die bezüglich
ihrer endotheliomatösen Natur in der Literatur keinen Widerspruch
gefunden haben, so beschränkt sich ihre Zahl auf folgende Beobachtungen.
Da ist zunächst ein von M. Winkler') aus der Berner Klinik
beschriebener Fall, der insofern wieder noch eine besondere Stellung
einnimmt, als hier ein Psammom der Haut und des Unterhaut-
gewebes vorliegt. Wie die Psammome der Hirnhäute von Bibbert,
der an und für sich der Diagnose „Endotheliom^ außerordentlich reserviert
gegenübersteht, trotzdem anstandslos zu den Endotheliomen gerechnet
werden, so dürfte Winklers Fall, ausgehend von den Scheiden der
Unterhautnerven, mit Sicherheit den Endotheliomen zuzuzählen sein.
Gegenüber diesem eigenartigen Fall von psammösem Hautendo-
^) Dubreuilh W. und Au che B.: J^pitheliomes b^nina multiples
du cnir chevelu, Ann. de dermat. 1902. pag. 646 ff.
') Polland, R. Über Gylindroma epitheliale. Monatshefte für
prakt. Dermat. 1906. Bd. XLEI. p. 279.
') Möller, M. : Naevua giganteus capillitii im Vergleich mit
einigen andern Geschwulstbildungen der behaarten Kopfhaut. Arohiv f.
Dermat. u. Syph. 1903. Bd. LXIV. pag. 199 ff.
*) Haslund, G.: Multiple Endotheliome der Kopfhaut. Ein Beitrag
zur Kenntnis der Geschwülste der Haut. Arohiv f. Dermat. u. Syph. 1906
Bd. LXXXU. pag. 247, 828 S.
') Wink 1er, M.: Über Psammome der Haut und des Unterhaut-
gewebes. Virchows Arch. f. path. Anat. etc. 1904. Bd. GLXXVIII. p. 328 il.
88 Jalinsberg.
theliom, das man in Analogie der bekannten Neurofibrome der Haut aacb
als psammöses Neuroendotheliom bezeichnen könnte, sind die
Neubildungen in einer weiteren Reihe vtn Fällen, die noch hier in Betracht
kommen, nach den Angaben der Autoren, von den Endothelien der Blnt-
oder Lymphgefäße der Haut im allgemeinen ausgegangen und betreffen
sämtlich Beobachtungen, die mit Rücksicht auf ihre bevorzugte Lokali -
sation meistens als multiple Endotheliome der Kopfhaut
beschrieben sind.
Hierher gehört zunächst ein von Mulert^) mitgeteilter Fall: Bei
einer 68jährigen Frau yon gutem Allgemeinbefinden fanden sich
über der behaarten Kopfhaut 60—70 erbsen- bis apfelgroße Tumoren
von der Konsistenz eines mittelharten Fibrom». Die Geschwülste sind von
glatter, nicht verschieblicher Haut überzogen und teilweise oberflächlich
exulceriert.
Mikroskopisch handelte es sich um einen alveolär oder plexiform
gebauten Tumor. Das Geschwulstgewebe ist durch eine schmale Binde-
gewebsschicht von der Epidermis geschieden. Die Kerne der Geschwulst-
Zellen sind meist von ovaler Gestalt; die der Alveolai*wand unmittelbar
anliegenden Zellen sind intensiver färbbar als die mehr zentral gelegenen,
und palisaden förmig angeordnet. In den Bindegewebsmassen des Stromas
liegen zwischen Tnmorzellzügen rundliche, von platten protoplasma-
reichen Zellen ausgekleidete Lücken. Um diese endothelartigen Zellen
folgen mehrere Zellschichten vom Charakter der oben beschriebenen
paiisadenförmig gestellten Geschwulstzellen. Die äußerste Grenze dieser
Röhren bilden hyaline Ringe oder fibrilläres Bindegewebe. Das umgebende
Stroma selbst ist der Sitz reichlicher hyaliner Degeneration, und inner-
halb der Alveolen selbst finden sich vielfach hyalinartige Gebilde. Li
einem der 6 untersuchten Tumoren hatten sich die Tnmorzellen zu den
oben erwähnten Schichtungskugeln angeordnet.
Mulert schließt die Diagnose „Plattenepitbeliom*^ aus, weil
nirgends eine Protoplasmafaserung vorhanden ist, ebenso wenig wie eine
Yerhomung, ferner wegen der engen Verbindung zwischen den Alveolar-
wänden und den darin liegenden Zellen, und schließlich wegen der aus-
gedehnten hyalinen Degeneration dss Bindegewebes und der hyalinen
Degeneration der Blutgefaßwände« Ein Zusammenhang der Tumorzellen
mit den Talg- oder Schweißdrüsen ist nicht vorhanden, ebenso wenig
eine morphologische Ähnlichkeit der Geschwulstzellen mit denen dieser
epithelialen Organe. Per exclasionem nimmt Malert an, daß die Tumoren
von Endothelien ihren Aufgang genommen haben, und zwar von denen
der Lymphgefäße bzw. Lymphkapillaren. Er stellt sich vor, daß die Endo-
thelien derselben, wie in den oben beschriebenen „Zellkränzen'', allmählich
durch mehrere Obergänge in eigentliche Tnmorzellen sich umgestalten.
') Mulert: Ein Fall von multiplem Endotheliom der Kopfhaut,
zugleich ein Beitrag zur Endotheliom -Frage. 1. D. Rostock. 1897, auch
Archiv für klin. Chir. 1897. Bd. LIV. pag. 668 ff.
LymphangioEndothelioma cutis abdominis. 89
Mulert setst sieh mit dieser Erklärung, wie er selbst eugibt, in
Gegensatz zu der Ansicht Ribberts, daß die Tumoren aus sich selbst
herauswacfaien, und für uns. die wir der Meinung Ribberts beipflichten,
wurde der Erklärungsversuch Mulerts nur in der Form Geltung haben,
daß die Lymphgefäße, aus deren Wandungen Mulert die Geschwulst-
genese herleitet, bereits aus der Grundmasse hcrausgewucherte Hohl-
räume — jene „erste Etappe der Tumorbildung^ — darstellen. Aber
auch unter dieser Voraussetzung scheint mir aus der Beschreibung
Mulerts der endotheliomatöse Charakter seiner Geschwülste nicht
genügend gesichert. Weder geht aus der Beschreibung Mulerts hervor,
daß diese Zellkränze in der Tat endothelausgekleidete Zylinder darstellen,
noch daß die sonstigen Tumormassen direkt mit den Zellen dieser Zell-
kränze in Verbindung stehen. Es scheint mir immerhin möglich — wenn ich
dies auch nicht mit Sicherheit beweisen kann — , daß in Mulerts Fall
ein Epitheliom vorgelegen hat. Jedenfalls aber hat Mulert den Beweis
nicht genügend durchgeführt, daß seine Tumoren als sichere Endotheliome
gelten könnten.
Drei weitere Fälle teilt Spiegier') mit. Im ersten, bei einem
66jährigen Mann, bestanden die ältesten Tumoren über 40 Jahre, waren
reichlich auf dem Eopf und in der Schläfengegend vorhanden, nur ver-
einzelt am Stamm. Die Haut über ihnen war glatt, nicht abhebbar; sie
waren teilweise oberflächlich exkoriiert und exulceriert, ihre Konsistenz
war derb elastisch. — Der zweite Fall, die Tochter dieses Patienten,
zeigte ganz gleiche Tumoren auf dem Eopf. — Im dritten Fall war
neben dem Eopf auch die Haut über den Schultern und weiter abwärts befallen.
Bei den ersten beiden dieser 8 Fälle (Vater und Tochter) findet
sich sehr ausgedehnt eine hyaline Degeneration des Bindegewebes und
eine hyaline Degeneration im Innern von Zellschläuchen. Die periphe-
rischen Zellen dieser Hohlräume sind radiär gestellt. Im Innern zeigen
die Zellen eine kleine runde oder polygonale Form und sind unregel-
mäßig angeordnet. „Hie und da sieht man Querschnitte von Kapillaren,
deren Wandzellen sich in lebhafter Wucherung zu befinden scheinen,
und zwischen deren Elemente vereinzelte ähnliche Zellen eingebettet
sind wie die, aus denen der Tumor besteht.^ Ferner weist Spiegier
„auf vereinzelte Kapillaren mit stark verdickter Wandung bin, mit teil-
weise erhaltenem Lumen, welche an ihrer Außenseite bedeckt sind mit
regelmäßig angeordneten, auf der Gefäßwand senkrecht stehenden, großen,
schön gefärbten, distinkten, kubischen Zellen^. Im dritten, ähnlichen
Falle findet Spiegier keinen Zusammenhang mit den Kapillaren und
verlegt den Ausgang dieser Geschwulst hypothetisch in die Endothelien
der Lymphspalten.
Leider sind die Angaben Spieglers ülier die Histiogenese seiner
Tumoren außerordentlich kurze. Einen strikten Beweis für die endotheliale
*) Spiegier: Über Endotheliome der Haut. Archiv f. Dermat. u.
Sypb. 1899. Bd. L. 163 ff.
90 Juliusberg.
Nfttur seiner Tnmoren fiDden wir in der BoBchreibaog nicht. Einige
Momente machen diese möglich, besondert der genannte Zusammenhang
der Kapillare mit den Geschwnlstzellen. Was mir aber besonders gegen
die endotheliomatöse Natur der Tumoren zu sprechen scheint, ist die
sehr weitgehende Übereinstimmung der kurzen Beschreibung Spieglers
mit der ausführlicheren von Muler t, dessen Fall mir schon, wie mir
scheint, begründete Bedenken gegen seine endotheliomatöse Genese auf-
kommen ließ.
Sodann wäre unter Vorbehalt ein von Eoulnieff^) als Cylindrom
bezeichneter Fall einer 40jährigen Frau zu nennen, bei der elastische
gelappte Tumoren reichlich auf dem Kopf, spärlicher auf dem übrigen
Körper saßen und zum Teil bereits 11 Jahre bestanden.
Histologisch ist der Geschwnlstbau ein alveolärer. Die Geschwulst-
zellzüge sind umgeben von hyalin degenerierten Bindegewebszügen.
Beziehungen zum Endothel sind in der kurzen Beschreibung nicht
erwähnt, so daß der Fall zur Feststellung seiner wahren Natur kaum
Diskutables liefert.
Nur kurz beschreibt Seitz') ähnliche Geschwülste bei einer 51 jähr.
Frau, die sich vom 20. Lebensjahre an entwickelt haben. Die Tumoren,
an Zahl 20 — 25, saßen auf der Kopfhaut verstreut und hatten Erbsen*
bis Walnußgröße. Die Konsistenz ist eine ziemlich weiche.
Histologisch finden sich in einem reichlich entwickelten binde-
gewebigen Stroma alveolär angeordnete Zellhaufen, zusammengesetzt aus
teils ovalen, teils spindelförmigen, teils zylindrischen Zellen mit rund-
lichen, bläschenförmigen Kernen. Die peripherische Schicht der einzelnen
Gruppen ist palisadenförmig angeordnet. Der Kern der inneren Schichten
zeigt eine mehr spindelförmige Gestalt. In manchen dieser Verbände ist
eine Art Lumen erkennbar. Die Zellgruppen sind vom übrigen Binde-
gewebe durch einen homogen-hyalinen Saum getrennt. Auf Grrund dieses
Aufbaues nimmt Seitz an, daß sich seine Tumoren von mit Epithel
(Endothel) ausgekleideten röhrenförmigen Gebilden ausgebildet haben.
Er faßt sie als Endotheliome auf und nennt sie mit Bnoksicht auf die
hyaline Entartung Cylindrome. — Auch hier fehlt der Beweis vollständig,
daß diese Geschwülste in der Tat Endotheliome dargestellt haben.
Ganz kurz finde ich einen von Riehl') unter dieser Diagnose vor-
gestellten Fall erwähnt, über den so gut wie gar keine histologische
Notizen vorliegen. Das Referat in Unnas Monatsheften über diesen Fall
sagt : nDie Untersuchung ergab auf dem Durchschnitt weiße, etwas lappige
^) Koulnieff: Cylindrome multiple de la peau Societö russe de
syph. et de dermat. de St Petersburg. Annales de dermat. 1895. pag. 242.
') Seitz: Ein Fall multipler Cylindrome der behaarten Kopfhaut.
J. D. München, 1898.
') Riehl: Endotheliom der Haut. Sektion f. Dermat. der 66. Natur -
forscherversammlung, Ref. Monatshefte f. prakt. Dermat 1894, Bd. XIX.
pag. 484.
Lymphangio-Endothelioma outis abdominis. 91
Geschwälste, ausgehend von den Endothelien der Lymphwege. Man sieht
teils alveoläre Anordnung, teils Zellzäge, eingelagert in den Zwischen-
rftomen switchen dem Bindegewebe.'' Noch lakonischer ist das Original-
referat in den Verhandlnogen vom Natarforschertage selbst. Dieser Fall
muß danach mangels genauer Beschreibung von weiterer Verwertung aus-
scheiden.
Endlich seien noch drei weitere Fälle erwähnt, welche Spiegier')
mit den seinigen identifiziert. In 2 dieser Fälle (bei Ancell und bei
Cohn) lag gar keine histologische Beschreibung vor. Der dritte Fall
(Poncet, Bard und Audry) ist so strittig, daß wir keinön Grund haben,
auf ihn einzugehen.
Rekapitulieren wir, ehe ich noch auf einen weiteren Fall eingehe,
das, was sich für das Thema der Hautendotheliome aus den bisher er-
wähnten Fällen ergibt, so ist das Ergebnis ein wenig befriedigendes.
Bei der Mehrzahl der erwähnten Fälle ist die histologische Beschrei-
bung eine so dürftige, daß eine Beurteilung der Fälle gar nicht möglich ist.
W i nk 1 e r s „Neuroepithelioma psammosum cutis'', dessen endotheliomatöse
Natur 'erwiesen ist, nimmt eine Sonderstellung ein. Die Fälle von Muler t
und S piegler, zeigen in ihrer Beschreibung so wenig, was den
strikten Beweis eines Zusammenhangs des Tumorgewebes mit den Endo-
thelien gibt, daß wir sie zum mindesten als bezüglich ihres Endothel ioni-
charakters fraglich auffassen müssen.
Immerhin müssen wir vom klinischen Standpunkte ans das Ver-
dienst Spieglers durchaus anerkennen, eine Gruppe, wie es scheint,
benigner Hauttumoren, die in multipler Form besonders die Kopfhaut
befallen, herausgehoben zu haben, und ich bin auch der Meinung, im
Einverständnis mit anderen Autoren, daß in diese Gruppe Spieglers
auch die Fälle von Mulert, wahrscheinlich auch die Fälle von Eoul-
nieff und Seitz gehören. Die histologische Gruppierung dieser Ge-
schwülste ist, trotzdem wir klinisch über sie eine gute Beschreibung
besitzen, freilich nicht mit Sicherheit entschieden.
Dagegen scheint mir ein Fall Haslunds^) von Eopfhautendo-
thelien für den Zweck meiner Arbeit von besonderem Interesse, da hier
die endotheliale Natur der vorliegenden Geschwülste meiner Ansicht nach
auf gesicherter Basis beruht.
Haslunds Patientin, eine 47 — 49jährige Frau, besaß ihre Tumoren
etwa 1 Jahr. Die Knotenbildung begann an der linken Scheitelgegend.
Nach und nach in relativ schneller Folge traten neue hinzu, so daß die
vordere Hälfte des behaarten Kopfes mit zahlreichen Geschwülsten bedeckt
war. Die Konsistenz derselben war eine ziemlich feste. Die Oberfläche
der kleinen Geschwülste war glatt, die der größeren leicht höckrig. Über
^) cf. Spiegier 1. c.
*) Haslund, P. Multiple Endotheliome der Kopfhaut. Ein Beitrag
zur Kenntnis der Geschwülste der Haut. Arch. f. Dermatologie 1906.
Bd. LXXXIT, p. 217 und 823 ff.
92 Joliasberg.
den Tamoren fehlten die Hasre. Die Drüsen der Hallgegend waren emp-
findlich und hart, ebenso bestanden geschwollene Drüsen in beiden
Achselhöhlen. Schon bei der ersten Beobachtung macht die Patientin
einen leicht kachektischen Eindruck. Etwa V/fJBhre nach dem Auftreten
der Tumoren trat der Exitus ein. Eine Sektion fand nicht statt, jedoch
war der Verlauf des Leidens derartig, daß H. annehmen durfte, die
Patientin sei durch ihre Geschwülste und zunehmende Kachexie nach
vorangehender Metastasenbildnng gestorben. (Es fanden sich DrüsenTcr-
eiterung und event. ifetastasen in oder um die Lendenwirbelsäule vor.)
Histologisch zeigte die in der Gutb und Subcutis gelegene Oeschwnlst
einen alveolären Bau. Die Gesch?nilstzellen sind groß, oval oder polygonal,
mit großen bläschenförmigen Kernen. Das Bindegewebe zwischen den
Geschwulststrängen zeigt keinerlei charakteristische Degeneration. An der
Peripherie der Geschwülste findet man Geschwulstzellen, ,die deutlich in
einem präformierten Hohlraum liegen, dessen Wandung von einer zusam-
menhängenden Lage flacher Zellen mit langgestrecktem Kern, einem
wirklichen Endothel gebildet wird^. An diesen Endothelbelägen findet
teilweise eine Kantenstellung der Belegzellen statt, teilweise eine Ver-
bindung derselben mit den Tumorzellen; teilweise bilden Zellen vom
Typus der letzteren die Wand der Hohlräume. Haslund nimmt an,
daß sein Tumor von der Endothel wänden den Lymphkapillaren seinen
Ausgang genommen hat. Ich verweise auf die eingehende Beschreibung
der verschiedenen Bilder, die Haslund beobachtet und in Abbildungeu
wiedergegeben hat. Meines Erachtens nach ist dem Autor der Beweis
durchaus geglückt, daß sein Tumor in der Tat ein Lymphcapillarendo-
theliom darstellt.
Die Difierenzen, die Haslunds Fall gegenüber den vorher beschrie-
benen zeigt, sind außerordentlich auffallend. Klinisch liegt eine exquisit
maligne Tumorbildnng vor. Damit erfüllt Haslund ein Postulat Bib-
bert s,^) daßldie reinen Endothel! ome mehr oder weniger maligne Geschwülste
sein müssen. Was aber die Darstellung Haslunds besonders wichtig
macht, ist die genaue Analyse der Histologie und Histogenese seiner
Geschwülste. Haslund hat zum ersten Mal bei einem multipel aufge-
tretenem Tumor der Haut in überzeugender Weise den Ausgang des
Tumorgewebes von den Lymphgefäßendothelien festgestellt. Wenn ich
also hinsichtlich der Bedeutung und Beschaffenheit seines Tumors durch-
aus der Ansicht von Haslund beipflichte, so kann ich doch seiner
Meinung allerdings insoweit nicht folgen, als er die von ihm zitierten
Fälle von Spiegier, Mnlert und Koulnieff mit derselben Sicherheit
als Endotheliome auffaßt. (FortMtsiing folgt.)
0 Ribbert: Geschwnlstlehre, Bonn 1904, p. 584.
Die Syphilis unter den Prostituierten
in Lemberg.
Von
Dr. Jan Pap6e.
Indem ich in dieser Arbeit die Ergebnisse meiner Er-
fahrungen über die Syphilis der öffentlichen Mädchen in
Lemberg bekannt gebe, möchte ich vor allem auch auf die
Notwendigkeit einer systematisch durchgeführten Beobachtung
hinweisen. Es wäre notwendig, daß die ärztliche Eontrolle
der Mädchen, welche als einer der Faktoren, die der Ver-
breitung der venerischen Krankheiten vorbeugen sollen, anzu-
sehen ist. den Charakter einer bloß fragmentarischen Unter-
suchung von Personen, deren Vorleben und Gesundheitszustand
dem Untersuchenflen viel zu wenig bekannt sind, doch einmal
verliere. Es darf nicht befremden, daß eine ärztliche Tätig-
keit, welche zu einem administrativ-polizeilichen Akte geworden
ist und nur die zurzeit sichtbaren Krankheitserscheinungen
berücksichtigt, nicht im vollem Maße ihrer Aufgabe ge-
recht wird.
Meiner Ansicht nach sollte den ersten Schritt auf dem
Wege der allseits vorgeschlagenen Reform eine Umgestaltung
der ganzen Tätigkeit nach den Erfordernissen der Wissenschaft
bilden und das nicht nur in Betreff der Methode und Unter-
suchungstechnik, sondern auch rücksichtlich einer klinischen
oder spitalmäßigen Durchführung derselben.
Als eines der zu diesem Zwecke fuhrenden Mittel be-
trachte ich genau geführte und fortlaufende Notizen über den
94 Papee.
Gesundheitszustand, die Untersuchungsergebnisse und die Art
der Behandlung der unter Aufsicht stehenden Mädchen. Auf
diese Weise läßt sich eine Kontinuität der Behandlung erzielen,
welche eine genaue Kenntnis des Gesundheitszustandes der
Prostituierten zu jeder Zeit, unbeschadet ihres öfteren Orts-
wechsels ermöglicht.
Außerdem erzielen wir dadurch auch noch andere Vor-
teile. Die Prostituierten stellen ohne Zweifel ein Material dar,
an welchem wir oft jahrelang ohne Unterbrechung den Verlauf
der Syphilis beobachten können und zwar nicht nur im mani-
iesten Stadium der Krankheit, sondern auch während der
rezidivfreien Periode, wozu sich in der Privat- wie auch in
der Spitalpraxis viel seltener eine Gelegenheit bietet.
Schließlich können wir durch eine genaue Kenntnis
mancher Umstände (als der Häufigkeit der Erkrankung an
Syphilis in Ausübung des Prostituiertengewerbes, der Verlaufs-
weise der Erkrankung sowie der Häufigkeit der einzelnen
Krankheitserscheinungen, in welcher sich die Syphilis mani-
festiert, und welche uns in den Stand setzen, das für die
Übertragung der Krankheit in Betracht kommende und daher
gemeingefährliche Stadium der Krankheit näher zu präzisieren
und unsere Aufinerksamkeit im höheren Maße gewissen Gruppen
zuzuwenden) auch manche nützliche Aufklärungen bezüglich
der Reform des gesamten Untersuchungssystems und daher
auch einer sichereren Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten
erhalten, was wir doch alle anstreben. Auf diese Weise ist
es uns weiters ermöglicht, die ärztliche Aufsicht in die richtige
Bahn zu lenken, damit diese das rein schematische Vorgehen
verwerfe und individualisierend auftrete.
Es ist klar, daß diese Einrichtungen sich nicht nur aut
einen Ort beschränken können, wenn unsere Bemühungen ihr
Ziel erreichen sollen. Die öffentlichen Mädchen sind ein sehr
bewegliches Element, sie übersiedeln gerne und leicht, sind
bestrebt ihre Vergangenheit zu verbergen und die Behörden
hätten daher die Pflicht, darauf zu sehen, daß die gesammelten
Notizen sie nach ihrem neuen Aufenthaltsort begleiten.
Alle diese Gründe haben mich dazu bewogen, daß ich
seit einigen Jahren die sich auf Syphilis der bei uns regi-
Die Syphilis unter den Prostituierten in Lemberg. 95
strierten Mädchen beziehenden Angaben sammelte, dieselben
außerdem aus den Krankheitsgeschichten des hiesigen Spitals
ergänzte (inwiefeme dies notwendig erschien in Bezug auf die
in den früheren Jahren und im Laufenden eingeschriebenen
Mädchen) und nachdem ich ebenfalls in die Spitalsausweise
im Bureau für sanitätspolizeiliche Angelegenheiten (seit dem Jahre
1896) Einsicht genommen hatte, nahm ich eine gründliche
Untersuchung aller am 1. Juni d. J. in Lemberg registrierten
öfiEentlichen Mädchen vor. Natürlich konnte ich die Unter-
suchung einer so großen Zahl von Personen (382) nicht in
einigen Tagen bewältigen (obwohl die Mädchen mir schon von
den täglichen Untersuchungen her größtenteils bekannt waren)
und mußte ich auch die fast tägliche Fluktuation in der Anzahl
der Prostituierten in Rechnung ziehen. Ich war daher ge-
nötigt, als Ausgangspunkt meiner Untersuchungen den Personal-
stand eines bestimmten Tages und zwar den am 1. Mai auf
Grund der Zählung der Evidenzkarten berechneten anzunehmen ;
im Laufe der Untersuchung wurde von mir nur der tägliche
Abgang berücksichtigt, den Zuwachs nach dem 1. Mai habe
ich dabei nicht in Rechnung gezogen.
Vor der Untersuchung war es notwendig, für jede einzelne
Prostituierte eine besondere Evidenzkarte anzulegen, in welche
außer dem Namen, einem kurz gefaßten Nationale etc., alle
für die Anamnese in Betracht kommenden Notizen eingetragen
waren. Diese Notizen waren in der oben beschriebenen Weise
auf Grund der Erankheitsgeschichten des Spitals, der monat-
lichen Spitalsausweise und der Evidenzkarten des sanitäts-
ärztlichen Bureaus der Polizeidirektion zusammengestellt Für
einen großen Teil der Prostituierten besitzen wir in der hie-
sigen Polizeidirektion schon besondere Krankheitsgeschichten,
die auf meine Veranlassung hin seit 1./I. 1906 geführt werden ;
diese haben sich auch bei der Sammlung und Bearbeitung des
Materials sehr bewährt. Es ist auch zu bemerken, daß, so
lange wir diese Krankheitsgeschichten nicht gefuhrt haben, die
Kontinuität der Beobachtung sich gewöhnlich gänzlich yerlor
und es vorkam, daß der Spitalsbehandlung öfters Mädchen,
die schon vor 10 Jahren eine gründliche, mehrjährige Behand-
lung durchgemacht hatten, wegen unschuldiger Rhagaden oder
96 Papee.
wegen so oft bei Syphilitischen vorkommenden weißen Piaqaes
der Zunge überwiesen wurden.
Nach Eintragung aller dieser Daten habe ich bei der
Yon mir vorgenommenen Untersuchung einen genauen Einblick
in das Vorleben der Untersuchten gewonnen und war in Be-
treff näherer Auskünfte nicht auf die Mädchen angewiesen,
die bekanntlich aus verschiedenen Gründen auch wissentlich
sehr oft falsche Angaben zu machen pflegen.
Bevor ich zur genauen Darstellung meiner Ergebnisse
übergehe, möchte ich noch einige Angaben über die Häufigkeit
der Syphilis unter den nicht unter Eontrolle stehenden Pro-
stituierten — geheime Prostitution — anführen. Diese An-
gaben über den Verlauf der Krankheit bei dieser Kategorie
von Mädchen können natürlich nicht so genau sein, da die-
selben keinen regelmäßigen Untersuchungen unterworfen werden;
es wurden aber seit dem J. 1906 auch für jene Gruppe be-
sondere Krankheitsgeschichten angelegt und ich beabsichtige
die darüber in dieser kurzen Zeit gesammelten Erfahrungen
nun zu erörtern, um einen Überblick über die Zahl der
Kranken in dieser Gruppe geben zu können.
Es wurde schon vielfach darüber gestritten, welche
Kategorie der Mädchen häufiger von venerischen Krankheiten
befallen wird und es wurden verschiedene statistische Berech-
nungen darüber zusammengestellt, sowohl um die Behauptung
zu verfechten, daß die nur gelegentlich der Untersuchung zu-
gefuhrten Mädchen in dieser Hinsicht viel gefährlicher sind
als die regelmäßig kootroUierten, als auch um das Entgegen-
gesetzte zu beweisen.
Zu diesem Zwecke hat man die Erkrankungsfrequenz
unter den unter Kontrolle Stehenden und unter den nicht
Kontrollierten einem Vergleich unterworfen, indem die einen
als Grundlage der Berechnungen das prozentische Verhältnis
der Erkrankten zur allgemeinen Anzahl der Untersuchten ge-
wählt haben, während die anderen das Verhältnis zur Anzahl
der in einem Jahre durchgeführten Untersuchungen in Betracht
zogen. Das ist aber aus vielen Gründen nicht zulässig, wie
schon Blaschko nachgewiesen hat und führt oft zu ganz
sich widersprechenden Schlüssen.
Die Syphilis unter den Prostituierten in Lemberg. 97
Vor allem kennen wir ja nicht die wirkliche Gesamt-
zahl der unkontrollierten Prostituierten und weiters hängt
ja auch die Zahl der diagnostizierten Syphilisfalle unter den
Registrierten von der Genauigkeit der Untersuchungen, von
dem Umstünde ob mehr Ältere oder Jängere sich unter
ihnen vorfinden, bei den Unkontrollierten dagegen von dem
Zeitpunkt ab, in welchem wir die Untersuchung vornehmen
(z. B. während der interrezidiven Latenzperiode etc.)^ und
es unterliegt keinem Zweifel, daß bei öfters vorgenommenen
Untersuchungen die Erkrankungsziffer unter ihnen steigen
wttrde. Und da die Kontrollierten öfters untersucht werden,
so wird bei Berechnung der Zahl der Krankheitsfälle im
Vergleich zur Anzahl der Untersuchungen das prozentische
Verhältnis zu ihren Gunsten ausfallen. Dies beweisen ja
unter anderen auch frühere statistische Berechnungen von
Parent Duchatelet, Jeannel und neuere von
Commenge. Und ganz anders fallen sie bei Commenge
aus, wenn man das Verhältnis zur Zahl der Untersuchten zu
Grunde legt; die Differenz zu Ungunsten der Unkontrollierten
wird kleiner. Ahnlich lauten die Berechnungen Girauds für
Lyon: auf 1000 Untersuchungen waren bei den Registrierten
6'47o Syphilisfälle und 9'9% bei den Klaudestinen, im Ver-
hältnis zur Zahl der Untersuchten entfallen ö3'2% auf die
Registrierten und 37'27o ft^f die Klaudestinen. Nach Wullen-
web er in Kiel stellt sich das Verhältnis (bei Berechnung auf
die Zahl der Untersuchten) für das J. 1896/97 auf 63% Syphilis-
fälle bei Kontrollierten und auf 17% bei den nicht Kon-
trollierten.
Ich meine aber, daß schließlich in sanitärer Hinsicht, die
wir vor allem im Auge behalten müssen, es gar nicht not-
wendig ist den Nachweis zu liefern^ auf welche Seite mehr
Krankheitsfalle entfallen. Es genügt, meiner Ansicht nach,
wenn wir nachweisen, daß sich unter den sich der geheimen
Prostitution Ergebenden eine ziemlich große Anzahl Mädchen
befindet, die wir leider nur zufallig ausfindig machen und die
meistens gar nicht oder nicht -ausreichend behandelt werden.
Eben dieser Mangel an Behandlung soll für uns der wichtigste
Faktor sein, und der Umstand; daß sie infolgedessen ohne
Attk, t nenutt. XL. Syph. Bd. LXXXIX. 7
98 Pap4e.
Zweifel yiel zur Verbreitung der Krankheit beitragen, soll
zugleich für uns die Veranlassung bilden einen Weg ausfindig
zu machen, um sie zur Behandlung auf irgend eine Art zu
bringen, ungeachtet dessen, ob die Zahl der Kranken unter
ihnen größer oder geringer ist als unter den Registrierten.
Bei spezieller Berücksichtigung der Lemberger Verhält-
nisse stellt sich als Tatsache heraus, daß die Häufigkeit der
venerischen Krankheiten im allgemeinen bei den nicht über-
wachten Mädchen eine ziemlich große ist Wenn wir, was
Lues anbelangt, bei den gelegentlichen Untersuchungen auch
nicht gerade immer manifesten Symptomen der Krankheit be-
gegnen, so können wir doch bei der überwiegenden Zahl der
anscheinend gesunden Fälle aus der Anamnese erfahren, daß
diese Krankheit schon vormals bei ihnen im Spital oder außer
demselben konstatiert worden ist.
Die Elemente, aus denen sich bei uns die geheimen Pro-
stituierten rekrutieren und die zur gelegentlichen Untersuchung
gehmgen, können folgendermaßen gruppiert werden :
a) die Anfängerinnen der Prostitution, die noch nicht
inskribiert sind;
6) gewerbsmäßige Prostituierte, die unter dem Deckmantel
irgend eines anständigen Gewerbes die Prostitution betreiben
(Kellnerinnen, Kassierinnen etc.);
c) registrierte Prostituierte, die sich der Kontrolle aus
verschiedenen Ursachen entziehen;
d) gewerbsmäßige Prostituierte, die ganz öffentlich ihr
Gewerbe betreiben, aber aus verschiedenen Rücksichten einer
Kontrolle nicht unterworfen sind;
e) ältere Prostituierte, welche schon unter Kontrolle ge-
standen und vorübergehend davon befreit wurden (zum Beispiel
manche werden ausgehalten);
f) Mädchen, die zwar einen anderen Erwerb haben, haupt-
sächlich sich aber von der Prostitution erhalten;
g) Dienstboten, Arbeiterinnen usw., welche im Polizeiarrest
aus sanitären Rücksichten untersucht werden.
Zur Erörterung der Zahlen übergehend, will ich die Ver-
hältniszahl der diagnostizierten Fälle innerhalb beider Gruppen
Die Syphilis unter den Prostituierten in Lembergf. 99
angeben und zwar auf Grund unserer Krankheitsgeschichten,
daher nur fiir das Jahr 1906.
Im J. 1906 sind im ganzen 296 Krankheitsgescbichten
angelegt worden; von diesen entfallen 1. auf krank befundene
registrierte Mädchen 186 (für 22 hat man die Krankheits-
^eschichte nur zu diesem Zwecke angelegt, um die amtlichen
Mitteilungen über außerhalb Lemberg stattgefundene Behand-
lung zu notieren), 2. auf krank befundene unkontrollierte
Madchen 82 (für 6 wurde die Krankheitsgeschichte nur aus
•dem oben erwähnten Grunde angelegt).
Von der ersten Kategorie wurden wegen Syphilis ins Spital ab*
gegeben 134,
wegen anderen venerischen Krankheiten 62.
Von der sweiten Kategorie wegen Syphilis . . • 55,
wegen anderen venerischen Krankheiten 32.
Die Zahl der nntersnohten registrierten Prostituierten im
Jahre 1906 ergab 554,
-die Zahl der untersuchten Nichtkontrollierten 285.
Das prozentisohe Verh<nis entspricht also im ersten Falle 20*2^/^
<134 auf 554), im zweiten 19-47o (^ »«^ 285).
Der Unterschied zwischen diesen beiden Kategorien ist
also sehr gering; als sehr wichtiger Umstand muß nicht nur
«dies hervorgehoben werden, daß die NichtkontrolUerten gar
nicht, oder nur mangelhaft behandelt werden, aber auch das,
4aß sie mehr virulente Formen der Krankheit und weiter fort-
geschrittene Veränderungen aufweisen.
Die Zahl der registrierten Mädchen, die ich meinen
Untersuchungen unterzogen habe, umfaßt im ganzen 382 Per*
eonen, welche seit 0 — 29 Jahren ihr Gewerbe ausgeübt haben.
Darunter waren 806 = 81'07oi welche Syphilis überstanden
^hatten, und 76 Mädchen = l9'87o) sm welchen man Syphilis
nicht konstatieren konnte.
Die ganze Kategorie von Mädchen, welche überhaupt
Syphilis überstanden haben, erheischt eine gesonderte Grup-
pierung, denn es werden zu dieser Gruppe alle Mädchen ge-
rechnet, die seit 29 Jahren ihr Gewerbe ausgeübt haben, und
in dieser Zeitperiode Syphilis bekamen.
Um also die Unterschiede in ihrem Gesundheitszustande
deutlich herrortreten zu lassen, müssen diese Mädchen in
^kleinere Gruppen eingeteilt werden und zwar nach der Dauer
7*
100 Pap^e.
der Krankheit, nach den Krankheitsstadien und nach den Krank*
heitserscheinungen usw. ; wir müssen also berücksichtigen :
a) eine Gruppe von Mädchen, die sich im übertragbaren Sta-
dium der Krankheit befinden (stadium condylomatosom)^
b) Mädchen, die dieses Stadium bereits überschritten haben^
c) Mädchen mit Späterscheinungen der Krankheit
Obschon es bekanntlich schwer ist in allen Fällen den
genauen Zeitpunkt anzugeben, in welchem das kondylomatose
Stadium der Syphilis zum Abschluß gelangt und obwohl wir
ja Fälle kennen, in welchen nach einer jahrelang dauernden
Latenz rezente Erscheinungen zum Vorschein kommen, trotzdem
die primäre Infektion schon länger zurückliegt, so können wir
doch dafür eine gewisse allgemeine Norm annehmen. Sperk
bezeichnete als eine solche Norm die Dauer eines Jahres, inner-
halb welchem sich keine Symptome der Krankheit zeigten und
solche Mädchen zählt er zu den syphilisierten. Mit vollem
Elecht hat aber Wwedensky diese Frist als unzureichend
angesehen, umso mehr bei den Prostituiei ten, bei welchen dieser
Begriff „syphilisiert** eine größere Sicherheit in betreff ihrer
Gesundheit gewährleistet und durch welchen wir andeuten
wollen, daß nun die Übertragbarkeit der Krankheit schon als
ausgeschlossen erscheint. Ans diesem Grunde habe ich in die
Zahl der Syphilitischen diejenigen Mädchen einbezogen, die ia
den letzten 3 Vs Jähren, also voml. Jänner 1904, frische Krank-
heitserscheinungen aufwiesen, zu den Syphilisierten alle jen&
gerechnet, bei welchen keine Manifestationen der Krankheit
seit dem 1. Jänner 1904 konstatiert wurden.
Nach dieser Einteilung konstatierte ich bei 171 Mädchen
das Stadium condylomatosum (zu diesen zähle ich auch 8^
Mädchen, die Syphilis überstanden haben, deren Beobachtung
aber in Lfcmberg erst seit einem Jahre, also zu kurz dauerte,
um ihre Infektiosität ausschließen zu können). Im ganzem
umfaßte also ihre Anzahl 179 Personen = 46*87« der Gesamt-
zahl. Für Petersburg gab Sperk die Zahl frisch syphilitischer
Mädchen auf 86*9% an, indem er als solche nur jene bezeich-
nete, die Symptome der Krankheit im Laufe des letzten Jahres
auf wiesen. Wwedensky gibt diese Zahl auf 397o) Fedorow
X0W • • •
1904. . .
. . 27
1905. . .
. . 82
1906 • • ■
. . 83
1907. . .
. . 8
Die Syphilis unter den Prostituierten in Lemberg. 101
«uf 33*57o an (aber nur för die Prostituierten in öffentlichen
fiäoBern).
Nach der Zeit der Eintragung in die Prostitoiertenliste waren
im Jahre 1896 1 im Jahre 1903 27
. • 1897 3 „ , 1904 34
„ n 1899 4 , „ 1905 24
n 9 lÖOO 9 „ „ 1906 29
, „ 1901 14 „ , 1907 12
» , 1902 22
«ingeschrieben.
Nach der Zeit der Infektion mit Syphilis waren angesteckt
im Jahre 1896 1 im Jahre 1908 27
» n 1897 1 „ „
n n 1899 1 n n
9 n lÖOO 6 n n
» » 1901 7 ^ „
„ , 1902 11
Bei 26 Prostituierten war die Zeit der Ansteckung un-
bekannt. Jedoch auch innerhalb dieser Oruppe syphilitischer
Mädchen müssen noch geringe Unterscheidungen stattfinden,
um den höheren oder kleineren Grad der Übertragsfahigkeit
der Krankheit würdigen zu können. Dies ergibt sich aus diesen
zwei tabellarisriien Zusammenstellungen; die eine Zusammen-
stellung umfaßt solche syphilitische Mädchen, die sich seit
11 Jahren der Prostitution ergeben hatten, die zweite solche,
die Yor 4 — 11 Jahren die Syphilis akquiriert hatten und welche
nur deshalb dieser Kategorie zugezählt wurden, weil bei ihnen
in den letzten 3 Jahren zwar der Form nach als ^rezent'' zu
bezeichnende, aber nur isoliert auftretende Erscheinungen
konstatiert wurden. Diese Mädchen können aber in betreff der
Übertragsfahigkeit der Syphilis unmöglich denen gleichgestellt
werden, die wirklich in einem frischen (1— djährigen) Stadium
der Krankheit sich befinden, in welchem die Virulenz und die
Häufigkeit der auftretenden Krankheitsveränderungen um ein
Bedeutendes größer ist. Wir dürfen hier auch dies nicht ver-
gessen, daß bei den öffentlichen Mädchen eine jede krankhafte
Yeränderung an den Sexualorganen ihre Abgabe ins Spital
nach sich zieht und daß infolgedessen nicht selten eine anders-
artige krankhafte Verändenmg bei Mädchen, welche einmal
Syphilis überstanden haben, fakchlich als spezifisch angesehen
102 Papee.
winL Wenn wir also diese Mädchen nach der Dauer der
Krankheit, der Häufigkeit und Art der bei ihnen konstatierteD
Krankheitserscheinungen gruppieren werden, so wird sich die
Zahl der rezent Syphilitischen bedeutend Termindem.
Wir nehmen gewöhnlich an, daß die höchste Ansteckungs*
fähigkeit [der syphilitischen Krankheitsprodukte während der
ersten 3 Jahre besteht; wenn wir also diese Zeitdauer ala
maßgebend bei der Beurteilung unserer Prostituierten annehmen,
so stellt sich heraus, daß Ton 127 Mädchen, bei denen man
diese Krankheit feststellen konnte,
41 Prostituierte sich im 1. Jahre der Krankheit
befanden, also im Verhältnis zur Gesamtzahl der Registrierten z:29Yf
Was die Häufigkeit des Vorkommens der syphilitischen
Krankheitserscheinungen anbelangt, so habe ich berechnet, daß
von den 179 Prostituierten die letzten manifesten Krankheits*
erscheinuDgen
im Jahre 1904 .... 7 Mädchen
„ „ 1906. ... 70 ,
„ n 1907 .... 69 ff
aufwiesen, d. h., daß in den letzten V/^ Jahren (vom 1. Jänner
1906 bis Ende Mai 1907} bei 139 = 357o die Symptome der
Krankheit konstatiert und behandelt wurden.
Diese Häufigkeit illustriert noch genauer eine Zusammen-
stellung der im Laufe eines Jahres krank Befundenen. Von
70 Prostituierten, die im Jahre 1906 wegen Lues ins Spital
abgegeben wurden (was im Verhältnis zum täglichen Stande
der überwachten Mädchen 20% ausmacht), waren 51 mehr als
einmal im Spital behandelt und zwar
7mal 1 Prostituierte
6 » 1
ö „ 2
4 . 8
8 » 18
2 « 21
und unter 69 dem Krankenhause im J. 1907 übergebenen
Mädchen befanden sich 53 solche, welche schon im verflossenen
Jahre einer Behandlung unterworfen waren.
Die Syphilis unter den Prostituierten in Lemberg. 103
Der Arzt, welchem die Beobachtang und Überwachung
der inskribierten Mädchen obliegt, mufi immer auf gewisse
nicht geringe Schwierigkeiten in der Beurteilung der krank-
haften Veränderungen Torbereitet sein; er muß nämlich mit
der Tatsache rechnen, daß er es nicht mit Patientinnen zu tun
hat| welche selbst nach einer Behandlung verlangen, sondern
mit solchen, die gerade durch eine falsche Anamnese und
bewußt lägenhafte Darstellungen ihm seine Aufgabe zu er-
schweren versuchen.
Diese Schwierigkeit tritt vor allem stark hervor bei der
Konstatiemng krankhafter Veränderungen, welche nicht an den
Genitalien auftreten ; treten sie denn an den Genitalien hervor,
so müssen sie immer gemäß den bestehenden Vorschriften ohne
Rücksicht auf ihren klinischen Charakter einen Aufenthalt im
Spital zur Folge haben. Mit den erwähnten Schwierigkeiten
hat der behandelnde Arzt auch dann stark zu kämpfen, wenn
klinische Veränderungen gänzlich vermißt werden, und es sich
um die Eonstatierung einer überstandenen zurzeit latenten
Syphilis handelt. Von besonderer Wichtigkeit bleibt daher die
Frage, ob es gewisse besondere, der Untersuchung zugängliche
Merkmale gibt, welche die Erkrankung kenntlich machen und
die Diagnose erleichtem können.
Was den klinischen Charakter der bei Prostituierten
vorgefundenen Erscheinungen anbelangt, so muß ich bemerken,
daß die Rezidive meistens bei regulär überwachten Mädchen
in ihrem Anfangsstadium und nur vereinzelt angetro£Pen werden.
Denn bekanntermaßen kommt es bedeutend seltener zu ihrer
Verallgemeinerung, wenn jedes Rezidiv gleich im Anfangsstadium
eine zweckmäßige Behandlung erfährt. Auf 139 im J. 1906
und 1907 behandelte Fälle notierte ich 90mal nässende Papeln,
7mal trockene Eruptionen an den Genitalien und deren Um-
gebung und in 42 Fallen wurden Ezkoriationen, Rhagaden,
follikuläre und weiche Geschwüre konstatiert. Der häufigste
Sitz der nässenden Papeln sind die Genitalien, was vor allem
die lokalen Reizungen mit sich bringen (85 Fälle), dann kommt
die Schleimhaut der Gaumenbögen und der Mandeln, die
Schleimhaut der IJppen, am seltensten die Gegend des Afters.
Verschiedenartige Exantheme der äußeren Bedeckungen habe
ich 15mal konstatiert.
104 Fap6e.
Die Gelegenheit zur Konstatiernng eines typischen Primär-
Effektes bei den Prostituierten (wie überhaupt bei den Frauen)
gehört zu den Seltenheiten. Nicht selten überzeugen wir uns
dagegen erst ex post, daß die Eintrittsstelle des Krankheitserre-
gers eine lokale Affektion Ton gar nicht verdächtigen Charakter
darstellte. Ein typischer Primäraffekt wurde auf 306 Fälle nur
17mal konstatiert, darunter in 3 Fällen mit dem Sitze an der
Portio vaginalis. In 3 Fällen sind sekundären Erscheinungen
Geschwüre, die nichts Typisches darstellten und nur mit einer
Anschwellung der Labien (Oedema indurativurn) kompliziert
waren, nach einigen Wochen nachgefolgt. Wir haben femer
25 Fälle beobachtet, in welchen die syphilitische Ansteckung
auf ganz unverdächtige primäre Veränderungen zurückzufuhren
war. In ]1 Fällen bestanden diese primären Veränderungen in
gewöhnlichen Geschwüren (Ulcus simplex), 6mal entsprachen sie
leichten Erosionen, während in 7 Fällen weiche Geschwüre oder
ein Cihancre mixte den Primäraffekt darstellten. In einem Falle
beobachtete ich als primäre Krankheitserscheinung einen beider-
seitigen Herpes labialis mit Anschwellung der Labien ; 7 Wochen
später folgte ihr ein knötchenförmiges Exanthem und nässende
Papeln der Mundschleimhaut.
Was die charakteristischen Merkmale anbetrifft, nach
welchen man eine früher Qberstandene Lues konstatieren könnte,
so finden wir an der Stelle der Primäraffektion, welche ohnehin
selten festzustellen ist — nach ihrer Vemarfasog — gar keine
sichtbaren Veränderungen. Die Entstehung ein«r jQharakteristisch
infiltrierten, verhärteten Narbe gehört zu den seltenen Erschei-
nungen; es kommt vor, daß an dieser Stelle eine Pigmentation
entsteht.
Unter anderen Merkmalen wären noch an erster Stelle
zu erwähnen: die Lymphdrüsenanschwellung mit ihrer charak-
teristischen Härte, welche Veränderung wir als Merkmal einer
nicht weit zurückliegenden Infektion betrachten müssen, wenn
wir sie auf Stellen antreffen, wo für gewöhnlich sie seltener
zu finden ist In erster Linie wird dies an den SubmaxiUar-
drüsen und Gubitallymphdrüsen zu beobachten sein, in kleinerem
Maße an den Leistendrüsen, auf deren Vergrößerung auch ört-
liche Einflüsse einwirken können. Eine charakteristische Ver-
Die Syphilis anter den Prostitaierten in Lemberg. 105
größerung und Verhärtung der Submaxillardrfisen habe ich. in
27 Fallen, der Cubitaldräsen in 23 und der Inguinaldrüsen in
79 F^en konstatiert.
Eine Beihe Yon Spezialisten hebt die besondere Häufig-
keit eines spezifischen Kehlkopfkatarrhes bei den Prostituierten
hervor und verlangt infolgedessen laryngoskopische Kehlkopf-
untersuchungen (Schrank). Ich kann nach meinen persön-
lichen Erfahrungen diese Beobachtung nicht bestätigen und
kann demnach die Notwendigkeit der vorerwähnten Unter-
suchung in jedem einzelnen Falle nicht befürworten, umsomehr,
da wir, wenn es sich um] eine spezifische Laryngitis in frischen
Fällen handelt, gleichzeitig auch genug andere Krankheits-
erscheinungen nachweisen können, um uns fiir eine Spitals-
behandlung zu entscheiden.
Sonst habe ich bei der Untersuchung des ganzen Mate-
rials keine anderen Merkmale konstatieren können, aus denen
man auf eine überstandene Lues schließen könnte. Die Rötung
der Rachenschleimhaut, die man fast bei allen Prostituierten
antrifft, kann nicht als spezifisch betrachtet werden, wenn man
die Lebensweise der Mädchen, insbesondere das Rauchen und
den Alkoholgenuß berücksichtigt.
Auf der Haut (abgesehen von der später zu besprechenden
Leukoderma) habe ich bei meinen Untersuchungen keine Narben
oder Pigmentierungen, die gewisse Hauteruptionen durch längere
Zeit hinterlassen, beobachtet, mit Ausnahme einiger Fälle von
Lues tarda. Die in ziemlich vielen Fällen in der Leistengegend
gefundenen Narben schreibe ich den Bubonen infolge eines
weichen Geschwüres zu. An den Schamlippen habe ich einige
Male Pigmentflecke oder Pigmentatrophie nach breiten Kondy-
lomen konstatiert.
Ein Symptom, dem wir oft bei Frauen im frischen Sta-
dium der Syphilis begegnen, ist das Leucoderma syphiliticum;
viele Autoren geben an, es fast bei der Hälfte der mit Syphilis
behafteten Frauen konstatiert zu haben. Die an den Lemberger
Prostituierten angestellten Untersuchungen bestätigen gewisser-
maßen diese Tatsache. Infolgedessen müssen wir dieses Symptom
als ein sehr wichtiges diagnostisches Zeichen bei den Prostitu-
ierten betrachten; man darf aber nicht vergessen, daß eben
106 Pap«e.
bei dieser Kategorie von Patientinnen andere ähnliche Ver-
änderungen in der Pigmentierang, der Haut yorkommen, Tor
allem infolge Yon Pediculosis, welche aber für ein geübtes
Auge keine diagnostischen Schwierigkeiten bieten.
Bei unseren Prostituierten fand ich Leukoderma bei 41
Mädchen an der Haut des Halses und Nackens, in 2 Fällen
ganz frischer Syphilis am ganzen Körper. Was den Zeitpunkt
seines Auftretens anbelangt, so begleitete es meistens frische
Stadien der Krankheit gewöhnlich bis zum dritten Jahre; in
einem Falle war es noch nach 6, in je einem nach 8 und 9
Jahren sichtbar (Neumann hat Leukoderma in 2 Fällen nach
12 Jahren, Bettmann nach 9 Jahren beobachtet).
Was das Alter und die Zeit anbelangt, in welcher die
meisten Prostituierten Syphilis acquirieren, so wird allgemein an-
gennommen, daß das Alter von 17 — 20 Jahren und die zwei erste
Jahre der Ausübung ihres Gewerbes derjenige Zeitabschnitt
sind, in welchem sie am leichtesten der Infektion unterliegen«
Daraus folgert man ganz richtig, daß die jüngeren Pro-
stituierten, die erst begonnen haben, ihr Gewerbe auszuüben,
ohne Rücksicht natürlich auf die Einregistrierung, die sich sehr
selten mit dem eigentlichen Beginn ihres Treibens deckt, am
gefährlichsten sind, und daraus muß man auch weiter die Tat-
sache entnehmen, daß eben diese Personen aus sanitäts-poli-
zeilichen Rücksichten einer viel präziseren sanitären Obhut
bedürfen.
Diese Ergebnisse werden auch im Ganzen von meinen im
Nachstehenden kurz dargestellten statistischen Berechnungen
bestätigt.
Auf 802 öffentliche Mädchen, die Syphilis im allgemeinen über-
standen hatten, konnte man bei 273 genau die Zeit der Ansteckung
bestimmen und von diesen haben sich mit Syphilis vor der Einregi-
strierung 57 z: 20*8%
angesteckt. Im Momente der Eintragung hatten schon sekun-
däre Erscheinungen . . • \ « , . . 14 =: 5'l7o
Im 1. Jahre nach der Eintragung wurden syphilitisch ... 85 = 81*l7o
im 2. Jahre 68 =: 24-8Vo
im 3. Jahre 86 =: 10-87p
im 4. Jahre 13 z: 4-8%
Die Syphilis nnter den Prostituierten in Lemberg. 107
Im Bezug auf das Alter waren 144 Prostitnierten, welche im 1. bis
3. Jahre der Krankheit standen, und in Lemberg von Anfang an regi-
striert waren
zwischen dem 15. — 20. Lebensalter . . . 54 zz 87*5%
j, „ 20.— 25. „ . . . 61 =: 42'3Vo
„ 25.— 80. „ ... 25 z: 17-87o
über 80 Jahre 4 =: 2-77o
Diese BerechDungen decken sich mit dem, was andere
Autoren in dieser Beziehung angeben; die graphische Enrve
zur Veranschaulichung dieser Verhältnisse auf Grand eines
Beobachtungsmateriales von 1207 Prostituierten aus den Spitals-
abteilungen von JuUien, Le Pilleur, Barthelemy des
St. Lasar-Spitals zeigt den höchsten Stand der Syphilitischen,
entsprechend dem Alter von 17—19 Jahren; der Gipfel dieser
Eurye liegt im 18. Lebensjahre (Bett mann).
Auch Sperk hat nachgewiesen, daß die Mehrzahl der
syphilitischen Mädchen unter den jüngeren zu suchen ist (47*6 %
zwischen dem 15. — 20. Lebensjahre); auch in Breslau waren
unter den im 1. — 4. Jahre der Erkrankung stehenden 42*9 7o
in einem Alter von weniger als 20 Jahren (Bettmann) und
unter den ins Spital wegen Lues aufgenommenen waren 44*9 %
in einem Alter von 15 — 20 Jahren (Neisser).
Die syphilitischen Mädchen, wie ich schon vorher ange-
geben, habe ich in zwei Gruppen geteilt; zur zweiten Gruppe,
die Sperk und andere als syphilitisiert bezeichnen, habe ich
alle Prostituierten zugerechnet, welche rezente Erscheinungen
seit 3 Jahren, d. h. vom 1. Jänner 1904 nicht aufwiesen. Die
Zahl dieser Mddchen betrug 120, was im Verhältnis zur Ge-
samtzahl 3r47o ergiebt. Der Beginn der Infektion fällt bei
ihnen zu mindest auf das Jahr 1902, in den meisten Fällen
reichte sie jedoch noch viel weiter zurück. Zu dieser Kategorie
zählen aber auch vorwiegend ältere Mädchen, die schon lange
inskribiert sind, mit Ausnahme einiger im Jahre 1902 und
1903 in Lemberg zwar erst eingetragenen, aber schon früher
in anderen Städten registrierten, wie folgende Zusammen-
stellung darstellt.
In die Prostituiertenliste waren eingetragen
108
PapSe.
im Jahre 1876 1
»
n
n
n
9
n
n
9
9
9
9
9
1886. .
1888. .
1890. .
1891 . .
1893. .
1893. .
1894. .
1895. .
1
1
5
3
2
8
5
4
im Jahre 1896
1897
1898
1899
1900
1901
1902
1903
9
9
9
9
9
9
9
1»
9
9
9
16
11
18
5
14
12
6
7
Die letzten firscheinungen einer frischen Syphilis kon-
statierte man bei ihnen
im Jahre 1908 .. 38 Fälle
im
Jahre
1895 . .
1 FaU
9 »»
1902 . .23
9
R
9
1894 . .
* n
9 9
1901 . . 12
9
R
9
1893 . .
3 Fälle
9 9
1900 . . 9
9
9
9
1892 . .
1 Fall
9 9
1899 .. 6
9
9
9
1889 . .
1 9
9 9
1898 . . 2
9
9
9
1888 . .
* 9
9 9
1897 . . 4
9
9
9
1887 . .
*- 9
9 9
1896 . . 4
n
9
9
1885 . .
* 9
Bei 13 Prostituierten, die in Lemberg im J. 1902 und
1903 inskribiert waren, früher aber außerhalb Lemberg in
Eyidenz geführt waren, konstatierte man keine Krankheits-
erscheinungen seit ihrem Aufenthalte in Lemberg.
Alle diese Mädchen haben eine genaue, wiederholte Spitals-
behandlung hinter sich. Dies sowohl, als auch der umstand,
daß ein Rezidiv im Laufe der letzten 3 Jahre nicht mehr
konstatiert wurde, und die Infektion schon zeitlich ziemlich
weit zurückliegt, erlauben uns, diese Gruppe von Mädchen als
die am wenigsten gefährliche und somit den sanitären An-
forderungen am meisten entsprechende zu bezeichnen, um so
mehr, da zu dieser Gruppe ältere Mädchen gehören, deren
Schleimhaut mit der Zeit gegen äußere Einflüsse widerstands-
fähiger geworden ist und die sich an Reinlichkeit schon ge-
wöhnt haben.
Obwohl man aber annehmen kann, daß bis zu einer
gewissen Grenze die Syphilis dieser Mädchen an Virulenz und
Ansteckungsfähigkeit viel Terloren hat, so können wir doch
nicht ohne Bedenken diese 31*47o dieser Mädchen als solche
betrachten, die schon unschädlich sind und demnach jeder
Die Syphilis anter den Prostitaierten in Lemberg. 109
sanitären Beaufsichtigung entbehren könnten. Denn einerseits
lehrt uns die Erfahrung, daß wir in jedem einzelnen Falle
nicht gleich a priori annehmen können, daß der Krankheits-
prozeß schon gänzlich erloschen sei, und daß, obgleich selten,
doch Fälle vorkommen^ in welchen nach jahrelang dauernder
Latenz der Symptome infektiöse Erscheinungen zum Vorschein
kommen; anderseits treten oft bei diesen Mädchen an den
Genitalien Veränderungen auf, deren Zusammenhang mit der
überstandenen Lues wir nicht bestimmt ausschließen können.
Als Beispiel erwähne ich hier die weichen Geschwüre mit ganz
typischem Aussehen, welche erst bei Einleitung einer spezifischen
Merkurialbehandlung heilen.
So wurde z, B. bei dieser Gruppe von Lemberger Pro-
stituierten konstatiert, daß in den Jahren 1904—1907 von 120
Mädchen 54 dem Erankenhause überwiesen wurden wegen
Erkrankungen, die in keiner Beziehung zur Syphilis standen
und zwar:
wegen weichen Schanker 16
„ oberflächlichen Erosionen 19
9 Rhagaden 4
„ Tripper 15
Es yerbleiben daher in dieser Kategorie als ganz frei
Ton Erkrankungen auch in diesem Zeiträume 66 Mädchen, bei
denen man also vom Jahre 1904 an weder die rezenten Formen
der Lues noch andere yenerische Erkrankungen konstatieren
konnte. Im Verhältnis zur Gesamtzahl der Einregistrierten
erhalten wir also 17 '2%, die man in sanitärer Hinsicht als
YoUkommen entsprechend betrachten kann.
Zuletzt möchte ich der Mädchen erwähnen, bei denen
man weder derlei Anhaltspunkte für überstandene Lues kon-
statieren, noch während der ganzen Beobachtungsdauer syphi-
litische Erscheinungen bemerken konnte; es waren ihrer
76 = 19'87o- ^^^ Ausnahme der im letzten Jahre gemeldeten,
bei denen natürlich die Beobachtungsdauer kürzer war, waren
alle anderen seit ziemlich langer Zeit und das Yom Beginn
ihres Gewerbes in Lemberg inskribiert und beobachtet, wie
aus folgender Tabelle ersichtlich ist.
Einregistriert wurden
110 Pap^e.
im Jahre 1881 1 im Jahre 1890 2
, , 1886 a , „ 1900 8
» , 1886 1 „ , 1901 4
» » 1890 1 „ „ 1902 4
» » 1891 1 „ „ 190S 5
, n 1898 1 „ . 1904 4
. » 1894 2 „ „ 1906 8
. , 1896 8 „ „ 1906 16
» „ 1896 2 „ „ 1907 6
» » 1897 6
Sie etanden im Alter:
von bis 20 Jahren 21
zwischen 20—30 Jahren .... 86
von 80—40 Jahren -15
Yon über 40 Jahren 4
Selbstverständlich kann man dem Umstände, daß bei
ihnen durch die ganze Beobachtungsdauer keine syphilitischen
Krankheitserscheinungen konstatiert wurden, nicht die Bedeutung
beilegen, diese Mädchen seien als sicher nicht syphilitisch zu
bezeichnen.
Bei einigen yon ihnen (9 Personen) hat schon die kon-
statierte Anschwellung der Leistendrüsen gewisse Zweifel wach-
gerufen, bei anderen wieder öfters vorgekommener Abortus.
Dieser letzte Umstand kann nicht ohne Bedenken der Syphilis
zugeschrieben werden, da bei den Prostituierten auch noch
andere Einflüsse in Betracht gezogen werden müssen (Tripper,
ihre Lebensweise, künstlicher Abortus etc.). Wir müssen dann
auch dies berücksichtigen, daß unter den anscheinend gesunden
Mädchen sich auch solche befinden können, welche in der
Latenzperiode der Syphilis stehen und weiter, daß Fälle vor-
kommen, in welchen eine länger, ja jahrelang dauernde
Beobachtung keine Erscheinungen der sekundären Syphilis
konstatierte und doch später tertiäre Lues auf einmal zum
Vorschein kam. Bei 2 Mädchen unter den Lemberger Pro-
stituierten kam es bei einer nach 7, bei der anderen nach
5 Jahren, in weichem Zeiträume bei ihnen gar keine syphi-
litischen Symptome konstatiert wurden, zu einer Gehirnsyphilis.
Bevor wir überhaupt die Frage nach einer überstandenen Lues
verneinen können, müssen wir alle diese atypischen Formen
im klinischen Verlaufe der Lues im Auge behalten, die ein
jeder erfahrene Arzt zu beobachten Gelegenheit hat
Die Syphilis unter den Prostituierten in Lemberg. m
Schließlich können einige von diesen Mädchen, bei denen
wir Syphilis nicht nachweisen konnten, ihre Immunität anderen
Umständen yerdanken : also einer in Eindesjahren oder später,
jedenfalls aber lange vor der Einregistrierung überstandenen
Syphilis, oder es konnte diese Immunität auch angeboren oder
durch Befruchtung durch syphilitische Männer entstanden sein.
Wenn wir aber auch die Möglichkeit, daß ein gewisser
Teil der öffentlichen Mädchen, trotzdem sie längere Zeit ihr
Gewerbe betreiben, einer Ansteckung entgeht, nicht absolut
ausschließen können, so dürfen wir doch diese Möglichkeit nur
mit dem Vorbehalt annehmen, daß es nicht angeht, den Mangel
an Symptomen mit dem Begriffe „gesund** zu identifizieren.
Daher ist die Zahl der unter diesen Begriff Subsummierten
derart zu reduzieren, daß sie 10% der Gesamtzahl nicht über-
schreiten dürfte.
Als Beweis dafür, daß die Mädchen doch jahrelang eine
Ansteckung Termeiden können, führe ich folgenden Fall vor:
Bei einem Mädchen, welches im J. 1900 in Lemberg einregi-
striert wurde und seit dieser Zeit ohne Unterbrechung in
Lemberg beobachtet war, konstatierte man eine frische Infek-
tion erst im Juli 1907 (Roseola, papulae ad genitalia et fauces
und eine rezente Drüsenanschwellung).
Sederholm fand im Hospital zu Stockholm auf 2131
Prostituierte bei 35'17o derselben keine Anhaltspunkte für
Syphilis vor. Raff in Breslau bei 3fi*17o; Wwedensky fand
unter den Prostituierten der Petersburger Bordelle 39'67o
nichtsyphilitische, wobei er aber ausdrücklich betont, daß man
diese ganze Zahl nicht als „gesund' betrachten kann.
Was die Lues tarda anbelangt, so lassen sich meine Er-
fahrungen dahin zusammenfassen, daß das Auftreten Ton Spät-
erscbeinungen sehr selten beobachtet wird. Unter der Gesamt-
zahl der Untersuchten habe ich nur 7 Mädchen mit Lues tarda
vorgefunden d. h. l*87o- In ^ Fällen waren es Geschwüre der
Gaumenbögen und des Gaumens mit nachfolgender Destruktion
und Perforation derselben, in 3 Fällen charakteristische Narben
der Haut als Folge von großen und tiefen Geschwüren, in
einem Fall Gehimsyphilis und in einem kreisförmige Infiltrate
mit peripherisch fortschreitendem Zerfall des Gewebes.
112 Papige.
Meine Untersachungsergebnisse lassen sich in folgende
Schlußsätze zusammenfassen :
1. Ein überwiegender Teil der Prostituierten, welcher
80 — 85% der Gesamtzahl entspricht, unterliegt in dem Zeit-
abschnitt, in welchem sie ihr Gewerbe ausüben (0 — 29 Jahre),
der luetischen Infektion.
2. Unter den mit Lues infizierten Prostituierten finden
sich 46% loit rezenten Krankheitserscheinungen (breite Kon-
dylome), obwohl beinahe in einem Drittel dieser Fälle die Dauer
der Krankheit mehr als 3 Jahre betrug, d. h. über die Durch-
schnittsdauer des Frühstadiums der Syphilis hinausgiug.
3. Von den mit Syphilis behafteten Prostituierten ent-
fallen zirka 30% auf das erste bis dritte Erkrankungsjahr,
welches Krankheitsstadium als das für das Gemeinwohl gefähr-
lichste anzusehen ist
4. Bei 3l7o der an Lues Erkrankten waren seit 37,
Jahren keine Krankheitserscheinungen nachzuweisen; unter
diesen wieder waren 177o überhaupt seit 3Vs Jahren mit gar
keinen venerischen Krankheiten behaftet.
5. Was die Zeit anbelangt, in welcher die Prostituierten
die Krankheit akquirieren, können wir feststellen, daß Yg = 25%
die Krankheit vor der Eintragung in die Liste der öffentlichen
Mädchen erwirbt oder sich im Anfangsstadium der Krankheit
meldet, 567o erliegt der Infektion in den ersten 2 Jahren der
Ausübung ihres Gewerbes.
Was das Alter der Mädchen anbetrifft, welche sich im
Frühstadium der Syphilis (vom 1 . — 3. Jahre) befinden, so waren
darunter 377o i^ einem Alter von unter 20 Jahren, 42% in
einem Alter yon 20 — 25 Jahren.
6. Zuletzt wäre noch zu erwähnen, daß die Anzahl der
mit Syphilis behafteten registrierten Mädchen nur um ein
Geringes die Anzahl der syphilitisch Erkrankten unter den
nicht registrierten^ der Untersuchung nur gelegentlich zuge-
wiesenen Mädchen übertrifft.
BericM ülier die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
▲rek. f. Dennat. a. Sjph. Bd. LXXXIX. 8
Verhandlungen der Berliner dermatologisclien
GeseUschafL
Sitiang vom 12. November 1907.
Vorritzender: Leiser. Sohriftföhrer: Pinkut.
1. Hoff mann stellt einen Fall von narbiger AI opecie vor, die
vor einem Jahr begonnen hat. Diese Fälle Eeichnen sich dadarch ans.
daß niemalt Pasteln auftreten. Der Sohädel und das Hinterhani>t sind
meistens betroffen, die Affektion breitet sieh bis zur Peripherie des
Kopfhaares aus.
2. Hoffmann stellt einen zweiten Fall von narbiger Alopecie
vor, die man als Perifollicnlitis cioatrisans mit Abszeßbildanir
bezeichnen könnte. Die Affektion hat sich in der Weise entwickelt, dao
cnerst kugelige Yorwölbungen auftraten, aus denen man auf Druck Eiter
entleeren konnte. In die pustulöse Öffnung drang die Sonde 4 em und
selbst tiefer hinein. Nobl hat in der Wiener Dermatologischen Oesell-
flchaft einen ähnlichen Fall vorgestellt als profunde, dekalvierende Folli*
kulitis; ein Fall von Dermatitis follicularis und Perifolliculitis oonglome-
rata, der aich über den ganzen Körper ausbreitete, ist von Spitzer be-
zchrieben worden. Diese Form der narbigen Alopecie ist sehr selten.
Unter Umschlägen und Anwendung von Schwefelsalbe hat sich der Prozeß
bedeutend gebessert.
8. Hoffmann berichtet über einen Fall von Phlykteniden, die
«ich im Gesicht, auf Brust und Rücken lokalisiert hatten und vielfach
«inen herpetischen Charakter zeigten. Der Patient litt seit 14 Tagen an
Oonorrhoe, bekam dann schmerzhafte Schwellung der Inguinaldrüsen und
Schüttelfrost, der ein remittierendes Fieber einleitete. IV» Tage später
trat das eigentümliche infektiöse Erythem auf. Nicht nur im (Irin, sondern
auch in dem Drüsenpunktat sind Goaokokken nachgewiesen worden. £s
fragt sich, ob in diesem Falle eine jener Ausschlagsformen vorliegt, die
von Wunderlich u. a. als Phlykteniden-Emption beschrieben worden
aind, and ob die Gonokokken im stände sind, einen derartigen Ausschlag
hervorzurufen. Wenngleich die bisherigen, als gonorrhoisch angesprochenen
Exantheme keinen herpetiformen Charakter hatten, so glaubt H. trotzdem
das ganze Bild auf eine Gonokokkeninfektion zurückführen zu sollen;
allerain$;s müßte man daran denken, ob nicht möglicherweise eine sekun-
däre Infektion vorliegt.
4. Hoffinann berichtet über einen Patienten, der seit etwa einem
Jahr an einer schweren Syphilis litt, die mit großen Dosen von Jodkali
und Quecksilber behandelt wurde. Der Patient bekam plötzlich Hustenreiz
und eine Dämpfung beider Lungenspitzen; Sputum war wenig vorhanden.
8*
116 Verhandlungen
Die DiaffnoBe wurde von einem Kliniker als peribronchiale, knötchenför-
mige Tuberkulose ohne Tuberkelbazillennachweis gestellt. Patient erbracb
alle Speisen und war durch das Fieber sehr heruntergekommen. Nachdem
drei Tage lang Jodkali angewendet werde a war, war der Patient fieber-
frei. Die Besserung machte dann weitere Fortschritte und die D&mpfung^
bald zurück. Die Therapie hat also gezeigt, daß es sich in diesem
alle um eine Lungensyphilis gehandelt hat Diese Prozesse können^
sich auch bereits in der Frühperiode entwickeln und werden hier mit-
unter übersehen. Die Mutter des Patienten ist, wenn auch in hohem Alter,
an Tuberkulose gestorben. Gegenüber der in neuester Zeit von Körner
und Wolters veröffentlichten Arbeit, in welcher eine aszendierende
Tuberkulose der Luftwege mit Quecksilber und Jodkali geheilt worden
ist, möchte H. davor warnen, diese Mittel nicht nur als spezifische Mittel
gegen Syphilis, sondern auch gegen Tuberkulose zu betrachten.
Heller fragt, ob der zweite Fall von Alopeoie nickt als eine
Folliculitis decalvans aufgefaßt werden könnte, da nur ein gradueller
Unterschied besteht, ob der Eiterungsprozeß die Follikel ergreift oder
sich auch noch weiter in die Tiefe ausdehnt.
Ho f f m ann erwidert hierauf, daß die Fälle von Folliculitis decalvan»
eine flächenhafte Ausdehnung haben und daß in dem vorgestellten Falle
halbkugelformige weiche Tumoren sichtbar waren, die mit einer Folliculitis
wenig gemein haben. Im Eiter fanden sich weder Bakterien noch Pilze..
Arndt: Gegen die Diagnose Folliculitis decalvans spricht auch die
prompte Reaktion auf die Therapie. Dieser Patient zeigte auf die Behand-
lung eine solche Besserung, daß die Affektion kaum wieder zu erkennen ist.
Lesser macht darauf aufmerksam, daß bei der Folliculitis decal-
vans ein, wenn auch langsames, so doch stetes Fortschreiten des Prozesser
in der Peripherie stattfindet.
Isaak erwähnt einen Fall, bei dem die Diagnose von einer Reihe
von Klinikern auf Tuberkulose gestellt war; es handelte sich um eine
Entzündung des Hand- und Eilbogengelenks und eine starke Knotenbil-
dnng in beiden Hoden. Syphilis ist angeblich niemals dagewesen. Auf
Jodkali und eine darauf folgende Inunktionskur ging das Fieber zurück
und die Erscheinungen in den Gelenken verschwanden vollständig,
während die Affektion der Hoden ziemlich unverändert blieb. Dieser
Fall spricht dafar, daß man in derartigen Fällen die Mittel doch pro-
bieren soll.
Saalfeld ist der Ansicht, daß in dem von I s a a k soeben erwähn ten^
Fall trotz der von mehreren Klinikern auf Tuberkulose gestellten Diagnose
Lues vorlag, und warnt dringend davor, ohne weiteres bei Tuberkulose
Jodkali und Quecksilber zu geben; bekanntlich reagieren Tuberkulöse
gewöhnlich sehr schlecht auf Quecksilber. Er hat mehrere Fälle gesehen
von Tuberkulose und Syphilis, bei denen die Tuberkulose durch die Queck-
silberkur eine außerordentliche Verschlimmerung erfahren hat Bezüglich
des Falles von Alopecia stimmt S. der Diagnose des Herrn Hoffmann bei^
Rosenthal bemerkt zu dem Fall von Lungensyphilis, daß der-
artige Fälle der Diagnose oft kolossale Schwierigkeiten entgegensetzen,
«ber doch keine so große Seltenheit sind. Er erinnert sieb im Laufe der
der Berliner dermatologischen Gesellschaft. 117
Jahre mehrere einschligige Fftlle gesehen zu haben. Der eine kam ans
irgend einem Grande in die Klinik nnd brachte die Diagnose „Tnber-
knlose" mit. Da alle Antifebrilia ohne Erfolg geblieben waren, so ¥nirde
trots der ausgesprochensten Spitzend&mpfang eine antisyphilitisohe Be-
handlung mit glänzendstem Erfolg eingeleitet. Die verfehlten therapeu*
tischen Eingriffe beruhen auf der Schwierigkeit der differentiellen
Diagnose.
Was den Fall von Phlykteniden-Bildnng anbelangt, so ist R. der
Überzeugung, daß derartige Fälle unbedingt auf bakterielle Infektion
anräckzufähren sind. Phlykteniden, Erythema exsudativurn, Purpura und
Ahenmatismns sind Affektionen, die sich im Anschlufl an Angina häufiger
entwickeln und nur graduelle unterschiede einer toxischen Infektion
darstellen. Boeck-Christiania hat zuerst auf den Zusammenhang von
Angina und Diphtherie und Erythema nodosum aufmerksam gemacht.
L e s s e r ist ebenfalls der Ansicht, [daß eine Anzahl von derartigen
Lungenfallen unter falscher Diagnose behandelt werden ; f&r absolut selten
hält er derartige Fälle aber nicht.
Richter erwähnt, daß in der Literatur eine gtuxte Anzahl von
Beobachtungen vorliegen, in denen die Jodpräparate bei Tuberkulose
l^eholfen haben sollen.
Isaak fägt hinzu, daß in seinem Falle höchst wahrscheinlich doch
eine Tuberkulose der Hoden vorgelegen hat. Die spezifische Behandlung
hatte keinerlei Einfluß auf diese Tumoren. Würde nur eine reine Syphilis
vorgelegen haben, so würden auch die Hoden eine Änderung gezeigt haben.
Hoff mann fBgt hinzu, daß sein Fall insofern noch bemerkenswert
ist, als er sich unter den Kennzeichen der Tuberkulose im ersten Jahre
der Lues entwickelt hat. Spirochaeten sind übrigens im Blut nicht ge-
funden worden.
6. Arndt stellt einen Fall von Liehen ruber planus vor, bei
dem sich Effloreszenzen auf der Haut des Rumpfes und der Arme zeigten
und verrucöse Plaques auf den Unterschenkeln vorhanden waren. Auch
die behaarte Kopfhaut zeigte eine Anzahl leicht atrophischer Herde von
grauroter Farbe, die eine Erweiterung und Verhomung der Follikel-
mündungen vermissen ließen, so daß diese Lokalisation einen Lupus ery-
thematosus vortäuschen konnte. Femer bestanden um den Anus herum
Leukoplakie ähnliche Verdickungen der oberflächlich macerierten Epidermis.
Von diesen Plaques zogen sich diffuse grauweiße und netzförmige Streifen
nach der Umgebung. Am Damm bestanden leicht infiltrierte, mit fest
haftenden Schuppen bedeckte Streifen.
6. Arndt stellt einen 70jährigen Patienten vor mit einem hand-
ffächengroßen Epitheliom derRückenhaut, das sich scharf abgrenzt
und stellenweise polyzyklische Konturen zeigt. Die Mitte der Plaque ist
glatt atrophisch, die Umgebung zeigt einen iVt ^^ breiten, walliurtig^n
aum von ziemlich derber Konsistenz. Der Beginn der Erkrankung soll
ungefähr 20 Jahre zurück liegen. Subjektive Beschwerden bestehen in
einem zeitweise auftretenden mäßigen Jucken. Die mikroskopische Unter-
suchung bestätigte die Diagnose.
Hoff mann macht darauf aufmerksam, daß nach dem klinischen
Charakter dieser Fall vom gewöhnlichen Ulcus rodens verschieden ist.
118 Verhandlanf(en
Merkwürdig sind die an yerBchiedenen Stellen^nchtbaren Epithelherde^
die außen Zylindenellen seigen and innen Zellen, [die anf dem Stand-
ponkt der Basalsellen stehen geblieben sind.
Saalfeld ist der Ansicht, daß sich diese Epitheliome ans einer
senilen Warse entwickelt haben.
Arndt erwidert, daß die Afiektion erst bemerkt warde, als sie
bereits eine gewisse Größe hatte; ans dem sogen. Keratoma senile, das
man Ton der senilen Warse trennen muß, entwickeln sich h&nfiger der-
artige Epitheliome.
Hoff mann ist der Ansicht, daß Epitheliome, die sich ans senilen
Warsen bilden, einen mehr geschwulstartigen Charakter haben ; er glaabt»
daß sich nicht einmal ans einer seborrhoischen Warse ein solches Epi-
theliom entwickeln kann.
7. Arndt stellt einen Fall von Pityriasis rnbra pilaris vor
bei einer Patientin, die seit ihrem 3. Lebensjahr an der Affektion leidet.
Zwischen dem 6. und 15. Lebensjahre wurde sie Ton Kaposi unter der
Diagnose „Psoriasis*^ behandelt. Rona und Unna, die die Patientin
später sahen, stellten die Diagnose Pityriasis rubra pilaris. Die Patientin
seigt im Gesicht und auf der Haut des Rumpfes nnd der Extremitäten
flaonhandgroße, rundliche, bandartige, leicht atrophische Plaques von
blaßdunkelroter Farbe, die zum Teil mit lamellÖBen Schuppen bedeckt
sind. Im Bereich des Hsndruckens ist die Haut dunkel und schuppend
nnd sind sahireiche Einrisse vorhanden. Auch hier ist eine leichte Atrophie
sichtbar. Anf der Streckseite der Finger bestehen ähnliche Herde mit
deutlich erweiterten FoUikelmündunffeu. Auch die Füße sind in gleicher
Weise befallen, Handteller und FuDsohlen sind tylotiech verdickt, ohne
Schuppen und ohne Rhagaden, Naffel Veränderungen sind nicht vorhanden.
An beiden Knien sind Plaques vorhanden, die mit transversalen Streifen
versehen sind. Mittels Lupe sieht man in ihnen stecknadelsjpits- bis
stecknadelkopffi;roße, mit weißlichen Hommassen angefüllte Grübchen
disseminiert oder in Gruppen angeordnet. Nach ihrer Entfernung ist eine
deutliche kapilläre Blutung sichtbar. Diese Effloressensen haben ein
psoriasiformes Aussehen ; eine Schuppung der Kopfhaut ist nicht vorhanden.
Trots des nicht typischen Aussehens und des klinisch nicht übereinstim-
menden Bildes wiu*de die schon gestellte Diagnose „Pityriasis rubra pilaris*^
bestätigt.
Blaschko betont, daß die Fälle von Pityriasis rubra pilaris, die
er kennt, einen gans anderen Anblick haben, nur ein paar kleine Stellen
am Rücken erinnern an das Bild dieser Affektion. Vor einigen Jahren
hat er einen Fall vorgestellt, in dem er auf die überraschende Ähnlich-
keit der flächenhaften Plaques mit Psoriasis hingewiesen hat. In jedem
Falle von Pityriasis rubra pilaris finden sich außer den follikulären Ver-
änderungen derartige flächenhafte Ausdehnungen, die nur fester und
härter als die psoriatischen sind. In dem vorgestellten Falle treten aller-
dings die sonst die Hauptsache bildenden follikulären Veränderungen
gegen die flächenhafte Ausdehnung vollständig surück, infolgedessen
möchte er die Affektion als eine der Pityriasis rubra pilaris nahestehende
Krankheit ansehen.
Lesser betont, daß die Affektion nicht dem typischen Bilde der
Pityriasis rubra pilaris entspricht, aber noch viel weniger dem der
der Berliner derxnatologisohen Gesellschaft. 119
Psoriasis. Der Verlauf, die außerordentlich lange Dauer und die von
R6na Yorgenommenen mikroskopischen Untersuchungen sichern die
Diagnose.
Arndt fugt hinzu, daß man zwei Formen yon Pityriasis rubra
pilaris unterscheiden muß: nämlich diejenigen, welche in kurzer Zeit zu
einer Generalisation fuhren und bei denen alle charakteristischen Symp-
tome stark ausgeprägt sind, und zweitens die lokalisierten Formen dieser
Affektion. Derartige Fälle sind hauptsächlich nur an Euien und Ellbogen
vorhanden und figurieren unter der Rubrik Psoriasis. In dem vorgestellten
Falle ist die Affektion niemals geheilt, sondern nur vorübergehend ge-
bessert worden.
Rosenthal betont, daß das Bild der gewöhnlichen Pityriasis
rubra pilaris so vollständig von dem vorgestellten Falle abweicht, daß
sicherlich jeder, der eine solche Afiektion noch nicht gesehen hat, unbe-
dingt eine falsche Diagnose stellen würde, wenn er sich nur das Bild des
vorgestellten Falles einprägt.
8. Marciifie stellt einen Patienten mit einer ziemlich tiefen
ülzeration an der Unterlippe vor, die er ursprflnglich als ein
Gumma angesehen hatte. Vor einem Vierteljahr soll der ratient eine
ähnliche Affektion am Eehlkopfeingang gehabt haben, die innerhalb 24
Stunden fast vollständig verheilt war. Augenblicklich ist der Patient
mit Ghromsäure und Lapis touchiert worden und eine Diagnose ist schwer
zu stellen. Die Affektion geht von der Unterlippe aus und dehnt sich
bis auf die Wangenschleimhaut aus.
Saalfeld fragt, ob der Patient nicht vorher An tipyrin bekommen
hat; so tiefe Prozesse sind nach diesem Mittel nicht selten.
Marcuse erwidert, daß ein internes Mittel nicht gegeben worden
sein soll. Merkwürdig ist auch der Gegensatz zwischen dem subjektiven
Befinden, das sich enorm gebessert hat, und der fortschreitenden objek-
tiven Verschlechterung.
Lesser bittet den Fall noch einmal vorzustellen.
0. RosenthaL
Hautkrankheiten.
Anatomiei Physiologie^ allgetn. u. exp. Pattiologie^
patli« Anatomie^ Therapie.
FrM^rie, J. Beiträge zur Frage det Albinitmas. Zeit-
schrift f. Morphol. u. Anthropol. Bd. X. 1907. p. 216—989.
Der Albinismiu ist bei allen dankelfarbigen Bässen seit langem
bekannt and besonders in Afrika sehr verbreitet. Man mufi vor allem
den echten Albinismas, d. h. die kongenitale Leakopathie von der akqai-
rierten L. anterscheiden, welch' letztere hauptsächlich durch die Vitiligo
repräsentiert wird.
Die Vitiligo kommt auch häufig bei Negern vor, wie an großer
Literatur gezeigt wird. Die Depigmentierung tritt gewöhnlich erst im
späteren Alter auf, die einzelnen Flecken fließen dann später zusammen.
Die Haare bei echten Negeralbinos sind hellblond bis gelbiichweiß ;
die blonden in der Farbe mit dem Haar eines hellblonden Deutschen
durchaus zu vergleichen. Bei der histologischen Untersuchung fand sich
in allen 4 untersuchten Fällen ein di£Fuses Pigment, das in 2 Fällen (Ebi
und Tato) nicht in seine Bestandteile aufgelöst werden konnte. In dem
Haar der beiden Negeralbinos Ammanua und Bako fand Fr. neben dem
diffusen noch feinkörniges Pigment. Während Fr. mit Schwalbe annimmt,
daß die scheinbar diffuse Färbung blonder Haare sich immer (mit Immer-
sion) in Pigment körn eben auflösen lasse, scheint die Anwesenheit eines
wirklich diffus verteilten Pigmentes in albiuotischen Negerhaaren nach-
gewiesen. Am meisten Ähnlichkeit besitzt dieser diffuse Farbstoff mit
dem von Fr. in roten Pubes gefundenen. Hieför spricht auch die von
Porte, Buffon etc. hervorgehobene rötliche Nuance der Haare bei Neger-
albinos. Doch liegen weitere Anhaltspunkte für Beziehungen zwischen
Albinismus und Rutilismus bei Furopäem — bis auf die helle Hautfarbe
der Rothaarigen — kaum vor.
Die Vererbung des Albinismus ist verschiedentlich untersucht
worden : hier kommt vor allem der Eonsanguinität eine große ätiologische
Bedeutung zu. Fr. fuhrt nun eine von Farabce und Castle beschriebene
Bericht üb. d. Leistnngen auf dem Gebiete d. Haatkrankh. 121
Familie an, die folgende Yerhftltniste aufwies: Ein Negeralbino heiratet
eine tchwarse Negerin und erhftlt von dieser 8 Söhne, alle normal pig-
mentierte Neger. Diese heiraten wieder normale Negerinnen und erhalten
alle schwane Kinder bis auf den dritten: der bekam von 2 Frauen 16
Kinder, damnter 4 Albinos. Wir können nun mit Castle die „Mendel-
sehen Pravalensregeln** snr Erkl&rung anwenden, wobei wir den Albi-
nismns als „rezessives'' Merkmal annehmen. Bei den Söhnen aus der Ehe
des albinotischen Vaters mit der schwarzen Mutter siegte das dominierende
Merkmal (normale Pigmentation) über das rezessive. Kommt nun ein
solcher Bastard mit verdecktem rezessivem Merkmal zur Vereinigung mit
Individuen ohne dieses, so verschwindet das rezessive. Dies trifft für die
beiden älteren Bruder zu, der jüngere aber heiratet Frauen, die, wie er
selbst, neben dem dominierenden noch das rezessive Merkmal haben;
nach dem Mendelschen Gesetze muß sich die Anzahl der Bastarde mit
dominierendem Merkmal verhalten zu denen mit rezessiven wie 8 : 1
(11:4). Doch sprechen andere Fälle gegen die allgemeine Wirksamkeit
der Mendelschen Vererbungsregeln bei der Vererbung des menschlichen
Albinismus, so daß diese Frage vorerst in suspenso zu lassen ist
Arnold Löwen st ein (Prag).
Rosenfeld, G., Breslau. Hauttalg und Diät. Zentralblatt für
innere Medizin. 1906. Nr. 40. p. 986.
Anläßlich von Stoffwechselversuchnu, die Rosen feld zur Verglei-
chnng der eiweißsparenden Wirkung der Kohlehydrate und der Fette
unternahm, hat er auch die auf der Haut ausgeschiedene Talgmenge zu
bestimmen versucht. Dies geschah in der Weise, daß die Versuchspersonen
während der 8 — 9tägigen Emährungsperioden Tag und Nacht dieselbe
Wollunteijacke und Wollunterhose trugen. Diese wurden in Chloroform
gelegt, ausgepreßt und letzteres abdestilliert; der Rückstand wurde in
Äther gelöst, filtriert und getrocknet. Bei zwei mageren Personen wurde
bei Kohlehydraternährung die täglich ausgeschiedene Talgmenge auf
2*2—2*4, bei Fettnahrnng auf 0*94— 1*44^ berechnet. Der letzteren Menge
entsprachen auch die Zahlen bei zwei mit wenig Kohlehydraten ernährten
Diabetikern. Krukenberg sowie Leubuscher haben (allerdings mit
nicht sehr exakten Methoden) beim normal ernährten Menschen Zahlen
von 40*8 g und 15 g berechnet. Letzterer glaubte, daß fettreiche Kost
die Ausscheidung verdoppelt. Ersterer behauptete, daß durch starke Be-
wegung die Absonderung vermehrt werde, was Rosenfeld nicht bestä-
tigen kann. Ob die Schlüsse, die Verf. aus seinen Untersuchungen zieht:
1. daß der Hauttalg aus den Kohlehydraten herstamme, 2. daß Hauttalg
und ünterhautfett in keiner Beziehung zu einander stehen, 8. daß die
Furunkulose der Diabetiker auf verminderte Talgausscheidung zurück-
zuführen sei, berechtigt sind, mag dahingestellt bleiben.
A. Gassmann (Genf).
Zieler, K. Über Exsudatzellen bei der akuten asep-
tischen Entzündung des Bindegewebes.
122 Bericht über die Leistangen aaf dem Gebiete
Zieler gibt hier kurz die Betaltste wieder, die er mit einer neoen
Yersachitechnik erhalten hat und in eztenio in der Featichrift far
N eist er pnbliiieren wird. Als entsfindongterregendee Mittel diente, wie
in froheren Versnchen (Dermatol. Zeitachrift, 1906, Bd. XÜI), dai Bogen-
licht einer F ins en-Reyn -Lampe. In den ersten 15 Standen sind die
im Eotzfindangsgebiet erscheinenden Zellen als aus der Blntbahn stam-
mende Elemente anfsofassen and iwar gleichen sie TÖUig den im Blat
nachweisbaren Formen. In größerer Zahl treten saerst die kleinen rand-
kemigen Lymphocyten aaf, die sich dann im Gewebe dnreh Yermehrang
des Granoplasmas sa Zellen Tom Charakter sogenannter großer Lympho-
cyten umwandeln (Pol^blaaten Mazimows). Sie werden in den frühesten
Stadien hauptsächlich mit dem starken, fibrinreichen, entzündlichen
Exsadat aus den Gef&ßen mechanisch ins Gewebe hineingeschwemmt, nur
zum kleinen Teil ist ihr Erscheinen sa erkl&ren durch aktive Auswande-
rung, die aber in allen Stadien und in den späteren anscheinend häufiger
beobachtet werden kann. Die granulierten Leukocyten, die zunächst
gleichzeitig mit den Lymphocyten yorwiegend passiv ins Gewebe gelangen
(mangelnde amöboide Bewegungen), treten, wie in der Blutbahn, gegen-
über den Lymphocyten etwas zurück. Erst später wandern sie immer
zahlreicher aktiv aus und fiberwiegen schließlich im Gewebe ganz erheblich.
A. Gassmann (Genf).
Polland, Bud. Die ätiologische Rolle des Vasomotoren-
zentrums bei Herzneurosen, Morbus Basedowi and Angio-
neurosen der Haut. Zentralblatt für innere Mediz. 1907. Kr. 2. p. 41.
Polland beschreibt ausführlich den weiteren Verlauf des schon
von Er ei b ich (Die angioneurotische Entzündung, Wien 1905) publi-
zierten Falles von „angioneurotiscfaer'* Hautaffektion, der ein 15 Jahre
altes Mädchen betrifft. Der Ausschlag bestand in erythematösen, dann
urticariellen und teilweise nekrotischen Flecken, die nach und nach am
ganzen Körper, besonders im Gesicht, auftraten« Später zeigten sich nun
noch allgemeine Nervenstörungen, bestehend in psychischer Alteration
und Muskelzittem, femer die Symptome einer eigenartigen Herznenrose,
die sich am meisten der paroxysmalen Tachykardie nähert. Eigentliche
hysterische Symptome waren nicht vorhanden. Verf. ist der Ansieht, daß
für diese Symptome die gleiche Ätiologie wie für die Hanterscheinungen
anzunehmen sei und zwar, nach Kreibichs Theorie, reflektorische
Störungen im Sympathioussystem, bedingt durch eine gesteigerte Erreg-
barkeit des Vasomotorenzentrums der Oblongata. Die Reflexvorgänge
können längere Zeit nach Wirkung des Reizes auftreten („Spätreflexe*).
A. Gassmann (Genf).
Saudek, J., Brunn (Prosektur Sternberg). Zur Kasuistik
der „Kolloiden Degeneration der Haut im Granulations-
and Narbengewebe". Wiener klin. Wochenschr. 1907. Nr. 15.
Der Autor berichtet über die Beobachtungen bei der histologischen
Untersuchung eines Epithelioms und eines melanotischen Spindelzellen-
sarkoms. In beiden Fällen handelte es sich um degenerative Veränderungen
der Hautkrankheiten. 123
des elastischen Gewebes in der unmittelbaren Nachbarschaft der malignen
Tnmoren. Das elastische Oewebe bildete daselbst dichte Knäuel, in weichen
nur in der Peripherie einzelne Fasern erkennbsr sind, während sich diese
Knäuel im Zentrum nicht mehr in ihre Bestandteile auf löseu lassen.
Diese Herde sitzen in den obersten Goriumschichten, während die tieferen
Lagen der Cutis frei sind. Viktor Bau dl er (Prag).
Sehein, M., Budapest. Fälle von Stillstand und relativem
Zurückbleiben des Flächenwachstums der Haut. Pester med.-
chirurgisohe Presse. 1907. Nr. 1—2.
Krankheitsfölle, in denen das Flächen wach st um der Haut während
der Wachstumsperiode an einer Stelle stille steht oder gar zurückschreitet,
während es im Bereiche des übrigen Körpers fortschreitet, gehören zu
den größten Seltenheiten. Schein hat mehrere einschlägige Fälle aus
der Literatur gesammelt und kommt zu folgenden Schlüssen : Gemeinsam
sind allen Fällen zwei auffallende Eigenschaften: Erstens der Stillstand
des Flächen Wachstums der Haut an umschriebener Stelle, zweitens eine
auffällige Behaarung der im Flächenwachstum zurückgebliebenen Haut-
stelle. Zwischen beiden Eigenschaften besteht ein kausaler Zusammenhang
derart, daß die im Flächen Wachstum zurückbleibende Hautstelle besser
ernährt, mit mehr Blut versorgt wird als ihre rascher wachsende Um-
gebung und daß der Überschuß an Blut und Nährmaterial, der nicht zum
Wachstum der Haut selbst verwendet wird, zum Wachstum der Haare
dient. An der rascher wachsenden Haut dient das Nährmaterial zum Wachs-
tum der Haut, an der im Wachstum zurückbleibenden Stelle zum Wachs-
tum der Haare. Auf diese Weise resultiert der Zusammenhang zwischen
Haut und Haarwachstum, dem entsprechend das letztere dem Flächen-
wachstum der Haut umgekehrt proportional ist.
Viktor Band 1er (Prag).
Adamkiewicz, A. Zur Funktion der Schweißsekretion.
Neurologisches Zentralblatt. 1907. Nr. 8. p. 128.
Adamkiewicz macht gelegentlich der Publikation Higiers (in
Nr. 1 dieses Bl.) darauf aufmerksam, daß die Schweißsekretion als eine
Nervenfunktion von ihm 1878 entdeckt wurde und daß das System der
Schweißnerven in seiner Monographie: „Die Sekretion des Schweißes.
Eine bilateral-symmetrische Nervenfunktion* genau dargestellt und ein
Schema für die psycho -physischen Prozesse geworden ist.
A« Gassmann (Genf).
Higier, H., Warschau. Schweißanomalien bei Rücken-
marks kr ankheiten. Neurolog. Zentralblatt. 1907. Nr. 1. p. 19.
Higier referiert kurz folgende Fälle: 1. Komplette Paraplegia
inferior mit doppelseitiger akuter Neuritis optica. Bei Anwendung von
Salizyl und Pilokarpin Anidrose der unteren gelähmten Körperhälfte.
2. Zentrale Hämatomyelie des Lumbaimarks. Anidrose der unteren Körper-
hälfte. 8. Syringomyelie. Dissoziierte Sensibilitätsstörung der rechten
Gesichtshälfte und der Extremitäten, Anidrose am Arm und Rumpf rechts.
4. Lumbosakrale Kompressionsmyelitis infolge von Sarkomatosis. Anidrosis
124 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
der unteren Körperh&lfte. Verf. glaubt, daß aus diesen Fällen sich ersehen
lft0t, daß die Schweißsekretion nicht ein physikalischer Fitrationsproieß
ist, bei welchem das Nervensystem nur indirekt durch Vermittlung der
vasomotorischen Nerven einwirkt. A. Gassmann (Genf).
Dind, Lausanne. Dermatoses et Systeme renal. Revue mM.
de la Suisse romande. 1907. Nr. 2. p. 122.
Nachdem Dind einen kurzen Überblick über die gegenseitigen
Besiehungen des Hautorgans und seiner Erkrankungen zum uropoetisohen
System gegeben hat, bringt er die Krankengeschichte eines Falles von
multipler Gangrän bei einem 4jährigen Mädchen, das bei der Aufnahme
gesunde innere Organe aufwies. Nach zwei Monaten war die Hautaffektion
geheilt, es traten aber Gomealulcera, Ohrenschmerzen, Pneumonie und
Nephritis auf. 6 Monate nach der Aufnahme war der Zustand schlecht
und die Pneumonie noch vorhanden ; die Narben der Ulcera waren keloid
entartet. A. Gassmann (Genf).
White, Charles J. Some Statistics of Indigestion in Der-
matological Patients. Boston Med. & S. Journal. GLYI. 197.
14. Febr. 1907.
White untersuchte eine Anzahl Patienten in der Klinik in Bezug
auf Verdauungsstörungen, da er der Ansicht, daß viele Hautkrankheiten
auf Stoffwechselstörungen beruhen, teils direkt, teils indirekt, indem sie
die Gewebe in einen für die Entwicklung von Bakterien günstigen Boden
umwandeln. Es wurden 483 erwachsene Patienten befragt wegen des
Bestehens folgender Symptome: Schmerz nach dem Essen in der Magen-
gegend, Gasaufstoßen, Gefühl von Schwere, Unbehagen etc. nach dem
Essen, Aufstoßen von Speiseresten und Yerstopfung. Von denselben gaben
259 (697e), 120 männlichen, 139 weiblichen Geschlechts, das Vorhanden-
sein eines oder mehrerer dieser Symptome an ; am öftesten Aufstoßen von
Gasen (173) und Speisen (158), Druck etc. (138), Schmerz (86), Ver-
stopfung (141). Geborene Amerikaner lieferten 62Vo> Irländer 57 und Juden
55Vo- ^^^Q Tabelle zeigt das Verhältnis der Dyspeptiker bei einer Anzahl
von Hautkrankheiten: 647» für Ekzem, 7l7o ^^ Akne, aber aufialliger
Weise nur 55 7o ^ör Rosacea; Pruritus 837o, Urticaria 857o> Seborrhoea
83 und Eczema seborrhoic. 857o (letztere auffallig hoch für parasitäre
Erkrankungen, Ref.). H. G. Klotz (New- York).
Frank« über Resorption und Ausheilung von entzünd-
lichen Infiltraten in den samenleitenden Organen. Berliner
klin. Wochenschr. Nr. 17. 1907.
Frank weist zunächst auf die große Bedeutung der Folgeznstände
von entzündliehen Prozessen im Nebenhoden und Samenstrange hin:
307o ftllci* sterilen Ehen werden durch sie erklärt. Die operativen Ver-
suche zur Wiederwegsammachnng der samenleitenden Organe haben bisher
zu gar keinem Erfolge geführt. Denn es ist ja nicht möglich, für das
fehlende Sekret der Nebenhodenkanäle Ersatz zu beschafifen; und erst
durch dieses werden die im Hoden gebildeten Spermatozoen beweglich.
der Haatkrankheiten. 125
Es ist daher von höchstem Werte, bei eingetretener Epididymitis
nnd Fnnicnlitis die Bildung und die Persistens größerer Infiltrate sa
vermeiden. Frank glanbt dies dnreh Applikation von Hitse darch Thermo •
phore nnd Moorbäder erreichen zn können. So behandelte Epididymitiker
hatten später im Ejakulat lebende Spermatozoon.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Photi]|0§. Die Herstellung und Bedeutung der Mou.
lagen. Dermatol. Zeitschr. Bd. XIY. p. 132.
Photinos hat bei Lassars Mouleur einen Spezialkurs gehört,
der es ihm ermöglicht, in ausführlicher Weise die Gewinnung von Mou-
lagen darzustellen. Das bisher als Geheimnis gehütete Verfahren ist für
den Dermatologen höchst interessant. Fritz Porges (Prag).
Krause. Über interne Anwendung von Neu-Tuberkulin
Koch (Bazillen-Emulsion). Deutsche Praxis. XV. Nr. 14.
Vorwiegend aus praktischen Gründen empfiehlt Krause die
interne Anwendungs weise der Bazillenemnlsion, die in Form von Kap-
seln unter dem Namen „Phthysoremid" in den Handel gebracht wird und
zwar einer schwächeren und einer stärkeren Sorte. Es wurde mit der
Darreichung dieser Kapseln so verfahren, daß in 8 — Ötägigen Intervallen
um eine Kapsel gestiegen wurde, bis eine deutliche Reaktion zu ver*
zeichnen war. Der Verlauf einer solchen Behandlungsweise soll genau
dem einer Injektionskur entsprechen. In einigen Fällen mußte wegen
Auftretens von Magen-Darmerscheinungen zur Injektionsbehandlung ge-
griffen werden. Theodor Baer (Frankfurt a. M.).
Wille. Thesen zur Behandlung der Tuberkulose, ins-
besondere der Tuberkulose der Lungen. Deutsche Praxis.
XV. Nr. 18.
Wille stellt in einer Reihe von „Thesen^ seine Anschauungen
besüglich der Behandlung der Tuberkulose zusammen.
Die Arbeit ist zu einer Wiedergabe in einem Referat nicht geeignet
und besser im Original nachzuleseo. Theodor Baer (Frankfurt a. M.).
Cloetta, M. Über die Ursache der Angewöhnung an
Arsenik. Archiv f&r experimentelle Pathologie und Pharmakologie.
Bd. UV. pag. 196.
In einer sehr interessanten experimentellen Arbeit ist Cloetta
den Ursachen der Arsengewöhnung nachgegrangen, wie sie namentlich bei
den Arsenessern Steiermarks beobachtet wird. Den äußeren Anlaß für
die Versuche bildete die Beobachtung eines Falles von Liehen raber, der
As^O« in Pilleuform bekam und 28 mg pro die anstandslos vertrug. Da
die Wirkung eine ungenügende war, so erhielt Pat. vom Arzte 10 «i^ in
Form einer Injektion, worauf eine Arsenvergiftung eintrat, die gut verlief.
Cloetta wiederholte nun dieses Experiment am Kaninchen. Er
immunisierte das Tier während 8 Monaten mit AS|0, in Lösung und ver-
abreichte demselben zuletzt täglich 38 mg intern. Versuchsweise izgizierte
der Ver£ eines Abends 16 «n^ subkutan und am folgenden Morgen noch
14 mg, 20 Stunden nach der zweiten Iigektion starb das Tier. Das
126 Bericht über die Leistnngen auf dem Gebiete
fahrte Gloetta zn der AoffasBung, daß die Arsen-Immanitfit nar eine
lokale sei, d. h. daß das Arsen bei interner Verabreiohong entweder im
Darm in eine nngiftige Yerbindang übergeführt oder überhaupt nicht
mehr resorbiert wird. Er stellte daher quantitative Analysen des Urins
und des Kotes an, femer Organ-Analjsen. Es seigre sich die inter-
essante Tatsache, daß bei Zufnhr von steigenden Dosen der As,0, in
Substanz die Resorption von Seite des Darmes stets abnimmt. Etwas
besser ist die Resorption bei Zufuhr des Arsens in flüssiger Form. Hin-
gegen scheitert hier die Steigerung der Dosis durch Verweigerung der
Aufnahme von Seite des Tiers. Einen sehr hohen Grad ron Giftfestigkeit
ersielte Gloetta bei einem Hunde. Zuerst bekam dieses Tier das Arsen
in gelöster Form und die Dosis konnte bis 125 m^ pro die gebracht
werden. Dann Verweigerung der Aufnahme, daher Zufuhr des Arsens
in Substans. Auf diese Art konnte die Dosis auf 2*5 ^ gesteigert werden.
Der Hund nahm in IV4 Jahren 1 Kilo zu. Die Untersuchungen des Urins
und Kotes zeigten, daß die Ausscheidung durch die Nieren eine geringe
ist, die Ausfuhr im Kot eine sehr hohe, so daß sie sich mit der Einfuhr
deckte. Trotz Steigerung der Dosen nahm die Aasscheidung im Urin
nicht zu, sondern ab. Zum Beweise, daß die Immunität nur eine lokale
ist, injizierte Verf. dem nämlichen Tiere 40 mg subkutan. 6 Stunden
später Exitus.
Verfasser zieht aus seinen Versuchen den Schluß, daß bei Mensch,
Hund und Kaninchen eine hohe Toleranz gegen Arsenik besteht, vor-
ausgesetzt, daß die Darreichung innerlich in Substanz geschieht. Die
Giftfestigkeit ist aber nur eine scheinbare, da sie in einer sich steigernden
Ablehnung der Resorption von Seite des Darms besteht. Für die Therapie
empfiehlt es sich bei länger dauernden Kuren, das Arsen in gelöster
Form zu verwenden. Als einzig sichere Methode für längere Kuren mit
steigenden Dosen will aber Gloetta die subkutane Injektion gelten
lassen in entsprechend reduzierten Dosen. IL Winkler (Luzem).
Snowniann. Recent developments in the therapeutical
applications of arsenic. The Lanoet 1907. April 27. pag. lUdff.
In einer im wesentlichen referierenden Arbeit macht Snowmann
auf die zwei bekannten Arsenpräparate : die Kakodylsäure und das Atozyl
aufmerksam. Fritz Juliusb erg (Berlin).
Crofton, W. H. Erysipelas treated by a specific anti-
serum. The British Med. Journ. 1907. April 27. pag. 991.
Grofton berichtet über die schnelle Heilung eines Falles von
Gesichtserysipel durch ein von Wellcomes Research laboratory geliefertes
AntiStreptokokken „erysipelas^ serum. Der Fall lag wegen Alters und
bestehender Herzschwäche nicht günstig zur Behandlung.
Fritz Julinsberg (Berlin).
Weiss, Max, Wien. Über eine neue organische Jodver-
bindung — Tiodine. Wiener mediz. Woohenschr. 1907. Nr. 7.
Tiodine ist eine Kombination von Thiosinamin mit einem Jod«
präparat-Jodäthy], das sowohl subkutan als auch innerlich verabreicht
der Eüiutkrankheiten. 127
werden kftnn; es wird rasch resorbiert. Weiss verwendete es bei sameist
metasyphilitischen Affektionen des ZentralnerTensystems, in erster Linie
bei Tabes dorsalis. Der tabetiscbe anf Lnes basierende Proseß wurde
insofeme günstig beeinflußt, als die spinalen Nervenwurselsymptome
schon nach mehrwöchentlicher Yerabreiohnng von Tiodineinjektionen und
interner Darreichung nachließeni daß Blasen und Mastdarmstörungen be-
seitigt und ataktische Erscheinungen rückgängig gemacht wurden. Tiodine
wird in Ampollen zu 0*2 in der Feldapotheke in Wien erhältlich sein.
Viktor Bandler (Prag).
Eisenberg. Jodosan, ein neues organisches Jodpräparat,
als JodoformersatsmitteL Munchn. med. Wochenschr. 1907. Nr. 12.
Eisenberg faßt seine Resultate, die er mit dem Jodosan, einem
von dem chemischen Institut Dr. Hör owitz- Berlin hergestellten Ersats-
präparate des Jodoforms bei 49 meist der kleinen Chirurgie angehörenden
Fällen erzielt hat, dahin zusammen, daß wir in dem Jodosan ein dem
Jodoform ebenbürtiges, absolut reisbares Wundheilmittel und Wund-
desinfiziens besitzen, welches zweifellos von allen Machteilen, die das
Jodoform aufweist, frei ist. Oskar Müller (Dortmund).
VAmer, Hans. Hydrargyrum praecipitatum album pulti-
forme. Deutsch, med. Woch. Nr. 10. 1907.
um das Hydrargyrum möglichst fein in den Salbenkörpem zu ver-
teilen, hält Vorn er Tcrschiedene Methoden für zweckmäßig. Zum
gleichen Ziele führen Lanolin- oder Wasserzusatz, bei welchem nach
Schanz Vorschrift der Niederschlag nicht trocknen, sondern in seiner
Feinheit sogleich verwendet werden muß, als auch die einfache Mischung
des breiigen Prazipitats mit Yaselin. Verf. hat die weiße Präzipitatsalbe
als üngt. praecipitati mercurii albi pultiforme verschrieben, deren be-
deutende Komfeinheit erprobt und diese Salbe sowohl heilkräftiger als
auch weniger reizend wie das alte Präparat gefunden. Er erzielte gute
Erfolge damit bei Psoriasis sowie als 30% Salbe zu Inunktionen ver-
ordnet bei sekundärer Lues, wo die Reinlichkeit der weißen Salbe nach
dem unangenehmen Gebrauch des Ung. einer, von den Patienten be-
sonders angenehm empfunden wurde. Max Joseph (Berlin).
Hes8e. Intoxikationserscheinungen nach Anwendung
von Schwefelzinkpasta. Dermatol. Zeitschr. Bd. XIV. p. 111.
Die Erkrankung betrifft ein 2 Monate altes, mit Ekzem behaftetes
Kind, das auf Applikation von Schwefelzinkpasta mit Durchfall und Fieber
reagierte. Interessant ist es, daß mit fortschreitender Besserung des
Ekzems die Intoxikationserscheinung beim Auflegen der Pasta geringer
wurden, was dafBr sprechen würde, daß die Resorption nur von der
ekzematös erkrankten Haut ausgehen konnte. Fritz Porges (Prag).
Peter, A. G. Calcium Jodide in ulcers of the leg. The
British Med. Journal. 1907. April 27. pag. 991.
Peter hatte bei Behandlung von Beingeschwüren gute Erfolge mit
der innerlichen Darreichung von Ealziumjodid, auch bei Fällen, die
128 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
lange nnd yergeblich mit Jodkali behandelt waren. Er gibt das Xaltiam-
Jodid in Mixtur 2 ^ z: 0-139 y dreimal täglich.
FritK Jnlinsberg (Berlin).
Waldo, Henry. The treatment of eciema. The British Med.
Journal. März 2. pag. 494.
In kurzen Worten berichtet Waldo über einige Punkte der Ektem*
behandlung. Die Mitteilung enthält nur gut Bekanntes.
Frits Juliusberg (Berlin).
Throne, R. Antistaphylococoic Vaccine in the treat-
ment of furunculosis. The British Med. Joum. 1907. Feb. 28. p. 4d6.
Throne heilte einen schon drei Jahre ohne Erfolg mit den ver-
schiedensten Mitteln behandelten Fall von ausgedehnter Furunkulose
durch Injektionen von Wrights Antistaphylokokken-Yaccine«
Fritz Juliusberg (Berlin).
Gereon. Eine Kombination von Saugglas und Messer.
Medizinische Klinik. 1907. Nr. 10.
In der Kombination von Saugglas und Messer glaubt Gers on eine
Vorrichtung gefunden zu haben, welche die Behandlung von Furunkeln,
Abszessen und Phlegmonen weniger umständlich und zeitraubend gestaltet.
Wir können in der Anwendung des doch immerhin komplizierten Appa-
rates keine Vereinfachung des sonst üblichen therapeutischen Verfahrens
erblicken. (Ref.) Oskar Müller (Dortmund).
Schüler, Theodor. Neue Bergkristallansätze für die
Lichtbehandlung von Schleimhäuten. Deutsch, media. Woch.
Nr. 12. 1907.
Zu der kleinen Quecksilberdampflampe, mit welcher Schüler bei
Erkrankungen der Urethra, der Mund- und Nasenschleimhäute sowie
durch Bestrahlungen von Warzen und Mälem etc. bereits früher gute
Erfolge erzielte, ließ er verschiedene neue Ansätze aus Bergkristall
konstruieren. Am besten unter diesen bewährte sich ein ganz massiver
Bergkristallansats aus einem Stücke, welcher an der Stelle, wo der Ansatz
auf den Anschlußapparat angesetzt wird, eine kegelförmige Gestalt hatte
und an diesem Teile von einem Metallmantel umschlossen wurde. Dieser
Ansatz leuchtete von oben bis unten überaus hell, am hellsten an der
Spitze. Kombinationen dieses Apparates mit anderen, sowie Modi-
fikationen verschiedener Ansätze werden besser aus der Arbeit selbst er?
sichtlich. Max Joseph (Berlin).
Stern. Über die Wirkung des Uviollichtes auf die
Haut und deren therapeutische Verwendung in der Derma-
tologie. (Aus dem städtischen Baracken-Krankenhause in Düsseldorf.)
Münchener mediz. Wochenschr. 1907. Nr. 7.
Nachdem schon verschiedene Veröffentlichungen erschienen sind,
die das Uviollicht einer Kritik unterworfen haben, teilt Stern seine £r-
fahrungen, welche er mit der Uviollampe gemacht hat, mit. Er sieht
dieselbe als schätzenswerte Bereicherung unseres therapeutischen Rüst-
der Hautkrankheiten. 129
Zeuges an und empfiehlt ihre Anwendung besonders bei Ekzemen, Psoriasis
des behaarten Kopfes, Alopecia areata und Herpes tonsurans capilitii.
Oskar Müller (Dortmund).
Leonard, Charles Lester. Therapeutic Uses and Dangers
of the Roentgen Rays.
Bogs»S) Riio^ll H. The Roentgen Rays in Superficial
L f 8 i o n s.
Williams, Ennion 6. The Treatment of Malignant
Growths by the Roentgen Rays. Journ. Am. Med. Assoc. XLYUI.
811—816. 96. Januar 1907.
In allen drei Artikeln wird namentlich die Verschiedenheit der
Wirkungen der Röntgenstrahlen je nach ihrer Anwendungsweise betont
und die leichtsinnige urteilslose Handhabung dieses ftiißerst wertYollen
aber gef&hrlichen Heilmittels seitens vieler Ärzte verurteilt.
Leonard rügt, daß vielfach die Anwendung der Röntgenstrahlen
ungeübten Assistenten überlassen werde und beftkrwortet, daß die
Studenten der Medizin in Form praktischer Laboratorium- und klinischer
Kurse Unterricht in der Herstellung der Röntgenstrahlen und in ihrer
Anwendung als Hilfsmittel der Diagnose und Therapie erhalten sollten;
sowie dafi nur zur ärztlichen Praxis berechtigten Ärzten und Zahn&rzten
der Gebrauch derselben zu gestatten sei.
Boggs faßt die biologische Wirkung der Röntgenstrahlen auf
oberflächliche Erkrankungen in folgenden Punkten zusammen: L 6e-
websstimnlation bei atrophischen Zuständen (Alopecia); 2. Stoffwechsel-
Störungen (Ekzem, Psoriasis), wo es sich um die Resorption von Ent-
zündungsprodukten handelt; 8. Herabsetzung der Ernährung der Haut
und ihrer Anhänge, wo es sich um Herabsetzung der Tätigkeit der Talg-
(Akne) und Schweißdrüsen (Hyperidrosis) handelt; 4. Zerstörung von
Mikroben in lebendem Gewebe (Lupus vulg.) und 6. Zerstörung gewisser
pathologischer Neubildungen (tuberkulöse Adenitis). Die Wirkungsweise
und Erfolge bei Alopec. areat., Psoriadis, Eczema, Keloid, Akne, Favus
und Trichophyton, Drüsentuberkulose und Kropf werden einzeln besprochen.
Nach Williams werden lebende normale Gewebe in folgender
Reihenfolge durch die Röntgenstrahlen beeinflußt: Epithelzellen in Drüsen,
Haarfollikeln, Haut- und Blutgefäßen, viel weniger die Zellen und Fasern
des Bindegewebes. Die Gewebe werden im Verhältnis zu der Zahl und
zu der Lebenstätigkeit ihrer Zellen angegriffen, daher am meisten die
bösartigen Neubildungen des Garcinome, weniger Sarkome, die mehr
Zwischenzellensnbstanz und Blutgefäße enthalten, bei weniger zahlreichen
Mitosen; am wenigsten gutartige Geschwülste, die am wenigsten zahl-
reiche und aktive Zellen enthalten.
Leonard befürwortet besonders das Zusammenarbeiten der
Röntgenbehandlung mit der Chirurgie. H. G. Klotz (New- York).
Arek. t Demat. n. Syph. Bd. LXXXIX.
130 Bericht über die LeistuDgen auf dem Gebiete
Akute und chronische Infektionskrankheiten.
Gabritsehewsky. Über Streptokokkenerytheme und
ihre Beeiehangen sam Scharlach. Berliner klin. Wochenachrift.
Nr. 18. 1907.
Gabritsehewsky definiert den Scharlach aU eine darch einen
spezifischen Streptococcus hervorgerufene Tozicodermie. Aas Scharlach -
Streptokokken Kubereitete Vaccinen können scharlachähnliche Erytheme
und Exantheme hervorrufen. Diese „ Scharlach vaociuation'' kann zur Be-
handlung des Scharlachs und seiner Komplikationen herangezogen
werden. Versuche dieser Art werden zur Zeit im Moskauer Kinder-
spital gemacht. H. Hüb n er (Frankfurt a. IL).
Hektoen, Ludwig. Is Scarlet Fever a Streptococcus
Disease? Joum. Amer. Med. Aas. XLVIII. 1158. 6. April 1907.
Auf Grund von eigenen Untersuchungen sowie der Arbeiten von
Ruediger (Journ. Infekt. Diss. III. 755. 1906) und Weaver (ibidem
I. 91. 1904) fühlt sich Hektoen berechtigt zu behaupten:
1. daß die konstante Anwesenheit einer großen Anzahl von Strepto-
coccus pyogenes die vorwiegende Eigenschaft der Bakteriologie des Halses
bei Scharlach darstellt;
2. daß die überwiegende Mehrzahl der sogenannten Komplikationen
und der Todesfalle bei Soharlach die Folge des Eindringens dieses
Mikroben in die Gewebe und das Blut sind;
3. daß bei Scharlach auch in leichten Fällen der Organismus Be-
weise liefert von systemischer Reaktion auf Streptokokken durch Ver-
äuderungen des opsonischen Iudex für StreptokokkeUf und vielleicht auch
durch die Bildung von Streptokokken-Agglutininen.
Man kann sich demnach nicht der Schlußfolgerung entziehen, daß
der Streptococcus pyogenes oder eine Form desselben eine ganz wesent^
liehe Rolle in dem Scharlachprozeß spielt. Allein gegen die Annahme,
daß Scharlach überhaupt nur eine Streptokokkenerkrankung sei, sprechen
verschiedene Tatsachen. Allerdings sind die pathologischen Eigenschaften
des Streptoc. pyog. im stände, die Initialsymptome, die Angina, das Fieber,
die Leukocytose und selbst den Ausschlag zu erklären, tragen wohl auch
in Wirklichkeit in nicht geringem Grade zu dem Zustandekommen der-
selben bei, allein es besteht kein Analogen für die selbst durch leichte
Scharlacherkrankung ^erworbene Immunität gegen Scharlach, während
keine Beweise vorhanden sind für eine Immunität gegen Streptokokken
nach Scharlach. Die Annahme der Streptokokkentheorie würde, was die
Ansteckungsfahigkeit betrifft, die Ansteckung vermittelst Materials aus
dem Halse in verschiedener Weise erklären, aber nicht die von der Haut
ausgehende und die angenommene langlebige Infektionsfahigkeit des
Scharlachgifts. Weaver fand auf der Haut und in den Schuppen
Scharlaohkranker nur die auf gesunder Haut vorkommenden Bakterien,
der Hautkrankheiten« 131
derselbe und andere nur selten Streptococc. pyogen. ; wenn also die
Btreptokokken die Ursache des Schariaobs wären, so wQrden sie die
anscheinend nnanfechtbaren Beobachtungen von Beständigkeit des Sohar-
lachgifbes unerklärt lassen.
Vielmehr für sich hat die Anaahme, daß die durch einen zur Zeit
onbekannten Organismus erzeugten Zustände bei Scharlach einen be*
sonders günstigen Boden für das Wachstum und die Aktivität des als
begleitender oder sekuodärer Eindringling erscheinenden Streptokokkeit
bildet. Ganz ähnliche Verhältnisse finden sich bei der Variola und man
kann för beide Krankheiten behaupten, daß sie ohne die Streptokokken-
Invasion verhältnismäßig harmlose Krankheiten sein würden. Ja man
könnte wohl annehmen, daß die hauptsächlichste Bedeutung des Schar-
lachgifts darin liegt, daß es die Fähigkeit besitzt, den Streptokokken
sozusagen Tür und Tor zu öffnen. Deswegen ist die Notwendigkeit,
kräftige Antistreptokokkenmittel anzuwenden, ebenso dringend geboten
und die Erklärung der spezifischen Wirkung derselben ebenso plausibel,
als wenn das Scharlach als eine einfache Streptokokkenerkrankung an-
gesehen werden könnte. Der Umstand, daß die Streptokokken in
empfanglichen Organismen größere Virulenz erlangen, legt uns die Ver-
pflichtung auf, durch Isolierang die Übertragung ganz besonders virulenter
Kokkenstamme von einem Patienten auf den andern zu verhüten; bei
Patienten, die neben einander in demselben Zimmer lieg'^n, sei durch
Husten und andere Weise genügend Gelegenheit für die Verschleppung
von Hals- und Mundbakterien gegeben. Vielleicht erkläre eine solche
Übertragung von besonders virulenten Streptokokken die traurigen Fälle
von dem Tode mehrerer Kinder in einer Familie durch Scharlach, welche
zuweilen als Beispiele von besonderer FamilienempfängUchkeit für Scharlach
«ngeführt würden. H. G. Klotz (New-Tork).
W«aver, George H. und Tunaieliff, Rath. N o m a. Journ. of
infect. Diseases. IV. 8. Jan. 1907.
Weaver und Tunnioliff wurden durch einen Fall von Noma
veranlaßt, die Literatur eines großen Zeitraums mit Beziehung auf diese
Krankheit zu durchforschen, und haben die wichtigsten Ergebnisse dieser
Forschung in dieser Arbeit niedergelegt, zum großen Teile mit der
Absicht künftigen Forschern diese Arbeit zu ersparen. Der Fall betraf
ein Sjähriges Mädchen und endete tödlich. Die Befunde geben den Verf.
zu folgenden Schlußsätzen Veranlassung:
1. es ist bei Noma eine gewisse Invasion von Leukocyten, aber
keine gut ausgeprägte Demarkationslinie vorhanden;
2. die im Gewebe gefundenen spindelförmigen Bazillen und Spirillen
sind ähnlich denen in vor dem Tode aus der Nase und aus dem Munde
•erhaltenen Ausstrichpräparaten, ebenso den unmittelbar nach dem Tode
aus dem nekrotischen Gewebe erhaltenen;
8. beide Formen sind im nekrotischen wie im lebenden Gewebe
▼orhanden ; augenscheinlieh überwiegend an beiden Stellen die Spirillen ;
9*
132 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
4. die thrombosierten Gefäße 'enthalten spindelförmige Bazillen^
Filamente nnd Spirillen. H. G. Klotz (New-Tork).
Lengfellner. Ein Fall ron äußerem und innerem Milz-
brand. Mfinehener mediz. Wochenschrift. 1907. Nr. 11.
Leng fellner berichtet über einen Fall von äußerem Milzbrand^
der sekundär Milzbrand der Lunge und des Darmes im Gefolge hatte.
Die Infektion des Darmkanales erfolgte hier offenbar durch Übertragung
von MilzbrandbaziUen mittelst der Finger auf den Mund, während die
Lnngenaffektion wohl durch Aspirieren von Bazillen enthaltendem Er-
brochenen zu Stande gekommen ist. Oskar Müller (Dortmund).
Barlaeh. Über Milzbrand und seine Behandlung»
Münchener mediz. Wochenschrift. 1907. Nr. 15.
Die nicht befriedigenden Resultate bei seiner früheren Milzbrand-
behandlang mit Inzisionen und antiseptischen Umschlägen veranlaßten
Verf., den von Lejars empfohlenen Thermokauter mit folgender Jod-
behandlung bei seinen Milzbrandfällen in Anwendung zu bringen. Der
Erfolg dieser yom Verfasser noch modifizierten Behandln ngs weise war
ausnahmslos ein überraschender. Bezüglich Details nnd Technik Ter-
weise ich auf die Original arbeit. Oskar Müller (Dortmund).
Clift, Lechmere. The intestinal origin of leprosy. The
British Med. Journal. 1907. April 20. p. 931.
Clift wirft die Frage auf, ob nicht die Lepra wie die Tuber-
kulose durch intestinale Infektion zn stände komme. Er nimmt an, daß
Fliegen die Bazillen von leprösen Herden auf Lebensmittel übertragen,
und daß die Lepra dann durch den Genuß dieser Eßwaren entstünde.
Diese Art der Übertragung würde auch die von Hutchinson wiederholt
behauptete Übertragung der Lepra durch Fische erklären. Diese Art
der Übertragung ähnelt der bei Tuberkulose. Beide Erkrankungen hätten
überdies das gemeinsame, daß sie eine Prädispositiou verlangen, eine
lange Inkubationsdauer haben nnd unheilbar seien.
Fritz Juli US berg (Berlin).
Jezierski, P. V. Versuche von Übertragung der Lepra,
auf Tiere. Deutsch, med. Woch. Nr. 16. 1907.
Die Überimpf nngen, welche Jezierski von Lepra auf Meer-
schweinchen und Kaninchen vornahm, verliefen sowohl nach den be-
kannten Methoden wie in den Fällen einer neuen Versuohsanordnung
negativ. Max Joseph (Berlin).
Wemich, S. F. The saccessfnlly treatment of tuber-
cnlosis and leprosy by means of an albuminoid metabolio
product, chemically altered, of a baoillns discovered at
Boshof (Orange river colony) in 1898. The Lanoet 1907. April
ia/20. p. 1004, 1079 ff.
Wie der Titel besagt, benutzte Wernich zur Behandlang der
Lepra und Tuberkulose ein sehr kompliziert hergestelltes Produkt, aas-
gehend von einer auf Weizenmehlpaste hergestellten Bazilleukultur. Auf
dieser bildeten sich rote Herde, bestehend aus runden Sporen, ans denen
der Hautkrankheiten. 133
sieh Bazillen entwickelten. Detailliert beichreibt Werniok die Eigen •
echaflen dieser Bazillen. Sie werden in verschiedenen Medien geadohtet
nnd die Produkte werden mit Tanninafture und anderen Stoffen prisipitiert.
Das jetzt oxydierte bakterielle Prodnkt wurde za Heilzwecken yerwendet.
Wegen der genaueren Daratellnng muß auf das Original yerwieaen werden.
Die Darreichung erfolgte per ob.
Der Verfasser berichtet therapeutisch glänzende Erfolge bei Lepra
und Tuberkulose (auch der der Haut) erzielt zu haben.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Alexander. Neuere Erfahrungen ober Hauttuber-
knlose. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 11—18. 1907.
Alexander gibt in dieser Arbeit eine übersichtliche Zusammen-
stellung der heute geltenden Anschauungen über die verschiedenen Er-
krankungsformen, die der Tuberkelbazillus direkt oder indirekt durch
seine — hypothelischen — Toxine auf der Haut hervorruft. Der Wert
des Tuberkulins für Diagnostik und Therapie wird hervorgehoben. Eine
Schilderung der modernen therapeutischen Bestrebungen, der physi-
kalischen wie der äußeren und inneren medikamentösen Maßnahmen
gegen den Lupus, bildet den letzten Teil des Referates.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Gougerot. L e s derni^res venues des tuberoulides. Gazette
des Hdpitaux. 1906. pag. 1167.
Unter diesem Titel werden kurz beschrieben : das hypodermatisohe
Sarkoid von Darier-Roussy, das benigne multiple Sarkoid vonBoeck^
das Ang^okeratom von Mibelli, die Asphyxien und Frostbeulen, endlich
als letzte Gruppen das Eeloid und die Parapsoriasis von Brocq mit
Einschluß der Dermatitis nodularis psoriasiformis. Die tuberkulöse Natur
der 2 letzten Gruppen und die Grunde, die dafür angeführi werden,
scheinen allerdings sehr problematischer Natur zu sein.
M. Winkler (Luzern).
Gougerot. Tuberculoses outanees. Gazette des Höpitaux.
1906. p. 1107 und 1143.
Gongerot gibt ein kurzes Resümee der verschiedenen Formen der
Hauttuberkhlose mit Einschluß der Tuberkulide, die er als abgeschwächte
bazilläre Tuberkulosen auffaßt. Das Gebiet der Hauttuberkulosen wird
vom Verf. sehr erweitert, indem bereits die Pityriasis rubra Hebrae, der
Lupus erythematodes und das Angiokeratom von Mibelli unter den
Tuberkulosen abgehandelt werden. M. Winkler (Luzern).
RaTOgli, A. Lupus Vulgaris of the Ear in Relation to
its Laie Results. Joum. Am. Med. Ass. XLVIII. 11. 5. Jan. 1907.
