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Full text of "Archiv für Dermatologie und Syphilis"

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BegrQndet  von  H.  Auspitz  und  F.  J.  Pick. 

ARCHIV 

rar 

Dermatologie  und  Syphilis. 


Prof.  K'CALL  ANDERSON,  Prof.  BEHREKD,  Pror.  BEROH,  Dr.  BKSNIKB,  Pror.  BOECR,  Prof. 
BUSCHKB,  PruT.  DUHRroO,  Dr.  ELSENBBRQ,  Dr.  J.  ORCNFELD,  Prof.  BALIX)PEAO,  Prof. 
HASTTUNO,  Dr.  HELLER.  Dr.  HOOHSINOBR,  Prof.  JACOBI,  Pror.  JANOV8KT,  Dr.  JOSEPH, 
Dr.  KLOTZ,  P»r.  KOPP,  Prot  LANO,  Dr.  LEDERUANN,  Prof.  LUEASIEWICZ,  Dr.  LUST- 
OABTEN,  Prof.  UAJOr  OHI,  Prof.  t.  HARSCHALEÖ.  Prof.  HATZBKADBfi,  Prof  MERK,  Dr.  da 


R08BHTBAL,Pror.SOBin',Dr.SCHUUAGIIBRIL,DT.ifGBDTZ.  Prof.  SEIFERT,  Prof.  SPIEOLEB, 


mL  CasBry,  M.  DoDtreiepoit,  Prof.  Piuer,  Pror.  ladassotu,  Prüf,  laier,  Prot  RjeM, 

KBnlpbarf  Bonn  Wim  Butd  BorUn  Wien 

herausgegeben  von 

F.  J.  Pick,  Prag  nnd  A.  NeiSSer,  Breslau. 
Neunundachtzigster     Band. 


Hit  zehn  Tafeln  nnd  einer  Abbildung  im  Texte. 


Wien  und  Leipzig. 

Wilhelm    Branmöller, 

k.  D.  k.  Hof-  und  Unlnrtiaabnebblndlar. 

1908 


CATW4}GÜED 


MAY  22  1908 


E.  H.  B. 


K,  u.  k.  Hofbnchdruckerel  A.  Haas«,  Prag. 


*: 


M 


Inhalt. 

Pag. 

Original-Abhandlungen; 

Tinea  albigena  und  die  Züchtung  ihres  Pilzes.  Von  Prof.  A.  W. 
Nienwenhuis,  Leiden.  (Hiezn  Taf.  I — IV.) 8 

Zar  Frage  der  Behandlung  der  Syphilis  mit  Atoxyl.  Von  Prof.  Edvard 
Welander  in  Stockholm 81 

Ans  der  deutschen  dermatologischen  Klinik  in  Prag.  Ober  Hautver- 
änderungen  bei  Pseudoleukämie  und  Leukosarkomatose.  Von  Prof. 
C.  Kreibich.  (Hiezu  Taf.  V.) 48 

Aus  dem  Karolinen-Kinderspitale  in  Wien  [Vorstand  Prim.-Doz. 
W.  Knöpfelmacher].  Über  Krythrodermia  desquamativa,  eine  eigen- 
artige universelle  Dermatose  der  Brustkinder.  Von  Dr.  Carl 
Lein  er,  em.  Assistent  des  Karolinen-Kinderspital  es.  (Hiezn  Taf. 
VL) 66,  163 

Aus  der  pathologisch-anatomischen  Anstalt  des  städtischen  Kranken- 
hauses im  Friedrichshein  zu  Berlin  [Vorstand:  Prosektor  Dr.  L. 
Pick].  Lymphangio-Endothelioma  cutis  abdominis.  Ein  Beitrag  zur 
Kenntnis  der  Endotheliome  der  Haut.  Von  Dr.  Fritz  Juliusberg 
(Berlin).  (Hiezu  Taf.  VIT  u.  VIIL) 77,  191 

Die  Syphilis  unter  den  Prostituierten  in  Lemberg.  Von  Dr.  Jan 
Papee .    98 

Aus  der  k.  k.  deutschen  dermat.  Universitätsklinik  in  Prag  (Vorstand : 
Professor  Kreibich).  Klinische,  histologische  und  vergleichende 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  Cutisroyome.  Von  Dr.  Paul  Sobotka, 
Assistenten  der  Klinik.  (Hiezu  Taf.  IX  u.  X.) 209,  823 

Aus  der  kaiserlichen  dermato-urologischen  Universitätsklinik  in  Tokyo, 
Japan.  (Direktor:  Professor  Dr.  K.  Dohi.)  Ein  Beitrag  zur  Patho- 
logie und  Statistik  der  Epididymitis  gonorrhoica.  Von  Dr.  T. 
Tanaka  aus  Tokyo,  Japan 235 

Aus  der  dermatologischen  Abteilung  des  k.  k.  Krankenhauses  Wieden 
in  Wien  (Professor  Dr.  S.  Ehrmann).  Über  die  jodophile  Substanz 
in  den  Leukocyten  des  gonorrhoischen  Eiters.  Von  Dr.  Ferdinand 
Winkler 263 

Besondere  Syphilisfalle.  Von  Dr.  Moriz  Porosz,  Spezialarzt  in 
Budapest 281 

Aus  der  Klinik  für  Qeschlechts-  und  Hautkrankheiten  in  Wien.  (Vor- 
stand: Prof.  E.  Finger.)  Zur  Differential diagnose  zwischen  Lues 
und  Tuberkulose  bei  ulzerösen  Prozessen.  Von  Dr.  Viktor  Mucha, 
Assistent  der  Klinik 355 


IV  Inhalt 

Pag 

Aus  der  k.  laryngo logischen  Poliklinik  der  Universität  Manchen.  (Vor- 
stand :  Prof.  Dr  Neumayer.)  Über  Verkümmerung  der  Augenbrauen 
und  der  Nägel  bei  Thyreoidosen.  Von  Dr.  R.  H  o  f  f  m  a  n  n,  l.  Assistent 
(Mit  einer  Abbildung  im  Texte.) 881 

Aus  der  Klinik  für  Syphilis  und  Hautkrankheiten  der  Universität  Bonn 
(Direktor:  Geheimrat  Professor  Dr.  Doutrelepont).  Ober  die  v. 
Pirquetsche  kutane  Tuberkulinimpfnng  und  die  Ophthalmoreaktion 
bei  lupösen  Erkrankungen.    Von  Dr.  Wilhelm  König 886 

Ans  der  temporären  Abteilung  für  venerische  Krankheiten  am  klinischen 
Militärhospital  —  St.  Petersburg.  Beitrag  zur  Frage  von  der 
Thyreoiditis  jodica  acuta.  Von  Dr.  M.  P.  Gundorow S99 

Aus  dem  Odessaer  Städtischen  Spitale.  Die  Behandlung  der  Syphilis 
mit  Mergal.  Von  Dr.  med.  A.  J.  Grünfeld,  Leiter  des  Ambu- 
latoriums für  Haut-  und  venerische  Krankheiten 415 

Bericht  Ober  die  Leistungen  auf  den  Gebiete  der  Der- 

Riatoiegie  und  Syphilis. 

Verhandlungen  der  Berliner  dermatologischen  Gesellschaft   .   .   .116,  431 
Bericht  über  den  VI.  internationalen  Dermatologen-Kongreß  in  New- 

York.  Von  Dr.  Neu  berger,  Nftmberg 291 

Hautkrankheiten     .   • 120,  486 

Geschlechtskrankheiten 150,  298 

Buchanzeigen  und  Besprechungen.  .  .  .  157,  817,  472 

Vorberff.  O.    Fonmier,    Alfred:    Die  Syphilis   der    ehrbaren    Freven.  —   Bren- 
neeke,  Dr.:    Freih«»!!!  Ein  offenes  Wort  sur  «exaalen   Frage  an  Deatoehlands  Jagend. 

—  Nelsier  and    Jaeobit    Jkonographia   Dermatologlca.    —    Sehmidt,    Maria    v.: 

Muttnrdienst.  —  Albrecht,  Hans:  Beitrüge  aar  Kasenprotfaese. 
Hoff  mann,   Rrich.  Atlas  der  Itlologischen  and  experimentellen  SyphillBforsebang.  — 
P e  1 1  i z B a r i .  Oeiso.  Gas!  di  Onicomicosi  gnaritl  colla  Röntgen therapia.  —  Giorannini, 
Sebastisno.  Ricerche  intomo  alla  eomeificaslone  dei  peli  nmaui  compinte  eoUa  digestione 

artiflcUle. 

F i  e  k,  Johannes.  Synonymik  der  Dermatologie.  —  Mersbaeh,  Qeorg.  Autorisierte  Über- 

setsnng   Ton   Jnllien:   läeltene  und    weniger   bekannte  Tripperformen.    —    Istitnto 

Fototerapieo  annesso  aUa  Clinieo  dermosiftlopatica  di  Firenze. 

Varia 159,  319,  474 

Deutsche  Dermatologiscbe  Gesellschaft.  —    Erich  Hoff  mann:   Atlas  der  Ätiologischen 
und  experimentellen  Syphilisforschung.   —   Domenico  Majocchi.    —  Personalien.    — 

Professor  Oskar  Lassar,  Berlin. 
Bobert  W.  Taylor  New- York  f.  —  IV.  Kongreß  der  deutschen  RSntgun- Gesellschaft. 

—  IV.  iuternatiwnaler  Kongreß  für  media.  ElektrixitXtslebre  etc.  —  I.assars  dermstologische 

Klinik.  —  Lassars  dermatologische  Zeitschrift. 

Personalien. 

Nekrolog 820,  470 

Oskar  Lassar.  ^  Thomas  Me.  Call  Anderson,  Glasgow. 


Originalabhandlungen . 


▲reh.  f.  D«r«mt.  m.  Sfph.  Bd.  LXXZIX. 


Tinea  albigena 
und  die  Züchtung  ihres  Pilzes. 

Von 

Prof.  A.  W.  Nienwenhuis,  Leiden. 

(Hieza  Tal.  I— IV.) 


Die  oberflächlichen  parasitärenHautkrankheiten,  welche  unter 
-den  wenig  bekleideten  Stämmen  des  indischen  Archipels  so 
vielfach  vorkommen,  daß  sie  anfangs  für  den  Europäer  das 
-Gesamtbild  dieser  Menschen  beherrschen,  gehören  zum  Teil  zu 
denjenigen,  die  auch  in  gemäßigteren  Klimaten  auftreten,  wie 
z.  B.  Tinea  circinata  als  eine  Form  von  Herpes  tonsurans^ 
zum  Teil  sind  sie  aber  den  Tropenländern  eigen,  wie  Tinea 
«mbricata,  die  infolge  des  wachsenden  Verkehrs  sich  in  diesen 
<7egenden  stark  zu  yerbreiten  beginnt,  bis  jetzt  aber  die 
'übleren  Länder  noch  Terschont  hat.  Diese  Hautentzündungen 
Bind  für  die  malaiischen  Völker  nachteiliger  als  ähnliche  Haut- 
krankheiten in  Europa,  wo  die  Erwerbsfähigkeit  nur  selten 
^urch  dieselben  beeinträchtigt  wird.  Die  Resistenz  der  Haut 
^ird  aber  unter  den  beinahe  nacktgehenden,  von  Ackerbau^ 
Fischfang  und  Jagd  lebenden  Stämmen  in  den  Tropen  beim 
Tragen  von  Lasten  und  anderen  mechanischen  Insulten  stark 
in  Anspruch  genommen  und  die  erwähnten  Krankheiten  ver- 
mindern ihre  Widerstandskraft  dermaßen,  daß  Verwundungen 
und  ulzeröse  Prozesse  die  erkrankten  Stellen  öfters  befallen. 

Eine  vor  kurzem  von  mir  unter  dem  Namen  Tinea 
4ilbigena  beschriebene   oberflächliche  Hautentzündung,  die  von 


4  Nieawenhuis. 

den  bisher  bekannten  klinisch  sehr  verschieden  ist,  beansprucht 
ebenfalls  nicht  nur  von  wissenschaftlichem,  sondern  auch  von 
wirtschaftlichem  Standpunkt  das  Interesse  weiter  Kreise. 

Die  klinisch  wichtigsten  Symptome,  welche  dieser  Krank- 
heit ihre  selbständige  Stellung  verleihen,  nämlich  ihre  Lokali- 
sation an  den  Handflächen  und  Fußsohlen  und  die  vollständige 
Entfärbung  der  angegriffenen  Teile  der  Haut,  bedingen  neben 
ihrer  großen  Verbreitung  ihre  Wichtigkeit  auf  wirtschaftlichem 
Gebiet  unter  den  indonesischen  Völkern.  Die  infolge  harter 
Arbeit  und  des  Gehens  auf  nackten  Füßen  für  gewöhnlich  durch 
dicke  Schwielen  geschützten  Hohlhände  und  Fußsohlen  der 
Eingeborenen  werden  durch  diese  Krankheit  dieses  Schutzes 
teilweise  beraubt,  was  das  Arbeiten  und  Gehen  sehr  beein- 
trächtigt. Außerdem  wird  die  mehr  oder  weniger  starke  Ent- 
färbung der  Hände  und  Füße  als  sehr  unangenehm  empfunden ; 
so  bin  ich  denn  gerade  durch  die  Bitten  der  Malaien,  den 
weißen  Flecken  die  braune  Farbe  der  übrigen  Haut  wiederzu- 
geben, zuerst  auf  diese  Krankheit  aufmerksam  gemacht  worden» 

Da  dieser  Hautentzündung  eine  ausgesprochene  Tendenz 
zum  chronisch  werden  eigen  ist,  sie  bei  dem  Maugel  an  wirk- 
samen Heilmethoden  bei  den  Eingeborenen  Jahrzehnte  bestehen 
bleiben  kann,  ferner  auch  die  Europäer  von  dieser  widerwärtigen 
Krankheit  behaftet  werden,  darf  sie  sicher  zu  den  wichtigsten 
Hautkrankheiten  der  Tropen  gerechnet  werden. 

Während  meiner  jahrelangen  Reisen  im  Innern  der  Insel 
Bomeo  (1894—1900)  übte  ich  eine  ausgebreitete  ärztliche 
Praxis  unter  den  dort  ansässigen  Dajakstämmen  aus;  hier 
waren  es  die  ständigen  Bitten  der  Dajak  um  Hilfe  gegen  die 
Schmerzen  an  Händen  und  Füßen,  welche  mich  zwangen,  mich 
mit  dieser  Krankheit  zu  befassen  und  Heilversuche  anzustellen. 
Dadurch  gewann  ich  eine  richtige  Auffassung  von  der  Selb- 
ständigkeit des  klinischen  Bildes  dieser  Hautkrankheit.  Die 
guten  Erfolge,  welche  ich  durch  Anwendung  epiphytizider 
Mittel  bei  der  Behandlung  erreichte,  überzeugten  mich,  es  mit 
einer  parasitären  Hautkrankheit  zu  tun  zu  haben,  und  nach 
meiner  Rückkehr  gelang  es  mir  im  botanischen  Institut  zu 
Buitenzorg  auf  Java  im  Jahre  1901,  in  den  Hautschuppen  einen 
Pilz  als  den  vermutlichen  Krankheitserreger  zu  entdecken. 


Tinea  albigena  and  die  Zächtung  ihres  Pilzes.  5 

Die  Resultate  dieser  Untersuchung  wurden  in  „het  Genees- 
kundig  Tydschrift  voor  Nederlandsch  Indiß«,  Teil  XLIV,  Lief.  6, 
publiziert.  Seitdem  war  ich  in  der  Lage,  auf  das  Studium 
dieses  Pilzes  näher  einzugehen,  und  es  gelang  mir,  diesen  auf 
verschiedenen  Nährböden  zu  züchten  und  zum  Fruktifizieren 
zu  bringen. 

Geographische  Verbreitung.  Ich  bin  selbst  fest- 
zustellen im  Stande  gewesen,  daß  Tinea  albigena  unter  der 
Bevölkerung  von  Java,  Bomeo  und  Lombok  sehr  verbreitet  ist 
und  daß  auch  sehr  viele  der  einheimischen  Soldaten  der 
niederländisch-indischen  Armee  an  der  Krankheit  leiden,  wenn 
diese  sie  auch  nicht  immer  für  den  Dienst  untauglich  macht. 
Später  habe  ich  das  Vorkommen  von  Tinea  albigöna  unter  der 
Bevölkerung  von  Sumatra  und  Neu-Guinea  (auf  den  vorzüglichen 
Tafeln  von  van  der  Sandes  Nova  Guinea)  konstatieren  können, 
so  daß  ich  nicht  fehlzugehen  glaube,  wenn  ich  den  ganzen 
malaiischen  Archipel  als  ihr  Verbreitungsgebiet  angebe ;  ich  bin 
überzeugt,  daß  auch  die  Bewohner  der  benachbarten  Gebiete 
von  ihr  nicht  verschont  geblieben  sein  werden.  Die  Verbreitung 
dieser  Hautkrankheit  unter  einer  Bevölkerung  im  Archipel  ist 
nämlich  so  stark,  daß  wohl  ein  Viertel  der  erwachsenen 
Personen  mehr  oder  weniger  mit  ihr  behaftet  ist. 

Auch  ein  Teil  der  unter  diesen  Stämmen  ansässigen 
Europäer  wird  von  Tinea  albigöna  befallen  und  durch  die 
Veränderungen  an  den  Händen  im  täglichen  Leben  sehr  be- 
lästigt. Die  größere  Reinlichkeit  der  Europäer,  die  dünnere 
Epidermis  ihrer  Hände  und  Füße  und  das  Gehen  mit  Stiefeln 
verhindern  jedoch  eine  starke  Entwicklung  der  krankhaften 
Veränderungen,  wie  man  sie  öfters  bei  den  Eingeborenen  findet. 

Auf  der  79.  Versammlung  Deutscher  Naturforscher  und 
Ärzte  in  Dresden  wurde  mir  von  verschiedenen  Seiten  ver- 
sichert, daß  in  Deutsch-Ost-  und  West-Afrika  ähnliche  Ver- 
änderungen an  Handpalmen  und  Fußsohlen  der  Eingeborenen 
vorkommen  sollen.  Auf  Tafel  I  seiner  Abhandlung  über  die 
tropischen  Hautkrankheiten  in  Dr.  Menses  Handbuch  der 
Tropenkrankheiten  bildet  Dr.  A.  Plehn  die  Unterbeine  eines 
Kamerunnegers  ab,  welche  denen  meiner  Dajakfrau  aus  Mittel- 
Bomeo  auf  Tafel  III;  Fig.  5,  sehr  ähnlich  sind,  Die  Verbreitung 


6  KieaweQhuis. 

der   Tinea   albigöna  in  den  Tropen  ist  deshalb  wahrscheinlicb 
größer,  als  mir  bis  jetzt  bekannt  geworden  ist 

Klinische  Symptome.  Während  das  Anfangsstadium* 
der  Krankheit  bei  den  erwachsenen  Eingeborenen  unter  den 
dicken  Schwielen  der  Fußsohlen  schwer  zu  verfolgen  ist,  bieten» 
Eruptionen  bei  Kindern  und  Europäern  hierzu  bessere  Gelegen- 
heit. Zuerst  entsteht  ein  stark  juckendes  Knötchen,  das  ii^ 
eine  Blase  von  8—4  mm  Durchmesser  übergeht;  anüeings  ist 
diese  gefüllt  mit  einer  hellen,  bernsteinfarbigen  Flüssigkeit, 
allmählich  wird  sie  purulent  und  yertrocknet.  In  der  Umgebung 
ist  nur  eine  geringe  Röte,  aber  keine  heftigere  Entzündung  z» 
bemerken ;  es  treten  dort  aber  später  andere  Bläschen,  unregel- 
mäßig zerstreut,  nicht  in  konzentrischen  Kreisen  wie  bei  Tinea 
imbricata  und  T.  circinata  hinzu  (Taf.  I,  Fig.  1). 

Unter  der  Fußsohle  vergrößert  sich  die  kleine  Blase 
immer  mehr,  da  die  dicke  Epidermis  nicht  leicht  reißt,  so  daft 
das  Exsudat  diese  immer  weiter  von  dem  Rete  Malpighi  abhebt  und 
Blasen  bis  zu  8  mm  Durchmesser  gebildet  werden.  Da  diese 
Blasen  heftig  jucken,  hat  der  in  der  Regel  junge  Patient  sie 
sehr  bald  durch  Kratzen  geöffoet,  wonach  die  Flüssigkeit  aus- 
fließt und  das  rote  Rete  Malpighi^  der  Blasengrund,  zum  Vor- 
schein tritt. 

Sobald  die  Flüssigkeit  verschwunden  ist,  zeigt  die  glatte^ 
bloßliegende,  rote  Schicht  eine  starke  Neigung  zum  Eintrocknea 
und  zur  Verhornung,  so  daß  auch  ohne  Pflege  keine  Ulzera- 
tionen  entstehen,  dagegen  wohl  Stellen  mit  einer  dünnen,  oft 
unregelmäßigen  Epidermisschicht.  Dergleichen  Flecken  breiten 
sich  dann  chronisch  langsam  aus  und  können  sich  mit  benach- 
barten vereinigen,  so  daß  die  epitheliale  Bedeckung  der  Hand- 
flächen und  Fußsohlen  viele  verdünnte  und  unregelmäßig  ge- 
bildete Stellen  aufweist.  (Taf.  I,  Fig.  2.) 

Die  Krankheit  zeigt  wenig  Neigung,  um  von  selbst  zu 
heilen  und  ist  durch  die  dicke  Oberhaut  gegen  die  Einwirkung 
der  inländischen  Arzneien  geschützt;  sie  bedeutet  daher  für 
den  Betreffenden  eine  Jahre  lange  Qual  und  kann  sogar  das 
ganze  Leben  hindurch  bestehen  bleiben.  Das  Jucken  ist  im 
chronischen  Stadium  lange  nicht  so  heftig  wie  in  dem  erstea 
akuten,  so  daß  der  auf  sich  selbst  wenig  achtende  Eingeborene 


Tinea  albigena  und  die  Züohtnng  ihres  Pilies.  7 

später  nur  selten  etwas  über  das  erste,  stark  juckende  Stadium 
anzugeben  weiß, 

Tinea  albig&a  beginnt  auch  Ton  Anfang  an  in  chronischer 
Form  und  weist  dann  nur  während  den  dabei  auftretenden 
Exacerbationen  die  Bläschen  auf.  Dieses  ist  z.  B.  bei  er- 
wachsenen Europäern  der  Fall.  Hauptsächlich  gegenüber  den 
Beschwerden,  welche  die  sekundären  Veränderungen  der 
Schwielen  Terursachen,  tritt  ein  geringes  Jucken  bei  der  chroni- 
schen Form  zurück.  Die  Stellen  mit  dünnerer  Epidermis 
beschirmen  beim  Arbeiten  und  Gehen  die  darunterliegenden 
Schichten  nicht  genügend,  wodurch  Schmerzen  und  bisweilen 
Arbeitsunfähigkeit  yerursacht  werden.  Femer  verdicken  sich 
andere  Teile  und  werden  minder  elastisch,  so  daß  die  Fuß- 
sohlen an  diesen  Stellen  beim  Gehen  rissig  werden  und  die 
unter  den  Ärzten  im  indischen  Archipel  berüchtigten  Spalten 
entstehen  (Taf.  II,  Fig.  4),  in  denen  dann  Schmutz,  Sand  und 
Steinchen  beim  Barfußlaufen  sekundäre  Entzündungen  verur- 
sachen. Beispiele  für  dergleichen  Fußsohlen  findet  man  bei 
den  einheimischen  Soldaten  in  den  sogenannten  Gamisons- 
bataillonen,  wo  die  minder  brauchbaren  Mannschaften  unter- 
gebracht werden,  in  Überfluß.  Daß  die  Beschwerden,  welche 
die  Veränderungen  zur  Folge  haben,  zu  gänzlicher  Untauglich- 
keit  zum  Kriegsdienst  leiten  können,  ist  bekannt. 

An  den  Händen  kommt  ebenfalls  eine  schwache  Epidermis- 
bedeckung  vor;  die  sekundären  Erscheinungen  erreichen  hier 
jedoch  nicht  einen  so  hohen  Grad  als  an  den  Füßen.  Tinea 
albigena  veranlaßt  aber  nicht  stets  so  starke  Veränderungen, 
die  Handflächen  können  auch  gleichmäßig  mit  einer  verdickten, 
etwas  harten  Epidermis  bedeckt  sein,  welche  man  an  und  für 
sich  schwerlich  als  pathologisch  auffassen  könnte,  wenn  nicht 
eine  leichte  Schilferung  in  den  Falten  und  ein  geringes  Jucken 
auf  diese  Krankheit  aufmerksam  machten. 

Tinea  albig&a  ist  also  eine  oberflächliche  Dermatitis,  die 
in  die  Gruppe  der  parasitären  Hautkrankheit  eingereiht  werden 
muß,  von  denen  Herpes  tonsurans  ein  Vertreter  ist  und  die 
als  Trichophytien  zusammengefaßt  werden. 

Daß  auch  die  tieferen  Schichten  der  Haut  auf  die  Dauer 
in  den  Prozeß  bezogen  werden,  zeigt  sich  an  den  Veränderungen, 


8  Nieawenhuis. 

die  in  ihnen  stattfinden  und  makroskopisch  sichtbar  werden 
durch  das  Verschwinden  des  Pigments,  eine  auf  der  braunen 
Haut  der  Eingeborenen  sehr  auffallende  Erscheinung.  Diese 
Entfärbung  erreicht  jedoch  erst  nach  Jahren  einen  höheren 
Grad  und  findet  nur  allmählich  und  unregelmäßig  statt; 
es  kann  jedoch  auch  eine  Tollständige  Entfärbung  eintreten. 
(Tafel  III,  Fig.  3  u.  4.)  Begreiflicherweise  findet  man  derartige 
weiße  Hände  und  Füße  nur  bei  erwachsenen  Personen.  Heilt  der 
Prozeß  in  diesem  Stadium,  so  verschwinden  die  Veränderungen  der 
Oberhautschicht  gänzlich  und  hinterlassen  keine  Spuren,  wenn 
nicht  sekundäre  Entzündungen  eine  Vernichtung  der  Gewebe 
veranlaßt  haben;  nur  stellt  sich  die  Pigmentatrophie  nicht 
wieder  her.  Außer  aus  dem  ganzen  Prozess  geht  also  auch 
hieraus  hervor,  daß  von  einer  ernsten,  tieferen  Entzündung  bei 
dieser  Hautkrankheit  keine  Bede  ist. 

Abgesehen  von  einigen  wenigen  Ausnahmen  entsteht  Tinea 
albigSna  ausschließlich  an  der  Volarfläche  von  £[änden  und 
Füßen  und  zeigt  wenig  Neigung,  Hautteile  mit  dünnerer 
Epidermis  anzugreifen.  Alte  Prozesse  breiten  sich  jedoch 
allmählich  über  die  Bänder  von  Händen  und  Füßen  aus  und 
gehen  später  ebenso  auf  die  Bückseite  dieser  Körperteile  über. 
Sogar  über  den  Puls  bis  auf  den  Unterarm  und  über  den  Knöchel 
bis  auf  das  Unterbein  (Taf.  UI,  Fig.  5)  kann  die  Haut  durch 
Tinea  albigöna  entzündet  werden.  Als  Folge  hiervon  zeigen  diese 
Teile  uns  dann  das  Bild  eines  chronischen  Ekzems;  eine  ver- 
dickte, runzlige,  oberflächlich  schilfernde  Haut,  die  beim  Ein- 
geborenen auf  einigem  Abstand  grau,  wie  mit  Mehl  bestreut 
aussieht.  Daß  auch  das  Pigment  in  diesen  Teilen  atrophiert, 
geht  aus  den  Fingerspitzen  auf  Fig.  3  und  den  weißen  Flecken 
auf  den  Schienbeinen  von  Fig.  5  hervor. 

Trotz  der  sehr  starken  Verbreitung,  die  Tinea  albigöna 
unter  den  Eingeborenen  erreicht  hat,  beobachtete  ich  dies 
eigentümliche  Exanthem  mit  seiner  charakteristischen  Ent- 
färbung nur  äußerst  selten  auf  anderen  Körperteilen;  einmal 
in  der  Weichengegend,  ein  anderes  Mal  auf  Brust  und  Stirn. 
Die  Krankheit  erinnerte  hier  stark  an  die  chronische  Tinea 
circinata;  die  starke,  weiße  Entfärbung  der  Haut  bewies  mir 
jedoch,  es  hier  mit  Tinea  albiggna  zu  tun  zu  haben. 


Tinea  albigena  udU  die  Zucbtnng  Ihres  Pilzes.  9 

Ob  auch  die  Haare  auf  der  kranken  Haut  angegriffen 
werden,  habe  ich  nicht  feststellen  können;  die  Nägel  der 
Hände  und  Fuße  werden  jedoch  häufig,  wenn  auch  nicht  stets, 
in  Afitleidenschaft  gezogen. 

Auch  hier  ist  die  Entzündung  anfangs  nur  sehr  ober- 
flächlich^ die  Nägel  werden  undurchsichtig,  verdicken  sich  und 
fallen  in  Lamellen  auseinander,  wonach  sie  abbröckeln  und 
dünner  werden,  da  sie  den  äußerlichen  Verletzungen,  die  durch 
Barfußgehen  und  Handarbeit  hervorgerufen  werden,  keinen 
Widerstand  bieten.  In  einem  späteren  Stadium  leidet  jedoch  das 
Nagelbett;  es  schrumpft  zusammen  und  bringt  dann  nur  dünne, 
unregelmäßig  gebildete  Nägel  mit  tiefen  Längsgruben  hervor. 

Betrachten  wir  die  Fig.  3  und  5,  so  bemerken  wir,  daß  die 
Verbreitung  von  Tinea  albigena  auf  beiden  Abbildungen  eine 
stark  ausgesprochene  Symmetrie  zeigt.  Einerseits  könnte  man 
hierin  ein  wichtiges  diagnostisches  Merkmal  erblicken,  anderer- 
seits unwillkürlich  auf  den  Gedanken  kommen,  daß  diese 
Krankheit  vielleicht  auf  nervösem  Einfluß  beruhen  könnte.  Die 
starke  therapeutische  Wirkung  verschiedener  epiphyticider  Mittel 
und  die  spätere  Feststellung  eines  wuchernden  Pilzes  in  den 
pathologischen  Produkten  der  erkrankten  Epidermis  veran- 
laßten  mich  jedoch,  diesen  als  den  Krankheitserreger  zu  be- 
trachten, so  wie  es  auch  meine  späteren  Untersuchungen 
ergaben. 

Die  Frage,  welchen  Wert  man  einem  symmetrischen  Vor- 
kommen bei  den  parasitischen  Hautkrankheiten  im  allgemeinen, 
und  auch  bei  Tinea  albigSna  zuschreiben  muß,  behandelte  ich 
in  einer  Abhandlung  der  Kön.  Akad.  d.  Wissensch.  in  Amsterdam, 
T.  X,  Nr.  4  unter  dem  Titel :  „Lokalisation  und  Symmetrie  der 
parasitären  Hautkrankheiten  im  indischen  Archipel^. 

Betreffs  Tinea  albigena  will  ich  in  Bezug  auf  Symmetrie 
nur  das  Folgende  anführen: 

Eine  symmetrische  Ausbreitung  auf  dem  Körper  kommt 
bei  verschiedenen  parasitären  Hautkrankheiten  in  den  Tropen 
vor^  wie  bei  T.  imbricata,  T.  circinata,  Pityriasis  versicolor 
und  Mal  del  Pinto. 

Unter  allen  diesen  ist  die  Anzahl  der  Fälle  von  Symmetrie 
nicht  gleich.      Bei    den   an   T.   albigena   leidenden   Patienten 


10  Nieuwenhuis. 

zeigt  sich  diese  Eigentümlichkeit  in  ^/s  der  Fälle,  ebenso 
häufig  bei  den  an  T.  imbricata  Erkrankten.  Bei  den  übrigen 
parasitären  Hautkrankheiten  kommt  sie  minder  häufig  vor. 

Der  auf  Tafel  II  abgebildete  Fall  einer  symmetrischen 
Ausbreitung  von  T.  albigäna  betrifft  einen  Javaner,  der  an  der 
Volarfläche  der  Hände  und  der  Rückseite  der  Fingerspitzen 
eine  sehr  symmetrische,  beinahe  vollständige  Entfärbung  der 
Haut  zeigt  als  Folge  einer  geheilten  Tinea  albiggna.  Diese 
besteht  noch  an  seinen  Fersen  (Fig.  4),  wo  die  eigentümlichen 
Spalten  in  den  Schwielen  mit  der  charakteristischen  Entfärbung 
deutlich  hervortreten. 

Die  beiden  Fig.  5  abgebildeten  Füße  zeigen  die  Krank- 
heit noch  in  ihrer  vollen  Heftigkeit.  Es  sind  die  Füße  einer 
etwa  40jährigen  Frau  der  Kajan  Dajak  in  Mittel- Bomeo,  die 
bereits  seit  20  Jahren  oder  länger  an  dieser  Krankheit  litt,  so 
daß  das  lange  Bestehen  der  Symmetrie  in  diesem  Fall  sicher 
bemerkenswert  ist.  Im  Laufe  der  Jahre  hat  sich  die  Ent- 
zündung von  der  Unterseite  der  Füße  über  den  Fußrücken  und 
die  Knöchel  bis  auf  die  Unterbeine  ausgebreitet,  wo  sich  an  der 
Innenseite  auf  der  dünnen  Haut  der  Schienbeine  Flecken  mit 
sehr  unregelmäßiger  Pigmentatrophie  zeigen. 

Fragen  wir  nun  nach  der  Ursache,  daß  unter  anderen 
auch  Tinea  albigSna  eine  so  ausgesprochene  Neigung  zu  einer 
symmetrischen  Verbreitung  auf  dem  Körper  besitzt,  so  zeigt  es 
sich,  daß  die  Krankheit  hauptsächlich  an  diejenigen  Teile  der 
Haut  gebunden  ist,  die  untereinander  in  ihren  physischen  und 
chemischen  Eigenschaften  übereinkommen,  sich  durch  diese 
jedoch  scharf  von  der  übrigen  Haut  unterscheiden. 

Nirgends  hat  sich  die  Epidermisschicht  so  stark  ent- 
wickelt, als  gerade  an  den  Handflächen  und  Fußsohlen,  be- 
sonders bei  den  Inländern,  aber  auch  bei  Europäern,  was  auf 
einen  Entzündungsprozeß,  der  gerade  in  dieser  Schicht  seinen 
Sitz  hat,  sicher  von  Einfluß  sein  muß.  Haare  und  Haar- 
säckchen  kommen  auf  diesen  Teilen  nicht  vor,  was  nicht  ohne 
Wichtigkeit  sein  kann,  da  sich  ja  gerade  in  diesen  häufig  Ent- 
zündungsprozesse festsetzen.  Bei  den  Inländern,  die  auf  bloßen 
Füßen  gehen  und  viel  Handarbeit  zu  verrichten  haben,  ent- 
wickeln   sich   diese    eigenartigen,    physischen  Eigenschaften  in 


Tinea  albigena  und  die  Züchtung  ihres  Pilzes.  H 

Tiel  stärkerem  Maße  als  bei  Europäern,  so  dafi  auch  der 
Unterschied  mit  der  übrigen  Haut  größer  geworden  ist. 

Zugleich  sind  aber  die  chemischen  Eigenschaften  dieser 
Hautteile  sehr  eigentümlich,  da  das  Fehlen  der  Haare  mit 
ihren  Fettdrüsen  und  die  starke  Ausbildung  der  Schweißdrüsen 
die  Zusammensetzung  des  Hautsekrets  bestimmen,  mit  dem  die 
Epidermis  ständig  getränkt  wird. 

Ein  kleinerer  Gehalt  an  Fett-  und  ein  größerer  an 
Schweißbestandteilen  müssen  den  Abscheidungsprodukten  der 
Handflächen  und  Fußsohlen  gegenüber  denen  der  anderen 
Hautteile  eigen  sein. 

Daß  der  Vorzug,  den  Tinea  albigena  den  Hautteilen  der 
Tola  manus  und  der  planta  pedis  gibt,  wahrscheinlich  auf 
diesen  physischen  und  chemischen  Eigenschaften  beruht  und 
nicht  auf  konstitutionellen  und  nervösen  Einflüssen,  zu  denen 
man  in  der  Regel  zur  Erklärung  von  Symmetrie  bei  Krank- 
heitserscheinungen seine  Zuflucht  nimmt,  findet  auch  noch  in 
der  folgenden  Erwägung  eine  Stütze.  Sowohl  konstitutionelle 
als  neryöse  Reize  üben  mittelst  bestimmter  Nerven  und  Blut- 
gefäße ihren  Einfluß  auf  die  durch  diese  versorgten  Teile  der 
Haut  aus: 

1.  besitzen  aber  Handflächen  und  Fußsohlen  keine  Nerven 
und  Blutgefäße^  die  sich  nur  in  ihnen  verzweigen,  was  für  eine 
Erklärung  dieser  Lokalisation  als  auf  inneren  Einflüssen  be- 
ruhend doch  notwendig  wäre; 

2.  breitet  sich  Tinea  albigßna  auf  die  Dauer  aus,  ohne 
sich  an  das  Verbreitungsgebiet  bestimmter  Nerven  oder  Blut- 
gefäße zu  halten; 

3.  ist  diese  Hautkrankheit  unter  den  Eingeborenen  des 
ganzen  indischen  Archipels  viel  zu  verbreitet,  um  als  Ursache 
für  dieselbe  eine  Eigentümlichkeit  der  Konstitution  oder  trophische 
Störungen  annehmen  zu  können; 

4.  glückte  es  mir  bei  einem  Europäer,  der  bereits  seit 
vielen  Jahren  an  beiden  Fußsohlen  an  dieser  Krankheit  gelitten 
hatte,  mittelst  Jodiumtinktur  den  einen  Fuß  innerhalb  weniger 
Tage  zu  heilen,  während  die  Tinea  albigöna  am  anderen  Fuß, 
den  ich  aus  bestimmten  Oründen  nicht  behandelte,  noch  Jahre 
lang  bestehen  blieb  und  Mycelien  hervorbrachte.    Der  geheilte 


12  Nieuwenhuis. 

Fufi  blieb  gesund,  was  ebenfalls  nicht  für  das  Vorhandensein 
einer  nervösen  Prädisposition  spricht; 

5.  schließlich  gelang  es  mir  darch  Impfung  mit  dem 
künstUch  aus  Nagelsubstanz  einer  Onychomycosis  bei  T.  albigßna 
gezüchteten  Pilz,  die  Onychomycosis  wieder  zu  yerursachen  und 
denselben  Pilz  aus  diesem  Nagel  zu  züchten. 

Aus  diesen  Gründen  glaube  ich,  dafi  der  Vorzug,  den 
Tinea  albigöna  der  Hohlhand  und  Fußsohle  gibt,  auf  den 
physischen  und  chemischen  Eigenschaften  dieser  Teile  beruht 
und  finde  hierin  zugleich  den  Grund,  warum  man  bei  diesen 
und  bei  anderen  parasitären  Hautkrankheiten  in  den  Tropen 
so  häufig  eine  symmetrische  Ausbreitung  antrifft.  So  weit  wir 
nachgehen  können,  sind  nämlich  die  physischen  und  chemi- 
schen Eigenschaften  einer  gesunden  Haut  an  übereinstimmen- 
den Stellen  der  linken  und  rechten  Eörperhälfte  gleich ;  da  sie 
die  Verbreitung  der  Parasiten  so  stark  beeinflussen,  yeranlassen 
sie  auch  die  häufige  Symmetrie  dieser  Hautkrankheiten.  Bei 
Tinea  albig^na  beträgt  die  Anzahl  der  Fälle  einer  symmetri- 
schen Ausbreitung  bis  zu  einem  Drittel  aller  vorkommenden.  Ein 
speziell  diagnostisches  Merkmal  für  Tinea  albigSna  kann  man 
dieser  Neigung  aber  nicht  entlehnen,  da  sie  diese  mit  so  vielen 
anderen  parasitären  Krankheiten  teilt. - 

Mikroskopische  Untersuchung.  Diese  ergab  als 
wichtigstes  Resultat  das  Vorhandensein  einer  sehr  großen  Anzahl 
Mycelfädenin  den  Krankheitsprodukten.  Zur  Untersuchung  dieser 
Mikroorganismen  können  sowohl  die  Schüppchen  dienen,  die  man 
in  akuten  und  chronischen  Fällen  auf  den  dünneren  Hautstellen 
der  Uaud-  und  Fußränder  findet  als  auch  die  Nägel,  wenn 
diese  angetastet  sind.  Macht  man  diese  mit  Kalilauge  durch- 
sichtig, so  findet  man  in  ihnen  bei  etwa  iOOfiEU^her  Vergrößerung 
ohne  große  Mühe  Mycelfaden. 

Immerhin  ist  dies  weniger  einfach  als  bei  Tinea  imbricata, 
wo  ein  besonders  dichtes  Geflecht  von  Pilzfäden  sogleich  ins 
Auge  springt.  Bei  Tinea  albigena  finden  sich  die  Mycelfaden 
nur  hie  und  da  zwischen  den  verhornten  Epithelzellen  verstreut. 

Die  Form  der  Fäden  an  sich  ist  wenig  charakteristisch; 
man  findet  solche,  die  aus  einigermaßen  kommaformigen  Zellen 


Tinea  albigena  und  die  Züohtangf  ihres  Pilzes.  13 

bestehen  und  2*5  bis  45  [i  dick  und  7 — 35  ja  lang  sind.  Die 
Zellen  sind  an  den  aneinander  grenzenden  Enden  abgerundet, 
so  daß  zwischen  je  zwei  Zellen  eine  deutliche  Einschnürung 
vorkommt.  Die  Fäden  verzweigen  sich  dichotomisch  mit  bis- 
weilen sehr  langen  ungeteilten  Zwischenräumen.  Auch  findet 
man  sehr  oft  Fäden,  welche  ganz  glatt  sind,  nur  sehr  undeut- 
liche Zwischenwände  zeigen.  Außerdem  kommen  noch  andere 
Formen  vor,  die  wie  großmaschige  Netzwerke  aussehen,  aus 
Beihen  mehr  ovaler  Zellen  von  stark  körnigem  Inhalt,  von  7  fn 
Breite  und  10  /u  Länge,  zwischen  denen  sich  auch  weniger 
regelmäßig  gebaute  Zellen  befinden. 

Der  Inhalt  der  getrennten  Zellen  und  der  Fäden  ist 
deutlich  granulös;  an  den  abgebrochenen,  wo  er  yerschwunden 
ist,  erkennt  man  die  Zellwände  als  doppelt  konturierte,  stark 
lichtbrechende  Schläuche. 

Sowohl  die  Form  als  die  Größe  der  Zellen  sind  zu  ver- 
änderlich, um  sie  z.  B.  von  Tinea  imbricata  oder  Tinea  circi- 
nata unterscheiden  zu  können.  Als  ich  im  Jahre  1903  das 
klinische  Bild  dieses  Exanthems  veröffentlichte,  gab  ich  an,  in 
den  Erankheitsprodukten  wohl  Mycelfäden,  aber  keine  Sporen- 
bildung  gesehen  zu  haben.  Seitdem  habe  ich  mich  aber  ein- 
gehender mit  der  mikroskopischen  Untersuchung  beschäftigt 
und  es  ist  mir  gelungen,  die  Fruktifizierung  des  Pilzes  in 
Nägellamellen  zu  beobachten.  Es  bilden  sich  nämlich  an  den 
Hyphen  Sporenreihen,  Taf.  IV,  Fig.  9,  oder  mehr  noch  einzelne 
Sporen,  welche  entweder  den  Enden  eines  Fadens  Fig.  1,  4 
und  10  aufsitzen  oder  einzeln  Fig.  2,  3^  5  und  6  und  neben- 
einander Fig.  7  und  8  gegen  die  Mycelfäden  angeordnet  sind. 
Ich  beobachtete  diese  Sporen  in  Nägelsubstanz,  die  mit  Kali- 
lauge durchsichtig  gemacht  worden  war,  nachdem  der  ange- 
griffene Nagel  in  kleine  Lamellen  zerzupft  war.  Diese  Sporen 
zeigen  eine  runde,  mehr  oder  weniger  ovale  Form  und  sind 
den  Fäden  unmittelbar  angeheftet;  sie  besitzen  einen  Durch- 
messer von  ungefähr  l  —  lVs  A^  ^^^  diejenigen,  welche  an  der 
Oberfläche  der  zerzupften  Lamellen  liegen,  stechen  gegen  die 
farblose  Umgebung  als  dunkelbraunrote  Eörperchen  ab.  Die, 
welche  in  der  Substanz  eingebettet  sind,  unterscheiden  sich 
von    dieser    mehr   durch   die    stärkere   Lichtbrechung.    Auch 


14  Nieuwenhais. 

anderen,  welche  durch  die  Kalilauge  vielleicht  mehr  gequollen 
sind,  geht  diese  dunkelbraune  Farbe  ab.  Wie  Fig.  9  auf  Tafel  IV 
zeigt,  habe  ich  auch  kleine  Sporenreihen  beobachtet,  meistens 
liegen  aber  die  Sporen  allein,  was  aber  auch  mit  dem  Zer- 
zupfen der  Substanz  zusammenhängen  kann.  Eine  andere  als 
diese  einfachste  Art  der  Sporenbildung  habe  ich  nicht  gefunden. 

Sie  stimmt  überein  mit  der  Sporenbildung  der  von  mir 
gezüchteten  Pilze,  nur  habe  ich  die  stellenweisen  Sporen- 
anhäufungen (grappes  der  Franzosen),  welche  sich  in  meinen 
Kulturen  finden,  in  jenen  Präparaten  nicht  ausfindig  machen 
können. 

Gelegenheit  zu  einer  mikroskopischen  Untersuchung  der 
entzündeten  Haut  selbst  hatte  ich  nicht. 

Differentialdiagnose.  Im  indischen  Archipel  können 
Tinea  circinata,  Tinea  imbricata  und  vielleicht  auch  Mal  del 
Pinto  mit  Tinea  albigena  verwechselt  werden.  Hier  können 
vor  allem  die  Lokalisation  und  Pigmentatrophie  als  Unter- 
scheidungsmerkmale dienen. 

Von  Tinea  imbricata  ist  Tinea  albigena  an  der  charakte- 
ristischen Verbreitung  zu  unterscheiden.  Während  erstere  die 
mit  dicken  Schwielen  bedeckte  Haut  der  Handpalmen  und  Fuß- 
sohlen nur  äußerst  selten,  vielleicht  gar  nicht  angreift,  auch 
wenn  sie  den  ganzen  übrigen  Körper  bedeckt,  wuchert  letztere 
vorzugsweise  auf  diesen.  Hiebei  muß  jedoch  berücksichtigt 
werden,  daß  auch  beide  Krankheiten  auf  demselben  Patienten 
vorkommen  können,  ein  Fall,  der  in  den  Gebieten,  wo  beide 
herrschen,  durchaus  nicht  zu  den  Seltenheiten  gehört.  Auf 
Java  jedoch,  wo  Tinea  imbricata  bei  den  Javanern  beinahe 
nicht  vorkommt,  ist  ein  derartiges  Zusammentreffen  äußerst 
selten  Ferner  greift  Tinea  imbricata  die  Nägel  nicht  an, 
während  diese  von  Tinea  albigena  in  der  Regel  nicht  ver- 
schont bleiben. 

Schließlich  muß  man  berücksichtigen,  daß  eine  vor- 
handene Pigmentatrophie  in  der  erkrankten  Haut  ein  pathog- 
nomonisches  Kennzeichen  letzterer  Hautkrankheit  ist. 

Tinea  imbricata  dagegen  zeigt  eher  die  Neigung,  eine 
PigmenthTpertrophie   hervorzurufen.    Bevor   diese  jedoch    auf 


Tinea  albigena  und  die  Züchtung  ihres  Pilzes.  15 

der  braunen  Haut  des  Eingeborenen  auffallt,  mafi  sie  bereits 
einen  hohen  Grad  erreicht  haben,  was  erst  nach  Jahren  der 
Fall  ist.  In  weit  vorgeschrittenen  Stadien  kann  sie  jedoch  so 
ausgeprägt  sein,  daß  unter  der  noch  bestehenden  Hautkrank« 
heit  eine  blau-schwarze  statt  einer  braunen  Haut  durchschimmert. 
Nach  der  Heilung  ist  die  Pigmenthypertrophie  von  Tinea  im- 
bricata  besser  und  auch  in  leichteren  Fällen  erkennbar.  Die 
ursprüngliche  braune  Haut  nimmt  dann  eine  ungleichmäßig 
russige  Färbung  an  infolge  der  vielen  kleinen  schwarzen  Flecken, 
mit  denen  sie  bedeckt  ist.  Diese  Pigmentierung  nimmt  später 
nicht  ab,  so  daß  der  sachverständige  Arzt  aus  ihr  auf  ein 
früheres  Bestehen  dieser  Hautkrankheit  schließen  kann. 

Auch  gegenüber  Tinea  circinata  oder  Ringwurm  kann 
sowohl  die  eigentümliche  Lokalisation  als  die  Pigmentatrophie 
zum  Stellen  der  Diagnose  dienen.  Diese  Hautkrankheit  breitet 
sich  vorzugsweise  auf  den  Hautteilen  mit  dünner  Epidermis 
aus  und  obgleich  auf  die  Dauer  in  verwahrlosten  Fällen  auch 
andere  Teile  angetastet  werden,  so  ist  ein  Übergang  auf  die 
Hohlhände  und  Fußsohlen  doch  selten.  Hat  das  Exanthem  ur- 
sprünglich an  einer  anderen  Stelle  der  Haut  begonnen,  so 
wird  man  Tinea  albigena  wohl  ausschließen  können.  Nur 
dann,  wenn  ein  chronisches  Ekzem  eine  starke  Pigmentatrophie 
veranlaßt  hat,  muß  an  diese  Krankheit  gedacht  werden,  denn, 
so  weit  mir  bekannt,  hat  Tinea  circinata  keine  Pigmentatrophie 
zur  Folge. 

Bei  den  älteren  Eingeborenen  ist  die  ernste  Mißbildung 
der  Schwielen  für  Tinea  albigena  charakteristisch,  da  diese 
nicht  durch  Tinea  circinata  verursacht  wird.  Bei  Europäern 
und  Kindern  der  Eingeborenen  mit  ihrer  dünneren  Epithel- 
bedeckung an  Hohlhand  und  Fußsohle  muß  alles  Gewicht  auf 
die  eigentümliche  Lokalisation  gelegt  werden,  weil  sich  hier 
die  Entzündung  in  einem  chronischen  Fall  hauptsächlich  als 
oberflächliche  Schilferung  äußert.  Die  unregelmäßig  verbreiteten 
Bläschen,  die  bei  einer  Verschlimmerung  an  den  Rändern  auf- 
treten können,  sind  leicht  von  den  in  Reihen  vorkommenden 
Eruptionen  bei  Tinea  circinata  zu  unterscheiden. 

Die  Unterschiede  zwischen  Tinea  albigena  und  Mal  del 
Pinto,    einer  bis  jetzt   in  Amerika  und  Afrika   beobachteten 


16  Nienwenhais. 

Hautkrankheit,  würde  ich  nicht  aufzählen,  wenn  Scheube  in 
der  letzten  Ausgabe  seiner  „Krankheiten  der  warmen  Länder" 
nicht  angegeben  hätte,  daß  diese  Krankheit  auch  in  den  Straits 
Settlements  konstatiert  worden  ist,  so  dafi  ihr  Vorkommen  auch 
im  indischen  Archipel  möglich  ist 

Diese  beiden  Krankheiten  stimmen  überdies  darin  über- 
ein, daß  sie  eine  starke  Hautentfarbung  zur  Folge  haben  und 
beide  durch  Pilzwucherung  in  der  Epidermis  verursacht  werden. 
Es  wird  jedoch  ausdrücklich  angegeben,  daß  Mal  del  Pinto 
auch  nach  jahrelangem  Bestehen  und  einer  starken  Verbreitung 
auf  dem  Körper  die  Hohlhände  und  Fußsohlen  nicht  angreift 
und  daher  auch  keine  Spalten  usw.  auf  diesen  veranlaßt. 
Femer  kann  bei  Mal  del  Pinto  nicht  nur  eine  einfache  Pig- 
mentatrophie stattfinden,  da  die  entfärbten  Hautstellen  sehr 
verschiedene  Farben  zeigen  müssen. 

Man  könnte  vielleicht  in  bestimmten  Fällen  bei  hellen, 
durch  Pityriasis  versicolor  oder  „panu^  verursachten  Flecken 
auf  der  braunen  Haut  und  einer  unbedeutenden  Entfärbung 
durch  Tinea  albigena  in  Zweifel  geraten.  Erstere  Krankheit 
ruft  kein  vesiculöses  Exanthem  und  keine  schilferige  Haut- 
oberfläche hervor,  wie  letztere  es  tut.  Bei  einer  zurück- 
gebliebenen^ schwachen  Entfärbung  nach  der  Heilung  von  Tinea 
albigena  muß  berücksichtigt  werden,  daß  die  helle  Farbe, 
welche  von  den  Malaien  „panu<<  genannt  wird,  keine  eigent- 
liche Entfärbung  darstellt,  sondern  daß  die  leichte  seröse 
Schwellung  der  Epithelschicht  die  dunkle  Hautfarbe  weniger 
gut  durchscheinen  läßt;  deshalb  erscheint  hier  dieselbe  Erup- 
tion auf  der  dunkelbraunen  Haut  heller,  welche  auf  der  weißen 
Haut  der  Europäer  als  hellbraune  Flecken  zum  Vorschein 
treten. 

Gegenüber  den  anderen  oberflächlichen  Dermatiden  para- 
sitischen Ursprungs  ist  die  Diagnose  also  nicht  schwierig« 
Einige  andere  krankhafte  Erscheinungen  auf  der  Haut  könnten 
jedoch  noch  Verwechslungen  veranlassen« 

So  könnte  das  akute  Stadium  einer  Eruption  auf  der 
Fußsohle,  wie  auf  Tafel  I  abgebildet,  mit  dem  Anfangsstadium 
von  Framboesia  auf  den  Fußsohlen  verwechselt  werden,  so 
lange   die  Epidermis  hierbei  durch  die  Geschwulst  noch  nicht 


Tinea  albigena  und  die  Zdchtnng  ihres  Pilzes.  17 

perforiert  ist.  Auch  hier  hat  man  es  mit  einer  schmerzhaften, 
juckenden  Geschwulst  unter  den  dicken  Schwielen  zu  tun  und 
die  Diagnose  könnte  ohne  andere  Erscheinungen  wohl  nur 
nach  Entfernung  der  deckenden  Schicht  gestellt  werden.  Bei 
Framboesia  plantae  pedis  findet  man  dann  eine  weiße,  käsige 
Masse  auf  einer  größeren  oder  kleineren  weichen,  roten,  him- 
beerförmigen  Geschwulst,  während  bei  Tinea  albigena  Flüssig- 
keit ausfließt  und  der  glatte,  rote  Grund  von  dem  Rete 
Malpighi  gebildet  wird.  Die  Veränderungen  der  Schwielen- 
schicht bei  Framboesia  kann  man  nicht  mit  den  Ton  Tinea 
albigena  verursachten  verwechseln,  da  hier  niemals  eine  weiche 
Gewebehypertrophie  vorkommt,  wie  stets  bei  Framboesia. 

Weiße,  pigmentlose  Flecken  findet  man  auf  der  Haut 
der  dunklen  Rassen  des  indischen  Archipels  auch  als  Folge  von 
Verwundungen,  Ulzera,  Lepra  und  Vitiligo.  Bei  Verwundungen 
und  Ulzera  ist  das  Verschwinden  des  Pigments  der  Vernichtung 
der  Retezellen  und  anderer  Gewebeteile  zuzuschreiben,  so 
daß  nach  der  Heilung  eine  deutliche  Narbenbildung  zu  sehen 
sein  muß,   die  sie  von  Tinea  albigena  endgültig  unterscheidet. 

Lepra  maculosa  mit  den  hellen  maculae  unterscheidet 
sich  von  Tinea  albigena  durch  iblgendes:  bei  letzterer  ist 
weder  während  des  Bestehens  der  Hautentzündung  noch  nach 
der  Heilung  von  einer  Infiltration  der  Haut,  von  Schwellung 
oder  Gewebeatrophie  die  Rede,  während  auch  Gefühlsstörungen 
nicht  auftreten;  bei  Lepra  maculosa  treten  alle  diese  Ei*- 
scheinungen  einzeln  oder  kombiniert  auf. 

Die  durch  Tinea  albigena  entfärbten  Hautstellen  gleichen 
stark  den  Vitiligo- Flecken,  obgleich  die  bei  dieser  häufig  vor- 
kommende Pigmentanhäufung  an  der  Peripherie  fehlt  Auch 
partieller  Albinismus  könnte  Verwechslung  veranlassen:  sind 
die  Hohlhände  und  Fußsohlen  teilweise  entfärbt,  so  spricht 
diese  Lokalisation  stark  für  Tinea  albigena,  wobei  noch  ein 
eventuelles  Vorkommen  von  oberflächlicher  Schilferung  oder 
Risse  in  der  Umgebung  auf  den  Ursprung  dieser  Krankheit 
hinweist. 

Züchtung  des  Pilzes.  Eine  der  ersten  Schwierig- 
keiten, die  bei  der  Züchtung  von  Pilzen  aus  den  stark  mit 
anderen  Mikroorganismen   verunreinigten   oberflächlichen   Epi- 

Areh.  f.  Darmat.  a.  Bjph,  Bd.  LXXXIX.  2 


18  Nieuwenhais. 

dermisgebildea  zu  überwindeD  ist,  besteht  in  der  Unsauberkeit 
dieses  Materials.  Die  Entzündung,  der  ich  mein  Material  ent- 
lehnen mofite,  hatte  auch  den  Nagel  der  großen  Zehe  ergriflfen, 
und  es  gelang  mir  leicht,  in  der  lamellös  auseinander  ge- 
drungenen Nagelsubstanz  mittelst  Kalilauge  die  Mycelfäden 
nachzuweisen.  Ich  yersuchte  den  Pilz  dieses  Nagels  zu  züchten, 
weil  die  Entzündung  der  planta  pedis  sich  hauptsächlich  im 
Winter  so  weit  zurückbildete,  daß  ihr  Hautschuppen  beinahe 
nicht  entnommen  werden  konnten.  Auch  versuchte  ich  später, 
durch  Infizierung  eines  Nagels,  die  Onychomjcosis  zu  ver- 
ursachen, weil  auch  diese  sich  in  unserem  Klima  am  besten 
erhält,  was  auch  gelang.  Bei  meinen  Unsersuchungen  über 
Tinea  imbricata  war  es  mir  gelungen,  die  Menge  der  Mikro- 
organismen, die,  ohne  den  gesuchten  Parasiten  zu  schwächen 
oder  zu  töten,  nicht  entfernt  werden  konnte,  durch  eine  be- 
sondere Wahl  des  Nährbodens  und  eine  bestimmte  Behandlung 
des  Materials  nahezu  unschädlich  zu  machen.  Ich  hatte  näm- 
lich die  Methode  gebraucht,  welche  Kral  aus  der  Klinik  des 
Prof.  Pick  in  Prag  im  Jahre  1891  publiziert  und  zuerst  beim 
Studium  des  Parasiten,  der  den  Favus  verursacht,  angewandt 
hatte.  Diese  Methode  gestattet,  das  Kochsche  Verfahren  der 
Reinkultur  mit  Hilfe  von  stufenweiser  Verdünnung  bei  der 
Züchtung  von  Pilzen  zu  gebrauchen.  Das  Ziel,  das  Kral  bei 
seiner  Methode  zu  erreichen  trachtete,  eine  PilzkuUur  aus 
einer  einzigen  Spore  hervorwachsen  zu  sehen,  habe  ich  aber 
nicht  erreichen  können. 

Der  Grund  liegt  hauptsächlich  darin,  daß  man  es  beim 
Favus  mit  einem  dichten  Mycelgeflecht  und  einer  großen 
Menge  Sporen  zu  tun  hat,  von  denen  man  nach  dem  Zer- 
reiben mit  amorpher  Kieselsäure  und  dem  Aussähen  leicht 
wieder  eine  ausfindig  machen  kann.  Weder  bei  Tinea  imbri- 
cata noch  bei  Tinea  albigena  verfügt  man  jedoch  über  so  viel 
Material,  Zwar  sind  die  Fäden  im  Gewebe  bei  Tinea  imbri- 
cata zahlreicher  als  bei  Tinea  albigena,  aber  die  Aussicht, 
ein  Fädchen  oder  eine  Spore  in  den  Schälchen  zu  finden  und 
auswachsen  zu  sehen,  ist  bei  beiden  sehr  gering.  (Bei  der 
Tinea  imbricata  oder  Tokelau  sollen  die  Fruktißkationsorgane 
in  Hautschuppen  von  Tribondeau  gefunden  worden  sein.) 


Tinea  albigena  und  die  Züchtung  ihres  Pilzes.  19 

Die  Kr 41  sehe  Methode  hat  mir  immerhin  den  großen 
Dienst  geleistet,  mein  Material  so  stark  verteilen  zu  können, 
daß  die  Pilze  sich  außerhalb  des  Bereiches  der  anderen  Mikro- 
organismen entwickelten.  Zu  diesem  Zwecke  habe  ich  die 
Nägellamellen  mit  einem  sterilisierten  Messer  auf  einer  steri- 
lisierten Glasplatte  möglichst  fein  verteilt,  um  die  Reibung  mit 
der  amorphen  Kieselsäure  so  kurz  wie  möglich  zu  gestalten, 
damit  die  spärlichen  Hyphen  und  Sporen  wenig  litten.  Es 
wurden  dabei  auch  nicht  alle  Nagelstiickchen  ganz  zerrieben, 
wie  es  sich  später  nach  der  Verteilung  in  Nähragar  zeigte. 
Wohl  entwickelten  sich  an  diesen  Stücken  einige  Mal  Mycelien 
und  Zoogloea  zusammen,  daneben  aber  andere  Pilzkolonien, 
welche  aus  unsichtbaren  Teilchen  rein  auswuchsen.  Ich  ver- 
teilte die  gesamte  in  dem  Mörserchen  befindliche  Masse  in 
eine  mit  verflüssigtem  Nähragar  versehene  Reagenzröhre  und 
entnahm  daraus  mittelst  sterilisierter  Pipetten  ein  paar  Tropfen, 
um  sie  in  anderen  Röhren  mit  Nähragar  zu  mischen.  Der 
Inhalt  der  letzteren  wurde  dann  in  ein  Petrisches  Schälchen 
oder  anderes  sterilisierte  Gefäß  ausgegossen.  Den  Nähragar 
in  diesen  Röhren  ließ  ich  in  einem  Wasserbade  von  34®  C. 
abkühlen,  wodurch  er  flüssig  erhalten  wurde. 

Einen  sehr  erschwerenden  Umstand  bei  der  Kultur  dieser 
und  ähnlicher  Hautpilze  bildete  das  anfangs  sehr  langsame 
Wachstum  dieser  Hautparasiten.  Einerseits  mußte  deswegen 
das  Eintrocknen  des  Nährbodens  während  Wochen  verhindert, 
andererseits  durften  die  Gefäße  nicht  luftdicht  verschlossen 
werden.  Gut,  wenn  auch  nicht  luftdicht  auf  einander  schließende 
Gefäße,  dickere  Schichten  des  Nährbodens,  Gummibäoder  um 
die  Petrischen  Schälchen  wurden  versuchsweise  abwechselnd 
•dazu  benutzt,  diesem  Eintrocknen  vorzubeugen.  Dicke  Schichten 
Nähragar  in  Glasscbachteln,  die  durch  Abschleifen  besser  als 
die  Petrischen  Schälchen  schlössen,  haben  sich  am  besten  be- 
währt. Ein  Nachteil  entsteht  dabei  aber  dadurch,  daß  nur 
Keime,  welche  ganz  nahe  an  der  Oberfläche  liegen,  zur  Ent- 
wicklung kommen;  unten  oder  in  der  Mitte  der  Nährschicht 
sah  ich  nie  ein  Mycelium  sich  weiter  entwickeln.  Als  Nähr- 
böden gebrauchte  ich  anfangs  ßierwurzagar  und  Maltoseagar 
von  der  Mischung  wie  Sabouraud  sie  angegeben  hat;  da  es 

2* 


20  Nieawenhuis. 

sich  bei  diesen  Versuchen  um  einen  tropischen  Pilz  liandelte, 
iiabe  ich  die  Schälchen  in  einem  Thermostaten  bei  einer 
Temperatur  zwischen  25®  und  30®  G.  bewahrt,  weswegen  ich 
nur  Agar  gebrauchen  konnte.  Es  zeigte  sich,  daß  für  diese 
Pilzkulturen  der  Agar  nicht  durch  die  langwierige  Prozedur 
des  Filtrierens  gereinigt  zu  werden  braucht  Es  genügt,  ihn 
nach  dem  Kochen  in  einem  Becherglas  im  Autoklav  bei  etwa 
70  ®  absetzen  zu  lassen ;  bis  auf  den  Bodensatz  kann  man  den 
Nähragar  nach  einer  halben  Stunde  abgießen.  Zur  Verhinderung 
der  Entwicklung  von  Bakterienkolonien  brauchte  ich  anfangs 
mit  Phosphorsäure  so  stark  angesäuerten  Nähragar,  daß  er 
Lackmus  rot  färbte.  Später  zeigte  es  sich  aber,  daß  sich  aus 
meinem  Material  auch  auf  neutralem  Agar  nicht  allzu  ?iele 
Kolonien  anderer  Organismen  entwickelten. 

Nach  Terschiedenen  vergeblichen  Versuchen  erhielt  ich 
in  der  Mitte  eines  Petrischen  Schälchens  mit  saurem  Maltose- 
agar  eine  weißliche  Kolonie,  welche  makroskopisch  einem 
Zoogloea  vollkommen  glich,  unter  der  Lupe  aber  einen  ge- 
zähnelten  Rand  zeigte,  wie  er  Mycelien  eigen  ist.  Die  anderen 
Kolonien  erreichten  keinen  größeren  Durchmesser  als  2  bis 
3  mm,  diese  hatte  aber  am  21.  Tage  eine  Größe  von  10  mm 
Durchmesser  und  zog  deshalb  meine  Aufmerksamkeit  auf  sich. 
Mikroskopisch  zeigte  es  sich,  daß  sie  aus  Hyphen  zusammen- 
gesetzt war. 

Teile  dieses  Myceliums  wurden  mit  positivem  Erfolg  auf 
mehrere  Schälchen  geimpft.  Der  Reiz,  den  die  Herausnahme 
dieser  Stückchen  ausübte,  hatte  eine  Änderung  des  Wachstums 
der  ursprünglichen  Kolonie  zur  Folge.  Es  entwickelte  sich 
innerhalb  dreier  Tage  ein  Luftmycelium  von  weißen,  kurzen 
Mycelfaden ;  als  ich  später  dieses  Mycelium  untersuchte,  fanden 
sich  in  ihm  einzelne  Sporen.  Möglicherweise  hat  auch  das 
starke  Eintrocknen  des  Nährbodens  zur  Einleitung  der  Fruk- 
tifikation  beigetragen. 

Fast  ausnahmslos  dringen  die  Hyphen  nicht  tief  in  das 
Nährsubstrat  ein  und  bilden  in  diesem  nur  eine  Schicht  von 
1  bis  2  mm  Dicke.  Die  Hauptmasse,  das  Mycelium,  liegt  wie 
ein  dicht  verfilztes  Geflecht  von  Hyphen  auf  der  Oberfläche 
des  Agai's,  hat  aber  nach   der  Art  des  Nährbodens  eine  sehr 


Tinea  albigena  und  die  Züchtung  ihres  Pilzes.  21 

wechselnde  Gestalt,  wie  im  folgenden  gezeigt  werden  wird. 
Diesen  ersten  Stamm,  der  im  April  1903  entstand,  habe  ich 
immer  anf  Bierwurzagar  und  auf  die  Sabouraudschen 
Nährböden  mit  4%  Zuckerarten  und  17o  Pepton  weiter  ge- 
züchtet und  besitze  jetzt  von  ihm  die  elfte  Generation. 

Anfangs  war  die  Gewißheit,  den  gesuchten  Pilz  gezüchtet 
zu  haben,  sehr  gering;  nur  das  äußerst  langsame  Wachstum 
im  Gegensat;;  zu  der  schnellen  Entwicklung  der  gewöhnlichen 
Verunreinigungspilze,  deren  mehrere  aufschössen,  gab  mir 
einige  Hoffnung. 

Auf  dieselbe  Weise  wurde  deshalb  immer  wieder  Nagel- 
substanz in  yerschiedenen  Nährböden  ausgesät  und  so  ist  es 
mir  im  Laufe  der  Jahre  gelungen,  verschiedene  Male  der- 
gleichen Pilze  zu  züchten.  Durch  Verunreinigung  mit  anderen 
Mikroorganismen  gingen  einzelne  dieser  Pilzstämme  ein,  aber 
vier  von  diesen,  mit  a,  g,  h  und  i  bezeichnet,  habe  ich  rein 
weiter  züchten  können. 

Längere  Zeit  kannte  ich  nur  die  so  stark  mit  den  Nähr- 
medien wechselnden  Mycelienkörper  dieser  Pilze,  bis  eines 
Tages  auf  einem  bis  zur  Hornkonsistenz  ausgetrockneten  Nähr- 
boden die  Kultur  ein  üppiges  weißes  Lufbmycel  zu  bilden  an- 
fing, das  bald  einen  Teil  des  Myceliums  überzog.  Mikro- 
skopisch konnte  ich  erkennen,  daß  dieses  weiße  Luftmycel  mehr 
oder  weniger  Sporen  bildete;  die  Form  dieser  Gonidien  gibt 
die  Stellung  dieses  Pilzes  im  natürlichen  System  einigermaßen 
an.  Seitdem  ist  es  mir  gelungen,  alle  diese  Stämme  zum 
Fruktifizieren  zu  bringen,  indem  ich  die  Wachstumsverhältnisse 
durch  Anstrocknenlassen  verschlechterte  oder  die  Kulturisn 
alt  werden  ließ. 

Außer  den  genannten  Kulturversuchen  habe  ich  noch  ein 
anderes  Verfahren  angewandt,  das  mir  über  den  Charakter 
dieses  Pilzes  Aufschluß  gegeben  hat.  Wie  oben  erwähnt,  ist 
03  mir  nicht  gelungen,  mittelst  der  Kr ä Ischen  Methode  das 
Mycelium  des  Pilzes  aus  einem  einzigen  Teilchen  sich  ent- 
^vickeln  zu  sehen.  Wenn  ich  auch  in  großen  zeitlichen  Zwischen- 
räumen mehrere  Stämme  des  Pilzes  zu  züchten  im  stände  war, 
so  beweist  dies  noch  nicht,  daß  sie  wirklich  Reinkulturen 
darstellen. 


22  Nienwenhaifl. 

Eine  andere  Methode  zur  Erreichung  dieses  Ziels  hat 
Dr.  S.  B.  Schouten  angegeben,  der  sie  1901  in  einer  Disser- 
tation „Reinkulturen  uit  een  onder  het  mikroskoop  geisoleerde 
cel**  beschrieb.  Es  gelang  ihm,  unter  dem  Mikroskop  bei 
300— 450  maliger  Vergrößerung  einzelne  Individuen,  wie  Bak- 
terien und  Sporen  aus  einem  stark  verunreinigten  Material 
hervorzuholen  und  in  einem  Tropfen  Nährsubstanz  zur  Ent- 
wicklung zu  bringen.  Wenn  seine  Methode  auch  kompliziert 
und  nicht  leicht  ausführbar  ist,  so  verspricht  sie  für  das 
kulturelle  Studium  der  Mikroorganismen  durch  Züchtung  sehr 
wichtig  zu  werden,  da  sie  uns  in  Stand  setzt,  Reinkulturen 
zu  züchten,  von  denen  wir  sicher  wissen,  daß  sie  von  einem 
uns  bekannten  Organismus  herrühren.  Welche  wichtigen  Fragen 
beim  Studium  der  Mikroorganismen  ihrer  Lösung  hierdurch 
näher  gebracht  werden  können,  brauche  ich  nicht  anzugeben. 

Ich  habe  nur  das  hier  angegebene  Prinzip  angewandt 
und  es  ist  mir  gelungen,  eine  relativ  einfache  Methode  der 
Ausführung,  welche  ich  nächstens  veröffentlichen  werde,  aus- 
zuarbeiten. Die  anzuwendenden  Glasnadeln,  von  welchen  ich 
nur  eine  gebrauche,  erfüllen  ihren  Zweck,  wenn  man  Glas- 
stäbchen bis  zu  etwa  10  Mikron  Dicke  ausreckt,  das  obere 
Ende  in  einer  Entfernung  von  einigen  Millimetern  umbiegt  und 
der  Spitze  eine  Enopfform  gibt,  indem  man  sie  schnell  durch 
eine  äußerst  kleine  Flamme  zieht.  Mittelst  dieser  Methode 
habe  ich  aus  meinen  Kulturen  einzelne  Sporen  fischen  können 
und  diese  wieder  auswachsen  lassen. 

Drei  Stämme,  A,  R  und  r,  sind  auf  diese  Weise  ent- 
standen und  zeigen  in  der  Kultur  ganz  das  Bild  von  a,  ^,  h 
und  %,  Hiermit  ist  also  bewiesen,  daß  diese  Kulturen  völlig 
rein  sind. 

Das  makroskopische  Bild  eines  noch  nicht  sporen- 
bildenden Myceliums  ist  sowohl  von  dem  Charakter  des  Pilzes  als 
von  dem  angewandten  Nährboden  und  den  obwaltenden  Um- 
ständen, wie  Luftzutritt,  Feuchtigkeit  und  Temperatur  abhängig. 
Bei  dem  gleichen  Nährboden  und  den  gleichen  Züchtungsver- 
hältnissen bleibt  die  Form  jedoch  konstant.  Mycelien,  die  von 
diesem  Pilz  der  Tinea  albigena  in  nur  mit  einem  Wattepfropf 
geschlossenen  Erlenmeyerschen  Kolben  bei  dr  25°  G.  gezüchtet 


Tinea  albigen«  and  die  Zächtang  ihres  PiUet.  23 

if  erdeo,  zeigen  auf  jedem  Nährboden  ein  langsames  Wachstum. 
Erst  nach  wiederholten  Oberimpfungen,  wenn  sie  sich  an  die 
künstlichen  Nährboden  gewöhnt  haben,  wachsen  sie  etwas 
schneller.  Sie  dringen  nur  wenig,  höchstens  2  mm  tief  in  den 
Agar  ein. 

Auf  dem  47o  Zucker  und  17o  Pepton  enthaltenden 
Sabouraudschen  Nährböden,  auf  Bierwurzagar  und  Unnas 
Nährboden  fiir  Favuspilze  entwickelt  dieser  Pilz  ein  unregel- 
mäßig rundes,  scheibenförmiges  Mycelium,  das  nach  6  Wochen 
einen  Durchmesser  von  4 — 6  em  erreicht  (Taf.  lY,  Fig.  6).  Die  Farbe 
ist  je  nach  dem  Nährboden  einigermaßen  yerschieden,  meistens 
bellbraun,  auf  Bierwurzagar  etwas  dunkler  rehbraun.  Auf  allen 
diesen  Böden  zeigt  die  scheibenförmige  Oberfläche  das  charak- 
teristische Aussehen  von  grobem  Sammet,  da  sie  dicht  mit 
1 — 3  mm  langen  Nadeln  besetzt  ist,  welche  meistens,  besonders 
in  der  Mitte,  aufrecht  stehen.  Das  Mycelium  ist  in  der  Mitte 
der  Scheibe  am  höchsten,  ungefähr  4  mm  dick  und  Terdünnt 
sich  allmählich  dem  Rande  zu.  Der  Unterschied  in  der  Form 
ist  auf  diesen  an  Nährstoflfen  reichen  Böden  nur  gering. 
Anders  yerhält  es  sich,  wenn  man  Glyzerine  als  Kohlenstoff- 
quelle benutzt,  z.  B.  4^0  Glyzerine  und  l7o  Pepton  in  2®/o 
Agar  nach  Sab  cur  au  d.  Auf  diesem  Boden  ist  das  Wachstum 
anfangs  minder  stark,  der  Durchmesser  der  Mycelien  ist  etwas 
kleiner  als  bei  der  vorigen,  die  Scheiben  sind  viel  dünner,  von 
weißer  Farbe  und  die  charakteristischen  Nädelchen  zeigen  sich 
nur  in  einem  mehr  oder  weniger  großen  Teile  der  Oberflächen- 
mitte. Die  Bänder  sind  dann  glatt,  gefurcht  und  schmäler 
oder  breiter.  Figentümlich  ist,  daß  unter  diesen  Umständen 
die  Individualität  der  verschiedenen  Stämme  in  geringen  Ab- 
weichungen in  der  Form  auf  den  Vordergrund  tritt.  Wird  der 
Luftzutritt  auf  ein  Minimum  beschränkt,  z.  B.  bei  Kulturen  in 
Kolben  nach  Mi  quell,  dann  entwickelt  sich  das  Mycelium  als 
stark  gerimpelte,  glänzende  Schicht  von  hellbrauner  bis  dunkel- 
brauner Farbe,  auf  der  nur  sporadisch  oder  überhaupt  keine 
Nädelchen  vorkommen.  Deshalb  wird  auch  bei  diesem  Haut- 
pilz dieser  Komplex  von  Fonnen  aui  verschiedenen  Nährböden 
am  besten  als  unterscheidendes  Merkmal  gegenüber  anderen 
ähnlichen  Pilzen  zu  gebrauchen  sein.     Anfangs  entwickelt  sieb 


24  NieaweDhais. 

ein  Mycelium  wie  eine  Zoogloea,  die  erst  später  eingeschnittene 
Ränder  zeigt  als  Zeichen,  daß  es  sich  hier  um  Pilze  handelt; 
bereits  nach  einigen  Wochen  wachsen  auch  schon  ein  oder 
mehrere  Nädelchen  über  die  Oberfläche  aus.  Bei  den  aus- 
gewachsenen Kulturen,  die  auf  die  Dauer  viel  größer  werden 
können  als  oben  erwähnt,  treten  je  nach  dem  Ernährungs- 
zustand früher  oder  später  zwei  Veränderungen  auf,  vorerst 
die  Entwicklung  eines  sporentragenden  weißen  Luftmyceliums 
und  später  eine  Entartung,  die  von  einer  dunklen  Verfärbung 
begleitet  wird. 

Wenn  der  Nährboden  stark  austrocknet  oder  das  Mycelium 
alt  wirdy  im  allgemeinen,  wenn  die  Nährbedingungen  sich  ver- 
schlechtem, so  entwickelt  sich  anfangs  lokal  an  der  Oberfläche 
ein  weißes  Luftmycciium,  das  aus  langen,  oft  sporentragenden 
Hyphen  besteht.  Später  kann  dieses  das  Mycelium  gänzlich 
bedecken.  Die  Entwicklung  eines  solchen  sporentragenden 
Luftmyceliums  findet  auf  einem  mageren  Nährboden,  wie  auf 
47o  Glyzerine  und  l^o  Peptonagar,  eher  statt  als  auf  einem 
reicheren  Boden,  wie  auf  4%  Zucker  und  l7o  P^P^onagar,  aber 
auch  hierbei  ist  die  Individualität  eines  Pilzstammes  von  merk- 
barem Einfluß. 

Später  tritt  dann  eine  Entartung  des  Myceliums  auf, 
unter  Bildung  eines  schwarzen  Farbstoffes,  der  in  den  Hyphen 
selbst  und  zwischen  diesen  durch  das  ganze  Mycelium  vor- 
konunt.  Der  Zeitverlauf,  nach  dem  diese  Entartung  eintritt, 
hängt  davon  ab,  inwieweit  der  Nährboden  für  diesen  Pilz 
geeignet  ist;  je  magerer  der  Boden,  desto  früher  tritt  Ent- 
artung ein,  wobei  die  Individualität  des  Stammes  ebenfalls 
eine  Rolle  spielt.  Unter  meinen  Kulturen  hatte  z.  B.  der 
Stamm  A  die  Eigenschaft,  um  unter  sechs  anderen  am  ersten 
ein  weißes,  sporentragendes  Mycelium  zu  bilden  und  auch 
am  ersten  zu  degenerieren. 

Das  mikroskopische  Bild,  das  diese  Kulturen  zeigen, 
ist  wie  bei  anderen  Pilzen  sehr  verschieden ;  zahlreiche  umstände, 
vor  aUem  das  Nährmedium,  haben  darauf  Einfluß.  Die  Hyphen 
einer  jungen,  gut  wachsenden  Kolonie  von  2  mm  Durchmesser 
sind  septiert,  besitzen  deutlich  doppelt  konturierte  Wände 
und   kömigen   Inhalt;    sie   verzweigen    sich   dichotomisch  und 


Tinea  albigena  und  die  Züchtung  ihres  Pilzes.  25 

zeigen  1  — IV«  /^  Dicke.  Die  Länge  der  Hyphenzellen  ist 
äußerst  Terschieden;  es  gibt  sowohl  mnde  und  ovale  Zellen 
als  solche  yon  16 — 20  fi  Länge  und  mehr.  Bereits  bei  diesem 
jungen  Myceliüm  kommen  seitlich  und  am  Ende  der  Hyphen 
mehr  oder  weniger  runde,  starker  lichtbrechende  Sporen  vor, 
die  ohne  oder  mit  einem  sehr  kurzen  Stiel  auf  den  Hyphen 
sitzen;  ihr  Durchmesser  erreicht  etwa  5  ^.  Bei  Kulturen  auf 
magerem  Nährboden  kommen  zwischen  langen  Hyphenzellen 
andere  vor,  die  beinahe  rund  sind  und  wohl  einen  zehnmal 
größeren  Durchmesser  erreichen;  vielleicht  sind  dies  Sporen. 
Charakteristischer  als  diese  Teile  ist  die  Sporenbildung  an  den 
Lufthyphen,  die  die  gleichen  Formen  besitzen  wie  die  oben 
erwähnten  an  den  Mycelfäden  der  Nagelsubstanz.  Vorerst  die 
einzelnen  Sporen,  die  seitlich  an  den  Hyphen  ansitzen,  sei  es 
ungestielt  oder  sehr  kurz  gestielt;  diese  kommen  auch  end- 
ständig vor.  Neben  diesen  entwickeln  sieb  auch  Sporenreihen, 
die  aus  2 — 8  derselben  Sporen  bestehen  und  wie  die  einzelnen 
Sporen  seitlich  oder  am  Ende  der  Lufthyphen  sitzen.  Taf.  (V, 
Fig.  11—15. 

Vom  Aussehen  dieser  Sporen  geben  die  Zeichnungen 
11—15  auf  Taf.  IV  eine  Vorstellung.  Neben  diesen  Gonidien- 
formen,  die  völlig  mit  den  in  der  Nagelsubstanz  (Fig.  1 — 10, 
Taf.  IV)  gefundenen  übereinstimmen,  kommen  an  diesen  Kulturen 
auch  noch  traubenförmige  Anhäufungen  derselben  Sporen  vor, 
die  ebenfalls  an  diesen  Figuren  abgebildet  sind.  Wie  an  ihnen 
zu  sehen,  bestehen  diese  „grappes^  der  Franzosen  aus  Sporen- 
reihen, die  von  einem  Punkte  ausgehen. 

Dem  Krankheitsbild  von  Tinea  albigena  nach  gehört  diese 
Hautkrankheit  zu  den  Trichophytien ;  die  makroskopischen  und 
mikroskopischen  Eigenschaften  ihres  Pilzes  stimmen  damit 
überein.  Sie  sind  denen  der  Trichophytonarten  ähnlich  und 
da  die  Entfärbung  der  Haut  eine  der  merkwürdigsten  Eigen- 
tümlichkeiten dieses  Pilzes  ist,  nenne  ich  ihn  Trichophyton 
albiscicans. 

Impfversuch.  Wie  bereits  erwähnt,  glückte  es  mir 
auch,  die  Onychomycosis  mit  dem  gezüchteten  Pilz  auf  einem 
gesunden  Nagel  entstehen  zu  lassen.  Hierfür  gebrauchte  ich 
den  Stamm  t,  von  dem  ein  Teil  der  Kultur  nach  starker  Aus- 


26  Nieuwenhnit. 

trocknung  des  Nährbodens  zu  fruktifizieren  begonnen  hatte. 
Im  Juni  1904  war  es  mir  daher  möglich,  mit  stark  sporen- 
haltigem  Material  Infektionsyersuche  anzustellen. 

Da  die  Onychomycosis  im  holländischen  Klima  gut  fort- 
dauerte, versuchte  ich  auch  sie  durch  Impfung  mit  dem  ge- 
züchteten Pilz  entstehen  zu  lassen.  Zu  diesem  Zweck  begann 
ich  eine  große  Zehe  durch  gründliches  Scheuern  mit  Wasser 
und  Seife  und  Desinfektion  mittelst  Alkohol  zu  reinigen.  Dann 
löste  ich  an  der  linken  Seite  die  Nagelfialte  vom  Nagel,  schob 
sie  weg  und  brachte  in  den  hierdurch  entstandenen  Sack  einen 
Teil  des  fruktifizierenden  Mycels  i.  Mit  durch  Dampf  sterili- 
sierten Gazestreifen  und  Pergamentpapier  bedeckte  ich  schließ- 
lich alles. 

Nach  einigen  Tagen  begann  die  Stelle  mit  Unterbrechung 
zu  jucken  und  in  der  zweiten  und  dritten  Woche  wurden  die 
oberflächlichen  Epidermisschichten  unter  Jucken  abgestoßen. 
Hiermit  schien  der  Prozeß  anfanglich  beendet;  zwar  entstand 
am  Nagel  dazwischen  ein  schmerzhaft  drängendes  Gefühl,  aber 
an  einen  Erfolg  des  Versuchs  glaubte  ich  nicht  mehr,  da  auch 
der  Winter  bald  eintreten  sollte.  Während  der  folgenden 
Monate  blieb  das  drängende  Gefühl  an  der  linken  Seite  des 
Nagels  zwar  bestehen,  aber  ich  legte  anfangs  wenig  Gewicht 
darauf  und  auch  das  Rauhwerden  an  der  linken  Hälfte  im 
Frühling  1905  beobachtete  ich  kaum.  Mitte  dieses  Jahres 
erschien  jedoch  die  ganze  linke  Seite  bräunlich  mit  weißen 
Flecken,  so  daß  sie  dem  kranken  Nagel  stark  zu  gleichen 
begann.  Bei  mikroskopischer  Untersuchung  zeigten  sich  in 
diesem  Nagel  Myceliäden,  womit  der  Versuch  in  der  Tat  ge- 
lungen schien. 

Zum  Beweis  hierfür  mußte  jedoch  aus  diesem  Nagel 
wieder  der  ursprüngliche  Pilz  gezüchtet  werden. 

Mit  dieser  Nagelsubstanz  infizierte  ich  darauf  im  August 
25  Schälchen  nach  der  Er ä Ischen  Methode,  aber  anfangs  ent- 
wickelten sich  auf  diesen  nicht  viel  mehr  als  die  gewöhnlichen 
Verunreinigungs-Zoogloea  Erst  einen  Monat  später  begann 
eine  Kolonie  sich  über  die  anderen  zu  erheben  und  nachdem 
sie  4  mm  Durchschnitt  erreicht  hatte,  kamen  an  ihrer  Ober- 
fläche  einige   der  hervortretenden  Nüdelchen   zum   Vorschein, 


Tinea  albigena  und  die  Zucht ang  ihres  Pilzes.  27 

die  für  ein  frühes  Stadium  dieser  Pilzkolonie  charakteristisch 
sind.  Nur  sehr  langsam  wuchs  sie  zu  einer  mit  weißen  Luft- 
mycelien  bedeckten  Kolonie  hervor.  Auch  bei  dieser  stellte 
ich  die  für  diesen  Pilz  kennzeichnende  Sporenbildung  fest. 
Tat  IV,  Fig.  16—21. 

Therapie.  Wie  erwähnt,  leiden  die  Eingeborenen  des  malai- 
ischen Archipels  nicht  nur  durch  diese  Krankheit  als  eine  ober- 
flächliche Entzündung  der  Haut,  welche  kosmetisch  am  unan- 
genehmsten ist,  sondern  die  Erwerbsfähigkeit  wird  durch  sie 
oft  in  hohem  Maße  herabgesetzt.  Infolge  von  Tinea  albigöna 
wird  z.  B.  ein  sehr  großer  Teil  der  inländischen  Soldaten  in 
der  indischen  Armee  für  den  Felddienst  unbrauchbar  und  ein 
anderer  Teil  bleibt  nur,  nachdem  er  mit  Schuhwerk  yersehen 
worden  ist,  dienstfähig. 

Wie  ernst  kosmetische  Fehler  auch  unter  sehr  primitiven 
Stämmen  aufgefaßt  werden,  zeigt  meine  erste  Patientin,  welche 
sich  meiner  ersten  ernsthaften  Behandlung  dieser  Krankheit 
unterwarf.  Sie  war  eine  junge  Frau  der  Dajak  in  Mittel-Borneo. 
Obschon  die  Entzündung  ihrer  Hohlhände  noch  keine  Pigment- 
atrophie zur  Folge  gehabt  hatte  und  nur  als  ein  juckendes, 
schilferndes  Ekzem  bestand,  litt  sie  doch  sehr  unter  den 
kosmetischen  Folgen  ihres  Leidens  und  bewies  gerade  darum 
so  große  Ausdauer  bei  der  ziemlich  schmerzhaften  Behandlung. 
In  dieser  von  europäischen  Einflüssen  noch  unberührten  Um- 
gebung sah  ich  nur  parasitäre  Hautkrankheiten  und  fand  die 
gesunde  Haut  der  Dajak  gegen  chemische  und  physische  Reize 
ungemein  widerstandsfähig.  Ich  glaubte  auch  bei  dieser  neuen 
Krankheit  es  mit  einer  parasitären  Dermatitis  zu  tun  zu  haben 
und  applizierte  deshalb  epiphytizide  Mittel.  Die  Behandlung 
bestand  darin,  daß  ich  eine  Mischung  von  Chrysarobine  in 
Alkohol  und  Äther  (1  :  10)  möglichst  lange  auf  die  entzündeten 
Hohlhände  einwirken  ließ,  indem  ich  vier  Lagen  Verbandgaze 
mit  der  Arznei  tränkte,  die  Volarseite  der  gestreckten  Hand 
damit  bedeckte  und  dann  mit  Mackintosh  fest  umhüllte. 
Mittelst  einer  Gazebinde  wurden  die  Hände  hierauf  in  ge- 
schlossener Haltung  verbunden  und  die  Nacht  über  so  gelassen. 
Da  das  Jucken  bereits  nach  der  ersten  Behandlung  aufhörte, 


28  Nieu  wenhuis. 

stellte  meine  Patientin  und  ich  genügendes  Vertrauen  in  eine 
Fortsetzung  der  etwas  schmerzhaften  und  weitläufigen  Kur. 
Nach  14  Tagen  verschwand  auch  die  Empfindlichkeit,  worauf 
die  Kranke  ohne  weitere  Behandlung  von  selbst  genas;  die 
Haut  wurde  dabei  oberflächlich  abgestoßen  und  stellte  sich 
völlig  wieder  her.  Bei  meiner  Rückkehr  ins  Dorf  zwei  Jahre 
später  war  noch  kein  Rezidiv  eingetreten. 

Viel  einfacher  und  nicht  minder  wirksam  erwies  sich 
später  die  Anwendung  von  Jodtinktur,  die,  während  14  Tage 
auf  die  entzündete  Innenfläche  der  Hand  dick  aufgetragen, 
auch  bei  den  Eingeborenen  eine  völlige  Heilung  hervorrief. 
Jodiumtinktur  bietet  auch  bei  ambulanter  Behandlung  den 
großen  Vorteil,  auf  der  Haut  fest  haften  zu  bleiben  und  infolge 
seiner  Flüchtigkeit  sehr  tief  einzuwirken.  Anfangs  verursacht 
sowohl  die  erste  Behandlungsmethode  als  der  Gebrauch  von 
Jodiumtinktur  Schmerzen,  später  nehmen  diese  jedoch  immer 
mehr  ab.  Auf  der  dünnen  Haut  der  Europäer  fuhrt  Jodium- 
tinktur innerhalb  weniger  Tage  zur  Heilung. 

Die  größte  Beschwerde,  die  sich  bei  der  Bekämpfung 
dieser  Hautkrankheit  vortut,  besteht  meiner  Meinung  nach  in 
der  Schwierigkeit,  den  Parasiten  mit  für  ihn  giftigen  Arzneien 
unter  der  dicken  Epidermisschicht  zu  erreichen.  Diese  Schwierig- 
keit tritt  besonders  hervor,  wenn  es  sich  um  eine  Heilung  von 
Tinea  albigena  an  den  Fußsohlen  der  Eingeborenen  handelt. 
Bei  Europäern  und  bei  an  den  Händen  erkrankten  Inländern 
lieferte  die  Behandlung  wenig  Schwierigkeiten,  aber  bei  den 
dicken  Schwielen  der  Fußsohlen  konnte  ich  bei  ambulanter 
Behandlung  nicht  stets  eine  völlige  Heilung  hervorrufen.  Es 
verschwanden  zwar  anfangs  das  Jucken  und  die  Schmerzen, 
auch  heilten  die  sekundären  Wundchen  und  Risse,  später  trat 
jedoch  häufig  ein  Rückfall  ein. 

Bei  sehr  chronischen  Fällen  mit  stark  verdickter  Ober- 
haut ist  es  sicher  geraten,  diese  auf  irgend  eine  Weise  so 
viel  als  möglich  vor  der  Anwendung  geeigneter  epiphytizider 
Mittel  zu  entfernen.  In  einem  Fall,  wo  ein  Inländer  selbst 
die  Schwielen  seiner  Fußsohlen  durch  Einpackung  in  Musa- 
blätter  entfernt  hatte  (nach  seiner  Angabe)  oder  dies  eine 
Folge    der  Krankheit    oder  von   beiden   war,   konnte   ich   das 


Tiuea  albigena  und  die  Züchtung  ihres  Pilzes.  29 

Jucken  und  Schmerzen  der  roten  Fläche  in  einigen  Tagen 
Tertreiben,  indem  ich  sie  mit  Unguentum  sulfuratum  bedeckte. 
Die  ganze  untere  Fläche  des  Fufies  hatte  sich  auch  dadurch 
wieder  mit  einer  trockenen  Epidermis  bedeckt  und  das  Jucken 
und  die  Schmerzen  hatten  aufgehört. 


Ich  schließe  diese  Abhandlung  mit  einem  herzlichen  Dank 
an  meinen  Kollegen  und  Freund  Professor  H.  P.  Wysman 
fiir  die  mir  in  seinem  pharmazeutischen  Laboratorium  verliehene 
Gastfreundschaft. 


30  Nieowenhais. 


Erklärung  der  Abbildniigen  auf  Taf.  I— IV. 


Taf.  I,  Fig.  1.  Faßsoble  eines  juDgen  Bahan-Dajak  aus  Mittel- 
Borneo  mit  akuter  Eruption  von  Tinea  albigöna  in  der  Höhle  des  Fußes. 
Verschiedene  durch  Abhebung  der  dicken  Epidermis  entstandene  Blasen.  — 
Fig.  2.  An  Tinea  albigena  erkrankte  Fußsohle  mit  vielen  Stellen 
einer  dünnen  und  unregelmäßig  gebildeten  Epidermis.  Die  Unterseite 
der  ersten,  zweiten  und  dritten  Zehe  ist  teilweise  entfärbt.  Dajak  ans 
Mittel- Borneo. 

Taf.  II,  Fig.  8.  Beinahe  YollstAadige  Entfärbung  der  Hohl- 
hände  und  Fingerspitzen  so  wie  der  beiden  Mundwinkel  infolge  von 
Tinea  albigena,  die  geheilt  ist.  Javaner.  —  Fig.  4.  Fuß  derselben 
Person  mit  Entfärbung  und  Graben  der  Ferse  infolge  lange  andauernder 
Tinea  albigena. 

Taf.  III,  Fig.  5.  Füße  einer  Dajakfrau  aus  Mittel-Borneo,  bis 
über  die  Knöchel  an  Tinea  albigena  erkrankt.  Entfärbung  der  Haut 
an  der  Innenseite  der  (Jnterbeine.  —  Fig.  6.  Sechs  Wochen  altes 
Mycelium  von  Trichophyton  albiseicans  auf  47o  Glncose,  1%  Pepton, 
27o  Agar  nach  Sabonraud. 

Taf.  IV,  Fig.  1—10.  Sporenbildung  von  Trichophyton  albiseicans 
bei  der  von  ihm  verursachten  Onychomykosis  ,  beobachtet  in  mit  Kali- 
lauge aufgehellten  Nagellamellen.  —  Fig.  11 — 16.  Sporenbildung  im 
Lufbmycelium  von  Trichophyton  albiseicans,  auf  47o  Maltose,  l7o  Pepton 
und  27o  Agar  aus  einer  natürlichen  Onychomykosis  gezüchtet.  —  Fig^ 
16—21.  Sporenbildung  im  Luftmycelium  von  Trichophyton  albiseicans. 
auf  Bieragar  aus  einer  künstlichen  Onychomycosis  gezüchtet. 


Archiv  fDermaiologieu.  Syphilis  Band  LXXXIX, 


Niemvenhuis  Tinea  albiijeiia  und  die  Züchtung  ihres  Pilzes. 


Archiv  f  Dermatologie  u  Syphilis  Band  LXXXIX. 


TAF  IV. 


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Ni(Mi\v'iMihuis:rinc*a  albi(jena  uiui  dU*  Zürhtuncj  ihres  Pilzes 


Zur  Frage  der  Behandlung  der  Syphilis 

mit  itoxyl. 


Von 


I 
I 

Prof.  Edvard  Welander  in  Stockholm. 


Hauptsächlich  infolge  der  warmen  Empfehlung,  die 
Hallopeau  sowie  Uhlenthuth,  E.  Hoffmann  und 
Röscher  dem  Atoxyl  als  einem  kräftig  wirkenden  anti- 
luetischen Mittel  gegeben  haben,  begann  ich  Ende  Juli  mit 
der  Anwendung  desselben  im  Krankenhause  St.  Göran.  Ich 
scheute  vor  den  großen  Dosen  und  gab  deshalb  anfänglich 
nur  kleine;  da  diese  aber  nicht  die  geringste  therapeutische 
Wirkung  zeigten,  begann  ich  größere  Dosen  zu  geben,  und 
haben  in  22  Fällen  von  Syphilis  Injektionen  von  je  0*4 — 0*75  g 
Atoxjl  jeden  zweiten  (oder  dritten)  Tag  gemacht.  Die  Anzahl 
Injektionen  ist  nur  in  wenigen  Fällen  auf  9,  einmal  auf  12 
gestiegen;  in  einigen  Fällen  gab  ich  nur  3 — 4  Injektionen. 
Die  höchste  eingespritzte  Atoxylmenge  betrug  6  ^ ;  in  mehreren 
Fällen  sind  nur  unter  3  g  verabreicht  worden.  Eine  kräftige 
therapeutische  Wirkung  zu  erwarten,  hatte  ich  somit  nicht  das 
Recht;  in  den  Fällen,  wo  ich  eine  solche  erbalten  habe,  glaube 
ich  jedoch,  daß  ich  mit  unseren  alten  Mitteln  Quecksilber  und 
Jodkalium  während  desselben  Zeitraumes  vollkommen  gleiche 
Resultate,  wenn  nicht  viel  bessere,  hätte  erzielen  können.  In- 
folgedessen, vor  allem  aber  infolge  der  Berichte,  die  über 
unangenehme  Komplikationen,  die  während  der  Atoxylbehand- 
lung  hinzugetreten  sind,  eingegangen  sind,  hörte  ich  sehr  bald 
damit  auf,  dieses  Mittel  anzuwenden.    Ich  hätte  deshalb  diese 


32  Welander. 

meine  Versuche  jetzt  nicht  mitgeteilt,  falls  ich  nicht  einige 
Untersuchungen  über  die  (Absorption  und)  Elimination  des 
Atoxyles  aus  dem  menschlichen  Körper  yorgenommen  hätte, 
die  mir  doch  so  viel  Interesse  zu  haben  scheinen,  daß  ihre 
Veröffentlichung  berechtigt  erscheint,  und  dies  um  so  mehr,  als 
ich  nicht  gefunden  habe,  daß  solche  Untersuchungen  bisher 
gemacht  worden  sind. 

Betreffend  die  therapeutische  Wirkung  der  Atoxylinjek- 
tionen  will  ich  nur  erwähnen,  daß  ich  in  22  Fällen  solche 
Injektionen  gemacht  habe,  und  zwar  18  Fälle  in  einem  früheren 
Stadium  der  Syphilis  und  4  in  dem  sogenannten  tertiären 
Stadium.  Von  den  18  Fällen  in  einem  früheren  Stadium  zeigte 
sich  in  8  Fällen  in  der  Tat  eine  Wirkung  auf  die  Symptome, 
in  den  10  übrigen  jedoch  keine,  oder  eine  nur  äußerst  geringe 
Wirkung.  Ich  will  jedoch  darauf  aufmerksam  machen,  daß  in 
einigen  dieser  Fälle  nur  eine  kleine  Quantität,  unter  3  ^,  in- 
jiziert worden  ist.  —  In  den  4  Fällen  im  sog.  tertiären  Stadium 
hatte  das  Atoxyl  in  drei  Fällen  eine  sehr  gute  Wirkung;  im 
vierten  —  tiefe  ulzerierende  Gummata  an  den  weiblichen 
Genitalien  —  zeigte  sich  nach  6  Einspritzungen,  die  beiden 
ersten  ä  0*75  g^  die  vier  letzten  k  0*5  g  jeden  zweiten  Tag, 
keine  Wirkung,  weshalb  Jodkalium  und  die  Injektion  von 
Salizylquecksilber  angewendet-  wurde,  wonach  die  Geschwüre 
schnell  zu  heilen  begannen. 

Außer  in  einem  Falle,  wo  der  Patient  nach  7  Injektionen 
a  0'4  g  Atoxyl  unangenehme  gastrische  Störungen  bekam,  sind 
keine  unangenehmen  Komplikationen  hin  zugestoßen;  jene  ver- 
schwanden ziemlich  schnell. 

Zu  Anfang,  als  ich  kleine  Dosen  Atoxyl  gab,  wendete 
ich  ein  Mittel  von  den  Vereinigten  Chemischen  Werken,  Aktien- 
gesellschaft Charlottenburg  an ;  infolge  der  Angabe  Hallopeaus, 
daß  das  französische  Atoxyl  geeigneter  sei,  wandte  ich  aber 
später  ein  französisches  Atoxyl  von  E.  Coget  &  Co.,  Paris,  an ; 
in  den  obenerwähnten  22  Fällen  ist  dieses  letztere  Präparat 
zur  Anwendung  gekommen. 

Hallopeau  sagt,  daß  das  Atoxyl  „s'altere  spontanement*', 
daß  es  nach  14  Tagen  anfange  sich  zu  dissoziieren^  wodurch 
eine    größere    Toxizität    entstehe;    er    rät,     stets     „produits 


Zar  Frage  der  Behandlung  der  Syphilis  mit  Atoxyl.  33 

fra-Hichement  prepapes^  anzuwenden.  Selbst  wenn  dieses  letz- 
tere richtig  wäre,  glaube  ich  doch  nicht,  daß  dies  darauf 
beruht,  daß  das  Axotyl  sich  verändert  und  zersetzt.  Ich  habe 
nämlich  am  26./X.  drei  Lösungen,  eine  am  4./VII.  gemacht, 
deutsches  Atoxyl,  eine  den  25./ VIII.  und  eine  den  15./X.  ge- 
macht, diese  beiden  französisches  Atoxyl,  untersucht.  Sämt- 
liche Lösungen  waren  ziemlich  trübe ;  bei  Zusatz  Yon  Salzsäure 
und  Schwefelwasserstoff  war  nicht  der  geringste  Arseniknieder- 
schlag zu  entdecken,  nicht  einmal  beim  Kochen,  was  wohl 
zeigt,  daß  das  Atoxyl  nicht  dekomponiert  war;  bei  der  Unter- 
suchung nach  dem  Mörnerschen  Verfahren,  wobei  das 
Atoxyl  zerteilt  wird,  entstand  sofort  Niederschlag.  Als  Ursache 
der  Trübung  ergaben  sich  Wucherungen  von  Pilzen.  Hierauf 
machte  mich  Blomqvist  aufmerksam;  er  erwähnte,  daß  das- 
selbe bei  Mixtura  arsenicalis  Fowleri  der  Fall  sei,  weshalb 
diese  jedesmal  frisch  zubereitet  werden  muß  und  nicht  auf 
Vorrat  yorhanden  sein  darf.  Ob  nun  die  Injektion  einer  nicht 
frisch  zubereiteten,  pilzbaltigen  Lösung  Atoxyl  die  Ursache 
unangenehmer  Komplikationen  werden  kann,  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden. 


Von  großem  Interesse  erschien  es  mir^  die  Erforschung 
der  (Absorption  und)  Elimination  des  Atoxyl  aus  dem  mensch- 
lichen Körper  zu  versuchen.  Ich  will  darauf  hinweisen,  daß 
Hallopeau  sagt,  daß  „phenomenes  d'intolerance**  erst  nach 
5,  8  Einspritzungen  auftreten;  er  sagt  auch,  daß  eine  Akku- 
mulation des  Atoxyles  im  Organinismus  aus  diesen  Tatsachen 
mit  voller  Evidenz  hervorgehe. 

Betreffend  die  Ursache  der  therapeutischen  Wirkung  des 
Atoxyles  hat  man  sich  gedacht,  daß  der  große  Arsenikgehalt 
einwirke,  was  auch  aus  Blumenthals  Tierversuchen  hervor- 
zugehen scheint  Blumenthal  hat  hervorgehoben,  daß  es 
bei  der  Herstellung  des  Atoxyles  der  Arsenik  in  statu  nascendi 
sei,  der  wirke.  Rosenthal  meint,  daß,  wenn  dies  der  Fall 
wäre,  die  alleinige  Erteilung  von  Arsenik,  nicht  als  Atoxyl, 
dieselbe  Wirkung    ausüben   könne,   wie   das   Atoxyl,    und   hat 

Arcb.  f.  Dermat.  n.  Syph.  B4.  LXXXIX.  3 


34  Welander. 

darüber  berichtet,  wie  er  Syphilis  mittels  Einspritzung  Ton 
arseniger  Säare  in  steigender  Dosis  behandelt  und  hierdurcli 
sehr  gute  therapeatische  Besoltate  erzielt  habe. 

Bevor  ich  etwas  hierüber  wußte,  hatte  ich  einige  Unter- 
suchungen über  die  Elimination  des  Atoxyles  begonnen.  Diese 
sind  Ton  Apotheker  A.  Blomqvist  nach  Prof.  Mörners  Ver- 
üahren  (Zeitschrift  für  analytische  Chemie,  Bd.  41,  1902)  aus- 
geführt. 

Blomqvist  hat  mir  folgende  Aufschlüsse  über  das  Axotyl 
gegeben.  Dies  wurde  zuerst  als  „meta-arsenige  Säure-Anilid 
aufgefaßt  und  sollte  da  37*6%  As  enthalten.  Neuerer  Ansicht 
nach  sollte  das  Atoxyl  das  Mono-Natriumsalz  des  orto-arsenige 
Säure- Anilides  sein  und  297o  As  enthalten.  Ehrlich  und 
Bertheim  haben  jedoch  unlängst  dessen  Konstitution  voll- 
ständig als  ein  Derivat  einer  Arsensäure  erklärt  und  das  Atoxyl 
wird  jetzt  als  das  Natriumsulphat  von  Para-Amidofenyl-Arsen- 
säure  betrachtet.  Das  Handelsprodukt  enthält  4  Moleküle 
Eristallwasser.^  Bei  den  von  mir  vorgenommenen  Berechnungen 
habe   ich    den   Arsenikgehalt   des  Atoxyls  auf  297o  berechnet. 

Bei  diesen  Untersuchungen  hat  sich  gezeigt,  daß  man, 
wenn  man  den  Harn  einer  Person,  die  Atoxylinjektionen  er- 
halten hat,  mit  Salzsäure  und  Schwefelwasserstoff  behandelt, 
selbst  wenn  der  Arsenikgehalt  ein  höchst  bedeutender  ist, 
keinen  oder  einen  äußerst  geringen  Ausschlag  für  Arsenik  er- 
hält; erst  nach  der  Zerstörung  des  Molekülenkomplexes  mit 
Kaliumpermanganat  in  alkalischer  und  saurer  Lösung  erhält 
man  auf  gewöhnh'che  Weise  Schwefelarsenik,  der  dann  näher 
bestimmt  wird.  Spritzt  man  arsenige  Säure  ein,  so  erhält  man 
eine  Arsenikreaktion  auf  die  gewöhnliche  Weise,  ohne  Zer- 
störung der  organischen  Stoffe  des  Harnes. 

Dies  deutet  ganz  sicher  darauf  hin,  daß  das  Atoxyl 
den  Organismus  wenn  auch  nicht  ganz,  doch  zum  allergrößten 
Teil  als  Atoxyl,  ohne  zersetzt  zu  werden,  passiert;  eine  De* 
komposition  des  Mittels  scheint  nicht  vorzugehen,  auch  wenn 
es  ein  paar  Wochen  lang  im  Organismus  remanieren  sollte, 
denn  auch  nach  dieser  Zeit  geben  bei  der  Untersuchung  von 
Harn  die  Salzsäure  und  der  Schwefelwasserstoff  kaum  eine 
Spur  von  Ausschlag  für  Arsenik. 


Zur  Frage  der  BehandluDg  der  Syphilis  mit  Atoxyl.  35 

Hieraus  dürfte  hervorgehen,  daß  nicht  der  große  Arsenik- 
gehalt —  mehr  oder  weniger  in  statu  nascendi  —  die  thera- 
peutische Wirkung  ausübt,  sondern  daß  es  das  unzersetzte 
Atoxyl  an  sich  ist,  das  auf  die  syphilitischen  Symptome 
therapeutisch  einwirkt.  Ob  in  den  Fällen,  wo  unangenehme 
Komplikationen  hinzugestoßen  sind,  eine  Zersetzung  des  Atoxyles 
stattgefunden  hat,  weiß  ich  nicht;  der  einzige  Fall  einer 
solchen  Komplikation,  den  ich  zu  sehen  Gelegenheit  gehabt 
habe;  traf  vor  Anfang  dieser  Untersuchungen  ein. 

Wie  schnell  wird  nun  das  Atoxyl  nach  Einspritzung  des- 
selben (alle  diese  Einspritzangen  sind  in  de  Hinterbacken, 
intramuskulär,  gemacht  worden)  absorbiert  und  eliminiert. 
In  dem  folgenden  Falle  sind  0*6  g  Atoxyl  injiziert  worden; 
unmittelbar  vor  der  Einspritzung  hat  Fat.  Wasser  gelassen. 
24  Stunden  lang  wurde  sein  Harn  gesammelt  und  es  ergab 
sich  dann,  daß  in  dieser  Quantität  von  1940  g  1*023  spez. 
Gew.  100*202  mg  Arsenik  nachweisbar  waren.  Während  des 
folgenden  Tages  wurden  1950  g  Harn,  1*018  spez.  Gew.  ab- 
gesondert; in  diesem  waren  nur  0'134  mg  As  nachzuweisen. 
Da  nun  das  Atoxyl  297o  Arsenik  enthält,  waren  also  \1^  mg 
Arsenik  eingespritzt  worden,  von  diesen  waren  während  des  ersten 
Tages  100*202  m^,  d.  h.  57%  abgegangen,  am  zweiten  Tage 
wurden  nur  0*134  mg,  d.  h.  0*077o  der  eingespritzten  Arsenik- 
menge eliminiert. 

Folgende  Kontrollprobe  wurde  angestellt:  es  wurden  (an 
einer  anderen  Person)  0*6  Atoxyl  eingespritzt;  während  des 
ersten  Tages  wurden  in  1030  g  Harn,  r030  spez.  Gew.,  95*676  mg 
Arsenik  und  während  des  folgenden  Tages  in  1970  ^  Harn, 
1*014  spez.  Gew.,  0*3644  mg  Arsenik  eliminiert,  d.  h.  am  ersten 
Tage  55%,  am  zweiten  Tage  0'217o  der  eingespritzten  Arsenik- 
menge. 

Aus  diesen  beiden  Versuchen  geht  hervor,  daß  ein  höchst 
bedeutender  Prozentsatz  des  eingespritzten  Arseniks  am  ersten 
Tage  nach  der  Atoxyleinspritzung  (absorbiert  und)  eliminiert 
wird,  sowie  daß  am  zweiten  Tage  nur  ein  ganz  unbedeutender 
Prozentsatz  abgesondert  wird. 

Dies  stimmt  auch  mit  meinen  anderen  Untersuchungen 
überein.    In    der   unten   folgenden  Tabelle  habe  ich  die  Zahl 

3* 


36  Welander. 

der  zwischen  der  letzten  Injektion  und  dem  Untersuchungstage 
verflossenen  Tage,  die  im  Verlaufe  einiger  Tage  injizierte 
Atoxylquantität,  in  mg  Arsenik  berechnet,  die  während  dieses 
Tages  im  Harne  nachweisbare,  in  mg  Arsenik  berechnete  Menge 
sowie  diese  Menge  in  Prozenten  der  injizierten  Atozjlmengo 
berechnet,  zusammengestellt 

lAjis.  QoAiititftt  Während  det  TagM 

▲BHüaTaceaacli         Xu^^jX^    in   mg  A«         ellmimerle  Qa*nt.        Eliminiert«    As    In 
derleUtanli^ektfon  berechnet  Am  in  mg  */• 

8  Tage  754  m^  As  0*134     mg  Ai  0*018 

7  „  899   „     „  0-09112  „  „  0-01 

8  „  1740   ,     „  00696     „  „  0*004 

9  „  1666  „  .  0*643  „  „  0*04 
11  »  580  ^  „  01179  „  ,  002 
14      „  1666    „     ,  0*1126     „  ,  0007 

,  „  1740  „  „  00966  „  „  0*005 

n  n  812  „  n  0*0215  „  „  0*003 

16  ,  580  „  „  0*102  „  „  0017 

16  ,  928  „  „  01233  ,  „  0013 

Also  finden  wir  selbst  bei  der  Einspritzung  großer 
Quantitäten  Arsenik,  daß  die  durch  den  Harn  eliminierte 
Quantität  As  schon  einige  Tage  nach  der  letzten  Einspritzung 
sehr  gering,  nicht  einmal  ein  Tausendstel  der  eingespritzten 
ist;  in  den  Fällen,  wo  nach  der  letzten  Injektion  zwei  Unter- 
suchungen zu  verschiedenen  Zeiten  gemacht  wurden,  zeigte 
sich  in  einem  Falle  bei  der  letzteren  Untersuchung  eine  mini* 
male  größere  Quantität,  in  den  beiden  anderen  Fällen  ist  der 
Prozentsatz  jedoch  bei  der  späteren  Untersuchung  ein  geringerer^ 
als  bei  der  ersten. 

Ich  will  erwähnen,  daß  in  einem  Falle  eine  Ausnahme 
von  diesem  Eliminationstyp  vorkam.  Es  war  dies  eine  Frau^ 
die  zwischen  dem  5.  und  19.  Aug.  jeden  zweiten  Tag  eine 
Iigektion  von  0*4  g  Atoxyl,  sovrie  den  28.  und  30.  Aug.  sowie 
um  1.  Sept.  je  eine  Injektion  von  0*5  g  erhalten  hat.  Während 
des  Tages  vom  1. — 2.  Sept  wurde  ihr  Harn  gesammelt;  in 
1870  g  1*011  spez.  Gew.  wurden  43*416  mg  As  nachgewiesen, 
während  des  folgenden  Tages  wurden  in  1740  ^,  1*010  spez. 
Gew.,  31*40  mg  As  nachgewiesen;  hier  war  also  die  haupt- 
sächlichste Elimination  auf  zwei  Tage  verteilt.   Eine  Erklärung 


Zur  Frage  der  BehandlaDg  der  Syphilis  mit  Atoxyl.  37 

bierfiir  kann  ich  nicht  geben;  möglicherweise  konnte  die 
Injektion  vom  1.  Sepi  an  einer  nach  einer  vorhergegangenen 
Einspritzung  angeschwollenen  Stelle  gemacht  worden  sein  und 
dies  der  Anlaß  der  verlangsamten  Absorption  resp.  Elimination 
gewesen  sein.  Eine  Einwirkung  auf  die  folgende  Eliminations- 
quantität hatte  dies  nicht,  denn,  obschon  am  3.  Sept.  eine 
neue  Injektion  von  0'5  g  Atoxyl  gemacht  worden  war,  war  die 
eliminierte  Quantität  am  9.  Tage  darnach,  wo  Pat.  zusammen 
1566  mg  As  injiziert  bekommen  hatte,  nur  0*643  und  am 
14.  Tage  01125  mg. 

Wenn  man  sieht,  daß  während  des  ersten  Tages  57  resp. 
567o  As  eliminiert  werden,  und  am  darauf  folgenden  Tage  nicht 
ein  Tausendstel  der  injizierten  Menge,  so  muß  man  sich  fragen,  wo 
die  übrige  Quantität  Atoxyl  geblieben  ist;  bleibt  sie  irgendwo 
im  Organismus,  um  vielleicht  ganz  plötzlich  zersetzt  werden 
und  Anlaß  zu  den  hastig  auftretenden  Komplikationen,  die 
man  beobachtet  hat,  geben  zu  können?  oder  wird  das  Atoxyl 
in  größerer  Menge  auch  auf  anderen  Wegen  als  durch  den 
Harn,  z.  B.  durch  Faeces,  eliminiert? 

Ich  habe  nur  eine  Untersuchung  gemacht,  um  zu  er- 
mitteln, ob  eine  größere  Quantität  auch  durch  Faeces  eliminiert 
wird,  und  wählte  hierzu  eine  Person,  die  nie  zuvor  irgend- 
welche Injektion  bekommen  hat.  Am  16.  Okt.  10  Uhr  vorm. 
wurde  eine  Injektion  von  0*6  g  Atoxyl  gemacht;  der  Harn 
wurde,  wie  gewöhnlich,  während  der  folgenden  24  Stunden 
sowie  am  ganzen  folgenden  Tage  gesammelt.  Bei  früheren 
Versuchen  von  mir,  Faeces  auf  Quecksilber  oder  auf  Arsenik 
zu  untersuchen,  ist  die  Bestimmung,  wie  viel  Faeces  eigentlich 
im  Untersuchungstage  einzuberechnen  wären,  schwer  gewesen. 
Ich  suchte  nun  diesem  Übelstand  dadurch  in  etwas  zu  ent- 
gehen, daß  ich  Pat.  am  16./X.  um  9  Uhr  vorm.  ein  großes 
Klistier  verabfolgen  ließ,  um  wenigstens  die  im  Rektum  und 
in  einem  Teile  des  Orobdarmes  befindlichen  Exkremente  fort- 
zuspülen;  vor  10  Uhr,  d.  h.  vor  der  Injektion,  hatte  Pat. 
ordentliche  Abfuhrungen  gehabt.  Die  hiernach  während  des 
Tages  abgegangenen  Faeces  wurden  gesammelt;  am  17./X.  um 
^/glO  Uhr  vorm.  erhielt  Pat.  ein  neues  Klistier  ä  950^  Wasser; 
die  Abfahrung  hiemach  geschah  vor  10  Uhr  vorm.  und  wurde 


38  Wolander. 

zwecks  Untersuchung  gesammelt.  Ich  will  hinzufügen,  daß 
Fat  während  dieser  beiden  Tage  in  einem  besonderen  Zimmer 
isoliert  war.    Bei  der  Untersuchung  zeigte  sich,  daß  sich 

in  1960^  am  16.— 17.  Okt.  gesammelten  Harn  1021  ipez.  Gew.  109*88  mg  As 
,    830«  „    16.-17.    ,  „  Faeces  0*1232  ,    • 

,  1780 ,  am  15.— 18.    „  „  Harn   1*028  spez.  Gew.  1*038     „    „ 

befanden. 

Es  fand  also  während  des  ersten  Tages  eine  bedeutende 
Elimination,  nicht  weniger  als  637o  der  injizierten  Arsenik- 
quantität, durch  den  Harn,  aber  nur  eine  minimale  Elimination 
an  demselben  Tage  durch  Faeces  statt ;  am  zweiten  Tage  wurde 
nur  eine  unbedeutende  Quantität  As  durch  den  Harn  eliminiert. 

Möglicherweise  könnte,  wie  bei  intrayenöser  Injektion  mit 
Arseuiksäure,  ein  Teil  As  mit  dem  Schweiß  eliminiert  werden ; 
ich  habe  keine  Gelegenheit  gehabt,  hierüber  Untersuchungen 
anzustellen.  Wo  der  Best  der  As-menge  sich  befindet,  wie  er 
eliminiert  wird,  kann  ich  nicht  sagen. 

In  der  Absicht,  einen  Anhaltspunkt  für  die  Beurteilung 
dieser  Frage  geben  zu  können,  suchte  ich  in  dem  ebener- 
wähnten Falle  auch  eine  Blutuntersuchung  auf  As  zu  machen, 
dieselbe  mißlang  aber.  Ich  war  deshalb  gezwungen,  sie  an 
einer  anderen  Person  zu  machen. 

Einer  Frau,  die  niemals  irgendwelche  Injektion  bekommen 
hat,  wurden  am  'iö./X.  um  1*45  nachm,  0*6  g  Atoxyl  ein- 
gespritzt; an  demselben  Tage  um  6  Uhr  nachmittags  wurde 
sie  geschröpft,  und  es  befanden  sich  da  in  31  ^  Blut  0  2036  mg^) 
As.  Am  26./X.  um  1*45  nachm.  wurde  sie  wieder  geschröpft 
und  es  befanden  sich  da  in  27*5  g  Blut  01447  mg^)  As. 

Also  4  Stunden  nach  geschehener  Injektion,  wo  schon 
eine  nicht  unbedeutende  Menge  As  nicht  allein  absorbiert, 
sondern  auch  eliminiert  war,  befanden  sich  in  31  ^  Blut 
0*2036  mg  As,  d.  h.,  wenn  die  ganze  Blutmasse  auf  8500  g 
berechnet  wird,  so  befanden  sich  56  mg  As  in  der  Blutmasse 
selbst,  und  nach  24  Stunden  waren  in  27*5  g  Blut  0*1447  mg 
As,  d.  h.  in  8500  g  Blut  44*7  mg]  das  heißt  mit  anderen 
Worten,  daß  nach  einem  Tage,  wo,  wie  vorherige  Versuche 
zu  zeigen  scheinen,  etwa  607o  der  eingespritzten  Arsenikmenge, 


^)  Vielleicht  ist  diese  Zahl  zu  groß. 


Znr  Frage  der  Behandlang  der  Syphilis  mit  Atoxyl.  39 

also  104*4  mg  As  durch  den  Harn  eliminiert  worden  sind,  sich 
doch  noch  im  Blute  selbst  44*7  mg  As  und  in  übrigen  Teilen 
des  Körpers  25  mg  befanden,  sofern  nicht  ein  größerer  Teil 
durch  den  Schweiß  eliminiert  worden  war.  Diese  Untersuchungen 
stimmen  mit  den  approximativen,  die  ich  bei  intrayenösen 
arsenige  Säureinjektionen  gemacht  habe,  wo  ein  bemerkens- 
wert großer  Arsenikgehalt  in  der  Blutmasse  nachweisbar  war, 
gut  überein.  Welches  nun  die  Veranlassung  sein  kann,  daß 
am  zweiten  Tage,  obschon  eine  recht  große  Arsenikmenge  im 
Blute  zurückgeblieben  zu  sein  scheint,  gleichwohl  eine  so  un- 
bedeutende Quantität  As  eliminiert  worden  ist,  das  ist  schwer 
zu  erklären.  Wir  finden  hier  dasselbe  Verhältnis,  wie  bei  der 
Injektion  mit  Salizylquecksilber  (s.  meine  Aufsätze  hierüber  in 
diesem  Archiv  von  1906  und  von  1907). 


Nun  hat  Rosenthal  nachgewiesen,  daß  auch  die  In- 
jektion von  arseniger  Säure  sich  als  gegen  Syphilis  therapeutisch 
wirksam  erweist.  Er  injizierte  in  den  drei  ersten  Tagen  täglich 
je  2  m^  arsenige  Säure,  dann  wurde  die  Dosis  jeden  3.  Tag 
um  2  mg  erhöht,  bis  sie  auf  16  mg  gestiegen  war. 

Ich  habe  in  einem  Falle  derartige  Injektionen  gemacht, 
jedoch  nicht  zu  therapeutischen  Zwecken,  sondern  um  die 
(Absorption  und)  Elimination  des  Arseniks  zu  studieren.  Ich 
hatte  nur  8  Tage  lang  Gelegenheit  hierzu;  das  Resultat  war 
folgendes : 

20./IX.  Injekt.  von  2  mg  araenige  Säure;  in  515  g  Harn,  1*027  spez.  Qew, 

20.— 21./IX.  —  0091  mg  As 
21./IX.  Injekt.  yon  2  m^  araenige  Sfture;  in  1010^  Harn,  1017  spes«  Gew. 

21.— 22./IX.  —  0.300  mg  As 
22./IX.  Injekt  Yon  2  mg  arsenige  Säure;  in  985  g  Harn,  1*017  spez.  Gew. 

22.— 28./IX 0150  mg  As 

2d./IX.  Injekt.  von  4  mg  arsenige  Säure;  in  1000  g  Harn,  1*019  spez.  Gew. 

23.— 24./IX.  —  0-713  mg  As 
24./IX«  Injekt.  von  4  mg  arsenige  Säure;  in  1015  g  Harn,  1*017  spez.  Gew. 

24.— 25./IX.  —  0*832  mg  As 
25./IX.  Iiyekt.  von  6  mg  arsenige  Säure;  in  710  g  Harn,  1*023  spez.  Gew 

25.-26./IX.  —  0*722  mg  As 
26./IX.  Injekt.  von  6  mg  arsenige  Säure;  in  1005  g  Harn,  1*016  spez.Gew 

26.— 27./IX.  —  0*557  mg  As 


1 


40  WeUnder. 

27./IX.  I^jekt.  von  8  mg  anenifre  Säure ;  in  815  ^r  Harn,  1*019  spez.  Gew. 
27.— 28./IX.  —  1-002  mg  Ab 

In  diesen  8  Tagen  waren  ako  34  mg  arsenige  Säure  ein- 
gespritzt worden;  da  diese  Ib'l^^l^  As  enthält,  so  war  die 
eingespritzte  Asmenge  25*8584  mg  \  von  dieser  wurden,  obschon 
in  ungleichmäßig  steigender  Quantität,  während  8  Tage  zu- 
sammen 3*867  971^,  d.  h.  nur  157o  eliminiert.  Wir  finden  hier 
einen  ganz  anderen  Eliminationstyp  als  bei  der  Einspritzung 
von  Atoxyl.  4  Kontrolluntersuchungen  an  einer  anderen  Frau 
stimmten  vollständig  mit  den  obigen  überein. 

Diese  Untersuchungen  sind  natürlich  allzu  gering  an  Zahl 
um  zum  Ziehen  yon  Schlüssen  zu  berechtigen;  ich  wage  dies 
dennoch,  weil  sie  vollständig  mit  den  Untersuchungen,  die  ich 
und  Almkvist  im  Jahre  1900  bei  intravenöser  Einspritzung  von 
arseniger  Säure  gegen  Psoriasis  gemacht  haben,  übereinstimmen. 
Den  Bericht  hierüber  findet  man  im  Nord.  Med.  Archiv  1900, 
Nr.  21. 

Bei  diesen  Untersuchungen  wurde  am  ersten  Tage  1  m^ 
intravenös  eingespritzt,  diese  Dosis  wurde  täglich  um  1  mg 
vermehrt,  bis  am  20.  Tage  20  mg  eingespritzt  wurden,  worauf 
die  Dosis  nicht  weiter  erhöht  wurde.  Die  Elimination  von 
Arsenik  war  in  allen  diesen  untersuchten  Fällen  anfänglich 
sehr  gering,  nahm  allmählich  immer  mehr  zu,  so  daß  in  einem 
Falle,  wo  30  Injektionen  gegeben  waren,  die  während  des 
Tages  im  Harn  eliminierte  Arsenikmenge  10*7  mg  betrug.  ^) 
Also  finden  wir  auch  hier  einen  Eliminationstyp,  der  von  dem 
des  Atoxyles  ganz  verschieden  ist,  aber  vollständig  dem  bei 
intramuskulärer  Injektion  von  arseniger  Säure  gleicht.  Wie 
gesagt,  stellte  ich  auch  da  Untersuchungen  über  die  Elimination 
durch  den  SchweiS,  durch  den  eine  wenn  schon  geringe 
Quantität  eliminiert  wird,  an.  Ich  untersuchte  auch  die  Eli- 
mination des  Arseniks  durch  Faeces,  die  eine  sehr  geringe 
war,  während  gleichzeitig  eine  große  Menge  durch  den  Harn 
eliminiert  wurde. 

Der  Vergleichung  halber  machte  ich  damals  einige  Ver- 
suche, die  Elimination  des  Arseniks  zu  ermitteln,  wenn  dieses 

^)  Bei  dieser  Untersuchong  warde  zur  approximativen  Bestimmung 
des  Arsenikgehaltes,  der  in  diesem  Aufsatz  in  mg  arseniger  S&ure  an- 
gegeben ist,  ein  anderes  Verfahren  angewendet. 


Zur  Frage  der  Behandlung  der  Syphilis  mit  Atoxyl.  41 

Mittel  per  os  gegeben  wurde;  es  zeigte  sich,  daß,  wenn  es  in 
Pillenform  gegeben  wurde,  die  darch  Faeces  abgegangene  As- 
Menge  bedeutend  größer,  als  die  mit  dem  Harn  eliminierte, 
war;  aber  auch  nach  Erteilung  von  As  in  flüssiger  Form  — 
Solutio  Fowleri  —  erwies  sich  der  As-Gehalt  in  den  Faeces 
als  viel  größer  als  im  Harn,  was,  wenn  wir  wissen,  daß  durch 
den  Darm  höchst  unbedeutend  eliminiert  wird,  wohl  nicht  auf 
andere  Weise  zu  erklären  ist,  als  daß  ein  recht  bedeutender 
Teil  des  per  os  auch  in  flüssiger  Form  gegebenen  Arseniks 
nicht  absorbiert  worden  ist,  sondern  unabsorbiert  durch  Faeces 
abgegangen  ist.  —  Durch  Arsenikgaben  per  os  können  wir 
keiner  sicheren  Absorption  und  therapeutischen  Wirkung  ver- 
sichert sein;  dies  hat  sich  auch  durch  ein  paar  jetzt  von  mir 
ausgeführte  Untersuchungen  erwiesen.  Eine  junge  Frau  war 
seit  Anfang  Juli  an  Liehen  ruber  mit  Mixtura  Fowleri  (Liquor 
arseniitis  Kalici.  Ph.  Suec),  die  ersten  Tage  in  kleineren  Dosen, 
zwischen  dem  16./VII.  und  dem  28./IX.  jedoch  mit  6  Tropfen 
3  mal  täglich  behandelt  worden.  Bei  der  Untersuchung  ihres 
Harnes  den  26.— 27./1X.  konnten  in  1340  g,  1*020  spez.  Gew. 
nur  0745  mg  As  nachgewiesen  werden ;  im  Urin  den  28.— 29./IX. 
konnten  in  1050  g  Harn,  1*024  spez.  Gew.,  0*579  vng  As  nach- 
gewiesen werden.  Das  therapeutische  Resultat  ist  auch  ein 
sehr  schlechtes  gewesen;  erst  Ende  September  begannen  sich 
die  Symptome  etwas  zu  verbessern.  Während  des  Okt.  hat 
sie  einige  Atoxylinjektionen  ä  0*6  g  bekommen,  wonach  die 
Symptome  sich  schnell  bedeutend  verbesserten  und  ver- 
schwanden. 


Die  Quantität  As,  die^  nachdem  man  mit  den  Injektionen 
mit  Atoxyl  und  mit  arseniger  Säure  aufgehört  hat,  eliminiert 
wird,  ist  sehr  verschieden.  Nach  der  Injektion  von  Atoxyl  ist 
sie  schon  nach  2—3  Tagen  gering  und  nimmt  dann  noch  mehr 
ab;  nach  intravenöser  Injektion  von  arseniger  Säure  vermindert 
sich  zwar  die  Quantität  des  eliminierten  Arseniks  ziemlich 
schnell,  man  kann  aber  gleichwohl  nach  15 — 25  Tagen  eine 
eliminierte  Arsenikmenge  von  1 — 1*25  mg  finden. 


42  Welander. 

Die  geringe  Erfahrung,  die  ich  in  therapeutischer  Be- 
ziehung betreffs  des  Atozyles  gemacht  habe,  hat  mir  doch  die 
Vorstellung  gegeben,  daß  man,  obschon  man  dem  Atozyl 
wirklich  eine  therapeutische  Wirkung  auf  die  Syphilissymptome 
zusprechen  kann,  doch  mit  unseren  alten  Mitteln,  Quecksilber 
und  Jod,  in  den  allermeisten  Fällen  ein  schnelleres  und 
sichereres  Resultat  erzielt.  Da  ich  sehr  bald,  nachdem  ich 
mit  der  Erteilung  yon  Atoxylinjektionen  aufgehört  habe,  neue 
syphilitische  Symptome  habe  auftreten  sehen,  glaube  ich,  daß 
man,  auch  wenn  es  eine  präventive  Behandlung  gilt,  unseren 
alten  Mitteln  den  Vorzug  geben  muß.  Ich  will  jedoch  noch- 
mals betonen,  daß  meine  Erfahrung  zu  gering  ist,  um  ein 
bestimmtes  Urteil  fällen  zu  können. 

Sollte  es  sich  jedoch  in  Zukunft  zeigen,  daß  Injektionen 
mit  Atoxyl  oder  mit  arseniger  Säure  einen  wirklich  hervor- 
ragenden therapeutischen  Wert  haben,  so  will  ich  darauf  hin- 
deuten, daß  die  (Absorption  und)  Elimination  des  Atoxyles 
eine  höchst  bedeutende  Ähnlichkeit  mit  der  (Absorption  und) 
Elimination  von  Hg  nach  Injektion  mit  Salizylquecksilber  auf- 
weist, während  die  Injektion  von  arseniger  Säure  in  dieser 
Beziehung  eine  große  Ähnlichkeit  mit  den  übrigen  schwer- 
löslichen Quecksilberpräparaten  aufweist;  in  diesem  Falle 
werden  wir  im  Atoxyl  ein  dem  Salizylquecksilber  gleichgestelltes 
therapeutisches  Mittel,  und  in  der  arsenigen  Säure  ein  z.  B. 
dem  Merkuriolöl  entsprechendes  therapeutisches  Mittel  besitzen. 
Wir  werden  dann  mittels  geeigneter  Anwendung  dieser  Arsenik- 
präparate die  Möglichkeit  besitzen,  nach  Bedarf  eine  schnellei 
kräftige  Wirkung  auf  die  Syphilissymptome,  ganz  wie  mit  Sal. 
Hg,  oder  auch  eine  langsame  Wirkung  zu  präventiven  Zwecken, 
wie  z.  B.  mit  Merkuriolöl,  ausüben  können. 

Wie  bei  der  internen  Behandlung  der  Syphilis  mit  Queck- 
silber die  Absorption  des  Hg  unsicher  ist  und  somit  auch  das 
therapeutische  Resultat  unsicher  wird,  so  scheint  mir  dies 
auch  bei  einer  eventuellen  Erteilung  des  Arseniks  per  os 
gegen  Syphilis  der  Fall  zu  sein. 


Ans  der  deutschen  dermatologischen  Klinik  in  Prag. 


über  Haut  Veränderungen  bei 
Pseudoleukämie  und  Leukosarkomatose. 


Von 

Prof.  C.  Kreibieh. 

(Hiezu  Taf.  V.) 


I. 

Johann  Seh.,  28  Jahre  alt,  Bergmann  (Eohlenförderer).  Anfge- 
noramen  am  4./I.  1907.  Erste  ErscheiDuogen  6  Monate  vor  dem  Spitals- 
eintritt in  Form  eines  blauen  Fleckes  an  der  Außenseite  des  I.  Oberarmes, 
nach  l'/i  Monaten  Rückbildung  desselben,  dann  wieder  Auftreten  des 
Fleckes  vor  drei  Monaten  und  rasches  Anwachsen  einer  Geschwulst 
daselbst.  Eine  dunkel  gefärbte  Narbe  am  Scheitel  rfihrt  von  zwei  schweren 
Eopftraumen  durch  herabstürzende  Eisenketten  her.  —  Vor  drei  Wochen 
Auftreten  zahlreicher  blauer  Flecke  und  Geschwülste  an  der  Brust  und 
auf  dem  Rücken ;  zugleich  trat  heftiges,  besonders  während  der  Nacht 
intensives  Jucken  auf,  so  daß  Patient  früh  von  zahlreichen  blutigen 
Striemen  bedeckt  war.  Die  blaugraue  Gesichtsfarbe  besteht  nach  seinen 
Angaben  bereits  8 — 4  Monate.  Mutter  und  Geschwister  gesund,  Vater  an 
unbekannter  Krankheit  gestorben. 

Status  praesens:  Die  Haut  Veränderungen  lassen  sich  auf  drei 
Zustände  zurückfahren,  auf  tumorartige  Infiltrationen,  auf  eine  hoch- 
gradige Gefftßzerreißlichkeit  und  auf  spontane  und  faktitielle  Urticaria, 
sie  treten  vielfach  in  Kombination,  so  sind  z.  6.  sämtliche  Tumoren  mehr 
minder  hämorrhagisch  imbibiert,  erscheinen  fast  melanotisch,  andererseits 
hinterläßt  jede  Urticaria  factitia,  die  mit  dem  Fingernagel  oder  mit 
einem  Holzspatel  verursacht  wird,  auf  der  Höhe  und  in  der  Mitte  der 
deutlich  elevierten  roten  oder  abgeblaßten  Quaddel  eine  hämorrhagische 
Linie,  die  sofort  hinter  dem  drückenden  Instrument  oder  Fingernagel 
auftritt.  Blutige  Striemen  an  leicht  zugänglichen  Hautstellen  in  allen 
Farbennuancen  hat  sich  Patient  selbst  durch  Kratzen  beigebracht,   die 


44  Kreibich. 

Haut  darüber  ist  nicht  exkoriiert.  Ab  und  sa  ßndet  roan  am  Körper  eine 
randliche  Quaddel,  die  ohne  direkte  äußere  gröbere  VeranlasBong  ent- 
standen zu  sein  scheint,  manchmal  flüchtiger  Art  ist,  aber  auch  durch 
Stunden  persistieren  kaun.  Neben  den  blutigen  Striemen  ist  die  Haut 
partienweise  auch  diffus  blutig  durchtränkt. 

So  ist  die  vordere  Brustpartie  bis  zum  Rippenbogen,  fast  gleich- 
mäßig blaugrau  oder  fast  violettgrau  verfärbt,  der  Farbenton  nicht  weg- 
drückbar, von  Blutung  herrührend,  an  den  Grenzen  gelbliche  Imbibition 
mit  Blutfarbstoff.  Die  diffuse  blutige  Verfärbung  ist  auf  dem  Rücken 
geringer  und  wenig  tief  herabreichend.  An  den  Streckseiten  der  Oberarme 
fast  nur  follikuläre  Lokalisation  der  Blutungen,  dagegen  finden  sich 
wieder  scheibenförmige  Blutungen  an  verschiedenen  Stellen  des  (Gesichtes, 
so  daß  das  ganze  Gesicht  einen  dunkelblaugraaen  Eindruck  macht,  dazu 
kommt,  daß  die  Haut  der  Wangen  eiue  ganz  deutliche  diffuse,  ziemlich 
derbe  und  tiefe  Infiltration  fühlen  läßt,  die  bei  einigen  anderen  Blu- 
tungen nur  in  der  Mitte  deutlich  zu  fühlen  ist.  Wenig  deutlich  ab- 
grenzbar, aber  sicher  vorhanden,  ist  auch  eine  bald  mehr  diffusere 
bald  mehr  umschriebene  flachknotenartige  Infiltration  in  der  vorderen 
Brusthaut. 

Das  gleiche  gilt  von  der  Rückenhaut,  die  sich  ebenfalls  an  den 
verschiedensten,  hier  gelbbräunlich  gefärbten  Stellen,  dicker  anfühlt, 
ohne  daß  die  Infiltration  sich  deutlich  abgrenzen  ließe.  Zum  Unterschied 
dazu  treten  einige  Tumoren  schärfer  umschrieben  hervor.  So  ein  faust- 
großer Tumor  an  der  Außenseite  des  1.  Oberarmes,  mit  einem  Durch- 
messer von  7—8  cm  und  einer  Erhebung  von  mindestens  8  cm.  Der  Tumor 
ist  wie  auch  alle  übrigen  mit  der  Haut  verschiebbar,  die  Haut  über  ihm 
kann  nicht  gefaltet  werden.  In  der  Tiefe  fühlt  sich  der  Tumor  derb,  fest 
an,  auf  der  Höhe  ist  er  durch  zahlreiche  Blutungen  erweicht,  undeutlich 
fluktuierend  und  dunkelblauschwarz  verfärbt.  Die  Oberfläche  schuppt 
etwas  und  zeigt  einige  hämorrhagische  Börkchen.  Die  Grenzen  des  Tumors 
verlieren  sich  allmählich  in  die  Umgebung. 

Es  finden  sich  ferner  kleinere  Tumoren  in  großer  Zahl  in  der 
Haut  des  ganzen  Körpers.  Der  zweitgrößte  von  allen  sitzt  unmittelbar 
rechts  von  der  Wirbelsäule  in  der  Höhe  des  10.  Brustwirbels,  in  Form 
einer  eliptischen  Erhebung  von  4  und  5  cm  Durchmesser.  Die  Haut 
darüber  ist  glänzend,  etwas  gespannt,  die  Farbe  dieses  Tumors  und  der 
übrigen,  an  der  Brust  und  Rückenhaut  sowie  an  den  Unterschenkeln 
lokalisierten,  ist  weniger  durch  Blutungen  verändert,  einige  davon  zeigen 
zwar  eine  bläuliche  Farbe,  die  meisten  aber  einen  gelblich-bräunlichen 
Farbenton,  wahrscheinlich  zum  Teil  von  Blutfarbstoff  herrührend,  zum 
Teil  aber  die  charakteristische  Farbe  der  Tumoren  darstellend.  Die  Kon- 
sistenz der  Tumoren  ist  keine  besonders  derbe.  Der  excidierte  und  zer* 
schnittene  Knoten  zeigt  eine  glänzende  an  gequollene  Sagokörner 
erinnernde  Infiltrationsmasse,  von  einer  graurötlichen  Farbe  und  weicher 
Konsistenz. 


über  Hautveränderungen  bei  Pseudoleukämie  eto.  45 

Die  übrige  Untersuchung  ergibt  folgendes:  Lungenbefund  normal, 
Herz  normal,  Leber  einen  Querfinger  über  den  Rippenbogen  reichend, 
Milz  niohi  tastbar,  eine  genaue  Beurteilung  wegen  starker  Spannung  der 
Baachdecken  nicht  möglieb,  perkussorisch  eine  Vergrößerung  nicht  nach- 
weisbar. Von  Lymphdrüsen  sind  die  in  der  Submaxillargegend  haselnuß- 
gro6,  von  gleicher  Größe,  über  dem  Processus  mastoideus  einige  erbsen- 
große nuehale  Drüsen,  supraclaviculare  nicht  zu  tasten.  In  der  rechten 
Achselhöhle  eine  walnußgroße  Drüse,  links  ein  5  cm  langes  Paket  aus 
mehreren  Drüsen  bestehend.  Inguinale  Drüsen  vergrößert  und  besonders 
rechts  deutlich  sichtbar,  desgleichen  die  cruralen  Lymphdrüsen  vergrößert. 
Die  Conjunctiva  beider  Augen  von  frischeren  und  älteren  Blutungen 
durchsetzt,  dabei  etwas  ödematös  durchtränkt;  Blutungen  in  der  Iris; 
Farbe  des  Fundus  auffallend  blaß.  Urin  zeigt  nichts  abnormes.  Über  die 
BlutveränderuDgen  wird  im  Zusammenhang  am  Schluß  der  Kranken- 
geschichte berichtet. 

Auszug  aus  dem  Dekursus:  5./I.  Der  größte  Tumor  am  1. 
Oberarm  wird  mit  weicher  Röhre,  10  em  Abstand,  10  Minuten  röntgenisiert. 
Beginn  einer  subkutanen  Arsenkur.  Nach  einer  Woche  Tumor  deutlich 
in  Rückgang,  Blutungen  in  Rückbildung, Schmerzhaftigkeit  etwas  geringer, 
Urticaria  factitia  fortbestehend,  Dermographismus  haemorrhagicus  weniger 
prompt  zu  erzeugen. 

12./I.  Fieberhafte  Angina  und  Bronchitis  über  beiden  Lungen.  Tempe- 
ratur 38-6,  die  folgenden  Tage  88*9  und  38*1. 

16./I.  Nach  einem  schweren  Stuhlgang  zahlreiche  neue  Blutungen 
im  Gesicht,  Conjunctiva  und  an  der  Brust.  Über  der  rechten  Lungenspitze 
Schallverkürzung,  Milz  tastbar.  Perkussion:  9  :  11  em.  Fieber  bis  31./I. 
andauernd.  Tumor  am  Obeiarm  vollständig  rückgebildet.  Am  7./1I.  sind 
auch  die  übrigen  Knoten  verschwunden,  doch  daneben  sind  neue  auf* 
getreten,  desgleichen  treten  die  ganze  Zeit  immer  wieder  frische  Blu- 
tungen auf. 

25./II.  bis  8./I1I.  Wegen  ausgebreiteter  tiefer  Phlegmone  an  der  rechten 
Halsseite  auf  die  chirurgische  Klinik  transferiert ;  wahrend  der  ganzen 
Zeit  wiederholt  hohe  Fiebertemperaturen.  Blutungen  fortbestehend,  so 
daß  das  ganze  Gesicht  dunkelblanfleckig  ist.  Blutungen  in  der  Mundhöhle 
und  in  beiden  Tonsillen,  Tonsillen  dadurch  stark  vergrößert,  blaurot 
aussehend.  An  den  Lungen  ein  infiltrierender  Prozeß  im  Fortschreiten 
begriffen,  kein  Auswurf.  Temperaturen  meist  hoch. 

3./IV.  Der  Lungenprozeß  schreitet  weiter  vor,  im  Sputum  Tuberkel- 
bazillen,  fortgesetzt  hohe  Temperaturen,  zwischen  89*2  und  38*0.  Die 
Hauttumoren  fast  vollständig  resorbiert,  der  Kranke  kommt  stark 
herunter.  Am  l./V-  Auftreten  von  anscheinend  über  Nacht  entstandenen, 
blassen,  derben,  oder  leicht  rötlich-grauen  Flecken,  unter  welchen  eine 
derbe,  harte  Infiltration  zu  tasten  ist,  desgleichen  sind  außer  im  Gesicht 
auch  an  zwei  Stellen  des  Körpers,  Brust  und  Oberarm  sehr  rasch  solche 
in  der  Mitte  abgeblaßte  derbe  Knoten  entstanden,  die  sich  insgesamt 
sehr  rasch  zurückbilden.  (Urticaria?)   Die  anfangs  vorhandenen  Tumoren 


1 


46  Ereibich. 

fast  alle  Tenchwanien,    auch  die  ip&ter  entstandenen  fast  Töllig  wieder 
in    Rückbildung,     Proseß    in    den    Lungen    rasch    fortschreitend,    neue 
Blutungen,  Ödeme  an  den  FÜßAu,  enorme  Abmagerung,  nächtliche  Schweiße 
und  meist  fortgesetzt  hohe  Temperaturen. 
80./V.  Exitns. 

Obduktionsbefund:  Hautverändemugen  s.  oben.  Am  Schädeldach 
eine  schwarze  Narbe,  welche  Eohlenstücke  enthält.  Oehim  nichts  Abnormes. 
Pleurahöhle  enthäUt  17t  ^  serös  getrabte  Flüssigkeit.  Pleura  mit  Fibrin 
bedeckt.  Lunge  zeigt  neben  Bronchitis  diffusa  und  einer  beginnenden 
Pneumonie  des  rechten  Unterlappens  Zeichen  einer  subakuten  Tuberkulose 
in  Form  einzelner  oder  in  Gruppen  angeordneter  Knötchen.  Peribron- 
chiale Lymphdrüsen  vergrößert,  anthrakotisch,  hart,  nicht  tuberkulös 
vorändert.  Seitliche  Halslymphdrüsen  mäßig  geschwellt,  rot,  sukkulent, 
follikuläre  Zeichnung  anscheinend  da  und  dort  erkennen  lassend.  Lymph- 
drüsen in  der  Supraclaviculargegend  und  im  vorderen  Mediastinum  bis 
zu  Nußgröße  angeschwollen,  derb,  gut  begrenzt,  auf  dem  Durchschnitt 
gelb-weiße  zentral  opake  Partien.  Herz  normal.  Peritoneum  pariet.  et 
viscerale  vielfach  mit  graulichen  derben  Enötoheu  besetzt.  In  der  Leber 
hirsekomgroße,  daneben  aber  auch  kirschkomgroße  taberkulöse  Knoten. 
Periportale  Lymphdrüsen  vergrößert,  derb,  gegeneinander  gut  abgrenzbar, 
auf  dem  Durchschnitt  weiß -gelb  mit  zentralen,  opaken,  trockenen  Partien. 
Milz  vergrößert  710  g,  derb,  Parenchym  dunkelrot,  Trabekularzeichnung 
deutlich,  hirsekorngroße  und  haselnußgroße  Knoten  vom  Charakter  der 
Tuberkulose.  Nieren  ohne  Befund,  desgleichen  Nebennieren  und  Pankreas. 
Darm  Schleimhaut  blaß,  Follikel  apparat  nicht  vergrößert.  Mesenterial- 
dräsen  zahlreich,  klein,  grau -weiß,  derb,  ohne  Zeichnung.  Inguinaldrüsen 
vergrößert,  rötlich  derb,  succulent,  auf  dem  Durchschnitt  grau-weiß. 
Knochenmark  der  spongiösen  Knochen  rot,  in  den  beiden  Femora,  der 
1.  Tibia  und  Fibula  intensiv  rot,  in  den  genannten  Knochen  und  im 
Sternum  da  und  dort  bis  erbsengroße,  weißliche,  derbe  Knoten  zeigend. 
Sämtliche  Organe  subikterisch  gefärbt. 

Bluthefund:  8./I.  (4  Tage  nach  der  Aufnahme).  R.  4,900.000, 
W.  6.800,  große  Lymphocyten  SdVoi  kleine  Lymphocyten  467oi  neutrophil. 
Leuk.  247o»  eosinophil.  Leuk.  T'/o« 

16./I.  R.  8,900.000.  W.  6.200.  Die  Zahl  der  Lymphocyten  im  Ver- 
hältnis zu  der  der  Leukocyten  ist  jetzt  derart  vermehrt,  daß  von  letzteren 
nur  ausnahmsweise  einer  im  Gesichtsfeld  erscheint. 

18./IL  R.  8,692000,  W.  6.600,  Myelocyt  l-öV^i  Polynucl.  neutroph. 
Leuk.  50*0^/o,  eosinoph.  Leuk.  l'O^oi  Lymphocyten  46*6%}  große  Lympho- 
cyten 266V«i  kleine  Lymphocyten  iOOVo- 

29./in.  R.  1,250.000,  W.  4.000.  (Patient  fiebert  wegen  Tuberkulose 
der  Lungen  fast  konstant.) 

6./IV.  R,  1,731.000,  W.  3.800,  Polynucl.  Leukocyten  öO'/o,  große 
Lymphocyten  307oi  kleine  Lymphocyten  207o* 

10./IV.  R.  1,270-000,  W.  8.900. 

18./IV.  R.  1,140.000,  W.  3.850. 


über  HantverftoderuDgen  bei  Pseadoleukämie  etc.  47 

27./IV.  R.  1,600000,  W.  3.900. 

18./V.    R.  1,800.000,  W.  2.900. 

29./V.    R.    724.000,   W.  1.900. 

d0./V.  £xita8. 

Anatomie  der  Haatveränderungen:  Sämtliche  Tumoren 
und  Infiltrationen  rind  durch  eine  einheitlich  gleiche  Zelle  bedingt.  Sie 
besitzt  einen  verh&ltnismäOig  großen,  sich  intensiv  färbenden,  runden  ein- 
sigen Kern,  und  einen  geringen  Protoplasmasaum;  sie  entspricht  im 
Aussehen  und  farberischen  Verhalten  den  kleinen  Lymphocyten;  neben 
ihr  finden  sich  keine  weiteren  Zellgattungen,  abgesehen  von  den  roten 
Blutkörperchen,  die  in  verschieden  großer  Zahl  vorhanden  sind;  es  fehlt 
jede  Spur  von  Proliferation  seitens  des  fixen  Gewebes;  die  Infiltrations- 
zellen zeigen  nirgends  regressive  Erscheinungen,  sondern  besitzen  in 
älteren  und  jüngeren  Tumoren  die  gleiche  Beschaffenheit. 

Der   Prozeß   ist   eine    Infiltration    der   Haut    mit    diesen 

Zellen,   wobei   das   ursprüngliche  Gewebe   erhalten   bleibt. 

Dieses  Gewebe   kommt  in  dieser   Beschaffenheit   wieder  zum  Vorschein, 

wenn  sich  die  Tumoren  unter  Fieber  zurückbilden.  Die  Tumoren  zeigen 

nach  Alter  und  Dauer  Unterschiede,  die. im  wesentlichen  nur  quantitative 

sind.  Die  ersten  Infiltrationsherde  treten  um  die  Schweißdrüsen,  um  den 

tiefsten  Teil  der  Follikel   herum  und  längs  der  Gefäße  des  tiefen  Gefäß - 

netzes  auf. 

Von  dort  aus  wird  das  Fettgewebe,  von  den  aufsteigenden  Gefößen 

die  Cutis  propria  und  endlieh  vom  Papillargefaßnetz  aus  der  untere  Teil 
des  Papillarkörpers  infiltriert.  Die  Infiltration  reicht  nirgends  bis  zur 
Epidermis,  sondern  unter  der  Epidermis  bleibt  der  obere  Teil  des 
Papillarkörpers  frei,  worauf  mit  einer  ziemlich  scharfen  Grenze  die  Infil- 
tration einsetzt;  in  allen  Tumoren  ist  das  fixe  Gewebe  infolge  der  inten- 
siven Infiltration  nur  undeutlich  zu  erkennen,  wo  letztere  etwas  geringer 
wird,  kommen  wieder  die  Gutisbündel  zum  Vorschein,  durch  Züge  infil- 
trierender Zellen  auseinander  gedrängt.  Wie  schon  angedeutet,  finden 
sich  in  manchen  Tumoren  reichlich  gut  erhaltene  rote  Blutzellen,  nach 
dem  plötzlichen  Auftreten,  z.  B.  nach  einem  schweren  Stuhlgang  usw. 
stammen  sie  aus  Blutungen  durch  GefUßzerreißung.  Auch  in  anscheinend 
vollkommen  normalen  Hautpartien  finden  sich  Infiltrationsherde,  z.  B. 
um  die  Schweißdrüsen,  um  die  Follikel  oder  längs  der  Gefäße. 

Die  beschriebenen  Hautveränderungen  sind  vollkommen 
die  gleichen  wie  in  einem  von  uns  vor  Jahren  publizierten  Fall 
von  lettkämischen  Tumoren  der  Gesichtshaut.  In  diesem  letz* 
leren  Fall  war  der  Blutbefund  folgender  R  =  3,400.000, 
W=  120.000,  R  :  W=  28  : 1.  Lymphocyten  92%.  Keine  eosi- 
noph.  Zellen,  keine  Markzellen  ;  somit  der  Befund  einer  lympha- 
tischen Leukämie  mit  Vermehrung  der  weißen  Blutkörperchen. 
In  dem  oben  beschriebenen  Falle  fanden  sich  Hautveränderungen 


48  Kreibich. 

kongruenter  Art,  im  Blut  fehlt  aber  die  Vermehrung  der  weißen 
Blutkörpercheuv  hingegen  findet  sich  auch  in  diesem  Fall,  ebenso 
wie  in  dem  anderen,  eine  Vermehrung  der  Lymphocyten  69%, 
und  wir  schließen  uns  somit  YoUkommen  der  AuffiapSsung  Yon 
Pinkus  an,  obigen  Fall  als  Pseudoleukämie  und  als 
einen  nur  quantitatiy  von  der  lymphatischen  Leukämie  yerschie-^ 
denen  Zustand  aufzufassen.  Pinkus  stützt  seine  Auffassung 
besonders  auf  einen  von  Pfeiffer  beschriebenen  Fall:  Lym- 
phome an  KinUi  Hals,  Achselhöhlen,  Leisten,  Tumoren  der 
Nase,  Wangen,  Augenbrauen,  Kinn,  Mamma  dem  Wesen  nach 
aus  Lymphocyten  gebildet.  Blutbefiind  R  =  5,000.000,W  =  5000 
bis  6000.  Verhältnis  =  700  :  1.  Lymphocyten  60%.  Unser  Fall 
gleicht  dem  von  Pfeiffer  sehr,  und  ist  somit  eine  weitere 
Stütze  für  die  Richtigkeit  der  Auffassung  von  Pinkus.  Eigen- 
artig ist  unser  Fall  durch  den  Ausgang  in  Leukopenie  (W=  1000). 
Bedingt  dürfte  derselbe  durch  die  komplizierende  Tuberkulose 
mit  dem  wochenlangen  Fieber?erlauf  sein,  unter  welchem  auch 
sämtliche  Hautveränderungen  zum  Schwinden  gelangten ;  da  das 
Fieber  fast  kontinuierlich  war,  die  Kachexie  rasch  zunahm,  kam 
es  trotz  der  Resorption  der  Hauttumoren  zu  keinem  Lympho- 
cytenanstieg^  wie  Lins  er  dies  in  einem  ähnlichen  Fallenach 
wiederholter  fieberhafter  Lungenaffektion  konstatierte.  Es  muß 
natürlich  offen  bleiben,  ob  ohne  diese  fieberhafte  Komplika- 
tion die  Pseudoleukämie  z«  B.  in  akute  lymphatische  Leukämie 
übergegangen  wäre,  wie  dies  in  den  Fällen  von  Mosler, 
Fleischer,  Pentzoldt  und  Kümmel^  Übergang  eines 
quantitativ  normalen  Blutbefundes  in  Leukämie  mit  dem  Ver- 
hältnis 1  :  9  oder  1 :  20,  sich  ereignete. 

Pinkus,  Limbeck,  Strauß  u.  a.  fordern  eine  Trennung 
der  lymphatischen  Leukämie  und  Pseudoleukämie  von  der 
myelogenen  Leukämie.  Dieser  Forderung  kommt  man  neuerer 
Zeit  immer  mehr  nach.  Obige  Auffassung  von  Pinkus,  deren 
Richtigkeit  sich  immer  mehr  herausstellt,  schließt  aber  noch 
eine  weitere  Forderung  in  sich.  Es  wurden  in  den  letzten 
Jahren  speziell  von  dermatologischer  Seite  vielfach  Erkran- 
kungen als  j^Pseudoleukämie**  beschrieben,  die  sich  durch 
Haut-  und  Blutbefund  von  obigen  Beobachtungen  (vergleich. 
Beobacht.  HI)   unterscheiden,   so  z.  B.   sind    die  Hautverände- 


Über  Hautverftndernngen  bei  Psendoleokämie  etc.  49 

rangen  nrticariell  juckender  Art,  and  der  Blatbefund  ist  ein 
normaler,  oder  es  fehlt  jedenfalls  die  Vermehrung  der  Lympho- 
cyten.  Aus  diesem  offenbar  zuweit  gefaßten  Begriff  i^Pseudo- 
leukämie^  müßten  obige  Fälle  und  diesen  gleiche  heraus* 
gehoben  werden,  was  vieUeicht^  da  man  sie  eben  noch  nicht 
als  lymphatische  Leukämie,  eher  nach  H  e  1 1  y  als  sublymphämiscbe 
Leukämie  bezeichnen  kann,  am  besten  durch  die  Bezeichnung 
lymphatische  Pseudoleukämie  geschehen  könnte. 


IL 

J.  Seh,  16  Jahre  alter  Buchdrucker,  wurde  am  33./I.  auf  die 
chirurgische  Klinik  aufgenommen ;  am  29./I.  wurde  durch  seitliche  Naaen- 
aufklappang  ein  Sarkom  des  Nasenrachenraumes  entfernt.  Etwa,  eine^ 
Woche  nach  der  Operation  bemerkte  Patient  über  der  Brust  eine  Anzahl  "^  1  ^'-^ 
von  roten  Knötchen,  von  welchen  einige  nach  mehreren  Tagen  yer-1 
schwanden.  Fünf  Tage  nach  dem  Auftreten  der  Knötchen  trat  eine' 
Schwellung  beider  Kniegelenke  auf.  Eltern  und  Geschwister  sind  voll- 
kommen gesund.  Über  den  Beginn  seiner  internen  Erkrankung,  Müdig- 
keit, Appetitverlust,  Abmagerung  weiß  Patient  keine  präzisen  Angaben 
zu  machen. 

Status  praesens  vom  23./II. :  An  dem  Kranken  ikWi  vor  allem 
die  hochgradige  allgemeine  Blässe,  Abmagerung,  Schwäche  und  Apathie 
auf.  Beide  Bulbi  etwas  vorgetrieben,  aus  beiden  Gehörgängen  dünner 
eitriger  Ausfluß;  sichtbare  Schleimhäute  blaß.  Rechts  von  der  Nase  eine 
Operationsnarbe,  beide  Naseneingänge  tamponiert,  Tampons  etwas  blutig, 
eitrig  durchtränkt.  Lunge  normal,  Milz  zwei  Querfinger  über  den  Rippen- 
bogen hinaus  tastbar,  Kniegelenke  nicht  mehr  deutlich  geschwollen,  an 
den  Füßen  Ödeme;  Harn:  Eiweiß  +,  Indik.  +,  Zucker  0. 

An  der  Haut  finden  sich  Veränderungen  und  Anomalien  mehrfacher  \ 
Art.    Eine  intensive   braune  Pigmentation  nimmt  den  Hals  ein,  läßt  die 
oberen  Brustpartien  frei,  setzt  am  Abdomen  wieder  ein  und  verliert  sich 
allmählich  gegen  die  Oberschenkel. 

Brust,  Bauch,  Oberschenkel,  die  Gegend  der  Skapnlae,  Kreuzbein- 
gegend tragen  eine  große  Zahl  von  Effloreszenzen,  die  sich  etwa  bis  zum 
Knie,  nicht  mehr  am  Unterschenkel,  nicht  am  Kopf  und  den  oberen  Ex- 
tremitäten finden.  Es  handelt  sich  um  flach  halbkugelformige,  meist  bis 
hellergroße  Erhabenheiten,  Knoten  von  kreisförmiger,  nicht  ganz  \ 
scharfer  Begrenzung,  von  brannvioletter  düstererythemartiger  Farbe,  von 
etwas  stärker  glänzender  Oberfläche,  welche  die  normale  Hautzeichnung 
in  geringerer  Deutlichkeit  aufweist.  Die  Knoten  stehen  teils  einzeln, 
teilt  in  Gruppen,  auch  in  Bogenlinien.  Sie  fühlen  sich  derb  an,  reichen 
bis  in  die  oberen  Schichten  der  Haut,  die  über  ihnen  nicht  abhebbar  ist, 

Arch.  f.  Dermat.  n.  Syph.  Bd.  LXXXIX.  a 


^     I 


50  Kreibich. 

machen  aber  auch  andererseits  den  Eindmok,  bis  ins  Unterhautgewebe 
EU  reichen.  An  manchen  ist  die  Erhebung  über  das  Hantniveau  sehr 
gering,  dafür  reichen  sie  wieder  tiefer  hinab.  Viele  sind  in  Hinsicht  der 
Färbung  und  Resistens  nur  angedeutet  und  es  finden  sich  cu  den  ent- 
wickelten Knoten  alle  Übergänge. 

Die  Knoten  am  Oberschenkel  aeigen  eine  mehr  schiefeigraue  Farbe. 
An  beiden  Unterschenkeln  eine  größere  Anzahl  Ton  hellbraunen,  siemlich 
scharf  begrenzten  Flecken,  deren  Oberfläche  leicht  eingesunken,  etwas 
glänsend,  deutlicher  gef&ltelt,  leichter  faltbar  ist;  mit  dem  darüber 
streifenden  Finger  hat  man  das  Qefuhl,  in  eine  seichte  Grube  zu  ge- 
langen; von  entzündlichen  Erscheinungen  an  diesen  Herden  keine  Spur, 
manche  der  Flecke '^erreichen  eine  Länge  Ton  8  cm  und  eine  Breite 
von  1  om.  An  der  Tnnnnnm'tnjij^erfciini  {\tt\  solche  hellbraun  pigmen- 
tierte bis  kronengroße  F|iiw5V  ^^*^  ^'W^i^Halsseiten  vergrößert, 
derb,  die  übrigen  normy  O        — ^^<Krw_       '^C^V 

Blutbefund:  R— ß,l?0.O0O.  W  — 17.900,  rTM-»  136:1. 

Von  den  weS^  BlUsä^ai^äiD&ten  V 1   .   .    4% 

polynuol  neutroph«  Leukocyten  ^.  /   .   .  IS^/^ 

mononacK^M^ino^TXeukoqvtenyr  .   .   .    2^/^ 

polynucl.  eodtAQj^£e^^^aa<  .   .  .   .    l"57o 

Lymphocyten 74*57o 

davon  kleine 18% 

große 50% 

mit  gelappten  Kernen  .    6'67«« 

94./II.  Sämtliche  Herde  in  Abnahme  begriffen,  blässer,  kakaofarben. 
25./II.  Herde   neuerlich    flacher   und   blässer,    aber  noch  deutlich 
palpabel.    Unter  raschem  Kräfteverfall 
8./III.  Exitus. 

Auszug  aus  dem  Sektionsprotokoll  vom  4.  März  1907: 

An  dem  Sägeschnitt  in  der  Diploe  der  Parietalknochen  einzelne 
Yt  cm  im  Durchmesser  haltende  grangelbliche  Flecke,  ähnliche  Flecke 
durch  die  Parietalknochen  durchschimmernd.  Die  Tonsillen  mäßig  ver- 
größert, sonst  aber  makroskopisch  nicht  weiter  verändert.  An  der  oberen 
Pbarynxwand,  auf  die  hintere  und  seitliche  Wand  übergreifend,  ein  bis 
8  cm  hoher,  höckeriger,  nach  der  Peripherie  an  Dicke  abnehmender,  weiß« 
lieber  Tumor  von  mittelfester  Konsistenz,  welcher  nach  oben  auf  den 
Keilbeinkörper  Übergreift,  dessen  untere  Hälfte  durchwächst,  nach  vom 
in  das  Siebbein  eindringt  und  zum  Teil  die  Choanen  verschließt.  An  den 
Resten  des  Septums  (durch  die  Operation  entfernt)  und  an  den  Nasen- 
muscheln  knötchenförmige  Verdickungen.  Die  obersten  Halslymphdrüsen 
beiderseits  vergrößert  und  von  grauweißlichen  Flecken  durchsetzt.  In 
der  Wand  des  linken  Herzventrikels  drei  bis  über  1  cm*  große,  fast  die 
ganze  Dicke  des  Myokards  durchsetzende  weiße  Tumorknoten.  Die 
peribronchialen  Lymphdrüsen  nicht  besonders  vergrößert,  einige  stark 
verkalkt  Lungen  ohne  Besonderheiten. 


über  Haotveränderangen  bei  Pseadoleokämie  etc.  51 

Auf  der  oberen  Fläche  des  Zwerchfelles  findet  «ich  ein  rundlicher,  27t  o"* 
im  Dnrohmesier  betragen  ier,  weißlicher,  siemlich  weicher  Gdsohwnlstknoten. 
Leber  normal,  Milz  vergrößert,  ohne  Tamoren.  Beide  Nieren  gleichmäßig 
Tergröflert,  ihre  Kapsel  leicht  abziehbar.  Die  Oberfläche  von  buntem  Ans- 
tehen, indem  auf  einem  trnbweißgelblichen  Grunde  zahlreiche,  durch  stark 
injizierte  Gefäße  bedingte,  duakle  Flecke  aufgetreten  sind.  Die  Schnitt* 
fläche  läßt  kaum  die  normale  Zeichnung  erkennen,  indem  nur  yer* 
einzelte,  blasse  Markpartien  noch  erhalten  sind.  Das  übrige  Parenchym 
erseheint  durch  eine  blaßgraugelbliche  oder  weißgelbliche  Masse  diffos 
infiltriert.  Nebennieren  normal.  Im  rechten  Hoden  ein  etwa  linscDgroßes, 
weißliches,  derbes  Knötchen.  Die  Schleimhaut  des  Magens  sehr  blaß^ 
mit  sahireichen  flachen  Höckern  und  Wähtea  bedeckt,  im  ganzen  derber* 
Auf  dem  Durchschnitt  erscheint  die  Magenwand  im  ganzen  dicker, 
weißlich  infiltriert  Die  Infiltration  liegt  anscheinend  unter  der  Mukosa, 
die  nirgends  exulceriert  ist.  Die  mesenterialen  Lymphdrusen  nicht  ver* 
ändert,  ebensowenig  die  retroperitonealen  und  inguinalen  Lymphdrüsen. 

Vom  Knochensystem  wurden  untersucht :  Schädel,  Sternum,  mehrere 
Rippen  und  Wirbel,  beide  Humeri  und  Oberschenkelknochen.  Im  Sternum, 
in  den  Rippen  nnd  Wirbeln  finden  sich  zerstreute,  weißlich-gelbe  Flecke. 
In  beiden  Oberschenkelknochen  ist  das  Knochenmark  von  zahlreichen, 
größtenteils  konfluierten,  gel  blich- weißen  derberen  Herden  durchsetzt  und 
zeigt  außerdem  einige  dankelrote  Flecke;  der  spongiöse  Knochenteil  an 
beiden  Enden  von  graugelblichen  Flecken  durchsetzt.  Ebenso  beschaffen 
sind  beide  Humeri.  Im  oberen  Enle  des  r.  Femnrs  erscheint  das 
Knochenmark  auf  eine  Strecke  von  4  em  trüb  gelbgrau,  homogen,  wie 
nekrotisch  infarziert;  diese  Partie  ist  ziemlich  scharf  umschrieben  und 
zeigt  einen  mehr  grauweißlichen  Saum;  einen  ebenso  beschaffenen,  nur 
etwas  größeren  Herd  findet  man  im  oberen  Teil  des  linken  Homerus. 

Histologisch  liegt  bei  dem  anscheinend  primären  Tnmor  des 
Rachens  eine  rundzellige  Geschwulst  vor.  Verglichen  mit  den  kleinen 
Lymphocyten  der  leukämischen  Tumoren  ist  der  Kern  der  Geschwulstselle 
etwas  größer,  er  färbt  sich  nicht  so  intensiv  mit  basischen  Farben,  das 
Chromatingernst  ist  weitmaschiger  nni  gröber,  und  das  Protoplasma  er- 
scheint etwas  reichlicher,  ohne  deutliche  Granulierung.  Die  Zellen  liegen 
dicht  nebeneinander,  manchmal  anscheinend  etwas  gruppiert,  dazwischen 
spärliches  Stroma,  oder  das  durchwachsene  Gewdbe,  Muskulatur,  Fascie 
and  Bindegewebe,  zwischen  dessen  gröberen  Zügen  die  Tumorzellen  reihen- 
artig, sich  gegenseitig  etwas  abplattend,  eindringen.  Auffallend  ist  die 
große  Zahl  von  Mitosen.  —  Die  gleiche  Zellform  findet  sich  in  den  infil- 
trierten Lymphdrüsen  nnd  hier  fallt  der  Unterschied  zwischen  Lympho- 
cyten nnd  Tumorzellen  sehr  deutlich  auf.  In  gleicher  Weise  erscheint 
fast  das  ganze  Nierengewebe  durch  die  beschriebenen  Tumorzellen  in- 
filtriert, ersetzt  nnd  verdrängrt;  im  Herzen  dringt  die  Metastase  in  Form 
eines  breiten  Keils  vom  Perikard  in  das  Myokard  ein,  wobei  sich  die 
Zellen  in  langen  Zügen  zwischen  die  Mnskelbündel  einschieben.  Nacb 
Angabe  der  pathologischen  Anatomen  zeigte  die  Magenwand   eiue  dichte 

4* 


52  Kreibich. 

Infiltraticn  besonders  der  tieferen  SohleimhAnttchichten.  Die  Haatver- 
indernngen  waren  zweierlei  Art;  die  eine  Fornii  welche  den  oben  in 
der  Krankengeschichte  genauer  beschriebenen  Knoten  entspricht,  soll 
später  erörtert  werden;  jene  Yeranderangen,  welche  den  in  den  inneren 
Organen  gefundenen  gleichzustellen  sind,  waren  klinisch  nicht  wahr* 
nehmbar  nnd  worden  bei  der  Untersuchung  anscheinend  normaler  Haut 
aufgefunden.  Da  sie  sich  in  einem  großen  ans  der  Bauchhaut  excidierten 
St&ck  überall  vorfanden,  so  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  daß  sie  universell 
▼orhanden  waren. 

Abgesehen  von  der  auch  klinisch  beschriebenen  Hyperpigmentation 
fand  sich  überall  eine  verschieden  intensive  Infiltration  des  Fettgewebes^ 
mit  einer  Tumorselle  von  der  oben  beschriebenen  Beschaffenheit. 
Vielleicht  war  hier  die  Zahl  der  Mitosen  eine  noch  größere  und  ab  und 
zu  eine  Zelle  in  regressiver  Metamorphose  in  Form  von  tröpfchenformiger 
Auflösung-  des  Chromatinnetzes ;  besondere  distinkte  Granulationen 
im  Protoplasma  fanden  sich  auch  hier  nicht;  es  fand  sich  auch  sonst 
keine  andere  Zellart,  als  die  beschriebene  Tnmorzelle.  In  gleicher  Weise, 
wie  im  Fettgewebe,  fanden  sich  InfiUratiunsherde  um  die  Schweißdrüsen, 
größer  und  deutlicher  um  die  Hasrfollikel,  und,  allerdings  in  sehr  ver- 
schiedener Intensität  und  Breite,  längs  der  Gefäße.  Manchmal  sind  die 
Gefäße  bis  zum  oberflächlichen  Nets  nur  von  wenigen  Zellen  umgeben, 
an  anderen  Stellen  von  einem  dichten  Mantel  eingescheidet,  an  diesen 
Hantstücken  ist  dann  auch  das  Fettgewebe  intensiver  infiltriert  und  es 
finden  sich  im  Papillarkörper  kleine  runde,  scheinbar  von  den  Ge- 
fäßen mehr  selbständige  Infiltrationsherde.  Nirgends  entzündliche  Yer- 
änderuDgen,  nirgends  reaktive  Veränderungen  seitens  des  fixen  Gewebes, 
auch  an  den  stärker  infiltrierten  Hautstellen  bleibt  der  Papillarkörper  frei» 

Davon  vollkommen  verschieden  ist  die  Histologie  der  in  der 
Krankengeschichte  beschriebenen,  nach  Angabe  des  Patienten 
plötzlich  und  unter  Fieber  aufgetretenen,  knotenförmigen,  schmerzhaften, 
bläulichroten,  später  kakaofärbigen  Infiltraten.  Ein  solcher  Knoten  wurde 
noch  intra  vitam  exzidiert  nnd  dürfte,  wenn  anders  er  im  ersten  Aus* 
bruch  entstanden  ist,  ein  Alter  von  2^/|  Wochen  gehabt  haben.  Zum  Unter- 
schied von  obigen  Veränderungen  ist  der  Sitz  dieser  Erkrankung  vorwiegend 
der  Papillarkörper,  derselbe  ist  streckenweise  diffus,  gegen  den  Rand 
zu  herdweise  erkrankt.  Die  Infiltration  besteht  vorwiegend  ans  langen 
spindeligen  jungen  Bindegewebszellen  und  mehr  elliptischen  oder  rundlichen 
epitheloiden  Zellen  der  gleichen  proliferativen  Abkunft;  an  vielen  Punkten 
zeigen  die  Zellen  mehrere  Kerne  und  es  finden  sich  auch  deutliche  Riesen- 
zellen in  nicht  sehr  großer  Zahl,  häufiger  in  den  Herden  um  die  Follikel,, 
bei  welchen  auch  das  spindelzellige  Plasmom  am  deutlichsten  ausge- 
prägt ist. 

Zwischen  den  Spindelzellen,  die  sich  deutlicher  mit  Eosin  farbeik 
und  am  Rand  der  Herde  finden  sich  exsudative  Rundzellen,  mehr  mono- 
nnkleär  als  vielkemig,  auch  Plasmazellen  in  wechselnder  Anzahl  und 
spärliche  Mastzellen.  In  der  Mitte  größerer  Herde  finden  sich  Andeutungea 


über  HaatverändeniDgen  bei  Pseadolenkämie  etc.  6S 

von  regressiven  Yerändeningen,  Anflösang  der  Kerne,  schlechtere  Färbbarkeit 
derselben.  Diese  Erscheinung  ist  aber  nur  bei  stärkerer  Vergrößerang  2a 
konstatieren,  nirgends  tritt  die  Veränderung  als  sentrale  Massennekrose 
in  Erscheinung.  Das  Infiltrat  setzt  sich  auch  in  die  Papillen  fort,  dieselben 
sind  verlängert,  ihr  Qewebe  ist  ödematös  zu  einem  feinen  Netz  aufge- 
lockert, rareficiert,  mittendurch  zieht  das  Papillargeflß,  von  spindeligen 
Zellen  begleitet,  die  von  hier  aus  auch  seitlich  abzweigen.  An  anderer 
Stelle  sind  auch  die  Papillen  dicht  von  Spindelsellen  infiltriert,  dann  ist 
auch  die  Epidermis  von  Rundzellen  durchsetzt.  An  zwei  Stellen  war  die 
Epidermis  parakeratotisch,  die  untere  Grenze  verwischt,  in  den  Infiltrat- 
sellen fanden  sich  die  oben  erwähnten  nekrotischen  Zellveränderungen, 
und  das  ganze  bildete  zusammen  mit  etwas  reichlicheren  Rundzellen  ein 
eingesunkenes  Börkchen ;  den  ödematös  verlängerten  Papillen  entsprachen 
akanthotisch  verlängerte^Retezapfen.  Am  Rand  der  Knoten  einzelne  um- 
schriebene Herde,  im  Papillarkörper  ebenfalls  aus  Spindelzellen  und  spär- 
lichen Rund-  und  Plasmazellen  bestehend.  Abgesehen  von  den  follikulären 
Herden,  die  sieb  durch  die  ganze  Breite  der  Cutis  propria  erstrecken,  war 
letztere  frei,  auch  das  Fettgewebe  zeigte  keine  besonderen  Veränderungen. 
Hingegen  fand  sich  das  gleiche  Infiltrat  wieder  an  einer  umschriebenen 
Stelle  einer  kleinen  Arterie  an  der  Cutis- Snboutisgrenze,  es  besteht  auch 
hier  ans  spindeligen  und  epitheloiden  Zellen  und  spärlichen  Rundzellen, 
tritt  zuerst  an  einer  Stelle  der  Gefäß  wand,  im  Verlauf  der  Serie  an  einer 
zweiten  auf  und  wird  dann  zirkulär.  Anfangs  in  den  äußersten  Schichten 
der  Gefäßwand  gelegen,  ergeben  die  späteren  Schnitte  ein  Übergreifen  des  In- 
filtrates auch  auf  die  Media  und  sieht  man  dasselbe  an  einer  umschriebenen 
Stelle  bis  nnter  das  Endothel  nach  innen  gegen  das  Gefaßlumen  zu  vordringen. 
Zahlreiche  Präparate  auf  Tuberkelbazillen  untersucht,  ergaben  ein  negatives 
Resultat;  hingegen  ergab  sich  für  das  Verständnis  dieses  Exanthems 
weiter  folgendes.  Bei  der  Sektion  zeigte  der  Rachentumor  beim  Durch* 
ftchnitt,  ziemlich  in  seiner  Mitte  gelegen,  eine  etwa  erbsengroße  Erwei- 
chnngshöhle,  die  mit  einem  gelblich-weißen  Eiter  erfällt  war.  Histologisch 
fand  sich  diese  Höhle  umgeben  von  einem  Infiltrat,  das  ähnlich  wie  jenes 
in  der  Hant  aus  geblähten,  acidophilen,  spiudeligen  oder  epitheloiden 
Zellen  bestand,  ab  und  zu  eine  Riesenzelle.  Diese  Art  von  Infiltrat  ist 
am  deutlichsten  an  der  größten  offenbar  ältesten  Zirkumferenz  der  Höhle^ 
gegen  die  Pole  zu  ist  die  Zahl  der  epitheloiden  Zellen  geringer,  auch  die 
spindeligen  Zellen  sind  weniger  dicht,  oder  es  hat  sich  überhaupt  noch 
kein  derartiges  deutliches  Proliferat  ausgebildet,  wohl  aber  zeigt  die 
durch  das  Tumorgewebe  gebildete  Randbegrensung  deutliche  nekrotische 
Erscheinungen,  schlechte  Färbbarkeit  der  Kerne,  erhöhte  Acidophilie  des 
Protoplasmas,  auffallend  ist  die  ganz  geringe  Anzahl  von  polynukleären 
Lenkocyten  und  von  entzündlichen  Rundzellen  überhaupt,  besonders  da 
die  Höhle  in  größer  Menge  kurze  Ketten  eines  gramnegativen  Strepto- 
coeens  und  Häufchen  kurzer  Bazillen  enthällt;  Tuberkelbazillen  wurden 
trotz  eifrifgsten  Snchens  nicht  gefunden  (vergleiche  Taf.  V). 


54  Kreibioh. 

Nach  dem  mitgeteilten  Sektionsbefund  würde  sich  der  Fall 
als  eine  Lymphosarkomatose  im  Sinne  Kundrat-Paltanfs 
darstellen.  Damit  stimmt  nberein:  die  Lokalisation  des  primären 
Tumors  an  der  seitlichen  Pharynxwand,  sein  Übergreifen  auf 
die  Umgebung,  Infektion  der  Lymphdrüsen,  Erkrankung  anderer 
Organe  ohne  so  ausgebreitete  Verallgemeinerung  wie  bei  Leu- 
kämie, flächenhafte  Infiltration  der  Magen-  und  Darm  Schleimhaut 
mit  Verdickung  und  Erstarrung  der  Wand  ohne  Strikturbil- 
düng,  Nichtbeteiligung  der  Milz  und  Leber,  nur  herdweise 
Erkrankung  des  Knochenmarkes,  die  Geschwulstzellen  sind  größer 
als  Lymphocyten,  der  Kern  ist  blasser  gefärbt,  zeigt  deutlichere 
Struktur,  ist  größer  als  der  der  kleinen  Lymphocyten,  Fehlen 
Ton  spontanen  regressiven  Erscheinungen  u.  a.  m.  Nicht  damit 
stimmt  überein  der  Blutbefund.  In  dieser  Bichtung  liegen  bei 
Lymphosarkomatosis  wenige  klinische  Beobachtungen  vor. 

Eine  noch  später  zu  besprechende  Beobachtung  läßt  es 
fraglich  erscheinen,  ob  der  Fall  Canon  (Lymphosarkom) 
W  :  R  =  1 :  100 ;  70%  polynukleäre  Leukocyten,  überhaupt  hier- 
hergehört. Hingegen  fand  Limb  eck  eine  auffallende  Ähnlich- 
keit zwischen  dem  Blutbefund  der  Lymphosarkomatose  und 
der  lymphatischen  Leukämie,  auch  Türk  fand  in  einem  Fall 
von  Lymphosarkomatose  eine  Vermehrung  der  Lymphocyten, 
wie  sie  der  lymphatischen  Leukämie  zukommt,  freilich  in  einem 
anderen  Fall,  ähnlich  wie  Pinkus,  eine  Lymphocyten  Vermin- 
derung; bezüglich  dreier  Fälle  vonGravitz  mit  hochgradiger 
Vermehrung  der  polymorphkernigen  Leukocyten  sei  wie  oben 
auf  den  noch  zu  beschreibenden  dritten  Fall  verwiesen. 

Ans  dieser  Zusammenstellung  ergibt  sich  somit  bei  Lympho- 
sarkomatosis häufiger  eine  Vermehrung  der  Lymphocyten  und 
auch  damit  würde  unser  Fall  noch  übereinstimmen.  W :  R  = 
1 :  132,  Lymphocyten  74'57o-  Berücksichtigt  man  im  Blutbild 
aber  das  Überwiegen  der  großen  Lymphocyten  50%  (kleine 
187o)i  80  scheint  der  Fall  zu  jenen  Beobachtungen  von  Lympho- 
sarkomatosis zu  gehören,  die  nach  Sternberg- Pal  tauf  der 
Lenkosarkomatosis  zuzurechnen  wäre;  jedenfalls  spricht  der  Fall 
für  die  schwierige  Abgrenzung  beider  Krankheitsbilder,  insofern 
sich  die  Veränderungen  der  Lymphosarkomatose  mit  dem  Blut- 
befund der  Leukosarkomatose  kombinieren,   ob  der  Blutbefund 


über  Hautveränderangen  bei  Pseadoleakämie  eto.  65 

primär  zum  Krankheitsbild  gehört,  oder  sekundär  durch  die 
Metastasen  im  Knochenmark  bedingt  ist  (4%  Myelocyten),  muß 
dahin  gestellt  bleiben. 

Im  obigen  Fall  fand  ich  eine  Form  der  Hautbeteiligung, 
die  bisher  bei  Lymphosarkomatose  und  Leukosarkomatose  nicht 
beschrieben  erscheint,  obwohl  bei  ersterer  Befunde  anderer 
Art  bereits  vorliegen.  Sie  finden  sich  größtenteils  zusammen- 
gestellt in  der  Beschreibung  eines  Falles  von  Lymphosarkom 
durch  H er m.  Kaposi.  Es  fanden  sich  in  dem  Falle  H.  Ka- 
posi, primäres  Lymphosarkom  wahrscheinlich  yon  der  High- 
morshöhle ausgehend;  mehrere  erbsen-,  nu8-  bis  kindskopfgroße 
Hauttumoren;  in  einem  Falle  Rombergs  zahlreiche  bis  wal- 
nußgroße Tumoren  der  Haut,  in  beiden  Fällen  rasche  spontane 
Rückbildung;  gleichfalls  knotige  Tumoren  fanden  sich  in  je 
einem  Fall  ?on  Kutzner,  Löbker,  weiters  wurde  nach 
C.  S  t  e  r  n  b  e  r  g  bei  Lymphosarkomatose  beobachtet :  blasse  auch 
gelbliche  Farbe  der  Haut,  Hautpigmentierungen  wie  bei  Addi- 
son scher  Krankheit  (yergleiche  obige  Krankengeschichte),  Pem- 
phigus, Furunculosis,  Erythem,  Prurigo,  Miliaria,  Purpura, 
letztere  Erkrankungen  nicht  mehr  als  Ausdruck  der  sarkomatösen 
Erkrankung  der  Haut 

Hauttumoren  beschreibe!)  wieder  Fröhlich,  M.Joseph, 
Arning,  Unna  und  Pfeiffer,  deren  Zugehörigkeit  zur 
Lymphosarkomatose  nach  C.  Sternberg  allerdings  zweifelhaft 
ist.  Die  Hautveränderungen  obigen  Falles  blieben  klinisch  symp- 
tomlos, sie  bieten  somit  nur  anatomisches  und  bei  Vergröße- 
rung des  gesamten  Materiales  später  Tielleicht  auch  pathoge- 
netisches Interesse,  insofern  sie  zur  Klärung  der  für  die  ganze 
Erkrankungsgruppe  prinzipiellen  Frage,  ob  die  Erkrankungs- 
zeUen  in  loco  entstehen  oder  aus  dem  Blute  stammen,  bei- 
tragen können.  Bislang  kann  die  Frage  in  keinem  Sinne  mit 
Bestimmtheit  beantwortet  worden,  was  bis  jetzt  Torliegt,  reicht 
kaum  hin  die  Hypothesen  zu  stützen.  Es  enthält  auch  obige 
Beobachtung  keine  beweisenden  Tatsachen,  aber  sie  muß  in 
eine  der  beiden  Hypothesen  untergebracht  werden,  und  es  will 
uns  scheinen,  daß  dies  leichter  in  der  Ansicht  rom  hämato- 
genen  Ursprung  möglich  ist. 


56  Kreibicfa. 

Dafür  könnte  geltend  gemacht  werden  die  gleichmäBige 
Infiltration  Tielleicht  des  gesamten  Hautfettes,  dar  Beginn  nm 
die  Follikel  und  Schweißdrüsen,  als  Stellen  für  Embolie  dis- 
ponierter Zirkulation,  die  Einscheidung  der  GefaSe,  die  Tatsache, 
daß  die  Tumorzellen  sicher  keine  kleinen,  wahrscheinlich  aber 
auch  keine  normalen  großen  Lymphocyten  sind,  die  Tatsache, 
daß  die  Herde  im  Myokard,  im  Zwerchfell,  im  Knochenmark  den 
Eindruck  hämatogener  Metastasen  machen  usw.  Wie  erwähnt 
sind  das  insgesamt  keine  beweisenden  Momente  und  noch 
weniger  gestatten  sie  ohneweiters  einen  Rückschluß  auf  die 
leukämischen  Tumoren,  eine  befriedigende  Erklärung  aber  wird 
sie  in  sich  fassen  müssen,  das  gleiche  wird  bei  verwandten 
Fällen  zutreffen  müssen,  so  daß  eben  obige  wichtige  Frage 
vielleicht  erst  an  einem  großem  Material  zur  Beantwortung  kom- 
men kann. 

Im  obigen  Falle  fanden  sich  noch  Hautreränderungen 
anderer  Art,  in  Form  yon  plötzlich  unter  Fieber  aufgetretenen 
Eiythema  nodosumartigen,  entzündlichen  EnoteU;  deren  Gewebe 
Yorwiegend  aus  spindeligen,  jungen  Bindegewebszellen,  aus 
epitheloiden  Zellen,  Biesenzellen  und  Exsudatzellen  in  geringerer 
Zahl  und  ohne  charakteristische  Anordnung  bestand;  vorwie- 
gender Sitz  der  Erkrankung  der  Papillarkörper  und  die  Umge- 
bung des  Follikels.  Die  Erkrankung  maoht  den  Eindruck  einer 
Form  der  hämatogen  entstandenen  Hauttuberkulose  und  wir 
waren  in  der  günstigen  Lage  hiefür  noch  einiges  beizubringen, 
ähnlich  wie  Wolters,  A.  Kraus  bei  Lupus  das  erkrankte 
Gefäß  auffanden,  konnten  wir  an  einer  Arterie  des  tiefen  Netzes 
tuberkulöse  Veränderungen  durch  die  ganze  Dicke  der  Arterien- 
wand reichend  konstatieren  und  wir  waren  weiter  in  der  Lage 
die  Quelle  der  Embolie,  in  Form  einer  erbsengroßen  Abszeß- 
höhle im  Rachentumor  aufzufinden. 

Wenn  es  uns  auch  leider  nicht  gelang  in  der  Wand  der 
Abszesse  Tuberkelbazillen  nachzuweisen,  so  deutet  doch  die 
Abszeßwand,  die  sich  ebenso  wie  die  HautefSoreszenzen  aus 
epitheloiden  und  spindeligen  Zellen  und  aus  spärlichen 
Biesenzellen  zusammensetzt,  auf  einen  an  dieser  Stelle  und 
in  den  Hautmetastasen  einwirkenden  Reiz  hin.  Da  man 
schwerlich  den  vorgefundenen  Streptococcus  für  die  produktiven 


über  HaatTor&nderangen  bei  Pseadolenkämie  etc.  57 

Veränderangeii  Terantwortlich  machen  kann,  so  ist  die  Annahme 
nicht  ganz  unwahrscheinlich,  daß  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkt 
Taberkelbazillen  in  den  Tumor  gelangten,  lokal  und  auf  embo- 
lischem Wege  zu  den  beschriebenen  Veränderungen  führten. 
Möglich  daB  erst  die  sekundär  eingedrungenen  Streptokokken, 
die  Erkrankung  der  Kniegelenke  yeranlaßten,  welche  nach  Art 
eines  Gelenksrheumatismus  fünf  Tage  nach  dem  Auftreten  des 
Hautexanthems  erkrankten. 

Der  Vorgang  gewinnt  Interesse  mit  Rücksicht  auf  die  Yon 
C.  Sternberg  beschriebene  eigenartige  Tuberkulose,  deren  tuber- 
kulöse Natur  Yom  Autor  angenommen ;  femer  mit  Rücksicht  auf 
manche  als  Pseudoleukämie  beschriebenen  Fälle,  deren  Haut- 
yeiünderungen  spindelzellige  Granulome  waren,  deren  genaue 
ätiologische  Ej'itik  heute  aber  unmöglich  ist;  und  endlich  mit 
Rücksicht  auf  einen  jüngst  Ton  Groß  beschriebenen  Fall,  den 
er  Lymphogranulomatosis  cutis  nennt  und  dessen  Ätiologie 
noch  vollkommen  unklar  ist.  In  diesem  Falle  fanden  sich  keine 
Anhaltspunkte  für  Tuberkulose,  die  Hauteffloreszenz  bestand 
aber  auch  hier  nicht,  wie  nach  der  Klinik  des  Falles  zu  erwarten 
war  aus,  Rundzellen,  sondern  aus  einem  eigenartigen  Granulom 
mit  eigenartigen  Riesenzellen  und  Symptomen  chronischer  ent- 
zündlicher Reizung.  Es  geht  wahrlich  nicht  an,  darnach  diesen 
und  andere  Fälle  ohneweiters  zur  Tuberkulose  in  Beziehung 
zu  bringen,  es  soll  aber  doch  erwähnt  werden,  daß  auch  die 
HautveränderuDgen  obigen  Falles  bereits  schon  nach  einem 
Bestand  von  27,  Woche  vorwiegend  proliferativer  Natur  waren, 
vorwiegend  aus  jungen  Bindegewebszellen  bestanden,  also  viel 
eher  einem  fibrösen  Tuberkel,  als  z.  B.  einem  Lupus  miliaris  mit 
der  reichlichen  peripheren  Leukocytenemigration  und  mit  der 
zentralen  Nekrose  entsprachen.  Es  drückt  sich  darin  so  recht 
die  Verschiedenheit  der  Gewebsreaktion  gegen  das  tuberkulöse 
Virus  aus. 

Nach  seiner  klinischen  und  anatomischen  Form  ist  das 
Exanthem  viel  eher  dem  benignen  Sarkoid  von  C.  B  0  e  c  k  als 
dem  hämatogenen  Lupus  miliaris  zuzurechnen.  Damit  würde  über- 
einstimmen die  Zusammensetzung  aus  spindeligen  und  epitheloiden 
Zellen,  die  geringe  Menge  exsudativer  Elemente,  die  langsam 
sich    vollziehende   Auflösung    des  Zentrums    der    Herde,    die 


58  Kreibioh. 

Zurfickdrängang  des  Bindegewebee  bei  den  follikulären  Herden, 
das  plötzliche  ron  etwas  Jacken  begleitete  Auftreten  und  die 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  gemeinsame   tuberkulöse  Natur. 


m. 

J.  W.,  29  Jahre,  Arbeiter.  Im  Alter  yon  16  Jahren  erlitt  Patient 
einen  mächtigen  Stoß  gegen  das  linke  Ellbogengelenk.  Die  Gegend 
(Cnbitaldrüsen?)  entzündete  sich,  eiterte  nnd  es  bildeten  sich  Fisteln  aus, 
die  nach  einer  tiefen  Inzision  sn  Narben  führten.  Tor  swei  Jahren  Ter- 
spürte  Patient  ein  heftiges  Jacken  auf  den  Fußsohlen,  diese  Erkrankung 
verbreitete  sich  raach  über  den  ganzen  Körper  und  auch  auf  die  Kopf« 
hant,  Patient  kratzte  sich  wand  and  verspürte  nachher  Erleichterang. 
Yor  iVfl  Jahren  bemerkte  Patient,  daß  die  Lymphdrüsen  der  linken  Hals- 
seite sich  dermaßen  vergrößerten,  daß  sie  dem  Patienten  das  umdrehen 
des  Kopfes  unmöglich  machten ;  er  ließ  sich  operieren  und  die  Drüsen 
wurden  entfernt.  Bald  nach  der  Operation  verspürte  Patient,  daß  sich 
die  Halslymphdrüsen  rechts  sowie  die  Azillardrüsen  links  in  einem  solchen 
Grade  vergrößerten,  daß  Patient  das  hiesige  Krankenhaas  aufsachte. 
Während  der  ganzen  Zeit  bestand  ein  juckender  Hautausschlag. 

Eltern  gesund,  zwei  Brüder  an  Tnberkalose  gestorben,  zwei  Schwestern 
gesund.  Luetische  Infektion  wird  negiert,  Fraa  des  Patienten  hat  einmal 
im  2.  Monat  abortiert,  angeblich  infolge  Hebens  eines  schweren  Gegen- 
standes. Harn  Z.  mm  0,  Eiw.  <»  0. 

Status  praesens:  Patient  kräftig  gebaut,  gut  genährt.  Indes 
reagierend,  Patellarrefleze  lebhaft,  Rhomberg  negativ,  Sensibilität  normal, 
Herz,  Leber,  Milz  normal,  über  der  rechten  Lungenspitze  etwas  ver- 
längertes Exspirium. 

Quer  über  die  linke  Halsseite  zieht  eine  Operationsnarbe,  die  Hals- 
haut  dieser  Seite  an  verschiedenen  Stellen  backelig  vorgewölbt,  diese 
Yorwölbnng  ist  durch  eine  große  Zahl  derber,  harter,  runder  Tumoren 
bedingt.  Dieselben  sind  von  der  Hant  und  Unterlage  gut  verschieblich, 
auch  untereinander  gut  abgegrenzt  und  entsprechen  deutlich  den  stark 
vergrößerten  Lymphdrüsen;  sie  füllen  die  Supraclaviculargrube  aus, 
reichen  aber  auch  hoch  auf  den  Hals  hinauf.  fCechterseits  der  gleiche 
Befund,  Drüsen  etwas  kleiner.  Die  linke  Axillargegend  durch  einen 
kindskopfgroßen  höckerigen  Tumor  vorgewölbt.  Die  unveränderte  Haat 
darüber  g^t  verschieblich.  Der  Tamor  setzt  sich  aus  mehreren  einzelnen 
derben  harten  knolligen  Anteilen  zusammen,  von  welchen  manche  eigroß 
sind.  Die  Geschwülste  sind  derb,  elastisch,  von  der  Unterlage  gut,  auch 
gegen  einander  gut  verschieblich.  Die  Tumoren  entsprechen  vergrößerten 
Lymphdrüsen,  entzündliche  Erscheinungen,  aggressives  Übergreifen  auf 
die  Umgebung  fehlt.  Die  Vergrößerung  erfolgt  offenbar  überall  innerhalb 


Ober  Hantyeränderungen  bei  Paeudoleukämie  etc.  59 

der  Lymphdrüsenkapsel.    Die  Operatiooenarbe   ist  überall  mit  der  Haut 
gut  yerscbieblicb. 

Die  gesamte  Körperhaat  mit  den  Symptomen  einer  intensiv 
juckenden  Affektion  bedeckt.  Es  gelingt  erst  nach  längerer  Beobaohtnng 
die  anseheinend  primäre  Effloreszens  in  Form  eines  von  einem  breiten 
nrtikariell  geröteten  Hofe  umgebenen  Knötchens  aufzufinden.  Der  Hof 
verblaßt  bald,  ans  dem  Knötchen  wird  manchmal  ein  ganz  kleines  Bl&sehen, 
oder  es  wandelt  sich  dasselbe  zu  einer  Pustel  um,  oder  wird,  was  am 
häufigsten  der  Fall  ist,  zerkratzt.  Die  Stelle  bedeckt  sich  mit  einer  Blut- 
borke, heilt  mit  peripherer  Pigmentation  und  zentraler  blasser  Narbe 
aus.  Einige  Male  wurden  etwas  größere  frische  Bläschen  mit  ähnlichem 
Ablauf  beobachtet.  Zwischendurch  finden  sich  zahlreiche  strichförmige 
Kratzeffekte,  punktförmige  blutige  Börkchen,  an  welchen  frfih  keine 
Zeichen  einer  zerkratzten  Primäreffloreszenz  mehr  zu  erkennen  sind. 
Neben  kleinen  Pusteln  finden  sich,  offenbar  indirekt  auf  das  Kratzen 
Borflckzuftthren,  ziemlich  zahlreiche  größere  Impetigopusteln,  infizierte 
Blutbörkohen  und  Furunkeln.  Auffallender  Weise  fehlen  die  chronischen 
Kratzver&nderungen  der  Lichenifikation,  nirgends  eine  besondere  Haut- 
verdickung, die  Haut  ist  zwar  an  manchen  Stellen  stärker  pigmentiert,  I 
doch  ist  die  Pigmentation  keine  hochgradige  und  rührt  vielfach  von  den  / 
zerkratzten  Effloreszenzen  her.  Frei  von  Erscheinungen  sind  das  Geeicht, 
die  Handrücken,  die  Fußsohlen  und  die  Beugeflächen  der  oberen  Extre- 
mitäten. 

Aus  der  über  einige  Monate  sich  erstreckenden  klinischen  Be- 
obachtung sei  kurz  erwähnt,  daß  das  Leiden  auf  keinerlei  Behandlung 
wich,  es  traten  zwar  Remissionen  des  Hautleidens  ein,  so  einige  Tage 
nach  intensiver  Röntgenbestrahlung  der  Geschwülste,  darauf  folgten  aber 
wieder  neue  Ausbrüche  des  Juckreizes  und  des  urtikariellen  Zustandes; 
das  gleiche  war  der  Fall  nach  innerer  Mentholbehandlung  und  trotz  einer 
energisch  dnrohgeführten  innerlichen  und  subkutanen  Arsenkur,  deren 
Wirkung  sich  nur  in  einer  deutlichen  Hyperpigmentation  kund  gab.  Der 
Hautzustand  setzte  sich  fortgesetzt  nur  aus  den  oben  angegebenen  primären 
und  daraus  durch  Kratzen  resultierenden  sekundären  Veränderungen  zu- 
sammen. Auch  während  des  Spitalsaufenthaltes  trat  keinerlei  Licheni- 
fikation z.  B.  an  den  Unterschenkeln  auf.  Anders  an  den  Geschwülsten,  hier 
kam  es  nach  einer  intensiveren  Röntgenbestrahlung,  die  auch  zu  einer 
umschriebenen  Dermatitis  führte,  zunächst  zu  einer  deutlichen  Ver- 
kleinerung aller  Tumoren,  im  Verlauf  der  weiteren  Beobachtung  wurden 
die  Drüsen  härter,  so  daß  sie  sich  später  fast  wie  knorpelharte  Knollen 
anf&hlten,  dann  trat  eine  weitere  Rückbildung  nicht  mehr  auf  und  wir 
entschlossen  uns  zuletzt,  wenigstens  die  Drüsen  der  Axilla  operativ  zu 
entfernen,  was  relativ  leicht  und  radikal  gelang;  aber  auch  nach  der 
Operation  trat  nur  für  wenige  Tage  eine  scheinbare  Besserung  des  Haut- 
znstandes auf,  dann  wieder  Rückkehr  zum  alten  Znstand.  Auf  0*003  g 
Alt-Tuberkulin  reagierte  Patient  nur  mit  87*5,  sonst  weder  lokal  an  der 
Stichstelle,   noch    im  Bereich    der   erkrankten  Drüsen.     Von  den  histo- 


60  Kreibich. 

logischen  VeränderuDgen  der  exstirpierten  Lymphdrüsen  sei  kun  folt^en- 
des  erwähnt. 