Ravogli berichtet 2 Fälle von Lupus vulgaris des Ohres; der
erste Fall endete tödlich nach Verlust des Gehörs, Lähmung der Gesiohts-
ond Fharynxmuskeln infolge von Zerstörung des Felsenbeins, des proc.
mastoid. und der Schuppe des Schläfenbeines. Behandlung war ohne
wetentliehen Erfolg. In dem zweiten Falle war der zerstörende Prozeß
ftuf das äußere Ohr beschränkt. Einige mikrophotographische Abbildungen
134 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
xeigen die Verändemngen an Knorpel und Knochen. R. rühmt die gute
Wirkung Ton reinem Lysol auf Lupusgewebe. In der Diskusaion berichtet
er über verschiedene ungünstige Erfahrungen mit Tuberknlineinspritaungen,
die ihn veranlaßt haben, dieselben ganz aufzugeben.
H. 0. Klotz (New-Tork).
Dewar, Thomas. Lupus vulgaris of long duration: Jodo-
form injections: rapid recovery. The British Med. Journal. 1907.
ll&rz 80. p. 743.
De war berichtet über einen 14 Jahre alten Lupus vulgaris des
Gesichts, der mit Finsens und andern Methoden nur gebessert war;
De war behandelte änfierlich mit Wasserstofisuperoxyd und gab intra-
venöse ätherische Jodoforminjektionen, worauf schnelle Heilung erfolgte.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Conor. Zona et Tuberculose. Gazette des Elopitauz. 1906.
pag. 6S9.
Zum Beweise, daß Zosteren auch bei chirurgischen Tuberkulosen
vorkommen Eollen, teilt Conor folgenden Fall mit: Ein S^jfihriger Soldat,
frei von Lues und Gonorrhoe, bekommt eine eitrige Entzündung des
rechten Hodens und Nebenhodens mit Perforation. Daneben sind leichte
Drüsenschwellungen in der Inguinalgegend und am Unterkiefer eu
konstatieren und Bronchialatmen auf der rechten Spitze. Patient ist
mager und zeigt Tremor der Finger. Einen Monat nach Beginn der
Hodenentzündung tritt ein rechtzeitiger Costa! zoster auf. Verf. meint,
daß der Zoster mit der tuberkulösen Affektion des Hodens in Zusammen-
hang stehe. (? Ref.) M. Wink 1er (Luzern).
van Allen, H. W. Roentgen Rays in the Treatment of
Lup US Vulgaris. Joum. Am. Med. Ass. XLVIU. 405. 2. Feb. 1907.
Pathologische Untersuchungen von Lupusheilungen, spontanen oder
infolge von Behandlung zeigen, daß der Heilungsvorgang in dem Ersatz
des tuberkulösen Gewebes durch neugebildetes Bindegewebe besteht
Darauf basiert Van Allen seine Behandlungsmethode diffuser Lupus-
formen : Eine milde Bestrahlung durch eine Röhre von mittlerer Intensität
veranlaßt fettige Degeneration in den oberflächlichen Blutgefäßen mit
reichlichem Austreten von Leukocyten in das Gewebe und wBiterhin Er«
sats desselben durch fibröses Bindegewebe. Die nun allein zurück-
bleibenden Lupusknötohen werden erst in Angriff genommen, nachdem
das neue Narbengewebe ungefähr wieder normales Aussehen bekommen.
Dann wird dieses durch perforierte Bleiplatten geschützt und nur die
Herde selbst mit starken und häufig wiederholten Bestrahlungen von
einer Röhre von niedriger Aktivität behandelt solange, bis Nekrose der
Herde wirklich erfolgt ist. Eine Tabelle zeigt die Resultate in 15 Fällen
von meist längerem Bestände. H. G. Klotz (New-Tork).
Ballin, Milton J. A Case of Rhinosclerom Treated with
theXRays. New- York. Med. Joum. 85. 490. 16. März 1907.
Ballin beschreibt durch verschiedene Abbildungen nach Photo-
graphien vor und nach der Behandlung, veranschaulicht die Anwendung
der Hautkrankheiten. 135
der Röntgenstrahlen in [einem typischen Falle von Rhinosklerom. Die
Röhre wurde völlig mit einer Bleiplatte und über dieser eine Lage Filz
bedeckt mit Ausnahme einer ft" im Durchmesser Inessenden Stelle; diese
wurde auf 3 bis 4 Zoll der Nase genähert und 8 mal wöchentlioh 8 bis
4 Minuten lang bestrahlt. Nach 6 Monaten ist die Geschwulst sehr be-
deutend reduziert. Erwähnt wird, daß in einem Falle Pollitzers der
Erfolg nicht so günstig war. H. If. Klotz (New-Tork).
Erythematöse, ekzematöse, parenchymatöse
Entzfindnngsprozesse.
Gregor. Ein Fall von Arzneiexanthem mit ungewöhn-
lichen Allgemein er scheinuBgen. Mönchener mediz. Wochensohr.
1907. Nr. 17. Ans der psychiatr. Klinik des Geh. Rates Paul Flechsig
in Leipzig.
Beschreibung eines Falles von ausgedehntem, durch eine zweimalige
Dosis von 2 g Chloralhydrat verursachtem Exanthem, welches durch
Komplikation mit heftigen Allgemeinerscheinungen — hohes Fieber,
hämorrhagische Bronchitis, Conjunctivitis, Somnolenz — einen gefahr-
drohenden Verlauf annahm. Oskar Müller (Dortmund).
Klose» B. Ein Fall von akutem Ekzem nach Gebrauch
des Haarwassers „Javol'^. Deutsch, med. Woch. Nr. 12. 1907.
Joseph, Max. Über einen Fall von akutem Ekzem nach
Gebrauch des Haarwassers gJavol". Deutsehe mediz. Woch.
Nr. 18. 1907.
Nach dem Gebrauch des bekannten Haarwassers Javol beobachtete
Klose bei einem dOjähr. Manne ein starkes, mit heftigem Brennen,
Jucken und Fieber einhergehendes Ekzem. Zuerst erkrankten Stirn und
Gesicht, auf welche einige Tropfen des Wassers gelangt waren, bei
wiederholtem Waschen auch die Kopfhaut mit lymphatischem EIrguß.
Sobald das Javol fortgelassen wurde, konnte das Ekzem mit Umschlägen
von Liq. alumin. acet. und Zinkpaste bald beseitigt werden, doch
rezidivierte es sogleich bei erneutem Gebrauch des Javol, um dann
wiederum beim Fortlassen desselben zu weichen. Vielleicht sind die
ätherischen öle, welche dem Javol als Geruchskorrigentien zugesetzt
sind, die anzuschuldigende Substsnz. Zu diesem Falle bemerkt Joseph,
dafi eine Eolche Idiosynkrasie gegen Javol öfter vorkomme ; er selbst habe
in seinem Dermat. Zentralbl. bereits 2 diesbezügliche Mitteilungen ver-
öffentlicht und von diesem Haarwasser niemals günstige, öfters aber
schädliche Wirkungen beobachtet. Max Joseph (Berlin).
H&rke. 1. Revakzinationserscheinungen nach Fieber-
attacken. 2. Eczema acutum artificiale durch Siegellack-
ringeinlage. Münchener med. Wochenschr. 1907. Nr. 12.
136 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Beobftchtang zweier eigentümlicher dermstologischer KrankheitsßUe.
Im ersten Falle handelt es sich nm starke Revaksinationserscheinnngen,
die lange Zeit nach der Yaksination sweimal im Ansohlnfl an knrz-
dauernde Fieberattacken auftraten. Verfiwser ist geneigt, das eigen-
tümliche Phänomen durch Zurückbleiben eine^ Bestes ron Vakxine-
kontagium, das durch die Fieberattacken wieder aktiv wurde, eu erkUren.
Der zweite Fall betrifft ein akutes Ekzem, das am Ringfinger, an
dem ein mit Siegellackeinlage yersehener Ring getragen wurde, auftrat.
Da nur der Rücken des Fingers Ton dem Ekzem befallen war, die Ein-
lage aber gerade der Unterseite des Fingers entspricht, nimmt Verfasser
keine mechanische, sondern eine durch Zersetzung der Harzsubstans be-
dingte chemische Ursache an. Oskar Müller (Dortmund).
L^Yi-Simgae. Les dermatoses prof essionnelles. Qazette
des Höpitauz. 1906. p. 195.
Verfasser gibt eine allgemeine Übersicht über die Berufs-Derma-
titiden und behandelt in der ersten Abteilung die Dermatosen, die in
einer bestimmten Form auftreten, in der zweiten Abteilung die Derma-
tosen ohne bestimmte wohl umgrenzte Charaktere. Daran anschließend
folgen einige prophylaktische Verhaltungsmaßregeln und therapeutische
Winke. M. Winkler (Luzem).
L^vi-Slrugue. Les dermatoses artificielles. Gazette des
H6pitaux. 1906. p. 916.
Eine allgemeine Übersicht über die artifiziellen Dermatosen und
zwar: a) solche Hautreizungen, welche durch die äußere Applikation
reizender oder toxischer Substanzen entstehen; b) Dermatosen, welche im
Anschluß an eingenommene oder injizierte Medikamente entstehen;
e) Dermatitiden, welche an eine alimentäre Intoxikation gebunden sind.
M. Wink 1er (Luzern).
Variot. Sur Peczema des nourrissons. Gazette des Hopitaux.
1906. p. 947.
Variot will die Aufmerksamkeit der Ärzte auf den engen Konnex
lenken, welcher zwischen dem Ekzem der Säuglinge und den gastro-
intestinalen Störungen besteht Variot findet bei seinen Ekzemkindern
fast immer Störungen der Verdauung (Erbrechen, Diarrhoe, Konsti-
pation etc.), die er meistens in der Überernährung der Kinder begründet
sieht. Bei Flaschenkindern soll das Tiel öfter vorkommen, als bei Brust-
kindern. Indessen soll auch bei letzteren Ekzem nicht allzu selten sein
und hier meint Verf., daß eventuell toxische Substanzen in der Mutter-
milch die Schuld am Ekzem tragen.
Bei der Behandlung soll daher in erster Linie für eine zweck-
mäßige Ernährung gesorgt, die Verdauungsstörungen müssen durch
entsprechende Diät und Medikamente behoben, die lokale Therapie soll erst
in zweiter Linie berücksichtigt werden, sie muß eine milde sein. Vor zu
rascher Beseitigung des Ekzems wird gewarnt.
M. Winkler (Luzern).
der Hautkrankheiten. 237
BooUoehe, P. et Grenet, H. ön oas de collapsus grave
aa eonra de PecEÖma ches an noarriflson. Gasette des H6pitaax.
1906. pag. 865.
Die fransönsehen Autoren warnen immer wieder daror, Kinder-
ekaeme ratch zu beseitigen nnd xwar wegen der Gefahr der Intoxikationen
and KoUapeerscheinangpen. Sie betrachten die ekzematöse Haut als Aus-
scheidongsorgan für aatotozisehe Substanzen. Wird nun das Ekzem
dorch Behandlung oder durch eine andere Ursache rasch geheilt, so tritt
eine Retention der Toxine ein und dabei sind schwere Allgemein*
erscheinungen zu befürchten , namentlich bei Insuffizienz der Leber oder
der Nieren (Albuminurie). Als einen neuen Beweis für die Richtigkeit
ihrer Anschauungen betrachten Boulloche und Grenet folgenden Fall,
den sie sdbst beobachteten.
Ein 14 Monate alter Knabe leidet an einem nässenden Ekzem des
Gesichtes seit dem ersten Lebensmonat. Es tritt ohne eine ekzematöse
Behandlung ziemlich plötzlich ein Verschwinden des Ekzems ein.
Daraufhin leichte Temperatur, Verdauungsstörungen, Kollaps und Anurie.
Von Seite der inneren Organe sind sonst keine Ursachen für diese schweren
Symptome feststellbar^ insbesondere keine meningitischen Zeichen. Auf
eine di&te tische Behandlung, Desinfektion des Darms und Exzitantien
tritt in wenigen Tagen Heilung ein. Mit dem Verschwinden der Allgemein-
Symptome tritt aber das Ekzem wieder auf.
Boulloche und Grenet verlangen in solchen Fällen, das Ter-
schwundene Ekzem durch hautreizende Stoffe zu provozieren.
M. Winkler (Luzem).
Hildebraodt. Zur Ätiologie des Erythema nodosum. Aus
der medizinischen Klinik zu Freiburg i. B. Münchener medizinische
Wochenschrift. 1907. Nr. 7.
Hildebrandt gibt auf Grund eines von ihm beobachteten Falles
von Erythema nodosum, der, wie die bakteriologische Untersuchung des
Blutes ergab, sicher mit Tuberkulose kombiniert war, und 4 weiterer Fälle
Ton Erythema nodosum, die dem Allgemeinstatus nach ein gleichzeitiges
Vorhandensein von Tuberkulose vermuten ließen, der Ansicht Ausdruck,
daß auch durch Tuberkelbazillen eine von dem gewöhnlichen Erythema
nodosum nicht zu unterscheidende Krankheitsform hervorgerufen werden
kann. Oskar Müller (Dortmund).
Nobbs, Athelstane. A case of desquamative erythema. The
Lancet. 1907. April 27. p. 1156.
Nobbs behandelte einen 62jährigen Mann, der ein universelles
Exanthem bekam, das mit Desquamation abheilte. Es war nicht von
Fieber geleitet und ein Arzneimittel als Ursache konnte ausgeschlossen
werden. Fritz Juliusberg (Berlin).
Lieberthal, David. Liehen Planus of the Oral Mucosa.
Wiih Report of Two Gases. Joum. Am. Med. Assoc. XLVIII. 560.
16. Februar 1907.
138 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Lieberthal berichtet 2 Fälle von Liehen plannt der Mnnd-
sehleimhant, nach einigen allgemeinen Bemerkungen namentlich fiber die
Differentialdiagnoie desielben. In beiden F&llen waren Lichenefflores-
zenisen an verschiedenen Stellen der änderen Bedeckung vorhanden; in
dem ersten Falle schwanden die im ganxen geringfngigen Veränderangen
der Wangenschleimhant and der Znnge ohne Behandlung. In dem sweiten
Falle war der Sitz der Licheneffloresaenzen die Unterlippe. Ohne jede
örtliche Behandlung schien nach interner Arsenbehandlung Besserung
einzutreten. H. G. Klotz (New-Tork).
Polano. Zur Histologie des Liehen ruber verrucosus.
Dermat. ZeiUchr. Bd. XIY. p. 101.
Polano hat 3 Fälle von Liehen ruber verrucosus untersucht und
kam im ganzen zu denselben Ergebnissen wie die firfiheren Unterucher.
Dagegen hat er in seinen Präparaten für den von anderen Autoren schon
beschriebenen Kernreiohtum in den epithelialen Schichten eine Erklärung
gefunden. Er fand alle Stadien der mitotischen Kernteilung^ wobei es
aber immer nur zur Teilung des Kernes allein kam, ohne daß eine Teilung
des Protoplasmaleibes ersichtlich gewesen wäre. Es wäre dies eine nicht
zu Ende geführte Zellteilung, ein Vorgang, der auch für das Entstehen
gewöhnlicher Riesenzellen des Coriums von manchen Autoren ange-
nommen wird. Fritz Porges (Prag).
Schambergy Jay F. The Nature of Herpes Simplex, with
a Consideration of its Diagnostic and Prognostic Signi-
ficance in Various Infectious Diseases. Journ. Amer. Med. Ass.
XLVIU. 746. 2. März 1907.
Schamberg bespricht die Ähnlichkeiten und Unterschiede von
Herpes simplex und Zoster und die Rolle des ersteren bei gewissen In-
fektionskrankheiten. In seinen Schlußsätzen bewegt sich Seh. ziemlich
stark auf dem Gebiete der Hypothese. Sie besagen:
1. daß Herpes Zoster und H. simplex (facialis und progenitalis)
zwar nicht klinisch identisch aber nahe verwandt sind. Die Verände*
rungen in der Haut und in Nervengebilden soweit letztere untersucht,
sind faktisch die gleichen;
2. es ist in hohem Grade wahrscheinlich, daß eine ungeheure Mehr-
zahl der Fälle aller verschiedener Herpestypen das Resultat der Wirkung
eines Toxins sind. Diese Ansicht schließt notwendiger Weise die An-
nahme des infektiösen Ursprungs ein;
3. das häufige Vorkommen des Herp. 8imp.;bei gewissen Infektions-
krankheiten und das seltene Auftreten bei andern beweist, daß das Toxin
gewisse Eigentümlichkeiten besitzen muß, um eine selektive Neigung zu
sensiblen Nervengebilden auszuüben;
4. die den Herp. simpl. und Zoster hervorrufenden Toxine sind
höchst wahrscheinlich nicht das Produkt spezifischer Mikroorganismen;
bei ersterer Krankheit ist dies sicherlich der Fall und mag per analogiam
auch für die letztere angenommen werden;
der Hautkrankheiten. 139
6. die fast regelmäßige Entwicklung eines „herpetogenen** Toxins
bei Pneumonie, Cecebro-spinal Meningitis und Malaria gegenüber dem
seltenen Vorkommen bei Abdominaltyphus und vielen anderen Infektions«
krankheiten macht aus dem Auftreten des Herp. simpl. ein Symptom yon
diagnostischer Bedeutung;
6. angesichts der Neigung gewisser ludividuen zu wiederholten
Anfallen von Herp. facial im Gefolge leichter Unpäßlichkeiten sollte die-
selbe immer in Frage gezogen werden, ehe dem Herpesausbruch diag-
nostische Bedeutung beigelegt wird. H. G. Klotz (New- York).
Gaueher. La maladie de Hallopeau. (Pyodermite vege-
tante.) Gazette des H6pitaux. 1906. p« 1669.
An Hand eines Falles entwirft Gauch er ein klinisches Bild der
Pyodermatitis vegetans von Hallopeau. Der 86jährige Patient
Gauchers, der vor 16 Jahren Lues hatte, bot folgendes Erankheitsbild
dar. In der Inguinalgegend, im Gebiete der Pubes, am Bauch, auf der
Unterseite des Bnckens finden sich große Plaques von vesico-pustulosen
Effloreszenzen mit polyzyklischen Rändern. Viele dieser Plaques sehen
lichenoid ans, der Band ist mit Pusteln besetzt, die zusammenfließen und
teils Eiter enthalten, teils mit einer Kruste bedeckt sind. In der Um-
gebung der Plaques in der gesunden Haut finden sich noch frische
kleinere Pusteln. Im Gebiete des Plaques ist die Cutis vielfach ge-
wuchert. Der Allgemeinznstand ist gut, es besteht kein Fieber. Unter
feuchten Verbänden und Resorzinpulver tritt Besserung ein. In zwei
Pusteln fand sich der Staphylococcus pyogenes aureus in Reinkultur.
M. Winkler (Luzern).
Brault, S. Pityriasis rubra pilaire chez une femme.
Gazette des Höpitauz. 1906. p. 1131.
Brault beschreibt kurz einen typischen Fall von Pityriasis rubra
pilaris bei einer 80jährigen Frau. M. Winkler (Luzern).
Gendre, Paul. Les Prnrigineux. Gazette des H5pitaux.
1906. p. 1508.
In einem klinischen Vortrage bespricht Le Gendre die Ursachen
des Pruritus beim Kinde, bei der Frau, beim Mann und im Greisenalter
und gibt kurze Anweisungen für die Therapie.
M. W i n k 1 e r (Luzern).
tttursberg. Ein Beitrag zur Kenntnis der Addisonschen
Krankheit. Aus der mediz. Universitätsklinik zu Bonn. Münchener
mediz. Wochenschrift. 1907. Nr. 16.
Enthält die Krankengeschichten dreier Fälle von Addison scher
Krankheit, bei denen die Pigmentation der Haut und Schleimhäute g^nz
fehlte oder nur angedeutet war. Bei zwei Fällen wurde die Diagnose zu
Lebzeiten gestellt und zwar aus der auffallenden Adynamie der Patienten
und der starken Erniedrigung des Blutdruckes, für welche eine Er-
krankung des Herzens nicht verantwortlich gemacht werden konnte.
Wichtig ist bei derartigen Fällen von Nebennierentuberkulose der auf-
fallende Gegensatz zwischen der schweren Adynamie und der Verhältnis-
140 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
madig guten Erhaltung des EmährnngsBUstandet, speuell des Fettpolsters,
und Yerf. erblickt nach seinen Beobachtungen darin direkt ein diagnosiiseh
wertvolles Merkmal. Oskar Müller (Dortmund).
Yömer. Über Onychia pigmentosa. Aus der medisinischen
üniyersit.-Polikl. su Leipzig. Münchener med. Wochenschr. 1907. Nr. 14,
Yömer berichtet über einen Fall von Onychia mit starker Ver
färbung der Nagelsnbstans, die er, da Patient nicht mit Farbstoff in Be
rührung gekommen ist, allein auf den luetiaohen Prosefi surüokfnhrt
Verf., der bei mikroskopischer Untersuchung der abgeschabten Nagel
fcubstans starke Pigmentanhäufungen in den üomlamellen fand, nimmt
an, daß in diesem Falle Pigment analog der Verschleppung aus der
Epidermis in die Homschicht in die Nagelsubstanz eingedrungen ist.
Oskar Müller (Dortmund).
Bildangsanomalien.
Schleich. Das Carcinom- Rezidiv. Medis. Klinik. 1907. Nr. Id.
Schleich referiert über Versuche, die er in Gemeinschaft mit
Wittkowski gemacht hat, um Carcinomgewebe speziell Bezidivknoten
durch parenchymatöse Injektionen zu beeinflussen.
Da alle Injektionen, die mit Ergotin-, Karbol-, Sublimat-, Chinin-,
Nuklein-, Teer-, Wasserstoffsuperoxyd-, Chloroform wasser-, Chloroform-
alkohol-, Alkohollösungen, also den verschiedensten Parasiten töteoden
Flüssigkeiten vorgenommen wurden, gänzlich versagten, so zweifelt Verf.
wohl mit Recht an der Infektiosität des Karzinoms. Dagegen kann er
die Erfahrung anderer Autoren, daß eine Arsenkur (kakodylsaures
Natrium 0*01 pro dosi tägl. injiziert) im Verein mit Röntgenbestrahlung
bei einigen Fällen von Carcinom von Erfolg begleitet ist, bestätigen,
da auch er einen Fall durch dieses Verfahren zur Heilung gebracht hat.
Oskar Müller (Dortmund).
liibbert, Hugo. Menschliche Zellen als Parasiten. Deutsch,
med. Woch. Nr. 9. 1907.
Nicht nur von außen in den Organismus eindringende Lebewesen,
führt Bibbert aus, verdienen den Namen Parasiten, auch ein aus dem
Organismus selbst stammendes aber von seinem Gesamtleben losgelöstes
Zellgebilde kann eine parasitäre Rolle spielen, wenn es ohne dem Orga-
nismus noch als physiologischer Bestandteil eingefügt zu sein in ihm und
durch ihn also als Schmarotzer fortbesteht. Forscht man auf der Basis
dieser Erkenntnis weiter, so erscheint die myelogene Leukämie als eine
parasitäre Wucherung der aus dem Mark ausgeschalteten Markzellen,
die lymphatische Leukämie als Wucherung von Stammzellen lymphatischer
Organe. Alle Geschwülste stellen sich somit als parasitäre Wucherungen
ausgeschalteter Zellen dar, auch die malignen Tumoren kommen auf
der Hautkrankheiten. 141
diese Weise im Organismas znr Entstehung. Verf. geht besonders auf
die Entwicklung des Carcinoms durch die Wucherung ausgeschalteter
Epithelien ein, welche sogar wanderfahig sind und an jedem neuen Auf-
enthaltsorte existieren, wachsen und ihre zerstörende Tätigkeit entfalten
können. Max Joseph (Berlin).
Spude. Zur Ursache des Krebses. Medizinische Klinik.
1907. Nr. 8.
Nachdem Spude schon 1904 in einer Monographie: „Die Ursache
des Krebses und der Geschwülste im allgemeinen'* seine Ansicht über
die Genese des Krebses niedergelegt hat, sucht er die damals aufgestellte
Theorie, daß als Ursache des Krebses und der Geschwülste überhaupt
spezifische in den Körpersäften vorhandene Stoffe (Toxine) anzusehen
seien, durch eine erneute Beweisführung an der Hand histologischer
Zeichnungen zu stützen. Auf Grund seiner Annahme, daß es sich hierbei
um ein toxisches, respektive fermentartiges Stoffwechselprodnkt eines be-
stimmten Organsystems handelt, kommt Verf. zum Schluß zu ent-
sprechenden therapeutischen Vorschlägen wie intravenöse, sauerstoff-
gesättigte Kochsalzinfusionen, Einführung von reinem Sauerstoff, Schwitz-
kuren etc., über deren Erfolge jedoch bei der Kürze der Zeit und der
geringen Zahl der in dieser Weise behandelten Patienten noch nichts
definitives sagen kann. Oskar Müller (Dortmund).
Fl§cher, B. Die Entdeckung der Krebsursache durch
Herrn Dr. H. Spude. Münchener mediz. Wochenschr. 1907. Nr. 16.
Bemerkungen zu dem Artikel von Spude (Medizinische Klinik.
1907. Nr. 8 und 9), die wenigstens in wissenschaftlicher Beziehung keine
neuen Gesichtspunkte in die lediglich auf die Prioritätsfrage hinaus-
laufende Auseinandersetzung bringen. Oskar Müller (Dortmund).
Handley, Sampson. The Hunterian lectures of melanotic
growths in relation to their operative treatment (Lecture I).
The Lancet. 1907. April 6. p. 927 ff.
Handley studierte bei einem Fall you melanotischem Sarkom der
Haut die Arbeit der Dissemination dieser Tumoren. Zu diesem Zwecke
entfernte er einen Streifen Haut über der r. Inguinalgegend, wo zahl-
reiche Tumoren saßen. Ein orientierender Schnitt in diese Region zeigte
daß das Befallensein der Lymphgefäße das Hauptagens ist für die lokale
zentrifngale Verbreitung und daß zunächst eine ausgedehnte Verbreitung
in der Schicht des tiefen faszialen lymphatischen Plexus stattfindet. Das
Belallensein der Haut und der Muskeln findet statt durch die Lymphwege,
die von ihnen zu den faszialen Plexus führen.
Da Arterien und Venen in engem Zusammenhang mit den Lymph^
gefäßen rerlaufen, so ist die lymphatische Verbreitung gefolgt von einer
Infiltration der Venen- und Arterienwände und schließlieh dringen Tumor-
teilen ins Lumen der Blutgefäße ein. Fritz Jnliusberg (Berlin).
Handley, Sampson. The Hunterian lectures on melanotic
growths in relation to their operative treatment. (Lecture U.)
The Lancet 1907. April 13. p. 996 ff.
142 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Handley schlägt vor den Autdrack Melanome fnr alle melanin-
haltigen Tumoren, gutartige wie bösartige zu gebrauchen. Die Melanome
finden sich am häufigsten auf der Haut und im Auge, seiteuer dort wie
Haut in die Schleimhaut übergeht (am Munde* am Anus und an der
Vagina). Als Seltenheiten sind melanotische Eierstocksdermoide und
Melanome am Rückenmark beschrieben.
Handley bespricht die Rolle der Ghromatophoren besonders in
der Hant. Er nimmt an, daß in der Cutis snerst das Pigment sich findet
und dafi erst sekundär und passiv das Epithel von der Cutis aus mit
Pipment imprägniert wird. Weiter wird als wichig der Einfluß der Ghroma-
tophoren auf die Ernährung des Haaret gewürdigt. Die malignen
Melanome sind mesoblastische und nicht epitheliale Tumoren.
Es folgen Bemerkungen über Pigmentnaevl und Naevuszellen. Da
die malignen Melanome der Haut von den Zellen pigmentieKer Naevi
ausgehen, so sind die malignen Melanome Sarkome, wenn die Naevus-
zellen mesablastischen Ursprungs, Garcinome, wenn diese epiblastischen
Ursprungs sind. Der Verfasser stellt die darin divergierenden An-
schauungen, Borst, Bauer, Ribbert auf der einen Seite, Unna,
Eve, W. Fox auf der anderen Seite einander gegenüber. Er nimmt
mit der ersten Gruppe für die Naevuszellen den mesodermalen Ursprung
an. Einer histologischen Beschreibung der Melanome folgt ein Abschnitt
über die Natur des Melanins, wobei sich im wesentlichen der Autor aul
die Ausfuhrungen Ribberts (Zieglers Beiträge 97, p. 476) stützt.
Die Technik der Exstirpation hat Rücksicht zu nehmen auf die in
der ersten Vorlesung besprochene Verbreiterung auf dem Lymph- und
Blntwege von den einzelnen Tumoren aus.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Johnson, Frederick William. Cancer of the Vulva. Boston
Med. et Surg. Journal. 156. 898. 28. März. 1907.
Johnson beschreibt kurz einen Fall von primärem Epithelkrebs
der Vulva, einer nicht allzuhäufigen Erkrankung. Zuerst am 1. labium
maj. angefangen, 1899 operiert, nach 5 Jahren Rezidiv am r. lab., 1906
operiert, zur Zeit ohne Rezidiv. H. G. Klotz (New-York).
Gottheil, William S. Endothelioma of the Skin. Jour. Amer.
Med. Assoc. XLVIII. 93. 12. Januar. 1907.
Die von Gottheil beschriebene Geschwulst saß auf der äußeren
Kante des Fußes einer 27jährigen, sonst gesunden verheirateten Frau, in
Gestalt einer sehr scharf umschriebenen, runden Masse von kohlschwarzer
Farbe, V4 : Vs ^^^^ messend, von glatter, anscheinend normaler Epidermis
bedeckt mit Ausnahme einer in der Mitte befindlichen erbsengroßen
Erosion, die geringe Mengen blutigen Serums absonderte. Subjektive Be-
schwerden waren nicht vorhanden. Wegen rascher Zunahme im November
1903 Exstirpation der Geschwulst, Mai 1906 Rezidiv und nochmalige
Operation im Herbst 1906.
Mikroskopisch erwies sich die für Sarkom gehaltene Neubildung als
durchaus bestehend aus gewucherten, erweiterten, mit Zellen dicht ge-
der Hautkrankheiten. 143
fällten Lymphgefäßen, die vod dem horizintolen, subkutanen Lymph-
gefiißnetz ausgehend in keulenförmigen und verzweigten Massen das Gorium
bis gegen die nur sekundär beteiligte Epidermis hin durchsetzend. Die
Zellen waren polygonale oder runde, große kernhaltige Gebilde, mehr
oder weniger mit zu Klumpen vereinigtem Pigment angefüllt ; das letztere
erwies sich als echtes Melanin, nicht Blutpigment. 6. bezeichnet die
Oesch Wulst als lymphatisches Eudotheliom oder Lymphangioendothelioma.
H. G. Klotz (New- York).
Blighy William. Note on a case of bleeding telangiec-
tases. The Lancet. 1907. Februar 23. p. 506.
Bligh beobachtete starke Blutungen aus Angiomen; die Blutungen
waren viel profuser, als der Größe der Tumoren entsprach.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Heidingsfeld, M. L. Myomata Cutis. Joum. Am. Med. Ass.
XLVra. 662. 16. Februar. 1907.
Naeh einer Übersicht über die Literatur gibt Hei d in gs fei d einen
Bericht über 2 Fälle von Myomen der Haut mit eingehenden Beschrei-
bungen und Abbildungen der mikroskopischen Befunde. In dem ersten
Falle handelte [es sich um eine nach Trauma entstandene Neubildung
über der äußeren Tnberositas der 1. Tibia, in dem zweiten um einen
Teil der EfSoreszenzen eines linearen Naevns des Gesichts und Halses.
Histologisch zeigten beide Fälle in den oberen Gutisschichten bis in die
Papillen reichend unterwobene Bündel glatter Muskelfasern. Dieselben
enthielten die charakteristischen, langen, stabförmigen Kerne mit ab-
gerundeten Enden, eingebettet in eine Matrix von feinfaserigem Proto-
plasma ohne genaue Begrenzungslinien zwischen den Zellen. Im ersten
Falle war der Ausgangspunkt der Neubildung augenscheinlich die
museuli arrectores pilorum, im zweiten Falle die musoularis der Blut-
gefäße. H. G. Klotz (New-Tork).
Orton, Samuel T. und Locke, Edwin A. The Pathologie
Findings in Two Fatal Gases of Mycosis Fungoides. Journ.
Am. Med. Assoc. XLVIII. 89. 12. Januar 1907.
In dem einen der Fälle von Orton und Locke war die Unter-
suchung auf die Tumoren beschränkt, die Untersuchung hatte keine Ver-
änderungen außer denen der Haut aufgewiesen; in dem zweiten Falle
zeigte auch die Sektion keine anderen Störungen wichtiger Grgane. Die
histologische Beschreibung ist durch eine Anzahl Mikrophotographien
dargestellt. In dem ersten Falle stammte das Material von wachsenden
Tumoren aus der dritten Periode der Krankheit. Der Zelltypus der In-
fiiltration des Corium entsprach völlig dem des kleinzelligen Sarkoms,
allein ihre Lage unmittelbar angrenzend an die untersten Epidermis-
schichten ohne eine Zwischenschicht von Bindegewebe zeigt mehr das
Verhalten des Granuloma, während die Sarkome mit Ausnahme des
roelanotischen tiefer im Corium ihren Ursprung haben und meist ein
Band von Bindegewebe vor sich herdrängen. Dagegen fehlt die den
Granulomen eigentümliche Neigung zu Degeneration, and Nekrose der
144 Bericht über dio Leistungen auf dem Gebiete
anliegenden Gewebe. Die Blatuntersachung ergab eine absolute Leoko-
cyth&mie von 18750, von denen i4*3V«f ^l>o beinahe die ganze Zunahme,
ans großen mononukleären Zellen bestand. Die Tumorzellen zeigten
zahlreiche Karyokinese.
In dem zweiten Falle stammt« die untersuchte Haut von deu
unregelmäßigen Verdickungen, welche naoh dem völligen Verschwinden
der Tumormaasen zurückbleiben. Hier fand sich eine Infiltration entlang
der Gcföße und Drüsen, bestehend aus einer Anhäufung von Zellen von
verschiedenen Typen, die im ganzen das Bild einer chronisch entzünd-
lichen Veränderung boten.
Schlüsse betreffend die Ätiologie der Krankheit lassen sich aus
diesen zwei Fällen nicht mit Bestimmtheit ziehen. Der negative £rfolg
aller Kultur- und Tierinokulations versuche sprechen gegen die Annahme
der Natur der infektiösen Granulome. Die Verf. sind geneigt, die An-
sicht zu akzeptieren, daß die Myo. fung. zu den malignen L3rmphomen
zu rechnen sei; das bekannte Zunehmen und Abnehmen der Haut-
geschwülste legt die Möglichkeit eines leukämischen Prozesses nahe,
mit auf die Haut beschränkter Metastasis H. G. Klotz (New-YorK).
Woolley, Paul G. Some Tropical Gutaneons Ulcerative
Conditions. Joum. Am. Med. Ass. XLVIII. 789. 2. März. 1907.
Woolley hält eine Klassifizierung der verschiedenen, unter dem
Namen tropischer Hautgeschwüre beschriebenen Formen zur Zeit für
beinahe unmöglich, angesichts der Meinungsverschiedenheit in betrefi
der Ätiologie und des klinischen Verlaufs und der dürftigen histologischen
Kenntnisse. Wenn man die gemeinsamen klinischen Merkmale der ver-
schiedenen Arten von Hautveränderungen berücksichtigt und die wechselnde
Beschreibung derselben in Gemeinschaft mit den mannigfachen bakterio-
logischen Beschreibungen ihres Inhalts, so erscheint es höchst wahr-
scheinlich, daß nur wenige derselben von Anfang an selbständige Krank-
heitseinheiten darstellen. Zur Zeit scheint es daher besser, alle diese
Geschwürsformen zum Unterschied von den spezifischen Affektionen der
Syphilis, Tuberkulose, Lepra und allenfalls Yaws in die eine Gruppe der
ulzerativen Dermatitis zusammenzufassen.
W. eigene Erfahrungen deuten darauf hin, daß es sich in der
Mehrzahl dieser Fälle um die Folgen einer primären Trichophyton.
Infektion handelt, auf welche, begünstigt durch fortwährende Reizung in
dieser oder jener Weise eine sekundäre Infektion aufgepfropft worden
ist. Eine geringe Anzahl der Effioreszenzen läßt sich auf einen oder den
anderen Organismus zurückführen, am häufigsten auf den Staphylococcus
aureus, sehr ungewöhnlich auf den Koch-Weeks Bazillus; einige wenige
sind blastomykotischen Ursprungs. Die verschiedenen von W. berück-
sichtigten Gesohwürsformen werden unter den Namen der Orient-Geschwüre
(Aleppo-Beule und ähnliche Namen), Veld Sore und tropische Phagedena
zusammengefaßt, unter zahlreichen Beziehungen auf die Arbeiten englisch-
indischer und amerikanisch* philippinischer Beobachter.
H. G. KlotK (New-York).
der Hautkrankheiten. 145
Sayllly Agnes. A case of multiple oirumscribed lipo-
mata treated with ethylate of sodium. The Lancet. 1907.
April 16. p. 943 ff.
Savill hat einen Fall von multiplen Lipomen mit Bepinselung
mit Natrinmftthylat, Massage und Regelung der Diät behandelt und bringt
ein Eleinerwerden der Geschwülste mit der Therapie in Zusammenhang.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Saboulay. Neurofibromatose avec nSvrome plexiforme.
Gasette des Höpitaux. 1906. p. 1155.
Kurze klinische Mitteilung eines Falles von Neurofibromatose ohne
Besonderheiten. M. Winkler (Luzem).
Bonnette. Curieux exemple de Molluscum pendulum
en forme de yerge insere sur la fesse droite. Gazette des
Höpitaux. 1906. p. 167.
Bonnette beschreibt einen Fall von Molluscam pendulum, den
Mae Auliffe von Saint Louis bei einem 45jährigen Kaffer exoidiert
hatte. Das Molluscum war am rechten Gesäß in der Gegend der Spina
posterior sup. vermittelst eines Stieles inseriert, war 16 cm lang, 5 cm
breit. Das untere Ende war nlzeriert und eine fleischige Wucherung trat
hemienartig hervor wie eine Glans. Das ganze Gebilde glich zum Ver-
wechseln einem normalen Penis. Der Tumor soll von Jugend auf bestanden
haben und früher immer schmerzlos gewesen sein. Erst in den letzten
6 Monaten, beim Eintritt von Ulzeration und Entzündung, machte die
Geschwulst Beschwerden. Der kurzen Beschreibung sind zwei Abbildungen
beigegeben. M. Winkler (Luzern).
Widmer. Heilung eines Garcinoms durch Sonnenlicht
nebst einigen Beiträgen zur unmittelbaren Lichttherapie.
Mfinchener med. Wochenschr. 1907. Nr. 18.
Die geradezu verblüffenden Heilerfolge, welche Verfasser mit ein-
fachem Sonnenlicht bei Geschwüren, Pemionen, Ulcera oruris etc. zum
Teil in ganz kurzer Zeit erzielt hat, veranlaOten ihn, die Sonnenlioht-
behandiung bei einem Fall von maligner Neubildung zu probieren, wo
die Operation verweigert wurde. Es handelte sich um eine 81jährige
Frau mit einem 6 cm langen, 1-zentimeterhohem, stark ulzerierendem
Tumor auf dem Handrücken.
Die Geschwulst wurde täglich mehrere Stunden dem Sonnenlicht
ausgesetzt und reagierte schon sehr bald darauf, indem zunächst die
Schmerzen nachließen und Säuberung und Nachlassen der Sekretion ein-
trat Einige Wochen darauf begann die Geschwulstoberfläche einzusinken,
und von dem Zeitpunkt an war faßt täglich ein Rückgang zu bemerken,
so daß nach etwa 8 Monaten der Tumor ganz weg war und bisher auch
geblieben ist.
Wenn auch aus diesem einen Fall, der außerdem nicht histologisch
untersucht worden ist, keine weiteren Schlüsse zu ziehen sind, so ist doch
sicher, daß das Sonnenlicht im stände ist, die Neubildung jungen und
Areh. f. Damiat. n. Syph. Bd. UCXXIX. IQ
146 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
gesunden Gewebes mächtig anzuregen uud durch dieses das kranke Ge-
webe zu verdrängen. Oskar Müller (Dortmund).
Strebel. Die intratumorale Bestrahlung der Krebs*
getohwülste als Fortschritt der Radiotherapie. Munchener
med. Wochenschrift. 1907. Nr. 11.
Strebel macht auf eine neue Bestrahlungsmethode maligner Ge-
schwdlste aufmerksam. Nachdem schon 1903 ein Verfahren der intra-
tumoralen Radiumbestrahlung von ihm veröffentlicht wurde, hat er jetzt
auch einen Modus gefunden, die Röntgenstrahlen intratumoral zu appli-
zieren, indem mittelst besonders konstruierter Röhren die Strahlungs-
quelle in die Geschwulst selbst hinein verlegt wird. Verf. sieht diese
Methode unbedingt als Fortschritt der radiotherapeutischen Technik an.
Oskar Müller (Dortmund).
Schmidt, H. K Über intratumorale Röntgenbestrahlung.
Bemerkungen zu dem Artikel von Strebel in Nr. 11 dieser Wochen-
schrift. Münchener med. Wochenschrift« 1907. Nr. 14.
Schmidt wendet sich gegen die von Strebel vertretene An-
schauung, daß die Röntgenstrahlen nur von den obersten Schichten
massiger Tumoren absorbiert werden. Er hält das nicht für rfchtig und
weist auf die Schädigung von tiefer gelegenen Organen wie Hoden und
Ovarien durch Röntgenstrahlen hin, ohne daß die darüber gelegene Ge-
websschicht irgendwie alteriert zu werden braucht.
Verf. ist der Ansicht, daß die Reaktionsfähigkeit des Gewebes die
Hauptrolle dabei spielt und führt die Tatsache, daß dicke Tumoren zu-
weilen spurlos verschwinden, während andere vielleicht weniger dicke
kaum sichtbar beeinflußt werden, allein auf die verschiedene Reaktions-
fähigkeit des Gewebes zurück. Oskar Müller (Dortmund).
De Bearmann, Dominicl, Goagerot. Epithelioma pavi-
menteux lobule sur Radiodermite. (Contribution ä Tetude
de la pathog^nie des Cancers.) Gazette des Höpitaux. 1906. p. 1551.
Die Verf. beobachteten einen Fall von Radiodermatitis bei einem
Mann, dessen Hände 18 Monate täglich 6 — 8 Stunden der Röntgen-
bestrahlung ausgesetzt waren. Drei Jahre nach Aussetzen der Röntgen-
strahlen bot Pat. immer noch entzündliche Hauterscheinungen dar die mit
trophischen Störungen kompliziert waren. Letztere bestanden in tiefen Ulzera-
tionen, die nur sehr langsame Heilungstendenz zeigten. Eine ülzeration
auf dem Dorsum des kleinen Fingers der linken Hand griff immer tiefer
um sich, zerstörte die Strecksehne und eröffnete das Gelenk zwischen
zweiter und dritter Phalanx. Unter den Augen der Verf. verwandelte
sich dieses Ulcus in ein Epitheliom, welches seinen Ausgang von dem
Nagelfalz der Endphalanx nahm. Der Finger wurde amputiert und die
histologische Untersuchung ergab ein typisches Epitheliom. Die Verfasser
ziehen aus ihrer Beobachtung den Schluß, daß eine langdauemde Reizung
durch Röntgenstrahlen im stände sei, eine atypische Zellwucherung im
Sinne der Malignität zu provozieren. Der Fall spreche gegen die
bakterielle Ätiologie des Carcinoms. M. Winkler (Luzern).
der Hautkrankheiten. 147
Parasiten«
Hall, Walker. The staining of animal parasites. The
British Med. Joarnal. 1907. Mars 9. p. 556 ff.
Hall empfiehlt folgende Methode für Eier, Embryonen nnd aas-
gebildete höhere Parasiten. Die Färbung wird auch fär Färbung der
Pilse Yon Hant nod Haar empfohlen:
1. Aufstreichen des parasi tonhaltigen Sekrets auf den Objektträger,
darauf 6 Min. erwärmen oder fixieren in Formalindimpfen ;
2. Färbung Va^^ Min. in iVo^^^i* wässeriger Methylenblaulösung,
der 5 eem Eisessig auf 100 eem Farblosnng zugesetzt sind (Neissers
Methylenblau ist ebenso brauchbar); Metbylnolett und Nilblau sind
angeeigneter ;
3. Abspülen in Wasser;
4. Überdecken des Präparats mit alkoholisch gesättigter Eosin-
lösnng 5—10 Min. lang oder Erhitzen über der Flamme nach Muir
(Journ. of Pathology 1936)| den Alkohol ausblasen wenn er brennt, bis
das Präparat trocken ist ;
5. Abspülen in Wasser;
6. Fixieren Vt^^ ^^Q* i^ Kalium- Alaunlösung;
7. Entfärben in 90^/^ Alkohol, bis eine gleichmäßige rosa Farbe
•entsteht ;
8. Waschen in Wasser, trocknen, montieren in Eanadabalsam.
Frits Juliusberg (Berlin).
Poaeet. Actinomycose et grosses .««e. Gazette des Hopitaix
1906. pag. 735.
Über drei Fälle von oerrico-facialer Aktinomykose, die während
der Schwangerschaft auftrat, berichtet Poncet. Er zieht aus den Be-
obachtungen folgende Schlüsse:
1. Die Schwangerschaft verhindert eine aktino mykotische Infektion
nicht; das Terrain scheint aber für die Entwicklung des Pilzes nicht be-
sonders günstig zu sein ; 2. das Wochenbett verschlimmert die Affektion ;
3. auf die Entwicklung nnd spätere Lebenskraft des Foetns hat die
aktinomykotisohe Infektion der Mutter keinen Einfluß.
Wegen der Gefahr einer direkten Übertragung und wegen der im
Wochenbett zu applizierenden intensiven Röntgenstrahlen-Therapie der
Matter rät P o n c e t vom Stillen des Kindes durch die Mutter entschieden ab.
Therapeutisch empfiehlt der Verf. neben der üblichen Behandlung
die Bestrahlung durch das Sonnenlicht; es soll der akttnomykotische
ProseO dadurch ebenso günstig beeinflußt werden, wie die Tuberkulose.
M. Winkler (Lnzern).
Valary, Gh. Sur nn oas d'Actinomycose du poignei.
Oazette des Höpitaux. 1906. pag. 606.
10*
148 Bericht über die Leistangen aaf dem Gebiete
Valery beobachtete bei einem 45jährigen Landwirte aaf der
Vorderseite des rechten Handgelenkes eine aktinomykotische Infektion
in Form von zwei langen, strichförmigen Kratzaffektionen. Die Basi»
war ödematös und leicht induriert. Die Wunde selbst gerötet, wnoherndr
granlichen Eiter sezemierend. Es entwickelten sich Lymphstränge am
Arm. Daza bestand Fieber, Schlaflosigkeit, allgemeine Schwäche und
Depression. Die Wunden nahmen allmählich an Umfang zn bis zur
Fnsion. Eine chirurgische Behandlung in Form von Abkratzen mit
scharfem Löffel und Kauterisation brachte Besserung, eine darnach ein-
geleitete Röntgenstrahlen-Therapie aber sehr rasche Heilung.
M. Wink 1er (Luzerii).
Brown, Philip King. Goccidioidal Granuloma. Jour. Am»
Med. Ass. XLYUL 743. 2. März. 1907.
Brown bespricht wiederum die bereits von Ophüls betonten
Unterschiede zwischen der namentlich in Kalifornien beobachteten und
dort als Granuloma cocoioides bezeichneten Krankheit und der in den
Mittel- Weststaaten der Vereinigten Staaten vorkommenden Blastomykosis,
die von verschiedenen Seiten identifiziert worden sind. Die Unterschiede
betreffen sowohl die bei den betreffenden Krankheiten beobachteten Or-
ganismen und ihr Verhalten in Kulturen, als ganz besonders die klinischen
Erscheinungen. Hantveränderungen fohlen nicht selten bei G. G., vieK
mehr handelt es sich um eine allgemeine Infektion, der in der Regel die
Patienten unterliegen; von den 16 Patienten, deren Krankengeschichten
kurz berichtet werden, war bestimmt am Leben nur noch ein einziger.
Bei diesem war wegen Ausbruchs der Krankheit am FuOgelenk sofort der
Fuß amputiert worden. Die Hautveränderungen sind meist fortschreitend
mit ausgesprochener Neigung zur Weiterverbreitung auf dem Lymph-
und Blutwege ; in einzelnen Fällen scheinen dieselben primär aufzutreten
und zwar an Körperstellen, die Infektionen besonders ausgesetzt sind,,
meistens aber sind sie sekundäreren, embolischen Ursprungs und können
überall auftreten. Behandlung mit Jodkalium erwies sich auch in ener-
gischen Dosen wirkungslos, während Blastomykosis meist günstige Er-
folge von Jod zeigt.
Aufier den kurzen Berichten über 14 früher veröffentlichte Fälle
von Gran, cocciod. beschreibt B. ausführlich einen weiteren 15., und knrz
drei weitere selbt beobachtete Fälle, die die Gesamtzahl auf 18 bringen.
Impfversuche mit Meerschweinchen wurden durch das San Francisco-
Erdbeben und Feuer unterbrochen. Unter den 18 Fällen trat die
Krankheit 5 mal primär auf der Haut auf, 12 mal an inneren Organe n^
besonders den Lungen, in einem Fall war der Anfang unbekannt. Die
Mehrzahl der Kranken starben innerhalb eines Jahres nach dem Aus-
bruch ; der Verlauf war immer akut von dem Auftreten an inneren Or-
ganen an; nur Herz und Perikard blieben von der Infektion verschont.
Sämtliche Patienten waren männlichen Geschlechts. Es scheint, daB die
Krankheit auf die untere Hälfte des San Joaquintales in Kalifornien be«
schränkt ist, denn von den 18 Patienten hatten 14 nachweislich in dieser
der Haatkrankheiten* 149
ilegend gelebt, meist mit Eisenbahnbaa oder Bewässern ngsanlagea be*
«obftftigt, bei 8 feblte genaue Auskunft und ein einziger war nacbweisliob
nicht in San Joaquin gewesen, er war mit rohen H&uten beschäftigt.
H. G. KlotE (New-York).
Porter, F. J. W. The treatment of Scabies by baisam
of Peru. The British Med. Journal. 1907. Mai 80. p. 744.
Kurz berichtet Porter über die Behandlang von Skabies mit
Perubalsam. Fritz Juliusberg (Berlin).
1
Geschlechts-Krankheiten.
Anatomie, Physiologie, allgem. und exp. Pathologie,
pathol. Anatomie, Therapie.
Bolk, L. Beitrage zur AffenaDatoxnie. VI. Znr £d( wick-
lang und vergleichenden Anatomie des Tractns urethro-
vaginalis der Primaten. Zeitscbr. für Morph, u. Anthrop. Band X,
1907. p. 250—316.
Aus einem sehr großen Untersuchungsmaterial zieht B. den Schluß,
daß die Bisch off sehe Annahme, bei den Affen kamen keine Labia
maiora vor, unzutreffend sei. Vielmehr zeigt er bei vielen Platyrrhinen
Labia maiora, die sogar Echärfer begrenzt und relativ kräftiger entwickelt
•ind als beim Menschen. Dasselbe gilt auch für die niederen katarrhinen
Affen, wobei sich die interessante Tatsache ergab, daß die Labia maiora
in ziemlich großer Entfernung von der Geschlechtsöffnung liegen und mit
dieser in gar keiner Beziehung stehen. Die katarrhinen Affenweibchen
verlieren ihre Labia maiora noch im jugendlichen Alter. B. ist also im
Gegensatz zu Bisch off der Ansicht^ daß die Labia maiora des Menschen
keineswegs Neubildungen sind, sondern Erscheinungen, in denen der
Mensch den katarrhinen Affen gegenüber etwas Primitives bewahrt bat.
Arnold Löwenstein (Prag).
Posner. Über angeborene Strikturen der Harnröhre.
Berl. klin. Wochenschr. Nr. 18. 1907.
Angeborene Verengerungen de.s Orificium ezternum urethrae sind
nichts seltenes; daß aber auch an der Übergangsstelle zwischen Pars
bnlboFa und membranacea angeborene Strikturen vorkommen, lehrt die
hier von Posner mitgeteilte Beobachtung. Sie betrifft einen 11jährigen
Knaben, der ohne voi hergehendes Trauma oder entzündliche Erkrankung
wegen einer Verengerung an der genannten Stelle mit Erfolg durch
Dilatation behandelt wurde. Auffallend an dem Erankheitsbilde war das
spontane Auftreten einer Hämaturie. Es dürfte sich um eine Nieren-
beckenblutung infolge der Urinstauung gehandelt haben.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Bericht üb. d. Leistungen auf d. Geb. d. GeBchlechttkrankh. 151
Vath, Gifford. Kecurrent torsion of the spermatio oord.
Tbe British Med. Journal 1907. Mai 80. p. 748.
Nash beschreibt 2 Fälle von traumatischer Torsion des Samen-
stranges. In dem einen Falle ging die Torsion yon selbst xurüok, im
anderen ließ sie sich leicht zurfickbringen.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Rieharts, H., Homburg. Ein bisher nicht beschriebenes
Harnsediment. Zentralblatt f. innere Medizin. 1907. Nr. 6. p. 158.
Es handelt sich um Doppelbfischel langer feiner Kristalle, die
Rioharts in dem Sediment bei einer Phosphaturie fand. Die Büschel
sind bis 1*5 mm laog, die Nadeln vierkantig, prismatisch und distal zu-
gespitzt, farblos, stark lichtbrechend, in Essigsäure löslich. Chemisch
wurde in ihnen Phosphor, Magnesium, Ammonium und eine Spur Kal-
zium nachgewiesen. Der Urin war alkalisch, spez. Gew. 1021, wurde klar
gelassen, trübte sich aber sofort nach der Entleerung.
A. Gassmann (Genf).
Bftrgi, Emil. Über die Methoden der Quecksilber-
bestimmung im Urin. Archiv für experimentelle Pathologie und
Pharmakologie. Bd. LIV. p. 489.
Bürgi bespricht die verschiedenen Methoden der Hg-Bestimmung
im Urin und teilt dieselben in folgende Gruppen ein:
1. Die titrimetrischeu Messungen des Quecksilbers,
2. Bestimmung des Hg durch trockene Destillation,
3. Fällung des Hg als Sulfit,
4. Die Amalgamierungsmethoden.
Bürgi hat verschiedene dieser Methoden, namentlich der Amal-
gamierungsmethoden, selbst geprüft, die anderen kritisch beleuchtet und
kommt schließlich dazu, der Farup sehen Methode den Vorrang zu
erteilen. Verf. hat für seine quantitativen Hg-Bestimmungen im Urin,
über deren Resultate er in diesem Archiv ausführlicher berichtet hat,
sich dieser Methode bedient und damit günstige Resultate erzielt.
M. Winkler (Luzem).
Southam, F. A. Two cases of cystine calculi. The British
Med. Journal 1907. März 2. p. 489 ff.
Bei der Seltenheit der Cystinsteine hält Southam zwei einschlägige
Falle für mitteilenswert. Die Steine waren von gelblicher Farbe, unregel-
mäßiger krietallinificher Oberfläche und bestanden ganz aus Cystin. Der
größere Stein mußte aus der Blase operativ entfernt werden, der kleinere
ging mit dem Urin ab. Fritz Juliusberg (Berlin).
Young, William Glenn. Albuminuria of Prostatio and
Seminal Origin, with Report of Two Gases. New-York Med.
Joum. LXXXY. 18. 5. Januar 1907.
Young lenkt die Aufmerksamkeit auf das Auftreten von Eiweiß-
reaktion im Urin durch Beimischung von Prostatasekret oder Sperma.
In dem einen der beschriebenen Fälle handelte es sich um einen Patienten
mit sehr frequenten Pollutionen, in dem andern um Eongestion der
152 Bericht über die LeiBtangen auf dem Gebiete
Prostata und der Sameoblätcheo. Von besonderer Wioktigkeit ist die
mikroskopische Untersnchang, die Spermatozoen, einige Leakooyten and
Epithelien nachweist. Unter Umständen mag es nötig sein, den Urin per
Katheter oder selbst Uretherkatheter zu erlangen.
H. Q. Klotz (New-Tork).
Bolton, Josef. The treatment of prostatic congestion by
eieotrical methods. The Lancet 1907. April 18. p. 1013.
Bolton hatte bei zwei Fällen Ton Prostatahypertrophie guten
Erfolg mit Hochfrequenzströmen. Fritc Juliusberg (Berlin).
Freyer, P. J. Total enuoleation of the prostate for
radical eure of enlargement of that organ. The British Med.
Journal 1907. März 9. p. 551 ff.
Frey er hat wieder einigte Male die Prostataenukleation ausge-
führt. Die Fälle werden ausführlich beschrieben und sind teilweise durch
Illustrationen erläutert. Fritz Juliusberg (Berlin).
Oppenheim, M., Wien (Klinik Finger). Zur Behandlung der
Haut- und Geschlechtskrankheiten mit Biersoher Stauung.
Wiener medizinische Presse. 1907. Nr. 19.
Oppenheim gibt folgendes Resümee seiner Beobachtungen: Die
StauungBbehandlnng nach Bier leistet gute Dienste bei allen akuten
eitrigen Infektionen der EEaut, wie Furunkeln, Abszessen etc., bei ent-
zündeten und vereiternden Lymphdrüsen ; wärmstens kann sie empfohlen
werden zur Behandlung der Arthritis gonorrhoica und der Ulcera gum-
mosa cruris.
Keine Erfolge ersielte Oppenheim bei der Behandlung chronischer
Hautkrankheiten, doch will er darüber und über den Erfolg bei Epididy-
mitis tuberculosa et gonorrhoica kein abschließendes urteil abgeben.
Viktor Band 1er (Prag).
Yogel. Der Yerweilkatheter: seine Anwendung und
seine Wirkungsweise. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 20. 1907.
Vogel empfiehlt angelegentlichst die Anwendung des Verweil*
katheters bei Gystitis, Prostatahypertrophie, Strikturen und Verletzungen
der Harnröhre. Er glaubt, daß die Gefahren dieser Methode im allge-
meinen überschätzt werden und empfiehlt zu ihrer Ausführung am meisten
die Seidenstoffkatheter der Firma Rusch-Gannstatt.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Weiss, A., Wien. Ein neuer Katheter- und Gystoskop-
Sterilisator. Wiener mediz. Wochenschr. 1907. Nr. 24.
Nach ausgedehnten bakteriologischen Vorversuchen mit Autan,
einem Formaldehydpräparat, das aus einem Geroenge von Metallsuper-
oxyden und Paraformaldehyd besteht und bei Hinzutritt von kaltem Wasser
unter starker Temperaturerhöhung sich ohne Zuhilfenahme einer Ver-
gainngslampe in gasförmigen Zustand umwandelt, konstruierte Weiss
folgenden Apparat. Derselbe besteht aus einem Metallfufi, in den ein
oben mit einem Deckel luftdicht abschließbarer, unten offener Zylinder
eingeführt werden kann. Auf einer in den Zylinder eingelassenen Filiere
der Geschlechtskrankheiten. 153
iiftngeii die zu desinfizierenden Instrumente. In den Metallfaß ist ein
Glasgefäfl eingelassen, in dem nach Abnahme des Zylinders das Autan-
pulyer mit Wasser in dem Verhältnisse 5 em* : 7 om* gemischt wird. Der
Zylinder wird nun rasch eingesetzt und die Desinfektion geht yor sich.
Naeh drei, sicherer nach 6 Stunden, wird der Zylinder abgenommen, das
Glasgeflß im Fuße herausgehoben und mit einem anderen vertauscht,
indem sich ein Gemisch von Chlorkalzium und Ammonium carbonicum
befindet. Ersteres soll das am Katheter befindliche Überschüssige Kondens-
wasser absorbieren, letzteres das überschüssige Formaldehyd binden. Der
Autor glaubt, daß der Apparat eine verläßliche Sterilisation und eine
•terile Aufbewahrung gewährleistet. Viktor Bandler (Prag).
Bloch. Über einen neuen Katheter-Dampfsterilisator
mit Aufbewahrungsbehältern für die einzelnen Katheter.
Berl. klin. Wochenschr. Nr. 10. 1907.
Der Apparat besteht aus einem dosenformigen Dampferzeuger, um
welchen drei zur Aufnahme der Katheter bestimmte Tuben herumgelegt
sind. Der Dampf zieht durch die Tuben und den inneren Hohlraum der
Katheter und desinfiziert sie so von innen und außen in 2Vi Minuten.
Verfertiger: Louis und H. Loewenstein, Berlin.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Mayer, Martin. Spirochaetenbefunde bei Framboesia
tropica. Deutsche med, Wochenschr. Nr. 12. 1907.
In 5 Fällen tropischer Framboesie aus Ceylon und Ostafrika konnte
Mayer im Safte geschlossener junger Papeln die von Gastellani ent-
deckte Spirochaete pertennis nachweisen. Diese Spirochaete, welche der
Spir. pallida nahesteht, aber noch feiner und schwerer farbbar zu sein
scheint, hält Verf. für den Krankheitserreger der Framboesie.
Max Joseph (Berlin).
Dreyer, Albert. Über Spirochaetenbefunde in spitzen
Kondylomen. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 18. 1907.
Auf Grund von 8 Beobachtungen spitzer Kondylome, in welchen
sich, wenn auch spärlich, Spirochaete refringens fanden, hält Dreyer
eine Pathogenität dieser Mikroorganismen für die spitzen Kondylome für
wahrscheinlich, eine Meinung, welche Schaudinn bereits früher ver-
treten hatte. Die saprophytische Natur der Spirochaete refringens steht
dieser Annahme nicht im Wege, da auch andere Saprophyten, Staphylo-
kokken, Bacter. coli etc. sich häufig genug zu £rregern verschiedener
Krankheiten umgestalten. Vielmehr erklärt das stete Vorhandensein der
Spir. refring. im Vorhautsack jene Fälle von spitzen Kondylomen, welche
nicht durch Übertragung entstanden sind. Aus der Tatsache heraus, daß
die Spir. refring. nicht nur im Gewebe, sondern auch in den Blutgefäßen
der oberen Cutis sitzen, lassen sich sowohl die Neigung zu Rezidiven bei
oberflächlicher Verschorfnng, als die Erfolge der inneren Therapie (Arsen)
verstehen. Verf. kommt sodann auf eine frühere Mitteilung zurück, in
welcher er ausführte, daß die breiten Kondylome vielleicht durch eine
154 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Mischinfektion Ton Spirochaete pallida und refring. xn Stande kämen, da
sich in denselben beide Spiroohaetenformen finden.
Max Joseph (Berlin).
Cronorrhoe und deren Komplikationen.
Saxe, De Santos. A Study of Shreds in the Urine in Their
Relations to Diagnosis and Prognosis. New-York. Med. Jonrn.
LXXXV, 398. 2. Mars 1907,
Saxe macht darauf aufmerksami dafi im allgemeinen in den Lehr-
büchern die Tripperfaden nicht sehr genau beschrieben und namentlich
nicht durch Abbildungen zur Darstellung gebracht werden. Er hat daher
eine große Anzahl Fäden von den rertchiedensten Erkrankungsformen
untersucht. Am besten lassen sich die Fäden nach Fixierung (zum Teil
durch verdünntes Kollodium) und Färbung untersuchen; die besten Fär-
bungen erhielt er mit Unnas polychromer Methode. S. unterscheidet
eitrige, schleimig-eitrige, schleimige und epitheliale Fäden. Bei den
letzteren kommen verschiedene Arten von Epithelien vor, auch verschie-
dene Arten von Degeneration (hyaline). Faden, die ausschließlich aus
Plattenepithelien mit kleinen Kernen zusammengesetzt sind, werden
spontan abgestoßen nach Anwendung von Instrumenten in einer Periode
der Krankheit, in welcher die oberflächlichen Schichten der Urethral-
sohleimhaut unter dem Einfluß von darunterliegenden submukösen Stö-
rungen von squamösen Epithelien gebildet werden.
Fäden aus der Prostata und den Samenbläschen schließen gewisse
spezielle Formen ein, die unter dem Mikroskop unterschieden werden
können. Die sog. Kommafaden sind teils wirkliche, Fürbringersche,
d. h. hakenförmige Gebilde, aus geschichteten Epithelien bestehend und
ans den Prostatagänsen stammend, teils falsche, d. h. Teilen von Schleim-
fäden, die an dem einen Ende zu einem Klumpen aufgerollt sind.
Die Häufigkeit der Gonokokken steht in geradem Verhältnisse za
dem Vorhandeusein von Eiterzellen und im umgekehrten zu dem der
Epithelien, doch gilt dies nicht von den Prostataföden. In Bezug auf
die Lokalisation der Erkrankung in der anterior oder posterior ur. ist
das Studium der Fäden nicht von wesentlicher Bedeutung; nur soweit
die Prostata in Frage kommt, hat sie einigen Wert. Etwas mehr Auf-
schluß ^gibt es über den Stand der Entzündung, in dem zuerst eitrige,
dann schleimig-eitrige, schleimige und endlich epitheliale Fäden auf-
zutreten pflegen. Auch für die Prognose bedeuten die Fäden nicht viel,
einigermaßen bestimmend ist der Gehalt an Eiterzellen. Die Heirata-
koDsens sollte nicht erteilt werden, bis die letzten Fäden einige Mouate
lang keine Eiterzellen aufgewiesen haben, auch nicht nach Provokation
durch Biertrinken. H. G. Klotz (New- York).
der Gesoblechtskrankheiten. 155
Üble, A. A. ond Mackinney, W. H. Oonorrhoeal Epididy-
mitis. A Stady of 264 Gases. New-York. Med. Journ. LXXXV. 348.
28. Febr. 1907.
Uhle und Mackinneys Beobachtangen von 264 Fällen gonorrhoi-
scber £pididynQiti8 haben nicht gerade viel Neues geliefert. Aaf 241
Patienten yerteilt repräsentieren diese Fälle 16Vo d^f in der gleichen
poliklinischen Praxis beobachteten Gonorrhoefalle; diese 'etwas große
Ziffer wird dadurch erklärt, daß viele Patienten ärztliche Hilfe erst beim
Eintreten der Komplikation suchen. Der Sitz war bei 123 rechts, bei 118
links, bei 23 doppelseitig, 19 waren Rückfalle derselben Seite; die Mehr-
zahl trat in der 2. und 3. Woche auf, doch kamen auch Fälle nach län-
gerer Latenz infolge von Trauma auf, die dann zu frischer Infektion
führten. Anatomisch handelt es sich anfangs um trübe Schwellung der
Epithelien, gefolgt von Nekrose und Desquamation, später von Ödem,
Verdickung und Rundzelleninfiltration der tieferen Schichten; es tritt
Erweiterung des Gefaßlumens mit Eiter und nekrotischen Epithelien in
demselben auf. Wirkliche Eiterherde wurden nur selten gefunden ; ebenso
ist die Beteiligung der Hoden selbst (Orchitis) viel seltener, als gemeinlich
behauptet wird. Für die Behandlung wird anfangs eine 20^0 Gn^jakoU
salbe, später Ungt. hydrargyri, belladonn. und Ichthyol empfohlen.
H. G. Klotz (New- York).
Swinburne, George Knowles. The Antigonococous-Serum
of Rogers and Torrey in Epididy mitis. Journ. Am. Med. Ass.
XLVIII. 319. 26. Januar 1907.
Swinbarne berichtet über 13 Fälle von Epididymitis, in welchen
er das An tigonocoocus- Serum von Rogers und Forrey, über das bereits
früher berichtet wurde, zur Anwendung brachte, meistens 2 — 5 Eiu-
spritzungen. Zuweilen waren die Einspritzungen von heftiger örtlicher
Reaktion gefolgt. In allen Fällen schien das Serum günstigen Einfluß
auf den Entzündungsprozeß in der Epididymitis zu haben; Schmerz war
vom 4. Tage an verschwunden außer in 8 Fällen, die rezidivierten; in
6 Fällen erfolgte Heilung ohne Hinterlassung irgendwelcher Knoten, in
4 blieb geringe, in 2 größere Schwellung zurück. Die einzelnen Kranken-
geschichten werden kurz berichtet. H. G. Klotz (New- York).
Beefelder. Zur Prophylaxe der Blennorrhoe der Neu-
geborenen. Münch. med. Wochenschrift. 1907. Nr. 10.
Nachdem schon Thies in Nr. 33, 1906 dieser Wochenschrift seine
Erfahrungen betrefis des Argentum aceticum und des Argentum nitricum
mitgeteilt hat, ist von Seefelder eine eingehende Nachprüfung der
Wirkungsweise dieser beiden Silberpräparate angestellt worden. Er kommt
zu dem Schluß, daß das Argentum aceticum (1%) ^^ Bezug auf Inten-
sität und Milde der Wirkung dem Argentum nitricum nicht nachsteht,
vor diesem aber den großen Vorzug genießt, auch wenn eine Verdunstung
stattfindet, seine Konzentration nicht zu verändern, also unter allen Um-
ständen unschädlich zu bleiben. Oskar Müller (Dortmund).
156 Bericht üb. die Leistangen auf dem Gebiete d. Gtoschlechtsk.
Hyman, Samael M. Report of a Gase of Gonorrhoea of
the Moath. New-Tork. Med. Jouro. LXXXV. 169. 26. Januar 1907.
Hyman beobachtete bei einem 18jfthrigea Mädchen nach Coitiu
per 08 Schmerz, Brennen, Geföhl von Hitze und Wundsein im Mund in
solchem Grade, daß auch der Genuß flüssiger Nahrung möglichst ver-
mieden wurde. Die Zunge war rot und geschwollen, die Uvula mit roten
Flecken bedeckt, die Wangen waren mit einer milchhautahnlichen Membran
bedeckt, unter welcher die Schleimhaut hochrot und geschwollen erschien ;
in der Membran wurden Staphylokokken und Diplokokken vom Typus
des Gonococcus nachgewiesen. H. G. Klotz (New-Tork).
Fellner. Einige Fälle von paraurethraler Eiterung
beim Weibe« Dermatol. Ztschr. Bd. XIY. p. 157.
Fellner verAgt über 6 Fälle, von denen 4 gonorrhoische Infek-
tionen betreffen, während es sich bei der fünften Patientin, einer Virgo,
um eine durch Bacterium coli hervorgerufene Erkrankung handelt F e 1 1 n e r
unterscheidet mehrere Arten von Urethralgängen, welche Ausgangspunkt
von Eiterungen und Abszeßbildungen sein können. Es sind entweder
präformierte Gänge oberhalb der Urethralmündang, in anderen Fällen
Nischen zu beiden Seiten des Orificiums und endlich in seltenen Fällen
kleine Offnungen zwischen Harnröhre und Hymen. Die erstgenannten
sind intraurethrale Gänge, die in die Harnröhre selbst ausmünden, während
die zwei anderen (Gruppen paraurethral liegen. Fellner meint, daß
diese Gänge oft übersehen werden — sie entleeren sich manchmal für
eine ganze Zeit, um dann wieder zu eitern — und häufig die Ursache für
langandanemde, scheinbar unheilbare Urethritiden und Cystitiden abgeben.
Fritz Porges (Prag).
Arnaud, L. Les rätröcissements blennorrbagiques du
rectum. Gazette des Höpitaux. 1906. p. 159.
Arnaud liefert ein abgeschlossenes klinisches Bild der gonorrhoi-
schen Bektalstrikturen und kommt zu folgenden Schlußfolgerungen: Die
Striktnren des Reotums auf gonorrhoischer Grundlage sind häufiger als
man gewöhnlich annimmt; viele werden irrtümlicherweise für syphilitisch
gehalten« Die im Verlaufe der Rektalgonorrhoe auftretenden Abszesse
sind analog den periurethralen und prostatischen Abszessen sowie denen
der Bartholinisohen Drüsen. Die Striktur entwickelt sich langsam und
allmählich und zeigt die gleiche anatomische Beschaffenheit wie die
Urethralstriktur.
Die Striktur des Rektums ist häufiger bei der Frau als beim Manne.
M. Winkler (Luzern).
Buchanzeigen und Besprechungen.
Yorberg, G. Fournier, Alfred: Die Syphilis der ehr-
baren Fraaen. Wien 1907, Franz Denticke.
Von 100 syphilitischen Franen sind ungefähr 20 ehrbare, ver-
heiratete Frauen, deren Ansteckung auf zweierlei Weise erfolgen kann:
Entweder hat sich der Mann vor der Verheiratung oder nachher
infiziert. Von 812 Fällen wurde 218 Mal die Syphilis vor der Ehe, 94
Mal nach der Hochzeit erworben. Die Ansteckung kann im ersten Monat
erfolgen, aber auch im neunten Jahre; in den weitaus meisten Fällen
wird die Syphilis im ersten Jahre auf die Frau übertragen. Aus einer
Zusammenstellung von 142 Ehemännern ist ersichtlich, daß 98 bei der
Heirat eine Syphilis hatten, die jünger als drei Jahre war; also die
Syphilitiker beiraten zu früh! Aber es ist noch weit schwerer,
die Kinder zu schützen als die Frau. Deshalb empfiehlt sich eine Warte-
zeit von 4 bis 5 Jahren, ehe einem Syphilitiker die Heirat gestattet
werden darf. Besondere Aufmerksamkeit ist den Spätformen des Sekun-
därstadiums zu schenken, die hauptsächlich in Gestalt der Psoriasis
palmaris und plantaris bald ganz früh, manchmal aber erst 15, 20, 80
Jahre nach der Ansteckung auftreten; in einem Fall von Finger
erfolgte die Ansteckung nach 17 Jahren, Neisser berichtet über eine
Infektion nach 20 Jahren. Daraus folgen für den Arzt zwei Ver-
pflichtungen: 1. die Kranken aufzuklären, 2. jedem syphilitischen Heirats -
kandidaten den Tabak zu untersagen, da derselbe jederzeit im Munde des
Syphilitischen Erscheinungen hervorrufen kann, die zur Infektion Ver-
anlassung geben können. Es fällt auch auf, daß die angesteckten Frauen
entweder gar nicht oder ur zureichend behandelt werden, was einen
schwereren Verlauf zur Folge hat, und daß ihnen oft die Art ihrer
Krankheit verschwiegen wird. Der Syphilis, von der die Befallenen
nichts wissen, kann man überall begegnen ; nirgendwo begegnet man ihr
aber so häufig wie bei den ehrbaren Frauen, die von ihren Ehemännern
angetteokt worden sind. H. H.
158 Buchanzeigen und Besprechungen.
Brenneeke, Dr.: Freiheitl Ein offenes Wort zur sexualen
Frage an DeutBchlands Jugend. (Magdeburg, 1907.)
Am 6. März 1907 hielt B. vor den Abiturienten der höheren
Schulen Magdeburgs einen Vortrag, in dem die jungen Leute vor den
Gefahren der Geschlechtskrankheiten gewarnt werden. Nach kurzer Dar-
stellung des Wesens derselben wird die Tatsache erwähnt, daß gerade
die Studenten mit einer Infektionshäufigkeit von 257o (Blaschko) allen
anderen Ständen vorangehen. Und die Ursache? Mangelnde Selbst-
beherrschung, Verführung von Seiten anderer, Tiefstand des sittlichen
Niveaus. Um sich „aus dem Sumpf der Geschlechtskrankheiten und
sexualen Verirrangen zu retten, gibt es nur einen Weg. Das ist der Weg
der Freiheit! Nicht der zurzeit herrschenden und staatlich sanktionierten
Zügellosigkeit, sondern jener Freiheit, die sich allezeit im Gewissen
gebunden fühlt, jener köstlichen Freiheit einer in Gott wurzelnden und
ruhenden Persönlichkeit ! '' Dann wendet sich der Verfasser gegen das
Vorurteil, daß die Befriedigung des Geschlechtstriebes zur Erhaltung
der Gesundheit eines jungen Mannes nötig sei. Will man den Anfech-
tungen aus dem Wege gehen, dann heißt es ernst und gewissenhaft
arbeiten, schlechte Gesellschaft und Alkoholmißbrauch meiden. Nur so
wird es möglich sein, unbefleckt an Leib und Seele durchs Leben
zu gehen, bis sich die Möglichkeit zur Schließung einer glücklichen
Ehe bietet. H. H.
Neisser und Jacobi: Ikonographia Derraatologica. AUas
seltener, neuer und diagnostisch unklarer Hautkrankheiten. Urban
& Schwarzenberg, Berlin, 1906, pro Lieferung K 9*60 «^M 8'—.
Neisser und Jacobi lassen, wie in diesem Arohiv wiederholt
mitgeteilt wurde, im Verein mit einer Reihe von Dermatologen einen
Atlas erscheinen, der, wie der Titel besagt, nur seltenere Erkrankungen
in naturgetreuer Reproduktion bringen soll. Das Werk erscheint in Liefe-
rungen vorläufig zweimal im Jahre und ist in jeder Lieferung ein Raum
des Textes für Besprechung der in den vorangehenden Heften enthaltenen
Krankheitsbilder reserviert, wodurch eine Diskussion und Verständigung
über spezielle Fälle ermöglicht wiixl.
Fase. I und II mit insgesamt XVI Tafeln liegen bereits vor. Die
Reproduktionen sind ausgezeichnet lebenswahr und werden besonders
den Dermatologen, der auf sich selbst angewiesen, gewisse Hauter-
krankungen, die er nie gesehen, nicht hätte diagnostizieren können, auf
die rechte Spur führen. F. P . . s.
Sehmid, Maria v.: Muiterdiensf, (Felix Dietrich, Leipzig 1907.)
Die eigenartige Stellung der Hebamme, die Geburtshelferin und Pfle-
gerin zu gleicher Zeit sein soll, veranlaßt die Verfasserin zu dem Vorschlage,
den Hebammenstand abzusohaflen und statt dessen beide Funktionen ver-
schiedenen, entsprechend ausgebildeten Personen zu übertragen; Geburts-
Buchsnzeigen nnd Besprechungen. 169
helfer oder Geburtshelferinnen Tersehen den ärztlichen Dienst, eine
Pflegerin die Wartung nnd Pflege der Wöchnerin. Um genügend Pflege-
rinnen zu haben, sollte jede Frau im Alter Ton 18 — 21 Jahren auf ein
Jahr lum „Mutterdienste** herangesogen werden. H. H.
Albrecht, Hans: Beiträge zur Nasenprothese. (Wien, Jahr-
buch. Bd. XVn. 1907.)
Verfasser hat die verschiedenen bereits Yorgeschlagenen Methoden
▼ergleichend erprobt und teilt die Ergdbnisse aus seiner Praxis mit. Fftr
die zahnärztliche Technik kommt als Material besonders Hartkautschuk,
weichbleibender Kautschuk, Obturatorengummi, Zelluloid und emaillierte
Metalle in Betracht. Die Verarbeitung der Materialien, die Technik des
Abdrucknehmens, die einzelnen Befestigungsarten sowie das Färben und
Bemalen der Prothesen erfahren eine eingehende Besprechung. A. K.
Va
na.
Deutsehe Dermatolog^sehe Gesellschaft. Prag, Berlin,
Frankfurt a. M., Mitte Dezember 1907.
Nachdem die Mitglieder der Deutschen Dermatologischen Oesell-
Schaft mit 209 gegen 16 Stimmen und 4 Stimmenthaltungen beschlossen
haben, daß der nächste (X.) Kongreß zu Pfingsten 1908 in Frank-
furt a. M. stattfinden soll, hat der Vorstand auf Vorschlag des zum
Geschaftsleiter des Kongresses gewählten Professor Dr. Karl Herxheimer
als Termin Montag den 8., Dienstag den 9. und Mittwoch den
10. Juni 1908 festgesetzt. Der Vorstand hat auch diesmal von offiziellen
Referaten abgesehen, das Hauptgewicht soll wie bei den letzten
Kongressen auf Demonstrationen und Diskussionen gelegt werden.
Unbeschadet dessen soll jedoch in dem Programme den aktuellen Mit-
teilnngren über die Ätiologie der Syphilis und Aber die experi-
mentelle Syphilisforschung ein breiter Spielraum gewahrt werden
Die Teilnehmer am Kongresse werden demnach ersucht, die Ton ihnen
beabsichtigten Vorträge und Mitteilungen, sowie die hiezu gewünschten
Behelfe (Mikroskope, Apparate eto.) möglichst bald, jedenfalls bis
zum 15. März 1908 bei Prof. Dr. Karl Herxheimer in Frank-
160 Varia.
fort a. M., Gärtnerweg 40, anzamelden. Näheres Aber die Taget-
ordnang, die Wohnungsfrage etc. wird später mitgeteilt werden.
Hofrat Prof. F. J. Pick (Prag),
Präsident.
Geh. Medizinalrat Prof. £. Lesser (Berlin),
Generalsekretär- SteUvertreter.
Prof. Dr. Karl Herzheimer (Frankfurt, a. M.)f
Geschäftsleiter des Kongresses.
Erich HoflbnaniL: Atlas der ätiologisehen und experimen-
tellen Syphilisforschung, Dieser mit Unterstützung der Deutschen
Dermatologischen Gesellschaft herausgegebene, dem Andenken Schau-
d i n n s gewidmete Atlas ist soeben im Verlage von Julius Springer, Berlin
1908, erschienen. Wir werden das Werk im nächsten Hefte eingehend
würdigen. Die Redaktion.
Domenico Ml^occlii. Es gereicht uns zu besonderer Ehre mit-
teilen zu können, daß der hervorragende italienische Dermatologe Herr
Prof. Dr. Domenico Majocchi, Vorstand der dermatologischen Klinik
in Bologna, aus welcher schon bisher zahlreiche vorzügliche Arbeiten
von ihm selbst und seinen Schülern in unserem Archiv erschienen sind,
nunmehr in die Reihe der ständigen Mitarbeiter desselben
eingetreten ist. Die Redaktion.
Personalien, Dr. Paul G. Unna in Hamburg wurde vom
Hamburgischen Senate der Professorstitel verliehen. .
Priv.-Dozent Dr. Karl Bruhns (Berlin), bisher dirigierender
Arzt der Krankenabteilung des Städtischen Obdachs, wurde zum leitenden
Arzt der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten am Charlotten-
burger Krankenhause ernannt.
Dr. Walther Pick (Wien) wurde daselbst zum Vorstand der
Hautabteilung am I. öffentlichen Kinder- Kranken -Institute ernannt.
Professor Oskar Lassar, Berlin. Bei Abschlufi des Heftes er-
halten, wir die betrübende Nachricht, daß am 21. Dezember im fast
vollendeten 69. Lebensjahre Oskar Lassar an den Folgen eines Un^lls
gestorben ist. Ein ausführlicher Nachruf bleibt dem nächsten Hefte vor-
behalten.
Originalabhandlungen.
Areh. f. Daraiat. v. Sfph. Bd. LXXZIX. i\
Au dem Zarolinen-Eindenpitale in Wien [Vorstand Prim.-I>oz.
W. Znöpfelmacher].
über Erythrodermia desquamativa,
eine eigenartige
universelle Dermatose der Brustkinder.
Von
Dr. Carl Leiner,
em. Atilitent des KarolIiien-Kiiid«npiUlea.
(Hiezu Taf. VI.)
(SeälvB.)
Ich will nun im folgenden zunächst als Typus der Krank-
heitsbilder die Krankheitsgeschichte eines zur Heilung gelangten
Falles mitteilen und hieran mehrere andere anschließen, die
in den letzten Jahren im Spitale der Krankheit erlagen und
zur Obduktion gelangten.
Fall I.: Otto T., 6 Wochen alt, safgenommen 11. Dez. 1906, ge-
heilt entlassen 1. Jftnner 1907. Die mit der Matter, einer kräftigen Person,
anfgenommene Anamnese ergibt, daß in der Familie weder rheumatische,
noch giohtische, noch besondere Hauterkrankungen vorgekommen sind.
4 Kinder wurden von der Mutter durch längere Zeit gestillt; weder
während der Stillzeit, noch späterhin sollen die Kinder an einer Haut-
erkrankang gelitten haben. Das 5. Kind wird ausschließlich an der Brust
genährt, bekommt die Nahrung unregelmäßig, so oft, als es schreit ; liegt
zur Nachtzeit immer an der Brust. Die Matter nimmt gemischte Kost zu
sich. Potus wird verneint. Seit der 2. Woche leidet das Kind an Diar-
rhöen; die Stühle sind dünnflüssig, schleimig- brocke) ig. Mit 8 Wochen
begann die Hauterkrankung mit. kleinen und größeren roten Flecken am
Halse, die ziemlich rasch zusammenflössen, so daß nach einigen Tagen der
Hals und die obere Thoraxpartie in eine rote Fläche umgewandelt er-
schien. Das Kind wurde wegen dieses Ausschlages in die Ambulanz
unseres Spitales gebracht und zunächst hier behandelt. Trotz Regelung
der Diät, Vorschreibung von 8— 4stündigen Pausen und äußerer Behand-
11*
1G4 Leiner.
lang breitete sich die Rötung Ton Tag za Tag Tom Thorax weiter nach
unten fort; die geröteten Stellen begannen abznechnppen. Aach die
Kopfhaut und das Geiicht hatten sich mit dicken gelblich weiOen
Schoppen bedeckt. Wegen dieser uniTersellen Ausbreitang der Erkrankang
wurde das Kind in das Spital aafgenommen.
Status am 12./Xn. 1906. Gatgenährtes Brustkind; Gewicht 4990 g
(Anfangsgewicht unbestimmt; im Alter von 8 Wochen 6200^). Körperlänge
56 em ; Sohädelumfang 86 em ; Thoraxumfang 88 em; Abdomenumfang 86 em.
Grofie Fontanelle leicht eingesunken ; N&hte noch nicht geschlossen. Panni-
culus adiposuB reichlich. Die Haut des behaarten Kopfes gerötet» mit siemlich
dicken, schmutsig gelben fettigen, zusammenhängenden Krusten-Lamellen
bedeckt. Die Behaarung spärlich; namentlich an der Stirne sind die
meisten Haare ausgefallen. Im Gesichte ist nur an der Nasenspitze
normale Haut wahrnehmbar. Dicke fettige Schuppenauflagerungen an der
Nasenwurzel und den Augenbraaen, die Lidhaut infiltriert, so dafi die
Lider nicht vollständig geöffnet werden können. Um den Mund radiär
gestaltete Schuppenanflagerungen, die bis zum Schleimhautrande reichen.
Hinter den Ohren nässeode Rhagaden. Die Haut des Halses nnd Stammes
gerötet, etwas infiltriert, bedeckt mit Schnppen, die stellenweise dick
und fettig, an anderen Stellen wieder dünn, rissig, zig^rettenpapierähnlich
sind. Dieselben grenzen sich gegeneinander durch feinste Rinnen ab, die
polygonale Figuren bilden. An Stellen, wo die Schuppen abgefallen und
noch nicht neugebildet sind, ist die Haat intensiv rot, glatt, glänzend.
Entsprechend den Gelenksbeugen zeigt die Haut mehr weniger tiefe Ein-
risse, welche nässen und bluten. Die EUiut fühlt sich in toto eigentümlich
weich, samtartig an. Ganz die gleichen Veränderungen bestehen an den
Extremitäten. An den Bengeseiten der unt^eren Extremitäten ad nates ist
die Haut rot, glänzend, stellenweise nässend, keine Schnppenaaf lagerang.
Die Haut des Skrotums und des Penis ist ebenfalls gerötet, leicht öde-
matös. Die Nägel sind dnnn ; an den Händen zeigen sie Längsstreifen
and ca. 2 mm vom distalen Rande entfernt einen querverlaufenden Wulst.
Die Nägel an den Zehen sind dann, splitterig und brfichig. Thorax: gat
gewölbt. Respiration 52. Puls 182 rhythmisch, Temp. S6-— 87*7* G.
Perkussion der Lungen normal. Auskultation: vesikoläres Atmen ohne
Rasselgeräusche.
Herz: Spitzenstoß im 17. J. R. Vi ^^ innerhalb der Mamillarlinie.
Abdomen im Thoraxniveau. Die Leber Qberragt in der Mamillarlinie ca.
8 em den Rippenbogen. Milzpol gut palpabel. Hambefund: Eiweiß ^,
Zucker ^. Stuhl: 4mal täglich, schleimig bröckelig.
18./Xn. Regelung der Diät. 4mal Brust. 2 Mahlzeiten gezuckertes
Reiswasser ä 60 ^. Einzelmahlzeiten der Brustnahrang 100 — löO g, The-
rapie: Kleienbad, Einhüllen des Körpers in Zinköl.
Vom 16./Xn. an bekommt das Kind drei Brustmahlzeiten und 8mal
80 g Milch, 40 g Reiswasser, 4 g Zucker.
21./XII. Der Hautausschlag hat sich wesentlich gebessert; die
Rötung und Schuppung ist geringer ; nur die Kopfhaut und der Hals sind
Ober Erythrodermia desquamativa etc. 165
nooli iutensiv rot. Die Haare fehlen fast Yollständig. Nahrungsaufnahme :
S220 g Brust, 860 g V, Misch. Kuhmilch. Die Stühle sind noch reichlich
6 — 6 t&glioh, von festerer Konsistenz.
27./XII. Die Schuppenbildung hat auch auf der Kopfhaut sehr
nachgelassen. Im Gesichte ist die Haut fast ganz normal; die Ohrmuscheln
noch leicht verdickt.
81./Xn. Nur in den Oelenksbeugen ist die Haut noch gerötet,
sonst ziemlich normal, ohne Schuppenauilagerung. Das Kind wird in
häusliche Pflege fibergeben und ambulat. weiter behandelt. Als Nahrung
erhält das Kind 5mal täglich die Brust, in der Nacht eine Beiswasser-
mahlzeit. Bei der Spitalsentlassung hatte das Kind ein Gewicht von
4640 g, so dafi ein Gewichtsverlust von 280 g resultierte.
FallU. 8.W. 4Monate alt. Prot. Nr.-14. Spitalsaufnahme
7./I. 1904; gestorben ll./I. 1904.
Die Anamnese ergab, daß die Eltern und 2 Geschwister an keiner
Hanterkrankung gelitten haben ; in der Familie * keine gichtischen Er-
krankungen. Das Kind wird von einer Amme genährt, 2 — Sstundlioh.
Die Nahrungspausen werden nicht genau eingehalten. Das Kind soll bei
der Geburt sehr stark gewesen sein und bei der Amme nicht gut zuge-
nommen haben. Gegen Ende des 2. Monates begann die Hauterkrankung
gleichzeitig mit einer leichten Diarrhöe, die seit dieser Zeit fortbesteht.
Die ersten Erscheinungen traten auf der Kopfhaut auf, die sich mit dicken
Schuppen bedeckte; von da breitete sich der Ausschlag aber den ganzen
Körper aus. Niemals kam es zur Blasenbilduug. Am Stamme sollen neben
der fleckigen Rötung auch Knötchen im Beginne der Erkrankung su
sehen gewesen sein. Da das Kind immer mehr an Gewicht abnimmt, die
Diarrhöe nicht nachläßt und der Ausschlag immer schlechter wird, wird
das Kind zur Aufnahme in das Spital gebracht Die bisherige Behandlung
bestand in Borvaselin und Vermeidung von Bädern. Status praesens :
Mäßig gut genährtes Brustkind von einem Körpergewicht von 4Ö30 g.
Die ganze Kopfhaut bedeckt mit schuppenförmig aufliegeoden größeren
und kleineren fettigen, leicht abziehbaren gelblichweißen und auch inten-
sivgelb verfärbten Lamellen. Unter den Schuppen ist die Haut gerötet,
glänzend, stellenweise auch nässend. Die Kopfbehaarung äußerst spärlich,
dort, wo sie vorhanden ist, sind die Hnare büschelförmig verklebt.
Gesicht: Augenbrauengegend, Nasenflügel und Nasenwurzel mit dicken,
gelben Lamellen bedeckt. An den Wangen und der Stirne sind die
Schuppen dünner, seidenpapierartig. Ohren: Beide Ohrmuscheln gerötet,
etwas infiltriert, mit reichlichen fettigen Schuppen bedeckt, die in den
äußeren Gehörgang tief hineinreichen. Hals: gerötet, die Haut gefaltet,
ohne besondere Schuppenauflagerung. Rhagadenbilduog in den Falten.
Am Rumpf ist die Schuppenbildun$|r eine äußerst mächtige ; die Schuppen
lassen sich leicht loslösen von der Unterlage, die von der geröteten, glänzen-
den, trockeneo, mit Epidermis überzogenen Haut gebildet wird, die stellen-
weise von einem feinen Rhagadennetz durchzogen ist. Vom Nabel nach
abwärts ist die Haut stärker rot, die Lamellenauflagerung gering, gegen
166 Leiner.
die Falten sa ganz fehlend. Die Haut in den Inguinal- und Genital<en
nnd ad nates fenoht, dditerrot, leicht ödematöt, in den Falten ein-
gerissen, blutend. Auch in den Axillen ist die Haut düsterrot, mit einer
schmierigen, auch mörtelartigen Masse bedeckt Extremitäten: die
Oberarme und der größte Teil der Vorderarme leigt dieselbe Verände-
rung wie der Rumpf. Die Handrüoken und die Finger zeigen zum Teile
normale Hautbeschaffenheit, zum Teile sind sie gerötet und mit Schuppen
überzogen. An den unteren Extremitäten find die Streckseiten blafirot,
die Beugeseiten düsterrot verfärbt; die ersteren sind mit ziemlich dicken,
fettigen Lamellen überzogen. In der Patellargegend ist die Haut von
oberflächlichen, nach den Terschiedensten Richtungen verlaufenden Einrissen
durchzogen, ebenso die Haut über den Sprunggelenken. An den Hand-
flächen und Fußsohlen ist sie fleckig gerötet, abschilfernd. Die Nägel an
den Fingern sind mit gelblichen Schuppenmassen stellenweise bedeckt
und von ziemlich tiefen Einfnrchungen durchsetzt. Die Nägel der Zehen
sind dünn, abblätternd glanzlos, nahe dem Nagelwall mit gelblichen
Börkchen bedeckt. Aus Nase und Ohren kein Aasfluß. Die Mundschleim-
haut injiziert, die Zunge trocken, ohne Belag. Nuchal- und Inguinal-
drüsen bis kirschkemgroß. Cubitaldrüsen nicht palpabel. Lungenbefund
normal. Herztöne rein, rhythmisch. Puls 140, Temp. dT^—ST'O® (rektal ge-
messen). Abdomen leicht meteoristisch aufgetrieben. Die Leber etwas
vergrößert. Die Milz eben palpabel. Stühle: wässerig, geibgrün, mit
grünlichen Bröckelchen untermischt, mitunter auch stark schleimig, 5 und
mehr täglich. Das Allgemeinbefinden des Kindes nicht gut; das Kind ist
unruhig, schreit viel, zittert sehr beim Aufdecken. Die oberen und
unteren Extremitäten werden in den Gelenken gebeugt gehalten, mit
denselben nur selten Bewegungen ausgeführt; bei der passiven Streokong
ist ein ziemlicher Widerstand zu spüreo. Therapie: das Kind wird
in Olivenöl getauchte Tücher gewickelt, erhält nur 4 Brustmahlzeiten,
2 Mahlzeiten Reiswasser ä 120 ^ und 1 Kafieelöffel Milchzucker.
9./I. Die Diarrhöen halten dauernd an. An Stelle der Brust be-
kommt das Sind 1 Tag zur Hälfte verdünnte Buttermilch. Im Urin lassen
sich Spuren von Eiweiß nachweisen; das AUgemeinbefinden des Kindes
schlecht; Stöhnen und Wimmern; Temp. 87*2<^— 87*8^ Puls 140. Exitus
am 11. Jänner unter den Symptomen eines schweren Darmkatarrhs.
Die Obduktion am II7I. ergab folgendenBefund
(Prof. Albrecht): Die Haut im Bereiche des Stammes und
der Extremitäten, besonders am Rücken und der Streckseite
beider Oberarme ganz unregelmäßig fleckig gerötet, fett- oder
wachsartig glänzend und allenthalben bedeckt mit feinsten
lamellösen Schuppen, die teils ganz klein, teils aber auch
guldenstückgroß sind. Die Schuppen lassen sich leicht abziehen
und fühlen sich ausgesprochen fettig an. Die Haut nnter ihnen
ist bis auf die fleckige Rötung normal zu nennen; sie zeigt
Ober ErythrodenniA desquamaÜTa etc. 167
nur einen eigentümlichen fettigen Olanz nnd fohlt eich ebenso
an. Auch im Gesichte sind die VeränderuDgen die gleichen«
Die Kopfhaut ist mit fettigen gelben Borken bedeckt; die
Kopfhaare durch eine fettige Schmiere untereinander verfilzt
Hirn und Hirnhäute hochgradig ödematös. Schilddrüse
klein ; weder die Thymus, noch die Tonsillen, noch das adenoide
Gewebe irgendwie hjrperplastisch zu nennen. An den Lungen
keine besonderen Veränderungen.
Der Herzmuskel gelblich, schlaff und morsch. — Die
Leber yergrößert, die Ränder etwas dicker, ihre Farbe hellgelb,
ohne jede Läppchenzeichnuug. Die Milz klein, ziemlich blutarm.
Die Nieren yergrößert, graugelb, schlaff, ohne entsprechende
Struktur. Im Magen einige hämorrhagische Erosionen. Die
Dünndarmschleimhaut etwas geschwollen, grau. Im Dickdarm
breiige, gallige Massen.
Diagnose: Eczema seborrhoicum, Entero-
catarrh.
Fall ni. Ernestine W. 2 Monate alt. Spitalsaufnahme
am S8./y. 1905; gestorben am 81. Mai 1906.
AoB der Anamnese ist folgendes za entnehmen : in der Familie
keine giohtischen, keine Hanterkranknngen. Fat. wird von der Mntter
gestillt (alle 2 Stunden); Nabelabfall am 5. Tag. Bis znm Alter Ton
14 Tagen war die Haut ganz normal, in der dritten Woche begann der
Hantansschlag mit kleinen Knötchen und kleinen Blftschen am Abdomen
und Racken. Alsbald trat am Stamme eine Rötung wie bei Scharlach
auf, die sich in mehreren Tagen über den ganzen Körper ausbreitete und
zur Schuppenbildung führte. Die Nahrungsaufnahme ist eine gute, kein
Erbrechen. Stühle von der Geburt an etwas reichlicher als normal, 8 bis
5mal dünnflüssig; in den letzten 14 Tagen bis 10 spritzende, grünliche
Entleerungen.
Status praesens 29./Y. 1905: Körpergewicht 8000 g. Nicht gut
genährtes Brustkind. Große Fontanelle eingesunken ; Hinterhaupts und
Yorhauptknochen etwas unter dem Niveau der Scheitelbeiue. Kleine
Fontanelle noch tastbar. Hautdecken: Der ganze Kopf bedeckt mit
dicken, der Unterfl&ohe leicht anhaftenden gelblich weißen, fettig sich
anfühlenden Lamellen bedeckt. Kratzt man dieselben herunter, so tritt
die glatte, gerötete, glänzende Epidermis zu Tage. An dem Yorderhaupte
fehlen die Kopfhaare, am Hinterhaupte sind sie noch vorhanden. An der
Stime gegen die Augenbrauenbogen sowie gegen die Ohrgegend zu
kleinere und größere, dickere und dünnere Schuppen anfgelagert. An
beiden Augenlidern kleine, weißlichgraue Schüppchen; an den Unter-
lidern fehlen die Cilien größtenteils. Ohren: Die Ohrmuscheln mit lamel-
168 Leiner.
lösen Sohnppen fiberaogen, die sich in die Tiefe des Oehdrganges Ter-
folgen lassen« An der Hinterfl&che der Ohren fehlen die Schuppen; die
Hant ist gerötet, nässend. Nase: Die Nasenoberfl&che mit dünnen blätte-
rigen Schüppchen bedeckt, die bis in den Naseneingang hineinragen.
Wange: Auf der Wangenhaut kleine, stecknadelkopfgroße, etwas über
das Haatniyean hervorragende, gelbliohrote, mit Schüppchen bedeckte
Ejiötchen. Die Lippen mit dünnen seidenglinsenden Schuppen überzogen
Am rechten Mundwinkel eine leicht haftende Ernste, nnter der eine
Rhagade zu Tage tritt Hals : Die Haut des Halses mit sehr dünnen leicht
abstreifbaren, weißlichen, seidenglänzenden Schuppen bedeckt, die Haut
darunter gut faltbar, gerötet, nicht nässend. Thorax: Die Haut des
Thorax und Rückens gerötet, mit gelblich weißen, dicken Schuppen über-
lagert. In der Achselhöhle ist die Haut rot glänzend, ohne Schuppen.
Extremitäten: An den oberen Extremitäten sind neben den diffus
geröteten, schuppenden Partien Stellen zu sehen, die mit roten Knötchen-
Plaques bedeckt sind, die eine feine Abschilferung zeigen. Handrücken
und Handflächen größtenteils von normalem Aussehen. (Jntere Extre-
mitäten: ebenfalls gerötet, schuppend; in der Inguinaigegend ödematös.
die Umgebung des Afters und die Haut der Qlutäalgegend ist infiltriert,
leicht nässend. Die Nägel zeigen keine schweren Terändemngen.
Drüsen: Unterkiefer-, Nacken- und Inguinaldrüsen tastbar. Schleim-
häute: Coigunctiven leicht katarrhalisch afüziert. Mundschleimhaut normal.
Lungen und Herzbefund zeigt nichts abnormes. Respiration 80. Puls 84.
Temp. 86*5^ — ^37^ Abdomen im Thoraxniyeau. Leber und Milz nicht pal-
pabel. Hambefund: Albumen 0, Indican^, Zncker0. Stühle: grünlich,
mit reichlicher Schleimbeimengung ; werden spritzend entleert. Zeitweises
Erbrechen. Allgemeinbefinden schlecht, Gesichtsausdruck etwas verfallen.
Therapie: Ölumschläge. Reiswasserdiät 100 g 6mal.
29./y. Szekelymilch Smal 100 g^ Brust Smal, Temperatursteigerung
88^ C. Diarrhöe intensiver.
80./y. ReiswasBcrdiät. Erbrechen und Diarrhöe anhaltend.
Exitus. 31./V.
Obduktionsdiagnose (Doz. S t o e r k) : Fettige Degeneration
der Leber und des Herzmuskels; Dünn- und Dickdarmkatarrh
mit Schwellung der Plaques und Follikel, Thymus normal groß,
keine Vergrößerung des lymphatischen Apparates.
Als besonders wichtig möchte ich an dieser Stelle aus den
Sektionsbefunden das Fehlen eines Status Lymphaticus hervorheben,
der jain manchen Fällen vom plötzlichen Todeseintritt zur Erklärung
desselben herangezogen wird. Abgesehen davon, daß der Tod
in unseren Fällen nie plötzlich eintritt, niemals auf dem Höhe*
Stadium der Erkrankung, sondern nach mehrwöchentlichen
Leiden unter Verschlechterung der Erankheitssymptome, mehr
über Erythrodermia desquamatiTa etc. 169
unter den Erscheinungen eines schweren Darmkatarrhs, liegen
auch ansonsten keine Anhaltspunkte für diese eventuelle An-
nahme Tor.
Wir wissen, daß es bei dieser Konstitutionsanomalie außer
zur Vergrößerung der Thymus, auch zu einer Hyperplasie des
gesamten lymphatischen Apparates, zur Vergrößerung der Milz
und der Lymphdrüsen der verschiedenen Eörperregionen, auch
der bronchialen und mesenterialen Lymphdrüsen, femer zur
Hypertrophie der Gaumenmandeln und des adenoiden Gewebes
des Nasenrachenraumes der LymphfoUikel des Zungengrundes
und der SolitärfoUikel und Pey er sehen Plaques im Darme
kommt.
Diese Anomalie bildet nach Pal tauf den Ausdruck einer
körperlichen Minderwertigkeit, welche sich darin äußert, daß
eben ohne jede gröbere Ursache plötzlicher Tod eintreten kann,
daß geringfügige therapeutische Eingri£Fe, akute Infektionen
mit sonst guter Prognose zum Exitus führen.
Im Gegensatz zu dem Bilde des lymphatischen Habitus
wurden bei unseren Fällen weder die Thymus, noch die Milz,
noch der übrige lymphatische Apparat hyperplastisch gefunden.
Er kann also diese Anomalie auch nicht zur Erklärung des
Exitus bei unseren Fallen herangezogen werden.
Von den zur Sektion gelangten Fällen ent-
nahm ich kleine Hautstückchen zur histologi-
schen Untersuchung: (Fall 3. Haut vom Thorax, Haem-
alaun-Eosinfarbung, schwache Vergrößerung.) Die Hornhaut ist
ersetzt durch eine zum Teile noch mit dem Bete in Ver-
bindung stehende, vielfach geschichtete, verdickte Platte, die
an einzelnen Stellen eine dichte Zellanhäufung zeigt. Soweit
man aus dem Präparate erkennen kann, scheinen diese Zell-
anhäufungen sehr oft in der Nähe der Follikelausführungsgänge
zu sitzen, mitunter aber auch in den Partien zwischen den-
selben. Die Eeratohyalinschichte ist sehr spärlich vorhanden.
Das Bete vergrößert; die Retezapfen zum größten Teile rund,
bisweilen auch sekundäre Einkerbungen zeigend, die von einem
dichten Zellhaufen eingenommen scheinen. Die Grenze der
Epidermis gegen die Cutis ist scharf, die Follikel sonst von
normalem Aussehen.
170 Leiner.
Cutis: Die Papillen sind klein, zellreicber als nonnal,
die Gefäße erweitert, von Blut strotzend^ auch die übrige Cutis
zellreicher und Ton erweiterten GefaÜen durchzogen.
Größere Zellanhäufungen sind nur um die Schweißdrusen
zu finden und hie und da auch im Papillarkörper. Die Follikel
selbst sind nur von spärlichen Zellhaufen umgeben.
Starke Vergrößerung. (Leitz 7. A.) Die eingangs
erwähnte Homhautplatte erweist sich aus einzelnen Lamellen
zusammengesetzt, die zum Teile übereinandergeschichtet sind
und aus länglichen spindelförmigen Zellen bestehen, die deutlich
gefärbte Kerne enthalten. Zwischen diesen Lamellen finden
sich hie und da Herde von dichten Zellhaufen, die stellenweise
sich als kleine mononucleäre Leukocyten erweisen. Die Zell-
anhäufungen drängen die Lamellen auseinander, indem sie Fort-
sätze an ihrer Peripherie aussenden und sich nach dieser
Richtung bin allmählich yerschmächtigen. Die untere Be-
grenzung der Zellnester bilden 8—12 Lagen von spindelförmigen
Zellen, während nach oben zu sie oft nur Ton 6-^7 Zellagen
begrenzt erscheinen. Bisweilen sind die oberen Zellagen ge-
platzt, so daß die Anhäufungen frei zu Tage treten. An anderen
Stellen wieder fehlen die Zellhaufen und es finden sich nur
diese Platten vor, die aus 16—17 Zellagen zusammengesetzt
erscheinen.
Nach außen zu blättern die Zellagen ab, so daß einzelne
Spitzen und Zacken derselben hervorragen. Die ganze Bomhaut
ist von der Unterlage losgelöst, bis auf eine kleine Schichte,
die mit ihr fest verbunden ist. Diese Schichte besteht aus
feineren Fasern und enthält keine Kerne; nur an vereinzelten
Stellen besteht auch diese Schichte aus spindelörmigen Zellen,
die auch kemreicher sind.
Auch in der Hornhautplatte, die im wesenüicheii aus den
oben beschriebenen spindelförmigen Zellen zusammengesetzt
ist, wechseln oft Partien, wo die Zellkerne nicht deutlich oder
überhaupt nicht ausgeprägt sind. Unter der letzten Hom-
schichte findet sich dann noch eine, aus länglichen abge-
platteten Zellen bestehende Schichte, die durch Eonfluenz fast
in eine einheitliche und sehr kemarme Masse umgewandelt
erscheint, die nach unten zu von 1 — 2 Reihen Keratohyalin
liber Erythrodermia desqoamstiva etc. 171
fahrender Zellschicliten begrenzt wird. Die Eeratohyalinkörnchen
sind sehr fein, dicht gestellt und die Zellkerne oft von einem
perinucleären Ödem umgeben« Diese Schichte ist an vielen
Stellen nicht nur aus plattgedrückten Zellen zusammengesetzt,
sondern besteht auch aus mehr polygonalen Zellen. Immer sind
die Zellen Yon feinsten Körnchen eingenommen. Das Bete er-
scheint verbreitert, die Zellkonturen scharf abgesetzt Das
Protoplasma ist nicht sehr scharf tingiert, die Zellkerne von
normaler Beschaffenheit. Die Interzellularräume an verschie-
denen Stellen verschieden ausgeprägt, indem sie bald deutlich
wahrnehmbar, bald aber verwaschen sind, so daß die Zellen
zu konfluieren scheinen, wobei das Protoplasma schlechter ge-
färbt ist.
Dieses Phänomen ist besonders an jenen Stellen markant,
wo sich die früher beschriebenen in den Lagen des Stratum
comeum eingelagerten Zellhaufen vorfinden. Hier sieht man
auch im Bete einzeln stehende, spärliche Leukocyten. Die Bete-
zapfen sind verbreitert, mitunter auch durch Unterabteilungen
gelappt, so dafi die dazwischen eingeschlossenen Papillen ver-
schmächtigt erscheinen.
Die Zylinderzellenschichte zeigt deutlich tingierte Kerne,
jedoch nicht an allen Stellen gut gefärbtes Protoplasma. Auch
in der Basalschichte findet man einzelne Leukocyten.
Mitosen sind nicht deutlich zu erkennen.
Cutis: Die Papillen sind fast durchwegs handschuh-
fingerfbrmig. Die Faserung ist verwischt, nicht deutlich wahr-
nehmbar. Die Papillärgefäße sind erweitert und zum Teile von
Blut strotzend. Außer den Endothelien der Kapillaren finden
sich in denselben einzelne polynucleäre Lymphocyten und ver-
einzelte Zellen mit spindeligen Zellkernen. Die ganze Cutis ist
schlecht tingiert, das Fasemetz nicht deutlich ausgeprägt, die
Bändel plump und von sehr stark erweiterten Gefäßen durch-
zogen. Die Gefäße zum Teile begleitet von einem sehr spär-
lichen Zellmantel, der aber nicht unmittelbar den Gefäßen
anliegt, sondern mehr den Bindegewebsbündeln oder Lymph-
räumen zu folgen scheint. Überall finden sich polynucleäre und
mononucleäre kleine Lymphocyten, jedoch spärlich an Zahl,
während die anderen Zellkerne, die den Zellreichtum aus-
172 L'eiiier.
machen, sich durchaus nicht Ton den anderen den Bindegewebs-
bfindeln anliegenden Bindegewebszellen unterscheiden lassen.
An den SchweiSdriisen und Haarfollikeln ist nichts ab-
normes zu bemerken. Die spärliche Zellvermehrung um die-
selben betrifft anscheinend nur die Bindegewebszellen.
Die elastischen Fasern zeigen ein normales Verhalten
sowohl ihrem Verlaufe als der Menge nach.
In den Schnitten mit polychromem Methylenblau
gefärbt finden sich außer sehr spärlichen Mastzellen keine
besonderen Zellformationen.
In den nach Weigert-Gram gefärbten Schnitten sind
weder in der Cutis noch in der Epidermis Bakterien nach-
weisbar. In den obersten Zellschichten sieht man in diesen
Präparaten besonders deutlich ein starkes perinucleäres Ödem.
In den tiefen Schichten des Bete ist dieses ödem nur in ge-
ringem Grade vorhanden.
In Schnitten von einer anderen Eörperstelle (Arm) wurde
folgender Befund erhoben.
(Haem. Eosinfärbung.)
Bei schwacher Vergrößerung sieht man ein yerdicktes, rot
gefärbtes, kornreiches Stratum comeum, dann ein mäßig yer-
dicktes Rete, das hie und da schlechter tingiert erscheint Die
Verdickung betrifft sowohl den suprapapillaren Anteil als die
Retezapfen.
Das Stratum comeum ist an vielen Stellen aufgeblättert.
In den Papillen sieht man eine geringgradige Zellenvermehrung
und mächtig erweiterte Blutgefäße. Auch die Gefäße der Cutis
sind stark erweitert. Um einzelne Schweißdrüsen und einzelne
Follikel eine mäßige Zellvermehrung.
Bei starker Vergrößerung besteht das Stratum comeum
zum größten Teile aus 6 Zellagen, in denen die Kerne spindel-
förmig geformt erscheinen. An mehreren Stellen sieht man
kleine Leukocytenanhäufungen, die sich zwischen die einzel-
nen Lagen hineinschieben. Das Stratum granulosum scheint
gänzlich zu fehlen. In den obersten Zellagen des Rete ist ein
starkes perinukleares ödem vorhanden, das fast die ganze
Schichte einnimmt. Dieses ödem bildet stellenweise Höhlen,
die miteinander zu konfluieren scheinen, in Wirklichkeit aber
Ober Erythrodermia desqaamativa etc. 173
durch eine feine Scheidewand getrennt bleiben. Unter dieser
ödematösen Lage sind die Betezellen verwaschen, nicht an
allen Stellen Ton gleicher Intensität Die Interzellularräome
nicht deutlich sichtbar.
Cutis: Die Papillen erscheinen an einzelnen Stellen Ter-
schmächtigt, von erweiterten Gefäßen durchzogen. Die Fasern
der Papillen undeutlich^ yerquolleu; die Papillen selbst zell-
reicher. In der Cutis ist die Faserung ziemlich deutlich ausge-
bildet, Ton einem zellreichen Gewebe umgeben.
Die Blutgefäße sind stark erweitert. Die elastische
Fasemfarbung ergibt nichts abnormes. In den mit polychromem
Methylenblau gefärbten Schnitten finden sich nur sehr spär-
liche Mastzellen.
Besümieren wir unsere histologischen Befunde, so kommen
wir zu folgenden Schlüssen: Es handelt sich bei unseren
Fällen um einen chronisch yerlaufenden Ent-
zündungsprozeß, der mit einer Erweiterung der
Papillargefäße einhergeht und einer nicht sehr
hochgradigen Exsudation von Flüssigkeit, die
niemals, weder in der Epidermis, noch in den
subepidermoidalen Schichten in kleinen oder
größeren Bäumen sich ansammelt, sondern ledig-
lich in einer stärkeren Durchfeuchtung des Pa-
pillarkörpers und Ödematisierung der Epidermis
besteht, als deren weitere Folge die rasche Be-
generierung der Epidermis, die Parakeratose,
zu betrachten ist.
Die weiteren Entzündungserscheinungen ma-
nifestieren sich in einer geringen Zellvermehrung
in demPapillarkörper und um die Hautdrüsen her-
um und in einer Zellemigration in dieEpidermis
und einer Zellenanhäufung zwischen den Schich-
ten der Hornhaut. Die rasche Begenerierung der
Epidermis läßt es nicht zu einer ordentlichen
Verhornung kommen, wodurch das Bild der Para-
keratose zustande kommt
Dieser histologische Befund ist von um so größerer Wichtig-
keit, als er gegen die Auffassung dieser Erkrankung als Ekzem
]74 Leiner.
Bpricht, indem er sich vom akuten Ekzem durch das Fehlen
Yon Bläschen, yom chronischen Ekzem durch die Bildung
einer stark ausgeprägten Spongiose und Akanthose unterscheidet ;
dagegen hat er viel Ähnlichkeit mit einer chronisch verlau-
fenden Dermatitis; ohne daß man über die Zugehörigkeit der-
selben ein sicheres Urteil abgeben konnte. Wir haben es
mit einem exsudativ entzündlichen Prozesse zu
tun, der mit Gefäfierweiter ung, ödem der Cutis
und Epidermis und Parakeratose einhergeht.
An der Hand der eben angeführten Krankengeschichten
sehen wir, daß das Wesentliche der Dermatose ^n einer
oberflächlichen universellen Entzündung der
Haut mit nachfolgender Abschuppung besteht
und daß dort, wo auch normaler Weise die Talg-
drüsenansammlung eine stärkere ist, ein mehr
seborrhoischer Typus des Krankheitsbildes zu-
tage tritt. Die Veränderungen an der Kopfhaut und im
Gesichte gleichen jenen, die allgemein und neuerdings von
Unna wieder als 1. Stadium des seborrhoischen Ekzems be-
zeichnet werden.
Die Veränderungen, die zuweilen am Stamme sich zeigen,
die primären Effloreszenzen, die zu Plaques zusammenfließen
können, ähneln zwar den verschiedenen T^pen des sebor-
rhoischen Ekzems, ohne mit ihnen aber völlig identisch zu sein.
Charakteristisch für das seborrhoische Ekzem sind nach Unna
die Einzelherde, ihre weiteren Entwicklungsformen und die
Bevorzugung gewisser Körperpartien als Lieblingslokalisationen.
Die am öftesten betroffenen Stellen sind nach Unna die
Sternalgegend, die Haut zwischen den Schulterblättern, die
Nabelgegend und die Inguinalfalten.
Es kommt hier zur Bildung von rundlichen Scheiben
oder Flecken von gelbroter Farbe, mit fettigen Schuppen be-
deckt, deren Randzone häufig von kleinen akneiformen Knöt-
chen gebildet wird; mitunter ist die Bandpartie mit feinen
Krusten bedeckt, nach deren Entfernung eine feine Inzisur
sichtbar wird. (Typus circumcisus Unnas.) Durch Ineinander-
fließen benachbarter Stellen entstehen dann begrenzte serpiginöse
Herde, deren Randpartien dasselbe Aussehen zeigen können,
über Erythrodermia desqaamativa eto. 175
wie die runden Erkrankungsherde, während die zentralen Teile
etwas eingesunken, glatt und eigentümlich gelb erscheinen.
(I^us petaloides Unnas.)
Zu diesen ausgesprochenen typischen Primärherden kam
es in unseren Fällen allerdings nur an der Stirne, während
am Stamme und in den oberen Extremitäten nur hie und da
yereinzelt stehende oder zu kleinen Scheiben konfluierte aknei-
forme mit Schuppchen belegte Effloreszenzen sichtbar waren,
die alsbald in dem Bilde der di£Fu8en Dermatitis aufgingen
und nicht mehr als Primäreffloreszenzen erkenntlich waren.
In seiner universellen Ausbreitung erinnert unsere Dermatose
am ehesten an das von Unna als eczema seborrhoicum ex-
foliatiyum nuüignum beschriebene Krankheiisbild. Dieser Typus
des seborrhoischen Ekzems stellt (nach Unna) einen seltenen
und sehr gefahrlichen Ausgang des Ekzems dar, welcher sich
a US Terschiedenen Ekzemformen, dem psoriatiformen, dem
Ekzema erythemato*pityrodes und auch aus dem ver-
ruoösen Ekzem herausbilden kann, besonders dann, wenn die
Haut durch stark reizende therapeutische Mittel irritiert wird.
Es entsteht ' dann jener Zustand der Haut, der als Dermatitis
exfoliativa oder auch als Pityriasis rubra von Unna beschrieben
wurde und nicht leicht wieder rückgängig zu machen ist, viel-
mehr nach jahrelangem Bestände gewöhnlich in die atrophische
Form des seborrhoischen Ekzems übergeht. Im Anschlüsse an
die Un nasche Beschreibung ging meine Auffassung über das
von mir beobachtete Krankheitsbild zunächst dahin, daß wir
in demselben eine eigene Form des seborrhoischen Ekzems
im Säuglingsalter vor uns haben, wofür manche Momente zu
sprechen scheinen, einmal der seborrhoische Typus auf der
behaarten Kopfhaut und dann die bei einzelnen Fällen be-
obachteten Plaques am Stamme und den Extremitäten, anderer-
seits auch der Umstand, daß ich in der Ldteratur einen Fall
(Brustkind) vorfand, der völlig das von mir beschriebene
Krankheitsbild zeigt und den Barthelemy in der Societe
de Dermatologie für ein seborrhoisches Ekzem erklärte.
Diese meine ursprüngliche Ansicht habe ich insbesonders
auf Grund der histologischen Befunde, die keineswegs dem
Ekzem entsprechen, nunmehr fallen lassen.
176 Leiner.
Diese ergaben nämlich nicht die Trias der Akanthose,
Spongiose und Parakeratose, sondern als primäre Verändenmg
mehr die Entzündung in der Catis, als deren Folge die weiteren
Veränderungen in der Epidermis, die Entzündung und Para-
keratose sich zu entwickeln scheinen, während die Spongiose,
die ja namentlich bei den Säuglingsekzemen besonders ausge-
prägt ist, immer gefehlt hat. Dieser histologische Befund im
Verein mit der klinischen Beobachtung einer Reihe von Fällen,
bei denen es ohne Primäreffloreszenzen zu einer Dermatitis
am Stamme nach Art eines Exanthems kam, die sich univer-
sell ohne die geringste Eruption einer Ekzemform ausbreitete,
femer der Umstand, daß selbst beim Bestehen von Primär-
effloreszenzen die Lieblingsstellen des seborrhoischen Ekzems
nicht eingehalten werden und daß diese Herde am Stamme
nicht ganz dem beim seborrhoischen Ekzem vorhandenen
gleichen, alle diese Umstände sprechen dafür, daß wir hier
ein von dem seborrhoischen Ekzem differentes Krankheitsbild
vor uns haben, das ich auf Grund seiner Hauptcharaktere,
der mit Schuppung einhergehenden leichten Entzündung als
Erythrodermia desquamatiya bezeichnen möchte und
das vielleicht jener Ejrankheitsgruppe anzuschließen wäre, die
von den Franzosen Brocq, Vidal und Besnier als Erythro-
dermies exfoliantes generalisees beschrieben wurden. Unter
dieser Bezeichnung fassen diese Autoren eine Reihe von Hant-
krankheiten zusammen, die als gemeinsame Charaktere 1. eine
mehr weniger tief gehende entzündliche Veränderung der Haut-
decke, 2. eine trockene Desquamation und 3. eine stetige
Generalisation des Prozesses aufweisen. Es kann sich hier
entweder um sekundäre Zustände handeln, die sich an eine
primäre Hauterkrankung, Ekzem, Psoriasis u. s. w. anschließen
oder um idiopathische Dermatosen, bei denen es ohne typische
Primäreffloreszenzen zur Entwicklung des charakteristischen
Sjrankheitsbildes kommt Zu diesen idiopathischen Erythro-
dermien rechnen die Franzosen die Pityriasis rubra Hebra,
das Erythema scarlatinforme recidivans und die Dermatite
ezfoliatrice idiopathique Vidal-Brocq. Ich halte es nun
für höchstwahrscheinlich, daß auch das von mir
beobachtete Erankheitsbild eine idiopathische
Ober Erythrodermia desquamativa etc. 177
Erythrodermie darstellt, die sich durch die fet-
tige Beschaffenheit der Schuppen im Beginne der
Erkrankung durch das Fehlen des atrophischen
Stadiums und das Vorherrschen im Säuglings-
alter charakterisiert. Komplikationen von Seiten
der Haut treten nur selten auf; so konnten wir nur zweimal
eine leichte Furunkulose beobachten, die sich aber erst im
Stadium der Abheilung der Dermatose entwickelte. Die Selten-
heit der Hautkomplikationen ist vielleicht dadurch zu erklären,
daß durch den raschen steten Wechsel der obersten Epithel-
schuppen auch die Bakterien nicht genügend Zeit zur An-
siedlung finden, resp. mit den Schuppen immer wieder ent-
fernt werden. Dies ist wahrscheinlich auch der Grund, daß
wir niemals eine stärker entzändliche Drüsenschwellung be-
obachten konnten. Unter den übrigen Organen ist besonders
das Mittelohr recht häufig an dem Erankheitsprozesse mitbe-
teiligt. In einer ganzen Reihe you Fällen kam es namentlich
bei mehr chronischem Verlaufe der Hauterkrankung zu eitrigen
Entzündungen des Mittelohres und zwar nicht nur bei Fällen,
die ad exitum führten, sondern auch bei vielen anderen, die
zur Heilung gebracht wurden.
Diese Komplikation ist von Bedeutung für das Allgemein-
befinden des Kindes, das durch dieselbe oft verschlechtert
wird ; plötzliche Fiebersteigerungen, Unruhe und Schlaflosigkeit
sind darauf zurückzuführen und lassen sich durch Vornahme
einer Paracentese oft rasch beheben.
Unser weiteres Interesse beschäftigt sich mit der wichti-
gen Frage der Ätiologie, welche Momente für dieselbe in
Betracht kommen und ob wir die Dermatose als eine Folge
von exogenen oder endogenen Ursachen ansehen können. Als
exogene Ursache kämen in erster Linie Bakte-
rien in Betracht, von denen wir ja heute wissen, daß sie
in der Ätiologie mancher Dermatose eine besondere Rolle
spielen. (Pemphigus neonatorum, Dermatitis exfoliativa Ritter,
Ecthyma gangraenosum. Mykosen). Ich ging nun zunächst
daran, mich über die Bakterienflora der äußeren Hautdecke
unserer Patienten zu orientieren und mein Augenmerk darauf
zu richten, ob wir hier gewisse Abweichungen von der Norm,
Areh. f. Dennat. n. Syph. Bd. LZXXIX. 12
178 Leiner.
Vorherrschen einer besonderen Bakterienart konstatieren konn*
ten. Sowohl die Schoppenlamellen als auch die danmter-
liegende Haut wurden zur bakteriologischen Un ersuchung
herangezogen.
In den nach Oram gefärbten mikroskopischen Präpa-
raten, die durch Verreibung der Lamellen auf Objektträgern
hergestellt wurden, fanden sich fast nur Epithelzellen, äußerst
spärliche Leukocyten und yerhaltnismäBig wenige Mikroorga-
nismen, unter welchen Oram positire Kokken einzeln ge-
lagert zu zweien oder auch zu kleinen Haufen gruppiert, vor-
herrschend waren, während nur äußerst selten neben ihnen auch
Oram positive Stäbchen sich vorfanden. Pilzfaden konnten
in keinem der gefärbten (Löfflers Methylenblau) noch in den
nativen mit Kalilauge aufgehellten Präparaten gefunden werden.
In 3 meiner Fälle, die sich schon bei der äußeren Be-
trachtung durch eine auffallend aromatisch riechende schmie-
rige Auflagerung in den Achselhöhlen und eine feuchtgrünliche
Verfärbung der der Haut an diesen Stellen anliegenden Kleidungs-
stücke auszeichneten, waren in den Präparaten von diesen
Stellen neben den Kokken reichliche Stäbchen zu sehen, die
aber am Stamme und den Extremitäten nicht mehr zu finden
waren. Die Kulturen von diesen Stellen ergaben reichlichst
Pyocyaneusbazillen.
Die Lamellen vom Stamme wurden zur kulturellen Unter-
suchung in Bouillon verrieben und dann auf Agarplatten ver-
strichen. Auf denselben kam es fast ausschließlich zum
Wachstum einer Kolonienart, die vollständig dem Staphylo-
coccus albus entsprach; nur in vereinzelten Kolonien konnte
auch bisweilen der Staphylococcus aureus oder der Bazillus
pseudodiphtheriae nachgewiesen werden. Dasselbe Resultat ergab
auch die Untersuchung der Haut nach Ablösen der Schuppen;
nur schienen hier die Bakterien in spärlicherer Menge vor-
handen zu sein, als in den Schuppen selbst.
In den nach Weigert-Oram gefärbten histologischen
Schnitten von diesen Hautstellen haben wir nie Bakterien
nachweisen können. Es steht dies völlig in Einklang mit dem
klinischen Bilde, das ja im wesentlichen in einem mehr trok-
kenen Katarrh besteht und bei dem es nie zu tiefgehenden
Ober Erythrodermia desquamativa etc. 179
Veränderungen der Epidermis, zu Erosionen oder Mazerationen
gekommen ist Alle diese Momente, der histologische
Befund, das klinische Bild und das Resultat der
bakteriologischen Untersuchung, das die gewöhn-
lichen Hautsaprophyten in spärlicher Menge nur
der obersten Hornschichte aufgelagert ergeben
hat, sprechen gegen jede kausale exogene Be-
deutung der Bakterien für unsere Dermatose.
Auch für die Annahme einer bakteriellen
endogenen Infektion nach Analogie der septischen
Erytheme fehlt jeder Anhaltspunkt. Schon der
Beginn der Erkrankung, der ohne Störung des Allgemeinbe-
findens ohne Temperaturerhöhung einsetzt, spricht gegen jede
Art von septischer Infektion und auch im weiteren Verlaufe
der Erkrankung lassen sich absolut keine Symptome erkennen,
die eine Stütze für diese Annahme abgeben könnten.
Auch die AuEfassung von Unna für das Eczema sebor-
rboicum cxfoliatiyum malignum, das er für eine sekundäre
Dermatitis nach vorhergegangener starker Reizung der Ekzem-
haut hält, läßt sich für unsere Fälle nicht verwerten. Abge-
sehen davon, daß hier von einer Applikation reizender Salben
immer Abstand genommen wird, spricht auch der rasche diffuse
Verlauf ohne vorhergehende besondere Anfangstypen gegen die
Ansicht, daß bei unseren Patienten eine sekundäre Dermatitis
im Sinne Unnas oder Brocqs vorliegen sollte.
Das ganze Erankheitsbild, der Beginn sowohl
als auch der weitere Verlauf weisen daraufhin,
daß wir es hier mit einer idiopathischen tlaut-
erkrankung zu tun haben, für welche die Auf-
fassung als au totoxisches Erythem noch am wahr-
scheinlichsten erscheint.
Die in keinem der Fälle fehlende Darmstörung gibt uns
einen Fingerzeig ab, daß in den Störungen des Darmtraktes
möglicherweise die Ursache für die Hauterkrankung gelegen
ist. Hierfür scheint schon der Umstand zu sprechen, daß bei
den meisten Fällen bereits vor dem Ausbruch der Hauter-
krankung Darmsymptome vorhanden sind, gewissermaßen die
Erkrankung einleiten und daß sie während des ganzen Ver-
12*
180 Leiner.
laofes derselben anhalten, ja daß eine Zunahme der Darm-
Störung anch eine Verschlechtemng der Hauterkrankung zur
Folge zu haben scheint.