Die  Lymphdrüsen  seigen  eine  derartige  hochgradige  Bindegewebs- 
vermehrang,  daß  das  adenoide  Parenehym  fast  wie  erdrückt  erscheint 
Diese  Yermehmng  betrifft  nicht  bloß  die  aaf  ein  Vielfaches  verdickte 
Kapsel,  sondern  erstreckt  rieh  in  breiten,  meist  zellarmen  Bändern  aneh 
in  das  Innere  der  Drüsen.  Da  sich  die  dnrch  den  allmählich  aaf- 
tretenden  Bindegewebsreichtnm  langsam  eintretende  Verhärtung  der 
Drüsen  erst  nach  der  Röntgenbestrahlnng  einstellte,  wird  man  nicht  fehl* 
gehen,  dieselbe  auf  diese  Schädlichkeit  eurückzoführen.  Ätiologisch 
schwieriger  zu  deuten  sind  die  Veränderungen  am  Parenehym.  Es  fanden 
sich  in  den  verschiedensten  Drüsen  Herde,  deren  Zentrum  eine  Zer- 
störung des  Parenchyms  aufwies,  nirgends  Verkäsung  und  breite  fläcfaen- 
hafte  Massennekrose,  wohl  aber  langsam  vorsichgehendes  Zugrundegehon 
der  Parenchymzelle  und  Ersatz  des  Defektes  durch  neuauftretende  Spindel- 
Zellen,  jungen  Bindegewebszellen  entsprechend,  zwischen  diesen  Zellen 
zahlreiche  große  Zellen  mit  mehreren  Kernen,  nicht  in  dem  zellärmeren 
Zentrum  der  Herde,  sondern  in  der  größten  Zahl  beiläufig  zwischen 
Zentrum  und  Rand  des  Herdes,  welcher  wieder  seinerseits  durch  das 
bereits  beschriebene  gewucherte  Bindegewebe  gebildet  ist  und  von  dem 
aus  auch  reichlich  junges  Bindegewebe  in  den  Herd  eindringt.  Nirgends 
fanden  sich  direkt  an  Tuberkel  erinnernde  Gebilde,  oder  Riesenzellen,  wie 
sie  sich  bei  Tuberkulose  finden.  Man  gewinnt  den  Eindruck,  daß  eine 
langsam  wirkende  Schädlichkeit  allmählich  das  Parenchjrm  zur  Auflösung 
gebracht  hat,  und  daß  sich  ebenso  langsam  das  Bindegewebe  an  seine 
St.elle  setzt,  wobei  auch  obige  mehrkernigen  Zellen  höchstwahrscheinlich 
diesem  langsamen  Wucherungsprozeß  des  Bindegewebes  ihr  Entstehen 
verdanken.  Die  Entscheidung  der  Frage,  ob  diese  Schädigung,  was  wahr« 
scheinlicher  ist,  durch  Tuberkulose,  oder  durch  Röntgenstrahlen  bedingt 
war,  stößt  deshalb  auf  Schwierigkeiten,  weil  möglicherweise  beide  ähnliche 
Veränderungen  hervorrufen  können.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  daß  die 
Veränderungen  sehr  an  die  von  G.  Sternberg  beschriebene  eigenartige 
Tuberkulose  erinnern,  auch  mit  den  von  Groß  in  seinem  Fall  von  Lympho- 
granulomatosis  beschriebenen  großen  Zellen  haben  obige  Ähnlichkeit, 
trotzdem  macht  die  Zuweisung  der  Geschwulst  zu  ersterer  Erkrankung 
einige  Schwierigkeit,  weil  die  Untersuchungen  von  Heineke  gezeigt 
haben,  daß  auch  in  bestrahlten  Lymphomen  Nekrosen  auftreten,  an  deren 
Stelle  dann  offenbar  ebenfalls  Bindegewebe  tritt.  So  lange  wir  die  Formen 
dieses  letzteren  Bindegewebes  nicht  genau  kennen,  ist  die  Frage,  ob  obige 
Tumoren  „tuberkulöse  Granulome**  im  Sinne  der  eigenartigen  Tuberkulose 
Sternbergs,  oder  durch  Röntgenstrahlen  veränderte  hyperplastische 
Lymphome  sind,  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  im  ersteren  Sinne  zu  be- 
antworten.   Tuberkel bazillen  wurden  nicht  gefunden. 

Blntbefund:  Aufgenommen  dO./L  Rot  6,200.00,  W.  —  80.000, 
It  :  W.  —  1  :  178. 

Große  Lymphoo.  87o* 


über  Hautveränderangen  bei  Pseudoleukämie  eto.  61 

Kleine  Lymphoc.  6Vo- 

Myelocyten  0. 

Polynucleare  Leac.  eosinoph.  0*7%. 

Neutrophile        „  „         S&%. 

Basophile  ^  ^^  — , 

Unbestimmbar  0  37«. 

27./I.  R  «  4,500.000,  W.  —  16.600. 

Ö./II1.  R.  -»  6,240.000,  W.  —  16.000. 

30./I1I.  R.  «  6,170.000,  W.  -=  16.400. 

6./IV.  R.  »  6,760.000,  W.  14.Ü00,  Röntgenbestrahl,  d.  Geschwalste. 

12./IV.  R.  «.  6,800.000,  W.  «  13.800. 

6./VI.  R.  «.  6,000.000,  W.  —  14.600. 

Das  Wesentlichste  des  Falles  ist:  Vor  zwei  Jahren  Auf- 
treten einer  über  den  ganzen  Körper  ausgebreiteten  juckenden 
Erkrankung,  ein  halbes  Jahr  später  Auftreten  von  Lymph- 
drüsentumoren am  Hals  und  in  den  Achselhöhlen.  Keine  deut- 
lichen Zeichen  von  Tuberkulose,  keine  Reaktion  auf  Tuberkulin; 
Lymphdrüsentumoren;  in  welchen  Veränderungen  gefunden  wur- 
den, die  an  die  von  C.  Sternberg  beschriebene  eigenartige  Tuber- 
kulose erinnern  (Röntgenveränderungen  nicht  vollkommen  auszu- 
schließen), im  Blute  neutrophyle  Leukocytose,  Hautveränderungen 
einer  rezidivierenden  papulösen  Urticaria  (atypischem  Prurigo)  ent- 
sprechend, daneben  weder  perstierende  Elemente  urticariellen 
noch  ^^pseudoleukämischen^  Charakters.  Lymphdrüsentumoren 
und  Urticaria  sind  nicht  gleichartige  Veränderungen;  falls  sie 
auf  dieselbe  Ursache  zurückzuführen  sind,  stellen  sie  zwei  ver- 
schiedene Reaktionsformen  dar,  auf  der  einen  Seite  Hyperplasie 
des  Lymphdrüsengewebes  ohne  agressiven  Charakter,  auf  der 
anderen  urticariell  entzündlicher  Zustand.  Die  Drüsentumoren 
sind  nicht  vergleichbar  mit  den  Bubonen  bei  Prurigo  Hebra, 
die  sich  nach  Kratzen,  Pustelbildung  am  Oberschenkel  ausbilden, 
wohl  aber  kann  in  seltenen  Fällen  bei  Prurigo  Hebra  ein 
Zustand  eintreten,  der  obigem  vergleichbar  ist  —  ein  Fall 
unserer  Beobachtung  war  folgender:  Prurigo  Hebra  gravis  — 
rezidivierendes  Erysipel  und  Elephantiasis  an  beiden  Unter- 
schenkeln, Auftreten  kindskopfgroßer  Lymphdrüsentumoren  in 
beiden  Achselhöhlen.  Es  erscheint  überflüssig  zu  erwähnen,  daß 
obiger  Fall  keine  Prurigo  Hebra  ist.  Da  im  Blute  die  Ver- 
mehrong  der  Lymphocyten  fehlt,  kann  der  Fall  trotz  der  höheren 
Leukocytenzahl,    nach  dem  bei  der   ersten  Beobachtung    ge- 


62  Kreibich. 

sagten,  nicht  als  „lymphatische  Pseudoleukämie'^  oder 
als  „subljmphämische  Leukämie^  (Helly)  aufgefaßt 
werden.  Bislang  findet  sich  obiger  Sjmptomenkomplez  in  der 
Literatur  mehrfach  unter  der  oifenbar  zu  weit  gefaßten  Bezeich- 
nung ^Pseudoleukämie^  beschrieben  und  zwar  rein,  wie  in 
obigem  Falle,  oder  zusammen  mit  Hautreränderungen  vom 
Ijmphocytären,  sarcoiden  oder  granulomatösen  Charakter.  Die 
ersten  drei  Fälle  dieser  Art  —  Prurigo  und  Pseudoleukämie 
—  sind  Yon  Wagner  beschrieben,  die  nächsten  zwei  Beob- 
achtungen stammen  von  M.  Joseph,  welcher  zuerst  die  Mög- 
lichkeit eines  gleichzeitigen  Vorkommens  von  urticariellen  und 
lymphosarkomatösen  Symptomen  hervorgehoben  hat.  Seine  Fälle 
sind  a)  Pseudoleukämie,  in  der  Haut  tief  im  Corium 
sitzende  Platten,  daneben  prurigoartige  Knötchen  und  Quaddeln. 
b)  Pseudoleukämie.  Drüsentumoren  in  den  Achselhöhlen, 
Hals,  Leisten  ohne  Vermehrung  der  Leukocyten,  daneben  prurigo- 
artige Knötchen  in  der  Haut.  Weitere  ähnliche  Fälle  der  Lite- 
ratur, die  Aufzählung  erhebt  keinen  Anspruch  auf  Vollzählig- 
keit, sind: 

Kaposi:  46jähr.  Mann,  seit  drei  Monaten  Tumoren  am 
Hals,  Achselhöhlen,  Mediastinum  (Lymphosarkom?),  Leber,  Milz, 
Blut  normal.  Jucken  und  chronische  rezidivierende  Urticaria. 
B  u  s  c  h  k  e :  48jähr.  Mann,  seit  1  Vs  Jftbren  starkes  Jucken,  seit 
V4  Jahr  Drüsenschwellungen  in  den  Leisten,  Nacken,  Achsel- 
höhlen. Am  Körper  besonders  an  den  Streckseiten  der  Extre- 
mitäten Prurigoknötchen  und  frische  urticarielle  Pusteln.  Kratz- 
effekte, Pigmentierung.  Milz  etwas  vergrößert,  Leber  weniger. 
Blut  normal. 

Rosenthal:  35jähr.  Mann  seit  vier  Wochen  Drüsenschwel- 
lungen  an  verschiedenen  Stellen,  Nacken,  Achselhöhlen,  Ingui- 
nalgegend,  Cubita.  Keine  Tuberkulose.  Anatomie  der  Lymph- 
drüsen ergibt  Lymphzellen,  Mastzellen,  keine  Verkäsung,  keine 
Nekrose,  keine  Riesenzellen.  607o  polynucleäre  neutroph.  Leu- 
kocyten, Lymphocyt.  29%.  Heilung  nach  6  g  Atoxyl. 

Gerschun.  Pseudoleuk.  cutis  auf  Brust  und  Bauch- 
haut, rosige  Papeln  mit  blutigen  Borken  bedeckt,  nach  Ent- 
fernung derselben  atrophische  Dellen,  Abszesse,  Narben,  Kratz- 
effekte.   Tumorartige  Vergrößerung  der  Lymphdrüsen   in   der 


über  Haatyerftnderaiigen  bei  Pseudoleuk&mie  etc.  63 

Achselhöhle  und  Inguinalgegend.  Leukocyten  40.000,  qualitativ 
das  Blut  Dicht  untersucht.  Endlich  beschreibt  noch  Dubreuilh 
zwei  hierhergehörige  Fälle  als  „Prurigo  lymphadenique". 

Wir  haben  es  somit  mit  einem  ziemlich  typischen  Symp- 
tomenkomplex, bei  welchem  neben  einer  prurigoartigen  Urti- 
caria die  Schwellung  besonders  der  Lymphdrüsen  in  den  Achsel- 
höhlen und  am  Hals  eine  große  Rolle  spielt,  zu  tun.  Welchem 
Grundleiden  diese  Symptome  ihre  Elntstehung  verdanken,  die 
Art  der  zusammen  damit  vorkommenden,  bisher  als  „pseudo- 
leukämische*' beschriebenen  Hautveränderungen,  das  Gesamt- 
leiden, welches  dann  beiden  Symptomengruppen  zu  Grunde 
liegt,  mufi  Gegenstand  noch  weiterer  Untersuchungen  sein.  Erst 
dann  wird  vielleicht  eine  Klärung  in  dieser  so  schwierigen 
Frage  erfolgen. 


64  Kreibich. 


ErkUnmg  der  Abbildtmgon  anf  Taf.  7. 


Fig.  1.  Schnitt  durch  dta  Hautexanthem  des  Falles  II. 
Fig.  2.   Schnitt  aus  der  Abszeßwand  des  primären  Rachentumors« 
Vergleiche  den  Text  Fall  II,  pag.  58. 


An:hivf  Dermatologie  u. Syphilis  Band  LX.\X1X^ 


Flg.  2. 

.-V 


Ki'Cibich  •■  Haulverändrningen  bei  PsnidokukAnik  iLLeukosukonulosis. 


Au  dem  Zarolinen-Einderspitale  in  Wien  [Vorstand  Prim.-Doz. 

W.  EnSpfelmacher]. 


über  Erythrodermia  desquamativa, 

eine  eigenartige 
universelle  Dermatose  der  Brustkinder/^ 


Von 

Dr.  Carl  Leiner, 

em.  Aiiiitent  des  Earollnen-KinderspiUlea. 

(Hiesu  eine  Tafel.) 


Die  besondere  Beschaffenheit  der  Säuglingshaut,  die  Zart- 
heit des  Epithels,  die  Succulenz  der  ganzen  Epidermis  in  Ver- 
bindung mit  den  zahllosen  Reizen  und  Schädigungen  ektogener 
und  endogener  Natur,  die  vom  Tage  der  Geburt  auf  den  Neu- 
geborenen einstärmen,  bringen  es  mit  sich,  daß  gerade  in 
dieser  Lebensperiode  pathologische  Veränderungen  der  Haut 
besonders  häufig  angetroffen  werden. 

Als  solche  kennen  wir  zunächst  eine  große  Reihe  von 
Dermatosen,  die  zwar  nicht  als  spezifisch  für  diese  Zeit  ange- 
sehen werden  können,  die  aber  doch  durch  die  Häufigkeit  ihres 
Auftretens  unsere  besondere  Aufmerksamkeit  Ter  dienen.  Hierher 
sind  Tor  aUem  die  urtikariellen  (Strophulus  infantilis)  und 
ekzematösen  Hautveränderungen  zu  rechnen,  für  die  die  Säug- 
lingshaut eine  besondere  Disposition  zu  haben  scheint  Während 
nun  die  urtikariellen  Erkrankungen  mit  großer  Übereinstimmung 
in  einen  gewissen  Zusammenhang  mit  den  häufigen  Darmstö- 
rungen im  Säuglingsalter  gebracht  werden,  sind  die  Meinungen 


')    Nach  einem  auf  der  Naturforscherversamlnng  in  Dresden  1907 
(pftdiatr.  Sektion)  gehaltenen  Vortrag. 

▲reh.  f.  Dermat.  «.  Sjph.  Rd.  LXXXIX.  5 


66  Lein  er. 

Über  die  Art  der  EntAtehung  der  Ekzeme  noch  sehr  difiPerent. 
Gegenüber  Hebra,  der  die  Ekzeme  auf  rein  äußere  Ursachen 
Terschiedener  Art  zurückführt,  und  Unna,  der  dieselben  als 
eine  Hautmykose  auffaßt,  stehen  die  Ansichten  einer  Reihe 
namentlich  französischer  Autoren,  die  die  Ekzeme  auf  innere 
Ursachen,  abnorme  allerdings  bisher  noch  nicht  erforschte 
Stoffwechselstörungen  zurückleiten,  wobei  fast  immer  eine  spe- 
zielle Hautdisposition  für  diese  Erkrankung  vorausgesetzt  wird. 

Diese  Annahme  einer  endogenen  Entstehungsweise  des 
Ekzems  findet  auch  in  der  Reihe  der  Kinderärzte  zahlreiche 
Vertreter,  die  immer  wieder  mit  besonderem  Nachdrucke  auf 
die  ätiologische  Bedeutung  der  Überernährung  für  die  Ekzeme 
hinweisen.  Schon  in  dem  Handbuche  yon  R  i  1 1  i  e  t  und  B  a  r  t  h  e  z 
finden  sich  diesbezügliche  Angaben,  aus  denen  die  Disposition 
von  besonders  dicken  Kindern  für  ekzematöse  Hautveränderungen 
hervorgeht.  Auch  Bohn  führt  das  häufige  Auftreten  von  Ek- 
zemen im  Säuglingsalter  auf  eine  Supernutrition  zurück  und 
macht  namentlich  auf  den  hohen  Perzentsatz  der  Brustkinder- 
ekzeme aufmerksam.  Diese  Ekzeme  bleiben  größtenteils  auf 
dem  Kopfe  und  im  Gesichte,  den  primären  Eruptionsstellen, 
lokalisiert,  können  aber  in  Ausnahmsfällen  auch  zu  einer  uni- 
versellen Ausbreitung  über  den  ganzen  Körper  gelangen.  Neben 
dieser  Hautveränderung  ist  als  zweites  Symptom  der  Fettsucht 
eine  auffallende  Darmträgheit  zu  finden.  Erst  durch  Änderung 
der  Nahrung  am  Ende  des  ersten  oder  am  Anfange  des  zweiten 
Jahres  schwindet  gewöhnlich  die  Polysarcie  und  mit  ihr  er- 
löschen auch  die  ekzematösen  Hautveränderungen  und  die 
Verdauungsstörungen. 

Diese  Ansicht  Bohns  kehrt  auch  in  weiteren  Abhand- 
lungen, die  sich  mit  der  Ätiologie  des  Ekzems  befassen,  wieder« 
Nur  divergieren  die  Meinungen  der  Autoren  bezüglich  des 
einen  Punktes,  ob  die  Überernährung  mehr  bei  Brustkindern 
oder  bei  künstlich  genährten  Kindern  die  Bildung  von  Ekzemen 
begünstigt. 

Während  Comby  Ekzeme  nur  bei  künstlich  genährten 
Kindern  beobachten  konnte,  traf  Marfan  diese  Hautverän- 
derung besonders  häufig  bei  Brustkindern.  Comby  faßt  die 
Ekzeme    als    eine    Autointoxikation    auf,    als   eine   Folge   von 


über  Erythrodermia  desquamativa  etc.  67 

:f;ftstrointe8tiDaleii  StörungeD,  durch  überreichliche  oder  unregel- 
mäßige Ernährung  hervorgerufen. 

Neben  diesen  auslösenden  Momenten  spielt  die  hereditäre 
Veranlagung  eine  besondere  Rolle ;  wie  bei  fast  allen  Dermatosen 
-soll  auch  hier  eine  eventuelle  gichtische  oder  arthritische  Er- 
■krankung  der  Eltern  von  Belang  sein. 

Marfan  hat  namentlich  häufig  bei  Brustkindern  jene 
-ciczematösen  Veränderungen  gefunden,  die  als  seborrhoische  zu 
betrachten  sind.  Er  unterscheidet  zwei  Formen  des  Säuglings- 
•«kzems : 

1.  das  seborrhoische  und 

2.  das  in  Plaques  am  Stamme  auftretende  (eczema  sec  ä 
placards  disseminees). 

Das  Erstere,  das  unter  verschiedenen  Synonymen  bekannt 

ist  (croutes  de  lait,  chapeau,  crasse  de  tete,  touzet)  tritt  nach 

Marfan   gewöhnlich    im  dritten  oder  vierten  Monate  auf  und 

schließt  sich  fast  regelmäßig  an  die  eigentliche  Seborrhoe  des 

^haarten  Kopfes  an. 

Von  hier  kann  es  zu  einer  Weiterverbreitung  der  Er- 
»krankung  kommen,  wobei  eine  gewisse  Regelmäßigkeit  im  Ver- 
kaufe zu  beobachten  ist. 

Zunächst  wird  der  ganze  Schädel  von  dem  Ekzem  er- 
griffen, dann  die  Schläfengegend,  Stirne,  Augenbrauen,  Ohren 
^nd  bisweilen  auch  der  Nacken.  Durch  das  Freibleiben  be- 
«timmter  Partien  im  Gesichte  —  der  Nase  und  der  zirkumoralen 
-Gegend,  gewinnt  dieses  Ekzem  ein  charakteristisches  Aussehen. 
Die  erkrankten  Stellen  sind  gerötet,  mit  Schuppen  und  Krusten, 
«ur  ausnahmsweise  mit  Bläschen  bedeckt. 

Bei  weiterer  Ausbreitung  auf  den  Stamm  kommt  es  zu 
•circumscripten,  leicht  infiltriertein  Herden,  die  mit  Knötchen 
«nd  Bläschen  übersät  sind. 

Der  Verlauf  der  ganzen  Erkrankung  ist  ein  chronischer; 
Exacerbationen  sind  nicht  selten  und  die  Abheilung  tritt  oft 
-^rst  zur  Zeit  der  Entwöhnung  ein.  Mit  dieser  Beobachtung 
Mar f an  s,  das  häufige  Auftreten  von  Ekzemen  bei  überemährten 
Brustkindern  betreffend,  stimmt  auch  Variot  überein.  Nach 
-diesem  Autor  ist  die  H&utveränderung  stets  von  Darmstörungen 
Jiegleitet,    sei  es,    daß  dieselben  bereits  vor  Beginn  der  Haut- 

5* 


68  Leiner. 

erkrankung  vorhanden  waren  oder  erst  zur  Zeit  der  Eruption 
des  Ekzems  oder  auch  im  weiteren  Verlaufe  desselben  auftreten. 

Zur  eventuellen  Klärung  der  ätiologischen  Frage  ging 
Variot  daran,  den  Fettgehalt  der  Milch  von  Müttern  zu  be- 
stimmen, deren  Kinder  an  Ekzem  litten.  Diese  Untersuchungen 
führten  zu  dem  Resultate,  daß  keineswegs  übergroße  Mengen 
von  Fett  in  der  Milch  solcher  Frauen  zu  finden  waren,  ja  daß 
sogar  häufig  niedrigere  Befunde  resultierten  als  bei  Frauen, 
deren  Kinder  keine  Spur  von  Ekzem  aufwiesen.  Im  Gegensatz 
hiezu  hat  Marfan  in  der  Milch  von  Müttern,  deren  Kinder 
trotz  entsprechend  bemessener  und  zeitlich  geregelter  Mahl- 
zeiten an  derartigen  Affektionen  litten,  immer  einen  bedeutend 
erhöhten  Fettgehalt  nachweisen  können,  in  dem  nach  Marfan 
oftmals  die  Ursache  der  Überfutterung  und  der  ekzematösen 
Hautveränderung  gelegen  sein  soll. 

Während  also  nach  Marfan  der  quantitativ  erhöhte 
Fettgehalt  genügenden  Grund  für  die  Entstehung  der  Darmstörung 
und  der  Ekzeme  abgibt,  kann  Variot  sich  dieser  Ansicht 
nicht  anschließen;  er  glaubt  vielmehr,  daß  es  sich  hier  um 
ein  noch  unbekanntes,  in  der  Milch  solcher  Frauen  enthaltenes 
Toxin  handeln  dürfte,  das  ekzematigen  wirken  soll.  Eine  ähnliche 
Meinung  wie  Variot  äußert  auch  Schwab,  der  ebenfalls  auf  den 
Zusammenhang  von  Ekzem  und  Überernährung  aufmerksam 
macht.  Nach  ihm  müßte  die  Frauenmilch  in  derartigen  Fällen 
phjsikalisch-chemische  Eigenschaften  aufweisen,  welche  die 
Assimilation  derselben  erschweren  und  auf  den  Säugling  nach 
Art  eines  Toxins  wirken  können.  AU'  diese  Autoren  sehen  in 
der  Milch  selbst,  in  quantitativen  oder  qualitativen  Abweichungen 
von  der  Norm  die  Ursache  für  die  Überfutterung  und  die 
ekzematösen  Hautveränderungen.  Dieser  Ansicht  steht  die  Auf- 
fassung Gzernys  gegenübr,  der  die  Polysarcie  als  Folge  einer 
angeborenen  Anomalie  des  Organismus  ansieht,  die  sich  in 
einer  Störung  des  Fettumsatzes  dokumentiert. 

Diese  Anomalie  kann  die  Ursache  für  eine  ganze  Reihe  von 
Krankheitssymptomen  abgeben,  die  Gzerny  zu  einem  einheit- 
lichen Krankheitsbilde  der  „exsudativen  Diathese''  zusammen-^ 
faßt.  Allerdings  führt  nach  Czerny  diese  Anomalie  nicht 
immer  zu  einem  enormen  Fettansätze,  sie  kann  mitunter  auch 


über  Erythrodermia  deBqaamativa  etc.  69 

—  Gzernys  II.  Typus  —  eioe  Unterentwickelung  des  Kindes 
zur  Folge  haben.  Beiden  Typen  gemeinsam  ist  neben  anderen 
Krankheitserscheinungen  eine  besondere  Disposition  der  Haut 
zu  seborrhoischen,  ekzematösen  und  pruriginösen  Veränderungen, 
Yon  denen  bisweilen  Infektionen  septischer  Natur  ihren  Ausgang 
nehmen  können,  die  für  das  Kind  eine  Lebensgefahr  mit  sich 
bringen.  In  der  Mehrzahl  der  Fälle  kommt  diesen  Hautver- 
änderungen keine  Bedeutung  zu;  sie  verschwinden  fast  regel- 
mäßig nach  dem  ersten  Lebensjahre  und  bleiben  nur  ausnahms- 
weise auch  nach  dieser  Zeit  bestehen. 

Neben  den  bisher  angeführten  Dermatosen:  Seborrhoe, 
Ekzem  und  Prurigo,  die  nach  der  Ansicht  verschiedener  Autoren 
in  einen  allerdings  noch  nicht  geklärten  Zusammenhang  mit 
der  unregelmäßigen  oder  überreichlichen  Ernährung  der  Säug- 
linge gebracht  werden,  die  durch  ihr  häufiges  Auftreten  im 
Säuglings-  und  frühen  Kindesalter  zwar  bemerkenswert  sind, 
die  aber  keineswegs  auf  diese  Lebensperiode  beschränkt  bleiben, 
kennen  wir  noch  eine  kleine  Zahl  von  Dermatosen  und  Haut- 
veränderungen, die  für  das  Säuglingsalter  geradezu  pathogno- 
misch  sind,  da  sie  nach  dieser  Zeit  niemals  oder  nur  ganz  aus- 
nahmsweise zur  Beobachtung  gelangen. 

Hierher  sind  als  Hautveränderungen  das  idiopathische 
Genitalödem  und  das  Sklerem,  als  Dermatosen  die  Dermatitis 
«xfob'ativa  (Ritter),  beziehungsweise  der  Pemphigus  neona- 
torum zu  rechnen. 

Es  ist  mir  nun  auf  Grund  mehrjähriger  Erfahrungen 
möglich,  den  eigentlichen  Säuglingsdermatosen  eine  neue,  eigen- 
artige anzufügen,  die  bisher  in  den  verschiedenen  Hand-  und 
Lehrbüchern  keine  besondere  Erwähnung  fand,  respektive  dort, 
wo  dies  in  vereinzelten  Fällen  geschah,  nicht  die  richtige 
Deutung  erfuhr. 

Diese  Dermatose  hat  allen  Anspruch  in  eingehender 
Weise  beschrieben  zu  werden,  deshalb,  weil  sie  sich  von  den 
bisher  bekannten  Hauterkrankungen  des  Säuglingsalters  — 
spezifischer  und  nicht  spezifischer  Art  —  wesentlich  unter- 
scheidet, dann  aber  auch  unser  spezielles  Interesse  noch 
aus  dem  Grunde  erregt,  weil  von  ihr  fast  ausschließlich  nur  an 
der  Brust  genährte  Kinder  befallen  werden,  für  die  diese  Der- 


70  Leiner. 

matose  keineswegs  als  barmlos  angesehen  werden  kann,  da  ii» 
einem  nicht  kleinen  Teile  der  Fälle  der  Ausgang  der  Erkran* 
kung  ein  ungünstiger,  ja  letaler  ist. 

Unsere  Beobachtungen  reichen  auf  5  Jahre  zurück;, 
während  dieser  Zeit  hatten  wir  nicht  weniger  als  43  derartige 
Fälle  zu  sehen  Gelegenheit.  Gewöhnlich  werden  uns  erst  dana 
die  Kinder  zur  Untersuchung  gebracht,  wenn  die  Krankheit 
bereits  auf  dem  Höhestadium  angelangt  ist,  d.  i.  im  2.  oder  3. 
Lebensmonate.  Solche  Kinder  zeigen  dann  das  Bild  einer  uni* 
Tersellen  Dermatose,  die  bei  allen  bisher  beobachteten  Fälleii< 
ein  durchaus  gleichartiges  Aussehen  hat,  einen  nicht  zu  Ter- 
kennenden  Typus  darstellt,  dessen  genaue  Kenntnis  in  einem 
Falle  uns  die  Diagnose  in  weiteren  Fällen  keineswegs  al» 
schwierig  erscheinen  läßt.  Die  wesentlichen  Veränderungen,  die 
uns  zunächst  auffallen,  bestehen  in  folgendem: 

Die  Kopfhaut  ist  mit  einer  mehr  minder  starken  Lage 
von  Schuppen  bedeckt,  die  namentlich  in  der  Stiro-  und 
Scheitelgegend  sehr  mit  einander  verbunden  sind  imd  fest  der 
unterliegenden  Haut  aufsitzen,  während  sie  in  der  Schläfen- 
und  Hinterhauptgegend  weniger  massig  sind,  lose  der  Kopfhaut 
auflagern  oder  an  den  Haaren  hängen. 

Die  Farbe  der  Schuppen  ist  grauweiß,  stellenweise  dunkler,, 
mitunter  auch  mehr  gelblich;  sie  zeigen  einen  leicht  fettigen 
Glanz  und  lassen  sich  namentlich  dort,  wo  sie  keine  zusammen- 
hängende Fläche  bilden,  leicht  von  der  Haut  ablösen.  Diese 
zeigt  an  diesen  Stellen  ein  von  der  Norm  abweichendes  Aus- 
sehen und  ist  ziemlich  intensiv  gerötet,  wobei  dem  Rot  eine 
gelbliche  Nuance  beigemengt  sein  kann^  ist  glänzend  und  von 
glatter  Beschaffenheit.  An  Stellen,  wo  die  Schuppen  fester  auf- 
sitzen, ist  die  Rötung  der  Haut  intensiver,  der  Glanz  der  Haut 
nicht  trocken,  sondern  feucht  und  die  Haut  mit  feinen  Blut- 
punkten besetzt.  Diese  Veiänderungen  der  Kopfhaut  entsprechen 
vollständig  dem  Eczema  seborrhoicum.  Die  Kopfbehaarung  ist 
eine  äußerst  spärliche,  an  der  Stirn-  und  Scheitelgegend  oft 
ganz  fehlend  oder  in  verklebten  Büscheln  aus  der  Schuppen- 
haube herausragend,  an  den  übrigen  Stellen  des  Kopfes  schütter 
stehend.  Von  der  Kopfhaut  reicht  die  Hautveränderung  auf 
die  Nachbargebiete  über.  Die  dem  Schädel  benachbarte  Stirn- 


über  Erythrodermia  desquamatiya  etc.  71 

partie  ist  diffus  gerötet,  fein  schuppig,  wobei  es  den  Anschein 
hat,  daß  die  Rötung  unter  der  Schuppenhaube  des  Kopfes 
weitergekrochen  ist,  und  begrenzt  sich  oftmals  zirka  in  der 
Mitte  der  Stirn  durch  einen  ganz  leicht  erhabenen,  meist  glatten, 
schilfernden  oder  auch  mit  kleinen  schuppenden  Knötchen 
besetzten  Rand.  In  der  Umgebung  dieser  diffus  veränderten 
Hautpartie  sind  häufig  kleine,  über  das  Hautniveau  kaum  er- 
habene flache,  von  der  nmgebenden  normalen  Haut  gut  abge- 
grenzte Knötchen  sichtbar,  die  mit  weißlichen,  dünnen  Schüpp- 
chen bedeckt  sind.  Neben  diesen  vereinzelt  stehenden  Efflores« 
zenzen  können  auch  größere  scheibenförmige,  rundliche  oder 
auch  unregelmäßig  figurierte  Herde  vorhanden  sein,  die  ent- 
weder ihre  Zusammensetzung  aus  den  einzelnen  oben  beschrie- 
benen Knötchen  noch  deutlich  erkennen  lassen  und  mit  mehr 
weniger  reichUchen  Schüppchen  überzogen  sind  oder  nur  an 
den  Randpartien  noch  den  Knötchentypus  aufweisen,  in  den 
zentralen  Teilen  aber  vollständig  abgeflacht  sind.  Nur  in 
wenigen  Fällen  ist  die  Stimhaut  in  toto  verändert,  in  eine 
schuppende  rote  Fläche  verwandelt,  die  in  continuo  auf  die 
übrigen  Gesichtspartien  übergreift,  von  denen  häufig  nur  die 
Nasenspitze,  die  Nasenflügel  und  die  angrenzenden  Wangenteile, 
seltener  auch  die  Lippen  ihre  normale  Beschaffenheit  für  lange 
Zeit  bewahren,  um  aber  auch  späterhin  ebenfalls  der  patholo- 
gischen Veränderung  anheim  zu  fallen.  Am  stärksten  ist  an 
dem  Prozesse  im  Gesichte  gewöhnlich  die  Augenbrauengegend 
beteiligt,  die  mit  dicken,  grauweißen  Schuppen  bedeckt  sind 
in  ähnlicher  Weise,  wie  die  Kopfhaut.  Auch  hier  kann  es  zu 
einem  Verluste  der  Augenbrauen  kommen.  Die  Lider  sind 
fleckig  gerötet,  schuppend,  die  Liderränder  leicht  infiltriert,  mit 
Schuppen  und  Krustchen  bedeckt,  die  Cilien  oft  fehlend  oder 
nur  spärlich  vorhanden. 

Die  übrige  Gesichtshaut  ist  gewöhnlich  diffus  gerötet, 
mit  kleineren  und  größeren  Lamellen  bedeckt.  An  den  Ohren 
ist  die  besonders  starke  Schuppenbildung  im  äußeren  Gehörgange 
auffallend,  die  oftmals  zu  einer  totalen  Verlegung  desselben 
führt.  In  der  Falte  hinter  dem  Ohre  ist  die  Haut  intensiv 
gerötet,  oft  nässend,  ohne  Schuppenbelag.  Hals  und  Nacken 
zeigen  einen  diffus  roten  Glanz,  die  Oberhautfeldemng  ist  sehr 


72  Leiner. 

Yerdentlicht,  die  Schuppenauflagerung  eine  äußerst  geringe,  was 
wohl  auf  mechaniBche  Momente  zurückzufuhren  ist,  da  hier  die 
Kleidungsstücke  zugebunden  oder  zugeknöpft  werden  und  hie- 
durch  ein  fortwährendes  Scheuern  statthat«  Der  ganze  Stamm 
(s.  die  Abbildung)  ist  gleichförmig  verändert,  diffus  gerötet  und 
mit  yerschieden  großen  dickeren  gelblichen  oder  dünneren 
weißlichen  Schuppen  bedeckt,  die  an  ihren  Rändern  häufig 
leicht  aufgerollt  sind,  sich  leicht  ablösen  lassen  und  dann  die 
gerötete,  etwas  glänzende,  trockene,  selten  auch  leicht  durch- 
feuchtete Epidermis  zutage  treten  lassen,  die  nirgends  ein 
stärkeres  Nässen,  eine  Bläschen-  oder  Enötchenbildung  aufweist, 
sondern  immer  eine  glatte  Fläche  darstellt.  Die  Infiltration 
der  Haut  ist  eine  äußerst  geringe,  die  Haut  ist  gut  falt-  und 
abhebbar.  Die  Abschuppung  ist  fast  durchwegs  eine  großlamel- 
löse;  die  Intensität  eine  besonders  hochgradige,  was  daraus 
erkenntlich  ist,  daß  nach  Ablösen  der  Schuppen,  Entfernen 
durch  ein  Bad  schon  nach  wenigen  Stunden  eine  frische  Des- 
quamation eintritt  An  den  Extremitäten  sind  Streck-  und 
Beugeseiten  ziemlich  gleichmäßig  verändert;  hier  tritt  die 
Hyperämisierung  an  den  Beugeseiten  mehr  in  den  Vordergrund, 
wie  an  den  Streckseiten.  Auch  die  Hände  und  Füße  werden 
von  dem  Prozesse  nicht  verschont ;  dabei  sind  im  allgemeinen 
an  den  Füßen  die  Krankheitserscheinungen  intensiver  als  an 
den  Händen. 

Die  Rötung  der  Füße  und  Zehen,  die  Planta  inbegriffen, 
ist  eine  diffuse,  die  Abschuppung  eine  fein  lamellöse.  An  den 
Händen  und  Phalangen  bleiben  in  der  geröteten  Haut  fast 
immer  einige  normale  Hautinseln  erhalten. 

Ein  von  den  bisher  beschriebenen  Körperteilen  abweichendes 
Bild  bieten  Gelenksfalten  und  ihre  nächste  Umgebung,  sowie 
überhaupt  die  Kontaktstellen  zweier  Hautflächen  dar.  Am  deut- 
lichsten ist  das  Bild  in  der  Axilla  und  den  Genitalfalten  zu 
sehen.  Die  Haut  ist  an  diesen  Stellen  feucht,  düsterrot,  ohne 
jede  Schuppenauflagerung,  dagegen  mit  einem  schmierigen, 
namentlich  in  der  Tiefe  der  Falten  angesammelten,  leicht  ab- 
streifbaren Belage  überzogen.  Mit  abnehmender  Intensität  reicht 
dieser  Zustand  auch  über  die  Gelenksfaltengegend  mehr  weniger 
weit  hinaus.  Wie  wir  an  anderen  Stellen  besprochen  haben, 
sind  auch  die  Finger  und  Zehen  pathologisch  verändert,  was 
wiederum     eine    Fortleitung    der  Erkrankung    auf   die    Nägel 


über  Erythrodermia  deeqaamativa  etc.  73 

plausibel  erscheinen  läßt.  Die  Umgebung  des  Nagels,  der  Nagel- 
wall, ist  fast  immer  gerötet  und  abschilfernd.  Die  Nagelplatte 
selbst  weist  eine  Reihe  von  Deformitäten  auf,  die  hauptsächlich 
darin  bestehen,  daß  ihre  Oberfläche  höckerig,  von  ziemlich 
tiefen  Furchen  durchquert  erscheint,  oftmals  in  der  Nähe  der 
Matrix  mit  gelblichen  Schuppen  überlagert  ist  An  den  Zehen 
sind  die  Nägel  auffallend  dünn,  zum  Teile  verkümmert,  an  dem 
distalen  Ende  schilfernd.  Die  Nagelplatte  erscheint  häufig  stark 
konvex  eingerollt,  was  wiederum  mit  Veränderungen  des  Nagel- 
bettes in  Zusammenhang  zu  bringen  ist,  das  in  solchen  Fällen 
hyperkeratotisch  verändert  ist.  In  Ausnahmsfallen  kann  auch 
ein  Nagelwechsel  eintreten,  wobei  an  dem  neuen  Nagel  gewöhn- 
lich auch  noch  Zeichen  von  Ernährungsstörungen,  besonders 
tiefe  Furchenbildnngen  zu  konstatieren  sind.  Die  weitere  Un- 
tersuchung des  Kindes  ergibt  in  diesem  Stadium,  das  wir  als 
Höhestadium  der  Erkrankung  bezeichnen  können,  wenig 
beachtenswertes.  Die  Schleimhaut  der  Mundhöhle  ist  normal 
gerötet  und  durchfeuchtet;  die  Thorax-  und  Abdominalorgane 
erweisen  sich  als  normal,  der  Puls  als  kräftig,  rhythmisch. 
Was  die  subkutanen  Drüsen  anbelangt,  so  zeigen  dieselben 
entsprechend  der  universellen  Hauthyperämie  zwar  Verände- 
rungen, die  aber  niemals  als  hochgradig  bezeichnet  werden 
können. 

Die  Drüsen  sind  etwas  geschwellt,  von  weicher  Konsi- 
stenz, gut  verschieblich.  Die  Größe  derselben  überschreitet 
fast  nie  die  eines  Kirschkernes.  Vereiterung  habe  ich  niemals 
beobachten  können.  So  könnten  wir  das  Kind  bis  auf  die 
Dermatose  als  normal  betrachten,  wenn  nicht  von  selten  des 
Magendarmtraktus,  besonders  aber  von  letzterem,  Störungen 
zu  beobachten  wären,  die  als  fast  regelmäßiger  Befund  auf 
eine  gewisse  Zugehörigkeit  zum  Krankheitsbilde  hindeuten. 

Auf  der  Höhe  der  Erkrankung  leiden  die  Kinder  immer 
an  Diarrhöe.  Die  Entleerungen  können  äußerst  zahlreich  er- 
folgen, sind  dünnflüssig,  stark  schleimig,  mit  kleinen  Bröckel- 
chen untermischt,  dabei  ist  der  Geruch  wenig  verändert, 
normal  säuerlich.  Nicht  so  regelmäßig  sind  auch  Störungen 
von  Seiten  des  Magens  zu  beobachten,  die  in  mehr  weniger 
häufigem  Erbrechen,  gewöhnlich  bald  nach  der  Nahrungsaufnahme, 
seltener  auch  längere  Zeit  darnach  bestehen.  Das  Allgemein- 
befinden des  Kindes  ist  fast  gar  nicht  gestört,  der  Ernährungszu- 
stand ein  guter,  der  Gewebsturgor  ein  normaler,  der  Schlaf  ziemlich 
ruhig,  was  wohl  auf  den  fast  immer  fehlenden  Juckreiz  zurück- 
zuführen ist.  Temperatursteigerungen  sind  niemals,  wenigstens 
in  diesem  Stadium  der  Krankheit  zu  verzeichnen  und  auch  die 
Untersuchung  des  Urins  hat  nichts  Abnormes  ergeben,  weder 
Eiweiß,   noch    Zucker,    noch    Indikan    konnten     nachgewiesen 


74  Leiner. 

werden.  Als  das  Wesentliche  des  ganzen  Krankheitsbildes  in 
diesem  Stadium  müssen  wir  die  Veränderung  der  Hautdecke 
ansehen,  die  in  einer  universellen  Rötung  der  Haut  mit  Ab- 
schuppung  besteht.  In  einer  kleinen  Anzahl  Ton  Fällen  hatten 
wir  nun  Gelegenheit,  den  Beginn  der  universellen  Dermatose 
zu  beobachten,  die  Anfangstypen  nach  Unna,  deren  Kenntnis 
f&r  die  Deutung  der  ganzen  Erkrankung  und  Gruppierung  von 
großem  Werte  ist.  Schon  die  anamnestischen  Angaben  liefern 
uns  gerade  in  dieser  Beziehung  manches  Wissenswerte.  Aus 
denselben  entnehmen  wir,  daß  die  Erkrankung  von  verschie- 
denen Stellen  des  Körpers  ihren  Ausgang  nehmen  kann,  in 
der  Regel  jedoch  die  ersten  Erscheinungen  an  der  behaarten 
Kopfbaut  oder  am  Stamme  in  der  Nähe  der  Inguinalgegend 
oder  Unterbauchgegend  auftreten. 

Während  auf  der  Kopfhaut  die  Symptome  uniform  von 
den  Müttern  beschrieben  werden,  so  daß  wir  mit  Sicherheit  die 
Diagnose  eines  seborrhoischen  Zustandes  stellen  können,  variieren 
die  Angaben  über  den  Beginn  der  Erkrankung  am  Stamme 
so  sehr,  daß  wir  von  einer  Verwertung  derselben  abstehen  und 
uns  lieber  auf  eigene,  allerdings  nur  vereinzelte  Beobachtungen 
einlassen  wollen. 

Nach  denselben  beginnt  die  Krankheit  am  Stamme  in 
Form  einer  leichten,  äeckenweise  auftretenden  Rötung,  die 
rasch  eine  streifen-  oder  besser  bandförmige  Ausdehnung  ge- 
winnt. Nun  schiebt  sich  diese  bandförmige  Rötung  weiter  in 
die  normale  Haut  vorwärts,  so  daß  oft  schon  innerhalb  von 
48  Stunden  der  ganze  Stamm  diffus  gerötet  ist,  namentlich 
dann,  wenn  auch  von  den  Gelenksfalten  aus  die  Veränderung 
der  Haut  weiterkriecht  und  sich  mit  der  am  Stamme  vereinigt 

Gewöhnlich  breitet  sich  die  Hyperämie  von  oben  nach 
unten  fortschreitend  nach  Art  eines  Erythems  aus.  Gleichzeitig 
damit  kommt  es  zu  Veränderungen  im  Gesichte  und  den  Ex- 
tremitäten, die  aber  nach  unserer  Beobachtung  nicht  so  sehr 
mit  einer  streifen-  oder  fleckenförmigen  Rötung  ihren  Anfang 
nehmen,  sondern  fast  immer  mit  der  Eruption  von  kleinen, 
zirka  linsengroßen,  roten,  wenig  erhabenen,  abgeflachten  Knöt- 
chen beginnen,  die  mit  einem  grauweißen  dünnen  Schüppchen 
bedeckt  sind. 

Die  Schuppe  läßt  sich  leicht  loslösen,  ohne  daß  es  dann 
zu  punktförmigem  Blutaustritte  kommt,  wie  dies  bei  der  psoria- 
tischen Primäreffloreszenz  die  Regel  ist.  Durch  Konfluenz  der 
kleinen  Primärknötchen  entstehen  größere,  gewöhnlich  scheiben- 
förmige Herde,  die  oft  so  flach  sind,  daß  kaum  ein  Niveau- 
unterschied gegenüber  der  gesunden  Haut  zu  erkennen  ist. 
Diese  Stellen  gehen  allmählich  in  die  diffuse  Hauthyperämie 
über,    ohne   bei   universeller  Ausbreitung   der  Dermatose  ihre 


über  Erythrodermia  desquamativa  etc.  75 

primäre  Gestalt  noch  erkenDen  zu  lassen.  In  der  Regel  dauert 
es  mehrere  Tage  bis  eine  Woche,  beyor  die  Krankheit  sich 
über  den  ganzen  Körper  verbreitet  bat,  wobei  sich  anfangs 
noch  ganz  deutlich  die  älteren  Erkrankungsherde  von  den 
frischen  unterscheiden  lassen,  indem  erstere  bereits  in  das  Des- 
quamationsstadium  übergangen  sind,  während  die  letzteren  sich 
noch  im  erythematösen  Stadium  befinden. 

Allmählich  y erwischen  sich  diese  Differenzen ,  und  die 
Hautdecke  bietet  nun  ein  gleichartiges  Krankheitsbild  dar. 
Hat  die  Krankheit  einmal  ihr  Höhestadium  erreicht,  so  ist  der 
weitere  Verlauf  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  ein  derartiger,  daß 
die  Dermatose  langsam  zur  Heilung  kommt.  Dies  kann  fast 
immer  mehrere  Wochen,  oft  auch  1 — 2  Monate,  seltener 
längere  Zeit  in  Anspruch  nehmen.  Die  Abheilung  erfolgt 
in  der  Weise,  daß  die  Hyperämie  der  Haut  langsam  zurück- 
geht, das  düstere  Rot  in  eine  rosa  Färbung  übergeht  und 
hiemit  auch  die  Abschuppung  sich  ändert,  um  endlich  ganz 
aufzuhören.  Die  anfangs  etwas  fettigen,  gelblich  verfärbten 
Schuppen  werden  immer  trockener,  dünner,  zigarettenpapier- 
ähnlich;  an  Stelle  der  großen  Lamellen  treten  kleine,  kleien- 
förmige  Schuppen.  Dabei  erfolgt  die  Abheilung  unregelmäßig; 
während  einzelne  Partien  eine  schon  völlig  normale  Hautver- 
färbung zeigen,  sind  andere  noch  immer  ^ankhaft  verändert. 
Die  Schuppen  sitzen  ganz  lose  der  Unterlage  auf;  nur  an  den 
Stellen  der  Schuppenanheftung  ist  die  Haut  noch  gerötet,  sonst 
aber  schon  normal  verfäi'bt,  wodurch  nach  dem  Abfallen 
der  Schuppen  an  manchen  Stellen  der  Haut  eine  rote, 
gitterförmige  Zeichnung  zu  sehen  ist,  die  allmählich  abblaßt 
Besonders  lange  bleibt  die  Veränderung  in  den  Hautfalten 
bestehen,  die  oft  noch  lange  Zeit,  nachdem  die  übrigen  Körper- 
teile bereits  zur  Norm  zurückgekehrt  sind,  eine  intensive 
Rötung  aufweisen.  Selbst  bei  diesem  gutartigen  Ausgange  der 
Erkrankung  bleibt  das  Allgemeinbefinden  nicht  völlig  ungestört. 
Fast  immer  leidet  die  Gewichtszunahme  des  Kindes  darunter, 
häufig  ist  sogar  eine  nicht  unbeträchtliche  Gewichtsabnahme 
nach  dem  Abheilen  der  Dermatose  zu  verzeichnen.  Der  Ge- 
websturgor  hat  stark  abgenonmien  und  es  vergehen  oft  Monate, 
bis  das  Kind  wieder  sein  normales,  frisches  Aussehen  gewonnen  hat. 

Wie  ich  bereits  früher  erwähnte,  geht  die  Dermatose 
nicht  immer  in  Heilung  über,  sondern  in  einer  nicht  unbe- 
trächtb'chen  Zahl  nimmt  sie  einen  malignen  Verlauf  und  endet 
mit  dem  Exitus  der  Patienten.  Von  unseren  43  zur  Beobach- 
tung gelangten  Fällen  erlagen  15  der  Erkrankung.  Wodurch 
dieser  schlechte  Ausgang  bedingt  ist,   ist  nicht  mit  Sicherheit 


76  Leiner. 

aDZQgebeit  Wir  können  nur  soviel  sagen^  daß  trotz  fortdau- 
ernder Brustnabrung  die  Darmstörungen  immer  mehr  in  den 
Vordergrund  treten,  die  Gewichtsabnahme  immer  mehr  fort- 
schreitet, so  daß  diese  Kinder  oft  schon  nach  mehrwöchent- 
licher Krankheitsdauer  in  ihrem  Aussehen  derartig  verändert 
sind,  daß  uns  nichts  mehr  an  das  vor  kurzem  noch  gut  ge- 
nährte Brustkind  erinnert.  Wir  haben  ein  abgemagertes  Kind 
vor  uns,  das  den  Eindruck  eines  Schwerkranken  macht  Der 
Gesichtsausdruck  ist  schmerzlich,  das  Kind  ist  unruhig,  stöhnt 
und  wimmeii;  viel,  schläft  wenig.  Die  oberen  und  besonders 
die  unteren  Extremitäten  werden  gebeugt  gehalten,  sind  hyper- 
tonisch und  setzen  der  passiven  Streckung  einen  ziemlichen 
Widerstand  entgegen.  Die  gesamte  Hautdecke  ist  krankhaft  ver- 
ändert und  oft  ist  am  ganzen  Körper  nicht  ein  normales  Hautfleck- 
chen zu  sehen.  Die  Haut  fühlt  sich  im  Gegensatz  zu  früher 
auffallend  trocken  an,  ist  düsterrot  verfärbt,  im  Gesichte  und  an  den 
Extremitäten  mehr  zyanotisch  mit  dünnen,  weißlichen,  trockenen 
Schuppen  bedeckt  und  von  feinen,  zahlreichen  Rhagaden  durch- 
zogen, die  oft  an  den  Begrenzungsstellen  der  Lamellen  zu 
sehen,  besonders  reichlich  aber  um  die  Mundhöhle  anzu- 
treffen sind,  die  sie  völlig  umsäumen.  Diese  Rhagaden  im 
Vereine  mit  der  Trockenheit  der  Haut,  der  Infiltration  der- 
selben, erschweren  immer  den  Saugakt  und  machen  ihn  oft 
unmöglich.  Auch  die  Mundschleimhaut  ist  stark  gerötet  und 
trocken.  Die  Herzaktion  ist  beschleunigt,  die  Atmung  oft 
arythmisch  und  die  Leber  fast  immer  palpatorisch  vergrößert. 

Besonders  auffallend  in  diesem  Stadium  sind  die  Darm- 
störungen. Das  Kind  leidet  an  profusen  Diarrhöen;  die  Ent- 
leerungen sind  stark  schleimig,  fade  riechend,  mit  wenigen 
Stuhlbröckelchen  untermischt.  Auch  Erbrechen  tritt  häufig  nach 
den  Mahlzeiten  auf;  doch  treten  auchjetzt  die  Magensymptome 
gegenüber  den  Darmstörungen  in  den  Hintergrund. 

Unter  Fortdauer  der  Diarrhöen,  leichten  Temperatur- 
steigerungen —  in  einem  Falle  kam  es  kurz  vor  dem  Tode 
zu  Konvulsionen  und  hohen  Temperaturen  bis  41®  G.  —  tritt 
das  Bild  der  Intoxikation  immer  deutlicher  hervor  uud  führt 
endlich  zum  Exitus  der  Kinder.  (FortMunng  folgt) 


Ans  der  pathologisch-anatomischen  Anstalt  des  städtischen 
Srankenhanses  im  Friedrichshain  zn  Berlin  [Vorstand: 

Prosektor  Dr.  L.  Pick]. 


Lymphangio-Endothelioma  cutis 

abdominis. 

Ein  Beitrag  zar  Kenntnis  der  Endotheliome  der  Haat 

Von 

Dr.  Fritz  Juliasberg  (Berlin). 

(Hiezu  zwei  Tafeln  ) 


Die  divergierenden  Ansichten  über  die  Definition  der 
Endotheliome  und  die  anatomischen  Kriterien,  die  sie  von 
klinisch  ähnlichen  Geschwülsten  zu  trennen  gestatten  sollen, 
beginnen  schon  dort;  wo  über  das  Muttergewebe  dieser  6e- 
schwnlstform,  das  Endothel,  diskutiert  wird.  Einige  Autoren 
erkennen  die  Berechtigung  eines  Endo theliom- Begriffs  überhaupt 
nicht  an:  alle  Geschwulstformen,  die  von  anderer  Seite  vom 
Endothel  abgeleitet  wurden,  stammen  für  sie  entweder  in  Wirk- 
lichkeit Yom  Epithel,  sind  also  Epitheliome,  oder  sie  leiten 
sich  von  Bindegewebselementen  ab  und  sind  in  eine  Gruppe 
mit  den  Sarkomen  zu  bringen.  Aber  auch  unter  den  Autoren, 
die  einen  Endothelbegriff  aufstellen  resp.  akzeptieren,  herrscht 
über  die  Ausdehnung  dieses  Begriffes  keine  Einigkeit,  und  da- 
mit auch  keine  über  die  vom  Endothel  abzuleitenden  Geschwülste. 

Diese  Meinungsverschiedenheit  in  der  Endothelfrage  kommt 
schon  auf  dem  Wege  zum  Ausdruck,  auf  dem  der  einzelne 
Autor  zu  dem  Begriff  des  Endothels  zu  gelangen  sucht  oder, 
besser  gesagt,  sich  durcharbeitet,  denn  alle  Versuche,  diesen 
Begriff  klarzustellen,  müssen  notwendig  mit  gewißen  Mängeln 
und  Lücken  in  unseren  Kenntnissen  rechnen. 


78  Juliasberg. 

Einmal  hat  man  sich  bemüht,  auf  rein  morphologischer 
Grundlage  die  Endothel-Definiüon  festzustellen.  Aber  auf  diesem 
Wege  ist  schon  deswegen  ein  Entscheid  mit  Sicherheit  nicht 
zu  erbringen,  weil  die  in  Frage  kommenden  Zellen  keineswegs 
durchgängig  in  charakteristischer  formaler  Weise  Ton  der 
Epithel-  oder  Bindegewebszelle  zu  trennen  sind.  Werden  neben 
morphologischen  Qualitäten  gewisse  topographische  Beziehungen 
in  Anrechnung  gebracht,  so  kommt  man  zu  der  vielfach  akzep- 
tierten Definition  des  Endothels  als  der  aus  flachen  Zellen 
bestehenden  Auskleidung  der  Blut-  und  Lymphgefässe  und  der 
großen  serösen  Höhlen  des  Körpern. 

Man  hat  nun  weiter  yersucht,  auf  rein  k  e  i  m  e  s  - 
geschichtlicher  Grundlage  die  Natur  der  Endothelien 
schärfer  zu  charakterisieren,  und  es  schien  dieser  Weg  um  so 
gangbarer,  als  wenigstens  nach  verbreiteter  Anschauung  die 
eben  genannten  Zellformen  sämtlich  dem  mittleren  Keimblatt 
entstammen;  damit  war  zugleich  für  die  ofienbar  sehr  nahe 
Relation  der  Endothelien  zu  den  Elementen  des  Bindegewebes, 
das  gleichfalls  zu  den  Derivaten  des  Mesoderms  im  weiteren 
Sinne  rechnet,  eine  Begründung  gegeben. 

Ja,  es  konnten  die  entwicklungsgeschichtlichen  Beziehungen 
dieser  Zellarten  unter  einander  zugleich  die  Variabilität  der 
Geschwulstbildungen  dieser  Form  aufklären.  Wie  Borrmann^) 
einen  Einfluß  der  ursprünglichen  Dififerenzierungsstadien  der 
Epithelmutterzellen  des  Hautcarcinoms  für  die  spezielle  Form 
des  letzteren  für  wahrscheinlich  hält  und  diese  Verschiedenheit 
in,  wie  mir  scheint,  glücklicher  Weise  begründet,  so  würden  auch 
die  Stadien,  bis  zu  welchen  die  —  sei  es  bindegewebig  oder 
endothelial  differenzierten  oder  noch  nicht  völlig  ausgereiften  — 
Elemente  bei  der  embryonalen  Eeimversprengung  im  Sinne  Rib- 
berts^  sich  entwickelt  haben,  für  die  Eigenform  und  Klassi- 
fikation dieser  naheverwandten  Tumorarten  von  Bedeutung  sein. 

Aber  die  Verhältnisse  auf  embryologischem  Gebiete  liegen 
doch    wesentlich    verwickelter,     denn    es  ist    wahrscheinlich, 

^)  Borrmann,  R.  Die  Entstehung  und  das  Wachstum  des  Haut- 
carcioms,  nebst  Bemerkungen  über  die  Entstehung  der  Geschwülste  im 
allgemeinen.  Zeitechr.  f.  Krebsforschg.,  1904,  Bd.  IL,  p.  Iff. 

';  Ribbert,  H.  Gesohwnlstlehre.  Bonn  1904. 


Lymphangio-Endothelioma  catiB  abdominis.  79 

daß  nicht  allein  das  mittlere  Keimblatt  das  Blastem  liefert, 
aus  dem  das  Endothel  hervorgeht,  sondern  daß  anch  die  an* 
deren  Keimblätter  an  der  Genese  dieses  Gewebes  mitbeteiligt  sind. 
Speziell  wird  von  einigen  dem  Endoblast  ein  solcher  Anteil 
zugeschrieben.  Rücke rt  und  Molier,^)  die  ausführlich  die 
Endothelfrage  vom  entwicklungsgeschichtlichen  Standpunkte 
aus  behandeln,  betonen  ausdrücklich,  daß  auch  heute  noch 
über  die  Entwicklung  des  Gefaßsystems  eine  absolute  Uneinig- 
keit besteht,  und  daß  sogar  über  die  Grundfrage,  aus  welchem 
Keimblatt  das  Gefaßendothel  entstehe,  die  Meinungen  noch 
divergieren. 

Das  Einzige,  was  wir  embryogenetisch  als  feststehend  nach 
der  Meinung  dieser  Autoren  und  0.  Hertwigs')  betrachten 
können,  ist,  daß  die  Stützgewebe  und  Gefäßendothelien  aus 
den  Mesenchymkeimen  entstehen,  die  aus  bestimmten  Bezirken 
der  Keimblätter  durch  Auswanderung  isolierter  Zellen  sich 
bilden,  und  daß  an  der  Bildung  dieser  Mesenchymkeime  aus 
dem  mittleren  Keimblatt  stammende  Zellen  einen  hervor- 
ragenden Anteil  haben,  ohne  sie  freilich  ausschließlich  zu 
repräsentieren. 

Noch  schwieriger  wird  die  Endothelfrage,  wenn  wir  nach 
den  Kriterien  suchen,  die  das  Endothel  und  die  Elemente  des 
Bindegewebes  von  einander  trennen  sollen.  In  diesem  Fall 
scheint  wenigstens  das  Eine  sicher,  daß  eine  keimesgeschicht- 
liche Verwandtschaft  zwischen  Endothel  und  Bindegewebe 
besteht:  darüber  sind  die  meisten  Autoren  einig.  Einige,  beson- 
ders französische,  Autoren  gehen  so  weit  —  ich  erinnere  an 
die  Ausfuhrungen  Dariers')  auf  dem  fünften  Internationalen 
Dermatologen- Kongreß  —  die  Endothelzelle  als  eine  in  ihrer 
Funktion  nur  leicht  modifizierte  Bindegewebszelle  aufzufassen: 
die  aus  ihr  entstehenden  Tumoren  wären  dementsprechend 
unter  die  Sarkome  einzureihen. 


^)  Rflckert  und  Möller:  in  0.  Hertwigi  Handbuch  der  ver- 
gleichenden Entwicklnngsgetchichte,  Berlin  1902. 

*)  Hertwig,  0.  Elemente  der  Entwicklungslehre  des  Menschen 
nud  der  Wirbeltiere.  Berlin  1906. 

')  Darier,  J.  Classification  des  epithelioms  de  la  i>eaa.  Y.  Internat. 
Dermatologen-Kongreß,  Berlin  1905,  p.  831  ff. 


80  Jaliueberg. 

Auf  der  anderen  Seite  hat  man  sich  bemüht,  die  Grenzen 
zwischen  aasdifferenzierten  Bindegewebszellen  und  ausdifferen- 
zierten  Endothelzellen  in  der  funktionellen  Verschiedenheit 
zu  begründen.  Aber  bei  dem  Aufgehen  der  lymphatischen  Saft- 
spalten der  Gewebe  in  die  Lymphkapillaren,  das  sich  in  ganz 
allmählicher  Weise  vollzieht,  ist  es  höchst  schwierig,  ja,  un- 
möglich, die  eigentliche  Bindegewebszelle  der  Lymphspalten  von 
den  Endothelien  der  lymphatischen  Haargefäße  abzusondern^  und 
es  stößt  auch  hier  wieder  die  Klassifikation  auf  eine  neue  be- 
deutende Schwierigkeit  (L.  Pick).') 

Sowenig  also  die  Endothelzelle  sich  scharf  von  der  Epithel- 
zelle trennen  läßt,  ebenso  wenig  läßt  sie  sich  in  einen  Gegen- 
satz zur  Bindegewebszelle  bringen,  und  es  beruht  demnach  auf 
einer  reinen  Konvention,  wenn  wir  gewisse  Gewebe  als  „Endo- 
thelien^  bezeichnen,  die  als  einfache  Schichten  platter  Zellen 
bestimmte  Hohlräume  und  Hohlorgane  des  Körpers  austapezieren. 
Es  ist  schließlich  verständlich  daß  die  Autoren  auf  Grund 
der  unsicheren  Umgrenzung  der  Endothelzelle  in  der  Defi- 
nition auch  darüber  nicht  zu  einer  Einigkeit  gekommen  sind, 
welche  Hohlräume  und  Hohlorgane  an  der  Innenfläche  mit 
solchen  Endothelien  belegt  sind.  Wir  wollen  in  Übereinstimmung 
mit  den  Meisten  diejenigen  Elemente  als  Endothelien  definieren, 
die  die  Blut-  und  Lymphgefäße  nebst  den  modifizierten  Lymph- 
räumen, den  Gelenken  und  den  großen  serösen  Höhlen  des 
Körpers  auskleiden,  und  diese  Gewebsformen  sind  es  allein, 
die  wir  in  den  weiteren  Betrachtungen  berücksichtigen. 

Entsprechend  der  mangelhaften  morphologischen  Charak- 
teristik dieser  Endothelien  gegenüber  den  Epithel-  und  Binde- 
gewebszellen sind  die  Schwierigkeiten  wiederum  leicht  begreif- 
lich bei  der  morphologischen  Abgrenzung  der  aus  dem  Endothel 
entstehenden  Geschwülste  gegenüber  dem  Epitheliom  und  dem 
Sarkom.  Läßt  sich  schon  die  einzelne  normale  Endothelzelle  als 
solche  so  wenig  sicher  erkennen,  wie  die  isolierte  Epithelzelle 
und  die  isolierte  Bindegewebszelle,  und  ist  nach  dem  vorste- 

')  Pick,  L.  a)  Zar  Lehre  vom  Myoma  sarkomatosam  and  ftber  die 
sogen.  Endotheliome  der  Gebärmatter.  Arch.  f.  Qynäk.,  Bd.  XLIX.,  IL  1. 

h)  Die  von  den  Endothelien  aosgehenden  Geschwülste  des  Eierstockes. 
Berliner  klin.  Wocbenschr.  1694,  Nr.  45. 


Lymphangio-Endothelioma  cutis  abdominis.  gl 

henden  diese  Diagnose  nur  lösbar,  wo  die  ZelUen  in  cbarak^ 
teristischen  Verbänden  auftreten,  so  muß  natürlich  die  Aufgabe 
noch  in  erhöhtem  Maße  sich  erschweren  in  Neubildungen,  wo 
der  gleichmäßige,  auf  eine  bestimmte  Funktion  hin  basierende 
Zusammenhang  der  Zellen  aufgehört  hat  und  der  Fortfall  der 
das  normale  Wachstum  regelnden  Widerstände  sich  geltend  macht. 

Der  sicherste  Weg  für  die  Beurteilung  der  Natur  und 
Genese  einer  Geschwulst  ist  zweifelsohne,  wie  dies  Ribber t 
wiederholt  ausgeführt  hat  und  stets  von  neuem  betont,  das 
Stadium  der  beginnenden  Neubildung.  Ribbert  und  Borr- 
mann  gelang  es  so  z.  B.  bei  relativ  jungen  Carcinomen  der 
Haut  den  epitheUalen  Charakter  der  sogen.  Gorium-Carcinome 
festzustellen;  die  Verwertung  der  Bilder  in  den  Randpartien 
wird  dagegen  von  Ribbert  ausdrücklich  ausgeschaltet,  sie 
sind  belanglos  und  unbrauchbar,  die  erste  Entwicklung,  d.  h. 
die  die  Definition  bestimmende  Histiogenese  abzuleiten.  Burk- 
hard t^)  meint  allerdings  gerade  bei  Besprechung  der  Endo- 
theliom-Frage,  daß  die  Randpartien  bei  dieser  Ginippe  der 
Geschwülste  für  die  Histiogenese  sehr  wohl  heranzuziehen  seien 
,, nicht  deswegen,  weil  etwa  normale  Zellen  sekundär  in  Ge- 
schwulstzellen übergehen,  sondern  weil  hier  diejenigen  Zellarten 
zu  finden  sind,  die  auf  den  ursprünglichsten  Reiz  am  lang- 
samsten und  trägsten  reagiert  haben,  und  an  denen  sich  der 
ursprüngliche  Entstehuigsmodus  am  längsten  bewahrt  hat". 

Mönkeberg')  hält  mit  Recht  diese  Begründung  der 
Bedeutung  der  Randpartien  lediglich  für  eine  Umschreibung 
des  Irrtums,  den  schon  Ribbert  bekämpft  hat,  und  auch  wir 
glauben  auf  Grund  der  vorliegenden  Literatur,  daß  die  hier  in 
Frage  kommenden  Tumoren  gewöhnlich  ein  so  gleichmäßig  von 
der  ersten  Entstehung  emanzipiertes  Wachstum  im  Zentrum 
wie  an  der  Peripherie  zeigen,  daß  die  Randpartien  als  solche 
—  wenigstens  im  allgemeinen  —  nichts  Wesentliches  über  die 
Genese  dieser  Tumoren  mehr  auszusagen  vermögen,  ganz  ab- 
gesehen davon,  daß,   wie  wir  schon  oben  betonen,  wir  auch  in 


^)  Burkhardt,  L.,  Sarkome  nnd  Endotheliome  Dach  ihrem  patho- 
logisch-anatomischen nnd  klinischen  Verhalten.  Beitrage  zur  klin.  Ghir. 
1902,  Bd.  XXXVI.,  pag.  1  ff. 

')  Mönkeberg.  Endotheliom  in'  Lutarscb-Ostertags  Ergebnisse 
der  allg.  Path.  a.  path.  Anat.  Jahrg.  10,  Wiesbaden  1906,  pag.  789  ff. 

Areh.  f.  Dermat.  u,  Sjpb.  Bd.  LXXXIX.  g 


82  Jaliusberg. 

den  Zellformen    selbst    für   die   Diagnose    eines    Endothelioms 
nichts  sicher  Terwertbares  finden  können. 

Von  den  Autoren,  die  sich  über  die  Differentialdiagnose 
der  Endotheliome  geäufiert  haben,  legt  neben  Burkhardt 
lediglich  Volkmann')  auf  die  Untersuchung  der  Randpartien 
Wert,  weil  er  hier  Übergänge  Ton  normalen  Endothelien  in 
epitheloide  Zellstränge  zu  finden  glaubt.  Borst*)  weist  dem- 
gegenüber darauf  hin,  daß  erstens  ,,auch  bei  Carcinom  das 
Epithel  gar  nicht  selten  in  flach  ausgestreckten,  mit  Fortsätzen 
versehenen  Zellen  interfaszikulär  vordringen  kann,  so  daS  man 
glaubt,  Übergänge  der  Carcinom-Zellzüge  in  Saftspalten-Endo- 
thelien  zu  sehen",  und  ferner,  daß  das  anscheinend  „normale* 
Saftspalten-Endothel,  zu  dem  hin  die  „Übergänge^  seitens  der 
Geschwulstzellzüge  bestehen,  bereits  tumormäßig  gewucherte 
endotheliale  Zellstränge  darstellt.  Auch  wir  glauben,  daß  wenn 
in  den  fraglichen  Fällen  wirklich  Endotheliome  vorliegen,  diese 
letztere  Auffassung  B  o  r  s  t  s  der  von  Volkmann  erwähnten  Beob- 
achtung zutreffend  ist.  Die  endotheliale  Tumorbildung  verläuft 
hier  gleichsam  in  zwei  Etappen:  in  erster  Linie  in  einer 
Weitersprossung  der  endothelialen  Schläuche,  in  zweiter  Linie 
in  einer  geschwulstartigen  Wucherung  der  Wandzellen. 

Eine  besondere  Bedeutung  legt  Borst  folgenden  Punkten  in 
der  Differentialdiagnose  zMrischen  Endotheliom  und  Epitheliom  bei 

1.  Der  aus  der  physiologisch  sekretorischen  Tätigkeit 
der  Endothelzellen  resultierenden  Fähigkeit,  bei  den  Endothe- 
liomen  schleimige,  hyaline  und  amyloide  Degenera- 
tionsprodukte zu  liefern. 

Dieses  Kriterium  ist  zweifelsohne  gelegentlich  vorhanden, 
es  kann  aber  auch  gänzlich  fehlen.  Es  ist,  wie  ich  schon  oben 
andeutete,  möglich,  daß  hier  ähnliche  Gründe  in  Frage  kommen, 
wie  sie  Borrmann  für  die  Genese  der  verhornten  und  der 
nicht  verhornenden  Garcinome  annimmt,  und  daß  vielleicht 
ein  gewisser  Grad  der  Ausdifferenzierung  der  geschwulstbildenden 
Endothelzellen   vor  ihrer  Ausschaltung  vom  übrigen  Endothel 


^)  Yolkmann:  Über  endotheliale  Geschwülste,  zugleich  ein  Bei- 
trag XU  den  Speicheldr&sen-  and  Gaumentamoren.  Deutsche  Zeitschrift 
fär  Chirurgie  1895,  Bd.  XLL,  pag.  1  ff. 

*)  Borst:  Die  Lehre  von  den  Geschwulsten.  1902,  p.  278 ff. 


Lymphaugio-Endotbelioma  cutis  abdominis.  83 

erforderlich  ist,  um  späterhin  bei  der  neoplastischen  Wucherung 
überhaupt  solche  Degenerationsprodukte  liefern  zu  können.  Wir 
müssen  femer  hinzufügen,  daß  es  mit  Recht  als  Epitheliome 
aufgefaßte  „Cylindrome^  gibt,  die  auf  Grund  ihrer  Abstammung 
Yon  Drüsengewebe  gleiche  Degenerationsprodukte  liefern  können» 
Also  ist  das  Vorhandensein  derselben  wohl  indikatorisch  von 
Wert,  sofern  es  zu  weiteren  Nachforschungen  veranlaßt,  ob  im 
speziellen  Fall  wirklich  ein  Endotheliom  vorliegt.  Aber  es  besitzt 
der  Befund  nichtdie  Bedeutung  eines  ausschlaggebenden  Kriteriums. 

2.  Femer  betont  Borst  mit  anderen  Autoren  für  die 
Endotheliomdiagnose  das  Auftreten  zellulärer  Schich- 
tungsgebilde. Ihre  Entstehung  beruht  auf  der  Eigenschaft 
der  platten  endothelialen  Zellen,  sich  den  vorhandenen  Raum- 
verhältnissen so  gut  wie  möglich  anzupassen.  Sie  weisen  eine 
Verschiedenheit  von  ähnlichen  Gebilden  bei  Garcinom  dadurch 
auf,  daß  sie  keine  Hornperlen  bilden,  daß  ihnen  die  kerato- 
hyaline  Körnung,  die  Protoplasmafaserung  und  die  Interzellular- 
brücken der  Plattenepithelkrebse  abgehen. 

3.  Es  wird  das  klinische  Verhalten  der  Eodotheliome 
Als  charakteristisch  betont,  sofern  sie  langsam  wachsen,  gern 
lokal  rezidivieren  und  wenig  Neigung  haben,  Metastasen  zu  bilden. 

4.  Borst  ist  mit  Ribbert  darin  einig,  daß,  wie  schon 
oben  gestreift,  ein  anscheinendes  „Übergehen^  von  Zelluestern 
und  Zellsträngen  in  der  Peripherie  der  Tumoren  in  scheinbar 
normale  Lymphgefäß-  resp.  Saftspalten-Endothelien  leicht  zu 
diagnostischen  Irrtümern  führen  kann,  da  dieses  anscheinend 
normale  Gewebe  bereits  pathologisch  neugebildetes,  zur  Ge- 
schwulst gehöriges  Gewebe  darstellt.  Jedenfalls  sind  diese 
Bilder  an  sich,  wie  schon  oben  erwähnt,  für  Borst  kein  ein- 
deutiges Kriterium,  sie  sind  nach  ihm  nur  insofern  zu  verwerten, 
als  sie  mehr  für  die  Diagnose  Endotheliom,  als  für  die  Diagnose 
Epitheliom  sprechen. 

Wir  möchten  zu  diesem  Punkte  bemerken,  daß,  wenn  die 
anscheinend  normalen  Lymphgefäßendothelien  bereits  aus  der 
Neubildung  heraus  gebildete  Wucherungen  vorstellen,  wir  in 
dem  Vorkommen  derselben  doch  eine  gewisse  Bedeutung  für 
die  Diagnose  sehen  müssen  und  daß  ein  Tumor,  bei  dem  dio 
ersten  sicheren  Anfänge  sich  im  Sprossen  neuer  Lymphkapillaren 


n 


84  Juliusberg. 

äußern,  doch  den  Schluß  zuläßt,  daß  es  sich  um  eine  Geschwulst- 
form  handelt,  die  von  den  Endotbelien  ausgeht. 

5.  Einen  besonderen  Wert  beanspruchen  in  der  Unterschei- 
dung von  Endotheliomen  und  Epitheliomen  nach  Borst  die 
Kriterien,  die  beim  Endotheliom  den  innigen,  beim  Epithe- 
liom den  lockeren  Zusammenhang  zwischen  bindegewebigem 
Stroma  und  Geschwulstzellen  festzustellen  gestatten. 

Es  sind  das  nur  einige  Punkte,  auf  die  in  differential- 
diagnostischer Hinsicht  für  die  Umgrenzung  des  Endotbeliom- 
begriffs  eine  besondere  Bedeutung  gelegt  worden  ist.  Es  sind 
noch  weitere  Kriterien  in  einschlägigen  Arbeiten  angeführt, 
aber  ihr  Wert  ist  mit  Recht  bezweifelt  worden,  und  auch  die 
angeführten  Momente  können  keineswegs  die  Bedeutung  fest- 
stehender und  regelmäßig  ausgesprochener  Merkmale  bean- 
spruchen. 

Da  wir  nach  alledem  bei  einem  schon  längere  Zeit  beste- 
henden Tumor  den  Ausgang  der  Geschwulst  aus  normaleu 
Endothelien  direkt  nicht  mehr  feststellen  können,  vielmehr  dort, 
wo  derartige  Beobachtungen  verzeichnet  sind,  mit  viel  größerer 
Wahrscheinlichkeit  anzunehmen  haben,  daß  die  anscheinend 
„normalen^  Endothelien  bereits  geschwulstartig  gewucherte 
Zellen  waren,  da  femer  die  Geschwulstzellen  als  solche  in 
ihrer  Morphologie  gar  nicht  zur  Entscheidung  beizutragen, 
gestatten,  da  die  klinischen  und  makroskopischen  Merkmale, 
worauf  später  noch  des  näheren  einzugehen  sein  wird,  absolut 
unzuverlässig  in  der  Diagnose  sind,  so  kann  es  sich,  wie  mir 
scheint,  bei  einem  „strittigen''  Endotheliom  nur  darum  handeln,  o  b 
sichnicht  doch  aus  bestimmten  Phasen  des  Wachs- 
tum der  fertigen  Geschwulst  noch  die  sichere 
Beziehung  der  Elemente  des  Neoplasmaszu  siche- 
rem Endothel  ableiten  läßt. 

Das  Wachstum  des  Endotholioms  selbst  zer- 
legt sich  nun  unter  Umständen,  wie  schon  oben  ange- 
deutet, in  einzelne  morphologische  unterscheidbare 
Etappen.  Wir  sehen,  wie  aus  und  in  dem  Massiv  der  Geschwulst 
neue  röhrenartige  Formen  heraussprossen,  mit  einfachem  zelligea 
platten  Belag,  und  erst  in  zweiter  Linie  die  Proliferation  dieser 
Wandzelleu  und  die  Umformung  in  die  mehr  oder  weniger  solidea 


LympbaDgio-Endothelioma  cutis  abdominis.  85 

Formen  auftritt.  Lassen  sich  diese  Röhren  als  Blut-  oder  Lymph- 
gefäße^ ihre  Wandelemente  demnach  als  Endothelien  einwandsfrei 
feststellen,  so  ist  damit  die  Neubildung  als  Endotheliom  sicher- 
gestellt. Wir  treffen  also  hier  einen  gangbaren  Weg,  der 
ihuch  an  der  wachsenden  ^feiiagen**  Geschwulst  die  Histiogenese 
erschließen  läßt  Wir  kommen  auch  hierauf  an  der  Hand  unserer 
Untersuchungen  noch  zurück. 

Freilich  ist  nun  den  Forderungen,  an  denen  für  die  exakte 
Endotheliom-Diagnose  festgehalten  werden  muß,  für  die  in  der 
Literatur  niedergelegten  Fälle  yon  „Endotheliom"  keineswegs 
aasreichend  genügt^  und  es  findet  das  zweifellos  auch  auf  die 
Endotheliome  der  Haut,  auf  die  wir  uns  in  folgendem  be- 
schränken wollen,  Anwendung. 

Hierher  gehören  zunächst  die  von  Braun^)  als  Endotheliome  auf- 
gestellten Geschwülste,  und  femer  eine  vielfach  beschriebene  Form 
benigner  kleiner  Hantneubildungen,  deren  frühere  Auffassung  als  endo* 
theliale  Geschwülste  aus  ihrer  Bezeichnung  als  £ndothelioma 
colloides,  Haemangio-Endothelioma  und  Lymphangio- 
Endothelioma  tuberosum  multiplex  hervorgeht. 

Braun  hat  die  seinerzeit  von  ihm  beschriebenen  Tumoren  zu  den 
Endotheliomen  gerechnet,  erstens  wegen  ihrer  Zellform,  zweitens  wegen 
des  fehlenden  Zusammenhangs  des  Tumorgewebes  mit  der  Epidermis 
oder  ihren  Anhangsgebilden  und  endlich  wegen  der  fehlenden  Yerhornung. 
Wir  haben  schon  oben  ausführlich  über  die  mangelnde  Beweiskraft  der 
rein  morphologischen  Eigenschaften  der  Tumorzelle  gesprochen;  die 
beiden  anderen  von  Braun  angegebenen  Kriterien  sind  rein  negativer 
Natur  und  sprechen^  wenn  auch  nicht  gegen,  so  doch  keineswegs  ein- 
deutig für  die  Diagnose  „Endotheliom''.  Während  Borst  den  Endothel- 
Oharakter  dieser  Tumoren  zugibt,  ist  zuerst  von  Krompeche r,*)  später 
von  Ribbert  und  Borrmann  entschieden  gegen  die  endotheliale 
Natur  dieser  Tumoren  Front  gemacht  worden.  Krompecher  bezeichnet 
sie  als  „  Basalzellen -Garcinome**  und  nimmt  einen  Ursprung  derselben  aus 
embryonal  abgesprengten  Epithelien  des  Rete  Malpighii  an.  Ribbert 
und  Borrmanu  sind  mit  Krompecher  über  die  epitheliale  Natur 
dieser  Tumoren  einig,  geben  aber  ihre  Entstehung  gerade  aus  dem  Rete 
nicht  zu.  Sie  betonen  die  biologische  Gleichwertigkeit  der  ganzen 
Epidermis,  und  halten  es  deswegen  fBr  nicht  möglich,  daß  das  Rete  den 
Ausgangspunkt  einer  morphologisch  ganz  umschriebenen  Art  von  Epitheliom 

*)  Brann:  Über  die  Endotheliome  der  Haut.  Archiv  f.  klin.  Chir. 
1892.  Bd.  XLIII.  pag.  196. 

*}  Krompecher:  Der  drüsenartige  Oberflächenkrebs.  Carcinoma 
«pitheliale  adenoides.  Zieglers  Beitr.  z.  path.  Anat.  u.  allg.  Path.  1900. 
Bd.  XXYllI.  pag.  1  ff. 


86  Juliusberg. 

abgeben  kann.  Die  fraglichen  Neubildungen  entstehen  aus  embryonal 
abgesprengten  Keimen  der  Epidermis  unterhalb  derselben  im  Gorinm. 
Borrmann  schlägt  deswegen  für  sie  die  Bezeichnuug  Corium-Garcinome 
Yor.  Gewisse  morphologische  Di£ferenzen  dieser  Tumoren  im  Vergleich 
zu  den  ans  dem  Oberflächenepithel  entstehenden  Plattenepithelkrebsen 
hängen,  wie  schon  oben  hervorgehoben,  nach  demselben  Autor  mit  der 
wenig  fortgeschrittenen  AusdifTerenzierung  der  später  geschwulstbildenden 
Epithelien  im  Stadium  ihrer  Abschnürang  zusammen.  Die  Beweisführung 
Borrmanns  für  die  epitheliale  Natur  dieser  Geschwülste  scheint  uns 
genügend  gesichert. 

Eine  Gruppe  häufig  untersuchter  Hautgeschwülste  stellen  die  vorher 
genannten  Neubildungen  dar,  die  als  Haemangio-Endothelioma 
tuberosum  multiplex  oder  unter  sonstigem  Endotheliom  prigndi- 
zierendem  Namen  beschrieben  worden.  Es  sind  kleine,  gutartige 
Geschwülste,  die  für  die  Träger  selbst  von  außerordentlich  geringei 
Bedeutung  sind,  aber  vom  theoretischen  Standpunkte  aus  bei  der  Strittigkeit 
ihrer  Genese  immer  von  neuem  Interesse  geboten  haben.  Einige  Autoren 
fassen  sie  übrigens  als  Adenome,  andere  als  Epitheliome  auf.  Diese 
Frage  hat  in  einer  Arbeit  von  Gassmann  ^)  aus  der  Bern  er  Klinik 
insofern  eine  teilweise  Lösung  gefunden,  als  es  Gassmann  gelang,  die 
epitheliale  Natur  dieser  Tumoren  sicherzustellen;  ob  es  sich  regelmäßig, 
wie  bei  seinem  Fall,  um  Tumoren  handelt,  die  vom  Epithel  der  Schweiß- 
drüsen ihren  Ursprung  nehmen,  will  der  Autor  noch  weiteren  Unter- 
suchungen vorbehalten. 

Weiter  finden  sich  in  der  Literatur  wiederholt  als  Cylindrome 
der  Haut  bezeichnete  Geschwülste  beschrieben  und  als  eine  besondere 
Form  der  Endotheliome  aufgefaßt  Wir  verweisen  zu  diesem  Kapitel  auf 
Ribberts  allgemeine  Darstellung  der  Cylindrome  und  fugen  entspre- 
chend der  Meinung  dieses  Autors  hinzu,  daß  die  Bezeichnung  „Cylindrom*^ 
als  solche  niemals  die  endotheliale  Natur  der  betreffenden  Tumoren 
involviert,  sondern  daß  dieser  Name  nur  eine  sekundäre,  rein  attributive 
Besonderheit  dieser  Geschwülste  in  den  Vordergrund  treten  läßt,  die  an 
sich  ebenso  gut  Neubildungen  epithelialer  wie  anderer  Genese  zukommen 
kann.  Es  wird  sich  also  fragen,  ob  es  Cylindrome  der  Haut  gibt,  die 
für  sich  —  unbeschadet  der  cylindromatösen  Umwandlung  des  Geschwulst- 
parenchyms  —  zu  den  Endotheliomen  zu  rechnen  sind. 

Wie  nach  den  obigen  Ausführungen  klar  ist,  ist  die  Auffassung  eines 
in  Frage  kommenden  Tumors  als  Endotheliom  in  jedem  Einzelfall  von  einer 
genauen  histologischen  Untersuchung,  von  einer  strengen  Abwägung  der 
Kriterien,  die  für  oder  gegen  diese  Diagnose  sprechen,  abhängig.    Damm 


')  Gas s mann  A.:  5  Fälle  von  Naevi  cystepitheliomatosi  dissemi- 
nati  (Hidradenom  Jacqnet  et  Darier  etc.).  Arch.  f.  Dermatologie.  1901. 
Bd.  LVm.  pag.  177  ff.  (cf.  auch  M.  Wink  1er,  ebenda  1903.  Bd.  LXIIL 
psg.  3  ff.  und  1907.  Bd.  LXXXVL  pag.  129  ff.). 


Lymphangio-Endothelioma  cutis  abdominis.  87 

ertcheinen  ans  auch  die  Erwägungen  von  Dabreuilh  und  Auch6') 
wenig  fruchtbringend  und  für  die  ganze  Frage  geradezu  verwirrend,  die 
auf  Grund  eines  von  ihnen  als  Epitheliom  besohriebenen  Falles  eine 
gante  Reihe  klinisch  ähnlicher  Fälle  —  es  handelt  sich  um  die  be- 
kannten kugeligen  multiplen  Tumoren  des  behaarten  Kopfes  —  mit  ihrem 
eigenen  Fall  histologisch  in  eine  Gruppe  zusammenbringen.  Die  von 
diesen  beiden  Autoren  allgemein  als  Epitheliome  reklamierten  Fälle  sind 
teilweise  solche,  die  zweifellos  als  Epitheliome  aufgefaßt  werden  müssen, 
teilweise  aber  möglicherweise  Endotheliome  und  sind  schließlich  auch  solche, 
über  die  eine  histologische  Untersuchung  und  Beschreibung  nicht  vorliegt. 

In  ganz  denselben  Fehler  ist  P  o  1 1  a  n  d')  verfallen.  Auch  er  hält  sich  für 
berechtigt,  nach  Beschreibung  eines  einzigen  Falles,  der  noch  dazu  klinisch 
ganz  erhebliche  Abweichungen  von  den  Fällen  S  p  i  e  g  1  e  r  s  u.  a.,  die  wir  später 
zu  berücksichtigen  haben,  aufweist  —  es  handelt  sich  um  multiple,  teilweise 
exulcerierte  Tumoren  im  Gesicht,  die  sich  histologisch  als  Ulcera  rodentia 
erwiesen  —  die  bisher  beschriebenen  Fälle  mit  seinem  anstandlos  zu  iden- 
tifizieren. Sicherlich  ist  es  mit  Möller')  und  Haslund^)  weit  zweck- 
mäßiger, die  nicht  genau  beschriebenen  Fälle  für  die  vorliegende  Frage 
außer  Betracht  zu  lassen,  und  nur  die  histologisch  charakterisierten  Beobach- 
tungen für  die  Begründung  einer  klinischen  und  histologischen  Charak- 
teristik der  Hautendotheliome  zu  verwerten.  Betrachten  wir  von  diesem 
Standpunkte  aus  die  wenigen  Fälle  von  Hauttumoren,  die  bezüglich 
ihrer  endotheliomatösen  Natur  in  der  Literatur  keinen  Widerspruch 
gefunden  haben,  so  beschränkt  sich  ihre  Zahl  auf  folgende  Beobachtungen. 

Da  ist  zunächst  ein  von  M.  Winkler')  aus  der  Berner  Klinik 
beschriebener  Fall,  der  insofern  wieder  noch  eine  besondere  Stellung 
einnimmt,  als  hier  ein  Psammom  der  Haut  und  des  Unterhaut- 
gewebes vorliegt.  Wie  die  Psammome  der  Hirnhäute  von  Bibbert, 
der  an  und  für  sich  der  Diagnose  „Endotheliom^  außerordentlich  reserviert 
gegenübersteht,  trotzdem  anstandslos  zu  den  Endotheliomen  gerechnet 
werden,  so  dürfte  Winklers  Fall,  ausgehend  von  den  Scheiden  der 
Unterhautnerven,  mit  Sicherheit  den  Endotheliomen  zuzuzählen  sein. 

Gegenüber   diesem   eigenartigen   Fall    von   psammösem  Hautendo- 


^)  Dubreuilh  W.  und  Au  che  B.:  J^pitheliomes  b^nina  multiples 
du  cnir  chevelu,  Ann.  de  dermat.  1902.  pag.  646  ff. 

')  Polland,  R.  Über  Gylindroma  epitheliale.  Monatshefte  für 
prakt.  Dermat.  1906.  Bd.  XLEI.  p.  279. 

')  Möller,  M. :  Naevua  giganteus  capillitii  im  Vergleich  mit 
einigen  andern  Geschwulstbildungen  der  behaarten  Kopfhaut.  Arohiv  f. 
Dermat.  u.  Syph.  1903.  Bd.  LXIV.  pag.  199  ff. 

*)  Haslund,  G.:  Multiple  Endotheliome  der  Kopfhaut.  Ein  Beitrag 
zur  Kenntnis  der  Geschwülste  der  Haut.  Arohiv  f.  Dermat.  u.  Syph.  1906 
Bd.  LXXXU.  pag.  247,  828  S. 

')  Wink  1er,  M.:  Über  Psammome  der  Haut  und  des  Unterhaut- 
gewebes. Virchows  Arch.  f.  path.  Anat.  etc.  1904.  Bd.  GLXXVIII.  p.  328  il. 


88  Jalinsberg. 

theliom,  das  man  in  Analogie  der  bekannten  Neurofibrome  der  Haut  aacb 
als  psammöses  Neuroendotheliom  bezeichnen  könnte,  sind  die 
Neubildungen  in  einer  weiteren  Reihe  vtn  Fällen,  die  noch  hier  in  Betracht 
kommen,  nach  den  Angaben  der  Autoren,  von  den  Endothelien  der  Blnt- 
oder  Lymphgefäße  der  Haut  im  allgemeinen  ausgegangen  und  betreffen 
sämtlich  Beobachtungen,  die  mit  Rücksicht  auf  ihre  bevorzugte  Lokali - 
sation  meistens  als  multiple  Endotheliome  der  Kopfhaut 
beschrieben  sind. 

Hierher  gehört  zunächst  ein  von  Mulert^)  mitgeteilter  Fall:  Bei 
einer  68jährigen  Frau  yon  gutem  Allgemeinbefinden  fanden  sich 
über  der  behaarten  Kopfhaut  60—70  erbsen-  bis  apfelgroße  Tumoren 
von  der  Konsistenz  eines  mittelharten  Fibrom».  Die  Geschwülste  sind  von 
glatter,  nicht  verschieblicher  Haut  überzogen  und  teilweise  oberflächlich 
exulceriert. 

Mikroskopisch  handelte  es  sich  um  einen  alveolär  oder  plexiform 
gebauten  Tumor.  Das  Geschwulstgewebe  ist  durch  eine  schmale  Binde- 
gewebsschicht  von  der  Epidermis  geschieden.  Die  Kerne  der  Geschwulst- 
Zellen  sind  meist  von  ovaler  Gestalt;  die  der  Alveolai*wand  unmittelbar 
anliegenden  Zellen  sind  intensiver  färbbar  als  die  mehr  zentral  gelegenen, 
und  palisaden förmig  angeordnet.  In  den  Bindegewebsmassen  des  Stromas 
liegen  zwischen  Tnmorzellzügen  rundliche,  von  platten  protoplasma- 
reichen Zellen  ausgekleidete  Lücken.  Um  diese  endothelartigen  Zellen 
folgen  mehrere  Zellschichten  vom  Charakter  der  oben  beschriebenen 
paiisadenförmig  gestellten  Geschwulstzellen.  Die  äußerste  Grenze  dieser 
Röhren  bilden  hyaline  Ringe  oder  fibrilläres  Bindegewebe.  Das  umgebende 
Stroma  selbst  ist  der  Sitz  reichlicher  hyaliner  Degeneration,  und  inner- 
halb der  Alveolen  selbst  finden  sich  vielfach  hyalinartige  Gebilde.  Li 
einem  der  6  untersuchten  Tumoren  hatten  sich  die  Tnmorzellen  zu  den 
oben  erwähnten  Schichtungskugeln  angeordnet. 

Mulert  schließt  die  Diagnose  „Plattenepitbeliom*^  aus,  weil 
nirgends  eine  Protoplasmafaserung  vorhanden  ist,  ebenso  wenig  wie  eine 
Yerhomung,  ferner  wegen  der  engen  Verbindung  zwischen  den  Alveolar- 
wänden  und  den  darin  liegenden  Zellen,  und  schließlich  wegen  der  aus- 
gedehnten hyalinen  Degeneration  dss  Bindegewebes  und  der  hyalinen 
Degeneration  der  Blutgefaßwände«  Ein  Zusammenhang  der  Tumorzellen 
mit  den  Talg-  oder  Schweißdrüsen  ist  nicht  vorhanden,  ebenso  wenig 
eine  morphologische  Ähnlichkeit  der  Geschwulstzellen  mit  denen  dieser 
epithelialen  Organe.  Per  exclasionem  nimmt  Malert  an,  daß  die  Tumoren 
von  Endothelien  ihren  Aufgang  genommen  haben,  und  zwar  von  denen 
der  Lymphgefäße  bzw.  Lymphkapillaren.  Er  stellt  sich  vor,  daß  die  Endo- 
thelien derselben,  wie  in  den  oben  beschriebenen  „Zellkränzen'',  allmählich 
durch  mehrere  Obergänge   in  eigentliche  Tnmorzellen   sich    umgestalten. 


')  Mulert:  Ein  Fall  von  multiplem  Endotheliom  der  Kopfhaut, 
zugleich  ein  Beitrag  zur  Endotheliom -Frage.  1.  D.  Rostock.  1897,  auch 
Archiv  für  klin.  Chir.  1897.  Bd.  LIV.  pag.  668  ff. 


LymphangioEndothelioma  cutis  abdominis.  89 

Mulert  setst  sieh  mit  dieser  Erklärung,  wie  er  selbst  eugibt,  in 
Gegensatz  zu  der  Ansicht  Ribberts,  daß  die  Tumoren  aus  sich  selbst 
herauswacfaien,  und  für  uns.  die  wir  der  Meinung  Ribberts  beipflichten, 
wurde  der  Erklärungsversuch  Mulerts  nur  in  der  Form  Geltung  haben, 
daß  die  Lymphgefäße,  aus  deren  Wandungen  Mulert  die  Geschwulst- 
genese  herleitet,  bereits  aus  der  Grundmasse  hcrausgewucherte  Hohl- 
räume —  jene  „erste  Etappe  der  Tumorbildung^  —  darstellen.  Aber 
auch  unter  dieser  Voraussetzung  scheint  mir  aus  der  Beschreibung 
Mulerts  der  endotheliomatöse  Charakter  seiner  Geschwülste  nicht 
genügend  gesichert.  Weder  geht  aus  der  Beschreibung  Mulerts  hervor, 
daß  diese  Zellkränze  in  der  Tat  endothelausgekleidete  Zylinder  darstellen, 
noch  daß  die  sonstigen  Tumormassen  direkt  mit  den  Zellen  dieser  Zell- 
kränze  in  Verbindung  stehen.  Es  scheint  mir  immerhin  möglich  —  wenn  ich 
dies  auch  nicht  mit  Sicherheit  beweisen  kann  — ,  daß  in  Mulerts  Fall 
ein  Epitheliom  vorgelegen  hat.  Jedenfalls  aber  hat  Mulert  den  Beweis 
nicht  genügend  durchgeführt,  daß  seine  Tumoren  als  sichere  Endotheliome 
gelten  könnten. 

Drei  weitere  Fälle  teilt  Spiegier')  mit.  Im  ersten,  bei  einem 
66jährigen  Mann,  bestanden  die  ältesten  Tumoren  über  40  Jahre,  waren 
reichlich  auf  dem  Eopf  und  in  der  Schläfengegend  vorhanden,  nur  ver- 
einzelt am  Stamm.  Die  Haut  über  ihnen  war  glatt,  nicht  abhebbar;  sie 
waren  teilweise  oberflächlich  exkoriiert  und  exulceriert,  ihre  Konsistenz 
war  derb  elastisch.  —  Der  zweite  Fall,  die  Tochter  dieses  Patienten, 
zeigte  ganz  gleiche  Tumoren  auf  dem  Eopf.  —  Im  dritten  Fall  war 
neben  dem  Eopf  auch  die  Haut  über  den  Schultern  und  weiter  abwärts  befallen. 

Bei  den  ersten  beiden  dieser  8  Fälle  (Vater  und  Tochter)  findet 
sich  sehr  ausgedehnt  eine  hyaline  Degeneration  des  Bindegewebes  und 
eine  hyaline  Degeneration  im  Innern  von  Zellschläuchen.  Die  periphe- 
rischen Zellen  dieser  Hohlräume  sind  radiär  gestellt.  Im  Innern  zeigen 
die  Zellen  eine  kleine  runde  oder  polygonale  Form  und  sind  unregel- 
mäßig angeordnet.  „Hie  und  da  sieht  man  Querschnitte  von  Kapillaren, 
deren  Wandzellen  sich  in  lebhafter  Wucherung  zu  befinden  scheinen, 
und  zwischen  deren  Elemente  vereinzelte  ähnliche  Zellen  eingebettet 
sind  wie  die,  aus  denen  der  Tumor  besteht.^  Ferner  weist  Spiegier 
„auf  vereinzelte  Kapillaren  mit  stark  verdickter  Wandung  bin,  mit  teil- 
weise erhaltenem  Lumen,  welche  an  ihrer  Außenseite  bedeckt  sind  mit 
regelmäßig  angeordneten,  auf  der  Gefäßwand  senkrecht  stehenden,  großen, 
schön  gefärbten,  distinkten,  kubischen  Zellen^.  Im  dritten,  ähnlichen 
Falle  findet  Spiegier  keinen  Zusammenhang  mit  den  Kapillaren  und 
verlegt  den  Ausgang  dieser  Geschwulst  hypothetisch  in  die  Endothelien 
der  Lymphspalten. 

Leider  sind  die  Angaben  Spieglers  ülier  die  Histiogenese  seiner 
Tumoren  außerordentlich  kurze.  Einen  strikten  Beweis  für  die  endotheliale 


*)  Spiegier:   Über  Endotheliome  der  Haut.  Archiv  f.  Dermat.  u. 
Sypb.  1899.  Bd.  L.  163  ff. 


90  Juliusberg. 

Nfttur  seiner  Tnmoren  fiDden  wir  in  der  BoBchreibaog  nicht.  Einige 
Momente  machen  diese  möglich,  besondert  der  genannte  Zusammenhang 
der  Kapillare  mit  den  Geschwnlstzellen.  Was  mir  aber  besonders  gegen 
die  endotheliomatöse  Natur  der  Tumoren  zu  sprechen  scheint,  ist  die 
sehr  weitgehende  Übereinstimmung  der  kurzen  Beschreibung  Spieglers 
mit  der  ausführlicheren  von  Muler t,  dessen  Fall  mir  schon,  wie  mir 
scheint,  begründete  Bedenken  gegen  seine  endotheliomatöse  Genese  auf- 
kommen ließ. 

Sodann  wäre  unter  Vorbehalt  ein  von  Eoulnieff^)  als  Cylindrom 
bezeichneter  Fall  einer  40jährigen  Frau  zu  nennen,  bei  der  elastische 
gelappte  Tumoren  reichlich  auf  dem  Kopf,  spärlicher  auf  dem  übrigen 
Körper  saßen  und  zum  Teil  bereits  11  Jahre  bestanden. 

Histologisch  ist  der  Geschwnlstbau  ein  alveolärer.  Die  Geschwulst- 
zellzüge sind  umgeben  von  hyalin  degenerierten  Bindegewebszügen. 
Beziehungen  zum  Endothel  sind  in  der  kurzen  Beschreibung  nicht 
erwähnt,  so  daß  der  Fall  zur  Feststellung  seiner  wahren  Natur  kaum 
Diskutables  liefert. 

Nur  kurz  beschreibt  Seitz')  ähnliche  Geschwülste  bei  einer  51  jähr. 
Frau,  die  sich  vom  20.  Lebensjahre  an  entwickelt  haben.  Die  Tumoren, 
an  Zahl  20 — 25,  saßen  auf  der  Kopfhaut  verstreut  und  hatten  Erbsen* 
bis  Walnußgröße.  Die  Konsistenz  ist  eine  ziemlich  weiche. 

Histologisch  finden  sich  in  einem  reichlich  entwickelten  binde- 
gewebigen Stroma  alveolär  angeordnete  Zellhaufen,  zusammengesetzt  aus 
teils  ovalen,  teils  spindelförmigen,  teils  zylindrischen  Zellen  mit  rund- 
lichen, bläschenförmigen  Kernen.  Die  peripherische  Schicht  der  einzelnen 
Gruppen  ist  palisadenförmig  angeordnet.  Der  Kern  der  inneren  Schichten 
zeigt  eine  mehr  spindelförmige  Gestalt.  In  manchen  dieser  Verbände  ist 
eine  Art  Lumen  erkennbar.  Die  Zellgruppen  sind  vom  übrigen  Binde- 
gewebe durch  einen  homogen-hyalinen  Saum  getrennt.  Auf  Grrund  dieses 
Aufbaues  nimmt  Seitz  an,  daß  sich  seine  Tumoren  von  mit  Epithel 
(Endothel)  ausgekleideten  röhrenförmigen  Gebilden  ausgebildet  haben. 
Er  faßt  sie  als  Endotheliome  auf  und  nennt  sie  mit  Bnoksicht  auf  die 
hyaline  Entartung  Cylindrome.  —  Auch  hier  fehlt  der  Beweis  vollständig, 
daß  diese  Geschwülste  in  der  Tat  Endotheliome  dargestellt  haben. 

Ganz  kurz  finde  ich  einen  von  Riehl')  unter  dieser  Diagnose  vor- 
gestellten Fall  erwähnt,  über  den  so  gut  wie  gar  keine  histologische 
Notizen  vorliegen.  Das  Referat  in  Unnas  Monatsheften  über  diesen  Fall 
sagt :  nDie  Untersuchung  ergab  auf  dem  Durchschnitt  weiße,  etwas  lappige 

^)  Koulnieff:  Cylindrome  multiple  de  la  peau  Societö  russe  de 
syph.  et  de  dermat.  de  St  Petersburg.  Annales  de  dermat.  1895.  pag.  242. 

')  Seitz:  Ein  Fall  multipler  Cylindrome  der  behaarten  Kopfhaut. 
J.  D.  München,  1898. 

')  Riehl:  Endotheliom  der  Haut.  Sektion  f.  Dermat.  der  66.  Natur - 
forscherversammlung,  Ref.  Monatshefte  f.  prakt.  Dermat  1894,  Bd.  XIX. 
pag.  484. 


Lymphangio-Endothelioma  outis  abdominis.  91 

Geschwälste,  ausgehend  von  den  Endothelien  der  Lymphwege.  Man  sieht 
teils  alveoläre  Anordnung,  teils  Zellzäge,  eingelagert  in  den  Zwischen- 
rftomen  switchen  dem  Bindegewebe.''  Noch  lakonischer  ist  das  Original- 
referat in  den  Verhandlnogen  vom  Natarforschertage  selbst.  Dieser  Fall 
muß  danach  mangels  genauer  Beschreibung  von  weiterer  Verwertung  aus- 
scheiden. 

Endlich  seien  noch  drei  weitere  Fälle  erwähnt,  welche  Spiegier') 
mit  den  seinigen  identifiziert.  In  2  dieser  Fälle  (bei  Ancell  und  bei 
Cohn)  lag  gar  keine  histologische  Beschreibung  vor.  Der  dritte  Fall 
(Poncet,  Bard  und  Audry)  ist  so  strittig,  daß  wir  keinön  Grund  haben, 
auf  ihn  einzugehen. 

Rekapitulieren  wir,  ehe  ich  noch  auf  einen  weiteren  Fall  eingehe, 
das,  was  sich  für  das  Thema  der  Hautendotheliome  aus  den  bisher  er- 
wähnten Fällen  ergibt,  so  ist  das  Ergebnis  ein  wenig  befriedigendes. 
Bei  der  Mehrzahl  der  erwähnten  Fälle  ist  die  histologische  Beschrei- 
bung eine  so  dürftige,  daß  eine  Beurteilung  der  Fälle  gar  nicht  möglich  ist. 
W i  nk  1  e r s  „Neuroepithelioma  psammosum  cutis'',  dessen  endotheliomatöse 
Natur 'erwiesen  ist,  nimmt  eine  Sonderstellung  ein.  Die  Fälle  von  Muler  t 
und  S  piegler,  zeigen  in  ihrer  Beschreibung  so  wenig,  was  den 
strikten  Beweis  eines  Zusammenhangs  des  Tumorgewebes  mit  den  Endo- 
thelien gibt,  daß  wir  sie  zum  mindesten  als  bezüglich  ihres  Endothel ioni- 
charakters  fraglich  auffassen  müssen. 

Immerhin  müssen  wir  vom  klinischen  Standpunkte  ans  das  Ver- 
dienst Spieglers  durchaus  anerkennen,  eine  Gruppe,  wie  es  scheint, 
benigner  Hauttumoren,  die  in  multipler  Form  besonders  die  Kopfhaut 
befallen,  herausgehoben  zu  haben,  und  ich  bin  auch  der  Meinung,  im 
Einverständnis  mit  anderen  Autoren,  daß  in  diese  Gruppe  Spieglers 
auch  die  Fälle  von  Mulert,  wahrscheinlich  auch  die  Fälle  von  Eoul- 
nieff  und  Seitz  gehören.  Die  histologische  Gruppierung  dieser  Ge- 
schwülste ist,  trotzdem  wir  klinisch  über  sie  eine  gute  Beschreibung 
besitzen,  freilich  nicht  mit  Sicherheit  entschieden. 

Dagegen  scheint  mir  ein  Fall  Haslunds^)  von  Eopfhautendo- 
thelien  für  den  Zweck  meiner  Arbeit  von  besonderem  Interesse,  da  hier 
die  endotheliale  Natur  der  vorliegenden  Geschwülste  meiner  Ansicht  nach 
auf  gesicherter  Basis  beruht. 

Haslunds  Patientin,  eine  47 — 49jährige  Frau,  besaß  ihre  Tumoren 
etwa  1  Jahr.  Die  Knotenbildung  begann  an  der  linken  Scheitelgegend. 
Nach  und  nach  in  relativ  schneller  Folge  traten  neue  hinzu,  so  daß  die 
vordere  Hälfte  des  behaarten  Kopfes  mit  zahlreichen  Geschwülsten  bedeckt 
war.  Die  Konsistenz  derselben  war  eine  ziemlich  feste.  Die  Oberfläche 
der  kleinen  Geschwülste  war  glatt,  die  der  größeren  leicht  höckrig.  Über 


^)  cf.  Spiegier  1.  c. 

*)  Haslund,  P.  Multiple  Endotheliome  der  Kopfhaut.  Ein  Beitrag 
zur  Kenntnis  der  Geschwülste  der  Haut.  Arch.  f.  Dermatologie  1906. 
Bd.  LXXXIT,  p.  217  und  823  ff. 


92  Joliasberg. 

den  Tamoren  fehlten  die  Hasre.  Die  Drüsen  der  Hallgegend  waren  emp- 
findlich und  hart,  ebenso  bestanden  geschwollene  Drüsen  in  beiden 
Achselhöhlen.  Schon  bei  der  ersten  Beobachtung  macht  die  Patientin 
einen  leicht  kachektischen  Eindruck.  Etwa  V/fJBhre  nach  dem  Auftreten 
der  Tumoren  trat  der  Exitus  ein.  Eine  Sektion  fand  nicht  statt,  jedoch 
war  der  Verlauf  des  Leidens  derartig,  daß  H.  annehmen  durfte,  die 
Patientin  sei  durch  ihre  Geschwülste  und  zunehmende  Kachexie  nach 
vorangehender  Metastasenbildnng  gestorben.  (Es  fanden  sich  DrüsenTcr- 
eiterung  und  event.  ifetastasen  in  oder  um  die  Lendenwirbelsäule  vor.) 

Histologisch  zeigte  die  in  der  Gutb  und  Subcutis  gelegene  Oeschwnlst 
einen  alveolären  Bau.  Die  Gesch?nilstzellen  sind  groß,  oval  oder  polygonal, 
mit  großen  bläschenförmigen  Kernen.  Das  Bindegewebe  zwischen  den 
Geschwulststrängen  zeigt  keinerlei  charakteristische  Degeneration.  An  der 
Peripherie  der  Geschwülste  findet  man  Geschwulstzellen,  ,die  deutlich  in 
einem  präformierten  Hohlraum  liegen,  dessen  Wandung  von  einer  zusam- 
menhängenden Lage  flacher  Zellen  mit  langgestrecktem  Kern,  einem 
wirklichen  Endothel  gebildet  wird^.  An  diesen  Endothelbelägen  findet 
teilweise  eine  Kantenstellung  der  Belegzellen  statt,  teilweise  eine  Ver- 
bindung derselben  mit  den  Tumorzellen;  teilweise  bilden  Zellen  vom 
Typus  der  letzteren  die  Wand  der  Hohlräume.  Haslund  nimmt  an, 
daß  sein  Tumor  von  der  Endothel  wänden  den  Lymphkapillaren  seinen 
Ausgang  genommen  hat.  Ich  verweise  auf  die  eingehende  Beschreibung 
der  verschiedenen  Bilder,  die  Haslund  beobachtet  und  in  Abbildungeu 
wiedergegeben  hat.  Meines  Erachtens  nach  ist  dem  Autor  der  Beweis 
durchaus  geglückt,  daß  sein  Tumor  in  der  Tat  ein  Lymphcapillarendo- 
theliom  darstellt. 

Die  Difierenzen,  die  Haslunds  Fall  gegenüber  den  vorher  beschrie- 
benen zeigt,  sind  außerordentlich  auffallend.  Klinisch  liegt  eine  exquisit 
maligne  Tumorbildnng  vor.  Damit  erfüllt  Haslund  ein  Postulat  Bib- 
bert s,^)  daßldie  reinen  Endothel!  ome  mehr  oder  weniger  maligne  Geschwülste 
sein  müssen.  Was  aber  die  Darstellung  Haslunds  besonders  wichtig 
macht,  ist  die  genaue  Analyse  der  Histologie  und  Histogenese  seiner 
Geschwülste.  Haslund  hat  zum  ersten  Mal  bei  einem  multipel  aufge- 
tretenem Tumor  der  Haut  in  überzeugender  Weise  den  Ausgang  des 
Tumorgewebes  von  den  Lymphgefäßendothelien  festgestellt.  Wenn  ich 
also  hinsichtlich  der  Bedeutung  und  Beschaffenheit  seines  Tumors  durch- 
aus der  Ansicht  von  Haslund  beipflichte,  so  kann  ich  doch  seiner 
Meinung  allerdings  insoweit  nicht  folgen,  als  er  die  von  ihm  zitierten 
Fälle  von  Spiegier,  Mnlert  und  Koulnieff  mit  derselben  Sicherheit 
als  Endotheliome  auffaßt.  (FortMtsiing  folgt.) 


0  Ribbert:  Geschwnlstlehre,  Bonn  1904,  p.  584. 


Die  Syphilis  unter  den  Prostituierten 

in  Lemberg. 

Von 

Dr.  Jan  Pap6e. 


Indem  ich  in  dieser  Arbeit  die  Ergebnisse  meiner  Er- 
fahrungen über  die  Syphilis  der  öffentlichen  Mädchen  in 
Lemberg  bekannt  gebe,  möchte  ich  vor  allem  auch  auf  die 
Notwendigkeit  einer  systematisch  durchgeführten  Beobachtung 
hinweisen.  Es  wäre  notwendig,  daß  die  ärztliche  Eontrolle 
der  Mädchen,  welche  als  einer  der  Faktoren,  die  der  Ver- 
breitung der  venerischen  Krankheiten  vorbeugen  sollen,  anzu- 
sehen ist.  den  Charakter  einer  bloß  fragmentarischen  Unter- 
suchung von  Personen,  deren  Vorleben  und  Gesundheitszustand 
dem  Untersuchenflen  viel  zu  wenig  bekannt  sind,  doch  einmal 
verliere.  Es  darf  nicht  befremden,  daß  eine  ärztliche  Tätig- 
keit, welche  zu  einem  administrativ-polizeilichen  Akte  geworden 
ist  und  nur  die  zurzeit  sichtbaren  Krankheitserscheinungen 
berücksichtigt,  nicht  im  vollem  Maße  ihrer  Aufgabe  ge- 
recht wird. 

Meiner  Ansicht  nach  sollte  den  ersten  Schritt  auf  dem 
Wege  der  allseits  vorgeschlagenen  Reform  eine  Umgestaltung 
der  ganzen  Tätigkeit  nach  den  Erfordernissen  der  Wissenschaft 
bilden  und  das  nicht  nur  in  Betreff  der  Methode  und  Unter- 
suchungstechnik, sondern  auch  rücksichtlich  einer  klinischen 
oder  spitalmäßigen  Durchführung  derselben. 

Als  eines  der  zu  diesem  Zwecke  fuhrenden  Mittel  be- 
trachte ich  genau  geführte  und  fortlaufende  Notizen  über  den 


94  Papee. 

Gesundheitszustand,  die  Untersuchungsergebnisse  und  die  Art 
der  Behandlung  der  unter  Aufsicht  stehenden  Mädchen.  Auf 
diese  Weise  läßt  sich  eine  Kontinuität  der  Behandlung  erzielen, 
welche  eine  genaue  Kenntnis  des  Gesundheitszustandes  der 
Prostituierten  zu  jeder  Zeit,  unbeschadet  ihres  öfteren  Orts- 
wechsels ermöglicht. 

Außerdem  erzielen  wir  dadurch  auch  noch  andere  Vor- 
teile. Die  Prostituierten  stellen  ohne  Zweifel  ein  Material  dar, 
an  welchem  wir  oft  jahrelang  ohne  Unterbrechung  den  Verlauf 
der  Syphilis  beobachten  können  und  zwar  nicht  nur  im  mani- 
iesten  Stadium  der  Krankheit,  sondern  auch  während  der 
rezidivfreien  Periode,  wozu  sich  in  der  Privat-  wie  auch  in 
der  Spitalpraxis  viel  seltener  eine  Gelegenheit  bietet. 

Schließlich  können  wir  durch  eine  genaue  Kenntnis 
mancher  Umstände  (als  der  Häufigkeit  der  Erkrankung  an 
Syphilis  in  Ausübung  des  Prostituiertengewerbes,  der  Verlaufs- 
weise der  Erkrankung  sowie  der  Häufigkeit  der  einzelnen 
Krankheitserscheinungen,  in  welcher  sich  die  Syphilis  mani- 
festiert, und  welche  uns  in  den  Stand  setzen,  das  für  die 
Übertragung  der  Krankheit  in  Betracht  kommende  und  daher 
gemeingefährliche  Stadium  der  Krankheit  näher  zu  präzisieren 
und  unsere  Aufinerksamkeit  im  höheren  Maße  gewissen  Gruppen 
zuzuwenden)  auch  manche  nützliche  Aufklärungen  bezüglich 
der  Reform  des  gesamten  Untersuchungssystems  und  daher 
auch  einer  sichereren  Bekämpfung  der  Geschlechtskrankheiten 
erhalten,  was  wir  doch  alle  anstreben.  Auf  diese  Weise  ist 
es  uns  weiters  ermöglicht,  die  ärztliche  Aufsicht  in  die  richtige 
Bahn  zu  lenken,  damit  diese  das  rein  schematische  Vorgehen 
verwerfe  und  individualisierend  auftrete. 

Es  ist  klar,  daß  diese  Einrichtungen  sich  nicht  nur  aut 
einen  Ort  beschränken  können,  wenn  unsere  Bemühungen  ihr 
Ziel  erreichen  sollen.  Die  öffentlichen  Mädchen  sind  ein  sehr 
bewegliches  Element,  sie  übersiedeln  gerne  und  leicht,  sind 
bestrebt  ihre  Vergangenheit  zu  verbergen  und  die  Behörden 
hätten  daher  die  Pflicht,  darauf  zu  sehen,  daß  die  gesammelten 
Notizen  sie  nach  ihrem  neuen  Aufenthaltsort  begleiten. 

Alle  diese  Gründe  haben  mich  dazu  bewogen,  daß  ich 
seit  einigen  Jahren  die  sich  auf  Syphilis  der  bei  uns  regi- 


Die  Syphilis  unter  den  Prostituierten  in  Lemberg.  95 

strierten  Mädchen  beziehenden  Angaben  sammelte,  dieselben 
außerdem  aus  den  Krankheitsgeschichten  des  hiesigen  Spitals 
ergänzte  (inwiefeme  dies  notwendig  erschien  in  Bezug  auf  die 
in  den  früheren  Jahren  und  im  Laufenden  eingeschriebenen 
Mädchen)  und  nachdem  ich  ebenfalls  in  die  Spitalsausweise 
im  Bureau  für  sanitätspolizeiliche  Angelegenheiten  (seit  dem  Jahre 
1896)  Einsicht  genommen  hatte,  nahm  ich  eine  gründliche 
Untersuchung  aller  am  1.  Juni  d.  J.  in  Lemberg  registrierten 
öfiEentlichen  Mädchen  vor.  Natürlich  konnte  ich  die  Unter- 
suchung einer  so  großen  Zahl  von  Personen  (382)  nicht  in 
einigen  Tagen  bewältigen  (obwohl  die  Mädchen  mir  schon  von 
den  täglichen  Untersuchungen  her  größtenteils  bekannt  waren) 
und  mußte  ich  auch  die  fast  tägliche  Fluktuation  in  der  Anzahl 
der  Prostituierten  in  Rechnung  ziehen.  Ich  war  daher  ge- 
nötigt, als  Ausgangspunkt  meiner  Untersuchungen  den  Personal- 
stand eines  bestimmten  Tages  und  zwar  den  am  1.  Mai  auf 
Grund  der  Zählung  der  Evidenzkarten  berechneten  anzunehmen ; 
im  Laufe  der  Untersuchung  wurde  von  mir  nur  der  tägliche 
Abgang  berücksichtigt,  den  Zuwachs  nach  dem  1.  Mai  habe 
ich  dabei  nicht  in  Rechnung  gezogen. 

Vor  der  Untersuchung  war  es  notwendig,  für  jede  einzelne 
Prostituierte  eine  besondere  Evidenzkarte  anzulegen,  in  welche 
außer  dem  Namen,  einem  kurz  gefaßten  Nationale  etc.,  alle 
für  die  Anamnese  in  Betracht  kommenden  Notizen  eingetragen 
waren.  Diese  Notizen  waren  in  der  oben  beschriebenen  Weise 
auf  Grund  der  Erankheitsgeschichten  des  Spitals,  der  monat- 
lichen Spitalsausweise  und  der  Evidenzkarten  des  sanitäts- 
ärztlichen Bureaus  der  Polizeidirektion  zusammengestellt  Für 
einen  großen  Teil  der  Prostituierten  besitzen  wir  in  der  hie- 
sigen Polizeidirektion  schon  besondere  Krankheitsgeschichten, 
die  auf  meine  Veranlassung  hin  seit  1./I.  1906  geführt  werden ; 
diese  haben  sich  auch  bei  der  Sammlung  und  Bearbeitung  des 
Materials  sehr  bewährt.  Es  ist  auch  zu  bemerken,  daß,  so 
lange  wir  diese  Krankheitsgeschichten  nicht  gefuhrt  haben,  die 
Kontinuität  der  Beobachtung  sich  gewöhnlich  gänzlich  yerlor 
und  es  vorkam,  daß  der  Spitalsbehandlung  öfters  Mädchen, 
die  schon  vor  10  Jahren  eine  gründliche,  mehrjährige  Behand- 
lung durchgemacht  hatten,  wegen  unschuldiger  Rhagaden  oder 


96  Papee. 

wegen  so  oft  bei  Syphilitischen  vorkommenden  weißen  Piaqaes 
der  Zunge  überwiesen  wurden. 

Nach  Eintragung  aller  dieser  Daten  habe  ich  bei  der 
Yon  mir  vorgenommenen  Untersuchung  einen  genauen  Einblick 
in  das  Vorleben  der  Untersuchten  gewonnen  und  war  in  Be- 
treff näherer  Auskünfte  nicht  auf  die  Mädchen  angewiesen, 
die  bekanntlich  aus  verschiedenen  Gründen  auch  wissentlich 
sehr  oft  falsche  Angaben  zu  machen  pflegen. 

Bevor  ich  zur  genauen  Darstellung  meiner  Ergebnisse 
übergehe,  möchte  ich  noch  einige  Angaben  über  die  Häufigkeit 
der  Syphilis  unter  den  nicht  unter  Eontrolle  stehenden  Pro- 
stituierten —  geheime  Prostitution  —  anführen.  Diese  An- 
gaben über  den  Verlauf  der  Krankheit  bei  dieser  Kategorie 
von  Mädchen  können  natürlich  nicht  so  genau  sein,  da  die- 
selben keinen  regelmäßigen  Untersuchungen  unterworfen  werden; 
es  wurden  aber  seit  dem  J.  1906  auch  für  jene  Gruppe  be- 
sondere Krankheitsgeschichten  angelegt  und  ich  beabsichtige 
die  darüber  in  dieser  kurzen  Zeit  gesammelten  Erfahrungen 
nun  zu  erörtern,  um  einen  Überblick  über  die  Zahl  der 
Kranken  in  dieser  Gruppe  geben  zu  können. 

Es  wurde  schon  vielfach  darüber  gestritten,  welche 
Kategorie  der  Mädchen  häufiger  von  venerischen  Krankheiten 
befallen  wird  und  es  wurden  verschiedene  statistische  Berech- 
nungen darüber  zusammengestellt,  sowohl  um  die  Behauptung 
zu  verfechten,  daß  die  nur  gelegentlich  der  Untersuchung  zu- 
gefuhrten  Mädchen  in  dieser  Hinsicht  viel  gefährlicher  sind 
als  die  regelmäßig  kootroUierten,  als  auch  um  das  Entgegen- 
gesetzte zu  beweisen. 

Zu  diesem  Zwecke  hat  man  die  Erkrankungsfrequenz 
unter  den  unter  Kontrolle  Stehenden  und  unter  den  nicht 
Kontrollierten  einem  Vergleich  unterworfen,  indem  die  einen 
als  Grundlage  der  Berechnungen  das  prozentische  Verhältnis 
der  Erkrankten  zur  allgemeinen  Anzahl  der  Untersuchten  ge- 
wählt haben,  während  die  anderen  das  Verhältnis  zur  Anzahl 
der  in  einem  Jahre  durchgeführten  Untersuchungen  in  Betracht 
zogen.  Das  ist  aber  aus  vielen  Gründen  nicht  zulässig,  wie 
schon  Blaschko  nachgewiesen  hat  und  führt  oft  zu  ganz 
sich  widersprechenden  Schlüssen. 


Die  Syphilis  unter  den  Prostituierten  in  Lemberg.  97 

Vor  allem  kennen  wir  ja  nicht  die  wirkliche  Gesamt- 
zahl der  unkontrollierten  Prostituierten  und  weiters  hängt 
ja  auch  die  Zahl  der  diagnostizierten  Syphilisfalle  unter  den 
Registrierten  von  der  Genauigkeit  der  Untersuchungen,  von 
dem  Umstünde  ob  mehr  Ältere  oder  Jängere  sich  unter 
ihnen  vorfinden,  bei  den  Unkontrollierten  dagegen  von  dem 
Zeitpunkt  ab,  in  welchem  wir  die  Untersuchung  vornehmen 
(z.  B.  während  der  interrezidiven  Latenzperiode  etc.)^  und 
es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  bei  öfters  vorgenommenen 
Untersuchungen  die  Erkrankungsziffer  unter  ihnen  steigen 
wttrde.  Und  da  die  Kontrollierten  öfters  untersucht  werden, 
so  wird  bei  Berechnung  der  Zahl  der  Krankheitsfälle  im 
Vergleich  zur  Anzahl  der  Untersuchungen  das  prozentische 
Verhältnis  zu  ihren  Gunsten  ausfallen.  Dies  beweisen  ja 
unter  anderen  auch  frühere  statistische  Berechnungen  von 
Parent  Duchatelet,  Jeannel  und  neuere  von 
Commenge.  Und  ganz  anders  fallen  sie  bei  Commenge 
aus,  wenn  man  das  Verhältnis  zur  Zahl  der  Untersuchten  zu 
Grunde  legt;  die  Differenz  zu  Ungunsten  der  Unkontrollierten 
wird  kleiner.  Ahnlich  lauten  die  Berechnungen  Girauds  für 
Lyon:  auf  1000  Untersuchungen  waren  bei  den  Registrierten 
6'47o  Syphilisfälle  und  9'9%  bei  den  Klaudestinen,  im  Ver- 
hältnis zur  Zahl  der  Untersuchten  entfallen  ö3'2%  auf  die 
Registrierten  und  37'27o  ft^f  die  Klaudestinen.  Nach  Wullen- 
web  er  in  Kiel  stellt  sich  das  Verhältnis  (bei  Berechnung  auf 
die  Zahl  der  Untersuchten)  für  das  J.  1896/97  auf  63%  Syphilis- 
fälle bei  Kontrollierten  und  auf  17%  bei  den  nicht  Kon- 
trollierten. 

Ich  meine  aber,  daß  schließlich  in  sanitärer  Hinsicht,  die 
wir  vor  allem  im  Auge  behalten  müssen,  es  gar  nicht  not- 
wendig ist  den  Nachweis  zu  liefern^  auf  welche  Seite  mehr 
Krankheitsfalle  entfallen.  Es  genügt,  meiner  Ansicht  nach, 
wenn  wir  nachweisen,  daß  sich  unter  den  sich  der  geheimen 
Prostitution  Ergebenden  eine  ziemlich  große  Anzahl  Mädchen 
befindet,  die  wir  leider  nur  zufallig  ausfindig  machen  und  die 
meistens  gar  nicht  oder  nicht  -ausreichend  behandelt  werden. 
Eben  dieser  Mangel  an  Behandlung  soll  für  uns  der  wichtigste 
Faktor  sein,  und   der  Umstand;  daß  sie    infolgedessen    ohne 

Attk,  t  nenutt.  XL.  Syph.  Bd.  LXXXIX.  7 


98  Pap4e. 

Zweifel  yiel  zur  Verbreitung  der  Krankheit  beitragen,  soll 
zugleich  für  uns  die  Veranlassung  bilden  einen  Weg  ausfindig 
zu  machen,  um  sie  zur  Behandlung  auf  irgend  eine  Art  zu 
bringen,  ungeachtet  dessen,  ob  die  Zahl  der  Kranken  unter 
ihnen    größer   oder  geringer  ist  als  unter  den  Registrierten. 

Bei  spezieller  Berücksichtigung  der  Lemberger  Verhält- 
nisse stellt  sich  als  Tatsache  heraus,  daß  die  Häufigkeit  der 
venerischen  Krankheiten  im  allgemeinen  bei  den  nicht  über- 
wachten Mädchen  eine  ziemlich  große  ist  Wenn  wir,  was 
Lues  anbelangt,  bei  den  gelegentlichen  Untersuchungen  auch 
nicht  gerade  immer  manifesten  Symptomen  der  Krankheit  be- 
gegnen, so  können  wir  doch  bei  der  überwiegenden  Zahl  der 
anscheinend  gesunden  Fälle  aus  der  Anamnese  erfahren,  daß 
diese  Krankheit  schon  vormals  bei  ihnen  im  Spital  oder  außer 
demselben  konstatiert  worden  ist. 

Die  Elemente,  aus  denen  sich  bei  uns  die  geheimen  Pro- 
stituierten rekrutieren  und  die  zur  gelegentlichen  Untersuchung 
gehmgen,  können  folgendermaßen  gruppiert  werden : 

a)  die  Anfängerinnen  der  Prostitution,  die  noch  nicht 
inskribiert  sind; 

6)  gewerbsmäßige  Prostituierte,  die  unter  dem  Deckmantel 
irgend  eines  anständigen  Gewerbes  die  Prostitution  betreiben 
(Kellnerinnen,  Kassierinnen  etc.); 

c)  registrierte  Prostituierte,  die  sich  der  Kontrolle  aus 
verschiedenen  Ursachen  entziehen; 

d)  gewerbsmäßige  Prostituierte,  die  ganz  öffentlich  ihr 
Gewerbe  betreiben,  aber  aus  verschiedenen  Rücksichten  einer 
Kontrolle  nicht  unterworfen  sind; 

e)  ältere  Prostituierte,  welche  schon  unter  Kontrolle  ge- 
standen  und  vorübergehend  davon  befreit  wurden  (zum  Beispiel 
manche  werden  ausgehalten); 

f)  Mädchen,  die  zwar  einen  anderen  Erwerb  haben,  haupt- 
sächlich sich  aber  von  der  Prostitution  erhalten; 

g)  Dienstboten,  Arbeiterinnen  usw.,  welche  im  Polizeiarrest 
aus  sanitären  Rücksichten  untersucht  werden. 

Zur  Erörterung  der  Zahlen  übergehend,  will  ich  die  Ver- 
hältniszahl der  diagnostizierten  Fälle  innerhalb  beider  Gruppen 


Die  Syphilis  unter  den  Prostituierten  in  Lembergf.  99 

angeben  und  zwar   auf  Grund  unserer  Krankheitsgeschichten, 
daher  nur  fiir  das  Jahr  1906. 

Im  J.  1906  sind  im  ganzen  296  Krankheitsgescbichten 
angelegt  worden;  von  diesen  entfallen  1.  auf  krank  befundene 
registrierte  Mädchen  186  (für  22  hat  man  die  Krankheits- 
^eschichte  nur  zu  diesem  Zwecke  angelegt,  um  die  amtlichen 
Mitteilungen  über  außerhalb  Lemberg  stattgefundene  Behand- 
lung zu  notieren),  2.  auf  krank  befundene  unkontrollierte 
Madchen  82    (für  6  wurde  die  Krankheitsgeschichte  nur  aus 

•dem  oben  erwähnten  Grunde  angelegt). 

Von  der  ersten  Kategorie   wurden  wegen  Syphilis  ins  Spital  ab* 

gegeben 134, 

wegen  anderen  venerischen  Krankheiten 62. 

Von  der  sweiten  Kategorie  wegen  Syphilis     .   .    • 55, 

wegen  anderen  venerischen  Krankheiten 32. 

Die   Zahl   der  nntersnohten  registrierten   Prostituierten  im 

Jahre  1906  ergab 554, 

-die  Zahl  der  untersuchten  Nichtkontrollierten 285. 

Das  prozentisohe  Verh&ltnis  entspricht  also  im  ersten  Falle  20*2^/^ 
<134  auf  554),  im  zweiten  19-47o  (^  »«^  285). 

Der  Unterschied  zwischen  diesen  beiden  Kategorien  ist 
also  sehr  gering;  als  sehr  wichtiger  Umstand  muß  nicht  nur 
«dies  hervorgehoben  werden,  daß  die  NichtkontrolUerten  gar 
nicht,  oder  nur  mangelhaft  behandelt  werden,  aber  auch  das, 
4aß  sie  mehr  virulente  Formen  der  Krankheit  und  weiter  fort- 
geschrittene Veränderungen  aufweisen. 

Die  Zahl  der  registrierten  Mädchen,  die  ich  meinen 
Untersuchungen  unterzogen  habe,  umfaßt  im  ganzen  382  Per* 
eonen,  welche  seit  0 — 29  Jahren  ihr  Gewerbe  ausgeübt  haben. 
Darunter  waren  806  =  81'07oi  welche  Syphilis  überstanden 
^hatten,  und  76  Mädchen  =  l9'87o)  sm  welchen  man  Syphilis 
nicht  konstatieren  konnte. 

Die  ganze  Kategorie  von  Mädchen,  welche  überhaupt 
Syphilis  überstanden  haben,  erheischt  eine  gesonderte  Grup- 
pierung, denn  es  werden  zu  dieser  Gruppe  alle  Mädchen  ge- 
rechnet, die  seit  29  Jahren  ihr  Gewerbe  ausgeübt  haben,  und 
in  dieser  Zeitperiode  Syphilis  bekamen. 

Um  also  die  Unterschiede  in  ihrem  Gesundheitszustande 
deutlich  herrortreten  zu  lassen,  müssen  diese  Mädchen  in 
^kleinere  Gruppen  eingeteilt  werden   und  zwar  nach  der  Dauer 

7* 


100  Pap^e. 

der  Krankheit,  nach  den  Krankheitsstadien  und  nach  den  Krank* 
heitserscheinungen    usw. ;    wir    müssen    also    berücksichtigen : 

a)  eine  Gruppe   von  Mädchen,  die  sich  im  übertragbaren  Sta- 
dium   der    Krankheit    befinden     (stadium    condylomatosom)^ 

b)  Mädchen,  die  dieses  Stadium  bereits  überschritten  haben^ 

c)  Mädchen  mit  Späterscheinungen  der  Krankheit 

Obschon  es  bekanntlich  schwer  ist  in  allen  Fällen  den 
genauen  Zeitpunkt  anzugeben,  in  welchem  das  kondylomatose 
Stadium  der  Syphilis  zum  Abschluß  gelangt  und  obwohl  wir 
ja  Fälle  kennen,  in  welchen  nach  einer  jahrelang  dauernden 
Latenz  rezente  Erscheinungen  zum  Vorschein  kommen,  trotzdem 
die  primäre  Infektion  schon  länger  zurückliegt,  so  können  wir 
doch  dafür  eine  gewisse  allgemeine  Norm  annehmen.  Sperk 
bezeichnete  als  eine  solche  Norm  die  Dauer  eines  Jahres,  inner- 
halb welchem  sich  keine  Symptome  der  Krankheit  zeigten  und 
solche  Mädchen  zählt  er  zu  den  syphilisierten.  Mit  vollem 
Elecht  hat  aber  Wwedensky  diese  Frist  als  unzureichend 
angesehen,  umso  mehr  bei  den  Prostituiei  ten,  bei  welchen  dieser 
Begriff  „syphilisiert**  eine  größere  Sicherheit  in  betreff  ihrer 
Gesundheit  gewährleistet  und  durch  welchen  wir  andeuten 
wollen,  daß  nun  die  Übertragbarkeit  der  Krankheit  schon  als 
ausgeschlossen  erscheint.  Ans  diesem  Grunde  habe  ich  in  die 
Zahl  der  Syphilitischen  diejenigen  Mädchen  einbezogen,  die  ia 
den  letzten  3 Vs  Jähren,  also  voml.  Jänner  1904,  frische  Krank- 
heitserscheinungen aufwiesen,  zu  den  Syphilisierten  alle  jen& 
gerechnet,  bei  welchen  keine  Manifestationen  der  Krankheit 
seit  dem  1.  Jänner  1904  konstatiert  wurden. 

Nach  dieser  Einteilung  konstatierte  ich  bei  171  Mädchen 
das  Stadium  condylomatosum  (zu  diesen  zähle  ich  auch  8^ 
Mädchen,  die  Syphilis  überstanden  haben,  deren  Beobachtung 
aber  in  Lfcmberg  erst  seit  einem  Jahre,  also  zu  kurz  dauerte, 
um  ihre  Infektiosität  ausschließen  zu  können).  Im  ganzem 
umfaßte  also  ihre  Anzahl  179  Personen  =  46*87«  der  Gesamt- 
zahl. Für  Petersburg  gab  Sperk  die  Zahl  frisch  syphilitischer 
Mädchen  auf  86*9%  an,  indem  er  als  solche  nur  jene  bezeich- 
nete, die  Symptome  der  Krankheit  im  Laufe  des  letzten  Jahres 
auf  wiesen.  Wwedensky  gibt  diese  Zahl  auf  397o)  Fedorow 


X0W  •   •   • 

1904.  .  . 

.  .  27 

1905.  .  . 

.  .  82 

1906  •  •  ■ 

.  .  83 

1907.  .  . 

.  .   8 

Die  Syphilis  unter  den  Prostituierten  in  Lemberg.  101 

«uf  33*57o  an  (aber  nur  för  die  Prostituierten  in  öffentlichen 
fiäoBern). 

Nach  der  Zeit  der  Eintragung  in  die  Prostitoiertenliste  waren 

im  Jahre  1896 1                 im  Jahre  1903 27 

.      •      1897 3                   „      ,      1904 34 

„      n      1899 4                   ,      „      1905 24 

n      9      lÖOO 9                   „      „      1906 29 

,      „      1901 14                   „      ,      1907 12 

»      ,      1902 22 

«ingeschrieben. 

Nach  der  Zeit  der  Infektion  mit  Syphilis  waren  angesteckt 

im  Jahre  1896 1  im  Jahre  1908 27 

»      n      1897 1  „      „ 

n  n  1899 1  n  n 

9  n  lÖOO 6  n  n 

»  »  1901 7  ^  „ 

„  ,  1902 11 

Bei  26  Prostituierten  war  die  Zeit  der  Ansteckung  un- 
bekannt. Jedoch  auch  innerhalb  dieser  Oruppe  syphilitischer 
Mädchen  müssen  noch  geringe  Unterscheidungen  stattfinden, 
um  den  höheren  oder  kleineren  Grad  der  Übertragsfahigkeit 
der  Krankheit  würdigen  zu  können.  Dies  ergibt  sich  aus  diesen 
zwei  tabellarisriien  Zusammenstellungen;  die  eine  Zusammen- 
stellung umfaßt  solche  syphilitische  Mädchen,  die  sich  seit 
11  Jahren  der  Prostitution  ergeben  hatten,  die  zweite  solche, 
die  Yor  4 — 11  Jahren  die  Syphilis  akquiriert  hatten  und  welche 
nur  deshalb  dieser  Kategorie  zugezählt  wurden,  weil  bei  ihnen 
in  den  letzten  3  Jahren  zwar  der  Form  nach  als  ^rezent''  zu 
bezeichnende,  aber  nur  isoliert  auftretende  Erscheinungen 
konstatiert  wurden.  Diese  Mädchen  können  aber  in  betreff  der 
Übertragsfahigkeit  der  Syphilis  unmöglich  denen  gleichgestellt 
werden,  die  wirklich  in  einem  frischen  (1— djährigen)  Stadium 
der  Krankheit  sich  befinden,  in  welchem  die  Virulenz  und  die 
Häufigkeit  der  auftretenden  Krankheitsveränderungen  um  ein 
Bedeutendes  größer  ist.  Wir  dürfen  hier  auch  dies  nicht  ver- 
gessen, daß  bei  den  öffentlichen  Mädchen  eine  jede  krankhafte 
Yeränderung  an  den  Sexualorganen  ihre  Abgabe  ins  Spital 
nach  sich  zieht  und  daß  infolgedessen  nicht  selten  eine  anders- 
artige krankhafte  Verändenmg  bei  Mädchen,  welche  einmal 
Syphilis  überstanden  haben,  fakchlich  als  spezifisch  angesehen 


102  Papee. 

winL  Wenn  wir  also  diese  Mädchen  nach  der  Dauer  der 
Krankheit,  der  Häufigkeit  und  Art  der  bei  ihnen  konstatierteD 
Krankheitserscheinungen  gruppieren  werden,  so  wird  sich  die 
Zahl  der  rezent  Syphilitischen  bedeutend  Termindem. 

Wir  nehmen  gewöhnlich  an,  daß  die  höchste  Ansteckungs* 
fähigkeit  [der  syphilitischen  Krankheitsprodukte  während  der 
ersten  3  Jahre  besteht;  wenn  wir  also  diese  Zeitdauer  ala 
maßgebend  bei  der  Beurteilung  unserer  Prostituierten  annehmen, 
so  stellt  sich  heraus,  daß  Ton  127  Mädchen,  bei  denen  man 
diese  Krankheit  feststellen  konnte, 

41  Prostituierte  sich  im  1.  Jahre  der  Krankheit 
befanden,  also  im  Verhältnis  zur  Gesamtzahl  der  Registrierten  z:29Yf 

Was  die  Häufigkeit  des  Vorkommens  der  syphilitischen 
Krankheitserscheinungen  anbelangt,  so  habe  ich  berechnet,  daß 
von  den  179  Prostituierten  die  letzten  manifesten  Krankheits* 
erscheinuDgen 

im  Jahre  1904  ....      7  Mädchen 

„       „      1906.  ...    70        , 
„       n      1907  ....    69        ff 

aufwiesen,  d.  h.,  daß  in  den  letzten  V/^  Jahren  (vom  1.  Jänner 
1906  bis  Ende  Mai  1907}  bei  139  =  357o  die  Symptome  der 
Krankheit  konstatiert  und  behandelt  wurden. 

Diese  Häufigkeit  illustriert  noch  genauer  eine  Zusammen- 
stellung der  im  Laufe  eines  Jahres  krank  Befundenen.  Von 
70  Prostituierten,  die  im  Jahre  1906  wegen  Lues  ins  Spital 
abgegeben  wurden  (was  im  Verhältnis  zum  täglichen  Stande 
der  überwachten  Mädchen  20%  ausmacht),  waren  51  mehr  als 
einmal  im  Spital  behandelt  und  zwar 

7mal 1  Prostituierte 

6  »  1 

ö  „  2 

4  .  8 

8  »  18 

2  «  21 

und  unter  69  dem  Krankenhause  im  J.  1907  übergebenen 
Mädchen  befanden  sich  53  solche,  welche  schon  im  verflossenen 
Jahre  einer  Behandlung  unterworfen  waren. 


Die  Syphilis  unter  den  Prostituierten  in  Lemberg.  103 

Der  Arzt,  welchem  die  Beobachtang  und  Überwachung 
der  inskribierten  Mädchen  obliegt,  mufi  immer  auf  gewisse 
nicht  geringe  Schwierigkeiten  in  der  Beurteilung  der  krank- 
haften Veränderungen  Torbereitet  sein;  er  muß  nämlich  mit 
der  Tatsache  rechnen,  daß  er  es  nicht  mit  Patientinnen  zu  tun 
hat|  welche  selbst  nach  einer  Behandlung  verlangen,  sondern 
mit  solchen,  die  gerade  durch  eine  falsche  Anamnese  und 
bewußt  lägenhafte  Darstellungen  ihm  seine  Aufgabe  zu  er- 
schweren versuchen. 

Diese  Schwierigkeit  tritt  vor  allem  stark  hervor  bei  der 
Konstatiemng  krankhafter  Veränderungen,  welche  nicht  an  den 
Genitalien  auftreten ;  treten  sie  denn  an  den  Genitalien  hervor, 
so  müssen  sie  immer  gemäß  den  bestehenden  Vorschriften  ohne 
Rücksicht  auf  ihren  klinischen  Charakter  einen  Aufenthalt  im 
Spital  zur  Folge  haben.  Mit  den  erwähnten  Schwierigkeiten 
hat  der  behandelnde  Arzt  auch  dann  stark  zu  kämpfen,  wenn 
klinische  Veränderungen  gänzlich  vermißt  werden,  und  es  sich 
um  die  Eonstatierung  einer  überstandenen  zurzeit  latenten 
Syphilis  handelt.  Von  besonderer  Wichtigkeit  bleibt  daher  die 
Frage,  ob  es  gewisse  besondere,  der  Untersuchung  zugängliche 
Merkmale  gibt,  welche  die  Erkrankung  kenntlich  machen  und 
die  Diagnose  erleichtem  können. 

Was  den  klinischen  Charakter  der  bei  Prostituierten 
vorgefundenen  Erscheinungen  anbelangt,  so  muß  ich  bemerken, 
daß  die  Rezidive  meistens  bei  regulär  überwachten  Mädchen 
in  ihrem  Anfangsstadium  und  nur  vereinzelt  angetro£Pen  werden. 
Denn  bekanntermaßen  kommt  es  bedeutend  seltener  zu  ihrer 
Verallgemeinerung,  wenn  jedes  Rezidiv  gleich  im  Anfangsstadium 
eine  zweckmäßige  Behandlung  erfährt.  Auf  139  im  J.  1906 
und  1907  behandelte  Fälle  notierte  ich  90mal  nässende  Papeln, 
7mal  trockene  Eruptionen  an  den  Genitalien  und  deren  Um- 
gebung und  in  42  Fallen  wurden  Ezkoriationen,  Rhagaden, 
follikuläre  und  weiche  Geschwüre  konstatiert.  Der  häufigste 
Sitz  der  nässenden  Papeln  sind  die  Genitalien,  was  vor  allem 
die  lokalen  Reizungen  mit  sich  bringen  (85  Fälle),  dann  kommt 
die  Schleimhaut  der  Gaumenbögen  und  der  Mandeln,  die 
Schleimhaut  der  IJppen,  am  seltensten  die  Gegend  des  Afters. 
Verschiedenartige  Exantheme  der  äußeren  Bedeckungen  habe 
ich  15mal  konstatiert. 


104  Fap6e. 

Die  Gelegenheit  zur  Konstatiernng  eines  typischen  Primär- 
Effektes  bei  den  Prostituierten  (wie  überhaupt  bei  den  Frauen) 
gehört  zu  den  Seltenheiten.  Nicht  selten  überzeugen  wir  uns 
dagegen  erst  ex  post,  daß  die  Eintrittsstelle  des  Krankheitserre- 
gers eine  lokale  Affektion  Ton  gar  nicht  verdächtigen  Charakter 
darstellte.  Ein  typischer  Primäraffekt  wurde  auf  306  Fälle  nur 
17mal  konstatiert,  darunter  in  3  Fällen  mit  dem  Sitze  an  der 
Portio  vaginalis.  In  3  Fällen  sind  sekundären  Erscheinungen 
Geschwüre,  die  nichts  Typisches  darstellten  und  nur  mit  einer 
Anschwellung  der  Labien  (Oedema  indurativurn)  kompliziert 
waren,  nach  einigen  Wochen  nachgefolgt.  Wir  haben  femer 
25  Fälle  beobachtet,  in  welchen  die  syphilitische  Ansteckung 
auf  ganz  unverdächtige  primäre  Veränderungen  zurückzufuhren 
war.  In  ]1  Fällen  bestanden  diese  primären  Veränderungen  in 
gewöhnlichen  Geschwüren  (Ulcus  simplex),  6mal  entsprachen  sie 
leichten  Erosionen,  während  in  7  Fällen  weiche  Geschwüre  oder 
ein  Cihancre  mixte  den  Primäraffekt  darstellten.  In  einem  Falle 
beobachtete  ich  als  primäre  Krankheitserscheinung  einen  beider- 
seitigen Herpes  labialis  mit  Anschwellung  der  Labien ;  7  Wochen 
später  folgte  ihr  ein  knötchenförmiges  Exanthem  und  nässende 
Papeln  der  Mundschleimhaut. 

Was  die  charakteristischen  Merkmale  anbetrifft,  nach 
welchen  man  eine  früher  Qberstandene  Lues  konstatieren  könnte, 
so  finden  wir  an  der  Stelle  der  Primäraffektion,  welche  ohnehin 
selten  festzustellen  ist  —  nach  ihrer  Vemarfasog  —  gar  keine 
sichtbaren  Veränderungen.  Die  Entstehung  ein«r  jQharakteristisch 
infiltrierten,  verhärteten  Narbe  gehört  zu  den  seltenen  Erschei- 
nungen; es  kommt  vor,  daß  an  dieser  Stelle  eine  Pigmentation 
entsteht. 

Unter  anderen  Merkmalen  wären  noch  an  erster  Stelle 
zu  erwähnen:  die  Lymphdrüsenanschwellung  mit  ihrer  charak- 
teristischen Härte,  welche  Veränderung  wir  als  Merkmal  einer 
nicht  weit  zurückliegenden  Infektion  betrachten  müssen,  wenn 
wir  sie  auf  Stellen  antreffen,  wo  für  gewöhnlich  sie  seltener 
zu  finden  ist  In  erster  Linie  wird  dies  an  den  SubmaxiUar- 
drüsen  und  Gubitallymphdrüsen  zu  beobachten  sein,  in  kleinerem 
Maße  an  den  Leistendrüsen,  auf  deren  Vergrößerung  auch  ört- 
liche Einflüsse  einwirken  können.    Eine  charakteristische  Ver- 


Die  Syphilis  anter  den  Prostitaierten  in  Lemberg.  105 

größerung  und  Verhärtung  der  Submaxillardrfisen  habe  ich.  in 
27  Fallen,  der  Cubitaldräsen  in  23  und  der  Inguinaldrüsen  in 
79  F^en  konstatiert. 

Eine  Beihe  Yon  Spezialisten  hebt  die  besondere  Häufig- 
keit eines  spezifischen  Kehlkopfkatarrhes  bei  den  Prostituierten 
hervor  und  verlangt  infolgedessen  laryngoskopische  Kehlkopf- 
untersuchungen (Schrank).  Ich  kann  nach  meinen  persön- 
lichen Erfahrungen  diese  Beobachtung  nicht  bestätigen  und 
kann  demnach  die  Notwendigkeit  der  vorerwähnten  Unter- 
suchung in  jedem  einzelnen  Falle  nicht  befürworten,  umsomehr, 
da  wir,  wenn  es  sich  um]  eine  spezifische  Laryngitis  in  frischen 
Fällen  handelt,  gleichzeitig  auch  genug  andere  Krankheits- 
erscheinungen nachweisen  können,  um  uns  fiir  eine  Spitals- 
behandlung zu  entscheiden. 

Sonst  habe  ich  bei  der  Untersuchung  des  ganzen  Mate- 
rials keine  anderen  Merkmale  konstatieren  können,  aus  denen 
man  auf  eine  überstandene  Lues  schließen  könnte.  Die  Rötung 
der  Rachenschleimhaut,  die  man  fast  bei  allen  Prostituierten 
antrifft,  kann  nicht  als  spezifisch  betrachtet  werden,  wenn  man 
die  Lebensweise  der  Mädchen,  insbesondere  das  Rauchen  und 
den  Alkoholgenuß  berücksichtigt. 

Auf  der  Haut  (abgesehen  von  der  später  zu  besprechenden 
Leukoderma)  habe  ich  bei  meinen  Untersuchungen  keine  Narben 
oder  Pigmentierungen,  die  gewisse  Hauteruptionen  durch  längere 
Zeit  hinterlassen,  beobachtet,  mit  Ausnahme  einiger  Fälle  von 
Lues  tarda.  Die  in  ziemlich  vielen  Fällen  in  der  Leistengegend 
gefundenen  Narben  schreibe  ich  den  Bubonen  infolge  eines 
weichen  Geschwüres  zu.  An  den  Schamlippen  habe  ich  einige 
Male  Pigmentflecke  oder  Pigmentatrophie  nach  breiten  Kondy- 
lomen konstatiert. 

Ein  Symptom,  dem  wir  oft  bei  Frauen  im  frischen  Sta- 
dium der  Syphilis  begegnen,  ist  das  Leucoderma  syphiliticum; 
viele  Autoren  geben  an,  es  fast  bei  der  Hälfte  der  mit  Syphilis 
behafteten  Frauen  konstatiert  zu  haben.  Die  an  den  Lemberger 
Prostituierten  angestellten  Untersuchungen  bestätigen  gewisser- 
maßen diese  Tatsache.  Infolgedessen  müssen  wir  dieses  Symptom 
als  ein  sehr  wichtiges  diagnostisches  Zeichen  bei  den  Prostitu- 
ierten betrachten;    man  darf  aber  nicht  vergessen,    daß  eben 


106  Pap«e. 

bei  dieser  Kategorie  von  Patientinnen  andere  ähnliche  Ver- 
änderungen in  der  Pigmentierang,  der  Haut  yorkommen,  Tor 
allem  infolge  Yon  Pediculosis,  welche  aber  für  ein  geübtes 
Auge  keine  diagnostischen  Schwierigkeiten  bieten. 

Bei  unseren  Prostituierten  fand  ich  Leukoderma  bei  41 
Mädchen  an  der  Haut  des  Halses  und  Nackens,  in  2  Fällen 
ganz  frischer  Syphilis  am  ganzen  Körper.  Was  den  Zeitpunkt 
seines  Auftretens  anbelangt,  so  begleitete  es  meistens  frische 
Stadien  der  Krankheit  gewöhnlich  bis  zum  dritten  Jahre;  in 
einem  Falle  war  es  noch  nach  6,  in  je  einem  nach  8  und  9 
Jahren  sichtbar  (Neumann  hat  Leukoderma  in  2 Fällen  nach 
12  Jahren,  Bettmann  nach  9  Jahren  beobachtet). 

Was  das  Alter  und  die  Zeit  anbelangt,  in  welcher  die 
meisten  Prostituierten  Syphilis  acquirieren,  so  wird  allgemein  an- 
gennommen,  daß  das  Alter  von  17 — 20  Jahren  und  die  zwei  erste 
Jahre  der  Ausübung  ihres  Gewerbes  derjenige  Zeitabschnitt 
sind,  in  welchem  sie  am  leichtesten  der  Infektion  unterliegen« 

Daraus  folgert  man  ganz  richtig,  daß  die  jüngeren  Pro- 
stituierten, die  erst  begonnen  haben,  ihr  Gewerbe  auszuüben, 
ohne  Rücksicht  natürlich  auf  die  Einregistrierung,  die  sich  sehr 
selten  mit  dem  eigentlichen  Beginn  ihres  Treibens  deckt,  am 
gefährlichsten  sind,  und  daraus  muß  man  auch  weiter  die  Tat- 
sache entnehmen,  daß  eben  diese  Personen  aus  sanitäts-poli- 
zeilichen  Rücksichten  einer  viel  präziseren  sanitären  Obhut 
bedürfen. 

Diese  Ergebnisse  werden  auch  im  Ganzen  von  meinen  im 
Nachstehenden  kurz  dargestellten  statistischen  Berechnungen 
bestätigt. 

Auf  802  öffentliche  Mädchen,  die  Syphilis  im  allgemeinen  über- 
standen hatten,  konnte  man  bei  273  genau  die  Zeit  der  Ansteckung 
bestimmen  und  von  diesen  haben  sich  mit  Syphilis  vor  der  Einregi- 
strierung     57  z:  20*8% 

angesteckt.  Im  Momente  der  Eintragung  hatten  schon  sekun- 
däre Erscheinungen    .  .  •  \ « ,   .  .  14  =:    5'l7o 

Im  1.  Jahre  nach  der  Eintragung  wurden  syphilitisch  ...  85  =  81*l7o 

im  2.  Jahre 68  =:  24-8Vo 

im  3.  Jahre 86  =:  10-87p 

im  4.  Jahre 13  z:    4-8% 


Die  Syphilis  nnter  den  Prostituierten  in  Lemberg.  107 

Im  Bezug  auf  das  Alter  waren  144  Prostitnierten,  welche  im  1.  bis 
3.  Jahre  der  Krankheit  standen,  und  in  Lemberg  von  Anfang  an  regi- 
striert waren 

zwischen  dem  15. — 20.  Lebensalter  .   .   .  54  zz  87*5% 

j,  „     20.— 25.  „  .   .   .  61  =:  42'3Vo 

„     25.— 80.  „  ...  25  z:  17-87o 

über  80  Jahre 4  =:    2-77o 

Diese  BerechDungen  decken  sich  mit  dem,  was  andere 
Autoren  in  dieser  Beziehung  angeben;  die  graphische  Enrve 
zur  Veranschaulichung  dieser  Verhältnisse  auf  Grand  eines 
Beobachtungsmateriales  von  1207  Prostituierten  aus  den  Spitals- 
abteilungen von  JuUien,  Le  Pilleur,  Barthelemy  des 
St.  Lasar-Spitals  zeigt  den  höchsten  Stand  der  Syphilitischen, 
entsprechend  dem  Alter  von  17—19  Jahren;  der  Gipfel  dieser 
Eurye  liegt  im  18.  Lebensjahre  (Bett mann). 

Auch  Sperk  hat  nachgewiesen,  daß  die  Mehrzahl  der 
syphilitischen  Mädchen  unter  den  jüngeren  zu  suchen  ist  (47*6  % 
zwischen  dem  15. — 20.  Lebensjahre);  auch  in  Breslau  waren 
unter  den  im  1. — 4.  Jahre  der  Erkrankung  stehenden  42*9  7o 
in  einem  Alter  von  weniger  als  20  Jahren  (Bettmann)  und 
unter  den  ins  Spital  wegen  Lues  aufgenommenen  waren  44*9  % 
in  einem  Alter  von  15 — 20  Jahren  (Neisser). 

Die  syphilitischen  Mädchen,  wie  ich  schon  vorher  ange- 
geben, habe  ich  in  zwei  Gruppen  geteilt;  zur  zweiten  Gruppe, 
die  Sperk  und  andere  als  syphilitisiert  bezeichnen,  habe  ich 
alle  Prostituierten  zugerechnet,  welche  rezente  Erscheinungen 
seit  3  Jahren,  d.  h.  vom  1.  Jänner  1904  nicht  aufwiesen.  Die 
Zahl  dieser  Mddchen  betrug  120,  was  im  Verhältnis  zur  Ge- 
samtzahl 3r47o  ergiebt.  Der  Beginn  der  Infektion  fällt  bei 
ihnen  zu  mindest  auf  das  Jahr  1902,  in  den  meisten  Fällen 
reichte  sie  jedoch  noch  viel  weiter  zurück.  Zu  dieser  Kategorie 
zählen  aber  auch  vorwiegend  ältere  Mädchen,  die  schon  lange 
inskribiert  sind,  mit  Ausnahme  einiger  im  Jahre  1902  und 
1903  in  Lemberg  zwar  erst  eingetragenen,  aber  schon  früher 
in  anderen  Städten  registrierten,  wie  folgende  Zusammen- 
stellung darstellt. 

In  die  Prostituiertenliste  waren  eingetragen 


108 


PapSe. 


im  Jahre  1876 1 


» 

n 

n 

n 


9 

n 

n 
9 
9 
9 
9 
9 


1886.  . 

1888.  . 

1890.  . 

1891  .  . 

1893.  . 

1893.  . 

1894.  . 

1895.  . 


1 
1 
5 
3 
2 
8 
5 
4 


im  Jahre  1896 
1897 
1898 
1899 
1900 
1901 
1902 
1903 


9 
9 

9 
9 


9 
9 
9 
1» 

9 
9 

9 


16 

11 

18 

5 

14 

12 

6 

7 


Die  letzten  firscheinungen  einer   frischen  Syphilis  kon- 
statierte man  bei  ihnen 


im  Jahre  1908  ..  38  Fälle 

im 

Jahre 

1895  .  . 

1  FaU 

9           »» 

1902  .  .23 

9 

R 

9 

1894  .  . 

*   n 

9            9 

1901  .  .  12 

9 

R 

9 

1893  .  . 

3  Fälle 

9            9 

1900  .  .  9 

9 

9 

9 

1892  .  . 

1  Fall 

9           9 

1899  ..  6 

9 

9 

9 

1889  .  . 

1    9 

9           9 

1898  .  .  2 

9 

9 

9 

1888  .  . 

*    9 

9           9 

1897  .  .  4 

9 

9 

9 

1887  .  . 

*-          9 

9           9 

1896  .  .  4 

n 

9 

9 

1885  .  . 

*    9 

Bei  13  Prostituierten,  die  in  Lemberg  im  J.  1902  und 
1903  inskribiert  waren,  früher  aber  außerhalb  Lemberg  in 
Eyidenz  geführt  waren,  konstatierte  man  keine  Krankheits- 
erscheinungen seit  ihrem  Aufenthalte  in  Lemberg. 

Alle  diese  Mädchen  haben  eine  genaue,  wiederholte  Spitals- 
behandlung hinter  sich.  Dies  sowohl,  als  auch  der  umstand, 
daß  ein  Rezidiv  im  Laufe  der  letzten  3  Jahre  nicht  mehr 
konstatiert  wurde,  und  die  Infektion  schon  zeitlich  ziemlich 
weit  zurückliegt,  erlauben  uns,  diese  Gruppe  von  Mädchen  als 
die  am  wenigsten  gefährliche  und  somit  den  sanitären  An- 
forderungen am  meisten  entsprechende  zu  bezeichnen,  um  so 
mehr,  da  zu  dieser  Gruppe  ältere  Mädchen  gehören,  deren 
Schleimhaut  mit  der  Zeit  gegen  äußere  Einflüsse  widerstands- 
fähiger geworden  ist  und  die  sich  an  Reinlichkeit  schon  ge- 
wöhnt haben. 

Obwohl  man  aber  annehmen  kann,  daß  bis  zu  einer 
gewissen  Grenze  die  Syphilis  dieser  Mädchen  an  Virulenz  und 
Ansteckungsfähigkeit  viel  Terloren  hat,  so  können  wir  doch 
nicht  ohne  Bedenken  diese  31*47o  dieser  Mädchen  als  solche 
betrachten,   die   schon   unschädlich   sind   und   demnach   jeder 


Die  Syphilis  anter  den  Prostitaierten  in  Lemberg.  109 

sanitären  Beaufsichtigung  entbehren  könnten.  Denn  einerseits 
lehrt  uns  die  Erfahrung,  daß  wir  in  jedem  einzelnen  Falle 
nicht  gleich  a  priori  annehmen  können,  daß  der  Krankheits- 
prozeß  schon  gänzlich  erloschen  sei,  und  daß,  obgleich  selten, 
doch  Fälle  vorkommen^  in  welchen  nach  jahrelang  dauernder 
Latenz  der  Symptome  infektiöse  Erscheinungen  zum  Vorschein 
kommen;  anderseits  treten  oft  bei  diesen  Mädchen  an  den 
Genitalien  Veränderungen  auf,  deren  Zusammenhang  mit  der 
überstandenen  Lues  wir  nicht  bestimmt  ausschließen  können. 
Als  Beispiel  erwähne  ich  hier  die  weichen  Geschwüre  mit  ganz 
typischem  Aussehen,  welche  erst  bei  Einleitung  einer  spezifischen 
Merkurialbehandlung  heilen. 

So  wurde  z,  B.  bei  dieser  Gruppe  von  Lemberger  Pro- 
stituierten konstatiert,  daß  in  den  Jahren  1904—1907  von  120 
Mädchen  54  dem  Erankenhause  überwiesen  wurden  wegen 
Erkrankungen,  die  in  keiner  Beziehung  zur  Syphilis  standen 
und  zwar: 

wegen  weichen  Schanker 16 

„      oberflächlichen  Erosionen 19 

9      Rhagaden 4 

„      Tripper 15 

Es  yerbleiben  daher  in  dieser  Kategorie  als  ganz  frei 
Ton  Erkrankungen  auch  in  diesem  Zeiträume  66  Mädchen,  bei 
denen  man  also  vom  Jahre  1904  an  weder  die  rezenten  Formen 
der  Lues  noch  andere  yenerische  Erkrankungen  konstatieren 
konnte.  Im  Verhältnis  zur  Gesamtzahl  der  Einregistrierten 
erhalten  wir  also  17 '2%,  die  man  in  sanitärer  Hinsicht  als 
YoUkommen  entsprechend  betrachten  kann. 

Zuletzt  möchte  ich  der  Mädchen  erwähnen,  bei  denen 
man  weder  derlei  Anhaltspunkte  für  überstandene  Lues  kon- 
statieren, noch  während  der  ganzen  Beobachtungsdauer  syphi- 
litische Erscheinungen  bemerken  konnte;  es  waren  ihrer 
76  =  19'87o-  ^^^  Ausnahme  der  im  letzten  Jahre  gemeldeten, 
bei  denen  natürlich  die  Beobachtungsdauer  kürzer  war,  waren 
alle  anderen  seit  ziemlich  langer  Zeit  und  das  Yom  Beginn 
ihres  Gewerbes  in  Lemberg  inskribiert  und  beobachtet,  wie 
aus  folgender  Tabelle  ersichtlich  ist. 

Einregistriert  wurden 


110  Pap^e. 

im  Jahre  1881 1  im  Jahre  1890 2 

,      ,      1886 a  ,      „      1900 8 

»      ,      1886 1  „      ,      1901 4 

»      »      1890 1  „      „      1902 4 

»      »      1891 1  „      „      190S 5 

,      n      1898 1  „       .      1904 4 

.      »      1894 2  „      „      1906 8 

.      ,      1896 8  „      „      1906 16 

»      „      1896 2  „      „      1907 6 

»      »      1897 6 

Sie  etanden  im  Alter: 

von  bis  20  Jahren 21 

zwischen  20—30  Jahren  ....    86 

von  80—40  Jahren -15 

Yon  über  40  Jahren 4 

Selbstverständlich  kann  man  dem  Umstände,  daß  bei 
ihnen  durch  die  ganze  Beobachtungsdauer  keine  syphilitischen 
Krankheitserscheinungen  konstatiert  wurden,  nicht  die  Bedeutung 
beilegen,  diese  Mädchen  seien  als  sicher  nicht  syphilitisch  zu 
bezeichnen. 

Bei  einigen  yon  ihnen  (9  Personen)  hat  schon  die  kon- 
statierte Anschwellung  der  Leistendrüsen  gewisse  Zweifel  wach- 
gerufen, bei  anderen  wieder  öfters  vorgekommener  Abortus. 
Dieser  letzte  Umstand  kann  nicht  ohne  Bedenken  der  Syphilis 
zugeschrieben  werden,  da  bei  den  Prostituierten  auch  noch 
andere  Einflüsse  in  Betracht  gezogen  werden  müssen  (Tripper, 
ihre  Lebensweise,  künstlicher  Abortus  etc.).  Wir  müssen  dann 
auch  dies  berücksichtigen,  daß  unter  den  anscheinend  gesunden 
Mädchen  sich  auch  solche  befinden  können,  welche  in  der 
Latenzperiode  der  Syphilis  stehen  und  weiter,  daß  Fälle  vor- 
kommen, in  welchen  eine  länger,  ja  jahrelang  dauernde 
Beobachtung  keine  Erscheinungen  der  sekundären  Syphilis 
konstatierte  und  doch  später  tertiäre  Lues  auf  einmal  zum 
Vorschein  kam.  Bei  2  Mädchen  unter  den  Lemberger  Pro- 
stituierten kam  es  bei  einer  nach  7,  bei  der  anderen  nach 
5  Jahren,  in  weichem  Zeiträume  bei  ihnen  gar  keine  syphi- 
litischen Symptome  konstatiert  wurden,  zu  einer  Gehirnsyphilis. 
Bevor  wir  überhaupt  die  Frage  nach  einer  überstandenen  Lues 
verneinen  können,  müssen  wir  alle  diese  atypischen  Formen 
im  klinischen  Verlaufe  der  Lues  im  Auge  behalten,  die  ein 
jeder  erfahrene  Arzt  zu  beobachten  Gelegenheit  hat 


Die  Syphilis  unter  den  Prostituierten  in  Lemberg.  m 

Schließlich  können  einige  von  diesen  Mädchen,  bei  denen 
wir  Syphilis  nicht  nachweisen  konnten,  ihre  Immunität  anderen 
Umständen  yerdanken :  also  einer  in  Eindesjahren  oder  später, 
jedenfalls  aber  lange  vor  der  Einregistrierung  überstandenen 
Syphilis,  oder  es  konnte  diese  Immunität  auch  angeboren  oder 
durch  Befruchtung  durch  syphilitische  Männer  entstanden  sein. 

Wenn  wir  aber  auch  die  Möglichkeit,  daß  ein  gewisser 
Teil  der  öffentlichen  Mädchen,  trotzdem  sie  längere  Zeit  ihr 
Gewerbe  betreiben,  einer  Ansteckung  entgeht,  nicht  absolut 
ausschließen  können,  so  dürfen  wir  doch  diese  Möglichkeit  nur 
mit  dem  Vorbehalt  annehmen,  daß  es  nicht  angeht,  den  Mangel 
an  Symptomen  mit  dem  Begriffe  „gesund**  zu  identifizieren. 
Daher  ist  die  Zahl  der  unter  diesen  Begriff  Subsummierten 
derart  zu  reduzieren,  daß  sie  10%  der  Gesamtzahl  nicht  über- 
schreiten dürfte. 

Als  Beweis  dafür,  daß  die  Mädchen  doch  jahrelang  eine 
Ansteckung  Termeiden  können,  führe  ich  folgenden  Fall  vor: 
Bei  einem  Mädchen,  welches  im  J.  1900  in  Lemberg  einregi- 
striert wurde  und  seit  dieser  Zeit  ohne  Unterbrechung  in 
Lemberg  beobachtet  war,  konstatierte  man  eine  frische  Infek- 
tion erst  im  Juli  1907  (Roseola,  papulae  ad  genitalia  et  fauces 
und  eine  rezente  Drüsenanschwellung). 

Sederholm  fand  im  Hospital  zu  Stockholm  auf  2131 
Prostituierte  bei  35'17o  derselben  keine  Anhaltspunkte  für 
Syphilis  vor.  Raff  in  Breslau  bei  3fi*17o;  Wwedensky  fand 
unter  den  Prostituierten  der  Petersburger  Bordelle  39'67o 
nichtsyphilitische,  wobei  er  aber  ausdrücklich  betont,  daß  man 
diese  ganze  Zahl  nicht  als  „gesund'  betrachten  kann. 

Was  die  Lues  tarda  anbelangt,  so  lassen  sich  meine  Er- 
fahrungen dahin  zusammenfassen,  daß  das  Auftreten  Ton  Spät- 
erscbeinungen  sehr  selten  beobachtet  wird.  Unter  der  Gesamt- 
zahl der  Untersuchten  habe  ich  nur  7  Mädchen  mit  Lues  tarda 
vorgefunden  d.  h.  l*87o-  In  ^  Fällen  waren  es  Geschwüre  der 
Gaumenbögen  und  des  Gaumens  mit  nachfolgender  Destruktion 
und  Perforation  derselben,  in  3  Fällen  charakteristische  Narben 
der  Haut  als  Folge  von  großen  und  tiefen  Geschwüren,  in 
einem  Fall  Gehimsyphilis  und  in  einem  kreisförmige  Infiltrate 
mit  peripherisch  fortschreitendem  Zerfall  des  Gewebes. 


112  Papige. 

Meine  Untersachungsergebnisse  lassen  sich  in  folgende 
Schlußsätze  zusammenfassen : 

1.  Ein  überwiegender  Teil  der  Prostituierten,  welcher 
80 — 85%  der  Gesamtzahl  entspricht,  unterliegt  in  dem  Zeit- 
abschnitt, in  welchem  sie  ihr  Gewerbe  ausüben  (0 — 29  Jahre), 
der  luetischen  Infektion. 

2.  Unter  den  mit  Lues  infizierten  Prostituierten  finden 
sich  46%  loit  rezenten  Krankheitserscheinungen  (breite  Kon- 
dylome), obwohl  beinahe  in  einem  Drittel  dieser  Fälle  die  Dauer 
der  Krankheit  mehr  als  3  Jahre  betrug,  d.  h.  über  die  Durch- 
schnittsdauer des  Frühstadiums  der  Syphilis  hinausgiug. 

3.  Von  den  mit  Syphilis  behafteten  Prostituierten  ent- 
fallen zirka  30%  auf  das  erste  bis  dritte  Erkrankungsjahr, 
welches  Krankheitsstadium  als  das  für  das  Gemeinwohl  gefähr- 
lichste anzusehen  ist 

4.  Bei  3l7o  der  an  Lues  Erkrankten  waren  seit  37, 
Jahren  keine  Krankheitserscheinungen  nachzuweisen;  unter 
diesen  wieder  waren  177o  überhaupt  seit  3Vs  Jahren  mit  gar 
keinen  venerischen  Krankheiten  behaftet. 

5.  Was  die  Zeit  anbelangt,  in  welcher  die  Prostituierten 
die  Krankheit  akquirieren,  können  wir  feststellen,  daß  Yg  =  25% 
die  Krankheit  vor  der  Eintragung  in  die  Liste  der  öffentlichen 
Mädchen  erwirbt  oder  sich  im  Anfangsstadium  der  Krankheit 
meldet,  567o  erliegt  der  Infektion  in  den  ersten  2  Jahren  der 
Ausübung  ihres  Gewerbes. 

Was  das  Alter  der  Mädchen  anbetrifft,  welche  sich  im 
Frühstadium  der  Syphilis  (vom  1 . — 3.  Jahre)  befinden,  so  waren 
darunter  377o  i^  einem  Alter  von  unter  20  Jahren,  42%  in 
einem  Alter  yon  20 — 25  Jahren. 

6.  Zuletzt  wäre  noch  zu  erwähnen,  daß  die  Anzahl  der 
mit  Syphilis  behafteten  registrierten  Mädchen  nur  um  ein 
Geringes  die  Anzahl  der  syphilitisch  Erkrankten  unter  den 
nicht  registrierten^  der  Untersuchung  nur  gelegentlich  zuge- 
wiesenen Mädchen  übertrifft. 


BericM  ülier  die  Leistungen 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis. 


▲rek.  f.  Dennat.  a.  Sjph.  Bd.  LXXXIX.  8 


Verhandlungen  der  Berliner  dermatologisclien 

GeseUschafL 

Sitiang  vom  12.  November  1907. 
Vorritzender:  Leiser.  Sohriftföhrer:  Pinkut. 


1.  Hoff  mann  stellt  einen  Fall  von  narbiger  AI  opecie  vor,  die 
vor  einem  Jahr  begonnen  hat.  Diese  Fälle  Eeichnen  sich  dadarch  ans. 
daß  niemalt  Pasteln  auftreten.  Der  Sohädel  und  das  Hinterhani>t  sind 
meistens  betroffen,  die  Affektion  breitet  sieh  bis  zur  Peripherie  des 
Kopfhaares  aus. 

2.  Hoffmann  stellt  einen  zweiten  Fall  von  narbiger  Alopecie 
vor,  die  man  als  Perifollicnlitis  cioatrisans  mit  Abszeßbildanir 
bezeichnen  könnte.  Die  Affektion  hat  sich  in  der  Weise  entwickelt,  dao 
cnerst  kugelige  Yorwölbungen  auftraten,  aus  denen  man  auf  Druck  Eiter 
entleeren  konnte.  In  die  pustulöse  Öffnung  drang  die  Sonde  4  em  und 
selbst  tiefer  hinein.  Nobl  hat  in  der  Wiener  Dermatologischen  Oesell- 
flchaft  einen  ähnlichen  Fall  vorgestellt  als  profunde,  dekalvierende  Folli* 
kulitis;  ein  Fall  von  Dermatitis  follicularis  und  Perifolliculitis  oonglome- 
rata,  der  aich  über  den  ganzen  Körper  ausbreitete,  ist  von  Spitzer  be- 
zchrieben  worden.  Diese  Form  der  narbigen  Alopecie  ist  sehr  selten. 
Unter  Umschlägen  und  Anwendung  von  Schwefelsalbe  hat  sich  der  Prozeß 
bedeutend  gebessert. 

8.  Hoffmann  berichtet  über  einen  Fall  von  Phlykteniden,  die 
«ich  im  Gesicht,  auf  Brust  und  Rücken  lokalisiert  hatten  und  vielfach 
«inen  herpetischen  Charakter  zeigten.  Der  Patient  litt  seit  14  Tagen  an 
Oonorrhoe,  bekam  dann  schmerzhafte  Schwellung  der  Inguinaldrüsen  und 
Schüttelfrost,  der  ein  remittierendes  Fieber  einleitete.  IV»  Tage  später 
trat  das  eigentümliche  infektiöse  Erythem  auf.  Nicht  nur  im  (Irin,  sondern 
auch  in  dem  Drüsenpunktat  sind  Goaokokken  nachgewiesen  worden.  £s 
fragt  sich,  ob  in  diesem  Falle  eine  jener  Ausschlagsformen  vorliegt,  die 
von  Wunderlich  u.  a.  als  Phlykteniden-Emption  beschrieben  worden 
aind,  and  ob  die  Gonokokken  im  stände  sind,  einen  derartigen  Ausschlag 
hervorzurufen.  Wenngleich  die  bisherigen,  als  gonorrhoisch  angesprochenen 
Exantheme  keinen  herpetiformen  Charakter  hatten,  so  glaubt  H.  trotzdem 
das  ganze  Bild  auf  eine  Gonokokkeninfektion  zurückführen  zu  sollen; 
allerain$;s  müßte  man  daran  denken,  ob  nicht  möglicherweise  eine  sekun- 
däre Infektion  vorliegt. 

4.  Hoffinann  berichtet  über  einen  Patienten,  der  seit  etwa  einem 
Jahr  an  einer  schweren  Syphilis  litt,  die  mit  großen  Dosen  von  Jodkali 
und  Quecksilber  behandelt  wurde.  Der  Patient  bekam  plötzlich  Hustenreiz 
und  eine  Dämpfung  beider  Lungenspitzen;  Sputum  war  wenig  vorhanden. 

8* 


116  Verhandlungen 

Die  DiaffnoBe  wurde  von  einem  Kliniker  als  peribronchiale,  knötchenför- 
mige Tuberkulose  ohne  Tuberkelbazillennachweis  gestellt.  Patient  erbracb 
alle  Speisen  und  war  durch  das  Fieber  sehr  heruntergekommen.  Nachdem 
drei  Tage  lang  Jodkali  angewendet  werde  a  war,  war  der  Patient  fieber- 
frei. Die  Besserung  machte  dann  weitere  Fortschritte  und  die  D&mpfung^ 
bald  zurück.    Die  Therapie  hat  also  gezeigt,  daß  es  sich  in  diesem 


alle  um  eine  Lungensyphilis  gehandelt  hat  Diese  Prozesse  können^ 
sich  auch  bereits  in  der  Frühperiode  entwickeln  und  werden  hier  mit- 
unter übersehen.  Die  Mutter  des  Patienten  ist,  wenn  auch  in  hohem  Alter, 
an  Tuberkulose  gestorben.  Gegenüber  der  in  neuester  Zeit  von  Körner 
und  Wolters  veröffentlichten  Arbeit,  in  welcher  eine  aszendierende 
Tuberkulose  der  Luftwege  mit  Quecksilber  und  Jodkali  geheilt  worden 
ist,  möchte  H.  davor  warnen,  diese  Mittel  nicht  nur  als  spezifische  Mittel 
gegen  Syphilis,  sondern  auch  gegen  Tuberkulose  zu  betrachten. 

Heller  fragt,  ob  der  zweite  Fall  von  Alopeoie  nickt  als  eine 
Folliculitis  decalvans  aufgefaßt  werden  könnte,  da  nur  ein  gradueller 
Unterschied  besteht,  ob  der  Eiterungsprozeß  die  Follikel  ergreift  oder 
sich  auch  noch  weiter  in  die  Tiefe  ausdehnt. 

Ho  f  f  m ann  erwidert  hierauf,  daß  die  Fälle  von  Folliculitis  decalvan» 
eine  flächenhafte  Ausdehnung  haben  und  daß  in  dem  vorgestellten  Falle 
halbkugelformige  weiche  Tumoren  sichtbar  waren,  die  mit  einer  Folliculitis 
wenig  gemein  haben.    Im  Eiter  fanden  sich  weder  Bakterien  noch  Pilze.. 

Arndt:  Gegen  die  Diagnose  Folliculitis  decalvans  spricht  auch  die 
prompte  Reaktion  auf  die  Therapie.  Dieser  Patient  zeigte  auf  die  Behand- 
lung eine  solche  Besserung,  daß  die  Affektion  kaum  wieder  zu  erkennen  ist. 

Lesser  macht  darauf  aufmerksam,  daß  bei  der  Folliculitis  decal- 
vans ein,  wenn  auch  langsames,  so  doch  stetes  Fortschreiten  des  Prozesser 
in  der  Peripherie  stattfindet. 

Isaak  erwähnt  einen  Fall,  bei  dem  die  Diagnose  von  einer  Reihe 
von  Klinikern  auf  Tuberkulose  gestellt  war;  es  handelte  sich  um  eine 
Entzündung  des  Hand-  und  Eilbogengelenks  und  eine  starke  Knotenbil- 
dnng  in  beiden  Hoden.  Syphilis  ist  angeblich  niemals  dagewesen.  Auf 
Jodkali  und  eine  darauf  folgende  Inunktionskur  ging  das  Fieber  zurück 
und  die  Erscheinungen  in  den  Gelenken  verschwanden  vollständig, 
während  die  Affektion  der  Hoden  ziemlich  unverändert  blieb.  Dieser 
Fall  spricht  dafar,  daß  man  in  derartigen  Fällen  die  Mittel  doch  pro- 
bieren soll. 

Saalfeld  ist  der  Ansicht,  daß  in  dem  von  I  s  a  a  k  soeben  erwähn  ten^ 
Fall  trotz  der  von  mehreren  Klinikern  auf  Tuberkulose  gestellten  Diagnose 
Lues  vorlag,  und  warnt  dringend  davor,  ohne  weiteres  bei  Tuberkulose 
Jodkali  und  Quecksilber  zu  geben;  bekanntlich  reagieren  Tuberkulöse 
gewöhnlich  sehr  schlecht  auf  Quecksilber.  Er  hat  mehrere  Fälle  gesehen 
von  Tuberkulose  und  Syphilis,  bei  denen  die  Tuberkulose  durch  die  Queck- 
silberkur eine  außerordentliche  Verschlimmerung  erfahren  hat  Bezüglich 
des  Falles  von  Alopecia  stimmt  S.  der  Diagnose  des  Herrn  Hoffmann  bei^ 

Rosenthal  bemerkt  zu  dem  Fall  von  Lungensyphilis,  daß  der- 
artige Fälle  der  Diagnose  oft  kolossale  Schwierigkeiten  entgegensetzen, 
«ber  doch  keine  so  große  Seltenheit  sind.  Er  erinnert  sieb  im  Laufe  der 


der  Berliner  dermatologischen  Gesellschaft.  117 

Jahre  mehrere  einschligige  Fftlle  gesehen  zu  haben.  Der  eine  kam  ans 
irgend  einem  Grande  in  die  Klinik  nnd  brachte  die  Diagnose  „Tnber- 
knlose"  mit.  Da  alle  Antifebrilia  ohne  Erfolg  geblieben  waren,  so  ¥nirde 
trots  der  ausgesprochensten  Spitzend&mpfang  eine  antisyphilitisohe  Be- 
handlung mit  glänzendstem  Erfolg  eingeleitet.  Die  verfehlten  therapeu* 
tischen  Eingriffe  beruhen  auf  der  Schwierigkeit  der  differentiellen 
Diagnose. 

Was  den  Fall  von  Phlykteniden-Bildnng  anbelangt,  so  ist  R.  der 
Überzeugung,  daß  derartige  Fälle  unbedingt  auf  bakterielle  Infektion 
anräckzufähren  sind.  Phlykteniden,  Erythema  exsudativurn,  Purpura  und 
Ahenmatismns  sind  Affektionen,  die  sich  im  Anschlufl  an  Angina  häufiger 
entwickeln  und  nur  graduelle  unterschiede  einer  toxischen  Infektion 
darstellen.  Boeck-Christiania  hat  zuerst  auf  den  Zusammenhang  von 
Angina  und  Diphtherie  und  Erythema  nodosum  aufmerksam  gemacht. 

L  e  s  s  e  r  ist  ebenfalls  der  Ansicht,  [daß  eine  Anzahl  von  derartigen 
Lungenfallen  unter  falscher  Diagnose  behandelt  werden ;  f&r  absolut  selten 
hält  er  derartige  Fälle  aber  nicht. 

Richter  erwähnt,  daß  in  der  Literatur  eine  gtuxte  Anzahl  von 
Beobachtungen  vorliegen,  in  denen  die  Jodpräparate  bei  Tuberkulose 
l^eholfen  haben  sollen. 

Isaak  fägt  hinzu,  daß  in  seinem  Falle  höchst  wahrscheinlich  doch 
eine  Tuberkulose  der  Hoden  vorgelegen  hat.  Die  spezifische  Behandlung 
hatte  keinerlei  Einfluß  auf  diese  Tumoren.  Würde  nur  eine  reine  Syphilis 
vorgelegen  haben,  so  würden  auch  die  Hoden  eine  Änderung  gezeigt  haben. 

Hoff  mann  fBgt  hinzu,  daß  sein  Fall  insofern  noch  bemerkenswert 
ist,  als  er  sich  unter  den  Kennzeichen  der  Tuberkulose  im  ersten  Jahre 
der  Lues  entwickelt  hat.  Spirochaeten  sind  übrigens  im  Blut  nicht  ge- 
funden worden. 

6.  Arndt  stellt  einen  Fall  von  Liehen  ruber  planus  vor,  bei 
dem  sich  Effloreszenzen  auf  der  Haut  des  Rumpfes  und  der  Arme  zeigten 
und  verrucöse  Plaques  auf  den  Unterschenkeln  vorhanden  waren.  Auch 
die  behaarte  Kopfhaut  zeigte  eine  Anzahl  leicht  atrophischer  Herde  von 
grauroter  Farbe,  die  eine  Erweiterung  und  Verhomung  der  Follikel- 
mündungen vermissen  ließen,  so  daß  diese  Lokalisation  einen  Lupus  ery- 
thematosus vortäuschen  konnte.  Femer  bestanden  um  den  Anus  herum 
Leukoplakie  ähnliche  Verdickungen  der  oberflächlich  macerierten  Epidermis. 
Von  diesen  Plaques  zogen  sich  diffuse  grauweiße  und  netzförmige  Streifen 
nach  der  Umgebung.  Am  Damm  bestanden  leicht  infiltrierte,  mit  fest 
haftenden  Schuppen  bedeckte  Streifen. 

6.  Arndt  stellt  einen  70jährigen  Patienten  vor  mit  einem  hand- 
ffächengroßen  Epitheliom  derRückenhaut,  das  sich  scharf  abgrenzt 
und  stellenweise  polyzyklische  Konturen  zeigt.    Die  Mitte  der  Plaque  ist 

glatt  atrophisch,  die  Umgebung  zeigt  einen  iVt  ^^  breiten,  walliurtig^n 
aum  von  ziemlich  derber  Konsistenz.  Der  Beginn  der  Erkrankung  soll 
ungefähr  20  Jahre  zurück  liegen.  Subjektive  Beschwerden  bestehen  in 
einem  zeitweise  auftretenden  mäßigen  Jucken.  Die  mikroskopische  Unter- 
suchung bestätigte  die  Diagnose. 

Hoff  mann  macht  darauf  aufmerksam,    daß  nach  dem  klinischen 

Charakter  dieser  Fall   vom   gewöhnlichen  Ulcus  rodens  verschieden  ist. 


118  Verhandlanf(en 

Merkwürdig  sind  die  an  yerBchiedenen  Stellen^nchtbaren  Epithelherde^ 
die  außen  Zylindenellen  seigen  and  innen  Zellen,  [die  anf  dem  Stand- 
ponkt  der  Basalsellen  stehen  geblieben  sind. 

Saalfeld  ist  der  Ansicht,  daß  sich  diese  Epitheliome  ans  einer 
senilen  Warse  entwickelt  haben. 

Arndt  erwidert,  daß  die  Afiektion  erst  bemerkt  warde,  als  sie 
bereits  eine  gewisse  Größe  hatte;  ans  dem  sogen.  Keratoma  senile,  das 
man  Ton  der  senilen  Warse  trennen  muß,  entwickeln  sich  h&nfiger  der- 
artige Epitheliome. 

Hoff  mann  ist  der  Ansicht,  daß  Epitheliome,  die  sich  ans  senilen 
Warsen  bilden,  einen  mehr  geschwulstartigen  Charakter  haben ;  er  glaabt» 
daß  sich  nicht  einmal  ans  einer  seborrhoischen  Warse  ein  solches  Epi- 
theliom entwickeln  kann. 

7.  Arndt  stellt  einen  Fall  von  Pityriasis  rnbra  pilaris  vor 
bei  einer  Patientin,  die  seit  ihrem  3.  Lebensjahr  an  der  Affektion  leidet. 
Zwischen  dem  6.  und  15.  Lebensjahre  wurde  sie  Ton  Kaposi  unter  der 
Diagnose  „Psoriasis*^  behandelt.  Rona  und  Unna,  die  die  Patientin 
später  sahen,  stellten  die  Diagnose  Pityriasis  rubra  pilaris.  Die  Patientin 
seigt  im  Gesicht  und  auf  der  Haut  des  Rumpfes  nnd  der  Extremitäten 
flaonhandgroße,  rundliche,  bandartige,  leicht  atrophische  Plaques  von 
blaßdunkelroter  Farbe,  die  zum  Teil  mit  lamellÖBen  Schuppen  bedeckt 
sind.  Im  Bereich  des  Hsndruckens  ist  die  Haut  dunkel  und  schuppend 
nnd  sind  sahireiche  Einrisse  vorhanden.  Auch  hier  ist  eine  leichte  Atrophie 
sichtbar.  Anf  der  Streckseite  der  Finger  bestehen  ähnliche  Herde  mit 
deutlich  erweiterten  FoUikelmündunffeu.  Auch  die  Füße  sind  in  gleicher 
Weise  befallen,  Handteller  und  FuDsohlen  sind  tylotiech  verdickt,  ohne 
Schuppen  und  ohne  Rhagaden,  Naffel Veränderungen  sind  nicht  vorhanden. 
An  beiden  Knien  sind  Plaques  vorhanden,  die  mit  transversalen  Streifen 
versehen  sind.  Mittels  Lupe  sieht  man  in  ihnen  stecknadelsjpits-  bis 
stecknadelkopffi;roße,  mit  weißlichen  Hommassen  angefüllte  Grübchen 
disseminiert  oder  in  Gruppen  angeordnet.  Nach  ihrer  Entfernung  ist  eine 
deutliche  kapilläre  Blutung  sichtbar.  Diese  Effloressensen  haben  ein 
psoriasiformes  Aussehen ;  eine  Schuppung  der  Kopfhaut  ist  nicht  vorhanden. 
Trots  des  nicht  typischen  Aussehens  und  des  klinisch  nicht  übereinstim- 
menden Bildes  wiu*de  die  schon  gestellte  Diagnose  „Pityriasis  rubra  pilaris*^ 
bestätigt. 

Blaschko  betont,  daß  die  Fälle  von  Pityriasis  rubra  pilaris,  die 
er  kennt,  einen  gans  anderen  Anblick  haben,  nur  ein  paar  kleine  Stellen 
am  Rücken  erinnern  an  das  Bild  dieser  Affektion.  Vor  einigen  Jahren 
hat  er  einen  Fall  vorgestellt,  in  dem  er  auf  die  überraschende  Ähnlich- 
keit der  flächenhaften  Plaques  mit  Psoriasis  hingewiesen  hat.  In  jedem 
Falle  von  Pityriasis  rubra  pilaris  finden  sich  außer  den  follikulären  Ver- 
änderungen derartige  flächenhafte  Ausdehnungen,  die  nur  fester  und 
härter  als  die  psoriatischen  sind.  In  dem  vorgestellten  Falle  treten  aller- 
dings die  sonst  die  Hauptsache  bildenden  follikulären  Veränderungen 
gegen  die  flächenhafte  Ausdehnung  vollständig  surück,  infolgedessen 
möchte  er  die  Affektion  als  eine  der  Pityriasis  rubra  pilaris  nahestehende 
Krankheit  ansehen. 

Lesser  betont,  daß  die  Affektion  nicht  dem  typischen  Bilde  der 
Pityriasis   rubra   pilaris    entspricht,   aber   noch   viel    weniger   dem  der 


der  Berliner  derxnatologisohen  Gesellschaft.  119 

Psoriasis.  Der  Verlauf,  die  außerordentlich  lange  Dauer  und  die  von 
R6na  Yorgenommenen  mikroskopischen  Untersuchungen  sichern  die 
Diagnose. 

Arndt  fugt  hinzu,  daß  man  zwei  Formen  yon  Pityriasis  rubra 
pilaris  unterscheiden  muß:  nämlich  diejenigen,  welche  in  kurzer  Zeit  zu 
einer  Generalisation  fuhren  und  bei  denen  alle  charakteristischen  Symp- 
tome stark  ausgeprägt  sind,  und  zweitens  die  lokalisierten  Formen  dieser 
Affektion.  Derartige  Fälle  sind  hauptsächlich  nur  an  Euien  und  Ellbogen 
vorhanden  und  figurieren  unter  der  Rubrik  Psoriasis.  In  dem  vorgestellten 
Falle  ist  die  Affektion  niemals  geheilt,  sondern  nur  vorübergehend  ge- 
bessert worden. 

Rosenthal  betont,  daß  das  Bild  der  gewöhnlichen  Pityriasis 
rubra  pilaris  so  vollständig  von  dem  vorgestellten  Falle  abweicht,  daß 
sicherlich  jeder,  der  eine  solche  Afiektion  noch  nicht  gesehen  hat,  unbe- 
dingt eine  falsche  Diagnose  stellen  würde,  wenn  er  sich  nur  das  Bild  des 
vorgestellten  Falles  einprägt. 

8.  Marciifie  stellt  einen  Patienten  mit  einer  ziemlich  tiefen 
ülzeration  an  der  Unterlippe  vor,  die  er  ursprflnglich  als  ein 
Gumma  angesehen  hatte.  Vor  einem  Vierteljahr  soll  der  ratient  eine 
ähnliche  Affektion  am  Eehlkopfeingang  gehabt  haben,  die  innerhalb  24 
Stunden  fast  vollständig  verheilt  war.  Augenblicklich  ist  der  Patient 
mit  Ghromsäure  und  Lapis  touchiert  worden  und  eine  Diagnose  ist  schwer 
zu  stellen.  Die  Affektion  geht  von  der  Unterlippe  aus  und  dehnt  sich 
bis  auf  die  Wangenschleimhaut  aus. 

Saalfeld  fragt,  ob  der  Patient  nicht  vorher  An  tipyrin  bekommen 
hat;  so  tiefe  Prozesse  sind  nach  diesem  Mittel  nicht  selten. 

Marcuse  erwidert,  daß  ein  internes  Mittel  nicht  gegeben  worden 
sein  soll.  Merkwürdig  ist  auch  der  Gegensatz  zwischen  dem  subjektiven 
Befinden,  das  sich  enorm  gebessert  hat,  und  der  fortschreitenden  objek- 
tiven Verschlechterung. 

Lesser  bittet  den  Fall  noch  einmal  vorzustellen. 

0.  RosenthaL 


Hautkrankheiten. 


Anatomiei  Physiologie^  allgetn.  u.  exp.  Pattiologie^ 

patli«  Anatomie^  Therapie. 

FrM^rie,  J.  Beiträge  zur  Frage  det  Albinitmas.  Zeit- 
schrift f.  Morphol.  u.  Anthropol.  Bd.  X.  1907.  p.  216—989. 

Der  Albinismiu  ist  bei  allen  dankelfarbigen  Bässen  seit  langem 
bekannt  and  besonders  in  Afrika  sehr  verbreitet.  Man  mufi  vor  allem 
den  echten  Albinismas,  d.  h.  die  kongenitale  Leakopathie  von  der  akqai- 
rierten  L.  anterscheiden,  welch'  letztere  hauptsächlich  durch  die  Vitiligo 
repräsentiert  wird. 

Die  Vitiligo  kommt  auch  häufig  bei  Negern  vor,  wie  an  großer 
Literatur  gezeigt  wird.  Die  Depigmentierung  tritt  gewöhnlich  erst  im 
späteren  Alter  auf,  die  einzelnen  Flecken  fließen  dann  später  zusammen. 

Die  Haare  bei  echten  Negeralbinos  sind  hellblond  bis  gelbiichweiß ; 
die  blonden  in  der  Farbe  mit  dem  Haar  eines  hellblonden  Deutschen 
durchaus  zu  vergleichen.  Bei  der  histologischen  Untersuchung  fand  sich 
in  allen  4  untersuchten  Fällen  ein  di£Fuses  Pigment,  das  in  2  Fällen  (Ebi 
und  Tato)  nicht  in  seine  Bestandteile  aufgelöst  werden  konnte.  In  dem 
Haar  der  beiden  Negeralbinos  Ammanua  und  Bako  fand  Fr.  neben  dem 
diffusen  noch  feinkörniges  Pigment.  Während  Fr.  mit  Schwalbe  annimmt, 
daß  die  scheinbar  diffuse  Färbung  blonder  Haare  sich  immer  (mit  Immer- 
sion) in  Pigment  körn  eben  auflösen  lasse,  scheint  die  Anwesenheit  eines 
wirklich  diffus  verteilten  Pigmentes  in  albiuotischen  Negerhaaren  nach- 
gewiesen. Am  meisten  Ähnlichkeit  besitzt  dieser  diffuse  Farbstoff  mit 
dem  von  Fr.  in  roten  Pubes  gefundenen.  Hieför  spricht  auch  die  von 
Porte,  Buffon  etc.  hervorgehobene  rötliche  Nuance  der  Haare  bei  Neger- 
albinos. Doch  liegen  weitere  Anhaltspunkte  für  Beziehungen  zwischen 
Albinismus  und  Rutilismus  bei  Furopäem  —  bis  auf  die  helle  Hautfarbe 
der  Rothaarigen  —  kaum  vor. 

Die  Vererbung  des  Albinismus  ist  verschiedentlich  untersucht 
worden :  hier  kommt  vor  allem  der  Eonsanguinität  eine  große  ätiologische 
Bedeutung  zu.  Fr.  fuhrt  nun  eine  von  Farabce  und  Castle  beschriebene 


Bericht  üb.  d.  Leistnngen  auf  dem  Gebiete  d.  Haatkrankh.       121 

Familie  an,  die  folgende  Yerhftltniste  aufwies:  Ein  Negeralbino  heiratet 
eine  tchwarse  Negerin  und  erhftlt  von  dieser  8  Söhne,  alle  normal  pig- 
mentierte Neger.  Diese  heiraten  wieder  normale  Negerinnen  und  erhalten 
alle  schwane  Kinder  bis  auf  den  dritten:  der  bekam  von  2  Frauen  16 
Kinder,  damnter  4  Albinos.  Wir  können  nun  mit  Castle  die  „Mendel- 
sehen  Pravalensregeln**  snr  Erkl&rung  anwenden,  wobei  wir  den  Albi- 
nismns  als  „rezessives''  Merkmal  annehmen.  Bei  den  Söhnen  aus  der  Ehe 
des  albinotischen  Vaters  mit  der  schwarzen  Mutter  siegte  das  dominierende 
Merkmal  (normale  Pigmentation)  über  das  rezessive.  Kommt  nun  ein 
solcher  Bastard  mit  verdecktem  rezessivem  Merkmal  zur  Vereinigung  mit 
Individuen  ohne  dieses,  so  verschwindet  das  rezessive.  Dies  trifft  für  die 
beiden  älteren  Bruder  zu,  der  jüngere  aber  heiratet  Frauen,  die,  wie  er 
selbst,  neben  dem  dominierenden  noch  das  rezessive  Merkmal  haben; 
nach  dem  Mendelschen  Gesetze  muß  sich  die  Anzahl  der  Bastarde  mit 
dominierendem  Merkmal  verhalten  zu  denen  mit  rezessiven  wie  8 : 1 
(11:4).  Doch  sprechen  andere  Fälle  gegen  die  allgemeine  Wirksamkeit 
der  Mendelschen  Vererbungsregeln  bei  der  Vererbung  des  menschlichen 
Albinismus,  so  daß  diese  Frage  vorerst  in  suspenso  zu  lassen  ist 

Arnold  Löwen  st  ein  (Prag). 

Rosenfeld,  G.,  Breslau.  Hauttalg  und  Diät.  Zentralblatt  für 
innere  Medizin.  1906.  Nr.  40.  p.  986. 

Anläßlich  von  Stoffwechselversuchnu,  die  Rosen feld  zur  Verglei- 
chnng  der  eiweißsparenden  Wirkung  der  Kohlehydrate  und  der  Fette 
unternahm,  hat  er  auch  die  auf  der  Haut  ausgeschiedene  Talgmenge  zu 
bestimmen  versucht.  Dies  geschah  in  der  Weise,  daß  die  Versuchspersonen 
während  der  8 — 9tägigen  Emährungsperioden  Tag  und  Nacht  dieselbe 
Wollunteijacke  und  Wollunterhose  trugen.  Diese  wurden  in  Chloroform 
gelegt,  ausgepreßt  und  letzteres  abdestilliert;  der  Rückstand  wurde  in 
Äther  gelöst,  filtriert  und  getrocknet.  Bei  zwei  mageren  Personen  wurde 
bei  Kohlehydraternährung  die  täglich  ausgeschiedene  Talgmenge  auf 
2*2—2*4,  bei  Fettnahrnng  auf  0*94— 1*44^  berechnet.  Der  letzteren  Menge 
entsprachen  auch  die  Zahlen  bei  zwei  mit  wenig  Kohlehydraten  ernährten 
Diabetikern.  Krukenberg  sowie  Leubuscher  haben  (allerdings  mit 
nicht  sehr  exakten  Methoden)  beim  normal  ernährten  Menschen  Zahlen 
von  40*8  g  und  15  g  berechnet.  Letzterer  glaubte,  daß  fettreiche  Kost 
die  Ausscheidung  verdoppelt.  Ersterer  behauptete,  daß  durch  starke  Be- 
wegung die  Absonderung  vermehrt  werde,  was  Rosenfeld  nicht  bestä- 
tigen kann.  Ob  die  Schlüsse,  die  Verf.  aus  seinen  Untersuchungen  zieht: 
1.  daß  der  Hauttalg  aus  den  Kohlehydraten  herstamme,  2.  daß  Hauttalg 
und  ünterhautfett  in  keiner  Beziehung  zu  einander  stehen,  8.  daß  die 
Furunkulose  der  Diabetiker  auf  verminderte  Talgausscheidung  zurück- 
zuführen sei,  berechtigt  sind,  mag  dahingestellt  bleiben. 

A.  Gassmann  (Genf). 

Zieler,  K.  Über  Exsudatzellen  bei  der  akuten  asep- 
tischen Entzündung  des  Bindegewebes. 


122  Bericht  über  die  Leistangen  aaf  dem  Gebiete 

Zieler  gibt  hier  kurz  die  Betaltste  wieder,  die  er  mit  einer  neoen 
Yersachitechnik  erhalten  hat  und  in  eztenio  in  der  Featichrift  far 
N  eist  er  pnbliiieren  wird.  Als  entsfindongterregendee  Mittel  diente,  wie 
in  froheren  Versnchen  (Dermatol.  Zeitachrift,  1906,  Bd.  XÜI),  dai  Bogen- 
licht  einer  F ins en-Reyn -Lampe.  In  den  ersten  15  Standen  sind  die 
im  Eotzfindangsgebiet  erscheinenden  Zellen  als  aus  der  Blntbahn  stam- 
mende Elemente  anfsofassen  and  iwar  gleichen  sie  TÖUig  den  im  Blat 
nachweisbaren  Formen.  In  größerer  Zahl  treten  saerst  die  kleinen  rand- 
kemigen  Lymphocyten  aaf,  die  sich  dann  im  Gewebe  dnreh  Yermehrang 
des  Granoplasmas  sa  Zellen  Tom  Charakter  sogenannter  großer  Lympho- 
cyten umwandeln  (Pol^blaaten  Mazimows).  Sie  werden  in  den  frühesten 
Stadien  hauptsächlich  mit  dem  starken,  fibrinreichen,  entzündlichen 
Exsadat  aus  den  Gef&ßen  mechanisch  ins  Gewebe  hineingeschwemmt,  nur 
zum  kleinen  Teil  ist  ihr  Erscheinen  sa  erkl&ren  durch  aktive  Auswande- 
rung, die  aber  in  allen  Stadien  und  in  den  späteren  anscheinend  häufiger 
beobachtet  werden  kann.  Die  granulierten  Leukocyten,  die  zunächst 
gleichzeitig  mit  den  Lymphocyten  yorwiegend  passiv  ins  Gewebe  gelangen 
(mangelnde  amöboide  Bewegungen),  treten,  wie  in  der  Blutbahn,  gegen- 
über den  Lymphocyten  etwas  zurück.  Erst  später  wandern  sie  immer 
zahlreicher  aktiv  aus  und  fiberwiegen  schließlich  im  Gewebe  ganz  erheblich. 

A.  Gassmann  (Genf). 

Polland,  Bud.  Die  ätiologische  Rolle  des  Vasomotoren- 
zentrums bei  Herzneurosen,  Morbus  Basedowi  and  Angio- 
neurosen der  Haut.  Zentralblatt  für  innere  Mediz.  1907.  Kr.  2.  p.  41. 

Polland  beschreibt  ausführlich  den  weiteren  Verlauf  des  schon 
von  Er  ei  b  ich  (Die  angioneurotische  Entzündung,  Wien  1905)  publi- 
zierten Falles  von  „angioneurotiscfaer'*  Hautaffektion,  der  ein  15  Jahre 
altes  Mädchen  betrifft.  Der  Ausschlag  bestand  in  erythematösen,  dann 
urticariellen  und  teilweise  nekrotischen  Flecken,  die  nach  und  nach  am 
ganzen  Körper,  besonders  im  Gesicht,  auftraten«  Später  zeigten  sich  nun 
noch  allgemeine  Nervenstörungen,  bestehend  in  psychischer  Alteration 
und  Muskelzittem,  femer  die  Symptome  einer  eigenartigen  Herznenrose, 
die  sich  am  meisten  der  paroxysmalen  Tachykardie  nähert.  Eigentliche 
hysterische  Symptome  waren  nicht  vorhanden.  Verf.  ist  der  Ansieht,  daß 
für  diese  Symptome  die  gleiche  Ätiologie  wie  für  die  Hanterscheinungen 
anzunehmen  sei  und  zwar,  nach  Kreibichs  Theorie,  reflektorische 
Störungen  im  Sympathioussystem,  bedingt  durch  eine  gesteigerte  Erreg- 
barkeit des  Vasomotorenzentrums  der  Oblongata.  Die  Reflexvorgänge 
können  längere  Zeit  nach  Wirkung  des  Reizes   auftreten  („Spätreflexe*). 

A.  Gassmann  (Genf). 

Saudek,  J.,  Brunn  (Prosektur  Sternberg).  Zur  Kasuistik 
der  „Kolloiden  Degeneration  der  Haut  im  Granulations- 
and  Narbengewebe".  Wiener  klin.  Wochenschr.  1907.  Nr.  15. 

Der  Autor  berichtet  über  die  Beobachtungen  bei  der  histologischen 
Untersuchung  eines  Epithelioms  und  eines  melanotischen  Spindelzellen- 
sarkoms. In  beiden  Fällen  handelte  es  sich  um  degenerative  Veränderungen 


der  Hautkrankheiten.  123 

des  elastischen  Gewebes  in  der  unmittelbaren  Nachbarschaft  der  malignen 
Tnmoren.  Das  elastische  Oewebe  bildete  daselbst  dichte  Knäuel,  in  weichen 
nur  in  der  Peripherie  einzelne  Fasern  erkennbsr  sind,  während  sich  diese 
Knäuel  im  Zentrum  nicht  mehr  in  ihre  Bestandteile  auf  löseu  lassen. 
Diese  Herde  sitzen  in  den  obersten  Goriumschichten,  während  die  tieferen 
Lagen  der  Cutis  frei  sind.  Viktor  Bau  dl  er  (Prag). 

Sehein, M.,  Budapest.  Fälle  von  Stillstand  und  relativem 
Zurückbleiben  des  Flächenwachstums  der  Haut.  Pester  med.- 
chirurgisohe  Presse.  1907.  Nr.  1—2. 

Krankheitsfölle,  in  denen  das  Flächen  wach  st  um  der  Haut  während 
der  Wachstumsperiode  an  einer  Stelle  stille  steht  oder  gar  zurückschreitet, 
während  es  im  Bereiche  des  übrigen  Körpers  fortschreitet,  gehören  zu 
den  größten  Seltenheiten.  Schein  hat  mehrere  einschlägige  Fälle  aus 
der  Literatur  gesammelt  und  kommt  zu  folgenden  Schlüssen :  Gemeinsam 
sind  allen  Fällen  zwei  auffallende  Eigenschaften:  Erstens  der  Stillstand 
des  Flächen  Wachstums  der  Haut  an  umschriebener  Stelle,  zweitens  eine 
auffällige  Behaarung  der  im  Flächenwachstum  zurückgebliebenen  Haut- 
stelle. Zwischen  beiden  Eigenschaften  besteht  ein  kausaler  Zusammenhang 
derart,  daß  die  im  Flächen  Wachstum  zurückbleibende  Hautstelle  besser 
ernährt,  mit  mehr  Blut  versorgt  wird  als  ihre  rascher  wachsende  Um- 
gebung und  daß  der  Überschuß  an  Blut  und  Nährmaterial,  der  nicht  zum 
Wachstum  der  Haut  selbst  verwendet  wird,  zum  Wachstum  der  Haare 
dient.  An  der  rascher  wachsenden  Haut  dient  das  Nährmaterial  zum  Wachs- 
tum der  Haut,  an  der  im  Wachstum  zurückbleibenden  Stelle  zum  Wachs- 
tum der  Haare.  Auf  diese  Weise  resultiert  der  Zusammenhang  zwischen 
Haut  und  Haarwachstum,  dem  entsprechend  das  letztere  dem  Flächen- 
wachstum der  Haut  umgekehrt  proportional  ist. 

Viktor  Band  1er  (Prag). 

Adamkiewicz,  A.  Zur  Funktion  der  Schweißsekretion. 
Neurologisches  Zentralblatt.  1907.  Nr.  8.  p.  128. 

Adamkiewicz  macht  gelegentlich  der  Publikation  Higiers  (in 
Nr.  1  dieses  Bl.)  darauf  aufmerksam,  daß  die  Schweißsekretion  als  eine 
Nervenfunktion  von  ihm  1878  entdeckt  wurde  und  daß  das  System  der 
Schweißnerven  in  seiner  Monographie:  „Die  Sekretion  des  Schweißes. 
Eine  bilateral-symmetrische  Nervenfunktion*  genau  dargestellt  und  ein 
Schema  für  die  psycho -physischen  Prozesse  geworden  ist. 

A«  Gassmann  (Genf). 
Higier,  H.,    Warschau.    Schweißanomalien    bei    Rücken- 
marks kr  ankheiten.  Neurolog.  Zentralblatt.  1907.  Nr.  1.  p.  19. 

Higier  referiert  kurz  folgende  Fälle:  1.  Komplette  Paraplegia 
inferior  mit  doppelseitiger  akuter  Neuritis  optica.  Bei  Anwendung  von 
Salizyl  und  Pilokarpin  Anidrose  der  unteren  gelähmten  Körperhälfte. 
2.  Zentrale  Hämatomyelie  des  Lumbaimarks.  Anidrose  der  unteren  Körper- 
hälfte. 8.  Syringomyelie.  Dissoziierte  Sensibilitätsstörung  der  rechten 
Gesichtshälfte  und  der  Extremitäten,  Anidrose  am  Arm  und  Rumpf  rechts. 
4.  Lumbosakrale  Kompressionsmyelitis  infolge  von  Sarkomatosis.  Anidrosis 


124  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

der  unteren  Körperh&lfte.  Verf.  glaubt,  daß  aus  diesen  Fällen  sich  ersehen 
lft0t,  daß  die  Schweißsekretion  nicht  ein  physikalischer  Fitrationsproieß 
ist,  bei  welchem  das  Nervensystem  nur  indirekt  durch  Vermittlung  der 
vasomotorischen  Nerven  einwirkt.  A.  Gassmann  (Genf). 

Dind,  Lausanne.  Dermatoses  et  Systeme  renal.  Revue  mM. 
de  la  Suisse  romande.  1907.  Nr.  2.  p.  122. 

Nachdem  Dind  einen  kurzen  Überblick  über  die  gegenseitigen 
Besiehungen  des  Hautorgans  und  seiner  Erkrankungen  zum  uropoetisohen 
System  gegeben  hat,  bringt  er  die  Krankengeschichte  eines  Falles  von 
multipler  Gangrän  bei  einem  4jährigen  Mädchen,  das  bei  der  Aufnahme 
gesunde  innere  Organe  aufwies.  Nach  zwei  Monaten  war  die  Hautaffektion 
geheilt,  es  traten  aber  Gomealulcera,  Ohrenschmerzen,  Pneumonie  und 
Nephritis  auf.  6  Monate  nach  der  Aufnahme  war  der  Zustand  schlecht 
und  die  Pneumonie  noch  vorhanden ;  die  Narben  der  Ulcera  waren  keloid 
entartet.  A.  Gassmann  (Genf). 

White,  Charles  J.  Some  Statistics  of  Indigestion  in  Der- 
matological  Patients.  Boston  Med.  &  S.  Journal.  GLYI.  197. 
14.  Febr.  1907. 

White  untersuchte  eine  Anzahl  Patienten  in  der  Klinik  in  Bezug 
auf  Verdauungsstörungen,  da  er  der  Ansicht,  daß  viele  Hautkrankheiten 
auf  Stoffwechselstörungen  beruhen,  teils  direkt,  teils  indirekt,  indem  sie 
die  Gewebe  in  einen  für  die  Entwicklung  von  Bakterien  günstigen  Boden 
umwandeln.  Es  wurden  483  erwachsene  Patienten  befragt  wegen  des 
Bestehens  folgender  Symptome:  Schmerz  nach  dem  Essen  in  der  Magen- 
gegend, Gasaufstoßen,  Gefühl  von  Schwere,  Unbehagen  etc.  nach  dem 
Essen,  Aufstoßen  von  Speiseresten  und  Yerstopfung.  Von  denselben  gaben 
259  (697e),  120  männlichen,  139  weiblichen  Geschlechts,  das  Vorhanden- 
sein eines  oder  mehrerer  dieser  Symptome  an ;  am  öftesten  Aufstoßen  von 
Gasen  (173)  und  Speisen  (158),  Druck  etc.  (138),  Schmerz  (86),  Ver- 
stopfung (141).  Geborene  Amerikaner  lieferten  62Vo>  Irländer  57  und  Juden 
55Vo-  ^^^Q  Tabelle  zeigt  das  Verhältnis  der  Dyspeptiker  bei  einer  Anzahl 
von  Hautkrankheiten:  647»  für  Ekzem,  7l7o  ^^  Akne,  aber  aufialliger 
Weise  nur  55 7o  ^ör  Rosacea;  Pruritus  837o,  Urticaria  857o>  Seborrhoea 
83  und  Eczema  seborrhoic.  857o  (letztere  auffallig  hoch  für  parasitäre 
Erkrankungen,  Ref.).  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Frank«  über  Resorption  und  Ausheilung  von  entzünd- 
lichen Infiltraten  in  den  samenleitenden  Organen.  Berliner 
klin.  Wochenschr.  Nr.  17.  1907. 

Frank  weist  zunächst  auf  die  große  Bedeutung  der  Folgeznstände 
von  entzündliehen  Prozessen  im  Nebenhoden  und  Samenstrange  hin: 
307o  ftllci*  sterilen  Ehen  werden  durch  sie  erklärt.  Die  operativen  Ver- 
suche zur  Wiederwegsammachnng  der  samenleitenden  Organe  haben  bisher 
zu  gar  keinem  Erfolge  geführt.  Denn  es  ist  ja  nicht  möglich,  für  das 
fehlende  Sekret  der  Nebenhodenkanäle  Ersatz  zu  beschafifen;  und  erst 
durch   dieses  werden   die  im  Hoden  gebildeten  Spermatozoen  beweglich. 


der  Haatkrankheiten.  125 

Es  ist  daher  von  höchstem  Werte,  bei  eingetretener  Epididymitis 
nnd  Fnnicnlitis  die  Bildung  und  die  Persistens  größerer  Infiltrate  sa 
vermeiden.  Frank  glanbt  dies  dnreh  Applikation  von  Hitse  darch  Thermo • 
phore  nnd  Moorbäder  erreichen  zn  können.  So  behandelte  Epididymitiker 
hatten  später  im  Ejakulat  lebende  Spermatozoon. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Photi]|0§.  Die  Herstellung  und  Bedeutung  der  Mou. 
lagen.  Dermatol.  Zeitschr.  Bd.  XIY.  p.  132. 

Photinos  hat  bei  Lassars  Mouleur  einen  Spezialkurs  gehört, 
der  es  ihm  ermöglicht,  in  ausführlicher  Weise  die  Gewinnung  von  Mou- 
lagen darzustellen.  Das  bisher  als  Geheimnis  gehütete  Verfahren  ist  für 
den  Dermatologen  höchst  interessant.  Fritz  Porges  (Prag). 

Krause.  Über  interne  Anwendung  von  Neu-Tuberkulin 
Koch  (Bazillen-Emulsion).  Deutsche  Praxis.  XV.  Nr.  14. 

Vorwiegend  aus  praktischen  Gründen  empfiehlt  Krause  die 
interne  Anwendungs weise  der  Bazillenemnlsion,  die  in  Form  von  Kap- 
seln unter  dem  Namen  „Phthysoremid"  in  den  Handel  gebracht  wird  und 
zwar  einer  schwächeren  und  einer  stärkeren  Sorte.  Es  wurde  mit  der 
Darreichung  dieser  Kapseln  so  verfahren,  daß  in  8 — Ötägigen  Intervallen 
um  eine  Kapsel  gestiegen  wurde,  bis  eine  deutliche  Reaktion  zu  ver* 
zeichnen  war.  Der  Verlauf  einer  solchen  Behandlungsweise  soll  genau 
dem  einer  Injektionskur  entsprechen.  In  einigen  Fällen  mußte  wegen 
Auftretens  von  Magen-Darmerscheinungen  zur  Injektionsbehandlung  ge- 
griffen werden.  Theodor  Baer  (Frankfurt  a.  M.). 

Wille.  Thesen  zur  Behandlung  der  Tuberkulose,  ins- 
besondere der  Tuberkulose  der  Lungen.  Deutsche  Praxis. 
XV.  Nr.  18. 

Wille  stellt  in  einer  Reihe  von  „Thesen^  seine  Anschauungen 
besüglich  der  Behandlung  der  Tuberkulose  zusammen. 

Die  Arbeit  ist  zu  einer  Wiedergabe  in  einem  Referat  nicht  geeignet 
und  besser  im  Original  nachzuleseo.    Theodor  Baer  (Frankfurt  a.  M.). 

Cloetta,  M.  Über  die  Ursache  der  Angewöhnung  an 
Arsenik.  Archiv  f&r  experimentelle  Pathologie  und  Pharmakologie. 
Bd.  UV.  pag.  196. 

In  einer  sehr  interessanten  experimentellen  Arbeit  ist  Cloetta 
den  Ursachen  der  Arsengewöhnung  nachgegrangen,  wie  sie  namentlich  bei 
den  Arsenessern  Steiermarks  beobachtet  wird.  Den  äußeren  Anlaß  für 
die  Versuche  bildete  die  Beobachtung  eines  Falles  von  Liehen  raber,  der 
As^O«  in  Pilleuform  bekam  und  28  mg  pro  die  anstandslos  vertrug.  Da 
die  Wirkung  eine  ungenügende  war,  so  erhielt  Pat.  vom  Arzte  10  «i^  in 
Form  einer  Injektion,  worauf  eine  Arsenvergiftung  eintrat,  die  gut  verlief. 

Cloetta  wiederholte  nun  dieses  Experiment  am  Kaninchen.  Er 
immunisierte  das  Tier  während  8  Monaten  mit  AS|0,  in  Lösung  und  ver- 
abreichte demselben  zuletzt  täglich  38  mg  intern.  Versuchsweise  izgizierte 
der  Ver£  eines  Abends  16  «n^  subkutan  und  am  folgenden  Morgen  noch 
14  mg,    20  Stunden   nach  der   zweiten    Iigektion   starb   das  Tier.    Das 


126  Bericht  über  die  Leistnngen  auf  dem  Gebiete 

fahrte  Gloetta  zn  der  AoffasBung,  daß  die  Arsen-Immanitfit  nar  eine 
lokale  sei,  d.  h.  daß  das  Arsen  bei  interner  Verabreiohong  entweder  im 
Darm  in  eine  nngiftige  Yerbindang  übergeführt  oder  überhaupt  nicht 
mehr  resorbiert  wird.  Er  stellte  daher  quantitative  Analysen  des  Urins 
und  des  Kotes  an,  femer  Organ-Analjsen.  Es  seigre  sich  die  inter- 
essante Tatsache,  daß  bei  Zufnhr  von  steigenden  Dosen  der  As,0,  in 
Substanz  die  Resorption  von  Seite  des  Darmes  stets  abnimmt.  Etwas 
besser  ist  die  Resorption  bei  Zufuhr  des  Arsens  in  flüssiger  Form.  Hin- 
gegen scheitert  hier  die  Steigerung  der  Dosis  durch  Verweigerung  der 
Aufnahme  von  Seite  des  Tiers.  Einen  sehr  hohen  Grad  ron  Giftfestigkeit 
ersielte  Gloetta  bei  einem  Hunde.  Zuerst  bekam  dieses  Tier  das  Arsen 
in  gelöster  Form  und  die  Dosis  konnte  bis  125  m^  pro  die  gebracht 
werden.  Dann  Verweigerung  der  Aufnahme,  daher  Zufuhr  des  Arsens 
in  Substans.  Auf  diese  Art  konnte  die  Dosis  auf  2*5  ^  gesteigert  werden. 
Der  Hund  nahm  in  IV4  Jahren  1  Kilo  zu.  Die  Untersuchungen  des  Urins 
und  Kotes  zeigten,  daß  die  Ausscheidung  durch  die  Nieren  eine  geringe 
ist,  die  Ausfuhr  im  Kot  eine  sehr  hohe,  so  daß  sie  sich  mit  der  Einfuhr 
deckte.  Trotz  Steigerung  der  Dosen  nahm  die  Aasscheidung  im  Urin 
nicht  zu,  sondern  ab.  Zum  Beweise,  daß  die  Immunität  nur  eine  lokale 
ist,  injizierte  Verf.  dem  nämlichen  Tiere  40  mg  subkutan.  6  Stunden 
später  Exitus. 

Verfasser  zieht  aus  seinen  Versuchen  den  Schluß,  daß  bei  Mensch, 
Hund  und  Kaninchen  eine  hohe  Toleranz  gegen  Arsenik  besteht,  vor- 
ausgesetzt, daß  die  Darreichung  innerlich  in  Substanz  geschieht.  Die 
Giftfestigkeit  ist  aber  nur  eine  scheinbare,  da  sie  in  einer  sich  steigernden 
Ablehnung  der  Resorption  von  Seite  des  Darms  besteht.  Für  die  Therapie 
empfiehlt  es  sich  bei  länger  dauernden  Kuren,  das  Arsen  in  gelöster 
Form  zu  verwenden.  Als  einzig  sichere  Methode  für  längere  Kuren  mit 
steigenden  Dosen  will  aber  Gloetta  die  subkutane  Injektion  gelten 
lassen  in  entsprechend  reduzierten  Dosen.         IL  Winkler  (Luzem). 

Snowniann.  Recent  developments  in  the  therapeutical 
applications  of  arsenic.  The  Lanoet  1907.  April  27.  pag.  lUdff. 

In  einer  im  wesentlichen  referierenden  Arbeit  macht  Snowmann 
auf  die  zwei  bekannten  Arsenpräparate :  die  Kakodylsäure  und  das  Atozyl 
aufmerksam.  Fritz  Juliusb erg  (Berlin). 

Crofton,  W.  H.  Erysipelas  treated  by  a  specific  anti- 
serum.  The  British  Med.  Journ.  1907.  April  27.  pag.  991. 

Grofton  berichtet  über  die  schnelle  Heilung  eines  Falles  von 
Gesichtserysipel  durch  ein  von  Wellcomes  Research  laboratory  geliefertes 
AntiStreptokokken  „erysipelas^  serum.  Der  Fall  lag  wegen  Alters  und 
bestehender  Herzschwäche  nicht  günstig  zur  Behandlung. 

Fritz   Julinsberg  (Berlin). 

Weiss,  Max,  Wien.  Über  eine  neue  organische  Jodver- 
bindung —  Tiodine.  Wiener  mediz.  Woohenschr.  1907.  Nr.  7. 

Tiodine  ist  eine  Kombination  von  Thiosinamin  mit  einem  Jod« 
präparat-Jodäthy],  das   sowohl   subkutan   als   auch  innerlich  verabreicht 


der  Eüiutkrankheiten.  127 

werden  kftnn;  es  wird  rasch  resorbiert.  Weiss  verwendete  es  bei  sameist 
metasyphilitischen  Affektionen  des  ZentralnerTensystems,  in  erster  Linie 
bei  Tabes  dorsalis.  Der  tabetiscbe  anf  Lnes  basierende  Proseß  wurde 
insofeme  günstig  beeinflußt,  als  die  spinalen  Nervenwurselsymptome 
schon  nach  mehrwöchentlicher  Yerabreiohnng  von  Tiodineinjektionen  und 
interner  Darreichung  nachließeni  daß  Blasen  und  Mastdarmstörungen  be- 
seitigt und  ataktische  Erscheinungen  rückgängig  gemacht  wurden.  Tiodine 
wird  in  Ampollen  zu  0*2  in  der  Feldapotheke  in  Wien  erhältlich  sein. 

Viktor  Bandler  (Prag). 

Eisenberg.  Jodosan,  ein  neues  organisches  Jodpräparat, 
als  JodoformersatsmitteL  Munchn.  med.  Wochenschr.  1907.  Nr.  12. 

Eisenberg  faßt  seine  Resultate,  die  er  mit  dem  Jodosan,  einem 
von  dem  chemischen  Institut  Dr.  Hör owitz- Berlin  hergestellten  Ersats- 
präparate  des  Jodoforms  bei  49  meist  der  kleinen  Chirurgie  angehörenden 
Fällen  erzielt  hat,  dahin  zusammen,  daß  wir  in  dem  Jodosan  ein  dem 
Jodoform  ebenbürtiges,  absolut  reisbares  Wundheilmittel  und  Wund- 
desinfiziens  besitzen,  welches  zweifellos  von  allen  Machteilen,  die  das 
Jodoform  aufweist,  frei  ist.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

VAmer,  Hans.  Hydrargyrum  praecipitatum  album  pulti- 
forme.  Deutsch,  med.  Woch.  Nr.  10.  1907. 

um  das  Hydrargyrum  möglichst  fein  in  den  Salbenkörpem  zu  ver- 
teilen, hält  Vorn  er  Tcrschiedene  Methoden  für  zweckmäßig.  Zum 
gleichen  Ziele  führen  Lanolin-  oder  Wasserzusatz,  bei  welchem  nach 
Schanz  Vorschrift  der  Niederschlag  nicht  trocknen,  sondern  in  seiner 
Feinheit  sogleich  verwendet  werden  muß,  als  auch  die  einfache  Mischung 
des  breiigen  Prazipitats  mit  Yaselin.  Verf.  hat  die  weiße  Präzipitatsalbe 
als  üngt.  praecipitati  mercurii  albi  pultiforme  verschrieben,  deren  be- 
deutende Komfeinheit  erprobt  und  diese  Salbe  sowohl  heilkräftiger  als 
auch  weniger  reizend  wie  das  alte  Präparat  gefunden.  Er  erzielte  gute 
Erfolge  damit  bei  Psoriasis  sowie  als  30%  Salbe  zu  Inunktionen  ver- 
ordnet bei  sekundärer  Lues,  wo  die  Reinlichkeit  der  weißen  Salbe  nach 
dem  unangenehmen  Gebrauch  des  Ung.  einer,  von  den  Patienten  be- 
sonders angenehm  empfunden  wurde.  Max  Joseph  (Berlin). 

Hes8e.  Intoxikationserscheinungen  nach  Anwendung 
von  Schwefelzinkpasta.  Dermatol.  Zeitschr.  Bd.  XIV.  p.  111. 

Die  Erkrankung  betrifft  ein  2  Monate  altes,  mit  Ekzem  behaftetes 
Kind,  das  auf  Applikation  von  Schwefelzinkpasta  mit  Durchfall  und  Fieber 
reagierte.  Interessant  ist  es,  daß  mit  fortschreitender  Besserung  des 
Ekzems  die  Intoxikationserscheinung  beim  Auflegen  der  Pasta  geringer 
wurden,  was  dafBr  sprechen  würde,  daß  die  Resorption  nur  von  der 
ekzematös  erkrankten  Haut  ausgehen  konnte.       Fritz  Porges  (Prag). 

Peter,  A.  G.  Calcium  Jodide  in  ulcers  of  the  leg.  The 
British  Med.  Journal.  1907.  April  27.  pag.  991. 

Peter  hatte  bei  Behandlung  von  Beingeschwüren  gute  Erfolge  mit 
der    innerlichen   Darreichung  von   Ealziumjodid,  auch  bei   Fällen,   die 


128  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

lange  nnd  yergeblich  mit  Jodkali  behandelt  waren.  Er  gibt  das  Xaltiam- 
Jodid  in  Mixtur  2  ^  z:  0-139  y  dreimal  täglich. 

FritK  Jnlinsberg  (Berlin). 

Waldo,  Henry.  The  treatment  of  eciema.  The  British  Med. 
Journal.  März  2.  pag.  494. 

In  kurzen  Worten  berichtet  Waldo  über  einige  Punkte  der  Ektem* 
behandlung.    Die  Mitteilung  enthält  nur  gut  Bekanntes. 

Frits  Juliusberg  (Berlin). 

Throne,  R.  Antistaphylococoic  Vaccine  in  the  treat- 
ment of  furunculosis.   The  British  Med.  Joum.  1907.  Feb.  28.  p.  4d6. 

Throne  heilte  einen  schon  drei  Jahre  ohne  Erfolg  mit  den  ver- 
schiedensten Mitteln  behandelten  Fall  von  ausgedehnter  Furunkulose 
durch  Injektionen  von  Wrights  Antistaphylokokken-Yaccine« 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Gereon.  Eine  Kombination  von  Saugglas  und  Messer. 
Medizinische  Klinik.  1907.  Nr.  10. 

In  der  Kombination  von  Saugglas  und  Messer  glaubt  Gers on  eine 
Vorrichtung  gefunden  zu  haben,  welche  die  Behandlung  von  Furunkeln, 
Abszessen  und  Phlegmonen  weniger  umständlich  und  zeitraubend  gestaltet. 
Wir  können  in  der  Anwendung  des  doch  immerhin  komplizierten  Appa- 
rates keine  Vereinfachung  des  sonst  üblichen  therapeutischen  Verfahrens 
erblicken.  (Ref.)  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Schüler,  Theodor.  Neue  Bergkristallansätze  für  die 
Lichtbehandlung  von  Schleimhäuten.  Deutsch,  media.  Woch. 
Nr.  12.  1907. 

Zu  der  kleinen  Quecksilberdampflampe,  mit  welcher  Schüler  bei 
Erkrankungen  der  Urethra,  der  Mund-  und  Nasenschleimhäute  sowie 
durch  Bestrahlungen  von  Warzen  und  Mälem  etc.  bereits  früher  gute 
Erfolge  erzielte,  ließ  er  verschiedene  neue  Ansätze  aus  Bergkristall 
konstruieren.  Am  besten  unter  diesen  bewährte  sich  ein  ganz  massiver 
Bergkristallansats  aus  einem  Stücke,  welcher  an  der  Stelle,  wo  der  Ansatz 
auf  den  Anschlußapparat  angesetzt  wird,  eine  kegelförmige  Gestalt  hatte 
und  an  diesem  Teile  von  einem  Metallmantel  umschlossen  wurde.  Dieser 
Ansatz  leuchtete  von  oben  bis  unten  überaus  hell,  am  hellsten  an  der 
Spitze.  Kombinationen  dieses  Apparates  mit  anderen,  sowie  Modi- 
fikationen verschiedener  Ansätze  werden  besser  aus  der  Arbeit  selbst  er? 
sichtlich.  Max  Joseph  (Berlin). 

Stern.  Über  die  Wirkung  des  Uviollichtes  auf  die 
Haut  und  deren  therapeutische  Verwendung  in  der  Derma- 
tologie. (Aus  dem  städtischen  Baracken-Krankenhause  in  Düsseldorf.) 
Münchener  mediz.  Wochenschr.  1907.  Nr.  7. 

Nachdem  schon  verschiedene  Veröffentlichungen  erschienen  sind, 
die  das  Uviollicht  einer  Kritik  unterworfen  haben,  teilt  Stern  seine  £r- 
fahrungen,  welche  er  mit  der  Uviollampe  gemacht  hat,  mit.  Er  sieht 
dieselbe  als  schätzenswerte  Bereicherung  unseres   therapeutischen  Rüst- 


der  Hautkrankheiten.  129 

Zeuges  an  und  empfiehlt  ihre  Anwendung  besonders  bei  Ekzemen,  Psoriasis 
des  behaarten  Kopfes,  Alopecia  areata  und  Herpes  tonsurans  capilitii. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Leonard,  Charles  Lester.  Therapeutic  Uses  and  Dangers 
of  the  Roentgen  Rays. 

Bogs»S)  Riio^ll  H.  The  Roentgen  Rays  in  Superficial 
L  f  8  i  o  n  s. 

Williams,  Ennion  6.  The  Treatment  of  Malignant 
Growths  by  the  Roentgen  Rays.  Journ.  Am.  Med.  Assoc.  XLYUI. 
811—816.  96.  Januar  1907. 

In  allen  drei  Artikeln  wird  namentlich  die  Verschiedenheit  der 
Wirkungen  der  Röntgenstrahlen  je  nach  ihrer  Anwendungsweise  betont 
und  die  leichtsinnige  urteilslose  Handhabung  dieses  ftiißerst  wertYollen 
aber  gef&hrlichen  Heilmittels  seitens  vieler  Ärzte  verurteilt. 

Leonard  rügt,  daß  vielfach  die  Anwendung  der  Röntgenstrahlen 
ungeübten  Assistenten  überlassen  werde  und  beftkrwortet,  daß  die 
Studenten  der  Medizin  in  Form  praktischer  Laboratorium-  und  klinischer 
Kurse  Unterricht  in  der  Herstellung  der  Röntgenstrahlen  und  in  ihrer 
Anwendung  als  Hilfsmittel  der  Diagnose  und  Therapie  erhalten  sollten; 
sowie  dafi  nur  zur  ärztlichen  Praxis  berechtigten  Ärzten  und  Zahn&rzten 
der  Gebrauch  derselben  zu  gestatten  sei. 

Boggs  faßt  die  biologische  Wirkung  der  Röntgenstrahlen  auf 
oberflächliche  Erkrankungen  in  folgenden  Punkten  zusammen:  L  6e- 
websstimnlation  bei  atrophischen  Zuständen  (Alopecia);  2.  Stoffwechsel- 
Störungen  (Ekzem,  Psoriasis),  wo  es  sich  um  die  Resorption  von  Ent- 
zündungsprodukten  handelt;  8.  Herabsetzung  der  Ernährung  der  Haut 
und  ihrer  Anhänge,  wo  es  sich  um  Herabsetzung  der  Tätigkeit  der  Talg- 
(Akne)  und  Schweißdrüsen  (Hyperidrosis)  handelt;  4.  Zerstörung  von 
Mikroben  in  lebendem  Gewebe  (Lupus  vulg.)  und  6.  Zerstörung  gewisser 
pathologischer  Neubildungen  (tuberkulöse  Adenitis).  Die  Wirkungsweise 
und  Erfolge  bei  Alopec.  areat.,  Psoriadis,  Eczema,  Keloid,  Akne,  Favus 
und  Trichophyton,  Drüsentuberkulose  und  Kropf  werden  einzeln  besprochen. 

Nach  Williams  werden  lebende  normale  Gewebe  in  folgender 
Reihenfolge  durch  die  Röntgenstrahlen  beeinflußt:  Epithelzellen  in  Drüsen, 
Haarfollikeln,  Haut-  und  Blutgefäßen,  viel  weniger  die  Zellen  und  Fasern 
des  Bindegewebes.  Die  Gewebe  werden  im  Verhältnis  zu  der  Zahl  und 
zu  der  Lebenstätigkeit  ihrer  Zellen  angegriffen,  daher  am  meisten  die 
bösartigen  Neubildungen  des  Garcinome,  weniger  Sarkome,  die  mehr 
Zwischenzellensnbstanz  und  Blutgefäße  enthalten,  bei  weniger  zahlreichen 
Mitosen;  am  wenigsten  gutartige  Geschwülste,  die  am  wenigsten  zahl- 
reiche und  aktive  Zellen  enthalten. 

Leonard  befürwortet  besonders  das  Zusammenarbeiten  der 
Röntgenbehandlung  mit  der  Chirurgie.  H.  G.  Klotz  (New- York). 


Arek.  t  Demat.  n.  Syph.  Bd.  LXXXIX. 


130  Bericht  über  die  LeistuDgen  auf  dem  Gebiete 


Akute  und  chronische  Infektionskrankheiten. 

Gabritsehewsky.  Über  Streptokokkenerytheme  und 
ihre  Beeiehangen  sam  Scharlach.  Berliner  klin.  Wochenachrift. 
Nr.  18.  1907. 

Gabritsehewsky  definiert  den  Scharlach  aU  eine  darch  einen 
spezifischen  Streptococcus  hervorgerufene  Tozicodermie.  Aas  Scharlach - 
Streptokokken  Kubereitete  Vaccinen  können  scharlachähnliche  Erytheme 
und  Exantheme  hervorrufen.  Diese  „  Scharlach vaociuation''  kann  zur  Be- 
handlung des  Scharlachs  und  seiner  Komplikationen  herangezogen 
werden.  Versuche  dieser  Art  werden  zur  Zeit  im  Moskauer  Kinder- 
spital gemacht.  H.  Hüb n er  (Frankfurt  a. IL). 

Hektoen,  Ludwig.  Is  Scarlet  Fever  a  Streptococcus 
Disease?  Joum.  Amer.  Med.  Aas.  XLVIII.  1158.  6.  April  1907. 

Auf  Grund  von  eigenen  Untersuchungen  sowie  der  Arbeiten  von 
Ruediger  (Journ.  Infekt.  Diss.  III.  755.  1906)  und  Weaver  (ibidem 
I.  91.  1904)  fühlt  sich  Hektoen  berechtigt  zu  behaupten: 

1.  daß  die  konstante  Anwesenheit  einer  großen  Anzahl  von  Strepto- 
coccus pyogenes  die  vorwiegende  Eigenschaft  der  Bakteriologie  des  Halses 
bei  Scharlach  darstellt; 

2.  daß  die  überwiegende  Mehrzahl  der  sogenannten  Komplikationen 
und  der  Todesfalle  bei  Soharlach  die  Folge  des  Eindringens  dieses 
Mikroben  in  die  Gewebe  und  das  Blut  sind; 

3.  daß  bei  Scharlach  auch  in  leichten  Fällen  der  Organismus  Be- 
weise liefert  von  systemischer  Reaktion  auf  Streptokokken  durch  Ver- 
äuderungen  des  opsonischen  Iudex  für  StreptokokkeUf  und  vielleicht  auch 
durch  die  Bildung  von  Streptokokken-Agglutininen. 

Man  kann  sich  demnach  nicht  der  Schlußfolgerung  entziehen,  daß 
der  Streptococcus  pyogenes  oder  eine  Form  desselben  eine  ganz  wesent^ 
liehe  Rolle  in  dem  Scharlachprozeß  spielt.  Allein  gegen  die  Annahme, 
daß  Scharlach  überhaupt  nur  eine  Streptokokkenerkrankung  sei,  sprechen 
verschiedene  Tatsachen.  Allerdings  sind  die  pathologischen  Eigenschaften 
des  Streptoc.  pyog.  im  stände,  die  Initialsymptome,  die  Angina,  das  Fieber, 
die  Leukocytose  und  selbst  den  Ausschlag  zu  erklären,  tragen  wohl  auch 
in  Wirklichkeit  in  nicht  geringem  Grade  zu  dem  Zustandekommen  der- 
selben bei,  allein  es  besteht  kein  Analogen  für  die  selbst  durch  leichte 
Scharlacherkrankung  ^erworbene  Immunität  gegen  Scharlach,  während 
keine  Beweise  vorhanden  sind  für  eine  Immunität  gegen  Streptokokken 
nach  Scharlach.  Die  Annahme  der  Streptokokkentheorie  würde,  was  die 
Ansteckungsfahigkeit  betrifft,  die  Ansteckung  vermittelst  Materials  aus 
dem  Halse  in  verschiedener  Weise  erklären,  aber  nicht  die  von  der  Haut 
ausgehende  und  die  angenommene  langlebige  Infektionsfahigkeit  des 
Scharlachgifts.  Weaver  fand  auf  der  Haut  und  in  den  Schuppen 
Scharlaohkranker  nur  die  auf  gesunder  Haut   vorkommenden  Bakterien, 


der  Hautkrankheiten«  131 

derselbe  und  andere  nur  selten  Streptococc.  pyogen. ;  wenn  also  die 
Btreptokokken  die  Ursache  des  Schariaobs  wären,  so  wQrden  sie  die 
anscheinend  nnanfechtbaren  Beobachtungen  von  Beständigkeit  des  Sohar- 
lachgifbes  unerklärt  lassen. 

Vielmehr  für  sich  hat  die  Anaahme,  daß  die  durch  einen  zur  Zeit 
onbekannten  Organismus  erzeugten  Zustände  bei  Scharlach  einen  be* 
sonders  günstigen  Boden  für  das  Wachstum  und  die  Aktivität  des  als 
begleitender  oder  sekuodärer  Eindringling  erscheinenden  Streptokokkeit 
bildet.  Ganz  ähnliche  Verhältnisse  finden  sich  bei  der  Variola  und  man 
kann  för  beide  Krankheiten  behaupten,  daß  sie  ohne  die  Streptokokken- 
Invasion  verhältnismäßig  harmlose  Krankheiten  sein  würden.  Ja  man 
könnte  wohl  annehmen,  daß  die  hauptsächlichste  Bedeutung  des  Schar- 
lachgifts darin  liegt,  daß  es  die  Fähigkeit  besitzt,  den  Streptokokken 
sozusagen  Tür  und  Tor  zu  öffnen.  Deswegen  ist  die  Notwendigkeit, 
kräftige  Antistreptokokkenmittel  anzuwenden,  ebenso  dringend  geboten 
und  die  Erklärung  der  spezifischen  Wirkung  derselben  ebenso  plausibel, 
als  wenn  das  Scharlach  als  eine  einfache  Streptokokkenerkrankung  an- 
gesehen werden  könnte.  Der  Umstand,  daß  die  Streptokokken  in 
empfanglichen  Organismen  größere  Virulenz  erlangen,  legt  uns  die  Ver- 
pflichtung auf,  durch  Isolierang  die  Übertragung  ganz  besonders  virulenter 
Kokkenstamme  von  einem  Patienten  auf  den  andern  zu  verhüten;  bei 
Patienten,  die  neben  einander  in  demselben  Zimmer  lieg'^n,  sei  durch 
Husten  und  andere  Weise  genügend  Gelegenheit  für  die  Verschleppung 
von  Hals-  und  Mundbakterien  gegeben.  Vielleicht  erkläre  eine  solche 
Übertragung  von  besonders  virulenten  Streptokokken  die  traurigen  Fälle 
von  dem  Tode  mehrerer  Kinder  in  einer  Familie  durch  Scharlach,  welche 
zuweilen  als  Beispiele  von  besonderer  FamilienempfängUchkeit  für  Scharlach 
«ngeführt  würden.  H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

W«aver,  George  H.  und  Tunaieliff,  Rath.  N  o  m  a.  Journ.  of 
infect.  Diseases.  IV.  8.  Jan.  1907. 

Weaver  und  Tunnioliff  wurden  durch  einen  Fall  von  Noma 
veranlaßt,  die  Literatur  eines  großen  Zeitraums  mit  Beziehung  auf  diese 
Krankheit  zu  durchforschen,  und  haben  die  wichtigsten  Ergebnisse  dieser 
Forschung  in  dieser  Arbeit  niedergelegt,  zum  großen  Teile  mit  der 
Absicht  künftigen  Forschern  diese  Arbeit  zu  ersparen.  Der  Fall  betraf 
ein  Sjähriges  Mädchen  und  endete  tödlich.  Die  Befunde  geben  den  Verf. 
zu  folgenden  Schlußsätzen  Veranlassung: 

1.  es  ist  bei  Noma  eine  gewisse  Invasion  von  Leukocyten,  aber 
keine  gut  ausgeprägte  Demarkationslinie  vorhanden; 

2.  die  im  Gewebe  gefundenen  spindelförmigen  Bazillen  und  Spirillen 
sind  ähnlich  denen  in  vor  dem  Tode  aus  der  Nase  und  aus  dem  Munde 
•erhaltenen  Ausstrichpräparaten,  ebenso  den  unmittelbar  nach  dem  Tode 
aus  dem  nekrotischen  Gewebe  erhaltenen; 

8.  beide  Formen  sind  im  nekrotischen  wie  im  lebenden  Gewebe 
▼orhanden ;  augenscheinlieh  überwiegend  an  beiden  Stellen  die  Spirillen  ; 

9* 


132  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

4.  die  thrombosierten  Gefäße  'enthalten  spindelförmige  Bazillen^ 
Filamente  nnd  Spirillen.  H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Lengfellner.  Ein  Fall  ron  äußerem  und  innerem  Milz- 
brand. Mfinehener  mediz.  Wochenschrift.  1907.  Nr.  11. 

Leng  fellner  berichtet  über  einen  Fall  von  äußerem  Milzbrand^ 
der  sekundär  Milzbrand  der  Lunge  und  des  Darmes  im  Gefolge  hatte. 
Die  Infektion  des  Darmkanales  erfolgte  hier  offenbar  durch  Übertragung 
von  MilzbrandbaziUen  mittelst  der  Finger  auf  den  Mund,  während  die 
Lnngenaffektion  wohl  durch  Aspirieren  von  Bazillen  enthaltendem  Er- 
brochenen zu  Stande  gekommen  ist.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Barlaeh.     Über    Milzbrand    und    seine    Behandlung» 
Münchener  mediz.  Wochenschrift.  1907.  Nr.  15. 

Die  nicht  befriedigenden  Resultate  bei  seiner  früheren  Milzbrand- 
behandlang  mit  Inzisionen  und  antiseptischen  Umschlägen  veranlaßten 
Verf.,  den  von  Lejars  empfohlenen  Thermokauter  mit  folgender  Jod- 
behandlung bei  seinen  Milzbrandfällen  in  Anwendung  zu  bringen.  Der 
Erfolg  dieser  yom  Verfasser  noch  modifizierten  Behandln ngs weise  war 
ausnahmslos  ein  überraschender.  Bezüglich  Details  nnd  Technik  Ter- 
weise  ich  auf  die  Original  arbeit.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Clift,  Lechmere.  The  intestinal  origin  of  leprosy.  The 
British  Med.  Journal.  1907.  April  20.  p.  931. 

Clift  wirft  die  Frage  auf,  ob  nicht  die  Lepra  wie  die  Tuber- 
kulose durch  intestinale  Infektion  zn  stände  komme.  Er  nimmt  an,  daß 
Fliegen  die  Bazillen  von  leprösen  Herden  auf  Lebensmittel  übertragen, 
und  daß  die  Lepra  dann  durch  den  Genuß  dieser  Eßwaren  entstünde. 
Diese  Art  der  Übertragung  würde  auch  die  von  Hutchinson  wiederholt 
behauptete  Übertragung  der  Lepra  durch  Fische  erklären.  Diese  Art 
der  Übertragung  ähnelt  der  bei  Tuberkulose.  Beide  Erkrankungen  hätten 
überdies  das  gemeinsame,  daß  sie  eine  Prädispositiou  verlangen,  eine 
lange  Inkubationsdauer  haben  nnd  unheilbar  seien. 

Fritz  Juli  US berg  (Berlin). 

Jezierski,  P.  V.  Versuche  von  Übertragung  der  Lepra, 
auf  Tiere.  Deutsch,  med.  Woch.  Nr.  16.  1907. 

Die  Überimpf nngen,  welche  Jezierski  von  Lepra  auf  Meer- 
schweinchen und  Kaninchen  vornahm,  verliefen  sowohl  nach  den  be- 
kannten Methoden  wie  in  den  Fällen  einer  neuen  Versuohsanordnung 
negativ.  Max  Joseph  (Berlin). 

Wemich,  S.  F.  The  saccessfnlly  treatment  of  tuber- 
cnlosis  and  leprosy  by  means  of  an  albuminoid  metabolio 
product,  chemically  altered,  of  a  baoillns  discovered  at 
Boshof  (Orange  river  colony)  in  1898.  The  Lanoet  1907.  April 
ia/20.  p.  1004,  1079  ff. 

Wie  der  Titel  besagt,  benutzte  Wernich  zur  Behandlang  der 
Lepra  und  Tuberkulose  ein  sehr  kompliziert  hergestelltes  Produkt,  aas- 
gehend  von  einer  auf  Weizenmehlpaste  hergestellten  Bazilleukultur.  Auf 
dieser  bildeten  sich  rote  Herde,  bestehend  aus  runden  Sporen,  ans  denen 


der  Hautkrankheiten.  133 

sieh  Bazillen  entwickelten.  Detailliert  beichreibt  Werniok  die  Eigen • 
echaflen  dieser  Bazillen.  Sie  werden  in  verschiedenen  Medien  geadohtet 
nnd  die  Produkte  werden  mit  Tanninafture  und  anderen  Stoffen  prisipitiert. 
Das  jetzt  oxydierte  bakterielle  Prodnkt  wurde  za  Heilzwecken  yerwendet. 
Wegen  der  genaueren  Daratellnng  muß  auf  das  Original  yerwieaen  werden. 
Die  Darreichung  erfolgte  per  ob. 

Der  Verfasser  berichtet  therapeutisch  glänzende  Erfolge  bei  Lepra 
und  Tuberkulose  (auch  der  der  Haut)  erzielt  zu  haben. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Alexander.  Neuere  Erfahrungen  ober  Hauttuber- 
knlose.  Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  11—18.  1907. 

Alexander  gibt  in  dieser  Arbeit  eine  übersichtliche  Zusammen- 
stellung der  heute  geltenden  Anschauungen  über  die  verschiedenen  Er- 
krankungsformen, die  der  Tuberkelbazillus  direkt  oder  indirekt  durch 
seine  —  hypothelischen  —  Toxine  auf  der  Haut  hervorruft.  Der  Wert 
des  Tuberkulins  für  Diagnostik  und  Therapie  wird  hervorgehoben.  Eine 
Schilderung  der  modernen  therapeutischen  Bestrebungen,  der  physi- 
kalischen wie  der  äußeren  und  inneren  medikamentösen  Maßnahmen 
gegen  den  Lupus,  bildet  den  letzten  Teil  des  Referates. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Gougerot.  L e s  derni^res  venues  des  tuberoulides.  Gazette 
des  Hdpitaux.  1906.  pag.  1167. 

Unter  diesem  Titel  werden  kurz  beschrieben :  das  hypodermatisohe 
Sarkoid  von  Darier-Roussy,  das  benigne  multiple  Sarkoid  vonBoeck^ 
das  Ang^okeratom  von  Mibelli,  die  Asphyxien  und  Frostbeulen,  endlich 
als  letzte  Gruppen  das  Eeloid  und  die  Parapsoriasis  von  Brocq  mit 
Einschluß  der  Dermatitis  nodularis  psoriasiformis.  Die  tuberkulöse  Natur 
der  2  letzten  Gruppen  und  die  Grunde,  die  dafür  angeführi  werden, 
scheinen  allerdings  sehr  problematischer  Natur  zu  sein. 

M.  Winkler  (Luzern). 

Gougerot.  Tuberculoses  outanees.  Gazette  des  Höpitaux. 
1906.  p.  1107  und  1143. 

Gongerot  gibt  ein  kurzes  Resümee  der  verschiedenen  Formen  der 
Hauttuberkhlose  mit  Einschluß  der  Tuberkulide,  die  er  als  abgeschwächte 
bazilläre  Tuberkulosen  auffaßt.  Das  Gebiet  der  Hauttuberkulosen  wird 
vom  Verf.  sehr  erweitert,  indem  bereits  die  Pityriasis  rubra  Hebrae,  der 
Lupus  erythematodes  und  das  Angiokeratom  von  Mibelli  unter  den 
Tuberkulosen  abgehandelt  werden.  M.  Winkler  (Luzern). 

RaTOgli,  A.  Lupus  Vulgaris  of  the  Ear  in  Relation  to 
its  Laie  Results.  Joum.  Am.  Med.  Ass.  XLVIII.  11.  5.  Jan.  1907. 

Ravogli  berichtet  2  Fälle  von  Lupus  vulgaris  des  Ohres;  der 
erste  Fall  endete  tödlich  nach  Verlust  des  Gehörs,  Lähmung  der  Gesiohts- 
ond  Fharynxmuskeln  infolge  von  Zerstörung  des  Felsenbeins,  des  proc. 
mastoid.  und  der  Schuppe  des  Schläfenbeines.  Behandlung  war  ohne 
wetentliehen  Erfolg.  In  dem  zweiten  Falle  war  der  zerstörende  Prozeß 
ftuf  das  äußere  Ohr  beschränkt.  Einige  mikrophotographische  Abbildungen 


134  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

xeigen  die  Verändemngen  an  Knorpel  und  Knochen.  R.  rühmt  die  gute 
Wirkung  Ton  reinem  Lysol  auf  Lupusgewebe.  In  der  Diskusaion  berichtet 
er  über  verschiedene  ungünstige  Erfahrungen  mit  Tuberknlineinspritaungen, 
die  ihn  veranlaßt  haben,  dieselben  ganz  aufzugeben. 

H.  0.  Klotz  (New-Tork). 
Dewar,  Thomas.  Lupus  vulgaris  of  long  duration:  Jodo- 
form injections:  rapid  recovery.  The  British  Med.  Journal.  1907. 
ll&rz  80.  p.  743. 

De  war  berichtet  über  einen  14  Jahre  alten  Lupus  vulgaris  des 
Gesichts,  der  mit  Finsens  und  andern  Methoden  nur  gebessert  war; 
De  war  behandelte  änfierlich  mit  Wasserstofisuperoxyd  und  gab  intra- 
venöse ätherische  Jodoforminjektionen,  worauf  schnelle  Heilung  erfolgte. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 
Conor.    Zona  et   Tuberculose.   Gazette   des   Elopitauz.  1906. 
pag.  6S9. 

Zum  Beweise,  daß  Zosteren  auch  bei  chirurgischen  Tuberkulosen 
vorkommen  Eollen,  teilt  Conor  folgenden  Fall  mit:  Ein  S^jfihriger  Soldat, 
frei  von  Lues  und  Gonorrhoe,  bekommt  eine  eitrige  Entzündung  des 
rechten  Hodens  und  Nebenhodens  mit  Perforation.  Daneben  sind  leichte 
Drüsenschwellungen  in  der  Inguinalgegend  und  am  Unterkiefer  eu 
konstatieren  und  Bronchialatmen  auf  der  rechten  Spitze.  Patient  ist 
mager  und  zeigt  Tremor  der  Finger.  Einen  Monat  nach  Beginn  der 
Hodenentzündung  tritt  ein  rechtzeitiger  Costa! zoster  auf.  Verf.  meint, 
daß  der  Zoster  mit  der  tuberkulösen  Affektion  des  Hodens  in  Zusammen- 
hang stehe.  (?  Ref.)  M.  Wink  1er  (Luzern). 

van  Allen,  H.  W.  Roentgen  Rays  in  the  Treatment  of 
Lup  US  Vulgaris.  Joum.  Am.  Med.  Ass.  XLVIU.  405.  2.  Feb.  1907. 

Pathologische  Untersuchungen  von  Lupusheilungen,  spontanen  oder 
infolge  von  Behandlung  zeigen,  daß  der  Heilungsvorgang  in  dem  Ersatz 
des  tuberkulösen  Gewebes  durch  neugebildetes  Bindegewebe  besteht 
Darauf  basiert  Van  Allen  seine  Behandlungsmethode  diffuser  Lupus- 
formen :  Eine  milde  Bestrahlung  durch  eine  Röhre  von  mittlerer  Intensität 
veranlaßt  fettige  Degeneration  in  den  oberflächlichen  Blutgefäßen  mit 
reichlichem  Austreten  von  Leukocyten  in  das  Gewebe  und  wBiterhin  Er« 
sats  desselben  durch  fibröses  Bindegewebe.  Die  nun  allein  zurück- 
bleibenden Lupusknötohen  werden  erst  in  Angriff  genommen,  nachdem 
das  neue  Narbengewebe  ungefähr  wieder  normales  Aussehen  bekommen. 
Dann  wird  dieses  durch  perforierte  Bleiplatten  geschützt  und  nur  die 
Herde  selbst  mit  starken  und  häufig  wiederholten  Bestrahlungen  von 
einer  Röhre  von  niedriger  Aktivität  behandelt  solange,  bis  Nekrose  der 
Herde  wirklich  erfolgt  ist.  Eine  Tabelle  zeigt  die  Resultate  in  15  Fällen 
von  meist  längerem  Bestände.  H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Ballin,  Milton  J.  A  Case  of  Rhinosclerom  Treated  with 
theXRays.  New- York.  Med.  Joum.  85.  490.  16.  März  1907. 

Ballin  beschreibt  durch  verschiedene  Abbildungen  nach  Photo- 
graphien vor  und  nach  der  Behandlung,  veranschaulicht  die  Anwendung 


der  Hautkrankheiten.  135 

der  Röntgenstrahlen  in  [einem  typischen  Falle  von  Rhinosklerom.  Die 
Röhre  wurde  völlig  mit  einer  Bleiplatte  und  über  dieser  eine  Lage  Filz 
bedeckt  mit  Ausnahme  einer  ft"  im  Durchmesser  Inessenden  Stelle;  diese 
wurde  auf  3  bis  4  Zoll  der  Nase  genähert  und  8  mal  wöchentlioh  8  bis 
4  Minuten  lang  bestrahlt.  Nach  6  Monaten  ist  die  Geschwulst  sehr  be- 
deutend reduziert.  Erwähnt  wird,  daß  in  einem  Falle  Pollitzers  der 
Erfolg  nicht  so  günstig  war.  H.  If.  Klotz  (New-Tork). 


Erythematöse,  ekzematöse,  parenchymatöse 

Entzfindnngsprozesse. 

Gregor.  Ein  Fall  von  Arzneiexanthem  mit  ungewöhn- 
lichen Allgemein  er  scheinuBgen.  Mönchener  mediz.  Wochensohr. 
1907.  Nr.  17.  Ans  der  psychiatr.  Klinik  des  Geh.  Rates  Paul  Flechsig 
in  Leipzig. 

Beschreibung  eines  Falles  von  ausgedehntem,  durch  eine  zweimalige 
Dosis  von  2  g  Chloralhydrat  verursachtem  Exanthem,  welches  durch 
Komplikation  mit  heftigen  Allgemeinerscheinungen  —  hohes  Fieber, 
hämorrhagische  Bronchitis,  Conjunctivitis,  Somnolenz  —  einen  gefahr- 
drohenden Verlauf  annahm.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Klose»  B.  Ein  Fall  von  akutem  Ekzem  nach  Gebrauch 
des  Haarwassers  „Javol'^.  Deutsch,  med.  Woch.  Nr.  12.  1907. 

Joseph,  Max.  Über  einen  Fall  von  akutem  Ekzem  nach 
Gebrauch  des  Haarwassers  gJavol".  Deutsehe  mediz.  Woch. 
Nr.  18.  1907. 

Nach  dem  Gebrauch  des  bekannten  Haarwassers  Javol  beobachtete 
Klose  bei  einem  dOjähr.  Manne  ein  starkes,  mit  heftigem  Brennen, 
Jucken  und  Fieber  einhergehendes  Ekzem.  Zuerst  erkrankten  Stirn  und 
Gesicht,  auf  welche  einige  Tropfen  des  Wassers  gelangt  waren,  bei 
wiederholtem  Waschen  auch  die  Kopfhaut  mit  lymphatischem  EIrguß. 
Sobald  das  Javol  fortgelassen  wurde,  konnte  das  Ekzem  mit  Umschlägen 
von  Liq.  alumin.  acet.  und  Zinkpaste  bald  beseitigt  werden,  doch 
rezidivierte  es  sogleich  bei  erneutem  Gebrauch  des  Javol,  um  dann 
wiederum  beim  Fortlassen  desselben  zu  weichen.  Vielleicht  sind  die 
ätherischen  öle,  welche  dem  Javol  als  Geruchskorrigentien  zugesetzt 
sind,  die  anzuschuldigende  Substsnz.  Zu  diesem  Falle  bemerkt  Joseph, 
dafi  eine  Eolche  Idiosynkrasie  gegen  Javol  öfter  vorkomme ;  er  selbst  habe 
in  seinem  Dermat.  Zentralbl.  bereits  2  diesbezügliche  Mitteilungen  ver- 
öffentlicht und  von  diesem  Haarwasser  niemals  günstige,  öfters  aber 
schädliche  Wirkungen  beobachtet.  Max  Joseph  (Berlin). 

H&rke.  1.  Revakzinationserscheinungen  nach  Fieber- 
attacken. 2.  Eczema  acutum  artificiale  durch  Siegellack- 
ringeinlage. Münchener  med.  Wochenschr.  1907.  Nr.  12. 


136  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Beobftchtang  zweier  eigentümlicher  dermstologischer  KrankheitsßUe. 
Im  ersten  Falle  handelt  es  sich  nm  starke  Revaksinationserscheinnngen, 
die  lange  Zeit  nach  der  Yaksination  sweimal  im  Ansohlnfl  an  knrz- 
dauernde  Fieberattacken  auftraten.  Verfiwser  ist  geneigt,  das  eigen- 
tümliche Phänomen  durch  Zurückbleiben  eine^  Bestes  ron  Vakxine- 
kontagium,  das  durch  die  Fieberattacken  wieder  aktiv  wurde,  eu  erkUren. 

Der  zweite  Fall  betrifft  ein  akutes  Ekzem,  das  am  Ringfinger,  an 
dem  ein  mit  Siegellackeinlage  yersehener  Ring  getragen  wurde,  auftrat. 
Da  nur  der  Rücken  des  Fingers  Ton  dem  Ekzem  befallen  war,  die  Ein- 
lage aber  gerade  der  Unterseite  des  Fingers  entspricht,  nimmt  Verfasser 
keine  mechanische,  sondern  eine  durch  Zersetzung  der  Harzsubstans  be- 
dingte chemische  Ursache  an.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

L^Yi-Simgae.  Les  dermatoses  prof essionnelles.  Qazette 
des  Höpitauz.  1906.  p.  195. 

Verfasser  gibt  eine  allgemeine  Übersicht  über  die  Berufs-Derma- 
titiden  und  behandelt  in  der  ersten  Abteilung  die  Dermatosen,  die  in 
einer  bestimmten  Form  auftreten,  in  der  zweiten  Abteilung  die  Derma- 
tosen ohne  bestimmte  wohl  umgrenzte  Charaktere.  Daran  anschließend 
folgen  einige  prophylaktische  Verhaltungsmaßregeln  und  therapeutische 
Winke.  M.  Winkler  (Luzem). 

L^vi-Slrugue.  Les  dermatoses  artificielles.  Gazette  des 
H6pitaux.  1906.  p.  916. 

Eine  allgemeine  Übersicht  über  die  artifiziellen  Dermatosen  und 
zwar:  a)  solche  Hautreizungen,  welche  durch  die  äußere  Applikation 
reizender  oder  toxischer  Substanzen  entstehen;  b)  Dermatosen,  welche  im 
Anschluß  an  eingenommene  oder  injizierte  Medikamente  entstehen; 
e)  Dermatitiden,  welche  an  eine    alimentäre  Intoxikation    gebunden  sind. 

M.  Wink  1er  (Luzern). 

Variot.  Sur  Peczema  des  nourrissons.  Gazette  des  Hopitaux. 
1906.  p.  947. 

Variot  will  die  Aufmerksamkeit  der  Ärzte  auf  den  engen  Konnex 
lenken,  welcher  zwischen  dem  Ekzem  der  Säuglinge  und  den  gastro- 
intestinalen  Störungen  besteht  Variot  findet  bei  seinen  Ekzemkindern 
fast  immer  Störungen  der  Verdauung  (Erbrechen,  Diarrhoe,  Konsti- 
pation etc.),  die  er  meistens  in  der  Überernährung  der  Kinder  begründet 
sieht.  Bei  Flaschenkindern  soll  das  Tiel  öfter  vorkommen,  als  bei  Brust- 
kindern. Indessen  soll  auch  bei  letzteren  Ekzem  nicht  allzu  selten  sein 
und  hier  meint  Verf.,  daß  eventuell  toxische  Substanzen  in  der  Mutter- 
milch die  Schuld  am  Ekzem  tragen. 

Bei  der  Behandlung  soll  daher  in  erster  Linie  für  eine  zweck- 
mäßige Ernährung  gesorgt,  die  Verdauungsstörungen  müssen  durch 
entsprechende  Diät  und  Medikamente  behoben,  die  lokale  Therapie  soll  erst 
in  zweiter  Linie  berücksichtigt  werden,  sie  muß  eine  milde  sein.  Vor  zu 
rascher  Beseitigung  des  Ekzems  wird  gewarnt. 

M.  Winkler  (Luzern). 


der  Hautkrankheiten.  237 

BooUoehe,  P.  et  Grenet,  H.  ön  oas  de  collapsus  grave 
aa  eonra  de  PecEÖma  ches  an  noarriflson.  Gasette  des  H6pitaax. 
1906.  pag.  865. 

Die  fransönsehen  Autoren  warnen  immer  wieder  daror,  Kinder- 
ekaeme  ratch  zu  beseitigen  nnd  xwar  wegen  der  Gefahr  der  Intoxikationen 
and  KoUapeerscheinangpen.  Sie  betrachten  die  ekzematöse  Haut  als  Aus- 
scheidongsorgan  für  aatotozisehe  Substanzen.  Wird  nun  das  Ekzem 
dorch  Behandlung  oder  durch  eine  andere  Ursache  rasch  geheilt,  so  tritt 
eine  Retention  der  Toxine  ein  und  dabei  sind  schwere  Allgemein* 
erscheinungen  zu  befürchten ,  namentlich  bei  Insuffizienz  der  Leber  oder 
der  Nieren  (Albuminurie).  Als  einen  neuen  Beweis  für  die  Richtigkeit 
ihrer  Anschauungen  betrachten  Boulloche  und  Grenet  folgenden  Fall, 
den  sie  sdbst  beobachteten. 

Ein  14  Monate  alter  Knabe  leidet  an  einem  nässenden  Ekzem  des 
Gesichtes  seit  dem  ersten  Lebensmonat.  Es  tritt  ohne  eine  ekzematöse 
Behandlung  ziemlich  plötzlich  ein  Verschwinden  des  Ekzems  ein. 
Daraufhin  leichte  Temperatur,  Verdauungsstörungen,  Kollaps  und  Anurie. 
Von  Seite  der  inneren  Organe  sind  sonst  keine  Ursachen  für  diese  schweren 
Symptome  feststellbar^  insbesondere  keine  meningitischen  Zeichen.  Auf 
eine  di&te tische  Behandlung,  Desinfektion  des  Darms  und  Exzitantien 
tritt  in  wenigen  Tagen  Heilung  ein.  Mit  dem  Verschwinden  der  Allgemein- 
Symptome  tritt  aber  das  Ekzem  wieder  auf. 

Boulloche  und  Grenet  verlangen  in  solchen  Fällen,  das  Ter- 
schwundene  Ekzem  durch  hautreizende  Stoffe  zu  provozieren. 

M.  Winkler  (Luzem). 

Hildebraodt.  Zur  Ätiologie  des  Erythema  nodosum.  Aus 
der  medizinischen  Klinik  zu  Freiburg  i.  B.  Münchener  medizinische 
Wochenschrift.  1907.  Nr.  7. 

Hildebrandt  gibt  auf  Grund  eines  von  ihm  beobachteten  Falles 
von  Erythema  nodosum,  der,  wie  die  bakteriologische  Untersuchung  des 
Blutes  ergab,  sicher  mit  Tuberkulose  kombiniert  war,  und  4  weiterer  Fälle 
Ton  Erythema  nodosum,  die  dem  Allgemeinstatus  nach  ein  gleichzeitiges 
Vorhandensein  von  Tuberkulose  vermuten  ließen,  der  Ansicht  Ausdruck, 
daß  auch  durch  Tuberkelbazillen  eine  von  dem  gewöhnlichen  Erythema 
nodosum  nicht  zu  unterscheidende  Krankheitsform  hervorgerufen  werden 
kann.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Nobbs,  Athelstane.  A  case  of  desquamative  erythema.  The 
Lancet.  1907.  April  27.  p.  1156. 

Nobbs  behandelte  einen  62jährigen  Mann,  der  ein  universelles 
Exanthem  bekam,  das  mit  Desquamation  abheilte.  Es  war  nicht  von 
Fieber  geleitet  und  ein  Arzneimittel  als  Ursache  konnte  ausgeschlossen 
werden.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Lieberthal,  David.  Liehen  Planus  of  the  Oral  Mucosa. 
Wiih  Report  of  Two  Gases.  Joum.  Am.  Med.  Assoc.  XLVIII.  560. 
16.  Februar  1907. 


138  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Lieberthal  berichtet  2  Fälle  von  Liehen  plannt  der  Mnnd- 
sehleimhant,  nach  einigen  allgemeinen  Bemerkungen  namentlich  fiber  die 
Differentialdiagnoie  desielben.  In  beiden  F&llen  waren  Lichenefflores- 
zenisen  an  verschiedenen  Stellen  der  änderen  Bedeckung  vorhanden;  in 
dem  ersten  Falle  schwanden  die  im  ganxen  geringfngigen  Veränderangen 
der  Wangenschleimhant  and  der  Znnge  ohne  Behandlung.  In  dem  sweiten 
Falle  war  der  Sitz  der  Licheneffloresaenzen  die  Unterlippe.  Ohne  jede 
örtliche  Behandlung  schien  nach  interner  Arsenbehandlung  Besserung 
einzutreten.  H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Polano.  Zur  Histologie  des  Liehen  ruber  verrucosus. 
Dermat.  ZeiUchr.  Bd.  XIY.  p.  101. 

Polano  hat  3  Fälle  von  Liehen  ruber  verrucosus  untersucht  und 
kam  im  ganzen  zu  denselben  Ergebnissen  wie  die  firfiheren  Unterucher. 
Dagegen  hat  er  in  seinen  Präparaten  für  den  von  anderen  Autoren  schon 
beschriebenen  Kernreiohtum  in  den  epithelialen  Schichten  eine  Erklärung 
gefunden.  Er  fand  alle  Stadien  der  mitotischen  Kernteilung^  wobei  es 
aber  immer  nur  zur  Teilung  des  Kernes  allein  kam,  ohne  daß  eine  Teilung 
des  Protoplasmaleibes  ersichtlich  gewesen  wäre.  Es  wäre  dies  eine  nicht 
zu  Ende  geführte  Zellteilung,  ein  Vorgang,  der  auch  für  das  Entstehen 
gewöhnlicher  Riesenzellen  des  Coriums  von  manchen  Autoren  ange- 
nommen wird.  Fritz  Porges  (Prag). 

Schambergy  Jay  F.  The  Nature  of  Herpes  Simplex,  with 
a  Consideration  of  its  Diagnostic  and  Prognostic  Signi- 
ficance  in  Various  Infectious  Diseases.  Journ.  Amer.  Med.  Ass. 
XLVIU.  746.  2.  März  1907. 

Schamberg  bespricht  die  Ähnlichkeiten  und  Unterschiede  von 
Herpes  simplex  und  Zoster  und  die  Rolle  des  ersteren  bei  gewissen  In- 
fektionskrankheiten. In  seinen  Schlußsätzen  bewegt  sich  Seh.  ziemlich 
stark  auf  dem  Gebiete  der  Hypothese.    Sie  besagen: 

1.  daß  Herpes  Zoster  und  H.  simplex  (facialis  und  progenitalis) 
zwar  nicht  klinisch  identisch  aber  nahe  verwandt  sind.  Die  Verände* 
rungen  in  der  Haut  und  in  Nervengebilden  soweit  letztere  untersucht, 
sind  faktisch  die  gleichen; 

2.  es  ist  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  daß  eine  ungeheure  Mehr- 
zahl der  Fälle  aller  verschiedener  Herpestypen  das  Resultat  der  Wirkung 
eines  Toxins  sind.  Diese  Ansicht  schließt  notwendiger  Weise  die  An- 
nahme des  infektiösen  Ursprungs  ein; 

3.  das  häufige  Vorkommen  des  Herp.  8imp.;bei  gewissen  Infektions- 
krankheiten und  das  seltene  Auftreten  bei  andern  beweist,  daß  das  Toxin 
gewisse  Eigentümlichkeiten  besitzen  muß,  um  eine  selektive  Neigung  zu 
sensiblen  Nervengebilden  auszuüben; 

4.  die  den  Herp.  simpl.  und  Zoster  hervorrufenden  Toxine  sind 
höchst  wahrscheinlich  nicht  das  Produkt  spezifischer  Mikroorganismen; 
bei  ersterer  Krankheit  ist  dies  sicherlich  der  Fall  und  mag  per  analogiam 
auch  für  die  letztere  angenommen  werden; 


der  Hautkrankheiten.  139 

6.  die  fast  regelmäßige  Entwicklung  eines  „herpetogenen**  Toxins 
bei  Pneumonie,  Cecebro-spinal  Meningitis  und  Malaria  gegenüber  dem 
seltenen  Vorkommen  bei  Abdominaltyphus  und  vielen  anderen  Infektions« 
krankheiten  macht  aus  dem  Auftreten  des  Herp.  simpl.  ein  Symptom  yon 
diagnostischer  Bedeutung; 

6.  angesichts  der  Neigung  gewisser  ludividuen  zu  wiederholten 
Anfallen  von  Herp.  facial  im  Gefolge  leichter  Unpäßlichkeiten  sollte  die- 
selbe immer  in  Frage  gezogen  werden,  ehe  dem  Herpesausbruch  diag- 
nostische Bedeutung  beigelegt  wird.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Gaueher.  La  maladie  de  Hallopeau.  (Pyodermite  vege- 
tante.)  Gazette  des  H6pitaux.  1906.  p«  1669. 

An  Hand  eines  Falles  entwirft  Gauch  er  ein  klinisches  Bild  der 
Pyodermatitis  vegetans  von  Hallopeau.  Der  86jährige  Patient 
Gauchers,  der  vor  16  Jahren  Lues  hatte,  bot  folgendes  Erankheitsbild 
dar.  In  der  Inguinalgegend,  im  Gebiete  der  Pubes,  am  Bauch,  auf  der 
Unterseite  des  Bnckens  finden  sich  große  Plaques  von  vesico-pustulosen 
Effloreszenzen  mit  polyzyklischen  Rändern.  Viele  dieser  Plaques  sehen 
lichenoid  ans,  der  Band  ist  mit  Pusteln  besetzt,  die  zusammenfließen  und 
teils  Eiter  enthalten,  teils  mit  einer  Kruste  bedeckt  sind.  In  der  Um- 
gebung der  Plaques  in  der  gesunden  Haut  finden  sich  noch  frische 
kleinere  Pusteln.  Im  Gebiete  des  Plaques  ist  die  Cutis  vielfach  ge- 
wuchert. Der  Allgemeinznstand  ist  gut,  es  besteht  kein  Fieber.  Unter 
feuchten  Verbänden  und  Resorzinpulver  tritt  Besserung  ein.  In  zwei 
Pusteln  fand  sich  der  Staphylococcus  pyogenes  aureus  in  Reinkultur. 

M.  Winkler  (Luzern). 

Brault,  S.  Pityriasis  rubra  pilaire  chez  une  femme. 
Gazette  des  Höpitauz.  1906.  p.  1131. 

Brault  beschreibt  kurz  einen  typischen  Fall  von  Pityriasis  rubra 
pilaris  bei  einer  80jährigen  Frau.  M.  Winkler  (Luzern). 

Gendre,  Paul.  Les  Prnrigineux.  Gazette  des  H5pitaux. 
1906.  p.  1508. 

In  einem  klinischen  Vortrage  bespricht  Le  Gendre  die  Ursachen 
des  Pruritus  beim  Kinde,  bei  der  Frau,  beim  Mann  und  im  Greisenalter 
und  gibt  kurze  Anweisungen  für  die  Therapie. 

M.  W  i  n  k  1  e  r  (Luzern). 
tttursberg.    Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Addisonschen 
Krankheit.    Aus  der  mediz.  Universitätsklinik   zu   Bonn.    Münchener 
mediz.  Wochenschrift.  1907.  Nr.  16. 

Enthält  die  Krankengeschichten  dreier  Fälle  von  Addison  scher 
Krankheit,  bei  denen  die  Pigmentation  der  Haut  und  Schleimhäute  g^nz 
fehlte  oder  nur  angedeutet  war.  Bei  zwei  Fällen  wurde  die  Diagnose  zu 
Lebzeiten  gestellt  und  zwar  aus  der  auffallenden  Adynamie  der  Patienten 
und  der  starken  Erniedrigung  des  Blutdruckes,  für  welche  eine  Er- 
krankung des  Herzens  nicht  verantwortlich  gemacht  werden  konnte. 
Wichtig  ist  bei  derartigen  Fällen  von  Nebennierentuberkulose  der  auf- 
fallende Gegensatz  zwischen  der  schweren  Adynamie  und  der  Verhältnis- 


140  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

madig  guten  Erhaltung  des  EmährnngsBUstandet,  speuell  des  Fettpolsters, 
und  Yerf.  erblickt  nach  seinen  Beobachtungen  darin  direkt  ein  diagnosiiseh 
wertvolles  Merkmal.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Yömer.    Über  Onychia  pigmentosa.  Aus  der  medisinischen 
üniyersit.-Polikl.  su  Leipzig.  Münchener  med.  Wochenschr.  1907.  Nr.  14, 

Yömer  berichtet  über  einen  Fall  von  Onychia  mit  starker  Ver 
färbung  der  Nagelsnbstans,  die  er,  da  Patient  nicht  mit  Farbstoff  in  Be 
rührung  gekommen  ist,  allein  auf  den  luetiaohen  Prosefi  surüokfnhrt 
Verf.,  der  bei  mikroskopischer  Untersuchung  der  abgeschabten  Nagel 
fcubstans  starke  Pigmentanhäufungen  in  den  üomlamellen  fand,  nimmt 
an,  daß  in  diesem  Falle  Pigment  analog  der  Verschleppung  aus  der 
Epidermis  in  die  Homschicht  in  die  Nagelsubstanz  eingedrungen  ist. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 


Bildangsanomalien. 

Schleich.  Das  Carcinom- Rezidiv.  Medis.  Klinik.  1907.  Nr.  Id. 

Schleich  referiert  über  Versuche,  die  er  in  Gemeinschaft  mit 
Wittkowski  gemacht  hat,  um  Carcinomgewebe  speziell  Bezidivknoten 
durch  parenchymatöse  Injektionen  zu  beeinflussen. 

Da  alle  Injektionen,  die  mit  Ergotin-,  Karbol-,  Sublimat-,  Chinin-, 
Nuklein-,  Teer-,  Wasserstoffsuperoxyd-,  Chloroform wasser-,  Chloroform- 
alkohol-,  Alkohollösungen,  also  den  verschiedensten  Parasiten  töteoden 
Flüssigkeiten  vorgenommen  wurden,  gänzlich  versagten,  so  zweifelt  Verf. 
wohl  mit  Recht  an  der  Infektiosität  des  Karzinoms.  Dagegen  kann  er 
die  Erfahrung  anderer  Autoren,  daß  eine  Arsenkur  (kakodylsaures 
Natrium  0*01  pro  dosi  tägl.  injiziert)  im  Verein  mit  Röntgenbestrahlung 
bei  einigen  Fällen  von  Carcinom  von  Erfolg  begleitet  ist,  bestätigen, 
da  auch  er  einen  Fall  durch  dieses  Verfahren  zur  Heilung  gebracht  hat. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

liibbert, Hugo.  Menschliche  Zellen  als  Parasiten.  Deutsch, 
med.  Woch.  Nr.  9.  1907. 

Nicht  nur  von  außen  in  den  Organismus  eindringende  Lebewesen, 
führt  Bibbert  aus,  verdienen  den  Namen  Parasiten,  auch  ein  aus  dem 
Organismus  selbst  stammendes  aber  von  seinem  Gesamtleben  losgelöstes 
Zellgebilde  kann  eine  parasitäre  Rolle  spielen,  wenn  es  ohne  dem  Orga- 
nismus noch  als  physiologischer  Bestandteil  eingefügt  zu  sein  in  ihm  und 
durch  ihn  also  als  Schmarotzer  fortbesteht.  Forscht  man  auf  der  Basis 
dieser  Erkenntnis  weiter,  so  erscheint  die  myelogene  Leukämie  als  eine 
parasitäre  Wucherung  der  aus  dem  Mark  ausgeschalteten  Markzellen, 
die  lymphatische  Leukämie  als  Wucherung  von  Stammzellen  lymphatischer 
Organe.  Alle  Geschwülste  stellen  sich  somit  als  parasitäre  Wucherungen 
ausgeschalteter  Zellen   dar,    auch  die    malignen  Tumoren  kommen   auf 


der  Hautkrankheiten.  141 

diese  Weise  im  Organismas  znr  Entstehung.  Verf.  geht  besonders  auf 
die  Entwicklung  des  Carcinoms  durch  die  Wucherung  ausgeschalteter 
Epithelien  ein,  welche  sogar  wanderfahig  sind  und  an  jedem  neuen  Auf- 
enthaltsorte existieren,  wachsen  und  ihre  zerstörende  Tätigkeit  entfalten 
können.  Max  Joseph  (Berlin). 

Spude.  Zur  Ursache  des  Krebses.  Medizinische  Klinik. 
1907.  Nr.  8. 

Nachdem  Spude  schon  1904  in  einer  Monographie:  „Die  Ursache 
des  Krebses  und  der  Geschwülste  im  allgemeinen'*  seine  Ansicht  über 
die  Genese  des  Krebses  niedergelegt  hat,  sucht  er  die  damals  aufgestellte 
Theorie,  daß  als  Ursache  des  Krebses  und  der  Geschwülste  überhaupt 
spezifische  in  den  Körpersäften  vorhandene  Stoffe  (Toxine)  anzusehen 
seien,  durch  eine  erneute  Beweisführung  an  der  Hand  histologischer 
Zeichnungen  zu  stützen.  Auf  Grund  seiner  Annahme,  daß  es  sich  hierbei 
um  ein  toxisches,  respektive  fermentartiges  Stoffwechselprodnkt  eines  be- 
stimmten Organsystems  handelt,  kommt  Verf.  zum  Schluß  zu  ent- 
sprechenden therapeutischen  Vorschlägen  wie  intravenöse,  sauerstoff- 
gesättigte Kochsalzinfusionen,  Einführung  von  reinem  Sauerstoff,  Schwitz- 
kuren etc.,  über  deren  Erfolge  jedoch  bei  der  Kürze  der  Zeit  und  der 
geringen  Zahl  der  in  dieser  Weise  behandelten  Patienten  noch  nichts 
definitives  sagen  kann.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Fl§cher,  B.  Die  Entdeckung  der  Krebsursache  durch 
Herrn  Dr.  H.  Spude.  Münchener  mediz.  Wochenschr.  1907.  Nr.  16. 

Bemerkungen  zu  dem  Artikel  von  Spude  (Medizinische  Klinik. 
1907.  Nr.  8  und  9),  die  wenigstens  in  wissenschaftlicher  Beziehung  keine 
neuen  Gesichtspunkte  in  die  lediglich  auf  die  Prioritätsfrage  hinaus- 
laufende Auseinandersetzung  bringen.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Handley,  Sampson.  The  Hunterian  lectures  of  melanotic 
growths  in  relation  to  their  operative  treatment  (Lecture  I). 
The  Lancet.  1907.  April  6.  p.  927  ff. 

Handley  studierte  bei  einem  Fall  you  melanotischem  Sarkom  der 
Haut  die  Arbeit  der  Dissemination  dieser  Tumoren.  Zu  diesem  Zwecke 
entfernte  er  einen  Streifen  Haut  über  der  r.  Inguinalgegend,  wo  zahl- 
reiche Tumoren  saßen.  Ein  orientierender  Schnitt  in  diese  Region  zeigte 
daß  das  Befallensein  der  Lymphgefäße  das  Hauptagens  ist  für  die  lokale 
zentrifngale  Verbreitung  und  daß  zunächst  eine  ausgedehnte  Verbreitung 
in  der  Schicht  des  tiefen  faszialen  lymphatischen  Plexus  stattfindet.  Das 
Belallensein  der  Haut  und  der  Muskeln  findet  statt  durch  die  Lymphwege, 
die  von  ihnen  zu  den  faszialen  Plexus  führen. 

Da  Arterien  und  Venen  in  engem  Zusammenhang  mit  den  Lymph^ 
gefäßen  rerlaufen,  so  ist  die  lymphatische  Verbreitung  gefolgt  von  einer 
Infiltration  der  Venen-  und  Arterienwände  und  schließlieh  dringen  Tumor- 
teilen ins  Lumen  der  Blutgefäße  ein.  Fritz  Jnliusberg  (Berlin). 

Handley,  Sampson.  The  Hunterian  lectures  on  melanotic 
growths  in  relation  to  their  operative  treatment.  (Lecture U.) 
The  Lancet  1907.  April  13.  p.  996  ff. 


142  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Handley  schlägt  vor  den  Autdrack  Melanome  fnr  alle  melanin- 
haltigen  Tumoren,  gutartige  wie  bösartige  zu  gebrauchen.  Die  Melanome 
finden  sich  am  häufigsten  auf  der  Haut  und  im  Auge,  seiteuer  dort  wie 
Haut  in  die  Schleimhaut  übergeht  (am  Munde*  am  Anus  und  an  der 
Vagina).  Als  Seltenheiten  sind  melanotische  Eierstocksdermoide  und 
Melanome  am  Rückenmark  beschrieben. 

Handley  bespricht  die  Rolle  der  Ghromatophoren  besonders  in 
der  Hant.  Er  nimmt  an,  daß  in  der  Cutis  snerst  das  Pigment  sich  findet 
und  dafi  erst  sekundär  und  passiv  das  Epithel  von  der  Cutis  aus  mit 
Pipment  imprägniert  wird.  Weiter  wird  als  wichig  der  Einfluß  der  Ghroma- 
tophoren auf  die  Ernährung  des  Haaret  gewürdigt.  Die  malignen 
Melanome  sind  mesoblastische  und  nicht  epitheliale  Tumoren. 

Es  folgen  Bemerkungen  über  Pigmentnaevl  und  Naevuszellen.  Da 
die  malignen  Melanome  der  Haut  von  den  Zellen  pigmentieKer  Naevi 
ausgehen,  so  sind  die  malignen  Melanome  Sarkome,  wenn  die  Naevus- 
zellen  mesablastischen  Ursprungs,  Garcinome,  wenn  diese  epiblastischen 
Ursprungs  sind.  Der  Verfasser  stellt  die  darin  divergierenden  An- 
schauungen, Borst,  Bauer,  Ribbert  auf  der  einen  Seite,  Unna, 
Eve,  W.  Fox  auf  der  anderen  Seite  einander  gegenüber.  Er  nimmt 
mit  der  ersten  Gruppe  für  die  Naevuszellen  den  mesodermalen  Ursprung 
an.  Einer  histologischen  Beschreibung  der  Melanome  folgt  ein  Abschnitt 
über  die  Natur  des  Melanins,  wobei  sich  im  wesentlichen  der  Autor  aul 
die  Ausfuhrungen  Ribberts  (Zieglers  Beiträge  97,  p.  476)  stützt. 

Die  Technik  der  Exstirpation  hat  Rücksicht  zu  nehmen  auf  die  in 
der  ersten  Vorlesung  besprochene  Verbreiterung  auf  dem  Lymph-  und 
Blntwege  von  den  einzelnen  Tumoren  aus. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 
Johnson,  Frederick  William.    Cancer  of  the   Vulva.   Boston 
Med.  et  Surg.  Journal.  156.  898.  28.  März.  1907. 

Johnson  beschreibt  kurz  einen  Fall  von  primärem  Epithelkrebs 
der  Vulva,  einer  nicht  allzuhäufigen  Erkrankung.  Zuerst  am  1.  labium 
maj.  angefangen,  1899  operiert,  nach  5  Jahren  Rezidiv  am  r.  lab.,  1906 
operiert,  zur  Zeit  ohne  Rezidiv.  H.  G.  Klotz  (New-York). 

Gottheil,  William  S.  Endothelioma  of  the  Skin.  Jour.  Amer. 
Med.  Assoc.  XLVIII.  93.  12.  Januar.  1907. 

Die  von  Gottheil  beschriebene  Geschwulst  saß  auf  der  äußeren 
Kante  des  Fußes  einer  27jährigen,  sonst  gesunden  verheirateten  Frau,  in 
Gestalt  einer  sehr  scharf  umschriebenen,  runden  Masse  von  kohlschwarzer 
Farbe,  V4  :  Vs  ^^^^  messend,  von  glatter,  anscheinend  normaler  Epidermis 
bedeckt  mit  Ausnahme  einer  in  der  Mitte  befindlichen  erbsengroßen 
Erosion,  die  geringe  Mengen  blutigen  Serums  absonderte.  Subjektive  Be- 
schwerden waren  nicht  vorhanden.  Wegen  rascher  Zunahme  im  November 
1903  Exstirpation  der  Geschwulst,  Mai  1906  Rezidiv  und  nochmalige 
Operation  im  Herbst  1906. 

Mikroskopisch  erwies  sich  die  für  Sarkom  gehaltene  Neubildung  als 
durchaus  bestehend  aus  gewucherten,   erweiterten,  mit  Zellen  dicht  ge- 


der  Hautkrankheiten.  143 

fällten  Lymphgefäßen,  die  vod  dem  horizintolen,  subkutanen  Lymph- 
gefiißnetz  ausgehend  in  keulenförmigen  und  verzweigten  Massen  das  Gorium 
bis  gegen  die  nur  sekundär  beteiligte  Epidermis  hin  durchsetzend.  Die 
Zellen  waren  polygonale  oder  runde,  große  kernhaltige  Gebilde,  mehr 
oder  weniger  mit  zu  Klumpen  vereinigtem  Pigment  angefüllt ;  das  letztere 
erwies  sich  als  echtes  Melanin,  nicht  Blutpigment.  6.  bezeichnet  die 
Oesch Wulst  als  lymphatisches  Eudotheliom  oder  Lymphangioendothelioma. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 
Blighy  William.    Note   on  a  case   of  bleeding   telangiec- 
tases.  The  Lancet.  1907.  Februar  23.  p.  506. 

Bligh  beobachtete  starke  Blutungen  aus  Angiomen;  die  Blutungen 
waren  viel  profuser,  als  der  Größe  der  Tumoren  entsprach. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 
Heidingsfeld,  M.  L.    Myomata   Cutis.   Joum.  Am.  Med.  Ass. 
XLVra.  662.  16.  Februar.  1907. 

Naeh  einer  Übersicht  über  die  Literatur  gibt  Hei  d  in  gs  fei  d  einen 
Bericht  über  2  Fälle  von  Myomen  der  Haut  mit  eingehenden  Beschrei- 
bungen und  Abbildungen  der  mikroskopischen  Befunde.  In  dem  ersten 
Falle  handelte  [es  sich  um  eine  nach  Trauma  entstandene  Neubildung 
über  der  äußeren  Tnberositas  der  1.  Tibia,  in  dem  zweiten  um  einen 
Teil  der  EfSoreszenzen  eines  linearen  Naevns  des  Gesichts  und  Halses. 
Histologisch  zeigten  beide  Fälle  in  den  oberen  Gutisschichten  bis  in  die 
Papillen  reichend  unterwobene  Bündel  glatter  Muskelfasern.  Dieselben 
enthielten  die  charakteristischen,  langen,  stabförmigen  Kerne  mit  ab- 
gerundeten Enden,  eingebettet  in  eine  Matrix  von  feinfaserigem  Proto- 
plasma ohne  genaue  Begrenzungslinien  zwischen  den  Zellen.  Im  ersten 
Falle  war  der  Ausgangspunkt  der  Neubildung  augenscheinlich  die 
museuli  arrectores  pilorum,  im  zweiten  Falle  die  musoularis  der  Blut- 
gefäße. H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Orton,  Samuel  T.  und  Locke,  Edwin  A.  The  Pathologie 
Findings  in  Two  Fatal  Gases  of  Mycosis  Fungoides.  Journ. 
Am.  Med.  Assoc.  XLVIII.  89.  12.  Januar  1907. 

In  dem  einen  der  Fälle  von  Orton  und  Locke  war  die  Unter- 
suchung auf  die  Tumoren  beschränkt,  die  Untersuchung  hatte  keine  Ver- 
änderungen außer  denen  der  Haut  aufgewiesen;  in  dem  zweiten  Falle 
zeigte  auch  die  Sektion  keine  anderen  Störungen  wichtiger  Grgane.  Die 
histologische  Beschreibung  ist  durch  eine  Anzahl  Mikrophotographien 
dargestellt.  In  dem  ersten  Falle  stammte  das  Material  von  wachsenden 
Tumoren  aus  der  dritten  Periode  der  Krankheit.  Der  Zelltypus  der  In- 
fiiltration  des  Corium  entsprach  völlig  dem  des  kleinzelligen  Sarkoms, 
allein  ihre  Lage  unmittelbar  angrenzend  an  die  untersten  Epidermis- 
schichten  ohne  eine  Zwischenschicht  von  Bindegewebe  zeigt  mehr  das 
Verhalten  des  Granuloma,  während  die  Sarkome  mit  Ausnahme  des 
roelanotischen  tiefer  im  Corium  ihren  Ursprung  haben  und  meist  ein 
Band  von  Bindegewebe  vor  sich  herdrängen.  Dagegen  fehlt  die  den 
Granulomen  eigentümliche   Neigung   zu  Degeneration,  and  Nekrose  der 


144  Bericht  über  dio  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

anliegenden  Gewebe.  Die  Blatuntersachung  ergab  eine  absolute  Leoko- 
cyth&mie  von  18750,  von  denen  i4*3V«f  ^l>o  beinahe  die  ganze  Zunahme, 
ans  großen  mononukleären  Zellen  bestand.  Die  Tumorzellen  zeigten 
zahlreiche  Karyokinese. 

In  dem  zweiten  Falle  stammt«  die  untersuchte  Haut  von  deu 
unregelmäßigen  Verdickungen,  welche  naoh  dem  völligen  Verschwinden 
der  Tumormaasen  zurückbleiben.  Hier  fand  sich  eine  Infiltration  entlang 
der  Gcföße  und  Drüsen,  bestehend  aus  einer  Anhäufung  von  Zellen  von 
verschiedenen  Typen,  die  im  ganzen  das  Bild  einer  chronisch  entzünd- 
lichen Veränderung  boten. 

Schlüsse  betreffend  die  Ätiologie  der  Krankheit  lassen  sich  aus 
diesen  zwei  Fällen  nicht  mit  Bestimmtheit  ziehen.  Der  negative  £rfolg 
aller  Kultur-  und  Tierinokulations versuche  sprechen  gegen  die  Annahme 
der  Natur  der  infektiösen  Granulome.  Die  Verf.  sind  geneigt,  die  An- 
sicht zu  akzeptieren,  daß  die  Myo.  fung.  zu  den  malignen  L3rmphomen 
zu  rechnen  sei;  das  bekannte  Zunehmen  und  Abnehmen  der  Haut- 
geschwülste legt  die  Möglichkeit  eines  leukämischen  Prozesses  nahe, 
mit  auf  die  Haut  beschränkter  Metastasis       H.  G.  Klotz  (New-YorK). 

Woolley,  Paul  G.  Some  Tropical  Gutaneons  Ulcerative 
Conditions.  Joum.  Am.  Med.  Ass.  XLVIII.  789.  2.  März.  1907. 

Woolley  hält  eine  Klassifizierung  der  verschiedenen,  unter  dem 
Namen  tropischer  Hautgeschwüre  beschriebenen  Formen  zur  Zeit  für 
beinahe  unmöglich,  angesichts  der  Meinungsverschiedenheit  in  betrefi 
der  Ätiologie  und  des  klinischen  Verlaufs  und  der  dürftigen  histologischen 
Kenntnisse.  Wenn  man  die  gemeinsamen  klinischen  Merkmale  der  ver- 
schiedenen Arten  von  Hautveränderungen  berücksichtigt  und  die  wechselnde 
Beschreibung  derselben  in  Gemeinschaft  mit  den  mannigfachen  bakterio- 
logischen Beschreibungen  ihres  Inhalts,  so  erscheint  es  höchst  wahr- 
scheinlich, daß  nur  wenige  derselben  von  Anfang  an  selbständige  Krank- 
heitseinheiten darstellen.  Zur  Zeit  scheint  es  daher  besser,  alle  diese 
Geschwürsformen  zum  Unterschied  von  den  spezifischen  Affektionen  der 
Syphilis,  Tuberkulose,  Lepra  und  allenfalls  Yaws  in  die  eine  Gruppe  der 
ulzerativen  Dermatitis  zusammenzufassen. 

W.  eigene  Erfahrungen  deuten  darauf  hin,  daß  es  sich  in  der 
Mehrzahl  dieser  Fälle  um  die  Folgen  einer  primären  Trichophyton. 
Infektion  handelt,  auf  welche,  begünstigt  durch  fortwährende  Reizung  in 
dieser  oder  jener  Weise  eine  sekundäre  Infektion  aufgepfropft  worden 
ist.  Eine  geringe  Anzahl  der  Effioreszenzen  läßt  sich  auf  einen  oder  den 
anderen  Organismus  zurückführen,  am  häufigsten  auf  den  Staphylococcus 
aureus,  sehr  ungewöhnlich  auf  den  Koch-Weeks  Bazillus;  einige  wenige 
sind  blastomykotischen  Ursprungs.  Die  verschiedenen  von  W.  berück- 
sichtigten Gesohwürsformen  werden  unter  den  Namen  der  Orient-Geschwüre 
(Aleppo-Beule  und  ähnliche  Namen),  Veld  Sore  und  tropische  Phagedena 
zusammengefaßt,  unter  zahlreichen  Beziehungen  auf  die  Arbeiten  englisch- 
indischer  und  amerikanisch*  philippinischer  Beobachter. 

H.  G.  KlotK  (New-York). 


der  Hautkrankheiten.  145 

Sayllly  Agnes.  A  case  of  multiple  oirumscribed  lipo- 
mata  treated  with  ethylate  of  sodium.  The  Lancet.  1907. 
April  16.  p.  943  ff. 

Savill  hat  einen  Fall  von  multiplen  Lipomen  mit  Bepinselung 
mit  Natrinmftthylat,  Massage  und  Regelung  der  Diät  behandelt  und  bringt 
ein  Eleinerwerden  der  Geschwülste  mit  der  Therapie  in  Zusammenhang. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Saboulay.  Neurofibromatose  avec  nSvrome  plexiforme. 
Gasette  des  Höpitaux.  1906.  p.  1155. 

Kurze  klinische  Mitteilung  eines  Falles  von  Neurofibromatose  ohne 
Besonderheiten.  M.  Winkler  (Luzem). 

Bonnette.  Curieux  exemple  de  Molluscum  pendulum 
en  forme  de  yerge  insere  sur  la  fesse  droite.  Gazette  des 
Höpitaux.  1906.  p.  167. 

Bonnette  beschreibt  einen  Fall  von  Molluscam  pendulum,  den 
Mae  Auliffe  von  Saint  Louis  bei  einem  45jährigen  Kaffer  exoidiert 
hatte.  Das  Molluscum  war  am  rechten  Gesäß  in  der  Gegend  der  Spina 
posterior  sup.  vermittelst  eines  Stieles  inseriert,  war  16  cm  lang,  5  cm 
breit.  Das  untere  Ende  war  nlzeriert  und  eine  fleischige  Wucherung  trat 
hemienartig  hervor  wie  eine  Glans.  Das  ganze  Gebilde  glich  zum  Ver- 
wechseln einem  normalen  Penis.  Der  Tumor  soll  von  Jugend  auf  bestanden 
haben  und  früher  immer  schmerzlos  gewesen  sein.  Erst  in  den  letzten 
6  Monaten,  beim  Eintritt  von  Ulzeration  und  Entzündung,  machte  die 
Geschwulst  Beschwerden.  Der  kurzen  Beschreibung  sind  zwei  Abbildungen 
beigegeben.  M.  Winkler  (Luzern). 

Widmer.  Heilung  eines  Garcinoms  durch  Sonnenlicht 
nebst  einigen  Beiträgen  zur  unmittelbaren  Lichttherapie. 
Mfinchener  med.  Wochenschr.  1907.  Nr.  18. 

Die  geradezu  verblüffenden  Heilerfolge,  welche  Verfasser  mit  ein- 
fachem Sonnenlicht  bei  Geschwüren,  Pemionen,  Ulcera  oruris  etc.  zum 
Teil  in  ganz  kurzer  Zeit  erzielt  hat,  veranlaOten  ihn,  die  Sonnenlioht- 
behandiung  bei  einem  Fall  von  maligner  Neubildung  zu  probieren,  wo 
die  Operation  verweigert  wurde.  Es  handelte  sich  um  eine  81jährige 
Frau  mit  einem  6  cm  langen,  1-zentimeterhohem,  stark  ulzerierendem 
Tumor  auf  dem  Handrücken. 

Die  Geschwulst  wurde  täglich  mehrere  Stunden  dem  Sonnenlicht 
ausgesetzt  und  reagierte  schon  sehr  bald  darauf,  indem  zunächst  die 
Schmerzen  nachließen  und  Säuberung  und  Nachlassen  der  Sekretion  ein- 
trat Einige  Wochen  darauf  begann  die  Geschwulstoberfläche  einzusinken, 
und  von  dem  Zeitpunkt  an  war  faßt  täglich  ein  Rückgang  zu  bemerken, 
so  daß  nach  etwa  8  Monaten  der  Tumor  ganz  weg  war  und  bisher  auch 
geblieben  ist. 

Wenn  auch  aus  diesem  einen  Fall,  der  außerdem  nicht  histologisch 
untersucht  worden  ist,  keine  weiteren  Schlüsse  zu  ziehen  sind,  so  ist  doch 
sicher,  daß  das  Sonnenlicht  im   stände   ist,   die  Neubildung  jungen   und 

Areh.  f.  Damiat.  n.  Syph.  Bd.  UCXXIX.  IQ 


146  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

gesunden  Gewebes  mächtig  anzuregen  uud    durch  dieses  das  kranke  Ge- 
webe zu  verdrängen.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Strebel.  Die  intratumorale  Bestrahlung  der  Krebs* 
getohwülste  als  Fortschritt  der  Radiotherapie.  Munchener 
med.  Wochenschrift.  1907.  Nr.  11. 

Strebel  macht  auf  eine  neue  Bestrahlungsmethode  maligner  Ge- 
schwdlste  aufmerksam.  Nachdem  schon  1903  ein  Verfahren  der  intra- 
tumoralen  Radiumbestrahlung  von  ihm  veröffentlicht  wurde,  hat  er  jetzt 
auch  einen  Modus  gefunden,  die  Röntgenstrahlen  intratumoral  zu  appli- 
zieren, indem  mittelst  besonders  konstruierter  Röhren  die  Strahlungs- 
quelle  in  die  Geschwulst  selbst  hinein  verlegt  wird.  Verf.  sieht  diese 
Methode  unbedingt  als  Fortschritt  der  radiotherapeutischen  Technik  an. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Schmidt,  H.  K  Über  intratumorale  Röntgenbestrahlung. 
Bemerkungen  zu  dem  Artikel  von  Strebel  in  Nr.  11  dieser  Wochen- 
schrift. Münchener  med.  Wochenschrift«  1907.  Nr.  14. 

Schmidt  wendet  sich  gegen  die  von  Strebel  vertretene  An- 
schauung, daß  die  Röntgenstrahlen  nur  von  den  obersten  Schichten 
massiger  Tumoren  absorbiert  werden.  Er  hält  das  nicht  für  rfchtig  und 
weist  auf  die  Schädigung  von  tiefer  gelegenen  Organen  wie  Hoden  und 
Ovarien  durch  Röntgenstrahlen  hin,  ohne  daß  die  darüber  gelegene  Ge- 
websschicht  irgendwie  alteriert  zu  werden  braucht. 

Verf.  ist  der  Ansicht,  daß  die  Reaktionsfähigkeit  des  Gewebes  die 
Hauptrolle  dabei  spielt  und  führt  die  Tatsache,  daß  dicke  Tumoren  zu- 
weilen spurlos  verschwinden,  während  andere  vielleicht  weniger  dicke 
kaum  sichtbar  beeinflußt  werden,  allein  auf  die  verschiedene  Reaktions- 
fähigkeit des  Gewebes  zurück.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

De  Bearmann,  Dominicl,  Goagerot.  Epithelioma  pavi- 
menteux  lobule  sur  Radiodermite.  (Contribution  ä  Tetude 
de  la  pathog^nie  des  Cancers.)  Gazette  des  Höpitaux.  1906.  p.  1551. 

Die  Verf.  beobachteten  einen  Fall  von  Radiodermatitis  bei  einem 
Mann,  dessen  Hände  18  Monate  täglich  6 — 8  Stunden  der  Röntgen- 
bestrahlung ausgesetzt  waren.  Drei  Jahre  nach  Aussetzen  der  Röntgen- 
strahlen bot  Pat.  immer  noch  entzündliche  Hauterscheinungen  dar  die  mit 
trophischen  Störungen  kompliziert  waren.  Letztere  bestanden  in  tiefen  Ulzera- 
tionen,  die  nur  sehr  langsame  Heilungstendenz  zeigten.  Eine  ülzeration 
auf  dem  Dorsum  des  kleinen  Fingers  der  linken  Hand  griff  immer  tiefer 
um  sich,  zerstörte  die  Strecksehne  und  eröffnete  das  Gelenk  zwischen 
zweiter  und  dritter  Phalanx.  Unter  den  Augen  der  Verf.  verwandelte 
sich  dieses  Ulcus  in  ein  Epitheliom,  welches  seinen  Ausgang  von  dem 
Nagelfalz  der  Endphalanx  nahm.  Der  Finger  wurde  amputiert  und  die 
histologische  Untersuchung  ergab  ein  typisches  Epitheliom.  Die  Verfasser 
ziehen  aus  ihrer  Beobachtung  den  Schluß,  daß  eine  langdauemde  Reizung 
durch  Röntgenstrahlen  im  stände  sei,  eine  atypische  Zellwucherung  im 
Sinne  der  Malignität  zu  provozieren.  Der  Fall  spreche  gegen  die 
bakterielle  Ätiologie  des  Carcinoms.  M.  Winkler  (Luzern). 


der  Hautkrankheiten.  147 


Parasiten« 

Hall,  Walker.  The  staining  of  animal  parasites.  The 
British  Med.  Joarnal.  1907.  Mars  9.  p.  556  ff. 

Hall  empfiehlt  folgende  Methode  für  Eier,  Embryonen  nnd  aas- 
gebildete höhere  Parasiten.  Die  Färbung  wird  auch  fär  Färbung  der 
Pilse  Yon  Hant  nod  Haar  empfohlen: 

1.  Aufstreichen  des  parasi tonhaltigen  Sekrets  auf  den  Objektträger, 
darauf  6  Min.  erwärmen  oder  fixieren  in  Formalindimpfen  ; 

2.  Färbung  Va^^  Min.  in  iVo^^^i*  wässeriger  Methylenblaulösung, 
der  5  eem  Eisessig  auf  100  eem  Farblosnng  zugesetzt  sind  (Neissers 
Methylenblau  ist  ebenso  brauchbar);  Metbylnolett  und  Nilblau  sind 
angeeigneter ; 

3.  Abspülen  in  Wasser; 

4.  Überdecken  des  Präparats  mit  alkoholisch  gesättigter  Eosin- 
lösnng  5—10  Min.  lang  oder  Erhitzen  über  der  Flamme  nach  Muir 
(Journ.  of  Pathology  1936)|  den  Alkohol  ausblasen  wenn  er  brennt,  bis 
das  Präparat  trocken  ist ; 

5.  Abspülen  in  Wasser; 

6.  Fixieren  Vt^^  ^^Q*  i^  Kalium- Alaunlösung; 

7.  Entfärben  in  90^/^  Alkohol,  bis  eine  gleichmäßige  rosa  Farbe 
•entsteht ; 

8.  Waschen  in  Wasser,  trocknen,  montieren  in  Eanadabalsam. 

Frits  Juliusberg  (Berlin). 

Poaeet.  Actinomycose  et  grosses .««e.  Gazette  des  Hopitaix 
1906.  pag.  735. 

Über  drei  Fälle  von  oerrico-facialer  Aktinomykose,  die  während 
der  Schwangerschaft  auftrat,  berichtet  Poncet.  Er  zieht  aus  den  Be- 
obachtungen folgende  Schlüsse: 

1.  Die  Schwangerschaft  verhindert  eine  aktino mykotische  Infektion 
nicht;  das  Terrain  scheint  aber  für  die  Entwicklung  des  Pilzes  nicht  be- 
sonders günstig  zu  sein ;  2.  das  Wochenbett  verschlimmert  die  Affektion ; 
3.  auf  die  Entwicklung  nnd  spätere  Lebenskraft  des  Foetns  hat  die 
aktinomykotisohe  Infektion  der  Mutter  keinen  Einfluß. 

Wegen  der  Gefahr  einer  direkten  Übertragung  und  wegen  der  im 
Wochenbett  zu  applizierenden  intensiven  Röntgenstrahlen-Therapie  der 
Matter  rät  P  o  n  c  e  t  vom  Stillen  des  Kindes  durch  die  Mutter  entschieden  ab. 

Therapeutisch  empfiehlt  der  Verf.  neben  der  üblichen  Behandlung 
die  Bestrahlung  durch  das  Sonnenlicht;  es  soll  der  akttnomykotische 
ProseO  dadurch  ebenso   günstig   beeinflußt  werden,  wie  die  Tuberkulose. 

M.  Winkler  (Lnzern). 

Valary,  Gh.  Sur  nn  oas  d'Actinomycose  du  poignei. 
Oazette  des  Höpitaux.  1906.  pag.  606. 

10* 


148  Bericht  über  die  Leistangen  aaf  dem  Gebiete 

Valery  beobachtete  bei  einem  45jährigen  Landwirte  aaf  der 
Vorderseite  des  rechten  Handgelenkes  eine  aktinomykotische  Infektion 
in  Form  von  zwei  langen,  strichförmigen  Kratzaffektionen.  Die  Basi» 
war  ödematös  und  leicht  induriert.  Die  Wunde  selbst  gerötet,  wnoherndr 
granlichen  Eiter  sezemierend.  Es  entwickelten  sich  Lymphstränge  am 
Arm.  Daza  bestand  Fieber,  Schlaflosigkeit,  allgemeine  Schwäche  und 
Depression.  Die  Wunden  nahmen  allmählich  an  Umfang  zn  bis  zur 
Fnsion.  Eine  chirurgische  Behandlung  in  Form  von  Abkratzen  mit 
scharfem  Löffel  und  Kauterisation  brachte  Besserung,  eine  darnach  ein- 
geleitete Röntgenstrahlen-Therapie  aber  sehr  rasche  Heilung. 

M.  Wink  1er  (Luzerii). 

Brown,  Philip  King.  Goccidioidal  Granuloma.  Jour.  Am» 
Med.  Ass.  XLYUL  743.  2.  März.  1907. 

Brown  bespricht  wiederum  die  bereits  von  Ophüls  betonten 
Unterschiede  zwischen  der  namentlich  in  Kalifornien  beobachteten  und 
dort  als  Granuloma  cocoioides  bezeichneten  Krankheit  und  der  in  den 
Mittel- Weststaaten  der  Vereinigten  Staaten  vorkommenden  Blastomykosis, 
die  von  verschiedenen  Seiten  identifiziert  worden  sind.  Die  Unterschiede 
betreffen  sowohl  die  bei  den  betreffenden  Krankheiten  beobachteten  Or- 
ganismen und  ihr  Verhalten  in  Kulturen,  als  ganz  besonders  die  klinischen 
Erscheinungen.  Hantveränderungen  fohlen  nicht  selten  bei  G.  G.,  vieK 
mehr  handelt  es  sich  um  eine  allgemeine  Infektion,  der  in  der  Regel  die 
Patienten  unterliegen;  von  den  16  Patienten,  deren  Krankengeschichten 
kurz  berichtet  werden,  war  bestimmt  am  Leben  nur  noch  ein  einziger. 
Bei  diesem  war  wegen  Ausbruchs  der  Krankheit  am  FuOgelenk  sofort  der 
Fuß  amputiert  worden.  Die  Hautveränderungen  sind  meist  fortschreitend 
mit  ausgesprochener  Neigung  zur  Weiterverbreitung  auf  dem  Lymph- 
und  Blutwege ;  in  einzelnen  Fällen  scheinen  dieselben  primär  aufzutreten 
und  zwar  an  Körperstellen,  die  Infektionen  besonders  ausgesetzt  sind,, 
meistens  aber  sind  sie  sekundäreren,  embolischen  Ursprungs  und  können 
überall  auftreten.  Behandlung  mit  Jodkalium  erwies  sich  auch  in  ener- 
gischen Dosen  wirkungslos,  während  Blastomykosis  meist  günstige  Er- 
folge von  Jod  zeigt. 

Aufier  den  kurzen  Berichten  über  14  früher  veröffentlichte  Fälle 
von  Gran,  cocciod.  beschreibt  B.  ausführlich  einen  weiteren  15.,  und  knrz 
drei  weitere  selbt  beobachtete  Fälle,  die  die  Gesamtzahl  auf  18  bringen. 
Impfversuche  mit  Meerschweinchen  wurden  durch  das  San  Francisco- 
Erdbeben  und  Feuer  unterbrochen.  Unter  den  18  Fällen  trat  die 
Krankheit  5  mal  primär  auf  der  Haut  auf,  12  mal  an  inneren  Organe n^ 
besonders  den  Lungen,  in  einem  Fall  war  der  Anfang  unbekannt.  Die 
Mehrzahl  der  Kranken  starben  innerhalb  eines  Jahres  nach  dem  Aus- 
bruch ;  der  Verlauf  war  immer  akut  von  dem  Auftreten  an  inneren  Or- 
ganen an;  nur  Herz  und  Perikard  blieben  von  der  Infektion  verschont. 
Sämtliche  Patienten  waren  männlichen  Geschlechts.  Es  scheint,  daB  die 
Krankheit  auf  die  untere  Hälfte  des  San  Joaquintales  in  Kalifornien  be« 
schränkt  ist,  denn  von  den  18  Patienten  hatten  14  nachweislich  in  dieser 


der  Haatkrankheiten*  149 

ilegend  gelebt,  meist  mit  Eisenbahnbaa  oder  Bewässern ngsanlagea  be* 
«obftftigt,  bei  8  feblte  genaue  Auskunft  und  ein  einziger  war  nacbweisliob 
nicht  in  San  Joaquin  gewesen,  er  war  mit  rohen  H&uten  beschäftigt. 

H.  G.  KlotE  (New-York). 

Porter,  F.  J.  W.    The  treatment  of   Scabies  by   baisam 
of  Peru.  The  British  Med.  Journal.  1907.  Mai  80.  p.  744. 

Kurz  berichtet  Porter   über  die   Behandlang  von  Skabies  mit 
Perubalsam.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 


1 


Geschlechts-Krankheiten. 


Anatomie,  Physiologie,  allgem.  und  exp.  Pathologie, 

pathol.  Anatomie,  Therapie. 

Bolk,  L.  Beitrage  zur  AffenaDatoxnie.  VI.  Znr  £d( wick- 
lang und  vergleichenden  Anatomie  des  Tractns  urethro- 
vaginalis  der  Primaten.  Zeitscbr.  für  Morph,  u.  Anthrop.  Band  X, 
1907.  p.  250—316. 

Aus  einem  sehr  großen  Untersuchungsmaterial  zieht  B.  den  Schluß, 
daß  die  Bisch  off  sehe  Annahme,  bei  den  Affen  kamen  keine  Labia 
maiora  vor,  unzutreffend  sei.  Vielmehr  zeigt  er  bei  vielen  Platyrrhinen 
Labia  maiora,  die  sogar  Echärfer  begrenzt  und  relativ  kräftiger  entwickelt 
•ind  als  beim  Menschen.  Dasselbe  gilt  auch  für  die  niederen  katarrhinen 
Affen,  wobei  sich  die  interessante  Tatsache  ergab,  daß  die  Labia  maiora 
in  ziemlich  großer  Entfernung  von  der  Geschlechtsöffnung  liegen  und  mit 
dieser  in  gar  keiner  Beziehung  stehen.  Die  katarrhinen  Affenweibchen 
verlieren  ihre  Labia  maiora  noch  im  jugendlichen  Alter.  B.  ist  also  im 
Gegensatz  zu  Bisch  off  der  Ansicht^  daß  die  Labia  maiora  des  Menschen 
keineswegs  Neubildungen  sind,  sondern  Erscheinungen,  in  denen  der 
Mensch  den  katarrhinen  Affen  gegenüber   etwas  Primitives  bewahrt  bat. 

Arnold  Löwenstein  (Prag). 

Posner.  Über  angeborene  Strikturen  der  Harnröhre. 
Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  18.  1907. 

Angeborene  Verengerungen  de.s  Orificium  ezternum  urethrae  sind 
nichts  seltenes;  daß  aber  auch  an  der  Übergangsstelle  zwischen  Pars 
bnlboFa  und  membranacea  angeborene  Strikturen  vorkommen,  lehrt  die 
hier  von  Posner  mitgeteilte  Beobachtung.  Sie  betrifft  einen  11jährigen 
Knaben,  der  ohne  voi  hergehendes  Trauma  oder  entzündliche  Erkrankung 
wegen  einer  Verengerung  an  der  genannten  Stelle  mit  Erfolg  durch 
Dilatation  behandelt  wurde.  Auffallend  an  dem  Erankheitsbilde  war  das 
spontane  Auftreten  einer  Hämaturie.  Es  dürfte  sich  um  eine  Nieren- 
beckenblutung infolge  der  Urinstauung  gehandelt  haben. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 


Bericht  üb.  d.  Leistungen  auf  d.  Geb.  d.  GeBchlechttkrankh.     151 

Vath,  Gifford.  Kecurrent  torsion  of  the  spermatio  oord. 
Tbe  British  Med.  Journal  1907.  Mai  80.  p.  748. 

Nash  beschreibt  2  Fälle  von  traumatischer  Torsion  des  Samen- 
stranges. In  dem  einen  Falle  ging  die  Torsion  yon  selbst  xurüok,  im 
anderen  ließ  sie  sich  leicht  zurfickbringen. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Rieharts,  H.,  Homburg.  Ein  bisher  nicht  beschriebenes 
Harnsediment.  Zentralblatt  f.  innere  Medizin.  1907.  Nr.  6.  p.  158. 

Es  handelt  sich  um  Doppelbfischel  langer  feiner  Kristalle,  die 
Rioharts  in  dem  Sediment  bei  einer  Phosphaturie  fand.  Die  Büschel 
sind  bis  1*5  mm  laog,  die  Nadeln  vierkantig,  prismatisch  und  distal  zu- 
gespitzt, farblos,  stark  lichtbrechend,  in  Essigsäure  löslich.  Chemisch 
wurde  in  ihnen  Phosphor,  Magnesium,  Ammonium  und  eine  Spur  Kal- 
zium nachgewiesen.  Der  Urin  war  alkalisch,  spez.  Gew.  1021,  wurde  klar 
gelassen,  trübte  sich  aber  sofort  nach  der  Entleerung. 

A.  Gassmann  (Genf). 

Bftrgi,  Emil.  Über  die  Methoden  der  Quecksilber- 
bestimmung im  Urin.  Archiv  für  experimentelle  Pathologie  und 
Pharmakologie.  Bd.  LIV.  p.  489. 

Bürgi  bespricht  die  verschiedenen  Methoden  der  Hg-Bestimmung 
im  Urin  und  teilt  dieselben  in  folgende  Gruppen  ein: 

1.  Die  titrimetrischeu  Messungen  des  Quecksilbers, 

2.  Bestimmung  des  Hg  durch  trockene  Destillation, 

3.  Fällung  des  Hg  als  Sulfit, 

4.  Die  Amalgamierungsmethoden. 

Bürgi  hat  verschiedene  dieser  Methoden,  namentlich  der  Amal- 
gamierungsmethoden, selbst  geprüft,  die  anderen  kritisch  beleuchtet  und 
kommt  schließlich  dazu,  der  Farup sehen  Methode  den  Vorrang  zu 
erteilen.  Verf.  hat  für  seine  quantitativen  Hg-Bestimmungen  im  Urin, 
über  deren  Resultate  er  in  diesem  Archiv  ausführlicher  berichtet  hat, 
sich  dieser  Methode  bedient  und  damit  günstige  Resultate  erzielt. 

M.  Winkler  (Luzem). 

Southam,  F.  A.  Two  cases  of  cystine  calculi.  The  British 
Med.  Journal  1907.  März  2.  p.  489  ff. 

Bei  der  Seltenheit  der  Cystinsteine  hält  Southam  zwei  einschlägige 
Falle  für  mitteilenswert.  Die  Steine  waren  von  gelblicher  Farbe,  unregel- 
mäßiger krietallinificher  Oberfläche  und  bestanden  ganz  aus  Cystin.  Der 
größere  Stein  mußte  aus  der  Blase  operativ  entfernt  werden,  der  kleinere 
ging  mit  dem  Urin  ab.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Young,  William  Glenn.  Albuminuria  of  Prostatio  and 
Seminal  Origin,  with  Report  of  Two  Gases.  New-York  Med. 
Joum.  LXXXY.  18.  5.  Januar  1907. 

Young   lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  das  Auftreten  von  Eiweiß- 
reaktion im  Urin  durch  Beimischung  von  Prostatasekret   oder  Sperma. 
In  dem  einen  der  beschriebenen  Fälle  handelte  es  sich  um  einen  Patienten 
mit   sehr   frequenten  Pollutionen,   in   dem   andern   um   Eongestion  der 


152  Bericht  über  die  LeiBtangen  auf  dem  Gebiete 

Prostata  und  der  Sameoblätcheo.  Von  besonderer  Wioktigkeit  ist  die 
mikroskopische  Untersnchang,  die  Spermatozoen,  einige  Leakooyten  and 
Epithelien  nachweist.  Unter  Umständen  mag  es  nötig  sein,  den  Urin  per 
Katheter  oder  selbst  Uretherkatheter  zu  erlangen. 

H.  Q.  Klotz  (New-Tork). 

Bolton,  Josef.  The  treatment  of  prostatic  congestion  by 
eieotrical  methods.  The  Lancet  1907.  April  18.  p.  1013. 

Bolton  hatte  bei  zwei  Fällen  Ton  Prostatahypertrophie  guten 
Erfolg  mit  Hochfrequenzströmen.  Fritc  Juliusberg  (Berlin). 

Freyer,  P.  J.  Total  enuoleation  of  the  prostate  for 
radical  eure  of  enlargement  of  that  organ.  The  British  Med. 
Journal  1907.  März  9.  p.  551  ff. 

Frey  er  hat  wieder  einigte  Male  die  Prostataenukleation  ausge- 
führt. Die  Fälle  werden  ausführlich  beschrieben  und  sind  teilweise  durch 
Illustrationen  erläutert.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Oppenheim,  M.,  Wien  (Klinik  Finger).  Zur  Behandlung  der 
Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  mit  Biersoher  Stauung. 
Wiener  medizinische  Presse.  1907.  Nr.  19. 

Oppenheim  gibt  folgendes  Resümee  seiner  Beobachtungen:  Die 
StauungBbehandlnng  nach  Bier  leistet  gute  Dienste  bei  allen  akuten 
eitrigen  Infektionen  der  EEaut,  wie  Furunkeln,  Abszessen  etc.,  bei  ent- 
zündeten und  vereiternden  Lymphdrüsen ;  wärmstens  kann  sie  empfohlen 
werden  zur  Behandlung  der  Arthritis  gonorrhoica  und  der  Ulcera  gum- 
mosa cruris. 

Keine  Erfolge  ersielte  Oppenheim  bei  der  Behandlung  chronischer 
Hautkrankheiten,  doch  will  er  darüber  und  über  den  Erfolg  bei  Epididy- 
mitis  tuberculosa  et  gonorrhoica  kein  abschließendes  urteil  abgeben. 

Viktor  Band  1er  (Prag). 

Yogel.  Der  Yerweilkatheter:  seine  Anwendung  und 
seine  Wirkungsweise.  Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  20.  1907. 

Vogel  empfiehlt  angelegentlichst  die  Anwendung  des  Verweil* 
katheters  bei  Gystitis,  Prostatahypertrophie,  Strikturen  und  Verletzungen 
der  Harnröhre.  Er  glaubt,  daß  die  Gefahren  dieser  Methode  im  allge- 
meinen überschätzt  werden  und  empfiehlt  zu  ihrer  Ausführung  am  meisten 
die  Seidenstoffkatheter  der  Firma  Rusch-Gannstatt. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Weiss,  A.,  Wien.  Ein  neuer  Katheter-  und  Gystoskop- 
Sterilisator.  Wiener  mediz.  Wochenschr.  1907.  Nr.  24. 

Nach  ausgedehnten  bakteriologischen  Vorversuchen  mit  Autan, 
einem  Formaldehydpräparat,  das  aus  einem  Geroenge  von  Metallsuper- 
oxyden und  Paraformaldehyd  besteht  und  bei  Hinzutritt  von  kaltem  Wasser 
unter  starker  Temperaturerhöhung  sich  ohne  Zuhilfenahme  einer  Ver- 
gainngslampe  in  gasförmigen  Zustand  umwandelt,  konstruierte  Weiss 
folgenden  Apparat.  Derselbe  besteht  aus  einem  Metallfufi,  in  den  ein 
oben  mit  einem  Deckel  luftdicht  abschließbarer,  unten  offener  Zylinder 
eingeführt  werden  kann.  Auf  einer  in  den  Zylinder  eingelassenen  Filiere 


der  Geschlechtskrankheiten.  153 

iiftngeii  die  zu  desinfizierenden  Instrumente.  In  den  Metallfaß  ist  ein 
Glasgefäfl  eingelassen,  in  dem  nach  Abnahme  des  Zylinders  das  Autan- 
pulyer  mit  Wasser  in  dem  Verhältnisse  5  em* :  7  om*  gemischt  wird.  Der 
Zylinder  wird  nun  rasch  eingesetzt  und  die  Desinfektion  geht  yor  sich. 
Naeh  drei,  sicherer  nach  6  Stunden,  wird  der  Zylinder  abgenommen,  das 
Glasgeflß  im  Fuße  herausgehoben  und  mit  einem  anderen  vertauscht, 
indem  sich  ein  Gemisch  von  Chlorkalzium  und  Ammonium  carbonicum 
befindet.  Ersteres  soll  das  am  Katheter  befindliche  Überschüssige  Kondens- 
wasser  absorbieren,  letzteres  das  überschüssige  Formaldehyd  binden.  Der 
Autor  glaubt,  daß  der  Apparat  eine  verläßliche  Sterilisation  und  eine 
•terile  Aufbewahrung  gewährleistet.  Viktor  Bandler  (Prag). 

Bloch.  Über  einen  neuen  Katheter-Dampfsterilisator 
mit  Aufbewahrungsbehältern  für  die  einzelnen  Katheter. 
Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  10.  1907. 

Der  Apparat  besteht  aus  einem  dosenformigen  Dampferzeuger,  um 
welchen  drei  zur  Aufnahme  der  Katheter  bestimmte  Tuben  herumgelegt 
sind.  Der  Dampf  zieht  durch  die  Tuben  und  den  inneren  Hohlraum  der 
Katheter  und  desinfiziert  sie  so  von  innen  und  außen  in  2Vi  Minuten. 

Verfertiger:  Louis  und  H.  Loewenstein,  Berlin. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Mayer,  Martin.  Spirochaetenbefunde  bei  Framboesia 
tropica.  Deutsche  med,  Wochenschr.  Nr.  12.  1907. 

In  5  Fällen  tropischer  Framboesie  aus  Ceylon  und  Ostafrika  konnte 
Mayer  im  Safte  geschlossener  junger  Papeln  die  von  Gastellani  ent- 
deckte Spirochaete  pertennis  nachweisen.  Diese  Spirochaete,  welche  der 
Spir.  pallida  nahesteht,  aber  noch  feiner  und  schwerer  farbbar  zu  sein 
scheint,  hält  Verf.  für  den  Krankheitserreger  der  Framboesie. 

Max  Joseph  (Berlin). 

Dreyer,  Albert.  Über  Spirochaetenbefunde  in  spitzen 
Kondylomen.  Deutsche  med.  Wochenschr.  Nr.  18.  1907. 

Auf  Grund  von  8  Beobachtungen  spitzer  Kondylome,  in  welchen 
sich,  wenn  auch  spärlich,  Spirochaete  refringens  fanden,  hält  Dreyer 
eine  Pathogenität  dieser  Mikroorganismen  für  die  spitzen  Kondylome  für 
wahrscheinlich,  eine  Meinung,  welche  Schaudinn  bereits  früher  ver- 
treten hatte.  Die  saprophytische  Natur  der  Spirochaete  refringens  steht 
dieser  Annahme  nicht  im  Wege,  da  auch  andere  Saprophyten,  Staphylo- 
kokken, Bacter.  coli  etc.  sich  häufig  genug  zu  £rregern  verschiedener 
Krankheiten  umgestalten.  Vielmehr  erklärt  das  stete  Vorhandensein  der 
Spir.  refring.  im  Vorhautsack  jene  Fälle  von  spitzen  Kondylomen,  welche 
nicht  durch  Übertragung  entstanden  sind.  Aus  der  Tatsache  heraus,  daß 
die  Spir.  refring.  nicht  nur  im  Gewebe,  sondern  auch  in  den  Blutgefäßen 
der  oberen  Cutis  sitzen,  lassen  sich  sowohl  die  Neigung  zu  Rezidiven  bei 
oberflächlicher  Verschorfnng,  als  die  Erfolge  der  inneren  Therapie  (Arsen) 
verstehen.  Verf.  kommt  sodann  auf  eine  frühere  Mitteilung  zurück,  in 
welcher  er  ausführte,   daß  die    breiten  Kondylome   vielleicht   durch  eine 


154  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Mischinfektion  Ton  Spirochaete  pallida  und  refring.  xn  Stande  kämen,  da 
sich  in  denselben  beide  Spiroohaetenformen  finden. 

Max  Joseph  (Berlin). 


Cronorrhoe  und  deren  Komplikationen. 

Saxe,  De  Santos.  A  Study  of  Shreds  in  the  Urine  in  Their 
Relations  to  Diagnosis  and  Prognosis.  New-York.  Med.  Jonrn. 
LXXXV,  398.  2.  Mars  1907, 

Saxe  macht  darauf  aufmerksami  dafi  im  allgemeinen  in  den  Lehr- 
büchern die  Tripperfaden  nicht  sehr  genau  beschrieben  und  namentlich 
nicht  durch  Abbildungen  zur  Darstellung  gebracht  werden.  Er  hat  daher 
eine  große  Anzahl  Fäden  von  den  rertchiedensten  Erkrankungsformen 
untersucht.  Am  besten  lassen  sich  die  Fäden  nach  Fixierung  (zum  Teil 
durch  verdünntes  Kollodium)  und  Färbung  untersuchen;  die  besten  Fär- 
bungen erhielt  er  mit  Unnas  polychromer  Methode.  S.  unterscheidet 
eitrige,  schleimig-eitrige,  schleimige  und  epitheliale  Fäden.  Bei  den 
letzteren  kommen  verschiedene  Arten  von  Epithelien  vor,  auch  verschie- 
dene Arten  von  Degeneration  (hyaline).  Faden,  die  ausschließlich  aus 
Plattenepithelien  mit  kleinen  Kernen  zusammengesetzt  sind,  werden 
spontan  abgestoßen  nach  Anwendung  von  Instrumenten  in  einer  Periode 
der  Krankheit,  in  welcher  die  oberflächlichen  Schichten  der  Urethral- 
sohleimhaut  unter  dem  Einfluß  von  darunterliegenden  submukösen  Stö- 
rungen von  squamösen  Epithelien  gebildet  werden. 

Fäden  aus  der  Prostata  und  den  Samenbläschen  schließen  gewisse 
spezielle  Formen  ein,  die  unter  dem  Mikroskop  unterschieden  werden 
können.  Die  sog.  Kommafaden  sind  teils  wirkliche,  Fürbringersche, 
d.  h.  hakenförmige  Gebilde,  aus  geschichteten  Epithelien  bestehend  und 
ans  den  Prostatagänsen  stammend,  teils  falsche,  d.  h.  Teilen  von  Schleim- 
fäden, die  an  dem  einen  Ende  zu  einem  Klumpen  aufgerollt  sind. 

Die  Häufigkeit  der  Gonokokken  steht  in  geradem  Verhältnisse  za 
dem  Vorhandeusein  von  Eiterzellen  und  im  umgekehrten  zu  dem  der 
Epithelien,  doch  gilt  dies  nicht  von  den  Prostataföden.  In  Bezug  auf 
die  Lokalisation  der  Erkrankung  in  der  anterior  oder  posterior  ur.  ist 
das  Studium  der  Fäden  nicht  von  wesentlicher  Bedeutung;  nur  soweit 
die  Prostata  in  Frage  kommt,  hat  sie  einigen  Wert.  Etwas  mehr  Auf- 
schluß ^gibt  es  über  den  Stand  der  Entzündung,  in  dem  zuerst  eitrige, 
dann  schleimig-eitrige,  schleimige  und  endlich  epitheliale  Fäden  auf- 
zutreten pflegen.  Auch  für  die  Prognose  bedeuten  die  Fäden  nicht  viel, 
einigermaßen  bestimmend  ist  der  Gehalt  an  Eiterzellen.  Die  Heirata- 
koDsens  sollte  nicht  erteilt  werden,  bis  die  letzten  Fäden  einige  Mouate 
lang  keine  Eiterzellen  aufgewiesen  haben,  auch  nicht  nach  Provokation 
durch  Biertrinken.  H.  G.  Klotz  (New- York). 


der  Gesoblechtskrankheiten.  155 

Üble,  A.  A.  ond  Mackinney,  W.  H.  Oonorrhoeal  Epididy- 
mitis.  A  Stady  of  264  Gases.  New-York.  Med.  Journ.  LXXXV.  348. 
28.  Febr.  1907. 

Uhle  und  Mackinneys  Beobachtangen  von  264  Fällen  gonorrhoi- 
scber  £pididynQiti8  haben  nicht  gerade  viel  Neues  geliefert.  Aaf  241 
Patienten  yerteilt  repräsentieren  diese  Fälle  16Vo  d^f  in  der  gleichen 
poliklinischen  Praxis  beobachteten  Gonorrhoefalle;  diese 'etwas  große 
Ziffer  wird  dadurch  erklärt,  daß  viele  Patienten  ärztliche  Hilfe  erst  beim 
Eintreten  der  Komplikation  suchen.  Der  Sitz  war  bei  123  rechts,  bei  118 
links,  bei  23  doppelseitig,  19  waren  Rückfalle  derselben  Seite;  die  Mehr- 
zahl trat  in  der  2.  und  3.  Woche  auf,  doch  kamen  auch  Fälle  nach  län- 
gerer Latenz  infolge  von  Trauma  auf,  die  dann  zu  frischer  Infektion 
führten.  Anatomisch  handelt  es  sich  anfangs  um  trübe  Schwellung  der 
Epithelien,  gefolgt  von  Nekrose  und  Desquamation,  später  von  Ödem, 
Verdickung  und  Rundzelleninfiltration  der  tieferen  Schichten;  es  tritt 
Erweiterung  des  Gefaßlumens  mit  Eiter  und  nekrotischen  Epithelien  in 
demselben  auf.  Wirkliche  Eiterherde  wurden  nur  selten  gefunden ;  ebenso 
ist  die  Beteiligung  der  Hoden  selbst  (Orchitis)  viel  seltener,  als  gemeinlich 
behauptet  wird.  Für  die  Behandlung  wird  anfangs  eine  20^0  Gn^jakoU 
salbe,  später  Ungt.  hydrargyri,  belladonn.  und  Ichthyol  empfohlen. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 

Swinburne,  George  Knowles.  The  Antigonococous-Serum 
of  Rogers  and  Torrey  in  Epididy mitis.  Journ.  Am.  Med.  Ass. 
XLVIII.  319.  26.  Januar  1907. 

Swinbarne  berichtet  über  13  Fälle  von  Epididymitis,  in  welchen 
er  das  An tigonocoocus- Serum  von  Rogers  und  Forrey,  über  das  bereits 
früher  berichtet  wurde,  zur  Anwendung  brachte,  meistens  2 — 5  Eiu- 
spritzungen.  Zuweilen  waren  die  Einspritzungen  von  heftiger  örtlicher 
Reaktion  gefolgt.  In  allen  Fällen  schien  das  Serum  günstigen  Einfluß 
auf  den  Entzündungsprozeß  in  der  Epididymitis  zu  haben;  Schmerz  war 
vom  4.  Tage  an  verschwunden  außer  in  8  Fällen,  die  rezidivierten;  in 
6  Fällen  erfolgte  Heilung  ohne  Hinterlassung  irgendwelcher  Knoten,  in 
4  blieb  geringe,  in  2  größere  Schwellung  zurück.  Die  einzelnen  Kranken- 
geschichten werden  kurz  berichtet.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Beefelder.  Zur  Prophylaxe  der  Blennorrhoe  der  Neu- 
geborenen.  Münch.  med.  Wochenschrift.  1907.  Nr.  10. 

Nachdem  schon  Thies  in  Nr.  33,  1906  dieser  Wochenschrift  seine 
Erfahrungen  betrefis  des  Argentum  aceticum  und  des  Argentum  nitricum 
mitgeteilt  hat,  ist  von  Seefelder  eine  eingehende  Nachprüfung  der 
Wirkungsweise  dieser  beiden  Silberpräparate  angestellt  worden.  Er  kommt 
zu  dem  Schluß,  daß  das  Argentum  aceticum  (1%)  ^^  Bezug  auf  Inten- 
sität und  Milde  der  Wirkung  dem  Argentum  nitricum  nicht  nachsteht, 
vor  diesem  aber  den  großen  Vorzug  genießt,  auch  wenn  eine  Verdunstung 
stattfindet,  seine  Konzentration  nicht  zu  verändern,  also  unter  allen  Um- 
ständen unschädlich  zu  bleiben.  Oskar  Müller  (Dortmund). 


156     Bericht  üb.  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete  d.  Gtoschlechtsk. 

Hyman,  Samael  M.  Report  of  a  Gase  of  Gonorrhoea  of 
the  Moath.  New-Tork.  Med.  Jouro.  LXXXV.  169.  26.  Januar  1907. 

Hyman  beobachtete  bei  einem  18jfthrigea  Mädchen  nach  Coitiu 
per  08  Schmerz,  Brennen,  Geföhl  von  Hitze  und  Wundsein  im  Mund  in 
solchem  Grade,  daß  auch  der  Genuß  flüssiger  Nahrung  möglichst  ver- 
mieden wurde.  Die  Zunge  war  rot  und  geschwollen,  die  Uvula  mit  roten 
Flecken  bedeckt,  die  Wangen  waren  mit  einer  milchhautahnlichen  Membran 
bedeckt,  unter  welcher  die  Schleimhaut  hochrot  und  geschwollen  erschien ; 
in  der  Membran  wurden  Staphylokokken  und  Diplokokken  vom  Typus 
des  Gonococcus  nachgewiesen.  H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Fellner.  Einige  Fälle  von  paraurethraler  Eiterung 
beim  Weibe«    Dermatol.  Ztschr.  Bd.  XIY.  p.  157. 

Fellner  verAgt  über  6  Fälle,  von  denen  4  gonorrhoische  Infek- 
tionen betreffen,  während  es  sich  bei  der  fünften  Patientin,  einer  Virgo, 
um  eine  durch  Bacterium  coli  hervorgerufene  Erkrankung  handelt  F  e  1 1  n  e  r 
unterscheidet  mehrere  Arten  von  Urethralgängen,  welche  Ausgangspunkt 
von  Eiterungen  und  Abszeßbildungen  sein  können.  Es  sind  entweder 
präformierte  Gänge  oberhalb  der  Urethralmündang,  in  anderen  Fällen 
Nischen  zu  beiden  Seiten  des  Orificiums  und  endlich  in  seltenen  Fällen 
kleine  Offnungen  zwischen  Harnröhre  und  Hymen.  Die  erstgenannten 
sind  intraurethrale  Gänge,  die  in  die  Harnröhre  selbst  ausmünden,  während 
die  zwei  anderen  (Gruppen  paraurethral  liegen.  Fellner  meint,  daß 
diese  Gänge  oft  übersehen  werden  —  sie  entleeren  sich  manchmal  für 
eine  ganze  Zeit,  um  dann  wieder  zu  eitern  —  und  häufig  die  Ursache  für 
langandanemde,  scheinbar  unheilbare  Urethritiden  und  Cystitiden  abgeben. 

Fritz  Porges  (Prag). 

Arnaud,  L.  Les  rätröcissements  blennorrbagiques  du 
rectum.  Gazette  des  Höpitaux.  1906.  p.  159. 

Arnaud  liefert  ein  abgeschlossenes  klinisches  Bild  der  gonorrhoi- 
schen Bektalstrikturen  und  kommt  zu  folgenden  Schlußfolgerungen:  Die 
Striktnren  des  Reotums  auf  gonorrhoischer  Grundlage  sind  häufiger  als 
man  gewöhnlich  annimmt;  viele  werden  irrtümlicherweise  für  syphilitisch 
gehalten«  Die  im  Verlaufe  der  Rektalgonorrhoe  auftretenden  Abszesse 
sind  analog  den  periurethralen  und  prostatischen  Abszessen  sowie  denen 
der  Bartholinisohen  Drüsen.  Die  Striktur  entwickelt  sich  langsam  und 
allmählich  und  zeigt  die  gleiche  anatomische  Beschaffenheit  wie  die 
Urethralstriktur. 

Die  Striktur  des  Rektums  ist  häufiger  bei  der  Frau  als  beim  Manne. 

M.  Winkler  (Luzern). 


Buchanzeigen  und  Besprechungen. 


Yorberg,  G.  Fournier,  Alfred:  Die  Syphilis  der  ehr- 
baren Fraaen.  Wien  1907,  Franz  Denticke. 

Von  100  syphilitischen  Franen  sind  ungefähr  20  ehrbare,  ver- 
heiratete Frauen,  deren  Ansteckung  auf  zweierlei  Weise  erfolgen  kann: 
Entweder  hat  sich  der  Mann  vor  der  Verheiratung  oder  nachher 
infiziert.  Von  812  Fällen  wurde  218  Mal  die  Syphilis  vor  der  Ehe,  94 
Mal  nach  der  Hochzeit  erworben.  Die  Ansteckung  kann  im  ersten  Monat 
erfolgen,  aber  auch  im  neunten  Jahre;  in  den  weitaus  meisten  Fällen 
wird  die  Syphilis  im  ersten  Jahre  auf  die  Frau  übertragen.  Aus  einer 
Zusammenstellung  von  142  Ehemännern  ist  ersichtlich,  daß  98  bei  der 
Heirat  eine  Syphilis  hatten,  die  jünger  als  drei  Jahre  war;  also  die 
Syphilitiker  beiraten  zu  früh!  Aber  es  ist  noch  weit  schwerer, 
die  Kinder  zu  schützen  als  die  Frau.  Deshalb  empfiehlt  sich  eine  Warte- 
zeit von  4  bis  5  Jahren,  ehe  einem  Syphilitiker  die  Heirat  gestattet 
werden  darf.  Besondere  Aufmerksamkeit  ist  den  Spätformen  des  Sekun- 
därstadiums zu  schenken,  die  hauptsächlich  in  Gestalt  der  Psoriasis 
palmaris  und  plantaris  bald  ganz  früh,  manchmal  aber  erst  15,  20,  80 
Jahre  nach  der  Ansteckung  auftreten;  in  einem  Fall  von  Finger 
erfolgte  die  Ansteckung  nach  17  Jahren,  Neisser  berichtet  über  eine 
Infektion  nach  20  Jahren.  Daraus  folgen  für  den  Arzt  zwei  Ver- 
pflichtungen: 1.  die  Kranken  aufzuklären,  2.  jedem  syphilitischen  Heirats - 
kandidaten  den  Tabak  zu  untersagen,  da  derselbe  jederzeit  im  Munde  des 
Syphilitischen  Erscheinungen  hervorrufen  kann,  die  zur  Infektion  Ver- 
anlassung geben  können.  Es  fällt  auch  auf,  daß  die  angesteckten  Frauen 
entweder  gar  nicht  oder  ur  zureichend  behandelt  werden,  was  einen 
schwereren  Verlauf  zur  Folge  hat,  und  daß  ihnen  oft  die  Art  ihrer 
Krankheit  verschwiegen  wird.  Der  Syphilis,  von  der  die  Befallenen 
nichts  wissen,  kann  man  überall  begegnen ;  nirgendwo  begegnet  man  ihr 
aber  so  häufig  wie  bei  den  ehrbaren  Frauen,  die  von  ihren  Ehemännern 
angetteokt  worden  sind.  H.  H. 


158  Buchanzeigen  und  Besprechungen. 

Brenneeke,  Dr.:  Freiheitl  Ein  offenes  Wort  zur  sexualen 
Frage  an  DeutBchlands  Jugend.    (Magdeburg,  1907.) 

Am  6.  März  1907  hielt  B.  vor  den  Abiturienten  der  höheren 
Schulen  Magdeburgs  einen  Vortrag,  in  dem  die  jungen  Leute  vor  den 
Gefahren  der  Geschlechtskrankheiten  gewarnt  werden.  Nach  kurzer  Dar- 
stellung des  Wesens  derselben  wird  die  Tatsache  erwähnt,  daß  gerade 
die  Studenten  mit  einer  Infektionshäufigkeit  von  257o  (Blaschko)  allen 
anderen  Ständen  vorangehen.  Und  die  Ursache?  Mangelnde  Selbst- 
beherrschung, Verführung  von  Seiten  anderer,  Tiefstand  des  sittlichen 
Niveaus.  Um  sich  „aus  dem  Sumpf  der  Geschlechtskrankheiten  und 
sexualen  Verirrangen  zu  retten,  gibt  es  nur  einen  Weg.  Das  ist  der  Weg 
der  Freiheit!  Nicht  der  zurzeit  herrschenden  und  staatlich  sanktionierten 
Zügellosigkeit,  sondern  jener  Freiheit,  die  sich  allezeit  im  Gewissen 
gebunden  fühlt,  jener  köstlichen  Freiheit  einer  in  Gott  wurzelnden  und 
ruhenden  Persönlichkeit ! ''  Dann  wendet  sich  der  Verfasser  gegen  das 
Vorurteil,  daß  die  Befriedigung  des  Geschlechtstriebes  zur  Erhaltung 
der  Gesundheit  eines  jungen  Mannes  nötig  sei.  Will  man  den  Anfech- 
tungen aus  dem  Wege  gehen,  dann  heißt  es  ernst  und  gewissenhaft 
arbeiten,  schlechte  Gesellschaft  und  Alkoholmißbrauch  meiden.  Nur  so 
wird  es  möglich  sein,  unbefleckt  an  Leib  und  Seele  durchs  Leben 
zu  gehen,  bis  sich  die  Möglichkeit  zur  Schließung  einer  glücklichen 
Ehe  bietet.  H.  H. 


Neisser  und  Jacobi:  Ikonographia  Derraatologica.  AUas 
seltener,  neuer  und  diagnostisch  unklarer  Hautkrankheiten.  Urban 
&  Schwarzenberg,  Berlin,  1906,  pro  Lieferung  K  9*60  «^M  8'—. 

Neisser  und  Jacobi  lassen,  wie  in  diesem  Arohiv  wiederholt 
mitgeteilt  wurde,  im  Verein  mit  einer  Reihe  von  Dermatologen  einen 
Atlas  erscheinen,  der,  wie  der  Titel  besagt,  nur  seltenere  Erkrankungen 
in  naturgetreuer  Reproduktion  bringen  soll.  Das  Werk  erscheint  in  Liefe- 
rungen vorläufig  zweimal  im  Jahre  und  ist  in  jeder  Lieferung  ein  Raum 
des  Textes  für  Besprechung  der  in  den  vorangehenden  Heften  enthaltenen 
Krankheitsbilder  reserviert,  wodurch  eine  Diskussion  und  Verständigung 
über  spezielle  Fälle  ermöglicht  wiixl. 

Fase.  I  und  II  mit  insgesamt  XVI  Tafeln  liegen  bereits  vor.  Die 
Reproduktionen  sind  ausgezeichnet  lebenswahr  und  werden  besonders 
den  Dermatologen,  der  auf  sich  selbst  angewiesen,  gewisse  Hauter- 
krankungen, die  er  nie  gesehen,  nicht  hätte  diagnostizieren  können,  auf 
die  rechte  Spur  führen.  F.  P  .  .  s. 

Sehmid,  Maria  v.:  Muiterdiensf,  (Felix  Dietrich,  Leipzig  1907.) 
Die  eigenartige  Stellung  der  Hebamme,  die  Geburtshelferin  und  Pfle- 
gerin zu  gleicher  Zeit  sein  soll,  veranlaßt  die  Verfasserin  zu  dem  Vorschlage, 
den  Hebammenstand  abzusohaflen  und  statt  dessen  beide  Funktionen  ver- 
schiedenen, entsprechend  ausgebildeten  Personen  zu  übertragen;  Geburts- 


Buchsnzeigen  nnd  Besprechungen.  169 

helfer  oder  Geburtshelferinnen  Tersehen  den  ärztlichen  Dienst,  eine 
Pflegerin  die  Wartung  nnd  Pflege  der  Wöchnerin.  Um  genügend  Pflege- 
rinnen zu  haben,  sollte  jede  Frau  im  Alter  Ton  18 — 21  Jahren  auf  ein 
Jahr  lum  „Mutterdienste**  herangesogen  werden.  H.  H. 


Albrecht,  Hans:  Beiträge  zur  Nasenprothese.  (Wien,  Jahr- 
buch. Bd.  XVn.  1907.) 

Verfasser  hat  die  verschiedenen  bereits  Yorgeschlagenen  Methoden 
▼ergleichend  erprobt  und  teilt  die  Ergdbnisse  aus  seiner  Praxis  mit.  Fftr 
die  zahnärztliche  Technik  kommt  als  Material  besonders  Hartkautschuk, 
weichbleibender  Kautschuk,  Obturatorengummi,  Zelluloid  und  emaillierte 
Metalle  in  Betracht.  Die  Verarbeitung  der  Materialien,  die  Technik  des 
Abdrucknehmens,  die  einzelnen  Befestigungsarten  sowie  das  Färben  und 
Bemalen  der  Prothesen  erfahren  eine  eingehende  Besprechung.     A.  K. 


Va 


na. 


Deutsehe  Dermatolog^sehe  Gesellschaft.  Prag,  Berlin, 
Frankfurt  a.  M.,  Mitte  Dezember  1907. 

Nachdem  die  Mitglieder  der  Deutschen  Dermatologischen  Oesell- 
Schaft  mit  209  gegen  16  Stimmen  und  4  Stimmenthaltungen  beschlossen 
haben,  daß  der  nächste  (X.)  Kongreß  zu  Pfingsten  1908  in  Frank- 
furt a.  M.  stattfinden  soll,  hat  der  Vorstand  auf  Vorschlag  des  zum 
Geschaftsleiter  des  Kongresses  gewählten  Professor  Dr.  Karl  Herxheimer 
als  Termin  Montag  den  8.,  Dienstag  den  9.  und  Mittwoch  den 
10.  Juni  1908  festgesetzt.  Der  Vorstand  hat  auch  diesmal  von  offiziellen 
Referaten  abgesehen,  das  Hauptgewicht  soll  wie  bei  den  letzten 
Kongressen  auf  Demonstrationen  und  Diskussionen  gelegt  werden. 
Unbeschadet  dessen  soll  jedoch  in  dem  Programme  den  aktuellen  Mit- 
teilnngren  über  die  Ätiologie  der  Syphilis  und  Aber  die  experi- 
mentelle Syphilisforschung  ein  breiter  Spielraum  gewahrt  werden 
Die  Teilnehmer  am  Kongresse  werden  demnach  ersucht,  die  Ton  ihnen 
beabsichtigten  Vorträge  und  Mitteilungen,  sowie  die  hiezu  gewünschten 
Behelfe  (Mikroskope,  Apparate  eto.)  möglichst  bald,  jedenfalls  bis 
zum   15.  März  1908   bei  Prof.  Dr.  Karl  Herxheimer  in  Frank- 


160  Varia. 

fort  a.  M.,  Gärtnerweg  40,   anzamelden.     Näheres   Aber  die   Taget- 
ordnang,  die  Wohnungsfrage  etc.  wird  später  mitgeteilt  werden. 

Hofrat  Prof.  F.  J.  Pick  (Prag), 
Präsident. 

Geh.   Medizinalrat   Prof.   £.  Lesser  (Berlin), 
Generalsekretär-  SteUvertreter. 

Prof.  Dr.  Karl  Herzheimer  (Frankfurt,  a.  M.)f 
Geschäftsleiter  des  Kongresses. 


Erich  HoflbnaniL:  Atlas  der  ätiologisehen  und  experimen- 
tellen  Syphilisforschung,  Dieser  mit  Unterstützung  der  Deutschen 
Dermatologischen  Gesellschaft  herausgegebene,  dem  Andenken  Schau- 
d  i  n  n  s  gewidmete  Atlas  ist  soeben  im  Verlage  von  Julius  Springer,  Berlin 
1908,  erschienen.  Wir  werden  das  Werk  im  nächsten  Hefte  eingehend 
würdigen.  Die  Redaktion. 

Domenico  Ml^occlii.  Es  gereicht  uns  zu  besonderer  Ehre  mit- 
teilen zu  können,  daß  der  hervorragende  italienische  Dermatologe  Herr 
Prof.  Dr.  Domenico  Majocchi,  Vorstand  der  dermatologischen  Klinik 
in  Bologna,  aus  welcher  schon  bisher  zahlreiche  vorzügliche  Arbeiten 
von  ihm  selbst  und  seinen  Schülern  in  unserem  Archiv  erschienen  sind, 
nunmehr  in  die  Reihe  der  ständigen  Mitarbeiter  desselben 
eingetreten  ist.  Die  Redaktion. 

Personalien,  Dr.  Paul  G.  Unna  in  Hamburg  wurde  vom 
Hamburgischen  Senate  der  Professorstitel  verliehen.   . 

Priv.-Dozent  Dr.  Karl  Bruhns  (Berlin),  bisher  dirigierender 
Arzt  der  Krankenabteilung  des  Städtischen  Obdachs,  wurde  zum  leitenden 
Arzt  der  Abteilung  für  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  am  Charlotten- 
burger Krankenhause  ernannt. 

Dr.  Walther  Pick  (Wien)  wurde  daselbst  zum  Vorstand  der 
Hautabteilung  am  I.  öffentlichen  Kinder- Kranken -Institute  ernannt. 


Professor  Oskar  Lassar,  Berlin.  Bei  Abschlufi  des  Heftes  er- 
halten, wir  die  betrübende  Nachricht,  daß  am  21.  Dezember  im  fast 
vollendeten  69.  Lebensjahre  Oskar  Lassar  an  den  Folgen  eines  Un^lls 
gestorben  ist.  Ein  ausführlicher  Nachruf  bleibt  dem  nächsten  Hefte  vor- 
behalten. 


Originalabhandlungen. 


Areh.  f.  Daraiat.  v.  Sfph.  Bd.  LXXZIX.  i\ 


Au  dem  Zarolinen-Eindenpitale  in  Wien  [Vorstand  Prim.-I>oz. 

W.  Znöpfelmacher]. 


über  Erythrodermia  desquamativa, 

eine  eigenartige 
universelle  Dermatose  der  Brustkinder. 


Von 

Dr.  Carl  Leiner, 

em.  Atilitent  des  KarolIiien-Kiiid«npiUlea. 
(Hiezu    Taf.  VI.) 


(SeälvB.) 

Ich  will  nun  im  folgenden  zunächst  als  Typus  der  Krank- 
heitsbilder die  Krankheitsgeschichte  eines  zur  Heilung  gelangten 
Falles  mitteilen  und  hieran  mehrere  andere  anschließen,  die 
in  den  letzten  Jahren  im  Spitale  der  Krankheit  erlagen  und 
zur  Obduktion  gelangten. 

Fall  I.:  Otto  T.,  6  Wochen  alt,  safgenommen  11.  Dez.  1906,  ge- 
heilt entlassen  1.  Jftnner  1907.  Die  mit  der  Matter,  einer  kräftigen  Person, 
anfgenommene  Anamnese  ergibt,  daß  in  der  Familie  weder  rheumatische, 
noch  giohtische,  noch  besondere  Hauterkrankungen  vorgekommen  sind. 
4  Kinder  wurden  von  der  Mutter  durch  längere  Zeit  gestillt;  weder 
während  der  Stillzeit,  noch  späterhin  sollen  die  Kinder  an  einer  Haut- 
erkrankang  gelitten  haben.  Das  5.  Kind  wird  ausschließlich  an  der  Brust 
genährt,  bekommt  die  Nahrung  unregelmäßig,  so  oft,  als  es  schreit ;  liegt 
zur  Nachtzeit  immer  an  der  Brust.  Die  Matter  nimmt  gemischte  Kost  zu 
sich.  Potus  wird  verneint.  Seit  der  2.  Woche  leidet  das  Kind  an  Diar- 
rhöen; die  Stühle  sind  dünnflüssig,  schleimig- brocke) ig.  Mit  8  Wochen 
begann  die  Hauterkrankung  mit.  kleinen  und  größeren  roten  Flecken  am 
Halse,  die  ziemlich  rasch  zusammenflössen,  so  daß  nach  einigen  Tagen  der 
Hals  und  die  obere  Thoraxpartie  in  eine  rote  Fläche  umgewandelt  er- 
schien. Das  Kind  wurde  wegen  dieses  Ausschlages  in  die  Ambulanz 
unseres  Spitales  gebracht  und  zunächst  hier  behandelt.  Trotz  Regelung 
der  Diät,  Vorschreibung  von  8— 4stündigen  Pausen  und  äußerer  Behand- 

11* 


1G4  Leiner. 

lang  breitete  sich  die  Rötung  Ton  Tag  za  Tag  Tom  Thorax  weiter  nach 
unten  fort;  die  geröteten  Stellen  begannen  abznechnppen.  Aach  die 
Kopfhaut  und  das  Geiicht  hatten  sich  mit  dicken  gelblich  weiOen 
Schoppen  bedeckt.  Wegen  dieser  uniTersellen  Ausbreitang  der  Erkrankang 
wurde  das  Kind  in  das  Spital  aafgenommen. 

Status  am  12./Xn.  1906.  Gatgenährtes  Brustkind;  Gewicht  4990  g 
(Anfangsgewicht  unbestimmt;  im  Alter  von  8  Wochen  6200^).  Körperlänge 
56  em ;  Sohädelumfang  86  em ;  Thoraxumfang  88  em;  Abdomenumfang  86  em. 
Grofie  Fontanelle  leicht  eingesunken ;  N&hte  noch  nicht  geschlossen.  Panni- 
culus  adiposuB  reichlich.  Die  Haut  des  behaarten  Kopfes  gerötet»  mit  siemlich 
dicken,  schmutsig  gelben  fettigen,  zusammenhängenden  Krusten-Lamellen 
bedeckt.  Die  Behaarung  spärlich;  namentlich  an  der  Stirne  sind  die 
meisten  Haare  ausgefallen.  Im  Gesichte  ist  nur  an  der  Nasenspitze 
normale  Haut  wahrnehmbar.  Dicke  fettige  Schuppenauflagerungen  an  der 
Nasenwurzel  und  den  Augenbraaen,  die  Lidhaut  infiltriert,  so  dafi  die 
Lider  nicht  vollständig  geöffnet  werden  können.  Um  den  Mund  radiär 
gestaltete  Schuppenanflagerungen,  die  bis  zum  Schleimhautrande  reichen. 
Hinter  den  Ohren  nässeode  Rhagaden.  Die  Haut  des  Halses  nnd  Stammes 
gerötet,  etwas  infiltriert,  bedeckt  mit  Schnppen,  die  stellenweise  dick 
und  fettig,  an  anderen  Stellen  wieder  dünn,  rissig,  zig^rettenpapierähnlich 
sind.  Dieselben  grenzen  sich  gegeneinander  durch  feinste  Rinnen  ab,  die 
polygonale  Figuren  bilden.  An  Stellen,  wo  die  Schuppen  abgefallen  und 
noch  nicht  neugebildet  sind,  ist  die  Haat  intensiv  rot,  glatt,  glänzend. 
Entsprechend  den  Gelenksbeugen  zeigt  die  Haut  mehr  weniger  tiefe  Ein- 
risse, welche  nässen  und  bluten.  Die  EUiut  fühlt  sich  in  toto  eigentümlich 
weich,  samtartig  an.  Ganz  die  gleichen  Veränderungen  bestehen  an  den 
Extremitäten.  An  den  Bengeseiten  der  unt^eren  Extremitäten  ad  nates  ist 
die  Haut  rot,  glänzend,  stellenweise  nässend,  keine  Schnppenaaf lagerang. 
Die  Haut  des  Skrotums  und  des  Penis  ist  ebenfalls  gerötet,  leicht  öde- 
matös.  Die  Nägel  sind  dnnn ;  an  den  Händen  zeigen  sie  Längsstreifen 
and  ca.  2  mm  vom  distalen  Rande  entfernt  einen  querverlaufenden  Wulst. 
Die  Nägel  an  den  Zehen  sind  dann,  splitterig  und  brfichig.  Thorax:  gat 
gewölbt.  Respiration  52.  Puls  182  rhythmisch,  Temp.  S6-— 87*7*  G. 
Perkussion  der  Lungen  normal.  Auskultation:  vesikoläres  Atmen  ohne 
Rasselgeräusche. 

Herz:  Spitzenstoß  im  17.  J.  R.  Vi  ^^  innerhalb  der  Mamillarlinie. 
Abdomen  im  Thoraxniveau.  Die  Leber  Qberragt  in  der  Mamillarlinie  ca. 
8  em  den  Rippenbogen.  Milzpol  gut  palpabel.  Hambefund:  Eiweiß  ^, 
Zucker  ^.  Stuhl:  4mal  täglich,  schleimig  bröckelig. 

18./Xn.  Regelung  der  Diät.  4mal  Brust.  2  Mahlzeiten  gezuckertes 
Reiswasser  ä  60  ^.  Einzelmahlzeiten  der  Brustnahrang  100 — löO  g,  The- 
rapie: Kleienbad,  Einhüllen  des  Körpers  in  Zinköl. 

Vom  16./Xn.  an  bekommt  das  Kind  drei  Brustmahlzeiten  und  8mal 
80  g  Milch,  40  g  Reiswasser,  4  g  Zucker. 

21./XII.  Der  Hautausschlag  hat  sich  wesentlich  gebessert;  die 
Rötung  und  Schuppung  ist  geringer ;  nur  die  Kopfhaut  und  der  Hals  sind 


Ober  Erythrodermia  desquamativa  etc.  165 

nooli  iutensiv  rot.  Die  Haare  fehlen  fast  Yollständig.  Nahrungsaufnahme : 
S220  g  Brust,  860  g  V,  Misch.  Kuhmilch.  Die  Stühle  sind  noch  reichlich 
6 — 6  t&glioh,  von  festerer  Konsistenz. 

27./XII.  Die  Schuppenbildung  hat  auch  auf  der  Kopfhaut  sehr 
nachgelassen.  Im  Gesichte  ist  die  Haut  fast  ganz  normal;  die  Ohrmuscheln 
noch  leicht  verdickt. 

81./Xn.  Nur  in  den  Oelenksbeugen  ist  die  Haut  noch  gerötet, 
sonst  ziemlich  normal,  ohne  Schuppenauilagerung.  Das  Kind  wird  in 
häusliche  Pflege  fibergeben  und  ambulat.  weiter  behandelt.  Als  Nahrung 
erhält  das  Kind  5mal  täglich  die  Brust,  in  der  Nacht  eine  Beiswasser- 
mahlzeit.  Bei  der  Spitalsentlassung  hatte  das  Kind  ein  Gewicht  von 
4640  g,  so  dafi  ein  Gewichtsverlust  von  280  g  resultierte. 

FallU.  8.W.  4Monate  alt.  Prot.  Nr.-14.  Spitalsaufnahme 
7./I.  1904;  gestorben  ll./I.  1904. 

Die  Anamnese  ergab,  daß  die  Eltern  und  2  Geschwister  an  keiner 
Hanterkrankung  gelitten  haben ;  in  der  Familie  *  keine  gichtischen  Er- 
krankungen. Das  Kind  wird  von  einer  Amme  genährt,  2 — Sstundlioh. 
Die  Nahrungspausen  werden  nicht  genau  eingehalten.  Das  Kind  soll  bei 
der  Geburt  sehr  stark  gewesen  sein  und  bei  der  Amme  nicht  gut  zuge- 
nommen haben.  Gegen  Ende  des  2.  Monates  begann  die  Hauterkrankung 
gleichzeitig  mit  einer  leichten  Diarrhöe,  die  seit  dieser  Zeit  fortbesteht. 
Die  ersten  Erscheinungen  traten  auf  der  Kopfhaut  auf,  die  sich  mit  dicken 
Schuppen  bedeckte;  von  da  breitete  sich  der  Ausschlag  aber  den  ganzen 
Körper  aus.  Niemals  kam  es  zur  Blasenbilduug.  Am  Stamme  sollen  neben 
der  fleckigen  Rötung  auch  Knötchen  im  Beginne  der  Erkrankung  su 
sehen  gewesen  sein.  Da  das  Kind  immer  mehr  an  Gewicht  abnimmt,  die 
Diarrhöe  nicht  nachläßt  und  der  Ausschlag  immer  schlechter  wird,  wird 
das  Kind  zur  Aufnahme  in  das  Spital  gebracht  Die  bisherige  Behandlung 
bestand  in  Borvaselin  und  Vermeidung  von  Bädern.  Status  praesens : 
Mäßig  gut  genährtes  Brustkind  von  einem  Körpergewicht  von  4Ö30  g. 
Die  ganze  Kopfhaut  bedeckt  mit  schuppenförmig  aufliegeoden  größeren 
und  kleineren  fettigen,  leicht  abziehbaren  gelblichweißen  und  auch  inten- 
sivgelb  verfärbten  Lamellen.  Unter  den  Schuppen  ist  die  Haut  gerötet, 
glänzend,  stellenweise  auch  nässend.  Die  Kopfbehaarung  äußerst  spärlich, 
dort,  wo  sie  vorhanden  ist,  sind  die  Hnare  büschelförmig  verklebt. 
Gesicht:  Augenbrauengegend,  Nasenflügel  und  Nasenwurzel  mit  dicken, 
gelben  Lamellen  bedeckt.  An  den  Wangen  und  der  Stirne  sind  die 
Schuppen  dünner,  seidenpapierartig.  Ohren:  Beide  Ohrmuscheln  gerötet, 
etwas  infiltriert,  mit  reichlichen  fettigen  Schuppen  bedeckt,  die  in  den 
äußeren  Gehörgang  tief  hineinreichen.  Hals:  gerötet,  die  Haut  gefaltet, 
ohne  besondere  Schuppenauflagerung.  Rhagadenbilduog  in  den  Falten. 
Am  Rumpf  ist  die  Schuppenbildun$|r  eine  äußerst  mächtige ;  die  Schuppen 
lassen  sich  leicht  loslösen  von  der  Unterlage,  die  von  der  geröteten,  glänzen- 
den, trockeneo,  mit  Epidermis  überzogenen  Haut  gebildet  wird,  die  stellen- 
weise von  einem  feinen  Rhagadennetz  durchzogen  ist.  Vom  Nabel  nach 
abwärts  ist  die  Haut  stärker  rot,  die  Lamellenauflagerung  gering,  gegen 


166  Leiner. 

die  Falten  sa  ganz  fehlend.  Die  Haut  in  den  Inguinal-  und  Genital&lten 
nnd   ad   nates   fenoht,   dditerrot,   leicht   ödematöt,   in  den  Falten  ein- 
gerissen, blutend.  Auch  in  den  Axillen  ist  die  Haut  düsterrot,  mit  einer 
schmierigen,   auch  mörtelartigen  Masse  bedeckt    Extremitäten:  die 
Oberarme  und  der  größte  Teil  der  Vorderarme  leigt  dieselbe  Verände- 
rung wie  der  Rumpf.  Die  Handrüoken  und  die  Finger  zeigen  zum  Teile 
normale  Hautbeschaffenheit,  zum  Teile  sind  sie  gerötet  und  mit  Schuppen 
überzogen.    An  den  unteren  Extremitäten  find  die  Streckseiten  blafirot, 
die  Beugeseiten  düsterrot  verfärbt;  die  ersteren  sind  mit  ziemlich  dicken, 
fettigen  Lamellen  überzogen.    In  der  Patellargegend  ist  die  Haut  von 
oberflächlichen,  nach  den  Terschiedensten  Richtungen  verlaufenden  Einrissen 
durchzogen,    ebenso  die  Haut  über  den  Sprunggelenken.    An  den  Hand- 
flächen und  Fußsohlen  ist  sie  fleckig  gerötet,  abschilfernd.  Die  Nägel  an 
den  Fingern  sind  mit  gelblichen  Schuppenmassen   stellenweise   bedeckt 
und  von  ziemlich  tiefen  Einfnrchungen  durchsetzt.  Die  Nägel  der  Zehen 
sind    dünn,    abblätternd   glanzlos,   nahe   dem   Nagelwall   mit   gelblichen 
Börkchen  bedeckt.  Aus  Nase  und  Ohren  kein  Aasfluß.  Die  Mundschleim- 
haut injiziert,   die  Zunge   trocken,   ohne  Belag.    Nuchal-  und  Inguinal- 
drüsen  bis  kirschkemgroß.   Cubitaldrüsen  nicht  palpabel.   Lungenbefund 
normal.  Herztöne  rein,  rhythmisch.  Puls  140,  Temp.  dT^—ST'O®  (rektal  ge- 
messen).   Abdomen  leicht  meteoristisch  aufgetrieben.    Die  Leber  etwas 
vergrößert.    Die  Milz  eben  palpabel.    Stühle:    wässerig,  geibgrün,  mit 
grünlichen  Bröckelchen  untermischt,  mitunter  auch  stark  schleimig,  5  und 
mehr  täglich.  Das  Allgemeinbefinden  des  Kindes  nicht  gut;  das  Kind  ist 
unruhig,   schreit   viel,    zittert    sehr  beim   Aufdecken.    Die  oberen    und 
unteren  Extremitäten  werden  in  den  Gelenken  gebeugt  gehalten,    mit 
denselben  nur  selten  Bewegungen  ausgeführt;  bei  der  passiven  Streokong 
ist    ein  ziemlicher  Widerstand  zu  spüreo.    Therapie:   das  Kind  wird 
in  Olivenöl  getauchte  Tücher  gewickelt,    erhält  nur  4  Brustmahlzeiten, 
2  Mahlzeiten  Reiswasser  ä  120  ^  und  1  Kafieelöffel  Milchzucker. 

9./I.  Die  Diarrhöen  halten  dauernd  an.  An  Stelle  der  Brust  be- 
kommt das  Sind  1  Tag  zur  Hälfte  verdünnte  Buttermilch.  Im  Urin  lassen 
sich  Spuren  von  Eiweiß  nachweisen;  das  AUgemeinbefinden  des  Kindes 
schlecht;  Stöhnen  und  Wimmern;  Temp.  87*2<^— 87*8^  Puls  140.  Exitus 
am  11.  Jänner  unter  den  Symptomen  eines  schweren  Darmkatarrhs. 

Die  Obduktion  am  II7I.  ergab  folgendenBefund 
(Prof.  Albrecht):  Die  Haut  im  Bereiche  des  Stammes  und 
der  Extremitäten,  besonders  am  Rücken  und  der  Streckseite 
beider  Oberarme  ganz  unregelmäßig  fleckig  gerötet,  fett-  oder 
wachsartig  glänzend  und  allenthalben  bedeckt  mit  feinsten 
lamellösen  Schuppen,  die  teils  ganz  klein,  teils  aber  auch 
guldenstückgroß  sind.  Die  Schuppen  lassen  sich  leicht  abziehen 
und  fühlen  sich  ausgesprochen  fettig  an.  Die  Haut  nnter  ihnen 
ist  bis  auf  die  fleckige  Rötung   normal  zu  nennen;   sie  zeigt 


Ober  ErythrodenniA  desquamaÜTa  etc.  167 

nur  einen  eigentümlichen  fettigen  Olanz  nnd  fohlt  eich  ebenso 
an.  Auch  im  Gesichte  sind  die  VeränderuDgen  die  gleichen« 
Die  Kopfhaut  ist  mit  fettigen  gelben  Borken  bedeckt;  die 
Kopfhaare  durch  eine  fettige  Schmiere  untereinander  verfilzt 

Hirn  und  Hirnhäute  hochgradig  ödematös.  Schilddrüse 
klein ;  weder  die  Thymus,  noch  die  Tonsillen,  noch  das  adenoide 
Gewebe  irgendwie  hjrperplastisch  zu  nennen.  An  den  Lungen 
keine  besonderen  Veränderungen. 

Der  Herzmuskel  gelblich,  schlaff  und  morsch.  —  Die 
Leber  yergrößert,  die  Ränder  etwas  dicker,  ihre  Farbe  hellgelb, 
ohne  jede  Läppchenzeichnuug.  Die  Milz  klein,  ziemlich  blutarm. 
Die  Nieren  yergrößert,  graugelb,  schlaff,  ohne  entsprechende 
Struktur.  Im  Magen  einige  hämorrhagische  Erosionen.  Die 
Dünndarmschleimhaut  etwas  geschwollen,  grau.  Im  Dickdarm 
breiige,  gallige  Massen. 

Diagnose:  Eczema  seborrhoicum,  Entero- 
catarrh. 

Fall  ni.  Ernestine  W.  2  Monate  alt.  Spitalsaufnahme 
am  S8./y.  1905;  gestorben  am  81.  Mai  1906. 

AoB  der  Anamnese  ist  folgendes  za  entnehmen :  in  der  Familie 
keine  giohtischen,  keine  Hanterkranknngen.  Fat.  wird  von  der  Mntter 
gestillt  (alle  2  Stunden);  Nabelabfall  am  5.  Tag.  Bis  znm  Alter  Ton 
14  Tagen  war  die  Haut  ganz  normal,  in  der  dritten  Woche  begann  der 
Hantansschlag  mit  kleinen  Knötchen  und  kleinen  Blftschen  am  Abdomen 
und  Racken.  Alsbald  trat  am  Stamme  eine  Rötung  wie  bei  Scharlach 
auf,  die  sich  in  mehreren  Tagen  über  den  ganzen  Körper  ausbreitete  und 
zur  Schuppenbildung  führte.  Die  Nahrungsaufnahme  ist  eine  gute,  kein 
Erbrechen.  Stühle  von  der  Geburt  an  etwas  reichlicher  als  normal,  8  bis 
5mal  dünnflüssig;  in  den  letzten  14  Tagen  bis  10  spritzende,  grünliche 
Entleerungen. 

Status  praesens  29./Y.  1905:  Körpergewicht  8000  g.  Nicht  gut 
genährtes  Brustkind.  Große  Fontanelle  eingesunken ;  Hinterhaupts  und 
Yorhauptknochen  etwas  unter  dem  Niveau  der  Scheitelbeiue.  Kleine 
Fontanelle  noch  tastbar.  Hautdecken:  Der  ganze  Kopf  bedeckt  mit 
dicken,  der  Unterfl&ohe  leicht  anhaftenden  gelblich  weißen,  fettig  sich 
anfühlenden  Lamellen  bedeckt.  Kratzt  man  dieselben  herunter,  so  tritt 
die  glatte,  gerötete,  glänzende  Epidermis  zu  Tage.  An  dem  Yorderhaupte 
fehlen  die  Kopfhaare,  am  Hinterhaupte  sind  sie  noch  vorhanden.  An  der 
Stime  gegen  die  Augenbrauenbogen  sowie  gegen  die  Ohrgegend  zu 
kleinere  und  größere,  dickere  und  dünnere  Schuppen  anfgelagert.  An 
beiden  Augenlidern  kleine,  weißlichgraue  Schüppchen;  an  den  Unter- 
lidern fehlen  die  Cilien  größtenteils.  Ohren:  Die  Ohrmuscheln  mit  lamel- 


168  Leiner. 

lösen  Sohnppen  fiberaogen,  die  sich  in  die  Tiefe  des  Oehdrganges  Ter- 
folgen  lassen«  An  der  Hinterfl&che  der  Ohren  fehlen  die  Schuppen;  die 
Hant  ist  gerötet,  nässend.  Nase:  Die  Nasenoberfl&che  mit  dünnen  blätte- 
rigen Schüppchen  bedeckt,  die  bis  in  den  Naseneingang  hineinragen. 
Wange:  Auf  der  Wangenhaut  kleine,  stecknadelkopfgroße,  etwas  über 
das  Haatniyean  hervorragende,  gelbliohrote,  mit  Schüppchen  bedeckte 
Ejiötchen.  Die  Lippen  mit  dünnen  seidenglinsenden  Schuppen  überzogen 
Am  rechten  Mundwinkel  eine  leicht  haftende  Ernste,  nnter  der  eine 
Rhagade  zu  Tage  tritt  Hals :  Die  Haut  des  Halses  mit  sehr  dünnen  leicht 
abstreifbaren,  weißlichen,  seidenglänzenden  Schuppen  bedeckt,  die  Haut 
darunter  gut  faltbar,  gerötet,  nicht  nässend.  Thorax:  Die  Haut  des 
Thorax  und  Rückens  gerötet,  mit  gelblich  weißen,  dicken  Schuppen  über- 
lagert. In  der  Achselhöhle  ist  die  Haut  rot  glänzend,  ohne  Schuppen. 
Extremitäten:  An  den  oberen  Extremitäten  sind  neben  den  diffus 
geröteten,  schuppenden  Partien  Stellen  zu  sehen,  die  mit  roten  Knötchen- 
Plaques  bedeckt  sind,  die  eine  feine  Abschilferung  zeigen.  Handrücken 
und  Handflächen  größtenteils  von  normalem  Aussehen.  (Jntere  Extre- 
mitäten: ebenfalls  gerötet,  schuppend;  in  der  Inguinaigegend  ödematös. 
die  Umgebung  des  Afters  und  die  Haut  der  Qlutäalgegend  ist  infiltriert, 
leicht  nässend.  Die  Nägel  zeigen  keine  schweren  Terändemngen. 
Drüsen:  Unterkiefer-,  Nacken-  und  Inguinaldrüsen  tastbar.  Schleim- 
häute: Coigunctiven  leicht  katarrhalisch  afüziert.  Mundschleimhaut  normal. 
Lungen  und  Herzbefund  zeigt  nichts  abnormes.  Respiration  80.  Puls  84. 
Temp.  86*5^ — ^37^  Abdomen  im  Thoraxniyeau.  Leber  und  Milz  nicht  pal- 
pabel.  Hambefund:  Albumen  0,  Indican^,  Zncker0.  Stühle:  grünlich, 
mit  reichlicher  Schleimbeimengung ;  werden  spritzend  entleert.  Zeitweises 
Erbrechen.  Allgemeinbefinden  schlecht,  Gesichtsausdruck  etwas  verfallen. 
Therapie:  Ölumschläge.  Reiswasserdiät  100  g  6mal. 

29./y.  Szekelymilch  Smal  100  g^  Brust  Smal,  Temperatursteigerung 
88^  C.  Diarrhöe  intensiver. 

80./y.  ReiswasBcrdiät.  Erbrechen  und  Diarrhöe  anhaltend. 

Exitus.  31./V. 

Obduktionsdiagnose  (Doz.  S  t  o  e  r  k) :  Fettige  Degeneration 
der  Leber  und  des  Herzmuskels;  Dünn-  und  Dickdarmkatarrh 
mit  Schwellung  der  Plaques  und  Follikel,  Thymus  normal  groß, 
keine  Vergrößerung  des  lymphatischen  Apparates. 

Als  besonders  wichtig  möchte  ich  an  dieser  Stelle  aus  den 
Sektionsbefunden  das  Fehlen  eines  Status Lymphaticus  hervorheben, 
der  jain  manchen  Fällen  vom  plötzlichen  Todeseintritt  zur  Erklärung 
desselben  herangezogen  wird.  Abgesehen  davon,  daß  der  Tod 
in  unseren  Fällen  nie  plötzlich  eintritt,  niemals  auf  dem  Höhe* 
Stadium  der  Erkrankung,  sondern  nach  mehrwöchentlichen 
Leiden  unter  Verschlechterung  der  Erankheitssymptome,  mehr 


über  Erythrodermia  desquamatiTa  etc.  169 

unter  den  Erscheinungen  eines  schweren  Darmkatarrhs,  liegen 
auch  ansonsten  keine  Anhaltspunkte  für  diese  eventuelle  An- 
nahme Tor. 

Wir  wissen,  daß  es  bei  dieser  Konstitutionsanomalie  außer 
zur  Vergrößerung  der  Thymus,  auch  zu  einer  Hyperplasie  des 
gesamten  lymphatischen  Apparates,  zur  Vergrößerung  der  Milz 
und  der  Lymphdrüsen  der  verschiedenen  Eörperregionen,  auch 
der  bronchialen  und  mesenterialen  Lymphdrüsen,  femer  zur 
Hypertrophie  der  Gaumenmandeln  und  des  adenoiden  Gewebes 
des  Nasenrachenraumes  der  LymphfoUikel  des  Zungengrundes 
und  der  SolitärfoUikel  und  Pey  er  sehen  Plaques  im  Darme 
kommt. 

Diese  Anomalie  bildet  nach  Pal  tauf  den  Ausdruck  einer 
körperlichen  Minderwertigkeit,  welche  sich  darin  äußert,  daß 
eben  ohne  jede  gröbere  Ursache  plötzlicher  Tod  eintreten  kann, 
daß  geringfügige  therapeutische  Eingri£Fe,  akute  Infektionen 
mit  sonst  guter  Prognose  zum  Exitus  führen. 

Im  Gegensatz  zu  dem  Bilde  des  lymphatischen  Habitus 
wurden  bei  unseren  Fällen  weder  die  Thymus,  noch  die  Milz, 
noch  der  übrige  lymphatische  Apparat  hyperplastisch  gefunden. 
Er  kann  also  diese  Anomalie  auch  nicht  zur  Erklärung  des 
Exitus  bei  unseren  Fallen  herangezogen  werden. 

Von  den  zur  Sektion  gelangten  Fällen  ent- 
nahm ich  kleine  Hautstückchen  zur  histologi- 
schen Untersuchung:  (Fall  3.  Haut  vom  Thorax,  Haem- 
alaun-Eosinfarbung,  schwache  Vergrößerung.)  Die  Hornhaut  ist 
ersetzt  durch  eine  zum  Teile  noch  mit  dem  Bete  in  Ver- 
bindung stehende,  vielfach  geschichtete,  verdickte  Platte,  die 
an  einzelnen  Stellen  eine  dichte  Zellanhäufung  zeigt.  Soweit 
man  aus  dem  Präparate  erkennen  kann,  scheinen  diese  Zell- 
anhäufungen sehr  oft  in  der  Nähe  der  Follikelausführungsgänge 
zu  sitzen,  mitunter  aber  auch  in  den  Partien  zwischen  den- 
selben. Die  Eeratohyalinschichte  ist  sehr  spärlich  vorhanden. 
Das  Bete  vergrößert;  die  Retezapfen  zum  größten  Teile  rund, 
bisweilen  auch  sekundäre  Einkerbungen  zeigend,  die  von  einem 
dichten  Zellhaufen  eingenommen  scheinen.  Die  Grenze  der 
Epidermis  gegen  die  Cutis  ist  scharf,  die  Follikel  sonst  von 
normalem  Aussehen. 


170  Leiner. 

Cutis:  Die  Papillen  sind  klein,  zellreicber  als  nonnal, 
die  Gefäße  erweitert,  von  Blut  strotzend^  auch  die  übrige  Cutis 
zellreicher  und  Ton  erweiterten  GefaÜen  durchzogen. 

Größere  Zellanhäufungen  sind  nur  um  die  Schweißdrusen 
zu  finden  und  hie  und  da  auch  im  Papillarkörper.  Die  Follikel 
selbst  sind  nur  von  spärlichen  Zellhaufen  umgeben. 

Starke  Vergrößerung.  (Leitz  7.  A.)  Die  eingangs 
erwähnte  Homhautplatte  erweist  sich  aus  einzelnen  Lamellen 
zusammengesetzt,  die  zum  Teile  übereinandergeschichtet  sind 
und  aus  länglichen  spindelförmigen  Zellen  bestehen,  die  deutlich 
gefärbte  Kerne  enthalten.  Zwischen  diesen  Lamellen  finden 
sich  hie  und  da  Herde  von  dichten  Zellhaufen,  die  stellenweise 
sich  als  kleine  mononucleäre  Leukocyten  erweisen.  Die  Zell- 
anhäufungen drängen  die  Lamellen  auseinander,  indem  sie  Fort- 
sätze an  ihrer  Peripherie  aussenden  und  sich  nach  dieser 
Richtung  bin  allmählich  yerschmächtigen.  Die  untere  Be- 
grenzung der  Zellnester  bilden  8—12  Lagen  von  spindelförmigen 
Zellen,  während  nach  oben  zu  sie  oft  nur  Ton  6-^7  Zellagen 
begrenzt  erscheinen.  Bisweilen  sind  die  oberen  Zellagen  ge- 
platzt, so  daß  die  Anhäufungen  frei  zu  Tage  treten.  An  anderen 
Stellen  wieder  fehlen  die  Zellhaufen  und  es  finden  sich  nur 
diese  Platten  vor,  die  aus  16—17  Zellagen  zusammengesetzt 
erscheinen. 

Nach  außen  zu  blättern  die  Zellagen  ab,  so  daß  einzelne 
Spitzen  und  Zacken  derselben  hervorragen.  Die  ganze  Bomhaut 
ist  von  der  Unterlage  losgelöst,  bis  auf  eine  kleine  Schichte, 
die  mit  ihr  fest  verbunden  ist.  Diese  Schichte  besteht  aus 
feineren  Fasern  und  enthält  keine  Kerne;  nur  an  vereinzelten 
Stellen  besteht  auch  diese  Schichte  aus  spindelörmigen  Zellen, 
die  auch  kemreicher  sind. 

Auch  in  der  Hornhautplatte,  die  im  wesenüicheii  aus  den 
oben  beschriebenen  spindelförmigen  Zellen  zusammengesetzt 
ist,  wechseln  oft  Partien,  wo  die  Zellkerne  nicht  deutlich  oder 
überhaupt  nicht  ausgeprägt  sind.  Unter  der  letzten  Hom- 
schichte  findet  sich  dann  noch  eine,  aus  länglichen  abge- 
platteten Zellen  bestehende  Schichte,  die  durch  Eonfluenz  fast 
in  eine  einheitliche  und  sehr  kemarme  Masse  umgewandelt 
erscheint,   die  nach  unten   zu   von   1 — 2  Reihen  Keratohyalin 


liber  Erythrodermia  desqoamstiva  etc.  171 

fahrender  Zellschicliten  begrenzt  wird.  Die  Eeratohyalinkörnchen 
sind  sehr  fein,  dicht  gestellt  und  die  Zellkerne  oft  von  einem 
perinucleären  Ödem  umgeben«  Diese  Schichte  ist  an  vielen 
Stellen  nicht  nur  aus  plattgedrückten  Zellen  zusammengesetzt, 
sondern  besteht  auch  aus  mehr  polygonalen  Zellen.  Immer  sind 
die  Zellen  Yon  feinsten  Körnchen  eingenommen.  Das  Bete  er- 
scheint verbreitert,  die  Zellkonturen  scharf  abgesetzt  Das 
Protoplasma  ist  nicht  sehr  scharf  tingiert,  die  Zellkerne  von 
normaler  Beschaffenheit.  Die  Interzellularräume  an  verschie- 
denen Stellen  verschieden  ausgeprägt,  indem  sie  bald  deutlich 
wahrnehmbar,  bald  aber  verwaschen  sind,  so  daß  die  Zellen 
zu  konfluieren  scheinen,  wobei  das  Protoplasma  schlechter  ge- 
färbt ist. 

Dieses  Phänomen  ist  besonders  an  jenen  Stellen  markant, 
wo  sich  die  früher  beschriebenen  in  den  Lagen  des  Stratum 
comeum  eingelagerten  Zellhaufen  vorfinden.  Hier  sieht  man 
auch  im  Bete  einzeln  stehende,  spärliche  Leukocyten.  Die  Bete- 
zapfen sind  verbreitert,  mitunter  auch  durch  Unterabteilungen 
gelappt,  so  dafi  die  dazwischen  eingeschlossenen  Papillen  ver- 
schmächtigt  erscheinen. 

Die  Zylinderzellenschichte  zeigt  deutlich  tingierte  Kerne, 
jedoch  nicht  an  allen  Stellen  gut  gefärbtes  Protoplasma.  Auch 
in  der  Basalschichte  findet  man  einzelne  Leukocyten. 

Mitosen  sind  nicht  deutlich  zu  erkennen. 

Cutis:  Die  Papillen  sind  fast  durchwegs  handschuh- 
fingerfbrmig.  Die  Faserung  ist  verwischt,  nicht  deutlich  wahr- 
nehmbar. Die  Papillärgefäße  sind  erweitert  und  zum  Teile  von 
Blut  strotzend.  Außer  den  Endothelien  der  Kapillaren  finden 
sich  in  denselben  einzelne  polynucleäre  Lymphocyten  und  ver- 
einzelte Zellen  mit  spindeligen  Zellkernen.  Die  ganze  Cutis  ist 
schlecht  tingiert,  das  Fasemetz  nicht  deutlich  ausgeprägt,  die 
Bändel  plump  und  von  sehr  stark  erweiterten  Gefäßen  durch- 
zogen. Die  Gefäße  zum  Teile  begleitet  von  einem  sehr  spär- 
lichen Zellmantel,  der  aber  nicht  unmittelbar  den  Gefäßen 
anliegt,  sondern  mehr  den  Bindegewebsbündeln  oder  Lymph- 
räumen  zu  folgen  scheint.  Überall  finden  sich  polynucleäre  und 
mononucleäre  kleine  Lymphocyten,  jedoch  spärlich  an  Zahl, 
während   die   anderen   Zellkerne,    die   den   Zellreichtum   aus- 


172  L'eiiier. 

machen,  sich  durchaus  nicht  Ton  den  anderen  den  Bindegewebs- 
bfindeln  anliegenden  Bindegewebszellen  unterscheiden  lassen. 

An  den  SchweiSdriisen  und  Haarfollikeln  ist  nichts  ab- 
normes zu  bemerken.  Die  spärliche  Zellvermehrung  um  die- 
selben betrifft  anscheinend  nur  die  Bindegewebszellen. 

Die  elastischen  Fasern  zeigen  ein  normales  Verhalten 
sowohl  ihrem  Verlaufe  als  der  Menge  nach. 

In  den  Schnitten  mit  polychromem  Methylenblau 
gefärbt  finden  sich  außer  sehr  spärlichen  Mastzellen  keine 
besonderen  Zellformationen. 

In  den  nach  Weigert-Gram  gefärbten  Schnitten  sind 
weder  in  der  Cutis  noch  in  der  Epidermis  Bakterien  nach- 
weisbar. In  den  obersten  Zellschichten  sieht  man  in  diesen 
Präparaten  besonders  deutlich  ein  starkes  perinucleäres  Ödem. 
In  den  tiefen  Schichten  des  Bete  ist  dieses  ödem  nur  in  ge- 
ringem Grade  vorhanden. 

In  Schnitten  von  einer  anderen  Eörperstelle  (Arm)  wurde 
folgender  Befund  erhoben. 

(Haem.  Eosinfärbung.) 

Bei  schwacher  Vergrößerung  sieht  man  ein  yerdicktes,  rot 
gefärbtes,  kornreiches  Stratum  comeum,  dann  ein  mäßig  yer- 
dicktes Rete,  das  hie  und  da  schlechter  tingiert  erscheint  Die 
Verdickung  betrifft  sowohl  den  suprapapillaren  Anteil  als  die 
Retezapfen. 

Das  Stratum  comeum  ist  an  vielen  Stellen  aufgeblättert. 
In  den  Papillen  sieht  man  eine  geringgradige  Zellenvermehrung 
und  mächtig  erweiterte  Blutgefäße.  Auch  die  Gefäße  der  Cutis 
sind  stark  erweitert.  Um  einzelne  Schweißdrüsen  und  einzelne 
Follikel  eine  mäßige  Zellvermehrung. 

Bei  starker  Vergrößerung  besteht  das  Stratum  comeum 
zum  größten  Teile  aus  6  Zellagen,  in  denen  die  Kerne  spindel- 
förmig geformt  erscheinen.  An  mehreren  Stellen  sieht  man 
kleine  Leukocytenanhäufungen,  die  sich  zwischen  die  einzel- 
nen Lagen  hineinschieben.  Das  Stratum  granulosum  scheint 
gänzlich  zu  fehlen.  In  den  obersten  Zellagen  des  Rete  ist  ein 
starkes  perinukleares  ödem  vorhanden,  das  fast  die  ganze 
Schichte  einnimmt.  Dieses  ödem  bildet  stellenweise  Höhlen, 
die  miteinander  zu  konfluieren  scheinen,  in  Wirklichkeit  aber 


Ober  Erythrodermia  desqaamativa  etc.  173 

durch  eine  feine  Scheidewand  getrennt  bleiben.  Unter  dieser 
ödematösen  Lage  sind  die  Betezellen  verwaschen,  nicht  an 
allen  Stellen  Ton  gleicher  Intensität  Die  Interzellularräome 
nicht  deutlich  sichtbar. 

Cutis:  Die  Papillen  erscheinen  an  einzelnen  Stellen  Ter- 
schmächtigt,  von  erweiterten  Gefäßen  durchzogen.  Die  Fasern 
der  Papillen  undeutlich^  yerquolleu;  die  Papillen  selbst  zell- 
reicher. In  der  Cutis  ist  die  Faserung  ziemlich  deutlich  ausge- 
bildet, Ton  einem  zellreichen  Gewebe  umgeben. 

Die  Blutgefäße  sind  stark  erweitert.  Die  elastische 
Fasemfarbung  ergibt  nichts  abnormes.  In  den  mit  polychromem 
Methylenblau  gefärbten  Schnitten  finden  sich  nur  sehr  spär- 
liche Mastzellen. 

Besümieren  wir  unsere  histologischen  Befunde,  so  kommen 
wir  zu  folgenden  Schlüssen:  Es  handelt  sich  bei  unseren 
Fällen  um  einen  chronisch  yerlaufenden  Ent- 
zündungsprozeß, der  mit  einer  Erweiterung  der 
Papillargefäße  einhergeht  und  einer  nicht  sehr 
hochgradigen  Exsudation  von  Flüssigkeit,  die 
niemals,  weder  in  der  Epidermis,  noch  in  den 
subepidermoidalen  Schichten  in  kleinen  oder 
größeren  Bäumen  sich  ansammelt,  sondern  ledig- 
lich in  einer  stärkeren  Durchfeuchtung  des  Pa- 
pillarkörpers  und  Ödematisierung  der  Epidermis 
besteht,  als  deren  weitere  Folge  die  rasche  Be- 
generierung  der  Epidermis,  die  Parakeratose, 
zu  betrachten  ist. 

Die  weiteren  Entzündungserscheinungen  ma- 
nifestieren sich  in  einer  geringen  Zellvermehrung 
in  demPapillarkörper  und  um  die  Hautdrüsen  her- 
um und  in  einer  Zellemigration  in  dieEpidermis 
und  einer  Zellenanhäufung  zwischen  den  Schich- 
ten der  Hornhaut.  Die  rasche  Begenerierung  der 
Epidermis  läßt  es  nicht  zu  einer  ordentlichen 
Verhornung  kommen,  wodurch  das  Bild  der  Para- 
keratose zustande  kommt 

Dieser  histologische  Befund  ist  von  um  so  größerer  Wichtig- 
keit, als  er  gegen  die  Auffassung  dieser  Erkrankung  als  Ekzem 


]74  Leiner. 

Bpricht,  indem  er  sich  vom  akuten  Ekzem  durch  das  Fehlen 
Yon  Bläschen,  yom  chronischen  Ekzem  durch  die  Bildung 
einer  stark  ausgeprägten  Spongiose  und  Akanthose  unterscheidet ; 
dagegen  hat  er  viel  Ähnlichkeit  mit  einer  chronisch  verlau- 
fenden Dermatitis;  ohne  daß  man  über  die  Zugehörigkeit  der- 
selben ein  sicheres  Urteil  abgeben  konnte.  Wir  haben  es 
mit  einem  exsudativ  entzündlichen  Prozesse  zu 
tun,  der  mit  Gefäfierweiter ung,  ödem  der  Cutis 
und  Epidermis  und  Parakeratose  einhergeht. 

An  der  Hand  der  eben  angeführten  Krankengeschichten 
sehen  wir,  daß  das  Wesentliche  der  Dermatose  ^n  einer 
oberflächlichen  universellen  Entzündung  der 
Haut  mit  nachfolgender  Abschuppung  besteht 
und  daß  dort,  wo  auch  normaler  Weise  die  Talg- 
drüsenansammlung eine  stärkere  ist,  ein  mehr 
seborrhoischer  Typus  des  Krankheitsbildes  zu- 
tage tritt.  Die  Veränderungen  an  der  Kopfhaut  und  im 
Gesichte  gleichen  jenen,  die  allgemein  und  neuerdings  von 
Unna  wieder  als  1.  Stadium  des  seborrhoischen  Ekzems  be- 
zeichnet werden. 

Die  Veränderungen,  die  zuweilen  am  Stamme  sich  zeigen, 
die  primären  Effloreszenzen,  die  zu  Plaques  zusammenfließen 
können,  ähneln  zwar  den  verschiedenen  T^pen  des  sebor- 
rhoischen Ekzems,  ohne  mit  ihnen  aber  völlig  identisch  zu  sein. 
Charakteristisch  für  das  seborrhoische  Ekzem  sind  nach  Unna 
die  Einzelherde,  ihre  weiteren  Entwicklungsformen  und  die 
Bevorzugung  gewisser  Körperpartien  als  Lieblingslokalisationen. 
Die  am  öftesten  betroffenen  Stellen  sind  nach  Unna  die 
Sternalgegend,  die  Haut  zwischen  den  Schulterblättern,  die 
Nabelgegend  und  die  Inguinalfalten. 

Es  kommt  hier  zur  Bildung  von  rundlichen  Scheiben 
oder  Flecken  von  gelbroter  Farbe,  mit  fettigen  Schuppen  be- 
deckt, deren  Randzone  häufig  von  kleinen  akneiformen  Knöt- 
chen gebildet  wird;  mitunter  ist  die  Bandpartie  mit  feinen 
Krusten  bedeckt,  nach  deren  Entfernung  eine  feine  Inzisur 
sichtbar  wird.  (Typus  circumcisus  Unnas.)  Durch  Ineinander- 
fließen benachbarter  Stellen  entstehen  dann  begrenzte  serpiginöse 
Herde,   deren    Randpartien  dasselbe  Aussehen    zeigen    können, 


über  Erythrodermia  desqaamativa  eto.  175 

wie  die  runden  Erkrankungsherde,  während  die  zentralen  Teile 
etwas  eingesunken,  glatt  und  eigentümlich  gelb  erscheinen. 
(I^us  petaloides  Unnas.) 

Zu  diesen  ausgesprochenen  typischen  Primärherden  kam 
es  in  unseren  Fällen  allerdings  nur  an  der  Stirne,  während 
am  Stamme  und  in  den  oberen  Extremitäten  nur  hie  und  da 
yereinzelt  stehende  oder  zu  kleinen  Scheiben  konfluierte  aknei- 
forme  mit  Schuppchen  belegte  Effloreszenzen  sichtbar  waren, 
die  alsbald  in  dem  Bilde  der  di£Fu8en  Dermatitis  aufgingen 
und  nicht  mehr  als  Primäreffloreszenzen  erkenntlich  waren. 
In  seiner  universellen  Ausbreitung  erinnert  unsere  Dermatose 
am  ehesten  an  das  von  Unna  als  eczema  seborrhoicum  ex- 
foliatiyum  nuüignum  beschriebene  Krankheiisbild.  Dieser  Typus 
des  seborrhoischen  Ekzems  stellt  (nach  Unna)  einen  seltenen 
und  sehr  gefahrlichen  Ausgang  des  Ekzems  dar,  welcher  sich 
a US  Terschiedenen Ekzemformen,  dem psoriatiformen,  dem 
Ekzema  erythemato*pityrodes  und  auch  aus  dem  ver- 
ruoösen  Ekzem  herausbilden  kann,  besonders  dann,  wenn  die 
Haut  durch  stark  reizende  therapeutische  Mittel  irritiert  wird. 
Es  entsteht '  dann  jener  Zustand  der  Haut,  der  als  Dermatitis 
exfoliativa  oder  auch  als  Pityriasis  rubra  von  Unna  beschrieben 
wurde  und  nicht  leicht  wieder  rückgängig  zu  machen  ist,  viel- 
mehr nach  jahrelangem  Bestände  gewöhnlich  in  die  atrophische 
Form  des  seborrhoischen  Ekzems  übergeht.  Im  Anschlüsse  an 
die  Un nasche  Beschreibung  ging  meine  Auffassung  über  das 
von  mir  beobachtete  Krankheitsbild  zunächst  dahin,  daß  wir 
in  demselben  eine  eigene  Form  des  seborrhoischen  Ekzems 
im  Säuglingsalter  vor  uns  haben,  wofür  manche  Momente  zu 
sprechen  scheinen,  einmal  der  seborrhoische  Typus  auf  der 
behaarten  Kopfhaut  und  dann  die  bei  einzelnen  Fällen  be- 
obachteten Plaques  am  Stamme  und  den  Extremitäten,  anderer- 
seits auch  der  Umstand,  daß  ich  in  der  Ldteratur  einen  Fall 
(Brustkind)  vorfand,  der  völlig  das  von  mir  beschriebene 
Krankheitsbild  zeigt  und  den  Barthelemy  in  der  Societe 
de  Dermatologie  für  ein  seborrhoisches  Ekzem  erklärte. 

Diese  meine  ursprüngliche  Ansicht  habe  ich  insbesonders 
auf  Grund  der  histologischen  Befunde,  die  keineswegs  dem 
Ekzem  entsprechen,  nunmehr  fallen  lassen. 