Wir haben bereits berrorgehoben, daß fast ausschlieBh'ch
Brustkinder Ton der Erkrankung betroffen werden und zwar
handelt es sich immer um Kinder, die in unregelmäßiger Weise
genährt werden. Nicht so sehr die übergroßen Mengen der
Einzelmahlzeiten, als vielmehr zu häufige Mahlzeiten waren
bei unseren Fällen immer zu konstatieren. Trotz dieser un-
regelmäßigen Ernährung waren die von uns beobachteten
Kinder nur ausnahms weise auffitUend dicke Kinder« größten-
teils zeigte sich die Schädigung der Überernährung schon
darin, daß die Gewichtszunahme der Kinder häufig hinter der
Norm zurückblieb und besonders nach Ausbruch der Er-
krankung ein Gewichtsstillstand, oft auch ein Gewichtsrück-
gang sich einstellte. Auch die Darmstörungen, die in keinem
der Fälle fehlten, sind vielleicht als Beweis eines vorliegenden
Milchnährschadens aufzufassen.
In unseren Fällen ist die Schädigung eine hochgradige,
ein nicht unbeträchtlicher Teil endet trotz Brustnahrung mit
dem Tode. Unsere klinischen Beobachtungen scheinen zum
Teil direkt darauf hinzuweisen, daß die Brustnahrung eine be-
sondere ätiologische Rolle für die Entstehung der Dermatose spielt.
So hatte ich Grelegenheit ein Zwillingspaar zu sehen, das
von der Mutter gestillt wurde und an Erythrodermia des-
quamativa erkrankte. Des besonderen Interesses halber seien
die Krankengeschichten dieser beiden Kinder kurz angeführt.
W. Rom und W. Marie, 87, Mon. (Brattkinder), 16./I[I. 1903 zam
ersten Male im Spital vorgestellt. Die ADamnese ergab, dafi W. R. seit
Wochen an Diarrhoen leidet; die Stühle sind dünnflüssig, manchmal grün
▼erfarbt; bei W. M. sind die Darmstörnngen weniger heftig; kein Erbrechen.
Im Alter von 6 Wochen begann der Ausschlag bei beiden Kindern,
mit Rötung am Halse, die sich über den ganzen Körper ausbreitete. Bei
der Vorstellung war die ganze Körperhant in typischer Weise ver&ndert.
Der Stamm und die Extremitäten waren mit groß- und kleinlamellösen
trockenen Schuppen, der Kopf mehr mit seborrhoischen Borken bedeckt ;
in den Qelenksfalten fehlte jede Schuppenauflagerung, die Haut war feucht,
rot glänzend.
Das Körpergewicht im Beginne der Behandlung bei der W. B. be-
trug 2850 ^, das Körpergewicht im Beginne der Behandlung bei der
W. M. betrug 4600 g.
über Erythrodermia desqaamativa etc. 181
Nach mehr als zweimonatlicher Behandlang trat bei den Kindern
▼öllige Heilang ein. An die Beobachtung reiht eich eine andere, nicht
minder interessante. Zwei aufeinander folgende Kinder, die von derselben
Matter gen&hrt wurden, erkrankten im Alter von 6 Wochen an der
universellen Dermatose und starben beide nach mehrwöohentlicher Krank -
heitsdauer unter den Symptomen eines schweren Darmkatarrhs, wobei
die Hauterkrankung die früher beschriebenen typischen Yerinderungen
zeigte. (Das eine der Kinder wurde von mir in der Gesellschaft ffir
Dermatologie 1908 als Eczema universale seborrhoicum demonstriert)
Diese eventaelle ätiologische Bedeutung der Brustnahrung
ließe sich vielleicht auch auf experimentellem Wege beweisen,
indem wir an die Brust einer Frau, deren Kind an Erythro-
dermia desquamativa erkrankt ist, ein anderes bisher TöUig
gesundes Kind legten, um zu sehen, ob durch länger fortge-
setzte, in dieser Weise geänderte Brustnahrung der Ausbruch
der Dermatose provoziert werden könnte.
Auch unsere therapeutischen Effekte, auf die ich noch
später zu sprechen kommen werde, sprechen zum Teile dafür,
daß in der Ernährung ein wichtiger Faktor für die Ätiologie
der Erkrankung gelegen sei, da wir bei manchen Fällen durch
Änderung der Nahrung eine rasche Besserung der Haut- und
Darmerkrankung erzielen konnten. Die Frage, ob nicht auch
andere Momente bei der Ätiologie eine Rolle spielen, will ich
sicher nicht verneinen, um so mehr, als unsere bisherigen
chemischen Untersuchungen der Milch solcher Frauen zu keinem
von dem Normalen abweichenden Resultate fährten, besonders
aber niemals einen erhöhten Fettgehalt ergaben, der von manchen
Autoren als Ursache von Darmstörungen und Haütsymptomen
angesehen wird. Hier käme in erster Linie noch eine ange-
borene Anomalie in Betracht, wie sie G z e r n y bei seiner
exsudativen Diathese annimmt, die zu Darmstörungen, zu
Störungen des Stoffwechsels disponiert, welche dann weiterhin
die Entstehung der Dermatose znr Folge haben.
Diese Stoffwechselstörungen mußten aber ganz spezifische
sein, different Ton jenen bei künstlicher Ernährung, da es
sonst nicht verständlich wäre, warum £ftst ausschließlich Brust-
kinder an der Dermatose erkranken, während kunstlich ge-
nährte fast immer Terschont bleiben. Daß auch vereinzelte
künstlich genährte Kinder an dieser Dermatose erkranken,
182 Lein er.
spräche im allgemeinen nicht gegen die Bedeutung der Er-
nährung für die Ätiologie der Erkrankung, da es unter gewissen
allerdings seltenen Umständen auch bei künstlicher Ernährung
zur Entstehung derselben schädlichen Stoffwechselprodukte
kommen kann, wie bei der natürlichen. Bei der Differential-
diagnose kommen alle jene Hauterkrankungen in Betracht,
die im frühen Säuglingsalter als eventuell universelle Deima-
tosen bekannt sind. Hierher geholt an erster Stelle die von
Ritter beschriebene Dermatitis exfoliativa, die
nach unserer Auffassung die schwerste Form des Pemphigus
contagiosus neonatorum ist. Wenn wir uns das Wesentliche
dieser Erkrankung in Erinnerung bringen, so besteht dasselbe
darin, daß es zunächst zu einer von der Mundspalte ausgehenden
und über den ganzen Körper sich verbreitenden Rötung und
Turgeszenz der Haut kommt, wobei die Hyperämie, beziehungs-
weise die Exsudation so hochgradig sein kann, daß weite Be-
zirke der Epidermis von der Cutis direkt abgehoben werden.
Diese Unterspüluog der Epidermis durch ein flüssiges Exsudat
erklärt ein geradezu iür diese Krankheit charakteristisches
Symptom; die leichte Loslösung der Epidermis oder, wie wir
es jetzt bezeichnen, die Epidermolysis.
Diese Loslösuug der Epidermis kann durch die leichtesten
Hauttraumen erfolgen und sukzessive den ganzen Körper be-
treffen, so daß die Kinder in diesem Stadium das Aussehen
wie nach einer Verbrühung aufweisen. An den Händen und
Füßen läßt sich die Haut handschubfingerähnlich loslösen.
Frisch nach der Abstoßung ist die bloßüegeude Cutis dunkelrot
und wird erst nach und nach trockener, mattrot, wobei sie
sich mit feinen Borken zu bedecken pflegt.
Dieses Stadium bezeichnet Ritter als Exsikkations-
Stadium.
Nimmt die Krankheit einen ungünstigen Verlauf; so wird
die Haut pergamentartig trocken, während sie in günstig ver-
laufenden Fällen rasch abblaßt und sich mit staub- und kleien-
förmigen Schuppen bedeckt und innerhalb ganz kurzer Zeit,
mitunter schon in 24 — 36 Stunden das Aussehen der normalen
Haut wieder erlangt hat. Der Verlauf der Krankheit von den
ersten Spuren des Ausbruches bis zur Wiederherstellung dauert
Ober Erythrodermia desqnamativa etc. 183
Bach Ritter 7 — 10 Tage. Zu den auffälligsten Erscheinungen
des Erankheitsbildes gehört nach Ritter die Verdickung,
Mazerierung und Losschälung der Oberhaut im ganzen Um-
fange oder im größten Teile der Oberfläche des Körpers.
Wenn wir uns nun die von mir beschriebene Derma-
tose vor Auge halten, so ist die Differential-
diagnose gegenüber der Ritterschen Dermatitis
leicht zu stellen.
Vor allem kommt es in unseren FäUen nie zu einer Exsu-
dation unter die Epidermis, nie zu einer Loslösung derselben
von der Cutis. Erst dann, wenn die Dermatitis Ritter in
das Heilnngsstadium übergeht, sich die Haut mit dünnen Borken
bedeckt hat, ist eine gewisse Ähnlichkeit mit unserer Dermatose
vorhanden ; doch hat gerade dieses Stadium nichts Spezifisches
für die Ritt er sehe Krankheit. Abgesehen davon, sind beide
Krankheiten leicht von einander dadurch zu unterscheiden und
zn trennen, daß es bei unserer Dermatose immer zu sebor-
rhoischen Veränderungen auf der Kopfhaut und im Gesichte
kommt, während bei der Ritterschen Krankheit dies nie der
Fall ist, ja nicht einmal bei den Varietäten des Krankheits-
bildes angeführt wird, trotzdem Ritter mehr als 200 Fälle
von exfol. Dermatitis gesehen hat. Auch die Krankheitsdauer
wäre noch bei der Dijfferentialdiagnose hervorzuheben, indem
es sich bei unserer Dermatose um eine mehr chronische, bei
der Ritterschen immer um eine akute Hauterkrankung handelt.
Es ist die genaue Differenzierung beider Krankheiten
schon deshalb von Bedeutung, weil ich in der Literatur über
vereinzelte Fälle Angaben fand, die das von mir beschriebene
Krankheitsbild betreffen, von den Autoren aber als Dermatitis
exfoliativa Ritter beschrieben wurden. EUerher gehört vor allem
der Fall Luithlens. Es handelte sich um ein schwaches,
abgemagertes Kind, das im Alter von acht Tagen in die Findel-
anstalt (Wien) aufgenommen wurde und bei dem im Alter von
5 Wochen (13. Nov. 1897) die Krankheit mit Intertrigo am
Nacken begann und innerhalb weniger Tage zu einer diffusen
Rötung und Abschuppung am ganzen Körper führte.
Die BeBchreibong des Falles ist nach Luithlen folgende: auf der
geröteten und verdickten Hant sind gelblich-weiBe oder opake scbnppen-
artige, blätterig faltige Auflagerungen vorbanden, die der Unterlage
1S4 Leiner.
entweder uiUegen, Ton Schoppen nnd Furchen darohsetEt sind oder als
Tersehieden große, von der Unterlage oft mascheiförmig abgehobene Aof-
lagenxngen sich darstellen. Meist hängen sie lose mit der Unterlage sn-
sammen, sind nicht abstreif bar, vrie sonst eine Eraste oder Borke, sondern
reißen meist von einer noch der Unterlage aufliegenden Partie ab, welche
sich dann ausammenfaltet und aufrollt. Beim Yerreiben swischen den
Fingern f&hlen sich die Auflagerangen fettig an. Das Gesicht des Kindes
ist dunkelrot; die Haut um die Nasenöffnungen, die Lider, die Lippen
sind verdickt. Rhagaden. Am Gapillitium ist die Haut gerötet, ebenfalls
mit schuppigen Auflagerungen bedeckt. Am stärksten ist die Veränderung
der Haut am Halse und Thorax; hier hat man den Eindruck, daß die
auflagernden Schuppen serös durchtränkt sind oder unter ihnen noch eine
Ezsudatschichte sei, da hier dieselben beim Bef&hlen eine besonders
weiche, welke Konsistenz haben, aa Tereinselten Stellen auch blasenartige,
aber nicht scharf begrenzte, schlaffe Yerwölbungen sind und die Auf-
lagerungen sich beim leisesten Darüberstreifen in großen Fetzen ablösen,
worauf die rote Unterlage zu Tage tritt. In der folgenden Zeit wurde die
Rötung der Haut allmählich geringer, während die Abschuppung in dem-
selben Maße weiter bestand. Später verringerte sich auch diese an ein-
zelnen Körperpartien. Am Hals und Thorax bestand die Sohuppenbildung
bis zum Tode (12. Dezember 1897).
Todesursache: Enterocatarrh chronicus.
In diesem Falle ist es analog unseren Fällen zu einer
über den ganzen Körper sich ausbreitenden Rötung gekommen,
die alsbald zur Abschuppung führte, ohne daß vorher durch
Exsudation eine Losschälung der Epidermis von der Cutis ein-
getreten war, die doch als Hauptsymptom der Ritterschen
Erkrankung anzusehen ist. Auch weitere Momente, die sebor-
rhoischen Veränderungen der Kopfhaut, die lange Krankheits-
dauer lassen es uns berechtigt erscheinen, diesen Fall nicht als
Dermatitis exfoliativa Ritter aufzufassen, worauf Knöpfel-
macher und ich in einer gemeinsamen Arbeit über „Derma-
titis exfoliativa neonatorum ** schon hingewiesen haben, sondern
ihn dem von mir beschriebenen Krankheitsbilde anzuschließen.
Dasselbe gilt auch von dem zweiten, allerdings in Kürze er-
wähnten Fall von Dermatitis Ritter, den Luithlen in der-
selben Arbeit anführt Auch in der in das Handbuch für
Kinderkrankheiten (Pfaundler, Schossmann) aufgenommen Ab-
bildung eines leichten Falles von Dermatitis exf. Ritter Tafel 59
glaube ich unsere Säuglingsdermatose wiedererkennen zu können.
Wenn vrir diese Abbildung mit dem Bilde Fig. 201 des-
selben Handbuches vergleichen, so sind die Differenzen beider
über Erythrodermia desqaamativa etc. 185
Erankheitsbilder deutlich ersichtlich. Als zweite Derma-
tose, die bei der Differentialdiagnose in Betracht
kommen kann, möchte ich das Ekzem anführen,
das in manchen Fallen ebenfalls eine universelle Ausbreitung
nehmen kann. Eine gewisse Ähnlichkeit beider Erkrankungen
ist dann nicht zu leugnen. Bei Beachtung des Umstandes, daß
es bei der Erythrodermia desquamativa niemals zur Eruption
Ton juckenden Knötchen, Bläschen, Pusteln kommt^ während
dies immer bei den Ekzemen der Fall ist, ist die Differen-
zierung beider Krankheiten nicht schwer. Nur an den Kontakt-
stellen der Hautflächen ist die Veränderung auch in unseren
Fällen einem Ekzema intertriginosum nicht unähnlich. Hier
müssen wir zur Differenzierung das Verhalten der diesen
Stellen benachbarten Hautpartien heranziehen; diese zeigen in
unseren Fällen nur das Bild einer schuppenden Rötung, während
bei dem eigentlichen Ekzema intertriginosum diese Partien mit
juckenden Knötchen oder Bläschen bedeckt sind. Auch die
histologischen Verschiedenheiten beider Affektionen, insbe-
sonders auf das Fehlen einer eigentlichen Spongiose in unseren
Fallen, habe ich bereits früher hingewiesen. Nur selten kommen
wir in die Lage, noch eine dritte Dermatose, die Psoriasis,
bei der Differentialdiagnose in Betracht zu ziehen. Abgesehen
davon, daß die Psoriasis im frühen Säuglingsalter zu den
größten Seltenheiten gehört, unterscheidet sie sich von der
Erythrodermia desquamativa durch das Verhalten der Primär-
efiloreszenzen, die aus kleinen mit perlmutterglänzenden
Schuppen bedeckten Erhabenheiten bestehen, von denen sich
die Schuppenauflagerung leicht abkratzen läßt, worauf eine
aus feinen Punkten blutende Fläche zu Tage thtt. Durch Kon-
fluenz solcher einzelnstehender Effloreszenzen entstehen größere
Herde, die durch weiteres peripheres Wachstum große Haut-
strecken überziehen können.
Auf diese Weise oder durch massenhafte Eruption kleiner
Primäreffloreszenzen kann es zur universellen Ausbreitung der
Psoriasis kommen. Bei der Erythrodermia desquamativa tritt
dagegen gegenüber den Knötchen-Primäref&oreszenzen über den
ganzen Körper, namentlich am Stamme mehr der Charakter
eines diffus über den Körper fortschreitenden Erythems in den
186 Leiner.
Vordergrund. In dem Stadium der uniYersellen Ausbreitung ist
eine Unterscheidung beider Prozesse durch das verschiedene
Aussehen der Schuppenauflagerungen, die bei der Erythro-
dermia eine mehr fettige Beschaffenheit und gelbliche Ver-
färbung zeigen, bei der Psoriasis dagegen durch ihre Sprödig-
keit, Perlmutterglanz und intensiv weiße Farbe au&llen. Eine
läugere Beobachtung, die Art des Abheilens sichert am besten
die Diagnose. Endlich wäre bei der Difierentialdiagnose noch
einer universellen Dermatose Erwähnung zu tun, die aller-
dings bis nun nicht im Kindesalter, sondern erst in der spä-
teren Lebensperiode zur Beobachtung kam.
Es ist dies die Pityriasis rubra, die von Hebra als
selbständige Erkrankung beschrieben wurde, von den Fran-
zosen der großen Gruppe der ezfoliativen Erythrodermien zu-
gerechnet und von Unna als eine Art des Eczema sebor-
rhoicum exfoliativum malignum aufgefaßt wird. Von der
Pityriasis rubra unterscheidet sich die Erythrodermia desqua-
mativa schon durch den Mangel eines besonderen Juckreizes,
sowie durch die Art der Schuppung, die bei Pityriasis immer
kleienförmig ist und endlich durch den Verlauf, der bei der
Pityriasis auf Jahre hinaus sich erstreckt, um in das Stadium
der Hautatrophie überzugehen.
Unsere therapeutischen Maßnahmen richteten
sich in erster Reihe gegen die bestehende geringe Entzündung
der Haut. Wir gingen gewöhnlich in der Weise vor, daß wir
das Sind in einem warmen (26 bis 28® R.) Eleienbad reinigten,
um alle Zersetzungsprodukte, die auf der Haut, namentlich in
den Gelenksfalten angehäuft waren, zu entfernen.
Hierauf bedeckten wir das Kind mit einer in Olivenöl
eingetauchten Gaze, während wir auf Eopf und Gesicht eine
Ol- oder Vaselinmaske legten. Nach täglicher Reinigung der
Haut mit Öltupfem und zeitweiser Wiederholung des Bades
setzten wir diese Behandlung solange fort, bis die Abschuppung
nachließ. War dies eingetreten, so gingen wir zu Zinkölver-
bänden, an den Extremitäten zu Zinksalbenverbänden über.
Diejenigen Partien, an denen die Haut die Erscheinungen
eines feuchten Katarrhs zeigte, suchten wir durch 17o Resorcin-
wasserumschläge in das trockene Stadium zu überführen. Sobald
über Erythrodermia desquamativa etc. 187
die Haut za schuppen aufgehört hatte und nur noch eine
Rötung derselben bestand, sahen wir von jeder Salbenbehand-
lung ab, sorgten nur für gründliche Reinigung der Haut mit
öl- und Benzintupfem und nahmen nun eine Talkpuderbe-
bandluDg Yor. Mit diesen einfachen reizlosen Mitteln kamen
wir in einer großen Zahl der Fälle aus; nur ausnahmsweise
bei starker Seborrhoe des Kopfes sahen wir uns genötigt,
1 — 2% Schwefelsalben anzuwenden. Mit dieser äußeren Be-
handlung kombinierten wir immer eine interne, die haupt-
sächlich in einer Regelung der Diät bestand. Wir ließen strenge
Nahrungspausen einhalten, verlängerten dieselben bisweilen auf
3 — 4 Stunden und ersetzten gewöhnlich auch bei leichten Fällen
eine oder die andere Mahlzeit durch künstliche Mahlzeiten,
die in Reiswassermilchverdünnungen oder Buttermilch bestanden.
In schweren Fällen, bei denen die Darmsymptome besondera
in den Vordergrund getreten waren, suchten wir zunächst
durch strenge Regelung der Diät, Kalomel intern auf den Darm-
katarrh günstig einzuwirken. Gelang das nicht, so nahmen wir,
wo dies möglich war, einen Ammeuwechsel vor, oder ließen
an Stelle der Brustnahrung künstliche Nahrung reichen. Wir
gingen so vor, daß wir den Kindern einen Tag Reiswasser
und späterhin Reiswassermilchverdünnungen (2 : 1 oder auch
1 : 1) oder Buttermilcbnahrung gaben. Es hat den Anschein,
daß wir mit dieser kombinierten Behandlung zur rechten Zeit
eingesetzt die Kinder vor dem Übergang in das Stadium der
schwersten Intoxikation bewahren, aus dem es nur in den
seltensten Fällen eine Rettung gibt. Werden uns Kinder zur
Behandlung gebracht, die bereits in diesem Stadium sich be-
finden, so müssen wir mit unseren therapeutischen Maßnahmen
besonders vorsichtig sein^ um dem Kinde in keiner Weise zu
schaden.
Bäder sind in diesem Stadium nicht mehr anzuwenden,
einmal deshalb, weil die nach denselben eintretende Abkühlung
für das Kind gefahrlich werden könnte und dann auch, weil
die Berührung der zahlreichen Rhagaden mit Wasser bei dem
Kinde eine Schmerzempfindung auslöst.
In solchen Fällen bedecken wir die Haut mit in Kalk-
wasser-LeinöI eingetauchte Lappen oder Terbinden das Kind
1
1 gg L e i n e r.
mit einer Paraffin-Lanolinsalbe. Der Ernährung des Kindes
muß in diesem Stadium ein besonderes Augenmerk zugewendet
werden. Ich habe öfters die Beobachtang gemacht, daß solche
Kinder absolut nicht imstande waren infolge der Infiltration
der Lippenhaut, der Rhagaden an denselben, wozu noch die
allgemeine Schwäche kommt, auch nur einige Gramm aus der
Brust herauszubekommen. Es bleibt uns, so lange der Zustand
des Kindes so schlecht ist, nichts anderes übrig, als demselben
löffelweise oder mit der Sonde die Nahrung einzuflößen, die
in Terdünnter Kuhmilch oder Buttermilch bestehen kann. Tritt
eine Besserung im Befinden des Kindes ein — ein allerdings
seltenes Ereignis — so empfiehlt es sich einen Ammenwechsel
vorzunehmen.
Ist dies aus äußeren Gründen nicht möglich, so müssen
wir Yersuchen, das Kind auf künstlichem Wege zu ernähren,
wozu sich nach unserer Erfahrung am besten Reiswassermilch-
yerdünnungen oder Buttermilch eignet.
Wenn ich zum Schlüsse das Resultat meiner Arbeit zu-
sammenfasse, so stellt die von mir als Erythrodermia
desquamatiTa bezeichnete Dermatose eine eigen-
artige universelle Hauterkrankung dar, die in
einer leichten Entzündung der ganzen Hautdecke,
einer Desquamation der Epidermis und einer
Seborrhoea capitis besteht.
Diese Dermatose ist eine echte Säuglings-
dermatose, die noch deshalb ein besonderes
Interesse erregt, weil fast ausschließlich Brust-
kinder von ihr betroffen werden, die in einem
nicht unbeträchtlichen Prozentsatze dieser Er-
krankung zum Opfer fallen.
Die Ätiologie dieser Dermatose läßt sich
mit Sicherheit noch nicht ergründen, wahr-
scheinlich handelt es sich um ein autotoxisches
Erythem, das mit den Darmstörungen der Kinder
in Zusammenhang zu bringen ist.
Von der Dermatitis exfoliativa Ritter ist
diese Dermatose vollständig zu trennen.
über Erythrodermia desquamativa etc. 189
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II. pag. 956.
190 Leiner.
Die Abbildung auf Taf. VI stellt das Höhestadium der Krankheit
im Falle I dar. Die Erklärung ist dem Texte zu entnehmen.
3 B^rul 1 WMX.
Au der pAthologisoh-anatomiaohen Anstalt des st&dtischen
SrankenliaTues im Friedriohshain zn Berlin [Vorstand:
Frosektor Br. L. Pick].
Lymphangio-Endothelioma cutis
abdominis.
Ein Beitrag zor Kenntnis der Endotheliome der Haat.
Von
Dr. Fritz Julinsberg (Berlin).
(Hje«u Taf. VII u. Vni.)
(SohlnB.)
Ich beschreibe in folgendem einen hierher gehörigen
Fall, den mir Herr Prosektor Dr. L. Pick freundlichst znr
Bearbeitung übergab, und der schon deswegen ein gewißes
Interesse verdient, weil die * Neubildung nicht, wie in den eben
skizzierten Fällen, sich auf dem Kopfe fand, sondern hier eine
Geschwulst der unbehaarten Haut vorgelegen hat.
Es handelt sich nm eine Fraa von etwa 50 Jahren, die anf der
Banchdecke einen Tamor aufwies, Ober dessen Alter nichts bekannt ist.
Die Geschwulst wurde bei der sonst in gutem Gesundheitszustande befind-
lichen Frau von Herrn Dr. Max Litthauer (Berlin) entfernt und Herrn
Dr. Pick übersandt.
Die Geschwulst bedeckt ein etwa ovales Hautfeld von 7*4 cm größter
Länge und 4*8 em größter Breite. Sie imponiert, von der Oberfläche
gesehen, als ein Eonvolut halbkugeliger, über das Niveau hervorragender
Knollen von verschiedener Größe. Es ragen 7 derartige größere Knollen
von' durchschnittlich Haseln aßgröße über die Oberfläche hervor; doch
Einkerbungen innerhalb der Ilalbkugeln lassen es als sicher erscheinen,
daß ihre Zahl eine größere ist und daß immer mehrere Knötchen zu einem
größeren Knollen zusammengedrängt sind. Die Konsistenz ist eine derbe, etwa
die eines harten Fibroms. Die Farbe der Oberfläche ist scmutzig-rosa, stellen-
weise sind die Läppchen mit (von der Operation herrührenden^ Blut-
massen bedeckt. Eine Ulzeration ist nirgends vorhanden.
192 Juliasberg.
Auf dem Dorehschnitt macht die Tumormasse den Eindrock einer
großen alveolären Drüie and ist aas einer Anzahl von einzelnen Feldern oder
Läppchen znsammengesetat (ygl. Fig. 1). Der Großendarchmesser der letzteren
schwankt etwa von der Größe eines Stecknadelkopfes bis zur Ereisform von
1'4 em Dachmesser. Die einzelnen L&ppchen lassen sieh darch Ziehen
ziemlich leicht isolieren, ihr Zasammenhang ist also ein ganz lockerer.
Teilweise, besonders in der Peripherie der Neabildang, ist der Darch-
schnitt der Läppchen ein kreisförmiger, teilweise sind sie aber so aneinander
gepreßt, daß unregelmäßige mehr längliche oder polyedrische Kontoren
entstehen. Der Darchschnitt erscheint im übrigen glatt, homogen and ist
von zarter rosaroter Farbe. In einem der Oberfläche nahen Feld findet
sich eine Blntang (ex operatione) (vgl. Fig. 1 «). Aaf Grand dieser Färbung
läßt sich die scharfe Begrensang der Tumormasse nach der Tiefe hin
gegen die gelblichen Fettmassen der Subcatis deutlich erkennen.
Die Höhe der Neubildung auf dem Darchschnitt variiert von
1-5— 2-2 cm.
Zar mikroskopischen Untersuchung standen mir von
Dr. Pick bereits hergestellte Durchschnitte durch den ganzen
Tumor (Fig. 1) von 6*7 cm Breite, 2 cm Höhe, mit Haemalaun-Eosin
gefärbt, zur Verfügung. Weitere Durchschnitte durch einzelne
Geschwulstabschnitte wurden, teils nach Celloidin-, teils nach
Paraffin-Einbettung, zum Teil mit Haemalaun gefärbt, zum
Teil mit Haemalaun-Eosin, femer mit Haemalaun- van Gieson,
Haemalaun-Hansen, mit Eresylechtviolett und Polychrom-
Methylenblau, teils auf elastische Fasern mit saurem Orcein
und Weigerts Resorcin-Fuchsin.
Die histologische Untersuchung ergab folgendes Bild:
Der Tumor setzt sieb entsprechend dem makroskopischen
Habitus zusammen aus einzelnen durch Bindegewebe (Fig. 1 s)
abgegrenzte Läppchen (/), die sich im allgemeinen im Durch-
schnitte der Ereisform nähern. Jedenfalls tritt diese Form überall
dort deutlich hervor, wo die Läppchen sich ungehindert aus-
breiten konnten, speziell an den peripherischen Partien des
Tumors; wo die einzelnen Läppchen gegenseitiger Pressung
ausgesetzt sind, sind auf dem Durchschnitte teils halbmond-
förmige, teils sichelförmige, teils keilförmige Figuren zustande
gekommen. Getrennt sind die Läppchen von der Epidermis (ep)
durch eine breite Bindegewebszone, untereinander durch dünnere
bindegewebige Stränge. Auffallend ist in diesen Bindegewebs-
Septen zwischen den einzelnen Geschwulstzellkomplexen der
Mangel an elastischen Fasern, die sich auch nur spärlich —
Lymphangio-Endothelioina cutis abdominis. 193
in kurzen dicken Fasern — in dem Bindegewebe zwischen
Oberhaut- und Tumor- Oberfläche konstatieren lassen. Nur
direkt unter dem Epithel ist das oberflächlichste, elastische
Netz teilweise gut erhalten, wenn auch überall eine Verringerung
dieser Fasern sicher vorhanden ist. Das Bindegewebs-Septen-
system innerhalb des Massivs der Neubildung selbst ist wenig
zellreich, stellenweise mit geringfügigen Infiltraten aus kleinen
lymphoiden Rundzellen versehen, speziell um die Gefäße herum,
an einigen wenigen Stellen sieht man GeschwulstzUge, die aus
den peripherischen Partien der Läppchen in dünnen Zügen
in das umgebende Bindegewebe ausstrahlen. Doch ist das
letztere nur in sehr beschränktem Maße der FalL Die allge-
meine Abgrenzung der Geschwulstzellfelder gegen das
umgebende Bindegewebe ist vielmehr eine ganz
scharfe, ebenso die des Gesamtcontours der Neubildungsmasse
gegen die Umgebung, wenn freilich auch eine besondere Kapsel
ganz fehlt Dabei sind die Bindegewebszüge, die die Ge-
schwulstzellfelder begrenzen, im allgemeinen konzentrisch zu
der Oberfläche der einzelnen Läppchen angeordnet und nir-
gends der Sitz irgendwelcher Degeneration.
Bei der Behandln]^ nicht festgeklebter Schnitte lockern
sich bisweilen ganze Geschwulstl^ppen und fallen event. ganz
aus dem Präparate heraus. Dieses Vorkommnis beruht nicht
darauf, daß etwa bei der Härtung eine Retraktion und Los-
reißnng der Tumormassen von umgebenden Bindegewebs-
flbrillen stattgefunden hätte, sondern die Trennung erfolgt
teilweise innerhalb der Bindegewebsfasern, die in parallelem
Zuge die Läppchenoberfläche einscheiden; teilweise machen
große Hohlräume, die die Läppchen umkreisen und auf die ich
später zu sprechen komme, eine solche Lockerung möglieb.
In der Epidermis, die den Tumor überzieht, ist eine
starke Pigmentanhäufung vorhanden. Nur an wenigen Stellen
ist das Rete Malpighii so spärlich mit Pigment ausgestattet,
wie in der Norm. Im allgemeinen ist die unterste Zellage
des Rete Träger reichlicher braunschwarzer unregelmäßiger
Körnchen und Schollen, die im allgemeinen sich kappenförmig
an dem der Oberfläche zugewendeten Teile der Zelle ange-
sammelt haben. Teilweise zeigt auch die zweite Zellage des
Arch. f. DemiAL n. Syph. Bd. LXXXIX. 23
194 Jaliasberg.
Reie einen solchen PigmentüberschuB. Auch in den obersten
Lagen der Catis finden sich hier und da Pigmentanhäufungen.
Au£EEkllend ist eine gruppenweise VergröBerung der Epithel-
zellen, die über dem Tumor liegen. Diese erstreckt sich von
unten durch über 4 — 5 Zellagen nach oben. Diese Zellen
sehen wie gequollen aus, indem ihr mit Haemalaun relativ
schwach tingierter Protoplasmaleib stark aufgetrieben erscheint,
während der Kern, an Größe und Farbbarkeit den übrigen
Epithelzellen gleichend, auf die Seite gedrängt ist.
Vergleichen wir die einzelnen Geschwulstläppchen mit
einander, so differieren sie darin, daß in einzelnen derselben
die Geschwulstzellen bei kaum nennenswerten Stroma sich
dicht aneinander drängen, während in anderen nur spärliche,
scharf umschriebene Geschwulstzellstränge das bindegewebige
Stroma der Läppchen durchziehen. Zwischen diesen beiden
Extremen gibt es allmähliche Obergänge von stark zellerfällten
und relativ zellarmen Geschwulstläppchen.
Trotz dieser Verschiedenheiten bei schwacher Vergrößerung
tritt bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 2 und 3, auch Fig. 4)
eine wesentliche VereinfachuDg des Bildes insofern hervor, als
dann die Anordnung der Geschwulstelemente im
Läppchen sich wesentlich auf zwei Typen zurück-
führen läßt, die als solide Zellzüge und als Zell-
schläuche ziemlich einförmig wiederkehren.
Wo die Zellzüge (str) auf dem Querschnitt getroffen sind, ist
ihr Durchschnitt ein runder, und wo sie teilweise oder ganz
der Länge nach vom Schnitte geteilt werden, erscheinen sie
von im allgemeinen gleichmäßigen Kaliber : im ganzen also als
rundliche Stränge. Die Geschwulstzellen, die uns
in diesen Strängen entgegentreten^ sind von ziemlich gleicher
Größe und enthalten bläschenförmige, mit Hämalaun gut färb«
bare Kerne, in den sich meist 1 — 2, selten mehr Kemkörperchen
finden. Im Innern der Züge sind die Zellen meist unregelmäßig
gepreßt, dicht aneinander gelagert (Fig. 8). An der Peripherie
tritt dagegen oft sehr deutlich eine radiäre Anordnung hervor,
derart, daß der größte Durchmesser der hier zylindrischen
Elemente senkrecht zur Peripherie des Strangquerschnitts
steht. An einzelnen Stellen setzt sich diese Anordnung auch
LympbaDgio-Eodothelioma cutis abdominis. 195
ins Innere des Zellstraages fort. Nirgends sind die Zellen
dorcb interzelluläre Brücken mit einander Terbunden,
nirgends bestehen kerat ohyalinähnliche Kör-
nungen. Auch Kernteilungsfiguren konnte ich nirgends finden.
Die Zellschläuche^ die an Zahl die soliden Stränge
übertrefiTen, zeigen insofern eine gewisse Mannigfaltigkeit, als
neben dünnwandigen, nur von einer Zellage umwandeten Hohl-
räumen solche mit einer aus mehreren Zellagen sich zusammen-
setzenden Wandung und schließlich dickwandige Zellzylinder
sich finden» deren Hohlräume auf einen ganz engen Spalt
reduziert sind.
Die dünnwandigsten Schläuche, die nur von einer Zell-
schicht formiert werden, sind teils eng, mit nur spaltfdrmigem
Lumen yersehen, teils ist die Lichtung umfänglich, weit, dabei
▼on wechselnder Kapazität. Die Zellen, die sie auskleiden,
haben fast durchgängig den Charakter derer, die auch die
soliden Zellzüge zusammensetzen, d. h. sie führen große,
ovale, gut tingible Kerne mit 1 — 2 Kemkörperchen ; aber an
einzelnen Stellen finden sich hier flache, exquisit endotbelartige
Zellgebilde, die einen Teil der Wandbekleidung bilden (Fig. 6).
Diese Zellen haben eine ganz flache Form und kleinere gut
tingierte Kerne, die Längsachse des Kerns entspricht der Längs-
achse des Zellschlauchs. Sie grenzen in der Wandbekleidung
oft direkt an Zellen, die vollständig den oben beschriebenen
großkemigen Zelltypus tragen. Auch finden sich Zellen, die
sich zwanglos in keine dieser Typen einreihen lassen, mit
relativ flachem, aber noch immerhin größerem Kern als die
Mehrzahl der endothelial aussehenden Zellen. Im ganzen
prävalieren in den Zellschläuchen jedenfalls die großkernigen,
ziemlich uniformen Zellen durchaus wie überhaupt solche dünn-
wandige Zellschläuche mit stellenweise flacher Zellbekleidung
relativ spärlich vorhanden sind. Nur an den Rändern der
Alveolen finden sich in größerer Häufigkeit dünnwandige weite
Hohlräume, auf die ich später zurückkomme.
Die dickwandigeren, von zwei (Fig. 7) und mehreren Zellagen
begrenzten Zylinder differieren, abgesehen von dem Vorlianden-
sein eines Lumens, nur wenig von den soliden Zellzügen,
weder in den Zellformen, die sich dort finden, noch in der
13*
196 Jaliusberg.
Anordnung deraelben. Auch hier findet sich, im Gegensatz
zu einer mehr regellosen Anordnung der Zellen gegen das
Zentrum hin, die oben beschriebene radiäre Anordnung der
Zellkerne an der Peripherie.
Innerhalb einiger Geschwulstläppchen (Fig. 3) finden sich
kleinere und größere Hohlräume {lg\ die teilweise eine einreihige
Wandung, teilweise eine etwas verdickte, 2 und mehrere, bis 6
Zellagen aufweisen. Die Zellen dieser Hohlräume haben teilweise
einen endothelialen Typus, teilweise einen großkemigen, und öfters
liegen die endothelialen Zellen in 2 — 3 Reihen über einander. Man
kann an einzelnen Stellen verfolgen, wie die Hohlräume unter
allmählicher Eonsolodierung unmittelbar sich in die soliden Zell-
stränge fortsetzen. Oder man sieht in einen solchen großen
Hohlraum teils weitere Zellzylinder, teils solide Zellstränge ein-
münden. Der Inhalt dieser Hohlräume ist eine schwach farb-
bare, fein granulöse Masse, ohne erkennbare Zellkerne.
Sodann sind in der Spezialstruktur der einzelnen Läpp-
chen noch zwei für die Beurteilung desTumors we-
sentliche und sehr in die Augen fallende Wachstums-
formen der Geschwulstelemente zu nennen, die in den einzelnen
Läppchen in verschiedenartiger Weise ausgeprägt sind, sich iu
einzelnen außerordentlich drastisch wiederfinden, in anderen
nur andeutungsweise vorhanden sind.
Es ist dies erstens eine fast regelmäßige und in bestimmten
Abständen erscheinende Einschnürung bezw. varicöse
Anschwellung der Geschwulstzellzüge, und zwar
betreffen diese Einkerbungen sowohl solide Zellstränge (vgl.
Fig. 2), wie auch mit dünner oder dickerer Zellwand versehene
Zellschläuche. Auf diese Weise kommen Bilder zustande, die in
ihren Umrissen den metameren Anschwellungen eines Raupen-
leibes ähneln.
Eine zweite Erscheinung, die besonders in einzelnen Läpp-
chen (vgl. Fig. 4) schön ausgeprägt sich findet, ist die, daß an
den Rändern der Geschwulstläppchen das durch die Geschwulst*
zellzüge dargestellte Netz sich besonders dick und kompakt
ausgebildet hat, während nach dem Zentrum zu die einzelnen
Zellzüge in allen Dimensionen abnehmen und schließlich im
Zentrum sich in auffallender Zartheit verschmächtigen. Das
LymphaDgio-Endoihelioma cutis abdominis. 197
Netz der GeschwuUtzellzüge zeigt eine nach dem
Zentrum hin zunehmende Verjüngung.
Die Peripherie vieler Läppchen umziehen, wie schon oben
angedeutet, große Hohlräume. Diese (Fig. 5 m) schließen sich
der Oberfläche der rundlichen Läppchen insofern ganz eng an,
als sie diesen gleichsam kappenförmig aufsitzen. Ihre Größe
ist sehr variabel; teilweise umkleidet eine solche Kappe mehr
als ein Viertel bis die Hälfte der Peripherie des Läppchens.
Meist bedecken sie in mehrfacher Zahl die Oberfläche des
Läppchens, so daß dieses nur an wenigen Stellen direkt mit
dem umgebenden Bindegewebe zusammenhängt. Ich habe
schon oben angedeutet, daß auf diese Weise die Verbindung
der Läppchen mit dem umgebenden Bindegewebe nicht genügt,
um bei der Präparation das letztere festzuhalten, und daß
dann gelegentlich ganze Tumorfeldchen aus dem Präparate beim
Bewegen der Schnitte in den Flüssigkeiten sich lösen.
Im allgemeinen sind diese Bandsinus, wie ich sie dem
Vorschlage Dr. Picks folgend benennen will, umgeben von
einer einschichtigen, wiederum exquisit endo-
thelialen Zellage. Der Inhalt der Hohlräume ist eine leicht
krümeUge, schwach farbbare Masse. Am deutlichsten ist gewöhnlich
die endothelartige Zellbegrenzung an dem der Tumormasse
abgekehrten Teil des Bandsinus. In dem dem Feld direkt auf-
sitzenden Teil ist die Wandbekleidung nur teilweise eine der-
artige flache, endothelartige; teilweise haben die Kerne hier
wiederum bläschenförmige größere Konfiguration und die Zellen,
selbst von höherer Form, richten sich mit dem Durchmesser
senkrecht zur Wandgrenze. An anderen Stellen ist es zu einer
Überschichtung und Verdickung des Belages gekommen, und
die Zellhaufen, teilweise buchtartig ins Lumen des Hohlraumes
hineinragend, zeigen teilweise den Typus der mehr flachen,
teilweise den der größeren Zellen mit bläschenförmigem Kern,
wenn auch im allgemeinen die letzteren überwiegen. Vielfach
sind beide Typen mit allen möglichen Zwischenstufen gemischt.
An solchen Stellen hängen die Wandzellen des Bandsinus un-
mittelbar mit den zu ihnen strebenden Zellzügen der Tumor-
masse zusammen: die Zellzüge aus dem Tumorfeld
münden hier unmittelbar in den zugehörigen
Bandsinus hinein.
198 Julia8berf(.
Man findet danach an diesen Randsinus in größerem
Maßstabe nnd in reicheren Variationen das wiederholt, iras
ich vorher beziigh'ch der Hohhäume innerbalb einzeber
Geschwulstläppchen beobachtet und beschrieben habe, sowohl
bezüglich des direkten Zusammenhangs endothelähnlicher Zellen
mit den größeren Elementen als auch in der Verbindung mit
den angrenzenden Strängen und Schläuchen wie in Bezug auf
den Inhalt
Auf die Zustände des Bindegewebes, das den Tumor Ton
der Oberfläche und die einzelnen Läppchen voneinander
scheidet^ bin ich oben eingegangen. Das Stroma zwischen den
einzelnen Zellzügen, soweit eine ausgesprochene Form über-
haupt vorhanden ist, ist zum Teil auf ganz flache Lagen reduziert
Es bietet keine Besonderheiten, auch nirgends irgend eine Art
von Degeneration.
Schließlich sind' in einzelnen Läppchen frische Blutergüsse
vorhanden, die bei ihrem ganz umschriebenen Charakter, den
wohlerhaltenen Erythrocyten und den nachweislichen Läsionen
der korrespondierenden Epidermis zweifellos traumatisch sub
operatione entstanden sind.
Da bei reichlicher Extravasation die einzelnen Züge der
Geschwulstzellen innerhalb der Felder oft sehr stark aus-
einandergedrängt werden, wird so die Detailerscheinung in
Form und Kontur besonders deutlich, und die Kaliber-Ver-
schiedenheiten sowie die varicösen Schwellungen gewisser
Züge lassen sich hier besonders gut beobachten.
Wir haben es in folgendem zu begründen, warum wir
unseren Tumor als Endotheliom bezeichnen.
Es ist klar, daß in erster Linie diejenigen Kriterien
erfüllt sein müssen, die gegen den Zusammenhang des Tumors
mit dem Epithel oder dessen Anhängen sprechen, die uns
also überhaupt erst in die Lage setzen, die Diagnose
eines Endothelioms zu diskutieren. Hierher gehört für unseren
Tumor zunächst die Tatsache, daß wir nirgends einen biolo-
gischen Zusammenhang des Geschwulstgewebes mit dem ober»
flächlichen Epithel oder dessen Anhängen konstatieren konnten
— eine Eigenschaft, die unserem Tumor mit bestimmten
Carcinomen der Haut — Borrmanns „Gorium-Garcinomen** ge-
LymphaDgio-Endothelioma cutis abdominie. 199
meinsam ist Ich habe mit Absicht den Mangel eines «bio-
logischen* Zusammenhangs betont, denn wir wissen ja namentlich
seit den kritischen Untersuchungen Ribberts, speziell über
das Garcinom, daß ein bloßer Zusammenhang als solcher nicht
ohne weiteres in genetischer Hinsicht verwertbar ist. Es gibt
sekundäre Anschmelzungen, bei welchen eine Geschwulst mit
ihren Ausläufern Drüsen- oder Oberflächen-Epithel erreicht,
ohne daß eine nähere biologische Beziehung bestünde.
Eine zweite Vorbedingung, die erfüllt sein muß, und
der auch unser Tumor gerecht wird, ist die, daß nirgends ein
epidermoidaler Charakter der Tumorzellen vorhanden sein
darf, ausgesprochen in Verhornung, Keratohyalinbildung, Inter-
zellularbrücken.
Neben den genannten negativen Eigenschaften unserer
Geschwulst, die an sich schon den epithelialen Charakter der-
selben nicht wahrscheinlich machen, richtete sich unser Augen-
merk auf einige Punkte, die in der Endotheliom-Diagnose, wie
sie Borst aufstellt, eine gewisse Rolle spielen, ohne freilich
— auch für Borst — ausschlaggebend zu sein. Wir haben
diese Momente schon oben in unserer Einleitung genügend be-
rührt, auch ihre keineswegs schlüssige Beweiskraft für die Diagnose
Endotheliom betont ; wir stellen an dieser Stelle bloß fest, daß
bei unserem Tumor die häufig bei Endotheliomen beschriebenen
Schichtungskugeln ebenso wie die verschiedenen degenerativen
Vorgänge des Bindegewebes, wie sie von mancher Seite als
charakteristisch für Endotheliome hingestellt werden, nirgends
vorhanden waren.
Für die histiogenetische Diagnose kann die Vielheit der
Knoten zunächst außer Betracht bleiben. Die histiogenetische
Aufklärung ist einfacher zu erhalten, indem wir die ge-
samten an den für sich zusammenhanglosen Knoten erhobenen
Befunde uns gleichsam in einem Felde vereinigt vorstellen. Wir
sehen hier in exquisiter Weise ein Netzwerk gebildet, teils
aus soliden Strängen, teils aus Schläuchen mit meist mehr-
schichtigen Wandungen, und namentlich erstere von groß-
kernigen, zweifellos epithelial aussehenden Zellen zusammen-
gesetzt, die auch insofern die bekannte Eigentümlichkeit der
Epithelien, z. B. in Carcinomsträngen, bewahren, als sie sich
200 Juliusberg.
in der Peripherie der Stränge radiär richten. Es ist nun
sicher zuzugeben, dafi diese netzartige Zusammensetzung an
sich, sowie die Form und Art der Zellen der Stränge nichts
iiir die epi- oder endotheliale Natur des Tumors beweist.
Wohl aber sind hier zwei Momente zu nennen, die
positiv für die endothelial -Ijrmphangiomatöse
Natur der Bilder sprechen: erstens die Grundform der
Schläuche und der unmittelbare Zusammenhang
dieser Grundformen mit den dickwandigeren
Röhren, und dann mit den soliden Strängen, und
zweitens die äußere Form bzw. die Kontur vieler
Schläuche und Stränge.
Was den ersten Punkt betrifl't, so ist mit Sicherheit
festzustellen, dafi eine Reihe der dünnwandigen Schläuche eine
einfache endotheliale Auskleidung hat, bei nicht erweiterten
Lumen, denn es handelt sich um schmale Gänge. Diese
sind die Grundform des ganzen Bildes. Der zartzellige Wand-
belag schichtet sich, die Zellen nehmen bei der Schichtung
an Größe zu, bis schließlich die soliden Stränge entstehen.
Die endothelialen Gänge, die Grundformen, haben in keiner
Beziehung das Aussehen etwa von Drüsen, sondern von Lymph-
gefäßen (Lymphgefäßkapillaren), und hier kommt nun das zweite
Moment, die varicöse segmentierte Form nach Art eines Baupen-
leibes hinzu. Diese perlschnurartige Anordnung ist als Gharakte-
risticum der aus Lymphgefaß-Endothelien entstehenden Bil-
dungen oft gesehen und hervorgehoben (z. B« auch bei L. Pick.')
Die beschriebenen cystischen Räume in den Feldern erklären
sich leicht als Folgen der Stauungsdilatation ; sie haben gleich-
falls eine sehr unregelmäßige sinuöse Form und zeigen ein-
mündende Strange und Schläuche.
Dazu kommt noch ein drittes Moment, das für die
Genese des ganzen zelligen Parenchyms der Felder aus Lymph-
gefäßendothelien spricht, und das in seiner Morphologie diese
Entstehung an sich auch wieder gut demonstriert. £s sind dies
die großen, als Randsinus bezeichneten Räume
an der Peripherie der Felder, jene ausführlich beschrie-
benen, kappenartig aufsitzenden Lakunen, die teilweise einen
») cf. 1. c.
Lymphangio-Eadothelioma catis abdominis. 201
sehr großen Teil der Oberfläche der OeschwulstalTeolen über-
decken. Sie stehen mit der Umgebung in keinem Zusammen-
hang, wohl aber in inniger Beziehung zu den Geschwulstläpp*
chen, deren Schläuche und Stränge direkt an der konkaven
Seite in sie einmänden.
Es besteht meines Erachtens keine MögUchkeit, diese
Bildungen plausibel anders zu erklären, wie als Lymphgefäße.
Sie sind unregelmäßige, buchtige, mit dem nämlichen Inhalt
(geronnene Lymphe) gefüllte Räume, wie jene Cysten in den
Läppchen und zeigen eine flache, endotheliale, einschichtige
Auskleidung. An dieser sehen wir nicht nur die Umwandlung
und Wucherung der Zellen, sondern auch, wie gesagt, wiederum
die Einmündung der Schläuche und Stränge.
Danach repräsentiert jedes Feld ein Lymphgefäß-
Endotheliom, das sowohl in seinem Innern noch einzelne
unveränderte oder erweiterte Lymphgefäße, wie namentlich an
seiner Peripherie große, zum Tdl mehr als semizirkuläre Lymph-
gefaße enthält. Diese letzteren speziell haben den Zustrom der
noch ausfließenden Lymphe der Felder aufgenommen und sind
cystisch dilatiert ; ihre Zellen sind vielfach deswegen auf Orund
ihrer verminderten Vitalität nicht gewuchert.
Wir leiten die Natur der Geschwulst nun hier nicht ab
aus ihrer ersten Histiogenese, sondern aus ihrer charakteristi-
schen Zusammensetzung, ebenso wie wir ein Neurom oder
ein Fibromyom oder einen verhornenden Plattenepithelkrebs
als solchen sicher erkennen, ohne mit den ersten Stadien
bekannt zu sein. Und es gestatten uns weiter in unserem
Falle die vorliegenden Verhältnisse, nicht bloß die Diagnose
direkt aus dem Bild der schon lange bestehenden Geschwulst
zu erschließen, sondern es lassen sich auch die Wachstums-
verhältnisse der Geschwulst in außerordentlich deutlicher Weise
übersehen.
Zunächst haben wir ganz sichere Bilder dafür, daß die
einzelnen Felder „aus sich heraus** im Sinne Ribberts wachsen.
Die jüngsten Partien liegen zentral, die ältesten an der
Peripherie. In dem nämlichen Maße, in dem zentral neues fibril-
läres Bindegewebe neue Saitspalten und Lymphkapillaren
zwischen den Bündeln entstehen läßt, verfallen sie alsbald der
202 Juliaiberg.
endotheliomatösen Umbildung und Wucherung ihrer AuflUeidungs-
sellen. Bei dieser Unabhängigkeit und Autonomie der ein-
zelnen Herde ist weiter klar, dafi ihre Anlage eine multiple
sein muß, dafi nicht ein Herd einen Nachbarherd etwa meta-
statisch mit entstehen läßt oder etwa durch Infektion der
Nachbarendothelien erzeugt, sondern daß — worauf ja auch
die Kongruenz der Bilder in allen diesen zusammenhanglosen,
getrennten Herden deutet — genau der nämliche Prozeß an
multiplen Stellen in derselben Art eingesetzt hat. Die yoU-
endete Übereinstimmung der Herdchen unter einander in
allen Details habe ich mehrfach herrorgehoben.
Wir können danach annehmen, daß in einem umschrie-
benen Bezirk die Lymphgefäße der Cutis — sei es
durch eine embryonale Mißbildung, sei es durch
eine postembryonale umschriebene Schädigung —
zur Geschwulstbildung veranlaßt wurden.
Ich habe schon betont, daß eine Reihe von histologischen
Übereinstimmungen mich yeranlaßte, meinen Fall an den
Haslunds anzugliedern, und ich glaube, daß Haslund die
Beweisfübrung, daß ihm in der Tat ein Lymphangioendotheliom
vorgelegen hat, zweifellos gelungen ist. Jedoch zeigt der von
mir beschriebene Fall in mehrfacher Beziehung die Ent-
stehungsverhältnisse in deutlicherer Weise. Ich verweise auf
die außerordentlich klar ausgesprochene multiple Entstehung
der einzelnen Alveolen als gesonderte Lymphgefaßendotheliome,
auf die durch die Ausbildung der Randsinus deutlich ge-
machte Beziehung des Lymphgefäßsystems zur Ausbildung der
Geschwulstzellzüge, auf den ausgesprochenen varicösen Cbarakter
der letzteren, die ihrer Entstehung aus zellerfiillten Lymph-
kapillaren entspricht, und endlich auf die Verjüngung der
Geschwulstzellstränge nach dem Zentrum der Läppchen zu, die
sich zwanglos mit dem schrittweisen Vorrücken der Geschwidst-
wucherung nach der Peripherie aus dem Zentrum heraus er-
klären läßt.
Es ist allein dieser einzige Fall von Haslund, der mir
mit meinem in gewisser Beziehung identisch zu sein scheint.
LymphaDgio-Endothelioma cutis abdominiB. 203
Es ist klar, daß diese zwei Fälle natürlich noch keinen weiteren
Ausblick auf den klinischen Charakter, speziell auf die etwaige
Bösartigkeit dieser Tumoren gestatten. In Haslunds Fall
ist die Malignität des Tumors, wie es scheint, außer Frage
gestellt. Bei meinem Fall liegen sichere Daten über den
weiteren Verlauf nicht vor.
Jedenfalls gestatten uns diese 2 Fälle — der Fall
Haslunds und der meinige — neben dem endothelialen
Haut- Psammom Wink 1 er s eine Gruppe histologisch sicherer
Lymphgefäß-Endotheliome der Haut aufzustellen. Ihre klinische
Bedeutung muß natürlich von weiterem Material abhängig ge-
macht werden.
Die vorstehenden Untersuchungen sind auf Veranlassung
und unter liebenswürdiger Leitung von Herrn Prosektor Dr. L.
Pick (Vorstand der pathologisch-anatomischen Anstalt des städt.
Krankenhauses im Friedrichshain — Berlin) ausgeführt worden.
Ich erlaube mir ihm für sein Interesse und seine stets bereit-
willige Hilfe meinen besten Dank auszusprechen.
Nachtrag.
Während der Korrektor meiner Arbeit publizierte Toyosumi
einen Fall als «Cystisches Lymphangioendothelioma papillifertun der
Banchwand^. ') Toyosumis Tumor stammt von der Bauohwand einer
52[jäbrigen Frau; er stellt eine walnußgroße, schnell gewachsene Ge-
schwulst unter der intakten Oberhaut dar. Histologisch ist der Tumor
ein Cystom mit festeren Partien. Diese letzteren bestehen aus einem
netzartig verzweigten Gerüst von derbem Bindegewebe, innerhalb dessen
sich anscheinend epitheliale, teils flache, teils mehr kubische Zellen finden.
Die Bindegewcbjfibrillen sind teils hyalin degeneriert, teils myxomatös
>) Mänchener med. Wochenschr. 1907. Nr. 40. pag. 1985.
n
204 Juliasberg.
umgewandelt. In den weicheren Partien der Geechwnlst zeigen sich in
einem zellreichen Bindegewebutroma Lücken, die mit abgestoßenen
Zellen und Lenkocyten gefällt find.
Toyosnmi bezeichnet leine Geschwulst als Lymphangioendotbe-
liom; die Gründe für diese AufTassnug sind ihm der Übergang der epi-
theloiden Geschwulstzellen in den zarten endothelialen Wandbelag der
Hohlräume, der wahrzunehmende Zusammenhang der Geschwulstzellen
mit den Stromabalken und die Neigung zur Bildung von Riesenzelleo.
Ohne auf die Frage, ob das Beweismaterial Ts. für die Diagnose
„Endotheliom* genügt, einzugehen, bemerke ich nur, daß hier eine klinisch
wie histologisch von der Ton mir beschriebenen Geschwulst durchaus
differente Bildung yorgelegen hat. Doch muß ich mit einigen Worten
auf die von T. mit seinem Tumor identifizierten Fftlle aus der Literatur
eingehen.
Da sind zunächst die von Kromayer^) beschriebenen Fälle mit
Sicherheit auszuschließen. Kromayers Endothel ioma colloides (Lymph-
angioma tuberosum multiplex Kaposi) ist bekanntlich die von Gass-
mann als Naevi cystepitheliomatosi bezeichnete Geschwulst, deren epithe-
liale Natur von diesem Autor nachgewiesen ist (cf meine Ausführungen, p. 86).
Weiter erwähnt T. die Fälle von Mulert und Haslund. Auch in
dieser Richtung verweise ich auf meine obigen Ausführungen ; von ersterem
bezweifle ich die Sicherheit der endotheliomatösen Natur, letzteren sehe
ich als sicheres Endotheliom an. Jedenfalls weisen beide Fälle starke
Differenzen von Ts. Fall auf.
Zusiemsk^s*) Fall von Cystendothelioma faciei ist mir im Ori-
ginal nicht zagängig; er wird von T. gleichfalls an seinen Fall ange-
gliedert.
Die von Toyosumi erwähnten, sorgfältig beschriebenen Fälle von
V. Ewetzky') hat v. Ewetzky selbst als plexiforme Sarkome, den
einen als solches mit kolloider Entartung der Zellen, den andern als
solches mit hyaliner Degeneration des Bindegewebes bezeichnet. Beiden
sind für ihn Unterarten der Gylindrome. Nun kann in derartigen ^sy-
lindromatösen" Geschwülsten die Endotheliomähnlichkeit eine sehr weit-
gehende sein, wie Bibbert (pag. 391 ff.) in seiner Geschwulstlehre aus-
föhrlich betont. Die erwähnten zwei Tumoren sind jedenfalls auch nicht
als sicher endothelial erwiesen.
Die Auffassung der meisten Autoren über Brauns Endotholiome
habe ich oben (p. 9) berücksichtigt.
Wegen ihrer fraglichen genetischen Stellung bin ich, wie ich hier
nachtragen will, auch auf die mehrfach beschriebenen „verkalkten Endo-
theliome** nicht eingegangen. Über die Natur dieser Tumoren sind die
>) Vircbows Archiv. 1895. Bd. CXXXIX. pag. 28.
*) Öasopis lek. öesk. 1906. Nr. 1—8 (nach Toyosumi).
») Virchows Archiv. 1877. BJ. LXIX. pag. 36 ff.
LymphaDgio-Endothelionia cutis abdominis. 205
MeiDungen noch geteilt. Ich Yerweiie aaf die Arbeiten von Perthes,^)
Stieda,') Thorn^) und Linser. ^)
Die von Toyosumi erwähnten Fälle von Tanaka') gliedert der
Autor selbst Braans Fällen an.
Es bleibt noch der Fall von Morpurgo*) übrig. Hier handelt es
sich nm eine taubeneigroße Geschwulst der Troohantergegend unter an-
scheinend gesunder Haut. Das Zentrum der Geschwulst ist multilokular-
cystisch gebaut. Peripher finden sich faserige Bindegewebsmassen, xwisohen
welchen relativ reichliche Zellen lagen, teils zwischen den Fasern zer-
streut, teils in länglichen Spalten gesammelt. In den äußersten Zellagen
sah man, wie die Zellwucherung von den kleinsten Lymphgefäßen und
-spalten ihren Ursprung nahm. Man sah Lymphkapillaren, teils mit
Endothel, teils mit soliden Zellzapfen. Zugleich bestand eine Zellwuche-
rnng zwischen den glasigen Gewebsbalken. Teilweise waren zellerfuUte
Lymphspalten bedeutend erweitert. Auch dieser Tumor, denMorpurgo
als „Endotheliom mit hyalinen und cystischen Bildungen** bezeichnet,
zeigt dem meinigen gegenüber genügend Differenzen.
Berlin, 25. Oktober 19<>7.
Erklärung der Abbildimgen anf Taf. VII n. VIII.
Fig. 1 ist bei zweifacher Vergrößerung gezeichnet,
Fig. 2—5 mit Leitz. Oc. 2. Obj. 8,
Fig. 6—8 mit Leitz. Oo. 2. Obj. 7.
Sämtliche Schnitte sind mit Haemalaun, resp. Haemalaun-Eosin
gefärbt.
Fig. 1. Übersichtsbild. Schnitt durch den längsten Durchmesser
der Geschwulst. Geschwnlstfelder (f) durch Bindegewebssepta (<) von-
einander und von der Epidermis {ep) getrennt Der Tumor erreicht in
der Tiefe die obersten Schichten des subkutanen Gewebes (sg) — Ge-
') Beiträge für klin. Chirurgie. 1894. Bd. XII. pag. 589.
«) Beiträge für klin. Chirurgie. 1896. Bd. XV. pag. 799.
8) Archiv für klin. Chirurgie. 1898. Bd. LVI. pag. 781.
«) Beiträge für klin. Chirurgie. 1900. Bd. XXVI. pag. 595.
*) Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1899. Bd. LI. pag. 209.
•) Zeitschrift fdr Heilkunde. 1895. Bd. XVI. pag. 170.
208 Jalinsberg.
Bchwulttgewebe in einieloen Feldern (If) nach dem Zentrum zn aufge-
lockert — («) Stelle einer Verletsung der Geschwnlstoberfläche in ope-
ratione; kleine Blatang; die Epidermis ist hier in das Oeschwalstgewebe
hin eingedrückt.
Fig. 2. Stelle ans einem Geschwnlstfelde. Zellige Str&nge (Hr)
mit Tarikösen, raupenleibähnlich segmentierten Eontaren, durch ein
relativ zellarmes Bindegewebe (&) getrennt. Äußerste Zellage der Ge-
schwulststränge mit senkrecht zur Achse gestellten stärker tingierten
Kernen.
Fig. 3- Zwischen den in Figor 2 veranschaulichten soliden Zell-
strängen {iir) Hohlräume (lg) gleichfiills von varikösem bzw. ampullärem
Kontur; Kerne ihrer Wandbekleidung in der Längsachse, flach endotbel-
artig. Unmittelbarer Zusammenhang von Hohlräumen mit soliden Zell-
strängen. Inhalt der Hohlräume blaß gefärbt, feinkörnig (geronnene
tig^ng Lymphe).
Fig. 4. Hälfte eines Gesohwulstfeldes mit allmählicher Verschmäch-
der Geschwulstzellzüge nach dem Zentrum.
Fig. 6. Peripherie dreier Geschwulstfelder, getrennt durch das
bindegewebige Septum (•). An der Peripherie der drei Felder konkav-
konvexe Randsinus (r#t). Direkte Einmündung von varikösen Zellsträngen
(vgl. Fig. 2) in die Randsious, deren Zellen den ad Fig. 8 erwähnten
endothelartigen Charakter tragen. Inhalt des Randsinus rötlich gefärbt,
feinkörnig (vgl. Fig. 8). Bei l Loslösung der Wandbekleidung des Rand-
sinus vom bindegewebigen Septum.
Fig. 6. Unregelmäßig gebauter, teilweise eingeschnürter Hohlraum
aus einem Geschwulstfelde. Die Wandbekleidung bilden flache endo-
thelartige Zellen. Im Hohlraum eine blaßgefarbte, feinkörnige Masse —
geronnene Lymphe.
Fig. 7. Hohlraum mit derselben Masse gefüllt, wie in Fig. 6,
begrenzt von einer doppelten Lage epithelähnlicher Zellen (keine Inter-
zellularbrücken).
Fig. 8. Solide Zellstränge (vgl. Fig. 2 und 3). Die Zellen sind
epithelartig. Die peripherische Schicht hat stärker gefärbte, zur Längsachse
des Zellstranges radiär gestellte Kerne. (Nirgends Intercellularbrflcken
oder Verhornung).
Archiv f Dermatologie u Syphilis Band LXXXIX.
Juli\isljertjl.ymphMiaioEnriolli(!lioma cutis abdomiiüs.
ArehJv f Dermatologie u Syphilis Band LXXXIX.
Fig.S.
JulKisbery ^L^niiphaiigio Endollieliuma nilis abäoTuiiiifi.
Ans der k. k. dratmhen dennat UniTenit&tsklinik in Frag
(Vorstaad: Professor ZreibioU-
Klinische, histologische und vergleichende
Beiträge zur Kenntnis der Catismyome.
Von
Dr. Paul Sobotka,
Aasistentan der Klinik.
(Hiesu zwei Tafeln.)
Die Zahl der mitgeteilten Beobachtungen yon Leio-
myomen des Goriums und insbesondere von reinen,
nicht gemischten Neubildungen dieser Gruppe ist auch gegen-
wärtig noch recht gering. So kann es nicht Wunder nehmen,
daß die Erkenntnis dieser Geschwülste in mehr als einer
Hinsicht noch mancher Ergänzung bedarf und daß noch so
ziemlich jeder kasuistische Beitrag in ihrem Bilde einen neuen
Zug anzubringen oder einen bekannten schärfer heryorzuheben
Termag. Immerhin ist die Stellung, welche den Myomen der
eigentlichen Cutis innerhalb der überaus formenreichen Ge-
samtheit aller Muskelhyperplasien der Haut einzuräumen ist,
jetzt bereits recht wohl zu umschreiben. Eine überraschend
große Anzahl yon Forschem (Besnier 1880, 1885, Babes
1884, Jadassohn 1891, 1900, Winiwarter 1892, Wolters
1893, Crocker 1897, Neumann 1897, Marschalkö 1900,
Nobl 1906, Pasini 1906, Sehrt 1907) haben ja, yon sehr
yerschiedenen Standpunkten aus, zur Frage der systematischen
Einteilung der Hautmyome überhaupt das Wort ergriffen. Ich
glaube, man gewinnt eine recht klare Übersicht des ge-
208 Sobotka
samten Stoffes, woqq maa die Hautmyome mit Benätzuag
der Ton den genannten Verfassern aufgestellten Gesichtspunkte
nach ihrer Abstammung einzuteilen versucht, das heißt in
engster Anlehnung an Jadassohn und Grocker nach den
Schichten der Haut, aber nach Möglichkeit, etwa im
Sinne von Babes, noch spezieller auch nach den besonderen
Teilgebilden der Haut, von deren Muskulatur die Wucherung
ihren Ausgang nimmt. Auf der Linie dieses Systems bleibend,
wird man die Mischgeschwülste, die nach älterem Vor-
schlage als eigene Klasse allen übrigen Hautmjomen gegen-
übergestellt wurden, deren Muskelanteil aber doch ebenfalls
bestimmten Gewebslagen und Gewebsarten seine Herkunft ver-
dankt, im allgemeinen an entsprechender Stelle einzureihen
vermögen, dabei aber gerade die Anwesenheit oder das Fehlen
anderer als kontraktiler Geschwulstelemente, die „Heinheit^
des Myoms, als weiteren Gliederungsgrund innerhalb des ge-
schaffenen Rahmens mit heranziehen können. Besniers (1885)
Warnung vor allzusehr ins Einzelne gehenden Unterscheidun-
gen scheint mir mit der Zunahme des verwertbaren Stoffes an
Bedeutung verloren zu haben. Immerhin möchte, ähnlich wie
Jadassohn (1 900), auch ich recht ausdrücklich betonen, daß
man sich — und das gilt ganz besonders, aber nicht allein
für die Beziehungen zwischen reinen und gemischten Ge-
schwülsten — der Übergänge, die hier wie überall so manche
Grenzlinie verwischen, immer wieder bewußt zu werden hat.
Als eigentliche Geschwülste lassen sich die Myome mit recht
großer Schärfe zaoächst von Hyperplasien mehr entzündlicher
oder vielleicht funktioneller Art abtrennen, wie sie vornehmlich
nach Beobachtung an den Arrectores pilorum für eine ganze Anzahl
von Erankheitsznständen festgestellt worden sind: von Yirchow (die
krankhaften Geschwülste IL Bd., p. 616, III. Bd., I. Eßlfte, p. 125) für die
„Anschwellungen bei Aussatz^; von Webb (1857) für die indische
Elephantiasis scroti und von Rindfleisch (1886, p. 325) für eine
Form lymphangiektatischer Elephantiasis desselben Gebildes, von Unna
für „entzündliche und infektiöse Dermatosen ** (1894, p. 864), Prurigo
Hebrae (ebda. p. 148), Keratosis suprafoUicularis (Liehen pilaris p. 2d5),
Liehen (ruber planus p. 806), Ichthyosis nitida (p. 827), Elephantiasis
nostras s. streptogenes (p. 495); von Neu mann (a. a. 0. p. 10) für
Liehen ruber (so schon Au spitz 1883, p. 11), Prurigo als konstanter Be*
fund, für Liehen syphiliticus und anscheinend auch andere syphilitische
Hautveränderungen, endlich für Variola; von Audry (angef. nach Ja-
Znr Kenntnis der GutiBmyome. 209
dassobn 1904, p. 347) für manche Fälle von Lnput erythematod!» des
Kopfes ; von Heidingsfeld (1907, p. 18 des Sonderabdmckes) besonders
far diejenigen „chronischen Entsündangen der Haut, welche von chronischer
Cutis anserina und von Schauder und Frostgef&hl begleitet sind', ferner
als regelmäßiges Vorkommen far Pityriasis rubra pilaris, auch für Para-
keratosis, lyChronische Dermatitis*' und andere „chronische parästhetische
Hautleiden'.
Schon von Myomcharakter, bleibt doch aus dem Verbände der
eigentlichen Hautmyome eine von Babes (a. a. 0. p. 605) aufgestellte
Gruppe im ganzen hautfremder Qebilde ausgeschlossen: es sind das
Qeschwülste, die von benachbarten muskelfnhrenden Or-
ganen her, ans der Aponeurosis puborectalis, aus der rektovaginalen
Scheidewand, aus der Prostata in oder unter die Haut (Marcano, sieh
z. B. bei Besnier 1880, p. 89) eingewandert sind. Nicht so ganz abseits
wird man, im Gegensatze lu manchen älteren Verfassern, diejenigen
Leiomyome stellen, die als fissurale in der Gegend foetaler Spalten
aus abgesprengten Keimen entstanden sind (Elebs 1869, p. 76).^)
Die autochthonen Muskelgeschwülste der Haut können ihren
Ursprung in verschiedenen Schichten nehmen.')
Im subkutanen Gewebe, dessen Muskelneubildungen Sehrt (a.
a. 0. 728) gewiß allzu schrofi die Zusammengehörigkeit mit den übrigen
Hautmyomen abspricht, sind es zunähst die Gefäße, die die Aus-
gangsstätte der Muskelwucherungen bilden können. Die Geschwülste,
um die es sich hier handelt, sind meist in der Einzahl vorhanden, groß
im Verhältnis zu den oberflächlichen Myomen, und schon klinisch als
subkutan zu erkennen. Mischgeschwülste sind unter ihnen vertreten.
Hierher zählt die merkwürdige Beobachtung von Czerny (1874), be-
treffend eine vererbte Elephantiasis neuromatosa mit subkutan liegenden
organischen Muskelfasern in netzförmiger Anordnung, übrigens auch
Hyperplasien der Arrektoren an den Randteilen der Neubildung; dann
aus neuester Zeit Migliorinis (1904) höchst eigenartiger Fall von
nFibromioma telangiectode*' mit Erweiterung und Auflösung des Gefaß-
rohrs und Bildung seröser gefäßähnlicher Hohlräume und zahlreicher
neuer Ghefäße; möglicherweise femer 2 mir nur aus Referaten bekannte
Fälle, die in den Literaturzusammenstellungen der meisten Verfasser
mit merklichem Unbehagen mitgeschleppt werden, nämlich Axel Keys
(1878) Myofibroma teleangiectaticum, das aus dem Unterhautgewebe aus-
^) Der nur ganz kurz wiedergegebene Befund ließ eine eingehendere
Verwertung des Falles für diese Arbeit nicht zu.
') Daß man nicht für alle Fälle der Literatur ihre Zugehörigkeit
zu einer dieser Schichten angeben kann, wo genauere histologische An-
gaben fehlen, ist selbstverständlich. So habe ich mir über den Sitz der
Sarkomyome und gewisser muskelreicher Angiomyome, die ich bei
Winiwarter (a. a. 0. 682), beziehungsweise bei Babes (a. a. 0. 501)
erwähnt fand, keine Meinung bilden können.
Arch. f. DermAt. n. Sypb. Bd. LXXXIX. 24
210 Sobotka.
geschält werden maßte, aber — in der Hohlkand ! ! — yon Arrectores pilonun
abzustammen schien, und Santessons verwandter Fall,der zwei Geschwülste
der Oberschenkelhaat betraf. Auf ursprünglich angiomartige Bildungen fahrt
Babes (a. a. 0. 601) mit Virchow gewisse ganz kleine, subkatane,
scharf omschriebene, weich elastische, sehr schmerzhafte Geschwüktchen,
besonders des Rückens, zurück; einen eigenen Fall Yon der Hohlhand
(ebenda), der mir aber eher den Eindruck eines reinen Gefaßwand-
myoms (Angiomyoma Babes) macht, reiht er an. Sehr ähnlich auch in
Bezog auf den sicheren Ursprung von der Gefäßmuskularis sind Marcs
(1891) reines Myom des Hinterhauptes, Migliorinis (1905) Mioma
perivascolare yon der äußeren Fußknöcbelgegend, schließlich Sehrts
(a. a. 0) rezidivierende Geschwülste von der Wange. Die Tubercula
dolorosa subcutanea, die sehr verschiedene Gewebsarten beherbergen
können (Literatur bei Winiwarter a. a. 0. 395 und Wolters 1893
p. 425) werden, soweit sie myomatös sind, teils den reinen (so Jadassohn
1900 p. 88), teils den gemischten Muskelgeschwülsten zuzurechnen sein
(Harel, Jardet, Heurtauz, Malherbe sieh bei Jadassohn 1890,
p. 99).
Eine eigene Reihe von autochthonen Muskelgeschwülsten der Haut
nimmt nach der gangbaren Anschauung ihren Ursprung von dem tiefen
Muskel geflecht, diesem nur wenigen Hautstellen zugeteilten kontraktilen
Apparat, der nach fast^) allgemeiner Anschauung der Unterhaut angehört
und dessen Myome den übrigen der Snbcutis entstammenden, denen sie
tatsächlich in Hinsicht ihrer Zahl im Einzelfalle und io Hinsicht ihrer Größe
entsprechen, nebengeordnet werden mögen (G rock er, p. 2). Es sind das
die schon 1885 von Besn ier (a. a. 0. 42) als Myoroes dartoiques zusammen-
gefaßten und späterhin allgemein (Grocker, Jadassohn, Wolters u.a.)
von den Goriummyomen abgetrennten Muskelneubildungen der Tuaica
dartos des Hodensackes und diejenigen der entsprechenden Gebilde in
den Schamlippen, vielleicht auch am Penis, zu denen man auch die klinisch
nahe verwandten Myome der Muskulatur der Brustdrüse und ihrer Um-
gebung gestellt hat. Hieher werden gewöhnlich Försters reines Myom,
dann die von Phölisse und von Ghallard beschriebenen Fibro-
myome des Skrotums gezählt, von denen das letzterwähnte indes nur
wenig Muskulatur enthielt. In einem Falle von Eraemer sind Knoten
1) Sieh Kölliker, Handb. d. Gewebelehre d. M. 6. Aufl. 1889, 1. Bd.
p. 163, He nie u. Merkel, Grundriß d. Anatomie d. M. 1901, p. 318.
Rauber, Lehrb. d. Anat. d. M. 1903, II. Bd., p. 690, doch auch 684 und
Unna in Ziemssens Handb. 1888. XIY. Bd. I. Hälfte, p. 11. Eine ganz
andere Auffassung vertritt in überzeugender Weise neuerdings Eberth
(Die männlichen Geschlechtsorgane, Bardelebens Handbuch d. Anat.
d. M., 12. Lieferung), für den die Tunica dartos des Hodensackes aus
zwei zusammenhängenden Schichten, einer kutanen und einer subkutanen,
besteht. Auch bezüglich der Muskulatur der großen Schamlippen gehen
die Meinungen auseinander.
Zur Kenntnis der Gatismyome. .211
an Skrotum und Penis nicht histologisch untersucht worden. Von Myomen
der großen Schamlippen ist ein von Ghaliard beobachtetes, wiederum
bindegewebsreiches und das Yon Yalude untersuchte bekannt geworden.
Neben der Brustwarze saß die fibromyomatöse Neubildung in den beiden
F&llen von El ob und das reine Myom in dem Falle von Sokolow
(1878; die übrige Literatur angefahrt nach Sokolow, p. 318, Babes
p. 508, Julien p. 120, Neumann p. 5, Borst p. 949 und anderen).
Da, soweit die mir sugangliche Literatur mir ein Urteil gestattet,
mehr als einmal der Sitz der Geschwulst in der Gegend einer Fleischhaut
ohne wirklichen Nachweis des Zusammenhanges mit ihr genügt hat, die
Einreihung in diese Gruppe zu begründen, sogar dann, wenn sehr ähnlich
beschaffene Gewächse an anatomisch anders gearteten Nachbarstellen
saßen, so sollte man die echten und sicheren Myomes dartoiques zum
mindesten zu den größten Seltenheiten zählen.
Zu den vom tiefen Muskelgeflecht ausgehenden Geschwülsten
rechnet Babes (p. 502; auch seinen merkwürdigen Fall, in dem ange-
borenerweise eine ausgebreitete Pachydermia myxomatodes des männlichen
Genitales und der unteren Gliedmaßen bestand, in einzig dastehender
Weise ausgezeichnet durch eine dicke »Lage parallel zur Körperober-
üäche verlaufender, dicht stehender Muskelbalken*' der tiefsten Gutis. Aber
diese ganz eigenartige diff'use Muskelhyperplasie stimmt mit den Myomen
der tiefen Hautschichte ebensowenig überein wie mit denjenigen der
oberflächlichen. Ich werde auf den seltsamen Fall noch zurückzu*
kommen haben.
Aus der organischen Muskulatur des Gorinms endlich bildet sich
eine Fülle von muskelhaltigen Geschwülsten, unter denen die gemischten
ein sehr buntes, die reinen ein sehr einfaches und einheitliches Bild
darbieten. Auf einen Teil der Kasuistik dieser Mischgeschwülste werde
ich näher eingehen müssen, um zu zeigen, warum ich gewisse in der
Literatur beschriebene Neubildungen ans der für diese Arbeit wichtig-
sten Gruppe, derjenigen der reinen Myome des Goriums, ausscheide.
„Hyperplasien der Muskelbündel" bilden einen Bestandteil von
K tiefsitzenden Warzen, Verrucae molles**, „tiefgreifenden Naevusformen''
(Yirchow, Geschwulste III, 1. Hälfte, p. 125); Xanthome (Ghambard
und Gouilloud, zitiert z. B. bei Borst), Fibrome (angeführt z. B. bei
Unna 1894, p. 864), Eeloide (Babes, p. 604) können durch den Gehalt
an glatten Muskelfasern zu Misehgeschwülsten werden.
Die Abstammung der kontraktilen Bündel in all' diesen Geschwül-
sten wird sich in den allermeisten Fällen nicht angeben lassen. In
Heidingsfelds (1907) merkwürdigem Falle II, in dem es sich um ein
beispielloses Konglomerat von Papillom, keloidartigen, sarkomatösen,
myomatösen und pigmentnaevusartigen Geschwülsten handelte und dessen-
gleichen man hinter der Bezeichnung „myomata cutis** eigentlich nicht
vermutet, gingen die Muskelknötchen vielleicht von der Gefäßwand aus.
Am zahlreichsten und engsten sind die Beziehungen zwischen den
Angiomen und Myomen, wobei man indessen Wncherungen der Gefäß-
14*
1
212 Sobotka.
mnacnlaris, die gBMz reine Myome erzeagen können, ja nicht mit der
«dgiombildenden Vermehraog der Gefifie selbst eq verwechseln hat
Qewisse , weiche, blntarme, auf dem Darohsohnitte körnige Warzen and
M&ler'^ angiomatösen Wesens (Babes a. a. 0. p. 601) sind wegen ihres
Reichtams an glatten Muskelfasern offenbar hier einzareihen. In Tele-
angiektasien (Naevns Tasealosas teleangieotodes) besonders der ünter-
hant und des Fettgewebes mit starker Wandverdicknng der Ge-
ftOchen beobachtete Virchow (1864, p. 662) in der Haut in der Nähe
der Schweißdrüsen nnd im Zasammenhange mit Haarbftlgen regelmftOig
Mnskelbündel, die meist senkrecht aufstiegen; nnd die kleinen , be-
haarten Knoten'' im Gesichte alter Leate leigten ihm «genau dieselbe
Zusammensetinng^ (a. a. 0. p. 668). Der Obergang Ton solchen Be-
fanden, wie alle die letzterwähnten, zu demjenigen gemischter Ge-
schwülste, in denen das Myom rorwaltet, ist ein fliefiender. So schließt
sich hier ohneweiters Heidings felds (a. a. 0.) Yor karzem Ter-
öffentlichter Fall I an: Nach Trauma nicht wieder vollständige Bück-
kehr zur Norm; Entwicklung eines klinisch unzweifelhaften, cavernösen
Angioms mit Bildung mehrerer solider Knötchen; Druckschmerz und
spontane SohmerzanftUe; mikroskopisch Leiomyom und Gavemom an
sehr vielen Stellen gemischt, an anderen vollkommen geschieden; die
Maskulatar offenkundig von den Arrektoren abstammend. Der allenthalben
angeführte aber darum nicht minder unklare Fall von Brigidi und
Marcacci (den ich nach dem äußerst aasführlichen Referate von Julien
(a. a. 0.) und demjenigen von Crocker (a. a. 0., p. 6) beurteile), ist
nach Unna (1894, p. 863) gleichfalls mit Angiomen in Verbindung zu
bringen, von deren Wandungen (Seriensohnitte fehlen) die Wucherung
aach auszugehen scheint. Klarer immerhin liegt ein jüngst von Pasini
(1906) vorgestellter Fall von „Myoma angiocavernoium^ : Entwicklung
von 6 papulolentikulären, ekchymotisch aassehenden Knötchen bald nach
der Gebart im Laufe eines Monats; mikroskopisch vielfach verflochtene
Muskelfasern, welche „lakunäre Räume, gefüllt mit roten Blutkörperchen in
verschiedenen Phasen der Degeneration, einschließen'^ und enorm erweiterte
Blutgefäße. Der Verfasser bestreitet M a j o c o h i s in der Diskussion geäußerte
Ansicht, daß es sich um ein Angioma cavernosum mit bemerkenswerter
Entwicklung des glatten Muskelgewebes handle und erblickt in der Myom-
bildung das Ursprüngliche and Ursächliche. Das heißt, die Beobachtung
hätte nichts anderes zum Gegenstande als einen durch sekundäre Gefäß-
veränderungen ausgezeichneten Fall aus der sofort noch zu besprechenden
Gruppe der reinen Goriummyome. — Gerade in diesem Zusammenhange
verdienen die beiden allerersten Mitteilungen über Hautmyome Erwähnung.
Das ist zunächst diejenige Virchows (1864, p. 663) über seine „tele-
angiektatische Muskelgeschwulst''', sein „Myoma teleangiektodes'', das
man trotz der Knappheit der histologischen Schilderung wohl noch ent-
schiedener als Jadassohn (1890, p. 98) za den angiomatösen Mischge-
schwülsten rechnen darf nnd zwar bei dem Sitze der beobachteten
Knoten „neben", „in der Nähe", nicht etwa an der Brustwarze, bei der
Zur Kenntnis der Gatiimyoroe. 213
Zahl der Einzelknoten (ein Dutzend) und ihrer Aasbrei tung über einen
faandflächengroßen Raum nicht etwa zu den Myomen des besonderen
Muskelorgans der Warze, wie man immer wieder gewollt hat, sondern
an den eigentlichen Coriammyomen. und zweitens ist es der Fall von
Yernenil (1858, angeführt nach der sehr eingehenden Wiedergabe von
Besnier), der hteher gehört, wenn anders man diesem alten Beschreib
bnng von multipelsten Myofibromen und Myoangiofibromen, in denen
auch Gewebe von der Art der Herzmuskalatnr angetroffen wurde, mit
vollem Vertrauen entgegenkommen will. Die Multiplizit&t dieser Corinm-
geschwülste in beiden Fällen, der eigentümliche Umstand, daß nur ein
Teil der Herde das Gepräge der Gefaßrermehrung trug, das Hinzutreten
äußerst starker Schmerzen in dem ersten Falle — alle diese Züge reihen
die beiden Beobachtungen gleich derjenigen Pasinis schon auf das
engste denjenigen von reinen Goriuramyomen an.
Zu diesen reinen Goriummyomen haben wir nns nun zu
wenden und damit zu einer Gruppe, die nach dem gesagten zwar nicht
haarscharf abzugrenzen ist, aber doch ein im ganzen sehr gut umschrie -
benes Bild darbietet, welchem es bei allem Spielräume in der Ausprä-
gung jedes einzelnen Symptoms an Einheitlichkeit nicht gebricht. Sie
pflegen sonst nicht in dieser Weise abgegliedert zu werden, vielmehr
hat man in der Regel die „multiplen Dermatomyome** als eigene Ge-
meinschaft zusammengefaßt, unter Verzicht auf die „Reinheit' des Myom-
charakters und andererseits mit mehr oder weniger entschlossener Aus-
scheidung der in der Einzahl auftretenden Myome. Aber gerade die
Einheitlichkeit der Gruppe bliebe nicht gewahrt, wenn man ihr auch
so ganz fremdartige Formen zuzählte, wie sie z. B. von Brigidi und
Marcacci (höchst ungewöhnliche Gefaßerscheinungen) oder von
Heidings feld (besonders in seinem Naevusfall) beschrieben worden
sind. Die solitären, dabei knotenförmigen Myome Audrys (1898)
und Herzogs (1898) aber von den multiplen abseits zu stellen, ist
vollends untunlich. Anatomisch gleichen sie ihnen vollkommen. Vom
klinischen Standpunkte aber, zum Vorteile der Diagnostik, hat man
allerdings immer zu befonen, daß die Myome der eigentlichen
Haut der Regel nach in der Mehrzahl oder Vielzahl vorkommen;
darüber hinaus jedoch die Zahl zum wirklichen Trenaungsgrunde zu
machen, verbietet die (Geringfügigkeit der Zwischenstrecke, die zwischen
dem einen Tumor Audrys oder Herzogs und den „einigen**
Myomen von Erzysztalowicz noch besteht und in die täglich ein
neu beobachteter Fall einen neuen Teilungspunkt setzen kann.^) Mit
nicht viel geringerem Rechte könnte man die „einigen'' und die „un-
zähligen" Myome im System auseinanderhalten wollen.
Das Bild, das die Angehörigen dieser Gruppe darbieten, schildere
ich hier nur in ganz kurzen Zügen, zumal ich auf eine Reihe von Punkten
^) Pasinis Fall, welcher den „reinen ** so nahe steht, bot tat-
sächlich anfangs die Zwischenstufe von 5 Knötchen dar, scheint aber
noch in der Entwicklung begriffen zu sein.
214 Sobotka.
nocli sar&ckkomme ; aasf&hrlicheZatammenfassiiiigen übrigeas findet man
inJadassohns gehaltvollem eozyklop&dischen Beitrage über .Dermato-
myome^ (1900), der in seinem Abschnitte über kutane Myome doch ror-
nehmlich die reinen behandelt, oder in den Monographien von Joseph
(1904) oder Darier (1904).
Dia reinen Gorinmmyome sind meist in der Mehrzahl und selbst
in uniählbarer Menge vorhandene, selten einsählige Geschwülste; ihre
Zahl nimmt im Einzelfalle bald langsamer, bald rascher zu oder kann
von einem gewissen Augenblicke an auch stetig bleiben. Ihr Wachstum
kann bis etwa Kirschgröße gedeihen. Ihre Farbe ist in der Regel einer
der Töne des Rot. Die multiplen treten in einem oder in mehreren
Herden an den verschiedensten Körperstellen oder als Anomalie sehr
ausgedehnter Hautflächen auf, assymmetrisch, selten symmetrisch ange-
ordnet, bald über die befallenen Gebiete ziemlich gleichmäßig ausgesät,
bald gruppiert, auch zu größeren Gebilden zasammeofließend. Sie fühlen
sich derb an und lassen sich über der Unterlage \erschiebeu. Oft sind
sie druckschmerzhaft; sehr charakteristischer Weise verursacht nicht
selten, aber bei weitem nieht immer, Kälte Schmerzen und treten ia
vielen Fällen eigenartige neuralgiforme Schmerzanfalle auf. Histolog^ch
weisen sie Bündel glatter Muskelfasern auf, die gewöhnlich als regellos
einander durchflechtend geschildert werden; diese Bündel nehmen das
Gorium in verschiedenem Ausmaße und verschiedener Tiefe ein, sind
gewöhnlich gegen die Mitte der Neubildung zu dichter gelagert und
nur difrch schmale Bindegewebszüge getrennt, um nach dem Umfange
zu an engem Zusammenhange zu verlieren; das Bindegewebe ist sehr
oft von mäßiger Entzündung ergriffen.
Es trennt sich aber für die eingehendere Betrachtung diese Gruppe
in mehrere im Sinne des vorgeschlagenen Systems. Denn die verschie-
denen Möglichkeiten des Ursprunges der Muskel Wucherung von ganz
bestimmten muskulären Elementen erregen gerade hier besonderes
Interesse, wenn auch rein theoretisches. Es ist vorzugsweise das Mikro-
skop, das diese Besonderheiten der in ihren gröberen Verhältnissen auch
histolc>gisch recht ähnlichen Neubildungen in vielen Fällen aufdeckt.
Welches sind nun jene Möglichkeiten der Abstammung?
Ich greife zunächst noch einmal auf Babes Pachydermiefall
zurück. Man kann kaum umhin, eine derartig gelagerte und ange-
ordnete diffuse Muskelneubilduug auf eine Wucherung von „freien"
Muskelfasern zurückzufuhren von der Art derjenigen, die außer älteren
Verfassern kürzlich wieder Fick (1905, p. 68) gerade in der Cutis an
der Streckseite des Oberschenkels nachgewiesen hat. Erinnert man sich
nun aber, daß wiederum Babes (p. 600) in der Umgebung des Afters,
des Nabels und des Ohres das inkonstante Vorkommen spärlicher
Muskelzüge von der Lagerung derjenigen des tiefen Muskelgedechtes
feststellen konnte, und daß Unna (1888| p. 14) in der Haut der Stime,
der Wange, des Rückens nicht an bestimmte Gewebselemente gebundene
Muskelfasern etwa vom Verlaufe der Arrektoren gefunden hat, deren
Zar Kenntnis der Gutismyome. 215
Vorhandensein allerdings von EÖlliker (1889, pag. 16S) nicht aner-
kannt wird, so wird man den (bedanken nahe liegend finden, daß gleich
der diffosen Nenbildong des B ab es sehen Falles wohl auch einmal ein
nmschriebenes Myom oder eine Orappe von solchen, wenigstens an ge-
wissen Körperstellen, von dieser Art freier Muskelfasern den Aasgang
genommen haben könnte.
Fast noch bestechender scheint zanächst ein zweiter Gedanke. Es
^It nämlich aaf, daß sich sechs oder, wenn man will, sieben von
aehtandzwanzig Fällen der reinen Myome darch eine Dreizahl ganz
besonderer Merkmale auszeichnen: durch die «aggregierte, auf enge
Bezirke beschränkte" (Nobl 1906, p. 83), die „regionäre** Anordnung
(Jamin 1901, p. 477), dann durch die yerhältnismäfiig sehr geringe
Zahl ihrer Knoten (in Herzogs Falle lag ein einziger vor), endlich
durch das Befallensein stets derselben ganz bestimmten Gegend des
Körpers. Diese eine Gegend ist das Gesicht, beziehungsweise auch
noch der Hals, diese an fötalen Spalten so besonders reiche Gegend —
dieselbe, die gerade auch in dem einzigen anerkannten Falle von Myomen
fissuralen Ursprungs (Klebs) betroffen war. Sollten nun nicht alle
Geschwülste der hier herausgehobenen Gruppe von fissuraler Entstehung
sein? So einleuchtend, so unabweislicb fast die Vermutung im ersten
Augenblicke scheint — zuletzt bewährt sie sich dennoch nicht. Denn
in einem der Fälle (Hess) konnte die Entstehung der Neubildung
geradezu auf die Wucherung gewisser normalen Muskelfasern der Haut
zurückgeführt werden, in zwei anderen (W h i t fi e 1 d, Krzysztalowicz)
lehrt genauere Betrachtung doch, daß sich die Verteilung der Ge-
schwfilstchen den typischen Verhältnissen am Kopf- und Halsteile des
menschlichen Embryos nur in unvollkommener Weise anpafit. So
scheint auch für den Rest der Gruppe dieser Weg der Erklärung un-
gangbar. Nun hat aber schon Darier (p. 642), übrigens mit aller
Zuröckhaltung, den Versuch gemacht, die Entstehung der Myome gleich
derjenigen anderer Geschwülste im Sinne der Gohnheimschen Lehre
auf eine — nicht gerade aus dem normalen Bau des Embryos zu erklä-
rende — Heterotopie von Keimen zn beziehen, auf eine in der Embryonal-
zeit erfolgende Isolierung gewisser mit Wucherungsfähigkeit begabter
Zellgruppen oder Gewebsteile, ohne sich übrigens über die Abstammung
dieser Gewebe genauer auszasprechen. Für die Myome im ganzen eine
solche Erklärung anzunehmen, ist nicht wohl tunlich, weil man viele
von ihnen auf das unzweideutigste von normaler Hautmuskulatnr aus-
gehen sieht; für einzelne Fälle könnte sie immerhin richtig sein, aber
es ist wenigstens in diesem Augenblicke noch keine sichere Stütze für
sie vorhanden. Beweisen ließe sich das Vorkommen von Muskelneubil-
dungen solcher Art — auch Krzysztalowicz (a. a. 0.) spricht sich in
diesem Sinne aus — bestenfalls nur auf Grund allergenauester Serienunter-
snchung an ganz jungen Neubildungen, an denen dann jedes Heraus-
wachsen aus bodenständiger Hautmuskulatur sich ausschließen lassen müßte.
216 Sobotka.
Kehren wir aos dem Reiche der Hypothesen zu den klaren Yer-
h<nissen surflck, die der Ban der typischen and normalen Haut dar-
bietet, so finden wir drei Elemente, welche den Ansgangspnnkt einer
Hyperplasie glatter Muskelfasern sn bilden vermöchten: die Mnskel-
hinte der €kiä6e, die Haarbalgmaskeln, die Muskelfasern der.Sohweiß-
drüsenknftuel.
Knn hat aber sehr oft nicht festgetellt werden können, von
welchem dieser Gewebe die Nenbildnng ihren Aasgang genommen haben
mochte. Da wäre denn sofort Gelegenheit, auf die eben entwickelte
Möglichkeit des ürspranges ans jenen fraglichen Keimen zorückzagreifen.
Sehr wahrscheinlich aber kommt man der Wahrheit näher, wenn man
im Einzelfalle sehr nahe liegende Umstände für das Mißlingen einer
sicheren Ableitung verantwortlich macht: den Grad der Geschwulst-
entwicklnng, die znweit gediehen war, um die AnfangSTerhältnisse noch
unverwischt bestehen zu lassen, den nicht so seltenen and außerordentlich
wichtigen Verzicht auf die Herstellung von Serienschnitten und ge-
legentlich (bei Arrektorengeschwnlsten) daneben auch eine unglückliche
Wahl der Scbnittrichtung. Nicht klargelegt ist so die Herkunft der
Myome in dem Falle von Besnier (1880, 1885), Arnozan und Vaiilard
(1881), in beiden Fällen Jadassohns (1891), von denen allerdings dem
zweiten ganz ausgesprochen follikuläre Knötchen zukamen, in dem
Falle von J arisch (18^6), demjenigen von Neumann (1897), von White
(1899), in einem Falle, dessen Darier (1904) bei der zusammenfassenden
Schilderung der Dermatomyome als eines von ihm selbst beobachteten
erwähnt, der übrigens bei der Spärlichkeit der von dem Verfasser ge-
machten Angaben in dieser Arbeit weiterhin nicht verwertet werden
kann, ferner in dem Falle von Whitfield (1905), dengenigen von
Genevois (1905) und endlich dem von Krzysztalowicz (1906) be-
schriebenen.
Von allen drei normalerweise in der Haut vorkommenden
Mnskelelementen war die Leiomyombildung möglicherweise in der Be-
obachtung von Grocker (1897) abzuleiten, wahrscheinlich in derjenigen
von Lukasiewicz (1892) und bestimmt wohl in den beiden ersten
der noch genauer zu besprechenden drei seltsamen Fälle von Wolter8(l 898).
Von zweien der in Betracht kommenden Muskelarten, nämlich
Arrektoren und SchweißdrüsenfaBern,sahHuldschin8ky(1901)
die Wucherung ausgehen. Arrektoren und Bündel der Gefäß-
muskularis gingen in einem höchst eigenartigen Falle von Wolters
(1905) in eine fleischhautartige Muskelmasse ein, die im ganzen ober-
flächenparallel im tieferen und tiefen Corium über einer Meningocele eines
6 Monate alten Kindes lag. Auch wenn man sich nicht entschließen kann,
Wolters Anschauung einer kompensatorischen Hypertrophie der Musku-
latur in der durch das Wachstum der Meningocele immer mehr ver-
dünnten Haut zu teilen, so wird man dieser sonderbaren Haut Veränderung
eben wegen ihrer Verbindung mit jener anderen Anomalie and wegen
ihrer Diffasität, eudlich auch we^en der tiefen und flachen Lagerung
Zar Kenntnis der Cntismyome. 217
der Moskelbündel eine besondere Stellung einrftamen, abseits von den
im wesentlichen doch amschriebenen, knotenförmigen einzelnen oder
multiplen typischen Goriummyomen. Ob die Besiehongen dieses Falles
zu demjenigen von Babes mehr als äußerliche sind, ist schwer zu sagent
Unter den Möglichkeiten der Abstammung Ton einem einzigen
der drei mnsknlösen Organe der Haut hat man diejenige der Herkunft
Ton den Schweißdrüsenfasern bisher nicht in die Wirklichkeit
umgesetzt gefunden.
Ausschließlich auf ein Hinaus wuchern der Gefftßmuskulatur
über den Bereich der üeAße — nicht im entferntesten gleichbedeutend
mit einer Gefäßyermehrung oder -Erweiterung — konnte Hardaway
(1886, 1904) mit Wahrscheinlichkeit, Hess (1890) in seiner schön durch«
gearbeiteten Beobachtung mit Sicherheit die Entwicklung der Geschwülst-
chen seines Kranken beziehen.
Hyperplasie der Arreotores pilorum allein ist zunächst in
den beiden Fällen Ton Solitärgesch Wülsten, denjenigen Audrys (1898)
und Herzogs (1898) als wahrscheinliche, beziehungsweise sichere Ur-
sache der Myombildung aufgefunden worden. An multiplen Dermato-
myomen haben ▼. Marsch alkö (1900), Jamin (1901) und auch
Brölemann (1904) diese Art der Abstammung nachweisen können.
Kobl (1906) fand in der Verflechtung des Haarbalgmuskels mit der
Geschwulstmasse „deutlichst eine engere Beziehung zu den Arrectores
pilorum". Beatty (1907) halt auf Grund seiner Präparate einen solchen
Zusammenhang für sehr wahrscheinlich, Roberts (1900) yermutet ihn.
Gutmann möchte in seinem Falle die Herkunft von den Arrektoren
aus klinischen Erscheinungen erschließen, weil ein Teil der kleinsten
Geschwülstchen follikulären Sitz hatte und an der Haut zwischen den
Myomknötchen sich besonders schöne cutis anserina einzustellen pflegte.
Von Jadassohns zweitem Falle, der vielleicht hieher zu stellen ist, war
schon die Rede.
In einer Anzahl von Fällen, die von ihren Beobachtern, von
Pringle (1898), Morris (1901), Morris u. Dore (1902), Golcot.
Fox (1902) als multiple Dermatomyome diagnostiziert wurden, ist kein
mikroskopischer Befund erhoben worden. In dieser meiner Zusammen-
stellung nach histologischen Gesichtspankten konnten sie daher natur-
gemäß keinen Platz finden ; aber auch die Diagnose selbst ist, wie es zum
Teile die Verfasser selber aussprechen, in diesen auch klinisch nicht
sonderlich charakteristischen Fällen ohne Biopsie nicht als unantastbar
anzusehen — ein Standpunkt, den in neuerer Zeit besonders Joseph (a.
a. 0.) in allgemeinerer Weise geltend gemacht hat. Wie es in dieser
Hinsicht um den Fall von Blanc und Winberg (1896, angeführt nach
Genevois p. 12) bestellt ist, vermag ich nicht zu sagen; für den Fall
von Graham Little (1906) steht die verheißene genauere Beschreibung
noch aus.
Indessen aach von den als Myomatose diagnostizierten und mikro-
skopisch untersuchten Fällen wird einzelnen die Einreihung unter die
218 Sobotka.
Myome yenagt, anderen wenigstens eine besondere Ecke im System
angewiesen. So bandelte es sieb in Wolters erwäbntem Myelocelen-
fall am ein gans einsigartiges Erankheitsbild. Aber da lag doch anbe-
stritten eine Maskelgeschwalst yor. Die Diagnose selbst jedoch fand
Widersprach in den beiden anderen, allerdings stark von dem Daroh-
schnittsbilde der Myome abweichenden Beobachtungen, die derselbe Ver-
fasser yeröffentlicht hatte (1893) und auf Grund welcher er geneigt war,
Grockers 1892 bekannt gegebenen Fall yon Xanthom gleichfalls den
Myomen beizusählen. Denn Crooker seinerseits und auch Jarisch
möchten den Woltersschen Fall nicht recht als solchen yon Myomen,
sondern am liebsten just als solchen yon Xanthomen gelten lassen. Der
klar geschilderte histologische Befund scheint mir aber doch ganz nn-
zweideatig die Richtigkeit yon Wolters Diagnose zu erweisen; man
muß sich eben damit befreunden, daß Coriummoskelgeschwälste sich
gelegentlich auch rasch ausbreiten (wie seitdem in den Fällen yon
H uldschinsky, yon Qeneyois, yon Beatty und in dem meinen),
daß sie symmetrisch angeordnet sein (ygl. auch Nobl), die Gelenk-
gegenden beyorzugen and ganz ausnahmsweise mit Glykosurie einher-
gehen können. — Dagegen konnte ich mich nicht entschließen, die an
sich sehr interessante Beobachtung yon A. Riegel^) als eine solche
yon anzweifelhaft sicheren Myomen hier zu yerwerten. Denn so gewiß
das klinische und im ganzen auch das histologische Bild des Falle«
far Myome spricht, so fehlt doch leider in der sonst überaus klaren
und überzeugenden Darstellung- jede Angabe über farberische oder
präparatorische Sicherstellung der muskulären Beschaffenheit der an
sich nichts weniger als typischen Geschwulstfaseru. Handelt es sich
übrigens, wie allerdings auch mir am wahrscheinlichsten, tatsächlich um
') PHspeyek ku kasuistice yzacnych nadoru. Myoma laeyicellulare
cutis reg. mamillae dextrae. Sbornik lekahky. Bd. IV. p. 827. 1891.
Ein kurzer Auszug aus der anscheinend nirgends ausreichend referierten
Arbeit sei hier eingefügt: 28jäbriger Fleischer. Im Verlaufe etwa der
letzten sieben Jahre bildeten sich nach einander 17 Geschwülstchen an
der Brust; die ältesten haben allmählich Kirschgröße erreicht, die übrigea
sind hanfkom- bis höchstens kleinerbsengroß geworden. Sie stehen
ziemlich dicht in handtellergroßer Gruppe yon etwa oyalem umriß
rechts und oberhalb der rechten Brustwarze. Der größte Knoten, der
kurz gestielt ist, liegt am weitesten yon ihr entfernt; seine Hantdecke
ist gespannt, nicht abhebbar; er ist blaurot, derb elastisch anzufühlen.
Die kleineren Knoten sind hell rosenfarben, fast knorpelhart, klimsch
aufs deutlichste der Haut selbst angehörig. Beschwerden: Schmerz in
dem gesamten befallenen Hautgebiet (ununterbrochen andauernd? D. Ref ),
Bohlafraubend ; Druckschmerzhaftigkeit, erheblich nur an der größten
Geschwulst; zeitweilig Gefühl der Zusammenziehung in dem ganzen Haut-
bezirk, mit allmählichem Ansteigen und Abfallen; „die Schmerzen yer-
minderten sich dabei aber nicht. ** Diagnose: Metastasierendes Fibro-
Zur Kenntnis der Cotismyome. 219
Myome, so möchte ich dem Verfasser doch nicht zugeben, daß die Ge-
schwülste „ohne Zweifel" von der Muskulatur der Warze und der Areola
ausgingen; saß doch gerade das älteste der Neogebilde handflächenbreit
Yon der Brustwarze entfernt. — Von der Ausscheidung der Einzelmyome
endlich aus der Gruppe der typischen, der „multiplen" Dermatomyome
war schon oben die Rede im Sinne einer Ablehnung dahingehender
Vorschläge.
So also lassen sich, wie ich glaube, die reinen Corium-
myome im System zusammenfassen und von ihren näheren
und entfernteren Verwandten nicht gerade durch einen scharfen
Schnitt abtrennen, aber den Tatsachen gemäß abgliedern. Ihren
typischen Fällen reiht sich nun, doch nicht ohne individuelle
Züge, derjenige an, über den ich zu berichten habe.
S. K., 28j. verh. Tischler aus Rosental bei Reichenberg.
Anamnese: Familienanamnese ohne Belang. Yorkrankheiten
des P.: vor 6 J. Tripper; seit mehreren Jahren häufig Durchfälle, die
gewöhnlich ein paar Tage lang anhalten. Krankheitserscheinungen an
der Haut hat der P. vor 10 J. zum erstenmale wahrgenommen and zwar
ganz zufällig gelegentlich einer Waschung seiner unteren Extremitäten.
Er bemerkte damals einen Knotenaasschlag u. zw. bereits „am ganzen
Sarkom. Behandlung: Blutige Entfernung der ganzen Gruppe von Herden.
Die größte Geschwulst erweist sich auf dem Durchschuitte silber- bis
perlmutterglänzend, aus verflochtenen Bündeln gebildet; die Haut fest
anhaftend, nach der Kuppe zu verdünnt. Schnittfläche der kleinen Ge-
schwülste ebenso beschaffen; sie liegen, nicht scharf begrenzt, im Gorium.
Weiterbehandlung der Präparate in Alkohol, Zelloidin. Färbungen der
Schnitte: Karmin, Hämatozylin, Eosin. Mikroskopischer Befund der großen
und mehrerer kleineren Geschwülste: Bündel verschiedener Dicke, nach
allen Richtungen verlaufend. An den kleinen Knoten begrenzt sich nach
der Peripherie die Muskulatur nicht scharf, Bündel strahlen in das Corium
aus, auch scheinbare Muskelinseln sind diesem eingelagert. Zwischen
den Bündeln in der Geschwulst selbst höchstens Sparen von Bindege-
webe, aber eine homogene, sich nicht färbende, kaum erkennbare Zwischen-
substanz. Die Bündel schon „auf den ersten Blick'' als glatte Musku-
latur erkennbar, doch nioht aus deutlichen Zellen, sondern aus sehr
feinen Fibrillen zusammengesetzt, an denen vielleicht auch eine leise
Spur von Qaerstreifung (man erinnert sich an den fraglichen Fall
Verneuils. D. Referent) wahrzunehmen. Muskelkerne kürzer und
dicker als gewohnt, Kernkörperchen meist nicht deutlich. Im ganzen
ein Bild wie dasjenige embryonaler quergestreifter Muskulatur, ^Uber-
gangsmaskulatur**. In den Muskellücken fast nur der großen Geschwulst
kleinzellige lofiltration. Die Epidermis an der großen Geschwulst fast
bis zum Darchbruch verdünnt.
220 Sobotka.
Beine* in der gegenwärtigen Aaabreitang nnd Verteilung; einzelne der
Knötchen sollen swar seitdem etwas roter geworden, Zahl nnd Größe
aber unverändert geblieben sein. Beschwerden bestanden anfangs nber-
hanpt nicht; dann begannen sich in dem befallenen Hantgebiete seitweise
geringe Schmerisen einzustellen, die nun seit 8 Jahren immer mehr zu-
nehmen. Die Umstände, durch die sie hervorgerufen werden oder unter
denen sie auftreten, sind ganz bestimmter Art. Sie befallen den Kranken
1. bei Bewegung des Beines nach längerer Ruhe, 2. bei Ein-
wirkung von Kälte, s. B. im kalten Bade, auf dessen Gebrauch der
Kranke denn auch schiefllich ganz verzichtet hat, aber auch schon beim
Hinaustreten aus einem wärmeren in einen kühleren Raum — besonders
auch beim Zusammentreffen der beiden eben genannten Anlässe wie
etwa beim Verlassen des Bettes am Morgen; 8. in Gestalt anscheinend
spontaner ausschließlich nächtlicher Anfalle n. zw. in der Weise,
daß der Kranke aus einem schreckhaften Traume auffährt, in dem er
sich gejagt glaubte oder von einem Hunde — übrigens nicht gerade in
das Bein — gebissen zu werden meinte; ob dabei am übrigen Körper
Gänsehaut bestehe, weiß d. P. nicht anzugeben. In allen diesen Fällen
hat er die Empfindung, als wäre die Haut besonders des Unterschenkels
verkürzt; Beugestell ung des Kniegelenkes ist dann erträglicher als Streck-
stellung. Bei den Schmerzen, die durch Kälte hervorgebracht werden
oder spontan entstehen, will der Kranke bemerkt haben, daß sie mit
einer gewissen Anschwellung der Knötchen einhergehen. Stets sind die
Schmerzen im Unterschenkel größer als im Oberschenkel. Eine scharfe
Lokalisation in die Knoten findet nicht statt, an den von der Krankheit
befallenen Flächen des rechten Beines — und nur dieses — schmerzt die
ganze Haut. Bei den spontanen Anfallen entspringt der Schmerz auch
nicht etwa in einem bestimmten Knoten, sondern ohne schärfere Um-
grenzung im unteren Teile des erkrankten Gebietes des Unterschenkels
und steigt im Laufe einer Minute bis in den von dem Leiden ergriffenen
Teil der Oberscb enkelhaut empor. Er bleibt dann etwa eine Viertel-
stunde in gleicher Heftigkeit bestehen, um hierauf rasch nachzulassen.
Über die Häufigkeit dieser Anfalle und die Periode ihres Auftretens
weiß der P. nur ganz beiläufig anzugeben, daß sie sich etwa dreimal
im Monat einstellen. Dagegen berichtet er, daß in einer Nacht auch
zwei Anfälle erfolgen können. Daß die durch Kältewirkung verursachten
Schmerzen im Sommer weniger lästig werden, braucht kaum besonders
hervorgehoben zu werden. Der Kranke stand bereits in Behandlung einer
ganzen Anzahl von Ärzten. Da aber die Beschwerden nur immer noch
zunehmen, sucht er endlich die Klinik auf.
Status praesens. Mittelgroßer Mann von mittlerem Knochen-
bau, ebensolchem Fettpolster, kräftiger Muskulatur. Innere Organe normal ;
der Harn bietet außer den Zeichen einer chronischen Urethritis keine
Besonderheiten dar.
Haupthaar hellbraun. Regenbogenhäute blau. Das Gesicht etwas
blaß; es trägt einzelne Komedonen und ein paar Stecknadelkopf- bis
fast linsengroße nicht pigmentierte vertiefte Närbchen.
Zur Kenntni« der Cutismyome. 221
Die Haut des Stammes und der Extremitäten, im ganzen von nor-
maler Beschaffenheit, weist vornehmlich 2 Arten von umschriebenen Ver-
änderungen auf. EfQoreszensen der einen Art finden sich als Akneknötohen
auf allen Stufen der Entwicklung an der Oberbrust und einem großen
Teile des Rückens mitten unter einer sehr großen Anzahl entsprechend
großer, etwas hypertrophischer weißer Närbchen. Herde der anderen Art
sind an 3 Stellen des Körpers ausgebildet: am rechten Ober- und Unter-
schenkel in ungeheurer Zahl, am linken Unterschenkel in einer kleinen
Gruppe, am rechten Oberarm in der Einzahl.
1. Rechte untere Extremität. Die Anomalie berifft am Ober-
schenkel sowohl als auch am Unterschenkel die Streck- und Innenseite
in einem Bezirke, der etwa von der Grenze zwischen oberstem und
zweitem Viertel des Oberschenkels bis handbreit oberhalb der Knöchel
des Unterschenkels reicht. Sie greift nur wenig auf den vordersten
Streifen der Außenfläche des Beines, weiter auf die Hinterfläche über.
Außer den größten Anteilen der beiden letzterwähnten Flächen ist auch
die Kniekehle frei von Veränderungen und die vordere Kniegegend in
ziemlich scharfer Begrenzung innerhalb erkrankter Umgebung wie ausgespart.
Die Einzelelemente der Affektion stellen ungemein zahlreiche, dicht
ausgesäte, rote Knötchen und Knoten dar, die, im ganzen einigermaßen
gleichmäßig verteilt, nach den Grenzen des befallenen Gebietes hin
spärlicher werden, übrigens an Oberachenkel und Unterschenkel einander
bezüglich Größe, Gestalt, Anordnung und auch Farbe nicht genau gleichen.
Läßt man an der Vorderfläche des Oberschenkels den Blick
Ton den gesunden proximalsten Teilen gegen die erkrankte Gegend hin
wandern, so bemerkt man zunächst, daß die Haarfollikel, möglicher-
weise auch einzelne andere kleinste Stellen der Haut, als nicht ganz
scharf umschriebene, mohnkorn- bis stecknadelkopfgroße rote Stippchen,
dann zudem auch als leichte Erhebungen aus der normalen Umgebung
heraustreten. Hierauf erst stößt man auf größere Knoten, zwischen denen
aber die beschriebenen geringstgradigen Veränderungen allenthalben zu
finden sind; von diesen mohnkomgroßen Knötchen bis zu den aller-
größten Knoten, die einen basalen Durchmesser von etwa 6 mm erreichen,
finden sich alle Übei^gänge. Von den Herden sind die kleinsten rundlich,
die größeren teils ebenso gestaltet, teils aber länglich, in höchst ausge-
sprochener Weise leistenformig mit übrigens recht verschiedenem Ver-
hältnis zwischen Längs- und Querdurchmesser. Ihre Breite beträgt
1—4 mm, ihre Länge wenige mm bis ly, em. Sind die Leistchen ganz
schmal und niedrig, so gewinnen sie das Aussehen von in die Haut ein-
getragenen roten Linien, deren man eine ganze Anzahl auch ohne jede
Erhebung über die Oberfläche, ganz an sehr gestreckt verlaufende Gefäß -
reiser oder feinste Zerdehnnngsstriae erinnernd, namentlich in der Gegend
der Kniegelenk-Innenfläche dahinziehen sieht. In diesem ganzen System
▼on Effloreszenzen läßt sich nun eine gewisse Anordnung mit über-
raschender Bestimmtheit erkennen : die großen rundlichen Knoten zwar
sieht man anscheinend regellos in die Haut eingetragen; von den kleineren
t
222 Sobotka.
aber und von den roten Fleckchen sind viele aafs deatlichste ta zweien,
dreien, vieren hinter einander gereiht in kurzen geraden Zügen, welche
dieselbe Richtung haben wie die Geschwulstleistchen, von denen wieder-
um viele, nicht alle, den Eindruck machen, aus solchen hinter einander-
gestellten Knötchen entstanden zu sein ; und die erw&hnten feinen gefaß-
reisartigen Linien vollends geben eben diese Richtung auf das unzwei-
deutigste an. Alle diese Züge und Linien aber laufen nicht etwa
parallel ; sie streben vielmehr von den proxiroalsten Teilen des befallenen
Oberschenkelgebietes, wo sie nur vereinzelt ausgebildet sind, von mehr
distalen Teilen an Vorder- und Innenfläche, wo sie auf das schönste her-
vortreten, nicht minder deutlich besonders von der Gegend oberhalb
des vollständig knotenfreien Knies nach einer Stelle zusammen, nach
der Gegend derjenigen Muskel- und Sehnenfalte, wiche die mediale Be-
grenzung der Kniekehle ausmacht. Diese Konvergenz, diese Raffung des
ganzen Systems von Hautherden nach einem Punkte macht einen der
auffallendsten und eindrucksvollsten Züge des ganzen Bildes aus.
Die Knoten sind verschieden stark erhaben, ihre Böschungen
nicht steil. Die Begrenzung ist keine vollkommen scharfe. Die Rötung
nimmt dabei etwa denselben Umfang ein wie die Erhebung, lediglich
an ganz großen, besonders an etwas länglichen Knoten ist nur der
zentrale Teil gerötet. Übrigens schwankt die Lebhaftigkeit und einiger-
maßen auch die Begrenzung der Rötung, wie bei Besprechung der
Unterschenkelherde noch ausfuhrlicher zu erwähnen sein wird. Ihr
Farbenton ist ein ziemlich helles lebhaftes Rosenrot, das einen Stich ins
Bläuliche hat, an einigen Knoten aber ein gelbliches oder bräunliches
Rot, nicht unähnlich demjenigen einer nicht völlig reifen Himbeere;
gerade nur diese letzteren Knoten haben eine leicht durchscheinende
Beschaffenheit. An den Herden selbst, aber auch neben ihnen, wiewohl
in etwas geringerem Grade, ist die feinste Felderung der Haut deut-
licher als am anderen Beine, an den Herden selbst oft etwstö gröber;
diese kleinsten Felder haben einen weit stärkeren Glanz als linkerseits.
Glasdruck auf die Knötchen läßt bei den einen fast gar keine Eigenfarbe
bestehen, bei anderen bleibt ein deutlicher blaß gelbbrauner Fleck zurück.
Die größeren Knoten sind möglicherweise etwas weniger reichlich
mit Wollhaaren besetzt, als es der Körpergegend entspricht. Von den
kleineren und kleinsten der veränderten Stellen erweisen sich manche
als f ol 1 iku 1 är noch nicht so sehr durch den Anblick, als vielmehr besonders
dadurch, daß beim Zugreifen mit der Zilienpinzette ein vorher nicht
deutlich wahrnehmbares Wollhaar erfaßt und an ihm das ganze Herdchen
emporgehoben werden kann. An einer ganzen Anzahl von Knötchen,
darunter auch kleinsten, ist aber auch so kein Wollhaar zu entdecken.
Über den Knötchen läßt sich keine Hautschichte falten ; über dem
subkutanen Gewebe sind alle Herde verschieblich. Die Knoten fühlen
sich derb an. Druck auf kleinere Herde macht keine Beschwerden, Druck
auf größere verursacht, wenn er in senkrechter Richtung ausgeübt wird,
erträgliche Schmerzen, dagegen sehr heftige, wenn er an der etwas
Zur KenntniB der GuÜBinyome. 223
emporgehobenen Geschwalst von beiden Seiten her wirkt. Über den
gedrückten Knoten hinaas pflanzt sich der Schmerz nicht fort.
Am rechten Unterschenkel föllt zanächst aaf, daß die Haut
ungemein blaß, blutarm aussieht und diese Ischämie bei leichter mecha-
nischer Einwirkung (Streichen mit der Hand) ganz überaus deutlich
wird, unvergleichlich deutlicher als am anderen Beine. Die Knoten sind
hier seltener länglich, meist rundlich, ab und zu auch etwas unregel-
mäßig geformt, meist größer als am Oberschenkel, mit Darchmessern
bis zu 8 mm. Diese größeren Herde sind im allgemeinen nicht deutlich
nach irgend einem Grundsatze angeordnet. Doch sitzen auch hier kleinste
follikuläre Bildungen und an diesen kann man doch wieder an manchen
Stellen eine Zusammenstellung zu Reihen erkennen. Die überaus große
Zahl der vorhandenen Geschwfilstchen läßt eigentlich die ganze Haut
des Unterschenkela gewulstet erscheinen, und greift man zu, so findet
man weit deutlicher als am Oberschenkel, daß sie sich nur auf sehr
kleine Strecken in so feine Falten legen läßt wie dieselbe Gegend des
andei^en Beines, stellenweise aber infolge der Massigkeit der Einlagerung
überhaupt nur die Bildung gröbster Falten gestattet. So ist denn auch
der (Jmfang des Unterschenkels vermehrt, an der dicksten Stelle SSVa c^
gegen 82 em in der entsprechenden Höhe des linken Unterschenkels.
Die Farbe der Herde ist ungefähr dieselbe wie am Oberschenkel und
auch hier sind die lebhaft roten Effloreszenzen mit einem Stich ins
Gelbe und von etwas durchscheinendem Aussehen die weitaus selteneren.
Sehr häufig sind aber hier an den Knoten nur die mittleren Bezirke,
innerhalb welcher die Veränderung in die oberflächlichsten Schichten
vorgedrungen ist, rot, die Rand teile ^ weiß ; manche Knoten sind fast
gänzlich weiß. Übrigens wechselt — um dies aus der Geschichte des
Krankheitsverlanfes gleich vorwegzunehmen — die Entschiedenheit der
Färbung und mit ihr einigermaßen auch der Umfang der geröteten
Stellen u. zw. einerseits nach der Lage des Beines (Blutstauung), anderer-
seits aber auch nach anderen, nicht recht klaren Umständen und scheint
namentlich bei längerem Entblößtbleiben der Haut auflallender Weise
zuzunehmen; daneben findet sich auch das gelegentliche Vorhandensein
eines höchst ausgesprochenen ins Braune gehenden Farbentones sämtlicher
Knötchen immer wieder verzeichnet. Glasdruok läßt gelbliche bis ganz
leicht braunrote Färbung bestehen. Bezüglich des Oberflächeureliefs
und des Glanzes gilt dasselbe wie vom Oberschenkel.. — Die Druck-
schmerzhaftigkeit der Herde am Unterschenkel ist offenbar geradezu
unerträglich; beim Druck auf einen einzelnen Knoten bleibt aber auch
hier der Schmerz auf diesen beschränkt.
An dem erkrankten Beine besteht im Gegensatze zum linken
iiährend der Untersacbung fast beständig Gänsehaut. Künstliche Her-
vorrufung allgemeiner Gänsehaut an dieser Körperhälfte^) brachte an
') Über die Technik wird in einer späteren Arbeit, die Unter-
suchungen über „Gänsehaut" bringen soll, ausführlich berichtet werden.
224 Sobotka.
den Geseh Wülstehen keinerlei deutliche Erseheinang hervor; dagegen
erwieß rieh bei diesem Yersnche nnd ebenso bei Ersengnag von Oinse-
hftut durch mechanische Einwirkung s. B. an der Brast fast regelmäßig
die rechte Seite gegentiber der linken beyorsagt. unmittelbare mecha-
nische oder elektrische Beisung (bei Gelegenheit der Be handlang; s. d.)
des befallenen Gebietes am rechten Bein ließ die Knötchen unverändert.
2. Linker UnterschenkeL Er trägt etwa in der Mitte seiner Länge
an der Innenseite der Wade eine einsige Gruppe von 6 — 6 bis steck-
nadelkopfgroßen, nicht sehr dunkel blaurot gefärbten Knötchen, deren
Farbenton und Erhebung sie nur wenig deutlich aus ihrer Umgebung
heraustreten läßt; spontaner oder Druckschmerz fehlt hier.
8. Rechter Oberarm. An seiner Beugeseite, doch schon gegen die
Außenfläche su, findet sich gut 4 Querfinger tiefer als die vordere Achsel-
falte bei herabhängendem Arme eine kleine, hell braunrote Leiste, die
etwa IVt "*'" breit und 6 mm lang ist und schräg von oben außen nach
unten innen verläuft.
Der allerdings erst später und nach Einleitung einer bereits wirk-
samen Behandlung angenommene Kervenstatus weist mit Ausnahme
einer zwischen r. u. 1. bestehenden unwesentlichen Ungleichheit der Re-
aktion auf die Babinski sehe üntersuchungsmethode keine erwähnens-
werten Verschiedenheiten der beiden Seiten und keine besonderen Ab-
weichungen vom normalen nach.
Als sich der Kranke am 18./in. 1907 im Ambulatorium
der Klinik einfand, ward in Erinnerung an ähnliche in der
Literatur beschriebene Fälle fast augenblicklich die Wahr-
scheinlichkeitsdiagnose der Myomatosis cutis (multiplex)
gestellt; die Ergebnisse der genaueren Untersuchung nach der
Aufnahme des P. und die charakteristische Anamnese ließen
diese Auffassung des Falles noch viel begründeter erscheinen.
Die Erwägungen, die dabei in Betracht kamen, waren etwa
folgende :
Die Annahme einer entzündlichen Hauterkrankung
zunächst ließ sich rasch abweisen. Der langdauernde Bestand
der Knötchen ohne Größenveränderung, ohne Eiterung, ohne
Narbenbildung oder Atrophie, ohne Pigmentation, der Mangel
jedes noch so geringfügigen Ödems und ebenso das Fehlen
Ton Rötung der Haut um die Herde und zum Teil sogar an
den Abhängen der Knöt<ihen selbst, das Nichtvorhandensein
Sieh übrigens Bericht über d. YII. Vers. d. Wissensch. Ges. deutscher
Ärzte in Böhmen, Prager med. Wochschr. 1907, XXXII Jhrg. p. 190.
Zar Kenntnis der Gutismyome. 226
TOD Schuppung, überhaupt von einer nur etwas ausgiebigeren
Beteiligung der Epidermis bei so nahe an sie heranreichendem
ErankheitsYorgange und endlich die vollkommene Unmöglichkeit,
das Yorliegende Bild mit demjenigen irgend einer bekannten
entzündlichen Affektion zur Deckung zu bringen — nicht so*
wohl ein einzelnes dieser positiven und negativen Merkmale
als vielmehr ihre Gesamtheit sprach gegen Entzündung.
Dagegen lag der Gedanke an Geschwülste im engeren
Sinne von vorneherein sehr nahe und eine Reihe von Anzeichen
wies auf eine bestimmte Art von Geschwülsten, eben auf Myome,
hin. Schon die Anamnese leitete die Überlegung in diese Richtung :
es hatten anfangs keine Schmerzen bestanden, dann hatte sich
Druckschmerzhaftigkeit. hatte sich Kälteempfindlichkeit, hatten
sich spontane Anfalle eingestellt. Klinisch kam einigermaßen
die Farbe der Geschwülstchen und das Durchscheinen einiger
von ihnen, auch die Assymmetrie der Verteilung und die Lokali-
sation, dann aber die Vielheit, Anordnung, derbe Beschaffen-
heit der Knötchen, ihr Sitz in der eigentlichen Haut, endlich
die Druckschmerzhaftigkeit in Betracht. Aber es waren Um-
stände da, welche es zu erlauben schienen, die Diagnose noch
über diejenige einer Myomatosis cutis hinaus zu verfeinern.
Nicht so sehr die Neigung zu Gänsehautbildung in den be-
fallenen Gebieten, die sich auch sonst im Umkreis erkrankter
Hautbezii'ke verstärkt findet, eher schon das Ausgespartbleiben
des Knies, an dem auch Gänsehautknötchen meist nur in so
geringer Zahl und Erhebung zu beobachten sind, und das
Freibleiben der Kniekehle mit ihrer relativen Immunität gegen
die follikuläre (und von älteren Verfassern sogar wesentlich
als Arrektorenkrampf angesehene) Prurigo, vor allem aber
der deutlich follikuläre Sitz vieler der kleinen Knötchen, das
alles drängte noch vor Anstellung der histologischen Unter-
suchung zu der Diagnose: Arrektorenmyome. In dieser
Diagnose bestärkte mich allerdings noch ein Irrtum, der darin
bestand, daß ich im Vertrauen auf eine mir gegenwärtige An-
gabe der Literatur die Richtung der Leisten und Anord-
nungslinien als diejenige der Haare und somit auch der Arrek-
toren ansah.
Arch. f. DttroBAt. v. Sypb. Bd. LXZZIX. 25
1
226 Sobotka.
Keine andere von den in der Haut vorkommenden Ge^
schwülsten entsprach so vollkommen wie die Myome dem ge-
gebenen Bilde. An multiple Spontankeloide zuvörderst
mahnte allerdings die Zahl der Gebilde, die Festigkeit des
Gewebes, allenfalls die Farbe; die Leistenform, die Schmerz-
hafligkeit mochten dieser Diagnose nicht geradezu wider-
sprechen ; aber der Mangel an charakteristischen keloiden Aus-
läufern des Einzelherdes, das durchscheinende Aussehen mancher
Knötchen — doch ohne den sehnigen Glanz der Mitte wie bei
gewissen Halbedelsteinen (sKatzenaugen,'' De Amicis, Reiss)
— das Gebundensein kleinerer Herde an Follikel, die denn
doch ganz besonders typischen Umstände, unter denen die
Schmerzen auftraten, ließen die anfangs sehr annehmbar schei-
nende Diagnose von Spontankeloiden in den Hintergrund treten,
während gegen Narbenkeloide außer einem Teile der eben
angeführten Umstände schon das ganz andersartige Aussehen
der am Rücken des Kranken vorhandenen leicht keloiden
Akne- Narben und der Mangel einer narbenbildenden Affektion,
welche die Herde am Beine hätte erklären können, ohne
weiteres geltend zu machen war. An Neurofibrome konnten
Schmerzhaftigkeit und Anfälle erinnern; gegen sie sprach die
Derbheit unserer Geschwülste, ihre ausgesprochen rote Farbe,
das mehrjährige Latenzstadium der Schmerzen, das Fehlen
sicherer Beziehungen zur Verteilung von Nerven, der folliku-
läre Sitz vieler Knötchen; Tubercula dolorosa sub-
cutanea irgendwelcher Art konnten nicht wohl so zahlreich
und nicht in einer so oberflächlichen Hautschichte auftreten.