176  Leiner. 

Diese  ergaben  nämlich  nicht  die  Trias  der  Akanthose, 
Spongiose  und  Parakeratose,  sondern  als  primäre  Verändenmg 
mehr  die  Entzündung  in  der  Catis,  als  deren  Folge  die  weiteren 
Veränderungen  in  der  Epidermis,  die  Entzündung  und  Para- 
keratose sich  zu  entwickeln  scheinen,  während  die  Spongiose, 
die  ja  namentlich  bei  den  Säuglingsekzemen  besonders  ausge- 
prägt ist,  immer  gefehlt  hat.  Dieser  histologische  Befund  im 
Verein  mit  der  klinischen  Beobachtung  einer  Reihe  von  Fällen, 
bei  denen  es  ohne  Primäreffloreszenzen  zu  einer  Dermatitis 
am  Stamme  nach  Art  eines  Exanthems  kam,  die  sich  univer- 
sell ohne  die  geringste  Eruption  einer  Ekzemform  ausbreitete, 
femer  der  Umstand,  daß  selbst  beim  Bestehen  von  Primär- 
effloreszenzen  die  Lieblingsstellen  des  seborrhoischen  Ekzems 
nicht  eingehalten  werden  und  daß  diese  Herde  am  Stamme 
nicht  ganz  dem  beim  seborrhoischen  Ekzem  vorhandenen 
gleichen,  alle  diese  Umstände  sprechen  dafür,  daß  wir  hier 
ein  von  dem  seborrhoischen  Ekzem  differentes  Krankheitsbild 
vor  uns  haben,  das  ich  auf  Grund  seiner  Hauptcharaktere, 
der  mit  Schuppung  einhergehenden  leichten  Entzündung  als 
Erythrodermia  desquamatiya  bezeichnen  möchte  und 
das  vielleicht  jener  Ejrankheitsgruppe  anzuschließen  wäre,  die 
von  den  Franzosen  Brocq,  Vidal  und  Besnier  als  Erythro- 
dermies  exfoliantes  generalisees  beschrieben  wurden.  Unter 
dieser  Bezeichnung  fassen  diese  Autoren  eine  Reihe  von  Hant- 
krankheiten zusammen,  die  als  gemeinsame  Charaktere  1.  eine 
mehr  weniger  tief  gehende  entzündliche  Veränderung  der  Haut- 
decke, 2.  eine  trockene  Desquamation  und  3.  eine  stetige 
Generalisation  des  Prozesses  aufweisen.  Es  kann  sich  hier 
entweder  um  sekundäre  Zustände  handeln,  die  sich  an  eine 
primäre  Hauterkrankung,  Ekzem,  Psoriasis  u.  s.  w.  anschließen 
oder  um  idiopathische  Dermatosen,  bei  denen  es  ohne  typische 
Primäreffloreszenzen  zur  Entwicklung  des  charakteristischen 
Sjrankheitsbildes  kommt  Zu  diesen  idiopathischen  Erythro- 
dermien rechnen  die  Franzosen  die  Pityriasis  rubra  Hebra, 
das  Erythema  scarlatinforme  recidivans  und  die  Dermatite 
ezfoliatrice  idiopathique  Vidal-Brocq.  Ich  halte  es  nun 
für  höchstwahrscheinlich,  daß  auch  das  von  mir 
beobachtete    Erankheitsbild    eine    idiopathische 


Ober  Erythrodermia  desquamativa  etc.  177 

Erythrodermie  darstellt,  die  sich  durch  die  fet- 
tige Beschaffenheit  der  Schuppen  im  Beginne  der 
Erkrankung  durch  das  Fehlen  des  atrophischen 
Stadiums  und  das  Vorherrschen  im  Säuglings- 
alter charakterisiert.  Komplikationen  von  Seiten 
der  Haut  treten  nur  selten  auf;  so  konnten  wir  nur  zweimal 
eine  leichte  Furunkulose  beobachten,  die  sich  aber  erst  im 
Stadium  der  Abheilung  der  Dermatose  entwickelte.  Die  Selten- 
heit der  Hautkomplikationen  ist  vielleicht  dadurch  zu  erklären, 
daß  durch  den  raschen  steten  Wechsel  der  obersten  Epithel- 
schuppen auch  die  Bakterien  nicht  genügend  Zeit  zur  An- 
siedlung  finden,  resp.  mit  den  Schuppen  immer  wieder  ent- 
fernt werden.  Dies  ist  wahrscheinlich  auch  der  Grund,  daß 
wir  niemals  eine  stärker  entzändliche  Drüsenschwellung  be- 
obachten konnten.  Unter  den  übrigen  Organen  ist  besonders 
das  Mittelohr  recht  häufig  an  dem  Erankheitsprozesse  mitbe- 
teiligt. In  einer  ganzen  Reihe  you  Fällen  kam  es  namentlich 
bei  mehr  chronischem  Verlaufe  der  Hauterkrankung  zu  eitrigen 
Entzündungen  des  Mittelohres  und  zwar  nicht  nur  bei  Fällen, 
die  ad  exitum  führten,  sondern  auch  bei  vielen  anderen,  die 
zur  Heilung  gebracht  wurden. 

Diese  Komplikation  ist  von  Bedeutung  für  das  Allgemein- 
befinden des  Kindes,  das  durch  dieselbe  oft  verschlechtert 
wird ;  plötzliche  Fiebersteigerungen,  Unruhe  und  Schlaflosigkeit 
sind  darauf  zurückzuführen  und  lassen  sich  durch  Vornahme 
einer  Paracentese  oft  rasch  beheben. 

Unser  weiteres  Interesse  beschäftigt  sich  mit  der  wichti- 
gen Frage  der  Ätiologie,  welche  Momente  für  dieselbe  in 
Betracht  kommen  und  ob  wir  die  Dermatose  als  eine  Folge 
von  exogenen  oder  endogenen  Ursachen  ansehen  können.  Als 
exogene  Ursache  kämen  in  erster  Linie  Bakte- 
rien in  Betracht,  von  denen  wir  ja  heute  wissen,  daß  sie 
in  der  Ätiologie  mancher  Dermatose  eine  besondere  Rolle 
spielen.  (Pemphigus  neonatorum,  Dermatitis  exfoliativa  Ritter, 
Ecthyma  gangraenosum.  Mykosen).  Ich  ging  nun  zunächst 
daran,  mich  über  die  Bakterienflora  der  äußeren  Hautdecke 
unserer  Patienten  zu  orientieren  und  mein  Augenmerk  darauf 
zu  richten,   ob  wir  hier  gewisse  Abweichungen  von  der  Norm, 

Areh.  f.  Dennat.  n.  Syph.  Bd.  LZXXIX.  12 


178  Leiner. 

Vorherrschen  einer  besonderen  Bakterienart  konstatieren  konn* 
ten.  Sowohl  die  Schoppenlamellen  als  auch  die  danmter- 
liegende  Haut  wurden  zur  bakteriologischen  Un  ersuchung 
herangezogen. 

In  den  nach  Oram  gefärbten  mikroskopischen  Präpa- 
raten, die  durch  Verreibung  der  Lamellen  auf  Objektträgern 
hergestellt  wurden,  fanden  sich  fast  nur  Epithelzellen,  äußerst 
spärliche  Leukocyten  und  yerhaltnismäBig  wenige  Mikroorga- 
nismen, unter  welchen  Oram  positire  Kokken  einzeln  ge- 
lagert zu  zweien  oder  auch  zu  kleinen  Haufen  gruppiert,  vor- 
herrschend waren,  während  nur  äußerst  selten  neben  ihnen  auch 
Oram  positive  Stäbchen  sich  vorfanden.  Pilzfaden  konnten 
in  keinem  der  gefärbten  (Löfflers  Methylenblau)  noch  in  den 
nativen  mit  Kalilauge  aufgehellten  Präparaten  gefunden  werden. 

In  3  meiner  Fälle,  die  sich  schon  bei  der  äußeren  Be- 
trachtung durch  eine  auffallend  aromatisch  riechende  schmie- 
rige Auflagerung  in  den  Achselhöhlen  und  eine  feuchtgrünliche 
Verfärbung  der  der  Haut  an  diesen  Stellen  anliegenden  Kleidungs- 
stücke auszeichneten,  waren  in  den  Präparaten  von  diesen 
Stellen  neben  den  Kokken  reichliche  Stäbchen  zu  sehen,  die 
aber  am  Stamme  und  den  Extremitäten  nicht  mehr  zu  finden 
waren.  Die  Kulturen  von  diesen  Stellen  ergaben  reichlichst 
Pyocyaneusbazillen. 

Die  Lamellen  vom  Stamme  wurden  zur  kulturellen  Unter- 
suchung in  Bouillon  verrieben  und  dann  auf  Agarplatten  ver- 
strichen. Auf  denselben  kam  es  fast  ausschließlich  zum 
Wachstum  einer  Kolonienart,  die  vollständig  dem  Staphylo- 
coccus  albus  entsprach;  nur  in  vereinzelten  Kolonien  konnte 
auch  bisweilen  der  Staphylococcus  aureus  oder  der  Bazillus 
pseudodiphtheriae  nachgewiesen  werden.  Dasselbe  Resultat  ergab 
auch  die  Untersuchung  der  Haut  nach  Ablösen  der  Schuppen; 
nur  schienen  hier  die  Bakterien  in  spärlicherer  Menge  vor- 
handen zu  sein,  als  in  den  Schuppen  selbst. 

In  den  nach  Weigert-Oram  gefärbten  histologischen 
Schnitten  von  diesen  Hautstellen  haben  wir  nie  Bakterien 
nachweisen  können.  Es  steht  dies  völlig  in  Einklang  mit  dem 
klinischen  Bilde,  das  ja  im  wesentlichen  in  einem  mehr  trok- 
kenen  Katarrh  besteht  und  bei  dem  es  nie  zu  tiefgehenden 


Ober  Erythrodermia  desquamativa  etc.  179 

Veränderungen  der  Epidermis,  zu  Erosionen  oder  Mazerationen 
gekommen  ist  Alle  diese  Momente,  der  histologische 
Befund,  das  klinische  Bild  und  das  Resultat  der 
bakteriologischen  Untersuchung,  das  die  gewöhn- 
lichen Hautsaprophyten  in  spärlicher  Menge  nur 
der  obersten  Hornschichte  aufgelagert  ergeben 
hat,  sprechen  gegen  jede  kausale  exogene  Be- 
deutung der  Bakterien  für  unsere  Dermatose. 

Auch  für  die  Annahme  einer  bakteriellen 
endogenen  Infektion  nach  Analogie  der  septischen 
Erytheme  fehlt  jeder  Anhaltspunkt.  Schon  der 
Beginn  der  Erkrankung,  der  ohne  Störung  des  Allgemeinbe- 
findens ohne  Temperaturerhöhung  einsetzt,  spricht  gegen  jede 
Art  von  septischer  Infektion  und  auch  im  weiteren  Verlaufe 
der  Erkrankung  lassen  sich  absolut  keine  Symptome  erkennen, 
die  eine  Stütze  für  diese  Annahme  abgeben  könnten. 

Auch  die  AuEfassung  von  Unna  für  das  Eczema  sebor- 
rboicum  cxfoliatiyum  malignum,  das  er  für  eine  sekundäre 
Dermatitis  nach  vorhergegangener  starker  Reizung  der  Ekzem- 
haut hält,  läßt  sich  für  unsere  Fälle  nicht  verwerten.  Abge- 
sehen davon,  daß  hier  von  einer  Applikation  reizender  Salben 
immer  Abstand  genommen  wird,  spricht  auch  der  rasche  diffuse 
Verlauf  ohne  vorhergehende  besondere  Anfangstypen  gegen  die 
Ansicht,  daß  bei  unseren  Patienten  eine  sekundäre  Dermatitis 
im  Sinne  Unnas  oder  Brocqs  vorliegen  sollte. 

Das  ganze  Erankheitsbild,  der  Beginn  sowohl 
als  auch  der  weitere  Verlauf  weisen  daraufhin, 
daß  wir  es  hier  mit  einer  idiopathischen  tlaut- 
erkrankung  zu  tun  haben,  für  welche  die  Auf- 
fassung als  au totoxisches  Erythem  noch  am  wahr- 
scheinlichsten erscheint. 

Die  in  keinem  der  Fälle  fehlende  Darmstörung  gibt  uns 
einen  Fingerzeig  ab,  daß  in  den  Störungen  des  Darmtraktes 
möglicherweise  die  Ursache  für  die  Hauterkrankung  gelegen 
ist.  Hierfür  scheint  schon  der  Umstand  zu  sprechen,  daß  bei 
den  meisten  Fällen  bereits  vor  dem  Ausbruch  der  Hauter- 
krankung Darmsymptome  vorhanden  sind,  gewissermaßen  die 
Erkrankung  einleiten  und  daß  sie   während   des  ganzen  Ver- 

12* 


180  Leiner. 

laofes  derselben  anhalten,  ja  daß  eine  Zunahme  der  Darm- 
Störung  anch  eine  Verschlechtemng  der  Hauterkrankung  zur 
Folge  zu  haben  scheint. 

Wir  haben  bereits  berrorgehoben,  daß  fast  ausschlieBh'ch 
Brustkinder  Ton  der  Erkrankung  betroffen  werden  und  zwar 
handelt  es  sich  immer  um  Kinder,  die  in  unregelmäßiger  Weise 
genährt  werden.  Nicht  so  sehr  die  übergroßen  Mengen  der 
Einzelmahlzeiten,  als  vielmehr  zu  häufige  Mahlzeiten  waren 
bei  unseren  Fällen  immer  zu  konstatieren.  Trotz  dieser  un- 
regelmäßigen Ernährung  waren  die  von  uns  beobachteten 
Kinder  nur  ausnahms weise  auffitUend  dicke  Kinder«  größten- 
teils zeigte  sich  die  Schädigung  der  Überernährung  schon 
darin,  daß  die  Gewichtszunahme  der  Kinder  häufig  hinter  der 
Norm  zurückblieb  und  besonders  nach  Ausbruch  der  Er- 
krankung ein  Gewichtsstillstand,  oft  auch  ein  Gewichtsrück- 
gang sich  einstellte.  Auch  die  Darmstörungen,  die  in  keinem 
der  Fälle  fehlten,  sind  vielleicht  als  Beweis  eines  vorliegenden 
Milchnährschadens  aufzufassen. 

In  unseren  Fällen  ist  die  Schädigung  eine  hochgradige, 
ein  nicht  unbeträchtlicher  Teil  endet  trotz  Brustnahrung  mit 
dem  Tode.  Unsere  klinischen  Beobachtungen  scheinen  zum 
Teil  direkt  darauf  hinzuweisen,  daß  die  Brustnahrung  eine  be- 
sondere ätiologische  Rolle  für  die  Entstehung  der  Dermatose  spielt. 

So  hatte  ich  Grelegenheit  ein  Zwillingspaar  zu  sehen,  das 
von  der  Mutter  gestillt  wurde  und  an  Erythrodermia  des- 
quamativa  erkrankte.  Des  besonderen  Interesses  halber  seien 
die  Krankengeschichten  dieser  beiden  Kinder  kurz  angeführt. 

W.  Rom  und  W.  Marie,  87,  Mon.  (Brattkinder),  16./I[I.  1903  zam 
ersten  Male  im  Spital  vorgestellt.  Die  ADamnese  ergab,  dafi  W.  R.  seit 
Wochen  an  Diarrhoen  leidet;  die  Stühle  sind  dünnflüssig,  manchmal  grün 
▼erfarbt;  bei  W.  M.  sind  die  Darmstörnngen  weniger  heftig;  kein  Erbrechen. 

Im  Alter  von  6  Wochen  begann  der  Ausschlag  bei  beiden  Kindern, 
mit  Rötung  am  Halse,  die  sich  über  den  ganzen  Körper  ausbreitete.  Bei 
der  Vorstellung  war  die  ganze  Körperhant  in  typischer  Weise  ver&ndert. 
Der  Stamm  und  die  Extremitäten  waren  mit  groß-  und  kleinlamellösen 
trockenen  Schuppen,  der  Kopf  mehr  mit  seborrhoischen  Borken  bedeckt ; 
in  den  Qelenksfalten  fehlte  jede  Schuppenauflagerung,  die  Haut  war  feucht, 
rot  glänzend. 

Das  Körpergewicht  im  Beginne  der  Behandlung  bei  der  W.  B.  be- 
trug 2850  ^,  das  Körpergewicht  im  Beginne  der  Behandlung  bei  der 
W.  M.  betrug  4600  g. 


über  Erythrodermia  desqaamativa  etc.  181 

Nach  mehr  als  zweimonatlicher  Behandlang  trat  bei  den  Kindern 
▼öllige  Heilang  ein.  An  die  Beobachtung  reiht  eich  eine  andere,  nicht 
minder  interessante.  Zwei  aufeinander  folgende  Kinder,  die  von  derselben 
Matter  gen&hrt  wurden,  erkrankten  im  Alter  von  6  Wochen  an  der 
universellen  Dermatose  und  starben  beide  nach  mehrwöohentlicher  Krank - 
heitsdauer  unter  den  Symptomen  eines  schweren  Darmkatarrhs,  wobei 
die  Hauterkrankung  die  früher  beschriebenen  typischen  Yerinderungen 
zeigte.  (Das  eine  der  Kinder  wurde  von  mir  in  der  Gesellschaft  ffir 
Dermatologie  1908  als  Eczema  universale  seborrhoicum  demonstriert) 

Diese  eventaelle  ätiologische  Bedeutung  der  Brustnahrung 
ließe  sich  vielleicht  auch  auf  experimentellem  Wege  beweisen, 
indem  wir  an  die  Brust  einer  Frau,  deren  Kind  an  Erythro- 
dermia desquamativa  erkrankt  ist,  ein  anderes  bisher  TöUig 
gesundes  Kind  legten,  um  zu  sehen,  ob  durch  länger  fortge- 
setzte, in  dieser  Weise  geänderte  Brustnahrung  der  Ausbruch 
der  Dermatose  provoziert  werden  könnte. 

Auch  unsere  therapeutischen  Effekte,  auf  die  ich  noch 
später  zu  sprechen  kommen  werde,  sprechen  zum  Teile  dafür, 
daß  in  der  Ernährung  ein  wichtiger  Faktor  für  die  Ätiologie 
der  Erkrankung  gelegen  sei,  da  wir  bei  manchen  Fällen  durch 
Änderung  der  Nahrung  eine  rasche  Besserung  der  Haut-  und 
Darmerkrankung  erzielen  konnten.  Die  Frage,  ob  nicht  auch 
andere  Momente  bei  der  Ätiologie  eine  Rolle  spielen,  will  ich 
sicher  nicht  verneinen,  um  so  mehr,  als  unsere  bisherigen 
chemischen  Untersuchungen  der  Milch  solcher  Frauen  zu  keinem 
von  dem  Normalen  abweichenden  Resultate  fährten,  besonders 
aber  niemals  einen  erhöhten  Fettgehalt  ergaben,  der  von  manchen 
Autoren  als  Ursache  von  Darmstörungen  und  Haütsymptomen 
angesehen  wird.  Hier  käme  in  erster  Linie  noch  eine  ange- 
borene Anomalie  in  Betracht,  wie  sie  G  z  e  r  n  y  bei  seiner 
exsudativen  Diathese  annimmt,  die  zu  Darmstörungen,  zu 
Störungen  des  Stoffwechsels  disponiert,  welche  dann  weiterhin 
die  Entstehung  der  Dermatose  znr  Folge  haben. 

Diese  Stoffwechselstörungen  mußten  aber  ganz  spezifische 
sein,  different  Ton  jenen  bei  künstlicher  Ernährung,  da  es 
sonst  nicht  verständlich  wäre,  warum  £ftst  ausschließlich  Brust- 
kinder an  der  Dermatose  erkranken,  während  kunstlich  ge- 
nährte fast  immer  Terschont  bleiben.  Daß  auch  vereinzelte 
künstlich    genährte  Kinder    an    dieser  Dermatose    erkranken, 


182  Lein  er. 

spräche  im  allgemeinen  nicht  gegen  die  Bedeutung  der  Er- 
nährung für  die  Ätiologie  der  Erkrankung,  da  es  unter  gewissen 
allerdings  seltenen  Umständen  auch  bei  künstlicher  Ernährung 
zur  Entstehung  derselben  schädlichen  Stoffwechselprodukte 
kommen  kann,  wie  bei  der  natürlichen.  Bei  der  Differential- 
diagnose kommen  alle  jene  Hauterkrankungen  in  Betracht, 
die  im  frühen  Säuglingsalter  als  eventuell  universelle  Deima- 
tosen  bekannt  sind.  Hierher  geholt  an  erster  Stelle  die  von 
Ritter  beschriebene  Dermatitis  exfoliativa,  die 
nach  unserer  Auffassung  die  schwerste  Form  des  Pemphigus 
contagiosus  neonatorum  ist.  Wenn  wir  uns  das  Wesentliche 
dieser  Erkrankung  in  Erinnerung  bringen,  so  besteht  dasselbe 
darin,  daß  es  zunächst  zu  einer  von  der  Mundspalte  ausgehenden 
und  über  den  ganzen  Körper  sich  verbreitenden  Rötung  und 
Turgeszenz  der  Haut  kommt,  wobei  die  Hyperämie,  beziehungs- 
weise die  Exsudation  so  hochgradig  sein  kann,  daß  weite  Be- 
zirke der  Epidermis  von  der  Cutis  direkt  abgehoben  werden. 
Diese  Unterspüluog  der  Epidermis  durch  ein  flüssiges  Exsudat 
erklärt  ein  geradezu  iür  diese  Krankheit  charakteristisches 
Symptom;  die  leichte  Loslösung  der  Epidermis  oder,  wie  wir 
es  jetzt  bezeichnen,  die  Epidermolysis. 

Diese  Loslösuug  der  Epidermis  kann  durch  die  leichtesten 
Hauttraumen  erfolgen  und  sukzessive  den  ganzen  Körper  be- 
treffen, so  daß  die  Kinder  in  diesem  Stadium  das  Aussehen 
wie  nach  einer  Verbrühung  aufweisen.  An  den  Händen  und 
Füßen  läßt  sich  die  Haut  handschubfingerähnlich  loslösen. 
Frisch  nach  der  Abstoßung  ist  die  bloßüegeude  Cutis  dunkelrot 
und  wird  erst  nach  und  nach  trockener,  mattrot,  wobei  sie 
sich  mit  feinen  Borken  zu  bedecken  pflegt. 

Dieses  Stadium  bezeichnet  Ritter  als  Exsikkations- 
Stadium. 

Nimmt  die  Krankheit  einen  ungünstigen  Verlauf;  so  wird 
die  Haut  pergamentartig  trocken,  während  sie  in  günstig  ver- 
laufenden Fällen  rasch  abblaßt  und  sich  mit  staub-  und  kleien- 
förmigen  Schuppen  bedeckt  und  innerhalb  ganz  kurzer  Zeit, 
mitunter  schon  in  24 — 36  Stunden  das  Aussehen  der  normalen 
Haut  wieder  erlangt  hat.  Der  Verlauf  der  Krankheit  von  den 
ersten  Spuren  des  Ausbruches  bis  zur  Wiederherstellung  dauert 


Ober  Erythrodermia  desqnamativa  etc.  183 

Bach  Ritter  7 — 10  Tage.  Zu  den  auffälligsten  Erscheinungen 
des  Erankheitsbildes  gehört  nach  Ritter  die  Verdickung, 
Mazerierung  und  Losschälung  der  Oberhaut  im  ganzen  Um- 
fange oder  im  größten  Teile  der  Oberfläche  des  Körpers. 
Wenn  wir  uns  nun  die  von  mir  beschriebene  Derma- 
tose vor  Auge  halten,  so  ist  die  Differential- 
diagnose gegenüber  der  Ritterschen  Dermatitis 
leicht  zu  stellen. 

Vor  allem  kommt  es  in  unseren  FäUen  nie  zu  einer  Exsu- 
dation unter  die  Epidermis,  nie  zu  einer  Loslösung  derselben 
von  der  Cutis.  Erst  dann,  wenn  die  Dermatitis  Ritter  in 
das  Heilnngsstadium  übergeht,  sich  die  Haut  mit  dünnen  Borken 
bedeckt  hat,  ist  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  unserer  Dermatose 
vorhanden ;  doch  hat  gerade  dieses  Stadium  nichts  Spezifisches 
für  die  Ritt  er  sehe  Krankheit.  Abgesehen  davon,  sind  beide 
Krankheiten  leicht  von  einander  dadurch  zu  unterscheiden  und 
zn  trennen,  daß  es  bei  unserer  Dermatose  immer  zu  sebor- 
rhoischen Veränderungen  auf  der  Kopfhaut  und  im  Gesichte 
kommt,  während  bei  der  Ritterschen  Krankheit  dies  nie  der 
Fall  ist,  ja  nicht  einmal  bei  den  Varietäten  des  Krankheits- 
bildes angeführt  wird,  trotzdem  Ritter  mehr  als  200  Fälle 
von  exfol.  Dermatitis  gesehen  hat.  Auch  die  Krankheitsdauer 
wäre  noch  bei  der  Dijfferentialdiagnose  hervorzuheben,  indem 
es  sich  bei  unserer  Dermatose  um  eine  mehr  chronische,  bei 
der  Ritterschen  immer  um  eine  akute  Hauterkrankung  handelt. 

Es  ist  die  genaue  Differenzierung  beider  Krankheiten 
schon  deshalb  von  Bedeutung,  weil  ich  in  der  Literatur  über 
vereinzelte  Fälle  Angaben  fand,  die  das  von  mir  beschriebene 
Krankheitsbild  betreffen,  von  den  Autoren  aber  als  Dermatitis 
exfoliativa  Ritter  beschrieben  wurden.  EUerher  gehört  vor  allem 
der  Fall  Luithlens.  Es  handelte  sich  um  ein  schwaches, 
abgemagertes  Kind,  das  im  Alter  von  acht  Tagen  in  die  Findel- 
anstalt (Wien)  aufgenommen  wurde  und  bei  dem  im  Alter  von 
5  Wochen  (13.  Nov.  1897)  die  Krankheit  mit  Intertrigo  am 
Nacken  begann  und  innerhalb  weniger  Tage  zu  einer  diffusen 
Rötung  und  Abschuppung  am  ganzen  Körper  führte. 

Die  BeBchreibong  des  Falles  ist  nach  Luithlen  folgende:  auf  der 
geröteten  und  verdickten  Hant  sind  gelblich-weiBe  oder  opake  scbnppen- 
artige,    blätterig   faltige   Auflagerungen    vorbanden,    die    der    Unterlage 


1S4  Leiner. 

entweder  uiUegen,  Ton  Schoppen  nnd  Furchen  darohsetEt  sind  oder  als 
Tersehieden  große,  von  der  Unterlage  oft  mascheiförmig  abgehobene  Aof- 
lagenxngen  sich  darstellen.  Meist  hängen  sie  lose  mit  der  Unterlage  sn- 
sammen,  sind  nicht  abstreif  bar,  vrie  sonst  eine  Eraste  oder  Borke,  sondern 
reißen  meist  von  einer  noch  der  Unterlage  aufliegenden  Partie  ab,  welche 
sich  dann  ausammenfaltet  und  aufrollt.  Beim  Yerreiben  swischen  den 
Fingern  f&hlen  sich  die  Auflagerangen  fettig  an.  Das  Gesicht  des  Kindes 
ist  dunkelrot;  die  Haut  um  die  Nasenöffnungen,  die  Lider,  die  Lippen 
sind  verdickt.  Rhagaden.  Am  Gapillitium  ist  die  Haut  gerötet,  ebenfalls 
mit  schuppigen  Auflagerungen  bedeckt.  Am  stärksten  ist  die  Veränderung 
der  Haut  am  Halse  und  Thorax;  hier  hat  man  den  Eindruck,  daß  die 
auflagernden  Schuppen  serös  durchtränkt  sind  oder  unter  ihnen  noch  eine 
Ezsudatschichte  sei,  da  hier  dieselben  beim  Bef&hlen  eine  besonders 
weiche,  welke  Konsistenz  haben,  aa  Tereinselten  Stellen  auch  blasenartige, 
aber  nicht  scharf  begrenzte,  schlaffe  Yerwölbungen  sind  und  die  Auf- 
lagerungen sich  beim  leisesten  Darüberstreifen  in  großen  Fetzen  ablösen, 
worauf  die  rote  Unterlage  zu  Tage  tritt.  In  der  folgenden  Zeit  wurde  die 
Rötung  der  Haut  allmählich  geringer,  während  die  Abschuppung  in  dem- 
selben Maße  weiter  bestand.  Später  verringerte  sich  auch  diese  an  ein- 
zelnen Körperpartien.  Am  Hals  und  Thorax  bestand  die  Sohuppenbildung 
bis  zum  Tode  (12.  Dezember  1897). 

Todesursache:  Enterocatarrh  chronicus. 

In  diesem  Falle  ist  es  analog  unseren  Fällen  zu  einer 
über  den  ganzen  Körper  sich  ausbreitenden  Rötung  gekommen, 
die  alsbald  zur  Abschuppung  führte,  ohne  daß  vorher  durch 
Exsudation  eine  Losschälung  der  Epidermis  von  der  Cutis  ein- 
getreten war,  die  doch  als  Hauptsymptom  der  Ritterschen 
Erkrankung  anzusehen  ist.  Auch  weitere  Momente,  die  sebor- 
rhoischen Veränderungen  der  Kopfhaut,  die  lange  Krankheits- 
dauer lassen  es  uns  berechtigt  erscheinen,  diesen  Fall  nicht  als 
Dermatitis  exfoliativa  Ritter  aufzufassen,  worauf  Knöpfel- 
macher und  ich  in  einer  gemeinsamen  Arbeit  über  „Derma- 
titis exfoliativa  neonatorum **  schon  hingewiesen  haben,  sondern 
ihn  dem  von  mir  beschriebenen  Krankheitsbilde  anzuschließen. 
Dasselbe  gilt  auch  von  dem  zweiten,  allerdings  in  Kürze  er- 
wähnten Fall  von  Dermatitis  Ritter,  den  Luithlen  in  der- 
selben Arbeit  anführt  Auch  in  der  in  das  Handbuch  für 
Kinderkrankheiten  (Pfaundler,  Schossmann)  aufgenommen  Ab- 
bildung eines  leichten  Falles  von  Dermatitis  exf.  Ritter  Tafel  59 
glaube  ich  unsere  Säuglingsdermatose  wiedererkennen  zu  können. 

Wenn  vrir  diese  Abbildung  mit  dem  Bilde  Fig.  201  des- 
selben Handbuches  vergleichen,  so  sind  die  Differenzen  beider 


über  Erythrodermia  desqaamativa  etc.  185 

Erankheitsbilder  deutlich  ersichtlich.  Als  zweite  Derma- 
tose, die  bei  der  Differentialdiagnose  in  Betracht 
kommen  kann,  möchte  ich  das  Ekzem  anführen, 
das  in  manchen  Fallen  ebenfalls  eine  universelle  Ausbreitung 
nehmen  kann.  Eine  gewisse  Ähnlichkeit  beider  Erkrankungen 
ist  dann  nicht  zu  leugnen.  Bei  Beachtung  des  Umstandes,  daß 
es  bei  der  Erythrodermia  desquamativa  niemals  zur  Eruption 
Ton  juckenden  Knötchen,  Bläschen,  Pusteln  kommt^  während 
dies  immer  bei  den  Ekzemen  der  Fall  ist,  ist  die  Differen- 
zierung beider  Krankheiten  nicht  schwer.  Nur  an  den  Kontakt- 
stellen der  Hautflächen  ist  die  Veränderung  auch  in  unseren 
Fällen  einem  Ekzema  intertriginosum  nicht  unähnlich.  Hier 
müssen  wir  zur  Differenzierung  das  Verhalten  der  diesen 
Stellen  benachbarten  Hautpartien  heranziehen;  diese  zeigen  in 
unseren  Fällen  nur  das  Bild  einer  schuppenden  Rötung,  während 
bei  dem  eigentlichen  Ekzema  intertriginosum  diese  Partien  mit 
juckenden  Knötchen  oder  Bläschen  bedeckt  sind.  Auch  die 
histologischen  Verschiedenheiten  beider  Affektionen,  insbe- 
sonders  auf  das  Fehlen  einer  eigentlichen  Spongiose  in  unseren 
Fallen,  habe  ich  bereits  früher  hingewiesen.  Nur  selten  kommen 
wir  in  die  Lage,  noch  eine  dritte  Dermatose,  die  Psoriasis, 
bei  der  Differentialdiagnose  in  Betracht  zu  ziehen.  Abgesehen 
davon,  daß  die  Psoriasis  im  frühen  Säuglingsalter  zu  den 
größten  Seltenheiten  gehört,  unterscheidet  sie  sich  von  der 
Erythrodermia  desquamativa  durch  das  Verhalten  der  Primär- 
efiloreszenzen,  die  aus  kleinen  mit  perlmutterglänzenden 
Schuppen  bedeckten  Erhabenheiten  bestehen,  von  denen  sich 
die  Schuppenauflagerung  leicht  abkratzen  läßt,  worauf  eine 
aus  feinen  Punkten  blutende  Fläche  zu  Tage  thtt.  Durch  Kon- 
fluenz  solcher  einzelnstehender  Effloreszenzen  entstehen  größere 
Herde,  die  durch  weiteres  peripheres  Wachstum  große  Haut- 
strecken überziehen  können. 

Auf  diese  Weise  oder  durch  massenhafte  Eruption  kleiner 
Primäreffloreszenzen  kann  es  zur  universellen  Ausbreitung  der 
Psoriasis  kommen.  Bei  der  Erythrodermia  desquamativa  tritt 
dagegen  gegenüber  den  Knötchen-Primäref&oreszenzen  über  den 
ganzen  Körper,  namentlich  am  Stamme  mehr  der  Charakter 
eines  diffus  über  den  Körper  fortschreitenden  Erythems  in  den 


186  Leiner. 

Vordergrund.  In  dem  Stadium  der  uniYersellen  Ausbreitung  ist 
eine  Unterscheidung  beider  Prozesse  durch  das  verschiedene 
Aussehen  der  Schuppenauflagerungen,  die  bei  der  Erythro- 
dermia eine  mehr  fettige  Beschaffenheit  und  gelbliche  Ver- 
färbung zeigen,  bei  der  Psoriasis  dagegen  durch  ihre  Sprödig- 
keit,  Perlmutterglanz  und  intensiv  weiße  Farbe  au&llen.  Eine 
läugere  Beobachtung,  die  Art  des  Abheilens  sichert  am  besten 
die  Diagnose.  Endlich  wäre  bei  der  Difierentialdiagnose  noch 
einer  universellen  Dermatose  Erwähnung  zu  tun,  die  aller- 
dings bis  nun  nicht  im  Kindesalter,  sondern  erst  in  der  spä- 
teren Lebensperiode  zur  Beobachtung  kam. 

Es  ist  dies  die  Pityriasis  rubra,  die  von  Hebra  als 
selbständige  Erkrankung  beschrieben  wurde,  von  den  Fran- 
zosen der  großen  Gruppe  der  ezfoliativen  Erythrodermien  zu- 
gerechnet und  von  Unna  als  eine  Art  des  Eczema  sebor- 
rhoicum  exfoliativum  malignum  aufgefaßt  wird.  Von  der 
Pityriasis  rubra  unterscheidet  sich  die  Erythrodermia  desqua- 
mativa  schon  durch  den  Mangel  eines  besonderen  Juckreizes, 
sowie  durch  die  Art  der  Schuppung,  die  bei  Pityriasis  immer 
kleienförmig  ist  und  endlich  durch  den  Verlauf,  der  bei  der 
Pityriasis  auf  Jahre  hinaus  sich  erstreckt,  um  in  das  Stadium 
der  Hautatrophie  überzugehen. 

Unsere  therapeutischen  Maßnahmen  richteten 
sich  in  erster  Reihe  gegen  die  bestehende  geringe  Entzündung 
der  Haut.  Wir  gingen  gewöhnlich  in  der  Weise  vor,  daß  wir 
das  Sind  in  einem  warmen  (26  bis  28®  R.)  Eleienbad  reinigten, 
um  alle  Zersetzungsprodukte,  die  auf  der  Haut,  namentlich  in 
den  Gelenksfalten  angehäuft  waren,  zu  entfernen. 

Hierauf  bedeckten  wir  das  Kind  mit  einer  in  Olivenöl 
eingetauchten  Gaze,  während  wir  auf  Eopf  und  Gesicht  eine 
Ol-  oder  Vaselinmaske  legten.  Nach  täglicher  Reinigung  der 
Haut  mit  Öltupfem  und  zeitweiser  Wiederholung  des  Bades 
setzten  wir  diese  Behandlung  solange  fort,  bis  die  Abschuppung 
nachließ.  War  dies  eingetreten,  so  gingen  wir  zu  Zinkölver- 
bänden,  an  den  Extremitäten  zu  Zinksalbenverbänden  über. 

Diejenigen  Partien,  an  denen  die  Haut  die  Erscheinungen 
eines  feuchten  Katarrhs  zeigte,  suchten  wir  durch  17o  Resorcin- 
wasserumschläge  in  das  trockene  Stadium  zu  überführen.  Sobald 


über  Erythrodermia  desquamativa  etc.  187 

die  Haut  za   schuppen   aufgehört   hatte   und   nur   noch  eine 
Rötung  derselben  bestand,  sahen  wir  von  jeder  Salbenbehand- 
lung ab,   sorgten  nur  für  gründliche  Reinigung  der  Haut  mit 
öl-  und  Benzintupfem    und    nahmen   nun    eine   Talkpuderbe- 
bandluDg  Yor.    Mit  diesen  einfachen  reizlosen  Mitteln  kamen 
wir  in  einer  großen  Zahl  der  Fälle  aus;   nur  ausnahmsweise 
bei   starker   Seborrhoe   des   Kopfes   sahen   wir  uns   genötigt, 
1 — 2%  Schwefelsalben   anzuwenden.    Mit  dieser  äußeren  Be- 
handlung  kombinierten  wir   immer   eine   interne,    die   haupt- 
sächlich in  einer  Regelung  der  Diät  bestand.  Wir  ließen  strenge 
Nahrungspausen  einhalten,  verlängerten  dieselben  bisweilen  auf 
3 — 4  Stunden  und  ersetzten  gewöhnlich  auch  bei  leichten  Fällen 
eine   oder  die  andere   Mahlzeit   durch  künstliche  Mahlzeiten, 
die  in  Reiswassermilchverdünnungen  oder  Buttermilch  bestanden. 
In  schweren  Fällen,   bei  denen  die  Darmsymptome   besondera 
in    den   Vordergrund   getreten    waren,    suchten   wir    zunächst 
durch  strenge  Regelung  der  Diät,  Kalomel  intern  auf  den  Darm- 
katarrh günstig  einzuwirken.  Gelang  das  nicht,  so  nahmen  wir, 
wo   dies  möglich  war,    einen  Ammeuwechsel  vor,    oder  ließen 
an  Stelle  der  Brustnahrung  künstliche  Nahrung  reichen.    Wir 
gingen  so  vor,   daß  wir  den   Kindern  einen   Tag  Reiswasser 
und    späterhin   Reiswassermilchverdünnungen   (2  :  1  oder  auch 
1  : 1)  oder  Buttermilcbnahrung  gaben.    Es  hat  den  Anschein, 
daß  wir  mit  dieser  kombinierten  Behandlung  zur  rechten  Zeit 
eingesetzt  die  Kinder  vor  dem  Übergang  in  das  Stadium  der 
schwersten   Intoxikation   bewahren,  aus   dem   es   nur   in   den 
seltensten  Fällen   eine  Rettung   gibt.    Werden  uns  Kinder  zur 
Behandlung  gebracht,   die  bereits  in  diesem  Stadium  sich  be- 
finden, so  müssen  wir  mit  unseren  therapeutischen  Maßnahmen 
besonders  vorsichtig  sein^   um   dem  Kinde  in  keiner  Weise  zu 
schaden. 

Bäder  sind  in  diesem  Stadium  nicht  mehr  anzuwenden, 
einmal  deshalb,  weil  die  nach  denselben  eintretende  Abkühlung 
für  das  Kind  gefahrlich  werden  könnte  und  dann  auch,  weil 
die  Berührung  der  zahlreichen  Rhagaden  mit  Wasser  bei  dem 
Kinde  eine  Schmerzempfindung  auslöst. 

In  solchen  Fällen  bedecken  wir  die  Haut  mit  in  Kalk- 
wasser-LeinöI   eingetauchte  Lappen   oder   Terbinden   das  Kind 


1 


1  gg  L  e  i  n  e  r. 

mit  einer  Paraffin-Lanolinsalbe.  Der  Ernährung  des  Kindes 
muß  in  diesem  Stadium  ein  besonderes  Augenmerk  zugewendet 
werden.  Ich  habe  öfters  die  Beobachtang  gemacht,  daß  solche 
Kinder  absolut  nicht  imstande  waren  infolge  der  Infiltration 
der  Lippenhaut,  der  Rhagaden  an  denselben,  wozu  noch  die 
allgemeine  Schwäche  kommt,  auch  nur  einige  Gramm  aus  der 
Brust  herauszubekommen.  Es  bleibt  uns,  so  lange  der  Zustand 
des  Kindes  so  schlecht  ist,  nichts  anderes  übrig,  als  demselben 
löffelweise  oder  mit  der  Sonde  die  Nahrung  einzuflößen,  die 
in  Terdünnter  Kuhmilch  oder  Buttermilch  bestehen  kann.  Tritt 
eine  Besserung  im  Befinden  des  Kindes  ein  —  ein  allerdings 
seltenes  Ereignis  —  so  empfiehlt  es  sich  einen  Ammenwechsel 
vorzunehmen. 

Ist  dies  aus  äußeren  Gründen  nicht  möglich,  so  müssen 
wir  Yersuchen,  das  Kind  auf  künstlichem  Wege  zu  ernähren, 
wozu  sich  nach  unserer  Erfahrung  am  besten  Reiswassermilch- 
yerdünnungen  oder  Buttermilch  eignet. 

Wenn  ich  zum  Schlüsse  das  Resultat  meiner  Arbeit  zu- 
sammenfasse, so  stellt  die  von  mir  als  Erythrodermia 
desquamatiTa  bezeichnete  Dermatose  eine  eigen- 
artige universelle  Hauterkrankung  dar,  die  in 
einer  leichten  Entzündung  der  ganzen  Hautdecke, 
einer  Desquamation  der  Epidermis  und  einer 
Seborrhoea  capitis  besteht. 

Diese  Dermatose  ist  eine  echte  Säuglings- 
dermatose,  die  noch  deshalb  ein  besonderes 
Interesse  erregt,  weil  fast  ausschließlich  Brust- 
kinder von  ihr  betroffen  werden,  die  in  einem 
nicht  unbeträchtlichen  Prozentsatze  dieser  Er- 
krankung zum  Opfer   fallen. 

Die  Ätiologie  dieser  Dermatose  läßt  sich 
mit  Sicherheit  noch  nicht  ergründen,  wahr- 
scheinlich handelt  es  sich  um  ein  autotoxisches 
Erythem,  das  mit  den  Darmstörungen  der  Kinder 
in  Zusammenhang  zu  bringen  ist. 

Von  der  Dermatitis  exfoliativa  Ritter  ist 
diese  Dermatose  vollständig  zu  trennen. 


über  Erythrodermia  desquamativa  etc.  189 


Literatur. 

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II.  pag.  956. 


190  Leiner. 


Die  Abbildung  auf  Taf.  VI  stellt  das  Höhestadium  der  Krankheit 
im  Falle  I  dar.       Die  Erklärung  ist  dem  Texte  zu  entnehmen. 


3  B^rul     1  WMX. 


Au  der  pAthologisoh-anatomiaohen  Anstalt  des  st&dtischen 
SrankenliaTues  im  Friedriohshain  zn  Berlin  [Vorstand: 

Frosektor  Br.  L.  Pick]. 


Lymphangio-Endothelioma  cutis 

abdominis. 

Ein  Beitrag  zor  Kenntnis  der  Endotheliome  der  Haat. 

Von 

Dr.  Fritz  Julinsberg  (Berlin). 

(Hje«u  Taf.  VII  u.  Vni.) 


(SohlnB.) 

Ich  beschreibe  in  folgendem  einen  hierher  gehörigen 
Fall,  den  mir  Herr  Prosektor  Dr.  L.  Pick  freundlichst  znr 
Bearbeitung  übergab,  und  der  schon  deswegen  ein  gewißes 
Interesse  verdient,  weil  die  *  Neubildung  nicht,  wie  in  den  eben 
skizzierten  Fällen,  sich  auf  dem  Kopfe  fand,  sondern  hier  eine 
Geschwulst  der  unbehaarten  Haut  vorgelegen  hat. 

Es  handelt  sich  nm  eine  Fraa  von  etwa  50  Jahren,  die  anf  der 
Banchdecke  einen  Tamor  aufwies,  Ober  dessen  Alter  nichts  bekannt  ist. 
Die  Geschwulst  wurde  bei  der  sonst  in  gutem  Gesundheitszustande  befind- 
lichen Frau  von  Herrn  Dr.  Max  Litthauer  (Berlin)  entfernt  und  Herrn 
Dr.  Pick  übersandt. 

Die  Geschwulst  bedeckt  ein  etwa  ovales  Hautfeld  von  7*4  cm  größter 
Länge  und  4*8  em  größter  Breite.  Sie  imponiert,  von  der  Oberfläche 
gesehen,  als  ein  Eonvolut  halbkugeliger,  über  das  Niveau  hervorragender 
Knollen  von  verschiedener  Größe.  Es  ragen  7  derartige  größere  Knollen 
von' durchschnittlich  Haseln aßgröße  über  die  Oberfläche  hervor;  doch 
Einkerbungen  innerhalb  der  Ilalbkugeln  lassen  es  als  sicher  erscheinen, 
daß  ihre  Zahl  eine  größere  ist  und  daß  immer  mehrere  Knötchen  zu  einem 
größeren  Knollen  zusammengedrängt  sind.  Die  Konsistenz  ist  eine  derbe,  etwa 
die  eines  harten  Fibroms.  Die  Farbe  der  Oberfläche  ist  scmutzig-rosa,  stellen- 
weise sind  die  Läppchen  mit  (von  der  Operation  herrührenden^  Blut- 
massen bedeckt.  Eine  Ulzeration  ist  nirgends  vorhanden. 


192  Juliasberg. 

Auf  dem  Dorehschnitt  macht  die  Tumormasse  den  Eindrock  einer 
großen  alveolären  Drüie  and  ist  aas  einer  Anzahl  von  einzelnen  Feldern  oder 
Läppchen  znsammengesetat  (ygl.  Fig.  1).  Der  Großendarchmesser  der  letzteren 
schwankt  etwa  von  der  Größe  eines  Stecknadelkopfes  bis  zur  Ereisform  von 
1'4  em  Dachmesser.  Die  einzelnen  L&ppchen  lassen  sieh  darch  Ziehen 
ziemlich  leicht  isolieren,  ihr  Zasammenhang  ist  also  ein  ganz  lockerer. 
Teilweise,  besonders  in  der  Peripherie  der  Neabildang,  ist  der  Darch- 
schnitt  der  Läppchen  ein  kreisförmiger,  teilweise  sind  sie  aber  so  aneinander 
gepreßt,  daß  unregelmäßige  mehr  längliche  oder  polyedrische  Kontoren 
entstehen.  Der  Darchschnitt  erscheint  im  übrigen  glatt,  homogen  and  ist 
von  zarter  rosaroter  Farbe.  In  einem  der  Oberfläche  nahen  Feld  findet 
sich  eine  Blntang  (ex  operatione)  (vgl.  Fig.  1 «).  Aaf  Grand  dieser  Färbung 
läßt  sich  die  scharfe  Begrensang  der  Tumormasse  nach  der  Tiefe  hin 
gegen  die  gelblichen  Fettmassen  der  Subcatis  deutlich  erkennen. 

Die  Höhe  der  Neubildung  auf  dem  Darchschnitt  variiert  von 
1-5— 2-2  cm. 

Zar  mikroskopischen  Untersuchung  standen  mir  von 
Dr.  Pick  bereits  hergestellte  Durchschnitte  durch  den  ganzen 
Tumor  (Fig.  1)  von  6*7  cm  Breite,  2  cm  Höhe,  mit  Haemalaun-Eosin 
gefärbt,  zur  Verfügung.  Weitere  Durchschnitte  durch  einzelne 
Geschwulstabschnitte  wurden,  teils  nach  Celloidin-,  teils  nach 
Paraffin-Einbettung,  zum  Teil  mit  Haemalaun  gefärbt,  zum 
Teil  mit  Haemalaun-Eosin,  femer  mit  Haemalaun-  van  Gieson, 
Haemalaun-Hansen,  mit  Eresylechtviolett  und  Polychrom- 
Methylenblau,  teils  auf  elastische  Fasern  mit  saurem  Orcein 
und  Weigerts  Resorcin-Fuchsin. 

Die  histologische  Untersuchung  ergab  folgendes  Bild: 
Der  Tumor  setzt  sieb  entsprechend  dem  makroskopischen 
Habitus  zusammen  aus  einzelnen  durch  Bindegewebe  (Fig.  1  s) 
abgegrenzte  Läppchen  (/),  die  sich  im  allgemeinen  im  Durch- 
schnitte der  Ereisform  nähern.  Jedenfalls  tritt  diese  Form  überall 
dort  deutlich  hervor,  wo  die  Läppchen  sich  ungehindert  aus- 
breiten konnten,  speziell  an  den  peripherischen  Partien  des 
Tumors;  wo  die  einzelnen  Läppchen  gegenseitiger  Pressung 
ausgesetzt  sind,  sind  auf  dem  Durchschnitte  teils  halbmond- 
förmige, teils  sichelförmige,  teils  keilförmige  Figuren  zustande 
gekommen.  Getrennt  sind  die  Läppchen  von  der  Epidermis  (ep) 
durch  eine  breite  Bindegewebszone,  untereinander  durch  dünnere 
bindegewebige  Stränge.  Auffallend  ist  in  diesen  Bindegewebs- 
Septen  zwischen  den  einzelnen  Geschwulstzellkomplexen  der 
Mangel  an  elastischen  Fasern,  die  sich  auch  nur   spärlich  — 


Lymphangio-Endothelioina  cutis  abdominis.  193 

in  kurzen  dicken  Fasern  —  in  dem  Bindegewebe  zwischen 
Oberhaut-  und  Tumor- Oberfläche  konstatieren  lassen.  Nur 
direkt  unter  dem  Epithel  ist  das  oberflächlichste,  elastische 
Netz  teilweise  gut  erhalten,  wenn  auch  überall  eine  Verringerung 
dieser  Fasern  sicher  vorhanden  ist.  Das  Bindegewebs-Septen- 
system  innerhalb  des  Massivs  der  Neubildung  selbst  ist  wenig 
zellreich,  stellenweise  mit  geringfügigen  Infiltraten  aus  kleinen 
lymphoiden  Rundzellen  versehen,  speziell  um  die  Gefäße  herum, 
an  einigen  wenigen  Stellen  sieht  man  GeschwulstzUge,  die  aus 
den  peripherischen  Partien  der  Läppchen  in  dünnen  Zügen 
in  das  umgebende  Bindegewebe  ausstrahlen.  Doch  ist  das 
letztere  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  der  FalL  Die  allge- 
meine Abgrenzung  der  Geschwulstzellfelder  gegen  das 
umgebende  Bindegewebe  ist  vielmehr  eine  ganz 
scharfe,  ebenso  die  des  Gesamtcontours  der  Neubildungsmasse 
gegen  die  Umgebung,  wenn  freilich  auch  eine  besondere  Kapsel 
ganz  fehlt  Dabei  sind  die  Bindegewebszüge,  die  die  Ge- 
schwulstzellfelder begrenzen,  im  allgemeinen  konzentrisch  zu 
der  Oberfläche  der  einzelnen  Läppchen  angeordnet  und  nir- 
gends der  Sitz  irgendwelcher  Degeneration. 

Bei  der  Behandln]^  nicht  festgeklebter  Schnitte  lockern 
sich  bisweilen  ganze  Geschwulstl^ppen  und  fallen  event.  ganz 
aus  dem  Präparate  heraus.  Dieses  Vorkommnis  beruht  nicht 
darauf,  daß  etwa  bei  der  Härtung  eine  Retraktion  und  Los- 
reißnng  der  Tumormassen  von  umgebenden  Bindegewebs- 
flbrillen  stattgefunden  hätte,  sondern  die  Trennung  erfolgt 
teilweise  innerhalb  der  Bindegewebsfasern,  die  in  parallelem 
Zuge  die  Läppchenoberfläche  einscheiden;  teilweise  machen 
große  Hohlräume,  die  die  Läppchen  umkreisen  und  auf  die  ich 
später  zu  sprechen  komme,  eine  solche  Lockerung  möglieb. 

In  der  Epidermis,  die  den  Tumor  überzieht,  ist  eine 
starke  Pigmentanhäufung  vorhanden.  Nur  an  wenigen  Stellen 
ist  das  Rete  Malpighii  so  spärlich  mit  Pigment  ausgestattet, 
wie  in  der  Norm.  Im  allgemeinen  ist  die  unterste  Zellage 
des  Rete  Träger  reichlicher  braunschwarzer  unregelmäßiger 
Körnchen  und  Schollen,  die  im  allgemeinen  sich  kappenförmig 
an  dem  der  Oberfläche  zugewendeten  Teile  der  Zelle  ange- 
sammelt haben.    Teilweise   zeigt  auch  die   zweite  Zellage  des 

Arch.  f.  DemiAL  n.  Syph.  Bd.  LXXXIX.  23 


194  Jaliasberg. 

Reie  einen  solchen  PigmentüberschuB.  Auch  in  den  obersten 
Lagen  der  Catis  finden  sich  hier  und  da  Pigmentanhäufungen. 

Au£EEkllend  ist  eine  gruppenweise  VergröBerung  der  Epithel- 
zellen, die  über  dem  Tumor  liegen.  Diese  erstreckt  sich  von 
unten  durch  über  4  —  5  Zellagen  nach  oben.  Diese  Zellen 
sehen  wie  gequollen  aus,  indem  ihr  mit  Haemalaun  relativ 
schwach  tingierter  Protoplasmaleib  stark  aufgetrieben  erscheint, 
während  der  Kern,  an  Größe  und  Farbbarkeit  den  übrigen 
Epithelzellen  gleichend,  auf  die  Seite  gedrängt  ist. 

Vergleichen  wir  die  einzelnen  Geschwulstläppchen  mit 
einander,  so  differieren  sie  darin,  daß  in  einzelnen  derselben 
die  Geschwulstzellen  bei  kaum  nennenswerten  Stroma  sich 
dicht  aneinander  drängen,  während  in  anderen  nur  spärliche, 
scharf  umschriebene  Geschwulstzellstränge  das  bindegewebige 
Stroma  der  Läppchen  durchziehen.  Zwischen  diesen  beiden 
Extremen  gibt  es  allmähliche  Obergänge  von  stark  zellerfällten 
und  relativ  zellarmen  Geschwulstläppchen. 

Trotz  dieser  Verschiedenheiten  bei  schwacher  Vergrößerung 
tritt  bei  stärkerer  Vergrößerung  (Fig.  2  und  3,  auch  Fig.  4) 
eine  wesentliche  VereinfachuDg  des  Bildes  insofern  hervor,  als 
dann  die  Anordnung  der  Geschwulstelemente  im 
Läppchen  sich  wesentlich  auf  zwei  Typen  zurück- 
führen läßt,  die  als  solide  Zellzüge  und  als  Zell- 
schläuche ziemlich  einförmig  wiederkehren. 

Wo  die  Zellzüge  (str)  auf  dem  Querschnitt  getroffen  sind,  ist 
ihr  Durchschnitt  ein  runder,  und  wo  sie  teilweise  oder  ganz 
der  Länge  nach  vom  Schnitte  geteilt  werden,  erscheinen  sie 
von  im  allgemeinen  gleichmäßigen  Kaliber :  im  ganzen  also  als 
rundliche  Stränge.  Die  Geschwulstzellen,  die  uns 
in  diesen  Strängen  entgegentreten^  sind  von  ziemlich  gleicher 
Größe  und  enthalten  bläschenförmige,  mit  Hämalaun  gut  färb« 
bare  Kerne,  in  den  sich  meist  1  — 2,  selten  mehr  Kemkörperchen 
finden.  Im  Innern  der  Züge  sind  die  Zellen  meist  unregelmäßig 
gepreßt,  dicht  aneinander  gelagert  (Fig.  8).  An  der  Peripherie 
tritt  dagegen  oft  sehr  deutlich  eine  radiäre  Anordnung  hervor, 
derart,  daß  der  größte  Durchmesser  der  hier  zylindrischen 
Elemente  senkrecht  zur  Peripherie  des  Strangquerschnitts 
steht.    An  einzelnen  Stellen  setzt  sich  diese  Anordnung  auch 


LympbaDgio-Eodothelioma  cutis  abdominis.  195 

ins  Innere  des  Zellstraages  fort.  Nirgends  sind  die  Zellen 
dorcb  interzelluläre  Brücken  mit  einander  Terbunden, 
nirgends  bestehen  kerat ohyalinähnliche  Kör- 
nungen. Auch  Kernteilungsfiguren  konnte  ich  nirgends  finden. 

Die  Zellschläuche^  die  an  Zahl  die  soliden  Stränge 
übertrefiTen,  zeigen  insofern  eine  gewisse  Mannigfaltigkeit,  als 
neben  dünnwandigen,  nur  von  einer  Zellage  umwandeten  Hohl- 
räumen solche  mit  einer  aus  mehreren  Zellagen  sich  zusammen- 
setzenden Wandung  und  schließlich  dickwandige  Zellzylinder 
sich  finden»  deren  Hohlräume  auf  einen  ganz  engen  Spalt 
reduziert  sind. 

Die  dünnwandigsten  Schläuche,  die  nur  von  einer  Zell- 
schicht formiert  werden,  sind  teils  eng,  mit  nur  spaltfdrmigem 
Lumen  yersehen,  teils  ist  die  Lichtung  umfänglich,  weit,  dabei 
▼on  wechselnder  Kapazität.  Die  Zellen,  die  sie  auskleiden, 
haben  fast  durchgängig  den  Charakter  derer,  die  auch  die 
soliden  Zellzüge  zusammensetzen,  d.  h.  sie  führen  große, 
ovale,  gut  tingible  Kerne  mit  1 — 2  Kemkörperchen ;  aber  an 
einzelnen  Stellen  finden  sich  hier  flache,  exquisit  endotbelartige 
Zellgebilde,  die  einen  Teil  der  Wandbekleidung  bilden  (Fig.  6). 
Diese  Zellen  haben  eine  ganz  flache  Form  und  kleinere  gut 
tingierte  Kerne,  die  Längsachse  des  Kerns  entspricht  der  Längs- 
achse des  Zellschlauchs.  Sie  grenzen  in  der  Wandbekleidung 
oft  direkt  an  Zellen,  die  vollständig  den  oben  beschriebenen 
großkemigen  Zelltypus  tragen.  Auch  finden  sich  Zellen,  die 
sich  zwanglos  in  keine  dieser  Typen  einreihen  lassen,  mit 
relativ  flachem,  aber  noch  immerhin  größerem  Kern  als  die 
Mehrzahl  der  endothelial  aussehenden  Zellen.  Im  ganzen 
prävalieren  in  den  Zellschläuchen  jedenfalls  die  großkernigen, 
ziemlich  uniformen  Zellen  durchaus  wie  überhaupt  solche  dünn- 
wandige Zellschläuche  mit  stellenweise  flacher  Zellbekleidung 
relativ  spärlich  vorhanden  sind.  Nur  an  den  Rändern  der 
Alveolen  finden  sich  in  größerer  Häufigkeit  dünnwandige  weite 
Hohlräume,  auf  die  ich  später  zurückkomme. 

Die  dickwandigeren,  von  zwei  (Fig.  7)  und  mehreren  Zellagen 
begrenzten  Zylinder  differieren,  abgesehen  von  dem  Vorlianden- 
sein  eines  Lumens,  nur  wenig  von  den  soliden  Zellzügen, 
weder   in    den   Zellformen,  die  sich  dort   finden,  noch  in   der 

13* 


196  Jaliusberg. 

Anordnung  deraelben.  Auch  hier  findet  sich,  im  Gegensatz 
zu  einer  mehr  regellosen  Anordnung  der  Zellen  gegen  das 
Zentrum  hin,  die  oben  beschriebene  radiäre  Anordnung  der 
Zellkerne  an  der  Peripherie. 

Innerhalb  einiger  Geschwulstläppchen  (Fig.  3)  finden  sich 
kleinere  und  größere  Hohlräume  {lg\  die  teilweise  eine  einreihige 
Wandung,  teilweise  eine  etwas  verdickte,  2  und  mehrere,  bis  6 
Zellagen  aufweisen.  Die  Zellen  dieser  Hohlräume  haben  teilweise 
einen  endothelialen  Typus,  teilweise  einen  großkemigen,  und  öfters 
liegen  die  endothelialen  Zellen  in  2 — 3  Reihen  über  einander.  Man 
kann  an  einzelnen  Stellen  verfolgen,  wie  die  Hohlräume  unter 
allmählicher  Eonsolodierung  unmittelbar  sich  in  die  soliden  Zell- 
stränge  fortsetzen.  Oder  man  sieht  in  einen  solchen  großen 
Hohlraum  teils  weitere  Zellzylinder,  teils  solide  Zellstränge  ein- 
münden. Der  Inhalt  dieser  Hohlräume  ist  eine  schwach  farb- 
bare, fein  granulöse  Masse,  ohne  erkennbare  Zellkerne. 

Sodann  sind  in  der  Spezialstruktur  der  einzelnen  Läpp- 
chen noch  zwei  für  die  Beurteilung  desTumors  we- 
sentliche und  sehr  in  die  Augen  fallende  Wachstums- 
formen der  Geschwulstelemente  zu  nennen,  die  in  den  einzelnen 
Läppchen  in  verschiedenartiger  Weise  ausgeprägt  sind,  sich  iu 
einzelnen  außerordentlich  drastisch  wiederfinden,  in  anderen 
nur  andeutungsweise  vorhanden  sind. 

Es  ist  dies  erstens  eine  fast  regelmäßige  und  in  bestimmten 
Abständen  erscheinende  Einschnürung  bezw.  varicöse 
Anschwellung  der  Geschwulstzellzüge,  und  zwar 
betreffen  diese  Einkerbungen  sowohl  solide  Zellstränge  (vgl. 
Fig.  2),  wie  auch  mit  dünner  oder  dickerer  Zellwand  versehene 
Zellschläuche.  Auf  diese  Weise  kommen  Bilder  zustande,  die  in 
ihren  Umrissen  den  metameren  Anschwellungen  eines  Raupen- 
leibes ähneln. 

Eine  zweite  Erscheinung,  die  besonders  in  einzelnen  Läpp- 
chen (vgl.  Fig.  4)  schön  ausgeprägt  sich  findet,  ist  die,  daß  an 
den  Rändern  der  Geschwulstläppchen  das  durch  die  Geschwulst* 
zellzüge  dargestellte  Netz  sich  besonders  dick  und  kompakt 
ausgebildet  hat,  während  nach  dem  Zentrum  zu  die  einzelnen 
Zellzüge  in  allen  Dimensionen  abnehmen  und  schließlich  im 
Zentrum   sich   in  auffallender  Zartheit  verschmächtigen.     Das 


LymphaDgio-Endoihelioma  cutis  abdominis.  197 

Netz  der  GeschwuUtzellzüge  zeigt  eine  nach  dem 
Zentrum  hin  zunehmende  Verjüngung. 

Die  Peripherie  vieler  Läppchen  umziehen,  wie  schon  oben 
angedeutet,  große  Hohlräume.  Diese  (Fig.  5  m)  schließen  sich 
der  Oberfläche  der  rundlichen  Läppchen  insofern  ganz  eng  an, 
als  sie  diesen  gleichsam  kappenförmig  aufsitzen.  Ihre  Größe 
ist  sehr  variabel;  teilweise  umkleidet  eine  solche  Kappe  mehr 
als  ein  Viertel  bis  die  Hälfte  der  Peripherie  des  Läppchens. 
Meist  bedecken  sie  in  mehrfacher  Zahl  die  Oberfläche  des 
Läppchens,  so  daß  dieses  nur  an  wenigen  Stellen  direkt  mit 
dem  umgebenden  Bindegewebe  zusammenhängt.  Ich  habe 
schon  oben  angedeutet,  daß  auf  diese  Weise  die  Verbindung 
der  Läppchen  mit  dem  umgebenden  Bindegewebe  nicht  genügt, 
um  bei  der  Präparation  das  letztere  festzuhalten,  und  daß 
dann  gelegentlich  ganze  Tumorfeldchen  aus  dem  Präparate  beim 
Bewegen  der  Schnitte  in  den  Flüssigkeiten  sich  lösen. 

Im  allgemeinen  sind  diese  Bandsinus,  wie  ich  sie  dem 
Vorschlage  Dr.  Picks  folgend  benennen  will,  umgeben  von 
einer  einschichtigen,  wiederum  exquisit  endo- 
thelialen Zellage.  Der  Inhalt  der  Hohlräume  ist  eine  leicht 
krümeUge,  schwach  farbbare  Masse.  Am  deutlichsten  ist  gewöhnlich 
die  endothelartige  Zellbegrenzung  an  dem  der  Tumormasse 
abgekehrten  Teil  des  Bandsinus.  In  dem  dem  Feld  direkt  auf- 
sitzenden Teil  ist  die  Wandbekleidung  nur  teilweise  eine  der- 
artige flache,  endothelartige;  teilweise  haben  die  Kerne  hier 
wiederum  bläschenförmige  größere  Konfiguration  und  die  Zellen, 
selbst  von  höherer  Form,  richten  sich  mit  dem  Durchmesser 
senkrecht  zur  Wandgrenze.  An  anderen  Stellen  ist  es  zu  einer 
Überschichtung  und  Verdickung  des  Belages  gekommen,  und 
die  Zellhaufen,  teilweise  buchtartig  ins  Lumen  des  Hohlraumes 
hineinragend,  zeigen  teilweise  den  Typus  der  mehr  flachen, 
teilweise  den  der  größeren  Zellen  mit  bläschenförmigem  Kern, 
wenn  auch  im  allgemeinen  die  letzteren  überwiegen.  Vielfach 
sind  beide  Typen  mit  allen  möglichen  Zwischenstufen  gemischt. 
An  solchen  Stellen  hängen  die  Wandzellen  des  Bandsinus  un- 
mittelbar mit  den  zu  ihnen  strebenden  Zellzügen  der  Tumor- 
masse zusammen:  die  Zellzüge  aus  dem  Tumorfeld 
münden  hier  unmittelbar  in  den  zugehörigen 
Bandsinus  hinein. 


198  Julia8berf(. 

Man  findet  danach  an  diesen  Randsinus  in  größerem 
Maßstabe  nnd  in  reicheren  Variationen  das  wiederholt,  iras 
ich  vorher  beziigh'ch  der  Hohhäume  innerbalb  einzeber 
Geschwulstläppchen  beobachtet  und  beschrieben  habe,  sowohl 
bezüglich  des  direkten  Zusammenhangs  endothelähnlicher  Zellen 
mit  den  größeren  Elementen  als  auch  in  der  Verbindung  mit 
den  angrenzenden  Strängen  und  Schläuchen  wie  in  Bezug  auf 
den  Inhalt 

Auf  die  Zustände  des  Bindegewebes,  das  den  Tumor  Ton 
der  Oberfläche  und  die  einzelnen  Läppchen  voneinander 
scheidet^  bin  ich  oben  eingegangen.  Das  Stroma  zwischen  den 
einzelnen  Zellzügen,  soweit  eine  ausgesprochene  Form  über- 
haupt vorhanden  ist,  ist  zum  Teil  auf  ganz  flache  Lagen  reduziert 
Es  bietet  keine  Besonderheiten,  auch  nirgends  irgend  eine  Art 
von  Degeneration. 

Schließlich  sind'  in  einzelnen  Läppchen  frische  Blutergüsse 
vorhanden,  die  bei  ihrem  ganz  umschriebenen  Charakter,  den 
wohlerhaltenen  Erythrocyten  und  den  nachweislichen  Läsionen 
der  korrespondierenden  Epidermis  zweifellos  traumatisch  sub 
operatione  entstanden  sind. 

Da  bei  reichlicher  Extravasation  die  einzelnen  Züge  der 
Geschwulstzellen  innerhalb  der  Felder  oft  sehr  stark  aus- 
einandergedrängt werden,  wird  so  die  Detailerscheinung  in 
Form  und  Kontur  besonders  deutlich,  und  die  Kaliber-Ver- 
schiedenheiten sowie  die  varicösen  Schwellungen  gewisser 
Züge  lassen  sich  hier  besonders  gut  beobachten. 

Wir  haben  es  in  folgendem  zu  begründen,  warum  wir 
unseren  Tumor  als  Endotheliom  bezeichnen. 

Es  ist  klar,  daß  in  erster  Linie  diejenigen  Kriterien 
erfüllt  sein  müssen,  die  gegen  den  Zusammenhang  des  Tumors 
mit  dem  Epithel  oder  dessen  Anhängen  sprechen,  die  uns 
also  überhaupt  erst  in  die  Lage  setzen,  die  Diagnose 
eines  Endothelioms  zu  diskutieren.  Hierher  gehört  für  unseren 
Tumor  zunächst  die  Tatsache,  daß  wir  nirgends  einen  biolo- 
gischen Zusammenhang  des  Geschwulstgewebes  mit  dem  ober» 
flächlichen  Epithel  oder  dessen  Anhängen  konstatieren  konnten 
—  eine  Eigenschaft,  die  unserem  Tumor  mit  bestimmten 
Carcinomen  der  Haut  —  Borrmanns  „Gorium-Garcinomen**  ge- 


LymphaDgio-Endothelioma  cutis  abdominie.  199 

meinsam  ist  Ich  habe  mit  Absicht  den  Mangel  eines  «bio- 
logischen* Zusammenhangs  betont,  denn  wir  wissen  ja  namentlich 
seit  den  kritischen  Untersuchungen  Ribberts,  speziell  über 
das  Garcinom,  daß  ein  bloßer  Zusammenhang  als  solcher  nicht 
ohne  weiteres  in  genetischer  Hinsicht  verwertbar  ist.  Es  gibt 
sekundäre  Anschmelzungen,  bei  welchen  eine  Geschwulst  mit 
ihren  Ausläufern  Drüsen-  oder  Oberflächen-Epithel  erreicht, 
ohne  daß  eine  nähere  biologische  Beziehung  bestünde. 

Eine  zweite  Vorbedingung,  die  erfüllt  sein  muß,  und 
der  auch  unser  Tumor  gerecht  wird,  ist  die,  daß  nirgends  ein 
epidermoidaler  Charakter  der  Tumorzellen  vorhanden  sein 
darf,  ausgesprochen  in  Verhornung,  Keratohyalinbildung,  Inter- 
zellularbrücken. 

Neben  den  genannten  negativen  Eigenschaften  unserer 
Geschwulst,  die  an  sich  schon  den  epithelialen  Charakter  der- 
selben nicht  wahrscheinlich  machen,  richtete  sich  unser  Augen- 
merk auf  einige  Punkte,  die  in  der  Endotheliom-Diagnose,  wie 
sie  Borst  aufstellt,  eine  gewisse  Rolle  spielen,  ohne  freilich 
—  auch  für  Borst  —  ausschlaggebend  zu  sein.  Wir  haben 
diese  Momente  schon  oben  in  unserer  Einleitung  genügend  be- 
rührt, auch  ihre  keineswegs  schlüssige  Beweiskraft  für  die  Diagnose 
Endotheliom  betont ;  wir  stellen  an  dieser  Stelle  bloß  fest,  daß 
bei  unserem  Tumor  die  häufig  bei  Endotheliomen  beschriebenen 
Schichtungskugeln  ebenso  wie  die  verschiedenen  degenerativen 
Vorgänge  des  Bindegewebes,  wie  sie  von  mancher  Seite  als 
charakteristisch  für  Endotheliome  hingestellt  werden,  nirgends 
vorhanden  waren. 

Für  die  histiogenetische  Diagnose  kann  die  Vielheit  der 
Knoten  zunächst  außer  Betracht  bleiben.  Die  histiogenetische 
Aufklärung  ist  einfacher  zu  erhalten,  indem  wir  die  ge- 
samten an  den  für  sich  zusammenhanglosen  Knoten  erhobenen 
Befunde  uns  gleichsam  in  einem  Felde  vereinigt  vorstellen.  Wir 
sehen  hier  in  exquisiter  Weise  ein  Netzwerk  gebildet,  teils 
aus  soliden  Strängen,  teils  aus  Schläuchen  mit  meist  mehr- 
schichtigen Wandungen,  und  namentlich  erstere  von  groß- 
kernigen,  zweifellos  epithelial  aussehenden  Zellen  zusammen- 
gesetzt, die  auch  insofern  die  bekannte  Eigentümlichkeit  der 
Epithelien,   z.  B.   in  Carcinomsträngen,  bewahren,  als  sie  sich 


200  Juliusberg. 

in  der  Peripherie  der  Stränge  radiär  richten.  Es  ist  nun 
sicher  zuzugeben,  dafi  diese  netzartige  Zusammensetzung  an 
sich,  sowie  die  Form  und  Art  der  Zellen  der  Stränge  nichts 
iiir  die  epi-  oder  endotheliale  Natur  des  Tumors  beweist. 

Wohl  aber  sind  hier  zwei  Momente  zu  nennen,  die 
positiv  für  die  endothelial -Ijrmphangiomatöse 
Natur  der  Bilder  sprechen:  erstens  die  Grundform  der 
Schläuche  und  der  unmittelbare  Zusammenhang 
dieser  Grundformen  mit  den  dickwandigeren 
Röhren,  und  dann  mit  den  soliden  Strängen,  und 
zweitens  die  äußere  Form  bzw.  die  Kontur  vieler 
Schläuche  und  Stränge. 

Was  den  ersten  Punkt  betrifl't,  so  ist  mit  Sicherheit 
festzustellen,  dafi  eine  Reihe  der  dünnwandigen  Schläuche  eine 
einfache  endotheliale  Auskleidung  hat,  bei  nicht  erweiterten 
Lumen,  denn  es  handelt  sich  um  schmale  Gänge.  Diese 
sind  die  Grundform  des  ganzen  Bildes.  Der  zartzellige  Wand- 
belag schichtet  sich,  die  Zellen  nehmen  bei  der  Schichtung 
an  Größe  zu,   bis  schließlich   die   soliden   Stränge   entstehen. 

Die  endothelialen  Gänge,  die  Grundformen,  haben  in  keiner 
Beziehung  das  Aussehen  etwa  von  Drüsen,  sondern  von  Lymph- 
gefäßen (Lymphgefäßkapillaren),  und  hier  kommt  nun  das  zweite 
Moment,  die  varicöse  segmentierte  Form  nach  Art  eines  Baupen- 
leibes hinzu.  Diese  perlschnurartige  Anordnung  ist  als  Gharakte- 
risticum  der  aus  Lymphgefaß-Endothelien  entstehenden  Bil- 
dungen oft  gesehen  und  hervorgehoben  (z.  B«  auch  bei  L.  Pick.') 
Die  beschriebenen  cystischen  Räume  in  den  Feldern  erklären 
sich  leicht  als  Folgen  der  Stauungsdilatation ;  sie  haben  gleich- 
falls eine  sehr  unregelmäßige  sinuöse  Form  und  zeigen  ein- 
mündende Strange  und  Schläuche. 

Dazu  kommt  noch  ein  drittes  Moment,  das  für  die 
Genese  des  ganzen  zelligen  Parenchyms  der  Felder  aus  Lymph- 
gefäßendothelien  spricht,  und  das  in  seiner  Morphologie  diese 
Entstehung  an  sich  auch  wieder  gut  demonstriert.  £s  sind  dies 
die  großen,  als  Randsinus  bezeichneten  Räume 
an  der  Peripherie  der  Felder,  jene  ausführlich  beschrie- 
benen, kappenartig  aufsitzenden  Lakunen,   die  teilweise  einen 

»)    cf.  1.  c. 


Lymphangio-Eadothelioma  catis  abdominis.  201 

sehr  großen  Teil  der  Oberfläche  der  OeschwulstalTeolen  über- 
decken. Sie  stehen  mit  der  Umgebung  in  keinem  Zusammen- 
hang, wohl  aber  in  inniger  Beziehung  zu  den  Geschwulstläpp* 
chen,  deren  Schläuche  und  Stränge  direkt  an  der  konkaven 
Seite  in  sie  einmänden. 

Es  besteht  meines  Erachtens  keine  MögUchkeit,  diese 
Bildungen  plausibel  anders  zu  erklären,  wie  als  Lymphgefäße. 
Sie  sind  unregelmäßige,  buchtige,  mit  dem  nämlichen  Inhalt 
(geronnene  Lymphe)  gefüllte  Räume,  wie  jene  Cysten  in  den 
Läppchen  und  zeigen  eine  flache,  endotheliale,  einschichtige 
Auskleidung.  An  dieser  sehen  wir  nicht  nur  die  Umwandlung 
und  Wucherung  der  Zellen,  sondern  auch,  wie  gesagt,  wiederum 
die  Einmündung  der  Schläuche  und  Stränge. 

Danach  repräsentiert  jedes  Feld  ein  Lymphgefäß- 
Endotheliom,  das  sowohl  in  seinem  Innern  noch  einzelne 
unveränderte  oder  erweiterte  Lymphgefäße,  wie  namentlich  an 
seiner  Peripherie  große,  zum  Tdl  mehr  als  semizirkuläre  Lymph- 
gefaße  enthält.  Diese  letzteren  speziell  haben  den  Zustrom  der 
noch  ausfließenden  Lymphe  der  Felder  aufgenommen  und  sind 
cystisch  dilatiert ;  ihre  Zellen  sind  vielfach  deswegen  auf  Orund 
ihrer  verminderten  Vitalität  nicht  gewuchert. 

Wir  leiten  die  Natur  der  Geschwulst  nun  hier  nicht  ab 
aus  ihrer  ersten  Histiogenese,  sondern  aus  ihrer  charakteristi- 
schen Zusammensetzung,  ebenso  wie  wir  ein  Neurom  oder 
ein  Fibromyom  oder  einen  verhornenden  Plattenepithelkrebs 
als  solchen  sicher  erkennen,  ohne  mit  den  ersten  Stadien 
bekannt  zu  sein.  Und  es  gestatten  uns  weiter  in  unserem 
Falle  die  vorliegenden  Verhältnisse,  nicht  bloß  die  Diagnose 
direkt  aus  dem  Bild  der  schon  lange  bestehenden  Geschwulst 
zu  erschließen,  sondern  es  lassen  sich  auch  die  Wachstums- 
verhältnisse der  Geschwulst  in  außerordentlich  deutlicher  Weise 
übersehen. 

Zunächst  haben  wir  ganz  sichere  Bilder  dafür,  daß  die 
einzelnen  Felder  „aus  sich  heraus**  im  Sinne  Ribberts  wachsen. 
Die  jüngsten  Partien  liegen  zentral,  die  ältesten  an  der 
Peripherie.  In  dem  nämlichen  Maße,  in  dem  zentral  neues  fibril- 
läres  Bindegewebe  neue  Saitspalten  und  Lymphkapillaren 
zwischen  den  Bündeln  entstehen  läßt,  verfallen  sie  alsbald  der 


202  Juliaiberg. 

endotheliomatösen  Umbildung  und  Wucherung  ihrer  AuflUeidungs- 
sellen.  Bei  dieser  Unabhängigkeit  und  Autonomie  der  ein- 
zelnen Herde  ist  weiter  klar,  dafi  ihre  Anlage  eine  multiple 
sein  muß,  dafi  nicht  ein  Herd  einen  Nachbarherd  etwa  meta- 
statisch mit  entstehen  läßt  oder  etwa  durch  Infektion  der 
Nachbarendothelien  erzeugt,  sondern  daß  —  worauf  ja  auch 
die  Kongruenz  der  Bilder  in  allen  diesen  zusammenhanglosen, 
getrennten  Herden  deutet  —  genau  der  nämliche  Prozeß  an 
multiplen  Stellen  in  derselben  Art  eingesetzt  hat.  Die  yoU- 
endete  Übereinstimmung  der  Herdchen  unter  einander  in 
allen  Details  habe  ich  mehrfach  herrorgehoben. 

Wir  können  danach  annehmen,  daß  in  einem  umschrie- 
benen Bezirk  die  Lymphgefäße  der  Cutis  —  sei  es 
durch  eine  embryonale  Mißbildung,  sei  es  durch 
eine  postembryonale  umschriebene  Schädigung  — 
zur  Geschwulstbildung  veranlaßt  wurden. 


Ich  habe  schon  betont,  daß  eine  Reihe  von  histologischen 
Übereinstimmungen  mich  yeranlaßte,  meinen  Fall  an  den 
Haslunds  anzugliedern,  und  ich  glaube,  daß  Haslund  die 
Beweisfübrung,  daß  ihm  in  der  Tat  ein  Lymphangioendotheliom 
vorgelegen  hat,  zweifellos  gelungen  ist.  Jedoch  zeigt  der  von 
mir  beschriebene  Fall  in  mehrfacher  Beziehung  die  Ent- 
stehungsverhältnisse in  deutlicherer  Weise.  Ich  verweise  auf 
die  außerordentlich  klar  ausgesprochene  multiple  Entstehung 
der  einzelnen  Alveolen  als  gesonderte  Lymphgefaßendotheliome, 
auf  die  durch  die  Ausbildung  der  Randsinus  deutlich  ge- 
machte Beziehung  des  Lymphgefäßsystems  zur  Ausbildung  der 
Geschwulstzellzüge,  auf  den  ausgesprochenen  varicösen  Cbarakter 
der  letzteren,  die  ihrer  Entstehung  aus  zellerfiillten  Lymph- 
kapillaren entspricht,  und  endlich  auf  die  Verjüngung  der 
Geschwulstzellstränge  nach  dem  Zentrum  der  Läppchen  zu,  die 
sich  zwanglos  mit  dem  schrittweisen  Vorrücken  der  Geschwidst- 
wucherung  nach  der  Peripherie  aus  dem  Zentrum  heraus  er- 
klären läßt. 

Es  ist  allein  dieser  einzige  Fall  von  Haslund,  der  mir 
mit  meinem  in  gewisser  Beziehung  identisch   zu  sein  scheint. 


LymphaDgio-Endothelioma  cutis  abdominiB.  203 

Es  ist  klar,  daß  diese  zwei  Fälle  natürlich  noch  keinen  weiteren 
Ausblick  auf  den  klinischen  Charakter,  speziell  auf  die  etwaige 
Bösartigkeit  dieser  Tumoren  gestatten.  In  Haslunds  Fall 
ist  die  Malignität  des  Tumors,  wie  es  scheint,  außer  Frage 
gestellt.  Bei  meinem  Fall  liegen  sichere  Daten  über  den 
weiteren  Verlauf  nicht  vor. 

Jedenfalls  gestatten  uns  diese  2  Fälle  —  der  Fall 
Haslunds  und  der  meinige  —  neben  dem  endothelialen 
Haut- Psammom  Wink  1  er s  eine  Gruppe  histologisch  sicherer 
Lymphgefäß-Endotheliome  der  Haut  aufzustellen.  Ihre  klinische 
Bedeutung  muß  natürlich  von  weiterem  Material  abhängig  ge- 
macht  werden. 


Die  vorstehenden  Untersuchungen  sind  auf  Veranlassung 
und  unter  liebenswürdiger  Leitung  von  Herrn  Prosektor  Dr.  L. 
Pick  (Vorstand  der  pathologisch-anatomischen  Anstalt  des  städt. 
Krankenhauses  im  Friedrichshain — Berlin)  ausgeführt  worden. 
Ich  erlaube  mir  ihm  für  sein  Interesse  und  seine  stets  bereit- 
willige  Hilfe  meinen  besten  Dank  auszusprechen. 


Nachtrag. 

Während  der  Korrektor  meiner  Arbeit  publizierte  Toyosumi 
einen  Fall  als  «Cystisches  Lymphangioendothelioma  papillifertun  der 
Banchwand^. ')  Toyosumis  Tumor  stammt  von  der  Bauohwand  einer 
52[jäbrigen  Frau;  er  stellt  eine  walnußgroße,  schnell  gewachsene  Ge- 
schwulst unter  der  intakten  Oberhaut  dar.  Histologisch  ist  der  Tumor 
ein  Cystom  mit  festeren  Partien.  Diese  letzteren  bestehen  aus  einem 
netzartig  verzweigten  Gerüst  von  derbem  Bindegewebe,  innerhalb  dessen 
sich  anscheinend  epitheliale,  teils  flache,  teils  mehr  kubische  Zellen  finden. 
Die  Bindegewcbjfibrillen  sind  teils  hyalin  degeneriert,   teils  myxomatös 


>)  Mänchener  med.  Wochenschr.  1907.  Nr.  40.  pag.  1985. 


n 


204  Juliasberg. 

umgewandelt.  In  den  weicheren  Partien  der  Geechwnlst  zeigen  sich  in 
einem  zellreichen  Bindegewebutroma  Lücken,  die  mit  abgestoßenen 
Zellen  und  Lenkocyten  gefällt  find. 

Toyosnmi  bezeichnet  leine  Geschwulst  als  Lymphangioendotbe- 
liom;  die  Gründe  für  diese  AufTassnug  sind  ihm  der  Übergang  der  epi- 
theloiden  Geschwulstzellen  in  den  zarten  endothelialen  Wandbelag  der 
Hohlräume,  der  wahrzunehmende  Zusammenhang  der  Geschwulstzellen 
mit  den  Stromabalken  und  die  Neigung  zur  Bildung  von  Riesenzelleo. 

Ohne  auf  die  Frage,  ob  das  Beweismaterial  Ts.  für  die  Diagnose 
„Endotheliom*  genügt,  einzugehen,  bemerke  ich  nur,  daß  hier  eine  klinisch 
wie  histologisch  von  der  Ton  mir  beschriebenen  Geschwulst  durchaus 
differente  Bildung  yorgelegen  hat.  Doch  muß  ich  mit  einigen  Worten 
auf  die  von  T.  mit  seinem  Tumor  identifizierten  Fftlle  aus  der  Literatur 
eingehen. 

Da  sind  zunächst  die  von  Kromayer^)  beschriebenen  Fälle  mit 
Sicherheit  auszuschließen.  Kromayers  Endothel ioma  colloides  (Lymph- 
angioma  tuberosum  multiplex  Kaposi)  ist  bekanntlich  die  von  Gass- 
mann als  Naevi  cystepitheliomatosi  bezeichnete  Geschwulst,  deren  epithe- 
liale Natur  von  diesem  Autor  nachgewiesen  ist  (cf  meine  Ausführungen,  p.  86). 

Weiter  erwähnt  T.  die  Fälle  von  Mulert  und  Haslund.  Auch  in 
dieser  Richtung  verweise  ich  auf  meine  obigen  Ausführungen ;  von  ersterem 
bezweifle  ich  die  Sicherheit  der  endotheliomatösen  Natur,  letzteren  sehe 
ich  als  sicheres  Endotheliom  an.  Jedenfalls  weisen  beide  Fälle  starke 
Differenzen  von  Ts.  Fall  auf. 

Zusiemsk^s*)  Fall  von  Cystendothelioma  faciei  ist  mir  im  Ori- 
ginal nicht  zagängig;  er  wird  von  T.  gleichfalls  an  seinen  Fall  ange- 
gliedert. 

Die  von  Toyosumi  erwähnten,  sorgfältig  beschriebenen  Fälle  von 
V.  Ewetzky')  hat  v.  Ewetzky  selbst  als  plexiforme  Sarkome,  den 
einen  als  solches  mit  kolloider  Entartung  der  Zellen,  den  andern  als 
solches  mit  hyaliner  Degeneration  des  Bindegewebes  bezeichnet.  Beiden 
sind  für  ihn  Unterarten  der  Gylindrome.  Nun  kann  in  derartigen  ^sy- 
lindromatösen"  Geschwülsten  die  Endotheliomähnlichkeit  eine  sehr  weit- 
gehende sein,  wie  Bibbert  (pag.  391  ff.)  in  seiner  Geschwulstlehre  aus- 
föhrlich  betont.  Die  erwähnten  zwei  Tumoren  sind  jedenfalls  auch  nicht 
als  sicher  endothelial  erwiesen. 

Die  Auffassung  der  meisten  Autoren  über  Brauns  Endotholiome 
habe  ich  oben  (p.  9)  berücksichtigt. 

Wegen  ihrer  fraglichen  genetischen  Stellung  bin  ich,  wie  ich  hier 
nachtragen  will,  auch  auf  die  mehrfach  beschriebenen  „verkalkten  Endo- 
theliome**  nicht  eingegangen.    Über  die  Natur  dieser  Tumoren  sind  die 


>)  Vircbows  Archiv.  1895.  Bd.  CXXXIX.  pag.  28. 

*)  Öasopis  lek.  öesk.  1906.  Nr.  1—8  (nach  Toyosumi). 

»)  Virchows  Archiv.  1877.  BJ.  LXIX.  pag.  36  ff. 


LymphaDgio-Endothelionia  cutis  abdominis.  205 

MeiDungen  noch  geteilt.  Ich  Yerweiie  aaf  die  Arbeiten  von  Perthes,^) 
Stieda,')  Thorn^)  und  Linser. ^) 

Die  von  Toyosumi  erwähnten  Fälle  von  Tanaka')  gliedert  der 
Autor  selbst  Braans  Fällen  an. 

Es  bleibt  noch  der  Fall  von  Morpurgo*)  übrig.  Hier  handelt  es 
sich  nm  eine  taubeneigroße  Geschwulst  der  Troohantergegend  unter  an- 
scheinend gesunder  Haut.  Das  Zentrum  der  Geschwulst  ist  multilokular- 
cystisch  gebaut.  Peripher  finden  sich  faserige  Bindegewebsmassen,  xwisohen 
welchen  relativ  reichliche  Zellen  lagen,  teils  zwischen  den  Fasern  zer- 
streut, teils  in  länglichen  Spalten  gesammelt.  In  den  äußersten  Zellagen 
sah  man,  wie  die  Zellwucherung  von  den  kleinsten  Lymphgefäßen  und 
-spalten  ihren  Ursprung  nahm.  Man  sah  Lymphkapillaren,  teils  mit 
Endothel,  teils  mit  soliden  Zellzapfen.  Zugleich  bestand  eine  Zellwuche- 
rnng  zwischen  den  glasigen  Gewebsbalken.  Teilweise  waren  zellerfuUte 
Lymphspalten  bedeutend  erweitert.  Auch  dieser  Tumor,  denMorpurgo 
als  „Endotheliom  mit  hyalinen  und  cystischen  Bildungen**  bezeichnet, 
zeigt  dem  meinigen  gegenüber  genügend  Differenzen. 

Berlin,  25.  Oktober  19<>7. 


Erklärung  der  Abbildimgen  anf  Taf.  VII  n.  VIII. 


Fig.  1  ist  bei  zweifacher  Vergrößerung  gezeichnet, 

Fig.  2—5  mit  Leitz.  Oc.  2.  Obj.  8, 

Fig.  6—8  mit  Leitz.  Oo.  2.  Obj.  7. 

Sämtliche  Schnitte  sind  mit  Haemalaun,  resp.  Haemalaun-Eosin 
gefärbt. 

Fig.  1.  Übersichtsbild.  Schnitt  durch  den  längsten  Durchmesser 
der  Geschwulst.  Geschwnlstfelder  (f)  durch  Bindegewebssepta  (<)  von- 
einander und  von  der  Epidermis  {ep)  getrennt  Der  Tumor  erreicht  in 
der  Tiefe  die  obersten  Schichten   des   subkutanen  Gewebes  (sg)   —  Ge- 


')  Beiträge  für  klin.  Chirurgie.  1894.  Bd.  XII.  pag.  589. 
«)  Beiträge  für  klin.  Chirurgie.  1896.  Bd.  XV.  pag.  799. 
8)  Archiv  für  klin.  Chirurgie.  1898.  Bd.  LVI.  pag.  781. 
«)  Beiträge  für  klin.  Chirurgie.  1900.  Bd.  XXVI.  pag.  595. 
*)  Deutsche  Zeitschrift  für  Chirurgie.  1899.  Bd.  LI.  pag.  209. 
•)  Zeitschrift  fdr  Heilkunde.  1895.  Bd.  XVI.  pag.  170. 


208  Jalinsberg. 

Bchwulttgewebe  in  einieloen  Feldern  (If)  nach  dem  Zentrum  zn  aufge- 
lockert —  («)  Stelle  einer  Verletsung  der  Geschwnlstoberfläche  in  ope- 
ratione;  kleine  Blatang;  die  Epidermis  ist  hier  in  das  Oeschwalstgewebe 
hin  eingedrückt. 

Fig.  2.  Stelle  ans  einem  Geschwnlstfelde.  Zellige  Str&nge  (Hr) 
mit  Tarikösen,  raupenleibähnlich  segmentierten  Eontaren,  durch  ein 
relativ  zellarmes  Bindegewebe  (&)  getrennt.  Äußerste  Zellage  der  Ge- 
schwulststränge mit  senkrecht  zur  Achse  gestellten  stärker  tingierten 
Kernen. 

Fig.  3-  Zwischen  den  in  Figor  2  veranschaulichten  soliden  Zell- 
strängen {iir)  Hohlräume  (lg)  gleichfiills  von  varikösem  bzw.  ampullärem 
Kontur;  Kerne  ihrer  Wandbekleidung  in  der  Längsachse,  flach  endotbel- 
artig.  Unmittelbarer  Zusammenhang  von  Hohlräumen  mit  soliden  Zell- 
strängen. Inhalt  der  Hohlräume  blaß  gefärbt,  feinkörnig  (geronnene 
tig^ng  Lymphe). 

Fig.  4.  Hälfte  eines  Gesohwulstfeldes  mit  allmählicher  Verschmäch- 
der  Geschwulstzellzüge  nach  dem  Zentrum. 

Fig.  6.  Peripherie  dreier  Geschwulstfelder,  getrennt  durch  das 
bindegewebige  Septum  (•).  An  der  Peripherie  der  drei  Felder  konkav- 
konvexe  Randsinus  (r#t).  Direkte  Einmündung  von  varikösen  Zellsträngen 
(vgl.  Fig.  2)  in  die  Randsious,  deren  Zellen  den  ad  Fig.  8  erwähnten 
endothelartigen  Charakter  tragen.  Inhalt  des  Randsinus  rötlich  gefärbt, 
feinkörnig  (vgl.  Fig.  8).  Bei  l  Loslösung  der  Wandbekleidung  des  Rand- 
sinus vom  bindegewebigen  Septum. 

Fig.  6.  Unregelmäßig  gebauter,  teilweise  eingeschnürter  Hohlraum 
aus  einem  Geschwulstfelde.  Die  Wandbekleidung  bilden  flache  endo- 
thelartige  Zellen.  Im  Hohlraum  eine  blaßgefarbte,  feinkörnige  Masse  — 
geronnene  Lymphe. 

Fig.  7.  Hohlraum  mit  derselben  Masse  gefüllt,  wie  in  Fig.  6, 
begrenzt  von  einer  doppelten  Lage  epithelähnlicher  Zellen  (keine  Inter- 
zellularbrücken). 

Fig.  8.  Solide  Zellstränge  (vgl.  Fig.  2  und  3).  Die  Zellen  sind 
epithelartig.  Die  peripherische  Schicht  hat  stärker  gefärbte,  zur  Längsachse 
des  Zellstranges  radiär  gestellte  Kerne.  (Nirgends  Intercellularbrflcken 
oder  Verhornung). 


Archiv  f  Dermatologie  u  Syphilis  Band  LXXXIX. 


Juli\isljertjl.ymphMiaioEnriolli(!lioma  cutis  abdomiiüs. 


ArehJv  f  Dermatologie  u  Syphilis  Band  LXXXIX. 
Fig.S. 


JulKisbery  ^L^niiphaiigio  Endollieliuma  nilis  abäoTuiiiifi. 


Ans  der  k.  k.  dratmhen  dennat  UniTenit&tsklinik  in  Frag 

(Vorstaad:  Professor  ZreibioU- 


Klinische,  histologische  und  vergleichende 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  Catismyome. 


Von 

Dr.  Paul  Sobotka, 

Aasistentan  der  Klinik. 

(Hiesu  zwei  Tafeln.) 


Die  Zahl  der  mitgeteilten  Beobachtungen  yon  Leio- 
myomen des  Goriums  und  insbesondere  von  reinen, 
nicht  gemischten  Neubildungen  dieser  Gruppe  ist  auch  gegen- 
wärtig noch  recht  gering.  So  kann  es  nicht  Wunder  nehmen, 
daß  die  Erkenntnis  dieser  Geschwülste  in  mehr  als  einer 
Hinsicht  noch  mancher  Ergänzung  bedarf  und  daß  noch  so 
ziemlich  jeder  kasuistische  Beitrag  in  ihrem  Bilde  einen  neuen 
Zug  anzubringen  oder  einen  bekannten  schärfer  heryorzuheben 
Termag.  Immerhin  ist  die  Stellung,  welche  den  Myomen  der 
eigentlichen  Cutis  innerhalb  der  überaus  formenreichen  Ge- 
samtheit aller  Muskelhyperplasien  der  Haut  einzuräumen  ist, 
jetzt  bereits  recht  wohl  zu  umschreiben.  Eine  überraschend 
große  Anzahl  yon  Forschem  (Besnier  1880,  1885,  Babes 
1884,  Jadassohn  1891,  1900,  Winiwarter  1892,  Wolters 
1893,  Crocker  1897,  Neumann  1897,  Marschalkö  1900, 
Nobl  1906,  Pasini  1906,  Sehrt  1907)  haben  ja,  yon  sehr 
yerschiedenen  Standpunkten  aus,  zur  Frage  der  systematischen 
Einteilung  der  Hautmyome  überhaupt  das  Wort  ergriffen.  Ich 
glaube,    man    gewinnt    eine    recht    klare    Übersicht    des    ge- 


208  Sobotka 

samten  Stoffes,  woqq  maa  die  Hautmyome  mit  Benätzuag 
der  Ton  den  genannten  Verfassern  aufgestellten  Gesichtspunkte 
nach  ihrer  Abstammung  einzuteilen  versucht,  das  heißt  in 
engster  Anlehnung  an  Jadassohn  und  Grocker  nach  den 
Schichten  der  Haut,  aber  nach  Möglichkeit,  etwa  im 
Sinne  von  Babes,  noch  spezieller  auch  nach  den  besonderen 
Teilgebilden  der  Haut,  von  deren  Muskulatur  die  Wucherung 
ihren  Ausgang  nimmt.  Auf  der  Linie  dieses  Systems  bleibend, 
wird  man  die  Mischgeschwülste,  die  nach  älterem  Vor- 
schlage als  eigene  Klasse  allen  übrigen  Hautmjomen  gegen- 
übergestellt wurden,  deren  Muskelanteil  aber  doch  ebenfalls 
bestimmten  Gewebslagen  und  Gewebsarten  seine  Herkunft  ver- 
dankt, im  allgemeinen  an  entsprechender  Stelle  einzureihen 
vermögen,  dabei  aber  gerade  die  Anwesenheit  oder  das  Fehlen 
anderer  als  kontraktiler  Geschwulstelemente,  die  „Heinheit^ 
des  Myoms,  als  weiteren  Gliederungsgrund  innerhalb  des  ge- 
schaffenen Rahmens  mit  heranziehen  können.  Besniers  (1885) 
Warnung  vor  allzusehr  ins  Einzelne  gehenden  Unterscheidun- 
gen scheint  mir  mit  der  Zunahme  des  verwertbaren  Stoffes  an 
Bedeutung  verloren  zu  haben.  Immerhin  möchte,  ähnlich  wie 
Jadassohn  (1 900),  auch  ich  recht  ausdrücklich  betonen,  daß 
man  sich  —  und  das  gilt  ganz  besonders,  aber  nicht  allein 
für  die  Beziehungen  zwischen  reinen  und  gemischten  Ge- 
schwülsten —  der  Übergänge,  die  hier  wie  überall  so  manche 
Grenzlinie  verwischen,  immer  wieder  bewußt  zu  werden  hat. 

Als  eigentliche  Geschwülste  lassen  sich  die  Myome  mit  recht 
großer  Schärfe  zaoächst  von  Hyperplasien  mehr  entzündlicher 
oder  vielleicht  funktioneller  Art  abtrennen,  wie  sie  vornehmlich 
nach  Beobachtung  an  den  Arrectores  pilorum  für  eine  ganze  Anzahl 
von  Erankheitsznständen  festgestellt  worden  sind:  von  Yirchow  (die 
krankhaften  Geschwülste  IL  Bd.,  p.  616,  III.  Bd.,  I.  Eßlfte,  p.  125)  für  die 
„Anschwellungen  bei  Aussatz^;  von  Webb  (1857)  für  die  indische 
Elephantiasis  scroti  und  von  Rindfleisch  (1886,  p.  325)  für  eine 
Form  lymphangiektatischer  Elephantiasis  desselben  Gebildes,  von  Unna 
für  „entzündliche  und  infektiöse  Dermatosen **  (1894,  p.  864),  Prurigo 
Hebrae  (ebda.  p.  148),  Keratosis  suprafoUicularis  (Liehen  pilaris  p.  2d5), 
Liehen  (ruber  planus  p.  806),  Ichthyosis  nitida  (p.  827),  Elephantiasis 
nostras  s.  streptogenes  (p.  495);  von  Neu  mann  (a.  a.  0.  p.  10)  für 
Liehen  ruber  (so  schon  Au  spitz  1883,  p.  11),  Prurigo  als  konstanter  Be* 
fund,  für  Liehen  syphiliticus  und  anscheinend  auch  andere  syphilitische 
Hautveränderungen,  endlich  für  Variola;  von  Audry  (angef.  nach  Ja- 


Znr  Kenntnis  der  GutiBmyome.  209 

dassobn  1904,  p.  347)  für  manche  Fälle  von  Lnput  erythematod!»  des 
Kopfes ;  von  Heidingsfeld  (1907,  p.  18  des  Sonderabdmckes)  besonders 
far  diejenigen  „chronischen  Entsündangen  der  Haut,  welche  von  chronischer 
Cutis  anserina  und  von  Schauder  und  Frostgef&hl  begleitet  sind',  ferner 
als  regelmäßiges  Vorkommen  far  Pityriasis  rubra  pilaris,  auch  für  Para- 
keratosis, lyChronische  Dermatitis*'  und  andere  „chronische  parästhetische 
Hautleiden'. 

Schon  von  Myomcharakter,  bleibt  doch  aus  dem  Verbände  der 
eigentlichen  Hautmyome  eine  von  Babes  (a.  a.  0.  p.  605)  aufgestellte 
Gruppe  im  ganzen  hautfremder  Qebilde  ausgeschlossen:  es  sind  das 
Qeschwülste,  die  von  benachbarten  muskelfnhrenden  Or- 
ganen her,  ans  der  Aponeurosis  puborectalis,  aus  der  rektovaginalen 
Scheidewand,  aus  der  Prostata  in  oder  unter  die  Haut  (Marcano,  sieh 
z.  B.  bei  Besnier  1880,  p.  89)  eingewandert  sind.  Nicht  so  ganz  abseits 
wird  man,  im  Gegensatze  lu  manchen  älteren  Verfassern,  diejenigen 
Leiomyome  stellen,  die  als  fissurale  in  der  Gegend  foetaler  Spalten 
aus  abgesprengten  Keimen  entstanden  sind  (Elebs  1869,  p.  76).^) 

Die  autochthonen  Muskelgeschwülste  der  Haut  können  ihren 
Ursprung  in  verschiedenen  Schichten  nehmen.') 

Im  subkutanen  Gewebe,  dessen  Muskelneubildungen  Sehrt  (a. 
a.  0.  728)  gewiß  allzu  schrofi  die  Zusammengehörigkeit  mit  den  übrigen 
Hautmyomen  abspricht,  sind  es  zunähst  die  Gefäße,  die  die  Aus- 
gangsstätte der  Muskelwucherungen  bilden  können.  Die  Geschwülste, 
um  die  es  sich  hier  handelt,  sind  meist  in  der  Einzahl  vorhanden,  groß 
im  Verhältnis  zu  den  oberflächlichen  Myomen,  und  schon  klinisch  als 
subkutan  zu  erkennen.  Mischgeschwülste  sind  unter  ihnen  vertreten. 
Hierher  zählt  die  merkwürdige  Beobachtung  von  Czerny  (1874),  be- 
treffend eine  vererbte  Elephantiasis  neuromatosa  mit  subkutan  liegenden 
organischen  Muskelfasern  in  netzförmiger  Anordnung,  übrigens  auch 
Hyperplasien  der  Arrektoren  an  den  Randteilen  der  Neubildung;  dann 
aus  neuester  Zeit  Migliorinis  (1904)  höchst  eigenartiger  Fall  von 
nFibromioma  telangiectode*'  mit  Erweiterung  und  Auflösung  des  Gefaß- 
rohrs und  Bildung  seröser  gefäßähnlicher  Hohlräume  und  zahlreicher 
neuer  Ghefäße;  möglicherweise  femer  2  mir  nur  aus  Referaten  bekannte 
Fälle,  die  in  den  Literaturzusammenstellungen  der  meisten  Verfasser 
mit  merklichem  Unbehagen  mitgeschleppt  werden,  nämlich  Axel  Keys 
(1878)  Myofibroma  teleangiectaticum,  das  aus  dem  Unterhautgewebe  aus- 


^)  Der  nur  ganz  kurz  wiedergegebene  Befund  ließ  eine  eingehendere 
Verwertung  des  Falles  für  diese  Arbeit  nicht  zu. 

')  Daß  man  nicht  für  alle  Fälle  der  Literatur  ihre  Zugehörigkeit 
zu  einer  dieser  Schichten  angeben  kann,  wo  genauere  histologische  An- 
gaben fehlen,  ist  selbstverständlich.  So  habe  ich  mir  über  den  Sitz  der 
Sarkomyome  und  gewisser  muskelreicher  Angiomyome,  die  ich  bei 
Winiwarter  (a.  a.  0.  682),  beziehungsweise  bei  Babes  (a.  a.  0.  501) 
erwähnt  fand,  keine  Meinung  bilden  können. 

Arch.  f.  DermAt.  n.  Sypb.  Bd.  LXXXIX.  24 


210  Sobotka. 

geschält  werden  maßte,  aber  —  in  der  Hohlkand ! !  —  yon  Arrectores  pilonun 
abzustammen  schien,  und  Santessons  verwandter  Fall,der  zwei  Geschwülste 
der  Oberschenkelhaat  betraf.  Auf  ursprünglich  angiomartige  Bildungen  fahrt 
Babes  (a.  a.  0.  601)  mit  Virchow  gewisse  ganz  kleine,  subkatane, 
scharf  omschriebene,  weich  elastische,  sehr  schmerzhafte  Geschwüktchen, 
besonders  des  Rückens,  zurück;  einen  eigenen  Fall  Yon  der  Hohlhand 
(ebenda),  der  mir  aber  eher  den  Eindruck  eines  reinen  Gefaßwand- 
myoms (Angiomyoma  Babes)  macht,  reiht  er  an.  Sehr  ähnlich  auch  in 
Bezog  auf  den  sicheren  Ursprung  von  der  Gefäßmuskularis  sind  Marcs 
(1891)  reines  Myom  des  Hinterhauptes,  Migliorinis  (1905)  Mioma 
perivascolare  yon  der  äußeren  Fußknöcbelgegend,  schließlich  Sehrts 
(a.  a.  0)  rezidivierende  Geschwülste  von  der  Wange.  Die  Tubercula 
dolorosa  subcutanea,  die  sehr  verschiedene  Gewebsarten  beherbergen 
können  (Literatur  bei  Winiwarter  a.  a.  0.  395  und  Wolters  1893 
p.  425)  werden,  soweit  sie  myomatös  sind,  teils  den  reinen  (so  Jadassohn 
1900  p.  88),  teils  den  gemischten  Muskelgeschwülsten  zuzurechnen  sein 
(Harel,  Jardet,  Heurtauz,  Malherbe  sieh  bei  Jadassohn  1890, 
p.  99). 

Eine  eigene  Reihe  von  autochthonen  Muskelgeschwülsten  der  Haut 
nimmt  nach  der  gangbaren  Anschauung  ihren  Ursprung  von  dem  tiefen 
Muskel geflecht,  diesem  nur  wenigen  Hautstellen  zugeteilten  kontraktilen 
Apparat,  der  nach  fast^)  allgemeiner  Anschauung  der  Unterhaut  angehört 
und  dessen  Myome  den  übrigen  der  Snbcutis  entstammenden,  denen  sie 
tatsächlich  in  Hinsicht  ihrer  Zahl  im  Einzelfalle  und  io  Hinsicht  ihrer  Größe 
entsprechen,  nebengeordnet  werden  mögen  (G rock  er,  p.  2).  Es  sind  das 
die  schon  1885  von  Besn  ier  (a.  a.  0. 42)  als  Myoroes  dartoiques  zusammen- 
gefaßten und  späterhin  allgemein  (Grocker,  Jadassohn,  Wolters  u.a.) 
von  den  Goriummyomen  abgetrennten  Muskelneubildungen  der  Tuaica 
dartos  des  Hodensackes  und  diejenigen  der  entsprechenden  Gebilde  in 
den  Schamlippen,  vielleicht  auch  am  Penis,  zu  denen  man  auch  die  klinisch 
nahe  verwandten  Myome  der  Muskulatur  der  Brustdrüse  und  ihrer  Um- 
gebung gestellt  hat.  Hieher  werden  gewöhnlich  Försters  reines  Myom, 
dann  die  von  Phölisse  und  von  Ghallard  beschriebenen  Fibro- 
myome  des  Skrotums  gezählt,  von  denen  das  letzterwähnte  indes  nur 
wenig  Muskulatur  enthielt.    In  einem  Falle  von   Eraemer  sind  Knoten 


1)  Sieh  Kölliker,  Handb.  d.  Gewebelehre  d.  M.  6.  Aufl.  1889, 1.  Bd. 
p.  163,  He  nie  u.  Merkel,  Grundriß  d.  Anatomie  d.  M.  1901,  p.  318. 
Rauber,  Lehrb.  d.  Anat.  d.  M.  1903,  II.  Bd.,  p.  690,  doch  auch  684  und 
Unna  in  Ziemssens  Handb.  1888.  XIY.  Bd.  I.  Hälfte,  p.  11.  Eine  ganz 
andere  Auffassung  vertritt  in  überzeugender  Weise  neuerdings  Eberth 
(Die  männlichen  Geschlechtsorgane,  Bardelebens  Handbuch  d.  Anat. 
d.  M.,  12.  Lieferung),  für  den  die  Tunica  dartos  des  Hodensackes  aus 
zwei  zusammenhängenden  Schichten,  einer  kutanen  und  einer  subkutanen, 
besteht.  Auch  bezüglich  der  Muskulatur  der  großen  Schamlippen  gehen 
die  Meinungen  auseinander. 


Zur  Kenntnis  der  Gatismyome.  .211 

an  Skrotum  und  Penis  nicht  histologisch  untersucht  worden.  Von  Myomen 
der  großen  Schamlippen  ist  ein  von  Ghaliard  beobachtetes,  wiederum 
bindegewebsreiches  und  das  Yon  Yalude  untersuchte  bekannt  geworden. 
Neben  der  Brustwarze  saß  die  fibromyomatöse  Neubildung  in  den  beiden 
F&llen  von  El  ob  und  das  reine  Myom  in  dem  Falle  von  Sokolow 
(1878;  die  übrige  Literatur  angefahrt  nach  Sokolow,  p.  318,  Babes 
p.  508,  Julien  p.  120,  Neumann  p.  5,  Borst  p.  949  und  anderen). 
Da,  soweit  die  mir  sugangliche  Literatur  mir  ein  Urteil  gestattet, 
mehr  als  einmal  der  Sitz  der  Geschwulst  in  der  Gegend  einer  Fleischhaut 
ohne  wirklichen  Nachweis  des  Zusammenhanges  mit  ihr  genügt  hat,  die 
Einreihung  in  diese  Gruppe  zu  begründen,  sogar  dann,  wenn  sehr  ähnlich 
beschaffene  Gewächse  an  anatomisch  anders  gearteten  Nachbarstellen 
saßen,  so  sollte  man  die  echten  und  sicheren  Myomes  dartoiques  zum 
mindesten  zu  den  größten  Seltenheiten  zählen. 

Zu  den  vom  tiefen  Muskelgeflecht  ausgehenden  Geschwülsten 
rechnet  Babes  (p.  502;  auch  seinen  merkwürdigen  Fall,  in  dem  ange- 
borenerweise eine  ausgebreitete  Pachydermia  myxomatodes  des  männlichen 
Genitales  und  der  unteren  Gliedmaßen  bestand,  in  einzig  dastehender 
Weise  ausgezeichnet  durch  eine  dicke  »Lage  parallel  zur  Körperober- 
üäche  verlaufender,  dicht  stehender  Muskelbalken*'  der  tiefsten  Gutis.  Aber 
diese  ganz  eigenartige  diff'use  Muskelhyperplasie  stimmt  mit  den  Myomen 
der  tiefen  Hautschichte  ebensowenig  überein  wie  mit  denjenigen  der 
oberflächlichen.  Ich  werde  auf  den  seltsamen  Fall  noch  zurückzu* 
kommen  haben. 

Aus  der  organischen  Muskulatur  des  Gorinms  endlich  bildet  sich 
eine  Fülle  von  muskelhaltigen  Geschwülsten,  unter  denen  die  gemischten 
ein  sehr  buntes,  die  reinen  ein  sehr  einfaches  und  einheitliches  Bild 
darbieten.  Auf  einen  Teil  der  Kasuistik  dieser  Mischgeschwülste  werde 
ich  näher  eingehen  müssen,  um  zu  zeigen,  warum  ich  gewisse  in  der 
Literatur  beschriebene  Neubildungen  ans  der  für  diese  Arbeit  wichtig- 
sten Gruppe,  derjenigen  der  reinen  Myome  des  Goriums,  ausscheide. 

„Hyperplasien  der  Muskelbündel"  bilden  einen  Bestandteil  von 
K tiefsitzenden  Warzen,  Verrucae  molles**,  „tiefgreifenden  Naevusformen'' 
(Yirchow,  Geschwulste  III,  1.  Hälfte,  p.  125);  Xanthome  (Ghambard 
und  Gouilloud,  zitiert  z.  B.  bei  Borst),  Fibrome  (angeführt  z.  B.  bei 
Unna  1894,  p.  864),  Eeloide  (Babes,  p.  604)  können  durch  den  Gehalt 
an  glatten  Muskelfasern  zu  Misehgeschwülsten  werden. 

Die  Abstammung  der  kontraktilen  Bündel  in  all'  diesen  Geschwül- 
sten wird  sich  in  den  allermeisten  Fällen  nicht  angeben  lassen.  In 
Heidingsfelds  (1907)  merkwürdigem  Falle  II,  in  dem  es  sich  um  ein 
beispielloses  Konglomerat  von  Papillom,  keloidartigen,  sarkomatösen, 
myomatösen  und  pigmentnaevusartigen  Geschwülsten  handelte  und  dessen- 
gleichen  man  hinter  der  Bezeichnung  „myomata  cutis**  eigentlich  nicht 
vermutet,  gingen  die  Muskelknötchen  vielleicht  von  der  Gefäßwand  aus. 
Am  zahlreichsten  und  engsten  sind  die  Beziehungen  zwischen  den 
Angiomen  und  Myomen,  wobei  man  indessen  Wncherungen  der  Gefäß- 

14* 


1 


212  Sobotka. 

mnacnlaris,  die  gBMz  reine  Myome  erzeagen  können,  ja  nicht  mit  der 
«dgiombildenden  Vermehraog  der  Gefifie  selbst  eq  verwechseln  hat 
Qewisse  , weiche,  blntarme,  auf  dem  Darohsohnitte  körnige  Warzen  and 
M&ler'^  angiomatösen  Wesens  (Babes  a.  a.  0.  p.  601)  sind  wegen  ihres 
Reichtams  an  glatten  Muskelfasern  offenbar  hier  einzareihen.  In  Tele- 
angiektasien (Naevns  Tasealosas  teleangieotodes)  besonders  der  ünter- 
hant  und  des  Fettgewebes  mit  starker  Wandverdicknng  der  Ge- 
ftOchen  beobachtete  Virchow  (1864,  p.  662)  in  der  Haut  in  der  Nähe 
der  Schweißdrüsen  nnd  im  Zasammenhange  mit  Haarbftlgen  regelmftOig 
Mnskelbündel,  die  meist  senkrecht  aufstiegen;  nnd  die  kleinen  , be- 
haarten Knoten''  im  Gesichte  alter  Leate  leigten  ihm  «genau  dieselbe 
Zusammensetinng^  (a.  a.  0.  p.  668).  Der  Obergang  Ton  solchen  Be- 
fanden, wie  alle  die  letzterwähnten,  zu  demjenigen  gemischter  Ge- 
schwülste, in  denen  das  Myom  rorwaltet,  ist  ein  fliefiender.  So  schließt 
sich  hier  ohneweiters  Heidings felds  (a.  a.  0.)  Yor  karzem  Ter- 
öffentlichter  Fall  I  an:  Nach  Trauma  nicht  wieder  vollständige  Bück- 
kehr zur  Norm;  Entwicklung  eines  klinisch  unzweifelhaften,  cavernösen 
Angioms  mit  Bildung  mehrerer  solider  Knötchen;  Druckschmerz  und 
spontane  SohmerzanftUe;  mikroskopisch  Leiomyom  und  Gavemom  an 
sehr  vielen  Stellen  gemischt,  an  anderen  vollkommen  geschieden;  die 
Maskulatar  offenkundig  von  den  Arrektoren  abstammend.  Der  allenthalben 
angeführte  aber  darum  nicht  minder  unklare  Fall  von  Brigidi  und 
Marcacci  (den  ich  nach  dem  äußerst  aasführlichen  Referate  von  Julien 
(a.  a.  0.)  und  demjenigen  von  Crocker  (a.  a.  0.,  p.  6)  beurteile),  ist 
nach  Unna  (1894,  p.  863)  gleichfalls  mit  Angiomen  in  Verbindung  zu 
bringen,  von  deren  Wandungen  (Seriensohnitte  fehlen)  die  Wucherung 
aach  auszugehen  scheint.  Klarer  immerhin  liegt  ein  jüngst  von  Pasini 
(1906)  vorgestellter  Fall  von  „Myoma  angiocavernoium^ :  Entwicklung 
von  6  papulolentikulären,  ekchymotisch  aassehenden  Knötchen  bald  nach 
der  Gebart  im  Laufe  eines  Monats;  mikroskopisch  vielfach  verflochtene 
Muskelfasern,  welche  „lakunäre  Räume,  gefüllt  mit  roten  Blutkörperchen  in 
verschiedenen  Phasen  der  Degeneration,  einschließen'^  und  enorm  erweiterte 
Blutgefäße.  Der  Verfasser  bestreitet  M  a  j  o  c  o  h  i  s  in  der  Diskussion  geäußerte 
Ansicht,  daß  es  sich  um  ein  Angioma  cavernosum  mit  bemerkenswerter 
Entwicklung  des  glatten  Muskelgewebes  handle  und  erblickt  in  der  Myom- 
bildung  das  Ursprüngliche  and  Ursächliche.  Das  heißt,  die  Beobachtung 
hätte  nichts  anderes  zum  Gegenstande  als  einen  durch  sekundäre  Gefäß- 
veränderungen  ausgezeichneten  Fall  aus  der  sofort  noch  zu  besprechenden 
Gruppe  der  reinen  Goriummyome.  —  Gerade  in  diesem  Zusammenhange 
verdienen  die  beiden  allerersten  Mitteilungen  über  Hautmyome  Erwähnung. 
Das  ist  zunächst  diejenige  Virchows  (1864,  p.  663)  über  seine  „tele- 
angiektatische  Muskelgeschwulst''',  sein  „Myoma  teleangiektodes'',  das 
man  trotz  der  Knappheit  der  histologischen  Schilderung  wohl  noch  ent- 
schiedener als  Jadassohn  (1890,  p.  98)  za  den  angiomatösen  Mischge- 
schwülsten  rechnen  darf  nnd  zwar  bei  dem  Sitze  der  beobachteten 
Knoten  „neben",  „in  der  Nähe",  nicht  etwa  an  der  Brustwarze,  bei  der 


Zur  Kenntnis  der  Gatiimyoroe.  213 

Zahl  der  Einzelknoten  (ein  Dutzend)  und  ihrer  Aasbrei tung  über  einen 
faandflächengroßen  Raum  nicht  etwa  zu  den  Myomen  des  besonderen 
Muskelorgans  der  Warze,  wie  man  immer  wieder  gewollt  hat,  sondern 
an  den  eigentlichen  Coriammyomen.  und  zweitens  ist  es  der  Fall  von 
Yernenil  (1858,  angeführt  nach  der  sehr  eingehenden  Wiedergabe  von 
Besnier),  der  hteher  gehört,  wenn  anders  man  diesem  alten  Beschreib 
bnng  von  multipelsten  Myofibromen  und  Myoangiofibromen,  in  denen 
auch  Gewebe  von  der  Art  der  Herzmuskalatnr  angetroffen  wurde,  mit 
vollem  Vertrauen  entgegenkommen  will.  Die  Multiplizit&t  dieser  Corinm- 
geschwülste  in  beiden  Fällen,  der  eigentümliche  Umstand,  daß  nur  ein 
Teil  der  Herde  das  Gepräge  der  Gefaßrermehrung  trug,  das  Hinzutreten 
äußerst  starker  Schmerzen  in  dem  ersten  Falle  —  alle  diese  Züge  reihen 
die  beiden  Beobachtungen  gleich  derjenigen  Pasinis  schon  auf  das 
engste  denjenigen  von  reinen  Goriuramyomen  an. 

Zu  diesen  reinen  Goriummyomen  haben  wir  nns  nun  zu 
wenden  und  damit  zu  einer  Gruppe,  die  nach  dem  gesagten  zwar  nicht 
haarscharf  abzugrenzen  ist,  aber  doch  ein  im  ganzen  sehr  gut  umschrie  - 
benes  Bild  darbietet,  welchem  es  bei  allem  Spielräume  in  der  Ausprä- 
gung jedes  einzelnen  Symptoms  an  Einheitlichkeit  nicht  gebricht.  Sie 
pflegen  sonst  nicht  in  dieser  Weise  abgegliedert  zu  werden,  vielmehr 
hat  man  in  der  Regel  die  „multiplen  Dermatomyome**  als  eigene  Ge- 
meinschaft zusammengefaßt,  unter  Verzicht  auf  die  „Reinheit'  des  Myom- 
charakters und  andererseits  mit  mehr  oder  weniger  entschlossener  Aus- 
scheidung der  in  der  Einzahl  auftretenden  Myome.  Aber  gerade  die 
Einheitlichkeit  der  Gruppe  bliebe  nicht  gewahrt,  wenn  man  ihr  auch 
so  ganz  fremdartige  Formen  zuzählte,  wie  sie  z.  B.  von  Brigidi  und 
Marcacci  (höchst  ungewöhnliche  Gefaßerscheinungen)  oder  von 
Heidings feld  (besonders  in  seinem  Naevusfall)  beschrieben  worden 
sind.  Die  solitären,  dabei  knotenförmigen  Myome  Audrys  (1898) 
und  Herzogs  (1898)  aber  von  den  multiplen  abseits  zu  stellen,  ist 
vollends  untunlich.  Anatomisch  gleichen  sie  ihnen  vollkommen.  Vom 
klinischen  Standpunkte  aber,  zum  Vorteile  der  Diagnostik,  hat  man 
allerdings  immer  zu  befonen,  daß  die  Myome  der  eigentlichen 
Haut  der  Regel  nach  in  der  Mehrzahl  oder  Vielzahl  vorkommen; 
darüber  hinaus  jedoch  die  Zahl  zum  wirklichen  Trenaungsgrunde  zu 
machen,  verbietet  die  (Geringfügigkeit  der  Zwischenstrecke,  die  zwischen 
dem  einen  Tumor  Audrys  oder  Herzogs  und  den  „einigen** 
Myomen  von  Erzysztalowicz  noch  besteht  und  in  die  täglich  ein 
neu  beobachteter  Fall  einen  neuen  Teilungspunkt  setzen  kann.^)  Mit 
nicht  viel  geringerem  Rechte  könnte  man  die  „einigen''  und  die  „un- 
zähligen" Myome  im  System  auseinanderhalten  wollen. 

Das  Bild,  das  die  Angehörigen  dieser  Gruppe  darbieten,  schildere 
ich  hier  nur  in  ganz  kurzen  Zügen,  zumal  ich  auf  eine  Reihe  von  Punkten 


^)  Pasinis  Fall,  welcher  den  „reinen **  so  nahe  steht,  bot  tat- 
sächlich anfangs  die  Zwischenstufe  von  5  Knötchen  dar,  scheint  aber 
noch  in  der  Entwicklung  begriffen  zu  sein. 


214  Sobotka. 

nocli  sar&ckkomme ;  aasf&hrlicheZatammenfassiiiigen  übrigeas  findet  man 
inJadassohns  gehaltvollem  eozyklop&dischen  Beitrage  über  .Dermato- 
myome^  (1900),  der  in  seinem  Abschnitte  über  kutane  Myome  doch  ror- 
nehmlich  die  reinen  behandelt,  oder  in  den  Monographien  von  Joseph 
(1904)  oder  Darier  (1904). 

Dia  reinen  Gorinmmyome  sind  meist  in  der  Mehrzahl  und  selbst 
in  uniählbarer  Menge  vorhandene,  selten  einsählige  Geschwülste;  ihre 
Zahl  nimmt  im  Einzelfalle  bald  langsamer,  bald  rascher  zu  oder  kann 
von  einem  gewissen  Augenblicke  an  auch  stetig  bleiben.  Ihr  Wachstum 
kann  bis  etwa  Kirschgröße  gedeihen.  Ihre  Farbe  ist  in  der  Regel  einer 
der  Töne  des  Rot.  Die  multiplen  treten  in  einem  oder  in  mehreren 
Herden  an  den  verschiedensten  Körperstellen  oder  als  Anomalie  sehr 
ausgedehnter  Hautflächen  auf,  assymmetrisch,  selten  symmetrisch  ange- 
ordnet, bald  über  die  befallenen  Gebiete  ziemlich  gleichmäßig  ausgesät, 
bald  gruppiert,  auch  zu  größeren  Gebilden  zasammeofließend.  Sie  fühlen 
sich  derb  an  und  lassen  sich  über  der  Unterlage  \erschiebeu.  Oft  sind 
sie  druckschmerzhaft;  sehr  charakteristischer  Weise  verursacht  nicht 
selten,  aber  bei  weitem  nieht  immer,  Kälte  Schmerzen  und  treten  ia 
vielen  Fällen  eigenartige  neuralgiforme  Schmerzanfalle  auf.  Histolog^ch 
weisen  sie  Bündel  glatter  Muskelfasern  auf,  die  gewöhnlich  als  regellos 
einander  durchflechtend  geschildert  werden;  diese  Bündel  nehmen  das 
Gorium  in  verschiedenem  Ausmaße  und  verschiedener  Tiefe  ein,  sind 
gewöhnlich  gegen  die  Mitte  der  Neubildung  zu  dichter  gelagert  und 
nur  difrch  schmale  Bindegewebszüge  getrennt,  um  nach  dem  Umfange 
zu  an  engem  Zusammenhange  zu  verlieren;  das  Bindegewebe  ist  sehr 
oft  von  mäßiger  Entzündung  ergriffen. 

Es  trennt  sich  aber  für  die  eingehendere  Betrachtung  diese  Gruppe 
in  mehrere  im  Sinne  des  vorgeschlagenen  Systems.  Denn  die  verschie- 
denen Möglichkeiten  des  Ursprunges  der  Muskel  Wucherung  von  ganz 
bestimmten  muskulären  Elementen  erregen  gerade  hier  besonderes 
Interesse,  wenn  auch  rein  theoretisches.  Es  ist  vorzugsweise  das  Mikro- 
skop, das  diese  Besonderheiten  der  in  ihren  gröberen  Verhältnissen  auch 
histolc>gisch  recht  ähnlichen  Neubildungen  in  vielen  Fällen  aufdeckt. 

Welches  sind  nun  jene  Möglichkeiten  der  Abstammung? 

Ich  greife  zunächst  noch  einmal  auf  Babes  Pachydermiefall 
zurück.  Man  kann  kaum  umhin,  eine  derartig  gelagerte  und  ange- 
ordnete diffuse  Muskelneubilduug  auf  eine  Wucherung  von  „freien" 
Muskelfasern  zurückzufuhren  von  der  Art  derjenigen,  die  außer  älteren 
Verfassern  kürzlich  wieder  Fick  (1905,  p.  68)  gerade  in  der  Cutis  an 
der  Streckseite  des  Oberschenkels  nachgewiesen  hat.  Erinnert  man  sich 
nun  aber,  daß  wiederum  Babes  (p.  600)  in  der  Umgebung  des  Afters, 
des  Nabels  und  des  Ohres  das  inkonstante  Vorkommen  spärlicher 
Muskelzüge  von  der  Lagerung  derjenigen  des  tiefen  Muskelgedechtes 
feststellen  konnte,  und  daß  Unna  (1888|  p.  14)  in  der  Haut  der  Stime, 
der  Wange,  des  Rückens  nicht  an  bestimmte  Gewebselemente  gebundene 
Muskelfasern   etwa   vom   Verlaufe   der   Arrektoren   gefunden  hat,   deren 


Zar  Kenntnis  der  Gutismyome.  215 

Vorhandensein  allerdings  von  EÖlliker  (1889,  pag.  16S)  nicht  aner- 
kannt wird,  so  wird  man  den  (bedanken  nahe  liegend  finden,  daß  gleich 
der  diffosen  Nenbildong  des  B  ab  es  sehen  Falles  wohl  auch  einmal  ein 
nmschriebenes  Myom  oder  eine  Orappe  von  solchen,  wenigstens  an  ge- 
wissen Körperstellen,  von  dieser  Art  freier  Muskelfasern  den  Aasgang 
genommen  haben  könnte. 

Fast  noch  bestechender  scheint  zanächst  ein  zweiter  Gedanke.  Es 
^It  nämlich  aaf,  daß  sich  sechs  oder,  wenn  man  will,  sieben  von 
aehtandzwanzig  Fällen  der  reinen  Myome  darch  eine  Dreizahl  ganz 
besonderer  Merkmale  auszeichnen:  durch  die  «aggregierte,  auf  enge 
Bezirke  beschränkte"  (Nobl  1906,  p.  83),  die  „regionäre**  Anordnung 
(Jamin  1901,  p.  477),  dann  durch  die  yerhältnismäfiig  sehr  geringe 
Zahl  ihrer  Knoten  (in  Herzogs  Falle  lag  ein  einziger  vor),  endlich 
durch  das  Befallensein  stets  derselben  ganz  bestimmten  Gegend  des 
Körpers.  Diese  eine  Gegend  ist  das  Gesicht,  beziehungsweise  auch 
noch  der  Hals,  diese  an  fötalen  Spalten  so  besonders  reiche  Gegend  — 
dieselbe,  die  gerade  auch  in  dem  einzigen  anerkannten  Falle  von  Myomen 
fissuralen  Ursprungs  (Klebs)  betroffen  war.  Sollten  nun  nicht  alle 
Geschwülste  der  hier  herausgehobenen  Gruppe  von  fissuraler  Entstehung 
sein?  So  einleuchtend,  so  unabweislicb  fast  die  Vermutung  im  ersten 
Augenblicke  scheint  —  zuletzt  bewährt  sie  sich  dennoch  nicht.  Denn 
in  einem  der  Fälle  (Hess)  konnte  die  Entstehung  der  Neubildung 
geradezu  auf  die  Wucherung  gewisser  normalen  Muskelfasern  der  Haut 
zurückgeführt  werden,  in  zwei  anderen  (W h i t fi e  1  d,  Krzysztalowicz) 
lehrt  genauere  Betrachtung  doch,  daß  sich  die  Verteilung  der  Ge- 
schwfilstchen  den  typischen  Verhältnissen  am  Kopf-  und  Halsteile  des 
menschlichen  Embryos  nur  in  unvollkommener  Weise  anpafit.  So 
scheint  auch  für  den  Rest  der  Gruppe  dieser  Weg  der  Erklärung  un- 
gangbar. Nun  hat  aber  schon  Darier  (p.  642),  übrigens  mit  aller 
Zuröckhaltung,  den  Versuch  gemacht,  die  Entstehung  der  Myome  gleich 
derjenigen  anderer  Geschwülste  im  Sinne  der  Gohnheimschen  Lehre 
auf  eine  —  nicht  gerade  aus  dem  normalen  Bau  des  Embryos  zu  erklä- 
rende —  Heterotopie  von  Keimen  zn  beziehen,  auf  eine  in  der  Embryonal- 
zeit erfolgende  Isolierung  gewisser  mit  Wucherungsfähigkeit  begabter 
Zellgruppen  oder  Gewebsteile,  ohne  sich  übrigens  über  die  Abstammung 
dieser  Gewebe  genauer  auszasprechen.  Für  die  Myome  im  ganzen  eine 
solche  Erklärung  anzunehmen,  ist  nicht  wohl  tunlich,  weil  man  viele 
von  ihnen  auf  das  unzweideutigste  von  normaler  Hautmuskulatnr  aus- 
gehen sieht;  für  einzelne  Fälle  könnte  sie  immerhin  richtig  sein,  aber 
es  ist  wenigstens  in  diesem  Augenblicke  noch  keine  sichere  Stütze  für 
sie  vorhanden.  Beweisen  ließe  sich  das  Vorkommen  von  Muskelneubil- 
dungen  solcher  Art  —  auch  Krzysztalowicz  (a.  a.  0.)  spricht  sich  in 
diesem  Sinne  aus  —  bestenfalls  nur  auf  Grund  allergenauester  Serienunter- 
snchung  an  ganz  jungen  Neubildungen,  an  denen  dann  jedes  Heraus- 
wachsen aus  bodenständiger  Hautmuskulatur  sich  ausschließen  lassen  müßte. 


216  Sobotka. 

Kehren  wir  aos  dem  Reiche  der  Hypothesen  zu  den  klaren  Yer- 
h&ltnissen  surflck,  die  der  Ban  der  typischen  and  normalen  Haut  dar- 
bietet, so  finden  wir  drei  Elemente,  welche  den  Ansgangspnnkt  einer 
Hyperplasie  glatter  Muskelfasern  sn  bilden  vermöchten:  die  Mnskel- 
hinte  der  €kiä6e,  die  Haarbalgmaskeln,  die  Muskelfasern  der.Sohweiß- 
drüsenknftuel. 

Knn  hat  aber  sehr  oft  nicht  festgetellt  werden  können,  von 
welchem  dieser  Gewebe  die  Nenbildnng  ihren  Aasgang  genommen  haben 
mochte.  Da  wäre  denn  sofort  Gelegenheit,  auf  die  eben  entwickelte 
Möglichkeit  des  ürspranges  ans  jenen  fraglichen  Keimen  zorückzagreifen. 
Sehr  wahrscheinlich  aber  kommt  man  der  Wahrheit  näher,  wenn  man 
im  Einzelfalle  sehr  nahe  liegende  Umstände  für  das  Mißlingen  einer 
sicheren  Ableitung  verantwortlich  macht:  den  Grad  der  Geschwulst- 
entwicklnng,  die  znweit  gediehen  war,  um  die  AnfangSTerhältnisse  noch 
unverwischt  bestehen  zu  lassen,  den  nicht  so  seltenen  and  außerordentlich 
wichtigen  Verzicht  auf  die  Herstellung  von  Serienschnitten  und  ge- 
legentlich (bei  Arrektorengeschwnlsten)  daneben  auch  eine  unglückliche 
Wahl  der  Scbnittrichtung.  Nicht  klargelegt  ist  so  die  Herkunft  der 
Myome  in  dem  Falle  von  Besnier  (1880,  1885),  Arnozan  und  Vaiilard 
(1881),  in  beiden  Fällen  Jadassohns  (1891),  von  denen  allerdings  dem 
zweiten  ganz  ausgesprochen  follikuläre  Knötchen  zukamen,  in  dem 
Falle  von  J arisch  (18^6),  demjenigen  von  Neumann  (1897),  von  White 
(1899),  in  einem  Falle,  dessen  Darier  (1904)  bei  der  zusammenfassenden 
Schilderung  der  Dermatomyome  als  eines  von  ihm  selbst  beobachteten 
erwähnt,  der  übrigens  bei  der  Spärlichkeit  der  von  dem  Verfasser  ge- 
machten Angaben  in  dieser  Arbeit  weiterhin  nicht  verwertet  werden 
kann,  ferner  in  dem  Falle  von  Whitfield  (1905),  dengenigen  von 
Genevois  (1905)  und  endlich  dem  von  Krzysztalowicz  (1906)  be- 
schriebenen. 

Von  allen  drei  normalerweise  in  der  Haut  vorkommenden 
Mnskelelementen  war  die  Leiomyombildung  möglicherweise  in  der  Be- 
obachtung von  Grocker  (1897)  abzuleiten,  wahrscheinlich  in  derjenigen 
von  Lukasiewicz  (1892)  und  bestimmt  wohl  in  den  beiden  ersten 
der  noch  genauer  zu  besprechenden  drei  seltsamen  Fälle  von  Wolter8(l  898). 

Von  zweien  der  in  Betracht  kommenden  Muskelarten,  nämlich 
Arrektoren  und  SchweißdrüsenfaBern,sahHuldschin8ky(1901) 
die  Wucherung  ausgehen.  Arrektoren  und  Bündel  der  Gefäß- 
muskularis  gingen  in  einem  höchst  eigenartigen  Falle  von  Wolters 
(1905)  in  eine  fleischhautartige  Muskelmasse  ein,  die  im  ganzen  ober- 
flächenparallel im  tieferen  und  tiefen  Corium  über  einer  Meningocele  eines 
6  Monate  alten  Kindes  lag.  Auch  wenn  man  sich  nicht  entschließen  kann, 
Wolters  Anschauung  einer  kompensatorischen  Hypertrophie  der  Musku- 
latur in  der  durch  das  Wachstum  der  Meningocele  immer  mehr  ver- 
dünnten Haut  zu  teilen,  so  wird  man  dieser  sonderbaren  Haut  Veränderung 
eben  wegen  ihrer  Verbindung  mit  jener  anderen  Anomalie  and  wegen 
ihrer  Diffasität,  eudlich  auch  we^en  der   tiefen  und  flachen  Lagerung 


Zar  Kenntnis  der  Cntismyome.  217 

der  Moskelbündel  eine  besondere  Stellung  einrftamen,  abseits  von  den 
im  wesentlichen  doch  amschriebenen,  knotenförmigen  einzelnen  oder 
multiplen  typischen  Goriummyomen.  Ob  die  Besiehongen  dieses  Falles 
zu  demjenigen  von  Babes  mehr  als  äußerliche  sind,  ist  schwer  zu  sagent 

Unter  den  Möglichkeiten  der  Abstammung  Ton  einem  einzigen 
der  drei  mnsknlösen  Organe  der  Haut  hat  man  diejenige  der  Herkunft 
Ton  den  Schweißdrüsenfasern  bisher  nicht  in  die  Wirklichkeit 
umgesetzt  gefunden. 

Ausschließlich  auf  ein  Hinaus  wuchern  der  Gefftßmuskulatur 
über  den  Bereich  der  üeAße  —  nicht  im  entferntesten  gleichbedeutend 
mit  einer  Gefäßyermehrung  oder  -Erweiterung  —  konnte  Hardaway 
(1886,  1904)  mit  Wahrscheinlichkeit,  Hess  (1890)  in  seiner  schön  durch« 
gearbeiteten  Beobachtung  mit  Sicherheit  die  Entwicklung  der  Geschwülst- 
chen seines  Kranken  beziehen. 

Hyperplasie  der  Arreotores  pilorum  allein  ist  zunächst  in 
den  beiden  Fällen  Ton  Solitärgesch Wülsten,  denjenigen  Audrys  (1898) 
und  Herzogs  (1898)  als  wahrscheinliche,  beziehungsweise  sichere  Ur- 
sache der  Myombildung  aufgefunden  worden.  An  multiplen  Dermato- 
myomen  haben  ▼.  Marsch alkö  (1900),  Jamin  (1901)  und  auch 
Brölemann  (1904)  diese  Art  der  Abstammung  nachweisen  können. 
Kobl  (1906)  fand  in  der  Verflechtung  des  Haarbalgmuskels  mit  der 
Geschwulstmasse  „deutlichst  eine  engere  Beziehung  zu  den  Arrectores 
pilorum".  Beatty  (1907)  halt  auf  Grund  seiner  Präparate  einen  solchen 
Zusammenhang  für  sehr  wahrscheinlich,  Roberts  (1900)  yermutet  ihn. 
Gutmann  möchte  in  seinem  Falle  die  Herkunft  von  den  Arrektoren 
aus  klinischen  Erscheinungen  erschließen,  weil  ein  Teil  der  kleinsten 
Geschwülstchen  follikulären  Sitz  hatte  und  an  der  Haut  zwischen  den 
Myomknötchen  sich  besonders  schöne  cutis  anserina  einzustellen  pflegte. 
Von  Jadassohns  zweitem  Falle,  der  vielleicht  hieher  zu  stellen  ist,  war 
schon  die  Rede. 

In  einer  Anzahl  von  Fällen,  die  von  ihren  Beobachtern,  von 
Pringle  (1898),  Morris  (1901),  Morris  u.  Dore  (1902),  Golcot. 
Fox  (1902)  als  multiple  Dermatomyome  diagnostiziert  wurden,  ist  kein 
mikroskopischer  Befund  erhoben  worden.  In  dieser  meiner  Zusammen- 
stellung nach  histologischen  Gesichtspankten  konnten  sie  daher  natur- 
gemäß keinen  Platz  finden ;  aber  auch  die  Diagnose  selbst  ist,  wie  es  zum 
Teile  die  Verfasser  selber  aussprechen,  in  diesen  auch  klinisch  nicht 
sonderlich  charakteristischen  Fällen  ohne  Biopsie  nicht  als  unantastbar 
anzusehen  —  ein  Standpunkt,  den  in  neuerer  Zeit  besonders  Joseph  (a. 
a.  0.)  in  allgemeinerer  Weise  geltend  gemacht  hat.  Wie  es  in  dieser 
Hinsicht  um  den  Fall  von  Blanc  und  Winberg  (1896,  angeführt  nach 
Genevois  p.  12)  bestellt  ist,  vermag  ich  nicht  zu  sagen;  für  den  Fall 
von  Graham  Little  (1906)  steht  die  verheißene  genauere  Beschreibung 
noch  aus. 

Indessen  aach  von  den  als  Myomatose  diagnostizierten  und  mikro- 
skopisch untersuchten  Fällen  wird   einzelnen  die  Einreihung  unter  die 


218  Sobotka. 

Myome  yenagt,  anderen  wenigstens  eine  besondere  Ecke  im  System 
angewiesen.  So  bandelte  es  sieb  in  Wolters  erwäbntem  Myelocelen- 
fall  am  ein  gans  einsigartiges  Erankheitsbild.  Aber  da  lag  doch  anbe- 
stritten eine  Maskelgeschwalst  yor.  Die  Diagnose  selbst  jedoch  fand 
Widersprach  in  den  beiden  anderen,  allerdings  stark  von  dem  Daroh- 
schnittsbilde  der  Myome  abweichenden  Beobachtungen,  die  derselbe  Ver- 
fasser yeröffentlicht  hatte  (1893)  und  auf  Grund  welcher  er  geneigt  war, 
Grockers  1892  bekannt  gegebenen  Fall  yon  Xanthom  gleichfalls  den 
Myomen  beizusählen.  Denn  Crooker  seinerseits  und  auch  Jarisch 
möchten  den  Woltersschen  Fall  nicht  recht  als  solchen  yon  Myomen, 
sondern  am  liebsten  just  als  solchen  yon  Xanthomen  gelten  lassen.  Der 
klar  geschilderte  histologische  Befund  scheint  mir  aber  doch  ganz  nn- 
zweideatig  die  Richtigkeit  yon  Wolters  Diagnose  zu  erweisen;  man 
muß  sich  eben  damit  befreunden,  daß  Coriummoskelgeschwälste  sich 
gelegentlich  auch  rasch  ausbreiten  (wie  seitdem  in  den  Fällen  yon 
H  uldschinsky,  yon  Qeneyois,  yon  Beatty  und  in  dem  meinen), 
daß  sie  symmetrisch  angeordnet  sein  (ygl.  auch  Nobl),  die  Gelenk- 
gegenden beyorzugen  and  ganz  ausnahmsweise  mit  Glykosurie  einher- 
gehen  können.  —  Dagegen  konnte  ich  mich  nicht  entschließen,  die  an 
sich  sehr  interessante  Beobachtung  yon  A.  Riegel^)  als  eine  solche 
yon  anzweifelhaft  sicheren  Myomen  hier  zu  yerwerten.  Denn  so  gewiß 
das  klinische  und  im  ganzen  auch  das  histologische  Bild  des  Falle« 
far  Myome  spricht,  so  fehlt  doch  leider  in  der  sonst  überaus  klaren 
und  überzeugenden  Darstellung-  jede  Angabe  über  farberische  oder 
präparatorische  Sicherstellung  der  muskulären  Beschaffenheit  der  an 
sich  nichts  weniger  als  typischen  Geschwulstfaseru.  Handelt  es  sich 
übrigens,  wie  allerdings  auch  mir  am  wahrscheinlichsten,  tatsächlich  um 


')  PHspeyek  ku  kasuistice  yzacnych  nadoru.  Myoma  laeyicellulare 
cutis  reg.  mamillae  dextrae.  Sbornik  lekahky.  Bd.  IV.  p.  827.  1891. 
Ein  kurzer  Auszug  aus  der  anscheinend  nirgends  ausreichend  referierten 
Arbeit  sei  hier  eingefügt:  28jäbriger  Fleischer.  Im  Verlaufe  etwa  der 
letzten  sieben  Jahre  bildeten  sich  nach  einander  17  Geschwülstchen  an 
der  Brust;  die  ältesten  haben  allmählich  Kirschgröße  erreicht,  die  übrigea 
sind  hanfkom-  bis  höchstens  kleinerbsengroß  geworden.  Sie  stehen 
ziemlich  dicht  in  handtellergroßer  Gruppe  yon  etwa  oyalem  umriß 
rechts  und  oberhalb  der  rechten  Brustwarze.  Der  größte  Knoten,  der 
kurz  gestielt  ist,  liegt  am  weitesten  yon  ihr  entfernt;  seine  Hantdecke 
ist  gespannt,  nicht  abhebbar;  er  ist  blaurot,  derb  elastisch  anzufühlen. 
Die  kleineren  Knoten  sind  hell  rosenfarben,  fast  knorpelhart,  klimsch 
aufs  deutlichste  der  Haut  selbst  angehörig.  Beschwerden:  Schmerz  in 
dem  gesamten  befallenen  Hautgebiet  (ununterbrochen  andauernd?  D.  Ref ), 
Bohlafraubend ;  Druckschmerzhaftigkeit,  erheblich  nur  an  der  größten 
Geschwulst;  zeitweilig  Gefühl  der  Zusammenziehung  in  dem  ganzen  Haut- 
bezirk, mit  allmählichem  Ansteigen  und  Abfallen;  „die  Schmerzen  yer- 
minderten   sich   dabei   aber   nicht. **    Diagnose:    Metastasierendes  Fibro- 


Zur  Kenntnis  der  Cotismyome.  219 

Myome,  so  möchte  ich  dem  Verfasser  doch  nicht  zugeben,  daß  die  Ge- 
schwülste  „ohne  Zweifel"  von  der  Muskulatur  der  Warze  und  der  Areola 
ausgingen;  saß  doch  gerade  das  älteste  der  Neogebilde  handflächenbreit 
Yon  der  Brustwarze  entfernt.  —  Von  der  Ausscheidung  der  Einzelmyome 
endlich  aus  der  Gruppe  der  typischen,  der  „multiplen"  Dermatomyome 
war  schon  oben  die  Rede  im  Sinne  einer  Ablehnung  dahingehender 
Vorschläge. 

So  also  lassen  sich,  wie  ich  glaube,  die  reinen  Corium- 
myome  im  System  zusammenfassen  und  von  ihren  näheren 
und  entfernteren  Verwandten  nicht  gerade  durch  einen  scharfen 
Schnitt  abtrennen,  aber  den  Tatsachen  gemäß  abgliedern.  Ihren 
typischen  Fällen  reiht   sich  nun,  doch  nicht  ohne  individuelle 

Züge,  derjenige  an,  über  den  ich  zu  berichten  habe. 

S.  K.,  28j.  verh.  Tischler  aus  Rosental  bei  Reichenberg. 

Anamnese:  Familienanamnese  ohne  Belang.  Yorkrankheiten 
des  P.:  vor  6  J.  Tripper;  seit  mehreren  Jahren  häufig  Durchfälle,  die 
gewöhnlich  ein  paar  Tage  lang  anhalten.  Krankheitserscheinungen  an 
der  Haut  hat  der  P.  vor  10  J.  zum  erstenmale  wahrgenommen  and  zwar 
ganz  zufällig  gelegentlich  einer  Waschung  seiner  unteren  Extremitäten. 
Er  bemerkte  damals  einen  Knotenaasschlag   u.   zw.   bereits    „am  ganzen 

Sarkom.  Behandlung:  Blutige  Entfernung  der  ganzen  Gruppe  von  Herden. 
Die  größte  Geschwulst  erweist  sich  auf  dem  Durchschuitte  silber-  bis 
perlmutterglänzend,  aus  verflochtenen  Bündeln  gebildet;  die  Haut  fest 
anhaftend,  nach  der  Kuppe  zu  verdünnt.  Schnittfläche  der  kleinen  Ge- 
schwülste ebenso  beschaffen;  sie  liegen,  nicht  scharf  begrenzt,  im  Gorium. 
Weiterbehandlung  der  Präparate  in  Alkohol,  Zelloidin.  Färbungen  der 
Schnitte:  Karmin,  Hämatozylin,  Eosin.  Mikroskopischer  Befund  der  großen 
und  mehrerer  kleineren  Geschwülste:  Bündel  verschiedener  Dicke,  nach 
allen  Richtungen  verlaufend.  An  den  kleinen  Knoten  begrenzt  sich  nach 
der  Peripherie  die  Muskulatur  nicht  scharf,  Bündel  strahlen  in  das  Corium 
aus,  auch  scheinbare  Muskelinseln  sind  diesem  eingelagert.  Zwischen 
den  Bündeln  in  der  Geschwulst  selbst  höchstens  Sparen  von  Bindege- 
webe, aber  eine  homogene,  sich  nicht  färbende,  kaum  erkennbare  Zwischen- 
substanz. Die  Bündel  schon  „auf  den  ersten  Blick''  als  glatte  Musku- 
latur erkennbar,  doch  nioht  aus  deutlichen  Zellen,  sondern  aus  sehr 
feinen  Fibrillen  zusammengesetzt,  an  denen  vielleicht  auch  eine  leise 
Spur  von  Qaerstreifung  (man  erinnert  sich  an  den  fraglichen  Fall 
Verneuils.  D.  Referent)  wahrzunehmen.  Muskelkerne  kürzer  und 
dicker  als  gewohnt,  Kernkörperchen  meist  nicht  deutlich.  Im  ganzen 
ein  Bild  wie  dasjenige  embryonaler  quergestreifter  Muskulatur,  ^Uber- 
gangsmaskulatur**.  In  den  Muskellücken  fast  nur  der  großen  Geschwulst 
kleinzellige  lofiltration.  Die  Epidermis  an  der  großen  Geschwulst  fast 
bis  zum  Darchbruch  verdünnt. 


220  Sobotka. 

Beine*  in  der  gegenwärtigen  Aaabreitang  nnd  Verteilung;  einzelne  der 
Knötchen  sollen  swar  seitdem  etwas  roter  geworden,  Zahl  nnd  Größe 
aber  unverändert  geblieben  sein.  Beschwerden  bestanden  anfangs  nber- 
hanpt  nicht;  dann  begannen  sich  in  dem  befallenen  Hantgebiete  seitweise 
geringe  Schmerisen  einzustellen,  die  nun  seit  8  Jahren  immer  mehr  zu- 
nehmen. Die  Umstände,  durch  die  sie  hervorgerufen  werden  oder  unter 
denen  sie  auftreten,  sind  ganz  bestimmter  Art.  Sie  befallen  den  Kranken 
1.  bei  Bewegung  des  Beines  nach  längerer  Ruhe,  2.  bei  Ein- 
wirkung von  Kälte,  s.  B.  im  kalten  Bade,  auf  dessen  Gebrauch  der 
Kranke  denn  auch  schiefllich  ganz  verzichtet  hat,  aber  auch  schon  beim 
Hinaustreten  aus  einem  wärmeren  in  einen  kühleren  Raum  —  besonders 
auch  beim  Zusammentreffen  der  beiden  eben  genannten  Anlässe  wie 
etwa  beim  Verlassen  des  Bettes  am  Morgen;  8.  in  Gestalt  anscheinend 
spontaner  ausschließlich  nächtlicher  Anfalle  n.  zw.  in  der  Weise, 
daß  der  Kranke  aus  einem  schreckhaften  Traume  auffährt,  in  dem  er 
sich  gejagt  glaubte  oder  von  einem  Hunde  —  übrigens  nicht  gerade  in 
das  Bein  —  gebissen  zu  werden  meinte;  ob  dabei  am  übrigen  Körper 
Gänsehaut  bestehe,  weiß  d.  P.  nicht  anzugeben.  In  allen  diesen  Fällen 
hat  er  die  Empfindung,  als  wäre  die  Haut  besonders  des  Unterschenkels 
verkürzt;  Beugestell ung  des  Kniegelenkes  ist  dann  erträglicher  als  Streck- 
stellung. Bei  den  Schmerzen,  die  durch  Kälte  hervorgebracht  werden 
oder  spontan  entstehen,  will  der  Kranke  bemerkt  haben,  daß  sie  mit 
einer  gewissen  Anschwellung  der  Knötchen  einhergehen.  Stets  sind  die 
Schmerzen  im  Unterschenkel  größer  als  im  Oberschenkel.  Eine  scharfe 
Lokalisation  in  die  Knoten  findet  nicht  statt,  an  den  von  der  Krankheit 
befallenen  Flächen  des  rechten  Beines  —  und  nur  dieses  —  schmerzt  die 
ganze  Haut.  Bei  den  spontanen  Anfallen  entspringt  der  Schmerz  auch 
nicht  etwa  in  einem  bestimmten  Knoten,  sondern  ohne  schärfere  Um- 
grenzung im  unteren  Teile  des  erkrankten  Gebietes  des  Unterschenkels 
und  steigt  im  Laufe  einer  Minute  bis  in  den  von  dem  Leiden  ergriffenen 
Teil  der  Oberscb enkelhaut  empor.  Er  bleibt  dann  etwa  eine  Viertel- 
stunde in  gleicher  Heftigkeit  bestehen,  um  hierauf  rasch  nachzulassen. 
Über  die  Häufigkeit  dieser  Anfalle  und  die  Periode  ihres  Auftretens 
weiß  der  P.  nur  ganz  beiläufig  anzugeben,  daß  sie  sich  etwa  dreimal 
im  Monat  einstellen.  Dagegen  berichtet  er,  daß  in  einer  Nacht  auch 
zwei  Anfälle  erfolgen  können.  Daß  die  durch  Kältewirkung  verursachten 
Schmerzen  im  Sommer  weniger  lästig  werden,  braucht  kaum  besonders 
hervorgehoben  zu  werden.  Der  Kranke  stand  bereits  in  Behandlung  einer 
ganzen  Anzahl  von  Ärzten.  Da  aber  die  Beschwerden  nur  immer  noch 
zunehmen,  sucht  er  endlich  die  Klinik  auf. 

Status  praesens.  Mittelgroßer  Mann  von  mittlerem  Knochen- 
bau, ebensolchem  Fettpolster,  kräftiger  Muskulatur.  Innere  Organe  normal ; 
der  Harn  bietet  außer  den  Zeichen  einer  chronischen  Urethritis  keine 
Besonderheiten  dar. 

Haupthaar  hellbraun.  Regenbogenhäute  blau.  Das  Gesicht  etwas 
blaß;  es  trägt  einzelne  Komedonen  und  ein  paar  Stecknadelkopf-  bis 
fast  linsengroße  nicht  pigmentierte  vertiefte  Närbchen. 


Zur  Kenntni«  der  Cutismyome.  221 

Die  Haut  des  Stammes  und  der  Extremitäten,  im  ganzen  von  nor- 
maler Beschaffenheit,  weist  vornehmlich  2  Arten  von  umschriebenen  Ver- 
änderungen auf.  EfQoreszensen  der  einen  Art  finden  sich  als  Akneknötohen 
auf  allen  Stufen  der  Entwicklung  an  der  Oberbrust  und  einem  großen 
Teile  des  Rückens  mitten  unter  einer  sehr  großen  Anzahl  entsprechend 
großer,  etwas  hypertrophischer  weißer  Närbchen.  Herde  der  anderen  Art 
sind  an  3  Stellen  des  Körpers  ausgebildet:  am  rechten  Ober-  und  Unter- 
schenkel in  ungeheurer  Zahl,  am  linken  Unterschenkel  in  einer  kleinen 
Gruppe,  am  rechten  Oberarm  in  der  Einzahl. 

1.  Rechte  untere  Extremität.  Die  Anomalie  berifft  am  Ober- 
schenkel sowohl  als  auch  am  Unterschenkel  die  Streck-  und  Innenseite 
in  einem  Bezirke,  der  etwa  von  der  Grenze  zwischen  oberstem  und 
zweitem  Viertel  des  Oberschenkels  bis  handbreit  oberhalb  der  Knöchel 
des  Unterschenkels  reicht.  Sie  greift  nur  wenig  auf  den  vordersten 
Streifen  der  Außenfläche  des  Beines,  weiter  auf  die  Hinterfläche  über. 
Außer  den  größten  Anteilen  der  beiden  letzterwähnten  Flächen  ist  auch 
die  Kniekehle  frei  von  Veränderungen  und  die  vordere  Kniegegend  in 
ziemlich  scharfer  Begrenzung  innerhalb  erkrankter  Umgebung  wie  ausgespart. 

Die  Einzelelemente  der  Affektion  stellen  ungemein  zahlreiche,  dicht 
ausgesäte,  rote  Knötchen  und  Knoten  dar,  die,  im  ganzen  einigermaßen 
gleichmäßig  verteilt,  nach  den  Grenzen  des  befallenen  Gebietes  hin 
spärlicher  werden,  übrigens  an  Oberachenkel  und  Unterschenkel  einander 
bezüglich  Größe,  Gestalt,  Anordnung  und  auch  Farbe  nicht  genau  gleichen. 

Läßt  man  an  der  Vorderfläche  des  Oberschenkels  den  Blick 
Ton  den  gesunden  proximalsten  Teilen  gegen  die  erkrankte  Gegend  hin 
wandern,  so  bemerkt  man  zunächst,  daß  die  Haarfollikel,  möglicher- 
weise auch  einzelne  andere  kleinste  Stellen  der  Haut,  als  nicht  ganz 
scharf  umschriebene,  mohnkorn-  bis  stecknadelkopfgroße  rote  Stippchen, 
dann  zudem  auch  als  leichte  Erhebungen  aus  der  normalen  Umgebung 
heraustreten.  Hierauf  erst  stößt  man  auf  größere  Knoten,  zwischen  denen 
aber  die  beschriebenen  geringstgradigen  Veränderungen  allenthalben  zu 
finden  sind;  von  diesen  mohnkomgroßen  Knötchen  bis  zu  den  aller- 
größten Knoten,  die  einen  basalen  Durchmesser  von  etwa  6  mm  erreichen, 
finden  sich  alle  Übei^gänge.  Von  den  Herden  sind  die  kleinsten  rundlich, 
die  größeren  teils  ebenso  gestaltet,  teils  aber  länglich,  in  höchst  ausge- 
sprochener Weise  leistenformig  mit  übrigens  recht  verschiedenem  Ver- 
hältnis zwischen  Längs-  und  Querdurchmesser.  Ihre  Breite  beträgt 
1—4  mm,  ihre  Länge  wenige  mm  bis  ly,  em.  Sind  die  Leistchen  ganz 
schmal  und  niedrig,  so  gewinnen  sie  das  Aussehen  von  in  die  Haut  ein- 
getragenen roten  Linien,  deren  man  eine  ganze  Anzahl  auch  ohne  jede 
Erhebung  über  die  Oberfläche,  ganz  an  sehr  gestreckt  verlaufende  Gefäß - 
reiser  oder  feinste  Zerdehnnngsstriae  erinnernd,  namentlich  in  der  Gegend 
der  Kniegelenk-Innenfläche  dahinziehen  sieht.  In  diesem  ganzen  System 
▼on  Effloreszenzen  läßt  sich  nun  eine  gewisse  Anordnung  mit  über- 
raschender Bestimmtheit   erkennen :    die  großen  rundlichen  Knoten  zwar 

sieht  man  anscheinend  regellos  in  die  Haut  eingetragen;  von  den  kleineren 

t 


222  Sobotka. 

aber  und  von  den  roten  Fleckchen  sind  viele  aafs  deatlichste  ta  zweien, 
dreien,  vieren  hinter  einander  gereiht  in  kurzen  geraden  Zügen,  welche 
dieselbe  Richtung  haben  wie  die  Geschwulstleistchen,  von  denen  wieder- 
um viele,  nicht  alle,  den  Eindruck  machen,  aus  solchen  hinter  einander- 
gestellten  Knötchen  entstanden  zu  sein ;  und  die  erw&hnten  feinen  gefaß- 
reisartigen  Linien  vollends  geben  eben  diese  Richtung  auf  das  unzwei- 
deutigste an.  Alle  diese  Züge  und  Linien  aber  laufen  nicht  etwa 
parallel ;  sie  streben  vielmehr  von  den  proxiroalsten  Teilen  des  befallenen 
Oberschenkelgebietes,  wo  sie  nur  vereinzelt  ausgebildet  sind,  von  mehr 
distalen  Teilen  an  Vorder-  und  Innenfläche,  wo  sie  auf  das  schönste  her- 
vortreten, nicht  minder  deutlich  besonders  von  der  Gegend  oberhalb 
des  vollständig  knotenfreien  Knies  nach  einer  Stelle  zusammen,  nach 
der  Gegend  derjenigen  Muskel-  und  Sehnenfalte,  wiche  die  mediale  Be- 
grenzung der  Kniekehle  ausmacht.  Diese  Konvergenz,  diese  Raffung  des 
ganzen  Systems  von  Hautherden  nach  einem  Punkte  macht  einen  der 
auffallendsten  und  eindrucksvollsten  Züge  des  ganzen  Bildes  aus. 

Die  Knoten  sind  verschieden  stark  erhaben,  ihre  Böschungen 
nicht  steil.  Die  Begrenzung  ist  keine  vollkommen  scharfe.  Die  Rötung 
nimmt  dabei  etwa  denselben  Umfang  ein  wie  die  Erhebung,  lediglich 
an  ganz  großen,  besonders  an  etwas  länglichen  Knoten  ist  nur  der 
zentrale  Teil  gerötet.  Übrigens  schwankt  die  Lebhaftigkeit  und  einiger- 
maßen auch  die  Begrenzung  der  Rötung,  wie  bei  Besprechung  der 
Unterschenkelherde  noch  ausfuhrlicher  zu  erwähnen  sein  wird.  Ihr 
Farbenton  ist  ein  ziemlich  helles  lebhaftes  Rosenrot,  das  einen  Stich  ins 
Bläuliche  hat,  an  einigen  Knoten  aber  ein  gelbliches  oder  bräunliches 
Rot,  nicht  unähnlich  demjenigen  einer  nicht  völlig  reifen  Himbeere; 
gerade  nur  diese  letzteren  Knoten  haben  eine  leicht  durchscheinende 
Beschaffenheit.  An  den  Herden  selbst,  aber  auch  neben  ihnen,  wiewohl 
in  etwas  geringerem  Grade,  ist  die  feinste  Felderung  der  Haut  deut- 
licher als  am  anderen  Beine,  an  den  Herden  selbst  oft  etwstö  gröber; 
diese  kleinsten  Felder  haben  einen  weit  stärkeren  Glanz  als  linkerseits. 
Glasdruck  auf  die  Knötchen  läßt  bei  den  einen  fast  gar  keine  Eigenfarbe 
bestehen,  bei  anderen  bleibt  ein  deutlicher  blaß  gelbbrauner  Fleck  zurück. 

Die  größeren  Knoten  sind  möglicherweise  etwas  weniger  reichlich 
mit  Wollhaaren  besetzt,  als  es  der  Körpergegend  entspricht.  Von  den 
kleineren  und  kleinsten  der  veränderten  Stellen  erweisen  sich  manche 
als  f  ol  1  iku  1  är  noch  nicht  so  sehr  durch  den  Anblick,  als  vielmehr  besonders 
dadurch,  daß  beim  Zugreifen  mit  der  Zilienpinzette  ein  vorher  nicht 
deutlich  wahrnehmbares  Wollhaar  erfaßt  und  an  ihm  das  ganze  Herdchen 
emporgehoben  werden  kann.  An  einer  ganzen  Anzahl  von  Knötchen, 
darunter  auch  kleinsten,  ist  aber  auch  so  kein  Wollhaar  zu  entdecken. 

Über  den  Knötchen  läßt  sich  keine  Hautschichte  falten ;  über  dem 
subkutanen  Gewebe  sind  alle  Herde  verschieblich.  Die  Knoten  fühlen 
sich  derb  an.  Druck  auf  kleinere  Herde  macht  keine  Beschwerden,  Druck 
auf  größere  verursacht,  wenn  er  in  senkrechter  Richtung  ausgeübt  wird, 
erträgliche   Schmerzen,   dagegen    sehr   heftige,   wenn   er   an   der    etwas 


Zur  KenntniB  der  GuÜBinyome.  223 

emporgehobenen   Geschwalst  von   beiden   Seiten   her   wirkt.    Über  den 
gedrückten  Knoten  hinaas  pflanzt  sich  der  Schmerz  nicht  fort. 

Am  rechten  Unterschenkel  föllt  zanächst  aaf,  daß  die  Haut 
ungemein  blaß,  blutarm  aussieht  und  diese  Ischämie  bei  leichter  mecha- 
nischer Einwirkung  (Streichen  mit  der  Hand)  ganz  überaus  deutlich 
wird,  unvergleichlich  deutlicher  als  am  anderen  Beine.  Die  Knoten  sind 
hier  seltener  länglich,  meist  rundlich,  ab  und  zu  auch  etwas  unregel- 
mäßig geformt,  meist  größer  als  am  Oberschenkel,  mit  Darchmessern 
bis  zu  8  mm.  Diese  größeren  Herde  sind  im  allgemeinen  nicht  deutlich 
nach  irgend  einem  Grundsatze  angeordnet.  Doch  sitzen  auch  hier  kleinste 
follikuläre  Bildungen  und  an  diesen  kann  man  doch  wieder  an  manchen 
Stellen  eine  Zusammenstellung  zu  Reihen  erkennen.  Die  überaus  große 
Zahl  der  vorhandenen  Geschwfilstchen  läßt  eigentlich  die  ganze  Haut 
des  Unterschenkela  gewulstet  erscheinen,  und  greift  man  zu,  so  findet 
man  weit  deutlicher  als  am  Oberschenkel,  daß  sie  sich  nur  auf  sehr 
kleine  Strecken  in  so  feine  Falten  legen  läßt  wie  dieselbe  Gegend  des 
andei^en  Beines,  stellenweise  aber  infolge  der  Massigkeit  der  Einlagerung 
überhaupt  nur  die  Bildung  gröbster  Falten  gestattet.  So  ist  denn  auch 
der  (Jmfang  des  Unterschenkels  vermehrt,  an  der  dicksten  Stelle  SSVa  c^ 
gegen  82  em  in  der  entsprechenden  Höhe  des  linken  Unterschenkels. 
Die  Farbe  der  Herde  ist  ungefähr  dieselbe  wie  am  Oberschenkel  und 
auch  hier  sind  die  lebhaft  roten  Effloreszenzen  mit  einem  Stich  ins 
Gelbe  und  von  etwas  durchscheinendem  Aussehen  die  weitaus  selteneren. 
Sehr  häufig  sind  aber  hier  an  den  Knoten  nur  die  mittleren  Bezirke, 
innerhalb  welcher  die  Veränderung  in  die  oberflächlichsten  Schichten 
vorgedrungen  ist,  rot,  die  Rand  teile  ^  weiß ;  manche  Knoten  sind  fast 
gänzlich  weiß.  Übrigens  wechselt  —  um  dies  aus  der  Geschichte  des 
Krankheitsverlanfes  gleich  vorwegzunehmen  —  die  Entschiedenheit  der 
Färbung  und  mit  ihr  einigermaßen  auch  der  Umfang  der  geröteten 
Stellen  u.  zw.  einerseits  nach  der  Lage  des  Beines  (Blutstauung),  anderer- 
seits aber  auch  nach  anderen,  nicht  recht  klaren  Umständen  und  scheint 
namentlich  bei  längerem  Entblößtbleiben  der  Haut  auflallender  Weise 
zuzunehmen;  daneben  findet  sich  auch  das  gelegentliche  Vorhandensein 
eines  höchst  ausgesprochenen  ins  Braune  gehenden  Farbentones  sämtlicher 
Knötchen  immer  wieder  verzeichnet.  Glasdruok  läßt  gelbliche  bis  ganz 
leicht  braunrote  Färbung  bestehen.  Bezüglich  des  Oberflächeureliefs 
und  des  Glanzes  gilt  dasselbe  wie  vom  Oberschenkel..  —  Die  Druck- 
schmerzhaftigkeit  der  Herde  am  Unterschenkel  ist  offenbar  geradezu 
unerträglich;  beim  Druck  auf  einen  einzelnen  Knoten  bleibt  aber  auch 
hier  der  Schmerz  auf  diesen  beschränkt. 

An  dem  erkrankten  Beine  besteht  im  Gegensatze  zum  linken 
iiährend  der  Untersacbung  fast  beständig  Gänsehaut.  Künstliche  Her- 
vorrufung  allgemeiner  Gänsehaut    an    dieser  Körperhälfte^)  brachte  an 


')   Über   die  Technik  wird   in    einer  späteren   Arbeit,    die   Unter- 
suchungen über  „Gänsehaut"  bringen  soll,  ausführlich  berichtet  werden. 


224  Sobotka. 

den  Geseh Wülstehen  keinerlei  deutliche  Erseheinang  hervor;  dagegen 
erwieß  rieh  bei  diesem  Yersnche  nnd  ebenso  bei  Ersengnag  von  Oinse- 
hftut  durch  mechanische  Einwirkung  s.  B.  an  der  Brast  fast  regelmäßig 
die  rechte  Seite  gegentiber  der  linken  beyorsagt.  unmittelbare  mecha- 
nische oder  elektrische  Beisung  (bei  Gelegenheit  der  Be handlang;  s.  d.) 
des  befallenen  Gebietes  am  rechten  Bein  ließ  die  Knötchen  unverändert. 

2.  Linker  UnterschenkeL  Er  trägt  etwa  in  der  Mitte  seiner  Länge 
an  der  Innenseite  der  Wade  eine  einsige  Gruppe  von  6 — 6  bis  steck- 
nadelkopfgroßen, nicht  sehr  dunkel  blaurot  gefärbten  Knötchen,  deren 
Farbenton  und  Erhebung  sie  nur  wenig  deutlich  aus  ihrer  Umgebung 
heraustreten  läßt;  spontaner  oder  Druckschmerz  fehlt  hier. 

8.  Rechter  Oberarm.  An  seiner  Beugeseite,  doch  schon  gegen  die 
Außenfläche  su,  findet  sich  gut  4  Querfinger  tiefer  als  die  vordere  Achsel- 
falte bei  herabhängendem  Arme  eine  kleine,  hell  braunrote  Leiste,  die 
etwa  IVt  "*'"  breit  und  6  mm  lang  ist  und  schräg  von  oben  außen  nach 
unten  innen  verläuft. 

Der  allerdings  erst  später  und  nach  Einleitung  einer  bereits  wirk- 
samen Behandlung  angenommene  Kervenstatus  weist  mit  Ausnahme 
einer  zwischen  r.  u.  1.  bestehenden  unwesentlichen  Ungleichheit  der  Re- 
aktion auf  die  Babinski  sehe  üntersuchungsmethode  keine  erwähnens- 
werten Verschiedenheiten  der  beiden  Seiten  und  keine  besonderen  Ab- 
weichungen vom  normalen  nach. 


Als  sich  der  Kranke  am  18./in.  1907  im  Ambulatorium 
der  Klinik  einfand,  ward  in  Erinnerung  an  ähnliche  in  der 
Literatur  beschriebene  Fälle  fast  augenblicklich  die  Wahr- 
scheinlichkeitsdiagnose der  Myomatosis  cutis  (multiplex) 
gestellt;  die  Ergebnisse  der  genaueren  Untersuchung  nach  der 
Aufnahme  des  P.  und  die  charakteristische  Anamnese  ließen 
diese  Auffassung  des  Falles  noch  viel  begründeter  erscheinen. 
Die  Erwägungen,  die  dabei  in  Betracht  kamen,  waren  etwa 
folgende : 

Die  Annahme  einer  entzündlichen  Hauterkrankung 
zunächst  ließ  sich  rasch  abweisen.  Der  langdauernde  Bestand 
der  Knötchen  ohne  Größenveränderung,  ohne  Eiterung,  ohne 
Narbenbildung  oder  Atrophie,  ohne  Pigmentation,  der  Mangel 
jedes  noch  so  geringfügigen  Ödems  und  ebenso  das  Fehlen 
Ton  Rötung  der  Haut  um  die  Herde  und  zum  Teil  sogar  an 
den    Abhängen   der   Knöt<ihen  selbst,    das  Nichtvorhandensein 

Sieh  übrigens  Bericht  über   d.  YII.  Vers.   d.  Wissensch.  Ges.    deutscher 
Ärzte  in  Böhmen,  Prager  med.  Wochschr.  1907,  XXXII  Jhrg.  p.  190. 


Zar  Kenntnis  der  Gutismyome.  226 

TOD  Schuppung,  überhaupt  von  einer  nur  etwas  ausgiebigeren 
Beteiligung  der  Epidermis  bei  so  nahe  an  sie  heranreichendem 
ErankheitsYorgange  und  endlich  die  vollkommene  Unmöglichkeit, 
das  Yorliegende  Bild  mit  demjenigen  irgend  einer  bekannten 
entzündlichen  Affektion  zur  Deckung  zu  bringen  —  nicht  so* 
wohl  ein  einzelnes  dieser  positiven  und  negativen  Merkmale 
als  vielmehr  ihre  Gesamtheit  sprach  gegen  Entzündung. 

Dagegen  lag  der  Gedanke  an  Geschwülste  im  engeren 
Sinne  von  vorneherein  sehr  nahe  und  eine  Reihe  von  Anzeichen 
wies  auf  eine  bestimmte  Art  von  Geschwülsten,  eben  auf  Myome, 
hin.  Schon  die  Anamnese  leitete  die  Überlegung  in  diese  Richtung : 
es  hatten  anfangs  keine  Schmerzen  bestanden,  dann  hatte  sich 
Druckschmerzhaftigkeit.  hatte  sich  Kälteempfindlichkeit,  hatten 
sich  spontane  Anfalle  eingestellt.  Klinisch  kam  einigermaßen 
die  Farbe  der  Geschwülstchen  und  das  Durchscheinen  einiger 
von  ihnen,  auch  die  Assymmetrie  der  Verteilung  und  die  Lokali- 
sation, dann  aber  die  Vielheit,  Anordnung,  derbe  Beschaffen- 
heit der  Knötchen,  ihr  Sitz  in  der  eigentlichen  Haut,  endlich 
die  Druckschmerzhaftigkeit  in  Betracht.  Aber  es  waren  Um- 
stände da,  welche  es  zu  erlauben  schienen,  die  Diagnose  noch 
über  diejenige  einer  Myomatosis  cutis  hinaus  zu  verfeinern. 
Nicht  so  sehr  die  Neigung  zu  Gänsehautbildung  in  den  be- 
fallenen Gebieten,  die  sich  auch  sonst  im  Umkreis  erkrankter 
Hautbezii'ke  verstärkt  findet,  eher  schon  das  Ausgespartbleiben 
des  Knies,  an  dem  auch  Gänsehautknötchen  meist  nur  in  so 
geringer  Zahl  und  Erhebung  zu  beobachten  sind,  und  das 
Freibleiben  der  Kniekehle  mit  ihrer  relativen  Immunität  gegen 
die  follikuläre  (und  von  älteren  Verfassern  sogar  wesentlich 
als  Arrektorenkrampf  angesehene)  Prurigo,  vor  allem  aber 
der  deutlich  follikuläre  Sitz  vieler  der  kleinen  Knötchen,  das 
alles  drängte  noch  vor  Anstellung  der  histologischen  Unter- 
suchung zu  der  Diagnose:  Arrektorenmyome.  In  dieser 
Diagnose  bestärkte  mich  allerdings  noch  ein  Irrtum,  der  darin 
bestand,  daß  ich  im  Vertrauen  auf  eine  mir  gegenwärtige  An- 
gabe der  Literatur  die  Richtung  der  Leisten  und  Anord- 
nungslinien  als  diejenige  der  Haare  und  somit  auch  der  Arrek- 
toren  ansah. 

Arch.  f.  DttroBAt.  v.  Sypb.  Bd.  LXZZIX.  25 


1 


226  Sobotka. 

Keine  andere  von  den  in  der  Haut  vorkommenden  Ge^ 
schwülsten  entsprach  so  vollkommen  wie  die  Myome  dem  ge- 
gebenen Bilde.  An  multiple  Spontankeloide  zuvörderst 
mahnte  allerdings  die  Zahl  der  Gebilde,  die  Festigkeit  des 
Gewebes,  allenfalls  die  Farbe;  die  Leistenform,  die  Schmerz- 
hafligkeit  mochten  dieser  Diagnose  nicht  geradezu  wider- 
sprechen ;  aber  der  Mangel  an  charakteristischen  keloiden  Aus- 
läufern des  Einzelherdes,  das  durchscheinende  Aussehen  mancher 
Knötchen  —  doch  ohne  den  sehnigen  Glanz  der  Mitte  wie  bei 
gewissen  Halbedelsteinen  (sKatzenaugen,''  De  Amicis,  Reiss) 
—  das  Gebundensein  kleinerer  Herde  an  Follikel,  die  denn 
doch  ganz  besonders  typischen  Umstände,  unter  denen  die 
Schmerzen  auftraten,  ließen  die  anfangs  sehr  annehmbar  schei- 
nende Diagnose  von  Spontankeloiden  in  den  Hintergrund  treten, 
während  gegen  Narbenkeloide  außer  einem  Teile  der  eben 
angeführten  Umstände  schon  das  ganz  andersartige  Aussehen 
der  am  Rücken  des  Kranken  vorhandenen  leicht  keloiden 
Akne- Narben  und  der  Mangel  einer  narbenbildenden  Affektion, 
welche  die  Herde  am  Beine  hätte  erklären  können,  ohne 
weiteres  geltend  zu  machen  war.  An  Neurofibrome  konnten 
Schmerzhaftigkeit  und  Anfälle  erinnern;  gegen  sie  sprach  die 
Derbheit  unserer  Geschwülste,  ihre  ausgesprochen  rote  Farbe, 
das  mehrjährige  Latenzstadium  der  Schmerzen,  das  Fehlen 
sicherer  Beziehungen  zur  Verteilung  von  Nerven,  der  folliku- 
läre Sitz  vieler  Knötchen;  Tubercula  dolorosa  sub- 
cutanea irgendwelcher  Art  konnten  nicht  wohl  so  zahlreich 
und  nicht  in  einer  so  oberflächlichen  Hautschichte  auftreten. 
Das  Lymphangioma  tuberosum  multiplex,  daß  viel- 
leicht wegen  der  Farbe  und  Menge  der  Effloreszenzen  einen 
Augenblick  lang  in  Frage  kommen  konnte,  war  unter  anderem 
schon  durch  die  Schmerzhaftigkeit  unserer  Affektion  außer 
Mitbewerb  gesetzt.  Die  differentielle  Diagnose  gegenüber  an- 
deren Neubildungen,  wie  z.  B.  dem  Xanthoma  tuberosum 
multiplex,  an  das  in  Myomfallen  zuweilen  gedacht  werden 
mußte,  braucht  in  unserem  Falle  wohl  kaum  besprochen 
7u  werden. 

So  ward  die  von  vorneherein  gestellte  Diagnose  multipler 
Goriummyome  als  die  weitaus  wahrscheinlichste  aufrecht  er- 


Zur  EenntniB  der  Gutismyome.  227. 

Italien.  Die  histologische  Untersuchung  hatte  die  Aufgabe, 
sie  SU  einer  sicheren  zu  gestalten  und  damit  möglicherweise 
auch  der  Behandlung  die  richtigen  Wege  zu  weisen.  Der  ein- 
sichtige P.  war  mit  der  kleinen  Operation  zu  diagnostischen 
und  rein  wissenschaftlichen  Zwecken  ohne  weiteres  einver* 
standen.  Es  wurden  unter  Kokainanästhesie  drei  spindel- 
förmige Stücke  aus  der  Haut  entnommen :  ein  sehr  kleines  aus 
anscheinend  noch  normaler,  aber  der  erkrankten  schon  un- 
mittelbar benachbarter  Haut  vom  oberen  Teile  der  Oberschenkel- 
streckfläche; ein  etwas  längeres,  gleichfalls  von  der  Vorder- 
fläche des  rechten  Oberschenkels,  jedoch  von  einer  Stelle,  an 
der  mehrere  kaum  kleinstecknadelkopfgroße  Knötchen  in  einer 
Reihe  hinter  einander  lagen;  endlich  ein  noch  ein  wenig 
größeres  von  der  Innenseite  des  Unterschenkels,  das  in  seinem 
distalen  Teile  einen  kleinlinsengroßen  roten  oder  leicht  gelb- 
roten, ein  wenig  durchscheinenden  Knoten,  in  seinem  proxi- 
malen Teile  zwei  etwas  kleinere  Knoten  von  mehr  bläulich- 
roter Farbe,  alle  drei  von  einander  nicht  ganz  scharf 
trennbar,  enthielt.  Die  Präparate  wurden  in  Alkohol 
fixiert;  es  folgte  Einbettung  in  Paraffin  und  Zerlegung  in 
Serienschnitte,  die  letztere  an  dem  dritten  Stück  in  der  Weise, 
daß  zuerst  eine  Reihe  von  zur  Längsachse  der  Spindel  queren 
Schnitten  durch  den  größten  Herd  gelegt  ward  und  dann  die 
beiden  kleineren  in  der  Längsrichtung  geschnitten  wurden.  An 
sehr  vielen  der  Schnitte  traten  im  ungefärbten  Zustande, 
einzeln  im  Schnitt  oder  zu  mehreren  und  dann  gleich  gerichtet, 
breite  stärker  lichtdurchlässige  Züge  hervor,  welche  die  Richtung 
von  der  Epidermis  her  schräg  nach  abwärts  gegen  das  Unter- 

hautgewebe  nahmen. 

Mikroskopische  Untersuohang.  In  allen  drei  Präpa- 
raten fesselt  die  Aufmerksamkeit  von  yorneherein  eine  Gewebsart,  deren 
o£fenbar  faserige  Elemente  zu  Bandeln  zusammengefaßt  sind  und  zwar 
zu  sebmäleren  und  breiteren,  manchmal  außerordentlich  breiten,  nach  ver- 
schiedenen Richtungen  getroffenen  Bündeln  von  gefächertem  Querschnitt, 
mit  zahlreichen  im  ganzen  laug  stäbchenförmigen  parallel  gelagerten 
Kernen  und  mit  einem  Plasma,  das  die  Färbung  mit  Hämatoxylin 
Delafield  oder  besonders  mit  polychromem  Methylenblau  gut  annimmt, 
sich  mit  van  Giesonschem  Farbstoff  orangegelb  und  mit  Pikrokoche- 
nille  gelbbraun  färbt,  Safranin  begieriger  aufnimmt  und  zögernder  ab- 
gibt als  Bindegewebe  —  mit  einem  Worte:  glatte  Muskulatur. 

16» 


228  Sobotka. 

Diese  in  allen  Präparaten  in  abnormer  Menge  vorkommende  Masku- 
latnr  l&fit  in  ihnen  doch  verschiedene  Stufen  der  Hyperplasie  und  bei 
der  gftnstig  gewählten  Schnittrichtang  die  Aafeinanderfolge  der  Wache- 
mngserscbeinangen,  die  Art  der  Entwicklung  des  Myoms,  erkennen. 

Die  einfachsten  Yerhältnisse,  wie  man  sie  ia  geriagstgradiger  Au- 
bildnng  in  dem   Präparat  von  der  Grenze  der  erkrankten  Oberschenkel- 
flache,   aber  in   etwas   höherer  auch  noch  in  den  nbrigea  Hantstücken 
findet,  sind  diese:   kräftige  Maskeistränge,  alle  Maskelgebilde  normaler 
Haut  an   Stärke  weit  obertrefiend,  darchziehen  den    Schnitt  in  schräger 
Richtung  von  oben  nach   anten.    Mit   der  Maskalatar  der   Gefilße    oder 
der  Schweißdräsen,  an  welcher  keinerlei  Zunahme  der  Mächtigkeit  nach- 
zuweisen ist,  haben  sie  nichts  zu  tun ;  sie  erweisen  sich  durch  ihre  Rich- 
tung und  ihre  Beziehung   zu  den  Haarbälgen   ohne   weiteres   als  hjrper- 
trophische   Arrectores  pilorum.    In  mehrereo   hundert  Schnitten   ist  nur 
ein  einziger  ziemlich  normaler  Haarbalgmuskel  vorhanden,   den  man  ge- 
rade in  dem  sonst  am  meisten  pathologischen  Präparate   zwischen  Quer- 
schnitten  ihm    fremder    Muskelmassen    sich    durchdrängen    sieht.    Alle 
anderen  unterscheiden  sich  von  dem  Typus  ihrer  Gattung  ganz  beträcht- 
lich:   sie  haben  das  mehrfache  und  in  Präparaten  von  stark  veränderten 
Hautstellen  das  vielfache  der  gewohnten  Dicke;    sie  entspringen  zwar  in 
der  normalen  Höhe   der  Cutis,   aber   oft   mit   einer   ganzen  Anzahl  von 
Wurzeln,  zarteren  oder  kräftigeren,  welche  die  bei  normalen  Arrektoren 
vorkommende  (2 — 6  nach  Rabl,  p.  80)  weit  übertrifft;    sie  bestehen  aus 
mehreren   zusammenhängenden,    aber    über   große   Strecken    hin    durch 
bindegewebige  Scheidewände   getrennten  Bändeln;   sie  finden   zwar  zum 
geringeren  Teile  an   ihrem   normalen   Haarbaigansatze   ihren   Abschluß, 
zum  unvergleichlich  größeren  aber  gehen  sie  wurzelwärts  an  ihrem  Haare 
entlang,  oder  in  breitem  Strome  neben  dem  Haare  hin,  wobei  sie  zuweilen 
(was  auch  normalerweise  vorkommt)  noch  einem  zweiten  Haarbalge  Ansatz- 
bfindel  zusenden,  auch  unter  ihrem  oberflächlich  eingepflanzten  Haare  hin- 
weg,   schräg  in  die  Tiefe  u.  zw.  selten  nur  eine  kleine  Strecke  weit,   in 
der  Regel  bis  in  das  unterste  Corium,  bis  an  das  Fettgewebe,  von  dem  nicht 
allzuselten   gerade   an   der  Stelle   ihres  Herautrittes   eine  Zacke   in   die 
Cutis  emporstrebt.    Diese   hochgradig   hypertrophischen  Arrektoren,   von 
denen  die  für  den  Ansatz  an  den  Haarbalg  bestimmten,  übrigens  gleich- 
falls verstärkten  Bündel   oft  aus  der  Hauptrichtung   des  Faserzuges   erst 
seitlich   abweichen   müssen,   sind  nun   aber  in  den   ausgeprägter  patho- 
logischen Präparaten   in  der  Regel  auch  noch  in  mehr  atypischer  Weise 
gewuchert:  es  gehen  zartere  und  mächtigere  Muskelmassen  von  ihnen  ab 
in  Richtungen,   welche   deijenigen  ihres   normalen  Zuges  widersprechen. 
Selten  —  im  Bereiche  des  Haarbalges  wenigstens  —  dringen  diese  Spros- 
sen nach  „vorne"  vor,  nämlich  vom  Arrektor  her  über  das  Haar  hinaus; 
in    vielen    Fällen    biegen   sie   seitlich   in   das   Bindegewebe  hinein;   am 
häufigsten  wenden  sie  sieh  aus  der  nach  der  Tiefe  sehenden  Fläche  des 
Arrektors  „rückwärts",   vom  Haare  hinweg,  aber  dabei  in  der  durch  das 
Haar  und  den  Arrektor  bestimmten  Ebene  bleibend,  und  zwar  oft  genug 


Zur  Kenntnis  der  Gntismyome.  229 

in  Form  von  breiten,  oberflächenparallelen,  flachen,  geschichteten  Platten 
und  Bindern,  die  sich  nnter  der  Sabpapillarsohicbt,  in  der  Mitte  der 
Dicke  des  Goriams,  in  seiner  Tiefe  dahin  erstrecken.  Alle  derartigen 
Bilder  tragen  noch  den  Arrektorencharakter  aufgeprägt  in  dem  Vorwalten 
breiter,  parallelfaseriger  Mnskelfläohen  Ton  schräg  nach  abwärts  gerich- 
teter Anordnung  ihrer  Elemente;  je  mehr  aber  die  eben  beschriebenen 
Bündel  der  einen  wie  der  anderen  Art,  dem  Riesenarrektor  entwachsend 
und  im  Schnitte  vielleicht  gar  nicht  mehr  mit  ihm  zusammenhängend, 
sich  aus  eigenem  Stoffe  verstärken,  sich  übereinander  und  durcheinander 
schichten,  sich  aus  ihrem  ursprünglichen  Verlaufe  nach  oben,  nach  unten, 
nach  der  Seite  wenden,  sich  an  typisch  oder  atypisch  gerichtete  Bündel 
eines  anderen  Haarbalgmuskels  anlegen,  sieht  man  neben  dem  unver- 
kennbaren Arrektorentumor  mit  seinem  charakteristischen  Faserverlauf 
und  seiner  zuweilen  noch  spindeligen  Oestalt  unregelmäßig  geformte  und 
zusammengesetzte  neue  Tumoreinheiten  entstehen,  deren  Ableitbarkeit 
von  normaler  Hautmuskulatur  und  deren  Zugehörigkeit  zu  diesem  oder 
jenem  Arrektorindividuum  keineswegs  ohne  weiteres  klar  zu  sein  braucht. 
Wo  nun  diese  Entwicklung,  deren  Fortgang  man  in  meinen  Präparaten 
in  allen  ihren  Stufen  verfolgen  kann,  im  höchsten  Grade  ausgebildet  ist, 
in  den  größten  Geschwülsten,  die,  so  viel  ich  sehe,  aus  den  Zweigen 
mehr  als  eines  Arrektors  erwachsen  und  verstrickt  sind,  da  endlich 
findet  man  im  Schnitte  nichts  anderes  als  das  von  fast  allen  Verfassern 
ausschließlich  geschilderte  Bild  der  regellos  durcheinander  geflochtenen 
Muskelbündel;  beim  Versuche,  von  einem  Arrektor  aus,  der  den  Mutter- 
boden des  Muskelknotens  bildete,  einen  einzelnen  Faserzug  durch  das 
Dickicht  der  Bündel  zu  verfolgen,  fand  ich  ihn  auf  krausesten  Wegen, 
in  gebrochener  Linie,  die  geradezu  an  das  Schema  einer  Rösselsprung- 
aufgabe erinnerte,  einen  großen  Teil  des  Tumors  durchschweifen. 

Der  Sitz  der  Geschwulstmassen  ist  die  Cutis.  Wo  Arrektoren 
das  Bild  beherrschen,  sieht  man  bei  günstiger  Schnittrichtung  das  ganze 
€orium  von  der  Subpapillarschicht  bis  an  das  subkutane  Gewebe  von 
Muskulatur  durchsetzt.  Die  Wuchernngsmassen  von  nicht  mehr  typi- 
scher Anordnung  der  Bündel  können  die  verschiedensten  Schichten 
des  Coriums  einnehmen;  die  größten  von  ihnen  füllen  gleichfalls  den 
ganzen  Raum  zwischen  subpapillärem  Gewebe  und  (Jnterhaut  aus,  können 
aber  ausnahmsweise  auch  in  das  erstere  noch  eindringen  und  nur  einen 
schmalen  Streifen  von  Bindegewebe  zwischen  sich  und  der  Epidermis 
bestehen  lassen,  andererseits  mit  ihren  Ausläufern  auch  noch  das  Fett- 
gewebe betreten.  Dabei  stellen  Schnitte  durch  die  Riesenarrektoren  trotz 
aller  Bündelung  doch  immer  große,  gleichmäßige,  nur  von  wenig  Binde- 
gewebe darchzogene  Flächen  zur  Schau;  an  den  übrigen  Wucherungs- 
massen zeigen  sich  weniger  ausgedehnte  Felder  gleicher  oder  verschie- 
dener Faserrichtung,  welche  aneinander  herantretenden  oder  miteinander 
sich  verflechtenden  Bündeln  entsprechen,  geschieden  durch  breitere  oder 
schmälere  Bindegewebszüge,  die  nun  aber  auch  ins  Innere  dieser  Felder 
eindringen  und  in  immer  weiter  gehender  Verteilung  in  ihnen  eine  immer 


230  Sobotka. 

feinere  anyolktandige  Septieruag  zuwege  briogen.  Diese  Zerlegung  durch 
gröbere  nnd  zartere  Bindegewebslamellen  macht  sich  um  so  mehr  geltend, 
je  weiter  ein  Mnskelgebilde  sich  bereits  von  dem  gleichmäßigen  and 
gesetzmäßigen  Bau  des  Arrektors  entfernt  hat  Die  Breite  der  Zwischen- 
züge, auch  deijenigen,  welche  die  grundlegende,  durchgreifendste  Teilung 
vorzunehmen  haben,  ist  in  der  größten  Geschwulst  in  ihren  mittleren 
Teilen  gering,  die  Muskelmassen  sind  hier  dichter  gefügt;  gegen  den 
Umfang  der  Geschwulst  zu  wird  ihr  Bau  lockerer,  die  Septiemng 
gröber.  Die  Scheidewände  einfachster  Ordnung  sind  begreiflicher  Weise 
allenthalben  nichts  anderes  als  unmittelbare  Ausläufer  des  allgemeinen 
Cutisgewebes,  das  den  ganzen  unregelmäßig  begrenzten,  nach  dem  ge- 
sagten keineswegs  in  sich  geschlossenen  Geschwulstkörper,  der  nur  in 
seinen  größten  Exemplaren  in  gerundeten  Umrissen  etwas  bestimmter 
zusammengefaßt  ist,  von  allen  Seiten  umspult,  aber  durchaus  nicht  ab- 
kapselt und  in  niedrigeren  Graden  der  Tumorbildung  die  von  verschie- 
denen Arrektoren  abstammenden  WucLerungsmassen  aufs  deutlichste, 
selbst  durch  breite  Räume,  von  einander  scheidet.  £ntfemt  von  diesen 
Hauptmassen  tauchen  allenthalben  im  Bindegewebe  vereinzelte  Muskel- 
bündel auf,  inselartig,  scheinbar  zusammenhanglos,  in  Wirklichkeit  bei 
genauer  Durchsicht  der  Serie  auf  irgend  einem  Wege  auf  einen  Arrektor 
zurückführbar.  Ob  es  aber  etwa  dcch  Bündel  gibt,  die  mit  den  Arrektoren 
nichts  zu  tun  haben?  In  einer  Reihe  von  Fällen  vermag  ich  tatsächlich 
gewisse  Bündel  nicht  nur  nicht  an  einen  Arrektor,  sondern  überhaupt  an 
keine  Muskelmasse  zu  verfolgen.  Es  handelt  sich  dabei  ganz  typischer 
Weise  immer  um  zarte  Züge,  die  nach  ihrer  Lage  und  Verlaufsricbtung 
an  Arrektoren  oder  Arrektorenwurzeln  erinnern  und  die  dann  gewöhnlich 
in  der  Nähe  größerer  Muskelgebilde  enden,  von  ihnen  durch  Binde- 
gewebe von  normalem  Kernreicbtum  und  normaler  Dichte  geschieden. 
In  einem  dieser  Fälle,  in  dem  ein  feines  Muskelbündel  an  der  normaler 
Weise  arrektorfreien  „Vorderseite^  des  Haarbalges  seltsam  parallel  zu 
diesem  hinabläuit,  der  typische  Arrektor  an  typischer  Stelle  aber  fehlt, 
mag  es  sich  um  eine  Mißbildung  dieses  Muskels  handeln;  für  den  Rest 
der  Beobachtungen  fallt  es  mir  schwer,  den  Eindruck  der  Unabhängigkeit 
der  fraglichen  Bündel  ganz  auf  die  spärlichen  Lücken  in  meinen  Serien 
und  kleine  Un Vollkommenheiten  dieses  oder  jenes  Schnittes  zurückzu- 
führen oder  gar  nachträgliche  Trennung  durch  Zwischenwuchem  von 
Bindegewebe  (kein  Anzeichen  dafür)  oder  durch  zerdehnende  Wirkung 
der  Muskelzusammenziehung  anzunehmen. 

Was  bisher  geschildert  wurde,  sind  die  allgemeineren  Verhältnisse 
der  Muskulatur;  es  ist  aber  noch  einer  Reihe  von  Besonderheiten  dieser 
Gewebsart  zu  gedenken. 

Da  ist  zunächst  das  eigentümliche  Bild,  das  manche  quergetroffenen 
Bündel  liefern.  Wohl  begegnet  man  Querschnitten,  die  vollkommen  das 
gewohnte  Aussehen,  die  bekannte  Gliederung  in  ungleich  große  poly- 
gonale Felder  darbieten.  Aber  in  ihnen  taucht  nicht  selten  da  und  dort 
eine  kreisrunde  oder  rundliche  Lücke  auf,  in  anderen  Querschnitten  über- 


Zur  Kenntnis  der.  Gntismyome.  231 

wiegen  diese  Lücken,  und  in  niobt  wenigen  sind  alle  Faserfäclier  gekenn- 
xeichnet  durch  kleinere  oder  größere,  konzentrisch  oder  exsentrisch  ge- 
legene Lücken,  die  in  ein  Masohenwerk  von  ungleichmäßig  feinen  und 
dicken  muskelfarbenen  Balken  gefaßt  sind.  Beste  von  Protoplasma  können 
in  yersohiedenartiger  Anordnung  noch  als  Einschlüsse  der  Lücken  oder 
als  Bandvorsprünge  stehen  geblieben  sein.  Der  Kern  ist,  wenn  ihn  der 
Schnitt  überhaupt  getrofifen  hat,  gewöhnlich  an  oder  in  der  Wandung  zu 
finden.  Das  gesamte  Aussehen  erinnert  ungemein  an  das  Sonnenbildchen 
der  Kervenquerschnitte  —  ein  Urteil,  das  mehrere  besonders  geschulte 
Beobachter,  denen  ich  meine  Präparate  zeigte,  ganz  unabhängig  von- 
einander aussprachen.  Längsgetroffene  Muskelzüge,  welchen  dieselbe  Ver- 
änderung eigen  ist  —  wie  sich  bei  dem  nicht  seltenen  Umbiegen  eines 
solchen  Bündels  um  90®  leicht  feststellen  läßt  —  sehen  mit  ihren  zahl- 
reichen spindelförmigen  Längslücken,  die  von  verkrümmten,  verschrumpften 
Balken  und  Fasern  eingeschlossen  werden,  unvergleichlich  lockerer  ge- 
fügt aus  als  normale.  —  An  Bündeln,  an  denen  diese  Lockerung  des  Gefoges 
nicht  statt  hat,  also  gerade  an  den  mehr  typischen,  sind  die  Grenzen 
zwischen  den  einzelnen  Fasern  in  der  Regel  nur  ganz  undeutlich  zu 
erkennen. 

Ebensowenig  zu  übersehen  wie  die  eben  geschilderte,  wenn  auch 
von  mehr  beschränktem  Vorkommen,  ist  eine  zweite  Erscheinung.  Mehrere 
Riesenarrektoren  in  zwei  verschiedenen  Hautstücken  —  auffallender  Weise 
niemals  die  ihnen  femerstehenden  jüngeren  Muskelmassen  —  sind  eine 
Strecke  weit  in  ihrem  Verlaufe  ganz  oder  teilweise  unterbrochen.  Die 
Stelle  des  normalen  Muskelgewebes  nimmt  hier  ein  feinkörniger,  manch- 
mal auch  mehr  scholliger,  durch  polychromes  Methylenblau  gar  nicht, 
durch  van  G  i  e  s  o  n  sehe  Mischung  mattgelb  färbbarer  Stoff  ein,  der  auch 
in  ein  zartestes,  zuweilen  sehr  dichtes,  durch  van  Gi  es on -Färbung  und 
durch  Weigert  sehe  Fibrinfärbung  nicht  deutlicher  darstellbares  Netz 
eingelagert  sein  kann.  Gewöhnlich  ist  dabei  zwischen  den  beiden  noch 
ziemlich  normalen,  fast  plötzlich  abbrechenden  oder  schon  deutlich  vom 
Beginne  der  Veränderung  erfaßten  seitlichen  Muskelstümpfen  ein  großer 
Teil  der  Substanz  überhaupt  ausgefallen,  die  Lücke  dann  außer  durch 
die  detritusartige  Masse  etwa  durch  Reste  der  Muskelfasern  in  der  nor- 
malen Verlaufsrichtung  oder  auch  durch  eine  Art  farbloser  Membran- 
fetzen überbrückt.  In  dem  Degenerationsherd  ist  auch  das  Bindegewebe 
gar  nicht  mehr  oder  doch  schlechter  gefärbt  zu  erkennen;  die  Muskel- 
keme,  soweit  sie  nicht  mit  ausgefallen  sind,  liegen  verkrümmt  und  ver- 
worfen, sind  aber  an  Färbbarkeit  im  ganzen  kaum  beeinträchtigt. 

Die  Kerne  undegenerierter  Stellen  geben  zu  etwas  aus- 
führlicherer Besprechung  Anlaß.  Im  allgemeinen  sind  sie  in  bekannter 
Weise  stabförmig  oder  auch  spindelförmig,  auch  etwas  gebogen  oder  ge- 
wunden mit  abgerundeten  Enden,  übrigens  im  Durchschnitt  vielleicht 
etwas  länger  als  ganz  normale  Muskelkeme;  sie  besitzen  dabei  1 — 2  und 
mehr  Eemkörperohen,  die  namentlich  durch  polychromes  Methylenblau 
aufs  deutlichste   dargestellt  werden   und  daneben  kleinere  Anhäufungen 


232  Sobotka. 

von  Chromatin,  die  sehr  h&nfig  in  einer  Zeile  der  Achse  nach  g^eordnet 
sind.  Doch  in  vielen  F&llen  zeigen  sie  in  einem  oder  dem  anderen  Merk- 
male Abweichungen  von  diesem  ans  im  gansen  geläufigen  Aussehen.  Oft 
sind  sie  küner,  dicker,  rundlich,  in  anderen  Fällen  sehr  lang  —  bis  sa 
60  f*  —  und  dabei  schmal,  oder  aber  lang  und  dick  als  wahre  Biesen- 
keme,  die  indessen  nicht  häufig  und  meist  auch  nur  in  einzelnen  Exem- 
plaren vorkommen.  Der  Sättigungsgrad  ihrer  Farbe  ist  sehr  verschieden. 
Nur  im  allgemeinen  sind  Kerne  von  größerem  Querdurchmesser  auch 
dunkler.  Hie  und  da  sind  die  Kerne  stark  verkrümmt.  Sehr  vielfacher 
Art  sind  —  gans  unvorgreiflich  gesprochen  —  Veränderungen  der  Kerne 
im  Sinne  einer  Zerlegung.  So  findet  sich  zuweilen  nur  eine  feine  quere 
Trennungslinie,  die  den  Kern  in  Hälften  teilt,  oder  eine  leichte  Ein- 
schnürung in  der  Mitte;  zuweilen  sind  die  Hälften  bereits  ein  wenig  aus- 
einandergerfickt,  mit  noch  scharfen  Ecken  an  der  Trennungsstelle,  io 
anderen  Fällen  mit  schon  abgerundeten  Ecken  als  offenbar  zusammen- 
gehörige, aber  selbständige  Kerne.  Die  Glieder  eines  solchen  Kempaares 
können  auch  eine  andere  Stellung  zu  einander  einnehmen,  schräg  oder 
ausnahmsweise  auch  annähernd  parallel  aneinandergelehnt  liegen.  Dann 
wiederum  sieht  man  einen  Kern  —  doch  gilt  die^  nur  von  den  größten 
—  durch  feinste  quere,  aber  ab  und  zu  daneben  auch  längsgerichtete 
Trennungslinien  in  mehr  als  zwei,  in  eine  ganze  Anzahl  von  Bruchstücken 
zerfallt,  die  aber  in  engster  Berührung  liegen  oder  auch  schon  etwas 
lockere  Anordnung  haben.  Oder  man  findet  überhaupt  nur  eine  kurze 
Reihe  von  verhältnismäßig  kleinen,  kurzen,  länglich  runden  Kernen,  die 
voneinander  getrennt,  aber  in  einigen  Fällen  mit  parallelen  und  dabei 
schräg  zur  Achse  der  Gesamtgruppe  gerichteten  Längsachsen  wie  die 
Prellsteine  einer  ansteigenden  Landstraße  nebeneinander  gestellt  sind. 
Allen  den  Arten  von  Teilkemen,  die  hier  beschrieben  wurden,  kann  ein 
Nucleolus  entweder  zukommen  oder  fehlen.  Die  Tiefe  ihrer  Färbung  ist 
sehr  verschieden.  Endlich  kommt  bei  gewissen,  ganz  langen,  fast  faden- 
artig schmalen  Kernen  noch  eine  Besonderheit  vor:  die  Kernmembran 
ist  erhalten,  ihr  Inhalt  wie  in  Stücke  zerfallen,  nur  streckenweise  von 
färbbarer  Substanz  dargestellt,  während  sich  an  einer  Nachbarstelle  viel- 
leicht ein  ganz  ähnliches  Kerngebilde  schon  in  eine  bloße  Reihe  von 
Flöckchen  aufgelöst  hat.  Karyokinetische  Teilungsfigaren  habe  ich  nie 
gesehen. 