Das Lymphangioma tuberosum multiplex, daß viel-
leicht wegen der Farbe und Menge der Effloreszenzen einen
Augenblick lang in Frage kommen konnte, war unter anderem
schon durch die Schmerzhaftigkeit unserer Affektion außer
Mitbewerb gesetzt. Die differentielle Diagnose gegenüber an-
deren Neubildungen, wie z. B. dem Xanthoma tuberosum
multiplex, an das in Myomfallen zuweilen gedacht werden
mußte, braucht in unserem Falle wohl kaum besprochen
7u werden.
So ward die von vorneherein gestellte Diagnose multipler
Goriummyome als die weitaus wahrscheinlichste aufrecht er-
Zur EenntniB der Gutismyome. 227.
Italien. Die histologische Untersuchung hatte die Aufgabe,
sie SU einer sicheren zu gestalten und damit möglicherweise
auch der Behandlung die richtigen Wege zu weisen. Der ein-
sichtige P. war mit der kleinen Operation zu diagnostischen
und rein wissenschaftlichen Zwecken ohne weiteres einver*
standen. Es wurden unter Kokainanästhesie drei spindel-
förmige Stücke aus der Haut entnommen : ein sehr kleines aus
anscheinend noch normaler, aber der erkrankten schon un-
mittelbar benachbarter Haut vom oberen Teile der Oberschenkel-
streckfläche; ein etwas längeres, gleichfalls von der Vorder-
fläche des rechten Oberschenkels, jedoch von einer Stelle, an
der mehrere kaum kleinstecknadelkopfgroße Knötchen in einer
Reihe hinter einander lagen; endlich ein noch ein wenig
größeres von der Innenseite des Unterschenkels, das in seinem
distalen Teile einen kleinlinsengroßen roten oder leicht gelb-
roten, ein wenig durchscheinenden Knoten, in seinem proxi-
malen Teile zwei etwas kleinere Knoten von mehr bläulich-
roter Farbe, alle drei von einander nicht ganz scharf
trennbar, enthielt. Die Präparate wurden in Alkohol
fixiert; es folgte Einbettung in Paraffin und Zerlegung in
Serienschnitte, die letztere an dem dritten Stück in der Weise,
daß zuerst eine Reihe von zur Längsachse der Spindel queren
Schnitten durch den größten Herd gelegt ward und dann die
beiden kleineren in der Längsrichtung geschnitten wurden. An
sehr vielen der Schnitte traten im ungefärbten Zustande,
einzeln im Schnitt oder zu mehreren und dann gleich gerichtet,
breite stärker lichtdurchlässige Züge hervor, welche die Richtung
von der Epidermis her schräg nach abwärts gegen das Unter-
hautgewebe nahmen.
Mikroskopische Untersuohang. In allen drei Präpa-
raten fesselt die Aufmerksamkeit von yorneherein eine Gewebsart, deren
o£fenbar faserige Elemente zu Bandeln zusammengefaßt sind und zwar
zu sebmäleren und breiteren, manchmal außerordentlich breiten, nach ver-
schiedenen Richtungen getroffenen Bündeln von gefächertem Querschnitt,
mit zahlreichen im ganzen laug stäbchenförmigen parallel gelagerten
Kernen und mit einem Plasma, das die Färbung mit Hämatoxylin
Delafield oder besonders mit polychromem Methylenblau gut annimmt,
sich mit van Giesonschem Farbstoff orangegelb und mit Pikrokoche-
nille gelbbraun färbt, Safranin begieriger aufnimmt und zögernder ab-
gibt als Bindegewebe — mit einem Worte: glatte Muskulatur.
16»
228 Sobotka.
Diese in allen Präparaten in abnormer Menge vorkommende Masku-
latnr l&fit in ihnen doch verschiedene Stufen der Hyperplasie und bei
der gftnstig gewählten Schnittrichtang die Aafeinanderfolge der Wache-
mngserscbeinangen, die Art der Entwicklung des Myoms, erkennen.
Die einfachsten Yerhältnisse, wie man sie ia geriagstgradiger Au-
bildnng in dem Präparat von der Grenze der erkrankten Oberschenkel-
flache, aber in etwas höherer auch noch in den nbrigea Hantstücken
findet, sind diese: kräftige Maskeistränge, alle Maskelgebilde normaler
Haut an Stärke weit obertrefiend, darchziehen den Schnitt in schräger
Richtung von oben nach anten. Mit der Maskalatar der Gefilße oder
der Schweißdräsen, an welcher keinerlei Zunahme der Mächtigkeit nach-
zuweisen ist, haben sie nichts zu tun ; sie erweisen sich durch ihre Rich-
tung und ihre Beziehung zu den Haarbälgen ohne weiteres als hjrper-
trophische Arrectores pilorum. In mehrereo hundert Schnitten ist nur
ein einziger ziemlich normaler Haarbalgmuskel vorhanden, den man ge-
rade in dem sonst am meisten pathologischen Präparate zwischen Quer-
schnitten ihm fremder Muskelmassen sich durchdrängen sieht. Alle
anderen unterscheiden sich von dem Typus ihrer Gattung ganz beträcht-
lich: sie haben das mehrfache und in Präparaten von stark veränderten
Hautstellen das vielfache der gewohnten Dicke; sie entspringen zwar in
der normalen Höhe der Cutis, aber oft mit einer ganzen Anzahl von
Wurzeln, zarteren oder kräftigeren, welche die bei normalen Arrektoren
vorkommende (2 — 6 nach Rabl, p. 80) weit übertrifft; sie bestehen aus
mehreren zusammenhängenden, aber über große Strecken hin durch
bindegewebige Scheidewände getrennten Bändeln; sie finden zwar zum
geringeren Teile an ihrem normalen Haarbaigansatze ihren Abschluß,
zum unvergleichlich größeren aber gehen sie wurzelwärts an ihrem Haare
entlang, oder in breitem Strome neben dem Haare hin, wobei sie zuweilen
(was auch normalerweise vorkommt) noch einem zweiten Haarbalge Ansatz-
bfindel zusenden, auch unter ihrem oberflächlich eingepflanzten Haare hin-
weg, schräg in die Tiefe u. zw. selten nur eine kleine Strecke weit, in
der Regel bis in das unterste Corium, bis an das Fettgewebe, von dem nicht
allzuselten gerade an der Stelle ihres Herautrittes eine Zacke in die
Cutis emporstrebt. Diese hochgradig hypertrophischen Arrektoren, von
denen die für den Ansatz an den Haarbalg bestimmten, übrigens gleich-
falls verstärkten Bündel oft aus der Hauptrichtung des Faserzuges erst
seitlich abweichen müssen, sind nun aber in den ausgeprägter patho-
logischen Präparaten in der Regel auch noch in mehr atypischer Weise
gewuchert: es gehen zartere und mächtigere Muskelmassen von ihnen ab
in Richtungen, welche deijenigen ihres normalen Zuges widersprechen.
Selten — im Bereiche des Haarbalges wenigstens — dringen diese Spros-
sen nach „vorne" vor, nämlich vom Arrektor her über das Haar hinaus;
in vielen Fällen biegen sie seitlich in das Bindegewebe hinein; am
häufigsten wenden sie sieh aus der nach der Tiefe sehenden Fläche des
Arrektors „rückwärts", vom Haare hinweg, aber dabei in der durch das
Haar und den Arrektor bestimmten Ebene bleibend, und zwar oft genug
Zur Kenntnis der Gntismyome. 229
in Form von breiten, oberflächenparallelen, flachen, geschichteten Platten
und Bindern, die sich nnter der Sabpapillarsohicbt, in der Mitte der
Dicke des Goriams, in seiner Tiefe dahin erstrecken. Alle derartigen
Bilder tragen noch den Arrektorencharakter aufgeprägt in dem Vorwalten
breiter, parallelfaseriger Mnskelfläohen Ton schräg nach abwärts gerich-
teter Anordnung ihrer Elemente; je mehr aber die eben beschriebenen
Bündel der einen wie der anderen Art, dem Riesenarrektor entwachsend
und im Schnitte vielleicht gar nicht mehr mit ihm zusammenhängend,
sich aus eigenem Stoffe verstärken, sich übereinander und durcheinander
schichten, sich aus ihrem ursprünglichen Verlaufe nach oben, nach unten,
nach der Seite wenden, sich an typisch oder atypisch gerichtete Bündel
eines anderen Haarbalgmuskels anlegen, sieht man neben dem unver-
kennbaren Arrektorentumor mit seinem charakteristischen Faserverlauf
und seiner zuweilen noch spindeligen Oestalt unregelmäßig geformte und
zusammengesetzte neue Tumoreinheiten entstehen, deren Ableitbarkeit
von normaler Hautmuskulatur und deren Zugehörigkeit zu diesem oder
jenem Arrektorindividuum keineswegs ohne weiteres klar zu sein braucht.
Wo nun diese Entwicklung, deren Fortgang man in meinen Präparaten
in allen ihren Stufen verfolgen kann, im höchsten Grade ausgebildet ist,
in den größten Geschwülsten, die, so viel ich sehe, aus den Zweigen
mehr als eines Arrektors erwachsen und verstrickt sind, da endlich
findet man im Schnitte nichts anderes als das von fast allen Verfassern
ausschließlich geschilderte Bild der regellos durcheinander geflochtenen
Muskelbündel; beim Versuche, von einem Arrektor aus, der den Mutter-
boden des Muskelknotens bildete, einen einzelnen Faserzug durch das
Dickicht der Bündel zu verfolgen, fand ich ihn auf krausesten Wegen,
in gebrochener Linie, die geradezu an das Schema einer Rösselsprung-
aufgabe erinnerte, einen großen Teil des Tumors durchschweifen.
Der Sitz der Geschwulstmassen ist die Cutis. Wo Arrektoren
das Bild beherrschen, sieht man bei günstiger Schnittrichtung das ganze
€orium von der Subpapillarschicht bis an das subkutane Gewebe von
Muskulatur durchsetzt. Die Wuchernngsmassen von nicht mehr typi-
scher Anordnung der Bündel können die verschiedensten Schichten
des Coriums einnehmen; die größten von ihnen füllen gleichfalls den
ganzen Raum zwischen subpapillärem Gewebe und (Jnterhaut aus, können
aber ausnahmsweise auch in das erstere noch eindringen und nur einen
schmalen Streifen von Bindegewebe zwischen sich und der Epidermis
bestehen lassen, andererseits mit ihren Ausläufern auch noch das Fett-
gewebe betreten. Dabei stellen Schnitte durch die Riesenarrektoren trotz
aller Bündelung doch immer große, gleichmäßige, nur von wenig Binde-
gewebe darchzogene Flächen zur Schau; an den übrigen Wucherungs-
massen zeigen sich weniger ausgedehnte Felder gleicher oder verschie-
dener Faserrichtung, welche aneinander herantretenden oder miteinander
sich verflechtenden Bündeln entsprechen, geschieden durch breitere oder
schmälere Bindegewebszüge, die nun aber auch ins Innere dieser Felder
eindringen und in immer weiter gehender Verteilung in ihnen eine immer
230 Sobotka.
feinere anyolktandige Septieruag zuwege briogen. Diese Zerlegung durch
gröbere nnd zartere Bindegewebslamellen macht sich um so mehr geltend,
je weiter ein Mnskelgebilde sich bereits von dem gleichmäßigen and
gesetzmäßigen Bau des Arrektors entfernt hat Die Breite der Zwischen-
züge, auch deijenigen, welche die grundlegende, durchgreifendste Teilung
vorzunehmen haben, ist in der größten Geschwulst in ihren mittleren
Teilen gering, die Muskelmassen sind hier dichter gefügt; gegen den
Umfang der Geschwulst zu wird ihr Bau lockerer, die Septiemng
gröber. Die Scheidewände einfachster Ordnung sind begreiflicher Weise
allenthalben nichts anderes als unmittelbare Ausläufer des allgemeinen
Cutisgewebes, das den ganzen unregelmäßig begrenzten, nach dem ge-
sagten keineswegs in sich geschlossenen Geschwulstkörper, der nur in
seinen größten Exemplaren in gerundeten Umrissen etwas bestimmter
zusammengefaßt ist, von allen Seiten umspult, aber durchaus nicht ab-
kapselt und in niedrigeren Graden der Tumorbildung die von verschie-
denen Arrektoren abstammenden WucLerungsmassen aufs deutlichste,
selbst durch breite Räume, von einander scheidet. £ntfemt von diesen
Hauptmassen tauchen allenthalben im Bindegewebe vereinzelte Muskel-
bündel auf, inselartig, scheinbar zusammenhanglos, in Wirklichkeit bei
genauer Durchsicht der Serie auf irgend einem Wege auf einen Arrektor
zurückführbar. Ob es aber etwa dcch Bündel gibt, die mit den Arrektoren
nichts zu tun haben? In einer Reihe von Fällen vermag ich tatsächlich
gewisse Bündel nicht nur nicht an einen Arrektor, sondern überhaupt an
keine Muskelmasse zu verfolgen. Es handelt sich dabei ganz typischer
Weise immer um zarte Züge, die nach ihrer Lage und Verlaufsricbtung
an Arrektoren oder Arrektorenwurzeln erinnern und die dann gewöhnlich
in der Nähe größerer Muskelgebilde enden, von ihnen durch Binde-
gewebe von normalem Kernreicbtum und normaler Dichte geschieden.
In einem dieser Fälle, in dem ein feines Muskelbündel an der normaler
Weise arrektorfreien „Vorderseite^ des Haarbalges seltsam parallel zu
diesem hinabläuit, der typische Arrektor an typischer Stelle aber fehlt,
mag es sich um eine Mißbildung dieses Muskels handeln; für den Rest
der Beobachtungen fallt es mir schwer, den Eindruck der Unabhängigkeit
der fraglichen Bündel ganz auf die spärlichen Lücken in meinen Serien
und kleine Un Vollkommenheiten dieses oder jenes Schnittes zurückzu-
führen oder gar nachträgliche Trennung durch Zwischenwuchem von
Bindegewebe (kein Anzeichen dafür) oder durch zerdehnende Wirkung
der Muskelzusammenziehung anzunehmen.
Was bisher geschildert wurde, sind die allgemeineren Verhältnisse
der Muskulatur; es ist aber noch einer Reihe von Besonderheiten dieser
Gewebsart zu gedenken.
Da ist zunächst das eigentümliche Bild, das manche quergetroffenen
Bündel liefern. Wohl begegnet man Querschnitten, die vollkommen das
gewohnte Aussehen, die bekannte Gliederung in ungleich große poly-
gonale Felder darbieten. Aber in ihnen taucht nicht selten da und dort
eine kreisrunde oder rundliche Lücke auf, in anderen Querschnitten über-
Zur Kenntnis der. Gntismyome. 231
wiegen diese Lücken, und in niobt wenigen sind alle Faserfäclier gekenn-
xeichnet durch kleinere oder größere, konzentrisch oder exsentrisch ge-
legene Lücken, die in ein Masohenwerk von ungleichmäßig feinen und
dicken muskelfarbenen Balken gefaßt sind. Beste von Protoplasma können
in yersohiedenartiger Anordnung noch als Einschlüsse der Lücken oder
als Bandvorsprünge stehen geblieben sein. Der Kern ist, wenn ihn der
Schnitt überhaupt getrofifen hat, gewöhnlich an oder in der Wandung zu
finden. Das gesamte Aussehen erinnert ungemein an das Sonnenbildchen
der Kervenquerschnitte — ein Urteil, das mehrere besonders geschulte
Beobachter, denen ich meine Präparate zeigte, ganz unabhängig von-
einander aussprachen. Längsgetroffene Muskelzüge, welchen dieselbe Ver-
änderung eigen ist — wie sich bei dem nicht seltenen Umbiegen eines
solchen Bündels um 90® leicht feststellen läßt — sehen mit ihren zahl-
reichen spindelförmigen Längslücken, die von verkrümmten, verschrumpften
Balken und Fasern eingeschlossen werden, unvergleichlich lockerer ge-
fügt aus als normale. — An Bündeln, an denen diese Lockerung des Gefoges
nicht statt hat, also gerade an den mehr typischen, sind die Grenzen
zwischen den einzelnen Fasern in der Regel nur ganz undeutlich zu
erkennen.
Ebensowenig zu übersehen wie die eben geschilderte, wenn auch
von mehr beschränktem Vorkommen, ist eine zweite Erscheinung. Mehrere
Riesenarrektoren in zwei verschiedenen Hautstücken — auffallender Weise
niemals die ihnen femerstehenden jüngeren Muskelmassen — sind eine
Strecke weit in ihrem Verlaufe ganz oder teilweise unterbrochen. Die
Stelle des normalen Muskelgewebes nimmt hier ein feinkörniger, manch-
mal auch mehr scholliger, durch polychromes Methylenblau gar nicht,
durch van G i e s o n sehe Mischung mattgelb färbbarer Stoff ein, der auch
in ein zartestes, zuweilen sehr dichtes, durch van Gi es on -Färbung und
durch Weigert sehe Fibrinfärbung nicht deutlicher darstellbares Netz
eingelagert sein kann. Gewöhnlich ist dabei zwischen den beiden noch
ziemlich normalen, fast plötzlich abbrechenden oder schon deutlich vom
Beginne der Veränderung erfaßten seitlichen Muskelstümpfen ein großer
Teil der Substanz überhaupt ausgefallen, die Lücke dann außer durch
die detritusartige Masse etwa durch Reste der Muskelfasern in der nor-
malen Verlaufsrichtung oder auch durch eine Art farbloser Membran-
fetzen überbrückt. In dem Degenerationsherd ist auch das Bindegewebe
gar nicht mehr oder doch schlechter gefärbt zu erkennen; die Muskel-
keme, soweit sie nicht mit ausgefallen sind, liegen verkrümmt und ver-
worfen, sind aber an Färbbarkeit im ganzen kaum beeinträchtigt.
Die Kerne undegenerierter Stellen geben zu etwas aus-
führlicherer Besprechung Anlaß. Im allgemeinen sind sie in bekannter
Weise stabförmig oder auch spindelförmig, auch etwas gebogen oder ge-
wunden mit abgerundeten Enden, übrigens im Durchschnitt vielleicht
etwas länger als ganz normale Muskelkeme; sie besitzen dabei 1 — 2 und
mehr Eemkörperohen, die namentlich durch polychromes Methylenblau
aufs deutlichste dargestellt werden und daneben kleinere Anhäufungen
232 Sobotka.
von Chromatin, die sehr h&nfig in einer Zeile der Achse nach g^eordnet
sind. Doch in vielen F&llen zeigen sie in einem oder dem anderen Merk-
male Abweichungen von diesem ans im gansen geläufigen Aussehen. Oft
sind sie küner, dicker, rundlich, in anderen Fällen sehr lang — bis sa
60 f* — und dabei schmal, oder aber lang und dick als wahre Biesen-
keme, die indessen nicht häufig und meist auch nur in einzelnen Exem-
plaren vorkommen. Der Sättigungsgrad ihrer Farbe ist sehr verschieden.
Nur im allgemeinen sind Kerne von größerem Querdurchmesser auch
dunkler. Hie und da sind die Kerne stark verkrümmt. Sehr vielfacher
Art sind — gans unvorgreiflich gesprochen — Veränderungen der Kerne
im Sinne einer Zerlegung. So findet sich zuweilen nur eine feine quere
Trennungslinie, die den Kern in Hälften teilt, oder eine leichte Ein-
schnürung in der Mitte; zuweilen sind die Hälften bereits ein wenig aus-
einandergerfickt, mit noch scharfen Ecken an der Trennungsstelle, io
anderen Fällen mit schon abgerundeten Ecken als offenbar zusammen-
gehörige, aber selbständige Kerne. Die Glieder eines solchen Kempaares
können auch eine andere Stellung zu einander einnehmen, schräg oder
ausnahmsweise auch annähernd parallel aneinandergelehnt liegen. Dann
wiederum sieht man einen Kern — doch gilt die^ nur von den größten
— durch feinste quere, aber ab und zu daneben auch längsgerichtete
Trennungslinien in mehr als zwei, in eine ganze Anzahl von Bruchstücken
zerfallt, die aber in engster Berührung liegen oder auch schon etwas
lockere Anordnung haben. Oder man findet überhaupt nur eine kurze
Reihe von verhältnismäßig kleinen, kurzen, länglich runden Kernen, die
voneinander getrennt, aber in einigen Fällen mit parallelen und dabei
schräg zur Achse der Gesamtgruppe gerichteten Längsachsen wie die
Prellsteine einer ansteigenden Landstraße nebeneinander gestellt sind.
Allen den Arten von Teilkemen, die hier beschrieben wurden, kann ein
Nucleolus entweder zukommen oder fehlen. Die Tiefe ihrer Färbung ist
sehr verschieden. Endlich kommt bei gewissen, ganz langen, fast faden-
artig schmalen Kernen noch eine Besonderheit vor: die Kernmembran
ist erhalten, ihr Inhalt wie in Stücke zerfallen, nur streckenweise von
färbbarer Substanz dargestellt, während sich an einer Nachbarstelle viel-
leicht ein ganz ähnliches Kerngebilde schon in eine bloße Reihe von
Flöckchen aufgelöst hat. Karyokinetische Teilungsfigaren habe ich nie
gesehen.
Die elastischen Fasern im und am Maskelgewebe sind von
sehr charakteristischer Verteilung. Namentlich an den Wurzeln der Ar-
rektoren sieht man sie die Muskulatur in normaler Weise einsäumen und
umspinnen; in den Arrektoren selbst, den weniger und den mächtiger
gewucherten, sind sie in geringer Zahl und zwar hauptsächlich als feine,
besonders längsgerichtete, doch auch in jedem anderen Sinne verlaufende
Fädchen vorhanden. Je weiter ein Muskelbündel sich entstehungsgeschicht«
lieh vom Arrektor entfernt, desto reichlicher im allgemeinen und desto
kräftiger werden die elastischen Fasern ; den Verlauf in der Längsrichtung
des Bündels bevorzugen sie auch hier. Die Zunahme des elastischen Ge«
Zar Kenntnis der Gutismyome. 233
webes soheint also deijenigen der kontraktilen Subetanz nicht in gleichem
Schritte gefolgt zu sein, sondern sie überholt za haben. Besonders auf
Querschnitten sieht man, daß der Verlauf der elastischen Fasern mit
denjenigen der Bindegewebsfasern im Muskel nicht völlig übereinstimmt.
Gef&ßchen finden sich in den gröberen, aber auch in den fei-
neren Septen zwischen den Muskelbündela in den kleineren wie in den
größeren Geschwülsten. Aber auch durch die Muskelbündel selbst sieht
man Kapillaren in mäßiger Zahl, zum Teil ohne fbrberisch darstellbare
Bindegewebsscheide, in yerschiedenen Richtungen verlaufen.
Neben den Veränderungen und Eigentümlichkeiten des Muskel-
gewebes treten diejenigen der übrigen Gewebe der Haut an Bedeutung
zurück. Die im ganzen auch abseits von Wucherangsherden etwas schmale
Epidermis weist eine einigermaßen sichere Beeinflussung durch die
gegen sie vordringenden Gescbwulstmassen in Gestalt eines mehr ge-
streckten Verlaufes der Papillenzapfengrenze kaum an einer einzigen
Stelle auf. Das Stratum comeum ist stark zerschlissen, sonst ohne Be-
sonderheiten, das ein- bis zweizeilige Granulosum ganz normal, in den
Zellen des Stratum spinosum hat stellenweise Erweiterung der Kernhöhle
statt, die Basalschichte enth<, wie es dem blonden Typus des Mannes
entspricht, außerordentlich wenig Pigment. Die Haarbälge sind nicht
spärlicher als normal, enthalten sämtlich Haare, nirgends sind Spuren
eine« Unterganges von Haarbälgen zu erkennen; dagegen sind manche
der kürzeren im tieferen Teile ihres Verlaufes durch Myommassen in eine
mehr oberflächenparallele Richtung gedrängt. Außerordentlich stark ent-
wickelt sind die bekannten Sprossen der Haarbälge; sie ragen mit samt
ihrem Bindegewebsstroma ungemein tief in die mächtigen Ansatzbündel der
Arrektoren hinein. Die an einem Haarbalge ohne Arrektor vorhandenen
Auswüchse sind dagegen sehr kurz geblieben. Man erhält so den Ein-
druck, daß die Länge der Haarbalgsprossen eine Funktion der Massen-
entwickluDg des Arrektors im U n n a scheu Sinne ist. — Die Talgdrüsen
sind klein, ohne Besonderheiten. — Die Schweißdrüsen sind in Bau nnd
Lagerung vollkommen normal, ihre Muskulatur ist zum mindesten nicht
gewuchert. Von ihren Ausfuhr ungsgängen ist immerhin erwähnenswert,
daß an zwei Stellen je ein solcher Gang mit seiner ganz dünnen Binde-
gewebshülle durch die ihn eng umschließende Muskel masse geraden weges
hindurchtritt. — Die Darstellung der Nerven litt einigermaßen unter der
Alkoholfizierung meiner Präparate, die eine spezifische Darstellung nicht
zuließ. In die Muskulatur hinein konnten keine Zweige verfolgt werden.
An den gröberen und feineren Stämmchen, die das Bindegewebe durch-
ziehen, wurde nichts auffälliges gefunden; daß ab und zu ein Nervenast
auch in einem bindegewebigen Felde entdeckt wurde, an das von ziem-
lich allen Seiten Muskelbündel verschiedenster Kontraktionsrichtung
herantreten, daß also in diesem weitesten Sinne des Wortes auch einmal
ein Nervenast von Muskulatur umschlossen ist, das ist für die Theorie
der Schmerzanfälle wohl kaum bedeutungsvoll. — Von dem kollagenen
Gewebe ist bereits gesagt, daß es nirgends um die Muskulatur zu einer
2d4 SobotkA.
Kapsel verdichtet liegt. Aach die ihm eingelagerten elaetisohen Faeera
bieten nichts bemerkenswertes dar. — Die Gefafie sind von normaler BÜ«^
dang der Schichten, von denen die Maskalaris also an keiner Stelle als
yerst&rkt anzasehen ist and noch viel weniger etwa Bändel aas ihreni
normalen Bereiche in das Bindegewebe hinaassendet ; aa£Eftllig ist im
Hinblick aof diese Verhältnisse nor der einmal gemachte Befand, daß eia
feines Maskelbündel, das sich mit voller Sicherheit in eine Arrektor-
geschwalst xaräckverfolgen läßt, seine elastischen Fasern mit dem elaeti-
sohen Geräste einer benachbarten großen, an der Sabcatisgrenie gelegenea
Yene verflicht. Aach erweitert sind die Gefäße nicht erheblich and bia
auf einige wenige Stellen der oberflächlichen Pars reticolaris oatis, sux
denen die Zahl der Kapillaren aaffallen mag, auch nicht in irgend be-
merkenswertem Grade vermehrt — Als nicht normaler Bestandteil der Haut
endlich ist in sie eingelagertes Infiltrat an erwähnen. Die Stärke seiner
Entwicklang in den drei Präparaten geht, ganx allgemein gesprochen,
mit derjenigen der Muskelhyperplasie parallel. Es besteht aasschließlich
aas einkernigen Zellen vom Aassehen der Lymphocyten, aas Fibroblasten,
denen man auch abseits dieser Zellansammlangen gelegentlich begegnet,
and aas zahlreichen Mastsellen, die man übrigens nicht ganz spärlich
aach aaßerhalb der Infiltrate frei im Biodegewebe and besonders entlang
der Gef&ße vorfindet, während Plasmasellen vollständig fehlen. Das snb-
katane Gewebe ist ganz frei von Infiltration, die Gatis aaßer an einigen
Stellen ihrer unteren Grenze in ihrem Stratum reticalare mit geringen
Aasnahmen schwach beteiligt, wo nicht gerade Haarbälge and Talg-
drüsen liegen, die allerdings oft ein verhältnismäßig starkes Infiltrat
nm sich sammeln and aach eine leichte Kemvermehrang ihrer
Bindegewebsamhüllang aufweisen können; die Kapillaren des sabpapil-
lären Stratums sind oft dicht eingescheidet und ihre PapiUenästchen
kenntlich durch mäßige Ansammlungen von Zellen, von welchen einige
auch in die Lücken der Keimschicht des Epithels übergetreten sind. Die
Schweißdrüsen bleiben fast unbeteiligt. Nirgends sind die Nerven von
der Entzündung betroffen. Eine besondere Beziehung zur Gesohwalst-
messe, etwa eine Zellenablagerang an deren Oberfläche, besteht durch-
aus nicht; Infiltrate in den feineren Muskelsepten sind selten, im Muskel-
fleisch selbst fehlen sie so gut wie ganz. (Sehiufi folgt.)
Archiv fOermalologie u. Syphilis Band LXXXK.
r,g.3.
Sobolka^Beilrige Z.Kenntnis d.CuÜsmyome,
Ans der kaiserlichen dermato-nrologischen Universitätsklinik
in Tokyo, Japan. (I^irektor: Professor Dr. E. Sohi.)
Ein Beitrag zur Pathologie und Statistik
der Epididymitis gonorrhoica.
Von
Dr. T. Tanaka aus Tokyo, Japan.
Die Epididymitis gonorrhoica, die als eine Komplikation
der Urethritis gonorrhoica des Mannes auftritt, treffen wir unter
allen Komplikationen nächst der Gystitis cerbicale am häu-
figsten an.
Da die Epididymitis oft die Zeugungsfiinktion beschädigt
und also die Fruchtlosigkeit verursacht, so hat diese Krankheit
unter allen Tripperkomplikationen das innigste Verhältnis zur
Sozialfrage und verdient in dieser Hinsicht unsere genaue Unter-
suchung auf die Verhältniszahl ihres Auftretens hin. Leider
haben wir noch keine zuverlässige statistischen Arbeiten über
diese Krankheit, und verschiedene Berichte verschiedener
Autoren hierüber zeigen immer noch verschiedene Ziffern.
Seh äff er (1) meint, daß der Tripper bei dem Manne sehr
häufig vorkommt, der in Folge dessen an der Nebenhodenent-
zündung auch häufig leidet und daher dem Arzt keine genaue
richtige Klage über seine Krankheit macht.
Außerdem hält Finger (2) die Statistik über die Häufig-
keit der Epididymitis nicht für genau, die dem Hospitalmaterial
entnommen sind, da die Patienten aber erst dann das Hospital
aufzusuchen pflegen, wenn sie schon lange an der Nebenhoden-
entzündung gelitten haben und wegen der Schmerzen nicht
mehr arbeiten können. Aber auch die ambulatorisch be-
handelten Tripperkranken können nicht ohne weiteres ein
236 Tanaka.
richtigeB Bild liefern, da sie oft die Heilung unterlassen, sich
an einen anderen Arzt wenden, oder yon ihrer Anamnese
keine richtige Angabe machen« So müssen wir die Statistik
über das Hospitalmaterial yon dem über die ambulatorisch
behandelten Kranken genau unterscheiden. Falls aber ein
Patient einmal ambulatorisch behandelt und dann ins Hospital
aufgenommen worden ist, so ist eine solche Unterscheidung
nicht mehr nötig. Immerhin müssen wir den Fall ins Auge
fassen, daß ein und derselbe Kranke mehrere Male am Tripper
leidet, oder schon lange vom Tripper überfallen und an der
chronischen Erkrankung leidet und infolge von Unmäßigkeit
und schlechter Behandlung manchmal Exacerbationen erleidet
und jedesmal die Nebenhodenentzündung wieder weckt Femer
muß man berücksichtigen, daß es solche Tripperkranke gibt,
welche ihrer leichten Erkrankung und stumpfer Empfindung
wegen Ton ihrer Krankheit gar keine Ahnung haben und selbst
bei der Eintretung kleiner Schmerzen diese für eine Art
Neuralgie halten. Einige Kranke sind ja noch stumpfsinniger,
daß sie verhältnismäßig ernstere Schmerzen und sogar gewisse
Erhitzung einer infektiösen Erkältung zuschreiben und erst
bei der Nebenhodenanschwellung auf die richtige Meinung
kommen, daß sie von der Nebenhodenentzündung überfallen
worden sind. Aus dem gesagten ergibt sich, daß die bloß
temporal verlaufende Entzündung weder vom Kranken noch
dem Arzt verspürt werden kann und somit unserer stati-
stischen Betrachtung entgehen muß. Außerdem ist hier er-
wähnenswert, daß die Urethritis nongonorrhoica resp. die
Urethritis gonorrhoica eine Mischinfektion verursacht und in-
dem durch die Bakterien eine Epididymitis nongonorrhoica
zu stände kommt. Darum sah Bockhart (3) in einer Ure-
thritis, die von den aus der Geschlechtshöhle infektiös fortge-
pflanzten Spaltepilzeo, Mikrokokken und Streptokokken ovoida
erweckt wurde, wohl die Ursache der Nebenhodenentzündung.
Gustav (4) sah auch faktisch, wie die Urethritis nongonorrhoica
die Nebenhodenentzündung erzeugt. Bernstein (5) besagt,
daß Friedländer sehe Bakterien ebenfalls eine Nebenhoden-
entzündnng aufkommen lassen« Nach Galewsky (6) er-
weckt die chronische Urethritis nongonorrhoica eine Neben-
Ein Beitrag idt PkÜioI. and Statiatik der Epididymit» gon. 237
hodenentzüodung, t. Hof fmann (7) erstattet uns eine wichtige
Uittejlung über den Bakterienznstand in der Urethritis chronica,
EUenberg (8)tiber die Epididymitis idiopathios und Naught
(11) über die Epididjmitis thyphosa. Anfierdem treffen wir gar
oft die tuberkulöse EpidldjinitiB. So ist es noTerkennbar
nötig, alle solche Arten klar zu unterscheiden. Da aber diese
Sache außerordentlich schwierig ist, so müsBeu wir nnsere Be-
obachtung anf das Gebiet der klinisch als solche diagnosti-
lierten EpididTmitis gonorrhoica beschränken. Zunächst folge
die Tabelle, welche die von Terscbiedeoen Autoren diesbezüglich
mitgeteilten Ziffern ersicbütcb macht.
TabellB I.
Bir>uii<aU (9) .
-
-
8-2
-
Ha.pltll«r
Flmer (2) . . . .
18«
648
29-S
lJ.Ii^
,
Wrter (9) . . . .
—
-
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1890
„
MM (S) . . . .
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678
27-9
—
-
Slmonli, 1. (]0) .
—
—
27-6
1B97—
—
Tlchaninw (9) .
Sr.5l"g!::
9886
406
17-8
1901
1886
Iillifln (2) . . . .
2600
sei
lS-2
1903
PMZtllD.Por|BS(9)
8984
560
14-2
1872
Tarnowikf (9) . .
6208
637
12-9
—
Fingar (9) . . . .
1000
125
13-5
1901
LeCI«re,D«y4i7(9)
_
—
12-0
1900
Tanwtky (») . .
667
77
11-7
1904
Mu (9) . . . .
612
91
11-7
-
-
Gutmutt (12) . .
44
5
11-8
1904
„
WM«I>«« (9) ■ ■
—
108
8-4
1896
—
Berg (9) ....
—
—
76
1882
—
fiebert (9) . . . .
850
"
7-0
1898
—
Wien
Leipngn. Wien
Würebni^
Leipzig n. Wien
Pelenbarg
238
Tanaka.
y. Zeissl (13) gibt in seinem liehrbuch die Differenz von
10—30% und Schäffer die von 4—40% an.
Die Angabe von Patienten ist nicht immer richtig. Es
ist z. B. sehr möglich, daß einer die Hodenanschwellung für
die Nebenhodenentziindung halten kann und auf diese Weise
dem Arzt eine falsche Mitteilung macht. So muß der Arzt
immer vorsichtig sein und auf den Zustand des betreffenden
Patienten möglichst eingehende Untersuchung machen.
Es wird viel gestritten, ob die Epididymitis gonorrhoica
mehr die linke Seite angreift oder die rechte. In Europa ist
die Meinung entstanden, daß diese Krankheit meistens die
liuke Seite überfallt, da man den Geschlechtsteil an der linken
Seite der Hosen trägt, und die linke Hode mehr Druck und
Zug erleidet als die rechte. Finger (2) behauptet dagegen,
daß diese Unterscheidung gar nicht nötig ist, da diese Differenz
bei der vielseitigen Beleuchtung wenig von Bedeutung ist
Zeissl aber sagt, daß die Krankheit mehr auf der linken
Seite auftritt. Außerdem gibt es verschiedene Ansichten, die
bald die linke, bald die rechte Seite als die häufiger erkrankte
hinstellen. Immerhin ist die Differenz stets sehr klein. Jeden-
falls ist die Erkrankung der beiden Seiten sehr selten und
die gleichzeitige Erkrankung der beiden Seiten noch weit
seltener. Gewöhnlich beginnt sie von irgend einer Seite, d. h.
von links oder rechts. Nun die hier bezüglichen Ziffern ver-
schiedener Autoren:
Tabelle II.
Linke Seite
Rechte Seite
Beide Seilen
Summa
Autor
Zahl dea
Auf-
k ommeTka
•
H
s
a
S 6
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•
M
O
a
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•
M
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Ramorino (2) .
Jordan (9) . .
Audry (2) .
Castelnau (2) .
Fournier (2) .
lullien (2) . .
TuratI (2) . ,
87
49
62
183
126
182
192
661
68-8
62-0
50-1
47-9
47-6
441
29
82
40
125
102
167
191
43-9
35-1
39-4
47-2
41-8
43-7
46-8
0
10
7
7
35
33
26
0
IM
8-6
2-7
10-3
8-7
61
66
91
99
266
263
382
408
Fürt
ra
?•
•
771
686
—
117
—
1574
Ein Beitrag zur Pathol. und Statistik der Epididymitis gon. 239
Autor
Linke Seite
-^ o
N
M
s
Rechte Seite
*• o
N
e
Übertrag .
Finger (2) ,
KOhn (2) . .
Breda (2) .
H. V. Zelsel
(13)
Sigmund (2)
Le Fort (2) . .
Curling (2) . .
Unterberger (2)
D'Espine (2) .
Gunberini (2) .
Gautsaile (2) .
771
251
67
58
83
48
200
14
25
11
10
24
45-8
44-9
48*8
48*4
421
40-8
888
88-4
87-9
86-7
32-9
1507
45*6
686
275
70
64
36
60
249
21
85
12
15
45
501
46-9
54-8
47-8
52-6
50-8
58*3
53*8
41*4
58*5
61-6
Beide Seiten
8 S
117
22
12
4
7
6
41
1
5
6
8
4
M
e
Summa
4*1
8*2
14
10-3
5*8
8*4
2*9
7-8
20*7
10*8
5*5
Z S
fcq 2
1574
548
149
121
76
114
490
86
65
29
28
78
1568 47*4 228
6*9 3803
Tabelle III.
Aaülatraten
A Q t o r fl
» n
w
(13)
(•)
In d«T (dam)
Fingen Ziffer
R. Berght ZUfer
Jordans Ziffer
Zahl der Bpididy
m i t i •
1. Woche ....
46
27
2
2. , .
156
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12
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182
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4- , ■
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24
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6. . .
182
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61
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1
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2
8. Monat
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Zahl der Epididy
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• 1 _
—
2
8
Somm
a . .
k
1016
218
91
Das Maximum der NebenhodenentzÜDdungen durch die
Urethritis gonorrhoica fallt auf das Ende der 3. Woche oder
den Anfang der 4. Woche des Trippers, wo die Urethritis
anterior auf die Urethritis posterior übergeht, d. h. das akute
Stadium auf das subakute. Falls man im Anfange des
akuten Stadiums mittels eines Instrumentes den Eiter in die
innere Tiefe hineintreibt und somit eine Urethritis posterior
ZU Stande bringt, so kann man in einer Woche schon die
Nebenhodenentzündung wahrnehmen. Wie die folgenden Stati-
stiken von Finger, Bergh und Jordan (9) uns zeigen,
tritt die Nebenhodenentzündung innerhalb der 5. Woche nach
der Infektion des Trippers fast ebenso oft auf^ wie die Elrank-
heit selbst wegen der Steigerung der Erkrankung im Ver-
laufe des chronischen Stadiums.
Zahl und Zeit des Auftretens der Epididymitis nach der
Dauer des Trippers siehe in der Yorstehenden Tabelle in.
Was die Jahreszeiten anbelangt, so ist früher einmal
von Finger (14) auf Qrund von Beobachtungen an der Zeissl-
schen Klinik die Vermutung ausgesprochen worden, daß die
Jahreszeiten für die Entstehung der Nebenhodenentzündung
Bedeutung haben, insofern, als das Maximum derselben in
Ein Beitrag lur Pathol. and Statistik der Epididymitis gon. 241
die Zeit der anhaltenden Trockenheit und größten Hitze fallen
soll. Dementgegen spricht sich Jordan aus, daß die Jahres-
zeiten keinen namhaften Einfluß darauf hatten.
Auch das Alter der Tripperkranken hat nach Jordan
keinen besonderen Einfluß auf das Auftreten der Epididymitis.
Er hat bloß anerkannt, daß in der Periode, wo Tripperer-
krankungen zahlreich sind, die Nebenhodenentzündungen gleich-
falls zahlreich sind.
Über die Verhältniszahl der Nebenhodenentzündungen
und deren Behandlungen haben wir Le Forts Bericht. Der
ist folgender:
Art und Weise der Behandlung und Pflege:
KrankeniAhl
Einnahme der Balsammittel 78
Einspritzen in die Harnröhre 82
Einnahme der Balsammittel nebst dem Einspritzen in die
Urethra 60
Die Art und Weise der Behandlung unbekannt 97
Ohne Behandlung und Pflege 262
Summe 576
Das Auftreten der Nebenhodenentzündung ist, um mit
Finger zu redeui bei unbehandelten Tripperkranken am
häufigsten. Diejenigen Patienten, die die Krankheitspflege
yemachlässigen, müssen ebenfalls oft an der Nebenhoden-
entzündung leiden. Doch ist diese Krankheit nicht der ver-
nachlässigten Behandlung allein zuzuschreiben.
Die Yorliegende Arbeit ist im Zeitraum von rund 2
Jahren (Januar 1903 bis Dezember 1904) auf dem Ambula-
torium des Professor Dr. K. Dohi an der dermatologischen
Abteilung in der medizinischen Fakultät zu Tokyo unternommen
worden. Die Gesamtzahl der hier ambulatorisch behandelten
Patienten betrug 6218, worunter 4602 Männer waren. Der
jüngste dieser Tripperkranken war 17 Jahre alt Wir hatten
also 4045 Männer, die alle über 17 Jahre alt waren und in
unseren Betrachtungskreis gezogen werden sollten. Die Tripper-
kranken betrugen 674, und die Prozentzahl war also 16*7%.
Zählen wir die Männer über 17 und unter 40 Jahre alt, so
ist ihre Gesamtzahl 3695, d. h. 18*27o- Jedenfalls ist meine
Areh. f. D«rmat. u. Sjph. Bd. LXXXIX. 26
242 Tanaka.
Zahl kleiner als die des Okamura (15). Diese Differenz
läßt sich aber dadurch erklären, daß ich bloß die gegenwärtig
leidenden Kranken zählte, während Okamura auch die Fälle
in der Anamnese mitzählte.
Jordan zählt unter 493 dermatologischen und urolo-
gischen Kranken, über 19 Jahre alt, 487o Tripperkranke.
Erb (16) sah unter über 25jährigen Kranken 60% Tripper-
kranke. Die Verhältniszahlen der beiden Autoren sind wohl
größer als die meinigen. In der Tat haben wir aber neuer-
dings durchschnittlich 883 zweimalige Patienten gehabt, unter
denen 728 Männer sind, und von ihnen leiden 314 an Tripper,
die übrigen aber an Hautleiden oder Syphilis. So bietet
sich uns die Yerhältniszahl der Tripperkranken als iS'l% dar,
was Jordans Ziffer näher steht.
1. Verhältnis der Nebenhodenentzündung zur
Urethritis.
Unter meinen 674 Tripperkranken fanden sich 75
Patienten, welche zur Zeit der Untersuchung gerade an der
Nebenhodenentzündung leidend waren; es macht also 11'1%-
Unter der Nebenhodenentzündung habe ich auch die-
jenige Krankheit yerstanden, welche die Peridiferentitis resp.
Funiculitis begleitet und auf dem betreffenden Teile des
Leidens eine starke Infiltration verursacht, femer diejenige
Krankheit, welche am Nebenhoden zwar keine Infiltration Ter-
spüren läßt, doch ge?d8sermaßen Schmerzen erweckt Denn
solche Zustände sind pathologisch sowohl wie histologisch
schon als Kanälchenentzündungen anzusehen. Die Erkrankung,
die außer der Verdickung und Verhärtung des Nebenhoden
auch die Verdickung der Spermatis erzeugt, habe ich natürlich
hier mitgezählt. In meinen bisherigen Untersuchungen sah
ich noch keine Spermatisentzündung, welche mit Störung am
Nebenhoden nicht in Gesellschaft auftrat.
Was aber die leichten Entzündungen in Begleitung mit
der Yorübergehenden Ejaculatoritis, Deferentitis und Kanälchen-
entzündung ohne besonderen Schmerz und ohne Spur der
Ein Beitrag zur Pathol. und Statistik der Epididymitis gon. 243
Infiltration anbelangt, so können wir noch nicht auf eine
Nebenhodenentzündung schließen. Wenn aber die Erkrankung
Hitze erweckt oder gewisse drückende Lokalschmerzen ver-
«irsacht, dann können wir sie zu unserer Statistik gebrauchen.
Erweckt sie dagegen bloß einen leichten Schmerz, so können
wir sie nicht gleich zu unserem Gebiete mitzählen, da ein
solcher Schmerz ebenso gut auch von der Neuralgie her-
kommen kann. Falls aber die Körpertemperatur steigt und
Lokalschmerzen heftig werden, dann ist es klar, daß die
NebenhodenentzünduDg schon eingetreten ist, und man kann
<lann sogar eine gewisse Verdickung wahrnehmen. Von der
Anamnese des Patienten kann man keine Genauigkeit er-
warten, da die Patienten nach dem Verlaufe vieler Jahre den
größeren Teil ihrer vergangenen Erkrankungen vergessen
haben. Unter meinen Patienten gab es 18, die sich an ihre
damaligen Nebenhodenentzündungen noch erinnern konnten.
Die Gesamtzahl meiner Epididymitiskranken betrag 93, ein-
schließlich der gegenwärtig leidenden Kranken, die Verhältnis-
zahl ist demnach 13'8% (s. IV. Tabelle). Diese Ziffer kommt
noch an Gassmann (12) 11.3 7o) Jordans ll*77o und
Tarnowskys 11 '7%, Diese Ziflfern beziehen sich alle auf
-die Erkrankungen der ambulatorisch Behandelten. Die Art
und Weise ihrer Untersuchung deckt die meinige. Jordan
teilt uns unter 812 Patienten 135 Epididymitisfalle mit, ein-
schließlich der Erkrankungen in der Anamnese, d. i. also
27'87o (diese statistische Arbeit ist in Moskau unternommen).
Da die Japaner aber stets mit einem ziemlich breiten Band
die Hoden befestigen, so soll bei ihnen die äußerliche Trauma
dieses Teils verhältnismäßig seltener sein als bei denen, welche
ihre Hoden nur frei herabhängen lassen.
2. Die Seite.
Unter meinen 93 Patienten bekamen 54 am linken Hoden
Entzündung, das ist 58*1%, 32 aber am rechten Hoden, d. i.
34*4% und 7 endlich auf den beiden Seiten, d. i. 7%. So
stehen meine Ziffern nahe an den Prozentzahlen Jordans
16*
244
Tanaka.
und Ramorinos, sind aber von denen Curlings und
Unterbergers entfernt. Selbst die beiderseitige Erkrankung
beginnt gewöhnlich zunächst Yon der rechten Seite. Die Frist
des Übergangs der Entzündung Yon einer Seite zur anderen
dauert fast eine Woche. Bei meinen 7 Fällen dehnte sich
diese Frist 3 — 10 Tage aus, ausgenommen eine dreimonatliche
und eine halbjährige. Eine gleichzeitig auf den beiden Seiten
aufkommende Entzündung habe ich noch nicht angetroffen.
Tabelle IV.
Zeitraum
Krankheit
bei der AoAinneee
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Krankheit
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39
54
93
3. Welches Stadium der Urethritis gonorrhoica
bringt die Nebenhodenentzündung zu Stande?
Am häufigsten kommt die Nebenhodenentzündung, wie
die Tabellen Fingers (s. o.), R. Berghs, sowohl wie Jordan
es zeigen^ in der Zeit zustande, wo ein Tripper vom akuten
Stadium über das subakute zum chronischen übergeht, d. h.
in der Periode, wo eine Urethritis posterior aufgekommen ist,
oder wo sich die Erkrankung in chronischem Verlaufe wegen
der Unmäßigkeit des Patienten oder des schlechten Klimas
besonders heftig gestaltet Finger behauptet sogar, dafi auch
bei akutem Verlaufe eine Nebenhodenentzündung zu Stande
gebracht werden kann, falls pathogene Bakterien vermittelst
einer Bougierung oder Einspritzung in den hinteren Teil hinein-
getrieben werden. Nach [meiner Tabelle (V) ist die betref-
fende Erkrankung während des Zeitraums 6—28 Tage nach
dem Aufkommen der Urethritis am häufigsten, aber je später
desto seltener.
Eid Beitrag zur Pathol. und Statistik der Epididymitis gon. 245
Tabelle Y.
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11
98
4. Die Jahreszeiten.
Untersuchen wir, in welcher Jahreszeit die Nebenhoden-
entzündung am häufigsten vorkommt, so scheint es sehr wahr-
scheinlich, daß die Periode ihrer Häufigkeit mit der des
Tripperanfalles identisch sei« Doch läßt es sich nicht so
leicht bestimmen. Nach meiner VI. Tabelle steigert sich die
Prozentzahl in der Zeit, wo das Klima sich ändert. In der
Periode, wo die Kälte zur Wärme und die Wärme zur
Kälte übergeht, also im März, Juni und November wird die
Prozentzahl größer im Vergleich zu anderen Monaten. Denn
in der Zeit der Klimaveränderung erleidet jeder Organismus
gewisse Veränderung, und dem Menschen wird es in dieser
Zeit auch schwierig, seine Gesundheit gut zu halten. Die
Feuchtigkeit, Temperatur sowohl wie die Dichte der Luft bis
auf die Veränderung des Trinkwassers bleiben nicht ohne
namhaften Einfluß auf die Gesundheit des Menschen. Übrigens
kann es auch der Fall sein, daß im Frühling und Herbste
die sinnliche Leidenschaft der Menschen heftiger wu'd und
viele Menschen gerade in dieser Zeit durch Fehltritte die
Nebenhodenentzündung auf sich laden. Finger sagte, daß
die Nebenhodenentzündung zur Zeit der großen Trockenheit
und Hitze am häufigsten vorkommt. Hiermit wollte er sagen,
daß die Häufigkeit des Auftretens dieser Krankheit auf die
Zeit der größten Kälte und Wärme fällt. Die Behauptung
n
246
Tanaka.
aber entspricht nicht meinen Fällen. Man achte aber in der
Tabelle darauf, daß die verhältnismäßig große Häufigkeit der
Nebenhodenentzündung im März, Juni nnd November nicht
immer von der Häufigkeit des akuten resp. subakuten Trippers-
abhängig ist.
Tabelle VI.
Urethritifl gonorrhoica des Mannes.
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674
Epididymitis gonorrhoica.
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Ein Beitrag zur Pathol. und Statistik der Epididymitis gon. 247
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5. Das Alter:
Nach JordaD ist das Alter von keinem nennenswerten
Einfluß auf die Nebenhodenentzündung. Dieser Meinung stimme
ich YoUständig bei. Wie es die IV. Tabelle zeigt, ist diese
Krankheit am häufigsten in der Zeit, wo der Tripper am
häufigsten ist, d. h. im kräftigen Mannesalter. Aber was die
Hänfigkeitszahl der Nebenhodenentzündung anbelangt, so ist
sie nicht von der des Trippers abhängig ; sie verändert sich
vielmehr nach der Eomplikationszahl des akuten und sub-
akuten Verlaufs. Warum bilden aber die Alter von 15 bis
20 Jahren hier eine Ausnahme? Hierüber möchte ich eine
Vermutung aussprechen, daß man in diesem Alter vor dem
Tripper große Furcht hat, und also die Heilung desselben
ängstlich pflegt, und daß Leute unter 20 Jahren gewöhnlich
noch keinen bestimmten Beruf haben, so daß sie sich nicht
dazu gezwungen sehen, wegen der gegebenen Arbeit sich
Gewalt anzutun (s. VII. Tabelle).
6. Der Beruf.
Daß die .Häufigkeit der Nebenhodenentzündung als eine
Folge des Trippers von dem Berufe des Menschen beeinflußt
werden kann, ist wohl denkbar. Tarnowsky soll neulich
in Petersburg, Moskau und Paris erfahren haben, daß die
Zahl der Epididymitis von der des Trippers nicht sehr ent-
248
Tanaka.
femt ist, da arme Tripperkranke dort erst nach dem Zustande-
kommen der Komplikationen das Hospital besuchen. Jordan
berichtet, die Epididymitis wird yermifit bei einem solchen
Berufe, welcher wahrscheinlich eine große Häufigkeit dieser
Krankheit verheifit Auch bei solchen Berufen, welche Springen,
Emporrichten, Ausschlagen usw. verlangen, ist die Epididy-
mitis nicht zahlreicher.
Tabelle VII.
Urethritis gonorrhoica de« Mannes.
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13-8
Ein Beitrag inr PkthoL und Stküitik der Epididymitii gon. 219
Nach meiner Btatistisclien Untersuchung ist das Ent-
stehen der Nebenhodenentzündüng, wie es die VUL Tabelle
leigt, beim Beruf der Sitisrbeit, wie Ualer, Sclmeider, Tnch-
bändler etc., TerbältnismäSig selten beim Beruf der Scbnitt-
arbeit, wie wandernden Händlern und Sachontemehmern ver-
hältniBmäßig häufig, beim Bemf heftiger Körperbewegung,
wie Bauer, Schifisbesatzung, Handwerker etc. yerhältnismäßig
selten und beim Stuhlsitzer wie Beamten, Studenten, Sekretär
der Bank — oder AktiengeBellschaft am häufigsten. Die
Arbeiter sind einerseits meistens körperlich gesund, können
kleinere Schmerzen gut ertragen und rufen nur selten den
Arzt zu Hilfe, sie binden andererseits mit einem breiten Band
die Hoden fest und schützen diese ror Erschütterung und
äußerem Reiz; die gebildeten Leute dagegen sind meistens
DerrÖa und leicht empfindlich, selbst ein kleiner Reiz ver-
ursacht bei ihnen eine starke Entzündung.
TabeMs VIII.
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7. Wie die ärztliche Pflege eines Trippers die
Nebenhodenentzündung herbeiführen kanni
Wenn die ärztliche Behandlung des Trippers passend ist,
so ist es selbstverständlich klar, daß die Nebenhodenent-
zondung größtenteils yermieden wird. Falls aber die ärztliche
Behandlung sich unrichtig gestaltet, so ist die Folge davon
wohl bedauernswert; die Epididymitis entsteht dann viel
schneller als beim natürlichen Verlaufe. NachLe Fort waren
n
254 Tanaka.
von seinen 576 Kranken der Epididymitis gonorrhoica 264
nicht ärztlich behandelte. Unter meinen 93 Kranken haben
19 von dem Entstehen der Nebenhodenentzündung gar keine
Arznei eingenommen, 47 haben nach dem Tripper bald Apotheker-
arznei (meistens Balsammittel), bald Arztarznei (meistens
Balsammittel) genossen, aber noch keine lokale Behandlang
bekommen, 27 wurden zunächst mit Urethralinjektion ge-
pflegt, aber sind durch verschiedene Motive der Nebenhoden-
entzündung anheim gefallen. Daß meine Fälle verhältnismäßig
wenige unbehandelte Kranke enthält, läßt sich dadurch er-
klären, daß ich auch diejenigen Kranken, welche Apotheker-
arznei aufgenommen hatten, zu behandelten Kranken mitge-
zählt habe. Die Kranken, die an den Harnröhren eine ärzt^
liehe Behandlung bekamen, habe ich von den andern, die bloß
innere Behandlung bekamen, genau unterschieden und gewußt,
daß diese weit zahlreicher als jene sind. So kann ich den
Schluß ziehen, daß oft behandelte Tripperkranke nur seltener
der Nebenhodenentzündung anheimfallen im Vergleich mit den
wenig behandelten Tripperkranken (s. IX. Tabelle).
8. Veranlassende Momente.
Hierüber sind die Meinungen von Autoren einig. Zeissl
(13) sah 8 mal, daß derCoitus nach einigen Tagen die Neben-
hodenentzüudung erweckt. Jordan spricht sich aus, daß
Coitus, Bougierung und andere instrumentale Eingriffe nicht
nur dem akuten, sondern auch dem chronischen Tripper zu
Schaden kommen. Meine Untersuchungen bezüglich der ver-
anlassenden Momente sind in der IX. Tabelle zusammenge-
stellt Wie diese zeigt, ist die Nebenhodenentzündung er-
weckt: 8 mal durch die Urethralinjektion mit l7o Protargol-
lösung, 9 mal durch die Injektion mit 1 — 2^0 Albarginlösung,
4 mal durch die Prostatamassage an der akuten und chronischen
Prostatitis, einmal durch das Auftreten des Samens als Folge
der Liebeständelei und übrigens oft durch verschiedene Ver-
anlassungen wie Körperbewegung, zu Fuß gehen, Unmäßigkeit
usw. Aber forcierte Bewegung, Coitus und Injektion ge-
Ein Beitrag lor F&thol. und SUtiitik dar Epididymitis gon. 255
stalten eich Dicht immer als veranlaBaeude Momente. Denn
ich habe persönlich gesehen, daß zeitweise ein ruhig liegender
Prostatitiskranker auch angegriffen wird. Diesem gab ich ein
fläsBigeB Mittel Ton Decoctnm foliae uvea nrsi und Urotropin
und ließ ihn täglich 2mal je eine Stunde eine Wärmung
mittelst der Arzbergelscben Prostatasonde nehmen; noch
davon wurden eine Epididymitie einiBtra und FuDiculitis mit
einer heftigen Steigerung der Körpertemperatur erweckt und
die linke Iliacalgrube verursachte heftige Schmerzen.
1908. . .
1904. . .
1803-04.
8
9
17
1 0
1 1 4
2 4
0
1
e
18
23
82-9»/,
3
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6
16
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Kflrpw-
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Baum
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256 Tanaka.
9. Das häufigere Aufkommen der Nebenhoden-
entzündung auf der linken Seite ist anatomisches
Verhältnis.
Finger, Joseph und Gebert erkennen, daß das
Aufkommen der Nebenhodenentzündung auf der linken Seite
ein wenig häufiger sei als auf der anderen Seite. Zeissl,
Jordan und meine Fälle zeigen, daS es bestimmt auf der
linken Seite zahlreicher ist Die Meinung, diese letzte Tat-
sache sei wohl einem anatomischen Grunde zuzuschreiben, ist
nicht grundlos. Ich habe bei deiyenigen Tripper- und Syphilis-
kranken, welche noch nicht einmal an der Hode gelitten haben,
die Höhe der beiden herabhängenden Hoden gemessen und
die Differenzen der Höhe der beiden Seiten verglichen. Wie
es die X. Tabelle zeigt, hatten 100 unter 138 Leuten an der
linken Seite die länger herabhängende Hode, die Differenz
beträgt durchschnittlich 0*78 cm, 32 hatten aber an der
rechten Seite länger herabhängende Hode und zwar war die
rechte Hode 0*71 cm länger herabhängend als die linke. Die
übrigen sechs hatten ebenmäßige Hoden. Wenn es also der
Fall ist, daß die linke Hode gewöhnlich länger herabhängt
als die rechte, so muß die linke Hode dem Druck und Zug
mehr ausgesetzt sein, als die rechte. Diese äußeren Reize yer-
ursachen Bluthyperämie an der betreffenden Nebenhode
und die Samenröhre erleidet zur Zeit des schlechten Stuhl-
ganges die Blutstauung wegen der Anschwellung des s-förmigen
Teils, so daß das Eindrängen der Tripperbakterien hier mehr
erleichtert wird, als auf der anderen Seite. Das ist der Grund,
warum ich die größere Häufigkeit auf der linken Seite für
anatomisch halte. Aber der lange Herabhang der Hode an
sich hat keinen nennenswerten Einfluß auf das Vorkommen
der Entzündung, sondern die äußeren Reize sind hier maß-
gebend. Hinge z. B. auf der rechten Seite die Hode ganz
kurz, so könnte doch die Entzündung ebenfalls häufig sein,
wenn die äußeren Reize groß und häufig wären. So habe
ich z. B. persönlich einen Kranken gesehen, dessen rechte
Hode um 2 cm länger herabhing als die linke; ihm wurde
Ein Beitrag lar Pathol. and Statistik der Epididymitis gon. 257
die Urethrotomia externa operiert, er lag nun ganz rahig im
Bette und doch erlitt er eine Nebenhodenentziindung auf der
linken Seite.
Der Grand war folgender: Man hob ihm bei jedem Ver-
bandwechseln nach dem Harnlassen die linke Hode aaf. Dies
war der Reiz, welcher aufs neue die linke Nebenhodenent-
ztmdung Terarsachte. Im großen und ganzen ist die Nebenhoden-
entzündung auf der linken Seite häufiger.
Tabelle X.
Du Datam
An der Unken
An der reehten
Seite die Unger
Seite die länger
herabhliigendeHode
herabbiagendeHode
Dm Alter
9
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1
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1
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27./I. 1906 . .
18./1.-20.^.1906
n
ff
ff
ff
ff
ff
ff
ff
ff
ff
ff
16—20
21—26
26-30
31—36
36-40
41—46
46—60
über 60
3
28
22
8
9
1
1
2
2
20
16
6
7
1
1
2
cm
3
2
2
1
1-6
0*2
0-6
0-6
em
2-60
0-88
0-91
0-88
0-86
0*20
0-50
040
1
7
6
3
1
em
0-6
1-6
10
1-6
1-6
em
0-60
0-79
0-64
0-70
1-60
1
1
16 /U.-l4./iII. 1904
Summa
74
64
30
0-92
17
1-6
0-61
üb. 16- 50
64
46
2-0
0*82
15
20
0-80
8
3
beide
Samma
138
100
8-0
0-87
82
20
0-71
6
10. Ursache, warum die Entzündung der Neben-
hoden meistens nicht nebeneinander, sondern
hintereinander vorkommt und warum sie ge-
wöhnlich nur auf irgend eine Seite beschränkt ist.
Wie oben gesagt, werden die äußeren Reize, wie Druck,
Schlag, Zug usw., auf irgend eine Seite gerichtet und rufen
in der Nebenhode und Samenleitung die Hyperämie herror
Arcb. t Dennat n. Sypb. Bd. LZXXIX.
17
258 Tanaka.
und erleichtern so auf der betreffenden Seite die Fortpflanzung
der Bakterien. Und nachdem auf einer Seite die Entzündung
der Samenleitung oder Nebenhoden vorgekommmen ist, so
wird der Kranke auf einmal genötigt, sich mäßig und vor-
sichtig zu verhalten und er schätzt die Hoden kleinmütig und
sorgt für die ruhige Pflege, daher wird die Entzündung der an-
deren Seite im Toraus gehütet. Dazu noch kann man auch
noch daran denken, daß wenn die eine Seite krank wird, die
andere von selbst energischer wird, da diese für die Er-
krankung der anderen Seite eine kompensatorische Funktion
unternehmen muß. Diese Notwendigkeit und die Vermehrung
der Lebenskräfte der Gewebezellen im betreffenden Teile
können auch, nach meiner Meinung, die Erkrankung der
zweiten Seite yermeiden.
11. Das Verhältnis zwischen Nebenhodenent-
zündung und Prostatitis.
Ast r US (1754) und Despres (1878) behaupteten, daß
die Nebenhodenentzündung wegen der Stauung der Samen-
flüssigkeit, welcher als eine natürliche Folge der Urethritis
gonorrhoica anzusehen ist, erweckt wird. Finger protestiert
dagegen, früher hielt man die Stauung der Samenflüssigkeit
für die Ursache der Nebenhodenentzündung, da diese Stauung
an der Spermatis und in der Hode einen ziehenden Schmerz
die sogen. Spermatalgie fühlen läßt; in der Tat wird die
Nebenhodenentzündung durch das Austreten der Samenflüssig-
keit erweckt. Lucas (17) und Colombini (18) behaupten,
daß sich die Epididymitis gonorrhoica namentlich oft mit einer
Prostatitis kompliziert und bringen uns die Prozentzahl 62*ö*|||
unter ihren 64 Kranken. Lucas sah unter seinen Nebenhoden-
entzündungskranken stets bei der Hälfte die Prostatitis. Ich
habe bei 68 unter meinen 75 Kranken die Prostata betastet:
bei 22 war der Zustand der akuten Prostatitis auffiallend,
der Prostata stark spannte sich pflaumengroß, verursachte
heftigen Schmerz bei der Fingerbetastung und dicker Eiter
wurde durch die Fingermassage yon der. Urethralmündung
Ein Beitrag zur Pathol. und Statistik der Epididymitis gon. 259
herausgepreßt; bei den 29 wurden die beiden Portio der
Prostata zeigefiagergroß; begleitet von etwas derb drückenden
Empfindung und schied dünnen eitrigen Schleim aus; bei den
4 wurde der Eiterausfluß vermißt; bei den 8 war die Druck-
empfindung ganz gering, während das Austreten des Schleims
bemerkbar war; die 3 fühlten keine Druckempfindung und
ließ er doch den Schleim austreten; die 2 trugen endlich die
derb hypertrophierte Prostata, hatten aber weder den Druck-
schmerz noch Ausfluß der Flüssigkeit. Außerdem habe ich
von Zeit zu Zeit die Vesiculitis spermatii in Qesellschaft mit
dem Druckschmerz gesehen aber nicht in meine ernste Unter-
suchung gezogen. So ist es nicht zuviel gesagt, wenn ich be-
haupte, daß die Prostatitis die Ursache der Nebenhodenent-
zündung ist. Die Ductus ejaculatorius geht durch die Mitte
der Prostatica hindurch und mündet an den beiden Seiten
des GoUiculua seminaliu9. Falls also die Prostatitis einmal
vorkommt, so geht die Entzündung zum Ductus ejaculatorius
über und bei der Zelleninfiltration in der Prostata wird der
Ductus ejaculatorius sogar abgedrückt und ihre Mündung ver-
engt, so daß in dem oberen Teil des Ductus ejaculatorius
eine Blutzufuhr stattfindet und auf den Ductus ejaculatorius
einen schädlichen Einfluß übt, bis endlich die Nebenhode
angegriffen wird.
Fassen wir das oben gesagte hier kurz zusammen:
1. Die Häufigkeit der Nebenhodenentzündung.
Unter 674 Kranken der Urethritis genorrhoica gab es 75
Epididjmitiskranke, also 11*1%. Zählten wir auch die Fälle
in der Anamnese mit; so betrugen sie 93, d. i. 13'87o* Was
2. dieLokalisation anbelangt, so betrugen die Links-
leidenden 54, die rechtsleidenden 32 unter den ganzen 93
Kranken, die Prozentzahl ist also links 53*1% ^^^ rechts
34'47o* 7 Kranke litten an beiden Seiten, d. i. 7%.
3. Die Zeit des Auftretens ist hauptsächlich ein
bis 4*6 Wochen nach dem Tripper, also die Übergangszeit
vom akuten zum subakuten oder chronischen, jedenfalls die
17*
260 Tanaka.
Zeit, wo die Urethritis posterior aufgekommen ist. 50 aater
meinen 82 Fallen beweisen dies tatsächlich. Je später, wird
die Häufigkeit immer mehr kleiner; aber im Exacerbations-
Stadium der Gonorrhoe während des chronischen Verlaufs ist
die Häufigkeit yerhaltnismäfiig groß.
4. Die [Jahreszeiten. Die Prozentzahl yermehrt
sich in der Änderungsperiode des Klimas, d. h. im März,
Juni und NoYember, da das Klima die Erhaltung der Gesund-
heit schwierig macht und namentlich im Frühling und Herbst
der Mensch sinnlich wird und sich weniger beherrscht.
5. Das Alter. Im Alter, wo die akute, resp. sub-
akute Urethritis häufig vorkommt, ist die Nebenhodenent-
zündung auch zahlreich. Nur Leute unter 20 Jahren sind
aus Furcht Tor der häßlichen Erkrankung mäßig und werden
außerdem von forcierter Arbeit nicht gedrückt, da sie ge-
wöhnlich noch keinen bestimmten Beruf haben. So ist die
Prozentzahl bei ihnen wohl klein und macht eine Ausnahme.
6. Der Beruf hat keinen nennenswerten Einfluß auf
die Nebenhodenentzündung. Gleichwohl ist es der Fall, daß
die Sitzarbeit nur selten diese Erkrankung veranlaßt Übrigens
sind das Temperament und die körperliche Stärke maßgebend,
so daß geistig tätige Leute leicht dieser Erkrankung anheim
fallen, während Arbeiter mit verhältnismäßig wenigen Er-
krankungsfällen fortkommen.
7. Ärztlich behandelte Kranke erleiden seltener im Ver-
gleich mit den unbehandelten Nebenhodenentzündungen. Die
veranlassenden Momente bilden meistens forcierte Bewegung,
Cioitus und unrichtige ärztliche Behandlung.
8. Bezüglich der gesunden Hode hatten unter allen 138
Leuten 100 Leute an der linken, 32 an der rechten längere
Hoden, 6 an den beiden Seiten ebenmäßig herabhängende
Hoden. So ist die Hode an der linken Seite eher dem Druck
und Trauma von außen ausgesetzt, als an der rechten. Deshalb
ist die größere Häufigkeit des Auftretens an der linken Seite
ganz anatomisch.
9. Daß die Nebenhodenentzündung meistens auf irgend
eine Seite beschränkt ist und nur selten an den beiden Seiten
vorkommt, läßt sich folgendermaßen erklären: Wenn eine
Ein Beitrag sar Pathol. und Statistik der Epididymitis gon. 261
Seite angegriffen wird, so wird man vor der Erkrankung vor-
sichtig, benimmt sich mäßig und pflegt die Ruhe des Körpers
und Termeidet auf diese Weise die Erkrankung der anderen
Seite im yoraus. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß die
Erkrankung der einen Seite die kompensatorische Funktion
der anderen Seite yeranlaßt und somit die letzte mit der
neuen Lebenskraft der Oewebezellen versehen wird, um gegen
die äußeren Reize immer mehr standhafter werden zu können.
10. Es gibt kaum einen Kranken mit der Nebenhoden-
entzündung, der nicht mehr oder weniger an Prostatitis leidet,
da einerseits die Entzündung dorthin übergeht und anderer-
seits in der Prostata eine Zelleninfiltration erweckt, die Ductus
ejaculatorius abgedrückt wird, so daß an der Kanalwand
ihres oberen Teils eine Hyperämie stattfindet und die Fort-
pflanzung der Gonokokken erleichtert.
Meinem hochyerehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. K.
Dohi, spreche ich hier für die liebenswürdige Leitung und
Unterstützung meinen wärmsten Dank aus.
262 Tanaka.
Literatur.
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Leipsig 1900. p. 122.
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Ref. Zentralbl. f. d. Er. der Harn- u. Sexualorgane v. Sedlmayr. p. 611.
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entzündunff. Wiener med. Presse. 1893. Nr. 81 u. 32.
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10. Simonis, J. Zit. in M. Josephs Lehrbuch der Haut- und
Geschlechtskrankfa. 1901. Bd. II. p. 885.
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Brit. med. Journ. 15. Nov. 1902.
12. Gassmann. Beitr. zur Eenntnis der Gonorrhoe des Mannes,
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14. Finger. Schmidts Jahrb. 1882. Bd. GXCIIL p. 202. Ref. in (9).
15. Okamura, T. Die Yerbreitung der venerischen Erankheiteo.
Japan. Zeitschr. f. Derm. u. Urologie. Bd. II. p. 49.
16. Erb. Syphilis und Tabes. Berl. klin. Wocfa. 1904. p. 41.
17. Lucas, 6. Resultats de toucher reqtal dans 286 cas d'6pididy-
mitis blennorrhagiques. Ann. de derm. et de synhil. 1894. p. 1157 in (9).
18. Colombini. Über die Häufigkeit der Prostatitis, Vesiculitis etc.
Ref. Monatsschr. f. prakt. Dermat. 1896. Bd. XXIII. p. 49.
Au der dermatologisohen Abteilimg des k. k. Erankenhauses
Wieden in Wien (Profeseor Hr. S. Ehrmann).
über die jodophüe Substanz in den
Leukocyten des gonorrhoischen Eiters.
Von
Dr. Ferdinand Winkler.
Im Jahre 1877 zeigte Ranvier/) daß bei Behandlung
Yon Eiter mit verdünnten wässerigen Flüssigkeiten aus den
Eiterkörperchen hyaline Tröpfchen austreten, die sich bei Ein-
wirkung einer Jodlösung braunrot färben. Noch im selben
Jahre konnte Salomon^) in den Eiterkörperchen von Ab-
szessen, welche er bei Hunden experimentell heryorgerufen
hatte, konstant eine mit Jod sich braun färbende Substanz
nachweisen, welche er für Glykogen hielt. Er stützte sich
dabei auf die Arbeit yon Hoppe-Seyler,') welcher Glykogen
in den mit amöboider Bewegung ausgestatteten Zellen, nicht
aber in den ruhenden Leukocyten gefunden hatte.
Ehrlich*) war der Erste, der eine exakte Methode
angab, um Glykogen in den Leukocyten mikroskopisch nachzu-
weisen. Seine Angaben bezogen sich zunächst auf das Blut,
doch gab er selbst an, daß in gonorrhoischem Eiter häufig
eine reichliche Glykogen -Reaktion zu konstatieren sei. Seine
^) Ran vi er. Progres medic. 1877. p. 422.
*) Salomon. Aroh. f. Anat. und Physiol. 1878. Yerhandlangen
der phyriolog. Gesellschaft in Berlin. Sitsong vom 26. Juli 1878.
') Hoppe-Seyler. Über die Chemie des Eiters. Medic-ohem.
Untersuch. IT.
^) Freriohs-P. Ehrlich. Über das Vorkommen von Glykogen
im normalen nnd diabetischen Organismus. Zeitschr. fEkr klin. Medic
TL 1888. Anhang 1.
264 Winkler.
Methode bestand darin, daß er Infttroekeue Präparate in eine
simpdicke Jodgummilösung brachte, in welcher sich sowohl
das in den Lenkocyten enthaltene als anch das eztrazelloläre
Glykogen mahagonibraun färbt.
Die Ton Frerichs und Ehrlich gemachten Unter-
snchungen zeigten, daß bei Eiterkörperchen der ganze Zellen-
leib eine deutliche braune Färbung annahm.
Angeregt durch Angaben von Hofmeister, daß die
Lenkocyten im stände sind, Pepton zu resorbieren, hat sich
weiterhin Oabritschewsky^) mit der Frage der Entstehung
des Glykogens beschäftigt und er suchte zu beweisen, daß
die Lenkocyten im stände sind, bestimmte Mengen yon Pepton
in Glykogen umzuwandeln. Auch seine Untersuchungen eben-
so wie die Untersuchungen der folgenden Autoren waren
darauf gerichtet, das Glykogen in den Lenkocyten des Blutes
nachzuweisen, und er konnte sich überzeugen, daß bei der
intrayenösen Injektion von Kohlehydraten eine Umwandlung
derselben in Glykogen durch die Leukocyten des strömenden
Blutes erfolge. Dementsprechend erklärte er den Unterschied
der Jodreaktion in den Leukocyten bei Phloridzindiabetes,
bei welchem die Leukocyten des Bluts keine jodophile Substanz
enthalten, und bei Pankreasdiabetes, bei dem die Leukocyten
so stark auf Jodgummilösung reagieren, daß ihr Protoplasma
braunrot gefärbt wird, durch den Hinweis, daß nur .bei
Pankreasdiabetes das Blut einen Mehrgehalt Ton Zucker
aufweise.
Einen weiteren Fortschi itt in der Erkenntnis dieser
Frage brachte Gzerny.^) Er konnte nachweisen, daß beim
Sinken der Körpertemperatur die Jodreaktion in den Leuko-
cyten zunahm und darin suchte er, abweichend von Gabri-
tschewsky, die Erklärung für den oben angeführten Unter-
schied zwischen Phloridzin- und Pankreas-Diabetes, weil bei
letzterem infolge der Aufhebung der Wärmeregulierung während
der langdauernden Narkose im Tierrersuch ein Sinken der
Körpertemperatur stattfinde.
') Gabrittchewsky. Arch. f. exper. Pathoi. XXVIII.
') Cserny. Zar Kenntnis der glykogenen und amyloiden Ent-
artung. Arch. f. exp. Path. XXXI. 1893.
über die jod. Substanz in den Lenkocyten des gon. Eiters. 266
Die Arbeit von Livierato^) yersprach noch weitere
Einsicht in die Entstehnngsweise der jodophilen Substanz in
den Leukocyten zu geben. Auf Grund zahlreicher Unter*
suchungen über die Schwankungen des Glykogens bei yer-
schiedenen Krankheiten konnte er als Erster die Tatsache
festlegen, daß zwischen dem Auftreten der Jodreaktion im
Blute und zwischen der Art der Krankheit, sowie ihrem Ver-
lauf ein bestimmter Zusammenhang bestehe. Er überzeugte
sich davon, daß in Fällen, in denen ein fieberhafter, ausge-
dehnter lokaler Prozeß von entzündlicher Leukocytose oder
von peptonisierbaren Exsudaten begleitet war, das Glykogen
im Blute zunahm, während bei Krankheitsprozessen, die ohne
Leukocytose auftreten, keine Vermehrung des Glykogens im
Blute nachzuweisen war. Subkutane Injektion von 50 g Pepton
ins menschliche Blut fährten ihm auch experimentell eine Ver-
mehrung des Glykogengehalts herbei.
Kaminer ^) sprach die Ansicht aus, daß das Vorkommen
jodophiler Lenkocyten eine spezifische Folgeerscheinung des
Zirkulierens toxischer Bakterienprodukte im Blute wäre. Er
konnte sich überzeugen, daß die Einspritzung von Strepto-
kokken, Staphylokokken, Pneumokokken, Diphtherie- und Typhus-
baziUen, Bacillus pyocyaneus und Bacterium coli beim Tiere
immer eine positive Jodreaktion erzeugen könne.
Wurden sterile Filtrate dieser Bazillenkulturen ins Blut
injiziert, so trat die Jodreaktion in noch kürzerer Zeit auf.
L. Michaelis') schloß sich dieser Anschauung an und
meinte, daß die jodophilen Zellen nur im Zustande der Degene-
ration begriffen, aber nicht tot sind. Lazarus^) kam zum
Schlüsse, daß die Jodreaktion in manchen Fällen nicht als
Degeneration, sondern als Regenerationserscheinung aufge&ßt
werden müsse.
Während die bisherigen Autoren nur die jodophile Substanz
in den polynukleären Lenkocyten gefunden hatten, war Zolli-
*) Livierato. ünterBuchangen über die Schwankungen des
Glykogengehalts im Blate. Deutsches Aroh. f. klin. Med. LIII. 1894.
') Kam in er. Die intrajEellnl&re Glykogenreaktion. Zeitschr. f. klin.
Med. XLYU. 1902. p. 406.
*) Verein f&r innere Medizin in Berlin. 17. Februar 1903.
*) Ibid.
266 Winkler.
kofer^) durch eine neae Methode, das Jod einwirken zu
lassen, im stände, die Jodreaktion nicht bloß in neutrophilen,
sondern auch in eosinophilen und basophilen Leukoqrten und
bei 15% Ton den untersuchten Erankheitsiallen auch in
Lymphocyten des Blutes nachzuweisen.
A. Wolff^) wendet sich gegen die Annahme, daß die
Jodreaktion eine Toxinwirkung sei Ebenso stellt er in Ab-
rede, daß ein Zusammenhang zwischen Jodreaktion und Leuko-
cytose gefunden werden könne. Best*) behauptete, in Über-
einstimmung mit Brault^) und Marchand,*) daß das Auf-
treten der Jodreaktion in den Leukocyten ein Ausdruck er-
höhter Lebenstätigkeit der Zelle sei und daß sie gewiß nicht
als Degeneration au^efaßt werden dürfe. Auch Gierke*)
sieht den Glykogengehalt als eine Funktion der Zellemährung
an, die mit der größeren Unabhängigkeit von der Blutzirkulation
zunehme. Übrigens handelt es sich nach Best dabei nicht
um Glykogen, sondern um eine Modifikation desselben, welche
glykosidartig an einen Eiweißkörper gebunden sei.
Es schienen mir nun die Leukocyten des gonorrhoischen
Eiters ein geeignetes Objekt, um über die Beziehungen der
jodopbilen Substanz zu den Lebensfunktionen der Zellen und
der Mikroorganismen ein Urteil zu gewinnen. An keinem
anderen Objekte läßt sich die Frage, ob die Zellen lebend
oder tot, ob degeneriert oder nicht geschädigt, so leicht ent-
scheiden wie an den Zellen des gonorrhoischen Eiters.
Die i n tr a vi tal e Färbung gibt uns ein sicheres Kennzeichen
für die Lebensfähigkeit der Zellen, und die eminente phago-
cytotische Kraft der Leukocyten gegenüber den Gonokokken
läßt wohl einen Schluß auf die Lebensfunktion zu.
^) Zollikofer, R. Zur Jodreaktion der Leukocyten. 1899. Insu-
guraldiiBeration Bern.
*) Wolff, A. Ein Versuch lur LöBung^ des Glykogenproblems.
ZeitBchr. f. klin. Med. 1904. LI. p. 407.
*) Best. Über Glykogen, Zieglers Beiträge. XXXm. 1908. p. 685.
^) Brau lt. Le pronostic des tumeurs bas6 sur la r^cherohe da
glykog^ne. Paris. 1899. Masson.
^) Marohand. Yiroh. Arch. 1885. Bd. G.
*) Gierke» E. Das Glykogen in der Morphologie des Zellstoff-
weehsels. Zieglers Beitr&ge XXXVII. 1904. p. 502.
Ober die jod. Substanz in den Leukooyten des gon. Eitere. 267
Es waren also mehrere Fragen zu beantworten :
a) Zeigen die Zellen des gonorrhoischen Eiters regel-
mäßig jodophile Substanz?
b) Ist ein Zusammenhang zwischen dem Stadium der
gonorrhoischen Entzündung und dem Auftreten der jodophilen
Substanz festzustellen?
c) Besteht ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten
der jodophilen Substanz und dem intrazellulären Auftreten
Ton Gonokokken?
Hinsichtlich der ersten Frage ist zurächst darauf hinge-
wiesen, daß schon Ehrlich den gonorrhoischen Eiter als
gutes Objekt für Glykogenfärbungen benützte und daß von
Esserteau^) unter der Leitung von Sabrazes eine Unter-
suchung über das Vorkommen von jodophiler Substanz in den
Leukocjten bei gonorrhoischen Entzündungsprozessen der Harn-
röhre Yorgenommen wurde. Die Angabe von Ehrlich, die
sich nur hingeworfen in einer Anmerkung') findet, scheint
nicht beachtet worden zu sein, und die Arbeit von Esserteau
benützte eine ungenügende Methodik, so daß ihre Resultate
nicht gut zu yerwerten sind.
Zum Nachweise der jodophilen Salwtanz wurden bisher folgende
Methoden verwendet:
a) Einschluß der trockenen Deekglaspr¶te in Jodgummi
(Ehrlich) oder in Jodglyzerin (Barfnrth).*)
b) Behandlung der trockenen Deckglaspräparate mit Joddämpfen
(Ehrlich).^) Die Trookenpräparate werden in ein geschlossenes mit
Jodkristallen beschicktes Sohälchen gebracht, dessen Deckel mit Vaselin
eingerieben ist, um luftdicht zu schließen. Die Deckgläser liegen in
dem Soh<ihen mit der bestrichenen Seite nach oben, bleiben 20 bis 30
Minuten darin und werden in dickflüssigem Lävulosesirup oder in Jod-
gnmmi eingeschlossen.
e) Fixierung der feuchten Deckglaspräparate in Joddämpfen
(Zollikofer). Man legt die Deckglaspi*äparate noch feucht in ein
Sehälchen mit Jodkristallen und untersucht in Lävulosesirup.
') Esserteau, J. Contribution ä l'6tade microsoopique du sang
et da pus dans l'uretrite blenurragique. Bordeaux 1902.
*) Nothnagels Handbuch. Bd. VIII. (Anämie), p. SO.
*) Barfurth. Vergleiche histochemische Untersuchungen über
Glykogen. Arch. f. mikrosk. Anat. 1885. Bd. XXV.
^) Ehrlich. Enzyklopädie der mikroskop. Technik. 1900. Artikel
jiGlykogen**.
268 Winkler.
d) Untennohung im hohlen Objektträger (Gierke). Das feuchte
DeokglM wird rmsoh auf den mit Yaselin umrandeten Ausschnitt des
Objektträgers gelegt, in dessen Grande sich ein kleiner Jodkristall befindet.
Von allen Methoden, die zum Nachweise der jodophilen
Snbstanz existieren, erwiesen sich nur die der Zollikofer-
schen Methode nachgebildete Trocknung des Präparates
in Jod dampf and die Oierkesche Methode der Be-
obachtung im hohlen Objektträger als brauchbar; nur sie
allein weisen die ganze jodempfindliche Substanz nach. Freilich
müssen diese Methoden richtig geübt werden.
Man bringt in einen Exsikkator ein Sohälchen mit Jodkristallen,
so daß der ganze Ezsikkatorraum mit Joddämpfea erfällt wird, legt die
Eiterpräparate unmittelbar nach der Anfertigung noch feucht in eine
flache Schale, die in den ExBikkator gestellt wird, und läßt die Präpa-
rate 10 bis 16 Minuten stehen. Die Einwirkung der Joddämpfe in einem
hermetisch abgeschlossenen Gefäße ist untweckmäßig, da sich leicht Jod
in Substanz auf dem Präparate niederschlägt. Die Präparate mdssen ganz
trocken sein, bevor sie aus dem Exsikkator herausgenommen werden
dürfen, da sonst die Färbung diffas ausiallt Länger als eine Stunde soll
die Einwirkung der Joddämpfe auch nicht erfolgen, da die Schönheit und
die Distinktheit der Färbung darunter leiden.
Es ist unvorteilhaft die Jodierang im Brutschranke vor sich gehen
zu lassen; die Trocknung der Präparate geht zwar viel rascher vor sieh,
die Zellen nehmen aber im ganzen eine braune Färbung an und die
dunkelbraunen Körnchen treten viel geringer hervor.
Bricht man die Jodierung vor dem vollständigen Trockenwerden
ab und läßt die Trocknung an der Luft zu Ende gehen, so sieht man die
Protoplasmaleiber der Leukocyten braungefärbt, aber von einer braunen
Kömelnng ist nichts oder nicht viel zu sehen. Die bereits trockenen
Zellen zeigen die Kömelnng, die feuchten noch nicht. Man kann dieses
Phänomen sehr schön bei der Untersuchung von Serum einer Yer-
brennungsblase sehen; läßt man einen Tropfen Serum in einer Jod-
atmosphäre auf dem Deckglase eintrocknen, so sieht man in jedem ein*
zelnen Leukocyten die jodophile Substanz ; unterbricht man die Trocknung,
.während die Flfissigkeit noch nicht verdunstet ist, aber bereits die
gelbe Farbe angenommen hat, so sieht man in einer kleinen Anzahl von
Leukocyten, die bereits angetrocknet sind, die jodophile Kömelnng auf
gelbem Grunde, während die anderen Leukocyten diffus gelb sind ohne
Kömelnng.
Zollikofer nahm an, daß die jodophile Substanz in den
lebenden Leukocyten diffus verteilt ist und sich durch das gas-
förmige Jod erst kömig niederschlägt. Ich muß aber aus meinen
Versuchen schließen, daß die jodophile Substanz wohl im ganzen
über die jod. Substanz in den Leukocyten des gon. Eiters. 269
Leibe der Leukocyten verteilt ist, aber daß das Auftreten der
Kömelung eine Austrocknungserscheinung ist.
Unterwirft man die jodierten Präparate der von mir be-
schriebenen Oxydasereaktion,^) so verschwindet die Jod*
farbung ; es tritt eine himmelblaue Färbung aller Granulationen
auf, nicht bloß jener Oranula, die früher die jodophile Reak-
tion gezeigt hatten, sondern aller Oranulationen. Da es sich
dabei um eine Jodierung des bei der Ozydasereaktion ge-
bildeten violetten Farbstoffs handelt, so muß der Schluß gezogen
werden, daß Jod nicht bloß in den braun erscheinenden Körn-
chen, sondern in der ganzen Zelle aufgespeichert ist.
Die jodierten Präparate werden in Origanumöl ange-
sehen, das nach den Untersuchungen von Best das in der
Zelle diffus verteilte Jod aufnimmt und die jodgefarbten
Kömchen klar hervortreten läßt. Diese Untersuchungsmethodik
ist viel besser als die Untersuchung in Gummi oder Lävulose.
Um jodierte Präparate zu konservieren, wende ich nach dem
Vorgange von Gierke ausschließlich die Celloidineinbettung
an; für die Konservierung der jodierten Präparate nach Vor-
nahme der Ozydasereaktion eignet sich aber die Celloidin-
einbettung nicht.
Die jodophile Substanz der Leukocyten tritt teilweise in
der Form von feinen Kömchen, teilweise in Form von groben
Kömem und Schollen auf. Die Lagerung der braungefärbten
Substanzen im Zelleibe ist sehr verschieden, bald randständig,
bald zentral, stets ist sie an das Protoplasma gebunden; im
Kerne habe ich niemals jodophile Substanz gefunden.
Legt man ein Deckgläschen mit einem Tropfen Eiter auf einen
hohlen Objektträger, in dessen Ausschnitt sich ein Jodstückchen
befindet, so tritt bald eine Braungelbfärbung des Tröpfchens
ein; die Zellen erscheinen diffus braungelb, von einer Differen-
zierung ist nur an den äußersten Randpartien des Tröpfchens,
wo die Zellen in dünner Schichte ausgebreitet liegen, etwas
zu sehen. Viel besser ist es, nach dem Vorgehen von Gierke
ein frisch gestrichenes Deckgläschen auf den mit Jod be-
schickten hohlen Objektträger zu bringen; man kann hier die
*) Winkler, F. Der Nachweis von Oxydase in den Leukocyten.
Folia kaamatologica. 1907. IV. p. 823.
1
270 Winkler.
Färbong der jodophilen Substanz leicht verfolgen; zunächst
nehmen die Kerne und die groben Granulationen jener Zellen,
die sich bei Kontrollfärbungen als eosinophil erweisen, eine
gelbe Farbe an; die groben Granulationen heben sich ganz
besonders kräftig gelb gefärbt vom Plasma ab; dann treten
außerhalb der Zellen weinrotgefarbte Kugeln und Schollen
auf, und zuletzt erfolgt die Weinrotfärbung der Körnchen und
Schollen innerhalb der Zellen. Hebt man nun ein solches
Präparat vom hohlen Objektträger ab und betrachtet es unter
Origanumöl, so ändert sich das Bild sofort: Die gelben
Kerne geben ihre Farbe an das Ol ab, und die weinrote Farbe
der Kömchen und Schollen schlägt ins Braune um.
Es ist sicher unrichtig, daß jeder Leukocyt körnige jodophile
Substanz enthält; man findet eine ganze Reihe Yon Leukocyten,
die wohl die gelbe Farbe, aber keine Spur von weinroter
Substanz aufweisen; ebenso trifft man im normalen Blute bei
dieser Methodik, die sicherlich als sehr empfindlich bezeichnet
werden muß, die Leukocyten meist frei von jodophiler Substanz,
wenn sie auch alle eine gelbe Farbe annehmen; die gleiche
gelbe Farbe nehmen auch die Erythrocyten an; nur in patho-
logischen Fällen, so bei Diabetes, bei Pentosurie, bei Sepsis,
bei gonorrhoischem Rheumatismus, sowie bei florider Syphilis,
habe ich konstant, wenn auch nicht in jedem Leukocyten^ so
doch in den meisten Leukocyten die Färbung positiv auftreten
gesehen.
Man sieht deutlich, daß die Zellgranula, und zwar jene
Granulationen, die man als neutrophile bezeichnet, die Träger
der jodophilen Substanz sind; dazwischen treten stärker ge-
färbte Körnchen auf, die offenbar durch Zusammenfließen
mehrerer feiner Kömchen entstanden sind; die Schollen und
Sicheln liegen immer an der Peripherie der Zellen.
Häufig hängt die jodophile Substanz wie eine Kappe der
Zelle an oder sie ist in einem der Ausläufer des Zelleibes be-
sonders angehäuft; man hat immer den Eindruck, als ob gerade
die periphersten Partien, in denen die Austrocknung am
raschesten vor sich gegangen ist, die intensivste Färbuug
geben. Jedenfalls sind die braunen Schollen fast regelmäßig
an der Peripherie zu finden. Die braunen feinen Körnchen
über die jod. Substanz in den Leakooyten des gon. Eiters. 271
aber sind immer im Zelleibe verteilt, gewöhnlich sehr regel-
mäßige Zeichnungen bietend, den neutrophilen Granulationen
entsprechend.
Sehr interessant ist die Anordnung der jodophilen Substanz
in den Epithelzellen: die Kerne sind ganz frei, der Proto-
plasmaleib ist gelbbraun gefärbt, und um den Kern herum zieht
eine bald dickere bald dünnere Schichte dunkelbrauner Substanz,
deren Konturen zumeist die Kontur der Zelle nachahmen.
Die hier beschriebene Anordnung der jodophilen Substanz
in den Leukocyten und in den Epithelzellen entspricht auch
ziemlich der Anordnung, wie bei der Untersuchung von Gewebe
mit der Bestschen Karminfarbung die Glykogenkömchen
auftreten. Gierke hat auch im Gewebsschnitte Bilder ge^
sehen, in denen das Glykogen ganz an eine Zellseite gedrängt
liegt; er erklärt dies damit, daß durch die wässerigen Fixierungs-
mittel zunächst das Glykogen in den Zellen gelöst, durch die
nachfolgende Alkoholwirkung wieder ausgefallt und mit dem
Diffusionsstrom an eine Zellseite getragen wird. Selbstver-
ständlich kann diese Erklärung für das häufige Auftreten der
Glykogenkappen an den Leukocyten des gonorrhoischen Eiters
nicht aufrecht erhalten werden, da hier eine Auflösung des
Glykogens in wässerigen Fixierungsflüssigkeiten und eine nach-
trägliche Ausfällung durch Alkohol nicht stattgefunden haben.
Wenn wir an der Auffassung festhalten, daß die braune
Körnung an den jodierten Leukocyten eine Austrocknungser-
scheinimg sei, so befinden wir uns in Widerspruch mit den
meisten Autoren, die über das Glykogenproblem gearbeitet
haben. Sochorowitsch') schreibt den Leukocyten eine
präexistente kömige Glykogenablagerung zu; Lubarsch')
nimmt an, daß das Glykogen in den Leukocyten des Eiters
an die Zellgranula gebunden sei und deshalb in Kömern
erscheine; auch Gierke sprach sich ebenso wie Lukjanoff
für den Zusammenhang der Glykogenkömchen mit den Granu-
lationen aus.
^)SochorowitBch, J. Über die Glykogenreaktion der Leukocyten.
Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 61. p. 245.
') Lobarsob, 0. Über die Bedeutung der patbologischen Glykogen-
ablagernngen. Vircbows Archiv. 1906. Bd. GLXXXIÜ. p. 188.
272 Winkler.
Auffallend ist, daS die Zellen mit groben Granu-
lationen im gonorrhoischen Eiter stets ToUständig frei
von jodophiler Substanz sind. Biffi') hatte zwar ge-
meint, daß die jodophilen Körnchen und die eosinophilen
Granulationen identisch seien; er wurde aberyon Tarchetti')
widerlegt« Zollikofer glaubte zwar, bei Diabetes auch eosino-
phile glykogenhaltige LeukocTten im Blute zu sehen; ich war
aber trotz yieler darauf gerichteter Untersuchungen nie in der
Lage, eine mit groben Granulationen erfüllte und jodophile
Substanz enthaltende Zelle zu finden. Die Angabe yon Zolli-
kofer erklärt sich wohl aus der Feststellung von Tarchetti,
daß unter Umständen die jodophilen Granulationen das Eosin
aufnehmen.
Ich maß annehmen, daß diese grobgranulierten Zellen
überhaupt keine jodophile Substanz enthalten; denn sonst
wäre nicht einzusehen, warum bei Anwesenheit von Glykogen
in beiden Leukocytenarten die sich körnig ausscheidende
jodophile Substanz gerade zu den feinen neutrophilen Granu-
lationen der einen und nicht zu den groben Granulationen
der anderen Zellart ihre Affinität zeigen solle.
Die Erscheinung, daß einzelne Zellformen konstant frei
von jodophiler Substanz sind, hat mit Rücksicht auf die Unter-
suchungen Ton Eatsurada') nichts wunderbares an sich.
Er konnte an Hollundermarkplättchen, die steril in das Unter-
hautgewebe verschiedener Versuchstiere eingebracht wurden,
feststellen, daß die emigrierten polynukleären Leukocyten in
den ersten Stunden glykogenfrei sind, einige Zeit nach der
Emigration — als Minimum wurden fünf Stunden beobachtet —
deutlichen Glykogengehalt aufweisen und bei der Degeneration
wieder ihr Glykogen verlieren.
Auch Ehrlich hatte beobacntet, daß die emigrierten
glykogenhaltigen Leukocyten nach einiger Zeit durch Aus-
stoßung oder durch Umwandlung in Zucker ihr Glykogen ver-
>) Biffi. PoHclinico 1901.
*; Tsrchetti. Gase, degli ospedali. 1908. Nr. 47.
') Eatsurada. Über das Vorko»mon de» €Hykogen» «Bier paibo-
logischen Verhältnissen. Zieglers Beiträge zur pathologischen Anatomie.
XXXII. pag. 1902.
über die jod. Snbstaoz in den Lenkocyten des gon. Eiten. 273
lieren. Und Best behauptet, daß die Zellen, welche bereits
KemzerüeJl zeigen, frei Ton Glykogen sind.
Wenn die jodophile Substanz beim beginnenden Zerfall
der Zelle verschwindet, so wäre damit die Meinung ganz
widerlegt, welche ihr Auftreten mit einer Degeneration in
Verbindung bringen. Man muß sich umgekehrt der Meinung
anschließen, daß gerade ihr Verschwinden mit der Degeneration
in Verbindung stehe ; das Verschwinden könnte durch Fermente,
die in der Zelle zur Geltung kommen, hervorgerufen werden.
Jedenfalls können wir noch weiterhin sagen, daß das Auf-
treten von jodophiler Substanz in den emigrierten Leukocyten
der Ausdruck ihrer Lebensfrische ist; das Verschwinden der
jodophilen Substanz aus den Leukocyten deutet andererseits
auf den Verlust ihrer Lebensenergie und auf ihre Degene-
ration hin.
Es war nunmehr festzustellen, ob das reichliche Auf-
treten der jodophilen Substanz irgendwelchen Zusammen-
hang mit dem jedesmaligen Stadium der Gonorrhoe habe.
Esserteau ist der einzige, der sich bemüht hat, der
yReaction jodophile*' der Leukocyten des gonorrhoischen
Eiters unter der Benützung der Jodgummimethode während
der verschiedenen Gonorrhoestadien nachzugehen; er fand im
Beginne der Erkrankung eine wenig ausgesprochene Beaktion;
am 6. — 10. Tage war in seinen Untersuchungen die Beaktion
wenn auch nicht sehr kräftig, aber doch in den meisten Fällen
deutlich ausgesprochen; in der 2. — 4. Woche sah er eine leb*
hafte Beaktion, während er bei der chronischen Gonorrhoe die
Beaktion nur in geringem Maße und überhaupt nicht mehr in
den Leukocyten, sondern in den Epithelzellen fand.
Die Methode, mit welcher Esserteau arbeitete, deckt
aber nur eine kleine Anzahl der jodempfindlichen Leukocyten
auf; mit den oben beschriebenen Methoden findet man, daß
die Anzahl der jodempfindlichen Zellen viel größer ist. Schon
in den ersten Tagen der Gonorrhoe konnte ich in einer großen
Anzahl von Leukocyten reichlich jodopbile Substanz finden,
und es scheint mir, als ob die jodophile Substanz in der
zweiten und dritten Woche geringer wäre, um in der vierten
Woche wieder anzusteigen; diese Vermehrung der jodophilen
Arcb. f. D^rmat. «. Syph. Bd. LXZXIZ. jg
274 Winkler.
Sabfltanz hielt in meinen subakaten Fallen bis in die achte
Woche hinein an, um dann langsam abzusinken.
Ich habe aber auch Fälle gesehen, in denen in der
zweiten und in der dritten Woche jede einzelne Zelle jodophile
Substanz enthielt, so daB es mir nicht möglich scheint, aus
der Art und aus der Menge jodophiler Substanz im gonor-
rhoischen Eiter einen Schluß auf das Alter der Affektion zu
ziehen. Auch über die Akuität des Prozesses gibt uns die
jodophile Substanz keinerlei Aufschluß; zumeist trifft es zwar
zu, daß in chronischen Fallen, die langer als zwei Monate
dauern, die Menge der jodophilen Substanz nur gering ist;
doch habe ich andererseits nicht wenige chronische Fälle
untersucht, in denen trotz monatelangem Bestehen des Prozesses
die Menge jodophiler Substanz im Eiter ziemlich bedeutend war.
Zwei Momente sind es aber, auf die ich die Aufmerksam-
keit lenken möchte, erstens auf das Zusammenfallen
reichlicher jodophiler Substanz mit der Ver
mehrung der eosinophilen Zellen im Eiter und
zweitens auf das geringe Vorkommen jodophiler
Substanz in den Fällen ^on nicht gonorrhoischen
Urethritis.
Vielleicht hängen beide Tatsachen mit einander inniger
zusammen als es auf den ersten Blick erscheinen möchte;
Posner ^) hat nämlich nachgewiesen, daß bei nicht gonor«
rhoischer Urethritis nur ausnahmsweise größere Mengen von
eosinophilen Zellen nachzuweisen sind.
Wenn man im Sinne von Ehrlich das Auftreten
eosinophiler Zellen im Eiter mit der Einwirkung örtlich ge-
bildeter Gifte auf den Gesamtorganismus in Zusammenhang
bringt, so ist leicht einzusehen, daß derselbe Reiz, welcher
das Übertreten eosinophiler Zellen aus dem Blute in dem
gonorrhoischen Eiter hervorruft, auch die Jodophilie der
Leukocyten beeinflußt. Bett mann*) hat schon in den aller-
ersten Tagen des serös-schleimigen Katarrhs das Vorhandensein
eosinophiler Zellen gefunden; in diesen Tagen findet sich auch
*) Posner, 0. Eiterstadien. Berl. klin. Woch. 1904. Nr. 11.
') Bettmann, S. Die praktische Bedeatang der eosinophilen
Zellen. Volkmanns klin. Yorträge Nr.. 266 p. 1682.
über die jod. Sabstanz in den Lenkooyien des gon. Eiters. 275
zumeist eine deutliche Jodophilie. lu den nächsten Wochen,
in denen die Menge eosinophiler Zellen im Eiter geringer ist,
haben wir auch weniger jodophile Substanz gesehen, während
in der 4. — 5. Woche, in denen nach Hans Posner ^) sowie
nach Joseph und Polano') das reichlichste Auftreten Ton
eosinophilen Zellen nachzuweisen ist, auch am reichlichsten
jodophile Substanz auftritt. Nach dem 50. Tage nimmt nach
Posners Untersuchungen die Zahl der Eosinophilen ab, eben-
so sehen wir von der achten Woche an die Menge der jodo-
philen Substanz geringer werden.
Bei der nicht gonorrhoischen Urethritis sind die Ver-
hältnisse jedenfalls sehr auffallend und fordern zur Nach*
Prüfung an größerem Materiale heraus. Posner hat ge-
glaubt, daß die Leukocyten mit Kugelkemen für nicht gonor*
rhoische Urethritis charakteristisch seien, während Neuberge r®)
sie auch bei akuter Gonorrhoe mit geringer Sekretion ziemlich
häufig fand. Auch bei meinen Untersuchungen, in denen ich
regelmäßig auf das Vorhandensein von Leukocyten mit Kugel-
kemen achtete, konnte ich bei Gonokokkenurethritis, namentlich
bei länger bestehenden Formen, diese Art der Eerndegenera-
tion nicht selten finden. Andererseits konnte ich die Angabe
von P o s n e r bezüglich des geringen Auftretens von eosinophilen
Zellen bei nicht gonorrhoischer Urethritis bestätigen; und in
regelmäßiger Wiederkehr konnte ich feststellen, daß in allen
diesen Fällen die jodophile Substanz nur in auffallend geringem
Maße zu finden war.
Bei der Beurteilung des Grades der Jodophilie muß man
sowohl die intrazelluläre wie auch die extrazelluläre jodophile
Substanz betrachten; es zeigt sich, daß das gegenseitige Ver-
hältnis der beiden ebenfalls keinen Aufschluß über die Dauer
des Erankheitsprozesses zuläßt, weil bei denselben Patienten
^) Posner, Hans. Zar Cytologie des gonorrhoischen Eiters. Berl.
klin. Woch. 1906. Nr. 43.
') Joseph, M. und Pol an o, M. £. Gytodiagnostische Unter-
suchungen gonorrh. Sekrete. Arcb. f. Dermat. LXXVI. p. 65.
'} Ke ab erger, J. Über die Morphologie, das Vorkommen und
die Bedeutung der Lymphooyten und uninukle&ren Leukocyten im
gonorrhoischen Urethral sekret. Yirch. Arch. Bd. GLXXXVII. p. 809.
18*
276
Winkler.
an denselben Tagen verschiedene Präparate ein verschiedenes
Verhalten aufweisen. Wird frisch secemierter Eiter kurze
Zeit nach der Urinentleerung untersucht, so findet sich über-
wiegend intrazelluläre jodophile Substanz; im Eiter, den man
nach dem von mir beschriebenen VerÜEdiren^) durch Aspi-
ration aus den Hamröhrendrusen gewonnen hat, ist mehr
extrazellulare jodophile Substanz zu sehen.
Es ist wahrscheinlich, daß die extrazelluläre jodophile
Substanz eine etwas andere chemische Dignität hat als die
intrazelluläre; dafür spricht vorerst- der Umstand, dafi extra-
zellulär immer größere und kleinere Tropfen vorkommen,
während intrazellulär kleine und kleinste Kömchen vorhanden
sind, die zu unregelmäßigen Schollen und Kappen oder zu
Sicheln zusammenfließen. Weiterhin widersteht die extra-
zellulär gelegene jodophile Substanz wässerigen Lösungsmittehi
besser als die intrazellulär gelegene. Man kann dies leicht
durch Behandlung des gonorrhoischen Eiters mit Kochsalz-
lösung zeigen; dabei spielt die Konzentration der Kochsalz-
lösung keine Rolle.
Wird ein Eitertröpfchen auf 5 Minuten in physiologische
Kochsalzlösung gelegt und darauf, auf Deckgläschen gestrichen,
der Jodreaktion unterworfen, so wird die extrazelluläre Substanz
sichtbar, während von intrazellulärer Substanz nichts zu sehen
ist; letztere hat sich gelöst Wird aber das Eitertröpfchen
auf fünf Minuten in Speichel gebracht und dann der Jod-
reaktion ausgesetzt, so färben sich die Leukocyten zwar gelb,
aber weder intrazellulär noch extrazellulär tritt jodophile
Substanz auf. Die Speicheleinwirkung hat sowohl die intra-
zelluläre wie die extrazelluläre Substanz saccharifiziert und in
Lösung gebracht.
Von besonderem Interesse ist die dritte der oben ge-
stellten Fragen, ob Beziehungen zwischen der intrazellulären
jodophilen Substanz und den Gonokokken aufzufinden
seien. Die Antwort auf diese Frage wird dadurch erschwert,
daß bei der Färbung der jodierten Präparate mit Anilin&rb-
stoffen zur Sichtbarmachung der Gonokokken die jodophile
^) Winkler, F. Znm Nachweise von Gonokokken in Urethral-
f&den. Monatshefte für prakt. Dermatol. XXXIII. 1901. p. 266.
über die jod. Substanz in den Lenkocyten des gon. Eiters. 277
Substanz entweder gelöst oder gedeckt wird. Jedenfialls sind
die üblichen DarsteUungsmethoden der (Gonokokken fiir unseren
Zweck unbranchbar. Der einzige Weg liegt in der intravitalen
Färbung, welche die Gonokokken sehr rasch anfärbt Iioider
ist der beste Farbstoff, den wir in der intrayitalen Gonokokken-
Färbung zur Verfügung haben, das Neutralrot, hier nicht ver-
wendbar, weil sich die Neutralrot-Färbung der Gonokokken
Ton der Botfärbung der jodophilen Substanz zu wenig abhebt.
Man muß einen blauen oder violetten Farbstoff versuchen.
Sehr brauchbar sind Methjlenblau, Methylviolett, Eresyl-
echtblau und Eresylechtviolett.
Um die Einwirkung wässeriger Lösungsmittel zu vermeiden,
muß der Farbstoff in Substanz dem Eiter zugesetzt werden ; es
geschieht dies entweder dadurch, daß man dem in einem
kleinen Schälchen aufgefangenen Eiter eine sehr kleine Menge
des Farbstoffs in Pulverform zusetzt und auf einige Minuten
das Schälchen in den Brutofen bringt, oder daß man die von
mir beschriebene intraurethrale Färbung benutzt^ bei
der man in die Fossa navicularis eine kleine Menge des pulver-
iörmigen Farbstoffs bringt und den Eiter einer Diffusions-
färbung innerhalb der Urethra unterwirft.
Der gefärbte Eiter wird in der gewohnten Weise auf
Deckgläschen oder auf Objektträger aufgestrichen und feucht
nach der oben beschriebenen Methode den Joddämpfen ausge-
setzt Bei der Untersuchung der im Joddampf trocken ge-
wordenen Präparate in Origanumöl kann man die blau oder
violett gefärbten Gonokokken sehr schön von der braunroten
jodophilen Substanz unterscheiden. Dabei ergibt sich das
interessante Besultat, daß die g onokok kenfährenden
Zellen vollständig frei von jodophiler Substanz
sind. Sogar in den Zellen, die nur ein bis zwei Gonokokken-
paare enthalten, findet sich keine jodophile Substanz.
Für dieses Phänomen liegen, so weit ich sehe, zwei
Erklärungsmöglichkeiten vor; entweder sind nur jene Zellen,
welche frei von jodophiler Substanz sind, im stände^ phago-
cytär auf Gonokokken einzuwirken, oder die in die Zellen ein-
gedrungenen Gonokokken vernichten die in den Zellen ent-
haltene jodophile Substanz.
278 Winkler.
Zur KlantelluDg, ob die Phagocytose an das Freisein Ton
jodophiler Substanz gebunden sei, brachte ich eine Reinkultur
von Gonokokken im BrutschraDke mit gonorrhoischem Eiter
zusammen, dessen Leukocyten fast sämtlich reich an jodo-
philer Subbtanz waren und dessen gonokokkenführende Zellen
ich ihrer Zahl nach am gefärbten Trockenpräparat durch
Durchzählen mehrerer Gesichtsfelder prozentisch festgestellt
hatte. Ein KontroUschälchen mit demselben gonorrhoischen
Eiter ohne Hinzuftigung frischer Gonokokken sollte die
Möglichkeit geben, festzustellen, ob nicht etwa durch den
Aufenthalt im Brutschranke allein entsprechende Verände-
rungen der Leukocyten Tor sich gehen. Nach 12 Stunden
wurde der Eiter wieder untersucht; die Zählung der gono-
kokkenführenden Zellen im gefärbten Trockenpräparate ergab
im Kontrolleiter keine Veränderung, aber in dem mit der Rein-
kultur versetzten Eiter eine wesentliche Vermehrung der gono-
kokkenfiihrenden Zellen. Jedenfalls waren jetzt bedeutend mehr
Zellen mit Gonokokken erfallt als yorher Zellen von jodophiler
Substanz frei gewesen waren. Es war klar, daß eine große Reihe
Ton jodophilen Zellen phagocytär auf die beigefugten Gono-
kokken eingewirkt hatte.
Bei dem Versuche, diese Zellen mittels eingebrachten
pulyerförmigen Farbstoffs zu tingieren und sie nach der Auf-
nahme des Farbstoffs der Jodreaktion zu unterziehen, zeigte
sich, daß nun eine auffallende Verarmung der Zellen an
jodophiler Substanz eingetreten war. Die Untersuchung des
Eontrolleiters ergab, daß durch den Aufenthalt im Brutschranke
allein keine Abnahme der jodophilen Substanz entstanden war.
Es mußte also die Lebenstätigkeit der Gonokokken die jodo-
phile Substanz yernichtet haben ; es liegt nahe, anzunehmen,
daß die Gonokokken die jodophile Substanz sakcharifiziert und
damit der Aufdeckung durch die Jodreaktion entzogen haben.
Vielleicht ist als Analogie für das Verschwinden der
jodophilen Substanz unter dem Einflüsse der Gonokokken auf
den Auflösungsprozeß der Granulationen in den Leukocyten
hinzuweisen, der in den Zellen des gonorrhoischen Eiters zur
Vakuolisierung fuhrt und wohl auch auf der spezifischen
Tätigkeit der Gonokokken beruht.
über die jod. Substanz in den LenkooTten des gon. Eiters. 279
Da nach dem Vorgänge von Ehrlich die jodophfle
Substanz als Glykogen angesprochen wird, so habe ich yer-
sncht, Oonokokkenreinknlturen einen Zusatz von Glykogen zu
geben, um dessen Sakcharifizieruog im Reagenzglas nachzu-
weisen ; leider hat in meinen Versuchen der Glykogenzusatz das
Wachstum der Gonokokken gehemmt, so daß diese Möglichkeit
der Verifizierung obiger Annahme bisher gescheitert ist
Da der direkte Nachweis der Sakcharifizierung der jodo-
philen Substanz durch die in die Zellen eindringenden Gono-
kokken nicht gelungen ist, so mufi doch die Annahme er-
wogen werden, ob nicht die Gonokokkentoxine, die in der
Zelle gebildet werden, ein&ch die jodophile Substanz lösen
oder sie in einer solchen Art bildeu, daß sie ihre Reaktions-
fähigkeit für Jod verliert.
Jedenfalls ist die Frage, ob die jodophile Substanz ein
Reservestoff der Zelle sei, der durch die Tätigkeit der Gono-
kokken aufgebraucht wird, oder ob die jodophile Substanz
unter dem Einflüsse des Gonokokkentoxins in eine allotrope,
nicht jodophile Modifikation übergeht, einer neuerlichen Unter-
suchung wert
Es ist noch die Frage zu erörtern, woher diese Speicherung
der jodophilen Substanz kommt.
Der Nachweis von Katsurada, daß die polynukleären
Leukocyten in den ersten Stunden nach der Emigration frei
Ton jodophiler Substanz sind, einige Stunden darauf jodophil
werden, und bei der Degeneration die jodophile Substanz yer-
lieren, hat ihn zur Annahme geführt, daß die Zellen, die
durch irgendwelche Ursachen eine gewisse Zeit in einem un-
vollkommenen Ernährungszustände bleiben und sich nicht
weiter entwickeln, zur Ablagerung you Glykogen in ihrem
Protoplasma neigen. Ebenso sah Gierke, daß bei experimen-
teller Verminderung der Blutzufnhr infolge der mangelhaften
Ernährung in den Zellen Glykogen auftrete, und daß es bei
der Degeneration der Zellen verschwinde.
Es scheint somit das Auftreten der jodophilen Substanz
auf die Lebenstätigkeit der Zellen selbst zurückzufuhren zu
sein; es ist nicht anzunehmen, daß entsprechend der An-
schauung Ton Kamin er, eine Wanderung der jodophilen
280 Winkler.
Substanz aus ihren physiologischen Ablagemngssorten, etwa
aas dem Enochenmarke, in die Leukocyten erfolge ; es handelt
sich wohl um einen Metabolismus der Leukocyten.
Gerade die Erscheinung, daß die jodophile Substanz inner-
halb der ganzen Zelle verteilt scheint und sich nur unter
bestimmten Umständen kömig oder schollig ablagert, spricht
wohl dafür, dafi das ganze Protoplasma der Zellen im stände
ist, jodophile Substanz zu bilden und dafi die Plasmosomen
der Leukocyten, an denen vorwiegend die körnige Ablagerung
erfolgt, nur die Kristallisationspunkte sind, um welche herum
die Granulierung der jodophilen Substanz von statten gehen kann.
Jedenfalls scheint die Ansicht von Ehrlich^) sehr be-
merkenswert, dafi die Jodfarbbarkeit der Leukocyten wenigstens
zum Teile durch die Verankerung der Bakterientozine an die
Zellrezeptoren bedingt sei, und dafi wir in der Jodreaktion
der Leukocyten den erkennbaren Ausdruck fiir diese Ver-
ankerung haben, für welche bisher jedes morphologische
Symbol gefehlt hat. Wenn diese Anschauung richtig ist^ dann
nimmt die hier gefundene Tatsache, dafi die grobgranulierteo
Zellen frei von Jodreaktion sind; eine biologisch wichtige
Stellung ein, weil sie zeigt, dafi die grobgranulierten Zellen
keine Bakterientoxine zu binden vermögen; und die weitere
Tatsache, dafi die mit Gonokokken erfüllten Zellen ihre
Jodophilie verlieren, würde im Lichte der Ehrlich sehen
Anschauung vielleicht auch eine prinzipielle Wichtigkeit ge-
winnen, indem durch die Lebenstätigkeit der Gonokokken die
Verankerung ihrer Toxine selbst gelöst würde.
^) Yerhandlangen des Kongresse« für inn. Mediz. 1902. p. 184.
Besondere SyphüisMe.
Von
Dr. Moriz Porosz,
SpesiaUrst in Budapest.
Oltamare schildert in dem heurigen Jahrgang der
^Annsles de Dermatologie es de Syphilographie*' einen Ulcus
dnnim-Fall, bei dem typische Lues, selbst nach Jahren, nicht
aufgetreten ist. Beim Lesen dieser Schilderung fielen mir
meine Fälle ein, unter anderen auch ein solcher, bei dem alle
Zeichen der allgemeinen Lues aufgetreten sind, aber bei dem
eine entsprechende Liduration gefehlt hat. Ich unterzog den
Fall einer genauen Beobachtung, suchte und forschte an den
Stellen, wo die Induration auftreten sollte, aber eine solche
war nicht zu finden. Auch in zwei anderen Fällen fand ich
keine. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß doch eine vor-
banden war.
Hier mögen ihre Krankengeschichten folgen.
I.
Lues ohne Indaration.
Ein 82 jähriger janger Mann meldete sich bei mir mit einem seit
8 — 10 Tagen bestehenden Leiden. Er gab an, er habe vor drei Wochen
znm letsten Male koitiert, and daß 8 — 10 Tage sp&ter anf den Genitalien
ein jackender Ausschlag aufgetreten ist, der sich selbst bei ftntlioher
Behandlong stetig yersohlimmert hat. Sein Zustand war folgender: Auf
der dorsalen Seite des Penis waren linsengrofie, stellenweise susammen-
fließende, bohnengroße, rundliche, rosenfarbige, rötliche, auf der Ober-
282 Porosi.
fliehe sich flaeh erhebende, weieh infiltrierte jackende Papeln nehtber.
Ton diesen 16—20 Papeln saßen 4^5 anf dem oberen Bande des be-
haarten Mons veneris nnd die anf dem Radix sitzenden waren mit einer
braanrötlichen Borke bedeckt. Das Ganxe bot ein Tollkommen ent-
sprechendes Bild des papnlösen akaten Ekzems.
Anf Salbenbehandlnng wurden die Papeln blaß nnd das Jacken
hörte anf, nar die Ulzera blieben. Mit StreapalTcr behandelt Terheilte
auch die nlzeröse Stelle am Frenalami nar am Radix war eine schmatsige
wände Stelle. Nach Stftgiger Behandlang reiste der Patient in eine
Proyinzstadt und kam 10 Tage später zorflck, weil, wie er sagte, das
Jacken auf den Genitalien aufhörte, aber sich in der Achselhöhle
und ringsherum am den Rumpf wieder eingestellt hat. Auf diesen
Stellen waren blasse, rosenfarbige, stellenweise gelblichbrannci flache,
sich nicht erhebende Flecken, die auf Druck erblaßten. Nach den emp-
fohlenen Bädern und der Behandlung mit Schwefelsalben hörte das
Jucken auf. aber das Exanthem yerbreitete sich, namentlich auf dem
Rficken, in der Ereozgegend, riel weniger auf den Extremitäten und
Hoden. Der Kehlkopf war empfindlich, ein wenig hyperämisoh. Indu-
ration war nirgends zu finden. Die Drusen in der Leistengegend waren
angeschwollen und empfindlich.
Zwei Wochen später war das Exanthem erhaben kupferrot^
beim Drucke blieb die Farbe bestehen und es war auch festerer Kon-
sistenz, im Rachen und im Munde waren typische luetische Plaque«.
Der aaf dem Radix befindliche Abszeß war im Heilen begriffen, im
Snlous hingegen war ein bis auf die Glans sich erstreckender länglicher,
schmutziger Abszeß, der keine Spur von Induration zeigte und dessen
Umgebung gar nicht entsftndlioh infiltriert war.
Ich wendete Enesoli^jektionen an. Die Abszesse ▼erheilten nach
einwöchentlicher Behandlung, die Plaques verschwanden nach Pinselungen
mit Ghromsäare, der papulöse Ausschlag wurde blaß und nur pigmentierte
Flecken blieben an seiner Stelle.
Nach der 21. Injektion riß der Patient beim Baden die trockene
Epithelschichte, die auf der dorsalen Seite des Sulcns war, ab und an
dessen Stelle war eine Exkoriation. Sie überging dann in ein Gesohwor,
das sich in die Tiefe verbreitete. Trotz der fortgesetzten Injektionen
verblieb hartnäckig eine kleine, bohnengroße wunde Stelle, Nach der SO.
Injektion verbreitete es sich nicht mehr, verheilt aber auch nicht und in
diesem Zustande verreiste der Patient Es heilte erst drei Wochen nach
der Injektionskur, nachdem der Patient frei von allen luetischen Symp-
tomen war.
Das Interessante an dem Falle besteht darin, daß trotz der streng-
sten Rigorosität keine Induration zu finden war. Das erste Symptom,
das an Papeln erinnerte, trat 8 — 10 Tage nach dem Goitas auf. Allem
Anscheine nach waren sie ekzematösen Charakters. Sie verschwanden auch
nach einer spezifischen Behandlung. Das aaf dem Radix sitaende
Besondere Syphilislalie. 283
Gesehwfir trug den Charakter des weichen ülcufl, das aber erst nach der
iDJektionskur vollkommen yerheilte.
Die nachträgliche ülzeriernng der Indoration ist bekannt. In
diesem Falle war aber auf der Stelle des sp&ter aufgetretenen Ulcus
keine Induration.
Das angewöhnliche Auftreten des luetischen Exanthems, das damit
einhergehende Jucken und der äußere Charakter imponierte als Derma-
tomykosis. Wie es scheint, traten die Papeln an dieser Stelle auf, das heißt
sie Terwandelten sich in luetische Papeln. Oder das Luesexanthem stellte
sich in transformierter Form dar.
Der Widerstand des während der Behandlung entstandenen Ulcus
gegen die Quecksilberkur und der Umstand, daß es auch später yerblieb,
zeigt, daß es nicht luetischen Ursprungs war. Beim weichen Ulcus ist die
Infektion unverständlich und auch die Möglichkeit einer genitalen In-
fektion kann als ausgeschlossen betrachtet werden. Wie es scheint, tritt
Lues auch ohne Induration auf
Sehr lehrreich wären die diesbezüglichen Erfahrungen der
Spezialärzte.
IL
Lues ulcerosa linguae nach unbekannten Autezedentien.
Im frfiher erwähnten Falle konnte ich mich davon Aberzeugea,
daß der Patient keine Induration hatte. In diesem Falle ist meiue
Überzeugung nicht so fest, aber es ist wahrscheinlich, daß es so war.
Ein 28jähriger Rechtsanwalt, den ich wegen chronischer Blennorrhoe
wochenlang behandelte, dessen nackten Körper ich wochenlang gesehen
habe, klagte eines Tages über Schmerzen an der Zunge. Auf der Zunge
ist ein oberflächliches Ulcus sichtbar, das sich bei Behandlung (Pin-
selungen mit Milchsäure, Chromsänre) verschlimmerte und sich in die
Tiefe verbreitete. Nach 8— 4wöchentlicher erfolgloser Behandlung wurde
mein Verdacht auf Lues gelenkt. Nach Aussage des intelligenten, furcht-
samen Patienten hatte er niemals ein Geschwür, von einem Exanthem
hatte er keine Ahnung und hatte nie Halsschmerzen. Ich selbst sah ihn
oft, aber ich sah weder ein Geschwür, noch ein Exanthem an ihm. Die
Drüsen in der Inguinalgegend waren nicht infiltriert, man konnte nur
schwer eine oder die andere beim Betasten entdecken.
Trotz alledem war der Verdacht nicht geschwunden. Ich wollte
eine Blutuntersuchung vornehmen lassen, aber auch der betreffende
Kollege hielt das Ulcus entschieden für luetisch.
Nach antiluetischer Kur (Enesolinjektionen) verschwand das Ulcus
bald. Einige Monate später hatte ich Gelegenheit auf dem Gaumen-
bogen luetische Plaques zu sehen.
284 Porosz.
Ex jayantibas konnte der laetitche C^artkter das Geschwfires fest-
gestellt werden. Die Ursache, die Zeit des Auftretens der Lnes blieb
unbekannt.
Der Patient yerkehrte seit anderthalb Jahren ausschliefllieh mit
einer Frau.
Daraus ist ersichtlich, daß man mit gehöriger Umsicht auch ohne
Anamnese Lnes diagnostisieren kann, wie man •» leider oft — auf dieser
Basis eine falsche Diagnose macht.
Vielleicht ist das die Ursache der vielen, fOr luetisch gehaltenen
Tabes- und ParalyseAlle.
III.
Lues mit protrahierter Entwicklung nach einer Infektion
unbestimmten Datums.
(Schmerzhafte Drüsen, Exanthem mit Schüttelfrost, krouppartige
Racbensymptome. Auf luetischer Basis entwickelte Psoriasis auf dem
Rücken.)
Ein 88 jähriger Mann, verheiratet, meldet sich Ende Oktober 1905
nach vorangehendem Nässen und Jucken im Einschnitte über der Kektum-
öfihung wegen eines Einrisses daselbst. lofolge der Behandlung heilte
wohl die Stelle, aber langsam ; gleichzeitig zeigte die dem oberflächlichen
epithellosen Teil entsprechende wunde Stelle eine tiefe Furche. Nach
Behandlung mit Präzipi tatsalbe verheilte sie, aber sie riß mehrere Male
wieder ein, wenn Pat. nach dem Stuhlgange die Reinigung nicht mit ge-
höriger Vorsicht vornahm.
Am 20. November fiel er angeblich von einer Leiter. Wegen einer
Drüsenanschwellung in der linksseitigen Inguinalbeuge war ihm das
Gehen beschwerlich und schmerzhaft. Ruhe, Kompressen, Behandlung
mit Jodsalbe war von Erfolg und ein kaum tastbarer, bohnengroßer
Überrest der Drüse war fühlbar. Am 26. Dezember war die Drüse nach
dem Schlittschuhlsufen wieder schmerzhaft, nußgroß. Er war unfidiig
zu gehen und wendete sich wegen allgemeinen Unwohlseins an einen
Arzt. Am anderen Tage nachmittags stellte sich eine mit Schüttelfrost
beginnende Temperaturerhöhung ein, die bis 38*7^ stieg. In der Drüse
ist keine Fluktuation fühlbar. Da er sich nicht lange vor dem Falle
auf dem Lande aufgehalten hat, und die Temperaturerhöhungen mit
Schüttelfrost sich drei Tage lang in derselben Stunde einstellten, dachte
ich an Malaria und griff zur üblichen Ghininbehandlung. Am fünften
Tage trat der Schüttelfrost früher auf. Vom sechsten Tage angefangen
stellten zieh geringfügigere Temperaturerhöhungen ohne Schüttelfrost ein,
aber sie stiegen nicht höher als 88*7°.
Besondere Syphilisfalle. 28Ö
Das abgehaltene Konsilium glanbte eine in der Tiefe der Drfise
befindliche Eiterung annehmen zu sollen. Nach Anwendung von Alkohol-
kompressen und nach Biersoher Behandlung besserte sich der Zustand
nach und nach, die Drusen worden kleiner, aber auch die schon frfther
sichtbare Hyperämie des Rachens, seine Schmershafügkeit und die sich
dasn gesellten Ohrenschmerzen traten neben den anderen Symptomen in
den Vordergrund. Der Patient kümmerte sich jetzt nicht mehr viel um
die Drüsen. Der konsaltierte Ohrenarzt fand keine Symptome einer
Entzündung respektive Eiterung. Die unregelmäßigen Fiebererscheinungen
führte er auf das Rachenleiden zurück.
Das Fieber hielt drei Wochen mit Ohren- und Kopf^ißen an.
Deshalb bekam er viele Antipyretika. Phenacetin, Salioyl, China
Decoct, Aspirin, Pyramiden zumeist mit Morphium zusammen. In einer
unruhigen, qualvollen Nacht nahm er in 1 — 2 Stunden 4—5 Pulver ein,
worauf am andern Tage Morgen ein rosenfiirbiges fleckiges Erythem auf
dem Gesichte auftrat, 1 — 2 Tage später auf den Armen, wieder 2 — 3
Tage später auf dem Hodensacke. Stellenweise trat starkes, stellenweise
wieder schwaches Jucken auf und erstreckte sich zerstreut auf den
ganzen Leib.