Die  elastischen  Fasern  im  und  am  Maskelgewebe  sind  von 
sehr  charakteristischer  Verteilung.  Namentlich  an  den  Wurzeln  der  Ar- 
rektoren  sieht  man  sie  die  Muskulatur  in  normaler  Weise  einsäumen  und 
umspinnen;  in  den  Arrektoren  selbst,  den  weniger  und  den  mächtiger 
gewucherten,  sind  sie  in  geringer  Zahl  und  zwar  hauptsächlich  als  feine, 
besonders  längsgerichtete,  doch  auch  in  jedem  anderen  Sinne  verlaufende 
Fädchen  vorhanden.  Je  weiter  ein  Muskelbündel  sich  entstehungsgeschicht« 
lieh  vom  Arrektor  entfernt,  desto  reichlicher  im  allgemeinen  und  desto 
kräftiger  werden  die  elastischen  Fasern ;  den  Verlauf  in  der  Längsrichtung 
des  Bündels  bevorzugen  sie  auch  hier.   Die  Zunahme  des  elastischen  Ge« 


Zar  Kenntnis  der  Gutismyome.  233 

webes  soheint  also  deijenigen  der  kontraktilen  Subetanz  nicht  in  gleichem 
Schritte  gefolgt  zu  sein,  sondern  sie  überholt  za  haben.  Besonders  auf 
Querschnitten  sieht  man,  daß  der  Verlauf  der  elastischen  Fasern  mit 
denjenigen  der  Bindegewebsfasern  im  Muskel  nicht  völlig  übereinstimmt. 

Gef&ßchen  finden  sich  in  den  gröberen,  aber  auch  in  den  fei- 
neren Septen  zwischen  den  Muskelbündela  in  den  kleineren  wie  in  den 
größeren  Geschwülsten.  Aber  auch  durch  die  Muskelbündel  selbst  sieht 
man  Kapillaren  in  mäßiger  Zahl,  zum  Teil  ohne  fbrberisch  darstellbare 
Bindegewebsscheide,  in  yerschiedenen  Richtungen  verlaufen. 

Neben  den  Veränderungen  und  Eigentümlichkeiten  des  Muskel- 
gewebes treten  diejenigen  der  übrigen  Gewebe  der  Haut  an  Bedeutung 
zurück.  Die  im  ganzen  auch  abseits  von  Wucherangsherden  etwas  schmale 
Epidermis  weist  eine  einigermaßen  sichere  Beeinflussung  durch  die 
gegen  sie  vordringenden  Gescbwulstmassen  in  Gestalt  eines  mehr  ge- 
streckten Verlaufes  der  Papillenzapfengrenze  kaum  an  einer  einzigen 
Stelle  auf.  Das  Stratum  comeum  ist  stark  zerschlissen,  sonst  ohne  Be- 
sonderheiten, das  ein-  bis  zweizeilige  Granulosum  ganz  normal,  in  den 
Zellen  des  Stratum  spinosum  hat  stellenweise  Erweiterung  der  Kernhöhle 
statt,  die  Basalschichte  enth&lt,  wie  es  dem  blonden  Typus  des  Mannes 
entspricht,  außerordentlich  wenig  Pigment.  Die  Haarbälge  sind  nicht 
spärlicher  als  normal,  enthalten  sämtlich  Haare,  nirgends  sind  Spuren 
eine«  Unterganges  von  Haarbälgen  zu  erkennen;  dagegen  sind  manche 
der  kürzeren  im  tieferen  Teile  ihres  Verlaufes  durch  Myommassen  in  eine 
mehr  oberflächenparallele  Richtung  gedrängt.  Außerordentlich  stark  ent- 
wickelt sind  die  bekannten  Sprossen  der  Haarbälge;  sie  ragen  mit  samt 
ihrem  Bindegewebsstroma  ungemein  tief  in  die  mächtigen  Ansatzbündel  der 
Arrektoren  hinein.  Die  an  einem  Haarbalge  ohne  Arrektor  vorhandenen 
Auswüchse  sind  dagegen  sehr  kurz  geblieben.  Man  erhält  so  den  Ein- 
druck, daß  die  Länge  der  Haarbalgsprossen  eine  Funktion  der  Massen- 
entwickluDg des  Arrektors  im U n n a scheu  Sinne  ist.  —  Die  Talgdrüsen 
sind  klein,  ohne  Besonderheiten.  —  Die  Schweißdrüsen  sind  in  Bau  nnd 
Lagerung  vollkommen  normal,  ihre  Muskulatur  ist  zum  mindesten  nicht 
gewuchert.  Von  ihren  Ausfuhr ungsgängen  ist  immerhin  erwähnenswert, 
daß  an  zwei  Stellen  je  ein  solcher  Gang  mit  seiner  ganz  dünnen  Binde- 
gewebshülle durch  die  ihn  eng  umschließende  Muskel masse  geraden weges 
hindurchtritt.  —  Die  Darstellung  der  Nerven  litt  einigermaßen  unter  der 
Alkoholfizierung  meiner  Präparate,  die  eine  spezifische  Darstellung  nicht 
zuließ.  In  die  Muskulatur  hinein  konnten  keine  Zweige  verfolgt  werden. 
An  den  gröberen  und  feineren  Stämmchen,  die  das  Bindegewebe  durch- 
ziehen, wurde  nichts  auffälliges  gefunden;  daß  ab  und  zu  ein  Nervenast 
auch  in  einem  bindegewebigen  Felde  entdeckt  wurde,  an  das  von  ziem- 
lich allen  Seiten  Muskelbündel  verschiedenster  Kontraktionsrichtung 
herantreten,  daß  also  in  diesem  weitesten  Sinne  des  Wortes  auch  einmal 
ein  Nervenast  von  Muskulatur  umschlossen  ist,  das  ist  für  die  Theorie 
der  Schmerzanfälle  wohl  kaum  bedeutungsvoll.  —  Von  dem  kollagenen 
Gewebe  ist  bereits  gesagt,   daß  es  nirgends  um  die  Muskulatur  zu  einer 


2d4  SobotkA. 

Kapsel  verdichtet  liegt.  Aach  die  ihm  eingelagerten  elaetisohen  Faeera 
bieten  nichts  bemerkenswertes  dar.  —  Die  Gefafie  sind  von  normaler  BÜ«^ 
dang  der  Schichten,  von  denen  die  Maskalaris  also  an  keiner  Stelle  als 
yerst&rkt   anzasehen  ist  and  noch  viel  weniger  etwa  Bändel  aas  ihreni 
normalen  Bereiche  in  das  Bindegewebe  hinaassendet ;    aa£Eftllig  ist  im 
Hinblick  aof  diese  Verhältnisse  nor  der  einmal  gemachte  Befand,  daß  eia 
feines  Maskelbündel,   das  sich  mit  voller  Sicherheit   in  eine  Arrektor- 
geschwalst  xaräckverfolgen  läßt,  seine  elastischen  Fasern  mit  dem  elaeti- 
sohen Geräste  einer  benachbarten  großen,  an  der  Sabcatisgrenie  gelegenea 
Yene  verflicht.    Aach  erweitert  sind  die  Gefäße  nicht  erheblich  and  bia 
auf  einige  wenige  Stellen   der  oberflächlichen  Pars  reticolaris  oatis,   sux 
denen  die  Zahl  der  Kapillaren  aaffallen  mag,    auch  nicht  in  irgend  be- 
merkenswertem Grade  vermehrt  —  Als  nicht  normaler  Bestandteil  der  Haut 
endlich  ist  in  sie  eingelagertes  Infiltrat  an  erwähnen.  Die  Stärke  seiner 
Entwicklang  in  den  drei  Präparaten  geht,   ganx   allgemein  gesprochen, 
mit  derjenigen  der  Muskelhyperplasie  parallel.    Es  besteht  aasschließlich 
aas  einkernigen  Zellen  vom  Aassehen  der  Lymphocyten,  aas  Fibroblasten, 
denen  man  auch  abseits  dieser  Zellansammlangen  gelegentlich  begegnet, 
and  aas  zahlreichen  Mastsellen,   die  man  übrigens  nicht  ganz   spärlich 
aach  aaßerhalb  der  Infiltrate  frei  im  Biodegewebe  and  besonders  entlang 
der  Gef&ße  vorfindet,  während  Plasmasellen  vollständig  fehlen.    Das  snb- 
katane  Gewebe  ist  ganz  frei  von  Infiltration,  die  Gatis   aaßer  an  einigen 
Stellen   ihrer  unteren  Grenze  in  ihrem   Stratum  reticalare  mit  geringen 
Aasnahmen  schwach   beteiligt,   wo   nicht   gerade   Haarbälge  and  Talg- 
drüsen liegen,   die   allerdings   oft  ein  verhältnismäßig  starkes  Infiltrat 
nm    sich    sammeln     and     aach     eine     leichte    Kemvermehrang    ihrer 
Bindegewebsamhüllang  aufweisen  können;    die  Kapillaren   des  sabpapil- 
lären   Stratums  sind  oft  dicht  eingescheidet  und  ihre  PapiUenästchen 
kenntlich  durch  mäßige  Ansammlungen  von   Zellen,  von  welchen  einige 
auch  in  die  Lücken  der  Keimschicht  des  Epithels  übergetreten  sind.  Die 
Schweißdrüsen   bleiben  fast  unbeteiligt.    Nirgends  sind  die  Nerven  von 
der  Entzündung  betroffen.    Eine  besondere  Beziehung  zur  Gesohwalst- 
messe,  etwa  eine  Zellenablagerang  an  deren  Oberfläche,  besteht  durch- 
aus nicht;  Infiltrate  in  den  feineren  Muskelsepten  sind  selten,  im  Muskel- 
fleisch selbst  fehlen  sie  so  gut  wie  ganz.  (Sehiufi  folgt.) 


Archiv  fOermalologie  u. Syphilis  Band  LXXXK. 


r,g.3. 


Sobolka^Beilrige Z.Kenntnis  d.CuÜsmyome, 


Ans  der  kaiserlichen  dermato-nrologischen  Universitätsklinik 
in  Tokyo,  Japan.  (I^irektor:  Professor  Dr.  E.  Sohi.) 


Ein  Beitrag  zur  Pathologie  und  Statistik 
der  Epididymitis  gonorrhoica. 

Von 

Dr.  T.  Tanaka  aus  Tokyo,  Japan. 


Die  Epididymitis  gonorrhoica,  die  als  eine  Komplikation 
der  Urethritis  gonorrhoica  des  Mannes  auftritt,  treffen  wir  unter 
allen  Komplikationen  nächst  der  Gystitis  cerbicale  am  häu- 
figsten an. 

Da  die  Epididymitis  oft  die  Zeugungsfiinktion  beschädigt 
und  also  die  Fruchtlosigkeit  verursacht,  so  hat  diese  Krankheit 
unter  allen  Tripperkomplikationen  das  innigste  Verhältnis  zur 
Sozialfrage  und  verdient  in  dieser  Hinsicht  unsere  genaue  Unter- 
suchung auf  die  Verhältniszahl  ihres  Auftretens  hin.  Leider 
haben  wir  noch  keine  zuverlässige  statistischen  Arbeiten  über 
diese  Krankheit,  und  verschiedene  Berichte  verschiedener 
Autoren  hierüber  zeigen  immer  noch  verschiedene  Ziffern. 
Seh  äff  er  (1)  meint,  daß  der  Tripper  bei  dem  Manne  sehr 
häufig  vorkommt,  der  in  Folge  dessen  an  der  Nebenhodenent- 
zündung auch  häufig  leidet  und  daher  dem  Arzt  keine  genaue 
richtige  Klage  über  seine  Krankheit  macht. 

Außerdem  hält  Finger  (2)  die  Statistik  über  die  Häufig- 
keit der  Epididymitis  nicht  für  genau,  die  dem  Hospitalmaterial 
entnommen  sind,  da  die  Patienten  aber  erst  dann  das  Hospital 
aufzusuchen  pflegen,  wenn  sie  schon  lange  an  der  Nebenhoden- 
entzündung gelitten  haben  und  wegen  der  Schmerzen  nicht 
mehr  arbeiten  können.  Aber  auch  die  ambulatorisch  be- 
handelten  Tripperkranken   können    nicht    ohne    weiteres    ein 


236  Tanaka. 

richtigeB  Bild  liefern,  da  sie  oft  die  Heilung  unterlassen,  sich 
an  einen  anderen  Arzt  wenden,  oder  yon  ihrer  Anamnese 
keine  richtige  Angabe  machen«  So  müssen  wir  die  Statistik 
über  das  Hospitalmaterial  yon  dem  über  die  ambulatorisch 
behandelten  Kranken  genau  unterscheiden.  Falls  aber  ein 
Patient  einmal  ambulatorisch  behandelt  und  dann  ins  Hospital 
aufgenommen  worden  ist,  so  ist  eine  solche  Unterscheidung 
nicht  mehr  nötig.  Immerhin  müssen  wir  den  Fall  ins  Auge 
fassen,  daß  ein  und  derselbe  Kranke  mehrere  Male  am  Tripper 
leidet,  oder  schon  lange  vom  Tripper  überfallen  und  an  der 
chronischen  Erkrankung  leidet  und  infolge  von  Unmäßigkeit 
und  schlechter  Behandlung  manchmal  Exacerbationen  erleidet 
und  jedesmal  die  Nebenhodenentzündung  wieder  weckt  Femer 
muß  man  berücksichtigen,  daß  es  solche  Tripperkranke  gibt, 
welche  ihrer  leichten  Erkrankung  und  stumpfer  Empfindung 
wegen  Ton  ihrer  Krankheit  gar  keine  Ahnung  haben  und  selbst 
bei  der  Eintretung  kleiner  Schmerzen  diese  für  eine  Art 
Neuralgie  halten.  Einige  Kranke  sind  ja  noch  stumpfsinniger, 
daß  sie  verhältnismäßig  ernstere  Schmerzen  und  sogar  gewisse 
Erhitzung  einer  infektiösen  Erkältung  zuschreiben  und  erst 
bei  der  Nebenhodenanschwellung  auf  die  richtige  Meinung 
kommen,  daß  sie  von  der  Nebenhodenentzündung  überfallen 
worden  sind.  Aus  dem  gesagten  ergibt  sich,  daß  die  bloß 
temporal  verlaufende  Entzündung  weder  vom  Kranken  noch 
dem  Arzt  verspürt  werden  kann  und  somit  unserer  stati- 
stischen Betrachtung  entgehen  muß.  Außerdem  ist  hier  er- 
wähnenswert, daß  die  Urethritis  nongonorrhoica  resp.  die 
Urethritis  gonorrhoica  eine  Mischinfektion  verursacht  und  in- 
dem durch  die  Bakterien  eine  Epididymitis  nongonorrhoica 
zu  stände  kommt.  Darum  sah  Bockhart  (3)  in  einer  Ure- 
thritis, die  von  den  aus  der  Geschlechtshöhle  infektiös  fortge- 
pflanzten Spaltepilzeo,  Mikrokokken  und  Streptokokken  ovoida 
erweckt  wurde,  wohl  die  Ursache  der  Nebenhodenentzündung. 
Gustav  (4)  sah  auch  faktisch,  wie  die  Urethritis  nongonorrhoica 
die  Nebenhodenentzündung  erzeugt.  Bernstein  (5)  besagt, 
daß  Friedländer  sehe  Bakterien  ebenfalls  eine  Nebenhoden- 
entzündnng  aufkommen  lassen«  Nach  Galewsky  (6)  er- 
weckt die   chronische  Urethritis   nongonorrhoica   eine   Neben- 


Ein  Beitrag  idt  PkÜioI.  and  Statiatik  der  Epididymit»  gon.     237 

hodenentzüodung,  t.  Hof  fmann  (7)  erstattet  uns  eine  wichtige 
Uittejlung  über  den  Bakterienznstand  in  der  Urethritis  chronica, 
EUenberg  (8)tiber  die Epididymitis idiopathios  und  Naught 
(11)  über  die  Epididjmitis  thyphosa.  Anfierdem  treffen  wir  gar 
oft  die  tuberkulöse  EpidldjinitiB.  So  ist  es  noTerkennbar 
nötig,  alle  solche  Arten  klar  zu  unterscheiden.  Da  aber  diese 
Sache  außerordentlich  schwierig  ist,  so  müsBeu  wir  nnsere  Be- 
obachtung anf  das  Gebiet  der  klinisch  als  solche  diagnosti- 
lierten  EpididTmitis  gonorrhoica  beschränken.  Zunächst  folge 
die  Tabelle,  welche  die  von  Terscbiedeoen  Autoren  diesbezüglich 
mitgeteilten  Ziffern  ersicbütcb  macht. 

TabellB  I. 


Bir>uii<aU  (9)    . 

- 

- 

8-2 

- 

Ha.pltll«r 

Flmer  (2) .  .  .  . 

18« 

648 

29-S 

lJ.Ii^ 

, 

Wrter  (9) .  .  .  . 

— 

- 

28-9 

1890 

„ 

MM  (S) .  .  .  . 

M96 

678 

27-9 

— 

- 

Slmonli,  1.  (]0)    . 

— 

— 

27-6 

1B97— 

— 

Tlchaninw  (9) . 

Sr.5l"g!:: 

9886 

406 

17-8 

1901 
1886 

Iillifln  (2) .  .  .  . 

2600 

sei 

lS-2 

1903 

PMZtllD.Por|BS(9) 

8984 

560 

14-2 

1872 

Tarnowikf  (9)  .  . 

6208 

637 

12-9 

— 

Fingar  (9)  .   .   .   . 

1000 

125 

13-5 

1901 

LeCI«re,D«y4i7(9) 

_ 

— 

12-0 

1900 

Tanwtky  (»)  .  . 

667 

77 

11-7 

1904 

Mu  (9)  .  .  .  . 

612 

91 

11-7 

- 

- 

Gutmutt  (12) .  . 

44 

5 

11-8 

1904 

„ 

WM«I>««  (9)    ■  ■ 

— 

108 

8-4 

1896 

— 

Berg  (9)    .... 

— 

— 

76 

1882 

— 

fiebert  (9) .  .  .  . 

850 

" 

7-0 

1898 

— 

Wien 

Leipngn.  Wien 

Würebni^ 


Leipzig  n.  Wien 
Pelenbarg 


238 


Tanaka. 


y.  Zeissl  (13)  gibt  in  seinem  liehrbuch  die  Differenz  von 
10—30%  und  Schäffer  die  von  4—40%  an. 

Die  Angabe  von  Patienten  ist  nicht  immer  richtig.  Es 
ist  z.  B.  sehr  möglich,  daß  einer  die  Hodenanschwellung  für 
die  Nebenhodenentziindung  halten  kann  und  auf  diese  Weise 
dem  Arzt  eine  falsche  Mitteilung  macht.  So  muß  der  Arzt 
immer  vorsichtig  sein  und  auf  den  Zustand  des  betreffenden 
Patienten  möglichst  eingehende  Untersuchung  machen. 

Es  wird  viel  gestritten,  ob  die  Epididymitis  gonorrhoica 
mehr  die  linke  Seite  angreift  oder  die  rechte.  In  Europa  ist 
die  Meinung  entstanden,  daß  diese  Krankheit  meistens  die 
liuke  Seite  überfallt,  da  man  den  Geschlechtsteil  an  der  linken 
Seite  der  Hosen  trägt,  und  die  linke  Hode  mehr  Druck  und 
Zug  erleidet  als  die  rechte.  Finger  (2)  behauptet  dagegen, 
daß  diese  Unterscheidung  gar  nicht  nötig  ist,  da  diese  Differenz 
bei  der  vielseitigen  Beleuchtung  wenig  von  Bedeutung  ist 
Zeissl  aber  sagt,  daß  die  Krankheit  mehr  auf  der  linken 
Seite  auftritt.  Außerdem  gibt  es  verschiedene  Ansichten,  die 
bald  die  linke,  bald  die  rechte  Seite  als  die  häufiger  erkrankte 
hinstellen.  Immerhin  ist  die  Differenz  stets  sehr  klein.  Jeden- 
falls ist  die  Erkrankung  der  beiden  Seiten  sehr  selten  und 
die  gleichzeitige  Erkrankung  der  beiden  Seiten  noch  weit 
seltener.  Gewöhnlich  beginnt  sie  von  irgend  einer  Seite,  d.  h. 
von  links  oder  rechts.  Nun  die  hier  bezüglichen  Ziffern  ver- 
schiedener Autoren: 


Tabelle  II. 


Linke  Seite 

Rechte  Seite 

Beide  Seilen 

Summa 

Autor 

Zahl  dea 

Auf- 
k  ommeTka 

• 
H 

s 

a 

S     6 

ri 

• 
M 
O 

a 

®  .  s 

• 
M 

e 

3   i 

■2<fl 

Ramorino  (2)  . 
Jordan  (9)    .  . 
Audry  (2)    . 
Castelnau  (2)  . 
Fournier  (2)    . 
lullien  (2)    .  . 
TuratI  (2)    .  , 

87 
49 
62 
183 
126 
182 
192 

661 
68-8 
62-0 
50-1 
47-9 
47-6 
441 

29 
82 
40 
125 
102 
167 
191 

43-9 
35-1 
39-4 
47-2 
41-8 
43-7 
46-8 

0 
10 
7 
7 
35 
33 
26 

0 

IM 
8-6 
2-7 

10-3 
8-7 
61 

66 
91 
99 
266 
263 
382 
408 

Fürt 

ra 

?• 

• 

771 

686 

— 

117 

— 

1574 

Ein  Beitrag  zur  Pathol.  und  Statistik  der  Epididymitis  gon.     239 


Autor 


Linke  Seite 


-^     o 


N 


M 

s 


Rechte  Seite 


*•      o 


N 

e 


Übertrag  . 


Finger  (2)  , 
KOhn  (2)  .  . 
Breda  (2)  . 
H.  V.  Zelsel 


(13) 


Sigmund  (2) 
Le  Fort  (2) .  . 
Curling  (2)  .  . 
Unterberger  (2) 
D'Espine  (2)  . 
Gunberini  (2) . 
Gautsaile  (2) . 


771 

251 
67 
58 
83 
48 

200 
14 
25 
11 
10 
24 


45-8 
44-9 
48*8 
48*4 
421 
40-8 
888 
88-4 
87-9 
86-7 
32-9 


1507 


45*6 


686 

275 
70 
64 
36 
60 

249 
21 
85 
12 
15 
45 


501 
46-9 
54-8 
47-8 
52-6 
50-8 
58*3 
53*8 
41*4 
58*5 
61-6 


Beide  Seiten 


8  S 


117 

22 

12 

4 

7 
6 
41 
1 
5 

6 
8 

4 


M 

e 


Summa 


4*1 

8*2 

14 

10-3 

5*8 

8*4 

2*9 

7-8 

20*7 

10*8 

5*5 


Z    S 
fcq  2 


1574 

548 

149 

121 

76 

114 

490 

86 

65 

29 

28 

78 


1568   47*4  228 


6*9  3803 


Tabelle  III. 

Aaülatraten 

A       Q       t       o       r       fl 

»       n 

w 

(13) 

(•) 

In  d«T  (dam) 

Fingen  Ziffer 

R.  Berght  ZUfer 

Jordans  Ziffer 

Zahl    der    Bpididy 

m  i  t  i  • 

1.  Woche  .... 

46 

27 

2 

2.        ,      . 

156 

68 

12 

8.        , 

182 

28 

7 

4-     ,    ■ 

191 

24 

11 

6.        .      . 

182 

9 

10 

6.        „      ■ 

64 

7 

2 

7.        „ 

44 

9 

2 

8.        ,       . 

61 

7 

3 

9.         n        . 

— 

5 

1 

10.        ,       . 

8 

11-          n 

^— 

-~ 

2 

8.  Monat 

66 

4 

— 

*•        >, 

33 

12 

4 

6.        . 

18 

4 

4 

6.        . 

22 

1 

— 

7.        , 

9 

.-. 

2 

8.        . 

8 

2 

2 

9.        » 

5 

2 

— 

10.       „ 

— 

— 

— 

11.        . 

8 

— 

1 

FOrt 

«^ 

g 

1 

995 

209 

68 

240 


Tanftka. 


A       : 

i&       t       0       r       « 

\       n 

ta  dar  (d«n) 

(ß) 
Fingen  ZlfEbr 

0«) 
R.  Bergka  Ziffer 

Jordans  Zlflisr 

Zahl    der    Epididy 

m  i  t  i  ■ 

Obertng.   .               996 

SN)9 

68 

IS.  Monat  .   . 

2.        „       •   ■ 
8.        ,       .   . 

4.        «      .   • 

9 
7 
2 

8 

1 

1 

6.        ... 

— 

— 

— 

6.  .      . 

7.  ,       -    . 

1 

^*^"* 

-^ 

8.        ,      . 

1             — 

— 

— 

9.        ,      . 
10.       „      . 

20.        ,       .   . 

•       1                          _ 

— 

2 
8 

Somm 

a .  . 

k 

1016 

218 

91 

Das  Maximum  der  NebenhodenentzÜDdungen  durch  die 
Urethritis  gonorrhoica  fallt  auf  das  Ende  der  3.  Woche  oder 
den  Anfang  der  4.  Woche  des  Trippers,  wo  die  Urethritis 
anterior  auf  die  Urethritis  posterior  übergeht,  d.  h.  das  akute 
Stadium  auf  das  subakute.  Falls  man  im  Anfange  des 
akuten  Stadiums  mittels  eines  Instrumentes  den  Eiter  in  die 
innere  Tiefe  hineintreibt  und  somit  eine  Urethritis  posterior 
ZU  Stande  bringt,  so  kann  man  in  einer  Woche  schon  die 
Nebenhodenentzündung  wahrnehmen.  Wie  die  folgenden  Stati- 
stiken von  Finger,  Bergh  und  Jordan  (9)  uns  zeigen, 
tritt  die  Nebenhodenentzündung  innerhalb  der  5.  Woche  nach 
der  Infektion  des  Trippers  fast  ebenso  oft  auf^  wie  die  Elrank- 
heit  selbst  wegen  der  Steigerung  der  Erkrankung  im  Ver- 
laufe des  chronischen  Stadiums. 

Zahl  und  Zeit  des  Auftretens  der  Epididymitis  nach  der 
Dauer  des  Trippers  siehe  in  der  Yorstehenden  Tabelle  in. 

Was  die  Jahreszeiten  anbelangt,  so  ist  früher  einmal 
von  Finger  (14)  auf  Qrund  von  Beobachtungen  an  der  Zeissl- 
schen  Klinik  die  Vermutung  ausgesprochen  worden,  daß  die 
Jahreszeiten  für  die  Entstehung  der  Nebenhodenentzündung 
Bedeutung  haben,   insofern,   als   das  Maximum    derselben    in 


Ein  Beitrag  lur  Pathol.  and  Statistik  der  Epididymitis  gon.     241 

die  Zeit  der  anhaltenden  Trockenheit  und  größten  Hitze  fallen 
soll.  Dementgegen  spricht  sich  Jordan  aus,  daß  die  Jahres- 
zeiten keinen  namhaften  Einfluß  darauf  hatten. 

Auch  das  Alter  der  Tripperkranken  hat  nach  Jordan 
keinen  besonderen  Einfluß  auf  das  Auftreten  der  Epididymitis. 
Er  hat  bloß  anerkannt,  daß  in  der  Periode,  wo  Tripperer- 
krankungen zahlreich  sind,  die  Nebenhodenentzündungen  gleich- 
falls zahlreich  sind. 

Über  die  Verhältniszahl  der  Nebenhodenentzündungen 
und  deren  Behandlungen  haben  wir  Le  Forts  Bericht.  Der 
ist  folgender: 

Art  und  Weise  der  Behandlung  und  Pflege: 

KrankeniAhl 

Einnahme  der  Balsammittel 78 

Einspritzen  in  die  Harnröhre 82 

Einnahme  der  Balsammittel  nebst  dem  Einspritzen  in  die 

Urethra 60 

Die  Art  und  Weise  der  Behandlung  unbekannt 97 

Ohne  Behandlung  und  Pflege 262 

Summe 576 

Das  Auftreten  der  Nebenhodenentzündung  ist,  um  mit 
Finger  zu  redeui  bei  unbehandelten  Tripperkranken  am 
häufigsten.  Diejenigen  Patienten,  die  die  Krankheitspflege 
yemachlässigen,  müssen  ebenfalls  oft  an  der  Nebenhoden- 
entzündung leiden.  Doch  ist  diese  Krankheit  nicht  der  ver- 
nachlässigten Behandlung  allein  zuzuschreiben. 

Die  Yorliegende  Arbeit  ist  im  Zeitraum  von  rund  2 
Jahren  (Januar  1903  bis  Dezember  1904)  auf  dem  Ambula- 
torium des  Professor  Dr.  K.  Dohi  an  der  dermatologischen 
Abteilung  in  der  medizinischen  Fakultät  zu  Tokyo  unternommen 
worden.  Die  Gesamtzahl  der  hier  ambulatorisch  behandelten 
Patienten  betrug  6218,  worunter  4602  Männer  waren.  Der 
jüngste  dieser  Tripperkranken  war  17  Jahre  alt  Wir  hatten 
also  4045  Männer,  die  alle  über  17  Jahre  alt  waren  und  in 
unseren  Betrachtungskreis  gezogen  werden  sollten.  Die  Tripper- 
kranken betrugen  674,  und  die  Prozentzahl  war  also  16*7%. 
Zählen  wir  die  Männer  über  17  und  unter  40  Jahre  alt,  so 
ist  ihre  Gesamtzahl    3695,  d.  h.  18*27o-    Jedenfalls  ist  meine 

Areh.  f.  D«rmat.  u.  Sjph.  Bd.  LXXXIX.  26 


242  Tanaka. 

Zahl  kleiner  als  die  des  Okamura  (15).  Diese  Differenz 
läßt  sich  aber  dadurch  erklären,  daß  ich  bloß  die  gegenwärtig 
leidenden  Kranken  zählte,  während  Okamura  auch  die  Fälle 
in  der  Anamnese  mitzählte. 

Jordan  zählt  unter  493  dermatologischen  und  urolo- 
gischen Kranken,  über  19  Jahre  alt,  487o  Tripperkranke. 
Erb  (16)  sah  unter  über  25jährigen  Kranken  60%  Tripper- 
kranke. Die  Verhältniszahlen  der  beiden  Autoren  sind  wohl 
größer  als  die  meinigen.  In  der  Tat  haben  wir  aber  neuer- 
dings durchschnittlich  883  zweimalige  Patienten  gehabt,  unter 
denen  728  Männer  sind,  und  von  ihnen  leiden  314  an  Tripper, 
die  übrigen  aber  an  Hautleiden  oder  Syphilis.  So  bietet 
sich  uns  die  Yerhältniszahl  der  Tripperkranken  als  iS'l%  dar, 
was  Jordans  Ziffer  näher  steht. 


1.  Verhältnis  der  Nebenhodenentzündung  zur 

Urethritis. 

Unter  meinen  674  Tripperkranken  fanden  sich  75 
Patienten,  welche  zur  Zeit  der  Untersuchung  gerade  an  der 
Nebenhodenentzündung  leidend  waren;  es  macht  also  11'1%- 

Unter  der  Nebenhodenentzündung  habe  ich  auch  die- 
jenige Krankheit  yerstanden,  welche  die  Peridiferentitis  resp. 
Funiculitis  begleitet  und  auf  dem  betreffenden  Teile  des 
Leidens  eine  starke  Infiltration  verursacht,  femer  diejenige 
Krankheit,  welche  am  Nebenhoden  zwar  keine  Infiltration  Ter- 
spüren  läßt,  doch  ge?d8sermaßen  Schmerzen  erweckt  Denn 
solche  Zustände  sind  pathologisch  sowohl  wie  histologisch 
schon  als  Kanälchenentzündungen  anzusehen.  Die  Erkrankung, 
die  außer  der  Verdickung  und  Verhärtung  des  Nebenhoden 
auch  die  Verdickung  der  Spermatis  erzeugt,  habe  ich  natürlich 
hier  mitgezählt.  In  meinen  bisherigen  Untersuchungen  sah 
ich  noch  keine  Spermatisentzündung,  welche  mit  Störung  am 
Nebenhoden  nicht  in  Gesellschaft  auftrat. 

Was  aber  die  leichten  Entzündungen  in  Begleitung  mit 
der  Yorübergehenden  Ejaculatoritis,  Deferentitis  und  Kanälchen- 
entzündung   ohne   besonderen    Schmerz    und    ohne  Spur  der 


Ein  Beitrag  zur  Pathol.  und  Statistik  der  Epididymitis  gon.     243 

Infiltration  anbelangt,  so  können  wir  noch  nicht  auf  eine 
Nebenhodenentzündung  schließen.  Wenn  aber  die  Erkrankung 
Hitze  erweckt  oder  gewisse  drückende  Lokalschmerzen  ver- 
«irsacht,  dann  können  wir  sie  zu  unserer  Statistik  gebrauchen. 
Erweckt  sie  dagegen  bloß  einen  leichten  Schmerz,  so  können 
wir  sie  nicht  gleich  zu  unserem  Gebiete  mitzählen,  da  ein 
solcher  Schmerz  ebenso  gut  auch  von  der  Neuralgie  her- 
kommen kann.  Falls  aber  die  Körpertemperatur  steigt  und 
Lokalschmerzen  heftig  werden,  dann  ist  es  klar,  daß  die 
NebenhodenentzünduDg  schon  eingetreten  ist,  und  man  kann 
<lann  sogar  eine  gewisse  Verdickung  wahrnehmen.  Von  der 
Anamnese  des  Patienten  kann  man  keine  Genauigkeit  er- 
warten, da  die  Patienten  nach  dem  Verlaufe  vieler  Jahre  den 
größeren  Teil  ihrer  vergangenen  Erkrankungen  vergessen 
haben.  Unter  meinen  Patienten  gab  es  18,  die  sich  an  ihre 
damaligen  Nebenhodenentzündungen  noch  erinnern  konnten. 
Die  Gesamtzahl  meiner  Epididymitiskranken  betrag  93,  ein- 
schließlich der  gegenwärtig  leidenden  Kranken,  die  Verhältnis- 
zahl ist  demnach  13'8%  (s.  IV.  Tabelle).  Diese  Ziffer  kommt 
noch  an  Gassmann  (12)  11.3  7o)  Jordans  ll*77o  und 
Tarnowskys  11 '7%,  Diese  Ziflfern  beziehen  sich  alle  auf 
-die  Erkrankungen  der  ambulatorisch  Behandelten.  Die  Art 
und  Weise  ihrer  Untersuchung  deckt  die  meinige.  Jordan 
teilt  uns  unter  812  Patienten  135  Epididymitisfalle  mit,  ein- 
schließlich der  Erkrankungen  in  der  Anamnese,  d.  i.  also 
27'87o  (diese  statistische  Arbeit  ist  in  Moskau  unternommen). 
Da  die  Japaner  aber  stets  mit  einem  ziemlich  breiten  Band 
die  Hoden  befestigen,  so  soll  bei  ihnen  die  äußerliche  Trauma 
dieses  Teils  verhältnismäßig  seltener  sein  als  bei  denen,  welche 
ihre  Hoden  nur  frei  herabhängen  lassen. 


2.  Die   Seite. 

Unter  meinen  93  Patienten  bekamen  54  am  linken  Hoden 
Entzündung,  das  ist  58*1%,  32  aber  am  rechten  Hoden,  d.  i. 
34*4%  und  7  endlich  auf  den  beiden  Seiten,  d.  i.  7%.  So 
stehen  meine  Ziffern  nahe  an  den   Prozentzahlen   Jordans 

16* 


244 


Tanaka. 


und  Ramorinos,  sind  aber  von  denen  Curlings  und 
Unterbergers  entfernt.  Selbst  die  beiderseitige  Erkrankung 
beginnt  gewöhnlich  zunächst  Yon  der  rechten  Seite.  Die  Frist 
des  Übergangs  der  Entzündung  Yon  einer  Seite  zur  anderen 
dauert  fast  eine  Woche.  Bei  meinen  7  Fällen  dehnte  sich 
diese  Frist  3 — 10  Tage  aus,  ausgenommen  eine  dreimonatliche 
und  eine  halbjährige.  Eine  gleichzeitig  auf  den  beiden  Seiten 
aufkommende  Entzündung  habe  ich  noch  nicht  angetroffen. 


Tabelle  IV. 


Zeitraum 


Krankheit 
bei  der  AoAinneee 


S 

.d 

I 


M 


Seite 


a 
§ 

00 


Krankheit 
bei  der  Gegenwart 


I 


0 

a 


2 

'S 


Seite 


a 

a 

0 
00 


1903 
1904 


1903—04 


1 

2 

3 

1 

6 

12 

19 

2 

33 

5 

6 

1 

12 

13 

26 

3 

42 

7 

9 

2 

18 

25 

45 

5 

75 

39 
54 


93 


3.  Welches  Stadium  der  Urethritis  gonorrhoica 
bringt  die  Nebenhodenentzündung  zu  Stande? 

Am  häufigsten  kommt  die  Nebenhodenentzündung,  wie 
die  Tabellen  Fingers  (s.  o.),  R.  Berghs,  sowohl  wie  Jordan 
es  zeigen^  in  der  Zeit  zustande,  wo  ein  Tripper  vom  akuten 
Stadium  über  das  subakute  zum  chronischen  übergeht,  d.  h. 
in  der  Periode,  wo  eine  Urethritis  posterior  aufgekommen  ist, 
oder  wo  sich  die  Erkrankung  in  chronischem  Verlaufe  wegen 
der  Unmäßigkeit  des  Patienten  oder  des  schlechten  Klimas 
besonders  heftig  gestaltet  Finger  behauptet  sogar,  dafi  auch 
bei  akutem  Verlaufe  eine  Nebenhodenentzündung  zu  Stande 
gebracht  werden  kann,  falls  pathogene  Bakterien  vermittelst 
einer  Bougierung  oder  Einspritzung  in  den  hinteren  Teil  hinein- 
getrieben werden.  Nach  [meiner  Tabelle  (V)  ist  die  betref- 
fende Erkrankung  während  des  Zeitraums  6—28  Tage  nach 
dem  Aufkommen  der  Urethritis  am  häufigsten,  aber  je  später 
desto  seltener. 


Eid  Beitrag  zur  Pathol.  und  Statistik  der  Epididymitis  gon.     245 


Tabelle  Y. 


Im 
Jahre 


Zeitraam,  ftaffetreten  in  der  (dem)  naeh  d.  Trtpp. 


« 

ja 

o 


CO 


00 


»I 


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0 

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a 
« 

M 

0 
P 


0 
00 


1908 
1904 


1903-4 


13 


8 
13 


6 


8 


14 


6 


2 


8 


2 


8 


1 


1 


84 

48 


82 


11 


98 


4.    Die  Jahreszeiten. 

Untersuchen  wir,  in  welcher  Jahreszeit  die  Nebenhoden- 
entzündung am  häufigsten  vorkommt,  so  scheint  es  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  die  Periode  ihrer  Häufigkeit  mit  der  des 
Tripperanfalles  identisch  sei«  Doch  läßt  es  sich  nicht  so 
leicht  bestimmen.  Nach  meiner  VI.  Tabelle  steigert  sich  die 
Prozentzahl  in  der  Zeit,  wo  das  Klima  sich  ändert.  In  der 
Periode,  wo  die  Kälte  zur  Wärme  und  die  Wärme  zur 
Kälte  übergeht,  also  im  März,  Juni  und  November  wird  die 
Prozentzahl  größer  im  Vergleich  zu  anderen  Monaten.  Denn 
in  der  Zeit  der  Klimaveränderung  erleidet  jeder  Organismus 
gewisse  Veränderung,  und  dem  Menschen  wird  es  in  dieser 
Zeit  auch  schwierig,  seine  Gesundheit  gut  zu  halten.  Die 
Feuchtigkeit,  Temperatur  sowohl  wie  die  Dichte  der  Luft  bis 
auf  die  Veränderung  des  Trinkwassers  bleiben  nicht  ohne 
namhaften  Einfluß  auf  die  Gesundheit  des  Menschen.  Übrigens 
kann  es  auch  der  Fall  sein,  daß  im  Frühling  und  Herbste 
die  sinnliche  Leidenschaft  der  Menschen  heftiger  wu'd  und 
viele  Menschen  gerade  in  dieser  Zeit  durch  Fehltritte  die 
Nebenhodenentzündung  auf  sich  laden.  Finger  sagte,  daß 
die  Nebenhodenentzündung  zur  Zeit  der  großen  Trockenheit 
und  Hitze  am  häufigsten  vorkommt.  Hiermit  wollte  er  sagen, 
daß  die  Häufigkeit  des  Auftretens  dieser  Krankheit  auf  die 
Zeit    der  größten   Kälte  und  Wärme  fällt.     Die  Behauptung 


n 


246 


Tanaka. 


aber  entspricht  nicht  meinen  Fällen.  Man  achte  aber  in  der 
Tabelle  darauf,  daß  die  verhältnismäßig  große  Häufigkeit  der 
Nebenhodenentzündung  im  März,  Juni  nnd  November  nicht 
immer  von  der  Häufigkeit  des  akuten  resp.  subakuten  Trippers- 
abhängig ist. 

Tabelle  VI. 

Urethritifl  gonorrhoica  des  Mannes. 


1 


s 


1 

Cd 


Stadium 


h    r    e    • 


i    t    e    B 


B 

a , 


E 


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I 


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9 

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9 

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o 

SB 


9 

e 

9 
M 
« 


I 


chronische 
Bübakute 
aknte   .   . 
Summa    . 

chronische 
snbakute 
akute    .    . 
Summa    . 

chronische 
subakute 
akute    .   . 
Summa    . 


8 

8 

17 

10 

20 

88 

25 

22 

9 

15 

9 

11 

4 

6 

8 

1 

6 

4 

2 

1 

10 

6 

9 

8 

3 

2 

4 

4 

8 

8 

4 

5 

9 

8 

2 

1 

16 

16 

29 

15 

29 

40 

81 

28 

28 

24 

20 

15 

18 

18 

15 

12 

13 

25 

20 

29 

18 

24 

80 

15 

5 

6 

5 

4 

6 

6 

10 

14 

5 

6 

11 

7 

6 

3 

18 

7 

4 

11 

5 

8 

4 

1 

5 

5 

24 

22 

88 

28 

28 

42 

85 

51 

27 

81 

46 

27 

21 

21 

32 

22 

38 

58 

45 

51 

27 

89 

89 

26 

9 

12 

13 

5 

12 

10 

12 

15 

15 

12 

20 

10 

9 

5 

17 

11 

7 

14 

9 

18 

18  4| 

7 

6 

89 

88 

1 

62 

88 

52 

82 

66 

79 

55 

1 

55 

66 

42 

B 
B 


414 
145 
115 
674 


Epididymitis  gonorrhoica. 


Z  e  I  t  r  a  a  m 


J 

a 

h 

r 

0 

dir 

8  X  e  i  t  e  n          1 

Januar 

Februar 

1 

K 

April 

Mal 

Juni  1 

2 
1 

9 
M 

a 

a 

S 

9 
1 

5 

9 

9 
M 

a 

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9 
M 

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9 

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1 

5 

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9 
M 

a 

'S 

8 

6 

l 

t 

e 

> 

1908 

1904 

1908-04    .... 

Summa 

Vo  f.  d.  üreth.  gon. 


2 

2 

0 

0 

1 

1 

1  0 

2 

2 

8 

s;  0 

2 

8 

6 

5 

15^ 

i 

■ 

18*2 

0    2    4    1 
O'  2    3'  0 

0'  4i  7i  1 


12 


19-4 


0 
2 
21 


1 
8 
4 


0 
0 
0 


15-8 


0 
2 
2 


2 
3 
5 

8 


0 
1 
1 


15-4 


31  8 
13 
4l  6 

10 


16-1 


( 


Ein  Beitrag  zur  Pathol.  und  Statistik  der  Epididymitis  gon.     247 


Zeitraum 


i 

1    «    h    r 

e 

■ 

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e 

1 

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Juli 

Avgast 

Boptbr. 

Oktober 

NoTbr. 

Desbr. 

S 

ja 

s 

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1 

S 

1 

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1 

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1 

• 

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« 

1 

1 

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• 

1 

2 

« 

1 

1 

8 


e 


OD 


I 


1908    .  .  .  . 

liTvv      •      •      •      • 

1908—04    .   . 

Snnuna  .   •   • 

7o  für  die 
Urethr.  gon. 


1 

0 

1 

1 

8 

1 

1 

2 

0 

1 

1 

0 

2 

2 

0 

1 

1 

0 

1 

6 

1 

2 

4 

1 

1 

2 

0 

1 

0 

1 

8 

4 

0 

0 

2 

0 

9 

6 

2 

8 

7 

2 

2 

4 

0 

2 

1 

1 

6 

6 

0 

1 

8 

0 

9 

12 

6 

4 

11 

4 

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5 

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1 

110 

7-a 

16-7 

9-6 

( 

14 
18 
82 


22 
82 
54 


98 


ld'8 


5.  Das  Alter: 

Nach  JordaD  ist  das  Alter  von  keinem  nennenswerten 
Einfluß  auf  die  Nebenhodenentzündung.  Dieser  Meinung  stimme 
ich  YoUständig  bei.  Wie  es  die  IV.  Tabelle  zeigt,  ist  diese 
Krankheit  am  häufigsten  in  der  Zeit,  wo  der  Tripper  am 
häufigsten  ist,  d.  h.  im  kräftigen  Mannesalter.  Aber  was  die 
Hänfigkeitszahl  der  Nebenhodenentzündung  anbelangt,  so  ist 
sie  nicht  von  der  des  Trippers  abhängig ;  sie  verändert  sich 
vielmehr  nach  der  Eomplikationszahl  des  akuten  und  sub- 
akuten Verlaufs.  Warum  bilden  aber  die  Alter  von  15  bis 
20  Jahren  hier  eine  Ausnahme?  Hierüber  möchte  ich  eine 
Vermutung  aussprechen,  daß  man  in  diesem  Alter  vor  dem 
Tripper  große  Furcht  hat,  und  also  die  Heilung  desselben 
ängstlich  pflegt,  und  daß  Leute  unter  20  Jahren  gewöhnlich 
noch  keinen  bestimmten  Beruf  haben,  so  daß  sie  sich  nicht 
dazu  gezwungen  sehen,  wegen  der  gegebenen  Arbeit  sich 
Gewalt  anzutun  (s.  VII.  Tabelle). 

6.  Der  Beruf. 

Daß  die  .Häufigkeit  der  Nebenhodenentzündung  als  eine 
Folge  des  Trippers  von  dem  Berufe  des  Menschen  beeinflußt 
werden  kann,  ist  wohl  denkbar.  Tarnowsky  soll  neulich 
in  Petersburg,  Moskau  und  Paris  erfahren  haben,  daß  die 
Zahl  der  Epididymitis   von  der   des   Trippers  nicht  sehr  ent- 


248 


Tanaka. 


femt  ist,  da  arme  Tripperkranke  dort  erst  nach  dem  Zustande- 
kommen  der  Komplikationen  das  Hospital  besuchen.  Jordan 
berichtet,  die  Epididymitis  wird  yermifit  bei  einem  solchen 
Berufe,  welcher  wahrscheinlich  eine  große  Häufigkeit  dieser 
Krankheit  verheifit  Auch  bei  solchen  Berufen,  welche  Springen, 
Emporrichten,  Ausschlagen  usw.  verlangen,  ist  die  Epididy- 
mitis nicht  zahlreicher. 

Tabelle  VII. 

Urethritis  gonorrhoica  de«  Mannes. 


a 

0 

I 

'S 


Alte 

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i   J« 

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B 

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S 

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1 

1 

1 

1 

1 

1 

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CO 

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^ 

lO 

o 

chronische 

11 

51 

57 

88 

16 

10 

6 

0 

8 

snbakute    . 

7 

17 

25 

8 

1 

0 

0 

0 

0 

aknte .   .   . 

4 

17 

12 

7 

1 

1 

0 

0 

0 

Snmnia  .   . 

82 

85 

94 

43 

18 

11 

5 

0 

8 

chronische 

22 

89 

58 

35 

17 

4 

6 

4 

5 

snbakute    . 

9 

35 

86 

9 

5 

8 

0 

0 

0 

aknte .   .   . 

18 

30 

84 

8 

2 

1 

0 

0 

0 

Samma  .   . 

44 

154 

108 

47 

24 

7 

6 

4 

5 

chronische 
snbaknte    . 

38 
16^ 

140  o 
58g* 

109  • 

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63  « 
17^^ 

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11 

4 
5 

7 
0^ 

akute .   .   . 
Summa  .   . 

17g 
66 

239^ 

36^ 
196^ 

90*^ 

42"^ 

18^ 

Oh 
11 

OS) 
7 

SnmmA 


1903 


1904 


1903-4 


414 

145 

15 

674 


Epididymitis  gonorrhoica. 


Alter 


Seite 


Zeitraum 


15—80 


81—85 


86— SO 


81—35 


8«— 40 


41--i5  I  M— 60 


Saxnma 


9 

2 

Xi 


S 

ja 

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9 


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2 

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Xi 


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Xi 

9 


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M 
0 


9 

na 

Xi 


XX 

9 


M 

e 


'S 

Xi 


1908  .  .  . 
1904  .  .  . 
1903—4.  . 
Summa  .  . 
Vo  f&r  die 
reth.  gon. 


3i 


1  0 
8  OllO 
3|015 
5 

7-6 


7 

10 
17 
34 


142 


618 

418 

10124 

37 


1 
2 


18-9 


2 
4 
6 
11 


1 
1 
2 


18  2 


0 
8 
2 
3 


7-1 


0 
0 
0 


0 
0 


111 


10-0 


14 
18 
88 


223 


82 
54 
93 


4 
7 


13-8 


Ein  Beitrag  inr  PkthoL  und  Stküitik  der  Epididymitii  gon.     219 


Nach  meiner  Btatistisclien  Untersuchung  ist  das  Ent- 
stehen der  Nebenhodenentzündüng,  wie  es  die  VUL  Tabelle 
leigt,  beim  Beruf  der  Sitisrbeit,  wie  Ualer,  Sclmeider,  Tnch- 
bändler  etc.,  TerbältnismäSig  selten  beim  Beruf  der  Scbnitt- 
arbeit,  wie  wandernden  Händlern  und  Sachontemehmern  ver- 
hältniBmäßig  häufig,  beim  Bemf  heftiger  Körperbewegung, 
wie  Bauer,  Schifisbesatzung,  Handwerker  etc.  yerhältnismäßig 
selten  und  beim  Stuhlsitzer  wie  Beamten,  Studenten,  Sekretär 
der  Bank  —  oder  AktiengeBellschaft  am  häufigsten.  Die 
Arbeiter  sind  einerseits  meistens  körperlich  gesund,  können 
kleinere  Schmerzen  gut  ertragen  und  rufen  nur  selten  den 
Arzt  zu  Hilfe,  sie  binden  andererseits  mit  einem  breiten  Band 
die  Hoden  fest  und  schützen  diese  ror  Erschütterung  und 
äußerem  Reiz;  die  gebildeten  Leute  dagegen  sind  meistens 
DerrÖa  und  leicht  empfindlich,  selbst  ein  kleiner  Reiz  ver- 
ursacht bei  ihnen  eine  starke  Entzündung. 

TabeMs  VIII. 


WDoben 
Fürtrag. 


sknts' 
ebroD. 
aknte 


ll 
1 

^ 

1 

f 

] 

3 

l 

1 

Beamte 

23 
4 

4 

6 

Müo-  und 

1 

1 

7 

Lehrer 

- 

Haadeliiii. 

- 

Stodeiit 

99 
6S 
44 

23 

1 
1 

^ 

- 

Banker 

27 

7 

4 

9 

Apotheker 

1 

— 

1 

~ 

Oeiohifta- 
ffihrer 

2 

- 

Brotb&adler 

1 

- 

6 

1 

I 

Schreiber 

S 
2 
1 

- 

h&adler 

- 

— 

]& 

1 

289 

87 

10 

- 

Übertn^  . 


Händler  mit 
getr.  Fiaclien 


BürBteobdl. 

Ffirtrag  .    . 


aknU 

■lute 
inb^. 

■abäk. 
■IcDto 
obron. 
«□bak. 

akute 

skat« 

oknt« 
■nbak. 

rabak. 
chrott. 
akate 
chron. 


ii 


II 


Faden- 
gewerkar 


£in  Beifrag  zur  Pathol  und  Stotistik  der  Epididymitis  gon.     251 


I 

OD 

s 


a 

a 

I 

OQ 


9 

%m 


B 


Ol 


Übertrag  . 

Porzellan- 
händler 

El.  MaschiD.« 
Händler 

Tabaka- 
händler 


Krimer 


Teehändler 


74 

5 

chron. 
aubak. 
akute 

1 

— 

chron. 
aubak. 
akute 

2    — 

—      1 

1 

chron. 
subak. 
akute 

1 
1 
2 

1 

chron. 
subak. 
akute 

4 
8 

m^^ 

chron. 
subak. 
akute 

1 

z 

chron. 
subak. 
akute 

— 



Summa 


chron. 
subak. 
akute 


I 


62 
16 
11 


Summa 


89 


7o  für  die 
Urethritis  . 


7-9 


S 

1 

o 

h 


n 


290 


87 


• 


t: 

9 
U 


2 
•5 


—        1 


82 

yerohiedene 

2 

Sachenhändl. 

1 

1 

Tierarzt 

— 

1 

Geweber 

2 

1 

Badmeister 

.... 

Wauhändler 

1 

Seeprodukts- 
händer 

1 

5 


—      1 


160 
77 
68 


37 


64 
19 

19 


289  — 


IM 


92 


—  !  7H 


1 


252 


Tanaka. 


s 

OQ 


i 


Ol 

H 


PolUei- 
diener 


Postbote 


Schnitt- 
hftndler 


Lieferant 


Barbier 


Kohlen- 
händler 


Schneider 


Holz- 
h&ndler 

Mörtel - 
hftndler 

Fitoh- 
händler 

Wasser- 
müller 


Soldat 


Milch- 
handler 


Fürtrag 


—      1 


—     1 


chron. 
subak. 
akute 

8 

chron. 
subak. 
akute 

1 

1 

chron. 
subak. 
akute 

1 

chron. 
subak. 
akute 

8 
1 

chron. 
subak. 
akute 

1 
2 

chron. 
subak« 
akute 

4 

I 

chron. 
subak. 
akute 

2 

1 
2 

chron. 
subak. 
akute 

1 

chron. 
subak. 
akute 

2 

chron. 
subak. 

akute 

2 

chron. 
subak. 
akute 

1 

chron. 
subak. 
akute 

4 
2 

chron. 
subak. 
akute 

2 

37 

L 


**  A  ^ 

•  'S 'S 


Schiffer 


Hand- 
werker 


Wäscher 


heftiger 
Arbeiter 


Bauer 

Seiden- 
iivürmer- 
züchter 

Zimmer- 
mann 

Maurer 


Tohfu- 
werker 

Reis- 
händler 


Wagner 


Schmied 


3 


1 
1 

6 
6 

2 

1 
1 


48 

8 

14 


8 
1 
1 


7 
2 
1 

2 
1 


125 


i 

3 
H 


6 


12 


"5" 

a 

a 


I 


a 


o. 


SS. 

■OB 
«'S 

BS 


Eaaf- 
mann 

kein 
Beruf 


2 


28 
4 
2 


37 


6 


Ein  Btiitrag  zur  Pathol.  nnd  Statistik  der  Epididymitis  gon.     253 


ii 


i 

1 

CQ 


a 

s 

s 

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äs« 


3 

I 

o 


Ol 

H 


1^ 


I 


I 

9 


5» 


«2 

^  Ol 


Übertrag 


Diener 


Pflanzen- 
h&ndler 

Blumen- 
händler 


Erzenger 


Mäkler 


cbron. 
sabak. 
aknte 

cbroD. 
Bubak. 
aknte 

cbron. 
sabak. 
aknte 

ohron. 
snbak. 
aknte 

cbron. 
sabak. 
aknte 


87 


1 
1 


126 


12 


87 


6 


Summa . 


cbron. 
subak. 
akute 


27 
9 
5 


6 


80 
20 
25 


12 


81 

4 
2 


6 


414 
146 
115 


76 


Summa  . 


41 


—        126 


87 


674 


•/o  für  die 
Urethritis 


14*( 


9-6 


1«*S 


11-1 


7.    Wie  die  ärztliche  Pflege  eines  Trippers  die 
Nebenhodenentzündung  herbeiführen  kanni 

Wenn  die  ärztliche  Behandlung  des  Trippers  passend  ist, 
so  ist  es  selbstverständlich  klar,  daß  die  Nebenhodenent- 
zondung  größtenteils  yermieden  wird.  Falls  aber  die  ärztliche 
Behandlung  sich  unrichtig  gestaltet,  so  ist  die  Folge  davon 
wohl  bedauernswert;  die  Epididymitis  entsteht  dann  viel 
schneller  als  beim  natürlichen  Verlaufe.  NachLe  Fort  waren 


n 


254  Tanaka. 

von  seinen  576  Kranken  der  Epididymitis  gonorrhoica  264 
nicht  ärztlich  behandelte.  Unter  meinen  93  Kranken  haben 
19  von  dem  Entstehen  der  Nebenhodenentzündung  gar  keine 
Arznei  eingenommen,  47  haben  nach  dem  Tripper  bald  Apotheker- 
arznei (meistens  Balsammittel),  bald  Arztarznei  (meistens 
Balsammittel)  genossen,  aber  noch  keine  lokale  Behandlang 
bekommen,  27  wurden  zunächst  mit  Urethralinjektion  ge- 
pflegt, aber  sind  durch  verschiedene  Motive  der  Nebenhoden- 
entzündung anheim  gefallen.  Daß  meine  Fälle  verhältnismäßig 
wenige  unbehandelte  Kranke  enthält,  läßt  sich  dadurch  er- 
klären, daß  ich  auch  diejenigen  Kranken,  welche  Apotheker- 
arznei aufgenommen  hatten,  zu  behandelten  Kranken  mitge- 
zählt habe.  Die  Kranken,  die  an  den  Harnröhren  eine  ärzt^ 
liehe  Behandlung  bekamen,  habe  ich  von  den  andern,  die  bloß 
innere  Behandlung  bekamen,  genau  unterschieden  und  gewußt, 
daß  diese  weit  zahlreicher  als  jene  sind.  So  kann  ich  den 
Schluß  ziehen,  daß  oft  behandelte  Tripperkranke  nur  seltener 
der  Nebenhodenentzündung  anheimfallen  im  Vergleich  mit  den 
wenig  behandelten  Tripperkranken  (s.  IX.  Tabelle). 


8.    Veranlassende  Momente. 

Hierüber  sind  die  Meinungen  von  Autoren  einig.  Zeissl 
(13)  sah  8  mal,  daß  derCoitus  nach  einigen  Tagen  die  Neben- 
hodenentzüudung  erweckt.  Jordan  spricht  sich  aus,  daß 
Coitus,  Bougierung  und  andere  instrumentale  Eingriffe  nicht 
nur  dem  akuten,  sondern  auch  dem  chronischen  Tripper  zu 
Schaden  kommen.  Meine  Untersuchungen  bezüglich  der  ver- 
anlassenden Momente  sind  in  der  IX.  Tabelle  zusammenge- 
stellt Wie  diese  zeigt,  ist  die  Nebenhodenentzündung  er- 
weckt: 8  mal  durch  die  Urethralinjektion  mit  l7o  Protargol- 
lösung,  9  mal  durch  die  Injektion  mit  1 — 2^0  Albarginlösung, 
4  mal  durch  die  Prostatamassage  an  der  akuten  und  chronischen 
Prostatitis,  einmal  durch  das  Auftreten  des  Samens  als  Folge 
der  Liebeständelei  und  übrigens  oft  durch  verschiedene  Ver- 
anlassungen wie  Körperbewegung,  zu  Fuß  gehen,  Unmäßigkeit 
usw.    Aber    forcierte     Bewegung,    Coitus    und   Injektion    ge- 


Ein  Beitrag  lor  F&thol.  und  SUtiitik  dar  Epididymitis  gon.     255 

stalten  eich  Dicht  immer  als  veranlaBaeude  Momente.  Denn 
ich  habe  persönlich  gesehen,  daß  zeitweise  ein  ruhig  liegender 
Prostatitiskranker  auch  angegriffen  wird.  Diesem  gab  ich  ein 
fläsBigeB  Mittel  Ton  Decoctnm  foliae  uvea  nrsi  und  Urotropin 
und  ließ  ihn  täglich  2mal  je  eine  Stunde  eine  Wärmung 
mittelst  der  Arzbergelscben  Prostatasonde  nehmen;  noch 
davon  wurden  eine  Epididymitie  einiBtra  und  FuDiculitis  mit 
einer  heftigen  Steigerung  der  Körpertemperatur  erweckt  und 
die  linke  Iliacalgrube  verursachte  heftige  Schmerzen. 


1908.   .   . 
1904.   .   . 
1803-04. 

8 
9 
17 

1     0 

1  1  4 

2  4 

0 

1 

e 

18 

23 

82-9»/, 

3 

a 

6 

16 

1? 

1 

9 
8 

1 
2 

20 

27 

47 

67-1% 

29 
4S 
70 

^„«.».»^                       1 

Kflrpw- 

bmtgüag  and 

Gm< 

iblMhU- 

mtUf« 

Bnha 

Baum 

{MIM 

256  Tanaka. 


9.    Das  häufigere  Aufkommen  der  Nebenhoden- 
entzündung auf  der  linken  Seite  ist  anatomisches 

Verhältnis. 

Finger,  Joseph  und  Gebert  erkennen,  daß  das 
Aufkommen  der  Nebenhodenentzündung  auf  der  linken  Seite 
ein  wenig  häufiger  sei  als  auf  der  anderen  Seite.  Zeissl, 
Jordan  und  meine  Fälle  zeigen,  daS  es  bestimmt  auf  der 
linken  Seite  zahlreicher  ist  Die  Meinung,  diese  letzte  Tat- 
sache sei  wohl  einem  anatomischen  Grunde  zuzuschreiben,  ist 
nicht  grundlos.  Ich  habe  bei  deiyenigen  Tripper-  und  Syphilis- 
kranken, welche  noch  nicht  einmal  an  der  Hode  gelitten  haben, 
die  Höhe  der  beiden  herabhängenden  Hoden  gemessen  und 
die  Differenzen  der  Höhe  der  beiden  Seiten  verglichen.  Wie 
es  die  X.  Tabelle  zeigt,  hatten  100  unter  138  Leuten  an  der 
linken  Seite  die  länger  herabhängende  Hode,  die  Differenz 
beträgt  durchschnittlich  0*78  cm,  32  hatten  aber  an  der 
rechten  Seite  länger  herabhängende  Hode  und  zwar  war  die 
rechte  Hode  0*71  cm  länger  herabhängend  als  die  linke.  Die 
übrigen  sechs  hatten  ebenmäßige  Hoden.  Wenn  es  also  der 
Fall  ist,  daß  die  linke  Hode  gewöhnlich  länger  herabhängt 
als  die  rechte,  so  muß  die  linke  Hode  dem  Druck  und  Zug 
mehr  ausgesetzt  sein,  als  die  rechte.  Diese  äußeren  Reize  yer- 
ursachen  Bluthyperämie  an  der  betreffenden  Nebenhode 
und  die  Samenröhre  erleidet  zur  Zeit  des  schlechten  Stuhl- 
ganges die  Blutstauung  wegen  der  Anschwellung  des  s-förmigen 
Teils,  so  daß  das  Eindrängen  der  Tripperbakterien  hier  mehr 
erleichtert  wird,  als  auf  der  anderen  Seite.  Das  ist  der  Grund, 
warum  ich  die  größere  Häufigkeit  auf  der  linken  Seite  für 
anatomisch  halte.  Aber  der  lange  Herabhang  der  Hode  an 
sich  hat  keinen  nennenswerten  Einfluß  auf  das  Vorkommen 
der  Entzündung,  sondern  die  äußeren  Reize  sind  hier  maß- 
gebend. Hinge  z.  B.  auf  der  rechten  Seite  die  Hode  ganz 
kurz,  so  könnte  doch  die  Entzündung  ebenfalls  häufig  sein, 
wenn  die  äußeren  Reize  groß  und  häufig  wären.  So  habe 
ich  z.  B.  persönlich  einen  Kranken  gesehen,  dessen  rechte 
Hode  um   2  cm  länger  herabhing  als   die   linke;  ihm  wurde 


Ein  Beitrag  lar  Pathol.  and  Statistik  der  Epididymitis  gon.     257 

die  Urethrotomia  externa  operiert,  er  lag  nun  ganz  rahig  im 
Bette  und  doch  erlitt  er  eine  Nebenhodenentziindung  auf  der 
linken  Seite. 

Der  Grand  war  folgender:  Man  hob  ihm  bei  jedem  Ver- 
bandwechseln nach  dem  Harnlassen  die  linke  Hode  aaf.  Dies 
war  der  Reiz,  welcher  aufs  neue  die  linke  Nebenhodenent- 
ztmdung  Terarsachte.  Im  großen  und  ganzen  ist  die  Nebenhoden- 
entzündung auf  der  linken  Seite  häufiger. 


Tabelle  X. 


Du  Datam 


An  der  Unken 

An  der  reehten 

Seite  die  Unger 

Seite  die  länger 

herabhliigendeHode 

herabbiagendeHode 

Dm  Alter 

9 

tf) 

d«r 

i 
1 

S 

die  Dlfferena 

fr« 

die  Differena 

geaunden 

a 

• 

a 

a 

1 

• 

Minner 

1 

0 

a 

1 

1 

9 

Q 

9 

-  • 


27./I.  1906  .    . 
18./1.-20.^.1906 


n 
ff 

ff 
ff 

ff 


ff 

ff 
ff 
ff 
ff 
ff 


16—20 
21—26 
26-30 
31—36 
36-40 
41—46 
46—60 
über  60 


3 
28 
22 
8 
9 
1 
1 
2 


2 
20 
16 
6 
7 
1 
1 
2 


cm 

3 

2 

2 

1 

1-6 

0*2 

0-6 

0-6 


em 
2-60 
0-88 
0-91 
0-88 
0-86 
0*20 
0-50 
040 


1 
7 
6 
3 
1 


em 
0-6 
1-6 
10 
1-6 
1-6 


em 
0-60 
0-79 
0-64 
0-70 
1-60 


1 
1 


16  /U.-l4./iII.  1904 


Summa 

74 

64 

30 

0-92 

17 

1-6 

0-61 

üb.  16-  50 

64 

46 

2-0 

0*82 

15 

20 

0-80 

8 
3 


beide 
Samma 


138 


100 


8-0 


0-87 


82 


20 


0-71 


6 


10.  Ursache,  warum  die  Entzündung  der  Neben- 
hoden meistens  nicht  nebeneinander,  sondern 
hintereinander  vorkommt  und  warum  sie  ge- 
wöhnlich nur  auf  irgend  eine  Seite  beschränkt  ist. 

Wie  oben  gesagt,  werden  die  äußeren  Reize,  wie  Druck, 
Schlag,  Zug  usw.,  auf  irgend  eine  Seite  gerichtet  und  rufen 
in  der  Nebenhode    und  Samenleitung  die  Hyperämie   herror 


Arcb.  t  Dennat  n.  Sypb.  Bd.  LZXXIX. 


17 


258  Tanaka. 

und  erleichtern  so  auf  der  betreffenden  Seite  die  Fortpflanzung 
der  Bakterien.  Und  nachdem  auf  einer  Seite  die  Entzündung 
der  Samenleitung  oder  Nebenhoden  vorgekommmen  ist,  so 
wird  der  Kranke  auf  einmal  genötigt,  sich  mäßig  und  vor- 
sichtig zu  verhalten  und  er  schätzt  die  Hoden  kleinmütig  und 
sorgt  für  die  ruhige  Pflege,  daher  wird  die  Entzündung  der  an- 
deren Seite  im  Toraus  gehütet.  Dazu  noch  kann  man  auch 
noch  daran  denken,  daß  wenn  die  eine  Seite  krank  wird,  die 
andere  von  selbst  energischer  wird,  da  diese  für  die  Er- 
krankung der  anderen  Seite  eine  kompensatorische  Funktion 
unternehmen  muß.  Diese  Notwendigkeit  und  die  Vermehrung 
der  Lebenskräfte  der  Gewebezellen  im  betreffenden  Teile 
können  auch,  nach  meiner  Meinung,  die  Erkrankung  der 
zweiten  Seite  yermeiden. 


11.    Das  Verhältnis  zwischen  Nebenhodenent- 
zündung und  Prostatitis. 

Ast r US  (1754)  und  Despres  (1878)  behaupteten,  daß 
die  Nebenhodenentzündung  wegen  der  Stauung  der  Samen- 
flüssigkeit, welcher  als  eine  natürliche  Folge  der  Urethritis 
gonorrhoica  anzusehen  ist,  erweckt  wird.  Finger  protestiert 
dagegen,  früher  hielt  man  die  Stauung  der  Samenflüssigkeit 
für  die  Ursache  der  Nebenhodenentzündung,  da  diese  Stauung 
an  der  Spermatis  und  in  der  Hode  einen  ziehenden  Schmerz 
die  sogen.  Spermatalgie  fühlen  läßt;  in  der  Tat  wird  die 
Nebenhodenentzündung  durch  das  Austreten  der  Samenflüssig- 
keit erweckt.  Lucas  (17)  und  Colombini  (18)  behaupten, 
daß  sich  die  Epididymitis  gonorrhoica  namentlich  oft  mit  einer 
Prostatitis  kompliziert  und  bringen  uns  die  Prozentzahl  62*ö*||| 
unter  ihren  64  Kranken.  Lucas  sah  unter  seinen  Nebenhoden- 
entzündungskranken stets  bei  der  Hälfte  die  Prostatitis.  Ich 
habe  bei  68  unter  meinen  75  Kranken  die  Prostata  betastet: 
bei  22  war  der  Zustand  der  akuten  Prostatitis  auffiallend, 
der  Prostata  stark  spannte  sich  pflaumengroß,  verursachte 
heftigen  Schmerz  bei  der  Fingerbetastung  und  dicker  Eiter 
wurde    durch    die    Fingermassage    yon  der.  Urethralmündung 


Ein  Beitrag  zur  Pathol.  und  Statistik  der  Epididymitis  gon.      259 

herausgepreßt;  bei  den  29  wurden  die  beiden  Portio  der 
Prostata  zeigefiagergroß;  begleitet  von  etwas  derb  drückenden 
Empfindung  und  schied  dünnen  eitrigen  Schleim  aus;  bei  den 
4  wurde  der  Eiterausfluß  vermißt;  bei  den  8  war  die  Druck- 
empfindung ganz  gering,  während  das  Austreten  des  Schleims 
bemerkbar  war;  die  3  fühlten  keine  Druckempfindung  und 
ließ  er  doch  den  Schleim  austreten;  die  2  trugen  endlich  die 
derb  hypertrophierte  Prostata,  hatten  aber  weder  den  Druck- 
schmerz noch  Ausfluß  der  Flüssigkeit.  Außerdem  habe  ich 
von  Zeit  zu  Zeit  die  Vesiculitis  spermatii  in  Qesellschaft  mit 
dem  Druckschmerz  gesehen  aber  nicht  in  meine  ernste  Unter- 
suchung gezogen.  So  ist  es  nicht  zuviel  gesagt,  wenn  ich  be- 
haupte, daß  die  Prostatitis  die  Ursache  der  Nebenhodenent- 
zündung ist.  Die  Ductus  ejaculatorius  geht  durch  die  Mitte 
der  Prostatica  hindurch  und  mündet  an  den  beiden  Seiten 
des  GoUiculua  seminaliu9.  Falls  also  die  Prostatitis  einmal 
vorkommt,  so  geht  die  Entzündung  zum  Ductus  ejaculatorius 
über  und  bei  der  Zelleninfiltration  in  der  Prostata  wird  der 
Ductus  ejaculatorius  sogar  abgedrückt  und  ihre  Mündung  ver- 
engt, so  daß  in  dem  oberen  Teil  des  Ductus  ejaculatorius 
eine  Blutzufuhr  stattfindet  und  auf  den  Ductus  ejaculatorius 
einen  schädlichen  Einfluß  übt,  bis  endlich  die  Nebenhode 
angegriffen  wird. 


Fassen  wir  das  oben  gesagte  hier  kurz  zusammen: 

1.  Die  Häufigkeit  der  Nebenhodenentzündung. 
Unter  674  Kranken  der  Urethritis  genorrhoica  gab  es  75 
Epididjmitiskranke,  also  11*1%.  Zählten  wir  auch  die  Fälle 
in  der  Anamnese  mit;    so  betrugen  sie  93,  d.  i.    13'87o*     Was 

2.  dieLokalisation  anbelangt,  so  betrugen  die  Links- 
leidenden 54,  die  rechtsleidenden  32  unter  den  ganzen  93 
Kranken,  die  Prozentzahl  ist  also  links  53*1%  ^^^  rechts 
34'47o*  7  Kranke  litten  an  beiden  Seiten,  d.  i.  7%. 

3.  Die  Zeit  des  Auftretens  ist  hauptsächlich  ein 
bis  4*6  Wochen  nach  dem  Tripper,  also  die  Übergangszeit 
vom  akuten  zum  subakuten    oder   chronischen,  jedenfalls  die 

17* 


260  Tanaka. 

Zeit,  wo  die  Urethritis  posterior  aufgekommen  ist.  50  aater 
meinen  82  Fallen  beweisen  dies  tatsächlich.  Je  später,  wird 
die  Häufigkeit  immer  mehr  kleiner;  aber  im  Exacerbations- 
Stadium  der  Gonorrhoe  während  des  chronischen  Verlaufs  ist 
die  Häufigkeit  yerhaltnismäfiig  groß. 

4.  Die  [Jahreszeiten.  Die  Prozentzahl  yermehrt 
sich  in  der  Änderungsperiode  des  Klimas,  d.  h.  im  März, 
Juni  und  NoYember,  da  das  Klima  die  Erhaltung  der  Gesund- 
heit schwierig  macht  und  namentlich  im  Frühling  und  Herbst 
der  Mensch  sinnlich  wird  und  sich  weniger  beherrscht. 

5.  Das  Alter.  Im  Alter,  wo  die  akute,  resp.  sub- 
akute Urethritis  häufig  vorkommt,  ist  die  Nebenhodenent- 
zündung auch  zahlreich.  Nur  Leute  unter  20  Jahren  sind 
aus  Furcht  Tor  der  häßlichen  Erkrankung  mäßig  und  werden 
außerdem  von  forcierter  Arbeit  nicht  gedrückt,  da  sie  ge- 
wöhnlich noch  keinen  bestimmten  Beruf  haben.  So  ist  die 
Prozentzahl  bei  ihnen  wohl  klein  und  macht  eine  Ausnahme. 

6.  Der  Beruf  hat  keinen  nennenswerten  Einfluß  auf 
die  Nebenhodenentzündung.  Gleichwohl  ist  es  der  Fall,  daß 
die  Sitzarbeit  nur  selten  diese  Erkrankung  veranlaßt  Übrigens 
sind  das  Temperament  und  die  körperliche  Stärke  maßgebend, 
so  daß  geistig  tätige  Leute  leicht  dieser  Erkrankung  anheim 
fallen,  während  Arbeiter  mit  verhältnismäßig  wenigen  Er- 
krankungsfällen fortkommen. 

7.  Ärztlich  behandelte  Kranke  erleiden  seltener  im  Ver- 
gleich mit  den  unbehandelten  Nebenhodenentzündungen.  Die 
veranlassenden  Momente  bilden  meistens  forcierte  Bewegung, 
Cioitus  und  unrichtige  ärztliche  Behandlung. 

8.  Bezüglich  der  gesunden  Hode  hatten  unter  allen  138 
Leuten  100  Leute  an  der  linken,  32  an  der  rechten  längere 
Hoden,  6  an  den  beiden  Seiten  ebenmäßig  herabhängende 
Hoden.  So  ist  die  Hode  an  der  linken  Seite  eher  dem  Druck 
und  Trauma  von  außen  ausgesetzt,  als  an  der  rechten.  Deshalb 
ist  die  größere  Häufigkeit  des  Auftretens  an  der  linken  Seite 
ganz  anatomisch. 

9.  Daß  die  Nebenhodenentzündung  meistens  auf  irgend 
eine  Seite  beschränkt  ist  und  nur  selten  an  den  beiden  Seiten 
vorkommt,    läßt  sich   folgendermaßen    erklären:    Wenn    eine 


Ein  Beitrag  sar  Pathol.  und  Statistik  der  Epididymitis  gon.     261 

Seite  angegriffen  wird,  so  wird  man  vor  der  Erkrankung  vor- 
sichtig,  benimmt  sich  mäßig  und  pflegt  die  Ruhe  des  Körpers 
und  Termeidet  auf  diese  Weise  die  Erkrankung  der  anderen 
Seite  im  yoraus.  Es  ist  auch  sehr  wahrscheinlich,  daß  die 
Erkrankung  der  einen  Seite  die  kompensatorische  Funktion 
der  anderen  Seite  yeranlaßt  und  somit  die  letzte  mit  der 
neuen  Lebenskraft  der  Oewebezellen  versehen  wird,  um  gegen 
die  äußeren  Reize  immer  mehr  standhafter  werden  zu  können. 
10.  Es  gibt  kaum  einen  Kranken  mit  der  Nebenhoden- 
entzündung, der  nicht  mehr  oder  weniger  an  Prostatitis  leidet, 
da  einerseits  die  Entzündung  dorthin  übergeht  und  anderer- 
seits in  der  Prostata  eine  Zelleninfiltration  erweckt,  die  Ductus 
ejaculatorius  abgedrückt  wird,  so  daß  an  der  Kanalwand 
ihres  oberen  Teils  eine  Hyperämie  stattfindet  und  die  Fort- 
pflanzung der  Gonokokken  erleichtert. 


Meinem  hochyerehrten  Lehrer,  Herrn  Professor  Dr.  K. 
Dohi,  spreche  ich  hier  für  die  liebenswürdige  Leitung  und 
Unterstützung  meinen  wärmsten  Dank  aus. 


262  Tanaka. 


Literatur. 

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Leipsig  1900.  p.  122. 

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Harnröhre  und  des  Nebenhodens.  MoDatsh.  f.  pr.  D.  1686.  Bd.  Y.  p.  134 

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mitis  and  über  Yersoche,  dieselben  darch  Funktion  zu  behandeln.  Deutsche 
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11.  Naught,  Mc.  Epididymitis  from  Complication  of  the  Typhös. 
Brit.  med.  Journ.  15.  Nov.  1902. 

12.  Gassmann.  Beitr.  zur  Eenntnis  der  Gonorrhoe  des  Mannes, 
insbesondere  der  Prostatitis  und  Epidymitis.  Zentralbl.  f.  d.  Erankh.  der 
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13.  V.  Zeissl.  Lehrbuch  der  vener.  Krankh.  1902.  p.  107. 

14.  Finger.  Schmidts  Jahrb.  1882.  Bd.  GXCIIL  p.  202.  Ref.  in  (9). 

15.  Okamura,  T.  Die  Yerbreitung  der  venerischen  Erankheiteo. 
Japan.  Zeitschr.  f.  Derm.  u.  Urologie.  Bd.  II.  p.  49. 

16.  Erb.  Syphilis  und  Tabes.  Berl.  klin.  Wocfa.  1904.  p.  41. 

17.  Lucas,  6.  Resultats  de  toucher  reqtal  dans  286  cas  d'6pididy- 
mitis  blennorrhagiques.  Ann.  de  derm.  et  de  synhil.  1894.  p.  1157  in  (9). 

18.  Colombini.  Über  die  Häufigkeit  der  Prostatitis,  Vesiculitis  etc. 
Ref.  Monatsschr.  f.  prakt.  Dermat.  1896.  Bd.  XXIII.  p.  49. 


Au  der  dermatologisohen  Abteilimg  des  k.  k.  Erankenhauses 
Wieden  in  Wien  (Profeseor  Hr.  S.  Ehrmann). 


über  die  jodophüe  Substanz  in  den 
Leukocyten  des  gonorrhoischen  Eiters. 

Von 


Dr.  Ferdinand  Winkler. 


Im  Jahre  1877  zeigte  Ranvier/)  daß  bei  Behandlung 
Yon  Eiter  mit  verdünnten  wässerigen  Flüssigkeiten  aus  den 
Eiterkörperchen  hyaline  Tröpfchen  austreten,  die  sich  bei  Ein- 
wirkung einer  Jodlösung  braunrot  färben.  Noch  im  selben 
Jahre  konnte  Salomon^)  in  den  Eiterkörperchen  von  Ab- 
szessen, welche  er  bei  Hunden  experimentell  heryorgerufen 
hatte,  konstant  eine  mit  Jod  sich  braun  färbende  Substanz 
nachweisen,  welche  er  für  Glykogen  hielt.  Er  stützte  sich 
dabei  auf  die  Arbeit  yon  Hoppe-Seyler,')  welcher  Glykogen 
in  den  mit  amöboider  Bewegung  ausgestatteten  Zellen,  nicht 
aber  in  den  ruhenden  Leukocyten  gefunden  hatte. 

Ehrlich*)  war  der  Erste,  der  eine  exakte  Methode 
angab,  um  Glykogen  in  den  Leukocyten  mikroskopisch  nachzu- 
weisen. Seine  Angaben  bezogen  sich  zunächst  auf  das  Blut, 
doch  gab  er  selbst  an,  daß  in  gonorrhoischem  Eiter  häufig 
eine  reichliche  Glykogen -Reaktion  zu  konstatieren  sei.    Seine 


^)  Ran  vi  er.  Progres  medic.  1877.  p.  422. 

*)  Salomon.  Aroh.  f.  Anat.  und  Physiol.  1878.  Yerhandlangen 
der  phyriolog.  Gesellschaft  in  Berlin.  Sitsong  vom  26.  Juli  1878. 

')  Hoppe-Seyler.  Über  die  Chemie  des  Eiters.  Medic-ohem. 
Untersuch.  IT. 

^)  Freriohs-P.  Ehrlich.  Über  das  Vorkommen  von  Glykogen 
im  normalen  nnd  diabetischen  Organismus.  Zeitschr.  fEkr  klin.  Medic 
TL  1888.  Anhang  1. 


264  Winkler. 

Methode  bestand  darin,  daß  er  Infttroekeue  Präparate  in  eine 
simpdicke  Jodgummilösung  brachte,  in  welcher  sich  sowohl 
das  in  den  Lenkocyten  enthaltene  als  anch  das  eztrazelloläre 
Glykogen  mahagonibraun  färbt. 

Die  Ton  Frerichs  und  Ehrlich  gemachten  Unter- 
snchungen  zeigten,  daß  bei  Eiterkörperchen  der  ganze  Zellen- 
leib eine  deutliche  braune  Färbung  annahm. 

Angeregt  durch  Angaben  von  Hofmeister,  daß  die 
Lenkocyten  im  stände  sind,  Pepton  zu  resorbieren,  hat  sich 
weiterhin  Oabritschewsky^)  mit  der  Frage  der  Entstehung 
des  Glykogens  beschäftigt  und  er  suchte  zu  beweisen,  daß 
die  Lenkocyten  im  stände  sind,  bestimmte  Mengen  yon  Pepton 
in  Glykogen  umzuwandeln.  Auch  seine  Untersuchungen  eben- 
so wie  die  Untersuchungen  der  folgenden  Autoren  waren 
darauf  gerichtet,  das  Glykogen  in  den  Lenkocyten  des  Blutes 
nachzuweisen,  und  er  konnte  sich  überzeugen,  daß  bei  der 
intrayenösen  Injektion  von  Kohlehydraten  eine  Umwandlung 
derselben  in  Glykogen  durch  die  Leukocyten  des  strömenden 
Blutes  erfolge.  Dementsprechend  erklärte  er  den  Unterschied 
der  Jodreaktion  in  den  Leukocyten  bei  Phloridzindiabetes, 
bei  welchem  die  Leukocyten  des  Bluts  keine  jodophile  Substanz 
enthalten,  und  bei  Pankreasdiabetes,  bei  dem  die  Leukocyten 
so  stark  auf  Jodgummilösung  reagieren,  daß  ihr  Protoplasma 
braunrot  gefärbt  wird,  durch  den  Hinweis,  daß  nur  .bei 
Pankreasdiabetes  das  Blut  einen  Mehrgehalt  Ton  Zucker 
aufweise. 

Einen  weiteren  Fortschi  itt  in  der  Erkenntnis  dieser 
Frage  brachte  Gzerny.^)  Er  konnte  nachweisen,  daß  beim 
Sinken  der  Körpertemperatur  die  Jodreaktion  in  den  Leuko- 
cyten zunahm  und  darin  suchte  er,  abweichend  von  Gabri- 
tschewsky,  die  Erklärung  für  den  oben  angeführten  Unter- 
schied zwischen  Phloridzin-  und  Pankreas-Diabetes,  weil  bei 
letzterem  infolge  der  Aufhebung  der  Wärmeregulierung  während 
der  langdauernden  Narkose  im  Tierrersuch  ein  Sinken  der 
Körpertemperatur  stattfinde. 


')  Gabrittchewsky.  Arch.  f.  exper.  Pathoi.  XXVIII. 
')  Cserny.   Zar  Kenntnis   der  glykogenen   und  amyloiden    Ent- 
artung. Arch.  f.  exp.  Path.  XXXI.  1893. 


über  die  jod.  Substanz  in  den  Lenkocyten  des  gon.  Eiters.      266 

Die  Arbeit  von  Livierato^)  yersprach  noch  weitere 
Einsicht  in  die  Entstehnngsweise  der  jodophilen  Substanz  in 
den  Leukocyten  zu  geben.  Auf  Grund  zahlreicher  Unter* 
suchungen  über  die  Schwankungen  des  Glykogens  bei  yer- 
schiedenen  Krankheiten  konnte  er  als  Erster  die  Tatsache 
festlegen,  daß  zwischen  dem  Auftreten  der  Jodreaktion  im 
Blute  und  zwischen  der  Art  der  Krankheit,  sowie  ihrem  Ver- 
lauf ein  bestimmter  Zusammenhang  bestehe.  Er  überzeugte 
sich  davon,  daß  in  Fällen,  in  denen  ein  fieberhafter,  ausge- 
dehnter lokaler  Prozeß  von  entzündlicher  Leukocytose  oder 
von  peptonisierbaren  Exsudaten  begleitet  war,  das  Glykogen 
im  Blute  zunahm,  während  bei  Krankheitsprozessen,  die  ohne 
Leukocytose  auftreten,  keine  Vermehrung  des  Glykogens  im 
Blute  nachzuweisen  war.  Subkutane  Injektion  von  50  g  Pepton 
ins  menschliche  Blut  fährten  ihm  auch  experimentell  eine  Ver- 
mehrung des  Glykogengehalts  herbei. 

Kaminer  ^)  sprach  die  Ansicht  aus,  daß  das  Vorkommen 
jodophiler  Lenkocyten  eine  spezifische  Folgeerscheinung  des 
Zirkulierens  toxischer  Bakterienprodukte  im  Blute  wäre.  Er 
konnte  sich  überzeugen,  daß  die  Einspritzung  von  Strepto- 
kokken, Staphylokokken,  Pneumokokken,  Diphtherie-  und  Typhus- 
baziUen,  Bacillus  pyocyaneus  und  Bacterium  coli  beim  Tiere 
immer  eine  positive  Jodreaktion  erzeugen  könne. 

Wurden  sterile  Filtrate  dieser  Bazillenkulturen  ins  Blut 
injiziert,  so  trat  die  Jodreaktion  in  noch  kürzerer  Zeit  auf. 

L.  Michaelis')  schloß  sich  dieser  Anschauung  an  und 
meinte,  daß  die  jodophilen  Zellen  nur  im  Zustande  der  Degene- 
ration begriffen,  aber  nicht  tot  sind.  Lazarus^)  kam  zum 
Schlüsse,  daß  die  Jodreaktion  in  manchen  Fällen  nicht  als 
Degeneration,  sondern  als  Regenerationserscheinung  aufge&ßt 
werden  müsse. 

Während  die  bisherigen  Autoren  nur  die  jodophile  Substanz 
in  den  polynukleären  Lenkocyten  gefunden  hatten,  war  Zolli- 

*)  Livierato.  ünterBuchangen  über  die  Schwankungen  des 
Glykogengehalts  im  Blate.    Deutsches  Aroh.  f.  klin.  Med.  LIII.  1894. 

')  Kam  in  er.  Die  intrajEellnl&re  Glykogenreaktion.  Zeitschr.  f.  klin. 
Med.  XLYU.  1902.  p.  406. 

*)  Verein  f&r  innere  Medizin  in  Berlin.  17.  Februar  1903. 

*)  Ibid. 


266  Winkler. 

kofer^)  durch  eine  neae  Methode,  das  Jod  einwirken  zu 
lassen,  im  stände,  die  Jodreaktion  nicht  bloß  in  neutrophilen, 
sondern  auch  in  eosinophilen  und  basophilen  Leukoqrten  und 
bei  15%  Ton  den  untersuchten  Erankheitsiallen  auch  in 
Lymphocyten  des  Blutes  nachzuweisen. 

A.  Wolff^)  wendet  sich  gegen  die  Annahme,  daß  die 
Jodreaktion  eine  Toxinwirkung  sei  Ebenso  stellt  er  in  Ab- 
rede, daß  ein  Zusammenhang  zwischen  Jodreaktion  und  Leuko- 
cytose  gefunden  werden  könne.  Best*)  behauptete,  in  Über- 
einstimmung mit  Brault^)  und  Marchand,*)  daß  das  Auf- 
treten der  Jodreaktion  in  den  Leukocyten  ein  Ausdruck  er- 
höhter Lebenstätigkeit  der  Zelle  sei  und  daß  sie  gewiß  nicht 
als  Degeneration  au^efaßt  werden  dürfe.  Auch  Gierke*) 
sieht  den  Glykogengehalt  als  eine  Funktion  der  Zellemährung 
an,  die  mit  der  größeren  Unabhängigkeit  von  der  Blutzirkulation 
zunehme.  Übrigens  handelt  es  sich  nach  Best  dabei  nicht 
um  Glykogen,  sondern  um  eine  Modifikation  desselben,  welche 
glykosidartig  an  einen  Eiweißkörper  gebunden  sei. 

Es  schienen  mir  nun  die  Leukocyten  des  gonorrhoischen 
Eiters  ein  geeignetes  Objekt,  um  über  die  Beziehungen  der 
jodopbilen  Substanz  zu  den  Lebensfunktionen  der  Zellen  und 
der  Mikroorganismen  ein  Urteil  zu  gewinnen.  An  keinem 
anderen  Objekte  läßt  sich  die  Frage,  ob  die  Zellen  lebend 
oder  tot,  ob  degeneriert  oder  nicht  geschädigt,  so  leicht  ent- 
scheiden wie  an  den  Zellen  des  gonorrhoischen  Eiters. 

Die  i  n  tr a vi tal e  Färbung  gibt  uns  ein  sicheres  Kennzeichen 
für  die  Lebensfähigkeit  der  Zellen,  und  die  eminente  phago- 
cytotische  Kraft  der  Leukocyten  gegenüber  den  Gonokokken 
läßt  wohl  einen  Schluß  auf  die  Lebensfunktion  zu. 


^)  Zollikofer,  R.  Zur  Jodreaktion  der  Leukocyten.  1899.  Insu- 
guraldiiBeration  Bern. 

*)  Wolff,  A.  Ein  Versuch  lur  LöBung^  des  Glykogenproblems. 
ZeitBchr.  f.  klin.  Med.  1904.  LI.  p.  407. 

*)   Best.  Über  Glykogen,  Zieglers  Beiträge.  XXXm.  1908.  p.  685. 

^)  Brau  lt.  Le  pronostic  des  tumeurs  bas6  sur  la  r^cherohe  da 
glykog^ne.    Paris.  1899.  Masson. 

^)  Marohand.  Yiroh.  Arch.  1885.  Bd.  G. 

*)  Gierke»  E.  Das  Glykogen  in  der  Morphologie  des  Zellstoff- 
weehsels.  Zieglers  Beitr&ge  XXXVII.  1904.  p.  502. 


Ober  die  jod.  Substanz  in  den  Leukooyten  des  gon.  Eitere.      267 

Es  waren  also  mehrere  Fragen  zu  beantworten : 

a)  Zeigen  die  Zellen  des  gonorrhoischen  Eiters  regel- 
mäßig jodophile  Substanz? 

b)  Ist  ein  Zusammenhang  zwischen  dem  Stadium  der 
gonorrhoischen  Entzündung  und  dem  Auftreten  der  jodophilen 
Substanz  festzustellen? 

c)  Besteht  ein  Zusammenhang  zwischen  dem  Auftreten 
der  jodophilen  Substanz  und  dem  intrazellulären  Auftreten 
Ton  Gonokokken? 

Hinsichtlich  der  ersten  Frage  ist  zurächst  darauf  hinge- 
wiesen, daß  schon  Ehrlich  den  gonorrhoischen  Eiter  als 
gutes  Objekt  für  Glykogenfärbungen  benützte  und  daß  von 
Esserteau^)  unter  der  Leitung  von  Sabrazes  eine  Unter- 
suchung über  das  Vorkommen  von  jodophiler  Substanz  in  den 
Leukocjten  bei  gonorrhoischen  Entzündungsprozessen  der  Harn- 
röhre Yorgenommen  wurde.  Die  Angabe  von  Ehrlich,  die 
sich  nur  hingeworfen  in  einer  Anmerkung')  findet,  scheint 
nicht  beachtet  worden  zu  sein,  und  die  Arbeit  von  Esserteau 
benützte    eine    ungenügende   Methodik,   so  daß  ihre   Resultate 

nicht  gut  zu  yerwerten  sind. 

Zum  Nachweise  der  jodophilen  Salwtanz  wurden  bisher  folgende 
Methoden  verwendet: 

a)  Einschluß  der  trockenen  Deekglaspr&parate  in  Jodgummi 
(Ehrlich)  oder  in  Jodglyzerin  (Barfnrth).*) 

b)  Behandlung  der  trockenen  Deckglaspräparate  mit  Joddämpfen 
(Ehrlich).^)  Die  Trookenpräparate  werden  in  ein  geschlossenes  mit 
Jodkristallen  beschicktes  Sohälchen  gebracht,  dessen  Deckel  mit  Vaselin 
eingerieben  ist,  um  luftdicht  zu  schließen.  Die  Deckgläser  liegen  in 
dem  Soh&ltihen  mit  der  bestrichenen  Seite  nach  oben,  bleiben  20  bis  30 
Minuten  darin  und  werden  in  dickflüssigem  Lävulosesirup  oder  in  Jod- 
gnmmi  eingeschlossen. 

e)  Fixierung  der  feuchten  Deckglaspräparate  in  Joddämpfen 
(Zollikofer).  Man  legt  die  Deckglaspi*äparate  noch  feucht  in  ein 
Sehälchen  mit  Jodkristallen  und  untersucht  in  Lävulosesirup. 


')  Esserteau,  J.  Contribution  ä  l'6tade  microsoopique  du  sang 
et  da  pus  dans  l'uretrite  blenurragique.  Bordeaux  1902. 

*)  Nothnagels  Handbuch.  Bd.  VIII.  (Anämie),  p.  SO. 

*)  Barfurth.  Vergleiche  histochemische  Untersuchungen  über 
Glykogen.  Arch.  f.  mikrosk.  Anat.  1885.  Bd.  XXV. 

^)  Ehrlich.  Enzyklopädie  der  mikroskop.  Technik.  1900.  Artikel 
jiGlykogen**. 


268  Winkler. 

d)  Untennohung  im  hohlen  Objektträger  (Gierke).  Das  feuchte 
DeokglM  wird  rmsoh  auf  den  mit  Yaselin  umrandeten  Ausschnitt  des 
Objektträgers  gelegt,  in  dessen  Grande  sich  ein  kleiner  Jodkristall  befindet. 

Von  allen  Methoden,  die  zum  Nachweise  der  jodophilen 
Snbstanz  existieren,  erwiesen  sich  nur  die  der  Zollikofer- 
schen  Methode  nachgebildete  Trocknung  des  Präparates 
in  Jod  dampf  and  die  Oierkesche  Methode  der  Be- 
obachtung im  hohlen  Objektträger  als  brauchbar;  nur  sie 
allein  weisen  die  ganze  jodempfindliche  Substanz  nach.  Freilich 
müssen  diese  Methoden  richtig  geübt  werden. 

Man  bringt  in  einen  Exsikkator  ein  Sohälchen  mit  Jodkristallen, 
so  daß  der  ganze  Ezsikkatorraum  mit  Joddämpfea  erfällt  wird,  legt  die 
Eiterpräparate  unmittelbar  nach  der  Anfertigung  noch  feucht  in  eine 
flache  Schale,  die  in  den  ExBikkator  gestellt  wird,  und  läßt  die  Präpa- 
rate 10  bis  16  Minuten  stehen.  Die  Einwirkung  der  Joddämpfe  in  einem 
hermetisch  abgeschlossenen  Gefäße  ist  untweckmäßig,  da  sich  leicht  Jod 
in  Substanz  auf  dem  Präparate  niederschlägt.  Die  Präparate  mdssen  ganz 
trocken  sein,  bevor  sie  aus  dem  Exsikkator  herausgenommen  werden 
dürfen,  da  sonst  die  Färbung  diffas  ausiallt  Länger  als  eine  Stunde  soll 
die  Einwirkung  der  Joddämpfe  auch  nicht  erfolgen,  da  die  Schönheit  und 
die  Distinktheit  der  Färbung  darunter  leiden. 

Es  ist  unvorteilhaft  die  Jodierang  im  Brutschranke  vor  sich  gehen 
zu  lassen;  die  Trocknung  der  Präparate  geht  zwar  viel  rascher  vor  sieh, 
die  Zellen  nehmen  aber  im  ganzen  eine  braune  Färbung  an  und  die 
dunkelbraunen  Körnchen  treten  viel  geringer  hervor. 

Bricht  man  die  Jodierung  vor  dem  vollständigen  Trockenwerden 
ab  und  läßt  die  Trocknung  an  der  Luft  zu  Ende  gehen,  so  sieht  man  die 
Protoplasmaleiber  der  Leukocyten  braungefärbt,  aber  von  einer  braunen 
Kömelnng  ist  nichts  oder  nicht  viel  zu  sehen.  Die  bereits  trockenen 
Zellen  zeigen  die  Kömelnng,  die  feuchten  noch  nicht.  Man  kann  dieses 
Phänomen  sehr  schön  bei  der  Untersuchung  von  Serum  einer  Yer- 
brennungsblase  sehen;  läßt  man  einen  Tropfen  Serum  in  einer  Jod- 
atmosphäre auf  dem  Deckglase  eintrocknen,  so  sieht  man  in  jedem  ein* 
zelnen  Leukocyten  die  jodophile  Substanz ;  unterbricht  man  die  Trocknung, 
.während  die  Flfissigkeit  noch  nicht  verdunstet  ist,  aber  bereits  die 
gelbe  Farbe  angenommen  hat,  so  sieht  man  in  einer  kleinen  Anzahl  von 
Leukocyten,  die  bereits  angetrocknet  sind,  die  jodophile  Kömelnng  auf 
gelbem  Grunde,  während  die  anderen  Leukocyten  diffus  gelb  sind  ohne 
Kömelnng. 

Zollikofer  nahm  an,  daß  die  jodophile  Substanz  in  den 
lebenden  Leukocyten  diffus  verteilt  ist  und  sich  durch  das  gas- 
förmige Jod  erst  kömig  niederschlägt.  Ich  muß  aber  aus  meinen 
Versuchen  schließen,  daß  die  jodophile  Substanz  wohl  im  ganzen 


über  die  jod.  Substanz  in  den  Leukocyten  des  gon.  Eiters.      269 

Leibe  der  Leukocyten  verteilt  ist,  aber  daß  das  Auftreten  der 
Kömelung  eine  Austrocknungserscheinung  ist. 

Unterwirft  man  die  jodierten  Präparate  der  von  mir  be- 
schriebenen Oxydasereaktion,^)  so  verschwindet  die  Jod* 
farbung ;  es  tritt  eine  himmelblaue  Färbung  aller  Granulationen 
auf,  nicht  bloß  jener  Oranula,  die  früher  die  jodophile  Reak- 
tion gezeigt  hatten,  sondern  aller  Oranulationen.  Da  es  sich 
dabei  um  eine  Jodierung  des  bei  der  Ozydasereaktion  ge- 
bildeten violetten  Farbstoffs  handelt,  so  muß  der  Schluß  gezogen 
werden,  daß  Jod  nicht  bloß  in  den  braun  erscheinenden  Körn- 
chen, sondern  in  der  ganzen  Zelle  aufgespeichert  ist. 

Die  jodierten  Präparate  werden  in  Origanumöl  ange- 
sehen, das  nach  den  Untersuchungen  von  Best  das  in  der 
Zelle  diffus  verteilte  Jod  aufnimmt  und  die  jodgefarbten 
Kömchen  klar  hervortreten  läßt.  Diese  Untersuchungsmethodik 
ist  viel  besser  als  die  Untersuchung  in  Gummi  oder  Lävulose. 
Um  jodierte  Präparate  zu  konservieren,  wende  ich  nach  dem 
Vorgange  von  Gierke  ausschließlich  die  Celloidineinbettung 
an;  für  die  Konservierung  der  jodierten  Präparate  nach  Vor- 
nahme der  Ozydasereaktion  eignet  sich  aber  die  Celloidin- 
einbettung nicht. 

Die  jodophile  Substanz  der  Leukocyten  tritt  teilweise  in 
der  Form  von  feinen  Kömchen,  teilweise  in  Form  von  groben 
Kömem  und  Schollen  auf.  Die  Lagerung  der  braungefärbten 
Substanzen  im  Zelleibe  ist  sehr  verschieden,  bald  randständig, 
bald  zentral,  stets  ist  sie  an  das  Protoplasma  gebunden;  im 
Kerne  habe  ich  niemals  jodophile  Substanz  gefunden. 

Legt  man  ein  Deckgläschen  mit  einem  Tropfen  Eiter  auf  einen 
hohlen  Objektträger,  in  dessen  Ausschnitt  sich  ein  Jodstückchen 
befindet,  so  tritt  bald  eine  Braungelbfärbung  des  Tröpfchens 
ein;  die  Zellen  erscheinen  diffus  braungelb,  von  einer  Differen- 
zierung ist  nur  an  den  äußersten  Randpartien  des  Tröpfchens, 
wo  die  Zellen  in  dünner  Schichte  ausgebreitet  liegen,  etwas 
zu  sehen.  Viel  besser  ist  es,  nach  dem  Vorgehen  von  Gierke 
ein  frisch  gestrichenes  Deckgläschen  auf  den  mit  Jod  be- 
schickten hohlen  Objektträger  zu  bringen;  man  kann  hier  die 

*)  Winkler,  F.  Der  Nachweis  von  Oxydase  in  den  Leukocyten. 
Folia  kaamatologica.  1907.  IV.  p.  823. 


1 


270  Winkler. 

Färbong  der  jodophilen  Substanz  leicht  verfolgen;  zunächst 
nehmen  die  Kerne  und  die  groben  Granulationen  jener  Zellen, 
die  sich  bei  Kontrollfärbungen  als  eosinophil  erweisen,  eine 
gelbe  Farbe  an;  die  groben  Granulationen  heben  sich  ganz 
besonders  kräftig  gelb  gefärbt  vom  Plasma  ab;  dann  treten 
außerhalb  der  Zellen  weinrotgefarbte  Kugeln  und  Schollen 
auf,  und  zuletzt  erfolgt  die  Weinrotfärbung  der  Körnchen  und 
Schollen  innerhalb  der  Zellen.  Hebt  man  nun  ein  solches 
Präparat  vom  hohlen  Objektträger  ab  und  betrachtet  es  unter 
Origanumöl,  so  ändert  sich  das  Bild  sofort:  Die  gelben 
Kerne  geben  ihre  Farbe  an  das  Ol  ab,  und  die  weinrote  Farbe 
der  Kömchen  und  Schollen  schlägt  ins  Braune  um. 

Es  ist  sicher  unrichtig,  daß  jeder  Leukocyt  körnige  jodophile 
Substanz  enthält;  man  findet  eine  ganze  Reihe  Yon  Leukocyten, 
die  wohl  die  gelbe  Farbe,  aber  keine  Spur  von  weinroter 
Substanz  aufweisen;  ebenso  trifft  man  im  normalen  Blute  bei 
dieser  Methodik,  die  sicherlich  als  sehr  empfindlich  bezeichnet 
werden  muß,  die  Leukocyten  meist  frei  von  jodophiler  Substanz, 
wenn  sie  auch  alle  eine  gelbe  Farbe  annehmen;  die  gleiche 
gelbe  Farbe  nehmen  auch  die  Erythrocyten  an;  nur  in  patho- 
logischen Fällen,  so  bei  Diabetes,  bei  Pentosurie,  bei  Sepsis, 
bei  gonorrhoischem  Rheumatismus,  sowie  bei  florider  Syphilis, 
habe  ich  konstant,  wenn  auch  nicht  in  jedem  Leukocyten^  so 
doch  in  den  meisten  Leukocyten  die  Färbung  positiv  auftreten 
gesehen. 

Man  sieht  deutlich,  daß  die  Zellgranula,  und  zwar  jene 
Granulationen,  die  man  als  neutrophile  bezeichnet,  die  Träger 
der  jodophilen  Substanz  sind;  dazwischen  treten  stärker  ge- 
färbte Körnchen  auf,  die  offenbar  durch  Zusammenfließen 
mehrerer  feiner  Kömchen  entstanden  sind;  die  Schollen  und 
Sicheln  liegen  immer  an  der  Peripherie  der  Zellen. 

Häufig  hängt  die  jodophile  Substanz  wie  eine  Kappe  der 
Zelle  an  oder  sie  ist  in  einem  der  Ausläufer  des  Zelleibes  be- 
sonders angehäuft;  man  hat  immer  den  Eindruck,  als  ob  gerade 
die  periphersten  Partien,  in  denen  die  Austrocknung  am 
raschesten  vor  sich  gegangen  ist,  die  intensivste  Färbuug 
geben.  Jedenfalls  sind  die  braunen  Schollen  fast  regelmäßig 
an  der  Peripherie  zu  finden.    Die  braunen  feinen   Körnchen 


über  die  jod.  Substanz  in  den  Leakooyten  des  gon.  Eiters.      271 

aber  sind  immer  im  Zelleibe  verteilt,  gewöhnlich  sehr  regel- 
mäßige Zeichnungen  bietend,  den  neutrophilen  Granulationen 
entsprechend. 

Sehr  interessant  ist  die  Anordnung  der  jodophilen  Substanz 
in  den  Epithelzellen:  die  Kerne  sind  ganz  frei,  der  Proto- 
plasmaleib ist  gelbbraun  gefärbt,  und  um  den  Kern  herum  zieht 
eine  bald  dickere  bald  dünnere  Schichte  dunkelbrauner  Substanz, 
deren  Konturen  zumeist  die  Kontur  der  Zelle  nachahmen. 

Die  hier  beschriebene  Anordnung  der  jodophilen  Substanz 
in  den  Leukocyten  und  in  den  Epithelzellen  entspricht  auch 
ziemlich  der  Anordnung,  wie  bei  der  Untersuchung  von  Gewebe 
mit  der  Bestschen  Karminfarbung  die  Glykogenkömchen 
auftreten.  Gierke  hat  auch  im  Gewebsschnitte  Bilder  ge^ 
sehen,  in  denen  das  Glykogen  ganz  an  eine  Zellseite  gedrängt 
liegt;  er  erklärt  dies  damit,  daß  durch  die  wässerigen  Fixierungs- 
mittel zunächst  das  Glykogen  in  den  Zellen  gelöst,  durch  die 
nachfolgende  Alkoholwirkung  wieder  ausgefallt  und  mit  dem 
Diffusionsstrom  an  eine  Zellseite  getragen  wird.  Selbstver- 
ständlich kann  diese  Erklärung  für  das  häufige  Auftreten  der 
Glykogenkappen  an  den  Leukocyten  des  gonorrhoischen  Eiters 
nicht  aufrecht  erhalten  werden,  da  hier  eine  Auflösung  des 
Glykogens  in  wässerigen  Fixierungsflüssigkeiten  und  eine  nach- 
trägliche Ausfällung  durch  Alkohol  nicht  stattgefunden   haben. 

Wenn  wir  an  der  Auffassung  festhalten,  daß  die  braune 
Körnung  an  den  jodierten  Leukocyten  eine  Austrocknungser- 
scheinimg  sei,  so  befinden  wir  uns  in  Widerspruch  mit  den 
meisten  Autoren,  die  über  das  Glykogenproblem  gearbeitet 
haben.  Sochorowitsch')  schreibt  den  Leukocyten  eine 
präexistente  kömige  Glykogenablagerung  zu;  Lubarsch') 
nimmt  an,  daß  das  Glykogen  in  den  Leukocyten  des  Eiters 
an  die  Zellgranula  gebunden  sei  und  deshalb  in  Kömern 
erscheine;  auch  Gierke  sprach  sich  ebenso  wie  Lukjanoff 
für  den  Zusammenhang  der  Glykogenkömchen  mit  den  Granu- 
lationen aus. 


^)SochorowitBch,  J.  Über  die  Glykogenreaktion  der  Leukocyten. 
Zeitschr.  f.  klin.  Med.  Bd.  61.  p.  245. 

')  Lobarsob,  0.  Über  die  Bedeutung  der  patbologischen  Glykogen- 
ablagernngen.  Vircbows  Archiv.  1906.  Bd.  GLXXXIÜ.  p.  188. 


272  Winkler. 

Auffallend  ist,  daS  die  Zellen  mit  groben  Granu- 
lationen im  gonorrhoischen  Eiter  stets  ToUständig  frei 
von  jodophiler  Substanz  sind.  Biffi')  hatte  zwar  ge- 
meint, daß  die  jodophilen  Körnchen  und  die  eosinophilen 
Granulationen  identisch  seien;  er  wurde  aberyon  Tarchetti') 
widerlegt«  Zollikofer  glaubte  zwar,  bei  Diabetes  auch  eosino- 
phile glykogenhaltige  LeukocTten  im  Blute  zu  sehen;  ich  war 
aber  trotz  yieler  darauf  gerichteter  Untersuchungen  nie  in  der 
Lage,  eine  mit  groben  Granulationen  erfüllte  und  jodophile 
Substanz  enthaltende  Zelle  zu  finden.  Die  Angabe  yon  Zolli- 
kofer erklärt  sich  wohl  aus  der  Feststellung  von  Tarchetti, 
daß  unter  Umständen  die  jodophilen  Granulationen  das  Eosin 
aufnehmen. 

Ich  maß  annehmen,  daß  diese  grobgranulierten  Zellen 
überhaupt  keine  jodophile  Substanz  enthalten;  denn  sonst 
wäre  nicht  einzusehen,  warum  bei  Anwesenheit  von  Glykogen 
in  beiden  Leukocytenarten  die  sich  körnig  ausscheidende 
jodophile  Substanz  gerade  zu  den  feinen  neutrophilen  Granu- 
lationen der  einen  und  nicht  zu  den  groben  Granulationen 
der  anderen  Zellart  ihre  Affinität  zeigen  solle. 

Die  Erscheinung,  daß  einzelne  Zellformen  konstant  frei 
von  jodophiler  Substanz  sind,  hat  mit  Rücksicht  auf  die  Unter- 
suchungen Ton  Eatsurada')  nichts  wunderbares  an  sich. 
Er  konnte  an  Hollundermarkplättchen,  die  steril  in  das  Unter- 
hautgewebe verschiedener  Versuchstiere  eingebracht  wurden, 
feststellen,  daß  die  emigrierten  polynukleären  Leukocyten  in 
den  ersten  Stunden  glykogenfrei  sind,  einige  Zeit  nach  der 
Emigration  —  als  Minimum  wurden  fünf  Stunden  beobachtet  — 
deutlichen  Glykogengehalt  aufweisen  und  bei  der  Degeneration 
wieder  ihr  Glykogen  verlieren. 

Auch  Ehrlich  hatte  beobacntet,  daß  die  emigrierten 
glykogenhaltigen  Leukocyten  nach  einiger  Zeit  durch  Aus- 
stoßung oder  durch  Umwandlung  in  Zucker  ihr  Glykogen  ver- 


>)  Biffi.  PoHclinico  1901. 

*;  Tsrchetti.  Gase,  degli  ospedali.  1908.  Nr.  47. 

')  Eatsurada.  Über  das  Vorko»mon  de»  €Hykogen»  «Bier  paibo- 
logischen  Verhältnissen.  Zieglers  Beiträge  zur  pathologischen  Anatomie. 
XXXII.  pag.  1902. 


über  die  jod.  Snbstaoz  in  den  Lenkocyten  des  gon.  Eiten.      273 

lieren.  Und  Best  behauptet,  daß  die  Zellen,  welche  bereits 
KemzerüeJl  zeigen,  frei  Ton  Glykogen  sind. 

Wenn  die  jodophile  Substanz  beim  beginnenden  Zerfall 
der  Zelle  verschwindet,  so  wäre  damit  die  Meinung  ganz 
widerlegt,  welche  ihr  Auftreten  mit  einer  Degeneration  in 
Verbindung  bringen.  Man  muß  sich  umgekehrt  der  Meinung 
anschließen,  daß  gerade  ihr  Verschwinden  mit  der  Degeneration 
in  Verbindung  stehe ;  das  Verschwinden  könnte  durch  Fermente, 
die  in  der  Zelle  zur  Geltung  kommen,  hervorgerufen  werden. 

Jedenfalls  können  wir  noch  weiterhin  sagen,  daß  das  Auf- 
treten von  jodophiler  Substanz  in  den  emigrierten  Leukocyten 
der  Ausdruck  ihrer  Lebensfrische  ist;  das  Verschwinden  der 
jodophilen  Substanz  aus  den  Leukocyten  deutet  andererseits 
auf  den  Verlust  ihrer  Lebensenergie  und  auf  ihre  Degene- 
ration hin. 

Es  war  nunmehr  festzustellen,  ob  das  reichliche  Auf- 
treten der  jodophilen  Substanz  irgendwelchen  Zusammen- 
hang mit  dem  jedesmaligen  Stadium  der  Gonorrhoe  habe. 
Esserteau  ist  der  einzige,  der  sich  bemüht  hat,  der 
yReaction  jodophile*'  der  Leukocyten  des  gonorrhoischen 
Eiters  unter  der  Benützung  der  Jodgummimethode  während 
der  verschiedenen  Gonorrhoestadien  nachzugehen;  er  fand  im 
Beginne  der  Erkrankung  eine  wenig  ausgesprochene  Beaktion; 
am  6. — 10.  Tage  war  in  seinen  Untersuchungen  die  Beaktion 
wenn  auch  nicht  sehr  kräftig,  aber  doch  in  den  meisten  Fällen 
deutlich  ausgesprochen;  in  der  2. — 4.  Woche  sah  er  eine  leb* 
hafte  Beaktion,  während  er  bei  der  chronischen  Gonorrhoe  die 
Beaktion  nur  in  geringem  Maße  und  überhaupt  nicht  mehr  in 
den  Leukocyten,  sondern  in  den  Epithelzellen  fand. 

Die  Methode,  mit  welcher  Esserteau  arbeitete,  deckt 
aber  nur  eine  kleine  Anzahl  der  jodempfindlichen  Leukocyten 
auf;  mit  den  oben  beschriebenen  Methoden  findet  man,  daß 
die  Anzahl  der  jodempfindlichen  Zellen  viel  größer  ist.  Schon 
in  den  ersten  Tagen  der  Gonorrhoe  konnte  ich  in  einer  großen 
Anzahl  von  Leukocyten  reichlich  jodopbile  Substanz  finden, 
und  es  scheint  mir,  als  ob  die  jodophile  Substanz  in  der 
zweiten  und  dritten  Woche  geringer  wäre,  um  in  der  vierten 
Woche  wieder  anzusteigen;  diese  Vermehrung  der  jodophilen 

Arcb.  f.  D^rmat.  «.  Syph.  Bd.  LXZXIZ.  jg 


274  Winkler. 

Sabfltanz  hielt  in  meinen  subakaten  Fallen  bis  in  die  achte 
Woche  hinein  an,  um  dann  langsam  abzusinken. 

Ich  habe  aber  auch  Fälle  gesehen,  in  denen  in  der 
zweiten  und  in  der  dritten  Woche  jede  einzelne  Zelle  jodophile 
Substanz  enthielt,  so  daB  es  mir  nicht  möglich  scheint,  aus 
der  Art  und  aus  der  Menge  jodophiler  Substanz  im  gonor- 
rhoischen Eiter  einen  Schluß  auf  das  Alter  der  Affektion  zu 
ziehen.  Auch  über  die  Akuität  des  Prozesses  gibt  uns  die 
jodophile  Substanz  keinerlei  Aufschluß;  zumeist  trifft  es  zwar 
zu,  daß  in  chronischen  Fallen,  die  langer  als  zwei  Monate 
dauern,  die  Menge  der  jodophilen  Substanz  nur  gering  ist; 
doch  habe  ich  andererseits  nicht  wenige  chronische  Fälle 
untersucht,  in  denen  trotz  monatelangem  Bestehen  des  Prozesses 
die  Menge  jodophiler  Substanz  im  Eiter  ziemlich  bedeutend  war. 

Zwei  Momente  sind  es  aber,  auf  die  ich  die  Aufmerksam- 
keit lenken  möchte,  erstens  auf  das  Zusammenfallen 
reichlicher  jodophiler  Substanz  mit  der  Ver 
mehrung  der  eosinophilen  Zellen  im  Eiter  und 
zweitens  auf  das  geringe  Vorkommen  jodophiler 
Substanz  in  den  Fällen  ^on  nicht  gonorrhoischen 
Urethritis. 

Vielleicht  hängen  beide  Tatsachen  mit  einander  inniger 
zusammen  als  es  auf  den  ersten  Blick  erscheinen  möchte; 
Posner ^)  hat  nämlich  nachgewiesen,  daß  bei  nicht  gonor« 
rhoischer  Urethritis  nur  ausnahmsweise  größere  Mengen  von 
eosinophilen  Zellen  nachzuweisen  sind. 

Wenn  man  im  Sinne  von  Ehrlich  das  Auftreten 
eosinophiler  Zellen  im  Eiter  mit  der  Einwirkung  örtlich  ge- 
bildeter Gifte  auf  den  Gesamtorganismus  in  Zusammenhang 
bringt,  so  ist  leicht  einzusehen,  daß  derselbe  Reiz,  welcher 
das  Übertreten  eosinophiler  Zellen  aus  dem  Blute  in  dem 
gonorrhoischen  Eiter  hervorruft,  auch  die  Jodophilie  der 
Leukocyten  beeinflußt.  Bett  mann*)  hat  schon  in  den  aller- 
ersten Tagen  des  serös-schleimigen  Katarrhs  das  Vorhandensein 
eosinophiler  Zellen  gefunden;  in  diesen  Tagen  findet  sich  auch 

*)  Posner,  0.  Eiterstadien.  Berl.  klin.  Woch.  1904.  Nr.  11. 
')    Bettmann,    S.   Die  praktische   Bedeatang    der   eosinophilen 
Zellen.  Volkmanns  klin.  Yorträge  Nr..  266  p.  1682. 


über  die  jod.  Sabstanz  in  den  Lenkooyien  des  gon.  Eiters.      275 

zumeist  eine  deutliche  Jodophilie.  lu  den  nächsten  Wochen, 
in  denen  die  Menge  eosinophiler  Zellen  im  Eiter  geringer  ist, 
haben  wir  auch  weniger  jodophile  Substanz  gesehen,  während 
in  der  4. — 5.  Woche,  in  denen  nach  Hans  Posner ^)  sowie 
nach  Joseph  und  Polano')  das  reichlichste  Auftreten  Ton 
eosinophilen  Zellen  nachzuweisen  ist,  auch  am  reichlichsten 
jodophile  Substanz  auftritt.  Nach  dem  50.  Tage  nimmt  nach 
Posners  Untersuchungen  die  Zahl  der  Eosinophilen  ab,  eben- 
so sehen  wir  von  der  achten  Woche  an  die  Menge  der  jodo- 
philen  Substanz  geringer  werden. 

Bei  der  nicht  gonorrhoischen  Urethritis  sind  die  Ver- 
hältnisse jedenfalls  sehr  auffallend  und  fordern  zur  Nach* 
Prüfung  an  größerem  Materiale  heraus.  Posner  hat  ge- 
glaubt, daß  die  Leukocyten  mit  Kugelkemen  für  nicht  gonor* 
rhoische  Urethritis  charakteristisch  seien,  während  Neuberge  r®) 
sie  auch  bei  akuter  Gonorrhoe  mit  geringer  Sekretion  ziemlich 
häufig  fand.  Auch  bei  meinen  Untersuchungen,  in  denen  ich 
regelmäßig  auf  das  Vorhandensein  von  Leukocyten  mit  Kugel- 
kemen achtete,  konnte  ich  bei  Gonokokkenurethritis,  namentlich 
bei  länger  bestehenden  Formen,  diese  Art  der  Eerndegenera- 
tion  nicht  selten  finden.  Andererseits  konnte  ich  die  Angabe 
von  P  o  s  n  e  r  bezüglich  des  geringen  Auftretens  von  eosinophilen 
Zellen  bei  nicht  gonorrhoischer  Urethritis  bestätigen;  und  in 
regelmäßiger  Wiederkehr  konnte  ich  feststellen,  daß  in  allen 
diesen  Fällen  die  jodophile  Substanz  nur  in  auffallend  geringem 
Maße  zu  finden  war. 

Bei  der  Beurteilung  des  Grades  der  Jodophilie  muß  man 
sowohl  die  intrazelluläre  wie  auch  die  extrazelluläre  jodophile 
Substanz  betrachten;  es  zeigt  sich,  daß  das  gegenseitige  Ver- 
hältnis der  beiden  ebenfalls  keinen  Aufschluß  über  die  Dauer 
des  Erankheitsprozesses   zuläßt,  weil  bei  denselben  Patienten 


^)  Posner,  Hans.  Zar  Cytologie  des  gonorrhoischen  Eiters.  Berl. 
klin.  Woch.  1906.  Nr.  43. 

')  Joseph,  M.  und  Pol  an  o,  M.  £.  Gytodiagnostische  Unter- 
suchungen gonorrh.  Sekrete.  Arcb.  f.  Dermat.  LXXVI.  p.  65. 

'}  Ke  ab  erger,  J.  Über  die  Morphologie,  das  Vorkommen  und 
die  Bedeutung  der  Lymphooyten  und  uninukle&ren  Leukocyten  im 
gonorrhoischen  Urethral sekret.  Yirch.  Arch.  Bd.  GLXXXVII.  p.  809. 

18* 


276 


Winkler. 


an  denselben  Tagen  verschiedene  Präparate  ein  verschiedenes 
Verhalten  aufweisen.  Wird  frisch  secemierter  Eiter  kurze 
Zeit  nach  der  Urinentleerung  untersucht,  so  findet  sich  über- 
wiegend intrazelluläre  jodophile  Substanz;  im  Eiter,  den  man 
nach  dem  von  mir  beschriebenen  VerÜEdiren^)  durch  Aspi- 
ration  aus  den  Hamröhrendrusen  gewonnen  hat,  ist  mehr 
extrazellulare  jodophile  Substanz  zu  sehen. 

Es  ist  wahrscheinlich,  daß  die  extrazelluläre  jodophile 
Substanz  eine  etwas  andere  chemische  Dignität  hat  als  die 
intrazelluläre;  dafür  spricht  vorerst-  der  Umstand,  dafi  extra- 
zellulär immer  größere  und  kleinere  Tropfen  vorkommen, 
während  intrazellulär  kleine  und  kleinste  Kömchen  vorhanden 
sind,  die  zu  unregelmäßigen  Schollen  und  Kappen  oder  zu 
Sicheln  zusammenfließen.  Weiterhin  widersteht  die  extra- 
zellulär gelegene  jodophile  Substanz  wässerigen  Lösungsmittehi 
besser  als  die  intrazellulär  gelegene.  Man  kann  dies  leicht 
durch  Behandlung  des  gonorrhoischen  Eiters  mit  Kochsalz- 
lösung zeigen;  dabei  spielt  die  Konzentration  der  Kochsalz- 
lösung keine  Rolle. 

Wird  ein  Eitertröpfchen  auf  5  Minuten  in  physiologische 
Kochsalzlösung  gelegt  und  darauf,  auf  Deckgläschen  gestrichen, 
der  Jodreaktion  unterworfen,  so  wird  die  extrazelluläre  Substanz 
sichtbar,  während  von  intrazellulärer  Substanz  nichts  zu  sehen 
ist;  letztere  hat  sich  gelöst  Wird  aber  das  Eitertröpfchen 
auf  fünf  Minuten  in  Speichel  gebracht  und  dann  der  Jod- 
reaktion ausgesetzt,  so  färben  sich  die  Leukocyten  zwar  gelb, 
aber  weder  intrazellulär  noch  extrazellulär  tritt  jodophile 
Substanz  auf.  Die  Speicheleinwirkung  hat  sowohl  die  intra- 
zelluläre wie  die  extrazelluläre  Substanz  saccharifiziert  und  in 
Lösung  gebracht. 

Von  besonderem  Interesse  ist  die  dritte  der  oben  ge- 
stellten Fragen,  ob  Beziehungen  zwischen  der  intrazellulären 
jodophilen  Substanz  und  den  Gonokokken  aufzufinden 
seien.  Die  Antwort  auf  diese  Frage  wird  dadurch  erschwert, 
daß  bei  der  Färbung  der  jodierten  Präparate  mit  Anilin&rb- 
stoffen   zur  Sichtbarmachung    der    Gonokokken    die   jodophile 

^)  Winkler,  F.  Znm  Nachweise  von  Gonokokken  in  Urethral- 
f&den.  Monatshefte  für  prakt.  Dermatol.  XXXIII.  1901.  p.  266. 


über  die  jod.  Substanz  in  den  Lenkocyten  des  gon.  Eiters.      277 

Substanz  entweder  gelöst  oder  gedeckt  wird.  Jedenfialls  sind 
die  üblichen  DarsteUungsmethoden  der  (Gonokokken  fiir  unseren 
Zweck  unbranchbar.  Der  einzige  Weg  liegt  in  der  intravitalen 
Färbung,  welche  die  Gonokokken  sehr  rasch  anfärbt  Iioider 
ist  der  beste  Farbstoff,  den  wir  in  der  intrayitalen  Gonokokken- 
Färbung  zur  Verfügung  haben,  das  Neutralrot,  hier  nicht  ver- 
wendbar, weil  sich  die  Neutralrot-Färbung  der  Gonokokken 
Ton  der  Botfärbung  der  jodophilen  Substanz  zu  wenig  abhebt. 
Man  muß  einen  blauen  oder  violetten  Farbstoff  versuchen. 

Sehr  brauchbar  sind  Methjlenblau,  Methylviolett,  Eresyl- 
echtblau  und  Eresylechtviolett. 

Um  die  Einwirkung  wässeriger  Lösungsmittel  zu  vermeiden, 
muß  der  Farbstoff  in  Substanz  dem  Eiter  zugesetzt  werden ;  es 
geschieht  dies  entweder  dadurch,  daß  man  dem  in  einem 
kleinen  Schälchen  aufgefangenen  Eiter  eine  sehr  kleine  Menge 
des  Farbstoffs  in  Pulverform  zusetzt  und  auf  einige  Minuten 
das  Schälchen  in  den  Brutofen  bringt,  oder  daß  man  die  von 
mir  beschriebene  intraurethrale  Färbung  benutzt^  bei 
der  man  in  die  Fossa  navicularis  eine  kleine  Menge  des  pulver- 
iörmigen  Farbstoffs  bringt  und  den  Eiter  einer  Diffusions- 
färbung innerhalb  der  Urethra  unterwirft. 

Der  gefärbte  Eiter  wird  in  der  gewohnten  Weise  auf 
Deckgläschen  oder  auf  Objektträger  aufgestrichen  und  feucht 
nach  der  oben  beschriebenen  Methode  den  Joddämpfen  ausge- 
setzt Bei  der  Untersuchung  der  im  Joddampf  trocken  ge- 
wordenen Präparate  in  Origanumöl  kann  man  die  blau  oder 
violett  gefärbten  Gonokokken  sehr  schön  von  der  braunroten 
jodophilen  Substanz  unterscheiden.  Dabei  ergibt  sich  das 
interessante  Besultat,  daß  die  g onokok kenfährenden 
Zellen  vollständig  frei  von  jodophiler  Substanz 
sind.  Sogar  in  den  Zellen,  die  nur  ein  bis  zwei  Gonokokken- 
paare  enthalten,  findet  sich  keine  jodophile  Substanz. 

Für  dieses  Phänomen  liegen,  so  weit  ich  sehe,  zwei 
Erklärungsmöglichkeiten  vor;  entweder  sind  nur  jene  Zellen, 
welche  frei  von  jodophiler  Substanz  sind,  im  stände^  phago- 
cytär  auf  Gonokokken  einzuwirken,  oder  die  in  die  Zellen  ein- 
gedrungenen Gonokokken  vernichten  die  in  den  Zellen  ent- 
haltene jodophile  Substanz. 


278  Winkler. 

Zur  KlantelluDg,  ob  die  Phagocytose  an  das  Freisein  Ton 
jodophiler  Substanz  gebunden  sei,  brachte  ich  eine  Reinkultur 
von  Gonokokken  im  BrutschraDke  mit  gonorrhoischem  Eiter 
zusammen,  dessen  Leukocyten  fast  sämtlich  reich  an  jodo- 
philer Subbtanz  waren  und  dessen  gonokokkenführende  Zellen 
ich  ihrer  Zahl  nach  am  gefärbten  Trockenpräparat  durch 
Durchzählen  mehrerer  Gesichtsfelder  prozentisch  festgestellt 
hatte.  Ein  KontroUschälchen  mit  demselben  gonorrhoischen 
Eiter  ohne  Hinzuftigung  frischer  Gonokokken  sollte  die 
Möglichkeit  geben,  festzustellen,  ob  nicht  etwa  durch  den 
Aufenthalt  im  Brutschranke  allein  entsprechende  Verände- 
rungen der  Leukocyten  Tor  sich  gehen.  Nach  12  Stunden 
wurde  der  Eiter  wieder  untersucht;  die  Zählung  der  gono- 
kokkenführenden  Zellen  im  gefärbten  Trockenpräparate  ergab 
im  Kontrolleiter  keine  Veränderung,  aber  in  dem  mit  der  Rein- 
kultur versetzten  Eiter  eine  wesentliche  Vermehrung  der  gono- 
kokkenfiihrenden  Zellen.  Jedenfalls  waren  jetzt  bedeutend  mehr 
Zellen  mit  Gonokokken  erfallt  als  yorher  Zellen  von  jodophiler 
Substanz  frei  gewesen  waren.  Es  war  klar,  daß  eine  große  Reihe 
Ton  jodophilen  Zellen  phagocytär  auf  die  beigefugten  Gono- 
kokken eingewirkt  hatte. 

Bei  dem  Versuche,  diese  Zellen  mittels  eingebrachten 
pulyerförmigen  Farbstoffs  zu  tingieren  und  sie  nach  der  Auf- 
nahme des  Farbstoffs  der  Jodreaktion  zu  unterziehen,  zeigte 
sich,  daß  nun  eine  auffallende  Verarmung  der  Zellen  an 
jodophiler  Substanz  eingetreten  war.  Die  Untersuchung  des 
Eontrolleiters  ergab,  daß  durch  den  Aufenthalt  im  Brutschranke 
allein  keine  Abnahme  der  jodophilen  Substanz  entstanden  war. 
Es  mußte  also  die  Lebenstätigkeit  der  Gonokokken  die  jodo- 
phile  Substanz  yernichtet  haben ;  es  liegt  nahe,  anzunehmen, 
daß  die  Gonokokken  die  jodophile  Substanz  sakcharifiziert  und 
damit  der  Aufdeckung  durch  die  Jodreaktion  entzogen  haben. 

Vielleicht  ist  als  Analogie  für  das  Verschwinden  der 
jodophilen  Substanz  unter  dem  Einflüsse  der  Gonokokken  auf 
den  Auflösungsprozeß  der  Granulationen  in  den  Leukocyten 
hinzuweisen,  der  in  den  Zellen  des  gonorrhoischen  Eiters  zur 
Vakuolisierung  fuhrt  und  wohl  auch  auf  der  spezifischen 
Tätigkeit  der  Gonokokken  beruht. 


über  die  jod.  Substanz  in  den  LenkooTten  des  gon.  Eiters.      279 

Da  nach  dem  Vorgänge  von  Ehrlich  die  jodophfle 
Substanz  als  Glykogen  angesprochen  wird,  so  habe  ich  yer- 
sncht,  Oonokokkenreinknlturen  einen  Zusatz  von  Glykogen  zu 
geben,  um  dessen  Sakcharifizieruog  im  Reagenzglas  nachzu- 
weisen ;  leider  hat  in  meinen  Versuchen  der  Glykogenzusatz  das 
Wachstum  der  Gonokokken  gehemmt,  so  daß  diese  Möglichkeit 
der  Verifizierung  obiger  Annahme  bisher  gescheitert  ist 

Da  der  direkte  Nachweis  der  Sakcharifizierung  der  jodo- 
philen  Substanz  durch  die  in  die  Zellen  eindringenden  Gono- 
kokken nicht  gelungen  ist,  so  mufi  doch  die  Annahme  er- 
wogen werden,  ob  nicht  die  Gonokokkentoxine,  die  in  der 
Zelle  gebildet  werden,  ein&ch  die  jodophile  Substanz  lösen 
oder  sie  in  einer  solchen  Art  bildeu,  daß  sie  ihre  Reaktions- 
fähigkeit für  Jod  verliert. 

Jedenfalls  ist  die  Frage,  ob  die  jodophile  Substanz  ein 
Reservestoff  der  Zelle  sei,  der  durch  die  Tätigkeit  der  Gono- 
kokken aufgebraucht  wird,  oder  ob  die  jodophile  Substanz 
unter  dem  Einflüsse  des  Gonokokkentoxins  in  eine  allotrope, 
nicht  jodophile  Modifikation  übergeht,  einer  neuerlichen  Unter- 
suchung wert 

Es  ist  noch  die  Frage  zu  erörtern,  woher  diese  Speicherung 
der  jodophilen  Substanz  kommt. 

Der  Nachweis  von  Katsurada,  daß  die  polynukleären 
Leukocyten  in  den  ersten  Stunden  nach  der  Emigration  frei 
Ton  jodophiler  Substanz  sind,  einige  Stunden  darauf  jodophil 
werden,  und  bei  der  Degeneration  die  jodophile  Substanz  yer- 
lieren,  hat  ihn  zur  Annahme  geführt,  daß  die  Zellen,  die 
durch  irgendwelche  Ursachen  eine  gewisse  Zeit  in  einem  un- 
vollkommenen Ernährungszustände  bleiben  und  sich  nicht 
weiter  entwickeln,  zur  Ablagerung  you  Glykogen  in  ihrem 
Protoplasma  neigen.  Ebenso  sah  Gierke,  daß  bei  experimen- 
teller Verminderung  der  Blutzufnhr  infolge  der  mangelhaften 
Ernährung  in  den  Zellen  Glykogen  auftrete,  und  daß  es  bei 
der  Degeneration  der  Zellen  verschwinde. 

Es  scheint  somit  das  Auftreten  der  jodophilen  Substanz 
auf  die  Lebenstätigkeit  der  Zellen  selbst  zurückzufuhren  zu 
sein;  es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  entsprechend  der  An- 
schauung   Ton    Kamin  er,   eine   Wanderung    der   jodophilen 


280  Winkler. 

Substanz  aus  ihren  physiologischen  Ablagemngssorten,  etwa 
aas  dem  Enochenmarke,  in  die  Leukocyten  erfolge ;  es  handelt 
sich  wohl  um  einen  Metabolismus  der  Leukocyten. 
Gerade  die  Erscheinung,  daß  die  jodophile  Substanz  inner- 
halb der  ganzen  Zelle  verteilt  scheint  und  sich  nur  unter 
bestimmten  Umständen  kömig  oder  schollig  ablagert,  spricht 
wohl  dafür,  dafi  das  ganze  Protoplasma  der  Zellen  im  stände 
ist,  jodophile  Substanz  zu  bilden  und  dafi  die  Plasmosomen 
der  Leukocyten,  an  denen  vorwiegend  die  körnige  Ablagerung 
erfolgt,  nur  die  Kristallisationspunkte  sind,  um  welche  herum 
die  Granulierung  der  jodophilen  Substanz  von  statten  gehen  kann. 
Jedenfalls  scheint  die  Ansicht  von  Ehrlich^)  sehr  be- 
merkenswert, dafi  die  Jodfarbbarkeit  der  Leukocyten  wenigstens 
zum  Teile  durch  die  Verankerung  der  Bakterientozine  an  die 
Zellrezeptoren  bedingt  sei,  und  dafi  wir  in  der  Jodreaktion 
der  Leukocyten  den  erkennbaren  Ausdruck  fiir  diese  Ver- 
ankerung haben,  für  welche  bisher  jedes  morphologische 
Symbol  gefehlt  hat.  Wenn  diese  Anschauung  richtig  ist^  dann 
nimmt  die  hier  gefundene  Tatsache,  dafi  die  grobgranulierteo 
Zellen  frei  von  Jodreaktion  sind;  eine  biologisch  wichtige 
Stellung  ein,  weil  sie  zeigt,  dafi  die  grobgranulierten  Zellen 
keine  Bakterientoxine  zu  binden  vermögen;  und  die  weitere 
Tatsache,  dafi  die  mit  Gonokokken  erfüllten  Zellen  ihre 
Jodophilie  verlieren,  würde  im  Lichte  der  Ehrlich  sehen 
Anschauung  vielleicht  auch  eine  prinzipielle  Wichtigkeit  ge- 
winnen, indem  durch  die  Lebenstätigkeit  der  Gonokokken  die 
Verankerung  ihrer  Toxine  selbst  gelöst  würde. 


^)  Yerhandlangen  des  Kongresse«  für  inn.  Mediz.  1902.  p.  184. 


Besondere  SyphüisMe. 


Von 


Dr.  Moriz  Porosz, 

SpesiaUrst  in  Budapest. 


Oltamare  schildert  in  dem  heurigen  Jahrgang  der 
^Annsles  de  Dermatologie  es  de  Syphilographie*'  einen  Ulcus 
dnnim-Fall,  bei  dem  typische  Lues,  selbst  nach  Jahren,  nicht 
aufgetreten  ist.  Beim  Lesen  dieser  Schilderung  fielen  mir 
meine  Fälle  ein,  unter  anderen  auch  ein  solcher,  bei  dem  alle 
Zeichen  der  allgemeinen  Lues  aufgetreten  sind,  aber  bei  dem 
eine  entsprechende  Liduration  gefehlt  hat.  Ich  unterzog  den 
Fall  einer  genauen  Beobachtung,  suchte  und  forschte  an  den 
Stellen,  wo  die  Induration  auftreten  sollte,  aber  eine  solche 
war  nicht  zu  finden.  Auch  in  zwei  anderen  Fällen  fand  ich 
keine.  Aber  es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  doch  eine  vor- 
banden  war. 

Hier  mögen  ihre  Krankengeschichten  folgen. 


I. 

Lues   ohne  Indaration. 

Ein  82  jähriger  janger  Mann  meldete  sich  bei  mir  mit  einem  seit 
8 — 10  Tagen  bestehenden  Leiden.  Er  gab  an,  er  habe  vor  drei  Wochen 
znm  letsten  Male  koitiert,  and  daß  8 — 10  Tage  sp&ter  anf  den  Genitalien 
ein  jackender  Ausschlag  aufgetreten  ist,  der  sich  selbst  bei  ftntlioher 
Behandlong  stetig  yersohlimmert  hat.  Sein  Zustand  war  folgender:  Auf 
der  dorsalen  Seite  des  Penis  waren  linsengrofie,  stellenweise  susammen- 
fließende,  bohnengroße,  rundliche,  rosenfarbige,  rötliche,  auf  der  Ober- 


282  Porosi. 

fliehe  sich  flaeh  erhebende,  weieh  infiltrierte  jackende  Papeln  nehtber. 
Ton  diesen  16—20  Papeln  saßen  4^5  anf  dem  oberen  Bande  des  be- 
haarten Mons  veneris  nnd  die  anf  dem  Radix  sitzenden  waren  mit  einer 
braanrötlichen  Borke  bedeckt.  Das  Ganxe  bot  ein  Tollkommen  ent- 
sprechendes  Bild  des  papnlösen  akaten  Ekzems. 

Anf  Salbenbehandlnng  wurden  die  Papeln  blaß  nnd  das  Jacken 
hörte  anf,  nar  die  Ulzera  blieben.  Mit  StreapalTcr  behandelt  Terheilte 
auch  die  nlzeröse  Stelle  am  Frenalami  nar  am  Radix  war  eine  schmatsige 
wände  Stelle.  Nach  Stftgiger  Behandlang  reiste  der  Patient  in  eine 
Proyinzstadt  und  kam  10  Tage  später  zorflck,  weil,  wie  er  sagte,  das 
Jacken  auf  den  Genitalien  aufhörte,  aber  sich  in  der  Achselhöhle 
und  ringsherum  am  den  Rumpf  wieder  eingestellt  hat.  Auf  diesen 
Stellen  waren  blasse,  rosenfarbige,  stellenweise  gelblichbrannci  flache, 
sich  nicht  erhebende  Flecken,  die  auf  Druck  erblaßten.  Nach  den  emp- 
fohlenen Bädern  und  der  Behandlung  mit  Schwefelsalben  hörte  das 
Jucken  auf.  aber  das  Exanthem  yerbreitete  sich,  namentlich  auf  dem 
Rficken,  in  der  Ereozgegend,  riel  weniger  auf  den  Extremitäten  und 
Hoden.  Der  Kehlkopf  war  empfindlich,  ein  wenig  hyperämisoh.  Indu- 
ration war  nirgends  zu  finden.  Die  Drusen  in  der  Leistengegend  waren 
angeschwollen  und  empfindlich. 

Zwei  Wochen  später  war  das  Exanthem  erhaben  kupferrot^ 
beim  Drucke  blieb  die  Farbe  bestehen  und  es  war  auch  festerer  Kon- 
sistenz, im  Rachen  und  im  Munde  waren  typische  luetische  Plaque«. 
Der  aaf  dem  Radix  befindliche  Abszeß  war  im  Heilen  begriffen,  im 
Snlous  hingegen  war  ein  bis  auf  die  Glans  sich  erstreckender  länglicher, 
schmutziger  Abszeß,  der  keine  Spur  von  Induration  zeigte  und  dessen 
Umgebung  gar  nicht  entsftndlioh  infiltriert  war. 

Ich  wendete  Enesoli^jektionen  an.  Die  Abszesse  ▼erheilten  nach 
einwöchentlicher  Behandlung,  die  Plaques  verschwanden  nach  Pinselungen 
mit  Ghromsäare,  der  papulöse  Ausschlag  wurde  blaß  und  nur  pigmentierte 
Flecken  blieben  an  seiner  Stelle. 

Nach  der  21.  Injektion  riß  der  Patient  beim  Baden  die  trockene 
Epithelschichte,  die  auf  der  dorsalen  Seite  des  Sulcns  war,  ab  und  an 
dessen  Stelle  war  eine  Exkoriation.  Sie  überging  dann  in  ein  Gesohwor, 
das  sich  in  die  Tiefe  verbreitete.  Trotz  der  fortgesetzten  Injektionen 
verblieb  hartnäckig  eine  kleine,  bohnengroße  wunde  Stelle,  Nach  der  SO. 
Injektion  verbreitete  es  sich  nicht  mehr,  verheilt  aber  auch  nicht  und  in 
diesem  Zustande  verreiste  der  Patient  Es  heilte  erst  drei  Wochen  nach 
der  Injektionskur,  nachdem  der  Patient  frei  von  allen  luetischen  Symp- 
tomen war. 

Das  Interessante  an  dem  Falle  besteht  darin,  daß  trotz  der  streng- 
sten Rigorosität  keine  Induration  zu  finden  war.  Das  erste  Symptom, 
das  an  Papeln  erinnerte,  trat  8 — 10  Tage  nach  dem  Goitas  auf.  Allem 
Anscheine  nach  waren  sie  ekzematösen  Charakters.  Sie  verschwanden  auch 
nach   einer    spezifischen    Behandlung.    Das    aaf    dem    Radix    sitaende 


Besondere  Syphilislalie.  283 

Gesehwfir  trug  den  Charakter  des  weichen  ülcufl,  das  aber  erst  nach  der 
iDJektionskur  vollkommen  yerheilte. 

Die  nachträgliche  ülzeriernng  der  Indoration  ist  bekannt.  In 
diesem  Falle  war  aber  auf  der  Stelle  des  sp&ter  aufgetretenen  Ulcus 
keine  Induration. 

Das  angewöhnliche  Auftreten  des  luetischen  Exanthems,  das  damit 
einhergehende  Jucken  und  der  äußere  Charakter  imponierte  als  Derma- 
tomykosis.  Wie  es  scheint,  traten  die  Papeln  an  dieser  Stelle  auf,  das  heißt 
sie  Terwandelten  sich  in  luetische  Papeln.  Oder  das  Luesexanthem  stellte 
sich  in  transformierter  Form  dar. 

Der  Widerstand  des  während  der  Behandlung  entstandenen  Ulcus 
gegen  die  Quecksilberkur  und  der  Umstand,  daß  es  auch  später  yerblieb, 
zeigt,  daß  es  nicht  luetischen  Ursprungs  war.  Beim  weichen  Ulcus  ist  die 
Infektion  unverständlich  und  auch  die  Möglichkeit  einer  genitalen  In- 
fektion kann  als  ausgeschlossen  betrachtet  werden.  Wie  es  scheint,  tritt 
Lues  auch  ohne  Induration  auf 

Sehr  lehrreich  wären  die  diesbezüglichen  Erfahrungen  der 
Spezialärzte. 


IL 

Lues   ulcerosa   linguae   nach   unbekannten  Autezedentien. 

Im  frfiher  erwähnten  Falle  konnte  ich  mich  davon  Aberzeugea, 
daß  der  Patient  keine  Induration  hatte.  In  diesem  Falle  ist  meiue 
Überzeugung  nicht  so  fest,  aber  es  ist  wahrscheinlich,  daß  es  so  war. 
Ein  28jähriger  Rechtsanwalt,  den  ich  wegen  chronischer  Blennorrhoe 
wochenlang  behandelte,  dessen  nackten  Körper  ich  wochenlang  gesehen 
habe,  klagte  eines  Tages  über  Schmerzen  an  der  Zunge.  Auf  der  Zunge 
ist  ein  oberflächliches  Ulcus  sichtbar,  das  sich  bei  Behandlung  (Pin- 
selungen mit  Milchsäure,  Chromsänre)  verschlimmerte  und  sich  in  die 
Tiefe  verbreitete.  Nach  8— 4wöchentlicher  erfolgloser  Behandlung  wurde 
mein  Verdacht  auf  Lues  gelenkt.  Nach  Aussage  des  intelligenten,  furcht- 
samen Patienten  hatte  er  niemals  ein  Geschwür,  von  einem  Exanthem 
hatte  er  keine  Ahnung  und  hatte  nie  Halsschmerzen.  Ich  selbst  sah  ihn 
oft,  aber  ich  sah  weder  ein  Geschwür,  noch  ein  Exanthem  an  ihm.  Die 
Drüsen  in  der  Inguinalgegend  waren  nicht  infiltriert,  man  konnte  nur 
schwer  eine  oder  die  andere  beim  Betasten  entdecken. 

Trotz  alledem  war  der  Verdacht  nicht  geschwunden.  Ich  wollte 
eine  Blutuntersuchung  vornehmen  lassen,  aber  auch  der  betreffende 
Kollege  hielt  das  Ulcus  entschieden  für  luetisch. 

Nach  antiluetischer  Kur  (Enesolinjektionen)  verschwand  das  Ulcus 
bald.  Einige  Monate  später  hatte  ich  Gelegenheit  auf  dem  Gaumen- 
bogen luetische  Plaques  zu  sehen. 


284  Porosz. 

Ex  jayantibas  konnte  der  laetitche  C^artkter  das  Geschwfires  fest- 
gestellt werden.  Die  Ursache,  die  Zeit  des  Auftretens  der  Lnes  blieb 
unbekannt. 

Der  Patient  yerkehrte  seit  anderthalb  Jahren  ausschliefllieh  mit 
einer  Frau. 

Daraus  ist  ersichtlich,  daß  man  mit  gehöriger  Umsicht  auch  ohne 
Anamnese  Lnes  diagnostisieren  kann,  wie  man  •»  leider  oft  —  auf  dieser 
Basis  eine  falsche  Diagnose  macht. 

Vielleicht  ist  das  die  Ursache  der  vielen,  fOr  luetisch  gehaltenen 
Tabes-  und  ParalyseAlle. 


III. 

Lues  mit  protrahierter  Entwicklung  nach   einer  Infektion 

unbestimmten  Datums. 

(Schmerzhafte  Drüsen,  Exanthem  mit  Schüttelfrost,  krouppartige 
Racbensymptome.  Auf  luetischer  Basis  entwickelte  Psoriasis  auf  dem 
Rücken.) 

Ein  88 jähriger  Mann,  verheiratet,  meldet  sich  Ende  Oktober  1905 
nach  vorangehendem  Nässen  und  Jucken  im  Einschnitte  über  der  Kektum- 
öfihung  wegen  eines  Einrisses  daselbst.  lofolge  der  Behandlung  heilte 
wohl  die  Stelle,  aber  langsam ;  gleichzeitig  zeigte  die  dem  oberflächlichen 
epithellosen  Teil  entsprechende  wunde  Stelle  eine  tiefe  Furche.  Nach 
Behandlung  mit  Präzipi tatsalbe  verheilte  sie,  aber  sie  riß  mehrere  Male 
wieder  ein,  wenn  Pat.  nach  dem  Stuhlgange  die  Reinigung  nicht  mit  ge- 
höriger Vorsicht  vornahm. 

Am  20.  November  fiel  er  angeblich  von  einer  Leiter.  Wegen  einer 
Drüsenanschwellung  in  der  linksseitigen  Inguinalbeuge  war  ihm  das 
Gehen  beschwerlich  und  schmerzhaft.  Ruhe,  Kompressen,  Behandlung 
mit  Jodsalbe  war  von  Erfolg  und  ein  kaum  tastbarer,  bohnengroßer 
Überrest  der  Drüse  war  fühlbar.  Am  26.  Dezember  war  die  Drüse  nach 
dem  Schlittschuhlsufen  wieder  schmerzhaft,  nußgroß.  Er  war  unfidiig 
zu  gehen  und  wendete  sich  wegen  allgemeinen  Unwohlseins  an  einen 
Arzt.  Am  anderen  Tage  nachmittags  stellte  sich  eine  mit  Schüttelfrost 
beginnende  Temperaturerhöhung  ein,  die  bis  38*7^  stieg.  In  der  Drüse 
ist  keine  Fluktuation  fühlbar.  Da  er  sich  nicht  lange  vor  dem  Falle 
auf  dem  Lande  aufgehalten  hat,  und  die  Temperaturerhöhungen  mit 
Schüttelfrost  sich  drei  Tage  lang  in  derselben  Stunde  einstellten,  dachte 
ich  an  Malaria  und  griff  zur  üblichen  Ghininbehandlung.  Am  fünften 
Tage  trat  der  Schüttelfrost  früher  auf.  Vom  sechsten  Tage  angefangen 
stellten  zieh  geringfügigere  Temperaturerhöhungen  ohne  Schüttelfrost  ein, 
aber  sie  stiegen  nicht  höher  als  88*7°. 


Besondere  Syphilisfalle.  28Ö 

Das  abgehaltene  Konsilium  glanbte  eine  in  der  Tiefe  der  Drfise 
befindliche  Eiterung  annehmen  zu  sollen.  Nach  Anwendung  von  Alkohol- 
kompressen und  nach  Biersoher  Behandlung  besserte  sich  der  Zustand 
nach  und  nach,  die  Drusen  worden  kleiner,  aber  auch  die  schon  frfther 
sichtbare  Hyperämie  des  Rachens,  seine  Schmershafügkeit  und  die  sich 
dasn  gesellten  Ohrenschmerzen  traten  neben  den  anderen  Symptomen  in 
den  Vordergrund.  Der  Patient  kümmerte  sich  jetzt  nicht  mehr  viel  um 
die  Drüsen.  Der  konsaltierte  Ohrenarzt  fand  keine  Symptome  einer 
Entzündung  respektive  Eiterung.  Die  unregelmäßigen  Fiebererscheinungen 
führte  er  auf  das  Rachenleiden  zurück. 

Das  Fieber  hielt  drei  Wochen  mit  Ohren-  und  Kopf^ißen  an. 
Deshalb  bekam  er  viele  Antipyretika.  Phenacetin,  Salioyl,  China 
Decoct,  Aspirin,  Pyramiden  zumeist  mit  Morphium  zusammen.  In  einer 
unruhigen,  qualvollen  Nacht  nahm  er  in  1 — 2  Stunden  4—5  Pulver  ein, 
worauf  am  andern  Tage  Morgen  ein  rosenfiirbiges  fleckiges  Erythem  auf 
dem  Gesichte  auftrat,  1 — 2  Tage  später  auf  den  Armen,  wieder  2 — 3 
Tage  später  auf  dem  Hodensacke.  Stellenweise  trat  starkes,  stellenweise 
wieder  schwaches  Jucken  auf  und  erstreckte  sich  zerstreut  auf  den 
ganzen  Leib. 

Das  war  ein  offenkundiger  Beweis  für  eine  Intoxikation.  Drei 
Wochen  später  traten  nach  Aufboren  des  Fiebers  im  blaß  gewordenen 
Pharynx  kleine  weiße  Punkte  auf.  Diese  stecknadelkopfgroßen  Paukte 
wuchsen  in  drei  Tagen  zu  einem  dicken,  schmutzigen,  gräulichen 
Belag  an.  Diese  Symptomengruppe  wiederholte  sich  und  zeigte  ein 
ganz  diphtherieartiges  Bild.  Sie  verlief  ganz  fieberlos.  Nach  Gurgelungen 
und  Pinselung  nahm  der  erste  Belag  ab,  aber  es  trat  wieder  ein  neuer 
auf.  Wegen  Klarstellung  des  Rätselhaften  in  diesem  Bilde  wurde  ein 
hervorragender  Kinderarzt  konsultiert.  Er  fand  die  Erscheinung  der 
Krankheit  für  ungewöhnlich,  aber  das  Bild  fand  er  für  diphtheritisartig. 
Versuchsweise  gaben  wir  zwei  Serumiojektionen,  nach  denen  nur  eine 
unwesentliche  Besserung  eintrat,  weshalb  wir  dann  die  Injektionen  ein- 
stellten. Während  dieser  Zeit  ließen  wir  durch  den  üniversitätsassistenten 
des  bakteriologischen  Instituts  eine  Kulturuntersuchung  yornehmen,  die 
für  Diphtherie  negativ  war.  Er  nahm  auch  die  Untersuchung  auf  Spiro- 
chaeten  vor.  Das  aus  dem  Rachen  genommene,  zerriebene  Präparat, 
so  auch  die  Untersuchung  des  aus  den  flach  und  gelbliohbraun  geworde- 
nen Papeln  genommene  Blut  blieb  vollkommen  negativ.  Es  fiel  aber 
auf,  daß  bei  der  mit  ätherischer  Watte  vorgenommenen  Reinigung  das 
dünne  Epithel  der  Papeln  nach  einfachem  Reiben  sich  loslöste  wie  ein 
dünnes  Seidenpapier.  Der  Ausschlag"  auf  dem  Rücken  juckte  stark.  Da  ich 
das  Leiden  für  eine  akute  Infektionskrankheit  oder  noch  eher  für  Lues 
hielt,  gab  ich  dem  Patienten  eine  arsensaure  Quecksilberinjektionen  (Enesol). 
Der  Zustand  besserte  sich  zusehends.  Später  erkannte  auch  ein  Syphilo* 
dologe  in  dem  Leiden  eine  Syphilis  von  außergewöhnlicher  Form.  Die 
Injektionskur  konnte  an  dem  mageren  Manne  nicht  energisch  durch- 
geführt werden.    Das  Allgemeinbefinden  war  gut,  nur  auf  dem  Rücken 


286  Porost. 

nahm  das  Jucken  langsam  ab  und  der  Ansschlag  yerbreitete  sich,  bis 
er  endlich  das  Bild  einer  typischen  Psoriasis  seigte  mit  talerg^fienf 
stellenweise  sich  berührenden  Plaques,  mit  mäßigem  Jacken.  Den  ab- 
gemagerten Patienten  schickte  ich  nach  Hall.  Unterwegs  konsultierte  er 
einen  Wiener  Syphilodologen,  der  ihm  —  so  wie  ich  —  empfahl,  sich 
mit  der  Psoriasis  nicht  sa  befassen.  In  Hall  befolgte  sein  Arxt  anoh 
diesen  Rat  Schmierkoren,  Trinken  Ton  Jodwasaer,  Bäder  stellten  den 
Patienten  vollkommen  her  und  er  kam  geheilt  nach  Hause.  Wie  man 
ex  jnrantibus  feststellen  konnte,  war  auch  die  auf  dem  Rücken  befind- 
liche Psoriasis  ein  transformirtes  luetisches  Exanthem. 

Interessant  ist  an  dem  Falle,  dafi  die  Entwicklung  des  Exanthems 
mit  dreiwöchentlichem  Fieber  einhergegangen  war,  daß  es  drei  Tage  lang 
pünktlich  mit  Schüttelfrost,  später  nur  mit  Frösteln  auftrat. 

Der  Zustand  der  Inguinaldrüse  war,  wie  es  scheint,  ein  zur  Lues 
gehöriges  Symptom,  dessen  Ursprung  wir  nur  in  dem  Risse  am  untern 
Rande  des  Os  sacrum  annehmen  können.  Für  diese  Annahme  bietet  einen 
Anhaltspunkt  das  langsame  Heilen  des  Risses. 

Interessant  ist  auch  die  Qualität  des  Ausschlages  und  seine 
psoriasisforme  Umwandlung  auf  dem  Rücken. 

Ungewöhnlich  sind  auch  die  Rachensymptome  mit  dem  kroupp- 
artigen  Belage. 

Die  Zeit  der  Infektion  ist  unbekannt.  Der  Patient  ist  Tcrheiratet. 
Seine  Frau  ist  gesund.  Er  hatte  außer  dem  Risse  um  den  Mastdarm 
kein  Geschwür,  keine  Induration.  Auch  die  angegebenen  Zeitpunkte 
sind  ungewöhnlich. 

Der  Riß  dauerte  zwei  Monate,  von  Ende  Oktober  bis  Ende  Januar. 

Die  Drüse  war  etwa  am  20.  November  schmerzhaft,  drei  Wochen 
nach  dem  Einrisse.  Sie  erneuerte  sich  dreimal  und  heilte  wieder.  Am 
25.  Dezember  war  Patient  wieder  bettlägerig  und  einige  Tage  später 
verkleinerte  sich  die  Drüse  und  wurde  auch  weich. 

Seither  trat  bei  dem  Patienten  eine  luetische  Iritis  auf,  die  nach 
einer  Schmierkur  verschwand.  Auch  luetische  Plaques  waren  im  Munde, 
mehrere  Male  traten  auch  Aphthae  auf,  die  sich  oberflächlich  zu  größeren 
Ulcera  umwandelten.   Nach  der  Behandlung  heilten  sie  rasoh  und  leicht 

Nach  einer  neuen  Kur  in  Hall  kam  er  gestärkt  und  fetter  nach  Haus. 

Darüber,  wie  die  Infektion  zu  stände  gekommen  ist,  haben  wir 
keine  Daten. 

Wie  ersichtlich  ist,  kann  die  atypisch  verlaufende  Lues,  ohne 
Induration,  zu  vielen  Irrtümern  Anlaß  geben. 

IV. 

Wie  lange  bleibt  die  Spirochaete  im  Smegma  lebensfähig? 

Vor  einigen  Jahren  meldete  sich  bei  mir  ein  30 jähriger  junger 
Mann  mit  einem  typischen  Ulcus  raolle.    Er  gab  an,  er  habe  vor  vier 


Besondere  Sypfailisfalle.  287 

Wochen  zu  allerietst  koitiert  und  habe  sich  eine  Woche  sp&ter  mit  einem 
Ulcns  an  einen  Arst  gewendet.  Mit  den  erhaltenen  Medikamenten 
erreichte  er  nichts,  denn  das  Ulcas  wurde  immer  größer.  Das  Geschwür 
nngef&br  in  der  Mitte  des  Dorsnms  war  sehr  hartnackig  nnd  ich  über- 
nahm später  die  Behandlnng.  Die  angewendeten  Medikamente  fixierte 
ich  mit  einem  Verbände,  den  ich  selbst  appHsierte  nnd  abnahm.  Vier 
Wochen  sp&ter  war  der  Absseß  verheilt.  Um  diese  Zeit  sollte  auch  eine 
Abnormalität  behoben  werden.  Auf  der  seitlichen  Hälfte  des  Sulcus 
corouarius  war  eine  zentimeterbreite  HautbrAcke,  die,  wenn  sich  Erektio- 
nen einstellten,  die  Glans  auf  eine  Seite  zog.  Unterhalb  dieser  Haut- 
brficke  konnte  man  die  Knopfsonde  durchführen  und  viel  schmutziges 
Smegmamaterial  entfernen.  Das  Durchschneiden  dieser  Hautbrücke  fand 
ich  nach  dem  Verheilen  nicht  empfehlenswert.  Nach  gehöriger  und 
mehrfacher  Reinigung,  nachdem  das  Pflaster  yon  der  mit  stärker 
gewordenem  Epithel  bedeckten  Stelle  entfernt  wurde,  durchschnitt  ich  — 
zwei  Wochen  nach  der  Epithelbildung  über  einer  Hohlsonde  mit  einem 
Messer  die  Hautbrücke.  Nach  der  sorgfältigen  Reinigung  mit  Sublimat 
legte  ich  einen  Sublimatverband  an.  Die  Ränder  der  dünnen,  schmalen 
Wunden  konnte  ich  wegen  ihrer  Geringfügigkeit  nicht  mit  einer  Naht 
vereinigen.  Die  so  entstandenen  zwei  Wanden  zeigten  schon  einige  Tage 
später  statt  einer  lebhaften  Granulation  ein  speckiges  Ausseben. 
Der  Zustand  veränderte  sich  nicht  sonderlich.  10—14  Tage  später  mußte 
der  Patient  verreisen  und  ich  überließ  ihm  die  Behandlung  mit  einem 
Pflaster.  Eine  Woche  später  kam  er  wieder  und  die  Wunden  waren  schön 
geheilt.  Mit  gewisser  Befriedigung  nahm  ich  dies  zur  Kenntnis,  denn  es 
war  mir  schier  unerklärlich,  daß  der  Heilungsprozeß  so  langsam  vor  sich 
ging.  Ein  bis  zwei  Wochen  rührte  sich  nicht  einmal  die  Wunde,  die  ich 
gemacht  hatte.  Beim  Betasten  fiel  mir  auf,  daß  die  Konsistenz  an  eine 
Induration  erinnert.  Eine  Woche  später  sah  ich  das  Bild  eines  typischen 
papulo-erythematösen  Syphilids. 

Der  langsame  Heilungsprozeß  der  frischen  Wanden  wurde  so 
erklärlich. 

Dagegen  wurde  anderes  unerklärlich. 

Wie  konnte  die  syphilitische  Infektion  entstehen? 

Der  Patient  konnte  während  der  Behandlung  nicht  koitieren  und 
er  koitierte  auch  nicht,  wie  er  sagte.  Der  mit  einem  Pflaster  oder  einem 
Verbände  versehene  Penis  war  fär  den  Akt  nicht  geeignet.  Ohne  Pflaster 
war  er  bis  zum  Operationstage  nicht. 

Der  Verdacht  könnte  sich  auf  die  Instrumente  lenken.  Da  muß 
ich  aber  bemerken,  daß  sie  vor  dem  Gebrauch  rot  geglüht  worden  sind. 
Das  pflege  ich  immer  so  zu  machen.  Selbst  nach  dem  Gebrauche  pflege 
ich  sie  zu  glühen.  Daß  dies  der  Fall  war,  ist  daraus  ersichtlich,  daß 
der  Patient  fragte,  waram  mein  Messer  so  blau  ist.  Ich  sagte  ihm,  es 
wurde  geglüht,  und  so  hatte  er  dann  noch  Bedenken,  daß  ich  ihn  mit 
dem  glühenden  Messer  operieren  werde. 


^ 


288  Porois. 

£i  bleibt  nichts  «nderes  übrig,  als  an  das  sohmnlzige  Smegaoa 
nnter  der  Hant  sa  denken,  das  man  yor  dem  Operieren  nicht  gehörig 
entfernen  konnte  nnd,  wie  es  scheint,  war  nach  dem  Operieren  die 
Reinigung  nicht  ausreichend,  trotcdem  sie  in  entsprechender  Weise  vor- 
genommen worden  ist.  Mit  Bücksicht  darauf  legte  ich  einen  nassen 
Snblimatyerband  an.  Der  weiche  Sohanker,  an  dessen  Infektion  man 
denken  konnte,  infisierte  nicht;  er  yemarbte  ohne  Induration  und  statt 
ihrer  trat  eine  syphilitische  Infektion  auf. 

Ab  er  in  mir  kam,  hatte  der  Patient  yier  Wochen  Mher  sum 
letsten  Male  koitiert;  yier  Wochen  dauerte  die  Heilung,  weitere  zwei 
Wochen  war  ein  Pflaster  angebracht  und  etwa  yier  Wochen  nach  der 
Operation  war  das  Syphilid  siebtbar,  su  dem  sich  sp&ter  Plaques  gesellten. 
Also  14  Wochen  nach  dem  Goitus  und  4  Wochen  nach  der  Operation 
entwickelte  sich  das  Bild  der  Lues. 

Ich  erkläre  mir  den  Fall  so:  Die  jetst  erkannten  Spirochaeten 
konserrierten  10  Wochen  lang  im  Smegma  ihre  Iniektionsf&higkeit  und 
waren  im  lebensfähigen  Zustande.  Nach  10  Wochen  kamen  sie  durch 
das  operatiy  geöfinete  Tor  in  den  Orgsnismus,  was  die  Beinigung  mit 
Sublimat  und  der  nasse  SnbÜmatyerband  nicht  yerhindem  konnte. 

Eine  interessante  Frage  harrt  der  Lösung:  1.  Wie  lange  erhalten 
die  Spirochaeten  im  Smegma  ihre  Infektionsfähigkeit?  2.  Vermehren 
sie  sich  im  Smegma?  Ist  zu  erwarten,  daß  die  Versuche  im  großen  Stile 
eine  Antwort  aaf  diese  Frage  geben  werden? 


BericM  ülier  die  Lelstung'eii 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  »Syphilis. 


Arch.  f.  D«rmat.  o.  Syph.  Bd.  LXXXIX.  ^9 


Bericht  über  den  VI.  internationalea  Dermatologen- 

Kongress  in  New-York. 

Von 

Dr.  IS^euberger,  Nürnberg. 


Der  vom  4.  bis  zam  14.  Seplember  ia  New- York  abgehaltene  in- 
ternationale Dermatologenkongreß  nahm  nach  jeder  Richtang  hin  einen 
überauB  glänzenden  Yerlaaf.  Die  Gesamtheit  der  amerikanischen  Dermato- 
logen hatte  sich  sum  Eongrefi  eingefunden,  und  wies  schon  dadurch  allein  die 
Teilnehmerliste  eine  ansehnliche  Anzahl  von  Fachkollegen  auf.  Die  Hoff- 
nungen der  Amerikaner,  daß  sich  viele  europäische  Koryphäen  unserer 
SpezialWissenschaft  in  New-Tork  einfinden  wftrden,  erföUten  sich  leider 
nicht;  das  Häuflein  bekannter  europäischer  Dermatologen  war  außeror- 
dentlich klein.  Von  Italien  waren  Campana  und  Bertarelli,  von 
Frankreich  Hallopeau,  Gaucher  und  Renault  erschienen,  England 
war  durch  Crocker,  Whitfield  und  Taylor,  Deutschland  durch 
Veiel,  Wolff-Straßburg  und  Ho  ff  mann  vertreten,  von  Norwegen 
war  Rasch-Kopenhagen  und  von  Österreich- Ungarn  nur  ein  einziger 
Dermatologe  überhaupt,  Dr.  Pol  1  and -Graz  zugegen.  Trotzdem  war 
meines  Erachtens  die  wissenschaftliche  Darbietung  und  Ausbeute  des 
Kongresses  keine  geringere  als  die  der  früheren  internationalen  Derma- 
tologenkongresse« 

In  erster  Linie  muß  betont  werden,  daß  es  das  Hauptverdienst  des 
überaus  tätigeu  Generalsekretärs  Fordyce-New-York  war,  daß  der 
Kongreß  einen  so  glücklichen  Verlauf  nahm.  Ebenso  kann  nicht  rühmend 
genug  die  vortreffliche  und  geschickte  Leitung  des  Kongresses  durch 
Prof.  James  0.  White -Boston  anerkannt  werden.  Der  Wissenschaft- 
liehe  Teil  des  Kongresses  wurde  in  dem  eigenen  Heime  der  New-Torker 
^Aoademy  of  Medicine*  abgehalten,  und  auch  die  modern  und  komfortabel 
eingerichteten  Räume  dieses  Tagungsortes  trugen  —  trotz  der  recht 
beträchtlichen  Hitze  —  nicht  unwesentlich  zum  andauernd  steten  und 
guten  Besuch  der  Sitzungen  bei. 

Die  Eröffnung  des  Kongresses   wurde    nach  dem  Berichte  des  Gto* 
neralsekretära   und  den  Ansprachen    des  Generalarztes   Rizey,    der  im 

19» 


292  Yerhandlangen 

Auftrage  des  PrUsidenten  RooseTelt  die  Kongreßteilnehmer  begrfifite 
und  daa  groBe  IntereMe  hervorhob,  welches  der  Präsident  gerade  für  die 
medizinische  Wissenschaft  stets  bekunde,  nnd  von  Ira  Remsen,  Prä- 
sident der  Johns  Hopkins -Universität,  der  im  Auftrage  der  amerikanischen 
Universitäten  den  Fachkollegen  Willkommgrüße  entbot,  durch  eine 
groß  angelegte  Rede  vom  Präsidenten  James  C.  White  eingeleitet,  in 
der  die  Entwicklung  unserer  Dissiplin  seit  Ferdinand  Hebras  Wirken 

—  1856/57  war  White  selbst  Schüler  von  Hebra  in  Wien  gewesen  — 
bis  in  die  jetxige  Zeit  in  den  verschiedenen  Ländern  und  besonders  in 
Amerika  dargelegt  wurde.  Ich  muß  es  mir  versagen,  ebenso  wie  im 
weiteren  Berichte  bei  den  übrigen  Referaten  nnd  Vorträgen  auf  Einzel- 
heiten einzugehen,  da  es  sich  ja  hier  nur  um  einen  kurzen,  zusanunen- 
fassenden  Bericht  handelt,  auch  der  größte  Teil  der  Vorträge,  die  auf 
dem  Kongreß  gehalten  wurden,  wohl  als  Original  beitrage  in  den  verschie- 
denen amerikanischen  Journalen  in  extenso  erscheinen  und  dadurch  im 
Archiv  ansfahrlicher  referiert  werden.  Hervorheben  will  ich  nur,  daß 
White  den  Syphilisforschnngen  Neissers  wärmste  Anerkennung  zuer- 
teilte nnd  dem  Bedauern  Ausdruck  verlieh,  daß  Neisser,  durch  seine 
Arbeiten  verhindert,  dem  Kongresse  nicht  anwohnen  konnte. 

Als  Hanptthema  des  Kongresses  war  wohl  »der  gegenwärtige 
Stand  der  Syphilisätiologie*  zu  betrachten.  Erich  Hoffmann 
erstattete  über  oie  Spirochaetenfraga  ein  ausführliches  Referat  da» 
naturgemäß  für  die  Mitglieder  der  deutschen  dermatologischen  GeseUschaft, 
die  ja  auf  dem  Berner  Kongreß  in  detailliertester  Weise  über  sämtliche 
Einzelheiten  der  Bedeutung  der  Spirochaeta  pallida  aufgeklärt  wurden, 
kein  so  großes  aktuelles  Interesse  darbot,  als  für  die  anderen  und  speziell 
die  amerikanischen  Dermatologen.  Besonderes  neues  Material  konnte  ja 
Hoffmann  seit  dieser  Zeit  nicht  bieten.  Immerhin  waren  einzelne  neue 
Befunde,  wie  Spirochaeten  in  Lungenbronchiolen,  in  Haaren  bei  konge- 
nitaler Lues  und  im  Lumen  der  Vene  einer  Sklerose,  recht  interessant, 
ebenso  wie  die  Demonstration  von  Spirochaeten  bei  Dunkelfeldbeleuchtung. 
Auch  Dreyer-Cöln  hatte  mastergültige  Spirochaetenpräparate  aufgestellt, 
darunter  auch  Spirochaetae  refringentes  in  Schnitten  spitzer  Condylome 
(cfr.  Dreyer-Cöln,  dermatol.  Zentralblatt^  Bd.  X,  Heft  2,  1906).  Die 
Befunde  und  Anschauungen  Hoffmanns  wurden  durch  Oskar  T. 
Schulz -Cleveland  im  großen  Umfange  bestätigt,  ebenso  von  Hallopeau, 
der  die  Spirochaeta  pallida  als  .Trepanoma  pallidum''  aufgefaßt 
und  demgemäß  bezeichnet  wissen  will. 

Als  weiteres  Hauptthema  des  Kongresses  waren  die  «tropi sehen 
Hauterkrankungen*  ansersehen,  wozu  Radcliff  Crocker  ein  mit 
Demonstrationen  verbundenes  einfahrendes  Referat  erstattete,  dem  aus* 
führliche  Mitteilungen  amerikanischer  Marineärzte  —  an  der  Spitze  Ri  xley 

—  folgten.  Erwähnenswert  erscheint  mir  der  Vortrag  von  Stiles,  Arzt  am 
öffentlichen  Gesundheitsamt  und  Marinehospital  in  Washington,  der  von 
einer  fär  Amerika  neuen  tropischen  Erkrankung,  der  sogenannten 
„gronnd  itch",   verbunden  mit   „Uncinariasis*,    berichtete,   die  in 


des  Yf.  iotemationalen  DermatologenkoDgresses.  293 

Japan  znent  1906  durch  Ij im a -Tokio  beschrieben  wnrde  and  in  einer 
akneförmigen  Hantentsfindnog  besteht,  welche  dnrch  das  Eindringen  eines 
Wurms  in  das  subkutane  Gewebe  mit  Bildung  massenhafter  Larren  her- 
Torgemfen  wird,  ferner  von  Stitt,  Stabsarzt  der  amerikanischen  Marine, 
der  die  tropischen  Geschwüre  bei  den  Eingeborenen  der 
Philippinen  besprach,  die  in  Guam  „Gangosa**  benannt  werden  und 
trotz  aller  möglichen  therapeutischen  Maßnahmen  —  extern  und  intern  — 
unheilbar  sind,  schließlich  von  Mink -Washington,  der  seine  in  Gemein- 
schaft mit  Mc.  Leau  bearbeiteten  Untersuchungen  über  „Gangosa" 
vortrug.  Dem  Berichte  Minks  war  zu  entnehmen,  daß  „Gangosa**  ein 
spanisches  Wort  ist,  das  „heisere  Stimme **  bedeutet,  da  die  Erkrankung 
fast  immer  in  Geschwürsform  am  weichen  Gaumen,  den  Tonsillen  oder 
der  Uvula  beginnt  und  zu  Tonsillitis,  Pharyngitis  oder  Laryngitis  fahrt 
und  daß  unter  11.000  Bewohnern  von  Guam  wohl  250  an  Gangosa  leiden. 
Die  Erkrankung  fuhrt  zu  schweren  Zerstörungen  des  Gaumens,  Rachens, 
zu  oft  völligem  Verluste  der  Nase  und  unterscheidet  sich  von  Lue?, 
Tuberkulose  und  Lepra.  Hereditat  ist  ätiologisch  nicht  von  Bedeutung. 
Infektiosität  ist  vorhanden  und  Isolierung  in  prophylaktischer  Hinsicht 
notwendig. 

Als  dritter  Hauptgegenstand  des  Kongresses  waren  die  Referate 
der  pathologischen  Anatomen  Councilman-Boston  und  Calkins- 
New-York  über  die  „Erreger  der  Variola*  ausersehen,  die  von  den 
Referenten  mit  Demonstrationen  einer  großen  Fülle  mikroskopischer 
Präparate  (Projektionsbilder)  begleitet  wurden.  Council  man  hält  den 
Oytoryctes  variolae  (Guanieri)  für  den  Erreger  der  Variola  und  will  ihn 
auch  in  einer  gewissen  Entwicklungsform  in  der  Vaccine  auffinden.  Er 
unterscheidet  2  Entwicklungsformen,  die  unvollkommene,  resp.  wahr- 
scheinlich ungeschlechtliche,  die  sowohl  bei  Blattern  als  auch  bei  Vaccine 
beobachtet  werden  kann,  und  die  vollkommene,  weiter  entwickelte,  die 
nur  bei  Variola  in  Erscheinung  tritt  Afifen  sind  für  Blatternimpfungen 
sehr  geeignet,  aber  nur  bei  künstlicher  Übertragung.  Überimpfung  von 
Blatternvirus  auf  Kaninchen  und  Kälber  ergibt  Vaccineerscheinungen 
und  enthält  nur  die  unvollkommene  Entwicklungsform  des  Pockenerregers. 
Oalkins'  mikroskopische  Prüfungen  entsprechen  im  großen  und  ganzen 
den  Anschauungen  von  Gouncilman.  Auch  Galkins  glaubt  auf  Grund 
seiner  Befunde  an  die  ätiologische  Bedeutung  des  Oytoryctes  variolae, 
den  er  in  den  verschiedenen  Entwicklungsformen  anschaulichst  demon- 
striert. So  hochinteressant  auch  die  vorgeführten  Bilder  waren,  so  waren 
sie  doch  nicht  im  stände,  die  Einwürfe  der  Vertreter  anderer  Anschau- 
ungen —  und  solche  traten  in  der  Diskussion  auf  —  zu  entkräften,  die, 
wie  längst  bekannt,  die  Protozoenbildungen  nicht  anerkennen,  letztere 
vielmehr  für  Zelldegenerationen  erachten. 

Zu  den  Einzelvorträgen  übergehend  will  ich  zunächst  die  das 
dermatologische  Gebiet  umfassenden  berühren.  In  therapeuti- 
scher Hinsicht  war  die  von  Wright  und  Douglas  inaugurierte 
Opsonin  methode     mehrfach     Erörterungsgegenstand.      Whitfield 


294  Verhandliiiigen 

•childerte  ausführlich  die  Methode  und  empfahl  sie  voraagsweise  bei 
allgemeiner  Furankolose  und  bei  septiicher  Dermatitis,  während  sie  bei 
Sykosis  und  Akne  vielfach,  bei  Lnpns  ond  Erythems  indnratum  (Basin) 
snmeist  versagte.  Ähnliche  Ergebnisse  ergeben  auch  die  üntersnehnngen 
von  Schamberg-Philadelphia  und  von  Eberts-Montreal  (Ka- 
nada), nur  fand  ersterer  bei  Akne  oft  recht  günstige  Resultate.  Diese 
Mitteilungen  beweisen,  daß,  wenn  auch  das  Gebiet  der  erfolgreichen 
Opsonintherapie  nur  enge  Grenzen  haben  durfte,  der  Wert  der  Opsonin- 
methode  nicht  zu  leugnen  ist  und  ihre  weitere  Prüfung  auf  dem  Gebiete 
unserer  Spezi  aldisziplin  noch  rege  betrieben  werden  muß. 

Sehr  auffallend  waren  die  günstigen  Erfahrungen,  die  Bulkley 
mit  rein  vegetarischer  Kost  bei  Psoriasis  gemacht  haben  will. 
Der  Vortragende  stützte  seine  These  auf  eine  20jährige  Beobachtungsseit, 
so  daß  nabeliegende  Einwände  über  Zufälligkeiten  etc.  nicht  stichhaltig 
sein  konnten.  Führte  Bulkley  die  Psoriasis  schon  auf  Stoffwechsel- 
störungen zurück,  so  glaubte  Johns  ton -New  York  gewisse  Dermatitis- 
formen  auf  größere  Schwankungen  im  Stiokstoffumsatz  zurückfuhren 
zu  können,  was  aber  von  Gau  eher  unter  Hinweis  auf  die  schon  normaler- 
weise vorhandenen  Unregelmäßigkeiten  bezweifelt  wird.  Von  Interesse 
und  der  Nachprüfung  wert  sind  die  Angaben  von  Ravitch-Louisville, 
woDsch  Urticaria  chronica  häufig  —  und  vorzugsweise  bei  Frauen 
—  durch  Störungen  der  Glandula  thyreoidea  bedingt  ist  und 
durch  Schild drüsentherapie  behoben  werden  kann.  Auch  die  Röntgen- 
therapie fand  mehrfach  Erwähnung.  Gampana-Rom  berichtete  über 
Erfolge  bei  Pagets  disease,  Pusey-Ghicago  hat  in  zahlreichen 
Caroinom fällen,  die  zum  Teil  noch  nach  mehr  als  8  Jahren  nach- 
untersucht  wurden,  dauernde  Heilung  beobachtet.  Das  außerordentlich 
reichhaltige  Material  des  Mount  Sinai  Hospital  (Abteilung  von  Lust- 
garten) gab  Samuel  Stern-New  York  Gelegenheit,  ein  Resuine 
über  600  mit  Röntgenstrahlen  und  Hochfrequenzströmen 
behandelte  Dermatosen  vorzutragen,  das  im  wesentlichen  schon 
bekannte  Resultate  zeitigte.  Hervorgehoben  sei,  daß  Stern  bei  Lupus 
erythematodes  Besserungen,  bei  Verrucae  und  Naevi  Heilungen  durch 
Hochfrequenzströme  sah,  daß  Favus  und  Trichophytia  capitis  neben  der 
Röntgentherapie  noch  andere  Behandlungsarten  erheischten. 

Sehr  instruktiv  waren  die  von  Abbe- New  York  demonstrierten 
Moulagen,  welche  die  vom  Vortragenden  gewonnenen  recht  glücklichen 
Resultate  bei  der  Radiumbehandlung  von  Ganor oi den  vor  Augen 
führten.  Das  wohl  bei  weitem  größte  Interesse  in  therapeutischer  Hinsicht 
erweckte  aber  der  Vortrag  von  Charles  T.  Dade-New  York  über 
die  Wirksamkeit  der  flüssigen  Luft  bei  Hautkrankheiten. 
An  einer  großen  Reihe  von  Patienten  demonstrierte  Dade  das  einfache 
Applikationsverfahren,  das  sich  besonders  bei  Ulcera  rodentia,  Lupus 
erythematodes,  Naevi  —  wie  vorgestellte  Fälle  bewiesen  —  aufs  vorteil- 
hafteste bewährt  hatte.    Es  erscheint  mir   zweifellos,   daß   die  „flüssige 


det  VI.  internationalen  DermatoIogenkongresBes.  295 

Lnft"  in  der  Behandlung  der  oben  genannten  Affektionen  noch  in  Zukunft 
eine  große  BoUe  spielen  wird« 

Eine  große  Anzahl  weiterer  gehaltener  Vorträge  besohäftigte  sich 
mit  der  Pathologie  der  Dermatosen.  Towle-Boston  besprach  auf  Grand 
▼on  4  Fällen  die  »hysterische  Hautgangr&n^.  Es  handelt  sich  um 
S  Frauen  und  1  Mann.  Dem  Auftreten  der  Erkrankung  waren  immer 
Traumen  bei  den  hysterisch  veranlagten  Personen  vorausgegangen.  Der 
Gangrän  lagen  artifizielle  Läsionen  su  Grunde.  Referent  beleuchtete 
«Die  Bedeutung  des  Traumas  als  ätiologischer  Faktor  bei 
Hautkrankheiten^  und  leg^e  im  Gegensatz  zu  Heller-Berlin  unter 
Mitteilung  2  eigener  Fälle  Ton  Liehen  planus,  die  nach  Traumen  ent- 
standen sind,  dem  Trauma  eine  größere  Bedeutung  bei.  Eine  einheitliche 
Zusammenstellung  der  in  der  Literatur  versteckten  Beobachtungen 
traumatischer  Beeinflussungen  von  Dermatosen  habe  noch  nicht  statt- 
gefunden, ebenso  haben  viele  Autoren  nach  Ansicht  des  Referenten  ihre 
diesbezüglichen  Beobachtungen  nicht  publiziert.  Zeissler-Ghioago 
und  Ravogli-Cincinnati  reden  einer  in  Zukunft  größeren  Würdigung 
des  Traumas  das  Wort.  Corlett-Gleveland  berichtete  über  ein 
circinäres  bullöses  hämorrhagischesExanthem  septicopyämi- 
schen  Ursprungs,  das  sich  bei  einem  12jährigen  Knaben  im  Anschluß  und 
nach  Abheilung  einer  Schädelschußwunde  entwickelt  hatte  und  den  Exitus 
herbeiführte.  Haase-Memphis  teilte  unter  histologischen  Angaben 
einen  bei  Unna  beobachteten  Fall  von  „Hydroa  puerorum*'  (Unna) 
mit.  Ein  Resumö  aus  10  bereits  publizierten  Fällen  von  Blastomykosis 
trug  Frank  H.  Montgomery-Ghicago  vor.  Ravogli-Cincinnati 
verbreitete  sich  über  2  Beobachtungen  von  Dermatitis  coccidioides, 
einer  Erkrankung,  die  syphilitischen  Ulzerationen  glich,  in  denen  aber 
kulturell  von  Blastomyceten  sich  dififerenzierende  coccidienähnliche  Pro- 
tozoen auffindbar  waren.  Nach  Zeisslers-Chicago  Beobachtungen  ist 
der  Zoster  arsenicalis  als  absolut  sicher  ätiologisch  begründet  zu 
betrachten.  Nicht  weniger  als  llmal  sah  er  das  Zustandekommen  eines 
Zoster  arsenicalis,  der  sich  meist  mehrere  Wochen  oder  Monate 
nach  dem  Beginn  der  Arsentherapie,  also  gewissermaßen  im  Stadium  der 
Maximaldosis  des  Arsens,  entwickelte  und  nach  dem  Ausbruch  trotz 
weiterer  Fortsetzung  des  Arsengebrauchs  nicht  rezidivierte.  Die  prophy- 
laktischen Vorschläge  Gampanas  hinsichtlich  der  Lepraverbreitung, 
die  in  einer  kaustischen  oder  chirurgischen  Zerstörung  des  Initialaffekts 
der  Lepra  bestehen  sollen,  entfesselten  eine  rege  Diskussion,  an  der  vor- 
zugsweise die  bezüglich  der  Lepra  erfahrenen  amerikanischen  Forscher 
Isadore  Dyer-New  Orleans  und  Prince  Morrow-New-Tork 
sich  beteiligten.  Den  G  amp an a sehen  Ansichten  gegenüber  vertreten  die 
letzteren  die  Anschauung,  daß  die  meisten  Initialformen  dem  Arzte  ent- 
gehen, und  daß  die  tuberösen  resp.  makulösen  Primärerscheinungen,  für 
die  die  Gampanasche  Behandlung  in  Frage  kommen  kann  —  im  Ver- 
gleich zn  den  trophischen  Leprafftllen  —  weit  seltener  zur  Beobachtung 
kommen.  Die  Mitteilung  von  Tyzzer-Boston  machte  die  Kongressisten 


296  Yerhandlangen 

mit  einer  in  den  Vont&dten  Botions  seit  einem  Desennium  aoftretenden 
Dermatitis  bekannt^  die  durch  die  Haare  einer  Mottenart  henror- 
gemfenwird,  die  „brown  tail  moth  Dermatitis'.  Ober  die  reizende 
Sabetanz  dieser  Härchen  hat  Tyzser  chemische  üntersnchnngen  ange- 
stellt. Die  Haut-  und  Geschlechtskrankheiten  der  Keger  bieten 
nach  den  statistischen  Aufstellnngen  von  G.  Howard  Fox-New  York 
infolge  anatomischer  und  physiologischer  Differenzen  manche  Eigen- 
tümlichkeiten der  weißen  Rasse  gegenäber.  Psoriasis  ist  bei  Negrem 
außerordentlich  selten,  Syphilis  recht  h&nfig,  besonders  annnläre  Syphilide. 
Acne  indurata  wird  sehr  ofb  beobachtet  und  ist  sehr  hartuäckig.  Zu 
Eeloiden,  Fibromata,  Elephantiasis  disponieren  die  Neger,  ebenso  zu 
Urticaria,  Oedema  angionenroticum  etc.  Die  Statistik  basierte  auf 
2200  hautkranken  Negern.  Hartzell-Philadelphia  trug  über  einen 
Fall  von  multiplem  idiopathischem  hämorrhagischem  Sarkom 
vor,  der  durch  Röntgenstrahlen  günstig  beeinflußt  wurde.  Pollitzer- 
New-Tork  besprach  als  neue  Form  von  „Tuberkuliden''  Haat- 
effloreszeuzen  bei  einer  Phthisikerin,  die  histologisch  epithelioide  und 
Riesenzellen  au fwiesen.  Heidings feld-Gincinnati  demonstrierte  außer- 
ordentlich wohlgelungeoe  makroskopische  und  mikroskopische  Bilder  von 
multiplem,  benignem,  cystischem  Epitheliom,  ebenso  Gilchrist- 
Baltimore  seine  histologischen  Befunde  bei  Urticaria  factitia. 

Vorträge  syphilidologischen  Inhalts  wurden  nur  einige  wenige  gehalten. 
Gauchers  und  Robert  W.Taylors- New  York  Mitteillungen  betreffen 
die  hereditäre  Syphilis,  die  Verschiedenheiten  und  den  Wert  der 
Hutchinsonschen  Zähne  erörterte  Post-Boston,  Demonstrationen 
über  Röhrenknochenlues  (Röntgenaufnahmen)  führte  Ware-New -York 
vor.  Auf  die  Gefahren  der  syphilitischen  Infektion  durch  die 
Massage  machte  Robert  W.  Taylor- New -York  aufmerksam,  indem 
er  über  einen  Fall  Bericht  erstattete,  in  welchem  durch  einen  luetischen 
Masseur  multiple  Sklerosen  auf  durch  Massage  irritierte  Stellen  über- 
tragen wurden  und  Hermann  G.  Elotz-New-York  erweiterte  seine 
bereits  vor  Jahren  eingenommene  Stellung  hinsichtlich  der  peripheri- 
schen syphilitischen  Arterienentzündung  auf  der  Grandlsge 
dreier  Beobachtungen,  wobei  er  die  große  Ähnlichkeit  mit  der  Raynaud- 
schen  Krankheit  hervorhebt  und  differenzial  diagnostisch  klarstellt. 

Beweist  schon  diese  Übersicht  über  die  gehaltenen  Vorträge,  wie 
vielgestaltig,  interessant  und  bedeutungsvoll  das  wissenschaftliche  Material 
des  Kongresses  war,  so  wurde  es  doch  noch  weit  übertroffen  durch  die 
ungemein  reichhaltige  und  abwechslungsreiche  Fülle  der  auf  dem  Kongreß 
gebotenen  Krankendemonstrationen.  Kein  Wunder,  denn  die 
Riesenstadt  New- York  allein  bietet  schon  eine  exorbitante  Zahl  seltener 
dermatologischer  Fälle,  dazu  kamen  auch  noch  einzelne  Vorführungen 
aus  benachbarten  Städten.  Neben  den  „cases  for  diagnosis**  gab  es 
Lepra,  Blastomykosis,  Psorospermosis  Darier,  Argyrosis  etc.  etc.  zu  sehen 
Wie  auf  früheren  Kongressen,  war  auch  in  New-York  die  dankenswerte 
Einrichtung    getroffen,    daß    die    einzelnen    Kranken    in    verschiedenen 


des  YI.  internationalen  Dermatologenkong^esses.  297 

Zimmern  der  i^Aoademy  of  medicine''  vor  der  Besprechung  in  Muße 
besichtigt  werden  konnten,  wobei  die  amerikanischen  Kollegen  fast  alle 
Patienten  mit  ausführlichen  Krankengeschichten  yersehen  hatten. 

Mit  der  größten  Liberalität  wurde  ferner  den  Kongreßteilnehmern 
der  Besuch  der  vielen  cum  größten  Teil  aufs  beste  eingerichteten  Kranken- 
häuser und  deren  dermatologischen  Ambulatorien  ermöglicht.  Das  Skin 
and  Cancer  Hospital,  das  Mount  Sinai  Hospital,  das  German 
Hospital  etc.  sind  Anstalten,  die  wohl  einen  Vergleich  mit  unseren 
Hospitälern  bestehen  können,  ja  in  mancher  Hinsicht  (Ausstattung, 
Laboratorieueinrichtungen)  speziell  unsere  deutschen  analogen  Institutio- 
nen noch  übertreffen.  Es  unterliegt  auch  keinem  Zweifel,  daß  die 
ärztliche  Wissenschaft  in  New- York  eine  gute  Pflegestätte  hat,  wenn 
anch  das  hastige  Treiben  in  New- York  und  die  großen  Entfernungen  etc. 
einer  wissenschaftlichen  Ausnutzung  des  gewaltigen  Krankenmaterials  in 
dem  Grade,  wie  es  bei  uns  der  Fall  ist,  hinderlich  sind. 

Die  Gastfreundschaft,  welche  die  Amerikaner  den  fremden  Derma- 
tologen entgegenbrachten^  nahm  sehr  große  Dimensionen  an.  Die  ein- 
heimischen Kollegen  nahmen  uns,  ihre  Gäste,  mit  der  größten  Herzlich- 
keit auf  und  suchten  mit  jedem  Einzelnen  näher  bekannt  zu  werden. 
Abgesehen  von  den  Einladungen  im  kleineren  Kreise,  die  White,  Hyde, 
Stelwagon  etc.  veranstalteten,  trafen  sich  sämtliche  Mitglieder  des 
Kongresses  mit  ihren  Damen  bei  den  großen  „Receptions'',  die  der  Prä- 
sident White  in  dem  luxuriösen  Wal dorf-Astoria-Hotel  und  Bulkley  in 
seinen  eigenen  Räumen  zu  Ehren  der  Kongreßteilnehmer  gaben.  In 
glänzendster  Weise  bewirtete  auch  der  Generalsekretär  Prof.  Fordyce- 
New-York  in  seinem  Hause  die  Mehrzahl  der  europäischen  Koliken 
und  deren  Damen.  Sehr  imposant  gestaltete  sich  das  Festbankett  des 
Kongresses  im  Waldorf-Astoria-Hotel,  und  auch  der  Ausflug  nach  Goney- 
Island,  dem  vielbesuchten  Seebadeorte  bei  New-York,  mit  den  im  tausend- 
fachen Lichterglanze  strahlenden  Vergnügungs-  und  Belustigungsorten 
„Lunapark"  und  „Dreamland*'  wird  den  Fachkollegen  unvergeßlich  bleiben. 
Nur  ungern  verabschiedeten  wir  uns  am  Schlüsse  des  Kongresses  von 
unseren  amerikanischen  Kollegen  und  in  voller  Überzeugung  und  sicherer 
Erwartung  riefen  wir  uns  alle  zu :  auf  Wiedersehen  1910  in  Rom ! 


Geschlechts-Krankheiten. 


Gonorrhoe  und  Komplikationen. 

Goldberg,  B.,  Wildungen.  Besteht  ein  Znaammenhang 
zwischen  Prostatitis  und  Prostatahypertrophie?  Zentralbl. 
fär  Chirurgie.  1907.  Nr.  8,  p.  201. 

Goldberg  fand  in  50  Fällen  von  Prostatahypertrophie  20mal 
Entzündung.  Bei  dieser  handelt  es  sich  um  akzidentelle  Infektionen,  femer 
um  chronische  Gonorrhoen,  die  schon  vor  Beginn  der  Hypertrophie  be- 
standen; bei  5  Fällen  war  Infektion  ausgeschlossen,  aber  ein  klinischer 
Anhalt  für  einen  ursächlichen  Zusammenhang  zwischen  beiden  Prozessen 
war  nicht  vorhanden.  In  sehr  seltenen  Fällen  findet  man  außerdem  bei  jungen 
Männern  einerseits  das  klinische  Bild  des  Prostatismus  ohne  das  patho- 
logische Substrat  einer  Hypertrophie  (Neurose),  andererseits  Hypertrophie 
ohne  klinische  Folgeerscheinungen  („Prostatitis  chronica  oystoparetica"). 

A.  Gassmann  (Genf). 

Nathan,  P.  W.  Gonorrheal  Joint  Disease  and  its  Treat- 
ment  New- York.  Med.  Journ.  LXXXV.  501.  16.  März  1907. 

Nathan  erklärt  mit  Ausnahme  der  leichten,  rasch  vorübergehenden 
Erscheinungen  infolge  von  Toxämie  alle  gonorrhoischen  Gelenkerkran- 
kungen für  pyämischer  Natur.  Die  Gonokokken  dringen  direkt  in  die  be- 
fallenen Gewebe  ein  und  zwar  sind  die  Herde  entweder  in  den  Synovial- 
membranen gelegen  (Arthritis)  oder  in  den  Gelenkenden  der  Knochen 
selbst  (Osteoarthritis).  In  den  letzteren  Fällen  handelt  es  sich  immer  um 
primäre  Erkrankung  des  Knochens,  nicht  um  eine  Ausbreitung  der  Ent- 
zündung von  dem  Innern  des  Gelenks  aus.  Ebenso  bleibt  die  Arthritis- 
form immer  auf  das  Gelenkinnere  beschränkt  und  zieht  niemals  den 
Knochen  in  Mitleidenschaft.  Gon.  Gelenkaffektionen  können  häufige 
Rezidive  bilden,  sind  aber  nie  wirklich  chronisch.  Chronisch  sind  nur 
Zustände,  welche  die  anfangliche  akute  Entzündung  zurückläßt;  Bänder 
und  Verwachsungen  oder  andere  Strukturveränderungen  der  Synovial- 
membran  bei  der  Arthritis,  Ankylosen  und  Exostosen  bei  Osteoarthritis. 
Solche  Veränderungen  können  nur  durch  Operation  beseitigt  werden. 
Für  die  akute  Periode  sowie  für  die  Deformitäten  hat  sich  die  Behand- 
lung nach  allgemeinen  Grundsätzen  zu  richten.   In  beinahe  allen  Fällen 


Bericht  über  die  Leist.  auf  dem  Geb.  der  Geschlechtskrankh.     299 

von  gonorrhoischer  GelenkerkraDkang  tritt  Heilung  ohne  Bewegungs- 
störung ein,  wenn  der  Patient  während  der  akuten  Periode  in  geeigneter 
Weise  behandelt  wird. 

Diese  Behandlung  besteht  in  Bettruhe,  Immobilisierung  des  befal- 
lenen Gelenks  durch  Gipsverband,  der  zu  beiden  Seiten  beträchtlich  das 
Gelenk  überragt.  Wenn  die  akuten  schweren  Symptome  abgelaufen,  muß 
zwischen  Arthritis  und  Osteoarthritis  unterschieden  werden.  Im  ersteren 
Falle  tritt  dann  Immobilisierung  in  Extensionsstellnng,  im  andern  Falle 
abnehmbare  Verbände  mit  passiren  Bewegungen  an  die  Reihe.  Die  Infek- 
tionsherde müssen  so  energisch  wie  möglich  behandelt  werden.  Im  ein- 
zelnen Falle  hat  man  sich  diese  Fragen  ror^ulegen:  1.  Haben  wir  es 
mit  einem  aktiven  Prozeß  zu  tun?  2.  Ist  derselbe  wirklich  gonorrhoischer 
Natur?  8.  Handelt  es  sich  um  Erkrankung  des  Gelenks  (Arthritis)  oder 
der  Knochen  (Osteoarthritis)?  4.  Wenn  der  aktive  Prozeß  abgelaufen, 
haben  wir  es  mit  Adhäsionen  oder  mit  Enochenveränderungen  zu  tun  ? 

H.  G.  Klotz  (New- York). 
Witherspoon,  John  A.    Gonorrheal  Arthritis.   Joum.    Am. 
Med.  Ass.  XLVIII.  377.  2.  Februar  1907. 

Nichts  Neues.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Ulimann,  K.,  Wien.  Über  Conjunctivitis,  Iridocyclitis 
und  andere  entzündliche  Augenaffektionen  als  Teilerschei- 
nungen eines  Gonorrhoismus.  Wiener  klinische  Rundschau.  1907. 
Nr.  15,  18,  19  und  20. 

Zusammenfassendes,  übersichtliches  Referat  mit  genauen  Literatur- 
angaben; siehe  Original.  Viktor  Band  1er  (Prag). 

Boissonas,  L.  Blennorragie  et  chor6e.  Revue  mddicale  de 
la  Suisse  romande.  1905.  Nr.  12.  p.  865. 

Boissonas  referiert  die  wenigen  Fälle  von  Chorea,  die  bisher 
bei  Gonorrhoikem  beobachtet  worden  sind.  Im  allgemeinen  wird  ein 
ätiologischer  Zusammenhang  hierbei  angenommen.  Bekannt  sind  die 
Beziehungen  der  Chorea  zum  akuten  Gelenkrheumatismus.  In  4  von  den 
6  publizierten  gonorrhoischen  Choreafällen  waren  die  Gelenke  befallen, 
in  5  bestanden  Herzkomplikationen;  der  Verlauf  erscheint  meist  protra- 
hiert, so  daß  eine  reservierte  Prognose  am  Platz  ist.  Auf  der  Heubn er- 
sehen Klinik  wurden  bis  jetzt  unter  77  Fällen  nur  2  gonorrhoische  ge- 
funden, obschon  systematisch  darauf  gefahndet  wird.  Einen  derselben 
bringt  Verf.  in  extenso.  Jedenfalls  scheint  also  die  gonorrhoische  Chorea 
selten  zu  sein.  A.  Gassmann  (Genf). 

Leopold,  G.,  Dresden.  Zur  Gonococcenperitonitis  im 
Wochenbett.  Laparotomie,  Drainage,  Genesung.  Zentralblatt 
für  Gynäkologie.  1906.  Nr.  48.  p.  1177. 

Leopold  hat  bereits  im  Archiv  für  Gynäkologie,  Bd.  LXXVIII 
über  mehrere  Fälle  von  operativ  behandelter  puerperaler  Peritonitis  be- 
richtet, von  denen  2  sicher,  8  wahrscheinlich  gonorrhoischer  Natur  waren. 
Er  schildert  einen  weiteren  Fall,  bei  dem  am  6.  Tage  nach  der  Geburt 
Fieber  auftrat.    In  den  Sekreten  fanden  sich  Gonokokken.    Schnell  ent- 


300  Bericht  über  die  LeistuDgen  auf  dem  Gebiete 

wickelte  sich  eine  akate  Peritonitis  mit  hohem  Fieber.  Auf  Grund  der 
gänstigen  Erfahmngen  des  Yerf.  über  Frühoperation  erfolgte  snhon  nach 
34  Stunden  die  Eröffnung  des  Bauches  sur  Ablassnng  des  eiterigen  Sekretes, 
indem  sich  sahireiche  Gonokokken  fanden,  und  Dnrchspülnng  derBaueh- 
höhle  mit  warmer  physiologischer  Kochsalzlösung.  Sofort  nach  dem  Ein- 
griff fiel  das  Fieber  zur  Norm  ab,  die  Peritonitis  ging  bald  zurück  und 
die  Frau  genas.  A.  Gassmann  (Genf). 

Lemierre,  A.  et  Fanre-Beanlieu,  M.  Septicemie  et  Pyo- 
hemie  gonococciques.  Gazette  des  Höpitanx.  1906.  p.  231. 

Lemierre  und  Faure  stellen  auf  Grund  der  Literatur  in 
übersichtlicher  und  klarer  Form  die  gonorrhoischen  Metastasen  dar. 
Die  Yerff.  unterscheiden  eine  reine  Septikamie  mit  Gonokokken  im  Blute 
ohne  besondere  Lokalisation  in  andern  Organen  und  eine  metastatische 
Septikamie,  wobei  et  neben  der  Blutinfektion  zu  Metastasen  in  den  yer- 
schiedensten  Organen  kommen  kann.  Die  Merastasen  können  mit  oder 
ohne  Eiterung  yerlaufen;  im  ersteren  Falle  werden  sie  gonorrhoische 
Pyümien  genannt.  Es  werden  dann  der  Reihe  nach  kurz  besprochen: 
die  soeben  genannten  reinen  gonorrhoischen  Septikämien,  dann  die  meta- 
statischen Septikämien  mit  den  verschiedenen  Lokalisationen  in  den  Ge- 
lenken, Synovialmembranen,  Knochen  und  Ejiorpel,  Endokard,  Myokard, 
Perikard,  Lymphdrüsen,  Pleura,  Lungen,  Nervensystem,  Nieren,  Muskeln, 
Haut  und  Unterzellgewebe,  Parotis  und  Augen.  Zum  Schlüsse  folgen 
noch  kurze  Angaben  über  die  Diagnose,  Prognose  und  Behandlung  dieser 
Affektionen.  M.  Winkler  (Luzern). 

Hei§ser.  Über  örtliche  und  innerliche  Behandlung 
der  Gonorrhoe.  (Aus  der  derm.  Klinik  der  Univ.  Breslau.)  Müncbener 
mediz.  Klinik.  1907.  Nr.  14. 

N  e  i  s  8  e  r  legt  seinen  Standpunkt  betreffs  der  modernen  Gonorrhoe- 
behandlung dar.  Da  die  Gonorrhoe  eine  durch  Mikroorganismen  hervor- 
gerufene Erkrankung  ist,  mufi  die  Therapie  eine  antibakterielle  sein.  Er 
beginnt  daher  auch  im  akuten  Stadium  sofort  mit  Einspritzungen  und 
zwar  ISfit  er  taglich  einmal  mit  einer  37t  ProtargoUÖsung  in  einer  6% 
wässrigen  Antipyrinlösung  und  dreimal  .mit  einer  V4V0  I^ösung  von  Pro- 
targol  in  einer  SVo  Antipyriaiösung  spritzen.  Das  Antipyrin,  das  auch 
durch  Alypin  ersetzt  werden  kann,  wirkt  dabei  reiz-  und  schmerzstillend. 

Die  Frage,  ob  eine  interne  Therapie  mit  balsamischen  Mitteln  die 
äußere  Gonorrhoetherapie  ersetzen  kann,  beantwortet  Yerf.  rückhaltlos 
mit  iinein*.  Er  räumt  den  modernen  Mitteln  wie  Gonosan,  Santyl,  Arrhovin 
nicht  mal  eine  Beeinflussung,  viel  weniger  eine  Schädigung  oder  Tötung 
der  Gonokokken  ein,  erkennt  dagegen  die  reiz-  und  schmerzlindernde 
Wirkung  der  Balsamika  an  und  gibt  zu,  daß  sie  mit  Vorteil  neben  der 
äußeren  Therapie  gebraucht  werden  können.  Trotzdem  fürchtet  er  ihre 
Anwendung,  weil  die  Laien  leicht  zu  der  irrigen  Annahme  gefuhrt  werden, 
daß  mit  dem  Nachlassen  der  Beschwerden  nun  auch  die  Krankheit  ge- 
schwunden sei.  Oskar  Müller  (Dorimund). 


der  Geschlechtskrankheiten.  301 

Zieler.  Die  Wirkungsweise  der  modernen  Gonorrhoe- 
therapie. (Aus  der  königl.  Klinik  fär  Haatkranke  zu  Breslau.)  Münch. 
mediz.  Wochenschr.  1907.   Nr.  12. 

Nach  einem  Überblick  über  die  bei  der  ukuten  Gonorrhoe  eintre- 
tenden anatomischen  Veränderungen,  die  darauf  hinweisen,  daß  der  Orga- 
nismus wertvolle  natürliche  Schutzmittel  gegen  die  Infektionserreger  be- 
sitzt, geht  Z  i  e  1  e  r  auf  die  Therapie  der  Gonorrhoe  näher  ein.  Er  ist  der 
Ansicht,  daß  bei  der  modernen  Behandlung  der  Gonorrhoe  2  Faktoren 
eine  wesentliche  Rolle  spielen,  einmal  die  stark  antiseptischen  Eigen- 
schaften unserer  neuerer  Mittel,  sodann  die  natürliche  Entzündung  und 
ihre  richtige  Ausnutzung. 

Verf.  möchte  der  Hyperämie  und  Entzündung  einen  größeren  Anteil 
an  den  Heilerfolgen  zugeschrieben  wissen,  als  es  bisher  geschehen  ist. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Gans,  S.  Leon.  Treatment  of  Chronic  Urethral  Dis- 
charge.   New-York.  Med.  Journ.  LXXXV.  156.  26.  Januar  1907. 

Gans  bespricht  zuerst  Urethrorrhea,  als  eine  klebrige^Ahsondernng, 
die  gewöhnlich  als  Folge  langandauernder  und  schwerer  Tripper  zurück- 
bleibt. Dieselbe  wird  durch  örtliche  Behandlung  wenig  beeinfloßt,  am 
meisten  noch  durch  Einspritzungen  von  Adrenalinlösung  1 :  2000.  Tonische 
und  hygienische  Maßregeln  sind  mehr  indiziert.  „Gleet"  beruht  entweder 
auf  dem  Vorhandensein  einer  entzündlichen  Stelle  oder  einer  Erosion 
unabhängig  von  Strikturen,  oder  ist  die  Folge  der  letzteren.  Im  ersten 
Falle  empfiehlt  G.  Sondeneinführung,  2 — 3  Minuten  lang  gefolgt  tou 
Spülung  mit  einer  erwärmten  Silber-  oder  Kupferlösung;  im  andern  Falle 
ist  zunächst  erst  die  Striktur  zu  beseitigen.  Als  Nachbehandlung  soll 
eine  Sonde  wöchentlich  6  Monate  lang  noch  eingeführt  werden.  Tiefe 
Einspritzungen  nach  Gnyon  n.  a.  werden  für  die  auf  Urethritis  posterior 
beruhenden  Fälle  empfohlen.  Nur  wenn  diese  Behandlungsmethoden  nicht 
erfolgreich  sind,  wird  endoskopische  Untersuchung,  event.  Behandlung 
empfohlen.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Bierhoff,  Frederic.  A  Modified  Endoscopic  Tube  and 
Endoscopic  Knives.  New- York.  Med.  Journ.  LXXXV.  218.  2.  Fe- 
bniar  1907. 

Zur  besseren  Einstellung  von  Lakunen  und  namentlich  paraure- 
thralen Kanälen  im  vorderen  Teile  der  Urethra  benützt  Bierhoff  einen 
mit  einem  2  mm  breiten  seitlichen  Schlitz  versehenen  endoskopischen 
Tubus  von  26  Fr.  und  6*/^**  Länge;  ein  besonders  geformter  Obturator 
soll  das  Vorfallen  der  Schleimhaut  in  den  Spalt  verhüten.  Die  zur  Spal- 
tung von  Lakunen  bestimmten  Messer  sind  Modifikationen  der  von  Grün- 
fei d  angegebenen;  die  schneidende  Fläche  liegt  in  der  Fortsetzung  des 
Schaftes,  der  Rücken  bildet  mit  derselben  an  dem  freien  Ende  einen 
spitxen  Winkel;  der  Gri£f  ist  im  Winkel  gebogen.  (Ref.  benützt  für  den 
gleichen  Zweck  hakenförmig  gekrümmte  Spitze  und  geknöpfte  Messer.) 

H.  G.  Klotz  (New-Tork). 


1 


302  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  (Gebiete 

Renault,  ün  noureaa  remide  interne  contre  la  blen- 
norrhagie:  Le  Gonosan.  Gasette  des  Hopitauz.  1906.  p.  905. 

Ren  aalt  hat  10  F&lle  Yon  ürethralgonorrhoe  ausschließlich  mit 
Gonosan  behandelt  und  kommt  dabei  za  folgenden  Schlüssen: 

1.  Gonosan  hat  ausgesprochen  anästhesierende  Eigenschaften  and 
vermindert  die  Schmerzen  bei  der  Miktion  and  Erektion. 

2.  Es  vermindert  die  Sekretion. 

3.  Das  Mittel  ist  anschädlich  für  den  Magendarmtraktas,  für  die 
Nieren  and  die  Haat. 

In  2  Fällen  hat  Ben  aalt  mit  Gonosan  anscheinend  Tollständige 
Heilang  enielt.  Indessen  verlangt  Verf.  noch  eine  größere  Versnohsreihe, 
bevor  er  sich  definitiv  über  die  heilende  Kraft  des  Mittels  ansspreohen 
wilL  Yorläafig  empfiehlt  er  das  Gonosan  warm  als  wirksames  Ünter- 
stützangsmittel  bei  der  gewöhnlichen  Gonorrhoetherapie. 

M.  Wink  1er  (Lazem). 

Lflth.  Zar  Therapie  der  Prostatitis  gonorrhoica.  Mediz. 
Klinik.  1907.  Nr.  10. 

Lüth  berichtet  über  gute  Erfolge,  die  er  mit  einem  neaen  Mittel, 
dem  Fibrolysin,  bei  parenchymatöser  Prostatitis,  bei  der  erfahrungsgemäß 
die  Massage  meist  versagt,  erzielt  hat.  Er  spritzte  alle  4—6  Tage  eine 
Ampalle  des  von  Merck  hergestellten  Präparates  in  die  Glntäen  ein 
und  konnte  schon  nach  der  ersten  Injektion  eine  Erweichang  der  Pro- 
stata, nach  3— 4wöchiger  Behandlung  in  verschiedenen  Fällen  Heilang 
konstatieren.  Oskar  Müller  (Dortmand). 

Ivezie.  Über  Gonosan.  Deat«che  Praxis.  XV.  Nr.  11. 

Gonosan  warde  bei  mehr  als  20  Fällen  mit  gutem  Erfols;  angewandt 
Von  mikroskopischer  Gonokokkenuntersuchung  ist,  auch  bei  den  8  Kranken- 
geschichten, nichts  erwähnt!  Theodor  Baer  (Frankfart  a.  M.). 

Siebelt.  Bemerkungen  zur  balneologischen  Behand- 
lung der  gonorrhoischen  Späterkrankungen.  Berliner  klin. 
Wochenschrift.  Nr.  15.  1907. 

Siebelt  empfiehlt  zur  Behandlung  der  gonorrhoischen  Gelenk- 
entzfUidungen  Moorbäder,  die  so  früh  als  möglich  angewandt  werden 
sollen.  Für  die  gonorrhoischen  Genitalkatarrhe  der  Frauen  haben  sich 
Fichtenrindenbäder  besonders  gut  bewährt.  Die  gleichen  balneologischen 
Behandlungsmethoden  brachten  auch  bei  gonorrhoischen  Neuralgien 
(Ischias)  Erfolg.  H.  Hübner  (Frankfart  a.  M.). 


Yenerisehe  Helkosen. 

Schfltz,  F.,  Wien  (Abteilung  Mraöek).  Behandlung  veneri- 
scher Bubonen  mit  Saugglocken  nach  Bier-Klapp.  Wiener 
medizinische  Wochenschrift.  1907.  Nr.  12. 


de    Geschlechtskrankheiten.  303 

Schüts  hat  snm  Vergleiche  der  Erfolge  der  verschiedenen  Be- 
handlungsmethoden von  86  F&Uen  inguinaler  Babonen,  die  im  Jahre  1906 
rar  Beobachtung  kamen,  46  mit  Bier  scher  Stauung  behandelt  ohne  Aus- 
wahl der  F&lle.  Die  Saugglocken  wurden  in  jedem  Falle  so  grofi  gewählt, 
daß  der  Rand  die  infiltrierte  Umgebung  der  erkrankten  Drusen  überall 
ftberragt;  für  den  Grad  der  Stauung  ist  das  subjektive  Empfinden  des 
Patienten  der  beste  Maßstab.  Gestaut  wurde  täglich  V4  Stunden  in  der 
Art,  daß  die  Sangglocke  nach  je  6  Minuten  durch  Zusammendrücken  des 
Ballons  für  8  Minuten  gelüftet  wird.  In  der  Regel  wurde  in  allen  Fällen, 
in  denen  es  unter  dem  Einflüsse  obiger  Behandlung  cur  A.bssedierung 
gekommen  war,  ebenso  in  allen  jenen,  welche  bereits  mit  nachweisbarer 
Eiterung  sur  Aufnahme  gelangten,  sofort  lur  Inzision,  senkrecht  auf  das 
Poupartsche  Band,  mit  nachfolgender  Stauung  geschritten. 

Die  Erfolge  der  Behandlung  mit  Saugglocken  im  Vergleiche  zu 
den  bisher  geübten  Behandlungsmethoden  kommen  in  folgenden  Zahlen 
zum  Ausdrucke.  Die  39  nach  den  früheren  Methoden  behandelten  Fälle 
beanspruchten  einen  Spitalsaufenthalt  von  durschnittlich  87  Tagen.  In 
15  Fällen  gelang  es,  die  Abszedierung  zu  verhindern  und  die  geschwellten 
Drüsen  zur  Norm  zurückzuführen,  was  eine  durchschnittliche  Erankheits- 
dauer  von  23  Tagen  erforderte.  Bei  den  24  operativ  behandelten  Fällen 
betrug  die  Krankheitsdauer  63  Tage  vom  Beginn  der  ersten  Erscheinun- 
gen, 46  Tage  vom  Spitalseintritte  und  37  von  der  Operation  an  gerechnet. 
Die  Behandlung  nach  Bier  beanspruchte  einen  Spitalsaufenthalt  von 
durchschnittlich  31  Tagen.  Von  46  Fällen  wurde  in  9  mit  Stauung  allein 
ohne  Inzision  das  Auskommen  gefunden.  Dabei  betrug  die  durchschnitt- 
liche Erankheitsdauer  25  Tage.  Bei  den  37  mit  Stauung  und  Inzisionen 
behandelten  Fällen  war  die  Erankheitsdauer  58,  die  Dauer  des  Spitals- 
aufenthaltes 35,  nach  vorgenommener  Inzision  27  Tage.  Vergleicht  man 
die  beiden  Zahlenreihen  miteinander,  so  ergibt  sich  bei  der  Sauggläser- 
behandlung eine  durchschnittliche  Abkürzung  des  Spitalsaufenthaltes  um 
8  Tage  bei  reiner  Stauung,  um  11  Tage  bei  Stauung  mit  Inzision,  bei 
allen  Fällen  um  6  Tage  gegenüber  den  korrespondierenden  Zahlen  der 
früheren  Methoden.  Dagegen  zeigt  es  sich,  daß  in  80'47o  der  Fälle  gegen- 
über früheren  61-57o  Inzisionen  nötig  waren. 

Viktor  Bandler  (Prag). 

Colt,  G.  N.  Five  cases  of  inguinal  bubo.  The  Lancet  1907. 
April  13.  p.  1010. 

Colt  hat  fünf  Fälle  von  Leistendrüsenbubonen  operiert  und  be- 
schreibt ausführlich  die  Operation  und  den  Verlauf  der  Fälle. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 


304  Bericht  über  die  LeiBtnngen  auf  dem  Gebiete 


Syphilis.  Allgemeiner  Teil. 

Doktor,  A.,  Pec8  (Ungarn).  Ist  die  Syphilis  eine  schwerere 
Krankheit  als  der  Tripper?  Zentralblatt  far  Gynäkologie  1905. 
Nr.  48.  p.  1471. 

Doktor  glaubt,  daß  das  Ärztepnblikum  die  venerischen  Krank- 
heiten nicht  genügend  ernst  und  ihre  Behandlung  daher  auch  au  leicht 
nimmt.  Sie  richten  mehr  Schaden  an  als  Tuberkulose  oder  Krebs.  Wenn 
auch  die  relative  Sterblichkeitssiffer  der  letzteren  höher  ist,  to  streiten 
vielleicht  doch  die  venerischen  Krankheiten  mit  diesen  um  den  ersten 
Rang;  dies  wird  schon  durch  ihre  immense  Verbreitung  wahrscheinlich. 
Es  Iftßt  sich  nämlich  gar  nicht  feststellen,  wie  viel  Todesfalle  sie  indirekt 
verursachen.  Und  dies  gilt  iu  erster  Linie  vom  Tripper.  Gegen  die  Syphilis 
stehen  bessere  Mittel  zu  Gebote  und  sie  wird  meist  behandelt,  während 
Publikum  und  Ärzte  den  Tripper  viel  zu  leichtsinnig  ansehen.  Die 
Syphilis  stiftet  möglicherweise  außerhalb  derEhe  and  bei 
den  Männern,  der  Tripper  aber  innerhalb  derEhe  und  bei  den 
Frauen  mehr  Unheil  und  Verheerung.  Zahlreich  sind  die  Todes- 
fälle infolge  von  Extrauterinschwangerschaften,  Aduexerkrauknngen  etc., 
für  die  der  Tripper  verantwortlich  gemacht  werden  muß,  ohne  daß  man 
es  später  noch  sicher  beweisen  kann.  Und  lebenslängliches  Siechtum  oder 
verpfuschtes  Leben  infolge  von  Frauenleiden,  Sterilität  usf.  ist  oft  schlimmer 
als  der  Tod.  Verf.  illustriert  seine  Ansichten  durch  7  Fälle. 

A.  Gassmann  (Genf). 

morrow,  Prince  A.  The  Gontrol  of  Syphilis  and  Venereal 
Diseases.  Boston  Med.  Ann.  Journ.  GLVI.  169.  7.  Febr.  1907. 

Darlegung  der  Bestrebungen  der  Soc.  for  sanitary  and  moral 
Prophylaxis.  H.  G   Klotz  (New-Tork). 

Ruggles £•  "^ood.  The  Physician's Relation  to  the  Social 
EviL  New- York  Med.  Journ.  LXXXV.  159.  26.  Januar  1907. 

Nichts  besonders  neues  enthaltend.  In  der  Hauptsache  Bestätigung 
der  Wichtigkeit  der  Erziehung.  H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Hoffmann,   Erich  und   Braning,  Walter.    Gelungene  Über- 
f  tragung  der  Syphilis  auf  Hunde.    Deutsche  mediz.  Wochenschrift. 

^  Nr.  14.  1907. 

Nachdem  Hoff  mann  und  Brüning  10  Kaninchen  mit  positivem 
Erfolg  mit  luetischem  Material  in  die  vordere  Augenkammer  geimpft 
und  einmal  mit  Wiederimpfung  von  der  typisch  infizierten  Hornhaut  eines 
Kaninchen  bei  einem  Affen  ein  charakteristisches,  Spirochaeten  enthaltendes 
Infiltrat  erzeugt  haben,  ist  der  Beweis  erbracht,  daß  die  Syphilis  des 
[  Kaninchens  auf  Affen   zurnckgeimpft   werden   kann,   ohne  daß  in  Serien 

fortgeimpft  wurde.  Weitere  Experimente  betrafen  2  Hunde,  denen  Teil- 
chen menschlicher  Primäraffekte  in  die  vordere  Augenkammer  gebracht 
wurden.    Nach  16— 21tägiger  Inkubation  trat  starke  Keratitis  ein.   Aus- 


i 


der  Gesohlechtaknmkheiten.  305 

striche  der  Cornea  enthielten  typische  Spiroohaeten.  Somit  halten  Verf. 
die  Überimpfang  der  Syphilis  anf  Hunde,  also  anf  Carnivoren  f&r  möglich. 
Femer  wird  darauf  hingewiesen,  daß  nicht  nur  Impfung  der  vorderen 
Angenkammer,  sondern  auch  Skarifikation  der  Cornea  bei  Affen  und 
Kaninchen  luetische  Keratitis  erzengte,  ein  Beweis,  daß  die  Eröffnung 
von  Blutgefäßen  für  das  Haften  des  Virus  nicht  notwendig  sei  und  daß 
die  Spiroohaeten  in  den  lympheerfuUten  Gewebsspalten  einen  gänstigen 
Boden  für  ihre  Entwicklung  finden.  Max  Joseph  (Berlin). 

Thibierge,G.  La  Syphilis  exp^rimentale  des  singes,  ses 
caract&res,  comparaison  aveo  le  chancre  simple  ezp6ri- 
mental;  applications  possibles  a  la  clinique.  Gazette  des 
Hopitanz.  1906.  p.  68. 

Thibierge  gibt  ein  kurzes  Resümee  über  den  Stand  der  experi- 
mentellen Syphilisforschung  mit  Anführung  eigener  Versuche.  Verf.  hat 
namentlich  Makaken  am  freien  Lidrand  geimpft  und  zwar  mit  Material 
von  Lues  und  (Ileus  molle.  Er  hebt  die  Wichtigkeit  dieser  Ü ber tragung s- 
möglichkeit  für  die  Klinik  hervor,  namentlich  für  Fälle,  in  denen  es  sich 
um  die  Erlangung  eines  Ehekonsenses  handelt.  M.  Winkler  (Luzern). 

Weil,  E.,  Prag  (Institut  Hueppe).  Über  den  Lues- Anti- 
körpernachweis im  Blute  von  Luetischen.  Wiener  klin.  Wochen- 
schrift. 1907.  Nr.  18. 

Die  Versuche  Weils  erwiesen  das  Resultat,  daß  Extrakte  ans 
Tumoren  mit  dem  Blute  von  Luetikern  Komplementablenkung  in  genan 
derselben  Weise  zeigen,  wie  es  Wassermann  und  Brück  bei  der 
Reaktion  auf  Luesantikörper  beschrieben  haben.  Nach  Weils  Versuchen 
kommt  die  Komplementbindung  dadurch  zu  Stande,  daß  gelöste  Gewebs- 
stoffe  mit  dem  Blutserum  zusammen  eine  Reaktion  geben,  welche  nach 
Art  eines  Präzipitations Vorganges  Komplement  absorbiert.  Es  ist  nach 
diesen  Versuchen  nicht  von  der  Hand  zu  weisen,  daß  die  Reaktion  anf 
Luesantikörper  ebenfalls  nur  eine  Reaktion  aufgelöster  Gewebsbestandteile 
ist.  Der  Umstand,  daß  sich  die  Extrakte  durch  Kochen  inaktivieren 
lassen,  spricht  sehr  zu  gunsten  der  Auffassang,  daß  die  aktive  Substanz 
nicht  von  der  Spirochaete  pallida,  sondern  von  den  Zellen  des  Gewebes 
stammt.  Weil  will  nicht  mit  voller  Bestimmtheit  die  Möglichkeit  ver- 
neinen, daß  Wassermann  und  Brück  mit  ihrer  Methode  den  Lues- 
antikörper  im  Blute  von  Luetikern  nachgewiesen  haben,  hält  sich  aber 
auf  Grund  seiner  Versuche  berechtigt,  so  lauge  daran  zu  zweifeln,  bis 
die  genannten  Autoren  eine  befriedigende  Erklärung  seiner  Experimente 
gegeben  haben.  Da  nach  Weils  Versuchen  die  Komplementbiudung  eine 
Reaktion  auf  gelöste  Zellbestandteile  ist  und  diese  sich  auch  in  den  Ex- 
trakten von  Wassermann  und  Brück  vorfinden  und  in  die  Reaktion 
eingreifen,  so  muß  es  den  genannten  Autoren  gelingen,  nach  Ausschaltung 
derselben  eine  positive  Reaktion  zu  erzielen. 

Viktor  Bandler  (Prag). 

Janke.  Gelungene  Filtration  von  Syphilisvirus.  Mediz. 
Klinik.  1907.  Nr.  17. 

Arch.  f.  Dermat.  u.  Byph.  Bd.  LXZXIX.  20 


306  Bericht  über  die  Leistnngeii  aaf  dem  Gebiete 

Nachdem  die  ersten  YerBVche  der  Syphilisfiltration  negatiT  ans* 
gef Allen  waren,  reroffentlicht  jetst  Janke  einen  Fall,  bei  dem  es  ihm 
gelangen  ist,  nach  Einimpfdng  Ton  Syphilisfiltrat  in  die  Angenbranen 
eines  Mangaben  typische  Prim&raffekte  so  erseogen. 

Yerf.  möchte  diesen  ersten  positiven  Ausfall  daranf  sorückf&hren, 
daß  er  im  G^;ensatz  zn  den  anderen  Forschem  als  Material  keine  Haut- 
Syphilide,  sondern  die  inneren  Oi!*gane  eines  totgeborenen  syphilitischen 
Kindes  nahm.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Ehnnaim,  8.,  Wien.  Ein  neues  Gefftßsymptom  bei  Lues. 
Wiener  medis.  Wochenschr.  1907.  Kr.  16. 

Ehr  mann  beobachtete  bei  mehreren  F&llen  von  Laes  eine  Er- 
krankung der  kleinsten  Hantarterien,  welche  am  Stamme  nnd  den  Extre- 
mitäten sich  klinisch  in  Form  von  banmformigenf  seltenen,  netzförmigen 
Figuren  präsentieren.  Diese  Figuren  sind  von  dankeiliTider  Farbe,  1  bis 
2  em  breit,  an  den  freien  Enden  spits  zulaufend  und  sowohl  an  diesen 
als  auch  an  den  Bändern  verschwommen.  In  der  Achse  eines  jeden 
Streifens  ist  die  Färbung  besonders  tief  gesättigt,  am  tiefsten  dort,  wo 
mehrere  Zweige  zusammentreffen.  Daß  es  sich  um  eine  Hyperämie  und 
nicht  um  eine  Blutung  handelt,  zeigt  ein  einfaches  Bestreichen  der  Haut, 
durch  welches  man  in  der  Lage  ist,  die  Hyperämie  für  einen  Moment 
zum  Schwinden  zu  bringen.  Beim  Anfühlen  ist  die  Haut  kühl ;  es  handelt 
sich  also  um  eine  passive  und  Stauungshyperämie.  Bei  einem  Falle,  der 
zur  Obduktion  kam,  wurde  die  Haut  mikroskopisch  untersucht  und  da  in 
der  Haut  des  Stammes  eine  Endarteriitis  derjenigen  kleinsten  Arterien 
gefunden,  welche  das  Blut  in  das  subpapilläre  nnd  papilläre  Ketz  der 
Haut  zuführen.  Will  man  die  Beziehungen  zur  Syphilis  deuten,  so  muH 
man  es  als  höchstwahrscheinlich  bezeichnen,  daß  die  ursprüngliche  An- 
lage zur  Erkrankung  den  Hautsyphiliden  entstammt,  welche  auf  dem 
Boden  der  Cutis  marmorata  sich  entwickeln.  Die  Besidnen  dieser  Syphilide 
fahren  höchstwahrscheiDlich  zur  Sklerose  der  kleinsten  Gefäße. 

Viktor  Bandler  (Prag). 

Oplatek,  E.,  Prag.  Über  Beinfectio  syphilitica.  Wiener 
klin.  Wochenschr.  1907.  Nr.  16. 

Oplatek  beschreibt  einen  Fall  von  Beinfectio  syphilitica  bei  einem 
47jährigen  verheirateten  Manne,  der  7  Jahre  vorher  an  derselben  Klinik 
mit  einer  Sklerose  und  nachfolgendem  makulösen  Syphilid  behandelt 
worden  war.  Nach  der  Behandlung  war  der  Patient  von  syphilitischen 
Erscheinungen  frei  geblieben.  Im  heurigen  Jahre  trat  8  Wochen  nach 
einem  außerehelichen  Coitus  im  Sulcus  glandis  ein  erbsengroßes,  indu- 
riertes  Geschwür  und  indolente  Drusen  rechts  in  inguine  auf.  Sechs 
Wochen  später  zeigte  sich  ein  spärliches,  papulöses  Syphilid,  das  sich 
allmählich  ausbreitete  und  nach  Hg-Behandlung  verschwand.  Im  Heiz- 
serum einer  Papel  fanden  sich  vereinzelte  Spirochaetae  pallidae. 

Viktor  Bandler  (Prag). 


der  Geschlechtskrankheiten.  SO 7 

Lindenheim.  Über  eine  Fieberreaktion  im  Anschluß  an 
die  erste  Qnecksilberapplikation  im  Frähstadiam  der  Sy* 
philis.  Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  11.  1907. 

Lindenheim  konnte  12  Mal  bei  106  nntersaohtea  Fällen  von 
sekondarer  Laes  nachweisen,  daß  im  Anschluß  an  die  erste  Hi{- Applikation 
Temperatursteigerungen  eintraten,  die  auf  nichts  anderes  als  auf  das 
Queoknlber  su  beziehen  waren.  Diese  Fieberreaktion  scheint  bei  Rezidiven 
etwas  häufiger  einsutreten  als  bei  den  ersten  Exanthemen. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.)- 

Jeanselme,  E.  Des  chaneres  extra- genitaux.  Gazette  des 
Hopitaux.  1906.  p.  627. 

Jeanselme  hält  die  extragenitalen  Sklerosen  für  häufig  vor- 
kommend (zirka  10^/^  sämtlicher  Primäraffekte)  und  teilt  dieselben  ein: 
in  1.  venerische  und  2.  zufällig  erworbene  Schanker.  Die  verschiedenen 
Lokalisationen  werden  kurz  besprochen  und  an  lehrreichen  Beispielen  aus 
der  Praxis  des  Verf.  erläutert.  Bei  den  extragenitalen  Sklerosen  sah 
Jeanselme  häufig  heftige  Sekundärerscheinungen. 

M.  Wink  1er  (Luzem). 

Gaucher.  Pathogenie  des  pigmentations  du  cou  dans 
la  Syphilis.  Gazette  des  H6pitaux.  1906.  p.  769. 

Auf  Grund  von  klinischen  Beobachtungen  ist  Gau  eher  in  Bezug 
auf  die  Entstehung  des  Leucoderma  syphiliticum  Anhänger  der  deutschen 
Auffassung  geworden,  d.  h.  Gancher  nimmt  an,  daß  das  Leukoderm 
eine  Folgeerscheinung  des  luetischen  Prozesses  in  loco  ist.  Verf.  unter- 
scheidet aber  verschiedene  Formen  dessen,  was  von  der  deutschen  Schule 
gemeinhin  als  Leukoderm  bezeichnet  wird,  und  zwar  1.  die  reinen  Pigment- 
Syphilide,  sei  es  in  Form  von  makulösen  Bfßoreszenzen  oder  seien  es 
annuläre  Formen.  Beide  Arten  entstehen  an  Stelle  von  früheren  Roseolen, 
erstere  im  Anschluß  an  eine  erste  makulöse  Roseola,  letztere  an  Stelle 
einer  rezidivierenden  Roseola.  Die  zwischen  den  pigmentierten  Stellen 
liegenden  helleren  Flecke  haben  die  Farbe  der  normalen  Haut,  es  hat 
keine  Depigmentierung  stattgefunden. 

2.  Die  Leukomelanodermia  peri-  et  postpapulosa.  Hier  findet  sich 
eine  Kombination  von  Depigmentierung  und  Hyperpigmentierung.  Verf. 
schildert  den  Prozeß  folgendermaßen:  In  der  Umgebung  der  papulösen 
Effloreszenzen,  am  Hals,  bildet  sich  bei  der  Involution  der  Papeln  zuerst 
ein  weißer  Halo,  allmählich  wird  die  Haut,  wo  die  Papel  selbst  gesessen 
hat,  ebenfalls  depigmentiert  und  etwas  narbig,  während  gleichzeitig  die 
weitere  Umgebung  des  Halo  reicher  an  Pigment  zu  sein  scheint. 

M.  Wink  1er  (Luiem). 

Lipfichütz.  Über  die  Beziehungen  der  Spiro  oh  acta  pal* 
lida  zum  Hautpigment  syphilitischer  Effloreszenzen.  Derm» 
Zeitschr.  Bd.  XIV.  p.  67. 

Lipschütz  hat  zu  seinen  Untersuchungen  die  Produkte  aller  drei 
Stadien  der  Syphilis  benützt.  Die  Methode,  von  der  er  in  allen  Fällen 
Gebrauch  machte,    war  die  von  Levaditi.    Er  hat  im  ganzen   10  Fälle 

20* 


308  Bericht  über  die  Leistungen  anf  dem  Gebiete 

ontersncht  und  kommt  zu  folgenden  Schlüssen :  1.  unter  dem  Einfluß  der 
Spirochaeta  pallida  entstehen  in  syphilitischen  Hauteffloreszenzen  regel- 
mäßig Pigmentalterationen.  2.  Diese  Pigmentalterationen  bestehen  in 
initialer  geringgradiger  PigmenthypertrophiCi  die  von  einer  Pigmentver- 
minderung  (Pigmeotatrophie)  gefolgt  ist.  8.  Der  ausgesprochene  Antago- 
nismus zwischen  Spirochaeta  pallida  und  Hantpigment  stellt  einen  spezi- 
fisch biologischen  Vorgang  dar,  der  anf  anmittelbare  Wirkung  des  Syphilis- 
virus, bezw.  eines  voa  diesem  gebildeten  Giftes  beruht. 

Fritz  Porges  (Prag). 

Stern.  Über  den  Nachweis  der  Spirochaete  pallida  im 
Ausstrich  mittels  der  Silbermethode.  Berl.  klin.  WochenschrifL 
Nr.  U.  1907. 

Stern  gelang  es  mittels  Einlegens  der  mit  Reizsemm  in  gewöhn- 
licher Weise  beschickten  Objektträger  in  10*/^  Argentnmlösung  (2  Stunden 
lang  bei  diffusem  Tageslicht)  die  Spirochaete  pallida  im  Ausstrich  durch 
Versilberung  sichtbar  zu  machen.  Es  fallt  damit  der  Einwand  der  Spiro- 
chaetengegner,  es  sei  doch  merkwürdig,  daß  die  Spirochaeten  im  Aus- 
strich nur  nach  Giemsa,  im  Schnitte  nur  nach  der  Silbermethode  sich 
darstellen  ließen.  H.  Hüb n er  (Frankfurt  a.  M.). 

Eitner.  Über  Beobachtungen  an  der  lebenden  Spiro- 
chaete pallida.  (Aus  der  dermatologischen  Klinik  in  Innsbruck.) 
Münch.  mediz.  Wochenschr.  1907.  Nr.  16. 

Sehr  bemerkenswerte  Beobachtungen,  die  Eilner  mit  Hilfe  eMes 
besseren  Beleuchtungsapparates,  des  Ultrakoadensors,  an  lebenden  Spiro- 
chaeten machen  konnte.  Er  betont  die  Schwierigkeit,  die  Spirochaete 
pallida  in  lebendem  Zustande  von  anderen  Spirochaeten  zu  unterscheiden. 
So  gelang  es  ihm  nicht,  Spirochaeten  eines  jauchigen  Peniscarcinoms  von 
den  Pallidae  zu  differenzieren,  obwohl  er  durch  Mischung  des  Materials 
die  beiden  Arten  direkt  nebeneinander  untersuchen  konnte.  Beim  Färbuugs- 
verfahren  dagegen,  also  im  toten  Zustande,  ist  die  Unterscheidung  leicht 
und  ein  Übersehen  der  Spirochaete  pallida  dank  dieses  scharfen  Unter- 
suchungshilfsmittels ausgeschlossen.  Der  Umstand,  daß  trotzdem  der 
Spirochaetenbefund  bei  klinisch  manifester  Lues  zuweilen  negativ  ausfallt, 
andererseits  wieder  in  sicher  nicht  luetischen  Effloreszenzen  typische 
Spirochaetae  pallidae  gefunden  werden  sollen,  läßt  Verf.  zu  der  schon  von 
Schaudinn  ausgesprochenen  Anschauung  gelangen,  daß  die  Spirochaete 
nur  eine  vorübergehende  Phase  im  Entwicklungsgange  eines  Protozoons 
ist,  dessen  übrige  Gestalten  wir  vorderhand  noch  nicht  kennen. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Giemsa,  G.  Beitrag  zur  Färbung  der  Spirochaete  pal- 
lida (Schaudinn)  in  Ausstrichpräparaten.  Deutsche  medizin. 
Woch.  Nr.  17.  1907. 

Die  von  Giemsa  erprobte  Methode  zur  schnellen  Färbung  wenig 
differenzierter  Parasiten,  z.  B.  der  Spirochaeten,  läßt  sich  folgendermaßen 
zusammenfassen:  Reizserum  aus  der  Peripherie  unbehandelter  Papeln  und 
Schanker,   mit  nur   möglichst  wenig  Blut  untermischt,   wird  auf  einen 


der  Geschlechtskrankheiten.  309 

Objektträger,  nicht  Deckglas,  gebracht,  mit  der  Kante  eines  anderen  ge- 
Bcblififenen  Objektträgers  dünn  und  gleichmäßig  verteilt,  maß  daranf  luft- 
trocken werden  und  wird  bei  frischen  Präparaten  mittels  Hindurchziehen 
darch  eine  mittelstarke  Gas-  oder  Spiritasflamme  fixiert.  Bei  älteren  Prä- 
paraten erübriget  sich  die  Fixiernng,  AlkoholhärtnDg  ist  ebenfalls  ver- 
wendbar. Dann  Einklemmen  des  Ausstriches  in  einen  Objektträger,  Schicht- 
seite nach  oben  oder  Anritzen  des  bestrichenen  Objektträgers  mit  einem 
Schreibdiamant,  Zerbrechen  in  der  Mitte,  Halten  mit  Eometpinzette. 
Übergießen  des  Ausstriches  mit  dem  frischen,  wässerigen,  gleichmäßig 
yerteilten  Farbgemisch,  Erwärmung  bis  zur  Dampf bildung,  dann  viermal 
«meute  Färbung  nach  stets  Y^  Minate  Beiseitestellen  und  Abgießen  der 
Farblösung,  welche  zuletzt  l  Minute  einwirken  muß,  Abwaschen  unter 
Wasserstrahl.  Mikroskopische  Untersuchung  mit  starkem  Trockensystem. 
Aussuchen  der  ddnnen  Stellen,  an  denen  sich  Erythrocyten  mit  größeren 
kernlosen,  rein  blau  erscheinenden  Gewebselementen  durchsetzt  vorfinden. 
Absuchen  derselben  Stellen  mit  der  Ölimmersion.  Die  Pallida  erseheint 
intensiv  dunkelrot  auf  dem  gar  nicht  oder  schwach  rötlich  gefärbten 
Untergrund,  am  seltensten,  wo  dichte  Leukocytengruppen  ohne  rote  Blut- 
körperchen bestehen.  An  dickeren  Stellen  des  Ausstrichs,  auf  stärker 
gefärbtem  Substrat  hebt  sie  sich  dennoch  durch  ihre  tiefe,  oft  fast  schwärz- 
lich erscheinende  Färbung  ab.  Max  Joseph  (Berlin). 

Sehereschewky,  J.  Zum  Kachweis  der  Spiroohaete  pal- 
lida in  Ausstrichen.  Deutsche  med.  Woch.  Nr.  12.  1907. 

Zur  schnellen,  intensiven  und  prägnanten  Färbung  der  Spirochaete 
pallida  empfiehlt  Schereschewky  folgende  Methode :  Entfettete  Objekt« 
träger  werden  mit  dem  Gewebssafb  bestrichen,  wobei  die  Vorbehandlung 
mit  Osmiumdämpfen  etc.  entbehrlich  ist  Der  Ausstrich  wird  in  einer 
Doppelschale  über  Osmiumdämpfen  etwa  1  Minute  fixiert,  dreimal  durch 
die  Flamme  gezogen,  in  eine  Petrischale  mit  Oiemsamischung  gebracht, 
dann  die  Schale  auf  ein  dampfendes  Wasserbad  gestellt,  10 — 15  Minuten 
zugedeckt  darauf  belassen,  wobei  zum  Schlüsse  frische  Oiemsamischung 
nachzugeben  ist.  Die  Präparate  sind  genügend  gefärbt,  wenn  der  Objekt- 
träger auch  an  unbestrichenen  Teilen  einen  leichten,  roten  Farbstoff- 
schleier  gewonnen  hat.  Man  wäsoht  kurz  ab  und  untersucht  in  ÖL  Zur 
Konservierung  bringt  man  den  Ausstrich  mittels  neutralen  Eanadabalsams 
unter  ein  Deckglas.  Max  Joseph  (Berlin). 

Schuster.  Der  Nachweis  der  Spirochaete  pallida,  seine 
Bedeutung  und  praktische  Verwertbarkeit  für  die  Diagnose 
der  Syphilis.  Berl.  klin.  Woch.  Nr.  17.  1907. 

Nach  einer  Zusammenstellung  der  heute  üblichen  Untersuchungs- 
und Färbemethoden  der  Spirochaete  pallida  gibt  Schuster  sein  Urteil 
dahin  ab,  daß  ein  positiver  Spirochaetennachweis  in  klinisch  zweifelhaften 
Fällen  die  Diagnose  stellen  lassen  kann,  während  ein  negativer  Befund 
gar  keine  Bedeutung  besitzt.  Denn  in  einem  Drittel  der  sicher  luetischen 
Fälle  vermochte  Schuster  keine  Spirochaeten  zu  finden. 

H.  Hftbner  (Frankfurt  a.  M.). 


310  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Benda*    Zur  Levaditifärbang  der  Spirochaete  pallida 
Berl.  klin.  Wochenscbr.  Nr.  15—16.  1907. 

Durch  ftnflerst  genaae,  eigene  mikroakopi&che  Untersachuigeii  hat 
Ben  da  nach  anfanglichen  Zweifeln  die  Richtigkeit  der  Tatsache  erkannt» 
daß  die  durch  die  Levaditi methode  in  syphilitischen  Krankheitsprozessen 
darstellbaren  schwarzen,  geschlängelten  Gebilde  keine  Gewebsbestandteiley 
sondern  Spirochaeten  sind.  Das  Ton  den  Gegnern  dieser  Anschaanng 
immer  wieder  Torgebrachte  Argument,  es  sei  doch  merkwürdig,  daß  dieser 
Parasit  sich  nur  durch  Versilberung,  nicht  durch  Anilinfarben  darstellen 
lasse,  konnte  Ben  da  auf  folgende  Weise  entkräften:  £•  gelang  ihm  die 
Färbung  der  Spirochaeten  nach  Giemsa  nach  Zerreiben  und  Zerquetschen 
spirochaetenhaltiger  Paraffinschnitte,  wobei  alle  Gewebsbestandteile  zer- 
stört, die  Spirochaeten  aber  leidlich  erhalten  blieben  und  ebenso  ließ 
sich  durch  Zerzupfen  jener  ^rieBenzellenartigen^,  noch  unklarer  Gebilde, 
die  häufig  genug  bei  gewohnlichen  Anilinfllrbungen  in  hereditär-luetischen 
Lebern  gefunden  werden,  nachweisen,  daß  dieselben  nichts  anderes  sind 
als  große  Haufen  von  Spirochaeten.  Es  ist  somit  die  Spirochaete  pallida 
im  Zentrum  anerkannt  luetischer  Veränderungen  auch  mit  anderen  als 
den  VersilberuDgemethoden  nunmehr  nachgewiesen. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Blasehko.  Die  Spirochaete  pallida  und  ihre  Bedeutung 
für  die  syphilitischen  Krankheitsprodukte.  Berliner  klinische 
Wochenscbr.  Nr.  12.  1907. 

Blasehko  wendet  sich  in  diesem,  in  der  Berliner  medizinischen 
Gesellschaft  gehaltenen  Vortrage  gegen  die  Yöllig  haltlosen  Einwürfe 
jener,  die  in  der  ,,Giemsa-''  und  der  „Silberspirochaete^  verschiedene 
Gebilde  sehen  wollen.  Beides  ist  die  von  Schaudinn  im  lebenden,  nn- 
geförbten  Zustande  entdeckte  Spirochaete  pallida.  Eine  Verwechslung 
der  mit  Silber  imprägnierten  Spirochaete  mit  Nerven,  elastischen  Fasern, 
Zellgrenzen  usw.  ist  für  den  nur  etwas  geübten  Hiatologen  ausgeschlossen. 
Diese  Gebilde  lassen  sich  nicht,  wie  Saling  und  Schulze  immer  be- 
haupten, nur  im  mazerierten  Gewebe  nachweisen,  sondern  ebensogut  auch 
im  lebend  excidierten.  Negatiire  Befunde  lassen  sieh  zwanglos  dadurch 
erklären,  daß  die  Spirochaeten  im  Primäraffekt  in  Haufen  zusammen- 
sitzen, die  nicht  immer  in  die  Schnittebene  zu  fallen  brauchen.  Von  dort 
aus  verbreiten  sie  sich  auf  dem  Lymph-  und  Blutwege  schon  ziemlieh 
frühzeitig  in  Körper. 

Die  auf  den  Vortiag  folgende,  sich  über  vier  Sitzungen  hinziehende 
Diskussion  zeigte,  daß  die  Spirochaetengegner  unbelehrbar  bleiben  wollten. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Schultz,  0.  T.  Distribution  of  Treponema  pallidum, 
Schaudinn  (Spirochaeta  pallida),  in  the  Tissues  in  Conge- 
nital Syphilis.  Journ.  Med.  Research.  Vol.  XV.  Dez.  1906. 

Ein  vorläufiger  Bericht  über  die  Färbung  von  Spirochaeta  pallida, 
über  den  bereits  referiert  wurde  (Arch.  V.  LXXXIII.  p.  815),  enthält  die 


der  Geschlechtskrankheiten.  311 

weseniUohen  Befunde  der  Arbeiten  von  Schultz,  die  hier  ausführlicher 
beschrieben  und  illustriert  werden.  H*  G.  Elots  (New-Tork). 

Uhle,  Alezander,  A.  und  Maekinney,  William,  H.  The  Demon- 
stration of  Spiroohaeta  Pallida  in  Lesions  of  Acquired 
Syphilis.  Joum.  Amer.  Med.  Assoc.  XL VIII.  605.  16.  Febr.  1907. 

Uhle  und  Mackinney  bedienten  sich  der  Levaditischen  Me- 
thode cum  Nachweis  der  Spiroohaeta  pallida  in  Geweben.  Sie  untersuchten 
84  Gewebsstücke  von  24  Patienten  mit  akquirierter  Syphilis  (7  Schanker, 
19  sekund&re  Hauteffloreszenzen  mit  8  Stücken  anscheinend  gesunder 
Haut  Yon  Patienten,  die  anderweitig  syphilitische  Effloreszensen  aufwiesen, 
4t  tuberkulare  Syphilides  und  1  Gumma),  Bei  14  Patienten  wurden  positive 
Resultate  erzielt,  bei  10  negative;  ,nnter  diesen  waren  7  mit  Quecksilber 
behandelt  worden.  In  2  Fällen  konnten  vor  der  Behandlung  Spirochaeten 
nachgewiesen  werden,  aber  nicht  6  und  9  Wochen  nach  der  Behandlung. 
Bei  tertiären  Erscheinungen  schienen  die  Spirochaeten  weniger  scharfe 
Konturen  und  eine  mehr  wellenförmige  Gestalt  anzunehmen,  gegenüber 
der  scharfen  Begrenzung  und  deutlich  spiraligen  Form  früherer  Efflores- 
zenzen.  fi.  G.  Klotz  (New- York). 

Mae  Healy  Ward,  J.  A  Bapid  and  Simple  Method  of  Stai- 
ning  Spirochaeta  Pallida.  Joum.  Am.  Med.  Assoc.  XLVIll.  709. 
16.  Feb.  1907. 

Mao  Neal  empfiehlt  eine  Färbemethode  der  Spirochaeta  pallida 
für  Präparate  von  Flüssigkeiten  (Flüssigkeit  aus  einer  vergrößerten  Inguinal- 
drüse).  Die  Farbe  besteht  aus  einer  saturierten  Lösung  von  Methylen- 
violett in  Methylalkohol  zu  je  1000  Teilen,  von  welcher  1  Teil  Methylen- 
blau und  2  Teile  Eoein  zugesetzt  werden,  nach  folgender  Formel: 

Methylenviolett  (rohes) 25, 

Methylenblau  (medizinisch  rein) 10, 

Eosin  (gelblich) 20, 

Methylalkohol  (rein) 100*00. 

Die  Farbstoffe  werden  in  warmem  Alkohol  unter  wiederholtem 
Schütteln  aufgelöst  und  vor  dem  Gebrauch  24  Stunden  bei  Zimmertempe- 
ratur stehen  gelassen.  Das  Deckglas  ist  45  bis  60  Sekunden  mit  der 
Färbeflüssigkeit  bedeckt  zu  lassen  und  dann  mit  derselben  schnell  in  ca. 
10  cem  einer  wässerigen  Lösung  von  kohlensaurem  Natron  1 :  20000  ge- 
taucht und  1 — 2  Minuten  unter  Hin-  und  Herbewegung  der  benutzten 
Esmarchschale  in  derselben  gelassen.  Nach  Abspülen  in  destilliertem 
Wasser  Untersuchung  feucht  unter  ölimmersion.  Die  Spirochaeten  erscheinen 
intensiv  gefärbt,  das  Protoplasma  der  Leukocyten  blau,  Kerne  porpur, 
rote  Blutkörperchen  graublau  oder  rosa.         H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Ihibierge, G.  Le  spirochaete  pallida  de  Schaudinn^agent 
pathogöne  de  la  Syphilis.  Sa  recherche,  ses  habitats,  appli- 
cations  ä  la  clinique.  Gazette  des  Höpitauz.  1906.  p.  121. 

Der  Aufsatz  liefert  eine  klare  Zusammenfassung  der  bisherigen 
Studien  über  die  Morphologie,  den  mikroskopischen  Nachweis  und  das 
Vorkommen  der  Spirochaete  pallida  in  luetischen  Produkten.  Zum  Schlüsse 


312  Berieht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

wird  die  Wichtigkeit  des  positiven  Spirochaetenbefandes  für  die  Klinik 
gewürdigt.  M.  Winkler  (Lozem). 

Ravaut,  P.  et  Ponselle,  A.  Kecherches  sor  la  presence 
du  spirochaete  pallida  dans  le  sang  des  syphilitiqaes.  Gas. 
des  Hopitaax.  1906.  p.  1023. 

In  vielen  Fallen  sekundärer  Lues  Erwachsener,  die  noch  unbehandelt 
waren  und  frische  Erscheinungen  zeigten,  haben  B  a  v  a  u  t  und  P  o  n  s e  1 1  e 
yergeblich  nach  Spirochaete  pallida  im  Blute  gesucht.  Indessen  gelang  es 
ihnen  bei  einem  2  Monate  alten  hereditär  luetischen  Kinde  am  Tage  vor 
dem  Tode  sehr  reichliche  Spirochaeten  im  Blute  nachzuweisen.  Zur 
besseren  Darstellung  der  Spirochaeten  im  Blute  empfehlen  die  Vert  fol- 
gendes Verfahren: 

Man  läBt  in  80  cem  destilliertes  Wasser  30  Tropfen  Blut  fallen. 
Durch  das  Wasser  tritt  eine  Hämolyse  der  roten  Blutkörper  ein.  In  ca. 
einer  halben  Stunde  bildet  sich  ein  Fibrinkoagulum,  das  in  3  Stunden 
komplett  ist.  In  den  Fibrinmaschen  finden  sich  fast  ausschließlich  weiße 
Blutkörper  und  bakterielle  Elemente.  Das  Gerinnsel  wird  vermittelst  einer 
Platinöse  herausgezogen,  nochmals  im  Wasser  ausgewaschen,  zur  Lösung 
der  etwa  noch  restierenden  roten  Blatkörper  nachher  auf  Fließpapier 
getrocknet  und  wie  ein  Gewebsstück  behandelt.  Die  Schnitte  sind 
nach  der  Lev ad i tischen  Methode  zu  färben.  Mit  diesem  Verfahren 
konnten  R  a t a u  t  und  P o  n  s  e  1 1  e  in  jedem  Schnitte  reichlich  Spirochaeten 
nachweisen.  Der  kurzen  Mitteilung  ist  ein  Mikrophotogramm  beigegeben. 

M.  Winkler  (Lnzem). 


Syphilis  der  Haut,  Sehleimhaut  ete. 

Gassmaniif  A.  Les  bubons  ramoUis  idiopathiques  de  la 
Syphilis  r^cente.  Rev^ue  medicale  de  la  Suisse  romande.  1905.  Kr.  12. 
pag.  811. 

Gassmann  beschreibt  einen  Fall  von  erweichtem  Bubo  bei  Fruh- 
lues,  der  in  histologischer  und  bakteriologischer  Richtung  genauer  als 
die  bisher  von  Patoir  und  von  Marcuse  beobachteten  erforscht  ist 
Er  kommt,  wie  diese  Autoren  zu  dem  Schluß,  daß  keine  der  bisher  be- 
kannten Ursachen,  die  zur  Erweichung  syphilitischer  Drüsenschwellungen 
fuhren,  Torliegt,  und  daß  diese  auch  durch  klinische  Merkmale  aus- 
gezeichnete neue  Art  von  syphilitischem  Bubo  (bei  der  es  sich  übrigens 
meist  nicht  um  kolliquative  Erweichung  handelt)  vorläufig  als  idiopathisch 
anzusehen  ist.  A.  Oassmann  (Genf). 

Milian.   La  Leucoplasie.  Gazette  des  Höpitaux.  1906.  p.  60S. 

Ein  kurzes  Resümee  eines  am  internationalen  Kongreß  in  Lissabon 
1906  gehaltenen  Vortrages.  Verfasser  hält  die  Leukoplakie  hauptsächlich 
för  syphilitischen  Ursprunges  und  empfiehlt  zur  Behandlung  langdaoemde 
Hg-Ti^'ektionskuren.  M.  Winkler  (Lusem). 


der  Geschlechtskrankheiten.  313 


Syphilis  des  Nervensystems  und  der 

Sinnesorgane. 

Fairbanks,  Arthur  Willard.  Cerebral  Syphilis  in  Ghildren. 
Jonm.  Am.  Med.  Ass.  XL VIII.  861.  9.  März  1907. 

Anf  über  100  Fälle  unzweifelhafter  syphilitischer  Hirnerkrankung 
aus  der  Literatur  gestützt  behandelt  Fairbanks  das  in  der  pädiatri- 
schen Literatur  wenig  berücksichtigte  Kapitel  der  Himsyphilis  bei  Kin- 
dern. Obwohl  die  meisten  der  Beobachtungen  sich  zweifelsohne  auf  here- 
ditäre S.  beziehen,  will  F.  sogenannte  tertiäre  Erscheinungen  einer  in 
früher  Jugend  akquirierten  Syphilis  nicht  ausgeschlossen  wissen,  umso- 
mehr  als  dies  für  das  klinische  Interesse  von  weniger  Belang  ist. 

Pathologisch-anatomisch  handelt  es  sich  um  drei  Verände- 
rungen, die  einzeln  oder  kombiniert  die  Symptome  yerursacheo:  Menin- 
gitis (meist  Lepto-M.),  Arteritis  (meist  Endarteritis)  und  Syphiloma  (meist 
von  den  Meningen  ausgehend),  alle  andern  Veränderungen  sind  sekun- 
därer Natur.  Der  spezifische  Ursprung  der  klinischen  Symptome 
wird  angenommen  nicht  sowohl  auf  Grund  der  einzelnen  Erscheinungen, 
die  auch  in  verschiedenen  andern  Ursachen  ihren  Grund  haben  können, 
sondern  auf  Grund  der  Betrachtung  aller  Symptome  zusammengenommen, 
auf  die  Art  und  Weise  des  Auftretens  und  der  Entwicklung  derselben. 
Diese  Symptome  sind  multiform,  oft  ohne  bestimmte  Beziehung  zu  ein- 
ander, scheinbar  ohne  Zweck  zusammengeworfen  und  oft  unerklärbar 
durch  Annahme  eines  einzigen  Krankheitsherdes.  Das  Auftreten  der- 
selben erfolgt  in  der  Regel  in  subakuter  Weise  mit  gelegentlich  ganz 
akuten  und  schweren  Zuföllen.  Eigentümlich  ist  der  unregelmäßige  Ver- 
lauf: plötzliches  Verschwinden,  häufige  Rezidive  und  endlich  bleibende 
periphere  Zeichen  zentraler  Zerstörung  und  das  Verhalten  gegen  spezi- 
fische Behandlung.  Die  einzelnen  Symptome  selbst  sind  höchst  mannig- 
faltig, in  Wesen  und  Grad  häufig  wechselnd,  so  daß  zu  einer  Zeit  diese, 
zur  andern  jene  Symptome  vorherrschen,  z.  B.  epileptiforme  Konvulsionen, 
Spasmen  einzelner  Muskeln,  Tremor  etc.,  Lähmungen  der  Augenmuskeln, 
Neuralgien,  anaesthetische  und  paraesthetische  Erscheinungen  etc.,  und 
psychische  Störungen  und  Beeinträchtigung  der  Intelligenz.  Verf.  hält  es 
nicht  für  richtig,  die  subakuten  und  oft  unbestimmten  Früherscheinungen 
als  prodromale  oder  warnende  Symptome  anzusehen;  dieselben  seien  viel- 
mehr schon  integrierende  Teile  des  wirklichen  Symptomenkomplexes, 
wenn  auch  ihr  schleichender  Anfang  vorübergehender  und  erratischer 
Verlauf  zu  der  andern  Ansicht  Veranlassung  geben.  Unter  diesen  Früh- 
ersoheinungen  sind  Änderungen  im  Charakter,  Wechsel  der  Stimmung 
und  Neigungen,  sowie  Störungen  der  Intelligenz  die  häufigsten,  aber 
werden  recht  oft  übersehen.  Kopfschmerzen  kommen  wie  bei  Erwach- 
senen häufig  vor,  aber  nicht  so  begrenzt  oder  so  intensiv  wie  bei  diesen; 
Schlaflosigkeit  dagegen  ist  lange  nicht  so  gewöhnlich,  außer  wenn  durch 


314  Bericht  Aber  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Exmserbationen  von  Kopfschmerz  verursacht  Zu  den  frohen  Symptomen 
gehören  endlich  die  von  Fonrnier  als  kongestive,  von  F.  lieber  als 
lirknlatorische  Störangen  beseichneten  Symptome:  Sehwindel,  gans  vor- 
übergehende Sprech-  oder  Gesiehtsstörongen  nnd  plötzliche  Bewnßtlosig- 
keit,  Ohrensausen  etc. 

Die  frühe  Erkenntnis  dieser  Initialsymptome  ist  prognostisch  von 
großer  Wichtigkeit ;  wo  die  Anamnese  nicht  auf  den  spezifischen  Ursprung 
fthrt,  muß  nach  anderweitigen  Symptomen  von  Syphilis  bei  dem  Kranken 
selbst  und  eventuell  bei  andern  Familiengliedem  gesucht  werden. 

Die  Prognose  ist  abhängig  1.  von  der  frühen  £rkenntniss  der 
spezifischen  Natur  der  Erkrankung,  2.  von  dem  Charakter  der  wahr- 
scheinlichen pathologischen  Veränderung,  8.  von  dem  Lebensalter  des 
Kindes,  in  welchem  der  Prozeß  beginnt  Die  Bestimmung  des  Typus  der 
anatomischen  Veränderungen  ist  nicht  immer  leicht  oder  überhaupt 
möglich.  Gewisse  Symptome  sind  der  meningealen  und  der  arteriellen 
Form  gemeinsam;  heftige  Kopfschmerzen,  Lähmungen  der  Kopfherven, 
Schlaflosigkeit,  Anfälle  von  Konvulsionen  u,  a.  sprechen  für  Erkrankung 
der  Meningen,  die  i.zirkulatorischen''  Symptome  mehr  für  Gefaßerkrankung; 
bei  Tumoren  im  engern  Sinne  finden  sich  Herdsymptome,  aber  die  gum- 
matöse  Neubildung  ist  öfter  diffus  und  verursacht  mehr  Symptome  von 
Meningitis,  namentlich  der  der  Himbasis.  Im  allgemeinen  geben  die 
arteriellen  Prozesse  die  ungünstigste  Prognose,  gummatöse  und  menin- 
geale  dagegen  sind  in  der  Regel  der  Behandlung  zugänglich.  Him- 
syphilis  ist  schon  bei  der  Geburt  nachgewiesen  worden,  oder  wenigstem 
so  bald  nach  derselben,  daß  intrauterine  Entwicklung  der  syphilitischen 
Veränderungen  mit  Sicherheit  anzunehmen. 

Die  Berichte  der  einzelnen  Krankenfälle  umfaßt  die  Literatur  aller 
Länder.  Es  werden  die  Krankeogeschichten  im  ganzen  von  60  Fällen 
zum  großen  TeU  mit  Sektionsbefunden  im  Auszag  wiedergegeben  und 
kritisch  besprochen;  ein  eingehendes  Referat  darüber  ist  nicht  wohl 
möglich.  H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Ranke,  0.  Ober  Gewebsveränderungen  im  Gehirn  lue- 
tischer Neugeborner.  Neurologisches  Zentralblatt  1907.  Nr.  3  u.  4. 
pag.  112. 

Ranke  bringt  den  Vortrag  zum  Abdruck,  den  er  auf  der  XXXI. 
Wanderversammlung  der  sndwestdeutschen  Neurologen  1906  gehalten  hat 
Da  eine  ausfuhrliche  Bearbeitung  des  (Gegenstandes  im  IIL  Bande  von 
NissPs  „Histolog.  und  histopatholog.  Arbeiten*'  erscheinen  wird,  so  soll 
hier  nur  angegeben  werden,  daß  in  vorliegender  Arbeit  kurz  die  Befunde 
bei  11  Fällen  hereditärer  Lues  angegeben  werden,  nämlich:  Blutungen,  Ge- 
fäßveränderungen, leukocytäre  Infiltrate,  Wucherung  adventitieller  Zell- 
elemente, Proliferation  des  Stützgewebes;  diese  Veränderungen  sind 
diffus,  kommen  jedoch  auch  herdförmig  vor;  Verdieknng,  Wacherung, 
Infiltration  der  Pia;  in  zwei  Fällen  Nachweis  von  Spirochaeten  in  großer 
Menge.  Verf.  hofft,  daß  durch  weitere  Untersuchungen  auch  fttr  die  im 


der  Geschlechtskrankheiten.  315 

späteren  Leben  bei  heredit&r-luetischen  Individuen  auftretenden  nervösen 
Störongen  eine  anatomische  Orandlage  gefanden  werden  könnte. 

A.  Gassmann  (Genf). 

Alqnier.  Valenr  diagnostique  des  16sions  vasoulaires 
et  p^rivasonlaires  de  la  syphilis  nervense.  Gasette  des  H6pi« 
tanx.  1906.  pag.  987. 

Alqnier  beschreibt  einen  Fall  von  serebrospinaler  Syphilis,  der 
klinisch  Zeichen  von  Tabes  darbot.  Bei  der  Autopsie  fand  er  eine  Ver- 
dioknng  der  Hirnhäate,  besonders  am  hintern  Teil  des  Rückenmarks. 
Daneben  waren  Yerändernngen  an  den  Gefäßen  zu  konstatieren  —  teils 
älteren  Datums  bestehend  in  Endarteritis  und  Sklerose  der  Adventitia, 
teils  jüngeren  Datums  bestehend  in  einer  Anhäufung  von  Zellelementen 
um  die  Venen.  Die  Infiltration  bestand  wesentlich  ans  Bindegewebszellen, 
Lymphocyten,  Mastzellen  und  Plasmazellen. 

Alqnier  meint,  es  lasse  sich  auf  Grund  der  pathologisch-anato- 
mischen  Untersuchungen  nicht  entscheiden,  ob  die  Paralyse  syphilitischen 
Ursprungs  sei,  da  die  sichere  anatomische  Diagnose  der  Syphilis  des 
Nervensystems  zur  Zeit  nicht  möglich  ist.  M.  Win  kl  er  (Luzem). 


Syphilis  der  Eingeweide. 

Weber,  F.  Parkes.  On  tertiary  syphilitic  fever  and  the 
visceral  and  other  ohanges  connected  with  it.  The  Lancet. 
1907.  16.  März,  pag   728  ff. 

In  kritischer  Weise  bespricht  Weber  das  Zusammenfallen  von 
syphilitischen  Spätsymptomen  und  Temperaturerhöhungen.  Er  zitiert  aus- 
führlich die  '^diesbezügliche  Literatur  und  geht  näher  auf  die  differen- 
tialdiagnosiischen  Schwierigkeiten  ein,  die  dieses  Fieber  machen  kann. 
Eingehend  wird  erörtert,  wie  der  Fieberverlauf  und  Symptome  von  Seiten 
der  Lunge  oft  zur  Febldiagoose  einer  Lungentuberkulose,  wie  gleich- 
zeitiges Auftreten  von  Leberstörungen  oft  in  rein  syphilitischen  Fällen 
fälschlich  an  eine  Cholelithiasis  glauben  läßt. 

Anlaß  zu  der  Arbeit  gab  dem  Autor  eine  eigene  Beobachtung: 
eine  Frau  litt  an  wiederholten  Temperatursteigerungen,  teilweise  in  Be- 
gleitung von  Haematemsis,  teilweise  in  Begleitung  von  Yergrößerungeu 
der  Leber  und  Milz.  Die  Temperaturerhöhungen  und  gleichzeitige  andere 
syphilitische  Symptome  (Gumma  des  weichen  Gaumens,  Periostitiden  der 
Tibien)  weichen  schnell  einer  spezifischen  Behandlung. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Montgomery,  Douglass  W.  &  Sherman,  H.  M.  A  Combina- 
tion  of  Syphilis  and  Epithelioma  of  the  Tongue.  California 
State  Joum.  of  Medic.  Y.  4.  Januar  1907. 


316     Bericht  über  die  Leist  auf  dem  Geb.  der  Oeschlechtskrankh. 

Der  von  Montgomery  und  Sherman  beschriebene  Fall  von 
Kombination  von  Syphilis  und  Epitheliom  der  Zunge  betraf  eine  37 jähr. 
Fraa  mit  zweifelloser  Geschichte  von  Syphilis,  die  anch  in  einigen  Kin- 
dern sich  äußerte.  Da  das  mit  hartem  Rande  besonders  nach  hinten  be- 
grenzte Geschwür  auf  einer  Seite  saß,  wurde  nur  die  eine  Seite  der 
Lunge  durch  Operation  entfernt  und  die  erhaltene  Zungenspitze  zur 
Deckung  des  Defekts  benutzt  Die  mikroskopische  Untersuchung  ergab 
zweifellos  epitheliomatösen  Charakter,  die  speckig  infiltrierte  Basis  des 
Geschwürs  war  von  zahlreichen,  unregelmäßig  geformten  miliaren  Gummen 
durchsetzt  mit  hyaliner  Degeneration  und  Riesenzellen.  Nach  8Y|  Jahren 
war  kein  Rezidiv  eingetreten.  Die  vor  der  Operation  «sehr  häufig  beob- 
achteten Ausbrüche  von  Herpes  der  Zunge  und  Lippen  ließen  nach  der 
Operation  nach.  H.  G.  Klotz  (New-Yoric). 

Milhit,  M.  J.  La  Syphilis  du  foie.  Gazette  des  Hopitaax. 
1906.  pag.  87. 

Der  Artikel  enthält  ein  klinisches  Bild  der  Lebersyphilis,  ohne 
einen  neuen  Beitrag  zu  liefern.  M.  Wink  1er  (Luzem). 

Brunson,  Rudolph.  Some  Syphilitic  Diseases  of  the  Eye 
Jonm.  Am.  Med.  Assoc.  XL VIII.  1161.  6.  April  1907. 

Übersichtliche  Zusammenstellung  von  bekanntem  ohne  originelle 
Zugaben.  H.  G.  Klotz  (New- York). 


Buehanzeigen  und  Besprechungen. 


HofiVnanii,  £ricb.  Atlas  der  ätiologischen  und  experi- 
mentellen Syphilisforschung.  Mit  Unterstätzang  der  Deutschen 
Dermatologischen  Gesellschaft  herausgegeben.  Berlin,  Verlag  von  Julius 
Springer,  1908. 

Besprochen  von  Prof.  Finger  (Wien). 

Die  Deutsche  Dermatologische  Gesellschaft  hat  auf  ihrem  Kongreß 
in  Bern,  dessen  Tagesordnung  fast  ausschließlich  von  der  Syphilisfrage, 
den  sich  an  die  Tierimpfung  und  die  Entdeckung  der  Spirochaeta  pallida 
anschließenden  bedeutenden  Erweiterungen  unserer  Kenntnisse  beherrscht 
wurde,  den  Beschluß  gefaßt,  zum  Andenken  an  den  leider  so  frfih  ver- 
storbenen Fritz  Schaudinn  ein  monumentales  Bildwerk  herauszugeben, 
das  den  sich  an  die  Entdeckung  der  Spirochaeta  pallida  anschließenden 
Errungenschaften  geweiht  sein  solle  und  dessen  Grundlage  die  sehr  zahl- 
reichen, von  K  Hoff  mann,  und  anderen  am  Bemer  Kongreß  aus- 
gestellten Präparate  und  Originalabbildnngen  bilden  sollten.  £.  Hoff- 
mann, der  Mitarbeiter  Schaudinns  bei  Entdeckung  der  Spi- 
rochaeta pallida,  wurde  mit  der  Aufgabe  der  Herausgabe  des  Atlas 
betraut  und  hat  sich  dieser  Aufgabe  in  pietätvoller  und  würdiger 
Weise  zu  entledigen  gewußt.  Der  uns  vorliegende  „Atlas  der  ätio- 
logischen und  experimentellen  Syphilisforschung''  ist  sowohl  nach  Form 
als  nach  Inhalt  ein  Monumenfalwerk.  Mit  einem  wohlgetroffenen  Bilde 
F.  Schaudinns  in  Heliogravüre  geziert,  umfaßt  er  30  in  Farbendruk 
ausgeführte  und  vier  photographische  Tafeln.  Die  sieben  ersten  Farben- 
tafeln gelten  der  experimentellen  Syphilis  und  zeigen,  von  Tiermaler 
M.  Lands berg  ausgeführt,  syphilitische  Initialaffekte,  circinäre  Sy- 
philide und  Leukopathien  bei  Schimpansen,  Maoasas  rhesus,  Cercocebus 
fnliginosus,  Hapale  facchus,  Keratitis  syphilitica  bei  Kaninchen  und 
Schaf  in  ungemein  naturgetreuer  Ausführung  und  vorzüglicher  Repro- 
duktion. Die  weiieren  23  Farbentafeln  bringen  den  derzeitigen  Stand  der 
Mikrobiologie  der  Syphilis  unter  Berücksichtigung  einiger  nahestehender 
Mikroorganismen  zur  Anschauung.  Histologische  Obersichts-  und  Detail- 
bilder der  Affensklerose,  der  Keratitis  parenchymatosa  machen  den  Anfang, 
es  folgen  Sekretpräparate  nach  Giemsa  gefärbt,  von  Sklerosen,  Lymph- 
drüsensaft, Papelsekret,  Blut  bei  Lues  hereditaria.  Venenblut  bei  Lues 
acquisita,  Sekret  von  Affensklerosen,  Keratitis  syphilitica  mit  Spirochaeta 


318  Bachanseigen  und  Besprechungen. 

pallida,  Sekreipräparate  ron  Spirochaeta  pallidala,  Spirochaeta  balani- 
tidis,  8p.  refringens,  baocalis,  dentiam,  Vincenti,  Dattoni,  Obermeyeri, 
Gallinaram,  anodontae,  Balbiani,  Trypaaosoma  eqaiperdam. 

Diese  Zatammen-  and  Gegenftbentellang  der  Sp.  pallida  and  der 
anderen  bekannten,  pathogenen  and  nicht  pathogenen  Spirochaeten  ist 
aafierordentlich  wertvoll.  Und  non  folgen  aaf  Taf.  XV  bis  XXYIII,  28 
Abbildangen,  Schnitte  darch  Initialaffekt,  syphilitische,  sekandäre  and 
tertiäre  Formen,  kongenitale  syphilitische  Veränderungen,  die  nach  den 
verschiedenen  Silberimprägnationsmethoden  das  Vorhandeosein,  die  Reich- 
lichkeit nnd  die  Lagerang  der  Sp.  pallida  in  syphilitischen  Oeweben 
zeigen.  Als  Eontroll-  nnd  Vergleiohspräparate  sind  dann  wieder  Gewebs- 
schnitte  von  Balanitis  erosiva,  gangpraenosa,  Gangraena  palmonam,  Noma, 
Beharrens  und  Hühnerspirillose  beigegeben. 

Vier  Tafeln  mit  Photogrammen  von  Sekretpräparaten  nnd  Schnitten 
von  Syphilis  und  anderen  Spirillosen  bilden  den  Schlnß.  Die  Farbentafeln, 
von  dem  wissenschaftlichen  Zeichner  G.  Hei  big  aasgefQhrt,  sind  sehr 
natnrwahr,  sowohl  in  Zeichnnng  als  Farbenton  gut  getroffen,  frei  von 
Schablonisierung . 

Ho  ff  mann  hat  sn  den  einzelnen  Tafeln  einen  kurzen  erklärenden 
Text  geschrieben  und  verweist  im  übrigen  auf  Neissers  und  sein  in 
Bern  erstattetes  Referat.  Wie  aus  dem  gesagten  hervorgeht,  ist  das  Werk 
glänzend  gelungen,  es  ist  ein  würdiges  Denkmal  für  Frits  Sohandinn, 
ein  Werk  von  hoher  wissenschaftlicher  Bedentung,  das  auf  dem  Tische 
keines  Bakteriologen,  Pathologen  und  Syphilidologen  fehlen  solte,  es  ge- 
reicht der  Deutschen  DermatologiRchen  Gesellschaft,  der  Deatschen 
Wissenschaft  nad  E.  Hoff  mann  zum  Ruhme. 


Pelllzzuri, Celso.  Gasi  diOnicomicosi  guariti  oollaRönt- 
gentherapia.  Publ.  in  den  Akten  der  königl.  medizin.-physikal.  Aka- 
demie in  Florenz,  1906. 

Angezeigt  von  Dr.  Gostantino  Curupi  (Prag-Porretta). 

Die  Arbeit  handelt  über  drei  Fälle  von  Onychomykose,  die  Pelliziari 
durch  längere  Zeit  im  Florentiner  phototherapeutischen  Institute  beobachten 
konnte  and  durch  die  Röntgenapplikation  geheilt  hat.  Der  erste  Fall  betrifft 
ein  Mädchen,  das  an  eine  Trichophytie  der  Kopfhaut  litt;  es  wurde  zweimal 
der  Röntgenbestrahlung  unterzogen.  Nachdem  die  Trichophytie  schon 
geheilt  war,  wurde  sie  wieder  und  zwar  siebenmal  wegen  Onychomykose  des 
rechten  Mittelfingers  mit  Röntgen  bestrahlt.  Als  Patientin  das  Institut 
verließ,  war  mehr  als  die  obere  Hälfte  des  kranken  Nagels  gesund.  Im 
zweiten  Falle  handelte  es  sich  um  ein  achtjähriges,  vom  Favus  befallenes 
Mädchen,  welches  wegen  der  Onychomykose  des  vierten  linken  Fingers 
sechsmal  mit  den  Röntgenstrahlen  behandelt  wurde.  Der  kranke  Nagel 
erlangte  einige  Zeit  nach  der  letzten  Bestrahlung  wieder  in  seiner  Gänze 
normales  Aasseben,  nnd  die  zahlreich  vorgenommenen  mikroskopischen 
Untersnchangen  hatten  immer  negatives  Resultat    Der  dritte  Fall  war 


Bachanzeigen  nnd  Besprechimgeii.  319 

anch  ein  Mädchen,  das  eine  Trichophytie  der  Kopfhaat  und  des  Nagels 
des  rechten  mittleren  Fingers  hatte.  Die  Yollständige  Heilung  der  Ony« 
ehomykose  wnrde  in  diesem  Falle  durch  nenn  Bestrahlungen  erzielt. 
Pellizzari  hebt  herror,  daß,  wie  die  erwähnten  Fälle  beweisen,  die  kranken 
Nägel  unter  dem  Einflüsse  der  Böntgenstrahlen  ohne  Reaktion  heilen; 
sie  fallen  nicht  wie  die  Haare  in  t  o t  o  aus,  sondern  wachsen  wie  gesunde 
Nägel  wieder,  ohne  Deformität,  Mißbildung  und  Opazität.  Vom  wissen- 
schaftlichen Standpunkte  aus  ist  diese  Heilungsart  der  Onychomykose 
wichtig,  denn  sie  erläutert  die  kurative  Wirkung  der  Röntgenstrahlen 
auf  die  Mykosen;  denn,  sowie  man  nicht  eine  direkte  parasiticide 
Wirkung  der  Röntgenstrahlen  auf  die  betreffenden  Hyphomyceten  nach- 
weisen kann,  so  kann  man  dieselbe  auch  der  mechanischen  Entfernung 
der  kranken  Partien  nicht  zuschreiben;  man  ist  genötigt,  eine  spezielle 
Ton  den  Röntgenstrahlen  in  den  kranken  Oeweben  hervorgerufene  Resistenz 
anzunehmen. 

Giovannini,  Sebastiane.  Ricerche  intorno  alla  cornei- 
ficazione  dei  peli  u  mani  compiute  oolla  digestione  arti- 
ficiale.    S.-A.  aus  Archivio  per  le  Scienze  Mediche.  Turin,  1906. 

Angezeigt  von  Dr.  Gostantino  Gurupi  (Prag-Porretta). 

Giovannini  stellte  Untersuchungen  mittels kfinstlicher Verdauung 
an,  um  zu  ergründen,  in  welcher  Höhe  die  Zellen  der  menschlichen 
Haarwurzel  zur  Yerhomung  übergehen  und  ob  letztere  nach  ihrem  Beginne 
gleichförmig  fortschreite  oder  nicht.  Das  Ergebnis  der  Untersuchung 
die  an  Barthaaren  vorgenommen  wurde,  g^bt  nur  bezüglich  der  Rinde 
und  der  Cuticula  Aufschluß.  Die  Rinde  übergeht  zur  Eomeifikation 
meistens  am  Anfange  des  oberen  Teiles  des  Halses,  die  Cuticula  in  der 
Mitte  dieser  Partie  oder  noch  höher.  Beide  besitzen  im  wesentlichen 
einen  freien  Eomeifikationspunkt,  der  aber  von  Haar  zu  Haar  ziemlich 
verschieden  ist.  Die  Yerhomung  befällt  anscheinend  am  Anfange  zur 
Gänze  die  Guticulazellen;  dagegen  bleibt  sie  in  der  Rinde,  im  ganzen 
oberen  Teile  des  Halses  und  auch  noch  etwas  höher,  allein  auf  die  pro- 
toplasmatischen Fibrillen  beschränkt,  die  Zellkerne  gänzlich  unberührt 
lassend;  nur  im  oben  liegenden  Schafte  erreicht  sie  ihre  letzte  und 
definitive  Stufe.  Der  obere  Teil  des  Halses  unterscheidet  sich  somit  nach 
Giovannini  außer  durch  seine  Form,  Dicke,  Ghromophilie,  Eonsistenz  usw. 
auch  durch  seinen  verschiedenen  Eomeifikationsstatus  von  der  Rinde. 


Varia. 

Peraonalien.  Dr.  M.  B.  Hartz  eil  (Philadelphia)  wurde  zum 
Professor  der  Dermatologie  am  Womans  Medical  Gollege  of  Pennsylvania 
ernannt. 

Dr.  Bering,  I.  Assistent  an  der  Elinik  f&r  Haut-  und  Geschlechts- 
krankheiten in  Kiel  hat  sich  daselbst  für  diese  Fächer  als  Privatdozent 
habilitiert. 


Oskar  Lassar. 

Die  Trauerknnde  yon  dem  am  21.  December  yorifi^en 
Jahres  erfolgten  plötzlichen  Hinscheiden  Oskar  Lassars,  der  im 
69.  Lebensjahre  ans  voller  Kraft  and  schaffensfrendigster,  viel- 
seitigster Arbeit  von  einer  Sepsis,  die  als  Folge  einer  an  sich 
unb^eatenden  Verletiang  anfcrat,  wenige  Tage  vor  der  Feier 
seiner  silbernen  Hochzeit  dahingerafft  wurde,  erschfttterte  alle 
Bevölkerungsschichten  unserer  Btadt,  war  doch  Lassar  eine 
wirklich  populäre  Persönlichkeit. 

Sein  Lebensgaog  ist  kurz  folgender: 

£r  wurde  am  11.  Januar  1849  in  Hamburg  geboren.  Als 
er  in  Heidelberg  studierte,  brach  der  Krieg  von  1870  aus,  ans 
dem  er  als  Offizier  geschmückt  mit  dem  eisernen  Kreuz  heim- 
kehrte. Nach  beendigten  Studien  wurde  er  zuerst  Assistent  des 
Physiologen  Meissner  in  Göttingen  und  1875  kam  er  als 
Assistent  zuCohnheiman  das  patholoffische  Institut  in  Breslau. 
Seit  28  Jahren  ist  er  in  Berlin  als  Dermatologe  tätig;  1880 
habilitierte  er  sich  als  Privatdozent,  1902  wurde  er  Proefssor 
extraordinarius. 

Im  Jahre  1886  gab  er  im  Anschloß  an  die  Naturforscher - 
Versammlung  in  Berlin  die  Aoregung  zur  Begründung  der 
Berliner  Dermatologischen  Gesellschaft.  Mit  Unna  und  Hans 
von  Hebra  schuf  er  1892  die  „Monatshefte  für  praktische 
Dermatologie",  aber  schon  nach  drei  Jahren  schieden  Hebra 
und  er  wieder  aus.  Seit  1893/94  gab  er  die  „Dermatologische 
Zeitschrift"  heraus.  In  den  letzten  Jahien  war  er  Schrift- 
führer der  Berliner  medizinischen  Gesellschaft  und  gehörte  zu 
den  Vorsitzenden  der  neu  gegründeten  Gesellschaft  mr  soziale 
Medizin,  Hygiene  und  Medizinalstatistik. 

Ein  besonderes,  hervorragendes  Verdienst  erwarb  sich 
Lassar  durch  die  Gründung  der  Deutschen  GeselUchaft  für 
Volksbäder.  Seine  sehr  zahlreichen  Arbeiten  betreffen  seiner 
ganzen  Anlage  und  seiner  Tätigkeit  entsprechend  hauptsächlich 
das  klinische  und  therapeutische  Gebiet  sowie  die  öffentliche 
Gesundheitspflege. 

Seine  Klinik  war  ein  Musterinstitut,  in  dem  alle  Fort- 
schritte der  Technik  und  der  Wissenschaft  die  Stätte  ihrer 
Verwirklichung  fanden.  Seine  Moulagensammlung  war  eine  der 
reichhaltigsten  der  Welt. 

Als  Lehrer  und  Arzt  hatte  sein  Name  einen  inter- 
nationalen Klangt  Eioe  der  bekanntesten  Persönlichkeiten  der 
Berliner  Gesellschaft,  ein  gewandter,  moderner  Dermatologe 
von  Weltruf,  ein  eifriger  Sportsmann,  ein  energischer,  origi- 
neller Charakter,  eine  liebenswürdige,  freigebige  Natur,  ein 
gelter  Redner,  ein  angenehmer  Plauderer,  ein  glänzender  Organi- 
sator —  das  sind  die  Eigenschaften,  die  sich  zu  dem  Lebens- 
bilde Oskar  Lassars  vereinigen  1 

Ein  voller  Lorbeerkrana  seinem  Andenken  1 

0.  Rosenthal  (Berlin). 


I 


Originalabhandlungen, 


Arob.  f.  Dannat.  o.  Sjph.  Bd.  LXXXIX.  21 


Ans  der  k.  k.  dentsohen  dermat.  Universitätsklinik  in  Frag 

(Vorstand:  Professor  Ereibich). 


Klinische,  histologische  und  vergleichende 
Beiträge  zur  Kenntnis  der  Ciitismyome. 


Von 

Dr.  Paul  Sobotka, 

Assistenten  der  Klinik. 

(Hiezu  Taf.  IX  a.  X.) 


(SchloB.) 

Daß  es  sich  in  unserem  Falle  um  multiple  reine 
Cutismyome  handelte  und  noch  mehr:  daß  ein  ganz  ausge- 
zeichneter Fall  von  Arrektorenmyomen  vorlag,  ist  durch 
den  histologischen  Befund  mit  aller  Klarheit  sichergestellt 
Es  ist  aber  noch  auf  eine  Reihe  von  Punkten  näher  einzu- 
gehen, um  die  Besonderheiten  des  Falles  herauszuheben  und 
seine  Stellung  nun  nicht  mehr  unter  den  klinisch  ähnlichen 
Geschwülsten,  sondern  auch  unter  seinesgleichen  zu  kenn- 
zeichnen. Es  werden  bei  diesen  Betrachtungen  natürlich  auch 
Streiflichter  auf  die  anderen  bisher  beschriebenen  Fälle  von 
reinen  Coriummyomen  fallen.  Über  sie  alle  hier  ausführlich 
zu  berichten,  fehlt  Raum  und  Anlaß;  ein,  wie  ich  glaube,  für 
die  Coriummyome  vollständiges  Literaturverzeichnis  ist  der 
Arbeit  angefügt.^) 


^)  Nor  einen  schwer  zugänglichen  Fall,  den  ich  nirgends  referiert 
und  in  keiner  Arbeit  angeführt  gefunden  habe,  gebe  ich  in  kurzer 
Zusammenfassung  hier  wieder. 

Fall  von  £.  Genevois:  49j.  Landwirt.  Befallen  sind  besonders 
die  rechte  Schultergegend,  der  rechte  Arm,  weniger  der  Rücken,  an  dem 

21* 


324  Sobotka. 

Geschlecht,  Nationalität  und  Beruf  meines  Kran- 
ken geben  zu  wenigen  Bemerkongen  Anlafi.  Die  auf  die  ersten 
Beobachtungen  von  multiplen  Myomen  gegründete  Annahme^ 
das  Leiden  komme  vorwiegend  beim  weiblichen  Geschlechte 
Tor,  besteht  längst  nicht  mehr  zu  Recht.  Unter  den  mir 
bekannten  Fällen  von  kutanen  reinen  Myomen  (von  denen  ich, 
wie  oben,  so  auch  hier  Wolters  dritten  Fall  abtrennen  will) 
betrafen  15,  zu  denen  sich  der  meine  als  der  16.  gesellt,  das 
männliche  Geschlecht,  11  das  weibliche;  über  den  Fall 
Dariers  stehen  mir  keine  Angaben  zur  Verfugung.  Der 
einzige  Schluß,  den  ich  mit  Gut  mann  aus  diesem  geringen 
Zahlenmaterial  ziehe,  ist  der,  daß  schwerlich  einem  der  beiden 
Geschlechter  eine  ausgesprochenere  Neigung  zur  Entwicklung 
von  Myomen  in  der  Haut  zukomme.  Der  Nationalität 
der  Kranken  ist  bisher  nirgends  Erwähnung  getan;  mein 
Patient  war  Tscheche  von  ausgesprochen  slawischem  Typus. 
Über  Besonderheiten  des  Berufes,  der  Lebensweise, 
der  Konstitution,  frühere  oder  noch  yorhandene  Krank- 
heiten kann  als  über  anscheinend  ganz  unwesentliche  Dinge 
ohne  weitere  Bemerkungen  hinweggegangen  werden.    Was  das 


Btellenweise  eine  Topographie  aualog  deijenigen  von  Zosterbl&sclien 
%n  beobachten  ist,  beide  Darmbeingegenden  nnd  einige  Stellen  der 
Beine.  Diese  Hantbezirke  tragen  dichter  oder  mehr  zerstrent  stehende 
Papeln,  die  normale  Hantfarbe  oder  gelinge  Rötung  zeigen,  bis  erbsen- 
groß Werden  nnd  (wenn  ich  recht  yerstehe)  zuweilen  keloidartige  Aus- 
läufer besitzen.  „Gewisse  längliche  Papeln  sind  wie  in  parallele  Reihen 
gestellt  und  die  eine  in  die  Fortsetzung  der  anderen. **  Die  Hauter- 
krankung wurde  vor  etwa  6  Jahren  beim  Ankleiden  zufällig  entdeckt. 
Später  bildete  sich  an  den  befallenen  Stellen  ausgesprochene  Hyper- 
ästhesie aus,  die  auch  klinisch  nachzuweisen  ist.  Spontane  Sehmerzen 
und  zwar  solche  von  großer  Heftigkeit  nur  im  rechten  Arme  bei  Wetter- 
wechsel. Histologische  Untersuchung:  Das  anscheinend  im  gesunden 
ausgehobene  Hautstuck  erweist  sich  als  in  Wirklichkeit  innerhalb  der 
Grenzen  der  Muskelwucherung  umschnitten.  Das  ganze  Derma  mit 
Ausnahme  der  subpapillären  Zone  ist  eingenommen  von  nach  allen 
Richtungen  getroffenen  Muskelbündeln,  die  nach  der  Peripherie  zu 
schmäler  werden.  Übermäßig  entwickeltes  elastisches  Faserwerk  um- 
spinnt die  Muskulatur,  ohne  in  sie  einzudringen.  Rundzellenhaufen 
an  den  subpapillären  Gefäßen  und  den  Haarbä]{(en.  Im  peripheren 
Teile  der  Geschwulst  Nervenfasern.  Epidermiszapfen  verkürzt.  Ab- 
stammung der  Neubildungen  nicht  aufgeklärt. 


Zur  EenntniB  der  Catismyome.  325 

Alter  anbelangt,  in  dem  die  Krankheit  zum  erstenmale  wahr- 
genommen wurde,  so  verhält  sich  mein  Fall  sehr  typisch; 
denn  es  bestand  bei  4  Kranken  das  Leiden  schon  im  ersten 
Lebensjahrzehnt,  darunter  bei  dreien  seit  unbestimmbar  früher 
Zeit;  bei  sieben  fiel  wie  bei  dem  meinen  die  erste  Beobachtung 
ins  2.  Jahrzehnt;  sechsmal  scheint  das  Leiden  im  3.,  viermal 
im  4.,  einmal  im  5.  und  einmal  im  6.  Jahrzehnt  begonnen 
zuhaben;  in  den  Arbeiten  von  Neumann,  Roberts,  Herzog, 
und  der  kurzen  Bemerkung  von  Darier  wird  eine  Zahlen- 
angabe vermißt.  In  meinem  Falle  scheint  die  Entwicklung 
des  Leidens  sehr  rasch  stattgefunden  zu  haben;  es  wäre 
anders  schwer  verständlich,  daß  der  Kranke  den  Ausschlag 
bei  seiner  ersten  Wahrnehmung  schon  voll  entwickelt  fand. 
Ganz  ähnlich  erging  es  dem  Patienten  von  Genevois.  In 
den  Fällen  von  Marschalkö  und  Huldschinsky  wird 
gleichfalls  über  sehr  rasches  Zustandekommen  der  Eruption 
berichtet,  in  Wolters  zweitem  Falle  wurden  plötzliches  Auf- 
treten und  plötzlich  erfolgende  Nachschübe  unmittelbar  be- 
obachtet. 

Bezüglich  der  vornehmlich  befallenen  Körper- 
gegenden schließt  sich  mein  Fall  recht  eng  an  denjenigen 
von  Lukasiewicz  an,  in  dem  nur  das  linke  Bein  und  von 
diesem  nur  die  untere  Hälfte  des  Oberschenkels  und  die  Mitte 
des  Unterschenkels,  beide  an  der  Streckseite,  Myome  trugen. 
Huldschinsky  sah  im  Gegensatz  zu  mir  gerade  die  Hinter- 
und  Außenseite  des  einen  Beines,  in  geringem  Grade  noch 
einige  andere  Körporstellen,  an  dem  Krankheitsvorgange  be- 
teiligt, Jamin  die  Haut  eines  Beines  ohne  besondere  Bevor- 
zugung einer  bestimmten  von  seinen  Flächen  ergriffen ;  in  dem 
Falle  Nobls  waren  beide  unteren  Extremitäten,  die  Ober- 
schenkel besonders  an  den  Streckflächen,  und  die  Nates,  in 
demjenigen  von  Marschalkö  neben  den  beiden  Beinen 
noch  andere  Stellen  des  Körpers  mit  Myomen  bedeckt.  Im 
übrigen  lassen  sich  für  die  Verteilung  der  Geschwülstchen 
über  die  Haut  kaum  bestimmte  Regeln  angeben;  sie  sind  bei- 
nahe an  allen  Körperstellen  schon  angetroffen  werden.  Daß 
sie,  wie  überall  angegeben  wird,  an  den  Gliedmaßen  die  Streck- 
seiten bevorzugen,  gilt  wohl  nur  für   die  Arme  und  hier  be- 


326  Sobotka. 

sonders  für  die  Unterarme,  deren  Beogeseite  noch  nie  in  aus- 
gedehnterem Maße  erkrankt  gefunden  wurde.  Es  wird  sich 
aber  dabei  kaum  weniger  um  Zufall  handeln  als  bei  der  bis- 
her festzustellenden  Myomimmunität  einiger  anderen  Körper- 
stellen,  deren  Verzeichnis  ich  als  wohl  von  gar  zu  ephemerer 
Bedeutung  nicht  erst  hieher  setzen  mag. 

Die  Neigung  der  Myome,  irgend  einen  Körperteil  oder 
auch  mehrere  dicht  zu  besetzen  und  den  übrigen  Körper  fast 
frei  zu  lassen,  tritt  in  meinem  Falle  mit  großer  Deutlichkeit 
herTor.  Dasselbe  gilt  von  der  Assymmetrie  der  Verteilung. 
Diese  schon  Ton  Besnier  (1885,  p.  322)  angedeutete  und 
von  Grocker  (p.  48,  51)  schärfer  hervorgehobene  Eigentüm- 
lichkeit —  die  für  den  letzteren  Forscher  ein  Grund  mit  war, 
an  dem  Myomcharakter  von  Wolters  1.  und  2.  Falle  zu 
zweifeln  —  diese  auffällige  Eigentümlichkeit  als  etwas  typisches 
anzusehen,  verbietet  neuerdings  wieder  der  No bische  Fall, 
in  dem  beide  Beine  in  sehr  symmetrischer  Anordnung  be- 
fallen waren;  bemerkenswert  bleibt  dem  gegenüber  immerhin, 
daß  nicht  nur  bei  den  beginnenden  Fällen,  sondern  auch  bei 
vielen  derjenigen,  die  schon  längere  Zeit  bestanden  (Hess, 
Jadassohn  I,  wenn  ich  die  Beschreibung  nicht  mißverstanden 
habe,  Jadassohn  II,  Lukasiewicz,  Grocker,  White, 
Roberts,  Krzysztalowicz)  die  Eruption  vollständig  auf 
eine  Körperhälfte  beschränkt  war.  Hierneben  ist  die  auffallende 
Erscheinung  zu  stellen,  daß  in  3  Fällen  (Jamin,  Gutmann, 
auch  Beatty)  die  Affektion  in  ganz  überraschend  scharfer 
Weise  auf  größere  oder  auch  nur  kleine  Strecken  hin  an  der 
Mittellinie  abschnitt.  Diese  und  ähnliche  Beobachtungen  hat 
man  für  einen  Zusammenhang  der  Anordnung  der  Myome  mit 
der  Nerventeilung  verwerten  wollen,  ohne  jedoch  je  zu  einem 
recht  entscheidend  positiven  Ergebnis  zu  gelangen  (sieh  übrigens 
die  Abhandlungen  von  Hardaway,  Huldschinsky,  Jamin); 
bei  der  wenig  bestimmten  Begrenzung  der  von  Myomen  be- 
setzten Fläche  in  meinem  Falle  ist  es  bei  einiger  Beflissenheit 
nicht  sehr  schwer,  sie  mit  einem  Nervenschema  einigermaßen 
zur  Deckung  zu  bringen,  ohne  daß  indessen  diesem  leidlich 
guten  Zusammentreffen  irgend  ein  tieferer  Sinn  unterlegt 
werden  dürfte. 


Zur  Kenntnifl  der  Gatismyome.  327 

Fruchtbarer  scheint  mir  die  Betrachtung  eines  anderen 
Verhältnisses,  die  Anordnung  der  Knötchen  nach  bestimmten 
Linien.  Bei  meinem  Kranken  war  die  Zusammenstellung  der 
Geschwülstchen  zu  Reihen,  die  Ausbildung  von  Leistchen,  von 
feinsten  gefäßreisartigen  Zügen  und  die  Zusammenstellung 
aller  dieser  Bildungen  zu  einem  förmlichen  Systeme  am  Ober- 
schenkel in  so  auffallender  Weise  ausgeprägt,  daß  durch  sie 
geradezu  das  Bild  beherrscht  wurde;  am  Unterschenkel  mußte 
das  Symptom  erst  gesucht  werden.  Entsprechen  nun  diese 
Richtlinien  den  Haarsfrömen,  wie  ich  anfangs  glaubte  und  wie 
gerade  bei  Arrektorgeschwülsten  zu  vermuten  ist?  Genauere 
Betrachtung  und  Vergleichung  mit  den  Abbildungen  von  Esche- 
richt  (1837,  Tab.  III  u.  IV)  und  mit  solchen  nach  Voigt 
(wiedergegeben  in  allen  Lehrbüchern,  siehe  übrigens  z.  B.  auch 
Okamura,  Arch.  f.  Derm.  u.  Syph.  1901,  p.  357  ff,  namentlich 
auch  Abbildung  2  und  5),  anderseits  mit  der  Darstellung  der 
Spaltrichtungen,  z.  B.  in  den  Pick  sehen  Lokalisationstabellen 
(2.  Auflage)  ergaben,  daß  für  die  Oberschenkelvorderfläche  und 
allenfalls  auch  für  die  Unterschenkelinnenfläche  die  Frage,  ob 
Haarrichtung  oder  Spaltrichtung  nicht  mit  yoUer  Sicherheit  zu 
entscheiden  war,  weil  die  beiden  Systeme  hier  kaum  von 
einander  abweichen,  daß  aber  das  Zusammenlaufen  der  Linien 
an  der  Innenseite  des  Kniegelenkes,  namentlich  das  Abwärts- 
streben der  Züge  an  der  Innenseite  des  Oberschenkels  und 
ihr  querer  Verlauf  über  dem  Knie  an  dessen  Streckseite  nur 
mit  der  Anordnung  der  Spaltrichtungen  übereinstimmte.  Es 
scheint,  daß  die  ausgesprochen  längsgestreckten  und  sich 
zu  parallel£Etferigen  Zügen  zusammenschließenden  Zellen  des 
glatten  Muskels,  die  sich  im  ganzen  durch  Teilung  nach  dem 
LängsTcrlauf  des  Bündels  Tervielfaltigen  und  in  eben  dieser 
Richtung  auswachsen,  besondere  Neigung  haben,  sich  im  Sinne 
des  geringsten  Widerstandes  und  der  vorgebildeten  Spalten 
zu  lagern  und  in  dieser  Orientierung,  wenn  sie  einmal  ge- 
wonnen ist,  fortzuwuchern,  ein  Verhalten,  das  Geweben  von 
anderem  Aufbau  und  weniger  charakteristischer  Teilungsrichtung 
nicht  in  diesem  Maße  zukommen  wird.  So  erklären  sich  die 
feinen  roten  Züge,  die  Längsgestalt  vieler  Knötchen,  die 
kleineren   und  größeren  Leisten,    die  Eigenart  des  Zusammen- 


328  Sobotka. 

fließens  mehrerer  Geschwülstchen.  Dafi  besonders  an  der 
Oberschenkelyorderfläche  auch  an  kleinsten  Knötchen  oder 
Fleckchen  von  nicht  länglicher  Gestalt  und  ohne  deutliche 
Verbindung  durch  noch  so  geringe  Rötung  oder  Erhebung 
eine  Anordnung  gerade  zu  Längsreihen  erkennbar  ist  und  auch 
eine  Anzahl  der  einheitlichen  Iieisten  sicher  aus  mehreren 
hintereinander  gestellten  Knötchen  hervorgegangen  ist,  während 
unmittelbar  rechts  und  links  you  ihnen  keine  makroskopisch 
erkennbaren  Veränderungen  bestesen,  daß  also  die  Anfangs - 
herde  von  Tornherein  in  dieser  eigenartigen  Gruppierung 
auftreten  können,  für  dieses  Vorkommen  ist  allerdings  durch 
alles  Gesagte  eine  Erklärung  ebensowenig  gegeben  wie  das 
etwa  durch  die  Auffassung  der  gesamten  Reihenbildung  als  in 
der  Haar-  d.  i.  Arrektorrichtung  gelegen  geschehen  ¥nirde. 

Steht  in  der  Ausbreitung  und  Au£Ealligkeit  der  Linien 
und  des  Reihensystems  mein  Fall  unter  allen  bekannten 
einzig  da,  so  ist  doch  das  Symptom  an  sich  nicht  so  selten 
beobachtet,  wiewohl  bisher  kaum  gewürdigt. 

In  dem  ersten  überhaupt  veröffentlichten  Falle  von  Corium- 
myomen,  demjenigen  Yon  Besnier,  war  unter  den  Ausbreitungs- 
bezirken der  Erkrankung  am  Körper  auch  einer  an  der  linken 
Rückenseite,  in  dessen  Bereich  sechs  Geschwülstchen  neben- 
einander gestellt  waren  „in  eine  regelmäßige  Linie,  gezogen 
entsprechend  der  Richtung  des  zugehörigen  Rippenbogens"  — 
also,  wie  die  oben  angeführten  Tafeln  lehren,  ebenso  gut  ent- 
sprechend den  Spaltbarkeitsrichtungen  der  Haut  wie  den  Rich- 
tungen der  Haarströme. 

Im  zweiten  aller  bekannt  gewordenen  Fälle,  demjenigen 
Ton  Arnozan  und  Vaillard  (pag.  61),  wird  ein  Herd  be- 
schrieben, der  das  mittlere  Drittel  der  Streckseite  des  rechten 
Vorderarms  und  den  ganzen  ^Gubitalrand*'  einnimmt  und 
zusammengesetzt  ist  aus  Knötchen,  die,  meist  länglich^  „im 
allgemeinen  in  der  Querrichtung  ausgezogen,  sich  in  linearer 
Folge  aneinanderreihen '^ ;  an  einem  kleinen  Herd  an  der  rechten 
Halsseite  waren  die  wenig  erhabenen  Geschwülstchen  „in  Folgen 
im  Sinne  der  Hautfalten  aneinandergereiht **.  Man  überzeugt 
sich  leicht,  daß,  wenn  die  Angaben  des  Verfassers  genau 
sind,   die  Anordnung    an  der  ersterwähnten   Örtlichkeit    aus- 


Zar  Kenntnis  der  Gntismyome.  329 

schließlich  and  YoUkommen  mit  derjenigen  der  Haarrichtungen, 
an  der  zweiten  ausschließlich  und  YoUkommen  mit  derjenigen 
der  Spaltrichtungen  der  Haut  übereingestimmt  haben  müßte. 

Hardaway,  der  dritte  Beobachter  reiner  multipler 
Myome,  sah  in  der  einzigen  Gruppe  Ton  Geschwülsten,  die 
sein  Kranker  zur  Zeit  der  ersten  Beobachtung  trug  —  sie 
hatte  einen  von  der  Wirbelsäule  schräg  nach  abwärts  gehenden 
Längsdurchmesser  —  auch  „spindelförmige  und  auch  in  Linien 
und  Streifen  yerstreute  (dispersed)"  Effioreszenzen  (p.  376); 
und  die  Abbildung,  die  er  einer  zweiten,  18  Jahre  jüngeren 
Veröffentlichung  beigibt,  und  welche  die  Verhältnisse  darstellt, 
wie  sie  sich  nach  Tollständiger  Excision  der  ursprünglichen 
Herde  allmählich  wieder  entwickelt  hatten,  zeigt,  daß  die  Achsen- 
richtung der  Knoten  und  ihre  Anordnung  wohl  völlig  mit  der 
Spaltbarkeitsrichtung  der  Haut,  aber  auch  mit  der  Richtung 
der  Haarströme  (in  den  Okamuraschen  Zeichnungen)  zu- 
sammenfallt. Nicht  verschwiegen  soll  werden,  daß  ein  Knöt- 
chen, an  der  linken  Seite  der  Mittellinie  des  Rückens  und 
fast  unmittelbar  neben  ihr  gelegen,  dieselbe  Orientierung  schräg 
nach  rechts  unten  statt  links  unten  besitzt. 

In  dem  ersten  von  den  beiden  Fällen,  die  Jadassohn 
beschrieben  hat,  war  (p.  90)  außer  den  weitaus  vorherrschenden, 
unregelmäßig  ausgesäten  Geschwülstchen  „doch  an  ganz  ver- 
einzelten Stellen^  auch  „eine  Aneinanderreihung  länglich 
gestalteter  Knötchen  in  Form  von  kurzen,  der  Spaltrichtung 
der  Haut  folgenden  Streif  eben  zu  konstatieren^,  und  nicht 
minder  in  Jadassohns  2.  Falle  (p.  95),  dessen  Effioreszenzen 
«teils  rund,  teils  der  Spaltrichtung  der  Haut  entsprechend 
länglich  oval^  waren  und  in  dem  einzelne  dieser  länglichen 
Knoten  „in  schräg  gestellten  Linien  angeordnet,  ja  hie  und 
da  geradezu  ein  solcher  zusammenhängender,  bis  1  cm  langer 
Streifen*'  anzutreffen  war. 

Die  „Streifen^,  die  Wolters  (p.  414)  an  seinem  ersten 
Falle  sah,  waren  wohl  breite  Plaques  und  kaum  von  der  Art 
der  hier  in  Rede  stehenden. 

Erst  Huldschinsky  (p.  13  u.  35)  bringt  wieder  eine 
einschlägige  Bemerkung:  „Mit  den  Haarrichtungslinien  der 
Haut  läßt  sich    ein  Zusammenhang  insoweit   nachweisen,    als 


330  Sobotka. 

bei  den  verhältnismäßig  wenigen  Knötchen,  die  etwas  länglich 
geformt  sind,  diese  Längsachse  mit  der  Haarrichtungslinie 
zusammenfällt.^  Da  Huldschinsky  nicht  angibt,  um  welche 
Körperteile  es  sich  handelte,  so  läßt  sich  nicht  sagen,  ob 
nicht  genau  wie  bei  einem  Teile  der  Effloreszenzen  meines 
Falles  und  mehrerer  anderer  jene  Längsachsen  ebensogut  mit 
den  Spaltbarkeitslinien  wie  mit  dem  Verlauf  der  Haarströme 
übereinstimmten. 

Genevois  (p.  48)  sagt  bei  der  Beschreibung  seines 
Falles  folgendes :  „Gewisse  längliche  Papeln  sind  wie  in  paral- 
lele Reihen  gestellt,  die  einen  in  die  Fortsetzung  der  andern.^ 
An  welchen  Körperstellen  diese  Reihen  sich  fanden  und  in 
welcher  Richtung  sie  verliefen,  ist  leider  nicht  angegeben. 

Gut  mann  (p.  483)  faßt  sich  bezüglich  seiner  einschlägigen 
Beobachtungen  sehr  kurz:  „Auch  wir  konnten  ...  an  einigen 
Stellen  eine  Übereinstimmung  in  der  Anordnung  der  EfSores- 
zenzen  mit  den  Spaltrichtungen  und  den  Haarrichtungen  nach- 
weisen; jedoch  scheint  es  mir  überflüssig,  das  weiter  auszu- 
führen**. „Spaltrichtungen^  und  „  Haarrichtungen "  —  das 
Symptom  scheint  also  auch  hier  an  Stellen  beobachtet  worden 
zu  sein,  an  denen  die  beiden  Richtungen  zusammenfiedlen. 

Beatty  (p.  3)  endlich  beschreibt  in  der  letzten  überhaupt 
erschienenen  Arbeit  von  der  Oberbrust  seines  Kranken  stellen- 
weise vorkommende  „lineare  Leisten  von  miteinander  yer- 
schmolzenen  Knötchen  (lichenartig),  die  in  den  Linien  der  Haar- 
bälge verliefen.*  Vorausgesetzt,  daß  hier  die  Richtungen  der 
Haare  gemeint  sind,  ist  hervorzuheben,  daß  im  unteren  Teile 
des  in  Betracht  kommenden  Gebietes  beide  Arten  yon  Rich- 
tungen, die  uns  hier  interessieren,  zusammenfallen. 

Die  Anordnung  nach  gewissen  Linien  oder  in  Streifen  ist 
also  in  mindestens  10  Fällen  (den  meinen  nicht  mitgerechnet), 
das  heißt  in  mehr  als  einem  Drittel  aller  Fälle  in  größerer 
oder  geringerer,  zum  Teil  allerdings  nur  sehr  geringer  Aus- 
bildung beobachtet  worden.  Dabei  könnte  sie  ganz  wohl  noch 
in  einem  oder  dem  andern  Falle  übersehen  worden  sein ;  docb 
findet  sich  auch  die  ausdrückliche  Angabe,  es  haben  in  einem 
bestimmten  Falle  jene  Bildungen  gefehlt,  nämlich  bei  Wolters 
mit  Bezug  auf  dessen  zweiten  Fall  (1893,  p.  47)  und  bei  Bröle- 


Zur  Kenntnis  der  Gatismyome.  331 

mann  (p.  16 i).  Welchen  vorgebildeten  Verhältaissen  der  Haut 
die  auf  der  Oberfläche  sichtbar  werdenden  Linien  entsprechen, 
diese  Frage  ist  nicht  so  leicht  zu  lösen  und  ein  „non  liquet** 
scheint  nach  der  oben  gegebenen  Zusammenstellung  die  richtige 
Antwort  zu  sein.  Indessen  wird  man  doch  kaum  annehmen 
wollen,  daß  wirklich  die  Myome  bald  nach  den  Haarrichtungen, 
bald  nach  den  Spaltrichtungen  angeordnet  seien  und  man  wird 
das  um  so  weniger  tun,  wenn  in  einem  Falle  wie  dem  meinigen, 
in  dem  es  sich  um  reine  und  prachtvoll  ausgebildete  Arrektoren- 
myome  handelte,  sicher  nicht  die  Arrektorenrichtungen,  d.  h. 
Haarrichtungen,  sondern  die  Spaltrichtungen  bestimmend  waren. 
So  ist  es  denn  bis  auf  weiteres,  nämlich  so  lange,  bis  uns  neue 
Beobachtungen  eines  besseren  belehren,  gewiß  weitaus  das 
wahrscheinlichste,  daß  es  sich  allemal  um  Orientierung  nach 
den  Spaltrichtongen  handelte.  —  Für  die  Reihenbildung,  die  neben 
der  leicht  verständlichen,  länglich-runden  Form  der  Myome  in 
vielen  der  angeführten  Fälle  noch  mehr  in  den  Vordergrund 
tritt  als  in  dem  meinen,  habe  ich  schon  oben  auf  eine  Er- 
klärung verzichten  müssen. 

Ich  habe  diesem  Symptom  eine  etwas  eingehendere  Be- 
sprechung gewidmet,  weil  es  mir  bei  der  bislang  noch  sehr 
großen  Schwierigkeit  der  Diagnose  der  Hautmyome,  die  noch 
immer  meist  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  und  in  der  Regel  nur 
per  exclusionem  gestellt  werden  kann,  wünschenswert  scheint, 
jedes  Merkmal  und  vor  allem  jedes  positive  Merkmal,  das  ver- 
wertbar zu  sein  verspricht,  zu  unterstreichen  —  zumal  wenn 
seine  Eigenart,  wenigstens  zum  Teil,  als  im  Wesen  der  ge- 
schwulstbildenden Gewebsart  begründet  angesehen  werden  kann. 
Wie  fruchtbar  sich  die  sorgfältigere  Beobachtung  des  Verhal- 
tens, auf  das  ich  hier  die  Aufmerksamkeit  lenken  wollte,  in 
Zukunft  erweisen  mag,  ist  abzuwarten.  Gerade  die  Bindegewebs- 
geschwülste,  die  differentialdiagnostisch  besonders  in  Frage  zu 
kommen  pflegen,  könnten  vielleicht  vermöge  der  auch  bei  ihnen 
vorhandenen  Langsausbildung  der  Elemente  und  deren  Bünde- 
lung zuweilen  ähnliche  Formen  hervorbringen;  doch  scheint 
gerade  von  den  multiplen  Eeloiden  nichts  ähnliches  berichtet 
worden  zu  sein.  Nach  dem  gesagten  bin  ich  für  meinen  Teil 
sehr  geneigt,  histologisch  nicht  untersuchte  Fälle  gleich  dem- 


332  Sobotka. 

jefligen  toq  Pringle,  in  dem  die  Geschwülstchen  „in  linearer 
Art  verbunden '^  waren,  bei  sonstiger  Übereinstimmung  der  Symp- 
tome den  Myomen  zuzurechnen. 

Was  sonst  noch  über  die  Gestalt,  was  über  den  Grad  der 
Erhebung  über  die  gesunde  Haut,  femer  über  die  Größe  der 
Geschwülste  meines  Falles  und  über  ihre  Farbe  gesagt  worden 
ist,  bleibt  durchwegs  auf  der  mittleren  Linie  dessen,  was  man 
auch  sonst  angeführt  findet.  Freilich  ist  die  Variationsbreite, 
die  nach  den  Angaben  der  Literatur  der  äußeren  Erscheinung 
der  Myome  zukommt,  keine  geringe.  Nicht  gerade  häufig  ist 
das  durchscheinende  Aussehen,  wie  es  in  meinen  Falle  u.  zw. 
bemerkenswerter  Weise  nur  bei  einer  Anzahl  der  größeren 
Knötchen  zu  beobachten  war;  immerhin  haben  Hess,  Jarisch, 
White,  Huldscbinsky  ähnliches  beschrieben  und  in  einem 
Falle  Ton  Whitfield  waren  sämtliche  Knötchen  in  so  hohem 
Grade  durchscheinend,  daß  sogar  die  Diagnose  Lymphangiom 
im  Vordergrunde  stand,  so  lange  nicht  ein  Versuch,  die  Bläs- 
chen anzustechen,  deren  solide  Beschaffenheit  nadigewiesen 
hatte.  -^  Der  Zahl  der  Herde  nach  gehört  mein  Kranker  zu  den 
besonders  schwer  befallenen,  an  deren  Spitze  er  indessen  noch 
keineswegs  steht. 

Unter  den  Symptomen  der  kutanen  Myome  nehmen 
einen  ganz  besonderen  Rang  die  subjektiyen  ein.  Durch 
meinen  Fall  wächst  die  Zahl  derjenigen  reinen  einzelnen  oder 
multiplen  Myome,  in  denen  wenigstens  die  größeren  Knoten 
durch  Druckschmerzhaftigkeit  ausgezeichnet  waren,  auf 
16,  die  Zahl  derjenigen,  in  denen  spontane  Schmerzanfälle 
sich  einstellten,  auf  13  unter  28  (der  Fall  von  Brigidi- 
Marcacci  und  Wolters  3.  Fall  nicht  eingerechnet).  Die 
typischen  spontanen  Anfälle  mit  ihrem  Beginn  von  einem  be- 
stimmten Herd  aus  und  ihrer  Ausbreitung  über  bestimmte  und 
zwar  wohl  immer  nur  über  die  von  den  Geschwülsten  besetzten 
Gebiete,  mit  ihrem  meist  spät  in  der  Krankheitsgeschichte  erfol- 
genden Auftreten  und  der  sehr  langsamen  Zunahme  ihrer 
Heftigkeit  haben  etwas  außerordentlich  charakteristisches  und 
sind  seit  jeher  zur  Diagnose  verwendet  worden;  noch  bezeich- 
nender, wenn  auch  etwas  seltener  ist  die  Neigung  der  Myome, 
auf  Kältereize  mit  typischen  Anfällen,  ausgebreiteten  Schmerzen, 


Zur  Kenntnis  der  Cutismyome.  333 

in  anderen  Fällen  wenigstens  mit  gesteigerter  Empfindlichkeit 
zu  antworten  oder  doch  in  der  kalten  Jahreszeit  häufiger  echte 
Paroxysmen  zu  veranlassen.  Den  etwa  ueun  bisher  veröffent- 
lichten Beobachtungen  derartiger  Eigentümlichkeiten  fügt  mein 
Fall  eine  neue  hinzu.  Eigenartig  und  von  anderen  Fällen  nicht 
verzeichnet  ist  bei  meinem  Patienten  das  Auftreten  von  Schmerzen 
bei  Bewegungen  des  Beines  nach  längerer  RahC;  der  Hervor- 
hebung wert  auch  die  Beschränkung  der  spontanen  Schmerz- 
anfalie  auf  die  Nacht  oder  vielleicht  richtiger  auf  den  Schlaf- 
zustand ;  die  schreckhaften  Träume  von  Gehetztwerden,  Qebissen- 
werden  sind,  wiewohl  nach  manchen  Verfassern  Gemütsbewegungen 
Paroxysmen  ausgelöst  haben  sollen,  gewiß  nicht  die  Ursache, 
sondern  bereits  Reflexe  der  erwachenden  Schmerzempfindung. 
Die  an  Abweichungen  und  Einzelheiten  reiche  Symptomatologie 
des  Schmerzanfalles,  seine  Ausbreitung,  Dauer  und  Heftigkeit, 
seine  Begleiterscheinungen,  die  Art  der  Empfindung  in  den 
verschiedenen  Fällen  können  hier  leider  unmöglich  zusammen- 
gefaßt werden;  auch  die  ganze  Streitfrage  des  Wesens  der 
Myomatalgien  aufzurollen,  scheint  mir  nicht  erlaubt,  da  ich 
nach  den  wertvollen  Ausführungen  von  Jadassohn  (1890, 
p.  103),  Lukasiewicz  (p.  42),  Unna  (1894,  p.  866),  Neu- 
mann (p.  12),  Marschalkö  (p.  326),  Huldschinsky 
(p.  38),  Jamin  (p.  481),  Gutmann  (p.  480)  kaum  mehr  neues 
beizubringen  wüßte.  Nur  darauf  möchte  ich  hinweisen,  daß  die 
Lehre  von  der  Schmerzerzeugung  durch  reflektorische  Zusammen- 
ziehung der  Muskelfasern,  so  einleuchtend  sie  ja  ist  und  so 
vollkommen  sie  für  den  Fall  von  Arnozan  und  Vaillard 
mit  seinem  Erblassen  der  Myome  während  des  Anfalles  zutreffen 
mag,  überraschender  Weise  in  keiner  einzigen  der  späteren 
Beobachtungen  eine  Stütze  für  ihre  allgemeine  Gültigkeit  findet. 
Eine  gleichfalls  auffallende  Gefäßerscheinung,  die  einzig  da- 
stehende Schwellung  und  Rötung  des  befallenen  Unterschenkels 
während  der  unerhört  langen  Schmerzperioden  von  J am  ins 
Krankem  (ganz  andersartig,  nebenbei  bemerkt  als  in  dem  Falle 
von  Brigidi-Marcacci.  in  dem  das  Leiden  durch  Gefaß- 
erscheinung eingeleitet  worden  war)  läßt,  zumal  da  eine 
genauere  Beschreibung  fehlt,  insbesondere  über  den  Ton  der 
Rötung  und  die  Temperatur  des  Beines   nichts  angegeben  ist, 


384  Sobotka. 

sehr  yerschiedene  Deutangen  zu.  Das  Dunklerwerden  in  der 
Kälte,  das  in  dem  niemals  von  Schmerzanfallen  heimgesuchten 
2.  Jadas  so  huschen  Falle  an  den  Knoten  beobachtet  wurde, 
die  von  Gut  mann  selbst  nicht  bestätigte  Versicherung  seines 
Kranken,  daß  im  Anfalle  seine  Knoten  abblaßten,  läßt  sich  frlr 
die  vorliegende  Frage  ebensowenig  verwerten ;  und  dasselbe 
gilt  von  der  Angabe  meines  Patienten,  der  im  Gegenteil  im 
Anfalle  die  Geschwülstchen  größer  und  röter  fand,  der  sich 
aber  niemals  entschließen  konnte,  von  dem  Eintritte  eines  seiner 
nächtlichen  Parozysmen  den  diensthabenden  Arzt  zu  verständi- 
gen und  an  dem  endlich  bei  Tage  unter  der  Einwirkung  der 
Kälte  keine  konstante  Farbenveränderung  der  Geschwülste  be- 
obachtet werden  konnte.  Daß  Myome  wie  in  meinem  Falle  zu 
verschiedenen  Zeiten  ohne  irgendwelchen  auffindbaren  Grund 
bald  blasser,  bald  lebhafter  gefärbt,  an  manchen  Tagen  von 
reiner  rotem,  an  andern  von  ausgesprochen  rotbraunem  Tone 
waren,  ist,  vrie  in  diesem  Zusammenhange  erwähnt  werden  kann, 
ohne  parallele  Angabe  in  der  Literatur. 

Auch  Yon  den  Einzelheiten  des  histologischen  Befundes 
verdienen  mehrere  noch  eine  kurze  Erörterung. 

Daß  in  meinem  Falle  die  Entwicklung  des  Myoms  aus 
dem  Arrektor  Schritt  fiir  Schritt  verfolgt  werden  konnte,  ist 
schon  dargelegt,  der  Typus  dieses  Fortschreitens  ist  geschildert 
worden.  Von  den  Untersuchem,  die  bisher  ausschließlich  oder 
teilweise  von  den  Arrektoren  ausgehende  Myome  zu  diagnosti- 
zieren Gelegenheit  hatten,  vermochten  bei  der  Eigenart  des 
ihnen  zur  Verfügung  stehenden  Materials  nur  zwei  ihren  Prä- 
paraten Einzelheiten  zur  Entstehungsgeschichte  des  Arrektoren- 
myoms  abzugewinnen.  Wolters  findet  in  seinem  zweiten  Falle 
folgendes  Bild  (p.  418):  „Nur  an  ihren  Ursprungsstätten,  vor- 
nehmlich den  Haarbälgen  und  ihrer  Muskulatur,  ziehen  die  Muskel- 
fasern dichter  zusammengedrängt  diesen  entlang,  um  fortwährend 
seitliche  Äste  abspaltend,  sich  umzubiegen,  Schleifen  und  Wirtel 
bildend  sich  zu  durchfiechten.^  Ja  min  hat  in  einem  gewissen 
Gegensatze  hiezu  im  Anfangsstadium  das  Hinausgehen  des 
hyperplastischen  Arrektors  über  den  Haarbalg  nach  unten  zu 
und  seine  nun  erst  folgende  Verzweigung  nach  allen  Richtungen 
beobachtet;  ich  selbst  konnte  das  eine  wie  das  andere  wahr- 


Zar  EeDütnis  der  GuÜBinyome.  335 

nehmen.  Wenn  nun  Jamin  weiter  aus  Flachschnitten  ersehen 
konnte  (p.  475),  „wie  die  Bündelzüge  die  Balgdrüsen  und  Haar- 
scheiden teils  einfach,  teils  mehrfach  zirkulär  umfassen  und 
sich  in  weiterer  Entfernung  mannigfaltig  durchflechten,  ^  so  habe 
Befunde  von  der  Art  dieser  letzteren  zwar  auch  ich  gemacht, 
jedoch  nur  ausnahmsweise  an  jüngeren  und  typischen  Wucherungs- 
herden, welche  sich  ja  im  Gegenteil  in  der  Regel  fast  ganz 
auf  die  Arrektorseite  des  Haares  beschränkten;  aber  auch  bei 
Jamin  können  jene  Verhältnisse,  nach  seiner  Abbildung  3  zu 
schließen,  nicht  regelmäßig  gewesen  seiu. 

In  meinen  Präparaten  ist  in  kleineren  Geschwülsten  der 
Reichtum  an  Bündeln,  die  noch  in  der  Arrektorebene  verlaufen, 
auffallend.  Es  handelte  sich  aber  dabei  wahrscheinlich  bloß  um 
einen  Zufall:  in  allen  leistenförmigen  Myomen  wird  wohl  eine 
Hauptrichtung  der  Fasern  bestehen;  aber  da  sie,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  wohl  stets  der  Spaltrichtung  entsprechen  muß, 
wird  sie  nicht  immer  mit  derjenigen  der  Arrektoren  überein- 
stimmen. Beschrieben  übrigens  ist  dieses  Vorwalten  des  Faser- 
yerlaufes  in  einer  bestimmten  Ebene  bisher  nicht,  wohl  weil 
in  der  Regel  nur  größere,  weiter  entwickelte  Knoten  zur  Unter- 
suchung verwendet  wurden;  vielmehr  findet  man  überall  erwähnt, 
daß  die  Faserzüge  einander  regellos  durchflechten. 

Es  wurde  oben  einer  Besonderheit  des  Querschnittes  — 
die  übrigens  auch  im  Längsschnitte  sich  verfolgen  ließ  —  Er- 
wähnung getan,  des  Auftretens  von  Lücken  bis  zur  Ausbildung 
eines  wirklichen  Maschenwerkes  an  vielen  Bündeln.  Dieses 
Verhalten  oder  ein  ihm  sehr  ähnliches  ist  an  Hautmyomen  erst 
einmal  beschrieben,  nämlich  von  Marschalk 6,  der  allerdings 
in  der  Einsäumung  der  Lücken  noch  Querschnitte  von  Muskel- 
fibrillen  und  in  der  Mitte  der  Lücken  anscheinend  ziemlich 
regelmäßig  den  Kern  seiner  „schlauchförmigen,  glatten  Muskel- 
zelle^  nachweisen  konnte.  Die  Übereinstimmung  zwischen  seinen 
und  meinen  Bildern  spricht  sich  sehr  deutlich  darin  aus,  daß 
sowohl  er  als  auch  ich  und  alle,  denen  ich  meine  Präparate 
zeigte,  sich  im  ersten  Augenblicke  an  Nervenquerschnitte  erinnert 
fühlten ;  und  diesem  Eindrucke  kann  man  sich  so  wenig  entziehen, 
daß  Marschalkö  sogar  sehr  geneigt  ist,  einen  ihm  auch 
klinisch  verdächtigen  Fall,   den  Duhring  und  Schweinitz 


336  Sobotka. 

auf  Grund  ihrer  Krankenbeobacbtung  und  ihres  histologischen 
Befundes  als  Neuroma  cutis  dolorosum  ansahen,  als  Mjomatosis 
cutis  anzusprechen.  Wie  sind  nun  aber  jene  ungewohnten  Bilder 
zu  erklären?  Qaerschnittslücken  findet  man  anscheinend  über- 
haupt gar  nicht  so  selten.  In  der  Gefaßmuscularis  kann  man 
sie  ab  und  zu  immer  wieder  sehen,  so  auch  gerade  an  manchen 
Stellen  meiner  Myompräparate.  Sehr  ähnliche  Bildungen  finde 
ich  auch  in  einer  Anzahl  ad  hoc  durchgesehener  Präparate^) 
vom  Uterus  (Müller-Formol),  in  denen  ein  Einfluß  der  ent- 
legenen Krankheitsherde  (Tbc,  Ca)  auf  die  verändert  befundene 
Muscularis  nicht  vorauszusetzen  war,  und  in  Schnitten  einer 
normalen  Tuba  Fallopiae  (Z  enkersche  Flüssigkeit).  Man  wird  nicht 
annehmen,  daß  es  sich  in  meinen  Myomen  und  allen  diesen 
sehr  verschiedenen  Präparaten  von  teils  sicher,  teils  wahr- 
scheinlich gesundem  Gewebe  um  besondere  , schlauchförmige 
Muskelzellen"  (Marschalk  ö)  handle,  die  von  SpeziaUcennem  der 
(normalen)  glatten  Muskulatur  (sieh  Heidenhain)  ganz  übersehen 
worden  wären.  Für  irgend  eine  Degeneration,  eine  fettige  viel- 
leicht, spräche  immerhin  der  Umstand,  daß  in  einem  Präparate 
vom  Uterus  einer  mit  Phosphor  vergifteten  sehr  ähnliehe  Ver- 
änderungen ganz  besonders  stark  ausgeprägt  waren.  Das  wahr- 
scheinlichste ist  aber  wohl,  daß  eine  Präparationsveränderung 
im  weitesten  Sinne  des  Wortes  im  Spiele  ist  und  zwar  dann 
vermutlich  eine  Reaktion  des  lebenden  kontraktilen  Gewebes 
auf  den  Reiz  der  Fixierungsflüssigkeit;  gewisse  Versuchergebnisse 
Schaffers  (1899,  p.  229  £),  auf  die  ich  hier  leider  nicht  ge- 
nauer eingehen  kann,  sprechen,  wiewohl  seine  und  meine  Befunde 
nicht  vollständig  übereinstimmen,  für  diese  Auffassung.  Doch 
bin  ich  weit  entfernt,  den  Gegenstand,  der  einer  eigenen  Unter- 
suchung bedürfte,  durch  die  knappen  Bemerkungen,  die  ich 
ihm  im  Rahmen  dieser  Arbeit  widmen  konnte,  für  erledigt 
zu  halten. 

In  meiner  Darstellung  des  histologischen  Befundes  wagte 
ich  nicht  mit  voller  Sicherheit  zu  behaupten,  daß  Muskelzüge 

^)  Die  Möglichkeit  der  Durohsicfat  dieser  und  der  gleich  noch  ni 
erwähnenden  Schnitte  verdanke  ich  der  Frenndliohkeit  der  Herren  Dr.  Dr. 
Sitsenfrey  und  Gross,  Assistenten  der  grynäkologischen  Klinik,  bcEie- 
hnngsweise  des  Herrn  Professors  A.  Eohn,  dem  ich  auch  für  manchen 
mir  sehr  wertyollen  Hinweis  zn  vielem  Danke  verpflichtet  bin. 


Zar  Eenninis  der  Gutismyome.  337 

Yorkämenf  die  in  keinerlei  Sinne  eine  Beziehung  zu  den  Arrek- 
toren  besäßen.  Aber  ein  Bündel  wie  das  oben  beschriebene, 
das  an  der  „Vorderseite''  des  sonst  arrektorlosen  Haarbalges 
als  feiner,  dem  Haarbalge  paralleler  Strang  verläuft,  ohne  daß 
weit  und  breit  ein  Haarmuskel  anzutreffen  wäre,  vom  dem  es 
abgespalten  sein  könnte,  ein  solches  Bündel  hat  zum  mindesten 
mit  der  normalen  Hautmuskulatnr  nichts  zu  schaffen.  Schwer 
ist  von  einem  Arrektor  vor  regelrechter  Anlage  auch  folgendes 
ganz  groteske  Gebilde  abzuleiten:  Ein  Muskelstrang  von  der 
normalen  Breite  eines  Arrektors  zieht,  jeder  Geschwulstmasse 
fem  und  somit  durch  keinerlei  erkennbaren  Kräfte  aus  seiner 
Richtung  abgedrängt,  nicht  mit  normaler  Schrägheit,  sondern 
wiederum  parallel  zum  Haarbalge  und  unmittelbar  neben  diesem 
und  seiner  kleinen  flachen  Talgdrüse  hin,  sendet  etwa  in  der 
Gleiche  der  Haarwurzel  ein  kräftiges  Bündel  in  die  Tiefe,  wo 
es  nicht  weiter  verfolgt  werden  kann,  weil  das  Präparat  hier 
in  seinem  Randteile  nicht  mehr  die  ganze  Cutis  umfaßt,  und 
biegt,  ohne  mit  dem  Haarbalge  in  nachweisbare  Beziehung  ge- 
treten zu  sein,  um  den  Fundus  der  Talgdrüse  und  die  Gegend 
der  Haarwurzel  in  unverminderter  Stärke  allmählich  wieder 
nach  oben,  strebt  nun,  auf  der  andern,  der  Regel  nach  arrektor- 
freien  Seite  des  Haarbalges  der  Epidermis  wieder  zu  und  zwar 
in  einer  Richtung,  die  genau  das  Spiegelbild  der  Richtung  eines 
normalen  Arrektors  ist,  und  zerlegt  sich  endlich,  unter  sämtli- 
chen Mjombündeln  einzig  in  seiner  Art,  unter  allmählicher 
Verschmälerung  in  eine  ganze  Anzahl  von  allerdings  etwas 
unregelmäßig  angeordneten  „Arrektoren wurzeln**.  Man  kann 
sich  des  Gedankens  kaum  erwehren,  daß  es  sich  bei  diesen 
nicht  recht  erklärbaren  Gebilden  um  Anomalien  in  der  Anlage 
der  Arrektoren  handelt.  Das  Vorkommen  jener  schoo  erwähnten 
„freien*^  Muskulatur  in  der  Haut  erklärt  ja  höchstens  den 
Befund  der  als  selbständig  erscheinenden  Muskelbündel  in 
meinen  Präparaten,  von  denen  übrigens  die  hier  in  Betracht 
kommenden,  zugegebener  Weise  fraglichen,  von  dem  Unter- 
schenkel stammen,  also  aus  einer  Gegend,  von  welcher  freie 
Muskulatur  noch  nicht  beschrieben  worden  ist.  —  Die  Bedeutung 
dieser  anscheinend  gar  zu  geringfügigen  Dinge  ist  die:  wenn 
sich  wirklich  in  der  Haut  Anomalien  der  Muskulatur  finden, 

AMh.  f.  DMinat.  u.  Sjph.  Bd.  LXXZIX.  22 


338  Sobotka. 

die  man  als  solche  der  ersten  Anlage  ansehen  müßte,  so  wäre 
die  AufPassung,  daß  auch  der  Mjombildung  eine  ursprüng- 
liche Abweichung  von  der  Norm  zu  Grunde  liege,  um  ein  gut 
Teil  wahrscheinlicher  gemacht  Vielleicht  findet  mein  Versuch, 
die  Frage  der  Ätiologie  der  Myome,  ganz  besonders  die  Frage 
der  angeborenen  Anlage,  von  der  histologischen  Seite  anzugehen, 
einmal  an  geeigneteren  Präparaten  Nachfolge.  Liegt  doch  unser 
Wissen  von  diesen  ätiologischen  Verbältnissen  noch  sehr  im 
Argen.  Jamin,  der  in  seinem  Erklärungsversuche  mit  Bertifang 
auf  eine  Bemerkung  Neumanns  über  die  Bedeutung  gewisser 
follikulärer  Erkrankungen  für  die  Hypertrophie  der  Arrektoren 
die  follikuläre  Keratose  seines  Falles  in  den  Vordergrund  stellt, 
hebt  doch  hervor,  daß  die  Ursache  der  Fortentwicklung  der 
Hypertrophie  zur  Geschwulstbildung  noch  tiefer  liegen  müsse, 
und  findet  in  der  zum  Teil  streng  einseitigen,  an  der  Mittel- 
linie haltmachenden  Anordnung  der  Berde  in  seinem  Falle  und 
in  einer  familiären  Überpigmentation  der  Haut  Stützen  für  die 
Annahme  kongenitaler  Anlage.  Der  überaus  frühzeitige  Beginn 
der  Erkrankung  in  manchen  Fällen,  insbesondere  in  denjenigen 
Yon  Jadassohn  (erstes  Lebensjahr?),  von  Jarisch  (^seit 
Kindheit^),  von  Hess  (3.  bis  4.  Lebensjahr)  und  auch  von 
Erzysztalowicz  (spätestens  1 0.  Lebensjahr)  ist  in  demselben 
Sinne  verwertet  worden.  Namentlich  Unna  (1894,  p.  863), 
Darier  (p.  842),  Erzysztalowicz  (p.  311)  sind  für  eine 
angeborne  Grundlage  mit  späterer  Weiterentwicklung  einge- 
treten. Es  ist  sehr  zu  bedauern,  daß  in  2  Fällen,  welche  Morris 
(1901,  p.  8)  in  der  Dermatological  society  of  London  vorstellte, 
bzw.  durch  seinen  Schüler  Dore  (1902,  p.  55)  vorstellen  ließ 
eine  Bestätigung  der  Diagnose  durch  die  histologische  Unter- 
suchung nicht  vorliegt;  denn  diese  beiden  Fälle,  in  denen 
übrigens  die  Verteilung  der  Hautgeschwülstchen  nicht  die  gleiche 
war,  betreffen  höchst  bemerkenswerterweise  Vater  und  Tochter. 

Über  die  vielfältigen  Arten  der  Muskelkerne  und  ihrer 
Zerlegung  in  kleinere  Gebilde  habe  ich  mich  oben  verhältnis- 
mäßig ausführlicher  ausgesprochen  und  das  schon  deshalb, 
weil  dieser  schwerlich  allgemein  gekannten  Verhältnisse  doch 
so  gut  wie  keiner  der  bisherigen  Untersucher  von  Myomen  auch 
nur  etwas  eingehender  Erwähnung  tut  und  die  Frage  der  Ab- 


Zar  Kenntnis  der  Gutismyome.  339 

Dormität  dieser  Bildungen  einmal  erörtert  werden  sollte.  Man 
wird  sich  beeilen,  die  Buntheit  der  Befunde  auf  das  Patho- 
logische des  myomatösen  Vorganges  zurückzuführen.  Und  tat- 
sächlich scheinen  sie  für  den  Menschen  pathologisch  zu  sein  — 
um  nicht  zu  sagen  ^atavistisch*^.  Es  ist  mir  nämlich  trotz  eifrig- 
stem Nachschlagen  in  den  Lehrbüchern  und  Spezialschriften  nicht 
gelungen,  Berichte  über  ähnliche  Feststellungen  beim  Menschen 
zu  ermitteln  (sieh  übrigens  Heidenhain  1900,  p.  123);  da- 
gegen finde  ich  bei  Lukjanow  (1887,  p.  546-7,  554-6),  dessen 
Veröffentlichung  sich  auf  Untersuchungen  am  normalen  Sala- 
mandermagen  gründet,  fast  alle  von  mir  erwähnten  Befunde 
beschrieben  und  sehr  schön  abgebildet:  gebogene  und  leicht 
gewundene  und  kurz  ovale  Eerne^  Eernpaare  in  verschiedenen 
Lagen,  Zerteilung  eines  Kernes  in  zwei  schroff  abgebrochene 
oder  an  der  Trennungsstelle  schon  abgerundete  (zu  diesen  beiden 
letzten  Bildern  allerdings  werde  ich  sofort  Parallelbefunde  vom 
Menschen  anführen  können),  Aneinanderreihung  kleiner  Eern- 
kugeln  oder  Ovoide  auch  in  der  oben  erwähnten  Prellsteinstellung. 
Riesenkeme  allerdings  scheinen  auch  beim  Salamander  normaler 
Weise  nicht  vorzukommen,  weder  die  einfach  allgemein  ver- 
größerten, noch  die  langen  und  unverhältnismäßig  schmalen.  — 
Als  was  sind  nun  aber  die  Zerlegungen  der  Kerne  in  mehrere 
Teile  aufzufassen?  In  denjenigen  Fällen,  in  denen  beide  Stücke 
Kemkörperchen  bergen,  sicherlich  als  Ausdruck  amitotischer 
Teilung,  die  vielleicht  auch  da  noch  vorliegen  könnte,  wo  nur 
einer  der  ziemlich  gleich  großen  Teile  einen  deutlich  gefärbten 
Nukleolus  behalten  hat;  wo  aber  das  abgetrennte  Stück  oder 
die  abgetrennten  Stücke  klein,  schlecht  gefärbt  sind  und  dabei 
eines  Kemkörperchens  entbehren,  wird  man  gewiß  an  den 
Untergang  des  Kernes  denken  müssen.  Einen  solchen  bedeutet 
unzweifelhaft  diejenige  Art  der  Auflösung,  bei  der  zuerst  inner- 
halb des  langen,  abnorm  schmalen  Kemschlauches  nur  einzelne 
Bruchstücke  färbbar  bleiben,  dann  das  ganze  Gebilde  in  eine 
Beihe  von  Flöckchen  zerfällt.  —  Von  meinen  Vorgängern  hat 
den Muskelkemene  igentlich  nur  Marschalko  eingehendere  Be- 
trachtung gewidmet.  Von  ihm  werden  besonders  schöne  (bis 
70  ^  lange)  Riesenkerne  beschrieben  und  abgebildet.  Die  direkte 
Zellteilung  konnte  er  in  seinen  Präparaten  förmlich  sich  voll- 

22* 


340  Sobotka.   ' 

ziehen  sehen;  doch  hat  er  im  Gegensatze  zu  mir  ab  und  zn 
auch  Karyokinese  verzeichnen  können.  Diese  Befunde  stimmen 
recht  gut  damit  überein,  was  wir  auch  sonst  über  das  Vor- 
kommen der  amitotischen  Zellteilung  in  der  Haut  von  Säuge- 
tieren und  besonders  Tom  Menschen  wissen :  sie  scheint  nämlich 
vorzugsweise  Wucherungsvorgängen  eigentümlich  zu  sein.  Vig- 
nolo-Lutati  (1901,  1903)  hat  sie  in  der  normalen  Tunica 
dartoB  des  Menschen  nie  gefunden  —  allerdings  anscheinend 
ebenso  wenig  Karyokinese  —  wohl  aber  in  der  durch  Entzün- 
dung hypertrophischen  Muskulatur  der  menschlichen  Vorhaut 
und  des  menschlichen  Hodensackes ;  nicht  gerade  selten  hat  er 
sie  in  der  Tunica  dartos  des  Hundes  angetroffen,  in  viel  größerer 
Menge  aber  noch  an  experimentell  erzeugten  Stätten  der  Rege- 
neration bei  Tieren,  nämlich  in  der  Umgebung  von  Schnitt- 
wunden der  Katzenhaut  und  des  Hundeskrotums. 

Eine  außerordentlich  seltene  Besonderheit  besitzt  mein 
Fall  an  den  mit  Detritusmasse  gefüllten,  zum  Teile  auch  leeren 
Lücken,  die  quer  durch  die  ganze  Breite  von  Riesen-Arrektoren 
hindurchgreifen  und  die  sich  als  nichts  anderes  auffassen  lassen 
denn  als  die  Wirkung  einer  Degeneration.  Daß  es  sich  um  reine 
Nekrose  handelt,  das  wird  trotz  der  Übereinstimmung  der  Farb- 
reaktionen durch  die  Geringfügigkeit  der  Veränderungen  an 
vielen  der  noch  vorhandenen  Kerne,  insbesondere  auch  deren 
oft  noch  recht  gute  Färbbarkeit  unwahrscheinlich  gemacht. 
Vielleicht  ist,  was  sich  bei  der  Alkoholfixierung  der  Präparate 
nicht  mehr  feststellen  läßt,  ein  Verfettungsvorgang  im  Spiele.  — 
Unter  allen  Beschreibern  von  reinen  Hautmyomen  berichtet 
einzig  White  (p.  267)  über  entfernt  Verwandtes,  „über  Herde  von 
Degeneration  mit  geschrumpften  und  zerfallenen  Kernen  und 
schlecht  sich  färbendem  Protoplasma,  in  dessen  Mitte  wir 
Vakuolisierung  finden*.  Ein  bemerkenswerter  Zug  ist,  daß  in 
meinen  Präparaten  gerade  nur  wohl  erkennbare  Arrektoren  oder 
ihnen  ganz  nahe  stehende  Bildungen  von  der  Veränderung  be- 
troffen worden  sind,  nicht  die  von  ihnen  selbst  ausgehenden 
unregelmäßigen  Wucherangen;  das  relative  Alter  gerade  jener 
Teile  der  Muskelmasse  gegenüber  allen  anderen  scheint  mir  zur 
Erklärung  dieser  Eigentümlichkeit  um  so  weniger  hinzureichen, 


Zar  Kenntnis  der  Gutismyome.  341 

als  es  das  herdförmige   Auftreten    der   Umwandlung,   für  die 
ich  keinen  Grund  finden  konnte,  nicht  yerständlich  macht. 

Vollkommen  entsprechend  all  den  übrigen  Fällen  verhält 
sich  der  meine  in  Bücksicht  auf  die  Beziehungen  zwischen 
Muskulatur  und  Bindegewebe  in  und  am  Tumor,  nämlich  auf 
die  Septierung  durch  Hereinragen  des  Bindegewebsfachwerks, 
das  gegen  die  Mitte  zu  in  der  Geschwulst  deutlich  spärlicher 
wird.  Nur  Hess  hat  in  seinen  Knoten  gar  kein  Bindegewebe 
gefunden.  Jamin  berichtet  umgekehrt,  daß  in  seinen  größten 
Neubildungen  das  Bindegewebe  überwogen  habe  und  würde  für 
seinen  Fall  auch  den  Namen  „Fibromyom^  gelten  lassen  (p.  470), 
ohne  sich  indessen  eigens  darüber  auszusprechen  oder  aus  der 
beigegebenen  Abbildung  erkennen  zu  lassen,  ob  es  sich  wirklich 
um  eine  Vermehrung  des  Bindegewebes  gehandelt  habe.  Eine 
Kapsel  aus  yerdrängtem  und  verdichtetem  Kollagen  haben  auch 
die  von  andern  Verfassern  untersuchten  Muskelneubildungen 
nur  ausnahmsweise  allenthalben  oder  stellenweise  besessen 
(Hess,  Brölemann,  Wolters,  Krzysztaiowicz,  auch 
Nobl,  vielleicht  Huldschinsky). 

In  Hinsicht  ihres  Verhaltens  zur  Gesamtheit  des  Binde- 
gewebes hingegen,  mit  andern  Worten  in  Hinsicht  auf  ihre 
Einlagerung  in  die  Haut,  weichen  die  Myome  meines  Falles 
denn  doch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  von  den  meisten  der 
bisher  beschriebenen  ab.  Das  Eindringen  von  Muskelgewebe 
in  die  oberflächliche  Schichte  des  Unterhautgewebes  ist 
nämlich  ein  sehr  seltener  Befund.  Ein  Tumor  Besniers  aller- 
dings, von  Balz  er  untersucht,  „scheint  sich  bis  ins  Hypoderma 
zu  erstrecken  bei  geringer  Beteiligung  des  eigentlichen  Dermas". 
Man  braucht  indessen  nach  dieser  nicht  eben  bestimmt  ausge- 
sprochenen Angabe  des  eigentlichen  Begründers  der  Lehre  von 
den  Dermatomyomen  an  dem  im  wesentlichen  doch  kutanen  Cha- 
rakter der  Geschwülste  seines  Falles  noch  lange  nicht  zu  zweifeln  ; 
es  könnten  bei  den  untersuchten  Schnitten,  die  anscheinend  keine 
Serien  bildeten,  wohl  Bandteile,  Ausläufer,  alter  weit  entwickelter 
Tumoren  vorgelegen  haben,  die  an  dieser  Stelle  nur  den  tiefsten 
Schichten  angehörten.  Denn  die  vermutlich  auch  in  Hinsicht  auf 
ihren  Entwicklungszustand  jüngeren  Geschwülstchen,  die  5  Jahre 
vorher  untersucht  worden  waren,  lagen  ausschließlich  im  Derma 


342  Sobotka. 

(im mittleren  und  tiefen).  Eine  Geschwulst  von  Arno z an  und 
Vaillard  nabm  das  ganze  Uerma  ein  und  begrenzte  sich 
scharf  im  Hypoderma.  Huldschinsky  sah  —  und  zwar  in 
Randschnitten  —  Muskelbündel  in  das  oberste  Unterhautgewebe 
hinein  reichen.  Damit  ist  die  Reihe  aber  auch  schon  zu  Ende. ') 
Das  Hinanreichen  meines  Tumors  in  die  Nähe  der  Epider- 
mis ist  dagegen  gar  nichts  außergewöhnliches  und  auffallend 
dabei  nur,  daß  die  regelmäßigen  Folgeerscheinungen,  die  Ab- 
flachung der  Retezapfen  und  die  Verdünnung  der  ganzen  Ober- 
haut, so  gut  wie  gar  nicht  ausgeprägt  sind,  von  weiter  gehen* 
den  Veränderungen,  wie  im  Falle  von  White,  nicht  erst  zu 
reden.  Auch  starke  Pigmentierung  der  basalen  Epidermisschichte 
über  der  Geschwulst  (Jadassohn  I,  Lukasiewicz,  Wol- 
ters I,  Marschalko,  Nobl)  fehlte  bei  meinem  iCranken. 

Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden,  daß  sich  nach  dem 
Verhalten  der  elastischen  Fasern,  die  der  Muskulatur 
zugeteilt  sind,  um  sie  zu  umspinnen  oder  zu  durchziehen,  die 
Myome,  so  weit  die  Berichte  darüber  ausreichen,  deutlich  in 
2  Gruppen  scheiden.  In  der  einen  sind  sie  vermindert,  vne  bei 
Huldschinsky,  Jamin,  Gutmann,  oder  fehlen  im  Muskel 
ganz,  wie  die  Präparate  von  Wolters  (I  und  II;,  Neumann, 
Krzysztalowicz  ergaben;  in  der  andern  sind  sie  vermehrt, 
auch  stark  vermehrt,  sei  es  als  Begleiter  der  Muskelbändel,  sei 
es  in  ihnen  selber,  wie  in  den  Fällen  von  Besnier,  Jadas- 
sohn (I  und  II),  Herzog,  Marschalko,  Genevois,  wohl 
auch  Lukasiewicz,   denen  sich  nun  der  meine  anschließt 

Ebenso  ist  der  Gefaßreichtum  der  Myome  sehr  verschieden. 
Fehlten  in  den  Myomen  Hardaways  und  Audrys  und  in 
den  inneren  Teilen  derjenigen  von  Hess  Gefäße  ToUständig 
und  fand  umgekehrt  White  eine  Gefäßvermehrung,  welche  — 
wiederum  ein  Obergang  —  seinen  Fall  „vielleicht  enger  an  das 
Myoma  teleangiectodcs  anscblöße',  so  gehören  meine  Ge- 
schwülstchen zu  der  offenbar  größten  Gruppe,  in  welcher  der 
Grad  der  Vaskularisation  nicht  verändert  ist.  Ich  spreche  hier 


^)  Crockers  Angabe  bezüglioh  des  Falles  von  Hardaway,  dessen 
erste  Myomarbeit  mir  nicht  zugänglich  ist,  es  haben  hier  die  Neubildungen 
hauptsächlich  unter  dem  Derma  gelegen,  stimmt  nicht  recht  zu  einer 
kurzen  Bemerkung  in  Hardaways  zweitem  Bericht  über  denselben  Fall. 


Znr  Kenntnis  der  Cntismyome.  343 

Yon  der  GefaSversorgong  des  Bindegewebsfachwerkes 
zwischen  den  Muskelbündeln :  über  diejenige  der  Muskel- 
bündel  selbst,  die  ich  oben  beschrieb,  finde  ich  in  der  Lite- 
ratur nirgends  bestimmte  Angaben. 

Auch  der  Befand  an  den  Nerven  ist  der  bei  Myomen 
gewöhnliche,  banale.  Von  den  Untersuchem  reiner  Myome 
hat  in  den  Neubildungen  selbst  nur  Besnier  spärliche  Nerven- 
zweige,  Hess  eine  mäßige  Anzahl  von  Fasern,  auch  Huld- 
schinsky  nur  feine  Fasern  gefunden;  aber  freilich  waren  oft 
zu  schärferem  Nachweise  die  Präparate  nicht  geeignet  Jadas- 
sohn  (I.  Fall)  und  wiederum  Huldschinsky  sahen  Nerven- 
stämmchen  dicht  der  Neubildung  anliegen.  Schmerzanfalle  be- 
standen —  das  verdient  denn  doch  hervorgehoben  zu  werden 
—  unter  all  den  obengenannten  Fällen  nur  in  den  beiden  letzt- 
erwähnten. 

Endlich  entspricht  auch  das  Infiltrat  in  meinen  Prä- 
paraten dem,  wie  es  scheint,  häufigsten  Verhalten.  Zunächst 
schon  durch  sein  Vorhandensein  an  sich:  Nur  Audry  erwähnt 
ausdrücklich,  er  habe  Infiltration  vermißt,  Jadassohn  fand 
in  seinem  2.  Falle  (der  nicht  von  Anfällen  heimgesucht  war) 
i,kaum  Andeutungen  von  Bundzellenherden*,  von  13  Fällen  ist 
der  Befund  von  Infiltraten,  geringer  oder  stärker  ausgebildeten, 
erwähnt  Was  die  Anordnung  betrifft,  weicht  mein  Fall  nur  in 
der  auffallend  geringen  Beteiligung  der  Schweißdrüsen  von  dem 
gewöhnlichen  Bilde  ab.  Die  Zusammensetzung  aus  lymphooyten- 
artigen  Zellen  wird  immer  wieder  erwähnt,  Mastzellen  sind 
dreimal,  darunter  von  Herzog  sogar  zwischen  den  Muskel£Etsern, 
Plasmazellen  —  ganz  vereinzelte  —  nur  von  Marschalko 
gefunden  worden. 

Inwieweit  stimmt  nun,  zunächst  in  meinem  Falle,  der 
mikroskopische  Befund  mit  dem  klinischen  Bilde  überein  und 
trägt  zu  seiner  Erklärung  bei?  Daß  der  makroskopisch  sicht- 
bare Knoten  an  Umfang  der  mikroskopisch  wahrnehmbaren 
Muskelwucherung  nicht  vollkommen  entspricht,  daß  vielmehr  die 
letztere  mit  ihren  weniger  dicht  gewobenen  Randteilen  sich  viel 
weiter  ins  Bindegewebe  hinein  erstrecken  kann,  als  zu  vermuten 
wäre,  hat  zuerst  Jadassohn  angegeben;  in  meinem  Falle  wie 
in  denjenigen   einiger   anderen  Verfasser,   vor  allem  Jamins, 


344  Sobotka. 

gilt  das  in  fiel  höherem  Grade  von  den  kleineren  als  von  den 
mehr  geschlossenen  größeren  Neugebilden.  Viel  mehr  entspricht^ 
irie  zum  Teil  schon  hervorgehoben  worden  ist,  der  follikoläre 
Sitz  der  sich  entwickelnden  Knoten,  die  Einheitlichkeit  der  vor- 
waltenden Faserrichtnng,  auch  die  Neigung  zur  Bildung  yon 
oberflächenparallelen  Platten  und  Strängen  gerade  den  herror- 
stechendsten  der  klinischen  Zöge.  Aber  woher  nun  die  rote 
Farbe  der  Geschwülste?  Der  Muskel  an  sich  ist  nicht  rot, 
die  Rötung  yerschwindet  auf  Druck  und  macht  einem  ganz  be- 
stimmten anderen  Tone  Platz  (einem  ganz  blaß-gelb-braunen 
in  meinem  Falle,  einem  gelblichen  bei  Jadassohn  I,  einem 
gelb-grauen  bei  Wolters  ü),  sie  kann  also  nur  yon  der  Farbe 
des  Blutes  herrühren.  Nun  sind  aber  in  den  Geschwülsten  die 
Gefäße  gar  nicht  sonderlich  zahlreich  und  auch  nicht  besonders 
erweitert,  Yor  allem  nicht  mehr  als  in  der  Umgebung.  In  ein- 
zelnen Fällen  zwar  war  der  schmale  Bindegewebsstreifen,  der 
zwischen  Muskulatur  und  Epidermis  erhalten  geblieben  war^ 
ungewöhnlich  blutreich,  aber  makroskopisch  stach  das  Bot  nicht 
gar  so  sehr  hervor  (White,  Jamin,  Gutmann).  Und  umge- 
kehrt, bestand  auch  in  den  beiden  Fällen,  in  denen  mikro- 
skopisch in  den  Neubildungen  gar  keine  Gefäße  angetroffen  wur- 
den (Hardaway,  Audry)  Rötung«  Nun,  des  Rätsels  Lösung, 
gegen  die  nur  der  schon  an  sich  ein  wenig  unwahrscheinliche 
Widerspruch  zwischen  der  weißen  Farbe  alter  Knoten  und  dem 
großen  Gefaßreichtum  anscheinend  ebensolcher  im  White- 
schen  Falle  zu  streiten  vermöchte,  ist  sicherlich  die,  daß  nicht 
nur  der  Blutgehalt  der  Neubildung  selbst  und  nicht  nur  der- 
jenige der  bedeckenden  Schichte  in  Betracht  kommt,  sondern 
auch  derjenige  des  unterliegenden  Gewebes,  mit  andern  Worten, 
daß  die  Lichtdurchlässigkeit  des  Muskelgewebes  eine  Rolle  spielt. 
Daß  diese  wirklich  in  hohem  Maße  vorbanden  ist,  das  zeigen 
vor  allem  die  Fälle  von  White  und  Whitfield,  in  denen 
die  Diagnose  von  Lymphangiomen,  beziehungsweise  außerdem 
auch  von  kolloid  entarteten  Herpesnarben  in  Frage  stand,  neben 
mehreren  anderen  (Hess,  Jarisch,  Huldschinsky),  in 
denen  die  durchscheinende  Beschaffenheit  ausdrücklich  hervor- 
gehoben wird.  Warum  aber  nicht  alle  Myome,  ja  sogar,  wie  bei 
meinen  Kranken,  unter  vielen   Myomen  desselben  Falles  nur 


Zur  EenntniB  der  Cntismyome.  345 

einzelne  darchscheinend  sind?  Kommt  die  Lichtdurchlässigkeit 
gerade  dem  Muskelgewebe  zu,  so  wird  die  Antwort  lauten 
müssen :  Weil  sie  ungleich  tief  unter  der  Oberfläche  gelegen, 
weil  sie  ungleich  muskelreich,  beziehungsweise  ungleich  binde^ 
gewebsreich  sind;  und  wirklich  war  in  meinem  Falle  unter 
allen  untersuchten  Geschwülsten  die  in  yito  allein  durchschei- 
nende auch  die  weitaus  am  meisten  aufwärts  reichende  und  die 
an  Stroma  weitaus  ärmste.  Auch  die  Fälle  der  Literatur,  mit 
Ausnahme  des  White  sehen,  in  dem  irgend  welche  ganz  be- 
sondere Verhältnisse  vorgelegen  haben  mögen,  scheinen  sich 
mir  diesem  Erklärungsversuche  im  ganzen  recht  gut  zu  fügen. 
Die  übrigen  Eigentümlichkeiten  der  Färbung  müssen  vom 
Pigmentreichtum  der  Haut,  von  der  Kategorie  der  in  Betracht 
kommenden  Blutgefäße  oder  —  das  gilt  vor  allem  für  die  selt- 
same Farbveränderlichkeit  der  Knoten  meines  Kranken  —  von 
ihrem  Füllungsgrade  und  dem  Grade  etwa  vorhandener  venöser 
Stauung  abhängen. 

Ganz  unerörtert  habe  ich  bisher  im  allgemeinen  und  im 
besonderen  die  Behandlung  gelassen.  Ich  habe  zum  Schluß 
meiner  Arbeit  diesem  Gegenstande  zugleich  mit  dem  wenigen, 
was  über  den  Verlauf  des  Falles  zu  sagen  ist,  noch  eine  kurze 
Erörterung  zu  widmen. 

Von  den  wahllosen  PaUiatiymitteln  (siehe  besonders  Arnozan- 
Yaillard,  Jadassohn  I,  Jainin\  die  nur  ganz  aasnahmsweise  ein- 
mal wirkliche  Dienste  geleistet  haben  (Hnldschinsky,  Lnkasiewicz, 
Marschalk 6),  wurde  in  unserem  Falle  kein  Gebrauch  gemacht.  Unter 
den  Maßnahmen,  welche  dem  Übel  selbst  zu  Leibe  gehen  wollen,  war  die 
äußerliche  Anwendung  von  Ghloräthyl,  unter  welcher  sich  in  Hnld- 
Bchinskys  Falle  Myome  yerkleinerten,  bei  dem  kälteempfindlichen 
Kranken  nicht  durchführbar.  Ähnlich  stand  es  mit  der  Radikaloperation : 
Zwar  sind  die  ferneren  Schicksale  der  von  Hess,  Crocker,  Audry, 
Herzog,  White  operierten  nicht  bekannt  geworden,  aber  der  Erfolg 
Hardaways,  bei  dessen  Krankem  sich  immerhin  erst  nach  8 — 9  Jahren  ein 
Reiidiy  der  Geschwülste  und  dann  auch  der  Schmerzen  einstellte,  fordert 
entschieden  zu  gründlichem  chirurgischen  Vorgehen  auf.  Nur  ist  ein  solches 
natürlich  ausgeschlossen,  wo  das  Leiden  so  große  Flächen  einnimmt  wie 
in  meinem  Falle  und  höchstens  mit  dem  Thcrmokauter  hätte  vielleicht  ein 
vorsichtiger  Versuch  gemacht  werden  dürfen.  Für  den  schlimmsten  Fall 
könnte  bei  solcher  Multiplizität  der  Herde  die  Entfernung  wenigstens  der 
Ausgangsstätten  der  Schmerzanfälle  ins  Auge  gefaßt  werden.  Ein  derartiger 


346  Sobotka. 

Eingriff  wurde  an  HuldschinskyB  Patienten  mit  Tollem  (daaemdem?) 
Erfolge  bezüglich  der  Beschwerden  Torgenommen  und  beseitigte  auch  bei 
Jadassohns  erstem  Kranken  die  Schmerzen,  die  sich  freilich  nach 
wenigen  Wochen  von  einem  neuen  Ausgangspunkt  her  wieder  einstellten ; 
und  noch  mehr:  selbst  die  Aushebung  nur  weniger  Knötchen  scheint, 
allerdings  in  geradem  Gegensätze  zu  dem  Ergebnisse  in  allen  anderen 
Fällen,  bei  dem  Kranken  von  Lnkasiewios  die  Schmerzen  günstig 
beeinflußt  nnd  bei  demjenigen  von  Wolters  sogar  eine  Rückbildung 
der  Geschwülstchen  der  Umgebung  veranlaßt  zu  haben.  Daß  meine 
eigenen  kleinen  diagnostischen  Excisionen  keine  Heilerfolge  brachten, 
bereitete  mir  natürlich  durchaus  keine  Enttäuschung.  Die  eigentliche 
Behandln  Dg  eröffneten  wir  mit  der  Darreichung  Yon  Arsen,  das  in  Lu- 
kasiewicz'  Falle  an  der  Rückbildung  der  Geschwülste  einen  Anteil 
gehabt  haben  könnte,  in  Gestalt  der  solutio  arsenicalis  Fowleri  in 
steigender  Tropfenzahl;  außerdem  wurde  bald  nach  dem  Beginn  dieser 
Kur  und  während  ihrer  Weiterfuhrung  dem  Kranken  durch  drei  Wochen 
taglich  eine  ganze  Pravazspritze  einer  zehnprozentigen  alkoholischen 
Thiosinaminlösung  nnd  darauf  zwei  Wochenlang  täglich  eine  halbe 
Spritze  einer  ebenso  starken  wässerigen  Lösung  von  Hydrochinon  sub- 
kutan beigebracht  —  ohne  daß  jedoch  nach  im  ganzen  anderthalb  Mo- 
naten auch  nur  der  geringste  Erfolg  festzustellen  gewesen  wäre.  Behand- 
lung mit  Roent  gen  strahlen  in  2  Sitzungen  zu  Beginn  derselben  Periode, 
Bier  sehe  Stauung  am  Unterschenkel,  5  Tage  hindurch  je  20  Stunden 
lang  vorgenommen,  erwies  sich  als  ebenso  nutzlos.  So  hatte  sich  in  den 
ersten  Wochen  an  den  objektiven  und  subjektiven  Erscheinungen  nichts 
geändert:  Die  Herde  bestanden  in  der  alten  Weise  fort,  wenn  nicht  viel- 
leicht am  rechten  Unterschenkel  in  der  Nähe  des  Knies  ein  paar  neue 
Stippchen  aufgetreten  und  die  Striae  am  Oberschenkel  deutlicher  geworden 
waren.  Immer  wieder  ist  in  der  Krankengeschichte  der  wechselnde  Farben- 
ton der  Geschwülstchen  erwähnt.  Sie  sind  „blaßrot*',  ^lebhaft  rot*,  „von 
ganz  aufiBsllend  braunem  Ton^,  sehr  häufig  am  Vormittag  anders  als  am 
Nachmittag.  Die  Empfindlichkeit  gegen  Temperatureinflüsse  dauerte  fort; 
spontane  Schmerzanfälle  vom  alten  Typus  stellten  sich  auch  weiterhin 
ein,  die  Druckschmerzhaftigkeit  der  Knoten  war  unverändert. 

Da  schaffte  endlich  ein  neues  Verfahren  Wandel:  die 
Elektrolyse.  Sie  war  bisher  erst  einmal  angewendet  worden, 
Ton  Roberts,  der  in  der  Narkose  mit  starkem  Strome  eine 
Gruppe  von  Myomen,  die  vor  der  Ohrmuschel  saß,  wohl  dauernd 
beseitigte,  freilich  das  Auftreten  neuer  nicht  verhindern  konnte. 
Der  mir  zur  Verfügung  stehende  Strom  war  kein  sehr  kräftiger, 
immerhin  aber  für  den  Kranken  so  schmerzhaft,  daß  er,  ohne 
übrigens  etwa  einen  seiner  typischen  Anfälle  zu  bekommen,  im 
Verlaufe  des  ersten  Versuches  nahezu  ohnmächtig  wurde.  In 
der  Folge  wurde  so   vorgegangen,   daß   Cocainum   muriaticum 


Zur  Kenntnis  der  Gatismyome.  347 

pro  die  0*02  in  1*5  bis  2*0  Wasser  intrakutan  in  die  unmittel- 
bare Umgebung  des  Herdes  und  auch  in  ihn  selbst  eingespritzt, 
dann  die  elektrolytische  Nadel  durch  die  Basis  des  zu  behan- 
delnden Knotens  gewöhnlich  in  drei  Bichtangen  durchgestoßen 
und  bei  geschlossenem  Strome  meist  je  5  Minuten  in  jeder 
dieser  Lagen  belassen  wurde.  Dieses  Verfahren,  das  fast  täglich 
angewendet  wurde,  bereitete  keine  Schmerzen  und  führte  auch 
zu  keinen  Nebenerscheinungen.  Die  Eokainmenge  reichte  anfangs, 
als  die  größten  und  empfindlichsten  Myome  in  Angriff  genom- 
men wurden,  jedesmal  nur  für  wenige  Knoten  aus,  später,  als 
die  kleineren  an  die  Beihe  kamen  und  der  Zustand  sich  schon 
gebessert  hatte,  für  20  und  mehr.  Am  Tage  nach  dem  Eingriff 
und  meistens  auch  am  zweiten  Tage  war  der  behandelte  Knoten 
dunkler  und  diffuser  rot,  etwas  geschwollen,  sehr  druckschmerz- 
haft; schon  am  dritten  Tage  war  der  Schmerz  gewöhnlich  ge- 
ringer als  vor  der  Behandlung  und  nach  einer  Woche,  manch- 
mal auch  längerer  Zeit  war  schon  ein  kräftiger  Druck  zwar 
noch  recht  unangenehm,  aber  nicht  entfernt  mehr  unerträglich. 
Dabei  yerschwand  aber  ein  stumpfes  Rot  von  nicht  scharfer 
Begrenzung  während  der  gesamten  Zeit  der  Beobachtung  des 
Kranken  Yon  den  behandelten  Stellen  überhaupt  nicht  und 
wurden  die  Knoten  zwar  merklich  flacher,  yerloren  sich  aber 
doch  nicht  ganz.  Auch  die  Eiosticbstellen  der  Nadel  waren  noch 
wochenlang  zu  sehen.  Bei  den  größten  Knoten  war  zweimalige 
Behandlung  erforderlich.  Wurde  die  indifferente  Elektrode,  die 
für  gewöhnlich  an  der  Brust  angesetzt  war,  während  der 
Elektrolyse  auf  eine  schon  einmal  behandelte  Stelle  gebracht, 
so  traten  sofort  unvergleichlich  stürmischere  ErscheinuDgeu  auf: 
mächtige  Schaum-  und  Blasenbildung  an  der  Haut  und  trotz 
Anwendung  von  Kokain  unerträgliche  Schmerzen  (infolge  Herab- 
setzung des  LeituDgswiderstandes?).  Immer  mehr  und  mehr 
wurde  die  Druckempfindlichkeit  des  Unterschenkels  allmählich 
herabgesetzt;  aber  auch  auf  die  Schmerzen,  die  aus  anderen 
Anlässen  zu  entstehen  pflegten,  war  die  Behandlung  von  Ein- 
fluß. Zwar  verlängerten  sich  die  Pausen  zwischen  den  spontanen 
Anfällen  nicht  sonderlich,  sie  währten  nach  wie  vor  eine  bis 
zwei  Wochen  oder  wenig  darüber;  aber  die  Anfälle  selbst 
wurden  immer  weniger  heftig   und  der  letzte  von  ihnen  hörte. 


348  Sobotka. 

was  noch  nie  dagewesen  war,  sofort  auf,  als  der  Patient  aus 
seinem  charakteristischen  Traume  erwachte.  Die  Eälteschmerzen 
aber  verschwanden,  trotzdem  die  Witterung  kühl  war,  vom  16. 
Tage  nach  Beginn  der  elektroljtischen  Behandlung  angefangen, 
überhaupt  Tollkommen  und  kehrten  dann  nur  noch  einmal,  am 
38.  Tage  dieser  Behandlung,  und  zwar  am  Morgen  eines  sehr 
kühlen  Maitages  wieder,  jedoch  in  außerordentlich  gemäßigter 
Heftigkeit.  Der  Kranke  wurde  nach  278  Monaten  ungemein 
gebessert  aus  der  Behandlung  entlassen. 


Die  Ergebnisse  meiner  Arbeit  sind,  zum  Schlüsse  kurz 
zusammengefaßt,  etwa  folgende:  Nach  einer,  wie  ich  hoffe, 
ziemlich  Tollständigen  Heerschau  über  die  Literatur  zum  Zwecke 
der  Trennung  der  verschiedenen  Mjomklassen  und  der  Heraus- 
hebung des  Begriffes  der  reinen  Coriummyome  konnte  ich  einen 
eben  dieser  Gruppe  zugehörigen  Fall  und,  spezieller  gesprochen, 
einen  solchen  von  multiplen  Arrektorenmyomen  beschreiben. 
Die  letztere  Diagnose  wurde  schon  klinisch  mit  Wahrscheinlich- 
keit gemacht,  wie  bisher  nur  in  einem  Falle,  in  dem  aber  die 
histologische  Bestätigung  sich  nicht  erbringen  ließ.  Klinisch 
zeichnete  sich  mein  im  ganzen  sehr  typischer  Fall  namentlich 
durch  eine  sebr  auffallende  Besonderheit  aus:  Durch  die  über 
große  Flächen  bin  durchgeführte  Anordnung  der  Effforeszenzen 
nach  den  Spaltrichtungen  der  Haut,  eine  Erscheinung,  die  in 
dieser  Ausbildung  einzig  dasteht,  aber  sich  anderseits,  wie  sich 
erweisen  ließ,  in  geringen  Graden  bei  Coriummyomen  so  häufig 
vorfindet,  daß  eine  Verwertung  des  Symptoms  für  die  so  schwierige 
Diagnose  dieser  Geschwülste  nicht  ausgeschlossen  scheint.  Auch 
die  Beschränkung  der  Anfälle  auf  die  Nachtzeit,  femer  die 
Schmerzhaftigkeit  bei  Bewegungen  nach  längerer  Buhe,  der 
häufige  Farbenwechsel  der  Myome  sind  bemerkenswerte  und 
sonst  nicht  erwähnte  Züge.  Die  mikroskopische  Untersuchung 
lieferte,  abgesehen  von  dem  mit  aller  Zurückhaltung  vorgenom- 
menen Versuch,  an  die  Frage  des  Angeborenseins  der  Myoman- 
lage von  der  histologischen  Seite  heranzutreten,  Gelegenheit, 
die  sebr  kurze  Beibe  der  ausschließlich  von  Arrektoren  stam- 
menden Myome  um  ein  sicheres  Beispiel  zu  bereichem  und  vor 


Zur  Kenntnis  der  Gutismyome.  349 

allem  der  Entwicklung  der  Neubildung  aus  dem  hypertrophischen 
Arrektor  durch  alle  Phasen  nachzugehen.  Von  besonderen  Zügen 
wäre  dabei  Yornehmlich  die  Bevorzugung  einer  bestimmten 
Ebene  der  Faserrichtung,  besonders  an  den  jüngeren  Geschwülsten, 
und  die  im  ganzen  und  großen  zu  beobachtende  Mengenzunahme 
der  elastischen  Fasern  mit  der  Entfernung  der  Wucherung  vom 
Arrektortjpus  namhaft  zu  machen.  Auch  das  Hineinreichen  der 
Neubildung  ins  Fettgewebe  ist  ein  sehr  selten  beobachtetes 
Verhalten.  Besondere  Beachtung  wurde,  was  bisher  nicht  ge- 
schehen ist,  auch  den  Mnskelkemen  geschenkt,  wobei  sich  ganz 
interessante  Beziehungen  zu  den  Verhältnissen  ergaben,  wie  sie 
an  Tieren  oder  bei  Regenerationsvorgängen  in  der  menschlichen 
Haut  beobachtet  sind.  Bezüglich  gewisser  Lückenbildungen  in 
den  Muskelfasern  ist  es,  wiewohl  sie  bisher  bei  Myomen  nur 
einmal  beschrieben  worden  sind,  sehr  fraglich,  ob  sie  eine 
pathologische  Bedeutung  haben.  Eine  ganz  seltene,  aber  sichere 
Krankheitserscheinung  ist  dagegen  die  an  einigen  geschwulst- 
bildenden  Arrektoren  vorgefundene  Degeneration.  Die  rote  Farbe 
der  Myome  wurde  nicht  in  ihrem  Gefaßreichtum,  sondern  im 
wesentlichen  in  der  durchscheinenden  Beschafifenheit  der  glatten 
Muskulatur  begründet  gefunden.  Die  mit  der  Elektrolyse  er- 
zielten Behandlungserfolge,  über  deren  Nachhaltigkeit  allerdings 
noch  nichts  auszusagen  ist,  fordern  zu  weiterer  Verwendung 
dieser  Methode  im  gegebenen  Falle  auf. 


Nachtrag. 

Ganz  kürzlich  (1907)  hat  Pasini  seinen  Fall,  der  oben  nach  einem 
Sitzungsberichte  zitiert  ist,  auch  aasfuhrlich  beschrieben.  Die  fesselnde 
Arbeit  fordert  zn  mehrfachen  Bemerkungen  auf.  Die  oben  erwähnten 
seltsamen  OefaßerweiteruDgen  hält  der  Verfasser  für  sekundär  zur  Tnmor- 
bildang,  die  nicht  von  den  Gefäßen  ausgehe;  die  Anomalie  selbst  sieht 
er  nicht  nur  als  angeboren  an,  worauf  das  frühzeitige  Auftreten,  das 
(dauernd?  d.  Ref.)  beschränkte  Wachstum  an  beschränkter  Eörperstelle 
und  anderes  hinweise,  sondern  auch  als  Erzeugnis  einer  „Isolierung  von 
Zellgruppen"  während  der  embryonalen  Bildung  (p.  622)  im  Sinne  der 
Dari ersehen  Ansohanungsweise.  Der  Annahme  einer  angeborenen  Anlage 
beabsichtige  ich  natürlich   durchaus  nicht  entgegenzutreten;   die  Ent- 


350  Sobotka. 

stehnng  aas  heterotopischen  Keimen,  deren  Möglichkeit  im  allgemeinen 
cnangeben  ist,  scheint  mir  aber  auch  hier  nicht  erwiesen,  einmal  weil 
der  Verfasser  selbst  in  seiner  Darlegung  des  histologischen  Befandes 
eigentlich  nor  eine  i^sichere^  Kontinuitätsbeziehang  zwischen  Oeschwulst- 
fasern  und  atypischen  Oefaßen  in  Abrede  stellt  (p.  619,  ö20),  dann  weil 
der  untersuchte  Knoten  bereits  erbsengrofi  (p.  618),  weit  über  sein 
Anfangsstadium  hinaus,  entwickelt  war,  endlich  weil  der  Umstand,  daß 
weder  Myome  noch  andere  Geschwülste  derselben  Gegend  sonst  die  Gefäße 
in  so  eigenartiger  Weise  zu  verändern  pflegen,  doch  für  eine  ganz  anßer- 
ordentlich  innige  Beziehung  der  Muskelwucherung  zu  den  Gefäßen  spricht. 
Pasini  nimmt  nun  aber  eine  noch  etwas  allgemeinere  Geltung  für  seine 
Auffassung  in  Anspruch.  Wenn  nämlich  bei  Myomen,  gleichgültig  ob  sie 
frühzeitig  oder  spät  aufgetreten  sind,  die  Abstammung  von  dem  nor- 
malen Muskelgewebe  klarliegt,  so  könnte  ja  dieses  Zellgruppen 
enthalten  haben,  „welche  eine  unbestimmte  Zeit  lang  im  embryonalen 
Zustande  verweilen  und  dann  unversehens  und  aus  unerklärlichen  Gründen 
in  eine  Periode  des  Wachstums  und  der  definitiven  Entwicklung  ein- 
treten**.  Eine  eingehende  Erörterung  dieses  Gedankens  würde  hier  leider 
zu  weit  fikhren. 

Pasini  schlägt  auch  die  folgende  (an  die  Nenmannsche  an- 
klingende) neue  Einteilung  der  Myome  vor  (p.  623):  „I.  Reines  musku- 
läres Myom:  a)  infolge  von  Hyperplasie  der  glatten  Muskelfasern  der 
Cutis,  b)  aus  aberrierenden  embryonalen  Keimen  entstanden.  II.  Vasku- 
läres Myom:  a)  Angiomyom,  durch  Proliferation  der  Muskularis  der 
Gefäße,  b)  Myoma  angiocavemosum,  durch  Verschmelzung  einer  Varietät 
des  reinen  muskulären^)  Myoms  mit  Gefäßdilatationen  und  Bildung  von 
Blutspalten.**  Ich  kann  dieser  Einteilung,  so  außerordentlich  sie  sich  durch 
ihre  Einfachheit  empfiehlt,  nicht  gsnz  beistimmen.  Denn  II  a)  müßte  hier 
doch  logischerweise  eine  Unterabteilung  von  I  a)  sein;  der  denn  doch 
auffallende  klinische  und  auch  histologische  Unterschied  zwischen  tiefen 
und  oberflächlichen  Myomen  (zu  den  letzteren  gehören  diejenigen  Pasinis, 
die  in  rascher  Wucherung  auf  das  alleroberflächlichste  Hypoderma  über- 
gegriffen zu  haben  scheinen)  ist  nicht  gewahrt;  von  den  Mischgeschwülsten, 
die  sich  iu  ihren  muskelärmeren  Formen  mit  den  reineu  Myomen  nicht 
zusammeuwerfen  lassen  und  die  doch  iu  ihren  muskelreicheren  Formen 
aus  der  Gemeinschaft  der  Myome  nicht  ausgeschlossen  werden  können, 
sind  gerade  nur  die  angiomatösen  berücksichtigt. 


^)  Im  Originale,  offenbar  versehentlich:  „kavernösen' 


Zar  Kenntnis  der  Cntismyome.  351 


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352  Sobotka. 

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Heidingsfeld   1907.  Sieh  oben. 

Eine  weitere  einschlägige  Arbeit:  Jesionek  und  A«  Werner, 
Naems  myomaiosus  (dieses  Arcbiv,  Band  LXXXVIII,  pag.  228),  erschien 
erst  während  des  Druckes  der  vorliegenden  Abhandlung  und  konnte  daher 
f%r  sie  nicht  mehr  verwertet  werden. 


Areh.  f.  Dennat.  u.  Sjph.  Bd.  LXXXIX.  28 


354  Sobotka. 


Erklärong  der  Abbildungen  auf  Taf.  IZ  n.  Z. 


Fig.  1.  Die  yon  der  Erkrankung  fast  aasschließlich  ergriffene 
rechte  untere  Extremit&t.  Besonders  an  der  Innenseite  des  Oberschenkels 
ist  die  Anordnong  der  Neabildangen  nach  bestimmten  Richtlinien,  ihr 
Zusammenströmen  gegen  die  Innenseite  der  Eniegegend  hin  ganz  deutlich 
erkennbar. 

Fig.  2.  Innenseite  des  r.  Enies.  Dieselben  Verhältnisse  noch  deut- 
licher. 

Fig.  3.  Übersichtsbild  von  einer  Stelle  mit  mäßig  stark  entwickelter 
Muskelwucherung.  Schwache  Vergr.  Hämatoxylin  —  van  Gieson.  An  der 
rechten  Seite  des  Haarbalges  ein  dem  Arrektor  noch  sehr  nahe  stehendes 
Muskelgebüde.  Die  oberflächlichen  Ansätze  des  Arrektors  in  dem  Schnitte 
nicht  sichtbar;  sehr  deutlich  dagegen  das  Entlangstreiohen  des  hyper- 
trophischen Arrektors  am  Haarbalge  hin  in  die  Tiefe,  das  Vorwalten  der 
Arrektor- Faserrichtung  in  allen  Bündeln,  die  Ausbildung  oberflächen- 
paralleler plattenartiger  Muskelzüge  (rechts),  das  nur  geringfügige  Hinüber- 
greifen Ton  Muskelbündelchen  über  den  Haarbalg  auf  dessen  normaler- 
weise muskelfreie  Seite  (links).  Gleich  unterhalb  der  Talgdrüse  eine  teil- 
weise mit  Zerfallsmasse  ausgefällte  Degenerationslücke  in  der  Muskulatur. 
In  der  Tiefe  Muskelbündel,  nachweislich  von  Arrektorenursprung,  nach 
verschiedenen  Richtungen  getroffen.  \^Durch  ein  Versehen  des  Zeichners  ist 
die  abgehobene  und  gelockerte  Homschicht  unabgebildet  geblieben.) 

Fig.  4.  Übersichtsbild  eines  voll  entwickelten  Myomknotens,  ün  na- 
Taenzers  Elastinfarbung,  Naohfärbung  mit  polychromem  Methylenblau. 
Schwache  Vergr.  Die  Neubildung,  auf  dieser  Stufe  ihres  Wachtums  ein 
Flechtwerk  von  Bündeln  sehr  verschiedenen  Verlaufes,  reicht  hier  von  der 
Grenze  der  Unterhaut  bis  nahe  an  die  Epidermis;  sie  ist  recht  gut  um- 
schrieben. Die  elastischen  Fasern  sind  ganz  spärlich  in  dem  Kiesenarrektor, 
dem  das  breite  und  hohe  Muskelfeld  ganz  rechts  im  Bilde  des  Knotens 
angehört,  im  allgemeinen  reichlicher  in  deigenigen  Bündeln,  welche  erst 
in  entfernterer  Reihe  vom  Haarbalgmuskel  abstammen,  besonders  z.  B. 
in  dem  Längsschnitt  in  der  Mitte  der  Geschwulstbasis  und  dem  darüber 
liegenden  Querschnitt. 


Ans  der  Zlinik  für  Oesclilechts-  und  Hantkrankheiten  in  Wien. 

(Vorstand:  Prof.  E.  Finger.) 


Zur  Differentialdiagnose  zwischen  Lues 
und  Tuberkulose  bei  ulzerösen  Prozessen. 


Von 

Dr.  Tiktor  Mucha, 

ÄMiatenteii  der  Klinik. 


Die  Diagnose  der  syphilitischen  und  tuberkulösen  Haut- 
affektionen sollte  heutzutage  eigentlich  keinerlei  Schwierigkeiten 
mehr  bereiten,  da  die  Erreger  beider  Erkrankungen  bekannt 
sind.  Klinisch  allerdings  ist  die  Unterscheidung  dieser  beiden 
Affektionen  manchmal  schwierig,  ja  öfters  unmöglich.  Auch 
die  rein  histologische  Untersuchung  läßt  nicht  in  jedem  Falle 
eine  strikte  Diagnose  zu.  Solche  Grenzfälle  bieten  um  so 
größere  Schwierigkeiten  in  der  Diagnose,  als  es  nicht  immer 
gelingt,  den  spezifischen  Erreger  —  Tuberkelbazillus  oder 
Spirochaete  pallida  —  in  den  Ausstrich-  oder  Schnittpräparaten 
nachzuweisen,  da  es  sich  in  diesen  Fällen  wohl  immer  um 
ulzeröse  Prozesse  handelt  und  wir  wissen,  daß  der  Nachweis 
der  spezifischen  Erreger  gerade  in  solchen  Affektionen  häufig 
mißlingt.  Das  Tierexperiment  hatte  in  solchen  strittigen  Fällen 
allerdings  fast  immer  eine  sichere  Entscheidung  gebracht  oder 
doch  die  Berechtigung  gegeben,  sich  für  die  eine  oder  andere 
Diagnose  zu  entscheiden.  Wurde  dieses  unterlassen,  so  hatte 
man  in  solchen  zweifelhaften  Fällen  vielfach  aus  dem  Erfolge 
der  spezifischen  Therapie,  also  ex  iuvantibus  die  Diagnose  Lues 
oder  Tubeikulose  gestellt. 

Eine  Reihe  von  Beobachtungen  auf  der  Klinik  im 
Laufe  der  letzten  Jahre  bieten  in  dieser  Hinsicht  viel  des 
Interessanten  und  scheinen  geeignet,  unsere  bisherige  Ansicht 

23* 


356  Muchft. 

in  manchen  der  erwähnten  Punkte  nmzustoßen.     Sie  scheinen 
mir  daher  der  Mitteilung  wert  zu  sein. 

Fall  I.  Pat.  Aloisia  W.,  25  Jahre  alt,  aufgenommen  am  18./ VIII. 
1905.    Jonrn.  Nr.  20.379. 

Anamnese:  Hereditäre  Belastnng  nicht  nachweisbar.  Eioe 
Schwester  der  Pat.  starb  an  Tnberknlose.  Mit  8  Jahren  Masern.  Mit 
17  Jahren  längere  Zeit  Hasten  ohne  Blotanswnrf.  Kein  Partos,  kein 
Abortus.    Yenerische  Affektionen  entschieden  geleugnet. 

Vom  8./XI.  1904  bis  L/IY.  1905  Behandlong  im  Brünner  Kranken- 
hanse, Abteilung  des  Herrn  Primarius  Dr.  Mager.  Die  uns  gütigst  aber- 
lassene Krankengeschichte  der  Abteilung  erwähnt: 

Halsschmerzen  seit  etwa  8  Wochen,  die  Tonsillen  sind  vergrößert 
und  gerötet,  an  der  medialen  Seite  der  rechten  ein  bohnengroßer,  scharf 
begrenzter  Belag,  an  der  linken,  nahe  dem  weichen  Gaumen,  ein  linsen- 
großer,  scharfumschriebener,   speckig   belegter  Substansverlust.    Fieber. 

Wegen  Angina  specifica  am  11./I7.  1904  auf  die  Hautabteiiung 
transferiert,  jedoch  mit  dem  Bemerken  zurfickgeschickt,  daß  die  Diagnose 
Lues  aus  der  vorhandenen  Angina  nicht  gestellt  werden  könne.  Jod 
intern,  ohne  Erfolg.  Anfangs  Dezember  Auftreten  von  Infiltraten  am 
Rücken,  die  als  Hautgummen  angesprochen  werden. 

Nach  Schmierkur  und  Jodkali  vollständige  Heilung  mit  strahliger 
Narbenbildang  am  Gaumen. 

August  1905  Aufnahme  auf  die  IV.  medizinische  Abteilung  (Prim. 
Dr.  Eovacs),  von  dort  am  18./yin.  auf  die  Klinik  transferiert. 

Status  praesens  (vom  24./VIir.  1905):  Mittelgroße,  ziemlich 
kräftig  gebaute,  gut  genährte  Frau. 

Pupillen  prompt  reagierend. 

Bulbi  frei  beweglich. 

Facialis  links  etwas  schwächer  als  rechts. 

Hals  ohne  Drüsensohwellnng,  ohne  Narben. 

Brust  gut  gewölbt. 

Lungenbefund  normal. 

Herzbefund  normal. 

Radialarterien  gerade,  weich,  ihr  Puls  rhythmisch,  äqual,  ihre 
Spannung  niedrig. 

Abdomen  weich,  nicht  druckempfindlich. 

Leber  und  Milz  nicht  vergrößert. 

Inguinale  Lymphdrusen  auf  beiden  Seiten  tastbar,  besonders 
auf  der  rechten. 

Sehnenreflexe  normal. 

Die  Mund-  und  Rachenhöhle  zeigt  im  Bereiche  des  weichen 
Gaumens,  beider  Gaumenbögen,  sowie  an  der  Uvula,  übergreifend  auf  die 
hintere  Pharynx  wand  und  den  harten  Gkiumen,  eine  exulzerierte  Fläche, 
die   fein  granuliert  erscheint,  unregelmäßig  und  unscharf  begrenzt  ist 


Zur  DifferentialdiagnoBe  zwischen  Lues  und  Taberkalose.        357 

und  in  deren  Umgebung  sich  kleinste,  miliare  Knötchen  erkennen  lassen, 
die  an  Taberkelknötchen  erinnern. 

Die  Epiglottis,  sowie  beide  Taschen-  und  Stimmbänder 
erscheinen  infiltriert;  einselne  Infiltrate  am  Bande  der  Epiglottis  sind 
zerfallen  und  bilden  anscharf  begrenzte,  ziemlich  tief  greifende  Ulzera. 

Haut:  An  der  Radialseite  des  rechten  Vorderarmes,  in  der  Kreuz- 
beingegend etwa  zwei  Querfinger  Ton  der  Medianlinie  rechts  und  unter- 
halb der  linken  Glutealfalte,  sowie  an  der  vorderen  Flftche  des  linken 
Obersehenkels  finden  sich  Geschwüre  von  2  Kronenstüok-  bis  Handteller- 
größe, rundlich  oder  unregelmäßig  begrenzt.  Der  Rand  einzelner  Geschwüre 
ist  scharf,  steil  abfallend  und  ziemlich  stark  infiltriert,  der  anderer, 
besonders  der  größeren,  dagegen  gezackt,  wie  angenagt,  stellenweise 
leicht  unterminiert  und  wenig  infiltriert.  Alle  Geschwüre  sind  von  braun- 
roten Höfen  umgeben  und  mit  mächtigen  Rorken  bedeckt,  nach  deren 
Ablösen  ein  schmutziggelber  Geschwürsgrund  zu  Tage  tritt;  dieser  ist 
höckerig  und  blutet  leicht,  wenn  man  das  Sekret  abzuwischen  versucht. 
Ähnliche  aber  kleinere  Veränderungen  sieht  man  in  beiden  Nasolabial- 
falten,  besonders  an  der  linken,  sowie  an  der  Ansatzstelle  des  linken 
Ohrläppchens.  Außerdem  finden  sich  am  Rücken  und  am  rechten  Vorder- 
arme mehrere  bis  etwa  kronenstückgroße,  runde,  scharfbegrenzte,  depig- 
mentierte Narben  mit  leicht  eingesunkener  Mitte. 

Klinische  Diagnose:  Gummata  cutanea.  Tuberculosis 
mucosae  oris  et  uvulae. 

Decursus: 

19yVin.  Einreibungen,  lokal  Borvaselin.  Hals:  Lapis  und  Milch- 
säure Touchirung. 

8./IX.  Nach  20  £  (Einreibungen  ä  8  ^)  die  Ulzera  an  der  Haut 
unverändert;   graue  Salbe  lokal  reizt,  wird  nicht  vertragen. 

18./IX.  Nach  80  E:  In  den  größeren  Geschwüren  haben  sich 
einzelne  Epithelinseln  gebildet. 

28 /IX.  Nach  40  £;  keine  weitere  Besserung.  Decoctum  Zittmanni 
mit  1  g  Jod  Nratrium  pro  die. 

26./X,  Ezcision  eines  Infiltrates  vom  Rücken.  25  Portionen  Zitt- 
mann,  bisher  ohne  Erfolg. 

8./XI.    Subkutane  Injektion  von  1  mg  Kochschem  Alt-Tuberkulin. 

6./XI.  Keine  lokale,  keine  allgemeine  Reaktion.  (Höchste  Tem- 
peratur 87-1®.) 

6./XI. — 27./XII.  1905,  10  Injektionen  von  Hydrargumm  salycylicum 
intramuskulär  (1  :10  Parafiünum  liquid,  ä  1  cm*).  Darauf  vollständige 
Abheilung  sämtlicher  Krankheitsherde  der  Haut,  sowie 
des  Rachens  und  Kehlkopfes. 

Geheilt  entlassen. 

Die  Untersuchung  des  Sekretes  des  Geschwüres  am 
Gaumen  auf  Tuberkelbazillen  und  Spirochaete  pallida 
war  negativ. 


358  Macha. 

Im  Mars  1906  neuerliche  Aafiiahme  aaf  die  Klinik  wegen  eines 
gammösen  Infiltrates  am  Nasenseptum,  das  bereits  zam  vollständigeD 
Verl  aste  des  knorpeligen  und  teilweise  des  knöchernen  Anteiles  gefuhrt 
hatte;  außerdem  ein  Infiltrat  am  rechten  Stimmhande. 

30./Y.    Subkutane  Injektion  Ton  1  mg  Kochsohem  Alt-Tuberkulin. 

l./VI.   Weder  lokale  noch  allgemeine  Reaktion. 

S./YI.  3*5  mg  Tuberkulin.  Keine  lokale,  keine  allgemeine  Reaktion 
(Höchste  Temperatur  37-6*^). 

18./VI.  Auf  10  iDJektionen  von  Hydrargyrum  Salicylicum  voll- 
ständige Heilung. 

Geheilt  entlassen. 

Histologischer  Befund:  An  den  Randpartien  des  Infiltrates 
gehen  die  normalen  Zapfen  der  Epidermis  allmählich  in  solche  über,  die 
länger  und  dicker  werden  und  sich  verschieden  tief  in  das  darunter- 
liegende Gewebe  einsenken.  Am  größten  sind  die  Zapfen  in  der  Mitte 
des  Infiltrates ;  sie  erscheinen  dort  vielfach  nicht  mehr  so  scharf  begrenzt, 
da  die  sie  umgebenden  entzündlichen  Veränderungen  ihre  Grenzen  etwas 
verwischen  und  auch  innerhalb  der  Zapfen,  vorwiegend  in  den  Rand- 
partien, mehrkernige,  häufig  langgestreckte  Lenkocyten  zwischen  den 
Zellen  sichtbar  sind.  Die  Zellkerne  der  innerhalb  des  Infiltrates  liegen- 
den Zapfen  sind  vielfach  schwach  tingiert.  Nur  in  den  zentralen  Partien 
des  Geschwüres  fehlen  über  kürzere  Strecken  die  Retezapfen  ganz  oder 
sind  nur  mehr  in  Resten  vorhanden.  Man  sieht  an  dieser  Stelle  eine 
dellenförmige  Einsenkung,  deren  Grund  durch  entzündlich  verändertes 
Gewebe  gebildet  wird,  das  sich  hier  bis  gegen  das  Fettgewebe  hin  erstreckt, 
um  sich  dann,  an  Mächtigkeit  abnehmend  und  halbmondförmig  die 
gewucherten  Retezapfen  einschließend,  allmählich  gegen  die  normalen 
Partien  hin  zu  verlieren.  Die  entzündlichen  Veränderungen  bestehen  in 
den  zentralen  Partien  aus  einem  dichten  Infiltrate  ein-  und  mehrkerniger 
Rundzellen,  zwischen  denen  in  verschiedener  Reichlichkeit,  manchmal 
auch  in  Form  größerer  Herde  rote  Blutkörperchen  eingestreut  sind.  Die 
ziemlich  reichlichen  Gefäße  dieser  Partien  sind  durchwegs  stark  mit 
roten  Blutkörperchen  sowie  ein*  und  mehrkernigen  Leukocyten  gefüllt. 
Gegen  die  unteren  Randpartien  des  Infiltrates  zu  treten  zwischen  den 
Rundzellen,  anfangs  spärlicher,  dann  reichlicher,  Zellen  von  epitheloidem 
Charakter  auf  mit  länglichem,  blaß  gefärbtem  Kerne.  Etwa  in  der  Höhe 
der  Spitzen  der  gewucherten  Retezapfen  vereinigen  sich  diese  Zellen  oft 
zu  verschieden  großen,  knötchenartigen  Gebilden,  in  denen  man  zahl- 
reiche, ungleich  große  Riesenzellen  findet,  mit  vorwiegend  randständigen 
Kernen  und  manchmal  mit  Vakuolen.  Nach  unten  nimmt  das  Infiltrat 
an  Dichtigkeit  ab,  begleitet  die  Schweißdrüsenausführungsgänge  und 
umlagert  die  Schweißdrü*en,  zum  Teile  auch  die  Gefäße  und  ist  um 
diese  herum  noch  an  der  Grenze  zwischen  Fett-  und  Bindegewebe  sicht- 
bar. Das  zwischen  den  Schweißdrüsen  erhaltene  Bindegewebe  ist  vielfach 
ödematös  gequollen«  Gegen  die  seitlichen  Randpartien  wird  das  Infiltrat 
gleichfalls   weniger   dicht   und    erscheint   mehr   herdförmig    angeordnet, 


Zur  Differentialdiagnose  zwischen  Laes  und  Tuberkulose.        359 

Torwiegend  entlang  den  Grefaßen,  um  sich  allmählich  vollständig  zu  ver- 
lieren. Der  Charakter  eines  Granulationsgewebes,  mit  neugebildeten 
Gefäßen  und  Fibroblasten,  tritt  in  diesen  seitlichen  Ausläufern  des 
Infiltrates  oft  besonders  schön  zu  Tage.  Auch  sieht  man  hier  ab  und  zu 
noch  undeutlich  begrenzte  Epitheloidhaufen  mit  Riesenzellen. 

Das  elastische  Gewebe  fehlt  in  den  zentralen  Partien  des  Infiltrates, 
dort  wo  Exulzeration  vorhanden  ist,  vollständig  und  erscheint  auch  in 
den  Randpartien  desselben  vielfach  in  Form  unregelmäßiger,  abge- 
brochener Züge. 

An  den  Gefößen  selbst  lassen  sich  grobe  Veränderungen  nicht 
nachweisen. 

Eine  große  Zahl  von  Schnitten  aus  den  verschiedensten  Partien 
des  excidierten  Infiltrates  wurde  sowohl  nach  der  Methode  für  den  Nach- 
wuchs des  Tuberkelbazillns  als  auch  nach  der  Methode  von  Levaditi 
für  den  Nachweis  der  Spirochaete  pallida  gefärbt 

Oie  Untersuchung  auf  Tuberkelbazillen  hatte  in  allen 
Schnitten  einen  negativen  Erfolg,  ebenso  aber  auch  die 
Untersuchung  auf  Spirochaete  palli  da. 

Epikrise:  Es  handelte  sich  demnach  in  dem  vor- 
liegenden Falle  um  eine  junge  kräftige  Frau  mit  Krankheits- 
erscheinungen im  Rachen  und  an  der  Haut,  deren  klinische 
Diagnose  Schwierigkeiten  bereitete.  Die  Rachenaffektion  sprach 
klinisch  für  eine  tuberkulöse  Veränderung,  was  auch  von  den 
zu  Rate  gezogenen  Internisten  und  Larjngologen  bestätigt 
wurde;  die  Hautaffektion  dagegen  sprach  vielfach  für  Lues, 
wenngleich  einige  der  größeren  Substanzverluste  mit  ihren 
wenig  scharfen^  vielfach  ausgenagten,  unterminierten  und  wenig 
infiltrierten  Rändern  wieder  an  tuberkulöse  Geschwüre  er- 
innerten. Unsere  erste  Annahme  ging  also  dahin,  die  Rachen- 
affektion als  tuberkulös,  die  Hautaffektion  als  luetisch  anzu- 
sprechen. Der  negative  Erfolg  der  Behandlung  während  der 
ersten  Zeit  des  Aufenthaltes  der  Pat.  auf  der  Klinik  ließ  immer 
wieder  Zweifel  an  unserer  Hautdiagnose  aufkommen.  Die 
Krankengeschichte  des  Brünner  Ejrankenhauses  war  zu  dieser 
Zeit  noch  nicht  in  unserem  Besitze,  die  Pat.  selbst  hatte  bei 
ihrer  Au&ahme  eine  luetische  Affektion  und  antiluetische 
Therapie  entschieden  geleugnet. 

Unsere  Untersuchungen  des  Sekretes  der  Gaumenaffektion 
auf  Tuberkelbazillen  und  Spirochaete  pallida  blieben  negativ, 
desgleichen  die  der  Schnittpräparate  des  excidierten  Knotens 
vom  Rücken. 


360  Mucha. 

Die  drei  Tuberknliniigektionen  hatten  weder  allgemeine 
noch  lokale  Reaktion  zur  Folge. 

Die  Untersuchong  des  Bückenknotens  ergab  ein  spezifisches 
Granulationsgewebe  mit  zahlreichen  Riesenzellen,  dessen  Ätio- 
logie weder  histologisch,  noch  auch  durch  die  spezifischen 
Färbungsmethoden  auf  Tuberkelbazillen  und  Spirochaeten  fest- 
zustellen war,  wenngleich  die  stellenweise  deutliche  perivas- 
kuläre Lagerung  des  Infiltrates  und  der  Mangel  typischer 
Knötchen  vom  Baue  der  Tuberkel  mehr  für  die  Diagnose  Lues 
sprachen. 

Erst  die  energisch  durchgeführte  Therapie  mit  intra- 
muskulären Quecksilberinjektionen  brachte  sicheren  Entscheid 
in  die  Diagnose  und  zwar  dahin,  daß  nicht  blofi  die  Haut- 
affektion, sondern  auch  die  Gaumenaffektion  für  luetisch  an- 
gesehen werden  mußte,  da  beide  gleichmäßig  rasch  unter 
dieser  Therapie  zur  Heilung  gelangten. 