Das war ein offenkundiger Beweis für eine Intoxikation. Drei
Wochen später traten nach Aufboren des Fiebers im blaß gewordenen
Pharynx kleine weiße Punkte auf. Diese stecknadelkopfgroßen Paukte
wuchsen in drei Tagen zu einem dicken, schmutzigen, gräulichen
Belag an. Diese Symptomengruppe wiederholte sich und zeigte ein
ganz diphtherieartiges Bild. Sie verlief ganz fieberlos. Nach Gurgelungen
und Pinselung nahm der erste Belag ab, aber es trat wieder ein neuer
auf. Wegen Klarstellung des Rätselhaften in diesem Bilde wurde ein
hervorragender Kinderarzt konsultiert. Er fand die Erscheinung der
Krankheit für ungewöhnlich, aber das Bild fand er für diphtheritisartig.
Versuchsweise gaben wir zwei Serumiojektionen, nach denen nur eine
unwesentliche Besserung eintrat, weshalb wir dann die Injektionen ein-
stellten. Während dieser Zeit ließen wir durch den üniversitätsassistenten
des bakteriologischen Instituts eine Kulturuntersuchung yornehmen, die
für Diphtherie negativ war. Er nahm auch die Untersuchung auf Spiro-
chaeten vor. Das aus dem Rachen genommene, zerriebene Präparat,
so auch die Untersuchung des aus den flach und gelbliohbraun geworde-
nen Papeln genommene Blut blieb vollkommen negativ. Es fiel aber
auf, daß bei der mit ätherischer Watte vorgenommenen Reinigung das
dünne Epithel der Papeln nach einfachem Reiben sich loslöste wie ein
dünnes Seidenpapier. Der Ausschlag" auf dem Rücken juckte stark. Da ich
das Leiden für eine akute Infektionskrankheit oder noch eher für Lues
hielt, gab ich dem Patienten eine arsensaure Quecksilberinjektionen (Enesol).
Der Zustand besserte sich zusehends. Später erkannte auch ein Syphilo*
dologe in dem Leiden eine Syphilis von außergewöhnlicher Form. Die
Injektionskur konnte an dem mageren Manne nicht energisch durch-
geführt werden. Das Allgemeinbefinden war gut, nur auf dem Rücken
286 Porost.
nahm das Jucken langsam ab und der Ansschlag yerbreitete sich, bis
er endlich das Bild einer typischen Psoriasis seigte mit talerg^fienf
stellenweise sich berührenden Plaques, mit mäßigem Jacken. Den ab-
gemagerten Patienten schickte ich nach Hall. Unterwegs konsultierte er
einen Wiener Syphilodologen, der ihm — so wie ich — empfahl, sich
mit der Psoriasis nicht sa befassen. In Hall befolgte sein Arxt anoh
diesen Rat Schmierkoren, Trinken Ton Jodwasaer, Bäder stellten den
Patienten vollkommen her und er kam geheilt nach Hause. Wie man
ex jnrantibus feststellen konnte, war auch die auf dem Rücken befind-
liche Psoriasis ein transformirtes luetisches Exanthem.
Interessant ist an dem Falle, dafi die Entwicklung des Exanthems
mit dreiwöchentlichem Fieber einhergegangen war, daß es drei Tage lang
pünktlich mit Schüttelfrost, später nur mit Frösteln auftrat.
Der Zustand der Inguinaldrüse war, wie es scheint, ein zur Lues
gehöriges Symptom, dessen Ursprung wir nur in dem Risse am untern
Rande des Os sacrum annehmen können. Für diese Annahme bietet einen
Anhaltspunkt das langsame Heilen des Risses.
Interessant ist auch die Qualität des Ausschlages und seine
psoriasisforme Umwandlung auf dem Rücken.
Ungewöhnlich sind auch die Rachensymptome mit dem kroupp-
artigen Belage.
Die Zeit der Infektion ist unbekannt. Der Patient ist Tcrheiratet.
Seine Frau ist gesund. Er hatte außer dem Risse um den Mastdarm
kein Geschwür, keine Induration. Auch die angegebenen Zeitpunkte
sind ungewöhnlich.
Der Riß dauerte zwei Monate, von Ende Oktober bis Ende Januar.
Die Drüse war etwa am 20. November schmerzhaft, drei Wochen
nach dem Einrisse. Sie erneuerte sich dreimal und heilte wieder. Am
25. Dezember war Patient wieder bettlägerig und einige Tage später
verkleinerte sich die Drüse und wurde auch weich.
Seither trat bei dem Patienten eine luetische Iritis auf, die nach
einer Schmierkur verschwand. Auch luetische Plaques waren im Munde,
mehrere Male traten auch Aphthae auf, die sich oberflächlich zu größeren
Ulcera umwandelten. Nach der Behandlung heilten sie rasoh und leicht
Nach einer neuen Kur in Hall kam er gestärkt und fetter nach Haus.
Darüber, wie die Infektion zu stände gekommen ist, haben wir
keine Daten.
Wie ersichtlich ist, kann die atypisch verlaufende Lues, ohne
Induration, zu vielen Irrtümern Anlaß geben.
IV.
Wie lange bleibt die Spirochaete im Smegma lebensfähig?
Vor einigen Jahren meldete sich bei mir ein 30 jähriger junger
Mann mit einem typischen Ulcus raolle. Er gab an, er habe vor vier
Besondere Sypfailisfalle. 287
Wochen zu allerietst koitiert und habe sich eine Woche sp&ter mit einem
Ulcns an einen Arst gewendet. Mit den erhaltenen Medikamenten
erreichte er nichts, denn das Ulcas wurde immer größer. Das Geschwür
nngef&br in der Mitte des Dorsnms war sehr hartnackig nnd ich über-
nahm später die Behandlnng. Die angewendeten Medikamente fixierte
ich mit einem Verbände, den ich selbst appHsierte nnd abnahm. Vier
Wochen sp&ter war der Absseß verheilt. Um diese Zeit sollte auch eine
Abnormalität behoben werden. Auf der seitlichen Hälfte des Sulcus
corouarius war eine zentimeterbreite HautbrAcke, die, wenn sich Erektio-
nen einstellten, die Glans auf eine Seite zog. Unterhalb dieser Haut-
brficke konnte man die Knopfsonde durchführen und viel schmutziges
Smegmamaterial entfernen. Das Durchschneiden dieser Hautbrücke fand
ich nach dem Verheilen nicht empfehlenswert. Nach gehöriger und
mehrfacher Reinigung, nachdem das Pflaster yon der mit stärker
gewordenem Epithel bedeckten Stelle entfernt wurde, durchschnitt ich —
zwei Wochen nach der Epithelbildung über einer Hohlsonde mit einem
Messer die Hautbrücke. Nach der sorgfältigen Reinigung mit Sublimat
legte ich einen Sublimatverband an. Die Ränder der dünnen, schmalen
Wunden konnte ich wegen ihrer Geringfügigkeit nicht mit einer Naht
vereinigen. Die so entstandenen zwei Wanden zeigten schon einige Tage
später statt einer lebhaften Granulation ein speckiges Ausseben.
Der Zustand veränderte sich nicht sonderlich. 10—14 Tage später mußte
der Patient verreisen und ich überließ ihm die Behandlung mit einem
Pflaster. Eine Woche später kam er wieder und die Wunden waren schön
geheilt. Mit gewisser Befriedigung nahm ich dies zur Kenntnis, denn es
war mir schier unerklärlich, daß der Heilungsprozeß so langsam vor sich
ging. Ein bis zwei Wochen rührte sich nicht einmal die Wunde, die ich
gemacht hatte. Beim Betasten fiel mir auf, daß die Konsistenz an eine
Induration erinnert. Eine Woche später sah ich das Bild eines typischen
papulo-erythematösen Syphilids.
Der langsame Heilungsprozeß der frischen Wanden wurde so
erklärlich.
Dagegen wurde anderes unerklärlich.
Wie konnte die syphilitische Infektion entstehen?
Der Patient konnte während der Behandlung nicht koitieren und
er koitierte auch nicht, wie er sagte. Der mit einem Pflaster oder einem
Verbände versehene Penis war fär den Akt nicht geeignet. Ohne Pflaster
war er bis zum Operationstage nicht.
Der Verdacht könnte sich auf die Instrumente lenken. Da muß
ich aber bemerken, daß sie vor dem Gebrauch rot geglüht worden sind.
Das pflege ich immer so zu machen. Selbst nach dem Gebrauche pflege
ich sie zu glühen. Daß dies der Fall war, ist daraus ersichtlich, daß
der Patient fragte, waram mein Messer so blau ist. Ich sagte ihm, es
wurde geglüht, und so hatte er dann noch Bedenken, daß ich ihn mit
dem glühenden Messer operieren werde.
^
288 Porois.
£i bleibt nichts «nderes übrig, als an das sohmnlzige Smegaoa
nnter der Hant sa denken, das man yor dem Operieren nicht gehörig
entfernen konnte nnd, wie es scheint, war nach dem Operieren die
Reinigung nicht ausreichend, trotcdem sie in entsprechender Weise vor-
genommen worden ist. Mit Bücksicht darauf legte ich einen nassen
Snblimatyerband an. Der weiche Sohanker, an dessen Infektion man
denken konnte, infisierte nicht; er yemarbte ohne Induration und statt
ihrer trat eine syphilitische Infektion auf.
Ab er in mir kam, hatte der Patient yier Wochen Mher sum
letsten Male koitiert; yier Wochen dauerte die Heilung, weitere zwei
Wochen war ein Pflaster angebracht und etwa yier Wochen nach der
Operation war das Syphilid siebtbar, su dem sich sp&ter Plaques gesellten.
Also 14 Wochen nach dem Goitus und 4 Wochen nach der Operation
entwickelte sich das Bild der Lues.
Ich erkläre mir den Fall so: Die jetst erkannten Spirochaeten
konserrierten 10 Wochen lang im Smegma ihre Iniektionsf&higkeit und
waren im lebensfähigen Zustande. Nach 10 Wochen kamen sie durch
das operatiy geöfinete Tor in den Orgsnismus, was die Beinigung mit
Sublimat und der nasse SnbÜmatyerband nicht yerhindem konnte.
Eine interessante Frage harrt der Lösung: 1. Wie lange erhalten
die Spirochaeten im Smegma ihre Infektionsfähigkeit? 2. Vermehren
sie sich im Smegma? Ist zu erwarten, daß die Versuche im großen Stile
eine Antwort aaf diese Frage geben werden?
BericM ülier die Lelstung'eii
auf dem
Gebiete der Dermatologie und »Syphilis.
Arch. f. D«rmat. o. Syph. Bd. LXXXIX. ^9
Bericht über den VI. internationalea Dermatologen-
Kongress in New-York.
Von
Dr. IS^euberger, Nürnberg.
Der vom 4. bis zam 14. Seplember ia New- York abgehaltene in-
ternationale Dermatologenkongreß nahm nach jeder Richtang hin einen
überauB glänzenden Yerlaaf. Die Gesamtheit der amerikanischen Dermato-
logen hatte sich sum Eongrefi eingefunden, und wies schon dadurch allein die
Teilnehmerliste eine ansehnliche Anzahl von Fachkollegen auf. Die Hoff-
nungen der Amerikaner, daß sich viele europäische Koryphäen unserer
SpezialWissenschaft in New-Tork einfinden wftrden, erföUten sich leider
nicht; das Häuflein bekannter europäischer Dermatologen war außeror-
dentlich klein. Von Italien waren Campana und Bertarelli, von
Frankreich Hallopeau, Gaucher und Renault erschienen, England
war durch Crocker, Whitfield und Taylor, Deutschland durch
Veiel, Wolff-Straßburg und Ho ff mann vertreten, von Norwegen
war Rasch-Kopenhagen und von Österreich- Ungarn nur ein einziger
Dermatologe überhaupt, Dr. Pol 1 and -Graz zugegen. Trotzdem war
meines Erachtens die wissenschaftliche Darbietung und Ausbeute des
Kongresses keine geringere als die der früheren internationalen Derma-
tologenkongresse«
In erster Linie muß betont werden, daß es das Hauptverdienst des
überaus tätigeu Generalsekretärs Fordyce-New-York war, daß der
Kongreß einen so glücklichen Verlauf nahm. Ebenso kann nicht rühmend
genug die vortreffliche und geschickte Leitung des Kongresses durch
Prof. James 0. White -Boston anerkannt werden. Der Wissenschaft-
liehe Teil des Kongresses wurde in dem eigenen Heime der New-Torker
^Aoademy of Medicine* abgehalten, und auch die modern und komfortabel
eingerichteten Räume dieses Tagungsortes trugen — trotz der recht
beträchtlichen Hitze — nicht unwesentlich zum andauernd steten und
guten Besuch der Sitzungen bei.
Die Eröffnung des Kongresses wurde nach dem Berichte des Gto*
neralsekretära und den Ansprachen des Generalarztes Rizey, der im
19»
292 Yerhandlangen
Auftrage des PrUsidenten RooseTelt die Kongreßteilnehmer begrfifite
und daa groBe IntereMe hervorhob, welches der Präsident gerade für die
medizinische Wissenschaft stets bekunde, nnd von Ira Remsen, Prä-
sident der Johns Hopkins -Universität, der im Auftrage der amerikanischen
Universitäten den Fachkollegen Willkommgrüße entbot, durch eine
groß angelegte Rede vom Präsidenten James C. White eingeleitet, in
der die Entwicklung unserer Dissiplin seit Ferdinand Hebras Wirken
— 1856/57 war White selbst Schüler von Hebra in Wien gewesen —
bis in die jetxige Zeit in den verschiedenen Ländern und besonders in
Amerika dargelegt wurde. Ich muß es mir versagen, ebenso wie im
weiteren Berichte bei den übrigen Referaten nnd Vorträgen auf Einzel-
heiten einzugehen, da es sich ja hier nur um einen kurzen, zusanunen-
fassenden Bericht handelt, auch der größte Teil der Vorträge, die auf
dem Kongreß gehalten wurden, wohl als Original beitrage in den verschie-
denen amerikanischen Journalen in extenso erscheinen und dadurch im
Archiv ansfahrlicher referiert werden. Hervorheben will ich nur, daß
White den Syphilisforschnngen Neissers wärmste Anerkennung zuer-
teilte nnd dem Bedauern Ausdruck verlieh, daß Neisser, durch seine
Arbeiten verhindert, dem Kongresse nicht anwohnen konnte.
Als Hanptthema des Kongresses war wohl »der gegenwärtige
Stand der Syphilisätiologie* zu betrachten. Erich Hoffmann
erstattete über oie Spirochaetenfraga ein ausführliches Referat da»
naturgemäß für die Mitglieder der deutschen dermatologischen GeseUschaft,
die ja auf dem Berner Kongreß in detailliertester Weise über sämtliche
Einzelheiten der Bedeutung der Spirochaeta pallida aufgeklärt wurden,
kein so großes aktuelles Interesse darbot, als für die anderen und speziell
die amerikanischen Dermatologen. Besonderes neues Material konnte ja
Hoffmann seit dieser Zeit nicht bieten. Immerhin waren einzelne neue
Befunde, wie Spirochaeten in Lungenbronchiolen, in Haaren bei konge-
nitaler Lues und im Lumen der Vene einer Sklerose, recht interessant,
ebenso wie die Demonstration von Spirochaeten bei Dunkelfeldbeleuchtung.
Auch Dreyer-Cöln hatte mastergültige Spirochaetenpräparate aufgestellt,
darunter auch Spirochaetae refringentes in Schnitten spitzer Condylome
(cfr. Dreyer-Cöln, dermatol. Zentralblatt^ Bd. X, Heft 2, 1906). Die
Befunde und Anschauungen Hoffmanns wurden durch Oskar T.
Schulz -Cleveland im großen Umfange bestätigt, ebenso von Hallopeau,
der die Spirochaeta pallida als .Trepanoma pallidum'' aufgefaßt
und demgemäß bezeichnet wissen will.
Als weiteres Hauptthema des Kongresses waren die «tropi sehen
Hauterkrankungen* ansersehen, wozu Radcliff Crocker ein mit
Demonstrationen verbundenes einfahrendes Referat erstattete, dem aus*
führliche Mitteilungen amerikanischer Marineärzte — an der Spitze Ri xley
— folgten. Erwähnenswert erscheint mir der Vortrag von Stiles, Arzt am
öffentlichen Gesundheitsamt und Marinehospital in Washington, der von
einer fär Amerika neuen tropischen Erkrankung, der sogenannten
„gronnd itch", verbunden mit „Uncinariasis*, berichtete, die in
des Yf. iotemationalen DermatologenkoDgresses. 293
Japan znent 1906 durch Ij im a -Tokio beschrieben wnrde and in einer
akneförmigen Hantentsfindnog besteht, welche dnrch das Eindringen eines
Wurms in das subkutane Gewebe mit Bildung massenhafter Larren her-
Torgemfen wird, ferner von Stitt, Stabsarzt der amerikanischen Marine,
der die tropischen Geschwüre bei den Eingeborenen der
Philippinen besprach, die in Guam „Gangosa** benannt werden und
trotz aller möglichen therapeutischen Maßnahmen — extern und intern —
unheilbar sind, schließlich von Mink -Washington, der seine in Gemein-
schaft mit Mc. Leau bearbeiteten Untersuchungen über „Gangosa"
vortrug. Dem Berichte Minks war zu entnehmen, daß „Gangosa** ein
spanisches Wort ist, das „heisere Stimme ** bedeutet, da die Erkrankung
fast immer in Geschwürsform am weichen Gaumen, den Tonsillen oder
der Uvula beginnt und zu Tonsillitis, Pharyngitis oder Laryngitis fahrt
und daß unter 11.000 Bewohnern von Guam wohl 250 an Gangosa leiden.
Die Erkrankung fuhrt zu schweren Zerstörungen des Gaumens, Rachens,
zu oft völligem Verluste der Nase und unterscheidet sich von Lue?,
Tuberkulose und Lepra. Hereditat ist ätiologisch nicht von Bedeutung.
Infektiosität ist vorhanden und Isolierung in prophylaktischer Hinsicht
notwendig.
Als dritter Hauptgegenstand des Kongresses waren die Referate
der pathologischen Anatomen Councilman-Boston und Calkins-
New-York über die „Erreger der Variola* ausersehen, die von den
Referenten mit Demonstrationen einer großen Fülle mikroskopischer
Präparate (Projektionsbilder) begleitet wurden. Council man hält den
Oytoryctes variolae (Guanieri) für den Erreger der Variola und will ihn
auch in einer gewissen Entwicklungsform in der Vaccine auffinden. Er
unterscheidet 2 Entwicklungsformen, die unvollkommene, resp. wahr-
scheinlich ungeschlechtliche, die sowohl bei Blattern als auch bei Vaccine
beobachtet werden kann, und die vollkommene, weiter entwickelte, die
nur bei Variola in Erscheinung tritt Afifen sind für Blatternimpfungen
sehr geeignet, aber nur bei künstlicher Übertragung. Überimpfung von
Blatternvirus auf Kaninchen und Kälber ergibt Vaccineerscheinungen
und enthält nur die unvollkommene Entwicklungsform des Pockenerregers.
Oalkins' mikroskopische Prüfungen entsprechen im großen und ganzen
den Anschauungen von Gouncilman. Auch Galkins glaubt auf Grund
seiner Befunde an die ätiologische Bedeutung des Oytoryctes variolae,
den er in den verschiedenen Entwicklungsformen anschaulichst demon-
striert. So hochinteressant auch die vorgeführten Bilder waren, so waren
sie doch nicht im stände, die Einwürfe der Vertreter anderer Anschau-
ungen — und solche traten in der Diskussion auf — zu entkräften, die,
wie längst bekannt, die Protozoenbildungen nicht anerkennen, letztere
vielmehr für Zelldegenerationen erachten.
Zu den Einzelvorträgen übergehend will ich zunächst die das
dermatologische Gebiet umfassenden berühren. In therapeuti-
scher Hinsicht war die von Wright und Douglas inaugurierte
Opsonin methode mehrfach Erörterungsgegenstand. Whitfield
294 Verhandliiiigen
•childerte ausführlich die Methode und empfahl sie voraagsweise bei
allgemeiner Furankolose und bei septiicher Dermatitis, während sie bei
Sykosis und Akne vielfach, bei Lnpns ond Erythems indnratum (Basin)
snmeist versagte. Ähnliche Ergebnisse ergeben auch die üntersnehnngen
von Schamberg-Philadelphia und von Eberts-Montreal (Ka-
nada), nur fand ersterer bei Akne oft recht günstige Resultate. Diese
Mitteilungen beweisen, daß, wenn auch das Gebiet der erfolgreichen
Opsonintherapie nur enge Grenzen haben durfte, der Wert der Opsonin-
methode nicht zu leugnen ist und ihre weitere Prüfung auf dem Gebiete
unserer Spezi aldisziplin noch rege betrieben werden muß.
Sehr auffallend waren die günstigen Erfahrungen, die Bulkley
mit rein vegetarischer Kost bei Psoriasis gemacht haben will.
Der Vortragende stützte seine These auf eine 20jährige Beobachtungsseit,
so daß nabeliegende Einwände über Zufälligkeiten etc. nicht stichhaltig
sein konnten. Führte Bulkley die Psoriasis schon auf Stoffwechsel-
störungen zurück, so glaubte Johns ton -New York gewisse Dermatitis-
formen auf größere Schwankungen im Stiokstoffumsatz zurückfuhren
zu können, was aber von Gau eher unter Hinweis auf die schon normaler-
weise vorhandenen Unregelmäßigkeiten bezweifelt wird. Von Interesse
und der Nachprüfung wert sind die Angaben von Ravitch-Louisville,
woDsch Urticaria chronica häufig — und vorzugsweise bei Frauen
— durch Störungen der Glandula thyreoidea bedingt ist und
durch Schild drüsentherapie behoben werden kann. Auch die Röntgen-
therapie fand mehrfach Erwähnung. Gampana-Rom berichtete über
Erfolge bei Pagets disease, Pusey-Ghicago hat in zahlreichen
Caroinom fällen, die zum Teil noch nach mehr als 8 Jahren nach-
untersucht wurden, dauernde Heilung beobachtet. Das außerordentlich
reichhaltige Material des Mount Sinai Hospital (Abteilung von Lust-
garten) gab Samuel Stern-New York Gelegenheit, ein Resuine
über 600 mit Röntgenstrahlen und Hochfrequenzströmen
behandelte Dermatosen vorzutragen, das im wesentlichen schon
bekannte Resultate zeitigte. Hervorgehoben sei, daß Stern bei Lupus
erythematodes Besserungen, bei Verrucae und Naevi Heilungen durch
Hochfrequenzströme sah, daß Favus und Trichophytia capitis neben der
Röntgentherapie noch andere Behandlungsarten erheischten.
Sehr instruktiv waren die von Abbe- New York demonstrierten
Moulagen, welche die vom Vortragenden gewonnenen recht glücklichen
Resultate bei der Radiumbehandlung von Ganor oi den vor Augen
führten. Das wohl bei weitem größte Interesse in therapeutischer Hinsicht
erweckte aber der Vortrag von Charles T. Dade-New York über
die Wirksamkeit der flüssigen Luft bei Hautkrankheiten.
An einer großen Reihe von Patienten demonstrierte Dade das einfache
Applikationsverfahren, das sich besonders bei Ulcera rodentia, Lupus
erythematodes, Naevi — wie vorgestellte Fälle bewiesen — aufs vorteil-
hafteste bewährt hatte. Es erscheint mir zweifellos, daß die „flüssige
det VI. internationalen DermatoIogenkongresBes. 295
Lnft" in der Behandlung der oben genannten Affektionen noch in Zukunft
eine große BoUe spielen wird«
Eine große Anzahl weiterer gehaltener Vorträge besohäftigte sich
mit der Pathologie der Dermatosen. Towle-Boston besprach auf Grand
▼on 4 Fällen die »hysterische Hautgangr&n^. Es handelt sich um
S Frauen und 1 Mann. Dem Auftreten der Erkrankung waren immer
Traumen bei den hysterisch veranlagten Personen vorausgegangen. Der
Gangrän lagen artifizielle Läsionen su Grunde. Referent beleuchtete
«Die Bedeutung des Traumas als ätiologischer Faktor bei
Hautkrankheiten^ und leg^e im Gegensatz zu Heller-Berlin unter
Mitteilung 2 eigener Fälle Ton Liehen planus, die nach Traumen ent-
standen sind, dem Trauma eine größere Bedeutung bei. Eine einheitliche
Zusammenstellung der in der Literatur versteckten Beobachtungen
traumatischer Beeinflussungen von Dermatosen habe noch nicht statt-
gefunden, ebenso haben viele Autoren nach Ansicht des Referenten ihre
diesbezüglichen Beobachtungen nicht publiziert. Zeissler-Ghioago
und Ravogli-Cincinnati reden einer in Zukunft größeren Würdigung
des Traumas das Wort. Corlett-Gleveland berichtete über ein
circinäres bullöses hämorrhagischesExanthem septicopyämi-
schen Ursprungs, das sich bei einem 12jährigen Knaben im Anschluß und
nach Abheilung einer Schädelschußwunde entwickelt hatte und den Exitus
herbeiführte. Haase-Memphis teilte unter histologischen Angaben
einen bei Unna beobachteten Fall von „Hydroa puerorum*' (Unna)
mit. Ein Resumö aus 10 bereits publizierten Fällen von Blastomykosis
trug Frank H. Montgomery-Ghicago vor. Ravogli-Cincinnati
verbreitete sich über 2 Beobachtungen von Dermatitis coccidioides,
einer Erkrankung, die syphilitischen Ulzerationen glich, in denen aber
kulturell von Blastomyceten sich dififerenzierende coccidienähnliche Pro-
tozoen auffindbar waren. Nach Zeisslers-Chicago Beobachtungen ist
der Zoster arsenicalis als absolut sicher ätiologisch begründet zu
betrachten. Nicht weniger als llmal sah er das Zustandekommen eines
Zoster arsenicalis, der sich meist mehrere Wochen oder Monate
nach dem Beginn der Arsentherapie, also gewissermaßen im Stadium der
Maximaldosis des Arsens, entwickelte und nach dem Ausbruch trotz
weiterer Fortsetzung des Arsengebrauchs nicht rezidivierte. Die prophy-
laktischen Vorschläge Gampanas hinsichtlich der Lepraverbreitung,
die in einer kaustischen oder chirurgischen Zerstörung des Initialaffekts
der Lepra bestehen sollen, entfesselten eine rege Diskussion, an der vor-
zugsweise die bezüglich der Lepra erfahrenen amerikanischen Forscher
Isadore Dyer-New Orleans und Prince Morrow-New-Tork
sich beteiligten. Den G amp an a sehen Ansichten gegenüber vertreten die
letzteren die Anschauung, daß die meisten Initialformen dem Arzte ent-
gehen, und daß die tuberösen resp. makulösen Primärerscheinungen, für
die die Gampanasche Behandlung in Frage kommen kann — im Ver-
gleich zn den trophischen Leprafftllen — weit seltener zur Beobachtung
kommen. Die Mitteilung von Tyzzer-Boston machte die Kongressisten
296 Yerhandlangen
mit einer in den Vont&dten Botions seit einem Desennium aoftretenden
Dermatitis bekannt^ die durch die Haare einer Mottenart henror-
gemfenwird, die „brown tail moth Dermatitis'. Ober die reizende
Sabetanz dieser Härchen hat Tyzser chemische üntersnchnngen ange-
stellt. Die Haut- und Geschlechtskrankheiten der Keger bieten
nach den statistischen Aufstellnngen von G. Howard Fox-New York
infolge anatomischer und physiologischer Differenzen manche Eigen-
tümlichkeiten der weißen Rasse gegenäber. Psoriasis ist bei Negrem
außerordentlich selten, Syphilis recht h&nfig, besonders annnläre Syphilide.
Acne indurata wird sehr ofb beobachtet und ist sehr hartuäckig. Zu
Eeloiden, Fibromata, Elephantiasis disponieren die Neger, ebenso zu
Urticaria, Oedema angionenroticum etc. Die Statistik basierte auf
2200 hautkranken Negern. Hartzell-Philadelphia trug über einen
Fall von multiplem idiopathischem hämorrhagischem Sarkom
vor, der durch Röntgenstrahlen günstig beeinflußt wurde. Pollitzer-
New-Tork besprach als neue Form von „Tuberkuliden'' Haat-
effloreszeuzen bei einer Phthisikerin, die histologisch epithelioide und
Riesenzellen au fwiesen. Heidings feld-Gincinnati demonstrierte außer-
ordentlich wohlgelungeoe makroskopische und mikroskopische Bilder von
multiplem, benignem, cystischem Epitheliom, ebenso Gilchrist-
Baltimore seine histologischen Befunde bei Urticaria factitia.
Vorträge syphilidologischen Inhalts wurden nur einige wenige gehalten.
Gauchers und Robert W.Taylors- New York Mitteillungen betreffen
die hereditäre Syphilis, die Verschiedenheiten und den Wert der
Hutchinsonschen Zähne erörterte Post-Boston, Demonstrationen
über Röhrenknochenlues (Röntgenaufnahmen) führte Ware-New -York
vor. Auf die Gefahren der syphilitischen Infektion durch die
Massage machte Robert W. Taylor- New -York aufmerksam, indem
er über einen Fall Bericht erstattete, in welchem durch einen luetischen
Masseur multiple Sklerosen auf durch Massage irritierte Stellen über-
tragen wurden und Hermann G. Elotz-New-York erweiterte seine
bereits vor Jahren eingenommene Stellung hinsichtlich der peripheri-
schen syphilitischen Arterienentzündung auf der Grandlsge
dreier Beobachtungen, wobei er die große Ähnlichkeit mit der Raynaud-
schen Krankheit hervorhebt und differenzial diagnostisch klarstellt.
Beweist schon diese Übersicht über die gehaltenen Vorträge, wie
vielgestaltig, interessant und bedeutungsvoll das wissenschaftliche Material
des Kongresses war, so wurde es doch noch weit übertroffen durch die
ungemein reichhaltige und abwechslungsreiche Fülle der auf dem Kongreß
gebotenen Krankendemonstrationen. Kein Wunder, denn die
Riesenstadt New- York allein bietet schon eine exorbitante Zahl seltener
dermatologischer Fälle, dazu kamen auch noch einzelne Vorführungen
aus benachbarten Städten. Neben den „cases for diagnosis** gab es
Lepra, Blastomykosis, Psorospermosis Darier, Argyrosis etc. etc. zu sehen
Wie auf früheren Kongressen, war auch in New-York die dankenswerte
Einrichtung getroffen, daß die einzelnen Kranken in verschiedenen
des YI. internationalen Dermatologenkong^esses. 297
Zimmern der i^Aoademy of medicine'' vor der Besprechung in Muße
besichtigt werden konnten, wobei die amerikanischen Kollegen fast alle
Patienten mit ausführlichen Krankengeschichten yersehen hatten.
Mit der größten Liberalität wurde ferner den Kongreßteilnehmern
der Besuch der vielen cum größten Teil aufs beste eingerichteten Kranken-
häuser und deren dermatologischen Ambulatorien ermöglicht. Das Skin
and Cancer Hospital, das Mount Sinai Hospital, das German
Hospital etc. sind Anstalten, die wohl einen Vergleich mit unseren
Hospitälern bestehen können, ja in mancher Hinsicht (Ausstattung,
Laboratorieueinrichtungen) speziell unsere deutschen analogen Institutio-
nen noch übertreffen. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß die
ärztliche Wissenschaft in New- York eine gute Pflegestätte hat, wenn
anch das hastige Treiben in New- York und die großen Entfernungen etc.
einer wissenschaftlichen Ausnutzung des gewaltigen Krankenmaterials in
dem Grade, wie es bei uns der Fall ist, hinderlich sind.
Die Gastfreundschaft, welche die Amerikaner den fremden Derma-
tologen entgegenbrachten^ nahm sehr große Dimensionen an. Die ein-
heimischen Kollegen nahmen uns, ihre Gäste, mit der größten Herzlich-
keit auf und suchten mit jedem Einzelnen näher bekannt zu werden.
Abgesehen von den Einladungen im kleineren Kreise, die White, Hyde,
Stelwagon etc. veranstalteten, trafen sich sämtliche Mitglieder des
Kongresses mit ihren Damen bei den großen „Receptions'', die der Prä-
sident White in dem luxuriösen Wal dorf-Astoria-Hotel und Bulkley in
seinen eigenen Räumen zu Ehren der Kongreßteilnehmer gaben. In
glänzendster Weise bewirtete auch der Generalsekretär Prof. Fordyce-
New-York in seinem Hause die Mehrzahl der europäischen Koliken
und deren Damen. Sehr imposant gestaltete sich das Festbankett des
Kongresses im Waldorf-Astoria-Hotel, und auch der Ausflug nach Goney-
Island, dem vielbesuchten Seebadeorte bei New-York, mit den im tausend-
fachen Lichterglanze strahlenden Vergnügungs- und Belustigungsorten
„Lunapark" und „Dreamland*' wird den Fachkollegen unvergeßlich bleiben.
Nur ungern verabschiedeten wir uns am Schlüsse des Kongresses von
unseren amerikanischen Kollegen und in voller Überzeugung und sicherer
Erwartung riefen wir uns alle zu : auf Wiedersehen 1910 in Rom !
Geschlechts-Krankheiten.
Gonorrhoe und Komplikationen.
Goldberg, B., Wildungen. Besteht ein Znaammenhang
zwischen Prostatitis und Prostatahypertrophie? Zentralbl.
fär Chirurgie. 1907. Nr. 8, p. 201.
Goldberg fand in 50 Fällen von Prostatahypertrophie 20mal
Entzündung. Bei dieser handelt es sich um akzidentelle Infektionen, femer
um chronische Gonorrhoen, die schon vor Beginn der Hypertrophie be-
standen; bei 5 Fällen war Infektion ausgeschlossen, aber ein klinischer
Anhalt für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden Prozessen
war nicht vorhanden. In sehr seltenen Fällen findet man außerdem bei jungen
Männern einerseits das klinische Bild des Prostatismus ohne das patho-
logische Substrat einer Hypertrophie (Neurose), andererseits Hypertrophie
ohne klinische Folgeerscheinungen („Prostatitis chronica oystoparetica").
A. Gassmann (Genf).
Nathan, P. W. Gonorrheal Joint Disease and its Treat-
ment New- York. Med. Journ. LXXXV. 501. 16. März 1907.
Nathan erklärt mit Ausnahme der leichten, rasch vorübergehenden
Erscheinungen infolge von Toxämie alle gonorrhoischen Gelenkerkran-
kungen für pyämischer Natur. Die Gonokokken dringen direkt in die be-
fallenen Gewebe ein und zwar sind die Herde entweder in den Synovial-
membranen gelegen (Arthritis) oder in den Gelenkenden der Knochen
selbst (Osteoarthritis). In den letzteren Fällen handelt es sich immer um
primäre Erkrankung des Knochens, nicht um eine Ausbreitung der Ent-
zündung von dem Innern des Gelenks aus. Ebenso bleibt die Arthritis-
form immer auf das Gelenkinnere beschränkt und zieht niemals den
Knochen in Mitleidenschaft. Gon. Gelenkaffektionen können häufige
Rezidive bilden, sind aber nie wirklich chronisch. Chronisch sind nur
Zustände, welche die anfangliche akute Entzündung zurückläßt; Bänder
und Verwachsungen oder andere Strukturveränderungen der Synovial-
membran bei der Arthritis, Ankylosen und Exostosen bei Osteoarthritis.
Solche Veränderungen können nur durch Operation beseitigt werden.
Für die akute Periode sowie für die Deformitäten hat sich die Behand-
lung nach allgemeinen Grundsätzen zu richten. In beinahe allen Fällen
Bericht über die Leist. auf dem Geb. der Geschlechtskrankh. 299
von gonorrhoischer GelenkerkraDkang tritt Heilung ohne Bewegungs-
störung ein, wenn der Patient während der akuten Periode in geeigneter
Weise behandelt wird.
Diese Behandlung besteht in Bettruhe, Immobilisierung des befal-
lenen Gelenks durch Gipsverband, der zu beiden Seiten beträchtlich das
Gelenk überragt. Wenn die akuten schweren Symptome abgelaufen, muß
zwischen Arthritis und Osteoarthritis unterschieden werden. Im ersteren
Falle tritt dann Immobilisierung in Extensionsstellnng, im andern Falle
abnehmbare Verbände mit passiren Bewegungen an die Reihe. Die Infek-
tionsherde müssen so energisch wie möglich behandelt werden. Im ein-
zelnen Falle hat man sich diese Fragen ror^ulegen: 1. Haben wir es
mit einem aktiven Prozeß zu tun? 2. Ist derselbe wirklich gonorrhoischer
Natur? 8. Handelt es sich um Erkrankung des Gelenks (Arthritis) oder
der Knochen (Osteoarthritis)? 4. Wenn der aktive Prozeß abgelaufen,
haben wir es mit Adhäsionen oder mit Enochenveränderungen zu tun ?
H. G. Klotz (New- York).
Witherspoon, John A. Gonorrheal Arthritis. Joum. Am.
Med. Ass. XLVIII. 377. 2. Februar 1907.
Nichts Neues. H. G. Klotz (New- York).
Ulimann, K., Wien. Über Conjunctivitis, Iridocyclitis
und andere entzündliche Augenaffektionen als Teilerschei-
nungen eines Gonorrhoismus. Wiener klinische Rundschau. 1907.
Nr. 15, 18, 19 und 20.
Zusammenfassendes, übersichtliches Referat mit genauen Literatur-
angaben; siehe Original. Viktor Band 1er (Prag).
Boissonas, L. Blennorragie et chor6e. Revue mddicale de
la Suisse romande. 1905. Nr. 12. p. 865.
Boissonas referiert die wenigen Fälle von Chorea, die bisher
bei Gonorrhoikem beobachtet worden sind. Im allgemeinen wird ein
ätiologischer Zusammenhang hierbei angenommen. Bekannt sind die
Beziehungen der Chorea zum akuten Gelenkrheumatismus. In 4 von den
6 publizierten gonorrhoischen Choreafällen waren die Gelenke befallen,
in 5 bestanden Herzkomplikationen; der Verlauf erscheint meist protra-
hiert, so daß eine reservierte Prognose am Platz ist. Auf der Heubn er-
sehen Klinik wurden bis jetzt unter 77 Fällen nur 2 gonorrhoische ge-
funden, obschon systematisch darauf gefahndet wird. Einen derselben
bringt Verf. in extenso. Jedenfalls scheint also die gonorrhoische Chorea
selten zu sein. A. Gassmann (Genf).
Leopold, G., Dresden. Zur Gonococcenperitonitis im
Wochenbett. Laparotomie, Drainage, Genesung. Zentralblatt
für Gynäkologie. 1906. Nr. 48. p. 1177.
Leopold hat bereits im Archiv für Gynäkologie, Bd. LXXVIII
über mehrere Fälle von operativ behandelter puerperaler Peritonitis be-
richtet, von denen 2 sicher, 8 wahrscheinlich gonorrhoischer Natur waren.
Er schildert einen weiteren Fall, bei dem am 6. Tage nach der Geburt
Fieber auftrat. In den Sekreten fanden sich Gonokokken. Schnell ent-
300 Bericht über die LeistuDgen auf dem Gebiete
wickelte sich eine akate Peritonitis mit hohem Fieber. Auf Grund der
gänstigen Erfahmngen des Yerf. über Frühoperation erfolgte snhon nach
34 Stunden die Eröffnung des Bauches sur Ablassnng des eiterigen Sekretes,
indem sich sahireiche Gonokokken fanden, und Dnrchspülnng derBaueh-
höhle mit warmer physiologischer Kochsalzlösung. Sofort nach dem Ein-
griff fiel das Fieber zur Norm ab, die Peritonitis ging bald zurück und
die Frau genas. A. Gassmann (Genf).
Lemierre, A. et Fanre-Beanlieu, M. Septicemie et Pyo-
hemie gonococciques. Gazette des Höpitanx. 1906. p. 231.
Lemierre und Faure stellen auf Grund der Literatur in
übersichtlicher und klarer Form die gonorrhoischen Metastasen dar.
Die Yerff. unterscheiden eine reine Septikamie mit Gonokokken im Blute
ohne besondere Lokalisation in andern Organen und eine metastatische
Septikamie, wobei et neben der Blutinfektion zu Metastasen in den yer-
schiedensten Organen kommen kann. Die Merastasen können mit oder
ohne Eiterung yerlaufen; im ersteren Falle werden sie gonorrhoische
Pyümien genannt. Es werden dann der Reihe nach kurz besprochen:
die soeben genannten reinen gonorrhoischen Septikämien, dann die meta-
statischen Septikämien mit den verschiedenen Lokalisationen in den Ge-
lenken, Synovialmembranen, Knochen und Ejiorpel, Endokard, Myokard,
Perikard, Lymphdrüsen, Pleura, Lungen, Nervensystem, Nieren, Muskeln,
Haut und Unterzellgewebe, Parotis und Augen. Zum Schlüsse folgen
noch kurze Angaben über die Diagnose, Prognose und Behandlung dieser
Affektionen. M. Winkler (Luzern).
Hei§ser. Über örtliche und innerliche Behandlung
der Gonorrhoe. (Aus der derm. Klinik der Univ. Breslau.) Müncbener
mediz. Klinik. 1907. Nr. 14.
N e i s 8 e r legt seinen Standpunkt betreffs der modernen Gonorrhoe-
behandlung dar. Da die Gonorrhoe eine durch Mikroorganismen hervor-
gerufene Erkrankung ist, mufi die Therapie eine antibakterielle sein. Er
beginnt daher auch im akuten Stadium sofort mit Einspritzungen und
zwar ISfit er taglich einmal mit einer 37t ProtargoUÖsung in einer 6%
wässrigen Antipyrinlösung und dreimal .mit einer V4V0 I^ösung von Pro-
targol in einer SVo Antipyriaiösung spritzen. Das Antipyrin, das auch
durch Alypin ersetzt werden kann, wirkt dabei reiz- und schmerzstillend.
Die Frage, ob eine interne Therapie mit balsamischen Mitteln die
äußere Gonorrhoetherapie ersetzen kann, beantwortet Yerf. rückhaltlos
mit iinein*. Er räumt den modernen Mitteln wie Gonosan, Santyl, Arrhovin
nicht mal eine Beeinflussung, viel weniger eine Schädigung oder Tötung
der Gonokokken ein, erkennt dagegen die reiz- und schmerzlindernde
Wirkung der Balsamika an und gibt zu, daß sie mit Vorteil neben der
äußeren Therapie gebraucht werden können. Trotzdem fürchtet er ihre
Anwendung, weil die Laien leicht zu der irrigen Annahme gefuhrt werden,
daß mit dem Nachlassen der Beschwerden nun auch die Krankheit ge-
schwunden sei. Oskar Müller (Dorimund).
der Geschlechtskrankheiten. 301
Zieler. Die Wirkungsweise der modernen Gonorrhoe-
therapie. (Aus der königl. Klinik fär Haatkranke zu Breslau.) Münch.
mediz. Wochenschr. 1907. Nr. 12.
Nach einem Überblick über die bei der ukuten Gonorrhoe eintre-
tenden anatomischen Veränderungen, die darauf hinweisen, daß der Orga-
nismus wertvolle natürliche Schutzmittel gegen die Infektionserreger be-
sitzt, geht Z i e 1 e r auf die Therapie der Gonorrhoe näher ein. Er ist der
Ansicht, daß bei der modernen Behandlung der Gonorrhoe 2 Faktoren
eine wesentliche Rolle spielen, einmal die stark antiseptischen Eigen-
schaften unserer neuerer Mittel, sodann die natürliche Entzündung und
ihre richtige Ausnutzung.
Verf. möchte der Hyperämie und Entzündung einen größeren Anteil
an den Heilerfolgen zugeschrieben wissen, als es bisher geschehen ist.
Oskar Müller (Dortmund).
Gans, S. Leon. Treatment of Chronic Urethral Dis-
charge. New-York. Med. Journ. LXXXV. 156. 26. Januar 1907.
Gans bespricht zuerst Urethrorrhea, als eine klebrige^Ahsondernng,
die gewöhnlich als Folge langandauernder und schwerer Tripper zurück-
bleibt. Dieselbe wird durch örtliche Behandlung wenig beeinfloßt, am
meisten noch durch Einspritzungen von Adrenalinlösung 1 : 2000. Tonische
und hygienische Maßregeln sind mehr indiziert. „Gleet" beruht entweder
auf dem Vorhandensein einer entzündlichen Stelle oder einer Erosion
unabhängig von Strikturen, oder ist die Folge der letzteren. Im ersten
Falle empfiehlt G. Sondeneinführung, 2 — 3 Minuten lang gefolgt tou
Spülung mit einer erwärmten Silber- oder Kupferlösung; im andern Falle
ist zunächst erst die Striktur zu beseitigen. Als Nachbehandlung soll
eine Sonde wöchentlich 6 Monate lang noch eingeführt werden. Tiefe
Einspritzungen nach Gnyon n. a. werden für die auf Urethritis posterior
beruhenden Fälle empfohlen. Nur wenn diese Behandlungsmethoden nicht
erfolgreich sind, wird endoskopische Untersuchung, event. Behandlung
empfohlen. H. G. Klotz (New- York).
Bierhoff, Frederic. A Modified Endoscopic Tube and
Endoscopic Knives. New- York. Med. Journ. LXXXV. 218. 2. Fe-
bniar 1907.
Zur besseren Einstellung von Lakunen und namentlich paraure-
thralen Kanälen im vorderen Teile der Urethra benützt Bierhoff einen
mit einem 2 mm breiten seitlichen Schlitz versehenen endoskopischen
Tubus von 26 Fr. und 6*/^** Länge; ein besonders geformter Obturator
soll das Vorfallen der Schleimhaut in den Spalt verhüten. Die zur Spal-
tung von Lakunen bestimmten Messer sind Modifikationen der von Grün-
fei d angegebenen; die schneidende Fläche liegt in der Fortsetzung des
Schaftes, der Rücken bildet mit derselben an dem freien Ende einen
spitxen Winkel; der Gri£f ist im Winkel gebogen. (Ref. benützt für den
gleichen Zweck hakenförmig gekrümmte Spitze und geknöpfte Messer.)
H. G. Klotz (New-Tork).
1
302 Bericht über die Leistangen auf dem (Gebiete
Renault, ün noureaa remide interne contre la blen-
norrhagie: Le Gonosan. Gasette des Hopitauz. 1906. p. 905.
Ren aalt hat 10 F&lle Yon ürethralgonorrhoe ausschließlich mit
Gonosan behandelt und kommt dabei za folgenden Schlüssen:
1. Gonosan hat ausgesprochen anästhesierende Eigenschaften and
vermindert die Schmerzen bei der Miktion and Erektion.
2. Es vermindert die Sekretion.
3. Das Mittel ist anschädlich für den Magendarmtraktas, für die
Nieren and die Haat.
In 2 Fällen hat Ben aalt mit Gonosan anscheinend Tollständige
Heilang enielt. Indessen verlangt Verf. noch eine größere Versnohsreihe,
bevor er sich definitiv über die heilende Kraft des Mittels ansspreohen
wilL Yorläafig empfiehlt er das Gonosan warm als wirksames Ünter-
stützangsmittel bei der gewöhnlichen Gonorrhoetherapie.
M. Wink 1er (Lazem).
Lflth. Zar Therapie der Prostatitis gonorrhoica. Mediz.
Klinik. 1907. Nr. 10.
Lüth berichtet über gute Erfolge, die er mit einem neaen Mittel,
dem Fibrolysin, bei parenchymatöser Prostatitis, bei der erfahrungsgemäß
die Massage meist versagt, erzielt hat. Er spritzte alle 4—6 Tage eine
Ampalle des von Merck hergestellten Präparates in die Glntäen ein
und konnte schon nach der ersten Injektion eine Erweichang der Pro-
stata, nach 3— 4wöchiger Behandlung in verschiedenen Fällen Heilang
konstatieren. Oskar Müller (Dortmand).
Ivezie. Über Gonosan. Deat«che Praxis. XV. Nr. 11.
Gonosan warde bei mehr als 20 Fällen mit gutem Erfols; angewandt
Von mikroskopischer Gonokokkenuntersuchung ist, auch bei den 8 Kranken-
geschichten, nichts erwähnt! Theodor Baer (Frankfart a. M.).
Siebelt. Bemerkungen zur balneologischen Behand-
lung der gonorrhoischen Späterkrankungen. Berliner klin.
Wochenschrift. Nr. 15. 1907.
Siebelt empfiehlt zur Behandlung der gonorrhoischen Gelenk-
entzfUidungen Moorbäder, die so früh als möglich angewandt werden
sollen. Für die gonorrhoischen Genitalkatarrhe der Frauen haben sich
Fichtenrindenbäder besonders gut bewährt. Die gleichen balneologischen
Behandlungsmethoden brachten auch bei gonorrhoischen Neuralgien
(Ischias) Erfolg. H. Hübner (Frankfart a. M.).
Yenerisehe Helkosen.
Schfltz, F., Wien (Abteilung Mraöek). Behandlung veneri-
scher Bubonen mit Saugglocken nach Bier-Klapp. Wiener
medizinische Wochenschrift. 1907. Nr. 12.
de Geschlechtskrankheiten. 303
Schüts hat snm Vergleiche der Erfolge der verschiedenen Be-
handlungsmethoden von 86 F&Uen inguinaler Babonen, die im Jahre 1906
rar Beobachtung kamen, 46 mit Bier scher Stauung behandelt ohne Aus-
wahl der F&lle. Die Saugglocken wurden in jedem Falle so grofi gewählt,
daß der Rand die infiltrierte Umgebung der erkrankten Drusen überall
ftberragt; für den Grad der Stauung ist das subjektive Empfinden des
Patienten der beste Maßstab. Gestaut wurde täglich V4 Stunden in der
Art, daß die Sangglocke nach je 6 Minuten durch Zusammendrücken des
Ballons für 8 Minuten gelüftet wird. In der Regel wurde in allen Fällen,
in denen es unter dem Einflüsse obiger Behandlung cur A.bssedierung
gekommen war, ebenso in allen jenen, welche bereits mit nachweisbarer
Eiterung sur Aufnahme gelangten, sofort lur Inzision, senkrecht auf das
Poupartsche Band, mit nachfolgender Stauung geschritten.
Die Erfolge der Behandlung mit Saugglocken im Vergleiche zu
den bisher geübten Behandlungsmethoden kommen in folgenden Zahlen
zum Ausdrucke. Die 39 nach den früheren Methoden behandelten Fälle
beanspruchten einen Spitalsaufenthalt von durschnittlich 87 Tagen. In
15 Fällen gelang es, die Abszedierung zu verhindern und die geschwellten
Drüsen zur Norm zurückzuführen, was eine durchschnittliche Erankheits-
dauer von 23 Tagen erforderte. Bei den 24 operativ behandelten Fällen
betrug die Krankheitsdauer 63 Tage vom Beginn der ersten Erscheinun-
gen, 46 Tage vom Spitalseintritte und 37 von der Operation an gerechnet.
Die Behandlung nach Bier beanspruchte einen Spitalsaufenthalt von
durchschnittlich 31 Tagen. Von 46 Fällen wurde in 9 mit Stauung allein
ohne Inzision das Auskommen gefunden. Dabei betrug die durchschnitt-
liche Erankheitsdauer 25 Tage. Bei den 37 mit Stauung und Inzisionen
behandelten Fällen war die Erankheitsdauer 58, die Dauer des Spitals-
aufenthaltes 35, nach vorgenommener Inzision 27 Tage. Vergleicht man
die beiden Zahlenreihen miteinander, so ergibt sich bei der Sauggläser-
behandlung eine durchschnittliche Abkürzung des Spitalsaufenthaltes um
8 Tage bei reiner Stauung, um 11 Tage bei Stauung mit Inzision, bei
allen Fällen um 6 Tage gegenüber den korrespondierenden Zahlen der
früheren Methoden. Dagegen zeigt es sich, daß in 80'47o der Fälle gegen-
über früheren 61-57o Inzisionen nötig waren.
Viktor Bandler (Prag).
Colt, G. N. Five cases of inguinal bubo. The Lancet 1907.
April 13. p. 1010.
Colt hat fünf Fälle von Leistendrüsenbubonen operiert und be-
schreibt ausführlich die Operation und den Verlauf der Fälle.
Fritz Juliusberg (Berlin).
304 Bericht über die LeiBtnngen auf dem Gebiete
Syphilis. Allgemeiner Teil.
Doktor, A., Pec8 (Ungarn). Ist die Syphilis eine schwerere
Krankheit als der Tripper? Zentralblatt far Gynäkologie 1905.
Nr. 48. p. 1471.
Doktor glaubt, daß das Ärztepnblikum die venerischen Krank-
heiten nicht genügend ernst und ihre Behandlung daher auch au leicht
nimmt. Sie richten mehr Schaden an als Tuberkulose oder Krebs. Wenn
auch die relative Sterblichkeitssiffer der letzteren höher ist, to streiten
vielleicht doch die venerischen Krankheiten mit diesen um den ersten
Rang; dies wird schon durch ihre immense Verbreitung wahrscheinlich.
Es Iftßt sich nämlich gar nicht feststellen, wie viel Todesfalle sie indirekt
verursachen. Und dies gilt iu erster Linie vom Tripper. Gegen die Syphilis
stehen bessere Mittel zu Gebote und sie wird meist behandelt, während
Publikum und Ärzte den Tripper viel zu leichtsinnig ansehen. Die
Syphilis stiftet möglicherweise außerhalb derEhe and bei
den Männern, der Tripper aber innerhalb derEhe und bei den
Frauen mehr Unheil und Verheerung. Zahlreich sind die Todes-
fälle infolge von Extrauterinschwangerschaften, Aduexerkrauknngen etc.,
für die der Tripper verantwortlich gemacht werden muß, ohne daß man
es später noch sicher beweisen kann. Und lebenslängliches Siechtum oder
verpfuschtes Leben infolge von Frauenleiden, Sterilität usf. ist oft schlimmer
als der Tod. Verf. illustriert seine Ansichten durch 7 Fälle.
A. Gassmann (Genf).
morrow, Prince A. The Gontrol of Syphilis and Venereal
Diseases. Boston Med. Ann. Journ. GLVI. 169. 7. Febr. 1907.
Darlegung der Bestrebungen der Soc. for sanitary and moral
Prophylaxis. H. G Klotz (New-Tork).
Ruggles £• "^ood. The Physician's Relation to the Social
EviL New- York Med. Journ. LXXXV. 159. 26. Januar 1907.
Nichts besonders neues enthaltend. In der Hauptsache Bestätigung
der Wichtigkeit der Erziehung. H. G. Klotz (New-Tork).
Hoffmann, Erich und Braning, Walter. Gelungene Über-
f tragung der Syphilis auf Hunde. Deutsche mediz. Wochenschrift.
^ Nr. 14. 1907.
Nachdem Hoff mann und Brüning 10 Kaninchen mit positivem
Erfolg mit luetischem Material in die vordere Augenkammer geimpft
und einmal mit Wiederimpfung von der typisch infizierten Hornhaut eines
Kaninchen bei einem Affen ein charakteristisches, Spirochaeten enthaltendes
Infiltrat erzeugt haben, ist der Beweis erbracht, daß die Syphilis des
[ Kaninchens auf Affen zurnckgeimpft werden kann, ohne daß in Serien
fortgeimpft wurde. Weitere Experimente betrafen 2 Hunde, denen Teil-
chen menschlicher Primäraffekte in die vordere Augenkammer gebracht
wurden. Nach 16— 21tägiger Inkubation trat starke Keratitis ein. Aus-
i
der Gesohlechtaknmkheiten. 305
striche der Cornea enthielten typische Spiroohaeten. Somit halten Verf.
die Überimpfang der Syphilis anf Hunde, also anf Carnivoren f&r möglich.
Femer wird darauf hingewiesen, daß nicht nur Impfung der vorderen
Angenkammer, sondern auch Skarifikation der Cornea bei Affen und
Kaninchen luetische Keratitis erzengte, ein Beweis, daß die Eröffnung
von Blutgefäßen für das Haften des Virus nicht notwendig sei und daß
die Spiroohaeten in den lympheerfuUten Gewebsspalten einen gänstigen
Boden für ihre Entwicklung finden. Max Joseph (Berlin).
Thibierge,G. La Syphilis exp^rimentale des singes, ses
caract&res, comparaison aveo le chancre simple ezp6ri-
mental; applications possibles a la clinique. Gazette des
Hopitanz. 1906. p. 68.
Thibierge gibt ein kurzes Resümee über den Stand der experi-
mentellen Syphilisforschung mit Anführung eigener Versuche. Verf. hat
namentlich Makaken am freien Lidrand geimpft und zwar mit Material
von Lues und (Ileus molle. Er hebt die Wichtigkeit dieser Ü ber tragung s-
möglichkeit für die Klinik hervor, namentlich für Fälle, in denen es sich
um die Erlangung eines Ehekonsenses handelt. M. Winkler (Luzern).
Weil, E., Prag (Institut Hueppe). Über den Lues- Anti-
körpernachweis im Blute von Luetischen. Wiener klin. Wochen-
schrift. 1907. Nr. 18.
Die Versuche Weils erwiesen das Resultat, daß Extrakte ans
Tumoren mit dem Blute von Luetikern Komplementablenkung in genan
derselben Weise zeigen, wie es Wassermann und Brück bei der
Reaktion auf Luesantikörper beschrieben haben. Nach Weils Versuchen
kommt die Komplementbindung dadurch zu Stande, daß gelöste Gewebs-
stoffe mit dem Blutserum zusammen eine Reaktion geben, welche nach
Art eines Präzipitations Vorganges Komplement absorbiert. Es ist nach
diesen Versuchen nicht von der Hand zu weisen, daß die Reaktion anf
Luesantikörper ebenfalls nur eine Reaktion aufgelöster Gewebsbestandteile
ist. Der Umstand, daß sich die Extrakte durch Kochen inaktivieren
lassen, spricht sehr zu gunsten der Auffassang, daß die aktive Substanz
nicht von der Spirochaete pallida, sondern von den Zellen des Gewebes
stammt. Weil will nicht mit voller Bestimmtheit die Möglichkeit ver-
neinen, daß Wassermann und Brück mit ihrer Methode den Lues-
antikörper im Blute von Luetikern nachgewiesen haben, hält sich aber
auf Grund seiner Versuche berechtigt, so lauge daran zu zweifeln, bis
die genannten Autoren eine befriedigende Erklärung seiner Experimente
gegeben haben. Da nach Weils Versuchen die Komplementbiudung eine
Reaktion auf gelöste Zellbestandteile ist und diese sich auch in den Ex-
trakten von Wassermann und Brück vorfinden und in die Reaktion
eingreifen, so muß es den genannten Autoren gelingen, nach Ausschaltung
derselben eine positive Reaktion zu erzielen.
Viktor Bandler (Prag).
Janke. Gelungene Filtration von Syphilisvirus. Mediz.
Klinik. 1907. Nr. 17.
Arch. f. Dermat. u. Byph. Bd. LXZXIX. 20
306 Bericht über die Leistnngeii aaf dem Gebiete
Nachdem die ersten YerBVche der Syphilisfiltration negatiT ans*
gef Allen waren, reroffentlicht jetst Janke einen Fall, bei dem es ihm
gelangen ist, nach Einimpfdng Ton Syphilisfiltrat in die Angenbranen
eines Mangaben typische Prim&raffekte so erseogen.
Yerf. möchte diesen ersten positiven Ausfall daranf sorückf&hren,
daß er im G^;ensatz zn den anderen Forschem als Material keine Haut-
Syphilide, sondern die inneren Oi!*gane eines totgeborenen syphilitischen
Kindes nahm. Oskar Müller (Dortmund).
Ehnnaim, 8., Wien. Ein neues Gefftßsymptom bei Lues.
Wiener medis. Wochenschr. 1907. Kr. 16.
Ehr mann beobachtete bei mehreren F&llen von Laes eine Er-
krankung der kleinsten Hantarterien, welche am Stamme nnd den Extre-
mitäten sich klinisch in Form von banmformigenf seltenen, netzförmigen
Figuren präsentieren. Diese Figuren sind von dankeiliTider Farbe, 1 bis
2 em breit, an den freien Enden spits zulaufend und sowohl an diesen
als auch an den Bändern verschwommen. In der Achse eines jeden
Streifens ist die Färbung besonders tief gesättigt, am tiefsten dort, wo
mehrere Zweige zusammentreffen. Daß es sich um eine Hyperämie und
nicht um eine Blutung handelt, zeigt ein einfaches Bestreichen der Haut,
durch welches man in der Lage ist, die Hyperämie für einen Moment
zum Schwinden zu bringen. Beim Anfühlen ist die Haut kühl ; es handelt
sich also um eine passive und Stauungshyperämie. Bei einem Falle, der
zur Obduktion kam, wurde die Haut mikroskopisch untersucht und da in
der Haut des Stammes eine Endarteriitis derjenigen kleinsten Arterien
gefunden, welche das Blut in das subpapilläre nnd papilläre Ketz der
Haut zuführen. Will man die Beziehungen zur Syphilis deuten, so muH
man es als höchstwahrscheinlich bezeichnen, daß die ursprüngliche An-
lage zur Erkrankung den Hautsyphiliden entstammt, welche auf dem
Boden der Cutis marmorata sich entwickeln. Die Besidnen dieser Syphilide
fahren höchstwahrscheiDlich zur Sklerose der kleinsten Gefäße.
Viktor Bandler (Prag).
Oplatek, E., Prag. Über Beinfectio syphilitica. Wiener
klin. Wochenschr. 1907. Nr. 16.
Oplatek beschreibt einen Fall von Beinfectio syphilitica bei einem
47jährigen verheirateten Manne, der 7 Jahre vorher an derselben Klinik
mit einer Sklerose und nachfolgendem makulösen Syphilid behandelt
worden war. Nach der Behandlung war der Patient von syphilitischen
Erscheinungen frei geblieben. Im heurigen Jahre trat 8 Wochen nach
einem außerehelichen Coitus im Sulcus glandis ein erbsengroßes, indu-
riertes Geschwür und indolente Drusen rechts in inguine auf. Sechs
Wochen später zeigte sich ein spärliches, papulöses Syphilid, das sich
allmählich ausbreitete und nach Hg-Behandlung verschwand. Im Heiz-
serum einer Papel fanden sich vereinzelte Spirochaetae pallidae.
Viktor Bandler (Prag).
der Geschlechtskrankheiten. SO 7
Lindenheim. Über eine Fieberreaktion im Anschluß an
die erste Qnecksilberapplikation im Frähstadiam der Sy*
philis. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 11. 1907.
Lindenheim konnte 12 Mal bei 106 nntersaohtea Fällen von
sekondarer Laes nachweisen, daß im Anschluß an die erste Hi{- Applikation
Temperatursteigerungen eintraten, die auf nichts anderes als auf das
Queoknlber su beziehen waren. Diese Fieberreaktion scheint bei Rezidiven
etwas häufiger einsutreten als bei den ersten Exanthemen.
H. Hübner (Frankfurt a. M.)-
Jeanselme, E. Des chaneres extra- genitaux. Gazette des
Hopitaux. 1906. p. 627.
Jeanselme hält die extragenitalen Sklerosen für häufig vor-
kommend (zirka 10^/^ sämtlicher Primäraffekte) und teilt dieselben ein:
in 1. venerische und 2. zufällig erworbene Schanker. Die verschiedenen
Lokalisationen werden kurz besprochen und an lehrreichen Beispielen aus
der Praxis des Verf. erläutert. Bei den extragenitalen Sklerosen sah
Jeanselme häufig heftige Sekundärerscheinungen.
M. Wink 1er (Luzem).
Gaucher. Pathogenie des pigmentations du cou dans
la Syphilis. Gazette des H6pitaux. 1906. p. 769.
Auf Grund von klinischen Beobachtungen ist Gau eher in Bezug
auf die Entstehung des Leucoderma syphiliticum Anhänger der deutschen
Auffassung geworden, d. h. Gancher nimmt an, daß das Leukoderm
eine Folgeerscheinung des luetischen Prozesses in loco ist. Verf. unter-
scheidet aber verschiedene Formen dessen, was von der deutschen Schule
gemeinhin als Leukoderm bezeichnet wird, und zwar 1. die reinen Pigment-
Syphilide, sei es in Form von makulösen Bfßoreszenzen oder seien es
annuläre Formen. Beide Arten entstehen an Stelle von früheren Roseolen,
erstere im Anschluß an eine erste makulöse Roseola, letztere an Stelle
einer rezidivierenden Roseola. Die zwischen den pigmentierten Stellen
liegenden helleren Flecke haben die Farbe der normalen Haut, es hat
keine Depigmentierung stattgefunden.
2. Die Leukomelanodermia peri- et postpapulosa. Hier findet sich
eine Kombination von Depigmentierung und Hyperpigmentierung. Verf.
schildert den Prozeß folgendermaßen: In der Umgebung der papulösen
Effloreszenzen, am Hals, bildet sich bei der Involution der Papeln zuerst
ein weißer Halo, allmählich wird die Haut, wo die Papel selbst gesessen
hat, ebenfalls depigmentiert und etwas narbig, während gleichzeitig die
weitere Umgebung des Halo reicher an Pigment zu sein scheint.
M. Wink 1er (Luiem).
Lipfichütz. Über die Beziehungen der Spiro oh acta pal*
lida zum Hautpigment syphilitischer Effloreszenzen. Derm»
Zeitschr. Bd. XIV. p. 67.
Lipschütz hat zu seinen Untersuchungen die Produkte aller drei
Stadien der Syphilis benützt. Die Methode, von der er in allen Fällen
Gebrauch machte, war die von Levaditi. Er hat im ganzen 10 Fälle
20*
308 Bericht über die Leistungen anf dem Gebiete
ontersncht und kommt zu folgenden Schlüssen : 1. unter dem Einfluß der
Spirochaeta pallida entstehen in syphilitischen Hauteffloreszenzen regel-
mäßig Pigmentalterationen. 2. Diese Pigmentalterationen bestehen in
initialer geringgradiger PigmenthypertrophiCi die von einer Pigmentver-
minderung (Pigmeotatrophie) gefolgt ist. 8. Der ausgesprochene Antago-
nismus zwischen Spirochaeta pallida und Hantpigment stellt einen spezi-
fisch biologischen Vorgang dar, der anf anmittelbare Wirkung des Syphilis-
virus, bezw. eines voa diesem gebildeten Giftes beruht.
Fritz Porges (Prag).
Stern. Über den Nachweis der Spirochaete pallida im
Ausstrich mittels der Silbermethode. Berl. klin. WochenschrifL
Nr. U. 1907.
Stern gelang es mittels Einlegens der mit Reizsemm in gewöhn-
licher Weise beschickten Objektträger in 10*/^ Argentnmlösung (2 Stunden
lang bei diffusem Tageslicht) die Spirochaete pallida im Ausstrich durch
Versilberung sichtbar zu machen. Es fallt damit der Einwand der Spiro-
chaetengegner, es sei doch merkwürdig, daß die Spirochaeten im Aus-
strich nur nach Giemsa, im Schnitte nur nach der Silbermethode sich
darstellen ließen. H. Hüb n er (Frankfurt a. M.).
Eitner. Über Beobachtungen an der lebenden Spiro-
chaete pallida. (Aus der dermatologischen Klinik in Innsbruck.)
Münch. mediz. Wochenschr. 1907. Nr. 16.
Sehr bemerkenswerte Beobachtungen, die Eilner mit Hilfe eMes
besseren Beleuchtungsapparates, des Ultrakoadensors, an lebenden Spiro-
chaeten machen konnte. Er betont die Schwierigkeit, die Spirochaete
pallida in lebendem Zustande von anderen Spirochaeten zu unterscheiden.
So gelang es ihm nicht, Spirochaeten eines jauchigen Peniscarcinoms von
den Pallidae zu differenzieren, obwohl er durch Mischung des Materials
die beiden Arten direkt nebeneinander untersuchen konnte. Beim Färbuugs-
verfahren dagegen, also im toten Zustande, ist die Unterscheidung leicht
und ein Übersehen der Spirochaete pallida dank dieses scharfen Unter-
suchungshilfsmittels ausgeschlossen. Der Umstand, daß trotzdem der
Spirochaetenbefund bei klinisch manifester Lues zuweilen negativ ausfallt,
andererseits wieder in sicher nicht luetischen Effloreszenzen typische
Spirochaetae pallidae gefunden werden sollen, läßt Verf. zu der schon von
Schaudinn ausgesprochenen Anschauung gelangen, daß die Spirochaete
nur eine vorübergehende Phase im Entwicklungsgange eines Protozoons
ist, dessen übrige Gestalten wir vorderhand noch nicht kennen.
Oskar Müller (Dortmund).
Giemsa, G. Beitrag zur Färbung der Spirochaete pal-
lida (Schaudinn) in Ausstrichpräparaten. Deutsche medizin.
Woch. Nr. 17. 1907.
Die von Giemsa erprobte Methode zur schnellen Färbung wenig
differenzierter Parasiten, z. B. der Spirochaeten, läßt sich folgendermaßen
zusammenfassen: Reizserum aus der Peripherie unbehandelter Papeln und
Schanker, mit nur möglichst wenig Blut untermischt, wird auf einen
der Geschlechtskrankheiten. 309
Objektträger, nicht Deckglas, gebracht, mit der Kante eines anderen ge-
Bcblififenen Objektträgers dünn und gleichmäßig verteilt, maß daranf luft-
trocken werden und wird bei frischen Präparaten mittels Hindurchziehen
darch eine mittelstarke Gas- oder Spiritasflamme fixiert. Bei älteren Prä-
paraten erübriget sich die Fixiernng, AlkoholhärtnDg ist ebenfalls ver-
wendbar. Dann Einklemmen des Ausstriches in einen Objektträger, Schicht-
seite nach oben oder Anritzen des bestrichenen Objektträgers mit einem
Schreibdiamant, Zerbrechen in der Mitte, Halten mit Eometpinzette.
Übergießen des Ausstriches mit dem frischen, wässerigen, gleichmäßig
yerteilten Farbgemisch, Erwärmung bis zur Dampf bildung, dann viermal
«meute Färbung nach stets Y^ Minate Beiseitestellen und Abgießen der
Farblösung, welche zuletzt l Minute einwirken muß, Abwaschen unter
Wasserstrahl. Mikroskopische Untersuchung mit starkem Trockensystem.
Aussuchen der ddnnen Stellen, an denen sich Erythrocyten mit größeren
kernlosen, rein blau erscheinenden Gewebselementen durchsetzt vorfinden.
Absuchen derselben Stellen mit der Ölimmersion. Die Pallida erseheint
intensiv dunkelrot auf dem gar nicht oder schwach rötlich gefärbten
Untergrund, am seltensten, wo dichte Leukocytengruppen ohne rote Blut-
körperchen bestehen. An dickeren Stellen des Ausstrichs, auf stärker
gefärbtem Substrat hebt sie sich dennoch durch ihre tiefe, oft fast schwärz-
lich erscheinende Färbung ab. Max Joseph (Berlin).
Sehereschewky, J. Zum Kachweis der Spiroohaete pal-
lida in Ausstrichen. Deutsche med. Woch. Nr. 12. 1907.
Zur schnellen, intensiven und prägnanten Färbung der Spirochaete
pallida empfiehlt Schereschewky folgende Methode : Entfettete Objekt«
träger werden mit dem Gewebssafb bestrichen, wobei die Vorbehandlung
mit Osmiumdämpfen etc. entbehrlich ist Der Ausstrich wird in einer
Doppelschale über Osmiumdämpfen etwa 1 Minute fixiert, dreimal durch
die Flamme gezogen, in eine Petrischale mit Oiemsamischung gebracht,
dann die Schale auf ein dampfendes Wasserbad gestellt, 10 — 15 Minuten
zugedeckt darauf belassen, wobei zum Schlüsse frische Oiemsamischung
nachzugeben ist. Die Präparate sind genügend gefärbt, wenn der Objekt-
träger auch an unbestrichenen Teilen einen leichten, roten Farbstoff-
schleier gewonnen hat. Man wäsoht kurz ab und untersucht in ÖL Zur
Konservierung bringt man den Ausstrich mittels neutralen Eanadabalsams
unter ein Deckglas. Max Joseph (Berlin).
Schuster. Der Nachweis der Spirochaete pallida, seine
Bedeutung und praktische Verwertbarkeit für die Diagnose
der Syphilis. Berl. klin. Woch. Nr. 17. 1907.
Nach einer Zusammenstellung der heute üblichen Untersuchungs-
und Färbemethoden der Spirochaete pallida gibt Schuster sein Urteil
dahin ab, daß ein positiver Spirochaetennachweis in klinisch zweifelhaften
Fällen die Diagnose stellen lassen kann, während ein negativer Befund
gar keine Bedeutung besitzt. Denn in einem Drittel der sicher luetischen
Fälle vermochte Schuster keine Spirochaeten zu finden.
H. Hftbner (Frankfurt a. M.).
310 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Benda* Zur Levaditifärbang der Spirochaete pallida
Berl. klin. Wochenscbr. Nr. 15—16. 1907.
Durch ftnflerst genaae, eigene mikroakopi&che Untersachuigeii hat
Ben da nach anfanglichen Zweifeln die Richtigkeit der Tatsache erkannt»
daß die durch die Levaditi methode in syphilitischen Krankheitsprozessen
darstellbaren schwarzen, geschlängelten Gebilde keine Gewebsbestandteiley
sondern Spirochaeten sind. Das Ton den Gegnern dieser Anschaanng
immer wieder Torgebrachte Argument, es sei doch merkwürdig, daß dieser
Parasit sich nur durch Versilberung, nicht durch Anilinfarben darstellen
lasse, konnte Ben da auf folgende Weise entkräften: £• gelang ihm die
Färbung der Spirochaeten nach Giemsa nach Zerreiben und Zerquetschen
spirochaetenhaltiger Paraffinschnitte, wobei alle Gewebsbestandteile zer-
stört, die Spirochaeten aber leidlich erhalten blieben und ebenso ließ
sich durch Zerzupfen jener ^rieBenzellenartigen^, noch unklarer Gebilde,
die häufig genug bei gewohnlichen Anilinfllrbungen in hereditär-luetischen
Lebern gefunden werden, nachweisen, daß dieselben nichts anderes sind
als große Haufen von Spirochaeten. Es ist somit die Spirochaete pallida
im Zentrum anerkannt luetischer Veränderungen auch mit anderen als
den VersilberuDgemethoden nunmehr nachgewiesen.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Blasehko. Die Spirochaete pallida und ihre Bedeutung
für die syphilitischen Krankheitsprodukte. Berliner klinische
Wochenscbr. Nr. 12. 1907.
Blasehko wendet sich in diesem, in der Berliner medizinischen
Gesellschaft gehaltenen Vortrage gegen die Yöllig haltlosen Einwürfe
jener, die in der ,,Giemsa-'' und der „Silberspirochaete^ verschiedene
Gebilde sehen wollen. Beides ist die von Schaudinn im lebenden, nn-
geförbten Zustande entdeckte Spirochaete pallida. Eine Verwechslung
der mit Silber imprägnierten Spirochaete mit Nerven, elastischen Fasern,
Zellgrenzen usw. ist für den nur etwas geübten Hiatologen ausgeschlossen.
Diese Gebilde lassen sich nicht, wie Saling und Schulze immer be-
haupten, nur im mazerierten Gewebe nachweisen, sondern ebensogut auch
im lebend excidierten. Negatiire Befunde lassen sieh zwanglos dadurch
erklären, daß die Spirochaeten im Primäraffekt in Haufen zusammen-
sitzen, die nicht immer in die Schnittebene zu fallen brauchen. Von dort
aus verbreiten sie sich auf dem Lymph- und Blutwege schon ziemlieh
frühzeitig in Körper.
Die auf den Vortiag folgende, sich über vier Sitzungen hinziehende
Diskussion zeigte, daß die Spirochaetengegner unbelehrbar bleiben wollten.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Schultz, 0. T. Distribution of Treponema pallidum,
Schaudinn (Spirochaeta pallida), in the Tissues in Conge-
nital Syphilis. Journ. Med. Research. Vol. XV. Dez. 1906.
Ein vorläufiger Bericht über die Färbung von Spirochaeta pallida,
über den bereits referiert wurde (Arch. V. LXXXIII. p. 815), enthält die
der Geschlechtskrankheiten. 311
weseniUohen Befunde der Arbeiten von Schultz, die hier ausführlicher
beschrieben und illustriert werden. H* G. Elots (New-Tork).
Uhle, Alezander, A. und Maekinney, William, H. The Demon-
stration of Spiroohaeta Pallida in Lesions of Acquired
Syphilis. Joum. Amer. Med. Assoc. XL VIII. 605. 16. Febr. 1907.
Uhle und Mackinney bedienten sich der Levaditischen Me-
thode cum Nachweis der Spiroohaeta pallida in Geweben. Sie untersuchten
84 Gewebsstücke von 24 Patienten mit akquirierter Syphilis (7 Schanker,
19 sekund&re Hauteffloreszenzen mit 8 Stücken anscheinend gesunder
Haut Yon Patienten, die anderweitig syphilitische Effloreszensen aufwiesen,
4t tuberkulare Syphilides und 1 Gumma), Bei 14 Patienten wurden positive
Resultate erzielt, bei 10 negative; ,nnter diesen waren 7 mit Quecksilber
behandelt worden. In 2 Fällen konnten vor der Behandlung Spirochaeten
nachgewiesen werden, aber nicht 6 und 9 Wochen nach der Behandlung.
Bei tertiären Erscheinungen schienen die Spirochaeten weniger scharfe
Konturen und eine mehr wellenförmige Gestalt anzunehmen, gegenüber
der scharfen Begrenzung und deutlich spiraligen Form früherer Efflores-
zenzen. fi. G. Klotz (New- York).
Mae Healy Ward, J. A Bapid and Simple Method of Stai-
ning Spirochaeta Pallida. Joum. Am. Med. Assoc. XLVIll. 709.
16. Feb. 1907.
Mao Neal empfiehlt eine Färbemethode der Spirochaeta pallida
für Präparate von Flüssigkeiten (Flüssigkeit aus einer vergrößerten Inguinal-
drüse). Die Farbe besteht aus einer saturierten Lösung von Methylen-
violett in Methylalkohol zu je 1000 Teilen, von welcher 1 Teil Methylen-
blau und 2 Teile Eoein zugesetzt werden, nach folgender Formel:
Methylenviolett (rohes) 25,
Methylenblau (medizinisch rein) 10,
Eosin (gelblich) 20,
Methylalkohol (rein) 100*00.
Die Farbstoffe werden in warmem Alkohol unter wiederholtem
Schütteln aufgelöst und vor dem Gebrauch 24 Stunden bei Zimmertempe-
ratur stehen gelassen. Das Deckglas ist 45 bis 60 Sekunden mit der
Färbeflüssigkeit bedeckt zu lassen und dann mit derselben schnell in ca.
10 cem einer wässerigen Lösung von kohlensaurem Natron 1 : 20000 ge-
taucht und 1 — 2 Minuten unter Hin- und Herbewegung der benutzten
Esmarchschale in derselben gelassen. Nach Abspülen in destilliertem
Wasser Untersuchung feucht unter ölimmersion. Die Spirochaeten erscheinen
intensiv gefärbt, das Protoplasma der Leukocyten blau, Kerne porpur,
rote Blutkörperchen graublau oder rosa. H. G. Klotz (New-Tork).
Ihibierge, G. Le spirochaete pallida de Schaudinn^agent
pathogöne de la Syphilis. Sa recherche, ses habitats, appli-
cations ä la clinique. Gazette des Höpitauz. 1906. p. 121.
Der Aufsatz liefert eine klare Zusammenfassung der bisherigen
Studien über die Morphologie, den mikroskopischen Nachweis und das
Vorkommen der Spirochaete pallida in luetischen Produkten. Zum Schlüsse
312 Berieht über die Leistungen auf dem Gebiete
wird die Wichtigkeit des positiven Spirochaetenbefandes für die Klinik
gewürdigt. M. Winkler (Lozem).
Ravaut, P. et Ponselle, A. Kecherches sor la presence
du spirochaete pallida dans le sang des syphilitiqaes. Gas.
des Hopitaax. 1906. p. 1023.
In vielen Fallen sekundärer Lues Erwachsener, die noch unbehandelt
waren und frische Erscheinungen zeigten, haben B a v a u t und P o n s e 1 1 e
yergeblich nach Spirochaete pallida im Blute gesucht. Indessen gelang es
ihnen bei einem 2 Monate alten hereditär luetischen Kinde am Tage vor
dem Tode sehr reichliche Spirochaeten im Blute nachzuweisen. Zur
besseren Darstellung der Spirochaeten im Blute empfehlen die Vert fol-
gendes Verfahren:
Man läBt in 80 cem destilliertes Wasser 30 Tropfen Blut fallen.
Durch das Wasser tritt eine Hämolyse der roten Blutkörper ein. In ca.
einer halben Stunde bildet sich ein Fibrinkoagulum, das in 3 Stunden
komplett ist. In den Fibrinmaschen finden sich fast ausschließlich weiße
Blutkörper und bakterielle Elemente. Das Gerinnsel wird vermittelst einer
Platinöse herausgezogen, nochmals im Wasser ausgewaschen, zur Lösung
der etwa noch restierenden roten Blatkörper nachher auf Fließpapier
getrocknet und wie ein Gewebsstück behandelt. Die Schnitte sind
nach der Lev ad i tischen Methode zu färben. Mit diesem Verfahren
konnten R a t a u t und P o n s e 1 1 e in jedem Schnitte reichlich Spirochaeten
nachweisen. Der kurzen Mitteilung ist ein Mikrophotogramm beigegeben.
M. Winkler (Lnzem).
Syphilis der Haut, Sehleimhaut ete.
Gassmaniif A. Les bubons ramoUis idiopathiques de la
Syphilis r^cente. Rev^ue medicale de la Suisse romande. 1905. Kr. 12.
pag. 811.
Gassmann beschreibt einen Fall von erweichtem Bubo bei Fruh-
lues, der in histologischer und bakteriologischer Richtung genauer als
die bisher von Patoir und von Marcuse beobachteten erforscht ist
Er kommt, wie diese Autoren zu dem Schluß, daß keine der bisher be-
kannten Ursachen, die zur Erweichung syphilitischer Drüsenschwellungen
fuhren, Torliegt, und daß diese auch durch klinische Merkmale aus-
gezeichnete neue Art von syphilitischem Bubo (bei der es sich übrigens
meist nicht um kolliquative Erweichung handelt) vorläufig als idiopathisch
anzusehen ist. A. Oassmann (Genf).
Milian. La Leucoplasie. Gazette des Höpitaux. 1906. p. 60S.
Ein kurzes Resümee eines am internationalen Kongreß in Lissabon
1906 gehaltenen Vortrages. Verfasser hält die Leukoplakie hauptsächlich
för syphilitischen Ursprunges und empfiehlt zur Behandlung langdaoemde
Hg-Ti^'ektionskuren. M. Winkler (Lusem).
der Geschlechtskrankheiten. 313
Syphilis des Nervensystems und der
Sinnesorgane.
Fairbanks, Arthur Willard. Cerebral Syphilis in Ghildren.
Jonm. Am. Med. Ass. XL VIII. 861. 9. März 1907.
Anf über 100 Fälle unzweifelhafter syphilitischer Hirnerkrankung
aus der Literatur gestützt behandelt Fairbanks das in der pädiatri-
schen Literatur wenig berücksichtigte Kapitel der Himsyphilis bei Kin-
dern. Obwohl die meisten der Beobachtungen sich zweifelsohne auf here-
ditäre S. beziehen, will F. sogenannte tertiäre Erscheinungen einer in
früher Jugend akquirierten Syphilis nicht ausgeschlossen wissen, umso-
mehr als dies für das klinische Interesse von weniger Belang ist.
Pathologisch-anatomisch handelt es sich um drei Verände-
rungen, die einzeln oder kombiniert die Symptome yerursacheo: Menin-
gitis (meist Lepto-M.), Arteritis (meist Endarteritis) und Syphiloma (meist
von den Meningen ausgehend), alle andern Veränderungen sind sekun-
därer Natur. Der spezifische Ursprung der klinischen Symptome
wird angenommen nicht sowohl auf Grund der einzelnen Erscheinungen,
die auch in verschiedenen andern Ursachen ihren Grund haben können,
sondern auf Grund der Betrachtung aller Symptome zusammengenommen,
auf die Art und Weise des Auftretens und der Entwicklung derselben.
Diese Symptome sind multiform, oft ohne bestimmte Beziehung zu ein-
ander, scheinbar ohne Zweck zusammengeworfen und oft unerklärbar
durch Annahme eines einzigen Krankheitsherdes. Das Auftreten der-
selben erfolgt in der Regel in subakuter Weise mit gelegentlich ganz
akuten und schweren Zuföllen. Eigentümlich ist der unregelmäßige Ver-
lauf: plötzliches Verschwinden, häufige Rezidive und endlich bleibende
periphere Zeichen zentraler Zerstörung und das Verhalten gegen spezi-
fische Behandlung. Die einzelnen Symptome selbst sind höchst mannig-
faltig, in Wesen und Grad häufig wechselnd, so daß zu einer Zeit diese,
zur andern jene Symptome vorherrschen, z. B. epileptiforme Konvulsionen,
Spasmen einzelner Muskeln, Tremor etc., Lähmungen der Augenmuskeln,
Neuralgien, anaesthetische und paraesthetische Erscheinungen etc., und
psychische Störungen und Beeinträchtigung der Intelligenz. Verf. hält es
nicht für richtig, die subakuten und oft unbestimmten Früherscheinungen
als prodromale oder warnende Symptome anzusehen; dieselben seien viel-
mehr schon integrierende Teile des wirklichen Symptomenkomplexes,
wenn auch ihr schleichender Anfang vorübergehender und erratischer
Verlauf zu der andern Ansicht Veranlassung geben. Unter diesen Früh-
ersoheinungen sind Änderungen im Charakter, Wechsel der Stimmung
und Neigungen, sowie Störungen der Intelligenz die häufigsten, aber
werden recht oft übersehen. Kopfschmerzen kommen wie bei Erwach-
senen häufig vor, aber nicht so begrenzt oder so intensiv wie bei diesen;
Schlaflosigkeit dagegen ist lange nicht so gewöhnlich, außer wenn durch
314 Bericht Aber die Leistungen auf dem Gebiete
Exmserbationen von Kopfschmerz verursacht Zu den frohen Symptomen
gehören endlich die von Fonrnier als kongestive, von F. lieber als
lirknlatorische Störangen beseichneten Symptome: Sehwindel, gans vor-
übergehende Sprech- oder Gesiehtsstörongen nnd plötzliche Bewnßtlosig-
keit, Ohrensausen etc.
Die frühe Erkenntnis dieser Initialsymptome ist prognostisch von
großer Wichtigkeit ; wo die Anamnese nicht auf den spezifischen Ursprung
fthrt, muß nach anderweitigen Symptomen von Syphilis bei dem Kranken
selbst und eventuell bei andern Familiengliedem gesucht werden.
Die Prognose ist abhängig 1. von der frühen £rkenntniss der
spezifischen Natur der Erkrankung, 2. von dem Charakter der wahr-
scheinlichen pathologischen Veränderung, 8. von dem Lebensalter des
Kindes, in welchem der Prozeß beginnt Die Bestimmung des Typus der
anatomischen Veränderungen ist nicht immer leicht oder überhaupt
möglich. Gewisse Symptome sind der meningealen und der arteriellen
Form gemeinsam; heftige Kopfschmerzen, Lähmungen der Kopfherven,
Schlaflosigkeit, Anfälle von Konvulsionen u, a. sprechen für Erkrankung
der Meningen, die i.zirkulatorischen'' Symptome mehr für Gefaßerkrankung;
bei Tumoren im engern Sinne finden sich Herdsymptome, aber die gum-
matöse Neubildung ist öfter diffus und verursacht mehr Symptome von
Meningitis, namentlich der der Himbasis. Im allgemeinen geben die
arteriellen Prozesse die ungünstigste Prognose, gummatöse und menin-
geale dagegen sind in der Regel der Behandlung zugänglich. Him-
syphilis ist schon bei der Geburt nachgewiesen worden, oder wenigstem
so bald nach derselben, daß intrauterine Entwicklung der syphilitischen
Veränderungen mit Sicherheit anzunehmen.
Die Berichte der einzelnen Krankenfälle umfaßt die Literatur aller
Länder. Es werden die Krankeogeschichten im ganzen von 60 Fällen
zum großen TeU mit Sektionsbefunden im Auszag wiedergegeben und
kritisch besprochen; ein eingehendes Referat darüber ist nicht wohl
möglich. H. G. Klotz (New-Tork).
Ranke, 0. Ober Gewebsveränderungen im Gehirn lue-
tischer Neugeborner. Neurologisches Zentralblatt 1907. Nr. 3 u. 4.
pag. 112.
Ranke bringt den Vortrag zum Abdruck, den er auf der XXXI.
Wanderversammlung der sndwestdeutschen Neurologen 1906 gehalten hat
Da eine ausfuhrliche Bearbeitung des (Gegenstandes im IIL Bande von
NissPs „Histolog. und histopatholog. Arbeiten*' erscheinen wird, so soll
hier nur angegeben werden, daß in vorliegender Arbeit kurz die Befunde
bei 11 Fällen hereditärer Lues angegeben werden, nämlich: Blutungen, Ge-
fäßveränderungen, leukocytäre Infiltrate, Wucherung adventitieller Zell-
elemente, Proliferation des Stützgewebes; diese Veränderungen sind
diffus, kommen jedoch auch herdförmig vor; Verdieknng, Wacherung,
Infiltration der Pia; in zwei Fällen Nachweis von Spirochaeten in großer
Menge. Verf. hofft, daß durch weitere Untersuchungen auch fttr die im
der Geschlechtskrankheiten. 315
späteren Leben bei heredit&r-luetischen Individuen auftretenden nervösen
Störongen eine anatomische Orandlage gefanden werden könnte.
A. Gassmann (Genf).
Alqnier. Valenr diagnostique des 16sions vasoulaires
et p^rivasonlaires de la syphilis nervense. Gasette des H6pi«
tanx. 1906. pag. 987.
Alqnier beschreibt einen Fall von serebrospinaler Syphilis, der
klinisch Zeichen von Tabes darbot. Bei der Autopsie fand er eine Ver-
dioknng der Hirnhäate, besonders am hintern Teil des Rückenmarks.
Daneben waren Yerändernngen an den Gefäßen zu konstatieren — teils
älteren Datums bestehend in Endarteritis und Sklerose der Adventitia,
teils jüngeren Datums bestehend in einer Anhäufung von Zellelementen
um die Venen. Die Infiltration bestand wesentlich ans Bindegewebszellen,
Lymphocyten, Mastzellen und Plasmazellen.
Alqnier meint, es lasse sich auf Grund der pathologisch-anato-
mischen Untersuchungen nicht entscheiden, ob die Paralyse syphilitischen
Ursprungs sei, da die sichere anatomische Diagnose der Syphilis des
Nervensystems zur Zeit nicht möglich ist. M. Win kl er (Luzem).
Syphilis der Eingeweide.
Weber, F. Parkes. On tertiary syphilitic fever and the
visceral and other ohanges connected with it. The Lancet.
1907. 16. März, pag 728 ff.
In kritischer Weise bespricht Weber das Zusammenfallen von
syphilitischen Spätsymptomen und Temperaturerhöhungen. Er zitiert aus-
führlich die '^diesbezügliche Literatur und geht näher auf die differen-
tialdiagnosiischen Schwierigkeiten ein, die dieses Fieber machen kann.
Eingehend wird erörtert, wie der Fieberverlauf und Symptome von Seiten
der Lunge oft zur Febldiagoose einer Lungentuberkulose, wie gleich-
zeitiges Auftreten von Leberstörungen oft in rein syphilitischen Fällen
fälschlich an eine Cholelithiasis glauben läßt.
Anlaß zu der Arbeit gab dem Autor eine eigene Beobachtung:
eine Frau litt an wiederholten Temperatursteigerungen, teilweise in Be-
gleitung von Haematemsis, teilweise in Begleitung von Yergrößerungeu
der Leber und Milz. Die Temperaturerhöhungen und gleichzeitige andere
syphilitische Symptome (Gumma des weichen Gaumens, Periostitiden der
Tibien) weichen schnell einer spezifischen Behandlung.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Montgomery, Douglass W. & Sherman, H. M. A Combina-
tion of Syphilis and Epithelioma of the Tongue. California
State Joum. of Medic. Y. 4. Januar 1907.
316 Bericht über die Leist auf dem Geb. der Oeschlechtskrankh.
Der von Montgomery und Sherman beschriebene Fall von
Kombination von Syphilis und Epitheliom der Zunge betraf eine 37 jähr.
Fraa mit zweifelloser Geschichte von Syphilis, die anch in einigen Kin-
dern sich äußerte. Da das mit hartem Rande besonders nach hinten be-
grenzte Geschwür auf einer Seite saß, wurde nur die eine Seite der
Lunge durch Operation entfernt und die erhaltene Zungenspitze zur
Deckung des Defekts benutzt Die mikroskopische Untersuchung ergab
zweifellos epitheliomatösen Charakter, die speckig infiltrierte Basis des
Geschwürs war von zahlreichen, unregelmäßig geformten miliaren Gummen
durchsetzt mit hyaliner Degeneration und Riesenzellen. Nach 8Y| Jahren
war kein Rezidiv eingetreten. Die vor der Operation «sehr häufig beob-
achteten Ausbrüche von Herpes der Zunge und Lippen ließen nach der
Operation nach. H. G. Klotz (New-Yoric).
Milhit, M. J. La Syphilis du foie. Gazette des Hopitaax.
1906. pag. 87.
Der Artikel enthält ein klinisches Bild der Lebersyphilis, ohne
einen neuen Beitrag zu liefern. M. Wink 1er (Luzem).
Brunson, Rudolph. Some Syphilitic Diseases of the Eye
Jonm. Am. Med. Assoc. XL VIII. 1161. 6. April 1907.
Übersichtliche Zusammenstellung von bekanntem ohne originelle
Zugaben. H. G. Klotz (New- York).
Buehanzeigen und Besprechungen.
HofiVnanii, £ricb. Atlas der ätiologischen und experi-
mentellen Syphilisforschung. Mit Unterstätzang der Deutschen
Dermatologischen Gesellschaft herausgegeben. Berlin, Verlag von Julius
Springer, 1908.
Besprochen von Prof. Finger (Wien).
Die Deutsche Dermatologische Gesellschaft hat auf ihrem Kongreß
in Bern, dessen Tagesordnung fast ausschließlich von der Syphilisfrage,
den sich an die Tierimpfung und die Entdeckung der Spirochaeta pallida
anschließenden bedeutenden Erweiterungen unserer Kenntnisse beherrscht
wurde, den Beschluß gefaßt, zum Andenken an den leider so frfih ver-
storbenen Fritz Schaudinn ein monumentales Bildwerk herauszugeben,
das den sich an die Entdeckung der Spirochaeta pallida anschließenden
Errungenschaften geweiht sein solle und dessen Grundlage die sehr zahl-
reichen, von K Hoff mann, und anderen am Bemer Kongreß aus-
gestellten Präparate und Originalabbildnngen bilden sollten. £. Hoff-
mann, der Mitarbeiter Schaudinns bei Entdeckung der Spi-
rochaeta pallida, wurde mit der Aufgabe der Herausgabe des Atlas
betraut und hat sich dieser Aufgabe in pietätvoller und würdiger
Weise zu entledigen gewußt. Der uns vorliegende „Atlas der ätio-
logischen und experimentellen Syphilisforschung'' ist sowohl nach Form
als nach Inhalt ein Monumenfalwerk. Mit einem wohlgetroffenen Bilde
F. Schaudinns in Heliogravüre geziert, umfaßt er 30 in Farbendruk
ausgeführte und vier photographische Tafeln. Die sieben ersten Farben-
tafeln gelten der experimentellen Syphilis und zeigen, von Tiermaler
M. Lands berg ausgeführt, syphilitische Initialaffekte, circinäre Sy-
philide und Leukopathien bei Schimpansen, Maoasas rhesus, Cercocebus
fnliginosus, Hapale facchus, Keratitis syphilitica bei Kaninchen und
Schaf in ungemein naturgetreuer Ausführung und vorzüglicher Repro-
duktion. Die weiieren 23 Farbentafeln bringen den derzeitigen Stand der
Mikrobiologie der Syphilis unter Berücksichtigung einiger nahestehender
Mikroorganismen zur Anschauung. Histologische Obersichts- und Detail-
bilder der Affensklerose, der Keratitis parenchymatosa machen den Anfang,
es folgen Sekretpräparate nach Giemsa gefärbt, von Sklerosen, Lymph-
drüsensaft, Papelsekret, Blut bei Lues hereditaria. Venenblut bei Lues
acquisita, Sekret von Affensklerosen, Keratitis syphilitica mit Spirochaeta
318 Bachanseigen und Besprechungen.
pallida, Sekreipräparate ron Spirochaeta pallidala, Spirochaeta balani-
tidis, 8p. refringens, baocalis, dentiam, Vincenti, Dattoni, Obermeyeri,
Gallinaram, anodontae, Balbiani, Trypaaosoma eqaiperdam.
Diese Zatammen- and Gegenftbentellang der Sp. pallida and der
anderen bekannten, pathogenen and nicht pathogenen Spirochaeten ist
aafierordentlich wertvoll. Und non folgen aaf Taf. XV bis XXYIII, 28
Abbildangen, Schnitte darch Initialaffekt, syphilitische, sekandäre and
tertiäre Formen, kongenitale syphilitische Veränderungen, die nach den
verschiedenen Silberimprägnationsmethoden das Vorhandeosein, die Reich-
lichkeit nnd die Lagerang der Sp. pallida in syphilitischen Oeweben
zeigen. Als Eontroll- nnd Vergleiohspräparate sind dann wieder Gewebs-
schnitte von Balanitis erosiva, gangpraenosa, Gangraena palmonam, Noma,
Beharrens und Hühnerspirillose beigegeben.
Vier Tafeln mit Photogrammen von Sekretpräparaten nnd Schnitten
von Syphilis und anderen Spirillosen bilden den Schlnß. Die Farbentafeln,
von dem wissenschaftlichen Zeichner G. Hei big aasgefQhrt, sind sehr
natnrwahr, sowohl in Zeichnnng als Farbenton gut getroffen, frei von
Schablonisierung .
Ho ff mann hat sn den einzelnen Tafeln einen kurzen erklärenden
Text geschrieben und verweist im übrigen auf Neissers und sein in
Bern erstattetes Referat. Wie aus dem gesagten hervorgeht, ist das Werk
glänzend gelungen, es ist ein würdiges Denkmal für Frits Sohandinn,
ein Werk von hoher wissenschaftlicher Bedentung, das auf dem Tische
keines Bakteriologen, Pathologen und Syphilidologen fehlen solte, es ge-
reicht der Deutschen DermatologiRchen Gesellschaft, der Deatschen
Wissenschaft nad E. Hoff mann zum Ruhme.
Pelllzzuri, Celso. Gasi diOnicomicosi guariti oollaRönt-
gentherapia. Publ. in den Akten der königl. medizin.-physikal. Aka-
demie in Florenz, 1906.
Angezeigt von Dr. Gostantino Curupi (Prag-Porretta).
Die Arbeit handelt über drei Fälle von Onychomykose, die Pelliziari
durch längere Zeit im Florentiner phototherapeutischen Institute beobachten
konnte and durch die Röntgenapplikation geheilt hat. Der erste Fall betrifft
ein Mädchen, das an eine Trichophytie der Kopfhaut litt; es wurde zweimal
der Röntgenbestrahlung unterzogen. Nachdem die Trichophytie schon
geheilt war, wurde sie wieder und zwar siebenmal wegen Onychomykose des
rechten Mittelfingers mit Röntgen bestrahlt. Als Patientin das Institut
verließ, war mehr als die obere Hälfte des kranken Nagels gesund. Im
zweiten Falle handelte es sich um ein achtjähriges, vom Favus befallenes
Mädchen, welches wegen der Onychomykose des vierten linken Fingers
sechsmal mit den Röntgenstrahlen behandelt wurde. Der kranke Nagel
erlangte einige Zeit nach der letzten Bestrahlung wieder in seiner Gänze
normales Aasseben, nnd die zahlreich vorgenommenen mikroskopischen
Untersnchangen hatten immer negatives Resultat Der dritte Fall war
Bachanzeigen nnd Besprechimgeii. 319
anch ein Mädchen, das eine Trichophytie der Kopfhaat und des Nagels
des rechten mittleren Fingers hatte. Die Yollständige Heilung der Ony«
ehomykose wnrde in diesem Falle durch nenn Bestrahlungen erzielt.
Pellizzari hebt herror, daß, wie die erwähnten Fälle beweisen, die kranken
Nägel unter dem Einflüsse der Böntgenstrahlen ohne Reaktion heilen;
sie fallen nicht wie die Haare in t o t o aus, sondern wachsen wie gesunde
Nägel wieder, ohne Deformität, Mißbildung und Opazität. Vom wissen-
schaftlichen Standpunkte aus ist diese Heilungsart der Onychomykose
wichtig, denn sie erläutert die kurative Wirkung der Röntgenstrahlen
auf die Mykosen; denn, sowie man nicht eine direkte parasiticide
Wirkung der Röntgenstrahlen auf die betreffenden Hyphomyceten nach-
weisen kann, so kann man dieselbe auch der mechanischen Entfernung
der kranken Partien nicht zuschreiben; man ist genötigt, eine spezielle
Ton den Röntgenstrahlen in den kranken Oeweben hervorgerufene Resistenz
anzunehmen.
Giovannini, Sebastiane. Ricerche intorno alla cornei-
ficazione dei peli u mani compiute oolla digestione arti-
ficiale. S.-A. aus Archivio per le Scienze Mediche. Turin, 1906.
Angezeigt von Dr. Gostantino Gurupi (Prag-Porretta).
Giovannini stellte Untersuchungen mittels kfinstlicher Verdauung
an, um zu ergründen, in welcher Höhe die Zellen der menschlichen
Haarwurzel zur Yerhomung übergehen und ob letztere nach ihrem Beginne
gleichförmig fortschreite oder nicht. Das Ergebnis der Untersuchung
die an Barthaaren vorgenommen wurde, g^bt nur bezüglich der Rinde
und der Cuticula Aufschluß. Die Rinde übergeht zur Eomeifikation
meistens am Anfange des oberen Teiles des Halses, die Cuticula in der
Mitte dieser Partie oder noch höher. Beide besitzen im wesentlichen
einen freien Eomeifikationspunkt, der aber von Haar zu Haar ziemlich
verschieden ist. Die Yerhomung befällt anscheinend am Anfange zur
Gänze die Guticulazellen; dagegen bleibt sie in der Rinde, im ganzen
oberen Teile des Halses und auch noch etwas höher, allein auf die pro-
toplasmatischen Fibrillen beschränkt, die Zellkerne gänzlich unberührt
lassend; nur im oben liegenden Schafte erreicht sie ihre letzte und
definitive Stufe. Der obere Teil des Halses unterscheidet sich somit nach
Giovannini außer durch seine Form, Dicke, Ghromophilie, Eonsistenz usw.
auch durch seinen verschiedenen Eomeifikationsstatus von der Rinde.
Varia.
Peraonalien. Dr. M. B. Hartz eil (Philadelphia) wurde zum
Professor der Dermatologie am Womans Medical Gollege of Pennsylvania
ernannt.
Dr. Bering, I. Assistent an der Elinik f&r Haut- und Geschlechts-
krankheiten in Kiel hat sich daselbst für diese Fächer als Privatdozent
habilitiert.
Oskar Lassar.
Die Trauerknnde yon dem am 21. December yorifi^en
Jahres erfolgten plötzlichen Hinscheiden Oskar Lassars, der im
69. Lebensjahre ans voller Kraft and schaffensfrendigster, viel-
seitigster Arbeit von einer Sepsis, die als Folge einer an sich
unb^eatenden Verletiang anfcrat, wenige Tage vor der Feier
seiner silbernen Hochzeit dahingerafft wurde, erschfttterte alle
Bevölkerungsschichten unserer Btadt, war doch Lassar eine
wirklich populäre Persönlichkeit.
Sein Lebensgaog ist kurz folgender:
£r wurde am 11. Januar 1849 in Hamburg geboren. Als
er in Heidelberg studierte, brach der Krieg von 1870 aus, ans
dem er als Offizier geschmückt mit dem eisernen Kreuz heim-
kehrte. Nach beendigten Studien wurde er zuerst Assistent des
Physiologen Meissner in Göttingen und 1875 kam er als
Assistent zuCohnheiman das patholoffische Institut in Breslau.
Seit 28 Jahren ist er in Berlin als Dermatologe tätig; 1880
habilitierte er sich als Privatdozent, 1902 wurde er Proefssor
extraordinarius.
Im Jahre 1886 gab er im Anschloß an die Naturforscher -
Versammlung in Berlin die Aoregung zur Begründung der
Berliner Dermatologischen Gesellschaft. Mit Unna und Hans
von Hebra schuf er 1892 die „Monatshefte für praktische
Dermatologie", aber schon nach drei Jahren schieden Hebra
und er wieder aus. Seit 1893/94 gab er die „Dermatologische
Zeitschrift" heraus. In den letzten Jahien war er Schrift-
führer der Berliner medizinischen Gesellschaft und gehörte zu
den Vorsitzenden der neu gegründeten Gesellschaft mr soziale
Medizin, Hygiene und Medizinalstatistik.
Ein besonderes, hervorragendes Verdienst erwarb sich
Lassar durch die Gründung der Deutschen GeselUchaft für
Volksbäder. Seine sehr zahlreichen Arbeiten betreffen seiner
ganzen Anlage und seiner Tätigkeit entsprechend hauptsächlich
das klinische und therapeutische Gebiet sowie die öffentliche
Gesundheitspflege.
Seine Klinik war ein Musterinstitut, in dem alle Fort-
schritte der Technik und der Wissenschaft die Stätte ihrer
Verwirklichung fanden. Seine Moulagensammlung war eine der
reichhaltigsten der Welt.
Als Lehrer und Arzt hatte sein Name einen inter-
nationalen Klangt Eioe der bekanntesten Persönlichkeiten der
Berliner Gesellschaft, ein gewandter, moderner Dermatologe
von Weltruf, ein eifriger Sportsmann, ein energischer, origi-
neller Charakter, eine liebenswürdige, freigebige Natur, ein
gelter Redner, ein angenehmer Plauderer, ein glänzender Organi-
sator — das sind die Eigenschaften, die sich zu dem Lebens-
bilde Oskar Lassars vereinigen 1
Ein voller Lorbeerkrana seinem Andenken 1
0. Rosenthal (Berlin).
I
Originalabhandlungen,
Arob. f. Dannat. o. Sjph. Bd. LXXXIX. 21
Ans der k. k. dentsohen dermat. Universitätsklinik in Frag
(Vorstand: Professor Ereibich).
Klinische, histologische und vergleichende
Beiträge zur Kenntnis der Ciitismyome.
Von
Dr. Paul Sobotka,
Assistenten der Klinik.
(Hiezu Taf. IX a. X.)
(SchloB.)
Daß es sich in unserem Falle um multiple reine
Cutismyome handelte und noch mehr: daß ein ganz ausge-
zeichneter Fall von Arrektorenmyomen vorlag, ist durch
den histologischen Befund mit aller Klarheit sichergestellt
Es ist aber noch auf eine Reihe von Punkten näher einzu-
gehen, um die Besonderheiten des Falles herauszuheben und
seine Stellung nun nicht mehr unter den klinisch ähnlichen
Geschwülsten, sondern auch unter seinesgleichen zu kenn-
zeichnen. Es werden bei diesen Betrachtungen natürlich auch
Streiflichter auf die anderen bisher beschriebenen Fälle von
reinen Coriummyomen fallen. Über sie alle hier ausführlich
zu berichten, fehlt Raum und Anlaß; ein, wie ich glaube, für
die Coriummyome vollständiges Literaturverzeichnis ist der
Arbeit angefügt.^)
^) Nor einen schwer zugänglichen Fall, den ich nirgends referiert
und in keiner Arbeit angeführt gefunden habe, gebe ich in kurzer
Zusammenfassung hier wieder.
Fall von £. Genevois: 49j. Landwirt. Befallen sind besonders
die rechte Schultergegend, der rechte Arm, weniger der Rücken, an dem
21*
324 Sobotka.
Geschlecht, Nationalität und Beruf meines Kran-
ken geben zu wenigen Bemerkongen Anlafi. Die auf die ersten
Beobachtungen von multiplen Myomen gegründete Annahme^
das Leiden komme vorwiegend beim weiblichen Geschlechte
Tor, besteht längst nicht mehr zu Recht. Unter den mir
bekannten Fällen von kutanen reinen Myomen (von denen ich,
wie oben, so auch hier Wolters dritten Fall abtrennen will)
betrafen 15, zu denen sich der meine als der 16. gesellt, das
männliche Geschlecht, 11 das weibliche; über den Fall
Dariers stehen mir keine Angaben zur Verfugung. Der
einzige Schluß, den ich mit Gut mann aus diesem geringen
Zahlenmaterial ziehe, ist der, daß schwerlich einem der beiden
Geschlechter eine ausgesprochenere Neigung zur Entwicklung
von Myomen in der Haut zukomme. Der Nationalität
der Kranken ist bisher nirgends Erwähnung getan; mein
Patient war Tscheche von ausgesprochen slawischem Typus.
Über Besonderheiten des Berufes, der Lebensweise,
der Konstitution, frühere oder noch yorhandene Krank-
heiten kann als über anscheinend ganz unwesentliche Dinge
ohne weitere Bemerkungen hinweggegangen werden. Was das
Btellenweise eine Topographie aualog deijenigen von Zosterbl&sclien
%n beobachten ist, beide Darmbeingegenden nnd einige Stellen der
Beine. Diese Hantbezirke tragen dichter oder mehr zerstrent stehende
Papeln, die normale Hantfarbe oder gelinge Rötung zeigen, bis erbsen-
groß Werden nnd (wenn ich recht yerstehe) zuweilen keloidartige Aus-
läufer besitzen. „Gewisse längliche Papeln sind wie in parallele Reihen
gestellt und die eine in die Fortsetzung der anderen. ** Die Hauter-
krankung wurde vor etwa 6 Jahren beim Ankleiden zufällig entdeckt.
Später bildete sich an den befallenen Stellen ausgesprochene Hyper-
ästhesie aus, die auch klinisch nachzuweisen ist. Spontane Sehmerzen
und zwar solche von großer Heftigkeit nur im rechten Arme bei Wetter-
wechsel. Histologische Untersuchung: Das anscheinend im gesunden
ausgehobene Hautstuck erweist sich als in Wirklichkeit innerhalb der
Grenzen der Muskelwucherung umschnitten. Das ganze Derma mit
Ausnahme der subpapillären Zone ist eingenommen von nach allen
Richtungen getroffenen Muskelbündeln, die nach der Peripherie zu
schmäler werden. Übermäßig entwickeltes elastisches Faserwerk um-
spinnt die Muskulatur, ohne in sie einzudringen. Rundzellenhaufen
an den subpapillären Gefäßen und den Haarbä]{(en. Im peripheren
Teile der Geschwulst Nervenfasern. Epidermiszapfen verkürzt. Ab-
stammung der Neubildungen nicht aufgeklärt.
Zur EenntniB der Catismyome. 325
Alter anbelangt, in dem die Krankheit zum erstenmale wahr-
genommen wurde, so verhält sich mein Fall sehr typisch;
denn es bestand bei 4 Kranken das Leiden schon im ersten
Lebensjahrzehnt, darunter bei dreien seit unbestimmbar früher
Zeit; bei sieben fiel wie bei dem meinen die erste Beobachtung
ins 2. Jahrzehnt; sechsmal scheint das Leiden im 3., viermal
im 4., einmal im 5. und einmal im 6. Jahrzehnt begonnen
zuhaben; in den Arbeiten von Neumann, Roberts, Herzog,
und der kurzen Bemerkung von Darier wird eine Zahlen-
angabe vermißt. In meinem Falle scheint die Entwicklung
des Leidens sehr rasch stattgefunden zu haben; es wäre
anders schwer verständlich, daß der Kranke den Ausschlag
bei seiner ersten Wahrnehmung schon voll entwickelt fand.
Ganz ähnlich erging es dem Patienten von Genevois. In
den Fällen von Marschalkö und Huldschinsky wird
gleichfalls über sehr rasches Zustandekommen der Eruption
berichtet, in Wolters zweitem Falle wurden plötzliches Auf-
treten und plötzlich erfolgende Nachschübe unmittelbar be-
obachtet.
Bezüglich der vornehmlich befallenen Körper-
gegenden schließt sich mein Fall recht eng an denjenigen
von Lukasiewicz an, in dem nur das linke Bein und von
diesem nur die untere Hälfte des Oberschenkels und die Mitte
des Unterschenkels, beide an der Streckseite, Myome trugen.
Huldschinsky sah im Gegensatz zu mir gerade die Hinter-
und Außenseite des einen Beines, in geringem Grade noch
einige andere Körporstellen, an dem Krankheitsvorgange be-
teiligt, Jamin die Haut eines Beines ohne besondere Bevor-
zugung einer bestimmten von seinen Flächen ergriffen ; in dem
Falle Nobls waren beide unteren Extremitäten, die Ober-
schenkel besonders an den Streckflächen, und die Nates, in
demjenigen von Marschalkö neben den beiden Beinen
noch andere Stellen des Körpers mit Myomen bedeckt. Im
übrigen lassen sich für die Verteilung der Geschwülstchen
über die Haut kaum bestimmte Regeln angeben; sie sind bei-
nahe an allen Körperstellen schon angetroffen werden. Daß
sie, wie überall angegeben wird, an den Gliedmaßen die Streck-
seiten bevorzugen, gilt wohl nur für die Arme und hier be-
326 Sobotka.
sonders für die Unterarme, deren Beogeseite noch nie in aus-
gedehnterem Maße erkrankt gefunden wurde. Es wird sich
aber dabei kaum weniger um Zufall handeln als bei der bis-
her festzustellenden Myomimmunität einiger anderen Körper-
stellen, deren Verzeichnis ich als wohl von gar zu ephemerer
Bedeutung nicht erst hieher setzen mag.
Die Neigung der Myome, irgend einen Körperteil oder
auch mehrere dicht zu besetzen und den übrigen Körper fast
frei zu lassen, tritt in meinem Falle mit großer Deutlichkeit
herTor. Dasselbe gilt von der Assymmetrie der Verteilung.
Diese schon Ton Besnier (1885, p. 322) angedeutete und
von Grocker (p. 48, 51) schärfer hervorgehobene Eigentüm-
lichkeit — die für den letzteren Forscher ein Grund mit war,
an dem Myomcharakter von Wolters 1. und 2. Falle zu
zweifeln — diese auffällige Eigentümlichkeit als etwas typisches
anzusehen, verbietet neuerdings wieder der No bische Fall,
in dem beide Beine in sehr symmetrischer Anordnung be-
fallen waren; bemerkenswert bleibt dem gegenüber immerhin,
daß nicht nur bei den beginnenden Fällen, sondern auch bei
vielen derjenigen, die schon längere Zeit bestanden (Hess,
Jadassohn I, wenn ich die Beschreibung nicht mißverstanden
habe, Jadassohn II, Lukasiewicz, Grocker, White,
Roberts, Krzysztalowicz) die Eruption vollständig auf
eine Körperhälfte beschränkt war. Hierneben ist die auffallende
Erscheinung zu stellen, daß in 3 Fällen (Jamin, Gutmann,
auch Beatty) die Affektion in ganz überraschend scharfer
Weise auf größere oder auch nur kleine Strecken hin an der
Mittellinie abschnitt. Diese und ähnliche Beobachtungen hat
man für einen Zusammenhang der Anordnung der Myome mit
der Nerventeilung verwerten wollen, ohne jedoch je zu einem
recht entscheidend positiven Ergebnis zu gelangen (sieh übrigens
die Abhandlungen von Hardaway, Huldschinsky, Jamin);
bei der wenig bestimmten Begrenzung der von Myomen be-
setzten Fläche in meinem Falle ist es bei einiger Beflissenheit
nicht sehr schwer, sie mit einem Nervenschema einigermaßen
zur Deckung zu bringen, ohne daß indessen diesem leidlich
guten Zusammentreffen irgend ein tieferer Sinn unterlegt
werden dürfte.
Zur Kenntnifl der Gatismyome. 327
Fruchtbarer scheint mir die Betrachtung eines anderen
Verhältnisses, die Anordnung der Knötchen nach bestimmten
Linien. Bei meinem Kranken war die Zusammenstellung der
Geschwülstchen zu Reihen, die Ausbildung von Leistchen, von
feinsten gefäßreisartigen Zügen und die Zusammenstellung
aller dieser Bildungen zu einem förmlichen Systeme am Ober-
schenkel in so auffallender Weise ausgeprägt, daß durch sie
geradezu das Bild beherrscht wurde; am Unterschenkel mußte
das Symptom erst gesucht werden. Entsprechen nun diese
Richtlinien den Haarsfrömen, wie ich anfangs glaubte und wie
gerade bei Arrektorgeschwülsten zu vermuten ist? Genauere
Betrachtung und Vergleichung mit den Abbildungen von Esche-
richt (1837, Tab. III u. IV) und mit solchen nach Voigt
(wiedergegeben in allen Lehrbüchern, siehe übrigens z. B. auch
Okamura, Arch. f. Derm. u. Syph. 1901, p. 357 ff, namentlich
auch Abbildung 2 und 5), anderseits mit der Darstellung der
Spaltrichtungen, z. B. in den Pick sehen Lokalisationstabellen
(2. Auflage) ergaben, daß für die Oberschenkelvorderfläche und
allenfalls auch für die Unterschenkelinnenfläche die Frage, ob
Haarrichtung oder Spaltrichtung nicht mit yoUer Sicherheit zu
entscheiden war, weil die beiden Systeme hier kaum von
einander abweichen, daß aber das Zusammenlaufen der Linien
an der Innenseite des Kniegelenkes, namentlich das Abwärts-
streben der Züge an der Innenseite des Oberschenkels und
ihr querer Verlauf über dem Knie an dessen Streckseite nur
mit der Anordnung der Spaltrichtungen übereinstimmte. Es
scheint, daß die ausgesprochen längsgestreckten und sich
zu parallel£Etferigen Zügen zusammenschließenden Zellen des
glatten Muskels, die sich im ganzen durch Teilung nach dem
LängsTcrlauf des Bündels Tervielfaltigen und in eben dieser
Richtung auswachsen, besondere Neigung haben, sich im Sinne
des geringsten Widerstandes und der vorgebildeten Spalten
zu lagern und in dieser Orientierung, wenn sie einmal ge-
wonnen ist, fortzuwuchern, ein Verhalten, das Geweben von
anderem Aufbau und weniger charakteristischer Teilungsrichtung
nicht in diesem Maße zukommen wird. So erklären sich die
feinen roten Züge, die Längsgestalt vieler Knötchen, die
kleineren und größeren Leisten, die Eigenart des Zusammen-
328 Sobotka.
fließens mehrerer Geschwülstchen. Dafi besonders an der
Oberschenkelyorderfläche auch an kleinsten Knötchen oder
Fleckchen von nicht länglicher Gestalt und ohne deutliche
Verbindung durch noch so geringe Rötung oder Erhebung
eine Anordnung gerade zu Längsreihen erkennbar ist und auch
eine Anzahl der einheitlichen Iieisten sicher aus mehreren
hintereinander gestellten Knötchen hervorgegangen ist, während
unmittelbar rechts und links you ihnen keine makroskopisch
erkennbaren Veränderungen bestesen, daß also die Anfangs -
herde von Tornherein in dieser eigenartigen Gruppierung
auftreten können, für dieses Vorkommen ist allerdings durch
alles Gesagte eine Erklärung ebensowenig gegeben wie das
etwa durch die Auffassung der gesamten Reihenbildung als in
der Haar- d. i. Arrektorrichtung gelegen geschehen ¥nirde.
Steht in der Ausbreitung und Au£Ealligkeit der Linien
und des Reihensystems mein Fall unter allen bekannten
einzig da, so ist doch das Symptom an sich nicht so selten
beobachtet, wiewohl bisher kaum gewürdigt.
In dem ersten überhaupt veröffentlichten Falle von Corium-
myomen, demjenigen Yon Besnier, war unter den Ausbreitungs-
bezirken der Erkrankung am Körper auch einer an der linken
Rückenseite, in dessen Bereich sechs Geschwülstchen neben-
einander gestellt waren „in eine regelmäßige Linie, gezogen
entsprechend der Richtung des zugehörigen Rippenbogens" —
also, wie die oben angeführten Tafeln lehren, ebenso gut ent-
sprechend den Spaltbarkeitsrichtungen der Haut wie den Rich-
tungen der Haarströme.
Im zweiten aller bekannt gewordenen Fälle, demjenigen
Ton Arnozan und Vaillard (pag. 61), wird ein Herd be-
schrieben, der das mittlere Drittel der Streckseite des rechten
Vorderarms und den ganzen ^Gubitalrand*' einnimmt und
zusammengesetzt ist aus Knötchen, die, meist länglich^ „im
allgemeinen in der Querrichtung ausgezogen, sich in linearer
Folge aneinanderreihen '^ ; an einem kleinen Herd an der rechten
Halsseite waren die wenig erhabenen Geschwülstchen „in Folgen
im Sinne der Hautfalten aneinandergereiht **. Man überzeugt
sich leicht, daß, wenn die Angaben des Verfassers genau
sind, die Anordnung an der ersterwähnten Örtlichkeit aus-
Zar Kenntnis der Gntismyome. 329
schließlich and YoUkommen mit derjenigen der Haarrichtungen,
an der zweiten ausschließlich und YoUkommen mit derjenigen
der Spaltrichtungen der Haut übereingestimmt haben müßte.
Hardaway, der dritte Beobachter reiner multipler
Myome, sah in der einzigen Gruppe Ton Geschwülsten, die
sein Kranker zur Zeit der ersten Beobachtung trug — sie
hatte einen von der Wirbelsäule schräg nach abwärts gehenden
Längsdurchmesser — auch „spindelförmige und auch in Linien
und Streifen yerstreute (dispersed)" Effioreszenzen (p. 376);
und die Abbildung, die er einer zweiten, 18 Jahre jüngeren
Veröffentlichung beigibt, und welche die Verhältnisse darstellt,
wie sie sich nach Tollständiger Excision der ursprünglichen
Herde allmählich wieder entwickelt hatten, zeigt, daß die Achsen-
richtung der Knoten und ihre Anordnung wohl völlig mit der
Spaltbarkeitsrichtung der Haut, aber auch mit der Richtung
der Haarströme (in den Okamuraschen Zeichnungen) zu-
sammenfallt. Nicht verschwiegen soll werden, daß ein Knöt-
chen, an der linken Seite der Mittellinie des Rückens und
fast unmittelbar neben ihr gelegen, dieselbe Orientierung schräg
nach rechts unten statt links unten besitzt.
In dem ersten von den beiden Fällen, die Jadassohn
beschrieben hat, war (p. 90) außer den weitaus vorherrschenden,
unregelmäßig ausgesäten Geschwülstchen „doch an ganz ver-
einzelten Stellen^ auch „eine Aneinanderreihung länglich
gestalteter Knötchen in Form von kurzen, der Spaltrichtung
der Haut folgenden Streif eben zu konstatieren^, und nicht
minder in Jadassohns 2. Falle (p. 95), dessen Effioreszenzen
«teils rund, teils der Spaltrichtung der Haut entsprechend
länglich oval^ waren und in dem einzelne dieser länglichen
Knoten „in schräg gestellten Linien angeordnet, ja hie und
da geradezu ein solcher zusammenhängender, bis 1 cm langer
Streifen*' anzutreffen war.
Die „Streifen^, die Wolters (p. 414) an seinem ersten
Falle sah, waren wohl breite Plaques und kaum von der Art
der hier in Rede stehenden.
Erst Huldschinsky (p. 13 u. 35) bringt wieder eine
einschlägige Bemerkung: „Mit den Haarrichtungslinien der
Haut läßt sich ein Zusammenhang insoweit nachweisen, als
330 Sobotka.
bei den verhältnismäßig wenigen Knötchen, die etwas länglich
geformt sind, diese Längsachse mit der Haarrichtungslinie
zusammenfällt.^ Da Huldschinsky nicht angibt, um welche
Körperteile es sich handelte, so läßt sich nicht sagen, ob
nicht genau wie bei einem Teile der Effloreszenzen meines
Falles und mehrerer anderer jene Längsachsen ebensogut mit
den Spaltbarkeitslinien wie mit dem Verlauf der Haarströme
übereinstimmten.
Genevois (p. 48) sagt bei der Beschreibung seines
Falles folgendes : „Gewisse längliche Papeln sind wie in paral-
lele Reihen gestellt, die einen in die Fortsetzung der andern.^
An welchen Körperstellen diese Reihen sich fanden und in
welcher Richtung sie verliefen, ist leider nicht angegeben.
Gut mann (p. 483) faßt sich bezüglich seiner einschlägigen
Beobachtungen sehr kurz: „Auch wir konnten ... an einigen
Stellen eine Übereinstimmung in der Anordnung der EfSores-
zenzen mit den Spaltrichtungen und den Haarrichtungen nach-
weisen; jedoch scheint es mir überflüssig, das weiter auszu-
führen**. „Spaltrichtungen^ und „ Haarrichtungen " — das
Symptom scheint also auch hier an Stellen beobachtet worden
zu sein, an denen die beiden Richtungen zusammenfiedlen.
Beatty (p. 3) endlich beschreibt in der letzten überhaupt
erschienenen Arbeit von der Oberbrust seines Kranken stellen-
weise vorkommende „lineare Leisten von miteinander yer-
schmolzenen Knötchen (lichenartig), die in den Linien der Haar-
bälge verliefen.* Vorausgesetzt, daß hier die Richtungen der
Haare gemeint sind, ist hervorzuheben, daß im unteren Teile
des in Betracht kommenden Gebietes beide Arten yon Rich-
tungen, die uns hier interessieren, zusammenfallen.
Die Anordnung nach gewissen Linien oder in Streifen ist
also in mindestens 10 Fällen (den meinen nicht mitgerechnet),
das heißt in mehr als einem Drittel aller Fälle in größerer
oder geringerer, zum Teil allerdings nur sehr geringer Aus-
bildung beobachtet worden. Dabei könnte sie ganz wohl noch
in einem oder dem andern Falle übersehen worden sein ; docb
findet sich auch die ausdrückliche Angabe, es haben in einem
bestimmten Falle jene Bildungen gefehlt, nämlich bei Wolters
mit Bezug auf dessen zweiten Fall (1893, p. 47) und bei Bröle-
Zur Kenntnis der Gatismyome. 331
mann (p. 16 i). Welchen vorgebildeten Verhältaissen der Haut
die auf der Oberfläche sichtbar werdenden Linien entsprechen,
diese Frage ist nicht so leicht zu lösen und ein „non liquet**
scheint nach der oben gegebenen Zusammenstellung die richtige
Antwort zu sein. Indessen wird man doch kaum annehmen
wollen, daß wirklich die Myome bald nach den Haarrichtungen,
bald nach den Spaltrichtungen angeordnet seien und man wird
das um so weniger tun, wenn in einem Falle wie dem meinigen,
in dem es sich um reine und prachtvoll ausgebildete Arrektoren-
myome handelte, sicher nicht die Arrektorenrichtungen, d. h.
Haarrichtungen, sondern die Spaltrichtungen bestimmend waren.
So ist es denn bis auf weiteres, nämlich so lange, bis uns neue
Beobachtungen eines besseren belehren, gewiß weitaus das
wahrscheinlichste, daß es sich allemal um Orientierung nach
den Spaltrichtongen handelte. — Für die Reihenbildung, die neben
der leicht verständlichen, länglich-runden Form der Myome in
vielen der angeführten Fälle noch mehr in den Vordergrund
tritt als in dem meinen, habe ich schon oben auf eine Er-
klärung verzichten müssen.
Ich habe diesem Symptom eine etwas eingehendere Be-
sprechung gewidmet, weil es mir bei der bislang noch sehr
großen Schwierigkeit der Diagnose der Hautmyome, die noch
immer meist nur mit Wahrscheinlichkeit und in der Regel nur
per exclusionem gestellt werden kann, wünschenswert scheint,
jedes Merkmal und vor allem jedes positive Merkmal, das ver-
wertbar zu sein verspricht, zu unterstreichen — zumal wenn
seine Eigenart, wenigstens zum Teil, als im Wesen der ge-
schwulstbildenden Gewebsart begründet angesehen werden kann.
Wie fruchtbar sich die sorgfältigere Beobachtung des Verhal-
tens, auf das ich hier die Aufmerksamkeit lenken wollte, in
Zukunft erweisen mag, ist abzuwarten. Gerade die Bindegewebs-
geschwülste, die differentialdiagnostisch besonders in Frage zu
kommen pflegen, könnten vielleicht vermöge der auch bei ihnen
vorhandenen Langsausbildung der Elemente und deren Bünde-
lung zuweilen ähnliche Formen hervorbringen; doch scheint
gerade von den multiplen Eeloiden nichts ähnliches berichtet
worden zu sein. Nach dem gesagten bin ich für meinen Teil
sehr geneigt, histologisch nicht untersuchte Fälle gleich dem-
332 Sobotka.
jefligen toq Pringle, in dem die Geschwülstchen „in linearer
Art verbunden '^ waren, bei sonstiger Übereinstimmung der Symp-
tome den Myomen zuzurechnen.
Was sonst noch über die Gestalt, was über den Grad der
Erhebung über die gesunde Haut, femer über die Größe der
Geschwülste meines Falles und über ihre Farbe gesagt worden
ist, bleibt durchwegs auf der mittleren Linie dessen, was man
auch sonst angeführt findet. Freilich ist die Variationsbreite,
die nach den Angaben der Literatur der äußeren Erscheinung
der Myome zukommt, keine geringe. Nicht gerade häufig ist
das durchscheinende Aussehen, wie es in meinen Falle u. zw.
bemerkenswerter Weise nur bei einer Anzahl der größeren
Knötchen zu beobachten war; immerhin haben Hess, Jarisch,
White, Huldscbinsky ähnliches beschrieben und in einem
Falle Ton Whitfield waren sämtliche Knötchen in so hohem
Grade durchscheinend, daß sogar die Diagnose Lymphangiom
im Vordergrunde stand, so lange nicht ein Versuch, die Bläs-
chen anzustechen, deren solide Beschaffenheit nadigewiesen
hatte. -^ Der Zahl der Herde nach gehört mein Kranker zu den
besonders schwer befallenen, an deren Spitze er indessen noch
keineswegs steht.
Unter den Symptomen der kutanen Myome nehmen
einen ganz besonderen Rang die subjektiyen ein. Durch
meinen Fall wächst die Zahl derjenigen reinen einzelnen oder
multiplen Myome, in denen wenigstens die größeren Knoten
durch Druckschmerzhaftigkeit ausgezeichnet waren, auf
16, die Zahl derjenigen, in denen spontane Schmerzanfälle
sich einstellten, auf 13 unter 28 (der Fall von Brigidi-
Marcacci und Wolters 3. Fall nicht eingerechnet). Die
typischen spontanen Anfälle mit ihrem Beginn von einem be-
stimmten Herd aus und ihrer Ausbreitung über bestimmte und
zwar wohl immer nur über die von den Geschwülsten besetzten
Gebiete, mit ihrem meist spät in der Krankheitsgeschichte erfol-
genden Auftreten und der sehr langsamen Zunahme ihrer
Heftigkeit haben etwas außerordentlich charakteristisches und
sind seit jeher zur Diagnose verwendet worden; noch bezeich-
nender, wenn auch etwas seltener ist die Neigung der Myome,
auf Kältereize mit typischen Anfällen, ausgebreiteten Schmerzen,
Zur Kenntnis der Cutismyome. 333
in anderen Fällen wenigstens mit gesteigerter Empfindlichkeit
zu antworten oder doch in der kalten Jahreszeit häufiger echte
Paroxysmen zu veranlassen. Den etwa ueun bisher veröffent-
lichten Beobachtungen derartiger Eigentümlichkeiten fügt mein
Fall eine neue hinzu. Eigenartig und von anderen Fällen nicht
verzeichnet ist bei meinem Patienten das Auftreten von Schmerzen
bei Bewegungen des Beines nach längerer RahC; der Hervor-
hebung wert auch die Beschränkung der spontanen Schmerz-
anfalie auf die Nacht oder vielleicht richtiger auf den Schlaf-
zustand ; die schreckhaften Träume von Gehetztwerden, Qebissen-
werden sind, wiewohl nach manchen Verfassern Gemütsbewegungen
Paroxysmen ausgelöst haben sollen, gewiß nicht die Ursache,
sondern bereits Reflexe der erwachenden Schmerzempfindung.
Die an Abweichungen und Einzelheiten reiche Symptomatologie
des Schmerzanfalles, seine Ausbreitung, Dauer und Heftigkeit,
seine Begleiterscheinungen, die Art der Empfindung in den
verschiedenen Fällen können hier leider unmöglich zusammen-
gefaßt werden; auch die ganze Streitfrage des Wesens der
Myomatalgien aufzurollen, scheint mir nicht erlaubt, da ich
nach den wertvollen Ausführungen von Jadassohn (1890,
p. 103), Lukasiewicz (p. 42), Unna (1894, p. 866), Neu-
mann (p. 12), Marschalkö (p. 326), Huldschinsky
(p. 38), Jamin (p. 481), Gutmann (p. 480) kaum mehr neues
beizubringen wüßte. Nur darauf möchte ich hinweisen, daß die
Lehre von der Schmerzerzeugung durch reflektorische Zusammen-
ziehung der Muskelfasern, so einleuchtend sie ja ist und so
vollkommen sie für den Fall von Arnozan und Vaillard
mit seinem Erblassen der Myome während des Anfalles zutreffen
mag, überraschender Weise in keiner einzigen der späteren
Beobachtungen eine Stütze für ihre allgemeine Gültigkeit findet.
Eine gleichfalls auffallende Gefäßerscheinung, die einzig da-
stehende Schwellung und Rötung des befallenen Unterschenkels
während der unerhört langen Schmerzperioden von J am ins
Krankem (ganz andersartig, nebenbei bemerkt als in dem Falle
von Brigidi-Marcacci. in dem das Leiden durch Gefaß-
erscheinung eingeleitet worden war) läßt, zumal da eine
genauere Beschreibung fehlt, insbesondere über den Ton der
Rötung und die Temperatur des Beines nichts angegeben ist,
384 Sobotka.
sehr yerschiedene Deutangen zu. Das Dunklerwerden in der
Kälte, das in dem niemals von Schmerzanfallen heimgesuchten
2. Jadas so huschen Falle an den Knoten beobachtet wurde,
die von Gut mann selbst nicht bestätigte Versicherung seines
Kranken, daß im Anfalle seine Knoten abblaßten, läßt sich frlr
die vorliegende Frage ebensowenig verwerten ; und dasselbe
gilt von der Angabe meines Patienten, der im Gegenteil im
Anfalle die Geschwülstchen größer und röter fand, der sich
aber niemals entschließen konnte, von dem Eintritte eines seiner
nächtlichen Parozysmen den diensthabenden Arzt zu verständi-
gen und an dem endlich bei Tage unter der Einwirkung der
Kälte keine konstante Farbenveränderung der Geschwülste be-
obachtet werden konnte. Daß Myome wie in meinem Falle zu
verschiedenen Zeiten ohne irgendwelchen auffindbaren Grund
bald blasser, bald lebhafter gefärbt, an manchen Tagen von
reiner rotem, an andern von ausgesprochen rotbraunem Tone
waren, ist, vrie in diesem Zusammenhange erwähnt werden kann,
ohne parallele Angabe in der Literatur.
Auch Yon den Einzelheiten des histologischen Befundes
verdienen mehrere noch eine kurze Erörterung.
Daß in meinem Falle die Entwicklung des Myoms aus
dem Arrektor Schritt fiir Schritt verfolgt werden konnte, ist
schon dargelegt, der Typus dieses Fortschreitens ist geschildert
worden. Von den Untersuchem, die bisher ausschließlich oder
teilweise von den Arrektoren ausgehende Myome zu diagnosti-
zieren Gelegenheit hatten, vermochten bei der Eigenart des
ihnen zur Verfügung stehenden Materials nur zwei ihren Prä-
paraten Einzelheiten zur Entstehungsgeschichte des Arrektoren-
myoms abzugewinnen. Wolters findet in seinem zweiten Falle
folgendes Bild (p. 418): „Nur an ihren Ursprungsstätten, vor-
nehmlich den Haarbälgen und ihrer Muskulatur, ziehen die Muskel-
fasern dichter zusammengedrängt diesen entlang, um fortwährend
seitliche Äste abspaltend, sich umzubiegen, Schleifen und Wirtel
bildend sich zu durchfiechten.^ Ja min hat in einem gewissen
Gegensatze hiezu im Anfangsstadium das Hinausgehen des
hyperplastischen Arrektors über den Haarbalg nach unten zu
und seine nun erst folgende Verzweigung nach allen Richtungen
beobachtet; ich selbst konnte das eine wie das andere wahr-
Zar EeDütnis der GuÜBinyome. 335
nehmen. Wenn nun Jamin weiter aus Flachschnitten ersehen
konnte (p. 475), „wie die Bündelzüge die Balgdrüsen und Haar-
scheiden teils einfach, teils mehrfach zirkulär umfassen und
sich in weiterer Entfernung mannigfaltig durchflechten, ^ so habe
Befunde von der Art dieser letzteren zwar auch ich gemacht,
jedoch nur ausnahmsweise an jüngeren und typischen Wucherungs-
herden, welche sich ja im Gegenteil in der Regel fast ganz
auf die Arrektorseite des Haares beschränkten; aber auch bei
Jamin können jene Verhältnisse, nach seiner Abbildung 3 zu
schließen, nicht regelmäßig gewesen seiu.
In meinen Präparaten ist in kleineren Geschwülsten der
Reichtum an Bündeln, die noch in der Arrektorebene verlaufen,
auffallend. Es handelte sich aber dabei wahrscheinlich bloß um
einen Zufall: in allen leistenförmigen Myomen wird wohl eine
Hauptrichtung der Fasern bestehen; aber da sie, wie wir ge-
sehen haben, wohl stets der Spaltrichtung entsprechen muß,
wird sie nicht immer mit derjenigen der Arrektoren überein-
stimmen. Beschrieben übrigens ist dieses Vorwalten des Faser-
yerlaufes in einer bestimmten Ebene bisher nicht, wohl weil
in der Regel nur größere, weiter entwickelte Knoten zur Unter-
suchung verwendet wurden; vielmehr findet man überall erwähnt,
daß die Faserzüge einander regellos durchflechten.
Es wurde oben einer Besonderheit des Querschnittes —
die übrigens auch im Längsschnitte sich verfolgen ließ — Er-
wähnung getan, des Auftretens von Lücken bis zur Ausbildung
eines wirklichen Maschenwerkes an vielen Bündeln. Dieses
Verhalten oder ein ihm sehr ähnliches ist an Hautmyomen erst
einmal beschrieben, nämlich von Marschalk 6, der allerdings
in der Einsäumung der Lücken noch Querschnitte von Muskel-
fibrillen und in der Mitte der Lücken anscheinend ziemlich
regelmäßig den Kern seiner „schlauchförmigen, glatten Muskel-
zelle^ nachweisen konnte. Die Übereinstimmung zwischen seinen
und meinen Bildern spricht sich sehr deutlich darin aus, daß
sowohl er als auch ich und alle, denen ich meine Präparate
zeigte, sich im ersten Augenblicke an Nervenquerschnitte erinnert
fühlten ; und diesem Eindrucke kann man sich so wenig entziehen,
daß Marschalkö sogar sehr geneigt ist, einen ihm auch
klinisch verdächtigen Fall, den Duhring und Schweinitz
336 Sobotka.
auf Grund ihrer Krankenbeobacbtung und ihres histologischen
Befundes als Neuroma cutis dolorosum ansahen, als Mjomatosis
cutis anzusprechen. Wie sind nun aber jene ungewohnten Bilder
zu erklären? Qaerschnittslücken findet man anscheinend über-
haupt gar nicht so selten. In der Gefaßmuscularis kann man
sie ab und zu immer wieder sehen, so auch gerade an manchen
Stellen meiner Myompräparate. Sehr ähnliche Bildungen finde
ich auch in einer Anzahl ad hoc durchgesehener Präparate^)
vom Uterus (Müller-Formol), in denen ein Einfluß der ent-
legenen Krankheitsherde (Tbc, Ca) auf die verändert befundene
Muscularis nicht vorauszusetzen war, und in Schnitten einer
normalen Tuba Fallopiae (Z enkersche Flüssigkeit). Man wird nicht
annehmen, daß es sich in meinen Myomen und allen diesen
sehr verschiedenen Präparaten von teils sicher, teils wahr-
scheinlich gesundem Gewebe um besondere , schlauchförmige
Muskelzellen" (Marschalk ö) handle, die von SpeziaUcennem der
(normalen) glatten Muskulatur (sieh Heidenhain) ganz übersehen
worden wären. Für irgend eine Degeneration, eine fettige viel-
leicht, spräche immerhin der Umstand, daß in einem Präparate
vom Uterus einer mit Phosphor vergifteten sehr ähnliehe Ver-
änderungen ganz besonders stark ausgeprägt waren. Das wahr-
scheinlichste ist aber wohl, daß eine Präparationsveränderung
im weitesten Sinne des Wortes im Spiele ist und zwar dann
vermutlich eine Reaktion des lebenden kontraktilen Gewebes
auf den Reiz der Fixierungsflüssigkeit; gewisse Versuchergebnisse
Schaffers (1899, p. 229 £), auf die ich hier leider nicht ge-
nauer eingehen kann, sprechen, wiewohl seine und meine Befunde
nicht vollständig übereinstimmen, für diese Auffassung. Doch
bin ich weit entfernt, den Gegenstand, der einer eigenen Unter-
suchung bedürfte, durch die knappen Bemerkungen, die ich
ihm im Rahmen dieser Arbeit widmen konnte, für erledigt
zu halten.
In meiner Darstellung des histologischen Befundes wagte
ich nicht mit voller Sicherheit zu behaupten, daß Muskelzüge
^) Die Möglichkeit der Durohsicfat dieser und der gleich noch ni
erwähnenden Schnitte verdanke ich der Frenndliohkeit der Herren Dr. Dr.
Sitsenfrey und Gross, Assistenten der grynäkologischen Klinik, bcEie-
hnngsweise des Herrn Professors A. Eohn, dem ich auch für manchen
mir sehr wertyollen Hinweis zn vielem Danke verpflichtet bin.
Zar Eenninis der Gutismyome. 337
Yorkämenf die in keinerlei Sinne eine Beziehung zu den Arrek-
toren besäßen. Aber ein Bündel wie das oben beschriebene,
das an der „Vorderseite'' des sonst arrektorlosen Haarbalges
als feiner, dem Haarbalge paralleler Strang verläuft, ohne daß
weit und breit ein Haarmuskel anzutreffen wäre, vom dem es
abgespalten sein könnte, ein solches Bündel hat zum mindesten
mit der normalen Hautmuskulatnr nichts zu schaffen. Schwer
ist von einem Arrektor vor regelrechter Anlage auch folgendes
ganz groteske Gebilde abzuleiten: Ein Muskelstrang von der
normalen Breite eines Arrektors zieht, jeder Geschwulstmasse
fem und somit durch keinerlei erkennbaren Kräfte aus seiner
Richtung abgedrängt, nicht mit normaler Schrägheit, sondern
wiederum parallel zum Haarbalge und unmittelbar neben diesem
und seiner kleinen flachen Talgdrüse hin, sendet etwa in der
Gleiche der Haarwurzel ein kräftiges Bündel in die Tiefe, wo
es nicht weiter verfolgt werden kann, weil das Präparat hier
in seinem Randteile nicht mehr die ganze Cutis umfaßt, und
biegt, ohne mit dem Haarbalge in nachweisbare Beziehung ge-
treten zu sein, um den Fundus der Talgdrüse und die Gegend
der Haarwurzel in unverminderter Stärke allmählich wieder
nach oben, strebt nun, auf der andern, der Regel nach arrektor-
freien Seite des Haarbalges der Epidermis wieder zu und zwar
in einer Richtung, die genau das Spiegelbild der Richtung eines
normalen Arrektors ist, und zerlegt sich endlich, unter sämtli-
chen Mjombündeln einzig in seiner Art, unter allmählicher
Verschmälerung in eine ganze Anzahl von allerdings etwas
unregelmäßig angeordneten „Arrektoren wurzeln**. Man kann
sich des Gedankens kaum erwehren, daß es sich bei diesen
nicht recht erklärbaren Gebilden um Anomalien in der Anlage
der Arrektoren handelt. Das Vorkommen jener schoo erwähnten
„freien*^ Muskulatur in der Haut erklärt ja höchstens den
Befund der als selbständig erscheinenden Muskelbündel in
meinen Präparaten, von denen übrigens die hier in Betracht
kommenden, zugegebener Weise fraglichen, von dem Unter-
schenkel stammen, also aus einer Gegend, von welcher freie
Muskulatur noch nicht beschrieben worden ist. — Die Bedeutung
dieser anscheinend gar zu geringfügigen Dinge ist die: wenn
sich wirklich in der Haut Anomalien der Muskulatur finden,
AMh. f. DMinat. u. Sjph. Bd. LXXZIX. 22
338 Sobotka.
die man als solche der ersten Anlage ansehen müßte, so wäre
die AufPassung, daß auch der Mjombildung eine ursprüng-
liche Abweichung von der Norm zu Grunde liege, um ein gut
Teil wahrscheinlicher gemacht Vielleicht findet mein Versuch,
die Frage der Ätiologie der Myome, ganz besonders die Frage
der angeborenen Anlage, von der histologischen Seite anzugehen,
einmal an geeigneteren Präparaten Nachfolge. Liegt doch unser
Wissen von diesen ätiologischen Verbältnissen noch sehr im
Argen. Jamin, der in seinem Erklärungsversuche mit Bertifang
auf eine Bemerkung Neumanns über die Bedeutung gewisser
follikulärer Erkrankungen für die Hypertrophie der Arrektoren
die follikuläre Keratose seines Falles in den Vordergrund stellt,
hebt doch hervor, daß die Ursache der Fortentwicklung der
Hypertrophie zur Geschwulstbildung noch tiefer liegen müsse,
und findet in der zum Teil streng einseitigen, an der Mittel-
linie haltmachenden Anordnung der Berde in seinem Falle und
in einer familiären Überpigmentation der Haut Stützen für die
Annahme kongenitaler Anlage. Der überaus frühzeitige Beginn
der Erkrankung in manchen Fällen, insbesondere in denjenigen
Yon Jadassohn (erstes Lebensjahr?), von Jarisch (^seit
Kindheit^), von Hess (3. bis 4. Lebensjahr) und auch von
Erzysztalowicz (spätestens 1 0. Lebensjahr) ist in demselben
Sinne verwertet worden. Namentlich Unna (1894, p. 863),
Darier (p. 842), Erzysztalowicz (p. 311) sind für eine
angeborne Grundlage mit späterer Weiterentwicklung einge-
treten. Es ist sehr zu bedauern, daß in 2 Fällen, welche Morris
(1901, p. 8) in der Dermatological society of London vorstellte,
bzw. durch seinen Schüler Dore (1902, p. 55) vorstellen ließ
eine Bestätigung der Diagnose durch die histologische Unter-
suchung nicht vorliegt; denn diese beiden Fälle, in denen
übrigens die Verteilung der Hautgeschwülstchen nicht die gleiche
war, betreffen höchst bemerkenswerterweise Vater und Tochter.
Über die vielfältigen Arten der Muskelkerne und ihrer
Zerlegung in kleinere Gebilde habe ich mich oben verhältnis-
mäßig ausführlicher ausgesprochen und das schon deshalb,
weil dieser schwerlich allgemein gekannten Verhältnisse doch
so gut wie keiner der bisherigen Untersucher von Myomen auch
nur etwas eingehender Erwähnung tut und die Frage der Ab-
Zar Kenntnis der Gutismyome. 339
Dormität dieser Bildungen einmal erörtert werden sollte. Man
wird sich beeilen, die Buntheit der Befunde auf das Patho-
logische des myomatösen Vorganges zurückzuführen. Und tat-
sächlich scheinen sie für den Menschen pathologisch zu sein —
um nicht zu sagen ^atavistisch*^. Es ist mir nämlich trotz eifrig-
stem Nachschlagen in den Lehrbüchern und Spezialschriften nicht
gelungen, Berichte über ähnliche Feststellungen beim Menschen
zu ermitteln (sieh übrigens Heidenhain 1900, p. 123); da-
gegen finde ich bei Lukjanow (1887, p. 546-7, 554-6), dessen
Veröffentlichung sich auf Untersuchungen am normalen Sala-
mandermagen gründet, fast alle von mir erwähnten Befunde
beschrieben und sehr schön abgebildet: gebogene und leicht
gewundene und kurz ovale Eerne^ Eernpaare in verschiedenen
Lagen, Zerteilung eines Kernes in zwei schroff abgebrochene
oder an der Trennungsstelle schon abgerundete (zu diesen beiden
letzten Bildern allerdings werde ich sofort Parallelbefunde vom
Menschen anführen können), Aneinanderreihung kleiner Eern-
kugeln oder Ovoide auch in der oben erwähnten Prellsteinstellung.
Riesenkeme allerdings scheinen auch beim Salamander normaler
Weise nicht vorzukommen, weder die einfach allgemein ver-
größerten, noch die langen und unverhältnismäßig schmalen. —
Als was sind nun aber die Zerlegungen der Kerne in mehrere
Teile aufzufassen? In denjenigen Fällen, in denen beide Stücke
Kemkörperchen bergen, sicherlich als Ausdruck amitotischer
Teilung, die vielleicht auch da noch vorliegen könnte, wo nur
einer der ziemlich gleich großen Teile einen deutlich gefärbten
Nukleolus behalten hat; wo aber das abgetrennte Stück oder
die abgetrennten Stücke klein, schlecht gefärbt sind und dabei
eines Kemkörperchens entbehren, wird man gewiß an den
Untergang des Kernes denken müssen. Einen solchen bedeutet
unzweifelhaft diejenige Art der Auflösung, bei der zuerst inner-
halb des langen, abnorm schmalen Kemschlauches nur einzelne
Bruchstücke färbbar bleiben, dann das ganze Gebilde in eine
Beihe von Flöckchen zerfällt. — Von meinen Vorgängern hat
den Muskelkemene igentlich nur Marschalko eingehendere Be-
trachtung gewidmet. Von ihm werden besonders schöne (bis
70 ^ lange) Riesenkerne beschrieben und abgebildet. Die direkte
Zellteilung konnte er in seinen Präparaten förmlich sich voll-
22*
340 Sobotka. '
ziehen sehen; doch hat er im Gegensatze zu mir ab und zn
auch Karyokinese verzeichnen können. Diese Befunde stimmen
recht gut damit überein, was wir auch sonst über das Vor-
kommen der amitotischen Zellteilung in der Haut von Säuge-
tieren und besonders Tom Menschen wissen : sie scheint nämlich
vorzugsweise Wucherungsvorgängen eigentümlich zu sein. Vig-
nolo-Lutati (1901, 1903) hat sie in der normalen Tunica
dartoB des Menschen nie gefunden — allerdings anscheinend
ebenso wenig Karyokinese — wohl aber in der durch Entzün-
dung hypertrophischen Muskulatur der menschlichen Vorhaut
und des menschlichen Hodensackes ; nicht gerade selten hat er
sie in der Tunica dartos des Hundes angetroffen, in viel größerer
Menge aber noch an experimentell erzeugten Stätten der Rege-
neration bei Tieren, nämlich in der Umgebung von Schnitt-
wunden der Katzenhaut und des Hundeskrotums.
Eine außerordentlich seltene Besonderheit besitzt mein
Fall an den mit Detritusmasse gefüllten, zum Teile auch leeren
Lücken, die quer durch die ganze Breite von Riesen-Arrektoren
hindurchgreifen und die sich als nichts anderes auffassen lassen
denn als die Wirkung einer Degeneration. Daß es sich um reine
Nekrose handelt, das wird trotz der Übereinstimmung der Farb-
reaktionen durch die Geringfügigkeit der Veränderungen an
vielen der noch vorhandenen Kerne, insbesondere auch deren
oft noch recht gute Färbbarkeit unwahrscheinlich gemacht.
Vielleicht ist, was sich bei der Alkoholfixierung der Präparate
nicht mehr feststellen läßt, ein Verfettungsvorgang im Spiele. —
Unter allen Beschreibern von reinen Hautmyomen berichtet
einzig White (p. 267) über entfernt Verwandtes, „über Herde von
Degeneration mit geschrumpften und zerfallenen Kernen und
schlecht sich färbendem Protoplasma, in dessen Mitte wir
Vakuolisierung finden*. Ein bemerkenswerter Zug ist, daß in
meinen Präparaten gerade nur wohl erkennbare Arrektoren oder
ihnen ganz nahe stehende Bildungen von der Veränderung be-
troffen worden sind, nicht die von ihnen selbst ausgehenden
unregelmäßigen Wucherangen; das relative Alter gerade jener
Teile der Muskelmasse gegenüber allen anderen scheint mir zur
Erklärung dieser Eigentümlichkeit um so weniger hinzureichen,
Zar Kenntnis der Gutismyome. 341
als es das herdförmige Auftreten der Umwandlung, für die
ich keinen Grund finden konnte, nicht yerständlich macht.
Vollkommen entsprechend all den übrigen Fällen verhält
sich der meine in Bücksicht auf die Beziehungen zwischen
Muskulatur und Bindegewebe in und am Tumor, nämlich auf
die Septierung durch Hereinragen des Bindegewebsfachwerks,
das gegen die Mitte zu in der Geschwulst deutlich spärlicher
wird. Nur Hess hat in seinen Knoten gar kein Bindegewebe
gefunden. Jamin berichtet umgekehrt, daß in seinen größten
Neubildungen das Bindegewebe überwogen habe und würde für
seinen Fall auch den Namen „Fibromyom^ gelten lassen (p. 470),
ohne sich indessen eigens darüber auszusprechen oder aus der
beigegebenen Abbildung erkennen zu lassen, ob es sich wirklich
um eine Vermehrung des Bindegewebes gehandelt habe. Eine
Kapsel aus yerdrängtem und verdichtetem Kollagen haben auch
die von andern Verfassern untersuchten Muskelneubildungen
nur ausnahmsweise allenthalben oder stellenweise besessen
(Hess, Brölemann, Wolters, Krzysztaiowicz, auch
Nobl, vielleicht Huldschinsky).
In Hinsicht ihres Verhaltens zur Gesamtheit des Binde-
gewebes hingegen, mit andern Worten in Hinsicht auf ihre
Einlagerung in die Haut, weichen die Myome meines Falles
denn doch bis zu einem gewissen Grade von den meisten der
bisher beschriebenen ab. Das Eindringen von Muskelgewebe
in die oberflächliche Schichte des Unterhautgewebes ist
nämlich ein sehr seltener Befund. Ein Tumor Besniers aller-
dings, von Balz er untersucht, „scheint sich bis ins Hypoderma
zu erstrecken bei geringer Beteiligung des eigentlichen Dermas".
Man braucht indessen nach dieser nicht eben bestimmt ausge-
sprochenen Angabe des eigentlichen Begründers der Lehre von
den Dermatomyomen an dem im wesentlichen doch kutanen Cha-
rakter der Geschwülste seines Falles noch lange nicht zu zweifeln ;
es könnten bei den untersuchten Schnitten, die anscheinend keine
Serien bildeten, wohl Bandteile, Ausläufer, alter weit entwickelter
Tumoren vorgelegen haben, die an dieser Stelle nur den tiefsten
Schichten angehörten. Denn die vermutlich auch in Hinsicht auf
ihren Entwicklungszustand jüngeren Geschwülstchen, die 5 Jahre
vorher untersucht worden waren, lagen ausschließlich im Derma
342 Sobotka.
(im mittleren und tiefen). Eine Geschwulst von Arno z an und
Vaillard nabm das ganze Uerma ein und begrenzte sich
scharf im Hypoderma. Huldschinsky sah — und zwar in
Randschnitten — Muskelbündel in das oberste Unterhautgewebe
hinein reichen. Damit ist die Reihe aber auch schon zu Ende. ')
Das Hinanreichen meines Tumors in die Nähe der Epider-
mis ist dagegen gar nichts außergewöhnliches und auffallend
dabei nur, daß die regelmäßigen Folgeerscheinungen, die Ab-
flachung der Retezapfen und die Verdünnung der ganzen Ober-
haut, so gut wie gar nicht ausgeprägt sind, von weiter gehen*
den Veränderungen, wie im Falle von White, nicht erst zu
reden. Auch starke Pigmentierung der basalen Epidermisschichte
über der Geschwulst (Jadassohn I, Lukasiewicz, Wol-
ters I, Marschalko, Nobl) fehlte bei meinem iCranken.
Es verdient hervorgehoben zu werden, daß sich nach dem
Verhalten der elastischen Fasern, die der Muskulatur
zugeteilt sind, um sie zu umspinnen oder zu durchziehen, die
Myome, so weit die Berichte darüber ausreichen, deutlich in
2 Gruppen scheiden. In der einen sind sie vermindert, vne bei
Huldschinsky, Jamin, Gutmann, oder fehlen im Muskel
ganz, wie die Präparate von Wolters (I und II;, Neumann,
Krzysztalowicz ergaben; in der andern sind sie vermehrt,
auch stark vermehrt, sei es als Begleiter der Muskelbändel, sei
es in ihnen selber, wie in den Fällen von Besnier, Jadas-
sohn (I und II), Herzog, Marschalko, Genevois, wohl
auch Lukasiewicz, denen sich nun der meine anschließt
Ebenso ist der Gefaßreichtum der Myome sehr verschieden.
Fehlten in den Myomen Hardaways und Audrys und in
den inneren Teilen derjenigen von Hess Gefäße ToUständig
und fand umgekehrt White eine Gefäßvermehrung, welche —
wiederum ein Obergang — seinen Fall „vielleicht enger an das
Myoma teleangiectodcs anscblöße', so gehören meine Ge-
schwülstchen zu der offenbar größten Gruppe, in welcher der
Grad der Vaskularisation nicht verändert ist. Ich spreche hier
^) Crockers Angabe bezüglioh des Falles von Hardaway, dessen
erste Myomarbeit mir nicht zugänglich ist, es haben hier die Neubildungen
hauptsächlich unter dem Derma gelegen, stimmt nicht recht zu einer
kurzen Bemerkung in Hardaways zweitem Bericht über denselben Fall.
Znr Kenntnis der Cntismyome. 343
Yon der GefaSversorgong des Bindegewebsfachwerkes
zwischen den Muskelbündeln : über diejenige der Muskel-
bündel selbst, die ich oben beschrieb, finde ich in der Lite-
ratur nirgends bestimmte Angaben.
Auch der Befand an den Nerven ist der bei Myomen
gewöhnliche, banale. Von den Untersuchem reiner Myome
hat in den Neubildungen selbst nur Besnier spärliche Nerven-
zweige, Hess eine mäßige Anzahl von Fasern, auch Huld-
schinsky nur feine Fasern gefunden; aber freilich waren oft
zu schärferem Nachweise die Präparate nicht geeignet Jadas-
sohn (I. Fall) und wiederum Huldschinsky sahen Nerven-
stämmchen dicht der Neubildung anliegen. Schmerzanfalle be-
standen — das verdient denn doch hervorgehoben zu werden
— unter all den obengenannten Fällen nur in den beiden letzt-
erwähnten.
Endlich entspricht auch das Infiltrat in meinen Prä-
paraten dem, wie es scheint, häufigsten Verhalten. Zunächst
schon durch sein Vorhandensein an sich: Nur Audry erwähnt
ausdrücklich, er habe Infiltration vermißt, Jadassohn fand
in seinem 2. Falle (der nicht von Anfällen heimgesucht war)
i,kaum Andeutungen von Bundzellenherden*, von 13 Fällen ist
der Befund von Infiltraten, geringer oder stärker ausgebildeten,
erwähnt Was die Anordnung betrifft, weicht mein Fall nur in
der auffallend geringen Beteiligung der Schweißdrüsen von dem
gewöhnlichen Bilde ab. Die Zusammensetzung aus lymphooyten-
artigen Zellen wird immer wieder erwähnt, Mastzellen sind
dreimal, darunter von Herzog sogar zwischen den Muskel£Etsern,
Plasmazellen — ganz vereinzelte — nur von Marschalko
gefunden worden.
Inwieweit stimmt nun, zunächst in meinem Falle, der
mikroskopische Befund mit dem klinischen Bilde überein und
trägt zu seiner Erklärung bei? Daß der makroskopisch sicht-
bare Knoten an Umfang der mikroskopisch wahrnehmbaren
Muskelwucherung nicht vollkommen entspricht, daß vielmehr die
letztere mit ihren weniger dicht gewobenen Randteilen sich viel
weiter ins Bindegewebe hinein erstrecken kann, als zu vermuten
wäre, hat zuerst Jadassohn angegeben; in meinem Falle wie
in denjenigen einiger anderen Verfasser, vor allem Jamins,
344 Sobotka.
gilt das in fiel höherem Grade von den kleineren als von den
mehr geschlossenen größeren Neugebilden. Viel mehr entspricht^
irie zum Teil schon hervorgehoben worden ist, der follikoläre
Sitz der sich entwickelnden Knoten, die Einheitlichkeit der vor-
waltenden Faserrichtnng, auch die Neigung zur Bildung yon
oberflächenparallelen Platten und Strängen gerade den herror-
stechendsten der klinischen Zöge. Aber woher nun die rote
Farbe der Geschwülste? Der Muskel an sich ist nicht rot,
die Rötung yerschwindet auf Druck und macht einem ganz be-
stimmten anderen Tone Platz (einem ganz blaß-gelb-braunen
in meinem Falle, einem gelblichen bei Jadassohn I, einem
gelb-grauen bei Wolters ü), sie kann also nur yon der Farbe
des Blutes herrühren. Nun sind aber in den Geschwülsten die
Gefäße gar nicht sonderlich zahlreich und auch nicht besonders
erweitert, Yor allem nicht mehr als in der Umgebung. In ein-
zelnen Fällen zwar war der schmale Bindegewebsstreifen, der
zwischen Muskulatur und Epidermis erhalten geblieben war^
ungewöhnlich blutreich, aber makroskopisch stach das Bot nicht
gar so sehr hervor (White, Jamin, Gutmann). Und umge-
kehrt, bestand auch in den beiden Fällen, in denen mikro-
skopisch in den Neubildungen gar keine Gefäße angetroffen wur-
den (Hardaway, Audry) Rötung« Nun, des Rätsels Lösung,
gegen die nur der schon an sich ein wenig unwahrscheinliche
Widerspruch zwischen der weißen Farbe alter Knoten und dem
großen Gefaßreichtum anscheinend ebensolcher im White-
schen Falle zu streiten vermöchte, ist sicherlich die, daß nicht
nur der Blutgehalt der Neubildung selbst und nicht nur der-
jenige der bedeckenden Schichte in Betracht kommt, sondern
auch derjenige des unterliegenden Gewebes, mit andern Worten,
daß die Lichtdurchlässigkeit des Muskelgewebes eine Rolle spielt.
Daß diese wirklich in hohem Maße vorbanden ist, das zeigen
vor allem die Fälle von White und Whitfield, in denen
die Diagnose von Lymphangiomen, beziehungsweise außerdem
auch von kolloid entarteten Herpesnarben in Frage stand, neben
mehreren anderen (Hess, Jarisch, Huldschinsky), in
denen die durchscheinende Beschaffenheit ausdrücklich hervor-
gehoben wird. Warum aber nicht alle Myome, ja sogar, wie bei
meinen Kranken, unter vielen Myomen desselben Falles nur
Zur EenntniB der Cntismyome. 345
einzelne darchscheinend sind? Kommt die Lichtdurchlässigkeit
gerade dem Muskelgewebe zu, so wird die Antwort lauten
müssen : Weil sie ungleich tief unter der Oberfläche gelegen,
weil sie ungleich muskelreich, beziehungsweise ungleich binde^
gewebsreich sind; und wirklich war in meinem Falle unter
allen untersuchten Geschwülsten die in yito allein durchschei-
nende auch die weitaus am meisten aufwärts reichende und die
an Stroma weitaus ärmste. Auch die Fälle der Literatur, mit
Ausnahme des White sehen, in dem irgend welche ganz be-
sondere Verhältnisse vorgelegen haben mögen, scheinen sich
mir diesem Erklärungsversuche im ganzen recht gut zu fügen.
Die übrigen Eigentümlichkeiten der Färbung müssen vom
Pigmentreichtum der Haut, von der Kategorie der in Betracht
kommenden Blutgefäße oder — das gilt vor allem für die selt-
same Farbveränderlichkeit der Knoten meines Kranken — von
ihrem Füllungsgrade und dem Grade etwa vorhandener venöser
Stauung abhängen.
Ganz unerörtert habe ich bisher im allgemeinen und im
besonderen die Behandlung gelassen. Ich habe zum Schluß
meiner Arbeit diesem Gegenstande zugleich mit dem wenigen,
was über den Verlauf des Falles zu sagen ist, noch eine kurze
Erörterung zu widmen.
Von den wahllosen PaUiatiymitteln (siehe besonders Arnozan-
Yaillard, Jadassohn I, Jainin\ die nur ganz aasnahmsweise ein-
mal wirkliche Dienste geleistet haben (Hnldschinsky, Lnkasiewicz,
Marschalk 6), wurde in unserem Falle kein Gebrauch gemacht. Unter
den Maßnahmen, welche dem Übel selbst zu Leibe gehen wollen, war die
äußerliche Anwendung von Ghloräthyl, unter welcher sich in Hnld-
Bchinskys Falle Myome yerkleinerten, bei dem kälteempfindlichen
Kranken nicht durchführbar. Ähnlich stand es mit der Radikaloperation :
Zwar sind die ferneren Schicksale der von Hess, Crocker, Audry,
Herzog, White operierten nicht bekannt geworden, aber der Erfolg
Hardaways, bei dessen Krankem sich immerhin erst nach 8 — 9 Jahren ein
Reiidiy der Geschwülste und dann auch der Schmerzen einstellte, fordert
entschieden zu gründlichem chirurgischen Vorgehen auf. Nur ist ein solches
natürlich ausgeschlossen, wo das Leiden so große Flächen einnimmt wie
in meinem Falle und höchstens mit dem Thcrmokauter hätte vielleicht ein
vorsichtiger Versuch gemacht werden dürfen. Für den schlimmsten Fall
könnte bei solcher Multiplizität der Herde die Entfernung wenigstens der
Ausgangsstätten der Schmerzanfälle ins Auge gefaßt werden. Ein derartiger
346 Sobotka.
Eingriff wurde an HuldschinskyB Patienten mit Tollem (daaemdem?)
Erfolge bezüglich der Beschwerden Torgenommen und beseitigte auch bei
Jadassohns erstem Kranken die Schmerzen, die sich freilich nach
wenigen Wochen von einem neuen Ausgangspunkt her wieder einstellten ;
und noch mehr: selbst die Aushebung nur weniger Knötchen scheint,
allerdings in geradem Gegensätze zu dem Ergebnisse in allen anderen
Fällen, bei dem Kranken von Lnkasiewios die Schmerzen günstig
beeinflußt nnd bei demjenigen von Wolters sogar eine Rückbildung
der Geschwülstchen der Umgebung veranlaßt zu haben. Daß meine
eigenen kleinen diagnostischen Excisionen keine Heilerfolge brachten,
bereitete mir natürlich durchaus keine Enttäuschung. Die eigentliche
Behandln Dg eröffneten wir mit der Darreichung Yon Arsen, das in Lu-
kasiewicz' Falle an der Rückbildung der Geschwülste einen Anteil
gehabt haben könnte, in Gestalt der solutio arsenicalis Fowleri in
steigender Tropfenzahl; außerdem wurde bald nach dem Beginn dieser
Kur und während ihrer Weiterfuhrung dem Kranken durch drei Wochen
taglich eine ganze Pravazspritze einer zehnprozentigen alkoholischen
Thiosinaminlösung nnd darauf zwei Wochenlang täglich eine halbe
Spritze einer ebenso starken wässerigen Lösung von Hydrochinon sub-
kutan beigebracht — ohne daß jedoch nach im ganzen anderthalb Mo-
naten auch nur der geringste Erfolg festzustellen gewesen wäre. Behand-
lung mit Roent gen strahlen in 2 Sitzungen zu Beginn derselben Periode,
Bier sehe Stauung am Unterschenkel, 5 Tage hindurch je 20 Stunden
lang vorgenommen, erwies sich als ebenso nutzlos. So hatte sich in den
ersten Wochen an den objektiven und subjektiven Erscheinungen nichts
geändert: Die Herde bestanden in der alten Weise fort, wenn nicht viel-
leicht am rechten Unterschenkel in der Nähe des Knies ein paar neue
Stippchen aufgetreten und die Striae am Oberschenkel deutlicher geworden
waren. Immer wieder ist in der Krankengeschichte der wechselnde Farben-
ton der Geschwülstchen erwähnt. Sie sind „blaßrot*', ^lebhaft rot*, „von
ganz aufiBsllend braunem Ton^, sehr häufig am Vormittag anders als am
Nachmittag. Die Empfindlichkeit gegen Temperatureinflüsse dauerte fort;
spontane Schmerzanfälle vom alten Typus stellten sich auch weiterhin
ein, die Druckschmerzhaftigkeit der Knoten war unverändert.
Da schaffte endlich ein neues Verfahren Wandel: die
Elektrolyse. Sie war bisher erst einmal angewendet worden,
Ton Roberts, der in der Narkose mit starkem Strome eine
Gruppe von Myomen, die vor der Ohrmuschel saß, wohl dauernd
beseitigte, freilich das Auftreten neuer nicht verhindern konnte.
Der mir zur Verfügung stehende Strom war kein sehr kräftiger,
immerhin aber für den Kranken so schmerzhaft, daß er, ohne
übrigens etwa einen seiner typischen Anfälle zu bekommen, im
Verlaufe des ersten Versuches nahezu ohnmächtig wurde. In
der Folge wurde so vorgegangen, daß Cocainum muriaticum
Zur Kenntnis der Gatismyome. 347
pro die 0*02 in 1*5 bis 2*0 Wasser intrakutan in die unmittel-
bare Umgebung des Herdes und auch in ihn selbst eingespritzt,
dann die elektrolytische Nadel durch die Basis des zu behan-
delnden Knotens gewöhnlich in drei Bichtangen durchgestoßen
und bei geschlossenem Strome meist je 5 Minuten in jeder
dieser Lagen belassen wurde. Dieses Verfahren, das fast täglich
angewendet wurde, bereitete keine Schmerzen und führte auch
zu keinen Nebenerscheinungen. Die Eokainmenge reichte anfangs,
als die größten und empfindlichsten Myome in Angriff genom-
men wurden, jedesmal nur für wenige Knoten aus, später, als
die kleineren an die Beihe kamen und der Zustand sich schon
gebessert hatte, für 20 und mehr. Am Tage nach dem Eingriff
und meistens auch am zweiten Tage war der behandelte Knoten
dunkler und diffuser rot, etwas geschwollen, sehr druckschmerz-
haft; schon am dritten Tage war der Schmerz gewöhnlich ge-
ringer als vor der Behandlung und nach einer Woche, manch-
mal auch längerer Zeit war schon ein kräftiger Druck zwar
noch recht unangenehm, aber nicht entfernt mehr unerträglich.
Dabei yerschwand aber ein stumpfes Rot von nicht scharfer
Begrenzung während der gesamten Zeit der Beobachtung des
Kranken Yon den behandelten Stellen überhaupt nicht und
wurden die Knoten zwar merklich flacher, yerloren sich aber
doch nicht ganz. Auch die Eiosticbstellen der Nadel waren noch
wochenlang zu sehen. Bei den größten Knoten war zweimalige
Behandlung erforderlich. Wurde die indifferente Elektrode, die
für gewöhnlich an der Brust angesetzt war, während der
Elektrolyse auf eine schon einmal behandelte Stelle gebracht,
so traten sofort unvergleichlich stürmischere ErscheinuDgeu auf:
mächtige Schaum- und Blasenbildung an der Haut und trotz
Anwendung von Kokain unerträgliche Schmerzen (infolge Herab-
setzung des LeituDgswiderstandes?). Immer mehr und mehr
wurde die Druckempfindlichkeit des Unterschenkels allmählich
herabgesetzt; aber auch auf die Schmerzen, die aus anderen
Anlässen zu entstehen pflegten, war die Behandlung von Ein-
fluß. Zwar verlängerten sich die Pausen zwischen den spontanen
Anfällen nicht sonderlich, sie währten nach wie vor eine bis
zwei Wochen oder wenig darüber; aber die Anfälle selbst
wurden immer weniger heftig und der letzte von ihnen hörte.
348 Sobotka.
was noch nie dagewesen war, sofort auf, als der Patient aus
seinem charakteristischen Traume erwachte. Die Eälteschmerzen
aber verschwanden, trotzdem die Witterung kühl war, vom 16.
Tage nach Beginn der elektroljtischen Behandlung angefangen,
überhaupt Tollkommen und kehrten dann nur noch einmal, am
38. Tage dieser Behandlung, und zwar am Morgen eines sehr
kühlen Maitages wieder, jedoch in außerordentlich gemäßigter
Heftigkeit. Der Kranke wurde nach 278 Monaten ungemein
gebessert aus der Behandlung entlassen.
Die Ergebnisse meiner Arbeit sind, zum Schlüsse kurz
zusammengefaßt, etwa folgende: Nach einer, wie ich hoffe,
ziemlich Tollständigen Heerschau über die Literatur zum Zwecke
der Trennung der verschiedenen Mjomklassen und der Heraus-
hebung des Begriffes der reinen Coriummyome konnte ich einen
eben dieser Gruppe zugehörigen Fall und, spezieller gesprochen,
einen solchen von multiplen Arrektorenmyomen beschreiben.
Die letztere Diagnose wurde schon klinisch mit Wahrscheinlich-
keit gemacht, wie bisher nur in einem Falle, in dem aber die
histologische Bestätigung sich nicht erbringen ließ. Klinisch
zeichnete sich mein im ganzen sehr typischer Fall namentlich
durch eine sebr auffallende Besonderheit aus: Durch die über
große Flächen bin durchgeführte Anordnung der Effforeszenzen
nach den Spaltrichtungen der Haut, eine Erscheinung, die in
dieser Ausbildung einzig dasteht, aber sich anderseits, wie sich
erweisen ließ, in geringen Graden bei Coriummyomen so häufig
vorfindet, daß eine Verwertung des Symptoms für die so schwierige
Diagnose dieser Geschwülste nicht ausgeschlossen scheint. Auch
die Beschränkung der Anfälle auf die Nachtzeit, femer die
Schmerzhaftigkeit bei Bewegungen nach längerer Buhe, der
häufige Farbenwechsel der Myome sind bemerkenswerte und
sonst nicht erwähnte Züge. Die mikroskopische Untersuchung
lieferte, abgesehen von dem mit aller Zurückhaltung vorgenom-
menen Versuch, an die Frage des Angeborenseins der Myoman-
lage von der histologischen Seite heranzutreten, Gelegenheit,
die sebr kurze Beibe der ausschließlich von Arrektoren stam-
menden Myome um ein sicheres Beispiel zu bereichem und vor
Zur Kenntnis der Gutismyome. 349
allem der Entwicklung der Neubildung aus dem hypertrophischen
Arrektor durch alle Phasen nachzugehen. Von besonderen Zügen
wäre dabei Yornehmlich die Bevorzugung einer bestimmten
Ebene der Faserrichtung, besonders an den jüngeren Geschwülsten,
und die im ganzen und großen zu beobachtende Mengenzunahme
der elastischen Fasern mit der Entfernung der Wucherung vom
Arrektortjpus namhaft zu machen. Auch das Hineinreichen der
Neubildung ins Fettgewebe ist ein sehr selten beobachtetes
Verhalten. Besondere Beachtung wurde, was bisher nicht ge-
schehen ist, auch den Mnskelkemen geschenkt, wobei sich ganz
interessante Beziehungen zu den Verhältnissen ergaben, wie sie
an Tieren oder bei Regenerationsvorgängen in der menschlichen
Haut beobachtet sind. Bezüglich gewisser Lückenbildungen in
den Muskelfasern ist es, wiewohl sie bisher bei Myomen nur
einmal beschrieben worden sind, sehr fraglich, ob sie eine
pathologische Bedeutung haben. Eine ganz seltene, aber sichere
Krankheitserscheinung ist dagegen die an einigen geschwulst-
bildenden Arrektoren vorgefundene Degeneration. Die rote Farbe
der Myome wurde nicht in ihrem Gefaßreichtum, sondern im
wesentlichen in der durchscheinenden Beschafifenheit der glatten
Muskulatur begründet gefunden. Die mit der Elektrolyse er-
zielten Behandlungserfolge, über deren Nachhaltigkeit allerdings
noch nichts auszusagen ist, fordern zu weiterer Verwendung
dieser Methode im gegebenen Falle auf.
Nachtrag.
Ganz kürzlich (1907) hat Pasini seinen Fall, der oben nach einem
Sitzungsberichte zitiert ist, auch aasfuhrlich beschrieben. Die fesselnde
Arbeit fordert zn mehrfachen Bemerkungen auf. Die oben erwähnten
seltsamen OefaßerweiteruDgen hält der Verfasser für sekundär zur Tnmor-
bildang, die nicht von den Gefäßen ausgehe; die Anomalie selbst sieht
er nicht nur als angeboren an, worauf das frühzeitige Auftreten, das
(dauernd? d. Ref.) beschränkte Wachstum an beschränkter Eörperstelle
und anderes hinweise, sondern auch als Erzeugnis einer „Isolierung von
Zellgruppen" während der embryonalen Bildung (p. 622) im Sinne der
Dari ersehen Ansohanungsweise. Der Annahme einer angeborenen Anlage
beabsichtige ich natürlich durchaus nicht entgegenzutreten; die Ent-
350 Sobotka.
stehnng aas heterotopischen Keimen, deren Möglichkeit im allgemeinen
cnangeben ist, scheint mir aber auch hier nicht erwiesen, einmal weil
der Verfasser selbst in seiner Darlegung des histologischen Befandes
eigentlich nor eine i^sichere^ Kontinuitätsbeziehang zwischen Oeschwulst-
fasern und atypischen Oefaßen in Abrede stellt (p. 619, ö20), dann weil
der untersuchte Knoten bereits erbsengrofi (p. 618), weit über sein
Anfangsstadium hinaus, entwickelt war, endlich weil der Umstand, daß
weder Myome noch andere Geschwülste derselben Gegend sonst die Gefäße
in so eigenartiger Weise zu verändern pflegen, doch für eine ganz anßer-
ordentlich innige Beziehung der Muskelwucherung zu den Gefäßen spricht.
Pasini nimmt nun aber eine noch etwas allgemeinere Geltung für seine
Auffassung in Anspruch. Wenn nämlich bei Myomen, gleichgültig ob sie
frühzeitig oder spät aufgetreten sind, die Abstammung von dem nor-
malen Muskelgewebe klarliegt, so könnte ja dieses Zellgruppen
enthalten haben, „welche eine unbestimmte Zeit lang im embryonalen
Zustande verweilen und dann unversehens und aus unerklärlichen Gründen
in eine Periode des Wachstums und der definitiven Entwicklung ein-
treten**. Eine eingehende Erörterung dieses Gedankens würde hier leider
zu weit fikhren.
Pasini schlägt auch die folgende (an die Nenmannsche an-
klingende) neue Einteilung der Myome vor (p. 623): „I. Reines musku-
läres Myom: a) infolge von Hyperplasie der glatten Muskelfasern der
Cutis, b) aus aberrierenden embryonalen Keimen entstanden. II. Vasku-
läres Myom: a) Angiomyom, durch Proliferation der Muskularis der
Gefäße, b) Myoma angiocavemosum, durch Verschmelzung einer Varietät
des reinen muskulären^) Myoms mit Gefäßdilatationen und Bildung von
Blutspalten.** Ich kann dieser Einteilung, so außerordentlich sie sich durch
ihre Einfachheit empfiehlt, nicht gsnz beistimmen. Denn II a) müßte hier
doch logischerweise eine Unterabteilung von I a) sein; der denn doch
auffallende klinische und auch histologische Unterschied zwischen tiefen
und oberflächlichen Myomen (zu den letzteren gehören diejenigen Pasinis,
die in rascher Wucherung auf das alleroberflächlichste Hypoderma über-
gegriffen zu haben scheinen) ist nicht gewahrt; von den Mischgeschwülsten,
die sich iu ihren muskelärmeren Formen mit den reineu Myomen nicht
zusammeuwerfen lassen und die doch iu ihren muskelreicheren Formen
aus der Gemeinschaft der Myome nicht ausgeschlossen werden können,
sind gerade nur die angiomatösen berücksichtigt.
^) Im Originale, offenbar versehentlich: „kavernösen'
Zar Kenntnis der Cntismyome. 351
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Eine weitere einschlägige Arbeit: Jesionek und A« Werner,
Naems myomaiosus (dieses Arcbiv, Band LXXXVIII, pag. 228), erschien
erst während des Druckes der vorliegenden Abhandlung und konnte daher
f%r sie nicht mehr verwertet werden.
Areh. f. Dennat. u. Sjph. Bd. LXXXIX. 28
354 Sobotka.
Erklärong der Abbildungen auf Taf. IZ n. Z.
Fig. 1. Die yon der Erkrankung fast aasschließlich ergriffene
rechte untere Extremit&t. Besonders an der Innenseite des Oberschenkels
ist die Anordnong der Neabildangen nach bestimmten Richtlinien, ihr
Zusammenströmen gegen die Innenseite der Eniegegend hin ganz deutlich
erkennbar.
Fig. 2. Innenseite des r. Enies. Dieselben Verhältnisse noch deut-
licher.
Fig. 3. Übersichtsbild von einer Stelle mit mäßig stark entwickelter
Muskelwucherung. Schwache Vergr. Hämatoxylin — van Gieson. An der
rechten Seite des Haarbalges ein dem Arrektor noch sehr nahe stehendes
Muskelgebüde. Die oberflächlichen Ansätze des Arrektors in dem Schnitte
nicht sichtbar; sehr deutlich dagegen das Entlangstreiohen des hyper-
trophischen Arrektors am Haarbalge hin in die Tiefe, das Vorwalten der
Arrektor- Faserrichtung in allen Bündeln, die Ausbildung oberflächen-
paralleler plattenartiger Muskelzüge (rechts), das nur geringfügige Hinüber-
greifen Ton Muskelbündelchen über den Haarbalg auf dessen normaler-
weise muskelfreie Seite (links). Gleich unterhalb der Talgdrüse eine teil-
weise mit Zerfallsmasse ausgefällte Degenerationslücke in der Muskulatur.
In der Tiefe Muskelbündel, nachweislich von Arrektorenursprung, nach
verschiedenen Richtungen getroffen. \^Durch ein Versehen des Zeichners ist
die abgehobene und gelockerte Homschicht unabgebildet geblieben.)
Fig. 4. Übersichtsbild eines voll entwickelten Myomknotens, ün na-
Taenzers Elastinfarbung, Naohfärbung mit polychromem Methylenblau.
Schwache Vergr. Die Neubildung, auf dieser Stufe ihres Wachtums ein
Flechtwerk von Bündeln sehr verschiedenen Verlaufes, reicht hier von der
Grenze der Unterhaut bis nahe an die Epidermis; sie ist recht gut um-
schrieben. Die elastischen Fasern sind ganz spärlich in dem Kiesenarrektor,
dem das breite und hohe Muskelfeld ganz rechts im Bilde des Knotens
angehört, im allgemeinen reichlicher in deigenigen Bündeln, welche erst
in entfernterer Reihe vom Haarbalgmuskel abstammen, besonders z. B.
in dem Längsschnitt in der Mitte der Geschwulstbasis und dem darüber
liegenden Querschnitt.
Ans der Zlinik für Oesclilechts- und Hantkrankheiten in Wien.
(Vorstand: Prof. E. Finger.)
Zur Differentialdiagnose zwischen Lues
und Tuberkulose bei ulzerösen Prozessen.
Von
Dr. Tiktor Mucha,
ÄMiatenteii der Klinik.
Die Diagnose der syphilitischen und tuberkulösen Haut-
affektionen sollte heutzutage eigentlich keinerlei Schwierigkeiten
mehr bereiten, da die Erreger beider Erkrankungen bekannt
sind. Klinisch allerdings ist die Unterscheidung dieser beiden
Affektionen manchmal schwierig, ja öfters unmöglich. Auch
die rein histologische Untersuchung läßt nicht in jedem Falle
eine strikte Diagnose zu. Solche Grenzfälle bieten um so
größere Schwierigkeiten in der Diagnose, als es nicht immer
gelingt, den spezifischen Erreger — Tuberkelbazillus oder
Spirochaete pallida — in den Ausstrich- oder Schnittpräparaten
nachzuweisen, da es sich in diesen Fällen wohl immer um
ulzeröse Prozesse handelt und wir wissen, daß der Nachweis
der spezifischen Erreger gerade in solchen Affektionen häufig
mißlingt. Das Tierexperiment hatte in solchen strittigen Fällen
allerdings fast immer eine sichere Entscheidung gebracht oder
doch die Berechtigung gegeben, sich für die eine oder andere
Diagnose zu entscheiden. Wurde dieses unterlassen, so hatte
man in solchen zweifelhaften Fällen vielfach aus dem Erfolge
der spezifischen Therapie, also ex iuvantibus die Diagnose Lues
oder Tubeikulose gestellt.
Eine Reihe von Beobachtungen auf der Klinik im
Laufe der letzten Jahre bieten in dieser Hinsicht viel des
Interessanten und scheinen geeignet, unsere bisherige Ansicht
23*
356 Muchft.
in manchen der erwähnten Punkte nmzustoßen. Sie scheinen
mir daher der Mitteilung wert zu sein.
Fall I. Pat. Aloisia W., 25 Jahre alt, aufgenommen am 18./ VIII.
1905. Jonrn. Nr. 20.379.
Anamnese: Hereditäre Belastnng nicht nachweisbar. Eioe
Schwester der Pat. starb an Tnberknlose. Mit 8 Jahren Masern. Mit
17 Jahren längere Zeit Hasten ohne Blotanswnrf. Kein Partos, kein
Abortus. Yenerische Affektionen entschieden geleugnet.
Vom 8./XI. 1904 bis L/IY. 1905 Behandlong im Brünner Kranken-
hanse, Abteilung des Herrn Primarius Dr. Mager. Die uns gütigst aber-
lassene Krankengeschichte der Abteilung erwähnt:
Halsschmerzen seit etwa 8 Wochen, die Tonsillen sind vergrößert
und gerötet, an der medialen Seite der rechten ein bohnengroßer, scharf
begrenzter Belag, an der linken, nahe dem weichen Gaumen, ein linsen-
großer, scharfumschriebener, speckig belegter Substansverlust. Fieber.
Wegen Angina specifica am 11./I7. 1904 auf die Hautabteiiung
transferiert, jedoch mit dem Bemerken zurfickgeschickt, daß die Diagnose
Lues aus der vorhandenen Angina nicht gestellt werden könne. Jod
intern, ohne Erfolg. Anfangs Dezember Auftreten von Infiltraten am
Rücken, die als Hautgummen angesprochen werden.
Nach Schmierkur und Jodkali vollständige Heilung mit strahliger
Narbenbildang am Gaumen.
August 1905 Aufnahme auf die IV. medizinische Abteilung (Prim.
Dr. Eovacs), von dort am 18./yin. auf die Klinik transferiert.
Status praesens (vom 24./VIir. 1905): Mittelgroße, ziemlich
kräftig gebaute, gut genährte Frau.
Pupillen prompt reagierend.
Bulbi frei beweglich.
Facialis links etwas schwächer als rechts.
Hals ohne Drüsensohwellnng, ohne Narben.
Brust gut gewölbt.
Lungenbefund normal.
Herzbefund normal.
Radialarterien gerade, weich, ihr Puls rhythmisch, äqual, ihre
Spannung niedrig.
Abdomen weich, nicht druckempfindlich.
Leber und Milz nicht vergrößert.
Inguinale Lymphdrusen auf beiden Seiten tastbar, besonders
auf der rechten.
Sehnenreflexe normal.
Die Mund- und Rachenhöhle zeigt im Bereiche des weichen
Gaumens, beider Gaumenbögen, sowie an der Uvula, übergreifend auf die
hintere Pharynx wand und den harten Gkiumen, eine exulzerierte Fläche,
die fein granuliert erscheint, unregelmäßig und unscharf begrenzt ist
Zur DifferentialdiagnoBe zwischen Lues und Taberkalose. 357
und in deren Umgebung sich kleinste, miliare Knötchen erkennen lassen,
die an Taberkelknötchen erinnern.
Die Epiglottis, sowie beide Taschen- und Stimmbänder
erscheinen infiltriert; einselne Infiltrate am Bande der Epiglottis sind
zerfallen und bilden anscharf begrenzte, ziemlich tief greifende Ulzera.
Haut: An der Radialseite des rechten Vorderarmes, in der Kreuz-
beingegend etwa zwei Querfinger Ton der Medianlinie rechts und unter-
halb der linken Glutealfalte, sowie an der vorderen Flftche des linken
Obersehenkels finden sich Geschwüre von 2 Kronenstüok- bis Handteller-
größe, rundlich oder unregelmäßig begrenzt. Der Rand einzelner Geschwüre
ist scharf, steil abfallend und ziemlich stark infiltriert, der anderer,
besonders der größeren, dagegen gezackt, wie angenagt, stellenweise
leicht unterminiert und wenig infiltriert. Alle Geschwüre sind von braun-
roten Höfen umgeben und mit mächtigen Rorken bedeckt, nach deren
Ablösen ein schmutziggelber Geschwürsgrund zu Tage tritt; dieser ist
höckerig und blutet leicht, wenn man das Sekret abzuwischen versucht.
Ähnliche aber kleinere Veränderungen sieht man in beiden Nasolabial-
falten, besonders an der linken, sowie an der Ansatzstelle des linken
Ohrläppchens. Außerdem finden sich am Rücken und am rechten Vorder-
arme mehrere bis etwa kronenstückgroße, runde, scharfbegrenzte, depig-
mentierte Narben mit leicht eingesunkener Mitte.
Klinische Diagnose: Gummata cutanea. Tuberculosis
mucosae oris et uvulae.
Decursus:
19yVin. Einreibungen, lokal Borvaselin. Hals: Lapis und Milch-
säure Touchirung.
8./IX. Nach 20 £ (Einreibungen ä 8 ^) die Ulzera an der Haut
unverändert; graue Salbe lokal reizt, wird nicht vertragen.
18./IX. Nach 80 E: In den größeren Geschwüren haben sich
einzelne Epithelinseln gebildet.
28 /IX. Nach 40 £; keine weitere Besserung. Decoctum Zittmanni
mit 1 g Jod Nratrium pro die.
26./X, Ezcision eines Infiltrates vom Rücken. 25 Portionen Zitt-
mann, bisher ohne Erfolg.
8./XI. Subkutane Injektion von 1 mg Kochschem Alt-Tuberkulin.
6./XI. Keine lokale, keine allgemeine Reaktion. (Höchste Tem-
peratur 87-1®.)
6./XI. — 27./XII. 1905, 10 Injektionen von Hydrargumm salycylicum
intramuskulär (1 :10 Parafiünum liquid, ä 1 cm*). Darauf vollständige
Abheilung sämtlicher Krankheitsherde der Haut, sowie
des Rachens und Kehlkopfes.
Geheilt entlassen.
Die Untersuchung des Sekretes des Geschwüres am
Gaumen auf Tuberkelbazillen und Spirochaete pallida
war negativ.
358 Macha.
Im Mars 1906 neuerliche Aafiiahme aaf die Klinik wegen eines
gammösen Infiltrates am Nasenseptum, das bereits zam vollständigeD
Verl aste des knorpeligen und teilweise des knöchernen Anteiles gefuhrt
hatte; außerdem ein Infiltrat am rechten Stimmhande.
30./Y. Subkutane Injektion Ton 1 mg Kochsohem Alt-Tuberkulin.
l./VI. Weder lokale noch allgemeine Reaktion.
S./YI. 3*5 mg Tuberkulin. Keine lokale, keine allgemeine Reaktion
(Höchste Temperatur 37-6*^).
18./VI. Auf 10 iDJektionen von Hydrargyrum Salicylicum voll-
ständige Heilung.
Geheilt entlassen.
Histologischer Befund: An den Randpartien des Infiltrates
gehen die normalen Zapfen der Epidermis allmählich in solche über, die
länger und dicker werden und sich verschieden tief in das darunter-
liegende Gewebe einsenken. Am größten sind die Zapfen in der Mitte
des Infiltrates ; sie erscheinen dort vielfach nicht mehr so scharf begrenzt,
da die sie umgebenden entzündlichen Veränderungen ihre Grenzen etwas
verwischen und auch innerhalb der Zapfen, vorwiegend in den Rand-
partien, mehrkernige, häufig langgestreckte Lenkocyten zwischen den
Zellen sichtbar sind. Die Zellkerne der innerhalb des Infiltrates liegen-
den Zapfen sind vielfach schwach tingiert. Nur in den zentralen Partien
des Geschwüres fehlen über kürzere Strecken die Retezapfen ganz oder
sind nur mehr in Resten vorhanden. Man sieht an dieser Stelle eine
dellenförmige Einsenkung, deren Grund durch entzündlich verändertes
Gewebe gebildet wird, das sich hier bis gegen das Fettgewebe hin erstreckt,
um sich dann, an Mächtigkeit abnehmend und halbmondförmig die
gewucherten Retezapfen einschließend, allmählich gegen die normalen
Partien hin zu verlieren. Die entzündlichen Veränderungen bestehen in
den zentralen Partien aus einem dichten Infiltrate ein- und mehrkerniger
Rundzellen, zwischen denen in verschiedener Reichlichkeit, manchmal
auch in Form größerer Herde rote Blutkörperchen eingestreut sind. Die
ziemlich reichlichen Gefäße dieser Partien sind durchwegs stark mit
roten Blutkörperchen sowie ein* und mehrkernigen Leukocyten gefüllt.
Gegen die unteren Randpartien des Infiltrates zu treten zwischen den
Rundzellen, anfangs spärlicher, dann reichlicher, Zellen von epitheloidem
Charakter auf mit länglichem, blaß gefärbtem Kerne. Etwa in der Höhe
der Spitzen der gewucherten Retezapfen vereinigen sich diese Zellen oft
zu verschieden großen, knötchenartigen Gebilden, in denen man zahl-
reiche, ungleich große Riesenzellen findet, mit vorwiegend randständigen
Kernen und manchmal mit Vakuolen. Nach unten nimmt das Infiltrat
an Dichtigkeit ab, begleitet die Schweißdrüsenausführungsgänge und
umlagert die Schweißdrü*en, zum Teile auch die Gefäße und ist um
diese herum noch an der Grenze zwischen Fett- und Bindegewebe sicht-
bar. Das zwischen den Schweißdrüsen erhaltene Bindegewebe ist vielfach
ödematös gequollen« Gegen die seitlichen Randpartien wird das Infiltrat
gleichfalls weniger dicht und erscheint mehr herdförmig angeordnet,
Zur Differentialdiagnose zwischen Laes und Tuberkulose. 359
Torwiegend entlang den Grefaßen, um sich allmählich vollständig zu ver-
lieren. Der Charakter eines Granulationsgewebes, mit neugebildeten
Gefäßen und Fibroblasten, tritt in diesen seitlichen Ausläufern des
Infiltrates oft besonders schön zu Tage. Auch sieht man hier ab und zu
noch undeutlich begrenzte Epitheloidhaufen mit Riesenzellen.
Das elastische Gewebe fehlt in den zentralen Partien des Infiltrates,
dort wo Exulzeration vorhanden ist, vollständig und erscheint auch in
den Randpartien desselben vielfach in Form unregelmäßiger, abge-
brochener Züge.
An den Gefößen selbst lassen sich grobe Veränderungen nicht
nachweisen.
Eine große Zahl von Schnitten aus den verschiedensten Partien
des excidierten Infiltrates wurde sowohl nach der Methode für den Nach-
wuchs des Tuberkelbazillns als auch nach der Methode von Levaditi
für den Nachweis der Spirochaete pallida gefärbt
Oie Untersuchung auf Tuberkelbazillen hatte in allen
Schnitten einen negativen Erfolg, ebenso aber auch die
Untersuchung auf Spirochaete palli da.
Epikrise: Es handelte sich demnach in dem vor-
liegenden Falle um eine junge kräftige Frau mit Krankheits-
erscheinungen im Rachen und an der Haut, deren klinische
Diagnose Schwierigkeiten bereitete. Die Rachenaffektion sprach
klinisch für eine tuberkulöse Veränderung, was auch von den
zu Rate gezogenen Internisten und Larjngologen bestätigt
wurde; die Hautaffektion dagegen sprach vielfach für Lues,
wenngleich einige der größeren Substanzverluste mit ihren
wenig scharfen^ vielfach ausgenagten, unterminierten und wenig
infiltrierten Rändern wieder an tuberkulöse Geschwüre er-
innerten. Unsere erste Annahme ging also dahin, die Rachen-
affektion als tuberkulös, die Hautaffektion als luetisch anzu-
sprechen. Der negative Erfolg der Behandlung während der
ersten Zeit des Aufenthaltes der Pat. auf der Klinik ließ immer
wieder Zweifel an unserer Hautdiagnose aufkommen. Die
Krankengeschichte des Brünner Ejrankenhauses war zu dieser
Zeit noch nicht in unserem Besitze, die Pat. selbst hatte bei
ihrer Au&ahme eine luetische Affektion und antiluetische
Therapie entschieden geleugnet.
Unsere Untersuchungen des Sekretes der Gaumenaffektion
auf Tuberkelbazillen und Spirochaete pallida blieben negativ,
desgleichen die der Schnittpräparate des excidierten Knotens
vom Rücken.
360 Mucha.
Die drei Tuberknliniigektionen hatten weder allgemeine
noch lokale Reaktion zur Folge.
Die Untersuchong des Bückenknotens ergab ein spezifisches
Granulationsgewebe mit zahlreichen Riesenzellen, dessen Ätio-
logie weder histologisch, noch auch durch die spezifischen
Färbungsmethoden auf Tuberkelbazillen und Spirochaeten fest-
zustellen war, wenngleich die stellenweise deutliche perivas-
kuläre Lagerung des Infiltrates und der Mangel typischer
Knötchen vom Baue der Tuberkel mehr für die Diagnose Lues
sprachen.
Erst die energisch durchgeführte Therapie mit intra-
muskulären Quecksilberinjektionen brachte sicheren Entscheid
in die Diagnose und zwar dahin, daß nicht blofi die Haut-
affektion, sondern auch die Gaumenaffektion für luetisch an-
gesehen werden mußte, da beide gleichmäßig rasch unter
dieser Therapie zur Heilung gelangten.
Ein viertel Jahr später sahen wir die Fat. mit einer
klinisch einwandfrei luetischen und zwar gummösen Affektion
am Nasenseptum wieder, die durch Quecksilber-Jod-Therapie
rasch zum Rückgange gebracht wurde.
Fall IL Marie F., 48 Jahre alt, aufgenommen am 16./X. 1906.
Joam.-Nr. 26.403.
Anamnese: Keine hereditäre Belastung. Fat. war als Kind
schwächlich und kränklich, hat keine Kinderkrankheiten überstanden.
Mit 18 Jahren Lnngenentsündung. Seit dem 18. Lebensjahre regelmäßig
menstruiert. Mit 21 Jahren geheiratet. Sieben Geburten am normalen
Schwangerschaftsende; alle Kinder leben und sind gesund. Beginn der
gegenwärtigen Erkrankung angeblich vor 3 Jahren an den Armen, spater
erkrankte Brust und Rücken, und erst einige Monate vor der Aufnahme
Gesicht und Kopf.
Status praesens: Fat. ist mittelgroß, grazil gebaut, die Mosku-
latur schlaff, wenig entwickelt, der Faniculus adiposus sehr gering. Im
Bereiche der Himnerven keine Veränderungen. Die Stimmbänder leicht
katarrhalisch verdickt, keine spezifische Affektion nachweisbar (Klinik
Ghiari). Die inneren Organe ohne nachweisbare Veränderungen. Die
Radial arterien leicht geschlängelt, die Wand weich, nicht verdickt.
Haut: An der Haut des Stammes und der Extremitäten, sowie
der des Kopfes und Gesichtes, finden sich sehr sahireiche, teils einzeln-
stehende, häufiger aber in Gruppen und Haufen angeordnete, knötohen-
fSrmige, etwa klein linsengroße Effloreszenzen, die sich mäßig derb
anfahlen, bläulich-braun-rot gefärbt sind, über das Niveau der Haut
mäßig vorragen, oder aber im Niveau derselben gelegen sind. An der
Zar Differentialdiagnose zwischen Lues nnd Taberknlose. 361
Kuppe tragen diese Knötchen weißliche Schnppen oder braun*gelbe
Börkchen. Die Mehrzahl der Krankheitsherde besteht jedoch aus ober-
flächlichen Snbstanzverlasien, bis zu Galden- nnd Handtellergröße,
die durch die Konfluenz and den nachträglichen Zerfall der früher
beschriebenen Knötchen entstanden sind. Die Bänder dieser Geschwüre
lassen ein mehr schwammiges, bläulichrotes Infiltrat erkennen, sind meist
polyzyklisoh, mäßig scharf, vielfach wie angenagt und stellenweise leicht
unterminiert. Bedeckt erscheinen sie von schmutzig braun-roten Borken
eingetrockneten Sekretes. Der Geschwürsgrund ist bald feiner, bald gröber
granuliert mit eitrigem Sekrete bedeckt, um die Geschwüre ist ein
deutlicher bräunlich- blauer Hof erkennbar. In ihm und über diesen
hinaus finden sich reichlich meist isoliert stehende Knötchen, wie sie
früher beschrieben wurden.
Außer diesen frischen Geschwüren finden sich vielfach auch solche,
die teilweise oder auch schon zum großen Teile überhäutet sind. An
diesen sehen wir meist eine in der Mitte leicht eingesunkene zarte
Narbe, in der reichlich neue Knötchen eingesprengt sind.
Ein Übergreifen auf die Schleimhaut oder eine Afiektion dieser selbst
ist nicht nachweisbar.
Klinische Diagnose: Lupus vulgaris universülis.
Dekursus:
8./XI. 1906. Excision eines Infiltrates vom Bücken.
lO./XI. Perlsuohttuberkulin-Behandlung nach G. Spengler. OOl mg
subkutan; intern zwei Tabletten Jokasin.
11. /XL Keine allgemeine Beaktion, geringe aber deutliche Beaktion
in den Krankheitsherden des Gesichtes.
12./XL 0*1 mg Perlsuchttaberkulin.
14./XI. 1 mg Perlsuchttuberkulin.
15 /XL Leichte, allgemeine Beaktion, deutliche Zunahme der
Lokal-Beaktion, auch am Stamme erkennbar. Bis zum 8./iy. 1907, also
durch 5 Monate, allmähliche Steigerung der Dosis bis auf 8*5 mg Perl-
suchttuberkulin.
13./III. 1907. Die Herde des Gesichtes, die während der Beaktion
gerötet und stark succolent waren, sind teils stark abgeflacht, teils bis
auf braun-rote Pigmentationen zurückgegangen. Neue Nachschübe von
Knötchen konnten in der Zwischenzeit wiederholt, besonders im Gesichte
beobachtet werden. Die größeren Infiltrate an den Oberarmen und am
Stamme zeigen deutliche Tendenz zum Zerfalle.
21. /HL 1907. Umschläge mit Besorcin-Gljzerin (25 Vo) an den
Armen.
lO./IV. 1907. In der Umgebung einer großen exnlcerierten Plaque
am Bücken Nachschub neuer Knötchen, die derb waren und deutlich
gelblich-braun- rote Farbe zeigten ohne blauroten Stich in der Umgebung.
An der Oberfläche trugen diese linsengroßen Effloressenzen ein gelblich-
362 Macha.
weißes, yielfach mit feinen Schuppen bedecktes, leicht abkratzbares
Hftotchen, so dafi ne oft wie pnstulös anssahen.
19./IY. 1907. Excision eines Herdes vom Unterschenkel nnd Yer-
impfung eines Teiles desselben an ein Meerschweinchen.
20./iy. Jodnatrium (2 g pro die).
22./iy. Dentlicher Bäckgang der Infiltrate am Stamme.
27./iy. Unter fortgesetztem Jodgebranche weiterer Rückgang der
Infiltrate am Stamme; beginnende Rückbildunfr derer des Gesichtes.
l./V. 1907. Erste intramuskuläre Hydrargyrum saUcylicum-I^jektion.
ll.|Y. 1907. Unter Fortsetzung der Jod-Quecksilberbehandlung
▼ollständige Rückbildung sämtlicher Infiltrate. An Stelle derselben finden
sich Narben, die teils gelblichbraune Pigmentierung zeigen, teils noch
braunrot gefärbt sind und in der Umgebung einen blauroten Saum
erkennen lassen. Geheilt entlassen.
Resultat des Tierversuches: Das intra peritoneal und sub-
kutan geimpfte Meerschweinchen (siehe Dekursus vom I9./IV. 1907]
wurde durch 3 Monate beobachtet. Während dieser Zeit waren niemals
Krankheitssymptome wahrnehmbar, wohl aber stetige Gewichtszunahme.
Die Sektion des am 25.7711. 1907 getöteten Tieres ergab ▼ oll-
ständig normale Organe, makroskopisch und mikro-
skopisch.
Histologischer Befund (Infiltrat vom Rücken): Die Hom-
schichte über dem Infiltrate erscheint verdickt, die Retezapfen ver-
breitert und verlängert, in ihrem basalen Anteile vielfach von ein- und
mehrkemigen Leukocyten durchsetzt, die sich auch in den oberen
Schichten der Epidermis zwischen den Epithelzellen nachweisen lassen.
Die subpapilläre Schicht der Cutis ist zellig infiltriert. Die Zellen
bestehen vorherrschend aus einkernigen Rundzellen mit stark gefärbten
Kernen und schmalem Protoplasma; dazwischen sieht man in spärlicher
Menge polymorph kernige Leukocyten und in verschiedener Reichlichkeit
größere Zellen mit blaBgefärbtem, meist länglichovalem Kerne. Diese
beiden Zellarten zeigen kein bestimmtes Verhältnis der Lagemng zu
einander, lassen aber stellenweise eine ungleichmäßige Dichte ihrer
Anhäufung erkennen, namentlich gegen die Randpartien des Infiltrates
hin, so daß dadurch oft knötchenartige Gebilde entstehen. Überall aber
ist dieses Zellen- Infiltrat von Gefäßen durchsetzt, die vielfach neugebildet
und mehr oder weniger von Blutkörperchen erfüllt sind. Ab nnd zu
findet man innerhalb des Infiltrates verschieden geformte große Zellen
vom Typus der Langhansschen Riesenzellen. Das beschriebene Infiltrat
grenzt sich gegen die Umgebung nicht sehr scharf ab und verliert sich
nach unten zu etwa in der Höhe der Schweißdrüsen, wo es in Form
mehr oder weniger gut begrenzter Herde, diese oder die Gefäße umlagert.
Nach den Seiten hin nimmt das Infiltrat rasch an Dichte ab und ver-
liert sich bald. In mehr oder minder weiter Umgebung desselben zeigt
die Subcutis Anhäufungen einkerniger Rundzellen um die Gefäße.
Zur Differentiftldiagnose zwischen Lues nnd Tuberkulose. 363
Ein sweites Infiltrat vom Unterschenkel zeigt ähnliche Ver-
änderungen, nur erscheint hier die perivaskuläre Lagerung des Infiltrates
allenthalben deutlicher markiert und das Infiltrat dringt tiefer nach
unten, so daß man auch noch an der Grenze gegen das Fettgewebe und
in diesem selbst Rundzellenanhäufungen vermengt mit Epitheloidenzellen,
ab und zu auch mit Biesenzellen nachweisen kann. Auch sieht man in
diesem Stucke in der Cutis häufig stark erweiterte Lymphräume, meist
leer oder nur mit spärlichen ein- und mehrkemigen Leukocyten erf&llt.
Besondere Veränderungen an den Gefößen selbst sind in den untersuchten
zwei Infiltraten nicht nachweisbar.
Die Untersuchung zahlreicher Schnittpräparate auf Tuberkelbazillen
und Spirochaete pallida hatte negativen Erfolg.
Epikrise: Der Fall betraf eine ältere Frau, bei der
Anhaltspankte für hereditäre Belastung mit Tuberkulose oder
Lues nicht vorhanden waren und auch keine Zeichen einer
früher aquirierten luetischen Infektion bestanden. Die seit
drei Jahren bestehende Hautaffektion wurde von uns als Lupus
Tulgaris universalis aufgefaßt und diese unsere Diagnose
fand auch in der Wr. dermatologischen Gesellschaft^ in der
die Fat. zweimal, am 24./X. 1906 und 9./L 1907, vorgestellt
wurde, keinerlei Widerspruch.
Die bei der Fat. eingeleitete Behandlung mit Ferl sucht-
tuberkulin nach G. Spengler hatte schon nach der ersten
Injektion von 0*01 mg deutliche Lokalreaktion zur Folge, zu
der sich nach Steigerung der Dosis auch AUgemein-Beaktion
gesellte, und zeigte gleich anfangs eine entschieden günstige
Beeinflussung der Krankheitsherde des Gesichtes. Die Infiltrate
an den Elxtremitäten und am Stamme zeigten allerdings außer
der Beaktion keinerlei Beeinflussung.
Ein nach sechs Monaten während der Tuberkulinhehand-
lung aufgetretener Nachschub machte uns jedoch in unserer
Diagnose schwankend, um so mehr, als die neuen Knötchen voll-
ständig das Aussehen luetischer hatten. Die daraufhin ein-
geleitete Jod- Quecksilberbehandlung führte in geradezu ver-
blüffend kurzer Zeit zur vollständigen Heilung sämtlicher
Krankheitsprodukte.
Dieser prompte Effekt der spezifischen Therapie, im
Vereine mit dem negativen Ausfalle des Tierexperimentes und
dem negativen Ergebnisse der Untersuchung von Schnittprä-
paraten aus den zwei excidierten Infiltraten auf Tuberkel-
364 Macha.
bazillen, gestützt durch den histologischen Befund, zwang uns,
die erst gestellte Diagnose trotz der positiven Tuberkalin-
reaktion fallen zu lassen und den Prozeß als luetischen an-
zusehen.
Fall in. Fat Katharina G., 68 Jahre alt, aufgenommen am
12/VII. 1906. Journ. Nr. 18.562.
Anamnese: Anhaltspunkte für hereditäre Belastung mit Tuber-
kulose oder Lues nicht vorhanden ; angeblich keine schweren Erkrankungen
überstanden. Die Fat. war achtmal gravid, die dritte und vierte Schwanger-
schaft endete mit Abortus; die übrigen Kinder leben teils, teils starben
sie in späterem Lebensalter. Die gegenwärtige Erkrankung soll seit
etwa vier Monaten bestehen.
Status praesens (15./VII. 1906.): Der Knochenbau der Fat ist
aart, die Muskulatur senil -atrophisch, der Faniculus adiposus sehr gering.
Die Hautfarbe ist normal, nur an den Unterschenkeln etwas stärker pig-
mentiert und leieht cyanotisch. Im Bereiche der Himnerven keine Ver-
änderungen.
Hals ohne Drüsenschwellung, ohne Narben.
Brust wenig gewölbt. Die Lungen sind wenig verschieblich
und zeigen Dämpfung über beiden Spitzen mit unbestimmtem Atmen
and feinblasigen Rasselgeräuschen besondere links.
Die Herzdämpfung ist etwas eingeengt, der Spitzenstoß deutlich
tastbar, die Töne rein. Der zweite Fulmonalton leicht akzentuiert
Die Raclialarterien sind leicht geschlängelt, ihre Wand ist
mäßig verdickt.
Die Bauchorgane zeigen keinen abnormen Befund.
Haut: An beiden Oberarmen, rechts etwas unterhalb de? Ansatzes
des musculus deltoideus, links etwas oberhalb dieses, findet sich je ein braun-
rotes Infiltrat, über das Niveau der Haut kaum erhaben, in der Mitte leicht
eingesunken, ziemlich scharf begrenzt, mit blauroter Verfärbung in der
Umgebung. Das Infiltrat am rechten Oberarm ist über Zweikronenstück
groß, das am liuken etwa um die Hälfte kleiner. Beim Betasten ffthlt
sich die Randpartie derber an als das Zentrum. Beide Herde zeigen
mehr gegen die Mitte zu je zwei kleinlinsengroße Ferforationsöfihungen
mit steilen Rändern und schmierigeitrig belegtem, leicht unebenem
Geschwürsgrunde. Der Geschwürsrand ist weit unterminiert, so daß die
eingeführte Sonde bis an den Rand des Herdes einzudringen vermag-
Am rechten Tuber frontale, sowie in der Mitte der linken Tibia
findet sich je eine etwa nußgroße Auftreibung, die von normaler
Haut bedeckt ist, über das Niveau deutlich vorragt In der Mitte
ist deutliche Fluktuation nachweisbar, während am Rande ein deut-
licher, knochenharter Wall fühlbar ist Beide Tumoren sind auf dem
Knochen nicht verschiebbar. Ein ähnlicher solcher Knoten, jedoch
nicht über das Niveau der Haut prominent, ist in der Nähe des Rippen*
bogens an der zehnten linken Rippe nachweisbar. In der Adduktoren-
Zur Differentialdiagnose zwischen Lues und Tuberkulose. 365
Muskulatur des linken Oberschenkels ist ein etwa kleinapfelgroßer,
derber, scharf umschriebener, wenig schmerzhafter Tumor nachweisbar.
Klinische Diagnose: Periostitis luetica tibiae sini-
strae, ossis frontalis dextri et costae X. sinistrae. Tnfil-
tratio gummosa ciroumstripta adductorum femoris sinistri.
Skrophuloderma (?) brachii utriusque.
Dekursus: 18./VIL 1906. 1 mg Kochsches Alt-Tuberkulin.
15./ VII. Allgemeine Reaktion sehr stark. (Höchste Temperatur
39 8^) Keine Spur von Lokal-Reaktion.
18./VII. Jodnatrium. (1 g pro die.)
25./Vn. Keine Besserung; der Knoten an der Rippe beginnt zu
fluktuieren, ist Ton leicht geröteter und schon etwas verd&nnter Haut
gedeckt. Excision des Infiltrates vom rechten Arme.
13./ VI II. Jodbehandlung bisher ohne Effekt, wird wegen Jodakne
und Schnupfen ausgesetzt. Erste intramuskuläre Salicyl-Quecksilber-
injektion.
20./ VIII. Punktion des Knotens am Rippenbogen. 1 om* der
Punktionsflüssigkeit wird einem Meerschweinchen intra*
peritoneal injiziert.
22./VIII. Sämtliche Erscheinungen in langsamem Rückgänge.
23./Vni. Excision des Knotens an der Rippe und des Herdes vom
Oberarm; von dem letzteren wird ein Stfick zerrieben und einem
Meerschweinchen intraperitoneal und subkutan injiziert.
18./IX. Nach sechs ganzen Hydrargyrum salicylicum-lnjektionen
Erscheinungen in weiterem sehr langsamen Rückgange. Sajodin. Lokal
graues Pflaster.
21./X. In der Gegend des rechten Rippenbogens ein etwa hasel«
nußgrofier Knoten aufgetreten. Graues Pflaster.
81./X. Am linken Olekranon eine über haselnußgrofle, schmerz-
hafte Auffcreibung nachweisbar. Graues Pflaster.
16./XI. Sowohl die alten als auch die neuen Knoten unter grauem
Pflaster in Wohl langsamem aber deutlichem Rückgänge.
6./Xn. An der Excisionsstelle des Rippenknotens zeigt sich im
unteren Anteile der linearen Narbe eine kleine Fistelöfihung, die etwa
5 em in die Tiefe verfolgbar ist ; rauher Knochen ist mit der Sonde nicht
tastbar. Jodoformstäbchen.
12./Xn. 1906. Alle Krankheitserscheinungen fast vollständig zurück-
gegangen. Die Pat. wird in gebessertem Zustande entlassen.
Ergebnis der Tierversuche:
Am 12./X. 1906 ist das am 20./VIII. geimpfte Tier (siehe Dekursus)
eingegangen. Die am selben Tage vorgenommene Sektion ergab ausge-
breitete subakute Tuberkulose der Lymphdrüsen, der Lunge,
Leber und Milz.
Am 14./XL Tod des am 28./VnL 1906 geimpften Tieres; aufler
einem bereits verkästen subkutanen Infiltrate an der Injektionsstelle
ergibt die Sektion denselben Befund wie beim ersten Tiere.
866 Macha.
Histologischer Befand: Sobnitie aus den ezcidierten Knoten
Yon den Armen seigen in der Cutis ein ziemlich mächtiges Infiltrat,
das in den zentralen Partien die Epidermis darchbrochen hat, bis in das
Fettgewebe der Hant yorgedrungen ist und sieh nicht gleichmäßig scharf
Ton der Umgebung abhebt. Die über dem Infiltrate noch erhaltenen
Epidermispartien seigen eine m&fiig starke Wochemng der Retezapfen.
Das Infiltrat selbst ist ziemlich gefäßreich, besonders in den zentralen
Partien, wo man viele gnt gefällte Blutgefäße senkrecht zur Ober6äche
vorfindet. Das Infiltrat besteht aus polymorph und vorwiegend ein-
kernigen Lenkocyten, epitheloiden Zellen und Riesenzellen vom Typus
der Langhansschen. Die Leukocyten finden sich vorwiegend in den
Bandpartien des Infiltrates, die stellenweise wellige Begrenzung zeigen
und mehr oder minder scharf begrenzte knötchenartige Gebilde erkennen
lassen, aus epitheloiden und Riesenzelleu bestehend. In den zentralen
Partien des Infiltrates herrschen die epitheloiden Zellen vor ; stellenweise
sieht man auch kleinere nekrotische Herde. Auffällig erscheint in diesen
Infiltraten der Reichtum an Riesenzellen. Sowohl innerhalb derselben
als auch in den Knötchen der Randpartien finden sie sich stellenweise
in ganz enormer Menge, ja manche der knötchenartigen Gebilde bestehen
vorwiegend aus solchen Zellen« Es sind dies besonders jene Knötchen,
die im Bereiche der Schweißdrüsen liegen.
An der Grenze des Infiltrates sieht man unter der Epidermis eine
Strecke weit kleinere Leukocyteninfiltrate in der subpapillaren Schichte.
An den Gefäßen des Infiltrates und seiner Umgebung lassen sich
keine Veränderungen erkennen.
Tuberkelbazillen konnten in etwa 25 darauf untersuchten
Schnitten nicht gefunden werden.
Schnitte durch den ezstirpierten Knoten von der zehnten Rippe
links zeigen die zentralen Partien in weiter Ausdehnung nekrotisch.
Die Randpartien sind aus einem gefäßreichen Gewebe zusammengesetzt«
das in seinen äußeren Schichten neben spindeligen Elementen ein-
kernige, weniger reichlich polymorphkernige Leukocyten zeigt. Nach
innen zu lassen sich große Mengen von Riesenzellen mit meist rand-
ständigen Kernen und epitheloide Zellen nachweisen. In der Umgebung
dieses verkästen Infiltrates sieht man kleinere knötchenartige Gebilde
vom Typus der Epitheloid-Rundzellen Tuberkel, mit vielfach reichlichen
Riesenzellen.
Tuberkelbazillen ließen sich in den Schnitten von diesem Infiltrate
nach der Methode von Ziehl-Neelsen, allerdings nur sehr spärlich,
aber mit Sicherheit nachweisen.
Epikrise: Der mitgeteilte Fall betraf eine alte Frau,
bei der sich umschriebene Erankheitsprozesse in der Haut und
an den Knochen fanden. Die Diagnose bot ziemlich Schwierig-
keiten, da einerseits die Hauterkrankung tuberkulösen Charakter
zeigte, andererseits die osteoperiostitischen Auftreibungen an
Zur Differentialdiagnose zwischen Lnes und Tuberkulose. 367
den Diaphjseii der Tibien und am Tuber frontale die Diagnose
Lues rechtfertigten, wofür auch die in der Anamnese erhobenen
Abortus sprachen. Es wurde somit die Diagnose Skrophulo-
derma nur mit Wahrscheinlichkeit gestellt. Die im Verlaufe
der weiteren Beobachtung durchgeführten Untersuchungen
hatten nun den Zweck, festzustellen, ob es möglich sei, sämt-
liche vorhandenen Erkrankungsherde auf dasselbe ätiologische
Moment zurückzufuhren.
Die Tuberkulininjektion hatte eine starke AUgemein-
Reaktion zur Folge, was bei dem nachgewiesenen Lungen-
prozesse nicht wundernehmen konnte; lokale Keaktion fehlte
Tollständig. Die histologische Untersuchung ergab das Vor-
handensein eines spezifischen Granulationsgewebes mit typischen
Tuberkeln und sehr reichlichen Riesenzellen. Der Nachweis
Ton Tuberkelbazillen gelang in den Schnitten des Knotens
von der Rippe; in den Herden vom Arme glückte es nicht,
solche nachzuweisen.
Das Tierexperiment hatte gleichfalls in beiden Fällen
einen positiven Effekt
Alle diese Momente sprachen somit dafür, daß bei der
Fat. die zwei untersuchten Hautherde und der Hautknochen-
herd am linken Rippenbogen tuberkulöser Natur waren. Da
aber anderseits ein deutlicher Rückgang der übrigen Symptome
auf die eingeleitete antiluetische Kur zu verzeichnen war,
können wir wohl nicht mit voller Sicherheit ausschließen, daß
nicht vielleicht doch gleichzeitig eine luetische Erkrankung
vorgelegen sei, obzwar wir mehr der Ansicht zuneigen, alle
vorhandenen Prozesse als tuberkulös aufzufassen.
Fall lY. Alois Seh., aufgenommen am 8./X. 1906« Joam.-Nr.
25.641.
Anamnese: Fat. steht seit 1890 wegen einer Gaamenaffektion
in ärztlicher Behandlung und war im Jahre 1900 auf der Klinik Prof.
Neumann. Venerische Infektion wird greleugnet; Fat. ist verheiratet,
die Frau und vier Kinder sollen gesund sein, die Frau hat niemals
abortiert.
Auszug aus der Krankengeschichte der Klinik Neu mann i Am
weichen Gaumen, sowie an beiden Gaumenbögen und den Tonsillen fand
sich ein oberflächlicher, großenteils schmierigeitrig belegter Substanz-
verlust, die Uvula ist dem Frozesse großenteils zum Opfer gefallen, der
weiche Gaumen erscheint durch Narbenstränge verzogen. Die Oberfläche
368 Mnoha.
des Sabstaniverlastes and die angreozenden Partien laaseD xahl reiche,
stellenweiae scharf begfrenste, etwa hiraekomgrofie Infiltrate erkennen.
Gegen die gesunden Partien setzt das Geschwür mit einem siemlich derb
infiltrierten Rande scharf ab.
Die Diagnose schwankte damals zwischen Laes und Tnberkalose.
Mit Rücksiebt anf eine wesentliohe Beeserung, die auf Joddarreicbnng
nnd lokale Lapispinselongen eintrat, entschied man sich für die Dia-
gpiose Gumma.
Kurze Zeit nach seiner Entlassung aus dem Spitale stellten sich
die gleichen Beschwerden wieder ein; neuerliche Jodbehandlung blieb
ohne Erfolg.
Im Juli— August 1906 Sohmierkur (24 Einreibungen) ohne Erfolg;
seit Mitte August Jodkalium interu.
Status praesens: Am weichen (iaumen, übergreifend anf den
harten und die Gaumenbögen, finden sich seichte Substanzverluste, die
mit zäh eitrigem Belage bedeckt sind. Die Randpartien sind teilweise
durch zarte, oberflächliche, leicht strahlenförmige Narbenstränge gebildet.
Von der Uvula ist nur mehr ein kleiner Rest erhalten. Der weiche
Gaumen erscheint stark gegen die hintere Bachenwand verzogen, so da0
der Zugang zum Nasenrachenraum ziemlich verengt erscheint. Der die
Substanzverluste deckende Belag ist ziemlich festhaftend, der nach Ent-
fernung des Belages freiliegende Geschwürsgrnnd fein granuliert, blutet
leicht. Sowohl in diesem wie auch in den Randpartien lassen sich mehr
weniger scharf umschriebene, kleinstecknadelkopfgrofle, graugelbe Knöt-
chen erkennen.
Die Diagnose schwankte auch diesmal wieder zwischen Lues nnd
Tuberkulose.
Dekursus: 15./X. 1 mg Kochsohes Alt- Tuberkulin.
17./X. Höchste Temperatur nach der Injektion 87*8* G. Müdig-
keitsgefühl und Kopfschmerzen. Das Geschwür am Gaumen ohne sichere
Reaktion.
22./X. Das Geschwür am Gaumen zeigt leichte Heilungstendenz.
Neuerliche Tuberkulieinjektion 3 mg\ Abends unter leichtem Schüttel-
froste Fieber bis 89*8* C. in den nächsten Tagen noch Temperatur bis
zu 89*. Das Geschwür am Gaumen stark gereizt, sezemiert lebhafter
und bereitet dem Pat. nicht unwesentliche Schmerzen beim Schlucken.
27./X. Die Gaumengeschwüre in langsamer Reparation. Pat.
bekommt 1 g Jodnatrium pro die und Kalomel lokal.
Die HeilnufiT des Substanzverlustes schreitet unter dieser Behand-
lung langsam fort, so daß Pat. am 17./XI. mit fast vollständig vernarbten
Geschwüren die Klinik verlassen kann.
Wiederholte Untersuchungen des Geschwürsbelages auf Tuberkel-
bazillen waren stets negativ.
Etwa drei bis vier Wochen später stellt sich der Pat. neuerdings
in der Ambulanz der Klinik vor, die Gaumenaffektion ist vollständig
vernarbt, dagegen findet sich im Bereiche des Corpus stemi gegen die
Zar Differentialdiagnose zwischen Lnes and Tnberkalose. 369
BjDchondrons sternalis an eine kleinnaßgroße, osteoperiostitiBohe Aaf-
treibnng, die dem Pat. lebhafte Schmerzen verarsacht, von bereits etwas
verdünnter and geröteter Haat gedeckt ist and beginnende Flaktaa*
tion aeigt.
Die Applikation von graaem Pflaster lokal and innerliche Jod-
darreiohang fahrt in sechs Wochen znr Heilang.
Aas dem Mitgeteilten können wir wohl entnehmen, daß aach die
zweite Erkrankang des Pat. eine sichere Diagnose zwischen Laos oder
Taberkidose nicht zaließ, zamal da es die Lokalisation der Affektion
nicht gestattete, eine histologische üntersuchang and einen Tierversnoh
Torzunehmen.
Epikrise: Eine klinisch sichere Diagnose, ob die
Gaumenaffektion luetischer oder tuberkulöser Natur war, konnte
nicht gestellt werden, weder bei der ersten Aufnahme des Pat.
auf die Klinik im Jahre 1900, noch bei der zweiten im Jahre
1906. Der osteoperiostitische Herd, dessentwegen Pat. zum
drittenmale die Klinik aufsuchte, wurde Ton uns als Lues
diagnostiziert, wofür auch der prompte Effekt der Jod-Queck-
silberbehandlung sprach. Dieser Umstand könnte nun aller«
dings dafür verwertet werden, auch die Gaumenaffektion für
luetisch anzusehen, doch sprachen dagegen unter anderem die
positive Tuberkulinre&ktion, die geringe Beeinflussung durch
antiluetische Therapie, der Mangel der Tiefenausbreitnng des
Prozesses und das Freibleiben des Knochens.
Wir müssen also die Diagnose dieses Prozesses offen
lassen, zumal da die mikroskopische Untersuchung des Sekretes
auf Tuberkel- Bazillen negativ ansgefallen war, also keinen
Entscheid gebracht hatte.
Fall y.: Pat. JnlieE., 40 Jahre alt, aufgenommen am26./iy. 1907.
Joum.-Nr. 10 928.
Anamnese: Angeblich vor 8 Jahren 'das erstemal eine Hals-
affektion ond darauf Exanthem. Mit 10 intramuskulären Quecksilber*
injektionen behandelt. Zwei Jahre später neuerliche Halsaffektion, mit
Pillen behandelt. (Annonceur.) Vor 1 Jahre (1906) Geschwfire an den
Armen; unter Salbenbebandlung Heilung. Fünf Partus, ein Abortus im
dritten Monate der Gravidität, eine Totgeburt. Die gegenwärtige Erkran-
kung soll angeblich schon seit 4 Monaten bestehen.
Status praesens: Mittelgroße, ziemlich grazil gebaute, sonst
aber entsprechend kräftige und gut genährte Frau. Die Untersuchung
der inneren Organe ergibt allenthalben normalen Befund.
Haut: An der ulnaren Seite des linken Unterarmes im unteren
Drittel findet sich ein kleinhandtellergroßes, mäßig derbes Infiltrat, von
Anh. t D«rmftt u. Sfpb. Bd. LXZZIX. 24
370 Mucha.
ziemlich scharf polyzyklischer Begrenzung. Diezea Infiltrat liegt im
Niveau der Hant, zeigt etwas dar&ber hinausragende Bänder, braunrote
Farbe mit einem leicht liyidrotem Stiche in den Randpariien, eine leicht
eingesunkene narbig atrophische Mitte und ist teils mit zarten Schuppen,
teils mit Borken bedeckt. Etwa Vt ^"^ '^^^ Bande entfernt finden sich
mehrere scharf begrenzte, steil abfallende, eitrig belegte Substanz-
Verluste von Stecknadelkopf- bis Linsengröfie. Die Bänder der meisten
Snbstanzverluste sind tief unterminiert, so daß es gelingt, die Sonde vom
zentral gelegenen Ulcus bis zum Bande des Infiltrates vorsuschieben.
An diesen großen Herd schließen sich radial wäris und proximal mehrere
meist langgestreckte, hinter einander stehende, scheinbar den Lymph-
strängen folgende, teils oberflächlich, teils tiefer gelegene Infiltrate von
gelblich braunroter Farbe. Sie zeigen zarte großlamellöse Schuppung,
oder weisen mehr weniger zentral einen scharf begrenzten, eitrig belegten
Substanzverlust auf, dessen Bänder gleichfalls, wenn auch nicht so aus-
gesprochene Dnterminierung zeigen. In der Gegend der Ellenbogenbeuge
finden sich mehrere Knoten von vollständig unveränderter Haut gedeckt
An den Streckflächen beider Arme handbreit ober dem Handgelenke
beginnend bis über den Ellenbogen hinausreiohend und hier teilweise
etwas auf die Beugeseite übergreifend, finden sich scharf begrenzte,
|>olyzyklische, von zart narbig-atrophischer Bsai bedeckte, gelbliehe,
teils mehr livid gefärbte, zusammenhängende oder einzeln stehende Flecke
bis Kleinhandtellergröße, die manchmal im Zentrum leicht eingesunken
sind und hier stärkere Pigmentanhäufungen zeigen. Ebensolohe Ver-
änderungen finden sich an den Unterschenkeln und an der seitlichen
linken Thoraxwand.
Klinische Diagnose: Gummata cutanea antibrachii
et brachii dextri. Pigmentationes et cicatrices post tuber^
cula cutanea luetica cutis antibrachii, brachii et cruris
utriusque.
Dekursus: 4./y. 1907 1 mg Kochsches Alt-Tnberkulin subkutan.
Weder lokale noch allgemeine Beaktion.
lO./y. Excision eines Stuckes aus dem Bande eines im Zentrum
zerfallenen Knotens.
Am 26./VII. 1907 entlassen und ins Inquisitenspital abgegeben,
daselbst auf 0*5 g Jodkali pro die vollständige Heilung in vier Wochen.
Besultat des Tierversuches: Das Meerschweinchen, dem am
10./ V. 1907 ein Stdck des excidierten Infiltrates intraperitoneal und sub-
kutan injiziert worden war, wurde am 26./yiII. 1907 getötet. Das Tier
hatte vom Tage der Injektion an konstant an Gewicht zugenommen und
niemals Kraukheitssymptome gezeigt. Die Sektion ergab keine Zeichen
einer tuberkulösen Erkrankung.
Histologischer Befund: Schnitte durch den excidierten
Knoten vom Arme zeigen im Bereiche desselben ein ziemlich ausge-
dehntes Infiltrat, das anscheinend nur in der subpapillären Schichte der
Cutis gelegen ist, in den zentralen Partien eine größere flächenhafte
Zur Differentialdiagnose swisohen Lues und Tuberkulose. 371
Ausdehnung leigt, nach den Rändern und gegen die Tiefe su jedoch in
Form verschieden grofier Streifen oder knötchenartiger Herde vordringt.
Diese Herde folgen meist den Blutgefäßen und Schweißdrüsen. Das
Infiltrat setzt sich zusammen aus einkernigen Leukocyten, aus epithe-
loiden Zellen und zum Teile auch aus typischen Langhansschen Riesen -
Zellen. Diese Zellformen zeigen keine gleichmäßige Anordnung in den
einzelnen Herden des Infiltrates, weisen aber in vielen derselben eine
Lagerung auf, die diese Knötchen Tuberkelknötchen sehr ähnlich macht.
Die Epidermis ist in den zentralen Partien des Knotens noch
erhalten, zeigt jedoch hier das Rete schon vielfach von ein« und mehr-
kemigen Leukocyten durchsetzt, ja stellenweise schon zerstört, so daß
nnr mehr die Hornschichte erhalten ist. Nach den Randpartien zu sind
die Retezapfen vielfach verlängert und verdickt. Nach unten zu reicht
das Infiltrat bis in das subkutane Fettgewebe. Gefäße sind innerhalb
der Herde ziemlich reichlich nachweisbar.
Qrößere arterielle (Gefäße zeigen manchmal ausgesprochene Ver-
änderungen ihrer Wand, derart, daß nicht bloß die Adventitia und
Muskularis von Leukocyten durchsetzt ist, sondern auch die Intima
gewuchert erscheint, wodurch das Lumen oft fast vollständig obli-
teriert ist.
Epikrise: Der Fall betrifft eine 40jährige Frau, die
vor 8 Jahren Lues akquiriert hatte und in der Folgezeit nur
ungenügend behandelt worden war. Die Hautaffektion konnte
klinisch ohne Zweifel als gummös angesprochen werden. Der
histologische Befund widersprach dieser Diagnose nicht direkt,
erinnerte aber durch die reichlichen tuberkelähnlichen Ejiötchen
und Riesenzellen sehr an Tuberkulose. Bestätigt wurde die
Diagnose Lues durch den negativen Ausfall des Tierversuches,
der Tuberkulininjektion und der Tuberkelbazillen-Untersuchung
im Schnitte, sowie durch die prompte Ausheilung auf Jod-
therapie.
Fall VI. Fat. A. D., 27 Jahre alt, aufgenommen am 24./yiL 1907.
Joum.-Nr. 19.618.
Anamnese: Im Jahre 1900 soll Pat Lues akquiriert haben und
im Brnnner Erankenhause mit Sklerose und Exanthem behandelt worden
sein. (26 Einreibungen.)
Im August 1902 Aufnahme auf die Klinik. Bezidiv-Exanthem.
80 Einreibungen.
Im Mai 1908 wegen eines ulxerösen Syphilides auf der Klinik mit
8 intramuskulären Iigektionen vonHydrargyrum salicylicum (8 Hg sal. Inj.)
behandelt.
Im August 1904 ambulatorische Behandlung an der Klinik wegen
cephalea nocturna. 4 Hg. sal. I^j.
24*
372 Maehft.
Im Mai 1907 wegen Oiteoperioatitis am Stirnbeine im Roehos-
spitale in Wien mit 8 Hg. aal. Ii^'. behandelt. Knrze Zeit naeh ihrer
Entlassong soll die gegenwärtige Erkrankang begonnen haben. Ein
Partas, kein Abortas.
Status praesens: Kleine, gracil gebaate, sonst kr&ftige and
gut genährte Fraa. Die üntersnchong der inneren Organe ergibt keine
Verftndemngen.
Haut: An der Innenfläche des rechten Oberschenkels and am
Rücken rechts von der Medianlinie, einige Qaerfinger ober dem Ansatse
des Kreuzbeines findet sich je ein ezulceriertes Infiltrat. Das Geschwür
am Rucken ist etwa zweikronenstückgroß, das am Schenkel kleinhand-
tellergrofi. Die Geschwüre sind kreisrund, sehr seicht, die Ränder leicht
erhaben, lassen ein ziemlich derbes, braunrotes Infiltrat erkennen,
das stellenweise einen blauroten Saum zeigt. Der Geschwürsgrand ist
uneben, mit eitrigen oder nekrotischen Massen bedeckt und blutet bei
deren Entfernung leicht. Außerdem finden sich bei der Pat. besonders
an der Haut des Stammes mehrere bis zweikronenstückgroße, teils im
Zentrum pigmentarme, in der Peripherie hyperpigmenticrte, teils keloid-
artige Narben.
Diagnose: Gummata cutanea exulcerata. Leucoderma
nuchae. Gicatrices e lue ulcerosa cutanea trnnci et ex<
tremitatum.
Dekursus: 26./VII. 1 mg Eochsches Alt-Tnberkalin.
28./Vn. Keinerlei Reaktion. Excision des Gummas vom Rucken.
31./YII. 1 Hg sal. I^j. und 1 g Jodnatrium pro die.
I./VIIL Wegen Stomatitis die Hg-Iiyektionen ausgesetzt. Gumma
in deutlicher Epithelisierung.
l9./yiIL 1 mg Perisuchttaberkulin (C. Spengler).
21./ VIII. Keine lokale Reaktion; allgemeine Reaktion, höchste
Temp. 38-7<> C.
96./Vni. 6 Hg sal. Ii^*. Das Ulcus fast vollständig epithelisiert.
29./VIII. Geheilt entlassen.
Histologischer Befund: Schnitte durch den exulcerierten
Knoten vom Rficken zeigen in den Randpartien ein von intakter
Epidermis gedecktes Infiltrat, das knötchen-, herd- oder streifenförmig
entlang der Blutgefäße und Schweißdrüsen- Ausführungsgänge angeordnet
ist. Es ist aus mono- und polymorphkernigen Leukocyten, epitheloiden
Zellen und spärlichen Riesenzellcn zusammengesetzt. Gegen das Zentrum
des Knotens zu fehlt die Epidermis, oder zeigt stellenweise kleinere,
anscheinend neugebildete Inseln. An den epithelfreien Stellen sieht man
diphtheritische Entzündung in den oberen Anteilen des Coriums. Das
Infiltrat wird hier kompakter und zeigt den Charakter eines Granulations-
gewebes mit reichlichen Gefäßen. In die Tiefe reicht das Infiltrat bis
in das subkutane Bindegewebe und löst sich hier wieder in streifen-
oder knötchenförmige Herde auf. Manche der knötchenartigen Herde
zeigen zentrale Nekrose.
Zur Differentialdiagnose zwischen Lues und Taberkulose. 373
Die Oefafie, besonders in diesen Anteilen, zeigen in ihren Wandungen
Einlagerung von Rnndzellen ond eine deutliche Wucherung der Intima,
wodurch das Lumen häu6g stark verengt erscheint.
Die Untersuchung zahlreicher nach Ziehl-Nelson und Levaditti
gefärbter Schnittprftparate hatte negativen Erfolg.
Epikrise: Es handelte sich somit um eine 27 Jahre
alte Frau, deren Lues auf das Jahr 1900 zurückdatiert; bei
sehr ungenügender Behandlung in den ersten Jahren nach
der Infektion zeigt der Fall malignen Charakter, da bereits
im dritten Jahre nach der Infektion sich ein ulzeröses
Bezidiv einstellte. Der histologische Befund, der negative
Ausfall der Tuberkulin -Injektion sowie der Tuberkel-
bazillenontersuchung bestätigten die bereits klinisch vollständig
sichere Diagnose. Die verhältnismäßig langsame und, wie aus
der Anamnese ersichtlich ist, wenig andauernde Quecksilber-
wirkung erklärt sich aus dem malignen Charakter der Er-
krankung.
Zusammenfassung.
Die mitgeteilten FäUe lassen es wohl zur Genüge klar
erscheinen, auf welche Schwierigkeiten unter Umständen die
Differentialdiagnose zwischen Lues und Tuberkulose stoßen
kann. Denn nicht bloß die Anamnese wird vielÜEich ganz un-
zuverlässig oder absichtlich falsch angegeben, sondern auch
im klinischen Bilde zeigen die beiden Prozesse, besonders im
ulzerösen Stadium, oft derart ähnliche Krankheitsformen, daß
eine sichere Entscheidung auf dem klinischen Boden .auch bei
der größten Erfahrung unmöglich ist.
In solchen Fällen sind wir dann genötigt, noch eine ganze
Reihe Ton Untersuchungen vorzunehmen, um das ätiologische
Moment des Prozesses aufzudecken. Im Anschlüsse an die
mitgeteilten Fälle scheint es uns am Platze, auf den dia-
gnostischen Wert und die Zuverlässigkeit der
einzelnen hierbei in Betracht kommenden Metho-
den und ihre Resultate etwas näher einzugehen.
Was zunächst den histologischen Befund anbelangt»
so dürfte es heute wohl keinem Zweifel mehr unterliegen, daß
374 Maoha.
wir im Epitheloid-Randzellen-Taberkel und in der Langhans-
schen Riesenzelle keineswegs ein ausschließliches Produkt des
tuberkulösen Virus ' zu erblicken haben, sondern daß diese
Gebilde sich auch bei anderen entzündlichen Prozessen finden.
Wenngleich diese Tatsache seit langem bekannt ist und
die pathologische Anatomie immer darauf Rücksicht nimmt,
so sind doch derartige Befunde bei luetischen Affektionen bis-
her verhältnismäßig selten mitgeteilt worden. Dies dürfte wohl
m erster Linie seinen Grund darin haben, daß sich die bis-
herigen Mitteilungen in der Literatur fast ausschließlich auf
solche Fälle beziehen, die auch klinisch nicht ohne weiters die
Differentialdiagnose zwischen Lues und Tuberkulose zuließen,
während Fälle einwandfreier luetischer Natur naturgemäß
weniger häufig histologisch untersucht sein dürften, da es sonst
nicht zu erklären wäre, wieso sich in letzter Zeit gerade solche
Befunde bei klinisch sicherer Lues häufen. Die in der Literatur
vorkommenden Fälle entstammen teilweise einer Zeit, in der
die Kontroverse über die Spezifität der Riesenzelle und des
Tuberkels noch nicht abgeschlossen war und werden daher
teilweise als Mischinfektion zwischen Lues und Tuberkulose
aufgefaßt, teilweise zur Klärung dieser Frage herangezogen.
So beobachtete Fabry (1) im Jahre 1893 einen Patienten, der
ein Ulcus am Präputium zeigte, dessen histologische Untersuchung
(durch Bibbert) eine diffuse kleinzellige Infiltration mit zahlreichen
größeren und kleineren tuberkelähnlichen Knötchen und Riesenzellen
ergab. Tuberkelbazillen konnten nicht nachgewiesen werden. Auf eine
Einreibungskur heilte das Geschwür innerhalb von drei Wochen, der
Pat. bekam aber während der Kur eine Iritis, die unter Fortsetzung der
Quecksilberkur gleichfalls ausheilte. Auf Grund der histologischen Unter-
suchung war Fabry geneigt, die Affektion als eine Mischinfektion von
Tuberkulose und Syphilis aufzufassen, obwohl sonst im Körper tuber-
kulöse Yerftndemngen nicht nachweisbar waren.
Jadassohn (2) demonstrierte im gleichen Jahre eine Patientin,
die wegen typischer sekundärer Lues in Behandlung stand. Während
der Kur trat ein eigenartiges Exanthem auf, das aus mäßiRf erhabenen,
auffallend weichen, rundlichen Effloreszenzen bestand, die teilweise
gruppiert waren und allmählich dunkelbraunrot wurden. Die Erschei-
nungen gingen auf Quecksilberbehandlung zurück, kamen aber wieder,
da bei der Patientin wegen Neigung zu Stomatitis keine energische
Quecksilberkur durchgeführt werden konnte. Gleichzeitig bestand eine
tuberkulöse Lungenaffektion.
Zur Difierentialdiagnose s wischen Lnes and Taberknlose, 375
Die histologische Untersnohnng eines solchen braonroten Herdes
ergab starke Infiltration mit Bandseilen nnd swischen diesen Herde von
Epiiheloidzellen and typischen Langhansschen Riesenzellen. Die Ver-
impfong einer ezcidierten Effloreszenz anf ein Meerschweinchen hatte
keinen Effekt: das Tier lebte 6 Monate nnd zeigte nach seinem Tode
(darch Erfrieren erfolgt) keine Zeichen von Tuberkolose. Die EfHores-
zenzen der Patientin heilten unter weiterer Quecksilberbehandlung mit
dankelpigmentierten Narben vollständig aas.
K. Herxheimer(S) beobachtete einen Patienten, der schon ein
Jahr nach der lofektion mit Lues, multiple sabkutane Tumoren bekam,
die gleich den übrigen aufTallend malignen Rezidiverscheinungen erst
auf große Mengen von Queckzilber zurückgingen.
Der histologische Befund des einen der untersuchten Knoten ergab
ein Infiltrat, das von einer „geschichteten Kapsel" umgeben war und
an dessen Peripherie sich einzelne, scharf abgegrenzte Knötchen fanden,
die aus Bund-, Mast-, Epitheloid- und einzelnen Biesenzellen mit rand*
standigen Kernen bestanden. Yerkäsung ließ sich nicht nachweisen,
dagegen zeigten die Gefäße Infiltration ihrer Wand mit Bundzellen.
Mikroorganismen konnten nicht gefunden werden. Der andere unter-
suchte Knoten bestand aus zellarmem Bindegewebe, das an einzelnen
Stellen von Bundzellen durchsetzt war und viele Knötchen zeigte, die
aus Bundzellen bestanden und um ein zentral gelegenes Gefäß angeordnet
waren. Epitheloidzellen und Biesenzellen fehlten. Die Gefaßwände
waren verdickt und zeigten anscheinend Wucherung der Intima und
des Endothels.
Peppmüller (4) beobachtete eine 46jährige Frau mit einem
Tumor am linken Auge, der in der Bindehaut saß, ohne auf die Cornea
überzugreifen. Überdies fanden sich am rechten Arme neben zahlreichen
Narben, die eine Kontraktur des Armes bewirkt hatten, mehrere loch-
eisenformige, konfluierende Geschwüre, femer Narben am Manubrium
stemi, sowie oberhalb der linken Mamma einige mit Schorfen bedeckte
rote Flecke in der Gegend der Glavicula und ein apfelgroßer Tumor an
der hinteren Pharynxwand.
Die histologische Untersuchung des epibulbären Tumors zeigte ein
zeUreiches Granulationsgewebe mit wenig Gefäßen, zahlreichen Biesen-
zellen vom Langhansschen Typus und teilweise Nekrose. Außerdem
fanden sich scharf abgesetzte Knötchen aus epitheloiden und lymphoiden
Zellen, mit einem Betikulam, Langhanssche Biesenzellen und Verkäsung
im Innern, allerdings nicht immer zentral gelegen. Die Biesenzellen
lagen teils in den Knötchen, teils umgaben sie dieselben. Der Versuch,
Tuberkelbazillen in den Schnitten nachzuweisen, hatte keinen Erfolg.
Verimpfung eines Stückes des Tumors in die vordere Augenkammer eines
Kaninchens führte nicht zu tuberkulöser Erkrankung des Tieres. Eine
Tuberkulini^jektion hatte bei der Patientin weder allgemeine noch lokale
Beaktion zur Folge. Antiluetische Behandlung führte zur vollständigen
Heilung.
376 Mooha.
Lewald (5) berichtete über einen Patienten, deuen Erkrankung
raerst infolge des Auftretens yon derben, mehr flächenhaften und leicht
geröteten Infiltraten fär Sklerodermie gehalten warde. Die Infiltrate
entwickelten sich allmählich, 8ch¥randen nnd traten an anderen Stellen
wieder auf. Zur Eznlceration der Knoten kam es nie.
Die histologische Untersuchung eines jungen Knotens ergab ein
Granulationsgewebe, in dessen Umgebung sich teilweise obliterierte
Gefäfie mit stark Yerdickten Wandungen zeigten. Die Untersuchung eines
älterem Knotens zeigte gleichfalls ein Granulationsgewebe mit neuge-
bildeten Bindegewebe, jedoch überdies zahlreiche Langhanssche Riesen-
zellen mit randständigen Kernen und zentraler Nekrose. Tuberkelbazillen
konnten im Schnitte nicht nachgewiesen werden. Ein mit einem Teile
des Tumors injiziertes Kaninchen zeigte bei seinem Tode keine Zeichen
▼on Tuberkulose. Auf Verabreichung von Jodkalium schwanden die
Erscheinungen in kurzer Zeit vollständig.
In letzter Zeit endlich berichten J. Nicolas und M. Favre (6)
fiber ihre Untersuchungen, die sich auf zehn Fälle kutaner Gummen
beziehen. In allen diesen Fällen fanden sich histologische Bildungen,
die vollständig denen der Tuberkulose entsprachen: nämlich knötchen-
förmige Anhäufungen des Infiltrates, Haufen von epitheloiden Zellen,
sowie reichlich Riesenzellen. In fünf der Fälle wurde der Tiervarsuch
ausgeführt mit stets negativem Erfolge. Die Affektionen heilten in allen
zehn Fällen unter Quecksilber- Jod-Behandlung vollständig aus.
Die Verfasser kommen daher auf Grund ihrer Beobachtungen zu
dem Schlüsse, dafi es erstens stets gelinge, Riesenzellen, epitheloide
Zellen und Knötchenbildung in tertiär luetischen Veränderungen der
Haut nachzuweisen, daß zweitens eine histologische Unterscheidung dieser
Prozesse nicht möglich sei und drittens daß Riesenzellen, Knötchen-
bildung und Epitheloidzellenanhänfungen die Diagnose Tuberkulose
nicht rechtfertigen, sondern nur der Tierversuch einerseits, der Effekt
der Quecksilber-Jod-Behandlung andererseits die Differentialdiagnose
ermöglichen.
Was die histologische Untersuchung der von uns mit-
geteilten Fälle anbelangt, so erinnerte im Falle I (Lues) das
histologische Bild durch die zahlreich vorhandenen tuberkel-
artigen Knötchen aus Epitheloid-, Rund- und Riesenzellen be-
stehend und das Fehlen jeglicher Qefäßveränderung recht
lebhaft an eine tuberkulöse Affektion. Im Falle V (Lucs) wurde
diese Ähnlichkeit nur durch die gleichzeitig vorhandene obli-
terierende Endarteriitis beeinträchtigt. Es ging in diesen Fällen
nicht an, das histologische Bild für die endgiltige Diagnose
sicher zu verwerten.
Znr Differentialdiagnose zwischen Lues und Tuberkulose. 377
Im Falle II (Lues) sprach allerdings die vorwiegende
perivaskuläre Anordnung des Infiltrates mehr für die luetische
Natur des Prozesses, doch fanden sich auch hier tuberkel-
ähnliche Knötchen und reichlich Riesenzellen, während im Falle VI
(Lues) die Riesenzellen sehr spärlich waren, fdie vorhandenen
Oefaßveränderungen und die vorwiegend perivaskuläre Lagerung,
der allerdings vielfach knötchenartigen Infiltrate den luetischen
Charakter der Affektion wahrscheinlich machten.
Der Nachweis der spezifischen Erreger gelang nur im
Falle ni (Tuberkulos-Lues ?), in den anderen Fällen blieben
diese Untersuchungen erfolglos. Dieser Umstand ist nicht
auffallig, weil es sich in allen Fällen um ulzeröse Prozesse
handelte und wir wissen, daß in solchen Fällen der Nachweis
einerseits von Tuberkelbazillen, andererseits der Spirochaete
pallida in Schnittpräparaten nur sehr schwer gelingt.
Der Tierversuch hatte in den Fällen II und Y ein
negatives Ergebnis, was für die Diagnose Lues als gewichtiges
Moment herangezogen werden konnte. Im Falle III hatte der
Tierversuch einen positiven Erfolg, da beide Versuchstiere an
Tuberkulose zugrunde gegangen waren; daß jedoch in diesem
Falle eine gleichzeitige luetische Affektion vorhanden war, diese
Möglichkeit schließt der positive Tierversuch nicht aus, da
Experimente an Affen nicht vorgenommen werden konnten
und die andere für diese Entscheidung in Betracht kommende
Reaktion, die Eomplementablenkung, zu dieser Zeit noch nicht
bekannt war.
Die Tuberkulin-Reaktion brachte nur in einzelnen
Fällen ein verwertbares Resultat. Fall I (Lues) und V (Lue&)
zeigten weder lokale noch allgemeine Reaktion, die Fälle III
(Tuberkulose-Lues?) und VI (Lues) keine lokale, dagegen All-
gemein-Reaktion, wobei hervorgehoben werden soll, daß im
Falle ni, wie der Tierversuch zeigte, sichere tuberkulöse
Krankheitsherde lokal nicht reagiert hatten.
Der Fall IV (Lues? Tuberkulose?), für den zur Reaktion
Eochsches Tuberkulin verwendet wurde und der Fall II (Lues),
für den Perlsuchttuberkulin nach G. Spengler benützt worden
war, zeigten typische lokale Reaktion. Es hatten demnach im
Falle II Krankheitsherde eine deutliche lokale
378 Maoha.
Reaktion auf Perlsuchttuberkulin gezeigt, die
durch die weiteren UntersuchuDgeD sich als sicher
luetisch erwiesen hatten.
Um daher festzustellen, ob nicht etwa das Perlsacht-
taberkulin, über dessen spezifische Reaktion unsere Erfahrungen
beim Menschen ja yiel geringer sind wie die über das Kochache
Alttuberkulin, häufiger Reaktion in nicht tuberkulösem Gewebe
erzeuge, wurde einer Reihe von Luetikern verschiedener Stadien
Perlsuchttuberkulin injiziert, ohne daß es auch nur ein-
mal gelungen wäre, lokale Reaktion zu erzielen,
nur in dem mitgeteilten Fall VI (Lues) hatte es eine deutliche
Allgemeinreaktion zur Folge, trotzdem Eochsches Älttuberkidin
reaktionslos vertragen worden war; diese Reaktion könnte
immerhin durch die Annahme, daß ein latenter Perlsucht-
tuberkuloseherd vorhanden gewesen sei, erklärt werden. Für
die Reaktion im Falle II aber müssen wir wohl auf eine auch
nur einigermaßen stichhältige Erklärung verzichten.
Was schließlich den Effekt der Jod-Quecksilber-
behandlung und seine diagnostische Verwertbarkeit anbe-
langt, so glauben wir, daß auch in dieser Hinsicht einige Vor-
sicht notwendig und daß nur wirklich prompter und
rascher Erfolg der Behandlung in differential dia-
gnostischer Hinsicht verwertbar ist, während eine unvoll-
kommene oder langsame Besserung keine weitere
Klärung des Falles bringt. So sahen wir nur in den
Fällen II (Lues) und V (Lues) eine prompte und rasche Aus-
heilung der an sich keineswegs leichten Krankheitsprozesse.
Da es sich im Falle II aber um Krankheitsherde handelte, die
auf Perlsuchttuberkulin lebhafte lokale Reaktion gezeigt hatten,
suchten wir dem Einwände zu begegnen, daß es sich nicht
um Jodwirkung auf spezifisch krankes Gewebe, sondern nur
um die Resorption von Krankheitsprodnkten gehandelt habe,
die ' durch das Tuberkulin günstig beeinflußt worden waren.
Deshalb wurde einer Aozahl von Pat. mit ausgebreitetem Lupus
vulgaris, die gleichfalls durch lange Zeit mit Perlsuchttuber-
kulin behandelt worden waren, hohe Dosen von Natrium jodatum
gereicht, doch konnten wir in keinem einzigen Falle
irgend eine günstige Jodwirkung beobachten. Im
Zar Differentialdiagnose swiBohen Laes und Tnberkulose. 379
Falle I (Lues) und VI (Lues) sahen wir einen wenn auch
langsamen, so doch vollständigen Effekt der Behandlung, was
im Falle VI durch den gewiß malignen Charakter der Er-
krankung — bereits im 3. Jahre derselben Auftreten eines
ulzerösen Exanthems — erklärt werden kann, während im
Falle I nur die erste durch uns beobachtete Erkrankung lang-
same Heilungstendenz zeigt, das nächste Rezidiv aber ziemlich
prompt ausheilte. Für die Sicherung der Diagnose konnte in
beiden Fällen der Erfolg der Behandlung nur in entferntem
Maße herangezogen werden. Ähnlich verhielt es sich in den
Fällen III (sichere Tbc. Lues?) und IV (Lues? — Tbc?), in
denen ebenfalls die Quecksilber-Jodbehandlung nur recht lang-
sam und im Falle III überdies nicht einmal vollständige Heilung
herbeiführte.
Diese unsere Beobachtungen decken sich auch mit denen anderer,
besonders französischer Autoren (Fournier, Crentzer» Pa^ie,
Cabrol, Brocq etc.), die g&nstige Beeinflussung tuberkulöser Krankheits-
herde durch Ealomel beobachten konnten. Allerdings kommt L engl et (7)
bei Besprechung dieser Fftlle zu der Ansicht, daß es sich wahrscheinlich
in der Mehrzahl derselben um Mischformen von Lues und Tuberkulose
oder um tuberkuloseähnliche Krankheitsprozesse luetischer Natur gehan-
delt habe.
Eine einwandsfreie Beobachtung von günstiger Beeinflussung tuber-
kulöser Prozesse durch Jod-QuecksilberbehandluDg teilt KGrünberg(8)
mit. Er berichtet über einen Patienten mit schwerer Tuberkulose des
Gaumens, Pharynx und des Kehlkopfes, der unter Jod- und schließlich
Jod-Quecksilberbehandlung vollständig zur Ausheilung kam und bei dem
der Tierversuch die Diagnose Tuberkulose bestätigte. Auf Grund seiner
Beobachtung spricht sich G. dafür aus, endlich mit der Ansicht zu
brechen, daß luetische Affektionen allein durch Jod-Quecksilberbehandlung
günstig beeinflußt werden, sondern zuzugestehen, daß auch tuberkulöse
Krankheitsherde unter dieser Behandlung ausheilen können.
Anmerkung bei der Korrektur. Während des Druckes der
vorliegenden Arbeit stellte sich der Fall IV neuerdings auf der Klinik
vor. Am Übergange vom harten zum weichen Gaumen findet sich eine
etwa 2 em lange und 1 cm breite Perfora tionsöffnung, deren Ränder teil-
weise speckig belegt, teilweise bereits narbig verändert sind. Gleich-
zeitig wurde bei dem Pat. bei dieser Gelegenheit die Komplementablenkung
mit dem Blutserum ausgeführt, die vollständige Hemmung der Hämolyse
ergab. Mit Rücksicht auf diese nachträglichen Befunde können wir uns
wohl mit Sicherheit für die Diagnose Lues entscheiden. Es haben somit
auch in diesem Falle luetische Krankheitsprodukte typische lokale Reaktion
auf Tuberkulin gezeigt.
880 Maoha.
Literatur.
1. Fabry, ArobiT f&r Denn, and Syph. Bd. XXV. pag. 9S6.
2. Jadaisohn, Dentache med. Wochenschrift 1894. pag. 234.
8. Herzheimer K., ArchiT f&r Denn, and Syph. Bd« XXXVU«
pag. 879.
4. Peppmülleri Graefes ArohiT f. Ophthalm. Bd. XLIX. pag. 808.
6. Loewald, Dermat. Zeitschrift 1899. pag. 577.
6. Nicolas and Fayre, Annal. des malad, venerien. 1907. Nr. 6.
7. Lenglety La Pratiqae dermat. Bd. IQ.
8. Grünberg E., Münchner med. Wochenschrift 1907. Nr. 84.
Ans der k. laryngologisohen Folikliiük der Universität München.
(Vorstand: Prof. Dr. Nenmayer.)
über Verkümmerung der Augenbrauen
und der Nägel bei Thyreoidosen.
Von
Dr. R Hoflinanii,
I. Asaiitent.
(Mit einer Abbildung im Texte.)