Ein  viertel  Jahr  später  sahen  wir  die  Fat.  mit  einer 
klinisch  einwandfrei  luetischen  und  zwar  gummösen  Affektion 
am  Nasenseptum  wieder,  die  durch  Quecksilber-Jod-Therapie 
rasch  zum  Rückgange  gebracht  wurde. 

Fall  IL  Marie  F.,  48  Jahre  alt,  aufgenommen  am  16./X.  1906. 
Joam.-Nr.  26.403. 

Anamnese:  Keine  hereditäre  Belastung.  Fat.  war  als  Kind 
schwächlich  und  kränklich,  hat  keine  Kinderkrankheiten  überstanden. 
Mit  18  Jahren  Lnngenentsündung.  Seit  dem  18.  Lebensjahre  regelmäßig 
menstruiert.  Mit  21  Jahren  geheiratet.  Sieben  Geburten  am  normalen 
Schwangerschaftsende;  alle  Kinder  leben  und  sind  gesund.  Beginn  der 
gegenwärtigen  Erkrankung  angeblich  vor  3  Jahren  an  den  Armen,  spater 
erkrankte  Brust  und  Rücken,  und  erst  einige  Monate  vor  der  Aufnahme 
Gesicht  und  Kopf. 

Status  praesens:  Fat.  ist  mittelgroß,  grazil  gebaut,  die  Mosku- 
latur  schlaff,  wenig  entwickelt,  der  Faniculus  adiposus  sehr  gering.  Im 
Bereiche  der  Himnerven  keine  Veränderungen.  Die  Stimmbänder  leicht 
katarrhalisch  verdickt,  keine  spezifische  Affektion  nachweisbar  (Klinik 
Ghiari).  Die  inneren  Organe  ohne  nachweisbare  Veränderungen.  Die 
Radial arterien  leicht  geschlängelt,  die  Wand  weich,  nicht  verdickt. 

Haut:  An  der  Haut  des  Stammes  und  der  Extremitäten,  sowie 
der  des  Kopfes  und  Gesichtes,  finden  sich  sehr  sahireiche,  teils  einzeln- 
stehende, häufiger  aber  in  Gruppen  und  Haufen  angeordnete,  knötohen- 
fSrmige,  etwa  klein  linsengroße  Effloreszenzen,  die  sich  mäßig  derb 
anfahlen,  bläulich-braun-rot  gefärbt  sind,  über  das  Niveau  der  Haut 
mäßig  vorragen,  oder  aber  im  Niveau  derselben  gelegen  sind.    An  der 


Zar  Differentialdiagnose  zwischen  Lues  nnd  Taberknlose.        361 

Kuppe  tragen  diese  Knötchen  weißliche  Schnppen  oder  braun*gelbe 
Börkchen.  Die  Mehrzahl  der  Krankheitsherde  besteht  jedoch  aus  ober- 
flächlichen Snbstanzverlasien,  bis  zu  Galden-  nnd  Handtellergröße, 
die  durch  die  Konfluenz  and  den  nachträglichen  Zerfall  der  früher 
beschriebenen  Knötchen  entstanden  sind.  Die  Bänder  dieser  Geschwüre 
lassen  ein  mehr  schwammiges,  bläulichrotes  Infiltrat  erkennen,  sind  meist 
polyzyklisoh,  mäßig  scharf,  vielfach  wie  angenagt  und  stellenweise  leicht 
unterminiert.  Bedeckt  erscheinen  sie  von  schmutzig  braun-roten  Borken 
eingetrockneten  Sekretes.  Der  Geschwürsgrund  ist  bald  feiner,  bald  gröber 
granuliert  mit  eitrigem  Sekrete  bedeckt,  um  die  Geschwüre  ist  ein 
deutlicher  bräunlich- blauer  Hof  erkennbar.  In  ihm  und  über  diesen 
hinaus  finden  sich  reichlich  meist  isoliert  stehende  Knötchen,  wie  sie 
früher  beschrieben  wurden. 

Außer  diesen  frischen  Geschwüren  finden  sich  vielfach  auch  solche, 
die  teilweise  oder  auch  schon  zum  großen  Teile  überhäutet  sind.  An 
diesen  sehen  wir  meist  eine  in  der  Mitte  leicht  eingesunkene  zarte 
Narbe,  in  der  reichlich  neue  Knötchen  eingesprengt  sind. 
Ein  Übergreifen  auf  die  Schleimhaut  oder  eine  Afiektion  dieser  selbst 
ist  nicht  nachweisbar. 

Klinische  Diagnose:  Lupus  vulgaris  universülis. 

Dekursus: 

8./XI.  1906.  Excision  eines  Infiltrates  vom  Bücken. 
lO./XI.  Perlsuohttuberkulin-Behandlung  nach  G.  Spengler.    OOl  mg 
subkutan;  intern  zwei  Tabletten  Jokasin. 

11. /XL  Keine  allgemeine  Beaktion,  geringe  aber  deutliche  Beaktion 
in  den  Krankheitsherden  des  Gesichtes. 

12./XL  0*1  mg  Perlsuchttaberkulin. 

14./XI.  1  mg  Perlsuchttuberkulin. 

15 /XL  Leichte,  allgemeine  Beaktion,  deutliche  Zunahme  der 
Lokal-Beaktion,  auch  am  Stamme  erkennbar.  Bis  zum  8./iy.  1907,  also 
durch  5  Monate,  allmähliche  Steigerung  der  Dosis  bis  auf  8*5  mg  Perl- 
suchttuberkulin. 

13./III.  1907.  Die  Herde  des  Gesichtes,  die  während  der  Beaktion 
gerötet  und  stark  succolent  waren,  sind  teils  stark  abgeflacht,  teils  bis 
auf  braun-rote  Pigmentationen  zurückgegangen.  Neue  Nachschübe  von 
Knötchen  konnten  in  der  Zwischenzeit  wiederholt,  besonders  im  Gesichte 
beobachtet  werden.  Die  größeren  Infiltrate  an  den  Oberarmen  und  am 
Stamme  zeigen  deutliche  Tendenz  zum  Zerfalle. 

21. /HL  1907.  Umschläge  mit  Besorcin-Gljzerin  (25  Vo)  an  den 
Armen. 

lO./IV.  1907.  In  der  Umgebung  einer  großen  exnlcerierten  Plaque 
am  Bücken  Nachschub  neuer  Knötchen,  die  derb  waren  und  deutlich 
gelblich-braun- rote  Farbe  zeigten  ohne  blauroten  Stich  in  der  Umgebung. 
An  der  Oberfläche  trugen  diese  linsengroßen  Effloressenzen  ein  gelblich- 


362  Macha. 

weißes,  yielfach  mit  feinen  Schuppen  bedecktes,  leicht  abkratzbares 
Hftotchen,  so  dafi  ne  oft  wie  pnstulös  anssahen. 

19./IY.  1907.  Excision  eines  Herdes  vom  Unterschenkel  nnd  Yer- 
impfung  eines  Teiles  desselben  an  ein  Meerschweinchen. 

20./iy.  Jodnatrium   (2  g  pro  die). 

22./iy.   Dentlicher  Bäckgang  der  Infiltrate  am  Stamme. 

27./iy.  Unter  fortgesetztem  Jodgebranche  weiterer  Rückgang  der 
Infiltrate   am   Stamme;    beginnende  Rückbildunfr    derer   des   Gesichtes. 

l./V.  1907.  Erste  intramuskuläre  Hydrargyrum  saUcylicum-I^jektion. 

ll.|Y.  1907.  Unter  Fortsetzung  der  Jod-Quecksilberbehandlung 
▼ollständige  Rückbildung  sämtlicher  Infiltrate.  An  Stelle  derselben  finden 
sich  Narben,  die  teils  gelblichbraune  Pigmentierung  zeigen,  teils  noch 
braunrot  gefärbt  sind  und  in  der  Umgebung  einen  blauroten  Saum 
erkennen  lassen.    Geheilt  entlassen. 

Resultat  des  Tierversuches:  Das  intra  peritoneal  und  sub- 
kutan geimpfte  Meerschweinchen  (siehe  Dekursus  vom  I9./IV.  1907] 
wurde  durch  3  Monate  beobachtet.  Während  dieser  Zeit  waren  niemals 
Krankheitssymptome  wahrnehmbar,  wohl  aber  stetige  Gewichtszunahme. 

Die  Sektion  des  am  25.7711.  1907  getöteten  Tieres  ergab  ▼  oll- 
ständig normale  Organe,  makroskopisch  und  mikro- 
skopisch. 

Histologischer  Befund  (Infiltrat  vom  Rücken):  Die  Hom- 
schichte  über  dem  Infiltrate  erscheint  verdickt,  die  Retezapfen  ver- 
breitert und  verlängert,  in  ihrem  basalen  Anteile  vielfach  von  ein-  und 
mehrkemigen  Leukocyten  durchsetzt,  die  sich  auch  in  den  oberen 
Schichten  der  Epidermis  zwischen  den  Epithelzellen  nachweisen  lassen. 
Die  subpapilläre  Schicht  der  Cutis  ist  zellig  infiltriert.  Die  Zellen 
bestehen  vorherrschend  aus  einkernigen  Rundzellen  mit  stark  gefärbten 
Kernen  und  schmalem  Protoplasma;  dazwischen  sieht  man  in  spärlicher 
Menge  polymorph  kernige  Leukocyten  und  in  verschiedener  Reichlichkeit 
größere  Zellen  mit  blaBgefärbtem,  meist  länglichovalem  Kerne.  Diese 
beiden  Zellarten  zeigen  kein  bestimmtes  Verhältnis  der  Lagemng  zu 
einander,  lassen  aber  stellenweise  eine  ungleichmäßige  Dichte  ihrer 
Anhäufung  erkennen,  namentlich  gegen  die  Randpartien  des  Infiltrates 
hin,  so  daß  dadurch  oft  knötchenartige  Gebilde  entstehen.  Überall  aber 
ist  dieses  Zellen- Infiltrat  von  Gefäßen  durchsetzt,  die  vielfach  neugebildet 
und  mehr  oder  weniger  von  Blutkörperchen  erfüllt  sind.  Ab  nnd  zu 
findet  man  innerhalb  des  Infiltrates  verschieden  geformte  große  Zellen 
vom  Typus  der  Langhansschen  Riesenzellen.  Das  beschriebene  Infiltrat 
grenzt  sich  gegen  die  Umgebung  nicht  sehr  scharf  ab  und  verliert  sich 
nach  unten  zu  etwa  in  der  Höhe  der  Schweißdrüsen,  wo  es  in  Form 
mehr  oder  weniger  gut  begrenzter  Herde,  diese  oder  die  Gefäße  umlagert. 
Nach  den  Seiten  hin  nimmt  das  Infiltrat  rasch  an  Dichte  ab  und  ver- 
liert sich  bald.  In  mehr  oder  minder  weiter  Umgebung  desselben  zeigt 
die  Subcutis  Anhäufungen  einkerniger  Rundzellen  um  die  Gefäße. 


Zur  Differentiftldiagnose  zwischen  Lues  nnd  Tuberkulose.        363 

Ein  sweites  Infiltrat  vom  Unterschenkel  zeigt  ähnliche  Ver- 
änderungen, nur  erscheint  hier  die  perivaskuläre  Lagerung  des  Infiltrates 
allenthalben  deutlicher  markiert  und  das  Infiltrat  dringt  tiefer  nach 
unten,  so  daß  man  auch  noch  an  der  Grenze  gegen  das  Fettgewebe  und 
in  diesem  selbst  Rundzellenanhäufungen  vermengt  mit  Epitheloidenzellen, 
ab  und  zu  auch  mit  Biesenzellen  nachweisen  kann.  Auch  sieht  man  in 
diesem  Stucke  in  der  Cutis  häufig  stark  erweiterte  Lymphräume,  meist 
leer  oder  nur  mit  spärlichen  ein-  und  mehrkemigen  Leukocyten  erf&llt. 
Besondere  Veränderungen  an  den  Gefößen  selbst  sind  in  den  untersuchten 
zwei  Infiltraten  nicht  nachweisbar. 

Die  Untersuchung  zahlreicher  Schnittpräparate  auf  Tuberkelbazillen 
und  Spirochaete  pallida  hatte  negativen  Erfolg. 

Epikrise:  Der  Fall  betraf  eine  ältere  Frau,  bei  der 
Anhaltspankte  für  hereditäre  Belastung  mit  Tuberkulose  oder 
Lues  nicht  vorhanden  waren  und  auch  keine  Zeichen  einer 
früher  aquirierten  luetischen  Infektion  bestanden.  Die  seit 
drei  Jahren  bestehende  Hautaffektion  wurde  von  uns  als  Lupus 
Tulgaris  universalis  aufgefaßt  und  diese  unsere  Diagnose 
fand  auch  in  der  Wr.  dermatologischen  Gesellschaft^  in  der 
die  Fat.  zweimal,  am  24./X.  1906  und  9./L  1907,  vorgestellt 
wurde,  keinerlei  Widerspruch. 

Die  bei  der  Fat.  eingeleitete  Behandlung  mit  Ferl  sucht- 
tuberkulin  nach  G.  Spengler  hatte  schon  nach  der  ersten 
Injektion  von  0*01  mg  deutliche  Lokalreaktion  zur  Folge,  zu 
der  sich  nach  Steigerung  der  Dosis  auch  AUgemein-Beaktion 
gesellte,  und  zeigte  gleich  anfangs  eine  entschieden  günstige 
Beeinflussung  der  Krankheitsherde  des  Gesichtes.  Die  Infiltrate 
an  den  Elxtremitäten  und  am  Stamme  zeigten  allerdings  außer 
der  Beaktion  keinerlei  Beeinflussung. 

Ein  nach  sechs  Monaten  während  der  Tuberkulinhehand- 
lung  aufgetretener  Nachschub  machte  uns  jedoch  in  unserer 
Diagnose  schwankend,  um  so  mehr,  als  die  neuen  Knötchen  voll- 
ständig das  Aussehen  luetischer  hatten.  Die  daraufhin  ein- 
geleitete Jod- Quecksilberbehandlung  führte  in  geradezu  ver- 
blüffend kurzer  Zeit  zur  vollständigen  Heilung  sämtlicher 
Krankheitsprodukte. 

Dieser  prompte  Effekt  der  spezifischen  Therapie,  im 
Vereine  mit  dem  negativen  Ausfalle  des  Tierexperimentes  und 
dem  negativen  Ergebnisse  der  Untersuchung  von  Schnittprä- 
paraten  aus    den    zwei    excidierten   Infiltraten    auf  Tuberkel- 


364  Macha. 

bazillen,  gestützt  durch  den  histologischen  Befund,  zwang  uns, 
die  erst  gestellte  Diagnose  trotz  der  positiven  Tuberkalin- 
reaktion  fallen  zu  lassen  und  den  Prozeß  als  luetischen  an- 
zusehen. 

Fall  in.  Fat  Katharina  G.,  68  Jahre  alt,  aufgenommen  am 
12/VII.  1906.    Journ.  Nr.  18.562. 

Anamnese:  Anhaltspunkte  für  hereditäre  Belastung  mit  Tuber- 
kulose oder  Lues  nicht  vorhanden ;  angeblich  keine  schweren  Erkrankungen 
überstanden.  Die  Fat.  war  achtmal  gravid,  die  dritte  und  vierte  Schwanger- 
schaft endete  mit  Abortus;  die  übrigen  Kinder  leben  teils,  teils  starben 
sie  in  späterem  Lebensalter.  Die  gegenwärtige  Erkrankung  soll  seit 
etwa  vier  Monaten  bestehen. 

Status  praesens  (15./VII.  1906.):  Der  Knochenbau  der  Fat  ist 
aart,  die  Muskulatur  senil -atrophisch,  der  Faniculus  adiposus  sehr  gering. 
Die  Hautfarbe  ist  normal,  nur  an  den  Unterschenkeln  etwas  stärker  pig- 
mentiert und  leieht  cyanotisch.  Im  Bereiche  der  Himnerven  keine  Ver- 
änderungen. 

Hals  ohne  Drüsenschwellung,  ohne  Narben. 

Brust  wenig  gewölbt.  Die  Lungen  sind  wenig  verschieblich 
und  zeigen  Dämpfung  über  beiden  Spitzen  mit  unbestimmtem  Atmen 
and  feinblasigen  Rasselgeräuschen  besondere  links. 

Die  Herzdämpfung  ist  etwas  eingeengt,  der  Spitzenstoß  deutlich 
tastbar,  die  Töne  rein.    Der  zweite  Fulmonalton  leicht  akzentuiert 

Die  Raclialarterien  sind  leicht  geschlängelt,  ihre  Wand  ist 
mäßig  verdickt. 

Die  Bauchorgane  zeigen  keinen  abnormen  Befund. 

Haut:  An  beiden  Oberarmen,  rechts  etwas  unterhalb  de?  Ansatzes 
des  musculus  deltoideus,  links  etwas  oberhalb  dieses,  findet  sich  je  ein  braun- 
rotes Infiltrat,  über  das  Niveau  der  Haut  kaum  erhaben,  in  der  Mitte  leicht 
eingesunken,  ziemlich  scharf  begrenzt,  mit  blauroter  Verfärbung  in  der 
Umgebung.  Das  Infiltrat  am  rechten  Oberarm  ist  über  Zweikronenstück 
groß,  das  am  liuken  etwa  um  die  Hälfte  kleiner.  Beim  Betasten  ffthlt 
sich  die  Randpartie  derber  an  als  das  Zentrum.  Beide  Herde  zeigen 
mehr  gegen  die  Mitte  zu  je  zwei  kleinlinsengroße  Ferforationsöfihungen 
mit  steilen  Rändern  und  schmierigeitrig  belegtem,  leicht  unebenem 
Geschwürsgrunde.  Der  Geschwürsrand  ist  weit  unterminiert,  so  daß  die 
eingeführte   Sonde   bis   an  den  Rand  des  Herdes  einzudringen  vermag- 

Am  rechten  Tuber  frontale,  sowie  in  der  Mitte  der  linken  Tibia 
findet  sich  je  eine  etwa  nußgroße  Auftreibung,  die  von  normaler 
Haut  bedeckt  ist,  über  das  Niveau  deutlich  vorragt  In  der  Mitte 
ist  deutliche  Fluktuation  nachweisbar,  während  am  Rande  ein  deut- 
licher, knochenharter  Wall  fühlbar  ist  Beide  Tumoren  sind  auf  dem 
Knochen  nicht  verschiebbar.  Ein  ähnlicher  solcher  Knoten,  jedoch 
nicht  über  das  Niveau  der  Haut  prominent,  ist  in  der  Nähe  des  Rippen* 
bogens  an  der  zehnten  linken  Rippe  nachweisbar.    In  der  Adduktoren- 


Zur  Differentialdiagnose  zwischen  Lues  und  Tuberkulose.        365 

Muskulatur    des    linken   Oberschenkels    ist    ein    etwa  kleinapfelgroßer, 
derber,  scharf  umschriebener,  wenig  schmerzhafter  Tumor  nachweisbar. 

Klinische  Diagnose:  Periostitis  luetica  tibiae  sini- 
strae,  ossis  frontalis  dextri  et  costae  X.  sinistrae.  Tnfil- 
tratio  gummosa  ciroumstripta  adductorum  femoris  sinistri. 
Skrophuloderma  (?)  brachii  utriusque. 

Dekursus:   18./VIL  1906.  1  mg  Kochsches  Alt-Tuberkulin. 

15./ VII.  Allgemeine  Reaktion  sehr  stark.  (Höchste  Temperatur 
39  8^)    Keine  Spur  von  Lokal-Reaktion. 

18./VII.  Jodnatrium.  (1  g  pro  die.) 

25./Vn.  Keine  Besserung;  der  Knoten  an  der  Rippe  beginnt  zu 
fluktuieren,  ist  Ton  leicht  geröteter  und  schon  etwas  verd&nnter  Haut 
gedeckt.    Excision  des  Infiltrates  vom  rechten  Arme. 

13./ VI II.  Jodbehandlung  bisher  ohne  Effekt,  wird  wegen  Jodakne 
und  Schnupfen  ausgesetzt.  Erste  intramuskuläre  Salicyl-Quecksilber- 
injektion. 

20./ VIII.  Punktion  des  Knotens  am  Rippenbogen.  1  om*  der 
Punktionsflüssigkeit  wird  einem  Meerschweinchen  intra* 
peritoneal   injiziert. 

22./VIII.  Sämtliche  Erscheinungen  in  langsamem  Rückgänge. 

23./Vni.  Excision  des  Knotens  an  der  Rippe  und  des  Herdes  vom 
Oberarm;  von  dem  letzteren  wird  ein  Stfick  zerrieben  und  einem 
Meerschweinchen  intraperitoneal  und  subkutan  injiziert. 

18./IX.  Nach  sechs  ganzen  Hydrargyrum  salicylicum-lnjektionen 
Erscheinungen  in  weiterem  sehr  langsamen  Rückgange.  Sajodin.  Lokal 
graues  Pflaster. 

21./X.  In  der  Gegend  des  rechten  Rippenbogens  ein  etwa  hasel« 
nußgrofier  Knoten  aufgetreten.    Graues  Pflaster. 

81./X.  Am  linken  Olekranon  eine  über  haselnußgrofle,  schmerz- 
hafte Auffcreibung  nachweisbar.    Graues  Pflaster. 

16./XI.  Sowohl  die  alten  als  auch  die  neuen  Knoten  unter  grauem 
Pflaster  in  Wohl  langsamem  aber  deutlichem  Rückgänge. 

6./Xn.  An  der  Excisionsstelle  des  Rippenknotens  zeigt  sich  im 
unteren  Anteile  der  linearen  Narbe  eine  kleine  Fistelöfihung,  die  etwa 
5  em  in  die  Tiefe  verfolgbar  ist ;  rauher  Knochen  ist  mit  der  Sonde  nicht 
tastbar.    Jodoformstäbchen. 

12./Xn.  1906.  Alle  Krankheitserscheinungen  fast  vollständig  zurück- 
gegangen.   Die  Pat.  wird  in  gebessertem  Zustande  entlassen. 

Ergebnis  der  Tierversuche: 

Am  12./X.  1906  ist  das  am  20./VIII.  geimpfte  Tier  (siehe  Dekursus) 
eingegangen.  Die  am  selben  Tage  vorgenommene  Sektion  ergab  ausge- 
breitete subakute  Tuberkulose  der  Lymphdrüsen,  der  Lunge, 
Leber  und  Milz. 

Am  14./XL  Tod  des  am  28./VnL  1906  geimpften  Tieres;  aufler 
einem  bereits  verkästen  subkutanen  Infiltrate  an  der  Injektionsstelle 
ergibt  die  Sektion  denselben  Befund  wie  beim  ersten  Tiere. 


866  Macha. 

Histologischer  Befand:  Sobnitie  aus  den  ezcidierten  Knoten 
Yon  den  Armen  seigen  in  der  Cutis  ein  ziemlich  mächtiges  Infiltrat, 
das  in  den  zentralen  Partien  die  Epidermis  darchbrochen  hat,  bis  in  das 
Fettgewebe  der  Hant  yorgedrungen  ist  und  sieh  nicht  gleichmäßig  scharf 
Ton  der  Umgebung  abhebt.  Die  über  dem  Infiltrate  noch  erhaltenen 
Epidermispartien  seigen  eine  m&fiig  starke  Wochemng  der  Retezapfen. 
Das  Infiltrat  selbst  ist  ziemlich  gefäßreich,  besonders  in  den  zentralen 
Partien,  wo  man  viele  gnt  gefällte  Blutgefäße  senkrecht  zur  Ober6äche 
vorfindet.  Das  Infiltrat  besteht  aus  polymorph  und  vorwiegend  ein- 
kernigen Lenkocyten,  epitheloiden  Zellen  und  Riesenzellen  vom  Typus 
der  Langhansschen.  Die  Leukocyten  finden  sich  vorwiegend  in  den 
Bandpartien  des  Infiltrates,  die  stellenweise  wellige  Begrenzung  zeigen 
und  mehr  oder  minder  scharf  begrenzte  knötchenartige  Gebilde  erkennen 
lassen,  aus  epitheloiden  und  Riesenzelleu  bestehend.  In  den  zentralen 
Partien  des  Infiltrates  herrschen  die  epitheloiden  Zellen  vor ;  stellenweise 
sieht  man  auch  kleinere  nekrotische  Herde.  Auffällig  erscheint  in  diesen 
Infiltraten  der  Reichtum  an  Riesenzellen.  Sowohl  innerhalb  derselben 
als  auch  in  den  Knötchen  der  Randpartien  finden  sie  sich  stellenweise 
in  ganz  enormer  Menge,  ja  manche  der  knötchenartigen  Gebilde  bestehen 
vorwiegend  aus  solchen  Zellen«  Es  sind  dies  besonders  jene  Knötchen, 
die  im  Bereiche  der  Schweißdrüsen  liegen. 

An  der  Grenze  des  Infiltrates  sieht  man  unter  der  Epidermis  eine 
Strecke  weit  kleinere  Leukocyteninfiltrate  in  der  subpapillaren  Schichte. 

An  den  Gefäßen  des  Infiltrates  und  seiner  Umgebung  lassen  sich 
keine  Veränderungen  erkennen. 

Tuberkelbazillen  konnten  in  etwa  25  darauf  untersuchten 
Schnitten  nicht  gefunden  werden. 

Schnitte  durch  den  ezstirpierten  Knoten  von  der  zehnten  Rippe 
links  zeigen  die  zentralen  Partien  in  weiter  Ausdehnung  nekrotisch. 
Die  Randpartien  sind  aus  einem  gefäßreichen  Gewebe  zusammengesetzt« 
das  in  seinen  äußeren  Schichten  neben  spindeligen  Elementen  ein- 
kernige, weniger  reichlich  polymorphkernige  Leukocyten  zeigt.  Nach 
innen  zu  lassen  sich  große  Mengen  von  Riesenzellen  mit  meist  rand- 
ständigen Kernen  und  epitheloide  Zellen  nachweisen.  In  der  Umgebung 
dieses  verkästen  Infiltrates  sieht  man  kleinere  knötchenartige  Gebilde 
vom  Typus  der  Epitheloid-Rundzellen  Tuberkel,  mit  vielfach  reichlichen 
Riesenzellen. 

Tuberkelbazillen  ließen  sich  in  den  Schnitten  von  diesem  Infiltrate 
nach  der  Methode  von  Ziehl-Neelsen,  allerdings  nur  sehr  spärlich, 
aber  mit  Sicherheit  nachweisen. 

Epikrise:  Der  mitgeteilte  Fall  betraf  eine  alte  Frau, 
bei  der  sich  umschriebene  Erankheitsprozesse  in  der  Haut  und 
an  den  Knochen  fanden.  Die  Diagnose  bot  ziemlich  Schwierig- 
keiten, da  einerseits  die  Hauterkrankung  tuberkulösen  Charakter 
zeigte,  andererseits  die  osteoperiostitischen  Auftreibungen  an 


Zur  Differentialdiagnose  zwischen  Lnes  und  Tuberkulose.        367 

den  Diaphjseii  der  Tibien  und  am  Tuber  frontale  die  Diagnose 
Lues  rechtfertigten,  wofür  auch  die  in  der  Anamnese  erhobenen 
Abortus  sprachen.  Es  wurde  somit  die  Diagnose  Skrophulo- 
derma  nur  mit  Wahrscheinlichkeit  gestellt.  Die  im  Verlaufe 
der  weiteren  Beobachtung  durchgeführten  Untersuchungen 
hatten  nun  den  Zweck,  festzustellen,  ob  es  möglich  sei,  sämt- 
liche vorhandenen  Erkrankungsherde  auf  dasselbe  ätiologische 
Moment  zurückzufuhren. 

Die  Tuberkulininjektion  hatte  eine  starke  AUgemein- 
Reaktion  zur  Folge,  was  bei  dem  nachgewiesenen  Lungen- 
prozesse nicht  wundernehmen  konnte;  lokale  Keaktion  fehlte 
Tollständig.  Die  histologische  Untersuchung  ergab  das  Vor- 
handensein eines  spezifischen  Granulationsgewebes  mit  typischen 
Tuberkeln  und  sehr  reichlichen  Riesenzellen.  Der  Nachweis 
Ton  Tuberkelbazillen  gelang  in  den  Schnitten  des  Knotens 
von  der  Rippe;  in  den  Herden  vom  Arme  glückte  es  nicht, 
solche  nachzuweisen. 

Das  Tierexperiment  hatte  gleichfalls  in  beiden  Fällen 
einen  positiven  Effekt 

Alle  diese  Momente  sprachen  somit  dafür,  daß  bei  der 
Fat.  die  zwei  untersuchten  Hautherde  und  der  Hautknochen- 
herd am  linken  Rippenbogen  tuberkulöser  Natur  waren.  Da 
aber  anderseits  ein  deutlicher  Rückgang  der  übrigen  Symptome 
auf  die  eingeleitete  antiluetische  Kur  zu  verzeichnen  war, 
können  wir  wohl  nicht  mit  voller  Sicherheit  ausschließen,  daß 
nicht  vielleicht  doch  gleichzeitig  eine  luetische  Erkrankung 
vorgelegen  sei,  obzwar  wir  mehr  der  Ansicht  zuneigen,  alle 
vorhandenen  Prozesse  als  tuberkulös  aufzufassen. 

Fall  lY.  Alois  Seh.,  aufgenommen  am  8./X.  1906«  Joam.-Nr. 
25.641. 

Anamnese:  Fat.  steht  seit  1890  wegen  einer  Gaamenaffektion 
in  ärztlicher  Behandlung  und  war  im  Jahre  1900  auf  der  Klinik  Prof. 
Neumann.  Venerische  Infektion  wird  greleugnet;  Fat.  ist  verheiratet, 
die  Frau  und  vier  Kinder  sollen  gesund  sein,  die  Frau  hat  niemals 
abortiert. 

Auszug  aus  der  Krankengeschichte  der  Klinik  Neu  mann  i  Am 
weichen  Gaumen,  sowie  an  beiden  Gaumenbögen  und  den  Tonsillen  fand 
sich  ein  oberflächlicher,  großenteils  schmierigeitrig  belegter  Substanz- 
verlust, die  Uvula  ist  dem  Frozesse  großenteils  zum  Opfer  gefallen,  der 
weiche  Gaumen  erscheint  durch  Narbenstränge  verzogen.  Die  Oberfläche 


368  Mnoha. 

des  Sabstaniverlastes  and  die  angreozenden  Partien  laaseD  xahl reiche, 
stellenweiae  scharf  begfrenste,  etwa  hiraekomgrofie  Infiltrate  erkennen. 
Gegen  die  gesunden  Partien  setzt  das  Geschwür  mit  einem  siemlich  derb 
infiltrierten  Rande  scharf  ab. 

Die  Diagnose  schwankte  damals  zwischen  Laes  und  Tnberkalose. 
Mit  Rücksiebt  anf  eine  wesentliohe  Beeserung,  die  auf  Joddarreicbnng 
nnd  lokale  Lapispinselongen  eintrat,  entschied  man  sich  für  die  Dia- 
gpiose  Gumma. 

Kurze  Zeit  nach  seiner  Entlassung  aus  dem  Spitale  stellten  sich 
die  gleichen  Beschwerden  wieder  ein;  neuerliche  Jodbehandlung  blieb 
ohne  Erfolg. 

Im  Juli— August  1906  Sohmierkur  (24  Einreibungen)  ohne  Erfolg; 
seit  Mitte  August  Jodkalium  interu. 

Status  praesens:  Am  weichen  (iaumen,  übergreifend  anf  den 
harten  und  die  Gaumenbögen,  finden  sich  seichte  Substanzverluste,  die 
mit  zäh  eitrigem  Belage  bedeckt  sind.  Die  Randpartien  sind  teilweise 
durch  zarte,  oberflächliche,  leicht  strahlenförmige  Narbenstränge  gebildet. 
Von  der  Uvula  ist  nur  mehr  ein  kleiner  Rest  erhalten.  Der  weiche 
Gaumen  erscheint  stark  gegen  die  hintere  Bachenwand  verzogen,  so  da0 
der  Zugang  zum  Nasenrachenraum  ziemlich  verengt  erscheint.  Der  die 
Substanzverluste  deckende  Belag  ist  ziemlich  festhaftend,  der  nach  Ent- 
fernung des  Belages  freiliegende  Geschwürsgrnnd  fein  granuliert,  blutet 
leicht.  Sowohl  in  diesem  wie  auch  in  den  Randpartien  lassen  sich  mehr 
weniger  scharf  umschriebene,  kleinstecknadelkopfgrofle,  graugelbe  Knöt- 
chen erkennen. 

Die  Diagnose  schwankte  auch  diesmal  wieder  zwischen  Lues  nnd 
Tuberkulose. 

Dekursus:   15./X.  1  mg  Kochsohes  Alt- Tuberkulin. 

17./X.  Höchste  Temperatur  nach  der  Injektion  87*8*  G.  Müdig- 
keitsgefühl  und  Kopfschmerzen.  Das  Geschwür  am  Gaumen  ohne  sichere 
Reaktion. 

22./X.  Das  Geschwür  am  Gaumen  zeigt  leichte  Heilungstendenz. 
Neuerliche  Tuberkulieinjektion  3  mg\  Abends  unter  leichtem  Schüttel- 
froste Fieber  bis  89*8*  C.  in  den  nächsten  Tagen  noch  Temperatur  bis 
zu  89*.  Das  Geschwür  am  Gaumen  stark  gereizt,  sezemiert  lebhafter 
und  bereitet  dem  Pat.  nicht  unwesentliche  Schmerzen  beim  Schlucken. 

27./X.  Die  Gaumengeschwüre  in  langsamer  Reparation.  Pat. 
bekommt  1  g  Jodnatrium  pro  die  und  Kalomel  lokal. 

Die  HeilnufiT  des  Substanzverlustes  schreitet  unter  dieser  Behand- 
lung langsam  fort,  so  daß  Pat.  am  17./XI.  mit  fast  vollständig  vernarbten 
Geschwüren  die  Klinik  verlassen  kann. 

Wiederholte  Untersuchungen  des  Geschwürsbelages  auf  Tuberkel- 
bazillen waren  stets  negativ. 

Etwa  drei  bis  vier  Wochen  später  stellt  sich  der  Pat.  neuerdings 
in  der  Ambulanz  der  Klinik  vor,  die  Gaumenaffektion  ist  vollständig 
vernarbt,  dagegen  findet  sich  im  Bereiche  des  Corpus  stemi   gegen   die 


Zar  Differentialdiagnose  zwischen  Lnes  and  Tnberkalose.        369 

BjDchondrons  sternalis  an  eine  kleinnaßgroße,  osteoperiostitiBohe  Aaf- 
treibnng,  die  dem  Pat.  lebhafte  Schmerzen  verarsacht,  von  bereits  etwas 
verdünnter  and  geröteter  Haat  gedeckt  ist  and  beginnende  Flaktaa* 
tion  aeigt. 

Die  Applikation  von  graaem  Pflaster  lokal  and  innerliche  Jod- 
darreiohang  fahrt  in  sechs  Wochen  znr  Heilang. 

Aas  dem  Mitgeteilten  können  wir  wohl  entnehmen,  daß  aach  die 
zweite  Erkrankang  des  Pat.  eine  sichere  Diagnose  zwischen  Laos  oder 
Taberkidose  nicht  zaließ,  zamal  da  es  die  Lokalisation  der  Affektion 
nicht  gestattete,  eine  histologische  üntersuchang  and  einen  Tierversnoh 
Torzunehmen. 

Epikrise:  Eine  klinisch  sichere  Diagnose,  ob  die 
Gaumenaffektion  luetischer  oder  tuberkulöser  Natur  war,  konnte 
nicht  gestellt  werden,  weder  bei  der  ersten  Aufnahme  des  Pat. 
auf  die  Klinik  im  Jahre  1900,  noch  bei  der  zweiten  im  Jahre 
1906.  Der  osteoperiostitische  Herd,  dessentwegen  Pat.  zum 
drittenmale  die  Klinik  aufsuchte,  wurde  Ton  uns  als  Lues 
diagnostiziert,  wofür  auch  der  prompte  Effekt  der  Jod-Queck- 
silberbehandlung sprach.  Dieser  Umstand  könnte  nun  aller« 
dings  dafür  verwertet  werden,  auch  die  Gaumenaffektion  für 
luetisch  anzusehen,  doch  sprachen  dagegen  unter  anderem  die 
positive  Tuberkulinre&ktion,  die  geringe  Beeinflussung  durch 
antiluetische  Therapie,  der  Mangel  der  Tiefenausbreitnng  des 
Prozesses  und  das  Freibleiben  des  Knochens. 

Wir  müssen  also  die  Diagnose  dieses  Prozesses  offen 
lassen,  zumal  da  die  mikroskopische  Untersuchung  des  Sekretes 
auf  Tuberkel- Bazillen  negativ  ansgefallen  war,  also  keinen 
Entscheid  gebracht  hatte. 

Fall  y.:  Pat.  JnlieE.,  40  Jahre  alt,  aufgenommen  am26./iy.  1907. 
Joum.-Nr.  10  928. 

Anamnese:  Angeblich  vor  8  Jahren  'das  erstemal  eine  Hals- 
affektion  ond  darauf  Exanthem.  Mit  10  intramuskulären  Quecksilber* 
injektionen  behandelt.  Zwei  Jahre  später  neuerliche  Halsaffektion,  mit 
Pillen  behandelt.  (Annonceur.)  Vor  1  Jahre  (1906)  Geschwfire  an  den 
Armen;  unter  Salbenbebandlung  Heilung.  Fünf  Partus,  ein  Abortus  im 
dritten  Monate  der  Gravidität,  eine  Totgeburt.  Die  gegenwärtige  Erkran- 
kung soll  angeblich  schon  seit  4  Monaten  bestehen. 

Status  praesens:  Mittelgroße,  ziemlich  grazil  gebaute,  sonst 
aber  entsprechend  kräftige  und  gut  genährte  Frau.  Die  Untersuchung 
der  inneren  Organe  ergibt  allenthalben  normalen  Befund. 

Haut:  An  der  ulnaren  Seite  des  linken  Unterarmes  im  unteren 
Drittel  findet  sich  ein  kleinhandtellergroßes,  mäßig  derbes  Infiltrat,  von 

Anh.  t  D«rmftt  u.  Sfpb.  Bd.  LXZZIX.  24 


370  Mucha. 

ziemlich  scharf  polyzyklischer  Begrenzung.  Diezea  Infiltrat  liegt  im 
Niveau  der  Hant,  zeigt  etwas  dar&ber  hinausragende  Bänder,  braunrote 
Farbe  mit  einem  leicht  liyidrotem  Stiche  in  den  Randpariien,  eine  leicht 
eingesunkene  narbig  atrophische  Mitte  und  ist  teils  mit  zarten  Schuppen, 
teils  mit  Borken  bedeckt.  Etwa  Vt  ^"^  '^^^  Bande  entfernt  finden  sich 
mehrere  scharf  begrenzte,  steil  abfallende,  eitrig  belegte  Substanz- 
Verluste  von  Stecknadelkopf-  bis  Linsengröfie.  Die  Bänder  der  meisten 
Snbstanzverluste  sind  tief  unterminiert,  so  daß  es  gelingt,  die  Sonde  vom 
zentral  gelegenen  Ulcus  bis  zum  Bande  des  Infiltrates  vorsuschieben. 
An  diesen  großen  Herd  schließen  sich  radial wäris  und  proximal  mehrere 
meist  langgestreckte,  hinter  einander  stehende,  scheinbar  den  Lymph- 
strängen folgende,  teils  oberflächlich,  teils  tiefer  gelegene  Infiltrate  von 
gelblich  braunroter  Farbe.  Sie  zeigen  zarte  großlamellöse  Schuppung, 
oder  weisen  mehr  weniger  zentral  einen  scharf  begrenzten,  eitrig  belegten 
Substanzverlust  auf,  dessen  Bänder  gleichfalls,  wenn  auch  nicht  so  aus- 
gesprochene Dnterminierung  zeigen.  In  der  Gegend  der  Ellenbogenbeuge 
finden  sich  mehrere  Knoten  von  vollständig  unveränderter  Haut  gedeckt 
An  den  Streckflächen  beider  Arme  handbreit  ober  dem  Handgelenke 
beginnend  bis  über  den  Ellenbogen  hinausreiohend  und  hier  teilweise 
etwas  auf  die  Beugeseite  übergreifend,  finden  sich  scharf  begrenzte, 
|>olyzyklische,  von  zart  narbig-atrophischer  Bsai  bedeckte,  gelbliehe, 
teils  mehr  livid  gefärbte,  zusammenhängende  oder  einzeln  stehende  Flecke 
bis  Kleinhandtellergröße,  die  manchmal  im  Zentrum  leicht  eingesunken 
sind  und  hier  stärkere  Pigmentanhäufungen  zeigen.  Ebensolohe  Ver- 
änderungen finden  sich  an  den  Unterschenkeln  und  an  der  seitlichen 
linken  Thoraxwand. 

Klinische  Diagnose:  Gummata  cutanea  antibrachii 
et  brachii  dextri.  Pigmentationes  et  cicatrices  post  tuber^ 
cula  cutanea  luetica  cutis  antibrachii,  brachii  et  cruris 
utriusque. 

Dekursus:  4./y.  1907  1  mg  Kochsches  Alt-Tnberkulin  subkutan. 
Weder  lokale  noch  allgemeine  Beaktion. 

lO./y.  Excision  eines  Stuckes  aus  dem  Bande  eines  im  Zentrum 
zerfallenen  Knotens. 

Am  26./VII.  1907  entlassen  und  ins  Inquisitenspital  abgegeben, 
daselbst  auf  0*5  g  Jodkali  pro  die  vollständige  Heilung  in  vier  Wochen. 

Besultat  des  Tierversuches:  Das  Meerschweinchen,  dem  am 
10./ V.  1907  ein  Stdck  des  excidierten  Infiltrates  intraperitoneal  und  sub- 
kutan injiziert  worden  war,  wurde  am  26./yiII.  1907  getötet.  Das  Tier 
hatte  vom  Tage  der  Injektion  an  konstant  an  Gewicht  zugenommen  und 
niemals  Kraukheitssymptome  gezeigt.  Die  Sektion  ergab  keine  Zeichen 
einer  tuberkulösen  Erkrankung. 

Histologischer  Befund:  Schnitte  durch  den  excidierten 
Knoten  vom  Arme  zeigen  im  Bereiche  desselben  ein  ziemlich  ausge- 
dehntes Infiltrat,  das  anscheinend  nur  in  der  subpapillären  Schichte  der 
Cutis  gelegen   ist,  in   den   zentralen  Partien  eine  größere  flächenhafte 


Zur  Differentialdiagnose  swisohen  Lues  und  Tuberkulose.        371 

Ausdehnung  leigt,  nach  den  Rändern  und  gegen  die  Tiefe  su  jedoch  in 
Form  verschieden  grofier  Streifen  oder  knötchenartiger  Herde  vordringt. 
Diese  Herde  folgen  meist  den  Blutgefäßen  und  Schweißdrüsen.  Das 
Infiltrat  setzt  sich  zusammen  aus  einkernigen  Leukocyten,  aus  epithe- 
loiden  Zellen  und  zum  Teile  auch  aus  typischen  Langhansschen  Riesen - 
Zellen.  Diese  Zellformen  zeigen  keine  gleichmäßige  Anordnung  in  den 
einzelnen  Herden  des  Infiltrates,  weisen  aber  in  vielen  derselben  eine 
Lagerung  auf,  die  diese  Knötchen  Tuberkelknötchen  sehr  ähnlich  macht. 

Die  Epidermis  ist  in  den  zentralen  Partien  des  Knotens  noch 
erhalten,  zeigt  jedoch  hier  das  Rete  schon  vielfach  von  ein«  und  mehr- 
kemigen  Leukocyten  durchsetzt,  ja  stellenweise  schon  zerstört,  so  daß 
nnr  mehr  die  Hornschichte  erhalten  ist.  Nach  den  Randpartien  zu  sind 
die  Retezapfen  vielfach  verlängert  und  verdickt.  Nach  unten  zu  reicht 
das  Infiltrat  bis  in  das  subkutane  Fettgewebe.  Gefäße  sind  innerhalb 
der  Herde  ziemlich  reichlich  nachweisbar. 

Qrößere  arterielle  (Gefäße  zeigen  manchmal  ausgesprochene  Ver- 
änderungen ihrer  Wand,  derart,  daß  nicht  bloß  die  Adventitia  und 
Muskularis  von  Leukocyten  durchsetzt  ist,  sondern  auch  die  Intima 
gewuchert  erscheint,  wodurch  das  Lumen  oft  fast  vollständig  obli- 
teriert ist. 

Epikrise:  Der  Fall  betrifft  eine  40jährige  Frau,  die 
vor  8  Jahren  Lues  akquiriert  hatte  und  in  der  Folgezeit  nur 
ungenügend  behandelt  worden  war.  Die  Hautaffektion  konnte 
klinisch  ohne  Zweifel  als  gummös  angesprochen  werden.  Der 
histologische  Befund  widersprach  dieser  Diagnose  nicht  direkt, 
erinnerte  aber  durch  die  reichlichen  tuberkelähnlichen  Ejiötchen 
und  Riesenzellen  sehr  an  Tuberkulose.  Bestätigt  wurde  die 
Diagnose  Lues  durch  den  negativen  Ausfall  des  Tierversuches, 
der  Tuberkulininjektion  und  der  Tuberkelbazillen-Untersuchung 
im  Schnitte,  sowie  durch  die  prompte  Ausheilung  auf  Jod- 
therapie. 

Fall  VI.  Fat.  A.  D.,  27  Jahre  alt,  aufgenommen  am  24./yiL  1907. 
Joum.-Nr.  19.618. 

Anamnese:  Im  Jahre  1900  soll  Pat  Lues  akquiriert  haben  und 
im  Brnnner  Erankenhause  mit  Sklerose  und  Exanthem  behandelt  worden 
sein.    (26  Einreibungen.) 

Im  August  1902  Aufnahme  auf  die  Klinik.  Bezidiv-Exanthem. 
80  Einreibungen. 

Im  Mai  1908  wegen  eines  ulxerösen  Syphilides  auf  der  Klinik  mit 
8  intramuskulären  Iigektionen  vonHydrargyrum  salicylicum  (8  Hg  sal.  Inj.) 
behandelt. 

Im  August  1904  ambulatorische  Behandlung  an  der  Klinik  wegen 
cephalea  nocturna.    4  Hg.  sal.  I^j. 

24* 


372  Maehft. 

Im  Mai  1907  wegen  Oiteoperioatitis  am  Stirnbeine  im  Roehos- 
spitale  in  Wien  mit  8  Hg.  aal.  Ii^'.  behandelt.  Knrze  Zeit  naeh  ihrer 
Entlassong  soll  die  gegenwärtige  Erkrankang  begonnen  haben.  Ein 
Partas,  kein  Abortas. 

Status  praesens:  Kleine,  gracil  gebaate,  sonst  kr&ftige  and 
gut  genährte  Fraa.  Die  üntersnchong  der  inneren  Organe  ergibt  keine 
Verftndemngen. 

Haut:  An  der  Innenfläche  des  rechten  Oberschenkels  and  am 
Rücken  rechts  von  der  Medianlinie,  einige  Qaerfinger  ober  dem  Ansatse 
des  Kreuzbeines  findet  sich  je  ein  ezulceriertes  Infiltrat.  Das  Geschwür 
am  Rucken  ist  etwa  zweikronenstückgroß,  das  am  Schenkel  kleinhand- 
tellergrofi.  Die  Geschwüre  sind  kreisrund,  sehr  seicht,  die  Ränder  leicht 
erhaben,  lassen  ein  ziemlich  derbes,  braunrotes  Infiltrat  erkennen, 
das  stellenweise  einen  blauroten  Saum  zeigt.  Der  Geschwürsgrand  ist 
uneben,  mit  eitrigen  oder  nekrotischen  Massen  bedeckt  und  blutet  bei 
deren  Entfernung  leicht.  Außerdem  finden  sich  bei  der  Pat.  besonders 
an  der  Haut  des  Stammes  mehrere  bis  zweikronenstückgroße,  teils  im 
Zentrum  pigmentarme,  in  der  Peripherie  hyperpigmenticrte,  teils  keloid- 
artige  Narben. 

Diagnose:  Gummata  cutanea  exulcerata.  Leucoderma 
nuchae.  Gicatrices  e  lue  ulcerosa  cutanea  trnnci  et  ex< 
tremitatum. 

Dekursus:   26./VII.  1  mg  Eochsches  Alt-Tnberkalin. 

28./Vn.   Keinerlei   Reaktion.    Excision  des  Gummas  vom  Rucken. 

31./YII.    1  Hg  sal.  I^j.  und  1  g  Jodnatrium  pro  die. 

I./VIIL  Wegen  Stomatitis  die  Hg-Iiyektionen  ausgesetzt.  Gumma 
in  deutlicher  Epithelisierung. 

l9./yiIL  1  mg  Perisuchttaberkulin  (C.  Spengler). 

21./ VIII.  Keine  lokale  Reaktion;  allgemeine  Reaktion,  höchste 
Temp.  38-7<>  C. 

96./Vni.   6  Hg  sal.  Ii^*.    Das    Ulcus  fast  vollständig  epithelisiert. 

29./VIII.   Geheilt  entlassen. 

Histologischer  Befund:  Schnitte  durch  den  exulcerierten 
Knoten  vom  Rficken  zeigen  in  den  Randpartien  ein  von  intakter 
Epidermis  gedecktes  Infiltrat,  das  knötchen-,  herd-  oder  streifenförmig 
entlang  der  Blutgefäße  und  Schweißdrüsen- Ausführungsgänge  angeordnet 
ist.  Es  ist  aus  mono-  und  polymorphkernigen  Leukocyten,  epitheloiden 
Zellen  und  spärlichen  Riesenzellcn  zusammengesetzt.  Gegen  das  Zentrum 
des  Knotens  zu  fehlt  die  Epidermis,  oder  zeigt  stellenweise  kleinere, 
anscheinend  neugebildete  Inseln.  An  den  epithelfreien  Stellen  sieht  man 
diphtheritische  Entzündung  in  den  oberen  Anteilen  des  Coriums.  Das 
Infiltrat  wird  hier  kompakter  und  zeigt  den  Charakter  eines  Granulations- 
gewebes mit  reichlichen  Gefäßen.  In  die  Tiefe  reicht  das  Infiltrat  bis 
in  das  subkutane  Bindegewebe  und  löst  sich  hier  wieder  in  streifen- 
oder  knötchenförmige  Herde  auf.  Manche  der  knötchenartigen  Herde 
zeigen  zentrale  Nekrose. 


Zur  Differentialdiagnose  zwischen  Lues  und  Taberkulose.        373 

Die  Oefafie,  besonders  in  diesen  Anteilen,  zeigen  in  ihren  Wandungen 
Einlagerung  von  Rnndzellen  ond  eine  deutliche  Wucherung  der  Intima, 
wodurch  das  Lumen  häu6g  stark  verengt  erscheint. 

Die  Untersuchung  zahlreicher  nach  Ziehl-Nelson  und  Levaditti 
gefärbter  Schnittprftparate  hatte  negativen  Erfolg. 

Epikrise:  Es  handelte  sich  somit  um  eine  27  Jahre 
alte  Frau,  deren  Lues  auf  das  Jahr  1900  zurückdatiert;  bei 
sehr  ungenügender  Behandlung  in  den  ersten  Jahren  nach 
der  Infektion  zeigt  der  Fall  malignen  Charakter,  da  bereits 
im  dritten  Jahre  nach  der  Infektion  sich  ein  ulzeröses 
Bezidiv  einstellte.  Der  histologische  Befund,  der  negative 
Ausfall  der  Tuberkulin -Injektion  sowie  der  Tuberkel- 
bazillenontersuchung  bestätigten  die  bereits  klinisch  vollständig 
sichere  Diagnose.  Die  verhältnismäßig  langsame  und,  wie  aus 
der  Anamnese  ersichtlich  ist,  wenig  andauernde  Quecksilber- 
wirkung erklärt  sich  aus  dem  malignen  Charakter  der  Er- 
krankung. 


Zusammenfassung. 

Die  mitgeteilten  FäUe  lassen  es  wohl  zur  Genüge  klar 
erscheinen,  auf  welche  Schwierigkeiten  unter  Umständen  die 
Differentialdiagnose  zwischen  Lues  und  Tuberkulose  stoßen 
kann.  Denn  nicht  bloß  die  Anamnese  wird  vielÜEich  ganz  un- 
zuverlässig oder  absichtlich  falsch  angegeben,  sondern  auch 
im  klinischen  Bilde  zeigen  die  beiden  Prozesse,  besonders  im 
ulzerösen  Stadium,  oft  derart  ähnliche  Krankheitsformen,  daß 
eine  sichere  Entscheidung  auf  dem  klinischen  Boden  .auch  bei 
der  größten  Erfahrung  unmöglich  ist. 

In  solchen  Fällen  sind  wir  dann  genötigt,  noch  eine  ganze 
Reihe  Ton  Untersuchungen  vorzunehmen,  um  das  ätiologische 
Moment  des  Prozesses  aufzudecken.  Im  Anschlüsse  an  die 
mitgeteilten  Fälle  scheint  es  uns  am  Platze,  auf  den  dia- 
gnostischen Wert  und  die  Zuverlässigkeit  der 
einzelnen  hierbei  in  Betracht  kommenden  Metho- 
den und  ihre  Resultate   etwas  näher  einzugehen. 

Was  zunächst  den  histologischen  Befund  anbelangt» 
so  dürfte  es  heute  wohl  keinem  Zweifel  mehr  unterliegen,  daß 


374  Maoha. 

wir  im  Epitheloid-Randzellen-Taberkel  und  in  der  Langhans- 
schen  Riesenzelle  keineswegs  ein  ausschließliches  Produkt  des 
tuberkulösen  Virus '  zu  erblicken  haben,  sondern  daß  diese 
Gebilde  sich  auch  bei  anderen  entzündlichen  Prozessen  finden. 
Wenngleich  diese  Tatsache  seit  langem  bekannt  ist  und 
die  pathologische  Anatomie  immer  darauf  Rücksicht  nimmt, 
so  sind  doch  derartige  Befunde  bei  luetischen  Affektionen  bis- 
her verhältnismäßig  selten  mitgeteilt  worden.  Dies  dürfte  wohl 
m  erster  Linie  seinen  Grund  darin  haben,  daß  sich  die  bis- 
herigen Mitteilungen  in  der  Literatur  fast  ausschließlich  auf 
solche  Fälle  beziehen,  die  auch  klinisch  nicht  ohne  weiters  die 
Differentialdiagnose  zwischen  Lues  und  Tuberkulose  zuließen, 
während  Fälle  einwandfreier  luetischer  Natur  naturgemäß 
weniger  häufig  histologisch  untersucht  sein  dürften,  da  es  sonst 
nicht  zu  erklären  wäre,  wieso  sich  in  letzter  Zeit  gerade  solche 
Befunde  bei  klinisch  sicherer  Lues  häufen.  Die  in  der  Literatur 
vorkommenden  Fälle  entstammen  teilweise  einer  Zeit,  in  der 
die  Kontroverse  über  die  Spezifität  der  Riesenzelle  und  des 
Tuberkels  noch  nicht  abgeschlossen  war  und  werden  daher 
teilweise  als  Mischinfektion  zwischen  Lues  und  Tuberkulose 
aufgefaßt,   teilweise    zur  Klärung   dieser  Frage  herangezogen. 

So  beobachtete  Fabry  (1)  im  Jahre  1893  einen  Patienten,  der 
ein  Ulcus  am  Präputium  zeigte,  dessen  histologische  Untersuchung 
(durch  Bibbert)  eine  diffuse  kleinzellige  Infiltration  mit  zahlreichen 
größeren  und  kleineren  tuberkelähnlichen  Knötchen  und  Riesenzellen 
ergab.  Tuberkelbazillen  konnten  nicht  nachgewiesen  werden.  Auf  eine 
Einreibungskur  heilte  das  Geschwür  innerhalb  von  drei  Wochen,  der 
Pat.  bekam  aber  während  der  Kur  eine  Iritis,  die  unter  Fortsetzung  der 
Quecksilberkur  gleichfalls  ausheilte.  Auf  Grund  der  histologischen  Unter- 
suchung war  Fabry  geneigt,  die  Affektion  als  eine  Mischinfektion  von 
Tuberkulose  und  Syphilis  aufzufassen,  obwohl  sonst  im  Körper  tuber- 
kulöse Yerftndemngen  nicht  nachweisbar  waren. 

Jadassohn  (2)  demonstrierte  im  gleichen  Jahre  eine  Patientin, 
die  wegen  typischer  sekundärer  Lues  in  Behandlung  stand.  Während 
der  Kur  trat  ein  eigenartiges  Exanthem  auf,  das  aus  mäßiRf  erhabenen, 
auffallend  weichen,  rundlichen  Effloreszenzen  bestand,  die  teilweise 
gruppiert  waren  und  allmählich  dunkelbraunrot  wurden.  Die  Erschei- 
nungen gingen  auf  Quecksilberbehandlung  zurück,  kamen  aber  wieder, 
da  bei  der  Patientin  wegen  Neigung  zu  Stomatitis  keine  energische 
Quecksilberkur  durchgeführt  werden  konnte.  Gleichzeitig  bestand  eine 
tuberkulöse  Lungenaffektion. 


Zur  Difierentialdiagnose  s wischen  Lnes  and  Taberknlose,        375 

Die  histologische  Untersnohnng  eines  solchen  braonroten  Herdes 
ergab  starke  Infiltration  mit  Bandseilen  nnd  swischen  diesen  Herde  von 
Epiiheloidzellen  and  typischen  Langhansschen  Riesenzellen.  Die  Ver- 
impfong  einer  ezcidierten  Effloreszenz  anf  ein  Meerschweinchen  hatte 
keinen  Effekt:  das  Tier  lebte  6  Monate  nnd  zeigte  nach  seinem  Tode 
(darch  Erfrieren  erfolgt)  keine  Zeichen  von  Tuberkolose.  Die  EfHores- 
zenzen  der  Patientin  heilten  unter  weiterer  Quecksilberbehandlung  mit 
dankelpigmentierten  Narben  vollständig  aas. 

K.  Herxheimer(S)  beobachtete  einen  Patienten,  der  schon  ein 
Jahr  nach  der  lofektion  mit  Lues,  multiple  sabkutane  Tumoren  bekam, 
die  gleich  den  übrigen  aufTallend  malignen  Rezidiverscheinungen  erst 
auf  große  Mengen  von  Queckzilber  zurückgingen. 

Der  histologische  Befund  des  einen  der  untersuchten  Knoten  ergab 
ein  Infiltrat,  das  von  einer  „geschichteten  Kapsel"  umgeben  war  und 
an  dessen  Peripherie  sich  einzelne,  scharf  abgegrenzte  Knötchen  fanden, 
die  aus  Bund-,  Mast-,  Epitheloid-  und  einzelnen  Biesenzellen  mit  rand* 
standigen  Kernen  bestanden.  Yerkäsung  ließ  sich  nicht  nachweisen, 
dagegen  zeigten  die  Gefäße  Infiltration  ihrer  Wand  mit  Bundzellen. 
Mikroorganismen  konnten  nicht  gefunden  werden.  Der  andere  unter- 
suchte Knoten  bestand  aus  zellarmem  Bindegewebe,  das  an  einzelnen 
Stellen  von  Bundzellen  durchsetzt  war  und  viele  Knötchen  zeigte,  die 
aus  Bundzellen  bestanden  und  um  ein  zentral  gelegenes  Gefäß  angeordnet 
waren.  Epitheloidzellen  und  Biesenzellen  fehlten.  Die  Gefaßwände 
waren  verdickt  und  zeigten  anscheinend  Wucherung  der  Intima  und 
des  Endothels. 

Peppmüller  (4)  beobachtete  eine  46jährige  Frau  mit  einem 
Tumor  am  linken  Auge,  der  in  der  Bindehaut  saß,  ohne  auf  die  Cornea 
überzugreifen.  Überdies  fanden  sich  am  rechten  Arme  neben  zahlreichen 
Narben,  die  eine  Kontraktur  des  Armes  bewirkt  hatten,  mehrere  loch- 
eisenformige,  konfluierende  Geschwüre,  femer  Narben  am  Manubrium 
stemi,  sowie  oberhalb  der  linken  Mamma  einige  mit  Schorfen  bedeckte 
rote  Flecke  in  der  Gegend  der  Glavicula  und  ein  apfelgroßer  Tumor  an 
der  hinteren  Pharynxwand. 

Die  histologische  Untersuchung  des  epibulbären  Tumors  zeigte  ein 
zeUreiches  Granulationsgewebe  mit  wenig  Gefäßen,  zahlreichen  Biesen- 
zellen vom  Langhansschen  Typus  und  teilweise  Nekrose.  Außerdem 
fanden  sich  scharf  abgesetzte  Knötchen  aus  epitheloiden  und  lymphoiden 
Zellen,  mit  einem  Betikulam,  Langhanssche  Biesenzellen  und  Verkäsung 
im  Innern,  allerdings  nicht  immer  zentral  gelegen.  Die  Biesenzellen 
lagen  teils  in  den  Knötchen,  teils  umgaben  sie  dieselben.  Der  Versuch, 
Tuberkelbazillen  in  den  Schnitten  nachzuweisen,  hatte  keinen  Erfolg. 
Verimpfung  eines  Stückes  des  Tumors  in  die  vordere  Augenkammer  eines 
Kaninchens  führte  nicht  zu  tuberkulöser  Erkrankung  des  Tieres.  Eine 
Tuberkulini^jektion  hatte  bei  der  Patientin  weder  allgemeine  noch  lokale 
Beaktion  zur  Folge.  Antiluetische  Behandlung  führte  zur  vollständigen 
Heilung. 


376  Mooha. 

Lewald  (5)  berichtete  über  einen  Patienten,  deuen  Erkrankung 
raerst  infolge  des  Auftretens  yon  derben,  mehr  flächenhaften  und  leicht 
geröteten  Infiltraten  fär  Sklerodermie  gehalten  warde.  Die  Infiltrate 
entwickelten  sich  allmählich,  8ch¥randen  nnd  traten  an  anderen  Stellen 
wieder  auf.    Zur  Eznlceration  der  Knoten  kam  es  nie. 

Die  histologische  Untersuchung  eines  jungen  Knotens  ergab  ein 
Granulationsgewebe,  in  dessen  Umgebung  sich  teilweise  obliterierte 
Gefäfie  mit  stark  Yerdickten  Wandungen  zeigten.  Die  Untersuchung  eines 
älterem  Knotens  zeigte  gleichfalls  ein  Granulationsgewebe  mit  neuge- 
bildeten Bindegewebe,  jedoch  überdies  zahlreiche  Langhanssche  Riesen- 
zellen mit  randständigen  Kernen  und  zentraler  Nekrose.  Tuberkelbazillen 
konnten  im  Schnitte  nicht  nachgewiesen  werden.  Ein  mit  einem  Teile 
des  Tumors  injiziertes  Kaninchen  zeigte  bei  seinem  Tode  keine  Zeichen 
▼on  Tuberkulose.  Auf  Verabreichung  von  Jodkalium  schwanden  die 
Erscheinungen  in  kurzer  Zeit  vollständig. 

In  letzter  Zeit  endlich  berichten  J.  Nicolas  und  M.  Favre  (6) 
fiber  ihre  Untersuchungen,  die  sich  auf  zehn  Fälle  kutaner  Gummen 
beziehen.  In  allen  diesen  Fällen  fanden  sich  histologische  Bildungen, 
die  vollständig  denen  der  Tuberkulose  entsprachen:  nämlich  knötchen- 
förmige Anhäufungen  des  Infiltrates,  Haufen  von  epitheloiden  Zellen, 
sowie  reichlich  Riesenzellen.  In  fünf  der  Fälle  wurde  der  Tiervarsuch 
ausgeführt  mit  stets  negativem  Erfolge.  Die  Affektionen  heilten  in  allen 
zehn  Fällen  unter  Quecksilber- Jod-Behandlung  vollständig  aus. 

Die  Verfasser  kommen  daher  auf  Grund  ihrer  Beobachtungen  zu 
dem  Schlüsse,  dafi  es  erstens  stets  gelinge,  Riesenzellen,  epitheloide 
Zellen  und  Knötchenbildung  in  tertiär  luetischen  Veränderungen  der 
Haut  nachzuweisen,  daß  zweitens  eine  histologische  Unterscheidung  dieser 
Prozesse  nicht  möglich  sei  und  drittens  daß  Riesenzellen,  Knötchen- 
bildung und  Epitheloidzellenanhänfungen  die  Diagnose  Tuberkulose 
nicht  rechtfertigen,  sondern  nur  der  Tierversuch  einerseits,  der  Effekt 
der  Quecksilber-Jod-Behandlung  andererseits  die  Differentialdiagnose 
ermöglichen. 

Was  die  histologische  Untersuchung  der  von  uns  mit- 
geteilten Fälle  anbelangt,  so  erinnerte  im  Falle  I  (Lues)  das 
histologische  Bild  durch  die  zahlreich  vorhandenen  tuberkel- 
artigen Knötchen  aus  Epitheloid-,  Rund-  und  Riesenzellen  be- 
stehend und  das  Fehlen  jeglicher  Qefäßveränderung  recht 
lebhaft  an  eine  tuberkulöse  Affektion.  Im  Falle  V  (Lucs)  wurde 
diese  Ähnlichkeit  nur  durch  die  gleichzeitig  vorhandene  obli- 
terierende Endarteriitis  beeinträchtigt.  Es  ging  in  diesen  Fällen 
nicht  an,  das  histologische  Bild  für  die  endgiltige  Diagnose 
sicher  zu  verwerten. 


Znr  Differentialdiagnose  zwischen  Lues  und  Tuberkulose.        377 

Im  Falle  II  (Lues)  sprach  allerdings  die  vorwiegende 
perivaskuläre  Anordnung  des  Infiltrates  mehr  für  die  luetische 
Natur  des  Prozesses,  doch  fanden  sich  auch  hier  tuberkel- 
ähnliche Knötchen  und  reichlich  Riesenzellen,  während  im  Falle  VI 
(Lues)  die  Riesenzellen  sehr  spärlich  waren,  fdie  vorhandenen 
Oefaßveränderungen  und  die  vorwiegend  perivaskuläre  Lagerung, 
der  allerdings  vielfach  knötchenartigen  Infiltrate  den  luetischen 
Charakter  der  Affektion  wahrscheinlich  machten. 

Der  Nachweis  der  spezifischen  Erreger  gelang  nur  im 
Falle  ni  (Tuberkulos-Lues  ?),  in  den  anderen  Fällen  blieben 
diese  Untersuchungen  erfolglos.  Dieser  Umstand  ist  nicht 
auffallig,  weil  es  sich  in  allen  Fällen  um  ulzeröse  Prozesse 
handelte  und  wir  wissen,  daß  in  solchen  Fällen  der  Nachweis 
einerseits  von  Tuberkelbazillen,  andererseits  der  Spirochaete 
pallida  in  Schnittpräparaten  nur  sehr  schwer  gelingt. 

Der  Tierversuch  hatte  in  den  Fällen  II  und  Y  ein 
negatives  Ergebnis,  was  für  die  Diagnose  Lues  als  gewichtiges 
Moment  herangezogen  werden  konnte.  Im  Falle  III  hatte  der 
Tierversuch  einen  positiven  Erfolg,  da  beide  Versuchstiere  an 
Tuberkulose  zugrunde  gegangen  waren;  daß  jedoch  in  diesem 
Falle  eine  gleichzeitige  luetische  Affektion  vorhanden  war,  diese 
Möglichkeit  schließt  der  positive  Tierversuch  nicht  aus,  da 
Experimente  an  Affen  nicht  vorgenommen  werden  konnten 
und  die  andere  für  diese  Entscheidung  in  Betracht  kommende 
Reaktion,  die  Eomplementablenkung,  zu  dieser  Zeit  noch  nicht 
bekannt  war. 

Die  Tuberkulin-Reaktion  brachte  nur  in  einzelnen 
Fällen  ein  verwertbares  Resultat.  Fall  I  (Lues)  und  V  (Lue&) 
zeigten  weder  lokale  noch  allgemeine  Reaktion,  die  Fälle  III 
(Tuberkulose-Lues?)  und  VI  (Lues)  keine  lokale,  dagegen  All- 
gemein-Reaktion,  wobei  hervorgehoben  werden  soll,  daß  im 
Falle  ni,  wie  der  Tierversuch  zeigte,  sichere  tuberkulöse 
Krankheitsherde  lokal  nicht  reagiert  hatten. 

Der  Fall  IV  (Lues?  Tuberkulose?),  für  den  zur  Reaktion 
Eochsches  Tuberkulin  verwendet  wurde  und  der  Fall  II  (Lues), 
für  den  Perlsuchttuberkulin  nach  G.  Spengler  benützt  worden 
war,  zeigten  typische  lokale  Reaktion.  Es  hatten  demnach  im 
Falle   II    Krankheitsherde    eine    deutliche    lokale 


378  Maoha. 

Reaktion  auf  Perlsuchttuberkulin  gezeigt,  die 
durch  die  weiteren  UntersuchuDgeD  sich  als  sicher 
luetisch  erwiesen  hatten. 

Um  daher  festzustellen,  ob  nicht  etwa  das  Perlsacht- 
taberkulin,  über  dessen  spezifische  Reaktion  unsere  Erfahrungen 
beim  Menschen  ja  yiel  geringer  sind  wie  die  über  das  Kochache 
Alttuberkulin,  häufiger  Reaktion  in  nicht  tuberkulösem  Gewebe 
erzeuge,  wurde  einer  Reihe  von  Luetikern  verschiedener  Stadien 
Perlsuchttuberkulin  injiziert,  ohne  daß  es  auch  nur  ein- 
mal gelungen  wäre,  lokale  Reaktion  zu  erzielen, 
nur  in  dem  mitgeteilten  Fall  VI  (Lues)  hatte  es  eine  deutliche 
Allgemeinreaktion  zur  Folge,  trotzdem  Eochsches  Älttuberkidin 
reaktionslos  vertragen  worden  war;  diese  Reaktion  könnte 
immerhin  durch  die  Annahme,  daß  ein  latenter  Perlsucht- 
tuberkuloseherd  vorhanden  gewesen  sei,  erklärt  werden.  Für 
die  Reaktion  im  Falle  II  aber  müssen  wir  wohl  auf  eine  auch 
nur  einigermaßen  stichhältige  Erklärung  verzichten. 

Was  schließlich  den  Effekt  der  Jod-Quecksilber- 
behandlung und  seine  diagnostische  Verwertbarkeit  anbe- 
langt, so  glauben  wir,  daß  auch  in  dieser  Hinsicht  einige  Vor- 
sicht notwendig  und  daß  nur  wirklich  prompter  und 
rascher  Erfolg  der  Behandlung  in  differential  dia- 
gnostischer Hinsicht  verwertbar  ist,  während  eine  unvoll- 
kommene oder  langsame  Besserung  keine  weitere 
Klärung  des  Falles  bringt.  So  sahen  wir  nur  in  den 
Fällen  II  (Lues)  und  V  (Lues)  eine  prompte  und  rasche  Aus- 
heilung der  an  sich  keineswegs  leichten  Krankheitsprozesse. 
Da  es  sich  im  Falle  II  aber  um  Krankheitsherde  handelte,  die 
auf  Perlsuchttuberkulin  lebhafte  lokale  Reaktion  gezeigt  hatten, 
suchten  wir  dem  Einwände  zu  begegnen,  daß  es  sich  nicht 
um  Jodwirkung  auf  spezifisch  krankes  Gewebe,  sondern  nur 
um  die  Resorption  von  Krankheitsprodnkten  gehandelt  habe, 
die '  durch  das  Tuberkulin  günstig  beeinflußt  worden  waren. 
Deshalb  wurde  einer  Aozahl  von  Pat.  mit  ausgebreitetem  Lupus 
vulgaris,  die  gleichfalls  durch  lange  Zeit  mit  Perlsuchttuber- 
kulin behandelt  worden  waren,  hohe  Dosen  von  Natrium  jodatum 
gereicht,  doch  konnten  wir  in  keinem  einzigen  Falle 
irgend  eine  günstige  Jodwirkung  beobachten.    Im 


Zar  Differentialdiagnose  swiBohen  Laes  und  Tnberkulose.        379 

Falle  I  (Lues)  und  VI  (Lues)  sahen  wir  einen  wenn  auch 
langsamen,  so  doch  vollständigen  Effekt  der  Behandlung,  was 
im  Falle  VI  durch  den  gewiß  malignen  Charakter  der  Er- 
krankung —  bereits  im  3.  Jahre  derselben  Auftreten  eines 
ulzerösen  Exanthems  —  erklärt  werden  kann,  während  im 
Falle  I  nur  die  erste  durch  uns  beobachtete  Erkrankung  lang- 
same Heilungstendenz  zeigt,  das  nächste  Rezidiv  aber  ziemlich 
prompt  ausheilte.  Für  die  Sicherung  der  Diagnose  konnte  in 
beiden  Fällen  der  Erfolg  der  Behandlung  nur  in  entferntem 
Maße  herangezogen  werden.  Ähnlich  verhielt  es  sich  in  den 
Fällen  III  (sichere  Tbc.  Lues?)  und  IV  (Lues?  — Tbc?),  in 
denen  ebenfalls  die  Quecksilber-Jodbehandlung  nur  recht  lang- 
sam und  im  Falle  III  überdies  nicht  einmal  vollständige  Heilung 
herbeiführte. 

Diese  unsere  Beobachtungen  decken  sich  auch  mit  denen  anderer, 
besonders  französischer  Autoren  (Fournier,  Crentzer»  Pa^ie, 
Cabrol,  Brocq  etc.),  die  g&nstige  Beeinflussung  tuberkulöser  Krankheits- 
herde durch  Ealomel  beobachten  konnten.  Allerdings  kommt  L engl  et  (7) 
bei  Besprechung  dieser  Fftlle  zu  der  Ansicht,  daß  es  sich  wahrscheinlich 
in  der  Mehrzahl  derselben  um  Mischformen  von  Lues  und  Tuberkulose 
oder  um  tuberkuloseähnliche  Krankheitsprozesse  luetischer  Natur  gehan- 
delt habe. 

Eine  einwandsfreie  Beobachtung  von  günstiger  Beeinflussung  tuber- 
kulöser Prozesse  durch  Jod-QuecksilberbehandluDg  teilt  KGrünberg(8) 
mit.  Er  berichtet  über  einen  Patienten  mit  schwerer  Tuberkulose  des 
Gaumens,  Pharynx  und  des  Kehlkopfes,  der  unter  Jod-  und  schließlich 
Jod-Quecksilberbehandlung  vollständig  zur  Ausheilung  kam  und  bei  dem 
der  Tierversuch  die  Diagnose  Tuberkulose  bestätigte.  Auf  Grund  seiner 
Beobachtung  spricht  sich  G.  dafür  aus,  endlich  mit  der  Ansicht  zu 
brechen,  daß  luetische  Affektionen  allein  durch  Jod-Quecksilberbehandlung 
günstig  beeinflußt  werden,  sondern  zuzugestehen,  daß  auch  tuberkulöse 
Krankheitsherde  unter  dieser  Behandlung  ausheilen  können. 

Anmerkung  bei  der  Korrektur.  Während  des  Druckes  der 
vorliegenden  Arbeit  stellte  sich  der  Fall  IV  neuerdings  auf  der  Klinik 
vor.  Am  Übergange  vom  harten  zum  weichen  Gaumen  findet  sich  eine 
etwa  2  em  lange  und  1  cm  breite  Perfora tionsöffnung,  deren  Ränder  teil- 
weise speckig  belegt,  teilweise  bereits  narbig  verändert  sind.  Gleich- 
zeitig wurde  bei  dem  Pat.  bei  dieser  Gelegenheit  die  Komplementablenkung 
mit  dem  Blutserum  ausgeführt,  die  vollständige  Hemmung  der  Hämolyse 
ergab.  Mit  Rücksicht  auf  diese  nachträglichen  Befunde  können  wir  uns 
wohl  mit  Sicherheit  für  die  Diagnose  Lues  entscheiden.  Es  haben  somit 
auch  in  diesem  Falle  luetische  Krankheitsprodukte  typische  lokale  Reaktion 
auf  Tuberkulin  gezeigt.  


880  Maoha. 


Literatur. 

1.  Fabry,  ArobiT  f&r  Denn,  and  Syph.  Bd.  XXV.  pag.  9S6. 

2.  Jadaisohn,  Dentache  med.  Wochenschrift  1894.  pag.  234. 

8.  Herzheimer  K.,  ArchiT  f&r  Denn,  and  Syph.  Bd«  XXXVU« 

pag.  879. 

4.  Peppmülleri  Graefes  ArohiT  f.  Ophthalm.  Bd.  XLIX.  pag.  808. 

6.  Loewald,  Dermat.  Zeitschrift  1899.  pag.  577. 

6.  Nicolas  and  Fayre,  Annal.  des  malad,  venerien.  1907.  Nr.  6. 

7.  Lenglety  La  Pratiqae  dermat.  Bd.  IQ. 

8.  Grünberg  E.,   Münchner  med.  Wochenschrift   1907.   Nr.  84. 


Ans  der  k.  laryngologisohen  Folikliiük  der  Universität  München. 

(Vorstand:  Prof.  Dr.  Nenmayer.) 


über  Verkümmerung  der  Augenbrauen 
und  der  Nägel  bei  Thyreoidosen. 


Von 

Dr.  R  Hoflinanii, 

I.  Asaiitent. 

(Mit  einer  Abbildung  im  Texte.) 


Bei  einer  Patientin,  die  wegen  einer  Nebenhphleneitemng 
in  Behandlung  kam,  konnte  ich  einen  interessanten  Neben- 
befund erheben: 

Es  bandelt  sieh  am  eine  27jährige,  grofie,  kraftige  Bauersfrau  aas 
Oberbayem.  Die  Augbrauen  wie  die  Wimpern  bestehen  aus  dunklen, 
kleinen,  sehr  kräftigen,  stumpf  endigenden  Haarstummeln,  so  daß  ich 
xuerst  glaubte,  sie  seien  versehentlich  versengt  worden.  Die  Länge  der 
Augbrauenlinie  beträgt  etwa  67,  Zentimeter.  Die  Ansatzlinie  des  mäßig 
reichlichen,  braunen  Haupthaares  ist  zurückgesetzt,  so  daß  eine  hohe 
Stirn  sichtbar  ist. 

Auch  andere  epitheliale  Gebilde,  die  Nägel  an  Händen  und  Füßen 
sind  kümmerlich  entwickelt:  Sie  sind  klein,  der  weiße  Hof  an  der  Basis 
fehlt;  oben  läuft  der  Nagel  spitz  aus,  die  Fingerkuppe  ist  in  einer  Höhe 
von  mehr  als  6  mm  sichtbar.  Im  oberen  Viertel  verliert  der  Nagel  seinen 
Glanz  und  die  rosa  durchschimmernde  Farbe,  er  wird  weiß,  brüchig,  un- 
durchsichtig. Der  Nagel  haftet  mit  seiner  ganzen  Fläche  fest  an  der 
Unterlage.  Seine  Wölbung  ist  eine  annähernd  normale.  Eine  merkwürdige 
Konfiguration  erhält  der  Nagel  durch  drei  Impressionen,  welche  etwa 
V4  seiner  Fläche  einnehmen.    Die  mittlere,   welche   dem  Abdruck  einer 


882  Hoffmann. 

Fingerkappe   in   Terkleinexiem   Maßstabe  entspricht,   ist  größer,   als  die 
beiden  seitlichen. 

Der  Nagel  ist  wohl  dem  Wachstum  des  Individuums  entsprechend 
größer  geworden,  ein  Besehneiden  desselben  war  aber  nie  notwendig  noch 
möglich. 

Die  Anamnese  ergab  folgenden  Stammbaum: 


n9 

Gr. 
III 6 

V«tep. 

Gr.  Mutter. 
0') 

16 

Vater 
0 

IV  5 

Matter 
V9        VIQ         Vllö 

© 

0 

19 

© 
119 

© 

111 9  r 

^^,,,^--'©  (Patientin) 
IV  9        VS 

© 

Es  läßt  sich  also  kein  Vorwiegen  des  einen  oder  des 
anderen  Geschlechtes  feststellen.  Die  normalen  Familienmit- 
glieder sind  die  später  geborenen,  bei  Geburt  des  ersten  Kindes 
war  die  Patientin  18  Jahre  alt^  ein  Alter,  welches  ja  häufig  Ton 
Störungen  in  der  internen  Sekretion  bestimmter  Drüsen  z.  B. 
Thyreoidea  und  Ovar  begleitet  ist. 

Von  ihren  6  Geschwistern  (4  Brüder  und  2  Schwestern) 
waren  8  Brüder  und  1  Schwester  anormal,  Ton  ihren  5  Kindern 
—  lauter  Mädchen,  nur  das  älteste.  Der  Ehemann  ist  normal 
Die  Familieneigentümlichkeiten  erbte  der  Vater  der  Patientin 
Ton  seiner  Mutter. 

Die  Mißbildungen  kommen  auch  bei  der  femer  stehenden 
Verwandtschaft  der  Patientin  vor  und  werden  von  ihr  als  sichere 
Merkmale  der  Zugehörigkeit  zu  ihrer  Familie  angesehen. 

Bemerkenswert  erscheint,  daß  die  Patientin  eine  mäßig 
große  Struma  (39  cm  Halsumfang)  aufweist,  daß  femer  ihre 
sämtlichen  Geschwister,  sowie  ihre  Mutter  (auf  den  früh  Ter- 
storbenen  Vater  kann  sie  sich  nicht  erinnern)  vergrößerte 
Schilddrüsen  haben.  Allerdings  ist  zu  berücksichtigen,  daß  die 
Patientin  aus  einer  Kropfgegend  stammt.     Daß  die  Augbrauen 


')  O  anormale  Familienglieder. 


Ober  TerkümmeTang  der  Aogenbranen  and  der  Nägel  etc.       383 

verkümmert  nnd  die  Haargreozen  zuriickgerückt  siod,  findet 
man  aacb  beim  iofantileu  Myxödem.  Vielleicht  darf  man  eines 
DjBtbyreoidismus  als  prädisponierend  fiir  die  geschilderte  Miß- 
bildung von  Angbraueo  and  Nägel  aaseben.  Bei  unserer  Pati- 
entin weist  ein  bescbleuoigter  Puls  (ca.  90)  und  ein  ganz  leichter 
Exophthalmus  auf  einen  HyperthTreodiamus  hin. 


Gleichzeitig  sab  ich  einen  Fall  von  Hypotb^reoidismus, 
welcher,  wie  die  vorige  Patientin,  dieselbe  Verkümmerung  der 
Augbrauen   neben  einer  Struma  zeigte: 

Bar  Patient  ist  28  Jkhre  alt,  Maler;  der  HaliuinfaDfr  betrigt 
43  em.  Trotz  der  Vergrößening  der  Schilddrfige  zeigt  er  deatl ich e  Zeichen 
dei  Hypothyreoidiemui.  Er  ist  Töllig  bartlos  (Scharabaare  gnt  entwickelt), 
die  Angbraaen  beitehen  am  kleinen  Stummeln,  die  Qrenzen  des  Hanpt* 
burei  rind  vorn  nnd  hinten  beraaf  gerückt  und  zeigen  ,Q«heitDrata- 
winkel'.  Die  Haare  ttehen  lehr  weit  auseinander.  Die  Haut  de* 
Gerichte*  und  die  Haltes  ist  trocken,  glanzloa,  l«icM  abhebbar.  Am  Halse 
■eigt  sie  tiefe  Falten,  zwei  in  der  Höhe  de*  ob«ren  Randes  des  Thjreoid- 
knorpel*  laufen   dicht  nebeneinander  parallel,  so  dafi  man  luerat  glanbt 


384  Hoffmann. 

eine  Sehnürfarche  Tor  rioh  la  sehen.  DerGhuunen  üt  abnorm  hoch,  dem 
Toms  palati  entsprechend  erhebt  sich  eine  etwa  1  em  lange,  4  mm  hohe 
Leiste,  die  mit  stark  gewnlsteter  Schleimhaat  besetzt  ist  Die  oberen 
Eckzähne  fehlen,  ohne  daß  eine  Lücke  sichtbar  ist;  sie  saßen  früher  über 
den  oberen  äußeren  Schneidezähnen  nnd  wnrden  Tom  Zahnarzt  entfernt. 
Das  äußere  Ohr  ist  normal.  Der  Patient  erhält  Thyreoidin. 


{ 


Ans  der  Zlinik  für  Syphilis  tmd  Hantkrankheiten  der  üniversit&t 
Bonn  (Direktor:  Qeheimrat  Professor  Sr.  Sontrelepont). 


Über  die  v.  Pirquetsche  kutane 
Tuberkulinimpfung  und  die  Ophthalmo- 
reaktion bei  lupösen  Erkrankungen. 


Von 

Dr.  Wilhelm  König. 


Seit  Y.  Pirquet  seine  Arbeit  „Die  Allergieprobe  zur 
Diagnose  der  Tuberkulose  im  Kindesalter'  veröffentlicht  hat, 
sind  eine  ganze  Reihe  von  Abhandlungen  erschienen,  die  sich 
mit  der  Reaktion  nach  kutaner  Tuberkulinimpfung  beschäftigen 
und  die  Verwendbarkeit  dieser  Methode  für  Diagnose  und 
Therapie  diskutieren.  Auch  von  den  Dermatologen  sind  die 
Versuche  von  t.  Pirquet  wiederholt  nachgeprüft  und  auch 
schon  zu  diagnostischen  und  therapeutischen  Zwecken  heran^ 
gezogen  worden,  so  von  Erei  bisch -Band  1er  und  von 
Nagelschmidt.  Die  Erkenntnis  der  Wichtigkeit  dieser 
Methode  yeranlaßte  nun  meinen  Chef,  Herrn  Geheimrat  Prof. 
Dr.  Doutrelepont,  die  kutane  Impfung  an  geeigneten 
Fällen  in  der  Elinik  vorzunehmen.  Am  18.  November  1907 
berichtete  er  in  der  Niederrheinischen  Gesellschaft  für  Natur- 
und  Heilkunde  in  Bonn  zum  erstenmale  über  die  v.  Pirquet- 
sche Reaktion  und  daran  anschließend  über  die  Ophthalmo- 
reaktion. Die  Versuche  wurden  seitdem  weiter  fortgeführt  und 
ihre  Veröffentlichung  mir  übertragen. 

Die  Impfung  geschah  mit  unverdünntem  Alttuberkulin 
und  wurde  in  der  Weise  vorgenommen,  daß  entweder  ober- 
flächliche Einschnitte  oder  Einstiche  mit  steriler  Lanzette  an- 
gelegt und  mit  Alttuberkulin  eingerieben  wurden.    Neben  ge- 

Ar«li.  t  D«niutt.  n.  Syph.  Bd.  LXXXIZ.  25 


386  König. 

Sunden  Hautstellen  wurden  auch  Lupusherde  geimpft  Da- 
durch war  die  Möglichkeit  gegeben,  die  Stärke  der  Reaktionen 
im  kranken  und  gesunden  Gewebe  zu  Tergleichen.  Fast  bei 
allen  Geimpften  wurden  außerdem  noch  Eontrollskarifikationen 
ohne  Tuberkulin  in  gesunder  Haut  angelegt.  Es  geschah  das, 
um  einen  Anhaltspunkt  dafür  zu  gewinnen,  ob  wir  unsere 
Impfungen  auch  wirklich  streng  aseptisch  Torgenommen  hatten. 

Geimpft  wurden  im  ganzen  20  Lupöse,  manche  bis  zu 
achtmal.  Alle  zeigten  an  den  mit  Tuberkulin  geimpften  Stellen, 
mochten  diese  nun  in  gesunder  Haut  liegen  oder  lupös  erkrankt 
sein,  deutliche  Reaktion  von  wechselnder  Intensität.  Wir  sahen 
alle  Stadien  Ton  leichten  Erythemen  mit  kaum  nachweisbarer 
Infiltration  bis  zum  tiefen  subkutan  liegenden,  äußerst  schmerz- 
haften Knoten  und  davon  ausgehender  deutlicher  Lymphangitis. 
Alle  diese  Erscheinungen  bildeten  sich  zurück  unter  Abschup- 
pung und  Pigmentierung,  manchmal  ziemlich  rasch,  manchmal 
wieder  sehr  langsam.  So  z.  B.  sind  die  lymphangitischen 
Stränge  an  den  Armen  der  am  16.  November  geimpften  Pa- 
tienten D.  und  B.  noch  heute  (nach  zirka  5  Wochen)  als  leicht 
braunpigmentierte,  nicht  schmerzhafte  Streifen  zu  sehen. 

Eine  Allgemeinreaktion  haben  wir  nur  einmal  erlebt  und 
zwar  bei  der  am  25.  Oktober  geimpften  Patientin  K.,  die  neben 
ihrem  ausgedehnten  Lupus  noch  deutliche  Lungenveränderungen 
zeigtejund  früher  Neutuberkulin  derart  schlecht  vertragen  hatte, 
daß  die  Tuberkulinbehandlung  unterbrochen  werden  mußte.  Das 

Impfprotokoll  mag  hier  folgen. 

26./X.  Eine  Anzahl  Einschnitte  am  rechten  Vorderarm  werden  mit 
Alttnberkulin  eingerieben  (Morgens). 

Abends  ist  die  Temperatur  88^  Die  Einschnitte  sind  difins  gerötet, 
geschwollen  and  schmerzhaft.  Hochrot  entzöndete,  druckempfindliche 
Lymphstränge  ziehen  den  Arm  hinauf.  Gleichseitig  ist  das  Allgemein- 
befinden sohlecht.  Es  bestehen  starke  Kopfschmerzen,  Hustenreiz,  Erbre- 
chen und  ab  und  zu  Schüttelfrost. 

26./X.  Pat.  hat  heute  wieder  normale  Temperatur.  Die  lymphangi- 
tischen Streifen  sind  abgeblaßt. 

80./X.  Um  die  Einschnitte  besteht  noch  immer  eine  talergroße 
Röte.  Die  Lymphangitis  ist  noch  nicht  völlig  zurückgegangen,  doch  ist 
die  Schwellung  und  Sohmerzhaftigkeit  der  Streifen  geschwunden. 

Unter  unseren  Fällen  befinden  sich  zwei,  bei  denen  wir 
eine  Erscheinung  an  den  Augen  beobachteten,  die  wir  yieUeicht 


über  die  ▼.  Purqnetscbe  kutane  TaberkulininipfuDg  etc.         387 

mit  der  von  Moro  und  Dogaooff  nach  t.  Pirquet  scher 
Impfung  in  einigen  Fällen  festgestellten  Konjunktivitis  ver- 
gleichen dürfen. 

Es  handelt  sich  um  die  beiden  Bruder  Willy  und  Otto  M.,  11 
bzw.  7  Jahre  alt,  die  am  8./XII.  1907  in  die  Klinik  wegen  ausgedehntem 
Lupus  des  Gesichtes  aufgenommen  wurden.  Außerdem  hatten  beide  deut- 
liche Conjunctivitis  und  Hornhautnarben.  Am  4./XII.  wurden  beide  an 
einer  gesunden  Stelle  ihrer  Oberarme  mit  Alttuberkulin  geimpft.  Im 
Laufe  der  n&ehsten  Tage  entwickelten  sich  an  den  Impfstellen  schöne 
Papeln.  Am  9./Xn.  verschlimmerte  sich  plötzlich  die  Conjunctivitis  bei 
beiden  beinahe  gleichzeitig  derart,  daß  wir  vielleicht  berechtigt  sind, 
einen  Zusammenhang  zwischen  Impfung  und  Conjunctivitis  zu  vermuten. 
Diese  Annahme  würde  an  Gewißheit  gewinnen,  wenn  nach  Ablauf  der 
jetzigen  Entzündung  eine  2.  Impfung  ebenfalls  von  einer  Yerschlimmerung 
der  Conjunctivitis  gefolgt  wäre. 

Die  Stärke  der  Reaktion  in  gesunder  Haut  scheint  sehr 
von  der  Schwere  der  lupösen  Erkrankung  abzuhängen  u.  zw. 
derart,  daß  Fat.  mit  ausgedehntem  Lupus  viel  stärkere  Reak- 
tion bei  der  kutanen  Tuberkulinimpfung  zeigen,  als  solche  mit 
leichterer  Erkrankung.  Am  besten  trat  dieser  Gegensatz  bei 
den  Patientinnen  H.  E.  und  M.  P.  hervor. 

Die  Patientin  H.  E.  hatte  einen  ausgedehnten  Lupus  des  Gesichtes 
und  zahlreicher  anderer  Eörperstellen.  Sie  reagierte  bei  den  wiederholten 
Impfungen,  die  bei  ihr  an  gesunden  Hautstellen  vorgenommen  wurden, 
immer  sehr  heftig.  Zweimal  gingen  von  solchen  Stellen  Lymphangitiden 
aus  und  das  Allgemeinbefinden  war  stark  gestörK 

Bei  der  Patientin  M.  P.  fand  sich  von  alledem  nichts.  Bei  ihr,  die 
an  einem  wenig  ausgedehnten  und  wenig  bösartigen  Lupus  der  Nase  litt, 
kam  es  bei  allen  Impfungen  in  gesunder  Haut  (4  im  ganzen)  immer  nur 
zu  leichten  Erythemen. 

Außerdem  wurden  im  ganzen  7  an  anderen  Erankheiten 
(Ekzem,  Favus,  Sykosis,  Elephantiasis,  Lues)  leidende  geimpft. 
In  allen  diesen  Fällen  fanden  sich  keine  Zeichen  für  beste- 
hende oder  überstandene  Tuberkulose.  Geimpft  wurden  gesunde 
Hautstellen  bei  den  4  erstgenannten  Erankheiten  und  zwar 
mit  Erfolg  (Erytheme,  leichte  Infiltration)  und  bei  einer  Lues 
tertiaria  ohne  Erfolg.  In  den  beiden  übrigen  Fällen,  den  Pa- 
tientinnen M.  H.  und  E.  L.,  wurden  syphilitische  Effloreszenzen 
die  in  Form  des  Liehen  syphiliticus  sich  zeigten,  geimpfk.  Bei 
der  einen  Patientin  blieb  der  Erfolg  aus,  bei  der  andern  E.  L. 
sahen  wir  an  der  Impfstelle  eine    deutliche    Infiltration     auf- 

25* 


388  König. 

treten  und   später   die    Oberfläche   sich   in   Bläschenform   ab- 
heben. 

K  r  e  i  b  i  c  h  hat  dieselben  syphilitischen  Effloreszenzen 
bei  zwei  Prostituierten  geimpft,  aber  im  Gegensatz  zu  uns 
beidemal  deutliche  Reaktion  erhalten.  Das  lag  wohl  daran, 
daß  seine  beiden  Fälle  früher  skrofulös  waren  (Narben  am 
Kinn),  also  sicher  die  für  das  Zustandekommen  der  kutanen 
Reaktion  geforderte  Überempfindlichkeit  der  Zellen  hatten. 
Unsere  Patientionen  boten  uns  aber,  wie  schon  oben  erwähnt, 
keine  Anhaltspunkte  für  Tuberkulose. 

Unter  den  Lupösen  finden  sich  zwei  Fälle,  die  wiederholt 
an  kranken  Stellen  geimpft  wurden,  um  den  Einfluß  der  wieder- 
holten Impfung  auf  die  Heilung  zu  prüfen  und  einer  (Lupus- 
pemio),  bei  dem  die  Impfung  zur  Sicherung  der  Diagnose  vor- 
genommen wurde,  da  die  Alttuberkulininjektion  keine  Lokal- 
reaktion ergeben  hatte.  Schließlich  wurde  auch  noch  geimpft, 
um  festzustellen,  ob  ein  Lupus  vollständig  geheilt  war.  Denn 
es  gibt,  worauf  mein  Chef  schon  wiederholt  hingewiesen  hat, 
manche  Fälle  von  geheiltem  Lupus,  bei  denen  die  Injektion 
von  Alttuberknlin  deswegen  zu  keiner  Reaktion  fuhrt,  weil  die 
histologisch  noch  nachweisbren  Lupusknötchen  vom  Narben- 
gewebe umgeben  sind  und  dieses  infolge  seiner  Armut  an 
Blut-  und  Lymphgefäßen  die  Toxine  des  Alttuberknlin  nicht 
mit  den  Antikörpern  im  Lupusgewebe  in  Verbindung  treten  läßt 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  daß  wir  die  v.Pir quet- 
sche Impfung  einmal  zur  Sicherung  der  Diagnose  und  dann  zu 
kurativen  Zwecken  gebraucht  haben.  Es  fragt  sich  nun,  ob 
das  gerechtfertigt  ist 

Wünschenswert  wäre  es,  eine  andere  Anwendungsart  des 
Alttuberknlin  zu  haben  wie  die  subkutane.  Die  subkutane 
Anwendung  hat  manche  Nachteile.  Einmal  ist  sehr  häufig  da- 
mit eine  Allgemeinreaktion  verknüpft;  in  anderen  Fällen  ver- 
bietet sich  ihr  Gebrauch,  weil  aasgedehnte  Tuberkulose  innerer 
Organe  besteht  und  die  Wirkung  auf  die  in  diesen  sich  ab- 
spielenden Prozesse  unberechenbar  ist  und  schließlich  läßt  sie 
uns  manchmal  im  Stich,  besonders  in,  wie  schon  oben  ange- 
deutet, Fällen  von  scheinbar  ausgeheiltem  Lupus«  Bei  allen 
diesen  Ausnahmen  könnte  nur  mit  Erfolg  die  kutane  Impfung 


über  die  ▼.  Pirquetscbe  kutane  Taberkulinimpfnng  etc.         389 

angewendet  werden.  Denn  einmal  ist  die  Allgemeinreaktion 
ziemlich  selten  und  dann  kommt  das  Alttaberkulin  auch  sicher 
an  die  Stelle,  wo  es  hin  soll,  ganz  gleichgültig,  ob  Narbengewebe 
die  verdächtige  Partie  umgibt  oder  nicht.  Allen  diesen  Vor- 
teilen steht  aber  scheinbar  die  Tatsache  als  Nachteil  entgegen, 
daß  die  meisten  Erwachsenen  aufdie  kutane  Tuberkulinimpfung 
positiv  reagieren.  Doch  ist  dieser  Nachteil  nur  ein  scheinbarer. 
Wie  schon  Nagelschmidt  betont  hat,  wie  auch  wir  selbst 
es  wiederholt  gesehen  haben,  verläuft  die  kutane  Impfung  an 
gesunden  und  an  tuberkulösen  Stellen  in  gut  von  einander 
trennbarer  Weise.  In  der  gesunden  Haut  bildet  sich  gewöhn- 
lich nach  8  —  24  —  48  Stunden  eine  leichte  Röte  und  Infil- 
tration, die  oft  als  solche  bestehen  bleibt,  manchmal  aber  erst 
die  Vorstufe  zur  Papelbildung  ist,  und  die  in  mehr  oder 
weniger  kurzer  Zeit  unter  Schuppung  und  Pigmentierung  sich 
zurückbildet.  Anders  verhält  sich  die  geimpfte  lupöse  Stelle. 
Hier  tritt  sehr  rasch  eine  stärkere  Infiltration  und  oedematöse 
Durchtränkung  ein,  der  häufig  eine  Abstoßung  der  oberen 
Hautschichten  und  damit  Geschwürsbildung  folgt  Also  alles 
in  allem :  die  Reaktion  ist  bei  der  Impfung  im  gesunden 
ungleich  schwächer  als  die  im  tuberkulös  erkrankten  Gewebe. 
Schwieriger  erscheint  die  Frage,  ob  die  kutane  Impfung 
uns  in  Stand  setzen  kann,  tuberkulöse  Erkrankungen  von  an- 
deren zu  trennen  und  damit  die  Zugehörigkeit  einer  Erkran- 
kung zur  Tuberkulose  zu  entscheiden.  Bei  einer  im  oben 
angeführten  Sinne  ausgebildeten  Reaktion  scheint  das  leicht 
zu  sein,  nicht  aber  in  den  Fällen,  wo  eine  Differenz  zwischen 
der  Impfung  in  gesunder  und  kranker  Haut  nicht  deutlich  ist 
Wo  aber  eine  solche  Diffemz  der  Reaktion  fehlt,  ist  uns  wohl 
der  Wahrscheinlichkeitsscbluß  gestattet,  daß  wir  es  nicht  mit 
Tuberkulose  zu  tun  haben.  Daraus  geht  hervor,  daß  die 
V.  Pirquetscbe  Impfung  auch  für  die  Differentialdiagnose 
etwas  leisten  und  uns  eventuell  auch  Aufschlüsse  über  die 
Ätiologie  gewisser  Hauterkrankungen  geben  kann.  So  war  es 
uns  sehr  interessant,  daß  der  schon  einmal  erwähnte  Fall 
(Lupus  pernio),  der  auf  5  mg  Alttuberkulin  nicht  reagiert 
hatte,  bei  Impfung  in  der  gesunden  Haut  mit  einer  leichten 
Papel  reagierte,  während  die  Impfung  in  der    erkrankten,  von 


390  König. 

stark  ödematöser  Schwellung,  Hyperämie  und  Blasenbildung 
gefolgt  war,  Erscheinungeu,  die  erst  nach  einiger  Zeit  unter 
Borkenbildung  abklangen.  Also  eine  deutliche  Differenz 
zwischen  den  beiden  Impfungen. 

Eine  andere  Erage  ist  die  nach  der  Brauchbarkeit  der 
kutanen  Tuberkulinimpfung  für  therapeutische  Zwecke  d.  h.  die 
Frage,  ob  die  wiederholte  Impfung  und  die  dadurch  gesetzte 
Gewebsreaktion  im  stände  ist,  die  Hauttuberkulose  zur  Heilung 
zu  bringen.  Vorteile  böte  diese  Art  der  Behandlung  genug, 
denn  der  Hauptnachteil  der  subkutanen  Ii^ektion,  die  Allge- 
meinreaktion, die  nach  Sahli  und  Denys  etwas  schädliches 
ist,  fehlt  meistens.  Und  dann  besteht  bei  der  kutanen  Medi- 
kation auch  eo  ipso  die  Möglichkeit,  die  Forderung  zu  erfüllen, 
die  Gitron  jüngst  an  die  Tuberkulinkur  gestellt  hat:  »Das 
Ziel  der  Therapie  muß  demgemäß  sein,  solche  Dosen  von 
Tuberkulin  zu  injizieren,  die  den  größten  Bindungsreiz  für  die 
Zellen  abgeben  behufs  Antikörperproduktion,  ohne  daß  die 
toxische  Grenze,  die  im  Fieber  zum  Ausdruck  kommt,  erreicht 
wird.« 

Die  Frage  der  Heilung  scheint  uns  im  positiven  Sinne  zu 
entscheiden  zu  sein.  Wir  haben  zwei  Fälle  wiederholt  an 
denselben  lupösen  Stellen  geimpft  und  haben  dabei  nach  Ab- 
lauf der  entzündlichen  Reaktion  ein  sicheres  Undeutlichwerden 
der  zahlreichen  Knötchen  bemerkt.  So  hat  Doutrelepont 
in  der  Niederrheinischen  Gesellschaft  einen  Patienten  mit  auf 
diese  Weise  fast  geheiltem  Lupns  des  Armes  vorgestellt. 

Ob  auf  diese  Art  eine  Heilung  möglich  ist,  läßt  sich 
natürlich  nicht  allein  auf  Grund  der  klinischen  Beobachtung 
sagen.  Wollte  man  diese  Frage  entscheiden,  so  müßte  man 
nach  verschieden  langer  Dauer  und  Wiederholung  der  Impfung 
Lupusherde  excidieren  und  im  histologischen  Bilde  die  Ver- 
änderungen studieren,  die  die  künstliche  Entzündung  im  Ge- 
webe setzt.  Wir  müßten  feststellen,  wie  es  z.  B.  für  die 
Röntgen-Tuberkulin-  und  Finsenbebandlung  deq  Lupus  Dou- 
trelepont und  Grouven  getan  haben,  ob  die  Reaktion 
des  Gewebes  eine  derartige  ist,  daß  man  von  einer  Tendenz 
zur  Heilung  sprechen  kann.  Die  Vorgänge  bei  der  Röntgen- 
bestrahlung sind,  um  mich  der  Worte  Doutreleponts    zu 


über  die  y.  Pirqaetsche  kutane  Tnberkulinimpfung  etc.         391 

bedienen,  folgende:  „Zunächst  macht  sich  eine  deutliche 
Hyperämie  geltend,  die  zu  einer  gesteigerten  Leukocytenaus- 
wanderung  aus  den  Gefäßen  fährt.  Die  leukocytäre  Infiltration 
beginnt  an  der  Peripherie,  dringt  jedoch  dann  auch  in  Zügen 
nach  dem  Innern  der  Lupusherde,  um  hier  wahrscheinlich  sich 
in  Spindelzellen  und  fibrilläres  Gewebe  umzuwandeln.  Jeden- 
falls deutet  die  große  Zahl  der  vorhandenen  Spindelzellen 
die  lebhafte  Bindegewebsproliieration  an. 

Die  Lupuszellen  yerfallen  der  vacuolisierenden  Degenera- 
tion, die  Kerne  verlieren  mehr  und  mehr  ihre  Färbbarkeit, 
zerfallen  schließlich  und  so  kommt  es  zur  allmählichen  Re- 
sorption des  kranken  Gewebes  und  zum  Ersatz  desselben  durch 
Narbengewebe.* 

Den  Beginn  des  Heilungsprozesses  d.  h.  die  Hyperämie, 
Exsudation  und  Wallbildung  durch  lymphocytäre  Elemente 
haben  wir  im  histologischen  Bilde  studieren  können.  Es  han- 
delte sich  um  einen  Lupusherd,  den  wir  48  Stunden  nach  der 
Impfung  excidiert  hatten.  Er  stellte  sich  um  diese  Zeit  als  in 
Enotenform  infiltriert  und  gerötet  dar. 

Die  histologische  Untersuchung  ergab  dBs  typische  Bild 
des  Lupus  mit  einer  vorwiegenden  Lokalisation  der  Infiltration 
im  Corium.  Das  Infiltrat  zeigte  massenhaft  Mastzellen.  Um- 
geben waren  die  einzelnen  Herde  von  einem  ziemlich  starken 
Lymphocytenwall.  Außerdem  bestand  Gefäßerweiterung  und 
geringes  Ödem  der  Cutis,  also  Erscheinungen,  die  analog  der 
Wirkung  der  Röntgenbestrahlung  als  Ansätze  zur  Heilung  zu 
betrachten  sind. 

Eine  weitere  wichtige  Frageist  die,  wie  das Alttuberkulin 
in  der  gesunden  Haut  wirkt  bzw.  welche  histologischen  Yer- 
änderungen  es  macht.  Wie  die  klinischen  Veränderungen  bei 
Tuberkulösen  bzw.  bei  tuberkulös  gewesenen  sind,  wissen  wir 
von  den  Untersuchungen  von  v.  Pirquet.  Der  histologische 
Befund  ist  von  Kreibich  und  viel  früher  noch  von  Kling- 
müller  studiert  worden. 

ElingmüUer  fiel  es  auf,  daß  auf  erneute  Tuberkulin- 
injektion  alte  Injektionsstellen  reagierten.  Er  excidierte  solche 
Stellen  und  fand  im  subkutanen  Gewebe  zahlreiche  kleinere 
und  größere  Herde  lupoiden  Charakters;    die    Herde    setzten 


892  König. 

sich  zusammen  aus  hauptsächlich  peripher  gelagerten  Infiltra- 
tionszellen, mehr  zentral  gelagerten,  massenhaft  vorhandenen 
epitheloiden  Zellen  und  Riesenzellen  von  verschiedener  Größe 
aber  Langhans  sehen  Typus.  Die  Veränderungen  waren  in 
geringem  Grade  auch  im  Stratum  reticulare  vorhanden,  umgaben 
die  Follikel  und  safien  auch  an  den  subpapillären  und  papil- 
lären Gefäßen.  In  einem  von  100  Präparaten  fieuid  sich  ein 
säure-  und  alkoholfester  Bazillus,  in  einigen  anderen  chemisch 
ebenso  sich  verhaltende  Teile  von  Stäbchen,  die  K.  als  Trüm- 
mer von  TB-Bazillen  ansprach. 

Dieser  Befund  schien  ihm  den  Schluß  zu  rechtfertigen» 
daß  die  im  Alttuberkulin  vorhandenen  Bazillen  oder  Bazillen- 
reste der  Tuberkulose  ähnliche  Veränderungen  hervorriefen. 

Ferner  wies  er  nach,  daß  auch  vollständig  bazillenfreies, 
durch  Tonzellen  filtriertes  Alttuberkulin  bei  intraepidermidaler 
Injektion  typische  Lokalreaktion  und  die  für  Tuberkulose  spe- 
zifischen histologischen  Veränderungen  hervorrief.  Damit  war 
nach  seiner  Ansicht  der  Beweis  geliefert,  daß  aach  die  Toxine 
der  Tuberkelbazillen  ähnliche  Veränderungen  zu  erzeugen  im 
Stande  sind. 

Die  Befunde,  die  wir  bei  der  kutanen  Impfiing  erhoben, 
sind  histologisch  den  von  Klingmüller  beschriebenen  ähn- 
lich und  ich  will  sie  nun  kurz  schildern.  Von  den  mir  von 
meinem  Chef  zur  Verfügung  gestellten  Präparaten  will  ich 
drei  Gruppen  herausgreifen,  die  klinisch  als  leichte,  starke 
und  sehr  starke  Reaktion  sich  darstellten. 

Die  leichte  Reaktion  fand  sich  bei  einer  31  Jahre  alten 
Lupösen,  F.  G.,  die  am  24.  Oktober  mittels  Einstich  an  einer 
gesunden  Stelle  des  rechten  Unterarmes  geimpft  worden  war. 
Am  28.  Oktober,  dem  Tage  der  Excision,  fand  sich  noch  eine 
geringe  Rötung  und  Infiltration. 

Mikroskopisch  fiel  vor  allem  auf  eine  starke,  hauptsachlich 
aus  Lymphocyten  bestehende  Infiltration  besonders  in  den 
tieferen  Schichten  und  um  die  Schweißdrüsen.  An  einzelnen 
Stellen  ausgesprochene  perivaskuläse  Lagerung.  Riesenzellen 
waren  nirgends  zu  finden.  Mastzellen  finden  sich  in  geringer 
Zahl.  Das  Epithel  war  teilweise  stärker  von  Leukocyten  durch- 
setzt und  zeigte  stellenweise  interspinales  Ödem  mit  Quellung 
und  Kompression  der  Zellen. 


über  die  v.  Pirqaetsche  katane  Taberkulinimpfang  eto.         393 

Die  Btarke  Reaktion  beobachteten  wir  bei  der  lupus- 
kranken £.  £L,  die  ebenfalls  am  24.  Oktober  mittels  Einstich 
geimpft  worden  war.  Die  Excision  erfolgte  am  28.  Oktober. 
Um  diese  Zeit  bestand  ein  etwa  10  Pfennigstück  großes  Ery- 
them. Die  asentrale  Partie  ist  dunkler  gerötet,  leicht  geschwollen 
xmd  infiltriert,  der  peripherische  Saum  blafirot,  verwaschen, 
ins  Gesunde  übergehend. 

Histologisch  fand  sich  folgendes:  Auch  hier  war  ein 
deutliches  entzündliches  Infiltrat  in  die  Augen  springend.  Dieses 
Infiltrat  fand  sich  in  stärkerer  und  diffuserer  Ausbreitung  im 
subkutanen  Gewebe,  während  es  in  den  höheren  Schichten 
mehr  herdförmig  war  und  sich  den  Gefäßen  und  Schweißdrüsen 
anschloß.  Eine  stark  ausgesprochene  Gefaßerweiterung  findet 
sich  nicht, 

Auffällig  ist  femer  eine  stellenweise  hochgradige  Verbrei- 
terung der  Coriumpapillen,  die  auf  ödematöser  Durchtränkung 
beruht.  Die  Epithelzapfen  sind  dort  komprimiert  und  ver- 
schmälert. Das  scheinbar  fibrinreiche  Ödem  erstreckt  sich 
hie  und  da  auch  in  die  Epithelleisten,  die  dadurch  aufgefasert 
und  büschelförmig  auseinander  getrieben  erscheinen.  Das 
Epithel  selbst  ist  in  seiner  Struktur  nicht  verändert,  aber  fleck- 
weise ist  es  hochgradig  von  Blutelementen  durchsetzt.  Zeichen 
von  Nekrose  finden  sich  nicht. 

Eine  sehr  starke  Reaktion  sahen  wir  bei  der  lupus- 
kranken K.  D.,  die  am  12.  November  am  rechten  Vorderarm 
geimpft  worden  war.  9  Tage  später,  am  21.  November,  fand 
sich  an  dieser  Stelle  noch  ein  tiefer  subkutan  liegender 
Knoten. 

Mikroskopisch  fiel  auch  hier  wieder  die  hochgradige,  in 
Stärke  die  übrigen  Schichten  entschieden  übertreffende  Infil- 
tration des  subkutanen  Gewebes  auf.  Sie  ist  eine  meist  diffuse, 
aber  doch  auch  vielfach  herdförmig  angeordnete.  Diese  Herde 
besitzen  eine  ausgesprochene  Beziehung  zu  arteriellen  Gefäßen, 
deren  Wandung,  wo  es  sich  um  größere  Gefäße  handelt,  intakt 
erscheint,  während  die  kleineren  entschieden  eine  Lockerung 
ihrer  Schichten  erkennen  lassen.  Übrigens  scheinen  die  Herde 
die  kleineren  Gefiiße  zu  bevorzugen  und  es  macht  den  Eindruck, 
als  ob  um  sie  der  ganze   entzündliche  Prozeß   beginne.    Auch 


394  König. 

das  Coriam  weist  eine  diffuse  Infiltration  aber  entschieden 
geringeren  Grades  auf.  Eine  herdförmige  Infiltration  findet 
sich  da,  wo  die  Schweifidrüsen  und  größere  Lymphspalten 
liegen.  Das  Infiltrat  reicht  bis  an  das  Epithel  heran,  das 
fleckweise  eine  stärkere  Durchwanderung  durch  Leukocyten 
und  eine  Lockerung  seines  Gefuges  erkennen  läßt.  An  ein- 
seinen Stellen  findet  sich  in  sämtlichen  Schichten  des  Stratum 
germinativum  sehr  feinkörniges  braunes  Pigment,  das  um  auf- 
fallend langgestreckte  spindelförmige  Kerne  gelagert  ist.  Die 
Epithelzellen  selbst  sind  unverändert. 

Die  Zellen  des  Infiltrats  sind  meist  lymphocytären  Char- 
akters. Wie  nach  Pappenheim  gefärbte  Präparate  zeigen, 
finden  sich  ziemlich  viele  Plasmazellen,  mäßig  reichliche  Mast- 
zellen und  fieckweise  verschieden  reichlich  Zellen,  die  epi- 
theloiden  Zellen  ähnlich  sind.  Sie  sind  herdförmig  angeordnet. 

In  Präparaten  aus  anderen  Stellen  des  Blockes  nimmt  die 
vorher  erwähnte  herdförmige  Anordnung  im  subkutanen  Ge- 
webe die  Form  von  Tuberkeln  an  mit  Riesenzellen,  die  aber 
nicht  deutlich  den  L  an  gh  ans  sehen  Typus  d.  h.  wandständige, 
in  Richtung  der  Zellradien  angeordnete  Kerne  erkennen  lassen. 
Doch  findet  sich  nirgends  Nekrose.  Auch  hier  finden  sich 
diese  Gebilde  in  der  Nähe  von  Schweißdrüsen  und  größerer 
Lymphspalten  der  Haut. 

Fasse  ich  den  mikroskopischen  Befund  in  diesen  3  Fällen 
zusammen,  so  handelt  es  sich  um  eine  Entzündung,  die  sich 
vorwiegend  im  subkutanen  Gewebe  abspielt,  die  Neigung  hat 
zu  herdförmiger  Infiltration  um  die  Anhangsgebilde.  Diese 
herdförmige  Anordnung  geht  bis  zu  an  Tuberkel  erinnernde 
Formen  mit  Riesenzellen  und  epitheloiden  Zellen,  doch  ohne 
Nekrose. 

Wir  haben  also  einen  histologisch  ähnlichen  Befund  er- 
heben können  wie  Klingmüller.  Es  fragt  sich  nun,  wie 
diese  Veränderungen  zustande  kommen,  d.  h.  wie  die  Tuber- 
kulinreaktion  verläuft  und  ferner,  ob  diese  tuberkelähnlichen 
Bilder,  die  wir  bei  kutaner  Impfung  in  der  gesunden  Haut  von 
Leuten,  die  an  irgend  einer  Form  der  Tuberkulose  erkrankt 
sind,  manchmal  erhalten,  wirklich  Tuberkulose  sind. 


über  die  v.  Pirqaetsche  kutane  TaberkulinimpfaDg  etc.         395 

Über  das  Wesen  der  Tuberkulinreaktion  hat  Gitron  in 
seinem  Aufsatze  in  der  Berliner  klinischen  Wochenschrift 
Nr.  36  ausführlich  berichtet.  Er  erklärt  die  Reaktion  mit  Hilfe 
der  Ehrlich  sehen  Theorie  und  sagt  etwa  folgendes:  „Der 
Körper,  in  den  ein  Erankheitskeim  (Antigen)  eindringt,  muß 
iür  diesen  disponiert  sein  und  diese  Disposition  ist  die  Fähig- 
keit des  Körpers,  den  Krankheitskeim  zu  assimilieren.  Das 
kann  aber  nur  geschehen,  wenn  die  Zellen  des  Körpers  Rezep- 
toren zur  Bindung  des  Antigens  haben.  Kommt  es  nun  zu 
einer  solchen  Bindung,  so  wird  dadurch  die  Zelle  geschädigt 
und  bildet  für  die  geschädigten  Rezeptoren  zahlreiche  neue, 
die  als  Antikörper  in  das  Serum  abgestoßen  werden.  Diese 
Antikörper  verschwinden  sehr  rasch,  aber  es  bleibt  eine  Um- 
stimmung  der  Zellen  (Wassermann  und  Gitron),  die 
T.  Pirquet  Allergie  nennt,  und  die  nichts  weiter  ist  als  die 
erhöhte  Fähigkeit  zur  Antikörperproduktion  und  zur  Bildung 
Ton  Antigen. 

Bei  Leuten  nun,  die  an  Tuberkulose  in  irgend  einer  Form 
leiden  oder  gelitten  haben,  besteht  fast  immer  diese  Fähigkeit 
der  Zellen.  Bringe  ich  daher  subkutan  Tuberkulin  in  den  Or- 
ganismus, so  wird  es  durch  die  überempfindlichen  Zellen  an- 
gezogen, bei  kutaner  Impfung  gelangt  es  direkt  zu  ihnen,  und 
der  Körper  reagiert  darauf  mit  einer  Entzündung  d.  h.  mit 
Hyperämie  und  Auswanderung  von  Blutelementen. 

Die  andere  Frage,  ob  die  histologischen  Befunde  von 
Klingmüller  und  uns  wirkliche  Tuberkulose  sind^  wage 
ich  nicht  zu  entscheiden,  doch  möchte  ich  die  Vermutung  aus- 
sprechen, daß  wir  es  nur  mit  tuberkuloseähnlichen  Veränderungen 
zu  tun  haben.  Gegen  Tuberkulose  sprechen  das  meist  spurlose 
Verschwinden  der  subkutanen  Knoten,  die  erfolglosen  Überimp- 
fungsversuche  auf  Tiere  (Klingmüller),  das  in  all  unseren 
Präparaten  festgestellte  Fehlen  der  Nekrose  und  schließlich 
der  nicht  ganz  einwandfreie  Bau  der  Riesenzellen  Daß  das 
alles  keine  sicheren  Beweise  sind,  weiß  ich  recht  wohl.  Auch 
der  Liehen  scrophulosorum  geht  manchmal  spontan  zurück, 
und  es  gibt  mehr  wie  eine  sichere  Tuberkulose,  bei  der  sich 
keine  Nekrose  findet. 


396  König. 

Die  Ansicht  Klingmüllers,  daß  die  Toxine  des  Altta- 
berkulins  histologisch  typisch  tuberkulöses  Gewebe  erzeugen, 
ist  übrigens  bald  nach  ihrem  Bekanntwerden  von  J ad as söhn 
bekämpft  worden.  Jadassohn  scheint  der  Beweis  nicht  er- 
bracht zu  sein,  und  er  glaubt,  daß  ein  Tuberkulin,  das  mikro- 
skopisch nachweisbare  Bazillen  oder  deren  Trümmer  enthält, 
auch  nach  Filtration  durch  Tonzellen  nicht  frei  von  korpus- 
kularen Elementen  sei.  Daraus  folge  aber,  daß  das  Filtrat 
genau  so  wirken  müsse  wie  in  Tuberkulin,  in  dem  noch  sicht- 
bare tote  Bazillen  sind. 

Das  Zustandekommen  der  histologisch  Tuberkulose  so 
ähnlichen  Veränderungen  in  unseren  Präparaten  möchte  ich 
mir  damit  erklären,  daß  die  Toxine  und  Bazillenreste  im  Alt- 
tuberkulin,  die  doch  von  auf  künstlichen  Nährböden  gezogenen 
Kulturen  stammen,  anders  oder  besser  schwächer  wirken  als^ 
die  in  den  Körper  eindringenden  und  sich  dort  vermehrenden 
BaziUen.  Diese  bedingen  die  stärkere  Infektion,  erzeugen  auch 
eine  stärkere  Reaktion  d.  h.  den  ausgesprochenen  Tuberkel,  wäh- 
rend jene  Reaktionen  der  Gewebe  hervorrufen,  die  sich  in 
tnberkelähnlichen  Bildern  äußern. 

Natürlich  wird  man  jetzt  fragen,  warum  finden  sich  nicht 
bei  allen  Reaktionen  diese  Bilder,  warum  z.  B.  nur  in  dem 
Fall  E.  D.  und  nicht  auch  bei  F.  G.  und  E.  H.  Ich  glaube, 
da  spielt  noch  ein  anderes  Moment  eine  Rolle.  Sicher  ist  die 
Fähigkeit,  Antikörper  zu  bilden  und  Antigen  zu  binden,  bei 
verschiedenen  Menschen  verschieden.  Da,  wo  diese  Fähigkeit 
stark  ausgebildet  ist,  wird  der  Körper  schnell  und  stark  rea- 
gieren und  ich  denke  mir,  nur  in  diesen  Fällen  kommt  es 
zur  stärksten  Reaktion  des  Gewebes,  jenen  Veränderungen  von 
tuberkelähnlichem  Charakter.  Tuberkel  würden  entstehen, 
wenn  statt  der  Toxine  die  Tuberkelbazillen  selbst  eingeimpft 
würden. 

Das  ist  natürlich  nur  alles  Hypothese,  scheint  mir  aber 
die  einleuchtendste  Erklärung  für  den  Befund  dieser  tuberkeU 
ähnlichen  Bilder. 

In  letzter  Zeit  haben  wir  auch  die  Ophthalmoreaktion  in 
den  Bereich  unserer  Versuche  gezogen.  Bekanntlich  ist  diese 
Reaktion  zuerst  in  Deutschland  durch  Wolf  Eisner  und  in 


über  die  v.  Pirqaetsche  kutane  Taberkulinimpfang  etc.         397 

Frankreich  durch  Galmette  bekannt  geworden.  Seitdem  sind 
eine  ganze  Reihe  von  Veröffentlichungen  über  diese  Frage  er- 
schienen. Von  deutschen  Autoren  haben  Franke,  Schubert, 
Lenhartz,  Eppenstein,  Schenck-Seiffert,  Blüm  el- 
Elarus  und  Gitron  die  Angaben  Wolf  Eisners  nach- 
geprüft. 

Unsere  Absicht  ging  wie  bei  der  y.  Pirquet  sehen  Imp- 
fung dahin,  zu  untersuchen,  was  die  Ophthalmoreaktion  in 
diagnostischer  und  therapeutischer  Hinsicht  zu  leisten  vermöge. 
Zu  unseren  Impfungen  bedienten  wir  uns  einer  l^o?  ^Vo  ^^^ 
4%  Lösung  von  Alttuberkulin  in  3%  sterilem  Borwasser.  Ge- 
impft wurde  in  2 — Stägigen  Zwischenräumen  und  zwar  so, 
daß  wir  zuerst  die  l^o  Lösung  benutzten.  Trat  daraufhin 
keine  Reaktion  ein,  dann  brauchten  wir  die  2%  Lösung  und 
erst,  wenn  diese  ebenfalls  kein  Resultat  ergab,  die  4%.  Zu 
therapeutischen  Zwecken  bedienten  wir  uns  nur  der  1%  Lösung. 

Zur  Zeit  können  wir  noch  kein  abschließendes  Urteil  über 
die  Reaktion  geben ;  dafür  ist  die  Zahl  unserer  Fälle  noch 
zu  klein. 

Der  Ophthalmoreaktion  haben  wir  bis  jetzt  neun  Fälle 
unterworfen.  Alle  litten  an  Lupus.  Von  diesen  9  Fällen  hatten 
nur  5  eine  Reaktion  (4  nach  Einträufelung  einer  l^oi  1  i^&<^h 
Benützung  einer  27o  Lösung),  die  übrigen  4  reagierten  nicht 
nach  Einträufelung  einer  1%  Lösung.  Es  werden  deshalb  bei 
ihnen  in  nächster  Zeit  die  stärkeren  Lösungen  in  Anwendung 
gebracht  werden. 

Auffallend  war  es  uns,  daß  die  Patientinnen  L  V.  und  H.  E., 
die  beide  einen  ausgedehnten  Lupus  hatten  und  auf  die  kutane 
Impfung  immer  sehr  stark  reagierten,  auf  die  1%  Lösung  nur 
eine  sehr  schwache  Ophthalmoreaktion  zeigten.  In  den  posi- 
tiven Fällen  trat  die  Reaktion  meist  nach  3  bis  12  Stunden 
ein.  Sie  verlief  sehr  milde  und  nur  selten  klagten  die  Patienten 
über  Jucken  und  Brennen.  Der  kliniscüe  Befund  entsprach 
diesen  geringen  subjektiven  Beschwerden.  Unter  den  5  posi- 
tiven Fällen  sehen  wir  4mal  das  sogenannte  erste  Stadium 
(Citren),  nämlich  Rötung  der  Gonjunctiva  palpebrarum  und 
der  Earunkel  und  Imal  eine  Mitbeteib'gung  der  Gonjunctiva 
bulbi,  also  das  zweite  Stadium. 


398  König. 

Über  die  therapeutische  Wirkung  wiederholter  Reaktion 
läßt  sich  Yorderhand  noch  nichts  sagen.  Immerhin  hat  es  den 
Anschein,  als  ob  der  Conjunctivallupus  sich  unter  dieser  Art 
der  Behandlung  besserte. 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  gestattet,  meinem  hochverehrten 
Chef,  Herrn  Geheimrat  Prof.  Dr.  Doutrelepont,  meinen 
herzlichsten  Dank  für  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  und  die 
vielfache  Unterstützung  zu  sagen. 


Literatur. 

1.  Y.  Pirquet.  Die  Allergieprobe  sur  Diagnose  der  Tuberkulose 
im  Kindesalter.  Wiener  med.  Wochenschr.  Nr.  28.  1907. 

2.  Doutrelepont.  Über  die  P i r q n e t sehe  Reaktion  und  die 
Ophthalmoreaktion.  Sitsnngtbericht  der  Niederrheinisohen  Gesellschaft  für 
Natur-  und  Heilkunde  su  Bonn.  18.  November  1907. 

3.  Bandler  u.  Ereibich.  Erfahrungen  über  kutane  Tuberkulin- 
impfungen  bei  Erwachsenen.  Deutsche  med.  Woch.  Nr.  40.  1907. 

4.  Nagelsohmidt.  Zur  Diagnose  und  Therapie  tuberkulöser 
Hautaffektionen.  Deutsche  med.  Woch.  Nr.  40.  1907. 

5.  Moro  und  Doganoff.  Zur  Pathogenese  gewisser  Intugement- 
yeränderungen  bei  Skrofulöse.  Wiener  klin.  Woch.  Nr.  81.  1907. 

6.  Citren.  Über  Tuberkuloseantikörper  und  das  Wesen  der  Tnber- 
kulinreaktion.  Berliner  klin.  Woch.  Nr.  36.  1907. 

7.  Elingmüller.  Zur  Wirkung  abgetöteter  Tuberkelbazillen  und 
der  Toxine  Yon  Tuberkelbazillen.  Berliner  klin.  Woch.  Nr.  34.  1903. 

8.  Jadassohn.  Über  infektiöse  und  toxische  hämatogene  Derma- 
tosen. Berliner  klin.  Woch.  Nr.  37  n.  88.  1904. 

9.  Grouyen.  Die  Röntgentherapie  bei  Lupus  und  Skrophuloderm. 
Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Röntgenstrahlen. 


Aus  der  temporären  Abteilting  far  venerische  Zrankheiten  am 
klinisohen  MilitSrhoBpital  —  St.  Petersburg. 


Beitrag  zur  Frage  von  der  Thyreoiditis 

jodica  acuta/^ 


Von 

Dr.  M.  P.  Gundorow. 


Es  ist  eine  klinisch  feststehende,  keinem  Zweifel  unter* 
liegende  Tatsache,  dab  die  Schilddrüse  nach  den  diesbezügli- 
chen Mitteilungen  unter  dem  Einfluß  der  Jodbehandlung  in 
Form  einer  akuten  Entzündung  erkranken  kann.  Obgleich  bis 
jetzt  noch  nicht  zahlreich,  stimmen  doch  die  Beobachtungen 
dieser  Erkrankung  in  ihren  Einzelheiten  so  überein,  daß  man 
das  volle  Recht  hat  sie  als  Bindeglied  in  die  Kette  der  unter 
der  AlIgemeinbenennuDg  „ Jodismus*  zusammengefaßten  Krank- 
heitserscheinungen einzuschalten ;  wir  gehen  sogar  weiter,  indem 
wir  mit  einer  gewissen  Begründung  in  Anbetracht  des  eigen- 
tümlichen klinischen  Bildes  die  Thyreoiditis  als  eine  selbstiln* 
dige  Krankheitsform  ausscheiden  und  als  eine  Erkrankung  sui 
generis  betrachten. 

Wenn  man  von  dem  von  Briquet*)  zitierten  Fall  Ma- 
r  Ott  es  absieht,  stammt  die  erste  Beschreibung  der  Thyreoi- 
ditis   acuta    von  Sellei.*)    Im    darauf   folgenden  Jahre   hat 


^)  Mitgeteilt  am  29.  September  1907  in  der  rassischen  syphilidolo- 
g^schen  und  dermatologischen  Oesellschaft. 

')  ßriquet,  „De  Piodisme,  Varietes,  Ätiologie  et  traitement*'.  La 
Semaine  medic.  1896,  pag.  187. 

*)  Seilei,  „Über  einen  Fall  von  Thyreoiditis  acata  nach  Gebranch 
von  Jodkali*".    Dieses  Archiv  1902,  Bd.  LXII,  pag.  116. 


400  Gundorow. 

S'sergejew^)  in  sehr  kurzen  Zügen  einen  ganz  ähnlichen 
Fall  beschrieben.  In  letzter  Zeit  sind  über  diese  Frage  in  der 
Literatur  fast  gleichzeitig  die  Mitteilungen  von  Csillag')  und 
des  Verfassers')  dieser  Abhandlung  erschienen. 

Endlich  hat  Lablinski^)  voriges  Jahr  seine  Beobachtung 
ähnlicher  Art  veröffentlicht. 

Bei  einer  Zusammenstellung  sämtlicher  beschriebenen 
Fälle  können  wir  nicht  umhin  zu  sagen,  daß  die  sich  beim 
Gebrauch  von  Jodpräparaten  entwickelnde  Thyreoiditis  sozu- 
sagen ihre  bestimmte  klinische  Physiognomie  hat.  Sie  yerläuft 
gewöhnlich  akut  —  setzt  schnell  nach  Jodverordnung  ein  und 
verschwindet  schnell  und  spurlos  (ungefähr  im  Laufe  einer 
Woche)  nach  Aussetzung  der  Behandlung.  Wie  aus  den  Be- 
obachtungen hervorgeht,  tritt  nach  wiederholter  Jodpräparate- 
darreichung die  Thyreoiditis  jodica  acuta  auch  bei  Benutzimg 
kleinerer  Dosen  als  früher  schneller  ein.  Die  Entwicklung  geht 
manchmal  mit  Fieber  einher  —  T.  steigt  bis  39®  (wie  in  den 
Fällen  Seil  ei  und  S  Sergej  ew),  mitunter  verläuft  der  ganze 
Prozeß  fieberlos  (der  Fall  Csillag,  zwei  eigene  Beobachtungen 
und  der  Fall  Lublinski).  Die  Schwellung  der  Drüse  ist  eine 
gleichmäßige  und  nimmt  sämtliche  Teile  des  Organs  ein; 
manchmal  faUen  die  Konturen  der  vergrößerten  Drüse  dem 
Beobachter  auf  —  die  Drüse  macht  dann  den  Eindruck  eines 
Halsbands  oder  manchmal  sogar  eines  Kropfes ;  die  Konsistenz 
der  Drüse  ist  niäßig,  hart,  teigartig;  Haut  und  Schleimhäute 
ohne  besondere  Veränderung.  In  einigen  Fällen  (z.  B.  in  den 
Fällen  Seilei,  Ssergejew,  Lublinski)  klagen  Patienten 
über  Schmerz  bei  Palpation  der  Drüse,  in  andern  Fällen  wie- 
derum (Fall  Gsillag  und  mein  erster  Fall)  ist  die  Drüse  ab- 
solut indolent. 


^)  Ssergejew,  „Zur  Easuistik  des  JodisniQS.  Thyreoiditis  acuta." 
EazanscheB  Med.  Journ.  1908,  Bd.  III,  pag.  438  (russisch). 

')  Gsillag,  „Akute  Schwellung  der  Thyreoidea  auf  Jodkali. " 
Wien.  med.  Wochenschr.  1905,  Nr.  83,  pag.  1627. 

')  Gundorow,  »Zur  Frage  des  Jodismus*^.  Arch.  f.  Dermatologie, 
1905,  Bd.  LXXVII,  H.  11. 

*)  Lublinski,  „Jodismus  acutus  und  Thyreoiditis  acuta*.  Deutsch, 
med.  Woch.  1906,  Nr.  8,  pag.  804. 


Beitrag  zar  Frage  von  der  Thyreoiditis  jodica  acuta.  401 

Von  subjektiTen  Symptomen  müssen  bei  der  Thyreoiditis 
auch  Schlackbeschwerden  (Seilei,  Ssergijew^  Gsillag)und 
sogar  Atembeschwerden  (Gsillag)  erwähnt  werden;  indessen 
werden  letztere  Erscheinungen  nicht  immer  beobachtet;  mit- 
unter besteht  eine  leichte  Schmerzhaftigkeit  bei  seitlichen 
Kopfbewegungen  und  beim  Zurückwerfen  des  Kopfes,  wie 
Lublinski  es  beobachtet  hat. 

Wie  aus  den  bisher  beobachteten  Fällen  klar  hervorgeht, 
fehlen  außer  einem  leichten  Schnupfen  die  andern  Erscheinungen 
des  Jodismus  gewöhnlich  ganz.  Das  Allgemeinbefinden  des 
Patienten  ist  in  keiner  Weise  gestört.  Puls,  Atmung,  Papillen 
normal.  Der  Pupillenzustand  läßt  sich  meiner  Meinung  nach 
dadurch  erklären,  daß  die  Vergrößerung  der  Drüse  in  sämt- 
lichen bisher  beschriebenen  Fällen  nicht  den  Grad  erreichte, 
um  einen  mehr  weniger  bedeutenden  Druck  auf  die  Atmungs- 
organe oder  die  Blutgefäße  der  Halsgegend  ausüben  zu  können, 
da  in  diesen  Fällen  die  Jodbehandlung  bald  nach  Eintritt  der 
Thyreoiditis  ausgesetzt  wurde.  Es  ist  möglich,  daß  bei  länger 
fortdauernder  Jodbehandlung  die  Vergrößerung  der  Drüse 
progressiv  zugenommen,  endlich  einen  solchen  Grad  erreicht 
hätte,  daß  vielleicht  durch  den  Druck  auf  die  vordere  und 
seitlichen  Halsgebiete  Atmung  und  Puls  derartig  beeinflußt 
wären,  wie  man  es  bei  Struma,  Morbus  Basedowii  und  der 
unter  deutschen  Autoren  unter  der  Benennung  Jod-Basedow 
bekannten  Form  des  konstitutionellen  Jodismus  beobachtet. 
Was  die  Differentialdiagnose  der  Thyreoiditis  von  den  andern 
Erkrankungen  der  gl.  thyreoidea  anbetrifft,  so  müssen  haupt- 
sächlich die  drei  eben  genannten  Erkrankungen  im  Auge  be- 
halten werden:  Struma,  Morbus  Basedowii  und  der  soge- 
nannte Jod-Basedow.  Von  dem  Struma  unterscheidet  sich 
die  Thyreoiditis  jodica  acuta  durch  den  Charakter  seiner  Ent- 
wicklung und  seines  Verlaufs :  während  der  Kropf  sich  langsam 
entwickelt,  erscheint  letztere  schnell  nach  Verordnung  von 
Jodpräparaten  und  schwindet  die  Drüsenschwellung  spurlos 
ohne  jegliche  Behandlung  nach  einigen  Tagen  bei  Aussetzung 
der  Arznei. 

Dieses  können  wir  nie  beim  Kropf  beobachten.  Der  Unter- 
schied   zwischen    Thyreoiditis    und    Morbus    Basedowii     liegt 

Areh.  f.  Demuit  n.  Byph.  Bd.  LXXXIX.  26 


402  Onndorow. 

im  Fehlen  der  beiden  Kardinalsymptome  des  letzteren:  Be- 
schleuniguDg  des  Pulses  und  Exophthalmus  und  dem  Ausfallen 
des  sogenannten  Graefe'schen  Symptoms. 

Viel  schwieriger  ist  es,  die  Thyreoiditis  von  jener  Form 
des  konstitutionellen  Jodismus  zu  unterscheiden,  welche  den 
Namen  Jod-Basedow  trägt  und  eine  äußerst  interessante  und 
eigenartige  Form  des  Jodismus  bildet. 

In  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  beobach- 
teten  Goindet,  Gautier,  Rilliet  und  andere,  namentlich 
schweizerische  Ärzte,  daß  in  den  Gegenden,  wo  der  Kropf 
endemisch  ist,  eine  minimale  Jodverordnung,  sogar  die  äußer- 
liche Anwendung  desselben,  ein  besonderes  Krankheitsbild  her- 
vorrufen kann,  das,  ohne  die  spezifischen  Symptome  des  Jodismus 
zu  haben,  hauptsächlich  aus  nervösen  Symptomen  besteht: 
allmähliches  Abmagern,  Kräfteverfall>  erhöhte  Erregbarkeit  des 
Nervensystems,  Schlaflosigkeit,  Tremor,  Herzklopfen,  Appetits- 
verlust mit  starkem  Hunger  abwechselnd,  Kurzatmigkeit  —  mit 
einem  Worte  sich  durch  einen  Zustand  manifestiert,  der  bis  zu 
einem  gewissen  Grade  an  die  Cachexia  strumipriva  erinnert; 
anderseits  können  die  Jodpräparate  auch  die  Symptome  von 
Morbus  Basedowii  mit  Kropf,  Graefeschem  Symptom, 
Exophthalmus  hervorruten.  Die  erstere  Form  nennen  sie  Thy- 
reoidismus  oder  Jodthyreoidismus  (konstitutioneller  Jodismus), 
die  zweite  Jod-Basedow. 

Breuer')  beobachtete,  daß  bei  alten  Leuten  eine  mehr 
gleichartige,  ohne  sekundäre  Drüsenschwellung  einhergehende, 
weniger  hartnäckige  Form,  bei  jungen  Leuten  hingegen  ein 
mehr  stabiles,  in  seineu  Symptomen  äußerst  mannigfiEdtiges,  mit 
sekundärer  Drüsenschwellung  verbundenes  Bild  des  Jod-Ba- 
sedow sich  entwickelt,  dessen  Symptome  nach  Aussetzung  von 
Jod  öfters  bloß  schwächer  werden,  aber  nicht  vollständig 
schwinden.  Wir  ersehen  daraus,  daß  die  Thyreoiditis  jodica 
acuta  dem  sogenannten  Jod-Basedow  am  nächsten  steht,  ja 
es  könnte  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  sie  nicht  einfach 
sozusagen  eine  Abortivform  des  Jod-Basedow  darstellt? 
Indessen  läßt  uns   der  klinische  Verlauf  beider  Formen  diese 

^)  Breuer,  „Beitrag  zur  Ätiologie  der  Basedowschen  Krankheit 
and  des  Thyreoidismns'.    Wien.  klin.  Woch.  1900,   Nr  S8— 29,  pag.  641. 


Beitrag  zur  Frage  yon  der  Thyreoiditis  jodioa  acuta.  403 

beiden   Leiden   auseinanderhalten   und    die  Thyreoiditis  jodica 
acuta  als  einen  besonderen  Erankheitstypus  ausscheiden. 

Während  der  Jod-Basedow  besonders  in  den  Gegenden, 
wo  der  Kropf  endemisch  vorkommt,  beobachtet  wird,  ist  die 
Thyreoiditis,  wie  es  ans  den  veröffentlichten  Mitteilungen  er- 
sichtlich ist,  nicht  an  einen  bestimmten  Ort  gebunden  und 
tritt  dort  auf,  wo  der  Kropf  bei  den  Einwohnern  ausnahms- 
weise vorkommt;  der  Entwicklung  des  Jod-Basedow  geht 
ein  ganzer  Komplex  nervöser  Erscheinungen  yorbery  die  sich 
oft  lange  vor  der  Vergrößerung  der  Drüse  (welche  späterhin 
auftritt)  manifestieren;  bei  der  Thyreoiditis  tritt  im  Gegenteil 
in  erster  Linie  ohne  irgendwelche  vorhergehende  Symptome 
eine  Dräsenschwellung  auf,  wobei  auch  nach  Anschwellung  der 
Drüse  gar  keine  andern  Krankheitserscheinungen  beobachtet 
werden,  um  so  mehr  solche,  deren  Bild  irgendwie  die  Basedow- 
sche Krankheit  erinnern  könnten.  Zum  Schluß  möchte  ich  mir 
noch  erlauben,  auf  ein  kardinales  differentiell-diagnostisches 
Symptom  des  klinischen  Verlaufs  des  Jod-Basedow  und  der 
Thyreoiditis  hinzuweisen-,  letztere  Erkrankung  sistiert,  wie  uns 
bekannt  ist,  sehr  schnell  nach  Aussetzung  der  Jodpräparate, 
während  der  Jod -Basedow  noch  monatelang  nach  Aufhebung 
der  Jodtherapie  fortdauern  kann.  Schließlich  möchte  ich  der 
Vollständigkeit  der  differentiellen  Diagnostik  wegen  noch  der 
syphilitischen  Drüsenschwellung,  der  sogenannten  Struma  syphi- 
litica, Erwähnung  tun.  Wie  aus  den  Untersuchungen  von 
Engel-Reimers,*)  Timofejeff,*)  Poltavzelf)  u.  a.  her- 
vorgeht, kommt  die  Vergrößerung  der  Schilddrüse  bei  der 
Syphilis  im  Anfangsstadium  der  Infektion  vor  und  ist  der  Zeit 
ihrer  Entstehung  nach  gewissermaßen  den  Veränderungen  der 
Lymphdrüsen  analog;  trotz  spezifischer  Behandlung  besteht 
diese  Veränderung  lange  Zeit  fort  und  kommt  die  Drüse 
langsam    zur  Norm   zurück;    es  hat  folglich  der  Prozeß  einen 


1)  Neamann,  „Syphilis«'.  1899,  pag.  766. 

')  Timofejeff.  Militair  med.  Joum.  1896  (rusBisch). 

')  Poltawzeff,  „Veränderungen  der  gl.  thyreoidea  bei  Syphiliti- 
kern im  Verlaufe  d.  zweiten  Inkabation  und  in  d.  Periode  d.  Exantheme**. 
Rassisches  Joum.  f.  Haut-  und  venerische  Krankheiten,  1901,  Januar, 
pag.  85. 

26* 


404  Gandorow. . 

mehr  chronischen  als  akuten  Charakter;  außerdem  erreicht 
die  Drüsenyergrößerung  bei  der  Syphilis  sehr  selten  derartige 
Dimensionen,  daß  sie  nicht  allein  dem  Arzte  auffallt,  sondern 
auch  die  Aufmerksamkeit  des  Patienten  auf  sich  lenkt;  endlich 
tritt  die  syphilitische  Thyreoiditis  häufig  bei  Personen  auf,  die 
überhaupt  nie  Jod  eingenommen  haben. 

In  sämtlichen  ohne  Ausnahme  bis  jetzt  beschriebenen 
Fällen  wurde  die  Entstehung  der  Thyreoiditis  jodica  nach 
Jodkaliverordnung  bei  Individuen  beobachtet,  die  zur  Zeit  der 
Behandlung  entweder  luetische  Symptome  oder  Syphilis  in  der 
Anamnese  hatten. 

Der  von  uns  beobachtete  zweite  Fall  Yon  Thyreoiditis, 
zu  dessen  Darstellung  wir  sofort  übergehen  werden,  hat  inso- 
fern ein  besonderes  Interesse,  als  weder  die  Anamnese  noch 
die  sorgfältige  Untersuchung  und  Beobachtung  des  Patienten 
irgendwelche  Hinweise  oder  sogar  Andeutungen  auf  das  Vor- 
handensein einer  hereditären  oder  akquirierten  Syphilis  ergaben. 

Historia  «orbi. 

AnamneBe.  Fat.  Seh.,  Soldat  eines  Garde- Infanterieregiments, 
26  Jahre  alt,  wurde  auf  die  Abteilung  mit  der  Diagnose  Urethritis  chronica 
am  26.  Juli  1906  aufgenommen;  Pat.  will  Anfang  September  1905  3 Tage 
post  coitum  erkrankt  sein.  Die  Erkrankung  manifestierte  sieh  unter 
Symptomen  einer  akuten  Urethritis.  Schmerzen  beim  Urinieren  im  Harn- 
kanal,  eitriger  Ausfluß,  häufiger  Mictus  usw.  6  Tage  lang  ließ  sich  Pat 
vom  Feldseher  behandeln,  trat  darauf  ins  SemenoffscheMilitArhospital 
ein,  Yon  wo  seine  Überf&hrung  in  die  Abteilung  am  klinischen  Militär» 
hospital  stattfand.  Pat.  stammt  aus  einer  durchaus  gesunden  Familie, 
will  früher  nie  krank  gewesen  sein,  auch  nie  an  den  Genitalien  irgend 
ein  Ulcus  oder  selbst  eine  Rhagade  bemerkt  haben.  Recht  starker  Potator 
(Schnaps). 

Statis  praoseiis. 

Pat.  von  sehr  hohem  Eörperwuohs,  athletischem  Körperbau,  aus- 
gezeichnetem Ernährungszustande ;  Haut,  sichtbare  Schleimhäute,  Lymph- 
drüsen normal,  Knochen-  und  Muskelsystem  regelmäßig  und  ausgezeichnet 
entwickelt,  innere  Organe  und  Sinnesorgane  ohne  Veränderungen ;  Funk- 
tionen des  Magendarm  traktus  normal.  Des  Morgens  tritt  aus  der  Mündung 
der  Harnröhre  ein  schleimiger  Tropfen  hervor,  auch  kommt  Verklebung 
der  Labien  der  Harnröhrenmündong  vor;  bei  der  DefiUcation  treten  2 — 8 
Schleimtropfen  auf;  beide  Portionen  des  Morgenhams  sind  trübe;  in  der 
ersten  ein  schleimig  eitriges  Sediment,  in  der  zweiten  ein  nicht  großes 
Sediment  in  Form  einzelner  kleiner  Ballen;    Mictus  frequent  —  uriniert 


1 


Beitrag  zur  Frage  von  der  Thyreoiditis  jodica  acuta.  405 

in  der  Naoht  oa.  8  mal.  Prostata  bodeatend  vergrößert,  Seitenlappen  sehr 
derb,  Ränder  ragen  in  Form  harter  Wälle  hervor;  Mittellappen  verhältnis- 
mäßig weich,  dem  dnrch  den  Finger  aasgeübten  Druck  leicht  nachgebend. 
Nach  der  im  allgemeinen  recht  schmershaflen  Prostatamassage  treten 
aus  dem  Hamkanal  einige  weißliche,  schleimige  Tropfen  hervor;  nach 
der  Massage  ist  der  Harn  trübe,  enthält  viele  lange,  dicke,  gleichsam 
fimbrienartige  Klümpchen  und  Bänder,  größere  Ballen,  von  denen  einige 
die  Form  von  Sagokömem  haben.  Bei  der  endoskopischen  Untersuchung 
erweist  sich  die  Urethra  stark  injiziert,  auf  bedeutender  Ausdehnung 
gequollen,  stellenweise  verdickt.  In  dem  nach  der  Majsage  auf  dem 
Objektträger  aufgefangenen  Prostatasekret  lassen  sich  nach  der  Färbung 
Plattenepithelien,  Fiterzellen  in  ["großer  Anzahl  mit  charakteristisch  in 
ihnen  gelagerten  Gonokokken  nachweisen.  Von  den  subjektiven  Symp- 
tomen mußten  bei  unserem  Pat.  außer  häufigem  Mictus,  frequente,  nament- 
lich nächtliche  Erektionen  vermerkt  werden. 

£s  wurde  verordnet :  Kali  bromat.  80 :  180*0  2  mal  täglich  1  Eß- 
löffel und  Natrum  salicylicum  in  Pulvern  4  mal  täglich  ä  0  5,  Iigektion 
von  Zincum  sulfocarbolicum  0*5 :  200*0,  Cocainum  mur.  0*8,  Glycerinum  10*0,^) 
Zäpfchen:  Extr.  belladonnae  0*015,  Butyri  Gacao  q.  s.  D.  S:  1  Zäpfchen 
nach  dem  Stuhlgang. 

3./yiI.  Massage.  Guyonsche  Instillation  von  ViVo  Solut.  argen t. 
nitrici  in  den  vorderen  und  hinteren  Teil  der  Harnröhre. 

26./VIII.  Der  Morgentropfen  aus  der  Urethra  ist  kleiner  und  flüssiger ; 
der  Morgenham  ist  klarer;  Zäpfchen  ausgesetzt.  Es  werden  Klysmen  mit 
3Vo  Ichthyollösung  verordnet. 

12./IX.  Klysmen  mit 67«  lohthyollösung.  Guyonsche  Instillationen. 

9./XI.  Es  werden  Zäpfchen  folgender  Zusammensetzung  verordnet: 
Jodi  pari  0*01,  Kali  jodati  0*8,  extr.  belladonnae  0*01,  Butyri  Gacao  2*0, 
2  Zäpfchen  täglich. 

12./XI.  Pat.  klagt  über  Schmerzen  bei  seitlichen  Kopfbewegungen 
und  beim  Zurückwerfen  des  Kopfes.  Unbedeutende  Schlingbeschwerden. 
Bei  Inspektion  der  Mundhöhle  und  des  Pharynx  kein  anormaler  Befund. 
Schilddrüse  vergrößert,  Konturen  in  Form  eines  kleinen  runden  Walls 
deutlich  hervortretend;  das  Organ  selbst  von  teigiger  Konsistenz;  Pal- 
pation und  Druck  ruft  geringen  Schmerz  hervor.  Temperatur  normal. 
Im  Harn   deutliche  Jodreaktion,    im  Speichel   wird  kein  Jod  gefunden.*} 


')  Wir  werden  hier  nicht  den  ganzen  Kranken  verlauf  darstellen  und 
ausführlich  die  Behandlungsmethoden  besprechen,  da  dieses  zu  der  uns 
interessierenden  Fragte  keine  direkte  Beziehung  bat,  sondern  nur  die- 
jenigen Daten  aus  dem  Krankenbogen  anführen,  welche  sich  unmittelbar 
auf  die  Läsion  der  Schilddrüse  beziehen. 

*)  Die  Jodreaktion  wurde  jedesmal  nach  2  Methoden  ausgeführt: 
mittels  Stärke  und  rauchender  Salpetersäure  und  mittels  Chloroform  und 
aoid.  nitr.  fumans. 


406  Gnneorow. 

Zäpfchen  werden  ausgesetzt;  aaf  die  Halsregion  werden  compreases 
ecfaanffantes  appliziert. 

18./XI.  Schmerzen  beim  Schlingen  and  Bewegen  des  Kopfes  geringer. 

14./XI.  Keine  Schmerzen.  Die  Dimensionen  der  Drüse  haben  abge- 
nommen. Im  Speichel  and  Harn  kein  Jod  enthalten. 

17./XI.  Dröse  normal. 

24./XI.  Es  werden  Z&pfchen  nach  dem  vorigen  Rezept  verordnet. 
Das  erste  Z&pfchen  wnrde  am  11  Uhr  abends  eingeführt 

25./XI.  Um  10  Uhr  morgens  dentliche  Jodreaktion,  im  Speichel 
konnte  auch  nach  wiederholter  Untersuchung  kein  Jod  nachgewiesen 
werden.  Temperatur  normal.  Halsumfang  in  Drusenhöhe  >»  43  cm, 

26./XI.  Pat.  klagt  über  Schmerzhaftigkeit  bei  Palpation  der  Schild- 
drüse, bei  Zurückwerfen  des  Kopfes  und  bei  seitlichen  Kopfbewegongen. 
Temperatur  normal;  im  Harn  charakteristische  Jodreaktion,  im  Speichel 
kein  Jod  enthalten. 

28./XI.  Temperatur  normal;  Schilddrüse  sichtbar  geschwellt,  Kon- 
turen scharf  markiert. 

l./XII.  Temperatur  normal.  Schilddrüse  mehr  geschwollen.  Schmerz- 
haftigkeit beim  Wenden  des  Kopfes  nach  verschiedenen  Seiten,  Unbe- 
quemlichkeit beim  Schlucken,  Jodreaktion  im  Harn  positiv,  im  Speichel 
negativ.  Am  Morgen  war  ein  Zäpfchen  eingeführt  worden.  Zäpfchen 
ausgesetzt. 

2./XII.  Im  Harn  Jodreaktion,  doch  ist  dieselbe  weniger  intensiv  als 
früher.  Klagt  über  geringen  Schnupfen. 

3./XII.  Konturen  der  Drüse  kleiner.  Bei  der  Prüfung  auf  Jod  im 
Harn  und  Speichel  negative  Reaktion. 

4./XII.  Das  Kehren  des  Kopfes  verursacht  keinen  Schmerz. 

5./XII.  Umfang  der  Drüse  kleiner. 

7./XII.  Drüse  zur  Norm  zurückgekehrt,  kein  Schnupfen,  Pat.  hat 
keinerlei  unangenehme  subjektive  Empfiodungen. 

lO./XIl.  Dem  Pat.  wird  verordnet :  Kali  jodati  60 :  180*0,  Smal 
täglich  1  Eßlöfifel.  Mach  der  Einnahme  des  ersten  Löffels  eine  Vi  Stunde 
nach  einem  leichten  Frühstück  (Tee  mit  Weißbrot)  tritt  die  Jodreaktion 
im  Speichel  nach  8  Min.,  im  Harn  nach  80  Min.  auf,  Halsamüing  auf 
der  Höhe  der  Schilddrüse  42  cm. 

1  l./XII.  Pat.  bekommt  leichten  Schnupfen.  Heute  kein  KJ.  ein- 
genommen. 

12./XU.  Im  Speichel  und  Harn  keine  JodreaktioiL  1  Stunde  nach 
dem  Morgentee  nahm  Pat.  einen  Eßlöffel  KJ.  (6-0: 180K)).  Nach  8  Mio. 
ist  die  Jodreaktion  im  Speichel  schwach,  nach  11  Min.  scharf;  im  Harn 
tritt  die  Reaktion  nach  20  Min.  ein.  Im  Laufe  des  Tages  8  Eßlöffel  KJ. 
eingenommen. 

13./XII.  Schnupfen  stärker;  im  Speichel  und  Harn  deutliche  Jod- 
reaktion. Die  Drüsenkontoren,  namentlich  auf  den  seitlichen  Tracheal- 
oberflächen,   deutlich  gezeichnet,    die  Drüse  tritt  wallförmig  hervor,    bei 


Beitrag  zur  Frage  von  der  Thyreoiditis  jodica  acuta.  407 

Druck  auf  den  Isthmus  geringe  Sohmerzhafbigkeit.  Halsumfang  43  Vi  ^m. 
Temperatur  normal.    Die  Jodkalidoseu  werden  iortgesetzt. 

15./X1I.  Es  trat  kleiner  trockener  Husten  auf.  Bei  Perkussion  und 
Auskultation  in  den  Lungen  wird  nichts  Anormales  gefunden.  3  Löfifel 
EJ.  eingenommen. 

16./XII.  Im  Harn  und  Speichel  deutliche  Jodreaktion,  Schmerz- 
haitigkeit  bei  leichtem  Druck  auf  den  Mittelteil  der  Drüse.  Husten  und 
Schnupfen  in  statu  quo.  Die  KJ.-Therapie  wird  fortgesetzt. 

18./XII.  ürinmenge  1800  eo,  sp.  G.  1016,  Reaktion  des  Harns  sauer, 
kein  Albumen;  im  Urin  und  Speichel  deutliche  Jodreaktion.  Die  Drnsen- 
schwellung  hat  zugenommen,  ihre  Konturen  sind  noch  schärfer  gezeichnet. 
Halsumfang  44  em.  Es  wird  eineEJ.-LöBungSO :  180-0,  3  Eßlöffel  täglich 
verordnet. 

19./XIL  Urinmenge  1280  ee,  sp.  6. 1018,  Reaktion  sauer.  Sehr  inten- 
sive Jodreaktion  im  Harn  und  Speichel.  Halsumfang  44  em,  Pat.  empfindet 
bei  seitlichen  Kopfbewegungen  und  beim  Zurückwerfen  des  Kopfes  eine 
geringe  Sohmerzhaftigkeit,  auch  wird  bei  Palpation  der  Drüse  ein  kleiner 
Schmerz  ausgelöst  KJ.  ausgesetzt.  Temperatur  normal. 

20./XIL  Die  Jodreaktion  im  Speichel  und  Harn  ist  sehr  deutlich; 
Halsumfang  48  Va  ^^>  ini  übrigen  keine  Veränderungen. 

21./XII.  Im  Speichel  und  Harn  kein  Jod  nachweisbar.  Halsumfang 
43  Vi  ^^^  Schnupfen,  Husten  geringer.  Bei  Kopfbewegungen  und  Palpation 
der  Drüse  werden  fast  gar  keine  Schmerzen  empfunden. 

24./X1I.  Halsumfang  48  cm.  Kein  Schnupfen,  kein  Husten.  Drüsen- 
konturen sind  kleiner,  keine  Schmerzempfindungen.' 

27./XII.  Halsumfang  42)Vs  cm,  es  werden  am  Pat.  gar  keine  Er- 
scheinungen beobachtet 

29./Xn.  Halsumfang  42  em. 

Wir  beschlossen,  auBer  dem  KJ.  an  unserm  Pat.  auch 
den  Einfluß  der  neuesten  Jodpräparate  wie  z.  B.  des  Jodipins 
und  Sajodins  auf  die  Schilddrüse  zu  untersuchen,  da  diese 
Präparate  nach  der  Versicherang  vieler  Autoren  vom  Organismus 
ausgezeichnet  vertragen  werden  und  keine  Jodismuserscheinungen 
hervorrufen  sollen. 

Die  Beobachtungen  über  das  Sajodin  waren  um  so  mehr 
interessant,  als  dieses  Präparat  nach  der  Mitteilung  Cr  am  er  s') 
von  einer  Pat  mit  SchweUung  der  Schilddrüse  gut  vertragen 
wurde.  Wir  verordneten  unserm  Pat.  Sigodin  in  Tablettenform 
Bayer  ä  0*5  in  jeder  Tablette. 

18/1.  1907.  Halsumfang  42  em;  um  11  Uhr  Morgens  nach  einem 
Frühstück    erhielt  Pat.  eine   Tablette    Si^'odin   k  0-5.    1  Stunde  16  Min. 


^)  Zeitschrift  für  Krankenpflege  1906,  Nr.  7    (therap.  Mitteilungen 
von  Bayer  Nr.  6,  1906). 


1 


408  Gundorow. 

sp&ter,  am  Abend  und  am  nächsten  Moi^en  wurde  weder  im  Speiohel 
noch  im  Harn  Jod  gefanden. 

19/1.  Um  10  Uhr  55  Kin.  Morgens  erhielt  Fat.  0*5  Sajodin,  am 
12  ühr  10  Min.  die  s weite  and  um  1  Uhr  35  Min.  (naoh  dem  Mittagessen) 
die  dritte  Dosis.  Uro  4  Uhr  25  Min.  Nachmittags,  d.  h.  2  St.  50  Min. 
nach  der  letsten  Einnahme  des  Medikaments  ist  im  Speichel  eine  posi- 
tire  Jodreaktion  bemerkbar,  w&hrend  im  Harn  noch  kein  Jod  nachweisbar 
ist  Nach  5  St.  10  Min.  aach  im  Harn  schwache  Reaktion.^)  Um  7  Uhr 
20  Min.  Abends  im  Harn  m&ßige  Blaufärbung  von  Sterke  und  Salpeter- 
säure, im  Speichel  sehr  deatliche  schwarzblaue  Yerfarbung. 

20/1.  lu  beiden  Morgenportionen  des  Harns  und  im  Speichel  deat- 
liche Jodreaktion.  In  dem  um  11  Uhr  80  Min.  Morgens  gelassenen  Harn 
positive  Jodreaktion.  Halsumfang  48  Vt  *'^'  ^^^  ^^  Laufe  des  Tages  4 
Sajodintabletten  erhalten. 

21./I.  Halsumfang  44  om.  Im  Speichel  und  Harn  deutliche  Jod« 
reaktion.  Die  Drüsenkonturen  treten  deutlich  hervor.  Die  Druse  wölbt 
sich  vom  und  an  den  seitlichen  Halsflächen  wall-  oder  halsl^andformig 
hervor.  Hat  4  Tabletten  Sajodin  eingenommen. 

22./I.  Halsumfang  447s  <'"*•  I™  Harn  und  Speichel  deutliche  Jod- 
reaktion. Klagt  über  geringen  Kopfschmers,  kein  Schnupfen,  Temperatur 
normal.  Die  Anschwellung  der  Schilddrüse  macht  auf  den  ersten  Anblick 
den  Eindruck  eines  kleinen  Kropfes.  Bei  Palpation  des  mittleren  Teils 
der  Drüse  empfindet  Fat.  Schmers;  kleiner  Schmers  beim  Gähnen, 
Zurückwerfen  des  Kopfes  und  beim  Essen ;  die  seitlichen  Wendungen  des 
Kopfes  rufen  nur  ein  Gefühl  des  Unbehagens  hervor.  Sajodin  ausgesetst 

28  ./I.  Haisamfang  44  cm.  Die  Schmershaftigkeit  der  Drüse  hat  ab- 
genommen; im  Speichel  und  Harn  schwache  Jodreaktion. 

24./L  Halsumfang  43  em.  Drüsenkonturen  bedeutend  kleiner  und 
nicht  so  scharf  hervortretend.  Keine  Schmerzen  bei  Palpation.  Im  Speichel 
und  Harn  kein  Jod  nachweisbar. 

25./I.  Keine  Schmerzen  bei  Kopfbewegangen  und  bei  Palpation  der 
Drüse;  Haisamfang  42  em.  Die  Drüse  ist  sur  Norm  zurückgekehrt.  Um 
10  Uhr  10  Min.  Morgens  nahm  Pat.  auf  einmsl  2  Sajodintabletten  ä  0*5 
eine  jede  ein.  Nach  8  St.  ergab  die  Untersuchung  des  Speichels  und  Harns 
eine  negative  Jodreaktion.  8Va  St  (um  1  Uhr  40  Min.  Nachmittags)  nach 
Einnahme  der  Arznei  trat  die  Jodreaktion  im  Speichel  und  nach  8  St. 
86  Min.  (um  1  Uhr  45  Min.  Nachmittags)  auch  im  Harn  auf. 

26./L  Um  11  Uhr  Morgens  im  Speichel  und  Harn  deutliche  Jod- 
reaktiop.  Halsumfang  42V,  em.  Erhielt  im  Laufe  des  Tages  2  Sigodin- 
tabletten. 

27/1.  Halsumfang  48  em.  Empfindet  Unbehaglichkeit  beim  Erheben 
des  Kopfes,  klagt  über  unbedeutende  Schmershaftigkeit  bei  der  Palpation 
der  Drüse.  Hat  den  Tag  über  kein  Sajodin  eingenommen. 


^)  Die  Harn-   und  Speioheluntersuchung  wurde  viertelstündlich  bis 
zur  Konstatierung  der  positiven  Jodreaktion  ausgeführt. 


Beitrag  zur  Frage  von  der  Thyreoiditis  jodica  acata.  409 

28./I*  Im  Speichel  und  Harn  negative  Jodreaktion.  Gar  keine  Emp- 
findungen bei  Kopfbewegungen.  Haisamfang  42Y,  cm, 

1./II.  Haisamfang  42  em.  Die  Drdse  ist  normal.  Im  Speichel  und 
Harn  keine  Jodreaktion.  Nach  dem  Frühstück  am  Morgen  hat  Fat.  einen 
Teelöffel  10%  Jodipin  bekommen.  40  Min.  nach  Einnahme  der  Arznei 
deutliche  Jodreaktion  im  Speichel,  nach  60  Min.  im  Harn. 

2./n.  Fat.  hat  im  Laufe  des  Tages  8  Teelöfel  Jedipin  —  um 
1/^s  Uhr  Nachmittags,  um  7  Uhr  abends  und  um  9  Uhr  Abends  —  er- 
halten. Im  Speichel  und  Harn  deutliche  Jodreaktion. 

3./II.  Im  Laufe  des  Tages  8  Teelöffel  Jodipin  eingenommen.  Hals- 
umfang 48Vt  ^^- 

4./IL  Die  Drüsenkonturen  treten  deutlich  hervor.  Halsumfang  44  cm. 
Klagt  über  heftigen  Kopfschmerz;  Temperatur  normal.  Kein  Schnupfen. 
Deutliche  Jodreaktion  im  Speichel  und  Harn.  F&hrt  fort  taglich  8  Tee- 
löffel Jodipin  einzunehmen. 

5./II.  Klagt  über  heftigen  Kopfschmerz  und  Ohrensausen;  kein 
Schnupfen;  im  Oesicht  (namentlich  an  der  Stirn  und  an  der  Nase),  am 
behaarten  Kopfteil  zerstreute  Eruptionen  you  Acne  jodica.  Die  Drüse 
ist  noch  mehr  geschwollen  und  macht  beim  ersten  Anblick  den  Eindruck 
eines  Kropfes.  Halsumfang  45  em.  Bei  Falpation  des  Mittelappens  der 
Drüse  empfindet  Fat.  bedeutenden  Schmerz;  klagt  über  Schmerzen  beim 
Schlucken  und  Gähnen ;  das  Erheben  des  Kopfes  ist  gleichfalls  schmerz- 
haft; bei  seitlichen  Kopfbewegungen  besteht  keine  Schmerzhaftigkeit, 
doch  wird  dabei  eine  gewisse  Unbequemlichkeit  empfanden.  Im  Harn 
und  Speichel  scharfe  Jodreaktion.  Heute  ist  gar  kein  Jodipin  eingenommen 
worden. 

6./n.  In  dem  am  Morgen  gelassenen  Harn  deutliche  Jodreaktion; 
im  Speichel  wurde  kein  Jod  nachgewiesen.  Halsumfang  44V,  ^'^i  ^®^^ 
Kopfschmerz,  Akneeruption  blasser,  im  übrigen  status  idem. 

7./II.  Umfang  44  em.  Keine  Veränderungen. 

8./1I.  Halsumfang  4dVs  cm.  Im  Morgen-  und  Tagesham  kein  Jod 
nachweisbar ;  Drüsenkonturen  bedeutend  kleiner,  keine  neuen  Akneknoten, 
die  alten  sind  größtenteils  der  Rückbildung  rerfallen;  keine  Schmerzen 
beim  Schlucken,  Gähnen  und  Kopfbewegungen ;  unbedeutende  Empfind- 
lichkeit bei  Druck  aaf  den  Mittellapen  der  Drüse. 

9./II.  Halsumfang  48  cm. 

12./II.  Halsumfang  42  em,  Akne  rerschwanden.  Drüse  normal,  keine 
Schmerzen  bei  der  Falpation;  Fat.  hat  keiuprlei  Beschwerden. 

Wie  aus  der  angefahrten  Krankengeschichte  ersichtlich, 
hatten  wir  in  diesem  Falle  günstigere  Verhältnisse  an  den  Fat.  zu 
beobachten  als  im  ersten  von  uns  beschriebenen  Falle,  wo  Pat. 
nicht  stationär  war,  sondern  sich  nur  ambulatorisch  behandeln 
ließ.  In  diesem  Falle  hatten  wir  die  Möglichkeit  Pat.  tagaus 
tagein   zu  beobachten  und  unsere  Beobachtungen   hinreichend 


410  Oandorow. 

▼oUständig  auszufahren.  Dank  der  bei  unserem  Fat.  stark  aus- 
gesprochenen Empfindlichkeit  für  Jod,  unabhängig  Ton  der  Form, 
in  der  es  yerordnet  wurde,  stellt  er  ein  äußerst  interessantes 
Beobachtungsobjekt  dar.  Diese  äußerst  intensive  Jodidiosyn- 
crasie,  die  sich  in  einer  so  eigenartigen  Form  wie  Thyreo- 
iditis äußert,  ist  um  so  mehr  bemerkenswert,  als  für  ihre  Ent- 
stehung  das  so  wichtige  prädisponierende  Moment,  das  Be- 
stehen der  Syphilis  in  der  (regenwart  oder  in  der  Anamnese, 
nicht  herangezogen  werden  kann. 

Was  das  eigentliche  klinische  Bild  der  Thyreoiditis  in 
diesem  Falle  anbetrifft,  so  unterscheidet  es  sich  im  allgemeinen 
nicht  Yon  dem  von  uns  firäher  beschriebenen  mit  dem  unter- 
schiede bloß,  daß  in  unserem  ersten  Falle  keine  schmerzhaften 
Empfindungen  bei  Palpation  der  Drüse  und  Kopfbewegungen 
bestanden.  Es  wäre  nicht  statthaft  das  Auftreten  der  Thyreoi- 
ditis in  unserem  letzten  Falle  durch  das  Aufhören  oder  durch 
die  Ketention  der  Jodaasscheidung  aus  dem  Organismus  zu 
erklären,  da  die  Jodreaktion  im  Speichel  und  Harn  zu  nor- 
malen Terminen  und  in  scharfer  Weise  auftrat  (mit  Aus- 
nahme des  Ausfalls  der  Jodreaktion  im  Speichel  bei  Ver- 
ordnung Ton  Jodsuppositorien).  Es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
daß  ein  gewisser  Teil  des  Jods  ?on  der  Schilddrüse  den- 
noch absorbiert  wurde  und  mit  den  dieselbe  bildenden  Stoffen 
eine  solide  Verbindung  einging,  um  im  Resultate  das  Bild  der 
Thyreoiditis  zu  geben. 

Was  das  andere  prädisponierende  Moment  in  der  Ent- 
stehung des  Jodismus  überhaupt  und  der  Thyreoiditis  insbeson- 
dere anbetrifft  (worauf  wir  schon  früher  hingewiesen  haben  — 
und  zwar  Emährnngsverfall  auf  der  Orundlage  aufsehrender 
Krankheiten  wie  z.  B.  Tuberkulose,  langandauernder  Malaria, 
chronischer  Störungen  des  Magendarmtractus  etc.),  so  muß  in 
diesem  Falle  auch  dieser  Faktor  als  begünstigende  Bedingung 
für  die  Entstehung  der  Krankheit  ausgeschlossen  werden;  es 
geben  nämlich  weder  der  gegenwärtige  Zustand  des  Pat.  noch 
die  Anamnese  irgendwelche  Anhaltspunkte  für  das  Vorhanden- 
sein irgendwelcher  die  Ernährung  gefährdender  Leiden. 


Beitrag  zur  Frage  Ton  der  Thyreoiditis  jodicL  acata.  411 

Der  Alkoholismns,  der  nach  der  Meinung  von  Strauß 
eine  der  Hauptnrsachen  des  Auftretens  von  Jodismus  ausmacht, 
konnte  in  diesem  Falle  allerdings  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
dank  seinem  Einflüsse  auf  das  Gefäß-  und  Nervensystem  die 
Rolle  eines  für  die  Erkrankung  der  Schilddrüse  prädisponie- 
renden Moments  spielen;  obgleich  unser  Pat.  als  kein  Alkoho- 
liker im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  angesehen  werden 
dürfte,  auch  keine  groben,  der  unmittelbaren  Untersuchung 
zugängliche,  Veränderungen  der  großen  Gefäße  Torlagen,  genoß 
er  fiüher  recht  beträchtliche  Branntweinmengen«  Unser  Fall 
beweist  mehr  als  ein  anderer,  daß  die  Thyreoiditis  jodica  eine 
selbständige,  in  keinem  kausalen  Zusammenhange  mit  der 
Syphilis  stehende  Erkrankung  darstellt;  deshalb  darf  die  Thy- 
reoiditis jodica  nicht,  wie  es  einige  Autoren  (z.  B.W  er  mann)') 
tun,  als  die  sogenannte  Struma  syphilitica  angesehen   werden. 


Auf  Grund  der  in  der  Literatur  bestehenden  Tatsachen 
und  unserer  eigenen  2  Beobachtungen  dürften  wir  in  Bezug 
auf  die  Pathologie  der  Thyreoiditis  jodica  acuta  zu  folgenden 
Schlüssen  kommen: 

1.  Die  Thyreoiditis  jodica  acuta  entwickelt  sich  bei  be- 
sonders Tcranlagten,  für  Jod  äußerst  empfindlichen  Personen 
und  bildet  eine  Erkrankung  sui  generis. 

2.  Nicht  ein  bloßes  Symptom  des  Jodismus  im  strengeren 
Sinne  des  Wortes  ausmachend,  sondern  einen  besonderen  selb- 
ständigen  Symptomenkomplex  darstellend,  enthält  die  Thyreoi- 
ditis in  ihrem  Bilde  bis  auf  einen  leichten  Schnupfen,  der  auch 
einen  rein  reflektorischen  Charakter  haben  kann,  keine  eigent- 
liehen  Jodismuserscheinungen. 

S.  Das  Eintreten  der  Thyreoiditis  hängt  nicht  von  der  Menge 
des  in  den  Organismus  eingeführten  Jods  ab  oder  es  spielt 
dieselbe  wenigstens  keine  merkbare  Bolle  wie  z.  B.  in  unserem 

^)  Berl.  klin.  Woohen«chr.  190,  Nr.  6. 


412  Gundorow. 

letzten  FaUe,  wo  die  DrüseDaffektion  nach  Jodzäpfchen  eintrat 
und  die  in  demselben  enthaltene  Joddose  eine  unbedeutende  war. 

4.  Die  Art  der  Einführung  der  Jodpräparate  in  den  Orga- 
nismus (per  08  oder  per  rectum)  spielt  in  der  Entstehung  der 
Thyreoiditis  gar  keine  Bolle,  da  sich  dieselbe  bei  dazu  inUi. 
nierten  Indiyiduen  in  gleicherweise  bei  jeglicher  YerordnungS' 
methode  des  Jod  entwickelt. 

5.  Die  Arzneiformen  (wässerige  Lösung,  trochisci,  sup- 
positoria),  in  denen  die  Jodpräparate  yerordnet  werden,  sichon 
auch  nicht  vor  dem  Auftreten  der  Thyreoiditis. 

6.  Schließlich  (was  sehr  wichtig  ist)  gibt  die  chemische 
Zusammensetzung  des  Präparats  noch  keinen  Grund  dafür  zu 
rechnen,  daß  sich  die  Entstehung  der  lliyreoiditis  bei  Ver- 
ordnung eines  gewissen  Präparats  vermeiden  läßt;  dieselbetritt 
nicht  allein  bei  Gebrauch  des  durch  seiue  Fähigkeit  verhältnis- 
mäßig leicht  Jodismus  hervorzurufen  bekannten  Jodkali  son- 
dern auch  bei  Verordnung  der  neueren  Jodpräparate  wie  z.  B. 
des  Jodipins  und  Sajodins  auf,  die  sich  nach  der  Meinung  der 
Mehrzahl  der  Autoren  dadurch  besonders  von  den  Jodsalzen 
(wie  z.  B.  das  Kali  und  Natronsalz)  unterscheiden,  daß  sie 
keinen  Jodismus  hervorrufen. 

7.  Die  Zersetzungsgeschwindigkeit  des  Präparats  im  Orga- 
nismus, also  auch  seine  Besorptionsgeschwindigkeit  haben  bei 
der  Entwicklung  der  Thyreoiditis  keine  besondere  Bedeutung, 
wie  es  durch  unsem  Versuch  mit  der  Sajodinverordnung  sehr 
demonstrativ  erwiesen  wird.  Auf  Grund  der  Untersuchungen 
von  G.  Eoch^)  und  Guszmann^)  wird  bekanntlich  das  Sa- 
jodin  bloß  in  alkalischer  Mitte,  d.  h.  im  Darmkanal  in  seine 
Komponenten  gespalten;  deshalb  geht  die  Resorption  des  Sa- 
jodins bedeutend  langsamer  vor  sich  als  die  der  anorganischen, 
sich  schon  im  Magen  zersetzenden  Jodsalze;  kraft  dieses  Um- 


')  Koch  G.,  Über  therapeutische  Verwendbarkeit  des  Sajodins.  Die 
Therapie  der  Gegenwart,  1906,  p.  248. 

')  Über  den  Wert  des  Sajodins  in  der  Syphilistherapie.  Heilkande 
1906,  Jahrg.  X,  H.  7—12. 


Beitrag  snr  Frajce  von  der  Thyreoiditis  jodica  acata.  413 

Standes  beginnt  bei  Sajodinverordnung  auch  das  Eintreten  der 
Jodreaktion  im  Speichel  und  Harn  einige  Stunden  nach  Ein- 
nahme des  Medikaments:  so  tritt  z.  B.  nach  Koch  die  Jod- 
reaktion 2V8  Stunden  nach  Verordnung  von  2*0  Sajodin  auf, 
nach  Habicht')  bei  einer  Dosis  yon  1*0  nur  nach  Verlauf 
von  4  Stunden,  nach  den  Untersuchungen  von  Valobra') 
nach  ungefähr  3  Stunden.  Nach  Gerönne  und  Marcuse^) 
tritt  bei  einer  Sajodingabe  von  1*0  in  Oblate  die  Jodreaktion 
im  Speichel  nach  272—12  Stunden,  meistenteils  jedoch  nach 
5—6  Stunden,  im  Harn  nach  5 — 6,  seltener  nach  7—8  Stunden 
auf.  Nach  Mautner^)  tritt  bei  Kindern  bei  einer  Sajodin- 
gabe von  0*5  eine  schwache  Jodreaktion  im  Speichel  und  Harn 
nach  1^4  St.  auf.  Im  Oegensatz  zu  andern  Autoren  konnte 
Datta^)  das  Jod  im  Harn  schon  nach  20  Min.  finden.  In 
unserm  Falle  trat  die  Jodreaktion  2  Stunden  50  Min.  im  Speichel 
oder  BYs  Stunden  im   Harn   nach   der  Sajodinverordnung  auf. 

8.  Die  Thyreoiditis  jodica  acuta  stellt  offenbar  einen  bio- 
chemischen Prozeß  dar,  wo  durch  das  Einführen  in  den  Orga- 
nismus sogar  kleiner  Joddosen  —  es  wird  hierbei  keine  Reten- 
tion der  Jodausscheidung  beobachtet  —  die  normale  Arbeit 
der  Drüsenzellenelemente  gestört  wird:  es  wird  sozusagen  das 
stabile  Gleichgewicht  and  die  gegenseitige  Einwirkung  von 
physisch-chemischen  und  physiologischen  Agenten  beein- 
trächtigt, was  einen  verhältnismäßig  leichten  Entzündungs- 
prozeß in  der  Drüse  hervorruft;  klinisch  kommt  eine  derartige 
Drüsenentzündung  als  Thyreoiditis  jodica  acuta  zum  Ausdruck. 


^)  Przegl^d  Lekanki.  1906.  Nr.  4.  (Git  nach  Bayers  Therap. 
Nachrichten.  1906.  Nr.  2.) 

')  Bayers  Therap.  Nachrichten  1907.  Nr.  3.  La  Rossegna  di  Te- 
rapia.  1907.  Fase.  VIT. 

*)  Gerönne  und  M a r c u s e.  Über  die  therapeutische  Anwendung 
d.  Sajodin  und  seine  Aussoheidungsverh&ltnisse.  Die  Therapie  der  Gegen- 
wart, 1906,  p.  585. 

*)  Maatner,  Über  Anwendung  des  Sajodini  in  d.  Kinderpraxis. 
Allg.  Wiener  Medii.  Zeitung.  1907.  Nr.  10,  p.  107. 

*)  Bayers  therapeutische  Nachrichten.  1097.  Nr.  8. 


414  Gandorow. 

9.  Die  Thyreoiditis  jodica  acuta  kaiin,  zur  Gruppe  der 
Intoxikationserkrankungen  im  strengen  Sinne  des  Wortes  ge- 
rechnet werden. 


Ans  dem  Odessaer  Städtischen  Spitale. 


Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Mergal. 


Ton 


Dr.  med.  A.  J.  Grflnfeld, 

Leiter  dee  Ambnlmtorlnmt  fttr  Haut-  und  yenerieehe  Krankheiten. 


Während  in  den  letzten  Jahren  die  chemische  Industrie 
fast  für  sämtliche  Oebiete  der  Therapie  der  verschiedensten  Spezia- 
litäten immer  neue  und  neue  Mittel  zu  entdecken  sucht,  müssen 
wir  aufrichtig  und  yielleicht  sogar  mit  verbindlichstem  Danke 
sagen,  daß  das  am  wenigsten  die  Therapie  der  Syphilis  anbe- 
trifft Das  ist  um  so  mehr  noch  zu  bewundem,  weil  gerade 
dieses  Leiden  ja  immer  mehr  und  mehr  Opfer  zu  yerzeichnen 
hat  und  das  Verheimlichen  der  Krankheit  immer  auf  derselben 
ungerechten  Stufe  sich  befindet. 

Daß  das  Quecksilber  in  der  Reihe  der  Antisyphilitika  die 
erste  Stelle  einnimmt,  bedarf  hier  keiner  ausführlicheren  Erör- 
terung resp.  keiner  Beweise.  Das  is  ein  unbestreitbares 
Faktum. 

Genug,  wenn  wir  hier  sagen,  daß  Prof.  Chr.  Bäumler 
in  seinem  klassischen  Werke  über  die  Syphilis  (1)  die  Frage 
„ob  es  überhaupt  Mittel  gibt,  dem  syphilitischen  Gift  direkt 
entgegen  zu  wirken**,  folgendermaßen  beantwortet: 

„Nach  den  Erfahrungen,  die  in  den  letzten  drei  Jahrhun- 
derten über  die  Behandlung  der  Syphilis  gemacht  wurden,  muß 
diese  Frage  jetzt  dahin  beantwortet  werden,  daß  im  Queck- 
silber in  der  Tat  ein  solches  Mittel  gegeben  zu  sein  scheint 

Am  besten  bestätigen  diesen  Satz  die  Worte  F.  J.  P  i  c  k's  (18): 


416  Grünfeld. 

„Das  Quecksilber  nimmt  in  der  Reihe  der  Antisyphilitika 
die  erste  Stelle  ein.  Es  behauptet  seinen  Platz  durch  die  seit 
Jahrhunderten  gewonnenen  klinischen  Erfahrungen,  und  obwohl 
wir  auch  heute  noch  nicht  einen  Einblick  in  die  Wirkungs- 
weise dieses  Mittels  auf  die  Syphilis  besitzen,  so  dürfen  wir 
doch  auf  Grund  einer  Reihe  erfolgreicher  Untersuchungen  über 
die  Einverleibung  und  Ausscheidung  des  Quecksilbers  und  der 
chemischen  und  physiologischen  Wirkungen  desselben  auf  den 
tierischen  Organismus  behaupten,  das  dasselbe  einerseits  den 
Organismus  im  Kampfe  gegen  das  Syphiliskontagium  wesent^ 
lieh  unterstützt  und  andererseits  die  Rückbildung  der  syphili- 
tischen Krankheitsprodukte  zu  bewerkstelligen  vermag.** 

Die  Einführung  des  Qaecksilbers  in  den  Organismus  kann 
auf  mehrfachem  Wege  geschehen.  Unter  diesen  ist  bekanntlich 
auch  die  interne  Darreichung  zu  verzeichnen. 

Wenn  man  auch  „bei  der  Quecksilberdarreichung  per  os"*, 
me  Welander  (23)  sich  ausdrückt,  „in  der  Regel  ziemlich 
imsicher  ist,  in  welcher  Menge  es  absorbiert  wird  und  es  eine 
Menge  von  Umständen  gibt,  die  auf  die  Stärke  und  Schnellig- 
keit der  Absorption  einwirken^,  so  hat  doch,  wie  derselbe 
Autor  weiter  anfuhrt,  „die  innere  Behandlung  ja  den  großen 
Vorteil,  daß  sie  äußerst  bequem  ist  und  mit  Leichtigkeit,  ohne 
Aufmerksamkeit  zu  erregen  und  den  Patienten  in  seiner  Be- 
schäftigung zu  hindern,  beinahe  überall  und  zu  jeder  Zeit  aus- 
geführt werden  kann.  Aber  das  Quecksilber,  wenn  innerlich 
angewendet,  irritiert  sehr  oft  den  Magen  und  den  Darmkanal 
und  dieses  nicht  nur  vorübergehend  bei  der  Behandlung,  son- 
dern es  kann  auch,  namentlich  wenn  die  Behandlung  wieder- 
holt wird,  für  die  Zukunft  Schaden  tun  und  Magen-  und  Darm- 
leiden mit  infolge  derselben  auftretenden  nervösen  Symptomen 
hervorrufen,  was  gerade  nicht  dazu  beiträgt,  die  Sympathien 
für  diese  in  therapeutischer  Hinsicht  ziemlich  unsichere  Me- 
thode nnd  das  Vertrauen  zu  ihr  zu  vermehren.^ 

Die  von  E  h  r  m  a  n  n  (4)  in  seiner  letzten  Publikation 
geschilderte^  praktische  Erfahrung  lehrt,  daß  ein  internes  Prä- 
parat wünschenswert  ist,  besonders  für  folgende  Fälle:  1.  wo 
die  äußeren  Bedingungen  für  die  seit  langem  erprobte  Einrei- 
buogs-  und  Injektionskur  absolut  nicht  erfüllbar  sind,    2.   wo 


Die  Behandlang  der  Syphilis  mit  Mergal.  417 

diese  beiden  nicht  vertragen  werden,  weil  sie  entweder  Ery- 
theme erzeugen  oder  von  Fieber  begleitet  sind  und  besonders 
bei  kachektischen  Individuen  raschen  Eräfteverfall  hervorrufen 
und  3.  für  die  intermittierende  Kur  bei  Kranken,  welche  eine 
öftere  Injektions-  oder  Schmierkur  nicht  mitmachen  können, 
entweder  weil  sie  dabei  in  ihrer  Ernährung  herabkommen  oder 
nicht  so  oft  sich  beim  Arzt  beziehungsweise  im  Erankenhause 
vorstellen  können.^ 

Die  aufgezählten  Umstände  haben  genügende  Gründe 
dazu  gegeben,  in  den  Arzneischatz  Quecksilberpräparate  einzu- 
führen, die  für  solche  Zwecke  verwendbar  sind.  Welche  sind 
es  denn? 

I.  In  erster  Linie  ist  das  metallische  Quecksilber  zu 
nennen.  Dasselbe  wird  verordnet  in  Form  der  Sedillotschen 
Pillen,  der  englischen  Pillen  und  der  sogenannten  „Blue  pilles*' 
oder  „Pilulae  Britannicae^,  Die  Pillen  wirken,  nach  Neumann 
(17),  sehr  langsam  und  inkonstant,  können  daher  als  eine 
regelrechte  Allgemeinbehandlung  der  Syphilis  nicht  empfohlen 
werden. 

n.  Sublimat  oder  Hydr.  bichloratum  findet  sehr  be- 
schränkte Anwendung  wegen  der  irritativen  Wirkung  auf  den 
Magendarmtraktus  und  auf  die  Nieren  und  kann  nur  bei  voller 
Gesundheit  der  genannten  Organe  gebraucht  werden. 

ni.  Ealomel  oder  Hydr.  chloratum  wirkt  wenig  irri- 
tierend auf  die  Verdauungsorgane. 

IV.  Es  kommen  nun  die  Jodquecksilberverbindungen,  von 
denen  zu  nennen  sind:  Quecksilberjodür  oder  Protojoduretiim 
hydrargyri.  Das  Präparat  ruft  unangenehme  Nebenwirkungen 
auf  den  Magen  und  den  Darm  hervor.  Aus  diesem  Grunde  ist 
an  Stelle  dessen  das  Jodquecksilberhämol  von  Eobert  mit 
Vorteil  verwendet  worden  (19). 

V.  Hydrargyrum  oxydulatum  tannicum  (Lustgarten). 

VI.  Hydrargyrum  thymolicum. 
Vn.     Hydrargyrium  carbolicum. 
VIII.    Hydrargyrum  salicylicum. 

Die  drei  letztgenannten  Präparate  werden  in  Eombination 
mit  Opium  verordnet. 

Arvh.  f.  D«rm«t.  «.  Syph.  B4.  LXZXIZ.  27 


418  Grünfeld. 

Nicht  alle  aufgezählten  Präparate  resp.  Formeln  haben 
in  genügendem  Maße  den  Anforderungen  entsprochen,  welche 
an  ein  Qaedailberpräparat  gestellt  werden.  Dies  bestätigt 
trefflich  in  der  oben  zitierten  Veröffentlichang  Ehrmann  (4), 
welcher  u.  A.  sagt,  „daß  alle  bisher  vorhandenen  dem  Zwecke 
der  internen  Aufnahme  dienenden  Quecksilberpräparate  teils 
dorch  ihre  Nebenwirkungen  unangenehm  werden,  teils  durch 
die  unsichere  Löslichkeit  im  Darm,  die  ja  eine  Vorbedingung 
far  die  Resorption  ist,  ihrem  Zwecke  nicht  entsprechen*. 

Es  kann  daher  nicht  yerwundem,  daß  die  Tor  weniger 
als  1 7t  Jahren  erschienene  Arbeit  von  Boss  (3)  über  die  Be- 
handlung der  Syphilis  mit  Mergal  großes  Interesse  erregt  hat 

Diese  Publikation  bringt  ausfuhrlich  chemische  resp.  phy- 
siologisch-chemische, sowie  pharmakologische  Angaben,  welche 
dazu  geführt  haben,  das  Präparat  zu  konstruieren,  wenn  man 
sich  so  ausdrücken  darf,  und  ebenso  die  Resultate  der  im 
Laufe  von  2  Jahren  an  Patienten    gemachten   Beobachtungen. 

Die  günstigen  Ergebnisse  von  Boss  haben  in  verhältnis- 
mäßig kurzer  Zeit  die  Veranlassung  zum  Erscheinen  von  zahl- 
reichen Mitteilungen  gegeben. 

Wir  nennen  hier:  Saalfeld  (20),  Keil  (4),  Leisti- 
kow  (15),  Hellmuth  (9),  v.  Zeissl  (24),  Michaelis  (16), 
Henryk  Gross(7),  Hogge(ll),  Schulze(21),  Kanitz  (12), 
Höhne  (10),  Varges  (22),  Ehrmann  (4),  Kayser  (13) 
und  Froehli  ch  (6). 

Die  meisten  Arbeiten  sind  den  Lesern  dieses  Archirs 
teils  aus  Originalien,  teils  aus  Referaten  bekannt,  so  daß  wir 
nur  zusammenfassend  sagen  können,  daß  fast  alle  Autoren  ein 
und  derselben  Meinung  sind. 

Beim  Anführen  der  von  uns  gewonnenen  Resultate  werden 
wir  noch  auf  diese  zurückkommen. 

Bevor  ich  zur  Schilderaiig  der  von  mir  angestellten  Versuche, 
resp.  der  gewonnenen  Resaltate  übergehe,  möchte  ich  einige  einleitende 
Worte  anfahren,  die  mir  überhaupt  die  Veranlassung  gegeben  haben,  eine 
derartige  Arbeit,  bzw.  die  Anwendung  eines  internen  Mittels  und  speziell 
des  Mergais  f&r  die  Syphilis,  yorzunchmen. 

Ich  muß  hier  besonders  betonen,  daß  die  Verhältnisse  im  großen 
russischen  Reiche,  wie  in  manchen  Beziehungen,  auch  in  Betreff  der 
medizinischen  Hilfe,  sich  bedeutend  von  derjenigen  in  Kulturstaaten 
unterscheidet 


Die  Behandlung  der  Syphilis  mit  Mergal.  419- 

Wieviel  anch  unsere  ausländischen  Kollegen  gelesen  haben  mögen 
und  beim  Zusammentreffen  mit  den  nRussen^  bei  sich  zu  Hause,  sei  es 
mit  Patienten,  die  nach  Tausenden  cu  rechnen  sind,  oder  mit  Ärzten, 
die  das  edle  Beetreben  haben,  im  Auslande  wissenschaftliche  Kenntnisse 
zu  erwerben  und  recht  große  Zahlen  aufweisen  können,  muß  ich  mit 
Sicherheit  behaupten,  daß  ihnen  doch  die  Leistung  der  medizinischen 
Hilfe  nicht  genügend  bekannt  ist.  Genug,  wenn  man,  einerseits  eine 
geographische  Karte  zur  Hand  nimmt  und  sich  Europa  und  Asien  und 
dann  den  Löwenanteil  ansieht,  der  den  Namen  ^Bussisohes  Beich"  tragt, 
und  andererseits  erföhrt,  daß  dieses  Land  weniger  als  20.000  Ärzte  aufzu- 
zählen  hat,  femer,  daß  die  Hauptzahl  der  Arzte  auf  die  großen  St&dte 
entfUlt,  daß  Oegenden  vorhanden  sind,  die  nicht  nur  im  Flecken  selbst, 
nicht  nur  in  nächster  Nähe,  sondern  auf  einer  Strecke  von  2—3  Tage- 
reisen, kaum  einen  Arzt  haben  und  somit  derselbe  nicht  auf  Tausend, 
sondern  auf  10,  ja  100  von  Tausenden  kommt  —  wenn  man  alle  diese 
bei  weitem  nicht  erledigten  Verhältnisse  weiß,  kann  man  begreiflich 
finden,  daß  es  Umstände  gibt,  die  dazu  f&hren,  bequeme  Methoden 
der  Behandlung  nicht  nur  mit  Freude,  sondern  auch  mit  besonderem 
Enthusiasmus  zu  begrüßen. 

Ich  erwähne  nur  ein  Beispiel:  Ein  Reisender  einer  Firma,  welche 
fiberall  ihre  Fabrikate  zu  verbreiten  sucht,  ist  auf  der  Reise  —  was  ja 
so  oft  vorkommt  —  an  (Ileus  induratam  erkrankt,  resp.  der  auf  die 
Reise  ging,  nachdem  bereits  Sekundärerscheinungen  aufgetreten  waren, 
oder  seine  Lues  in  der  Latenzperiode  besitzt,  oder,  wollen  wir  noch 
weiter  gehen,  sich  nach  der  Ansicht  seines  Arztes  einer  Fournier- 
Nei  SS  ersehen  Behandlungsmethode  unterzieht  und  dabei,  wie  es  die 
meisten  zu  tun  gezwungen  sind,  in  jedem  Orte  sogar,  wo  Ärzte  anzu- 
finden sind,  sich  nicht  nur  1 — 2  Tage,  sondern  manchmal  nur  einige 
Stunden  aufhalten  können.  Weitere  Auseinandersetzungen  sind  wohl 
überflussig. 

Ich  könnte  hier  viele  Beispiele  anführen,  die  ad  oculos  beweisen, 
daß  wir  leider  in  Rußland  keine  „genügende"  medizinische  Hilfe  haben, 
ich  meine  selbstverständlich  nur  im  Sinne  der  bei  weitem  kleinen  Zahl 
der  Ärzte  im  Verhältnis  zur  immensen  Zahl  der  Bevölkerung,  und,  was 
noch  mehr  zu  bedauern  ist,  überhaupt  nicht  wissen  können,  wann  es  in 
dieser  Hinsicht  besser  wird.  Ich  will  aber  annehmen,  daß  das  geschilderte 
mehr  als  genügt,  um  offen  zu  gestehen,  daß  wir  an  medizinischer  Hilfe 
arm  sind  und  daher,  wenn  wir  die  geringste  Möglichkeit  haben,  unsere 
Patienten  auf  den  Weg  sozusagen  mit  Instruktionen  auszurüsten,  ins- 
besondere auf  unserem  Gebiete,  die  ihnen  gestatten  die  Behandlung  der 
akquirierten  Lues  mehr  oder  weniger  fortzusetzen,  wenn  auch  nicht 
mit  ausreichender  Energie  resp.  genügend  wirkenden  Mitteln,  wir  damit 
schon  sehr  viel  leisten  können. 

Denn  man  muß  ja  zugeben,  daß  unter  den  oben  geschilderten 
Zuständen  außer  einer  Inunktions-   oder  Ixgektionskur,  wenn  auch  mit 

27* 


420  Orfinfeld. 

dem  ausgezeichneten  unlöslichen  Hydr.  salieylicam,  noch  eine  Methode 
herangesogen  werden  mufi. 

Um  sofortige  Hilfe  evtl.  die  Möglichkeit  zn  geben  die  Lues  be- 
handeln an  lassen,  muß  man,  wie  man  sich  auch  skeptisch  an  einer 
internen  Sypbilisbehandlung  nicht  rerhalten  soll,  su   dieser  doch  greiftti. 

Nun  aber  ist  die  schwere  Frage  zu  entscheiden,  welches  Präparat 
soll  denn  gewählt  werden,  wenn  man  die  am  Anfang  dieser  Arbeit 
aufgezählten  beräcksichtigt.  Das  eine  ist  unzuverlässig,  das  andere  ruft 
neue  Leiden  hervor  usw.  usw. 

Ich  muß  zugeben,  daß  bei  dem  immensen  Material,  das  mir 
glücklicherweise  seit  dem,  wo  ich  überhaupt  Dermatologie  und  Syphilis 
zu  studieren  begonnen  habe,  und  zwar  seit  dem  Schlüsse  des  Jahres 
1892  (zuerst  in  Prag,  dann  in  Wien,  darauf  in  Rostow  am  Don  und  die 
letzten  9  Jahre  in  Odessa),  zur  Verfugung  steht,  stets  daran  gedacht 
habe,  wie  vorteilhaft  es  doch  wäre,  ein  mehr  oder  weniger  zuverlässiges 
Präparat  für  die  Syphilisbehandlung  aufweisen  zu  könuen  und  insbesondere 
für  meine  Landsleute,  um  nach  möglichen  Kräften  auch  ein  wenig 
zu  helfen. 

Ich  habe  somit  beim  Lesen  der  ersten  Arbeit  über  das  Mergal, 
nämlich  der  von  Boss,  daran  gedacht,  ein  derartiges  Präparat  wäre 
gerade  für  Rußland  sehr  zweckentsprechend  und  das  war  auch  der  Grund, 
wsrum  ich  an  die  Arbeit  ging,  das  Mergal  zu  versuchen. 

Meine  Absicht  war,  das  Mergal  in  den  verschiedensten  Formen 
der  Lues  anzuwenden,  mit  anderen  Worten  gesagt,  da,  wo  man  Queck- 
silber benötigt  In  dieser  Hinsicht  hat  gerade  das  Ambulatorium,  welches 
von  mir  geleitet  wird,  ein  recht  großes  Material  aufzuweisen. 

Ich  muß  hier  einige  Zeilen  vorausschicken  über  unsere  Klientel 
sozusagen. 

Ich  habe  bereits  bei  der  Besprechung  der  Bekämpfung  der  (Geschlechts- 
krankheiten in  Odessa  (8)  über  die  Einrichtang  unserer  Ambulanz  für 
Haut-  und  venerische  Krankheiten  Schilderung  gemacht  und  daraus  ist 
mit  Deutlichkeit  zu  entnehmen,  mit  welch^  einem  interessanten  Material 
wir  zu  laborieren  haben. 

Es  genügt,  wenn  ich  noch  hinzufuge,  daß  die  Ambulanz  für  Haut- 
und  venerische  Krankheiten  am  Odessaer  städtischen  Spitale  die  einzige 
in  ihrer  Art  für  Odessa  darstellt  und  als  Zentrale  zu  nennen  ist,  wohin  das 
interessanteste  Material  zuströmt,  mag  das  darin  liegen,  daß  die  Armut 
dazu  bringt,  nicht  nur  ärztlichen  Rat,  sondern  auch  die  Medikamente 
gratis  zu  erhalten,  oder  sonstige  Gründe.  Jedenfalls  sehen  wir  nur,  daß 
die  Zahl  der  Besucher  mit  jedem  Jahre  steigt  und  kolossale  Ziffern  von 
Patienten  zn  verzeichnen  hat. 

Wir  sind  jetzt  am  Schlüsse  des  Jahres  und  die  Zahl  der  Patienten 
an  der  Männer- Ambulanz  beginnt  bereits  die  Ziffer  7000  zu  übersteigen, 
während  an  der  Frauenabteilung  diese  fast  4000  erreicht  hat.  Die  Zahl 
der  Besuche  dieser  recht  großen  Menge  führe  ich  gar  nicht  an  und  sie 


Die  BehandlaDg  der  Syphilis  mit  Mergal.  421 

ist  ja  selbstyentftndlioh  immens.  Nach  eingeführter  Sitte  haben  die 
Leiter  der  Ambulatorien  abwechselnd  die  Männer-  resp.  Fraaen-(Einder-) 
Abteilnng. 

In  diesem  Jahre  habe  ich  gerade  die  Frauenabteilnng,  so  daß 
meine  Yersnche  mit  Mergal  am  Spitalsmaterial  sich  auf  Frauen  bezieht; 
außerdem  aber  habe  ich  noch  mehrere  Fälle  in  der  Priyatpraxis  dieser 
Behandlung  unterworfen. 

Ich  will  hier  von  vornherein  darauf  aufmerksam  machen, 
daß  für  mich  als  praktischen  Arzt  eben  die  sogenannten  poli- 
klinischen Falle  von  größter  Wichtigkeit  sind  und  ich  selbst- 
Yerständlich  von  speziellen  Untersuchungen,  wie  die  z.  B. 
Höhne  (o.  c.)  und  andere  Autoren  ausgeführt  haben,  ab- 
sehen mußte. 

Die  Hauptaufgabe,  die  ich  mir  gestellt  habe,  war 
nämlich  die  —  das  Präparat  in  denjenigen  Fällen 
janzuwenden,  wo,  wie  ich  bereits  oben  andeutete,  das 
Quecksilber,  sei  es  in  Form  von  Inunktionen  oder 
Injektionen  verordnet  wird. 