Bei einer Patientin, die wegen einer Nebenhphleneitemng
in Behandlung kam, konnte ich einen interessanten Neben-
befund erheben:
Es bandelt sieh am eine 27jährige, grofie, kraftige Bauersfrau aas
Oberbayem. Die Augbrauen wie die Wimpern bestehen aus dunklen,
kleinen, sehr kräftigen, stumpf endigenden Haarstummeln, so daß ich
xuerst glaubte, sie seien versehentlich versengt worden. Die Länge der
Augbrauenlinie beträgt etwa 67, Zentimeter. Die Ansatzlinie des mäßig
reichlichen, braunen Haupthaares ist zurückgesetzt, so daß eine hohe
Stirn sichtbar ist.
Auch andere epitheliale Gebilde, die Nägel an Händen und Füßen
sind kümmerlich entwickelt: Sie sind klein, der weiße Hof an der Basis
fehlt; oben läuft der Nagel spitz aus, die Fingerkuppe ist in einer Höhe
von mehr als 6 mm sichtbar. Im oberen Viertel verliert der Nagel seinen
Glanz und die rosa durchschimmernde Farbe, er wird weiß, brüchig, un-
durchsichtig. Der Nagel haftet mit seiner ganzen Fläche fest an der
Unterlage. Seine Wölbung ist eine annähernd normale. Eine merkwürdige
Konfiguration erhält der Nagel durch drei Impressionen, welche etwa
V4 seiner Fläche einnehmen. Die mittlere, welche dem Abdruck einer
882 Hoffmann.
Fingerkappe in Terkleinexiem Maßstabe entspricht, ist größer, als die
beiden seitlichen.
Der Nagel ist wohl dem Wachstum des Individuums entsprechend
größer geworden, ein Besehneiden desselben war aber nie notwendig noch
möglich.
Die Anamnese ergab folgenden Stammbaum:
n9
Gr.
III 6
V«tep.
Gr. Mutter.
0')
16
Vater
0
IV 5
Matter
V9 VIQ Vllö
©
0
19
©
119
©
111 9 r
^^,,,^--'© (Patientin)
IV 9 VS
©
Es läßt sich also kein Vorwiegen des einen oder des
anderen Geschlechtes feststellen. Die normalen Familienmit-
glieder sind die später geborenen, bei Geburt des ersten Kindes
war die Patientin 18 Jahre alt^ ein Alter, welches ja häufig Ton
Störungen in der internen Sekretion bestimmter Drüsen z. B.
Thyreoidea und Ovar begleitet ist.
Von ihren 6 Geschwistern (4 Brüder und 2 Schwestern)
waren 8 Brüder und 1 Schwester anormal, Ton ihren 5 Kindern
— lauter Mädchen, nur das älteste. Der Ehemann ist normal
Die Familieneigentümlichkeiten erbte der Vater der Patientin
Ton seiner Mutter.
Die Mißbildungen kommen auch bei der femer stehenden
Verwandtschaft der Patientin vor und werden von ihr als sichere
Merkmale der Zugehörigkeit zu ihrer Familie angesehen.
Bemerkenswert erscheint, daß die Patientin eine mäßig
große Struma (39 cm Halsumfang) aufweist, daß femer ihre
sämtlichen Geschwister, sowie ihre Mutter (auf den früh Ter-
storbenen Vater kann sie sich nicht erinnern) vergrößerte
Schilddrüsen haben. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die
Patientin aus einer Kropfgegend stammt. Daß die Augbrauen
') O anormale Familienglieder.
Ober TerkümmeTang der Aogenbranen and der Nägel etc. 383
verkümmert nnd die Haargreozen zuriickgerückt siod, findet
man aacb beim iofantileu Myxödem. Vielleicht darf man eines
DjBtbyreoidismus als prädisponierend fiir die geschilderte Miß-
bildung von Angbraueo and Nägel aaseben. Bei unserer Pati-
entin weist ein bescbleuoigter Puls (ca. 90) und ein ganz leichter
Exophthalmus auf einen HyperthTreodiamus hin.
Gleichzeitig sab ich einen Fall von Hypotb^reoidismus,
welcher, wie die vorige Patientin, dieselbe Verkümmerung der
Augbrauen neben einer Struma zeigte:
Bar Patient ist 28 Jkhre alt, Maler; der HaliuinfaDfr betrigt
43 em. Trotz der Vergrößening der Schilddrfige zeigt er deatl ich e Zeichen
dei Hypothyreoidiemui. Er ist Töllig bartlos (Scharabaare gnt entwickelt),
die Angbraaen beitehen am kleinen Stummeln, die Qrenzen des Hanpt*
burei rind vorn nnd hinten beraaf gerückt und zeigen ,Q«heitDrata-
winkel'. Die Haare ttehen lehr weit auseinander. Die Haut de*
Gerichte* und die Haltes ist trocken, glanzloa, l«icM abhebbar. Am Halse
■eigt sie tiefe Falten, zwei in der Höhe de* ob«ren Randes des Thjreoid-
knorpel* laufen dicht nebeneinander parallel, so dafi man luerat glanbt
384 Hoffmann.
eine Sehnürfarche Tor rioh la sehen. DerGhuunen üt abnorm hoch, dem
Toms palati entsprechend erhebt sich eine etwa 1 em lange, 4 mm hohe
Leiste, die mit stark gewnlsteter Schleimhaat besetzt ist Die oberen
Eckzähne fehlen, ohne daß eine Lücke sichtbar ist; sie saßen früher über
den oberen äußeren Schneidezähnen nnd wnrden Tom Zahnarzt entfernt.
Das äußere Ohr ist normal. Der Patient erhält Thyreoidin.
{
Ans der Zlinik für Syphilis tmd Hantkrankheiten der üniversit&t
Bonn (Direktor: Qeheimrat Professor Sr. Sontrelepont).
Über die v. Pirquetsche kutane
Tuberkulinimpfung und die Ophthalmo-
reaktion bei lupösen Erkrankungen.
Von
Dr. Wilhelm König.
Seit Y. Pirquet seine Arbeit „Die Allergieprobe zur
Diagnose der Tuberkulose im Kindesalter' veröffentlicht hat,
sind eine ganze Reihe von Abhandlungen erschienen, die sich
mit der Reaktion nach kutaner Tuberkulinimpfung beschäftigen
und die Verwendbarkeit dieser Methode für Diagnose und
Therapie diskutieren. Auch von den Dermatologen sind die
Versuche von t. Pirquet wiederholt nachgeprüft und auch
schon zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken heran^
gezogen worden, so von Erei bisch -Band 1er und von
Nagelschmidt. Die Erkenntnis der Wichtigkeit dieser
Methode yeranlaßte nun meinen Chef, Herrn Geheimrat Prof.
Dr. Doutrelepont, die kutane Impfung an geeigneten
Fällen in der Elinik vorzunehmen. Am 18. November 1907
berichtete er in der Niederrheinischen Gesellschaft für Natur-
und Heilkunde in Bonn zum erstenmale über die v. Pirquet-
sche Reaktion und daran anschließend über die Ophthalmo-
reaktion. Die Versuche wurden seitdem weiter fortgeführt und
ihre Veröffentlichung mir übertragen.
Die Impfung geschah mit unverdünntem Alttuberkulin
und wurde in der Weise vorgenommen, daß entweder ober-
flächliche Einschnitte oder Einstiche mit steriler Lanzette an-
gelegt und mit Alttuberkulin eingerieben wurden. Neben ge-
Ar«li. t D«niutt. n. Syph. Bd. LXXXIZ. 25
386 König.
Sunden Hautstellen wurden auch Lupusherde geimpft Da-
durch war die Möglichkeit gegeben, die Stärke der Reaktionen
im kranken und gesunden Gewebe zu Tergleichen. Fast bei
allen Geimpften wurden außerdem noch Eontrollskarifikationen
ohne Tuberkulin in gesunder Haut angelegt. Es geschah das,
um einen Anhaltspunkt dafür zu gewinnen, ob wir unsere
Impfungen auch wirklich streng aseptisch Torgenommen hatten.
Geimpft wurden im ganzen 20 Lupöse, manche bis zu
achtmal. Alle zeigten an den mit Tuberkulin geimpften Stellen,
mochten diese nun in gesunder Haut liegen oder lupös erkrankt
sein, deutliche Reaktion von wechselnder Intensität. Wir sahen
alle Stadien Ton leichten Erythemen mit kaum nachweisbarer
Infiltration bis zum tiefen subkutan liegenden, äußerst schmerz-
haften Knoten und davon ausgehender deutlicher Lymphangitis.
Alle diese Erscheinungen bildeten sich zurück unter Abschup-
pung und Pigmentierung, manchmal ziemlich rasch, manchmal
wieder sehr langsam. So z. B. sind die lymphangitischen
Stränge an den Armen der am 16. November geimpften Pa-
tienten D. und B. noch heute (nach zirka 5 Wochen) als leicht
braunpigmentierte, nicht schmerzhafte Streifen zu sehen.
Eine Allgemeinreaktion haben wir nur einmal erlebt und
zwar bei der am 25. Oktober geimpften Patientin K., die neben
ihrem ausgedehnten Lupus noch deutliche Lungenveränderungen
zeigtejund früher Neutuberkulin derart schlecht vertragen hatte,
daß die Tuberkulinbehandlung unterbrochen werden mußte. Das
Impfprotokoll mag hier folgen.
26./X. Eine Anzahl Einschnitte am rechten Vorderarm werden mit
Alttnberkulin eingerieben (Morgens).
Abends ist die Temperatur 88^ Die Einschnitte sind difins gerötet,
geschwollen and schmerzhaft. Hochrot entzöndete, druckempfindliche
Lymphstränge ziehen den Arm hinauf. Gleichseitig ist das Allgemein-
befinden sohlecht. Es bestehen starke Kopfschmerzen, Hustenreiz, Erbre-
chen und ab und zu Schüttelfrost.
26./X. Pat. hat heute wieder normale Temperatur. Die lymphangi-
tischen Streifen sind abgeblaßt.
80./X. Um die Einschnitte besteht noch immer eine talergroße
Röte. Die Lymphangitis ist noch nicht völlig zurückgegangen, doch ist
die Schwellung und Sohmerzhaftigkeit der Streifen geschwunden.
Unter unseren Fällen befinden sich zwei, bei denen wir
eine Erscheinung an den Augen beobachteten, die wir yieUeicht
über die ▼. Purqnetscbe kutane TaberkulininipfuDg etc. 387
mit der von Moro und Dogaooff nach t. Pirquet scher
Impfung in einigen Fällen festgestellten Konjunktivitis ver-
gleichen dürfen.
Es handelt sich um die beiden Bruder Willy und Otto M., 11
bzw. 7 Jahre alt, die am 8./XII. 1907 in die Klinik wegen ausgedehntem
Lupus des Gesichtes aufgenommen wurden. Außerdem hatten beide deut-
liche Conjunctivitis und Hornhautnarben. Am 4./XII. wurden beide an
einer gesunden Stelle ihrer Oberarme mit Alttuberkulin geimpft. Im
Laufe der n&ehsten Tage entwickelten sich an den Impfstellen schöne
Papeln. Am 9./Xn. verschlimmerte sich plötzlich die Conjunctivitis bei
beiden beinahe gleichzeitig derart, daß wir vielleicht berechtigt sind,
einen Zusammenhang zwischen Impfung und Conjunctivitis zu vermuten.
Diese Annahme würde an Gewißheit gewinnen, wenn nach Ablauf der
jetzigen Entzündung eine 2. Impfung ebenfalls von einer Yerschlimmerung
der Conjunctivitis gefolgt wäre.
Die Stärke der Reaktion in gesunder Haut scheint sehr
von der Schwere der lupösen Erkrankung abzuhängen u. zw.
derart, daß Fat. mit ausgedehntem Lupus viel stärkere Reak-
tion bei der kutanen Tuberkulinimpfung zeigen, als solche mit
leichterer Erkrankung. Am besten trat dieser Gegensatz bei
den Patientinnen H. E. und M. P. hervor.
Die Patientin H. E. hatte einen ausgedehnten Lupus des Gesichtes
und zahlreicher anderer Eörperstellen. Sie reagierte bei den wiederholten
Impfungen, die bei ihr an gesunden Hautstellen vorgenommen wurden,
immer sehr heftig. Zweimal gingen von solchen Stellen Lymphangitiden
aus und das Allgemeinbefinden war stark gestörK
Bei der Patientin M. P. fand sich von alledem nichts. Bei ihr, die
an einem wenig ausgedehnten und wenig bösartigen Lupus der Nase litt,
kam es bei allen Impfungen in gesunder Haut (4 im ganzen) immer nur
zu leichten Erythemen.
Außerdem wurden im ganzen 7 an anderen Erankheiten
(Ekzem, Favus, Sykosis, Elephantiasis, Lues) leidende geimpft.
In allen diesen Fällen fanden sich keine Zeichen für beste-
hende oder überstandene Tuberkulose. Geimpft wurden gesunde
Hautstellen bei den 4 erstgenannten Erankheiten und zwar
mit Erfolg (Erytheme, leichte Infiltration) und bei einer Lues
tertiaria ohne Erfolg. In den beiden übrigen Fällen, den Pa-
tientinnen M. H. und E. L., wurden syphilitische Effloreszenzen
die in Form des Liehen syphiliticus sich zeigten, geimpfk. Bei
der einen Patientin blieb der Erfolg aus, bei der andern E. L.
sahen wir an der Impfstelle eine deutliche Infiltration auf-
25*
388 König.
treten und später die Oberfläche sich in Bläschenform ab-
heben.
K r e i b i c h hat dieselben syphilitischen Effloreszenzen
bei zwei Prostituierten geimpft, aber im Gegensatz zu uns
beidemal deutliche Reaktion erhalten. Das lag wohl daran,
daß seine beiden Fälle früher skrofulös waren (Narben am
Kinn), also sicher die für das Zustandekommen der kutanen
Reaktion geforderte Überempfindlichkeit der Zellen hatten.
Unsere Patientionen boten uns aber, wie schon oben erwähnt,
keine Anhaltspunkte für Tuberkulose.
Unter den Lupösen finden sich zwei Fälle, die wiederholt
an kranken Stellen geimpft wurden, um den Einfluß der wieder-
holten Impfung auf die Heilung zu prüfen und einer (Lupus-
pemio), bei dem die Impfung zur Sicherung der Diagnose vor-
genommen wurde, da die Alttuberkulininjektion keine Lokal-
reaktion ergeben hatte. Schließlich wurde auch noch geimpft,
um festzustellen, ob ein Lupus vollständig geheilt war. Denn
es gibt, worauf mein Chef schon wiederholt hingewiesen hat,
manche Fälle von geheiltem Lupus, bei denen die Injektion
von Alttuberknlin deswegen zu keiner Reaktion fuhrt, weil die
histologisch noch nachweisbren Lupusknötchen vom Narben-
gewebe umgeben sind und dieses infolge seiner Armut an
Blut- und Lymphgefäßen die Toxine des Alttuberknlin nicht
mit den Antikörpern im Lupusgewebe in Verbindung treten läßt
Aus dem Gesagten geht hervor, daß wir die v.Pir quet-
sche Impfung einmal zur Sicherung der Diagnose und dann zu
kurativen Zwecken gebraucht haben. Es fragt sich nun, ob
das gerechtfertigt ist
Wünschenswert wäre es, eine andere Anwendungsart des
Alttuberknlin zu haben wie die subkutane. Die subkutane
Anwendung hat manche Nachteile. Einmal ist sehr häufig da-
mit eine Allgemeinreaktion verknüpft; in anderen Fällen ver-
bietet sich ihr Gebrauch, weil aasgedehnte Tuberkulose innerer
Organe besteht und die Wirkung auf die in diesen sich ab-
spielenden Prozesse unberechenbar ist und schließlich läßt sie
uns manchmal im Stich, besonders in, wie schon oben ange-
deutet, Fällen von scheinbar ausgeheiltem Lupus« Bei allen
diesen Ausnahmen könnte nur mit Erfolg die kutane Impfung
über die ▼. Pirquetscbe kutane Taberkulinimpfnng etc. 389
angewendet werden. Denn einmal ist die Allgemeinreaktion
ziemlich selten und dann kommt das Alttaberkulin auch sicher
an die Stelle, wo es hin soll, ganz gleichgültig, ob Narbengewebe
die verdächtige Partie umgibt oder nicht. Allen diesen Vor-
teilen steht aber scheinbar die Tatsache als Nachteil entgegen,
daß die meisten Erwachsenen aufdie kutane Tuberkulinimpfung
positiv reagieren. Doch ist dieser Nachteil nur ein scheinbarer.
Wie schon Nagelschmidt betont hat, wie auch wir selbst
es wiederholt gesehen haben, verläuft die kutane Impfung an
gesunden und an tuberkulösen Stellen in gut von einander
trennbarer Weise. In der gesunden Haut bildet sich gewöhn-
lich nach 8 — 24 — 48 Stunden eine leichte Röte und Infil-
tration, die oft als solche bestehen bleibt, manchmal aber erst
die Vorstufe zur Papelbildung ist, und die in mehr oder
weniger kurzer Zeit unter Schuppung und Pigmentierung sich
zurückbildet. Anders verhält sich die geimpfte lupöse Stelle.
Hier tritt sehr rasch eine stärkere Infiltration und oedematöse
Durchtränkung ein, der häufig eine Abstoßung der oberen
Hautschichten und damit Geschwürsbildung folgt Also alles
in allem : die Reaktion ist bei der Impfung im gesunden
ungleich schwächer als die im tuberkulös erkrankten Gewebe.
Schwieriger erscheint die Frage, ob die kutane Impfung
uns in Stand setzen kann, tuberkulöse Erkrankungen von an-
deren zu trennen und damit die Zugehörigkeit einer Erkran-
kung zur Tuberkulose zu entscheiden. Bei einer im oben
angeführten Sinne ausgebildeten Reaktion scheint das leicht
zu sein, nicht aber in den Fällen, wo eine Differenz zwischen
der Impfung in gesunder und kranker Haut nicht deutlich ist
Wo aber eine solche Diffemz der Reaktion fehlt, ist uns wohl
der Wahrscheinlichkeitsscbluß gestattet, daß wir es nicht mit
Tuberkulose zu tun haben. Daraus geht hervor, daß die
V. Pirquetscbe Impfung auch für die Differentialdiagnose
etwas leisten und uns eventuell auch Aufschlüsse über die
Ätiologie gewisser Hauterkrankungen geben kann. So war es
uns sehr interessant, daß der schon einmal erwähnte Fall
(Lupus pernio), der auf 5 mg Alttuberkulin nicht reagiert
hatte, bei Impfung in der gesunden Haut mit einer leichten
Papel reagierte, während die Impfung in der erkrankten, von
390 König.
stark ödematöser Schwellung, Hyperämie und Blasenbildung
gefolgt war, Erscheinungeu, die erst nach einiger Zeit unter
Borkenbildung abklangen. Also eine deutliche Differenz
zwischen den beiden Impfungen.
Eine andere Erage ist die nach der Brauchbarkeit der
kutanen Tuberkulinimpfung für therapeutische Zwecke d. h. die
Frage, ob die wiederholte Impfung und die dadurch gesetzte
Gewebsreaktion im stände ist, die Hauttuberkulose zur Heilung
zu bringen. Vorteile böte diese Art der Behandlung genug,
denn der Hauptnachteil der subkutanen Ii^ektion, die Allge-
meinreaktion, die nach Sahli und Denys etwas schädliches
ist, fehlt meistens. Und dann besteht bei der kutanen Medi-
kation auch eo ipso die Möglichkeit, die Forderung zu erfüllen,
die Gitron jüngst an die Tuberkulinkur gestellt hat: »Das
Ziel der Therapie muß demgemäß sein, solche Dosen von
Tuberkulin zu injizieren, die den größten Bindungsreiz für die
Zellen abgeben behufs Antikörperproduktion, ohne daß die
toxische Grenze, die im Fieber zum Ausdruck kommt, erreicht
wird.«
Die Frage der Heilung scheint uns im positiven Sinne zu
entscheiden zu sein. Wir haben zwei Fälle wiederholt an
denselben lupösen Stellen geimpft und haben dabei nach Ab-
lauf der entzündlichen Reaktion ein sicheres Undeutlichwerden
der zahlreichen Knötchen bemerkt. So hat Doutrelepont
in der Niederrheinischen Gesellschaft einen Patienten mit auf
diese Weise fast geheiltem Lupns des Armes vorgestellt.
Ob auf diese Art eine Heilung möglich ist, läßt sich
natürlich nicht allein auf Grund der klinischen Beobachtung
sagen. Wollte man diese Frage entscheiden, so müßte man
nach verschieden langer Dauer und Wiederholung der Impfung
Lupusherde excidieren und im histologischen Bilde die Ver-
änderungen studieren, die die künstliche Entzündung im Ge-
webe setzt. Wir müßten feststellen, wie es z. B. für die
Röntgen-Tuberkulin- und Finsenbebandlung deq Lupus Dou-
trelepont und Grouven getan haben, ob die Reaktion
des Gewebes eine derartige ist, daß man von einer Tendenz
zur Heilung sprechen kann. Die Vorgänge bei der Röntgen-
bestrahlung sind, um mich der Worte Doutreleponts zu
über die y. Pirqaetsche kutane Tnberkulinimpfung etc. 391
bedienen, folgende: „Zunächst macht sich eine deutliche
Hyperämie geltend, die zu einer gesteigerten Leukocytenaus-
wanderung aus den Gefäßen fährt. Die leukocytäre Infiltration
beginnt an der Peripherie, dringt jedoch dann auch in Zügen
nach dem Innern der Lupusherde, um hier wahrscheinlich sich
in Spindelzellen und fibrilläres Gewebe umzuwandeln. Jeden-
falls deutet die große Zahl der vorhandenen Spindelzellen
die lebhafte Bindegewebsproliieration an.
Die Lupuszellen yerfallen der vacuolisierenden Degenera-
tion, die Kerne verlieren mehr und mehr ihre Färbbarkeit,
zerfallen schließlich und so kommt es zur allmählichen Re-
sorption des kranken Gewebes und zum Ersatz desselben durch
Narbengewebe.*
Den Beginn des Heilungsprozesses d. h. die Hyperämie,
Exsudation und Wallbildung durch lymphocytäre Elemente
haben wir im histologischen Bilde studieren können. Es han-
delte sich um einen Lupusherd, den wir 48 Stunden nach der
Impfung excidiert hatten. Er stellte sich um diese Zeit als in
Enotenform infiltriert und gerötet dar.
Die histologische Untersuchung ergab dBs typische Bild
des Lupus mit einer vorwiegenden Lokalisation der Infiltration
im Corium. Das Infiltrat zeigte massenhaft Mastzellen. Um-
geben waren die einzelnen Herde von einem ziemlich starken
Lymphocytenwall. Außerdem bestand Gefäßerweiterung und
geringes Ödem der Cutis, also Erscheinungen, die analog der
Wirkung der Röntgenbestrahlung als Ansätze zur Heilung zu
betrachten sind.
Eine weitere wichtige Frageist die, wie das Alttuberkulin
in der gesunden Haut wirkt bzw. welche histologischen Yer-
änderungen es macht. Wie die klinischen Veränderungen bei
Tuberkulösen bzw. bei tuberkulös gewesenen sind, wissen wir
von den Untersuchungen von v. Pirquet. Der histologische
Befund ist von Kreibich und viel früher noch von Kling-
müller studiert worden.
ElingmüUer fiel es auf, daß auf erneute Tuberkulin-
injektion alte Injektionsstellen reagierten. Er excidierte solche
Stellen und fand im subkutanen Gewebe zahlreiche kleinere
und größere Herde lupoiden Charakters; die Herde setzten
892 König.
sich zusammen aus hauptsächlich peripher gelagerten Infiltra-
tionszellen, mehr zentral gelagerten, massenhaft vorhandenen
epitheloiden Zellen und Riesenzellen von verschiedener Größe
aber Langhans sehen Typus. Die Veränderungen waren in
geringem Grade auch im Stratum reticulare vorhanden, umgaben
die Follikel und safien auch an den subpapillären und papil-
lären Gefäßen. In einem von 100 Präparaten fieuid sich ein
säure- und alkoholfester Bazillus, in einigen anderen chemisch
ebenso sich verhaltende Teile von Stäbchen, die K. als Trüm-
mer von TB-Bazillen ansprach.
Dieser Befund schien ihm den Schluß zu rechtfertigen»
daß die im Alttuberkulin vorhandenen Bazillen oder Bazillen-
reste der Tuberkulose ähnliche Veränderungen hervorriefen.
Ferner wies er nach, daß auch vollständig bazillenfreies,
durch Tonzellen filtriertes Alttuberkulin bei intraepidermidaler
Injektion typische Lokalreaktion und die für Tuberkulose spe-
zifischen histologischen Veränderungen hervorrief. Damit war
nach seiner Ansicht der Beweis geliefert, daß aach die Toxine
der Tuberkelbazillen ähnliche Veränderungen zu erzeugen im
Stande sind.
Die Befunde, die wir bei der kutanen Impfiing erhoben,
sind histologisch den von Klingmüller beschriebenen ähn-
lich und ich will sie nun kurz schildern. Von den mir von
meinem Chef zur Verfügung gestellten Präparaten will ich
drei Gruppen herausgreifen, die klinisch als leichte, starke
und sehr starke Reaktion sich darstellten.
Die leichte Reaktion fand sich bei einer 31 Jahre alten
Lupösen, F. G., die am 24. Oktober mittels Einstich an einer
gesunden Stelle des rechten Unterarmes geimpft worden war.
Am 28. Oktober, dem Tage der Excision, fand sich noch eine
geringe Rötung und Infiltration.
Mikroskopisch fiel vor allem auf eine starke, hauptsachlich
aus Lymphocyten bestehende Infiltration besonders in den
tieferen Schichten und um die Schweißdrüsen. An einzelnen
Stellen ausgesprochene perivaskuläse Lagerung. Riesenzellen
waren nirgends zu finden. Mastzellen finden sich in geringer
Zahl. Das Epithel war teilweise stärker von Leukocyten durch-
setzt und zeigte stellenweise interspinales Ödem mit Quellung
und Kompression der Zellen.
über die v. Pirqaetsche katane Taberkulinimpfang eto. 393
Die Btarke Reaktion beobachteten wir bei der lupus-
kranken £. £L, die ebenfalls am 24. Oktober mittels Einstich
geimpft worden war. Die Excision erfolgte am 28. Oktober.
Um diese Zeit bestand ein etwa 10 Pfennigstück großes Ery-
them. Die asentrale Partie ist dunkler gerötet, leicht geschwollen
xmd infiltriert, der peripherische Saum blafirot, verwaschen,
ins Gesunde übergehend.
Histologisch fand sich folgendes: Auch hier war ein
deutliches entzündliches Infiltrat in die Augen springend. Dieses
Infiltrat fand sich in stärkerer und diffuserer Ausbreitung im
subkutanen Gewebe, während es in den höheren Schichten
mehr herdförmig war und sich den Gefäßen und Schweißdrüsen
anschloß. Eine stark ausgesprochene Gefaßerweiterung findet
sich nicht,
Auffällig ist femer eine stellenweise hochgradige Verbrei-
terung der Coriumpapillen, die auf ödematöser Durchtränkung
beruht. Die Epithelzapfen sind dort komprimiert und ver-
schmälert. Das scheinbar fibrinreiche Ödem erstreckt sich
hie und da auch in die Epithelleisten, die dadurch aufgefasert
und büschelförmig auseinander getrieben erscheinen. Das
Epithel selbst ist in seiner Struktur nicht verändert, aber fleck-
weise ist es hochgradig von Blutelementen durchsetzt. Zeichen
von Nekrose finden sich nicht.
Eine sehr starke Reaktion sahen wir bei der lupus-
kranken K. D., die am 12. November am rechten Vorderarm
geimpft worden war. 9 Tage später, am 21. November, fand
sich an dieser Stelle noch ein tiefer subkutan liegender
Knoten.
Mikroskopisch fiel auch hier wieder die hochgradige, in
Stärke die übrigen Schichten entschieden übertreffende Infil-
tration des subkutanen Gewebes auf. Sie ist eine meist diffuse,
aber doch auch vielfach herdförmig angeordnete. Diese Herde
besitzen eine ausgesprochene Beziehung zu arteriellen Gefäßen,
deren Wandung, wo es sich um größere Gefäße handelt, intakt
erscheint, während die kleineren entschieden eine Lockerung
ihrer Schichten erkennen lassen. Übrigens scheinen die Herde
die kleineren Gefiiße zu bevorzugen und es macht den Eindruck,
als ob um sie der ganze entzündliche Prozeß beginne. Auch
394 König.
das Coriam weist eine diffuse Infiltration aber entschieden
geringeren Grades auf. Eine herdförmige Infiltration findet
sich da, wo die Schweifidrüsen und größere Lymphspalten
liegen. Das Infiltrat reicht bis an das Epithel heran, das
fleckweise eine stärkere Durchwanderung durch Leukocyten
und eine Lockerung seines Gefuges erkennen läßt. An ein-
seinen Stellen findet sich in sämtlichen Schichten des Stratum
germinativum sehr feinkörniges braunes Pigment, das um auf-
fallend langgestreckte spindelförmige Kerne gelagert ist. Die
Epithelzellen selbst sind unverändert.
Die Zellen des Infiltrats sind meist lymphocytären Char-
akters. Wie nach Pappenheim gefärbte Präparate zeigen,
finden sich ziemlich viele Plasmazellen, mäßig reichliche Mast-
zellen und fieckweise verschieden reichlich Zellen, die epi-
theloiden Zellen ähnlich sind. Sie sind herdförmig angeordnet.
In Präparaten aus anderen Stellen des Blockes nimmt die
vorher erwähnte herdförmige Anordnung im subkutanen Ge-
webe die Form von Tuberkeln an mit Riesenzellen, die aber
nicht deutlich den L an gh ans sehen Typus d. h. wandständige,
in Richtung der Zellradien angeordnete Kerne erkennen lassen.
Doch findet sich nirgends Nekrose. Auch hier finden sich
diese Gebilde in der Nähe von Schweißdrüsen und größerer
Lymphspalten der Haut.
Fasse ich den mikroskopischen Befund in diesen 3 Fällen
zusammen, so handelt es sich um eine Entzündung, die sich
vorwiegend im subkutanen Gewebe abspielt, die Neigung hat
zu herdförmiger Infiltration um die Anhangsgebilde. Diese
herdförmige Anordnung geht bis zu an Tuberkel erinnernde
Formen mit Riesenzellen und epitheloiden Zellen, doch ohne
Nekrose.
Wir haben also einen histologisch ähnlichen Befund er-
heben können wie Klingmüller. Es fragt sich nun, wie
diese Veränderungen zustande kommen, d. h. wie die Tuber-
kulinreaktion verläuft und ferner, ob diese tuberkelähnlichen
Bilder, die wir bei kutaner Impfung in der gesunden Haut von
Leuten, die an irgend einer Form der Tuberkulose erkrankt
sind, manchmal erhalten, wirklich Tuberkulose sind.
über die v. Pirqaetsche kutane TaberkulinimpfaDg etc. 395
Über das Wesen der Tuberkulinreaktion hat Gitron in
seinem Aufsatze in der Berliner klinischen Wochenschrift
Nr. 36 ausführlich berichtet. Er erklärt die Reaktion mit Hilfe
der Ehrlich sehen Theorie und sagt etwa folgendes: „Der
Körper, in den ein Erankheitskeim (Antigen) eindringt, muß
iür diesen disponiert sein und diese Disposition ist die Fähig-
keit des Körpers, den Krankheitskeim zu assimilieren. Das
kann aber nur geschehen, wenn die Zellen des Körpers Rezep-
toren zur Bindung des Antigens haben. Kommt es nun zu
einer solchen Bindung, so wird dadurch die Zelle geschädigt
und bildet für die geschädigten Rezeptoren zahlreiche neue,
die als Antikörper in das Serum abgestoßen werden. Diese
Antikörper verschwinden sehr rasch, aber es bleibt eine Um-
stimmung der Zellen (Wassermann und Gitron), die
T. Pirquet Allergie nennt, und die nichts weiter ist als die
erhöhte Fähigkeit zur Antikörperproduktion und zur Bildung
Ton Antigen.
Bei Leuten nun, die an Tuberkulose in irgend einer Form
leiden oder gelitten haben, besteht fast immer diese Fähigkeit
der Zellen. Bringe ich daher subkutan Tuberkulin in den Or-
ganismus, so wird es durch die überempfindlichen Zellen an-
gezogen, bei kutaner Impfung gelangt es direkt zu ihnen, und
der Körper reagiert darauf mit einer Entzündung d. h. mit
Hyperämie und Auswanderung von Blutelementen.
Die andere Frage, ob die histologischen Befunde von
Klingmüller und uns wirkliche Tuberkulose sind^ wage
ich nicht zu entscheiden, doch möchte ich die Vermutung aus-
sprechen, daß wir es nur mit tuberkuloseähnlichen Veränderungen
zu tun haben. Gegen Tuberkulose sprechen das meist spurlose
Verschwinden der subkutanen Knoten, die erfolglosen Überimp-
fungsversuche auf Tiere (Klingmüller), das in all unseren
Präparaten festgestellte Fehlen der Nekrose und schließlich
der nicht ganz einwandfreie Bau der Riesenzellen Daß das
alles keine sicheren Beweise sind, weiß ich recht wohl. Auch
der Liehen scrophulosorum geht manchmal spontan zurück,
und es gibt mehr wie eine sichere Tuberkulose, bei der sich
keine Nekrose findet.
396 König.
Die Ansicht Klingmüllers, daß die Toxine des Altta-
berkulins histologisch typisch tuberkulöses Gewebe erzeugen,
ist übrigens bald nach ihrem Bekanntwerden von J ad as söhn
bekämpft worden. Jadassohn scheint der Beweis nicht er-
bracht zu sein, und er glaubt, daß ein Tuberkulin, das mikro-
skopisch nachweisbare Bazillen oder deren Trümmer enthält,
auch nach Filtration durch Tonzellen nicht frei von korpus-
kularen Elementen sei. Daraus folge aber, daß das Filtrat
genau so wirken müsse wie in Tuberkulin, in dem noch sicht-
bare tote Bazillen sind.
Das Zustandekommen der histologisch Tuberkulose so
ähnlichen Veränderungen in unseren Präparaten möchte ich
mir damit erklären, daß die Toxine und Bazillenreste im Alt-
tuberkulin, die doch von auf künstlichen Nährböden gezogenen
Kulturen stammen, anders oder besser schwächer wirken als^
die in den Körper eindringenden und sich dort vermehrenden
BaziUen. Diese bedingen die stärkere Infektion, erzeugen auch
eine stärkere Reaktion d. h. den ausgesprochenen Tuberkel, wäh-
rend jene Reaktionen der Gewebe hervorrufen, die sich in
tnberkelähnlichen Bildern äußern.
Natürlich wird man jetzt fragen, warum finden sich nicht
bei allen Reaktionen diese Bilder, warum z. B. nur in dem
Fall E. D. und nicht auch bei F. G. und E. H. Ich glaube,
da spielt noch ein anderes Moment eine Rolle. Sicher ist die
Fähigkeit, Antikörper zu bilden und Antigen zu binden, bei
verschiedenen Menschen verschieden. Da, wo diese Fähigkeit
stark ausgebildet ist, wird der Körper schnell und stark rea-
gieren und ich denke mir, nur in diesen Fällen kommt es
zur stärksten Reaktion des Gewebes, jenen Veränderungen von
tuberkelähnlichem Charakter. Tuberkel würden entstehen,
wenn statt der Toxine die Tuberkelbazillen selbst eingeimpft
würden.
Das ist natürlich nur alles Hypothese, scheint mir aber
die einleuchtendste Erklärung für den Befund dieser tuberkeU
ähnlichen Bilder.
In letzter Zeit haben wir auch die Ophthalmoreaktion in
den Bereich unserer Versuche gezogen. Bekanntlich ist diese
Reaktion zuerst in Deutschland durch Wolf Eisner und in
über die v. Pirqaetsche kutane Taberkulinimpfang etc. 397
Frankreich durch Galmette bekannt geworden. Seitdem sind
eine ganze Reihe von Veröffentlichungen über diese Frage er-
schienen. Von deutschen Autoren haben Franke, Schubert,
Lenhartz, Eppenstein, Schenck-Seiffert, Blüm el-
Elarus und Gitron die Angaben Wolf Eisners nach-
geprüft.
Unsere Absicht ging wie bei der y. Pirquet sehen Imp-
fung dahin, zu untersuchen, was die Ophthalmoreaktion in
diagnostischer und therapeutischer Hinsicht zu leisten vermöge.
Zu unseren Impfungen bedienten wir uns einer l^o? ^Vo ^^^
4% Lösung von Alttuberkulin in 3% sterilem Borwasser. Ge-
impft wurde in 2 — Stägigen Zwischenräumen und zwar so,
daß wir zuerst die l^o Lösung benutzten. Trat daraufhin
keine Reaktion ein, dann brauchten wir die 2% Lösung und
erst, wenn diese ebenfalls kein Resultat ergab, die 4%. Zu
therapeutischen Zwecken bedienten wir uns nur der 1% Lösung.
Zur Zeit können wir noch kein abschließendes Urteil über
die Reaktion geben ; dafür ist die Zahl unserer Fälle noch
zu klein.
Der Ophthalmoreaktion haben wir bis jetzt neun Fälle
unterworfen. Alle litten an Lupus. Von diesen 9 Fällen hatten
nur 5 eine Reaktion (4 nach Einträufelung einer l^oi 1 i^&<^h
Benützung einer 27o Lösung), die übrigen 4 reagierten nicht
nach Einträufelung einer 1% Lösung. Es werden deshalb bei
ihnen in nächster Zeit die stärkeren Lösungen in Anwendung
gebracht werden.
Auffallend war es uns, daß die Patientinnen L V. und H. E.,
die beide einen ausgedehnten Lupus hatten und auf die kutane
Impfung immer sehr stark reagierten, auf die 1% Lösung nur
eine sehr schwache Ophthalmoreaktion zeigten. In den posi-
tiven Fällen trat die Reaktion meist nach 3 bis 12 Stunden
ein. Sie verlief sehr milde und nur selten klagten die Patienten
über Jucken und Brennen. Der kliniscüe Befund entsprach
diesen geringen subjektiven Beschwerden. Unter den 5 posi-
tiven Fällen sehen wir 4mal das sogenannte erste Stadium
(Citren), nämlich Rötung der Gonjunctiva palpebrarum und
der Earunkel und Imal eine Mitbeteib'gung der Gonjunctiva
bulbi, also das zweite Stadium.
398 König.
Über die therapeutische Wirkung wiederholter Reaktion
läßt sich Yorderhand noch nichts sagen. Immerhin hat es den
Anschein, als ob der Conjunctivallupus sich unter dieser Art
der Behandlung besserte.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, meinem hochverehrten
Chef, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Doutrelepont, meinen
herzlichsten Dank für die Anregung zu dieser Arbeit und die
vielfache Unterstützung zu sagen.
Literatur.
1. Y. Pirquet. Die Allergieprobe sur Diagnose der Tuberkulose
im Kindesalter. Wiener med. Wochenschr. Nr. 28. 1907.
2. Doutrelepont. Über die P i r q n e t sehe Reaktion und die
Ophthalmoreaktion. Sitsnngtbericht der Niederrheinisohen Gesellschaft für
Natur- und Heilkunde su Bonn. 18. November 1907.
3. Bandler u. Ereibich. Erfahrungen über kutane Tuberkulin-
impfungen bei Erwachsenen. Deutsche med. Woch. Nr. 40. 1907.
4. Nagelsohmidt. Zur Diagnose und Therapie tuberkulöser
Hautaffektionen. Deutsche med. Woch. Nr. 40. 1907.
5. Moro und Doganoff. Zur Pathogenese gewisser Intugement-
yeränderungen bei Skrofulöse. Wiener klin. Woch. Nr. 81. 1907.
6. Citren. Über Tuberkuloseantikörper und das Wesen der Tnber-
kulinreaktion. Berliner klin. Woch. Nr. 36. 1907.
7. Elingmüller. Zur Wirkung abgetöteter Tuberkelbazillen und
der Toxine Yon Tuberkelbazillen. Berliner klin. Woch. Nr. 34. 1903.
8. Jadassohn. Über infektiöse und toxische hämatogene Derma-
tosen. Berliner klin. Woch. Nr. 37 n. 88. 1904.
9. Grouyen. Die Röntgentherapie bei Lupus und Skrophuloderm.
Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen.
Aus der temporären Abteilting far venerische Zrankheiten am
klinisohen MilitSrhoBpital — St. Petersburg.
Beitrag zur Frage von der Thyreoiditis
jodica acuta/^
Von
Dr. M. P. Gundorow.
Es ist eine klinisch feststehende, keinem Zweifel unter*
liegende Tatsache, dab die Schilddrüse nach den diesbezügli-
chen Mitteilungen unter dem Einfluß der Jodbehandlung in
Form einer akuten Entzündung erkranken kann. Obgleich bis
jetzt noch nicht zahlreich, stimmen doch die Beobachtungen
dieser Erkrankung in ihren Einzelheiten so überein, daß man
das volle Recht hat sie als Bindeglied in die Kette der unter
der AlIgemeinbenennuDg „ Jodismus* zusammengefaßten Krank-
heitserscheinungen einzuschalten ; wir gehen sogar weiter, indem
wir mit einer gewissen Begründung in Anbetracht des eigen-
tümlichen klinischen Bildes die Thyreoiditis als eine selbstiln*
dige Krankheitsform ausscheiden und als eine Erkrankung sui
generis betrachten.
Wenn man von dem von Briquet*) zitierten Fall Ma-
r Ott es absieht, stammt die erste Beschreibung der Thyreoi-
ditis acuta von Sellei.*) Im darauf folgenden Jahre hat
^) Mitgeteilt am 29. September 1907 in der rassischen syphilidolo-
g^schen und dermatologischen Oesellschaft.
') ßriquet, „De Piodisme, Varietes, Ätiologie et traitement*'. La
Semaine medic. 1896, pag. 187.
*) Seilei, „Über einen Fall von Thyreoiditis acata nach Gebranch
von Jodkali*". Dieses Archiv 1902, Bd. LXII, pag. 116.
400 Gundorow.
S'sergejew^) in sehr kurzen Zügen einen ganz ähnlichen
Fall beschrieben. In letzter Zeit sind über diese Frage in der
Literatur fast gleichzeitig die Mitteilungen von Csillag') und
des Verfassers') dieser Abhandlung erschienen.
Endlich hat Lablinski^) voriges Jahr seine Beobachtung
ähnlicher Art veröffentlicht.
Bei einer Zusammenstellung sämtlicher beschriebenen
Fälle können wir nicht umhin zu sagen, daß die sich beim
Gebrauch von Jodpräparaten entwickelnde Thyreoiditis sozu-
sagen ihre bestimmte klinische Physiognomie hat. Sie yerläuft
gewöhnlich akut — setzt schnell nach Jodverordnung ein und
verschwindet schnell und spurlos (ungefähr im Laufe einer
Woche) nach Aussetzung der Behandlung. Wie aus den Be-
obachtungen hervorgeht, tritt nach wiederholter Jodpräparate-
darreichung die Thyreoiditis jodica acuta auch bei Benutzimg
kleinerer Dosen als früher schneller ein. Die Entwicklung geht
manchmal mit Fieber einher — T. steigt bis 39® (wie in den
Fällen Seil ei und S Sergej ew), mitunter verläuft der ganze
Prozeß fieberlos (der Fall Csillag, zwei eigene Beobachtungen
und der Fall Lublinski). Die Schwellung der Drüse ist eine
gleichmäßige und nimmt sämtliche Teile des Organs ein;
manchmal faUen die Konturen der vergrößerten Drüse dem
Beobachter auf — die Drüse macht dann den Eindruck eines
Halsbands oder manchmal sogar eines Kropfes ; die Konsistenz
der Drüse ist niäßig, hart, teigartig; Haut und Schleimhäute
ohne besondere Veränderung. In einigen Fällen (z. B. in den
Fällen Seilei, Ssergejew, Lublinski) klagen Patienten
über Schmerz bei Palpation der Drüse, in andern Fällen wie-
derum (Fall Gsillag und mein erster Fall) ist die Drüse ab-
solut indolent.
^) Ssergejew, „Zur Easuistik des JodisniQS. Thyreoiditis acuta."
EazanscheB Med. Journ. 1908, Bd. III, pag. 438 (russisch).
') Gsillag, „Akute Schwellung der Thyreoidea auf Jodkali. "
Wien. med. Wochenschr. 1905, Nr. 83, pag. 1627.
') Gundorow, »Zur Frage des Jodismus*^. Arch. f. Dermatologie,
1905, Bd. LXXVII, H. 11.
*) Lublinski, „Jodismus acutus und Thyreoiditis acuta*. Deutsch,
med. Woch. 1906, Nr. 8, pag. 804.
Beitrag zar Frage von der Thyreoiditis jodica acuta. 401
Von subjektiTen Symptomen müssen bei der Thyreoiditis
auch Schlackbeschwerden (Seilei, Ssergijew^ Gsillag)und
sogar Atembeschwerden (Gsillag) erwähnt werden; indessen
werden letztere Erscheinungen nicht immer beobachtet; mit-
unter besteht eine leichte Schmerzhaftigkeit bei seitlichen
Kopfbewegungen und beim Zurückwerfen des Kopfes, wie
Lublinski es beobachtet hat.
Wie aus den bisher beobachteten Fällen klar hervorgeht,
fehlen außer einem leichten Schnupfen die andern Erscheinungen
des Jodismus gewöhnlich ganz. Das Allgemeinbefinden des
Patienten ist in keiner Weise gestört. Puls, Atmung, Papillen
normal. Der Pupillenzustand läßt sich meiner Meinung nach
dadurch erklären, daß die Vergrößerung der Drüse in sämt-
lichen bisher beschriebenen Fällen nicht den Grad erreichte,
um einen mehr weniger bedeutenden Druck auf die Atmungs-
organe oder die Blutgefäße der Halsgegend ausüben zu können,
da in diesen Fällen die Jodbehandlung bald nach Eintritt der
Thyreoiditis ausgesetzt wurde. Es ist möglich, daß bei länger
fortdauernder Jodbehandlung die Vergrößerung der Drüse
progressiv zugenommen, endlich einen solchen Grad erreicht
hätte, daß vielleicht durch den Druck auf die vordere und
seitlichen Halsgebiete Atmung und Puls derartig beeinflußt
wären, wie man es bei Struma, Morbus Basedowii und der
unter deutschen Autoren unter der Benennung Jod-Basedow
bekannten Form des konstitutionellen Jodismus beobachtet.
Was die Differentialdiagnose der Thyreoiditis von den andern
Erkrankungen der gl. thyreoidea anbetrifft, so müssen haupt-
sächlich die drei eben genannten Erkrankungen im Auge be-
halten werden: Struma, Morbus Basedowii und der soge-
nannte Jod-Basedow. Von dem Struma unterscheidet sich
die Thyreoiditis jodica acuta durch den Charakter seiner Ent-
wicklung und seines Verlaufs : während der Kropf sich langsam
entwickelt, erscheint letztere schnell nach Verordnung von
Jodpräparaten und schwindet die Drüsenschwellung spurlos
ohne jegliche Behandlung nach einigen Tagen bei Aussetzung
der Arznei.
Dieses können wir nie beim Kropf beobachten. Der Unter-
schied zwischen Thyreoiditis und Morbus Basedowii liegt
Areh. f. Demuit n. Byph. Bd. LXXXIX. 26
402 Onndorow.
im Fehlen der beiden Kardinalsymptome des letzteren: Be-
schleuniguDg des Pulses und Exophthalmus und dem Ausfallen
des sogenannten Graefe'schen Symptoms.
Viel schwieriger ist es, die Thyreoiditis von jener Form
des konstitutionellen Jodismus zu unterscheiden, welche den
Namen Jod-Basedow trägt und eine äußerst interessante und
eigenartige Form des Jodismus bildet.
In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts beobach-
teten Goindet, Gautier, Rilliet und andere, namentlich
schweizerische Ärzte, daß in den Gegenden, wo der Kropf
endemisch ist, eine minimale Jodverordnung, sogar die äußer-
liche Anwendung desselben, ein besonderes Krankheitsbild her-
vorrufen kann, das, ohne die spezifischen Symptome des Jodismus
zu haben, hauptsächlich aus nervösen Symptomen besteht:
allmähliches Abmagern, Kräfteverfall> erhöhte Erregbarkeit des
Nervensystems, Schlaflosigkeit, Tremor, Herzklopfen, Appetits-
verlust mit starkem Hunger abwechselnd, Kurzatmigkeit — mit
einem Worte sich durch einen Zustand manifestiert, der bis zu
einem gewissen Grade an die Cachexia strumipriva erinnert;
anderseits können die Jodpräparate auch die Symptome von
Morbus Basedowii mit Kropf, Graefeschem Symptom,
Exophthalmus hervorruten. Die erstere Form nennen sie Thy-
reoidismus oder Jodthyreoidismus (konstitutioneller Jodismus),
die zweite Jod-Basedow.
Breuer') beobachtete, daß bei alten Leuten eine mehr
gleichartige, ohne sekundäre Drüsenschwellung einhergehende,
weniger hartnäckige Form, bei jungen Leuten hingegen ein
mehr stabiles, in seineu Symptomen äußerst mannigfiEdtiges, mit
sekundärer Drüsenschwellung verbundenes Bild des Jod-Ba-
sedow sich entwickelt, dessen Symptome nach Aussetzung von
Jod öfters bloß schwächer werden, aber nicht vollständig
schwinden. Wir ersehen daraus, daß die Thyreoiditis jodica
acuta dem sogenannten Jod-Basedow am nächsten steht, ja
es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob sie nicht einfach
sozusagen eine Abortivform des Jod-Basedow darstellt?
Indessen läßt uns der klinische Verlauf beider Formen diese
^) Breuer, „Beitrag zur Ätiologie der Basedowschen Krankheit
and des Thyreoidismns'. Wien. klin. Woch. 1900, Nr S8— 29, pag. 641.
Beitrag zur Frage yon der Thyreoiditis jodioa acuta. 403
beiden Leiden auseinanderhalten und die Thyreoiditis jodica
acuta als einen besonderen Erankheitstypus ausscheiden.
Während der Jod-Basedow besonders in den Gegenden,
wo der Kropf endemisch vorkommt, beobachtet wird, ist die
Thyreoiditis, wie es ans den veröffentlichten Mitteilungen er-
sichtlich ist, nicht an einen bestimmten Ort gebunden und
tritt dort auf, wo der Kropf bei den Einwohnern ausnahms-
weise vorkommt; der Entwicklung des Jod-Basedow geht
ein ganzer Komplex nervöser Erscheinungen yorbery die sich
oft lange vor der Vergrößerung der Drüse (welche späterhin
auftritt) manifestieren; bei der Thyreoiditis tritt im Gegenteil
in erster Linie ohne irgendwelche vorhergehende Symptome
eine Dräsenschwellung auf, wobei auch nach Anschwellung der
Drüse gar keine andern Krankheitserscheinungen beobachtet
werden, um so mehr solche, deren Bild irgendwie die Basedow-
sche Krankheit erinnern könnten. Zum Schluß möchte ich mir
noch erlauben, auf ein kardinales differentiell-diagnostisches
Symptom des klinischen Verlaufs des Jod-Basedow und der
Thyreoiditis hinzuweisen-, letztere Erkrankung sistiert, wie uns
bekannt ist, sehr schnell nach Aussetzung der Jodpräparate,
während der Jod -Basedow noch monatelang nach Aufhebung
der Jodtherapie fortdauern kann. Schließlich möchte ich der
Vollständigkeit der differentiellen Diagnostik wegen noch der
syphilitischen Drüsenschwellung, der sogenannten Struma syphi-
litica, Erwähnung tun. Wie aus den Untersuchungen von
Engel-Reimers,*) Timofejeff,*) Poltavzelf) u. a. her-
vorgeht, kommt die Vergrößerung der Schilddrüse bei der
Syphilis im Anfangsstadium der Infektion vor und ist der Zeit
ihrer Entstehung nach gewissermaßen den Veränderungen der
Lymphdrüsen analog; trotz spezifischer Behandlung besteht
diese Veränderung lange Zeit fort und kommt die Drüse
langsam zur Norm zurück; es hat folglich der Prozeß einen
1) Neamann, „Syphilis«'. 1899, pag. 766.
') Timofejeff. Militair med. Joum. 1896 (rusBisch).
') Poltawzeff, „Veränderungen der gl. thyreoidea bei Syphiliti-
kern im Verlaufe d. zweiten Inkabation und in d. Periode d. Exantheme**.
Rassisches Joum. f. Haut- und venerische Krankheiten, 1901, Januar,
pag. 85.
26*
404 Gandorow. .
mehr chronischen als akuten Charakter; außerdem erreicht
die Drüsenyergrößerung bei der Syphilis sehr selten derartige
Dimensionen, daß sie nicht allein dem Arzte auffallt, sondern
auch die Aufmerksamkeit des Patienten auf sich lenkt; endlich
tritt die syphilitische Thyreoiditis häufig bei Personen auf, die
überhaupt nie Jod eingenommen haben.
In sämtlichen ohne Ausnahme bis jetzt beschriebenen
Fällen wurde die Entstehung der Thyreoiditis jodica nach
Jodkaliverordnung bei Individuen beobachtet, die zur Zeit der
Behandlung entweder luetische Symptome oder Syphilis in der
Anamnese hatten.
Der von uns beobachtete zweite Fall Yon Thyreoiditis,
zu dessen Darstellung wir sofort übergehen werden, hat inso-
fern ein besonderes Interesse, als weder die Anamnese noch
die sorgfältige Untersuchung und Beobachtung des Patienten
irgendwelche Hinweise oder sogar Andeutungen auf das Vor-
handensein einer hereditären oder akquirierten Syphilis ergaben.
Historia «orbi.
AnamneBe. Fat. Seh., Soldat eines Garde- Infanterieregiments,
26 Jahre alt, wurde auf die Abteilung mit der Diagnose Urethritis chronica
am 26. Juli 1906 aufgenommen; Pat. will Anfang September 1905 3 Tage
post coitum erkrankt sein. Die Erkrankung manifestierte sieh unter
Symptomen einer akuten Urethritis. Schmerzen beim Urinieren im Harn-
kanal, eitriger Ausfluß, häufiger Mictus usw. 6 Tage lang ließ sich Pat
vom Feldseher behandeln, trat darauf ins SemenoffscheMilitArhospital
ein, Yon wo seine Überf&hrung in die Abteilung am klinischen Militär»
hospital stattfand. Pat. stammt aus einer durchaus gesunden Familie,
will früher nie krank gewesen sein, auch nie an den Genitalien irgend
ein Ulcus oder selbst eine Rhagade bemerkt haben. Recht starker Potator
(Schnaps).
Statis praoseiis.
Pat. von sehr hohem Eörperwuohs, athletischem Körperbau, aus-
gezeichnetem Ernährungszustande ; Haut, sichtbare Schleimhäute, Lymph-
drüsen normal, Knochen- und Muskelsystem regelmäßig und ausgezeichnet
entwickelt, innere Organe und Sinnesorgane ohne Veränderungen ; Funk-
tionen des Magendarm traktus normal. Des Morgens tritt aus der Mündung
der Harnröhre ein schleimiger Tropfen hervor, auch kommt Verklebung
der Labien der Harnröhrenmündong vor; bei der DefiUcation treten 2 — 8
Schleimtropfen auf; beide Portionen des Morgenhams sind trübe; in der
ersten ein schleimig eitriges Sediment, in der zweiten ein nicht großes
Sediment in Form einzelner kleiner Ballen; Mictus frequent — uriniert
1
Beitrag zur Frage von der Thyreoiditis jodica acuta. 405
in der Naoht oa. 8 mal. Prostata bodeatend vergrößert, Seitenlappen sehr
derb, Ränder ragen in Form harter Wälle hervor; Mittellappen verhältnis-
mäßig weich, dem dnrch den Finger aasgeübten Druck leicht nachgebend.
Nach der im allgemeinen recht schmershaflen Prostatamassage treten
aus dem Hamkanal einige weißliche, schleimige Tropfen hervor; nach
der Massage ist der Harn trübe, enthält viele lange, dicke, gleichsam
fimbrienartige Klümpchen und Bänder, größere Ballen, von denen einige
die Form von Sagokömem haben. Bei der endoskopischen Untersuchung
erweist sich die Urethra stark injiziert, auf bedeutender Ausdehnung
gequollen, stellenweise verdickt. In dem nach der Majsage auf dem
Objektträger aufgefangenen Prostatasekret lassen sich nach der Färbung
Plattenepithelien, Fiterzellen in ["großer Anzahl mit charakteristisch in
ihnen gelagerten Gonokokken nachweisen. Von den subjektiven Symp-
tomen mußten bei unserem Pat. außer häufigem Mictus, frequente, nament-
lich nächtliche Erektionen vermerkt werden.
£s wurde verordnet : Kali bromat. 80 : 180*0 2 mal täglich 1 Eß-
löffel und Natrum salicylicum in Pulvern 4 mal täglich ä 0 5, Iigektion
von Zincum sulfocarbolicum 0*5 : 200*0, Cocainum mur. 0*8, Glycerinum 10*0,^)
Zäpfchen: Extr. belladonnae 0*015, Butyri Gacao q. s. D. S: 1 Zäpfchen
nach dem Stuhlgang.
3./yiI. Massage. Guyonsche Instillation von ViVo Solut. argen t.
nitrici in den vorderen und hinteren Teil der Harnröhre.
26./VIII. Der Morgentropfen aus der Urethra ist kleiner und flüssiger ;
der Morgenham ist klarer; Zäpfchen ausgesetzt. Es werden Klysmen mit
3Vo Ichthyollösung verordnet.
12./IX. Klysmen mit 67« lohthyollösung. Guyonsche Instillationen.
9./XI. Es werden Zäpfchen folgender Zusammensetzung verordnet:
Jodi pari 0*01, Kali jodati 0*8, extr. belladonnae 0*01, Butyri Gacao 2*0,
2 Zäpfchen täglich.
12./XI. Pat. klagt über Schmerzen bei seitlichen Kopfbewegungen
und beim Zurückwerfen des Kopfes. Unbedeutende Schlingbeschwerden.
Bei Inspektion der Mundhöhle und des Pharynx kein anormaler Befund.
Schilddrüse vergrößert, Konturen in Form eines kleinen runden Walls
deutlich hervortretend; das Organ selbst von teigiger Konsistenz; Pal-
pation und Druck ruft geringen Schmerz hervor. Temperatur normal.
Im Harn deutliche Jodreaktion, im Speichel wird kein Jod gefunden.*}
') Wir werden hier nicht den ganzen Kranken verlauf darstellen und
ausführlich die Behandlungsmethoden besprechen, da dieses zu der uns
interessierenden Fragte keine direkte Beziehung bat, sondern nur die-
jenigen Daten aus dem Krankenbogen anführen, welche sich unmittelbar
auf die Läsion der Schilddrüse beziehen.
*) Die Jodreaktion wurde jedesmal nach 2 Methoden ausgeführt:
mittels Stärke und rauchender Salpetersäure und mittels Chloroform und
aoid. nitr. fumans.
406 Gnneorow.
Zäpfchen werden ausgesetzt; aaf die Halsregion werden compreases
ecfaanffantes appliziert.
18./XI. Schmerzen beim Schlingen and Bewegen des Kopfes geringer.
14./XI. Keine Schmerzen. Die Dimensionen der Drüse haben abge-
nommen. Im Speichel and Harn kein Jod enthalten.
17./XI. Dröse normal.
24./XI. Es werden Z&pfchen nach dem vorigen Rezept verordnet.
Das erste Z&pfchen wnrde am 11 Uhr abends eingeführt
25./XI. Um 10 Uhr morgens dentliche Jodreaktion, im Speichel
konnte auch nach wiederholter Untersuchung kein Jod nachgewiesen
werden. Temperatur normal. Halsumfang in Drusenhöhe >» 43 cm,
26./XI. Pat. klagt über Schmerzhaftigkeit bei Palpation der Schild-
drüse, bei Zurückwerfen des Kopfes und bei seitlichen Kopfbewegongen.
Temperatur normal; im Harn charakteristische Jodreaktion, im Speichel
kein Jod enthalten.
28./XI. Temperatur normal; Schilddrüse sichtbar geschwellt, Kon-
turen scharf markiert.
l./XII. Temperatur normal. Schilddrüse mehr geschwollen. Schmerz-
haftigkeit beim Wenden des Kopfes nach verschiedenen Seiten, Unbe-
quemlichkeit beim Schlucken, Jodreaktion im Harn positiv, im Speichel
negativ. Am Morgen war ein Zäpfchen eingeführt worden. Zäpfchen
ausgesetzt.
2./XII. Im Harn Jodreaktion, doch ist dieselbe weniger intensiv als
früher. Klagt über geringen Schnupfen.
3./XII. Konturen der Drüse kleiner. Bei der Prüfung auf Jod im
Harn und Speichel negative Reaktion.
4./XII. Das Kehren des Kopfes verursacht keinen Schmerz.
5./XII. Umfang der Drüse kleiner.
7./XII. Drüse zur Norm zurückgekehrt, kein Schnupfen, Pat. hat
keinerlei unangenehme subjektive Empfiodungen.
lO./XIl. Dem Pat. wird verordnet : Kali jodati 60 : 180*0, Smal
täglich 1 Eßlöfifel. Mach der Einnahme des ersten Löffels eine Vi Stunde
nach einem leichten Frühstück (Tee mit Weißbrot) tritt die Jodreaktion
im Speichel nach 8 Min., im Harn nach 80 Min. auf, Halsamüing auf
der Höhe der Schilddrüse 42 cm.
1 l./XII. Pat. bekommt leichten Schnupfen. Heute kein KJ. ein-
genommen.
12./XU. Im Speichel und Harn keine JodreaktioiL 1 Stunde nach
dem Morgentee nahm Pat. einen Eßlöffel KJ. (6-0: 180K)). Nach 8 Mio.
ist die Jodreaktion im Speichel schwach, nach 11 Min. scharf; im Harn
tritt die Reaktion nach 20 Min. ein. Im Laufe des Tages 8 Eßlöffel KJ.
eingenommen.
13./XII. Schnupfen stärker; im Speichel und Harn deutliche Jod-
reaktion. Die Drüsenkontoren, namentlich auf den seitlichen Tracheal-
oberflächen, deutlich gezeichnet, die Drüse tritt wallförmig hervor, bei
Beitrag zur Frage von der Thyreoiditis jodica acuta. 407
Druck auf den Isthmus geringe Sohmerzhafbigkeit. Halsumfang 43 Vi ^m.
Temperatur normal. Die Jodkalidoseu werden iortgesetzt.
15./X1I. Es trat kleiner trockener Husten auf. Bei Perkussion und
Auskultation in den Lungen wird nichts Anormales gefunden. 3 Löfifel
EJ. eingenommen.
16./XII. Im Harn und Speichel deutliche Jodreaktion, Schmerz-
haitigkeit bei leichtem Druck auf den Mittelteil der Drüse. Husten und
Schnupfen in statu quo. Die KJ.-Therapie wird fortgesetzt.
18./XII. ürinmenge 1800 eo, sp. G. 1016, Reaktion des Harns sauer,
kein Albumen; im Urin und Speichel deutliche Jodreaktion. Die Drnsen-
schwellung hat zugenommen, ihre Konturen sind noch schärfer gezeichnet.
Halsumfang 44 em. Es wird eineEJ.-LöBungSO : 180-0, 3 Eßlöffel täglich
verordnet.
19./XIL Urinmenge 1280 ee, sp. 6. 1018, Reaktion sauer. Sehr inten-
sive Jodreaktion im Harn und Speichel. Halsumfang 44 em, Pat. empfindet
bei seitlichen Kopfbewegungen und beim Zurückwerfen des Kopfes eine
geringe Sohmerzhaftigkeit, auch wird bei Palpation der Drüse ein kleiner
Schmerz ausgelöst KJ. ausgesetzt. Temperatur normal.
20./XIL Die Jodreaktion im Speichel und Harn ist sehr deutlich;
Halsumfang 48 Va ^^> ini übrigen keine Veränderungen.
21./XII. Im Speichel und Harn kein Jod nachweisbar. Halsumfang
43 Vi ^^^ Schnupfen, Husten geringer. Bei Kopfbewegungen und Palpation
der Drüse werden fast gar keine Schmerzen empfunden.
24./X1I. Halsumfang 48 cm. Kein Schnupfen, kein Husten. Drüsen-
konturen sind kleiner, keine Schmerzempfindungen.'
27./XII. Halsumfang 42)Vs cm, es werden am Pat. gar keine Er-
scheinungen beobachtet
29./Xn. Halsumfang 42 em.
Wir beschlossen, auBer dem KJ. an unserm Pat. auch
den Einfluß der neuesten Jodpräparate wie z. B. des Jodipins
und Sajodins auf die Schilddrüse zu untersuchen, da diese
Präparate nach der Versicherang vieler Autoren vom Organismus
ausgezeichnet vertragen werden und keine Jodismuserscheinungen
hervorrufen sollen.
Die Beobachtungen über das Sajodin waren um so mehr
interessant, als dieses Präparat nach der Mitteilung Cr am er s')
von einer Pat mit SchweUung der Schilddrüse gut vertragen
wurde. Wir verordneten unserm Pat. Sigodin in Tablettenform
Bayer ä 0*5 in jeder Tablette.
18/1. 1907. Halsumfang 42 em; um 11 Uhr Morgens nach einem
Frühstück erhielt Pat. eine Tablette Si^'odin k 0-5. 1 Stunde 16 Min.
^) Zeitschrift für Krankenpflege 1906, Nr. 7 (therap. Mitteilungen
von Bayer Nr. 6, 1906).
1
408 Gundorow.
sp&ter, am Abend und am nächsten Moi^en wurde weder im Speiohel
noch im Harn Jod gefanden.
19/1. Um 10 Uhr 55 Kin. Morgens erhielt Fat. 0*5 Sajodin, am
12 ühr 10 Min. die s weite and um 1 Uhr 35 Min. (naoh dem Mittagessen)
die dritte Dosis. Uro 4 Uhr 25 Min. Nachmittags, d. h. 2 St. 50 Min.
nach der letsten Einnahme des Medikaments ist im Speichel eine posi-
tire Jodreaktion bemerkbar, w&hrend im Harn noch kein Jod nachweisbar
ist Nach 5 St. 10 Min. aach im Harn schwache Reaktion.^) Um 7 Uhr
20 Min. Abends im Harn m&ßige Blaufärbung von Sterke und Salpeter-
säure, im Speichel sehr deatliche schwarzblaue Yerfarbung.
20/1. lu beiden Morgenportionen des Harns und im Speichel deat-
liche Jodreaktion. In dem um 11 Uhr 80 Min. Morgens gelassenen Harn
positive Jodreaktion. Halsumfang 48 Vt *'^' ^^^ ^^ Laufe des Tages 4
Sajodintabletten erhalten.
21./I. Halsumfang 44 om. Im Speichel und Harn deutliche Jod«
reaktion. Die Drüsenkonturen treten deutlich hervor. Die Druse wölbt
sich vom und an den seitlichen Halsflächen wall- oder halsl^andformig
hervor. Hat 4 Tabletten Sajodin eingenommen.
22./I. Halsumfang 447s <'"*• I™ Harn und Speichel deutliche Jod-
reaktion. Klagt über geringen Kopfschmers, kein Schnupfen, Temperatur
normal. Die Anschwellung der Schilddrüse macht auf den ersten Anblick
den Eindruck eines kleinen Kropfes. Bei Palpation des mittleren Teils
der Drüse empfindet Fat. Schmers; kleiner Schmers beim Gähnen,
Zurückwerfen des Kopfes und beim Essen ; die seitlichen Wendungen des
Kopfes rufen nur ein Gefühl des Unbehagens hervor. Sajodin ausgesetst
28 ./I. Haisamfang 44 cm. Die Schmershaftigkeit der Drüse hat ab-
genommen; im Speichel und Harn schwache Jodreaktion.
24./L Halsumfang 43 em. Drüsenkonturen bedeutend kleiner und
nicht so scharf hervortretend. Keine Schmerzen bei Palpation. Im Speichel
und Harn kein Jod nachweisbar.
25./I. Keine Schmerzen bei Kopfbewegangen und bei Palpation der
Drüse; Haisamfang 42 em. Die Drüse ist sur Norm zurückgekehrt. Um
10 Uhr 10 Min. Morgens nahm Pat. auf einmsl 2 Sajodintabletten ä 0*5
eine jede ein. Nach 8 St. ergab die Untersuchung des Speichels und Harns
eine negative Jodreaktion. 8Va St (um 1 Uhr 40 Min. Nachmittags) nach
Einnahme der Arznei trat die Jodreaktion im Speichel und nach 8 St.
86 Min. (um 1 Uhr 45 Min. Nachmittags) auch im Harn auf.
26./L Um 11 Uhr Morgens im Speichel und Harn deutliche Jod-
reaktiop. Halsumfang 42V, em. Erhielt im Laufe des Tages 2 Sigodin-
tabletten.
27/1. Halsumfang 48 em. Empfindet Unbehaglichkeit beim Erheben
des Kopfes, klagt über unbedeutende Schmershaftigkeit bei der Palpation
der Drüse. Hat den Tag über kein Sajodin eingenommen.
^) Die Harn- und Speioheluntersuchung wurde viertelstündlich bis
zur Konstatierung der positiven Jodreaktion ausgeführt.
Beitrag zur Frage von der Thyreoiditis jodica acata. 409
28./I* Im Speichel und Harn negative Jodreaktion. Gar keine Emp-
findungen bei Kopfbewegungen. Haisamfang 42Y, cm,
1./II. Haisamfang 42 em. Die Drdse ist normal. Im Speichel und
Harn keine Jodreaktion. Nach dem Frühstück am Morgen hat Fat. einen
Teelöffel 10% Jodipin bekommen. 40 Min. nach Einnahme der Arznei
deutliche Jodreaktion im Speichel, nach 60 Min. im Harn.
2./n. Fat. hat im Laufe des Tages 8 Teelöfel Jedipin — um
1/^s Uhr Nachmittags, um 7 Uhr abends und um 9 Uhr Abends — er-
halten. Im Speichel und Harn deutliche Jodreaktion.
3./II. Im Laufe des Tages 8 Teelöffel Jodipin eingenommen. Hals-
umfang 48Vt ^^-
4./IL Die Drüsenkonturen treten deutlich hervor. Halsumfang 44 cm.
Klagt über heftigen Kopfschmerz; Temperatur normal. Kein Schnupfen.
Deutliche Jodreaktion im Speichel und Harn. F&hrt fort taglich 8 Tee-
löffel Jodipin einzunehmen.
5./II. Klagt über heftigen Kopfschmerz und Ohrensausen; kein
Schnupfen; im Oesicht (namentlich an der Stirn und an der Nase), am
behaarten Kopfteil zerstreute Eruptionen you Acne jodica. Die Drüse
ist noch mehr geschwollen und macht beim ersten Anblick den Eindruck
eines Kropfes. Halsumfang 45 em. Bei Falpation des Mittelappens der
Drüse empfindet Fat. bedeutenden Schmerz; klagt über Schmerzen beim
Schlucken und Gähnen ; das Erheben des Kopfes ist gleichfalls schmerz-
haft; bei seitlichen Kopfbewegungen besteht keine Schmerzhaftigkeit,
doch wird dabei eine gewisse Unbequemlichkeit empfanden. Im Harn
und Speichel scharfe Jodreaktion. Heute ist gar kein Jodipin eingenommen
worden.
6./n. In dem am Morgen gelassenen Harn deutliche Jodreaktion;
im Speichel wurde kein Jod nachgewiesen. Halsumfang 44V, ^'^i ^®^^
Kopfschmerz, Akneeruption blasser, im übrigen status idem.
7./II. Umfang 44 em. Keine Veränderungen.
8./1I. Halsumfang 4dVs cm. Im Morgen- und Tagesham kein Jod
nachweisbar ; Drüsenkonturen bedeutend kleiner, keine neuen Akneknoten,
die alten sind größtenteils der Rückbildung rerfallen; keine Schmerzen
beim Schlucken, Gähnen und Kopfbewegungen ; unbedeutende Empfind-
lichkeit bei Druck aaf den Mittellapen der Drüse.
9./II. Halsumfang 48 cm.
12./II. Halsumfang 42 em, Akne rerschwanden. Drüse normal, keine
Schmerzen bei der Falpation; Fat. hat keiuprlei Beschwerden.
Wie aus der angefahrten Krankengeschichte ersichtlich,
hatten wir in diesem Falle günstigere Verhältnisse an den Fat. zu
beobachten als im ersten von uns beschriebenen Falle, wo Pat.
nicht stationär war, sondern sich nur ambulatorisch behandeln
ließ. In diesem Falle hatten wir die Möglichkeit Pat. tagaus
tagein zu beobachten und unsere Beobachtungen hinreichend
410 Oandorow.
▼oUständig auszufahren. Dank der bei unserem Fat. stark aus-
gesprochenen Empfindlichkeit für Jod, unabhängig Ton der Form,
in der es yerordnet wurde, stellt er ein äußerst interessantes
Beobachtungsobjekt dar. Diese äußerst intensive Jodidiosyn-
crasie, die sich in einer so eigenartigen Form wie Thyreo-
iditis äußert, ist um so mehr bemerkenswert, als für ihre Ent-
stehung das so wichtige prädisponierende Moment, das Be-
stehen der Syphilis in der (regenwart oder in der Anamnese,
nicht herangezogen werden kann.
Was das eigentliche klinische Bild der Thyreoiditis in
diesem Falle anbetrifft, so unterscheidet es sich im allgemeinen
nicht Yon dem von uns firäher beschriebenen mit dem unter-
schiede bloß, daß in unserem ersten Falle keine schmerzhaften
Empfindungen bei Palpation der Drüse und Kopfbewegungen
bestanden. Es wäre nicht statthaft das Auftreten der Thyreoi-
ditis in unserem letzten Falle durch das Aufhören oder durch
die Ketention der Jodaasscheidung aus dem Organismus zu
erklären, da die Jodreaktion im Speichel und Harn zu nor-
malen Terminen und in scharfer Weise auftrat (mit Aus-
nahme des Ausfalls der Jodreaktion im Speichel bei Ver-
ordnung Ton Jodsuppositorien). Es ist sehr wahrscheinlich,
daß ein gewisser Teil des Jods ?on der Schilddrüse den-
noch absorbiert wurde und mit den dieselbe bildenden Stoffen
eine solide Verbindung einging, um im Resultate das Bild der
Thyreoiditis zu geben.
Was das andere prädisponierende Moment in der Ent-
stehung des Jodismus überhaupt und der Thyreoiditis insbeson-
dere anbetrifft (worauf wir schon früher hingewiesen haben —
und zwar Emährnngsverfall auf der Orundlage aufsehrender
Krankheiten wie z. B. Tuberkulose, langandauernder Malaria,
chronischer Störungen des Magendarmtractus etc.), so muß in
diesem Falle auch dieser Faktor als begünstigende Bedingung
für die Entstehung der Krankheit ausgeschlossen werden; es
geben nämlich weder der gegenwärtige Zustand des Pat. noch
die Anamnese irgendwelche Anhaltspunkte für das Vorhanden-
sein irgendwelcher die Ernährung gefährdender Leiden.
Beitrag zur Frage Ton der Thyreoiditis jodicL acata. 411
Der Alkoholismns, der nach der Meinung von Strauß
eine der Hauptnrsachen des Auftretens von Jodismus ausmacht,
konnte in diesem Falle allerdings bis zu einem gewissen Grade
dank seinem Einflüsse auf das Gefäß- und Nervensystem die
Rolle eines für die Erkrankung der Schilddrüse prädisponie-
renden Moments spielen; obgleich unser Pat. als kein Alkoho-
liker im eigentlichen Sinne des Wortes angesehen werden
dürfte, auch keine groben, der unmittelbaren Untersuchung
zugängliche, Veränderungen der großen Gefäße Torlagen, genoß
er fiüher recht beträchtliche Branntweinmengen« Unser Fall
beweist mehr als ein anderer, daß die Thyreoiditis jodica eine
selbständige, in keinem kausalen Zusammenhange mit der
Syphilis stehende Erkrankung darstellt; deshalb darf die Thy-
reoiditis jodica nicht, wie es einige Autoren (z. B.W er mann)')
tun, als die sogenannte Struma syphilitica angesehen werden.
Auf Grund der in der Literatur bestehenden Tatsachen
und unserer eigenen 2 Beobachtungen dürften wir in Bezug
auf die Pathologie der Thyreoiditis jodica acuta zu folgenden
Schlüssen kommen:
1. Die Thyreoiditis jodica acuta entwickelt sich bei be-
sonders Tcranlagten, für Jod äußerst empfindlichen Personen
und bildet eine Erkrankung sui generis.
2. Nicht ein bloßes Symptom des Jodismus im strengeren
Sinne des Wortes ausmachend, sondern einen besonderen selb-
ständigen Symptomenkomplex darstellend, enthält die Thyreoi-
ditis in ihrem Bilde bis auf einen leichten Schnupfen, der auch
einen rein reflektorischen Charakter haben kann, keine eigent-
liehen Jodismuserscheinungen.
S. Das Eintreten der Thyreoiditis hängt nicht von der Menge
des in den Organismus eingeführten Jods ab oder es spielt
dieselbe wenigstens keine merkbare Bolle wie z. B. in unserem
^) Berl. klin. Woohen«chr. 190, Nr. 6.
412 Gundorow.
letzten FaUe, wo die DrüseDaffektion nach Jodzäpfchen eintrat
und die in demselben enthaltene Joddose eine unbedeutende war.
4. Die Art der Einführung der Jodpräparate in den Orga-
nismus (per 08 oder per rectum) spielt in der Entstehung der
Thyreoiditis gar keine Bolle, da sich dieselbe bei dazu inUi.
nierten Indiyiduen in gleicherweise bei jeglicher YerordnungS'
methode des Jod entwickelt.
5. Die Arzneiformen (wässerige Lösung, trochisci, sup-
positoria), in denen die Jodpräparate yerordnet werden, sichon
auch nicht vor dem Auftreten der Thyreoiditis.
6. Schließlich (was sehr wichtig ist) gibt die chemische
Zusammensetzung des Präparats noch keinen Grund dafür zu
rechnen, daß sich die Entstehung der lliyreoiditis bei Ver-
ordnung eines gewissen Präparats vermeiden läßt; dieselbetritt
nicht allein bei Gebrauch des durch seiue Fähigkeit verhältnis-
mäßig leicht Jodismus hervorzurufen bekannten Jodkali son-
dern auch bei Verordnung der neueren Jodpräparate wie z. B.
des Jodipins und Sajodins auf, die sich nach der Meinung der
Mehrzahl der Autoren dadurch besonders von den Jodsalzen
(wie z. B. das Kali und Natronsalz) unterscheiden, daß sie
keinen Jodismus hervorrufen.
7. Die Zersetzungsgeschwindigkeit des Präparats im Orga-
nismus, also auch seine Besorptionsgeschwindigkeit haben bei
der Entwicklung der Thyreoiditis keine besondere Bedeutung,
wie es durch unsem Versuch mit der Sajodinverordnung sehr
demonstrativ erwiesen wird. Auf Grund der Untersuchungen
von G. Eoch^) und Guszmann^) wird bekanntlich das Sa-
jodin bloß in alkalischer Mitte, d. h. im Darmkanal in seine
Komponenten gespalten; deshalb geht die Resorption des Sa-
jodins bedeutend langsamer vor sich als die der anorganischen,
sich schon im Magen zersetzenden Jodsalze; kraft dieses Um-
') Koch G., Über therapeutische Verwendbarkeit des Sajodins. Die
Therapie der Gegenwart, 1906, p. 248.
') Über den Wert des Sajodins in der Syphilistherapie. Heilkande
1906, Jahrg. X, H. 7—12.
Beitrag snr Frajce von der Thyreoiditis jodica acata. 413
Standes beginnt bei Sajodinverordnung auch das Eintreten der
Jodreaktion im Speichel und Harn einige Stunden nach Ein-
nahme des Medikaments: so tritt z. B. nach Koch die Jod-
reaktion 2V8 Stunden nach Verordnung von 2*0 Sajodin auf,
nach Habicht') bei einer Dosis yon 1*0 nur nach Verlauf
von 4 Stunden, nach den Untersuchungen von Valobra')
nach ungefähr 3 Stunden. Nach Gerönne und Marcuse^)
tritt bei einer Sajodingabe von 1*0 in Oblate die Jodreaktion
im Speichel nach 272—12 Stunden, meistenteils jedoch nach
5—6 Stunden, im Harn nach 5 — 6, seltener nach 7—8 Stunden
auf. Nach Mautner^) tritt bei Kindern bei einer Sajodin-
gabe von 0*5 eine schwache Jodreaktion im Speichel und Harn
nach 1^4 St. auf. Im Oegensatz zu andern Autoren konnte
Datta^) das Jod im Harn schon nach 20 Min. finden. In
unserm Falle trat die Jodreaktion 2 Stunden 50 Min. im Speichel
oder BYs Stunden im Harn nach der Sajodinverordnung auf.
8. Die Thyreoiditis jodica acuta stellt offenbar einen bio-
chemischen Prozeß dar, wo durch das Einführen in den Orga-
nismus sogar kleiner Joddosen — es wird hierbei keine Reten-
tion der Jodausscheidung beobachtet — die normale Arbeit
der Drüsenzellenelemente gestört wird: es wird sozusagen das
stabile Gleichgewicht and die gegenseitige Einwirkung von
physisch-chemischen und physiologischen Agenten beein-
trächtigt, was einen verhältnismäßig leichten Entzündungs-
prozeß in der Drüse hervorruft; klinisch kommt eine derartige
Drüsenentzündung als Thyreoiditis jodica acuta zum Ausdruck.
^) Przegl^d Lekanki. 1906. Nr. 4. (Git nach Bayers Therap.
Nachrichten. 1906. Nr. 2.)
') Bayers Therap. Nachrichten 1907. Nr. 3. La Rossegna di Te-
rapia. 1907. Fase. VIT.
*) Gerönne und M a r c u s e. Über die therapeutische Anwendung
d. Sajodin und seine Aussoheidungsverh<nisse. Die Therapie der Gegen-
wart, 1906, p. 585.
*) Maatner, Über Anwendung des Sajodini in d. Kinderpraxis.
Allg. Wiener Medii. Zeitung. 1907. Nr. 10, p. 107.
*) Bayers therapeutische Nachrichten. 1097. Nr. 8.
414 Gandorow.
9. Die Thyreoiditis jodica acuta kaiin, zur Gruppe der
Intoxikationserkrankungen im strengen Sinne des Wortes ge-
rechnet werden.
Ans dem Odessaer Städtischen Spitale.
Die Behandlung der Syphilis mit Mergal.
Ton
Dr. med. A. J. Grflnfeld,
Leiter dee Ambnlmtorlnmt fttr Haut- und yenerieehe Krankheiten.
Während in den letzten Jahren die chemische Industrie
fast für sämtliche Oebiete der Therapie der verschiedensten Spezia-
litäten immer neue und neue Mittel zu entdecken sucht, müssen
wir aufrichtig und yielleicht sogar mit verbindlichstem Danke
sagen, daß das am wenigsten die Therapie der Syphilis anbe-
trifft Das ist um so mehr noch zu bewundem, weil gerade
dieses Leiden ja immer mehr und mehr Opfer zu yerzeichnen
hat und das Verheimlichen der Krankheit immer auf derselben
ungerechten Stufe sich befindet.
Daß das Quecksilber in der Reihe der Antisyphilitika die
erste Stelle einnimmt, bedarf hier keiner ausführlicheren Erör-
terung resp. keiner Beweise. Das is ein unbestreitbares
Faktum.
Genug, wenn wir hier sagen, daß Prof. Chr. Bäumler
in seinem klassischen Werke über die Syphilis (1) die Frage
„ob es überhaupt Mittel gibt, dem syphilitischen Gift direkt
entgegen zu wirken**, folgendermaßen beantwortet:
„Nach den Erfahrungen, die in den letzten drei Jahrhun-
derten über die Behandlung der Syphilis gemacht wurden, muß
diese Frage jetzt dahin beantwortet werden, daß im Queck-
silber in der Tat ein solches Mittel gegeben zu sein scheint
Am besten bestätigen diesen Satz die Worte F. J. P i c k's (18):
416 Grünfeld.
„Das Quecksilber nimmt in der Reihe der Antisyphilitika
die erste Stelle ein. Es behauptet seinen Platz durch die seit
Jahrhunderten gewonnenen klinischen Erfahrungen, und obwohl
wir auch heute noch nicht einen Einblick in die Wirkungs-
weise dieses Mittels auf die Syphilis besitzen, so dürfen wir
doch auf Grund einer Reihe erfolgreicher Untersuchungen über
die Einverleibung und Ausscheidung des Quecksilbers und der
chemischen und physiologischen Wirkungen desselben auf den
tierischen Organismus behaupten, das dasselbe einerseits den
Organismus im Kampfe gegen das Syphiliskontagium wesent^
lieh unterstützt und andererseits die Rückbildung der syphili-
tischen Krankheitsprodukte zu bewerkstelligen vermag.**
Die Einführung des Qaecksilbers in den Organismus kann
auf mehrfachem Wege geschehen. Unter diesen ist bekanntlich
auch die interne Darreichung zu verzeichnen.
Wenn man auch „bei der Quecksilberdarreichung per os"*,
me Welander (23) sich ausdrückt, „in der Regel ziemlich
imsicher ist, in welcher Menge es absorbiert wird und es eine
Menge von Umständen gibt, die auf die Stärke und Schnellig-
keit der Absorption einwirken^, so hat doch, wie derselbe
Autor weiter anfuhrt, „die innere Behandlung ja den großen
Vorteil, daß sie äußerst bequem ist und mit Leichtigkeit, ohne
Aufmerksamkeit zu erregen und den Patienten in seiner Be-
schäftigung zu hindern, beinahe überall und zu jeder Zeit aus-
geführt werden kann. Aber das Quecksilber, wenn innerlich
angewendet, irritiert sehr oft den Magen und den Darmkanal
und dieses nicht nur vorübergehend bei der Behandlung, son-
dern es kann auch, namentlich wenn die Behandlung wieder-
holt wird, für die Zukunft Schaden tun und Magen- und Darm-
leiden mit infolge derselben auftretenden nervösen Symptomen
hervorrufen, was gerade nicht dazu beiträgt, die Sympathien
für diese in therapeutischer Hinsicht ziemlich unsichere Me-
thode nnd das Vertrauen zu ihr zu vermehren.^
Die von E h r m a n n (4) in seiner letzten Publikation
geschilderte^ praktische Erfahrung lehrt, daß ein internes Prä-
parat wünschenswert ist, besonders für folgende Fälle: 1. wo
die äußeren Bedingungen für die seit langem erprobte Einrei-
buogs- und Injektionskur absolut nicht erfüllbar sind, 2. wo
Die Behandlang der Syphilis mit Mergal. 417
diese beiden nicht vertragen werden, weil sie entweder Ery-
theme erzeugen oder von Fieber begleitet sind und besonders
bei kachektischen Individuen raschen Eräfteverfall hervorrufen
und 3. für die intermittierende Kur bei Kranken, welche eine
öftere Injektions- oder Schmierkur nicht mitmachen können,
entweder weil sie dabei in ihrer Ernährung herabkommen oder
nicht so oft sich beim Arzt beziehungsweise im Erankenhause
vorstellen können.^
Die aufgezählten Umstände haben genügende Gründe
dazu gegeben, in den Arzneischatz Quecksilberpräparate einzu-
führen, die für solche Zwecke verwendbar sind. Welche sind
es denn?
I. In erster Linie ist das metallische Quecksilber zu
nennen. Dasselbe wird verordnet in Form der Sedillotschen
Pillen, der englischen Pillen und der sogenannten „Blue pilles*'
oder „Pilulae Britannicae^, Die Pillen wirken, nach Neumann
(17), sehr langsam und inkonstant, können daher als eine
regelrechte Allgemeinbehandlung der Syphilis nicht empfohlen
werden.
n. Sublimat oder Hydr. bichloratum findet sehr be-
schränkte Anwendung wegen der irritativen Wirkung auf den
Magendarmtraktus und auf die Nieren und kann nur bei voller
Gesundheit der genannten Organe gebraucht werden.
ni. Ealomel oder Hydr. chloratum wirkt wenig irri-
tierend auf die Verdauungsorgane.
IV. Es kommen nun die Jodquecksilberverbindungen, von
denen zu nennen sind: Quecksilberjodür oder Protojoduretiim
hydrargyri. Das Präparat ruft unangenehme Nebenwirkungen
auf den Magen und den Darm hervor. Aus diesem Grunde ist
an Stelle dessen das Jodquecksilberhämol von Eobert mit
Vorteil verwendet worden (19).
V. Hydrargyrum oxydulatum tannicum (Lustgarten).
VI. Hydrargyrum thymolicum.
Vn. Hydrargyrium carbolicum.
VIII. Hydrargyrum salicylicum.
Die drei letztgenannten Präparate werden in Eombination
mit Opium verordnet.
Arvh. f. D«rm«t. «. Syph. B4. LXZXIZ. 27
418 Grünfeld.
Nicht alle aufgezählten Präparate resp. Formeln haben
in genügendem Maße den Anforderungen entsprochen, welche
an ein Qaedailberpräparat gestellt werden. Dies bestätigt
trefflich in der oben zitierten Veröffentlichang Ehrmann (4),
welcher u. A. sagt, „daß alle bisher vorhandenen dem Zwecke
der internen Aufnahme dienenden Quecksilberpräparate teils
dorch ihre Nebenwirkungen unangenehm werden, teils durch
die unsichere Löslichkeit im Darm, die ja eine Vorbedingung
far die Resorption ist, ihrem Zwecke nicht entsprechen*.
Es kann daher nicht yerwundem, daß die Tor weniger
als 1 7t Jahren erschienene Arbeit von Boss (3) über die Be-
handlung der Syphilis mit Mergal großes Interesse erregt hat
Diese Publikation bringt ausfuhrlich chemische resp. phy-
siologisch-chemische, sowie pharmakologische Angaben, welche
dazu geführt haben, das Präparat zu konstruieren, wenn man
sich so ausdrücken darf, und ebenso die Resultate der im
Laufe von 2 Jahren an Patienten gemachten Beobachtungen.
Die günstigen Ergebnisse von Boss haben in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit die Veranlassung zum Erscheinen von zahl-
reichen Mitteilungen gegeben.
Wir nennen hier: Saalfeld (20), Keil (4), Leisti-
kow (15), Hellmuth (9), v. Zeissl (24), Michaelis (16),
Henryk Gross(7), Hogge(ll), Schulze(21), Kanitz (12),
Höhne (10), Varges (22), Ehrmann (4), Kayser (13)
und Froehli ch (6).
Die meisten Arbeiten sind den Lesern dieses Archirs
teils aus Originalien, teils aus Referaten bekannt, so daß wir
nur zusammenfassend sagen können, daß fast alle Autoren ein
und derselben Meinung sind.
Beim Anführen der von uns gewonnenen Resultate werden
wir noch auf diese zurückkommen.
Bevor ich zur Schilderaiig der von mir angestellten Versuche,
resp. der gewonnenen Resaltate übergehe, möchte ich einige einleitende
Worte anfahren, die mir überhaupt die Veranlassung gegeben haben, eine
derartige Arbeit, bzw. die Anwendung eines internen Mittels und speziell
des Mergais f&r die Syphilis, yorzunchmen.
Ich muß hier besonders betonen, daß die Verhältnisse im großen
russischen Reiche, wie in manchen Beziehungen, auch in Betreff der
medizinischen Hilfe, sich bedeutend von derjenigen in Kulturstaaten
unterscheidet
Die Behandlung der Syphilis mit Mergal. 419-
Wieviel anch unsere ausländischen Kollegen gelesen haben mögen
und beim Zusammentreffen mit den nRussen^ bei sich zu Hause, sei es
mit Patienten, die nach Tausenden cu rechnen sind, oder mit Ärzten,
die das edle Beetreben haben, im Auslande wissenschaftliche Kenntnisse
zu erwerben und recht große Zahlen aufweisen können, muß ich mit
Sicherheit behaupten, daß ihnen doch die Leistung der medizinischen
Hilfe nicht genügend bekannt ist. Genug, wenn man, einerseits eine
geographische Karte zur Hand nimmt und sich Europa und Asien und
dann den Löwenanteil ansieht, der den Namen ^Bussisohes Beich" tragt,
und andererseits erföhrt, daß dieses Land weniger als 20.000 Ärzte aufzu-
zählen hat, femer, daß die Hauptzahl der Arzte auf die großen St&dte
entfUlt, daß Oegenden vorhanden sind, die nicht nur im Flecken selbst,
nicht nur in nächster Nähe, sondern auf einer Strecke von 2—3 Tage-
reisen, kaum einen Arzt haben und somit derselbe nicht auf Tausend,
sondern auf 10, ja 100 von Tausenden kommt — wenn man alle diese
bei weitem nicht erledigten Verhältnisse weiß, kann man begreiflich
finden, daß es Umstände gibt, die dazu f&hren, bequeme Methoden
der Behandlung nicht nur mit Freude, sondern auch mit besonderem
Enthusiasmus zu begrüßen.
Ich erwähne nur ein Beispiel: Ein Reisender einer Firma, welche
fiberall ihre Fabrikate zu verbreiten sucht, ist auf der Reise — was ja
so oft vorkommt — an (Ileus induratam erkrankt, resp. der auf die
Reise ging, nachdem bereits Sekundärerscheinungen aufgetreten waren,
oder seine Lues in der Latenzperiode besitzt, oder, wollen wir noch
weiter gehen, sich nach der Ansicht seines Arztes einer Fournier-
Nei SS ersehen Behandlungsmethode unterzieht und dabei, wie es die
meisten zu tun gezwungen sind, in jedem Orte sogar, wo Ärzte anzu-
finden sind, sich nicht nur 1 — 2 Tage, sondern manchmal nur einige
Stunden aufhalten können. Weitere Auseinandersetzungen sind wohl
überflussig.
Ich könnte hier viele Beispiele anführen, die ad oculos beweisen,
daß wir leider in Rußland keine „genügende" medizinische Hilfe haben,
ich meine selbstverständlich nur im Sinne der bei weitem kleinen Zahl
der Ärzte im Verhältnis zur immensen Zahl der Bevölkerung, und, was
noch mehr zu bedauern ist, überhaupt nicht wissen können, wann es in
dieser Hinsicht besser wird. Ich will aber annehmen, daß das geschilderte
mehr als genügt, um offen zu gestehen, daß wir an medizinischer Hilfe
arm sind und daher, wenn wir die geringste Möglichkeit haben, unsere
Patienten auf den Weg sozusagen mit Instruktionen auszurüsten, ins-
besondere auf unserem Gebiete, die ihnen gestatten die Behandlung der
akquirierten Lues mehr oder weniger fortzusetzen, wenn auch nicht
mit ausreichender Energie resp. genügend wirkenden Mitteln, wir damit
schon sehr viel leisten können.
Denn man muß ja zugeben, daß unter den oben geschilderten
Zuständen außer einer Inunktions- oder Ixgektionskur, wenn auch mit
27*
420 Orfinfeld.
dem ausgezeichneten unlöslichen Hydr. salieylicam, noch eine Methode
herangesogen werden mufi.
Um sofortige Hilfe evtl. die Möglichkeit zn geben die Lues be-
handeln an lassen, muß man, wie man sich auch skeptisch an einer
internen Sypbilisbehandlung nicht rerhalten soll, su dieser doch greiftti.
Nun aber ist die schwere Frage zu entscheiden, welches Präparat
soll denn gewählt werden, wenn man die am Anfang dieser Arbeit
aufgezählten beräcksichtigt. Das eine ist unzuverlässig, das andere ruft
neue Leiden hervor usw. usw.
Ich muß zugeben, daß bei dem immensen Material, das mir
glücklicherweise seit dem, wo ich überhaupt Dermatologie und Syphilis
zu studieren begonnen habe, und zwar seit dem Schlüsse des Jahres
1892 (zuerst in Prag, dann in Wien, darauf in Rostow am Don und die
letzten 9 Jahre in Odessa), zur Verfugung steht, stets daran gedacht
habe, wie vorteilhaft es doch wäre, ein mehr oder weniger zuverlässiges
Präparat für die Syphilisbehandlung aufweisen zu könuen und insbesondere
für meine Landsleute, um nach möglichen Kräften auch ein wenig
zu helfen.
Ich habe somit beim Lesen der ersten Arbeit über das Mergal,
nämlich der von Boss, daran gedacht, ein derartiges Präparat wäre
gerade für Rußland sehr zweckentsprechend und das war auch der Grund,
wsrum ich an die Arbeit ging, das Mergal zu versuchen.
Meine Absicht war, das Mergal in den verschiedensten Formen
der Lues anzuwenden, mit anderen Worten gesagt, da, wo man Queck-
silber benötigt In dieser Hinsicht hat gerade das Ambulatorium, welches
von mir geleitet wird, ein recht großes Material aufzuweisen.
Ich muß hier einige Zeilen vorausschicken über unsere Klientel
sozusagen.
Ich habe bereits bei der Besprechung der Bekämpfung der (Geschlechts-
krankheiten in Odessa (8) über die Einrichtang unserer Ambulanz für
Haut- und venerische Krankheiten Schilderung gemacht und daraus ist
mit Deutlichkeit zu entnehmen, mit welch^ einem interessanten Material
wir zu laborieren haben.
Es genügt, wenn ich noch hinzufuge, daß die Ambulanz für Haut-
und venerische Krankheiten am Odessaer städtischen Spitale die einzige
in ihrer Art für Odessa darstellt und als Zentrale zu nennen ist, wohin das
interessanteste Material zuströmt, mag das darin liegen, daß die Armut
dazu bringt, nicht nur ärztlichen Rat, sondern auch die Medikamente
gratis zu erhalten, oder sonstige Gründe. Jedenfalls sehen wir nur, daß
die Zahl der Besucher mit jedem Jahre steigt und kolossale Ziffern von
Patienten zn verzeichnen hat.
Wir sind jetzt am Schlüsse des Jahres und die Zahl der Patienten
an der Männer- Ambulanz beginnt bereits die Ziffer 7000 zu übersteigen,
während an der Frauenabteilung diese fast 4000 erreicht hat. Die Zahl
der Besuche dieser recht großen Menge führe ich gar nicht an und sie
Die BehandlaDg der Syphilis mit Mergal. 421
ist ja selbstyentftndlioh immens. Nach eingeführter Sitte haben die
Leiter der Ambulatorien abwechselnd die Männer- resp. Fraaen-(Einder-)
Abteilnng.
In diesem Jahre habe ich gerade die Frauenabteilnng, so daß
meine Yersnche mit Mergal am Spitalsmaterial sich auf Frauen bezieht;
außerdem aber habe ich noch mehrere Fälle in der Priyatpraxis dieser
Behandlung unterworfen.
Ich will hier von vornherein darauf aufmerksam machen,
daß für mich als praktischen Arzt eben die sogenannten poli-
klinischen Falle von größter Wichtigkeit sind und ich selbst-
Yerständlich von speziellen Untersuchungen, wie die z. B.
Höhne (o. c.) und andere Autoren ausgeführt haben, ab-
sehen mußte.
Die Hauptaufgabe, die ich mir gestellt habe, war
nämlich die — das Präparat in denjenigen Fällen
janzuwenden, wo, wie ich bereits oben andeutete, das
Quecksilber, sei es in Form von Inunktionen oder
Injektionen verordnet wird.
Ich will hier nur noch vorausschicken, daß jede Patientin
resp. Patient stets genau Instruktionen in Betreff des allgemeinen
Verhaltens sowie speziell über die Mundpflege bekommt und
zwar in Form von kleinen Büchlein, wie es auf den europäischen
EUniken zur Verteilung kommt und mündlicher Auseinander-
setzung. Dabei wird stets Zahnpulver und eine Rathania-
Alkohollösung eventl. Borsäure oder Kali chloricum verabfolgt.
Da wir nun unter unseren Patienten leider sehr viel
ziemlich unintelligentes Publikum haben, suchte ich im Spitale
das Präparat solchen Patienten einzuhändigen, die mehr oder
weniger zuverlässig sein konnten in Betreff der Beantwortung
der gestellten Fragen, auf die ich ganz besonderen Wert legte,
um bei dieser Methode die wichtigen Punkte mit voller Sicher-
heit in Bezug der Wahrheit herauszubringen.
Ich kann nun nach Abschluß der Versuche mit Genug-
tuung sagen, daß ich in der Tat mit der Wahl der Patienten,
wenn nur mit ganz wenigen Ausnahmen, mich nicht geirrt habe.
Ich bin weit davon entfernt hier einzelne Kranken-
geschichten anzuführen, eventl. auf sogenannte besondere Auf-
merksamkeit verdienende Fälle hinzuweisen.
422 Gränfeld.
Das Mergal ist ein neues Mittel, es ist daher angezeigt,
solche Fakta zu eruieren, die uns gewisse Berechtigung geben
müssen, zu sagen, ob das Präparat überhaupt in den Arznei-
schatz eingeführt werden, eventl. in der Reihe der uns zur
Verfugung stehenden sicherwirkenden Mittel, einen dauernden
und somit auch einen sicheren Platz einzunehmen, rechnen kann.
Ich will aber nur von vornherein betonen, daß das ^letzte
Wort* eben aus denselben Gründen auch nicht gesagt werden
kann, denn, wie die meisten obenzitierten Autoren bereits ge-
sagt haben, kann man bei der Syphilis nicht Urteile abgeben
auf Grund von Versuchen, die Monate und sogar bis 2 Jahre
gedauert haben. Ja, nachdem mindestens 10 Jahre bingehen
und wir stets auch solche befriedigende Urteile erfahren, wie
bis jetzt, dann werden wir auch dreister vorgehen und uns
mit größerer Bestimmtheit aussprechen. Hier eben ist es am
passendsten zu sagen: langsam, aber sicher«
Ich experimentierte mit dem Mergal im Laufe von 8 Mo-
naten. Es waren 35 Frauen und 15 Männer, d. h. in Summa
50 Fälle, welche Mergalkuren durchgemacht haben.
Dem Alter nach sind es die meisten von 20 — 28 Jahren.
Die jüngste Person war 15 Jahre und die älteste 53 Jahre alt
Es sind ledige, verheiratete und verwitwete Personen. Alle
mit auf geschlechtlichem Wege akquirierter Lues.
Letztere war in verschiedenen Stadien und dieses
wieder in den verschiedensten Formen, und zwar:
mit Lues II recens I9Fälle(13Frauenu.6Männer)
„ Lues II recidiva . . . . 17 „ 13 „ ,,4 „
„ Lues II ohne Symptome 7 „ 3 ,» „ 4 „
. Lues III 7„ 4 „ ,,3 „
Die rezenten Formen waren gewählt mit Erscheinun-
gen an der Haut von makulöser und papulöser Natur, even-
tuell die Kombination beider, mit Papeln in der Mundhöhle
wie auch auf den Tonsillen, mit vereinzelten Papeln an den
Genitalien und Analfalten und nicht selten auch mit Condjlo-
mata lata in der eklatantesten Form.
Die rezidiven Formen wieder waren in den meisten
Fällen mit Papeln der Mundschleimhaut und auch der Oenita-
Die Behandlang der Syphilis mit Mergal. 423
lien; es fehlten aber auch keine, die eine rezidivierende Bo-
seola aufwiesen.
Die 7 Fälle Yon Lues II ohne Symptome betrafen
Patienten aus meiner Privatpraxis und handelte es sich haupt^
sächlich um sogenanntes Merkurialisieren.
Unter den Fällen mit Lues III waren außer Periosti-
tiden auch Gummata an den Elavikeln, Ellenbogen und Unter-
schenkeln zu verzeichnen.
Das Einführen des Mergais begann gewöhnlich mit
3 Kapseln (ä 0-05 g\ also 0*15 g Hydr. cholicum pro die. Be-
reits nach dem dritten Tage ließ ich auf 4 pro die im Laufe
von 4 Tagen steigen, dann auf 5 resp. 6 im Laufe von 5—6
Tagen und dann auf 8 usw. bis auf 12, ja in manchen Fällen
sogar bis auf 15 Kapseln pro die. Das Maximum der im Laufe
einer Kur eingeführten Kapseln ergab die Zahl von 278.
Es wurde dabei stets in Aussicht genommen der Kräfte -
zustand der betreffenden Person und die Form und der Orad
der Krankheit.
In keinem einzigen der beobachteten Fälle
sah ich mich genötigt das Einnehmen des Mergais
vollkommen aussetzen zu lassen. Nur in einem Falle,
wo es sich um eine ziemlich leicht ausgesprochene Stomatitis
handelte, ließ ich selbstverständlich eine Pause auf etwa zwei
Wochen eintreten. Das war bei einem sonst sehr schwachen
Manne, der außer an Lues, noch an Tuberkulose litt.
Ich will hier gleichzeitig bemerken, daß sonst in keinem
Falle Erscheinungen von Stomatitis zu konsta-
tieren waren. Es mag ja sein, daß es außer ständigen Mah-
nungen über das Beinigen und Putzen der Zähne und der
Mundhöhle von bekannter Wichtigkeit war, daß die Zeit meiner
Versuche gerade zumeist auf die Sommermonate entfiel, wo
sich die Patienten mehr an der frischen Luft befinden.
Es sei noch hinzugefügt, daß ich das Mergal absichtlich
noch in einigen Fällen angewandt habe, wo bei den früheren
Quecksilberkuren Stomatitis zu beobachten war und jetzt bei
der Anwendung des Mergais von solcher gar nicht die Bede
sein konnte.
424 GrönfelcL
Um zur Frage über die Nebenwirkungen des Mer-
gais nicht mehr zurückzukommen, will ich hier folgendes für
den Experimentator jedenfialls sehr Angenehme berichten. Vor
allem hat keiner der Patienten, resp. Patientinnen darüber ge-
klagt, daß irgendwelche Störungen von seiten des Magendarm-
traktus aufgetreten waren. Im Gegenteil, in vielen Fällen, wo
es sich sogar um habituelle Obstipation handelte, nämlich bei
den Patientinnen (und deren waren es auch die meisten, die
daran litten), haben wir stets darüber erfahren können, daß
der Stuhlgang „merkwürdigerweise^ sich regelte und vom Ge-
brauche von Abfuhr- oder sonstigen Mitteln abgesehen wurde.
Dabei stellte sich regelmäßiger Stuhlgang ein und von Diar-
rhoea konnte gar keine Rede sein. Da derartige Stimmen schon
Yon Yomberein erschallten, habe ich auch in sämtlichen Fällen
dieser Frage besondere Aufmerksamkeit geschenkt und stets
Tolle Bestätigung gefunden.
Was nun die Einwirkung des Mergais auf die
Krankheitserscheinungen betrifft, so läßt sich hier,
ebenso wie bei einer anderen Methode der Quecksilbereinver-
leibung, kein einheitliches Bild entwerfen.
Es vergingen mindestens acht, sehr häufig sogar vierzehn
Tage, bis man das Sinken resp. Verschwinden der einzelnen
Erscheinungen zu beobachten im stände war. Sobald es aber
mit Veränderungen, d. b. Abnahme der Erscheinungen begonnen
hat, konnte man schon von Tag zu Tag mit bloßem Auge die
Besserung beobachten. Das war in Fällen mit gewöhnlicher
Boseola am deutlichsten ausgesprochen und ebenso in manchen
Fällen von papulöser ^autsyphilis. In Fällen, wo es sich um
Papeln (nässenden und sogar Condylomata lata) an den Geni-
talien und an den so oft, insbesondere bei Frauen vorkommenden
Analfalten handelt, habe ich der Kontrolle wegen jede medika-
mentöse Lokaltherapie nicht anwenden lassen und doch Ab*
nähme der Erscheinungen konstatiert — ein Faktum, welches
von Bedeutung ist.
Über die Fälle mit sogenannten Spätsyphiliden ist zu
sagen, daß mindestens 20—22 Tage vergingen, bis man eine
Veränderung zum Besseren bemerkte, die allerdings dann in
raschem Tempo vor sich ging. Dasselbe ist auch über die Fälle
Die BehaDdlQDg der Syphilis mit Mergal. 425
zu sagen, welche an gummöser Form litten. Jedenfalls ist es
gelungen, die Gummata YoUständig zur Heilung zu bringen,
ohne gleichzeitige Anwendung Ton Jodpräparaten.
Hier möchte ich nur einen eklatanten Fall anfuhren. Es
handelte sich gerade um eine Patientin mit einem mehr als
taubeneigroßem zerfallenen Gumma an der linken Elavikel,
wo man von der Verordnung eines Jodpräparates absehen
mußte, weil die Patientin ihr 4 Monate altes Kind stillte und
vor Verlust der Milch fürchtete. Das Gumma heilte vollständig
nur durch Mergaleinnahme.
Die hier folgenden Schlußsätze können auf Grund der
Yon anderen Autoren und von mir gemachten Beobachtungen
so zusammengefaßt werden:
1. Die Anwendung des Mergais ist angezeigt vor allem in
allen denjenigen Fällen von Lues, wo Quecksilber zur Verord-
nung kommen muß, d. h. bei Syphilis secundaria und tertiaria.
Eine Ausnahme, und das ist besonders zu betonen, sind
diejenigen Falle, wo die Syphilis schwere oder direkt lebens-
gefährliche Erscheinungen aufweist, eventuell wo ganz beson«
dere energische Euren angezeigt sind.
2. In der Latenzperiode sowie bei der chronisch-intermit-
tierenden Behandlung der Syphilis im Sinne Foumier-Neisser
kann das Mergal sehr gute Dienste leisten.
8. Bei den parasyphilitischen Erkrankungen kann man
stets an die Verordnung des Mergais in gleicher Weise wie an
eine Inunktions- oder Iigektionskur denken.
4. Das Mergal ist zweifellos zur Zeit als das beste interne
Antbyphilitikum, ich meine Quecksilberpräparat, anzusehen, da
es vor allem sicher wirkt (NB. unter Berücksichtigung des im
2. Absätze des sub Punkt I Skizzierten), vom Magendarm-
traktus gut vertragen wird und nicht nur absolut keine Stö-
rungen in demselben hervorruft, sondern sogar in Fällen mit
gleichzeitiger habitueller Obstipation zur Regelung des Stuhl-
ganges fuhrt — ein Vorteil, der von besonderem Wert ist.
426 Grfinfeld.
5. Das Benutzen des Mergais ist als einfache, bequeme
und somit angenehme spezifische Kur anzusehen. Dies ergibt
die Möglichkeit Yor Allem das rechtzeitige Beginnen der Kur,
sogar bei solchen Patienten, die infolge ihres Berufes nidit
dazu eingerichtet sind, die Behandlung einleiten zu lassen —
ein Umstand, der Ton ganz eigenartig wichtiger Bedeutung ist,
insbesondere, wenn man das Leiden als solches berücksichtigt
und, was noch Yon praktischer Bedeutung sich hinzugesellt,
daß diese überall und mit yoUer Diskretion durchgeführt
werden kann.
6. Das Mergal ist somit als Bereicherung des Arznei-
schatzes anzusehen und in die Beihe der wirkenden Antisyphi-
litika au&unehmen, aber nur unter den obengeschilderten Aus-
nahmen, die jedenfalls mit der Zeit, ich meine nach einer
Reihe Ton Jahren, eventuell auf Grund von zahlreichen mit
Tausenden zu rechnenden Beobachtungsfallen, möglicherweise
abnehmen werden.
Zum Scblufie will ich der Firma J. D. Biedel, Berlin,
meinen ganz besonderen Dank dafür aussprechen, daß sie mir
das Präparat stets mit zuvorkommender Bereitwilligkeit zur Ver-
fügung gestellt hat.
Die Beliandlniig der Syphilis mit Merg*L 427
Literatur.
1. fi¨er, Chr. Handbuch d. Bpeziellen Pathologie a. Therapie.
Heransgegeben von H. von Ziemssen. Handbuch der cm^n. Infektions-
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Neuheiten. Mai 1907. p. 166-167.
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pag. 89--66 und 249—323.
24. y. Zei^sl, Maximilian. /») Ein Beitrag zur Syphilisbehandlung,
österreichische Ärztezeitung. 1907. Nr. 7. b) Ein Beitrag zur Syphilis-
behandlung, mit besonderer Berücksichtigung des Mergais. Med. Klinik.
1907. Nr. 16. e) Behandlung der Spätformen der SypMlis. Wiener klin.
Bundschau. 1907. Nr. 21.
r
BerißM üter die Leistungen
auf dem
Gebiete der Dermatologie und Syphilis.
Verhandlungen der Berliner dermatologisclien
Gesellschaft.
SÜBung Tom 10. Desember 1907.
Vorsitzender: Lese er. Schriftführer: Pinkus.
1. Hofl^ann demonstriert ein mikroskopisches Präparat von einem
Epitheliom, das sich aas einer seborrhoischen Yerraca senilis ent-
wickelt hat.
2. Hofbnann stellt einen 20jährigen Saaheli-Neger mit Fram-
boesiatropica vor. Im April dieses Jahres bekam er znertt eine Affektion
am rechten Faß, die möglicherweise als der Primäraffekt der Infektion
anfgefafit werden mofi. Anfang Juli zeirte sich eine Stelle an der Ober-
lippe, framboesieartige Wachemngen an der Innenseite der Beine, nebenbei
bestanden eine lichenoide Eraption nnd schuppende Herde. Die Affektion
jnckt ziemlich stark. Nach drei Löffel Jodkali ist bereits ein starker
Bfickffang an&etreten. Die Framboesie reagiert aaf diese Medikation viel
schneller als Lues. In dem Aspirationsseram, das aus dem Herd auf der
Lippe stammt, fanden sich eine große Men^e von Spirochaeten, die von
der Pallida kaum zu unterscheiden sind; im frischen Präparat bleiben
diese Spirochaeten 6—7 Stunden beweglich. Die Windungen sind nicht
g^anz so regelmäßig wie bei der Pafiida und die Geißeln sind nicht
sichtbar und laufen nicht so spitz aus. Die Färbbarkeit ist schwieriger
als bei der Pallida, am besten gelang die Färbung mit Osmiumsäure.
Es zeigt sich häufig eine kömige Verdickang des Fadens, die an der
zweiten bis dritten letzten Windung gelegen ist. — Die Affektionen, die
an den Handflächen und Fußsohlen bestehen, würden bei jedem den
Verdacht auf Lues hervorrufen, aber kleinere klinische Unterschiede, wie
das Übergreifen der Affektion von der Handfläche auf das Gelenk sind
doch vorhanden ; nur die Drfisen unter dem Kinn sind etwas geschwollen,
sonst nirgends, die Schleimhäute sind frei, von Alopecie ist nichts zu
sehen. Der klinische Unterschied zwischen Lues und Framboesie ist so
schwierig, auch nachNeisser, daß man mitunter die Differentialdiagnose
kaum stellen kann. Daß beide Affektionen nicht identisch sind, ist durch
das Experiment von Gharlouis entschieden, der Lues auf einen Fram-
boesiekranken übertragen hat. Also ein Kranker, der mit Tawspapeln
übersät ist, kann die Lues mit allen ihren Folgeerscheinungen bekommen.
Auch beim Affen haben Neisser, Halberstädter nnd Beermann
diese Tatsache experimentell bewiesen. Man kann beide Affektionen zu
gleicher Zeit übenmpfen ; auf die Unterschiede zwischen beiden Arten
von Spirochaeten ist schon von anderer Seite hingewiesen worden.
432 Verhandlangen
Halberstädter findet besonders den Herd an der Oberlippe
gani charakteristisch für Framboesie, während der Herd am Handteller
als einsiges klinisches Symptom znr Sieherang der Diagnose nicht ver-
wendet werden könnte. Bei den Eruptionen am Anus ist die Ähnlichkeit
eine so große, daß die Differentialdiagnose kaum za stellen ist. Der
Primärafiekt an den Beinen hat in seinem Aussehen Ähnlichkeit mit den
framboesieartigen Erscheinungen, wahrend bei der Lues der Primäraffekt
eine papalöse Effloreszenz ist ; die Framboesie tritt immer znerst mit den
eigentümlichen Effloreszenzen, die ans einer Waehernng des Papülar-
körpers hervorgehen, und in Herden anf der Hand- und Fnßfiäche anf.
Lesser fragt, ob die Inkubation von vier Monaten in diesem
Falle nicht auffallend lange ist.
Halberstädter antwortet, daß nach dem Experiment von
Charlouis die Inkubation durchschnittlich 21 Tage dauert, beim Affen
gewöhnlich 4 Wochen, längstens 3 Monate.
Hoff mann macht darauf aufmerksam, daß bei Impfungen die
Inkubationszeit verhältnismäßig kürzer ist als bei spontaner Infektion;
es kann also verhältnismäßig lange dauern, bis nach dem Primäraffekt
die späteren Erscheinungen zum Durchbrach kommen. Die von ihm vor-
genommenen Übertragungen auf Affen haben noch kein bestimmtes Re-
sultat gegeben. Bei Überimpfung auf die Aagen von Kaninchen fanden
sich zahlreiche Streptokokken, durch welche das Auge nach 8—4 Tagen
vereiterte, selbst wenn nur die Hornhaut geritzt wurde. Ob nicht nachher
noch Framboesie entsteht, kann erst der weitere Verlauf zeigen.
Marcus 6 fragt nach dem Infektions weg bei Framboesie.
Halberstädter: Die Framboesie ist eine endemische Erkran-
kung: auf den Fitchi -Inseln ist fast jedes Kind krank, so daß die Leute
annehmen, daß eine solche Erkrankung fär die spätere Gesundheit not-
wendig sei. Man beabsichtigt sogar Kinder, die in den ersten Wochen
keine Framboesie bekommen, künftig zu impfen. Bei einer Inspektions-
reise in Java konnte H. bei 507o der Kinder Framboesie oder Reste der
Framboesie konstatieren; auffallend ist, daß nur die in der tropischen
Zone wohnenden Eingeborenen erkranken und kein Europäer.
3. Dreyer stellt aus der Rosenthalschen Klinik eine 64jährige
Patientin vor mit Acne necrotica am ganzen Körper mit Ausnahme
des Gesichts. Die Affektion besteht seit drei Jahren und ist mit Jucken
verbunden. Die Patientin ist abgemagert, anämisch, die Haut atrophisch,
bräunlich pigmentiert und mit unzähligen kleinen weißlichen Narben
bedeckt: über den ganzen Körper zerstreut befinden sich eine Anzahl
solitärer Effloreszenzen, die leicht gerötet sind und in der Mitte einen
Schorf tragen, der das Niveau der Haut nicht überragt. An einigen Stellen
fühlt man deutlich einige hirsekomjp^ße, subkutan gelegene, härtliche
Primär-Effloreszenzen ; der Urin ist frei von Saocharum, zeigt aber Vi Vm
Eiweiß. Patientin, die vorher vielfach behandelt worden ist, bekam
Pillulae asiaticae, offenbar mit gutem Erfolg.
Arndt hat die Patientin längere Zeit in der Üniversitätspoliklinik
gesehen ; es bestanden damals urtikarielle Effloreszenzen und er nahm an,
der Berliner dermatologischen Gesellschaft. 433
dafi eine Nephritis die Ursache dieser nekrotisierenden Urtikaria sei;
damals ist reichlich Albamen vorhanden gewesen.
Dreyer betont den geringen Eiweißgehalt.
Halle hat die Patientin ebenfalls in der Universitätspoliklinik
gesehen, die Diagnose wurde auf Acne urticata gestellt.
Bosenthal bittet anzageben, auf welche Symptome hin diese
Diagnose gestellt worden ist.
Halle erwidert, daß an Acne necrotica deshalb nicht gedacht
worden ist, weil sich diese Affektion doch meistenteils an der Stirnhaar*
grenze befindet; die damals beobachteten Effloreszenzen bestanden in
einer tief liegenden Infiltration und einer diffusen Rötung, die den Ein-
druck von Urtikariaquaddeln machten.
Saalfeld macht auf die Ähnlichkeit der Effioreszensen mit Fol-
liklis aufmerksam.
Rosenthal erwidert, daß die Acne yarioliformis ihren Sitz an
der Stirn hat und die Acne necrotica von einer Anzahl Autoren, so yon
Jarisoh u. a., von der Acne varioliformis dadurch unterschieden wird,
daß sie sich über den ganzen Körper verbreitet. Nach Rs. Überzeugung
sind diese beiden Affektionen identisch und nur durch die verschiedenen Lo-
kalisationen zu unterscheiden. Die Acne urticata ist von Kaposi beschrieben
worden und ist charakterisiert durch das Auftreten von Quaddeln mit
Übergang in Aknepusteln. Die Effloreszenzen, die jetzt noch sichtbar
sind und die zuerst noch viel zahlreicher waren, zeigen einen typischen
nekrotischen Schorf, welcher das Niveau der Haut nicht überragte und
waren gleichmäßig über den ganzen Körper verbreitet. In dieser Aus-
dehnung ist die Acne necrotica außerordentlich selten, möglich ist aber,
daß alle drei Affektionen: die Acne urticata, die Acne varioliformis und
die Acne necrotica mit einander verwandt sind, die chronische Nephritis
ist vielleicht in diesem Falle von gewissem Einfluß auf die Affektion.
Arndt fügt hinzu, daß vor einigen Monaten das Bild einer Urti-
caria papulosa necroticans vorlag: elastisch ödematöse Knötchen mit
deutlich urtikariellem Charakter, die an der Oberfläche zerkratzt waren
und einen Schorf trugen. Der Sitz der Knoten war in der tieferen Schicht
der Haut. An Acne necrotica wurde damals nicht gedacht.
Lippmann erwähnt einen ähnlichen Fall, bei dem er zuerst
geneigt war, die Diagnose auf Acne urticata zu stellen; der weitere
Verlauf, das Auftreten von typischen Schorfen zeigte aber, daß es sich
um eine Acne necrotica des ganzen Körpers handelte. Auch in seinem
Fall war das Jucken sehr stark. Möglicherweise ist die Auffassung von
Rosenthal richtig, daß beide Affektionen mit einander verwandt sind.
Rosenthal betont nochmals, daß, als er die Patientin zuerst sah,
von Urtikaria nicht die Rede sein konnte und daß Knoten und Schorfe
typisch für Acne necrotica waren.
Hoffmann meint, daß die Diskussion sich darauf zuspitzt, ob die
Schorfe spontan entstanden sind oder als eine Folge des Kratzens auf-
zufassen sind.
Areh. f. Dermal, a. Syph. Bd. LXXZIX. 28
434 Yerhandlimgen
Halle hat den Eindruck, daß die VerBchorfmig [nur die Folge
yon Eratzen war.
Rosental hat zwar viele Menschen gesehen, die sich kratzen,
aber noch nicht solche, die sich so kratzen, daß regelmäßige, nxnde, tief
liegende Schorfe entstehen, die zahlreiche Narben znracklassen.
4. L. Lilienthal: Ober den sogen. Mongolen-Gebnrts-
fleck der Erenzhant.
L. stellt zwei Säoglinge vor, den ersten im Alter von 11 Wochen.
Als er 6 Wochen alt war, sah man einen fünfmarkstückgroßen Fleck in
der Regio sacralis; Haat, Iris nnd Haare sind dunkel. Der Vater soll
Brasilianer gewesen sein, die Mntter, eine Deutsche, war auch brünett;
der Fleck hält sich seit 6 Wochen. — Ferner einen zweiten Säugling
von 11 Wochen, der ebenfalls denselben Fleck zeigt; Haare, Haut und
Iris sind ebenfalls dunkel. Die Mntter ist dunkelblond, der Vater ebenso.
Die meisten japanischen Kinder, etwa 90Yoi zeigen bei oder nach
der Geburt einen oder mehrere blau schimmernde Flecke in der Kreuz-,
Steißbein- und Glutäalgegend; die Flecke verbreiten sich nicht selten bis zum
Rücken. Häufig findet man sie in der Schultergegend oder an den Streck-
seiten der Extremitäten. Diese Flecke persistieren selten das «inze Leben,
sondern verschwinden nach längerer oder kürzerer Zeit spurlos. Man hat
diese Flecke als Zeichen der Kassenreinheit der Japaner gehalten, in-
dessen schon vor hundert Jahren wurde der Fleck auch bei Grönländern
gefunden. 6 e 1 1 z hat zuerst die Pigmentzellen im Chorium mikroskopisch
nachgewiesen. Auch bei verschiedenen mongolischen und malayischen
Völkern wurde der Fleck später beschrieben. In der dermatologischeu
Literatur hat Grimm ausführlicher über diesen Fleck berichtet in seinen
„Beiträgen zum Studium des Hautpigments''. Grimm fand die Ursache
dieser Flecke in einer Farbstoffanhäufung in Zellen des Chorium. Diese
Pigmentzellen treten in die Papillen nicht ein und finden sich auch kaum
in den oberflächlichen Lagen des Choriums. Adachi fand derartige Flecke
mit ihren anatomischen Merkmalen bei fast allen Affen in großer Aus-
dehnung, so daß die Flecke im Sinne der Deszendenztheorie verwendet
wurden. Bei seinen Untersuchungen in Straßburg fand er unter 24 Leichen
bis zu 2Vt Jahren hinauf lOmal in der Kreuzgegend die eigentümlichen
Zellen, trotzdem betrachtet Beltz diese Flecke als Rassenzeichen. Aber
in der Kinderpoliklinik vonLeitz in München glückte es Adachi beim
lebenden Säugling, ungefähr dem 50., den er daraufhin untersuchte, den
Fleck zu finden. Das Kind war 7 Wochen alt und nach l*/« Jahren,
nachdem Adachi das Kind wiedersah, war noch der MongolenOeck deutlich
zu sehen. Epstein in Prag schätzte das Vorkommen dieser Mongolenflecke
auf 25 unter 50 — 60.000 Fällen, dann sind noch eine Anzahl vereinzelter
Fälle beschrieben worden.
Saalfeld hatte vor längerer Zeit Gelegenheit, einen hierher
gehörigen Fall zu beobachten. Das Kind stammte von deutschen Eltern,
die Haut war dunkel pigmentiert.
5. marcnse stellt den in voriger Sitzung demonstrierten Fall
wieder vor. Die Ulzeration an der Lippe dehnte sich noch weiter
aus, dann trat aber schnell der Heilungsprozeß ein und nach 16 — 17 Tagen
war derselbe vollendet. Pat. ist viermal in 2 Sitzungen ä 4 Minuten mit
weichen Röntgenröhren bestrahlt worden. Holzknecht hat einen ähn-
lichen Fall, den er klinisch als Noma bezeichnete, in gleicherweise mit
gutem Erfolg behandelt.
Schultz meint, daß die Bestrahlung in diesem Falle von be-
trächtlichem Einfluß gewesen sei; ein mikroskopischer Befund ist in
diesem Falle leider nicht erhoben worden.
der Berliner dermatologischen Gesellschaft. 435
Hoff mann glaabt, daß die Affektion in das Gebiet der Noma,
einer Dermatitis ulcerosa, gehört, die der Angina Yincenti auf den Ton-
sillen entspricht.
6. Saalfeld: Beitrag zur Ätiologie der Dermatitis.
S- beobachtete einen Patienten mit einer hartnäckigen ekzematösen
Hantaffektion an den Händen, die sich im Anschloß an das Auspacken
▼on Panamahüten entwickelt hat; eine ähnliche Affektion soll auch bei
den Angestellten desselben Geschäfts aufgetreten sein. In der Literatur
konnte S. darüber nichts finden, das Pulver, mit dem die Panamahüte
bestreut werden, konnte S. nicht erlangen. Möglicherweise handelt es
sich um eine Schwefel Verbindung. — Femer beobachtete S. einen andern
Patienten mit einer Dermatitis am Gesicht und an den Händen, die durch
Naphthalin entstanden war.
Blasohko beobachtete gelegentlich ähnliche Dermatitiden nach
Naphthalin. Für gewöhnlich handelt es sich dabei um eine Idiosynkrasie,
da Naphthalin ein an sich wenig reizendes Mittel ist.
Lesser sah vor kurzem einen Herrn, der die bekannte Pelz-
kragenaffektion zeigte. Derselbe bekam später nach Ausstreuen von In-
sdctenpolver im Zimmer ein sehr heftiges akutes Ekzem.
7. Heller berichtet, daß bei den Armen der Stadt Berlin auf seine
Veranlassung in Zukunft bei Krankheiten, die durch parasitäre Haut-
affektionen hervorgerufen werden, die Desinfektion nicht nur der Wohn-
räume und Betten, sondern auch der Kleider ausgefährt wird.
0. Rosenthal.
28*
Hautkrankheiten.
Anatomie» Physiologie^ allgetn. u. exp. Pathologie^
path. Anatomie» Therapie.
Majocchi Domenico. Über die Bedeatang^ einiger Verän-
derungen der Schweißdrüsen im senilen und präsenilen
Zustande. (Salla importanca di alcnne alterazioni delle ghiandole sa-
dorifere nello stato senile e presenile.) Heraasgegeben von der königL
Akademie der Wissenschaften zu Bologna mit 4 Tafeln. 1906.
Diese Arbeit Majoochis lenkt die Aufmerksamkeit insbesondere
der Histopathologen auf eine Frage, die obzwar nicht neu, doch in ge-
wisser Hinsicht noch wenig studiert wurde; sie kann praktisch von
grofier Bedeutung sein, um die senilen und präsenilen Alterationen der
Schweißdrüsen von jenen Prozessen zu unterscheiden, die direkt die
Drüsen oder die den letzteren nächsten Geweben angreifen. Der Autor
kommt zu folgenden Schlußfolgerungen:
1. In der Involution der Haut unterliegen die Schweißdrüsen einigen
morphologischen und histologischen Veränderungen, die als senile Alte-
rationen dieser Organe zu betrachten sind.
2. Es sind zwei Arten von Veränderungen: a) die ersten treten
mit Ektasie auf, welche zu cystischen Degenerationen führen kann und
befällt gewöhnlich einen oder mehrere Drüsenschlänche ; h) die zweiten
sind dagegen durch Hyperplasie der Epithelwand charakterisiert bis zu dem
Grade, um den Anschein einer Keubildungsform vorzutäuschen (Adenoma
sudoriparum, siringo-cystoadenoma); manchmal finden sich kombiniert
(Mischformen) die genannten Veränderungen vor.
8. Diese senilen Veränderungen treten nicht konstant im Alter auf,
sondern sie finden sich in den wirklicken senilen Zuständen der Haut-
gewebe.
4. Diese Veränderungen können manchesmal bei einigen dystro-
phischen Zuständen noch junger Individuen, nämlich in präsenilen Zu-
ständen und besonders die ersten Veränderungen charakterisiert dnrch
Ektasie der Drüsenschläuche.
6. Bei einigen Affektionen der Alten (Verrucae, Naevi keratosi
foUiculares) kann man genannte Drüsenalterationen unter solchen Erschei-
Bericht üb. die Leistungen auf dem Gebiete d. Hantkrankh. 437
nungen treffen, daß es den Anschein hat, als würden die Drüsen an den
lokalen Prozeß teilnehmen, während sie eigentlich nur senile Involntions-
tatsachen vorstellen.
6. Bezüglich der Pathogenese beider Formen der Drüsenalterationen
kann man annehmen a) für die ektatisohen irgend ein Hindernis, sei es
in Beziehung mit dem Ausführungsgange, sei es mit irgend einer Stelle
des Drüsenkn&uels; ein Hindernis vor allem bedingt durch umschriebene
Sklerosen des peri- und intraglomerularen Bindegewebes; b) für die
hyperplastisohen Veränderungen dagegen, außer des Einflusses des er-
wähnten Hindernisses, ist es nötig an das Mitwirken irgend eines Reizes
zu denken, z. B. des angesammelten Schlauchsekretes, fähig die Epithel -
membran zu reizen, ohne jedoch auszuschließen, daß es andere Ursachen
sein können, die dem Auge des Beobachters entgehen.
Costantino Gurupi (Prag-Porretta).
Broeq. Note präliminaire sur l'importance du grattage
ä la curette pour le diagnostic de certaines dermatoses.
Ann. de derm. et de syph. 1907. p. 306.
Brocq versucht, die bei den Effloreszenzen verschiedener Erkran-
kungen nach Kratzen mit einer Curette auftretenden Symptome differential-
diagnostisch zu verwerten. Während bei Psoriasis, wie bekannt, zunächst
trockene Schuppen, dann ein in toto ablösbares zartes Häutchen, endlich
kleine punktförmige Hämorrhagien auf rötlicher, glatter und glänzender
Oberfläche auftreten, kommt es bei Parapsoriasis zur Bildung einer
mehr oder weniger reichlichen Purpura traumatica. Bei der trockenen,
psoriasiformen Parakeratose fehlt das zarte Häutchen und es tritt
eine llischuDg von Purpura traumatica und punktförmiger Hämorrhagie
auf; für die zu Bläschenbildung fuhrende psoriasiforme Parakeratose ist
außerdem noch die Bildung kleiner intraapidermoidaler, schüsseiförmiger
Depressionen, aus welchen geringe Mengen Serum treten, charakteristisch.
Bei der psoriasiformen „Dermatose figurde mediothoracique"
(Eczema seborrh.) treten gleichfalls Purpura und Hämorrhagien auf, bei
der gewöhnlichen Form dieser Erkrankung außerdem kleine Tropfen von
Serum am Bande der Effloreszenzen. Bei Pityriasis rosea tritt am
Rande der Herde ziemlich reichliche Purpura traumatica auf, zuweilen
finden sich auch kleine intraepidermoidale Bläschen. Die letzteren finden
sich auch bei der trockenen Form des Ekzems. Beim Lupus erythe-
matosus haften die Schuppen zunächst sehr fest, dann kommt es zur
Bildung Ton Purpura und endlich zu Hämorrhagien. Beim Liehen
planus sind die Papeln sehr turgeszent, es kommt an der Peripherie
der Effloreszenzen zur Bildung von Purpura, in gewissen Fällen zu Los-
lösung des Epithels vom Papillarkörper. Für die papulosquamösen und
psoriasiformen tuberkulosquamösen Syphilide ist die sofort auftretende
Purpura und das neoplastische Aussehen des darunter liegenden Gewebes
charakteristisch. Trotzdem diese Symptome in allen möglichen Über-
gängen bestehen, ist B. dennoch der Ansicht, daß diese Methode dem
Praktiker in gewissen Fällen die Sicherung der Diagnose gestatten dürfte.
Walther Pick (Wien).
438 Bericht über die Leistangen auf dem (Gebiete
Balkley, L. Dancan. Danger Signall From the Skia. Jonr.
Am. Med. As«. XLVIII. 1740. 25. Mai 1907.
Balkley will allgemeinere Anfmerktamkeit lenken anf die Beden-
tang gewisser Hantyerftndernngen als WamnngSEeichen von Seiten wich-
tiger Yer&nderongen innerer Organe oder des allgemeinen Znstandea de«
Körpers. In dieser Hinsicht werden besprochen: Syphilis, Ekxem, Akne,
Psoriasis, chron. Urticaria, Proritas, Xanthoma Diabeticomm, Famnkel
nnd Karbunkel, Pagets Krankheit, Acanthosis nigricans, Lnpas etc. Viel-
fach handelt es sich um die zuweilen ziemlich extremen, keineswegs auf
sicheren Tatsachen beruhenden Aussichten des Verfassers.
H. 6. Klotz (New- York).
Wolters. Über mechanisch erzeugte Alopecie (Tricho-
tillomanie Hallopeaus). Aus der dermatologischen Poliklinik der
Universit&t Rostock. (Medizinische Klinik 1907, Nr. 24.)
Wolters bringt einen interessanten Artikel über die in der Lite-
ratur noch wenig behandelte traumatische Alopecie. Es werden zwei
Gruppen mechanisch entstehender Alopecien unterschieden, eine, die durch
Ausreißen der Kopf- nnd Körperhaare entsteht und eine, die durch
Kratzen an behaarten Körperstellen hervorgerufen wird. Für die erste
Form wurde von Hallopeau, der den ersten Fall einer mechanisch er-
zeugten Alopecie demonstriert hat. der Name Trichotillmanie vorge-
schlagen, als Ausdruck dafür, dafi das Haarausreißen hier als Wahnsinns-
akt aufzufassen sei. Bei der anderen Form, die immer einem Pruritus
folgt, werden die Haare nicht ausgerissen, sondern infolge Juckens und
Kratzens abgescheuert. Verfasser sucht nun durch Anführung der in der
Literatur beschriebenen Fälle und seiner eigenen Beobachtungen den
Nachweis zu bringen, daß bei der ersten Form, nicht wie Hallopeau
annimmt, eine wirkliche Manie das primäre sei, sondern daß das erste
auslösende Moment für das Phänomen des Haarausreißens als eine eigen-
tümliche, aber doch normale und zweckmäßige Reaktion des Körpers auf
einen ihn treffenden Reiz anzusehen sei, daß allerdings das Haarausreißen
nach Aufboren des auslösenden Momentes zur Gewohnheit werden kann.
Oskar Müller (Dortmund).
Ipsen. über argentoide Haarverfarbung. (Aus der Klinik
für Hautkranke des städtischen Krankenhauses zu Frankfurt a. M.) Mün-
chener mediz. Wochenschrift 1907. Nr. 24.
Ipsen beschreibt eine eigentümliche Anomalie der Haarfarbe bei
einem 2djährigen Schlosser. Die Grundfarbe sämtlicher Körperhaare war
ein stumpfes Braungrau, das von einer zarten silbergrauen Schicht von
Staub oder Asche überzogen zu sein schien. Die Erklärung für diese an-
geborene Anomalie lieferte der mikroskopische Befund der Haare, welcher
eine anormale Verteilung und Anordnung des Pigments zeigte.
Oskar Müller (Dortmund).
Colman, Horace. A dangerous dry Shampoo. The Laneet
28. Juni 1907, p. 1709.
der Ebtutkrankheiten. 439
Eine Dame — berichtet C o 1 m a n — wurde beim Schamponieren
nach Übergießen mit einer Flassigkeit ohnmächtig, hatte nach dem £!r-
wachen aus der Ohnmacht Erbrechen und Störongen wie nach der Ghloro*
formnarkose. Golman stellte fest, daß das benutzte Präparat Tetrachlor-
kohlenstoff war, ein für diesen Zweck häufig gebrauchtes Mittel. Marshall,
der es untersuchte, betonte die große Giftigkeit des Körpers, der an
Wirkung dem Chloroform gleicht, aber toxischer ist als dieses. Eben
wegen seiner Giftigkeit kommt es schon längst nicht mehr zur Anwendung.
Fritz Juliusberg (ßerlin).
Wallaee, David. Nine cases of carbolio aoid gangrene.
The British Med« Journal. 11. Mai 1907, p. 1110 C
Wallaee berichtet über 9 Fälle von Gangrän nach Applikation
von Earbolumschlägen. In einigen seiner Fälle kamen hoohprosentierte
Lösungen zur Anwendung. Aber es sind auch Fälle vorhanden, wo
1 — 2*/oige Lösungen die Gangrän verursachten, Fälle, die ßich weder
durch zu starke uro schnürung, noch durch wasserdichte Bedeckung er-
klären lassen, sondern allein wohl durch eine hochgradige Idiosynkrasie
gegen die Karbolsäure. Fritz Juliusberg (Berlin).
Bnlkley, L. Duncan. Veronal Dermatitis. Journ. Am. Med.
Ass. XLYIIL 1864. 1. Juni 1907.
House, William. Verona! Dermatitis. Journ. Am. Med. Ass.
XLVIII. 1848. 20. April 1907.
In Ho US es Beobachtung trat nach der Einführung mäßiger Dosen
von Veronal unter ziemlichen heftigen Allgemeinerscheinungen und
Fieber (T. über 89® G.) ein Ausschlag auf. Auf dem Rücken diffuse
soharlachähnliohe Röte, auf der Vorderseite des Stammes und den Extre-
mitäten verstreute Herde von großen Urticariaeffloreszenzen. Diese Er-
scheinungen wurden wiederholt an dem Fat. beobachtet.
Bulkleys Fall zeigt fast identische Erscheinungen.
H. G. Klotz (New- York).
Kettner. Über Gangrän des Skrotums. Berl. klin. Wochen-
schrift, Nr. 80. 1907.
Im Anschluß an eine oberflächliche Hautabschürfung am Skrotum
kam es zu einem Erysipelas gangraenosum, dem der ganze Hodensack bis
auf die Testikel zum Opfer fiel. Nach Abstoßung der gangränösen Par-
tien trat rasch Überhäutung vom Rande her wieder ein.
H. Hüb n er (Frankfurt a. M.).
Wiehmann. Experimentelle Untersuchungen über die
biologische Tiefenwirkung des Lichtes der medizinischen
Quarzlampe und des Finsenapparates. (Aus der Lupusheilanstalt
für Kranke der Landesversicherungsanstalt der Hansestädte zu Hamburg.)
Münchener mediz. Wochenschrift 1907, Nr. 28.
Wich mann redet auf Grund vergleichender Untersuchungen über
die Wirkung der Quarzlampe und des Finsenapparates der Quarzlampe
das Wort Nach seinen Versuchen vermag das Licht der Quarzlampe,
wenn ein Teil seines Ultraviolett durch Verwendung einer Methylenblau-
440 Bericht über die LeiBtungen auf dem Gebiete
lösnng in einer Yerdünnang Ton 1 : 10.000 ausgeschaltet wird, in der-
selben Tiefe eine stärkere photochemische Lichtentsündnng herbeiznfuhren
als das Finsenlicht. Verf. ist daher der Ansicht, dafi das Lieht der Quarz-
lampe in praxi auch bei tiefgelegenen Affektionen der Hant dasjenige
des Finsen- Apparates bei weitem an Wirkung übertrifft, falls die Finsen-
sche Auffassung, nach welcher der Erfolg des Finsenlichtes in einer
photoohemischen Beeinflussung des Gewebes su suchen ist, richtig ist.
Oskar Müller (Dortmund).
Le Count, E. R. & Batty, A. J. Purpura Hemorrhagica
with Generalized Infection with Bacillus Paratyphosus.
Jour. Infect Dis. IV. 176. April 1907.
In dem von L e G o u n t und Batty beobachteten Fall wurden
Purpura- Flecken an Armen und Beinen, Brust und Unterleib beobachtet
im Verlauf einer tödlich endenden, mit langdauerndem nicht typischen
Fieber einhergehenden Krankheit. Die Hauptverändernngen worden in
den Lymphdrüsen der ünterleibsorgane, in der Milz und Nieren gefunden,
Bum Teil in Form yon Blutungen. Bakteriologisch wurde ein kuner,
aktiver Bazillus beobachtet, der bei Gram entfärbt wurde, während des
Lebens ans dem Blut, nach dem Tode aus der Milz und Drüsen im
Becken kultiviert. Derselbe scheint eine Mittelstellung zwischen Bacillus
coli und Bacillus typhos. einzunehmen. H. G. Klotz (New- York).
Iwai, Teizo. Relation of polymastia to multiparons
birth. The Lancet. 21. Sept. 1907. p. 818 ff.
Iwai diskutiert über die Beziehungen zwischen Polymastie und
Zwillings- und Mehrgeburten, über die die Ansichten der Autoren variieren.
Er selbst beobachtete in Japan, wo die Mehrfachgeburten besonders selten
sind, unter 101 Frauen mit überzähligen Mammen 18 Mehrfachgeburten.
Er schließt aus seiner Statistik, daß zwischen überzähligen Mammen und
Mehrfachgeburten Beziehungen bestünden und femer daß bei überzäh-
ligen Mammen die Tendenz zu häufigeren Schwangerschaften vorhanden sei.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Tligendreich. Mongolenkinderfleck bei zwei Berliner
Säuglingen. Berl. klin. Wochenschrift Nr. 86. 1907.
unter der Bezeichnung „Mongolenkinderfleck^ versteht man einen
mattblauen Fleck von Erbsen- bis Handtellergroße, der über dem Kreuz-
bein sehr häufig bei Japanern gefunden wird. Er kommt aber auch nicht
so selten bei anderen Völkern der mongoliechen Rasse vor, und Andeu-
tungen von ihm, Pigmentzellenanhänfungen im Corium der Kreuzbeinhaut,
können auch bei Europäern nachgewiesen werden. Tugendreich fand
den Fleck aber in voller Ausbildung bei zwei Berliner Säuglingen seiner
Poliklinik. H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Boruttan, H. Über das Verhalten des Jodglidines im
menschlichen und Tierkörper. Dtsch. med. Woch. Nr. 87. 1907.
Die Experimente, welche Boruttan an sich selbst, an Patienten
und an Tieren über das Verhalten des Jodglidines im Organismus machte,
ergaben, daß die Ausnützung des Jodgehaltes bei diesem Präparat der
der Hantkrankheiten. 441
Wirkung des Jodkali darohans gleichkomme. Die Aufnahme des Jod
erfolgt langsamer. Die Daner der Ausscheidung ist die gleiche wie beim
Jodkalii indessen weicht der Verlauf darin ab, daß das Maximum der
Ausscheidung nicht sogleich nach der Einführung, sondern erst in den
zweiten 12 Stunden stattfindet. Nachgewiesen wurde ferner, daß auch
beim Jodglidine nicht nur Jod im Jonenzustand durch den Körper geht.
Andererseits schützt die rasche Beendigung der Jodausscheidung vor der
Aufspeicherung des Jod und deren nicht unbedenklichen Folgen. Auffällig
war bei einem Patienten mit Polyarthritis die Steigerung der Stickstoff-
ausscheidung während der Kur bei sonst gleicher Ernähr ang.
Max Joseph (Berlin).
Citron, Julius. Über Eomplementbindungsversuche bei
infektiösen und postinfektiösen Erkrankungen (Tabes
dorsalis etc.) sowie bei Nährstoffen. Dtsch. Med. Woch.
Nr. 23. 1907.
Bei weitaus den meisten Patienten mit klinisch oder anatomisch
festgestellter Lues waren im Serum regelmäßig, in der Lumbaiflüssigkeit
seltener Antikörper enthalten. Bei der Syphilis fanden sich die Anti-
körper oft noch nach Jahrzehnten, ja in alten Fällen besonders reichlich.
Auch im Serum hereditär Luetischer kamen Antikörper vor. Der bei
Paralyse beobachtete hohe üehalt der Lumbaiflüssigkeit an Antikörpern
ist sonst so selten, daß er als Kennzeichen für Paralyse oder syphilitische
Gehirnerkrankungen gelten kann. Bemerkenswert war, daß solche Patienten,
die von ihrer Infektion nichts wußten oder aus anderen Gründen unbe-
handelt blieben, das günstigste Objekt für die Untersuchung auf Anti-
körper bildeten. Je intensiver die Behandlung, um so schlechter wurde
das üntersuchungsergebnis, ein Beweis, daß die Serodiagnostik ein bedeu-
tendes Hilfsmittel in unklaren Fällen darstellt. Wenn die Serumreaktion
auf Antikörper positiv ausfallt und Tabes oder Paralyse nicht vorliegen,
so zeigt der Organismus an, daß die bisherige Behandlung ungenügend
war und eine energische Kur geboten ist. Verfasser erwartet von dem
Nachweis von Ambozeptoren und Antigen auch bei anderen z. B. Proto-
zoenerkrankungen noch bedeutende Aufschlüsse. Weitere eingehende
Untersuchungen betrafen die Komplementbindung in Nährstoffen besonders
im Eiweiß. Max Joseph (Berlin).
Buehanan, R. M. The carriage of infection by flies.
The Lancet. 27. Juli 1907. p. 216 ff.
Buehanan machte Versuche mit Fliegen über Übertragung von
Bakterien. Von hier interessierenden Versuchen kommen in Betracht die
Übertragung des tüiters eines Abszesses mit Staphylococcus aureus auf
eine Platte und Experimente mit Übertragung von Milzbrand.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Joseph, Max. Die allgemeine Therapie der Hautkrank-
heiten. Dtsch. med. Woch. Nr. 19. 1907.
Die Übersicht, welche Joseph über die allgemeine Therapie der
Hautkrankheiten gibt, kann hier nur in gedrängten Zügen angedeutet
442 Bericht über die Leisttins^en aof dem Gebiete
werden. Die weitgehenden Meinungsverschiedenheiten, welche gerade in
den therapeutischen Grundfragen bestehen, werden an dem Beispiel des
einfachsten Hilfsmittels, des Wassergebranches, erörtert. Es folgen die
Indikationen und Kontraindikationen von Waschungen und Bädern mit
und ohne medikamentöse Zusätze, sowie das Anwendungsgebiet Ton
Seifen und Salben. Besonders hervorgehoben werden die günstigen Wir-
kungen der Pasten (Zink- und Kahlpasten), der Leime, Firnisse und dea
zwischen den beiden letzteren stehenden (Jnguentum Gaseini, sowie die
Sehüttelmixtur von Zink, Amylum, Glyzerin und Wasser. Wenn diese Mittel
sich mehr für eine Gberflächenwirkung eigneten, so werden die tiefer
gelegenen Infiltrationen zweckmäßiger mit medikamentös imprägnierten
Pflastermnllen und Paraplasten behandelt. Dem Nässen bei akuten Haut-
katarrhen begegne man mit antiphlogistischen Mitteln: essigsaurer Ton-
erde, Resorcin, Pudern. Adstringierende Salben (Zink) verhindern zu
starkes Austrocknen der Haut. Zur Regeneration der Epidermis gleich-
zeitig juckstiliend, ist die keratoplas tische Substanz des Teers hingegen
mit Vorsicht anzuwenden, bei Verdickung wirkt keratolytisch Salizyl in
Paste, Seifenpflaster oder PflastermuU. Schälpasten von Naphthol oder
Resorcin bringen die Epidermis zur Abstoßang oder Talgdrüsen bei
Akne zur Entleemng. Jucken ohne sichtbare Erscheinungen (Pruritus)
lindern Schüttelmixturen von BromokoU und Zink, Exiguform, Menthol,
event. eine Kombination dieser Mittel oder anch unverdünnte Benzoe-
tinktur. Max Joseph (Berlin).
Sehwerdt. Weitere Fälle von Sklerodermie, behandelt
mit Mesenterialdrüsen. Münchener medizinische Wochenschrift
1907. Nr 25.
Sehwerdt stellt 5 Fälle von partieller Sklerodermie zusammen,
die er mit dem Mesenterialdrüsen- Präparat vom Schaf — Goeliaoin — das
in Tablettenform zu 0*3 ein- bis zweimal täglich gereicht wurde, ohne
örtliche Therapie behandelte. Verfasser hat bei allen Fällen eine gün-
stige Beeinflussung, teils sogar völlige Heilung konstatieren können, so
daß man diesem Präparat mehr Beachtung schenken und es häufiger als
es bisher wohl geschehen zur Anwendung bringen sollte.
Oskar Müller (Dortmund).
Miilfler. Vergleichende experimentelleUntersuohungen
über die Wirkung des Finsenschen Kohlenlichtes und der
medizinischen Quarzlampe. (Aus dem. Radiologischen Institut des
städtischen Rudolf Virchow-Krankenhauses zu Berlin.) Medizinische
Klinik 1907. Nr. 29.
Bei Nachprüfung der Wirkung des Finsen-Lichtes im Vergleich
zu der des Quarzlampenlichtes kommt Mulzer zu wesentlich anderen
Resultaten als sie Kromayer mit der von ihm in die Therapie einge-
führten Quarz-Qnecksilberlampe erhalten hat Die exakten sowohl mit
lichtempfindlichem Papier als auch am lebenden Gewebe angestellten
Versuche zeigen, daß zwischen der chemischen Intensität der Strahlen
der Finsenlichtes und der medizinischen Quarzlampe bezüglich ihrer
der Hautkrankheiten. 443
Oberflächen Wirkung fast kein Unterschied besteht, während mit zuneh-
mender Dicke der zu penetrierenden Gewebsschicht die Wirkung der
medizinischen Quarzlampe weit von der des Finsenlichtes übertreffen wird.
Anders Terhält es sich dagegen mit der Einwirkung der beiden Lichtarten
auf Bakterien. Während das Finseulicht nach Passage einer 0*4 und 0*5 mm
dicken Hantschicht nicht im stände war selbst bei einstfindiger Belich-
tung die Bakterien in ihrem Wachstum zu schwächen, erzeugte das
Qnarzlicht unter gleichen Bedingungen absolute Tötung sämtlicher
Bakterien. Oskar Möller (Dortmund).
Tomkinson. Goodwin. The eclectic treatment of Lupus
vulgaris. The British Med. Journal. 29. Juni 1907. p. 1585.
An der Hand dreier Fälle weist Tomkinson auf die günstige
Wirkung und den auch in kosmetischer Hinsicht guten Erfolg der
Röntgenstrahlen beim Lupus vulgaris hin. Die Fälle wurden zugleich
nach Finsen behandelt. Übrigens behaupten auch die alten Methoden
(Caustica, Ichthyolsalben etc.) noch immer einen hervorragenden Platz
in der Behandlung der Haut tuberkulöse und sollten zur Unterstützung
der neueren Methoden herangezogen werden.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Bogg§, Rüssel H. Some Applications of the Roentgen
Rays in Dermatology. New-York M. J. 85. 790. 27. April 1907.
Boggs betont besonders, daß zur erfolgreichea Behandlung von
Hautkrankheiten vermittelst der Röntgenstrahlen nicht nur eine ein-
gehende Kenntnis der Hautkrankheiten erforderlich sei, sondern auch
ein eingehendes Studium und Verständnis der R.-Strahlen; man solle
namentlich erst lernen, schwierige Röntgenbilder zu machen. Die
therapeutischen Resultate bei Ekzem, Akne, Rosacea, Psoriasis etc. unter-
scheiden sich nicht wesentlich von den üblichen. Im allgemeinen befür-
wortet B. ein konservatives Verfahren. H. G. Klotz (New-York).
Maeleod, J. M. H. The X-ray treatment of ring worm of
the Bcalp: singular ooincidence of measles with the deflu-
vium of the hair. The British Med. Journal, 1. Juni 1907, p. 1298.
Maeleod weist auf die Röntgenbehandlung des behaarten
Kopfes bei Trichophytie hin; der Haarausfall tritt regelmäßig etwa am
16. Tage ein. Bei 2 Kindern trat zugleich mit der leichten Hyperämie,
die dem Haarausfall vorauszugehen pflegt, ein Morbillenexanthem auf.
Diese wurde zuerst an den behandelten Stellen entdeckt und erregte den
Verdacht, daß eine Röntgenreizung zu erwarten wäre.
Fritz Jaliusberg (Berlin).
Morton, Reginald. On the valae of the high-frequency
spark as a local treatment. The Lancet, 1. Juni 1907, p. 1491.
Morton berichtet über die Verwendung der Hochfrequenzströme
zur lokalen Behandlung von Hautkrankheiten. Er hatte Erfolge bei Alo-
pecia arcata, Acne vulgaris und Acne rosacea.
Fritz Juliusberg (Berlin).
444 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Carle und Boulad. £tnde aar les pommades de savon.
Ann. de derm. et de syph. 1907. p. 454.
Die Aatoren bereiten zunächst eine weiße Kaliseife: Axong. 60,
Kai. oarb. 17*60, Aqu. dest. 160*00, Alcobol 10, Lanolin 20. In diese
Seife ließen sich die verschiedenen Teerarten, mineralische und yegetabi-
lische DestiUationsprodnkte, 0]e und Harze sehr gut eintragen, und sie
wnrde mit gutem Erfolg bei Pityriasis der Kopfhaut, bei Seborrhoe
(mit Resorcin, Teer und Schwefel), bei Psoriasis, chronischen Ekzemeui
sowie bei Affektionen der bebarteten Haut verwendet.
Walther Pick (Wien).
Sehütte. Therapeutische Erfahrungen mit „Eston*.
Medizinische Klinik 1907, Nr. 84.
Schütte teilt seine Erfahrungen mit, die er mit Eston, d. i.
Aluminium aceticum in fester polymerisierter Form, gemacht hat Es
wurde bei den verschiedenen Formen von Hyperhidrosis als Streu- oder
Einreibepulver in 50 — ^oy^iger Verdünnung, bei Decubitus, dann als
Streupulver bei kleinen Kindern in lO^oig^r Mischung mit Taloum ange-
wandt. Ferner wurde es zur Behandlung der verschiedensten Hautkrank-
heiten, insbesondere auch zur Wundbehandlung entweder auch in Pulver-
form oder als 10 — Iby^ige Vaseline herangezogen. Überali sah Ver&sser
günstige Erfolge; er sieht daher die weitere Einfahrung des Präparates
als einen therapeutischen Fortschritt und eine nicht zu unterschätzende
Bereicherung des Arzneischatzes an. Oskar Müller (Dortmund).
Sfagelschmidt. Zur Therapie der Skabies. Medizin. Klbük
1907 Nr. 36.
Nagelsohmidt ist der Ansicht, daß unsere gebräuchlichen
Skabiesmittel, namentlich die übliche Schwefelsalbe wohl die Krätzmilben,
nicht aber die Eier unschädlich macht, da sie infolge ihrer zu geringen
Resorbierbarkeit nicht im stände sei, die Eihäute zu durchdringen. Beim
Suchen nach einem diese Bedingung erfallenden und doch nicht reizenden
Präparat kam Verfasser auf ans Thiopinol, das er in Form von Bädern
und als 6~107oise Salbe anwandte. Es wurden 40 Skabieskranke auf
diese Weise behandelt und geheilt.
Wir sahen bei der von uns angewandten Behandlung^weise mit
Schwefelkarbolsalbe (Schwefel 67o» Karbol l7o) bisher auch keinerlei
Reizwirkung und erzielen durchschnittlich in 8 Tagen Heilung. (Ref.)
Oskar Müller (Dortmund).
Finkelstein. Zur diätetischen Behandlung des konsti-
tutionellen Säuglingsekzems. (Aus dem Kinderasyl der Stadt
Berlin.) Medizinische Klinik 1907 Nr. 37.
Im Verlaufe klinischer und experimenteller Studien über das Säug-
lingsekzem, das ja heutzutage nicht mehr als selbständige HauterkrankuDg,
sondern als Symptom einer Konstitntionsanomalie angesehen wird, ge-
langte Finkelstein zu der Anschauung, daß es die Molkensalze sind,
die auf die Fortdauer des Ausschlages einen Einfluß haben und daß
demgemäß von einer Verminderung dieser Nahrungsbestandteile eine
der HautkrankheiteD. 445
günstige Wirkung zu erwarten sei. Er gibt daher folgende Em&hrangs-
weise an, mit der er bei 5 Fällen yod schwerem, hartnäckigen Eksem
Heilung bezüglich wesentliche Bessemng erzielt hat. 1 Liter Milch wird
mit Pegnin oder Labessenz ausgelabt; von der Molke wird der größere
Teil beseitigt, Y5 mit Haferschleim auf das ursprüngliche Volumen auf-
gefallt. Das derbe Gerinnsel wird, um es feinflockig zu machen, durch
ein feines Haarsieb gerührt, mehrfach durch Aufschwemmung mit Wasser
gewaschen und dann der Molken-Schleimmischung zugesetzt, dazu kommen
20—40 g Streuzucker (kein salzhaltiges Präparat). Das Ganze stellt eine
sämige Suppe dar, die von den Kindern gerne genommen wird; es ent-
hält die Gesamtmenge des Kaseins und der Fette der verwendeten Milch,
aber nur den fünften Teil der Molkensalze.
Oskar Müller (Dortmund).
Herxheimer, Karl. Beiträge zur Therapie der Acne
vulgaris. Dtsch. med. Woch. Nr. 87. 1907.
Wie Herxheimer mit Recht betont, ist es bei einer so hart-
näckigen Erkrankung wie die Akne vor allem notwendig, daß der Patient
Vertrauen zu der eingeschlagenen Methode gewinne. Der Arzt muß nicht
jede der vielfachen Behau dlungsweisen kennen, aber die, welche er be-
vorzugt, richtig anwenden. Bei der Besprechung der allgemeinen Behand-
lung, Beseitigung von Anämie, Magendarmstörnngen etc. erwähnt Verf.,
daß die oft angeschuldigte Fettzufuhr keine Verschlimmerung der Akne
herbeiführe, unter den nur innerlichen Mitteln erzielte allein frische
Bierhefe (nicht Hefepräparate) völlige Heilung, meist ist die lokale Be-
handlung unerläßlich. Chirurgische Maßnahmen sind mit Vorsicht anzu-
wenden. Da viele Fälle auf den kleinsten Eingriff mit lang andauernder
RötuDg reagieren, so bleibt das Empfehlenswerteste die lokale Anwendung
gewisser spezifisch wirkender Medikamente, in erster Reihe des Schwefels.
Man achte bei der Verarbeitung desselben auf die Gefahr starker Ätzung,
widerlichen Geruches, auch die langsame Wirkung ist lästig. Als Nacht-
salbe setze man der Zinkpaste langsam steigend 1 — 80% präzipitierten
Schwefel zu. Wird im Sommer das Schlafen mit Verband zu lästig, so
tut ein Liniment aus 15 T. präzip. Schwefel, 46 T. Aq. calcis, 10 T. Aq.
amygdal. amar. gute Dienste. Ferner wirkt reduzierend das Resorcin,
welches man vor Luft und Licht schütze und durch Zusatz von Talg
anstatt des zersetzenden Amylnm der unangenehmen Nebenwirkung des
Graufärbens entkleide. Gebotenen Falls können Versuche mit Natrium-
perborat, Thymolresorcin- oder Salizylsäurespiritus, essigsaurer Tonerde,
Spiritus saponat. kaiin., Zinksuperoxyd- oder Salizyl-Resorcin-Schwefel-
seife gemacht werden. Indurierte Knoten sind mit Quecksilber- oder
Salizylpflaster zu behandeln. Als angenehmes Hilfsmittel bewährte sich
neben anderer Medikation heißer Dampf. Max Joseph (Berlin).
Babes undYasiliu. Die Atoxylbehandlung der Pellagra.
Berl. klin. Wochenschr. Nr. 88. 1907.
In einer früheren, hier bereits referierten Mitteilung haben B a b e •
und Vasiliu bereits kurz ihre Erfolge bei der Behandlung der Pellagra
446 Bericht aber die Leistungen auf dem Gebiete
mit Atoxyl bekannt gegeben. Hier bringen sie die Erankengeschicliten
von 62 behandelten Fällen, ans denen der rasche heilende Einflnfi er-
sichtlich ist Einige Male genügte eine Iigektion aar Heilang aller
Symptome, die im Durchschnitt nach etwa 14 Tagen erreicht war. Nor
in einem Falle trat nach 20 Tagen ein Besidiv ein. Sogar die schweren
Geistesstörungen wurden in der Regel günstig beeinflußt, wenn auch oft
nur vorübergehend. H. Hühner (Frankfurt a. M.).
Senger. Über eine Gefahr des Benzins zu Beinigungs-
zwecken bei der Hautdesinfektion. Berliner klin. Wochenschr.
Nr. 38. 1907.
Senger warnt vor der Anwendung des Benzins zu Beinigungs-
zwecken auf der Gesichtshaut, da besonders bei Kindern gefahrliche
Yergiftungserscheinungen durch Einatmen des Mittels vorkommen können.
In den genannten Fällen muß er durch Äther ersetzt werden.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Spreeher Florio, Turin, Ospedale Cottolengo. Zur Behand-
lung der Keloidakne am Nacken. Bassegna di Terapia. H. 6. 1906.
Verfasser behandelte zwei Fälle von Keloidakne nach der von
Sabouraud angegebenen Methode. Der Erfolg war ein befriedigender,
denn schon 2 Monate nach Beginn der Behandlung blieben nur kleine,
sehr wenig erhabene Narben zurück, gegen die Verfasser die bipolare
Elektrolyse anwandte. Nach drei Monaten trat Heilung ein.
Costantino Curupi (Prag — Porretta).
Vamey, H. B. Opsonic Therapy in Skin Diseases. Jour.
Am. Med. Ass. XLIX. 316. 27. Juli 1907.
Nach Versuchen mit Akne, Furunkulosis und Sykosis hält sich
Varney berechtigt zu der Behauptung, daß wir in Bakterieninokula-
tionen ein wertvolles, spezifisches Heilverfahren besitzen, ebenso daß
Wrights Methode zur Bestimmung der Widerstandskraft des Patienten
ohne Frage von praktischer Bedeutung sei. Von des Patienten eigenen
Mikroben hergestellte Vaccinationsstoffe ergaben bessere Besultate als
von anderem Material stammende. Die therapeutischen Erfolge können
auch ohne opsonische Kontrolle erzielt werden, sie ist aber besser mit
derselben.
In der Diskussion erklären Schamberg und Heidingsfeld
nicht so brilliante Besultate erhalten zu haben wie V., namentlich sei
die Wirkung, die anfangs augenfällig, späterhin geringer, von verschie-
denen Seiten wird auf die zur Zeit noch bestehenden technischen Schwie-
rigkeiten hingewiesen, die der Anwendung in der Praxis im Wege stehen.
Mook bemerkt, daß Akne nicht durch Staphylokokkusinokulationen ge-
heilt werden könne, da ein anderer Mikrobe (Unna-Engmana Bazillus)
die Ursache derselben sei. Schamberg protestiert gegen die Anwen-
dung des Ausdruckes Vaccine für derartige Inokulationen.
H. G. Klotz (New- York).
Mae Gowan, Granville. The Therapeutics of Tuberculosis
of the Skin. Jour. Am. Med. Assoc. XLIX. 737. 31. Aug. 1907.
der Hautkrankheiten. 447
Nach einigen Bemerkungen über den Wert innerer Mittel bei
Hauttuberkulose sowie über Licht- und Röntgentherapie behandelt Mac
Gowan die übrigen lokalen Methoden, ihre Vorzüge in verschiedenen
Fällen nnd die Technik derselben: Entfernung dnrch £xcision, Kürettage,
mit besooderer Berücksichtigung der Anästhesie nnd des Vorgehens
selbst, femer Vi d als lineare Skarifikation, das Eauterium, Salizylsäure-
Ereosotpflaster, Arg. nitr., Aoid. lactic, Liqno. Antimonii chloridi, Pyro-
gallussäure, die verschiedenen Kombinationen mehrerer dieser Methoden
und endlich die Anwendung des Sonnenlichtes selbst entweder direkt
oder vermittelst Glaslinsen. Durch Anwendung der letzteren kann eine
Zerstörung des kranken Gewebes bewirkt werden, die ziemlich schmerz-
haft ist, aber gute Narben hinterläßt. H. G. Klotz (New- York).
Bulkley, L. Duncan. Significance and treatment of
Itching. Joum. Am. Med. Assoc. XLIX. 821. 27. Juli 1907.
B u 1 k 1 e y bespricht übersichtlich die Ursachen und die Behandlung
des Juckens, ohne wesentlich Neues zu bringen oder die Empfindung
selbst zu erklaren. Die Ursachen werden eingeteilt in äußerliche, idio-
pathische und konstitutionelle. Näher besprochen werden die Ursachen
der so häufigen Verschlimmerung des Juckens in der Nacht. Die Behand-
lung ist teils konstitutionell, teils lokal. Die Menge der angeführten
Methoden und Mittel beweist genügend, daß die Therapie oft großen
Schwierigkeiten begegnet. Verschiedene praktische Vorrichtungen zur
Verhütung des Kratzens besonders kleiner Kinder, werden beschrieben.
H. G. Klotz (New- York).
Boggs, Rüssel H. Treatment of Acne and Chronic
Eczema. Jour. Am. Med. Ass. XLIX. 786. 31. Aug. 1907.
Boggs bespricht hauptsächlich die Röntgen-Bebandlung der Akne
und des Ekzems, vor allem betonend, daß große Vorsicht nnd technische
Kenntnis nötig sei. Bei Akne leistet die R.-Strahlen nur insofern mehr
als andere Behandlungsmethoden, als sie die Talgdrüsen verkleinern. Er
empfiehlt eine zirka dreiwöchentliche Vorkur, um die Toleranz in dem
einzelnen Falle zu bestimmen. Bei Rosacea kommt auch hauptsächlich
nur die reduzierende Wirkung auf die Talgdrüsen in Frage. Bei Ekzemen,
namentlich den schuppenden, ist das wirksame Element die Anregung
des Stoffwechsels, die Strahlen sollen die Bioaktivität der Zellen beeinflussen.
H. G. Klotz (New- York).
Hartzeil, M. B. The Salioylates in the Treatment of
Liehen Planus. Journ. Am. Med. Ass. XLIX. 225. 20. Juli 1907.
Hartzell berichtet 4 Fälle von Liehen planus, in welchen gün-
stige therapeutische Erfolge von der innerlichen Anwendung von Salizyl-
präparaten, nam. Natr. salicyl. beobachtet wurden. In einigen Fällen
wurde die Besserung des Liehen zufallig beobachtet, während der Salizyl-
behandlung rheumatischer Erscheinungen. Beiläufig wird erwähnt, daß
Arsenik nicht als so allgemein wirksam bei Liehen planus gefunden
wurde. Einige Fälle von ungewöhnlichen morphologischen Erscheinungen
448 Bericht über die Leiatangen aaf dem Gebiete
werden beschrieben. (Auftreten im Verlauf gewisser Nerven, Blasen-
bildung etc.) H. fordert zn weiteren Yersachen auf.
H. G. Klotz (New-York).
Whitehouse, Henry H. Liquid Air in Dermatology. Ita
Indications and Limitations. Jonm. Am. Med. Ass. XTilX. 871.
8. Aug. 1907
Whitehonse beschreibt die Eigenschaften der ,, flüssigen Luft*',
die er in der Behandlung gewisser Hantkrankheiten benatzt hat. Es
handelt sich nm eine Mischung von ca. 27i Teilen Stickstoff : 1 Teil
Sauerstoff mit ca. VsVo Kohlens&ure, die sich unter Entweichung des N
unter Blasenbildung rasch in eine beinahe rein aus Oxygen bestehende
Flüssigkeit verwandelt. Dieselbe ist sehr unbeständig, ungefähr so schwer
wie Wasser und hat eine Temperatur von —SW F. (—190® C). Nach
Laboratoriumversuchen zerstört „flüssige Luft** keine Bakterien, höchstens
hemmt es die Aktivität pathogener Organismen; sie beeinflußt lebendes
Gewebe durch die Abwesenheit von Wärme und Feuchtigkeit; plötzlich
appliziert verursacht sie sehr energische Eontraktion der Blutgefäße,
gefolgt von intensiver entzündlicher Reaktion, welche die Lymphräume
mit serösem Elzsudat anfüllt und namentlich beim Hautkrebs die in der
Peripherie der Neubildung befindlichen Zellen unschädlich macht; die
Wirkung ist daher nicht eine bloß kaustische und Schorfbildnng ist
keineswegs eine Bedingung für therapeutischen Erfolg. Die „flüssige Luft"
ist trocken und verursacht auf der gesunden Haut nur nach einigen
Momenten Blasenbildung, auf schwitzender Haut aber sofort, und auf
einer feuchten Oberfläche Schorfbildung. In Gestalt eines Spray verur-
sacht sie je nach der Dauer der Einwirkung Gefrieren und Anästhesie^
ohne nachteilige Wirkung zu hinterlassen. Mit einem Wattebausch appli-
ziert ist die Wirkung verschieden je nach dem dabei angewandten Druck
und dem Zustand und der Lage der Gewebe. In der letzteren Form hat
W. hauptsächlich die Substanz zur Anwendung gebracht, die Technik
ist genau beschrieben. Der Schmerz bei der Anwendung soll gering
sein; bei gewissen Zuständen wird nach einigen Applikationen Schmerz
und Geruch und Absonderung verringert; Narben sind weiß und weich.
Anwendung findet die „flüssige Luft" hauptsächlich bei Naevus pigmen-
tosus und vasculosus (8 F.), Lupus erythematosus (2 F., Erfolg besonders
gut), Lup. vulg. (2 F.) und Epithelioma (16 F.). In der Diskussion
werden von mehreren Seiten die guten Resultate mit dem Mittel bestätigt,
Bulkley hat weniger günstige Erfahrungen betreffend die Schmerzhaf-
tigkeit des Verfahrens gehabt. Pusey gibt angesichts der Schwierigkeit
„liquid air** regelmäßig zu bekommen, der flüssigen Kohlensäure den
Vorzug, die leicht zu erhalten sei, allerdings nur eine Temperatur von
—90^ F. (—67® C.) habe, aber dieselbe Wirkung auf Gewebe äußere.
H. G. K 1 o t z (New-York).
Hornung. Heiße Luft als Behandlungsmittel der Frost-
beulen in der Volksmedizin. Münchener medizin. Wochenschrift
1907. Nr. 31.
der Hautkrankheiten. 449
Hornnog möchte aaf Grund einer Erfahrung am eigenen Körper
zur Behandlung von Frostbeulen trockene Hitze empfehlen, die am ein*
fachsten in Form von Ofen wärme appliziert, besonders in der Volks-
medizin ein wertvolles Heilmittel darstelle.
Oskar Müller (Dortmund).
Tomkinson, Goodwin. A method of treating lupus vul-
garis. The British Med. Association 1907 (Exeter). Section of electro-
therapeutic. The British Med. Journal. 14. Sept. 1907. p. 642.
Tomkinson entfernt etwaige Krusten mit Salizylöl. Dann wird
eine kleine Fläche versuchsweise B — 5 Min. bestrahlt. Dann werden die
X-Strahlen täglich 5 Min. lang auf größeren Flächen angewendet, bis
der ganze Herd 3 — 4mal bestrahlt ist. Darauf Bedeckung mit
607o Salizyleisenpflaster 10 Tage lang, täglich erneut. Es folgen
Pinselung mit
Acid carbol. . . . 50*0
Acid lactici . . . 15*0
Acidi salicyl. . . 10*0
Ale. abs 20*0,
der wenige Min. später eine Betupfung mit
Acid carbolici . . 80*0
Ale. abs 20*0 folgt.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Drenw. Onthe treatment of lupus. The Lancet. 13. Juli 1907.
p. 81 ff.
Dreuw gibt eine genaue Darstellung der Technik seiner Lupus«
behandlungsmethode. Die lupöaen Partien werden nach Gefrierung (ev.
in allgemeiner Narkose) energisch mit roher Salzsäure geätzt. Die Naoh-
behandlung erfolgt unter Eugoform und Schwefelzinkpaste. Nach Abhei-
lung der oberflächlichen lupösen Herde werden in dem restierenden
Lupusfibrom die einzelnen übrig gebliebenen tiefen tuberkulösen Stellen
durch punktförmige Kauterisation ähnlich wie die oberflächlichen zerstört.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Axmanil, H. Lnpusbehandlung mittels der Uviollampe.
Dtsch. med. Woch. Nr. 30. 1907.
Einen über Gesicht, Hals, Schultern und Brust ausgebreiteten
Lupus vulgaris behandelte Azmann mit gutem Erfolge mittels der
Uviollampe. In 38 Sitzungen bis zu */« Stunden wurde die erkrankte
Fläche zugleich bestrahlt, zuerst täglich, dann alle 2 — 4—8 Tage. Die
ersten heftigen Reaktionen klangen schnell ab, darauf wurde eine Sensi-
bilisierong mit Sol. Zino. chlor, vorgenommen. Zu starke Reaktionen
wurden durch indifferente, lichtdurchlässige Salben gemildert. Bisher ist
ein Rezidiv nicht aufgetreten. Max Joseph (Berlin).
VageUehmidt, Franz. Zur Indikation der Behandlung
mit Hochfrequenzströmen. Dtsch. med. Woch. Nr. 32. 1907.
Nagelschmidt verwendete mit g utem Erfolge die Hochfrequenz-
ströme in verschiedener Form. Das große Solenoid, eine Spirale aus
Areh. t, Dtrmat. a. Syph. Bd. LXXXIX. 29
450 Bericht über die LeistangeD auf dem Gebiete
dickem Knpferdraht, in deren Innern der Patient ritzt, ohne mit den
Drähten in Berdhrnng zu kommen nnd ohne eine Empfindung davon zu
yenpüren, bewährte sich besonders bei Schlaflosigkeit, psychischer De-
pression, Angina pectoris (hier event. mit lokaler Behandlang kombiniert).
Die elektrische Dusche oder der elektrische Wind beeinfloßten Hyper-
ästhesien, Parästhesien, sowie nervöses Hantjncken günstig. Fanken-
applikationen besserten Ischias, direkte Eontaktwirknng linderte die lan-
zinierenden Schmerzen und Krisen der Tabiker. £ine bedeatende thera-
peutische Wirksamkeit ist vielleicht noch der Fähigkeit der Hochfrequenz-
ströme, Muskelkontraktionen zu erregen, vorbehalten. Wenn man dem
Patienten eine Metallelektrode, die mit dem einen Pol verbunden ist, in
die Hand gibt und in die andere Hand eine nicht verbundene Metall-
elektrode, sodann mit einem geeigneten Eontakt von dem anderen Pol
Funkenentladungen auf diese freie Elektrode überspringen läßt, so kann
man starke Muskelzuckungen auslösen ohne das Schmerzgefühl, welches
der faradische oder galvanische Strom verursachen.
Max Joseph (Berlin).
Pirie, Howard. A new method for using X-rays. The Lancet
18. Juli 1907. p. 84 ff.
Pirie s Quantimeter mifit die Quantität des elektrischen Stromes,
der während der Bestrahlung mit X-Strahlen durch die Röntgenröhre
geht. Die Quantität, die die Röhre passiert, ist fortwährend verschieden,
so daß eine Messung mit dem Milliamperemeter nicht möglich ist. Die
Konstruktion beruht auf der Zersetzung von Wasser durch den pasrie-
renden Strom. Die Gasblasen treiben einen Tropfen Wasser — den
„Indikatortropfen^ — in einer graduierten Skala in die Höhe. Pirie hat
noch eine weitere Verbesserung angebracht, indem nach einer bestimmten
Höhe des Indikatortropfens der Strom und damit die Bestrahlung auto-
matisch unterbrochen wird. Fritz Juliusberg (Berlin).
Sequeira, J. H. On X-ray dosage. The British Med. Association
(Exeter) 1907. Section of electro-therapeutics. The British Med. Journal.
14. Sept. 1907. p. 689 ff.
Sequeira hält einen Vortrag über die Fortschritte der Röntgen-
technik. Speziell gibt er eine Übersicht über die Maßmethoden für die
Röntgenstrahlen. Der gebrauchte elektrische Strom wird gemessen durch
Voltameter und Amperemeter. Die Anzahl der Unterbrechungen wird
durch den Unterbrecher geregelt. £r arbeitet mit einem Unterbrecher
von 800 pro Minute. Ein wichtiger Faktor ist die Regelung des Vakuums
in der Tube. Dazu dient als Maß der Spintermeter. Weiterhin finden
Holzknechts Chromoradiometer und Sabourand-Noires Baryum-
Platincyanidpastillen eine Erörterung. An die Ausfahrangen schließt sich
eine lebhafte Debatte an. Fritz Juliusberg (Berlin).
Pirie, Howard: A new meter for measuring the dose of
X-rays. The British Med. Association 1907 (Exeter). Section of electro-
therapeutics. The British Med. Journal. 14. Sept. 1907. p. 641.
der Hautkrankheiten. 451
Piries Qnantimeter ist bereits beschrieben in Lanoet 1907 Juli 13
nnd hier referiert. Fritz Juliusberg (Berlin).
Taylor, James. A case of Pagets disease treated by
X-rays. The British Med. Association 1907 (Exeter). Section of electro-
therapeutics. The British Med. Jonmal. 14. Sept. 1907. p. 648.
Taylor behandelte einen Fall von Pagets disease mit Röntgen-
strahlen. Die Affektion war in Heilung, als ein Tumor in der Tiefe der
Brust frisch entstand und die Amputation der Brust Teranlaßte. Es zeigte
sich bei der mikroskopischen Prüfung, daß, während die Strahlen die
oberflächliche Erkrankung günstig beeinflußt hatten, die tiefer sitzende
oaroinomatöse Erkrankung entstanden und vielleicht zur schnelleren
Wucherung veranlaßt war. Fritz Jnliusberg (Berlin).
Harris, Delpratt. Some statistics of X-ray treatment in
rodent nlcer and Carcinoma. The British Med. Association 1907
(Exeter). Section of electro-therapeutics. The British Med. Journal
14. Sept. 1907. p. 644.
Harris gibt eine kurze Übersicht über einige von ihm mit
X-Strahlen mit verschiedenem Erfolge behandelte Fälle.
Fritz Juliusberg (Berlin),
Hesse. Zur Tiefenwirkung des Quarzlampenlichtes.
(Aus der Klinik fAr Haut-» und Geschlechtskrankheiten der städtischen
Krankenanstalten Düsseldorf.) Mnnchener medizinische Wochenschrift
1907 Nr. 35.
Hesse wendet sich gegen die in Nr. 28 dieser Wochenschrift von
Wichmann aufgestellte Behauptung, daß das Licht der Quarzlampe,
wenn ein Teil des ültravioletts durch Blaufärbung des Kühlwassers aus-
geschaltet wird, in derselben Tiefe eine stärkere photochemische Licht-
entzündung herbeiführt als das Finsenlicht, da seine eigenen unter pein-
lichster Befolgung der von Wichmann angegebenen technischen Vor-
schriften angestellten Versuche zu wesentlich anderen Resultaten ge-
führt haben. Verfasser, der schon vor längerer Zeit die Frage der
Tiefenwirkung des Finsen- und des Quarzlampenlichtes experimentell
und klinisch genauer geprüft hat, hat an anderer Stelle (Dermatologische
Zeitschrift) ausführlich darüber berichtet.
Oskar Müller (Dortmund).
Dessauer. Schutz des Arztes und des Patienten gegen
Schädigungen durch Röntgen- und Radiumstrahlen. Mün-
chener mediz. Wochenschr. 1907 Nr. 37.
Dessauer macht auf die Gefahren und Schädigungen durch
Röntgenstrahlen aufmerksam nnd gibt eine Zusanunenstelluug der
praktischsten Schutzvorrichtungen. Oskar Müller (Dortmund).
Rieder. Über die Verwendung kleinerer Dosen von
Röntgenstrahlen in der Therapie. Münchener Mediz. Wochen-
schrift 1907 Nr. 85.
Ried er legt seine Erfahrungen, die er in langjähriger Praxis mit
der Röntgentherapie gemacht hat, dar nnd geht ausführlich auf eine Be-
29*
452 Bericht über die Leistungen aof dem (Gebiete
sprechang einiger der Röntgentherapie zagängiger Erkrankangen ein. Er
ist der Ansicht, daß man früher allgemein mit zn hoher Strahlendosis
gearbeitet hat, was abgesehen Ton unliebsamen Wirkungen h&ufig wohl
die Ursache von Mißerfolgen war. Nicht die Maximaldosis, sondern die
Minimaldosis spielt seines Erachtens nach jetzt die Hauptrolle in der
Röntgentherapie. Oskar Müller (Dortmund).
Mendl. Über einen mittelst Röntgenstrahlen behan-
delten Fall von Lymphosarkom. Medizin. Klinik 1907. Nr. 35.
Mendl berichtet über einen mittelst Röntgenbestrahlung günstig
beeinflußten Fall von Lymphosarkom. Es handelt sich um einen 69 Jahre
alten Patienten, der in der linken oberen Schlüsselbeingrube ein großes
Paket geschwollener Drüsen hatte, welche bei histologischer Unter-
suchung eines ezcidierten Probestückchens das Bild eines malignen
Lymphoms zeigen. Es wurde 6mal in Sitzungen yon durchschnittlich
6 Minuten bestrahlt, wonach unter aufiTalligem Za rückgehen der Lympho-
cyten ein völliger Schwund der Geschwulst zu verzeichnen war.
Wenn auch für Dauer Heilung nicht garantiert werden kann, so
fordert Verfasser doch auf, die Radiotherapie, besonders dann, wenn
andere Methoden bei der Behandlung der Sarkome versagen, als Ulti-
mum refugium in Verwendung zu ziehen.
Oskar Müller (Dortmund).
KassabiaD, Mihran K. Roentgen Ray Technic in Derma-
tology. Journ. Am. Med. Ass. XLIX. 782. SL Aug. 1907.
Eassabian teilt vom Standpunkt des Röntgentherapeuten die
Hautkrankheiten, in denen die Röntgenstrahlen zur Verwendung kommen,
in 4 Gruppen ein:
1. solche, in denen leichte Stimulierung nötig (Akne),
2. solche, in denen Epilation gewünscht vrird (Hypertrichosis),
3. solche, in denen Absorption pathologischen Gewebes erzielt
werden soll (Ekzem, Psoriasis, Lupus).
4. maligne Erankheitstypen (Epithelioma)
und bespricht die für jede dieser Gruppen psssenden Methoden der An-
wendung der Röntgenstrahlen, die im einzelnen zu referieren nicht tunlich.
Femer werden die Röntgen- Dermatitis und Pigmentation besprochen;
E. ist der Ansicht, daß auch die leichten Erytheme und Farbenver&nde-
rungen vermieden werden sollten. Endlich werden Maßregeln mr Ver-
hütung derselben angegeben. H. G. Klotz (New- York).
Sehamberg, Jay Frank. ThePresent Status of Photo-
therapy. Jour. Am. Med. Ass. XLIX. 648. 17. Aug. 1907.
Schamberg erkennt die ausgezeichneten Erfolge der Licht-
therapie mit dem Finsenschen Apparate an; die Anlage einer solchen
Anstalt lohne sich nicht in den Vereinigten Staaten, weil auch in den
großen St&dten die Zahl der Lupuskranken nicht genügend groß sei;
infolgedessen wurden die großen Apparate, auch wo sie angeschafit
der Hautkrankheiten. 453
worden sind, nur selten oder gar nicht gebraucht. Bei Lupus, der das
Hauptfeld für die Lichtbehandlung liefert, handelt es sich um 8 Probleme :
die Zerstörung von Mikroorganismen durch gewisse Strahlen, die Fähig-
keit der letzteren die Haut lu durchdringen und reaktive Veränderungen
in der Struktur zu bewirken. Wie weit diese Bedingungen für die Wirk*
samkeit in Wirklichkeit erfüllt werden, wird näher besprochen. Außer
Lupus ist Lichttherapie indiziert bei Lupus Erythematosus und Alopecia
areata. Nach Bemerkungen über die starkströmigen Glühlampen be-
schäftigt sich 8. mit den Uviollampen, die er praktisch angewandt hat
in Fällen von Alopecia areata, Akne, Ekzem, Lupus vulgaris und Fuß-
geschwüren. Es wird über eine Anzahl Fälle kurz berichtet mit ver-
schiedenem Erfolg. Die Zahl der Beobachtungen ist aber zu klein, um
weitere Schlüsse zu ziehen. H. G. Klotz (New- York).
Akute und chronische Infektionskrankheiteu.
DaTies, Hughes R. lufection of measies transmitted by
letter. The British Med. Journ. 1907. Juni 22. p. 1480.
D a y i e s beschreibt einen Fall von einem Herrn, der in einer
masemfreien Umgebung lebte und nach Empfang eines Briefes von einem
Masemkranken diese Erkrankung bekam. Fritz Juliusberg (Berlin).
Porter, Charles. A oase of confluent haemorrhagio
eruption in Varicella. The Lancet 1907. Mai 18. p. 1369.
Porters Fall ist dadurch interessant^ daß die VaricellenefHores-
zenzen sehr reichlich auftraten, teilweise konfluierten und teilweise
hämorrhagisch wurden. Im Übrigen verlief der Fall normal. An den
Stellen, wo die Varicelienpusteln konfluiert waren, entsanden Narben von
cheloidartigem Charakter. Fritz Juliusberg (Berlin).
Rolleston, J. D. The accidental rash of Varicella. The
British Med. Journ. 1907. Mai 4. p. 1051 £f.
Unter ausführlichen Literaturangaben berichtet Rolleston über
die akzidentellen Exantheme bei Varicellen. Die treten teils als pro-
dromale Erscheinungen auf, teils folgen sie der Yaricelleneruption. Sie
sind teils skarlatiniform, teils masemähnlich, teils pnrpuraartig. Die
scharlachähnliohen Exantheme haben dadurch ein Interesse, daß sie oft
diagnostisch große Schwierigkeiten machen. Abgesehen davon, daß der
skarlatiniforme Ausschlag bei Yaricelleu nicht Ton Schuppung gefolgt
ist, gibt es zwischen ihm und dem Scharlach kein definitives patho-
gnomonisches Unterscheidungsmerkmal.
Die akzidentellen Ausschläge bei den Varicellen sind wahrscheinlich
septischen oder toxischen Charakters und unabhängig von der Varicellen-
infektion selbst. Fritz Juliusberg (Berlin).
454 Berieht über die Leistungen auf dem Gebiete
Merrill, Theodore G. Smallpox and Yaccinia. Journ. Am.
Med. AsBOc. XLIX. 40. 6. Jnli 1907.
Merrill berichtet, daß in einer kleinen Stadt in Texas
11 Personen isoliert nnd geimpft wurden, sofort nachdem ein Fall von
Pocken aufgetreten war. Bei allen entwickelten sieh nach 3 bis 4 Tagen
typische Yaccinepusteln ; innerhalb 12 Tagen, nachdem sie der Ansteckung
ansgesetst worden waren und in Gegenwart wohl entwickelter Impf-
pusteln traten bei 5 der isolierten Individuen typisches Pockenexanthem
(Papeln, Yesiculae und Pusteln) auf, die milden Yerlauf seigten mit Aus-
nahme eines Patienten, bei dem Alter und schlechte Emährungsverh<nisse
die Eonvalessenz zu einer langsamen machten.
H. G. Klotz (New- York).
Danziger. ÜberYaccina generalisata. Münehener mediz.
Wochenschrift 1907. Nr. 32.
Bericht über 6 Fälle von Yaccina generalisata, die gleichzeitig auf
der Hautabteilung beobachtet wurden. Danziger, der über die Ent-
stehungsweise dieser Epidemie noch kein entscheidendes Wort sprechen
will, neigt der Ansicht zu, daß von den beiden Wegen, welche für die
Entstehung der Erkrankung vor allem in Betracht kommen: 1. die
Autoinokulation resp. Inokulation; 2. die spontane Eruption von innen
heraus — der letztere verantwortlich zu machen sei. Dafür spricht auch
die auffallige Tatsache, daß bei allen Fällen mit Ausnahme eines einzigen
Husten im Beginn der Erkrankung auftrat und es ist die Annahme nahe •
liegend, daß das Krankheitsgift ebenso, wie das^ bei der Yariola wahr-
scheinlich ist, mit der Inspirationslufit eingeatmet wurde. Freilich muß
Yerf. zugeben, daß Hautkrankheiten, insbesondere Ekzeme erfahrungs-
gemäß in hohem Grade zur Entstehung einer vaocina generalisata
disponieren und daß die Haut dieser ekzemkranken Individuen einen
locus minoris resistentiae darbietet Oskar Müller (Dortmund).
Haworth, F. G. Desquamation after scarlet fever. The
British Med. Joum. 1907. Juni 8. p. 1862.
Haworths Patient, ein Sjähriges Mädchen, bekam einen Scharlach
ohne Exanthem mit typischer himbeerfarbener Zunge. Es erfolgte keine
Desquamation und der Autor wirft die Frage auf, ob bei solchen Kindern
eine längere Isolation notwendig wäre. Fritz Juliusberg (Berlin).
Tunnlcliff, Ruth. The Streptococco-opsonic Index in
Scarlatina. Joum. of Infect Dis. lY. 304. Juni 15. 1907.
Nach Tunnicliffs Untersuchungen ist der opsonische Index f^
Streptokokken im Anfang des Scharlach in der Mehrzahl der Fälle unter
der Norm. Mit der Abnahme der akuten Symptome steigt der Index
über die normale Grenze, um bald auf dieselbe zurückzugehen, zuweilen
in ziemlich abrupter Weise. In unkomplizierten Fällen bleibt der Index
gewöhnlich während der Konvaleszenz normal. Bestimmte lokale Kompli-
kationen durch Streptokokken verursacht, werden durch ein Herabsinken
des Index eingeleitet, das wieder verschwindet, sobald Besserung eintritt,
H. G. Klotz (New-York).
der Hautkrankheiten. 455
Hall, Vincent. Post-scarlatinal desquamation. The British
Med« Joam. 1907. Juli 6. p. 20.
Ein Kind — berichtet Hall — mit einer außerordentlich starken
Scarlatina kam, ohne daß eine Desquamation auftrat, 6 Wochen später
mit Nässen im Ohr in die Eäuslichkeit. Zwei bis drei Wochen später
bekam der Vater Scarlatina ohne Exanthem, worauf 7 Wochen später
eine starke Desquamation erfolgte.
Das Kind infizierte 8 Monate nach seiner Erkrankung mehrere
Personeu, bei denen eine andere Infektionsquelle nicht in Betracht kam.
Frits Juliusberg (Berlin).
Marrable, Harold. An acute infections condition (glan-
ders?). The Lancet 1907. Mai 25. p. 1430.
Marrable behandelte folgenden tödlich verlaufenden Fall einer
Erkrankung bei einem Manne, bei dem er an eiue eyentuelle Infektion
durch die Drüsenkrankheit der Pferde denkt. Der Fall kam in Persien
Yor, wo die Drüse bei Pferden häufig ist. Unter Fieber traten Schwellungen
an den Beinen und im Gesicht auf. Später folgte ein pustulöser Aus-
schlag am Nacken und im Gesicht und eine Verfärbung der Nase. Am
Tage vor dem Exitus kam es su großen Blasenbildungen im Gesicht und
am Nacken. Fritz Jnliusberg (Berlin).
Babes und Vasilia. Die Atoxylbehandlung der Pellagra.
Berl. klin. Wochenschrift Nr. 28. 1907.
Nachdem schon im Jahre 1880 von Lombroso Arsen zur Be-
handlung der Pellagra empfohlen wurde, wandten Babes und Vasiliu
jetzt dieses Mittel in der Form des Atozyls an. Sie erreichten damit
auffallende Heilerfolge: Die Symptome der Krankheit mit Ausnahme der
schweren zerebralen Zustände und der Tachykardie werden selbst durch
geringe Dosen des Mittels oft mit einem Schlage gebessert und schwinden
nach wenigen Tagen. Die Autoren sind der Ansicht, daß das Atoxyl ein
Mittel sei, das bei der Behandlung der Pellagra mehr leiste als alles
bisher versuchte. Hans Hübner (Frankfurt a. M.).
Searcy, George H. An Epidemie of Acute Pellagra. Joum.
Am. Med. Ass. XUX. 37. 6. Juli 1907.
Bei dem ungeheuren Verbrauch von Mais (com) in den Vereinigten
Staaten, und besonders den südlichen Staaten als Nahrungsmittel ist es
auffällig, daß Pellagra bisher hier kaum beobachtet worden ist. Searcy
berichtet nun über eine Epidemie akuter Pellagra, die in einer Irren-
anstalt für Neger in Monnt Vemon, Alabama, beobachtet wurde, und
deren Erkennung vielfach Schwierigkeiten machte. Wie auch in einigen
Gegenden Süd-Europas beobachtet worden ist, zeigte die Erkrankung
einen mehr akuten Charakter und verlief in einer Anzahl von Fällen rasch
tödlich, im ganzen unter denselben Symptomen wie in Europa. Unter
den 88 Fällen waren nur 8 Männer, das durchschnittliche Alter der
Patienten war 84 Jahre, 80^/^ waren vorher gesund gewesen und '/s waren
länger als ein Jahr im Hospital gewesen. Unter den Hauterscheinungen
betrafen 867o den Rücken der Hände und Handgelenke, 867o den Fuß-
466 Bericht über die LeiBtongen auf dem Gebiete
rücken und Nacken, 20^/o die Wangen, nur 87o itlle diese Körperteile»
während 127o frei von Hantrer&nderangen blieben, dagegen Salivation,
g^trointestinale nnd Nerrenstömngen teigten. Nachdem die Ursache
der Krankheit vermutet worden war, wurde das Mais durch Weiien
ersetzt bei sonst unveränderter Diät, nur eine kleine Anzahl Patienten
wurden zur Probe weiter mit Maismehl nnd Grütze ernährt, bis einer
derselben ausgesprochene Symptome der Krankheit zeigte. Untersuchung
ergab, dafi, während die Grütze von vollkommen guter Beschaffenheit
war, das Mehl hingegen als aus schimmelnden Körnern hergestellt nnd
voller Bakterien und Pilzen verschiedener Art befunden wurde.
Neuerdings ist man wieder zu den gleichen Nahrungsmitteln zurück-
gekehrt, ohne daß sich seithfT weitere Fälle gezeigt hätten. Seither sind
auch einige Fälle in einem anderen Irrenhospital in Alabama als Pellagra
erkannt worden. Wahrscheinlich hat feuchtes Wetter während der Emiß
in 1906 das Getreide geschädigt.
Die Prognose fär die akuten Fälle ist eine ungünstige, indem die
meisten Fälle in 2 — 3 Wochen tödlich endeten ; andere verlaufen langsamer
nnd erfolgt Herstellung erst nach Monaten.
H. G. Klotz (New -York).
Biesiilg. Die Heilung der Lepra. Dtsch. med. Woohenschr.
Nr. 20. 1907.
Unter den vielfachen Heilmitteln, welche gegen Lepra empfohlen
werden, fand Diesing die subkutane Zuführung von Jodoformölemulsion
am wirksamsten. Man begiune mit zwei Probeinjektionen von Vi ^^^
der 30^/0 Emulsion und gehe, wenn diese vertragen werden, zu 2 eem
täglich 15 bis 20 Tage lang über. Vorübergehendes Fieber oder Ekzem
ist keine Kontraindikation der Behandlung, indessen setze man die Kur,
wenn Appetitlosigkeit, Schwäche, Blässe oder Empfindung von Jodgeruch
auftreten, bis zum Verschwinden dieser Erscheinungen aus. Zwei Wochen
nach der ersten Kur schreite man zu der zweiten, welche 1 Monat dauert.
Dann sind gewöhnlich alle leichten und ein großer Teil der schweren
Erkrankungen geheilt. Hohe Dosen (8 ccm. der SOVo Emulsion) darf man
nur jungen kräftigen, im Anfangsstadium befindlichen Pat zumuten.
Abzuraten ist die Jodoformtherapie bei Geisteskranken wegen der Gefahr
akuter maniakalischer Anfälle, bei Leukämie, welche sie verschlimmert,
nnd bei Herzkranken, da dies Mittel die Herztätigkeit herabsetzt. Hingegen
tritt die mit der Lepra einhergehende Anämie zwar im Beginne der Be-
handlung stärker hervor, verliert sich aber im Verlaufe der Kur bald bei
der fortschreitenden Besserung der leprösen Symptome. Die Herstellung
der Lösung und die viele Sorgfalt erfordernde Technik der Iz^ektionen
müssen im Original eingesehen werden. Max Joseph (Berlin).
Hollmann, Harry T. The Use of Baths in the Treatment
of Leprosy Especially The Medicated Bath. New-York. Med.
Jonm. 86. 887. 11. Mai 1907.
Hol 1 mann empfiehlt auf Grund von Beobachtungen in Molokai,
S. I. die Anwendung von Bädern bei der Behandlung der Lepra; mehr
der Hautkrankheiten. 457
weniger indiziert seien dieselben bei allen Zustanden, am meisten aber
bei ulzerierten Knoten, bei verdickter untätiger Haut, bei neuralgisohen
Schmerzen, bei L3rmphadeniti8 und bei Jucken. Die Bäder sollen eine
Temperatur von 95^104^ F. (85— 40<^ G.) haben und sind teils alkalisch
(1 S Borax zu jedem Bad), oder adstringierend (Y, S Alaun oder Kali
sulfur.) oder erhalten einen Zusatz von 4 Gallonen eines Aufgusses von
Eukalyptusblattem. £& sollen täglich 2 Bäder gegeben werden, am
Morgen 15 Minuten lang 85—40^ C, verbunden mit Friktionen, nach
dem Bade Einreiben einer Salbe von Ol. Eukal. Ungt. sulphur m 15*0
üngt. lanolioi 60*0, abends T. 85—43*5® C, darauf 10 Minuten Kin-
wicklung in Decken. Vorteile sind: Reinlichkeit, Anregung der Dräsen
zu normaler Tätigkeit, Erweichung verdickter Haut, Erleichterung der
Steifigkeit, Besserung der Neuritis, Beseitigung des Juckens, Heilung von
Exkoriationen, Geschwüren, Erosionen der Haut und Schleimhäute, Er-
weichung von Knoten, Verschwinden von Lepraflecken. Innere Mittel
find damit zu verbinden. H. G. Klotz (New- York).
Kudiseh, W. Ein Fall von knotiger Lepra (Lepra
tuberosa). Joum. russe de mal. cut. 1906. Bd. XI.
Der 30jährige Kranke bietet das ausgeprägte Bild der Lepra
tuberosa. Knoten im Gesicht, Ausfall der Augenbrauen, Facies leontina etc.
Kudiseh beobachtete außer diesem Falle noch zwei andere in Kiew,
welche nicht aus Lepraorten stammten, sondern in Kiew oder der Um-
gebung ihren ständigen Aufenthalt hatten.
Schon im Jahre 1900 machte Kudiseh und K a m a n o v gelegentlich
der Demonstration eines Leprafalles aus einem Kiew benachbarten Dorfe
den Vorschlag der Errichtung einer Leproserie in Kiew, die bisher
allerdings nicht erfolgt ist. Richard Fische! (Bad Hall).
Iwai, Teizo. Relation of polymastia to tnbercul osis.
The Lancet. 1907. Okt. 5. p. 958.
Iwai richtete sein Augenmerk auf die Beziehungen der Poly-
mastie zur Tuberkulose. Seine umfangreiche Statistik schien ihm zu er-
geben, daß Polymastie sich häufiger bei Tuberkulösen (besonders der Lunge)
finde als bei Nichttuberkulösen und daß Menschen mit überzähligen
Mammen mehr zur Tuberkulose disponiert sind.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Iwai, Teizo. A Statistical study on the polymastia of
the Japanese. The Lancet. 1907. Sept. 14. p. 758ff.
I w a i s ausfuhrliche Studie behandelt das Vorkommen der Poly-
mastie an einem großen japanischen Material. In Japan findet sich die
Polymastie gewöhnlich über den normalen Brüsten, besonders am vor-
deren Rande der Axilla. In vielen Fällen ist die Areola unter der normalen
Brust pigmentiert, bei Männern mehr wie bei Frauen. Die Polymastie
fand sich in l'68Vo heim Manne und in 6* 19% l^ei der Frau. Die größte
Zahl von Brustdrüsen an einer Person betrug 6.
Der Arbeit ist ein ausführliches Literaturverzeichnis über Poly-
mastie überhaupt beigegeben. Fritz Juliusberg (Berlin).
458 Bericht über die Leistnngen auf dem Gebiete
Alexander, David. Arthropathie in Roeteln. The Lancet.
1907. Sept. 28. p. 921.
Alexander berichtet karz über das Auftreten von Gelenk-
Schwellungen an Knien und Knöcheln während der Röteln bei einem
2^ährigen Patienten. Fritz Jnlinsberg (Berlin).
WalliB, F. Frank. Gataneous Tabercnlosis. Jonm. Am.
Med. Ass. 49. 184. Jali 18. 1907.
Wallis beschreibt kurz 9 Fälle von der von Du bring als klein -
pnstnlöses Skrofnlid bezeichneten Krankheitsform, die von verschiedenen
Seiten mit verschiedenen Namen belegt worden sind, als: Folliklis, Acne
necrotica, acne varioliformis etc. W. schlägt vor für diese Zustände als
gemeinsamen Namen „Tuberkulide' anzuwenden und die klinischen Varie-
täten durch beschreibende Adjektiva näher zu bestimmen. Beweise für
die »tuberkulöse Natur der Krankheit werden nicht beigebracht. Die
Patienten waren sämtlich Kinder eingewanderter Hebräer, die Fälle zeigten
große Neigung zum gruppenartigen Auftreten in Familien und hanfig
Zusammenhang mit Traumen leichter Art. Einfach tonische Behandlung
bewirkte überall Besserung. Nur in einem Falle konnte Tuberkulose in
der Familiengeschichte nachgewiesen werden.
H. G. Klotz (New -York).
Hendenon. Erysipelas in a young ohild. The Lancet. 1907.
Sept. 28. p. 921.
Henderson berichtet über einen Fall von Erysipel bei einem
6jährigen Mädchen, der zur Heilung kam. Er fragt, ob ähnliche Fälle
in so früher Kindheit von andern Seiten beobachtet und wie sie ursäohlioh
zu erklären seien. Fritz Juliusberg (Berlin).
Waddelow, John. Erysipelas in a young child. The Lancet
1907. Okt. 12. p. 1050.
Waddelow beobachtete zwei Fälle von Erysipel bei Kindern, die
beide tödlich verliefen. Die Krankheit nimmt gewöhnlich ihren Ausgang
von anderen Hauterkrankungen: Schrunden nach dem Abtrocknen, nach
Nabellösung, nach der Yakkination. Fritz Juliusberg (Berlin).
Robertson, Alexander. Remarks on the bacteriology and
treatment of yaws (framboesia tropica). The British Med. Joum.
1907. Okt. 5. p. 868.
Robertson fand bei Durchmusterung von Abstrichpräparaten
von Yaw-Papeln viel Staphylokokken und Streptokokken, lange Bazillen,
relativ selten Castellanis Spirochaeten, und femer verschiedene Spiro-
chaetenformen, wie sie Mac Lennan im Brit Med. Journal (Mai 12.)
beschrieben hat. Er nimmt an, daß vielfach Fliegen die Krankheit über-
tragen. Die Übertragung erfolgt von ganz frischen Papeln, da sich bei
längerem Bestände in dem eitrigen Sekret die Spirochaeten nicht nach-
weisen lassen.
Die Patienten wuschen sich täglich mit Karbolseife, lokal wandten
sie eine Quecksilbersalbe an, innerlich Jodkalium. Schwer sind die Fälle
zu behandeln, wo die Fußsohlen ergriffen sind. Hier wird die Haut
der Haatkrankheiten. 459
durch Na bicarbonik- Waschungen erweicht and dann mit dem scharfen
Löffel nachbehandelt, Fritz Juliusberg (Berlin).
Goodall, E. W. Clinioal observations on the prodromal
period of some of the acute infections diseases. The British
Med. Jonm. 1907. Aug. 17. p. 374ff.
Von hier interessierenden Krankheiten berücksichtigt Goodall
Scharlach, Masern und Yarizellen.
Bei Scharlach ist die prodromale Periode kurz; infolge dieser
kursen Dauer sind die Variationen bei den Prodromalsymptomen gering.
Meist erscheint der Ausschlag 48 Stunden nach den ersten Symptomen»
nur selten tritt er später auf. Die Fälle von Scarlatina ang^inosa, bei
denen das Exanthem verspätet auftritt, werden gewöhnlich fälschlich als
Diphtherie diagnostiziert, besonders kann dieser Irrtum eintreten, wenn
ein Exanthem Überhaupt nicht erscheint. Ein sehr frühes Symptom
des Scharlach ist das Erbrechen. Prodromale Hauterscheinungen sind
äußerst selten.
Von den Initialsymptomen der Masern sind besonders wichtig: die
prodromalen Exantheme, die Fieberremissionen, die akute Laryngitis und
die Eoplikschen Flecke. Von prodromalen Hantsymptomen findet sich
am häufigsten ein punktförmiges Erythem. Dieses wird öfter fälschlich
als Scarlatina diagnostiziert. An zweiter Stelle kommt ein aus kleinen
Papeln bestehendes Exanthem vor, an dritter Stelle Urticaria.
Bei den Varizellen gibt es gewöhnlich keine prodromalen Symptome ;
selten sind skarlatiniforme Erytheme, die schnell auftreten und in
24 Stunden wieder verschwinden. Fritz Juliusberg (Berlin).
Erythematöse, ekzematöse, parenchymatöse
Entzflndungsprozesse.
Weiss, Ludwig. Gontribution to the Study of Erythema.
Induratum (Bazin). Journ. Am. Med. Ass. XLVIII. 1483. 4. Mai. 1907.
Weiss berichtet über einen Fall von Eryth. indur. : 26jährige
Bussin, mit MitralisstÖrung, sonst gesund, bekam im Wioter 1896 und
1897 Knoten am Unterschenkel, die im Sommer spontan verschwanden.
Nach öjähriger Pause wieder Aufreten von Knoten im Winter 1904 und
1906, ausgebreitet über beide Unterextremitäten bis in die Olutäalgegend ;
dort nur in Gestalt kleiner tiefsitzender Gebilde; im Frül^ahr spontanes
Verschwinden. Knoten waren druckempfindlich, ohne jede Neigung zum
Zerfall. Nach Präparaten von Harlow-Brooks hergestellte Mikrophoto«
gramme zeigen Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes, atrophische
Degeneration des subkutanen Fettgewebes, Bildung von Riesenzellen mit
strahligen Kernen und epitbelioiden Zellen und endotheliale Proliferation
460 Bericht über die Leittangen auf dem Gebiete
der Gefäße. Verf. betont selbst die Ähnlichkeit des Falles mit den von
Barns und W. Pick (Eryth. nodos, perstans) beschriebenen. Die allge-
meinen Bemerkungen ober Erythema indor. und Tuberkulide enthalten
nichts Neues. H. G. Klotz (New-Tork).
Ferrand. Pemphigus yeg^tant benin. Ann. de derm. et de
syph. 1907. pag. 264.
Ferrand beobachtete bei einer 22jährigen Patientin das Auftreten
▼on Blasen nach vorausgegangenem Pruritus; im weiteren Verlaufe kam
es zu Wucherung des Blasengrundcv. Effloreszenzen fanden sioh am
Stamm, den Extremitäten and an der Zunge. Das Gesicht war frei, das
Allgemeinbefinden nur wenig gestört, Patientin verläßt nach zweimonat-
lichem Aufenthalt geheilt das Spital. Walther Pick (Wien).
Dabreuilh. Erytheme scarlatiniforme recidivant. Ann.
de derm. et de syph. 1907. pag. 261.
Ein 35j ähriger Patient, der bereits früher zweimal unter ganz
gleichen Symptomen erkrankt war, zeigt ein in Schüben sich verbrei-
tendes, mit heftigem Brennen und Jucken einhergehendes Erythem. In
5 bis 6 Tagen erreicht die Erkrankung unter hohem Fieber, Schlaflosig-
keit und schwerer Störung des Allgemeinbefindens ihre Acme, und klingt
dann im Verlaufe einer weiteren Woche unter Bildung großer lamellöser
Schuppen ab. Im Harn kein Eiweiß; die Ursache der Erkrankung nicht
eruierbar. Walther Pick (Wien).
Givatte. Les opinions d'aujourdhui sur la nature du
lupus ^rythömateuse. Ann. de derm. et de syph. 1907. pag. 263.
Rundfrage über das Thema. Walther Pick (Wien).
Reid, J. Urticaria and inflnenza. The Brit. Med. Journal
1907. 1. JunL pag. 1301.
Reids Patient bekam während einer Influenza eine Urticaria, die
sich durch die besondere Größe der Effloreszenzen auszeichnete.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Jacob, F. H. A case of Urticaria pigmentosa treated
by X rays. The Brit. Med. Journ. 1907. 1. Juni. pag. 1301.
Jacob behandelte ein (ISmonatliches Kind, das mit 4 Monaten,
8 Tage nach der Impfung, eine Urticaria pigmentosa bekommen hatte,
mit Röntgenstrahlen. Diese schienen die Affektion derartig zu beein-
flussen, daß 6 Monate lang als Folge von 8 Bestrahlungen die Eruptionen
wegblieben. Dann erfolgte ein Rezidiv, auf das nach wiederholter Be-
strahlung das Kind 3 Monate frei blieb.
Fritz Juliusberg (Berlin).
Ehrhardt. Über die diphtherische progrediente Haut-
phlegmone. Münch. med. Woch. 1907. Nr. 26.
Durch die Veröffentlichung Nauwerks, der einen Fall von flächen-
haft progressiver, durch Diphtberiebazillen hervorgerufener subkutaner
Phlegmone beschrieben hat, angeregt, berichtetj Ehrhardt von 6 Fällen,
die er in den letzten 4 Jahren beobachtet hat und von denen 4 dem
bakteriologischen Befund und den klinischen Erscheinungen nach mit
der Hautkrankheiten. 461
Sicherheit, 2 mit grofier Wahrscheinlichkeit diphtherische Phlegmonen
waren. Es handelt sich nm ein klinisch und ätiologisch völlig einheit-
liches Erankheitsbildf das bis zu N au werk s Publikation noch nicht be-
schrieben war und doch anscheinend nicht so selten ist.
Oskar Müller (Dortmund).
Kaupe. Zur Ätiologie des Pemphigus neonatorum
non syphiliticus. Münch. med. Woch. 1907. Nr. 21.
Kaupe hat folgende interessante Beobachtung gemacht: Ein 10
Tage altes Kind bot das klinische Bild des Pemphigus neonatorum.
Gleichzeitig bestand bei der Mutter ein Ausschlag am Unterleib und
Gesäß, der mit Fieber bis 88-9® verbunden war. Nach 11 Tagen bekam
ein 3 Jahre älteres Kind Yarizellen und zwar, wie der weitere Verlauf
zeigte, eine maligne Form. Nach weiteren 3 Wochen bekam ein Vetter,
der seinen ersten Besuch bei der Familie machte, auch Varizellen. Verf.
nimmt nun an, daß alle Erkranknngsformen einer Art waren und daß
die Infektion, da die Wöchnerin lange vor der Geburt nicht aus dem
Hause gekommen war, durch die Hebamme zu stände gekommen ist.
Er hält also die Varizellen mit dem bullösen Ausschlag des Neugeborenen
in diesem Falle far identisch und knüpft daran die Ansicht, daß die
Bezeichnung Pemphigus neonatorum keine bestimmte Erkrankung darstellt,
sondern daß es ein Sammelname ähnlicher Krankheitserscheinungen ist,
die aof verschiedenen Ursachen beruhen kann.
Oskar Müller (Dortmund).
Shoemaker^ John V. Raynauds Disease. New- York. Med.
Journ. 85. 817. 4. Mai 1907.
Shoemaker berichtet einen Fall, in dem sich sehr langsam Ver-
änderungen an den Fingern einstellten, die als Raynaud sehe Krankheit
gedeutet werden : vor 8 Jahren r. Zeigefinger kalt, später blaß und kälter,
hart wie Holz sich anfühlend. Ein Jahr später ähnliche Veränderungen
am L Zeigefinger und nach and nach andere Finger, so daß nach 3 Jahren
alle ähnlich affiziert waren. In der Umgebung der Nägel auf dem Finger-
rücken Narben von Blasen. H. G. Klotz (New- York).
Cantlie, James. Clinical Observations on tropical ail'
ments as they are met with in Britain. The Brit. Med. Jonm.
1907. 22. Juni. pag. 1466.
Gantlie beschreibt die in Britannien aus den Kolonien stam-
menden Tropenkrankheiten nnd widmet auch einen kurzen Abschnitt
den Hauterkrankungen. Als häufigste Haut- Tropenkrankheit sieht der
Autor in England die sog. Dhobhie ttch («Washermans itch^), eine
Form des Intertrigo, die bes. das Perinenm, Scrotum und die Scham-
gegeiid befällt. Sie wird von 2 — 3 Pilzarten verursacht und durch Schweiel-
präparate schnell beseitigt.
Die sog. Fußflechte („Foot-tetter**) ist in ihrer Pathologie noch
nicht klar. Es handelt sich um harte ciroomscripte Verdickungen der
Fußsohlen, die heftig jucken.
462 Bericht über die Leistangen auf dem Gebiete
Unter die Hantleiden, die aUgemeine Erkrankungen begleiten, sind
besonders interessant die Hantveränderangen bei der Schlafkrankheit:
anregelmäßige, eigenartig wandernde, ekzemartige Herde, deren Diagnose
ohne andere Symptome der Schlafkrankheit bei dem derseitigen Stande
unserer Kenntnisse unmöglich wäre. Fritz Jnliusberg (Berlin).
Pope, H. A case of purpura haemorrhagica. The Brit
Med. Joum. 1907. 8. Juni pag. 1364.
Pope beschreibt einen Fall von Purpura haemorrhagica bei einem
16jährigen kraftigen Jungen. Die Heilung erfolgte rasch unter Darreichung
von Kalsiumchlorid 16 grain alle 4 Stunden.
Frits Juliasberg (Berlin).
Carlton, Edward P. Dermatitis Exfoliativa Neonatorum
(Ritters Disease). New-Tork. Med. Journ. 86. 573. 28. Sept. 1907.
Carl ton gibt eine Übersicht über die Literatur der Ritt er sehen
Dermatitis exfoliativa in Anschluß an einen Fall, betreffend ein 14 Tage
altes Kind. Nach allmählicher Ausbreitung ohne jede Blasenbildung inner-
halb 14 Tagen über den ganzen Körper trat Heiluns^ ein.
H. G. K 1 o t z (New- York).
Sweet, £. A. Poisouing by Primula Obconica. Joum. Am.
Med. Ass. XLIX. 829. 27. Juli. 1907.
Nichts Neues. Einige Jahre lang häufige Anfalle von Dermatitis,
bis Ursache entdeckt wurde, in Neu-Mexiko beobachtet.
H. G. Klotz (New- York).
Sehtscherbakof, A. S. Ein Fall von Psoriasis univer-
salis auf nervöser Grundlage. Journal russe de mal. cut. 1906.
Bei einer vorher hautgesunden SOjähr. Person tritt nach einer
intensiven nervösen Erregung (Pogrom auf eine Synagoge) eine Eruption
von universeller Psoriasis auf. Neben der nervösen kommt auch die rheu-
matische Komponente ätiologisch bei der Patientin in Betracht.
Richard F i s c h e 1 (Bad Hall).
Schlesinger, Hermann. Über Blaseneruptionen an der
Haut bei zentralen Affektionen des Nervensystems. Dtsoh.
med. Woch. Nr. 27. 1907.
Im AnsohlaJB an den Bericht eines Falles von schwerem Blasen-
ausschlag bei einer Nervenkranken mit einseitiger Körperlähmung, Sensi-
bilitätsstörung und vasomotorischen Anomalien bespricht Schlesinger
jene Blaseneruptionen, welche mit organischen Nervenerkrankungen
Eusammenhängen und wegen dieser Grundursache von dem gewöhnlichen
Pemphigus zu trennen sind. Diese nervösen Eruptionen sind bezeichnend
lokalisiert, neigen nicht zur Generalisiernng, befallen oft Steilen mit
ausgesprochener Sensibilitätsstörung und betreffen in der Regel Individuen
mit motorischen oder anderen nervösen Störungen. Beobachtet wurden
drei verschiedene Typen: 1. Blaseneruptionen halbseitigen Charakters bei
Zerebralaffektionen. 2. Blaseneruptionen bei Spinalerkrankungen halbseitig
oder beiderseitig, meist distal stärker entwickelt. 3. Blaseneruptionen bai
Erkrankungen der Spinalganglien, des Plexus- und peripherischen Nerven
der Hautkrankheiten. 463
im Ausbreitongsgebiete der geschädigten Neryenabschnitte. Im Gegensatz
za der bedrohlichen Natur des Pemphigus heilen die nervösen Blasen-
bildungen mit oder ohne Narben und ohne jede Lebensgefahr auch bei
wiederholten Schüben. Max Joseph (Berlin).
Garsehmann. Über hysterische Schweiße. Münch. mediz.
Woch. 1907. Nr. 84.
Cnrschmann schildert ein eigenartiges Erankheitsbild, das er
bei zwei Patientinnen (Mutter und Tochter) in ganz gleicher Weise beob-
achten konnte. Bei einer vielleicht seit vielen Jahren gehegten Tendenz
bei Erkältungen wie Influenza zu schwitzen, sonderten die beiden Patien-
tinnen, zunächst vielleicht artifiziell mittelst der üblichen Schwitzproze-
duren, später völlig spontan 2 — Smal täglich zu bestimmten Tageszeiten
eine >norme Menge Schweißes ohne höhere Fiebererscheinungen ab.
Verf. bringt den Nachweis, daß es sich um hysterische, auf rein psycho-
genem Wege entstandene Schweiße gehandelt hat, durch Anwendung
der Suggestion, wodurch die Schweißausbrüche sofort inhibiert wurden
und nie mehr zum Ausbruch kamen. Oskar Müller (Dortmund).
Bosellini, P. L. Simulierte Dermatose einer Hyste*
rischen (Dermatosi simulata in una isterica). Mit 1 Taf. Bollettino delle
Scienze Mediche. 78. J. 8. Ser. YII. Bd. 1907.
Der Autor hatte Gelegenheit eine 17jähr. Patientin zu sehen, die
längere Zeit hindurch eine Dermatose simulierte, indem sie auch im
Spitale, wo sie mehrere Male lag, unbeobachtet Hautstückchen von der
Dorsalfiäche der Finger, Hände und Vorderarme mittels einer kleinen
Schere, die sie in den Haaren verbarg, abtrug. Dem Autor gelang es Pat
in die Enge zu treiben und sie zu einem Geständnis zu bewegen. Pat.
soll diese Selbstverstümmelung vorgenommen haben, um von ihren Ange-
hörigen die Erfüllung ihrer Wünsche zu erlangen. Sie selbst gab an,
daß sie an einer Stelle der Haut einen leichten Juckreiz fühlte und diese
Stelle mit der anderen Hand berührte; darauf trennte sich von der Haut
eine Blase, es floß reichlich Blut beraus und näher sah man eine Ulze-
ration. An den Streckseiten der Hände und Vorderarme fand Autor rund-
liche oder ovoide. scharfbegrenzte Substanzverluste, einige davon bedeckt
mit rötlich-grauen kleinen Granulationen, andere mit Exsudatprodukten,
wieder andere mit serös-blutigen Krusten; außerdem zeigte Pat. den
Substanzveriusten ähnliche flache oder leicht erhabene, rote, lividrote
oder weiße Narben. Im Gesichte hatte Pat. nur einige flache, weißliche,
sie verunstaltende Narben. Einige Narben waren ferner am mittleren
Drittel der r. Tibialgegend und einige kleinere links. Die Untersuchung
des psychischen Zustandes ergab, daß es sich um ein hysterisches Indi-
▼idnum handelte. Costantino Curupi (Prag-Porretta).
LoTing, Starling. Angeioneurotic Oedema. New-Tork. Med.
Journ. 86. 246. 10. Aug. 1907.
In 5 Fällen {von angioneurotischem Odem fand Loving, daß
regelmäßig Störungen im Unterleib unmittelbar dem Ausbruch voran-
gingen mit mehr weniger Auftreibung des Leibes. Die gewöhnlichen
464 Bericht über die Leistungen auf dem Gebiete
Ursachen der Urticaria, namentlich Idiosynkraaie gegen gewisse Nahrungs-
mittel, sind in der Regel nicht Torhandeo, Jacken ist meist nicht beden-
iend. L. sieht das A. o. als vasomotorische Neurose an. Die Differential-
diagnose von Urticaria, Erythema nodosom und £. multiforme wird genau
besprochen. Die Behandlung ist nur symptomatisch und empirisch. Ört-
liche Mittel scheinen keine Wirkung zu haben; innerlich schien Anti-
pyrin gute Wirkung zu haben, zuweilen auch Nitroglyzerin (Osler).
H. G. Klotz (New-York).
Bazett, Henry. Notes on a fatal case of angio-neurotic
oedema. The Lancet. 1907. 12. Okt. pag. 1025.
Bazett fand den 33jährigen Patienten, über den er berichtet,
bereits tot vor. Wangen und Lippen waren stark ödematös, die Augen-
lider so geschwollen, daß es schwer war, die Pupille zusehen; der Nacken
war auf das zweifache verdickt. Die Erkrankung des Patienten begann
im Anschluß an ein Scharlachfieber vor 6 Jahren. Es traten Kolikattacken
auf, die oft von einem Hautodem begleitet waren. Die letzte Attacke
trat im Anschluß an eine Zahnxtraktion auf und f&hrte durch Schwel-
lung des Rachens zum Erstickungstode. Fritz Jnliusberg (Berlin).
Yömer, Hans. Ein Fall von Oedema cutis factitium.
Dtsch. med. Woch. Nr. 29. 1907.
Bei dem 25jährigen, sonst gesunden Patienten erfolgten nie spontan,
sondern stets nach Druck oder anderen mechanischen Einflüssen ödema-
tose Durchtränkungen der Bedecknngsschichten. Die blassen Geschwülste
umgaben sich später mit einer Rötung, welche dann auf die Schwellung
selbst überging und noch einige Zeit nach deren spontaner Rückbildung
sndauerte. Die Erscheinung war vielleicht eine Riesenurticaria, doch litt
Pat. sonst nicht an urticariellen Eruptionen; vielleicht liegt eine beson-
dere Form des Quinckeschen Ödems vor. Doch ist zu bemerken, daß
jenes spontan auftritt, während die Schwellungen in dem vorliegenden Falle
stets durch äußere Momente ausgelöst wurden.
Max Joseph (Berlin).
Kinch, Charles A. Eczema in the Second Year of Life.
New-York. Med. Journ. 86. 812. 17. Aug. 1907.
Ein oh, der Unnas Klassifikation des Ekzems benutzt, findet das
neurotische E. im 2. Lebensjahr sehr selten, außer wenn es aus der frü-
heren Periode hinfiberreicht. Vorwiegend ist die besonders auf Verdauungs-
störungen und ungünstiger oder unpassender Ernährung beruhende skrofa-
löse Form. Seborrhoische Formen kommen vor und unterscheiden sich
nicht wesentlich von denen bei Erwachsenen.
H. G. Klotz (New-York).
Heller, Julius. Über Hautveränderungen beim Diab^te
bronce. Dtsch. med. Woch. Nr. 80. 1907.
Heller berichtet über einen seit seinem 42. Lebensjahre an Dia-
betes leidenden, kräftig konstituierten Manne, welcher sich durch Pflege,
Karlsbader Kuren, hauptsächlich wohl infolge seiner sehr gesunden Magen-
beschaffenheit bis zum 78. Jahre in gutem Befinden erhielt, um welche
der Hautkrankheiteo. 465
Zeit dann durch diabetische Gangrän des Beines, Amputation und Coma
der Tod eintrat. Nach bereits Jahrzehnte bestehendem Diabetes war die
bräunliche Pigmentation des Gksichts erschienen nnd dauerte ohne Ver-
änderung des Allgemeinbefindens fast 20 Jahre an. Der Maugel der
£isenreaktion des Hautpigments bewies seine jahrelange Existenz. Eine
schwere Leber- oder Pankreaserkrankung, wie sie andere Autoren als
ursächlich für den Diab^te bronc^ annehiren, bestand nicht. Der vor-
liegende Fall hat den praktischen Wert, daß er beweist, der Diabetes
könne langsam und gutartig verlaufen, auch wenn er mit der als bedroh-
liches Symptom gefürchteten Bronzefärbung auftritt.
Max Joseph (Berlin).
Brav, Hermann A. Aetiolog'y and Treatment of Pruritus
Ani. New- York. Med. Joum. 86. 201. 8. Ang 1907.
Brav führt als Ursachen des Pruritus ani an: Verstopfung des
Stuhlgangs und Kotanhänfung, lokale Erkrankungen des Rektums, Mangel
an Reinlichkeit, Pediculi, Oxyuris oder pflanzliche Parasiten, konstitu-
tionelle und Systemerkrankungen, Diät und unregelmäßige Lebensweise
und die folgenden Hautkrankheiten: Herpes, Ekzem, Skabies und Tricho-
phytosis. Für die Behandlung wird nächst der Beseitigung der Ursachen
besonders eine Mischung aus gleichen Teilen Kamphor. chloral., Borsäure
und üngt. simpl. empfohlen ; femer Applikationen von reiner Karbolsäure,
gesättigter Lösung von Arg. nitr., oder anderweitige Zerstörung der Epi-
dermis, welche Beseitigung des Juckens bewirken soll ; im äußersten Falle
chirurgische Eingriffe; auch die Einführung eines aus Knochen herge-
stellten Propfens, der mittels eines Schildes in dem After festgehalten
wird. H. G. Klotz (New -York).
Heidingsfeld, M. L. Lupus Erythematosus. Joum. Am. Med.
Ass. XLIX. 830. 7. Sept. 1907.
In Anschluß an die Beschreibung zweier schwerer Fälle faßt
H|eidingsfeld seine Ansichten über Lupus erythematosus in den fol-
genden Sätzen zusammen:
1. L. E. scheint trotz des Mangels des bakteriologischen Beweises
eine lokale Infektionskrankheit zu sein.
2. Der Verlauf ist je nach dem klinischen Typus ein sehr wech-
selnder und schwere Formen werden nicht leicht beseitigt durch die
jetzigen verwickelten und ungenügenden Behandlungsmethoden. Schwere
Typen, wenn einigermaßen günstig gelegen und genügend umschrieben,
sollten exstirpiert werden und zwar in ganzer Ausdehnung oder auf die
Randzone beschränkt, wenn das Zentrum deutliche Zeichen der Rück-
bildung und der narbigen Atrophie zeigt.
3. Die Conjunctivalschleimhaut mag durch direkte Ausdehnung
des Prozesses in Mitleidenschaft gezogen werden, dies mag in schweren
Fällen zu Erblindung führen. Der primäre pathologische Herd scheint
mehr in der Epidermis und ihren Anhängen aufzutreten als in den Blut-
gefäßen des Coriums. Die frühesten Veränderungen werden in den Haar-
Arch. f. Dermal, n. Sjph. Bd. LXZXIX. gQ
466 Bericht ober die Leistungen auf dem Gebiete
follikeln and Talgfdrüsen beobachtet, wenn dieselben yorhanden sind, in
Gestalt aktiver Proliferation der zelligen Gebilde.
4. Diese veranlassen eine herdweise Exsndation von Plasmazellen
von den anliegenden Kapillaren. Dies verleiht der Erkrankung eine
charakteristische Pathologie, welcher oft die Bedentang eines primären
anstatt eines sekundären Vorgangs zuerteilt wird. Die Schweißdrusen
nehmen an dem Prozesse teil. Derselbe wird begleitet von reichlicher
oberflächlicher Verhomung und Verstopfung der Öffnungen. Wo Haar-
follikel und drüsige Elemente fehlen, wendet sich der Reiz vorwiegend
gegen die Epidermis, zur Verbreitung nach unten und oben führend,
und die daraus folgende Plasmaexsudation liegt mehr oberflächlich und
in der Richtung gegen die tiefen Epidermisschichten. Die entzündlichen
Veränderungen bedingen schließlich eine Bindegewebsdegeueration.
H. G. Klotz (New- York).
Engmann, M. F. und Mook, W. H. Two Seborreids of the
Fa.e: I. Acne rubra seborrheica. II. Pityriasiform Sebor-
rhoid of Ihe Face. Journ. Am. Med. Ass. XLIX. 744. 31. Aug. 1907.
Eng mann und Mook machen auf zwei augenscheinlieh auf
Seborrhoe beruhende Haut Veränderungen aufmerksam, die obwohl nicht
so selten, nicht sowohl bekaunt zu sein scheinen. Die eine als Acne rubra
seborrhoica bezeichnete Form ist meist mit Seborrhoe des behaarten
Kopfes verbunden ; Papeln verschiedener Große von der einer Stecknadel-
spitze bis zu der einer gespaltenen Erbse sitzen oberflächlich und konvex,
auf der Spitze eine unbedeutende Schuppe oder ganz geringe Abschilfe-
rung zeigend, weder Komedonen noch Eiter enthaltend. Die Papeln sind
für gewöhnlich disseminiert, nur zufällig in Gruppen vereinigt, auf den
seborrhoischen Partien des Gesichts, nehmen leicht eine mehr intensivere
Röte an, hinterlassen keine Narben, zuweilen Teleangiektasien. £. und
M. begegneten der Krankheit ziemlich häu6g, konnten aber nicht Mate-
rial für eigene histologische Untersuchungen erlangen; sie nehmen nur
äußere Ursachen an, Salizylsäure und Schwefel haben Erfolg, aber nicht
immer sehr rasch. Die pityriasiforme Affektion besteht in runden oder
unregelmäßig geformten, peripherisch sich ausbreitenden, oberflächlich
schuppenden Effloreszenzen im Gesicht und am Hals nur wenig oder
gar keine entzündlichen Erscheinungen aufweisend, äußere Reize, wie
Seife etc.* scheinen sie hervorzubringen. Sie verlangen starke Gaben von
antiseborrhoiscbcn Mitteln. H. G. Klotz (New- York).
Dawson, G. W. A case of acute lupus erythematosus.
The Lancet. 1907. 5. Okt. pag. 966.
Dawsons 48jähr. Patient war stets gesund, bis Lupus erythema-
tosus Herde zaeret im Gesicht, dann auf dem Rücken der Finger auf-
traten. Die Biopsie ergab mikroskopisch das Bild des Lupus eryth. Dann
raten akute papulöse Schübe auf, Temperaturerhöhungen und später
Blasen über den Ellenbogen. Es erfolgte der Exitus. Die Sektion ergab
keine Tuberkulose, die Todesursache war eine frische akute Pneu-
monie beider Unterlappen. Fritz Juliusb erg (Berlin).
der Hautkrankheiten. 467
Kudiseh, W. M« Pemphigus ynlgaris benignus. Journal
russe de mal. cai. 1906.
Unbedeutende Kasuistik. Richard Fi sc hei (Bad Hall).
Kisel, W. A. Ein Fall yon Pemphigus vulgaris. Journal
russe de mal. cut. 1906. Nr. 5.
Nach 3^4 Einspritzungen Spermin (Poehl) 1 em* entstand eine
hämorrhagische Nephritis, die nach 8 Wochen heilte. Besserung des
Pemphigus wurde durch die Injektion nicht erzielt.
Richard Fischöl (Bad Hall).
Zeiseler, Josef. Observations on Pemphigus. Journ. Am.
Med. Ass. XLIX. 223. 20. Juli 1907.
Z eis s 1er gibt eine Übersicht über die verschiedenen Ansichten
über die Entstehung des Pemphigus; weder histologische noch bakterio-
logische noch chemische Untersuchungen haben bestimmte Resultate er-
geben. Z. will die Aufmerksamkeit auf organische animalische Gifte
lenken als mögliche Ursachen des Pemphigus und fuhrt zwei Kranken-
geschichten an, die für die Ansicht zu sprechen scheinen; ein Fall von
chronischem P. mit eigentümlichem Verlauf wird eingehender berichtet.
Eine Anzahl Fälle aus der Literatur, die auf lokale Vergiftung hindeuten,
werden erwähnt. H. G. Klotz (New-York).
Busehke. Notiz zur Behandlung des Vitiligo mit Licht.
Mediz. Klinik. 1907. Nr. 33.
Buschke berichtet über einige Fälle von Vitiligo, bei denen durch
Bestrahlung mit der Quarzlampe Heilung, bezüglich Besserung erzielt
wurde. Die befallenen Hautpartien wurden entweder mittelst der auf die
Haut gepreßten gekühlten Quarzlampe 2 Minuten oder in 10 cm Ent-
fernung von der Haut 3 Minuten bestrahlt. In jedem Falle wurde zunächst
eine starke Dermatitis, hie und da mit Blasenbildung erzielt, die nach
Rückgang der Entzündungserscheinungen im bestrahlten Gebiet zur Bildung
von regelmäßig angeordneten hellbraunen Pigmentherden fährte, welche
allmählich die Farbennuance des sonstijTen Hautpigments annahmen.
Verf. ist der Ansicht, daß die Quarzlampe — gegenüber anderen Licht-
quellen — die Wirkung der Pigmenterzeugung der irritativen Kraft infolge
des Reichtums an chemisch wirksamen Strahlen verdankt.
Oskar Müller (Dortmund).
CrOtthilf. Über Onychoatrophie bei P'ärbern. Münch. Med.
Woch. 1907. Nr. 84.
Enthält eine Beobachtung, die Gott hilf bei in Färbereibetrieben
beschäftigten Arbeitern gemacht hat, daß dieselben nämlich nicht selten
unter Nagelschwund zu leiden haben. Verf. sieht hier die Einwirkung
von Chemikalien als Ursache dieser Anomalie an und bezeichnet sie als
Gewerbekrankheit im besten Sinn 3 des Wortes.
Oskar Müller (Dortmund).
30*
468 Bericht über die Leistongen auf dem Gebiete
Küster. Unters nchangen über ein bei Anwendung Ton
Dan erbädern beobachtetes Eksem. Münch. medizin. Woch. 1907.
Nr. 32.
Küster, der sich eingehend mit dem Stadium der Ätiologie des
Badeekzems beschäftigt hat, fand bei mikroskopischer Untersuchung des
Yon den erkrankten flautpartien abgekratzten Materials in allen Fällen
einen den Askomyoeten zugehörigen Pilz, der nach Ansicht des Verf.
in ursächlichem Zusammenhang mit dem Badeekzem steht.
Oskar Müller (Dortmund).
Jelenew. Herpes zoster infolge einer Qnecksilberkur.
Journal russe de mal. cut 1906.
Bei dem 35jähr. Mann, der sich das siebente Mal einer Qneck-
tilberkur unterzog, trat nach der 10. Einspritzung von HgBr, (1% Lösung,
eine Zostereruption in der ischiadischen Zone (Head) auf, bei einem
I4jähr. Mädchen nach der 20. Einspritzung des gleichen Mittels in der
1. Lumbaizone und der ischiadischen Zone (Head). Die Beendigung der
lojektionskur rief keine neuen E^oreszenzen hervor.
Jelenew bezieht die Entstehung des Zoster auf eine Hg-Intoxi-
kation und stellt ihn den durch Hg hervorgerufenen Intoxikationsery themen
an die Seite. Richard Fisch el (Bad Hall).
Symes, Odery. Arthritis and erythema nodosnm. The
British Med. Journ. 1907. 27. Juli. pag. 202.
Symes erinnert daran, daß die allgemeine Ansicht die ist, daß
die Arthritis, welche das Erythema nodosnm begleitet, ein wahrer akuter
Gelenkrheumatismus ist. An der Haod dreier Fälle sucht er das Gegenteil
nachzuweisen, daß nämlich die Beschwerden, die das Erythema nodosnm
begleiten, sich wesentlich vom akuten Gelenkrheumatismus unterscheiden.
Dazu kommt, daß die Arthritiden beim Erythema nodosnm nur wenig von
Salizylpräparaten beeinflußt werden. Fritz Juliusberg (Berlin).
Sehealt, R. Note of a case of Addisons disease in
a negress. The Lancet 1907. 8. Aug. pag. 294.
Seheults Patientin, eine 65jährige Negerin, zeigte neben Körper-
schwache, Erbrechen und Diarrhoe eine intensive Schwarzfarbung an
Händen und Gesicht. Auf der Mundschleimhaut waren zahlreiche pigmen-
tierte Herde sichtbar. Der Symptomkomplex bestand seit 6 Monaten.
Nach einigen Tagen trat der Exitus ein. Die Sektion bestätigte die Dia-
gnose: Morbus Addisonii. Es fand sich eine fibrös-käsige Masse in den
Nebennieren. Fritz Juliusberg (Berlin).
der Hautkrankheiten. 469
en.
Coenen. Die gesoLichtliche Entwicklung der Lehre
vom Basalzellenkrebs. Berl. klin. Woohenschr. Nr. 21. 1907.
Ooenen ist darch mikroskopische (Jntersuchangen verschiedener
kleiner Hantgeschwalste des Gesichtes zu der Anschauung gekommen,
dafi die als Endotheliome bezeichneten Neubildungen in Wahrheit
Epitheliome sind, da sie yon den Basalzellen des Eete ausgehen. Gan-
croide nennt Coenen im Gegensatze dazu jene Geschwülste, die von
den yerhornten Schichten des Epithels ausgehen.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Sticker. Das Wesen und die Entstehung derErebs*
kran'kheit auf Grund der Ergebnisse der modernen Krebs-
forschung. Mediz. Klinik. 1907. Nr. 37.
S t i c k e r faßt seine Anschauung über das Wesen der Krebs-
krankheit in folgenden Sätzen zusammen: das Wesen der Krebskrankheit
ist in einer Wucherung parasitär gewordener Körperzellen zu suchen,
welche eben so wie sie durch Metastasierung von einer Primärgeschwulst
nach den verschiedenen Stellen des Körpers, so auch von außen in einen
bis dahin geschwulstfreien Körper gelangen können.
Diese Annahme, daß es sich also in jedem Fall von Geschwulst-
bildung um eine Implantation arteigener, aber Körper fremder Zellen
handele, in Verbindung mit der Anschauung (von Leyden-Bergell),
daß das unbegrenzte Wachstum dieser Zellen durch das Fehlen ferment-
hydroly tischer Kräfte bedingt ist, läßt die Krebsentstehung ohne Hilfe
von Nebenhypothesen am besten verstehen.
Oskar Müller (Dortmund).
T. Hansemann. Einige Bemerkungen über Epidermis-
carcinom. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 23. 1907.
V. Hausemann verwirft den von Krompecher zuerst einge-
führten Ausdruck Basalzellenkrebs, da seiner Ansicht nach sämtliche
Hautkrebse von den Basalzellen der Epidermis ihren Ausgang nehmen.
Weiterhin vertritt Hausemann im Gegensatze zu Coenen die Ansicht,
daß im Gesichte außer Epitheliomen auch echte Endotheliome vorkommen.
H. Hübner (Frankfurt a. M.).
Spude. Entgegnung auf die Kritik meiner Monographie:
yDie Ursache des Krebses und der Geschwülste im allge-
meinen'^ durch Herrn Privatdozenten B. Fischer. Müochener
mediz. Wochenschrift. 1907. Nr. 25.
Enthält eine nochmalige Erwiderung Spudes auf die in Nr. 16
dieser Zeitschrift erfolgten kritischen Auslassungen Fischers.
Oskar Müller (Dortmund).
470 Bericht über die Leiatangen auf dem Gebiete
Stahr. Atypische Epithelwncherongen und Carcinom.
Nachprüfung und Bewertung d e r Experimente 7on
B. Fischer-Bonn. Münchener med. Wochenschr. 1907. Nr. 24.
Bei Nachprüfung der Fischer sehen Methode zur Erzeugung
atypischer Epithelwachernngen bekam Stahr ähnliche Bilder wie sie
Fischer erhielt. Er konnte schon durch eine einmalige parenchymatöse
Injektion mit Sudanöl unter das Epithel das Einwachsen eines riesigen
Epithelzapfens bis in die Knorpelplatte des Ohres erzeugen. Während
nun Fischer das Zustandekommen der atypischen Epithel Wucherung in
einer chemotaktischen Wirkung sucht, hält Verf. eher an der Reiztheorie
Yirchows fest, wobei er allerdings annimmt, daß nicht nur ein Reiz,
sondern ein Komplex von Ursachen, unter denen die anatomische Be-
schaffenheit der Gegend eine gro&e Rolle spielt, das Plattenepithel zur
Proliferation bringt. Oskar Müller (Dortmund).
Wyss. Zur Wirkungsweise der „Scharlachöl"-
Injektionen B. Fischers bei der Erzeugung carcinom-
ähnlicher Epithelwucherungen. Münchoner mediz. Wochenschr.
1907. Nr. 82.
Verfasser sucht die Wirkungsweise der Scharlachölinjektionen darin,
daß das Scbarlachöl und auch andere Substanzen einen Ausschluß des
Epithels von der normalen Ernährung mit Blut auf mechanischem Wege
bedingt. Oskar Müller (Dortmund).
Dabreuilh. £pitheliomatose d'origine solaire. Ann. de
denn, et de syph. 1907. p. 887.
Dubreuilh zeigt aus einer großen Statistik, die 197 Fälle be-
trifft, von welchen 62*57o durch ihren Beruf sehr yiel zum Aufenthalt in
freier Luft gezwungen waren, daß die aus dem senilen Keratom sich
entwickelnde Form des Epithelioms (im Gegensatz zu dem auf normaler
Haut sich entwickelnden Ulcus rodens) ihre Entstehung wesentlich dem
Einfluß der Sonnenstrahlen yerdankt« Dies zeigt sich auch schon sehr
schon in der Lokalisation; so sind z. B. bei Männern die Ohrläppchen
sehr häufig befallen, während diese Lokalisation bei Frauen, welche die
Ohren zumeist durch das Kopftuch schützen, vollkommen fehlt. Möglicher-
weise ist eine gewisse hereditäre Disposition der Haut zur Epitheliom-
bildung vorbanden; blonde Individuen scheinen leichter zu erkranken.
Walther Pick (Wien).
Campbell, Ralph R. Venous Angioma of Skin Showing
Beginning Malignancy. Journ. Am. Med. Ass. XLVIIL 2000.
16. Juni 1907.
Campbell beschreibt einen Fall angeborener venöser Tumoren
auf dem rechten Fuß und Unterschenkel, mit großer Neigung zu Ulzeration
und Krustenbildung. Die Geschwülste selbst bestanden aus großen and
kleinen, unregelmäßigen Bluträumen mit dünnen Wänden ond mit
Endothel ausgekleidet, mehr weniger durch Bindegewebe getrennt.
Einzelne dieser Räume waren mit einer homogenen, hyalinartigen Sub-
stanz ausgefüllt. Das Epithel über der Geschwulst war nur in der Um-
der Haatkrankheiten. 471
gebung des Geschwürs verdickt, dort zeigte es bedeutende Wucherung
und tief in das unterliegende Gewebe eindringende Fortsätze, aber keine
Nester oder Perlen. Ähnliche Fälle von Mo. Gregor, Audry n. a.
werden kurz referiert, unter Bezugnahme besonders auf die Arbeiten
von St an gl und Ribbert. Derartige Geschwülste sind selbständige,
meist angeborene Tumoren, und beruhen nicht auf bloßer Gefißerweiterung
innerhalb eines umschriebenen Bezirks. Kach Bemerkungen über Angioma
der Haut und der Leber im allgemeinen, glaubt C, daß die venösen
Angioma selbst keine Neigung zur Bösartigkeit haben, aber daß das
darüber liegende Epithel krebsartige Veränderungen erfahren kann infolge
des fortwährenden Reizes, den die Geschwulst allein durch ihr Vor-
handensein ausübt. H. G. Klotz (New-York).
HebePi Packer. Multiple hereditary devel opmental
angiomata (teleangiectases) of the skin and mucous mem-
branes associated with recurring haemorrhages. The Lancet
1907. Juli 20. p. 160 fi.
Webers 60jährige Patientin hat glänzend rote Angiome, verteilt
über Gesicht, Ohr, Lippe, Mund- und Znngenschleimhaut ; die meisten
waren klein, dio größeren hatten bis 7 mm Durchmesser. Auch an den
Fingern bestanden einige Angiome. Die Pat. war anämisch; Zahl der
roten Blutkörperchen 2*8 Millionen, der weißen 11350. An der Herzspitze
war ein systolisches Geräusch. Sie leidet seit Jahren an Anfällen von
Nasenbluten. Die Mutter der Patientin litt an derselben Afiektion, ebenso
drei Söhne und eine Tochter derselben. Die A£fektion wurde zuerst von
Osler (John Hopkins Bulletin 1901, p. d88) beschrieben. Die weitere
relativ spärliche Literatur ist genau angegeben.
W. schließt: Die Krankheit kommt bei beiden Geschlechtern vor.
Die Hämorrbagien ünden meist von der Nasensohleimhaut aus statt. Meist
ist der Symptomkomplex nicht verbunden mit Hämophilie oder einer
Verringerung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes. Die kutanen Angiome
sind gewöhnlich nicht kongenital, sondern treten im mittleren Alter auf.
Mit vorgerückteren Jahren nehmen die Anämie und die Hämorrbagien
einen schwereren Charakter an. Fritz Juliusberg (Berlin).
Buehanzeigen und Besprechungen.
Fiek, Johannes. Synonymik der Dermatologie. — Alfred
Holder, Wien nnd Leipzig, 1906.
Das kleine Bächlein verfolgt einen äafierst praktischen Zweck und
erreicht ihn. Es wird nach des Verf. Absicht in der Hand solcher, die,
mit der Nomenklatur einer Schule vertraut, auf Studienreisen, Kon-
gressen nnd beim Literarstndium auf Bezeichnungen stoßen, die ihnen
wenig geläufig oder gelegentlich einmal auch ganz unbekannt sind*', sehr
gute Dienste leisten. Daß stellenweise, wo dies erforderlich war, in
wenigen Worten die Charakteristik noch nicht ganz scharf umrissener
Erankheitsbilde angedeutet, manche klinische Streitfrage gestreift wird,
halte ich für besonders wertvoll.
Merzbaeh, Georg. Autorisierte Übersetzung von JuHien : Seltene
und weniger bekannte Tripperformen. — Alfred Hö 1 der, Wien
und Leipzig, 1907.
Tn vorliegendem Buche werden einzelne, recht interessante Kapitel
von der Gonorrhoe in einer der reichen Erfahrung des Autors entsprechend
grundlichen Weise erörtert. Das erste Kapitel ,über den modernen
Standpunkt in der Tripperfrage^ befaßt sich im wesentlichen mit der
Pathogense und Klinik der gonorrhoischen Allgemeinerkrankung. Für
die Therapie, speziell der Arthritis gonorrhoica wird der subkutanen
Applikation des Quecksilbers und der Lichtbilder nach Dowsing Er-
wähnung getan. Das zweite Kapitel über „abweichende Tripperformen"
erörtert eingehend die praeurethrale, buccale und nasale Lokalisation
des gonorrhoischeu Prozesses. Dem „Tripper bei Kindern^ ist der nächste
Abschnitt gewidmet. Unter dem Titel „Tripperähnliche Erkrankungen **
werden die nicht gonorrhoischen und nicht bakteriellen Urethritiden
abgehandelt, endlich „Gonorrhoische Ulzerationen" und „Tötlich ver-
laufende TrippererkrankuDgen*' besprochen. Die den einzelnen Kapiteln
beigefügten Literaturübersichten sind besonders hervorzuheben.
Alfred Kraus (Prag).
Bachanzeigen and Besprechungen. 4 78
Istituto Fototerapieo annesso alla Glinica dermosi-
filopatica di Firenze. Resoeonto dell' anno 1906. Pabl. vom R. Istituto
di Studi superiorii pratici e di perfczionamento in Firenze, sezione di
Medicina e Ghirorgia. Florenz, 1907.
Angezeigt von Dr. Gostantino Gurupi (Prag-Porretta).
Der Bericht des Florentiner phototherapeutischen Institutes fär das
Jahr 1906 zerfallt in einen medizinischen und einen ökonomischen Abschnitt
nnd enthält außerdem Arbeiten auf dem Gebiete der Phototherapie von
Pellizzari, Radaeli, Gappelli, Nenoioni und Paoli, Ga-
vazzeni nnd. Mancini, über die in diesem Archiv an anderer Stelle
berichtet wird. Ans der vom ersten Arzte des Institutes, Luigi Maz-
Boni, zusammengestellten Stasistik entnimmt man, daß sowohl die Zahl
der Patienten als auch der Applikationen sich im steten Wachsen be-
findet. Im ganzen wnrden in diesm Jahre 622 Patienten mit 11.976 Appli-
kationen (Finsen und Finsen-Reyn, Lorlet, Uviol, difi. Licht, Röntgen,
hohe Frequenz und Radiographie) behandelt ; es waren dies Fälle von :
Lupus vulgaris, Scrophuloderma, Lupus erythematodes, Ekzema, Seborrhoea,
Akne, Impetigo, Follikulitis, Sykosis vulgaris, Ulcus rodens, oberfläohl.
Epitheliomen, Pagetscher Krankheit, tief. Epitheliomen, Krebs, Sarkom,
Boubas, Syphilis tard. Lepra, Ulcus molle, postvener. und verschiedene
Adenitiden, blenorrhag. Salpingit., Ichthyosis, Favus, Onychomykose, Hy-
pertrichosis, Psoriasis und Sykosis trychophytio. Mazzoni beschreibt
eingehend die angewandte Technik und die erzielten Resultate. Der
zweite Arzt am Institute Giovanni Battista Prunai behandelt in
einem Aufsätze die hohe Frequenz. Das Institut ist mit einem vollstän-
digen Instramentarium zur Produktion und Anwendung der hohen Frequenz
und Spannung versehen; damit wurden im ganzen 51 Patienten und zwar
Fälle von Seborrhoe und consekut. Alopecia capillitii, Akne und prurig.
Ekzem, Psoriasis, Area Gelsi, Lupus erythematodes, nach Herpes zoster aufget.
Neuritis und Leukoplakie der Zunge behandelt. Applikationen wnrden im
ganzen 1212 vorgenommen ; Pru nai erläutert ebenfalls eingehend die Tech-
nik und das Ergebnis dieser Therapie. Der ökonomische Abschnitt berichtet
über die finanzielle Gebarung. Das Institut wurde durch die Spende einer
K r o m e y e rschen Quecksilberdampflampe bereichert GelsoPellizzari
gebührt das Verdienst, dieses von ihm durch öffentliche Subskription ge-
gründete Institut, das in Bezug auf die Reichlichkeit der Apparate und
des Materials in Italien nicht seinesgleichen hat, auf die jetzige Stufe
gebrachtjzu haben. Dank seiner unermüdlichen Tätigkeit ist es P e 1 1 i z z ar i
gelungen, das Institut zu einem Zentrum wissenschaftlicher Untersuchungen
zu machen und durch zahlreiche eigene Arbeiten und durch jene seiner
Schüler das Gebiet der Phototherapie zu erweitern.
V
ar 1 a.
Robert W. Taylor, Xew-York, ist am 6. Janoar 1908 infolge
von Nephritis plötzlich gestorben. Taylor, früher Professor am College
of Physicians and Sargeons (Columbia Univ.) in New-York, war einer
der Gründer der New- Yorker und Amerikanischen dermatolog^schen
Gesellschaften and hat nicht wenig cor Entwicklang der Dermatologie
in den Vereinigten Staaten beigetragen« Bis za seinem Tode war
er literarisch t&tig, namentlich aaf dem Gebiete der Syphilis, deren
Literatur er mit großem Fleiße verfolgte und beherrschte. Außer sehr
zahlreichen Journalartikeln über dermatologische nnd syphilographische
Gegenstände hat Taylor anfangs in Gemeinschaft mit Bamstead,
später allein ein ausgezeichnetes Buch über venerische Krankheiten
geschrieben, das später in etwas veränderter Gestalt mehrere Auflagen
erlebt hat, ebenso ein Buch über sexuelle Störungen bei Männern und
Frauen. Ohne sich an die Ofifentlichkeit zu drängen, erfreute sich
Taylor großer Achtung und Beliebtheit bei seinen Kollegen^ besonders
bei denen, die ihn näher kannten.
Dr. Hermann G. Klotz (New-York).
Der lY. Kongreß der deutschen Röntgen-Gesellschaft
wird unter dem Vorsitz vou H. Gocht-Halle a. S. am Sonntag, den
26. April 1908, im Langenbeckhaus in Berlin stattfinden. Allgemeines
Thema: Der Wert der Röntgenuntersuchungen für die Frühdiagnose der
Lungentuberkulose. (Referenten: Rieder- München und Krause- Jena.)
Mit dem Kongreß wird eine Röhrenausstellung vorwiegend historischen
Charakters verbunden sein. Anmeldungen für Vorträge, Demonstrationen usw.
sind an den Schriftführer der Gesellschaft, Herrn Dr. Immelmann,
Lfitzowstraße 72, Berlin W. 35, zu richten.
Der lY. internationale Kongreß für medizinische Elek-
trizität sichre und Radiologie wird in Amsterdam vom
1. bis 5. September 1908 tagen. Das Programm enthält Themata
aus der: Elektrophysiologie und Elektropathologie, Elektrodiagnostik und
Elektrotherapie, Röntgendiagnostik und Röntgentherapie, ferner aus dem
Gebiet der verschiedenen Strahl ungserscheinungen und der medizinischen
Elektrotechnik. Gelegentlich des Kongresses wird eine Aasstellong von Appa-
raten und Neuerungen für klinische und Laboratoriumzwecke sowie wichtiger
Röntgenogrammen abgebalten werden. Der Kongreß und die Ausstellung
Varia. 475
werden in der Universität stattfinden. Jeder, der sich für die Ent-
wicklung der elektro-biologischen und radiologischen Wissenschaften
interessiert, kann dem Kongreß durch Subskription beitreten. Der Preis
der Mitgliedskarten beträgt 21 M. Wer dem Kongresse beizutreten
wünscht, wird gebeten, den Subskriptionszettel sowie den Betrag der
Subskription dem Schrift- oder Kassenführer zuzuschicken. Die Kongreß-
Sprachen sind deutsch, englisch und französisch. Den Referenten stehen
80 Minuten zur Verfügung. Für die Mitteilungen werden 16 Minuten
gewährt, während für die Diskussion jedem Redner 5 Minuten gestattet
sind. Die Mitglieder des Kongresses, welche an der Diskussion teil-
nehmen, werden ersucht, den Inhalt ihrer Mitteilung am Ende jeder
Sitzung dem Schriftführer schriftlich einzuhändigen.
Der Ausschuß:
Prof. Dr. J. K. A. Wertheim Salomonson, Vorsitzender.
Dr. J. 6. G 0 h 1 , Dr. F. S. M e i j e r s , Schriftführer und Kassenführer.
Lassars Dermatologisehe Klinik. Die Herren Dr. Hermann
Isaac und Dr. Martin Friedländer, frühere langjährige Assistenten
der Klinik, haben die Weiterfuhrung derselben übernommen.
Lassars Dermatologisehe Zeitschrift. Herr Prof. E. Hoff mann
in Berlin hat die Redaktion des Blattes übernommen.
Personalien. Herr Dr. W. Harttung^ Primararzt der Haut-
abteilang am Allerheiligen-Hospital in Breslau, sowie die Herren Privat-
dozenten Dr. K. Bruhns, leitender Arzt am Charlottenburger Kranken-
hause und Dr. A. Buschke, leitender Arzt am Rudolf Virchow-Kranken-
hanse in Berlin, haben den Titel Professor erhalten.
Herr Dr. Freiherr Axel Gedercreutz ist zum Dozenten für Der-
matologie und Syphilidologie an der Universität in Helsingfors (Fin-
land) ernannt worden.
Herr Dr. Franz Poor (Budapest) hat sich als Privatdozent für
Dermatologie habilitiert.
476 Nekrolog.
Thomas Mc. Call Anderson, Glasgow.
Am 25. Januar 1908 starb plötslich auf dem Heimwege von einem
Jahresbankette der Glasgow Ayrshire Society, wo er noch soeben den
Toast anf den Pr&sidenten ausgebracht hatte, Mc. Call Anderson, der
diesem Archiv seit seiner Begründung angehörte.
Er war 1836 in Glasgow geboren und entstammte einer durch
mehrere Mitglieder schon mit der Glasgower Uniyersit&t yerknüpften
Familie. Er studierte dort und promovierte 1858, hielt sich dann längere
Zeit in Wien auf und ließ sich nach seiner Rückkehr von einer größeren
Reise dann in Glasgow nieder, wo er zunächst Arzt an dem Glasgow
Royal Infirmary und 1874 Professor der klinischen Medizin an der Uni-
versität wurde. Bald wurde er ein sehr beliebter Lehrer und vielfach
konsultierter Arzt. Neben dieser Betätigung in allgemeiner Praxis gehörte
aber seine Neigung vorwiegend der Dermatologie. Schon in frühen Jahren
begründete er das Glasgow Hospital und Dispensary für Hautkrankheiten,
wo er bis an sein Lebensende sehr tätig war. Von seinen literarischen
Werken sind neben zahlreichen Arbeiten allgemein medizinischen Inhaltes
hervorzuheben seine Handbücher über Hautkrankheiten und syphilitische
Affektionen des Nervensystems, über parasitäre Hautaffektionen, über
Ekzem, über Psoriasis und Lepra etc.
Seine Tätigkeit als Lehrer und Arzt fand vielfache Anerkennung.
1900 wurde ihm als Nachfolger Gairdners die Lehrkanzel der prak-
tischen Medizin verliehen, mit welcher stiftungsgemäß die Benützung
eines der Lupschen Häuser verknüpft fst, die im Grarten des prachtvollen
üniversitätsgebäudes von Glasgow stehen. 1905 wurde er in den Ritter-
stand erhoben und erst noch voriges Jahr zum Ehrenleibarzt des Königs
ernannt. A. nahm es bis an sein Lebensende sehr ernst mit seinen Lehr-
verpflichtungen und es wird allgemein ihm zugeschrieben, daß die von der
Glasgower Universität kommenden Praktiker auch eine gründliche dermato-
logische Ausbildung erfuhren. Sein Tod erfolgte an einem Samstag Abends
an Herzschwäche. Am nächsten Montag Früh fand man die Hauptpunkte
der von ihm beabsichtigten Vorlesung über Gehirnblutung, von seiner
eigenen Hand geschrieben, an der Tafel des Hörsaales.
Mit seinen Hinterbliebenen, seiner Frau, einem Sohne und fünf
Töchtern, denen die Redaktion ihr herzliches Beileid ausspricht, trauern
die zahlreichen Verehrer dieser bedeutenden Persönlichkeit.
Die Redaktion.
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