Ich  will  hier  nur  noch  vorausschicken,  daß  jede  Patientin 
resp.  Patient  stets  genau  Instruktionen  in  Betreff  des  allgemeinen 
Verhaltens  sowie  speziell  über  die  Mundpflege  bekommt  und 
zwar  in  Form  von  kleinen  Büchlein,  wie  es  auf  den  europäischen 
EUniken  zur  Verteilung  kommt  und  mündlicher  Auseinander- 
setzung. Dabei  wird  stets  Zahnpulver  und  eine  Rathania- 
Alkohollösung  eventl.  Borsäure  oder  Kali  chloricum  verabfolgt. 

Da  wir  nun  unter  unseren  Patienten  leider  sehr  viel 
ziemlich  unintelligentes  Publikum  haben,  suchte  ich  im  Spitale 
das  Präparat  solchen  Patienten  einzuhändigen,  die  mehr  oder 
weniger  zuverlässig  sein  konnten  in  Betreff  der  Beantwortung 
der  gestellten  Fragen,  auf  die  ich  ganz  besonderen  Wert  legte, 
um  bei  dieser  Methode  die  wichtigen  Punkte  mit  voller  Sicher- 
heit in  Bezug  der  Wahrheit  herauszubringen. 

Ich  kann  nun  nach  Abschluß  der  Versuche  mit  Genug- 
tuung sagen,  daß  ich  in  der  Tat  mit  der  Wahl  der  Patienten, 
wenn  nur  mit  ganz  wenigen  Ausnahmen,  mich  nicht  geirrt  habe. 

Ich  bin  weit  davon  entfernt  hier  einzelne  Kranken- 
geschichten anzuführen,  eventl.  auf  sogenannte  besondere  Auf- 
merksamkeit verdienende  Fälle  hinzuweisen. 


422  Gränfeld. 

Das  Mergal  ist  ein  neues  Mittel,  es  ist  daher  angezeigt, 
solche  Fakta  zu  eruieren,  die  uns  gewisse  Berechtigung  geben 
müssen,  zu  sagen,  ob  das  Präparat  überhaupt  in  den  Arznei- 
schatz eingeführt  werden,  eventl.  in  der  Reihe  der  uns  zur 
Verfugung  stehenden  sicherwirkenden  Mittel,  einen  dauernden 
und  somit  auch  einen  sicheren  Platz  einzunehmen,  rechnen  kann. 

Ich  will  aber  nur  von  vornherein  betonen,  daß  das  ^letzte 
Wort*  eben  aus  denselben  Gründen  auch  nicht  gesagt  werden 
kann,  denn,  wie  die  meisten  obenzitierten  Autoren  bereits  ge- 
sagt haben,  kann  man  bei  der  Syphilis  nicht  Urteile  abgeben 
auf  Grund  von  Versuchen,  die  Monate  und  sogar  bis  2  Jahre 
gedauert  haben.  Ja,  nachdem  mindestens  10  Jahre  bingehen 
und  wir  stets  auch  solche  befriedigende  Urteile  erfahren,  wie 
bis  jetzt,  dann  werden  wir  auch  dreister  vorgehen  und  uns 
mit  größerer  Bestimmtheit  aussprechen.  Hier  eben  ist  es  am 
passendsten  zu  sagen:  langsam,  aber  sicher« 

Ich  experimentierte  mit  dem  Mergal  im  Laufe  von  8  Mo- 
naten. Es  waren  35  Frauen  und  15  Männer,  d.  h.  in  Summa 
50  Fälle,  welche  Mergalkuren   durchgemacht  haben. 

Dem  Alter  nach  sind  es  die  meisten  von  20 — 28  Jahren. 
Die  jüngste  Person  war  15  Jahre  und  die  älteste  53  Jahre  alt 

Es  sind  ledige,  verheiratete  und  verwitwete  Personen.  Alle 
mit  auf  geschlechtlichem  Wege  akquirierter  Lues. 

Letztere  war  in  verschiedenen  Stadien  und  dieses 
wieder  in  den  verschiedensten  Formen,  und  zwar: 

mit  Lues  II  recens I9Fälle(13Frauenu.6Männer) 

„  Lues  II  recidiva  .  .  .  .  17  „  13  „  ,,4  „ 
„  Lues  II  ohne  Symptome  7  „  3  ,»  „  4  „ 
.    Lues  III 7„       4      „       ,,3       „ 


Die  rezenten  Formen  waren  gewählt  mit  Erscheinun- 
gen an  der  Haut  von  makulöser  und  papulöser  Natur,  even- 
tuell die  Kombination  beider,  mit  Papeln  in  der  Mundhöhle 
wie  auch  auf  den  Tonsillen,  mit  vereinzelten  Papeln  an  den 
Genitalien  und  Analfalten  und  nicht  selten  auch  mit  Condjlo- 
mata  lata  in  der  eklatantesten  Form. 

Die  rezidiven  Formen  wieder  waren  in  den  meisten 
Fällen  mit  Papeln  der  Mundschleimhaut  und  auch  der  Oenita- 


Die  Behandlang  der  Syphilis  mit  Mergal.  423 

lien;    es  fehlten  aber  auch  keine,    die  eine  rezidivierende  Bo- 
seola  aufwiesen. 

Die  7  Fälle  Yon  Lues  II  ohne  Symptome  betrafen 
Patienten  aus  meiner  Privatpraxis  und  handelte  es  sich  haupt^ 
sächlich  um  sogenanntes  Merkurialisieren. 

Unter  den  Fällen  mit  Lues  III  waren  außer  Periosti- 
tiden  auch  Gummata  an  den  Elavikeln,  Ellenbogen  und  Unter- 
schenkeln zu  verzeichnen. 

Das  Einführen  des  Mergais  begann  gewöhnlich  mit 
3  Kapseln  (ä  0-05  g\  also  0*15  g  Hydr.  cholicum  pro  die.  Be- 
reits nach  dem  dritten  Tage  ließ  ich  auf  4  pro  die  im  Laufe 
von  4  Tagen  steigen,  dann  auf  5  resp.  6  im  Laufe  von  5—6 
Tagen  und  dann  auf  8  usw.  bis  auf  12,  ja  in  manchen  Fällen 
sogar  bis  auf  15  Kapseln  pro  die.  Das  Maximum  der  im  Laufe 
einer  Kur  eingeführten  Kapseln  ergab  die  Zahl  von  278. 

Es  wurde  dabei  stets  in  Aussicht  genommen  der  Kräfte - 
zustand  der  betreffenden  Person  und  die  Form  und  der  Orad 
der  Krankheit. 

In  keinem  einzigen  der  beobachteten  Fälle 
sah  ich  mich  genötigt  das  Einnehmen  des  Mergais 
vollkommen  aussetzen  zu  lassen.  Nur  in  einem  Falle, 
wo  es  sich  um  eine  ziemlich  leicht  ausgesprochene  Stomatitis 
handelte,  ließ  ich  selbstverständlich  eine  Pause  auf  etwa  zwei 
Wochen  eintreten.  Das  war  bei  einem  sonst  sehr  schwachen 
Manne,  der  außer  an  Lues,  noch  an  Tuberkulose  litt. 

Ich  will  hier  gleichzeitig  bemerken,  daß  sonst  in  keinem 
Falle  Erscheinungen  von  Stomatitis  zu  konsta- 
tieren waren.  Es  mag  ja  sein,  daß  es  außer  ständigen  Mah- 
nungen über  das  Beinigen  und  Putzen  der  Zähne  und  der 
Mundhöhle  von  bekannter  Wichtigkeit  war,  daß  die  Zeit  meiner 
Versuche  gerade  zumeist  auf  die  Sommermonate  entfiel,  wo 
sich  die  Patienten  mehr  an  der  frischen  Luft  befinden. 

Es  sei  noch  hinzugefügt,  daß  ich  das  Mergal  absichtlich 
noch  in  einigen  Fällen  angewandt  habe,  wo  bei  den  früheren 
Quecksilberkuren  Stomatitis  zu  beobachten  war  und  jetzt  bei 
der  Anwendung  des  Mergais  von  solcher  gar  nicht  die  Bede 
sein  konnte. 


424  GrönfelcL 

Um  zur  Frage  über  die  Nebenwirkungen  des  Mer- 
gais nicht  mehr  zurückzukommen,  will  ich  hier  folgendes  für 
den  Experimentator  jedenfialls  sehr  Angenehme  berichten.  Vor 
allem  hat  keiner  der  Patienten,  resp.  Patientinnen  darüber  ge- 
klagt, daß  irgendwelche  Störungen  von  seiten  des  Magendarm- 
traktus  aufgetreten  waren.  Im  Gegenteil,  in  vielen  Fällen,  wo 
es  sich  sogar  um  habituelle  Obstipation  handelte,  nämlich  bei 
den  Patientinnen  (und  deren  waren  es  auch  die  meisten,  die 
daran  litten),  haben  wir  stets  darüber  erfahren  können,  daß 
der  Stuhlgang  „merkwürdigerweise^  sich  regelte  und  vom  Ge- 
brauche von  Abfuhr-  oder  sonstigen  Mitteln  abgesehen  wurde. 
Dabei  stellte  sich  regelmäßiger  Stuhlgang  ein  und  von  Diar- 
rhoea  konnte  gar  keine  Rede  sein.  Da  derartige  Stimmen  schon 
Yon  Yomberein  erschallten,  habe  ich  auch  in  sämtlichen  Fällen 
dieser  Frage  besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt  und  stets 
Tolle  Bestätigung  gefunden. 

Was  nun  die  Einwirkung  des  Mergais  auf  die 
Krankheitserscheinungen  betrifft,  so  läßt  sich  hier, 
ebenso  wie  bei  einer  anderen  Methode  der  Quecksilbereinver- 
leibung, kein  einheitliches  Bild  entwerfen. 

Es  vergingen  mindestens  acht,  sehr  häufig  sogar  vierzehn 
Tage,  bis  man  das  Sinken  resp.  Verschwinden  der  einzelnen 
Erscheinungen  zu  beobachten  im  stände  war.  Sobald  es  aber 
mit  Veränderungen,  d.  b.  Abnahme  der  Erscheinungen  begonnen 
hat,  konnte  man  schon  von  Tag  zu  Tag  mit  bloßem  Auge  die 
Besserung  beobachten.  Das  war  in  Fällen  mit  gewöhnlicher 
Boseola  am  deutlichsten  ausgesprochen  und  ebenso  in  manchen 
Fällen  von  papulöser  ^autsyphilis.  In  Fällen,  wo  es  sich  um 
Papeln  (nässenden  und  sogar  Condylomata  lata)  an  den  Geni- 
talien und  an  den  so  oft,  insbesondere  bei  Frauen  vorkommenden 
Analfalten  handelt,  habe  ich  der  Kontrolle  wegen  jede  medika- 
mentöse Lokaltherapie  nicht  anwenden  lassen  und  doch  Ab* 
nähme  der  Erscheinungen  konstatiert  —  ein  Faktum,  welches 
von  Bedeutung  ist. 

Über  die  Fälle  mit  sogenannten  Spätsyphiliden  ist  zu 
sagen,  daß  mindestens  20—22  Tage  vergingen,  bis  man  eine 
Veränderung  zum  Besseren  bemerkte,  die  allerdings  dann  in 
raschem  Tempo  vor  sich  ging.  Dasselbe  ist  auch  über  die  Fälle 


Die  BehaDdlQDg  der  Syphilis  mit  Mergal.  425 

zu  sagen,  welche  an  gummöser  Form  litten.  Jedenfalls  ist  es 
gelungen,  die  Gummata  YoUständig  zur  Heilung  zu  bringen, 
ohne  gleichzeitige  Anwendung  Ton  Jodpräparaten. 

Hier  möchte  ich  nur  einen  eklatanten  Fall  anfuhren.  Es 
handelte  sich  gerade  um  eine  Patientin  mit  einem  mehr  als 
taubeneigroßem  zerfallenen  Gumma  an  der  linken  Elavikel, 
wo  man  von  der  Verordnung  eines  Jodpräparates  absehen 
mußte,  weil  die  Patientin  ihr  4  Monate  altes  Kind  stillte  und 
vor  Verlust  der  Milch  fürchtete.  Das  Gumma  heilte  vollständig 
nur  durch  Mergaleinnahme. 


Die  hier  folgenden  Schlußsätze  können  auf  Grund  der 
Yon  anderen  Autoren  und  von  mir  gemachten  Beobachtungen 
so  zusammengefaßt  werden: 

1.  Die  Anwendung  des  Mergais  ist  angezeigt  vor  allem  in 
allen  denjenigen  Fällen  von  Lues,  wo  Quecksilber  zur  Verord- 
nung kommen  muß,  d.  h.  bei  Syphilis  secundaria  und  tertiaria. 

Eine  Ausnahme,  und  das  ist  besonders  zu  betonen,  sind 
diejenigen  Falle,  wo  die  Syphilis  schwere  oder  direkt  lebens- 
gefährliche Erscheinungen  aufweist,  eventuell  wo  ganz  beson« 
dere  energische  Euren  angezeigt  sind. 

2.  In  der  Latenzperiode  sowie  bei  der  chronisch-intermit- 
tierenden Behandlung  der  Syphilis  im  Sinne  Foumier-Neisser 
kann  das  Mergal  sehr  gute  Dienste  leisten. 

8.  Bei  den  parasyphilitischen  Erkrankungen  kann  man 
stets  an  die  Verordnung  des  Mergais  in  gleicher  Weise  wie  an 
eine  Inunktions-  oder  Iigektionskur  denken. 

4.  Das  Mergal  ist  zweifellos  zur  Zeit  als  das  beste  interne 
Antbyphilitikum,  ich  meine  Quecksilberpräparat,  anzusehen,  da 
es  vor  allem  sicher  wirkt  (NB.  unter  Berücksichtigung  des  im 
2.  Absätze  des  sub  Punkt  I  Skizzierten),  vom  Magendarm- 
traktus  gut  vertragen  wird  und  nicht  nur  absolut  keine  Stö- 
rungen in  demselben  hervorruft,  sondern  sogar  in  Fällen  mit 
gleichzeitiger  habitueller  Obstipation  zur  Regelung  des  Stuhl- 
ganges fuhrt  —  ein  Vorteil,  der  von  besonderem  Wert  ist. 


426  Grfinfeld. 

5.  Das  Benutzen  des  Mergais  ist  als  einfache,  bequeme 
und  somit  angenehme  spezifische  Kur  anzusehen.  Dies  ergibt 
die  Möglichkeit  Yor  Allem  das  rechtzeitige  Beginnen  der  Kur, 
sogar  bei  solchen  Patienten,  die  infolge  ihres  Berufes  nidit 
dazu  eingerichtet  sind,  die  Behandlung  einleiten  zu  lassen  — 
ein  Umstand,  der  Ton  ganz  eigenartig  wichtiger  Bedeutung  ist, 
insbesondere,  wenn  man  das  Leiden  als  solches  berücksichtigt 
und,  was  noch  Yon  praktischer  Bedeutung  sich  hinzugesellt, 
daß  diese  überall  und  mit  yoUer  Diskretion  durchgeführt 
werden  kann. 

6.  Das  Mergal  ist  somit  als  Bereicherung  des  Arznei- 
schatzes anzusehen  und  in  die  Beihe  der  wirkenden  Antisyphi- 
litika  au&unehmen,  aber  nur  unter  den  obengeschilderten  Aus- 
nahmen, die  jedenfalls  mit  der  Zeit,  ich  meine  nach  einer 
Reihe  Ton  Jahren,  eventuell  auf  Grund  von  zahlreichen  mit 
Tausenden  zu  rechnenden  Beobachtungsfallen,  möglicherweise 
abnehmen  werden. 


Zum  Scblufie  will  ich  der  Firma  J.  D.  Biedel,  Berlin, 
meinen  ganz  besonderen  Dank  dafür  aussprechen,  daß  sie  mir 
das  Präparat  stets  mit  zuvorkommender  Bereitwilligkeit  zur  Ver- 
fügung gestellt  hat. 


Die  Beliandlniig  der  Syphilis  mit  Merg*L  427 


Literatur. 

1.  fi&umler,  Chr.  Handbuch  d.  Bpeziellen  Pathologie  a.  Therapie. 
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14.  K  e  i  1.  Zur  internen  Behandlung  der  Syphilis  mit  Mergal.  Deutsche 
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16.  Michaelis,  Leopold.  Zur  Syphilisbehandlung.  Mediz.  Klinik. 
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17.  Neumann,  Isidor.  Spezielle  Pathologie  und  Therapie.  Heraus- 
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18.  Pick,  F.  J.  Behandlung  und  Prophylaxis  der  venerischen  Hei- 
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Jena.  1896.  pag.  164. 

19.  Rille,  J.  H.  Über  Behandlung  der  Syphilis  mit  Jodquecksilber- 

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n 


428  Grönfeld. 

20.  Saalfeld,  EdmoncL  Zur  inneren  Therapie  der  Syphilis.  Thera- 
peutische Monatshefte.  1907.  Janaar. 

21.  Schnlze,  Bernhard.  Ergänznnff  des  Referates  von  Dr.  Saal- 
feld.  MonaUh.  t  prakt.  Dermat  1907.  BcL  XLV.  Nr.  2.  p.  119. 

22.  y  arg  es,  J.  Über  Qaecksilberaosscheidnng  ans  Harn  nnd  Fices 
nach  Mergalgaben.  Fortschritte  der  Medizin.  1907.  H.  27. 

28.  Welander,  Edaard.  Einige  Worte  über  die  Form  der  Anwen- 
dung des  Quecksilbers.  Arch.  f.  Dermatologie  u.  Syph.  1898.  Bd.  XLVL 
pag.  89--66  und  249—323. 

24.  y.  Zei^sl,  Maximilian.  /»)  Ein  Beitrag  zur  Syphilisbehandlung, 
österreichische  Ärztezeitung.  1907.  Nr.  7.  b)  Ein  Beitrag  zur  Syphilis- 
behandlung, mit  besonderer  Berücksichtigung  des  Mergais.  Med.  Klinik. 
1907.  Nr.  16.  e)  Behandlung  der  Spätformen  der  SypMlis.  Wiener  klin. 
Bundschau.  1907.  Nr.  21. 


r 


BerißM  üter  die  Leistungen 


auf  dem 


Gebiete  der  Dermatologie  und  Syphilis. 


Verhandlungen  der  Berliner  dermatologisclien 

Gesellschaft. 

SÜBung  Tom  10.  Desember  1907. 
Vorsitzender:  Lese  er.  Schriftführer:  Pinkus. 


1.  Hofl^ann  demonstriert  ein  mikroskopisches  Präparat  von  einem 
Epitheliom,  das  sich  aas  einer  seborrhoischen  Yerraca  senilis  ent- 
wickelt hat. 

2.  Hofbnann  stellt  einen  20jährigen  Saaheli-Neger  mit  Fram- 
boesiatropica  vor.  Im  April  dieses  Jahres  bekam  er  znertt  eine  Affektion 
am  rechten  Faß,  die  möglicherweise  als  der  Primäraffekt  der  Infektion 
anfgefafit  werden  mofi.  Anfang  Juli  zeirte  sich  eine  Stelle  an  der  Ober- 
lippe, framboesieartige  Wachemngen  an  der  Innenseite  der  Beine,  nebenbei 
bestanden  eine  lichenoide  Eraption  nnd  schuppende  Herde.  Die  Affektion 
jnckt  ziemlich  stark.  Nach  drei  Löffel  Jodkali  ist  bereits  ein  starker 
Bfickffang  an&etreten.  Die  Framboesie  reagiert  aaf  diese  Medikation  viel 
schneller  als  Lues.  In  dem  Aspirationsseram,  das  aus  dem  Herd  auf  der 
Lippe  stammt,  fanden  sich  eine  große  Men^e  von  Spirochaeten,  die  von 
der  Pallida  kaum  zu  unterscheiden  sind;  im  frischen  Präparat  bleiben 
diese  Spirochaeten  6—7  Stunden  beweglich.  Die  Windungen  sind  nicht 
g^anz  so  regelmäßig  wie  bei  der  Pafiida  und  die  Geißeln  sind  nicht 
sichtbar  und  laufen  nicht  so  spitz  aus.  Die  Färbbarkeit  ist  schwieriger 
als  bei  der  Pallida,  am  besten  gelang  die  Färbung  mit  Osmiumsäure. 
Es  zeigt  sich  häufig  eine  kömige  Verdickang  des  Fadens,  die  an  der 
zweiten  bis  dritten  letzten  Windung  gelegen  ist.  —  Die  Affektionen,  die 
an  den  Handflächen  und  Fußsohlen  bestehen,  würden  bei  jedem  den 
Verdacht  auf  Lues  hervorrufen,  aber  kleinere  klinische  Unterschiede,  wie 
das  Übergreifen  der  Affektion  von  der  Handfläche  auf  das  Gelenk  sind 
doch  vorhanden ;  nur  die  Drfisen  unter  dem  Kinn  sind  etwas  geschwollen, 
sonst  nirgends,  die  Schleimhäute  sind  frei,  von  Alopecie  ist  nichts  zu 
sehen.  Der  klinische  Unterschied  zwischen  Lues  und  Framboesie  ist  so 
schwierig,  auch  nachNeisser,  daß  man  mitunter  die  Differentialdiagnose 
kaum  stellen  kann.  Daß  beide  Affektionen  nicht  identisch  sind,  ist  durch 
das  Experiment  von  Gharlouis  entschieden,  der  Lues  auf  einen  Fram- 
boesiekranken  übertragen  hat.  Also  ein  Kranker,  der  mit  Tawspapeln 
übersät  ist,  kann  die  Lues  mit  allen  ihren  Folgeerscheinungen  bekommen. 
Auch  beim  Affen  haben  Neisser,  Halberstädter  nnd  Beermann 
diese  Tatsache  experimentell  bewiesen.  Man  kann  beide  Affektionen  zu 
gleicher  Zeit  übenmpfen ;  auf  die  Unterschiede  zwischen  beiden  Arten 
von  Spirochaeten  ist  schon  von  anderer  Seite  hingewiesen  worden. 


432  Verhandlangen 

Halberstädter  findet  besonders  den  Herd  an  der  Oberlippe 
gani  charakteristisch  für  Framboesie,  während  der  Herd  am  Handteller 
als  einsiges  klinisches  Symptom  znr  Sieherang  der  Diagnose  nicht  ver- 
wendet werden  könnte.  Bei  den  Eruptionen  am  Anus  ist  die  Ähnlichkeit 
eine  so  große,  daß  die  Differentialdiagnose  kaum  za  stellen  ist.  Der 
Primärafiekt  an  den  Beinen  hat  in  seinem  Aussehen  Ähnlichkeit  mit  den 
framboesieartigen  Erscheinungen,  wahrend  bei  der  Lues  der  Primäraffekt 
eine  papalöse  Effloreszenz  ist ;  die  Framboesie  tritt  immer  znerst  mit  den 
eigentümlichen  Effloreszenzen,  die  ans  einer  Waehernng  des  Papülar- 
körpers  hervorgehen,   und  in  Herden  anf  der  Hand-  und  Fnßfiäche  anf. 

Lesser  fragt,  ob  die  Inkubation  von  vier  Monaten  in  diesem 
Falle  nicht  auffallend  lange  ist. 

Halberstädter  antwortet,  daß  nach  dem  Experiment  von 
Charlouis  die  Inkubation  durchschnittlich  21  Tage  dauert,  beim  Affen 
gewöhnlich  4  Wochen,  längstens  3  Monate. 

Hoff  mann  macht  darauf  aufmerksam,  daß  bei  Impfungen  die 
Inkubationszeit  verhältnismäßig  kürzer  ist  als  bei  spontaner  Infektion; 
es  kann  also  verhältnismäßig  lange  dauern,  bis  nach  dem  Primäraffekt 
die  späteren  Erscheinungen  zum  Durchbrach  kommen.  Die  von  ihm  vor- 
genommenen Übertragungen  auf  Affen  haben  noch  kein  bestimmtes  Re- 
sultat gegeben.  Bei  Überimpfung  auf  die  Aagen  von  Kaninchen  fanden 
sich  zahlreiche  Streptokokken,  durch  welche  das  Auge  nach  8—4  Tagen 
vereiterte,  selbst  wenn  nur  die  Hornhaut  geritzt  wurde.  Ob  nicht  nachher 
noch  Framboesie  entsteht,  kann  erst  der  weitere  Verlauf  zeigen. 

Marcus  6  fragt  nach  dem  Infektions  weg  bei  Framboesie. 

Halberstädter:  Die  Framboesie  ist  eine  endemische  Erkran- 
kung: auf  den  Fitchi -Inseln  ist  fast  jedes  Kind  krank,  so  daß  die  Leute 
annehmen,  daß  eine  solche  Erkrankung  fär  die  spätere  Gesundheit  not- 
wendig sei.  Man  beabsichtigt  sogar  Kinder,  die  in  den  ersten  Wochen 
keine  Framboesie  bekommen,  künftig  zu  impfen.  Bei  einer  Inspektions- 
reise in  Java  konnte  H.  bei  507o  der  Kinder  Framboesie  oder  Reste  der 
Framboesie  konstatieren;  auffallend  ist,  daß  nur  die  in  der  tropischen 
Zone  wohnenden  Eingeborenen  erkranken  und  kein  Europäer. 

3.  Dreyer  stellt  aus  der  Rosenthalschen  Klinik  eine  64jährige 
Patientin  vor  mit  Acne  necrotica  am  ganzen  Körper  mit  Ausnahme 
des  Gesichts.  Die  Affektion  besteht  seit  drei  Jahren  und  ist  mit  Jucken 
verbunden.  Die  Patientin  ist  abgemagert,  anämisch,  die  Haut  atrophisch, 
bräunlich  pigmentiert  und  mit  unzähligen  kleinen  weißlichen  Narben 
bedeckt:  über  den  ganzen  Körper  zerstreut  befinden  sich  eine  Anzahl 
solitärer  Effloreszenzen,  die  leicht  gerötet  sind  und  in  der  Mitte  einen 
Schorf  tragen,  der  das  Niveau  der  Haut  nicht  überragt.  An  einigen  Stellen 
fühlt  man  deutlich  einige  hirsekomjp^ße,  subkutan  gelegene,  härtliche 
Primär-Effloreszenzen ;  der  Urin  ist  frei  von  Saocharum,  zeigt  aber  Vi Vm 
Eiweiß.  Patientin,  die  vorher  vielfach  behandelt  worden  ist,  bekam 
Pillulae  asiaticae,  offenbar  mit  gutem  Erfolg. 

Arndt  hat  die  Patientin  längere  Zeit  in  der  Üniversitätspoliklinik 

gesehen ;  es  bestanden  damals  urtikarielle  Effloreszenzen  und  er  nahm  an, 


der  Berliner  dermatologischen  Gesellschaft.  433 

dafi  eine  Nephritis  die  Ursache  dieser  nekrotisierenden  Urtikaria  sei; 
damals  ist  reichlich  Albamen  vorhanden  gewesen. 

Dreyer  betont  den  geringen  Eiweißgehalt. 

Halle  hat  die  Patientin  ebenfalls  in  der  Universitätspoliklinik 
gesehen,  die  Diagnose  wurde  auf  Acne  urticata  gestellt. 

Bosenthal  bittet  anzageben,  auf  welche  Symptome  hin  diese 
Diagnose  gestellt  worden  ist. 

Halle  erwidert,  daß  an  Acne  necrotica  deshalb  nicht  gedacht 
worden  ist,  weil  sich  diese  Affektion  doch  meistenteils  an  der  Stirnhaar* 
grenze  befindet;  die  damals  beobachteten  Effloreszenzen  bestanden  in 
einer  tief  liegenden  Infiltration  und  einer  diffusen  Rötung,  die  den  Ein- 
druck von  Urtikariaquaddeln  machten. 

Saalfeld  macht  auf  die  Ähnlichkeit  der  Effioreszensen  mit  Fol- 
liklis  aufmerksam. 

Rosenthal  erwidert,  daß  die  Acne  yarioliformis  ihren  Sitz  an 
der  Stirn  hat  und  die  Acne  necrotica  von  einer  Anzahl  Autoren,  so  yon 
Jarisoh  u.  a.,  von  der  Acne  varioliformis  dadurch  unterschieden  wird, 
daß  sie  sich  über  den  ganzen  Körper  verbreitet.  Nach  Rs.  Überzeugung 
sind  diese  beiden  Affektionen  identisch  und  nur  durch  die  verschiedenen  Lo- 
kalisationen zu  unterscheiden.  Die  Acne  urticata  ist  von  Kaposi  beschrieben 
worden  und  ist  charakterisiert  durch  das  Auftreten  von  Quaddeln  mit 
Übergang  in  Aknepusteln.  Die  Effloreszenzen,  die  jetzt  noch  sichtbar 
sind  und  die  zuerst  noch  viel  zahlreicher  waren,  zeigen  einen  typischen 
nekrotischen  Schorf,  welcher  das  Niveau  der  Haut  nicht  überragte  und 
waren  gleichmäßig  über  den  ganzen  Körper  verbreitet.  In  dieser  Aus- 
dehnung ist  die  Acne  necrotica  außerordentlich  selten,  möglich  ist  aber, 
daß  alle  drei  Affektionen:  die  Acne  urticata,  die  Acne  varioliformis  und 
die  Acne  necrotica  mit  einander  verwandt  sind,  die  chronische  Nephritis 
ist  vielleicht  in  diesem  Falle  von  gewissem  Einfluß  auf  die  Affektion. 

Arndt  fügt  hinzu,  daß  vor  einigen  Monaten  das  Bild  einer  Urti- 
caria papulosa  necroticans  vorlag:  elastisch  ödematöse  Knötchen  mit 
deutlich  urtikariellem  Charakter,  die  an  der  Oberfläche  zerkratzt  waren 
und  einen  Schorf  trugen.  Der  Sitz  der  Knoten  war  in  der  tieferen  Schicht 
der  Haut.  An  Acne  necrotica  wurde  damals  nicht  gedacht. 

Lippmann  erwähnt  einen  ähnlichen  Fall,  bei  dem  er  zuerst 
geneigt  war,  die  Diagnose  auf  Acne  urticata  zu  stellen;  der  weitere 
Verlauf,  das  Auftreten  von  typischen  Schorfen  zeigte  aber,  daß  es  sich 
um  eine  Acne  necrotica  des  ganzen  Körpers  handelte.  Auch  in  seinem 
Fall  war  das  Jucken  sehr  stark.  Möglicherweise  ist  die  Auffassung  von 
Rosenthal  richtig,  daß  beide  Affektionen  mit  einander  verwandt  sind. 

Rosenthal  betont  nochmals,  daß,  als  er  die  Patientin  zuerst  sah, 
von  Urtikaria  nicht  die  Rede  sein  konnte  und  daß  Knoten  und  Schorfe 
typisch  für  Acne  necrotica  waren. 

Hoffmann  meint,  daß  die  Diskussion  sich  darauf  zuspitzt,  ob  die 
Schorfe  spontan  entstanden  sind  oder  als  eine  Folge  des  Kratzens  auf- 
zufassen sind. 

Areh.  f.  Dermal,  a.  Syph.  Bd.  LXXZIX.  28 


434  Yerhandlimgen 

Halle  hat  den  Eindruck,  daß  die  VerBchorfmig  [nur  die  Folge 
yon  Eratzen  war. 

Rosental  hat  zwar  viele  Menschen  gesehen,  die  sich  kratzen, 
aber  noch  nicht  solche,  die  sich  so  kratzen,  daß  regelmäßige,  nxnde,  tief 
liegende  Schorfe  entstehen,  die  zahlreiche  Narben  znracklassen. 

4.  L.  Lilienthal:  Ober  den  sogen.  Mongolen-Gebnrts- 
fleck  der  Erenzhant. 

L.  stellt  zwei  Säoglinge  vor,  den  ersten  im  Alter  von  11  Wochen. 
Als  er  6  Wochen  alt  war,  sah  man  einen  fünfmarkstückgroßen  Fleck  in 
der  Regio  sacralis;  Haat,  Iris  nnd  Haare  sind  dunkel.  Der  Vater  soll 
Brasilianer  gewesen  sein,  die  Mntter,  eine  Deutsche,  war  auch  brünett; 
der  Fleck  hält  sich  seit  6  Wochen.  —  Ferner  einen  zweiten  Säugling 
von  11  Wochen,  der  ebenfalls  denselben  Fleck  zeigt;  Haare,  Haut  und 
Iris  sind  ebenfalls  dunkel.  Die  Mntter  ist  dunkelblond,  der  Vater  ebenso. 

Die  meisten  japanischen  Kinder,  etwa  90Yoi  zeigen  bei  oder  nach 
der  Geburt  einen  oder  mehrere  blau  schimmernde  Flecke  in  der  Kreuz-, 
Steißbein- und  Glutäalgegend;  die  Flecke  verbreiten  sich  nicht  selten  bis  zum 
Rücken.  Häufig  findet  man  sie  in  der  Schultergegend  oder  an  den  Streck- 
seiten der  Extremitäten.  Diese  Flecke  persistieren  selten  das  «inze  Leben, 
sondern  verschwinden  nach  längerer  oder  kürzerer  Zeit  spurlos.  Man  hat 
diese  Flecke  als  Zeichen  der  Kassenreinheit  der  Japaner  gehalten,   in- 
dessen schon  vor  hundert  Jahren  wurde  der  Fleck  auch  bei  Grönländern 
gefunden.  6  e  1 1  z  hat  zuerst  die  Pigmentzellen  im  Chorium  mikroskopisch 
nachgewiesen.    Auch   bei   verschiedenen   mongolischen   und   malayischen 
Völkern  wurde  der  Fleck   später   beschrieben.    In  der   dermatologischeu 
Literatur  hat  Grimm  ausführlicher  über  diesen  Fleck  berichtet  in  seinen 
„Beiträgen  zum  Studium  des  Hautpigments''.    Grimm  fand  die  Ursache 
dieser  Flecke  in  einer  Farbstoffanhäufung  in  Zellen  des  Chorium.     Diese 
Pigmentzellen  treten  in  die  Papillen  nicht  ein  und  finden  sich  auch  kaum 
in  den  oberflächlichen  Lagen  des  Choriums.  Adachi  fand  derartige  Flecke 
mit  ihren  anatomischen  Merkmalen  bei   fast  allen  Affen  in  großer  Aus- 
dehnung,  so  daß  die  Flecke  im  Sinne  der  Deszendenztheorie   verwendet 
wurden.  Bei  seinen  Untersuchungen  in  Straßburg  fand  er  unter  24  Leichen 
bis  zu  2Vt  Jahren  hinauf  lOmal  in  der  Kreuzgegend  die   eigentümlichen 
Zellen,  trotzdem  betrachtet  Beltz  diese  Flecke  als  Rassenzeichen.  Aber 
in  der  Kinderpoliklinik  vonLeitz  in  München  glückte  es  Adachi  beim 
lebenden  Säugling,  ungefähr  dem  50.,  den  er  daraufhin  untersuchte,  den 
Fleck   zu   finden.    Das  Kind   war  7  Wochen   alt   und   nach  l*/«  Jahren, 
nachdem  Adachi  das  Kind  wiedersah,  war  noch  der  MongolenOeck  deutlich 
zu  sehen.  Epstein  in  Prag  schätzte  das  Vorkommen  dieser  Mongolenflecke 
auf  25  unter  50 — 60.000  Fällen,  dann  sind  noch  eine  Anzahl  vereinzelter 
Fälle  beschrieben  worden. 

Saalfeld    hatte    vor    längerer   Zeit    Gelegenheit,    einen    hierher 

gehörigen  Fall  zu  beobachten.  Das  Kind  stammte  von  deutschen  Eltern, 

die  Haut  war  dunkel  pigmentiert. 

5.  marcnse  stellt  den  in  voriger  Sitzung  demonstrierten  Fall 
wieder  vor.  Die  Ulzeration  an  der  Lippe  dehnte  sich  noch  weiter 
aus,  dann  trat  aber  schnell  der  Heilungsprozeß  ein  und  nach  16 — 17  Tagen 
war  derselbe  vollendet.  Pat.  ist  viermal  in  2  Sitzungen  ä  4  Minuten  mit 
weichen  Röntgenröhren  bestrahlt  worden.  Holzknecht  hat  einen  ähn- 
lichen Fall,  den  er  klinisch  als  Noma  bezeichnete,  in  gleicherweise  mit 
gutem  Erfolg  behandelt. 

Schultz  meint,  daß  die  Bestrahlung  in  diesem  Falle  von  be- 
trächtlichem Einfluß  gewesen  sei;  ein  mikroskopischer  Befund  ist  in 
diesem  Falle  leider  nicht  erhoben  worden. 


der  Berliner  dermatologischen  Gesellschaft.  435 

Hoff  mann  glaabt,  daß  die  Affektion  in  das  Gebiet  der  Noma, 
einer  Dermatitis  ulcerosa,  gehört,  die  der  Angina  Yincenti  auf  den  Ton- 
sillen entspricht. 

6.  Saalfeld:  Beitrag  zur  Ätiologie  der  Dermatitis. 

S-  beobachtete  einen  Patienten  mit  einer  hartnäckigen  ekzematösen 
Hantaffektion  an  den  Händen,  die  sich  im  Anschloß  an  das  Auspacken 
▼on  Panamahüten  entwickelt  hat;  eine  ähnliche  Affektion  soll  auch  bei 
den  Angestellten  desselben  Geschäfts  aufgetreten  sein.  In  der  Literatur 
konnte  S.  darüber  nichts  finden,  das  Pulver,  mit  dem  die  Panamahüte 
bestreut  werden,  konnte  S.  nicht  erlangen.  Möglicherweise  handelt  es 
sich  um  eine  Schwefel  Verbindung.  —  Femer  beobachtete  S.  einen  andern 
Patienten  mit  einer  Dermatitis  am  Gesicht  und  an  den  Händen,  die  durch 
Naphthalin  entstanden  war. 

Blasohko  beobachtete  gelegentlich  ähnliche  Dermatitiden  nach 
Naphthalin.  Für  gewöhnlich  handelt  es  sich  dabei  um  eine  Idiosynkrasie, 
da  Naphthalin  ein  an  sich  wenig  reizendes  Mittel  ist. 

Lesser  sah  vor  kurzem  einen  Herrn,  der  die  bekannte  Pelz- 
kragenaffektion zeigte.  Derselbe  bekam  später  nach  Ausstreuen  von  In- 
sdctenpolver  im  Zimmer  ein  sehr  heftiges  akutes  Ekzem. 

7.  Heller  berichtet,  daß  bei  den  Armen  der  Stadt  Berlin  auf  seine 
Veranlassung  in  Zukunft  bei  Krankheiten,  die  durch  parasitäre  Haut- 
affektionen hervorgerufen  werden,  die  Desinfektion  nicht  nur  der  Wohn- 
räume und  Betten,  sondern  auch  der  Kleider  ausgefährt  wird. 

0.  Rosenthal. 


28* 


Hautkrankheiten. 


Anatomie»  Physiologie^  allgetn.  u.  exp.  Pathologie^ 

path.  Anatomie»  Therapie. 

Majocchi  Domenico.  Über  die  Bedeatang^  einiger  Verän- 
derungen der  Schweißdrüsen  im  senilen  und  präsenilen 
Zustande.  (Salla  importanca  di  alcnne  alterazioni  delle  ghiandole  sa- 
dorifere  nello  stato  senile  e  presenile.)  Heraasgegeben  von  der  königL 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Bologna  mit  4  Tafeln.  1906. 

Diese  Arbeit  Majoochis  lenkt  die  Aufmerksamkeit  insbesondere 
der  Histopathologen  auf  eine  Frage,  die  obzwar  nicht  neu,  doch  in  ge- 
wisser Hinsicht  noch  wenig  studiert  wurde;  sie  kann  praktisch  von 
grofier  Bedeutung  sein,  um  die  senilen  und  präsenilen  Alterationen  der 
Schweißdrüsen  von  jenen  Prozessen  zu  unterscheiden,  die  direkt  die 
Drüsen  oder  die  den  letzteren  nächsten  Geweben  angreifen.  Der  Autor 
kommt  zu  folgenden  Schlußfolgerungen: 

1.  In  der  Involution  der  Haut  unterliegen  die  Schweißdrüsen  einigen 
morphologischen  und  histologischen  Veränderungen,  die  als  senile  Alte- 
rationen dieser  Organe  zu  betrachten  sind. 

2.  Es  sind  zwei  Arten  von  Veränderungen:  a)  die  ersten  treten 
mit  Ektasie  auf,  welche  zu  cystischen  Degenerationen  führen  kann  und 
befällt  gewöhnlich  einen  oder  mehrere  Drüsenschlänche ;  h)  die  zweiten 
sind  dagegen  durch  Hyperplasie  der  Epithelwand  charakterisiert  bis  zu  dem 
Grade,  um  den  Anschein  einer  Keubildungsform  vorzutäuschen  (Adenoma 
sudoriparum,  siringo-cystoadenoma);  manchmal  finden  sich  kombiniert 
(Mischformen)  die  genannten  Veränderungen  vor. 

8.  Diese  senilen  Veränderungen  treten  nicht  konstant  im  Alter  auf, 
sondern  sie  finden  sich  in  den  wirklicken  senilen  Zuständen  der  Haut- 
gewebe. 

4.  Diese  Veränderungen  können  manchesmal  bei  einigen  dystro- 
phischen Zuständen  noch  junger  Individuen,  nämlich  in  präsenilen  Zu- 
ständen und  besonders  die  ersten  Veränderungen  charakterisiert  dnrch 
Ektasie  der  Drüsenschläuche. 

6.  Bei  einigen  Affektionen  der  Alten  (Verrucae,  Naevi  keratosi 
foUiculares)  kann  man  genannte  Drüsenalterationen  unter  solchen  Erschei- 


Bericht  üb.  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete  d.  Hantkrankh.    437 

nungen  treffen,  daß  es  den  Anschein  hat,  als  würden  die  Drüsen  an  den 
lokalen  Prozeß  teilnehmen,  während  sie  eigentlich  nur  senile  Involntions- 
tatsachen  vorstellen. 

6.  Bezüglich  der  Pathogenese  beider  Formen  der  Drüsenalterationen 
kann  man  annehmen  a)  für  die  ektatisohen  irgend  ein  Hindernis,  sei  es 
in  Beziehung  mit  dem  Ausführungsgange,  sei  es  mit  irgend  einer  Stelle 
des  Drüsenkn&uels;  ein  Hindernis  vor  allem  bedingt  durch  umschriebene 
Sklerosen  des  peri-  und  intraglomerularen  Bindegewebes;  b)  für  die 
hyperplastisohen  Veränderungen  dagegen,  außer  des  Einflusses  des  er- 
wähnten Hindernisses,  ist  es  nötig  an  das  Mitwirken  irgend  eines  Reizes 
zu  denken,  z.  B.  des  angesammelten  Schlauchsekretes,  fähig  die  Epithel - 
membran  zu  reizen,  ohne  jedoch  auszuschließen,  daß  es  andere  Ursachen 
sein  können,  die  dem  Auge  des  Beobachters  entgehen. 

Costantino  Gurupi  (Prag-Porretta). 

Broeq.  Note  präliminaire  sur  l'importance  du  grattage 
ä  la  curette  pour  le  diagnostic  de  certaines  dermatoses. 
Ann.  de  derm.  et  de  syph.  1907.  p.  306. 

Brocq  versucht,  die  bei  den  Effloreszenzen  verschiedener  Erkran- 
kungen nach  Kratzen  mit  einer  Curette  auftretenden  Symptome  differential- 
diagnostisch  zu  verwerten.  Während  bei  Psoriasis,  wie  bekannt,  zunächst 
trockene  Schuppen,  dann  ein  in  toto  ablösbares  zartes  Häutchen,  endlich 
kleine  punktförmige  Hämorrhagien  auf  rötlicher,  glatter  und  glänzender 
Oberfläche  auftreten,  kommt  es  bei  Parapsoriasis  zur  Bildung  einer 
mehr  oder  weniger  reichlichen  Purpura  traumatica.  Bei  der  trockenen, 
psoriasiformen  Parakeratose  fehlt  das  zarte  Häutchen  und  es  tritt 
eine  llischuDg  von  Purpura  traumatica  und  punktförmiger  Hämorrhagie 
auf;  für  die  zu  Bläschenbildung  fuhrende  psoriasiforme  Parakeratose  ist 
außerdem  noch  die  Bildung  kleiner  intraapidermoidaler,  schüsseiförmiger 
Depressionen,  aus  welchen  geringe  Mengen  Serum  treten,  charakteristisch. 
Bei  der  psoriasiformen  „Dermatose  figurde  mediothoracique" 
(Eczema  seborrh.)  treten  gleichfalls  Purpura  und  Hämorrhagien  auf,  bei 
der  gewöhnlichen  Form  dieser  Erkrankung  außerdem  kleine  Tropfen  von 
Serum  am  Bande  der  Effloreszenzen.  Bei  Pityriasis  rosea  tritt  am 
Rande  der  Herde  ziemlich  reichliche  Purpura  traumatica  auf,  zuweilen 
finden  sich  auch  kleine  intraepidermoidale  Bläschen.  Die  letzteren  finden 
sich  auch  bei  der  trockenen  Form  des  Ekzems.  Beim  Lupus  erythe- 
matosus haften  die  Schuppen  zunächst  sehr  fest,  dann  kommt  es  zur 
Bildung  Ton  Purpura  und  endlich  zu  Hämorrhagien.  Beim  Liehen 
planus  sind  die  Papeln  sehr  turgeszent,  es  kommt  an  der  Peripherie 
der  Effloreszenzen  zur  Bildung  von  Purpura,  in  gewissen  Fällen  zu  Los- 
lösung des  Epithels  vom  Papillarkörper.  Für  die  papulosquamösen  und 
psoriasiformen  tuberkulosquamösen  Syphilide  ist  die  sofort  auftretende 
Purpura  und  das  neoplastische  Aussehen  des  darunter  liegenden  Gewebes 
charakteristisch.  Trotzdem  diese  Symptome  in  allen  möglichen  Über- 
gängen bestehen,  ist  B.  dennoch  der  Ansicht,  daß  diese  Methode  dem 
Praktiker  in  gewissen  Fällen  die  Sicherung  der  Diagnose  gestatten  dürfte. 

Walther  Pick  (Wien). 


438  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  (Gebiete 

Balkley,  L.  Dancan.  Danger  Signall  From  the  Skia.  Jonr. 
Am.  Med.  As«.  XLVIII.  1740.  25.  Mai  1907. 

Balkley  will  allgemeinere  Anfmerktamkeit  lenken  anf  die  Beden- 
tang  gewisser  Hantyerftndernngen  als  WamnngSEeichen  von  Seiten  wich- 
tiger Yer&nderongen  innerer  Organe  oder  des  allgemeinen  Znstandea  de« 
Körpers.  In  dieser  Hinsicht  werden  besprochen:  Syphilis,  Ekxem,  Akne, 
Psoriasis,  chron.  Urticaria,  Proritas,  Xanthoma  Diabeticomm,  Famnkel 
nnd  Karbunkel,  Pagets  Krankheit,  Acanthosis  nigricans,  Lnpas  etc.  Viel- 
fach handelt  es  sich  um  die  zuweilen  ziemlich  extremen,  keineswegs  auf 
sicheren  Tatsachen  beruhenden  Aussichten  des  Verfassers. 

H.  6.  Klotz  (New- York). 

Wolters.  Über  mechanisch  erzeugte  Alopecie  (Tricho- 
tillomanie  Hallopeaus).  Aus  der  dermatologischen  Poliklinik  der 
Universit&t  Rostock.  (Medizinische  Klinik  1907,  Nr.  24.) 

Wolters  bringt  einen  interessanten  Artikel  über  die  in  der  Lite- 
ratur noch  wenig  behandelte  traumatische  Alopecie.  Es  werden  zwei 
Gruppen  mechanisch  entstehender  Alopecien  unterschieden,  eine,  die  durch 
Ausreißen  der  Kopf-  nnd  Körperhaare  entsteht  und  eine,  die  durch 
Kratzen  an  behaarten  Körperstellen  hervorgerufen  wird.  Für  die  erste 
Form  wurde  von  Hallopeau,  der  den  ersten  Fall  einer  mechanisch  er- 
zeugten Alopecie  demonstriert  hat.  der  Name  Trichotillmanie  vorge- 
schlagen, als  Ausdruck  dafür,  dafi  das  Haarausreißen  hier  als  Wahnsinns- 
akt aufzufassen  sei.  Bei  der  anderen  Form,  die  immer  einem  Pruritus 
folgt,  werden  die  Haare  nicht  ausgerissen,  sondern  infolge  Juckens  und 
Kratzens  abgescheuert.  Verfasser  sucht  nun  durch  Anführung  der  in  der 
Literatur  beschriebenen  Fälle  und  seiner  eigenen  Beobachtungen  den 
Nachweis  zu  bringen,  daß  bei  der  ersten  Form,  nicht  wie  Hallopeau 
annimmt,  eine  wirkliche  Manie  das  primäre  sei,  sondern  daß  das  erste 
auslösende  Moment  für  das  Phänomen  des  Haarausreißens  als  eine  eigen- 
tümliche, aber  doch  normale  und  zweckmäßige  Reaktion  des  Körpers  auf 
einen  ihn  treffenden  Reiz  anzusehen  sei,  daß  allerdings  das  Haarausreißen 
nach  Aufboren  des  auslösenden  Momentes   zur  Gewohnheit  werden  kann. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Ipsen.  über  argentoide  Haarverfarbung.  (Aus  der  Klinik 
für  Hautkranke  des  städtischen  Krankenhauses  zu  Frankfurt  a.  M.)  Mün- 
chener mediz.  Wochenschrift  1907.  Nr.  24. 

Ipsen  beschreibt  eine  eigentümliche  Anomalie  der  Haarfarbe  bei 
einem  2djährigen  Schlosser.  Die  Grundfarbe  sämtlicher  Körperhaare  war 
ein  stumpfes  Braungrau,  das  von  einer  zarten  silbergrauen  Schicht  von 
Staub  oder  Asche  überzogen  zu  sein  schien.  Die  Erklärung  für  diese  an- 
geborene Anomalie  lieferte  der  mikroskopische  Befund  der  Haare,  welcher 
eine  anormale  Verteilung  und  Anordnung  des  Pigments  zeigte. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Colman,  Horace.  A  dangerous  dry  Shampoo.  The  Laneet 
28.  Juni  1907,  p.  1709. 


der  Ebtutkrankheiten.  439 

Eine  Dame  —  berichtet  C  o  1  m  a  n  —  wurde  beim  Schamponieren 
nach  Übergießen  mit  einer  Flassigkeit  ohnmächtig,  hatte  nach  dem  £!r- 
wachen  aus  der  Ohnmacht  Erbrechen  und  Störongen  wie  nach  der  Ghloro* 
formnarkose.  Golman  stellte  fest,  daß  das  benutzte  Präparat  Tetrachlor- 
kohlenstoff war,  ein  für  diesen  Zweck  häufig  gebrauchtes  Mittel.  Marshall, 
der  es  untersuchte,  betonte  die  große  Giftigkeit  des  Körpers,  der  an 
Wirkung  dem  Chloroform  gleicht,  aber  toxischer  ist  als  dieses.  Eben 
wegen  seiner  Giftigkeit  kommt  es  schon  längst  nicht  mehr  zur  Anwendung. 

Fritz  Juliusberg  (ßerlin). 

Wallaee,  David.  Nine  cases  of  carbolio  aoid  gangrene. 
The  British  Med«  Journal.  11.  Mai  1907,  p.  1110  C 

Wallaee  berichtet  über  9  Fälle  von  Gangrän  nach  Applikation 
von  Earbolumschlägen.  In  einigen  seiner  Fälle  kamen  hoohprosentierte 
Lösungen  zur  Anwendung.  Aber  es  sind  auch  Fälle  vorhanden,  wo 
1 — 2*/oige  Lösungen  die  Gangrän  verursachten,  Fälle,  die  ßich  weder 
durch  zu  starke  uro  schnürung,  noch  durch  wasserdichte  Bedeckung  er- 
klären lassen,  sondern  allein  wohl  durch  eine  hochgradige  Idiosynkrasie 
gegen  die  Karbolsäure.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Bnlkley,  L.  Duncan.  Veronal  Dermatitis.  Journ.  Am.  Med. 
Ass.  XLYIIL  1864.  1.  Juni  1907. 

House,  William.  Verona!  Dermatitis.  Journ.  Am.  Med.  Ass. 
XLVIII.  1848.  20.  April  1907. 

In  Ho  US  es  Beobachtung  trat  nach  der  Einführung  mäßiger  Dosen 
von  Veronal  unter  ziemlichen  heftigen  Allgemeinerscheinungen  und 
Fieber  (T.  über  89®  G.)  ein  Ausschlag  auf.  Auf  dem  Rücken  diffuse 
soharlachähnliohe  Röte,  auf  der  Vorderseite  des  Stammes  und  den  Extre- 
mitäten verstreute  Herde  von  großen  Urticariaeffloreszenzen.  Diese  Er- 
scheinungen wurden  wiederholt  an  dem  Fat.  beobachtet. 

Bulkleys  Fall  zeigt  fast  identische  Erscheinungen. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 

Kettner.  Über  Gangrän  des  Skrotums.  Berl.  klin.  Wochen- 
schrift, Nr.  80.  1907. 

Im  Anschluß  an  eine  oberflächliche  Hautabschürfung  am  Skrotum 
kam  es  zu  einem  Erysipelas  gangraenosum,  dem  der  ganze  Hodensack  bis 
auf  die  Testikel  zum  Opfer  fiel.  Nach  Abstoßung  der  gangränösen  Par- 
tien trat  rasch  Überhäutung  vom  Rande  her  wieder  ein. 

H.  Hüb n er  (Frankfurt  a.  M.). 

Wiehmann.  Experimentelle  Untersuchungen  über  die 
biologische  Tiefenwirkung  des  Lichtes  der  medizinischen 
Quarzlampe  und  des  Finsenapparates.  (Aus  der  Lupusheilanstalt 
für  Kranke  der  Landesversicherungsanstalt  der  Hansestädte  zu  Hamburg.) 
Münchener  mediz.  Wochenschrift  1907,  Nr.  28. 

Wich  mann  redet  auf  Grund  vergleichender  Untersuchungen  über 
die  Wirkung  der  Quarzlampe  und  des  Finsenapparates  der  Quarzlampe 
das  Wort  Nach  seinen  Versuchen  vermag  das  Licht  der  Quarzlampe, 
wenn  ein  Teil  seines  Ultraviolett  durch  Verwendung  einer  Methylenblau- 


440  Bericht  über  die  LeiBtungen  auf  dem  Gebiete 

lösnng  in  einer  Yerdünnang  Ton  1  :  10.000  ausgeschaltet  wird,  in  der- 
selben Tiefe  eine  stärkere  photochemische  Lichtentsündnng  herbeiznfuhren 
als  das  Finsenlicht.  Verf.  ist  daher  der  Ansicht,  dafi  das  Lieht  der  Quarz- 
lampe in  praxi  auch  bei  tiefgelegenen  Affektionen  der  Hant  dasjenige 
des  Finsen- Apparates  bei  weitem  an  Wirkung  übertrifft,  falls  die  Finsen- 
sche  Auffassung,  nach  welcher  der  Erfolg  des  Finsenlichtes  in  einer 
photoohemischen  Beeinflussung  des  Gewebes  su  suchen  ist,  richtig  ist. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Le  Count,  E.  R.  &  Batty,  A.  J.  Purpura  Hemorrhagica 
with  Generalized  Infection  with  Bacillus  Paratyphosus. 
Jour.  Infect  Dis.  IV.  176.  April  1907. 

In  dem  von  L  e  G  o  u  n  t  und  Batty  beobachteten  Fall  wurden 
Purpura- Flecken  an  Armen  und  Beinen,  Brust  und  Unterleib  beobachtet 
im  Verlauf  einer  tödlich  endenden,  mit  langdauerndem  nicht  typischen 
Fieber  einhergehenden  Krankheit.  Die  Hauptverändernngen  worden  in 
den  Lymphdrüsen  der  ünterleibsorgane,  in  der  Milz  und  Nieren  gefunden, 
Bum  Teil  in  Form  yon  Blutungen.  Bakteriologisch  wurde  ein  kuner, 
aktiver  Bazillus  beobachtet,  der  bei  Gram  entfärbt  wurde,  während  des 
Lebens  ans  dem  Blut,  nach  dem  Tode  aus  der  Milz  und  Drüsen  im 
Becken  kultiviert.  Derselbe  scheint  eine  Mittelstellung  zwischen  Bacillus 
coli  und  Bacillus  typhos.  einzunehmen.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Iwai,  Teizo.  Relation  of  polymastia  to  multiparons 
birth.  The  Lancet.  21.  Sept.  1907.  p.  818  ff. 

Iwai  diskutiert  über  die  Beziehungen  zwischen  Polymastie  und 
Zwillings-  und  Mehrgeburten,  über  die  die  Ansichten  der  Autoren  variieren. 
Er  selbst  beobachtete  in  Japan,  wo  die  Mehrfachgeburten  besonders  selten 
sind,  unter  101  Frauen  mit  überzähligen  Mammen  18  Mehrfachgeburten. 
Er  schließt  aus  seiner  Statistik,  daß  zwischen  überzähligen  Mammen  und 
Mehrfachgeburten  Beziehungen  bestünden  und  femer  daß  bei  überzäh- 
ligen Mammen  die  Tendenz  zu  häufigeren  Schwangerschaften  vorhanden  sei. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Tligendreich.  Mongolenkinderfleck  bei  zwei  Berliner 
Säuglingen.  Berl.  klin.  Wochenschrift  Nr.  86.  1907. 

unter  der  Bezeichnung  „Mongolenkinderfleck^  versteht  man  einen 
mattblauen  Fleck  von  Erbsen-  bis  Handtellergroße,  der  über  dem  Kreuz- 
bein sehr  häufig  bei  Japanern  gefunden  wird.  Er  kommt  aber  auch  nicht 
so  selten  bei  anderen  Völkern  der  mongoliechen  Rasse  vor,  und  Andeu- 
tungen von  ihm,  Pigmentzellenanhänfungen  im  Corium  der  Kreuzbeinhaut, 
können  auch  bei  Europäern  nachgewiesen  werden.  Tugendreich  fand 
den  Fleck  aber  in  voller  Ausbildung  bei  zwei  Berliner  Säuglingen  seiner 
Poliklinik.  H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Boruttan,  H.  Über  das  Verhalten  des  Jodglidines  im 
menschlichen  und  Tierkörper.    Dtsch.  med.  Woch.  Nr.  87.  1907. 

Die  Experimente,  welche  Boruttan  an  sich  selbst,  an  Patienten 
und  an  Tieren  über  das  Verhalten  des  Jodglidines  im  Organismus  machte, 
ergaben,   daß   die   Ausnützung  des  Jodgehaltes  bei   diesem  Präparat  der 


der  Hantkrankheiten.  441 

Wirkung  des  Jodkali  darohans  gleichkomme.  Die  Aufnahme  des  Jod 
erfolgt  langsamer.  Die  Daner  der  Ausscheidung  ist  die  gleiche  wie  beim 
Jodkalii  indessen  weicht  der  Verlauf  darin  ab,  daß  das  Maximum  der 
Ausscheidung  nicht  sogleich  nach  der  Einführung,  sondern  erst  in  den 
zweiten  12  Stunden  stattfindet.  Nachgewiesen  wurde  ferner,  daß  auch 
beim  Jodglidine  nicht  nur  Jod  im  Jonenzustand  durch  den  Körper  geht. 
Andererseits  schützt  die  rasche  Beendigung  der  Jodausscheidung  vor  der 
Aufspeicherung  des  Jod  und  deren  nicht  unbedenklichen  Folgen.  Auffällig 
war  bei  einem  Patienten  mit  Polyarthritis  die  Steigerung  der  Stickstoff- 
ausscheidung während  der  Kur  bei  sonst  gleicher  Ernähr ang. 

Max  Joseph  (Berlin). 

Citron,  Julius.  Über  Eomplementbindungsversuche  bei 
infektiösen  und  postinfektiösen  Erkrankungen  (Tabes 
dorsalis  etc.)  sowie  bei  Nährstoffen.  Dtsch.  Med.  Woch. 
Nr.  23.  1907. 

Bei  weitaus  den  meisten  Patienten  mit  klinisch  oder  anatomisch 
festgestellter  Lues  waren  im  Serum  regelmäßig,  in  der  Lumbaiflüssigkeit 
seltener  Antikörper  enthalten.  Bei  der  Syphilis  fanden  sich  die  Anti- 
körper oft  noch  nach  Jahrzehnten,  ja  in  alten  Fällen  besonders  reichlich. 
Auch  im  Serum  hereditär  Luetischer  kamen  Antikörper  vor.  Der  bei 
Paralyse  beobachtete  hohe  üehalt  der  Lumbaiflüssigkeit  an  Antikörpern 
ist  sonst  so  selten,  daß  er  als  Kennzeichen  für  Paralyse  oder  syphilitische 
Gehirnerkrankungen  gelten  kann.  Bemerkenswert  war,  daß  solche  Patienten, 
die  von  ihrer  Infektion  nichts  wußten  oder  aus  anderen  Gründen  unbe- 
handelt blieben,  das  günstigste  Objekt  für  die  Untersuchung  auf  Anti- 
körper bildeten.  Je  intensiver  die  Behandlung,  um  so  schlechter  wurde 
das  üntersuchungsergebnis,  ein  Beweis,  daß  die  Serodiagnostik  ein  bedeu- 
tendes Hilfsmittel  in  unklaren  Fällen  darstellt.  Wenn  die  Serumreaktion 
auf  Antikörper  positiv  ausfallt  und  Tabes  oder  Paralyse  nicht  vorliegen, 
so  zeigt  der  Organismus  an,  daß  die  bisherige  Behandlung  ungenügend 
war  und  eine  energische  Kur  geboten  ist.  Verfasser  erwartet  von  dem 
Nachweis  von  Ambozeptoren  und  Antigen  auch  bei  anderen  z.  B.  Proto- 
zoenerkrankungen noch  bedeutende  Aufschlüsse.  Weitere  eingehende 
Untersuchungen  betrafen  die  Komplementbindung  in  Nährstoffen  besonders 
im  Eiweiß.  Max  Joseph  (Berlin). 

Buehanan,  R.  M.  The  carriage  of  infection  by  flies. 
The  Lancet.  27.  Juli  1907.  p.  216  ff. 

Buehanan  machte  Versuche  mit  Fliegen  über  Übertragung  von 
Bakterien.  Von  hier  interessierenden  Versuchen  kommen  in  Betracht  die 
Übertragung  des  tüiters  eines  Abszesses  mit  Staphylococcus  aureus  auf 
eine  Platte  und  Experimente  mit  Übertragung  von  Milzbrand. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Joseph,  Max.  Die  allgemeine  Therapie  der  Hautkrank- 
heiten. Dtsch.  med.  Woch.  Nr.  19.  1907. 

Die  Übersicht,  welche  Joseph  über  die  allgemeine  Therapie  der 
Hautkrankheiten   gibt,  kann   hier  nur   in  gedrängten  Zügen  angedeutet 


442  Bericht  über  die  Leisttins^en  aof  dem  Gebiete 

werden.  Die  weitgehenden  Meinungsverschiedenheiten,  welche  gerade  in 
den  therapeutischen  Grundfragen  bestehen,  werden  an  dem  Beispiel  des 
einfachsten  Hilfsmittels,  des  Wassergebranches,  erörtert.  Es  folgen  die 
Indikationen  und  Kontraindikationen  von  Waschungen  und  Bädern  mit 
und  ohne  medikamentöse  Zusätze,  sowie  das  Anwendungsgebiet  Ton 
Seifen  und  Salben.  Besonders  hervorgehoben  werden  die  günstigen  Wir- 
kungen der  Pasten  (Zink-  und  Kahlpasten),  der  Leime,  Firnisse  und  dea 
zwischen  den  beiden  letzteren  stehenden  (Jnguentum  Gaseini,  sowie  die 
Sehüttelmixtur  von  Zink,  Amylum,  Glyzerin  und  Wasser.  Wenn  diese  Mittel 
sich  mehr  für  eine  Gberflächenwirkung  eigneten,  so  werden  die  tiefer 
gelegenen  Infiltrationen  zweckmäßiger  mit  medikamentös  imprägnierten 
Pflastermnllen  und  Paraplasten  behandelt.  Dem  Nässen  bei  akuten  Haut- 
katarrhen begegne  man  mit  antiphlogistischen  Mitteln:  essigsaurer  Ton- 
erde, Resorcin,  Pudern.  Adstringierende  Salben  (Zink)  verhindern  zu 
starkes  Austrocknen  der  Haut.  Zur  Regeneration  der  Epidermis  gleich- 
zeitig juckstiliend,  ist  die  keratoplas tische  Substanz  des  Teers  hingegen 
mit  Vorsicht  anzuwenden,  bei  Verdickung  wirkt  keratolytisch  Salizyl  in 
Paste,  Seifenpflaster  oder  PflastermuU.  Schälpasten  von  Naphthol  oder 
Resorcin  bringen  die  Epidermis  zur  Abstoßang  oder  Talgdrüsen  bei 
Akne  zur  Entleemng.  Jucken  ohne  sichtbare  Erscheinungen  (Pruritus) 
lindern  Schüttelmixturen  von  BromokoU  und  Zink,  Exiguform,  Menthol, 
event.  eine  Kombination  dieser  Mittel  oder  anch  unverdünnte  Benzoe- 
tinktur.  Max  Joseph  (Berlin). 

Sehwerdt.  Weitere  Fälle  von  Sklerodermie,  behandelt 
mit  Mesenterialdrüsen.  Münchener  medizinische  Wochenschrift 
1907.  Nr  25. 

Sehwerdt  stellt  5  Fälle  von  partieller  Sklerodermie  zusammen, 
die  er  mit  dem  Mesenterialdrüsen- Präparat  vom  Schaf — Goeliaoin  —  das 
in  Tablettenform  zu  0*3  ein-  bis  zweimal  täglich  gereicht  wurde,  ohne 
örtliche  Therapie  behandelte.  Verfasser  hat  bei  allen  Fällen  eine  gün- 
stige Beeinflussung,  teils  sogar  völlige  Heilung  konstatieren  können,  so 
daß  man  diesem  Präparat  mehr  Beachtung  schenken  und  es  häufiger  als 
es  bisher  wohl  geschehen  zur  Anwendung  bringen  sollte. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 
Miilfler. Vergleichende  experimentelleUntersuohungen 
über  die  Wirkung  des  Finsenschen  Kohlenlichtes  und  der 
medizinischen  Quarzlampe.  (Aus  dem.  Radiologischen  Institut  des 
städtischen  Rudolf  Virchow-Krankenhauses  zu  Berlin.)  Medizinische 
Klinik  1907.  Nr.  29. 

Bei  Nachprüfung  der  Wirkung  des  Finsen-Lichtes  im  Vergleich 
zu  der  des  Quarzlampenlichtes  kommt  Mulzer  zu  wesentlich  anderen 
Resultaten  als  sie  Kromayer  mit  der  von  ihm  in  die  Therapie  einge- 
führten Quarz-Qnecksilberlampe  erhalten  hat  Die  exakten  sowohl  mit 
lichtempfindlichem  Papier  als  auch  am  lebenden  Gewebe  angestellten 
Versuche  zeigen,  daß  zwischen  der  chemischen  Intensität  der  Strahlen 
der   Finsenlichtes   und   der   medizinischen   Quarzlampe   bezüglich   ihrer 


der  Hautkrankheiten.  443 

Oberflächen  Wirkung  fast  kein  Unterschied  besteht,  während  mit  zuneh- 
mender Dicke  der  zu  penetrierenden  Gewebsschicht  die  Wirkung  der 
medizinischen  Quarzlampe  weit  von  der  des  Finsenlichtes  übertreffen  wird. 
Anders  Terhält  es  sich  dagegen  mit  der  Einwirkung  der  beiden  Lichtarten 
auf  Bakterien.  Während  das  Finseulicht  nach  Passage  einer  0*4  und  0*5  mm 
dicken  Hantschicht  nicht  im  stände  war  selbst  bei  einstfindiger  Belich- 
tung die  Bakterien  in  ihrem  Wachstum  zu  schwächen,  erzeugte  das 
Qnarzlicht  unter  gleichen  Bedingungen  absolute  Tötung  sämtlicher 
Bakterien.  Oskar  Möller  (Dortmund). 

Tomkinson.  Goodwin.  The  eclectic  treatment  of  Lupus 
vulgaris.  The  British  Med.  Journal.  29.  Juni  1907.  p.  1585. 

An  der  Hand  dreier  Fälle  weist  Tomkinson  auf  die  günstige 
Wirkung  und  den  auch  in  kosmetischer  Hinsicht  guten  Erfolg  der 
Röntgenstrahlen  beim  Lupus  vulgaris  hin.  Die  Fälle  wurden  zugleich 
nach  Finsen  behandelt.  Übrigens  behaupten  auch  die  alten  Methoden 
(Caustica,  Ichthyolsalben  etc.)  noch  immer  einen  hervorragenden  Platz 
in  der  Behandlung  der  Haut  tuberkulöse  und  sollten  zur  Unterstützung 
der  neueren  Methoden  herangezogen  werden. 

Fritz   Juliusberg   (Berlin). 

Bogg§,  Rüssel  H.  Some  Applications  of  the  Roentgen 
Rays  in  Dermatology.  New-York  M.  J.  85.  790.  27.  April  1907. 

Boggs  betont  besonders,  daß  zur  erfolgreichea  Behandlung  von 
Hautkrankheiten  vermittelst  der  Röntgenstrahlen  nicht  nur  eine  ein- 
gehende Kenntnis  der  Hautkrankheiten  erforderlich  sei,  sondern  auch 
ein  eingehendes  Studium  und  Verständnis  der  R.-Strahlen;  man  solle 
namentlich  erst  lernen,  schwierige  Röntgenbilder  zu  machen.  Die 
therapeutischen  Resultate  bei  Ekzem,  Akne,  Rosacea,  Psoriasis  etc.  unter- 
scheiden sich  nicht  wesentlich  von  den  üblichen.  Im  allgemeinen  befür- 
wortet B.  ein  konservatives  Verfahren.  H.  G.  Klotz  (New-York). 

Maeleod,  J.  M.  H.  The  X-ray  treatment  of  ring  worm  of 
the  Bcalp:  singular  ooincidence  of  measles  with  the  deflu- 
vium  of  the  hair.  The  British  Med.  Journal,  1.  Juni  1907,  p.  1298. 

Maeleod  weist  auf  die  Röntgenbehandlung  des  behaarten 
Kopfes  bei  Trichophytie  hin;  der  Haarausfall  tritt  regelmäßig  etwa  am 
16.  Tage  ein.  Bei  2  Kindern  trat  zugleich  mit  der  leichten  Hyperämie, 
die  dem  Haarausfall  vorauszugehen  pflegt,  ein  Morbillenexanthem  auf. 
Diese  wurde  zuerst  an  den  behandelten  Stellen  entdeckt  und  erregte  den 
Verdacht,  daß  eine  Röntgenreizung  zu  erwarten  wäre. 

Fritz  Jaliusberg  (Berlin). 

Morton,  Reginald.  On  the  valae  of  the  high-frequency 
spark  as  a  local  treatment.  The  Lancet,  1.  Juni  1907,  p.  1491. 

Morton  berichtet  über  die  Verwendung  der  Hochfrequenzströme 
zur  lokalen  Behandlung  von  Hautkrankheiten.  Er  hatte  Erfolge  bei  Alo- 
pecia arcata,  Acne  vulgaris  und  Acne  rosacea. 

Fritz  Juliusberg   (Berlin). 


444  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Carle  und  Boulad.  £tnde  aar  les  pommades  de  savon. 
Ann.  de  derm.  et  de  syph.  1907.  p.  454. 

Die  Aatoren  bereiten  zunächst  eine  weiße  Kaliseife:  Axong.  60, 
Kai.  oarb.  17*60,  Aqu.  dest.  160*00,  Alcobol  10,  Lanolin  20.  In  diese 
Seife  ließen  sich  die  verschiedenen  Teerarten,  mineralische  und  yegetabi- 
lische  DestiUationsprodnkte,  0]e  und  Harze  sehr  gut  eintragen,  und  sie 
wnrde  mit  gutem  Erfolg  bei  Pityriasis  der  Kopfhaut,  bei  Seborrhoe 
(mit  Resorcin,  Teer  und  Schwefel),  bei  Psoriasis,  chronischen  Ekzemeui 
sowie  bei  Affektionen  der  bebarteten  Haut  verwendet. 

Walther  Pick  (Wien). 

Sehütte.  Therapeutische  Erfahrungen  mit  „Eston*. 
Medizinische  Klinik  1907,  Nr.  84. 

Schütte  teilt  seine  Erfahrungen  mit,  die  er  mit  Eston,  d.  i. 
Aluminium  aceticum  in  fester  polymerisierter  Form,  gemacht  hat  Es 
wurde  bei  den  verschiedenen  Formen  von  Hyperhidrosis  als  Streu-  oder 
Einreibepulver  in  50 — ^oy^iger  Verdünnung,  bei  Decubitus,  dann  als 
Streupulver  bei  kleinen  Kindern  in  lO^oig^r  Mischung  mit  Taloum  ange- 
wandt. Ferner  wurde  es  zur  Behandlung  der  verschiedensten  Hautkrank- 
heiten, insbesondere  auch  zur  Wundbehandlung  entweder  auch  in  Pulver- 
form oder  als  10 — Iby^ige  Vaseline  herangezogen.  Überali  sah  Ver&sser 
günstige  Erfolge;  er  sieht  daher  die  weitere  Einfahrung  des  Präparates 
als  einen  therapeutischen  Fortschritt  und  eine  nicht  zu  unterschätzende 
Bereicherung  des  Arzneischatzes  an.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Sfagelschmidt.  Zur  Therapie  der  Skabies.  Medizin.  Klbük 
1907  Nr.  36. 

Nagelsohmidt  ist  der  Ansicht,  daß  unsere  gebräuchlichen 
Skabiesmittel,  namentlich  die  übliche  Schwefelsalbe  wohl  die  Krätzmilben, 
nicht  aber  die  Eier  unschädlich  macht,  da  sie  infolge  ihrer  zu  geringen 
Resorbierbarkeit  nicht  im  stände  sei,  die  Eihäute  zu  durchdringen.  Beim 
Suchen  nach  einem  diese  Bedingung  erfallenden  und  doch  nicht  reizenden 
Präparat  kam  Verfasser  auf  ans  Thiopinol,  das  er  in  Form  von  Bädern 
und  als  6~107oise  Salbe  anwandte.  Es  wurden  40  Skabieskranke  auf 
diese  Weise  behandelt  und  geheilt. 

Wir  sahen  bei  der  von  uns  angewandten  Behandlung^weise  mit 
Schwefelkarbolsalbe  (Schwefel  67o»  Karbol  l7o)  bisher  auch  keinerlei 
Reizwirkung  und  erzielen  durchschnittlich  in  8  Tagen  Heilung.  (Ref.) 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Finkelstein.  Zur  diätetischen  Behandlung  des  konsti- 
tutionellen Säuglingsekzems.  (Aus  dem  Kinderasyl  der  Stadt 
Berlin.)  Medizinische  Klinik  1907  Nr.  37. 

Im  Verlaufe  klinischer  und  experimenteller  Studien  über  das  Säug- 
lingsekzem, das  ja  heutzutage  nicht  mehr  als  selbständige  HauterkrankuDg, 
sondern  als  Symptom  einer  Konstitntionsanomalie  angesehen  wird,  ge- 
langte Finkelstein  zu  der  Anschauung,  daß  es  die  Molkensalze  sind, 
die  auf  die  Fortdauer  des  Ausschlages  einen  Einfluß  haben  und  daß 
demgemäß   von   einer   Verminderung   dieser   Nahrungsbestandteile    eine 


der  HautkrankheiteD.  445 

günstige  Wirkung  zu  erwarten  sei.  Er  gibt  daher  folgende  Em&hrangs- 
weise  an,  mit  der  er  bei  5  Fällen  yod  schwerem,  hartnäckigen  Eksem 
Heilung  bezüglich  wesentliche  Bessemng  erzielt  hat.  1  Liter  Milch  wird 
mit  Pegnin  oder  Labessenz  ausgelabt;  von  der  Molke  wird  der  größere 
Teil  beseitigt,  Y5  mit  Haferschleim  auf  das  ursprüngliche  Volumen  auf- 
gefallt. Das  derbe  Gerinnsel  wird,  um  es  feinflockig  zu  machen,  durch 
ein  feines  Haarsieb  gerührt,  mehrfach  durch  Aufschwemmung  mit  Wasser 
gewaschen  und  dann  der  Molken-Schleimmischung  zugesetzt,  dazu  kommen 
20—40  g  Streuzucker  (kein  salzhaltiges  Präparat).  Das  Ganze  stellt  eine 
sämige  Suppe  dar,  die  von  den  Kindern  gerne  genommen  wird;  es  ent- 
hält die  Gesamtmenge  des  Kaseins  und  der  Fette  der  verwendeten  Milch, 
aber  nur  den  fünften  Teil  der  Molkensalze. 

Oskar   Müller   (Dortmund). 

Herxheimer,  Karl.  Beiträge  zur  Therapie  der  Acne 
vulgaris.  Dtsch.  med.  Woch.  Nr.  87.  1907. 

Wie  Herxheimer  mit  Recht  betont,  ist  es  bei  einer  so  hart- 
näckigen Erkrankung  wie  die  Akne  vor  allem  notwendig,  daß  der  Patient 
Vertrauen  zu  der  eingeschlagenen  Methode  gewinne.  Der  Arzt  muß  nicht 
jede  der  vielfachen  Behau dlungsweisen  kennen,  aber  die,  welche  er  be- 
vorzugt, richtig  anwenden.  Bei  der  Besprechung  der  allgemeinen  Behand- 
lung, Beseitigung  von  Anämie,  Magendarmstörnngen  etc.  erwähnt  Verf., 
daß  die  oft  angeschuldigte  Fettzufuhr  keine  Verschlimmerung  der  Akne 
herbeiführe,  unter  den  nur  innerlichen  Mitteln  erzielte  allein  frische 
Bierhefe  (nicht  Hefepräparate)  völlige  Heilung,  meist  ist  die  lokale  Be- 
handlung unerläßlich.  Chirurgische  Maßnahmen  sind  mit  Vorsicht  anzu- 
wenden. Da  viele  Fälle  auf  den  kleinsten  Eingriff  mit  lang  andauernder 
RötuDg  reagieren,  so  bleibt  das  Empfehlenswerteste  die  lokale  Anwendung 
gewisser  spezifisch  wirkender  Medikamente,  in  erster  Reihe  des  Schwefels. 
Man  achte  bei  der  Verarbeitung  desselben  auf  die  Gefahr  starker  Ätzung, 
widerlichen  Geruches,  auch  die  langsame  Wirkung  ist  lästig.  Als  Nacht- 
salbe setze  man  der  Zinkpaste  langsam  steigend  1 — 80%  präzipitierten 
Schwefel  zu.  Wird  im  Sommer  das  Schlafen  mit  Verband  zu  lästig,  so 
tut  ein  Liniment  aus  15  T.  präzip.  Schwefel,  46  T.  Aq.  calcis,  10  T.  Aq. 
amygdal.  amar.  gute  Dienste.  Ferner  wirkt  reduzierend  das  Resorcin, 
welches  man  vor  Luft  und  Licht  schütze  und  durch  Zusatz  von  Talg 
anstatt  des  zersetzenden  Amylnm  der  unangenehmen  Nebenwirkung  des 
Graufärbens  entkleide.  Gebotenen  Falls  können  Versuche  mit  Natrium- 
perborat, Thymolresorcin-  oder  Salizylsäurespiritus,  essigsaurer  Tonerde, 
Spiritus  saponat.  kaiin.,  Zinksuperoxyd-  oder  Salizyl-Resorcin-Schwefel- 
seife  gemacht  werden.  Indurierte  Knoten  sind  mit  Quecksilber-  oder 
Salizylpflaster  zu  behandeln.  Als  angenehmes  Hilfsmittel  bewährte  sich 
neben  anderer  Medikation  heißer  Dampf.  Max  Joseph  (Berlin). 

Babes  undYasiliu.  Die  Atoxylbehandlung  der  Pellagra. 
Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  88.  1907. 

In  einer  früheren,  hier  bereits  referierten  Mitteilung  haben  B  a  b  e  • 
und  Vasiliu  bereits  kurz  ihre  Erfolge  bei  der  Behandlung  der  Pellagra 


446  Bericht  aber  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

mit  Atoxyl  bekannt  gegeben.  Hier  bringen  sie  die  Erankengeschicliten 
von  62  behandelten  Fällen,  ans  denen  der  rasche  heilende  Einflnfi  er- 
sichtlich ist  Einige  Male  genügte  eine  Iigektion  aar  Heilang  aller 
Symptome,  die  im  Durchschnitt  nach  etwa  14  Tagen  erreicht  war.  Nor 
in  einem  Falle  trat  nach  20  Tagen  ein  Besidiv  ein.  Sogar  die  schweren 
Geistesstörungen  wurden  in  der  Regel  günstig  beeinflußt,  wenn  auch  oft 
nur  vorübergehend.  H.  Hühner  (Frankfurt  a.  M.). 

Senger.  Über  eine  Gefahr  des  Benzins  zu  Beinigungs- 
zwecken  bei  der  Hautdesinfektion.  Berliner  klin.  Wochenschr. 
Nr.  38.  1907. 

Senger  warnt  vor  der  Anwendung  des  Benzins  zu  Beinigungs- 
zwecken  auf  der  Gesichtshaut,  da  besonders  bei  Kindern  gefahrliche 
Yergiftungserscheinungen  durch  Einatmen  des  Mittels  vorkommen  können. 
In  den  genannten  Fällen  muß  er  durch  Äther  ersetzt  werden. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 
Spreeher  Florio,  Turin,  Ospedale  Cottolengo.  Zur  Behand- 
lung der  Keloidakne  am  Nacken.  Bassegna di Terapia.  H.  6.  1906. 
Verfasser  behandelte  zwei  Fälle  von  Keloidakne  nach  der  von 
Sabouraud  angegebenen  Methode.  Der  Erfolg  war  ein  befriedigender, 
denn  schon  2  Monate  nach  Beginn  der  Behandlung  blieben  nur  kleine, 
sehr  wenig  erhabene  Narben  zurück,  gegen  die  Verfasser  die  bipolare 
Elektrolyse  anwandte.  Nach  drei  Monaten  trat  Heilung  ein. 

Costantino  Curupi  (Prag — Porretta). 
Vamey,  H.  B.  Opsonic  Therapy  in  Skin  Diseases.    Jour. 
Am.  Med.  Ass.  XLIX.  316.  27.  Juli  1907. 

Nach  Versuchen  mit  Akne,  Furunkulosis  und  Sykosis  hält  sich 
Varney  berechtigt  zu  der  Behauptung,  daß  wir  in  Bakterieninokula- 
tionen ein  wertvolles,  spezifisches  Heilverfahren  besitzen,  ebenso  daß 
Wrights  Methode  zur  Bestimmung  der  Widerstandskraft  des  Patienten 
ohne  Frage  von  praktischer  Bedeutung  sei.  Von  des  Patienten  eigenen 
Mikroben  hergestellte  Vaccinationsstoffe  ergaben  bessere  Besultate  als 
von  anderem  Material  stammende.  Die  therapeutischen  Erfolge  können 
auch  ohne  opsonische  Kontrolle  erzielt  werden,  sie  ist  aber  besser  mit 
derselben. 

In  der  Diskussion  erklären  Schamberg  und  Heidingsfeld 
nicht  so  brilliante  Besultate  erhalten  zu  haben  wie  V.,  namentlich  sei 
die  Wirkung,  die  anfangs  augenfällig,  späterhin  geringer,  von  verschie- 
denen Seiten  wird  auf  die  zur  Zeit  noch  bestehenden  technischen  Schwie- 
rigkeiten hingewiesen,  die  der  Anwendung  in  der  Praxis  im  Wege  stehen. 
Mook  bemerkt,  daß  Akne  nicht  durch  Staphylokokkusinokulationen  ge- 
heilt werden  könne,  da  ein  anderer  Mikrobe  (Unna-Engmana  Bazillus) 
die  Ursache  derselben  sei.  Schamberg  protestiert  gegen  die  Anwen- 
dung des  Ausdruckes  Vaccine  für  derartige  Inokulationen. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 
Mae  Gowan,  Granville.  The  Therapeutics  of  Tuberculosis 
of  the  Skin.  Jour.  Am.  Med.  Assoc.  XLIX.  737.  31.  Aug.  1907. 


der  Hautkrankheiten.  447 

Nach  einigen  Bemerkungen  über  den  Wert  innerer  Mittel  bei 
Hauttuberkulose  sowie  über  Licht-  und  Röntgentherapie  behandelt  Mac 
Gowan  die  übrigen  lokalen  Methoden,  ihre  Vorzüge  in  verschiedenen 
Fällen  nnd  die  Technik  derselben:  Entfernung  dnrch  £xcision,  Kürettage, 
mit  besooderer  Berücksichtigung  der  Anästhesie  nnd  des  Vorgehens 
selbst,  femer  Vi d als  lineare  Skarifikation,  das  Eauterium,  Salizylsäure- 
Ereosotpflaster,  Arg.  nitr.,  Aoid.  lactic,  Liqno.  Antimonii  chloridi,  Pyro- 
gallussäure,  die  verschiedenen  Kombinationen  mehrerer  dieser  Methoden 
und  endlich  die  Anwendung  des  Sonnenlichtes  selbst  entweder  direkt 
oder  vermittelst  Glaslinsen.  Durch  Anwendung  der  letzteren  kann  eine 
Zerstörung  des  kranken  Gewebes  bewirkt  werden,  die  ziemlich  schmerz- 
haft ist,  aber  gute  Narben  hinterläßt.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Bulkley,  L.  Duncan.  Significance  and  treatment  of 
Itching.  Joum.  Am.  Med.  Assoc.  XLIX.  821.  27.  Juli  1907. 

B  u  1  k  1  e  y  bespricht  übersichtlich  die  Ursachen  und  die  Behandlung 
des  Juckens,  ohne  wesentlich  Neues  zu  bringen  oder  die  Empfindung 
selbst  zu  erklaren.  Die  Ursachen  werden  eingeteilt  in  äußerliche,  idio- 
pathische und  konstitutionelle.  Näher  besprochen  werden  die  Ursachen 
der  so  häufigen  Verschlimmerung  des  Juckens  in  der  Nacht.  Die  Behand- 
lung ist  teils  konstitutionell,  teils  lokal.  Die  Menge  der  angeführten 
Methoden  und  Mittel  beweist  genügend,  daß  die  Therapie  oft  großen 
Schwierigkeiten  begegnet.  Verschiedene  praktische  Vorrichtungen  zur 
Verhütung  des  Kratzens   besonders  kleiner  Kinder,   werden  beschrieben. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 

Boggs,  Rüssel  H.  Treatment  of  Acne  and  Chronic 
Eczema.  Jour.  Am.  Med.  Ass.  XLIX.  786.  31.  Aug.  1907. 

Boggs  bespricht  hauptsächlich  die  Röntgen-Bebandlung  der  Akne 
und  des  Ekzems,  vor  allem  betonend,  daß  große  Vorsicht  nnd  technische 
Kenntnis  nötig  sei.  Bei  Akne  leistet  die  R.-Strahlen  nur  insofern  mehr 
als  andere  Behandlungsmethoden,  als  sie  die  Talgdrüsen  verkleinern.  Er 
empfiehlt  eine  zirka  dreiwöchentliche  Vorkur,  um  die  Toleranz  in  dem 
einzelnen  Falle  zu  bestimmen.  Bei  Rosacea  kommt  auch  hauptsächlich 
nur  die  reduzierende  Wirkung  auf  die  Talgdrüsen  in  Frage.  Bei  Ekzemen, 
namentlich  den  schuppenden,  ist  das  wirksame  Element  die  Anregung 
des  Stoffwechsels,  die  Strahlen  sollen  die  Bioaktivität  der  Zellen  beeinflussen. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 

Hartzeil,  M.  B.  The  Salioylates  in  the  Treatment  of 
Liehen  Planus.  Journ.  Am.  Med.  Ass.  XLIX.  225.  20.  Juli  1907. 

Hartzell  berichtet  4  Fälle  von  Liehen  planus,  in  welchen  gün- 
stige therapeutische  Erfolge  von  der  innerlichen  Anwendung  von  Salizyl- 
präparaten,  nam.  Natr.  salicyl.  beobachtet  wurden.  In  einigen  Fällen 
wurde  die  Besserung  des  Liehen  zufallig  beobachtet,  während  der  Salizyl- 
behandlung  rheumatischer  Erscheinungen.  Beiläufig  wird  erwähnt,  daß 
Arsenik  nicht  als  so  allgemein  wirksam  bei  Liehen  planus  gefunden 
wurde.  Einige  Fälle  von  ungewöhnlichen  morphologischen  Erscheinungen 


448  Bericht  über  die  Leiatangen  aaf  dem  Gebiete 

werden   beschrieben.    (Auftreten  im  Verlauf  gewisser   Nerven,    Blasen- 
bildung etc.)  H.  fordert  zn  weiteren  Yersachen  auf. 

H.  G.  Klotz  (New-York). 

Whitehouse,  Henry  H.  Liquid  Air  in  Dermatology.  Ita 
Indications  and  Limitations.  Jonm.  Am.  Med.  Ass.  XTilX.  871. 
8.  Aug.  1907 

Whitehonse  beschreibt  die  Eigenschaften  der  ,, flüssigen  Luft*', 
die  er  in  der  Behandlung  gewisser  Hantkrankheiten  benatzt  hat.  Es 
handelt  sich  nm  eine  Mischung  von  ca.  27i  Teilen  Stickstoff  :  1  Teil 
Sauerstoff  mit  ca.  VsVo  Kohlens&ure,  die  sich  unter  Entweichung  des  N 
unter  Blasenbildung  rasch  in  eine  beinahe  rein  aus  Oxygen  bestehende 
Flüssigkeit  verwandelt.  Dieselbe  ist  sehr  unbeständig,  ungefähr  so  schwer 
wie  Wasser  und  hat  eine  Temperatur  von  —SW  F.  (—190®  C).  Nach 
Laboratoriumversuchen  zerstört  „flüssige  Luft**  keine  Bakterien,  höchstens 
hemmt  es  die  Aktivität  pathogener  Organismen;  sie  beeinflußt  lebendes 
Gewebe  durch  die  Abwesenheit  von  Wärme  und  Feuchtigkeit;  plötzlich 
appliziert  verursacht  sie  sehr  energische  Eontraktion  der  Blutgefäße, 
gefolgt  von  intensiver  entzündlicher  Reaktion,  welche  die  Lymphräume 
mit  serösem  Elzsudat  anfüllt  und  namentlich  beim  Hautkrebs  die  in  der 
Peripherie  der  Neubildung  befindlichen  Zellen  unschädlich  macht;  die 
Wirkung  ist  daher  nicht  eine  bloß  kaustische  und  Schorfbildnng  ist 
keineswegs  eine  Bedingung  für  therapeutischen  Erfolg.  Die  „flüssige  Luft" 
ist  trocken  und  verursacht  auf  der  gesunden  Haut  nur  nach  einigen 
Momenten  Blasenbildung,  auf  schwitzender  Haut  aber  sofort,  und  auf 
einer  feuchten  Oberfläche  Schorfbildung.  In  Gestalt  eines  Spray  verur- 
sacht sie  je  nach  der  Dauer  der  Einwirkung  Gefrieren  und  Anästhesie^ 
ohne  nachteilige  Wirkung  zu  hinterlassen.  Mit  einem  Wattebausch  appli- 
ziert ist  die  Wirkung  verschieden  je  nach  dem  dabei  angewandten  Druck 
und  dem  Zustand  und  der  Lage  der  Gewebe.  In  der  letzteren  Form  hat 
W.  hauptsächlich  die  Substanz  zur  Anwendung  gebracht,  die  Technik 
ist  genau  beschrieben.  Der  Schmerz  bei  der  Anwendung  soll  gering 
sein;  bei  gewissen  Zuständen  wird  nach  einigen  Applikationen  Schmerz 
und  Geruch  und  Absonderung  verringert;  Narben  sind  weiß  und  weich. 
Anwendung  findet  die  „flüssige  Luft"  hauptsächlich  bei  Naevus  pigmen- 
tosus und  vasculosus  (8  F.),  Lupus  erythematosus  (2  F.,  Erfolg  besonders 
gut),  Lup.  vulg.  (2  F.)  und  Epithelioma  (16  F.).  In  der  Diskussion 
werden  von  mehreren  Seiten  die  guten  Resultate  mit  dem  Mittel  bestätigt, 
Bulkley  hat  weniger  günstige  Erfahrungen  betreffend  die  Schmerzhaf- 
tigkeit  des  Verfahrens  gehabt.  Pusey  gibt  angesichts  der  Schwierigkeit 
„liquid  air**  regelmäßig  zu  bekommen,  der  flüssigen  Kohlensäure  den 
Vorzug,  die  leicht  zu  erhalten  sei,  allerdings  nur  eine  Temperatur  von 
—90^  F.  (—67®  C.)  habe,  aber  dieselbe  Wirkung  auf  Gewebe  äußere. 

H.  G.  K 1  o  t  z  (New-York). 

Hornung.  Heiße  Luft  als  Behandlungsmittel  der  Frost- 
beulen in  der  Volksmedizin.  Münchener  medizin.  Wochenschrift 
1907.  Nr.  31. 


der  Hautkrankheiten.  449 

Hornnog  möchte  aaf  Grund  einer  Erfahrung  am  eigenen  Körper 
zur  Behandlung  von  Frostbeulen  trockene  Hitze  empfehlen,  die  am  ein* 
fachsten  in  Form  von  Ofen  wärme  appliziert,  besonders  in  der  Volks- 
medizin ein  wertvolles  Heilmittel  darstelle. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Tomkinson,  Goodwin.  A  method  of  treating  lupus  vul- 
garis. The  British  Med.  Association  1907  (Exeter).  Section  of  electro- 
therapeutic.  The  British  Med.  Journal.  14.  Sept.  1907.  p.  642. 

Tomkinson  entfernt  etwaige  Krusten  mit  Salizylöl.  Dann  wird 
eine  kleine  Fläche  versuchsweise  B — 5  Min.  bestrahlt.  Dann  werden  die 
X-Strahlen  täglich  5  Min.  lang  auf  größeren  Flächen  angewendet,  bis 
der  ganze  Herd  3 — 4mal  bestrahlt  ist.  Darauf  Bedeckung  mit 

607o  Salizyleisenpflaster  10  Tage  lang,  täglich  erneut.  Es  folgen 
Pinselung  mit 

Acid  carbol.  .  .  .  50*0 
Acid  lactici  .  .  .  15*0 
Acidi  salicyl.  .  .  10*0 
Ale.  abs 20*0, 

der  wenige  Min.  später  eine  Betupfung  mit 

Acid  carbolici  .   .  80*0 

Ale.  abs 20*0  folgt. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Drenw.  Onthe  treatment  of  lupus.  The Lancet.  13.  Juli  1907. 
p.  81  ff. 

Dreuw  gibt  eine  genaue  Darstellung  der  Technik  seiner  Lupus« 
behandlungsmethode.  Die  lupöaen  Partien  werden  nach  Gefrierung  (ev. 
in  allgemeiner  Narkose)  energisch  mit  roher  Salzsäure  geätzt.  Die  Naoh- 
behandlung  erfolgt  unter  Eugoform  und  Schwefelzinkpaste.  Nach  Abhei- 
lung der  oberflächlichen  lupösen  Herde  werden  in  dem  restierenden 
Lupusfibrom  die  einzelnen  übrig  gebliebenen  tiefen  tuberkulösen  Stellen 
durch  punktförmige  Kauterisation  ähnlich  wie  die  oberflächlichen  zerstört. 

Fritz   Juliusberg  (Berlin). 

Axmanil,  H.  Lnpusbehandlung  mittels  der  Uviollampe. 
Dtsch.  med.  Woch.  Nr.  30.  1907. 

Einen  über  Gesicht,  Hals,  Schultern  und  Brust  ausgebreiteten 
Lupus  vulgaris  behandelte  Azmann  mit  gutem  Erfolge  mittels  der 
Uviollampe.  In  38  Sitzungen  bis  zu  */«  Stunden  wurde  die  erkrankte 
Fläche  zugleich  bestrahlt,  zuerst  täglich,  dann  alle  2 — 4—8  Tage.  Die 
ersten  heftigen  Reaktionen  klangen  schnell  ab,  darauf  wurde  eine  Sensi- 
bilisierong  mit  Sol.  Zino.  chlor,  vorgenommen.  Zu  starke  Reaktionen 
wurden  durch  indifferente,  lichtdurchlässige  Salben  gemildert.  Bisher  ist 
ein  Rezidiv  nicht  aufgetreten.  Max  Joseph  (Berlin). 

VageUehmidt,  Franz.  Zur  Indikation  der  Behandlung 
mit  Hochfrequenzströmen.  Dtsch.  med.  Woch.  Nr.  32.  1907. 

Nagelschmidt  verwendete  mit  g utem  Erfolge  die  Hochfrequenz- 
ströme in  verschiedener   Form.    Das   große  Solenoid,   eine  Spirale  aus 

Areh.  t,  Dtrmat.  a.  Syph.  Bd.  LXXXIX.  29 


450  Bericht  über  die  LeistangeD  auf  dem  Gebiete 

dickem  Knpferdraht,  in  deren  Innern  der  Patient  ritzt,  ohne  mit  den 
Drähten  in  Berdhrnng  zu  kommen  nnd  ohne  eine  Empfindung  davon  zu 
yenpüren,  bewährte  sich  besonders  bei  Schlaflosigkeit,  psychischer  De- 
pression, Angina  pectoris  (hier  event.  mit  lokaler  Behandlang  kombiniert). 
Die  elektrische  Dusche  oder  der  elektrische  Wind  beeinfloßten  Hyper- 
ästhesien, Parästhesien,  sowie  nervöses  Hantjncken  günstig.  Fanken- 
applikationen besserten  Ischias,  direkte  Eontaktwirknng  linderte  die  lan- 
zinierenden  Schmerzen  und  Krisen  der  Tabiker.  £ine  bedeatende  thera- 
peutische Wirksamkeit  ist  vielleicht  noch  der  Fähigkeit  der  Hochfrequenz- 
ströme,  Muskelkontraktionen  zu  erregen,  vorbehalten.  Wenn  man  dem 
Patienten  eine  Metallelektrode,  die  mit  dem  einen  Pol  verbunden  ist,  in 
die  Hand  gibt  und  in  die  andere  Hand  eine  nicht  verbundene  Metall- 
elektrode,  sodann  mit  einem  geeigneten  Eontakt  von  dem  anderen  Pol 
Funkenentladungen  auf  diese  freie  Elektrode  überspringen  läßt,  so  kann 
man  starke  Muskelzuckungen  auslösen  ohne  das  Schmerzgefühl,  welches 
der  faradische  oder  galvanische  Strom  verursachen. 

Max  Joseph  (Berlin). 

Pirie,  Howard.  A  new  method  for  using  X-rays.  The  Lancet 
18.  Juli  1907.  p.  84  ff. 

Pirie s  Quantimeter  mifit  die  Quantität  des  elektrischen  Stromes, 
der  während  der  Bestrahlung  mit  X-Strahlen  durch  die  Röntgenröhre 
geht.  Die  Quantität,  die  die  Röhre  passiert,  ist  fortwährend  verschieden, 
so  daß  eine  Messung  mit  dem  Milliamperemeter  nicht  möglich  ist.  Die 
Konstruktion  beruht  auf  der  Zersetzung  von  Wasser  durch  den  pasrie- 
renden  Strom.  Die  Gasblasen  treiben  einen  Tropfen  Wasser  —  den 
„Indikatortropfen^  —  in  einer  graduierten  Skala  in  die  Höhe.  Pirie  hat 
noch  eine  weitere  Verbesserung  angebracht,  indem  nach  einer  bestimmten 
Höhe  des  Indikatortropfens  der  Strom  und  damit  die  Bestrahlung  auto- 
matisch unterbrochen  wird.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Sequeira,  J.  H.  On  X-ray  dosage.  The  British  Med.  Association 
(Exeter)  1907.  Section  of  electro-therapeutics.  The  British  Med.  Journal. 
14.  Sept.  1907.  p.  689  ff. 

Sequeira  hält  einen  Vortrag  über  die  Fortschritte  der  Röntgen- 
technik. Speziell  gibt  er  eine  Übersicht  über  die  Maßmethoden  für  die 
Röntgenstrahlen.  Der  gebrauchte  elektrische  Strom  wird  gemessen  durch 
Voltameter  und  Amperemeter.  Die  Anzahl  der  Unterbrechungen  wird 
durch  den  Unterbrecher  geregelt.  £r  arbeitet  mit  einem  Unterbrecher 
von  800  pro  Minute.  Ein  wichtiger  Faktor  ist  die  Regelung  des  Vakuums 
in  der  Tube.  Dazu  dient  als  Maß  der  Spintermeter.  Weiterhin  finden 
Holzknechts  Chromoradiometer  und  Sabourand-Noires  Baryum- 
Platincyanidpastillen  eine  Erörterung.  An  die  Ausfahrangen  schließt  sich 
eine  lebhafte  Debatte  an.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Pirie,  Howard:  A  new  meter  for  measuring  the  dose  of 
X-rays.  The  British  Med.  Association  1907  (Exeter).  Section  of  electro- 
therapeutics.  The  British  Med.  Journal.    14.  Sept.  1907.  p.  641. 


der  Hautkrankheiten.  451 

Piries  Qnantimeter  ist  bereits  beschrieben  in  Lanoet  1907  Juli  13 
nnd  hier  referiert.  Fritz  Juliusberg   (Berlin). 

Taylor,  James.  A  case  of  Pagets  disease  treated  by 
X-rays.  The  British  Med.  Association  1907  (Exeter).  Section  of  electro- 
therapeutics.  The  British  Med.  Jonmal.  14.  Sept.  1907.  p.  648. 

Taylor  behandelte  einen  Fall  von  Pagets  disease  mit  Röntgen- 
strahlen. Die  Affektion  war  in  Heilung,  als  ein  Tumor  in  der  Tiefe  der 
Brust  frisch  entstand  und  die  Amputation  der  Brust  Teranlaßte.  Es  zeigte 
sich  bei  der  mikroskopischen  Prüfung,  daß,  während  die  Strahlen  die 
oberflächliche  Erkrankung  günstig  beeinflußt  hatten,  die  tiefer  sitzende 
oaroinomatöse  Erkrankung  entstanden  und  vielleicht  zur  schnelleren 
Wucherung  veranlaßt  war.  Fritz  Jnliusberg  (Berlin). 

Harris,  Delpratt.  Some  statistics  of  X-ray  treatment  in 
rodent  nlcer  and  Carcinoma.  The  British  Med.  Association  1907 
(Exeter).  Section  of  electro-therapeutics.  The  British  Med.  Journal 
14.  Sept.  1907.  p.  644. 

Harris  gibt  eine  kurze  Übersicht  über  einige  von  ihm  mit 
X-Strahlen  mit  verschiedenem  Erfolge  behandelte  Fälle. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin), 

Hesse.  Zur  Tiefenwirkung  des  Quarzlampenlichtes. 
(Aus  der  Klinik  fAr  Haut-»  und  Geschlechtskrankheiten  der  städtischen 
Krankenanstalten  Düsseldorf.)  Mnnchener  medizinische  Wochenschrift 
1907  Nr.  35. 

Hesse  wendet  sich  gegen  die  in  Nr.  28  dieser  Wochenschrift  von 
Wichmann  aufgestellte  Behauptung,  daß  das  Licht  der  Quarzlampe, 
wenn  ein  Teil  des  ültravioletts  durch  Blaufärbung  des  Kühlwassers  aus- 
geschaltet wird,  in  derselben  Tiefe  eine  stärkere  photochemische  Licht- 
entzündung herbeiführt  als  das  Finsenlicht,  da  seine  eigenen  unter  pein- 
lichster Befolgung  der  von  Wichmann  angegebenen  technischen  Vor- 
schriften angestellten  Versuche  zu  wesentlich  anderen  Resultaten  ge- 
führt haben.  Verfasser,  der  schon  vor  längerer  Zeit  die  Frage  der 
Tiefenwirkung  des  Finsen-  und  des  Quarzlampenlichtes  experimentell 
und  klinisch  genauer  geprüft  hat,  hat  an  anderer  Stelle  (Dermatologische 
Zeitschrift)    ausführlich    darüber    berichtet. 

Oskar   Müller    (Dortmund). 

Dessauer.  Schutz  des  Arztes  und  des  Patienten  gegen 
Schädigungen  durch  Röntgen-  und  Radiumstrahlen.  Mün- 
chener mediz.  Wochenschr.  1907  Nr.  37. 

Dessauer  macht  auf  die  Gefahren  und  Schädigungen  durch 
Röntgenstrahlen  aufmerksam  nnd  gibt  eine  Zusanunenstelluug  der 
praktischsten  Schutzvorrichtungen.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Rieder.  Über  die  Verwendung  kleinerer  Dosen  von 
Röntgenstrahlen  in  der  Therapie.  Münchener  Mediz.  Wochen- 
schrift 1907  Nr.  85. 

Ried  er  legt  seine  Erfahrungen,  die  er  in  langjähriger  Praxis  mit 
der  Röntgentherapie  gemacht  hat,  dar  nnd  geht  ausführlich  auf  eine  Be- 

29* 


452  Bericht  über  die  Leistungen  aof  dem  (Gebiete 

sprechang  einiger  der  Röntgentherapie  zagängiger  Erkrankangen  ein.  Er 
ist  der  Ansicht,  daß  man  früher  allgemein  mit  zn  hoher  Strahlendosis 
gearbeitet  hat,  was  abgesehen  Ton  unliebsamen  Wirkungen  h&ufig  wohl 
die  Ursache  von  Mißerfolgen  war.  Nicht  die  Maximaldosis,  sondern  die 
Minimaldosis  spielt  seines  Erachtens  nach  jetzt  die  Hauptrolle  in  der 
Röntgentherapie.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Mendl.  Über  einen  mittelst  Röntgenstrahlen  behan- 
delten Fall  von  Lymphosarkom.  Medizin.  Klinik  1907.  Nr.  35. 

Mendl  berichtet  über  einen  mittelst  Röntgenbestrahlung  günstig 
beeinflußten  Fall  von  Lymphosarkom.  Es  handelt  sich  um  einen  69  Jahre 
alten  Patienten,  der  in  der  linken  oberen  Schlüsselbeingrube  ein  großes 
Paket  geschwollener  Drüsen  hatte,  welche  bei  histologischer  Unter- 
suchung eines  ezcidierten  Probestückchens  das  Bild  eines  malignen 
Lymphoms  zeigen.  Es  wurde  6mal  in  Sitzungen  yon  durchschnittlich 
6  Minuten  bestrahlt,  wonach  unter  aufiTalligem  Za  rückgehen  der  Lympho- 
cyten  ein  völliger  Schwund  der  Geschwulst  zu  verzeichnen  war. 

Wenn  auch  für  Dauer  Heilung  nicht  garantiert  werden  kann,  so 
fordert  Verfasser  doch  auf,  die  Radiotherapie,  besonders  dann,  wenn 
andere  Methoden  bei  der  Behandlung  der  Sarkome  versagen,  als  Ulti- 
mum refugium  in  Verwendung  zu  ziehen. 

Oskar    Müller   (Dortmund). 

KassabiaD,  Mihran  K.  Roentgen  Ray  Technic  in  Derma- 
tology.  Journ.  Am.  Med.  Ass.  XLIX.  782.  SL  Aug.  1907. 

Eassabian  teilt  vom  Standpunkt  des  Röntgentherapeuten  die 
Hautkrankheiten,  in  denen  die  Röntgenstrahlen  zur  Verwendung  kommen, 
in  4  Gruppen  ein: 

1.  solche,  in  denen  leichte  Stimulierung  nötig  (Akne), 

2.  solche,  in  denen  Epilation  gewünscht  vrird  (Hypertrichosis), 

3.  solche,  in  denen  Absorption  pathologischen  Gewebes  erzielt 
werden  soll  (Ekzem,  Psoriasis,  Lupus). 

4.  maligne  Erankheitstypen  (Epithelioma) 

und  bespricht  die  für  jede  dieser  Gruppen  psssenden  Methoden  der  An- 
wendung der  Röntgenstrahlen,  die  im  einzelnen  zu  referieren  nicht  tunlich. 
Femer  werden  die  Röntgen- Dermatitis  und  Pigmentation  besprochen; 
E.  ist  der  Ansicht,  daß  auch  die  leichten  Erytheme  und  Farbenver&nde- 
rungen  vermieden  werden  sollten.  Endlich  werden  Maßregeln  mr  Ver- 
hütung derselben  angegeben.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Sehamberg,  Jay  Frank.  ThePresent  Status  of  Photo- 
therapy.  Jour.  Am.  Med.  Ass.  XLIX.  648.  17.  Aug.  1907. 

Schamberg  erkennt  die  ausgezeichneten  Erfolge  der  Licht- 
therapie mit  dem  Finsenschen  Apparate  an;  die  Anlage  einer  solchen 
Anstalt  lohne  sich  nicht  in  den  Vereinigten  Staaten,  weil  auch  in  den 
großen  St&dten  die  Zahl  der  Lupuskranken  nicht  genügend  groß  sei; 
infolgedessen    wurden   die   großen    Apparate,   auch    wo    sie  angeschafit 


der  Hautkrankheiten.  453 

worden  sind,  nur  selten  oder  gar  nicht  gebraucht.  Bei  Lupus,  der  das 
Hauptfeld  für  die  Lichtbehandlung  liefert,  handelt  es  sich  um  8  Probleme : 
die  Zerstörung  von  Mikroorganismen  durch  gewisse  Strahlen,  die  Fähig- 
keit der  letzteren  die  Haut  lu  durchdringen  und  reaktive  Veränderungen 
in  der  Struktur  zu  bewirken.  Wie  weit  diese  Bedingungen  für  die  Wirk* 
samkeit  in  Wirklichkeit  erfüllt  werden,  wird  näher  besprochen.  Außer 
Lupus  ist  Lichttherapie  indiziert  bei  Lupus  Erythematosus  und  Alopecia 
areata.  Nach  Bemerkungen  über  die  starkströmigen  Glühlampen  be- 
schäftigt sich  8.  mit  den  Uviollampen,  die  er  praktisch  angewandt  hat 
in  Fällen  von  Alopecia  areata,  Akne,  Ekzem,  Lupus  vulgaris  und  Fuß- 
geschwüren. Es  wird  über  eine  Anzahl  Fälle  kurz  berichtet  mit  ver- 
schiedenem Erfolg.  Die  Zahl  der  Beobachtungen  ist  aber  zu  klein,  um 
weitere  Schlüsse  zu  ziehen.  H.  G.  Klotz  (New- York). 


Akute  und  chronische  Infektionskrankheiteu. 

DaTies,  Hughes  R.  lufection  of  measies  transmitted  by 
letter.  The  British  Med.  Journ.  1907.  Juni  22.  p.  1480. 

D  a  y  i  e  s  beschreibt  einen  Fall  von  einem  Herrn,  der  in  einer 
masemfreien  Umgebung  lebte  und  nach  Empfang  eines  Briefes  von  einem 
Masemkranken  diese  Erkrankung  bekam.    Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Porter,  Charles.  A  oase  of  confluent  haemorrhagio 
eruption  in  Varicella.  The  Lancet  1907.  Mai  18.  p.  1369. 

Porters  Fall  ist  dadurch  interessant^  daß  die  VaricellenefHores- 
zenzen  sehr  reichlich  auftraten,  teilweise  konfluierten  und  teilweise 
hämorrhagisch  wurden.  Im  Übrigen  verlief  der  Fall  normal.  An  den 
Stellen,  wo  die  Varicelienpusteln  konfluiert  waren,  entsanden  Narben  von 
cheloidartigem  Charakter.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Rolleston,  J.  D.  The  accidental  rash  of  Varicella.  The 
British  Med.  Journ.  1907.  Mai  4.  p.  1051  £f. 

Unter  ausführlichen  Literaturangaben  berichtet  Rolleston  über 
die  akzidentellen  Exantheme  bei  Varicellen.  Die  treten  teils  als  pro- 
dromale Erscheinungen  auf,  teils  folgen  sie  der  Yaricelleneruption.  Sie 
sind  teils  skarlatiniform,  teils  masemähnlich,  teils  pnrpuraartig.  Die 
scharlachähnliohen  Exantheme  haben  dadurch  ein  Interesse,  daß  sie  oft 
diagnostisch  große  Schwierigkeiten  machen.  Abgesehen  davon,  daß  der 
skarlatiniforme  Ausschlag  bei  Yaricelleu  nicht  Ton  Schuppung  gefolgt 
ist,  gibt  es  zwischen  ihm  und  dem  Scharlach  kein  definitives  patho- 
gnomonisches  Unterscheidungsmerkmal. 

Die  akzidentellen  Ausschläge  bei  den  Varicellen  sind  wahrscheinlich 
septischen  oder  toxischen  Charakters  und  unabhängig  von  der  Varicellen- 
infektion  selbst.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 


454  Berieht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Merrill,  Theodore  G.  Smallpox  and  Yaccinia.  Journ.  Am. 
Med.  AsBOc.  XLIX.  40.  6.  Jnli  1907. 

Merrill  berichtet,  daß  in  einer  kleinen  Stadt  in  Texas 
11  Personen  isoliert  nnd  geimpft  wurden,  sofort  nachdem  ein  Fall  von 
Pocken  aufgetreten  war.  Bei  allen  entwickelten  sieh  nach  3  bis  4  Tagen 
typische  Yaccinepusteln ;  innerhalb  12  Tagen,  nachdem  sie  der  Ansteckung 
ansgesetst  worden  waren  und  in  Gegenwart  wohl  entwickelter  Impf- 
pusteln  traten  bei  5  der  isolierten  Individuen  typisches  Pockenexanthem 
(Papeln,  Yesiculae  und  Pusteln)  auf,  die  milden  Yerlauf  seigten  mit  Aus- 
nahme eines  Patienten,  bei  dem  Alter  und  schlechte  Emährungsverh&ltnisse 
die  Eonvalessenz  zu  einer  langsamen  machten. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 

Danziger.  ÜberYaccina  generalisata.  Münehener  mediz. 
Wochenschrift  1907.  Nr.  32. 

Bericht  über  6  Fälle  von  Yaccina  generalisata,  die  gleichzeitig  auf 
der  Hautabteilung  beobachtet  wurden.  Danziger,  der  über  die  Ent- 
stehungsweise dieser  Epidemie  noch  kein  entscheidendes  Wort  sprechen 
will,  neigt  der  Ansicht  zu,  daß  von  den  beiden  Wegen,  welche  für  die 
Entstehung  der  Erkrankung  vor  allem  in  Betracht  kommen:  1.  die 
Autoinokulation  resp.  Inokulation;  2.  die  spontane  Eruption  von  innen 
heraus  —  der  letztere  verantwortlich  zu  machen  sei.  Dafür  spricht  auch 
die  auffallige  Tatsache,  daß  bei  allen  Fällen  mit  Ausnahme  eines  einzigen 
Husten  im  Beginn  der  Erkrankung  auftrat  und  es  ist  die  Annahme  nahe  • 
liegend,  daß  das  Krankheitsgift  ebenso,  wie  das^  bei  der  Yariola  wahr- 
scheinlich ist,  mit  der  Inspirationslufit  eingeatmet  wurde.  Freilich  muß 
Yerf.  zugeben,  daß  Hautkrankheiten,  insbesondere  Ekzeme  erfahrungs- 
gemäß in  hohem  Grade  zur  Entstehung  einer  vaocina  generalisata 
disponieren  und  daß  die  Haut  dieser  ekzemkranken  Individuen  einen 
locus  minoris  resistentiae  darbietet  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Haworth,  F.  G.  Desquamation  after  scarlet  fever.  The 
British  Med.  Joum.  1907.  Juni  8.  p.  1862. 

Haworths  Patient,  ein  Sjähriges  Mädchen,  bekam  einen  Scharlach 
ohne  Exanthem  mit  typischer  himbeerfarbener  Zunge.  Es  erfolgte  keine 
Desquamation  und  der  Autor  wirft  die  Frage  auf,  ob  bei  solchen  Kindern 
eine  längere  Isolation  notwendig  wäre.       Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Tunnlcliff,  Ruth.  The  Streptococco-opsonic  Index  in 
Scarlatina.  Joum.  of  Infect  Dis.  lY.  304.  Juni  15.  1907. 

Nach  Tunnicliffs  Untersuchungen  ist  der  opsonische  Index  f^ 
Streptokokken  im  Anfang  des  Scharlach  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  unter 
der  Norm.  Mit  der  Abnahme  der  akuten  Symptome  steigt  der  Index 
über  die  normale  Grenze,  um  bald  auf  dieselbe  zurückzugehen,  zuweilen 
in  ziemlich  abrupter  Weise.  In  unkomplizierten  Fällen  bleibt  der  Index 
gewöhnlich  während  der  Konvaleszenz  normal.  Bestimmte  lokale  Kompli- 
kationen  durch  Streptokokken  verursacht,  werden  durch  ein  Herabsinken 
des  Index  eingeleitet,  das  wieder  verschwindet,  sobald  Besserung  eintritt, 

H.  G.  Klotz  (New-York). 


der  Hautkrankheiten.  455 

Hall,  Vincent.  Post-scarlatinal  desquamation.  The  British 
Med«  Joam.  1907.  Juli  6.  p.  20. 

Ein  Kind  —  berichtet  Hall  —  mit  einer  außerordentlich  starken 
Scarlatina  kam,  ohne  daß  eine  Desquamation  auftrat,  6  Wochen  später 
mit  Nässen  im  Ohr  in  die  Eäuslichkeit.  Zwei  bis  drei  Wochen  später 
bekam  der  Vater  Scarlatina  ohne  Exanthem,  worauf  7  Wochen  später 
eine  starke  Desquamation  erfolgte. 

Das  Kind  infizierte  8  Monate  nach  seiner  Erkrankung  mehrere 
Personeu,  bei  denen  eine  andere  Infektionsquelle  nicht  in  Betracht  kam. 

Frits  Juliusberg  (Berlin). 

Marrable,  Harold.  An  acute  infections  condition  (glan- 
ders?).  The  Lancet  1907.  Mai  25.  p.  1430. 

Marrable  behandelte  folgenden  tödlich  verlaufenden  Fall  einer 
Erkrankung  bei  einem  Manne,  bei  dem  er  an  eiue  eyentuelle  Infektion 
durch  die  Drüsenkrankheit  der  Pferde  denkt.  Der  Fall  kam  in  Persien 
Yor,  wo  die  Drüse  bei  Pferden  häufig  ist.  Unter  Fieber  traten  Schwellungen 
an  den  Beinen  und  im  Gesicht  auf.  Später  folgte  ein  pustulöser  Aus- 
schlag am  Nacken  und  im  Gesicht  und  eine  Verfärbung  der  Nase.  Am 
Tage  vor  dem  Exitus  kam  es  su  großen  Blasenbildungen  im  Gesicht  und 
am  Nacken.  Fritz  Jnliusberg  (Berlin). 

Babes  und  Vasilia.  Die  Atoxylbehandlung  der  Pellagra. 
Berl.  klin.  Wochenschrift  Nr.  28.  1907. 

Nachdem  schon  im  Jahre  1880  von  Lombroso  Arsen  zur  Be- 
handlung der  Pellagra  empfohlen  wurde,  wandten  Babes  und  Vasiliu 
jetzt  dieses  Mittel  in  der  Form  des  Atozyls  an.  Sie  erreichten  damit 
auffallende  Heilerfolge:  Die  Symptome  der  Krankheit  mit  Ausnahme  der 
schweren  zerebralen  Zustände  und  der  Tachykardie  werden  selbst  durch 
geringe  Dosen  des  Mittels  oft  mit  einem  Schlage  gebessert  und  schwinden 
nach  wenigen  Tagen.  Die  Autoren  sind  der  Ansicht,  daß  das  Atoxyl  ein 
Mittel  sei,  das  bei  der  Behandlung  der  Pellagra  mehr  leiste  als  alles 
bisher  versuchte.  Hans  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Searcy,  George  H.  An  Epidemie  of  Acute  Pellagra.  Joum. 
Am.  Med.  Ass.  XUX.  37.  6.  Juli  1907. 

Bei  dem  ungeheuren  Verbrauch  von  Mais  (com)  in  den  Vereinigten 
Staaten,  und  besonders  den  südlichen  Staaten  als  Nahrungsmittel  ist  es 
auffällig,  daß  Pellagra  bisher  hier  kaum  beobachtet  worden  ist.  Searcy 
berichtet  nun  über  eine  Epidemie  akuter  Pellagra,  die  in  einer  Irren- 
anstalt für  Neger  in  Monnt  Vemon,  Alabama,  beobachtet  wurde,  und 
deren  Erkennung  vielfach  Schwierigkeiten  machte.  Wie  auch  in  einigen 
Gegenden  Süd-Europas  beobachtet  worden  ist,  zeigte  die  Erkrankung 
einen  mehr  akuten  Charakter  und  verlief  in  einer  Anzahl  von  Fällen  rasch 
tödlich,  im  ganzen  unter  denselben  Symptomen  wie  in  Europa.  Unter 
den  88  Fällen  waren  nur  8  Männer,  das  durchschnittliche  Alter  der 
Patienten  war  84  Jahre,  80^/^  waren  vorher  gesund  gewesen  und  '/s  waren 
länger  als  ein  Jahr  im  Hospital  gewesen.  Unter  den  Hauterscheinungen 
betrafen  867o  den  Rücken  der  Hände  und  Handgelenke,   867o  den  Fuß- 


466  Bericht  über  die  LeiBtongen  auf  dem  Gebiete 

rücken  und  Nacken,  20^/o  die  Wangen,  nur  87o  itlle  diese  Körperteile» 
während  127o  frei  von  Hantrer&nderangen  blieben,  dagegen  Salivation, 
g^trointestinale  nnd  Nerrenstömngen  teigten.  Nachdem  die  Ursache 
der  Krankheit  vermutet  worden  war,  wurde  das  Mais  durch  Weiien 
ersetzt  bei  sonst  unveränderter  Diät,  nur  eine  kleine  Anzahl  Patienten 
wurden  zur  Probe  weiter  mit  Maismehl  nnd  Grütze  ernährt,  bis  einer 
derselben  ausgesprochene  Symptome  der  Krankheit  zeigte.  Untersuchung 
ergab,  dafi,  während  die  Grütze  von  vollkommen  guter  Beschaffenheit 
war,  das  Mehl  hingegen  als  aus  schimmelnden  Körnern  hergestellt  nnd 
voller  Bakterien  und  Pilzen  verschiedener  Art  befunden  wurde. 
Neuerdings  ist  man  wieder  zu  den  gleichen  Nahrungsmitteln  zurück- 
gekehrt, ohne  daß  sich  seithfT  weitere  Fälle  gezeigt  hätten.  Seither  sind 
auch  einige  Fälle  in  einem  anderen  Irrenhospital  in  Alabama  als  Pellagra 
erkannt  worden.  Wahrscheinlich  hat  feuchtes  Wetter  während  der  Emiß 
in  1906  das  Getreide  geschädigt. 

Die  Prognose  fär  die  akuten  Fälle  ist  eine  ungünstige,  indem  die 
meisten  Fälle  in  2 — 3  Wochen  tödlich  endeten ;  andere  verlaufen  langsamer 
nnd  erfolgt  Herstellung  erst  nach  Monaten. 

H.  G.  Klotz  (New -York). 

Biesiilg.  Die  Heilung  der  Lepra.  Dtsch.  med.  Woohenschr. 
Nr.  20.  1907. 

Unter  den  vielfachen  Heilmitteln,  welche  gegen  Lepra  empfohlen 
werden,  fand  Diesing  die  subkutane  Zuführung  von  Jodoformölemulsion 
am  wirksamsten.  Man  begiune  mit  zwei  Probeinjektionen  von  Vi  ^^^ 
der  30^/0  Emulsion  und  gehe,  wenn  diese  vertragen  werden,  zu  2  eem 
täglich  15  bis  20  Tage  lang  über.  Vorübergehendes  Fieber  oder  Ekzem 
ist  keine  Kontraindikation  der  Behandlung,  indessen  setze  man  die  Kur, 
wenn  Appetitlosigkeit,  Schwäche,  Blässe  oder  Empfindung  von  Jodgeruch 
auftreten,  bis  zum  Verschwinden  dieser  Erscheinungen  aus.  Zwei  Wochen 
nach  der  ersten  Kur  schreite  man  zu  der  zweiten,  welche  1  Monat  dauert. 
Dann  sind  gewöhnlich  alle  leichten  und  ein  großer  Teil  der  schweren 
Erkrankungen  geheilt.  Hohe  Dosen  (8  ccm.  der  SOVo  Emulsion)  darf  man 
nur  jungen  kräftigen,  im  Anfangsstadium  befindlichen  Pat  zumuten. 
Abzuraten  ist  die  Jodoformtherapie  bei  Geisteskranken  wegen  der  Gefahr 
akuter  maniakalischer  Anfälle,  bei  Leukämie,  welche  sie  verschlimmert, 
nnd  bei  Herzkranken,  da  dies  Mittel  die  Herztätigkeit  herabsetzt.  Hingegen 
tritt  die  mit  der  Lepra  einhergehende  Anämie  zwar  im  Beginne  der  Be- 
handlung stärker  hervor,  verliert  sich  aber  im  Verlaufe  der  Kur  bald  bei 
der  fortschreitenden  Besserung  der  leprösen  Symptome.  Die  Herstellung 
der  Lösung  und  die  viele  Sorgfalt  erfordernde  Technik  der  Iz^ektionen 
müssen  im  Original  eingesehen  werden.  Max  Joseph  (Berlin). 

Hollmann,  Harry  T.  The  Use  of  Baths  in  the  Treatment 
of  Leprosy  Especially  The  Medicated  Bath.  New-York.  Med. 
Jonm.  86.  887.  11.  Mai  1907. 

Hol  1  mann  empfiehlt  auf  Grund  von  Beobachtungen  in  Molokai, 
S.  I.  die  Anwendung  von  Bädern   bei   der  Behandlung  der  Lepra;  mehr 


der  Hautkrankheiten.  457 

weniger  indiziert  seien  dieselben  bei  allen  Zustanden,  am  meisten  aber 
bei  ulzerierten  Knoten,  bei  verdickter  untätiger  Haut,  bei  neuralgisohen 
Schmerzen,  bei  L3rmphadeniti8  und  bei  Jucken.  Die  Bäder  sollen  eine 
Temperatur  von  95^104^  F.  (85— 40<^  G.)  haben  und  sind  teils  alkalisch 
(1  S  Borax  zu  jedem  Bad),  oder  adstringierend  (Y,  S  Alaun  oder  Kali 
sulfur.)  oder  erhalten  einen  Zusatz  von  4  Gallonen  eines  Aufgusses  von 
Eukalyptusblattem.  £&  sollen  täglich  2  Bäder  gegeben  werden,  am 
Morgen  15  Minuten  lang  85—40^  C,  verbunden  mit  Friktionen,  nach 
dem  Bade  Einreiben  einer  Salbe  von  Ol.  Eukal.  Ungt.  sulphur  m  15*0 
üngt.  lanolioi  60*0,  abends  T.  85—43*5®  C,  darauf  10  Minuten  Kin- 
wicklung  in  Decken.  Vorteile  sind:  Reinlichkeit,  Anregung  der  Dräsen 
zu  normaler  Tätigkeit,  Erweichung  verdickter  Haut,  Erleichterung  der 
Steifigkeit,  Besserung  der  Neuritis,  Beseitigung  des  Juckens,  Heilung  von 
Exkoriationen,  Geschwüren,  Erosionen  der  Haut  und  Schleimhäute,  Er- 
weichung von  Knoten,  Verschwinden  von  Lepraflecken.  Innere  Mittel 
find  damit  zu  verbinden.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Kudiseh,  W.  Ein  Fall  von  knotiger  Lepra  (Lepra 
tuberosa).  Joum.  russe  de  mal.  cut.  1906.  Bd.  XI. 

Der  30jährige  Kranke  bietet  das  ausgeprägte  Bild  der  Lepra 
tuberosa.  Knoten  im  Gesicht,  Ausfall  der  Augenbrauen,  Facies  leontina  etc. 
Kudiseh  beobachtete  außer  diesem  Falle  noch  zwei  andere  in  Kiew, 
welche  nicht  aus  Lepraorten  stammten,  sondern  in  Kiew  oder  der  Um- 
gebung ihren  ständigen  Aufenthalt  hatten. 

Schon  im  Jahre  1900  machte  Kudiseh  und  K  a  m  a  n  o  v  gelegentlich 
der  Demonstration  eines  Leprafalles  aus  einem  Kiew  benachbarten  Dorfe 
den  Vorschlag  der  Errichtung  einer  Leproserie  in  Kiew,  die  bisher 
allerdings  nicht  erfolgt  ist.  Richard  Fische!  (Bad  Hall). 

Iwai,  Teizo.  Relation  of  polymastia  to  tnbercul  osis. 
The  Lancet.  1907.  Okt.  5.  p.  958. 

Iwai  richtete  sein  Augenmerk  auf  die  Beziehungen  der  Poly- 
mastie zur  Tuberkulose.  Seine  umfangreiche  Statistik  schien  ihm  zu  er- 
geben, daß  Polymastie  sich  häufiger  bei  Tuberkulösen  (besonders  der  Lunge) 
finde  als  bei  Nichttuberkulösen  und  daß  Menschen  mit  überzähligen 
Mammen  mehr  zur  Tuberkulose  disponiert  sind. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Iwai,  Teizo.  A  Statistical  study  on  the  polymastia  of 
the  Japanese.  The  Lancet.  1907.  Sept.  14.  p.  758ff. 

I  w  a  i  s  ausfuhrliche  Studie  behandelt  das  Vorkommen  der  Poly- 
mastie an  einem  großen  japanischen  Material.  In  Japan  findet  sich  die 
Polymastie  gewöhnlich  über  den  normalen  Brüsten,  besonders  am  vor- 
deren Rande  der  Axilla.  In  vielen  Fällen  ist  die  Areola  unter  der  normalen 
Brust  pigmentiert,  bei  Männern  mehr  wie  bei  Frauen.  Die  Polymastie 
fand  sich  in  l'68Vo  heim  Manne  und  in  6*  19%  l^ei  der  Frau.  Die  größte 
Zahl  von  Brustdrüsen  an  einer  Person  betrug  6. 

Der  Arbeit  ist  ein  ausführliches  Literaturverzeichnis  über  Poly- 
mastie überhaupt  beigegeben.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 


458  Bericht  über  die  Leistnngen  auf  dem  Gebiete 

Alexander,  David.  Arthropathie  in  Roeteln.  The  Lancet. 
1907.  Sept.  28.  p.  921. 

Alexander  berichtet  karz  über  das  Auftreten  von  Gelenk- 
Schwellungen  an  Knien  und  Knöcheln  während  der  Röteln  bei  einem 
2^ährigen  Patienten.  Fritz  Jnlinsberg  (Berlin). 

WalliB,  F.  Frank.  Gataneous  Tabercnlosis.  Jonm.  Am. 
Med.  Ass.  49.  184.  Jali  18.  1907. 

Wallis  beschreibt  kurz  9  Fälle  von  der  von  Du  bring  als  klein - 
pnstnlöses  Skrofnlid  bezeichneten  Krankheitsform,  die  von  verschiedenen 
Seiten  mit  verschiedenen  Namen  belegt  worden  sind,  als:  Folliklis,  Acne 
necrotica,  acne  varioliformis  etc.  W.  schlägt  vor  für  diese  Zustände  als 
gemeinsamen  Namen  „Tuberkulide'  anzuwenden  und  die  klinischen  Varie- 
täten durch  beschreibende  Adjektiva  näher  zu  bestimmen.  Beweise  für 
die  »tuberkulöse  Natur  der  Krankheit  werden  nicht  beigebracht.  Die 
Patienten  waren  sämtlich  Kinder  eingewanderter  Hebräer,  die  Fälle  zeigten 
große  Neigung  zum  gruppenartigen  Auftreten  in  Familien  und  hanfig 
Zusammenhang  mit  Traumen  leichter  Art.  Einfach  tonische  Behandlung 
bewirkte  überall  Besserung.  Nur  in  einem  Falle  konnte  Tuberkulose  in 
der  Familiengeschichte  nachgewiesen  werden. 

H.  G.  Klotz  (New -York). 

Hendenon.  Erysipelas  in  a  young  ohild.  The  Lancet.  1907. 
Sept.  28.  p.  921. 

Henderson  berichtet  über  einen  Fall  von  Erysipel  bei  einem 
6jährigen  Mädchen,  der  zur  Heilung  kam.  Er  fragt,  ob  ähnliche  Fälle 
in  so  früher  Kindheit  von  andern  Seiten  beobachtet  und  wie  sie  ursäohlioh 
zu  erklären  seien.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Waddelow,  John.  Erysipelas  in  a  young  child.  The  Lancet 
1907.  Okt.  12.  p.  1050. 

Waddelow  beobachtete  zwei  Fälle  von  Erysipel  bei  Kindern,  die 
beide  tödlich  verliefen.  Die  Krankheit  nimmt  gewöhnlich  ihren  Ausgang 
von  anderen  Hauterkrankungen:  Schrunden  nach  dem  Abtrocknen,  nach 
Nabellösung,  nach  der  Yakkination.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Robertson,  Alexander.  Remarks  on  the  bacteriology  and 
treatment  of  yaws  (framboesia  tropica).  The  British  Med.  Joum. 
1907.  Okt.  5.  p.  868. 

Robertson  fand  bei  Durchmusterung  von  Abstrichpräparaten 
von  Yaw-Papeln  viel  Staphylokokken  und  Streptokokken,  lange  Bazillen, 
relativ  selten  Castellanis  Spirochaeten,  und  femer  verschiedene  Spiro- 
chaetenformen,  wie  sie  Mac  Lennan  im  Brit  Med.  Journal  (Mai  12.) 
beschrieben  hat.  Er  nimmt  an,  daß  vielfach  Fliegen  die  Krankheit  über- 
tragen. Die  Übertragung  erfolgt  von  ganz  frischen  Papeln,  da  sich  bei 
längerem  Bestände  in  dem  eitrigen  Sekret  die  Spirochaeten  nicht  nach- 
weisen lassen. 

Die  Patienten  wuschen  sich  täglich  mit  Karbolseife,  lokal  wandten 
sie  eine  Quecksilbersalbe  an,  innerlich  Jodkalium.  Schwer  sind  die  Fälle 
zu   behandeln,   wo   die  Fußsohlen    ergriffen   sind.    Hier    wird  die   Haut 


der  Haatkrankheiten.  459 

durch  Na  bicarbonik- Waschungen  erweicht  and  dann  mit  dem  scharfen 
Löffel  nachbehandelt,  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Goodall,  E.  W.  Clinioal  observations  on  the  prodromal 
period  of  some  of  the  acute  infections  diseases.  The  British 
Med.  Jonm.  1907.  Aug.  17.  p.  374ff. 

Von  hier  interessierenden  Krankheiten  berücksichtigt  Goodall 
Scharlach,  Masern  und  Yarizellen. 

Bei  Scharlach  ist  die  prodromale  Periode  kurz;  infolge  dieser 
kursen  Dauer  sind  die  Variationen  bei  den  Prodromalsymptomen  gering. 
Meist  erscheint  der  Ausschlag  48  Stunden  nach  den  ersten  Symptomen» 
nur  selten  tritt  er  später  auf.  Die  Fälle  von  Scarlatina  ang^inosa,  bei 
denen  das  Exanthem  verspätet  auftritt,  werden  gewöhnlich  fälschlich  als 
Diphtherie  diagnostiziert,  besonders  kann  dieser  Irrtum  eintreten,  wenn 
ein  Exanthem  Überhaupt  nicht  erscheint.  Ein  sehr  frühes  Symptom 
des  Scharlach  ist  das  Erbrechen.  Prodromale  Hauterscheinungen  sind 
äußerst  selten. 

Von  den  Initialsymptomen  der  Masern  sind  besonders  wichtig:  die 
prodromalen  Exantheme,  die  Fieberremissionen,  die  akute  Laryngitis  und 
die  Eoplikschen  Flecke.  Von  prodromalen  Hantsymptomen  findet  sich 
am  häufigsten  ein  punktförmiges  Erythem.  Dieses  wird  öfter  fälschlich 
als  Scarlatina  diagnostiziert.  An  zweiter  Stelle  kommt  ein  aus  kleinen 
Papeln  bestehendes  Exanthem  vor,  an  dritter  Stelle  Urticaria. 

Bei  den  Varizellen  gibt  es  gewöhnlich  keine  prodromalen  Symptome ; 
selten  sind  skarlatiniforme  Erytheme,  die  schnell  auftreten  und  in 
24  Stunden  wieder  verschwinden.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 


Erythematöse,  ekzematöse,  parenchymatöse 

Entzflndungsprozesse. 

Weiss,  Ludwig.  Gontribution  to  the  Study  of  Erythema. 
Induratum  (Bazin).  Journ.  Am.  Med.  Ass.  XLVIII.  1483.  4.  Mai.  1907. 

Weiss  berichtet  über  einen  Fall  von  Eryth.  indur. :  26jährige 
Bussin,  mit  MitralisstÖrung,  sonst  gesund,  bekam  im  Wioter  1896  und 
1897  Knoten  am  Unterschenkel,  die  im  Sommer  spontan  verschwanden. 
Nach  öjähriger  Pause  wieder  Aufreten  von  Knoten  im  Winter  1904  und 
1906,  ausgebreitet  über  beide  Unterextremitäten  bis  in  die  Olutäalgegend ; 
dort  nur  in  Gestalt  kleiner  tiefsitzender  Gebilde;  im  Frül^ahr  spontanes 
Verschwinden.  Knoten  waren  druckempfindlich,  ohne  jede  Neigung  zum 
Zerfall.  Nach  Präparaten  von  Harlow-Brooks  hergestellte  Mikrophoto« 
gramme  zeigen  Vermehrung  des  interstitiellen  Bindegewebes,  atrophische 
Degeneration  des  subkutanen  Fettgewebes,  Bildung  von  Riesenzellen  mit 
strahligen  Kernen  und  epitbelioiden  Zellen  und  endotheliale  Proliferation 


460  Bericht  über  die  Leittangen  auf  dem  Gebiete 

der  Gefäße.  Verf.  betont  selbst  die  Ähnlichkeit  des  Falles  mit  den  von 
Barns  und  W.  Pick  (Eryth.  nodos,  perstans)  beschriebenen.  Die  allge- 
meinen Bemerkungen  ober  Erythema  indor.  und  Tuberkulide  enthalten 
nichts  Neues.  H.  G.  Klotz  (New-Tork). 

Ferrand.  Pemphigus  yeg^tant  benin.  Ann.  de  derm.  et  de 
syph.  1907.  pag.  264. 

Ferrand  beobachtete  bei  einer  22jährigen  Patientin  das  Auftreten 
▼on  Blasen  nach  vorausgegangenem  Pruritus;  im  weiteren  Verlaufe  kam 
es  zu  Wucherung  des  Blasengrundcv.  Effloreszenzen  fanden  sioh  am 
Stamm,  den  Extremitäten  and  an  der  Zunge.  Das  Gesicht  war  frei,  das 
Allgemeinbefinden  nur  wenig  gestört,  Patientin  verläßt  nach  zweimonat- 
lichem Aufenthalt  geheilt  das  Spital.  Walther  Pick  (Wien). 

Dabreuilh.  Erytheme  scarlatiniforme  recidivant.  Ann. 
de  derm.  et  de  syph.  1907.  pag.  261. 

Ein  35j  ähriger  Patient,  der  bereits  früher  zweimal  unter  ganz 
gleichen  Symptomen  erkrankt  war,  zeigt  ein  in  Schüben  sich  verbrei- 
tendes, mit  heftigem  Brennen  und  Jucken  einhergehendes  Erythem.  In 
5  bis  6  Tagen  erreicht  die  Erkrankung  unter  hohem  Fieber,  Schlaflosig- 
keit und  schwerer  Störung  des  Allgemeinbefindens  ihre  Acme,  und  klingt 
dann  im  Verlaufe  einer  weiteren  Woche  unter  Bildung  großer  lamellöser 
Schuppen  ab.  Im  Harn  kein  Eiweiß;  die  Ursache  der  Erkrankung  nicht 
eruierbar.  Walther  Pick  (Wien). 

Givatte.  Les  opinions  d'aujourdhui  sur  la  nature  du 
lupus  ^rythömateuse.   Ann.  de  derm.  et  de  syph.  1907.  pag.  263. 

Rundfrage  über  das  Thema.  Walther  Pick  (Wien). 

Reid,  J.  Urticaria  and  inflnenza.  The  Brit.  Med.  Journal 
1907.  1.  JunL  pag.  1301. 

Reids  Patient  bekam  während  einer  Influenza  eine  Urticaria,  die 
sich  durch  die  besondere  Größe  der  Effloreszenzen  auszeichnete. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Jacob,  F.  H.  A  case  of  Urticaria  pigmentosa  treated 
by  X  rays.  The  Brit.  Med.  Journ.  1907.  1.  Juni.  pag.  1301. 

Jacob  behandelte  ein  (ISmonatliches  Kind,  das  mit  4  Monaten, 
8  Tage  nach  der  Impfung,  eine  Urticaria  pigmentosa  bekommen  hatte, 
mit  Röntgenstrahlen.  Diese  schienen  die  Affektion  derartig  zu  beein- 
flussen, daß  6  Monate  lang  als  Folge  von  8  Bestrahlungen  die  Eruptionen 
wegblieben.  Dann  erfolgte  ein  Rezidiv,  auf  das  nach  wiederholter  Be- 
strahlung das  Kind  3  Monate  frei  blieb. 

Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Ehrhardt.  Über  die  diphtherische  progrediente  Haut- 
phlegmone.  Münch.  med.  Woch.  1907.  Nr.  26. 

Durch  die  Veröffentlichung  Nauwerks,  der  einen  Fall  von  flächen- 
haft  progressiver,  durch  Diphtberiebazillen  hervorgerufener  subkutaner 
Phlegmone  beschrieben  hat,  angeregt,  berichtetj Ehrhardt  von  6  Fällen, 
die  er  in  den  letzten  4  Jahren  beobachtet  hat  und  von  denen  4  dem 
bakteriologischen   Befund   und   den  klinischen  Erscheinungen  nach  mit 


der  Hautkrankheiten.  461 

Sicherheit,  2  mit  grofier  Wahrscheinlichkeit  diphtherische  Phlegmonen 
waren.  Es  handelt  sich  nm  ein  klinisch  und  ätiologisch  völlig  einheit- 
liches Erankheitsbildf  das  bis  zu  N  au  werk  s  Publikation  noch  nicht  be- 
schrieben war  und  doch  anscheinend  nicht  so  selten  ist. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Kaupe.  Zur  Ätiologie  des  Pemphigus  neonatorum 
non  syphiliticus.   Münch.  med.  Woch.  1907.  Nr.  21. 

Kaupe  hat  folgende  interessante  Beobachtung  gemacht:  Ein  10 
Tage  altes  Kind  bot  das  klinische  Bild  des  Pemphigus  neonatorum. 
Gleichzeitig  bestand  bei  der  Mutter  ein  Ausschlag  am  Unterleib  und 
Gesäß,  der  mit  Fieber  bis  88-9®  verbunden  war.  Nach  11  Tagen  bekam 
ein  3  Jahre  älteres  Kind  Yarizellen  und  zwar,  wie  der  weitere  Verlauf 
zeigte,  eine  maligne  Form.  Nach  weiteren  3  Wochen  bekam  ein  Vetter, 
der  seinen  ersten  Besuch  bei  der  Familie  machte,  auch  Varizellen.  Verf. 
nimmt  nun  an,  daß  alle  Erkranknngsformen  einer  Art  waren  und  daß 
die  Infektion,  da  die  Wöchnerin  lange  vor  der  Geburt  nicht  aus  dem 
Hause  gekommen  war,  durch  die  Hebamme  zu  stände  gekommen  ist. 
Er  hält  also  die  Varizellen  mit  dem  bullösen  Ausschlag  des  Neugeborenen 
in  diesem  Falle  far  identisch  und  knüpft  daran  die  Ansicht,  daß  die 
Bezeichnung  Pemphigus  neonatorum  keine  bestimmte  Erkrankung  darstellt, 
sondern  daß  es  ein  Sammelname  ähnlicher  Krankheitserscheinungen  ist, 
die  aof  verschiedenen  Ursachen  beruhen  kann. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Shoemaker^  John  V.  Raynauds  Disease.  New- York.  Med. 
Journ.  85.  817.  4.  Mai  1907. 

Shoemaker  berichtet  einen  Fall,  in  dem  sich  sehr  langsam  Ver- 
änderungen an  den  Fingern  einstellten,  die  als  Raynaud  sehe  Krankheit 
gedeutet  werden :  vor  8  Jahren  r.  Zeigefinger  kalt,  später  blaß  und  kälter, 
hart  wie  Holz  sich  anfühlend.  Ein  Jahr  später  ähnliche  Veränderungen 
am  L  Zeigefinger  und  nach  and  nach  andere  Finger,  so  daß  nach  3  Jahren 
alle  ähnlich  affiziert  waren.  In  der  Umgebung  der  Nägel  auf  dem  Finger- 
rücken Narben  von  Blasen.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Cantlie,  James.  Clinical  Observations  on  tropical  ail' 
ments  as  they  are  met  with  in  Britain.  The  Brit.  Med.  Jonm. 
1907.  22.  Juni.  pag.  1466. 

Gantlie  beschreibt  die  in  Britannien  aus  den  Kolonien  stam- 
menden Tropenkrankheiten  nnd  widmet  auch  einen  kurzen  Abschnitt 
den  Hauterkrankungen.  Als  häufigste  Haut- Tropenkrankheit  sieht  der 
Autor  in  England  die  sog.  Dhobhie  ttch  («Washermans  itch^),  eine 
Form  des  Intertrigo,  die  bes.  das  Perinenm,  Scrotum  und  die  Scham- 
gegeiid  befällt.  Sie  wird  von  2 — 3  Pilzarten  verursacht  und  durch  Schweiel- 
präparate  schnell  beseitigt. 

Die  sog.  Fußflechte  („Foot-tetter**)  ist  in  ihrer  Pathologie  noch 
nicht  klar.  Es  handelt  sich  um  harte  ciroomscripte  Verdickungen  der 
Fußsohlen,  die  heftig  jucken. 


462  Bericht  über  die  Leistangen  auf  dem  Gebiete 

Unter  die  Hantleiden,  die  aUgemeine  Erkrankungen  begleiten,  sind 
besonders  interessant  die  Hantveränderangen  bei  der  Schlafkrankheit: 
anregelmäßige,  eigenartig  wandernde,  ekzemartige  Herde,  deren  Diagnose 
ohne  andere  Symptome  der  Schlafkrankheit  bei  dem  derseitigen  Stande 
unserer  Kenntnisse  unmöglich  wäre.  Fritz  Jnliusberg  (Berlin). 

Pope,  H.  A  case  of  purpura  haemorrhagica.  The  Brit 
Med.  Joum.  1907.   8.  Juni  pag.  1364. 

Pope  beschreibt  einen  Fall  von  Purpura  haemorrhagica  bei  einem 
16jährigen  kraftigen  Jungen.  Die  Heilung  erfolgte  rasch  unter  Darreichung 
von  Kalsiumchlorid  16  grain  alle  4  Stunden. 

Frits  Juliasberg  (Berlin). 

Carlton,  Edward  P.  Dermatitis  Exfoliativa  Neonatorum 
(Ritters  Disease).   New-Tork.  Med.  Journ.  86.  573.  28.  Sept.  1907. 

Carl  ton  gibt  eine  Übersicht  über  die  Literatur  der  Ritt  er  sehen 
Dermatitis  exfoliativa  in  Anschluß  an  einen  Fall,  betreffend  ein  14  Tage 
altes  Kind.  Nach  allmählicher  Ausbreitung  ohne  jede  Blasenbildung  inner- 
halb 14  Tagen  über  den  ganzen  Körper  trat  Heiluns^  ein. 

H.  G.  K 1  o  t  z  (New- York). 

Sweet,  £.  A.  Poisouing  by  Primula  Obconica.  Joum.  Am. 
Med.  Ass.  XLIX.  829.  27.  Juli.  1907. 

Nichts  Neues.  Einige  Jahre  lang  häufige  Anfalle  von  Dermatitis, 
bis  Ursache  entdeckt  wurde,  in  Neu-Mexiko  beobachtet. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 

Sehtscherbakof,  A.  S.  Ein  Fall  von  Psoriasis  univer- 
salis auf  nervöser  Grundlage.   Journal  russe  de  mal.  cut.  1906. 

Bei  einer  vorher  hautgesunden  SOjähr.  Person  tritt  nach  einer 
intensiven  nervösen  Erregung  (Pogrom  auf  eine  Synagoge)  eine  Eruption 
von  universeller  Psoriasis  auf.  Neben  der  nervösen  kommt  auch  die  rheu- 
matische Komponente  ätiologisch  bei  der  Patientin  in  Betracht. 

Richard  F  i  s  c  h  e  1  (Bad  Hall). 

Schlesinger,  Hermann.  Über  Blaseneruptionen  an  der 
Haut  bei  zentralen  Affektionen  des  Nervensystems.  Dtsoh. 
med.  Woch.  Nr.  27.  1907. 

Im  AnsohlaJB  an  den  Bericht  eines  Falles  von  schwerem  Blasen- 
ausschlag bei  einer  Nervenkranken  mit  einseitiger  Körperlähmung,  Sensi- 
bilitätsstörung und  vasomotorischen  Anomalien  bespricht  Schlesinger 
jene  Blaseneruptionen,  welche  mit  organischen  Nervenerkrankungen 
Eusammenhängen  und  wegen  dieser  Grundursache  von  dem  gewöhnlichen 
Pemphigus  zu  trennen  sind.  Diese  nervösen  Eruptionen  sind  bezeichnend 
lokalisiert,  neigen  nicht  zur  Generalisiernng,  befallen  oft  Steilen  mit 
ausgesprochener  Sensibilitätsstörung  und  betreffen  in  der  Regel  Individuen 
mit  motorischen  oder  anderen  nervösen  Störungen.  Beobachtet  wurden 
drei  verschiedene  Typen:  1.  Blaseneruptionen  halbseitigen  Charakters  bei 
Zerebralaffektionen.  2.  Blaseneruptionen  bei  Spinalerkrankungen  halbseitig 
oder  beiderseitig,  meist  distal  stärker  entwickelt.  3.  Blaseneruptionen  bai 
Erkrankungen  der  Spinalganglien,  des  Plexus-  und  peripherischen  Nerven 


der  Hautkrankheiten.  463 

im  Ausbreitongsgebiete  der  geschädigten  Neryenabschnitte.  Im  Gegensatz 
za  der  bedrohlichen  Natur  des  Pemphigus  heilen  die  nervösen  Blasen- 
bildungen mit  oder  ohne  Narben  und  ohne  jede  Lebensgefahr  auch  bei 
wiederholten  Schüben.  Max  Joseph  (Berlin). 

Garsehmann.  Über  hysterische  Schweiße.  Münch.  mediz. 
Woch.  1907.  Nr.  84. 

Cnrschmann  schildert  ein  eigenartiges  Erankheitsbild,  das  er 
bei  zwei  Patientinnen  (Mutter  und  Tochter)  in  ganz  gleicher  Weise  beob- 
achten konnte.  Bei  einer  vielleicht  seit  vielen  Jahren  gehegten  Tendenz 
bei  Erkältungen  wie  Influenza  zu  schwitzen,  sonderten  die  beiden  Patien- 
tinnen, zunächst  vielleicht  artifiziell  mittelst  der  üblichen  Schwitzproze- 
duren, später  völlig  spontan  2 — Smal  täglich  zu  bestimmten  Tageszeiten 
eine  >norme  Menge  Schweißes  ohne  höhere  Fiebererscheinungen  ab. 
Verf.  bringt  den  Nachweis,  daß  es  sich  um  hysterische,  auf  rein  psycho- 
genem Wege  entstandene  Schweiße  gehandelt  hat,  durch  Anwendung 
der  Suggestion,  wodurch  die  Schweißausbrüche  sofort  inhibiert  wurden 
und  nie  mehr  zum  Ausbruch  kamen.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Bosellini,  P.  L.  Simulierte  Dermatose  einer  Hyste* 
rischen  (Dermatosi  simulata  in  una  isterica).  Mit  1  Taf.  Bollettino  delle 
Scienze  Mediche.  78.  J.  8.  Ser.  YII.  Bd.  1907. 

Der  Autor  hatte  Gelegenheit  eine  17jähr.  Patientin  zu  sehen,  die 
längere  Zeit  hindurch  eine  Dermatose  simulierte,  indem  sie  auch  im 
Spitale,  wo  sie  mehrere  Male  lag,  unbeobachtet  Hautstückchen  von  der 
Dorsalfiäche  der  Finger,  Hände  und  Vorderarme  mittels  einer  kleinen 
Schere,  die  sie  in  den  Haaren  verbarg,  abtrug.  Dem  Autor  gelang  es  Pat 
in  die  Enge  zu  treiben  und  sie  zu  einem  Geständnis  zu  bewegen.  Pat. 
soll  diese  Selbstverstümmelung  vorgenommen  haben,  um  von  ihren  Ange- 
hörigen die  Erfüllung  ihrer  Wünsche  zu  erlangen.  Sie  selbst  gab  an, 
daß  sie  an  einer  Stelle  der  Haut  einen  leichten  Juckreiz  fühlte  und  diese 
Stelle  mit  der  anderen  Hand  berührte;  darauf  trennte  sich  von  der  Haut 
eine  Blase,  es  floß  reichlich  Blut  beraus  und  näher  sah  man  eine  Ulze- 
ration.  An  den  Streckseiten  der  Hände  und  Vorderarme  fand  Autor  rund- 
liche oder  ovoide.  scharfbegrenzte  Substanzverluste,  einige  davon  bedeckt 
mit  rötlich-grauen  kleinen  Granulationen,  andere  mit  Exsudatprodukten, 
wieder  andere  mit  serös-blutigen  Krusten;  außerdem  zeigte  Pat.  den 
Substanzveriusten  ähnliche  flache  oder  leicht  erhabene,  rote,  lividrote 
oder  weiße  Narben.  Im  Gesichte  hatte  Pat.  nur  einige  flache,  weißliche, 
sie  verunstaltende  Narben.  Einige  Narben  waren  ferner  am  mittleren 
Drittel  der  r.  Tibialgegend  und  einige  kleinere  links.  Die  Untersuchung 
des  psychischen  Zustandes  ergab,  daß  es  sich  um  ein  hysterisches  Indi- 
▼idnum  handelte.  Costantino  Curupi  (Prag-Porretta). 

LoTing,  Starling.  Angeioneurotic  Oedema.  New-Tork.  Med. 
Journ.  86.  246.  10.  Aug.  1907. 

In  5  Fällen  {von  angioneurotischem  Odem  fand  Loving,  daß 
regelmäßig  Störungen  im  Unterleib  unmittelbar  dem  Ausbruch  voran- 
gingen mit  mehr  weniger  Auftreibung   des  Leibes.    Die  gewöhnlichen 


464  Bericht  über  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

Ursachen  der  Urticaria,  namentlich  Idiosynkraaie  gegen  gewisse  Nahrungs- 
mittel, sind  in  der  Regel  nicht  Torhandeo,  Jacken  ist  meist  nicht  beden- 
iend.  L.  sieht  das  A.  o.  als  vasomotorische  Neurose  an.  Die  Differential- 
diagnose  von  Urticaria,  Erythema  nodosom  und  £.  multiforme  wird  genau 
besprochen.  Die  Behandlung  ist  nur  symptomatisch  und  empirisch.  Ört- 
liche Mittel  scheinen  keine  Wirkung  zu  haben;  innerlich  schien  Anti- 
pyrin  gute  Wirkung  zu  haben,  zuweilen  auch  Nitroglyzerin  (Osler). 

H.  G.  Klotz  (New-York). 

Bazett,  Henry.  Notes  on  a  fatal  case  of  angio-neurotic 
oedema.  The  Lancet.  1907.  12.  Okt.  pag.  1025. 

Bazett  fand  den  33jährigen  Patienten,  über  den  er  berichtet, 
bereits  tot  vor.  Wangen  und  Lippen  waren  stark  ödematös,  die  Augen- 
lider so  geschwollen,  daß  es  schwer  war,  die  Pupille  zusehen;  der  Nacken 
war  auf  das  zweifache  verdickt.  Die  Erkrankung  des  Patienten  begann 
im  Anschluß  an  ein  Scharlachfieber  vor  6  Jahren.  Es  traten  Kolikattacken 
auf,  die  oft  von  einem  Hautodem  begleitet  waren.  Die  letzte  Attacke 
trat  im  Anschluß  an  eine  Zahnxtraktion  auf  und  f&hrte  durch  Schwel- 
lung des  Rachens  zum  Erstickungstode.       Fritz  Jnliusberg  (Berlin). 

Yömer,  Hans.  Ein  Fall  von  Oedema  cutis  factitium. 
Dtsch.  med.  Woch.  Nr.  29.  1907. 

Bei  dem  25jährigen,  sonst  gesunden  Patienten  erfolgten  nie  spontan, 
sondern  stets  nach  Druck  oder  anderen  mechanischen  Einflüssen  ödema- 
tose  Durchtränkungen  der  Bedecknngsschichten.  Die  blassen  Geschwülste 
umgaben  sich  später  mit  einer  Rötung,  welche  dann  auf  die  Schwellung 
selbst  überging  und  noch  einige  Zeit  nach  deren  spontaner  Rückbildung 
sndauerte.  Die  Erscheinung  war  vielleicht  eine  Riesenurticaria,  doch  litt 
Pat.  sonst  nicht  an  urticariellen  Eruptionen;  vielleicht  liegt  eine  beson- 
dere Form  des  Quinckeschen  Ödems  vor.  Doch  ist  zu  bemerken,  daß 
jenes  spontan  auftritt,  während  die  Schwellungen  in  dem  vorliegenden  Falle 
stets  durch  äußere  Momente  ausgelöst  wurden. 

Max  Joseph  (Berlin). 

Kinch,  Charles  A.  Eczema  in  the  Second  Year  of  Life. 
New-York.  Med.  Journ.  86.  812.  17.  Aug.  1907. 

Ein  oh,  der  Unnas  Klassifikation  des  Ekzems  benutzt,  findet  das 
neurotische  E.  im  2.  Lebensjahr  sehr  selten,  außer  wenn  es  aus  der  frü- 
heren Periode  hinfiberreicht.  Vorwiegend  ist  die  besonders  auf  Verdauungs- 
störungen und  ungünstiger  oder  unpassender  Ernährung  beruhende  skrofa- 
löse  Form.  Seborrhoische  Formen  kommen  vor  und  unterscheiden  sich 
nicht  wesentlich  von  denen  bei  Erwachsenen. 

H.  G.  Klotz  (New-York). 

Heller,  Julius.  Über  Hautveränderungen  beim  Diab^te 
bronce.  Dtsch.  med.  Woch.  Nr.  80.  1907. 

Heller  berichtet  über  einen  seit  seinem  42.  Lebensjahre  an  Dia- 
betes leidenden,  kräftig  konstituierten  Manne,  welcher  sich  durch  Pflege, 
Karlsbader  Kuren,  hauptsächlich  wohl  infolge  seiner  sehr  gesunden  Magen- 
beschaffenheit bis  zum  78.  Jahre  in  gutem  Befinden  erhielt,  um  welche 


der  Hautkrankheiteo.  465 

Zeit  dann  durch  diabetische  Gangrän  des  Beines,  Amputation  und  Coma 
der  Tod  eintrat.  Nach  bereits  Jahrzehnte  bestehendem  Diabetes  war  die 
bräunliche  Pigmentation  des  Gksichts  erschienen  nnd  dauerte  ohne  Ver- 
änderung des  Allgemeinbefindens  fast  20  Jahre  an.  Der  Maugel  der 
£isenreaktion  des  Hautpigments  bewies  seine  jahrelange  Existenz.  Eine 
schwere  Leber-  oder  Pankreaserkrankung,  wie  sie  andere  Autoren  als 
ursächlich  für  den  Diab^te  bronc^  annehiren,  bestand  nicht.  Der  vor- 
liegende Fall  hat  den  praktischen  Wert,  daß  er  beweist,  der  Diabetes 
könne  langsam  und  gutartig  verlaufen,  auch  wenn  er  mit  der  als  bedroh- 
liches Symptom  gefürchteten  Bronzefärbung  auftritt. 

Max  Joseph  (Berlin). 

Brav,  Hermann  A.  Aetiolog'y  and  Treatment  of  Pruritus 
Ani.  New- York.  Med.  Joum.  86.  201.  8.  Ang   1907. 

Brav  führt  als  Ursachen  des  Pruritus  ani  an:  Verstopfung  des 
Stuhlgangs  und  Kotanhänfung,  lokale  Erkrankungen  des  Rektums,  Mangel 
an  Reinlichkeit,  Pediculi,  Oxyuris  oder  pflanzliche  Parasiten,  konstitu- 
tionelle und  Systemerkrankungen,  Diät  und  unregelmäßige  Lebensweise 
und  die  folgenden  Hautkrankheiten:  Herpes,  Ekzem,  Skabies  und  Tricho- 
phytosis.  Für  die  Behandlung  wird  nächst  der  Beseitigung  der  Ursachen 
besonders  eine  Mischung  aus  gleichen  Teilen  Kamphor.  chloral.,  Borsäure 
und  üngt.  simpl.  empfohlen ;  femer  Applikationen  von  reiner  Karbolsäure, 
gesättigter  Lösung  von  Arg.  nitr.,  oder  anderweitige  Zerstörung  der  Epi- 
dermis, welche  Beseitigung  des  Juckens  bewirken  soll ;  im  äußersten  Falle 
chirurgische  Eingriffe;  auch  die  Einführung  eines  aus  Knochen  herge- 
stellten Propfens,  der  mittels  eines  Schildes  in  dem  After  festgehalten 
wird.  H.  G.  Klotz  (New -York). 

Heidingsfeld,  M.  L.  Lupus  Erythematosus.  Joum.  Am.  Med. 
Ass.  XLIX.  830.  7.  Sept.  1907. 

In  Anschluß  an  die  Beschreibung  zweier  schwerer  Fälle  faßt 
H|eidingsfeld  seine  Ansichten  über  Lupus  erythematosus  in  den  fol- 
genden Sätzen  zusammen: 

1.  L.  E.  scheint  trotz  des  Mangels  des  bakteriologischen  Beweises 
eine  lokale  Infektionskrankheit  zu  sein. 

2.  Der  Verlauf  ist  je  nach  dem  klinischen  Typus  ein  sehr  wech- 
selnder und  schwere  Formen  werden  nicht  leicht  beseitigt  durch  die 
jetzigen  verwickelten  und  ungenügenden  Behandlungsmethoden.  Schwere 
Typen,  wenn  einigermaßen  günstig  gelegen  und  genügend  umschrieben, 
sollten  exstirpiert  werden  und  zwar  in  ganzer  Ausdehnung  oder  auf  die 
Randzone  beschränkt,  wenn  das  Zentrum  deutliche  Zeichen  der  Rück- 
bildung und  der  narbigen  Atrophie  zeigt. 

3.  Die  Conjunctivalschleimhaut  mag  durch  direkte  Ausdehnung 
des  Prozesses  in  Mitleidenschaft  gezogen  werden,  dies  mag  in  schweren 
Fällen  zu  Erblindung  führen.  Der  primäre  pathologische  Herd  scheint 
mehr  in  der  Epidermis  und  ihren  Anhängen  aufzutreten  als  in  den  Blut- 
gefäßen des  Coriums.  Die  frühesten  Veränderungen  werden  in  den  Haar- 

Arch.  f.  Dermal,  n.  Sjph.  Bd.  LXZXIX.  gQ 


466  Bericht  ober  die  Leistungen  auf  dem  Gebiete 

follikeln  and  Talgfdrüsen  beobachtet,  wenn  dieselben  yorhanden  sind,  in 
Gestalt  aktiver  Proliferation  der  zelligen  Gebilde. 

4.  Diese  veranlassen  eine  herdweise  Exsndation  von  Plasmazellen 
von  den  anliegenden  Kapillaren.  Dies  verleiht  der  Erkrankung  eine 
charakteristische  Pathologie,  welcher  oft  die  Bedentang  eines  primären 
anstatt  eines  sekundären  Vorgangs  zuerteilt  wird.  Die  Schweißdrusen 
nehmen  an  dem  Prozesse  teil.  Derselbe  wird  begleitet  von  reichlicher 
oberflächlicher  Verhomung  und  Verstopfung  der  Öffnungen.  Wo  Haar- 
follikel und  drüsige  Elemente  fehlen,  wendet  sich  der  Reiz  vorwiegend 
gegen  die  Epidermis,  zur  Verbreitung  nach  unten  und  oben  führend, 
und  die  daraus  folgende  Plasmaexsudation  liegt  mehr  oberflächlich  und 
in  der  Richtung  gegen  die  tiefen  Epidermisschichten.  Die  entzündlichen 
Veränderungen  bedingen  schließlich  eine  Bindegewebsdegeueration. 

H.  G.  Klotz  (New- York). 

Engmann,  M.  F.  und  Mook,  W.  H.  Two  Seborreids  of  the 
Fa.e:  I.  Acne  rubra  seborrheica.  II.  Pityriasiform  Sebor- 
rhoid of  Ihe  Face.   Journ.  Am.  Med.  Ass.  XLIX.  744.  31.  Aug.  1907. 

Eng  mann  und  Mook  machen  auf  zwei  augenscheinlieh  auf 
Seborrhoe  beruhende  Haut  Veränderungen  aufmerksam,  die  obwohl  nicht 
so  selten,  nicht  sowohl  bekaunt  zu  sein  scheinen.  Die  eine  als  Acne  rubra 
seborrhoica  bezeichnete  Form  ist  meist  mit  Seborrhoe  des  behaarten 
Kopfes  verbunden ;  Papeln  verschiedener  Große  von  der  einer  Stecknadel- 
spitze bis  zu  der  einer  gespaltenen  Erbse  sitzen  oberflächlich  und  konvex, 
auf  der  Spitze  eine  unbedeutende  Schuppe  oder  ganz  geringe  Abschilfe- 
rung zeigend,  weder  Komedonen  noch  Eiter  enthaltend.  Die  Papeln  sind 
für  gewöhnlich  disseminiert,  nur  zufällig  in  Gruppen  vereinigt,  auf  den 
seborrhoischen  Partien  des  Gesichts,  nehmen  leicht  eine  mehr  intensivere 
Röte  an,  hinterlassen  keine  Narben,  zuweilen  Teleangiektasien.  £.  und 
M.  begegneten  der  Krankheit  ziemlich  häu6g,  konnten  aber  nicht  Mate- 
rial für  eigene  histologische  Untersuchungen  erlangen;  sie  nehmen  nur 
äußere  Ursachen  an,  Salizylsäure  und  Schwefel  haben  Erfolg,  aber  nicht 
immer  sehr  rasch.  Die  pityriasiforme  Affektion  besteht  in  runden  oder 
unregelmäßig  geformten,  peripherisch  sich  ausbreitenden,  oberflächlich 
schuppenden  Effloreszenzen  im  Gesicht  und  am  Hals  nur  wenig  oder 
gar  keine  entzündlichen  Erscheinungen  aufweisend,  äußere  Reize,  wie 
Seife  etc.*  scheinen  sie  hervorzubringen.  Sie  verlangen  starke  Gaben  von 
antiseborrhoiscbcn  Mitteln.  H.  G.  Klotz  (New- York). 

Dawson,  G.  W.  A  case  of  acute  lupus  erythematosus. 
The  Lancet.  1907.  5.  Okt.  pag.  966. 

Dawsons  48jähr.  Patient  war  stets  gesund,  bis  Lupus  erythema- 
tosus Herde  zaeret  im  Gesicht,  dann  auf  dem  Rücken  der  Finger  auf- 
traten. Die  Biopsie  ergab  mikroskopisch  das  Bild  des  Lupus  eryth.  Dann 
raten  akute  papulöse  Schübe  auf,  Temperaturerhöhungen  und  später 
Blasen  über  den  Ellenbogen.  Es  erfolgte  der  Exitus.  Die  Sektion  ergab 
keine  Tuberkulose,  die  Todesursache  war  eine  frische  akute  Pneu- 
monie beider  Unterlappen.  Fritz  Juliusb erg  (Berlin). 


der  Hautkrankheiten.  467 

Kudiseh,  W.  M«  Pemphigus  ynlgaris  benignus.  Journal 
russe  de  mal.  cai.  1906. 

Unbedeutende  Kasuistik.  Richard  Fi  sc  hei  (Bad  Hall). 

Kisel,  W.  A.  Ein  Fall  yon  Pemphigus  vulgaris.  Journal 
russe  de  mal.  cut.  1906.  Nr.  5. 

Nach  3^4  Einspritzungen  Spermin  (Poehl)  1  em*  entstand  eine 
hämorrhagische  Nephritis,  die  nach  8  Wochen  heilte.  Besserung  des 
Pemphigus  wurde  durch  die  Injektion  nicht  erzielt. 

Richard  Fischöl  (Bad  Hall). 

Zeiseler,  Josef.  Observations  on  Pemphigus.  Journ.  Am. 
Med.  Ass.  XLIX.  223.  20.  Juli  1907. 

Z eis s  1er  gibt  eine  Übersicht  über  die  verschiedenen  Ansichten 
über  die  Entstehung  des  Pemphigus;  weder  histologische  noch  bakterio- 
logische noch  chemische  Untersuchungen  haben  bestimmte  Resultate  er- 
geben. Z.  will  die  Aufmerksamkeit  auf  organische  animalische  Gifte 
lenken  als  mögliche  Ursachen  des  Pemphigus  und  fuhrt  zwei  Kranken- 
geschichten an,  die  für  die  Ansicht  zu  sprechen  scheinen;  ein  Fall  von 
chronischem  P.  mit  eigentümlichem  Verlauf  wird  eingehender  berichtet. 
Eine  Anzahl  Fälle  aus  der  Literatur,  die  auf  lokale  Vergiftung  hindeuten, 
werden  erwähnt.  H.  G.  Klotz  (New-York). 

Busehke.  Notiz  zur  Behandlung  des  Vitiligo  mit  Licht. 
Mediz.  Klinik.  1907.  Nr.  33. 

Buschke  berichtet  über  einige  Fälle  von  Vitiligo,  bei  denen  durch 
Bestrahlung  mit  der  Quarzlampe  Heilung,  bezüglich  Besserung  erzielt 
wurde.  Die  befallenen  Hautpartien  wurden  entweder  mittelst  der  auf  die 
Haut  gepreßten  gekühlten  Quarzlampe  2  Minuten  oder  in  10  cm  Ent- 
fernung von  der  Haut  3  Minuten  bestrahlt.  In  jedem  Falle  wurde  zunächst 
eine  starke  Dermatitis,  hie  und  da  mit  Blasenbildung  erzielt,  die  nach 
Rückgang  der  Entzündungserscheinungen  im  bestrahlten  Gebiet  zur  Bildung 
von  regelmäßig  angeordneten  hellbraunen  Pigmentherden  fährte,  welche 
allmählich  die  Farbennuance  des  sonstijTen  Hautpigments  annahmen. 
Verf.  ist  der  Ansicht,  daß  die  Quarzlampe  —  gegenüber  anderen  Licht- 
quellen —  die  Wirkung  der  Pigmenterzeugung  der  irritativen  Kraft  infolge 
des  Reichtums  an  chemisch  wirksamen  Strahlen  verdankt. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

CrOtthilf.  Über  Onychoatrophie  bei  P'ärbern.  Münch.  Med. 
Woch.  1907.  Nr.  84. 

Enthält  eine  Beobachtung,  die  Gott  hilf  bei  in  Färbereibetrieben 
beschäftigten  Arbeitern  gemacht  hat,  daß  dieselben  nämlich  nicht  selten 
unter  Nagelschwund  zu  leiden  haben.  Verf.  sieht  hier  die  Einwirkung 
von  Chemikalien  als  Ursache  dieser  Anomalie  an  und  bezeichnet  sie  als 
Gewerbekrankheit  im  besten  Sinn 3  des  Wortes. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

30* 


468  Bericht  über  die  Leistongen  auf  dem  Gebiete 

Küster.  Unters nchangen  über  ein  bei  Anwendung  Ton 
Dan  erbädern  beobachtetes  Eksem.  Münch.  medizin.  Woch.  1907. 
Nr.  32. 

Küster,  der  sich  eingehend  mit  dem  Stadium  der  Ätiologie  des 
Badeekzems  beschäftigt  hat,  fand  bei  mikroskopischer  Untersuchung  des 
Yon  den  erkrankten  flautpartien  abgekratzten  Materials  in  allen  Fällen 
einen  den  Askomyoeten  zugehörigen  Pilz,  der  nach  Ansicht  des  Verf. 
in  ursächlichem  Zusammenhang  mit  dem  Badeekzem  steht. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

Jelenew.  Herpes  zoster  infolge  einer  Qnecksilberkur. 
Journal  russe  de  mal.  cut  1906. 

Bei  dem  35jähr.  Mann,  der  sich  das  siebente  Mal  einer  Qneck- 
tilberkur  unterzog,  trat  nach  der  10.  Einspritzung  von  HgBr,  (1%  Lösung, 
eine  Zostereruption  in  der  ischiadischen  Zone  (Head)  auf,  bei  einem 
I4jähr.  Mädchen  nach  der  20.  Einspritzung  des  gleichen  Mittels  in  der 
1.  Lumbaizone  und  der  ischiadischen  Zone  (Head).  Die  Beendigung  der 
lojektionskur  rief  keine  neuen  E^oreszenzen  hervor. 

Jelenew  bezieht  die  Entstehung  des  Zoster  auf  eine  Hg-Intoxi- 
kation  und  stellt  ihn  den  durch  Hg  hervorgerufenen  Intoxikationsery  themen 
an  die  Seite.  Richard  Fisch el  (Bad  Hall). 

Symes,  Odery.  Arthritis  and  erythema  nodosnm.  The 
British  Med.  Journ.  1907.  27.  Juli.  pag.  202. 

Symes  erinnert  daran,  daß  die  allgemeine  Ansicht  die  ist,  daß 
die  Arthritis,  welche  das  Erythema  nodosnm  begleitet,  ein  wahrer  akuter 
Gelenkrheumatismus  ist.  An  der  Haod  dreier  Fälle  sucht  er  das  Gegenteil 
nachzuweisen,  daß  nämlich  die  Beschwerden,  die  das  Erythema  nodosnm 
begleiten,  sich  wesentlich  vom  akuten  Gelenkrheumatismus  unterscheiden. 
Dazu  kommt,  daß  die  Arthritiden  beim  Erythema  nodosnm  nur  wenig  von 
Salizylpräparaten  beeinflußt  werden.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 

Sehealt,  R.  Note  of  a  case  of  Addisons  disease  in 
a   negress.  The  Lancet  1907.  8.  Aug.  pag.  294. 

Seheults  Patientin,  eine  65jährige  Negerin,  zeigte  neben  Körper- 
schwache,  Erbrechen  und  Diarrhoe  eine  intensive  Schwarzfarbung  an 
Händen  und  Gesicht.  Auf  der  Mundschleimhaut  waren  zahlreiche  pigmen- 
tierte Herde  sichtbar.  Der  Symptomkomplex  bestand  seit  6  Monaten. 
Nach  einigen  Tagen  trat  der  Exitus  ein.  Die  Sektion  bestätigte  die  Dia- 
gnose: Morbus  Addisonii.  Es  fand  sich  eine  fibrös-käsige  Masse  in  den 
Nebennieren.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 


der  Hautkrankheiten.  469 


en. 

Coenen.  Die  gesoLichtliche  Entwicklung  der  Lehre 
vom  Basalzellenkrebs.  Berl.  klin.  Woohenschr.  Nr.  21.  1907. 

Ooenen  ist  darch  mikroskopische  (Jntersuchangen  verschiedener 
kleiner  Hantgeschwalste  des  Gesichtes  zu  der  Anschauung  gekommen, 
dafi  die  als  Endotheliome  bezeichneten  Neubildungen  in  Wahrheit 
Epitheliome  sind,  da  sie  yon  den  Basalzellen  des  Eete  ausgehen.  Gan- 
croide  nennt  Coenen  im  Gegensatze  dazu  jene  Geschwülste,  die  von 
den  yerhornten  Schichten  des  Epithels  ausgehen. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Sticker.  Das  Wesen  und  die  Entstehung  derErebs* 
kran'kheit  auf  Grund  der  Ergebnisse  der  modernen  Krebs- 
forschung.   Mediz.  Klinik.  1907.  Nr.  37. 

S  t  i  c  k  e  r  faßt  seine  Anschauung  über  das  Wesen  der  Krebs- 
krankheit in  folgenden  Sätzen  zusammen:  das  Wesen  der  Krebskrankheit 
ist  in  einer  Wucherung  parasitär  gewordener  Körperzellen  zu  suchen, 
welche  eben  so  wie  sie  durch  Metastasierung  von  einer  Primärgeschwulst 
nach  den  verschiedenen  Stellen  des  Körpers,  so  auch  von  außen  in  einen 
bis  dahin  geschwulstfreien  Körper  gelangen  können. 

Diese  Annahme,  daß  es  sich  also  in  jedem  Fall  von  Geschwulst- 
bildung um  eine  Implantation  arteigener,  aber  Körper  fremder  Zellen 
handele,  in  Verbindung  mit  der  Anschauung  (von  Leyden-Bergell), 
daß  das  unbegrenzte  Wachstum  dieser  Zellen  durch  das  Fehlen  ferment- 
hydroly tischer  Kräfte  bedingt  ist,  läßt  die  Krebsentstehung  ohne  Hilfe 
von  Nebenhypothesen  am  besten  verstehen. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 

T.  Hansemann.  Einige  Bemerkungen  über  Epidermis- 
carcinom.  Berl.  klin.  Wochenschr.  Nr.  23.  1907. 

V.  Hausemann  verwirft  den  von  Krompecher  zuerst  einge- 
führten Ausdruck  Basalzellenkrebs,  da  seiner  Ansicht  nach  sämtliche 
Hautkrebse  von  den  Basalzellen  der  Epidermis  ihren  Ausgang  nehmen. 
Weiterhin  vertritt  Hausemann  im  Gegensatze  zu  Coenen  die  Ansicht, 
daß  im  Gesichte  außer  Epitheliomen  auch  echte  Endotheliome  vorkommen. 

H.  Hübner  (Frankfurt  a.  M.). 

Spude.  Entgegnung  auf  die  Kritik  meiner  Monographie: 
yDie  Ursache  des  Krebses  und  der  Geschwülste  im  allge- 
meinen'^  durch  Herrn  Privatdozenten  B.  Fischer.  Müochener 
mediz.  Wochenschrift.  1907.  Nr.  25. 

Enthält  eine  nochmalige  Erwiderung  Spudes  auf  die  in  Nr.  16 
dieser  Zeitschrift  erfolgten  kritischen  Auslassungen  Fischers. 

Oskar  Müller  (Dortmund). 


470  Bericht  über  die  Leiatangen  auf  dem  Gebiete 

Stahr.  Atypische  Epithelwncherongen  und  Carcinom. 
Nachprüfung  und  Bewertung  d  e  r  Experimente  7on 
B.  Fischer-Bonn.  Münchener  med.  Wochenschr.  1907.  Nr.  24. 

Bei  Nachprüfung  der  Fischer  sehen  Methode  zur  Erzeugung 
atypischer  Epithelwachernngen  bekam  Stahr  ähnliche  Bilder  wie  sie 
Fischer  erhielt.  Er  konnte  schon  durch  eine  einmalige  parenchymatöse 
Injektion  mit  Sudanöl  unter  das  Epithel  das  Einwachsen  eines  riesigen 
Epithelzapfens  bis  in  die  Knorpelplatte  des  Ohres  erzeugen.  Während 
nun  Fischer  das  Zustandekommen  der  atypischen  Epithel  Wucherung  in 
einer  chemotaktischen  Wirkung  sucht,  hält  Verf.  eher  an  der  Reiztheorie 
Yirchows  fest,  wobei  er  allerdings  annimmt,  daß  nicht  nur  ein  Reiz, 
sondern  ein  Komplex  von  Ursachen,  unter  denen  die  anatomische  Be- 
schaffenheit der  Gegend  eine  gro&e  Rolle  spielt,  das  Plattenepithel  zur 
Proliferation  bringt.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Wyss.  Zur  Wirkungsweise  der  „Scharlachöl"- 
Injektionen  B.  Fischers  bei  der  Erzeugung  carcinom- 
ähnlicher  Epithelwucherungen.  Münchoner  mediz.  Wochenschr. 
1907.  Nr.  82. 

Verfasser  sucht  die  Wirkungsweise  der  Scharlachölinjektionen  darin, 
daß  das  Scbarlachöl  und  auch  andere  Substanzen  einen  Ausschluß  des 
Epithels  von  der  normalen  Ernährung  mit  Blut  auf  mechanischem  Wege 
bedingt.  Oskar  Müller  (Dortmund). 

Dabreuilh.  £pitheliomatose  d'origine  solaire.  Ann.  de 
denn,  et  de  syph.  1907.  p.  887. 

Dubreuilh  zeigt  aus  einer  großen  Statistik,  die  197  Fälle  be- 
trifft, von  welchen  62*57o  durch  ihren  Beruf  sehr  yiel  zum  Aufenthalt  in 
freier  Luft  gezwungen  waren,  daß  die  aus  dem  senilen  Keratom  sich 
entwickelnde  Form  des  Epithelioms  (im  Gegensatz  zu  dem  auf  normaler 
Haut  sich  entwickelnden  Ulcus  rodens)  ihre  Entstehung  wesentlich  dem 
Einfluß  der  Sonnenstrahlen  yerdankt«  Dies  zeigt  sich  auch  schon  sehr 
schon  in  der  Lokalisation;  so  sind  z.  B.  bei  Männern  die  Ohrläppchen 
sehr  häufig  befallen,  während  diese  Lokalisation  bei  Frauen,  welche  die 
Ohren  zumeist  durch  das  Kopftuch  schützen,  vollkommen  fehlt.  Möglicher- 
weise ist  eine  gewisse  hereditäre  Disposition  der  Haut  zur  Epitheliom- 
bildung  vorbanden;    blonde  Individuen  scheinen   leichter  zu  erkranken. 

Walther  Pick  (Wien). 

Campbell,  Ralph  R.  Venous  Angioma  of  Skin  Showing 
Beginning  Malignancy.  Journ.  Am.  Med.  Ass.  XLVIIL  2000. 
16.  Juni  1907. 

Campbell  beschreibt  einen  Fall  angeborener  venöser  Tumoren 
auf  dem  rechten  Fuß  und  Unterschenkel,  mit  großer  Neigung  zu  Ulzeration 
und  Krustenbildung.  Die  Geschwülste  selbst  bestanden  aus  großen  and 
kleinen,  unregelmäßigen  Bluträumen  mit  dünnen  Wänden  ond  mit 
Endothel  ausgekleidet,  mehr  weniger  durch  Bindegewebe  getrennt. 
Einzelne  dieser  Räume  waren  mit  einer  homogenen,  hyalinartigen  Sub- 
stanz ausgefüllt.    Das  Epithel  über  der  Geschwulst  war   nur  in  der  Um- 


der  Haatkrankheiten.  471 

gebung  des  Geschwürs  verdickt,  dort  zeigte  es  bedeutende  Wucherung 
und  tief  in  das  unterliegende  Gewebe  eindringende  Fortsätze,  aber  keine 
Nester  oder  Perlen.  Ähnliche  Fälle  von  Mo.  Gregor,  Audry  n.  a. 
werden  kurz  referiert,  unter  Bezugnahme  besonders  auf  die  Arbeiten 
von  St  an  gl  und  Ribbert.  Derartige  Geschwülste  sind  selbständige, 
meist  angeborene  Tumoren,  und  beruhen  nicht  auf  bloßer  Gefißerweiterung 
innerhalb  eines  umschriebenen  Bezirks.  Kach  Bemerkungen  über  Angioma 
der  Haut  und  der  Leber  im  allgemeinen,  glaubt  C,  daß  die  venösen 
Angioma  selbst  keine  Neigung  zur  Bösartigkeit  haben,  aber  daß  das 
darüber  liegende  Epithel  krebsartige  Veränderungen  erfahren  kann  infolge 
des  fortwährenden  Reizes,  den  die  Geschwulst  allein  durch  ihr  Vor- 
handensein ausübt.  H.  G.  Klotz  (New-York). 

HebePi  Packer.  Multiple  hereditary  devel  opmental 
angiomata  (teleangiectases)  of  the  skin  and  mucous  mem- 
branes  associated  with  recurring  haemorrhages.  The  Lancet 
1907.  Juli  20.  p.  160  fi. 

Webers  60jährige  Patientin  hat  glänzend  rote  Angiome,  verteilt 
über  Gesicht,  Ohr,  Lippe,  Mund-  und  Znngenschleimhaut ;  die  meisten 
waren  klein,  dio  größeren  hatten  bis  7  mm  Durchmesser.  Auch  an  den 
Fingern  bestanden  einige  Angiome.  Die  Pat.  war  anämisch;  Zahl  der 
roten  Blutkörperchen  2*8  Millionen,  der  weißen  11350.  An  der  Herzspitze 
war  ein  systolisches  Geräusch.  Sie  leidet  seit  Jahren  an  Anfällen  von 
Nasenbluten.  Die  Mutter  der  Patientin  litt  an  derselben  Afiektion,  ebenso 
drei  Söhne  und  eine  Tochter  derselben.  Die  A£fektion  wurde  zuerst  von 
Osler  (John  Hopkins  Bulletin  1901,  p.  d88)  beschrieben.  Die  weitere 
relativ  spärliche  Literatur  ist  genau  angegeben. 

W.  schließt:  Die  Krankheit  kommt  bei  beiden  Geschlechtern  vor. 
Die  Hämorrbagien  ünden  meist  von  der  Nasensohleimhaut  aus  statt.  Meist 
ist  der  Symptomkomplex  nicht  verbunden  mit  Hämophilie  oder  einer 
Verringerung  der  Gerinnungsfähigkeit  des  Blutes.  Die  kutanen  Angiome 
sind  gewöhnlich  nicht  kongenital,  sondern  treten  im  mittleren  Alter  auf. 
Mit  vorgerückteren  Jahren  nehmen  die  Anämie  und  die  Hämorrbagien 
einen  schwereren  Charakter  an.  Fritz  Juliusberg  (Berlin). 


Buehanzeigen  und  Besprechungen. 


Fiek,  Johannes.  Synonymik  der  Dermatologie.  —  Alfred 
Holder,  Wien  nnd  Leipzig,  1906. 

Das  kleine  Bächlein  verfolgt  einen  äafierst  praktischen  Zweck  und 
erreicht  ihn.  Es  wird  nach  des  Verf.  Absicht  in  der  Hand  solcher,  die, 
mit  der  Nomenklatur  einer  Schule  vertraut,  auf  Studienreisen,  Kon- 
gressen nnd  beim  Literarstndium  auf  Bezeichnungen  stoßen,  die  ihnen 
wenig  geläufig  oder  gelegentlich  einmal  auch  ganz  unbekannt  sind*',  sehr 
gute  Dienste  leisten.  Daß  stellenweise,  wo  dies  erforderlich  war,  in 
wenigen  Worten  die  Charakteristik  noch  nicht  ganz  scharf  umrissener 
Erankheitsbilde  angedeutet,  manche  klinische  Streitfrage  gestreift  wird, 
halte  ich  für  besonders  wertvoll. 


Merzbaeh,  Georg.  Autorisierte  Übersetzung  von  JuHien :  Seltene 
und  weniger  bekannte  Tripperformen.  —  Alfred  Hö  1  der,  Wien 
und  Leipzig,  1907. 

Tn  vorliegendem  Buche  werden  einzelne,  recht  interessante  Kapitel 
von  der  Gonorrhoe  in  einer  der  reichen  Erfahrung  des  Autors  entsprechend 
grundlichen  Weise  erörtert.  Das  erste  Kapitel  ,über  den  modernen 
Standpunkt  in  der  Tripperfrage^  befaßt  sich  im  wesentlichen  mit  der 
Pathogense  und  Klinik  der  gonorrhoischen  Allgemeinerkrankung.  Für 
die  Therapie,  speziell  der  Arthritis  gonorrhoica  wird  der  subkutanen 
Applikation  des  Quecksilbers  und  der  Lichtbilder  nach  Dowsing  Er- 
wähnung getan.  Das  zweite  Kapitel  über  „abweichende  Tripperformen" 
erörtert  eingehend  die  praeurethrale,  buccale  und  nasale  Lokalisation 
des  gonorrhoischeu  Prozesses.  Dem  „Tripper  bei  Kindern^  ist  der  nächste 
Abschnitt  gewidmet.  Unter  dem  Titel  „Tripperähnliche  Erkrankungen ** 
werden  die  nicht  gonorrhoischen  und  nicht  bakteriellen  Urethritiden 
abgehandelt,  endlich  „Gonorrhoische  Ulzerationen"  und  „Tötlich  ver- 
laufende TrippererkrankuDgen*'  besprochen.  Die  den  einzelnen  Kapiteln 
beigefügten  Literaturübersichten  sind  besonders  hervorzuheben. 

Alfred  Kraus  (Prag). 


Bachanzeigen  and  Besprechungen.  4 78 

Istituto  Fototerapieo  annesso  alla  Glinica  dermosi- 
filopatica  di  Firenze.  Resoeonto  dell' anno  1906. Pabl. vom R. Istituto 
di  Studi  superiorii  pratici  e  di  perfczionamento  in  Firenze,  sezione  di 
Medicina  e  Ghirorgia.    Florenz,  1907. 

Angezeigt  von  Dr.  Gostantino  Gurupi  (Prag-Porretta). 

Der  Bericht  des  Florentiner  phototherapeutischen  Institutes  fär  das 
Jahr  1906  zerfallt  in  einen  medizinischen  und  einen  ökonomischen  Abschnitt 
nnd  enthält  außerdem  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der  Phototherapie  von 
Pellizzari,  Radaeli,  Gappelli,  Nenoioni  und  Paoli,  Ga- 
vazzeni  nnd.  Mancini,  über  die  in  diesem  Archiv  an  anderer  Stelle 
berichtet  wird.  Ans  der  vom  ersten  Arzte  des  Institutes,  Luigi  Maz- 
Boni,  zusammengestellten  Stasistik  entnimmt  man,  daß  sowohl  die  Zahl 
der  Patienten  als  auch  der  Applikationen  sich  im  steten  Wachsen  be- 
findet. Im  ganzen  wnrden  in  diesm  Jahre  622  Patienten  mit  11.976  Appli- 
kationen (Finsen  und  Finsen-Reyn,  Lorlet,  Uviol,  difi.  Licht,  Röntgen, 
hohe  Frequenz  und  Radiographie)  behandelt ;  es  waren  dies  Fälle  von : 
Lupus  vulgaris,  Scrophuloderma,  Lupus  erythematodes,  Ekzema,  Seborrhoea, 
Akne,  Impetigo,  Follikulitis,  Sykosis  vulgaris,  Ulcus  rodens,  oberfläohl. 
Epitheliomen,  Pagetscher  Krankheit,  tief.  Epitheliomen,  Krebs,  Sarkom, 
Boubas,  Syphilis  tard.  Lepra,  Ulcus  molle,  postvener.  und  verschiedene 
Adenitiden,  blenorrhag.  Salpingit.,  Ichthyosis,  Favus,  Onychomykose,  Hy- 
pertrichosis,  Psoriasis  und  Sykosis  trychophytio.  Mazzoni  beschreibt 
eingehend  die  angewandte  Technik  und  die  erzielten  Resultate.  Der 
zweite  Arzt  am  Institute  Giovanni  Battista  Prunai  behandelt  in 
einem  Aufsätze  die  hohe  Frequenz.  Das  Institut  ist  mit  einem  vollstän- 
digen Instramentarium  zur  Produktion  und  Anwendung  der  hohen  Frequenz 
und  Spannung  versehen;  damit  wurden  im  ganzen  51  Patienten  und  zwar 
Fälle  von  Seborrhoe  und  consekut.  Alopecia  capillitii,  Akne  und  prurig. 
Ekzem,  Psoriasis,  Area  Gelsi,  Lupus  erythematodes,  nach  Herpes  zoster  aufget. 
Neuritis  und  Leukoplakie  der  Zunge  behandelt.  Applikationen  wnrden  im 
ganzen  1212  vorgenommen ;  Pru  nai  erläutert  ebenfalls  eingehend  die  Tech- 
nik und  das  Ergebnis  dieser  Therapie.  Der  ökonomische  Abschnitt  berichtet 
über  die  finanzielle  Gebarung.  Das  Institut  wurde  durch  die  Spende  einer 
K  r  o  m  e  y  e  rschen  Quecksilberdampflampe  bereichert  GelsoPellizzari 
gebührt  das  Verdienst,  dieses  von  ihm  durch  öffentliche  Subskription  ge- 
gründete Institut,  das  in  Bezug  auf  die  Reichlichkeit  der  Apparate  und 
des  Materials  in  Italien  nicht  seinesgleichen  hat,  auf  die  jetzige  Stufe 
gebrachtjzu  haben.  Dank  seiner  unermüdlichen  Tätigkeit  ist  es  P e  1 1  i z  z ar  i 
gelungen,  das  Institut  zu  einem  Zentrum  wissenschaftlicher  Untersuchungen 
zu  machen  und  durch  zahlreiche  eigene  Arbeiten  und  durch  jene  seiner 
Schüler  das  Gebiet  der  Phototherapie  zu  erweitern. 


V 


ar  1  a. 


Robert  W.  Taylor,  Xew-York,  ist  am  6.  Janoar  1908  infolge 
von  Nephritis  plötzlich  gestorben.  Taylor,  früher  Professor  am  College 
of  Physicians  and  Sargeons  (Columbia  Univ.)  in  New-York,  war  einer 
der  Gründer  der  New- Yorker  und  Amerikanischen  dermatolog^schen 
Gesellschaften  and  hat  nicht  wenig  cor  Entwicklang  der  Dermatologie 
in  den  Vereinigten  Staaten  beigetragen«  Bis  za  seinem  Tode  war 
er  literarisch  t&tig,  namentlich  aaf  dem  Gebiete  der  Syphilis,  deren 
Literatur  er  mit  großem  Fleiße  verfolgte  und  beherrschte.  Außer  sehr 
zahlreichen  Journalartikeln  über  dermatologische  nnd  syphilographische 
Gegenstände  hat  Taylor  anfangs  in  Gemeinschaft  mit  Bamstead, 
später  allein  ein  ausgezeichnetes  Buch  über  venerische  Krankheiten 
geschrieben,  das  später  in  etwas  veränderter  Gestalt  mehrere  Auflagen 
erlebt  hat,  ebenso  ein  Buch  über  sexuelle  Störungen  bei  Männern  und 
Frauen.  Ohne  sich  an  die  Ofifentlichkeit  zu  drängen,  erfreute  sich 
Taylor  großer  Achtung  und  Beliebtheit  bei  seinen  Kollegen^  besonders 
bei  denen,  die  ihn  näher  kannten. 

Dr.  Hermann  G.  Klotz  (New-York). 


Der  lY.  Kongreß  der  deutschen  Röntgen-Gesellschaft 
wird  unter  dem  Vorsitz  vou  H.  Gocht-Halle  a.  S.  am  Sonntag,  den 
26.  April  1908,  im  Langenbeckhaus  in  Berlin  stattfinden.  Allgemeines 
Thema:  Der  Wert  der  Röntgenuntersuchungen  für  die  Frühdiagnose  der 
Lungentuberkulose.  (Referenten:  Rieder- München  und  Krause- Jena.) 
Mit  dem  Kongreß  wird  eine  Röhrenausstellung  vorwiegend  historischen 
Charakters  verbunden  sein.  Anmeldungen  für  Vorträge,  Demonstrationen  usw. 
sind  an  den  Schriftführer  der  Gesellschaft,  Herrn  Dr.  Immelmann, 
Lfitzowstraße  72,  Berlin  W.  35,  zu  richten. 


Der  lY.  internationale  Kongreß  für  medizinische  Elek- 
trizität  sichre  und  Radiologie  wird  in  Amsterdam  vom 
1.  bis  5.  September  1908  tagen.  Das  Programm  enthält  Themata 
aus  der:  Elektrophysiologie  und  Elektropathologie,  Elektrodiagnostik  und 
Elektrotherapie,  Röntgendiagnostik  und  Röntgentherapie,  ferner  aus  dem 
Gebiet  der  verschiedenen  Strahl ungserscheinungen  und  der  medizinischen 
Elektrotechnik.  Gelegentlich  des  Kongresses  wird  eine  Aasstellong  von  Appa- 
raten und  Neuerungen  für  klinische  und  Laboratoriumzwecke  sowie  wichtiger 
Röntgenogrammen  abgebalten  werden.  Der  Kongreß  und  die  Ausstellung 


Varia.  475 

werden  in  der  Universität  stattfinden.  Jeder,  der  sich  für  die  Ent- 
wicklung der  elektro-biologischen  und  radiologischen  Wissenschaften 
interessiert,  kann  dem  Kongreß  durch  Subskription  beitreten.  Der  Preis 
der  Mitgliedskarten  beträgt  21  M.  Wer  dem  Kongresse  beizutreten 
wünscht,  wird  gebeten,  den  Subskriptionszettel  sowie  den  Betrag  der 
Subskription  dem  Schrift-  oder  Kassenführer  zuzuschicken.  Die  Kongreß- 
Sprachen  sind  deutsch,  englisch  und  französisch.  Den  Referenten  stehen 
80  Minuten  zur  Verfügung.  Für  die  Mitteilungen  werden  16  Minuten 
gewährt,  während  für  die  Diskussion  jedem  Redner  5  Minuten  gestattet 
sind.  Die  Mitglieder  des  Kongresses,  welche  an  der  Diskussion  teil- 
nehmen, werden  ersucht,  den  Inhalt  ihrer  Mitteilung  am  Ende  jeder 
Sitzung  dem  Schriftführer  schriftlich  einzuhändigen. 

Der  Ausschuß: 

Prof.  Dr.  J.  K.  A.  Wertheim   Salomonson,  Vorsitzender. 

Dr.  J.  6.  G  0  h  1 ,    Dr.  F.  S.  M  e  i j  e  r  s ,    Schriftführer    und  Kassenführer. 


Lassars  Dermatologisehe  Klinik.  Die  Herren  Dr.  Hermann 
Isaac  und  Dr.  Martin  Friedländer,  frühere  langjährige  Assistenten 
der  Klinik,  haben  die  Weiterfuhrung  derselben  übernommen. 

Lassars  Dermatologisehe  Zeitschrift.  Herr  Prof.  E.  Hoff  mann 
in  Berlin  hat  die  Redaktion  des  Blattes  übernommen. 

Personalien.  Herr  Dr.  W.  Harttung^  Primararzt  der  Haut- 
abteilang  am  Allerheiligen-Hospital  in  Breslau,  sowie  die  Herren  Privat- 
dozenten  Dr.  K.  Bruhns,  leitender  Arzt  am  Charlottenburger  Kranken- 
hause und  Dr.  A.  Buschke,  leitender  Arzt  am  Rudolf  Virchow-Kranken- 
hanse  in  Berlin,  haben  den  Titel  Professor  erhalten. 

Herr  Dr.  Freiherr  Axel  Gedercreutz  ist  zum  Dozenten  für  Der- 
matologie und  Syphilidologie  an  der  Universität  in  Helsingfors  (Fin- 
land)  ernannt  worden. 

Herr  Dr.  Franz  Poor  (Budapest)  hat  sich  als  Privatdozent  für 
Dermatologie  habilitiert. 


476  Nekrolog. 


Thomas  Mc.  Call  Anderson,  Glasgow. 


Am  25.  Januar  1908  starb  plötslich  auf  dem  Heimwege  von  einem 
Jahresbankette  der  Glasgow  Ayrshire  Society,  wo  er  noch  soeben  den 
Toast  anf  den  Pr&sidenten  ausgebracht  hatte,  Mc.  Call  Anderson,  der 
diesem  Archiv  seit  seiner  Begründung  angehörte. 

Er  war  1836  in  Glasgow  geboren  und  entstammte  einer  durch 
mehrere  Mitglieder  schon  mit  der  Glasgower  Uniyersit&t  yerknüpften 
Familie.  Er  studierte  dort  und  promovierte  1858,  hielt  sich  dann  längere 
Zeit  in  Wien  auf  und  ließ  sich  nach  seiner  Rückkehr  von  einer  größeren 
Reise  dann  in  Glasgow  nieder,  wo  er  zunächst  Arzt  an  dem  Glasgow 
Royal  Infirmary  und  1874  Professor  der  klinischen  Medizin  an  der  Uni- 
versität wurde.  Bald  wurde  er  ein  sehr  beliebter  Lehrer  und  vielfach 
konsultierter  Arzt.  Neben  dieser  Betätigung  in  allgemeiner  Praxis  gehörte 
aber  seine  Neigung  vorwiegend  der  Dermatologie.  Schon  in  frühen  Jahren 
begründete  er  das  Glasgow  Hospital  und  Dispensary  für  Hautkrankheiten, 
wo  er  bis  an  sein  Lebensende  sehr  tätig  war.  Von  seinen  literarischen 
Werken  sind  neben  zahlreichen  Arbeiten  allgemein  medizinischen  Inhaltes 
hervorzuheben  seine  Handbücher  über  Hautkrankheiten  und  syphilitische 
Affektionen  des  Nervensystems,  über  parasitäre  Hautaffektionen,  über 
Ekzem,  über  Psoriasis  und  Lepra  etc. 

Seine  Tätigkeit  als  Lehrer  und  Arzt  fand  vielfache  Anerkennung. 
1900  wurde  ihm  als  Nachfolger  Gairdners  die  Lehrkanzel  der  prak- 
tischen Medizin  verliehen,  mit  welcher  stiftungsgemäß  die  Benützung 
eines  der  Lupschen  Häuser  verknüpft  fst,  die  im  Grarten  des  prachtvollen 
üniversitätsgebäudes  von  Glasgow  stehen.  1905  wurde  er  in  den  Ritter- 
stand erhoben  und  erst  noch  voriges  Jahr  zum  Ehrenleibarzt  des  Königs 
ernannt.  A.  nahm  es  bis  an  sein  Lebensende  sehr  ernst  mit  seinen  Lehr- 
verpflichtungen und  es  wird  allgemein  ihm  zugeschrieben,  daß  die  von  der 
Glasgower  Universität  kommenden  Praktiker  auch  eine  gründliche  dermato- 
logische Ausbildung  erfuhren.  Sein  Tod  erfolgte  an  einem  Samstag  Abends 
an  Herzschwäche.  Am  nächsten  Montag  Früh  fand  man  die  Hauptpunkte 
der  von  ihm  beabsichtigten  Vorlesung  über  Gehirnblutung,  von  seiner 
eigenen  Hand  geschrieben,  an  der  Tafel  des  Hörsaales. 

Mit  seinen  Hinterbliebenen,  seiner  Frau,  einem  Sohne  und  fünf 
Töchtern,  denen  die  Redaktion  ihr  herzliches  Beileid  ausspricht,  trauern 
die  zahlreichen  Verehrer  dieser  bedeutenden  Persönlichkeit. 

Die  Redaktion. 


1 


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